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THE LIBRARY
+EGENBAURS-
MORPHOLOGISCHES JAHRBUCH
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EINE ZEITSCHRIFT
ANATOMIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE
HERAUSGEGEBEN
VON
GEORG RUGE
PROFESSOR IN ZÜRICH
EINUNDVIERZIGSTER BAND
MIT 325 FIGUREN IM TEXT UND 14 TAFELN
LEIPZIG
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN
1910
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Inhalt des Einundvierzigsten Bandes
Erstes und Zweites Heft.
Ausgegeben am 17. Mai 1910. Seite
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. Von Georg
Base Mit.6b.Bicuren im Text) 2" .2.. 2. a0 er 2
Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen am Schä-
del, über die Venae cerebri und die Pacchionischen Granulationen
bei den Primaten. Von H. Bluntschli. (Mit 16 Figuren im Text
EEE CE) Di RE se re ee 110
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia, In-
sectivora, Edentata, Prosimiae und Simiae. Von Erna Glaesmer.
(Mit 36 Biguren im: Text und Tafel HIV) : ... 1. 2 ern. 149
Neue Mitteilungen über die Sternalis-Fragee Von Georg Ruge. (Mit
Br Bea) 4 Da ee ee ta 337
Drittes Heft.
Ausgegeben am 2. August 1910.
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane der Beutel-
tiere. Von A. J. P.v. d.Broek. (Mit 52 Figuren im Text und Ta-
TE NE. x 2.8.5, 2 ae Fe 347
Entwicklung und Bau des Urogenital- Apparates der Beutler und dessen
Verhältnis zu diesen Organen andrer Säuger und niederer Wirbeltiere.
Von A.J.P.v.d. Broek. (Mit 7 Figuren im Text und Tafel VII) . 437
Die Kopfregion der Amnioten. Morphogenetische Studien. (5. Fortsetzung)
Be ersehen... Br a er 469
Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. Von Karl
Thäter. (Mit 35 Figuren im Text und Tafel VIII und IX) 471
IV
Viertes Heft.
Ausgegeben am 11. Oktober 1910. Seite
Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen —
»Achselbogen«e. Von Georg Ruge. (Mit 2 Figuren im Text)... . 519
Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi an Achselbogenbildungen
beim Menschen. Von H.Bluntschli. (Mit 8 Figuren im Text) . . 539
Eitudes sur les variöt6s de la colonne vertebrale Von G.P. Frets. Avec
4 Figures dans le texte et Planche X et XI...... . 508
Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des manch Earl
Von W. Felix. Mit 22 Figuren im Text. .... :. » rem 577
Die Kopfregion der Amnioten. Morphogenetische Studien. (6. Fortsetzung)
Von A. Fleischmann. .. . . 615
Die embryonale ME ornhonB Ser p Br siognomie N, de Minds
höhle des Katzenkopfes. Von E. H. Pohlmann. Mit
40 Figuren im Text und Tafel XU—XIV....... . 617
Über den Begriff »Gaumen«. Kritische Betrachtungen. Von
A. Fleischmann. Mit 27 Figuren im Text ..... 681
Verbindungen des Platysma mit der tiefen Muskulatur des Halses beim
Menschen. Von Georg Ruge. Mit 9 Figuren im Text... ... . 708
ma Finschie: g he Vmscninswerialinu tteten: a: zuechlusunen "2
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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und
des Menschen.
Von
Georg Ruge.
Mit 66 Figuren im Text.
Grenzen der Pleura-Säcke.
Die Ausdehnung der Pleura-Säcke ist durch diejenigen Stellen
bestimmt, an welchen die verschiedenen Abschnitte der Pleura
parietalis zusammentreffen, wo der eine Abschnitt in den andern
sich umschlägt. Diese Umschlagsstellen treten in geschlossenen
Linien auf; sie sind die Grenzlinien der Pleura-Säcke. Es lassen
sich jederseits deren vier unterscheiden:
1. VertebraleGrenzlinie. Sie bildet die Übergangsstelle des
costo-vertebralen Blattes in das mediastinale Pleura-Blatt und liegt zur
Seite der thoracalen Wirbel. Oben setzt sie sich zur Pleura-Kuppel
und von ihr in die sternale Grenzlinie fort. Unten geht sie einer-
seits in die costale, andrerseits in die mediastinale Grenzlinie über.
2. Sternale Grenzlinie. Sie entspricht der Umschlagsstelle
des costo-sternalen in das mediastinale Pleura-Blatt, liegt hinter dem
Brustbeine oder bei lateraler Verschiebung hinter den Knorpel-
stücken sterpaler Rippen. Die sternale Natur der Grenzlinie ändert
sich in letzterem Falle in eine sterno-costale um. Abdominalwärts
ist sie in der Nähe des Schwertfortsatzes einerseits in die costale,
andrerseits in die mediastinale Grenzlinie fortgesetzt.
3. Costale Grenzlinie. Sie fällt mit der Umschlagsstelle
der Pleura costalis in die Pleura diaphragmatica zusammen; sie liegt
hinter den Knorpelspangen der letzten Sternalrippen und der frei
endigenden Rippen, und zwar oberhalb des costalen Zwerchfell-
Morpholog. Jahrbuch. 41. 1
2) Georg Ruge
Ursprunges. Hinter dem Brustbeine gehen sternale sowie media-
stinale Grenzlinien in sie über. Dorsal setzt sie sich in die verte-
brale und in die mediastinale Grenzlinie fort.
4. Mediastinale Grenzlinie. Sie kommt durch den Über-
gang der Pleura mediastinalis in die Pleura diaphragmatica zustande.
Dorso-ventral gestellt, ist sie an das Zwerchfell gebunden. Hinter
dem unteren Brustbein-Absehnitte geht sie in die sternale und in die
costale, vor der Wirbelsäule in die eostale und die vertebrale Grenz-
linie über.
Sternale und costale Grenzlinien liegen der Innenfläche der
vorderen, seitlichen und hinteren Wandung des Brustkorbes an. Sie
besitzen engere Beziehungen zueinander, indem die sternale Grenz-
linie durch laterale Verlagerung einen unmittelbaren Übergang in
die eostale Grenzlinie vermitteln kann. Wenn aus einem solchen
Befunde eine mehr einheitliche, sterno-costale Grenzlinie sich ein-
stellt, so bleibt doch die Abgrenzung der einen von der andern
Grenzlinie durch die kennzeichnenden Übergänge der angegebenen
Pleura-Abschnitte ineinander erhalten. Da die sternale Grenzlinie
durch seitliche Verschiebung hinter die Knorpelspangen der Sternal-
rippen zu liegen kommen kann, so ist die Bezeichnung sternal für
sie in diesem Falle nieht ganz zutreffend, bleibt aber die zweck-
mäßigste und einfachste. Die Beibehaltung der Bezeichnung läßt
sich insofern rechtfertigen, als nur die sternalen Rippen die Lage-
beziehungen zur sternalen Grenzlinie übernehmen können. Darin
besteht ein grundsätzlicher Unterschied zur costalen Grenzlinie,
welche hauptsächlich hinter den asternalen Rippen gelagert ist.
Morphologische Bedeutung der Grenzlinien der Pleura-
Säcke.
1. Vertebrale und sternale Grenzlinie bringen die Ausdehnung
der Pleura-Säcke dorsal und ventral in eranio-caudaler Richtung
zum Ausdrucke. Die eranialen Endpunkte beider Grenzlinien be-
wahren wegen der unveränderlichen metameren Lage der 1. Rippe
und der allem größeren Wechsel entzogenen Halsgegend eine große
Gleichartigkeit. Desgleichen bleiben die vertebralen Grenzlinien
vor der Wirbelsäule, auch zugleich wegen ihrer Lagebeziehung zur
Aorta und zur Speiseröhre jeder nennenswerten Veränderung ent-
zogen. Die caudalen Enden beider Grenzlinien unterliegen indessen
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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 3
dem größten Wechsel; sie bilden demgemäß auch den Schwerpunkt
bei der Beurteilung der gestaltungsreichen Verhältnisse. Der Ur-
sprung des Zwerchfelles steht in Wechselbeziehung zum Höhenstande
beider Endpunkte.
2. Die beiderseitigen vertebralen und sternalen Linien be-
zeichnen die Annäherung der Pleura-Säcke gegen die Mittellinie,
demnach dorsale und ventrale Breite des Mittelfell-Raumes.
3. Die caudale Ausdehnung der Pleura-Säcke am vorderen,
seitlichen und hinteren Umfange des Brustkorbes wird durch die
costale Grenzlinie bestimmt.
4. Die verschiedenartige Annäherung der Pleura-Säcke über
dem Zwerchfelle wird durch beide sagittal gestellte mediastinale
Grenzlinien angegeben. Sie bestimmen die Breite des Mittelfell-
Raumes über dem Zwerchfelle.
5. Aus der Lage der Pleura-Grenzen läßt sich ein annähernd
zutreffendes Bild von der Ausdehnung der Lungen entwerfen. Der
Wechsel in der Höhe derselben wird durch die costale Grenzlinie
ziemlich genau angegeben, da der untere Rand der Lunge von ihr
nur durch den Sinus costo-phrenieus entfernt bleibt, die Lungen-
spitze aber über das Köpfchen der 1. Rippe nicht emporzuragen pflegt.
Die Breite der Lungen kann jederseits durch die Lage der
sternalen Grenzlinie bestimmt werden; denn die vorderen Lungen-
ränder stoßen in der Regel bis an sie heran. Ein Sinus costo-
mediastinalis, welcher das Zusammentreffen vom vorderen Rande
der Lunge mit der sternalen Grenzlinie aufhebt, stellt sich erst
nach der Verwachsung des Herzbeutels mit der vorderen Wand des
Brustkorbes ein.
6. Die mediastinalen Grenzlinien gestatten Rückschlüsse auf
die Ausdehnung der Lungen gegeneinander, sowie auf die Breite des
Mittelfell-Raumes über dem Zwerchfell. Ferner bringen sie die
Form des mediastinalen Teiles des unteren Lungenrandes zum
Ausdruck.
Eine wichtige Rolle spielt hierbei der Lobus subpericardiacus
der rechten Lunge, welcher als medialer Fortsatz gegen die linke
Lunge ragt und dadurch eine nischenförmige Aussackung an der
rechten mediastinalen Grenzlinie hinterläßt.
Die Organe, welche das Zwerchfell durchbohren, stehen in
regelmäßiger Beziehung zur mediastinalen Grenzlinie. Untere Hohl-
vene und Speiseröhre werden von Bedeutung, insofern sie ventral
1*
4 Georg Ruge
und dorsal die Eingangspforte in die Nische für den subpericardialen
Lungenlappen markieren.
7. Die Lage des Herzbeutels, mithin des Herzens zum Zwerch-
felle wird aus den mediastinalen Grenzlinien ablesbar. Berühren
sich die beiderseitigen Linien, so muß der Herzbeutel vom Zwerch-
felle entfernt sein. Mit der Verwachsung letzterer treten die Grenz-
linien auseinander. Mit diesem Vorgange geht die Rückbildung
des subpericardialen Lungenlappens Hand in Hand; es verödet der
nischenförmige Raum für ihn, dessen Reste zwischen den Pfeilern
der Eingangspforte, d. i. unterer Hohlvene und Speiseröhre, sich
erhalten können.
8. Eine größere Anzahl anatomischer Einrichtungen an den
Organen der Brusthöhle läßt sich daher aus dem Verhalten der
Pleura-Grenzlinien unmittelbar ablesen. Der Wechsel an ihnen er-
laubt Rückschlüsse auf die Wandlungen an den Brustorganen, da
die Korrelationen auch während des fortschreitenden Umbildungs-
vorganges erhalten bleiben. Sofern sich die Wandlungen auf Ver-
änderungen der Durchmesser der Lunge, der Lagerung des Her-
zens und auf die Rückbildung des Lobus subpericardiacus beziehen,
so stehen sie insgesamt unter dem unmittelbaren Einflusse der Um-
gestaltung am Rumpfe, insonderheit am Brustkorbe.
In aufsteigender Reihe büßt der Rumpf stetig Segmente am
thoraco-lumbalen Abschnitte ein, indem das Kreuzbein in eranialer
Richtung sich verschiebt. Der Brustkorb wird durch Rückbildung
unterer Rippen gleichzeitig ebenfalls ärmer an Segmenten. Sein
Umfang nimmt dabei in der Breite zu. Die von ihm umschlossenen
Organe erfahren die oben angeführten Bau- und Lageveränderungen,
welche aus den Pleura-Grenzen erschlossen werden. Ein Vergleich
der Grenzlinien erlaubt daher bis zu einem hohen Grade Rück-
schlüsse auf Zustände am Rumpfe und Brustkorbe, welche Folge-
erscheinungen einer metameren Verkürzung des Rumpfes sind.
Die Umgestaltungen an den Grenzen der Pleura-Säcke voll-
ziehen sich bei den Primaten im ganzen in aufsteigender Reihe;
jedoch in der Weise, daß die fortschrittliehen Vorgänge innerhalb
der einzelnen Gruppen selbständig je nur bis zu einem gewissen
Maße gefördert werden, um bei einer höher stehenden Abteilung
aufs neue, in der Regel aber bei einem differenteren Zustande einzu-
setzen und dann höhere Grade der Umwandlung zu erzielen. "Eine
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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 5
Reihe von Umwandlungen einfacherer Art läßt sich bei den Halb-
affen feststellen. Potenzierungen von Neugestaltungen sind bei
den Affen und beim Menschen nachzuweisen.
Auf diese Weise stellt sich bei den Halbaffen eine selbständige
Entwicklungsreihe ein. Eine solche wird dann bei den Hylobatiden
und bei den Anthropomorphen wieder angetroffen. Diese Tatsachen
sind so zu verstehen, daß für eine jede Gruppe eine Urform mit
indifferenten Eigenschaften anzunehmen ist, deren viele Descendenten
sich verschieden weit von ihr entfernt haben. Es handelt sich dabei
oft um gleichlautende, konvergente Erscheinungen, welche es nicht
gestatten, einen stark abgeänderten Befund bei Halbaffen ohne
weiteres auf einen ähnlichen bei höher stehenden Primaten zu be-
ziehen. Ja, selbst ein hochentwickelter Aylobates-Befund darf z. B.
nicht ohne weiteres als Ausgangspunkt für die Verhältnisse bei Anthro-
pomorphen oder beim Menschen hingenommen werden. Bei der
Bestimmung verwandtschaftlicher Beziehungen läßt sich innerhalb
enger umgrenzter Gruppen wohl für eine jede Art die Stellung
am Stammbaume einigermaßen nach der vorliegenden anatomischen
Besonderheit feststellen. Will man aber die verwandtschaftliche
Stellung der Vertreter mehrerer größerer Gruppen zueinander er-
gründen, so wird man doch immer auf die schwierige Aufgabe hin-
gewiesen, zunächst die Verwandtschaftlichkeit dieser Gruppen festzu-
stellen, in welchen die konvergenten Umänderungen auftreten können.
Die Reichhaltigkeit an Tatsachen auf dem Gebiete der Grenzen
der Pleura-Säcke und der wechselweise an Nachbarorganen auf-
tretenden Umwandlungen gestattet manchen klaren Einblick in die
äußerst schwer zu ergründende verwandtschaftliche Stellung der re-
centen Organismen zueinander.
Um die beim Vergleiche sich ergebenden Eigenheiten deutlichst
hervortreten zu lassen, empfiehlt es sich, die einzelnen Grenzlinien
je für sich durch die ganze Primatenreihe zur Darstellung zu bringen.
1. Vertebrale Grenzlinie.
Ihr oberes Ende fällt mit der Kuppel des Pleura-Sackes zu-
sammen; es befindet sich bei allen Primaten an der Grenze zwischen
cervicalem und thoracalem Teil der Wirbelsäule und liegt vor dem
Köpfehen der 1. Rippe oder in dessen Nähe. Die Gleichartig-
keit in der eranialen Ausdehnung der vertebralen Grenzlinie hängt
6 Georg Ruge
von der Fixation eintöniger Zustände der Gliederung des Hals-
abschnittes der Wirbelsäule ab.
Das untere Ende der Grenzlinie unterliegt den größten Schwan-
kungen. Sie stehen in nächster Wechselbeziehung zur sich ändernden
Anzahl der Rippen, also zum metameren Aufbau des Brustkorbes.
Sehr häufig dehnt sich die Grenzlinie bis zum Köpfchen der letzten
Rippe aus; sie kann aber weit in die Lendengegend herabreichen,
indem die Rippen sich hier rückbildeten, ohne eine gleichzeitige
craniale Verschiebung der Pleura-Säcke nach sich gezogen zu haben.
Organismen mit einer großen Anzahl von Rippen gelten unter den
Primaten als niedriger stehend als diejenigen mit einer geringeren
Rippenzahl. Die Einbuße von Rippen hat eine Verschiebung des
unteren Endes der Grenzlinie in eranialer Richtung zur Folge.
Treffen beide Erscheinungen nun auch in der Regel zusammen, so
kann die eraniale Verschiebung des unteren Grenzlinienendes sich
doch zuweilen verzögern. Es wird dann in der Höhe eines Lenden-
wirbels angetroffen, welcher seine Rippe eingebüßt hat. Die ver-
tebrale Grenzlinie bestreicht in diesem Falle den thoraco-lumbalen
Abschnitt der Wirbelsäule. Andrerseits kann die craniale Ver-
schiebung des unteren Endes der Grenzlinie der Rückbildung von
Rippen vorausgeeilt sein. Die Grenzlinie endigt in diesem Falle
etwa vor dem Köpfchen einer der unteren Rippen; sie bleibt auf
den thoracalen Abschnitt der Wirbelsäule beschränkt.
Der Grad der Indifferenz hängt also im Gebiete der verte-
bralen Grenzlinie von deren caudalem Tiefstande ab und ist auf
dem Wege des Vergleiches durchweg mit Sicherheit festzustellen.
a. Halbaffen.
Stand des oberen Endes der Grenzlinie.
Er befindet sich in der Regel in der Höhe des 1. Thoracal-
wirbels, zuweilen caudal vom Köpfchen der 1. Rippe. Von ihm aus
geht die Grenzlinie über die Kuppe der Pleura ventralwärts zur
1. Rippe über, wo sie in die sternale Grenzlinie fortgesetzt ist.
Die Pleura-Kuppel kann eine kleine Strecke weit in die Halsgegend
hineinragen.
Stand des unteren Endes der Grenzlinie.
Der Höhenstand wechselt bei den hierauf untersuchten Tieren
innerhalb der Grenzen von drei Wirbeln. Bei Nyeticebus tardigradus
liegt das caudale Ende der Grenzlinie vor der Wirbelbandscheibe
In ED
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 7
zwischen 16. und 17. thoraco-lumbalem Wirbel, bei Lemur macaco
vor dem eranialen Rande des 14. Wirbels.
Individuelle Schwankungen sind bei Nyceticebus aufgefunden
worden. Der Höhenstand verschiebt sich um einen Wirbel.
Wenn das beiderseitige Verhalten ungleich ist, so wird der
Höhenstand auf der rechten Körperhälfte in ursprünglicher Weise
weiter caudalwärts als auf der linken Hälfte angetroffen. Der Unter-
schied betrifft höchstens eine halbe Wirbellänge.
Die rein thoracale Lage der vertebralen Grenzlinie ist nur
an einem Falle von Nyeticebus (Fig. 1, 1, b) ausgesprochen. Eine
thoraco-lumbale Ausdehnung liegt bei einem andern Exemplar
von Nyeticebus sowie bei allen übrigen Halbaffen vor. Diese Er-
scheinungen fallen mit der Tatsache zusammen, daß Nycticebus
als höchste Anzahl thoracaler Wirbel 17 besitzt, daß die Zahl bei
den andern Formen aber bis auf 12 vermindert ist. Die lum-
bale Strecke der Grenzlinie dehnt sich aus bei
Nycticebus (b) mit 16 Rippen über 1/g Wirbel, bei
Chiromys = 2 - B 3 - -
Galago u - EWR -
Lemur m 1 pe - 1!%—2 - und bei
Avahis - 22 - - 1/, Wirbel.
Die Ausschaltung von Rippen ist der eranialen Verschiebung
des eaudalen Endes der Grenzlinie bei diesen Formen vorausgeeilt.
Die Pleura-Grenze ist bei der Umwandlung des Rumpfes konser-
vativer als das benachbarte Skelet. Das hat zur Folge, daß die Pleura-
Säcke über Strecken des Achsenskeletes sich ausdehnen, welche die
Zugehörigkeit zum knöchernen Brustkorbe längst verloren haben.
Nach der verschiedenen Ausdehnung der vertebralen Grenzlinie
in eaudaler Richtung reihen sich die untersuchten Formen in der
folgenden, tabellarisch geordneten Weise aneinander.
Höhenstand des caudalen Endes der verte- | Zahl der Wirbel:
meipatton bralen Grenzlinie, nach der Zahl der thoraco- der
lumbalen Wirbel bezeichnet lum- |thor.-
| rechts | links thoracalen balen|lumb.
. Nyeticebus
a) trächtiges ©. . . | 17.—16. 17.—16. 16 21123
SR, Er 16.—15. 158 16 1125
. Loris graeilis .... 16. 16.—15. 15 8 | 23
. Peridietus Potto. . . . ir 16 TAN 23
. Chiromys madagascar. . 16.—15. 16.—15. 41217119
. Tarsius speetrum . . . 15. 15. 13 6 19
. Galago senegalensis . . 14. 14. | 13 6| 19
. Avahis lamiger . . . . 14.| 14.—13. 12| 8 | 20
Lemur macaco . . | 14. 14 12} 7,19
8 Georg Ruge
Die Figur 1 gewährt einen raschen Überblick über den Höhen-
stand des eaudalen Endes der Grenzlinie bei den verschiedenen
Halbaffen. Durch die Einfügung der letzten Kippe wird zugleich
die Größe des von der Pleura bestrichenen, lumbalen Feldes, nach
der Zahl von Wirbeln bemessen, erkennbar. Die schematische
Figur erläutert die Verschiebung der caudalen Grenzen von Brust-
korb und Pleura-Säcken bei den Halbaffen.
Fig. 1.
Nycticebus. Peridicticus. Loris. Chiromys. Tursius. Galago,. Lemur.
b
Schematische Darstellung der caudalen Ausdehnung der vertebralen Grenzlinie der Pleura-Säcke bei
Halbaffen. Durch die letzte Rippe und die Grenzlinie wird die nach der Wirbelzahi bemessene Höhe
der lumbalen Strecke der Pleura-Säcke erkennbar.
b. Affen.
Oberes Ende der Grenzlinie. Es liegt an der Stelle, wo
die Pleura kuppelförmig über die Lungenspitze ventralwärts zieht,
die Beziehung zur dorsalen Brustkorbwand aufgebend. Es fällt in
der Regel mit dem Köpfehen der 1. Rippe zusammen.
Bei einem Macacus cynomolgus blieb das obere Ende vom
Köpfehen der 1. Rippe entfernt, was auch bei einigen Halbaffen
beobachtet wurde.
Die Kuppel der Pleura ragt über das Köpfchen der 1. Rippe
in nennenswerter Weise niemals hinaus. Ihr höchster Punkt liegt
meistens in der Nähe des Rippenköpfcehens, also dorsalwärts. Die
Grenzlinie der Kuppel folgt eine Strecke weit dem Körper der
1. Rippe. Die Kuppel erhebt sich eranialwärts beträchtlich über
den Sternalteil des Einganges in den Brustkorb, was aus der starken
ventralen Neigung der 1. Rippe sich herleitet. Sie fügt sich lateral
der Innenfläche der Musculi scaleni an. Die bildlichen Darstellungen,
bezüglich der Pleura-Grenzen schematisch gehalten, sind den an-
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9
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen.
gegebenen Verhältnissen gemäß zu verstehen. So entspricht z. B.
auf Fig. 34b die höchst gelegene Stelle des Pleura-Sackes dem
oberen Ende der vertebralen Grenzlinie.
Das gleiche Verhalten wird bei allen Affen, die Anthropomorphen
inbegriffen, angetroffen.
Caudales Ende der vertebralen Grenzlinie.
In Übereinstimmung mit der metameren Verkürzung des thoraco-
lumbalen Abschnittes der Wirbelsäule vollzieht sich auch bei den
Affen eine allmähliche Verschiebung der caudalen Endpunkte der
vertebralen Grenzlinien. Fallen beide Vorgänge auch oft zusammen,
so kann die Ausdehnung der Pleura-Säcke sich doch bis in die
Lende hinein erhalten; während Rippen an diesen Stellen ver-
schwunden sind. Umgekehrt kann das Ende der vertebralen Grenz-
linie eranial vom unteren Rande der letzten Rippe gelegen sein. Es
besteht demgemäß nur eine allgemeine, aber keine genaue Ab-
hängigkeit der Ausdehnung der Pleura-Höhlen von der metameren
Zusammensetzung des thoraco-lumbalen Abschnittes des Achsen-
skeletes. Immerhin besitzen wir im Zusammenhalten beider Er-
scheinungen einen genauen Maßstab für das Ordnen aller Grenz-
linienbefunde zu einer natürlichen Reihe.
Verschiedenheiten werden bei den Arten derselben Gat-
tung sowie bei den Individuen derselben Art angetroffen. Außer-
dem stellen sich ungleiche Befunde zuweilen an beiden Körper-
hälften eines Individuums ein. Die Breite der Schwankungen hier
und dort kann erst allmählich, wenn eine grö-
ßere Reichhaltigkeit an Tatsachen vorliegt, be-
stimmt werden. Istaus ihnen einmal der Mittelwert
allenthalben erschlossen, so wird der Überblick
über den Entwicklungsvorgang der sich verschie-
benden Grenzlinien innerhalb des ganzen Stam-
mes wesentlich erleichtert sein. Bekannt gewor-
dene Schwankungen innerhalb der einzelnen
Fig. 2.
Ateles.
schreitende Cranialverschiebung der vertebralen
Grenzlinien im gesamten Simier-Stamme nicht
Caudale Ausdehnung der
zu verdecken vermögen.
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1. Platyrrhina.
Ateles paniscus (Fig. 2). Das Ende der Grenz-
linie befindet sich linkerseits zwischen 16. und
vertebralen Pleura-Grenz-
linie bei Ateles paniscus.
Schematisch - asymmetri-
scher Höhenstand. Gro-
Bes lumbales Feld der
Pleura-Säcke.
10 Georg Ruge
15., rechts vor der Mitte des 15. thoraco-Jumbalen Wirbels. Da
14 Rippen bestehen, so liegt eine thoraco-Jumbale Grenzlinie vor,
deren lumbale Strecke links die Höhe eines ganzen, rechts die eines
halben Wirbels beträgt.
2. Katharrhina.
Papio mormon. Die Grenzlinie endigt bei einem Tiere zwischen
15. und 14., bei einem andern rechts vor der Mitte des 14. und
links vor dem cranialen Rande des 14., bei Papio sphinz rechts
Fig. 3.
Papio mormon. P. sphinz.
1. 2.
Caudale Ausdehnung der vertebralen Pleura-Grenzlinie bei Papio mormon und P. sphinz. Schema-
tisch. Symmetrischer und asymmetrischer Höhenstand. Großes und kleines, lumbales Feld der
Pleura-Säcke.
vor dem cranialen Rande des 14. und links zwischen 14. und 13.
thoraco-lumbalem Wirbel (Fig. 3).
Es bestehen bei allen drei Formen 13 Rippen. Die Grenzlinie
bestreicht bei Mormon demnach die Lende in einer und einer halben
Wirbelhöhe; während sie bei Sphinz ungefähr mit dem unteren
Rande des Brustkorbes zusammenfällt. Das Tier mit der größten
Ausdehnung der Pleura-Säcke über die Lende besitzt 20, das mit
der geringeren Ausdehnung nur 19 und das mit der geringsten nur
18 thoraco-lumbale Wirbel.
Die größere Zahl präsacraler Wirbel fällt mit der beträchtlicheren
Ausdehnung der Grenzlinie über der Lendengegend zusammmen.
Macacus radiatus (Fig. 4). Der ursprünglichste Befund bei drei
Tieren zeigt das Ende der Grenzlinie vor dem oberen Viertel des
15., der meist abgeänderte Befund vor der Mitte des 13. thoraco-
lumbalen Wirbels. Der Bestand von 12 Rippen läßt an der Grenz-
inie einen Lendenabschnitt von 2 bis !/, Wirbelhöhe unterscheiden-
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 11
Die größere Zahl präsacraler (19 thor.-lumb.) Wirbel fällt hier
mit der weiteren cranialen Verschiebung der Pleura-Säcke zusam-
men. Die Verminderung der Wirbel um einen (18. thor.-lumb.) koinzi-
diert mit dem ursprünglichen Verhalten an der Pleura.
Macacus sinicus verhält sich sehr ähnlich wie Macacus radiatus b.
Fig. 4.
Macacus I
a
I
ni:
(ang
Hr
13. f
14. \
h m
Die bei drei Exemplaren von Macacus radiatus ausgesprochene Verschiedenheit des Höhenstandes
am Caudalende der vertebralen Grenzlinie. Schematisch. Die Schwankung beträgt zwei Wirbel-
höhen; sie beeinflußt die Höhe des lumbalen Feldes der Pleura-Säcke.
Macacus eynomolgus (Fig. 5). Der Höhenstand des Endes der
Grenzlinie schwankt bei fünf Tieren nur um einen Wirbel. Er wird
im ursprünglichsten Falle zwischen 14. und 13., im differentesten
zwischen 13. und 12. thoraeo-lumbalen Wirbel gefunden.
Bei einem Exemplare mit 13 Rippen fällt das untere Ende der
Grenzlinie in die Mitte des 13. Wirbels. Rippenrückbildung und
eraniale Verschiebung der Pleura-Säcke legten gleiche Wegstrecken
Fig. 5.
Macacus cynomolgus.
Ausdehnung der vertebralen Grenzlinie bei vier Exemplaren von Macacus cynomolgus. Schematisch.
Die Schwankungen liegen innerhalb einer Wirbelhöhe.
zurück. Die Grenzlinie ist rein thoracaler Natur. Bei 4 Tieren mit
je 12 Rippen und 6 Lendenwirbeln besteht ein lumbaler Abschnitt
der Grenzlinie von einer Wirbelhöhe im äußersten Falle.
Das Tier mit den meisten präsacralen Wirbeln (19 thor.-lumb.)
steht bezüglich des Pleuralbefundes an zweitletzter Stelle.
Bei Cynomolgus hat sich ein gewisser Stillstand im Vergleiche
mit Radiatus eingestellt.
12 Georg Ruge
Macacus nemestrinus (Fig. 6). Das Ende der vertebralen Grenz-
linie liegt bei einem Exemplare mit 13 Rippen und 6 Lendenwirbeln
rechts vor dem oberen Drittel, links vor dem oberen Rande des
Fig. 6.
Macacus nemestrinus.
Höhenstand des Caudalendes
der vertebralen Pleura-Grenz-
linie' bei Macacus nemestri-
nus. Schematisch. Das lum-
bale Feld der Pleura-Säcke
erreicht bei asymmetrischer
Ausbildung nicht ganz die
14. thoraco-lumbalen Wirbels. Der Befund ent-
spricht etwa dem bei Sinzcus, bei welchem aber
die Zahl präsacraler Wirbel um einen ver-
mindert ist.
Das lumbale Feld der Pleura-Säcke ist
rechts auf den Bruchteil einer Wirbellänge,
links auf die Höhe einer Wirbelbandscheibe
eingeengt.
Die Schwankungen der vertebralen Grenz-
linie werden innerhalb der Macacus-Gruppe
durch das obere Viertel des 15. (Radiatus 1)
Höhe eines Wirbels.
und die Wirbelbandscheibe zwischen 13. und
12. thor.-lumb. Wirbel (Cynomolgus 5) begrenzt; sie betragen also die
Länge von 21/, Wirbel.
Die Ausdehnung der lumbalen Strecke der Grenzlinie schwankt
zwischen 2!/, Wirbellänge (Radiatus 1) und einem völligen Fehlen
(Oynomolgus 4).
Drei Tiere mit der größeren Zahl thoraco-lumbaler Wirbel (19)
bewahrten nicht die größere Indifferenz bezüglich der eranialen Ver-
schiebung der Grenzlinie.
Die bisher bekannt gewordenen Tatsachen lassen sich tabel- |
larisch in der folgenden Weise ordnen.
|Höhenstand des caudalen Endes der vertebralen || Zahl der Wirbel:
Bes Pleura-Grenzlinie, nach der Zahl thoraco-Jum- der }
baler Wirbel angegeben thora-| lum- |thor.-
ö rechts | links calen| balen/lumb.
Radiatus 1... ..... 15. (ob. !/ı) 15.—14. | 1216 | 38
- Da el ee 14. (Mitte) 14.—13. | ?
a ing; 13. (Mitte) 13. (Mitte)) 127 [19
79, Sue, 14. (ob. 1/4) 14.—13. 13 | 5| 18
Oynomolgus 1... ... 14.—13. 14.—13. 12| 6 18
- Ba 14.—13. 14.—13. | 12 ?
- 3. 13. (Mitte) 13. (Mitte) 12] 6 18
- a tr 13. (Mitte) 13.(Mitte)13 |6 19
- U RER 13.—12. 13.—12. |: 1216 | 18
Nemestrinus ...... | 14. (ob. 1/3) | 14. (ob. Rand) 18 6 1
Semnopithecus leucoprymnus (Fig. 7). Die Grenzlinie endigt vor
der Bandscheibe zwischen 14. und 13. thor.-lumb. Wirbel, deren 19
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 13
bestehen. Die lumbale Strecke der Pleura dehnt sich beim Bestande
von 12 Rippen über eine Wirbelhöhe aus. Der Befund ähnelt
bezüglich des Skeletaufbaues dem von
Radiatus 3, bezüglich der Pleura dem von
Sinteus.
Fig. 7.
Semmopithecus.
Hylobatiden (Fig. 8).
Die Zahl thor.-lumb. Wirbel zeigt eine 12. TE
größere Beständigkeit; sie beträgt 18 an 18,
6 von 7 Tieren. Sie sinkt einmal auf 17 14.
bei Syndactylus herab. Auch der Stand des
unteren Endes der Grenzlinien schwankt Höhenstand des Caudalendes
nur um 1%/, Wirbel. Der ursprünglichste, iimie dei Semmopithuws luo.
d.i. der am weitesten caudale Höhenstand ?rymmus. Schematisch. Der
findet sich bei den Tieren mit 14 Rippen N
(Agilis, Lar); während eine größere craniale rn Barber
Verschiebung bei 5 Tieren mit je 13 Rippen
sich kundgibt. Dabei beschließt aber der Befund mit nur 17 thor.-
lumb. Wirbeln die Reihe nicht.
Die Höhe der lumbalen Strecke der vertebralen Grenzlinie
schwankt zwischen einer und einer halben Wirbellänge (Agzlıs, Leu-
eiscus).
Fig. 8.
Hylobates:
agilis. lar. syndactylus. leueiscus.
a b a b
13. | ||
141. I INS
15.
16.
@ b a b
3 2. 3. 4.
- Höhenstand des Caudalendes der vertebralen Pleura-Grenzlinie bei Hylobates agilis, syndactylus und
_ leweiscus. Schematisch. Die Schwankungen betragen bei teilweiser Asymmetrie nicht mehr als
11/2 Wirbelhöhe. Syndactylus zeigt bei 3 Exemplaren einen Stillstand der Bewegung. Bei allen
Tieren besteht ein Lumbalfeld der Pleura-Säcke.
r
Individuelle Schwankungen bestehen bei Agilis. Der Höhen-
stand der Grenzlinie schwankt rechts um eine, links um eine halbe
_ Wirbellänge. Es handelt sich um 2 Fälle mit gleicher Zahl prä-
- saeraler Wirbel, aber mit 14 und mit 13 Rippen.
€ Syndactylus zeigt an 3 Exemplaren rechts den gleichen Stand
i
or
14 Georg Ruge
der Grenzlinie vor dem unteren Rande des 14. Wirbels, links zwei-
mal das gleiche Verhalten, und nur einmal um eine halbe Wirbel-
länge weiter eranialwärts. Die präsacrale Wirbelzahl ist zweimal
18, einmal 17.
Die rechte vertebrale Grenzlinie liegt viermal weiter caudal-
wärts als die linke, und zwar einmal um eine Wirbellänge (Agzks),
dreimal um eine halbe Wirbellänge (Zar, Syndactylus 3, Agdis 2).
Alle Tatsachen sind übersichtlich in die Tabelle eingetragen.
Zahl der Wirbel:
Höhenstand des caudalen Endes Ber
tebralen Pleura-Grenzlinie, nach der Zahl der
thoraco-lumbaler Wirbel angegeben thora- | lum- | thor.-
h rechts links calen | balen | lumb.
le I ea nahe 15. (unt. Rand) | 14. (unt. Rand), 14 4 18
BMA ee 14. (unt. Rd.)| 14. (Mitte) 13 5 | 18
NL N 0 A 15. (Mitte) 14. (unt. Rand) | 14 4 18
Syndactylus ad. 1. 14. (unt. Rd.) 14. (unt. Rand) 13 5 18
5 jur. 2. 14. (unt. Rd.)| 14. (unt. Rand) 13.124 17
2 -98. | 14. (unt. Rd.)| 14. (Mitte) 131. Doms
Deunseis. .. suaak | 14. (unt. Rd.)) 14. (Mitte) 13 [5] 18
3. Anthropomorphae.
Schimpanse. Bei gleicher Gliederung der Wirbelsäule in 13 tho-
racale und 4 lumbale Wirbel schwankt der Stand des caudalen Endes
der Grenzlinie bei 3 Tieren beiderseits um 11/, Wirbellängen, jedoch
Fig. 9.
Schimpanse.
a b c
Q 6)
Caudaler Höhenstand der vertebralen Pleura-Grenzen bei 3 Exemplaren von Troglodytes niger.
Schematisch gehalten. Die Pleura-Säcke nehmen bei a den tiefsten, bei c den höchsten Stand ein.
Die Verschiebung erstreckt sich über 2 Wirbel. Es bestehen je 13 Rippenpaare, Die Pleura-Säcke
besitzen ein lumbales Feld.
rechts und links in verschiedener Weise. Rechts verschiebt sich
der Stand von der Mitte des 15. bis zum unteren Rande des 13.,
links von der Grenze zwischen 15. und 14. bis zur Mitte des 13.
thor.-lumb. Wirbels. Der rechtsseitige Befund ist bei einem jeden
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 15
Objekte der indifferentere. Eine völlig symmetrische Anordnung
wird vermißt.
Die lumbale Strecke der Grenzlinie bestreicht rechts 1!/,, links
1 Wirbellänge.
Die Fig. 9 und die folgende Tabelle versinnlichen die wesent-
lichsten Verhältnisse.
Höhenstellung des caudalen Endes der Zahl der Wirbel:
vertebralen Pleura-Grenzlinie, nach der | der
Zahl thoraco-lumbaler Wirbel bemessen | thora- lum- thor.-
rechts | links || ealen | balen lumb.
Schimpansel. .. „15. (Mitte) 15.—14. 13 En Wr!
ö 2.9... .|| 14 Mitte) | 14.(ob.Rä.)| 13 A 7
& Ben 13. (unt. Rd.) 13. (Mitte)| 13 a:
Der Verschiebungsvorgang beginnt bei Schimpanse nur um eine
halbe Wirbellänge höher als bei der Gattung Hylobates. Er findet
hier einen natürlichen Anschluß, pflanzt sich jedoch um eine ganze
Wirbellänge höher fort, um dadurch von Hylobates sich zu entfernen,
an Gorilla sich aber enger anzuschließen.
Gorilla. Die Zahl thoraeo-lumbaler Wirbel schwankt bei 2 Tieren
zwischen 18 und 16, die Zahl der Rippen zwischen 14 und 13.
Das Ende der Grenzlinie lagert am Objekte mit 18 Wirbeln vor
dem unteren Rande des 13., an dem mit 17 einen ganzen Wirbel
weiter eranialwärts. Asymmetrien bestehen nicht.
Die vertebrale Grenzlinie ist rein thoracaler Natur. Eine lum-
bale Strecke fehlt nicht nur allein, das Caudalende entfällt vielmehr
noch ceranialwärts vom letzten Thoracalwirbel.
Die eraniale Verschiebung der Fig. 10.
Enden der Pleura-Säcke ist bei Gorilla Boalle
der Rippenrückbildung um ein ganzes
Segment vorausgeeilt. Das ist eine
neue Erscheinung, welche mit dem
Bestand von nur 16 thoraco-lumbalen
Wirbeln wenigstens bei einem Ob-
Jekte koinzidiert. Eine so geringe
Zahl präsacraler Segmente fehlt den
D Caudaler Höbenstand der vertebralen Pleura-
niederen Affen. Grenzen bei 2 Individuen. von Troglodytes
1 Gorilla. Schematisch gehalten. Der tiefste
Der hohe eraniale Stand der Stand findet sich bei a, der höchste bei b.
vertebralen Grenzlinie wird nicht un- Der Unterschied beträgt die Länge eines
r A Wirbels und einer Bandscheibe. Bei a
mittelbar von der Verminderung bestehen 14, bei d nur 13 Rippenpaare, Die
—_. D Be „. letzten Rippen nehmen beide Male eine
präsacraler Wirbel abhängen können, BSH EKTAIG Bas ein.
16 Georg Ruge
da er ja bei der Anzahl von 18 Wirbeln am andern Exem-
plare ebenfalls deutlich zum Ausdruck kommt und auch, allerdings
nur selten, bei niederen Affen (Macacus-Arten) angetroffen wird
Beide Erscheinungen werden durch eine gemeinsame, den Rumpf
umgestaltende Ursache bedingt sein.
Die Fig. 10 und die Tabelle enthalten in übersichtlicher Weise
alles Tatsächliche.
Höhenstellung des caudalen Endes der ver- Zahl der Wirbel:
tebralen Pleura-Grenzlinie, nach der Zahl! der
thoraco-Jumbaler Wirbel bemessen thora- lum- thor.-
rechts | links calen | balen | lumb.
Gerliat.:s :. 2,118. mat. Rand) 14: 2, 58 18
2 Re RR a 12. (unt. Rd.)| 12. (unt. Rand)| 13| 3 .| 16
| | |
Orang. Die Zahl thoraco-lumbaler Wirbel ist auf 16, die der
Rippen auf 12 vermindert. Die Enden der Grenzlinien haben einen
dementsprechend höheren Grad era-
nialer Verschiebung erfahren; sie be-
finden sich in einem Falle vor der
Mitte, in einem zweiten vor dem
unteren Rande des 12. Wirbels.
Fig. 11.
Orang.
R Das Verhalten ist beiderseits gleich.
Die Lendengegend bleibt von
R\ b der Pleura unbekleidet. Die Rück-
Caudaler Höhenstand der vertebralen Pleura- bildung der Rippen und die eraniale
Grenzen bei 2 Individuen von Simia Satyrus. -
Schematisch gehalten. Der tiefste Stand Verschiebung der vertebralen Grenz-
befindet sich bei a, der höchste bei d. Der linie machen ungefähr an gleichen
Unterschied beträgt nur die Länge eines . . D
halben Wirbels. Die Rippenzahl ist je 12. Stellen der Wirbelsäule Halt. Die
Die Grenzlinie fällt bei a mit der letzten Pleura- Verschiebung ist in einem
Rippe zusammen; sie liegt bei db cranial a, b .
Sen Falle der Rippenreduktion voraus-
geeilt.
Bei Orang ist der höchste eraniale Stand der Grenzlinie er-
reicht. Diese Erscheinung deekt sieh mit dem Befunde am Skelete.
Fig. 11 und Tabelle enthalten die bisher bekannt gewordenen
Tatsachen.
Höhenstand des caudalen Endes der ver- Zahl der Wirbel:
tebralen Pleura-Grenzlinie, nach der Zahl der
thoraco-lumbaler Wirbel bemessen thora- lum- thor.-
: rechts | links calen balen | lumb.
Orangli.juv. S... .| 12. (Mitte) 12. (Mitte) 12 4.138
NE an ie 1A ob; Bd.) 12. (ob. Rd.) 12 4 16
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 17
Nach den vorliegenden Befunden nimmt Schimpanse unter den
Anthropomorphen die niederste, Orang die höchste Rangstufe ein.
Individuelle Schwankungen im Höhenstande der Grenzlinie sind
beim Schimpanse am größten, beim Orang am geringsten; sie be-
wegen sich dort in der Breite von 1!/,, hier in der von einer halben
Wirbellänge. Gorilla steht in allen Eigenschaften zwischen Schim-
panse und Orang.
Der höchst erreichte Stand des Grenzlinienendes bei Schimpanse
bezeichnet den Ausgangspunkt ceranialer Verschiebung beim Gorilla.
Und wiederum setzt der ursprünglichste Zustand im Verschiebungs-
prozesse von Orang da ein, wo der am meisten vorgeschrittene von
Gorilla sich befindet. Der Anschluß ist jedoch kein so unmittel-
barer, wie bei Schimpanse und Gorilla; denn der ursprünglichste
Befund schließt sich bei Orang um eine halbe Wirbellänge höher
an, als der am meisten fortgeschrittene bei Gorilla sich äußert.
Der Zustand an der Pleura des Gorilla läßt sich demnach
von dem des Schimpanse, derjenige des Orang von dem des
Gorilla, rein morphologisch betrachtet, wohl ableiten. Im ganzen
gilt das auch für die entsprechenden Befunde der Gliederung der
Wirbelsäule, wenn schon Gorilla in einem Falle durch Vermehrung
präsacraler Wirbel und Rippen um ein Stück Ursprünglicheres als
Schimpanse darbietet.
Diese Art der Ableitung darf ohne weiteres nicht im genealogi-
schen Sinne verstanden werden; denn die geographische Verbreitung
spricht zwar nicht gegen eine direkte Verwandtschaft zwischen
Schimpanse und Gorilla, aber wohl gegen eine solche zwischen
ihnen und Orang. Dazu kommt, daß Gorilla in andern anatomi-
schen Einrichtungen tiefer steht als Schimpanse, und daß Orang
in vielen Punkten eine ganz selbständige Entwicklung eingeschlagen
|
hat. Zutreffender ist die Annahme einer gemeinsamen Grundform
für alle drei Antbropomorphen. Diesbezüglich leitet der Weg zum
Genus Hylobates. Die gemeinsame Stammform für alle Arten dieser
Gattung kann auch für die der Anthropomorphen gelten; während
es unstatthaft ist, irgend eine Art, etwa Leuciscus, in eine engere
Beziehung zu den letzteren, etwa zu Schimpanse, zu bringen.
Sucht man noch weiter rückwärts in die genealogischen Ver-
hältnisse vorzudringen, so bieten die Befunde bei der Gattung Maca-
_ eus Anhaltepunkte dar. Im ganzen bedeutend niedriger organisiert,
hat Macacus bezüglich der vertebralen Pleura-Grenzlinie Hylobates
weit überholt, so daß Macacus nicht als Stammform für HAylobates
Morpholog. Jahrbuch. 41. 2
18 Georg Ruge
gelten kann. Macacus schließt sich bezüglich der Pleura enger an
die Anthropoiden an. Es wäre aber vermessen, eine engere ver-
wandtschaftliche Beziehung zwischen ihnen anzunehmen. Dagegen
lehnt sich alles auf. Wir werden vielmehr dahin gedrängt, für
Cercopitheeinen, Hylobates und Anthropomorphe eine gemeinsame
Stammform anzunehmen. Eine jede Gattung trägt die Zeichen eige-
ner Entwicklung, welche bei gleichem Grade konvergenter Umbil-
dung Gleichheit vortäuschen können. Nur der Umwandlungsvorgang
bleibt bei allen der gleiche; er zeigt sich eben in der eranialen
Verschiebung der Pleura-Säcke.
Je tiefer die gemeinsame Wurzel gesucht wird, aus welcher
die verschiedenen Abteilungen der recenten Primaten sich entwickelt
haben mögen, um so ungezwungener lassen sich die variablen ana-
tomischen Befunde stammesgeschichtlich erklären.
Ein auf Grund der vertebralen Grenzlinie etwa zu entwerfender
Stammbaum der untersuchten Formen wird keinen sicheren Auf-
schluß über deren Ablösung vom Stamme geben können, wohl aber
deren Entfernung von ihm mit annähernder Genauigkeit bezeichnen
(vgl. Seite 27).
c. Mensch.
Das eraniale Ende der vertebralen Grenzlinie liegt in der
Regel vor dem Köpfchen oder in der Höhe des Halses der 1. Rippe
(PanscH!). Zuweilen ragt es nicht unbeträchtlich über das Rippen-
köpfehen halswärts empor, was bei einem 7monatigen Embryo an-
getroffen worden ist. Es liegt die Vermutung nahe, daß das Fort-
bestehen einer 7. Halsrippe die Ursache der Abweichung sei.
Entwicklungsgeschichtliche Aufschlüsse hierüber stehen aus. Sicher
ist, daß der Fortbestand einer Halsrippe bei Erwachsenen vom nor-
malen Verhalten des Standes der Pleura-Kuppe begleitet sein kann.
Das traf bei einem Individuum mit einer linken, 2 cm, und einer
rechten, 5,5 em langen 7. Halsrippe zu; trotzdem die rechte Arteria
subelavia als abnorm segmentierte die Halsrippe eranialwärts querte.
Die von Panscu geäußerte Vermutung des Zusammenfallens von
Halsrippe und Hochstand der Pleura-Kuppe bewahrheitete sich in
diesem Falle nicht.
Zuweilen liegt das obere Ende der Grenzlinie caudalwärts vom
Köpfehen der 1. Rippe. Daraus erklärt sich die von RÜDINGER?
1 Anatomische Vorlesungen, 1884, S. 140.
2 RüpınGer. Topographisch-chirurgische Anatomie des Menschen.
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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 19
beobachtete Asymmetrie des Höhenstandes. In der Regel besteht
eine beiderseitige Übereinstimmung (Pansch, HENKE).
Die Pleura-Kuppe überragt Brustbein und Vorderenden des
1. Rippenpaares im Mittel um 3,5 em (2,5—5,5 em).,
Caudales Ende der vertebralen Grenzlinie. Der Höhen-
stand fällt in der Regel mit der unteren Hälfte des 12. Wirbels zu-
sammen, nähert sich dabei öfters dessen Mitte.
Dieser Normalstand erhebt sich etwas über den vorgeschrittenen
Befund von Gorilla und stimmt mit dem ursprünglichen bei Orang
überein. Das differenteste Verhalten bei Schimpanse bleibt indessen
ursprünglicher als das normale menschliche. Der Unterschied be-
trägt die Länge eines Wirbels und einer Bandscheibe.
Schwankungen im Höhenstande stellen sich nach der cau-
dalen und der eranialen Richtung ein.
Der tiefste caudale Stand fällt mit der Mitte des 13. thor.-
lumb. Wirbels zusammen; er ist von PanscH? beobachtet worden.
Er entfernt sich von der Norm etwa um die Länge eines Wirbels
und einer Bandscheibe. Er stellt das ursprünglichste bekannte
Verhalten dar und hat eine vorgeschichtliche Bedeutung. Er stimmt
mit dem meist abgeänderten Befunde von Schimpanse überein, ist
differenter als der primitivste von Gorilla, aber um eine ganze
Wirbellänge ursprünglicher als der primitivste Befund von Orang.
Der höchste eraniale Stand ragt bis zum unteren Rande des
11. Wirbels hinauf und übertrifft den des Orang um eine Band-
scheibe, den des Gorilla um die Länge einer Bandscheibe und
eines Wirbels. Wir haben es hier mit der am weitesten vorge-
schrittenen Stufe aller in der Primatenreihe bekannt gewordenen
Umwandlungen zu tun. Dieser dem Menschen ureigenste Befund
übertrifft den differenten von Orang allerdings nur um die Länge
einer Bandscheibe. Der Breitegrad aller Schwankungen erstreckt
sich über die Länge eines Wirbels und zweier Bandscheiben.
Die Neigung zur Abweichung vom Normalstand ist nach dem
regressiven Tiefstande zu lebhafter als nach dem progressiven Hoch-
stande zu. Diese Erscheinung ist aus einer größeren Reihe von
Beobachtungen T. Tansas zu entnehmen, welche die Häufigkeit der
_ verschiedenen Befunde etwa in der folgenden Weise erkennen läßt.
1 Henke. Atlas der topographischen Anatomie des Menschen.
?2 Anatomische Vorlesungen. 1884. S. 139.
2*
90 Georg Ruge
Man findet den
Stand des Caudalendes der vertebralen Grenzlinie in
der Höhe:
1. des oberen Randes des 13. Wirbels 4mal = 3°,,
2. zwischen 13. und 12. Wirbel 8mal = 15%,
3. des unteren Randes des 12. Wirbels 14mal = 26 /,,
4. der Mitte des 12. Wirbels 20mal = 37/,,
5. des oberen Randes des 12. Wirbels 6mal = 11%,
6. des unteren Randes des 11. Wirbels 2mal = 4P),.
Eine ganz neue Erscheinung progressiver Art schließt sich
beim Menschen an die craniale Verschiebung an. In der Regel
bleiben die beiderseitigen vertebralen Grenzlinien bis zum caudalen
Ende hin parallel gestellt. Dieser Zustand ist auch bei allen Affen
ausgebildet; er ist der vorherrschende, primitive. Die Grenzlinien
weichen nun zuweilen beim Menschen bereits vor ihren Endpunkten
auseinander und langen je für sich am Seitenrande der Wirbel
an. Es stellt sich vor dem letzten, pleuralen Wirbel ein breiteres
interpleurales Feld ein. Der Übergang in die costale Grenzlinie,
in der Regel unvermittelt, wird ein allmählicher. Diese Trennung
der Grenzlinien voneinander fällt mit einer progressiven Gesamtver-
schiebung zusammen und leitet einen höheren Grad derselben ein.
Die folgenden Beobachtungen sichern die Annahme, daß der Um-
wandlungsvorgang beim Menschen noch keinen Abschluß gefunden
hat. Man vergleiche die Fig. 12 (1—4).
Fig. 12.
44jährige Frau. 26jährige Frau, 50 jähriger Mann. 16 monatiges Mädche
"IP PR 3. 4.
Vier Fälle von Auseinanderweichen der caudalen Endstrecken der vertebralen Pleura-Grenzen, ver-
knüpft mit primitivem (Nr. 1 und 2, rechts) und sekundärem Höhenstande (Nr. 4) der Pleura-Säcke,
Ein infracostales Feld der Pleura-Wandung tritt bei 1 und 2 auf; während die 12. Rippe bei 4 eine
infrapleurale Lage einnimmt, Schematisch dargestellt.
1. Bei einer 44jährigen weichen die vertebralen Grenzlinien
vor der Bandscheibe zwischen 12, und 11. Wirbel auseinander. Sie
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 21
ziehen je caudo-lateralwärts und erreichen die Seitenfläche der nächst-
folgenden Bandscheibe (zwischen 13. und 12. Wirbel).
2. Bei einer 26jährigen erfolgt die Trennung vor dem oberen
Rande des 12. Wirbels. Die rechte Grenzlinie erreicht nach caudo-
lateralem Verlaufe den oberen Rand des 13., die linke die Mitte
des 12. Wirbels. Die rechte Linie schneidet die 12. Rippe erst 7 cm
lateral vom Achsenskelete, so daß ein großes, dreieckiges subeosta-
les Feld zustande kommt. Die linke Grenzlinie gelangt vom Wirbel
unmittelbar vor die 12. Rippe.
Der Befund ist so zu deuten, daß rechterseits ein primitives
subeostales Feld neben der progressiven medialen Trennung der
Pleura-Grenzen voneinander sich erhalten hat; während linkerseits
der normale Stand der Grenzlinie erreicht worden ist.
3. Die Grenzlinien weichen bei einem 50jährigen vor der
Bandscheibe zwischen 12. und 11. Wirbel auseinander. Rechts er-
reicht die Linie den unteren Rand, links die Mitte der Seitenfläche
des 12. Wirbels.
4, Die Grenzlinien ziehen bei einem l6monatigen Mädchen bis
zur Mitte des 10. Wirbels nebeneinander in gleicher Entfernung
caudalwärts. Die linke Linie gelangt steil, die rechte aber in leich-
tem Bogen zur Seite des unteren Randes des 11. Wirbels, wo der
Übergang in die costale Grenzlinie beiderseits derartig erfolgt, daß
die 12. Rippe außerhalb des Pleura-Sackes zu liegen kommt, also
eine infrapleurale Lage einnimmt.
Eine hochgradige Cranialverschiebung paart sich hier mit der
progressiven Erscheinung im medianen Bereiche.
Die Divergenz der vertebralen Grenzlinien vermag sich also
bis zur Mitte des 10. Wirbels fortzupflanzen. Der Vorgang empfängt
nur dann die richtige Beleuchtung, wenn man ihn an das Ende
aller Umwandlungen bei den Primaten einstellt. Als Einzelerschei-
nung unverständlich, spielt er als Glied einer großen Reihe eine
nicht zu unterschätzende Rolle.
Asymmetrien treten in der Beobachtungsreihe T. TAvJas
14mal (26 %/,) auf; sie treten auf Fig. 12 dreimal auf. Das Caudal-
ende der rechten Grenzlinie reicht in 17 Fällen 14mal tiefer als das
der linken herab. Die Tatsache ist insofern bemerkenswert, als Asym-
metrien bei Affen den tieferen Stand ebenfalls in der Regel rechts
anzeigen (Papio, Macacus, Hylobates, Schimpanse). Bei Ateles ist der
Tiefstand jedoch linkerseits gefunden worden (Fig. 2).
| Die ursächlichen Momente für den tieferen, rechtsseitigen Stand
22 Georg Ruge
sind nicht bekannt. Die Erscheinung widerstrebt der des großen
Umfanges der rechten Leberhälfte, sowie derjenigen der Linkslage
des Herzens bei Aylobates, Anthropomorphen und beim Menschen.
Sie kann in Einklang gebracht werden mit der Ausbildung eines
rechten, infraperieardialen Lungenlappens bei niederen Primaten und
einer erhaltenen Einwirkung von ihm aus, selbst nach seinem Ver-
schwinden bei Anthropomorphen und beim Menschen.
Die Asymmetrie erreicht öfter die Länge einer halben Wirbel-
höhe, zuweilen etwas mehr (vgl. Tanya). Der höchste Grad beträgt
die Länge eines halben Wirbels und einer ganzen Bandscheibe
(Fig. 12; Fall 2).
Infracostales Feld der Pleura-Säcke. Es fehlt dem nor-
malen Verhalten. Sein Auftreten beim Bestande von 12 Rippen
entspricht einer primitiven Anordnung, in welcher die Rückbildung
der 13. Rippe der cranialen Verlagerung der Pleura vorausgeeilt
ist. Das Überschreiten des thoracalen Gehäuses durch die Pleura
ist von PAnscH beobachtet, seitdem öfters festgestellt worden. Auf
der Fig. 12 (Fall 2) liegt es rechterseits vor und fällt mit einem
vertebralen Tiefstand der Grenzlinie zusammen. Infracostale Felder
werden auch in denjenigen Fällen vorgelegen haben müssen, in
welchen die Grenzlinie unterhalb des 12. Wirbels geendigt hat.
TAanyJA beobachtete deren 14 (1891. Seite 194. III, 2a, b).
Ein infracostales Feld wird beim Fehlen einer 12. Rippe wahr-
scheinlich vorhanden sein. Beobachtungen hierüber liegen jedoch
nicht vor.
Infrapleurale Lage der 12. Rippe. Sie stellt das Gegen-
spiel der vorigen Erscheinung dar, insofern die Verschiebung der
Pleura-Säcke in eranialer Richtung einer gleichwertigen Rückbildung
der 12. Rippe vorausgeeilt ist. Sie fällt immer mit einem pro-
gressiven Befunde an der Pleura zusammen. Ein ausgesprochener
asymmetrischer Zustand erscheint auf Fig. 12 (Fall 4). Die beiden
von Tansa beschriebenen Beobachtungen mit einem Endstande der
vertebralen Grenzlinie vor dem unteren Rande des 11. Brustwirbels
waren mit suprapleural gelegenen 12. Rippen versehen (Fall 22
und 23).
Wechselbeziehungen zwischen Höhenstand der Grenzlinie
und letzter Rippe kommen unter normalen Verhältnissen zu vollem
Ausdrucke; sie lockern sich in abnormen Zuständen des Höhenstandes
der Pleura und ziehen dann einerseits das Auftreten eines infra-
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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 23
costalen Feldes der Pleura-Säcke, anderseits die suprapleurale Lage
der 12. Rippe nach sich.
Abnorme Zustände im Bestande von Rippen dürften ebenfalls
eine Abhängigkeit des Standes der Grenzlinie im Gefolge haben.
Hierüber ist nur sehr wenig bekannt. Wir wissen aber, daß die
Grenzlinie in Fällen mit sehr stark verkümmertem 12. Rippenpaare
einen höheren Stand einnehmen kann (vgl. TansAa, Fall 18, 23), daß
ihre Verschiebung dann gleichen Schritt mit der Rückbildung der
12. Rippe hält. Wie die Pleura bei der Anwesenheit von 14 und
13 oder von nur 11 Rippen sich verhalte, bleibt festzustellen. In
gleicher Weise stehen Beobachtungen aus über den Einfluß der Ver-
mehrung und der Verminderung präsacraler Wirbel.
Die Verwertung aller berücksichtigten Tatsachen lehrt, daß der
Höhenstand des Caudalendes der vertebralen Grenzlinie bei allen
Primaten um 5 Wirbel und 51/, Bandscheiben schwankt. Dabei
differiert die Zahl thoraeo-lumbaler Wirbel um 7 (bei einem Bestand
von 23—16).
Die eraniale Verschiebung der Pleura vollzieht sich also in der
ganzen Reihe nicht im gleich raschen Tempo wie die Ausschaltung
präsacraler Wirbel.
Diese Erscheinung ist bei Halbaffen deutlichst ausgesprochen ;
denn die Verschiebung an der Pleura beträgt die Länge von 4 Wir-
beln und 3!/, Bandscheiben.
Bei den Affen wird eine Gleichheit der segmentalen Pleura-
Verschiebung und des Ausfalles präsacraler Wirbel beobachtet. Die
Zahl ist 4 Für die einzelnen Abteilungen der Simier trifft dies -
aber nicht zu, was sich aus der folgenden Zusammenstellung ergibt.
Verschiebung der ver- |_ .
tebralen Pleura-Wand BEneEunE
Anss in der Zahl
präsacraler
Wirbel asnl- Wirbel:
scheiben
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Hulolaies 0,4. 11/5 3 1
Anthropomorphae ... 31/9 3 2
Schimpanse .... . 2 2 0
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11 FREIEN | Ya 0 0
Die eraniale Verschiebung der Pleura, nach der Zahl von Wir-
bein gemessen, schwankt bei den Affen in der Regel mehr, als der
24 Georg Ruge
Ausfall von präsacralen Segmenten beträgt. Bei Papio und Gorilla
ist das Gegenteil der Fall. Die Schwankungen an der Pleura sind
in den einzelnen Abteilungen verschieden lebhaft und zeigen eine
gewisse Selbständigkeit. Immerhin nehmen sie im ganzen ab und
betragen beim Orang nur noch eine halbe Wirbellänge.
Verschiedene Lebhaftigkeit der Schwankungen kommt bei den
Arten einer Gattung vor. So liegen bei Hylobates syndactylus kon-
stante Zustände vor; während die Schwankungen bei Agelis allein
denen der ganzen Gattung entsprechen.
Verschiebungen der Pleura schwanken beim Menschen um
1t/, Wirbel und 2 Bandscheiben.
Mensch und Schimpanse stimmen bei gleicher Zahl präsacraler
Wirbel im Breitegrade der Pleura-Verschiebungen am meisten 'über-
ein. Sie vollziehen sich aber beim Schimpanse in mehr caudal
gelegenen Gebieten, übertreffen jedoch bei 3 Exemplaren diejenigen
bei vielen menschlichen Individuen, allerdings nur um eine halbe
Wirbellänge.
Orang und Hylobates syndactylus zeigen bei verschiedener An-
zahl präsacraler Segmente die größte Konstanz im Höhenstande der
vertebralen Grenzlinie.
Es ist demnach eine verschiedene Fixation in der Organisation
der einzelnen Gattungen und selbst der einzelnen Arten eingetreten.
Herrscht auf der einen Seite noch eine lebhafte Bewegung, so ist
auf der andern Seite ein Stillstand eingetreten.
Der in der ganzen Primatenreihe leicht erkennbare, lebhafte
Verschiebungsvorgang der Pleura-Säcke vollzieht sich in den ein-
‘zelnen Abteilungen nicht gleichmäßig, sondern hier lebhaft und dort
in beschränktem Maße. Er kann sogar wie bei Syndactylus ausge-
schaltet sein.
Infracostales Feld der Pleura = Suprapleurale Lage
der letzten Rippe. Das infracostale Feld der Pleura erreicht die
Höhe von einem halben bis drei Wirbel bei den Halbaffen. Es ver-
größert sich bei Formen mit einer kleineren Rippenzahl und ist bei
Chiromys mit 12 Rippen und 19. thor.-lumb. Wirbeln am höchsten.
Bei einigen niederen Affen (Ateles, Papio, Semnopithecus) schwankt
die Höhe des infracostalen Pleura-Feldes zwischen 1'/, und /s, bei
andern (Macacus) zwischen 2'/; und O Wirbelhöhe. Die Rückbil-
dung von Rippen schreitet also in verschiedenem Maße der Cranial-
verschiebung der Pleura voraus. Dabei können beide zusammen-
fallen (Macacus).
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 5
Bei Hylobates beträgt das Feld 1'/, bis 1/, Wirbelhöhe, ähnlich
wie bei Papio.
Unter den Anthropomorphen zeigt Schimpanse auf der einen
Seite ein 2 Wirbel hohes infracostales Feld der Pleura, anderseits
das Fehlen eines solchen. Bei Gorilla ist das Feld nicht nur aus-
geschaltet, sondern die Pleura ist sogar über den Thoraxrand empor-
geschoben, so daß die letzte Rippe eine suprapleurale Lage ein-
nimmt.
Örang zeigt das eine Mal den Stand der Pleura in der Höhe
der letzten Rippe, das andre Mal über ihr. In dem einen Falle
fehlt das infracostale Pleura-Feld, in dem andern ist eine supra-
pleurale Lage der letzten Rippen an seine Stelle getreten.
Beim Menschen wird normalerweise ein infracostales Feld ver-
mißt. Es wird ausnahmsweise angetroffen. Ebenso kann die letzte
Rippe ohne Beziehung zur Pleura sein, eine subpleurale Lage ein-
nehmen.
Morphologische Bedeutung. Anwesenheit, allmähliche Ein-
schrumpfung, völlige Ausschaltung des infracostalen Pleura-Feldes
ordnen sich ebenso wie die erst bei Anthropomorphen und beim
Menschen auftretende Lage der letzten Rippe in einen den ganzen
Primatenstamm beherrschenden Verlagerungsvorgang der Pleura-
Säcke in ceranialer Richtung ein. Es ist bisher nicht gelungen, eine
Verschiebung letzterer in umgekehrter Richtung auch nur einiger-
maßen plausibel zu machen.
Jedwedes Auftreten eines infracostalen Pleura-Feldes ge-
stattet einen Rückschluß auf die Rückbildung von Rippen in dessen
Bereiche. Ist das Feld klein, wie in den abnormen Fällen beim
Menschen, so könnte in ihm eine embryonal regelmäßig angelegte
Rippe auch erhalten sein. Ist das Feld groß, wie bei Chiromys,
so kann der Nachweis embryonaler Rippenanlagen in ihm vielleicht
nicht mehr möglich sein. Das würde aber nicht gegen das einst-
malige Vorhandensein eingewendet werden können, da auch letzte
Reste von Rippenanlagen ausgeschaltet werden können.
Das infracostale Feld dehnt sich erfahrungsgemäß bei Primaten
caudalwärts niemals über diejenige Zone aus, in welcher nicht bei
ursprünglicheren Formen Rippen angetroffen werden. Peridietieus
und Nycticebus je mit 16 Rippen erklären die größte bekannt ge-
wordene Ausdehnung des infracostalen Feldes bis zum 16, thor.-
lumb. Wirbel.
Georg Ruge
Fig. 13.
N Prosimiae: | Simiae: ,
Ü Ayeti- | | Maca- Hylo- , Schim- j
| cebus. Lemur. Ateles, | Papio. | cus. bates. | panse, Gorilla.
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1, 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. i
Schematische Darstellung der cranialen Verschiebung des Höhenstandes der vertebralen Pleura-
Grenzlinien bei den Primaten. Die Schwankungen im Höhenstande sind bei den einzelnen Abtei-
® Jungen angegeben. Die dunklen einfachen Linien zeigen den primitiven, die Doppellinien den diffe-
renteren Zustand an. Auf den Fig. 6 u. 8 sind die punktiert geführten letzten Rippen auf den h|
differenten Zustand des Pleura-Befundes zu beziehen, die einfach liniierten auf den primitiven. 1
Auf allen andern Figuren ist das letzte Rippenpaar für die primitiven und differenten Befunde das
gleiche; es ist einfach liniiert,
Größte
Ausdehnung
des infra-
- talen
Größte caudale Ausdehnung der verte- nn 2
bralen Pleura-Grenzen, nach thoraco- || | an er ae. e|
lumbalen Wirbeln bemessen 67 IDDEN. || 17er
des, nach
Wirbel- }
längen be-
messen
Prosimiae.
1. Peridketieus. ... . . 17.ob. Rand 16 1/a 1/g
2. Nycticebus ...... 17.—16. 16 1/o 0
2 PD a Be Ser 16. (Mitte) 15 1 1
4. Chwomys ..... 16.—15. 12) 31/g 31/a
RE 15. (Mitte) 13 ‚62 2
TE TG N 14. (Mitte) 13 1 1
Bcbemur ., ,.. . 14. (ob. 1/y) 12) 13/4 13/4
Simiae
nn nn 16.—15. 14 11/2 11/a
u 15.—14. 13 2ila 1/g
8. Macacus . . .. : 15. (ob. 1/)) 1 23/4 1/g
4. Semnopithecus 14.—13. 12/1 11% 11/g
D. Bulobales. .. .. .. 15. (unt. Rand) 14 11/a 1/a
6. Schimpanse .... . 15. (Mitte) 13 2 0
RER. 13. (unt. Rd.) 14 0 0
NN 5.6, 12. (Mitte) 12) 0 0
Mensch... 13. 12l 1 0
Der vertebrale Stand der Pleura-Säcke gestattet demnach Rück-
schlüsse auf stattgehabte Veränderungen am Rumpfskelete.
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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 97
Die tiefsten und höchsten Stände der vertebralen Pleura-Grenzen,
' sowie die segmentalen Größen der infraeostalen Felder sind für die
Halbaffen, Affen und den Menschen aus der Fig. 13 ablesbar. Sie
lassen sich, wie folgt, zu einer Reihe ordnen. Hierbei ist aus der
Angabe der Rippenzahl die segmentale Ausdehnung des ganzen
Feldes je zu erkennen.
Peridietieus und Nyceticebus. Das Herabreichen der Pleura bis
vor den 17. Wirbel kann im obigen Sinne gedeutet werden, weil
ein Fall mit 17 Rippen bei Nyeticebus bekannt ist (vgl. FLOwer!).
Die Befunde bei andern Halbaffen bieten in der Deutung der
infracostalen Felder als ursprünglicher Abschnitte des Thorax keine
Schwierigkeiten, da für die Stammform mindestens die Zahl von
17 Rippen, wie bei Nycticebus, anzunehmen ist.
Ateles. Der Tiefstand des infracostalen Pleura-Feldes zwischen
16. und 15. Wirbel setzt voraus, daß das Genus Ateles 15 Rippen
besessen habe.
Für Macacus, Hylobates und Schimpanse muß ein gleiches wie
für Ateles angenommen werden.
Bei Gorilla und Orang ist bisher kein infracostales Pleura-
Feld beobachtet worden. Die unterste Rippe ist aus dem Bereiche
des Brustfelles herausgerückt, nimmt also eine infrapleurale Lage ein.
Mensch. Alle Befunde sind im obigen Sinne zu deuten, da
14 Rippenpaare beim Menschen bekannt sind, eine 13. Rippe sich
regelmäßig in früher embryonaler Zeit anlegt.
Rücksehlüsse aus den Befunden an der Pleura auf nähere
oder entferntere Stammesverwandtschaft.
Nimmt man die Halbaffen als eine verwandtschaftlich enger
zusammengehörige Gruppe, so darf ihre Ablösung vom gemeinsamen
Primatenstamme als früh erfolgt angenommen werden, da sie die
Formen mit den primitivsten Befunden, wie Peridietieus, Nyeticebus
und Loris, in sich fassen. Eine hochgradige Spezialisierung trat
bei andern Vertretern ein. Sie erwarben, wie Galago und Lemur,
Umbildungen an den Pleura-Säcken, ähnlich denen bei Leueiscus
und Schimpanse. Sie mit diesen in irgendwelchen innigeren Ver-
band zu setzen, ist unstatthaft.
1 Einleitung in die Osteologie der Säugethiere. Nach der 3., unter Mit-
wirkung von Dr. H. GApow durchgesehenen Originalausgabe. Leipzig 1888.
98 Georg Ruge
In weleher Reihenfolge die Abteilungen der Simier vom Stamme
sich abgelöst haben, entscheiden die Pleura-Befunde nicht, da
sie alle zwanglos von einem einzigen niederen Zustande abgeleitet
werden können.
Mit Sicherheit lehren aber die Tatsachen, daß das Genus Aylo-
bates mit den untersuchten Macacus-Arten keine engeren Beziehungen
habe, da diese bezüglich der Pleura-Säcke höher organisiert sind
als die im ganzen höher stehenden Hylobatiden. Schimpanse ver-
hält sich wie Aylobates zu Macacus.
Ob die drei Vertreter der Anthropomorphen nach gemein-
samer oder selbständiger Ablösung vom Primatenstamme aus ihre
Entwicklung genommen haben, darüber erhalten wir keine Auskunft.
Daß sie später als die andern Simier vom Stamme sich loslösten,
wird durch die Befunde wahrscheinlich gemacht, aber nicht mehr
als dies, da Sphin«, Macacus und Semnopithecus spezialisierter sind
als Schimpanse.
Gorilla und Orang, je als letzter Überrest einer selbständigen
Gruppe aufgefaßt, erscheinen als Ausläufer derselben. Sie haben
unter den Affen die höchste Umwandlung an den Pleura-Grenzen
erfahren.
Gegen einen engeren Anschluß von Schimpanse an das Genus
Hwylobates sprechen die Tatsachen nicht. Auch Gorilla und Orang
können von ihm abgeleitet werden. Sicherheit hierüber besteht nicht.
Der Mensch kann mit Schimpanse und Gorilla in einer näheren
Beziehung wohl gedacht werden, da diese die hierzu erforderlichen
primitiven Einrichtungen an den Pleura-Säcken aufweisen. Ihn mit
Orang enger zu verknüpfen, ist jedoch unstatthaft, da dieser spe-
zialisierter ist als der Mensch. Ihn unabhängig von den Anthropo-
morphen oder von einer gemeinsamen Stammform mit ihnen herzu-
leiten, widerstreitet dem Tatbestande nicht; denn je tiefer man für
eine jede Abteilung die Loslösung vom "Stamme annimmt, um so
leichter sind die anatomischen Tatsachen zu erklären.
Wenn der Ursprung der einzelnen Abteilungen vom gemein-
samen Stamme unbekannt bleibt, so tritt für sie die Entfernung von
der Urform in den Tatsachen deutlicher hervor, welche durch die
Umwandlung an den Pleura-Säcken ausgesprochen sind. Stellen
wir die Formen mit gleichem Bau auf eine gleiche Linie und ordnen sie
von unten nach oben, so ist damit ihre Entfernung vom Stamme
angezeigt. In der folgenden Zusammenstellung, welche keine end-
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 99
gültige sein kann, ist ein Mittelzustand für eine jede Form, aus der
Summe von Wahrnehmungen erschlossen, angenommen worden.
Orang
5 sen mn nd Be en En len ee RE u can „ MONBCH
nr RE Ro OO OLE ee Gorilla
ee co. Sphinz Radiatus Leucoprymnus
Lemur . ». 2... .. . Nemestrinus
oe 3. et Leuciscus Schimpanse
Syndactylus
RER SE RE as RE NE a FB
Ateles Agilis
BIRD HOFMON Eee ee een
16 Loris
Nycticebus
Peridicticus
17
irbel- West-
höhe Halbaffen gpon Papio Macacus Semmnopithecus Hylobates Anthropomorphe Mensch
Die Summe der so geordneten Tatsachen ist am unverfäng-
lichsten derartig zu verstehen, daß von verschiedenen Seiten, nach
selbständiger und an mehreren Orten erfolgter Ablösung vom
Stamme, eine gleiche Höhe in der Organisation erklommen worden
ist. Das Ergebnis der gleichartigen Umwandlungen erscheint uns
in konvergenten Erscheinungen.
Wechselbeziehung zwischen tiefstem Stande der verte-
bralen Pleura-Grenzlinie und der Zahl von Rippen.
Sie besteht, ist aber keine ganz innige. Sie tritt unter den
Prosimiern bei Peridictieus, Nyeticebus und Loris deutlich in die
Erscheinung, also bei Formen, welche bezüglich der Rippenzahl den
niedrigsten Rang einnehmen. Hinwiederum ist die Korrelation beim
Orang und Menschen eine ausgesprochene. Sie verhalten sich
hinsichtlich des Besitzstandes an Rippen am differentesten. Unter
den Affen kommt eine nähere Wechselbeziehung bei Sphinz, Nemes-
trinus, Sinicus, bei einigen Individuen von Oynomolgus und Hylo-
bates und an einem Exemplare von Schimpanse zum Ausdrucke.
Andre Formen der Prosimier und Simier zeigen diese nahen Be-
ziehungen nicht.
Wechselbeziehung zwischen tiefstem Stande der verte-
bralen Grenzlinie und der Zahl präsacraler Wirbel.
Auch sie besteht, ohne jedoch eine sehr enge zu sein. Sie
_ wird deutlichst erkennbar unter Berücksichtigung der Tatsache, daß
30 Georg Ruge
bei Halbaffen einerseits die höchste Zahl von 23 thoraco-Jumbalen
Wirbeln mit dem tiefsten Stande, anderseits die niederste Zahl von
19 Wirbeln mit dem Höchststande der vertebralen Grenzlinie zu-
sammentrifft. Ebenso augenfällig wird die innige Wechselbeziehung
dureh die Erscheinung, daß Orang mit der geringsten Anzahl thoraco-
lumbaler Wirbel überhaupt (16) auch den höchsten Stand der Grenz-
linie erreicht hat. Sie wird außerdem durch Befunde nahe gerückt,
in denen wie bei Papio und Gorilla Individuen mit größerer
Wirbelzahl auch einen tieferen Stand an der Grenzlinie aufweisen.
Die Weehselbeziehung erscheint aber gelockert bei Gegenüber-
stellung der Tatsachen, welche den gleichen Stand der Grenzlinie
sowohl beim Menschen mit 17 als auch beim Orang mit 16 thoraco-
lumbalen Wirbeln zeigen, oder derjenigen Erscheinungen, nach 'wel-
chen Gorilla mit 15 und Schimpanse mit 17 thoraco-lumbalen
Wirbeln einen höheren Stand der Grenzlinie besitzen als Aylobates
mit gleicher Wirbelzahl.
Weiterhin wird eine Störung in der Wechselbeziehung bemerk-
bar durch die verschiedene Standhöhe an der Pleura bei Formen
mit gleicher Wirbelzahl, z. B. mit 18 bei Ateles, Macacus, Hylobates,
oder mit 17 beim Schimpanse und Menschen. Tiere mit 20 oder
19 Wirbeln (Papio mormon) können einen höheren Pleura-Stand
führen als solche mit nur 18 Wirbeln (Ateles, Hylobates agılıs). Der
Stand der Grenzlinie kann fernerhin der gleiche sein, trotzdem eine
individuelle Schwankung in der Wirbelzahl besteht. Das ist bei
Hwylobates der Fall. Und schließlich treten individuelle Schwankungen
zutage, nach welchen die größere Wirbelzahl mit einem höheren
Pleura-Stande gepaart sein kann. Dies trifft bei Macacus eynomolgus
mit 19 und mit 18 Wirbeln zu.
Läßt sich daher eine Wechselbeziehung zwischen beiden ana-
tomischen Einrichtungen bei den Primaten im großen sowie im kleinen
Verbande einerseits nachweisen, so ist anderseits zuzugeben, daß
die gesetzmäßige Erscheinung vielfach Einschränkungen und schein-
bare Durchbrechungen erfährt.
Ursachen der Störungen in der Wechselbeziehung zwi-
schen Verminderung präsacraler Wirbelund Verlagerung
der Pleura-Säcke in eranialer Richtung.
Der Grund dafür, daß beide Erscheinungen eine gewisse Un-
abhängigkeit voneinander bewahren können, beruht zunächst in ihrer
I
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 31
gemeinsamen Beherrschung durch einen Verkürzungsprozeß, welcher
den gesamten Rumpf der Primaten stetig der Segmente beraubt.
Die metamere Verkürzung des Rumpfes, für sich ununter-
brochen tätig, hat eine eraniale Verschiebung der Pleura-Säcke wohl
im Gefolge, gewährt ihr aber gewisse Freiheiten. Und zwar des-
wegen, weil es sich für die Pleura-Säcke in letzter Instanz nicht
um die metamere, sondern um die tatsächliche Länge handelt, welche
die Wirbelsäule ihnen darbietet. Hiernach ist es aber sehr wohl
denkbar, daß eine um Segmente verkürzte Strecke des Achsenske-
letes durch kompensatorische Längenzunahme der wenigeren Wirbel
das frühere Maß erhalten, vielleicht sogar vergrößern, daß aber auch
das Umgekehrte sich einstellen kann.
Dieser Umstand würde zur Erklärung aller oben aufgeführten
Inkongruenzen zwischen Skelet und Pleura ohne weiteres herange-
zogen werden können. Es kommt aber ein andrer Faktor hinzu,
welcher gewisse Unbeständigkeiten im Stande der Pleura-Grenzlinien
auszulösen vermag. Es ist die Ausbildung der verschiedenen For-
men des Brustkorbes mit verschieden großem Raumgehalte. Ver-
schieben sich die Pleura-Säcke vor der Wirbelsäule in eranialer
Richtung unter dem Einflusse der metameren Rumpfverkürzung, ohne
daß eine ergänzende Verlängerung der einzelnen Wirbel stattfindet,
so muß der Thorax durch Zunahme an Umfang für die Lungen
anderweitig Raum schaffen. Bleibt eine derartige Umformung am
Thorax aus, trotzdem präsacrale Wirbel ausgeschaltet werden, so
werden die Pleura-Säcke sich nicht eranialwärts verschieben können,
und damit ist die Kongruenz der Wechselbeziehungen gestört. Der
Möglichkeiten bestehen viele. So wird bei zwei Tieren mit gleicher
Zahl präsacraler Wirbel der Stand der Pleura-Grenzen ungleich sein
müssen, wenn der Umfang des Brustkorbes ein ungleicher ist.
Hat die Verschiebung der Pleura-Säcke mit der metameren Ver-
kürzung des Rumpfes gleichen Schritt gehalten, und haben beide
einen so hohen Grad wie etwa beim Orang erreicht, so muß der
Brustkorb, um die Lungen zu bergen, anderweitig an Ausdehnung
gewonnen haben. Die Zunahme in die Breite erfüllt diese Ansprüche;
sie ist bei allen Anthropomorphen und beim Menschen verwirklicht.
Es ist bisher nicht gelungen, für den Einzelfall die gegenseitige
Abhängigkeit von Pleura-Stand, Länge der pleuralen Strecke der
Wirbelsäule und Thoraxform genau festzustellen. Es fehlt daher
auch das Material für die Vergleichung. Bekannt sind uns indessen
_ viele Tatsachen vom Längenverhältnisse zwischen pleuraler und
32 Georg Ruge
peritonealer Strecke des thoraco-lumbalen Abschnittes der Wirbel-
säule. Brust- und Bauchhöhle haben sich jeweilig in die zur Ver-
fügung stehende Strecke der Wirbelsäule zu teilen. Es fragt sich,
in weleher Weise die Teilung unter stetiger Ausschaltung präsacra-
ler Wirbel sich vollziehe.
Längenverhältnis zwischen pleuraler und peritonealer
Streeke des thoraco-lumbalen Abschnittes der Wirbel-
säule.
Unter »pleuraler« Strecke ist die Länge vom 1. thoracalen
Wirbel bis zum Ende der vertebralen Grenzlinie, unter »peritonealer«
Strecke die bis zum 1. Saeralwirbel sich anschließende Länge ver-
standen. Das Verhältnis zwischen beiden Strecken ergab für die
Prosimier die folgende Reihe.
ı Verhältnis der pleu-
ralen zur peritone-
Prosimiae alenStrecke desthoraco-
lumbalen Abschnittes der
Wirbelsäule
1 Chraemys y U HPAIR, Bar
2, Tansuesh len. en 1,85:1
DS Rorioneieusn a 18
A Anahasız. u ne Kr 1 |
D. -NGCHCEBUS 02 on 1,47:1 im Mittel
302 67,277, VO EL LP ET RE RE 1,481
2... Lem Bullet: Ihm
Die »pleurale« Strecke beträgt bei Chiromys fast das Dreifache
der peritonealen, während bei Lemur eine Gleichheit beider Längen-
maße sich einstellt.
Die Reihenfolge der Befunde deckt sich nun ganz und gar nicht
mit der natürlichen, nach Maßgabe des Höhenstandes der vertebralen
Grenzlinie aufgestellten Reihe (vgl. S. 7, 26). Der Widerspruch
wird dadurch verständlich, daß die Thorax-Form für eine jede Art
der Prosimier als eigenartig erkannt worden ist. Die verschiedene
Kapazität des Brustkorbes bedingt je besondere Längenmaße an der
vertebralen Wand der Pleura-Säcke. Dabei mögen nun noch eigene,
von der Bauchhöhle ausgehende Umstände umgestaltend mitwirken.
Von solehen wissen wir jedoch zurzeit nichts.
Auch individuelle Schwankungen stellen sich ein. Bei Nyeticebus
schwankt das Verhältnis zwischen 1,6:1 und 1,34:1,
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AR 5 In ae
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 33
Bei einigen Exemplaren von Macacus sinkt das Längenmaß der
»pleuralen« zugunsten der »peritonealen« Strecke und steht tiefer
als bei Lemur. Die gewonnenen Werte stimmen unter einander
ziemlich genau überein, was folgende Tabelle zeigt:
| Verhältnis der pleuralen zur
NE |peritonealen Strecke des
ee || thoraco-lumbalen Abschnittes der
Wirbelsäule
s l — _— _—
RNSZNRCUSS er ae | 1,02:1
2. OynomolgusQ. ... . 10,92:1 | Mittel 0,95:1
3. Oynomolgus 5 - . - . |0,91:1
Die gleichen Werte bei den Individuen lassen auf eine gleich-
artige Form des Brustkorbes bei ihnen zurückschließen.
Hylobates, Schimpanse, Gorilla und Orang lassen ein Über-
wiegen der »pleuralen« Strecke ähnlich wie bei den Halbaffen her-
vortreten. Sie bilden eine rasch abfallende Reihe. Die Rangordnung
der vier Formen deckt sich vollkommen mit derjenigen, welche die
eraniale Verschiebung der vertebralen Grenzlinie zum Ausdrucke
bringt (vgl. S. 26), so daß die Verschiebung letzterer mit einer Ver-
kürzung der »pleuralen« Strecke hier zusammenfällt.
Bei Macacus ist die Verkürzung der »pleuralen< Strecke um
ein bedeutendes fortgeschritten, indessen der Pleura-Stand nicht in
gleichem Maße cranialwärts verlagert ist. Der Entwicklungsgang
ist auch hier ein durchaus selbständiger. Es ist nicht statthaft,
Macacus kurzweg als eine niedriger stehende Form als Hylobates
und die Anthropomorphen zu bezeichnen, da er in dieser Hinsicht
höher steht als diese. Das Ergebnis ist weittragend. Es sollte
durch neue Beobachtungen an Anthropomorphen geprüft werden.
Die Befunde bei Hylobates,. Anthropomorphen und beim
Menschen sind wie folgt:
‚| Verhältnis der pleuralen zur
peritonealen Strecke des
thoraco-lumbalen Abschnittes der
Wirbelsäule
1. Hylobates syndactylus . DI |
2. Schimpanse d... 23:51
3. Gorilla juv. 2. rt
4.Orang jur. d. «., 1,4751
52, Manschedit Ab. 1,3 :1 (Mittelwert)
Morpholog. Jahrbuch. 41. 3
34 Georg Ruge
In aufsteigender Reihe, welche Orang beschließt, findet nicht
nur eine segmentale, sondern eine wirkliche Verkürzung der verte-
bralen Wand der Pleura-Säcke statt. Diese Erscheinung muß eine
kompensatorische Änderung am Thorax zur Folge haben. Die ge-
waltige Breitenzunahme desselben, namentlich von Gorilla und
Orang bekannt, bewahrheitet die Annahme. Durch sie empfängt
der Binnenraum wieder, was er vertebral eingebüßt hat. Die Be-
rüeksichtigung mehrerer, in Korrelation stehender Tatsachen nimmt
auch hier dem Einzelbefunde das Befremdende.
Mensch.
Beobachtungen an Leichen verschieden alter Personen lassen
eine nicht unerhebliche individuelle Schwankung hervortreten. Diese
ist begrenzt durch die Verhältnis-Werte von 1,6:1 und 1,07:1. Es
kann also die »peritoneale« Strecke auf Kosten der »pleuralen< um
den 0,53. Teil der Schwankungswerte zunehmen.
Das Alter bestimmt die Schwankungen nicht; denn junge und
alte Individuen begrenzen hier und dort den Breitegrad.
Die Befunde mit verhältnismäßig langer »pleuraler« Strecke
(1,6:1) fügen sich zwischen die von Schimpanse und Gorilla ein,
die mit stark verkürzter »pleuraler« Strecke (1,07:1) entfernen
sich erheblich von Orang, so daß die relative Verkürzung der
»pleuralen« zur »peritonealen« Strecke sich von den Anthropo-
morphen auf den Menschen nicht allein forterstreckt, sondern bei
ihm auch eine weitere progressive Richtung einschlägt.
Der Mittelwert aus 14 Beobachtungen beträgt 1,3:1. Mit ihm
rangiert der Mensch in obiger Tabelle hinter Orang und beschließt
die Reihe der höheren Primaten. Fünf Fälle zeigen den Mittel-
wert 1,3:1. Sie beziehen sich auf Personen von 47—50 Jahren.
Vier Fälle entfallen nach der Indifferenz und fünf nach der Pro-
gressivzone. Erstere betreffen Personen im Alter von 7 Monaten
bis zu 49 Jahren, letztere solehe im Alter von 1!/; bis 47 Jahren.
Die Verschiebung der vertebralen Wand der Pleura-Säcke und
die relative Verkürzung der »pleuralen« Strecke sind bei Hylobates,
Anthropomorphen und beim Menschen im übereinstimmenden
Maße erfolgt. Das spricht nicht gegen die engeren Beziehungen
dieser Formen untereinander, aber auch nieht mit Sicherheit für
dieselben, da die primitivere Macacus-Gruppe mit dem Mittelwerte
der »pleuralen« zur »peritonealen« Strecke 0,95:1 die menschlichen
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 35
Verhältnisse überholt hat und dadurch die Konvergenzerscheinungen
bei den Primaten bereichert.
Die großen individuellen Schwankungen beim Menschen müssen
sich mit Verschiedenheiten an dessen Brustkorbe decken. Wir
kennen wohl die letzteren, aber nicht den Komplex von Erschei-
nungen im Einzelfalle.
Rassen-anatomisches ist bisher nicht bekannt geworden. Der
Ausbau des Gegenstandes hat an die tabellarisch geordneten Be-
funde anzuknüpfen. |
Länge der Verhältnis
Mensch Alter pleuralen | peritonealen ||beider Strecken
Strecke zueinander
il Knabe 7 Monate 10,4 em 6,5 em ld al
2 Mann 46 Jahre 285 - 180 - 1,6 :1
3| Mädchen 7 Monate Jane 85 - 1.41:13
4 Frau 49 Jahre 28 - = AT
b) - 4 - 25,3 - 185 - 1
6 - 4 - 27,0 - 21,0 - 3 Be
{\ Mann 49 - 27,5 - 21,0 - 13223
8 , RE 250 - 190 - |
9 - 50 - 24,5 - 19,0 - 1,3. 51
10 - 4 - 25,0 - 20,5 - 1,22 :1
at Frau 26 - 24,0 - 20,0 - 1 We ı
12 | Mädchen 11/3 - 120 - 103 - 11671
13 | Frau 4 - 26,0 - 25 - 1,16:51
14 Mann 56 - 2,0 - 205 - 1,07:1
Die Länge der »pleuralen« Strecke des thoraco-lumbalen Ab-
schnittes der Wirbelsäule beträgt bei Erwachsenen von 27—56 Jahren
im Mittel 25,7 cm, die der »peritonealen« Strecke 19,9 em. Das
Verhältnis beider Strecken zueinander beträgt auch hier 1,3:1.
Beobachtungen an jugendlichen Individuen sind zu spärlich und
‚diese zugleich so verschiedenen Alters, daß sie für Schlußfolge-
rungen unzureichend sind. Embryonale Befunde liegen nicht vor.
2. Sternale Grenzlinien.
Sie fallen mit dem Übergange der beiderseitigen mediastinalen
in die sterno-costale Pleura zusammen und liegen ursprünglich hinter
dem Brustbeine. Bei lateraler Verlagerung werden sie hinter sterna-
len oder sternal gewesenen Rippen gefunden.
Von der Grenzlinie ist das mediastinale Pleura-Blatt jederseits,
zwar auf Umwegen, aber schließlich zur Seitenfläche der Speiseröhre
3*+
36 Georg Ruge
verfolgbar. Durch diese regelmäßige Beziehung zum Anfangsteile
des Vorderdarmes kommt ein sagittal gestelltes Doppelblatt der Serosa
zustande, welches ein Mesooesophageum ventrale ist. In dieses
sind Herz, Thymus, Vena cava inferior mit ihrem thoracalen Ab-
schnitte und die Nervi phreniei eingelagert; diese Organe bedingen
naturgemäß streekenweise eine Entfernung beider Blätter des Mesooeso-
phageum ventrale voneinander. Der durch diese Organe erfüllte,
von den Pleura-Blättern beiderseits begrenzte Raum ist das vor dem
Vorderdarm gelegene Cavum mediastinale ventrale.
Ursprünglich schließen die sternalen Grenzlinien hinter dem
Brustbeine aneinander. Von ihnen gelangt ein mediastinales Doppel-
blatt dorsalwärts zu Thymus, Herzbeutel und unterhalb von ihm zur
Cava inferior. Erst von ihnen aus erreicht die Serosa jederseits die
Speiseröhre. Die zwischen Brustbein und den genannten Organen
ausgedehnten Strecken des ventralen Mesooesophageum können als
seröse Bänder, und zwar als Ligamentum thymo-sternale,
Ligam. pericardiaco-sternale und Ligam. cavo-sternale
unterschieden werden. |
Sie bestehen bei niederen Säugern und stellen sich bei niederen
Primaten in aller Ursprünglichkeit wieder ein. Sie erleiden bei
höheren Primaten eine hochgradige Veränderung, welche die serösen
Bandapparate allmählich vollkommen verschwinden läßt. Die Ur-
sache dieses Wechsels der Erscheinungen liegt in der Umgestaltung
des Brustkorbes und der mit ihr Hand in Hand gehenden Verlagerung
des Herzens.
Im unmittelbarsten Zusammenhange hiermit wird der primitive
Anschluß beider sternalen Grenzlinien aufgehoben. Es tritt ein
differenterer Zustand ein, der durch die Verlagerung des Herzens
gegen das Brustbein zu verursacht wird und mit der Anlagerung
des Herzbeutels an das Sternum endigt. Die sternalen Grenzlinien
rücken im entsprechenden Gebiete auseinander. Auf diese Weise ver-
schwindet ein Ligam. pericardiaco-sternale; die sterno-costale Pleura
setzt sich unmittelbar in die Lamina pericardiaca fort.
Ein Ligamentum cavo-sternale erlöscht völlig unter der An-
näherung und schließlichen Verwachsung des Herzbeutels mit dem
Zwerchfelle.
Der gut gekannte, zusammengesetzte Vorgang, welcher bei den
Affen sich abspielt, gestattet stets eine endgültige Beurteilung des
jeweilen vorliegenden, anatomischen Befundes bezüglich der In-
differenz oder Weiterbildung irgend einem Vergleichsobjekte gegenüber.
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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 37
Das orale Ende der sternalen Grenzlinien empfängt ein ein-
töniges Gepräge durch deren Übergang in die Begrenzung der nur
wenig veränderungsfähigen Pleura-Kuppeln. Die Grenzlinien pflegen
hinter den Gelenken zwischen Sternum und COlavicula, also weit
entfernt voneinander zu lagern, um erst hinter dem Manubrium
caudalwärts sich einander zu nähern. Luftröhre und die großen
Gefüße des Halses und der oberen Gliedmaße nehmen den Raum
zwischen beiden Pleura-Säcken hier ein.
Das aborale oder abdominale Ende unterliegt den größten
Schwankungen. Es steht in Wechselbeziehung zum Aufbaue der
vorderen Thoraxwand und pflegt in der Nachbarschaft der letzten
sternalen Rippe zu liegen. Mit der Rückbildung sternaler Rippen,
welche stets im unteren (ebiete den Verband mit dem Brustbeine
aufgeben, verlagert sich das aborale Ende der Grenzlinien in oraler
Richtung. Es findet also entsprechend der Abnahme sternaler Rippen
eine Verschiebung der Pleura-Säcke in oraler Richtung statt. Dieser
Vorgang äußert sich bei den Halbaffen lebhaft; er betätigt sich bei
den niederen Affen in geringerem Grade, um bei den höheren mehr
und mehr eingedämmt zu werden, da die Zahl sternaler Rippen auf
sieben beschränkt zu sein pflegt.
Die Verschiebung der aboralen Enden der sternalen Grenzlinien
hält bei den einzelnen Individuen sowie innerhalb der Primaten-
Abteilungen ungefähr gleichen Schritt mit den vorgeführten Ver-
lagerungen an den vertebralen Grenzlinien. Diese Erscheinung
steht im Einklange mit der Erfahrung, daß die Verminderung sternaler
Rippen mit der Verminderung thoraco-lumbaler Wirbel im großen
und ganzen zusammentrifft, und letztere die eraniale Verlagerung
der vertebralen Grenzlinien verursacht. Analoge Vorgänge spielen
sich also dorsal und ventral an den Pleura-Säcken ab.
Der Gesamtkomplex der Umwandlungen ist hier wie nirgends ein
mathematisch strenger. Auch in den Schwankungen tritt ein Paral-
lelismus dorsal und ventral auf.
Schreitet die Rückbildung sternaler Rippen, d. i. die Loslösung
der Rippen vom Sternum, rascher fort als die orale Verschiebung
der Enden der Grenzlinien, so äußert sich diese Art der Überholung
darin, daß die Grenzlinien abdominalwärts über die vordere Thorax-
wand und in die skeletfreie Rumpfgegend, welche dem Abdomen
zufällt, sich ausdehnen. Dieses dann von der Pleura bestrichene
Feld des Abdomen besaß einmal eine Skeletwand, welche jetzt aber
verschwunden ist. So kommt es, daß die ventralen Grenzlinien einen
38 Georg Ruge
thoraeo-abdominalen Charakter haben können. Die abdominale Strecke
ist einmal eine sternale gewesen; sie hat sich erhalten trotz des Ver-
lustes der Skeletwand. Sie trägt stets, soweit es bekannt ist, die
Eigenschaft eines primitiven Zustandes. An den vertebralen Grenz-
linien stellt sich in ähnlicher Weise ein Jumbales oder infraco-
stales Feld ein, sobald die Rückbildung der Rippen der eranialen
Versehiebung der Pleura-Säcke vorangeschritten ist.
Ein abdominales Feld der Pleura-Säcke kann ebenso wie ein
lumbales bei niederen und höheren Primaten auftreten. Selbst
beim Menschen wird es angetroffen.
_ Eilt die orale Verschiebung an den Enden der sternalen Grenz-
linien der Rückbildung sternaler Rippen voraus, so enden die
Grenzlinien hinter der vorletzten oder hinter höher gelegenen Sternal-
rippen. Diese Erscheinung kann indessen bei den Anthropomorphen
eine Steigerung durch die Lage des Herzens erfahren, welche wiederum
durch die Form des Thorax verursacht wird. Es werden daher
zweierlei, ineinandergreifende Vorgänge, bei der vorauseilenden
Verschiebung der Grenzlinien auseinanderzuhalten sein. An den
vertebralen Wandungen der Pleura konnte die Cranialverschiebung
die Ausschaltung von Rippen ebenfalls überholen. Die letzte Rippe
nahm dann eine infrapleurale Lage ein.
Entspricht die Lage des aboralen Endes der Grenzlinien der
Höhe der letzten Sternalrippe, was nicht selten der Fall ist, so haben
eben Rückbildung am Skelet und Verschiebung an der Pleura
gleichen Sehritt gehalten. An der vertebralen Wand wurden analoge
Zustände in gleicher Weise beurteilt. —
Unter Verwertung dieser Gesichtspunkte erhalten die bekannt
gewordenen Tatsachen eine Bedeutung nach verschiedenen Rich-
tungen.
a. Prosimiae.
Beide sternalen Grenzlinien schließen bei allen Formen eng
aneinander. Sie trennen sich oralwärts erst in der Höhe der zweiten
oder dritten Rippe, um jederseits die Pleura-Kuppel zu erreichen.
Ein Ligamentum thymo-pericardiaco-sternale besteht als
seröses Doppelblatt. Das Herz bleibt von der vorderen Thoraxwand
durchweg entfernt.
Die Grenzlinien nehmen in der Regel eine mediane Lage ein,
weichen nur zuweilen nach der linken Körperseite ab. Pleura-Säcke
und Lungen sind demgemäß ventral auf beide Hälften des Thorax
gleich verteilt. Dabei kann das Herz in ursprünglicher Weise mit
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 39
seiner Längsachse median, oder in abgeänderter Art schief gestellt
sein, ohne die Lage der Grenzlinien zu beeinflussen. Bei starker
Linkslage des Herzens können diese eine entsprechende Verlagerung
der Grenzlinien nach sich ziehen (Avahrs, Fig. 20).
Die aborale Ausdehnung der Grenzlinien ist einem hochgradigen
Wechsel unterworfen. Gemeinsam kommt allen untersuchten Formen
ein abdominales Feld der Pleura-Säcke zu. Es liegt im Bereiche
von asternalen Rippen, welche aber sternale gewesen sind. Die
Wechselbeziehung zwischen Höhenstand der abdominalen Enden der
Grenzlinien und letzter Sternalrippe ist überall unverkennbar, zu-
weilen verwischt durch die immerhin ausgesprochene Selbständigkeit
der Rückbildung sternaler Rippen und der oralen Verschiebung der
Pleura-Säcke.
Die nachweisbare Verkürzung an der ventralen (sternalen) Tho-
raxwandung beträgt fünf Segmente. Die Verschiebung der Pleura-
Säcke in oraler Richtung vollzieht sich über eine gleiche Anzahl von
Segmenten.
Die segmentale Verkürzung der ventralen Thoraxwand hält un-
gefähr gleichen Schritt mit der an der dorsalen Wand. Analoger-
weise entsprechen einander die oralen Verschiebungen der Pleura-
Säcke dorsal und ventral. Neuer Raum für die Bergung der zum
ganzen Körper im bestimmten Verhältnisse bleibenden Lungen wird
kompensatorisch durch die Umänderung des Brustkorbes geschaffen.
Schlank bei primitiven, breit bei den abgeänderten Formen wird der
Thorax angetroffen. Die Lungen werden im breiten Thorax mehr
auf die Seiten verlegt.
Thoraxform und Ausdehnung der Pleura-Säcke befinden sich in
einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnisse. Sie sind auch ab-
hängig von der Anzahl der Bausteine am ganzen Rumpfe. —
Nyeticebus tardigradus. Die dicht nebeneinander gelegenen
Grenzlinien halten die Medianlinie inne; sie erreichen in ihr die
Verbindungsstellen des elften sternalen Rippenpaares mit dem Brust-
beine. Von hier aus weichen sie in aboraler Richtung auseinander,
bestreichen etwa die Seitenränder des Schwertfortsatzes, erreichen
darauf das freie Ende der 12. Rippe oder kreuzen deren Knorpel
oder betreten den Raum zwischen 11. und 12. Rippe. Diese Zu-
stände treten auf Fig. 14a und 5 zutage; sie zeigen die Grenzlinie
in engerer Beziehung zur 12. Rippe. Sie wird bei Nyeticebus zu-
weilen als Sternalrippe noch angetroffen. Auch ist ihre Entfernung
40 Georg Ruge
vom Brustbeine an beiden Individuen hier so gering, daß sie die
sternale Eigenschaft nicht lange aufgegeben haben dürfte. Die Grenz-
linien beziehen das 12. Rippenpaar noch in das Brustbeingebiet
Fig. 14.
Nyeticebus tardigradus.
Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke zweier
Individuen von Nycticebus tardigradus. 1/2.
Das Brustbein ist mit 11 Rippenpaaren verbunden.
Die 12. Rippe ist allenthalben in das abdominale
Feld der Pleura-Wand hineinbezogen. Die Um-
risse des Herzens sind senkrecht auf die Thorax-
Wand eingestell#. a gravides Tier; b junges
Individuum.
hinein. Tatsächlich besteht aber
ein kleines abdominales Feld
der Pleura-Säcke; es liegt aboral
von der letzten (11.) Sternalrippe.
Die linke Grenzlinie der
Fig. 14a entfernt sich am wei-
testen von der Sternalverbindung
der 11. Rippe; die Strecke be-
trägt einen ganzen Zentimeter.
Während die Fig. 14a die
Berührung der Grenzlinien in
oraler Ausdehnung zeigt, ist beim
andern Exemplare der Fig. 145
ein Auseinanderweichen von der
6.—10. Rippe wahrnehmbar. Fett-
anhäufungen, bis an den Herz-
beutelheranreichend, verursachten
diesen Zustand.
Der Höhenstand des aboralen
Endes der Grenzlinien fällt mit
den Spitzen des 12. Rippenpaares
zusammen. Das kleine abdomi-
nale Feld links auf Fig. 14a gibt
der Vermutung Raum, daß auch
die 13. Rippe einmal mit dem
Brustbeine verbunden gewesen ist.
Peridictieus Potto (Fig. 15).
Die linke sternale Grenzlinie ver-
läßt das Brustbein in der Mitte
des Schwertfortsatzes und gelangt in querer Verlaufsrichtung hinter
den Knorpel der letzten, der 11. Sternalrippe. Dabei berührt sie die
Spitze der 12. Rippe.
Ein dreieckiges, abdominales Feld der Pleura wird vom Schwert-
fortsatz, von der 11. Sternalrippe und der Grenzlinie eingefaßt. Es
deutet darauf hin, daß die 12. Rippe das Feld durchzog und mit
dem Sternum wie bei Nycticebus einmal verbunden gewesen ist.
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 41
Chiromys madagascariensis (Fig. 16). Von der Höhe des 3. Rippen-
paares an sind die Grenzlinien geschlossen bis zur Mitte des Pro-
cessus ensiformis zu verfolgen. Sie lagern etwas rechts von der
Mittellinie. Oralwärts von der 3. Rippe treten sie auseinander und
schneiden die Knorpel des 2. und 3. Rippenpaares.
Die aboralen Enden sind asymmetrisch. Die rechte Grenzlinie
zieht noch eine Strecke weit hinter dem Schwertfortsatze becken-
wärts, um dann seitlich abzubiegen. Beide Grenzlinien schneiden
Fig. 16.
Chiromys.
Fig. 15.
Peridicticus Potto.
Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-
Säcke von Chiromys madagascariensis.
1/3. Das Brustbein ist mit 9 Rippen-
paaren verbunden. Die Grenzlinien
schneiden die Enden der 10. Rippen,
wodurch ein abdominales Feld an
Aborales Ende der linken sternalen Grenzlinie den Wandungen der Pleura entsteht.
des Pleura-Sackes. Vertebraler Teil der co- Die Umrisse des Herzens sind auf
stalen Grenzlinie. 1/1. Das Brustbein ist jeder- die Vorderwand des Thorax proji-
seits mit 11 Rippen verbunden. Die Herzumrisse ziert dargestellt. Der linke Nervus
sind auf die Vorderfläche des Thorax projiziert. phrenicus ist sichtbar.
die Knorpel des frei auslaufenden 10. Rippenpaares. Ein auf diese
Weise zustande kommendes, abdominales Feld ist vom Schwertfort-
satz, von der letzten sternalen und der 10. (asternalen) Rippe sowie
von einer zwischen Schwertfortsatz und 10. Rippe ausgedehnten
Grenzlinienstrecke begrenzt. Das Feld gehört nur scheinbar dem
Abdomen, tatsächlich aber dem Thorax zu, da der Pleura-Sack
'in es hineinragt. Die 10. Rippe, ein Teil der Begrenzung des
| Feldes, verrät ihre frühere sternale Natur.
Die aborale Ausdehnung der Pleura-Säcke über frühere Sternal-
gebiete überdauerte die weiter vorgeschrittene Rückbildung von
Sternalrippen.
42 Georg Ruge
Der Stand des aboralen Endes der Grenzlinie darf unter diesen
Erwägungen in der Höhe der 10. Rippe angenommen werden. Er
ist im Vergleiche mit Nycticebus und Peridietieus um 2 Segmente
oralwärts verschoben.
Galago senegalensis (Fig. 17). Das Brustbein ist mit 9 Rippen-
paaren verbunden. Die 10. Rippe lehnt sich bei weiter Entfernung
vom Brustbeine (?” mm) der 9. Rippe an.
Die Grenzlinien liegen in der Höhe des 7.—9. Rippenpaares in
der Mittellinie nebeneinander und erstrecken sich in dieser Nachbar-
Fig. 17.
Galayo.
Fig. 18.
Lemur macaco.
Sterno-costale Grenzlinie des linken Sterno-costale Grenzlinien von Lemur
Pleura-Sackes von Galago senegalensis. macaco. 1:2,25. Das Brustbein ist mit |
1/1. Das Brustbein ist mit 9 Rippen ver- 8 Rippenpaaren verbunden. Jederseits be- |
bunden, Abdominales Feld der Pleura-' steht ein abdominales Feld der Pleura-
Wand zwischen Schwertfortsatz, 9. Rippe Wand. Die Herzumrisse sind auf die |
und Grenzlinie, Thorax-Wand projiziert dargestellt. |
schaft aboral bis zur Mitte des Schwertfortsatzes, biegen dann schräg
seitwärts. Die linke Grenzlinie schneidet dabei den Spitzenteil der‘
10. Rippe, um dann als costale Grenzlinie weiter zu ziehen.
Ein abdominales, dreieckiges Feld ist vom Schwertfortsatz,
von der 9. Rippe und einer Strecke der Grenzlinie eingefriedigt.
Es gehört dem Thorax zu. Die 10. Rippe bewahrt zu ihm die Be-
ziehungen; sie hat ihren sternalen Charakter eingebüßt.
Die Rückbildung sternaler Rippen ist der oralen Verschiebung
der Pleura-Säcke vorausgeeilt.
Der Stand der aboralen Enden der Grenzlinien fällt in die Höhe
der 10. Rippe; er stimmt mit dem bei Chiromys überein, befindet
Sich aber um zwei Segmente oralwärts höher als bei Nyeticebus.
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 43
Lemur macaco (Fig. 18). Es bestehen 8 sternale Rippenpaare.
Das 9. Paar endigt spitz, angelehnt an das 8., entfernt vom Brust-
beine.
Die Grenzlinien liegen in der Höhe der 4.—8. Rippe, einander
benachbart in der Medianlinie. Die linke Grenzlinie steigt median
bis zur Höhe der 2. Rippe empor
und biegt dann lateral-oralwärts ab;
sie schneidet die 1. Rippe. Die
rechte kreuzt die Knorpel der 3.,
2. und 1. Rippe.
Die rechte Grenzlinie erstreckt
sich in ursprünglicher Art weiter als
die linke auf den Schwertfortsatz.
Beide Grenzlinien schlagen von ihm
aus einen queren Verlauf ein und
treffen auf die Knorpelspitzen der
9. Rippe, um von hier in die c0- Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke
stalen Grenzen der Pleura-Säcke von Tarsius spectrum. 1/1. Das Brustbein
ist mit 7 Rippenpaaren verbunden. Jeder-
Fig. 19.
Tarsius.
überzugehen. seits besteht ein abdominales Feld der Pleura-
ö & . Wand. Thymus und Herz in ihrer natür-
Das abdominale Feld ist ım lichen Lage sind eingezeichnet,
Vergleich zu dem bei Galago und
Chiromys verkleinert. Das 9.Rippenpaar hilft es begrenzen und zeigt
dadurch die frühere sternale Natur an. Das aborale Ende der
Grenzlinien liegt in der Höhe dieses Rippenpaares.
Die orale Verschiebung der Pleura-Säcke ist im Vergleiche mit
Galago um ein Segment, im Vergleiche mit Nyeticebus um drei
Segmente erfolgt.
Die Verkürzung der ventralen Wandung des Thorax und der
Pleura-Säcke hat gegenüber den vorhergehenden Formen Weiter-
bildungen zu verzeichnen. Sie ist aber am Skelet in rascherem Tempo
als an den serösen Räumen erfolgt.
Tarsius spectrum (Fig. 19). Der Besitzstand an sternalen
Rippen ist auf 7 zurückgegangen. Das 8. Rippenpaar hat sich
vom Brustbeine zurückgezogen, bleibt aber angelehnt an das letzte
sternale Paar.
Die Grenzlinien nehmen eine mediane Lage ein und dehnen sich
in dieser Eigenschaft auf den oralen Abschnitt des Schwertfortsatzes
aus, biegen von hier aus unvermittelt quer zur Seite ab und treffen
auf die freien Enden des 8. Rippenpaares, rechts allerdings etwas
Georg Ruge
> ©
von dem Spitzenteile entfernt bleibend. Die Fortsetzung in die
costale Grenzlinie ist eine unmittelbare.
Ein dreieckiges, abdominales Feld besteht auch hier. Zu ihm
steht die 8. Rippe in Beziehung, deren frühere sternale Eigenschaft
sich hieraus erschließen läßt.
Der Stand des aboralen Endes der Grenzlinien fällt in die
Fig. 20. Höhe des 8. Rippenpaares. Die Ver-
Avahis laniger. schiebung der Pleura-Säcke im Ventral-
gebiete hat sich im Vergleiche mit
Lemur um ein Segment, im Vergleiche
mit Nyeticebus um vier Segmente voll-
zogen. Die Verkürzung des Brust-
beines um an dessen Aufbaue beteiligte
Rippen ist der oralen Verlagerung der
Grenzlinien ebenfalls um eine kleine
Strecke vorausgeeilt.
ee ur leur Avahis laniger (Fig. 20). Links
Säcke von Avahis laniger. 1/1. Ver-
schiebung der Grenzlinien nach links. hat sieh der Primitivbestand von
Die abdominalen Felder der Pleura-Wand . .
sind beiderseits durch die rechte Grenz- 8 Sternalrippen erhalten. Rechts ist
linie begrenzt, Das Brustbein ist rechts die 8. Rippe wie bei Tarsius vom
mit 7, links mit 8 Rippen verbunden. n = Se
Brustbeine abgetrennt. Die Grenzlinie
bezieht sie in den thoracalen Bezirk ein.
Die Grenzlinien gelangen in enger Aneinanderlage links vom
Brustbeine in aboraler Richtung an den Knorpel der linken 6. Rippe.
Die rechte Grenzlinie zieht senkrecht zur 7. linken Rippe, biegt von
ihr aus im Bogen rechts ab, schneidet den sternalen Insertionsteil
der 8. linken Rippe, um darauf die Mitte des Schwertfortsatzes zu
kreuzen. Auf der rechten Körperhälfte gelangt sie nach fast querem
Verlaufe hinter den Knorpel der 8. Rippe und zieht diese in ihren
Bereich hinein.
Die linke Grenzlinie weicht bereits hinter der 6. linken Rippe
schräg lateralwärts ab, um in die costale Linie überzugehen.
Ein abdominales Feld ist rechterseits deutlich entwickelt; es ist
dreieckig, von 7. und 8. Rippe, dem Schwertfortsatze und der Grenz-
linie eingefaßt. Auch linkerseits besteht ein abdominales, aber von
der rechten Grenzlinie abnormerweise begrenztes Feld.
Die Ursache für die Linkslagerung der Grenzlinien kann ver-
mutungsweise in der Verschiebung des Herzens nach links gesucht
werden.
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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 45
Der Höhenstand des aboralen Endes der rechten Grenzlinie ist
durch die 8. Rippe markiert.
Der rechte Pleura-Sack reicht beckenwärts beträchtlich über die
sternalen Rippen hinaus. Die linke Grenzlinie hingegen zeigt ihr
aborales Ende in der Höhe der drittletzten, sternalen Rippe, ist also
gegen die bei Prosimiern sonst gültige Regel der Rückbildung von
Sternalrippen in der oralen Verschiebung weit vorausgeeilt.
Die wesentlichen Umgestaltungen an den sternalen Grenzlinien
der Halbaffen vollziehen sich am Höhenstande der aboralen End-
punkte. Sie lassen sich zur bildlichen, schematischen Reihe zusam-
menstellen, welche auf Fig. 21, ähnlich wie auf Fig. 13 die Ver-
schiebungsvorgänge im Dorsalgebiete, diese im ventralen Bereiche
des Thorax leicht übersehen läßt.
Fig. 21.
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17 /2.
Nyeticebus. | a Chiromys. Lemur. Tarsius.
Übersicht über die orale Verschiebung der ventralen Pleura-Wandungen bei Halbaffen. Schematisch.
Durch 12.—7,. sind die Höhenlagen der Sternalinsertionen der 12.—7. Rippen angegeben. Der Pfeil
rechts deutet die Richtung der Verschiebung an,
Das Brustbein verliert in der Prosimier-Reihe die Verbindung
mit vier Rippen. Die Pleura-Säcke verschieben sich über vier Rippen
in oraler Richtung.
b. Simiae.
Die Grenzlinien treffen bei niederen Affen in der Regel hinter
dem Brustbeine zusammen und dehnen sich in dieser Lage bis auf
den Schwertfortsatz aus. Das Herz bleibt auf diese Weise von
der ventralen Thoraxwand entfernt, verbunden mit ihr durch ein
Ligamentum pericardiaco-sternale. Es ist auch vom Zwerchfelle
durch die Anwesenheit eines Lobus subpericardiacus der rechten
Lunge getrennt, so daß die untere Hohlvene, verbunden mit der
vorderen Thoraxwand durch ein Ligam. cavo-sternale, senkrecht
46 Georg Ruge
durch das Cavum thoraeis emporsteigt. Diese Einrichtungen zeigen
den Bauplan niederer Affen in Übereinstimmung mit demjenigen der
Halbaffen.
Die aneinandergeschlossenen Grenzlinien können eine Verlage-
rung nach der rechten oder der linken Körperseite erfahren und,
seitlich vom Sternum gelagert, eine costale Natur annehmen. Sie
können streckenweise auch auseinanderweichen und ein interpleurales
Feld hinter der ventralen Thoraxwand zustande kommen lassen.
Beide Grenzlinien oder nur eine von ihnen werden in lateraler Ver-
schiebung angetroffen. Alle diese Verhältnisse erscheinen als Ab-
weichungen von der medianen Lage der Grenzlinien. Eine größere
Zahl von Beobachtungen stehen noch aus, um die Normen für die
einzelnen Abteilungen zu bestimmen.
Ein abdominales Feld wird an den ventralen Wandungen der
Pleura-Säcke regelmäßig vorgefunden. Es ist wie das der Prosimier
zu beurteilen.
Auch die Verkürzung des Brustbeines um Rippen sowie die
Verschiebung der aboralen Enden der Grenzlinien eranialwärts finden
bei niederen Affen statt. Beide, nebeneinander verlaufende Vorgänge
bewegen sich aber in einem engeren Rahmen als wie bei den Halb-
affen. Das Bestehen eines abdominalen Feldes deutet auch hier das
Vorauseilen des grundlegenden Umwandlungsvorganges am Skelet
an. —
All’ diese ursprünglichen Eigenschaften treten rein oder an-
deutungsweise bei den Hylobatiden wieder in die Erscheinung.
Bei ihnen bereiten sich aber Dinge vor, welche in voller Aus-
bildung erst bei den Anthropomorphen und beim Menschen eine
höhere Rolle spielen. Die Hylobatiden nehmen hierin eine Zwischen-
stufe zwischen niederen und höheren Affen ein. Die neuen Erschei-
nungen, um welche es sich hier handelt, beruhen in der Verwachsung
des Herzbeutels mit dem Zwerchfelle, womit die Rückbildung des
Lobus subpericardiacus zusammenfällt, und das Schwinden eines
Ligam. cavo-sternale sich vollzieht. Bei Hylobatiden wird dieser
Vorgang eingeleitet, aber auch zu Ende geführt. Fernerhin kann das
Herz durch Annäherung an die vordere Thoraxwand die sternalen
Grenzlinien beeinflussen, eine Linksverschiebung der geschlossenen
Linien bedingen (Agzlis) und teilweises (Syrdactylus) oder vollständiges
Auseinanderweichen (Leweiscus) der Grenzlinien zur Folge haben.
Neben diesen Folgezuständen stellen sich wiederum ganz primitive
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 47
Verhältnisse ein (Agzilıs, Lar). Ein abdominales Feld tritt hier
und da wie bei niederen Affen auf. Zuweilen ist es verschwunden.
Anthropomorphe Affen sind mit einer Organisation aus-
gestattet, welche aus der innigen Verwachsung vom Herzbeutel mit
dem Zwerchfelle sich von selbst ergibt. Sie entfernen sieh dadurch
weit von den niederen Affen. Die Brücke zu ihnen wird durch den
Hylobatiden-Bau hergestellt.
Die sternalen Grenzlinien können das ursprüngliche Verhalten,
aber nur streckenweise, bewahren. Dieser Zustand ist bisher nur
beim Schimpanse beobachtet worden. In der Regel ist bei ihm
sowie stets bei Orang und Gorilla ein völlig neuer Typus aus-
gebildet. Er beruht auf der Annäherung des Herzens an die vordere
Thoraxwand und in der hiermit im Einklange stehenden, weiten
Trennung der »sternalen« Grenzlinien voneinander. Letztere nehmen
größtenteils eine sekundäre costale Lage ein. Das interpleurale Feld
kann dabei gewaltige Dimensionen annehmen.
Durchaus eigenartig für die Anthropomorphen ist die orale Ver-
schiebung der caudalen Endpunkte der Grenzlinien auf höhere sternale
Rippen. Sie rücken sehr häufig bis auf die drittletzte Sternalrippe
hinauf und stehen nur ausnahmsweise mit der letzten Sternalrippe
noch in Beziehung. Ein abdominales Feld ist auf diese Weise gänzlich
verloren gegangen. Alle Symptome ursprünglicher Organisation sind
damit verschwunden. In den Kreis dieser Äußerungen von Neu-
gestaltung fügt sich auch Schimpanse ein. Bei Hylobates sind nur
erste Anklänge an diese, alle niederen Affen weit hinter sich lassen-
den, höchsten Ausbildungen beobachtet worden. Wir dürfen hier
mit Fug und Recht von einem Anthropomorphen-Charakter sprechen,
welcher das höchste Interesse besitzt. Alle Einzelheiten dieses Wesens
werden verursacht durch die Umwandlung des gewaltigen Brust-
kastens. Er imponiert durch seine Breite und seine verhältnismäßig
geringe sagittale Ausdehnung. Das Herz, zwischen Wirbelsäule und
Brustbein eingeengt gelagert, nähert sich dem letzteren und bedingt
dadurch die übergroßen Verschiebungen an den pleuralen Grenz-
linien. Die Form des Thorax ist daher in letzter Instanz die Ursache
der Eigenartigkeiten an den Pleura-Säcken der Anthropoiden.
Die oberflächliche Lage des Herzens, »Situs superfieialis cordis«,
ist eine Begleiterscheinung des gesamten, differenten Bauplanes bei
Anthropomorphen. Die vorderen Lungenränder finden sich durch
das der vorderen Thoraxwand genäherte Herz zur Seite gedrängt.
Die tiefe Herzlage, »Situs cordis profundus<, kommt den niederen
48 Georg Ruge
Primaten zu und ist ihrem ganzen Wesen nach eine ursprüngliche
Einrichtung.
Die Verlagerung der Spitze und des größeren Abschnittes des
Herzens nach links zieht meistens eine stärkere, seitliche Verschie-
bung der linken Grenzlinie nach sich. Diese wird bei Gorilla und
Orang so hochgradig, daß die linke Grenzlinie nirgends mehr
hinter dem Sternum angetroffen wird, sondern hinter die sternalen
Rippen zu liegen kommt.
Beim Menschen bestehen wie bei den Anthropomorphen Zu-
stände an den Grenzlinien, welche durch die Verwachsung von Herz-
beutel und Zwerchfell bedingt werden. Es fehlt ein Ligamentum
cavo-sternale. Das Herz kann eine tiefe, ursprüngliche oder eine
oberflächliche, sekundäre Lage einnehmen. Hiermit in Übereinstim-
mung können die sternalen Grenzlinien einerseits alle ursprünglichen
Eigenschaften besitzen, median zusammentreten bis zur letzten Sternal-
rippe, ja selbst über diese hinaus abdominalwärts sich erstrecken,
Andrerseits wird ein starkes Auseinanderweichen beider Grenzlinien
mit seitlicher Verschiebung der linken Grenzlinie beobachtet. Abdo-
minale Felder fehlen in der Regel.
ee nn nn N I We
Die Sekundärerscheinungen erreichen oft einen Grad, wie er
beim Schimpanse besteht, erklimmen aber nie die bei Gorilla und
Orang ausgesprochene Organisationsstufe.
Es erhebt sich die wichtige Frage, ob das Menschengeschlecht
in seiner Vorgeschichte einen Bauplan besessen habe, wie ihn Gorilla
und Orang besitzen. Sollte das der Fall sein, so hätte sich bei ihm
wieder ein ursprünglicheres Verhalten eingestellt. Vielleicht hilft
die Embryologie die Frage lösen. Vorgeschichtliche Skelete mit gut-
erhaltenen Brustkörben könnten ebenfalls aufklärend wirken. Solche
werden uns jedoch wohl schwerlich jemals in die Hand gespielt
werden. Auch die entwicklungsgeschichtlichen Befunde mit ihren
vielen cänogenetischen, embryonal-adaptiven Begleiterscheinungen,
werden wohl schwer sichere Auskunft erteilen.
Mit Sicherheit können wir aussagen, daß, bei der allerdings
ganz willkürlichen Annahme der Ableitung der menschlichen Orga-
nisation von derjenigen eines Gorilla oder Orang, der Mensch von
der Höhe des gut gekennzeichneten Anthropomorphen - Bauplanes
wieder weit herabgestiegen sein müsse. Wenn dieser Rückgang zu
Ursprünglicheren nieht zugestanden werden kann, so steht unumstö
lich fest, daß die lebenden Anthropomorphen den Ausgangspunkt fü
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 49
das Genus Homo nicht abgeben können. Man kommt dann zur An-
sicht, daß dieses früher und selbständig vom Primaten-Stamme sich
losgelöst habe.
Auch Sechimpanse hat den Menschen im Baue des Brustkorbes
und dessen Inhaltes überflügel. Nähere verwandtschaftliche An-
knüpfungen ließen sich für den Menschen viel eher beim Genus
Hylobates finden.
Die Stellung des Menschen zu seinen, wie wir annehmen, nächsten
Stammesgenossen bleibt vorläufig in Dunkel gehüllt. Die sicherste
Rettung aus ihm ist die Zuflucht zur Annahme, daß die recenten
Anthropomorphen und der Mensch sich je früh vom Stamme losgelöst
und eine selbständige zum Teil konvergente Entwicklung eingeschlagen
haben.
1. Platyrrhina.
Ateles paniscus (Fig. 22). Das Brustbein ist mit 10 Rippenpaaren
verbunden. Die sternalen Grenzlinien sind in ihrer Ausdehnung aus-
einandergewichen und nehmen Fig. 2.
im aboralen Verlauf ein atypi- Re
sches, in seinem Zustande-
kommen nicht aufgeklärtes
Verhalten an. Sie lagern bis
zur sternalen Verbindung des
5. Rippenpaares je zur Seite
des Brustbeines und schließen
ein größeresinterpleurales Feld
hinter dem Sternum ein. Die
rechte Grenzlinie setzt sich
bis zur Sternalinsertion der
6. Rippe fort, kreuzt darauf Sterno-costale Grenzlinien von Ateles paniscus. 1/2.
das Brustbein in schräger Das Brustbein ist mit 12 Rippenpaaren verbunden.
& r Die Grenzlinien weichen sehr stark nach links ab,
Richtung und erreicht die Rechts besteht ein abdominales Feld der Pleura-Wand.
Sternalverbindung der linken
7. Rippe. Sie lagert dann hinter den Knorpeln der 7.—10. linken
Rippe neben dem Sternalrande, kreuzt darauf die Wurzel des Schwert-
fortsatzes und trifft dann auf den Knorpel der letzten rechten Sternal-
rippe. Sie grenzt ein rechtes kleines Abdominalfeld ab. |
Die linke Grenzlinie weicht von der Sternalinsertion der linken
Morpholog. Jahrbuch. 41. 4
50 Georg Ruge
5. Rippe schräg lateral-caudalwärts ab, geht dabei unvermittelt in
die eostale Grenzlinie über und erreicht als solehe den Knochenteil
der 10. linken Rippe. Durch diesen Verlauf kommt ein abwärts
verbreitertes, nahezu dreieckiges, interpleurales Feld zustande. Es
fällt der linken Thoraxhälfte zu.
Neue Beobachtungen an Ateles sind erforderlich.
2. Katarrhina.
Papio.
a. Papio mormon (Fig. 23 und 24). Die Grenzlinien berühren
einander beim jugendlichen Männchen vom oberen Rande des Brust-
Fig. 23. Fig. 24.
Papio mormon. Mormon.
1
4.
SI
Fig. 23 u. 24. Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke von Papio mormon. 1/3.
Fig. 23 nach T. Taysa. Es bestehen 9 sternale Rippen. Die Grenzlinien sind nach rechts ver-
schoben. Jederseits ist ein abdominales Feld der Pleura-Säcke wahrnehmbar.
Fig. 24. Das Brustbein ist mit 8 Rippenpaaren verbunden. Die sternalen Grenzlinien berühren
einander. Abdominale Felder fehlen.
beines an bis zur Basis des Schwertfortsatzes (Fig. 24). Sie treten
bei einem andern Tiere (Fig. 23) erst in der Höhe der 4. Rippe zu-
sammen und gelangen so bis hinter den Schwertfortsatz. Sie sind
im ersten Falle in der oralen Hälfte des Sternum nach links ver-
schoben und liegen in der aboralen Hälfte median. Im zweiten Falle
sind die geschlossenen Linien nach rechts vom Brustbein verlagert
und gelangen in die Medianlinie erst am Schwertfortsatze (Fig. 23).
Die linke Grenzlinie kreuzt in schräger Richtung oralwärts das Brust-
bein und schneidet die sternalen Ansatzstellen der 2. und 1. linken
Rippe. Die rechte Grenzlinie zieht steiler zur Kuppel der Pleura
empor.
Grenzen der Pleura-Sicke der Affen und des Menschen. 51
Die aboralen Enden der Grenzlinien nehmen auf Fig. 23 einen
primitiven Stand ein; sie befinden sich hinter dem Schwertfortsatz,
von wo aus sie je zur Seite abbieren und ein kleines abdominales
Feld zustande kommen lassen. Die Spitzen des ersten asternalen
Rippenpaares, weit vom Brustbein zurückgezogen, haben die Beziehung
zu den Grenzlinien eingebüßt.
Auf Fig. 24 entfällt das aborale Ende Jederseits hinter die letzte
Sternalrippe. Die Grenzlinien haben sich vom Schwertfortsatz zurück-
gezogen. Ein abdominales Feld fehlt. Die Verschiebung der Pleura-
Säcke hat sich. im Vergleiche mit dem andern Befunde kopfwärts
vollzogen, und zwar um das abdominale Feld, eine ganze Rippen-
breite und um einen Zwischenrippenraum; denn dort bestehen 9, hier
nur 8 sternale Rippenpaare.
Die Rückbildung sternaler Rippen ist am Objekt mit erhaltenen
9 derartigen Rippen der Verschiebung der Pleura-Säcke vorausgeeilt
(Fig. 23); sie fällt mit dieser am Objekte mit nur 8 Sternalrippen
zusammen.
Das ursprünglichere Verhalten auf Fig. 23 wird verstärkt durch
den Umstand, daß dem Objekt 20 thoraco-lumbale Wirbel zukommen,
dem Objekt der Fig. 24 aber nur 19.
Im Vergleiche mit Ateles sind die Enden der Pleura-Säcke bei
Mormon der Fig. 24 um mehr als zwei Segmente kopfwärts ver-
schoben.
b. Papio sphinz (Fig. 25). Das von T. Tansa untersuchte Objekt
besaß 8 Sternalrippen. Die sternalen Grenzlinien folgen den Seiten-
rändern des Brustbeines bis zur Fig. 25.
Verbindung mit dem 6, Rippen- As
paare. Die rechte Grenzlinie
weicht lateralwärts zum oberen
Rande der 7. Rippe aus und geht
hier in die costale Linie über.
Die linke Grenzlinie kreuzt die
7. Rippe und zieht schräg lateral
durch den folgenden Zwischen-
'aum als Costalgrenzlinie weiter,
Die orale Verschiebung hat
ich im Vergleiche mit Mormonr _Sterno-costale Grenzlinien von Papio sphinz. 1/3.
= e $sternale Rippenpaare. Die sternalen Grenzlinien
ler Fig. 24 rechts um etwa ein befinden sich zur Seite des Sternum. Das aborale
» . Ende liegt links zwischen $. und 7., rechts
ind ein halbes Segment, links zwischen 7. und 6. Rippe,
4*
59 Georg Ruge
um etwas weniger vollzogen. Sie beträgt beim Genus Papio mehr
als .drei Segmente.
Macacus.
a. Macacus nemestrinus (Fig. 26 und 27). An zwei Exemplaren
weichen die Verhältnisse nur wenig voneinander ab. Bei gleicher
Anzahl sternaler Rippen, 8 Paare, schließen die Grenzlinien von der
Höhe der 2. Rippe bis zum Schwertfortsatz zusammen; sie nehmen
Fig. 26. Fig. 27. einmal eine mediane Lage ein
en? (Fig. 26), sind das andre Mal
nach links verschoben (Fig. 27).
Die oralen Abschnitte treten
halswärts auseinander (Fig. 27);
die rechte Grenzlinie schneidet
die elavieulare Gelenkfläche, die
linke weicht lateral weiter aus.
Die aboralen Enden fallen
hinter den Schwertfortsatz, rei-
Blarneigoakele Planra-Grenzen. von Macacus neme-' chen hier weiter an dere ee
strinus. 1/5. Das Brustbein ist je mit 8 Rippen- F 2
paaren verbunden. Die Grenzlinien schließen an- als beim anderen Objekte herab.
einander und helfen je ein abdominales Feld be- Dadurch ist aueh die verschie-
grenzen, welches am größten auf Fig. 27 ist. e x
dene Größe der abdominalen
Felder gegeben. Das größte Feld ist das rechtsseitige der Fig. 27, das
kleinste das linksseitige der Fig. 26.
Die vom Schwertfortsatz seitlich abbiegenden Grenzlinien schnei- |
den in primitiverer Art die Knorpel des 8. sternalen Rippenpaares auf
Fig. 27 und liegen eine große Strecke weit hinter ihnen auf Fig. 26.
Das 9. Rippenpaar zog sich vom Brustbeine so weit zurück,
daß es zu den Wandungen der Pleura-Säcke jegliche Beziehungen
verlor.
Der Verlust an sternalen Rippen ist der Verschiebung der Pleura-
Säcke einmal nicht unwesentlich vorausgeeilt (Fig. 27), während beide
Erscheinungen das andre Mal ungefähr gleichen Fortgang zeigen
(Fig. 26).
Beide Befunde nähern sich am meisten dem von Papio mormon
auf Fig. 24, verhalten sich aber ursprünglicher als dieser.
b. Macacus radiatus und M. sinicus (Fig. 28a, b, c). Drei dureh
Tanya mitgeteilte Beobachtungen sind in den Figuren a, b, e ihre
Wesen nach wiedergegeben und zugleich nach ihrer Ursprünglichkei
geordnet. Da überall 8 sternale Rippen vorhanden sind, ist da
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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 53
Verhalten der Grenzlinien leicht zu übersehen. Diese berühren ein-
ander in der Mittellinie bei « von der 2. Rippe an bis zur Mitte
des Schwertfortsatzes, sind bei 5 getrennt und liegen in der Nähe
der Seitenränder des Brustbeines, während bei e die rechte Linie
median vom Manubrium bis zum Processus ensiformis sich ausdehnt,
die linke aber, zur Seite gedrängt, hinter der 3.—7. Rippe sich findet.
Ein interpleurales Feld befindet sich bei 5 retrosternal, bei e retro-
sterno-costal.
Ein beiderseitiges abdominales Feld ist bei « dadurch be-
merkenswert, daß die vom Schwertfortsatz seitwärts abbiegenden
Fig. 28.
Macacus radiatus-sinicus.
AL 2,4
Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke von Macacus radiatus (a, c) und Mac. sinicus (b), nach
T, Tassa. Schematisch dargestellt. Die aboralen Enden der sternalen Grenzlinien nehmen bei aden
tiefsten, bei c den höchsten Stand ein. Das Brustbein ist beia, b und c mit8 Rippenpaaren verbunden.
Grenzlinien auf die Spitzen der 9. Rippen treffen und letztere in das
Feld noch hineinbeziehen, wodurch die frühere sternale Natur
angedeutet wird. Bei 5 fallen die aboralen Enden der Grenzlinien
mit dem letzten Paare der Sternalrippen zusammen. Ein abdominales
Feld fehlt. Bei ce wird rechts ein kleines Abdominalfeld bemerkt;
links indessen hat die Grenzlinie sich bis zur 7. Rippe oralwärts
verlagert.
Der Fall a stimmt am meisten mit den Befunden bei Nemestrinus
überein, ist aber primitiver als diese. Die Fälle 5b und e sind diffe-
renterer Art; 5b stimmt bezüglich des Höhenstandes der aboralen End-
punkte mit Papio mormon der Fig. 24 überein.
©. Macacus cynomolgus (Fig. 29a, b, c, d). An vier Fällen, von
denen TaxsA drei beschrieben hat, treten Schwankungen auf, welche
einerseits Ursprüngliches wie bei Radiatus a, andrerseits Fortschritte
5:
54 Georg Ruge
für das Genus Macacus zu erkennen geben. Die Fälle Tansas sind
in a, c, d ihrem Wesen nach wiedergegeben.
Im Falle « und 5 bestehen acht Paare sternaler Rippen. Bei
a berühren sich die Grenzlinien von der Höhe der 3. Rippen an bis
Fig. 29.
Macacus cynomolgus.
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Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke von Macacus cynomolgus. a, c. d nach T. Tanya, sche-
matisch gehalten. Bei a und b bestehen 8, bei d 7 sternale Rippenpaare, Bei c sind rechts $,
links 7 sternale Rippen vorhanden. Die Herz-Umrisse sind bei b eingetragen. Rechts auf der Figur
ist durch zwei horizontale Linien a und d und durch einen Pfeil die orale Verschiebung der Pleura-
Säcke angegeben, welche bei den 4 Objekten stattgefunden hat.
hinter dem Schwertfortsatze in der Medianlinie. Jederseits besteht
ein ansehnliches abdominales Feld. Bei 5b ist ein solches rechts
nur noch andeutungsweise vorhanden; links fällt das aborale Ende
mit der letzten Sternalrippe zusammen.
Fig. 30.
Ateles. Mormon. Sphinz. Nemestrinus. Radiatus. Cynomolgus.
Übersicht über die Verschiebung der vorderen Pleura-Wandungen in oraler Richtung bei Ateles,
Papio und Macacus. Schematisch. Durch 11—7 sind die Höhenlagen der Sternalinsertionen der
entsprechenden Rippen angegeben. Der Pfeil rechts deutet die Richtung der Verschiebung inner-
halb der Grenzen 11 und 7 an.
Das Objekt d hat linkerseits 7, rechts 8, das Objekt c beider-
seits nur 7 Sternalrippen. Entsprechend dieser Reduction am Skelete
sind die Pleura-Säcke oralwärts weiter verschoben. Bei c hat sich
rechts ein von der 7. Rippe begrenztes Abdominalfeld erhalten,
während das aborale Ende der Grenzlinie links mit der 7. Ripp
zusammenfällt. Das Objekt d mit geschlossenen, median gestellten
Grenzen der Pleura-Sicke der Affen und des Menschen. 55
sternalen Grenzlinien zeigt deren Enden am oberen Rande des
7. Rippenpaares.
Fall a und 5b zeigen geschlossene mediane Linien. Fall e ist
mit von der 3. Rippe an geschlossenen, aber zur linken Seite ver-
schobenen Grenzlinien versehen. Das Objekt 5 ist eigenartig. Die
rechte Grenzlinie hält von der 2. Rippe an bis zum Schwertfortsatz
die Medianlinie inne, während die linke in den Höhen der 1. bis
6. Rippe sich weit vom Brustbeine entfernt. Erst aboral vom Herzen
tritt sie wieder an letzteres heran. Das Herz kann als Ursache für
die Linksabweichung verantwortlich gemacht werden.
Hrylobates.
Lar (Fig. 31). Das Brustbein ist links mit 8 Rippen verbunden.
Die rechte 8. Rippe hat sich vom Sternum entfernt und lehnt sich
unweit von ihm der 7. Rippe eng an. Fig. 31.
Die 9. Rippe ist an die 8. ange- Hylobates lar.
schlossen. Die Grenzlinien liegen
hinter dem PBrustbeine; die rechte
Linie fällt in die Mediane, die linke
liegt seitlich von ihr und reicht strecken-
weise bis an die Knorpelinsertionen
heran. Beide Linien berühren sich
am Ende des Brustbeinkörpers.
Die rechte Grenzlinie tritt auf
den Schwertfortsatz über und verläßt
ihn erst wiederam unteren Drittel. Sie Sterno-costale Pleura-Grenze von Hylo-
Pohneidet ‚die 9., daranf erst die us, vochta mie 7 Rippen verkunden
8. Rippe. Ein hohes, aber schmales a a
abdominales Feld, in welches die
9. Rippe hineinbezogen ist, läßt den Befund als den indifferentesten
erkennen. Er steht etwa auf der Stufe, wie der von Papio mormon
(Fig. 23) oder von Macacus radiatus (Fig. 28 a).
Die linke Grenzlinie verläßt den Schwertfortsatz hoch oben; sie
schneidet die 8. Sternalrippe in der Höhe des freien Endes der
9. Rippe, ohne sie in das kleine Abdominalfeld hineinzubeziehen. Der
linke Pleura-Sack hat sich nicht unbeträchtlich kopfwärts verschoben.
Ein ähnlicher Zustand wurde bei den Macacus-Arten angetroffen.
Agilıs (Fig. 32, a, b). Das Brustbein ist beim Objekte « mit 8,
beim Objekte 5 nur noch mit 7 Rippen vereinigt.
56 Georg Ruge
Der verschiedene Zustand am Skelet prägt sich im gleichen
Sinne auch an der Verschiedenheit der Pleura-Säcke aus.
Die Grenzlinien liegen nebeneinander, bei 5 median hinter dem
Sternum, bei a von der 3. Rippen-Höhe ab links von ihm. Sie
entfernen sich bei @ voneinander gegen den oberen Rand des Brust-
beines und erreichen den Schwertfortsatz an dessen linkem Randteile.
Die aboralen Enden der Grenzlinien liegen bei « hinter dem
Schwertfortsatze und lassen durch ihr seitliches Auseinanderweichen
jederseits ein von der 8. Rippe begrenztes, kleines abdominales Feld
Fig. 32.
Hylobates agilıs.
Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke von Hylobates agilis. 1:3. db helle Varietät, erwach-
senes Männchen. Das Brustbein ist bei « mit 8, bei 5 mit 7 sternalen Rippenpaaren verbunden.
Abdominale Felder der Pleura-Säcke bestehen bei a beiderseits, bei b nur links.
zustande kommen. Es entspricht in der Größe ungefähr dem linken
bei Lar.
Bei b besteht links ein Abdominalfeld, welches von der 7. sternalen
und der freigewordenen 8. Rippe eingerahmt wird. Die 8. Rippe,
einbezogen in das Feld, bewahrte ebenso wie die 9. rechte bei Zar
durch die Beziehung zum Pleura-Sacke ein Merkmal der einstmaligen
sternalen Natur. Auf der rechten Seite gelangt die Grenzlinie zur
Sternalinsertion der 7. Rippe, um auf sie überzugehen. Ein abdo-
minales Feld fehlt. Die Pleura ist im Vergleiche zur rechten Seite
und zu beiden Seiten von « um mehr als ein Segment oral-
wärts verschoben. Ein ähnlicher Zustand trat bei Cynomolgus der
Fig. 29 d auf.
Leueiscus (Fig. 33). Der ursprüngliche Bestand von 8 sternalen
Rippenpaaren ist mit der sehr erheblichen Entfernung beider Grenz-
IE Be rn _ Ban
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 57
linien voneinander gepaart. Die rechte Linie hält die Mediane inne,
indessen die linke weit vom Brustbein sich entfernt hat und senk-
recht bis zum 6. Rippen- Fig. 33.
knorpel herabzieht. Hier geht Hylobates leuciscus.
sie in die costale Grenzlinie
über. Den 6. Zwischenrippen-
raum schrägdurchsetzend, zeigt
sie eine starke orale Verschie-
bung. Der 7. Rippenknorpel
liegt abdominalwärts von ihr.
Die rechte Grenzlinie er-
reicht die Wurzel des Schwert-
fortsatzes, von welcher sie
quer abbiegt, um ein winzig
kleines abdominales Feld zu Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke von Hylo-
‚ s bates leuciscus. 1:6. 8 sternale Rippenpaare. Die
bilden, das von der 8. Sternal- rechte Grenzlinie liegt median und begrenzt ein ab-
ri e ein efriedet ist Die dominales Feld. Die linke Grenzlinie ist seitlich
PP 5 : stark verschoben.
fortgesetzte costale Grenzlinie
gelangt wie linkerseits in den 6. Intercostalraum, wodurch im Ver-
gleiche zu Zar und Agzlis (Fig. 32a) eine orale Verschiebung des
Pleura-Sackes sich ausspricht. Eine gleiche Erscheinung liegt bei
Agtlis b vor.
So vereinigt sich bei Lewciscus Primitives mit Differentem.
Syndactylus (Fig. 34a, b, ec). Das Brustbein ist bei drei auf
die Pleura untersuchten Tieren je mit 7 Rippenpaaren verbunden.
Das 8. Paar zog sich je auf eine etwa gleiche Entfernung vom
Sternum zurück. Ursprüngliches erhielt sich an den Grenzlinien an
verschiedenen Stellen, und Umwandlungen stellten sich hier und dort
ein. Die individuellen Schwankungen halten sich immerhin in engern
Grenzen.
Die mediane Berührung der sternalen Grenzlinien wird bei 5b
_ wahrnehmbar. Die Aneinanderlage ist am aboralen Ende des Sternal-
_ körpers bei ce und 5 erhalten, indessen kopfwärts eine Entfernung
der Grenzlinien sich vollzogen hat, bei c mehr gleichmäßig als wie
bei a. Bei c bleiben die Linien hinter dem Sternum gelagert. Bei
a rückte die linke Linie stellenweise hinter die knorpeligen Rippen-
geile, und zwar hinter die der 3.—7. linken Rippe. Ein etwa drei-
eckiges, retrosternales Zwischenpleurafeld wird bei @ und ce an-
‚getroffen. Die sternalen Linien gehen in die cervicalen bei 5 in der
58 Georg Ruge
Mitte der Ineisura jugularis über, bei @« und c aber in der Nähe oder
hinter dem Schlüsselbeine.
Die Fortsetzung auf den Schwertfortsatz erfolgt in ursprünglicher
Weise bei a beiderseits, bei 5 und ce jedoch nur links. Die auf die letzte
Sternalrippe vom Schwertfortsatze überspringende Grenzlinie hilft
jedesmal ein abdominales Pleura-Feld begrenzen. Von ihm ist die
8. Rippe allenthalben ausgeschlossen. Sie hat die letzten Zeichen
ihres früheren sternalen Wesens eingebüßt.
Das aborale Ende der sternalen Grenzlinie zog sich rechts bei
b und e bis zur Höhe der sternalen Anheftung der 7. Rippe zurück,
bei c etwas weiter oralwärts als wie bei b.
Fig. 34.
Hylobates syndactylus.
Sterno-costale Pleura-Grenzen von Hylobates syndactylus. a junges Weibchen, 1:2; b erwachsenes
Männchen, 1:6; c junges Weibchen 1:4. Das Brustbein ist bei a, 5 und c mit 7 Rippenpaaren
verbunden. Bei a besteht beiderseits, bei b und c links ein abdominales Pleura-Feld. Die Grenz-
linie ist rechts bei b und c auf die 7. Rippe oralwärts verschoben; sie bestreicht bei c die 6. Rippe,
Der Anfangsteil der costalen Grenzlinie liegt beiderseits bei b
hinter dem Knorpel der 7. Rippe; er rückte linkerseits bei @ und e
in den 6. Zwischenrippenraum, rechts bei ce sogar in ausgesprochener
Weise hinter die 6. Rippe, so daß auch an ihm eine Verschiebung in
oraler Richtung sich kundgibt.
Die drei Objekte sind verschiedenen Alters und verschiedenen
Geschlechtes. Alter und Geschlecht beeinflussen die Verschieden-
artigkeiten an der Pleura nicht.
4
N
Ebenso wie die variierenden Befunde für die einzelnen Arten
zu besonderen Reihen zusammengestellt werden müssen, so muß das-
selbe für die ganze Gattung Hylobates geschehen. Anknüpfungen R
an andre, niedriger stehende Primaten-Abteilungen können nur auf )
Grund der primitiven Einrichtungen gesucht werden, da die differenten
Zustände als selbständig in der Gattung entstanden zu denken sind.
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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 59
Stimmen sie mit denen andrer tiefer stehender Primaten überein,
so ist die Annahme der Convergenz nicht von der Hand zu weisen.
Die Schwankungen im Höhenstande der aboralen Enden der
sternalen Grenzlinien sowie der sich anschließenden, vorderen Ab-
schnitte der costalen Grenzlinien lassen sich auf den Grad der In-
differenz untrüglich beurteilen.
Der Breitegrad aller bekannt gewordenen Schwankungen im
Höhenstande der Endpunkte der Sternalgrenzlinien ist durch die
schematische Fig. 35 gekennzeichnet. Der ursprünglichste Befund
zeigt den Stand auf der Höhe der 9. Rippe bei Zar, der differenteste
Zustand zeigt ihn auf der Höhe der 7. Rippe bei Agelis und Syndactylus.
Das primitive Verhalten weist zurück auf Verhältnisse bei Macacus
radiatus (Fig. 28a) und Papio mormon (Fig. 23).
Der tiefste Stand der vorderen Abschnitte der costalen Grenz-
Fig. 35.
Hylobates.
Lar. Agilis,a. Agilis, b. Sunaaee Er
Übersicht über die oralwärts stattfindende Verschiebung der ventralen Pleura-Wandungen bei Hylo-
bates. Schematisch. Durch 9.—7. sind die Höhenlagen der Sternalinsertionen der entspechenden
Rippen angegeben. Der Pfeil rechts deutet die Richtung der Verschiebung an.
linien trifft mit der 9. Rippe zusammen (Lar); der höchste fällt in
den 6. Intereostalraum und hinter die 6. Rippe (Syndactylus). Ein
derartiger differenter Zustand ist bei keiner niederen Form bisher
bekannt geworden. Wohl nähert sich ihm der bei Papio sphinz
(Fig. 25) und Macacus cynomolgus (Fig. 29 c, d) angetroffene Befund,
wo der 6. Intercostalraum den Höchststand angibt. Aber auch hierin
können nur convergente Bildungen gesehen werden.
3. Anthropomorphae.
Bisher ist keineBeobachtung bekannt geworden, welche die Organi-
sation eines Anthropomorphen auf tieferer Stufe zeigt, als die höchste
Entwicklungsstufe bei Hylobates und niederen Affen sie angibt. Alle
Befunde bei Anthropomorphen haben die der letzteren überholt. Da-
durch nehmen die Anthropomorphen eine besondere Stellung ein und
- schließen enger aneinander. Trotzdem läßt sich aber auch bei ihnen
eine Entwicklungsreihe nachweisen. Schimpanse nimmt in ihr den
60 Georg Ruge
tiefsten Rang ein. Der höchste ist dem Orang zuzuerkennen. In-
dividuelle Schwankungen werden auch hier bestehen. Sie aufzudecken
bleibt eine dankenswerte Aufgabe. Bisher liegt nur außer eigenen
Beobachtungen eine Mitteilung TAxJA’s über Orang vor.
Schimpanse (Fig. 36a, b, ce).
Von 13 Rippenpaaren, welche die untersuchten Tiere besitzen,
sind bei 5 8, bei e 7 sternaler Natur. Das Objekt ce indessen weist
rechts 8 und links 7 Sternalrippen auf.
Beide sternale Grenzlinien berühren einander in der Medianlinie
bei a. Sie haben bei 5 die Nachbarschaft aufgegeben, verlaufen aber,
bis auf 4 bis 5 mm voneinander entfernt, parallel miteinander und
Fig. 36.
Schimpanse.
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Sternale Grenzlinien der Pleura-Säcke von 3 Schimpansen. a 1:3; db Weibchen, etwa 1:4;
ce Männchen, 1:3.
leicht geschwungen hinter dem Brustbeine. Dabei schneidet die linke
Grenzlinie die Ineisura jugularis median und hält auch hinter dem
Manubrium sterni die Mittellinie inne. Die rechte Grenzlinie liegt
hinter der Ineisura elavieularis und entfernt sich in deren Höhe von
der linken 12 mm. Die linke Grenzlinie biegt in der Ebene der
4. Rippe seitwärts aus und schneidet deren Knorpel.
Die Berührung ist bei e hinter der unteren Hälfte des Manubrium
bewahrt geblieben. Halswärts divergieren die Grenzlinien und treffen
auf die Ineisurae celaviculares. In aboraler Richtung tritt unter Ein-
buße des primitiven Verhaltens gleichfalls eine Divergenz ein. Die
rechte Grenzlinie wird unweit des rechten Randes des Brustbeines
und hinter ihm angetroffen. Die linke verläßt hinter der Grenze
von Manubrium und Corpus sterni die Mittellinie und zieht nunmehr
en
Grenzen der Pleura-Sicke der Affen und des Menschen. 61
aboral-lateralwärts; sie schneidet die 4. linke Rippe an deren Sternal-
insertion und in immer weiterer Entfernung vom Brustbeine die
Knorpel der 5., 6. Rippe (1 em—2,7 cın vom linken Sternum-Rande).
Sie geht Mnter der 6. Rippe unvermittelt in die costale Grenzlinie
über, schneidet als solehe die Knorpel-Knochen-Grenze der 7. Rippe.
Durch die Entfernung der Grenzlinien kommt bei e ein drei-
eckiges interpleurales Feld zustande; es nimmt eine retrosternale
Lage ein und entfällt zum Teil hinter die Knorpel der linken 4. bis
6. Rippe. Die Spitze des Feldes befindet sich hinter der Verbindung
des Manubrium mit dem Corpus sterni; die Basis fällt mit den Um-
rissen des Herzens zusammen und dehnt sich zwischen den Knorpeln
des 6. Rippenpaares aus.
Es liegen in «a, b, ce drei verschiedene Stadien der retrosternalen
Lage der Grenzlinien vor. Der differente Zustand am Objekte ec
entfernt sich vom primitiven am Objekte @ in sehr erheblicher Weise.
Die Form des interpleuralen Feldes bei 5 ist keine neue Erscheinung.
Wir trafen sie bei Ateles (Fig. 22) im oralen Gebiete des Sternum
an, ferner bei Papio sphinz (Fig. 25) und Macacus (Fig. 28, a b).
Bei Hylobates leueiscus (Fig. 33) ist das Feld bedeutend weiter nach
links ausgedehnt.
Die Form des dreieckigen, interpleuralen Feldes bei c ist jedoch
eine ganz neue, eine nur den Anthropomorphen zukommende Er-
scheinung. Wohl findet man bei Hylobates syndactylus (Fig. 34a, e)
auch ein dreieckiges, interpleurales Feld. Dasselbe kehrt aber seine
Basis dem Halse zu, während seine Spitze sich gegen den Schwert-
fortsatz wendet.
Die aboralen Enden der sternalen Grenzlinien sind bezüglich
der Grade ihrer Ursprünglichkeit auf die beiden Seiten der drei
Individuen verschieden verteilt. 1. Bei 5 befindet sich das Ende links
hinter der Sternalanheftung der 6. Rippe, 2. bei ce rechts liegt es
etwas höher, 3. bei « und bei 5b rechts fällt es in den 5. Intercostal-
raum und 4. bei ce links ist der Endpunkt wegen des Überganges
der sternalen in die costale Grenzlinie verwischt. Man kann ihn
_ auf die 6. Rippe verlegt annehmen.
u
hr
Bei allen drei Objekten überschreitet die beiderseitige Grenz-
ö linie beckenwärts die 6. Rippe nicht; ihr Ende kann aber der 5. Rippe
B genähert sein. Ein derartiges Verhalten, das hier die Regel ist,
x wurde beiderseits bei keiner andern Form angetroffen; es gehört zu
den Merkmalen der Anthropomorphen. Es kombiniert sich bei a
j
n |
62 Georg Ruge
mit dem primitiven Zusammenschlusse der Grenzlinien hinter dem
Sternum.
Wohl ist ein ähnlicher Sekundärbefund linksseitig unter den
Halbaffen bei Avahis und unter den niederen Affen bei Ateles beob-
achtet worden. Bei beiden handelt es sich aber um eine gleich-
zeitige Linksverlagerung der rechten Grenzlinie in dem betreffenden
Gebiete, deren Ursache unbekannt geblieben ist. In der Sternal-
gegend, wie es bei Sehimpanse der Fall ist, befindet sich diese
hohe Lage nicht, vielmehr auf der linken Körperseite, wohin auch
die rechte Grenzlinie verschoben ist. Eine Annäherung an den dif-
ferenten Zustand der hohen Lage liegt rechts bei Papio sphinz und
links bei Hylobates leueiscus vor, bei denen der 6. Zwischenrippen-
raum das Ende der Grenzlinie anzeigt.
Die seitliche Deviation der linken Grenzlinie unterliegt beim
Schimpanse individuellen Schwankungen. Sie fehlt einerseits bei a,
nimmt andrerseits bei c einen ausgesprochenen Charakter an, während
b eine Zwischenform darstellt. Sie fügt sich in den Rahmen pro-
gressiver Zustände ein; denn sie wird in der gut gekennzeichneten
Form bei niederen Primaten vermißt, wird bei andern Anthropomorphen
zur Regel und tritt auch beim Menschen als eine sehr häufige, ja
als normal angenommene Erscheinung hervor.
Der indifferenteste Befund 5, in welchem die primitive sternale
Lage der Grenzlinien mit dem differenten Höhenstande deren End-
punkte kombiniert ist, hat alle bei niederen Affen bekannt gewordenen
Einrichtungen in wesentlichen Punkten überflügelt. Die Möglichkeit,
ihn in rein morphologischem Sinne von niederen Zuständen abzuleiten,
liegt mehrfach vor. Hiylobates lar, Hwylobates agilis (Fig. 325) und
Hylobates syndactylus (Fig. 34 b), Macacus und Papio zeigen je Ein-
richtungen, welche wir als Ausgangspunkt des indifferenten, mithin
auch der weiter fortgeschrittenen Entwicklungsstadien beim Schim-
panse annehmen können. Wo der genealogische Anschluß zu suchen
sei, lassen die Pleura-Verhältnisse nicht erkennen. Die ganz eigen-
artige Gliederung des Brustbeines beim Genus Aylobates, wo zwei
oder drei Rippenpaare mit einem Manubrium sterni verbunden sind,
erschweren es, Schimpanse mit ihm in engste verwandtschaftliche
Beziehung zu setzen. Es wird geboten, die Ablösung des Schim-
panse vom Stamme tiefer anzunehmen, wo eine wie bei ihm vor-
liegende Gliederung des Brustbeines noch besteht. Diesbezüglich
werden wir auf Organisationen verwiesen, welche bei allen andern
niedern Affen herrschen.
f)
„
Br
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 63
Gorilla (Fig. 37a, b).
Es liegen die Beobachtungen an zwei Objekten vor. Das Objekt
a hat Tansa bei seiner Darstellung benutzt. Es zeigt am Skelete
durch den Besitz von 18 thoraco-lumbalen Wirbeln, 14 Rippenpaaren
und 8 sternalen Rippen an der rechten Seite das primitivere Ver-
halten. Das Objekt 5b ist mit 16 thoraco-lumbalen Wirbeln und 13
Rippenpaaren ausgestattet, von welchen nur 7 sternaler Natur sind.
Die Verhältnisse an den Pleura-Säcken sind hiermit übereinstimmend
bei a die indifferenteren.
Die Grenzlinien entfernen sich bei «a am oberen Sternalrande
nur 0,5 cm voneinander; sie weichen aboralwärts weiter auseinander.
Fig. 37.
Gorilla,
Sternale Grenzlinien von zwei Gorilla. a Männchen, etwa 1:4; db Weibchen, etwa 1:4.
Das sich einstellende interpleurale Feld ähnelt dem von Schimpanse
der Fig. 36c; es wendet wie dort die Spitze auf-, die Basis abwärts.
Es hat sich aber im Vergleiche mit jenem verbreitert. Die größte
Breitenausdehnung erreicht es in der Höhe des 4. Rippenpaares (2,3 cm).
Aboral ist die Breite auf 1,35 em vermindert. Die rechte Grenzlinie
zieht in leichtem Bogen rechts von der Mittellinie und mit rechts-
gekehrter Krümmung hinter dem Sternum bis zur Basis des Schwert-
fortsatzes, wo sie die Sternalinsertion der 7. linken Rippe berührt,
aber in der Höhe der Sternalinsertion der rechten 8. Rippe sich
befindet. Die linke Grenzlinie verläßt das Sternum bereits in der
Höhe der 2. Rippe, deren Knorpel sie schneidet. Sie entfernt sich
"aboral weiter und weiter vom Brustbein und lagert hier hinter den
_ Knorpeln der 3. bis 5. Rippe, um hinter dem oberen Rande der
6. knorpeligen Rippe in die eostale Grenzlinie überzugehen. Diese
Übergangsstelle fällt mit dem Umrisse des Herzens zusammen.
64 Georg Ruge
Das interpleurale Feld ist von länglich-ovaler Gestalt. Es gestattet
einem großen Teile der ventralen Fläche des Herzens eine Anlagerung
an die Thorax-Wand.
Aus Angaben P. EısLers ist zu entnehmen, daß die rechte Grenz-
linie an dem von ihm untersuchten Exemplare hinter dem Brustbeine
in der Nähe der Insertionen der 1. bis 6. Rippe, die linke Grenz-
linie aber fast in ganzer Ausdehnung lateral vom Brustbeine sich
befunden habe. Es ist möglich, daß eine Zwischenform zwischen
Objekt a und b vorgelegen hat.
Objektb. Denkt man sich die rechte Grenzlinie des Objektes a
stark lateralwärts verschoben, die linke Linie im oralen Abschnitte
ein wenig, im aboralen Gebiete aber stärker nach der linken Körper-
seite gedrängt, so kommt der Befund 5 zustande. Das interpleurale
Feld dehnt sich vom Brustbeine aus auf die rechte Gegend der
knorpeligen Rippenteile ein wenig, auf die linke aber weit aus. Das
Feld erhält durch den schrägen, aber parallelen Verlauf beider Grenz-
linien eine Trapezform. Die rechte Grenzlinie schneidet die Knorpel
der 6 oberen Rippen, den Knorpel der 1. Rippe weiter lateral als
den der 6. Rippe. Ihre Entfernung von der Mittellinie beträgt oben
2, unten 1 em. Der Übergang in die costale Grenzlinie erfolgt unter
rechtwinkliger Abknickung hinter der 6. Rippe. Die linke Grenz-
linie schneidet ebenfalls die Knorpel der 1.—6. Rippe, entfernt sich
aber im Gegensatze zur rechten aboralwärts mehr und mehr von
der Mittellinie. Der Übergang in die costale Grenzlinie ist unver-
mittelt; er ist nicht genau bestimmbar, liegt wohl zwischen 5. und
6. Rippe. Denkt man sich nämlich die abgekniekte Übergangsstelle
der sternalen in die costale Grenzlinie bei « nur etwas weiter lateral
verschoben, so ergibt sich ein Befund, wie er bei 5 verwirklicht ist.
Die hochgradige stattgehabte Seitwärtsverschiebung spricht sich auch
darin aus, daß die Knorpel-Knochen-Grenze der 6. Rippe von der
linken Grenzlinie geschnitten wird. Das bedeutet im Vergleiche zu
a einen gewaltigen Fortschritt der Umwandlung.
Die Grenzlinien haben jegliche Beziehungen zum Brustbeine, das f
durch Breitenentfaltung sich zudem noch auszeichnet, aufgegeben.
Das interpleurale Feld wird durch das an die ventrale Thorax-
wand gelangte Herz in Anspruch genommen.
Ei
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Das aborale Ende der Grenzlinien liegt rechts hinter der
6. Rippe, also um mehr als 1 Segment, fast um 2 Segmente, höher
als wie bei a, wo es unterhalb der 7. Rippe in der Höhe der 8. Sternal-
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 65
rippe sich befindet. Der linksseitige Endpunkt, nicht genau mehr
feststellbar, dürfte eine gleiche Höhe wie bei « eingenommen haben.
Trotz der stattgefundenen Umwandlungen an den Grenzlinien
hat sich rechts am Objekte a ein ursprünglicher Höhenstand des
aboralen Endes erhalten. Ein solcher wurde beim Schimpanse
nicht mehr angetroffen, trotzdem auch beim Objekte 5 8 sternale
Rippen bestehen. Ein Indifferenzzustand wie beim Gorilla @ ist bei
Hylobates lar, agilis und leueiscus beobachtet worden und ist bei
niederen Affen nichts Ungewöhnliches.
Orang (Fig. 38a, b).
a. Ein von TAnJA untersuchtes, junges Tier zeigt die ursprüng-
licheren Verhältnisse, welche in einigen Beziehungen sich über die
von Gorilla erheben.
Fig. 38.
Orang.
Sternale Grenzlinien der Pleura-Säcke von zwei Orang. a nach T. Tassa 1:4; b Männchen, 1:4,
Das Tier besaß, wie das Objekt b, 16 thoraco-lumbale Wirbel,
12 Rippenpaare und unter ihnen 7 von sternaler Natur.
Die Grenzlinien sind symmetrisch angeordnet. Eine jede gelangt
aus der 1 em über die 1. Rippe herausragenden Pleura-Kuppel hinter
Clavieula und untern Teil der Ineisura clavicularis sterni; sie folgt
dann hinter dem Brustbeine dessen Seitenrande bis zur Höhe der
5. Rippe. Hier biegt die sternale Grenzlinie jederseits seitlich ab
zum Übergange in die eostale Linie.
Der Höhenstand des aboralen Endes fällt jederseits mit der
‚Insertion der 5. Rippe zusammen. Diese wird in der Nähe des oberen
Randes geschnitten. Die Verschiebung der Pleura-Säcke hat, soweit
sie noch hinter das Sternum fallen, was rechterseits bei Schimpanse
und Gorilla der Fall ist, nirgends einen so hohen Grad erreicht
wie hier.
| Morpholog. Jahrbuch, 41. ö 5
-
r
66 Georg Ruge
Die costalen Grenzlinien ziehen anfangs hinter der 5. Rippe
lateralwärts und schneiden bereits die 6. Rippe an deren Knorpel-
Knochen-Grenze.
Dieser Zustand ist bei Schimpanse einmal auf der rechten
Seite (Fig. 86c), bei Gorilla einmal beiderseits erreicht worden
(Fig. 3% b).
Das interpleurale Feld nimmt im Unterschied zu Sechimpanse
ce und beiden Exemplaren von Gorilla eine retrosternale Lage, ist
demgemäß von länglich-viereckiger Gestalt und von geringer Breite.
b. Auch hier nehmen beide Grenzlinien eine symmetrische Lage
ein; sie beginnen hinter der Ineisura elavieularis sterni. Eine Über-
einstimmung mit a zeigt sich fernerhin darin, daß die eostalen Grenz-
linien die 6. Rippen an deren Grenzen vom Knorpel in den Knochen
schneiden. Im übrigen stellten sich neue, einzig dastehende Um-
wandlungen ein, welche als gewaltige Verschiedenheiten im Ver-
gleiche mit @ in die Augen fallen. Beide Grenzlinien sind im oberen
Gebiete auf die Seitenränder des Brustbeines verlagert. Die rechte
Linie verläßt dasselbe hinter der Sternalinsertion der 3., die linke
hinter derjenigen der 2. Rippe. Von hier aus entfernen sich die costal
gewordenen Grenzlinien in aboraler Richtung voneinander, anfangs
allmählich, bald aber so beträchtlich, daß sie in der Höhe des
5. Rippenpaares dreimal so weit auseinanderliegen, als in der Höhe
des 3. Weiterhin schlagen sie eine weniger steile Richtung ein
und schneiden die 6. Rippe bereits jederseits am Übergange in deren
knöchernen Abschnitt.
Die aboralen Endpunkte der Grenzlinien, welche am Objekte «a
hinter dem oberen Rande der Sternalinsertion des 5. Rippenpaares
angetroffen werden, sind hier nicht mehr genau zu bestimmen, da
der Übergang in die »costalen« Grenzlinien unvermittelt ist. Dieser
unmittelbare Übergang kam durch seitliche Verschiebung der aboralen
Endpunkte zustande. Sie dürften, wie beim Objekte a, hinter den i
Knorpeln des 5. Rippenpaares gelegen sein, wo die stärkste Krümmung
der Grenzlinien sich kundgibt. 2
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Das interpleurale Feld schließt die ganze hintere, orale Fläche 1
des Brustbeines in sich und dehnt sich jederseits auf die costale
Thoraxwandung aus. Es ist gegen den Hals zu offen, und zwar
in der Breite des Manubrium sterni. Abdominalwärts tritt eine rasche Ü
und beträchtliche Erweiterung ein.
Der größere Teil der ventralen Fläche des Herzbeutels ist der
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Grenzen der Pleura-Sicke der Affen und des Menschen. 67
Thoraxwand angelagert. Selbst die Spitze des Herzens fällt noch
in den Bereich des interpleuralen Feldes.
Die orale Verschiebung der unteren Endpunkte hat sich bei
Orang um drei Segmente höher vollzogen als wie beim Gorilla a
auf der rechten Seite, um etwas mehr als ein Segment wie beim
Gorilla b auf der gleichen Seite. Sie steht beim Schimpanse
um etwas weniger als ein Segment gegen die beim Orang zurück.
Dieser nimmt daher die höchste Stufe in der oralen Verschiebung
der Pleura-Säcke ein.
Die linksseitige Verschiebung hat beim Gorilla 5 einen gleichen
Grad erreicht wie beim Orang b.
Die Befunde bei Orang lassen sich von einem indifferenten
Zustande, wie ihn Schimpanse a und 5 darbieten, ungezwungen
ableiten. Das differentere Verhalten bei Schimpanse ce und Gorilla
a und 5b kann jedoch nicht mehr als Ausgangspunkt für den ur-
sprünglicheren Tatbestand bei Oranga angenommen werden. Nimmt
man für alle drei Anthropomorphe eine ursprünglichere Organisation
als gemeinsamen Ausgangspunkt für eine je selbständige Umwand-
lung bei jedem Vertreter an, so ist ein jeder Fall im Gebiete der
individuellen Schwankungen leicht zu erklären.
Mit Sicherheit läßt sich über eine engere oder weitere genea-
logische Verwandtschaft der Anthropomorphen zueinander aus dem
Verhalten der Pleura-Grenzen nichts aussagen. Es ist jedoch nicht
ohne weiteres wahrscheinlich, daß die eine Form aus der andern
sich entwickelt habe. Fest steht indessen die Tatsache, daß die drei
Anthropomorphen Gemeinsames in der Entwicklung der Pleura-Säcke
besitzen, welches eine Eigenartigkeit für sie ist. Wenn daher eine
direkte Verwandtschaft zwischen ihnen auch nicht bestehen sollte,
so schlugen sie doch einen gleichen Entwicklungsgang ein. Eine
jede neue genaue Beobachtung wird das Urteil über die schwierige
Frage der verwandtschaftlichen Beziehungen schärfen können. Heute
sind wir mit dem entscheidenden Materiale noch schlecht bestellt.
c. Mensch (Fig. 39 u. 40).
Der Breitegrad individueller Schwankungen ist groß. Ganz
ursprüngliche und hoch differente Einriehtungen sind bei ihm all-
mählich bekannt geworden (vergl. TanJa). Man könnte behaupten,
daß auch für die Anthropomorphen einmal ein ähnlicher Breitegrad
individueller Schwankungen sich würde nachweisen lassen. Das ist
ja möglich, für Schimpanse sogar wahrscheinlich. Gorilla und
5*
x
68 Georg Ruge
vor allem Orang zeigen indessen in dem Baue ihres Rumpfes so
große Spezialisierungen, daß diese auch in der Anordnung der Brust-
organe sich wiederspiegeln werden. Derartige strenger fixierte,
fester eingebürgerte Eigenschaften treten nach dem Stande unsrer
Erfahrungen bei Hylobates syndacetylus und bei Macacus cynomolgus
uns entgegen. Sie für Orang in gleicher Weise anzunehmen, halte
ich für durchaus gerechtfertigt.
Die Einriehtungen am menschlichen Rumpfe sind nach allem,
was wir wissen, nicht so spezialisiert, daß nicht Rückschläge und
Weiterbildungen an ihm sich einstellen können. Ebenso wie das
Skelet sind auch die Weichteile Schwankungen unterbreitet. Die
sternalen Grenzlinien zeigen eine Fülle derselben. Einerseits treten
Anklänge an die Organisation niederer Affen, selbst größere Über-
einstimmung mit ihr in die Erscheinung. Derartige primitive Befunde
weisen auf Entwicklungsstadien zurück, welche von den Anthropo-
morphen weit überholt sind. Progressive Variationen sind andrer-
seits an den sternalen Grenzlinien des Menschen bekannt geworden.
Sie erreichen niemals die äußerste Grenze der Umwandlung, welche
Gorilla und Orang uns darbieten. Der Mensch steht daher be-
züglich der sternalen Grenzlinien nicht am Ende der Entwicklungs-
reihe. Dieser Satz kann durch reichere Erfahrungen über Schwan-
kungen bei den Anthropomorphen nur gesichert werden, da die
Möglichkeit besteht, bei ihnen noch ausgesprochenere Umwandlungen
anzutreffen.
Die beim Menschen bekannt gewordenen Variationen (vergl.
TaxsAa 1891) lassen sich nach ihren verschiedenen Merkmalen zu-
sammenfassen und ordnen. Leitend hierbei sind die gleichen Ge-
sichtspunkte, nach denen das tierische Material behandelt worden ist.
«. Berührung beider sternaler Grenzlinien.
1. Der ursprünglichste Zustand zeigt uns die Berührung beider
Grenzlinien vom Manubrium sterni oder von der Höhe des 2. Rippen-
paares an über den ganzen Körper des Brustbeines und über die
orale Hälfte des Schwertfortsatzes. Ein solcher Tatbestand ist beim
Neugeborenen, beim 18monatigen und Sjährigen Knaben, sowie beim
5djährigen Manne aufgenommen worden.
Das Alter ist für das Auftreten dieses primitiven Zustandes nicht
ausschlaggebend. Er ist bisher nur bei männlichen Individuen in
der Literatur verzeichnet. Er stimmt überein mit Befunden bei Halb-
affen und niederen Affen. Macacus-Arten (Fig. 26, 28a, 29a) bieten
all
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 69
ihn öfters dar. Unter den Hylobatiden finden wir ihn bei Lar
(Fig. 31), Agilis (Fig. 32 b) und Syndactylus (Fig. 34 b).
Die Übereinstimmung wird um so augenfälliger, wo das Brust-
bein in Verbindung mit 8 Rippenpaaren geblieben ist und die Grenz-
linien sich nichtsdestoweniger geschlossen bis auf den Schwertfortsatz
ausdehnen. Skeletund Pleura-Grenzen zeigen hier Wechselbeziehungen
zueinander und deuten auf weit zurückliegende Einrichtungen hin
(Fig. 39 1).
Die Berührung der Grenzlinien setzt sich nur selten auf das
Manubrium sterni hinauf fort. Sie endigt in dessen Mitte bei einem
11jährigen Mädchen. Bis zum oberen Rande des Brustbeines ist der
Anschluß der Grenzlinien bisher nicht wahrgenommen worden.
2. Berührungen der Grenzlinien von der Höhe des 2. Rippenpaares
an bis zur Basis des Schwertfortsatzes werden wiederholt an-
getroffen (C. Sıck 1885). Berührungen von der 2. Rippe bis zur
Höhe des 7., des 6., des 5. und des 3. Rippenpaares finden sich bei
TanyJA aufgeführt. Hieran schließen sich die Beobachtungen, wonach
die Berührung beider Grenzlinien nur noch auf kurze Strecken be-
schränkt ist. Sie leiten zum Zustande der Trennung in ganzer Aus-
dehnung über.
Nach HAmERNIK (1858) bleiben die Grenzlinien in der Regel
bis zur Höhe der Sternalanheftung des 6., nach LuscukA (1858) und
Panscha (1881) bis zur Höhe des 4. Rippenpaares vereinigt.
Die Berührung der Grenzlinien in der Mittellinie wird zu-
weilen angetroffen. Sie besteht vom Manubrium bis zum Schwert-
fortsatze beim 5djährigen Manne, bis zum 6. Intercostalraume bei
einer 69 jährigen Frau und bis zur Höhe des 3. Rippenpaares bei
einem 66 jährigen Manne.
Verlagerung der sich berührenden Grenzlinien nach links. Sie
liegt häufiger vor als eine solche nach rechts. Sie erfolgt bis zum
linken Rande des Brustbeines. Nur einmal überschritt sie den linken
Sternalrand. Sonst können die links verlagerten Grenzlinien bis
zum Schwertfortsatze oder aber nur über kleine Strecken des Brust-
beines sich erstrecken.
Verlagerung der aneinandergeschlossenen Grenzlinien nach
rechts. Sie tritt weniger ausgesprochen und auch seltener auf,
erfolgt meist nur auf kürzere Strecken des sternalen Verlaufes der
Grenzlinien. Der rechte Seitenrand des Brustbeines wird durch beide
Grenzlinien nie bestrichen. Die Verschiebung beschränkt sich also
70 Georg Ruge
immer auf die rechte Sternalhälfte. Sie stellt sich nicht über eine
größere Strecke ein, als die Entfernung von 2—3 Rippen beträgt.
Die Linksverlagerung der vereinigten Grenzlinien bestand
unter den Halbaffen bei Avakis (Fig. 20) und erfolgte bis hinter die
Rippenknorpel. Sie ist keine ganz seltene Erscheinung bei Affen.
Bei Macacus nemestrinus (Fig. 27) liegt sie in ganzer Ausdehnung
bis zum Schwertfortsatze vor und ist größtenteils bis über den Sternal-
rand hinaus erfolgt. Ähnlich verhält sich Macacus eynomolgus der
Fig. 29c. Bei Papio mormon (Fig. 24) ist die Verlagerung auf orale
Strecken der Grenzlinien beschränkt. Die Linkslage liegt bei Hylo-
bates agilis (Fig. 32a) in ganzer Ausdehnung vor, von der 3.—8. Rippe
zur Seite des Brustbeines.
Die Rechtsverlagerung ist wie beim Menschen auch bei
Affen selten vorhanden. Ein auffallendes Beispiel gibt Papio mormon
der Fig. 23 ab, wo die geschlossenen Grenzlinien von der 3.—8. Rippe
zur Seite des Brustbeines angetroffen werden.
Häufigkeit der Verlagerung. Die Linkslage ist unter 20
Fällen lateraler Deviation beim Menschen 16 mal durch TAnJA an-
getroffen worden.
Die Ursachen für die seitliche Abweichung der geschlossenen
Grenzlinien lassen sich mit Sicherheit nicht angeben. Das Verhalten
von Herz und Lungen hätte in jedem Falle genau festgestellt werden
müssen, um Aufschluß über die Abhängigkeit der Verlagerung von
andern Momenten zu erhalten. Immerhin wird man nicht felılgehen,
wenn das nach links verschobene Herz für die häufige Links-
verschiebung der Pleura-Grenzen verantwortlich gemacht wird. Andre
Tatsachen, weiter unten erwähnt, bestärken uns in dieser Auf-
fassung. Auskunft über die Ursachen der Rechtsverlagerung kann
vorderhand nicht erteilt werden.
Die gleichzeitige Verdrängung des Herzens und der geschlossenen
Grenzlinien nach links stellt sich bei Avahis (Fig. 20) ein. Das Herz
überschreitet die Mittellinie nach links dreimal so viel als nach
rechts. Auch bei Papio mormon (Fig. 24) fallen beide Erscheinungen
zusammen. Der größere Teil des auf den Thorax entworfenen Herzens
lagert links von der Mittellinie.
Bei Macacus nemestrinus (Fig. 27) ist der Umfang des Herzens
ungefähr gleichmäßig auf beide Körperseiten verteilt, bei gleichzeitiger
Linkslagerung der geschlossenen Pleura-Grenzen. Der Fall ist zu-
gunsten des Herzens als angenommener Ursache der Pleura-Ver-
schiebung nur noch des Umstandes wegen anzuführen, als die letztere
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 7i
im Gebiete der Herzkontur sich befindet. Diese Erscheinung liegt
auch bei Avahıs und Mormon vor.
Die Frage nach der Ursache der Linkslage der Grenzlinien
verliert dadurch an Durehsiehtigkeit, daß das Herz stark nach links
verschoben sein kann, ohne daß die Grenzlinien ihm gefolgt sind.
Die Befunde bei Nyeticebus (Fig. 14), Chiromys (Fig. 16), Tarsius
(Fig. 19) und Hylobates syndactylus (Fig. 34, b) legen Zeugnis dafür ab.
Die aborale Ausdehnung der sich berührenden Grenzlinien
vollzieht sich im ursprünglichsten Zustande bis zur Mitte des
Sehwertfortsatzes, beim Vorhandensein von 8 Sternalrippen. Sie
rückt im differenteren Zustande bis in die Höhe der 3. Rippen hinauf.
Zwischen diesen extremen Stellungen liegen fünf Segmente, welche der
nachbarlichen Beziehungen der sternalen Grenzlinien beraubt werden.
Ursache für das Verharren der weiten Ausdehnung der be-
nachbarten Grenzlinien kann nicht direkt im Erhaltenbleiben von
8 Sternalrippen gesucht werden; denn man kennt Fälle mit dieser
primitiven Zahl von Brustbeinrippen, wo die Grenzlinien höher endigen
als da, wo nur 7 Sternalrippen bestehen (Fig. 404. So können die
Grenzlinien ihre Berührung bereits in der Höhe der 3. Rippe auf-
geben, trotz des Bestandes von 8 Sternalrippen.
Die ursächlichen Momente müssen tiefer gesucht werden. Die
ganze Gestaltung des Brustkorbes, welche Form und Lage von Herz
und Lungen beeinflußt, wird auch auf die Anordnung und Pleura-
Säcke zurückwirken. Die strenge Analyse des Einzelfalles muß
darüber aufklären. Auch hier sind das Wechselspiel der Variation
und deren Symptome nicht leicht zu ergründen.
Fälle mit primitivem Verhalten an Skelet und sternalen Grenz-
linien wie auf Fig. 391 sollten zu weiterer Untersuchung des ganzen
Thorax samt Inhalte dienen.
Die Berührung der sternalen Grenzlinien führt das Vorhanden-
sein eines Ligamentum perieardiaco-sternale im Gefolge und erlaubt bei
den Lungen eine Ausdehnung bis zur Medianlinie. Damit fällt die
Bedingung für das Auftreten eines Sinus costo-mediastinalis auch auf
der linken Körperhälfte fort.
8. Auseinanderweichen beider sternaler Grenzlinien in
ganzer Ausdehnung.
Es reiht sich an den im Vorhergehenden besprochenen Zustand
an, in welchem die Berührung wie auf der Fig. 394 und Fig. 40 5
eine beschränkte gewesen ist.
-]
ID
Georg Ruge
1. Das Auseinanderweichen kann von der Mittellinie aus gleich-
mäßig nach beiden Seiten erfolgt sein. Dieser Zustand ist bei einem
zweijährigen Mädehen beobachtet worden (Fig. 405). Die Grenz-
linien liegen hinter den seitlichen Rändern des Brustbeines bis zur
Sternalinsertion des 7. Rippenpaares.
2. Die reehte Grenzlinie hat die mediane Lage bewahrt; die
linke ist seitlich verschoben. Dieser Zustand kann in zahlreichen .
Beobachtungen verschiedensten Entwicklungsgrades vorgeführt
werden.
Die linke Grenzlinie lagert hinter den Knorpelteilen der sechs
oberen linken Rippen in der Nähe des Sternalrandes (Fig. 402). Sie
ist beim 20 em langen Embryo weiter lateralwärts verschoben, um
hinter der 7. Rippe in die costale Grenzlinie überzugehen (Fig: 395).
Sie schneidet die Mitte der Knorpelstücke der 1.—7. Rippe bei einem
Neugeborenen. In den beiden letzten Fällen ist die rechte Grenz-
linie gegen den rechten Sternalrand verschoben, so daß sie nur in
Rücksicht auf die überwiegende linksseitige Verlagerung in diese
Gruppe zu zählen sind. Ganz reine Formen sind wegen häufigen
Zusammentreffens verschiedener Zustände selten.
Das interpleurale Feld räumt dem Herzen eine nähere Nach-
barschaft mit der vorderen Wand des Thorax ein.
Das häufigere Vorkommen und der größere Ausschlag der seit-
lichen Verlagerung der linken Grenzlinie legen den Gedanken nahe,
daß die Linkslage des Herzens die Ursache für diese Verschiebung
ist. Zur gleichen Annahme führte die häufigere Linksverschiebung |
beider, im ursprünglichen Verbande verbliebener Grenzlinien. Da
trotz der Linkslage des Herzens beide Grenzlinien in der Median-
linie‘ verharren können, so müssen noch andre Kräfte bei deren
Deviation im Spiele sein. Folgende Überlegung dürfte aufklärend sein. |
Ist der Raum zwischen Wirbelsäule und Brustbein verhältnismäßig weit,
so kann das Herz in ihm sich zur Seite verschieben, ohne eine Zwangs-
äußerung auf die Organe vor ihm auszuüben. Wird der Raum be-
schränkter, so werden die letzteren zunächst in Mitleidenschaft ge-
zogen, verdrängt, und zwar nach der Seite, nach welcher das Herz
ausweicht. Wird der Raum noch mehr eingeengt, so tritt eine Be-
rührung des Herzens mit der vorderen Skeletwandung ein. In diesem
Falle ist die Linksverlagerung des Herzens und die des linken
Pleura-Sackes ohne weiteres verständlich. Hiernach läßt es sich
auch rechtfertigen, die folgenden Zustände an den Grenzlinien als
höhere Entwicklungsstufen den vorgeführten anzureihen.
aa
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 73
y. Durch die Herzlage bedingte Linksabweichung der
linken Grenzlinie.
Diese Form ist als »Herzabweichung« durch eine schräge seit-
liche Ausbiegung der linken Grenzlinie gekennzeichnet und durch
LuscHukA (1857) als solche beschrieben worden. Die Ausbiegung folgt
derjenigen des Herzens, so daß die gegenseitigen Beziehungen deut-
lich hervortreten.
Die »Herzabweichung« der Grenzlinie äußert sich sehr ver-
schieden. Sie vermag mit den vorgeführten Zuständen sich zu kom-
binieren und erscheint demgemäß im Kleide zahlreicher Variationen.
Solange diese nur zum Teile bekannt waren, wurden durch die
Autoren verschiedene Normalbefunde aufgestellt. Diese sind als Be-
funde wertvoll, normale können sie nicht alle sein. Ihren morpho-
logischen Wert erlangen sie als progressive Entwicklungsbildungen
und reihen sich an die Verhältnisse bei den Anthropomorphen an.
Die »Herzabweichung« der linken Grenzlinie tritt in der Regel
in der Nähe der Herzspitze auf. Sie äußert sich darin, daß die
Grenzlinie die Sternalinsertionen der linken 6. oder 5. oder 4. oder
gar der 3. Rippe verläßt, um darauf, leicht gebogen, mit links ge-
richteter Konvexität seitlich mehr und mehr auszubiegen.
Die Abgrenzung gegen die costale Grenzlinie kann dabei in
voller Schärfe erhalten bleiben (Fig. 40 6). Sie kann aber bei stärkerer
Linksverschiebung der sternalen Grenzlinie veröden (Fig. 405). In
diesem Falle setzt sich die links konvexe Linie als eine links kon-
kave Linie beim Übergange in die eostale Grenzlinie fort. Die
Fig. 394, 405, 406 lassen die verschiedenen Grade der »Herzab-
weichung< erkennen. Die Befunde tragen das Gemeinsame einer
streckenweise primitiven Berührung der Grenzlinien im oralen Ge-
biete.
Das Ergebnis der »Herzabweichung« ist um so gewaltiger, je
weiter rechts die Trennung der linken Grenzlinie von ihrer Nach-
barin erfolgt. Tritt die Trennung hingegen hinter der linken Hälfte
des Brustbeines ein, so verkleinert sich das frei werdende, interpleu-
rale Feld.
Zuweilen folgt die rechte Grenzlinie der deviierenden linken
eine Strecke weit; sie ist in diesem Falle nach links verschoben und
liegt dann hinter dem linken Sternalrande. Sie folgte der linken
Grenzlinie bei einem Neugeborenen noch weiter, überschritt den
linken Rand des Brustbeines in den Höhen der 4. und 5. Rippe und
war stark nach links gekrümmt. Von der 5. Rippe wendete sich
74 Georg Ruge
die rechte Grenzlinie schräg hinter das Corpus sterni und erreichte
die Sternalinsertion der 7. rechten Rippe.
Die »Herzabweichung« der linken Grenzlinie kann zuweilen
oralwärts weiter verschoben sein. TansA fand die größte laterale
Ausbuchtung bis in die Höhe der 4. Rippe hinaufgerückt.
In diesem Falle war die Trennung beider Grenzlinien in ganzer
Ausdehnung eingetreten. Das interpleurale Feld erreichte eine be-
sonders große Ausdehnung.
Denkt man sich den Zustand der »Herzabweichung« der Fig. 23
noch gesteigert, so müssen schließlich seitliche Verschiebungen der
linken Grenzlinie sich einstellen, wie sie die Fig. 395 zeigt und wie
sieim Abschnitte 3 als extreme Formen der Auseinanderweichung vor-
geführt worden sind. Daraus ergibt sich ein engerer Anschluß anForm-
zustände, welehe unter £ als eine Gruppe besprochen worden sind,
und an die hier als reine »Herzabweichungen« behandelten Befunde.
Der extreme Fall beim Sehimpanse (Fig. 36c) wird, was die
seitliche Verlagerung der linken Grenzlinie betrifft, beim Menschen
erreicht und sogar überholt. Progressive Variationen erreichen beim
Menschen zuweilen auch die beim Gorilla der Fig. 37 a angetroffenen
Umwandlungen, wenigstens was die Linkslage der Pleura anlangt.
Eine seitliche Verschiebung bis zum Knochenteile der 6. Rippe jedoch,
wie sie bei Gorilla (Fig. 375) und Orang (Fig. 385) besteht, ist
beim Menschen bisher nieht beobachtet worden. Ein Höhenstand
der sterno-costalen Grenzlinie, wie er bei Gorilla 5 und Orang
sich eingestellt hat, ist beim Menschen ebenfalls unbekannt. Die
Größe eines interpleuralen Feldes, bei Gorilla 5b und Orang 5b durch
die Divergenz beider Grenzlinien verursacht, wird im menschlichen
Bauplane vollends vermißt. Die Ursachen hierfür liegen in der
enormen Breitenentfaltung des Thorax der betreffenden Anthropo-
morphen und der gleichzeitigen relativen Einengung des Raumes
zwischen Wirbelsäule und Brustbein, wodurch das Herz in weiter
Ausdehnung an die vordere Skeletwand heranrückt und die gesteigerte
Verschiebung der Pleura-Säcke zur Seite bedingt.
Beim Erwachsenen kann die linke Grenzlinie nach €. Sıck in
der Höhe der 5. Rippe 3 em, in der Höhe der 6. Rippe 4cm, der
7. Rippe 5 cm vom Brustbeine entfernt sein.
d. Höhenstand der aboralen Endpunkte der sternalen
Grenzlinien.
Rechts. In Fällen mit 8 Sternalrippen kann die Grenzlinie in
verschiedenen Höhen endigen:
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| Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 75
1. hinter der Mitte des Schwertfortsatzes (Fig. 397). Die recht-
winklig abbiegende costale Grenzlinie umschließt mit der 8. Rippe
und dem Schwertfortsatze ein dreieckiges, abdominales Feld. Dieser
ursprünglichste bekannte Befund erhebt sich über den bei Lemur
(Fig. 18), Macacus radiatus (Fig. 28a), Hylobates lar (Fig. 31), wo die
' 9. Rippe in das abdominale Feld noch hineinragt; er greift zurück
bis auf Organisationen, welche bei Nemestrinus (Fig. 26, 27), Radiatus
(Fig. 28c), Cynomolgus (Fig. 29a, b), Hylobates agelis (Fig. 32a) und
Leuciscus (Fig. 33) verwirklicht sind. Anthropomorphe haben, so-
weit es bis jetzt bekannt ist, dieses Entwicklungsstadium über-
wunden;
2. hinter der Sternalinsertion der 8. Rippe (Fig. 39 2, 3). Der
Befund weist zurück auf Zustände, wie sie bei Mormon (Fig. 24),
Sinicus (Fig. 285) vorliegen. Unter den Anthropomorphen ist ähn-
liches bei Gorilla (Fig. 37 a) angetroffen worden;
3. hinter dem 6. Zwischenrippenraume (Fig. 394. Diese Ver-
schiebung des Höhenstandes bei 8 sternalen Rippen ist bei Sphin«
(Fig. 25) in ähnlicher Anordnung ausgeprägt. COynomolgus der
Fig. 29d verhält sich etwas primitiver, da die Grenzlinie hinter der
Sternalinsertion der 7. Rippe endigt. Schimpanse der Fig. 36a und e
zeigt bei gleicher Indifferenz am Skelete einen differenteren Höhen-
stand an dem Pleura-Sacke, hinter der 6. Rippe bei c, hinter dem
5. Intercostalraume bei a.
Im Normalbestande von 7 Sternalrippen ist für den Höhenstand
das Folgende bekannt geworden. Das Ende der Pleura liegt:
1. hinter dem Schwertfortsatze. Ein abdominales Feld ist von
der 7. Rippe begrenzt (Fig. 40 1). Dieser für den Menschen ursprüng-
liche Befund führt auf Einrichtungen zurück, wie sie bei Tarsius
(Fig. 19), Oynomolgus (Fig. 29c), Hylobates symdactylus (Fig. 34a)
bestehen. Bei Anthropomorphen ist ähnliches bisher nicht bekannt
geworden;
2. hinter der 7. Rippe. Im Anschlusse an den vorigen Fall
liegt das Ende der Grenzlinie am unteren Rande der 7. Rippe, so
daß ein abdominales Feld in letzten Andeutungen noch vorliegen
kann (Fig. 40 2,5, 6), oder es liegt hinter der Sternalinsertion.
Dieses Verhalten nähert sich dem normalen. Es wird auch bei
Hylobates beobachtet. Agilis der Fig. 325 und Syndactylus der
Fig. 345 und ec bieten es in reiner Form dar, während bei Oyno-
molgus der Fig. 29d der rechtsseitige Bestand von 8 Sternalrippen
den Befund indifferenter gestaltet;
3. hinter dem 6. Zwischenrippenraume am oberen Rande der
7. Rippe oder etwas höher (Fig. 405). Ein gleicher Höhenstand ist
bei Papio sphine beobachtet worden; aber der Bestand von
8 Sternalrippen läßt den Befund indifferenter erscheinen;
4. hinter der Insertion der 6. Rippe (Fig. 404. Nach LuscHKA
als Normalbefund bezeichnet, erreicht derselbe bereits eine fortschritt-
liche Bedeutung, insofern er bei niederen Affen nicht mehr, wohl
bei Gorilla der Fig. 375 verwirklicht ist.
Höhere Entwieklungsstufen sind beim Menschen nicht beobachtet
worden. Sie werden jedoch beim Orang (Fig. 37a, b) angetroffen,
bei dem die Sternalinsertion der 5. Rippe das Ende der Grenzlinie
bezeichnet (a), oder eine ganz eigenartige progressive Form durch
seitliche Abweichung erzielt wird (b).
Fig. 39.
76 Georg Ruge
Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke des Menschen. Schematisch nach T. Tansa. Das Brust-
bein ist mit 8 Rippenpaaren bei 1, 2, 4, mit $ Rippen linkerseits bei 5 und rechterseits bei 3 ver-
bunden. Die Grenzlinien sind hinter dem Sternum bei 1—3 vereinigt, bei 4 und 5 auseinandergewichen.
Bei 1 besteht ein abdominales Feld; bei 2—5 ist eine allmähliche Steigerung einer Verschiebung
der Pleura-Säcke in oraler Richtung bemerkbar.
Links. In Fällen mit 8 Sternalrippen wird das Ende de
Grenzlinie in sehr verschiedenen Höhen gefunden:
1. hinter der Mitte des Schwertfortsatzes (Fig. 3971). Ein abdo
minales Feld, von der 8. Rippe begrenzt, entspricht dem der rechten
Seite und wiederholt weit zurückliegende Einrichtungen. Nemestrin
(Fig. 27, 26), Oynomolgus (Fig. 29a), Hylobates agilis (Fig. 32a) stehe
auf gleicher Stufe. Lemur (Fig. 18), Oynomolgus radiatus (Fig. 28 «a
und Hylobates lar (Fig. 31) verhalten sich ursprünglicher; die 9. Ripp
reicht bei ihnen an das abdominale Feld heran;
2. hinter der Sternalinsertion der 7. Rippe (Fig. 39 2). Morm
der Fig. 24 verhält sich primitiver; die Grenzlinie endigt hinter de,
8. Rippe. Bei Sphinz (Fig. 25) ist ihr Ende in den 7. Intercosta
raum verschoben;
Bei 1 und 2 kommt das Ursprüngliche durch die Berührun
beider Grenzlinien zum schärferen Ausdrucke; |
-
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 17
3. hinter der Sternalinsertion der 5. Rippe (Fig. 394). Der Fall
ist mit der hohen Trennung der Grenzlinien und der »Herzabweichung«
der linken Grenzlinie vergesellt. Er entspricht ungefähr dem von
LuscHhkA angegebenen Normalzustande der linken Grenzlinie beim
Bestande von 7 Sternalrippen. Entsprechende Befunde werden bei
niederen Affen vermißt. Schimpanse der Fig. 36@ verhält sich
primitiver; das Ende der Grenzlinie liegt hinter der Sternalinsertion
der 6. Rippe. Ein ähnlicher Befund ist beim Menschen bisher nicht
wahrgenommen worden, wird aber voraussichtlich einmal beobachtet
werden, da es sich um ein Zwischenstadium von 2 und 3 handelt.
In Fällen mit der normalen Anzahl von 7 Sternalrippen kehren
primitive Verhältnisse an der Pleura wieder, und progressive fügen
Fig. 40.
Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Menschen. Schematisch, nach T. Tansa. Das
Brustbein ist mit sieben Rippenpaaren verbunden. Die Berührung der sternalen Grenzlinien ist bei
1 und 4 erhalten, bei 2 und 3 ist eine gleichzeitige Entfernung erfolgt; bei 5 und 6 ist die linke
Grenzlinie zur Bildung einer »Herzabweichung« lateralwärts verschoben. Ein abdominales Feld be-
steht rechterseits bei 1 und 5. Eine allmähliche Verschiebung der Pleura-Säcke in oraler Richtung
ist bei 2, 6, 2 und 4 bemerkbar.
sich dem Normalbefunde an. Es sind folgende Höhenlagen des
Endes der Grenzlinie zu verzeichnen:
1. hinter der Mitte des Schwertfortsatzes (Fig. 393). Ein von
der 7. Rippe begrenztes abdominales Feld deutet auf eine bei
niederen Formen bestehende Organisation hin. Sie ist realisiert bei
Tarsius (Fig. 19), bei Hylobates agilis (Fig. 32b) und Hylobates syn-
dactylus (Fig. 34 a,b, c). Agelis ist primitiver als Syndactylus, da
die 8. Rippe in das abdominale Feld hineinbezogen ist. Ein ähn-
licher Befund wird auch beim Menschen einmal angetroffen werden
können, da ein abdominales Feld beim Auftreten von 8 Sternal-
rippen bekannt ist. Die Anthropomorphen zeigen dieses Stadium
‚nicht mehr;
2. hinter der Sternalinsertion der 7. Rippe (Fig. 406). Beide
Fälle sind mit einer ausgesprochenen »Herzabweichung« der linken
Grenzlinie kombiniert; sie hat den medialen Tiefstand der letzteren
18 Georg Ruge
nieht aufgehoben. Ein gleicher Stand des Endes der Grenzlinie beim Be-
stande von 7 Sternalrippen tritt nur bei Oynomolgus der Fig. 29d auf;
3. hinter‘ dem 6. Zwischenrippenraume (Fig. 40 1 u. 2). In beiden
Fällen ist die Grenzlinie seitlich verschoben; sie schneidet auf
Fig. 402 die Knorpel der linken Rippen 1—7;
4. hinter der Sternalinsertion der 6. Rippe (Fig. 404). Dieser
höchste Grad oraler Verschiebung der in der Nähe des Brustbeines
gelegenen Endpunkte beim Menschen ist durch Schimpanse bei
gleicher Anzahl sternaler Rippen überholt (Fig. 365). Das Ende der
Sternallinie liegt hier hinter dem 5. Zwischenrippenraume.
‘ Als weitere progressive Umgestaltungen fügen sich alle als »Herz-
abweichung« auftretenden, seitlichen Verschiebungen der linken
Grenzlinie an. Sie haben schließlich den allmählichen Übergang der
sternalen in die costale Grenzlinie zur Folge; fernerhin erzielen sie
durch allmähliches Höhergreifen der lateralen Abweichung einen
weiter oralwärts stattfindenden Übergang der Grenzlinie vom Brust-
beine auf die Rippen. Der Übergang kann hinter der 5. Rippe
(Fig. 394) oder hinter der 4. Rippe (Fig. 405) erfolgen. Dieser hohe
Entwicklungszustand ist bei Schimpanse (Fig. 36c) realisiert. Daran
lassen sich die Fälle übermäßiger lateraler Verschiebung anreihen,
wo die Grenzlinie schließlich in ganzer Ausdehnung seitlich vom
Brustbeine sich einstellt (Fig. 395). Sie finden ihresgleichen nur
noch unter den Anthropomorphen bei Gorilla und Orang.
Die »Herzabweichung« kann sich einstellen unter Wahrung der
Lage des Endpunktes der linken Grenzlinie hinter dem Knorpel der
7. Rippe in der Nähe des Brustbeines (Fig. 406). Die Grenzlinie
beschreibt in diesem Falle einen links konvexen Bogen.
Erfolgte durch seitliche Ausbiegung ein allmählicher Übergang
in die costale Grenzlinie, so äußert sich die orale Verschiebung auch
durch die Lage der letzteren hinter den Knorpelknochen-Grenzen
niederer und höherer Rippen. Auf der Fig. 394 wird der Knochen
der 8., auf Fig. 405 der der ”7., auf Fig. 34 der TansAschen Arbeit
der der 6. Rippe erreicht. Diese Befunde erinnern an die bei An-
thropomorphen. Bei Gorilla der Fig. 37a erreicht die Grenzlinie den
Knochen der 8., bei Schimpanse der Fig. 36€ den der 7. und bei
Gorilla der Fig. 375 sowie bei Orang der Fig. 385 den der 6. Rippe.
Die ursprünglicheren Befunde an der linken Grenzlinie beim
Menschen deuten weit zurück auf Einriehtungen, wie sie bei niederen
Affen bekannt geworden sind. Höher entwickelte Zustände stimmen
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 79
mit solchen bei Hylobates syndactylus überein. Die größten Umge-
staltungen an ihr werden in gleicher Weise nur noch bei Anthropo-
morphen angetroffen. Bei ihnen sind aber auch weitere Fortschritte
zu verzeichnen, welche an den Pleura-Säcken des Menschen bisher
nicht beobachtet worden sind.
Die Darstellungen vom Verhalten der linken Grenzlinie, von
verschiedenen Autoren gegeben, stellen je nur ein einzelnes Stadium
der großen Reihe individueller Schwankungen dar. Dem genetischen
Verhalten nach lassen sich die Angaben folgendermaßen aneinander-
reihen: 1. nach HAMERNIK, 2. nach AEByY, 3. nach Weır, 4. nach
LuscHkAa.
Die primitiven Fälle an der linken Grenzlinie fallen mit einer
tiefen, die progressiven mit einer oberflächlichen Herzlage zu-
sammen. Letztere ist eine Errungenschaft der Anthropomorphen und
des Menschen.
Wissenswert bleibt das Feststellen eines mittleren Verhaltens an
der linken Grenzlinie bei den Anthropomorphen und beim Menschen.
Auch kennen wir nicht das Verhalten der Grenzlinien in den-
jenigen Fällen, in denen das menschliche Brustbein mit 9 oder nur
mit 6 Rippen verbunden ist.
Die Ausdehnung der Pleura-Säcke über das Skelet des Brust-
korbes hinaus ist bei Halbaffen und niederen Affen eine verhältnis-
mäßig häufige Erscheinung. Ein gleiches gilt auch für Aylobates.
Ein abdominales Pleura-Feld ist in 54 Fällen 37 mal bei ihnen ge-
funden worden, d. i. in 68%,. Es tritt bei Halbaffen fast regelmäßig,
unter 14 Fällen 13mal, d. i. in 93°/, auf, bei niederen Affen unter
62 Fällen 14 mal, d. i. in 54 /,, bei Hylobatiden in 14 Fällen 10mal,
d.i. in 71°/,. Nur 7mal unter 54 Fällen liegt eine orale Verschie-
bung über das Ende des Thorax vor, d. i. in 13 %,.
Ein abdominales Feld ist bei Anthropoiden unter 14 Fällen nie-
mals wahrgenommen worden.
Während also bei Halbaffen und niederen Affen die Reduetion
der vorderen Skeletwand einer oralen Verschiebung an den Pleura-
Säcken vorausgeeilt ist, wird das Gegenteil für die Anthropomorphen
festgestellt.
Der Mensch zeigt einerseits deutliche Anklänge an Halbaffen
und niedere Affen, schließt sich anderseits an die Verhältnisse bei
Anthropomorphen an, ohne sie jedoch zu erreichen. Er stellt sich
zwischen beide. Dabei bleibt unentschieden, ob er nicht früher
BERN
“
80 Georg Ruge
einmal den außergewöhnlichen Grad des Baues der Anthropomor-
phen besessen, aber wieder aufgegeben habe.
Die Gesamtergebnisse, mögen sie sich bei reicherer Erfahrung
auch etwas verschieben, bilden mit die Grundlage für eine Wert-
schätzung nicht nur des Brustkorbes, sondern des ganzen Rumpfes
der Affen und des Menschen.
3. Costale Grenzlinien.
Ihre Höhenlagen sind das wichtigste Merkmal für eine morpho-
logische Wertschätzung verschiedener Befunde. Sie lassen sich nach
den Rippen bestimmen, deren Innenflächen von den Grenzlinien be-
strichen werden. Eine andre Bestimmung für die Höhenlagen hinter
den Knorpelteilen gleicher Rippen wird durch die Entfernung vom
Übergange in die knöcherne Rippe ermöglicht. Die Grenzlinien
können bis zur Knorpel-Knochen-Grenze einer gleichbezifferten Rippe,
hinter deren Knorpel sie liegen, sich verschieben, ja selbst auf
deren knöchernen Abschnitt heraufrücken. Auch in diesem Falle
kann die veränderte Höhenlage durch die Entfernung von der Knor-
pel-Knochen-Grenze angegeben werden. Diese Bestimmung ist keine
genaue, da die Grenze zwischen knorpeligem und knöchernem Ab-
schnitte einer Rippe nicht ohne weiteres als eine feste, einer Ver-
lagerung nicht unterworfene Stelle angesehen werden kann. Immer- |
hin ist dieselbe bei auffallender Höhenverschiebung der costalen
Grenzlinien maßgebend.
Die ventrale und dorsale Höhenlage der costalen Grenzlinien
ist durch deren Übergang in die sternale sowie in die vertebrale
Grenzlinie gekennzeichnet. Die betreffenden Stellen sind für die
Primaten in den vorhergehenden Abschnitten besprochen worden.
Ventral und dorsal findet demnach eine Verschiebung in oraler
Richtung statt. Eine entsprechende Höhenverlagerung läßt sich auch
am ganzen Umfange des Brustkorbes nachweisen; sie hält im großen
und ganzen gleichen Schritt mit der ventralen und dorsalen Ver-
schiebung. Diese Übereinstimmung berechtigt dazu, die Rangstellung
der Befunde zueinander in gleicher Weise zu bestimmen, wie es für |
die aboralen Enden der sternalen und vertebralen Grenzlinien ge-
schehen ist. Derjenige Zustand gilt immer als der indifferentere,
in welchem die Grenzlinie in einander entsprechenden Ebenen weiter
caudalwärts gelegene Rippen schneidet.
Bei Anthropomorphen und beim Menschen können die costalen
Grenzlinien unmittelbar in die seitlich verschobenen sternalen über-
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 81
gehen. Die Grenze zwischen ihnen bleibt nur durch den verschie-
denen Zusammenhang einerseits mit der Pleura diaphragmatica und
der Pl. mediastinalis anderseits erhalten. Ist die Zahl der Rippen
bei verschiedenen Formen eine geringe und gleiche, und findet trotz-
dem eine nennenswerte orale Verschiebung der costalen Grenzlinien
statt, so ändert sich deren schräger, eaudo-dorsalwärts gerichteter
Verlauf in einen mehr queren um. Gleichzeitig entfernen sich die
Grenzlinien mehr und mehr von den Knorpel-Knochen-Grenzen der
Rippen, weiter auf Dorsalgebiete der Knochenspangen übergreifend.
Es liegen für alle Abteilungen der Primaten genauere Be-
obachtungen vor, welche die dargelegten, gesetzmäßigen Erschei-
nungen erläutern.
1. Halbaffen.
Nyeticebus tardigradus (Fig. 14a, b, 41). Die Grenzlinie schlägt
einen steilen, caudo-dorsalen Verlauf ein. Das Objekt 5b der Fig. 14
zeigt das ursprünglichere Verhalten. Die Grenzlinie liegt hinter
dem Knorpel der 11. Rippe, durchzieht den 11. und 12. Zwischen-
rippenraum, schneidet die Knorpel-Knochen-Grenze der 13. und
14. Rippe, um dann vom Knochenteil der 15. Rippe quer zur Wirbel-
säule zu gelangen. Am Objekte «a der Fig. 14 und Fig. 41 ist die
Grenzlinie beiderseits oralwärts verschoben. Sie durchquert den
10. Intereostalraum, schneidet bereits die Knorpel-Knochen - Grenze
der 11. Rippe, dann die knöchernen Abschnitte der 12.—16. Rippe.
Peridietieus Potto (Fig. 15). Die Grenzlinie verläuft steil wie
bei Nyeticebus b (Fig. 14) hinter dem Knorpel der 11. Rippe, kreuzt
den 11.—15. Intercostalraum, schneidet die 16. Rippe, von welcher
sie zur Wirbelsäule gelangt.
Galago senegalensis (Fig. 17 und 42). Die Grenzlinie schneidet
die freie Spitze der 10. Rippe, dringt in den 9. Zwischenrippen-
raum ein, liegt dann hinter dem Knorpel der 9. Rippe, durchzieht
den 10. und 11. Raum zwischen den Knorpeln, um erst die 13. Rippe
am knöchernen Abschnitte zu treffen und von hier quer zur Wirbel-
säule zu gelangen.
Im Vergleiche mit Nycticebus ist die Grenzlinie medio-ventral
um 2 Segmente oralwärts verschoben. Bezüglich der Lage hinter
der Knorpel-Knochen-Grenze ist Galago indifferent geblieben. Dorsal
hat sich eine Verschiebung um etwa 2 Segmente eingestellt.
| Chiromys (Fig. 16, 43). Die Grenzlinie liegt vorn 2 Segmente
weiter oralwärts als bei Peridietieus; sie schneidet das freie
* Morpholog. Jahrbuch. 41. 6
82 Georg Ruge
Knorpelende der 10. Rippe, gelangt in den 9. und dann in den
8. Intereostalraum, kreuzt die Knorpel der 9.—11. Rippe, um erst
die 12. Rippe am Übergange in den knöchernen Abschnitt zu treffen.
Von hier aus zieht sie quer zur Wirbelsäule, wobei sie trotz der
Rückbildung tieferer Rippen den oralen Rand des 16. thoraco-lum-
balen Wirbels erreicht, so daß im Dorsalgebiete keine wesentliche
Verschiebung der costalen Grenzlinie im Vergleiche mit Nyeticebus
vorliegt. Der Höhenstand der Grenzlinie ist ein ursprünglicher ge-
blieben, während das Skelet durch Rippenverluste sich sehr ver-
ändert hat.
Im Vergleiche mit Galago liegt ventral eine orale Verschiebung
Fig. 41. Fig. 42. Fig. 43.
Linke Seitenansichten der Brustkörbe mit dem Verlaufe der costalen Grenzlinien der Pleura-Säcke
von Nycticebus tardigradus Fig. 41 (1:2); Galago senegalensis Fig. 42 (1:1); Chiromys madagasca-
riensis Fig. 43 (1:2). Fig.41 zeigt 11, Fig. 42 u. 43 zeigen je 9 Sternalrippen.
um 1 Segment vor, durch die Beziehung zum 8. Zwischenraume.,
Auch ist die Annäherung an die Knorpel-Knochen-Grenze einer
höheren Rippe erreicht. Im Dorsalgebiete besteht bei Chiromys
jedoch das ursprünglichere Verhalten. |
Lemur (Fig. 18 u. 44). Die Grenzlinie ist im Vergleiche mit’
Chiromys medio-ventral um 1 Segment oralwärts verschoben. Sie
schneidet das freie Ende der 9. Rippe. Dann tritt sie in .
8. Zwischenraum ein, liegt hinter der 8. Rippe und erreicht den
7. Raum. Sie schneidet den Knochenteil bereits an der 12. Rippe.
Dorsal liegt eine geringe orale Verschiebung im Vergleiche mit
Galago vor, indem die Grenzlinie den Vorderrand des 14. tn
lumbalen Wirbels erreicht. Bei Galago wird der 9., bei Chiromys
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der 8., bei Lemur der 7. Intercostalraum gekreuzt. k
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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 83
Tarsius (Fig. 19 u. 45). Die Grenzlinie ist medio-ventral im
Vergleiche zu Lemur wiederum um mehr als 1 Segment oralwärts
verschoben. Sie liegt oral von der freien Knorpelspitze der 8. Rippe,
kreuzt den Knorpel der 7. Rippe und passiert den 6. Zwischen-
rippenraum. Lateral schneidet sie darauf die Knorpel der 7.—13.
Rippe, verhält sich diesbezüglich indifferenter als Lemur. Auch
dorsal trifft dies zu; denn die Grenzlinie erreicht die Wirbelsäule
in der Mitte des 15. Wirbels, also 11/, Segmente weiter caudalwärts
als bei Zemur. So sind ventral Fortschritte, dorsal aber primitive
Zustände zu verzeichnen.
, Avahis (Fig. 20 u. 46). Rechterseits stimmt die Höhenlage im
Fig. 44. Fig. 45. Fig. 46.
Linke Seitenansichten der Brustkörbe mit dem Verlaufe der costalen Grenzlinien der Pleura-Säcke
von Lemur macaco Fig. 44 (1:2); Tarsius spectrum Fig. 45(1:1); Avahis laniger Fig.46 (1:1). Fig. 44
u.46 zeigen je 8, Fig. 45 zeigt 7 Sternalrippen.
wesentlichen mit Tarsius überein; auch hier wird der 6. Zwischen-
rippenraum von der Grenzlinie gekreuzt. Links ist aber neuerdings
eine orale Verschiebung bemerkbar. Die Innenfläche der 6. Rippe
nimmt die Grenzlinie auf. Sie kreuzt weiterhin die Knorpel der
folgenden Rippen, erreicht die Nähe der Knochengrenze an der
12. Rippe. Im Dorsalgebiete ist die Grenzlinie unter den unter-
suchten Halbaffen am weitesten oral verschoben; sie erreicht von der
12. Rippe aus das Achsenskelet zwischen dem 13. und 14. thoraco-
lumbalen Wirbel.
Die bei Halbaffen vollzogenen Verschiebungen der eostalen
Grenzlinien in oraler Richtung sind am Brustbeine und an der Wir-
belsäule aus der Höhenlage zu den sternalen Rippen und Wirbeln
24 6*
de
84 Georg Ruge
bestimmbar. Im Ventralgebiete der eostalen Grenzlinien ist deren
verschiedene Höhenlage durch den Intercostalraum anzugeben, wel-
cher als weitest oral gelegener durch sie getroffen wird. Hiernach
lassen sich die untersuchten Formen zu folgender natürlichen Reihe
ordnen:
Der weitest oral gelegene, von
der costalen Grenzlinie
gekreuzte Zwischenrippenraum
‚Nyetsoebus u... 2.» | f1,
„Bericieieus .». ., = | 11,
Hialago: „54 ta, 9.
SORMOMUE 2» 0.0 no | 8. R
DEN. on 3 a | fe
STARSWUB5. 5, HRr | 6.
NN DS
PVODe |
No ©
Die Formen reihen sich in fast gleicher Weise aneinander wie
da, wo die Rangstellung nach der Verschiebung der Pleura-Säcke
im Sternalgebiete erfolgte. Nur Chiromys und Galago wechseln die
Stellung miteinander. Die orale Verschiebung der Pleura-Säcke
hinter dem Sternum pflanzt sich naturgemäß auf das Nachbargebiet
der costalen Grenzlinien fort. |
Die Lage der Grenzlinien an den Knorpel-Knochen-Grenzen der
Rippen scheint einem größeren Wechsel unterbreitet zu sein. Die
nach ihr zu bemessenden Verschiebungen stimmten mit den am
Brustbeine und in dessen Nähe herrschenden Vorgängen nicht immer
überein. Eine vollkommene Gleichartigkeit der Rangstellungen,
welche nach den Verschiebungen im sternalen und im vertebralen
Gebiete sich ergeben, besteht ebenfalls nicht. Die geringen Wechsel
in den natürlichen Reihen, welche je nach dem Verhalten im ster-
nalen, eostalen und vertebralen Grenzlinien-Gebiete aufgestellt wor-
den sind, mögen als örtliche Ausgleiche variabler Ausdehnung der
Pleura-Säcke sich eingestellt haben, welehe durch die verschieden-
artige Gestaltung des ganzen Brustkorbes bei den Halbaffen verur-
sacht werden.
Abgesehen von den verschiedenen Graden der Verschiebungen
der Pleura-Säcke im sternalen, eostalen und vertebralen Gebiete ist
ein gleichartiger Vorgang bei den Prosimiern doch in einem jeden
nachweisbar. Die orale Verschiebung an den costalen Grenzlinien
befindet sich wie die an den vertebralen und sternalen im Einklange
mit der Verminderung thoraco-lumbaler Wirbel und sternaler Rippen.
-
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 5
In ihr spricht sich eine Verkürzung des thoracalen Rumpfabschnittes
um Segmente aus. Eine derartige Verkürzung des Skeletes hat eine
Verkürzung der Pleura-Säcke auch im costalen Gebiete zur Folge.
Die hochgradige Verlagerung der costalen Grenzlinien bei Avahıs
und Tarsius kommt der bei Anthropomorphen und beim Menschen
gleich. Nahe verwandtschaftliche Beziehungen bedingen diese Zu-
stände nicht; sie sind Ergebnisse parallel
nebeneinander verlaufender Vorgänge.
Avahis und Tarsius bewahren andern-
orts am Brustkorbe die primitive Organi-
sation, die auch die tiefer stehenden
Halbaffen besitzen. Die Anthropomorphen
haben diese Einrichtungen überwunden.
Fig. 47.
2. Niedere Affen (Fig. 47—52).
Es liegen Beobachtungen an Ateles,
Macacus, Papio und Semnopithecus vor
(TAnJA). Wenige Befunde lassen im Ver- Linke Seitenansicht des Brustkorbes
gleiche miteinander eine Verschiebung der mit der sterno-costalen Grenzlinie
Sy x 3 des Pleura-Sackes von Ateles ater
costalen Grenzlinien in oraler Richtung er- 1:3/%. Das Brustbein ist mit 10 Rip-
kennen. Diese Verschiebung tritt in ver- 7 a en
2 f 3 2 inie geht in die costale unvermittelt
schiedenen Zeichen auf; sie ist sternal über.
und vertebral ergiebig; sie fand ihre
Besprechung bei der Bestimmung der. aboralen Endpunkte der
sternalen und vertebralen Grenzlinien.
Zur Seite des Brustbeines befindet sich der weitest oral ge-
legene, von der costalen Grenzlinie gekreuzte Zwischenrippenraum.
Die Befunde reihen sich nach ihrer Ursprünglichkeit aneinander,
wie die Tabelle zeigt.
Der weitest oral gelegene
Zwischenrippenraum, welchen
die costale Grenzlinie kreuzt
Ateles. . .
Macacus sinieus .... 8.
- radiatus.... . 8.
- - „Fr Man B:
- cynomolgus. . - ?.
- 5 Par 2 6.
Papio mormon . .... 8.
= y suhltks |.) » rl 7.1648
Semnopitheeus ...... 5.
86
Georg Ruge
Im Gebiete der Knorpel sternaler Rippen verschiebt sich hier-
nach die eostale Grenzlinie vom 9. (Ateles) bis zum 5. Intercostal-
raume (Semnopithecus), also um 4 Segmente. Individuelle Schwan-
kungen halten sich in den
Auch nach den Rippen,
Grenzen zweier Segmente.
welche an den Knorpel-Knochen-Grenzen
durch die costalen Grenzlinien gekreuzt werden, ist eine Verlage-
rung der Pleura-Säcke zu entnehmen. Die Befunde reihen sich, wie
folgt, aneinander:
Die von den Grenzlinien getroffenen Rippen:
an der Knorpel- | am knöchernen Ab-
Knochen-Grenze | schnitte
1 I ee 9. 13. 14.
2. Macacus sinieus 9.—11. — ;
3: - radiatus. . . 9 10. —12.
4. - cynomolgus 9 10. —12.
BROT N 8 9.—11.
7. Papio mormon. .... 9 10.—— 13.
Bee men... 8. 9, 12,
9. Semnopitheeus . . 6. | TE — 12.
Die Verschiebung vollzieht sich in den Grenzen von 3 Seg-
menten, also um 1 Segment weniger als die nach den Zwischen-
Fig. 48 u. 49.
Linke Seitenansichten der Brust-
körbe mit den costalen Grenzlinien
der Pleura-Säcke von Papio mormon
Fig. 48 u. Papio sphinz Fig.49, 1:4.
Fig. 48 zeigt 9, Fig. 49 8 sternale
Rippen.
räumen bestimmbare.
Während der knöcherne Abschnitt
bei den Halbaffen im äußersten Falle erst
an der 11. Rippe (Nycticebus Fig. 41) ge-
troffen wird, so rückt die Grenzlinie hier
meistens auf die 10. oder 9., bei Sem-
noprthecus sogar auf die 7. Rippe empor.
Nur bei Ateles erhält sieh ein den Prosi-
miern meistens zukommendes Verhalten.
Die vier Beobachtungen bei Macaeus
bilden eine natürliche Reihe. Der Fall
auf Fig. 504 führt das indifferentere
Verhalten vor; die Grenzlinie schneidet
die Spitze der 9. Rippe und grenzt ein
abdominales Feld ab. Die 9. Rippe, hinein-
bezogen in das pleurale Gebiet, trägt
darin noch ein Zeichen der früheren ster-
nalen Natur. Fig. 5lb vergegenwärtigt
den fortgeschrittenen Zustand; die Grenz-
ae Ah
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 87
linie liegt hinter dem Knorpel der 7. Rippe und durchsetzt den
7. Intercostalraum. Die orale Verschiebung bei Macacus erfolgte
Fig. 50. Fig. 51.
A
FAN
2 AN
70 A | I\\ en 3
/R \\ SE=6
N/5
ER el, r
Linke {Seitenansicht der Brustkörbe mit den Linke Seitenansicht der Brustkörbe mit den
costalen {Grenzlinien der Pleura-Säcke vona Ma- costalen Grenzlinien der Pleura-Säcke zweier
cacus radiatus, b Macacus sinicus, nach T. Tanya. Individuen von Hacacus cynomolgus. Nach
1:33 Das Brustbein ist je mit $ Rippen ver- T. Tanga. 1:4. Bei a bestehen $, bei 5 7 ster-
bunden. Die Grenzlinie schneidet bei Radiatus nale Rippen. Bei a besteht ein abdominales
die Spitze der 9., bei Sinicus den Knorpel der Feld des Pleura-Sackes; die Grenzlinie schnei-
8. Rippe. det den 7., bei b den 6. Intercostalraum.
um 2 Segmente. Papio mormon der Fig. 48 verhält sich ursprüng-
licher als Macacus; Papio sphinz der Fig. 49 nimmt eine Zwischen-
stellung zwischen Macacus a und 5 der.
Fig. 51 ein. Ki
Bei Semnopithecus leucoprymn. (Fig. 52)
ist die Grenzlinie weiter oralwärts ver-
schoben; sie schneidet den 5. Intercostal-
raum und den Knorpel der 5. Rippe.
Hylobates (Fig. 53—55). Der höchst
oral gelegene Intercostalraum, durch welchen
die Grenzlinie gelangt, kann der 8., 7. und
6. sein. Es wiederholen sich die bei Ma-
cacus und Papio bestehenden Verhältnisse.
Linke Seitenansicht des Brust-
Individuelle und beiderseitige Schwan- korbes mit costaler Grenzlinie
kun en halt . h . d G s des Pleura-Sackes von Semno-
8 en sıch ın den renzen eınes pithecus leucoprymnus. 1:4. Das
Segmentes. Die Befunde lassen sich, wie Brustbein ist mit 6 Rippen ver-
h r bunden. Die Grenzlinie schnei-
folgt, gruppieren: det den Knorpel der 5. Rippe.
88 Georg Ruge
Der weitest oral gelegene, von
der Grenzlinie gekreuzte
Zwischenrippenraum
rechts | links
LEEREN jE 8.
AGB EL RAR | {# I:
Se 6. 6.
7 u PR 6. 6.
Syndactylu a.Q .... B% 7.
- b. | Ye 6
- ce 6. 6
Fig. 53. Linke Seitenansicht des Brustkorbes mit costaler Grenzlinie des Pleura-Sackes von Hylo-
bates lar. 1:3.
Fig. 54. a Rechte Seitenansicht des Brustkorbes mit costaler Grenzlinie von Hylobates agilis. 1:4;
b Linke Ansicht von einem andern Exemplar (erwachs. Männchen). 1:4.
Es wiederholen sich Zustände, welche bei Cynomolgus, Sphinz
und Semnopithecus angetroffen worden sind, indem die 8., 7. oder
6. Rippe an der Knorpel-Knochen-Grenze gekreuzt werden können.
Bezüglich der Kreuzung der Knochenteile erhält sich Ursprüng-
licheres; die 11. Rippe kann die erste in Betracht kommende sein.
Die Verschiebung vollzieht sich aber auch hier wie bei Semnopithecus
bis zur 7. Rippe.
Die Befunde lassen sich zu folgender Reihe aneinanderfügen:
| Von den Grenzlinien getroffene Rippen:
an der Knorpel- am knöchernen Ab-
Knochen-Grenze schnitte
1. Hylobates agilis, a. . . 8.—10. 13.
- rd 8. 9.—13.
2. - Tan 8.9. 10.—— 13.
3a. - syndactylus Q | 7.——10. 11.— 13.
Do - ee a u * BR
"a » Dad, |: 6. 7. ——]13.
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 89
Bei Agilis a trifft die Grenzlinie, nachdem sie die 10. Rippe an
der Knorpelgrenze erreicht hat, wieder auf die Knorpel der 11.
und 12. Rippe.
Individuelle Schwankungen bei Syndactylus halten sich bezüg-
lich der Knorpelgrenze innerhalb eines Segmentes, bezüglich des
Knochenteiles innerhalb 4 Segmente.
Semnopithecus und Hylobates syndactylus ce stimmen überein und
entfernen sich am weitesten vom Ausgangspunkte.
Eine Verlagerung der costalen Grenzlinien in oraler Richtung
Fig. 55.
Fig. 55. Seitenansichten der Brustkörbe mit costalen Grenzlinien der Pleura-Säcke von Hylobates
syndactylus. a linke Ansicht von einem Weibchen 1:3, b rechte Ansicht von einem Männchen 1:4,
c linke Ansicht von einem Weibchen 1:2.
findet bei niederen Affen und Hylobates statt; sie vollzieht sich aber
nicht unaufhaltsam gleichmäßig. Individuelle Schwankungen durch-
brechen den gesetzmäßigen Vorgang. Konvergenzerscheinungen
stellen sich ein, indem innerhalb einer Gattung (Macacus, Hylobates)
der Prozeß in einer gewissen Breite sich selbständig abspielt.
3. Anthropomorphae.
Schimpanse (Fig. 56a, b). Der von der costalen Grenzlinie am
weitesten oral gelegene Zwischenrippenraum ist bei drei Objekten
je der fünfte. Dieser Zustand ist beiderseits an den Objekten 5 und
6, links bei «a festgestellt worden. Eine gleich starke Verschiebung
besteht nur bei Semmopithecus. Bei allen Hylobatiden liegen ur-
sprünglichere Verhältnisse vor.
Die Kreuzungsstelle der Knorpelgrenzen durch die Grenzlinie
unterliegt beiderseits Schwankungen. Am Objekte « wird links die
9., am Objekte b beiderseits die 7., bei c links die 7. (8.) und rechts
die 6. Rippe geschnitten.
90 Georg Ruge
Die Kreuzungsstellen an den knöchernen Teilen der Rippen
entfernen sich mehr und mehr und schließlich sehr ansehnlich von
den Knorpelgrenzen. Die 10. bis
13. Rippe ist bei a, die 8.—13.
bei 5, die 8. (7.—13.) linke und
die 7.—13. rechte Rippe ist bei
c am Knochen durch die eostale
Grenzlinie gekreuzt.
Der ursprüngliche Zustand
bei « stimmt überein mit den
Befunden bei Macacus radiatus
et cynomolgus und Papio mor-
mon; der differentere bei-b und
’ y ce, wo die Knorpelgrenze der
Linke Seitenansichten der Brustkörbe von zwei E ; ; N
Schimpanse mit dem Verlaufe der costalen Grenz- Yp Rippe geschnitten wird, ı1st
Weibahen. Die Geaseitnle lieg bei 8 weiter u Do JloDates SyndnetjuE
wäıts als bei a; sie schneidet hier die Knorpel- &Achtet worden. Das differente °
en 2 Verhalten, in welchem die Knor-
pelgrenze der 6. Rippe ge-
kreuzt wird, ist bei Semmopithecus und bei Syndactylus c ausge-
bildet. Schimpanse hat also Semnopithecus und Syndactylus in der
oralen Verschiebung der Grenzlinien nieht überholt; aber der diffe-
rente Zustand ist bei ihm doch der häufigere geworden.
Gorilla (Fig. 57a, b). Der am weitesten oral gelegene, von
der Grenzlinie gekreuzte Zwischenrippenraum ist am Objekte «a
beiderseits der 6. Am Öbjekte 5 wird die Grenzlinie rechts am
oberen Rande der 6. Rippe, gerade noch in den 5. Intereostalraum
hineinreichend, gefunden. Links ist dieser durch die stark seitlich
verschobene sterno-costale Grenzlinie durchzogen.
Die individuellen Schwankungen der Verschiebungen betragen
die Höhe eines Segmentes. Der fortschrittliche Zustand (Fig. 575)
stimmt mit dem regelmäßigen von Schimpanse überein, welcher in
diesem Punkte eine höhere Stellung einnimmt. j
Die Knorpel-Knochen-Grenze wird am Objekte « links an der
8., rechts an der 7. Rippe gekreuzt. Das Objekt 5 zeigt auch hier |
eine orale Verlagerung der Grenzlinie, indem links die 7. und 6,
rechts die 6. Rippe geschnitten werden.
Die knöchernen Teile der 7., 8. oder 9.—13. Rippe werden in
caudaler Richtung in rasch zunehmender Entfernung von den 7
pelgrenzen gekreuzt. Diese Entfernung erscheint hier beträcht-
4?
Kin; Fr seh
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Bisinae Be Einen, ip Partuehrüßllehe 2
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Br Al ng Almen.
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 91
licher als bei Schimpanse. Im Verlaufe zur Wirbelsäule nimmt die
Grenzlinie eine fast quere Lage ein. Diese Eigenschaft ist auf
Fig. 5 links und Fig. c sehr ausgeprägt.
Fig. 57.
Seitenansichten der Brustkörbe mit der costalen Grenzlinie der Pleura-Säcke von Gorilla. 1:3.
a rechte Seitenansicht eines jungen weiblichen Tieres; b linke Seitenansicht eines jungen weib-
lichen Tieres; c linke Seitenansicht eines jungen männlichen Tieres. Die Grenzlinie schneidet die
Knorpelgrenze bei b zwischen 7. und 8. Rippe, bei a die der 7. Rippe, bei c die zwei Grenzen zwischen
7. und 6. Rippe. Das Objekt a besitzt rechts 8 und links 7 sternale Rippen. Bei c bestehen
7 sternale Rippen.
Orang (Fig. 58a, b). Die costalen Grenzlinien sind bei zwei
Tieren beiderseits gleich gelagert; sie gehen beim Objekte 5 in die
sternalen Linien unvermittelt über, während am Objekt a die Ab-
srenzung erhalten ist.
Linke Seitenansichten der Brustkörbe mit costalen Grenzlinien der Pleura-Säcke von Orang. 1:4.
@ junges Männchen; b nach T. Tansa. Das Brustbein ist je mit 7 Rippen verbunden. Die Grenz-
linie ist beia nur um ein wenig indifferenter als wie bei b; sie schneidet die Knorpelgrenze der
Rippe. 6.
92 Georg Ruge
Bei beiden Tieren ist die eostale Grenzlinie rechts und links
bis in den 5. Intercostalraum verlagert. Orang stimmt diesbezüglich
mit Schimpanse überein. Gorilla steht etwas tiefer.
Die Grenzlinie schneidet regelmäßig die Knorpelgrenze der
6. Rippe. Orang hat hierin die höchste Stufe erreicht, welche
dureh Gorilla und Schimpanse nur ausnahmsweise, durch Schim-
panse in fünf Fällen (rechts und links) einmal, durch Gorilla in
vier Fällen zweimal eingenommen wird.
Die Grenzlinien entfernen sich an der 7.—12. Rippe rasch und
sehr erheblich von der!Knorpelgrenze. An der 11. Rippe biegt sie
leicht gebogen dorsalwärts um und folgt ihr eine größere Strecke
weit, um erst spät die 12. Rippe zu erreichen. Die weitest aboral
gelegene Stelle der costalen Grenzlinie trifft bei beiden Objekten
seitlich auf den 10. Intercostalraum.
Die bei den sieben untersuchten Anthropomorphen bekannt ge-
wordenen Befunde lassen sich folgendermaßen ordnen:
Verlauf der costalen Grenzlinien:
am weitest oral gelege- || an der Knorpel-Knochen-| am Knochenteile der
nen Zwischenrippenraum Grenze der Rippen Rippen
a rechts | links rechts | links rechts | links
1. Schimpansea.. . 5. 5. E= g I 10.—13.
- Die 3. 5. {A R: —_ 8.——13. 7
n a 5. B. 6. 8.7... Bo
ZuGorllac. , sc 6. 6. 7: 8.(7) | 813. | 9.
- Die en 5. 6. 5. 6. 7.6. 17.—13. 17. 8)—13
S:Orane a. Ara B. b. 6. 6. | 7.—12.
SUN Nee |; 5 5 6. 6. | chd
#
4. Mensch.
Aus T. Tansas Beobachtungen an 42 Individuen lassen sich“
für die Lage der Grenzlinien an den knorpeligen und knöchernen
Abschnitten der Rippen einige Tatsachen von Bedeutung entnehmen.
Bei vier Embryonen und einem Neugeborenen werden alle in
das Gebiet der costalen Grenzlinien entfallenden Rippen an dere
Knorpelstücken geschnitten. Bei einem Neugeborenen erreicht di
grenzlinie die Knorpelgrenze der 11. Rippe; sie schneidet aue
die 12. Rippe an dieser Grenze. Die Grenzlinie erreicht die Knorpel
Grenze der 10. und 11. Rippe bei einem 6 Wochen alten Knaben;
sie schneidet bei einem Neugeborenen und einem 4monatigen Kn
ben die Knorpelgrenze der 10. Rippe, liegt hinter den Knorpel
grenzen der 8.—12. Rippe bei einem 5tägigen Mädchen, hinter de
Grenzen der 8.—11. Rippe bei einem Neugeborenen und eine
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 093
4wöchigen Knaben. Sie erreicht die Knorpelgrenze der 9. Rippe
bei zwei Neugeborenen. Dreimal werden die Knorpelgrenzen der
8. und 9. Rippe gesehnitten, und zwar bei zwei Neugeborenen und
einem Itägigen Kinde.
Eine weitere orale Versehiebung auf die Knorpelgrenze der
8. Rippe stellt sich dreimal rechtsseitig bei einem 3-, 9- und 13 mo-
natigen Kinde ein. Auf der linken Körperseite bleibt die 9. Rippe
an der Knorpelgrenze geschnitten.
Diese indifferenteren Befunde sind auf 20 Fälle der unter-
suchten 42 verteilt. Das ursprünglichste Verhalten, in welchem nur
die Knorpelstücke geschnitten werden, findet sich bei Embryonen
und einem Neugeborenen. Die allmählich differenter sich gestalten-
den Zustände treffen auf Individuen meistens aus dem 1. Monate,
einmal je aus dem 3., 4., 9. und 18. Monate zu.
Die übrigen 22 Fälle beziehen sich auf Individuen verschieden-
sten Alters. Unter ihnen finden sich drei Neugeborene und drei
Objekte aus dem 1. Lebensjahre. 16 Individuen sind älter; das
jüngste ist 2, das älteste 76 Jahre alt. Unter diesen 22 Fällen wird
13mal die Knorpelgrenze der 8. Rippe geschnitten, 6mal die der
7. Rippe, einmal die der 7. und 6. Rippe, einmal links die der 7.,
rechts die der 6. Rippe, und einmal die Knorpelgrenze der 6. Rippe.
Letzterer Fall liegt bei einer 57 jährigen vor.
Die Knorpelteile aller von den costalen Grenzlinien bestrichenen
Rippen werden bei Embryonen von 12,5 —20 em Scheitel-Steiß-
Länge gekreuzt, ebenso bei einem ausgetragenen Fötus. Die Grenz-
linie rückt bei Individuen aus dem 1. Lebensjahre an die Knorpel-
grenzen der Rippen heran und erreicht von der 12. Rippe an
allmählich die 8. Rippe an der Grenze. Dieser progressive Zustand
kann bereits beim Neugeborenen vorliegen. Bei Individuen, älter
als 18 Monate, ist die Grenzlinie stets bis an die Knorpelgrenze
der 8. Rippe heraufgerückt; sie kann die Grenze der 7. und in sel-
tenen Fällen die der 6. Rippe erreichen. Beim Neugeborenen ist
die 7. Rippe einmal bereits erreicht worden.
Die costalen Grenzlinien verschieben sich demnach während
der Entwicklung in oraler Richtung. Die Exkursionen sind sogar
sehr beträchtliche, am bedeutsamsten im 1. Lebensjahre. Später
wird am häufigsten die 8. Rippe an der Knorpelgrenze gekreuzt
(33%/,), seltener die 7. Rippe (16°/,) und nur ausnahmsweise die
6. Rippe. Bei erwachsenen Individuen wird die 9. Rippe an der
Knorpelgrenze nie mehr getroffen; sie ist weiter oralwärts verschoben.
94 Georg Ruge
Die knöchernen Abschnitte der Rippen werden bei Embryonen
von der Grenzlinie der Pleura-Säcke nicht gekreuzt. Erst nach der
Geburt rückt sie auf den Knochen der 12. und allmählich bis zur
8. Rippe hinauf, zuweilen auf den der 7. Rippe.
Die auffallenden gegenseitigen Verschiebungen der Grenzlinien
gegenüber den Knorpelgrenzen der Rippen kann auf zwei ver-
schiedene Arten zustande kommen, entweder durch die Verlagerung
der Knorpelgrenzen der Rippen in medio-ventraler oder durch die
Verschiebung der Grenzlinien in eranio-dorsaler Richtung. Es ist
nicht zu entscheiden, welcher Modus den Ausschlag gibt.
Immerhin kann der embryonale und jugendliche Zustand ver-
glichen werden mit tierischen Befunden. Übereinstimmungen be-
stehen insofern, als die Grenzlinien bei niederen Säugetieren sehr
häufig auf die knöchernen Abschnitte der Rippen gar nicht über-
greifen. Dasselbe gilt für die Halbaffen. Bei niederen Affen tritt
die Grenzlinie in der Regel erst auf die Knochenteile tieferer Rippen
über, was selbst bei Hylobatiden wiederkehrt.
Das beim Menschen am häufigsten realisierte Verhalten, in
welchem die 9. Rippe die erste, am knöchernen Abschnitte gekreuzte
ist, ist auch bei Oynomolgus, Sphinz und Hylobates agılis bekannt |
geworden. Für die niederen Affen darf er aber als hochstehend
betrachtet werden. Die Anthropomorphen haben diesen Zustand in
der Regel überholt.
Der Zustand, in welchem die Grenzlinie den Knochenteil der
8. Rippe schneidet, wird bei jungen Personen angetroffen, scheint
aber bei erwachsenen häufiger zu bestehen. Bei Hylobates sym-
dactylus juv. ist er ebenfalls beobachtet worden. |
Nur ganz selten wird die 7. Rippe am Knochenteile gekreuzt.
Diese Erscheinung ist beim 11jährigen Mädchen und zweimal im
höheren Alter bekannt geworden. Sie findet ihresgleichen unter
den niederen Affen nur bei Semnopithecus und bei Syndactylus (ad. Q),
beiden Anthropomorphen beim Schimpanse (Fig. 36 rechts, Amst. gt),
Gorilla (Amst. © Fig. 57) und zwei Exemplaren von Orang (Fig. 58).
Das ursprünglichere Verhalten beim Menschen deckt sich mit
dem gewöhnlichen bei niederen Affen und mit dem rechts oder links
zuweilen bei Anthropomorphen angetroffenen. Der weiter abgeänderte:
Zustand, wie er beim Menschen in der Lage der Grenzlinie hinter
der Knorpelgrenze der 7. Rippe seltener besteht, erscheint bei nie-
deren Affen selten, bei Anthropoiden öfter. Die weitest orale Ver-
lagerung der Grenzlinien bis zum Knochenteile der 7. Rippe ist fü
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 95
den Menschen eine Seltenheit. Sie ist bei Semnopithecus und ein-
mal bei Syndactylus (ad. @) beobachtet worden; sie tritt beim Schim-
panse und Gorilla in die Erscheinung und scheint beim Orang zur
Regel geworden zu sein.
Anthropomorphe haben in dem letzten Punkte den Menschen
überholt.
Die costale Grenzlinie läßt zuweilen die 12. Rippe größtenteils
oder gänzlich unberührt. Dieser hohe Grad der Verlagerung in
oraler Richtung, wodurch die 12. Rippe außerhalb des Cavum pleurae
fällt, ist bei der »vertebralen« Grenzlinie erörtert worden. Auch dieser
progressive Zustand wurde nur beim Orang wieder angetroffen.
Er ist für den Menschen keine Alterserscheinung, da er bereits
bei einem monatigen Mädchen, dann aberbei Erwachsenen vorkommt.
Die Schwankungen im Gebiete der costalen Grenzlinien beim Men-
schen sind groß. Anders lautende Angaben hierüber, nach denen die
Grenzlinien rechtunveränderlich seien (vgl. PanschH), sind zu berichtigen.
Der weitest oral gelegene, von der Grenzlinie gekreuzte Inter-
costalraum kann der 7., 6. und sogar der 5. sein. Aus der Arbeit
Tansas habe ich aus Angaben über 37 Leichenbefunde 71 Fälle
rechts- und linksseitiger Grenzlinien zusammenstellen können und
an ihnen gefunden, daß der 7. Intereostalraum 31mal, der 6. 34mal
und der 5. Raum nur 6mal von der Grenzlinie bestrichen worden
ist. In 48°/, ist demnach der 6., in 43,6%, der 7. und in 8,4°/, der
5. Zwischenrippenraum gekreuzt. Der”. Raum war rechts 17-, links
l4mal geschnitten, der 6. Raum jederseits 17mal, der 5. Raum rechts
nur 2-, links hingegen 4mal. Die linke Körperseite scheint hiernach in
der oralen Verlagerung gegen die rechte etwas bevorzugt zu sein.
Um den etwaigen Einfluß des Alters auf den Höhenstand fest-
zustellen, reicht das vorliegende Material nicht aus. Bei 4 Embry-
onen wurde die Grenzlinie gleich oft im 7. und im 6. Intereostal-
raume gefunden. Hingegen bestrich sie bei 8 Neugeborenen 11mal
den 7. und nur 5mal den 6. Raum. Im hohen Alter kann der
7. Raum, im 3. Monate bereits der. vonder Grenzlinie bestrichen werden.
Der Mensch nimmt bezüglich der gekreuzten Intereostalräume
eine niedrigere Stufe als die Anthropomorphen ein, bei welchen der
6. Raum nur in 14,30/, (Gorilla), der 5. aber in 85,70/, der von der
Grenzlinie durchzogene ist (Schimpanse, Gorilla, Orang). Eine nähere
Anknüpfung an die Hylobatiden läßt sich hier feststellen. Bei ihnen
ist der 7. Raum in 43°/, (43,60%, beim Menschen), der 6. Raum in
500/, (beim Menschen 48°/,) der gekreuzte. Der primiuve Zustand,
96 Georg Ruge
in welchem der 8. Raum von der Grenzlinie als weitest oraler durch-
zogen ist, findet sich bei Hylobates in 7°/,,; er ist beim Menschen
nicht beobachtet worden. Dieser hat aber einen Fortschritt gegen-
über Hylobates zu verzeichnen, indem der 5. Raum in 8,4°/, bei ihm
getroffen ist, bei Aylobates aber niemals.
Das für statistische Aufnahmen in Betracht kommende Material
ist in der folgenden Tabelle niedergelegt.
Der weitest oral gelegene, von der costalen
Alter, Geschlecht | Grenzlinie getroffene Intercostalraum:
rechts | links
1. |Fötus, 12,5cm .. 7. r.
2. - 20 - Ta 2.
3. |Neugeboren © . .| 7 7:
4. - ar {F %%
5, - : fx 7:
6. - U: P 7,
NG Wochen,. Ss +... J- Ye
8. |4 Monate & 7.
33 8: - 16) u R: 74
10. |Erwachsen .... ie ds
Leu bbJahr & ... u 1. f8
eg IV DEE: Yon {® _
13. |Neugeboren © . He 6.
14. - Bu 7B 6.
15. |9 Tage © ’ m: 6.
3 Jahr 3. :.68 2 d 6.
17. |Neugeboren & .. B. N.
38. 110: Tage. .”, 6. 1:
19. |3 Monate © 6. R.
BO IA Jahr er 6. A:
21. |Fötus, 20cm .. . 6. 6.
224.419, Monate... 0. 6. 6.
23. |Neugeboren Q 6. 6.
24. |5 Monate © 6. 6.
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SD ANE Di ud 5.
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 97
Tiefster Stand der eostalen Grenzlinien.
Er fällt beim Menschen in der lateralen Thoraxgegend mit
der 10. (nach PauscH) oder 9. Rippe (nach LuscHKA) zusammen.
Von diesen Rippen aus steigt die Grenzlinie vertebral- und eranial-
wärts, entsprechend der Schrägstellung der 11. und 12. Rippe, an,
wodurch der größte Tiefstand nicht mit der letzten Rippe zusammen-
fallen kann.
ÖOrang. Er fällt an der lateralen Thoraxwand zwischen 10,
und 11. Rippe (Fig. 585), in der Höhe der 11. Rippe bei a.
Gorilla. Der tiefste Stand fällt seitlich am Brustkorbe in den
Raum zwischen 11. und 12. Rippe (Fig. 57 ec).
Schimpanse. Gleiches wie bei Gorilla trifft für Fig. 56a zu.
Der tiefste Stand fällt mit der 12. Rippe zusammen beim Objekte 5.
| Syndactylus. Bei a der Fig. 55 liegt der tiefste Stand seitlich
zwischen 12. u. 13. Rippe, bei 5 und e in der Höhe der 13. Rippe.
Agilis wiederholt bei 5 der Fig. 54 den Befund von Syndactylus a,
bei a den von Syndactylus b und c.
Es liegt hier eine geschlossene Reihe anatomischer Befunde
vor, welche bei Hylobates, den Anthropomorphen und beim Menschen
aufgenommen worden sind. Hylobates beginnt die Reihe; es schließen
sich an Schimpanse, Gorilla und Orang. Der Mensch beschließt die
Reihe.
Der tiefste Stand der costalen Grenzlinie liegt bei niederen
Affen und namentlich bei Halbaffen weiter vertebralwärts. Das ist
ohne weiteres verständlich für alle Fälle mit großer subeostaler
Ausdehnung der Pleura-Höhle (Ateles, Chiromys, Nycticebus).
Vergleicht man nun die indifferenteren Befunde von Hylobates
mit den hochstehenden von Orang und vom Menschen (vgl. Fig. 54,
55 mit 55a, b), so fällt auf, daß der tiefste Stand in sehr aus-
gesprochener Weise sich nach vorn verschoben hat. Diese Er-
scheinung muß auch an der Form der Lungen zum Ausdrucke kommen.
4. Mediastinale Grenzlinien.
Sie liegen am Übergange der Pleura diaphragmatica in die
Pleura mediastinalis. Vorn fügen sich die sternalen und costalen,
hinten die vertebralen und costalen Grenzlinien an sie an. Sie ver-
binden also die unteren Enden der vertebralen und sternalen Grenz-
linien in sagittaler Richtung miteinander.
Die Speiseröhre ist zwischen beide Grenzlinien eingelassen.
Sie trennt sie sowie das gesamte paarige Mittelfell in einen dor-
Morpholog. Jahrbuch. 41. 7
98 Georg Ruge
salen und einen vertebralen Abschnitt. Der dorsale, zwischen Speise-
röhre und Wirbelsäule ausgedehnte Teil der Grenzlinien gehört einem
Mesoösophageum dorsale, der ventrale zwischen Speiseröhre und
vorderer Thoraxwand gelegene Abschnitt fällt einem Mesoösophageum
ventrale zu.
Ein Ligamentum pulmonale geht von einer jeden Grenz-
linie zur Seite oder hinter dem Ösophagus aus. Als Dopellamelle
gelangt es zur Lunge.
Die untere Hohlader gelangt nach der Durchbohrung des
Fig. 59 u. 60.
Speiseröhre .,.,., z
nk. le Lig. pulm. d.
Eing. 2. Sinus sub-
pericardiacus
V. cava inf.
N. phr. d.
N. phr. s.
Mediastinale Grenzlinie e h
Ventrales Cava-Gekröse
Lig. pulmonale s.
Osophagus
Eing. z. Sinus sub-
pericardsacus
Mediastinale Grenzlinie Vena cava inf.
Nahe 2 ara Ventrales Cava-Gekröse
Pleura sterno-costalis
Verlauf der mediastinalen Pleura-Grenzlinien von Nycticebus (Fig.59) und Chiromys (Fig. 60). 4:5
und 1:2. Um auch die Lage des Herzens zur Anschauung zu bringen, sind die Grenzlinien nach
der Loslösung der Brustorgane vom Zwerchfelle in der Ansicht von unten her aufgenommen worden,
Zwerechfells in den Raum zwischen die Pleurae mediastinales und
in ihm aufwärts bis zum Herzen. Die Lage der Hohlvene recht
und hinten sowie die Ausbildung eines medialen Lappens der rechte
Lunge bedingen die engere Beziehung der Hohlader zur rechte
Pleura mediastinalis. Der mediale Lungenlappen schiebt sie
zwischen Herzbeutel und Zwerchfell als Lobus subperieardiaeus ein
Seine Lage caudalwärts vom Herzen gab ihm auch den Namen eines
»infracardialene Lappens (Keızer 1888), sein unpaares Auftrete
den eines Lobus impar s. azygos. Er verursacht eine Ausbuchtun
der reehten Pleura-Höhle nach links. Die Buchtung empfängt al
Sinus subpericardiacus durch die steil gestellten pfeilartigen Speis
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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 99
röhre und Hohlader eine scharf begrenzte Eingangspforte, an deren
Begrenzung Herzbeutel und Zwerchfell sich auch beteiligen.
Die Bucht erhält dureh die rechte Pleura mediastinalis eine
Auskleidung.
An den Grenzlinien kommen die Verhältnisse der Wandungen
der subpericardialen Ausbuchtung für den medialen Lappen der
rechten Lunge zum vollen Ausdrucke.
Die untere Hohlader, nach rechts und hinten vom vertebralen
Mesoösophageum entfernt, hat die rechte Pleura mediastinale von
ihm aus zu einem Doppelblatte umgestaltet. Es begrenzt von der
Hohlader bis zum Übergange in das sagittale, rechte mediastinale
Blatt den Sinus subpericardiacus rechts und vorn.
Fig. 61. Fig. 62.
Eing. 2. Sinus
subperic,
Lig. pulm. s.
R V. cava inf.
Osophagus
Mediast. Grenzl .. N. phr. d.
Ventrales
N. phr. s. Cava-Gekröse
Facies diaphragm.
pericardit
Verlauf der mediastinalen Grenzlinien von Hacacus nemestrinus (Fig. 61) 1:2 und Macacus cyno-
molgus (Fig. 62 a u. b) 4:5 und 2:3. Aufnahme von unten her, nach Loslösung der Brustorgane
vom Zwerchfelle. Die auf Fig. 59 u. 60 bezeichneten Teile kommen hier wieder zur Darstellung.
Die beiden Nervi phrenici sind beim Betreten des Zwerch-
felles zwischen beiden mediastinalen Grenzlinien zu finden. Der
rechte Nerv liegt neben der Hohlader, Er ist in die Blätter der
durch die letztere ausgezogenen Duplikatur eingelagert. Aufwärts
folgt er der Hohlader bis zum Herzen und lagert dann unter der
Pleura pericardiaca.
Der linke Nerv lagert vor dem Ösophagus zwischen den
Blättern des Mesoösophageum ventrale.. Die Größe der Entfernung
von der Speiseröhre nach vorn schwankt.
Der geschilderte Zustand ist der für niedere Säugetiere maß-
‚gebende. Er hat sich bei den Halbaffen unverändert erhalten; er
‚wird der Ausgangspunkt für die Verhältnisse bei Simiern. In diesem
Primitivzustande sind beide Lungen zwischen Herz und Zwerchfell
nur durch mediastinale Pleura-Blätter getrennt. Der Lobus sub-
nr
100 Georg Ruge
pericardiacus diktiert dabei die Besonderheiten der Lagerung der
Teile zueinander.
Niedere Affen können das Verhalten der Halbaffen in allen
wesentlichen Punkten wieder hervortreten lassen.
Erste Umwandlungen treten bei ihnen im Auseinanderweichen
der Blätter der Duplikatur zwischen Hohlader und vorderer Thorax-
wand auf (Fig. 61). Die Blätter haben sich von der Hohlvene bis
zur Thoraxwand gleichmäßig voneinander entfernt bei Macacus
memestrinus. Das Mesoösophageum ventrale besteht als geschlossenes
Doppelblatt wie bei Prosimiern.
‘Die Entfernung der cavo-sternalen Blätter ist bei Macacus
cynomolgus ventralwärts weiter auseinander gewichen als in der
Cava-Nähe. Die Entfernung der pleuralen Blätter hat sich auf
den vorderen Abschnitt des Mesoösophageum ventrale ausgedehnt.
(Fig. 62 a).
Dieses Verhalten trifft mit der Verkleinerung des Sinus sub-
pericardiacus, der Volumsverminderung des Lobus subpericardiacus
zusammen. Gleichzeitig findet eine Annäherung der Herzspitze
gegen das Zwerchfell statt, so daß das pleurafreie Feld am Herz-
beutel der dem Zwerchfelle genäherten Fläche entspricht. f
Ein weiterer Fortschritt ist bei einem andern COynomolgus zu
verzeichnen (Fig. 625). Die pleuralen Blätter sind in der Gegend
der Herzspitze sowohl am cavo-sternalen Doppelblatte als auch
am Mesoösophageum ventrale auseinander gewichen. Die Herzspitze
ist dem Zwerchfelle genähert. Die subpericardiale Bucht ist weniger
geräumig, was aus dem Verlaufe des rechten Pleura-Blattes als j
Wandung der Bucht aus der Abbildung sich ergibt.
Ein neuer Vorstoß in der Umwandlung ist bei Hylobates zu
verzeichnen (Fig. 63a, b). Bei Syndactylus a ist der Sinus subperi-
cardiacus in zwei Abschnitte geschieden. Ein vorderer Abschnitt
besteht als ein horizontaler Spaltraum, welcher den subpericardialen
Lungenlappen nicht mehr aufnimmt. Er steht durch eine enge
Öffnung mit einer hinteren Buchtung im Verbande. Diese hintere
Bucht ist vom stark verkümmerten Lappen der rechten Lunge aus-
gefüllt. Er drängt sich in typischer Weise zwischen Speiseröhre
und Hohlvene in die Bucht ein. Ein breites pleurafreies Feld dehnt
sich von der Hohlvene bis zur Herzspitze aus; es läßt am Herz-
beutel eine Zwerchfellfläche hervortreten. Hinter dem Brustbeine
sind beide mediastinalen Pleura-Blätter weit auseinandergerückt.
Syndactylus b der Fig. 63 hat den vorderen, spaltartigen Raum
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 101
des Sinus subpericardiacus eingebüßt. Es besteht nur noch der
hintere Abschnitt, welcher zwischen Ösophagus und Cava inferior
beginnt, sich nur wenig weit ventralwärts ausdehnt, in der Nähe
der Vorhöfe verbleibt. Am Herzbeutel hat sich ein breites, pleura-
freies, mit dem Zwerchfell verbundenes Feld eingestellt. Es ist
links vom linken Blatte des Mesoösophageum ventrale, rechts vom
rechten Blatte des ursprünglichen eavo-sternalen Doppelblattes, hinten
von der sehr verkürzten Wand der subpericardialen Bucht begrenzt.
Es entspricht der ursprünglichen Ausdehnung des Sinus subperi-
eardiacus, weleher durch die Verschmelzung von Herzbeutel und
Zwerchfell dorsalwärts bis zur Hohlvene verdrängt worden ist.
Rechtes und linkes Blatt beider, den Sinus subpericardiacus ur-
Fig. 63.
E
[%
Ösophagus 2
> Eing. z. Sinus
D = \ subpericardiacus
orS. 7
Teil des N. phr. d.
| Sinus \ OJ-
subperi- *- V. cava inf.
cardiacus
Ventr
t Rechte mediastin.
Grenglinie
Facies diaphragm.
pericardii
Mediastinale Grenzlinie in unterer Ansicht nach Loslösung der Brustorgane vom Zwerchfelle. Aylo-
bates syndactylus. a 4:5; b 2:3. Der Sinus subpericardiacus ist bei a in einen ventralen und
dorsalen Abschnitt geschieden. Der ventrale Abschnitt ist zur Spalte rückgebildet. Die Lunge hat
sich aus ihm zurückgezogen. Dieser Sinus-Abschnitt fehlt bei db. Die Facies diaphragmatica peri-
cardii hat an Ausdehnung gewonnen.
sprünglich begrenzender Pleura-Duplikaturen, "haben ihre Lagerung
bewahrt. Sie verbinden sich mit Herzbeutel und Zwerchfell an etwa
gleichen Stellen, wie es bei Halbaffen und Macacus der Fall ist.
Der Tatbestand der Fig. 63a läßt die Annahme zu, daß die
Rückbildung des Sinus subpericardiacus auch durch Verlötung von
pleuralen Wandungsstrecken erfolgen kann.
Die rechte mediastinale Grenzlinie zeigt sich hier um ein sehr
bedeutendes vereinfacht, indem sie nicht mehr behufs Umwandung
eines großen Sinus subpericardiacus zwischen Ösophagus und Cava
inferior weit ventralwärts ausgezogen ist und nicht mehr Anteil
nimmt an der Bildung sowohl eines ursprünglichen Mesoösophageum
ventrale als auch einer cava-sternalen Duplikatur.
Von einem primitiven Mesoösophageum ventrale hat sich nur
102 Georg Ruge
vor dem Ösophagus eine kleine Streeke erhalten, deren Größe durch
die der subpericardialen Bucht gegeben ist.
Die Beobachtungen an den Syndactylus-Exemplaren sind von
grundlegender Bedeutung. Der Fall «a knüpft sich an das Verhalten
von Macacus an. Der Fall 5 leitet über zu den Anthropomorphen.
Hylobates leuciscus. Die Verwachsung, von Herzbeutel und
Zwercehfell ist nach BıscHorr (1870, 5. 269) eine beschränkte.
Hwylobates stellt sich bezüglich des Lobus subpericardiacus, des
Sinus subpericardiacus, der Annäherung des Herzbeutels an das
Zwerchfell, der Vereinfachung der rechten mediastinalen Grenzlinie
zwischen niedere und menschenähnliche Affen.
Anthropomorphe Affen stimmen untereinander überein in der
vollendeten Rückbildung des subpericardialen Lungenlappens und
dem Fehlen eines Sinus subpericardiacus.
Der Herzbeutel ist bei ihnen in größerer oder größter Aus-
dehnung und inniger als wie bei Hylobates mit dem Zwerchfelle
verbunden. Diesbezüglich nimmt Schimpanse die niederste, Gorilla
die höchste Rangstufe ein. Orang stellt sich zwischen beide. Es
handelt sich um eine Entwicklungsreihe, in welcher die Umwand-
lungen an den mediastinalen Grenzlinien ebenfalls im fortschreitenden
Sinne zum Ausdrucke kommen und in denkbar einfachster Weise
sich schließlich verhalten.
Die Stelle des Einganges in eine hier verlustig gegangene sub-
pericardiale Bucht ist bei Schimpanse (Fig. 64) und Orang (Fig. 65)
erhalten. Sie wird vor dem rechten Lungenbande als Einsenkung
der Pleura mediastinalis zwischen Ösophagus und Cava inferior beim
Orang gefunden, an gleicher Stelle beim Schimpanse, jedoch unter
weiterer Entfernung der Einsenkung vom Ösophagus. Von einem
gänzlichen Verschwinden des Sinus subperieardiacus beim Schimpanse
und Orang kann füglich nicht die Rede sein (s. TanJA, S. 152). Wohl
hat Gorilla alle Zeichen eines Sinus subperieardiacus an der rechten
mediastinalen Grenzlinie eingebüßt. Mit der Rückbildung der sub-
pericardialen Bucht zur einfachen Nische ist der Hohlvene eine An-
näherung an den Ösophagus gewährt. Sie ist tatsächlich vollzogen.
Individuelle Schwankungen werden vielleicht ähnlich wie bei
Hylobates syndactylus bemerkenswerte Rückschläge oder Weiter-
bildungen bei Schimpanse und Orang zutage fördern, während ähn-
liches für Gorilla mit so ausgesprochen progressiven Merkmalen
nicht zu erwarten ist.
Durch die Ausschaltung der subpericardialen Bucht schlägt die
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 103
rechte mediastinale Grenzlinie einen einfacheren Verlauf ein. Sie
ist dorso-ventral gerichtet. Vor dem Ligamentum pulmonale bildet
sie in letzter Andeutung die links gewendete Ausbuchtung bei
Schimpanse und Orang und erreicht dann die hintere Cava-Wand.
Sie bekleidet darauf auch die rechte Wand der Hohlvene und vor
ihr den rechten Nervus phrenieus. Beim Gorilla ist sie nur noch
mit der rechten Wand der Cava inferior in Berührung geblieben,
überzieht aber auch den rechten Nervus phrenieus. Vor der Cava
inferior erreicht die Grenzlinie ungefähr nach sagittaler Verlaufs-
richtung die vordere Thorax-Wand.
Beide mediastinalen Pleura-Blätter sind bis herab zu den Grenz-
Fig. 64. Fig. 65. Fig. 66.
Mediastinale Grenzlinien der Pleura-Säcke der Anthropomorphen. Untere Ansicht auf die vom Zwerch-
felle abgelösten Brustorgane. Fig. 64 Schimpanse; Fig. 65 Orang; Fig. 66 Gorilla. Der Sinus
subpericardiacus ist bei Schimpanse und Orang andeutungsweise vor dem Lig. pulmonale als Bucht
erhalten, bei Gorilla gänzlich verschwunden. Die Facies diaphragmatica pericardii nimmt von
Fig. 64 bis Fig. 66 an Breite erheblich zu, unter gleichzeitiger Vergrößerung der Berührungsflächen
des Herzens mit der vorderen Thoraxwandung.
linien weit auseinandergewichen. Die Entfernung erfolgt dorsal
bereits in der Gegend von Ösophagus und Cava inferior; sie ver-
größert sich ventralwärts. Dadurch kommt ein breites pleurafreies
Feld am Herzbeutel zustande. Er ist an diesem Felde mit dem
Zwerchfelle innigst verwachsen. Auf diese Weise prägt sich an ihm
eine Facies diaphragmatica pericardii aus. Die Fläche ist abgeplattet.
Die Abplattung pflanzte sich auf die entsprechende Oberfläche des
Herzens fort.
Der Grad der Verwachsung von Herzbeutel und Zwerchfell
ist bei den Anthropomorphen verschieden. Er bedingt die Unter-
schiede im Verlaufe der mediastinalen Grenzlinien, indem sie ver-
schieden weit nach dem Verwachsungsgrade sich voneinander ent-
fernen und dadurch die Zwerchfell-Fliche des Herzbeutels in all-
104 Georg Ruge
seitiger Ausdehnung beeinflussen. Schimpanse der Fig. 64 zeigt
ein schmales pleurafreies Feld des Herzbeutels vor der Cava inferior;
es verbreitert sich gegen die Herzspitze ein wenig. Orang der
Fig. 65 besitzt eine ventralwärts stark verbreiterte Verwachsungs-
fläche. Die Zwerchfellfläche des Herzbeutels hat an Ausdehnung
gewonnen. Die mediastinalen Grenzlinien nähern sich den von unten
sichtbaren Konturlinien des Herzens. Beim Gorilla der Fig. 66
sind die Grenzlinien so weit auseinandergewichen, daß sie mit den
seitlichen Konturlinien des Herzens zusammenfallen. Dementsprechend
ist der Herzbeutel in ganzer Breite mit dem Zwerchfell verschmolzen;
es ist das äußerste Maß der Verwachsungsmöglichkeit hier erreicht.
Die mediastinalen Pleura-Blätter zeigen bei den Anthropomorphen
nirgends mehr die ursprüngliche Berührung. Die einfache Doppel-
blattbildung ist überall durch das Auseinanderweichen der Pleura-
Blätter aufgehoben worden.
Die Verwachsung von Herzbeutel und Zwerchfell trat bei einem
Gorilla-F ötus in einer quer elliptischen Fläche zutage. Der quere
Durchmesser verhielt sich zum sagittalen etwa wie 4:3. (DENIKER
1886, S. 193).
Ausgedehnte Verwachsungen in Breite und Tiefe sind beim
Gorilla durch BıscHorr (1870, S. 43) und EısLer (1890, S. 3) fest-
gestellt worden. BrocA (1877) nahm für Gorilla einen gleichen
Verwachsungsgrad an, wie er beim Menschen bestände.
Die Übergangsstellen der mediastinalen in die sternalen und
costalen Grenzlinien haben ebenfalls eine sehr wesentliche Verände-
rung erfahren. Die beiderseitigen Stellen liegen bei Schimpanse
am nächsten zusammen; sie entfernen sich bei Orang weiter von-
einander und haben bei Gorilla den höchsten Grad gegenseitiger
Entfernung erreicht. Die Herzspitze und ein großer Teil der ventri-
eularen Pericardflächen bleiben frei vom pleuralen Uberzuge.
Ein andres, hiermit zusammenhängendes Symptom beruht in
der Annäherung des Herzens an die vordere Wand des Brustkorbes.
Diese Annäherung ist bei Schimpanse im geringsten, bei Gorilla
im höchsten Grade verwirklicht.
Das Gesamtbild, vom Auseinanderweichen der sternalen Grenz-
linien bei den Anthropomorphen entworfen (s. S. 59—67), deckt
sich mit den Erscheinungen im ventralen Gebiete der mediastinalen {
Grenzlinien. 4
Auf Grund der bisher bekannt gewordenen Tatsachen darf aus-
gesagt werden, daß niedere Affen die Organisation, wie sie bei Halb- |
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 105
affen besteht, übernommen und bewahrt haben, daß bei ihnen aber
bereits eine Trennung der mediastinalen Pleura-Blätter bis zu den
mediastinalen Grenzlinien sich einstellt, daß dadurch die Ausdehnung
des Sinus subpericardiacus, sowie des ihn füllenden subpericardialen
Lappens der rechten Lunge sich mindert. Fernerhin ergibt sich,
daB bei Hylobates die Rückbildung des Sinus subpericardiacus sich
vollzieht, und im unmittelbaren Verbande hiermit die Entfernung der
mediastinalen Grenzlinien im Bereiche des Herzens sich erheblich
vergrößert. Die Tatsachen lehren, daß im Anschlusse an den Bau-
plan von Hylobates die Anthropomorphen eine ganz neue Anordnung
der Grenzlinien erworben haben.
Die Nebenerscheinungen lehren auf das bestimmteste, daß die
Führung bei diesen gewaltigen Umformungen der sich stets steigern-
den Verwachsung des Herzbeutels mit dem Zwerchfelle sowie der
vorderen Wand des Brustkorbes zugesprochen werden muß. Die
Umwandlungen des Brustkorbes bei den Primaten können als direkte
Ursachen für diese Verwachsung verantwortlich gemacht werden.
Mensch. Die mediastinalen Grenzlinien verhalten sich ähnlich
wie bei Anthropomorphen, stimmen mehr mit der einen oder der
andern Form unter ihnen überein. Genauere Untersuchungen hier-
über stehen noch aus. Der Verlauf der rechten Grenzlinien ist ein
nahezu sagittaler; die linke Grenzlinie ist durch die Linkslage des
Herzens nach der linken Seite verschoben. Die Einfachheit der
Anordnung ist wie bei den Anthropomorphen eine Sekundär-
erscheinung. Man kennt die Überbleibsel eines Lobus subpericardiacus
beim Menschen in vielen Abstufungen, so daß in seiner Stammes-
geschichte auch ein Sinus subpericardiacus vorhanden gewesen sein
muß.
Die Anthropomorphen haben sich bezüglich des gesamten, tief‘
eingreifenden Erscheinungskomplexes, welcher die Lage des Herzens,
das Fehlen des subpericardialen Lungenlappens und die Anordnung
der mediastinalen Grenzlinien in sich faßt, einerseits weit von den
niederen Affen entfernt. Sie schließen sich andrerseits eng an den
Menschen an. Was Gorilla betrifft, so hat er den Menschen in
manchem, so in der Annäherung des Herzens an die vordere Thorax-
wand, sogar überholt.
Die ausgiebige Verwachsung des Herzbeutels mit Zwerchfell
und vorderen Wand des Brustkorbes, wie sie ausschließlich den
Anthropomorphen und dem Menschen zueigen ist, fällt mit der Tat-
sache zusammen, daß der Brustkorb dieser Wesen an Höhe und an
106 Georg Ruge
Tiefe gerade da erheblich Einbuße erlitten hat, wo das Herz in ihm
eingelagert ist. Dasselbe muß auf diese Weise an die benachbarten
Wandungen näher herangedrängt worden sein. Der Umwandlungs-
vorgang am Brustkorbe darf daher für die genannten Verwachsungen
in allererster Linie verantwortlich gemacht werden, Nur soweit, als
die aufrechte Körperhaltung diese Umbildung des Thorax bei den
Anthropomorphen bedingt, kann sie mit als Ursache für die Ver-
schmelzung des Herzens mit den Wandungen ausgegeben werden.
Der aufreehte Gang des Menschen kann unmöglich die Verwachsungen
und die mit ihnen einhergehenden, eigenartigen Anordnungen der
mediastinalen Grenzlinien eingeleitet haben. Gegen eine derartige
Annahme spricht die Tatsache des Bestehens der gesamten Er-
scheinungsreihe bei den Anthropomorphen. Bei ihnen sowie beim
Menschen kommen die Folgezustände des veränderten Thorax an
den mediastinalen Grenzlinien am deutlichsten zum Ausdrucke; sie
offenbarten sich in eindeutiger Weise an den sternalen, blieben
aber auch nicht aus an den vertebralen und costalen Grenzlinien.
Es ist ja auch nur naturgemäß, daß die Art der Bergung des Inhaltes,
d. i. des Herzens und der Lungen, durch die Gestaltung des Bergen-
den, d.i. des Brustkorbes, bedingt sein muß.
Das Bestreben, alle Anthropomorphen auch in ihrem anato-
tomischen Bau enger an die niederen Affen als an den Menschen
anzureihen, leidet auf dem besprochenen Gebiete Schiffbruch. Tat-
sachen bleiben auch hier bindender als die Wünsche, für den
Menschen eine Sonderstellung zu retten. Es gibt nur wenige Bei-
spiele von so beweisender Kraft für die Annahme, daß die Anthro-
pomorphen menschliche Einrichtungen nicht nur errreichen, sondern
auch überflügeln können. Damit ist die hohe Bedeutung des hier
zusammenfassend behandelten Themas gekennzeichnet. Die Angabe
von PanschH (1884, S. 157), daß die feste Verwachsung von Herz-
beutel und Zwerchfell nur dem Menschen zukomme und ihn von
den anthropomorphen Affen unterscheide, beruht auf einem großen
Irrtume.
Um die Ergebnisse einer Kontrolle unterbreiten und ausbauen
zu können, sollte das in die Hände der Anatomen gelangende kost-
bare Anthropomorphen-Material Verwertung finden. Seit etwa
17 Jahren ist zu dem Bekannten nichts wesentlich Neues hinzu-
gefügt worden, abgesehen von den hier eingefügten wenigen neuen,
eigenen Beobachtungen.
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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 107
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Weıt. Handbuch und Atlas der topographischen Perkussion.
108 Georg Ruge
Inhaltsverzeichnis.
Grenzen: der Bleura-Säcke si „wur. non... Bel
1:/ VertebraleGrenzlinien ::.. "4.1 ad u RE
2. Sternale’Grenzlinien. „wi. I. ad aa. er oe ee
3. CostalesGrenzlinienn „un! null TEE
4. Mediastinale Grenzlinien . „1 „Bra. „Marne Re
Morphologische Bedeutung der Grenzlinien . ... 2.22 222.0...
1- Wertebrale. Grenzlinie.' # . 2... u EN
Oberes Ende. — Unteres Ende . . 2. wu 2 2 Weine
saHalbatten:ı 3 A ET re ne "ang
1. Platyrohina sr. 2 wi ms arten Nein 20.2
Ar, Katarrhina o 20.200.222 KR. ee
3. Anthropomorph383" , 2.2.2.2 21.0.0 Perg
EAMERECh ee ee ME RD Pe A
Infracostales Feld der Pleura-Säcke . . .;. . . SPRemeaEEzE
Rückschlüsse aus den Befunden an der Pleura auf nähere oder
entferntere Stammesverwandtschaft . . . 2». 2.2.2200.
Wechselbeziehung zwischen tiefstem Stande der vertebralen Pleura-
Grenzlinie und der Zahl von Rippen... .... . 2...
Wechselbeziehung zwischen tiefstem Stande der vertebralen Grenzlinie
und der Zahl präsaeraler Wirbel. .... 2.2.2... “.
Ursachen der Störungen in der Wechselbeziehung zwischen Vermin-
derung präsaeraler Wirbel und Verlagerung der Pleura-Säcke in
CRERIBIOTSENONIUNE so nl a a ae ne ee 5
Längenverhältnis zwischen pleuraler und peritonealer Strecke ds
thoraco-lumbalen Abhehnittes der Wirbelsäule ... . 2...
2. Btormaloss ronzumien se ee ae nn ne nee
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8. Anthropomorphaaw . . . „ ı. 0 An auaar Se
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GOrla, u. pa at de ah SOERERE 1,0
«@. Berührung beider sternaler Grenzlinien. .... .
Linksverlagerung » . » nn. u. so we
Rechtsverlagerung. Häufigkeit. Ursachen . .. .
Abörslo Ausdehnung . a». s:.» sus
Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 109
Seite
3. Auseinanderweichen beider sternaler Grenzlinien
In ganzer Ausdennung“.s z ,:u ee yai
y. Durch die Herzlage bedingte Linksabweichung der
linkon; Grenzlinie 9 N IE Te 73
d. Höhenstand der aboralen Endpunkte der sternalen
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Tiefster Stand der costalen Grenzlinien. . ..... 97
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Niedere; Alten, Huylabaless 0 2 una een rare 99
RERRTORDHIOTDEEE ee 102
ERBE EEE AR a AR FE 105
Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 111
Bearbeitung fand, namentlich in bezug auf die Ausbildung einer
Fossula vermiana und auf die Abdrücke der großen Venensinus.
Daß aber auch an andern Stellen des Uraniums die venösen Blut-
wege unter Umständen das Innenrelief stark beeinflussen können,
scheint weniger bekannt zu sein.
Bei Gelegenheit der Konservierung von Gehirnen, welche von
frisch eingegangenen Affen verschiedenster Arten stammten, konnte
ich im Laufe der letzten Jahre einige nicht uninteressante Beob-
achtungen machen, über die ich hier in Kürze berichten möchte.
Sie betreffen das Innenrelief und den strukturellen Aufbau des
Schädeldaches.
Bekanntlich hat Fr. W. MÜLLER die Durchleuchtung des Schä-
dels als geeignete Methode zur Untersuchung des Windungsreliefs
am Schädel eingeführt, und wenn man auch mit SchwaAuLgE (1908)
die spezielle Handhabungsweise derselben für nicht ganz einwand-
frei halten mag, so ist sie doch keineswegs ganz verwerflich. Ich
selbst hatte schon, ehe MürLLErs Publikation erschien, einen ähn-
lichen Weg eingeschlagen, zu dem ich durch die Beobachtungen an
frischen Schädelealotten gedrängt worden war. Die in unserm In-
stitut eingehenden toten Primaten werden jeweils sofort mit 2%/,iger
wässriger Formalinlösung in das Arteriensystem injiziert, worauf
dann ca. 24 Stunden später die Herausnahme des Gehirns ange-
schlossen wird. Bei der Wegnahme des Schädeldaches zeigte sich
nun, namentlich bei den kleineren Arten bzw. bei jüngeren Indivi-
duen größerer Species, bei denen die Sagittalkämme noch nicht
stark ausgebildet erscheinen, ungemein auffallende Farbdifferenzen,
sobald die frische Schädelealotte gegen das Licht gehalten wurde.
Die bluthaltigen, also diplo@führenden Partien erschienen leuchtend
rot gefärbt, dazwischen aber zeigten sich helle Flecken und Straßen,
welche das Licht weißlich durchschimmern ließen. Es konnte kein
Zweifel bestehen, daß an diesen Stellen keine Diplo@ zwischen der
_ Lamina ossea externa und der Lamina vitrea bestand. Am Rande
der helleren Felder erschienen anfangs spärlich, dann reichlicher
Q
a der Grenze gegen den roten Grund hin feine rötliche Linien
und Netze, die ihrerseits, nur in sehr viel stärkerer Ausbildung,
MEERE
t Ich habe vereinzelt auch das Gehirn vor jeglicher Injektion exenteriert,
die Durchleuchtungsbilder am Schädeldach waren in solchen Fällen bisweilen
ebenso schön wie in den andern, nicht selten aber waren die Markräume auf-
fallend blaß und blutleer. Offenbar wird bei der vorgängigen Injektion eine
tauung und damit eine Füllung der Markräume hervorgerufen.
112 H. Bluntschli
_
auch die dunklen, roten Felder und Straßen ausmachten, wobei
zwischen ihnen kleine weißliche Pünktchen und Linien nachweis-
bar waren. Diese natürlichen Durchleuchtungsbilder!, von denen
ich auf Taf. I in den Fig. 1—3 einige in photographischer Wieder-
gabe abbilde, geben also ein getreues Bild der Spongiosierung der
Knochen des Schädeldaches,
und — weil die großen hellen
Stellen, wie wohl ohne wei-
teres verständlich, den Ab-
drücken der Windungen des
Gehirnes entsprechen, — bis
zu einem gewissen Grade
auch des Windungsreliefs
an der Innenfläche des
Schädels. DiedunklenLinien
mit dem reichen Diploe-
gehalt aber entsprechen den
Sulei und Fissuren. Daß
diese Auffassung richtig ist,
bestätigt sofort die Abnahme
eines Gipsausgusses der
Schädelcalotte und sein Ver-
Durchleuchtungsbild des Schädeldaches von Semnopithecus gleich mit dem Durchleuch-
cephalopterus Nr. 628 (identisch mit Tafelfig. 1) mit Ein- tungsbild, bestätigt auch
tragung der Sulci des Gehirnes, wie sie durch photo- 2 1 z
graphische Aufnahme des letzteren sich darbieten. die Besichtigung des heraus-
genommenen Gehirnes und
seines oberen Windungsreliefs. Die Durchleuchtungsbilder lassen denn
meistens auch den Wechsel des Windungsreliefs bei verschiedenen
Arten und selbst individuelle Besonderheiten unschwer erkennen.
Freilich sind, und das lehrt der Vergleich der Fig. 1—3 (Taf. I)
miteinander, die diploöfreien Zonen keineswegs immer gleich deutlich
und gleich ausgedehnt vorhanden, es bestehen hier individuelle und
vielleicht auch Altersdifferenzen. Während Fig. 1 die Sulei am Frontal-
und Parietallappen sozusagen lückenlos erkennen läßt, wie ein Ver-
gleich mit Textfig. 1 sofort zeigt, ist in Fig. 2 das Windungsrelief in
der Parietalzone schon schwerer erkenntlich, indem hier die Diplo&-
Fig. 1.
! Eine Anzahl meiner Präparate habe ich in Kaiserlingscher Lösung kon-
serviert und der Sammlung des anatomischen Instituts einverleibt. Im großen
ganzen behalten sie das Aussehen, das sie in frischem Zustande hatten, und
haben nur wenig Farbe verloren.
Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 113
struktur auch an Stellen, die Sulei entsprechen, schwach oder gar nicht
ausgebildet ist, und andrerseits ist in Fig. 3 von einem Cercopithecus
nur im Spitzenteil der Frontalzone noch eine Andeutung der Windungen
erkennbar. Trotzdem war an den Gipsausgüssen auch im zweiten
und dritten Fall das innere Windungsrelief fast überall kenntlich,
am wenigsten deutlich allerdings bei dem Cercopithecus, ausgeprägt.
Aus dem Fehlen von Windungsbildern im Durchleuchtungsbild kann
also nicht unbedingt auf das Fehlen eines inneren Windungsreliefs‘
geschlossen werden. Die Durchleuchtungsbilder zeigen überall dort,
wo Windungsabdrücke als helle Flecken sichtbar sind, eine An-
ordnung der feinen Diplo@öräume derart, daß diese im großen ganzen
nahezu senkrecht auf die Windungen, bzw. wo Dellen an der Gehirn-
oberfläche sich finden, ungefähr radiär zu diesen gestellt sind (Taf. I
Fig. 1 u. 2'!), wenn aber, wie in Fig. 3, eigentliche Windungsflecken
nicht ausgeprägt erscheinen, ist auch von einer topographischen Be-
ziehung zwischen Spongiosabälkchen respektive Diplo@ökanälchen und
dem Gehirnrelief keine Rede. Etwas stärker gestaltet ist die Wandung
des Schädeldaches fast regelmäßig entsprechend den Nahtstellen,
das zeigen die Fig. 1—3, wie eine Anzahl andrer Aufnahmen, die
ich hier nicht abgebildet habe, und es fällt dabei immer ein nahezu
paralleler Verlauf des Sulcus centralis und der nur wenig rostral
davon gelegenen Coronarnaht auf, die bei den Cercopitheeiden Kon-
stanz zu haben scheint. Bei den Cebiden ist sie nicht vorhanden,
indem hier der Sulceus centralis weiter nach hinten, d. h. oceipitaler
von ihr gelegen ist und unter anderm Winkel gegen die Sagittalnaht
zieht, als die in der Mitte oft fast spitzwinklig gebrochene Sutura
eoronalis. Die Windungsflecken und die Diplo@straßen entsprechend
den Gehirnfurchen sind aber auch hier sehr auffallend ausgesprochen
und fehlen auch bei Halbaffen nicht, wie mir Beobachtungen an
Lemuren zeigten. Auffallend schwach sind diese Bilder bei Anthro-
pomorphen, wo auch das innere Windungsrelief am Schädeldach
kaum angedeutet ist. Bei einem jüngeren, weiblichen Schimpanse
fand ich nur leichte grubenartige Vertiefungen, die einen Lobulus
parietalis superior und solche, die eine obere Stirnwindung andeuteten.
1 Anm. bei der Korrektur. Diese Details sind leider bei der Reproduktion
meiner Photographien auf Taf. I nicht ganz so schön herausgekommen, als sie
in den Originalen sichtbar sind. Immerhin lassen namentlich einzelne Stellen
in Fig. 2 (speziell bei den Abdrücken der an den Sulcus interparietalis an-
grenzenden Gyri) die senkrechte Orientierung der Diplo@kanälchen zum
_ Windungsverlauf mit Deutlichkeit erkennen.
Morpholog. Jahrbuch. 41. 8
114 H. Bluntschli
Diese Beobachtungen, so anspruchslos sie auch erscheinen mögen,
sind wohl geeignet, ein Lieht auf die Frage der Osteogenese des
Scehädels zu werfen. Es ist seit langem bekannt und insbesondere
von Ecker (1878) betont worden, daß einer tiefen Impressio digitata
eine Verdünnung des Schädeldaches an dieser Stelle entspreche,
ebenso bekannt ist — und vor allem hat SchwAurer (1902 und 1904)
darauf hingewiesen —, daß nur selten einer solehen Stelle am
Schädeldach eine deutliche äußere Windungsprotuberanz entspricht,
jedenfalls liegen die Verhältnisse ganz anders als in der Temporal-
region. Äußere Protuberanzen am Schädeldache sind bei Affen nicht
ganz selten, doch sind sie in der Regel nicht auf Windungsabdrücke,
sondern meist auf die keineswegs seltenen Residuen geheilter Schädel-
frakturen ! zu beziehen, wovon ich mich bei meinen Beobachtungen
mehrfach überzeugen konnte. Daß freilich gelegentlich auch am
Sehädeldache, selbst bis nahe zur Sagittalnaht, ganz schwache An-
deutungen von Windungsprotuberanzen zu finden sind, will ich nicht
bestreiten, ich selbst habe solche bei Cereopithecen und Semnopithecen
gesehen, aber sie sind, wie schon SCHWALBE betont hat, weder regel-
mäßige, noch deutliche Vorkommnisse. — Über die Entstehung des
Gehirnreliefs am Schädel bestehen Differenzen in den Anschauungen
von SCHWALBE und FR. W. MÜLLER. Nach ersterem (1902) wird die
Schädelkapsel wesentlich durch das Gehirn modelliert. »An den
Stellen geringsten Wachstumsdruckes wird in größerer Menge Knochen-
substanz angebildet, welche bei äußerer Inanspruchnahme der Festig-
keit des Schädels die funktionell wichtigen Strebepfeiler liefert.«
Doch ist ScHwALBE (1907) noch eine andre Möglichkeit plausibel,
die nämlich, »daß an den Stellen der Windungshöhen zwar eine
Resorption bereits vorhandener Knochenschichten erfolgt, infolge des
Druckes, welchen die wachsenden Windungen ausüben, daß aber in
den Windungstälern ein solcher Druck nicht existiere, so daß hier
Knochenmassen von der Resorption mehr verschont bleiben, ja sogar
in Ruhe sich hier anbilden können, in Übereinstimmung mit einer
von LessHart (1892 S. 103) gegebenen Formulierung, daß der Knochen
nach der Stelle des geringsten Widerstandes wächst«. Demgegen-
über wird von Mürner (1908) die Auffassung vertreten, daß der
1 Diese Spuren geheilter Frakturen am Schädeldach stellen meist kleine
rundliche oder längliche Verdickungen, bzw. auch leicht grubige Vertiefungen
an der Außenseite dar und machen durchaus den Eindruck, als ob die Frak-
turen dem Lochtypus zugehört haben müssen. Von Splitterung war nie etwas
zu sehen.
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F
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Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 115
Gehirndruck sich auf die incompressible Arachnoidealflüssigkeit und
durch sie auf alle Teile der Arachnoidea, also auch nach allen
Punkten der Schädelinnenfläche, gleichmäßig fortpflanze, also von
verschiedenem Druck an Stelle der Impressiones und Juga nicht die
Rede sein könne. »Die individuell verschiedene Ausbildung des inneren
Schädelreliefs sei zurückzuführen auf die Variationen des Arach-
noidealreliefs beziehungsweise auf die des Arachnoidealraumes«, in
welchem das Gehirn »schwebend«, überall von Flüssigkeit umgeben,
erhalten werde. So ist für MÜLLER die Ausbildung des inneren
Schädelreliefs ein rein appositioneller Vorgang, der ohne Einfluß des
Gehirnes in passiver Weise erfolgt. Schon SCHWALBE hat neuer-
dings (1908) darauf hingewiesen, daß trotz der zugegebenen gleich-
mäßigen Druckfortpflanzung im Arachnoidealraum, dennoch das
Schädelrelief eben in den basalen Teilen und am Dach gänzlich ver-
schiedenartig gestaltet, hier nur wenig ausgebildet, dort ungemein
auffällig ausgeprägt sei. Diese Tatsache wird auch durch die funk-
tionelle Erklärung, die MÜLLER für die Juga und Impressiones als
Stützen und Kapseln für die einzelnen Hirnteile gibt, und der bis
zu einem gewissen Grad ein richtiger Gedankengang zugrunde liegen
dürfte, nicht aus der Welt geschafft, denn wenn hier wirklich stets
gleichmäßige Druckverhältnisse mitspielen und das Gehirn nach
allen Seiten hin freischwebend im Arachnoidealraum fixiert ist, dann
müßten am Schädeldach funktionell keine andern Verhältnisse be-
stehen als an der Basis, zumal bei dem Stellungswechsel des Kopfes
sich auch hier eine Fixation durchaus zweckmäßig erweisen müßte
Rückenlage). SCHWALBES (1902) Angaben über das spec. Gewicht
des Gehirnes und des Liquor cerebro-spinalis geben die plausible
Erklärung für die tatsächlich bestehenden Differenzen ab. Nach
diesen erweist sich das Gehirn specifisch schwerer als der Liquor
und sinkt deshalb im letzteren gegen die Schädelbasis zu ein, die
Arachnoidealflüssigkeit aber sammelt sich unter dem Hirndach in
reichlicherer Menge als andernorts. — Nun haben die oben mit-
eteilten Beobachtungen der Diploöstruktur verschiedener Schädel-
alotten (Taf. 1 Fig. 1—3) verschiedene Bilder ergeben, je nachdem
b das Schädeldach als Ganzes dünner oder dicker, bzw. je nach-
em die Windungsabdrücke schwächer oder stärker waren. Bei einer
rein passiven, appositionellen Anlagerung der Knochensubstanzen an
ie Meningen dürften wohl kaum so differente Bilder zustande
tommen, vielmehr spricht die Gestaltung und Lage der Spongiosa-
bälkchen und der Diplo@kanäle durchaus für einen direkten ge-
8*+
——
116 H. Bluntschli
staltenden Einfluß des Gehirnes, den wir uns, durchaus mit
SCHWALBE, unter gleichzeitiger Abspielung resorptiver und produk-
tiver Prozesse denken können, wie ja solche allüberall beim Knochen-
wachstum mitspielen und die Substantia compacta wie spongiosa
betreffen. Solange die Schädelwand als Ganzes dünn ist, wird auch
die Lamina vitrea schwächer sein müssen, als im andern Fall, wo
jene bereits eine gewisse Dieke erreicht hat. Je dünner aber die
Lamina vitrea und je stärker die inneren Windungsabdrücke, um so
eher kann das Gehirn durch die Meningen hindurch gestaltenden
Einfluß auf die Diploöstruktur bekommen. Das stimmt durchaus mit
meinen Beobachtungen überein, die Lamina vitrea war von den obigen
3 Fällen am stärksten bei dem Schädeldach von Cercopithecus (Fig. 3),
welches, trotzdem es das kleinste war (Höhe 20 mm, Breite 53 mm,
Länge 64 mm), doch das größte Gewicht (6,75 g) aufwies, am
zweitstärksten bei dem Semnopithecus cephalopterus (Fig. 1) (die Maße
des Schädeldaches 20, 54, 65mm, das Gewicht 6,25 g), am schwächsten
bei Semnopithecus Kelaarti (Fig.2) (die Mabe 23, 55, 64 mm, das
Gewicht 5,85 g). Genaue Dickenmaße zu geben, ist ohne Anfertigung
mikroskopischer Schnitte nicht möglich. Die obigen Ergebnisse und
der Gewichtsvergleich zeigen zur Genüge, daß bei der leichtesten
Calotte die Diplo@struktur am meisten Beziehung zum Gehirnrelief
aufweist, und bei der schwersten am wenigsten. — Die Durchleuch-
tungsbilder bestätigen auch in ganz ausgesprochenem Grade die An-
schauung SCHWALBES, daß die Muskelbedeckung auf die Ge-
staltung des Schädels ohne jeden Einfluß sei. Obgleich die
Lineae temporales in allen drei obigen und in zahlreichen andern
Fällen an der Schädeloberfläche deutlich zu sehen waren, bisweilen
selbst nahe zur Sagittalnaht reichten, war niemals eine Beziehung
der Diploöstruktur zu diesen äußeren Bildungen festzustellen. Die
Temporallinien oder Cristae ziehen über das Schädeldach, ohne im
Durchleuchtungsbild eine rote Spur zu hinterlassen, d. h. sie beein-
flussen einzig und allein den Bau der Lamina externa und absolw
nicht den der andern Lagen des Knochens. Das gilt von jungen
wie von alten Individuen und von Affen der alten, wie der neuer
Welt. Auch dort, wo Cristae sagittales bestanden, die noch nich
ganz für Licht undurchlässig waren, war keine stärkere, meist g&
keine Diploöansammlung an diesen Stellen zu sehen, woraus ge
schlossen werden muß, daß die Sagittalkämme geringen und mittlerei
Grades ebenfalls einzig und allein von der Lamina externa de
Knochens gebildet werden. Über das Außenrelief des Schädel)
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Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 117
‚und seine Entstehung mich hier eingehender zu äußern, halte
‘ieh nicht für angebracht, da ich wie gesagt nur selten etwas von
‚demselben feststellen konnte, immerhin lehren mich Erfahrungen wie
‚die, daß bei beiden Semnopithecen (Fig. 1 u. 2) dasselbe angedeutet,
bei Cercopithecus (Fig. 3) aber keine Spur davon vorhanden war,
‚obgleich ein Innenrelief, wie oben erwähnt, nicht ganz fehlte, daß
MÜLLER nicht im Recht sein dürfte, wenn er sagt: »Ist die Knochen-
‚platte im Allgemeinen gleichmäßig diek, so wird ein Relief der
Innentläche sich außen wiederholen müssen«, denn dem widersprechen
‚gerade meine Beobachtungen. Richtiger scheint es mir zu sagen,
‚daß sich ein Außenrelief nur dann wird zeigen können, wenn die
‚Tiefe der Impressiones digitatae eine derartige ist, daß zwischen den
‚beiden Außenlagen der Knochenplatte eine Spongiosa nicht zur Aus-
‚bildung kommen konnte, bzw. der Resorption verfallen mußte und
‚umgekehrt dann sicher fehlen wird, wenn die Impressionen seicht
sind oder wenn diese wohl tiefsind, aber das ganze Schädeldach sehr
‚diek und schwer ist, so daß es zur Ausbildung von Markräumen
zwischen beiden eines kommen konnte. Sobald man sich mit
‚diesem Gedankengang vertraut macht, wird es ohne weiteres ver-
ständlich, warum es unter anderm zur Vereinigung verschiedener
innerer DE ngsahdrücke zu einer äußeren Protuberanz kommen
‚kann, und warum eine bestimmte Protuberanz z. B. die der unteren
'Stirnwindung beim Menschen nicht immer feststellbar ist, Dinge, auf
die SCHWALBE mehrfach aufmerksam machte. Im ersteren Fall ist
wohl, ähnlich wie in den parietalen Partien unsrer Fig. 2, eine
Ausbildung von Spongiosa den Sulei entsprechend unterblieben,
weil die Innenimpressionen nicht tief sind, im zweiten ist wohl das
nnenrelief des Gyrus frontalis inferior ausgeprägt, aber kommt
wben deswegen nicht zur Geltung, weil in den Bezirken um diese
iußere Protuberanz herum namentlich gegen die sog. Fossa alaris
lin aus andern Ursachen eine Erhöhung statthaben kann. Durch-
Behtunes- wie Röntgenbilder dieser Region zeigen zur Genüge, wie
serade hier äußerlich etwa entsprechend der Crista infratemporalis,
lem Vorderrand der Pars orbitalis der Ala magna, und innen in
3eziehung zu den kleinen Keilbeinflügeln sich in der reichlich vor-
handenen Spongiosa wichtige trajektorielle Strukturen ausgebildet
ıaben. Der individuelle Wechsel namentlich im Stärkegrad solcher
Sildungen ist bekannt und wohl auf die verschiedenen mechanischen
erhältnisse der so differenten einzelnen Schädel zu beziehen. Je
tärker diese Strebepfeilersysteme hier ausgebildet sind, um so
118 H. Bluntschli
weniger wird das Relief des Gyrus frontalis inferior sich außen als
Protuberanz geltend machen können, oft nicht deswegen, weil eine
Protuberanz überhaupt nicht ausgebildet worden ist, sondern weil die
Umgebung um diese herum eine derartige Erhöhung erfuhr, daß sie
sich von jener nicht mehr oder kaum unterscheiden läßt. Der Aus-
prägungsgrad äußerer Windungsprotuberanzen ist nach meiner Er-
fahrung in nicht unbeträchtlichem Grade abhängig von der relativen
Massigkeit eines Schädels, und SCHWALBE hat (1907) feststellen können,
wie bezüglich der Tiefenausbildung der Fossa alaris Geschlechtsdiffe-
renzen bestehen und wie die Schädelform einen Einfluß auf den
Tiefengrad äußerer Sulei eraniales besitzt. Es will mir scheinen,
als ob hier die Untersuchung im Röntgenbild neben jener des Schädels
und der Gipsausgüsse in ausgedehntem Maße herangezogen werden
sollte, man wird dadurch wohl zu einer Vertiefung der Kenntnisse
kommen und eine Reihe von Fragen klären können, die heute offene
sind. Mir selbst stehen weder die nötigen Apparate noch die nötigen
Mittel zur Verfügung, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen.
2. Das Relief venöser Blutwege an der Innenfläche des Schädeldaches.
Auf der Innenfläche des Schädeldaches können sich neben Ab-
drücken von Hirnwindungen auch solche von Venensinus und
von Hirnvenen finden. Aus der menschlichen Anatomie ist der
Suleus sagittalis und daneben die Impressio des Sinus sphenoparie-
talis am bekanntesten. Sehr zahlreiche Lehrbücher erwähnen auch
seitlich von demselben sog. Foveolae granulares als grubige Ver-
tiefungen, hervorgerufen durch den Druck Paechionischer Granu-
lationen. Daß neben den Vv. meningeae mediae und dem Sinus
spheno-parietalis (MERKEL 1885) auch Hirnvenen, die nach dem Suleus
sagittalis zustreben und offenbar in diesen oder die Laeunae laterales
ausmünden, >sich ins Schädeldach eingraben und Furchen« mit medial-
wärts gerichteten Zusammenfluß der Ästehen erzeugen können, finde
ich nur bei OÖ. Scuurtze (1899) erwähnt. f
Ich selbst habe über diese Abdrücke venöser Blutwege am
Schädeldach an 28 Primaten genauere Aufnahmen gemacht und je-
weilen auch die Venen selber und ihre genaue Lage zum Gehirn
und seinen Furchen und Windungen studiert. Diese Beobachtungen,
die sich auf Prosimier (Lemur 3'), platyrrhine (Ateles 4, Cebus 1) und
catarrhine Affen (Macacus 5, Papio 1, Oercopithecus 8, er
ws
.
1 Zahl der untersuchten Exemplare. E
ro
;
Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 119
Colobus 1) sowie Anthropomorphen (Schimpanse 1, Orang 2) beziehen,
haben mir die Überzeugung beigebracht, daß das Venenrelief bei
den Affen und Halhaffen in der Regel stärker ausgesprochen ist als
beim Menschen.
Was zunächst den Sinus sagittalis superior und seinen
Abdruck anbetrifft, so ist der letztere beim Menschen selten in ganzer
Länge am Schädeldach wohl verfolgbar, während dies bei Lemuren
und den Affen der alten Welt, wie die Gipsausgüsse lehren, die
Regel ist. Bei den Neuweltaffen war der Suleus sagittalis nur im
Bereich des Os frontale deutlich. Nach hinten vom Bregma war am
Gipsausguß meist eine rauhe, bisweilen tiefe, grabenartige Vertiefung
Fig. 2.
Fontanell- und Nahtknochen im Schädeldach von Ateles ater (Nr. 606@). A Außen-, B Innenansicht,
(Halbe natürliche Größe.)
festzustellen, die nichts mit dem Sinus zu tun hatte, wohl aber mit
eigentümlichen Össificationsvorgängen entsprechend der Sutura sagit-
talis zusammenhängen dürfte, die ich an mehreren Präparaten (freilich
verschiedenen Grades) feststellen konnte. In Textfig. 2 ist das Schädel-
dach eines großen, weiblichen Ateles ater abgebildet, der aber
nicht ganz ausgewachsen war, soweit dies aus dem noch nicht voll-
ständigen Dauergebiß (es fehlen die 2. u. 3. Molaren, und offenbar
auch die Dauercanini) zu erschließen ist. Äußerlich war an Stelle
der vorderen und hinteren Fontanelle je eine etwa dreieckige Ver-
tiefung, deren Boden durch die Fontanellknochen gebildet ward, die
von innen gesehen viel leichter auseinanderzuhalten sind, als von
‚außen, wo sie sich überall aufs engste aneinanderlegen. Von innen
sind auch verschiedene Nahtknochen der Sagittalnaht kenntlich,
die von außen nicht zu sehen waren, indem sich hier die beiden
Parietalia nahe aneinanderschieben. Ja diese Nahtknochen der
120 H. Bluntschli
Sagittalnaht springen wie ein länglicher Wulst gegen die Schädel-
höhle vor und ebenso sind die Fontanellknochen am Lambda und
Bregma etwas vorragend. Das Durchleuchtungsbild zeigte an Fron-
tale und Parietale ungemein deutliche Windungsliehter und an jedem
einzelnen der Fontanellknochen sein deutliches Spongiosacentrum.
Der ganze Bezirk der Nähte und ihrer Schaltknochen war in breiter
Ausdehnung ohne inneres Windungsrelief. Auch ein zweites und
drittes Mal beobachtete ich bei Ateles solehe Fontanellknochen am
Bregma, eine Feststellung die mit den Angaben Fıcausıs (1890), daß
an dieser Stelle bei Cebiden häufig überzählige Knochen vorkämen,
übereinstimmt. Danach GAupr (1905) das Auftreten von selbständigen
Knocheneentren an den Rändern der Schädeldachknochen zu be-
stimmten Zeiten des Fetallebens ein normales Vorkommnis darstellt,
handelt es sich auch hier wohl um Reste embryonaler Zustände, die
sich noch nicht verloren haben. Ob freilich nicht auch pathologische
Prozesse bei der Ausbildung so zahlreicher Schaltknochen mitgespielt
haben, ist nicht zu entscheiden. Bekanntlich führt beim Menschen
Drucksteigerung im Schädelraum (Hydrocephalus) zur Spaltung
von Schaltknochen und zum abnorm langen Offenbleiben von Schädel-
nähten. — Immer war bei den Cebiden die Dura mater entlang der
Sutura sagittalis und zu Seiten dieser auffallend derb und adhaerent,
was vielleicht auch darauf zurückgeführt werden darf, daß bei den
Cebiden die Ossificationsprozesse dieser Region sich etwas anders
abspielen als beim Menschen, und damit hängt meines Erachtens
auch das regelmäßige Fehlen eines Suleus sagittalis in der Gegend
zwischen Bregma und Lambda zusammen, das ich bei den Altwelt-
affen häufig sah.
Abdrücke von Hirnvenen (Impressiones venarum) sind speziell
im frontalen Bereich nicht selten, ich sah sie bei Lemuren und ver-
schiedenen niederen Affen. Hinter dem Bregma sind nur selten
welche zu finden, vor ihm an verschiedenen Stellen. Während aber
beim Menschen die Venae cerebri superiores meist unter einem nach
hinten offenen spitzen Winkel entgegen der Richtung des Blut-
stromes sich in den Sinus sagittalis ergießen, verlaufen bei den Affen
diese Venenabdrücke in der Regel ziemlich quer gegen den Sinus,
um bisweilen kurz vor der Mündungsstelle sogar in oceipitader
Richtung und nur selten (z. B. Fig. 4 rechte Seite) rostralwärts um-
zubiegen. Es wird noch zu zeigen sein, daß dieses Verlaufsverhalten
der oberen Hirnvenen eine entschieden charakteristische Erscheinung
darstellt, durch die sich der Mensch von den niederen Affen durchaus
Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 121
unterscheidet. In den Fig. 4 und 5 auf Taf. I habe ich in Photo-
graphien von Gipsausgüssen solche Venenimpressionen am Schädel-
dach naturgetreu abgebildet, essind niedere allmählich verstreichende,
individuell sehr verschieden weit verfolgbare, wulstige Erhebungen,
nicht hoch genug, um auf die Spongiosastruktur im Knochen einen
nachweisbaren Einfluß auszuüben.
Mit den Impressiones venarum in gewissem Maße vergleichbar
sind in seltenen Fällen Impressiones lacunarum festzustellen.
Ausgedehntere Lacunae laterales des Sinus sagittalis superior fehlen
bei Halbaffen, Platyrrhinen und Cercopitheeiden fast ganz, sie kommen
nur bei Anthropomorphen vor. Auch hier sind sie wie beim Menschen
in wechselndem Grad, an Zahl, wie an Länge, ausgebildet. Die Be-
obachtung an cinem jugendlichen Orang (Textfig. 3) dürfte wohl das
Maximum von Lacunenbildung darstellen, das vorkommen kann. Der
Fall bietet deswegen größtes Interesse, weil diese Lacunen am
Schädeldach tiefe Ein- Fig. 3.
drücke erzeugten. Die
Fig. 6 (Taf. I) gibt eine
Vorstellung dieser Ver-
hältnisse, wie sie sich
am Gipsausguß darbieten.
Jede einzelneder Lacunen
unsrer Textfig. 3 ist hier
ohne Schwierigkeit wie-
der zufinden. Das Durch-
leuchtungsbild (Tafelfig.7)
zeigt, wie mehrere dieser
lacunären Impressionen
zu starken Verdünnungen
des Knochens, der im
ganzen recht stark war,
führten. Äußere Protu-
Der Sulcus sagittalis superior mit seinen Lacunae laterales
beranzen fehlten. Am und den Mündungsstellen der Vv. cerebri superiores eines
menschlichen Scehädel- Orang utan Nr. 585 (identisch mit Tafelfig. 6) in genauer
topographischer Relation zu den Hirnwindungen. Die
dach kann man gelegent- Pacchionischen Granulationen sind durch kleine Kreischen
lieh seichte Abdrücke von angedeutet. 7/10 nat. Gr. [Anatom. Sammlung Zürich 1907,
116. SVb 1].
Lacunen finden, aber vom
Vorkommen einer so intensiven und ausgedehnten Abprägung des
Laeunensystems wie hier ist mir nie etwas bekannt geworden.
Es ist wohl nicht unmöglich, daß auch einmal beim Menschen
199 H. Bluntschli
ähnliches gefunden wird. Ich bemerke nur in Kürze, daß bei
jenem Örang, weder an den Meningen noch am Gehirn oder den
Gefäßen, soweit ich dies feststellen konnte, sich irgend etwas fand,
was auf pathologische Prozesse hinwies. Die Beobachtung dürfte
eine willkommene Bestätigung für die oben charakterisierte Auf-
fassung der Entstehung des Innenreliefs am Schädel abgeben. Die
Blutwege haben sich ihre Bahnen am Schädel selbst gegraben, in-
dem die Stellen desselben, welche unter dem direkten Einfluß des
Blutdruckes standen, leichter der Resorption verfielen, als die be-
nachbarten, wo sich der Blutdruck auf den Knochen nicht geltend
machen konnte. Über die Entstehung der Sinusabdrücke am Schädel
hat sich schon Strasser (1901) geäußert. Er geht von den mecha-
nischen Verhältnissen der Durafixation am Schädel aus und sagt:
»Nach Maßgabe nun, wie die Venenkanäle sich entwickeln und in
Sinus umwandeln, werden die anliegenden Knochenflächen in noch
höherem Grade vor direkter Zugwirkung der Fasermasse geschützt.
Sie höhlen sich, sei es die Folge dieser Entlastung, sei es unter
direkter Usur durch den Venenstrom, so weit als dem Umfang des
letzteren entspricht, während seitlich von ihnen, wo die direkte Zug-
wirkung einsetzt, vorragende Knochenränder entstehen. Die Weite
der Venenkanäle aber richtet sich vor allem nach der Gunst des
Gefälles und man mag sich vorstellen, daß nach den Stellen hin,
wo günstigere Abflußbedingungen vorliegen, resp. von diesen aus
rückwärts die Sulei venosi sich ausweiten und tiefer in den Knochen
eingraben. Es dürften hier ähnliche Verhältnisse vorliegen, wie bei
der geologischen Erosion, die an und mit Stelle des größten Gefälles
stromaufwärts fortschreitet. «
Neben Impressiones digitatae und venosae kommen an der Innen-
fläche des Schädeldaches noch die Abdrücke Pacchionischer Granu-
lationen, sog. Foveolae granulares vor. Auch sie fehlen bei den
Affen nicht. Für ihr Studium hat sich ebenfalls die Methode der
Anfertigung von Leim- und Gipsausgüssen als zweckmäßig erwiesen.
Am Kölner Naturforschertag (1908 b) habe ich kurz über meine Er-
gebnisse berichtet und meine Präparate demonstriert. Ich habe mich
aber damals sehr kurz fassen müssen und manches nicht darlegen
können, was ich jetzt nachtragen möchte. Dabei muß ich weiter
ausholen und einen Überbliek geben über das Verhalten der Venae
cerebri superiores der Primaten, weichen diese doch in verschiedener
Hinsicht von den Verhältnissen ab, die uns vom Menschen her ge-
läufig sind.
u
Harz a RE RE ee een a
Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 123
3. Über die oberen Hirnvenen der Primaten.
Der Beschreibung muß ich einige technische Vorbemerkungen
vorausschieken. Die Injektion mit erstarrenden Farbmassen erwies
sich für das Studium der Hirnvenen als unzweckmäßig, von der
Cava superior aus füllten sie sich niemals gleichmäßig, und die
Kanüle direkt in den Sinus sagittalis superior einzubinden gelang
auch nicht befriedigend. Sehr viel einfacher und günstiger war es,
eine einfache Stauung in den Venen herbeizuführen und so gewisser-
maßen die natürliche Füllung als Mittel zum Zweck zu verwerten.
Die mit Formalinlösung in das Arteriensystem injizierten Affen lagerte
ich 24 Stunden so, daß der Kopf eine tiefere Lage einnahm, als der
Rumpf. Wenn dann das Schädeldach weggenommen wurde, schim-
merten bereits vielfach die rötlichen Hirnvenen durch die Dura mater
durch und selbst nach Eröffnung des Sinus sagittalis sup. konnte
die natürliche Füllung unschwer durch Hochlagern des Kopfes er-
halten werden. Zu der nachfolgenden Beschreibung zog ich nur
Fälle mit starker Füllung in Betracht und vermied es möglichst,
diejenigen mit nur partiellem Venenbild heranzuziehen. Esist klar,
daß unter Umständen auch trotz dieser Vorsichtsmaßregel ein kleineres
Gefäß oder eine Anastomose übersehen werden konnte, aber diese
Möglichkeit bringt ja jegliche nur makroskopische Untersuchungs-
methode mit sich. Immerhin bin ich sicher, die größeren Gefäße
alle beobachtet und aufgenommen und ihr Mündungsverhalten einem
im einzelnen genauen Studium unterworfen zu haben. Um die
topographischen Beziehungen der Hirnvenen zum Gehirn und dem
Sinus in ihren natürlichen Verhältnissen zu erkennen, war ein etwas
umständliches graphisches Aufnahmeverfahren nötig, das sich aber
durchaus bewährte.
Nach Wegnahme des Schädeldaches wurde der Sinus eröffnet
und nun sofort eine genaue Zeichnung gemacht, in welche auch der
Verlauf der durch die Dura mater meist deutlich durchschimmernden
Hirnvenen eingetragen wurde. Am Sinus wurde besonders auf seit-
liche Lacunen und auf die Mündungsstellen von Hirnvenen geachtet.
Jetzt erst wurde auf der einen Hälfte die Dura mater entlang dem
Sägeschnitt losgetrennt und so weit vorsichtig zurückgeschlagen und
allmählich abgetragen, bis das Hirnrelief und die einzelnen Venen
bis nahe zum Sinus verfolgt werden konnten. Jetzt wurde wieder
eine genaue Zeichnung (mit Hilfe von Mattscheibe, Zirkel und Zenti-
meter) angefertigt. Für die Feststellung des Mündungsverhaltens der
Venen wurde vorsichtige Sondierung, vor allem aber die einfache
124 H. Bluntschli
Methode des Ausstreichens ihres flüssigen Inhaltes mit Beachtung
der Ausflußstelle angewandt. War die eine Seite genau aufgenommen,
so kam die zweite daran. Beim nachfolgenden Herausschneiden der
Fig. 4.
Die Oberfläche des Großhirnes von Zemur catta (Nr. 626 ©) mit dem Verlauf der Hirnvenen. Nat. Gr,
Falx cerebri wurde das Mündungsverhalten der Venen nochmals
kontrolliert und erst danach wurden die Mündungsabschnitte durch-
trennt. Endlich machte ich nach Herausnahme des Gehirnes und
Fig. 5.
Die Oberfläche des Großhirnes von Zemur catta (Nr. 639Q@) mit dem Verlauf der Hirnvenen. Nat. Gr.
Präparation desselben noch ein dritte Zeichnung allein von diesem,
aber genau in entsprechender Lage wie die vorhergegangenen. Auf
Pauspapier übertragen konnten nun die Einzelzeichnungen überein-
ander gelegt werden und wurden leichte Zeichenfehler unschwer
kenntlich. Auf diese Weise sind durch Kombination von Einzelauf-
ir; P.
ir
Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 125
nahmen die Textfig. 14—16 entstanden, welche die Ergebnisse
meiner Bemühungen illustrieren. Zum leichteren Verständnis und
zur genauen Beziehung des Venenverlaufes auf die Hirnoberfläche
habe ich jeweilen ein einfaches Windungsbild des betreffenden Ge-
hirnes beigefügt und die wichtigsten Sulei und Fissuren bezeichnet.
In der Benennung folgte ich für die Halbaffen der Namengebung,
die ErrıorHa Smrra (1900) eingeführt hat, für die Affen derjenigen,
die Rerzıus (1906) in seinem Werke über das Affenhirn gebrauchte.
Betrachten wir zuerst die Verhältnisse bei Lemur (Fig. 4 u. 5),
so finden wir eine Teilung des glattwandigen Sinus sagittalis superior
in die beiden Sinus transversi unter relativ kleinem Winkel, der sich
kaum stark von einem rechten entfernt (vgl. meine Mitteilung 1908a)
und sehen wir in den Sinus von rechts und links her die einzelnen
Venae cerebri superiores in querem oder oceipitalwärts gerichtetem,
spitzwinkligem Verlauf einmünden, nachdem sie in nächster Nähe
der Mündungsstelle die Dura durchsetzt haben. Es scheint schwer,
in beiden Figuren identische Gefäße aufzudecken, wie auch deren
Zahl variiert, doch möchte ich das Augenmerk auf eine Vene richten,
welche jederseits in unsern Figuren etwa in der Mitte des Suleus
coronalis beginnt und medialwärts zieht. Dieses Gefäß prägte sich
beide Male auch am Schädeldach ab und besitzt, wie wir noch
sehen werden, auch bei Affen eine ziemliche Konstanz. Wichtig
erscheint mir endlich auch jene Vene, welche aus der Fissura Sylvi
zum Suleus lateralis und am hinteren Ende desselben medialwärts
zum Sinus sagittalis läuft. In Fig. 4 ist sie rechts und links allem
Anschein nach ein gleiches Gefäß, Fig. 5 zeigt aber, daß Verdoppelung
vorkommen kann, und es ist nicht unmöglich, daß die entsprechende
Vene der linken Körperseite, die weiter rostralwärts einmündet, einem
dritten Gefäßchen entspricht. Es ist also nicht von einer absoluten
Homologie dieser einzelnen Venen zu sprechen, sondern nur von einer
annähernd entsprechenden Lage und Verlaufsrichtung, wobei die Frage
offen bleiben muß, wie diese zustande kommt.
Meine Beobachtungen an Platyrrhinen beziehen sich nur auf
Ateles und Cebus und sind leider nicht ganz einwandfrei. In mehreren
Fällen war der Füllungsgrad der Venen zu ungenügend, um sichere
Resultate zu erzielen. Ich beschränke mich daher auf die Wieder-
gabe nur einer Figur von Ateles (Textfig. 6), wobei ich darauf zu
achten bitte, wie die vorderen Venen vom Suleus frontomarginalis,
präcentralis, frontalis sup., centralis und retrocentralis (S.r.c.) alle
mehr oder weniger quer zum Sinus verlaufen. Diese Feststellung
126 H. Bluntschli
konnte ich auch bei andern Ateles-Species und Cebus libidinosus
machen. Eine wichtige Venenmündungsstelle ist die Gegend, wo
die Fissura parieto-oceipitalis medialis (F.p.o.m.) von der medialen
Hemisphärenfläche zur Konvexität umbiegt, wo sie nach kurzem
Verlauf endigt. In dieser Region mündet stets von der Seite her
aus dem Suleus simiarum kommend, eine Vene (vgl. Textfig. 6) und
meist auch eine Vene aus dem Suleus interparietalis und Sulcus
temporalis superior, wie wir dies bei ÖCercopitheciden als Regel an-
treffen werden. Auch hier nehmen die Venen vor ihrer Mündung
keinen längeren intraduralen Verlauf. Der Sinus sagitt. sup. der
Fig. 6.
Die Oberfläche des Großhirnes von Ateles Geofroyi Nr. 621 5 mit dem Verlauf der Hirnvenen,
2/3 nat. Gr. Mit kleinen Kreischen sind in der Nachbarschaft der Fissura parieto-occipitalis medi-
alis Rauhigkeiten der Arachnoidea angedeutet,
Platyrrhinen ist glattwandig, ohne Trabekel und in der Regel obne
Seitentaschen. Kleine Lacunen habe ich zweimal beobachtet, bei
Ateles Geoffroyi (Textfig. 6) in der Höhe der Fissura parieto-oceipitalis
medialis, bei einem Cebus lbidinosus ebenda, wie auch bei der
Mündung der Venen aus dem Sulcus frontalis sup. Diese kleinen
Lacunen waren aber alle ganz kurz und wenig weit, bei den andern
Tieren fehlten sie völlig.
Über das Verhalten der Hirnvenen bei den Cereopitheciden
habe ich reichere Erfahrung. Zum Ausgangspunkt der Darstellung
möge uns das Genus Cercopithecus dienen. Wenn wir Textfig. 7
betrachten, fällt uns auf, wie sehr der Venenverlauf dem Windungs-
eharakter entspricht. Auf der rechten Seite allein ist eine Vene aus-
gebildet, die vom Suleus präcentralis superior (S.p.s.) und inferior das
Blut in querer Richtung dem Sinus zuführt, beiderseits ist eine starke
h]
Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 127
V. sulei centralis vorhanden, und endlich finden wir einen sehr
wichtigen Venen-Zusammenfluß am medialen Ende der Affenspalte.
Hier treten eine V. sulei interparietalis, eine V. fossae Sylvi und
eine V. sulei simiarum zusammen. Diese Mündungsstelle hat etwas
sehr Charakteristisches, zumal wenn wir uns der oben gemachten anders-
Fig. 7.
5.2.5.
Fig. 8.
Fig. 7 u. 8. Die Oberfläche des Großhirnes von Cercopithecus ascanius (Nr. 637 ©) mit dem Verlauf
der Hirnvenen. 2/3 nat. Gr. (Die durch Strichelung angedeuteten Venen fließen nach der medialen
Hemisphärenfläche ab, Durch Kreischen sind Pacchionische Granulationen angedeutet.
artigen Beobachtungen bei Lemuren und Platyrrhinen erinnern. In der
Textfigur 8 füge ich auch Seitenansichten dieses Gehirnes und seiner
Venen bei, welche uns die bereits gemachte Erfahrung bestätigen,
daß ein absolut symmetrisches Verhalten nicht vorkommt; wir sehen
auch, wie die verschiedenen Venen miteinander anastomosieren und
neben dem Abfluß zum Sinus sagittalis superior Abflußwege nach
BEER]
128 H. Bluntschli
der Schläfenregion in Frage kommen. An der linken Hemisphäre
sind es zwei, an der rechten eine starke Vene, welche sich in den
Sinus petroso-squamosus (vgl. meine Mitteilung 1908a) ergießen, nur
Fig. 9.
Die Oberfläche des Großhirnes von Cercopithecus patas (Nr. 623 5) mit dem Verlauf der Hirnvenen.
2/3 nat. Gr.
die hintere linke Vene tritt gerade an der Zusammenflußstelle der
Sinus petroso-squamosus, Sinus transversus und Sinus petrosus-
superior zum Sinus sigmoideus ein. Die lateralen Großhirnvenen
Fig. 10.
Die Oberfläche des Großhirnes von Macacus cymomolgus (Nr. 617 5) mit dem Verlauf der Hirnvenen,
2/3 nat. Gr.
machen den oberen das Wurzelgebiet in verschiedenem Grade streitig,
während rechts noch stärkere Abflüsse vom Frontallappen zum Sinus d
longitudinalis sup. und den Venen der medialen Hemisphäranläu
bestehen, ist links dieses Gebiet fast ganz der vorderen Temporal-
vene angeschlossen. Ebenso fließt links das Blut vom Oceipitallappen
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Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 129
Fig. 11.
Die Oberfläche des Großhirnes von Macacus cynomolgus (Nr. 597 5) mit dem Verlauf der Hirnvenen.
2/3 nat. Gr.
Die Oberfläche des Großhirnes von Macacus pileatus (Nr. 627 Q@ altes Tier) mit dem Verlauf der
Hirnvenen. 2/3 nat. Gr.
5. simiar.
)
Die Oberfläche des Großhirnes von Macacus inuus (Nr. 620 5) mit dem Verlauf der Hirnvenen.
2/3 nat. Gr.
Morvholog. Jahrbuch. 41. 9
130 H. Bluntschli
und den oberen Teilen des Lobus temporalis vorwiegend durch die
Vena sulei simiarum ab, während rechts ein Teil des Blutes zur
hinteren Temporalvene strömt. Alle weiteren Beobachtungen bei
Die Oberfläche des Großhirnes von Macacus manarus (Nr. 596 5) mit dem Verlauf der Hirnvenen.
2/3 nat. Gr.
Cereopitheeiden (Textfig. 9—15) zeigen auffallende Ähnlichkeit mit
den aus Textfig. 7 bekannten Verhältnissen. Es kommen wohl weitere
kleine, dem Sinus sagittalis sup. zustrebende Venen hinzu, und
Fig. 15.
S. simierum.
Ser:
Die Oberfläche des Großhirnes von Papio maimon (Nr. 618 @) mit dem Verlauf der Hirnvenen.
2/3 nat. Gr.
ebenso tritt bisweilen eine Vena sulei fronto-marginalis auf, deren
Mündung in den Sinus auf den Figuren nicht überall mehr siehtbar
wird, weil sie am Vorderende des Suleus statthat, aber die typischen“
i
Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 131
Venen der Sulei präcentralis, des S. centralis und das Venentrio,
das am medialen Ende des Suleus simiarum mündet, sind
regelmäßig auffindbar. Am Schädeldache prägen sich häufig die
Venen aus dem Suleus fronto-marginalis und Suleus präcentralis ab.
Daß es sich auch hier nicht um absolut homologe Gefäßchen, wohl
aber um typische Verlaufsstraßen handelt, zeigen Beobachtungen wie
Textfig. 9 links, 12 rechts, 13, wo von einer Vena sulei präcentralis
nicht gesprochen werden kann, sondern mehrere kleinere Venen be-
stehen, wie Textfig. 13—15, wo die Vena sulei centralis mehrfache
Die Oberfläche des Großhirnes eines Schimpanse (Nr. 599 ©) mit dem Verlauf der Hirnvenen. Etwas
weniger als 2/3 nat. Gr. (Als Ringelchen sind die Pacchionischen Granulationen, mit feiner
Strichelung die Venen, die zur medialen Hemisphärenfläche treten, angegeben),
Mündungen besitzt, und Textfig. 13 links und 15 links, wo dasselbe
von dem Venentrio zu sagen ist. Ebenso ist das Abflußgebiet der
Temporalvenen, die bei Macacen und Papio durch den Sinus petroso-
squamosus zum Sinus sigmoideus und außerdem durch den Canalis
temporalis ihr Blut ergießen, verschieden ausgedehnt. Trotz dieser
Verschiedenheiten im einzelnen fällt die außerordentlich typische
Verlaufsweise der Hirnvenen auf, in vieler Beziehung in enger
Relation zu den Hirnfurchen, aber doch keineswegs (z. B. Frontal-
region) nur aus dieser verständlich. Es scheint mir wichtig, darauf
besonders hinzuweisen, daß von einem frontalwärts gerichteten Blut-
abfluß und von spitzwinkliger rostrad gerichteter Mündung der Hirn-
venen, wie beim Menschen, hier nirgends etwas festzustellen ist. Aus
dem oberen Gebiet des Frontallappens vom Suleus centralis und
9*
1323 H. Bluntschli
präcentralis fließt das Blut immer in nahezu querer Richtung dem
oberen Pfeilsinus zu, gegen die Fissura parieto-oceipitalis medialis
und ihre Verbindung mit der Affenspalte aber ist ein Zusammen-
tluß meist oceipitalwärts gerichteter Venen festzustellen. Gelegent-
lich treten auch vom Oeceipitallappen Venen zu dieser Confluenz-
stelle, öfters münden oceipitale Venen in senkrechter Richtung
direkt in den Sinus. Die Hirnvenen werden dabei öfters schon auf-
fallend weit lateral vom Sinus von der Pia mater frei, verlassen
diese, durchsetzen die Arachnoidea und lagern nun im weiteren
Verlauf auf dieser, um meist erst unweit ihrer Mündung in den
Sinus in die Dura mater einzudringen. Beschäftigen wir uns noch
kurz mit dem Sinus sagitalis superior selber. Auch hier ist er in
der Regel glatt, hat keine Trabekel und namentlich im hinteren
Teil ein im Querschnitt etwa dreieckiges Lumen, Reste von einer
ursprünglichen Anlage aus zwei Gefäßen finden sich selten (z. B.
Textfig. 14) in Gestalt partieller Reste eines medianen Septums.
Beim Menschen sind solche Reste bekanntlich häufiger (Knorr 1882,
Mannu 1907). Lacunae laterales kommen relativ selten vor, sie sind,
wo vorhanden, nur klein und meist an der Stelle der Mündung des
Venentrios oder zwischen diesem Punkt und der Mündung der Vena
sulei centralis zu finden. Ein einziges Mal (Semnopithecus) lagen
auch welche noch weiter rostral. Von 15 darauf untersuchten Cerco-
pitheeiden waren in 10 Fällen keine Spuren von Lacunen an-
zutreffen.
Von Anthropomorphen hatte ich zunächst bei einem jugend-
lichen Schimpanse Gelegenheit, genauere Aufnahmen zu machen,
schon der erste Blick auf die Textfig. 16 zeigt hier ein ganz andres
Verlaufsverhalten der Vv. cerebri superiores, das weit mehr den
menschlichen Zuständen als jenen der Cercopitheeiden gleicht, da-
durch gegeben, daß eine Anzahl Venen aus oceipitaleren Rinden-
bezirken einen stark rostrad gerichteten Verlauf nehmen, ehe sie in
den Sinus eintreten, und daß das Venentrio in der Gegend der
Fissura parieto-oceipitalis fehlt. Daß auch hier wieder gewisse
Asymmetrien bestehen, wundert uns nicht. Im ganzen Gebiet zu
Seiten des Sinus ist von einer Beziehung des Venenverlaufes zu den
Hirnfurehen nichts festzustellen, die Venen haben sich völlig emanzi-
piert. Vom Sulcus praecentralis, eentralis und retrocentralis und noch R
weiteroceipital gelegenen Gebieten laufen starke Venen rostralwärts, um
nach Durchsetzung der Arachnoidea und kürzerem, freiem, subduralem
Verlauf in die Dura mater und, fast an derselben Stelle, in wohl aus-
Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 133
gebildete Lacunen einzumünden, die sich etwas nach vorn von der
Höhe des Suleus präcentralis beiderseits finden. Die Vena sulei simi-
arum, links verstärkt durch Zufluß aus dem Gebiet des Suleus inter-
parietalis, verhält sich in ihrer Mündung beiderseits verschieden.
Während sie rechterseits an die mediale Hemisphärenfläche tritt
und erst auf dem Umweg durch die Falx cerebri den Sinus sagit-
talis sup. erreicht, findet dasselbe links nur für einen Teil des ge-
spaltenen Mündungsabschnittes der Vene statt, der andre läuft
rostral- und medialwärts, gelangt an die mediale Hemisphärenfläche
und erst beträchtlich weiter vorn wieder auf die Konvexität der
Hemisphäre, um nun in gleicher Höhe wie eine kleinere, rechts-
seitige Vene aus dem Gebiet des Lobulus parietalis superior in den
Sinus einzutreten. — Die Textfig. 3 von einem jungen Orang zeigt
uns ebenfalls den überall rostralwärts gerichteten Venenverlauf und
die Emanzipation der Mündungsabschnitte der Venen von der
Hirnfurchung. Das periphere Venengebiet war nicht deutlich genug
festzustellen. Immerhin lassen sich mancherlei Anklänge an das
Verhalten bei Schimpanse und keine an jenes der Öercopitheeiden
finden. Bei dem oben beschriebenen Schimpanse habe ich auch
das Verhalten an den seitlichen Hirnvenen aufgenommen und beider-
seits eine starke Temporalvene angetroffen, die links zum Sinus
petrosus superior, rechts in einen mäßig starken Sinus petroso-
squamosus (welcher links übrigens auch nicht fehlte) sich ergoß,
etwa entsprechend der Impressio des Gyrus temporalis medius.
Bei einem zweiten Orang fehlte beiderseits der Sinus petroso-
squamosus, dagegen sah ich auf der rechten Seite ein merkwürdiges
Verhalten des Sinus petrosus superior. Von der Mitte desselben
ließ sich ein mäßig starker Sinus in die mittlere Schädelgrube über
die vordere Petrosumfläche herab verfolgen, der etwas lateral vom
Foramen ovale endigte und daselbst eine starke Temporalvene vom
Gehirn her aufnahm. Links fehlten Sinus und Vene. Andre Tem-
poralvenen traten beiderseits an der Vereinigungsstelle von Sinus
petrosus superior und transversus ein. Auch der Sinus longitudinalis
superior der Anthropomorphen gleicht mehr dem Menschen als den
Cercopitheciden, er ist weit, regelmäßig stark zerklüftet und oft von
Balken durchsetzt, mit Aussackungen gegen die Falx hin und mit
glattwandigen Lacunae laterales versehen. Die Zahl der letzteren
ist, wie beim Menschen, im Einzelfall ebenso different als die Größe,
aber in der Regel ist doch die Laeunenbildung unverkennbar fort-
geschritten gegenüber den Verhältnissen bei niederen Affen. Wie
134 H. Bluntschli
weit die Ausbildung von Lacunen gehen kann, hat uns ja Textfig. 3
gelehrt. Beim aufgeschnittenen Sinus lassen sich 3 Abschnitte aus-
einanderhalten, ein vorderster, der bis nahe an die Kranznaht des
Schädels reicht und einen dreieckigen Querschnitt mit steilgestellten
Seitenrändern und schmalem Dach zeigt, er ist der engste. Es folgt
der weiteste, mittlere mit breitem Dach und geringer Tiefe, sein
Ende entspricht etwa dem Lambda. Der dritte hat ein Querschnitts-
verhalten wie der erste, nur ist er im ganzen weiter als dieser,
seine Wandungen fand ich immer glatt. Lacunen kommen meiner
Erfahrung nach nur an den zwei vorderen Abschnitten vor.
Über die Venae cerebri superiores und die Lacunenbildung des
Sinus sagittalis superior beim Menschen fassen sich die Lehr- und
Handbücher, soweit ich sehe, auffallend knapp. Alle erwähnen,
daß die Vv. cerebri superiores in der Regel entgegen der Richtung
des Blutstromes in den Sinus eintreten (LuschKA 1867, HExLeE 1876,
(GEGENBAUR 1896). Auch Knorr (1882), der den Cerebralsinus des
Menschen eine ausführliche Untersuchung widmete, gibt dasselbe an.
Nach ihm treten die oberen Hirnvenen schräg durch die Sinuswand,
wie der Ureter durch die Blasenwand. Wenn HENxLE sagt, daß die
Stämme der Venae cerebri superiores sich in den Furchen der
Hemisphären hielten, so denkt er dabei wohl nur an die lateralen Ab-
schnitte derselben, erwähnt er doch selbst den stark rostralen Ver-
lauf und die schräge Mündung, die für die hinteren Venen am aus-
gesprochensten Sei. GEGENBAUR spricht von vorderen Vv. cerebri
superiores, die vom Stirnlappen kommen, mittleren aus der Um-
gebung der Centralfurche und hinteren vom Oceipitallappen. Die
ausgezeichnete Abbildung in Torprs (1905) Atlas zeigt diese
Gruppierung ebenso wie den schrägen Vorwärtsverlauf aller
oberen Hirnvenen. Dabei läßt sich auch hier erkennen, daß die
vorderen Venen diese Steilheit am wenigsten ausgeprägt zeigen
und bisweilen fast rechtwinklig münden (HenLeE 1876, MERKEL 1885).
Die Zahl der oberen Hirnvenen wird entsprechend den tatsächlich
wechselnden Verhältnissen verschieden angegeben, im Minimum 8,
im Maximum 15. MERKEL tut der Angaben BrownınGs! Erwähnung,
wonach zwei Gruppen von Venen zu unterscheiden seien, eine vor-
dere und eine hintere. Erstere sollen in das erste Drittel, letztere
in die beiden hinteren Drittel des Sinus eintreten und zwischen
1 Die Spezialuntersuchung von BROwnInG über »The veins of the brain
and its envelopes« (Brooklin 1884), die MERKEL erwähnt, war mir nicht zugänglich.
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Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 135
beiden oft ein 4—5 em langer Zwischenraum bestehen, wo über-
haupt keine Venen münden. Die spitzwinklige Mündung wird ihrem
physiologischen Verhalten nach als eine Art Klappenverschluß auf-
gefaßt, der den Rückstrom des Blutes hindern soll (HEXLE, KnorTr,
MeErkeEr). — Über die Ontogenie dieser Hirnvenen finde ich nirgends
in den neueren Arbeiten (SALzER 1895, HocHstEerrer 1903, MALL
1904, Densstepr 1904, Grosser 1907) irgendwelche genauere An-
gaben. Nach Mau bildet sich der Sinus sagittalis susp. als eine
Anastomosenkette von Venae cerebri paarig auf der Dorsalseite des
Gehirnes aus, um dann mit dem anderseitigen zu verschmelzen.
Über das Verhalten der oberen Hirnvenen in der Wirbeltier-
reihe finden sich die reichsten Angaben bei Hormann (1901), der
Vertreter aller Klassen untersuchte. »Die Venen der dorsalen Seite
des Großhirns ergießen sich bei der Mehrzahl der Gehirne zum
größten Teil in den Sinus sagittalis superior. Bei den Fischen, wo
die Sinusse noch vollständig fehlen, wird das Blut dieser Teile ent-
weder durch eine eigene Vena cerebralis anterior (Rex) abgeführt
oder strömt dem Foramen jugulare zu.« Für unsre Ableitungen
kommen nur die Zustände, die Hormann bei Amnioten fand, in
Frage. Bei Testudo graeca treffen wir auf der Dorsalseite am me-
dialen Rand der Großhirnhälften jederseits eine V. sagittalis superior,
die eigentliche Fortsetzung der V. cerebri superior anterior, die jeder-
seits in der Furche zwischen Hemisphäre und Bulbus olfactorius
verläuft. Erst in der Gegend der Zirbelärüse verschmelzen die
Vv. sagittales superiores zu einem unpaaren Gefäß. »Der paarige
Absehnitt der V. sagittalis sup. nimmt außer den Venen des Bulbus
olfactorius noch die ganzen Venen der medialen sowie der oberen
und der äußeren Seite der Großhirnhemisphärenoberfläche auf.
Die stärksten dieser Venen, die man als Vv. cerebri sup. mediae be-
zeichnen kann, haben einen stark nach hinten und oben gerichteten
Verlauf und münden unter sehr spitzem Winkel in die V. sagittalis
sup., ja sie können sogar vor ihrer Einmündung eine Strecke weit
nahezu parallel zu ihr und dicht neben ihr gelagert caudalwärts
verlaufen.« Dieselbe Verlaufsriehtung kommt den Venae cerebri
sup. posteriores zu. (Ganz anders lauten die Angaben von den
Vögeln (Huhn, Ente und Gans). Hier besteht ein unpaarer Sinus
sagittalis superior. Die stärksten Venen der dorsalen Großhirn-
partie werden durch die jederseits in rostraler Richtung verlaufende
V. cerebri superior anterior dargestellt, welche sich in den Annulus
venosus cerebri (NEUGEBAUER) ganz nahe seiner Verbindungsstelle
136 H. Bluntschli
mit dem Sinus sagittalis superior ergießt. Während seines Ver-
laufes an der dorsalen Mantelkante nimmt der Sinus eine größere
Zahl unscheinbarer Vv. cerebri superiores mediae unter rechten
Winkeln auf. An seinem caudalen Ende (resp. schon in den Sinus
transversus) münden jederseits eine, seltener zwei hintere obere
Hirnvenen. Von Säugetieren hat Horumann Vertreter der Insecti-
vora (Erinaceus, Talpa), Rodentia (Lepus cuniculus, Cavia cobaya,
Sciurus vulgaris), Carnivora (Hund und Katze), Artiodactyla (Capra
hircus, Ovis aries, Cervus elaphus, Bos taurus, Sus scropha) und
Perissodaetyla (Eguus) untersucht. Im einzelnen liegen die Verhält-
nisse recht verschieden. Ein Sinus sagittalis sup. ist noch nicht
überall anzutreffen, öfters (Talpa, Lepus) findet sich noch eine Vena
sagittalis sup. an seiner Stelle, die nur lose Verbindungen mit der
auflagernden Dura mater besitzt. Auch die Zahl der oberen Hirn-
venen wechselt stark. Die V. cerebri sup. ant. in der Abschnürungs-
furche zwischen Riechkolben und Hemisphäre, die oben von TESTUDO
beschrieben wurde, besteht deutlich erkennbar noch beim Igel, häufig
aber ist sie nicht mehr so charakteristisch ausgeprägt, besitzt
größeres Wurzelgebiet oder zeigt Verdoppelung. Sie stellt den
Anfang des Sinus dar, indem an ihrer Mündung, die senkrecht oder
spitzwinklig (Spitze nach hinten) erfolgt, der Sinus beginnt. Von
dieser Vene abgesehen, münden die oberen Hirnvenen fast immer
unter nahezu senkrechtem Winkel (Erinaceus, Lepus, Cavia, Sus,
Eguus usw.), die hinteren, von denen öfters ein Teil sich direkt in
den Confluens sinuum oder den Sinus transversus ergießt, nehmen
einen caudal gerichteten Verlauf. Abseits stehende Zustände zeigt
Talpa, wo an der Außenseite des Großhirns eine sagittal nach vorn
ziehende Vene, ähnlich wie bei den Vögeln, sich findet. Von In-
teresse sind auch parallel zum Sinus verlaufende Längsvenen, die
mit den Vv. cerebri superiores anastomosieren und bei Lepus cuni-
culus einen Teil des Venenblutes direkt dem Confluens sinuum zu-
führen. Einzig beim Hund ! sehen wir das Venenblut aus oceipitaleren
Gebieten (vordere Bogenwindungen, Inselgebiet) einer starken Vena
cerebri superior media mit rostrader Verlaufsrichtung, aber nahezu
senkrechter Mündung in den Sinus zuströmen.
Vergleichen wir diese und die freilich wenig ausführlichen,
ähnlich lautenden Angaben DEnNnstEpTs (1904) für die Haussäuge-
tiere mit unsern Feststellungen, so ergibt sich erstens, daß die
1 Die Angaben DENNSTEDTs widersprechen dem übrigens.
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a
R
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Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 137
Verlaufsweise und die Zahl der oberen Hirnvenen der Primaten,
besonders der niederen unter ihnen, ebenso charakteristische Unter-
schiede jenen andern Mammaliern gegenüber aufweisen, wie die
Großhirnfurchung. Nirgends sonst bestehen jene charakteristischen
Venenbahnen unsres sog. Venentrios. Überhaupt ist bei den Säuge-
tieren excel. die Primaten eine geringere Relation zwischen der Ver-
laufsrichtung der Venen und dem Hirnfurchenverlauf festzustellen.
Die zweite charakteristische Besonderheit diesmal nur der Anthro-
pomorphen und des Menschen, den niederen Säugetieren gegenüber,
betrifft die rostrade Verlaufsrichtung der oberen Hirnvenen und
die Mündung in den Sinus entgegen der Richtung des Blutstromes!.
Dies ist zweifellos eine höchst auffallende Tatsache, die ihre Paral-
lele vielleicht nur in ähnlichen, freilich weit weniger ausgesprochenen
Verhältnissen beim Hunde (nach den Angaben Hormanns) besitzt.
Die ursprüngliche Mündungsweise ist zweifellos jene spitzwinklige
nach hinten, wie wir sie von den Reptilien kennen lernten, dem-
gegenüber stellt bei fast allen Säugetierordnungen unsres Wissens der
ziemlich rechtwinklige Eintritt, bisweilen nach kurzem intraduralem
Verlauf, die Regel dar. Wesentlich andre Zustände finden sich
nur beiden höchsten Primaten. Hier treffen wir als unbestreitbare
Tatsache in der Regel eine Mündung wenigstens der hinteren und
mittleren Vv. cerebri superiores unter spitzem Winkel in frontader
Richtung. Nur die vordersten frontalen Venen treten noch nahezu
senkrecht gegen den Sinus. Nachdem wir sahen, wie der charak-
teristische Furchungstypus der Primaten mit einem ziemlich charak-
teristischen Venenverhalten zusammenfällt und sich von den Zu-
ständen andrer Mammalier unterscheidet, müssen wir wenigstens
den Versuch machen, in dem differenten Verhalten des Anthropo-
morphengroßhirnes den niederen Affen und Halbaffen gegenüber
einen Grund für die Erklärung im verschiedenen Verhalten der
Venenbahnen zu suchen. Die Unterschiede im Großhirnbau der
niederen Affen und der Anthropomorphen betreffen an der konvexen
Fläche des Großhirns vorwiegend den Ausbau des sog. Parieto-oceipito-
temporalen Grenzgebietes (FLecHsiG), in dessen Bereich sich eine
sehr auffallende Steigerung der Furchung vollzogen hat, die teil-
_ weise sogar zur Zerklüftung und zum Verschwinden der für die
niederen Affen so charakteristischen Affenspalte führte. Diese Hirn-
1 Nach Textfig. 6 scheint es, als ob sich Ateles bezüglich der hinteren
Venen dem Anthropomorphenverhalten nähert. Ich muß es aber vorläufig dahin-
gestellt sein lassen, ob dies ein regelmäßiges Vorkommnis ist oder nicht.
138 H. Bluntschli
zone, nach neueren Forschungen das eigentliche Centrum des »Geistes«,
die bei fast allen Untersuchungen der Gehirne hervorragender Männer
sich am stärksten ausgebildet erwies (FRoRIEP 1909), hat bei den
Anthropomorphen und dem Menschen eine bedeutende Ausdehnungs-
vergrößerung erfahren, nicht zum kleinsten Teil auf Kosten des
Frontal- und Oceipitallappens, von denen Teile, die ursprünglich
eine dorsale Lage hatten, nun eine mehr apicale annahmen. Man
braucht nur z. B. an die Verlagerung des Suleus fronto-marginalis
nach vorn oder der Fissura parieto-oceipitalis nach hinten zu denken.
Daß bei der Umbildung im Bereich der Fissura simiarum auch das
Venenverhalten modifiziert werden konnte, ist von vornherein wahr-
scheinlich zu machen. Es wird uns also nicht wundern, daß wir
jenes charakteristische Venentrio bei den höchsten Primaten ver-
missen. Wie weit freilich auch die Änderung der Verlaufsrichtung
der Venen damit in Zusammenhang gebracht werden darf, entzieht
sich zurzeit unsrer Kenntnis. Undenkbar ist es nicht, daß für die
Ausbildung neuer rostral gerichteter Venen im Parietalbereich Umbil-
dungsvorgänge am Anthropomorphengehirn maßgebend waren. Die
Mündung der oberen Hirnvenen entgegen der Richtung des Blut-
stromes wird von den Autoren im Sinne einer Hemmungsvorrichtung
zur Vermeidung eines Rückstromes der Blutwelle erklärt. Es ist
wohl klar, daß bei Quadrupeden eine solche Einrichtung aus der
ganzen Haltungsweise des Kopfes eher verständlich wäre als bei
Formen, die ihren Kopfin der Regel aufrecht tragen. Dort aber finden
_ wir von solchen Zuständen nichts, und damit dürfte jene Erklärung
ihrer Berechtigung entbehren. Überhaupt ist es zurzeit unmöglich,
die physiologische Bedeutung der geschilderten Verhältnisse zu
deuten, mehr wie vage Vermutungen zu äußern steht uns nicht an.
Der Experimentalphysiologie wird es unter Berücksichtigung der
vergleichend-morphologisch erschlossenen Tatsachen vielleicht möglich
sein, diese offene Frage der Klärung näher zu bringen.
Die zweite Unterschiedlichkeit der Anthropomorphen und des
Menschen gegenüber den niederen Primaten betrifft das Verhalten
des Sinus sagittalis superior. Diese Differenz ist keine prinzipielle,
sondern nur eine graduelle. Seine seitlichen Ausweitungen, die
Laeunae laterales, bei den niederen Affen nur wenig ausgebildet, 3
nehmen erst bei den Menschenaffen stärkere Entfaltung. Zum Ver-
ständnis ihres Zustandekommens muß man sich erinnern, daß zu
Seiten des Sinus beim Menschen, wie den Affen (wovon ich mich
durch mikroskopische Präparate von Cercopitheeiden überzeugen
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Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 139
konnte) und wohl allen Säugetieren (Dennstenr 1904) ein spongiöses
Gewebe zwischen Endorhachis und Dura mater cerebri (i. e. S.) vor-
kommt, welches durch feine Kommunikationen mitdem Längsblutleiter
zusammenhängt und eine Art cavernöser Bildung darstellt. Schon
LuscHkaA (1867) tut desselben für den Menschen Erwähnung. Die
Entstehung dieses Gewebes wird aus der Ontogenie der Hirnsinus ver-
ständlich, die ursprünglich aus echten Venen und Venennetzen hervor-
gehen (Sarvı 1898, Marz 1904). Streng genommen münden die
Hirnvenen auch bei den Affen nicht direktin den Längsblutleiter, sondern
in diese schwammigen Räume zu seinen Seiten und durch diese fast
immer in geradliniger Fortsetzung der Venenriehtung in den Sinus.
Man wird kaum fehlgehen, wenn man die Lacunae laterales des
Sinus als Ausweitungen solcher Mündungskanäle im cavernösen
Nachbargewebe des Sinus auffaßt. Damit stimmt die Tatsache, daß
sich solche Lacunen eben vor allem dort ausbilden, wo zahlreichere
Venen münden. Schon bei Ateles sahen wir kleine Sinusanhänge in
der Höhe der Fissura parieto-oceipitalis medialis, bei Cereopitheeiden
kommen kleine Laeunen auch hauptsächlich in der Mündungsregion
des Venentrios vor, während bei den Anthropomorphen und dem
Menschen Lacunen in der Stirn- und Scheitelgegend hinzutreten,
wo jetzt z. T. stärkere Venen münden, während die hinteren Lacunen
eher kleiner werden. Es ist bekannt, daß auch bei manchen andern
Säugetieren (Pferd) solche Lacunen (Parasinoidalräume nach ELLEN-
BERGER-BAUM, venöse Ampullen nach TROLARD) als formenreiche
Gefäßerweiterungen des Sinus sagittalis vorkommen (HormAann 1901,
Densstepr 1904). Worin der ursächliche Faktor ihrer Entstehung
zu sehen ist, das entzieht sich unsrer Kenntnis. Inwieweit etwa
die Entfaltung des Sinus spheno-parietalis als lateraler Abflußbahn
des Lacunenblutes damit zusammenhängt, kann ich nicht sagen, da
ich leider auf diesen Punkt erst aufmerksam wurde, als ich meine
Untersuchungen bereits abgeschlossen hatte, aber auf eine andre
auffallende Tatsache muß ich hier hinweisen, auf das Verhalten der
Pacechionischen Granulationen, welches in unverkennbarer Relation
zur Anordnung von Hirnvenen und Sinuslacunen steht.
4. Die Pacchionischen Granulationen und ähnliche Arachnoidealbildungen.
Nach dem gegenwärtigen Stand unsres Wissens sind die Granu-
lationes arachnoideales (PaccHıont) beim Menschen normale Bil-
dungen, welche kolbenartige Auswüchse der Arachnoidea darstellen,
die im histologischen Bild aus einer oft mehrschicehtigen Epithellage
140 H. Bluntschli
und einem bindegewebigen Grundstock mit mehr oder weniger hoch-
gradiger Verflüssigung bestehen. FıscHEr 1879, TroLarn 1892 und
Dexssteor 1904 haben sie gelegentlich auch bei einzelnen Haus-
tieren beobachtet. Ihre Vorstufen, sog. arachnoideale Epithelknoten !
haben Schuipr (1902) und sein Schüler Opyxıec (1908) beim
Menschen studiert und als mehrschichtige Epithelinseln im sonst ein-
schiehtigen Arachnoideaepithel (namentlich im spinalen) charakteri-
siert. Offenbar hat sie auch TroLArp 1892 schon gesehen, der von
weißen Flecken auf der Arachnoidea spinalis berichtet. Über ihre all-
mähliche Entfaltung in der Primatenreihe habe ich mich selbst (1908 b)
kurz geäußert und meine Erfahrungen dahin zusammengefaßt, daß
diese arachnoidealen Bildungen in der ganzen Primatenreihe sich
nachweisen lassen, im Ausbildungsgrad aber eine große Inkonstanz
und Variabilität bestehe, eine Feststellung, die wir ja auch für den
Menschen jederzeit machen können. Epithelknoten in dem Arach-
noideaepithel, die sich nur mikroskopisch nachweisen lassen, kann
man bei Halbaffen und Affen an verschiedensten Stellen der Arach-
noidea cerebri antreffen, sie fehlen oft bei einem Individuum an
Stellen, wo sie bei andern vorhanden sind, bei dritten findet man
sie diffus, bei noch weiteren gar keine. Irgendwelche Regelmäßig-
keit festzustellen gelang mir nicht. Die zweite Stufe der Ent-
faltung stellt die kleine Paechionische Granulation dar, die noch
nicht bis zur Dura mater vor- und in diese eingedrungen ist. Sie
besitzt eine dieke Epithelkappe und einen bindegewebigen Grund-
stock. Makroskopisch sind solehe Zustände als Rauhigkeiten der
Arachnoidea sichtbar und mit der Lupe lassen sich oft bereits die
Einzelkölbehen feststellen. Solehe Bildungen fand ich öfters in der
Umgebung des oberen Endes der Fissura parieto-oceipitalis medialis,
z. B. bei Ateles Geoffroyi (Textfig. 6) und Schimpanse (Textfig. 16).
Im letzteren -Fall dehnten sie sich bis gegen die Centralfurche nach
vorn hin aus. Abdrücke an der Innenfläche des Schädeldaches fehlen
in solchen Fällen stets. Endlich wird die dritte Stufe durch
größere und längere Zotten dargestellt. Das mikroskopische Bild
läßt eine Verflüssigung des bindegewebigen Grundstockes, Konfluenz
von Intercellularräumen und Ausdehnung des subarachnoidealen
Raumes in die Zotten hinein erkennen, die nun ihrerseits, wie dies
schon L. Meyer (1859 u. 1860) und Key und Rerzıus (1875) für den
1 Damit identisch scheinen mir die sog. Epithelgranulationen der Arach-
noidea zu sein, die L. Meyer 1859 beschreibt.
Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 141
Menschen feststellten, die Dura mater durchdringen und sich ent-
weder in die Lacunen und den Sinus oder in das Spatiam epidurale
(zwischen Endorhachis und eigentlicher Dura mater) ausdehnen.
Selbstverständlich können solche Granulationen neben arachnoidealen
Bildungen erster und zweiter Stufe vorkommen. Einmal sah ich
solche Zotten, die, wie ich bemerken möchte, bei Affen niemals Ver-
kalkungen und Verknöcherungen aufweisen, bei Lemur (Textfig. 4),
ferner bei Papio (Textfig. 15) und öfters bei Cercopithecus-Arten
(©. campbelli, talapoin, ascamias (Textfig. 7)), immer waren sie hier
auf die Umgebung der Mündung des Venentrios beschränkt und ver-
ursachten an dieser Stelle Foveolae granulares an der inneren Fläche
des Schädeldaches. Bei Cercopithecus ascanias (Textfig. 7) ragten
sie in den erweiterten Sinus longitudinalis hinein. Auch beim Orang
(Textfig. 3) bestand dieses Zottenpaket mit Prominenz in Lacunae
laterales, daneben aber eine vordere Anhäufung, die in der Höhen-
lage etwa dem Gyrus postcentralis entsprach. Die charakteristische
Lokalisation bei den Affen (den Anthropomorphen?) entsprechend der
Mündungsstelle des Venentrios steht im Gegensatz zu dem Verhalten
beim Menschen, wo an der oberen Hirnfläche diese Gebilde entlang
dem ganzen Sinus sagittalis, namentlich aber in der Scheitelregion
vorkommen, ganz abgesehen von andern Lokalisationen, wie der
Gegend der Sylvischen Spalte, dem Pol des Temporal- und Oceipital-
lappens und andern selteneren Stellen. Bei den Haustieren, z. B. dem
Pferde, ist die Lokalisation der Granulationen, wie bei den niederen
Primaten, auf hintere Bezirke der Großhirnhemisphären beschränkt
(TroLarv 1892 S. 200). Stets aber sind sie beim Menschen wie bei
Tieren, was schon Lupw. MEYER erkannte, in der Umgebung von
Blutbahnen, wir wollen genauer sagen von venösen Blutstraßen,
gelagert, und es ist bekannt, wie gerade die Lacunen des oberen
Pfeilsinus häufige Lokalisationsstellen abgeben. Die Beziehung der
Granulationen zum Venensystem besteht auch bei den Affen und
übrigen Säugetieren, nur ist sie entsprechend dem andern Venen-
verlauf hier eine andre.
Zum Verständnis der Granulationes arachnoideales scheint mir
auch die Kenntnis des arachnoidealen Systems notwendig. Vor allem
Sterzıs (1901) gründliche Untersuchungen haben gezeigt, daß alle
Hüllen des Centralnervensystems der Wirbeltiere phylo- wie onto-
genetisch aus einer Bindegewebslage in der Umgebung desselben
sich herleiten und daß das innere Periost des Schädels, welches bei
den Säugetieren mit der Dura mater verklebt, eine Bildung sui
142 H. Bluntschli
generis darstellt. Die ursprünglich einheitliche Bindegewebslage
(Meninx primitiva) ist bei den Fischen durch einen Lymphraum von
der Endorhachis getrennt. Bei allen höheren Wirbeltieren wird dieser
Zustand in der Öntogenese durchlaufen, aber überwunden. Bei Am-
phibien und Sauropsiden teilt sich die Meninx primitiva in Dura
mater und Meninx secundaria, bei den Säugetieren zerlegt sich die
letztere weiter in Arachnoidea und Pia mater. Die Lymphräume
zwischen diesen einzelnen Hüllen sind ebenfalls phylo- wie onto-
genetisch verschiedenwertig. Als primärer Raum hat der Epi-(Peri-)
duralraum zwischen Dura und Endorhachis zu gelten, der bei den
Säugetieren bis auf kleinere endothelausgekleidete Räume schwindet,
die FıscHer (1879) u. WALDEYER (1880) auch beim Menschen feststellten.
Zufolge der starken Dickenentfaltung der Dura mater ist diesem Raum
bei den Säugetieren die Kommunikation mit andern Lymphspatien
verlorengegangen. Ein sekundärer Raum ist der Sub-(Intra-)dural-
raum. Er bildet sich durch Konfluenz zahlreicher Intercellularräume
zu einem weiten Lymphraum. Bei den Amphibien und Reptilien ist
er noch von zahlreichen Trabekeln, den Resten jener Verbindungen
von Dura und Meninx secundaria durchsetzt, bei den Vögeln und
Säugern nehmen diese ab, — er wird mehr und mehr zu einer ein-
heitlichen Höhle. Wie jeder höher differenzierte Lymphraum ist er
von Endothel ausgekleidet, welches durch Umbildung aus Bindege-
webszellen entstand. Während die eine äußere Lage der Dura mater
innen aufruht, repräsentiert die andre, innere das Epithel der Arach-
noidea.. Der Name Arachnoidea ist aber erst dann zu brauchen,
wenn im Innern der Meninx secundaria die Gewebsspalten sich
mehrten und vergrößerten und so ein Spatium tertium oder sub-
(intra-)arachnoideale entstand. Dasselbe ist aber keine einheitliche
Höhle, noch immer bleiben Arachnoidea und Pia durch Trabekel-
massen in Verbindung. Seine Ausgestaltung scheint mir in der
Primatenreihe in aufsteigender Richtung im Fluß zu sein. Bei
Prosimiern und auch bei niederen Affen ist die Arachnoidea weit
schwerer von der Pia zu lösen, als bei den Anthropomorphen, die
intraarachnoideale Flüssigkeit scheint dort relativ geringer zu sein
als hier. TROLARD gibt ersteres auch von den Haussäugetieren an.
Die Folge der geringen Entwicklung des Subarachnoidealraumes
äußert sich in stärkerer Abprägung der einzelnen Hirnwindungen
an der Innen- und z. T. Außenfläche des Gehirnschädels, was unter
den Primaten ganz besonders für die Prosimier gilt. Ich kann in
Bestätigung der Beobachtungen Schwauges (1904) angeben, daß bei
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Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 143
den Lemuren sich alle oberen Windungen des Gehirnes am Schädel-
dach innen sehr deutlich abprägen. Bei den niederen Affen ist das
Windungsrelief am Schädeldach ebenfalls noch, aber freilich schwächer
ausgesprochen !. Anders aber ist es, wie wir sahen, bei den Menschen-
affen und dem Menschen. Hier finde ich die Arachnoidea selbständiger
ausgebildet und das Spatium intraarachnoideale entschieden einheit-
licher und voluminöser gestaltet.
Geben wir uns Mühe, aus diesen verschiedenen Feststellungen
ein einheitliches Bild zu gewinnen, so läßt sich sagen, daß in der
aufsteigenden Primatenreihe mit der ee, Entfaltung
des Arachnoidealraumes eine Ausweitung der Venenbahn
des Sinus sagittalis superior (Lacunae laterales) und eine
Zunahme und höhere Differenzierung der arachnoidealen
Wucherungen (Granulationen)statthat. Alle diese Fortbildungen
werden verständlich unter einem einheitlichen funktionellen
Gesichtspunkt. Die Versuche von AxeL Key und Rerzıus, wie
von Fr. FiscHer haben gezeigt, daß die Paechionischen Granulationen
als Vorrichtungen angesehen werden müssen, die den Abfluß der
Subdural- und Arachnoidealflüssigkeit in die Venenbahn vermitteln,
umgekehrt aber ventilartig den Rückfluß von Blut in den Arachnoi-
dealraum verhindern? Es ist also durchaus verständlich, daß eine
Zunahme arachnoidealer Flüssigkeit eine entsprechende Entfaltung
der arachnoidealen Proliferationen ebenso wie bestimmter venöser
Bahnen zur Folge haben wird. All dies dürfte seinerseits wieder eine
Erscheinung sein, welche in letzter Linie auf die Größenentfaltung des
Primatengehirnes zurückzuführen ist. — Beim Menschen gibt es neben
Arachnoidealzotten, die in die Lacunae resp. in Sinusse proliferieren,
gerade an der oberen Fläche der Dura mater, und zwar seitlicher
als das Lacunengebiet des Sinus und ohne Beziehung zu Venae
meningeae mediae oder dem Sinus spheno-parietalis, stets auch
1 Auffallend stark, äußerlich womöglich fast deutlicher als bei Lemuren,
ist es bei gewissen Neuweltaffen, ganz speziell der Gattung Nyetipithecus, wie
ich vor kurzem an Objekten feststellen konnte, welche der reichen Sammlung
‚des Herrn Professor GoLpı in Bern angehören und auf die eingehen zu dürfen
‚ich der großen Güte des Besitzers verdanke.
{ ®2 Alle andern in der Literatur niedergelegten Anschauungen über die
Bedeutung und Aufgabe der arachnoidealen Granulationen müssen dieser Erklä-
Tung gegenüber als unwahrscheinlicher zurücktreten. Namentlich kann die alte
_Meyversche Auffassung (1860), daß die PaccHionıschen Granulationen quasi einen
Fixationsapparat des Gehirnes darstellen, die von TRoLARD (1892) neuerdings
zu begründen versucht wurde, wohl kaum in Betracht kommen.
4
i
144 H. Bluntschli
solche, welche scheinbar keine Beziehung zu venösen Bahnen haben,
wenngleich TroLARrD diese Tatsache bestreitet. Verfolgt man der-
artige Zustände aber genauer, dann läßt sich zeigen, wie gerade
diese Wucherungen sich in das Schädeldach eingraben und die
Lamina vitrea durchbrechen. Stets bleiben sie aber in der Diploö-
lage liegen und niemals durchsetzen sie die Lamina externa der
Knochen. Dies beweist, daß auch im vorliegenden Fall eine Relation
zu venösen Blutwegen, eben den Venen der Diplo&, hergestellt wird.
Mit dieser Auffassung erscheinen also alle Zottenbildungen der Arach-
noidea unter demselben funktionellen Gesichtspunkt. Die Arachnoi-
dealgranulationen sind also wie die Zottenbildungen an den Plexus
chorioidei zu beurteilen. Ob ihre Aufgabe nur eine rein filtratorische
ist, scheint mir übrigens fraglich. Cytologische Studien zeigen, daß
granuläre Einlagerung in ihren Epithelzellen vorkommen, die Drüsen-
granulis mindestens ähnlich sind, auch die Mehrschichtigkeit der
Epithellage junger Wucherungen weist auf eine gewisse aktive Tätig-
keit dieser Zellen hin, die wir zurzeit nicht näher präzisieren
können. Ebenso haben wir zurzeit keine genügende Erklärung
über den individuell so wechselnden Entfaltungsgrad dieser Bildungen,
die sicher normale und regelmäßige Vorkommnisse darstellen und
auch beim Kinde nie ganz vermißt werden.
Bemerkungen über Windungsprotuberanzen am Dach der Orbita.
Obigen Ausführungen, welche sich zum Teil mit dem Windungs-
relief am Schädel der Halbaffen und Affen beschäftigten, möchte ich
noch eine kleinere diesbezügliche Feststellung für den Menschen
beifügen. Schon SchwALgE (1902) und neuerdings Lanpau (1909a)
haben darauf aufmerksam gemacht, daß trotz der Dünne des Orbital-
daches und der starken Eingrabung von Impressiones digitata in seine
obere cerebrale Fläche Windungsprotuberanzen gegen die Augenhöhle
hinnicht vorkommen. LAanDat hat alsErklärung für diese Erscheinung,
daß wohl »die Orbita die innere Gestaltung der Schädelhöhle be-
einflußt und für die Entfaltung der letzteren ein räumliches Hinder-
nis wird«2, trotzdem aber keine Windungsprotuberanzen bestehen,
den lichtvollen Gedanken geäußert, daß die Weichteile der Orbita
wie ein Gelenkkopf, die Orbita selber wie eine Gelenkpfanne an-
. zusehen seien. Dieser Auffassung wird man im großen ganzen bei-
pflicehten müssen. Nur gehen meine Erfahrungen nicht dahin, daß
us E
1 Wie ich nachträglich sehe, gibt dies schon Merkeu 1885— 18%, 8. 79 a 4
2 Zitiert nach SCHWALBE.
Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 145
das äußere Windungsrelief am Dache der Orbita regelmäßig ganz
fehle, vielmehr ist es garnicht so selten nur in sehr geringer Aus-
prägung nachzuweisen, sofern man statt der reinen Inspektion die
digitale Palpation zur Untersuchung heranzieht, oder wie ich dies
mehrfach tat, Ausgüsse mit weiß gefärbter Leimmasse anfertigt und
diese dem besichtigenden Studium unterwirft. Man wird dann häufig,
wie dies Fig. 8 auf Taf. I zeigt, eine Delle in dem Öberflächenteil
dieser Ausgüsse feststellen können, die einem der Gyri orbitales ent-
spricht und nicht selten auch deutlich die Asymmetrien erkennen
läßt, welehe gerade an diesem Teil des Orbitalhirnes so auffallend
häufig sind (vgl. Lanpau 1909b). So kann eine zweckmäßige Methode
Dinge sichtbar machen, die sonst nicht sichtbar sind. Es hängt dies
damit zusammen, daß zufolge der Reflexion des Lichtes sich Rauhig-
keiten und Ungleichheiten an einer konvexen Fläche, wie sie der
Ausguß vom Orbitaldach gibt, immer leichter erkennen lassen als an
einer Konkaven, wie sich die obere Wand der Orbita bei gewöhn-
licher Inspektion darbietet.
Figurenerklärung.
Tafel I.
Fig. 1. Durchleuchtungsbild des Schädeldaches von Semnopithecus cephalop-
terus (Nr. 628 5) in photographischer Wiedergabe.
Fig. 2. Dasselbe von Semnopitheeus Kelaarti (Nr. 616 3).
Fig. 3. - - Cercopithecus ascanias (Nr. 637).
Fig. 4. Vorderer Teil eines Gipsausgusses des Schädeldaches von Semno-
pithecus cephalopterus (Nr. 628 $) in photographischer Wiedergabe mit
dem Verlauf von Hirnvenen (rechts eine, links zwei).
Fig. 5. Dasselbe von Semnopithecus Kelaarti (Nr. 616 5), auf jeder Seite ist eine
Vene deutlich abgeprägt.
Fig. 6. Gipsausguß des Schädeldaches eines Orang utan (Nr. 585) mit sehr
deutlichem Relief der Lacunae laterales und des Sinus sagittalis
superior.
Fig. 7. Durchleuchtungsbild des Schädeldaches des Orang Nr. 585, von dem
der Gipsausguß in Fig. 6 abgenommen wurde. Man sieht, wie ver-
schiedene der Lacunae laterales zu einer wesentlichen Verdünnung
s des Knochens führten.
Fig. 8. Photographische Aufnahme der Fossa eranii anterior und eines Aus-
% gusses der Orbitae mit weißgerärbter Gelatinemasse bei gleicher Be-
2 leuchtung auf einer photographischen Platte, um das Relief an Innen-
und Außenfläche des Orbitaldaches beim Menschen zu zeigen.
Morpholog. Jahrbuch, 41. 10
146 H. Bluntsehli
12,
13.
14.
15.
16.
17.
im
. *FıcAueı, E. Considerazione riassuntive sulle ossa accessorie del ceranio
. FISCHER, F. Untersuchungen über die Lymphbahnen des Centralnerven-
. FRORIEP, Aug. Über den Schädel und andere Knochenreste des Botanikers
. Gaupp, E. Die Entwicklung des Kopfskelettes in Herrwıss Handbuch der
. GROSSER, 0. Die Elemente des Kopfvenensystems der Wirbeltiere. Verh.
. HEnLeE, J. Handbuch der syst. Anatomie des Menschen. Bd. III. 2. Aufl.
. HoCHSTETTER. Die Entwicklung des Blutgeräßsystems in HerrwıGs Hand-
Verzeichnis der benutzten Literatur‘.
. BLuntschLi, H. Uber die Asymmetrie der Sinus transversi durae matris
bei Menschen u. Affen. Verh. d. Ges. deutsch. Naturf. u. Ärzte. 80. Vers.
Cöln. 1908. S. 361—362. 1908a.
—— Versucheiner Phylogenese der Granulationesarachnoideales (PACCHIONI)
bei den Primaten. Ebenda S. 363—364. 1908b.
. DEnNSSTEDT, A. Die Sinus durae matris der Haussäugetiere. Anatom.
Hefte. 'I. Abt. Arb.aus anatom. Inst. Bd. XXV. (Heft 75). S. 1—
96, 3 Taf., 3 Textfig. 1904.
. Ecker, A. Über die Methoden zur Ermittlung der topographischen Be-
ziehungen zwischen Hirnoberfläche und Schädel. Arch. f. Anthropol.
Bd. X. S. 233—241. 1878.
dei Mammiferi e dell’ uomo. Monitore Zool. ital. AnnoI. No.7e'®.
1890.
systems. Mediz. Dissert. Straßburg. 1879.
Huco v. MoHur. Arch. f. Anthropol. Bd. XXXVI. (N. Folge VII).
S. 124—145,.5 Taf., 5 Textabb. 1909.
vergl. und exper. Entwicklungslehre der Wirbeltiere. Bd. III. 2. Teil
S. 573—874. 1905. Vgl]. S. 611, 613, 839.
d. anat. Ges. 21. Vers. Würzburg. S. 179—192. 8 Fig. 1907.
Braunschweig. 1876. Vgl. S. 348 u. 332.
buch der vergl. und exper. Entwicklungslehre der Wirbeltiere. Bd. Il.
2. Teil. S. 21—166. 1901—1903. Vgl. S. 147 u. ff.
HormAnn, MAx. Zur vergleichenden Anatomie der Gehirn- und Rücken-
marksvenen der Vertebraten. Zeitschr. f. Morph. u. Anthrop. Bd. II.
Ss. 239—299. 5 Taf., 6 Textfig. 1901.
JACOBIUS, SALO. Untersuchungen über das Hirnwindungsrelief an der
Außenseite des menschlichen Schädels. Mediz. Dissert. Leipzig. 1906.
56 S.
*Key, AxEL, u. Rerzıus, Gust. Studien in der Anatomie des Nervensystems
und des Bindegewebes. Bd. I. Stockholm. 1875. Fol.
Knorr, J. T. On the cerebral sinuses and their variations. Journ. of Anat.
and Phys. Vol. XVI. p. 27—32. 1882.
LAnpAU, E. Das Gehirnrelief der Fossa eranii anterior. Morph. Jahrb.
Bd. XXXIX. S. 645—646. 2 Fig. 1909a.
—— Über die Orbitalfurchen bei den Esten. Zeitschr. f. Morph. u. Anthrop.
Bd. XII. S. 341—352. 3 Taf., 30 Textfig. 1909b.
1 Die mit * bezeichneten Arbeiten waren mir trotz vielfacher Bemühungen
Original nicht zugänglich.
Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 147
18. *Lessuart. Grundlagen der theoretischen Anatomie. 1892.
19. v. Luschka, Hup. Die Anatomie des menschlichen Kopfes. Tübingen. 1867.
Vgl. S. 247, 240 ete.
20. MALL, FRANKLIn. On the development of the Blood-vessels of the brain in
the human Embryo. Amer. Journ. of Anat. Vol. IV. p. 1—18, 3 Taf.,
4 Textfig. 1904.
21. Mannu, Anpr. Il confluente dei seni della dura madre, le sue variazion
e il suo significato. Intern. Monatsschr. f. Anat. ı. Physiol. Bd. XXIV
{ S. 304—397. 2 Taf., 18 Textfig. 1907.
22. MERKEL, Fr. Handbuch der topographischen Anatomie. I. Bd. Brann-
schweig. 1885—1890. Vgl. S. 68, 79, 148 u. a.
23. MEyYER, Lupw. Die Epithelsgranulationen der Arachnoidea. VIRCHOws
Archiv. Bd. XVII. S. 209-227. 1 Taf. 1859.
24. — Über die Bedeutung der PaccHıonischen Granulationen. Ebenda.
Bd. XIX. S. 171—188 u. 288-320. 1 Taf., 1 Textfig. 1860.
25. MÜLLER, Fr. W. Über die Beziehungen des Gehirns zum Windungsrelief
(G. SCHWALBE) an der Außenseite der Schläfengegend beim mensch-
lichen Schädel. Archiv f. Anat. u. Phys., Abt. f. Anat. 1908. 8. 57—
218. 6 Taf.
26. Opvnıec, A. Die Endothelknoten in der Arachnoidea spinalis und ihre
pathol. Bedeutung. Med. Dissert. 30 8. 4 Fig. Zürich. 1908.
27. Rerzıus, Gust. Das Affenhirn in bildlicher Darstellung. 67 Taf. Jena.
1906.
. SALVI, G. L’istogenesi e la struttura delle meningi. Atti Soe. Tose. di
sc. nat. Pisa. Memorie Bd. XVI. p. 187—228. 2 Tav. 1898.
. SALZER. Über die Entwicklung der Kopfvenen des Meerschweinchens.
Morph. Jahrb. Bd. XXII. S. 232-255. 1 Taf. 1895.
. ScHMIDT, M. B. Über die PaccHıonisschen Granulationen und ihr Ver-
hältnis zu den Sareomen und Psammomen der Dura mater. VıRcHows
Archiv Bd. CLXX. S. 429-464. 1 Taf. 1902.
. SCHULTZE, O0. Über Sulei venosi meningei. Verhandl. d. anat. Gesellsch.
13. Vers. S. 22. 1899.
. — Über Sulei venosi meningei des [Schädeldaches. Zeitschr. f. Morph.
u. Anthrop. Bd. I. 8.451—452. 3 Taf. 1899.
. SCHWALBE, G. Über die Beziehungen zwischen Innenform und Außenform
des Schädels. Deutsch. Arch. f. Klin. Med. Bd. LXXII S. 359—
408. 5 Abb. 1902.
. — Über das Gehirnrelief des Schädels bei den Säugetieren. Zeitschr.
f. Morph. u. Anthrop. Bd. VII. S. 204-222, 2 Taf. 4 Textfig. 1904.
. — Über das Gehirnrelief der Schläfengegend des menschlichen Schädels.
Ebenda. Bd. X. S. 1-93. 6 Taf., 7 Textfig. 1907.
. — Über das Windungsrelief des Gehirnes. Anatom. Anz. Bd. XXXII.
S. 33—44. 1908.
. SMITH, G. ELLIOT. On the morphology of the brain in the mammalia, with
special reference to that of the Lemurs, recent and extinet. Transact.
Linnean Soe. London. Zool. Vol. VIII. p- 319—432. 66 Textfig. 1903.
. STERZI, G. Intorno alla divisione della dura madre dall’ endoeranio. Monit.
Zool. Italiano. Anno XIII. p- 17—21. 1902.
. — Gli spazi linfatiei delle meningi spinali e il loro significato. Monit.
Zool. Ital. Vol. XII. p. 210-216. 1901.
10*
148 H. Bluntschli, Beobachtungen über d. Relief d. Hirnwindungen usw.
40. Srerzı, G. Ricerche intorno alla anatomia comparata ed all’ ontogenia delle
meningi. Considerazioni sulla filogenesi. Parte primo: Meningi
midollari. Atti istit. Venet. Se. lett. ed. art. Vol. LX.1 Taf. 1900 -1901.
41. STRASSER, H. Über die Hüllen des Gehirns und Rückenmarks, ihre Funk-
tion und Entwicklung. Comptes rendus de l’assoc. desanat. 3° session.
Lyon. p. 175—184. 1901.
42. Touor, C. Anatomischer Atlas. 3. Aufi. 5. Lief. Gefäßlehre. Berlin u.
Wien 1903.. Vgl. S. 689 u. 6%.
43. TRoLARD, P. Les granulations de PACCHIONI, les lacunes veineuses de
la dure möre. Journ. de l’Anat. et de la Physiol. Annde 28. p. 28—57
et 172—210. 1892.
44. WALDEYER, H. W. Beiträge zur Kenntnis der Lymphbahnen des Central-
Nervensystems. Nach Untersuchungen von Dr. Fr. FıscHER mitge-
geteilt. Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. XVII. $. 362—366. 1880.
an
b)
Wo) pi loqıscht x Jahrbuch Bd R IA:
Fie. 6. Fig. 7.
Dlıınterhli nhnt Verlag v v
Tafel I.
a e
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei
den Marsupialia, Insectivora, Edentata, Prosimiae
und Simiae,
Von
Dr. med. Erna Glaesmer,
Assistent am anatomischen Institut zu Heidelberg.
Mit 36 Figuren im Text und Tafel II—IV.
Einleitung.
Der vorliegenden Arbeit ging eine Veröffentlichung voraus, die
unter dem Titel » Untersuchung über die Flexorengruppe am Unter-
schenkel und Fuß der Säugetiere« im 38. Band, Heft 1 und 2, des
»Morphologischen Jahrbuchs« erschienen ist. Im zuerst behandelten
»speziellen Teil« jener Veröffentlichung besprach ich die Unter-
schenkel- und Fußmuskulatur der Monotremata und einiger Marsu-
pialia.. Der darauffolgende »allgemeine Teil« brachte kurzgefaßte
Notizen über die entsprechende Muskulatur bei höheren Säugetieren
und zeigte im Anschluß daran in groben Umrissen die Entwicklung,
welche die einzelnen Muskeln innerhalb der Säugetierreihe durch-
gemacht haben.
Auch die vorliegende Arbeit zerfällt in einen »allgemeinen« und
»speziellen Teil«.
Der »allgemeine Teil«, den ich hier an die Spitze stelle, stimmt
in seinen prinzipiellen Fragen mit den s. Z. erhaltenen Resultaten
überein. Er baut jedoch das dort als vorläufige Mitteilung Gebrachte
näher aus, begründet es ausführlicher, nimmt zu verschiedenen, dort
unentschieden gebliebenen Fragen bestimmtere Stellung, modifiziert
einzelne andre und illustriert die einzelnen phylogenetischen Phasen
der Muskeln mit schematischen Abbildungen. Der »spezielle Teil«
der vorliegenden Arbeit ist deskriptiver Natur und bespricht die
Unterschenkel- und Fußmuskulatur von weiteren Marsupialia, ferner
150 Erna Glaesmer
einzelnen Insectivora, Edentata, Prosimiae und Simiae. Er ist somit
eine Fortsetzung des speziellen Teils der früheren Veröffentlichung.
Da sich meine Untersuchung nicht, wie ursprünglich geplant war,
über die ganze Säugetierreihe erstreckt, sondern zahlreiche Ord-
nungen unberücksichtigt läßt, ziehe ich es vor, den Titel der vor-
liegenden Arbeit auf die untersuchten Abteilungen zu spezialisieren.
Meinem hochverehrten Lehrer und Chef, Herrn Geheimen Hof-
rat Professor Dr. M. FÜRBRINGER, bin ich für die Überlassung des
reichlichen, zum Teil sehr kostbaren Materials, für das große Inter-
esse an meinen Untersuchungen und die Förderung, die er mir zu-
teil: werden ließ, zu großem Danke verpflichtet. Ebenso danke ich
an dieser Stelle Herrn Professor Dr. E. GOßPPERT für das liebens-
würdige Interesse und die Anteilnahme an dieser Arbeit. |
Inhalt.
TAnlaHignn ee
Allgemaensr DEINEN ER 30, al, in: Mu
T. Oberflächliche! Muskelgruppe =. san nla in Isle Kegel
1. Der mediale Gastroenemius, der laterale Gastrocnemius und
dar Solana 7 ne he a een a
2. Der Plantaris und der oberflächliche Kopf ie Flexor digi-
FOLTLRADRONERSN,, innen et AR Br
11. TB MaBEolerugpe? BU MER N Pl
1MersPoplitouns: „alaasalıa snazlstean te AB
2. Der Flexor tibialis und der Flexor fibularis........
3. Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis. .......
4. Der Tıblalis DoRGOnuS 2’... „nu. ne 2
b. Der'Qnadratus'plantue”.".. 2.2 De 2 2.20 N ER
6... Di6 Lumbricalen. =- 4... 2: =.» oe
Spnezieller Tail. 7. Kasten ec A a a Du A
L.. Maraupialia a 2.0 0. ee ee re Fe
1. WPeraumeles oben au Eee 1
2, FREBBORONE En ne me Ran, ee
3. Didelphys marsupsahls.. USE 3 JONES re
4, Didelphys erassteaudata =, h 5 lan Ami. al
D.; Dasyurus maculatus (EZ)... 1:2. 10 10 an en a dm anna. on ‚5
6... ZUSAMMENFASSUNG ı . = Le um le, 2 Te
7. Vergleichend anatomische Bemerkungen . . . ......
4 msBetlvorß’.. 2’. 2. RUE ME KIOEHROHIEE ER, DU
1,0Brinnceus europaeus . . . url lan ski le
BAT BRRORGBO nu», \,.5iisu he erh ehe wen Pr
BONO. = #00 ee ae
AENIORORBBUMLES na oe. eh 120 Fo
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 151
Seite
5. Besprechung der Literatur über andre Insectivora. . . . . 228
EZ ERTINETERRRIEI DE RE N ee Re 6 ce 229
7. Vergleichend anatomische Bemerkungen . ...: 2.2... 234
erdantata ae er it ni eu MEER DI 236
1» :Oryeleropusiaelnopieus. 2.2. a. eye hl arte 236
RE er PN TO RER FERPEPTBEFRRE 1# 240
3. Bradypus indacıylus- * x»... v2... ee
Ar Mimmecophaga ubala : .» 2 >. 2 nun. ee wre le e 249
ES SEE a ee 257
Di Tohmentesttmieanelüs .. 2. 000m an mn ne 261
7. Ohlamydophorus truncatus . - » » 2.22... 264
BHFHUSAMMONTBERUNE 45... da Shine del en 268
9. Vergleichend anatomische Bemerkungen 273
INmeRrosimiae".". .. %-% . BR ee Ela AR FRE NEE FREIE PALERE 276
1. Lemur rufifrons.. . . . » - la bee rer u Aa: 276
a Gnlauo. galago. 2.8 aa 4 a ae 280
SENLENODS TOndEGTadMS 2» = en can a Te 282
A Perodieheus malld: ı: = Wu ro Was. 5 VRR. 285
BRARNSINMIERTASBUNE: 2... Se ee 287
6. Vergleichend anatomische Bemerkungen . . . 2» .2.... 292
ie het al. Far BENET I SR FRE SENFUGD. - 294
ins Hamale, penieillatus: .: nut ale 294
Bir Atoles DOrVegaBis.. 2 N el ee 297
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miOmocehhalusı dogueral:. har analen] en ee ee 301
1 Oynocephalus hamadiryas 3 Au Nm 0 ae ee 303
MANGENCOBERELUS" DELM IRQ ne ne ERROR: 304
SioMnbieus SiNiens.. Til. DICKE MINEN DEE ARD ER EN: 306
94 Hylobates; variegatus; Ka: Attnaislen Tara rne: 306
10: Serien san. 20a re ua re ae 310
11. Anthropopitheeus troglodyles . .. 2. nun 0 wen 312
AERHZUBAEh MEN EIRRUng Fe RE RR EHI 314
13. Vergleichend anatomische Bemerkungen . . 2.2.2... 321
WE Einige Muskolvarietäten: bei Homo. . . „.. ... 22 „2 zus 323
ern verzeichnia A041 0 EN ER NE ee 325
Belärung der Abbildungen „.ii. zonel 51,’d agsrie agngiitngue n : 333
Allgemeiner Teil.
In diesem Teil sowobl, als auch im speziellen hat es sich als
zweckmäßig ergeben, die hier zu behandelnden Muskeln statt nach
den aufeinanderfolgenden Regionen (Unterschenkel, Sohle) nach ihrer
oberflächlicheren und tieferen Lage und ihrer entwicklungsgeschicht-
lichen Zusammengehörigkeit zu behandeln. Demnach teile ich
Muskeln in zwei Hauptgruppen:
die
152 Erna Glaesmer
1. Die oberflächlich vom N. tibialis gelegenen Muskeln: medialer,
lateraler Gastroenemius, Soleus, Plantaris und oberflächlicher
Kopf des Flexor digitorum brevis.
2. Die unter dem N. tibialis gelegenen Muskeln: Popliteus, Flexor
tibialis, Flexor fibularis, tiefer Kopf des Flexor digitorum brevis,
Tibialis posticus, Quadratus plantae und Lumbricales.
I. Oberflächliche Muskelgruppe.
1. Der mediale, laterale Gastrocnemius und der Soleus.
Der mediale Gastrocnemius.
Vorkommen und Fehlen des Muskels.
Derselbe war stets vorhanden. Ein Fehlen des Muskels habe
ich hier niemals beobachtet. Auch von andern Beobachtern wird er
bei Säugetieren stets angegeben.
Ursprung.
In bezug auf seinen Ursprung ist der mediale Gastroenemius
innerhalb der Säugetierreihe einer der konstantesten Muskeln. Er
entspringt regelmäßig vom medialen Epicondylus oder Condylus
femoris.
Verlauf und Insertion.
In zahlreichen Fällen verbindet sich der mediale Gastroenemius
wie bei Homo mit dem lateralen. Sehr häufig bleibt er jedoch bis
zum Calcaneus herab selbständig und inseriert für sich allein, neben
der Insertionsstelle des lateralen Gastroenemius oder auch des Soleus
an der Hinterseite des Tuber calcanei. (Näheres Verhalten siehe
im folgenden.)
Der laterale Gastroenemius.
Vorkommen und Fehlen des Muskels.
Ebenso wie der mediale, so war auch der laterale Gastroenemius
stets vorhanden. Ein Fehlen des Muskels habe ich innerhalb der
Säugetierreihe niemals beobachtet.
Ursprung.
Bei Homo entspringt der Muskel vom lateralen Condylus femoris.
Derselbe Ursprung besteht in der Regel bei den Simiae, Prosimiae,
den Edentata und Insectivora.
Anders bei den Marsupialia und Monotremata.
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a
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 153
Bei letzteren entspringt der Muskel von dem schaufelförmigen
Fortsatz der Fibula, bei den Marsupialia von der Fibula, dem Liga-
mentum genu collaterale fibulare, dem fibularen Meniseus und dem
lateralen Condylus femoris, also außer den bei den höheren Säuge-
tieren und den Monotremata üblichen Ursprungsorten auch noch von
dazwischen gelegenen Strecken.
Auf diese Weise bildet der laterale Gastroenemius der Marsu-
pialia eine Zwischenstufe zwischen dem der höheren Säugetiere und
dem der Monotremata.
Dieses Verhalten legt den Gedanken nahe, daß der laterale
Gastroenemius bei den Vorfahren der Säugetiere vielleicht überhaupt
vom Unterschenkel entsprang und erst im weiteren Verlaufe seiner
Entwicklung auf das Femur gewandert ist. Eine Stütze findet diese
_ Vermutung in dem ähnlichen Verhalten des Popliteus.
Die Arbeiten von Fürst (1903) und TAayLor und Bonner (1905)
beweisen an der Hand eines, auch niedrige Wirbeltiere umfassenden
' Materials, daß auch der Popliteus ursprünglich nur vom Unterschenkel
entsprang und erst allmählich auf das Femur gelangt ist.
Verlauf und Insertion.
Die Beziehungen des lateralen Gastroenemius zum medialen sind
‚ innerhalb der Säugetierreihe sehr wechselnde. Zuweilen verbindet
‚ sich der laterale Gastroenemius wie bei Homo mit dem medialen.
| In andern Fällen vereinigt sich nur ein Teil des lateralen Gastro-
enemius mit dem medialen, in noch weiteren bleibt der Muskel wäh-
‚ rend seines ganzen Verlaufes selbständig.
| Die Insertion erfolgt in allen Fällen an der Hinterseite des
‚ Tuber calcanei. (Näheres Verhalten siehe im folgenden.)
Der Soleus.
Vorkommen und Fehlen des Muskels.
‘= Ein Fehlen des Soleus ist innerhalb der Säugetierreihe verhält-
‚nismäßig häufig zu beobachten, so z. B. bei den Monotremata, den
‘ Marsupialia und einigen Insectivora.
Bei den Monotremata und Marsupialia ist der Muskel augen-
> scheinlich überhaupt noch nicht ausgebildet. Höchstens wird er
‚ durch spärliche Fasern repräsentiert.
Bei den Insectivora hingegen ist der Soleus häufig ein sehr
| | kräftiger, gut ausgebildeter Muskel, so daß sein gelegentliches Feh-
i
!
|
154 Erna Glaesmer
len innerhalb dieser Ordnung wohl am ehesten durch einen Reduc-
tionsprozeß zu erklären sein wird.
Ursprung.
In bezug auf seinen Ursprung ist der Soleus innerhalb der
Säugetierreihe ein sehr konstanter Muskel. Sein regelmäßiger Ur-
sprungsort ist das Capitulum der Fibula; er kann aber außerdem
noch Ursprungsfasern von der Tibia und Membrana interossea haben.
Verlauf und Insertion.
In seinen Beziehungen zum lateralen und medialen Gastroenemius
verhält sich der Soleus sehr wechselnd.
Zuweilen bleibt er vollständig isoliert, tritt weder mit dem me-
dialen, noch mit dem lateralen Gastrocnemius in Verbivdung, son-
dern inseriert für sich an der Hinterseite des Tuber calcanei, vor
der Insertionsstelle der Gastroenemii.
In andern Fällen vereinigt er sich mit dem lateralen Gastro-
enemius oder nur einem Teil dieses Muskels.
Endlich kommen Fälle vor, in welchen, wie bei Homo, die Aus-
bildung eines Triceps surae erfolgt. Die drei Muskeln bilden eine
gemeinsame Sehne, die Achillessehne, welche an der Hinterseite des
Tuber caleanei inseriert.
Die Anheftung des Soleus an die beiden Gastroenemii kann in
verschiedener Weise erfolgen. Bald vereinigt sich der Soleus als
Muskel mit den Muskelbäuchen der beiden Gastroenemii, und aus
der gemeinsamen Muskelmasse geht die Achillessehne hervor, bald
bildet er eine eigne Sehne, die sich sodann mit der Sehne der beiden
vorigen Muskeln zur Achillessehne vereinigt.
Beziehungen zwischen dem medialen, dem lateralen Gastro-
enemius und dem Soleus.
Bei einer zusammenhängenden Betrachtung des distalen Verhal-
tens dieser drei Muskeln, sowie der Beziehungen, in die sie zuein-
ander treten, ergibt sich folgendes:
Bei Homo treten sie in innige Beziehung zueinander, und zwar
verbindet sich erst der mediale Gastroenemius mit dem lateralen,
dann gesellt sich zu der gemeinsamen Sehne auch noch die des
Soleus. Die so entstandene Achillessehne ist ziemlich lang und in-
seriert am Tuber calcanei.
Ein ähnliches Verhalten ist auch bei den Simiae und Prosimiae
5
j
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 155
zu beobachten. Nur besteht insofern ein Unterschied, als häufig nicht
die Sehnen es sind, welche sich vereinigen, sondern durch Vermitt-
lung von sehnigen Scheidewänden die Muskelbäuche. Der so ent-
standene Triceps surae bleibt dann häufig bis an den Caleaneus
herab muskulös, eine Achillessehne fehlt oder ist nur sehr kurz.
Besonders bei den anthropoiden Affen ist ein solches Verhalten
häufig.
Ein Triceps surae, in ähnlicher Ausbildung wie bei Homo, ist
ferner bei den meisten Insectivora anzutreffen. Bei einigen Inseeti-
vora aber fehlt der Soleus. Wahrscheinlich ist er in diesen Fällen
durch einen Rückbildungsprozeß verlorengegangen, denn er ist bei
den meisten Insectivora ein kräftiger, wohlausgebildeter Muskel. Bei
seinem Fehlen vereinigen sich nur die beiden Gastroenemii zu einer
gemeinsamen Sehne.
Sehr selten ist die Ausbildung eines Triceps surae bei den Eden-
tata.. Wenn es zu einer solehen kommt, dann erfolgt der Anschluß
des Soleus an die beiden Gastrocnemii gewöhnlich erst nahe am
Calecaneus. Die gemeinsame Sehne inseriert wie bei Homo am Tuber
calecanei. Einzelne Fasern der Gastrocnemii setzen sich zuweilen in
die Plantarfascie fort.
Bei den meisten Edentata, ferner bei allen Marsupialia und
Monotremata kommt es jedoch keineswegs zur Ausbildung eines Tri-
ceps surae. Die Beziehungen der Muskeln zueinander können in
diesen Fällen recht verschiedenartige sein.
Der Soleus kann zum Beispiel, wie das bei den meisten Eden-
tata der Fall ist, recht kräftig entwickelt sein, aber vollständig iso-
liert von den beiden Gastroenemii bleiben und auch selbständig am
Tuber caleanei inserieren, während die beiden Gastrocnemii sich zu
einer gemeinsamen Sehne vereinigen und hinter dem Soleus am Tu-
ber calcanei inserieren.
Oder der Soleus verbindet sich nur mit einem Teil des lateralen
'Gastroenemius, während der zweite Teil des lateralen Gastroenemius
mit dem medialen Gastrocnemius in Verbindung tritt. So entstehen
statt einer Achillessehne zwei Sehnen, die nebeneinander am Tuber
ealcanei inserieren. (Siehe Orycteropus aethiopieus.)
Wieder in einem andern Fall vereinigt sich der Soleus mit dem
ganzen lateralen Gastroenemius. Der mediale Gastrocnemius aber
bleibt isoliert und inseriert selbständig am Tuber calcanei. Auch
hier bestehen statt einer Achillessehne zwei nebeneinander am Tuber
156 Erna Glaesmer
caleanei inserierende Sehnen, die aber etwas anders zusammengesetzt
sind, als in dem vorigen Fall. (Siehe Chlamydophorus truncatus.)
Weiter bestehen Fälle, in welchen der Soleus fehlt. Der mediale
und laterale Gastroenemius aber verbinden sich zu einer gemein-
samen Sehne, welche am Tuber calcanei inseriert. (Bei den meisten
Marsupialia und Ornethorhynchus.)
Endlich sind solehe zu beobachten, wo der Soleus fehlt, der
mediale und laterale Gastroenemius dabei zwei selbständige Muskeln
bleiben, die mit je einer eignen Sehne nebeneinander am Tuber eal-
canei inserieren. (Bei vielen Marsupialia und bei Echidna.)
Diesen Verhältnissen gegenüber ist eine Vergleichung mit den
bei Homo beobachteten Varietäten interessant, die vielfach die im
Vorhergehenden beschriebenen Befunde wiederspiegeln. In bezug
auf Varietäten beziehe ich mich an dieser Stelle sowie im Folgenden
besonders auf Tesrur (1884) und Le Dougte (1897). Hauptsächlich
sind da zu nennen:
1. Das gelegentliche Fehlen des lateralen Gastroenemius oder die
Reduction desselben zu einem Sehnenstrang.
LE DougLE erwähnt von Tieren, bei denen das Fehlen
des lateralen Gastroenemius beobachtet worden ist, nur Rep-
tilien und Vögel.
2. Die Verdoppelung der Gastroenemii.
3. Die Gastrocnemii sind selbständige Muskeln und inserieren un-
abhängig voneinander am Tuber calecanei.
L&£ DougLe gibt an, daß bei Männern der schwarzen und
gelben Rasse die Vereinigung der Gastrocnemii tiefer unterhalb
des Kniegelenks erfolgt als bei den Männern der weißen Rasse.
Von Säugetieren gibt Le DouBLE unter andern das Murmel-
tier und die Ratte an, bei welchen sich ähnliche Verhältnisse
vorfinden. Eine bis nahe an das Tuber caleanei gehende Tren-
nung ist aber auch von Duverxoy (1855) bei drei Orangs beob-
achtet worden.
4. Es besteht ein dritter Kopf des Gastroenemius, der nach TestuT
»temoigne d’une tendance de l’un des deux jumeaux & se fu-
sionner avec l’autre en une masse indivise, disposition qui
s’aceuse plus nettement et se realise m&me chez quelques
Vertebres inferieurs. Deja chez quelques oiseaux on voit le
jJumeau interne s’inserer non seulement sur le condyle interne,
mais prolonger ses insertions sur tout l’espace qui separe les
deux condyles, et atteindre le condyle externe«.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 157
5. Der Soleus bleibt unabhängig von den Gastroenemi.
Nach Le DousL£ erfolgt die Bildung der Achillessehne,
das heißt die Vereinigung des Soleus mit den Gastrocnemii,
bei den farbigen Rassen tiefer als bei den weiben.
6. Der Soleus fehlt.
7. Verdoppelung des Soleus.
Die unter 1, 2, 4 und 7 aufgezählten Varietäten habe ich bei
den von mir untersuchten Säugetieren nicht vertreten gefunden.
Die unter 3 erwähnte habe ich bei Echidna, vielen Marsupialia
und bei einzelnen Edentaten, die unter 5 geschilderte bei den mei-
sten Edentaten, die unter 6 beobachtete bei den Monotremata, den
Marsupialia und bei einigen Inseetivora vorgefunden.
(GEGENBAUR, M. FÜRBRINGER und STRASSBURGER teilen die
menschlichen Varietäten in zwei große Gruppen ein, nämlich solche,
die ererbte Rückschlagsbildungen repräsentieren und uns somit Ein-
blicke in die phylogenetische Entwicklung tun lassen (primäre, kon-
servative, embryonale und atavistische Varietäten), und in solche,
für die keine solchen Parallelen bisher gefunden wurden und wahr-
scheinlich auch nicht zu finden sind, die wir vielmehr als neu er-
worbene Gebilde auffassen müssen (sekundäre, progressive, adaptive
Varietäten). Die unter 3, 5 und 6 aufgezählten Varietäten sind also
ersichtlich atavistische Varietäten, die übrigen wohl progressive oder
adaptive. Merkwürdig ist unter den letzteren die Verdoppelung des
Muskels, die wohl durch eine Längsspaltung zustande gekommen ist.
Versuch einer phylogenetischen Entwicklung
des Triceps surae.
Wenn man diese verschiedenen, im Vorhergehenden aufgezähl-
ten Befunde miteinander in Beziehung und in systematische Reihen-
folge zu bringen sucht, dann wird einem die Entscheidung, welchen
derselben man als primitivsten auffassen sollte, nicht leicht.
Es liegt ja selbstverständlich nahe, die Befunde eines im allge-
meinen tief stehenden Tieres als primitiver anzusprechen, als die
eines hochstehenden. Allein die Stellung und allgemeine Entwick-
- lungshöhe eines Tieres ist kein unbedingt zuverlässiger Anhaltspunkt.
Denn manches tiefstehende Individuum hat vielleicht unter dem Zwange
äußerer Verhältnisse eine weitgehendere Änderung seiner Extremi-
täten und Extremitätenmuskeln erfahren, als ein hochstehendes, das
die von den gemeinsamen Vorfahren eingeschlagene Richtung bei-
behalten hat.
158 Erna Glaesmer
Nun ergibt sich aber ein wichtiges Vergleichsmoment in dem
Verhalten der Muskulatur bei niedrigen Wirbeltieren. Eine ein-
gehende Untersuchung derselben ist mir zwar nicht möglich. Aber
schon eine flüchtige Betrachtung zeigt, daß die auf dem Unterschenkel
gelegenen Muskeln der niederen Wirbeltiere bedeutend einfachere
Verhältnisse haben, daß vor allem auch die Zahl der Muskeln eine
geringere ist.
Es liegt also der Gedanke nahe, daß die zahlreicheren Mus-
keln der höheren Wirbeltiere wenigstens zum Teil durch Spaltung,
bzw. Längsteilung ursprünglich einheitlicher Muskelmassen entstan-
den sind.
Wenn man aber diesen Gedanken festhält, dann ergibt sich als
natürliche Entwieklungsreihe eine solche, wie sie durch die neben-
stehende schematische Darstellung veranschaulicht wird.
Fig. 1 zeigt als einfachsten Befund die bei Ornithorhynchus be-
stehenden Verhältnisse. Der mediale’Gastroenemius entspringt vom
Femur, der »laterale« von der Fibula. Beide haben eine gemein-
same Endsehne. Vom Soleus ist noch keine Spur- vorhanden.
Allmählich wandert der Hauptteil des »lateralen Gastroenemius«
auf das Ligamentum genu collaterale fibulare. Nur wenige Fasern
behalten den Ursprung von der Fibula bei. Jener Hauptteil ist der
in seiner Wanderung auf den Oberschenkel begriffene laterale Gastro-
cnemius der höheren Säuger. In den auf dem Unterschenkel ver-
bliebenen Fasern ist der Anfang des Soleus zu suchen. Dieses
Stadium wird durch Fig. 2 veranschaulicht. Es findet sich bei den
Marsupialia.
Im weiteren Verlaufe der Entwicklung erstarken die auf dem
Unterschenkel verbliebenen Fasern des lateralen Gastroenemius immer
mehr und mehr und werden so zum Soleus der höheren Säugetiere,
während der Hauptteil des Muskels vollends auf das Femur tritt.
Auf diese Weise kommt es zur Ausbildung eines Triceps surae, wie
er bei Homo, den Simiae und Prosimiae und einigen Inseetivora be-
steht. Dieses Stadium wird durch Fig. 3 veranschaulicht.
Wodurch die Wanderung des Muskels vom Unterschenkel auf
das Femur verursacht wird, ist nieht ersichtlich. Vielleicht sind es
ähnliche veranlassende Momente, welche den Popliteus zu der glei-
chen Wanderung bewogen haben.
Es ist aber anderseits auch möglich, daß die Wanderung acc
Popliteus mehr infolge der Notwendigkeit einer Drehung des Unter-
schenkels zustande kam, die des lateralen Gastroenemius aber mehr
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160 Erna Glaesmer
dem Bedürfnis einer Vergrößerung des Muskels zur Hebung des
Fußes auf die Zehen entsprach.
Die Tatsache der Wanderung von Muskelursprüngen ist allge-
mein bekannt geworden, ebenso, daß der Muskel dabei gern den
durch den geringsten Widerstand bestimmten Bahnen folgt. Er kann
aber auch, wie es in diesem Falle der laterale Gastroenemius tut,
über straffe Ligamente, die zwei Knochen verbinden, bis auf den
Nachbarknochen hinwegwandern. Die Ursache solcher Wanderungen
scheint in der Regel die Notwendigkeit funktioneller Anpassungen
zu sein.
Die bei Homo erreichte und durch Fig. 3 veranschaulichte Ent-
wieklungsstufe der drei Muskeln hat bei andern Tieren, die im all-
semeinen eine bedeutend tiefere Stellung einnehmen, eine Weiter-
bildung im Sinne einer weiteren Aufspaltung und Isolierung der
Muskeln erfahren.
So kann sich der Soleus vollständig von den Gastroenemii ab-
trennen und selbständig am Calcaneus inserieren. Dieser Fall ist
bei verschiedenen Edentaten verwirklicht und wird durch Fig. 4 ver-
anschaulicht. Oder der mediale Gastroenemius spaltet sich ab, wäh-
rend der laterale mit dem Soleus vereint bleibt, wie dies bei Chla-
mydophorus truncatus der Fall ist. Siehe Fig. 5.
Endlich kann die Isolierung der Muskeln so weit gehen, daß
jeder mehr oder weniger selbständig wird. Dieser Fall wird durch
Fig. 6 veranschaulicht. Er kommt bei einzelnen Edentata vor, z. B.
bei manchen Dasypodidae, bei denen höchstens dicht oberhalb des
Caleaneus eine Vereinigung der Muskeln erfolgt.
Wenn man sich den Sinn dieses ganzen Entwicklungsganges
vergegenwärtigt, der darin zu liegen scheint, aus zusammengehörigen
und zusammenhängenden Muskeln mehr oder weniger selbständige
Individuen zu schaffen, so wird man sich als den bei den Vorfahren
der Säugetiere bestehenden Urzustand des menschlichen Triceps surae
einen Muskel vorstellen müssen, der vielleicht als einheitliche Masse
zum Calcaneus verlief.
Etwas diesem Zustand Ähnliches dürfte jene Varietät sein, welche
Testur bei Homo unter dem Namen eines gastroenemien & trois chefs
beschreibt. (Siehe die sub 4 auf Seite 156 aufgezählten Varietäten
und den Passus »temoigne ainsi d’une tendance de l’un des deux
jumeaux & se fusionner avec l’autre en une masse indivise« usw.).
Durch meine neuen Untersuchungen bin ich also zu einem
i
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 161
andern Resultat gelangt als s. Z. (1908), wo ich annahm, die drei
Muskeln seien ursprünglich selbständig gewesen und erst später zum
Trieeps surae verschmolzen.
Einfluß der Lebensweise auf die Entwicklung.
Ein Versuch, zwischen der Lebensweise der Tiere und der da-
mit verbundenen Funktion der Extremitäten einerseits, der Ausbil-
dung der Gastrocnemii und des Soleus anderseits bestimmte Be-
ziehungen herauszufinden, fällt negativ aus.
Die Vereinigung der beiden Gastroenemii findet sich sowohl bei
kletternden, wie grabenden und schwimmenden Tieren.
Die Ausbildung zweier selbständiger Gastroenemii kommt bei
grabenden und kletternden Tieren vor.
Der Soleus fehlt sowohl bei grabenden, wie kletternden und
schwimmenden Formen.
Diese geringe Beeinflußbarkeit der angegebenen Muskeln durch
die Funktion läßt vermuten, daß ihre Tätigkeit keine fein speziali-
siertte und der jeweiligen Lebensweise besonders angepaßte ist,
sondern allgemein in der Streckung des Fußes besteht. Aus dem
Verhalten dieser Muskeln sind also bestimmtere Schlüsse auf Funk-
tion der Extremitäten und Lebensweise der Tiere nieht möglich.
2. Der Plantaris und der oberflächliche Kopf
des Flexor digitorum brevis.
Der Plantaris.
Vorkommen und Fehlen des Muskels.
Der Plantaris ist innerhalb der Säugetierreihe meistens vorhan-
den. Zuweilen fehlt er jedoch, so bei den Monotremata, einzelnen
Simiae, besonders den anthropoiden, und zuweilen bei Homo. Das
Fehlen kann in zweifacher Weise gedeutet werden. Entweder der
Muskel hat sieh noch nicht ausgebildet, oder er war ausgebildet ge-
wesen, hat aber wieder eine Rückbildung erfahren. Bei den oben
erwähnten Simiae und gelegentlich bei Homo ist der Muskel sicher
durch einen Reductionsprozeß verlorengegangen. Von den Mono-
tremata ist das nicht mit der gleichen Bestimmtheit zu behaupten.
Da aber ein dem Plantaris ähnlicher Muskel sehon bei niederen
Wirbeltieren existiert, so glaube ich, daß auch bei den Monotremata
das Fehlen des Muskels in der nämlichen Weise zu erklären sein
wird.
__ Morpholog. Jahrbuch. 41. Tr
162 Erna Glaesmer
Ursprung.
Der Plantaris ist in seinem Ursprunge ein verhältnismäßig kon-
stanter Muskel, aber nicht so konstant wie der mediale Gastroenemius.
Sein typischer und häufigster Ursprungsort ist der laterale Condylus
femoris. Meist ist er hier eine kurze Strecke weit mit dem lateralen
(astroenemius verwachsen.
Bei den Marsupialia, aber auch bei andern Säugetieren, kann
er von dem Ligamentum genu collaterale fibulare und dem fibularen
Meniscus entspringen.
Wahrscheinlich ist auch er, ebenso wie der Soleus, durch Ab-
spaltung vom lateralen Gastroenemius entstanden und mit diesem
vom Unterschenkel auf das Femur gewandert. In dem Ursprung
vom Ligamentum genu collaterale fibulare ist demnach auch hier
ein primitiverer Zustand zu erblicken.
Verlauf und Insertion.
In bezug auf Verlauf und Insertion lassen sich für den Plan-
taris zwei Haupttypen unterscheiden:
1. Der Plantaris wird von den beiden Gastroenemii bedeckt und
inseriert mit der Achillessehne gemeinsam am Tuber calcanei.
Er setzt sich nicht in die Planta fort. Dieser Fall ist bei
Homo, ferner bei Manis, Myrmecophaga jubata (vgl. spez. Teil)
und Troglodytes niger verwirklicht.
2. Der Plantaris setzt sich in die Planta fort. In diesem Fall
wird seine Sehne etwa in der Mitte des Unterschenkels noch
von den beiden Gastroenemii bedeckt. Distalwärts aber ge-
winnt sie eine immer mehr und mehr oberflächliche Lage. In
der Höhe der Malleolen liegt sie medial von der Achillessehne
in derselben Ebene wie diese, dann verläuft sie über das Tuber
calcanei, wobei sie die Insertionsstelle der beiden Gastroenemiüi
und des Soleus (wenn ein solcher vorhanden ist) vollständig
zudeckt, in die Planta. Zuweilen gleitet die Sehne frei auf
dem Tuber calcanei. In ihrer Lage wird sie dann durch Fa-
serzüge festgehalten, welche beiderseits steigbügelartig vom
Tuber nach der Fascie des Unterschenkels ziehen. Ein Schleim-
beutel ist dann gewöhnlich zwischen ihr und dem Knochen zu
beobachten. Manchmal aber heftet sich die Sehne selbst mit
einigen Fasern am Tuber an.
In der Planta geht sie entweder:
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 163
a) in eine dünne Fascie, wie bei vielen Marsupialia und In-
sectivora, oder
b) in eine derbere Aponeurose, wie bei vielen Simiae und
Prosimiae, oder
ce) in eine kräftige Sehne über, welche sich in die perforierten
Sehnen der Mittelphalangen aufteilt. Der letzte Befund
findet sich bei den meisten Edentata.
Zwischen diesen verschiedenen Arten von Befunden kommen
Übergangszustände vor. So geht zum Beispiel gelegentlich nur ein
Teil der Sehne des Plantaris in die Plantarfascie über, ein zweiter
Teil bildet perforierte Sehnen. Oder die Sehne des Plantaris ver-
bindet sich mit der der Gastroenemii und geht mit diesen gemein-
sam in die Plantarfascie oder -Aponeurose über.
Die bei Homo beobachteten Varietäten können sich sowohl im
Fehlen des Muskels, als auch in einem wechselnden Verhalten seines
Ursprunges und seiner Insertion äußern. Hauptsächlich sind als
Varietäten zu nennen:
1. Das Fehlen des Muskels. Der Plantaris fehlt häufig, häufiger
allerdings bei der weißen Rasse als bei den farbigen. Manch-
mal ist er zu einer Sehne reduziert.
2. Die Verdoppelung des Muskels.
3. Der Ursprung kann bald oberhalb, bald unterhalb des Con-
dylus femoris erfolgen, zum Beispiel von der Bifurcation der
Linea aspera, vom Ursprungskopf des lateralen Gastroenemius,
oder vom Ligamentum genu collaterale fibulare, der Kniege-
lenkskapsel, der Aponeurose des Popliteus, der Fibula, der
Unterschenkelfaseie.
4. Der Muskel kann mit seiner Sehne in dem zwischen ober-
flächlichen und tiefen Muskeln der Hinterseite des Unterschen-
kels gelegenen Fettzellgewebe endigen. (Im Varietätenbuch
des hiesigen anatomischen Institutes findet sich eine ähnliche
Varietät verzeichnet. Der Muskel endet noch in der oberen
Hälfte des Unterschenkels in der Faseie.)
Oder die Plantarissehne teilt sich in zwei Bündel, deren
eines in die Plantaraponeurose übergeht, während das andre
| wie gewöhnlich mit der Achillessehne am Calcaneus inseriert
B und Ähnliches.
Von diesen Varietäten erinnert das Fehlen des Plantaris, der
Ursprung vom Ligamentum genu collaterale fibulare, der Ursprung
2%
164 Erna Glaesmer
vom lateralen Gastroenemius und der Übergang in die Plantar-
aponeurose an Befunde, wie sie bei Säugetieren vorkommen.
Sie wären demnach als atavistische Varietäten zu bezeichnen.
Wie die übrigen einzureihen sind, ist von weiteren Untersu-
chungen abzuwarten; es ist möglich, daß manche derselben noch den
atavistischen zuzuzählen sein werden,
Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis,.
Vorkommen und Fehlen des Muskels.
Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis kann häufig
fehlen, so bei vielen Marsupialia, Insectivora und Edentata.
Sein Fehlen könnte eine zweifache Erklärung finden:
Entweder ist der Muskel noch nicht entwickelt, oder er ist
wieder verloren gegangen.
Während sich beim Plantaris durch Vergleich mit andern Tieren
und Tierordnungen bis zu einem gewissen Grade von Wahrschein-
lichkeit entscheiden läßt, welcher der beiden Fälle vorliegt, hat das
bei diesem Muskel seine Schwierigkeiten.
Wenn der Plantaris bei allen Prosimiae und den meisten Simiae
gut entwickelt ist, bei den anthropoiden Affen aber fehlt, so liegt
es natürlich nabe, anzunehmen, er sei bei diesen einer Rückbildung
anheimgefallen.
Nicht so bei dem oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum
brevis. Dieser Muskel ist innerhalb derselben Tierordnungen, ja
manchmal bei eng verwandten Tieren in wechselnder Weise bald
vorhanden, bald nicht, so daß sich eine bestimmte Gesetzmäßigkeit
nicht erkennen und aufstellen läßt.
Ursprung.
Der Ursprung des oberflächlichen Kopfes des Flexor digitorum
brevis ist nicht konstant.
Bei Ornithorhynchus und, wenn er vorhanden ist, auch bei
Echidna entspringt der Muskel vom Tuber calcanei.
Bei allen Marsupialia, bei denen ein oberflächlicher Kopf des
Flexor digitorum brevis entwickelt ist, ferner bei den meisten Pro-
simiae fand ich den Muskel nur von der Innen-, d. h. Dorsalseite”
der Plantarfaseie bzw. -Aponeurose entspringen. Bei den Simiae be-
kommt der Muskel, ebenso wie bei Homo, außer den von der Plantar-
aponeurose entspringenden Muskelfasern in der Regel auch noch Ur-
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 165
sprungsfasern vom Tuber calcanei. Einzelne vom Tuber calcanei
entspringende Muskelfasern kommen aber auch schon bei einigen
Inseetivora vor.
Insertion.
Auch die Insertion des Muskels ist keine konstante. Bei den
Monotremata, aber auch bei Manis, geht der Muskel mit seinen Seh-
nen in die Sehnenscheiden der Zehen über, ohne perforierte Sehnen
zu bilden. Bei den meisten Säugetieren aber funktioniert er als ein
Flexor perforatus. Sehr selten versorgt er jedoch alle Zehen von
der 2. bis 5., wie bei Homo, vielmehr helfen ihm als Synergisten
in wechselnder Weise bald der tiefe Kopf des Flexor digitorum bre-
vis, bald der Plantaris. (Näheres siehe unter »Die phylogenetische
Entwicklung des Plantaris und des oberflächlichen Kopfes des
Flexor digitorum brevis«, ferner »Beziehungen zwischen dem ober-
flächlichen und dem tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis« und
»Entstehung der Perforation «.)
Die bei Homo beobachteten Varietäten des oberflächlichen Kopfes
des Flexor digitorum brevis können sich im Fehlen des Muskels
sowie in einem vom normalen Zustand abweichenden Verhalten des
Ursprungs und der Insertion äußern.
Der Muskel entspringt bei Homo vom Calcaneus und der Plantar-
aponeurose und gibt vier Sehnen ab, welche die perforierten Sehnen
für die lateralen vier Zehen bilden.
Die häufigsten Varietäten sind folgende:
1. Vollständiges Fehlen des Muskels.
2. Verminderung der Zahl seiner Sehnen auf drei, die an den
drei, dem Hallux zunächst gelegenen Zehen inserieren. Die
fünfte Zehe wird dann meist von einem, von der Sehne des
Flexor tibialis entspringenden Muskelbündel, das also dem
tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis entspricht, versorgt.
3. Vermehrung der Zahl der Sehnen, so daß eine Zehe zwei
Sehnen empfängt.
4. Die Sehnen werden nicht perforiert. Dieser Fall ist nur an
der fünften Zehe beobachtet. Die Insertion der nicht perfo-
rierten Sehne erfolgt selbständig oder auch zuweilen mit der
tiefen Sehne gemeinsam an der Endphalanx.
5. Der oberflächliche Beuger kann sich muskulös mit dem tieferen
verbinden, oder die perforierte und perforierende Sehne der-
selben Zehe vereinigen sich.
166 Erna Glaesmer
Von den aufgezählten Varietäten sind die ersten wohl atavistische.
Die unter 1 angeführte Varietät ist als Normalbefund bei Säuge-
tieren recht häufig; einen Befund, welcher der unter 3 erwähnten
Varietät ähnlich ist, habe ich (1908) bei Dasyurus hallucatus be-
schrieben. Auch bei Lacerta ocellata gibt der Flexor perforatus je
zwei Sehnen ab.
Die unter 2 genannte Varietät nennt Le DouBLE »une dispo-
sition simienne par excellence«.
Das stimmt nur annähernd. Ich habe einen der oben beschrie-
benen Varietät genau entsprechenden Befund bei den Affen über-
haupt nicht beobachtet und auch in der Literatur nicht verzeichnet
gefunden. Es ist möglich, daß er gelegentlich vorkommt, er ist
jedoch sicherlich sehr selten und verdient die Bezeichnung »dispo-
sition simienne par excellence« keineswegs.
Der oberflächliehe Kopf des Flexor digitorum brevis ist bei
den Affen im allgemeinen schwächer als bei der bei Homo häufigen
Varietät und versorgt meist nur eine bis zwei Zehen, während der
von der Sehne des Flexor tibialis entspringende tiefe Kopf dement-
sprechend stärker ist und die übrigen Zehen versorgt. Eine dem
Affentypus genau entsprechende Varietät scheint bei Homo selten
zu sein. Ich habe eine solche im vorigen Wintersemester gefunden
und bespreche sie am Schluß der Arbeit.
Den unter 4 beschriebenen Fall habe ich an der fünften Zehe
von Orang beobachtet. Die in Frage kommende Sehne stammt aber
nicht vom oberflächlichen, sondern vom tiefen Kopf des Flexor digi-
torum brevis. Statt sich in zwei Zipfel zu teilen, bleibt die Sehne
ungeteilt und inseriert, wie die des tiefen Beugers, mit dem sie in
der Gegend des distalen Interphalangealgelenkes in Verbindung tritt,
an der Endphalanx.
Den unter 5 beschriebenen Fall führt Le DousLe auf bei nie-
drigen Wirbeltieren vorkommende Verhältnisse zurück, bei denen
die langen und kurzen Zehenbeuger zu einer einzigen Muskelmasse,
der »Pronato-flexor mass« von HumPHRrY, verschmolzen sind. Die Ver-
schmelzung des »Flexor digitorum brevis« mit den tiefer gelegenen
Beugern wird auch von andern Autoren noch vielfach erwähnt. Alle
Angaben muß man aber sehr vorsichtig aufnehmen und genauestens
prüfen. Denn sehr selten wird in den Bezeichnungen ein Unter-
schied zwischen dem oberflächlichen und dem tiefen Kopf gemacht,
die sich in ihrem distalen Verhalten, dem Perforiertwerden und der
Insertion an den Mittelphalangen, vollständig gleichen und auch sehr
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168 Erna Glaesmer
häufig miteinander in Verbindung treten. (Näheres siehe unter »Be-
ziehungen zwischen dem oberflächlichen und dem tiefen Kopf des
Flexor digitorum brevis«.)
Die phylogenetische Entwicklung des Plantaris und des
oberflächlichen Kopfes des Flexor digitorum brevis.
Bei Homo ist kein Zusammenhang zwischen dem Plantaris und
dem oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis zu beobachten.
Daß ein solcher aber ursprünglich bestanden hat, läßt sich auf Grund
der verschiedenen Befunde, welche innerhalb der Säugetierreihe an-
zutreffen sind, vermuten.
Gern würde ich, ausführlicher als in der vorhergehenden Arbeit,
Befunde bei niedrigen Wirbeltieren zum Vergleiche heranziehen.
Bei verschiedenen derselben ist nämlich ein Muskel, der an den
Plantaris der Säugetiere erinnert und von den Autoren auch viel-
fach mit diesem Namen belegt wird, anzutreffen. Dieser Muskel
erscheint zuweilen vom Unterschenkel bis in die Planta fleischig
und könnte als ein Urzustand, bei dem Plantaris und oberflächlicher
Kopf des Flexor digitorum brevis noch eine einheitliche, zusammen-
hängende Muskelmasse bilden, aufgefaßt werden.
Da die Homologien der Muskeln aber doch zu unsichere sind
und nicht einwandfrei feststehen, muß ich auf diese Vergleichs-
punkte verzichten und will als primitivsten und Ausgangszustand
lieber einen Befund annehmen, wie er bei Erinaceus europaeus vor-
kommt. (Siehe schematische Darstellung S. 167. Auf dieser sind
Medianschnitte durch Unterschenkel und Fuß gedacht, so daß die in
Frage kommenden Muskeln sich als Längsschnitte darstellen.)
Es muß vorausgeschickt werden, daß die auf der schematischen
Darstellung S. 167 gebrachte Zusammenstellung nicht etwa einen
Stammbaum der Säugetiere darstellen soll. Sie soll nur zeigen, wie
sich der Plantaris und der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum
brevis stufenweise weitergebildet haben könnten, wenn man den bei
Erinaceus bestehenden Befund als primitivsten annimmt.
Der Grund, warum ich Erinaceus zum Ausgangspunkt nehme,
ist der, daß sich von ihm alle andern in weit natürlicherer Weise
ableiten lassen, als etwa von einem Vertreter der Monotremata oder
der Marsupialia. Es ist ja nicht unmöglich, daß sich Erinaceus trotz
seiner höheren Stellung in mancher Hinsicht primitivere Extremi-
tätenmuskeln bewahrt hat als die durch veränderte Funktion der
a
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 169
Extremitäten und Lebensweise stark beeinflußten Monotremata und
Marsupialia.
Beim Igel bildet der Plantaris (siehe Fig. 1 der schematischen
Darstellung S. 167) etwa in der Mitte des Unterschenkels eine Sehne,
welche frei über das Tuber calcanei verläuft, wo sie vom Abgleiten
durch Sehnenzüge abgehalten wird, welche von der Sehne selbst
aus nach den beiden Malleolen ziehen. Vom Tuber tritt die Sehne
in die Planta, wo sie unmittelbar in den oberflächlichen Kopf des
Flexor digitorum brevis übergeht, so daß beide Muskeln zusammen
ein morphologisches Aussehen wie etwa der M. digastricus im Tri-
gonum submaxillare des Menschen darbieten. Die oberflächliche
Partie der Sehne geht in eine schwache Plantarfascie aus.
Von diesem Befund lassen sich alle andern in einfacher Weise
ableiten, und zwar ist die Entwicklung der beiden Muskeln in der
Hauptsache nach zwei Richtungen erfolgt, die uns als Gegensätze
in die Augen springen.
Die eine Richtung führt zur Reduction des Plantaris (auf der
schematischen Darstellung S. 167 die rechts von Erinaceus darge-
stellte Richtung), die andre zur Reduction des oberflächlichen Kopfes
des Flexor digitorum brevis bei wohlausgebildetem Plantaris (die
links von Erinaceus dargestellte Richtung).
Nicht alle Befunde lassen sich selbstverständlich unmittelbar
von dem als primitiv angenommenen ableiten. So schließen sich,
wie wir auf dieser schematischen Darstellung sehen, einige Mar-
supialia, Prosimiae und Simiae (Fig. 4) und einige Insectivora
und Edentata (Fig. 2) zwar eng an Erinaceus an, hingegen leitet
sich der Muskel einiger Marsupialia (Fig. 3) offenbar von dem unter
Fig. 4 dargestellten her usw.
Aus dem bei Erinaceus bestehenden Verhalten könnte sich das
als Fig. 4 angegebene auf die Weise entwickelt haben, daß die ober-
flächlich liegenden Partien des oberflächlichen Kopfes des Flexor
digitorum brevis mit der Plantarfasecie in Verbindung treten und
verwachsen. Der Plantaris befreit sich allmählich vom direkten
Zusammenhang mit dem distalen Brudermuskel und behält nur noch
die unmittelbare Fortsetzung in die Plantarfascie bei, von deren
‚Innen- bzw. Dorsalseite nunmehr der oberflächliche Kopf des Flexor
digitorum brevis entspringt. Durch Vermittlung der Plantarfascie
behält der Plantaris jedoch immerhin noch einigen Einfluß auf die
Bewegung der Zehen. Er ist also dementsprechend in allen diesen
Fällen verhältnismäßig kräftig entwickelt.
170 Erna Glaesmer
Die soeben geschilderten Verhältnisse finden sich zum Beispiel
bei Didelphys canerivora, Lemur rufifrons, Lemur macaco, Galago
galago, Hapale penicillatus, Oynocephalus doguera et hamadryas und
Cercopithecus petaurista.
Im weiteren Verlauf der Entwicklung zeigt sich das Bestreben,
den Plantaris zu reduzieren, immer deutlicher. Der oberflächliche
Kopf entspringt nicht mehr nur von der Plantaraponeurose, sondern
nimmt zum Teil auch vom Tuber calcanei Ursprung. Siehe Fig. 5.
Ebenso läuft die Sehne des Plantaris nicht mehr frei über das Tuber
calecanei, sondern heftet sich dort zum Teil an.
Der Einfluß des Plantaris auf die Beugung der Mittelphalangen
ist dadurch bedeutend verringert, seine Beziehung zur Plantarapo-
neurose aber noch erhalten. Ein solches Stadium habe ich bei
Stenops tardigradus beobachtet.
Ein folgendes Stadium wird dann durch Fig. 6 veranschaulicht.
Es ist bei Manis, Myrmecophaga jubata, Troglodytes niger und Homo
zu beobachten. Der recht dünn gewordene Plantaris setzt sich nicht
mehr in die Plantaraponeurose fort, hat also keine Beziehung zum
oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis mehr, sondern
inseriert mit dem Triceps surae, dessen Synergist er auf diese Weise
geworden ist, am Tuber calcanei. Der oberflächliche Kopf des Flexor
digitorum brevis entspringt gemeinsam mit der Plantaraponeurose,
mit der er am Ursprunge verwächst, von der Plantarseite des Tuber
calcanei.
Ein letztes Stadium, Fig. 7, zeigt den Plantaris vollständig re-
duziert. Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis und
die Plantaraponeurose aber verhalten sich wie im vorigen Fall.
Dieses Stadium ist bei Ateles variegatus et ater, Hylobates variegatus
und Simia satyrus zu beobachten. Es ist auch häufig als Varietät
bei Homo anzutreffen.
In diesen schematischen Figuren konnte auf die Stärke des ober-
flächlichen Kopfes keine Rücksicht genommen werden. In Wirklich-
keit ist der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis bald
stärker, bald schwächer entwickelt und wird in seiner Funktion von
dem tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis unterstützt. (Siehe
»Beziehungen zwischen dem oberflächlichen und dem tiefen Kopf
des Flexor digitorum brevis«.)
Die Reduction des Plantaris einerseits und die wechselnde
Stärke des oberflächlichen Kopfes des Flexor digitorum brevis ander-
seits scheinen in keinem ursächlichen Zusammenhange zu stehen.
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 171
Während es also in der soeben angegebenen Entwicklungsrich-
tung zur Reduction des Plantaris kam, führt die andre Richtung
(siehe Fig. 2 und 3 der schematischen Darstellung S. 167) zur Re-
duetion des oberflächlichen Kopfes des Flexor digitorum brevis.
Von diesen zwei Befunden schließt Fig. 2 eng an Hrinaceus an,
während Fig. 3 nicht direkt aus dem bei Erinaceus bestehenden Ver-
halten, wohl aber aus dem als Fig. 4 dargestellten zu erklären ist.
Den bei einigen Marsupialia vorkommenden, als Fig. 3 gezeich-
neten Befund kann man sich aus dem unter Fig. 4 gebrachten sehr
leicht so entstanden denken, daß der nach und nach immer schwä-
cher werdende oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
schließlich ganz zugrunde geht. Tatsächlich fehlt dieser Muskel
bei Didelphys marsupialis, erassicaudata, Phascolomys und Trichosurus
vulpecula vollständig und wird funktionell durch den tiefen Kopf
des Flexor digitorum brevis vertreten. Der Plantaris selbst geht nur
in die Plantarfascie über.
Der in Fig. 2 dargestellte, bei mehreren Insectivora und Eden-
tata vorkommende Zustand leitet sich dagegen von dem als Fig. 1
gezeichneten ab, indem der ganze oberflächliche Kopf des Flexor
digitorum brevis zu einer Sehne umgewandelt wird, welche sich in
‚Einzelsehnen aufspaltet, die als perforierte an den Mittelphalangen
der Zehen inserieren, wie es sonst der oberflächliche Kopf des Flexor
digitorum brevis tut. Auch in diesem Fall ist es zu einer vollstän-
digen Reduction des Flexor digitorum brevis gekommen, aber sowohl
der Weg, auf dem dies erreicht wurde, ist ein verschiedener, als
auch der Effekt. Denn in dem Fall Fig. 2 ist der Plantaris selbst
zum perforierten Beuger geworden, während in dem Fall Fig. 3 einer
der tiefen, unterhalb des N. tibialis gelegenen Muskeln, der tiefe Kopf
des Flexor digitorum brevis, die Rolle des perforierten Beugers über-
nommen hat.
Zwischen diesen Haupttypen bestehen Vermittlungsstadien, die
aber der besseren Übersichtlichkeit wegen hier nicht angegeben sind.
Einfluß der Funktion auf die Ausbildung des Plantaris.
Ein Versuch, zwischen der Lebensweise der Tiere und der Funk-
tion der Extremitäten einerseits, der Ausbildung des Plantaris ander-
seits Beziehungen herauszufinden, fällt im Gegensatz zu dem Ver-
halten der Gastrocnemii und des Soleus durchaus positiv aus.
So pflegt der Plantaris im allgemeinen bei springenden Tieren
kräftiger entwickelt zu sein als bei solchen, die nicht springen.
172 Erna Glaesmer
Die für Homo ceharakteristische Insertion des Muskels am Cal-
caneus und die vollständige Isolierung der Plantaraponeurose vom
Plantaris ist offenbar die Folge des aufrechten Ganges und der recht-
winkeligen Abknickung des Unterschenkels zum Fuß. Denn ich
habe sie vorzüglich bei Tieren gefunden, die als Sohlengänger ge-
schildert werden, oder bei denen, wie bei Manis, geradezu ange-
geben wird, sie gingen als Sohlengänger auf den Hinterbeinen.
Der Übergang des Plantaris in die Plantaraponeurose ist be-
sonders bei Tieren, welche klettern, zu beobachten. So bei vielen
Marsupialia, Prosimiae, Simiae. Er wird aber auch bei kletternden
Raubtieren angegeben. (Mıvarr 1881).
Der Übergang des Plantaris in perforierende Sehnen fällt be-
sonders bei Grabern auf, zum Beispiel: Perameles obesula, Talpa
europaea, Orycteropus aethiopieus, Dasypus sexeintus, Chlamydophorus
truncatus. Es ist aber auch hier Vorsicht geboten, denn ein solches
Verhalten des Plantaris wird auch bei Huftieren beschrieben. (ELLEN-
BERGER und Baum 1900).
Wie sehr gerade der Plantaris ein Produkt der Funktion ist,
ist dagegen wieder bei Dradypus tridactylus zu sehen. Bei diesem
Tier, das sein ganzes Leben in den Zweigen der Bäume hängend
verbringt, hat der Plantaris eine Veränderung erfahren, in der er
kaum wiederzuerkennen ist. Seine Sehne verwächst nämlich mit
der des Flexor tibialis, des Flexor fibularis und mit Sehnen des
Quadratus plantae zu einer einzigen mächtigen Sehne, welche sich
in Teilsehnen für die Endphalangen spaltet. Dagegen zeigt der
Triceps surae ein Verhalten, wie es auch andre Edentata aufweisen.
Diese individuelle Modifizierung des Plantaris erscheint in höch-
stem Grade zweckmäßig. Ein Plantaris, der die Zehen unmittelbar
beherrscht, ist imstande, durch Flexion derselben den Fuß schaufel-
förmig zu krümmen, wodurch er für seine Funktion, die von den
Vorderfüßen aufgescharrte Erde hinter sich zu werfen, wie das zum
Beispiel der Maulwurf tut, durchaus geeignet wird.
Ein Plantaris, der in die Plantaraponeurose ausläuft und da-
durch die Haut der Planta zu spannen imstande ist und außerdem
auf die Flexion von Zehen Einfluß hat, prädisponiert sicherlich zur
Kletterfunktion.
Bei bradypus stellt sich der Muskel in den Dienst der Haupt-
funktion, der Krümmung der Endphalangen.
Während also die verschiedene Ausbildung der beiden Gastro-
enemii und des Soleus nur wenig unter dem Zwange funktioneller
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 173
Anpassungen zustande gekommen zu sein scheint, ist der Plantaris
ganz besonders ein Ausdruck der Lebensweise, eine Art Werkzeug,
das die Arbeit des Tieres charakterisiert.
Daraus ergibt sich ein wichtiger Unterschied in der Bedeutung
dieser beiden Muskelschichten für die Beurteilung der allgemeinen
Phylogenie der Tiere. Während aus dem Verhalten der Gastroenemii
und des Soleus bis zu einem gewissen Grade auf die allgemeine
Entwicklungshöhe eines Tieres geschlossen werden darf, ist das im
Hinblick auf den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor
digitorum brevis nur mit größter Vorsicht zulässig. Bei einer An-
ordnung und Einreihung der von mir untersuchten Tiere nach dem
Verhalten der Gastroenemii und des Soleus erhält man auch tat-
sächlich einen Stammbaum, der den heutigen Auffassungen über die
Phylogenie der Säugetiere etwa entsprechen könnte. Eine Anordnung
der Tiere nach dem Verhalten des Plantaris und des oberflächlichen
Kopfes des Flexor digitorum brevis ergibt dagegen, wie aus der
schematischen Darstellung S. 167 ersichtlich, das bunteste Nebenein-
ander. Einzelne Ordnungen, wie besonders die Edentata, erscheinen
ganz auseinandergerissen, anderseits kommen Insectivora neben Eden-
tata, Marsupialia neben Prosimiae, Edentata neben Simiae usw. zu
stehen. Plantaris und oberflächlicher Kopf des Flexor digitorum
brevis bilden somit ein vorzügliches Beispiel für scheinbare Ver-
wandtschaften, scheinbare zootomische Parallelen, die nach M. FÜr-
BRINGER (1887) als die Ergebnisse zufällig übereinstimmender sekun-
därer Anpassungen entfernt stehender Tiere keinen Schluß auf in-
timere Verwandtschaftsverhältnisse erlauben.
Il. Tiefe Muskelgruppe.
1. Der Popliteus.
Vorkommen und Fehlen des Muskels,
Der Popliteus fehlt innerhalb der Säugetierreihe zuweilen. Da
er ein sehr alter Muskel zu sein scheint, der nach Fürst (1903) und
TAyLor und Bonner (1905) schon bei niedrigen Wirbeltieren vor-
handenist, so ist anzunehmen, daß sein gelegentliches Fehlen bei Säuge-
tieren durch einen Rückbildungsprozeß zustande gekommen sein wird.
Ursprung.
In bezug auf seinen Ursprung zeigt der Popliteus eine ähnliche
Inkonstanz, aber auch eine ähnliche Stufenfolge in seiner Entwick-
lung wie der laterale Gastroenemius.
174 Erna Glaesmer
Bei den Monotremen entspringt der Muskel von der Fibula-
schaufel und inseriert an der medialen Tibiakante.
Bei den Marsupialia entspringt er teils von dem Fibulakopf,
teils schon etwas höher: vom lateralen Knieband und vom Epicon-
dylus femoris.
Bei den Edentaten kann er fehlen. Wenn er vorhanden ist,
dann entspringt er vom knorpligen Femurcondylus oder vom late-
ralen Epicondylus. Bei Myrmecophaga ist in seine Ursprungssehne
ein Sesamknorpel eingelagert.
Bei den Inseetivoren und allen höheren Wirbeltieren nimmt er
Ursprung vom lateralen Epiecondylus femoris.
Nur bei Stenops tardigradus fiel mir besonders auf, daß der
Popliteus (ebenso der Flexor fibularis und Tibialis postieus) vom
lateralen Meniscus und dem Ligamentum genu collaterale fibulare
entspringt. TAyLor und Bonney sprechen auch bei Lemur von einem:
Ursprung des Popliteus von der Fibula, was ich bei meinem Exem-
plar nicht bestätigt fand. Es ist merkwürdig, wie häufig bei den
Prosimiae Verhältnisse auffallen, die an solche, wie sie bei Marsu-
pialia vorkommen, erinnern. Mit dieser Beobachtung stimmt über-
ein, daß auch Ruge bei zahlreichen Prosimiae Reste eines Marsupial-
apparates beschrieben hat.
Verlauf und Insertion.
Der Popliteus ist in Verlauf und Insertion sehr konstant. Er
breitet sich von seinem Ursprunge aus fächerförmig aus und inse-
riert am proximalen Ende der Tibia, hauptsächlich an deren Hinter-
fläche sowie der medialen Kante der Hinterseite.
Phylogenetische Entwicklung.
Die Entwicklung des Popliteus betreffend brauche ich nur auf
die Arbeiten von Fürst (1903) sowie TayLor und Boney (1905)
hinzuweisen. Die Autoren haben an der Hand eines Materials, das
auch niedrige Wirbeltiere umfaßt, bewiesen, was auch aus meinen
Untersuchungen ohne weiteres zu entnehmen ist, daß der Popliteus
ursprünglich ein reiner Unterschenkelmuskel war und erst allmählich
mit seinen Ursprungsfasern auf das Femur gewandert ist.
Testur bezeichnet den Popliteus bei Homo als einen der kon-
stantesten Muskeln, was durch die innerhalb so enger Grenzen vor
sich gegangene Entwicklung ohne weiteres verständlich ist. Als
Varietäten erwähnt Tesrtur das Vorhandensein eines Sesambeines i
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 175
der Ursprungssehne, sowie sein gänzliches Fehlen. Eine accessorische
_ Ursprungsportion von der Fibula, die man erwarten könnte, hat der
"Muskel nicht. Le DousLe erwähnt ein schon wiederholt beschrie-
benes accessorisches Bündel, das vom Sesambein des lateralen Gastro-
enemius entspringt. Sowohl das Fehlen des Muskels, als auch das
Vorhandensein eines Sesambeins in der Ursprungssehne und der Ur-
sprung vom Sesambein des lateralen Gastroenemius erinnern an Ver-
hältnisse, wie sie bei andern Säugetieren vorkommen.
,
2. Der Flexor tibialis und der Flexor fibularis.
Der Flexor tibialis.
Vorkommen und Fehlen des Muskels.
Ein Fehlen des Flexor tibialis ist innerhalb der Säugetierreihe
verhältnismäßig häufig zu beobachten. Der Grund dieses Fehlens
dürfte in funktionellen Anpassungen zu suchen sein.
Bei den Monotremata ist der Muskel nämlich als selbständiger,
wohlentwickelter Muskel vorhanden. Wenn er also bei höherstehen-
den Tieren, wie Insectivoren und Edentaten, zuweilen fehlt, so liegt
die Annahme nahe, er sei sekundär durch einen Reductionsprozeß
verloren gegangen.
Diese Erklärung ist um so wahrscheinlicher, als das Fehlen des
Muskels vorwiegend bei Tieren zu beobachten ist, die auch im übri-
gen stark sekundäre Veränderungen aufweisen.
Ursprung.
In bezug auf seinen Ursprung ist der Flexor tibialis innerhalb
der Säugetierreihe ein ziemlich konstanter Muskel. Er entspringt
vom proximalen Ende der Tibia, oft auch der Fibula und der Mem-
brana interossea. In einem einzelnen Falle, bei Stenops tardigradus,
fand ich den Muskel auch vom medialen Epieondylus femoris ent-
springen.
Verlauf und Insertion.
In seiner Lage und seinem Verlauf ist der Flexor tibialis sehr
"konstant. Er liegt der Hinterseite der Tibia unmittelbar auf und
geht in eine Sehne über, welche die des Tibialis postieus in der
Mitte des Unterschenkels meistens zudeekt und oberhalb oder in der
Höhe des medialen Malleolus hinter dieselbe tritt. Auf diese Weise
findet sich tibio-fibularwärts, wie bei Homo, erst die Sehne des Ti-
bialis postieus, dann die des Flexor tibialis, endlich die des Flexor
fibularis.
176 Erna Glaesmer
In seiner Insertion ist der Flexor tibialis dagegen einer der in-
konstantesten Muskeln des Unterschenkels. Die Insertion ist sogar
so wechselnd, daß der Muskel zuweilen gar nicht als solcher zu er-
kennen ist, wenn man nicht durch die Untersuchung einer größeren
Reihe von Tieren vermittelnde Zwischenstadien zu Gesicht bekommt.
Wegen dieser wechselnden Insertion hat dieser Muskel auch in den
vielen morphologischen Arbeiten die verschiedensten Deutungen er-
fahren.
Meist wird er als ein zweiter Tibialis posticus geführt. Da
dann kein weiterer Muskel vorhanden ist, der als Flexor tibialis
gelten könnte, pflegt in diesen Fällen angenommen zu werden, der
Flexor tibialis sei mit dem Flexor fibularis zu einer untrennbaren
Einheit verschmolzen. Besonders wenn der Flexor fibularis eine
kurze Strecke lang einen Spalt in seiner Sehne aufweist, liegt diese
Annahme nahe.
Im allgemeinen habe ich in bezug auf die Insertion des Flexor
tibialis drei Grundtypen unterschieden:
1. Die Sehne des Flexor tibialis inseriert am tibialen Randkno-
chen, der durch die Plantarfascie an den medialen Fußrand
angeheftet wird, oder an der Fascie des medialen Fußrandes,
oder am Metatarsale oder den Grundphalangen des Hallux
oder der Sehnenscheide des Hallux. Die Sehne zeigt also
keinerlei Verbindung mit der des Flexor fibularis.
Solche Befunde fanden sich bei den Monotremata, ferner
vielen Marsupialia, einigen Inseetivora und Edentata.
2. Die Sehne des Flexor tibialis tritt mit der des Flexor fibularis
in Verbindung und unterstützt diesen in seiner Aufgabe, die
Endphalangen der Zehen zu versorgen.
Dieser Befund findet sich bei einigen Marsupialia, Insecti-
vora und Edentata, ferner allen Prosimiae, den meisten Simiae
und bei Homo. Bei Simia satyrus und Troglodytes niger ist e8
allerdings wieder zu einer sekundären Lösung dieser Verbin-
dung gekommen. (Siehe »Phylogenetische Entwicklung des
Flexor tibialis und Flexor fibularis«.)
3. Der dritte Typus bildet eine Zwischenstufe zwischen den beiden
vorigen. Die Sehne des Flexor tibialis teilt sich nämlich in
zwei Teilsehnen. Eine derselben inseriert in der Art, wie
unter 1 angegeben, die zweite, wie unter 2 angegeben ist.
Solehe Befunde sind selten. Sie finden sich bei einzelne
Marsupialia, Insectivora und Edentata.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 177
Die bei Homo vorkommenden Varietäten des Flexor tibialis
können sich in solehen des Ursprungs oder der Insertion äußern.
Vor allem sind zu nennen:
1. Accessorische Ursprungsbündel vom Tibialis postieus, von der
Fibula, von der Fascie des Unterschenkels, vom Ligamentum
interosseum, vom äußeren Condylus femoris und dem Liga-
mentum genu collaterale fibulare.
. 2. In bezug auf die Insertion zeigt der Muskel Varietäten, die
mit zu den bekanntesten gehören, in allen Lehrbüchern der
Anatomie nachzulesen sind und den Austausch der Sehnen
zwischen Flexor tibialis und fibularis betreffen. Über die Be-
ziehungen von Flexor tibialis und fibularis haben F. E. ScHuLTze,
TURNER, CHUDZINSKI, MACALISTER, LE DOUBLE und andre ge-
arbeitet.
Die Folgerungen sind im allgemeinen die, daß der Flexor
fibularis gewöhnlich außer seiner Hallux-Sehne eine zweite
Sehne abgibt, die mit der des Flexor tibialis in Konnex tritt
und sich an der Bildung von perforierenden Sehnen beteiligt.
Die Art und Stärke der Beteiligung ist jedoch eine wechselnde
und kaum bei zwei Individuen gleich. Meist werden Fasern
zur Sehne für die zweite und dritte, manchmal auch die vierte
Zehe zugesellt. Nach GEGENBAUR (1899) erhält die fünfte Zehe
niemals eine Sehne von dem Flexor fibularis; Le DougLe er-
wähnt aber auch solche Fälle.
3. werden Varietäten erwähnt, wonach die zweite Zehe von einem
selbständigen Bündel des Flexor tibialis versorgt wird; ebenso
wurde ein selbständiger Muskel zur fünften Zehe beobachtet.
Die sub 1 und 2 erwähnten Varietäten sind zum Teil als ata-
vistische zu betrachten.
Die accessorischen Ursprünge sind als normal bei Säugetieren
häufig.
Den Ursprung vom äußeren Femurcondylus und dem Ligamen-
m genu collaterale fibulare habe ich jedoch in der Tierreihe nicht
beobachtet.
j Der Austausch von Sehnen zwischen Flexor tibialis und fibu-
laris erinnert an Verhältnisse bei den Prosimiae und den meisten
miae. Bei Orang und Schimpanse haben sich dagegen die Sehnen
on Flexor tibialis und fibularis vollständig voneinander emanzipiert.
ehe unter »Beziehungen zwischen Flexor tibialis und Flexor
Morpholog. Jahrbuch. 41. 12
Tsd
Pe
178 Erna Glaesmer
fibularis« und »Phylogenetische Entwicklung des Flexor tibialis und
Flexor fibularis«.)
Die dritte Varietät, das Selbständigwerden eines Bündels des
Flexor tibialis, ist wohl als eine progressive Varietät aufzufassen,
ähnlich, wie auch an der Hand zum Beispiel der Extensor digiti
minimi durch ein Selbständigwerden eines Bündels des Extensor di-
gitorum eommunis entstanden sein dürfte.
Der Flexor fibularis.
Vorkommen und Fehlen des Muskels.
Ein Fehlen des Flexor fibularis habe ich bei den von mir unter-
suchten Säugetieren nicht beobachtet.
Ursprung.
Der Muskel entspringt innerhalb der Säugetierreihe hauptsäch-
lich von der Fibula; aber auch von der Tibia und der Membrana
interossea kann er Ursprungsfasern bekommen.
MicHAeuıs (1903) fand ihn bei einem Orang auch vom Epicon-
dylus lateralis femoris und vom Ligamentum accessorium entspringen.
Verlauf und Insertion.
Der Muskel geht in eine kräftige Sehne über, welche am medialen
Malleolus hinter der des Flexor tibialis verläuft, so daß, mit nur
wenig Ausnahmen, die topographische Lage der Sehnen dieselbe ist,
wie bei Homo.
Der Flexor fibularis ist in seiner Insertion insofern ein kon-
stanter Muskel, als er innerhalb der ganzen Säugetierreihe ein
Beuger der Endphalangen ist. Nur die Zahl der Zehen, die er ver-
sorgt, wechselt. Bei den niederen Säugetieren ist er der alleinige
Beuger der Endphalangen, erst bei den höheren Säugern wird 2
mehr oder weniger durch den Flexor tibialis ersetzt.
Die bei Homo beobachteten Varietäten beziehen sich haupil
sächlich auf die Insertion und die Beziehungen zwischen Flexor ti-
bialis und Flexor fibularis. (Näheres siehe unter »Flexor tibialise
und »Beziehungen zwischen Flexor tibialis und Flexor fibularis«.)
Beziehungen zwischen Flexor tibialis und Flexor
fibularis.
Bei den Monotremata, vielen Marsupialia, aber auch noch einige
Inseetivora und Edentata sind Flexor tibialis und fibularis zwei sel
ständige Muskeln, die miteinander in keinerlei Verbindung stehe
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 179
Ihre Wertigkeit ist eine ganz ungleiche. Der Flexor fibularis
ist ein kräftiger Muskel, dessen Sehne sich in der Planta in fünf,
zu den Endphalangen verlaufende Sehnen teilt. Der Flexor tibialis
ist bedeutend schwächer und inseriert in der Fascie des medialen
Fußrandes oder am tibialen Randknochen (Prähallux?) oder dem
Metatarsale oder der Grundphalanx des Hallux. Beide Sehnen ver-
laufen neben- und parallel zueinander, ohne sich zu vereinigen.
(Siehe Fig. 1 der schematischen Darstellung S. 180.)
Bei einzelnen Marsupialia und Edentata ist zu beobachten, daß
die Sehne des Flexor tibialis sich in zwei Teilsehnen spaltet, deren
eine ähnlich, wie soeben beschrieben, zu inserieren pflegt, während
die andre sich mit der Sehne des Flexor fibularis vereinigt. Beide
Sehnen liegen an ihrer Vereinigungsstelle in einer Ebene und verweben
ihre Fasern in diffuser Weise. Von einer Überkreuzung der Sehnen
ist keine Rede. (Siehe Fig. 2 der schematischen Darstellung S. 180.)
Bei einer weiteren Reihe von Tieren, so z. B. einigen Marsupia-
lia und Insectivora, besteht eine vollständige Vereinigung der Sehnen
des Flexor tibialis und fibularis. Beide Sehnen liegen auch hier in
einer Ebene. Die Verschmelzung der Sehnenfasern erfolgt ebenfalls
in diffuser Weise, von einer Überkreuzung der Sehnen ist nichts zu
sehen. (Siehe Fig. 3 der schematischen Darstellung S. 180.)
| Bei den Prosimiae und vielen Simiae sind die Verhältnisse
bedeutend komplizierter.
Auch hier treten die Sehnen der beiden Muskeln in innige Be-
ziehung zueinander. Es erfolgt aber nicht eine diffuse Verschmel-
zung der Sehnenfasern, sondern eine Aufteilung in Teilstränge, die
miteinander in Verbindung treten. Hierbei hat vor der Teilung die
Sehne des Flexor tibialis eine oberflächlichere Lage inne als die
des Flexor fibularis. Da überdies der Flexor tibialis im allgemeinen
die fibular gelegenen, der Flexor fibularis die tibial gelegenen Zehen
bevorzugt, so kommt es zu einer Überkreuzung der Sehnen. (Siehe
Fig. 4 der schematischen Darstellung S. 180.)
Die Zahl der Zehen, die von dem einen oder dem andern Muskel
versorgt wird, ist sehr wechselnd. Fig. 4 soll nicht etwa als Typus
für die Verteilung der Sehnen gelten, sondern soll vor allem die
Uberkreuzung und beginnende Emanzipation der Sehnen zeigen.
Bei Homo wird angegeben, das die Sehne des Flexor fibularis
hauptsächlich den Hallux, sodann aber in abnehmender Stärke die
2., 3. und 4. Zehe versorgt. Äußerst selten wird eine Sehne zur
5. Zehe abgegeben. Bei den Prosimiae und Simiae wird ebenfalls
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180 Erna Glaesmer
Zur Phylogenie des Flexor fibularis und tibialis.
Flexor tibialis. Ausbildung des
Flexor fibularis
und tibialis.
Reduktion des (TEnaNEBEE- : urn) Gleichwertige
Fig. 3.
Fig. 5.
Fl. tib
Fı. fi. |F1. to.
Verhalten der Sehnen:
Keine Partielle Totale Beginnende Totale
Verbindung. Verbindung Verbindung Lösung Lösung
und Ver- und Ver- und Über-- und Über-
schmelzung. schmelzung. kreuzung. kreuzung.
Das dargestellte Verhalten findet sich bei:
Didelphys cancr., Didelphys Didelphys cras- Prosimiae, Troglodytes
Dasypus hall,, marsup., sicaud., Pera- die meisten niger,
Phascolomys, Orycteropus meles obesula, Simiae, Simia satyrus
Trichosurus aeth. Sorex araneus. (diesem fehlt
vulp., Erinaceus Sehne 1).
europ., Talpa
europ., Manis,
Myrmecophaga
jub., Dasypus
sexc.,Chlamydo-
phorus trunc,,
Ornithorhyn-
chus, Echidna.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 181
der Hallux vorwiegend vom Flexor fibularis, die 5. Zehe vom Flexor
tibialis versorgt, für die mittleren Zehen besteht jedoch ein sehr
unregelmäßiges Verhalten.
Das bei Homo, den Prosimiae und den meisten Simiae be-
stehende Verhalten hat, wenn man so will, eine weitere Ausbildung
bei Orang und Schimpanse erfahren. Die Sehnen der beiden Muskeln
sind nämlich bei diesen Tieren völlig unabhängig voneinander ge-
worden. Auch hier erfolgt eine Überkreuzung der Sehnen. Der
Flexor tibialis verläuft dabei oberflächlich vom Flexor fibularis und
versorgt die 2. und 5., der Flexor fibularis beim Schimpanse die 1.,
3. und 4. Zehe, beim Orang, dessen Hallux keine Sehne bekommt,
nur die 3. und 4.
Phylogenetische Entwicklung des Flexor tibialis und
Flexor fibularis.
Bei Betrachtung der auf der schematischen Tafel S. 180 darge-
stellten Reihe erscheint esim ersten Augenblick nicht unwahrscheinlich,
daß Fig. 1 einen primitiven Zustand darstellt, von dem sich die
andern in direkter Linie herleiten. Aus zwei ursprünglich selb-
ständigen Muskeln (Fig. 1) wäre bei dieser Annahme durch ein ver-
mittelndes Stadium (Fig. 2) schließlich eine Vereinigung der Sehnen
des Flexor tibialis und fibularis erfolgt (Fig. 3), Wie aus dieser
Vereinigung die weitere Differenzierung (Fig. 4 und 5) zustande kam,
ist nur unschwer abzuleiten.
Eine solche monophyletische Auffassung halte ich jedoch für
sehr unwahrscheinlich.
Vielmehr bin ich geneigt, den unter Fig. 3 dargestellten Zu-
stand als den primitivsten aufzufassen und dementsprechend dann
eine Weiterentwicklung nach zwei Richtungen anzunehmen. Denn:
1. scheinen die auf dem Unterschenkel und Fuß gelegenen Mus-
keln überhaupt durch eine Längsspaltung einheitlicher Muskel-
massen und weniger durch Verschmelzung ursprünglich selb-
ständiger Muskeln zu entstehen;
2. habe ich bei einem niedrigen Wirbeltiere, ZLacerta ocellata,
ähnliche Verhältnisse vorgefunden, wie Fig. 3 sie zeigt. Der
Flexor perforans stellt sich als ein Doppelmuskel mit zwei
Sehnen dar, welche in der Planta zu einer einzigen ver-
schmelzen und die perforierenden, an den Endphalangen in-
serierenden Sehnen abgeben.
182 Erna Glaesmer
Von dem unter Fig. 3 dargestellten Befund dürften die andern
durch eine Ausbildung nach zwei verschiedenen Richtungen ent-
standen sein.
Es ist leicht verständlich, daß aus dem unter Fig. 3 dargestell-
ten Zustand, bei dem eine diffuse Vermischung und Verschmelzung
der Sehnenfasern besteht, nach und nach durch größere Inanspruch-
nahme bestimmter Zehen, Auslösung bestimmter Bewegungen, wie
Greifbewegungen usw., der unter Fig. 4 und 5 gezeigte sich ent-
wickelt. Jeder Muskel differenziert und ordnet sich seine Sehnen-
fasern mehr und mehr in der Richtung des Zuges. Daß das Re-
sultat dieser Differenzierung eine immer im Fortschreiten begriffene
Isolierung der Sehnen werden muß, kann keineswegs wundernehmen.
Auch die Überkreuzung der Sehnen ist leicht verständlich, wenn
man sich vorstellt, daß gerade dadurch der Zugkraft der beiden
Muskeln viel günstigere Angriffspunkte gewährt werden, als es bei
einem parallelen Verlauf der Sehnen der Fall wäre.
Bei Homo fehlt zuweilen (GEGENBAUR, 1899) jede Verbindung
zwischen den Sehnen der beiden Muskeln. Diese Varietät ist wohl
als eine progressive aufzufassen, die den Befunden bei Orang und
Schimpanse vollständig entspricht.
Auch in der andern Entwicklungsrichtung kommt es zu einer
Isolierung der Sehnen des Flexor tibialis und fibularis. Diese
zweite Richtung aber bezweckt eine mehr oder weniger weitgehende
Reduction des Flexor tibialis.
Aus dem unter Fig. 3 dargestellten Zustand entwickelt sich der
unter Fig. 2 dargestellte wohl dadurch, daß ein Teil der Sehne des
Flexor tibialis wandert. Ich fand ihn in den beiden von mir be-
schriebenen Fällen an der Fascie des medialen Fußrandes, in die
ein Sesambein, der Prähallux, eingelagert war, inserieren.
Bei andern Individuen endlich ist die Verbindung mit dem
Flexor fibuluris ganz und gar aufgegeben (Fig. 1). Der Flexor ti-
bialis inseriert für sich allein, bald am Metatarsale oder der Grund-
phalanx des Hallux, bald in der Faseie des medialen Fußrandes,
in die sehr häufig ein Sesambein oder -Knorpel eingelagert ist.
Mit der Frage, ob dieses Sesambein in allen Fällen dem »Prähallux«
der Säugetiere entspricht, konnte ich mich nicht eingehend beschäf-
tigen. Wahrscheinlich ist es ein Produkt der Sehne des Flexor
tibialis, ein tenontogener Sesamkörper, der mit einer rudimentären
Zehe gar nichts zu tun hat.
149
j
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 183
In bezug auf die Entwicklung des Flexor tibialis und fibularis
bin ich hiermit zu einer andern Auffassung gelangt als 1908.
Dort hielt ich es für möglich, daß die einzelnen, innerhalb der
Säugetierreihe zu beobachtenden Befunde in direkter Linie vonein-
ander abgeleitet werden könnten.
Interessant ist es, daß ebenso, wie in der Ausbildung des Plan-
taris, so auch in der des Flexor tibialis und fibularis die anthro-
poiden Affen im allgemeinen den Menschen überholt haben.
3. Der tiefe Kopf des Fiexor digitorum brevis.
Vorkommen und Fehlen des Muskels.
Der Muskel fehlt sehr häufig. Sein Fehlen ist als sekundäre
Rückbildung aufzufassen. Denn wie kaum ein Muskel, so hat dieser
den Charakter eines primitiven Muskels an sich.
Ursprung.
Immer hat der Muskel enge Beziehung zum Flexor fibularis,
von dessen Sehne er meist in der Planta entspringt. Zuweilen reicht
aber sein Ursprung höher, bis auf den Unterschenkelabschnitt der Sehne
‚ hinauf, ja in manchen Fällen verwächst sein Muskelbauch sogar mit
dem des Flexor fibularis, so daß man den Eindruck bekommt, als
würden perforierte und perforierende Sehnen von einem und dem-
selben Muskel abgegeben (z. B. bei Trichosurus vulpecula). Dieser
Befund legt den Gedanken nahe, den tiefen Kopf des Flexor digi-
torum brevis als einen Muskel aufzufassen, der bei den Vorfahren
der Säugetiere und den niederen Säugetieren eine einheitliche Muskel-
masse mit dem Flexor fibularis gebildet habe und bei den höheren
Säugetieren abwärts, bis in die Planta, gewandert sei. Dagegen
spricht jedoch die Innervation. Der Nerv verläuft nämlich in einem
Falle (Trichos. vulp.) vom Unterschenkel abwärts bis nahe an den
Caleaneus, macht hier einen scharfen Bogen und zieht wieder pro-
ximalwärts zurück zum tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis.
(Siehe auch Tafel VI, Fig. 5, GLAESMER 1908.) Dieses Verhalten
des Nerven spricht dafür, daß der Muskel erst sekundär auf den
Unterschenkel gewandert ist. Bei den höheren Säugern, besonders
den Prosimiae und Simiae, entspringt der Muskel vorwiegend von
der Sehne des Flexor tibialis statt fibularis. Dieses im ersten Mo-
ment frappierende Ändern des Ursprunges erklärt sich leicht, wenn
man sich vor Augen führt, wie die Überkreuzung der Sehnen des
184 Erna Glaesmer
Flexor tibialis und fibularis zustande gekommen ist. Durch die
Vereinigung der Sehnen (Fig. 3 schemat. Darst. S. 180) ist dem tiefen
Kopf Gelegenheit gegeben, auf die Sehne des Flexor tibialis über-
zugreifen. Die über das Niveau sich erhebende Sehne des Flexor
tibialis (Fig. 4 derselben Darst.) nimmt dann auch den tiefen Kopf
des Fl. digitorum brevis mit sich.
Verlauf und Insertion.
Der Muskel wird vom oberflächlichen Kopf des Flexor digi-
torum brevis, oder direkt von der Plantarfascie bzw. -Aponeurose be-
deckt und geht in eine bis vier Sehnen über, welche in der Regel
perforiert werden und an den Mittelphalangen inserieren. Bei ein-
zelnen Tieren, so den Monotremata, inserieren die Sehnen jedoch
an den Sehnenscheiden, welche die Sehnen des Flexor fibularis um-
hüllen. (Näheres siehe unter »Entstehung der Perforation«.)
Beziehungen zwischen dem oberflächlichen und dem tiefen
Kopf des Flexor digitorum brevis.
Der oberflächliche und der tiefe Kopf des Flexor digitorum bre-
vis stehen in einer Art von alternierendem Verhältnis zueinander.
Sie ersetzen einander vielfach ganz oder teilweise, d.h. wenn der
tiefe oder ein Teil des tiefen Kopfes fehlt, so wird er durch den
oberflächlichen oder einen Teil des oberflächlichen Kopfes ersetzt.
Es gibt aber außerdem Fälle, in denen eine oder die andre Zehe
zugleich vom oberflächlichen wie vom tiefen Kopf versorgt wird.
Alle gewonnenen Befunde möchte ich in zwei Gruppen teilen. Die
eine Gruppe umfaßt vereinzelte Typen, die in keinerlei Beziehung
zueinander gebracht werden können (Ornithorhynchus, Dasyurus,
Manis) und an erster Stelle besprochen werden sollen.
Bei Ornithorhynchus verläuft
Es & der oberflächliche Kopf zur Seh-
1 nenscheide der 4., der tiefe Kopf
ı\ zur Sehnenscheide der 2. und
“ 3. Zehe. Die beiden Muskeln lie-
\ gen ungefähr in derselben Ebene
nebeneinander, ohne sich, wie das
\ bei höheren Säugern der Fall ist,
’ zu überkreuzen. Bei Dasyurus
en 2e ER 5 hallucatus (siehe nebenstehende
schemat. Darstellung Fig. 1) ver-
t=tiefer, o = oberfl. Kopf. Das dargestellte 7 er : =
Verhältnis findet sich bei Dasyurus hall. u. Manis. läuft der oberflächliche Kopf zur
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 185
3. und 5., der tiefe zur 3., 4. und 5. Zehe. Die zur 3. und 5. Zehe
verlaufenden Sehnen der beiden Köpfe vereinigen sich je zu einer
gemeinsamen, welche perforiert wird und an der Mittelphalanx der
betreffenden Zehe inseriert. Bei Manis (siehe schematische Darstel-
lung S. 184, Fig. 2) verläuft der oberflächliche Kopf zu den Sehnen-
scheiden der 2., 3., 4. und 5. Zehe, der tiefe zur Sehnenscheide der
3. und 4., ohne daß die entsprechenden Sehnen des tiefen und ober-
flächlichen Kopfes miteinander in Verbindung treten.
Alle übrigen Befunde lassen sich in eine Reihe bringen, die
durch die schematische Darstellung S. 186 veranschaulicht wird.
Zwei Glieder dieser Reihe, die ich der Übersicht wegen mit einge-
führt habe, sind schwächer gezeichnet und mit Fragezeichen ver-
sehen. Für diese beiden Glieder habe ich keine Vertreter gefunden,
nach der Beschreibung BiscHorrs (1870) hätte das eine jedoch
einen Vertreter in seinem Hapale penicillatus.
Die reihenmäßige Anordnung der Einzelbefunde soll nicht etwa
einen genetischen Zusammenhang in dem Sinne bedeuten, als leite
sich jeder vom vorhergehenden ab und als wäre der an erster Stelle
gezeichnete der primitivste.
Da das erste Glied dieser Reihe durch das Fehlen des ober-
flächlichen Kopfes charakterisiert wird, widerspräche ja eine solche
Auffassung auch dem unter »Der Plantaris und der oberflächliche
Kopf des Flexor digitorum brevis« Ausgeführten, wonach das Vor-
handensein eines oberflächlichen Kopfes (siehe Fig. 4 der schema-
tischen Darstellung S. 167) einen primitiveren Zustand bedeutet als das
Fehlen desselben (Fig. 3 derselben Darstellung).
Vielmehr ist die als schematische Darstellung S. 186 gebrachte
Reihe nur eine nach Art und Zahl der Verteilung der Sehnen zu
den Zehen getroffene Anordnung, welche die Frage des genetischen
Zusammenhangs offen lassen soll.
Die erste Figur dieser Darstellung zeigt das vollständige Fehlen
des oberflächlichen Kopfes, bei der zweiten ist dieser Muskel als
schwaches Bündel vertreten, das sich mit einer Sehne des
tiefen Kopfes verbindet und mit ihr die perforierte Sehne der
zweiten Zehe bildet (von BıscHorr 1870 bei Hapale peneillatus
beschrieben).
In der dritten Figur ist der oberflächliche Kopf etwas stärker
und versorgt selbständig die 2. Zehe. Figur 4 zeigt den Muskel
noch kräftiger; er versorgt die 2. Zehe ganz, die 3. mit dem tiefen
Kopf gemeinsam. Jedes folgende Glied der Reihe veranschaulicht
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 187
ein weiteres Erstarken des oberflächlichen auf Kosten des tiefen
Kopfes.
Da sich die ersten Glieder der angeführten Reihe vorwiegend
bei niederen Säugetieren, die letzten mehr bei höheren finden, so
gewinnt man tatsächlich den Eindruck, als habe der oberflächliche
Kopf in aktiver Weise den tiefen verdrängt, indem er ihm immer
mehr und mehr seines Territoriums abgewann. Eine solche Auf-
fassung erscheint mir jedoch zweifelhaft, da eine Erklärung der
sprungweisen Wanderung des Muskels von einer Zehe auf die
andre Schwierigkeit macht. Viel eher bin ich geneigt, die verschie-
denen Befunde im großen und ganzen als Parallelbildungen auf-
zufassen.
Die außerhalb der Reihe stehende Gruppe, besonders Dasyurus
hallucatus und Manis, bei denen zwei Zehen in doppelter Weise,
nämlich vom oberflächlichen und vom tiefen Kopf versorgt werden,
läßt an die Möglichkeit denken, daß ursprünglich vielleicht alle
Zehen in doppelter Weise versorgt wurden und daß jene in zahlen-
gemäßer Reihe vorgeführten Befunde durch verschieden weit vor-
geschrittene Reductionsprozesse zu erklären sind.
| Aber auch diese Erklärung bietet bei näherer Überlegung große
+ Schwierigkeiten.
So möchte ich denn diese Frage, deren Beantwortung vielleicht
durch weitere und eingehendere Untersuchungen bei Prosimiae und
Simiae gelingen könnte, offen lassen.
Der Ersatz des tiefen Kopfes durch den oberflächlichen scheint
ein Prozeß zu sein, der sich mit einer gewissen Leichtigkeit ab-
spielt. Denn die, besonders bei den Simiae und Prosimiae ange-
gebenen Beziehungen zwischen oberflächlichem und tiefem Kopf sind
nicht etwa für die betreffende Tierart als absolut feststehende zu
betrachten. So habe ich z. B. an beiden Füßen eines und desselben
- Tieres des COynocephalus doguera (den ich aus diesem Grunde nicht
in der Reihe mit aufgezählt habe) ein verschiedenes Verhalten vor-
gefunden. Rechts verhielt sich {:o—=3:1, links wie 21/, : 11/, (siehe
das auf der schematischen Tafel angegebene Zahlenverhältnis).
Ebenso fanden R. Fıck (1895) und MicHaAeuıs (1903) beim Orang
Verhältnisse, die rechts und links wechselten.
Die bei Homo bestehenden Varietäten auf diesem Gebiete
sprechen ebenfalls in diesem Sinne. Die Varietät, t:0o = 1!/, : 21/,
habe ich in dem Wintersemester 1908/1909 auf dem Heidelberger
Präparierboden beobachtet, die Varietät 2:o—=1:3 gibt Tesrur als
188 Erna Glaesmer
häufige Varietät an, während ich die erstere in der Literatur
nieht angegeben finde. Ferner zeigen sehr nahe verwandte Species
ein verschiedenes Verhalten. HAylobates leueiscus hat z. B. nach
KoHLBrÜüGGE (1890) andre Verhältnisse als Aylobates syndactylus
und agilis, bei denen KOHLBRÜGGE dasselbe Verhalten beschreibt,
wie ich es bei Hylobates variegatus vorgefunden habe. BISCHOFF
beschreibt bei Hapale penicillatus ein Verhältnis, das t:0o —=3!/g : !/a
ist, während ich bei meinem Exemplar t:o—=21/,:1!/, gefunden
habe.
Anderseits verzeichnet BıscHorr (1870) beim Orang und Schim-
panse dieselben Befunde, wie ich sie auch bei diesen Tieren be-
schrieben habe.
Entstehung der Perforation.
Über das Zustandekommen der Perforation habe ich 1908 vor-
läufige Mitteilung gemacht. Entgegen andern Ansichten bin ich zu
dem Resultat gelangt, der Flexor digitorum brevis sei ursprünglich
ein Tensor der Sehnenscheiden des Flexor fibularis gewesen und
habe nach und nach aus der Sehnenscheide in der Richtung des
Zuges seine Sehne herausdifferenziert.
Neuerdings fand ich in Manis ein zwischen den Monotremata
und Mwyrmecophaga jubata vermittelndes Stadium, so daß sich
mir für die damalige Auffassung über die phylogenetische Ent-
stehung der Perforation eine neue Stütze bietet. Vier verschiedene
Stadien dieses Entwieklungsganges mögen durch die folgende sche-
matische Darstellung S. 189 veranschaulicht werden. Die Sehnen-
scheide ist dabei durchsichtig gedacht, gewissermaßen wie eine
Glasröhre. |
Fig. 1 zeigt ein Verhalten, das bei den Monotremata anzutreffen
ist. Die Sehne des Flexor digitorum brevis inseriert an der Sehnen-
scheide, mit deren Fasern sie sich innig verwebt.
Fig. 2 stellt die Verhältnisse bei Manis dar. In der Zugrich-
tung nehmen die Fasern innerhalb des Gewebes der Sehnenscheide
ein strafferes Gefüge an, ohne daß es jedoch vorerst zur Ausbildung
einer Sehne kommt. Deutlich ist das Auseinanderweichen der Fasern
nach zwei Richtungen zu sehen.
Fig. 3 zeigt ein Verhalten, das bei einigen andern Edentata an-
zutreffen ist. Aus der Sehnenscheide hat sich eine wohlgebildete
Sehne herausdifferenziert, welche sich gabelt, die tiefe Sehne um-
faßt und an deren Dorsalseite an der Mittelphalanx ansetzt. Es
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 189
besteht somit eine vollständig ausgebildete Perforation wie bei den
höchsten Säugetieren, nur mit dem Unterschied, daß die proximale
Partie der Perforatussehne innig mit der umgebenden Sehnenscheide
verwachsen ist.
Die Entstehung der Perforation
bei den Beugemuskeln des Fußes.
Schematische Darstellung.
a. Profunde Sehne. b. Vagina der profunden Sehne. c. Superficiale
Sehne, die an der Vagina inseriert und in der Innenwand derselben
verläuft.
Fig.1.
Monotremata. iS. Myrmecophaga Prosimiae,
jub., Oryctero- Simiae, Homo.
pus äthiop.
u. a.Edentaten.
Das dargestellte
Verhältnis findet
sich bei
| Fig. 4. Die Sehne des Flexor digitorum brevis macht sich von der
Sehnenscheide vollständig frei und es resultiert die bei Homo und
' den meisten Säugetieren bestehende Ausbildung der Perforation.
4. Der Tibialis posticus.
| Er zeigt innerhalb der Säugetierreihe ein ganz konstantes Ver-
halten und dürfte ein sehr alter Muskel sein, denn schon bei den
‚Reptilien besteht ein Muskel, der in Ursprung und Insertion dem
-
F4
190 Erna Glaesmer
Tibialis postieus der höheren Säuger vollkommen entspricht und
auch im allgemeinen als ein Tibialis posticus aufgefaßt zu werden
pflegt.
5. Der Quadratus plantae.
Vorkommen und Fehlen des Muskels.
Er fehlt sehr häufig. Zuweilen ist er zu einem sehnigen Strang
reduziert. Sein Fehlen, das besonders bei den Affen und Halbaffen
oftmals auffällt, aber auch bei den Marsupialia fast regelmäßig zu
beobachten ist, scheint auf einem Reductionsprozeß zu beruhen. Bei
den Monotremata ist der Muskel sehr gut und kräftig ausgebildet.
Ursprung.
Der Quadratus plantae entspringt innerhalb der Säugetierreihe
vom Tuber ealeanei. Einen Ursprung vom Unterschenkel habe ich
nur bei einzelnen Marsupialia beobachtet.
Bei Homo ist sehr häufig als Varietät der Ursprung des Qua-
dratus plantae vom Unterschenkel zu beobachten. GEGENBAUR hält
den Muskel für eine »herabgerückte Ursprungsportion eines auch
den Flexor longus hallueis (Flexor fibularis) mit begreifenden Flexor
digit. longus, die ihre Kontinuität mit der Unterschenkelportion ver-
lore.. Für diese Auffassung bietet sich mir bei meinen Unter-
suchungen kein Anhaltspunkt. Die Herkunft des Quadratus plantae
ist mir ebenso wie die des tiefen Kopfes des Flexor digitorum brevis
unaufgeklärt geblieben. Es ist wahrscheinlich, daß sie von der tiefen,
d. h. der unterhalb des N. tibialis gelegenen Muskelgruppe stammen.
Verlauf und Insertion.
Der Qu. plantae inseriert meist muskulös, seltener zum Teil
sehnig an der Sehne des Flexor fibularis oder Flexor tibialis.
Bei Myrmecophaga jubata (Taf. II, Fig. 5 u. Taf. III, Fig. 6 u. 7)
geht ein Teil des Muskels in eine Sehne über, welche mit der für
die erste Zehe bestimmten Sehne des Flexor fibularis verschmilzt.
Die übrige Muskelmasse inseriert fleischig an den für die zweite
und dritte Zehe bestimmten Sehnen des Flexor fibularis. Sie geht
zum Teil direkt in den für die vierte Zehe bestimmten Lumbricalis über.
Einen ähnlichen Übergang des Quadratus plantae in die fibularen
zwei Lumbrieales habe ich am linken Fuß eines neugeborenen
Kindes beobachtet. Am rechten Fuß waren die Muskeln wie ge-
wöhnlich völlig unabhängig voneinander. Auch bei erwachsenen
y
«
vs
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 191
Leichen hatte ich im vergangenen Winter im Verlauf der Präparier-
übungen öfters Gelegenheit, den Übergang von Fasern des Quadratus
plantae in einen oder den andern Lumbricalis zu beobachten.
Es ist sehr leicht möglich, daß dies eine atavistische Varietät
ist, die von einer ursprünglichen Zusammengehörigkeit der Muskeln
zeugt. Eine solche Zusammengehörigkeit besteht z. B. nach DoBsoN
bei einzelnen Potamogalidae. (Siehe Quadratus plantae unter der
Zusammenfassung der Befunde bei Insectivora. Spez. Teil.)
6. Die Lumbricales.
Sie verhalten sich bei den Säugetieren vielfach wie bei Homo.
Verhältnismäßig häufig trifft man jedoch eine Verdoppelung der
Muskeln, die dann an den einander zugekehrten Seiten der Zehen
inserieren.
Spezieller Teil.
I. Marsupialia.
1. Perameles obesula.
A. Muskeln.
a. Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
repräsentiert durch den medialen und lateralen Gastroenemius sowie
den Plantaris.
«) Der mediale Gastroenemius
entspringt mit kurzer, breiter Sehne oberhalb des medialen Condylus
femoris. Er bedeckt vollständig alle auf der medialen Seite des
Unterschenkels gelegenen tiefen Flexoren. Von seinem Ursprunge
verläuft er schräg ab- und medialwärts, wird etwas oberhalb der
Mitte des Unterschenkels sehnig und vereinigt sich bald darauf mit
‚der Sehne des lateralen Gastroenemius. Die gemeinsame Sehne
‚inseriert an der Hinterseite des Tuber caleanei, wobei eine Über-
kreuzung der Sehnenfasern stattfindet. Dabei verlaufen die Sehnen-
‚ fasern des medialen Gastroenemius oberflächlich und inserieren lateral,
‚ die des lateralen medial an dem Tuber calcanei. Es ist dies eine
‚ Überkreuzung, auf die Parsons (1894) besonders aufmerksam ge-
‚ macht hat und die bei den Säugetieren fast konstant anzutreffen ist.
ß) Der laterale Gastroenemius
ist mit dem Plantaris, den er vollständig bedeckt, am Ursprunge
192 Erna Glaesmer
innig verwachsen. Die Grenze zwischen beiden Muskeln aber ist
deutlich durch den Nerven für den lateralen Gastroenemius bezeichnet.
Der laterale Gastroenemius entspringt muskulös oberhalb des late-
ralen Condylus femoris vom Femurschaft, ferner vom Ligamentum
genu collaterale fibulare, von der fibularen Circumferenz der Patella,
vom Capitulum der Fibula, sowie mit einigen Fasern von der Fascie
der Streckseite. Etwas oberhalb der Mitte des Unterschenkels wird
der Muskel sehnig und vereinigt sich etwa in der Mitte desselben
mit der Sehne des medialen Gastrocnemius, mit dem er gemeinsam
an der Hinterseite des Tuber calcanei inseriert.
Die vom Fibulaköpfehen und der Fascie der Streckseite ent-
springenden Fasern zeigen gegenüber den andern eine gewisse Selb-
ständigkeit. Eine kurze Strecke lang bilden sie sogar eine eigene
Sehne. Wie ich es schon bei Didelphys canerivora, Dasyurus hallu-
catus und Trichosurus vulpecula getan habe, so fasse ich auch hier
diese vom Capitulum der Fibula und der Fascie der Streckseite her-
kommenden Muskelfasern des lateralen Gastrocnemius als die ersten
Anfänge eines Soleus auf.
y) Der Soleus
fehlt als selbständiger Muskel. Die ersten Anfänge seiner Anlage
aber werden wahrscheinlich durch jene Muskelfasern des lateralen
Gastroenemius repräsentiert, welche vom Capitulum der Fibula und
von der Fascie der Streckseite entspringen.
0) Der Plantaris
ist an seinem Ursprunge mit dem lateralen Gastroenemius innig ver-
wachsen. Die Grenze zwischen beiden Muskeln wird aber durch
den Nervenast für den lateralen Gastroenemius deutlich bezeichnet.
Mit dem lateralen Gastrocnemius entspringt der Plantaris oberhalb
des lateralen Condylus vom Femurschaft. Er wird etwas unterhalb
der Mitte des Unterschenkels sehnig und bleibt bis nahe an das
Tuber calcanei von den beiden vereinigten Gastroenemii bedeckt.
Nahe am Tuber aber taucht die Sehne am medialen Rande der
Gastroenemiussehne an die Oberfläche und legt sich auf dem Tuber
selbst über die Insertionsstelle der vorigen, die auf diese Weise von
der Plantarissehne zugedeckt wird. In ihrer Lage auf dem Tuber
wird die Plantarissehne durch Faserzüge festgehalten, welche von
ihr nach den beiden Malleolen ziehen. Die Sehne setzt sich sodann
als kräftige Aponeurose in die Planta fort und strahlt in einen
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 193
kräftigen medialen, zur starkentwickelten 4. Zehe verlaufenden und
einen schwächeren lateralen Strang zurd. Zehe aus. Diese Stränge
endigen zum größten Teil in den Sehnenscheiden der 4. und 5. Zehe,
sie inserieren aber auch mit einigen Fasern an der Haut.
e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
b. Tiefe Muskelgruppe.
Die tiefe, unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
repräsentiert durch den Popliteus, Flexor tibialis, Flexor fibularis
und den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis.
«) Der Popliteus
entspringt muskulös vom Capitulum fibulae, eng an die fibularen
Fasern des lateralen Gastroenemius angeschlossen, ferner mit wenigen
Fasern vom Ligamentum genu collaterale fibulare. Die Muskelfasern
verlaufen schwach divergierend medialwärts und setzen an der
medialen Tibiakante an, wobei sie eine kleine Strecke derselben
unterhalb des Kniegelenks freilassen.
ß) Der Flexor tibialis
ist an seinem Ursprunge mit dem Flexor fibularis innig verwachsen.
Er entspringt muskulös hauptsächlich von der hinteren Fläche der
Tibia, bis nahe an deren Malleolus herab, ferner von der Membrana
interossea. Fibularwärts gehen seine Fasern in die des Flexor fibu-
laris über. Am unteren Drittel des Unterschenkels wird der Muskel
zu einer Sehne, welche sich von der des Flexor fibularis deut-
lich isoliert und von ihr zum größten Teile bedeckt wird. Die Sehne
zieht so hinter dem tibialen Malleolus in die Planta, in deren
proximalem Drittel sie sich vollständig mit der Sehne des Flexor
fibularis vereinigt. Dabei verlaufen die Sehnenfasern des Flexor
tibialis oberflächlich und vorwiegend fibularwärts.
y) Der Flexor fibularis
ist ungefähr ebenso stark wie der Flexor tibialis, jedenfalls nicht,
wie das gewöhnlich zu sein pflegt, stärker.
Er entspringt nahezu von der ganzen Hinterseite der Fibula,
vom Capitulum abwärts bis nahe an den fibularen Malleolus, ferner
von der Membrana interossea. Medialwärts ist er an den oberen
zwei Dritteln des Unterschenkels innig mit dem Flexor tibialis ver-
"wachsen, so daß seine Fasern unmittelbar in die des Flexor tibialis
£ Morpholog. Jahrbuch. 41. 13
194 Erna Glaesmer }
überzugehen scheinen. Die am unteren Drittel des Unterschenkels
entstehende Sehne isoliert sich von der des Flexor tibialis und ver-
läuft hinter dem tibialen Malleolus oberflächkicher und etwas hinter
der Sehne des Flexor tibialis, die sie zum größten Teile deckt. Im
proximalen Drittel der Planta vereinigt sie sich mit der Sehne des
Flexor tibialis, wobei die Sehnenfasern des Flexor tibialis oberfläch-
lich und vorwiegend fibularwärts, die des Flexor fibularis tiefer und
vorwiegend tibialwärts verlaufen.
Inmitten der Planta teilt sich die so entstandene Sehnenplatte
in vier Einzelsehnen. Eine besonders kräftige Sehne verläuft zur
Endphalanx der sehr stark entwickelten 4. Zehe, eine etwas schwächere
zur schwächeren 5. Zehe. Zwei dünne Sehnen verteilen sich an die
Endphalangen je einer der durch Syndactylie verschmolzenen 2. und
3. Zehe.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
wird durch vier Einzelmuskelchen, die in der Planta von der Sehne
des Flexor fibularis entspringen, repräsentiert. An ihrem Ursprunge
sind sie miteinander verwachsen. Von diesen Muskelchen verläuft
eines zur d. Zehe, ein zweites zu den durch Syndactylie verschmolzenen
Zehen, zwei verlaufen zur 4. Zehe. In seiner Funktion wird der
tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis vom Plantaris unterstützt,
weshalb die Insertionsverhältnisse beider Muskeln an dieser Stelle
gemeinsame Besprechung finden mögen.
Zur 5. Zehe entsendet sowohl der Plantaris als auch der tiefe
Kopf des Flexor digitorum brevis je eine Sehne. Die Sehne des
Plantaris scheint, von der Oberfläche gesehen, diffus in der Sehnen-
scheide aufzugehen. In Wirklichkeit aber bleibt sie auch innerhalb
der Sehnenscheide als Sehne erhalten, spaltet sich hier in zwei
Zipfel, welche die tiefe Sehne umgreifen, sich dorsal von ihr wieder
vereinigen und an der 2. Phalanx inserieren. Die dünne Sehne des
tiefen Kopfes des Flexor digitorum brevis legt sich medial an die
Sehnenscheide an, verwächst aber weder mit dieser, noch tritt sie
mit den innerhalb der Sehnenscheide verlaufenden Sehnen in irgend
eine Beziehung, sondern inseriert ganz selbständig an der 2. Phalanx.
Sie hat also mit der Perforation gar nichts zu schaffen.
An die 4. Zehe entsendet der Plantaris eine, der tiefe Kopf des
Flexor digitorum brevis 2 Sehnen. Die Sehne des Plantaris ver-
einigt sich mit der lateralen der beiden letzteren und bildet mit ihr
_ die perforierte Sehne der 4. Zehe. Das Verhalten ist dabei dasselbe,
;
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 195
wie es soeben für die 5. Zehe beschrieben worden ist. Die mediale
dieser beiden für die 4. Zehe bestimmten Sehnen des Flexor digi-
torum brevis profundus inseriert selbständig an der 2. Phalanx
außerhalb der Sehnenscheide. Sie hat also nichts mit der Perfo-
ration zu schaffen. Zur 3. Zehe, die mit der 2. durch Syndactylie
verschmolzen ist, geht nur eine Sehne des tiefen Kopfes des Flexor
digitorum brevis, keine vom Plantaris. Die Sehne verliert sich diffus
in der Sehnenscheide. Von einer Perforation habe ich weder an
dieser noch an der 2. Zehe etwas bemerkt. Jede der beiden Zehen
hat zwar eine eigene Sehnenscheide.e Im Innern derselben aber
gleitet nur die Sehne des Flexor fibularis.
&) Der Tibialis posticus
fehlt.
£) Der Quadratus plantae
fehlt.
| n) Die Lumbricales
fehlen.
B. Innervation.
Der N. tibialis bildet bei Perameles obesula, im Gegensatz zu
den andern, 1908 von mir untersuchten Marsupialia, längs des
ganzen Unterschenkels einen einheitlichen Strang, der sich erst in
Höhe des tibialen Malleolus in den N. plantaris lateralis und den
N. plantaris medialis teilt.
Die Abgabe der Muskeläste des N. tibialis geschieht in folgender
Reihenfolge:
Zuerst wird der Ast für den medialen Gastroenemius abgegeben.
Dieser Nerv zweigt sich schon in der Mitte des Oberschenkels vom
N. tibialis ab. Etwas tiefer geht lateralwärts ein zweiter Ast ab,
der sich zwischen Plantaris und Gastroenemius lateralis einbohrt, um
den letzteren zu versorgen. Der dritte Ast geht dicht oberhalb des
Kniegelenks ab und verläuft zum Plantaris.
Fast in derselben Höhe geht ein vierter Ast ab, der sich an
die tiefe Muskelgruppe verzweigt. Der zu höchst entspringende
Zweig dieses Astes verläuft zum Popliteus, der nächste in der Tiefe
zwischen dem Flexor tibialis und Flexor fibularis auf der Membrana
interossea, wo er zu endigen scheint; ein dritter Zweig versorgt den
Flexor tibialis, ein letzter gibt erst ein Ästehen an den Flexor fibularis
ab und verläuft dann, ziemlich oberflächlich zwischen Flexor tibialis
und fibularis, abwärts, wobei er sich an diese beiden Muskeln verästelt.
13*
ar
196 Erna Glaesmer
In Höhe des tibialen Malleolus teilt sich der N. tibialis in den
N. plantaris lateralis und den N. plantaris medialis.
Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis wird vom N. plan-
taris medialis versorgt. Der innervierende Ast geht etwa in der
Mitte der Planta von seinem Hauptnery ab. Vom N. plantaris late-
ralis habe ich zum tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis keinen
Ast beobachtet.
2. Phascolomys.
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
durch den medialen, den lateralen Gastrocnemius und den Plantaris
repräsentiert.
«) Der mediale Gastroenemius
entspringt muskulös vom medialen Epicondylus femoris. Etwa in
der Mitte des Unterschenkels wird der Muskel sehnig und vereinigt
sich mit der Sehne des lateralen Gastrocnemius, worauf beide mit
einer gemeinschaftlichen Sehne an der Hinterseite des Tuber calcanei
inserieren.
P) Der laterale Gastroenemius
entspringt muskulös vom lateralen Epicondylus femoris, mit einem
Teil seiner Fasern aber auch vom Ligamentum genu collaterale
fibulare, sowie dem Capitulum der Fibula.
Wie bei Perameles obesula und den übrigen von mir unter-
suchten Marsupialia, so fasse ich auch hier diese vom Capitulum der
Fibula entspringenden Muskelfasern als die ersten Anfänge eines
nach und nach bei höheren Tieren erstarkenden Soleus auf.
y) Der Soleus
fehlt. Die ersten Anfänge werden aber wahrscheinlich durch jene
Muskelfasern des lateralen Gastrocnemius repräsentiert, welche vom
Capitulum der Fibula entspringen.
ö) Der Plantaris
wird an seinem Ursprunge vom lateralen Gastroenemius vollständig
bedeekt. Er entspringt wie dieser vom lateralen Epieondylus femoris.
Der Muskel und seine etwa inmitten des Unterschenkels entstehende
Sehne bleibt bis nahe an das Tuber ealecanei von den beiden Ga-
stroenemii bedeckt. Nahe am Tuber aber tritt die Sehne des Plan-
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 197
taris an die mediale Seite der Gastroenemius-Sehne, legt sich im
weiteren Verlaufe auf sie und deckt so ihre Insertionsstelle am Tuber
vollständig zu. Vom Tuber, an das sie sich mit ihren Randpartien
festheftet, verläuft die Sehne in die Planta, wo sie sich in einzelnen
aponeurotischen Strängen zu den Sehnenscheiden und zur Haut er-
schöpft.
e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird durch
den Flexor tibialis, Flexor fibularis, den tiefen Kopf des Flexor
digitorum brevis und einen Lumbricalis repräsentiert.
«) Der Popliteus
war als soleher an dem Präparat nicht zu erkennen. Ich muß des-
halb die Frage offen lassen, ob ein solcher besteht oder nicht.
ß) Der Flexor tibialis
entspringt von den oberen zwei Dritteln der Hinterseite der Tibia.
Eine fibularwärts gelegene Portion des Muskels ist mit dem Flexor
fibularis innig verwachsen und entspringt mit diesem gemeinsam.
Am unteren Drittel des Unterschenkels isoliert sich der Flexor tibialis
‚ vollständig von dem Flexor fibularis und geht in seine Sehne über.
ı Diese verläuft in einer Rinne hinter dem tibialen Malleolus, vor der
Sehne des Flexor fibularis, betritt dann die Planta, wo sie ein kräftiges
Sesambein eingelagert hat, und inseriert schließlich an der proxi-
malen Phalanx des Hallux. Der Ursprung, die Lage und das in
die Sehne eingelagerte Sesambein dienen in diesem Falle, trotz der
bei den Marsupialia ungewöhnlichen Insertion, als Erkennungszeichen
für den Muskel.
y) Der Flexor fibularis
ist ein kräftig entwickelter Muskel, der tibialwärts innig mit dem
Flexor tibialis verwachsen ist.
An den unteren zwei Dritteln des Unterschenkels wird er vom
‚ tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis bedeckt, der eine kurze
‚ Strecke weit untrennbar mit dem Flexor fibularis verwachsen ist.
‚ Der Flexor fibularis entspringt vom Capitulum der Fibula, von der
ganzen Hinterseite des Fibularschaftes, sowie von der Membrana in-
terossea. Seine kräftige Sehne verläuft hinter dem tibialen Malleolus
198 Erna Glaesmer
in die Planta und teilt sich hier in vier Sehnen, welche die Sehnen
des tiefen Kopfes des Flexor digitorum brevis durchbohren und an
den Endphalangen der vier fibularen Zehen’ inserieren. Der Hallux
bekommt seine Sehne vom Flexor tibialis.
0) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
ist an seinem Ursprunge vollständig mit dem Flexor fibularis ver-
wachsen, mit dem er gemeinsam vom Schafte der Fibula und der
Membrana interossea entspringt. Am unteren Drittel des Unter-
schenkels isoliert sich der Muskel und bildet eine eigene Sehne,
welche in der Planta in vier Teilsehnen übergeht. Jede derselben
wird von je einer des Flexor fibularis perforiert und inseriert an
den Mittelphalangen der fibularen vier Zehen.
&) Der Tibialis posticus
fehlt.
£) Der Quadratus plantae
fehlt.
n) Lumbricales.
Ich habe nur einen beobachtet, der aus dem Winkel zwischen
den für die 4. und 5. Zehe bestimmten Sehnen des Fl. fib. ent-
sprang und an der tibialen Seite der 5. Zehe inserierte.
B. Innervation.
Der N. tibialis gibt als ersten Ast den zum medialen Gastro-
cnemius ab. Als zweiter folgt ein Ast, der sich an den lateralen
Gastroenemius und den Plantaris verteilt.
Der dritte Ast ist sehr stark. Er gibt einen Zweig zur fibu-
laren Ursprungsportion des lateralen Gastroenemius, einen zweiten
stärkeren zum Flexor tibialis und Flexor fibularis ab.
Ein vierter Ast gibt einen Zweig zur Haut des Calcaneus, so-
wie zwei weitere Zweige zu den unteren Partien des Flexor fibu-
laris und zum tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis ab.
Der N. tibialis selbst teilt sich in Höhe der Malleolen in den N. plan-
taris lateralis und medialis, die uns hier nicht weiter interessieren.
3. Didelphys marsupialis.
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
durch den medialen und lateralen Gastroenemius, sowie den Plan-
taris repräsentiert.
|
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 199
«) Der mediale Gastrocnemius
entspringt muskulös vom medialen Epicondylus femoris. Seine etwa
in der Mitte des Unterschenkels entstehende Sehne vereinigt sich
in Malleolenhöhe mit der Sehne des lateralen Gastroenemius und
inseriert mit dieser gemeinsam an der Hinterseite des Tuber cal-
canei.
£) Der laterale Gastroenemius
entspringt gemeinsam mit dem Plantaris vom Epicondylus lateralis
femoris, vom Ligamentum genu collaterale fibulare, vom Capitulum
der Fibula und der Fascie der Streckseite.e. Wie bei den andern
von mir untersuchten Marsupialia, so fasse ich auch hier die vom
Capitulum der Fibula und der Fascie der Streckseite entspringen-
den Fasern als die ersten Anfänge eines bei höheren Tieren nach
und nach erstarkenden Soleus auf. Die Sehne des lateralen Gastro-
enemius vereinigt sich in Malleolenhöhe mit der des medialen Gastro-
enemius und inseriert mit ihr gemeinsam am Tuber calcanei.
y) Der Soleus
fehlt. Die ersten Anfänge aber werden wahrscheinlich durch jene
“Muskelfasern repräsentiert, welche vom Capitulum der Fibula und
der Fascie der Extensorenseite entspringen.
0) Der Plantaris
entspringt mit dem lateralen Gastroenemius gemeinsam, von dem er
bedeckt wird, vom Epicondylus lateralis femoris. Seine etwa in der
Mitte des Unterschenkels entstehende Sehne verhält sich in ihrem
Verlaufe wie bei Perameles obesula und Phascolomys. In der Planta
geht sie in die Plantarfaseie über, welche an den Sehnenscheiden
und der Haut inseriert. Innerhalb der Sehnenscheiden sind beson-
ders hervortretende Züge der Plantarisfasern nicht zu beobachten.
. e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird durch
den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis, den tiefen Kopf
des Flexor digitorum brevis, den Tibialis posticus, Quadratus plantae
und durch sechs Lumbricales repräsentiert.
200 Erna Glaesmer
«) der Popliteus
wie bei Perameles obesula.
ß) Der Flexor tibialis
verhält sich in bezug auf Ursprung wie bei Perameles obesula.
Seine Sehne aber teilt sich in der Planta in zwei Teilsehnen, von
denen eine am tibialen Randknochen inseriert, während die zweite
sich mit der Sehne des Flexor fibularis vereinigt.
y) Der Flexor fibularis
verhält sich in bezug auf seinen Ursprung etwa wie bei Perameles
obesula. Seine Sehne aber vereinigt sich in der Planta mit einer
Teilsehne des Flexor tibialis. Die so entstandene gemeinsame Sehne
teilt sich in fünf Einzelsehnen, welche an den Endphalangen der
Zehen inserieren.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
setzt sich aus zwei Portionen zusammen.
Eine entspringt vom Unterschenkel, gemeinsam mit der Muskel-
masse des Flexor fibularis, mit der sie innig verwachsen ist. Eine
zweite entspringt von der Sehnenplatte, die durch Vereinigung der
Sehne des Flexor fibularis mit einer Teilsehne des Flexor tibialis
entstanden ist.
Je ein Bündel der ersten Portion vereinigt sich mit je einem
der zweiten. Die daraus hervorgehenden Sehnen inserieren an den
Mittelphalangen der 3., 4. und 5. Zehe.
Zur 2. Zehe geht eine Sehne, die einem nur von der Sehnen-
platte entspringenden Muskelbündel entstammt.
&) Der Tibialis postieus
verhält sieh wie bei Perameles obesula.
£) Der Quadratus plantae,
der hier, im auffallenden Gegensatz zu den übrigen von mir unter-
suchten Marsupialia, vorhanden ist, entspringt vom Calcaneus sowie
von den untersten Partien der Fibula. Er inseriert an der Sehnen-
platte des Flexor fibularis.
n) Lumbricales
sind sieben vorhanden. Sie entspringen aus den Winkeln, welche
die Sehnen des Flexor fibularis bilden. Je zwei inserieren an den
einander zugekehrten Seiten der 5., 4., 3. und 2. Zehe. Einer, der
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 201
aus dem Winkel der beiden für den Hallux und die 2. Zehe be-
stimmten Sehnen entspringt, inseriert an der tibialen Seite der 2. Zehe.
Die vier an den tibialen Seiten der Zehen inserierenden gehen in
die Dorsalaponeurose der Zehen über, die fibularen drei inserieren
an den Sehnen des tiefen Kopfes des Flexor digitorum brevis.
B. Innervation
ähnlich wie bei Didelphys canerivora (vgl. GLAESMER 1908).
4, Didelphys crassicaudata.
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
durch den medialen und lateralen Gastrocnemius, sowie den Plan-
taris repräsentiert.
«) der mediale Gastrocnemius
wie bei Didelphys marsupialıs.
p) der laterale Gastroenemius
wie bei Didelphys marsupialis.
y) Der Soleus
wie bei Didelphys marsupialıs.
| 0) Der Plantaris
wie bei Didelphys marsupialıs.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird durch
den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis, den tiefen Kopf
des Flexor digitorum brevis, den Tibialis posticus, Quadratus plantae
und vier Lumbricales repräsentiert.
«) Der Popliteus
wie bei Didelphys marsupialıs.
£) Der Flexor tibialis. |
Die Sehne teilt sich nicht wie bei Didelphys marsupialis in zwei
"Teilsehnen, sondern vereinigt sich vollständig mit der Sehne des
Flexor fibularis.
202 Erna Glaesmer
y) Der Flexor fibularis.
Seine Sehne vereinigt sich mit der ganzen Sehne des Flexor
tibialis und teilt sich nach dieser Vereinigung in fünf Einzelsehnen,
welche an den Endphalangen der Zehen inserieren.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
hat ebenso wie bei Didelphys marsupialis zwei verschieden hoch
entspringende Portionen, die aber beide noch von der Sehnenplatte
des Flexor fibularis kommen und nicht wie bei Didelphys marsu-
pialis bis auf den Muskelbauch des Flexor fibularis hinaufreichen.
Im übrigen verhält sich der Muskel ähnlich wie bei Didelphys mar-
supialıs.
e) Der Tibialis postieus
wie bei Didelphys marsupialıs.
£) Der Quadratus plantae
wie bei Didelphys marsupialis.
n) Lumbricales
sind vier vorhanden. Sie entspringen aus den vier Winkeln, welche
von den fünf dem Flexor tibialis und fibularis entstammenden Sehnen
gebildet werden. Sie inserieren an den tibialen Seiten der 2., 3.,
4. und 5. Zehe und gehen in die Dorsalaponeurose dieser Zehen
über.
B. Innervation
wie bei Didelphys marsupialıs.
5. Dasyurus maculatus (?)!.
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
durch den medialen und lateralen Gastroenemius, den Plantaris und
den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis repräsentiert.
«) Der mediale Gastroenemius
wie bei Dasyurus hallucatus (vgl. GLAESMER 1908).
ß) Der laterale Gastroenemius
wie bei Dasyurus hallucatus.
ı Der Erhaltungszustand des Tieres war nicht mehr so gut, daß es sich“
mit aller Sicherheit bestimmen ließ.
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 203
y) Der Soleus
fehlt.
0) Der Plantaris
verhält sich ähnlich wie bei Dasyurus hallucatus. Seine Sehne setzt
sich in die Plantarfascie fort und teilt sich als solche in mehrere
Stränge, von denen einzelne mit den Sehnen des Flexor digitorum
brevis in Verbindung treten.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt von der Unter- d. h. Dorsalseite der Plantarfaseie. Seine
Muskelmasse vereinigt sich mit der des tiefen Kopfes und gibt mit
diesem zusammen die perforierten Sehnen für die Zehen ab.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird durch
den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis, den tiefen Kopf
des Flexor digitorum brevyis, den Tibialis posticus und sieben Lum-
brieales repräsentiert.
«) Der Popliteus
wie bei Dasyurus hallucatus.
ß) Der Flexor tibialis
verhält sich in bezug auf Ursprung und Verlauf wie bei Dasyurus
halluweatus. In der Planta aber geht die Sehne in die Plantarfaseie
des medialen Fußrandes und des reduzierten Hallux über.
y) Der Flexor fibularis
wie bei Dasyurus hallucatus. Seine Sehne teilt sich in vier Einzel-
sehnen, welche an den Endphalangen der Zehen inserieren.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt von der Plantarfläche der Sehne des Flexor fibularis.
Seine Muskelmasse vereinigt sich mit der des oberflächlichen Kopfes
und gibt mit letzterem gemeinsam die perforierten Sehnen ab.
> &) Der Tibialis posticus
wie bei Dasyurus hallucatus.
£) Der Quadratus plantae
fehlt.
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 205
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206 Erna Glaesmer
n) Lumbricales
sind sieben vorhanden. Ursprung wie bei Didelphys marsupials.
Vier treten von den tibialen Seiten der 5., 4., 3. und 2. Zehe, drei
von der fibularen Seite der 4., 3. und 2. Zehe in die Dorsalaponeu-
rose über.
B. Innervation
ähnlich wie bei Dasyurus hallucatus.
6. Zusammenfassung.
Von den sieben von MAx Weser (1904) angegebenen Familien
der Marsupialia habe ich insgesamt fünf untersucht, und zwar von
jeder dieser Familien einen oder mehrere Vertreter. Um die Varia-
bilität der Verhältnisse besser zeigen zu können, gebe ich S. 204 u. 205
eine tabellarische Übersicht, wobei ich die, viel Gemeinsames und
Konstantes darbietenden Muskeln, den medialen und lateralen Gastro-
enemius, den Soleus, Popliteus, Tibialis posticus, Quadratus plantae
und die Lumbricales jedoch nicht berücksichtige.
Das Hauptaugenmerk lege ich bei dieser tabellarischen Über-
sicht auf die Insertionsverhältnisse und die Beziehung der Muskeln
zueinander. Ferner konnte ich nicht umhin, auch Lebensweise und
Gangart der Tiere zu berücksichtigen, da mir die Funktion der Ex-
tremitäten für die Ableitung allgemeiner Gesichtspunkte von großem
Werte erschien.
Aus alledem lassen sich folgende für die Marsupialia im all-
gemeinen gültigen Sätze ableiten:
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
ce) und £) Der mediale und der laterale Gastroenemius
entspringen jeweils vom medialen und lateralen Epicondylus femoris,
der laterale Gastrocnemius meist mit dem Plantaris gemeinsam auch
noch häufig vom lateralen Meniscus und dem Ligamentum genu
collaterale fibulare. In der Regel repräsentiert jeder der beiden
Muskeln bis dicht an das Tuber calcanei ein selbständiges Muskel-
individuum. Es kommen aber auch Fälle vor, wo beide Muskeln
kurz nach ihrem Ursprunge sich verbinden, oder aber ihre Sehnen
sich schon Mitte des Unterschenkels zu einer gemeinsamen Sehne
vereinigen. Die Insertion erfolgt an der Hinterseite des Tuber cal- 5
canei, wobei in der Regel zu beobachten ist, daß die Sehnenfasern
}
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des Gastroenemius medialis oberflächlich und lateralwärts, die des A
lateralen Gastroenemius medialwärts verlaufen und ansetzen.
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|
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 207
y) Der Soleus
fehlt. Ich habe in keinem einzigen Falle diesen Muskel vorgefun-
den. Der laterale Gastrocnemius besitzt aber Muskelfasern, die von
dem Capitulum der Fibula, oft auch noch von der Fascie der Streck-
seite herkommen. Diese Muskelfasern sind oft von der übrigen
Muskelmasse auffallend isoliert, in einem Fall gingen sie sogar in
eine eigene Sehne über, ohne daß dies aber so ausgesprochen ge-
wesen wäre, um von einem selbständigen Muskel sprechen zu können.
Diese von dem Capitulum der Fibula und der Fascie der Streck-
seite entspringenden Muskelfasern halte ich für die ersten Spuren
eines in der Entstehung begriffenen Soleus. Einen eignen, dieses
Muskelbündel allein versorgenden Nerven habe ich nirgends be-
obachtet.
0) Der Plantaris
entspringt gemeinsam mit dem lateralen Gastroenemius, von dem er
am Ursprunge zugedeckt wird, vom lateralen Epicondylus femoris,
manchmal auch vom lateralen Meniscus und dem Ligamentum genu
ceollaterale fibulare. Seine Sehne wird an der oberen Hälfte des
Unterschenkels von den Sehnen der beiden Gastroenemii bedeckt, ge-
winnt aber im weiteren Verlaufe eine immer mehr und mehr ober-
flächliche Lage, tritt erst an die mediale Seite der Gastrocnemius-
Sehnen (bzw. -Sehne falls eine Vereinigung schon erfolgt ist), dann
auf sie und verläuft, die Insertionsstelle der Gastroenemii vollstän-
dig deckend, über das Tuber calcanei in die Planta. Hier setzt sie
sich in eine Plantarfascie oder Plantaraponeurose fort, die besonders
an den Fußrändern stark entwickelt zu sein pflegt und oft in der
Gegend des Naviculare einen Sesamknorpel oder -Knochen enthält.
Die Insertion dieser Plantarfaseie kann nun eine zweifache sein.
Ihre Sehnenfasern inserieren in einer Reihe von Fällen an der Haut
und an den Sehnenscheiden, wobei sie, man könnte im Gegensatz
zu dem nachher zu besprechenden Verhalten sagen, spurlos an diesen
Insertionsstellen in das übrige Gewebe einbezogen werden, d.h. ihr
Gewebe geht so vollständig in dem Gewebe der Insertionsstelle auf,
daß es nicht weiter zu verfolgen ist.
In einer zweiten Reihe von Fällen kommen neben solchen so-
eben beschriebenen Faserzügen deutlich differenzierte Sehnen vor,
welche ebenfalls an die Sehnenscheiden herantreten, hier aber nicht
spurlos verschwinden, sondern im Gegenteil innerhalb der Sehnen-
scheiden weiter verlaufen, sich in zwei Zipfel spalten und von der
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Y
208 Erna Glaesmer
jeweiligen Sehne des Flexor perforans perforiert werden. Zuweilen
gibt der Plantaris eine Sehne ab, die sich mit einer des Flexor di-
gitorum brevis zu einer perforierten vereinigt.
Nirgends fand ich aber einen Plantaris, der, wie bei den Eden-
taten gelegentlich, sämtliche perforierten Sehnen abgibt.
Von der Unterseite d. h. Dorsalseite der Plantarfascie entspringt
in einzelnen Fällen der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum
brevis.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
soll gemeinsam mit dem tiefen Kopf Besprechung finden.
b) Tiefe Muskelgruppe.
«) Der Popliteus
entspringt bei den meisten Marsupialia nur vom Capitulum der
Fibula, bei einigen fanden sich aber noch außerdem Ursprungs-
portionen vom Ligamentum genu collaterale fibulare und vom late-
ralen Meniscus. Einen rein femoralen Ursprung habe ich nicht be-
obachtet.
ß) Der Flexor tibialis
gehört, ebenso wie der Plantaris, zu den sehr variablen Muskeln.
Er entspringt nicht nur von der Tibia, sondern oft auch noch von
der Fibula und der Membrana interossea.
In bezug auf seine Insertion kann man zweckmäßig drei Gruppen
unterscheiden:
1. Die Sehne des Flexor tibialis breitet sich, sobald sie unter-
halb des medialen Malleolus in die Planta getreten ist, immer
mehr und mehr aus und bedeckt so den medialen Fußrand
mit einer eignen Fascie. Sie kann aber auch in andern Fällen
als Sehne bestehen bleiben und an der Grundphalanx des
Hallux, in andern Fällen am rudimentären Hallux inserieren.
Charakteristisch für alle diese Fälle ist, daß die Sehne des
Flexor tibialis isoliert am medialen Fußrande inseriert und
keine Beziehung zum Flexor fibularis erkennen läßt. I
2. In einer Reihe von Fällen vereinigt sich die Sehne des
Flexor tibialis mit der Sehne des Flexor fibularis, im
Prinzip also dieselbe Erscheinung wie bei Homo, wo dureh
gegenseitigen Austausch von Sehnenfasern die Sehnen dieser
beiden Muskeln ebenfalls in Verbindung treten. Der Unter
schied wird aber bei Betrachtung der schematischen Dar-
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 209
stellung S. 209, auf welcher Fig. 2 etwa die Verhältnisse bei
Homo, Fig. 1 bei jenen Marsupialia darstellt, bei welchen
diese Vereinigung der Sehnen erfolgt, sofort klar.
Bei Homo erfolgt eine ausgesprochene Überkreuzung der
Sehnen von Flexor tibialis und Flexor fibularis, wobei die
Sehne des Flexor tibialis oberflächlich liegt.
Bei den Marsupialia ist eine Niveaudifferenz in der Lage
der beiden Sehnen nicht zu be-
merken, demnach kann auch von Fig. 1. Fig. 2.
keiner eigentlichen Überkreuzung
der Sehnen die Rede sein. Die
beiden Sehnen legen sich viel-
mehr mit ihren benachbarten
Rändern aneinander und verwe-
ben in diffuser Weise ihre Sehnen-
fasern, so daß ohne weiteres gar
nicht ersichtlich ist, zu welchen
Ziehen die SehnenfaserndesFlexor
tibialis, zu welchen die des Flexor
fibularis verlaufen. Bei näherem
Zusehen ist allerdings doch zu
erkennen, daß der Flexor tibialis
hauptsächlich Fasern zum Hallux und den benachbarten zwei
Zehen abgibt, der Flexor fibularis died. und 4. Zehe allein zu
versorgen scheint, aber auch Fasern zu der 3., 2. und 1. schickt.
In diesem Verhalten ergibt sich wieder ein Gegensatz
zu Homo, wo die Verschmelzung der Sehnenfasern nicht in so
diffuser Weise erfolgt. Sehr häufig teilt sich bei Hono jede der
Sehnen in zwei Teilsehnen, von denen je eine stärker bleibt
und ihrer Hauptbestimmung zustrebt, während die zweite,
dünnere zum je andern Muskel überläuft. So versorgt der
Flexor fibularis hauptsächlich die große Zehe — dies ist seine
Hauptfunktion —, er schiekt aber eine zweite dünnere Sehne
zum Flexor tibialis, mit dessen Sehnenfasern er hauptsächlich
zur 2. und 3., aber auch zur 4. Zehe verläuft. Der Flexor
tibialis versorgt hauptsächlich die 5., 4, 3. und 2. Zehe —
dies ist seine Hauptfunktion —, er schickt aber auch eine zweite
dünnere Sehne zur Hauptsehne des Flexor fibularis und beugt
mit dieser die große Zehe.
Der Flexor tibialis ist also bei Homo im Vergleich zum
Morpholog. Jahrbuch, 41. 14
210 Erna Glaesmer
Flexor fibularis stärker als bei den Marsupialia und versorgt
hauptsächlich die lateralen Zehen, bei den Marsupialia die
medialen Zehen.
3. Die dritte Reihe von Fällen umfaßt Übergangszustände zwi-
schen den beiden soeben angeführten. Die Sehne des Flexor
tibialis teilt sich nämlich in zwei Sehnen. Eine dieser beiden
inseriert nach Art der sub 1 beschriebenen Fälle am tibialen
Randknochen oder am Metatarsale des Hallux, tritt also in
keinerlei Beziehung zum Flexor fibularis. Die zweite vereinigt
sich nach Art der sub 2 beschriebenen Fälle mit der Sehne
des Flexor fibularis. Diese Übergangszustände sind mir ganz
besonders wertvoll und interessant, weil sie eine Brücke für
die beiden erstangeführten Befunde bilden, eine Brücke, ohne
welche ein Beweis für die Homologie dieses so verschieden
sich verhaltenden Flexor tibialis sonst wohl kaum zu er-
bringen wäre.
y) Der Flexor fibularis
ist bei allen Marsupialia ein mächtiger Muskel, meist drei- bis vier-
mal stärker als der Flexor tibialis. Er entspringt hauptsächlich von
der Hinterseite der Fibula und der Membrana interossea.
In der Planta bildet er eine mächtige Sehne, welche entweder
selbständig die vier bis fünf Sehnen zu den Endphalangen der Zehen
abgibt, oder aber sich mit einem Teil oder der ganzen Sehne des
Flexor tibialis vereinigt, um mit diesem gemeinsam die an den End-
phalangen der Zehen inserierenden Sehnen abzugeben. (Näheres
Verhalten der Sehnenfasern siehe unter £) Flexor tibialis.)
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
findet hier aus Zweckmäßigkeitsgründen mit dem oberflächlichen
gemeinsame Besprechung: Der ganze Flexor digitorum brevis zeigt
in seiner Zusammensetzung ein recht variables Verhalten.
In manchen Fällen besteht er aus beiden Ursprungsportionen,
dem oberflächlichen und dem tiefen Kopf. In andern Fällen fehlt
der oberflächliche Kopf. Ein Fehlen des tiefen habe ich bei den
von mir untersuchten Marsupialia jedoch nieht beobachtet, es ist
aber wohl möglich, daß auch solche Fälle existieren. j
Der oberflächliche Kopf entspringt von der Unter- d.h. Dorsal-
seite der Plantarfaseie, der tiefe von dem Plantarabschnitt der Sehne
des Flexor fibularis, er kann aber auch vom Unterschenkelabschnit
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 211
dieser Sehne, ja sogar noch höher, von dem Muskelbauch des Flexor
fibularis entspringen.
Jeder der beiden Muskelköpfe gibt Sehnen ab, welche von den
Sehnen des Flexor perforans (der sich aus Flexor tibialis und fibu-
laris zusammensetzen kann, oder nur durch den Flexor fibularis
dargestellt wird) perforiert werden. Zuweilen verbindet sich eine
oder die andre Sehne des oberflächlichen Kopfes mit einer des tiefen,
und beide gemeinsam bilden eine perforierte Sehne. Der oberfläch-
liche Kopf bevorzugt mit seiner Versorgung im allgemeinen die
medialen, der tiefe Kopf die lateralen Zehen.
Wenn der oberflächliche Kopf fehlt, dann gibt in der Regel
der tiefe alle perforierten Sehnen ab. Es gibt aber auch Fälle, wo
sich an der Absendung von perforierten Sehnen auch der Plantaris
beteiligt, so daß die verschiedensten Kombinationen möglich sind:
1. Der tiefe Kopf gibt sämtliche perforierten Sehnen ab.
2. Einzelne perforierte Sehnen gibt der tiefe, andre der ober-
flächliche Kopf ab.
3. Einzelne perforierte Sehnen gibt der tiefe, andre der ober-
flächliche Kopf ab, eine wird gemeinsam vom oberflächlichen
und tiefen gebildet.
4. Einzelne perforierte Sehnen gibt der tiefe Kopf ab, andre
werden gemeinsam vom tiefen Kopf und vom Plantaris ge-
bildet.
5. Tiefer, oberflächlicher Kopf und Plantaris beteiligen sich an
der Bildung von perforierten Sehnen.
Sieherlich würde man bei Untersuchung noch weiterer Marsu-
pialia noch mehr Kombinationen vorfinden.
&) Der Tibialis posticus
ist ein Muskel, der innerhalb der ganzen Tierreihe wenig oder gar
keine Abwechslung darbietet. Er entspringt bei den Marsupialia von
der Fibula, vielfach auch von der Membrana interossea und der
Fascie des Popliteus und inseriert am Navieulare, bzw. Cuneiforme I.
Manchmal fehlt er.
£) Der Quadratus plantae.
In meiner Arbeit »Untersuchung über die'Flexorengruppe am Unter-
schenkel und Fuß der Säugetiere« (1908) habe ich diesen Muskel mit
CunxıneHaum (1882) als bei allen Marsupialia fehlend verzeichnet.
Bei meinen neuen Untersuchungen habe ich aber diesen Muskel bei
14*
919 Erna Glaesmer
einzelnen Marsupialia vorgefunden. Er entsprang in diesem Falle
nicht von dem Calcaneus, sondern unterhalb der größten Vortreibung
des fibularen Malleolus von der Fibula.
n) Die Lumbricales
sind entweder einfach oder verdoppelt (d. h. sieben an Zahl).
Sie entspringen aus den Winkeln, die von den Einzelsehnen des
Flexor perforans (der sich aus Flexor tibialis und fibularis zusam-
mensetzt oder nur durch den Flexor fibularis dargestellt wird) ge-
bildet werden. Wenn nur vier Lumbricales vorhanden sind, so in-
serieren sie meist an der Dorsalaponeurose der Zehen, an die sie
von der tibialen Seite herantreten. Wenn sie aber doppelt vertreten
sind, dann fand ich in einem Fall nur die vier an die tibiale Seite
der vier lateralen Zehen herantretenden Lumbricales in die Dorsal-
aponeurose fortgesetzt, die fibularen drei setzten sich in die Sehnen
des Flexor digitorum brevis fort, in einem andern Fall inserierten
alle sieben in der Dorsalaponeurose, in einem dritten Fall fand ich
sie zu beiden Seiten der Flexorenscheide inserieren, ohne Beziehung
zur Dorsalaponeurose.
7. Vergleichend anatomische Bemerkungen.
Bei Vergleich der Muskelbefunde bei den Marsupialia mit denen
der Monotremen ergibt sich, daß die Beugemuskeln des Fußes
bei den Marsupialia im allgemeinen auf einer höheren Stufe
stehen.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
c) und %) Der mediale und laterale Gastroenemius.
Der mediale Gastroenemius zeigt in bezug auf seinen Ursprung
bei den Marsupialia dieselben Verhältnisse wie bei den Monotremen.
Der laterale Gastrocenemius aber zeigt bei den Marsupialia schon
das Bestreben, seinen Ursprung auf das Femur zu verlegen, wäh-
rend er bei den Monotremen einen rein fibularen Ursprung hat.
Die Beziehungen der beiden Muskeln zueinander sind dieselben wie
bei den Monotremen. Es gibt Fälle, wo die Muskeln bis zu ihrer
Insertion getrennt und selbständig bleiben neben solehen, wo eine
Vereinigung der Sehnen schon Mitte des Unterschenkels erfolgt.
y) Der Soleus. N
Ebenso wie bei den Monotremen fehlt der Soleus auch bei de
Marsupialia. Während aber bei den Monotremen noch keine Sp
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 213
eines solchen bemerkbar ist, zeigen sich bei den Marsupialia schon
die ersten Anfänge in Muskelfasern, die dem lateralen Gastroenemius
ı gegenüber eine gewisse Selbständigkeit aufweisen.
| 0) Der Plantaris,
der bei den Monotremen fehlt, ist bei den Marsupialia ein wohl-
ausgebildeter Muskel, der in die Plantarfascie übergeht.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
weist bei den Marsupialia wesentliche Fortschritte auf. Die Sehnen
gehen bei den Monotremen in die Sehnenscheiden über, ohne daß
innerhalb derselben ein Weiterverlauf bemerkbar wäre. Bei den
Marsupialia besteht in der Regel schon eine deutliche Perforation.
Ein Unterschied besteht ferner in der Versorgung der Zehen.
Bei den Monotremen bevorzugt der oberflächliche Kopf die lateralen
Zehen, bei den Marsupialia die medialen (ähnlich wie bei den Si-
miaden). Aus diesem Grunde verlaufen oberflächlicher und tiefer
Kopf des Flexor digitorum brevis bei den Monotremen nebenein-
ander, denn der vom lateral gelegenen Calcaneus entspringende
Kopf bleibt auch lateral, der von der medial davon gelegenen
Flexor-fibularis-Sehne entspringende Kopf bleibt medial. Die beiden
Köpfe haben es also nicht nötig, sich zu überkreuzen.
Bei jenen Marsupialia, bei welchen beide Köpfe entwickelt sind,
verläuft aber der von der lateral gelegenen Plantarissehne ent-
springende Kopf medialwärts, der von der medial gelegenen
Flexor-fibularis-Sehne entspringende Kopf lateralwärts. Durch diese
Überkreuzung muß notwendig der eine Kopf oberflächlich, der andre
tiefer zu liegen kommen.
b) Tiefe Muskelgruppe.
«) Der Popliteus
zeigt bei den Marsupialia schon das Bestreben, seinen Ursprung auf
das Femur zu verlegen, während er bei den —— einen rein
fibularen Ursprung hat.
ß) Der Flexor tibialis
steht bei einigen Marsupialia auf derselben Entwicklungsstufe wie
bei den Monotremen. Bei andern aber hat er eine primitivere
Entwicklungsstufe beibehalten, bei jenen nämlich, wo eine Ver-
einigung seiner Sehne mit der des Flexor fibularis erfolgt. Dabei
214 Erna Glaesmer
bevorzugt aber die Sehne des Flexor tibialis die medialen, die des
Flexor tibularis die lateralen Zehen. Aus diesem Grunde verlaufen
die Sehnenfasern des Flexor tibialis bei diesen Marsupialia in einer
Ebene, nebeneinander. Die beiden Sehnen haben es also nicht
nötig sich zu überkreuzen.
Anders bei Homo, wo der medial gelegene Flexor tibialis vor-
zugsweise laterale, der lateral gelegene Flexor fibularis me-
diale Zehen versorgt. Hier muß eine Überkreuzung und damit
die oberflächliche Lage des einen, die tiefe des andern zustande
kommen.
y) Der Flexor fibularis
ist bei den Monotremen wie bei den Marsupialia ein sehr kräftiger
Muskel. Während er aber bei den Monotremen der alleinige und
ausschließliche Beuger der Endphalangen ist, kommen bei den Mar-
supialia neben diesen Entwicklungsstufen noch ursprünglichere
vor. Es sind dies jene Fälle, bei welchen sich die Sehne des Flexor
fibularis mit der des Flexor tibialis zum Teil oder ganz vereinigt
und sich mit dieser in die Versorgung der Endphalangen teilt. (Siehe
auch »Der Flexor tibialis.«)
0) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
steht, ebenso wie der oberflächliche, bei den Marsupialia insofern
auf einer höheren Stufe, als meistens eine deutliche Perforation zu-
stande kommt, während bei den Monotremen die Muskelsehnen in
die Sehnenscheiden übergehen, ohne daß sie innerhalb der Sehnen-
scheiden weiter zu verfolgen wären. Über die Versorgung der Zehen
siehe »Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis.«
e) Der Tibialis postieus
verhält sich bei den Marsupialia ebenso wie bei den Monotremen.
£) Der Quadratus plantae,
der bei den Monotremen sehr kräftig ausgebildet ist und vom Cal-
caneus entspringt, fehlt bei den Marsupialia fast durchweg. In ein-
zelnen Fällen, in denen ich ihn bei den Marsupialia vorgefunden
habe, entsprang er aber nicht vom Caleaneus, sondern von der Fibula.
n) Die Lumbricales
fehlen bei den Monotremen, sind bei den Marsupialia aber immer
vorhanden. In manchen Fällen sind sie verdoppelt. £
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 215
Il. Insectivora.
1. Erinaceus europaeus (Taf. II, Fig. 1).
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
vertreten durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den
Soleus, den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor digi-
torum brevis.
a) Der mediale Gastroenemius
entspringt muskulös vom medialen Epicondylus femoris. Aus dem
Muskelbauch geht eine schlanke Sehne hervor, welche sich etwa in
der Mitte des Unterschenkels mit den bereits vereinigten Sehnen von
lateralem Gastroenemius und Soleus vereinigt. Diese durch Ver-
bindung der drei Muskeln entstandene Achillessehne deckt die Plan-
tarissehne zu, tritt dann an deren laterale Seite, wird aber im
weiteren Verlaufe von ihr bedeckt und inseriert so an der Hinter-
seite des Tuber ealcanei.
ß) Der laterale Gastrocnemius
entspringt gemeinsam mit dem Plantaris, den er, ebenso wie den
größten Teil des Soleus zudeckt, vom lateralen Epieondylus femoris.
Er vereinigt sich zuerst mit dem Soleus, dann auch noch mit dem
medialen Gastroenemius. Die so entstandene Achillessehne inseriert,
von der Plantarissehne bedeckt, an der Hinterseite des Tuber cal-
canei. Auch bei Erinaceus ist zu beobachten, daß die Sehnenfasern
des medialen Gastroenemius oberflächlich verlaufen und lateral, die
des lateralen medial am Tuber caleanei inserieren (Parsons 1894).
y) Der Soleus
entspringt vom Capitulum und dem oberen lateralen Viertel der Fibula
und wird zum größten Teile vom lateralen Gastroenemius bedeckt.
Seine Sehne verbindet sich mit dem lateralen Gastroenemius, der sich
seinerseits mit dem medialen Gastroenemius vereinigt. Die gemein-
same Sehne dieser drei Muskeln ist die an der Hinterseite des Tuber
ealcanei inserierende Achillessehne.
0) Der Plantaris
entspringt mit dem lateralen Gastroenemius, von dem er bedeckt
216 Erna Glaesmer
wird, vom lateralen Epicondylus femoris. Mit seinem lateralen Rande
legt er sich dicht an den Soleus an und deckt einen Teil des Flexor
fibularis. Seine Sehne liegt am unteren Drittel des Unterschenkels
unter der Achillessehne, verläuft dann eine kurze Strecke medial
von ihr und deckt sie endlich, allmählich breiter und breiter werdend,
über dem Tuber calcanei vollständig zu. In ihrer Lage auf dem
Tuber wird sie durch Sehnenzüge festgehalten, welche von der Sehne
aus nach beiden Malleolen ziehen.
Vom Tuber aus tritt die Sehne in die Planta, wo sie unmittel-
bar in den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis über-
geht, so daß Plantaris und oberflächlicher Kopf ähnlich dem M.
digastrieus bei Homo den Eindruck eines zweibäuchigen Muskels
machen, dessen distaler Bauch von einer starken Fascie bedeckt wird.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
geht zum größten Teile unmittelbar aus der Plantarissehne hervor
(siehe »Der Plantaris«). Ein kleiner Teil des Muskels aber entspringt
von der Plantarseite jenes ersten Teiles selbst und zwar hauptsäch-
lich von seiner Muskelfascie. Es sind dies Muskelfasern, die vor
wiegend für die 5. Zehe bestimmt sind. Der ganze so zusammen-
gesetzte oberflächliche Kopf geht in vier Sehnen über, welche je in
eine Sehnenscheide der vier lateralen Zehen übergehen. Wenn man
diese Sehnenscheide der Länge nach spaltet, so sieht man die Sehne
innerhalb der Sehnenscheide weiterverlaufen.. Von ihrer Unter-
d. h. Dorsalseite sieht man einen dieken sehnigen Ring dorsalwärts
um die Sehne des Flexor fibularis ziehen und sich an die Grund-
phalanx anheften. Von der Dorsalseite dieses Ringes aber gehen
zwei Sehnen aus, welche konvergierend distalwärts laufen, sich ver-
einigen und an der Mittelphalanx ansetzen. Die Sehne des ober-
flächlichen Kopfes vor dem Ring, der sehnige Ring und die An-
fangspartien der zwei daraus hervorgehenden Sehnen sind mit der
Sehnenscheide verwachsen. Mitten durch den sehnigen Ring zieht
die Sehne des Flexor fibularis. Die proximal vom sehnigen Ring
liegende Partie des oberflächlichen Kopfes liegt plantar, die beiden
aus dem Sehnenring hervorgehenden Sehnen liegen dorsal von ihr,
Es ist ohne weiteres klar, daß es sich auch hier um eine »Per-
foration« der Sehnen des Flexor digitorum brevis durch die des
Flexor fibularis handelt. Auffallend aber ist, daß die Sehne des
Flexor perforatus mit der Sehnenscheide verwachsen ist.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 217
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
repräsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis
und den Tibialis posticus.
«) Der Popliteus
entspringt mit kurzer, gedrungener Sehne aus einer Vertiefung der
lateralen Fläche des lateralen Femurcondylus. Er breitet sich fächer-
' förmig aus und inseriert an der Hinterseite der Tibia, besonders der
_ medialen Kante: An dieser läßt er die oberste Partie frei, inseriert
aber abwärts bis zur Hälfte des Unterschenkels.
ß) Der Flexor tibialis
war in einem Falle ein zweiköpfiger Muskel, dessen lateraler Kopf
mit dem Soleus vom Fibulaköpfchen, dessen medialer von der hinteren
Seite der Tibia, dicht unterhalb des Gelenkes entsprang.
Bei einem zweiten Exemplar, das ich wegen dieses Muskels
untersuchte, hat der Flexor tibialis nur einen von der Tibia ent-
‚springenden Kopf. Die schlanke Sehne des Flexor tibialis verläuft
hinter dem medialen Malleolus, wo sie von den von der Plantaris-
sehne zum Malleolus ziehenden Sehnenfasern festgehalten wird, in
die Planta. Oberhalb des Malleolus kreuzt sie die Sehne des Tibialis
posticus, indem sie oberflächlich über diese hinweg nach hinten zieht,
so daß am medialen Malleolus die Sehne des Flexor tibialis, wie
bei Homo, hinter der Sehne des Tibialis posticus verläuft.
In der Planta verwebt sich die Sehne des Flexor tibialis innig
mit der Sehnenscheide der Halluxsehne. Ihre Sehnenfasern bleiben
aber im Gewebe der Sehnenscheide bis zur Endphalanx durch die
ausgesprochene Längsstreifung sichtbar. Ein Sesambein fand ich
nicht eingelagert.
y) Der Flexor fibularis
ist der stärkste aller Unterschenkelbeuger. Er wird zum Teil von
Soleus und Flexor tibialis bedeekt und entspringt von den oberen
zwei Dritteln des Fibulaschafts, von der Membrana interossea und
dem oberen Drittel der Tibia, soweit dieses vom Popliteus freige-
geben wird.
Die starke Sehne verläuft am medialen Malleolus hinter der
Sehne des Flexor tibialis. In der Planta teilt sie sich in fünf Sehnen,
218 Erna Glaesmer
die zu den Endphalangen der fünf Zehen verlaufen. Jede Sehne
gleitet innerhalb der Sehnenscheide in dem dort befindlichen dicken
Sehnenring. (Näheres siehe unter » Der oberflächliche Kopf des Flexor
digitorum brevis.«)
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
&) Der Tibialis posticus
ist ein sehr schwacher Muskel. Er wird in dem einen Falle, wo ein
lateraler Kopf des Flexor tibialis besteht, vollständig von diesem
bedeckt. Er entspringt vom Capitulum der Fibula. Die zarte Sehne
bleibt bis nahe an den medialen Malleolus von der Sehne des Flexor
tibialis bedeckt. Oberhalb des Malleolus aber, wo die Sehne des
Flexor tibialis sich nach hinten wendet, wird sie sichtbar. Am
Malleolus liegt sie vor der Sehne des Flexor tibialis. In der Planta
inseriert die Sehne mit divergierenden Fasern am Naviculare.
£) Der Quadratus plantae
fehlt.
n) Die Lumbrieales
fehlen.
B. Innervation.
Der N. tibialis gibt dicht oberhalb der Gelenkspalte des Knie-
gelenks zwei Äste in gleicher Höhe ab, einen lateralen und einen
medialen. Der mediale versorgt den medialen Gastroenemius.
Der laterale teilt sich in zwei Zweige, einen Muskelzweig für
den lateralen Gastroenemius und Soleus und einen Hautzweig, den
N. communicans tibialis. |
Am unteren Rande des Popliteus gibt der N. tibialis lateral-
wärts einen Ast an den Plantaris, medialwärts Äste an den Popli-
teus, Flexor tibialis und Tibialis posticus ab.
Noch weiter distal geht ein Ast ab, der zum Teil den Flexor
fibularis in mehreren Abständen versorgt, zum Teil einen Hautast
für den medialen Malleolus bildet. H
Etwas oberhalb des Calcaneus teilt sich der N. tibialis in den)
N. plantaris lateralis und plantaris medialis.
Der N. plantaris medialis gibt Äste an den oberflächlichen Kop
des Flexor digitorium brevis und mehrere Hautäste ab. So versor
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 219
er die Haut der Planta, sowie die der drei medialen Zehen und
den medialen Rand der vierten.
Der N. plantaris lateralis tritt unter den oberflächlichen Kopf
des Flexor digitorum brevis, verläuft dort an dessen lateralem Rand
entlang, wobei er dem lateralen Abschnitt des Muskels ein Ästchen
abgibt. Dann schickt er, außer Ästen für die tiefen Fußmuskeln, Haut-
äste für die fünfte, sowie den lateralen Rand der vierten Zehe ab.
Die Aufteilung des N. tibialis in mehrere Stränge, wie sie bei den
Monotremen und einigen Marsupialia beobachtet ist, besteht also bei
Erinaceus europaeus nicht.
Über die Muskulatur der Erinaceiden sind mir zwei Arbeiten be-
kannt geworden, Dogsons große Inseetivoren-Arbeit (1882—1883)
und eine Arbeit von Parsons (1897).
Dogsox hat in bezug auf die Erinaceiden im großen und ganzen
dieselben Befunde verzeichnet, wie soeben bei Erinaceus europaeus
beschrieben wurde. Ein Vergleich wird aber erschwert durch die
zum Teil verschiedene Benennung.
So unterscheidet DoBson, ebenso wie CuNNInGHAMm (1882) bei
Cuscus zwei Tibiales postiei, während ich den einen dieser beiden
als Flexor tibialis auffasse.
Den von mir als Flexor fibularis beschriebenen Muskel faßt er
als eine Vereinigung von Flexor tibialis und Flexor fibularis auf.
Diese Auffassung war für ihn die nächstliegende, um so mehr, als
der Muskel nach seiner Beschreibung in zwei isolierte Sehnen über-
geht, die sich oberhalb des Calcaneus zu einer einzigen vereinigen.
Dasselbe Verhalten des Flexor fibularis fand ich auch bei einem
aus Holland stammenden Erinaceus europaeus.
Diese streckenweise markierte Teilung legt natürlich die Ver-
mutung nahe, es handle sich hier um einen Flexor tibialis und
einen Flexor fibularis, die sich vereinigt haben.
Ich erinnere nur an Perameles obesula, wo ich einen ähnlichen
Befund genau so wie Dossox zu deuten gezwungen bin. Zwischen
den bei Perameles obesula und einigen Erinaceidae vorkommenden
Gesamtbefunden besteht jedoch ein großer Unterschied. Dort ist
kein einziger Muskel vorhanden, der irgendwie den Anspruch auf
die Dignität eines Flexor tibialis erheben könnte. Ja, auch der so
gut charakterisierte Tibialis posticus fehlt. Es bleibt also keine
andre Auffassung übrig, als höchstens die noch, auch den Flexor
tibialis als fehlend zu betrachten.
220 Erna Glaesmer |
r |
Bei Erinaceus hingegen existiert neben einem Tibialis postieus
ein zweiter Muskel, der genau das Verhalten zeigt, wie es bei
einigen Marsupialia besteht.
Ein Quadratus plantae war bei meinem Exemplar Erinaceus
nicht vorhanden. DoBsox beschreibt aber diesen Muskel bei andern
Erinaceus-Arten.
Ebenso hat Dogsox bei einem Exemplar einen Lumbricalis zur
3. Zehe gefunden. Es ist möglich, daß ich diesen — vielleicht
schwach entwickelten Muskel — übersehen habe. Bei den Inseecti-
voren scheint es ja allgemein mit den Lumbricales schlecht bestellt
zu 'sein.
Richtig entwickelte fand Dogson bei den verschiedensten Erina-
eeidae höchstens zwei, für die 3. und 4. Zehe.
In bezug auf den Flexor digitorum brevis (oberflächlicher Kopf)
ist es interessant, daß Dobson bei einigen Zrinaceus-Arten auch
Ursprungsfasern vom Caleaneus fand.
Parsons (1897) behandelt die mit den Erinaceidae verwandte
Gymnura Rafflesü, die auch ähnliche Befunde wie Erinaceus euro-
paeus darzubieten scheint.
Den unmittelbaren Übergang des Plantaris in den oberflächlichen
Kopf des Flexor digitorum brevis faßt Parsons ersichtlich als eine
sekundär erworbene Bildung auf, während ich ihn für einen primi-
tiven Zustand halte.
Über den Flexor tibialis bei Gymnura Rafflesüi sind PARsoNSs
und DoBson verschiedener Meinung.
Nach Dogsox inseriert der Muskel, den er Tibialis posticus in-
ternus nennt, in der Plantarfascie, während der Flexor fibularis alle
fünf Sehnen für die Endphalangen abgibt.
Nach PArsons, der dieselben Benennungen gebraucht wie ich,
verbindet sich die Sehne des Flexor tibialis mit der des Flexor
fibularis.
Parsons kennt die Arbeit Dogsons und scheint ihm die In-
sertion seines »Tibialis postieus internus« (Flexor tibialis PARSONs)
in der Plantarfaseie nicht recht zu glauben. r
Leider steht mir kein Exemplar Gymnura zur Verfügung. Ich
halte es aber ohne weiteres für möglich, daß beide Befunde richtig
sind. Habe ich doch bei zwei engverwandten Tieren, wie Didelphys
canerivora und Didelphys erassicaudata, in gleicher Weise diese beiden
Extreme vertreten gefunden. Es ist möglich, das PArsons und
u
in
|
}
)
|
|
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 221
Dogson nicht dieselbe Species Gymnura untersucht haben. Es ist
auch nicht ausgeschlossen, daß bei derselben Species Varianten vor-
kommen, besonders bei einem so inkonstanten und offenbar sprung-
weise sich entwickelnden Muskel, wie es der Flexor tibialis ist.
2. Talpa europaea (Tafel II, Fig. 2 u. 3).
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe ist ver-
treten durch den medialen, den lateralen Gastrocnemius und den
Plantaris.
«) Der mediale Gastroenemius
entspringt vom medialen Epicondylus femoris, wird am unteren
Drittel des Unterschenkels sehnig und verbindet sich dort mit der
Sehne des lateralen Gastroenemius. Beide inserieren gemeinsam an
der Hinterseite des Tuber caleanei, wobei eine Überkreuzung der
Sehnenfasern stattfindet; die des medialen Gastrocnemius verlaufen
oberflächlich lateralwärts, die des lateralen Gastroenemius medial-
wärts.
P) Der laterale Gastroenemius
entspringt vom lateralen Epicondylus femoris. Etwa in der Mitte
des Unterschenkels vereinigt er sich mit der Sehne des medialen
Gastroenemius und inseriert mit dieser gemeinsam an der Hinter-
seite des Tuber calcanei.
y) Der Soleus
fehlt.
0) Der Plantaris
ist ein recht kräftiger Muskel. Er entspringt vom lateralen Epicon-
dylus femoris. In der Mitte des Unterschenkels wird er sehnig und
verläuft über das Tuber calecanei, wobei er die Insertionsstelle der
beiden Gastrocnemii zudeckt. In der Planta wird seine Sehne breiter
und geht zu einem Teile in eine derbe Fascie für den lateralen
Fußrand, zum andern Teile in drei zarte Sehnen für die mittleren
drei Zehen über. Diese drei Sehnen drehen sich seilartig umeinander,
so daB die beiden lateral entspringenden Sehnen schließlich ober-
flächlich und medial, die medial entspringende lateral zu liegen
kommt (Taf. I, Fig. 3). Jede dieser Sehnen verläuft weiterhin
222 Erna Glaesmer
eine kurze Strecke weit auf der entsprechenden Sehne des Flexor
fibularis, dann treten die beiden für die 2. und 3. Zehe bestimmten
Sehnen an deren medialen Rand und teilen sich hier in eine längere
und eine zweite kürzere Teilsehne. Die kürzere inseriert an der
Grund-, die längere an der Mittelphalanx. Die für die 4. Zehe be-
stimmte Sehne tritt hingegen an die laterale Seite der entsprechenden
Sehne des Flexor fibularis und teilt sich hier ebenfalls in eine längere
und kürzere Teilsehne, von denen die kürzere an der Grund-, die
längere an der Endphalanx inseriert.
Beide Sehnen, sowohl die des Plantaris, wie die des Flexor
fibularis, sind über den Phalangen von einer gemeinsamen Sehnen-
scheide eingehüllt, wobei die Teilsehnen der jeweiligen Plantaris-
sehne eng mit der umgebenden Scheide verwachsen sind, so daß es
einer künstlichen Trennung bedarf (wie das auf Tafel II, Fig. 3
geschehen ist), um Verlauf und Insertion der Plantarissehne selbst
zu zeigen.
Sehr auffallend ist es, daß eine Spaltung der Plantarissehne er-
folgt, ohne daß der Flexor fibularis den so entstandenen Schlitz als
Durchtrittsstelle benutzt, wie das sonst allgemein der Fall ist. Ferner
fällt auf, daß nieht beide Teilsehnen wie sonst an den Mittelpha-
langen, sondern nur eine dortselbst, die andre aber an der Grund-
phalanx inseriert. Dieses Verhalten legt den Gedanken nahe, daß
die Zweiteilung der Plantarissehne ohne irgendwelche Abhängigkeit
von der Sehne des Flexor fibularis erfolgt ist, denn der Flexor fibu-
laris tritt ja hier zu den Plantarissehnen in gar keine Beziehung.
Einzig und allein die Funktion des Plantaris, die Richtung, in der
seine Sehnen an der Sehnenscheide ziehen, mögen die Ursache sein,
daß sich innerhalb der Sehnenscheide die Sehnen in dieser be-
stimmten Art entwickelt haben. Durch diese Insertionsart wird allem
Anschein nach nicht eine reine Plantarflexion, wie bei andern Tieren,
bezweckt, sondern eine gleichzeitige Adduction der 2. u. 3. und Ab-
duction der 4. Zehe.
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&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Diese wird nur dargestellt durch den Flexor tibialis und Flexor
fibularis.
«) Der Popliteus
fehlt.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 223
ß) Der Flexor tibialis
‚ist ein schwach‘ entwiekelter Muskel, der einen schmalen Mittel-
streifen des Flexor fibularis deckt. Mit seiner, etwa in der Mitte
des Unterschenkels entstehenden Sehne verläuft er hinter dem medi-
alen Malleolus in die Planta, wo er an einem langen Knorpelstäbehen
inseriert. Dieses ist durch eine derbe Fascie an den medialen Fuß-
rand befestigt. Ein sehniges Band zieht von seinem distalen Ende
zu den proximalen Tarsalknochen.
y) Der Flexor fibularis
entspringt von der ganzen Hinterseite der Tibia bis nahe an deren
Malleolus, ferner von der Membrana interossea und mit einigen Fasern
auch noch von der mit der Tibia distalwärts verwachsenen Fibula.
Die dicht oberhalb des Malleolus entstehende Sehne verläuft am
Malleolus hinter der Sehne des Flexor tibialis in die Planta, wo sie
sich in fünf Sehnen aufteilt, die an den Endphalangen der Zehen
inserieren.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
&) Der Tibialis postieus
fehlt.
£) Der Quadratus plantae
fehlt.
n) Die Lumbricales
fehlen.
B. Innervation.
Der N. tibialis gibt erst einen Ast für den medialen Gastroene-
mius ab. Darauf folgt ein Ast für den lateralen Gastrocnemius,
endlich einer, der sich an den Plantaris, Flexor tibialis und Flexor
fibularis verzweigt.
Am medialen Malleolus liegt der Nerv nicht, wie gewöhnlich,
zwischen der Sehne von Flexor tibialis und Flexor fibularis, sondern
auf der Sehne des Flexor fibularis.
In der Planta teilt er sich in den N. plantaris medialis und
N. plantaris lateralis.
Aus der Familie der Talpidae beschreibt Dogson (1882—1883)
Talpa europaea, Scalops aquaticus, Scapanus americanus, Condylura
224 Erna Glaesmer
eristata, Myogale moschata und pyreneica, bei denen er ähnliche Be-
funde, wie ich bei Talpa europaea bekommen hat.
Der Flexor tibialis, der mich in allen diesen Fällen besonders
interessiert, heftet sich bei den vier zuerst genannten Tieren wie
bei meinem Exemplar Talpa europaea an einem Sesambein des medi-
alen Fußrandes an.
Bei Myogale moschata vereinigt sich die Sehne mit der des
Tibialis postieus, bei Myogale pyreneica erfolgt eine Teilung in zwei
Sehnen, deren eine zum tibialen Sesambein geht, während die andre
an der Grundphalanx des Hallux inseriert. Demnach inseriert die
eine Teilsehne bei M. pyreneica ähnlich wie die ganze Sehne des
Flexor tibialis bei Talpa, europaea (tibialer Randknochen) die zweite
ähnlich wie bei Erinaceus europaeus (Hallux). |
Der Tibialis postieus fehlt bei einigen dieser Talpidae, bei andern
ist er vorhanden.
3. Sorex araneus.
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
repräsentiert durch den medialen, den lateralen Gastroenemius und
den Plantaris.
«) Der mediale Gastrocnemius
entspringt vom medialen Epicondylus femoris. Mitte des Unter-
schenkels vereinigt er seine Sehne mit der des lateralen Gastroene-
mius und inseriert mit diesem gemeinsam an der Hinterseite des
Tuber calcanei.
ß) Der laterale Gastroenemius E
entspringt vom lateralen Epicondylus femoris. In der Mitte des
Unterschenkels etwa vereinigt er sich mit der Sehne des medialen
Gastroenemius und inseriert mit diesem gemeinsam an der Hinter-
seite des Tuber calcanei. Der Muskel ist fast in seinem ganzen
Verlaufe mit dem Plantaris verwachsen. |
A
y) Der Soleus
fehlt.
0) Der Plantaris
ist bis nahe an das Tuber ealeanei mit dem lateralen Gastroenemius
verwachsen. Er entspringt mit diesem vom lateralen Epicondylu
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 225
femoris. Seine Sehne wird in der Mitte des Unterschenkels von der
gemeinsamen Sehne der Gastroenemii bedeckt, dann tritt sie medial-
wärts, um sich endlich lateralwärts um sie zu schlingen. Auf dem
Tuber bedeckt sie die Insertionsstelle der beiden Gastroenemii und
verläuft von da in die Planta, wo sie in vier für die 5., 4, 3. und
2. Zehe bestimmte Sehnen übergeht, welche die Sehnen des Flexor
fibularis durchtreten lassen.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird reprä-
sentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis und den Flexor
fibularis.
| «@) Der Popliteus
ist schwach entwickelt. Er entspringt vom lateralen Condylus femoris
und inseriert an dem oberen Viertel der medialen Kante der Tibia.
| ß) Der Flexor tibialis
ist ein zweiköpfiger Muskel. Der eine Kopf entspringt gemeinsam
mit dem Flexor fibularis von der Fibula, die distalwärts mit der
'Tibia verwächst, ferner von der Membrana interossea; der zweite,
schwächere kommt von der Tibia. (Die Verhältnisse erinnern an
‚einen ähnlichen Fall bei Erinaceus europaeus.) Die beiden Köpfe
‚gehen in eine gemeinsame Sehne über, welche oberhalb des Calea-
neus mit der Sehne des Flexor fibularis verwächst. Aus der ge-
meinsamen Sehne gehen fünf Teilsehnen hervor, welche mit Aus-
ahme der Halluxsehne die vier Sehnen des Plantaris perforieren
und an den Endphalangen der Zehen inserieren.
y) Der Flexor fibularis
entspringt gemeinsam mit dem fibularen Kopf des Flexor tibialis
von der Fibula, ferner mit einigen Fasern von der Membrana inter-
ossea. Seine Sehne vereinigt sich oberhalb des Calcaneus mit der
ehne des Flexor tibialis. Aus der so entstandenen Sehne gehen
nf Teilsehnen hervor, deren laterale vier die Plantarissehnen per-
forieren und an den Endphalangen der Zehen inserieren.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
&) Der Quadratus plantae
Morpholog. Jahrbuch. 41. 15
226 Erna Glaesmer
<) Der Tibialis postieus
fehlt.
n) Die Lumbricales
fehlen.
B. Innervation.
Der N. tibialis splittert sich dicht unterhalb der Gelenkspalte
des Kniegelenks in Einzeläste für die Muskeln auf. Jeder Muskel
wird von einem besondern Aste, nur der Flexor fibularis und der
fibulare Kopf des Flexor tibialis werden von einem gemeinsamen
Aste innerviert.
4. Macroscelides.
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird reprä-
sentiert durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den Soleus
und den Plantaris.
«) Der mediale Gastroenemius
entspringt vom medialen Epicondylus femoris. Noch ehe er in eine
Sehne übergeht, verwächst sein Muskelbauch mit dem des lateralen
Gastroenemius und Soleus, zum Teil sogar mit dem Plantaris.
Oberhalb der Mitte des Unterschenkels geht aus den vereinigten
Muskeln von medialem, lateralem Gastroenemius und Soleus eine ge
meinsame Sehne hervor, während die Sehne des Plantaris sich eine
kurze Strecke lang davon isolieren läßt. Am unteren Drittel des
Unterschenkels sind alle vier Sehnen vereinigt und inserieren ge-
meinsam am Tuber calcanei. Von da aus aber setzen sie sich in
die Planta fort, wo sie sich in vier Sehnen aufteilen, die die ent-
sprechenden Sehnen des Flexor fibularis durchtreten lassen und an
den Mittelphalangen der 5., 4., 3. und 2. Zehe inserieren.
ß) Der laterale Gastrocnemius
entspringt mit dem Plantaris gemeinsam vom lateralen Epiecondylu
femoris. Sein Muskelbauch verbindet sich mit dem des Soleus une
des lateralen Gastroenemius; auch der Plantaris steht in lockere)
Verbindung mit diesen drei Muskeln, läßt sich aber bis zum unteren
Drittel des Unterschenkels von den übrigen Muskeln isolieren. Von
da ab aber sind alle vier Sehnen vereinigt. (Weiteres Verhalte
siehe unter »Der mediale Gastroenemius.«)
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 227
y) Der Soleus
entspringt vom Xapitulum der Fibula. Er verwächst mit dem late-
ralen Gastroenemius, dem medialen Gastrocnemius, zum Teil auch
mit dem Plantaris. (Weiteres Verhalten siehe unter »Der mediale
Gastroenemius. «)
0) Der Plantaris
entspringt mit dem lateralen Gastroenemius vom lateralen Epicon-
dylus femoris. Er verwächst locker mit dem lateralen, dem medialen
Gastroenemius und dem Soleus, läßt sich aber bis zur Mitte des
Unterschenkels von den übrigen drei Muskeln isolieren. Am unteren
Drittel des Unterschenkels aber tritt seine Sehne in feste Verbindung
mit der Achillessehne und inseriert mit dieser gemeinsam am Cal-
caneus. (Weiteres Verhalten siehe unter »Der mediale Gastroenemius. «)
&) Der oberflächliehe Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird reprä-
sentiert durch den Popliteus, den Flexor fibularis und drei Lum-
bricales.
«) Der Popliteus
ist verhältnismäßig stark. Ursprung und Insertion wie bei Sorex.
ß) Der Flexor tibialis
fehlt.
y) Der Flexor fibularis
entspringt von der Fibula und weiter distal von der Verwachsungs-
stelle der Tibia und Fibula. Die etwa in der Mitte des Unter-
schenkels entstehende Sehne verläuft in einer Rinne hinter dem
medialen Malleolus und tritt sodann in die Planta. Hier teilt sie
sich in fünf Sehnen auf, deren laterale vier die von lateralem, medi-
alem Gastroenemius, Soleus und Plantaris abgegebenen Sehnen durch-
bohren. Sie inserieren an den Endphalangen der fünf Zehen.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
&) Der Tibialis postieus
fehlt.
{) Der Quadratus plantae
fehlt.
15*
228 Erna Glaesmer
n) Lumbricales
sind drei vorhanden. Sie entspringen aus den Winkeln, welche von
den lateralen vier Sehnen des Flexor fibularis gebildet werden, und
inserieren an den tibialen Seiten der 5., 4. und 3. Zehe.
B. Innervation.
Der N. tibialis gibt oberhalb der Vereinigungsstelle des medialen
und lateralen Gastroenemius einen Strahl von Einzelästen ab. Ein
Ast versorgt den medialen Gastrocnemius, ein zweiter verzweigt sich
an den lateralen Gastroenemius und Soleus, je ein Ast verläuft so-
dann zum Plantaris, Popliteus und Flexor fibularis.
In der Planta erfolgt die Aufteilung in den N. plantaris late-
ralis und N. plantaris medialis.
5. Besprechung der Literatur über andre Insectivora.
Da mir nicht viel Inseetivoren zur Verfügung stehen, möchte
ich wenigstens kurz die Befunde erwähnen, die Dogsox über andre
Familien, besonders was den Flexor tibialis und fibularis angeht,
verzeichnet.
Oentetidae.
Bei Erieulus und Oryxorietes liegt die Sehne des Flexor tibialis
in der Planta oberflächlich von der des Flexor fibularis, schließt sich
aber innig an diese an. Der Flexor tibialis gibt Sehnen zum Hallux
und der 5. Zehe ab, der Flexor fibularis versorgt die drei mittleren
Zehen.
Bei Solenodon teilt sich der Flexor tibialis in zwei Sehnen. Die
innere, schmälere inseriert an der Basis des ersten Metatarsale, die
breitere verschmilzt mit der Sehne des Flexor fibularis. DoBson
spricht im Gegensatz zu der bei den Erinaceidae gebrauchten Be-
zeichnung in diesem, sowie auch in andern ähnlichen Fällen, von
einem Flexor tibialis ebenso wie ich und nicht wie dort von einem
Tibialis posticus internus. Es ist dies eine gewisse Inkonsequenz
seiner Nomenklatur.
Potamogalidae. |
Bei diesen beschreibt Dossoxn einen Flexor digitorum brevis,
der perforierte Sehnen für die äußeren vier Zehen bildet. Der Flexor
tibialis vereinigt seine Sehne mit der des Flexor fibularis.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 229
Chrysochloridae.
Auch hier vereinigt der Flexor tibialis seine Sehne mit der des
Flexor fibularis. Beide gehen in fünf Sehnen über.
Der Flexor digitorum brevis entspringt von der Plantarfaseie.
6. Zusammenfassung.
Von den acht von Max WEBER (1904) angegebenen Familien
der Inseetivora sind an dieser Stelle vier, mit je einem Vertreter
untersucht worden.
Über die besondere Variabilität aufweisenden Muskeln bringe
ich S. 230 eine tabellarische Übersicht. Auch hier lege ich, ebenso
wie bei den Marsupialia, das Hauptgewicht auf die Insertionsver-
hältnisse.
| Aus alledem lassen sich folgende für die Insectivora im allge-
meinen gültigen Sätze ableiten:
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
«) und #) Der mediale und laterale Gastroenemius
entspringen vom medialen und lateralen Epicondylus femoris, der
laterale meist mit dem Plantaris gemeinsam. Die beiden Muskeln
sind nicht bis zu ihrer Insertion selbständige Individuen, sondern
vereinigen sich gewöhnlich etwa in der Mitte des Unterschenkels
und inserieren gemeinsam an der Hinterseite des Tuber ealeanei.
In einem Falle fand ich die Sehne mit der Plantaris- und Soleus-
sehne gemeinsam sich bis in die Planta fortsetzen und die perfo-
rierten Sehnen abgeben (Macroscelides).
y) Der Soleus
fehlt zuweilen. Wenn er vorhanden ist, entspringt er vom Capitulum
der Fibula und vereinigt sich mit dem medialen und lateralen Ga-
stroenemius zum Triceps surae.
0) Der Plantaris
entspringt gemeinsam mit dem lateralen Gastroenemius, von dem er
am Ursprunge zugedeckt wird, vom lateralen Epicondylus femoris.
Seine Sehne wird am oberen Teil des Unterschenkels von der Sehne
der beiden Gastroenemii bedeckt, gewinnt aber im weiteren Verlaufe
eine immer mehr und mehr oberflächliche Lage, indem sie erst an
die mediale Seite der Gastroenemius- bzw. Tricepssehne, sodann auf
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 231
sie tritt und so in die Planta verläuft, wobei sie die Insertionsstelle
‘ der Gastroenemii bzw. des Trieeps surae am Tuber ealcanei zudeckt.
In der Planta kann sich die Sehne des Plantaris unmittelbar
als solche fortsetzen, wobei sie sich sodann in einzelne perforierte
Sehnen aufteilt, die an den Mittelphalangen inserieren.
In andern Fällen setzt sich die Plantarissehne zum Teil in den
oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis fort, während seine
oberflächlichen Fasern in eine feine Plantarfaseie übergehen.
e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt in zahlreichen Fällen. Er wird dann durch den Plantaris er-
setzt, der statt seiner die perforierenden Sehnen abgibt.
Wenn er vorhanden ist, so geht er unmittelbar aus der Plan-
tarissehne hervor, oder aber er bekommt auch noch — wie DoBson
das bei verschiedenen Insectivora beobachtet hat — Ursprungsfasern
vom Caleaneus.
b) Tiefe Muskelgruppe.
a) Der Popliteus
fehlt zuweilen. Wenn er vorhanden ist, so entspringt er vom late-
ralen Condylus femoris und inseriert an dem oberen Teil der Hinter-
seite der Tibia.
ß) Der Flexor tibialis
kann fehlen, ist aber in der Regel vorhanden.
Er entspringt dann von der Tibia, manchmal aber auch von
der Membrana interossea und der Fibula.
Ein Vergleich der von mir gewonnenen Befunde mit den in der
Literatur verzeichneten stellt sich insofern schwierig, als die Nomen-
klatur, ebenso wie bei den Marsupialia, keine einheitliche ist.
So nennt Dogson den Muskel gern, aber nicht konsequent,
einen Tibialis posticus internus (Tibialis posticus externus ist dann
der eigentliche Tibialis posticus).
Parsons hingegen hat dieselbe Benennung wie ich. —
. In bezug auf die Insertion des Flexor tibialis kann man ähnlich
wie bei den Marsupialia drei Grundtypen unterscheiden:
1. Die Sehne des Flexor tibialis inseriert am tibialen Randknochen,
der durch die Fasecie an den medialen Fußrand befestigt ist,
oder an der Sehnenscheide des Hallux. Sie kann sich auch
Erna Glaesmer
in zwei Sehnen teilen, deren eine zum tibialen Randknochen,
deren andre zum Hallux, z. B. der Grundphalanx geht.
Charakteristisch für alle diese Fälle ist, daß die Sehne
des Flexor tibialis für sich allein am medialen Fußrande in-
seriert und keine Beziehung zum Flexor fibularis erkennen läßt.
. In einer Reihe von andern Fällen vereinigt sich die Sehne des
Flexor tibialis mit der Sehne des Flexor fibularis. Ich habe
bei der leider beschränkten Anzahl von untersuchten Inseeti-
voren diesen Befund nur bei Sorex araneus vertreten gefunden,
PArsons beschreibt einen solchen aber auch bei Gymmura,
Dossonx bei Chrysochloris und den Potamogalidae.
Von einer Überkreuzung der Sehnen habe ich bei Sorex
nichts bemerkt. Die Sehne des Flexor tibialis verwebt ihre
Sehnenfasern mit denen des Flexor fibularis so innig, daß der
weitere Verlauf der Sehnenfasern, besonders bei den kleinen
Proportionen von Sorex, kaum zu beobachten ist. Vorwiegend
verlaufen aber auch hier die Sehnenfasern des Flexor tibialis
zum Hallux, während der Flexor fibularis besonders die 2., 3.,
4. und 5. Zehe versorgt. Do»son sah in einigen Fällen den
Flexor tibialis außer zum Hallux auch eine Sehne zur 5. Zehe
abgeben, während der Flexor fibularis die mittleren drei Zehen
versorgte.
. Die dritte Reihe von Fällen umfaßt Übergangszustände zwi-
schen den beiden soeben angeführten. Die Sehne des Flexor
tibialis teilt sich nämlich in zwei Sehnen. Die eine dieser
beiden verbindet sich mit der Sehne des Flexor fibularis, wäh-
rend die andre am medialen Fußrande, sei es am tibialen
Randknochen oder an Knochen des Hallux, inseriert (z. B. am
Metatarsale I). Ich habe einen solchen Befund zwar leider bei
meinen vier Tieren nicht zu verzeichnen, DoBson beschreibt
aber solche Fälle, z. B. bei Solenodon.
Diese Übergangszustände sind ganz besonders wertvoll
und interessant, weil sie zwischen den beiden vorerst ange-
führten Extremen vermitteln und die Homologie derselben
beweisen.
y) Der Flexor fibularis
ist bei den Inseetivoren der stärkste Muskel des Unterschenkels.
Er entspringt hauptsächlich von der Fibula, kann aber auch Fasern
von der Tibia und der Membrana interossea bekommen. In der
N
{
I
z
{4
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 233
Planta spaltet sich seine Sehne gewöhnlich in fünf Teilsehnen,
welche an den Endphalangen der Zehen inserieren. In andern
Fällen aber vereinigt sich die Sehne des Flexor fibularis mit einem
Teil oder den ganzen Sehnen des Flexor fibularis, und beide ge-
meinsam geben die fünf Sehnen für die Endphalangen ab. Dabei
bevorzugt dann der Flexor tibialis den Hallux, kann aber auch nach
Dogson eine Sehne zur 5. Zehe abgeben, während der Flexor fibu-
laris die vier lateralen oder wenigstens die 2., 3. und 4. Zehe ver-
sorgt.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt bei den von mir untersuchten Insectivora und scheint, soweit ich
dies aus der Literatur ersehen kann, bei allen Insectivora zu fehlen.
e) Der Tibialis posticus
wie bei den Marsupialia.
£) Der Quadratus plantae
ist nicht konstant vorhanden. Er ist aber bei Gymnura von PAr-
sons und DoBson, bei einigen Potamogalidae und andern von DoBsoN
beobachtet.
Nach diesen Angaben ist das Verhalten des Muskels meist etwas
anders, als wir es vorzufinden gewohnt sind.
Er entspringt gewöhnlich vom Caleaneus, aber Dogson beschreibt
auch gelegentlich Ursprungsfasern von der tiefen Plantarfascie. Auf-
fallend aber ist die Insertion. Nach PArsons bildet der Muskel in
einem Falle eine Sehne, die über die Sehnen der langen Flexoren
hinwegläuft und an der Endphalanx des Hallux inseriert. Der Fall
erinnert an den von mir bei Myrmecophaga jubata beschriebenen,
wo ein Teil der Muskelmasse in eine Sehne übergeht, die gemein-
sam mit der Halluxsehne des Flexor fibularis zur Endphalanx dieser
Zehe verläuft.
Noch auffallender aber ist die von Dosson bei den Potamo-
galidae beobachtete Insertion. Hier ist der Quadratus plantae eng
mit dem Flexor digitorum brevis verbunden (dem oberflächlichen
Kopf!).
Während ein Teil des gemeinsamen Muskels nun die perforierten
Sehnen für die vier äußeren Zehen abgibt, inseriert die größere
Masse an der Oberfläche der vereinigten Sehne von Flexor tibialis
und Flexor fibularis. Dabei sind einige Muskelfasern deutlich in
die Lumbricales fortgesetzt (wie bei Myrmecophaga jubata!).
j
+
234 Erna Glaesmer
Jedenfalls ist der die perforierten Sehnen abgebende Muskelteil
als oberflächlicher Kopf des Flexor digitorum brevis aufzufassen, der
übrige Muskelteil als Quadratus plantae.
n) Die Lumbricales
sind bei den Inseetivoren fast nie vollzählig vertreten. Zuweilen
fehlen sie vollständig, meist sind die für die 3. und 4. Zehe vor-
handen.
7. Vergleichend anatomische Bemerkungen.
Ein Vergleich der bei den Inseetivora gewonnenen Muskel-
befunde mit denen der Marsupialia ergibt, daß die Inseetivoren im
Verhalten vieler Muskeln etwa dieselbe Stufe einnehmen wie die
Marsupialia, im Verhalten andrer aber wieder diesen weit voraus
sind.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
c) und %) Der mediale und laterale Gastrocnemius.
Der mediale Gastroenemius entspringt wie bei den Monotremen
und Marsupialia. Der laterale Gastrocnemius, der bei den Marsu-
pialia schon deutlich das Bestreben zeigte, seinen Ursprung von der
Fibula auf das Femur zu verlegen, entspringt bei den Insectivora
rein femoral.
Die innige Zusammengehörigkeit des medialen und lateralen
Gastroenemius ist bei den Insectivora viel ausgesprochener als bei
den Marsupialia. Während eine Vereinigung der beiden Sehnen bei
den Marsupialia eine Ausnahme ist, ist sie bei den Insectivora die
Regel.
y) Der Soleus,
der bei den Marsupialia durchweg fehlt oder nur mit einigen Mus-
kelfasern angedeutet war, ist bei den Insectivora, wenn er vorhanden
ist, ein recht kräftiger, gut entwickelter Muskel, der sich mit den
beiden Gastroenemii zum Triceps surae vereinigt. Das Vorhanden-
sein eines Trieeps surae und einer Achillessehne in dem Sinne wie
bei Homo ist bei den Marsupialia nirgends, soweit mir bekannt, be-
schrieben.
0) Der Plantaris
zeigt bei den Insectivora außer ähnlichen, wie bei den Marsupialia
bestehenden Verhältnissen auch noch wesentlich andre. Hierher ge-
hört der unmittelbare Übergang der Plantarissehne in den oberfläch-
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 235
liehen Kopf des Flexor digitorum brevis, sowie die unmittelbare Ab-
gabe von perforierten Sehnen. Der erstere dieser beiden Fälle lehnt
sich einigermaßen an bei Marsupialia anzutreffende Befunde an, wo der
oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis von der Innenseite
der aus der Plantarissehne hervorgehenden Plantarfascie entspringt.
Der zweite Fall hat einige Ähnlichkeit mit jenen Fällen bei Marsu-
pialia, wo der Plantaris statt des oberflächlichen Kopfes des Flexor
digitorum brevis eine perforierte Sehne abgibt.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis,
der bei den Marsupialia in der Regel vorhanden ist, fehlt bei den
Inseetivoren sehr häufig. Dieses Fehlen steht im Zusammenhang
mit dem Verhalten des Plantaris, der dann statt seiner die perfo-
rierten Sehnen abgibt.
In einzelnen Fällen geht der Muskel unmittelbar aus der Sehne
des Plantaris hervor.
b) Tiefe Muskelgruppe.
«) Der Popliteus
fehlt zuweilen. Wenn er vorhanden ist, so entspringt er im allge-
meinen rein femoral, während er bei den Monotremen einen rein
fibularen Ursprung aufweist, bei den Marsupialia aber schon das
Bestreben zeigt, allmählich vollständig mit seinem Ursprung auf
das Femur zu wandern.
5) Der Flexor tibialis
zeigt bei den Insectivora dieselben drei Grundtypen der Insertion
' wie bei den Marsupialia.
y) Der Flexor fibularis
ist bei den Insectivora ebenfalls wie bei den Marsupialia der stärkste
Muskel des Unterschenkels. Er verhält sich im allgemeinen wie
bei den Marsupialia. Während er bei den Monotremen der alleinige
und ausschließliche Beuger der Endphalangen ist, kommen bei den
Marsupialia und Insectivora Fälle vor, wo der Flexor tibialis sich
mit dem Flexor fibularis vereinigt und beide gemeinsam die Ver-
sorgung der Endphalangen übernehmen.
6) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis,
der bei den Marsupialia, soweit mir bekannt, immer vorhanden ist,
fehlt bei den Insectivora in der Regel. Die perforierten Sehnen
—
+
*
A
236 Erna Glaesmer
werden vom Plantaris oder dem oberflächlichen Kopf des Flexor di-
gitorum brevis abgegeben.
e) Der Tibialis postieus
wie bei den Marsupialia.
£) Der Quadratus plantae
fehlt bei den Insectivora nicht so häufig wie bei den Marsupialia.
Er zeigt bei den Insectivora manchmal Verhältnisse, die sehr auf-
fallend sind (s. unter »Zusammenfassung«).
n) Die Lumbricales,
die bei den Marsupialia sehr regelmäßig vorhanden, ja manchmal
sogar verdoppelt sind, sind bei den Inseetivora fast nie vollzählig
vertreten. Zuweilen fehlen sie ganz.
Ill. Edentata.
1. Oryeteropus aethiopieus. (Taf. II, Fig. 4.)
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
repräsentiert durch den medialen, den lateralen Gastrocnemius, den
Soleus und den Plantaris.
a) Der mediale Gastroenemius
entspringt mit starker Sehne vom medialen Epicondylus femoris und
vom Ligamentum genu collaterale tibiale. Seine Sehne vereinigt sich
mit einem Teil des lateralen Gastroenemius. Die gemeinsame Sehne,
in die auch ein vom Beckengürtel kommender Muskel ausläuft, in-
seriertt am Tuber calcanei.
ß) Der laterale Gastroenemius
entspringt mit starker Sehne, in die ein Sesambein eingelagert ist,
vom lateralen Epicondylus femoris. Seine Muskelmasse teilt sich in
zwei, verschieden sich verhaltende Portionen. Während ein kleiner
Teil des Muskels sich mit dem medialen Gastroenemius vereinigt,
verbindet sich die Hauptmasse des Muskels mit dem Soleus und in-
seriert mit diesem zusammen am Tuber calcanei, etwas lateral und
vor der Sehne der beiden Gastroenemii. Von der Beugeseite aus
gesehen, liegt also die Sehne der beiden Gastroenemii oberflächlich
und medial von der Gastroenemius-Soleussehne.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 237
y) Der Soleus
ist ein schwacher, plattgedrückter Muskel, der in seiner ganzen Länge
die mittleren Partien des Flexor fibularis deckt. Er entspringt von
einem, unmittelbar unterhalb des Gelenkes befindlichen starken Fort-
satz der Fibula und inseriert, gemeinsam mit der Hauptmasse des
lateralen Gastroenemius, an dem Tuber calcanei. Dabei liegt diese
Gastroenemius-Soleusinsertionsstelle etwas vor und lateral von der In-
sertionsstelle der Gastroenemii (s. auch »Der mediale Gastroenemius«).
0) Der Plantaris
ist sehr stark entwickelt. Er entspringt mit starker Sehne vom la-
teralen Epicondylus femoris und wird am Ursprunge vom lateralen,
weiter distalwärts von beiden Gastroenemii bedeckt. Seine Sehne
kommt am unteren Teil des Unterschenkels medial von der Sehne
der beiden Gastroenemii an die Oberfläche, schlingt sich um jene
und tritt, über ihren Ansatz am Tuber calcanei hinweglaufend, in
die Planta. Dort wird sie zu einer breiten Sehnenplatte, welehe sich
‘in der Mitte der Sohle in vier Sehnen teilt. Jede der Sehnen wird
in der Gegend der Metatarso - Phalangealverbindung breiter und
scheint, von der Oberfläche gesehen, diffus in der Sehnenscheide der
2., 3., 4 und 5. Zehe aufzugehen. In Wirklichkeit bleibt sie aber
auch innerhalb der Sehnenscheide als Sehne erhalten, spaltet sich
hier in zwei Zipfel, welche die tiefe Sehne umgreifen und sich dorsal
von ihr wieder vereinigen, um so an der zweiten Phalanx zu inse-
rieren. Diese Verhältnisse sind erst dann zu beobachten, wenn man
die Sehnenscheide spaltet und aufklappt. Beim Öffnen der Sehnen-
Scheide ergibt sich, daß die Plantarissehne im Anfang ihrer Spaltung
innig mit der Sehnenscheide verwachsen ist (auf Taf. II, Fig. 4 ist
eine Sehnenscheide abpräpariert). Die ganze Sehnenscheide umfaßt
die beiden in ihr lagernden Sehnen und heftet sich zu beiden Seiten
an Knochen und Periost der Phalangen an, wobei ein kleiner Teil
der Fasern, die zumeist quer verlaufen, sich auch auf die Dorsal-
seite der Zehe fortsetzt. Der Hauptteil der Fasern aber verläuft
‚unter, d. h. dorsal von der tiefen Sehne und verwebt sich dort mit
dem Periost und den Fasern der andern Seite.
$ &) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
b) Tiefe Muskelgruppe.
«) Der Popliteus ‚
entspringt sehnig vom lateralen Condylus femoris und inseriert an
der Hinterseite der Tibia bis zur Mitte des Unterschenkels herab.
238 Erna Glaesmer
.?) Der Flexor tibialis
entspringt gemeinsam mit dem Flexor fibularis vom Fibula-Fortsatz,
und zwar liegen seine Ursprungsfasern medial von denen des Flexor
fibularis. Außerdem bekommt der Muskel Ursprungsfasern von der
Membrana interossea. Den unmittelbar der Tibia auflagernden Ti-
bialis postieus deckt er fast vollständig zu.
Am medialen Malleolus tritt seine Sehne hinter die des Tibialis
postieus und teilt sich in der Planta in zwei Sehnen. Die eine dieser
beiden heftet sich mit einem Teil ihrer Fasern am Metatarsale I an,
zum andern Teil läuft sie in die Fascie, welche die Grundphalanx
bedeckt, aus. In diesen zweiten Teil der Sehnenfasern ist in Ge-
gend des Tarso-Metatarsalgelenkes ein Sesamknorpel eingelagert,
Die zweite Sehne des Flexor tibialis vereinigt sich mit der Sehnen-
platte des Flexor fibularis. Ihre Sehnenfasern verlaufen dabei ober-
flächlich und ziehen hauptsächlich zur 1. Zehe, während der Rest
der Fasern zur 5., zum Teil auch noch zur 4. Zehe zieht.
y) Der Flexor fibularis
ist ein sehr kräftiger Muskel. Er bedeckt die ganze Fibula, den
größten Teil des Flexor tibialis und die Membrana interossea.
Er entspringt unterhalb des Soleus-Ursprunges und lateral vom
Ursprunge des Flexor tibialis vom Fibulafortsatz, ferner von der
Membrana interossea und dem inneren Rand der Tibia. Seine Sehne
verläuft am medialen Malleolus hinter der Sehne des Flexor tibialis
und bildet, in die Planta tretend, eine breite Sehnenplatte, welche
von der des Plantaris bedeckt wird.
Nach Aufnahme der einen Teilsehne des Flexor tibialis teilt
sich die ganze Sehne in fünf Einzelsehnen, welche in der oben an-
gegebenen Weise (s. »Oberflächliche Muskelgruppe« unter Plantaris)
die Sehnen des Plantaris perforieren und an den Endphalangen
der fünf Zehen inserieren.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
&) Der Tibialis postieus |
entspringt, eng angeschlossen an die beiden vorigen Muskeln, vom
Fibulafortsatz, sowie vom proximalen Viertel der Tibia. Seine Sehne
die erst am unteren Viertel des Unterschenkels entsteht, tritt
medialen Malleolus vor die Sehne des Flexor tibialis und inserier
in der Planta, bedeckt von der Sehne des Flexor tibialis, am Me
tarsale und Cuneiforme 1.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 239
£) Der Quadratus plantae
fehlt. An seiner Stelle besteht aber ein kräftiges Ligament.
n) Die Lumbricales.
Es sind vier vorhanden. Sie entspringen aus den Winkeln,
welche von den fünf Sehnen des Flexor perforans gebildet werden,
und inserieren an der Tibialseite der Sehnenscheiden für die 2., 3.,
4. und 5. Zehe.
B. Innervation.
Der N. tibialis verläuft auf der tiefen Schicht der Beugemus-
keln, d. h. bedeckt von den Gastrocnemii und dem Soleus, abwärts
und gibt folgende Muskeläste ab:
Der erste derselben geht zum medialen Gastrocnemius.
Der zweite bildet drei Zweige:
Einer derselben geht zum Plantaris, sowie jenem Abschnitt
des lateralen Gastroenemius, der sich mit dem medialen
vereinigt.
Ein zweiter verläuft zum größeren, mit dem Soleus sich
verbindenden Abschnitt des lateralen Grastroenemius, sowie
zum Soleus.
Ein dritter versorgt den Plantaris (dieser Muskel wird
aber außerdem distalwärts noch von zwei weiteren, selbstän-
dig aus dem N. tibialis entspringenden Ästen versorgt).
Der dritte Ast bildet ebenfalls drei Zweige:
Einer versorgt den Flexor fibularis.
Ein zweiter teilt sich in drei Ästchen: eines für die tiefe
Schicht des Flexor fibularis, ein zweites für den Flexor ti-
bialis, ein drittes für den Tibialis posticus.
| Ein dritter Zweig versorgt den Popliteus, in den er von
distal her eintritt.
Als vierter und fünfter Ast gehen vom N. tibialis zwei Nerven
für den Plantaris ab, die etwa in der Mitte des Unter-
schenkels in den Muskel eintreten.
h Über Oryeteropus aethiopieus sind mir keine myologischen Ar-
beiten bekannt geworden, wohl aber fand ich zwei, die Muskulatur
des in Südafrika vorkommenden Orycteropus capensis betreffende
® Untersuchungen von Humrury (1868) und GaLton (1870).
Obwohl es sich um zwei verschiedene Arten handelt, scheinen
240 Erna Glaesmer
sich die Muskeln doch sehr ähnlich zu verhalten. Ein Vergleich
wird allerdings dadurch erschwert, daß in Humpurys Arbeit mehrere
Muskeln offensichtlich falsch bestimmt sind.
Als Gastroenemius faßt Humpnury alle oberflächlich vom N. ti-
bialis gelegenen Muskeln auf, er rechnet also auch Soleus und Plan-
taris hinzu. Den Soleus beschreibt er als dritten Kopf, den Plan-
taris als tiefere Portion des lateralen Gastroenemius.
Außer dem Gastroenemius bespricht er von den langen Flexoren
nur noch einen Flexor digitorum und einen Tibialis posticus. Unter
dem »Flexor digitorum«< beschreibt er einen Muskel, der dem Flexor
fibularis von Oryeteropus aethiopieus entsprechen dürfte. Die beiden
von mir als Flexor tibialis und Tibialis posticus beschriebenen Mus-
keln faßt er als einen einzigen, einen Tibialis postieus mit zwei
Sehnen auf. Da GaLron diese beiden Muskeln ebenfalls als Tibi-
alis posticus mit zwei Sehnen beschreibt, so halte ich es für mög-
lich, daß sie bei Orycteropus capensis fest verwachsen sind und so
den Eindruck eines einzigen machen. Bei Orycteropus aethiopieus
waren sie deutlich getrennt.
Den »Tibialis posticus« ausgenommen, stimmt GALToONs Be-
schreibung der Muskeln mit der meinigen völlig überein.
Jenen Muskel aber, den ich bei Orycteropus aethiopieus vom
Oberschenkel zum Calcaneus verlaufen und sich mit der Sehne des
medialen und einem Teil des lateralen Gastroenemius verbinden sah,
erwähnt weder HumpHry noch GALTon. Wahrscheinlich ist er also.
bei Orycteropus capensis nicht vorhanden.
Als rudimentären Flexor accessorius beschreibt HuMPHRY jenes:
Ligament, das ich auch bei Orycteropus aethiopicus an Stelle des:
Quadratus plantae vorgefunden habe.
2. Manis.
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird re-
präsentiert durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den
Soleus, den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor
digitorum brevis. /
«) Der mediale Gastroenemius
entspringt vom medialen Condylus und Epicondylus femoris. Er
wird etwa Mitte des Unterschenkels sehnig und vereinigt sich so-
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 241
dann mit der Sehne des lateralen Gastroenemius. Beide inserieren
gemeinsam am Tuber calcanei.
ß) Der laterale Gastroenemius
ist mit dem Plantaris bis zur Mitte des Unterschenkels fast innig
verwachsen. Er entspringt mit diesem vom lateralen Epieondylus
femoris, wird schon oberhalb der Mitte des Unterschenkels sehnig
und verbindet sich sodann mit der Sehne des medialen Gastro-
enemius. Beide inserieren gemeinsam an der Hinterseite des Tuber
calcanei.
y) Der Soleus
ist ein kräftiger Muskel, der vom Capitulum der Fibula und der
Fascie der Streckseite entspringt. Er ist mit dem Flexor fibularis
zum Teil verwachsen. Er bleibt bis zum Calcaneus herab musku-
lös, nur seine Oberfläche bedeckt sich mit einer breiten Sehne.
Seine Insertion erfolgt vor und lateral von der Insertionsstelle der
Gastroenemii am Tuber calcanei. Eine Verbindung der beiden
Gastroenemii mit dem Soleus zu einem Triceps surae besteht also
nicht.
ö) Der Plantaris
entspringt mit dem lateralen Gastrocnemius gemeinsam, mit dem er
bis zur Mitte des Unterschenkels verwachsen ist, vom lateralen
Epicondylus femoris. In der Mitte des Unterschenkels isoliert sich
‚seine Sehne von der des lateralen Gastroenemius und verläuft, be-
‚deckt von der gemeinsamen Sehne der beiden Gastroenemii, abwärts
zum Calcaneus, wo sie vor und medial von derselben am Tuber
‚ealcanei inseriert. Eine Fortsetzung der Plantarissehne in die Planta
‚habe ich nicht beobachtet.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
‚entspringt von der plantaren und medialen Seite des Tuber calcanei.
Der kräftige Muskel geht in vier Sehnen über, welche an den
Sehnenscheiden der 2., 3., 4. und 5. Zehe inserieren, wo sie sich
innig mit den Fasern der Sehnenscheiden verweben. Wenn man
diese Sehnenscheiden spaltet und aufklappt, dann kann man bei
genauem Zusehen allerdings auch innerhalb derselben Längszüge
der Sehne weiterlaufen sehen. Diese Züge liegen zu beiden Seiten
der Sehne des Flexor fibularis und verlaufen im Gebiet der Mittel-
phalangen hinter, d. h. dorsal von derselben. Die Bahn einer »per-
forierten« Sehne erscheint demnach deutlich vorgezeichnet, ohne daß
Morpholog. Jahrbuch, 41. 16
242 Erna Glaesmer
es aber zu einer ausgesprochenen Sehnenbildung des oberflächlichen
jeugers und einer Perforation käme.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Diese wird vertreten durch den Popliteus, den Flexor tibialis,
Flexor fibularis, den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den
Tibialis posticus, den Quadratus plantae und drei Lumbricales.
«) Der Popliteus
verhält sich wie bei Orycteropus aethiopieus.
ß) Der Flexor tibialis
bedeckt den Tibialis postieus. Am Ursprunge ist er mit dem Flexor
fibularis verwachsen. Er entspringt nur mit wenig Fasern von der
Tibia, in der Hauptsache mit dem Flexor fibularis gemeinsam von
der Fibula und der Membrana interossea. In der Planta inseriert
der Muskel am Metatarsale I, sowie einem kleinen tibialen Rand-
knochen, der durch die Fascie am medialen Fußrand befestigt ist.
y) Der Flexor fibularis
ist sehr kräftig. Er wird zum Teil vom Soleus bedeckt, mit dem
er am oberen Drittel des Unterschenkels verwachsen ist. Der Mus-
kel entspringt von der Hinterseite der Fibula und der Membrana
interossea. In der Planta teilt sich seine Sehne in fünf Teilsehnen,
welche an den Endphalangen der Zehen inserieren. Eine Verbin-
dung des Muskels mit dem Flexor tibialis besteht nicht.
0) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
macht auf den ersten Blick den Eindruck von zwei Lumbrieales.
Es sind dies zwei kleine Muskelbündel, die von dem oberfläch-
lichen Kopf des Flexor digitorum brevis bedeckt werden und (zum
Teil als Fortsetzung des Quadratus plantae) von der Sehne des
Flexor fibularis entspringen, bevor diese sich in ihre Teilsehnen
aufteilt. Sie gehen unter den entsprechenden Sehnen des oberfläch-
lichen Kopfes in die Sehnenscheiden der 3. und 4. Zehe über, ohne
vorher mit den Sehnen des oberflächlichen Kopfes zu verwachsen.
&) Der Tibialis postieus
ist ziemlich stark. Er wird vom Flexor tibialis bedeckt und ent-
springt von der Tibia, Fibula und Membrana interossea. Er in-
seriert ungefähr wie bei Orycteropus aethiopieus. y
i
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw, 243
£) Der Quadratus plantae
entspringt von der medialen Seite des Tuber calcanei und inseriert
hauptsächlich an der Plantarseite und am fibularen Rand der Sehne
des Flexor fibularis. Ein Teil seiner tibial gelegenen Muskelfasern
setzt sich in den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis fort, wäh-
rend ein zweiter Teil sehnig wird und sich mit der Hallux-Sehne
des Flexor fibularis verbindet.
n) Die Lumbricales.
Es sind drei vorhanden, die aus den drei Winkeln, welche von
der 2., 3., 4. und 5. Sehne des Flexor fibularis gebildet werden,
entspringen.
Ein Lumbricalis entspringt aus dem Winkel zwischen 2. und
3. Sehne und inseriert an der tibialen Seite der 3. Zehe.
Ein zweiter entspringt aus dem Winkel zwischen 3. und 4. Sehne
und inseriert an der tibialen Seite der 4. Zehe.
Ein dritter entspringt aus dem Winkel zwischen 4. und 5. Sehne
und inseriert mit je einer Sehne an den einander zugekehrten Seiten
der 4. und 5. Zehe.
B. Innervation.
Der N. tibialis gibt einen Ast zum medialen Gastroenemius ab,
Ein zweiter Ast versorgt den lateralen Gastroenemius und Plan-
taris.
Ein dritter Ast geht zum Popliteus und Flexor fibularis.
Ein vierter verzweigt sich an den Flexor tibialis und Tibialis
postieus.
Ein fünfter Ast innerviert den Soleus und Flexor fibularis.
Ein sechster verzweigt sich nochmals an den Flexor fibularis.
Oberhalb des Malleolus teilt sich der übrigbleibende Stamm des
N. tibialis in den N. plantaris lateralis und den N. plantaris me-
dialis.
Der N. plantaris medialis teilt sich seinerseits wieder in zwei
ste.
Einer dieser beiden Äste, der mediale, scheint rein sen-
sibel zu sein, der laterale dagegen verzweigt sich an den
oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis.
Der N. plantaris lateralis teilt sich ebenfalls in zwei Äste.
Der mediale dieser beiden verläuft unter dem oberfläch-
lichen Kopf des Flexor digitorum brevis und gibt einen
16*
244 Erna Glaesmer
Zweig an den Quadratus plantae, einen zweiten an den ober-
flächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis, einen dritten
an den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis ab. Dann
tritt der übrigbleibende Stamm am lateralen Rande des
Flexor fibularis in die Tiefe.
Der laterale Ast des N. plantaris lateralis tritt unter den
Quadratus plantae, dem er Zweige abgibt, und setzt sich
dann medialwärts fort.
Über Manis Dalmanni hat Humrury (1870) Untersuchungen
veröffentlicht, deren Resultate ich, soweit sie hier in Betracht
kommen, kurz wiedergebe. |
Beim medialen Gastroenemius beschreibt HumpHurY auch Ur-
sprungsfasern vom Abductor magnus. In bezug auf den lateralen
Gastroenemius und Soleus hat er etwa dieselben Befunde wie ich.
Der Plantaris ist nach HumrHry vom Gastrocnemius nicht iso-
lierbar. Bei meinem Exemplar war die Sehne des Plantaris sehr
gut zu isolieren. Eine Fortsetzung der inneren Partien der Gastro-Y
enemius-Sehne in Stränge, von denen der Flexor digitorum brevis
entspringt, habe ich bei meinem Exemplar Manis nicht beobachtet.
Diese Partien sollen nach HumpHary dem Plantaris angehören.
Den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis (Flexor
digitorum brevis, HuMmPHry) beschreibt‘ er ähnlich wie ich. Nur
steht nach H. die innere Portion des Flexor digitorum brevis in
Zusammenhang mit den äußeren Fasern (soll wohl inneren heißen!)
der »Achillessehne«, welche den Plantaris repräsentieren.
Für den Flexor tibialis (erster Tibialis postieus, HumpHry) be
schreibt er nur die Insertion an der medialen Seite des Metatar-
sale I, während bei meinem Exemplar auch noch Insertionsfasern
zu einem tibialen Randknochen vorhanden waren.
Der Flexor fibularis (Flexor digitorum, Humpury) und Tibiali
posticus (zweiter Tibialis postieus, Humpury) zeigt dieselben Befunde
wie bei meinem Exemplar. }
Einen tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis beschreibt Hux-
PHRY nicht. Vielleicht rechnete er diesen Muskel, der bei mein
Exemplar zum Teil eine direkte Fortsetzung des Quadratus plant
bildet, zu dem letzteren.
Lumbricales beschreibt er ebenfalls drei, mit etwas andrer
sertion.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 245
3. Bradypus tridactylus.
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
dargestellt durch den medialen, den lateralen Gastrocnemius, den
Soleus und den Plantaris (?).
«) Der mediale Gastrocnemius
entspringt vom medialen Epicondylus femoris. In Malleolenhöhe
vereinigt er seine Sehne mit der des lateralen Gastroenemius und
inseriert mit diesem zusammen an der Hinterseite des Tuber cal-
‚canei. Es erfolgt dabei eine deutliche Überkreuzung der Fasern,
wie Parsons (1894) sie beschreibt und wie sie auch in diesen Unter-
suchungen öfters bei andern Tieren erwähnt worden ist.
| ß) Der laterale Gastroenemius
entspringt vom lateralen Epiecondylus femoris. Am unteren Drittel
des Unterschenkels wird er sehnig und verbindet sich in Knöchel-
höhe mit der Sehne des medialen Gastroenemius. Beide inserieren
gemeinsam an der Hinterseite des Tuber calcanei.
y) Der Soleus
ist ein kräftiger Muskel, der medial mit dem Flexor fibularis ver-
wachsen ist. Er entspringt vom Capitulum der Fibula und den
oberen zwei Dritteln der lateralen Tibiakante. Seine Insertion er-
folgt fleischig am Tuber calcanei, vor und lateral von der Ansatz-
stelle der Gastrocnemii.
d) Der Plantaris
ist in seiner Identität zweifelhaft. Es handelt sich hier um einen
Muskel, der die übliche Lage und den üblichen Ursprung des Plan-
taris, dabei aber eine ganz abweichende Insertion aufweist.
Der Muskel entspringt gemeinsam mit dem lateralen Gastro-
‚enemius vom lateralen Epicondylus femoris. Seine Sehne entsteht
in der Mitte des Unterschenkels, ist sehr kurz und vereinigt sich
mit der Sehne des Flexor fibularis.
Ob es sich hier wirklich um einen Plantaris handelt, ist schwer
zu sagen. Es ist immerhin möglich, daß eine sekundäre Verschmel-
zung von Flexor perforatus und Flexor perforans erfolgt ist.
Y &) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt. Es waren wohl einige muskulöse Fasern zu beobachten, aber
5
a
246 Erna Glaesmer
eine Insertion derselben an irgend einem fixen Punkt war nicht
festzustellen.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird re-
präsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis,
den Tibialis -postieus und den Quadratus plantae.
«) Der Popliteus
entspringt mit einer Sehne, in die ein Sesambein eingelagert ist,
vom lateralen Epieondylus femoris und inseriert am oberen Drittel
der Hinterseite der Tibia.
ß) Der Flexor tibialis
wird vom Tibialis postieus fast vollständig zugedeckt. Er entspringt
vom mittleren Drittel der Hinterseite der Tibia, von der Membrana
interossea und dem oberen Drittel der Fibula. Seine kurze Sehne
vereinigt sich mit der Sehne des Flexor fibularis distal von der
Vereinigungsstelle des Flexor fibularis mit dem Plantaris.
y) Der Flexor fibularis
entspringt von der Hinterseite der oberen zwei Drittel der Fibula.
Er ist am Ursprunge mit dem Soleus verwachsen. Die in der Mitte
des Unterschenkels entstehende Sehne nimmt erst die des Plantaris,
dann die des Flexor tibialis auf und verläuft hinter dem medialen Mal-
leolus in die Planta, wo sie sich in drei mächtige Sehnen teilt,
deren jede sieh noch mit je einer Sehne des Quadratus plantae ver-
einigt. Die so entstandenen dicken Sehnen inserieren an den End-
phalangen der Zehen.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
&) Der Tibialis postieus
entspringt vom Capitulum der Fibula, von der Fascie des Popliteus
sowie von der medialen Tibiakante. Den Flexor tibialis deckt er
dabei fast vollständig zu. Seine Sehne inseriert am Navieulare und
Cuneiforme I.
£) Der Quadratus plantae
ist sehr kräftig. Er entspringt von der ganzen Plantarseite, sowie
der lateralen und medialen Fläche des Tuber ealcanei. Der Muskel
geht in drei kräftige Sehnen über, deren jede sich mit je einer des
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 247
Flexor fibularis vereinigt. Die so entstandenen gemeinschaftlichen
mächtigen Sehnen inserieren an den Endphalangen der drei Zehen.
n) Die Lumbrieales
fehlen.
B. Innervation.
Der N. tibialis gibt einen Ast für den medialen Gastroenemius
ab. Darauf folgt ein zweiter Ast für Plantaris, Soleus, den lateralen
Gastroenemius und Tibialis posticus.
Ein dritter Ast versorgt den Flexor tibialis und Flexor fibularis.
In der Mitte des Unterschenkels erfolgt die Teilung in den
N. plantaris medialis und N. plantaris lateralis.
Der Quadratus plantae wird vom N. plantaris lateralis versorgt.
Unter den über die Bradypodiden erschienenen Arbeiten fand ich
als wichtigste die von MAcALISTER (1869) und von HumrarrY (1869).
MACALISTER bespricht Dradypus tridactylus, HumPHRrY außer diesem
auch noch BDradypus didactylus.
Ein Vergleich dieser verschiedenen Untersuchungen über das-
selbe Tier, Bradypus tridactylus, ergibt folgendes:
Die beiden Gastroenemii sind nach MACALISTER separiert, nach
HunpHrY erfolgt eine Vereinigung in Knöchelhöhe. Ich habe eben-
falls eine Vereinigung in Knöchelhöhe vorgefunden. Diese kleine
Differenz kann auf einer individuellen Varietät beruhen; es bleibt
aber auch bei diesen und ähnlichen »Verwachsungen« immer eine
offene Frage, wie weit man geneigt ist, z. B. durch Fascien zusam-
mengehaltene Gebilde als Verwachsungen gelten zu lassen. Die In-
sertion der Gastroenemii erfolgt am Calcaneus. HumrHryY macht
dabei auf die bekannte Kreuzung der Sehnenfasern aufmerksam.
Der Soleus ist nach MACALISTER und Hurry vollständig iso-
liert. Auch Meckeı (1828) gibt dasselbe an.
Über die Auffassung des Plantaris sind Humrary und MacA-
LISTER verschiedener Meinung. Humpury beschreibt als Plantaris
ein vom Femur entspringendes Muskelbündel, während MACALISTER
denselben Muskel wie ich als Plantaris auffaßt. MACALISTER setzt
hinzu, diese Fortsetzung des Plantaris in den »Flexor digitorum
longus« sei für Edentaten charakteristisch, was in keiner Weise
zutrifft.
248 Erna Glaesmer
Der Flexor tibialis vereinigt nach MACALISTER (der den Mus-
kel Flexor digitorum longus nennt) seine Sehne mit der des Flexor
fibularis (Flexor hallueis, MACALISTER) und der des Plantaris. Die
gemeinsame Sehne versorgt alle drei Zehen.
HumpHry dagegen spricht dieses aus drei Muskeln sich zusam-
mensetzende Gebilde als einen einzigen Muskel an, den »Flexor
digitorum« (einen Flexor hallueis erwähnt er nicht).
MACALISTERS Auffassung scheint mir wahrscheinlicher.
Der Tibialis postieus inseriert nach beiden Autoren am Ento-
cuneiforme.
Den Flexor digitorum brevis erwähnt MACALISTER nicht. Bei
meinem Exemplar ist er fehlend verzeichnet.
Hunrary beschreibt ihn als schmalen Muskel, der vom Cal-
caneus entspringt und je eine Sehne für jede Zehe abgibt. Welchen
Muskel HumrHury damit meint, ist mir nach meinem Befunde nicht
verständlich.
Der Quadratus plantae wird von MACALISTER als ein Doppel-
muskel beschrieben, dessen eine Portion von der äußeren, dessen
andre von der inneren Seite des Calcaneus entspringt. Die erste
inseriert an der dritten, die zweite an den zwei medialen Sehnen
des Flexor fibularis. Humpury beschreibt den Muskel, wie er bei
meinem Exemplar sich vorfand.
Lumbricales fehlen nach beiden Autoren.
Bei Bradypus didactylus finden sich nach HumrHury folgende
Verhältnisse:
Die Sehnen der Gastroenemii sind separiert.
Der Soleus gibt auch einige Fasern zum medialen Gastroenemius
ab, andre sind in den Quadratus plantae fortgesetzt.
Der Plantaris ist nicht isoliert vorhanden.
Der Flexor fibularis (Flexor digitorum, HumPHry) versorgt die
2., 3. und 4. Zehe.
Der Tibialis postieus inseriert am Naviculare und an der Basis
des Metatarsale. Eine Portion setzt sich in einen schmalen spindel-
förmigen Muskel mit feiner Sehne fort, der die Sohle durchzieht
und sich mit der für die 4. Zehe bestimmten Sehne des Flexor di-
gitorum brevis vereinigt. (Ob diese zweite Portion nicht dem Flexor
tibialis zuzurechnen ist?)
Der Flexor digitorum brevis hat drei Portionen. Eine kommt
vom Entocuneiforme und vereinigt sich mit den beiden folgenden.
Zwei kommen vom Calcaneus. Alle Sehnen endigen in den
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 249
Flexorscheiden. Die zur 4. Zehe verlaufende Portion erhält Ver-
stärkung vom »Tibialis posticus«.
Der Quadratus plantae, in den sich der Soleus fortsetzt, ent-
springt vom Calcaneus. Seine breiteste Portion verbindet sich mit
der Flexor fibularis-Sehne für die 4. Zehe, der Rest mit den zwei
andern Sehnen.
Lumbricales sind drei vorhanden, die zu den tibialen Seiten
der 2., 3. und 4. Zehe verlaufen und sich mit den Extensorensehnen
verbinden. i
Aus diesem kurzen Referate und der vorhergegangenen Be-
schreibung ist leicht zu ersehen, daß die Beugemuskeln des Fußes
von Bradypus tridactylus und didactylus sehr starke sekundäre Um-
wandlungen erfahren haben, was bei der Lebensweise der Faul-
tiere, die ihr ganzes Leben in den Zweigen der Bäume hängend
verbringen, nicht wundernehmen kann. Jedenfalls stehen sie, wenig-
stens in bezug auf ihre hinteren Extremitäten, so weit abseits von
der direkten Linie, daß sie für eine Ableitung phylogenetischer Ge-
sichtspunkte gar nicht in Betracht kommen, so sehr sie auch indivi-
duell interessant erscheinen.
4. Myrmecophaga jubata. (Taf. II, Fig. 5 u. Taf. III, Fig. 6 u. 7).
| Das Präparat, das mir zur Verfügung stand, war leider nur
so weit erhalten, daß an der rechten Extremität der Fuß, an der
linken der Unterschenkel für eine Untersuchung verwertbar war.
Ich mußte mir also durch Kombination dieser beiden Teile ein Bild
von dem Verhalten der Muskeln entwerfen. Auf Taf. II, Fig. 5 ist
der rechte Fuß in umgekehrtem Bilde an den linken Unterschenkel
gezeichnet.
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächliche vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
repräsentiert durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den
Soleus, den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor di-
gitorum brevis.
«) Der mediale Gastrocnemius
entspringt von der Hinterseite des medialen Epicondylus femoris,
vereinigt sich in der Mitte des Unterschenkels mit dem lateralen
Gastroenemius und inseriert mit diesem gemeinsam an der Hinter-
und Unterseite des Tuber caleanei, wobei aber einige oberflächliche
—
ö
250 Erna Glaesmer
Fasern unmittelbar in die Muskelfasern des Flexor digitorum brevis
übergehen.
?) Der laterale Gastroenemius |
ist bis zur Mitte des Unterschenkels herab mit dem darunterliegen-.
den Plantaris vereinigt. Er entspringt sehnig von der lateralen Seite
des lateralen Epiecondylus femoris. In der Mitte des Unterschenkels
vereinigt er sich mit dem medialen Gastroenemius und inseriert mit
diesem gemeinsam an der Hinter- und Unterseite des Tuber cal-
canei. Dabei verlaufen die Sehnenfasern des medialen Gastro-
enemius vorwiegend lateralwärts, die des lateralen vorwiegend me-
dialwärts.
y) Der Soleus
ist ein sehr kräftiger Muskel, der vom lateralen Gastroenemius und
Plantaris bedeckt wird. Er entspringt vom Capitulum der Fibula, ferner
vom oberen Viertel der Tibia und verwächst innig mit dem darunter-
liegenden Flexor fibularis. Der Muskel bleibt bis nahe an das
Tuber calcanei fleischig und inseriert an der Hinterseite desselben,
vor der gemeinsamen Gastroenemiussehne. In seinem ganzen Ver-
laufe bleibt der Soleus von den beiden Gastrocnemii getrennt.
0) Der Plantaris
ist von seinem Ursprunge bis zur Mitte des Unterschenkels herab
mit dem darüberliegenden lateralen Gastroenemius innig ver-
wachsen. Er entspringt mit diesem vom lateralen Epieondylus fe-
moris, tritt mit seiner Sehne an die laterale Seite der vereinigten
Gastroenemius-Sehne und setzt sich in die derbe Unterschenkelfaseie
der lateralen Seite fort. Leider war gerade diese Partie an beiden
Extremitäten lädiert, so daß ich die hier besprochene Insertion nicht
als unbedingt authentisch hinstellen möchte. Es erscheint unwahr-
scheinlich, daß ein Muskel, der im allgemeinen an der medialen
Seite der Gastroenemius-Sehne vorbeizulaufen pflegt, hier eine Aus-
nahme machen sollte.
Daß aber dieser Muskel als ein selbständiger Muskel und nicht
etwa als ein Teil des lateralen Gastroenemius aufzufassen ist, dafür
spricht der gesonderte Verlauf, sowie die Innervation. Der Muskel
wird nämlich durch den für den Soleus bestimmten Nervenast vom
lateralen Gastroenemius getrennt und wird auch von jenem und nich
von dem Nervenast des lateralen Gastroenemius innerviert. VE
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 251
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis.
Dieser Muskel entspringt vom Calcaneus, zum Teil aber bilden
einige oberflächliche Muskelfasern eine direkte Fortsetzung der
Sehnenfasern der Gastrocnemius-Sehne. Die ganze Muskelmasse
teilt sich in vier einzelne Bündel, die in schmale Sehnen übergehen.
Das Muskelbündel für die 4. Zehe ist das stärkste, das für die
5. Zehe schließt eng an den Abductor (?) der 5. Zehe an. Jede
Sehne wird in der Gegend der Metatarso-Phalangeal-Verbindungen
breiter und geht in die Sehnenscheiden über, welche die Sehnen
des Flexor fibularis über der 2., 3., 4. und 5. Zehe umhüllen. Die
Sehnenscheiden sind nicht über der ganzen Volarseite der Zehe
ausgebildet, sondern haben an dem distalen Ende eine ovale Öffnung,
die durch loekeres Bindegewebe bedeckt wird. (Tafel III, Fig. 6.)
Wenn man eine dieser Sehnenscheiden längs spaltet (3. und 4. Zehe
derselben Figur) dann ergibt sich ein ähnliches Bild wie bei Oryeteropus
aethiopieus (Tafel II, Fig. 4).
Die Sehnenscheide zeigt innen nicht die einfache glatte Struktur
wie außen. Denn die Sehne des Flexor digitorum brevis endet nicht
diffus im Gewebe der Sehnenscheide, wie es bei der Ansicht von
außen den Anschein hat und wie es zum Beispiel bei den Mono-
tremen der Fall ist. Vielmehr behält die Sehne innerhalb des Ge-
webes der Sehnenscheide ihre isolierte Bahn bei, teilt sich in zwei
Teilsehnen, die erst divergieren, dann zu beiden Seiten der ent-
sprechenden Sehne des Flexor fibularis verlaufen und endlich hinter,
d. h. an die Dorsalseite der Sehne des Flexor fibularis treten, wo
sie sich wieder vereinigen, um an der Mittelphalanx zu inserieren.
Während dieses ganzen Verlaufs, besonders aber im Beginne der
Teilung ist die Sehne des Flexor digitorum brevis mit der Innen-
wand der Sehnenscheide mehr oder weniger innig verwachsen. Das
Verhalten des Flexor digitorum brevis und des Flexor fibularis stellt
also eine der Perforation bei den höheren Säugetieren ähnliche Bil-
‚dung dar, mit dem Unterschiede, daß dort die Sehne des Flexor
digitorum brevis sich von der umgebenden Sehnenscheide vollstän-
dig befreit hat.
Innerviert werden die beiden medialen Bündel des Muskels vom
N. plantaris medialis, die beiden lateralen vom N. plantaris lateralis.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird ver-
252 Erna Glaesmer
treten durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den Flexor fibularis,
den Tibialis posticus, den Quadratus plantae- und vier Lumbricales.
«) Der Popliteus
entspringt mit kräftiger Sehne, in die ein Sesamknorpel eingelagert
ist, von der lateralen Seite des lateralen Epieondylus femoris. Seine
Fasern divergieren medialwärts und inserieren am oberen Drittel
der medialen Tibiakante. Dabei bleibt ein kleines Dreieck unter-
halb der Gelenkspalte frei.
ß) Der Flexor tibialis
entspringt von der medialen Hinterseite der Tibia, von dem mitt-
leren Drittel derselben ab abwärts. Seine obersten, d. h. proximal-
sten Partien werden ebenso wie die des Soleus vom Popliteus be-
deckt. Der Flexor tibialis wird etwas oberhalb des Malleolus sehnig
und zieht dann hinter demselben zur Planta, wo er in die Plan-
tarfascie ausläuft. In der Gegend des Cuneiforme I und der Basis
des Metatarsale I enthält die Plantarfascie einen flachen Sesam-
knorpel.
y) Der Flexor fibularis
wird bis nahe an den Calcaneus abwärts vom Soleus bedeckt, mit
dem er an seinem oberen Drittel verwachsen ist. Er entspringt von
dem mittleren Drittel der Fibula und von der Membrana interossea.
Seine mediale Längshälfte wird dabei von dem lateralen Teil des
Tibialis posticus bedeckt. Die Sehne verläuft hinter dem medialen
Malleolus in die Planta, wobei sie eine kurze Strecke lang eine Spal-
tung in zwei Sehnen aufweist, wie sie an dieser Stelle bei einem
holländischen Igel erwähnt wurde. Aus der Sehne gehen in der
Planta fünf Einzelsehnen hervor, welche zu den Endphalangen der
fünf Zehen verlaufen, nachdem sie die Sehnen des oberflächlichen
Kopfes des Flexor digitorum brevis durchbohrt haben. Die für den
Hallux bestimmte Sehne verwächst mit einer von dem medialen
Teil des Quadratus plantae gebildeten Sehne.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
&) Der Tibialis posticus
liegt lateral vom Flexor tibialis. Er entspringt von der Hinterseite
der Tibia. Die Sehne verläuft hinter dem medialen Malleolus ab-
wärts und inseriert in der Planta an der Basis des Metatarsale I,
wo sie von der Endausbreitung des Flexor tibialis bedeckt wird.
&
i
;
#
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 253
Die topographische Lage der drei Sehnen hinter dem medialen
Malleolus ist die allgemein übliche: Tibio-fibularwärts finden wir
erst die Sehne des Tibialis posticus, dann die des Flexor tibialis,
endlich die des Flexor fibularis.
£) Der Quadratus plantae (siehe Tafel III, Fig. 6)
ist ein kurzer breiter Muskel, der vollständig vom oberflächlichen
Kopf des Flexor digitorum brevis bedeckt wird. Der Muskel ent-
springt von der distalen Hälfte der Unterseite des langgestreckten
Caleaneus und. verläuft schräg medial- und distalwärts. Der me-
diale Teil endet in einer kurzen gedrungenen Sehne, die mit der
darunterliegenden Hallux-Sehne des Flexor fibularis verschmilzt und
mit dieser gemeinsam an der Endphalanx der ersten Zehe inseriert.
Die übrige Muskelmasse inseriert an der Plantarseite der zweiten
und dritten Sehne des Flexor fibularis, wobei sich aber die Muskel-
fasern zum Teil unmittelbar in die Lumbricales fortsetzen.
n) Die Lumbricales.
Es sind ihrer vier vorhanden. Der erste entspringt von der
Plantarseite der von dem Quadratus plantae und dem Flexor fibu-
laris gebildeten Hallux-Sehne, der zweite von derselben Sehne sowie
mit einigen Fasern von der zweiten Sehne des Flexor fibularis. Der
dritte Lumbricalis entspringt zum Teil von der Plantarseite der
dritten und vierten Sehne, zum Teil scheint er eine direkte Fort-
setzung des Quadratus plantae, der vierte entspringt von der Plan-
tarseite der vierten und fünften Sehne, Die Insertion aller vier
Lumbricales erfolgt an den tibialen Seiten der Sehnenscheiden der
2., 3., 4. und 5. Zehe. Die medialen drei Lumbricales werden vom
N. plantaris medialis, der laterale vom N. plantaris lateralis versorgt.
B. Innervation.
Der N. tibialis gibt bald nach seiner Trennung vom N. peroneus
einen starken Muskelast zum medialen Gastrocenemius ab. Dann
verläuft er im medialen Teil der Fossa poplitea abwärts und gibt
in der Höhe der Gelenkspalte zwei starke Muskeläste ab, von denen
der eine lateral-, der andre medialwärts verläuft.
Der erstere dieser beiden tritt zwischen den lateralen Gastro-
enemius und den Plantaris und gibt hier einen Muskelast zum la-
| teralen Gastroenemius ab. Der Rest des Nerven verläuft abwärts,
gibt einen Muskelast für den Plantaris ab, schlingt sich um
254 Erna Glaesmer
diesen und verläuft dann wieder medial- und abwärts zum Soleus,
der von diesem Endast innerviert wird. Der mediale stärkere
Ast verläuft über den Popliteus abwärts, wo eine Aufteilung in meh-
rere Zweige erfolgt.
Einer davon versorgt mit mehreren Ästchen den Popli-
teus, in den er von unten her eintritt.
Ein zweiter geht zum Flexor fibularis mit drei Zweigen,
die in verschiedener Höhe in ihn eintreten.
Ein dritter teilt sich am unteren Rande des Popliteus in
zwei Ästehen, von denen eines den Tibialis postieus, ein
zweites den Flexor tibialis versorgt.
Etwas oberhalb des Calcaneus teilt sich dann der N. tibialis
in den N. plantaris lateralis und den N. plantaris medialis. Der
N. plantaris medialis, der ebenso wie der N. plantaris lateralis von
der Plantarfascie und vom Flexor digitorum brevis bedeckt wird,
gibt gleich nach seinem Eintritt in die Planta einen Ast ab, der
die zur 1. und 2. Zehe verlaufende Portion und bald einen zweiten,
der die zur 3. und 4. Zehe verlaufende Portion desselben Muskels
versorgt.
Sodann erfolgt eine Aufteilung in zwei Äste, die als Hautnerven
endigen, nachdem sie vorher je einen Ast zum Großzehenmuskel
und zu den drei medialen Lumbricales abgegeben haben.
Der N. plantaris lateralis gibt sofort nach seinem Eintritt in die
Planta einen sehr starken Ast ab, der schräg medialwärts verläuft
und den Quadratus plantae versorgt.
Bald darauf gehen lateralwärts zwei Äste ab, von denen der
eine den Kleinzehenmuskel, der andre die für die 5. Zehe bestimmte
Portion des oberflächlichen Kopfes des Digitorum brevis versorgt.
Der Rest des Nerven setzt sich teils als Nerv für die tiefen
Muskeln, teils als Hautnerv fort.
Die über Myrmecophaga jub. und andre Myrmecophagidae er-
schienene Literatur ist recht umfangreich. Von den mir zugänglichen
Arbeiten, MEckeu (1819), Rapp (1852), Owen (1854), PoucHer (1867),
Gauron (1869), Humrury (1870), MAcALısTeR (1875), WInDLE und
Parsons (1399), bespreche ich an dieser Stelle die wichtigsten.
Interessant ist auch hier ein Vergleich der Befunde, die ver-
schiedene Autoren über dasselbe Tier gewonnen haben. So hat
Oyelothurus didactylus allein drei mir bekannte Bearbeitungen er-
fahren, Meckeu (1819), Gauron (1869) und HumpHury (1870). ‘
4
j
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 255
Den medialen und lateralen Gastroenemius beschreibt MECKEL
als Wadenmuskel mit innerem und äußerem Bauch, die mittels einer
langen Sehne am Tuber cealcanei inserieren.
Der Soleus entspringt von der Fibula und inseriert mit selb-
ständiger Sehne auch am Calcaneus.
Fast ebenso werden die drei Muskeln von GALTon und Hun-
PHrY beschrieben.
Der Plantaris (schlanker Sohlenmuskel) kommt nach MECKEL
vom Femur und inseriert am »großen Fußwurzelknochen«. MECKEL
beschreibt als solchen einen, am inneren Fußrande befindlichen
langen prismatischen Knochen, der mit dem Kahn- und ersten Keil-
bein artieuliert und »sich auf Kosten der großen Zehe, die hier ver-
hältnismäßig klein ist, entwickelt hat«. Dieser Knochen entspricht
wohl demjenigen, der in dieser Arbeit, möglichst indifferent, mit
andern Autoren als »tibialer Randknochen« bezeichnet wird.
HumpHry beschreibt den Muskel ebenso wie MECKEL. GALTON
hat außerdem Insertionsfasern am Caleaneus beobachtet.
Vom Flexor digitorum brevis sagt HumpHry, er verhalte sich
_ wie gewöhnlich. MECKEL und GALToN erwähnen diesen Muskel
nicht.
Der Popliteus entspringt nach MEcKEL vom Oberschenkel, nach
GALToN von einem Sesambein, das hinter dem Ligamentum genu
collaterale fibulare liegen soll. MECKEL fand ein Sesambein in die
Sehne des Popliteus eingelagert. Es handelt sich hier wohl nur
um eine Verschiedenheit des Ausdrucks und nicht um verschiedene
Befunde. Eine Differenz aber besteht zwischen MECKEL und GALTON
in bezug auf zwei weitere Muskeln, die nach den angegebenen In-
sertionen als Flexor tibialis und Tibialis posticus aufzufassen wären.
Einer dieser Muskeln inseriert nach MECKEL am tibialen Rand-
knochen (wohl der Flexor tibialis), ein zweiter am ersten Keilbein
(wohl Tibialis postieus).
GALTON beschreibt zwei am tibialen Randknochen inserierende
Muskeln.
Den einen, an der fibularen und unteren Seite des Randknochens
inserierenden nennt er Tibialis posticus, einen zweiten vor dem
Tibialis postieus am Randknochen inserierenden »Flexor hallueis«.
Da die Sehne des letzteren Muskels nach GALron am medialen
Malleolus hinter der des ersteren liegt, so dürfte es sich in diesem
letzteren Falle also wohl sicher um einen Flexor tibialis handeln,
während der erstere den Tibialis posticus repräsentiert. Demnach
2
256 Erna Glaesmer
wird die Insertion des Tibialis posticus von GALTON anders ange-
geben als von MECKEL.
HumrHnry gibt für diese beiden Muskeln dieselben Insertionen
wie MECKEL an.
Der Flexor fibularis (gemeinschaftlicher Beuger) inseriert nach
allen drei Autoren an den Endphalangen.
Der Quadratus plantae ist nach GALTON und HumPpHRY gut ent-
wickelt. Ebenso geben beide Autoren drei Lumbricales an, die zu
den tibialen Seiten der drei äußeren Zehen verlaufen.
Auffallend ist, daß weder von einem Flexor digitorum brevis,
noch einem Plantaris, der perforiert würde, ausdrücklich die Rede ist.
Die Rarrsche Arbeit (1852) behandelt in dem Kapitel »Muskeln«
die Muskulatur der vorderen und hinteren Extremität von Myrme-
cophaga tamandua.
Gastroenemii und Soleus vereinigen sich dort und inserieren mit
gemeinsamer Sehne an der Tuberositas ealcanei. (Bei Myrmecophaga
Jubata ist der Soleus isoliert.)
Ein Plantaris fehlt. (Bei Myrmecoph. jub. Insertion fraglich.)
Als kurzer gemeinschaftlicher Beuger wird ein Muskel be-
schrieben, der in drei Sehnen für die 2., 3. und 4. Zehe übergeht.
Diese Sehnen werden von den Sehnen des langen gemeinschaftlichen
Beugers durchbohrt.
Flexor tibialis und Tibialis posticus werden nicht näher be-
schrieben.
Der Flexor fibularis inseriert mit fünf Sehnen an den End-
phalangen.
Der Quadratus plantae verbindet sich mit der Sehne des letzteren
Muskels.
Lumbricales sind nicht näher beschrieben.
PArsons und WınpLE (1899) erwähnen über Myrmecophagidae
etwa Folgendes:
Der Plantaris inseriert bei Myrmecophaga Jubata in der Plantar-
fascie, bei Oyclothurus am Randknochen.
Der Flexor digitorum brevis entspringt bei den Myrmeeophagidae
vom Caleaneus. Er hat keine Beziehung zum Plantaris, wenn dien
überhaupt vorhanden ist.
Flexor tibialis und fibularis sind untrennbar, dagegen werde
zwei Tibiales postiei beschrieben, von denen einer am Navicuları
und Entocuneiforme, der zweite am tibialen Randknochen inserier
Ä
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 257
Es ist ohne weiteres klar, daß der erste dieser beiden Tibiales
postiei dem eigentlichen Tibialis postieus entspricht.
Der am Randknochen inserierende Muskel ist meiner Auffassung
nach ein Flexor tibialis.
5. Dasypus sexeinetus. (Taf. III, Fig. 8).
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
dargestellt durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den
Soleus und den Plantaris.
«) Der mediale Gastrocnemius
entspringt sehnig von einem Knochenfortsatz oberhalb des medialen
Condylus femoris. Der kräftige Muskel geht in eine breite Sehne
über, die sich dicht oberhalb des Tuber caleanei mit der Sehne des
lateralen Gastrocnemius vereinigt. Einige Fasern strahlen auch in
die Plantarfascie (nicht in die Plantarissehne!) aus.
ß) Der laterale Gastroenemius
entspringt muskulös oberhalb des lateralen Condylus vom Femur. In
der Mitte des Unterschenkels wird er sehnig.
Während nun der Hauptteil des Muskels an der lateralen Seite
des Tuber calcanei inseriert, verlaufen einige Fasern medialwärts
unter die Sehne des medialen Gastroenemius. Mit dieser vereinigen
sie sich und setzen sich dann mit einigen Fasern des medialen
Gastroenemius in die Plantarfascie fort, welche die Plantarissehne
bedeckt.
y) Der Soleus
entspringt von der lateralen Fläche des Capitulum fibulae, von der
Fascie der Streckseite und ist zum Teil mit dem Flexor fibularis ver-
wachsen. Er ist ein recht kräftiger Muskel, der proximal schmal
‚beginnt, distalwärts aber dieker und breiter wird. Er deckt die
lateralen Partien des Flexor fibularis vollständig zu und inseriert
muskulös am ventralen Abschnitt der gemeinsamen Gastrocnemius-
sehne, mit der er die sehr kurze Achillessehne bildet, und am Tuber
Galcanei, ventral vom Ansatz der Gastroenemii.
ö) Der Plantaris
liegt zwischen den beiden Gastroenemii. Alle drei Muskeln haben
merkwürdig abgeplattete Bäuche, deren breite Flächen sagittal liegen,
_— Morpholog. Jahrbuch. 41. 17
L
258 Erna Glaesmer
d.h. die beiden Gastroenemii schließen mit ihren nach der Median-
ebene zu gelegenen breiten Muskelflächen den Plantaris ein. Dieser
entspringt muskulös vom lateralen Epieondylus femoris, wo er vom
lateralen Gastroenemius bedeckt wird. Auf dem Unterschenkel ragt
eine Kante des Plantaris zwischen den beiden Gastroenemii hervor.
Am unteren Drittel des Unterschenkels wird der Muskel sehnig.
Die Sehne verläuft dann in einer Rinne des Tuber calcanei, die von
der gemeinsamen Gastroenemiussehne bedeckt wird. Von dort aus
tritt die Sehne in die Planta, wird hier breiter und teilt sich in
Gegend der Tarso-Metatarsalgelenke in vier Sehnen für die medialen
vier Zehen.
Jede Sehne wird im Gebiet des Metatarso-Phalangealgelenkes
breiter und geht in die Sehnenscheide der betreffenden Zehe über.
Beim Aufschneiden der Sehnenscheiden zeigen sich im Innern etwa
dieselben Verhältnisse wie bei Orycteropus aethiopieus und Myrme-
cophaga jubata, nur mit dem Unterschiede, daß bei Oryeteropus und
Dasypus die perforierten Sehnen vom Plantaris, bei Myrmecophaga
jubata aber von dem oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis
abgegeben werden.
e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird dar-
gestellt durelı den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis,
Tibialis postieus und sieben Lumbricales.
«) Der Popliteus
entspringt mit kurzer Sehne von der lateralen Seite des lateralen
Condylus femoris. Die Muskelfasern divergieren medialwärts und
inserieren an der hinteren Tibiafläche, das obere und die unteren
zwei Drittel freilassend. An der unteren Grenze des Popliteus ent-
lang entspringen die übrigen Muskeln.
ß) Der Flexor tibialis
ist ein schwacher Muskel. Er entspringt von der Hinterseite der
unteren Hälfte der Tibia. Mit seiner feinen Sehne verläuft er in
einer Rinne hinter dem medialen Malleolus, wo er vor die Sehne
des Tibialis postieus zu liegen kommt.
In der Planta inseriert die Sehne zum Teil in der Plantarfaseik
des medialen Fußrandes, zum Teil heftet sie sich an einen Fan
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 259
plättchenförmigen Sesamknorpel, der sich im Gebiet des Tarso-Meta-
tarsalgelenkes des medialen Fußrandes befindet und durch Fascien-
züge an diesen angeheftet wird. Von diesem Knorpel geht ein
sehniger Strang nach der Grundphalanx des Hallux weiter.
y) Der Flexor fibularis
entspringt von der ganzen Hinterfläche der Fibula und mit einigen
Fasern von der Membrana interossea. Mit dem von der Tibia kom-
menden Tibialis posticus ist er innig verwachsen.
Der Flexor fibularis wird erst in der Gegend des Calcaneus, knapp
bevor er die Planta betritt, sehnig. Am medialen Malleolus liegt
die Sehne hinter der des Tibialis posticus.
In der Planta hat die Sehne ein großes Sesambein eingelagert,
an dessen distaler Cireumferenz sich die Sehne dann in fünf Einzel-
sehnen aufteilt, welche in die Sehnenscheiden eintreten und inner-
halb derselben an den Endphalangen der fünf Zehen inserieren.
An der zweiten Zehe der rechten Extremität (Taf. III, Fig. 8
stellt die linke dar) bemerkte ich ein eigentümliches Verhalten der
_ Flexor-fibularis-Sehne. Die oberflächlichen Sehnenfasern gruppieren
|
|
|
sich zu zwei nebeneinanderliegenden Strängen, die dann divergieren
und so für die tiefen Fasern, die nun an die Oberfläche treten, eine
Art Schlitz bilden. Im Gebiete der Endphalanx verlieren sich diese
Stränge im Gewebe der Sehnenscheide. Die »durchgetretenen« tiefen
Fasern aber verlaufen weiter und inserieren weiter distal an der
‚ Endphalanx.
Dieses eigentümliche Verhalten, das eine Art zweiter Perforation
darstellt, fand sich an den andern Zehen nur angedeutet vor. Auch
hier Welchen die oberflächlichen Fasern auseinander, um den tiefen
Platz zu machen, aber sie bilden nicht, wie an der zweiten Zehe
‚ zwei Stränge, sondern inserieren einzeln nacheinander an der Sehnen-
‚ scheide. |
| ‚ fehlt.
|
|
]
| ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
F e) Der Tibialis postieus
' ist mit dem Flexor fibularis innig verwachsen und entspringt von
| der unteren Hälfte der hinteren Tibiafläche. Er ist ein schwacher
' Muskel, der mit seiner feinen Sehne in einer Rinne hinter dem
medialen Malleolus verläuft, wo er hinter der Sehne des Flexor
| tibialis liegt. In der Planta inseriert er am Naviculare.
228
260 Erna Glaesmer
£) Der Quadratus plantae
fehlt.
n) Die Lumbricales.
Es sind ihrer sieben vorhanden. Sie entspringen von dem großen
Sesambein aus den Winkeln, welche von den Sehnen des Flexor
fibularis gebildet werden. Zwischen 3. und 4. Sehne kommt einer
hervor, aus den übrigen Winkeln entspringen je zwei Lumbricales.
Von den zwei zwischen 1. und 2. Sehne des Flexor fibularis
befindlichen Lumbricales geht einer zur fibularen Seite des Hallux,
der zweite zur tibialen Seite der 2. Zehe.
Ebenso verläuft von den zwei zwischen 2. und 3. Sehne ent-
springenden einer zur fibularen Seite der 2., der andre zur tibialen
Seite der 3. Zehe. | |
Der von der 3. und 4. Sehne entspringende geht zur tibialen
Seite der 4. Zehe, während von den zwei zwischen 4. und 5. Sebne
entspringenden einer wieder zur fibularen Seite der 4, der andre
zur tibialen Seite der 5. Zehe geht.
Die Insertion erfolgt jeweils an der Sehnenscheide, zur Seite
der Sehne des Flexor fibularis im Bereich der Endphalanx.
B. Innervation.
Der N. tibialis gibt einen Ast für den medialen Gastrocne-
mius ab.
Dicht darunter geht ein starker Ast lateralwärts, der sich sofort
aufteilt und an den lateralen Gastroenemius, Soleus und Plantaris
verzweigt.
Unterhalb der Kniegelenkspalte geht ein dritter Ast ab, der den
Popliteus und den proximalen Abschnitt des Flexor fibularis versorgt.
Ein vierter Ast innerviert die unteren Partien des Flexor fibularis
und den Tibialis postieus. Die Innervation des Flexor tibialis habe
ich leider verfehlt.
Oberhalb des Calcaneus erfolgt die Teilung in den N. plantaris
medialis und N. plantaris lateralis. .
Über Dasypus sexeinctus besteht eine myologische Arbeit von
Garron (1870), die fast dieselben Befunde verzeichnet, zum Teil nur
unter andrer Benennung der Muskeln.
Die Vereinigung der Gastroenemii erfolgt nach GALToN &
unteren Drittel des Unterschenkels, bei meinem Exemplar etwas tiefe
Soleus und Plantaris zeigen hier wie dort dasselbe Verhalten.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 261
Bei dem Popliteus hat GaLron auch Ursprungsfasern von der
Kapsel des Kniegelenks wahrgenommen.
Den in den vorliegenden Untersuchungen als Flexor tibialis be-
schriebenen Muskel erwähnt GALToNn, unter Vorbehalt, als einen
Tibialis postieus secundus vel internus. Er inseriert an der Hinter-
seite eines Knöchelchens, das vor dem Scaphoid längs der freien
Kante des Entocuneiforme liegt. Von dem vorderen Ende dieses
Knöchelehens verläuft ein starkes Ligament zur Basis der Grund-
phalanx des Hallux. Nach dieser Beschreibung kann kein Zweifel
bestehen, daß G. damit den von mir als Flexor tibialis beschriebenen
Muskel meint, daß die beiden Befunde sich decken und nur die
Nomenklatur eine verschiedene ist. Den Flexor fibularis beschreibt
GaLton als Flexor digitorum.
Der eigentliche Tibialis posticus hat nach GALToN zwei Köpfe.
Der innere entspringt von der Tibia, der äußere von der Fibula.
In meinem Fall war der Tibialis postieus innig mit dem Flexor
fibularis verwachsen. Ein Vorhandensein von zwei Köpfen habe ich
_ nicht beobachtet. Einen Quadratus plantae erwähnt GALToN nicht.
Er dürfte in seinem Fall also auch gefehlt haben.
Lumbricales beschreibt GAaLron ebenfalls sieben mit gleicher
Insertion wie unter »Lumbricales« ausgeführt worden ist.
6. Tolypeutes tricinctus.
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
dargestellt durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den
Soleus und den Plantaris.
«) Der mediale Gastrocnemius
entspringt vom medialen Epicondylus femoris. Seine Sehne ver-
bindet sich dicht oberhalb des Caleaneus mit der Sehne des lateralen
Gastroenemius, mit der sie gemeinsam an der Hinterseite des Tuber
calcanei inseriert, wo medial auch der Plantaris ansetzt.
ß) Der laterale Gastrocnemius
ist am Ursprunge eng mit dem Plantaris verwachsen. Er entspringt
mit diesem gemeinsam vom lateralen Epicondylus femoris. In der
Mitte des Unterschenkels etwa trennt sich der laterale Gastroenemius
vom Plantaris, bildet eine breite, flache Sehne und verbindet sich
262 Erna Glaesmer
etwas oberhalb des Calcaneus mit der Sehne des medialen Gastro-
enemius, mit der er gemeinsam an der Hinterseite des Tuber cal-
canei inseriert.
y) Der Soleus
ist verhältnismäßig stark. Er entspringt vom Capitulum der Fibula
und von der Fascie der Streekseite und ist zum Teil mit dem Flexor
fibularis verwachsen. Der Muskel inseriert am unteren ventralen
Abschnitt der gemeinsamen Gastroenemius-Sehne.
0) Der Plantaris
ist eng mit dem lateralen Gastroenemius verwachsen, von dem er
sich erst in der Mitte des Unterschenkels trennt. Er entspringt mit
jenem Muskel vom lateralen Epicondylus femoris. Etwas unterhalb
der Mitte des Unterschenkels bildet er eine schlanke drehrunde
Sehne, die von der Sehne des medialen Gastroenemius bedeckt wird,
im weiteren Verlaufe aber an deren medialer Seite an die Oberfläche
tritt und medial von ihr am Calcaneus inseriert.
Die Sehnenfasern des medialen, des lateralen Gastroenemius und
des Plantaris vereinigen sich hier, wobei sie in ein- und derselben
Ebene nebeneinander verlaufen. Es wird also nicht, wie bei andern
Tieren so häufig beschrieben worden ist, die gemeinsame Gastroenemius-
sehne vom Plantaris zugedeckt. Die beiden Gastroenemii nehmen am
Calcaneus Anheftung, wo ihre Sehnenfasern zum größten Teil auch
endigen. Ein Teil der Fasern aber setzt sich mit dem Plantaris in
die Planta fort und geht mit diesem zum Teil in die Plantarfaseie,
zum andern Teil in eine breite Sehnenplatte über. Die letztere teilt
sich in vier Sehnen auf, welche zu den medialen vier Zehen ver-
laufen, wo sie wie bei Dasypus an den Sehnenscheiden derselben
inserieren.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die tiefe Muskelgruppe wird dargestellt durch den Flexor fibu-
laris, Tibialis postieus und sechs Lumbricales.
«) Der Popliteus
fehlt.
ß) Der Flexor tibialıs
De 77
fehlt.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 263
y) Der Flexor fibularis
wird vom Soleus, mit dem er zum Teil verwachsen ist, bedeckt. Er
- entspringt von der oberen Hälfte der Fibula, sowie mit einigen Fasern
von der Tibia und Membrana interossea. Seine Sehne, die sich
ebenso wie bei Dasypus verhält, verläuft hinter dem medialen Malle-
olus in die Planta, wo sie ein starkes Sesambein eingelagert hat.
Distal vom Sesambein erfolgt eine Aufteilung in fünf Einzelsehnen,
welche an den Endphalangen der fünf Zehen inserieren. Die dritte
und vierte Zehe sind verwachsen, bekommen aber trotzdem je eine
Sehne. Die zur fünften Zehe verlaufende Sehne ist sehr dünn.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
&) Der Tibialis posticus
entspringt von der oberen Hälfte der Tibia, außerdem mit einigen
Fasern von der Membrana interossea. Er inseriert an der Plantar-
fläche des Naviculare.
£) Der Quadratus plantae
fehlt.
n) Die Lumbricales.
Es sind sechs Lumbricales vorhanden. Je zwei entspringen aus den
Winkeln zwischen je zwei Sehnen des Flexor fibularis. Dabei bleibt
jedoch der Winkel zwischen vierter und fünfter Sehne frei.
Die zwischen erster und zweiter Sehne entspringenden inserieren
an den einander zugekehrten Seiten der ersten und zweiten, die aus
den beiden nächsten Winkeln entspringenden ebenso an Zehe II
und III, bezw. III und IV. Die fünfte Zehe bekommt demnach keinen
Lumbricalis.
B. Innervation.
Der N. tibialis gibt noch oberhalb des Gelenkes einen Ast für
den medialen Gastroenemius ab.
Darauf folgen zwei Äste, die sich an den lateralen Gastrocne-
mius, den Plantaris und Soleus verteilen.
Ein vierter Ast tritt zwischen Flexor fibularis und Tibialis posti-
eus ein und versorgt diese beiden Muskeln. Ein besonders starker
Zweig dieses Astes verläuft bis zum unteren Viertel des Unter-
schenkels und versorgt die untersten Partien des Flexor fibularis.
Am unteren Drittel des Unterschenkels teilt sich der N. tibialis in
den N. plantaris lateralis und N. plantaris medialis.
264 Erna Glaesmer
Über Tolypeutes conurus bringt Murıe (1874) eine Arbeit, die
ich zum Vergleiche kurz referiere.
Gastroenemius und Soleus verhalten sich nach MurıE ähnlich
wie bei meinem Exemplar Tolypeutes trieinctus.
Der Plantaris inseriert nach MurIE am Calcaneus, ohne sich in
die Plantarfascie fortzusetzen. Diese scheint nach MurıE vielmehr
ein selbständiges Gebilde zu sein, das vom Calcaneus und dem
inneren Malleolus entspringt, die Planta vollständig bedeckt und sich
in Sehnen aufteilt, von welchen die zur zweiten und dritten Zehe
verlaufenden perforiert werden. Bei meinem Exemplar Tolypeutes
trieinetus setzte sich der Plantaris in die perforierten Sehnen fort.
Der Popliteus, der bei Tolypeutes trieinetus fehlt, ist bei Tol /ypeutes
conurus sehr kräftig entwickelt.
Der Ursprung des Flexor tibialis (zweiter Tibialis posticus,
MurIE) erfolgt gesondert von dem des Tibialis posticus. Die Insertion
erfolgt am proximalen Ende des Hallux.
Den Flexor fibularis beschreibt MurıE als einen Flexor hallueis
und Flexor digitorum communis, die untrennbar verwachsen seien.
Das Verhalten ist wie bei Tolypeutes triceinetus.
Der Tibialis postieus inseriert ähnlich wie bei Tolypeutes trieinetus.
Den Quadratus plantae erwähnt MurıE nicht. Er scheint also
wie bei Tolypeutes tricinetus zu fehlen.
Lumbricales beschreibt MurıE drei. Bei Tolypeutes trieinetus
fanden sich sechs.
Nach alledem verhält sieh Tolypeutes conurus wesentlich anders
als Tolypeutes trieinetus. Vor allem fällt bei Tolypeutes trieinetus
das Fehlen mehrerer Muskeln, so besonders des Flexor tibialis, auf,
der sich bei Tolypeutes conurus findet.
7. Chlamydophorus truncatus.
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den Soleus und
den Plantaris repräsentiert. 4
1
«) Der mediale Gastroenemius
entspringt dicht oberhalb des medialen Condylus femoris. In d r
Mitte des Unterschenkels wird er sehnig und inseriert an. der medi
|
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 265
alen Hinterseite des Caleaneus, ohne mit der Sehne des lateralen
Gastroenemius in irgend eine Verbindung zu treten.
ß) Der laterale Gastroenemius
entspringt dicht oberhalb des lateralen Condylus femoris. Er ver-
wächst mit dem darunter liegenden Soleus und inseriert mit diesem
gemeinsam an der lateralen Hinterseite des Caleaneus. Eine Ver-
bindung der Sehnen mit der des medialen Gastrocnemius besteht nicht.
y) Der Soleus
entspringt vom proximalen Drittel der Fibula. Er liegt unter dem
lateralen Gastroenemius, mit dem er sich vereinigt, um mit ihm an
der lateralen Hinterseite des Calcaneus zu inserieren.
0) Der Plantaris
ist ein verhältnismäßig starker Muskel, der oberhalb des lateralen
Condylus femoris entspringt. Er verläuft zwischen den beiden Ga-
stroenemii, wird in der Mitte des Unterschenkels sehnig, tritt mit
seiner Endsehne unter die Sehre des medialen Gastroenemius und
verläuft dann medial von dieser in einer Rinne des Calcaneus in
die Planta. Diese Rinne befindet sich nicht, wie bei Dasypus sex-
einctus an der Hinterseite des Tuber calcanei, sondern an dessen
medialer Seite. In der Planta teilt sich die Sehne des Plantaris in
fünf Sehnen für die einzelnen Zehen auf. An der medialen Seite
der Sehne für die 1. Zehe entspringt bei meinem Exemplar ein
kleiner Muskel, der wie ein Lumbricalis aussieht, aber kaum einem
solehen entsprechen dürfte. Er inseriert an der medialen Seite der
Nagelphalanx. Die Insertion der Sehnen des Plantaris erfolgt wie
bei Dasypus sexcinctus und andern Edentaten. Die für die 1. Zehe
bestimmte Sehne zeigt jedoch keine Perforation, sondern geht in die
Sehnenscheide für die Sehne des Flexor fibularis über.
e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum
fehlt.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die in der Tiefe unter dem N. tibialis gelegene Muskelgruppe
wird dargestellt durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den Flexor
fibularis, den Tibialis posticus und fünf Lumbricales.
«) Der Popliteus
entspringt vom lateralen Condylus femoris. Seine Fasern divergieren
medialwärts und inserieren an der medialen Tibiakante.
Teganz j
266 Erna Glaesmer
ß) Der Flexor tibialis
wird zum größten Teil vom Tibialis posticus bedeckt. Er entspringt
gemeinsam mit dem Flexor fibularis und dem Tibialis posticus von
der Fibula und Membrana interossea, mit einigen Fasern auch unter-
halb des distalen Randes des Popliteus von der Hinterseite der Ti-
bia. Seine Sehne tritt am unteren Drittel des Unterschenkels unter
die des Tibialis posticus und kommt am medialen Malleolus vor die-
selbe zu liegen. Die Lage der Sehnen ist also eine andre als ge-
wöhnlich. Tibio-fibularwärts finden wir erst die Sehne des Flexor
tibialis, dann die des Tibialis posticus und endlich die des Flexor
fibularis.. In der Planta inseriert die Sehne des Flexor tibialis an
einem starken langgestreckten Knorpel, der durch die Plantarfascie
an den medialen Fußrand festgeheftet wird.
y) Der Flexor fibularis
entspringt vom proximalen Drittel der Fibula (medial vom Soleus),
ferner von der Membrana interossea, sowie mit einigen Fasern von
der Tibia. Er läßt sich an seinem Ursprunge vom Flexor tibialis
und Tibialis postieus nicht deutlich isolieren. Seine starke Sehne
verläuft in einer Rinne hinter dem medialen Malleolus und betritt
dann die Planta, wo sie wie bei Dasypus sexcinctus ein Sesambein
eingelagert hat. Die Sehne teilt sich sodann in fünf Einzelsehnen,
welehe die Sehnen des Plantaris perforieren und an den Endpha-
langen inserieren.
Bei Chlamydophorus hat also auch die erste Zehe sowohl eine
vom Plantaris kommende wie eine vom Flexor fibularis kommende
Sehne. Eine Perforation aber kommt an dieser 1. Zehe nicht zu-
stande; vielmehr geht die Plantarissehne der 1. Zehe in die Sehnen-
scheide des Hallux über, mit deren Fasern sie sich innig verwebt.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt.
&) Der Tibialis postieus
ist ein neben dem Flexor fibularis liegender, den Flexor tibialis
größtenteils deckender Muskel, der mit dem Flexor fibularis und
Flexor tibialis am Ursprunge verwachsen ist.
Der Muskel wird am unteren Drittel des Unterschenkels sehnig,
verläuft am medialen Malleolus hinter der Sehne des Flexor tibialis
und inseriert in der Planta am Naviculare.
3
4
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 267
£) Der Quadratus plantae
fehlt.
n) Die Lumbricales.
Aus den Winkeln, welehe von den Sehnen des Flexor fibularis
gebildet werden, entspringen fünf Lumbricales. Zwei derselben ent-
springen aus dem Winkel zwischen erster und zweiter Sehne. Aus
den übrigen drei Winkeln entspringt je einer.
Die ersten zwei Lumbricales inserieren an den einander zuge-
kehrten Seiten der Sehnenscheiden der 1. und 2. Zehe, der dritte
an der fibularen Seite der 2. Zehe, der vierte an der tibialen Seite
der 4., der fünfte an der tibialen Seite der 5. Zehe. Für die
3. Zehe habe ich also keinen Lumbricalis vorgefunden.
B. Innervation.
Der N. tibialis gibt in der Mitte des Unterschenkels vier Nerven-
äste ab.
Der erste Ast verläuft medialwärts, versorgt den medialen Ga-
stroenemius, gibt aber außerdem einen Zweig ab, dessen weitere
Präparation mir nieht gelungen ist.
Ein zweiter Ast versorgt die lateralen oberflächlichen Muskeln
des Unterschenkels, den lateralen Gastroenemius, den Soleus und
den Plantaris.
Ein dritter Ast versorgt den Popliteus, Flexor tibialis und Tibi-
alis postieus.
Ein vierter gibt einen Zweig zum Flexor tibialis und Tibialis
posticus ab und versorgt außerdem den Flexor fibularis.
Der Hauptstamm verläuft dann zwischen den oberflächlichen
und tiefen Muskeln abwärts und teilt sich in der Mitte des Unter-
schenkels in zwei Äste.
Der stärkere, dem N. plantaris medialis entsprechende, verläuft
mit dem Flexor fibularis, der N. plantaris lateralis mit dem Plan-
taris in die Sohle.
Die Lumbricales werden von Ästen des N. plantaris medialis
versorgt.
Über Chlamydophorus truncatus sind mir myologische Arbeiten
von Hyeru (1854, 1855), MacALıster (1895) und Burne (1901) be-
kannt geworden.
Die wichtigste davon ist die MACALISTERS.
Den medialen, lateralen Gastroenemius und Soleus beschreibt
_ MACALISTER ebenso wie in der vorliegenden Untersuchung.
268 Erna Glaesmer
Der Plantaris ist ein feiner Muskel, dessen Sehne sich mit der
vom lateralen Gastroenemius und Soleus gebildeten Sehne vereinigt.
Eine schmale Muskelportion fand MACALISTER an den Calcaneus fest-
geheftet. Ich habe die Vereinigung des Plantaris mit dem Gastro-
enemius und Soleus nicht beobachtet.
Den Flexor tibialis beschreibt MACALISTER, wie gewöhnlich, als
zweiten Tibialis postieus, HyrrL als Tibialis postieus accessorius.
Der »zweite Tibialis postieus< (= Flexor tibialis) inseriert am Ento-
cuneiforme, der erste (= Tibialis posticus!) am Naviculare.
Ich habe diesen Muskel am tibialen Randknochen inserieren
sehen. Die Dimensionen sind bei Chlamydophorus truncatus jedoch
so klein, daß Irrtümer leicht möglich sind.
Der Auffassung des Flexor tibialis als zweiten Tibialis TobEaRR
entsprechend faßt MAcALIsTER den Flexor fibularis als den untrennbar
mit dem »Flexor hallueis« vereinigten »Flexor digitorum« auf.
Lumbrieales beschreibt MACALISTER vier, die an den tibialen
Seiten der Zehen inserieren.
8. Zusammenfassung.
Von den ersten beiden von Max WEBER (1904) angegebenen Ord-
nungen der Edentata, den Tubulidentata und Pholidota, ist im vor-
liegenden je einer, von der Ordnung der Xenarthra sind fünf Ver-
treter untersucht worden. Von den letzteren gehört je ein Genus
zu der Familie der Bradypodidae und Myrmecophagidae, drei stam-
men aus der Familie der Dasypodidae. Ehe ich an die eigentliche
Zusammenfassung der Befunde gehe, möchte ich auch hier vorerst
eine tabellarische Übersicht jener Muskeln geben, die eine größere
Variabilität ihrer Verhältnisse zeigen. Siehe S. 270 u. 271. Die
mehr Gemeinsames und Konstantes darbietenden Muskeln, wie der
mediale und laterale Gastroenemius, der Soleus, Popliteus, Tibialis
postieus, Quadratus plantae und die Lumbrieales finden im An-
schlusse an diese Tabelle Berücksichtigung.
Aus alledem lassen sich folgende, für die Edendata im allge-
meinen gültigen Sätze ableiten:
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
c) und £8) Der mediale und laterale Gastroenemius
zeigen den üblichen Ursprung vom medialen und lateralen Epicon-
dylus femoris.
Die Vereinigung der Sehnen erfolgt entweder in der Mitte des
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 269
Unterschenkels oder etwas tiefer. Es kommen aber auch Fälle vor,
in denen die Sehnen der beiden Gastroenemii sich nicht vereinigen
(Chlamydophorus truncatus), oder solche, in denen sich die Sehne
des medialen Gastroenemius nur mit einem Teil des lateralen Gastro-
enemius verbindet (Oryeteropus aethiopieus). In diesen beiden Fällen
trat der laterale Gastroenemius bzw. der isoliert gebliebene Teil des-
selben mit dem Soleus in Verbindung.
Die Insertion der beiden Gastrocnemii erfolgt wie üblich an
der Hinterseite des Tuber calcanei. In einzelnen Fällen aber setzen
sich Fasern auch noch in die Planta fort, sei es, um hier an der
Bildung der Plantarfaseie Anteil zu nehmen, sei es, um sich in die
Muskelfasern des oberflächlichen Kopfes des Flexor digitorum brevis
fortzusetzen.
y) Der Soleus
ist im allgemeinen ein recht kräftig entwickelter Muskel, der haupt-
sächlich von der Fibula entspringt und häufig mit dem darunterlie-
genden Flexor fibularis innig verwachsen ist. Gewöhnlich inseriert
der Muskel selbständig, ohne mit den beiden Gastroenemii in Ver-
bindung zu treten, vor und medial von denselben am Calcaneus,
Zuweilen verbindet er sich dicht oberhalb des Calcaneus mit der
Sehne der Gastroenemii zu einer kurzen Achillessehne. In einzelnen
Fällen erfolgt aber am Unterschenkel eine Vereinigung mit dem
lateralen Gastroenemius oder wenigstens einem Teil des lateralen
Gastroenemius, wobei dann der mediale Gastroenemius isoliert bleibt.
ö) Der Plantaris
entspringt mit dem lateralen Gastroenemius gemeinsam vom lateralen
Epicondylus femoris.
Seine Sehne hat zuweilen einen ähnlichen Verlauf, wie er häufig
bei den Marsupialia und Inseetivoren vorzufinden ist. Am oberen
Teil des Unterschenkels wird sie von der Sehne der beiden Gastro-
enemii bedeckt, gewinnt aber im weiteren Verlaufe eine immer ober-
tlächlichere Lage, indem sie erst an die mediale Seite der Gastro-
enemiussehne, sodann auf sie tritt und so die Insertionsstelle der
Gastroenemii zudeckend in die Planta verläuft. Hier teilt sie sich
dann in die perforierten Sehnen.
In einer zweiten Reihe von Fällen aber gewinnt die Sehne des
Plantaris diese oberflächliche Lage nicht, sondern bleibt bis an das
Tuber ealeanei von der Sehne der beiden Gastroenemii bedeekt und
Erna Glaesmer
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272 Erna Glaesmer
inseriert hier entweder, wie bei Homo, an jenem Knochen medial
und vor der Gastrocnemiussehne, oder aber sie setzt sich in die
Planta fort. Dabei gleitet sie dann in einer Rinne des Calcaneus,
die von der Gastroenemiussehne überdacht wird (in einem Fall ver-
läuft sie auch medial von der Gastroenemiussehne durch diese Rinne).
In der Planta erfolgt dann die Aufteilung in 4—5 Sehnen, welche
an den Sehnenscheiden inserieren, innerhalb derselben aber eine
deutliche Perforation zeigen.
Auffallend ist, daß zuweilen auch der Hallux vom Plantaris
eine Sehne bekommt.
. &) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt meist. Denn die perforierten Sehnen werden vom Plantaris
abgegeben.
In den seltenen Fällen, in denen ich den Muskel vorgefunden
habe, entspringt er vom Calcaneus und inseriert an den Sehnen-
scheiden der vier lateralen Zehen. Innerhalb der Sehnenscheiden
ist eine mehr oder weniger deutliche Perforation zu bemerken.
b) Tiefe Muskelgruppe.
«) Der Popliteus
fehlt zuweilen. Wenn er vorhanden ist, verhält er sich ähnlich wie
bei den Insectivora.
ß) Der Flexor tibialis
kann fehlen, ist aber in der Regel vorhanden.
Er entspringt hauptsächlich von der Tibia, zuweilen aber auch
von der Membrana interossea und der Fibula.
In bezug auf seine Insertion kann man, wie bei den Marsupialia
und Insectivora, drei Grundtypen unterscheiden:
1. Die Sehne des Flexor tibialis inseriert in der Plantarfaseie,
am tibialen Randknochen oder am Metatarsale des Hallux.
Sie tritt mit der Sehne des Flexor fibularis in keinerlei Ver-
bindung.
2. Die Sehne des Flexor tibialis vereinigt sich mit der des Flexor
fibularis (nur bei Bradypus tridactylus beobachtet).
3. Die Sehne des Flexor tibialis teilt sich in zwei Teilsehnen.
Eine derselben inseriert am Metatarsale und der Grundphalanx
des Hallux. Die zweite verbindet sich mit der Sehne des
Flexor fibularis und gibt mit dieser gemeinsam die fünf Sehnen
zu den Endphalangen ab. Die Sehnenfasern des Flexor tibialis
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 273
verlaufen hauptsächlich zum Hallux, einzelne aber auch zur
5. Zehe.
y) Der Flexor fibularis
ist auch bei den Edentata im allgemeinen der stärkste Muskel des
Unterschenkels. Er ist in der Regel der alleinige und ausschließliche
Beuger der Endphalangen.
Mit dem Flexor tibialis tritt er meistens in keinerlei Verbindung.
In vereinzelten Fällen ist jedoch auch die Verbindung der ganzen
oder einer Teilsehne des Flexor tibialis mit der Sehne des Flexor
fibularis zu beobachten.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
fehlt in der Regel. Ich habe einen ähnlichen Muskel nur bei Manis
beobachtet. Der Muskel entspringt hier von der Sehne des Flexor
fibularis und bildet zwei Sehnen, die von den entsprechenden Sehnen
des oberflächlichen Kopfes bedeckt werden und mit diesen an den
Sehnenscheiden der 3. und 4. Zehe inserieren.
&) Der Tibialis postieus
zeigt ungefähr dasselbe Verhalten wie bei den Marsupialia und In-
sectivora.
£) Der Quadratus plantae
fehlt zuweilen. In andern Fällen ist er sehr kräftig. Der Muskel
entspringt vom Calcaneus und inseriert an der Sehne des Flexor
fibularis.
In einem Falle geht aber ein Teil des Muskels in eine Sehne
über, die sich mit der Hallux-Sehne des Flexor fibularis vereinigt.
Bei Bradypus tridactylus bildet der Quadratus plantae sogar
drei kräftige Sehnen.
n) Die Lumbricales.
Sie können zuweilen fehlen. Zuweilen sind sie einfach, manchmal
aber auch doppelt vertreten.
9. Vergleichend anatomische Bemerkungen.
Ein Vergleich der bei den Edentata mit den bei Marsupialia
‚und Insectivora gewonnenen Befunde ergibt:
EHELEUTE
a) Oberflächliche Muskelgruppe,
«u. 8) Der mediale und laterale Gastroenemius.
Diese beiden Muskeln zeigen in bezug auf ihren Ursprung die-
selben Verhältnisse wie bei den Insectivora. Auch der laterale
Morpholog. Jahrbuch. 41. 18
274 Erna Glaesmer
Gastroenemius entspringt wie bei diesen rein femoral, während er
bei den Monotremen rein fibular entspringt und bei den Marsupialia
außer fibularen noch häufig Ursprungsfasern vom Femur hat.
Die innige Zusammengehörigkeit des medialen und lateralen
Gastroenemius ist bei den Edentata, ebenso wie bei den Insectivora,
viel ausgesprochener als bei den Marsupialia. Die Vereinigung der
beiden Sehnen ist hier die Regel, während sie bei den Marsupialia
die Ausnahme ist.
y) Der Soleus
ist bei den Edentata, ebenso wie bei den meisten Insectivora, kräftig
entwickelt. Bei den Marsupialia fehlt er durchweg oder wird
höchstens dureh einige Muskelfasern angedeutet.
Bei den Inseetivora verbindet sich der Soleus, wenn er vorhanden
ist, in der Regel mit den Gastroenemii zum Triceps surae. Bei den
Edentata ist die Bildung eines Triceps surae und einer Achillessehne
seltener. Gewöhnlich bleibt der Soleus in seinem ganzen Verlaufe
selbständig und inseriert vor der Sehne der Gastroenemii am Calcaneus.
0) Der Plantaris
entspringt bei den Edentata, ebenso wie bei den Insectivora und
Marsupialia, hauptsächlich vom lateralen Epieondylus femoris.
Bei den Marsupialia geht der Muskel über die Insertionsstelle
der Gastroenemii am Tuber hinweg und setzt sich in der Planta in
die Plantarfaseie fort, von deren Unterseite zuweilen der oberfläch-
liche Kopf des Flexor digitorum brevis entspringt. In seltenen Fällen
geht ein oder der andre Strang der Plantarfaseie selbst in eine
Sehne über, die ebenso wie der Flexor digitorum brevis an der
Sehnenscheide inseriert und innerhalb derselben perforiert wird.
Bei den Insectivora geht in einem Fall die Sehne des Plantaris,
‘ die über dem Tuber calcanei ebenfalls oberflächlich liegt und die
Insertionsstelle der Gastroenemii zudeckt, unmittelbar in den ober-
flächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis über. In andern Fällen
aber setzt sich die Sehne des Plantaris als solche in die Planta fort
und gibt vier Sehnen ab, welche an den Sehnenscheiden inserieren
und innerhalb derselben perforiert werden.
Bei den Edentata ist das zuletzt beschriebene Verhalten die
Regel. Variabel ist jedoch der Verlauf der Plantaris-Sehne vor
der Teilung in die Einzelsehnen: In einzelnen Fällen verläuft die
Plantaris-Sehne oberflächlich über die Ansatzstelle der Gastroenemü
Die Beugemuskeln am ‚Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 275
hinweg. In andern Fällen wird sie von der Gastroenemius-Sehne
bedeckt, wieder in andern liegt sie am Calcaneus medial von der
Gastroenemius-Sehne.
Außer der Insertion an den Mittelphalangen finden sich bei den
Edentaten in vereinzelten Fällen noch andre Insertionstypen vor.
So die Insertion am Tuber calcanei, vor und medial von der In-
sertionsstelle der Gastrocnemii (ähnlich wie bei Homo), ferner die
Vereinigung der Plantaris-Sehne mit der des Flexor fibularis (siehe
Bradypus tridactylus).
e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis,
der bei den Marsupialia fast regelmäßig vorhanden ist, fehlt bei den
Edentata, ebenso wie bei den Insectivora sehr häufig. Der Plantaris
gibt in diesen Fällen die perforierten Sehnen ab.
b) Tiefe Muskelgruppe.
«) Der Popliteus
fehlt zuweilen. Wenn er vorhanden ist, so entspringt er bei den
Edentata ebenso wie bei den Inseetivora im allgemeinen rein femoral,
während er bei den Monotremata einen rein fibularen Ursprung auf-
weist, bei den Marsupialia aber schon das Bestreben zeigt, auf das
Femur zu wandern.
ß) Der Flexor tibialis
zeigt bei den Edentata dieselben drei Grundtypen der Insertion wie
bei den Insectivora und Marsupialia:
1. Isolierte Insertion am medialen Fußrand (Plantarfaseie, tibialer
Randknochen oder Hallux).
2. Vereinigung der Sehne mit der des Flexor fibularis.
3. Spaltung in zwei Teilsehnen, deren eine sich nach dem 1., die
andre nach dem 2. Grundtypus verhält.
Bei den Monotremata verhält sich die Sehne des Flexor tibialis
nach dem 1. Grundtypus.
y) Der Flexor fibularis
verhält sich im allgemeinen wie bei den Inseetivora und den Mar-
_ supialia. Meist ist er der alleinige und ausschließliche Beuger der
Endphalangen. Manchmal aber vereinigt sich ein Teil oder die
ganze Sehne des Flexor tibialis mit ihm und unterstützt ihn in
dieser Funktion.
Bei den Monotremata erfolgt eine Vereinigung der Sehnen niemals.
18*
276 Erna Glaesmer
0) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis,
der bei den hier untersuchten Monotremata und Marsupialia immer
vorhanden ist, fehlt in der Regel bei den Edentata ebenso wie bei
den Insectivora. Die perforierten Sehnen werden dann vom Plantaris
oder dem oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis abgegeben.
e) Der Tibialis postieus
verhält sich bei den Edentata ebenso wie bei den Monotremata,
Marsupialia und Insectivora.
£) Der Quadratus plantae,
der bei den Marsupialia häufig fehlt, fehlt bei den Inseetivora und
Edentata seltener.
n) Die Lumbricales
sind bei den Edentata ebenso regelmäßig vorhanden wie bei den
Marsupialia. Sie fehlen nur selten. Zuweilen sind sie verdoppelt.
Bei den Insectivora fehlen sie häufig zum Teil, manchmal ganz.
IV. Prosimiae.
1, Lemur rufifrons (Tafel III, Fig. 9 u. 10).
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
repräsentiert durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den
Soleus, den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor digi-
torum brevis,
«) Der mediale Gastrocnemius
entspringt vom medialen Epicondylus femoris. In der Mitte des
Unterschenkels verbindet er sich mit dem lateralen Gastroenemius
und dem Soleus. Die gemeinsame Sehne inseriert am Tuber calcanei,
wo sie von der Sehne des Plantaris bedeckt wird.
ß) Der laterale Gastroenemius
entspringt mit dem Plantaris gemeinsam vom lateralen Epieondylus
femoris. Etwa in der Mitte des Unterschenkels vereinigt er sich
mit dem medialen Gastroenemius und dem Soleus. Die gemeinsame
Sehne inseriert am Tuber calcanei, wo sie von der Sehne des Plan-
taris bedeckt wird.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 277
y) Der Soleus
entspringt mit schmaler Sehne vom Capitulum der Fibula. Er wird
vom lateralen Gastroenemius bedeckt und inseriert mit einem Teil
seiner Muskelfasern schon in der Mitte des Unterschenkels an der
gemeinsamen Gastroenemiussehne, während die übrigen Muskelfasern
nach und nach an dieselbe herantreten. Mit dem lateralen und
medialen Gastroenemius zusammen inseriert er am Tuber calecanei,
wo die gemeinsame Sehne von der des Plantaris bedeckt wird.
ö) Der Plantaris
entspringt mit dem lateralen Gastroenemius gemeinsam vom lateralen
Epicondylus femoris. Sein Muskelbauch liegt medial vom Soleus,
fast in ein und derselben Ebene mit diesem.
In der Mitte des Unterschenkels tritt seine Sehne an die mediale
Seite der Achillessehne, im weiteren Verlaufe auf dieselbe, so daß
sie auf dem Tuber calcanei die Insertionsstelle der Achillessehne
vollständig zudeckt. Mit den Randpartien setzt sich die Sehne am
Tuber calcanei an, ihr Hauptteil verläuft aber frei weiter in die
Planta und bildet hier die Plantaraponeurose, die, wie auch LorH ( 1908)
beschreibt, besonders an der fibularen Seite der Planta gut ent-
wickelt ist. Auf Tafel III, Fig. 9 ist ein Strang zur Sehnenscheide
der 4. Zehe, den ich besonders deutlich hervortretend fand, noch
erhalten.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
wird von der Plantaraponeurose, mit der er innig verwachsen ist,
bedeckt. Der Muskel entspringt zum Teil von der Unter-, d.h.
Dorsalseite der Plantaraponeurose, zum Teil vom Tuber caleanei und
geht in zwei Sehnen über. (Taf. II, Fig. 10.)
Die eine bildet die perforierte Sehne für die zweite Zehe.
Die zweite verbindet sich mit einer Sehne, die vom tiefen Kopf
des Flexor digitorum brevis abgegeben wird, und bildet mit ihr die
perforierte Sehne der dritten Zehe.
Mit der Plantaraponeurose und dem oberflächlichen Kopf des
Flexor digitorum brevis innig verwachsen ist der Abductor des Hallux
und der fünften Zehe.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird dar-
- gestellt durch den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis, den
_ tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den Tibialis postieus und
vier Lumbrieales.
278 Erna Glaesmer
«) Der Popliteus
entspringt vom lateralen Condylus femoris. Seine Fasern divergieren
medialwärts und inserieren am oberen Fünftel der Hinterseite der
Tibia.
8) Der Flexor tibialis
entspringt von der Tibia, unterhalb des distalen Randes des Popliteus,
ferner von der Membrana interossea.
Die Sehne tritt am medialen Malleolus hinter die Sehne des
Tibialis postieus und liegt in der Planta oberflächlich von der Sehne
des Flexor fibularis, mit der sie in Verbindung tritt. Ihre Sehnen-
fasern verteilen sich an die erste, vierte und fünfte Zehe, welch
letztere keine Sehnenfasern vom Flexor fibularis bekommt. Die zum
Hallux und zur vierten Zehe verlaufenden Fasern dagegen gesellen
sich zu solchen des Flexor fibularis und bilden mit diesen gemeinsam
die eigentliche Hallux-Sehne, sowie die perforierende, an der End-
phalanx inserierende Sehne für die vierte Zehe.
Von der Plantarseite der Sehne des Flexor tibialis entspringt
der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis.
y) Der Flexor fibularis
entspringt mit dem Tibialis posticus gemeinsam, mit dem er bis etwa
zur Mitte des Unterschenkels verwachsen bleibt, vom Capitulum der
Fibula und der Membrana interossea. An seinem Ursprunge wird
er vom Soleus bedeckt.
Die Sehne verläuft am medialen Malleolus hinter der des Flexor
tibialis, wird aber in der Planta von letzterer bedeckt und tritt mit
ihr in Verbindung; und zwar setzt sich die Hallux-Sehne aus etwa
2/, Fasern des Flexor fibularis und !/, des Flexor tibialis zusammen.
Die zweite und dritte Zehe werden nur von Sehnen des Flexor
fibularis versorgt.
Die Sehne für die vierte Zehe besteht zum Teil aus Fasern des
Flexor fibularis, zum Teil des Flexor tibialis.
Die für die fünfte Zehe bestimmte Sehne wird nur vom Flexor
tibialis abgegeben.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt von dem Plantarabschnitt der Sehne des Flexor tibialis
und geht in drei Sehnen über. (Taf. III, Fig. 10.)
Die mediale dieser drei Sehnen vereinigt sich mit der lateralen
Sehne des oberflächlichen Kopfes des Flexor digitorum brevis und
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 279
bildet mit dieser die an der Mittelphalanx inserierende perforierte
Sehne der dritten Zehe.
Die mittlere der drei Sehnen des tiefen Kopfes bildet die per-
forierte Sehne der vierten, die laterale die perforierte Sehne der
fünften Zehe.
&) Der Tibialis posticus
entspringt mit dem Flexor fibularis gemeinsam, mit dem er bis etwa
zur Mitte des Unterschenkels verwachsen bleibt, von dem Capitulum
der Fibula und der Membrana interossea. Die Sehne wird am
medialen Malleolus von der Sehne des Flexor tibialis bedeckt und
tritt dann in die Planta, wo sie am Naviculare und Cuneiforme I
inseriert.
£) Der Quadratus plantae
fehlt.
n) Die Lumbricales.
Es sind ihrer vier vorhanden. Sie entspringen aus den vier
Winkeln, welche von den fünf perforierenden Sehnen gebildet werden,
und inserieren an den tibialen Seiten der zweiten, dritten, vierten
und fünften Zehe, wo sie in die Dorsalaponeurose übergehen.
B. Innervation.
Der N. tibialis gibt dieht oberhalb des Kniegelenks einen Ast
ab, der sich an den medialen, den lateralen Gastroenemius und den
Plantaris verteilt. Ein Zweig tritt zwischen den lateralen Gastro-
enemius und den Plantaris in die Tiefe und versorgt den Soleus.
Ein zweiter Ast geht dieht unterhalb des Kniegelenkes ab und
versorgt den Popliteus und den Tibialis postieus.
Ein dritter Ast versorgt den Flexor tibialis und den Flexor fibularis.
Der N. tibialis verläuft am medialen Malleolus in die Planta
und teilt sich hier in eine Anzahl von Ästen, ohne daß eine deut-
liche Teilung in einen N. plantaris medialis und N. plantaris late-
ralis erfolgt. Erst aus dem weiteren Verlauf der Äste, besonders
dem Verhalten der Hautäste kann man ersehen, was dem N.
plantaris medialis, was dem N. plantaris lateralis zuzurechnen ist.
Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis wird vom
N. plantaris lateralis und medialis versorgt, der tiefe Kopf vom N.
plantaris lateralis.
Lemur macaco bietet ähnliche Befunde wie Lemur rufifrons.
280 Erna Glaesmer
Der mediale, laterale Gastroenemius und Soleus verhalten sich wie
bei diesem.
Der Plantaris geht in die ähnlich sich verhaltende Plantar-
aponeurose über, von deren Unterseite der oberflächliche Kopf des
Flexor digitoram brevis entspringt. Dieser gibt die perforierten
Sehnen für die zweite und dritte Zehe ab, während der tiefe Kopf
des Flexor digitorum brevis von der Sehne des Flexor tibialis ent-
springt und die perforierten Sehnen für die vierte und fünfte Zehe
abgibt. Zwischen oberflächlichem und tiefem Kopf besteht keine
Verbindung, wie sie bei L. rufifrons zu beobachten war.
“ Die Sehne des Flexor tibialis tritt mit der des Flexor fibularis
in Verbindung. Dabei gibt der Flexor tibialis eine perforierende
Sehne zur fünften, der Flexor fibularis zur zweiten Zehe ab. Die
erste, dritte und vierte Zehe versorgen beide Muskeln gemeinsam.
Ein Quadratus plantae fehlt auch bei Lemur macaco.
Die Lumbricales sind einfach vertreten und verhalten sich ähnlich
wie bei Lemur rufifrons.
2. Galago galago.
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird dar-
gestellt durch den medialen, den lateralen GFastroenemius, den Soleus,
den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum
brevis.
«) Der mediale Gastroenemius
wie bei Lemur rufifrons.
5) Der laterale Gastrocnemius
wie bei Lemur rufifrons.
y) Der Soleus
wie bei Lemur rufifrons.
0) Der Plantaris
entspringt mit dem lateralen Gastroenemius, mit dem er am Ur-
sprunge verwachsen ist, vom lateralen Epicondylus femoris. Die
Sehne verläuft erst an der medialen Seite der Achillessehne, tritt
aber im weiteren Verlaufe auf sie, so daß sie über dem Tuber cal-
canei die Insertionsstelle der Gastroenemii vollständig zudeckt.
Die Sehne selbst verläuft frei in die Planta, wo sie in die Plantar-
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 281
aponeurose übergeht, die sich ähnlich, wie Loru (1908) bei Galago
Garnetti angibt, verhält. Ein starker tibialer Strang verläuft zum
Hallux, mehrere schwächere zu den Zehen, die sie aber nicht er-
reichen, sondern schon früher an der Haut inserieren.
Von der Unterseite der Plantaraponeurose entspringt der ober-
flächliche Kopf des Flexor digitorum brevis.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt von der Unterseite der Plantaraponeurose und geht in
eine Sehne über, die als perforierte Sehne an der zweiten Phalanx
der zweiten Zehe inseriert. Neben diesem Muskel entspringt von
der Unterseite der Plantaraponeurose noch ein zweites, ebenso starkes
Muskelbündel, das an der Grundphalanx der 5. Zehe inseriert, aber
auch in die Dorsalaponeurose übergeht. Das Muskelbündel erweckt
den Anschein, als gehörte es zum oberflächlichen Kopf. Es hat aber
keine perforierte Sehne. Zwischen oberflächlichem und tiefem Kopf
besteht keine Verbindung.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird re-
präsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis,
den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den Tibialis postieus
und vier Lumbricales.
Die tiefe Muskelgruppe verhält sich ähnlich wie bei Lemur
rufifrons. Zwischen oberflächlichem und tiefem Kopf des Flexor
digitorum brevis besteht aber keine Verbindung. Die Sehne des
oberflächlich verlaufenden Flexor tibialis vereinigt sich mit der des
Flexor fibularis vor der Teilung in Einzelsehnen. Soweit zu ersehen
ist, versorgt der Flexor fibularis die 3. und 4. Zehe, der Flexor
tibialis die 5. allein. Die 1. Zehe wird von beiden gemeinsam,
aber vorwiegend vom Flexor fibularis, die zweite ebenfalls gemeinsam,
_ aber vorwiegend vom Flexor tibialis versorgt.
B. Innervation.
Der N. tibialis gibt dicht oberhalb des Kniegelenks zwei Äste
ab: einen schwachen medialen zum medialen Gastroenemius, einen
stärkeren lateralen zum lateralen Gastroenemius und Soleus.
In der Kniekehle geht ein Ast zum Plantaris ab.
’ Darauf folgen nacheinander drei Äste: Der erste dieser drei
_ verzweigt sich an den Popliteus, den Flexor fibularis und den Tibialis
mans
#
282 Erna Glaesmer
postieus. Der zweite versorgt den Flexor tibialis. Der dritte geht
zum Flexor fibularis.
Wie bei Lemur rufifrons erfolgt keine deutliche Teilung in einen
N. plantaris medialis und lateralis. Aus dem Verlauf der Hautäste
läßt sich aber wohl erkennen, welche Äste dem N. plantaris medialis,
welche dem lateralis zuzurechnen sind.
Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis wird vom
N. plantaris lateralis und medialis versorgt, der tiefe scheint nur
vom N. plantaris lateralis innerviert zu werden.
3. Stenops tardigradus. (Taf. IV, Fig. 11.)
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird re-
präsentiert durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den
Soleus, den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor digi-
torum brevis.
«) Der mediale Gastrocnemius
entspringt vom medialen Epicondylus femoris, gemeinsam mit einem
Kopf des Plantaris. Während dieser mediale Plantaris-Kopf sich
nun mit dem lateralen verbindet, tritt der mediale Gastroenemius
zum lateralen Gastrocenemius und Soleus und bildet mit diesen beiden
Muskeln eine gemeinsame Muskelmasse, die mit ihrer Sehne an der
Hinterseite des Tuber calcanei inseriert.
ß) Der laterale Gastroenemius
entspringt mit dem lateralen Plantaris-Kopf gemeinsam vom lateralen
Epicondylus femoris. Während der laterale Plantaris-Kopf sich nun
mit dem medialen Kopf vereinigt, bildet der laterale Gastroenemius
mit dem Soleus und dem medialen Gastroenemius eine gemeinsame
Muskelmasse, die mit ihrer Sehne an der Hinterseite des Tuber
calcanei inseriert.
y) Der Soleus
entspringt vom Capitulum der Fibula. Er vereinigt sich mit dem
medialen und lateralen Gastroenemius und bildet so mit diesen beiden
Muskeln den Triceps surae. Die gemeinsame Sehne inseriert an der
Hinterseite des Tuber calcanei.
0) Der Plantaris
hat zwei Ursprungsköpfe, einen medialen und einen lateralen. Der
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 283
mediale entspringt gemeinsam mit dem medialen Gastroenemius vom
medialen Epicondylus femoris, der laterale mit dem lateralen Gastro-
enemius gemeinsam vom lateralen Epieondylus femoris. Einen aus
2 Köpfen bestehenden Plantaris habe ich auch bei einem Exemplar
Erinaceus europaeus beobachtet. Der Muskel entsprang aber dort
nicht vom Femur, wie bei Stenops tardigradus, sondern von der Tibia.
Der mediale Ursprungskopf des Plantaris scheint bei Stenops
tardigradus eine Abspaltung des medialen Gastrocnemius zu sein,
denn beide Muskeln werden von demselben Nervenast innerviert.
Am oberen Drittel des Unterschenkels vereinigen sich beide Ur-
sprungsköpfe zu einer gemeinsamen Sehne, welche von dem Triceps
surae bedeckt wird, dann an der medialen Seite desselben an die
Oberfläche tritt und so in die Planta verläuft, wobei sie die In-
sertionsstelle der Achillessehne zudeckt. Am Calcaneus heftet sich
die Sehne mit den Randpartien an und geht in der Planta in eine
schwach entwickelte Aponeurose über. Von der Unterseite dieser
Aponeurose entspringen einzelne Fasern des oberflächlichen Kopfes
des Flexor digitorum brevis.
e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt als kleiner Muskel vom Calcaneus und von der Unterseite
der Plantaraponeurose. Der Muskel geht in eine feine Sehne über,
welche von der entsprechenden Sehne des Flexor perforans perforiert
wird und dann an der Mittelphalanx der 2. Zehe inseriert. Mit dem
tiefen Kopf tritt der oberflächliche in keine Verbindung.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird re-
präsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis,
den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den Tibialis postieus
und sieben Lumbricales.
«) Der Popliteus
entspringt vom Ligamentum genu collaterale fibulare und von dem
lateralen Meniscus. Die Fasern divergieren medialwärts und in-
serieren an der medialen Tibiakante.
ß) Der Flexor tibialis
hat zwei Ursprungsköpfe. Ein medialer entspringt medial von der
Ursprungsstelle des medialen Gastroenemius und des medialen Plantaris-
Kopfes vom medialen Epicondylus femoris. Ein zweiter, lateraler
Ursprungskopf kommt von der Tibia und der Membrana interossea.
284 Erna Glaesmer
Die gemeinsame Sehne verläuft hinter dem medialen Malleolus
in die Planta, wo sie die Sehne des Flexor fibularis kreuzt und zum
Teil zudeckt. Sie teilt sich in fünf Sehnen. Die medialen drei ver-
binden sich mit je einer Sehne des Flexor fibularis und inserieren
mit diesen an den Endphalangen der medialen drei Zehen.
Die lateralen zwei Sehnen inserieren, ohne mit Sehnen des Flexor
fibularis in Verbindung zu treten, an den Endphalangen der vierten
und fünften Zehe.
y) Der Flexor fibularis
entspringt hauptsächlich von der Hinterseite der Fibula, bekommt
aber auch Ursprungsfasern vom Ligamentum genu collaterale fibulare
und vom fibularen Meniscus.
Die Sehne des Muskels verläuft hinter dem medialen Malleolus
in die Planta, wo sie vom oberflächlich verlaufenden Flexor tibialis
gekreuzt wird. Dort teilt sie sich in drei Sehnen, welche sich mit
den medialen drei Sehnen des Flexor tibialis vereinigen. Mit diesen
gemeinsam bildet der Flexor fibularis die drei an den Endphalangen
der ersten, zweiten und dritten Zehe inserierenden Sehnen.
d) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt in der Planta von der Sehne des Flexor tibialis. Der
Muskel geht in drei Sehnen über, welche von den Sehnen des Flexor
perforans perforiert werden und an den Mittelphalangen der dritten,
vierten und fünften Zehe inserieren. Mit dem oberflächlichen Kopf
tritt der Muskel in keine Verbindung.
&) Der Tibialis posticus
entspringt, bedeckt vom Flexor fibularis, mit diesem gemeinsam vom
lateralen Meniseus und vom Ligamentum genu collaterale fibulare.
Die Sehne des Muskels verläuft hinter dem medialen Malleolus in
die Planta, wo sie am Naviculare und Cuneiforme I inseriert.
£) Der Quadratus plantae
fehlt.
n) Die Lumbricales.
Es sind ihrer sieben vorhanden. Sie entspringen aus den
Winkeln, welehe von den Sehnen des Flexor perforans gebildet
werden, und inserieren an den einander zugekehrten Seiten der
fünften, vierten, dritten und zweiten, sowie der tibialen Seite der
zweiten Zehe.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 285
B. Innervation.
Der N. tibialis gibt dieht oberhalb des Kniegelenks einen Ast
zum medialen Gastrocnemius und zum medialen Kopf des Plantaris ab.
Dann folgt ein Ast, der sich ähnlich, wie in meiner Arbeit »Unter-
suchung über die Flexorengruppe am Unterschenkel und Fuß« bei
den Marsupialia beschrieben wurde, verhält. Dieser Ast verläuft in
der Fascie, die den Triceps surae bedeckt, abwärts, tritt dann von
lateral her unter den Triceps surae und vereinigt sich hier mit
einem vom Hauptstamm des N. tibialis sich abspaltenden Ast zum
N. plantaris lateralis.
Eine kleine Strecke distal von dem soeben beschriebenen Ast
verläßt den N. tibialis ein Ast, der sich an den lateralen Gastro-
enemius und den lateralen Kopf des Plantaris verzweigt.
Als nächster folgt ein Muskelast für den Popliteus.
Oberhalb der proximalen Grenze des Popliteus entspringt ein
Nervenast, der sich an den Soleus, Flexor fibularis und Tibialis
postiecus verzweigt.
Zum Schluß folgt als letzter Muskelast des Unterschenkels ein
Nerv für die beiden Köpfe des Flexor tibialis.
Oberhalb des Malleolus geht vom N. tibialis ein Ast ab, der
sich mit dem oben beschriebenen zweiten Unterschenkelast des N.
tibialis zum N. plantaris lateralis vereinigt. Der übrigbleibende
Stamm stellt den N. plantaris medialis dar.
4, Perodicticus potto.
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird dar-
gestellt durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den Soleus,
den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis.
Alle diese Muskeln zeigen bei meinem Exemplar untereinander
- eigentümliche Verwachsungen. Kaum zwei Muskeln lassen sich
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isolieren.
Ähnlich wie bei Stenops tardigradus kommt es zur Ausbildung
eines Triceps surae, dessen Sehne an der Hinterseite des Caleaneus
inseriert.
Auch der Plantaris verhält sich ähnlich wie bei Stenops tardi-
gradus. Die Sehne deckt den Ansatz der Achillessehne am Tuber
ealcanei zu und setzt sich als Plantaraponeurose in die Planta fort.
286 Erna Glaesmer
Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis entspringt
nicht von der Unterseite der Plantaraponeurose, sondern vom Körper
des Calecaneus. Er zeigt keinen Zusammenhang mit dem Plantaris
und bildet die perforierte Sehne für die 2. Zehe.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Diese verhält sich ähnlich wie bei Stenops tardıgradus.
Der Flexor tibialis tritt mit dem Flexor fibularis in Verbindung.
Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis entspringt in der
Planta von der Sehne des Flexor tibialis und bildet die perforierten
Sehnen für die dritte, vierte und fünfte Zehe.
Über die Muskulatur der Prosimiae besteht eine ziemlich um-
fangreiche Literatur. Einzelne dieser Arbeiten möchte ich nicht un-
berücksichtigt lassen. Bei der Eindeutigkeit der Verhältnisse ist ein
Vergleich der verschiedenen Befunde bedeutend leichter, als es bei
den niederen Tiergruppen der Fall war.
Über Lemurinae haben Murız und MıvArr (1872) ähnliche Be-
funde verzeichnet wie ich bei Lemur rufifrons.
Über Chiromys madagascariensis hat ZUCKERKANDL (1900) eine
recht umfangreiche Arbeit veröffentlicht, deren Resultate ich, daich selbst
kein Exemplar Ohiromys untersucht habe, kurz wiedergeben möchte:
Die von mir als oberflächliche Muskelgruppe bezeichneten Muskeln
zeigen ungefähr dieselben Verhältnisse, wie sie bei Lemur rufifrons
verzeichnet worden sind.
Flexor tibialis und Flexor fibularis treten ebenfalls, wie bei allen
Prosimiae, in Beziehung zueinander. Die Verteilung der Sehnenfasern
zu den einzelnen Zehen, die im allgemeinen wechselnd ist, zeigt hier
wieder ein neues Bild. ZUCKERKANDL gibt nämlich an, daß die
5. Zehe, die ich bei den von mir untersuchten Prosimiae immer nur
vom Flexor tibialis versorgt fand, bei Chiromys auch Sehnenfasern
vom Flexor fibularis erhält. Die übrigen Zehen werden etwa zu
gleichen Teilen von beiden Muskeln versorgt.
Bei dem Flexor digitorum brevis unterscheidet ZUCKERKANDL
ebenfalls einen oberflächlichen und tiefen Kopf.
Der oberflächliche Kopf entspringt bei Chiromys von der Plan-
taraponeurose und gibt die perforierte Sehne für die zweite Zehe ab,
der tiefe von der Sehne des Flexor tibialis und versorgt in gleicher
Weise die dritte, vierte und fünfte Zehe. Zwischen beiden Muskeln
scheint nach der Beschreibung keine Verbindung zu bestehen.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 287
Die übrigen Muskeln verhalten sich ähnlich wie bei Lemur
rufifrons. Der Quadratus plantae fehlt auch hier.
OUDEMANNS (1888) gibt, wie ZUCKERKANDL zitiert, bei Chwromnys
in bezug auf den Flexor tibialis und fibularis wieder eine andre
Verteilung der Sehnen an: Von beiden Muskeln gemeinsam wird
die dritte, vierte, fünfte und, wie hervorzugehen scheint, auch die
erste Zehe versorgt. Dagegen wird die zweite nur vom Flexor
fibularis versehen. Auch OUDEMANNSsS fand also zur fünften Zehe
Sehnenfasern von beiden Muskeln verlaufen.
Owen (1866) fand bei Chiromys die zweite Zehe von beiden
Muskeln versorgt. Vor der Teilung in die für die dritte, vierte und
fünfte Zehe bestimmten Sehnen gesellt sich nach seinen Angaben
zur Sehne des Flexor tibialis noch die des Flexor fibularis.
Otolienus verhält sich nach ZUCKERKANDL (1900) ähnlich wie
Galago galagoe. Während ich aber bei Galago galago die Hallux-
Sehne vom Flexor tibialis und Flexor fibularis gebildet fand, wird
sie bei Ololienus nur vom Flexor fibularis gebildet.
Nycticebus verhält sich nach Mivarr und Muriz (1865) ähnlich
wie Stenops tardıgradus.
Den Flexor tibialis fanden beide Autoren ebenfalls vom Epicon-
dylus femoris entspringen. Der Plantaris aber soll fehlen.
5. Zusammenfassung.
Von den fünf von Max WEBER (1904) angegebenen Familien
der Prosimiae sind hier drei mit je einem, bzw. zwei Vertretern
untersucht worden; ich habe dieselben in bezug auf die Muskeln, die
eine größere Variabilität innerhalb der Säugetierreihe zu zeigen pflegen,
auf S. 288 u. 289 tabellarisch zusammengestellt.
Aus dem Vorhergegangenen lassen sich für die Prosimiae etwa
folgende im allgemeinen gültige Sätze ableiten:
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
«) und #) Der mediale und laterale Gastroenemius
zeigen bei den Prosimiae den üblichen Ursprung vom medialen =
lateralen Epicondylus femoris.
Die Vereinigung der Sehnen erfolgt ungefähr in der Mitte des
Unterschenkels. Fälle, in denen eine Vereinigung nicht erfolgt
wäre, habe ich nicht beobachtet.
Ebenso vereinigt sich in allen von mir untersuchten Fällen der
Soleus mit den beiden Gastroenemii, so daß es zur Ausbildung eines
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19
Morpholog. Jahrbuch. 41.
290 Erna Glaesmer
Trieeps surae kommt. Dieser Triceps surae inseriert mit seiner
Sehne, der Achillessehne, an der Hinterseite des Tuber calcanei.
Dort wird seine Insertionsstelle von der darüber hinweglaufenden
Sehne des Plantaris bedeckt.
y) Der Soleus
entspringt vom Capitulum fibulae. Er vereinigt sich mit dem me-
dialen und lateralen Gastroenemius und bildet mit diesen beiden
den Trieeps surae. Die gemeinsame Sehne, die Achillessehne, in-
seriert an der Hinterseite des Tuber ealcanei, wo die Insertionsstelle
von der darüber hinweglaufenden Sehne des Plantaris bedeckt wird.
0) Der Plantaris
ist verschieden stark entwickelt. Bei Nyeticebus scheint er nach
MıwArT und Murıe (1865) zu fehlen. Er entspringt vom lateralen
Epieondylus femoris, mit dem lateralen Gastroenemius gemeinsam.
Es kann außerdem aber auch noch ein zweiter, vom medialen Epi-
condylus entspringender Ursprungskopf bestehen.
Die Sehne des Plantaris wird von dem Triceps surae bedeckt,
kommt dann aber an der medialen Seite desselben zum Vorschein,
deckt die Insertionsstelle des Triceps surae am Calcaneus zu und
verläuft in die Planta, wo sie in die stärker oder schwächer ent-
wickelte Plantaraponeurose übergeht. Von der Unterseite der Apo-
neurose entspringt der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum
brevis oder wenigstens ein Teil desselben.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt regelmäßig von der Unter- d. h. Dorsalseite der Plantar-
aponeurose, bekommt aber zuweilen auch Ursprungsfasern vom Cal-
caneus. Ein Fehlen des oberflächlichen Kopfes habe ich bei den
von mir untersuchten Tieren nicht beobachtet. Er scheint aber, wie
aus Literaturangaben zu entnehmen ist, zuweilen zu fehlen. In der
Regel ist der oberflächliche Kopf schwächer entwickelt als der tiefe
und geht in eine, höchstens zwei perforierte Sehnen über. Wenn
nur eine vorhanden ist, so versorgt diese die 2. Zehe. Wenn zwei
ausgebildet sind, dann geht die mediale dieser beiden zur 2. Zehe, die
laterale entweder allein zur 3. Zehe, oder aber sie vereinigt sich mit
einer Sehne des tiefen Kopfes zur perforierten Sehne der 3. Zehe.
In diesem Fall besteht eine Verbindungsbrücke zwischen oberfläch-
lichem und tiefem Kopf.
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 291
Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis ist in der Regel
stärker entwickelt als der oberflächliche Kopf.
Er entspringt in der Planta von der Sehne des Flexor tibialis
und bildet zwei bis drei perforierte Sehnen, die zu den lateralen
Zehen verlaufen, Die mediale dritte dieser drei Sehnen kann selb-
ständig die 3. Zehe versorgen, sie kann sich aber auch mit einer
Sehne des oberflächlichen Kopfes vereinigen und mit dieser gemein-
sam die perforierte Sehne für die 3. Zehe bilden. Fälle, in welchen
- der oberflächliche Kopf mehr als zwei und der tiefe weniger als
zwei Sehnen abgibt, habe ich bei den Prosimiae nicht beobachtet.
b) Tiefe Muskelgruppe.
«) Der Popliteus
entspringt vom lateralen Condylus femoris, kann aber auch tiefer,
vom Ligamentum genu collaterale fibulare und dem lateralen Menis-
eus entspringen. Er inseriert wie gewöhnlich an der Hinterseite der
Tibia.
ß) Der Flexor tibialis
entspringt von der Tibia und Membrana interossea. Es kommt aber
auch ein Ursprungskopf vom medialen Epieondylus femoris vor.
Von den drei bei den übrigen Tiergruppen angegebenen Insertions-
typen ist bei den Prosimiae nur eine, nämlich die Vereinigung der
Sehnen des Flexor tibialis und Flexor fibularis, zu beobachten.
Die Überkreuzung der Sehnen und Verteilung der Sehnenfasern
ist ähnlich wie bei Homo. Zur 5. Zehe habe ich, ebenso wie bei
Homo angegeben wird (GEGENBAUR, 1899), keine vom Flexor fibu-
laris herstammenden Sehnenfasern beobachtet. Es werden aber
solche von OuDEMANNs (1888) und ZuckErkAnDL (1900) angegeben.
Die 1. Zehe wird, wie bei Homo, vorwiegend vom Flexor fibularis
versorgt.
Ein Unterschied zwischen Homo und den Prosimiae besteht
aber in der Versorgung der drei Mittelzehen. Bei Homo wird an-
gegeben, daß die 4. Zehe selten eine Sehne vom Flexor fibularis
bekommt. Dieser zeigt vielmehr eine Vorliebe für die 3., noch mehr
die 2. Zehe.
Bei den Prosimiae ist die Verteilung der Sehnenfasern zu den
_ Mittelzehen sehr wechselnd. Jedenfalls ist eine Vorliebe des Flexor
fibularis für die medialen, des Flexor tibialis für die lateralen Zehen
nicht ausgesprochen.
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299 Erna Glaesmer
y) Der Flexor fibularis
entspringt im allgemeinen von der Fibula und Membrana interossea,
kann aber auch Ursprungsfasern vom Ligamentum genu collaterale
fibulare und dem fibularen Meniseus bekommen. Seine Sehne ver-
einigt sich mit der des Flexor tibialis. Näheres siehe unter »Flexor
tibialis«.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
siehe unter »oberflächlicher Kopf des Flexor digitorum brevis.«
&) Der Tibialis posticus
wie bei den Edentaten, Insectivoren usw.
£) Der Quadratus plantae
fehlt in der Regel.
n) Die Lumbricales
sind einfach oder verdoppelt.
6. Vergleichend anatomische Bemerkungen.
Ein Vergleich der bei den Prosimiae gewonnenen Befunde mit
den bei den Monotremen, Marsupialia, Insectivora und Edentata er-
haltenen ergibt vor allem, daß die Muskeln der einzelnen Tierfamilien
untereinander bei den Prosimiae mehr Gleichförmigkeit und Konstanz
zeigen, als es bei den andern Ordnungen der Fall ist.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
ce) und ?) Der mediale und der laterale Gastroenemius.
Diese beiden Muskeln zeigen in bezug auf Ursprung und In-
sertion etwa dieselben Verhältnisse wie bei den Inseetivora und
Edentata, d. h. der Ursprung ist auch für den lateralen Gastro-
enemius rein femoral. Die beiden Sehnen vereinigen sich jedoch
bei den Prosimiae ausnahmslos und inserieren wie gewöhnlich am
Tuber ealeanei.
y) Der Soleus
ist, wie bei den Edentata und Inseetivora, kräftig entwickelt. Wäh-
rend aber bei den Edentata der Anschluß an die Sehne der Gastro-
enemii seltener ist, ist er bei den Prosimiae, ebenso wie bei den
Inseetivora, die Regel. Bei den Monotremen und Marsupialia ist
der Muskel gar nicht oder nur in seinen ersten Anfängen vorhanden.
ö) Der Plantaris
zeigt bei den Prosimiae ähnliche Verhältnisse, wie sie bei den Marsu-
pialia häufig vorkommen. Die Sehne setzt sich nämlich in die Plan-
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 293
taraponeurose, die bei den Marsupialia allerdings mehr den Cha-
rakter einer Fascie hat, fort. Von der Unterseite entspringt hier
wie dort der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis oder
wenigstens ein Teil desselben.
Diese Verhältnisse, die bei den Marsupialia aber nur in zahl-
reichen Fällen vorkommen, sind bei den Prosimiae die Regel.
Alle andern Insertionsarten des Plantaris (siehe auch unter Eden-
tata, »Vergleichend anatomische Bemerkungen«) sind bei den Prosi-
miae nicht vertreten.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
erinnert ebenfalls an bei Marsupialia vorkommende Verhältnisse,
d. h. er entspringt von der Unterseite der Plantarfascie. Es sind
aber auch Fasern vom Calcaneus beobachtet. Bei den Insectivora
geht der Muskel in dem einen Fall, in dem er zu beobachten war,
unmittelbar aus der Sehne des Plantaris hervor, bei den Edentata
sah ich ihn bei einem Exemplar direkt vom Calcaneus entspringen.
Im allgemeinen fehlt er den Edentata und Insectivora zumeist.
b) Tiefe Muskelgruppe.
«) Der Popliteus
entspringt vom lateralen Epicondylus femoris. Bei Stenops tardi-
gradus fällt der Ursprung vom Ligamentum genu collaterale fibulare
auf. Dieser Ursprung erinnert sehr stark an bei den Marsupialia
vorkommende Verhältnisse.
?) und y) Der Flexor tibialis und fibularis
zeigen ein Verhalten, wie es vereinzelt bei den Marsupialia, aber
auch bei den Insectivora anzutreffen ist. Der Flexor tibialis tritt
nämlich mit dem Flexor fibularis in Verbindung.
Während aber bei diesen Tieren eine Vereinigung der ganzen
Sehnen erfolgt und dann erst eine Aufteilung in Teilsehnen, ist
dies bei den Prosimiae umgekehrt der Fall.
Bei den Edentata habe ich eine Vereinigung der beiden Mus-
keln nur bei Dradypus vorgefunden. Das Tier hat aber so starke
sekundäre Umwandlungen seiner Extremität erfahren, daß die Be-
stimmung der Muskeln nicht mit unbedingter Sicherheit erfolgen
_ konnte.
0) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
Eee
schließt sich in seinem Verhalten am engsten an die bei den Mar-
supialia bestehenden Verhältnisse an. Er entspringt bei den Pro-
Be |
a
294 Erna Glaesmer
simiae aber fast nur von der oberflächlich liegenden Sehne des
Flexor tibialis, während er bei den Marsupialia von den beiden ver-
einigten Sehnen des Flexor tibialis und fibularis, bzw. nur von der
Sehne des Flexor fibularis, (wenn eine Vereinigung der Sehnen
dieser beiden Muskeln nicht besteht) herkommt. Mit dem oberfläch-
lichen Kopf kann der Muskel, ebenso wie bei den Marsupialia, in
Verbindung treten, er kann aber auch selbständig für sich inserieren.
&) Der Tibialis postieus
zeigt dasselbe Verhalten wie bei den vorher beschriebenen Tier-
ordnungen.
£) Der Quadratus plantae
fehlt ebenso wie bei den Marsupialia in der Regel. Bei den In-
sectivora und Edentata ist der Muskel zwar nicht immer, aber häufig
vorhanden. Bei den beiden Monotremen ist er kräftig entwickelt.
n) Lumbricales.
Eine Verdoppelung kommt ebenso wie bei den Marsupialia und
Edentata zuweilen vor. Bei den Inseetivora sind die Lumbricales
"im allgemeinen spärlich und schwach entwickelt.
V. Simiae.
1. Hapale penicillatus. (Taf. IV, Fig. 12.)
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
repräsentiert durch den medialen und lateralen Gastroenemius, den
Soleus, Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum
brevis.
«) Der mediale Gastroenemius
entspringt vom medialen Epicondylus femoris. Er verbindet sich in
der Mitte des Unterschenkels mit dem lateralen Gastroenemius zu
einer gemeinsamen Sehne, an deren Vorderseite bis zum Caleaneus
herab der Soleus inseriert, so daß es zur Ausbildung eines Triceps
surae kommt.
ß) Der laterale Gastroenemius
entspringt mit dem Plantaris gemeinsam vom lateralen Epicondylus
femoris. Er verbindet sich in der Mitte des Unterschenkels mit
dem medialen Gastrocnemius zu einer gemeinsamen Sehne, an deren
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 295
Vorderseite bis zum Calcaneus herab der Soleus inseriert, so daß
es zur Ausbildung eines Triceps surae kommt.
y) Der Soleus
entspringt mit Kurzer Sehne vom Fibulaköpfehen und inseriert an
der Vorderseite der gemeinsamen Sehne der Gastroenemii bis nahe
an den Calcaneus herab.
ö) Der Plantaris
entspringt mit dem lateralen Gastroenemius gemeinsam vom lateralen
Epieondylus femoris. Oberhalb der Vereinigungsstelle der beiden
Gastroenemii wird er sehnig. Die Sehne verläuft erst unter dem
Trieeps surae, tritt dann an die mediale Seite, endlich über dem
Tuber calcanei auf die Achillessehne. In der Planta verbreitet sie
sich zur Aponeurose, wobei aber ein Teil der Sehnenfasern direkt
in Muskelfasern, den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum
brevis, übergeht.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt nicht von der Unterseite der Plantaraponeurose, sondern
geht aus einzelnen Sehnenfasern derselben unmittelbar hervor. Der
Muskel geht in zwei zarte Sehnen über, von denen eine die per-
forierte Sehne der 2. Zehe bildet, während die andre sich mit der
Sehne des tiefen Kopfes zur perforierten Sehne für die 3. Zehe ver-
einigt.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die tiefe, unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
repräsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den Flexor
fibularis, den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den Tibialis
posticus, den Quadratus plantae und vier Lumbricales.
«) Der Popliteus
entspringt vom lateralen Condylus femoris und zwar von der late-
ralen Knorpelfläche desselben. Er inseriert mit divergierenden
Fasern an dem oberen Viertel der hinteren Tibiafläche und der
medialen Tibiakante.
£) Der Flexor tibialis
entspringt von der hinteren Tibiafläche und der Membrana inter-
ossea. Er deckt den Tibialis posticus zum Teil zu. In der Planta
kreuzt seine Sehne die des Flexor fibularis und verwächst mit ihr
296 Erna Glaesmer
vor der Teilung in Einzelsehnen. Er gibt perforierte Sehnen zur
1., 2., 4. und 5. Zehe ab. Die vierte versorgt er mit dem Flexor
fibularis gemeinsam.
y) Der Flexor fibularis
entspringt von der Fibula und der Membrana interossea. Er ist
ungefähr gleich stark, eher schwächer als der Flexor tibialis. In der
Planta wird er von der Sehne des Flexor tibialis, mit der er ver-
wächst, zugedeckt. Seine Sehne teilt sich ihrerseits in zwei perfo-
rierende Sehnen für die dritte und die vierte Zehe. Letztere ver-
bindet sich mit einigen Fasern des Flexor tibialis. Der Hallux wird
also: ausschließlich vom Flexor tibialis versorgt.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt hauptsächlich vom Flexor tibialis, aber auch mit einigen
Fasern von der, zwischen den Teilsehnen des Flexor tibialis hervor-
kommenden Partie der Sehne des Flexor fibularis. Er bildet die
perforierten Sehnen für die fünfte und vierte Zehe. Eine weitere
Sehne vereinigt sich mit einer der Sehnen des oberflächlichen Kopfes
und bildet mit dieser gemeinsam die perforierte Sehne für die dritte
Zehe. Zwischen oberflächlichem und tiefem Kopf besteht auf diese
Weise eine Verbindung.
&) Der Tibialis posticus
verhält sich wie bei den Prosimiae.
£) Der Quadratus plantae
entspringt von der lateralen Seite des Caleaneus-Körpers und inse-
riert an der Sehne des Flexor fibularis.
n) Die Lumbricales.
Es sind deren vier vorhanden. Sie entspringen wie bei den Prosi-
miae und inserieren an den tibialen Seiten der Zehen.
B. Innervation.
Vom N. tibialis geht oberhalb des Kniegelenks ein Ast ab, der
den medialen, den lateralen Gastroenemius, Soleus und Plantaris
versorgt.
Ein zweiter Ast geht zu den übrigen Muskeln.
Oberhalb des Caleaneus erfolgt die Teilung in den N. plantaris
lateralis und N. plantaris medialis.
Der N. plantaris lateralis versorgt den tiefen Kopf des Flexor
digitorum brevis und den Quadratus plantae, der N. plantaris medialis
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 297
den oberflächlichen Kopf, gibt aber auch ein Astchen ab, das sich
mit einem Astchen des N. plantaris lateralis vereinigt und mit diesem
gemeinsam den tiefen Kopf versorgt.
2. Ateles variegatus.
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
vertreten durch den medialen Gastrocnemius, den lateralen Gastro-
. enemius, den Soleus und den oberflächlichen Kopf des Flexor digi-
torum brevis.
a) Der mediale Gastroenemius
entspringt vom medialen Epicondylus femoris und vereinigt sich in
der Mitte des Unterschenkels mit der Sehne des lateralen Gastro-
_ enemius. Nach kurzem Verlauf gesellt sich zu dieser Muskelmasse
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fehlt.
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noch der Soleus. Der so entstandene Triceps surae inseriert fleischig
am Tuber calcanei.
P) Der laterale Gastroenemius
entspringt vom lateralen Epieondylus femoris und vereinigt sich in
der Mitte des Unterschenkels mit der Sehne des medialen Gastro-
enemius. Nach kurzem Verlauf gesellt sich zu dieser Muskelmasse
noch der Soleus. Der auf diese Weise entstandene Trieceps surae
inseriert fleischig am Tuber calcanei.
y) Der Soleus
entspringt von dem proximalen Drittel der Fibula. Er vereinigt sich
mit der Muskelmasse der beiden Gastroenemii und inseriert mit
diesen gemeinsam als Triceps surae am Tuber caleanei.
d) Der Plantaris
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
3 entspringt vom Calcaneus. Seine Muskelmasse geht in drei Sehnen
&
über. Die medialen zwei werden perforiert und inserieren an den
Mittelphalangen der zweiten und dritten Zehe; die laterale ver-
_ einigt sich mit einer Sehne des tiefen Kopfes und bildet mit dieser
_ die perforierte Sehne für die vierte Zehe.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die in der Tiefe unter dem N. tibialis gelegene Muskelgruppe
wird repräsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den Flexor
E
Y
%
x
4
298 Erna Glaesmer
fibularis, den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den Tibialis
postieus, den Quadratus plantae und vier Lumbricales.
«) Der Popliteus
entspringt mit kurzer Sehne aus einer Cavität der lateralen Knorpel-
fläche des lateralen Condylus femoris. Er breitet sich fächerförmig
aus und inseriert am obern Fünftel der medialen Tibiakante.
ß) Der Flexor tibialis
entspringt etwa vom zweiten Fünftel des Tibiaschaftes, distal vom
unteren Rande des Popliteus. Am Malleolus geht der Muskel in
eine Sehne über, welche die Sehne des Flexor fibularis zudeckt
und kreuzt, um sich in der Planta in vier Sehnen zu teilen, welche
in Beziehung zu den Sehnen des Flexor fibularis treten. Die drei
medialen verbindeu sich mit je einer Sehne des Flexor fibularis zur
Halluxsehne und den zwei perforierenden Sehnen für die zweite und
vierte Zehe, während die laterale Sehne des Flexor tibialis selb-
ständig die fünfte Zehe versorgt. Alle diese Sehnen inserieren wie
üblich an den Endphalangen der Zehen.
y) Der Flexor fibularis
entspringt von der ganzen Hinterseite der Fibula, ferner von der
Membrana interossea und der Tibia.
Seine Sehne verläuft am Malleolus hinter der Sehne des Flexor
tibialis, von der sie in der Planta bedeckt wird. Dort erfolgt eine
Teilung in vier Sehnen. Drei derselben vereinigen sich mit Sehnen
des Flexor tibialis, um die Halluxsehne sowie die perforierenden, an
den Mittelphalangen inserierenden Sehnen für die zweite und vierte
Zehe zu bilden. Die vierte versorgt selbständig die dritte Zehe.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt von der Plantarseite der Sehne des Flexor tibialis, vor
der Teilung in die Einzelsehnen. Der Muskel zerfällt in zwei Bündel.
Die Sehne des einen vereinigt sich mit einer Sehne des oberfläch-
lichen Kopfes und bildet mit ihr die perforierte Sehne für die vierte
Zehe. Die Sehne des zweiten bildet die perforierte Sehne für die
fünfte Zehe. Auf diese Weise komnit eine Verbindung zwischen
oberflächlichem und tiefem Kopf des Flexor digitorum brevis zu-
stande.
&) Der Tibialis posticus
liegt hauptsächlich der Membrana interossea auf. Er entspringt von
dieser, sowie von den einander zugekehrten Flächen der Tibia und
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 299
Fibula. Die Sehne verläuft am medialen Malleolus in eine Rinne
desselben vor der Sehne des Flexor tibialis und verhält sich im
übrigen wie bei den Prosimiae.
£) Der Quadratus plantae
entspringt von der Unterseite des Calecaneus und inseriert an der
lateralen Seite der Sehne des Flexor tibialis, vorwiegend an der
Sehne für die fünfte Zehe.
n) Die Lumbricales.
Es sind ihrer vier vorhanden. Sie entspringen aus den Winkeln,
welche von den perforierenden Sehnen gebildet werden und inse-
rieren an den tibialen Seiten der lateralen vier Zehen.
B. Innervation.
Diese verhält sich ähnlich wie bei Hapale penicillatus.
3. Ateles ater.
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
repräsentiert durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den
Soleus und den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis.
Alle diese Muskeln verhalten sich ebenso wie bei Ateles varzegatus.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die unter dem N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird reprä-
_ sentiert durch den Popliteus, Flexor tibialis, Flexor fibularis, den
tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den Tibialis posticus und
vier Lumbricales.
«) Der Popliteus
verhält sich wie bei Ateles variegatus.
ß) Der Flexor tibialis
entspringt von der Hinterfläche des Tibiaschaftes. Die Sehne ver-
läuft in der Planta über die des Flexor fibularis hinweg, der von
ihr gekreuzt und zugedeckt wird. Eine vollständige Verschmelzung
beider Sehnen erfolgt jedoch nicht. Der Flexor tibialis bildet nur
zwei Sehnen, deren eine sich mit einer Sehne des Flexor fibularis
zur perforierenden Sehne für die vierte Zehe vereinigt, während die
zweite selbständig die perforierende Sehne für die fünfte Zehe bildet.
300 Erna Glaesmer
y) Der Flexor fibularis
teilt sieh in der Planta in vier Sehnen. Die medialen drei verlaufen
zum Hallux und bilden ferner die perforierenden Sehnen für die
zweite und dritte Zehe, eine vierte verbindet sich mit einer Sehne
des Flexor tibialis zur perforierenden Sehne für die vierte Zehe.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt mit einem winzigen Bündel in der Planta von der Sehne
des Flexor fibularis, mit zwei größeren Einzelbündeln vom Flexor
tibialis.. Das vom Flexor fibularis kommende vereinigt sich mit
einem der zwei letzteren und tritt sodann mit einer Sehne des ober-
flächlichen Kopfes in Verbindung, um die perforierte Sehne für die
vierte Zehe zu bilden. Das zweite vom Flexor tibialis kommende
Bündel bildet die perforierte Sehne für die fünfte Zehe.
&) Der Tibialis postieus
verhält sich wie bei den Prosimiae.
£) Der Quadratus plantae
entspringt vom Calcaneus und inseriert an der Sehne des Flexor
tibialis.
nn) Die Lumbricales.
Es sind ihrer vier vorhanden. Ursprung und Insertion wie bei Hapale
penicillatus und Ateles variegatus.
B. Innervation
ähnlich wie bei Hapale penieillatus.
4. Cebus monachus.
Cebus monachus zeigt ungefähr dieselben Verhältnisse wie Ateles
varvegatus.
Etwas abweichend sind jedoch die Insertionsverhältnisse der
perforierten und perforierenden Muskeln.
Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis ist schwächer
als bei Ateles variegatus und tritt in keine Verbindung mit dem tiefen
Kopf, sondern gibt nur die perforierte Sehne für die zweite Zehe ab.
Der tiefe Kopf, der vom Flexor tibialis entspringt, hat hingegen
drei Sehnen, welche perforiert werden und an den Mittelphalangen |
der dritten, vierten und fünften Zehe inserieren.
Der Flexor tibialis teilt sich in zwei Sehnen. Eine dünne ver-
einigt sich mit einer stärkeren, vom Flexor fibularis kommenden
zur
en
”
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u 002 2757 rei z
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 301
Sehne zur Halluxsehne, eine zweite bildet die perforierende Sehne
für die fünfte Zehe, welehe nur vom Flexor tibialis versorgt wird.
Der Flexor fibularis hat vier Sehnen. Eine derselben vereinigt
sich mit einer feinen Sehne des Flexor tibialis zur Halluxsehne,
die übrigen drei bilden die perforierenden Sehnen für die zweite,
dritte und vierte Zehe. Letztere drei Zehen werden also nur vom
Flexor fibularis versorgt.
5. Cynocephalus doguera.
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
repräsentiert durch den medialen und lateralen Gastroenemius, den
Soleus, den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor
digitorum brevis.
«) Der mediale Gastroenemius
entspringt vom medialen Epicondylus femoris. Seine Muskelmasse
vereinigt sich am obern Fünftel des Unterschenkels mit der des
lateralen.
In der Mitte des Unterschenkels nehmen beide noch den Soleus
auf. Die gemeinsame Sehne inseriert als Achillessehne am Tuber
calecanei. Ein Teil der Sehnen geht in die Sehne des Plantaris über.
ß) Der laterale Gastroenemius
entspringt vom lateralen Epicondylus femoris. Die Muskelmasse
vereinigt sich am obern Fünftel des Unterschenkels mit der medialen.
In der Mitte des Unterschenkels nehmen beide noch den Soleus
auf und inserieren gemeinsam als Achillessehne am Tuber calcanei,
wobei ein Teil der Sehnen in die Sehne des Plantaris übergeht.
y) Der Soleus
entspringt vom Capitulum der Fibula. Etwa in der Mitte des Unter-
schenkels inseriert er an der gemeinsamen Sehne der Gastroenemii
bis nahe an den Calcaneus heran.
ö) Der Plantaris
ist mäßig stark entwickelt. Er wird vom lateralen Gastroenemius
fast vollständig bedeckt und entspringt mit diesem vom lateralen
Epicondylus femoris. Die Sehne wird von der Sehne der beiden
Gastroenemii bedeckt, tritt aber proximal von der Insertionsstelle
des Soleus an deren mediale Seite und verläuft in derselben Ebene
302 Erna Glaesmer
mit jener bis an das Tuber. Hier vereinigt sich ein Teil der Sehnen-
fasern der beiden Gastroenemii mit der Plantarissehne und verläuft
als gemeinsame Sehne in die Planta, wo aus ihr die Plantaraponeu-
rose hervorgeht.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt von der Unterseite der Plantaraponeurose. Er bildet nur
eine Sehne, welche mit der tiefen Sehne in keinerlei Verbindung
tritt. Sie geht ‘als perforierte Sehne der zweiten Zehe an deren
Mittelphalanx.
‘(Am linken Fuß hatte der oberflächliche Kopf außerdem eine
zweite Sehne, die sich mit einer Sehne des tiefen Kopfes zur per-
forierten Sehne für die dritte Zehe verband.)
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die in der Tiefe unter dem N. tibialis gelegene Muskelgruppe
wird repräsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den
Flexor fibularis, den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den
Tibialis postieus, den Quadratus plantae und vier Lumbricales.
«) Der Popliteus
entspringt von der lateralen Seite des lateralen Condylus femoris.
Er breitet sich fächerförmig aus und inseriert am oberen Fünftel
der Hinterseite der Tibia.
ß) Der Flexor tibialis
deckt den Tibialis posticus fast vollständig zu und entspringt von
der Hinterseite der Tibia bis zum distalen Viertel derselben. Seine
Sehne kreuzt die des Tibialis posticus, indem sie hinter dieselbe tritt
und so in die Planta verläuft.
Hier kreuzt sie auch noch die Sehne des Flexor fibularis und
deckt sie an einer Stelle vollständig zu.
In der Planta erfolgt die Teilung in vier Einzelsehnen, deren
eine sich mit einer Sehne des Flexor fibularis zur Halluxsehne ver-
einigt, während eine zweite selbständig die zweite Zehe versorgt.
Eine dritte, nur aus wenigen Fasern bestehende, geht mit einer be-
deutend stärkeren Sehne des Flexor fibularis zur vierten Zehe. Eine
vierte versorgt selbständig die fünfte Zehe.
y) Der Flexor fibularis
entspringt von der ganzen Hinterseite der Fibula, sowie mit einigen
Fasern von der Membrana interossea.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 303
Die Sehne verläuft am medialen Malleolus hinter der Sehne
des Flexor tibialis, wird in der Planta von ihr bedeckt und teilt
sich hier in drei Sehnen. Die eine verläuft zusammen mit wenigen
Fasern des Flexor tibialis zum Hallux. Eine zweite versorgt die dritte,
eine dritte mit wenigen Fasern des Flexor tibialis die vierte Zehe.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt hauptsächlich vom Flexor tibialis, kommt aber mit seinen
Muskelfasern auch zwischen den Sehnen des Flexor tibialis aus der
Tiefe von der Sehne des Flexor fibularis. Er geht in drei Sehnen
über, welche die perforierten Sehnen für die dritte, vierte und fünfte
Zehe bilden. Mit dem oberflächlichen Kopf tritt er in keine Ver-
bindung.
&) Der Tibialis postieus
verhält sich wie bei den Prosimiae.
£) Der Quadratus plantae
entspringt, zum Teil sehnig, vom Calcaneus und inseriert an der
Sehne des Flexor tibialis, besonders an dem für die fünfte Zehe be-
stimmten Teil.
n) Die Lumbricales.
Es sind deren vier vorhanden. Ursprung und Insertion verhalten
sich wie bei Hapale penieillatus.
6. Cynocephalus hamadryas.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskeigruppe wird
repräsentiert durch den medialen und lateralen Gastroenemius, den
Soleus, den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor digi-
torum brevis.
ce) u. 8) Der mediale und laterale Gastrocnemius
verhalten sich wie bei Oynocephalus doguera.
y) Der Soleus
entspringt wie bei Oynocephalus doguera. Die Vereinigung mit den
4
5
beiden Gastroenemii erfolgt aber erst knapp am Caleaneus.
ö) Der Plantaris
ist am Ursprunge mit dem lateralen Gastroenemius innig verwachsen.
Sonst wie bei Cynocephalus dogquera.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt von der Unterseite der Plantaraponeurose. Ein Teil des
304 Erna Glaesmer
Muskels geht in die perforierte Sehne für die zweite Zehe über, ein
zweiter Teil verbindet sich mit dem tiefen Kopf des Flexor digi-
torum brevis.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die in der Tiefe unter dem N. tibialis gelegene Muskelgruppe
wird repräsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den Flexor
fibularis, den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den Tibialis
postieus, den Quadratus plantae und vier Lumbricales.
«) Der Popliteus
verhält sich wie bei Uynocephalus doguera.
8) Der Flexor tibialis
kreuzt in der Planta die Sehne des Flexor fibularis und geht in vier
Sehnen über. Eine, aus wenigen Fasern bestehende, versorgt ge-
meinsam mit einer Sehne des Flexor fibularis den Hallux. Eine
zweite verläuft zur zweiten Zehe, eine dritte gemeinsam mit einer
Sehne des Flexor fibularis zur dritten Zehe. Eine vierte versorgt
selbständig die fünfte Zehe.
y) Der Flexor fibularis
hat drei Sehnen. Eine derselben verläuft mit wenigen Fasern des
Flexor fibularis zum Hallux, eine zweite verbindet sich mit wenigen
Fasern des Flexor tibialis zur Sehne für die dritte Zehe, eine dritte
versorgt selbständig die vierte Zehe.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt wie bei Cynocephalus doguera von der Sehne des Flexor
tibialis und des Flexor fibularis. Der Muskel geht in drei Sehnen
zur dritten, vierten und fünften Zehe über. Eine Muskelportion des
oberflächlichen verbindet sich mit dem tiefen Kopf.
e) Der Tibialis postieus
verhält sich wie bei Uynocephalus doguera.
£) Der Quadratus plantae
entspringt vom Caleaneus und inseriert an der Sehne des Flexor
tibialis, besonders an der für die fünfte Zehe bestimmten Sehne.
n) Die Lumbricales
verhalten sich wie bei Oynocephalus doguera.
7. Cercopithecus petaurista.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
«) $)u.y) Die beiden Gastroenemii und der Soleus
zeigen im wesentlichen dasselbe Verhalten wie bei Cynocephalus
doguera.
Be in
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 305
ö) Der Plantaris.
Die Sehne des Plantaris inseriert zum Teil am Calcaneus, zum Teil
geht sie in die Plantaraponeurose über.
e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt von der Unterseite der Plantaraponeurose und bildet die
perforierte Sehne für die zweite Zehe. Eine Verbindung mit dem
tiefen Kopf besteht nicht.
b) Tiefe Muskelgruppe.
«) Der Popliteus
verhält sich wie bei Cynocephalus doguera.
ß) Der Flexor tibialis
deekt und kreuzt wie bei Cynocephalus doguera die Sehne des Flexor
fibularis. Einzelne seiner Sehnen verwachsen mit Sehnen des Flexor
fibularis. Selbständig versorgt der Flexor tibialis die zweite und
fünfte Zehe. Außerdem gibt er eine feine Sehne zur Halluxsehne,
sowie eine weitere Sehne ab, die sich mit der für die vierte Zehe
bestimmten Sehne des Flexor fibularis vereinigt.
y) Der Flexor fibularis
hat drei Sehnen. Eine derselben verbindet sich mit einer feinen
Sehne des Flexor tibialis zur Halluxsehne, eine zweite versorgt selb-
ständig die dritte Zehe, während eine dritte mit einer Sehne des
Flexor tibialis gemeinsam zur vierten Zehe verläuft.
6) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt hauptsächlich von der Sehne des Flexor tibialis, mit
wenigen Fasern nur von der des Flexor fibularis. Der Muskel geht
in drei Sehnen über, welche die perforierten Sehnen für die dritte,
vierte und fünfte Zehe bilden. Er tritt in keine Verbindung mit
dem oberflächlichen Kopf.
e) Der Tibialis postieus
verhält sich wie bei Oynocephalus doguera.
£) Der Quadratus plantae
entspringt vom Calcaneus und inseriert an der Sehne des Flexor
tibialis.
n) Die Lumbricales
entspringen aus den Winkeln, welche von den perforierenden Sehnen
gebildet werden, gleichgültig, ob diese dem Flexor tibialis oder dem
Morpholog. Jahrbuch. 41. 20
306 Erna Glaesmer
Flexor fibularis angehören. Die Insertion erfolgt wie gewöhnlich an
den tibialen Seiten der Zehen.
8. Macacus sinicus,
Das Verhalten der oberflächlichen und tiefen Muskelgruppe ist
mit geringfügigen Unterschieden dasselbe wie bei Cercopithecus
petaurista.
9. Hylobates variegatus. (Taf. IV, Fig. 13.)
A. Muskeln.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
' Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
repräsentiert durch den medialen und lateralen Gastroenemius, den
Soleus und den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis.
«) Der mediale Gastrocnemius
entspringt oberhalb des medialen |Condylus femoris. Am oberen
Drittel des Unterschenkels vereinigt er sich mit dem lateralen Gas-
troenemius, in der Mitte außerdem mit dem Soleus. Die Insertion
des so entstandenen Triceps surae erfolgt am Tuber calcanei.
ß) Der laterale Gastroenemius
entspringt oberhalb des lateralen Condylus vom Femur. Am oberen
Drittel des Unterschenkels vereinigt er sich mit dem medialen Gas-
troenemius, in der Mitte außerdem mit dem Soleus. Insertion siehe
unter »Der mediale Gastroenemius«.
y) Der Soleus
entspringt mit langer, breiter Sehne von der hintern und lateralen
Fläche des Capitulum fibulae. Er vereinigt sich in der Mitte des
Unterschenkels mit den beiden Gastroenemii. Insertion siehe unter
»Der mediale Gastrocnemius«.
ö) Der Plantaris
fehlt.
e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt gemeinsam mit dem Abductor der Großzehe vom Caleaneus
und der Unterseite der Plantaraponeurose. Der Muskel geht in eine
schlanke Sehne über, welche die perforierte Sehne der zweiten Zehe
bildet. Mit dem tiefen Kopf besteht keinerlei Verbindung.
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die in der Tiefe unter dem N. tibialis gelegene Muskelgruppe
wird repräsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 307
Flexor fibularis, den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den
Tibialis posticus und vier Lumbricales.
«) Der Popliteus
entspringt vom lateralen Condylus femoris und mit einigen Fasern
von der Kniegelenkskapsel. Seine Fasern breiten sich fächerförmig
aus und inserieren am oberen Fünftel der medialen Tibiakante sowie
an der hinteren Tibiafläche.
8) Der Flexor tibialis
deckt den Tibialis postieus vollständig zu. Er entspringt von der
Hinterseite der Tibia und zwar vom distalen Rande des Popliteus
abwärts bis zum untern Viertel der Tibia, sowie mit einzelnen Fasern
von der Membrana interossea.. Die Sehne verläuft am medialen
Malleolus hinter der Sehne des Tibialis posticus. In der Planta
kreuzt und deckt sie die Sehne des Flexor fibularis und teilt sich
dort in drei Sehnen. Zwei davon vereinigen sich mit Sehnen des
Flexor fibularis und zwar verbindet sich eine derselben mit einer
Sehne des Flexor fibularis zur Halluxsehne, während eine zweite,
schwächere mit der zweiten Sehne des Flexor fibularis die perforie-
rende Sehne für die zweite Zehe bildet. Eine dritte Sehne versorgt
selbständig die fünfte Zehe.
y) Der Flexor fibularis
entspringt von der ganzen Hinterseite der Fibula und von der Mem-
brana interossea. Außerdem bekommt er einige Fasern vom Septum
interosseum, das zwischen der Flexoren- und der Peroneus-Musku-
latur liegt. Die kräftige Sehne verläuft in der Planta lateral von
der Sehne des Flexor tibialis, wird aber dann von jener gekreuzt
und teilt sich in vier Sehnen, von welchen sich die erste mit Sehnen-
fasern des Flexor tibialis zur Halluxsehne, eine zweite mit einer
Sehne des Flexor tibialis zur perforierenden Sehne der zweiten
Zehe verbindet. Die zwei andern Sehnen versorgen selbständig die
dritte und vierte Zehe.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt ausschließlich von der Sehne des Flexor tibialis. Er geht
in drei Muskelbündel über, welche die perforierenden Sehnen für
die dritte, vierte und fünfte Zehe bilden. Mit dem oberflächlichen
Kopf besteht keine Verbindung.
e) Der Tibialis postieus
ist sehr schwach und wird vom Flexor tibialis bedeckt. Er ent-
20*
308
Erna Glaesmer
springt von der lateralen Tibiafläche und der Membrana interossea.
Die feine Sehne inseriert am Naviculare, der Basis des Metatar-
sale III und am Cuneiforme II und III.
£) Der Quadratus plantae
fehlt.
n) Die Lumbricales.
Es sind ihrer vier vorhanden. Insertion wie bei Uynocephalus doguera.
B. Innervation.
Das Verhalten der Sehnen des Fl. tib. und fib. bei den verschiede-
nen’ Hylobates-Arten läßt sich durch Zusammenstellung meiner Be-
funde bei H. variegatus mit den Befunden Konusrüsses (1890)
bei H. syndactylus, agılıs und leueiscus zeigen:
Tier Flexor tibialis
Flexor fibularis
Zusammenstellung
der Zehenversorgung
Hylobates syn-|hat 2 Sehnen, eine hat 4 Sehnen, eine
dactylus mit einer Sehne des
(KOHLBRÜGGE)| Flex. fibularis zur 2.,
die and. zur 5. Zehe
verlaufend.
Hiylobates wie Syndactylus
agilis
(KOHLBRÜGGE)
Hylobates leu-|hat 2 Sehnen, eine
eiscus mit einer Sehne des
(KOHLBRÜGGE)| Flexor fibulariszum
Hallux,
die andre zur 5. Zehe
verlaufend.
Hylobates va-|hat 3 Sehnen, eine
riegatus. mit einer Sehne des
Flexor fibularis zum
Hallux,
die andre mit einer
Sehne des Flex. fibu-
laris zur 2.
die dritte zur 5. Zehe
verlaufend.
zum Hallux
die and. m. einer Sehne
des Flexor tibialis
zur 2. Zehe
die dritte zur 3.
die vierte zur 4. Zehe
verlaufend.
wie Syndaetylus
hat 4 Sehnen, eine
mit einer Sehne des
Flexor tibialis zum
Hallux,
dieandre zur 2.
die dritte zur 3.
die vierte zur 4. Zehe
verlaufend.
hat 4 Sehnen, eine
mit einer Sehne des
Flexor tibialis zum
Hallux,
die and. m. ein. Sehne
des Flexor tibialis
zur 2.
die dritte zur 3.
die vierte zur 4. Zehe
verlaufend.
Fl. tib.:
Fl. fib.:
EN
1234.
wie Syndactylus
Fl. tib.:
Fl. fib.:
1: ua
1.232%
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 309
Das Verhalten der Sehnen des Flexor tibialis und fibularis ist
also, wie das die Tabelle veranschaulicht, variabel.
Das Konstante ist hier die ausschließliche Versorgung der fünften
Zehe durch den Flexor tibialis, sowie die ausschließliche Versorgung
der dritten und vierten Zehe durch den Flexor fibularis. — Auf-
fallend ist die von KOHLBRÜGGE beobachtete Kuriosität, daß Hylo-
bates leuciscus rechts zum Hallux keine Sehne (weder vom Flexor
tibialis noch fibularis) bekommt, dafür aber ein Sehnenstrang des
Tibialis posticus, der jedoch nach KOHLBRÜGGE keine Beugung aus-
zulösen imstande wäre, dorthin zieht. —
Ebenso variabel wie das Verhalten von Flexor tibialis und fibu-
laris ist bei den verschiedenen Hylobates-Arten das des Flexor digi-
torum brevis. (KOHLBRÜGGE faßt nur den vom Caleaneus ent-
springenden Kopf als Flexor digitorum brevis auf und betrachtet den
vom Flexor tibialis entspringenden tiefen Kopf als zum Flexor
tibialis gehörig.) Diese Variabilität des Flexor digitorum brevis zeigt
sich in folgender Zusammenstellung:
Tier Oberflächlicher Kopf Tiefer Kopf
Hylobates syn- entspringt vom Calcaneus. | entspringt von der Sehne des
dactylus. Inseriert an der 2. Zehe. Flexor tibialis.
(KOHLBRÜGGE) Inseriert an der 3., 4. und 5.
Zehe.
Hylobates agilis. wie Syndactylus. entspringt von der Sehne des
(KOHLBRÜGGE) Flexor tibialis.
Inseriert an der 3. und 4.
Zehe. Died.bekommt keine
Sehne.
Hylobates leueiscus. | entspringt von der Plantar- | entspringt von der Sehne des
(KOHLBRÜGGE) faseie. Flexor tibialis.
Die Sehne verbindet sich mit | Eine Sehne inseriert mit einer
einer des tiefen Kopfes und | Sehne des oberfl. Kopfes
inseriert mit jener an der| an der 2. Zehe. Zwei wei-
2. Zehe. tere inserieren an der 3.
und 4. Zehe. Die 5. Zehe
bekommt keine Sehne.
Hylobatesvariegatus | entspringt vom Calcaneusund | entspringt von der Sehne des
vonder Unterseite der Plan-| Flexor tibialis.
tarfascie. Inseriert an der 3., 4. und 5.
Inseriert an der 2. Zehe. Zehe.
310 Erna Glaesmer
In allen vier Fällen ist also der tiefe Kopf des Flexor digitorum
brevis stärker als der oberflächliche und versorgt vorwiegend die
lateralen drei Zehen. Zur fünften Zehe scheint die perforierte Sehne
zuweilen zu fehlen. Eine Verbindung der beiden Köpfe des Flexor
digitorum brevis besteht bei dem Genus Hylobates im allgemeinen
also selten; sie ist aber von KOHLBRÜGGE bei Hylobates leuciscus
beobachtet worden.
10. Simia satyrus.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
repräsentiert durch den medialen und lateralen Gastrocnemius, den
Soleus und den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis.
«) Der mediale Gastrocnemius
entspringt vom medialen Condylus femoris. Am oberen Viertel des
Unterschenkels vereinigt er sich mit dem lateralen Gastroenemius
und in der Mitte des Unterschenkels auch noch mit dem Soleus.
Alle drei inserieren mit gemeinsamer Sehne am Tuber calcanei.
ß) Der laterale Gastroenemius
ist etwas schwächer als der mediale. Er entspringt vom lateralen
Condylus femoris. Am oberen Viertel des Unterschenkels vereinigt
er sich mit dem medialen Gastrocnemius, in der Mitte des Unter-
schenkels außerdem mit dem Soleus. Alle drei inserieren mit ge-
meinsamer Sehne am Tuber calcanei.
y) Der Soleus
ist schwach entwickelt. Er entspringt wie gewöhnlich vom Capitulum
der Fibula und vereinigt sich mit den beiden Gastrocnemii. Alle
drei inserieren mit gemeinsamer Sehne am Tuber calcanei.
0) Der Plantaris
fehlt.
€) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt vom Calcaneus und der Plantaraponeurose und geht in drei
Sehnen über. Zwei derselben bilden die perforierten Sehnen für
die zweite und dritte Zehe. Die dritte vereinigt sich mit einer Sehne
des tiefen Kopfes zur perforierten Sehne für die vierte Zehe.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 311
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die in der Tiefe unter dem N. tibialis gelegene Muskelgruppe
wird repräsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den
Flexor fibularis, den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den
Tibialis posticus und vier Lumbricales.
«) Der Popliteus
ist recht kräftig entwickelt. Er entspringt von der lateralen Seite
des lateralen Condylus femoris und inseriert am obern Viertel der
Tibia.
ß) Der Flexor tibialis
entspringt von der Tibia. Er deckt den Tibialis posticus zu und
bleibt bis in die Planta muskulös. Dort kreuzt seine Sehne die des
Flexor fibularis und deckt sie zu. Es erfolgt jedoch keine Ver-
bindung mit den Sehnen des Flexor fibularis. Vielmehr versorgt der
Flexor tibialis selbständig die zweite und fünfte Zehe mit perfo-
rierenden Sehnen, während der Flexor fibularis die übrigen Zehen,
mit Ausnahme des Hallux, versorgt.
y) Der Flexor fibularis
entspringt von der Fibula. Seine Sehne tritt jedoch in keine Ver-
bindung mit den Sehnen des Flexor tibialis. Sie bleibt isoliert und
teilt sich in die zwei perforierenden Sehnen für die dritte und vierte
Zehe. Der Hallux bekommt keine Sehne. Es inseriert an der ersten
Zehe also nur der Peroneus longus.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt von der Sehne des Flexor tibialis und geht in zwei Sehnen
über. Eine derselben bildet die perforierte Sehne für die fünfte,
eine zweite verbindet sich mit einer Sehne des oberflächlichen Kopfes
zur perforierten Sehne für die vierte Zehe.
e) Der Tibialis postieus
verhält sich wie gewöhnlich.
£) Der Quadratus plantae
fehlt.
n) Die Lumbricales.
Es sind ihrer vier vorhanden. Sie entspringen von den perforierenden
Sehnen und inserieren an den tibialen Seiten der Zehen. Der für
die zweite und fünfte Zehe bestimmte entspringt von den ent-
sprechenden Sehnen des Flexor tibialis, der der vierten Zehe zu-
kommende von der entsprechenden Sehne des Flexor fibularis.
312 Erna Glaesmer
Der für die dritte Zehe bestimmte Lumbricalis entspringt von
der zur zweiten Zehe verlaufenden Sehne des Flexor tibialis sowie
der zur dritten Zehe verlaufenden Sehne des Flexor fibularis. Durch
den zuletzt beschriebenen Lumbriealis wird trotz der fehlenden Ver-
bindung zwischen Flexor tibialis und Flexor fibularis eine engere
Zusammengehörigkeit dieser Muskeln dokumentiert.
11. Anthropopithecus troglodytes. (Troglodytes niger.)
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird
repräsentiert durch den medialen und lateralen Gastroenemius, den
Soleus, den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor digi-
torum brevis.
«) Der mediale Gastrocenemius
entspringt vom medialen Condylus femoris und vereinigt sich am
oberen Drittel des Unterschenkels mit dem lateralen Gastrocnemius.
In der Mitte des Unterschenkels tritt der Soleus, der sich aber bis
nahe an das Tuber calcanei isolieren läßt, hinzu.
ß) Der laterale Gastroenemius
entspringt vom lateralen Condylus femoris und vereinigt sich am
oberen Drittel des Unterschenkels mit dem medialen Gastroenemius.
In der Mitte des Unterschenkels tritt der Soleus, der sich aber bis
nahe an das Tuber calcanei isolieren läßt, hinzu.
y) Der Soleus
entspringt vom Capitulum der Fibula. In der Mitte des Unter-
schenkels vereinigt er sich mit den beiden Gastroenemii, läßt sich
aber leicht bis nahe an das Tuber calcanei von den beiden Muskeln
isolieren.
0) Der Plantaris
ist sehr schwach entwickelt. ‘Er entspringt vom lateralen Condylus
femoris und wird vom lateralen Gastroenemius bedeckt. Die feine
Sehne verläuft zwischen Gastroenemius und Soleus ab- und medial-
wärts und inseriert medial vom Ansatz des Triceps surae am Tuber
ealeanei.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt vom Caleaneus und geht in zwei Sehnen über. Die eine
bildet die perforierte Sehne für die zweite Zehe, die zweite ver-
bindet sich mit einer Sehne des tiefen Kopfes und bildet mit ihr zu-
sammen die perforierte Sehne für die dritte Zehe.
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 313
b) Tiefe Muskelgruppe.
Die in der Tiefe unter dem N. tibialis gelegene Muskelgruppe
wird repräsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den
Flexor fibularis, den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den
Tibialis posticus und vier Lumbricales.
a) Der Popliteus
entspringt von der lateralen Seite des Condylus femoris, breitet sich
fächerförmig aus und inseriert am obern Drittel der Hinterseite der
Tibia.
8) Der Flexor tibialis
ist etwas schwächer als der Flexor fibularis. Er entspringt von der
Hinterseite der Tibia, vom distalen Popliteusrand an abwärts und
vom Septum intermusculare. Er deckt den Tibialis postieus voll-
ständig zu, tritt aber am tibialen Malleolus mit seiner Sehne vor die
des Flexor fibularis. In der Planta verläuft die Sehne erst medial
von der des Flexor fibularis, kreuzt sie aber dann und teilt sich in
zwei Sehnen, welche sich mit den Sehnen des Flexor fibularis nicht
vereinigen, sondern selbständig an der zweiten und fünften Zehe
inserieren.
y) Der Flexor fibularis
ist stärker entwickelt als der Flexor tibialis. Er entspringt von der
Hinterseite der Fibula und der Membrana interossea und bildet in
der Planta drei Sehnen, die sich mit den Sehnen des Flexor tibialis
nicht verbinden, sondern selbständig an den Endphalangen des Hallux
sowie der dritten und vierten Zehe inserieren.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt von der Sehne des Flexor tibialis. Er hat zwei Sehnen,
von welchen sich eine mit einer Sehne des oberflächlichen Kopfes
des Flexor digitorum brevis verbindet und die perforierte Sehne für
die dritte Zehe bildet, während eine zweite als perforierte Sehne
zur vierten Zehe verläuft. — Am rechten Fuß fand sich noch eine
perforierte Sehne zur fünften Zehe. Diese entsprang jedoch nicht
aus einem Muskelbündel, sondern bildete eine direkte Abspaltung
der perforierenden Sehne des Flexor tibialis.
e) Der Tibialis postieus
verhält sich wie gewöhnlich.
£) Der Quadratus plantae
fehlt.
314 Erna Glaesmer
n) Die Lumbricales.
Es sind ihrer vier vorhanden. Der erste entspringt von der für die
zweite Zehe bestimmten Sehne des Flexor tibialis und inseriert an
der zweiten Zehe. Der zweite kommt von derselben Sehne des
Flexor tibialis, sowie mit einem kleinen Bündel von der für die
dritte Zehe bestimmten Sehne des Flexor fibularis. Er inseriert an
der dritten Zehe.
Der dritte entspringt aus dem Winkel der für die dritte und vierte
Zehe bestimmten Sehnen des Flexor fibularis und inseriert an der
vierten Zehe. Der vierte entspringt von der Außenseite der für die
vierte Zehe bestimmten Sehne des Flexor fibularis und inseriert an
der fünften Zehe. — Durch den zweiten Lumbricalis wird also trotz
der fehlenden Verbindung zwischen Flexor tibialis und Flexor fibu-
laris eine engere Zusammengehörigkeit dieser Muskeln dokumentiert. -
12. Zusammenfassung.
Aus der Unterordnung der Platyrrhina sind Vertreter beider von
Max WEBER (1904) angegebenen Familien untersucht worden, und
zwar aus der Familie der Hapalidae einer, der Cebidae drei. Ebenso
wurde einer oder mehrere Vertreter der drei Familien der Katarrhina
untersucht, und zwar aus der Familie der Cercopithecidae vier, der
Familie der Hylobatidae einer, der Anthropomorphae zwei.
In bezug auf jene Muskeln, welche innerhalb der Säugetierreihe
besonders wechselnde Befunde darbieten, folgt eine tabellarische Über-
sicht S. 316—319.
Wenn man sich nunmehr alle gewonnenen Befunde vergegen-
wärtigt, so fällt vor allem auf, daß bei den Simiae eine viel größere
Einheitlichkeit und Gleichförmigkeit in der Ausbildung der Musku-
latur herrscht, als es bei den andern Tierordnungen der Fall war.
Besondersin bezug auf den Triceps surae, ferner die Beziehungen
zwischen Flexores perforati und perforantes, die bei den übrigen
Tierordnungen durch das ewig Schwankende ihres Verhaltens über-
raschen, ist eine gewisse Gleichartigkeit zu beobachten.
a) Oberfllächliche Muskelgruppe.
« u.) Der mediale und laterale Gastroenemius
entspringen je vom medialen und lateralen Condylus femoris. Am
oberen Fünftel schon, meist aber tiefer erfolgt die Vereinigung der
beiden Muskeln zu einer gemeinsamen Muskelmasse, der sich, ge-
wöhnlich distal von der Vereinigungsstelle, auch noch der Soleus
hinzugesellt. Aus dieser gemeinsamen Masse geht die Achillessehne
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw, 315
hervor, welche an der Hinterseite des Calcaneus inseriert. In seltenen
Fällen strahlen einige Fasern derselben in die Plantaraponeurose aus.
Zuweilen, und zwar ist das ganz besonders bei den Anthropoiden
zu beobachten, bleibt der Triceps surae bis zum Calcaneus muskulös,
oder nur ein Teil der Muskelfasern geht in eine Sehne über.
y) Der Soleus
ist im allgemeinen bei den Simiae verhältnismäßig schwach ent-
wickelt. Er entspringt hauptsächlich von der Fibula und inseriert,
gewöhnlich etwas unterhalb der Vereinigungsstelle der Gastrocnemii,
an der von diesen beiden Muskeln gebildeten Muskelmasse.
= ö) Der Plantaris
fehlt häufig. Für die Anthropoiden, mit Ausnahme des Schimpanse,
gilt dies ganz besonders.
Wenn der Muskel vorhanden ist, dann entspringt er mit dem
lateralen Gastroenemius gemeinsam vom lateralen Epicondylus femoris
Die Sehne des Plantaris wird von dem Triceps surae bedeckt. Am
distalen Ende des Unterschenkels aber tritt sie an der medialen
Seite des Triceps an die Oberfläche und auf die Achillessehne,
die sie über dem Tuber zudeckt. Von da aus verläuft sie weiter
in die Planta und geht in die mehr oder weniger stark entwickelte
Plantaraponeurose über, zuweilen auch in einen Teil der Muskel-
fasern des oberflächlichen Kopfes des Flexor digitorum brevis.
Es gibt aber auch Fälle, wie z. B. bei Troglodytes niger, in
welchen die Sehne den Ubergang in die Plantaraponeurose nicht
zeigt, sondern wie bei Homo mit dem Triceps surae am Tuber cal-
canei inseriert.
e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt, wie bei den Prosimiae, in der Regel von der Unter- d.h.
Dorsalseite der Plantaraponeurose. Sehr häufig bekommt der Muskel
‚auch Ursprungsfasern vom Calcaneus. Bei Troglodytes niger ent-
springt er überhaupt nur vom Calcaneus.
Der Muskel geht in 1—3 Sehnen über, welche perforiert werden.
Die laterale dieser Sehnen verbindet sich ebenso wie bei den Pro-
-sSimiae häufig mit einer Sehne des tiefen Kopfes zur perforierenden
Sehne. In diesem Fall besteht auf solche Weise eine Verbindungs-
brücke zwischen oberflächlichem und tiefem Kopf. Der oberfläch-
liche Kopf des Flexor digitorum brevis ist bei den Simiae im allge-
meinen stärker als bei den Prosimiae.
Erna Glaesmer
316
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320 Erna Glaesmer
b) Tiefe Muskelgruppe.
«) Der Popliteus
verhält sich ähnlich wie bei den Prosimiae.
ß) Der Flexor tibialis
entspringt von der Tibia und häufig mit einzelnen Fasern auch noch
von der Membrana interossea. In der Planta vereinigt sich seine
Sehne zum Teil oder vollständig mit der Sehne des Flexor fibularis,
manchmal bleiben jedoch die Sehnen auch unvereinigt, so bei Simia
satyrus und Troglodytes niger.
Wenn sie sich vereinigen, so verlaufen, wie bei den Prosimiae,
die Sehnenfasern des Flexor tibialis oberflächlich und im allgemeinen
fibularwärts, während die des Flexor fibularis tibialwärts ziehen, so
daß es zu einer Überkreuzung der Fasern kommt.
Dabei versorgt der Flexor tibialis die fünfte Zehe, ohne vom
Flexor fibularis irgendwelche Verstärkung zu bekommen; ferner zeigt
der Muskel eine Vorliebe für die zweite Zehe. Dagegen werden
Hallux, dritte und vierte Zehe vorwiegend vom Flexor fibularis ver-
sorgt. Sie bekommen aber meistens noch einige allerdings nur
wenige Fasern vom Flexor tibialis.
Bei Simia satyrus und Troglodytes niger, bei welchen keine Ver-
einigung der Sehnen besteht, versorgt der Flexor tibialis die zweite
und fünfte, der Flexor fibularis die übrigen Zehen. Dazu ist jedoch
zu bemerken, daß bei Simia satyrus der Hallux keine Sehne be-
kommt.
y) Der Flexor fibularis
entspringt hauptsächlich von der Fibula, bekommt aber häufig auch
Ursprungsfasern von der Membrana interossea und der Tibia. Über
das Verhalten seiner Sehne siehe unter Flexor tibialis.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
entspringt von der Sehne des Flexor tibialis und meist auch von
der des Flexor fibularis. Er ist im allgemeinen bei den Simiae
schwächer als bei den Prosimiae.
Der Muskel bildet zwei bis drei Sehnen, welche von den Sehnen
der Flexores perforantes perforiert werden. Die medialste dieser
Sehnen verbindet sich häufig mit einer Sehne des oberflächlichen
Kopfes zu einer perforierten.
&) Der Tibialis posticus
verhält sich wie bei den Prosimiae.
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 321
£) Der Quadratus plantae
fehlt zuweilen, besonders bei den Anthropoiden scheint dieser Zu-
stand die Regel zu sein. Wenn der Muskel vorhanden ist, entspringt
er vom Calcaneus und inseriert meist an den Sehnen des Flexor
tibialis, wobei er sich hauptsächlich an die für die fünfte Zehe be-
stimmte Sehne anheftet. Zuweilen erfolgt aber die Insertion auch
an der Sehne des Flexor fibularis.
n) Lumbricales
sind in der Regel vier vorhanden, die sich ähnlich wie bei Homo
verhalten.
13. Vergleichend anatomische Bemerkungen.
Ebenso wie bei den Prosimiae fällt auch bei den Simiae eine
viel größere Gleichförmigkeit in der Entwicklung der Unter-
schenkelmuskulatur auf.
a) Oberflächliche Muskelgruppe.
a u. ß) Der mediale und laterale Gastroenemius.
Das Verhalten dieser Muskeln ist ein ähnliches wie bei den
Prosimiae, den Insectivora und Edentata, d. h. der Ursprung ist auch
für den lateralen Gastrocnemius rein femoral. Ohne Ausnahme er-
folgt ferner, wie bei jenen Tierordnungen, eine Vereinigung der
Sehnen.
y) Der Soleus
ist im allgemeinen etwas schwächer entwickelt als bei den Prosimiae,
den Edentata und Insectivora. Ebenso wie bei den Prosimiae und
den Insectivora ist der Anschluß des Muskels an die beiden Gas-
troenemiü die Regel.
0) Der Plantaris
ist im allgemeinen bei den Simiae schwach entwickelt oder fehlt
ganz, während er bei den Prosimiae meist ein sehr kräftiger Muskel
ist. Die Sehne setzt sich mit wenig Ausnahmen bei den Simiae
ebenso wie bei den Prosimiae in die Plantaraponeurose fort,
wie dies auch bei den Marsupialia häufig der Fall ist. Eine Be-
ziehung zur Perforation, wie sie bei andern Tierordnungen, besonders
den Edentata zu beobachten ist, zeigt der Plantaris bei den Simiae
ebensowenig wie bei den Prosimiae.
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis
erinnert in seinem Verhalten ebenso wie der der Prosimiae an die
bei den Marsupialiahäufig vorkommenden Verhältnisse, während dieser
Muskel bei den Insectivora und Edentata meist fehlt.
Morpholog. Jahrbuch. 41. 21
322 Erna Glaesmer
Wie bei den Marsupialia und Prosimiae entspringt der Muskel
hauptsächlich von der Unterseite der Plantaraponeurose, er bekommt
aber in zahlreichen Fällen auch Ursprungsfasern vom Üalcaneus.
Einzelne Muskelfasern bilden in seltenen Fällen, ähnlich wie bei
manchen Inseetivora, eine direkte Fortsetzung der Plantarissehne.
Mit dem tiefen Kopf kann der Muskel, ebenso wie bei den
Marsupialia und Prosimiae, sowohl in Verbindung treten, als auch
völlig unabhängig von ihm bleiben.
b) Tiefe Muskelgruppe.
«) Der Popliteus
verhält sich im allgemeinen wie bei den Prosimiae. Der Ursprung
erfolgt in der Regel vom lateralen Condylus femoris, während bei
andern Tierordnungen häufig ein Ursprung vom Ligamentum genu
collaterale fibulare zu beobachten ist.
ß u.y) Der Flexor tibialis und fibularis
verhalten sich — ausgenommen bei Simia satyrus und Troglodytes
niger — wie bei den Prosimiae und erinnern an Befunde, wie sie
ähnlich auch bei den Marsupialia und bei den Inseetivora verein-
zelt anzutreffen sind, d. h. es erfolgt eine mehr oder weniger
innige Verbindung der Sehnen.
Während aber bei den Marsupialia und Insectivora eine voll-
ständige Verschmelzung eintritt, teilen sich bei den Prosimiae und
Simiae die zwei Hauptsehnen in Teilsehnen, und nur einzelne, nicht
alle dieser Teilsehnen verbinden sich miteinander.
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis
erinnert ebenfalls, wie der der Prosimiae, an bei Marsupialia vor-
kommende Verhältnisse.
Während der Muskel bei den Prosimiae aber vorwiegend von
der Sehne des Flexor tibialis entspringt, bekommt er bei den Simiae
öfters auch Ursprungsfasern vom Flexor fibularis. Bei den Marsu-
pialia entspringt er ebenfalls von beiden Sehnen, wenn eine Ver-
einigung derselben überhaupt erfolgt ist.
Mit dem oberflächlichen Kopf kann der Muskel, ebenso wie bei
den Prosimiae und Marsupialia, sowohl in Verbindung treten, als
auch völlig unabhängig von ihm bleiben.
&) Der Tibialis postieus
zeigt dasselbe Verhalten wie bei den übrigen hier besprochenen
Tierordnungen.
\
u a
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 323
£) Der Quadratus plantae
fehlt bei den Simiae häufig, aber nicht so häufig wie bei den Pro-
simiae und den Marsupialia. Bei den Insectivora und Edentata ist
der Muskel zwar auch nicht immer, aber viel häufiger vorhanden.
Bei den Monotremata ist er kräftig entwickelt.
n) Lumbricales.
Eine Verdoppelung dieser Muskeln, die bei den Prosimiae, Marsu-
pialia und Edentata nicht allzu selten vorkommt, habe ich bei den
Simiae nicht beobachtet.
VI. Einige Muskelvarietäten bei Homo.
Gelegentlich der Präparierübungen im vergangenen Winter-
semester hatte ich Gelegenheit, einige Muskelvarietäten zu beobachten,
von denen folgende zwei an dieser Stelle interessieren könnten: Es
fand sich in einem Falle ein Flexor digitorum brevis vor, der dem
Affentypus, wie er durch Fig. 6 der schematischen Darstellung S. 186
veranschaulicht wird, vollkommen entspricht. Der Muskel setzte sich,
genau wie z. B. auch bei Ateles ater, variegatus und Simia satyrus,
aus zwei verschieden entspringenden Komponenten, einem oberfläch-
lichen und einem tiefen Kopf, zusammen.
Der oberflächliche Kopf entsprang vom Calcaneus, der tiefe von
der Sehne des Flexor tibialis. Der oberflächliche Kopf ging in drei
Sehnen über, deren zwei perforiert wurden und an den Mittel-
phalangen der 2. und 3. Zehe inserierten, während die dritte Sehne
sich mit einer Sehne des tiefen Kopfes zur perforierten Sehne für
die 4. Zehe verband. Der tiefe Kopf bildete zwei Sehnen, deren
eine als perforierte an der Mittelphalanx der 5. Zehe inserierte,
während die zweite sich mit einer Sehne des oberflächlichen Kopfes
zur perforierten Sehne für die 4. Zehe vereinigte.
Eine zweite Varietät, die den Quadratus plantae betrifft, wurde
für die hiesige anatomische Sammlung präpariert. (Siehe Abbildung
auf nächster Seite.)
Der Quadratus plantae entspringt hier von der medialen und der
Hinterseite des Tuber caleanei. Der Hauptteil des Muskels inseriert
an der Plantarseite der Sehne des Flexor tibialis, mit einzelnen
Fasern aber auch an der Dorsalseite, sowie an der Sehne des Flexor
fibularis. Ein Teil des Muskels aber geht in eine kurze Sehne über,
die sich mit dem lateralen Teil der Sehne des Flexor fibularis ver-
einigt; ein zweiter Teil, der dem übrigen Muskel aufliegt, geht in
21?
394 Erna Glaesmer
eine lange, feine Sehne über, die zwischen Flexor tibialis und Flexor
digitorum brevis distalwärts zieht und sich im Gebiete der Grund-
phalanx mit der zur 3. Zehe ziehenden Sehne des Flexor digitorum
brevis vereinigt, um mit
dieser, wie das sonst
zuweilen der tiefe Kopf
des Flexor digitorum bre-
vis tut, die perforierte
Sehne für die 3. Zehe zu
bilden. Dieser Anteil des
Quadratus plantae an der
Perforation ist eine Er-
scheinung, welche denGe-
danken nahe legt, eskönn-
ten vielleicht zwischen
dem Quadratus plantae
und dem tiefen Kopf des
Flexor digitorum brevis
ebenfalls Beziehungenbe-
stehen. Den ganzen Mus-
kel fand ich von Ästen
des N. plantaris lateralis
versorgt. Der Gedanke,
daß diese zum Flexor di-
gitorum brevis in Bezie-
hung tretende Portion des
Quadratus plantae ein —
wie ich zuerst dachte —
in die Tiefe verlagerter Anteil des Flexor digitorum brevis sei, erweist
sich nach der Innervation als unwahrscheinlich.
An demselben Präparat sind noch zwei weitere Varietäten zu
beobachten: Ein Teil des Quadratus plantae geht unmittelbar in die
für die 4. und 5. Zehe bestimmten Lumbricales über (auf der obigen
Darstellung nicht gezeichnet). Ferner hat der Flexor digitorum brevis
nur drei Sehnen. Die Sehne für die 5. Zehe fehlt.
u 0 Zu
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 325
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a Ka ee
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 333
Erklärung der Abbildungen.
Tafel II, III, IV.
Die reproduzierten Präparate sind mit Hilfe der BrAus-DrÜnerschen Lupe
hergestellt.
Fig. 6, 7 und 8 sind von Frl. Ense Reıss, Fig. 5, sowie die schematische
Darstellung $. 189 von Herrn August VIERLING, dem Präparator und Zeichner des
hiesigen anatomischen Instituts, die übrigen von mir angefertigt.
Fig. 3.
Fig. 4.
Gemeinsame Bezeichnungen:
br brevis, p posticus,
Cale Calcaneus, prof profundus,
com eommunicans, Pl, pl Plantaris, plantaris,
d digiti, digitorum, Popl Popliteus,
fib fibularis, Qu Quadratus plantae,
‘ Fl Flexor, So Soleus,
Ge Gastrocnemius, Sp Sporn,
Kl.Z.M Kleinzehenmuskel, sup superior,
l lateralis, Tib, tib Tibialis, tibialis,
Laumbr Lumbricales, Vag Vagina,
m medialis, * Sesambein bzw. Knorpel.
N Nervus,
Tafel II.
Fig. 1. Unterschenkel und Fuß von Erinaceus europaeus. 3/, der natürlichen
Größe. Der mediale Gastroenemius ist einige em distal von seinem
Ursprunge durchtrennt. Beide Enden sind zurückgeschlagen, so daß der
darunter liegende Popliteus, Flexor tibialis, Flexor fibularis und
Tibialis posticus sichtbar werden.
Die Sehnenscheiden der 2. und 3. Zehe sind längs gespalten und
nach beiden Seiten aufgeklappt. Aus den für die 2. und 3. Zehe be-
stimmten Sehnen des Flexor fibularis sind Stücke reseziert.
Unterschenkel und Fuß von Talpa europaea. ?/, der natürlichen Größe.
Der mediale Gastroenemius ist dicht am Ursprunge abgeschnitten
und mit dem lateralen Gastroenemius zurückgeschlagen, so daß die
darunter liegenden Muskeln, der Plantaris, der Flexor fibularis und der
Flexor tibialis, sichtbar werden.
Der Fuß von Talpa europaea aus der vorhergehenden Figur etwas
vergrößert. Es soll dadurch der Übergang des Plantaris in drei Seh-
nen, welche sich in zwei Zipfel teilen, ohne die Sehnen des tiefen
Beugers durchtreten zu lassen, deutlich gezeigt werden.
Fuß von Orycteropus aethiopieus. Größe 1/a.
Die Plantarfaseie ist abgetragen, so daß die Sehnen des Plantaris
des Flexor tibialis und fibularis sichtbar werden.
Die Sehnenscheiden der 1., 2. und 3. Zehe sind erhalten, die der 4.
ist eröffnet, die der 5. Zehe ganz abgetragen. Innerhalb der 4. Sehnen-
scheide ist die Perforation der Plantarissehne durch die des Flexor
fibularis sichtbar, ebenso der Zusammenhang der Sehne des Plantaris
mit der Sehnenscheide. Die Lumbricales sind nicht gezeichnet.
334
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 7.
Fig. 8.
Erna Glaesmer
Unterschenkel und Fuß von Myrmecophaga jubata. Grüße t/..
Der mediale Gastroenemius ist am Ursprunge abgeschnitten und
mit dem lateralen Gastroenemius zurückgeschlagen, so daß die darunter
liegenden Muskeln sichtbar werden. Auch der Plantaris erscheint seit-
wärts geschoben.
Der Flexor tibialis ist im Zusammenhange mit dem Sesamknorpel
und einem Teile der Plantarfasecie von der Unterlage losgelöst und
medialwärts umgeschlagen.
Ein kleiner Teil des Flexor digitorum brevis ist umgeklappt und
medialwärts gedrängt, damit die Innervation und der Quadratus plan-
tae, der zum Teil in die Lumbricales übergeht, sichtbar werden.
Tafel III.
Fuß von Myrmecophaga jubata. Größe 1/.. Diese Figur ist aus der
1908 erschienenen Arbeit herübergenommen, da sie an dieser Stelle
zum Verständnis der tiefen Fußmuskeln notwendig ist. Die Plantar-
fascie ist abpräpariert, der Flexor digitorum brevis am Metatarsopha-
langealgelenk abgeschnitten. An der 2. Zehe sieht man die Sehne des
Flexor digitorum brevis in die uneröffnete Sehnenscheide übergehen.
An der 3. und 4. Zehe ist die Sehnenscheide eröffnet und nach beiden
Seiten aufgeklappt. Ein Stück der Sehne des Flexor fibularis ist re-
seziert. An der 5. Zehe ist die Sehnenscheide ebenfalls eröffnet, die
Sehne des Flexor digitorum brevis ganz herausgelöst.
Fuß von Myrmecophaga jubata. Größe 1/ı.
Die Plantarfascie, der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum, der
Quadratus plantae, die Lumbricales und alle Weichteile an den Zehen
sind mit Ausnahme der Sehne des Flexor fibularis abgetragen. In der
Sehne des Flexor fibularis ist ein Längsspalt zu sehen.
Unterschenkel und Fuß von Dasypus sexeinetus. Größe !/ı.
Der mediale Gastroenemius ist nahe an seinem Ursprunge durch-
geschnitten, das proximale Ende nach aufwärts geschlagen, das distale
vom lateralen Gastroenemius vollständig abgelöst. Der laterale Ga-
stroenemius erscheint lateralwärts geschlagen, damit der von ihm be-
bedeckte Soleus gut sichtbar wird.
Der Plantaris ist am Ursprunge abgeschnitten und medialwärts ge-
legt, damit der Popliteus und ein Teil des Flexor fibularis sicht-
bar wird. Von der Rinne, in der die Sehne des Plantaris gleitet,
ist das durch die Endausbreitung der Gastrocenemii gebildete Dach
derselben abpräpariert. Ebenso ist in der Planta die Plantarfascie
weggenommen.
Die Sehnenscheiden der 2., 3. und 5. Zehe sind eröffnet, so daß
auf der 5. Zehe die Sehne des Flexor fibularis sichtbar wird. Über
der 2. und 3. Zehe sieht man die Perforation der Sehnen des Plantaris
durch die des Flexor fibularis. Aus den Sehnen des Flexor fibularis
sind Stücke reseziert.
Die Sehnenscheiden des Hallux und der 4. Zehe sind uneröffnet.
Man sieht den Übergang der Sehnen des Plantaris in die Sehnen-
scheiden.
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 335
Fig. 9.
Fig. 10.
Fig. 11.
Fig. 12.
Die Äste des N. tibialis sind nach ihrem Eintritte unter den Plan-
taris abgeschnitten.
Unterschenkel und Fuß von Lemur rufifrons. Größe !/ı.
Der mediale, der laterale Gastroenemius und der Plantaris sind am
Ursprunge abgeschnitten und lateralwärts gezogen, so daß der Soleus,
der Popliteus, Flexor tibialis und fibularis sichtbar werden.
Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis ist von der
Plantaraponeurose getrennt und zurückgeschlagen, um die Verbindung
mit dem tiefen Kopf zu zeigen. Ein besonders stark entwickelter
fibularer Teil der Aponeurose aber ist mit dem Muskel abgeschnitten und
zurückgeschlagen. Der Kleinzehenmuskel ist knapp an seiner Insertion
abgeschnitten und mit dem oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum
brevis im Zusammenhang gelassen.
An dem Hallux und der 5. Zehe sind die Sehnenscheiden abgetragen,
an den übrigen Zehen erhalten. An der 4. Zehe sieht man den fibu-
laren Strang der Aponeurose in die Sehnenscheide übergehen. Die
Lumbricales sind nicht gezeichnet.
Fuß von Lemur rufifrons. Etwas verkleinert.
Die Plantaraponeurose ist abgetragen. Der oberflächliche Kopf des
Flexor digitorum brevis ist in seiner natürlichen Lage erhalten, damit
die Überkreuzung mit dem tiefen Kopf sichtbar wird. Von der Sehne
des Flexor tibialis ist nur das Stück erhalten, von dem der tiefe Kopf
des Flexor digitorum brevis entspringt.
Tafel IV.
Unterschenkel und Fuß von Stenops tardigradus. Größe 1/ı.
Der mediale Gastroenemius ist am Ursprunge abgeschnitten und
lateralwärts geschlagen, so daß der Soleus, Plantaris, Popliteus, Flexor
tibialis, fibularis und Tibialis posticus sichtbar werden.
Die Plantaraponeurose ist abgetragen, ebenso die Sehnenscheiden
der Zehen. Die Lumbricales sind nicht gezeichnet.
Unterschenkel und Fuß von Hapale penicillatus. Etwas vergrößert.
Der mediale Gastrocnemius ist am Ursprunge abgeschnitten und
mit dem lateralen Gastroenemius lateralwärts geschlagen, damit der
Plantaris, der Soleus, Popliteus, Flexor tibialis, fibularis und Tibialis
postieus sichtbar werden.
Von der Plantaraponeurose ist ein Stück mit dem oberflächlichen
Kopf des Flexor digitorum brevis im Zusammenhang erhalten. Die
Sehnenscheide des Hallux ist abgetragen, die der 3. Zehe eröffnet, so
daß die Perforation der vom oberflächlichen und tiefen Kopf des Fle-
xor digitorum brevis gebildeten Sehne durch die Sehne des Flexor
perforans sichtbar wird. Aus der Sehne des letzteren ist ein Stück
reseziert. Die übrigen Sehnenscheiden sind erhalten. Die Lumbricales
sind nicht gezeichnet. Die Endäste des N. tibialis sind abgeschnitten.
Unterschenkel und Fuß von Hylobates variegatus. Etwas verkleinert.
Der mediale Gastrocnemius ist am Ursprunge abgeschnitten und
lateralwärts zurückgeschlagen, so daß der Soleus, Popliteus, Flexor
336 Erna Glaesmer, Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß usw.
tibialis, fibularis und Tibialis posticus sichtbar werden. Die Plantar-
aponeurose ist bis auf ein kurzes Stück am Tuber ealcanei abgetragen,
der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis im Zusammen-
hange mit dem Großzehenmuskel vom Calcaneus und der Plantar-
aponeurose abgelöst und zurückgeschlagen. Die Lumbricales sind nicht
gezeichnet.
Die Endiste des N. tibialis sind abgeschnitten.
Morpholog. Fahrb. Bd. X11.
— N.tib.
Al.d.br.sup.
Verlag von Wilhelm
u.
Fl.d.br.sup.
in Leipzig.
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Morpholog. Fahrb. Bd. XL1.
Taf. 1.
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Fl.d.br. prof. l
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Morpholog. Jahrb. Bd. XL1.
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Neue Mitteilungen über die Sternalis-Frage.
Von
Georg Ruge.
Mit 1 Figur im Text.
Die Fragestellungen bei Untersuchungen über die Herkunft
eines Musculus sternalis dürfen zunächst als abgeklärt gelten.
Der Muskel ist seiner Lage und seinen zuweilen auftretenden
Verbindungen nach mit dem Sterno-cleido-mastoideus, mit dem
Pectoralis major, mit dem Haut-Rumpf-Muskel und durch diesen
mit der tieferen Pectoralis-Muskulatur in nähere Beziehung gebracht
worden. Der sagittale Verlauf des Sternalis hat auch die Meinung
auftauchen lassen, er könne zum Rectus-Systeme des Rumpfes ge-
hören. Eine fünfte Ansicht bringt den Sternalis mit einer voll-
kommen unbekannten, hypothetisch angenommenen Muskulatur des
Thorax in genetischen Verband. Dieselbe soll einer metameren
Rumpf-Muskulatur zugehören.
Die Entscheidung darüber, wohin ein Sternalis gehöre, kann
nur auf dem Wege der Interpretation getroffen werden, und zwar
unter Heranziehung der verschiedenen Kennzeichen, welche für die
eine oder die andre Herkunft Zeugnis ablegen. Das trifft für den
Sternalis ebenso wie für alle andern Varietäten zu, deren onto-
genetische Zustände nicht ermittelt worden sind. Entwicklungs-
geschichtliche, die Entstehung des Sternalis völlig aufklärende Beob-
achtungen werden an die Stelle von Deutungen fertiger Zustände‘
schwerlich je treten, weil der Sternalis als seltene Varietät keine
regelmäßige ontogenetische Anlage mehr zu besitzen braucht.
Zunächst bleiben wir jedenfalls auf die Interpretationen zufäl-
liger Befunde angewiesen, um über das Wesen des Sternalis über-
haupt Anfschluß zu erhalten. Diesbezügliche Ableitungen oder
Morpholog. Jahrbuch. 41. 22
338 Georg Ruge
Folgerungen aus vorliegenden Erscheinungen können sich wohl nur
dann auf rechten Pfaden bewegen, wenn die nötigen Merkmale an
dem zu Deutenden in geforderter Weise durch die Beobachtungen
einwandfrei festgestellt worden sind.
Das Einwandfreie in .der Beobachtung von wichtigsten Merk-
malen von Sternalis-Fällen ist immer wieder in Zweifel gezogen
worden. Die Deutungen haben deshalb auch keine allgemeine An-
erkennung gefunden.
1. Die Ableitung eines Sternalis vom Sterno-cleido-mastoideus
erfordert den Nachweis der Innervation durch den Nervus accessorius
oder durch die mit ihm zuweilen vereinigten oberen, cervicalen
Spinalnerven. Ein derartiger Nachweis fehlt. Damit verliert eine
solehe Deutung an Zuverlässigkeit, und eine noch so innige Ver-
bindung zwischen beiden. Muskeln beweist gar nichts für deren
Wesenseinheit. Das wissen wir vom Biventer mandibulae; mag
der Zusammenhang zwischen dessen vorderem und hinterem Bauche
auch noch so sehr für dessen Einheitlichkeit sprechen, so bleiben
beide doch ganz verschiedene genetische, verschieden innervierte
Gebilde. Der Zusammenhang zwischen Sternalis und Sterno-eleido-
mastoideus ist ein erworbener.
2. Die Zurückführung des Sternalis auf einen segmentalen
Seitenrumpfmuskel der Thorax-Gegend, etwa auf einen Reectus
thoraco-abdominalis oder einen hypothetisch angenommenen, andern
Muskel, erfordert dessen tiefere Lage zur Gliedmaßen-Muskulatur
der Brust. Eine solche besteht für einen Sternalis niemals; er
zeichnet sich ja gerade durch die subeutane Anordnung, durch die
Ausbreitung auf der Muskel-Binde des Pectoralis major aus. Ein
auf eine segmentale Thorax-Muskulatur zurückführbarer Sternalis
müßte von Intercostalnerven versorgt sein. Läge eine solche vor,
so könnte gegen die Deutung trotz der widersinnigen oberflächlichen
Sternalis-Lage zunächst ernstlich nichts eingewendet werden, da
die Innervation bei der Herleitung der Muskel-Individuen ein sicherer
Führer ist. Nun ist aber gerade diese oft behauptete Innervation
durch Intereostalnerven mißtrauisch beurteilt worden. Reiche Er-
fahrung in der Darstellung der Sternalis-Nerven sowie der Haut-
äste von Intercostalnerven und Hautgefäßen, welche einen Sternalis
durehbohren, wird den Zweifel an der Richtigkeit der Intereostalis-
Innervation erhalten. Der Zweifel kann nur durch den Nachweis
am vorliegenden Objekte beseitigt werden. Und es lohnte sich wohl,
einen einwandlosen, bis jetzt immer wieder bezweifelten Fall einem
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Neue Mitteilungen über die Sternalis-Frage. 339
anatomischen Museum einzuverleiben, um den Zweifler durch den
Augenschein zu belehren. Das ist bis jetzt meines Wissens nicht
angestrebt worden. Ich meinerseits bestreite nicht die Aufrichtig-
keit, aber die Richtigkeit der beschriebenen Fälle. Sollte je die
Intereostalis-Innervation eines Sternalis einwandfrei festgestellt
werden, so nähme dieser eine ganz besondere Stellung ein. Er
wäre aus der großen Gruppe der durch Nervi thoracales anteriores
zweifellos versorgten, gewöhnlichen Sternales auszuscheiden. Ein
solcher Intereostalis-innervierter Muskel würde ein vollkommen
unverstandenes Gebilde sein, da es sich mit nichts Bekanntem in
Beziehung bringen ließe. Dieser Umstand nährt den Zweifel an
seiner Existenz. Vor einer einwandlosen Tatsache hätte man sich
zu beugen; aber auch nur vor dieser. Solange sie fehlt, behält
der Skeptizismus volle Berechtigung.
3. Die Ableitung des Sternalis vom Pectoralis major wird
durch den Zusammenhang beider sowie die Versorgung durch gleiche
Nerven begründet. Solche Fälle kommen vor. Sie lassen sich ein-
teilen in zwei Gruppen, von denen die eine Gruppe solche Fälle
umfaßt, in denen ein oberflächliches größeres oder kleineres Bün-
del aus den oberflächlichen Lagen der Pars clavieularis oder der
Pars sterno-costalis sich loslöst, aberriert und eine gewisse Selb-
ständigkeit erwirbt. Ein solcher Peetoralis major-Sternalis wäre
nichts andres als ein losgelöster, mehr oder weniger selbständiger,
oberflächlicher Abschnitt des Pectoralis major, welcher u. a. auf
Grund von Bildungsanomalien am Thorax in die Erscheinung träte.
Man kann ja in der Tat so weit gehen, derartige einfach abgelöste
Bündel des Pectoralis major in die Sternalis-Gruppe einzufügen.
Diese Sternalis-Arten müssen aber nach dem Stande unsrer Kennt-
nisse scharf abgetrennt werden von einer zweiten Gruppe. Zu ihr
gehören diejenigen Formen, welche von einer tieferen Schichte der
Pectoralis-Muskulatur sich herleiten und die Forschung auch in
Zukunft beschäftigen werden, da ihre Herkunft mit aller Sicherheit
nur äußerst schwer festzustellen ist. Sie stellen nach meiner An-
sicht das Hauptkontingent aller Sternalis-Fälle dar. Sie sind im
Zusammenhange mit dem Ursprunge der Pars abdominalis des
Pectoralis major, mit einem Achsel-Bogen und mit einem seitlichen
Reste des Haut-Rumpf-Muskels gefunden worden. Ihre Innervationen
finden sich im Einklange mit denen, welehe der Haut-Rumpf-Muskel
bei niederen Formen zeigt. Unter Berufung auf eine geschlossene
Reihe menschlicher Varietäten und vergleichend-anatomischer Tat-
22*
340 . Georg Ruge
sachen ist für diese Art von Sternalis-Muskeln die Deutung von
Resten des Haut-Rumpf-Muskels der Säugetiere gegeben worden.
Es ist auf die ganz hervorragende Rolle hingewiesen worden, welche
der Haut-Rumpf-Muskel bei allen Säugetieren hinauf bis zu Primaten
spielt. Es ist erörtert worden, daß er erst den Anthropomorphen
und dem Menschen abhanden gekommen ist, daß er beim Menschen
in Resten unter Berücksichtigung aller Umstände für und gegen
eine derartige Erklärung sicher nachgewiesen worden ist. Es ist
wahrscheinlich gemacht worden, daß eine große Reihe von Sternalis-
Bildungen, da sie alle, an Reste eines Haut-Rumpf-Muskels gestell-
ten Forderungen erfüllen, auf ihn zu beziehen sei. Und gerade,
weil der Haut-Rumpf-Muskel ein allgemeines Besitztum niederer
Säugetiere ist, kann seinem zeitweiligen Auftreten bei Formen,
welche ihn eingebüßt haben, nichts Auffälliges zukommen.
Es wird heute anstandslos eingeräumt werden können, daß sub-
cutan gelegene Muskel-Varietäten, welche prästernal oder präpectoral
beobachtet und als Sternalis-Arten beschrieben worden sind,
entweder auf einfach losgelöste Teile des Pectoralis major oder
auf Reste des Haut-Rumpf-Muskels sich beziehen. Man vergleiche
die Ausführungen hierüber in dieser Zeitschrift, 33. Bd., 19051).
Neue Beobachtungen über den Sternalis dürfen die Kennzeichen,
welche für die eine oder die andre Art sprechen sollen, nicht außer
acht lassen, ja müssen sie ganz besonders hervorheben, um nicht
dem Autor den Vorwurf, in alte Fehler verfallen zu sein, einzu-
tragen. Denn man ist nur dann berechtigt, mit einem einzelnen Ob-
jekte, wie mit dem Sternalis, so intensiv sich zu beschäftigen, wenn
die strengen wissenschaftlichen Methoden an ihm geübt werden,
um dann auch andernorts angewendet werden zu können.
GERHARD RENVALL bespricht einen neuen Fall von Sternalis-
Bildung im Anatomischen Anzeiger, 35. Bd. 1909, S. 401—407. Der
Muskel wird als Abkömmling des rechtsseitigen Pectoralis major
gedeutet. Die Unzulänglichkeit dieser Erklärung soll hier dargetan
werden, damit die Literatur von einem neuen Wirrsal in der viel
umstrittenen Sternalis-Frage befreit werde.
Der Tatbestand wird an der Hand einer »schematischen« Ab-
paar a und ist auf der nebenstehenden Figur in allen
1 Der Haut-Rumpf-Muskel der Säugetiere. — Der M. sternalis und der N
Achselbogen des Menschen.
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Neue Mitteilungen über die Sternalis-Frage. 341
wichtigen Punkten wegen der Möglichkeit rascher Orientierung
wiedergegeben. Er ist, wenn ich das für eine kritische Erörterung
Wesentliche herausgreife, folgender. Bei einem Erwachsenen löst
sich 2—3 em von der Oberarm-Insertion des rechten Peetoralis major
entfernt vom Muskelbauche ein Bündel los. Es bleibt anfangs mit
der Portio clavieularis und der P. sterno-eostalis verwebt, sondert
sich sterno-clavicularwärts von den Bündeln des Pectoralis major,
bleibt dabei aber von der Fasceia pectoralis bedeckt. Als sehr
dünnes, schmales Bündel lagert es zwischen beiden Pectoralis-
Portionen. Vor der Verbindung der 2. Rippe mit dem Brustbein
betritt das Bündel die Vor-
derfläche des letzteren. Es
wird hier dieker und bleibt
von ihm durch lockeres
Bindegewebe getrennt. Der
fragliche Muskel erreicht
nun die linke Körperseite.
An ihr nimmt er eine ab-
geplattete Form an, breitet
sich mehr und mehr aus
und erlangt schließlich eine
Wiedergabe der wesentlichen Verhältnisse aus einer Ab-
.ni 4 x er
Breite Malz 2,6 em. Er ver bildung G. Rexvarıs Ein einheitlicher Muskel erstreckt
läuft in einem auf- und sich über beide Körperseiten; er ist rechts aus einem
lateralwärts gerichteten Bo- Bündel des Pectoralis rer aus einem Sternalis
gen über den linken Pec-
toralis major. Der Übergang in sehnige Fasern erfolgt vor der
Pars abdominalis des linken Pectoralis major. Die Sehnenfasern
vereinigen sich zum Teil mit der Rectus-Scheide vor dem Processus
ensiformis.
Ein ansehnlieherer Abschnitt mehr abgezweigter Sehnenfasern
breitet sich über der linken Rectus-Scheide aus und erreicht teil-
weise die Medianlinie, unter Verwebung mit der Sehnenscheide.
Ein drittes, mehr geschlossenes Sehnenbündel zieht lateral-
und aufwärts und geht unter Divergenz seiner Fasern bald in die
Faseia pectoralis der linken Seite über.
Die Innervation des als einheitlich beschriebenen, über beide
Körperseiten ausgedehnten Muskels bleibt unbekannt.
REnvALL deutet ihn als einen Teil des rechten Peetoralis major.
Das rechtsseitige Bündel habe seinen Ursprung über das Brustbein
342 Georg Ruge
zur linken Körperseite und dann längs der Bahn des linken Bauches
bis zur Reetus-Scheide verlagert. Dabei scheinen die Fasern des
wandernden sternalen Ursprungsteiles sich verbreitert zu haben,
woraus die strahlige Anordnung der Festheftung an der Scheide
des Bauchmuskels sich ergebe.
Für das rechtsseitige zarte Bündel trifft RenvAaLıs Deutung
ohne Frage das Richtige. Es inseriert am Humerus, liegt zwischen
beiden Portionen des rechten Pectoralis major und ist von der
Fascia pectoralis bedeckt. Auf den Nachweis der Innervations-
verhältnisse kann füglich verziehtet werden. Dieser rechte Abschnitt
trägt keinerlei Zeichen einer Sternalis-Bildung; er ist ein ganz ge-
wöhnliches Pectoralis major-Bündel.
Ganz anders steht es um den linken Teil des als einheitlich
beschriebenen Muskels. Dieser liegt auf dem Pectoralis major, wie
wir es von einem Sternalis verlangen. Er strahlt mit verbreiterter
Sehne in der Scheide des geraden Bauchmuskels aus. Auch dieses
Verhalten ist von Sternalis-Bildungen sehr wohl bekannt. Außerdem
lagert er auf der Muskelbinde des Pectoralis major, was ebenfalls
für einen wahren Sternalis zutrifft. — Um nun das rechtsseitige
Pectoralis major-Bündel und den linksseitigen Sternalis-Abschnitt
berechtigterweise als Einheitlichkeit ausgeben zu können, würden
zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Erstens muß ganz besonders
festgestellt sein, daß die beiderseitigen Abschnitte durch eine se-
kundäre Verschmelzung nicht zur scheinbaren Einheit geführt haben.
Wenn ein Zeichen für eine sekundäre Verbindung nicht hätte fest-
gestellt werden können, so wäre eine solche trotz des fehlenden
Nachweises dennoch nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen,
da derartige innige Verschmelzungen ganz verschiedener Muskeln
erfahrungsgemäß erfolgen können. Um diesem bei myologischen
Forschungen voll berechtigten Einwande zu begegnen, hätte zweitens
die Innervation des linksseitigen Muskelabschnittes durch einen
Ast der rechten Nervi thoracales anteriores festgestellt werden
müssen. RENVALL glaubt auf diesen Nachweis verzichten zu dürfen.
Dieser Verzicht wäre gerechtfertigt gewesen, handelte es sich nur
um die gewöhnliche Beschreibung einer ungewöhnlichen Varietät.
i
,
Der Verzicht ist jedoch ganz und gar nicht am Platze, wo es sich
um eine durchaus ungewöhnliche Deutung des linksseitigen Sternalis
als eines Teiles eines aberrierten rechtsseitigen Pectoralis major-
Bündels handelt. Die einfache Überlegung fordert hier unabweis-
lich den einzig stützenden Nachweis der Innervation für RENVALLS
|
Neue Mitteilungen iiber die Sternalis-Frage. 343
Deutung des Befundes. Die Kritik fordert unnachsichtig, was in
der Beweisführung des Autors fehlt.
Darin liegt denn auch der Grund, daß der Unbefangene den
Tatbestand ganz anders deuten kann, als dies durch RENnvALL ge-
schehen ist.
Es ist möglich, ja sehr wahrscheinlich, daß die beiderseitigen
Abschnitte des Muskels durch sekundäre Vereinigung eine nur schein-
bare Einheit bilden. Es. ist wahrscheinlich, daß der rechte Ab-
schnitt durch rechtsseitige, der linksseitige Abschnitt durch links-
seitige Nerven versorgt gewesen ist.
Es ist sicher, daß der rechte Abschnitt ein ganz gewöhnliches,
losgelöstes Bündel des Pectoralis major dexter ist. Es ist gewiß,
daß der linke Abschnitt einer Varietätenreihe zugehört, deren
Glieder wir je einen Sternalis heißen.
Nicht um die Deutung des rechten, sondern um die des linken
Abschnittes, des eigentlichen Sternalis, kann es sich nur noch
handeln.
Dafür sind diejenigen Kennzeichen an ihm zu bestimmen, welche
für die Ableitung eines Sternalis überhaupt irgendwelche Geltung
besitzen.
Die Überschreitung der Mittellinie und die Überkreuzung oder
die Verbindung mit Muskeln der andern Seite kommen dem Sternalis
öfter zu. Die hier vorliegende Vereinigung des Sternalis mit einem
Bündel des Pectoralis major dexter wird von einem Kenner myo-
logischer Verhältnisse aus den angegebenen Gründen nie als Zeugnis
der Herkunft angesprochen werden.
Hingegen ist das Ausstrahlen der verbreiterten Sehnenplatte
zur Rectus-Scheide sehr bemerkenswert! Es erfolgt in der Höhe
der Ursprungsstelle der Pars abdominalis des linken Pectoralis major
und auf derselben. Die Sehnenbündel befestigen sich vor dem
Sehwertfortsatze mit der Reetus-Scheide, breiten sich weiter abwärts
über der letzteren bis zur Medianlinie aus und verweben sich schließ-
lich mit ihr.
Die Fasern dieser Sehnenplatte des linken Sternalis liegen in
der Richtung und oberflächlich der Ursprungsbündel der Pars
abdominalis des Pectoralis major. Einige von ihnen werden mit
letzteren des parallelen Verlaufes wegen innigst verbunden gewesen
Sein, und zwar die in der Nähe des Schwertfortsatzes befindlichen.
Die schematische Abbildung deutet die enge Beziehung beider zu-
einander an.
344 Georg Ruge
Alle diese Merkmale sind sehr ausführlich und unter beson-
derer Hervorhebung an Fällen von Sternalis beschrieben und als
Zeugnisse für dessen Herkunft vom Haut-Rumpf-Muskel gedeutet
worden. Dabei ist auf schwerwiegende, den Achselbogen be-
treffende Beziehungen dieser Sternalis-Arten hingewiesen worden.
Da die gravierenden Merkmale der Zusammengehörigkeit des Sternalis
mit der Pars abdominalis an dem hexvautschen Falle in un-
veränderter Weise wieder auftreten, so dürfen sie auch mit gleichem
keehte und in gleichem Sinne für die Haut-Rumpf-Muskelnatur des
Sternalis verwertet werden. Die Begründung hierfür ist an ent-
spreehender Stelle zu finden'. Ich halte sie noch heute für streng
wissenschaftlich, da die vergleichend anatomischen Tatsachen
nirgends außer acht gelassen worden sind. REexvaLL hat jene Aus-
einandersetzungen nicht in den Kreis seiner Erörterungen gezogen.
Das ist bei wiederholter Besprechung so schwieriger und oft be-
handelter, grundlegender Fragen eine, wie ich meine, nicht zu recht-
fertigende Unterlassung.
Der neue Befund ist ein treffendes Beispiel für den Zusammen-
hang eines Sternalis mit der Pars abdominalis des Peetoralis major
und für die Möglichkeit, ihn mit der Haut-Rumpf-Muskulatur in
genetischen Verband zu setzen.
Beschreibung und Deutung des Befundes durch den Autor haben
zu einer Vertiefung der Sternalis-Frage nicht beigetragen.
Es bedeutet einen Rückfall in frühere Zeiten, wenn ein linker
Muskel ohne triftige Gründe aus einem rechtsseitigen abgeleitet wird,
wenn die geringen Fortschritte in der ganzen Frage unberücksichtigt
bleiben.
Bei genauerer Untersuchung der Richtung von Sehnenbündeln,
welche sich als dreieckig auf der Figur dargestellte Platte lateral-
wärtsan die Rectusscheidenbündel anschließen, wären vielleicht andre
wichtige Indizien für die Herleitung des Sternalis vom Haut-Rumpf
Muskel zutage getreten. Die dreieckige Sehnenplatte lagert näm-
lich der Pars abdominalis des Peetoralis major auf. Die Spitze
ist lateral-aufwärts, die Basis abdominalwärts gelagert. Die unteren
Randteile der Platte schlagen die Richtung der Peetoralis-Bündel
ein; sie können als Reste eines von der Pars abdominalis des Pec-
toralis major ableitbaren Haut-Rumpf-Muskels sehr gut verstanden
! Zusammenhang des M. sternalis mit der Pars abdominalis des M. pec-
toralis major und mittels dieser mit dem Achselbogen. Morphol. Jahrb. 33. Bd.
R
1905. 8. 348—373.
Neue Mitteilungen über die Sternalis-Frage. 345
werden. Sie haben nach Lage und Ausdehnung gleiche Eigen-
schaften, wie die auf Fig. 3 und 2 des Aufsatzes (1905) darge-
stellten, mit einem Achselbogen zusammenhängenden Stränge, wie
das auf Fig. 1 daselbst abgebildete, quere Fasceienbündel.
Die oberen, bogenförmig vom Sternalis des REnvauıschen Be-
fundes zur Spitze der Sehnenplatte ziehenden Sehnenbündel lassen
eine verschiedene Deutung zu, auf deren Erörterung einzugehen
wäre, wenn die genaueren ‚Verlaufsverhältnisse der einzelnen Züge
bekannt wären.
Die einzigen, sicheren für die Abstammung in Betracht kommen-
den Merkmale an dem von REnVALL beschriebenen Sternalis stimmen
mit denjenigen überein, welche für die Haut-Rumpf-Muskelnatur
Zeugnis ablegen. Will man Einsprache dagegen erheben, so ist eine
ganz andre Behandlung des Gegenstandes erforderlieh, als sie tat-
sächlich in dem Aufsatze vorliegt.
um
Untersuchungen über den Bau der männlichen
Geschlechtsorgane der Beuteltiere.,
| Von
Prof. A. d..P. v..@. Broek
in Utrecht.
Mit 52 Figuren im Text und Tafel V u. VI.
Einleitung.
Vorliegende Arbeit bringt die Resultate einer Untersuchung über
den Bau und die Entwicklung der männlichen Geschlechtsorgane
der Beutler.
Ich war in der Lage, dieses Organsystem an einem reichhaltigen
Materiale, sowohl erwachsener Tiere wie Beuteljungen, zu studieren
und kam zu Resultaten, welche, wie es mir vorkommt, auch für die
vergleichende Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Genital-
-organe, speziell der Säugetiere, gewisse Bedeutung haben. Ich werde
in dieser Arbeit hauptsächlich eine systematische Beschreibung der
verschiedenen zusammensetzenden Teile des Genitalapparates geben;
im Anschluß daran werde ich eine allgemeine Besprechung geben über
den Bau und die Entwicklung des Geschlechtsapparates der Marsu-
pialier und sein Verhalten zu dem der Monotremen, niederen Verte-
braten und der placentalen Säuger. In diesem letztgenannten Teil werde
ich sowohl männlichen wie weiblichen Geschlechtsapparat behandeln;
von den weiblichen Geschlechtsorganen gab ich früher schon eine syste-
matische Beschreibung (4) ebenso wie über einige entwicklungs-
geschichtliche Erscheinungen (5). Die vorliegende Arbeit wurde
größtenteils im anatomischen Institut der Universität zu Amsterdam
fertiggestellt. Herrn Prof. Dr. L. BoLk, meinem damaligen Lehrer,
bringe ich hier gerne meinen aufrichtigen Dank dar für die Über-
lassung des Materials vom Institut, sowie für seine Unterstützung
und sein Interesse an der Arbeit.
Morpholog. Jahrbuch. 41. 23
348 A. J. P. v. d. Broek
Weiter spreche ich den Herren, welche mir durch das Abgeben von
Untersuchungsmaterial behilflich gewesen sind, meinen besten Dank
aus. Vor allem bin ich Herrn Prof. Dr. A. FLEISCHMANN in Er-
langen für die Überlassung eines sehr reichhaltigen Materiales
von Beuteljungen und von Serien sehr verpflichtet. Durch seine
Liberalität war ich in der Lage, vieles an aufeinanderfolgenden Ent-
wieklungsstadien zu studieren.
Den Herren Prof. Dr. SLUITER, dem Direktor des Zoologischen
Institutes in Amsterdam, sowie den Herren Geheimrat Prof. Dr. FÜür-
BRINGER in Heidelberg und Prof. Dr. G. SCHWALBE in Straßburg
sage ich meinen herzlichen Dank für die freundliche Unterstützung
durch die Abgabe von Untersuchungsmaterial.
Eine historische Übersicht über die Arbeiten, welche sich mit
dem Thema dieser Untersuchungen beschäftigen, ist überflüssig. Die
sehr zerstreuten Angaben und kurzen Notizen werden bei den spe-
ziellen Beschreibungen Berücksichtigung finden. Ich gebe unten-
stehend eine Übersicht des von mir untersuchten Materiales.
I. Didelphyidae.
Didelphys (spee.).
Beuteljunge: 3,8 cm, 10,2 cm, 13,0 cm, 15 cm.
Erwachsen.
II. Dasyuridae.
Dasyurus.
Beuteljunge 1,9 em, 5,3 cm.
Erwachsen.
Phascologale.
Erwachsen.
Sminthopsis erassicaudatus.
Erwachsen.
IT. Peramelidae.
Perameles.
Beuteljunge 5 em, 11 cm.
Erwachsen(?) (25 em).
IV. Phaseolarctidae.
Phascolarctos einereus.
Erwachsen.
Phascolomys.
Erwachsen.
Dei DEE a u a Ara ha
2:
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ba = Beine Ir 2 = ;
7
Bi ’ ö E IE un
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 349
V. Phalangeridae.
a) Phalangerinae.
Phalangista vulpina.
Beuteljunge 1,2 cm, 2,4 em, 3,7 cm, 11,5 cm.
Erwachsen.
Acrobates pygmaeus.
Erwachsen.
Trichosurus vulpecula.
Beuteljunge 3,2 em.
Erwachsen.
b) Hypsiprymnodontinae.
Hypsiprymmus rufescens.
Beuteljunge 6,3 cm, 8 cm, 14 cm.
Erwachsen.
ce) Macropodinae.
Halmaturus Benetti. H. ualabatus.
Erwachsen.
Halmaturus thetidıis.
Beuteljunge 1,75 cm, 2,2 cm, 2,8 cm, 3,2 cm, 10,5 cm,
16,4 cm, 18,5 cm, 19 em.
Erwachsen.
Petrogale penicillata.
Erwachsen.
Macropus ruficollis.
Beuteljunge 3,4 em.
Erwachsen.
Äußere Geschlechtsorgane.
Die äußeren Geschlechtsorgane besitzen eine so große Mannig-
faltigkeit der Form, daß ihnen ein bestimmter taxonomischer Wert
zuzuerkennen ist.
Mit Ausnahme einiger Formen, nämlich Dasyurus und Phascolo-
gale, ist beim erwachsenen Tiere von dem Copulationsorgane in nicht
erigiertem Zustande nichts zu sehen; es liegt in einer mehr oder
weniger tiefen Tasche, Penistasche, versteckt. Erst allmählich wird
dieser Zustand während der Entwicklungsgeschichte erreicht, so daß
es geboten ist, bei der Beschreibung der äußeren Genitalien auch
kurz ihre Entwicklung ins Auge zu fassen. Bei den kleinsten Beutel-
Jungen, welche zur Untersuchung gelangten, hatte sich die geschlecht-
liche Differenzierung schon vollzogen.
_ 23*+
350 A. I. P. v. d. Broek
Den Phallus bildet ein kurzer, etwa konischer Zapfen auf der
oralen Seite des Ringwalles, welcher das Eetodäum (ect. Cloake) um-
gibt. Fig. 1—3 auf Taf. V geben die äußeren Geschlechtsteile von
Perameles (Fig. 1), Hypsiprymnus (Fig. 2) und Halmaturus (Fig. 3)
wieder. Von diesem Zustande, wie ich ihn mit nur ganz gering-
fügigen Unterschieden bei allen untersuchten Formen antraf, schlägt °
die weitere Entwicklung verschiedene Wege ein, so daß es geboten
ist, die verschiedenen Species nacheinander kurz zu beschreiben.
3ei Didelphys wird zunächst die erst einfache Öffnung des
Eetodäums in zwei hintereinander gelagerte Ostien zerlegt durch
die Bildung eines (definitiven) Dammes, welcher ein schmales, trans-
versal gestelltes Septum bildet (Fig. 1).
Durch zwei Prozesse gelangt der, erst frei hervorragende Penis
in seine Penistasche. Er wird erstens allmählich umwachsen durch
Fig. 1. zwei Fortsätze der seitlichen |
Eetodäumwandung, welche
ihn schließlich gänzlich um-
a
hüllen. Zweitens kommt
wahrscheinlich ein Teil der
Penistasche zustande durch
Einwachsen einer Glandar-
lamelle. Indem dann der
Penis durch die in seinem
Verlaufe auftretende Knik-
kung erheblich verkürzt wird,
kommt er tief in die Penis-
tasche versteckt zu liegen.
Beim erwachsenen Tiere
sehen dann die äußeren Ge-
schlechtsteile aus, wie Fig. 1
sie wiedergibt. Auf einer hügelartigen Vorragung, welche ich
Collieulus urogenitalis nennen will, erblickt man zwei ziemlich”
große, hintereinander gelagerte Ostien, die Öffnungen von der
Penistasche und vom Reetum bzw. Proctodäum. Vom vorderen
Rande des Geschlechtshügels ausgehend und auf die vordere Bauch-
decke zu verfolgen bis kurz an das Serotum ist eine median ge-
stellte Falte zu beobachten, welche vielleicht mit der Penistaschen-
bildung in Zusammenhang steht (vgl. weiter unten).
Ganz anders gestalten sich die äußeren Geschlechtsteile von
Dasyurus und Phascologale.
Äußere Geschlechtsorgane von Didelphys marsupialis.
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 351
Bei Dasyurus, auf Fig. 2 wiedergegeben, liegt kurz vor der
Schwanzwurzel der sehr hohe und konische Collieulus urogenitalis,
dessen orale Wand sich Fig. 2.
in den langen eylindri-
schen Penis (mit Penis-
tasche) fortsetzt.
Der Anus steht weit
geöffnet, zwischen ihm
und dem Penis liegt ein
ziemlich kurzes Peri-
neum. Man konnte bei
dieser Form fast von
einem Penis pendulus
reden. Aus der äußeren
Öffnung der Penistasche
treten zwei Fortsätze zum
Vorschein, der anal ge-
lagerte ist der eigentliche
Penis, der andre stellt
einen aparten Schwellkörper dar (vgl. weiter unten).
Phaseologale differiert insofern von Dasyurus, als ihm der ge-
nannte Schwellkörper fehlt; da-
gegen sind die Penisenden ge-
trennt. Sminthopsis, auch ein
Vertreter der Dasyuridae, besitzt
ganz anders geformte äußere Ge-
schlechtstelle und zeigt mehr
Formübereinstimmung mit den
Peramelidae. Beim Perameles
von 5 cm ragt, wie Fig. 1 auf
_ Taf. V zeigt, der Phallus noch als
_ ein konischer Zapfen frei hervor.
_ Allmählich wird er in der vorde-
_ ren Wand des Eetodäums einge-
schlossen. Beim Tierchen von
_11’em ist noch gerade die Penis-
spitze sichtbar, beim erwachse-
nen Tiere ist er ganz von der
_ Oberfläche verschwunden. }
Der kleine Collieulus urogeni- AS ee An ee
Äußere Geschlechtsorgane von Dasyurus G@eoffroyi.
Fig. 3.
ra u a
352 A. J. P. v. d. Broek
talis zeigt dann eine einzige, etwa trapezförmige Öffnung (Fig. 3).
Diese führt in ein kurzes Ecetodäum (eetod. Cloake), in dessen Tiefe
man die Öffnungen von Proctodäum und Harnröhre erblickt.
Ebenso wie Perameles besitzen die Phascolaretidae ein kurzes
Eetodäum, dessen Öffnung auf der Mitte des umfangreichen, aber
niedrigen Geschlechtshügels liegt. Phalangerinae und Maeropodinae
sind einander sehr ähnlich; von ihnen abweichend gestaltet sich
Hypsiprymmus.
Beim Hypsiprymmus-Beuteljungen von 63mm zeigt der Ringwall
Fig. 4.
x = 7 hp
SSEZGZ TAN
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RAIL NUN) | Ä\
Äußere Geschlechtsorgane von Hypsiprymnus rufescens.
des Eetodäums nicht eine, sondern zwei Vorragungen, einander
gerade gegenübergestellt. Die orale ist der Phallus, die reetale werde
ich als Drüsenorgan unterscheiden. (Fig 2a, Taf. V.)
Beide Vorragungen wachsen zunächst stark in die Länge; jedoch
werden sie dabei allmählich vom Ringwalle des Eetodäums umwachsen.
Beim Tierchen von 14 cm sitzen sie nicht mehr auf dem Ringwall,
sondern ragen aus der äußeren Eetodäumöffnung hervor (Fig. 25 auf
Taf. V). Beide Organe sind jetzt etwas gekrümmt und liegen ein-
ander dicht an. Nach und nach verschwindet, wohl hauptsächlich
dureh Vergrößerung des Ectodäums, der Penis von der Körperober-
fläche. Beim erwachsenen Tiere finde ich einen Zustand, wie Fig. 4
ihn wiedergibt.
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 353
Der sehr hohe und konisch gestaltete Collieulus urogenitalis
besitzt eine spaltförmige Öffnung, aus welcher ein dünnes und spitz
zulaufendes Organ hervorsteht. Es ist der reetalen Seite der Offnung
angelagert und stellt das mehrgenannte Drüsenorgan vor. Vom Be-
gattungsorgane ist nichts zu sehen.
Die spaltförmige Öffnung führt in ein sehr kurzes Eetodäum.
| Bei den Macropodinae biegt der Phallus bei kleinen Beuteljungen
reetalwärts um und bedeckt dadurch teilweise die äußere Eetodäum-
Öffnung.
Der Phallus wächst erheblich in die Länge und bleibt ziemlich
lang äußerlich sichtbar, beim Beuteljungen von 18 cm ragt er noch
ganz frei aus. Das Eetodäum hat sich inzwischen schon in Procto-
däum und (eetodermalen) Sinus urogenitalis getrennt, so daß das
Perineum beim Tierchen von 18 cm schon die Körperoberfläche er-
reicht hat. ö
Schließlich verschwindet auch bei den Macropodinae das Be-
gattungsglied von der Körperoberfläche und liegt dann in der Penis-
tasche versteckt.
Der Collieulus urogenitalis ist beim erwachsenen Tiere ziemlich
hoch und ungefähr ceylindrisch; er trägt, durch ein breites Perineum
getrennt, die Öffnungen von Penistasche und Proetodäum.
Einmal, nämlich bei einem Onychogale, fand ich ein Kurzes
Eetodäum.
Muskulatur.
Die Beschreibung derjenigen Muskeln, welche mit dem Uro-
genitalapparat in irgend eine Beziehung treten, geschieht am besten
in zwei Abteilungen, nämlich 1) Muskeln der vorderen Bauchdecke
und ihre Produkte und 2) Muskulatur der äußeren und inneren Ge-
schlechtsorgane.
1. Es ist nieht meine Absicht, eine Myologie der vorderen Bauch-
decke männlicher Beuteltiere zu geben, sondern nur die Aufmerk-
samkeit auf Muskeln oder Muskelteile zu lenken, welche mit dem
_Genitalapparat, speziell dem Funiculus spermatieus, in Beziehung
stehen.
Nach Wegnahme der Haut der vorderen Bauchdecke fällt zu-
nächst der M. subeutaneus abdominis auf. Er erreicht bei
männlichen Beutlern nicht den Grad der Entfaltung wie bei weib-
‚lichen Tieren. Seine untere Grenze finde ich, gleichwie Karz bei
Dasyurus, in der Höhe des Überganges vom Serotum in die Bauch-
04 A. J. P. v. d. Broek
decke (Dasyurus, Hypsiprymnus, Phascolomys, Macropodinae). Das’
Serotum wird meistens durch einige eireuläre Bündel umgeben. Nur
bei Didelphys sah ich auch caudal vom Serotum einige transversal ver-
laufende Faserbündel. Genaue Präparation lehrt, daß der Hautmuskel
sich caudalwärts fortsetzt in ein wohlentwickeltes Fascienblatt, welches
sich bis zum Beckenrande verfolgen läßt. Diese Fascie ist wahr-
scheinlich als Rudiment des untersten Teiles des Hautmuskels auf-
zufassen. Einen Zusammenhangzwi-
schen Hautmuskel und M. sphincter
cloacae, wie ich ihn bei einem
weiblichen Halmaturus beschrieb,
habe ich bei männlichen Tieren
niemals gefunden. R
Spaltet man Hautmuskel und
Fascie in der Medianlinie und
klappt sie zurück, dann treten
einige bemerkenswerte Verhältnisse
zutage.
2 Bei den meisten der hierauf-
Vordere Bauchdecke von NMacropus dorsalis. hin untersuchten Formen liegt der
M. subeutaneus abdominis umgeklappt. o.a.e. Innenfläche des M. subeutaneus ab-
M. obl. ext.; o.m. Os marsupii; a, a’ Abge-
schnittene Enden der Abzweigung von M. dominis eine größere oder kleinere
Gemaser; ci. Corps ui; at. Art. Dymphärlise an, wie sie von
WEBER (30) als Corpus inguinale bei
Phascolomys beschrieben wurde. Ich fand eine solche Drüse bei
Didelphys, Dasyurus, Phascologale, Phascolarctos, Phascolomys, Pha-
langeridae, also bei mehr Formen als WEBER, der sie nur bei Phas-
colomys beobachtete. Die Unterschiede liegen vielleicht in den Ver-
hältnissen der Muskulatur zur besagten Drüse. Gleichwie WEBER
fand ich eine Abzweigung des M. ceremaster, welche die Drüse er-
reicht, nur bei Phascolomys cinereus. Daß Muskelfasern zwischen
M. eremaster und Corpus inguinale auch bei andern Formen vor-
kommen können, beweist Fig. 5 von Macropus dorsalis. Hier zweigen
sich die medialsten Fasern des M. eremaster ab (in der Figur ab-
geschnitten) und begeben sich zum Hautmuskel (Fig. 5a, a’), woselbst
sie in bestimmtem Abstand vom Corpus inguinale inserieren, davon ge-
trennt durch die Arteria epigastrica inferior superficialis (Grenzgefäß
des Marsupialfeldes von Kraarscn). Obwohl die Drüse hier also
noch innerhalb des Marsupialfeldes liegt, kann ich sie, hauptsäch-
lich auch wegen ihres Vorkommens beim weiblichen Geschlechte
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Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 355
(Dasyurus, Maeropus) nicht
als Rudiment oder
einer transformierten Milch-
drüse betrachten. Ausführ-
licher habe ich meine Be-
lege für diese Meinung in
einer früheren Arbeit dar-
gelegt (l. ec. S. 390).
Der Annulus inguinalis
externus stellt bei fast allen
untersuchten Formen eine
längliche, von lateral oben
nach medial unten verlau-
fende spaltförmige Öffnung
im sehnigen Teile des M.
obliquus abdominis externus
dar (Fig. 5 von Macropus).
Nur bei Didelphys und
bei Phascolomys traten die
beiden Muskelteile weiter
auseinander, wodurch sie bei
Didelphys eine ovale, bei
Phascolomys eine große und
fast runde äußere Inguinal-
Öffnung umranden (vgl. Fig. 6
von Didelphys). Didelphus
bildet weiter noch eine Aus-
nahme insofern, als bei ihm
der M. transversus abdomi-
nis weiter caudalwärts reicht
als der M. obliquus ab-
dominis externus, mithin
‚schon im Annulus inguinalis
exteimus sichtbar ist. Nach
Wegnahme des M. obliquus
abdominis externus erblickt
man eine etwa dreieckige
und große Fläche, wo das
Peritoneum (bzw. die Fascia
transversa abdominis) sicht-
_—
Rest
Fig. 6.
= III — 0. ll.
EIN \
III - n.tr.abd.
\ EN
’
N
N
t— 111.01 .
Vordere Bauchdecke von Didelphys marsupialis. f.s.
Funiculus spermatieus; o.a.e. M. obl. abd. ext.; o.a.i.
M. obl. abd, int.; m.tr. abd. M. transv. abdom.; m.cr.
M. cremaster; a.f. Art. femoralis; o.m. Marsupial-
knochen; p. Peritoneum.
Fig. 7.
me (0:8
Sn See EB
Vordere Bauchdecke von Onychogale lunatus nach Weg-
nahme des M. obl. abdom. ext. o.o.e. M. obl. abd.
ext.; 0.a.i. M. obl. abd. int.; a.sp.i. Art. spermatic»
int.; p. Peritoneum; v.d. Vas defereus; s. Symphyse.
356 A. J. P. v. d. Broek
bar ist; von einem Inguinalkanal kann also kaum die Rede sein.
Diese dreieckige Fläche wird begrenzt vom unteren Rande des M.
obliquus abdominis externus, Beutelknochen mit den daran inserie-
renden Muskeln und Becekenrand. Deutlich zutage tritt sie in Fig. 7,
wo die vordere Bauchdeeke von Onychogale lunatus, nach teilweiser
Fortnahme des M. obliquus abd. ext. dargestellt ist. Aus der Mitte
ungefähr der peritonealen Oberfläche (Ann. inguin. internus) tritt das
Vas deferens zum’ Vorschein, um sich in bogenförmigem Verlauf zum
Serotum zu begeben (Fig. 7).
Vom unteren Rande des M. transversus abdominis, fast als
selbständiger Muskel vom Beckenrande entspringend, kommt der
M. eremaster und legt sich, in einem schräg caudo-medialen Verlauf
erst an der lateralen Seite des Vas deferens an, um es allmählich zu
umhüllen (vgl. Fig. 6 u. 7). Ich brauche nicht mehr den Nach-
druck auf die Tatsache zu legen, daß der Muskel nur aus Trans-
versusfasern besteht. Der M. obl. abd. int. nimmt an ihm keinen
Anteil.
Von oben und medial her kommt die Art. spermatica interna,
die sich im Funiculus spermaticus lateral an den Ductus deferens
anlegt (Fig. Ta.sp.i). Das Vas deferens wird bei seinem Durch-
tritte durch die innere Leistenöffnung von einem Proc. vaginalis peri-
tonei begleitet (vgl. Peritoneum). Vollständigkeitshalber möchte ich
an dieser Stelle darauf hinweisen, daß ich auch bei einem erwach-
senen weiblichen Halmaturus ruficollis einen ziemlich kräftig aus-
gebildeten Proc. vaginalis peritonei (Diverticulum Nuckm) antraf,
welcher das Lig. uteri teres begleitete. Der M. compressor mammae
schmiegte sich, von lateral oben kommend, dieser peritonealen Aus-
stülpung an, indem das Lig. uteri rotundum, allmählich schwächer
werdend, eine gewisse Strecke auf die Oberfläche des M. compressor
mammae verfolgbar war.
Bekanntlich konnte Katz diese Beziehung des Compressor mam-
mae (Homologon des M. eremaster) zu einem Proc vagin. peritonei
nicht konstatieren, und auch KraArscH glückte es nur, das kurze’
Auftreten eines Divertieulum Nucku bei Perameles nachzuweisen
Ich erblieke in der oben mitgeteilten Beobachtung eine weitere Stütze
für die Annahme von der Homologie zwischen M. cremaster und
M. compressor mammae.
Der M. ceremaster begleitet den Samenstrang bis ins Serotur
und strahlt da hauptsächlich auf die laterale Oberfläche der Tunic:
“ vaginalis (propria) des Testikels aus.
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 357
2. Muskeln der äußeren und inneren Genitalien. Es
kommen hier zu allererst in Betracht der M. sphincter eloacae und
seine Produkte.
Die aus dem Beekenausgange hervorragenden Geschlechtsorgane
und das Ende des Reetums samt dem Ectodäum werden von einer
ringförmigen Muskelschicht umgeben, welche als M. sphincter cloacae
bekannt ist. Der Namen Sphineter trifft jedoch nur zu für den
meist peripheren Teil der Muskelschicht, welche die äußere Öffnung
des Geschlechtshügels umgibt; die mehr dem Beckenausgange ge-
näherten Bündel inserieren beiderseits am Schambeinast (Didelphys,
Dasyurus, Phascologale, Phalangeridae) oder sie heften sich an die
Fig. 8.
SI ------___ m.sph.c.
Mo: Er m.l.p.
=== e£.C.P.
Didelphys marsupialis. b. Oberschenkelmuskulatur; m.sph.c. M. sphincter cloacae; m.l.p. Teil des
M. levator penis; c.c.p. Corpus cavernosum penis.
‚Oberfläche der Tunica albuginea der Schwellkörper (Phascolomys).
Bei Phascolomys zweigt sich an der dem Schwanze zugekehrten
sich an der Oberfläche des M. ischio cavernosus festheftet. Diese
Muskelpartie bildet ein Teil des M. levator penis (CUNNINGHAM).
In der Medianlinie verläuft zwischen M. er eloacae und
Lig. suspensorium nenne. Am stärksten entwickelt ist es bei
Dasyurus. Bei diesem Tiere geht von der Symphyse eine starke
Jlattge Sehne ab, welche sich in zwei Hälften spaltet, die jederseits
358 ANTRPNy. d.FBLOBK
des M. Jevator penis auf den M. sphineter eloacae inserieren. Hier-
mit wird für die speziell bei Dasyurus sehr weit aus dem Becken-
ausgange heraushängenden Genitalien (vgl. Fig. 4) ein starker Be-
festigungsapparat geschaffen. f
Die übrigen, mit dem Geschlechtsapparate in Zusammenhang
stehenden Muskeln sind die folgenden:
1. M. retractor penis.
. M. levator penis.
. Muskelehen an der Innenseite der Symphyse.
. M. bulbo-cavernosus.
. M. ischio-cavernosus.
. Muskelkapseln der Gl. Cowperi.
. Muskelkapseln der Gl. anales. |
. M. reeto-caudalis.
Po
Q ID Qi
1. M. retractor penis.
Der Name M. retractor penis wurde zuerst von CUNNINGHAM (7)
angewendet, anstatt des älteren Namens M. retractor eloacae. Er
ist zutreffender, zumal der Muskel mit der eigentlichen Cloake
(Eetodäum) nichts zu schaffen hat, auch kein Produkt des M. sphineter
eloacae ist. Er entspringt gewöhnlich mit einer platten schmalen
Sehne beiderseits der Medianlinie in der Mitte der Höhe vom Saerum
und begibt sich von hier schräg eaudo-ventralwärts, passiert das Reetum
und heftet sich an den Penis fest in der Höhe der Knickung in
diesem Organe. Bei mikroskopischer Untersuchung stellt sich heraus,
daß er, der fibrösen Wand des Penis entlang verlaufend, fast bis zur
Spitze verfolgbar ist. Bei seiner Kontraktion wird er den heraus-
gestreckten Penis in seine Tasche zurückziehen können.
Der Muskel besteht aus glatten Muskelfasern, kann mithin kein
Produkt des M. sphineter cloacae sein, sondern muß zur Muskulatur
der Eingeweide gerechnet werden.
Über seine Genese kann ich folgendes sagen. Bei’ einem
Halmaturus-Beuteljungen von 17,5 mm fand ich den Muskel noch
nicht gut entwickelt, es lag lateral vom Rectum ein Zellhaufen, der
den Verlauf des späteren Muskels angab, höchstwahrscheinlich als
seine Anlage betrachtet werden mußte; beim 22 mm großen Beutel-
jungen war der Muskel nachzuweisen und verlief unabhängig vo
der Reetalmuskulatur. Bei älteren Beuteljungen war er völlig
differenziert. Wahrscheinlich entsteht er unabhängig von der Reeta
muskulatur.
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 359
2. M. levator penis.
Nach Fortnahme des M. sphincter eloacae erblickt man auf der
ventralen Fläche des Penis in der Medianlinie einen paarigen Muskel,
den M. levator penis
(Fig. 9 und 10). Peripher
geht er in eine bisweilen
paarige (Phascolomys), je-
doch meistens unpaare
Sehne über, welche cau-
dal von der Kniekung
des Penis, in dessen bin-
degewebiger Hülle inse-
riet. Auf der Quer-
schnittserie ist er noch
weit peripherwärts, fast
bis zur Spitze, verfolgbar.
Nach oben zu ver-
laufen diebeiden Muskeln,
erst eng aneinander gela-
_gert, in der Medianlinie,
indem sie unterhalb der
Symphyse lateralwärts
abbiegen, um muskulös
% der Tunica albuginea
es Corpus cavernosum
penis sich festzuheften.
Nach Owen (2ö)undEGGE-
LInG soll dieser Muskel
nur denjenigen Beutlern
zukommen, welche eine
gespaltene Glans penis
besitzen. In Überein-
stimmung mit CUNNING-
dam (Thylacinus, Cuscus)
und Young (Phascolarctos)
finde ich ihn auch bei
solchen Formen, deren
enisende ungeteilt ist.
Ze
a u TEE TE ET
NH [6
Fig. 9.
>= c,u.4.
Y, mır.D.
Y
BANK, Br
Pp- F x 0.
0.0.u.
d.
m.l.p.
m.sph.e.
e.m.l.p.
Männliche Geschlechtsorgane von Didelphys marsupialis, von
ventral gesehen. m.r.p. M. retractor penis; p. Umbiegungs-
stelle des Penis; c.c. Cowpersche Drüsen; m.l.p. M. levator
penis; m,sph.c. M. sphincter cloacae; c.u.g. Urogenital-Kanal;
c.c.u. Corp. cavern. urethrae.
Fig. 10.
M. Levator penis von Dasyurus Geoffroyi. m.l.p. M. levator
penis; m.sph.c. M. sphincter cloacae; p Schwellkörper; p.t.
Penistasche.
Jie Wirkung des Muskels kann, wieich meine, nur darin bestehen, die
Krümmung, welche im Ruhezustand des Penis besteht, auszugleichen.
360 A. J. P. v. d. Broek
Damit wird der Muskel jedoch mehr zu einen Protusor penis als zu
einem Levator.
Ein wenig abweichend verhält sich der Muskel bei Dasyurus
Fig. 10). Hier entspringt er von der Tunica albuginea des Corpus
cavernosum penis kurz neben der Medianlinie, vereinigt sich sodann
mit dem anderseitigen zu einem Muskel, dessen schmale Sehne
nicht im eigentlichen Penis, jedoch in der Wand des oral davon
in der Penistasche liegenden Schwellkörpers (vgl. Kap. Penis) ihr
Ende hat.
3. Muskelchen an der Innenseite der Symphyse.
Bei Didelphys marsupialıs fand ich, oral von dem M. levator
penis, ein zweites, ebenfalls paariges Muskelchen (Fig. 9a). Es ver-
läuft an der Innenseite des Beckenrandes, im Gegensatze zum M.
levator penis, der an der Außenseite liegt. Sein Ursprung liegt an
der Innenseite des Corpus cavernosum penis, von da an verläuft es
zur Medianlinie, verbindet sich mit dem anderseitigen zu einer
kurzen medianen Sehne, welche in das Gewebe der ventralen Penis-
fläche verschwindet. Die Bedeutung dieses Muskelchens ist mir nicht
klar geworden, vielleicht ist es eine Variation des M. levator.
4. M. bulbo-cavernosus
und
5. M. isehio-cavernosus.
Diese beiden Muskeln bilden stark entwickelte Hüllen für
die Bulbi des Corpus cavernosum urethrae und der Corpora cavernosa
penis. Ich belege sie mit den Namen bulbo-cavernosus und ischio-
cavernosus, in Übereinstimmung mit CunsıngHams Beschreibung.
Diese Bezeichnung scheint mir zutreffender als die von EGGELING
vorgeschlagenen Namen: M. compressor bulbi corporis spongiosi
und M. erector penis, die er gebrauchte, weil ihm die morphologische
Bedeutung dieser Muskeln und ihre Homologie mit den gleich-
namigen Muskeln der menschlichen Anatomie nicht gesichert vorkam..
Die Mm. ischio-eavernosi umhüllen die Bulbi der Corpora caver-
nosa penis gänzlich, so daß deren Albuginea nicht unmittelbar mil
dem Isehium in Verbindung ist. Einen Zusammenhang der Albugine
des Schwellkörpers mit dem Ischium, wie Sack (27) ihn für Phascologal
angibt, traf ich niemals. Auch die Verbindung zwischen M. ischio
cavernosus und Sitzbein ist oft eine ziemlich lockere, die wenige
verbindenden Muskelfasern gestatten leicht eine Lösung der Muskel
a an nn ehe hehe
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 361
kapsel. Nur bei Phascolomys ist die Verbindung eine ziemlich feste.
Bei Phalangeridae sind die Mm. ischio-cavernosi nur mittels Binde-
gewebe am Sitzbeine befestigt, die Bulbi also vollkommen frei.
Dasselbe berichten Youn@ und auch EsGELınG von Phascolarctos,
CowPER von Didelphys.
6. u. 7. Die Cowrerschen Drüsen, sowie die Analdrüsen sind
von Muskelkapseln umschlossen. Die Umhüllung der Cowperschen
Drüsen wurde von PAuLEr (26) mit dem Namen »M. compressor
glandulae Cowperi« belegt. Ein besonderer Namen scheint mir über-
flüssig, da sonst auch die Muskulatur der Gl. anales mit einem ähn-
lichen Namen belegt werden muß. Sowohl die Muskelumhüllungen
der Gl. Cowperi wie diejenigen der Analdrüsen sind, wie die Onto-
genie lehrt, als Abspaltungsprodukte des M. sphineter eloacae auf-
zufassen. Dasselbe gilt, worauf bereits EGGELING hingewiesen hat,
für die Muskelumhüllungen der Bulbi von dem Corpus cavernosum
urethrae und von den Üorpora cavernosa penis.
8. Schließlich muß noch der M. recto-caudalis (coceygeus) ge-
nannt werden. Dieser besteht aus glatten Muskelelementen, welche
sich aus der Längsmuskulatur des Rectums lösen und sich zum
Schwanze begeben, um da neben der Medianlinie zu inserieren.
Diese Abspaltung der glatten Rectalmuskulatur scheint nicht regel-
mäßig vorzukommen, ich vermißte sie immer bei Macropodinae.
E6GELING vermißte den Muskel bei einem jungen Phascolomys wombat;
bei einem ausgewachsenen Phascolomys cinereus war er kräftig ent-
wickelt und inserierte am Schwanzrudimente.
Peritoneum.
_ Beim Bauchfelle haben wir zu unterscheiden: a) das Verhalten
in der Bauchhöhle, b) dasjenige im Serotum.
j
- a) In der Bauchhöhle sind die Verhältnisse sehr einfache.
Die Blase ist mittels dreier Ligamente mit der Bauchwand ver-.
u Ventral liegt zwischen Blase und vorderer Bauchdecke ein
Ligamentum vesicale anterius. Es reicht nicht bis zur Spitze
der Blase, sein oberer Rand steigt mit einer sanft konkaven Linie
von der vorderen Blasenwand zur Bauchdeeke empor.
- Im freien Rande dieses Ligamentes habe ich bei erwachsenen
Tieren ebensowenig wie Karz (18) Allantoisreste angetroffen. Über
die Verhältnisse des oberen Blasenpoles zum Lig. vesicale anterius
bei jungen Maeropodinae habe ich schon früher (l. e., S. 378) aus-
i
362 A. J. P. v. d. Broek
führlieher berichtet. Ebenfalls habe ich daselbst meine Gründe an-
gegeben für die Ursache der speziellen Verhältnisse der Blasen-
ligamente. Von den lateralen Seiten der Blase gehen, schräg latero-
dorsalwärts, die beiden Ligamenta vesicalia posteriora ab und
verlaufen zur seitlichen Beeken- und Bauchwand. Auch diese beiden
Ligamente erreichen den oberen Blasenpol nicht. In ihrem freien
Rande oder etwas unterhalb desselben verläuft die Arteria umbili-
calis von der Art. hypogastrica zur Blase. Eine Fortsetzung dieses
Gefäßes in der Form eines Lig. vesico-umbilicale laterale besteht
nieht. Ich habe Reste des Gefäßabschnittes, welcher embryonal
zwischen Nabelöffnung und Blasenpol sich ausgestreckt haben muß,
nicht aufgefunden. Bekanntlich entsprechen nach Karz die Artt.
vesicales, welehe für die Blasenwand bestimmt sind, den ganzen
intraembryonalen Artt. umbilicales.
An den Insertionsstellen der drei Blasenligamente trifft man
auch bei männlichen Beutlern, speziell den Macropodinae, die Längs-
muskulatur zu Streifen, Taeniae museulares, verdichtet.
Zwischen vorderer Bauchdeeke und Ligg. vesie. posteriora bildet
sich jederseits ein peritonealer Reecessus, der, in Übereinstimmung
mit dem weiblichen Geschlechte, als Excavatio vesicalis lateralis be-
zeichnet werden kann.
An der Stelle der großen Öffnung, welehe als Ann. inguinalis
internus zu bezeichnen ist, kommt auch bei erwachsenen Tieren noch
ein Processus vaginalis peritonei vor. Bei Didelphiden ist es sehr
kurz und geschlossen, bei Dasyuridae gleichfalls, dagegen bei Phas-
colomys sehr weit und zeitlebens offen, eng aber zeitlebens durch-
gängig ist es bei Macropodinae. Der Ductus deferens verläuft nicht
retroperitoneal, wie beim Menschen, doch liegt er erheblich von der
Beckenwand entfernt und ist durch eine ziemlich breite peritoneale
Duplicatur, ein Meso-deferentium, damit verbunden. Anfänglich,
d. h. an der meist eranialen Stelle des intraabdominalen Verlaufes
des Ductus deferens, verläuft diese Duplicatur fast sagittal gestellt
zur hinteren Bauchdecke (Fig. 114) und erreicht diese gerade az
derjenigen Stelle, wo sich der Ureter eaudalwärts begibt (Fig. 11A ur.)
Caudalwärts rückt das Mesodeferentium mit seiner Insertion’
immer mehr von der hinteren auf die seitliche Bauch- (bzw. Beeken-)
wandung, während der Ureter zwischen seine beiden Blätter tri
Endlich erreicht die Duplieatur die Insertionsstelle des Lig. vesicale
posterius und setzt sich auf dessen Hinterfläche fort. Es bildet sie)
dann eine Duplicatur auf dem hinteren Blatte des Lig. vesicale
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 363
posterius, in welcher der Ureter (medial) und der Ductus deferens
(lateral) gelagert sind, wie aus Fig. 11 ersichtlich.
In ihrem untersten Teile verbinden sich die beiderseitigen
Duplicaturen zu einer transversal gestellten peritonealen Platte,
zwischen deren Blätter die ebengenannten Gänge lagern. Durch
diese mediane Vereinigung wird von der großen Excavatio recto-
vesicalis eine kleine Excavatio vesi-
calis dorsalis abgetrennt, deren un-
terste Enden in Fig. 11 ©, dorso-lateral
von der Blase gerade noch zu sehen
sind.
Caudalwärts verschmälert sich
diese transversale Duplicatur natür-
lich durch die Annäherung der beiden
Ligg. vesicalia posteriora, bis die Ure-
‚teren und die Ductus deferentes in
die hintere Blasenwand eintreten. Das
Rectum ist durch ein langes Meso-
'reetum mit der hinteren Bauch- bzw.
‚Beckenwand verbunden und ragt
mithin weit in die Excavatio recto-
'vesicalis vor.
b) Im Serotum. Den ausführ-
lichen Beschreibungen vonFRANKL (15)
habe ich nur wenig hinzuzufügen.
Die Beutler besitzen eine Tunica
vaginalis propria testis, an der ein
Brietales und ein viscerales Blätt Verhältnisse das Peritonsums zur Blase.
zu unterscheiden sind. "Zwischen as deferens. Ureteren und Rectum bei
‚beiden befindet sich der Sinus vagi- en te a
nalis. In dem Falle, wo letiterer
nicht mit der Peritonealhöhle kommuniziert, d. h. wo der Processus
vaginalis geschlossen und obliteriert ist, wie bei Didelphiden und
Dasyuridae, besteht ein Zustand ähnlich dem beim Menschen.
Bei andern Formen, Phascolaretidae und Maeropodinae, bleibt lebens-
lang eine offene Verbindung zwischen Peritonealhöhle und Sinus
vaginalis bestehen.
Das parietale Blatt der Tunica vaginalis propria ist bei mehreren
‚Beutlerformen, Didelphys, Dasyurus, Petaurus (FRAnKL) und Phalan-
geridae durch tiefschwarze Pigmentierung ausgezeichnet. Diese
— Morpholog. Jahrbuch. 41. 24
M
Er 7
364 A. J. P. v. d. Broek
«
kommt aueh teilweise im parietalen Peritonealblatte des Samenstranges
vor. Ich fand sie dagegen niemals am visceralen Blatt, auch nicht
im Mesorehium, wie es FrAnKL für Halmaturus beschreibt.
Verfolgt man den Umschlagsrand des parietalen in das viscerale
Fig. 12, Blatt der Tunica vaginalis, so kommt man,
für Phalangeridae, welche ich als Bei-
spiel wähle, zu folgendem.
Im Samenstrange umgibt der Sinus
vaginalis den Ductus deferens und den
Plexus pampiniformis als spaltförmige
Raum. Der Samenleiter ist mittels eine
kurzen Duplicatur der Gewebsmasse des
Plexus pampiniformis angeheftet (Fig. 12
m. v.d.).
Der Samenstrang erreicht den Neben
hoden ungefähr in der Mitte von dessen
Höhe. Der Ductus deferens begibt sich
sodann zum Nebenhodenschwanze. Die
Gefäße des Plexus pampiniformis ver
laufen in der Hauptsache zum Neben
hodenkopfe gerichtet.
Die Verhältnisse des Peritoneums
gestalten sich in den beiden Hälften des
Nebenhodens etwas verschieden.
In der Hälfte des Nebenhoden
a enstaane von Human Schwanzes sitzt dieser dem parietalenBlatte
walabatus. v.d. Vas deferens; pp. der Tunica vaginalis propria breit auf
Plexus pampiniformis; m.v.d. Dup- n ih E 4 E >
likatur des Vas deferens; £. Testikel; EIN Mesepididymis (FRANKL) ist eigentlich
m. Mesorchium; e. Epididymis; me. nicht als solches, d. h. als peritonealeg
Mesepididymis.
Doppelblatt zu erkennen (Fig. 12 m. e.)
Der Ductus deferens (bzw. Ductus epididymidis) ist in dieser Höhe
dem Nebenhoden mittels einer kurzen Duplicatur (Fig. 12 m. v. d.
verbunden, weiter zum Schwanze hin tritt er in den Nebenhoden eit
Die obere Hälfte des Nebenhodens liegt frei im Sinus vaginali
(Fig. 120). Zwischen Plexus pampiniformis und Nebenhoden lieg
eine kurze peritoneale Duplicatur.
Hoden und Nebenhoden werden vereinigt durch ein sehr breite
Mesorchium. Die Länge desselben gestattet es, beide Organe erheb:
lich voneinander zu entfernen. Sind Testikel und Epididymi
einander angelagert, dann wird ein großer Teil von ersterem durel
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|
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 365
‚das Mesorchium bedeckt. Es inseriert am Nebenhoden in der Mitte
‚der Fläche, welche dem Hoden zugekehrt ist. Am Hoden geht es
‚an der seitlichen Fläche in dessen Bedeckung über (Fig. 12 B und C).
Zwischen den Blättern des Mesorchiums verlaufen die Blut-
‚gefäße und Ductuli efferentes testis. Hierüber wird später (S. 407
und Fig. 14, Taf. VI) ausführlicher gehandelt.
Ich fand den Rand des Mesorchiums nicht zu einem sog. Liga-
‚mentum testis verdickt.
Harnblase.
Einige, uns interessierende Merkmale dieses Organes seien hier
"hervorgehoben. Die Blase ist in kontrahiertem Zustande ein ziem-
lich kleines, mehr oder weniger ovales, diekwandiges Organ, das
der vorderen Bauchdecke, kurz oberhalb der Symphyse, anliegt.
Ihre Wand setzt sich aus Serosa, Muskulatur und Schleimhaut zu-
sammen. Über die Blasenligamente habe ich oben berichtet. Über-
wiegend verlaufen die glatten Muskelbündel in eireulärer Richtung;
oberflächlich wird diese eirculäre Muskelschicht bedeckt durch Längs-
muskelbänder, welche zu drei Taeniae umgewandelt, an den Stellen,
wo sich die Blasenligamente anheften, gelagert sind. An den Über-
gang der Blase in den Urogenital-Kanal ist die Längsmuskulatur
komplett, die eireuläre Muskelschicht zu einem Sphineter vesicae
verdickt. Die Schleimhaut der Blase liegt im kontrahierten Zu-
stande in starken und dicken Falten, ausgenommen an der Stelle
"audal von den Einmündungen der Ureteren, wo sie faltenlos ist.
Sie ist zusammengesetzt aus einem einsahtohtigen Epithel und
iner breiten, ziemlich locker gefügten Submucosa.
Im eaudalsten Blasenteile, kurz oberhalb des Überganges in den
Jrogenital-Kanal münden die beiden Ureteren. Die Ausmündungs-
teen gestalten sich bei verschiedenen Beutlerspecies in sehr ver-
sehiedener Weise. Bei Didelphys lagen die Ureteren-Ostien auf zwei
"inander anliegenden, kleinen konischen Papillen (Fig. 6, Taf. V
>. ur.), wobei die Ostien zum Blasenfundus hinschauen. Ein gleiches
Verhalten gibt CunninGHam für Thylacinus cymocephalus an.
Bei Hypsiprymnus (Fig. 9, Taf. V) und Phalangista (Fig. 8, Taf. V)
"agt im unteren Teile der Blase eine etwa konische Erhöhung der
Sehleimhautoberfläche hervor, welche mit ihrer Basis zum Blasen-
'undus gekehrt ist, mit der Spitze zum Urogenital-Kanal. Die
3asis dieser Schleimhautwulst trägt die beiden, gleichfalls zum
3lasenfundus hinschauenden Öffnungen der Ureteren.
= 24*
1
366 A. J. P. v. d. Broek
Bei Phascolomys sind die beiden Ureteren an ihrer Einmündung
weiter voneinander entfernt. Ein jeder ragt mit einer, leicht caudal-
wärts gerichteten etwa zitzenförmigen Papille ins Lumen hervor
Fig. 7, Taf. V). Nach Young (32) münden bei Phascolarctos einereus
die Ureteren in der Blase mit schräg caudalwärts gerichteten Ostien,
ohne daß sie ins Blasenlumen hervorragen.
Bei Maeropodinae sind die Ureterenpapillen dicht aneinander ge-
lagert, niedrig und mit zum Fundus schauenden Östien versehen.
Der eaudal von den Ureterenöffnungen liegende Teil der Blasen-
wandung ist als das Homologon des Trigonum Lieutaudi der mensch-
liehen Anatomie aufzufassen. Es gestaltet sich bei Beutlern sehr
verschieden in Form je nach der Übergangsweise der Blase in den
Urogenital-Kanal. Dieser Übergang ist als Blasenhals, Collum vesicae,
oder als Urethra zu bezeichnen. Ziemlich dick und mit weitem Lumen
versehen ist das Collum vesieae bei Didelphys (vgl. Fig. 6, Taf. V),
Dureh allmähliche Wandverdiekung zeichnet sich äußerlich das obere
Ende des Urogenital-Kanales aus. Schärfer ausgeprägt ist der Übergang
der Blase in den Urogenital-Kanal bei Phascolomys. Von einem
eigentlichen Collum vesicae kann da nicht die Rede sein, eine tiefe
Furche deutet äußerlich die Grenze an; auch das Lumen ist an der
selben Stelle eingeschnürt. Besser wieder ist ein Collum vesieae
zu erkennen bei den Phalangerinae. Bei Hypsiprymnus allerdings
ziemlich weit, wird es bei Macropodinae zu einem kurzen Kanale
mit kleinem Lumen, das gegen das Blasenlumen, sowie gegen der
Urogenital-Kanal äußerlich scharf begrenzt ist. In diesem Collum
vesicae hat, wie auch aus der Fig. 9, Taf. V ersichtlich, die Schleim-
haut eine faltenlose Oberfläche. i
Über Wachstum und Ausdehnung des Trigonum Lieutaudi
seben die folgenden zwei Beispiele Aufschluß. j
Bei einem Beuteljungen von Phalangista vulpina von 12 mm
münden Ureteren und Duetus deferentes in gleicher Höhe, letzter
medial, die Ureteren lateral. Bei einer Tierlänge von 24 mm ist
der Abstand schon 360 u, bei 37 mm beträgt er 720 u, beim er
wachsenen Tiere 8 mm.
Bei einem Halmaturus-Beuteljungen von 17,5 mm münden die
Ureteren schon 120 u oberhalb der Ductus deferentes, bei 28 mm
beträgt die Entfernung 480 u, bei 32 mm 750 u, bei 105 mm ist si
930 u und beim erwachsenen Tiere 9 mm. i
Zwei Kennzeichen der Ureteren seien noch erwähnt. Erstei
dehnt sich das Trigonum vesieae nicht wie beim Menschen in (
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 367
Breite aus; die Ostien der Ureteren sind bei Beutlern einander sehr
benachbart.
Zweitens ist der Verlauf der Ureteren innerhalb der Blasen-
wandung bei Beutlern ein schräger, und zwar gerade umgekehrt wie
beim Menschen, wodurch die Ostien zum Blasenfundus hin gerichtet sind.
Diese eraniale Richtung der Ureterenenden prägt sich schon bei sehr
kleinen Beuteljungen aus. Bei weiblichen Tieren erblickte ich in
der Verbindung beider Geschlechtsstränge die Ursache des bogen-
fürmigen Ureterenverlaufes. Diese Ursache trifft nicht zu für männ-
liche Tiere, bei denen die Geschlechtsstränge getrennt bleiben.
Sicheres über die Ursache des Verlaufes der Ureteren kann ich nicht
angeben.
Penis,
a) Form des Penis.
Äußerlich ist außer bei den Dasyuridae in nicht erigiertem Zu-
tande vom Begattungsorgane nichts zu sehen. Der Penis ist mehr
der weniger weit in einer Penistasche zurückgezogen.
Man kann am Begattungsgliede, gerechnet von der Stelle, wo
ich die Corpora cavernosa dem Urogenital-Kanal anlagern, zwei
eile unterscheiden, eine Fig. 13.
ars libera und eine Pars a b
bteeta. Ich wende hier
ie Bezeichnung Pars
ibera und nicht Glans
Jenis an, wie es von
EISCHMANN vorgeschla-
sen worden ist, weil es
nir vorkommt, daß da-
urch nicht homologe
elle des Begattungs-
geanes von verschiede- Penis von Didelphys marsupialis. 4A Ansicht der oralen
n Formen mit demsel- Fläche, 2 Ansicht der rectalen Fläche. fr. Frenulum;
en Namen belegtwerden. aa
ie Pars libera des Penis, also der in der Penistasche steckende
schnitt, zeigt bei den verschiedenen Beutlerspecies sehr große und
‚ ontogenetischer Hinsicht beachtenswerte Unterschiede, welche eine
etrennte Besprechung der Species notwendig machen.
Didelphys marsupialis. Eröffnet man die Penistasche von der
ectalen Fläche her, so erblickt man den in zwei Hälften gespaltenen
368 A. J. P. v. d. Broek
Penis. Die freien Enden der beiden Penisschenkel laufen spitz zu,
ihre medialen Flächen bleiben, von dorsal gesehen, ziemlich weit
voneinander entfernt. Im obersten Teile der Penistasche verbindet
sich der Penis zuerst in der Medianlinie mit der Wand der Penis-
tasche, wodurch eine Art Frenulum gebildet wird (Fig. 135 fr.), dann
vereinigen sich die zwei Penisschenkel zu einem einheitlichen Organe,
In der Form zweier Nischen, deren Ausdehnung in Fig 135 durch
gestrichelte Linien angegeben ist, dehnt sich die Penistasche noch
eine Strecke weit jederseits des Frenulums aus. Direkt oberhalb
des Fornix der Penistasche ist äußerlich die Insertion des M. retractor
penis wahrnehmbar.
Die orale Fläche ist komplizierter gestaltet (Fig. 13a). Eine
bestimmte Strecke von der Spitze entfernt nimmt der Penis ziem-
lich plötzlich an Dieke zu, und man erbliekt auf jedem Penisschenkel
eine transversal zur Penislängsachse gestellte Furche, welche in einen
kurzen Blindsack führt. Auf die Genese und die Bedeutung dieses‘
Blindsackes komme ich weiter unten zurück. In gleicher Höhe wie
die ebengenannte Grube tritt an der medialen Fläche eines jeden
Penisschenkels eine Furche auf. Beide Furchen konvergieren nach ®
oben und setzen sich in den Urogenital-Kanal fort. Die äußere,
Öffnung desselben liegt also im obersten Teile der Pars libera des#
Penis (vgl. Fig. 13a). Auf die verschiedenen Grade der Spaltung‘
der Pars libera penis bei verschiedenen Didelphys-Species macht |
GERHARDT aufmerksam. An der Stelle der Insertion vom M. retracto
penis biegt der Penis plötzlich nach der reetalen Seite um, um nach®
kurzem Verlaufe abermals umzukehren und wieder in cranialer |
Richtung weiter zu verlaufen. Diese Kniekung im Verlaufe des
Penis kommt allen von mir untersuchten Beutlerformen zu, ihre Ge- |
nese bespreche ich weiter unten. i
An der zweiten Biegungsstelle, also wo der Penis seinen Ver-
lauf wieder in eranialer Richtung fortsetzt, treten die Corpora eaver
nosa an ihn heran. u
Ganz andre Zustände findet man bei Dasyurus. Bei Be-
sprechung der äußeren Geschlechtsorgane machte ich darauf auf
merksam, daß kurz vor der Analöffnung der mehr oder weniger
eylindrische, von einer Tasche teilweise umhüllte Penis zu sehen ist
Es ragen aus der Penistasche zwei Zipfel hervor, über deren gegen-
seitige Lagerung innerhalb der Tasche Fig. 10 uns belehrt. Da
rectal gelagerte Organ ist der eigentliche Penis, welcher also apieal
ungespalten ist. Das Penisende ist etwas angeschwollen und be-
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 369
sitzt auf seiner rectalen Fläche eine länglich viereckige Öffnung
(Fig. 14). Auf der seitlichen Wandung der durch die Öffnung hervor-
gerufenen Grube liegt jederseits eine Furche. Nach oben konver-
gieren die beiden Furchen und gehen an der obersten Ecke der
rautenförmigen Grube in den Urogenital-Kanal über. Anklänge an
den Zustand bei Didelphys fehlen also bei Dasyurus nieht gänzlich,
auch hier endet der Urogenital-Kanal nicht am Penisapex, sondern
höher und setzt sich in der Fig. 14,
Form zweier Furchen apical- A B
wärts fort. Nur bei Didelphyys
sind die Penisenden getrennt,
bei Dasyurus deutet eine me-
diane Grube die Bilateralität
noch eben an. Das oral
vom Penis gelagerte Organ
(Fig 109) verbindet sich im “
obersten Teile der Penistasche
@
mit dem eigentlichen Penis;
es stellt, wie mikroskopische A Ende des Penis von Dasyurus macrourus von rectal
Durchsehnitte lehren, En gesehen. B Ss zur Höhe der
besonderenSchwellkörperdar.
Phascologale flaviceps zeigt äußerlich große Übereinstimmung mit
Dasyurus; nur sind bei ihm die Penisenden gespalten und treten
ganz wenig aus der Öffnung der Penistasche hervor. Bei Ph. thor-
beckiana soll nach SPooF und GERHARDT der Penis ungespalten sein.
Bei Sminthopsis crassicaudatus ist äußerlich von einem Copulations-
organe nichts zu sehen. Das untersuchte Tier besitzt, wie die Schnitt-
serie, durch den Genitalapparat lehrt, keine Pars libera des Penis,
das ganze Organ ist im Bindegewebe der Eetodäumwand aufgenommen.
Gleiches gilt von den von mir untersuchten Perameles. Ich
werde die sehr besonderen und vom vergleichend ontogenetischen
Standpunkte wichtigen Verhältnisse des Copulationsorganes dieses
Tieres, um Wiederholungen zu vermeiden, weiter unten im Kapitel
über die Ontogenie des Urogenital-Kanales auseinandersetzen, wo-
durch auch der Zustand von Smönthopsis verständlich sein wird.
Der erwachsene Phascolomys (Ph. cinereus) besitzt eine kurze
ungespaltene Pars libera des Penis, welche tief in der Tasche zurück-
gezogen liegt. Der kurze freie Penis ist mit mehreren Reihen von
Stacheln besetzt, deren freie Enden von der Penisapex abgekehrt
sind (Fig. 4, Taf. V). Die innere Wand der Penistasche besitzt keine
370 A. J. P. v. d. Broek
Stacheln. Die Öffnung des Urogenital-Kanales liegt apical. Nach
GERHARDT ist der Penis an seinem Ende in zwei kurze, spitze Fort-
sätze geteilt.
Der Penis von Phascolarctos hat große Formübereinstimmung mit
dem Organe von Phascolomys. Eine einfache und fast eylindrische
Pars libera des Penis besitzt Phalangista (Fig. 15)-
Er ist fast gänzlich mit Stacheln besetzt, ebenso
wie die Innenwand der Penistasche. |
Kurz an der Spitze verjüngt sich der Penis
plötzlich und geht in einen kurzen und spitz zu-
laufenden Fortsatz über (Fig. 15). Die Öffnung.
des Urogenital-Kanales liegt nicht an der Spitze
des Penis, sondern seitlich von der Basis des
ebengenannten Fortsatzes, 9 mm von der Apex
entfernt. Ich verweise für die Struktur des Penis-
endes und des genannten Fortsatzes auf die Be-
schreibung der Querschnitte.
Bene ron) Fialingists Hypsiprymnus besitzt eine ziemlich kurze,
lemurina. o.e. Stelledes etwa ceylindrische Pars libera penis, welche in nicht
Ostium externum des - a1.» .
ar Kanaloc erigiertem Zustande weit in die Tasche zurückge-
zogen ist. Ich sah weder auf der Penisoberfläche,
noch auf der Innenwand der Penistasche stachelföürmige Erhebungen
der Epidermis. Die Öffnung des Urogenital-Kanales liegt nicht ganz
apical, sondern seitlich. Das Copulationsorgan der Macropodinae
ist demjenigen von Phalangista ähnlich. Die Pars libera ist jedoch
nicht so eylindrisch, sondern verjüngt sich allmählich in der Riehtung
zur Apex (Halmaturus, Macropus, Onychogale). Auch bei diesen
Formen liegt, wie bei Phalangista, die Öffnung des Urogenital-
Kanales seitlich, 5 (Macropus) — 13 mm (Onychogale) von der Spitze
entfernt. Weder Penisoberfläche noch Innenwand der Penistasche
sind mit Stacheln besetzt.
Über die Bedeutung der Pars libera penis der Beutler, speziell
über ihr Verhalten zur Glans penis der monodelphen Säuger kann
erst gesprochen werden, nachdem die Penistasche und ihre Genese
klargestellt worden sind.
Die Pars obteceta penis ist von einer Tunica albuginea um-'
hüllt und dadurch gegenüber dem umgebenden Bindegewebe gut
begrenzt. x
Im Verlaufe der Pars obteeta besitzt der Penis eine a
Kniekung. An der Stelle, wo der Penis hinter der Symphyse plötz-
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 371
lich 180° umbiegt, inseriert der M. retraetor penis (vgl. Fig. 16).
Die Sehwellkörper machen die Umbiegung mit und gehen an der
Stelle, wo der Penis zum zweiten Male um 180° umbiegt, in ihre
Sehenkel über. An derselben Stelle liegen die Einmündungen der
Cowperschen Drüsen (vgl. Fig. 18).
Oberhalb dieser Stelle liegt der entodermale Teil des Uro-
genital-Traetus, durch die Entwicklung der Urethraldrüsen gekenn-
zeichnet.
Fig. 16.
MT.D.
c.u.g.
Schematischer Medianschnitt durch einen Beutlerpenis. m.r.p. M. retracetor penis; c.u.g. Urogenital-
Kanal; c.d. Cowrersche Drüse; c.c.p. Corp. cavern. penis; c.c.u. Corp. cavern. urethrae; p.t.
Penistasche.
Die gegebene Übersicht lehrt uns ein sehr verschiedenes Ver-
halten des Beutlerpenis, speziell was die Pars libera und ihre Aus-
dehnung betrifft. Owen war der Ansicht, daß ein einfacher Penis
den uniparen Beutlern, eine gespaltene Pars libera den multiparen
Formen zukäme. Diese Auffassung eines Konnexes zwischen Penis-
form und Zahl der Jungen beim Weibehen hat wohl keine Be-
rechtigung.
GERHARDT sucht einen Zusammenhang zwischen Spaltung des
Penis und dem Zustand der caudalen Vaginalenden. Nachdem er
372 A: JB. vi d. Broek
aufmerksam gemacht hat auf den langen Sinus urogenitalis beim
Weibehen, welcher die Rolle der Vagina der monodelphen Säuger
spielt, sagt er l.c. S. 353: »Da, wo nun der Sinus urogenitalis im-
stande ist, den ganzen Penis bei der Begattung in sich aufzunehmen,
wäre eine Spaltung seiner Spitze unnütz. Wo aber der Penis
länger ist als der Sinus urogenitalis, da wird ein größerer oder
kleinerer Teil von ihm in die doppelte Vagina hineinragen — die bei
manchen Beutlern vorkommende »mittlere Vagina« ist immer nur
Geburts- und nicht Begattungskanal — und je nach dem Grade
dieses Hineinragens wird der distale Teil des Penis gespalten sein.
Allerdings ließe sich hiergegen einwenden, daß bei Formen mit un-
sespaltenem Penis auch ein Begattungsmodus denkbar wäre, bei
dem der Penis nur in eine Vagina eindränge, also auf die Seite
gebogen würde. Das ist nicht wahrscheinlich wegen der Festigkeit
des erigierten Corpus fibrosum, und außerdem ist in diesen Fällen
der Sinus urogenitalis in der Tat imstande, den gesamten Penis in
sich aufzunehmen. «
Diese Auffassung ist wohl nicht zutreffend. Erstens gibt es
unter den Beutlern Formen, bei denen keine Übereinstimmung in dem
Verhalten von Penisenden und Vaginae besteht. So finde ich bei
Phascolomys cinereus den Penis einfach, die Vaginae getrennt, selbst
an der Einmündungsstelle ziemlich weit voneinander entfernt.
In noch höherem Maße gilt dies für Dasyurus mit seinem ein-
fachen, am Ende angeschwollenen Penis und doppelter Vagina.
Der Zustand einer doppelten Vagina ist ein primärer, da die
Geschlechtsgänge bilateral angelegt werden und nicht zur Vereinigung
gelangen. Die einfache Vagina der Macropodinae ist ein Produkt
des Sinus urogenitalis. Der Zustand einer doppelten Penisspitze
wird erst während der Entwicklung im Beutel erworben; bei
allen untersuchten kleinen Beuteljungen ist der Penis ein unpaares
Organ. Übereinstimmend mit der Verdoppelung des Penisendes im
männlichen Geschlechte geht, obwohl nicht immer, beim Weibchen
eine Verdoppelung der Clitoris einher.
Es ist durch Maßangaben natürlich nicht auszumachen, ob der
Penis in erigiertem Zustande den ganzen weiblichen Sinus uro-
genitalis anfüllt und gezwungen wird, mit seinen getrennten Enden
in die Vaginae hineinzuragen. Der Beweis ist somit nicht zu”
liefern, daß gespaltene Penisenden in die Vaginae treten. Die von
GERHARDT angenommenen Argumente sind nicht stiehhaltig. Es sei
auch darauf hingewiesen, daß das Argument, wonach er die Be-
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Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 373
gattungsmöglichkeit in der Vagina mittels ungespaltenen Penis auf
Grund der Festigkeit des erigierten Organes verwirft, in nicht ge-
ringerem Grade für den gespaltenen Penis gilt, da die Corpora
fibrosa sich in den Penisspitzen fortsetzen, und da die Vaginae immer
im Winkel in den Sinus urogenitalis einmünden.
Warum der Sinus urogenitalis der Macropodinae in der Tat
imstande ist, den gesamten Penis in sich aufzunehmen, weiß ich
nicht. Die Moeropodinae besitzen den relativ kürzesten Uro-genital-
Kanal (Owen, v. d. BROER); indessen die Didelphiden einen sehr langen
Urogenital-Kanal haben.
b) Innerer Bau des Penis.
In der Struktur sowie im Verhalten der Corpora cavernosa zeigt
der Penis der verschiedenen Beutler nicht unerhebliche Differenzen,
so daß es wünschenswert ist, auch hier die einzelnen Species ge-
sondert zu besprechen.
Didelphys. Die beiden, von mächtigen Muskelkapseln um-
sebenen Schenkel des Corpus cavernosum urethrae vereinigen sich
median und umhüllen dann den Urogenital-Kanal mit einer breiten
Lage von großen und weiten Blutlacunen. Ein medianes Septum
fehlt, so daß von einer Zusammensetzung aus zwei Hälften nichts
zu selien ist. Die Blutlacunen werden von sehr platten Endothel-
zellen begrenzt und voneinander durch mächtige Bindegewebszüge
getrennt. Ich fand bei Didelphys kein Muskelgewebe als Wandung
der Lacunen. In den Bindegewebsbalken verlaufen hauptsächlich
arterielle Gefäße, welche als zuführende Gefäße des Corpus caver-
nosum urethrae zu betrachten sind. 1
An der Stelle, wo der Penis sich in seine zwei Spitzen teilt,
wird auch das Corpus cavernosum urethrae paarig. Die Lacunen
umgeben nicht nur die Rinnen, welche die Fortsetzung des Uro-
genital-Kanales bilden, sondern auch des C. cavern. penis und reichen
bis unter die Haut. Sie werden da von einer besonderen Arteria,
welche der Art. dorsalis penis homolog zu stellen ist, gespeist.
Die Corpora cavernosa penis sind paarig und symmetrisch.
Beide Crura treten in der Medianlinie zusammen, verlaufen durch
den einfachen Teil des Penis und setzen, wieder getrennt, ihren
Verlauf in die beiden Penisspitzen fort.
In den Corpora eavernosa penis von Didelphys spielen die Blut-
lacunen nur eine untergeordnete Rolle. Fast das ganze Gebilde ist
aus derben Bindegewebsbündeln aufgebaut und verdient vielmehr
374 A. J. P. v. d. Broek
den Namen Corpus fibrosum als Corpus cavernosum; nur in den
beiden Crura erreichen die Blutlaeunen einen größeren Umfang.
Dasyurus. Die Spitze des Penis ist ziemlich stark angeschwollen,
was seine Ursache in der mächtigen Ausbildung der Blutlacunen des
Corpus cavernosum urethrae hat, welche bis gegen die Haut reichen
und eine Glans penis vorstellen. Verfolgt man die Lacunen in der
Querschnittserie, dann sieht man, wie sie sich um den Urogenital-
Kanal konzentrieren. Ein Teil der Lacunen jedoch wird aus einer
besonderen Arteria dorsalis penis gespeist; sie zeigen damit das Ver-
halten der Lacunen der Glans penis des Menschen.
"Das Corpus cavernosum urethrae trennt sich an der Knickungs-
stelle des Penis in zwei Crura, welche bis zu den Tubera ischii zu
verfolgen sind. Im Centrum dieser Crura verläuft eine diekwandige
Arterie, ein Zweig der Art. hypogastrica und das zuführende Gefäß
für diesen Teil des C. ce. urethrae.
Bei Dasyurus besteht ein dritter Schwellkörper, der in der
Penistasche an der oralen Seite des Penis gelagert ist und frei
hervorragt. Betreffs der Genese dieses Schwellkörpers verweise ich
auf eine früher gegebene Darstellung (l. e. S. 351). Hier sei er-
wähnt, daß die den Schwellkörper anfüllenden Blutlacunen mit denen
des C. eavern. penis zusammenhängen, daß das ganze Gebilde also
als ein Produkt des letzteren aufzufassen ist.
Die Corpora eavernosa penis bestehen auch hier hauptsächlich
aus dicken und kräftigen Bindegewebsbündeln; die Blutlacunen
nehmen nur einen untergeordneten Teil des Schwellkörpers ein; auch
hier wäre die Bezeichnung Corpus fibrosum zutreffender.
Bei Phascologale sind die Penisspitzen getrennt. Jede Spitze
wird bis gegen die Haut von mächtig entfalteten Blutlacunen angefüllt,
welche von Zweigen der Art. dorsalis penis gespeist werden, also
als Corpus cavernosum glandis aufgefaßt werden können. Weiter am
Urogenital-Kanal entlang nimmt die Zahl der Lacunen im €. cavern.
urethrae ab, so daß dieser Traktus von nur wenigen Lumina um-
geben wird.
Die beiden Schenkel der Corpora cavernosa penis treten in der
Medianlinie zusammen und lagern dann als eine, auf Querschnitten
hufeisenförmige Masse oral vom Urogenital-Kanal. Am apicalen
Penisende trennt die Masse sieh wiederum in zwei Hälften, welche
im Centrum der großen Laeunen des ©. ce. urethrae (glandis) zu
den beiden Penisspitzen sich fortsetzen. An den (. e. penis ist eine
dieke Tuniea albuginea und eine centrale Masse zu erkennen.
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 375
Letztere wird hauptsächlich von Bindegewebe gebildet, und die Blut-
lacunen sind nur spärlich vorhanden. Es bildet sich bei Phascolo-
gale flaviceps kein besonderes Corpus eavernosum wie bei Dasyurus.
Bei Sminthopsis crassicaudatus, dessen Penis bei meinem Objekte
im Bindegewebe der Eetodäumwandung eingeschlossen liegt, bildet
sich auch ein Corpus cavernosum glandis aus, während das C. e.
urethrae durch nur wenige Blutlacunen dargestellt wird. Erst da,
wo sich der Schwellkörper in seine beiden Schenkel teilt, sind die
Laeunen reichlicher entwickelt. Beide Corpora cavernosa penis ver-
binden sich median und bilden eine einzige, auf Querschnitten huf-
eisenförmige Masse. Diese teilt sich am apicalen Penisende in zwei
Ausläufer.
Die Anlage eines dritten Schwellkörpers, ein Produkt des €. e.
penis, ist anwesend, nur ist es äußerst kurz.
Perameles. Beim Tiere von 11 cm sind Blutlacunen erst in den
beiden Schenkeln des C. carvern. urethrae aufgetreten; rings um
den Urogenital-Kanal findet man sie noch gar nicht. Die Corpora
cavernosa penis treten median zusammen und bilden oral vom Uro-
genital-Kanal einen einfachen fibrösen Strang. Auch hierin fehlen
Blutlacunen noch gänzlich.
Beim Tiere von 25 cm ist der periphere Teil das Penis in zwei
Hälften getrennt; eine jede Hälfte ist von einer eireulären Präputial-
lamelle umgeben.
Blutlacunen des Corp. cavern. urethrae sind auch hier haupt-
sächlich in beiden Crura dieses Schwellkörpers zu finden. Rings
um den (im Bindegewebe der Eetodäumwand gelagerten) Urogenital-
Kanal sieht man sie nur im Teile oberhalb der Präputiallamellen.
Die Crura der Corpora cavernosa penis treten in der Median-
linie zusammen; sie bilden dann eine den Urogenital-Kanal an
dessen oraler Seite hufeisenföürmig umgebende Masse, an welcher
die Bilateralität durch ein teilweises Septum hervortritt. Peripher
trennt sich dieser, fast ausschließlich bindegewebige Strang in zwei
Schenkel, welche sich je in eine Penisspitze fortsetzen. Ein jeder
Schenkel teilt sich an seinem Ende nochmals, so daß am Ende vier
Spitzen der C. ce. penis bestehen. Perameles unterscheidet sich also
von andern Beutlern, soweit ich sehe, durch das Fehlen eines C.
cavern. glandis. Ob die Blutlacunen später sich stärker entwickeln,
muß ich unentschieden lassen.
Im Baue des Penis von Phascolomys treten mehrere Eigentüm-
lichkeiten auf. Das Epithel der Penisoberfläche und der Penistasche,
376 Rd. By, duBrIoek
sowie das des Urogenital-Kanales ist durch den Besitz von Pigment
ausgezeichnet, welches sich in der Form von feinsten Körnchen in
den tieferen Zellagen vorfindet.
Die Lacunen des Corpus cavernosum urethrae sind mächtig ent-
wickelt und beherrschen die ganze Penislänge hindurch das Durch-
schnittsbild.
Beide Corpora cavernosa penis bleiben ihrer ganzen Länge nach
vollständig voneinander getrennt und verlaufen selbst in ziemlicher
Entfernung voneinander parallel durch den Penis. Beide sind von
den Lacunen des C. e. urethrae rings umgeben. Auch hier werden
die O©. e. penis größtenteils aus Bindegewebe geformt, während die
Lacunen nur spärlich vorhanden sind. |
In der Mitte ungefähr eines jeden Corpus cavernosum penis
liegt ein kurzer Stab aus hyalinem Knorpelgewebe. Auf Fig. 5,
Taf. V habe ieh den Querschnitt des Knorpelstabes bei stärkerer
Vergrößerung wiedergegeben. Phascolomys ist meines Wissens der
einzige Beutler, der Knorpelgewebe im Penis aufweist. Da das
untersuchte Tier völlig ausgewachsen war, so ist es nicht wahr-
scheinlich, daß dieser Knorpel sich noch in Knochengewebe umge-
wandelt haben würde.
Macropodinae. Ich beschreibe zunächst den Penis eines
jungen Macropus dorsalis, den ich in frischem Zustande konservieren
und in einer ununterbrochenen Serie von Querschnitten zerlegen
konnte.
Die äußere Bedeekung wird von einem mehrschichtigen Pflaster-
epithel gebildet, dessen oberste Lagen verhornt sind. Sie ist mit
großen gegen die Peniswurzel gerichteten Stacheln ziemlich dicht
besetzt. Das Corium besitzt ein kräftig entwickeltes Stratum
papillare. Die Papillen setzen sich bis in die Stacheln hinein fort.
Die Grundmasse des Penisgewebes ist ein dichtgefügtes Binde-
gewebe, in welches der Urogenital-Traktus und die Corpora caver-
nosa, sowie mehrere Gefäße und Nerven eingebettet sind.
Die Bindegewebsfibrillen verlaufen im allgemeinen eireulär. Ein
Corpus cavernosum urethrae ist als gut umgrenztes Gebiet (Fig. 17)
nicht nachzuweisen. In der Umgebung des Urogenital-Kanales sind
mehrere große Gefäßlumina zu erkennen (Fig. 17 e. e. «.). Eine be-
stimmte Abgrenzung gegen ihre Umgebung, sowie gegen eine Tunica-
albuginea, fehlt. Doch stellen diese Lumina, wie die Dureh-
musterung der Serie zeigt, in der Tat das Corpus cavernosum
urethrae dar. In der Nähe der Peniswurzel sammeln sich die Ge-
a
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 377
fäße um den Urogenital-Kanal und gehen schließlich in beide
Sehenkel dieses Sehwellkörpers über. Ein Teil der Lumina sammelt
sich zu einer Vena dorsalis penis, obwohl nicht kräftig entwickelt,
bilden sie doch ein C. eavernosum glandis. Zweierlei Blutlumina
sind zu unterscheiden. Erstens trifft man auf dem ganzen Quer-
schnitt bis in das Fig. 17.
Stratum papillare hin-
ein Lumina, welche
nun mit Endothel um-
randet sind; sie stellen
wohl Capillaren vor,
welche wahrscheinlich
für das Grundgewebe
des Penis dienen.
Zweitens liegen in der
Umgebung des Uro-
genital-Kanales die
erwähnten großen Lu-
mina. Obwohl Arterien
und Venenlumina mit ee 0 I €:
muskulösen Wandun- DE er N nn
gen angetroffen wer- AUNAN Iyldei
den, besitzt die Mehr-
zahl dieser Lunina
nur Wandungen von
Bindegewebszügen.
Durch festes Gefüge
en Querschnitt durch den Penis von NMacropus dorsalis jwvenilis.
und Kernreichtum las c.u.g. Urogenitalkanal; c.c.v. Lacunen des Corpus cavern. ure-
sen sich diese Binde- thrae; c.c.p. Corpus cavern. penis; s. Stacheln des Epithels (e)
gewebswandungen der 9. Grundgewebe des Penis.
Lumina vom umgebenden Gewebe unterscheiden.
Ganz anders gestalten sich die Corpora eavernosa penis. Dieht
oberhalb, d.h. oral vom Urogenital-Kanal findet man die im Penis
verlaufenden Teile der Corpora cavernosa penis. Es besteht im
Penis der Macropodinae eine Asymmetrie dieser Schwellkörper.
Eine mächtige Tunica albuginea begrenzt deren Umgebung.
Sie besteht aus festgefügten eireulären Bindegewebsfibrillen, zwischen
welche nur sehr spärlich Kerne eingestreut liegen.
Hin und wieder dringen von der Albuginea Septen ins Innere
des Corpus cavernosum. Die Grundmasse wird von einer kern-
ec.p.
IS DR RURSGETED,
SUN 77,07
URAN IE INGE
— aan (Als
378 A. J. P. v. d. Broek
reichen und dadurch dunkel tingierten Bindegewebsmasse gebildet.
In ihr finden sich ziemlich spärliche Blutlacunen. Diese sind mit
Endothel bekleidet. Eine Muskelwandung fehlt. Ich befinde mich
hiermit in Widerspruch mit den Angaben von DisseLHorsrt (10), der
die Lumina im Ü. ce. penis von Phalangista als »Schläuche von
glatter Muskulatur« bezeichnet (l. e. S. 145).
Dem Ü. eavern. penis gesellt sich in der Nähe der Peniswurzel
Fig. 18.
r.d. h
Ms ph.ci.
[9
‘|
Querschnitt durch die Geschlechtsorgane von Halmaturus thetidis, 5 19 em, vergr. 18. c.c.p. Corpus
cavern. penis; c.c.«. Corpus cavern. urethrae; c.u.y. Urogenitalkanal; »n.r.p. M. retractor penis;
r. Rectum; r.d. Rectaldrüse; m.sph.cl. M. sphincter cloacae. -
ein zweites C. cavern. hinzu. Dieser zweite Schwellkörper nimmt
bald an Mächtigkeit zu, bis die beiden ungefähr gleich groß sind.
Sie treten darauf in der Medianlinie zusammen und umgeben den
Urogenital-Kanal hufeisenförmig. An der Peniswurzel trennen sie
sich wieder voneinander, treten in die Crura ein, welche, von
mächtigen Muskelkapseln umgeben, bis zu den Tubera ischii verlaufe
Zur Orientierung über die gegenseitige Lagerung der Schwel
körper an der Peniswurzel gebe ich in Fig. 18 einen Querschnitt
dureh die äußeren Geschlechtsorgane von Halmaturus thetidis (19 em
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 379
wieder. Der Schnitt geht durch die Höhe der Einmündung der
Cowrerschen Drüsen.
Oral vom Urogenital-Kanal verbinden sich beide Schenkel der
Corpora cavernosa penis in der Medianlinie. Zwischen diesen und
dem Urogenital-Kanal liegen die Schenkel des Corp. cavern. urethrae.
Im Centrum der Crura des letzteren verläuft eine starke Arterie, ein
‚Zweig der Art. hypogastriea.
Überblicke ich die Anordnung der Corpora cavernosa im Penis
der Beutler, dann komme ich zu folgendem Ergebnisse.
1. Corpora eavernosa penis. Die von mächtigen Muskel-
kapseln umgebenen Schenkel dieser Schwellkörper verbinden sich
median zu einer einzigen Masse, welche den Urogenital-Kanal an
dessen dorsaler Seite hufeisenförmig umgibt (Didelphyidae, Dasyuri-
dae, Peramelidae, Macropodinae). Apical trennt sich diese Masse
wieder in zwei Hälften bei Formen mit getrennten Penisspitzen
(Didelphyidae, Phascologale, Dasyurus, Perameles [4]. Bei Macro-
podinae ist die Entwicklung der Crura asymmetrisch, indem nur
der linke Schenkel sich durch den ganzen Penis hindurch
fortsetzt.
Bei Phascolomidae bleiben die beiden Corpora cavernosa penis
gänzlich getrennt und weit voneinander entfernt.
Die C. e. penis besitzen eine mächtige Tunica albuginea; es
kommen in ihnen nur wenige Blutlacunen vor. Sie verdienen daher
mehr den Namen Corpus fibrosum als C. cavernosum.
2. Corpus cavernosum urethrae. Es besitzt gleichfalls
zwei von Muskeln umgebene Crura, welche median in. der Höhe
der Einmündung der Cowperschen Drüsen zusammentreten. Von
da an umgeben ihre Lacunen den Urogenital-Kanal in verschiedener
Ausdehnung. Eine Tunica albuginea als äußere Umgrenzung fehlt.
_ Apical schwillt es zu einem
3. Corpus cavernosum glandis an. Dieser Teil wird wie
beim Menschen von einer Art. dorsalis penis aus gespeist. Am ge-
ringsten entwickelt fand ich das ganze C. c. urethrae bei Perameles,
am stärksten bei Phascolomys..
4. Besondere Schwellkörper kommen als Differenzierungs-
produkte des C. c. penis bei einigen Dasyuridae (Dasyurus,
Sminthopsis) vor (Phascologale nach GERHARDT).
Was die Ontogenie der Schwellkörper betrifft, so zeigen die
Morpholog. Jahrbuch. 41. 25
380 A. J. P. v. d. Broek
Corpora cavernosa penis bei den jüngsten von mir untersuchten
Beuteljungen eigentlich schon dieselbe Form, welche sie im er-
wachsenen Tiere besitzen.
Bei kleinen Beuteljungen liegt oral von der Anlage des Uro-
genital-Kanales (bzw. der Phallusleiste) ein Strang dichtgefügter
mesodermaler Zellen, welcher sich in zwei Crura trennt, die bis in
die Nähe der Tubera ischii zu verfolgen sind. Am apicalen Ende
ist dieser Zellstrang bei den Formen mit getrennten Penisenden
zweigeteil. Auch bei Monodelphen bilden die später paarigen
Corpora cavernosa zuerst einen einheitlichen medianen Zellstrang,
worauf schon von NicoLAs, RETTERER, EICHBAUM, TOURNEUX und in
letzter Zeit von LICHTENBERG hingewiesen worden ist.
Erst ziemlich spät differenzieren sich aus dieser Anlage die
Corpora cavernosa penis. Erstens bilden sich die peripheren Zell- R
schichten in eine derbe Tunica albuginea um und zweitens ent-
stehen im Innern allmählich die Blutlacunen, und zwar wie mir
scheint, in der Richtung von der Peniswurzel zur Spitze hin. Die
Aufteilung des anfänglich einfachen Zellstranges in den paarigen
Schwellkörper ist eine verschiedene. Nur bei Phascolomys treten
schließlich zwei völlig getrennte Schwellkörper auf. Die Möglich-"
keit besteht, daß sie vielleicht schon vom ersten Auftreten an paarig
waren. Asymmetrisch gestalten sich die Penisschwellkörper bei den
Macropodinae. Während bei Beuteljungen die Anlage ganz sym-
metrisch ist, wird nach und nach der ganze im Penis verlaufende
Zellstrang in das linke C. cavern. penis übergeführt. Das rechte
erstreckt sich nur wenig in den Penis hinein (vgl. Beschreibung von
Macropus).
Hiermit tritt bei den Maeropodinae ein Zustand auf, wie er bei
den mit einem Penis versehenen Vögeln (Straußen, Enten, Gänsen)
vorkommt. Naeh der Beschreibung von JOHANNES MÜLLER ist der
Penis dieser Tiere jedoch mit »zwei an der Basis verwachsenen,
nach der Eichel zu asymmetrische Schenkel bildenden fibrösen
Körpern ausgestattet« (zit. nach PoMAYER). Eine gleiche Erscheinun
kommt bei einigen Säugetieren vor. Die Entwicklung des Corpu
cavernosum urethrae und des C. cav. glandis stimmt, soweit mein
Beobachtungen reichen, mit derjenigen bei monodelphen Säuger
und dem Menschen überein. Nur fehlt den Beutlern eine Tunie
albuginea als äußere Umgrenzung dieses Schwellkörpers.
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 381
Penistasche.
Der nicht erigierte, Penis liegt mehr oder weniger tief in einer
Tasche versteckt, welche ich als Penistasche bezeichnet habe. Ich
wählte diesen indifferenten Namen, weil mir die Bezeichnungen »Prä-
putialtasche« oder »Glandarium« nicht für alle Beutlerformen in
gleichem Maße berechtigt vorkamen. Die Genese der Penistasche
Fig. 19.
Querschnitte durch die Geschlechtsorgane von Didelphys aurita. 5 15 cm.
h. Lumen der Penistasche; ph. Phallus; pAl. Phallusleiste; c.«.g. Urogenital-Kanal; a. Sinusim Phallus,
kommt nämlich bei verschiedenen Beutlern nicht in derselben Weise
zustande.
Die primitivsten Verhältnisse, welche sich dem Monotremen-
zustande anschließen, zeigen die Didelphiden.
Der Penis, welcher bei kleinen Beuteljungen in der Form eines
konischen Zapfens frei hervorragt, wird bei Didelphys allmählich
von zwei Wülsten der seitlichen Ectodäumwandung umwachsen, welche
en 25*
38 A. J. P. v..d. Broek
sich, oral von ihm, in der. Medianlinie begegnen und hier mitein-
ander verwachsen. In Fig. 19 ist die Bildung der Penistasche beim
Beuteljungen von 15 cm zu sehen. In Fig. 19 A werden die getrenn-
ten Penisspitzen teilweise von den zwei Wülsten umgeben, welche
(Fig. 19 B—D) sich allmählich nähern und schließlich verschmelzen
(Fig. 19E).
Ob die so entstandene Penistasche sich später noch vertieft,
etwa dadurch, daß das Epithel der inneren Oberfläche in das Penis-
sewebe hineinwuchert (Glandarlamelle), muß ich unentschieden
lassen, obwohl es mir im Zusammenhang mit der Topographie der
den Penis aufbauenden Teile nicht sehr wahrscheinlich vorkommt.
Beim erwachsenen Didelphys beobachtet man bisweilen auf der vor-
deren Wandung der Penistasche eine Art Raphe, welche vielleicht
als das Produkt des Zusammenwachsens der zwei seitlichen Wülste
anzusehen ist. Diese Genese ist in zweierlei Hinsicht von Wichtig-
keit. Erstens führt sie uns einen Bildungsmodus vor Augen, wie
er nach KEIBELsS bekannten Untersuchungen teilweise bei Echidna
angetroffen wird (l. e. S. 193). Zweitens führt die Beobachtung zur
Erkennung der Tatsache, daß die Pars libera penis von Didelphys
dem ganzen, frei hervorragenden Phallushöcker entspricht. Eine
Teilung in sog. Glans und Glandarium im Sinne FLEISCHMANNS
durch Hineinwucherung einer Glandarlamelle trifft höchstens für
einen kleinen Teil der Pars libera zu; daher kann diese auch nicht
ohne weiteres der Glans penis (nach FLEISCHMANN) andrer Säuger
homolog sein.
Bei Dasyurus ist die Genese der Penistasche eine andre. Meinen
früheren Beschreibungen (l. e. S. 304) entnehme ich folgendes. Beim
männlichen Beuteljungen von 19,6 mm ist eine epitheliale Glandar-
lamelle eben aufgetreten; sie hat eine Höhe von 45 u und ist 150 u
von der Penisspitze entfernt. Diese Lamelle trennt also einen cen-
tralen Mesodermkern von einer peripheren Schicht. Nach FLEıscH-
MANN konnte man hier von einer Glans und einem Glandarium reden.
Der Penis wächst zunächst stark in die Länge, beim Beuteljungen
von 53 mm fängt die Glandarlamelle sogar erst 630 « von der Penis-
spitze entfernt an. Sie hat inzwischen auch an Länge zugenommen,
da sie eine Strecke von 795 u in das Penisgewebe eindringt. Bei’
der weiteren Entwicklung haben wir dann einen doppelten Pro-
zeß zu unterscheiden. Durch tieferes Eindringen der Glandar-
lamelle wird ein immer größerer Teil des Penis im centralen Teil
(Pars libera) von einer peripheren Hülle (Penistasche) getrennt. Y
Pr
Ya
Pi
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 383
Die Wandung der Penistasche wächst viel schneller als der
Penis, wodurch der erst frei hervorragende Penisabschnitt allmäh-
lich in die Penistasche hineinbezogen wird, bis schließlich der ganze
Penis von der äußeren Körperoberfläche verschwunden ist. Es sind
also am Penis von Dasyurus eigentlich zwei Teile zu unterscheiden,
Fig. 20.
A ekt. _E ekt,
E
B ekt.
r.
F pP
®
c.u.g.
p.
D 7
G p
c.u.g.
Querschnitte durch die männlichen Geschlechtsorgane von Sminthopsis crassicaudatus. ekt. Eetodäum;
pr. Proctodäum; c.u.g. Urogerital-Kanal; p. Penis.
der apicale Teil, der von der Wandung der Penistasche umwachsen
wird, und ein andrer Teil, welcher durch Einwucherung des Epithels
der Glandarlamelle aus seiner Umgebung herausgeschält worden ist.
‚Äußerlich ist am Penis des erwachsenen Tieres keine Grenze zwi-
schen diesen zwei Abschnitten zu beobachten. Beim ältesten, mir
zur Verfügung stehenden Beuteljungen von Dasyurus (53 mm) umgab
384 A. J. P. v. d. Broek
die Glandarlamelle noch nicht die ganze Peniseireumferenz, so daß
ich nieht die Bildung einer Raphe (praeputii) habe wahrnehmen
können.
Der dritte Schwellkörper bei Dasyurus entsteht dadurch, daß
eine ringförmige Epithelmasse in das Phallusgewebe hineinwuchert.
Diese epitheliale Doppellamelle liegt in der Mitte der Glandarlamelle
und an der oralen Seite des Penis (vgl. 1. e. Fig. 24). Nach Ab-
lösung der Epithelien liegt dann der dritte Schwellkörper oral vom
Penis in der Penistasche.
Querschnitt durch den Penis von Sminthopsis crassicaudatus. Verg.115. c.c.g. Corp. cavern. glandis
9. . Glandarlamelle; c.c.p. Corp. cavern. penis, phl. Phallusleiste; e. Lumen des Ectodäums.
Die Genese der Penistasche bei Phascologale ist der von Dasy-
urus sehr ähnlich. Versehieden davon ist der Befund bei Smin-
thopsis crassicaudatus. Das bei diesem Tiere gefundene Verhalte
führt hinüber zu dem Zustande, der für Perameles charakteristisch i
Der Penis (und Clitoris) von Sminthopsis ist nicht frei, sonde
liegt im Bindegewebe der oralen Eetodäumwandung eingebettet.
Durehmustert man die Querschnittserie von der Penisapex
dann fällt zuerst auf, daß es nicht eine, sondern zwei Gland:
lamellen gibt. Eine jede umgibt eine der Penisspitzen (Fig. 20
Nach einigen Schnitten tritt sogar eine dritte, zwischen beiden Gl
darlamellen gelagerte epitheliale Doppellamelle auf (Fig. 20D). 1
innerhalb dieser Lamelle befindliche Gewebe unterscheidet sich von
sehr kleinen Organ ein Ho-
mologon des dritten Corpus
cavernosum von Dasyurus
‚erblicke. Nach einigen
| Schnitten verbinden sich
die drei epithelialen La-
\ mellen miteinander, und es
snitiert daraus eine ein-
zige, hufeisenförmig ge-
‚ staltete Glandarlamelle, wie
"sie in Fig. 21 dargestellt
ist. Diese ist, allmählich
an Ausdehnung sich verrin-
gernd, durch viele Schnitte
zu verfolgen. Nur durch
‚Lösung der Epithelien kann
‚ bei diesem Tiere, ebenso wie
bei Perameles der Penis be-
weglich werden und aus der
Penistasche hervorgestreckt
werden. Es besteht ein gut
entwickelter M. retractor
penis.
Entwicklungsvorgänge
bei Perameless. Der ur-
sprünglich frei hervorra-
gende Phallus wird erst all-
mählich in das Gewebe der
oralen Ecetodäumwandung
aulgenommen. Das Epithel,
das die anfangs freie Phallus-
oberfläche bedeckt, scheint
nn — m
Perameles 11 em). Erst
später wachsen, wie mir
Pe.
Su
cheinen will, von der Wan-
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 385
Penisspitzen dadurch, daß es kein Corpus cavernosum enthält. Ich
glaube nicht zu irren, wenn ich in diesem, allerdings bei Sminthopsis
Fig. 22.
\ Be). “in c.u.g.
Querschnitte durch die Geschlechtsorgane von Perameles.
5»Bem. ekt. Ectodäum; v.f. ventrale Falte; v.r. ventrale
Rinne; phl. Phallus; p. Präputiallamelle; pr. Procto-
däum; c.u.g. Urogenital-Kanal.
lung des Eetodäums ausgehend, zwei Glandarlamellen nach innen.
°se sind cireulär, berühren sich in der Medianlinie und stehen
386 A. J. P. v. d. Broek
an der Penisspitze mit dem Epithel der Ectodäumwandung im Zu-
sammenhang (Perameles von 25 cm). Perameles unterscheidet
sich hierin wesentlich von andern Beutlern. Erstens haben wir,
gewiß wohl als große Ausnahme, die Bildung von zwei Glandar-
lamellen zu verzeichnen. Werden später durch die Delamination der
Epithelien von den Glandarlamellen die von ihnen umschlossenen
Penisabschnitte beweglich, dann treten getrennte Penisspitzen auf.
Diese sind bei Perameles jedoch genetisch- nicht mit den getrennten
Penisspitzen von Didelphys homolog. Indem sie bei dieser Form
durch Delamination der Zellen von der Phallusleiste entstehen,
eine jede Penisspitze also die Hälfte des ursprünglichen Phallus-
höckers vorstellt, kommt, die Bildung bei Perameles durch die
Einwucherung der zwei Glandarlamellen zustande. Eine jede der
so entstandenen Penisspitzen enthält bei Perameles Corpora cavernosa
und einen Epithelstrang; letzterer ist ein Produkt der Phallus-
leiste und stellt die Anlage der Samenröhre vor. Erst später be-
kommt sie ein Lumen. (Vergl. Fig. 22.)
Den Beschreibungen von Hırn nach tritt auch beim weiblichen
Geschlechte eine doppelte Glandarlamelle auf. Anscheinend lösen
sich die Zellen dieser Doppellamellen nicht, und es bleibt die
Clitoris also zeitlebens an die vordere Wand des Eetodäums ange-
schlossen. Beim erwachsenen Perameles- Weibchen zeichnet HırLL
die zwei Glandarlamellen ebenso, wie ich sie beim Männchen von
25 em antreffe. i
Von den Phascolomidae stand mir kein entwieklungsgeschicht-
liches Material zu Gebote; ich kann daher nur einige Mitteilungen
über die Penistasche beim erwachsenen Tiere machen. Diese ist,
wie Fig. 4 auf Taf. V zeigt, sehr tief. Die kurze, dicke Pars libera
penis füllt sie nur teilweise. Bei Betrachtung der inneren Ober-
fläche der Tasche fällt sofort das verschiedene Aussehen zweier Teile
auf. Die den Penis umgebende obere Hälfte der Tasche zeigt eine
fast vollkommen glatte Oberfläche, welche keine Stacheln trägt. Die
untere dagegen besitzt eine stark gerunzelte Oberfläche, welche an
der äußeren Öffnung allmächlich in die äußere Haut übergeht. Ihre
Oberfläche besitzt Haare. Auch die Penisoberfläche läßt deutlich
zwei Teile unterscheiden. Der obere ist glatt und mit Stacheln be-
setzt, der untere, nur die Spitze einnehmende Teil besitzt solche
nicht.
Ich habe die zwei Teile der Penistasche deswegen so scharf
unterschieden, weil ich meine, daß sie genetisch wohl zu trennen
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 387
sind. Doch werde ich das näher bei Besprechung der Genese
der Penistasche bei den Phalangeridae erörtern.
Es kommen bei den Vertretern der drei Gruppen der Phalan-
geridae keine Unterschiede in der Bildung einer Penistasche vor.
Ich kann mich daher auf die Beschreibung einer einzigen Species
beschränken. Ich wähle dafür Halmaturus thetidıs.
Die Anlage einer Penistasche tritt ziemlich spät auf, bei einem
Beuteljungen von 10,4 em besteht sie noch nicht. Bei ihm ragt der Penis
noch weit über die Oberfläche der Eetodäumwandung hervor (540 u).
Bei einem Beuteljungen von 16,4 cm besteht eine Glandarlamelle
in einer Ausdehnung von 560 u. Die Lamelle dringt in einer Ent-
fernung von 1280 « von der Penisspitze in das Penisgewebe ein;
äußerlich ist diese Stelle durch eine Furche auf der Oberfläche des
Penis bemerkbar. Nur im meist apicalen Teile ist diese Furche
eine eirculäre, höher hinauf ist sie immer mehr auf die orale Penis-
oberfläche beschränkt.
Wie die Querschnitte aus verschiedenen Stadien lehren, um-
wächst die Glandarlamelle erst allmählich die Peniscircumferenz
von der Spitze zur Wurzel hin. Beide Ränder treten an der rec-
talen Seite in einer Raphe zusammen, wie es für verschiedene mo-
nodelphe Säuger (Schaf, Cavia, Katze) in den Arbeiten FLEISCHMANNS
auseinandergesetzt ist. Die Querschnitte lehren uns des weiteren,
daß der oral aus der Phallusleiste in das Penisgewebe hineinwach-
sende Zellstrang ganz in demjenigen Penisabschnitte gelagert ist,
der außerhalb der Anfangsstelle der Glandarlamelle sich befindet,
also in der frei hervorragenden Penisspitze.
Beim Beuteljungen von 18,5 cm verhalten sich die unterschie-
denen Teile folgendermaßen. Die Glandarlamelle hat eine Höhe
von 840 u erreicht; die Stelle, wo sie in das Gewebe des Penis ein-
dringt, ist 3400 « von der Spitze entfernt. Hieraus ist der Schluß
zu ziehen, daß nicht allein die Höhe der Glandarlamelle zugenom-
men hat, sondern daß auch der apical von ihr gelagerte Penisab-
schnitt ziemlich stark gewachsen ist. Dieses Wachstum geht weiter
aus der Tatsache hervor, daß der ebenerwähnte Zellstrang noch
immer in der freien Penisapex sich befindet, obwohl er an Länge
zugenommen und ein Lumen bekommen hat.
Schreiten wir jetzt zum Beuteljungen von 19,5 em. Die Höhe
der Glandarlamelle beträgt jetzt 4700 u, ihr Abstand von der Penis-
spitze ist 400 u. Wiederum also eine Höhenzunahme der Glandar-
lamelle. Doch ist dem vorigen Beuteljungen gegenüber eine Ände-
388 A. J. P. v. d. Broek
rung aufgetreten. Während beim Beuteljungen von 18,5 cm der
erwähnte Zellstrang bzw. Blindkanal apical vom Rande der Glandar-
lamelle liegt, findet man jetzt die Stelle, wo diese Lamelle anfängt,
mit der Bifureationsstelle des Urogenitalkanals fast in gleicher Höhe.
Das bedeutet, daß der Blindkanal jetzt fast ganz in dem Teile des
Penis lagert, der von einer Glandarlamelle umgeben ist. Diese
Umbildung der Topographie kann nur in einer Weise zustande ge-
kommen sein, nämlich dadurch, daß neben einer Einwachsung der
Lamelle in das Penisgewebe auch eine Umwachsung der Penisspitze
durch das umgebende Gewebe stattgefunden hat. Diese Umwachsung
geht langsam weiter, sie führt zu einer allmählichen Aufnahme
der Spitze in die Penistasche, so daß beim erwachsenen Tiere der
ganze Penis in der Tasche versteckt liegt.
Öffnet man die Penistasche von Halmaturus, dann sind an der
Innenfläche wieder zwei Teile zu unterscheiden, welche durch das
Öberflächenrelief sich unterscheiden. Der obere, den größten Teil
des Penis umgebende Teil besitzt ein fast glattes, der Penisober-
fläche ähnelndes Aussehen; der untere Teil hat eine gerunzelte Ober-
fläche, welche mehr mit der äußeren Hautbedeckung übereinstimmt.
Wahrscheinlich sind dies die beiden in ihrer Genese differenten Ab-
schnitte.
Canalis urogenitalis.
Ich werde bei dessen Beschreibung zwei Abschnitte unterscheiden:
1. den vom Anfange bis zur Einmündungsstelle der Cowperschen
Drüsen und 2. den von letztgenannter Stelle bis zur äußeren Öff-
nung gelangenden Abschnitt.
1. Craniale Hälfte. Die obere Hälfte des Urogenital-Kanales
ist ein Produkt des entodermalen Sinus urogenitalis und gestaltet
sich bei den verschiedenen Species zu einem Kanal von verschiedener
Form und Länge.
Bei Didelphiden ist er ein dicker, caudalwärts sich ein wenig
verjüngender Schlauch. Das untere Ende liegt ungefähr in der Höhe
des Unterrandes der Symphyse. Der Übergang von der Blase in den
Urogenital-Kanal überragt den oberen Symphysenrand beträchtlich
(Fig. 23). Der sehr lange Traetus verläuft dabei nicht gerade, son-
dern besitzt in seiner oberen Hälfte eine spiralige Drehung; von
einem verticalen Verlaufe biegt er plötzlich horizontal um und zieht
nach kurzem horizontalen Verlaufe in der ursprünglichen Richtung‘
weiter (Fig. 23). Diese Drehung liegt im intraperitonealen Teile des
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 389
Urogenital-Tractus. Bei den übrigen Beutlern ist der Urogenital-
Kanal verhältnismäßig viel kürzer. Am besten ist die Form einem
Keile zu vergleichen, der mit seiner Basis eranialwärts steht und
dessen Spitze an der Einmündungsstelle der Cowrerschen Drüsen
liegt. Der ganze Traetus verläuft gestreckt hinter der Symphyse
und kommt in seiner Länge ungefähr mit der Höhe der Symphyse
überein. Er ist mit letzterer durch lockeres Bindegewebe verbunden.
Strafferes Gewebe fand ich, namentlich bei Ma- Fir. 23.
eropodinae, nur zwischenunterem Symphysenrand
und Wandung des Urogenital-Kanales.
Außer bei den ebenerwähnten Didelphiden
liegt der ganze Urogenital-Kanal extraperitoneal.
Seine Form wird fast ausschließlich durch die
excessive Entwicklung der Gl. urethrales (und der
Prostata bei Macropus) bedingt. Für die Be-
schreibung dieser Drüsen verweise ich auf das
Kapitel »Accessorische Geschlechtsdrüsen«.
Durch die allmähliche Reduction der Drüsen in
caudaler Richtung verjüngt sich der Urogenital-
Kanal in derselben Richtung. Im alleruntersten ana von Didapmae mar
Teile fehlen die Drüsen. Außen wird die Drüsen- swpialis. — Grenze der
schicht von glatter Muskulatur umgeben, deren a ann et
Bündel in transversaler Richtung verlaufen.
Früher habe ich sie als M. eircularis urethrae unterschieden.
OuDEMmAns hat im obersten Teile des Urogenital-Kanales von Pera-
meles einen quergestreiften Muskel gefunden und als M. urethralis
beschrieben, der den andern Marsupialiern vollständig fehlt.
Das Lumen des Urogenital-Kanales ist, abgesehen vom ober-
sten Teile, wo die Ductus deferentes einmünden, von ziemlich glei-
chem Umfange. Die Schleimhaut bildet im allgemeinen längsver-
laufend eFalten, wodurch das Lumen auf Querschnitten sich mehr oder
weniger sternförmig gestaltet. Es ist mit einem mehrschichtigen
Epithel austapeziert.
Die Öffnungen der Urethraldrüsen sind als feine Pünktchen
‚schon mit unbewaffnetem Auge auf der Schleimhautoberfläche zu
sehen. Eine besondere Besprechung erheischt der oberste Teil des
Urogenital-Kanales mit den Einmündungsstellen der Ductus defe-
rentes, wo das Lumen mehr oder weniger spindelförmig erweitert
ist. Bei Didelphys ragen auf der dorsalen Wand dieses Teiles zwei
ziemlich lange und schmale Papillen hervor, welche mit schräg caudal-
—
390 A. J. P. v. d. Broek
wärts gerichteten Ostien in den Urogenital-Kanal einmünden. Es sind
dies die beiden, sich in das Lumen hinein erstreckenden Enden der
Ductus deferentes (Fig. 6, Taf. V).
Bei Dasyurus münden letztere dicht nebeneinander auf einer,
von der dorsalen Oberfläche des Urogenital-Kanales in das Lumen
hineinragenden Erhöhung, welcher der Namen Colliculus seminalis
beizulegen ist. Gleiches findet sich bei Perameles. |
Einen großen und gut ausgebildeten Colliculus seminalis besitzt
Phascolomys (Fig. 7, Taf. V). Der Urogenital-Kanal ist im obersten
Teile stark spindelförmig erweitert. Von der dorsalen Wand ragt
hier ein länglich ovoider Schleimhautwulst in das Lumen des Ka-
nales, der sich nach oben zu in das Schleimhautgebiet des Trigonum
Lieutaudi fortsetzt. Nach unten geht er in eine kräftige Längsfalte
im Urogenital-Kanale über, welche caudalwärts allmählich niedriger
wird. In der Mitte dieses Hügels lagern die Ostien der Samenleiter,
ferner sind auf der Oberfläche (außer zwischen den beiden Ostien
der Ductus deferentes) die Öffnungen von Urethraldrüsen zu erkennen.
Auf der Mitte des Collieulus zwischen den zwei Ostien ist noch eine
schmale Längsfalte der Schleimhaut zu sehen.
Den Phalangerinae kommt ein Collieulus seminalis zu, doch
scheint er nicht so kräftig ausgebildet zu sein wie bei Phascolomys.
Bei einem Phalangista vulpina von 11 cm (Beuteljunges), mündeten
die Ductus deferentes auf der Oberfläche des Collieulus seminalis,
bei einem erwachsenen Phalangista lemurina sah ich einen läng-
lichen und schmalen Colliculus, daneben auf kurzen Papillen die
Östien der Ductus deferentes (Fig. 8, Taf. V).
Hypsiprymmus bildet eine Ausnahme. Obwohl der craniale Teil
des Urogenital-Kanales eine selbst stark ausgesprochene Erweiterung
besitzt (vgl. Fig. 9 auf Taf. V), ist von einem Colliculus seminalis'
nichts zu sehen. Dagegen hängen, von der dorsalen Wand des Ver-
bindungsstückes zwischen Blase und Urogenital-Kanal ausgehend,
zwei mächtige und einander angelagerte Papillen mit eaudalwärts
gerichteten Ostien in das Lumen des Urogenital-Kanales vor.
Den Maeropodinae kommt ein Collieulus seminalis in typischer
Ausbildung zu. j
Ich konnte die Entwicklung des Samenhügels an den Beutel-
Jungen von Halmaturus thetidis studieren und gebe zunächst meine
Befunde wieder. Bei einem Beuteljungen von 28mm münden die
beiden Worrrschen Gänge in der lateralen Wand des Sinus uro-
genitalis, etwas der dorsalen Seite genähert. Die zwischen beiden
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 391
Gängen gelagerte Wandstrecke ist nicht in das Lumen des Sinus
vorgebuchtet; es besteht also noch kein Collieulus seminalis. (Fig. 28a.)
Hierin zeigt Halmaturus Übereinstimmung mit monodelphen Säugern
und dem Menschen, denn nach FELIX (l. ce. S. 438) findet »beim Men-
schen der Durchbruch der Worrrschen Gänge in die Oloake auf-
fallend weit caudal und ventral statt; ihre spätere dorsale Lage zur
Fig. 24.
Entwicklung des Colliculus seminalis bei Halmaturus thetidis. A Beuteljunges 23 mm; B Beutel-
Junges 32 mm; © Beuteljunges 104 mm; D Beuteljunges 164 mm; E Beuteljunges 190 mm.
Harnblasen-Harnröhrenanlage können wir wohl nur durch die An-
nahme erklären, daß die Wandstrecke der Cloakenwand zwischen
der Mündung des primitiven Harnleiters und dem lateralen Umfang
der Cloakenmembran stärker als ihre Umgebung wächst und so die
Mündung dorsalwärts verlagert«.
Beim Beuteljungen von 32 mm münden die WoLrrschen Gänge
bereits auf der dorsalen Wandung des Urogenital-Sinus aus. Die
Wandstrecke zwischen den beiderseitigen Einmündungsstellen buchtet
sich konvex in das Lumen vor (Fig. 24B). Diese Einbuchtung wird
392 A. J. P. v. d. Broek
_
eranialwärts sowie caudalwärts niedriger, d. h. es hat sich schon ein
Collieulus seminalis ausgebildet. Der Abstand zwischen beiden Ein-
mündungsstellen hat sich indessen nicht vergrößert, er ist derselbe
wie beim Beuteljungen von 28 mm.
Auf Figur 24 C, welche das eines Beuteljungen von 10,4 em
wiedergiebt, münden die WoLrrschen Gänge bereits auf den Samen-
hügel. Ihre Ostien sind lateralwärts gerichtet. Auch hier ist deren
Abstand noch ebenso groß wie beim vorigen Beuteljungen, obwohl
der Umfang des Urogenital-Traetus stark zugenommen hat. Die
Anlagen der Urethraldrüsen liegen lateral von den Wourrschen
Gängen. Beim Beuteljungen von 16,4 em hat der Colliculus
seminalis an Ausdehnung stark zugenommen (Fig. 24D). Die
Worrrschen Gänge münden an der Übergangsstelle der vorderen
und seitlichen Wandung des Samenhügels aus. Die Urethraldrüsen-
anlagen sind noch nicht auf den Colliculus gerückt. Beim Tierchen
von 19 em ist der bleibende Zustand erreicht. Die Ductus deferentes
münden, noch immer in derselben Entfernung voneinander, auf der
vorderen Wand des Colliculus seminalis aus. Auch hier bleibt das
Gebiet des Samenhügels noch frei von Urethraldrüsen.
Wir ersehen hieraus, daß ein Collieulus seminalis dadurch ent-
steht, daß die anfangs konkave Wandstrecke zwischen beiden WOLFF-
schen Gängen konvex in das Lumen des Sinus urogenitalis vor-
buchtet. Diese Wandstrecke wächst bei der weiteren Entwicklung
nicht mehr. Indem sich nach und nach ein immer größerer Teil
der Wandung in das Lumen des Urogenital-Tractus vorbuchtet, werden
die Ostien der Ductus deferentes allmählich auf den Samenhügel
verlegt.
Daß kein Zusammenhang zwischen Bildung des Collieulus
seminalis und Herantreten der MürLerschen Gänge an die dorsale
Wandung des Urogenital-Tratus besteht, geht aus dem oben Gesagten
deutlich hervor. Erstens ist ein Collieulus seminalis bereits vorhanden,
bevor die Mürnerschen Gänge sich voll entwickelt haben, und
zweitens sehen wir einen gut ausgebildeten Samenhügel auch bei
den Macropodinae, bei denen die MüLterschen Gänge niemals den
Urogenital-Sinus erreichen, sondern in die WoLrrschen Gänge au
münden. Daß in dieser Hinsicht die Beutler nieht ganz isoliert da-
stehen, geht aus den Beschreibungen von KwWIETNIEWSKI (21) hervor,
der bei Cavia von einem Collieulus seminalis spricht, noch bevor sich
die Müruerschen Gänge entwickelt haben (Embryo von 15 mm)
(l. c. S. 242.)
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 393
Der Collieulus seminalis hat somit eine andre Bedeutung als
diejenige, welche ihm, hauptsächlich auf Grund der Untersuchungen
MiHALKOVICs, KEIBELS u. a., zugeschrieben ist. FELIx sagt hierüber
(l.e.S. 77) »An der dorsalen Wand des Sinus urogenitalis angelangt,
brechen die MüLLerschen Gänge nicht sofort durch, sondern bleiben
eine lange Zeit blind geschlossen liegen. Vor ihrem Durchbruch
buchten sie die Wand des Sinus ein und bilden eine Papille, auf
welcher später die gemeinsame Mündung erfolgt. Die Papille hat
v. Mınarkovic den Mürterschen Hügel getauft.«
Es erhebt sich die Frage, welche Ursache für das Auftreten
eines Colliculus seminalis besteht, und welche Bedeutung ihm zu-
kommt. Die Antwort auf diese Frage würde den Rahmen vorliegender
Arbeit überschreiten. Ausgebreitetere vergleichende Untersuchungen
haben die Bedeutung des Samenhügels ans Licht zu stellen. Wir
können nur feststellen, daß der Collieulus seminalis eine, wahrschein-
lich allen Säugetieren außer den Monotremen zukommende Ein-
richtung im Urogenital-Kanal ist.
2. Caudale Hälfte des Urogenital-Kanales. Die ‘caudale
Hälfte des Urogenital-Kanales liegt zwischen Einmündungsstelle
der Cowrerschen Drüsen und äußerer Öffnung. Zum richtigen Ver-
ständnisse der Bilder, welche uns beim Studium dieses Abschnittes
vor Augen treten, ist es unumgänglich nötig, die ÖOntogenie der
betreffenden Teile heranzuziehen. Erst dadurch ist man imstande,
‚eine Erklärung für den so abweichenden Bau des Urogenital-
'Kanales bei den verschiedenen Beutlern zugeben. Daneben scheinen
mir die Befunde bei Marsupialiern wichtig auch für die Deutung
und Homologisierung des caudalen Teiles des Urogenital-Kanales
bei andern Säugern und dem Menschen. An andrer Stelle habe
ich (5) kurz über die Entwicklungsgeschichte des Urogenital-Kanales
bei drei Beutlerformen (Perameles, Didelphys, Halmaturus) berichtet
und meine Ansichten über das Wesen dieses Tractus auseinander-
‚gesetzt. Ich beginne die Beschreibung mit der Gattung Perameles:
Das jüngste von mir untersuchte Objekt hat eine Länge von
50 mm!. Das apieale Ende des frei hervorragenden Phallus wird
durch die Phallusleiste? (Fig. 25pAl) in zwei Hälften zerlegt. Gegen
die Wurzel des Phallus hin schneidet die Leiste von der reetalen
YH
ı Fadenlänge von der Schnauzenspitze bis zur Schwanzwurzel.
2 Phallusleiste (FLEISCHMANN) —= bouchon eloacal, lame eloacale, lame ur£-
thrale (ToURNEUx), Cloakenplatte, Urogenital-Platte (KEıBeL, Disse), Urethral-
leiste (PascHkıs), Cloakenseptum (REICHEL), Urethralplatte (LICHTENBERG).
N
ii
394 A. J. P. v. d. Broek
Oberfläche ein und ist an ihrem Ende gabelig geteilt (Fig. 25B).
Sobald der Phallus in die orale Afterlippe übergegangen ist,
(Fig. 25 0), tritt in dem sehr@dicken Epithellager, welches die
Querschnitte durch die äußeren Geschlechtsorgane von Perameles. 5 50 mm. pAl. Phallusleiste;
ekt. Ectodäum; g.r. Rectaldrüsenanlage; c.u.g. Urogenital-Kanal; pr. Proctodäum; s.f. Mesoderm-
masse von der seitlichen Wand des Ectodäums; r. Rectum; c.d. Cowrexsche Drüse.
rectale Phallusoberfläche bedeckt, eine Spalte auf (Fig. 25 C, e. «. g.),
welche die äußere Öffnung des Tractus urogenitalis ist. Wie der
Fig. 250 zu entnehmen ist, ist die epitheliale Bekleidung der in
das Eetodäum schauenden Phallusoberfläche sehr viel dicker als die-
jenige des übrigen Teiles. Nach einigen Schnitten wird das Lumen
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Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 395
des Urogenital-Kanales von der Oberfläche durch zwei mesodermale
Massen abgeschnürt, welche von den seitlichen Wandungen des Ecto-
däums medianwärts vorragen und sich miteinander verbinden. In
Fig. 25D sind sie beinahe miteinander verschmolzen. In dieser
Weise kommt das Lumen des Urogenital-Kanales erst im Gebiete
des Epithels zustande, welches die reetale Phallusoberfläche be-
deckt (Fig. 25D). Sobald sich durch Vereinigung der Mesoderm-
massen in der Medianlinie Proctodäum (Fig. 253E pr) und Urogenital-
Kanal (c.w.g.) voneinander getrennt haben, sind an letzterem zwei
Teile zu erkennen, erstens der von Ectoderm umrandete Kanal,
zweitens eine der oralen Wand dieses Kanales aufsitzende Doppel-
lamelle, welche die Fortsetzung der Phallusleiste darstellt.
Im mikroskopischen Bilde sind diese zwei Teile scharf gegen-
einander begrenzt, wie Fig. 10 auf Tafel V lehrt. Der Urogenital-
Kanal wird von mehreren Schichten eirculär gelagerter platter,
großer und blasser Zellen umrandet. Die tiefsten Zellschichten sind
nicht sehr scharf gegen das untenliegende Bindegewebe abzugrenzen.
Die Bindegewebskerne liegen an der rectalen Seite des Urogenital-
Kanales (in der Figur nach oben) deutlich wie in Strömen zur Median-
linie hin gerichtet; sie sind daselbst nieht so dicht wie im Gebiete
der Phallusleiste gelegen. Diese sitzt der oralen Urogenital-Wand
auf und besteht, außer einem doppelten Stratum germinativum aus
einigen Schichten dunkel tingierter Zellen, welche durch diese Färbung
sich scharf gegen die blasseren Zellen des Urogenital-Epithels ab-
grenzen.
Während an dem vorzüglich konservierten Objekt an keiner
Stelle Retraction vom Epithel des Urogenital-Kanales vom umgebenden
Bindegewebe sich vorfindet, hat sich das Epithel der Phallusleiste
an einigen Stellen vom Bindegewebe zurückgezogen (vergl. Fig. 10,
Taf. V). Daß diese Retraction nieht die Ursache für die tiefere
_ Färbung ist, beweisen die Stellen, wo eine derartige Retraction nicht
besteht, und trotzdem die Tinktion gleich dunkel ist.
Dieser Aufbau des Urogenital-Kanales bleibt, abgesehen von
einer etwas abnehmenden Höhe der Phallusleiste bis zur Einmündungs-
‚ stelle der Cowrerschen Drüsen (Fig. 257) bestehen. Hier weichen
die Blätter der Phallusleiste auseinander und gehen in die Wandung
‚des entodermalen Teiles des Urogenital-Kanales über.
Die Cowrerschen Drüsen münden im ectodermalen Teile des
‚ Urogenital-Kanales aus, d.h. in dem Teile, welchen wir als vom
Ectodäum abgeschnürt erkannt ‚haben.
Morpholog. Jahrbuch. 41. 26
396 A. J. P. v. d. Broek
Auf Fig. 26 habe ich versucht, den eben beschriebenen Zustand
an einem schematischen Längsschnitte wiederzugeben. Für dieses
Schema, sowie für die Schemata der folgenden zu beschreibenden
Formen gilt, daß die Phallusleiste und ihre Produkte sowie das
übrige Entoderm gestrichelt,
das Ectoderm als durchge-
zogene Linie und das Corpus
cavernosum doppelt schraf-
fiert dargestellt sind. Bei
einem _ Perameles - Beutel-
_ Jungen von 11 cm liegt ein
an on Fo Ds an. cn On ganz andrer Zustand wor
cavern,; phl. Phallusleiste; c.u.g. Urogenital-Kanal; . Von einem frei hervorra-
Rectum; c.d. Cowpessche Drüse, .
genden Phallus ist nichts
zu sehen. Der konische Colliculus urogenitalis trägt eine ein-
fache etwa trapezförmige Öffnung. Die ersten Schnitte durch
den Colliculus urogenitalis geben uns das Bild der Figur 274.
Das Lumen des Eetodäums ist etwa trapezförmig, die schmälere
Seite liegt oral, die breitere Basis rectal. Die Mitte der oralen
Wandung trägt eine schmale und hohe Falte (v. f.) auf deren etwas
verbreiterter Spitze eine starke Ecetodermwucherung, die Spitze des
Phallus, sitzt (Fig. 27pk). Der ursprünglich frei hervorragende
Phallus ist also bei Perameles sekundär mit der ventralen Wand des
Eetodäums in Zusammenhang getreten. Auf Figur 27B wird der
Phallus (ph) schon weit mehr wie bei A von der eben erwähnten
Falte der oralen Eetodäumwand beiderseits umfaßt. Die Falte an
sich ist niedriger und breiter geworden. Ganz anders sieht das
Bild etwas weiter cranial aus (Figur 27C). Der Phallus ist allmählich
durch das Bindegewebe der Vorragung gegen die orale Eetodäum-
wand allseitig umgeben worden und befindet sich jetzt gänzlich
eingeschlossen in das Bindegewebe der oralen Eetodäumwandung,
Ein Rest des Epithels, von der ursprünglich freien Oberfläche her-
rührend, ist auf Fig. 27C noch bei az zu sehen, Im Phallus
selbst erblickt man zwei dicht nebeneinander lagernde Epithel-
knöpfe. Sie sind als Produkte der Phallusleiste aufzufassen, höchst-
wahrscheinlich dem gabelförmig geteilten Ende dieser Leiste ent-
sprechend. Man muß hierbei annehmen, daß der Zusammenhang
mit der Oberfläche verloren gegangen ist. Auch die Lagebeziehung
zum Öorpus eavernosum weist daraufhin, daß wir in diesen zwei Epithel-
knöpfen Produkte der Phallusleiste vor uns haben. 7
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 397
Auf demselben Schnitte beansprucht noch eine zweite Erscheinung
die Aufmerksamkeit. Aus der Fig. 27C ist zu ersehen, wie das
Eetodäum im Begriff ist, durch zwei große Falten, welche der seit-
Fig. 27.
Querschnitte durch die äußeren Geschlechtsorgane von Perameles spec. 11 em. ph. Phallusspitze;
s.f. Falte der seitlichen Ectodäumwand; die übrigen wie Fig, 25.
lichen Wand aufsitzen (Fig.27 C's.f.), in zwei Hälften zerlegt zu werden.
Sobald die Falten median vereinigt sind (Fig. 27D) ist auch das
Lumen des Ectodäums in zwei Teile zerlegt, in das Proctodäum (pr)
und die Harnröhre (c.z.g.). Oral von letzterer sind die oben erwähnten
Epithelknöpfe im Bindegewebe der Eetodäumwand wieder zu finden.
& 26*
398 A. J. P. v. d. Broek
Dureh viele Schnitte bleibt der angetroffene Zustand bestehen;
nur wird der Abstand zwischen Proctodäum und Harnröhre all-
mählieh größer (Fig. 27E). Endlich kommt, nachdem die Epithel-
knöpfe ein kleines Lumen bekommen haben, eine Verbindung zwischen
Harnröhre und Epithelknöpfen zustande (Fig. 27F). Hierdurch
entsteht ein Urogenital-Kanal von typischer, viereckiger Form
(e.u..g + phl). Die Teile dieses Kanales sind an der Form sowie am
Epithel zu erkennen und sind ceranialwärts bis zur Einmündungs-
höhe der Cowrerschen Drüsen verfolgbar. Diese münden daselbst
in.dem vom Eetodäum abgeschnürten Teile des Urogenital-Kanales
aus. Die schematische
Fig. 28 soll den Zu-
stand im Median-
schnitte wiedergeben.
Das Produkt von dem
Eetodäum ist als Harn-
röhre aufzufassen. Ven-
tral von ihr liegt im
Bindegewebe das Pro-
Schematischer Medianschnitt durch die Geschlechtsorgane von dukt der Phallusleiste
Perameles spec. & 11 cm. c.c. Corpus cavern.; phl. Phallusleiste; ö og Er
c.u.g. Urogenital-Kanal (Harnröhre); pr. Proctodäum; c.d. (die Epithelknöpfe).
a ae Cranial hiervon folgt
ein Teil des Urogenital-Kanales von gemischter Natur. Endlich,
oberhalb der CowPperschen Drüsen, wird er ganz entodermaler Natur.
Noch eigenartiger waren die Bilder bei einem Perameles spec.
von 25 em. Die ersten Schnitte dureh den Collieulus urogenitalis
zeigen uns den unregelmässig viereckigen Querschnitt des Eetodäums,
mit einer hohen medianen Längsfalte auf der oralen Wandung. Nach
mehreren Schnitten dringt ein epitheliales Septum, dessen Ende etwas
angeschwollen ist, in diese Vorragung ein und teilt sie in zwei
Hälften (Fig. 29B). Durch Auseinanderweichen beider Lamellen
dieses Septums wandelt es sich in eine Furche um (Fig. 29C.) Vom
Ende dieser dringt das Epithel noch eine Strecke in das Bindegeweb
ein und endigt mit einer starken Anschwellung, welche, wie di
weiteren Schnitte lehren, die Penisspitze darstellt. In den folgende
Schnitten ändert sich das Bild ziemlich stark. Während die median
Rinne tiefer wird, erblickt man im Bindegewebe der oralen Eetodäum
wandung zwei Epithelknöpfe (Fig. 29D phl), deren jeder von eine
ringförmigen epithelialen Doppellamelle umgeben ist. Die beide
seitigen eirculären Lamellen sind median verschmolzen. Innerhal
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 399
einer jeden dieser Epithellamellen liegt auch der Querschnitt von
einem Corpus cavernosum.
Der Befund ist, wie ich
meine, so zu deuten, daß die
Epithelknöpfe die Produkte
der Phallusleiste sind, wofür
auch ihre Lagerung zum Cor-
pus cavernosum spricht. Die
eireulären - Doppellamellen
müssen, wie weitere Schnitte
und die Vergleichung mit an-
dern Formen lehren, als Glan-
darlamellen aufgefaßt werden.
Sie sind noch weit cranial-
wärts zu verfolgen.
Durch eine Brücke ist
das Epithel dieser Lamellen
mit dem Oberflächenepithel
des Ecetodäums verbunden.
Durch mediane Vereini-
gung der beiden, die mediane
Rinne umfassenden Ränder
schnürt sich eine Harnröhre
vom Eetodäum ab (Fig. 29 E).
Dann liegt die Harnröhre im
Bindegewebe des medianen
Wulstes, nähert sich aber nach
und nach den beiden Epithel-
knöpfen. In Fig. 29 G liegt sie
der äußeren Oberfläche der
Präputiallamellen unmittelbar
an. Cranial von den Enden
der@Glandarlamellen istein Zu-
stand aufgetreten (Fig. 29 7),
wie wir ihn schon beim Ob-
jekte von 11 em kennen lern-
ten. Auch hier treten eine
Harnröhre und oral von ihr
Querschnitte durch die äußeren Geschlechtsorgane von
Perameles spec. & 25 em. s. Epithelseptum in der
ventralen Falte v.f.; v.r. Urogenital-Rinne; p. Glan-
darlamelle; die übrigen wie Fig. 25.
zwei Epithelknöpfe auf, welche sich noch etwas höher zu einem
Kanale von viereckiger Form vereinigen, wie Fig. 29J uns lehrt,
400 A. J. P. v. d. Broek
und wie ich es ausführlich vom vorigen Beuteljungen beschrieben
habe.
In Fig. 30 ist wiederum ein schematischer Medianschnitt dar-
gestellt. Der caudale Teil, die Harnröhre, ist das Produkt vom
Eetodäum. Oral von ihm liegt das Produkt der Phallusleiste
(Epithelknöpfe) und ist von einer doppelten Präputiallamelle im
Bindegewebe der oralen Eetodäumwandung umgeben. Weiter oben
ist der Urogenital-Kanal; gemischter Natur, durch Zusammenfluß
vom eetodäalen Teil mit den von der Phallusleiste herrührenden
Knöpfen entstanden. Er erstreckt sich bis zu den Cowrerschen
Drüsen, wo er in den entodermalen Sinus urogenitalis übergeht.
Fig. 30.
Schematischer Medianschnitt durch die äußeren Geschlechtsorgane von Perameles spec. 5 25 em.
p. Glandarlamelle; c.c. Corpus cavern.; phl. Phallusleiste; c.v.g. Harnröhre; r. Rectum; c.d.
CowPpersche Drüse.
Überblickt man den Entwieklungsgang des Urogenital-Kanales
bei Perameles, so kommt man zu dem Schlusse, daß an ihm, caudal von
den Cowrerschen Drüsen zwei Abschnitte zu unterscheiden sind.
Im oberen Abschnitte ist der Kanal gemischter Natur und zusammen-
gesetzt aus dem Produkte der entodermalen Phallusleiste und dem
(eetodermalen) vom Eetodäum abgesehnürten Teile. Im unteren Ab-
schnitte sind Harnröhre und Samenröhre getrennt; erstere stellt
einen vom Eetodäum abgeschnürten und vom Penis unabhängig ver-
laufenden Schlauch dar, letztere liegt im Bindegewebe der oralen
Eetodäumwandung eingeschlossen. Warum ich die beiden Teile als
Harnröhre und Samenröhre aufführe, geht aus folgendem hervor.
Bei Echidna bestehen nach KEIBEL caudal von der Einmündungs-
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 401
stelle der Cowrperschen Drüsen zwei Kanäle, eine Samenröhre,
welche den Penis durchsetzt, und eine Harnröhre, welche vom Uro-
genital- Kanale in schräg caudaler Richtung unabhängig vom Penis
zum Eetodäum hin verläuft. Diese beiden Kanäle haben eine ganz
verschiedene Genese. Die Samenröhre differenziert sich aus der
Phallusleiste. Den Figuren der KeısgEerschen Arbeit nach glaube ich,
daß der obere Randteil dieser Leiste hauptsächlich das Material
dafür liefert. Lange Zeit bleibt die Samenröhre undurchbohrt und
ist ein solider, den Penis durchsetzender Epithelstrang; später be-
kommt sie ein Lumen.
Die Harnröhre entsteht dadurch, daß das Eetodäum (ectodermale
Cloake in KEigers Beschreibung) sich dureh zwei Falten der seit-
lichen Wandungen in zwei Hälften zerlegt, anal in das Proctodäum
oder das ectodermale Ansatzrohr am Rectum, und oral in die Harn-
röhre, welche vom Urogenital-Kanal in schräg eaudaler Richtung
zum Eetodäum verläuft.
Vergleicht man die Genese des Urogenital-Kanales bei Pera-
meles mit der von Echidna, so springt die große Übereinstimmung
sofort ins Auge. Bei Perameles verbinden sich im obersten Teile
beide Kanäle zu einem Gange; weiter caudal bestehen zwei ge-
sonderte Gänge, die (doppelte) Samenröhre im Penis und die Harn-
röhre, welche schräg caudal zum Ectodäum verläuft. Ich habe
hierbei angenommen, daß die zwei Epithelknöpfe als Samenröhre
aufzufassen sind. Daß sie wirklich als solehe funktionieren, ist
nieht sicher zu beweisen. Es scheint mir jedoch äußerst wahrschein-
lich, und zwar aus folgenden Gründen. Das älteste von mir unter-
suchte Tier hatte eine Länge von 25 em; das erwachsene ist 40 bis
50 em lang. Mein Exemplar war also noch nicht erwachsen. Es
ist unwahrscheinlich, daß der ganze Phallus lebenslänglich im Binde-
gewebe der Ectodäumwandung eingeschlossen bleibt; es würde Pera-
meles dann ein Säuger ohne eigentliches Copulationsorgan sein.
Vielmehr stelle ich mir vor, daß, etwa während der Brunstzeit, eine
Lösung der Epithelien in den Glandarlamellen, sowie in der Epithel-
masse zustande kommt, welche die Penisspitze mit der Furche in
der Eetodäumwand verbindet. Ist dies geschehen, dann kann der
Penis ohne weiteres ausgestülpt werden, wozu er die nötige Länge
besitzt (er ist wie bei andern Beutlerformen eranial von den CowPpER-
schen Drüsen doppelt umgebogen).. Die Anwesenheit eines M.
retraetor penis bestärkt mich in dieser Annahme. Die beiden Epithel-
knöpfe müssen sich dabei in Kanäle umwandeln und so oben eine
402 A. J. P.'v. d. Broek
einfache, unten eine doppelte Samenröhre bilden. Auch dies ist sehr
wahrscheinlich. Sehen wir doch auch bei Echidna, daß die Samen-
röhre sich viel später aushöhlt als die Harnröhre. Endlich kann
ich noch hinweisen auf eine, anscheinend wenig beachtete Be-
schreibung vom Geschlechtsapparate von Perameles bei Owen (l. e.
IIL., S. 647). »In the Peramelis lagotis not only is the. glans bifur-
eate, but each division is perforated and the urethral ceanal is divi-
ded by a vertical septum for about half an inch before it reaches the
forked glans; from the septum to the bladder the canal is simple,
as in other Marsupials.< Beim Weibchen verhält sich die Clitoris
vollkommen wie beim Männchen der Penis. Beim weiblichen Pera-
meles liegt, wie die Beschreibungen und Figuren von HıLr zeigen,
die Clitoris samt Glandarlamellen ebenfalls vollständig in Binde-
gewebe eingeschlossen. Die erwähnten Epithelknöpfe besitzen sogar
an manchen Stellen ein kleines Lumen.
Stellen wir zum Schlusse nochmals fest, daß Perameles in der
Genese des Urogenital-Traetus Übereinstimmung mit Echidna zeigt.
Welche Bedeutung diese Beobachtung für die vergleichende
Öntogenie und Homologisierung des Urogenital-Kanales bei andern
Beutlerformen und placentalen Säugern besitzt, wird weiter unten
auseinandergesetzt.
Einen ähnlichen und mit Perameles verwandten Zustand zeigt
Sminthopsis crassicaudatus, ein Vertreter der Dasyuridae. Ich konnte
ein erwachsenes männliches und ein erwachsenes weibliches Tier
untersuchen. Fig. 31 gibt eine Anzahl Schnitte auf verschiedenen
Höhen durch den männlichen Geschlechtsapparat wieder. Die ersten
zwei Figuren zeigen uns nur Durchschnitte durch das Lumen des
Eetodäums. An der dritten Figur (Fig. 31C) treten im Bindegewebe
der oralen Eetodäumwand die getrennten Penisspitzen auf, deren
jede von einer Glandarlamelle umgeben ist. Nach einigen Schnitten
vereinigen sich die beiden Penishälften zu einem Organe. Die
Glandarlamelle wird dabei eine einfache, das ganze Organ um-
fassend. Aus dieser Gegend ist auf Fig. 21 ein Schnitt bei stärkerer
Vergrößerung wiedergegeben. In den, von der Glandarlamelle
umgebenen Penis dringen von der reetalen (dem Eetodäum zuge-
kehrten) Oberfläche zwei einander fast parallele Epithelleisten, die
hier doppelte Phallusleiste, ein (phl). Eine jede dieser Leisten wird
an ihrem Ende von einer etwa hufeisenförmigen Masse des Corpus
eavernosum penis umgeben. Weiter tritt im Bindegewebe eine große
Zahl weiter Blutgefäße hervor (Corp. eavern. urethrae).
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Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 403
Man sieht, wie das Lumen des Eetodäums sich eben anschickt,
sich in zwei Hälften zu teilen, das bei weitem größte Procto-
däum (pr) und ein kleineres, der Penisoberfläche anliegendes Lumen,
das wohl ohne Bedenken als der oben besprochenen Harnröhre von
Perameles homolog aufzufassen ist.
Fig. 31.
Pi
R p
c.u.g.
P.
r.
G p
= AU.g.
en
rschnitte durch die männlichen Geschlechtsorgane von Sminthopsis crassicaudatus. ekt. Eetodäum;
p. Glandarlamelle; pr. Proctodäum; c.2u.g. Urogenital-Kanal.
Verfolgt man die Schnitte weiter cranial, dann sieht man, wie
‚mröhre und Proctodäum voneinander getrennt werden (Fig. 31 F)
d wie die Harnröhre sich mit der Samenröhre (entstanden durch
inanderweichen der Epithelien von den Phallusleisten) zu einem
genital-Kanale doppelten Charakters vereinigt (Fig.31F). An der
lten Form bleibt die Zusammensetzung und damit die doppelte
nese des Urogenital-Kanales bis zur Höhe der Einmündung der
404 A. J. P. v. d. Broek
Cowperschen Drüsen verfolgbar. Die Glandarlamelle, in Fig. 31F
noch anwesend, schwindet weiter oben, wodurch der Zustand der
Fig. 31@ erlangt wird.
Ein Fortschritt Perameles gegenüber besteht insofern, als beide
Fig. 32.
Querschnitte durch die weiblichen Geschlechtsorgane von Sminthopsis crassicaudata, ekt. Ectod&
c. Clitoris; pr, Proctodäum; c.u.g. Urogenital-Kanal.
Teile des Urogenital-Tractus, Harnröhre und Samenröhre, sich |
Sminthopsis über einen weit größeren Abstand miteinander zu ein
einfachen Tractus verbunden haben. Zum Vergleiche gebe ich :
Fig. 32 eine Serie von Querschnitten durch die weiblichen Geschlech
organe von Sminthopsis wieder, welche den Sehnitten von Fig.
entsprechend gewählt sind. So sieht man auf Fig. 32C, wie ı
peripheren Clitorisenden frei ins Lumen des Eetodäums hery
| Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 405
| ragen. Auf Fig. 32D ist die Verbindung mit der oralen Eetodäum-
wandung zustande gekommen. Auf Fig. 32D und E haben die
Phallusleisten auch ein Lumen, lange vor der Trennung des Eeto-
däums in Proetodäum und Urogenital-Tracetus. Diese Trennung
kommt erst oberhalb des Gebietes der Clitoris zustande, wie Fig. 32 F
und @ lehren.
An dritter Stelle bespreche ich Genese und Zusammensetzung
des Urogenital-Kanales (Caudalhälfte) bei Didelphys.
| Beim jüngsten von mir untersuchten Didelphys-Beuteljungen
125 mm) begegnet man Bildern, welche denjenigen von kleinsten
Fig. 33.
DIL Ze
i
j
|
|
| B D
Querschnitte durch die Geschlechtsorgane von Didelphys cancrivora. 5 25 mm. phl. Phallusleiste;
ect. Ectodäum; c.u.g. Urogenital-Kanal; pr. Proctodäum; r. Reetum; c.d. Cowprrsche Drüse,
Perameles sehr ähnlich sind. Im frei hervorragenden Phallus durch-
setzt die Phallusleiste dessen ganze Dieke, zerlegt ihn damit in zwei
symmetrische Hälften, deren jede durch den Besitz eines Corpus
cavernosum gekennzeichnet ist. Der Mitte dieser Phallusleiste sitzt
jederseits eine knopfförmige Verdickung auf (Fig. 33 A). Beim Über-
ang des Phallus in die orale Afterlippe ist schon auf der rectalen
Phallusoberfläche die schlitzförmige Öffnung des Urogenital-Kanales
bemerkbar.
In Fig. 33B kommt die Trennung des Eetodäums in Proetodäum
und Urogenital-Kanal (Harnröhre + Phallusleiste) in derselben
Weise zustande, wie ich es von Perameles beschrieb. Daß in dieser
Figur noch ein zweiter Teil der Phallusleiste (phl) sichtbar ist, ist
406 A. J. P.'v. d. Broek
eine Folge der Schnittführung durch den schr kurzen und krummen
Phallus.
Der Urogenital-Kanal setzt sich, wie Fig. 33B und C zeigen,
aus der, vom Eetodäum abgeschnürten Harnröhre und der, dieser
oral aufsitzenden Phallusleiste zusammen. Bis zur Einmündungsstelle
Fig. 34.
Querschnitte durch die Geschlechtsorgane von Didelphys aurıta. & 15 em.
h. Penistasche; a Sinus auf der oralen Penisoberfläche; phl. Phallusleiste; e Epithel der Penistase
c.u.g. Urogenital-Kanal (Harnröhre).
der Cowrperschen Drüsen ist er in derselben Zusammensetzung V
folgbar; dann bekommt die Phallusleiste ein Lumen, und der Trae
geht in den entodermalen Teil über.
Die Durehsehnitte durch die Geschleehtsorgane von einem 15 ©
großen Beuteljungen von Didelphys aurita liefern ein andres Bil
insofern als der Penis fast gänzlich in seine Penistasche auf;
nommen ist. £
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 407
Die ersten Schnitte (Fig. 34A) zeigen uns die schon gänzlich
getrennten Enden des Penis, umgeben von den zwei vorwachsenden
Falten des Präputiums. Auf Fig. 345 sind die zwei Penishälften
teilweise, auf Fig. 34 C gänzlich miteinander verbunden. Auf letzterer
Figur durchsetzt die Phallusleiste die ganze Penisdieke; ihre Mitte
ist durch eine seitliche Anschwellung ausgezeichnet. An der Stelle,
-C.U.0,
Querschnitte durch den Penis von Didelphys marsupialis.
p. Penis; a Sinus auf der oralen Oberfläche; c.u.g. Urogenitalrinne (bzw. Kanal) ; pr. Penistasche,
wo die Phallusleiste die orale Penisoberfläche erreicht, dringt jeder-
seits eine kurze epitheliale Leiste schräg in den Penis hinein. In
den folgenden Schnitten liegt diese Epitheleinsenkung, was ich aus-
drüecklich hervorheben möchte und was Fig. 34D zeigt, an der Außen-
seite desCorpus cavernosum, also zwischen ihm und der Penisoberfläche.
Der rectalen Penisoberfläche anliegend ist die Harnröhre als abge-
schnürter Teil des Eetodäums sichtbar. Die Schnittreihe verfolgend,
sieht man wiederum einen zusammengesetzten Tractus urogenitalis
408 A. J. P. v. d. Broek
auftreten, welcher aus der Harnröhre und, ibr oral aufsitzend,
der Phallusleiste besteht. Das Ende der letzteren ist (Fig. 34.)
gabelig geteilt; die Enden der beiden Schenkel sind stark ange-
schwollen und besitzen hier und dort ein Lumen (Fig. 34 E rechts).
Ich glaube, nicht .fehlzugehen, wenn ich diese Knöpfe mit den
seitlichen Anschwellungen der Phallusleiste vom jüngsten Beutel-
jungen gleichwertig erachte.
Cranialwärts wird die Phallusleiste nach und nach niedriger,
bis schließlich der gemischte Urogenital-Kanal von typisch vier-
eckiger Gestalt aufgetreten ist, wie Fig. 34F’ ihn uns vorführt, und
wie er bis zu der Einmündung der Cowrerschen Drüsen verfolg-
bar ist.
Quersehnitte durch den Penis eines erwachsenen Dia
marsupialis gibt Fig. 354 bis K wieder. Die ersten sieben Quer-
schnitte treffen die getrennten Penisenden, in den letzten drei sind
die Hälften median verbunden. Mehrere Schnitte von der Apex
entfernt wird die orale Penisoberfläche von einer Art Duplieatur
überragt, welche in eine tiefe seitlich gerichtete Nische führt
(Fig. 35.D, a). Einige Schnitte weiter sieht man eine Furche auf der
medialen Oberfläche der Penishälfte und außerdem einen Raum
zwischen Corpus cavernosum und Penisoberfläche (Fig. 35 Ka). Dieser
Raum setzt sich eine Streeke weit an der lateralen Seite des Corpus
cavernosum fort und endigt schließlich blind. Er ist wohl das
Produkt der oben beschriebenen epithelialen Einsenkung in der
Phallusoberfläche, bzw. der Abzweigung von der Phallusleiste, und
stellt den schon äußerlich kenntlichen Blindsack vor, den ich bei
der Bespreehung der äußeren Form des Penis genannt und abge-
bildet habe (vgl. Fig. 135). Die Furche auf der medialen Fläche
einer jeden Penishälfte vertieft sich in eranialer Riehtung ein wenig
und besitzt an ihrem Ende eine kleine Erweiterung, welche der
knopfförmigen Anschwellung seitlich an der Phallusleiste des Dee
jungen von 15 cm entspricht.
Im obersten Teile des freien Penis vereinigen sich median die
beiden Penishälften, und die beiderseitigen Furchen schließen sich
nebst einem dazwischen liegenden Teil zu dem Urogenital-Kanal,
Obwohl an ihm die zusammensetzenden Teile nicht so deutlich mehr
zu erkennen sind wie an den Beuteljungen, meine ich auch hier, dem
Kanale eine doppelte Genese und daher eine gemischte Zusammen-
setzung, und zwar aus dem Produkte der Phallusleiste, sowie aus
der L rnröhre zuschreiben zu müssen. Die Furchen auf der medialen
Untersuchungen iiber den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 409
Penisoberfläche sind als Produkte der Phallusleiste, welche eine
Lichtung bekommen haben, anzusehen.
Auf Fig. 36 habe ich einen Medianschnitt durch einen erwachsenen
Didelphys schematisch dargestellt.
Sehr verschiedene Entwicklungsstadien konnte ich von Halma-
turus untersuchen.
Das jüngste Beuteljunge hatte eine Länge von 17,5 mm. Die
Querschnittserie lehrt Folgendes. Im frei hervorragenden Phallus
reicht die Phallusleiste bis zur Spitze. Sie ist auf dem Querschnitte
etwa kolbenförmig und gleicht hierin der bei Echidna. Sehr bald
trifft man auf dem Querschnitt das sehr kurze Eetodäum, dessen
oraler Wand die Phallusleiste aufsitzt. Zu beachten sind hier zwei
Fig. 36.
Schematischer Medianschnitt durch die Geschlechtsorgane von Didelphys. & erwachsen, c.c. Corp.
cavern. penis; phl. Phallusleiste; c.d, Cowrersche Drüse; r Rectum.
Mesodermverdichtungen seitlich von der Medianlinie und oral von
der Eetodäumwand. Ich meine, hierin die ersten Anlagestellen der
Cowperschen Drüsen erblicken zu müssen, obwohl eine Epithel-
einsenkung noch nieht nachweisbar ist. Wenn diese Voraussetzung
zutrifft, so besteht eine Übereinstimmung mit Echidna, für welchen
KEıBeL (19) die Anlage der Cowperschen Drüse auf der oralen
Eetodäumwandung angibt (l. e. Fig. 60a). Wenige Schnitte weiter
En die getrennten Lumina vom (entodermalen) Sinus urogenitalis
und Reetum angetroffen. Bei einem Benteljungen von 22 mm be-
findet sich die Cowrersche Drüse schon im Gebiete des Urogenital-
Kanales. Im freien Phallus liegt die am Ende kolbenförmig ange-
schwollene Phallusleiste (Fig. 38.4 phl.). Während sie in eranialer Rich-
tung allmählich niedriger wird, kommt an der Stelle der Einmündung
des Urogenital-Kanales in das Eetodäum eine Höhenzunahme zustande,
al
N
410 A. J. P. v. d. Broek
verursacht durch zwei Falten der Eetodäumwandung, welche median-
wärts umbiegen und den Urogenital-Kanal (Harnröhre) vom Eeto-
däum abschnüren. Daß wir es hier mit zwei vordringenden Falten
zu tun haben, geht aus der Lagerung der Bindegewebskerne in diesem
Teile hervor. Durch die diehte Anordnung, sowie durch die Richtung
unterscheiden sie sich von den direkt darüber sich befindenden
Bindegewebskernen. Der gemischte Charakter des Urogenital-
A
phl.
Fig. 37.
B phl.
A
s.f-
ect.
B
c
C
Querschnitte durch die Geschlechtsor- Querschnitte durch die Geschlechtsor-
gane von Halmaturus spec. 5 17,5 mm. gane von Halmaturus spec. & 22 mm.
Bezeichnung wie Fig. 25. 3ezeichnung wie Fig. 25.
Kanales ist nicht so deutlich nachweisbar wie bei Perameles, obwohl
er an der eranialwärts niedriger werdenden Falte, welche der oralen
Wand aufsitzt, zu erkennen ist. In der Höhe der Einmündungen
der Cowrerschen Drüsen geht der Urogenital-Kanal in den entoder-
malen Abschnitt über.
Beim Beuteljungen von 32 mm tritt eine neue Erscheinung zutage.
Die Phallusleiste ist im frei hervorragenden Phallus am Rande quer
abgeflacht (Fig. 394). Vom Rande schnürt sich unweit der Spitz
ein Epithelstrang ab, der über eine Anzahl von Schnitten in den
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 411
bindegewebigen Kern oral von der Phallusleiste zu verfolgen ist
(Fig. 394 e.). Auf Schieksal und Bedeutung dieses noch kurzen
Stranges komme ich unten zurück. Im Gebiete des Überganges vom
Phallus in die orale Eetodäumwandung (Fig. 39 B) liegt die Öffnung
des Urogenital-Kanales als kleiner Schlitz im Epithel der reetalen
(ectodäalen) Phallusoberfläche. Nachher schließt sich diese Öffnung
zu einem gänzlich im Epithel der reetalen Phallusoberfläche liegenden
Fig. 39.
Querschnitte durch die Geschlechtsorgane von Halmaturus spec. 5 32 mm. Bezeichnung wie Fig. 25.
e Epithelknopf, von der Phallusleiste abgeschnürt.
Kanale. Durch zwei von der seitlichen Eetodäumwandung vor-
dringende Falten wird er dann vom übrigen Eetodäum abgetrennt.
Jetzt setzt sich der Urogenital-Kanal aus zwei Teilen zusammen,
aus der vom Eetodäum abgeschnürten Harnröhre und aus der ihr
oral aufsitzenden Phallusleiste (= Samenröhre). Bis zur Einmündung
der Cowperschen Drüsen, ist er in dieser Zusammensetzung zu ver-
folgen.
Bei der weiteren Entwicklung sind ein sehr starkes Längen-
wachstum des Urogenital-Kanales, sowie eine Verlängerung des
Morpholog. Jahrbuch. 41. 97
412 A. J. P. v. d. Broek
oral von der Phallusleiste lagernden Epithelstranges zu verzeichnen
(Fig. 40). Ein Sagittalschnitt durch die Geschlechtsorgane eines
10,4 cm großen Beuteljungen zeigt den Hauptteil der Phallusleiste
noch im Gebiete des Phallus, welcher frei über die äußere Öffnung
Fig. 40.
phl.
Medianschnitt durch die Geschlechtsorgane von Halmaturus thetidis. 5 10,4 cm. Bezeichnung wie
Fig. 30. e Epithelstrang von der Phallusleiste.
des Urogenital-Kanales hervorragt und stark schwanzwärts umge-
bogen ist, ebenso wie der genannte Epithelstrang (e). Dieser hat
an Länge erheblich zugenommen, liegt zwischen Phallusleiste und
Fig. 41. Corpus cavernosum und ist am Ende
leicht angeschwollen, wodurch der Längs-
schnitt des Corpus cavernosum etwas aus-
gehöhlt erscheint. Der oralen Wand des
Urogenital-Kanales aufsitzend ist, haupt-
sächlich im apicalen Teile, eine Firste be-
merkbar, welehe die Phallusleiste darstellt.
Sie wird bald niedriger und in die Wand
des Urogenital-Kanales anscheinend mit
einbezogen. Eine Glandarlamelle ist beim
Dumemitt durch den Phallus von Beuteljungen von 10,4 cm noch nicht auf-
almaturus thetidis. 16,4cm. Vergr. 16.
ect, Ectoderm; phl. Phallusleiste; c.c.p. getreten.
re rein Fre Zu erwähnen ist eine Beobachtung,
welche ich an der Phallusleiste auf einer
Querschnittserie durch den Geschlechtsapparat eines 16,4 em großen
Beuteljungen derselben Species (H. thetidis) gemacht habe. Die
Leiste zeigt in ihrem Baue ein Zusammensetzung aus zwei Teilen
(Fig. 41). Der ectodermalen Oberfläche benachbart, ist sie aus den-
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 413
selben Zellen wie die Phallusoberfläche aufgebaut. Oral davon ist
die Zellmasse viel heller. Zwischen beiden Teilen besteht eine
kleine Einschnürung. Es macht den Eindruck, als finde eine Ein-
wucherung des Ecetoderms an der Stelle der Phallusleiste statt.
In dieser Vermutung werde ich durch die Beobachtung der be-
treffenden Leiste bei stärkerer Vergrößerung bestärkt. Auf Fig. 11
auf Taf. V ist die Grenze der zwei Epithelarten bei 130facher
Vergrößerung wiedergegeben. Nach oben sieht man das dunkler
gefärbte Ectoderm; das Stratum germinativum ist nicht deutlich er-
kennbar. Nach innen von ihm liegen die größeren polygonalen
Fig. 42.
CC.
= --— 22200 nhl.
Medianschnitt durch die Geschlechtsorgane von Halmaturus thetidis. 5 % cm. Bezeichnung
wie Fig. 30.
Zellen, deren Grenzen, speziell in der Mitte der Leiste, vollkommen
‘scharf hervortreten. Nach dem entodermalen Teile der Phallusleiste
hin platten sich die Zellen mehrund mehrab. Schließlich geben einige
eihen sehr platter Zellen die scharfe Grenze an.
Der zweite, meines Erachtens entodermale, Teil besitzt ein
} schönes Stratum germinativum mit hohen eylindrischen Zellen, welche
‚scharf gegen den ectodermalen Teil abstechen (Fig. 11, Taf. V).
| En ist nichts zu sehen (Fig. 11). Diese Erscheinung ist meines
| rachtens so zu erklären, daß man der Meinung FLEISCHMANNS
-Jnach in der Phallusleiste (und der späteren »Samenröhre«) ein Produkt
K- 27*
414 A. J. P. v. d. Broek
des entodermalen Urodäums zu erblicken hat; denn wäre die Phallus-
leiste ab origine eetodermaler Natur, wie manche Forscher meinen, dann
wäre eine Zusammensetzung, wie ich sie oben schilderte, undenkbar.
Setzen wir jetzt die Beschreibung unserer Befunde an Halmaturus
fort. Der freie Phallus wächst in der Entwicklungsperiode zwischen
10 und 20 em langen Objekten stark in die Länge, so daß er, wie
die Vergleichung der Fig. 40 mit 42 lehrt, beim älteren‘ Tier weit
stärker hervorragt wie beim jüngeren. Auch hier ist das Ende noch
schwanzwärts umgebogen, liegt jedoch in ziemlich großer Entfernung
von der äußeren Rectal(Proctodäum-)öffnung. Der Urogenital-Kanal
Schematischer Medianschnitt durch die 5 Geschlechtsorgane von Halmaturus. Adult. Bezeichnung
wie Figur 30.
ist noch schneller gewachsen ale der ganze Phallus, so daß seine
Öffnung sich der Phalluspitze genähert hat. Hierdurch kommt die
Ursprungsstelle des von der Phallusleiste entstandenen Epithelstranges
in das Gebiet des Urogenital-Kanales zu liegen. Der in die Länge
gewachsene Strang hat sich kanalisiert, wahrscheinlich durch Aus-
einanderweichen oder Schwund von centralen Epithelzellen. Ver-
folgt man den Urogenital-Kanal jetzt von der äußeren Öffnung, so
bemerkt man eine Spaltung in den eigentliehen Urogenital-
Kanal und den oral davon gelagerten Blindschlauch (Fig. 42a), der
hier noch ziemlich kurz ist. Der Urogenital-Kanal hat auffallender-
weise an einer Stelle eine Kniekung, und zwar da, wo sieh der
M. retractor penis anheftet. Der Kanal zeigt an dieser Höhe eine
Erweiterung des Lumens. Diese Biegung vermißt man noch beim
Beuteljungen von 10 cm.
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 415
Zwischen diesem und dem erwachsenen Zustande bestehen nur
noch graduelle Unterschiede. Auch beim erwachsenen Tiere erreicht
das Orifieium externum des Urogenital-Kanales die Penisspitze nicht;
es liegt seitlich davon (vergl. Fig. 43). Ein kleiner, spitz endigender
Teil ragt wie ein Processus glandis über die äußere Öffnung hervor.
Bei Phalangista ist es scharf gegen das Corpus penis begrenzt, bei
Mocropus geht es allmählich darin über.
Dringt man in den Urogenital-Kanal ein, dann bemerkt man,
wie er sich in bestimmter Höhe in zwei Kanäle spaltet (Fig. 43). Die
Teilungsstelle entspricht der kurz hinter dem Orificium externum
gelagerten Bifurcation beim Beuteljungen von 20 cm. Sie liegt beim
erwachsenen Tier etwas unter der Mitte der Pars libera penis. Es
muß sich also das apicale Ende des
Urogenital-Kanales während der spä-
‚teren Entwicklung noch stark verlän-
gert haben. Die beiden Kanäle liegen
dieht voreinander, der größere dem
Corpus cavernosum zugewendet, der
kleinere mehr oberflächlich (Fig. 43).
Nach und nach verändert sich das
Verhältnis derartig, daß der dem
Corpus cavernosum zugewendete Kanal
immer kleiner wird und schließlich
blind endigt; während der Urogenital-
Kanal seinen Verlauf fortsetzt. Die
Kniekung im Verlaufe, in der Höhe des
Ansatzes des M.retractor penis, hat sich
inzwischen stärker ausgeprägt. Fig. 43
stellt schematisiert einen Medianschnitt
durch die Geschlechtsorgane deserwach-
senen Halmaturus dar. Die beschrie-
benen Verhältnisse sind erkennbar.
Fig. 44 gibt Querschnitte durch den
Penis eines jungen Macropus. Hier
ist mehreres zu beobachten. An mitte Ben a
der Spitze des Penis dringen caudal
vom ÖOrifieium externum von der Oberfläche zwei Furchen ein,
welche offenbar dem gabelig geteilten Ende der Phallusleiste ent-
‚sprechen. Nach Schließung des Urogenital-Kanales hat dieser
gleichfalls ein gabelig geteiltes Lumen. Es teilt sich nach vielen
Fig. 44.
416 A. J. P. v. d. Broek
Schnitten in zwei ungleiche Hälften, von denen die größere dem
Corpus cavernosum zugewendet ist. In diesen zwei Teilstücken be-
steht eine Differenz in der epithelialen Bekleidung, indem diese
im Blindschlauch viel höher ist als im eigentlichen Urogenital-
Kanal. Bald verringert sich der Durchschnitt des Blindschlauches,
bis er als solider Zellstrang endigt. Die Anwesenheit dieses
Blindschlauches, eines Produktes der Phallusleiste, ist ein Be-
weis dafür, daß letztere an der Umgrenzung des Urogenital-Kanales
Anteil nimmt. Diese Teilnahme an der Wandzusammensetzung
tritt noch deutlicher zutage an der Epithelbekleidung, welche ich
im apicalen Ende des Urogenital-Kanales beim erwachsenen
Phalangısta lemurina antraf. Hier waren zwei Epithelarten zu er-
kennen, welche scharf begrenzt waren. Fig. 12 auf Taf. V gibt
die Übergangsstelle beider Epithelarten wieder. Einerseits trifft
man ein Pflasterepithel mit mehreren verhornten Schichten (Eetoderm)
an, daneben ein hohes mehrlagiges Epithel, dessen oberste Lagen
nicht abgeplattet (Übergangsepithel) und nicht verhornt sind. Wahr-
scheinlich sind beide Teile von der Phallusleiste und vom Eetoderm
aus entstanden. Der Blindschlauch führt wenigstens nur Epithel
der letzgenannten Form.
In der folgenden Tabelle stelle ich von Halmaturus thetidis
einige Zahlenangaben zusammen, welche die Wachstumsverhältnisse
der verschiedenen Teile des Penis und des Urogenital-Kanales er-
kennen lassen.
| Halmaturus thetidis
10,4 cm | 16,4 cm | 19,4 cm
I. Länge des frei hervorragenden
ee a 1260 « 1560 u 2000 u
Il. Abstand zwischen Öffnung des
Urogenital-Kanales und des
Proctodäums . . . . . . |in gleicher Höhe 540 u 1120 u
III. Länge des Urogenital- Kanales
zwischen Orif. ext. und Ein-
mündung der CowPperschen
Drison..., 2.2.00 sr 1200 u 5000 u 6000 u
IV. Höhe der Glandarlamelle . . . _ 560 u + 1700 u
V. Abstand zwischen Anus und Ein- | undet auf dem
mündung der Rectaldrüsen. . | Eetoderm 840 u 1160 u
VI. Abstand zwischen Reetaldrüsen
und Übergang ins Entoderm | == 1600 u 1660 u
VI. Länge des ganzen Proctodäums . | 150 u | 2440 u 2820 u
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 417
Aus dieser Tabelle geht hervor, daß der Urogenital-Kanal
schneller als der Penis wächst (zwischen 10,4 und 19,4 cm
resp. 730 «u und 1120 «), wodurch das Orifieium externum mehr zur
Penisspitze hin verlegt wird. Das starke Wachstum des ganzen
Urogenital-Kanales ist aus Fig. 45.
der dritten Reihe zu er-
sehen. Die im Verlaufe auf-
tretende Krümmung steht
wohl auch teilweise mit dem
schnelleren Wachstum im
Zusammenhang.
Vom Proetodäum ist zu
melden, daß die Verlänge-
rung hauptsächlich den anal
von der Einmündung der
Reetaldrüsen liegenden Teil
betrifft, daß der Abschnitt
zwischen dieser Einmündung
und dem Übergang ins Ento-
derm sich aber nur wenig
vergrößert. Die Verlänge-
rung kommt also in der
Hauptsache dadurch zu-
stande, daß Teile des Ecto-
‘ däums in das Proctodäum
übergeführt werden.
Sehr lehrreich endlich Querschnitte durch die Geschlechtsorgane von Hypsi-
ist die Bildung des Uro- a a
genital-Kanales bei Hypsiprymnus (Fig. 45). Bei einem Beuteljungen
von 8cm wird der frei hervorragende Phallus durch die Phallusleiste
teilweise durchsetzt (Fig. 45, a—e). In der Höhe des Ectodäum-
lumens (Fig. 45c) ist die Basis, welche die Phallusleiste mit dem
Ectodäum verbindet, stark verbreitert. Mehrere Schnitte weiter wird
das Epithel der oralen Eetodäumwandung in ziemlich großer Ent-
fernung von der Phallusleiste ins Lumen vorgestülpt. Auf Fig. 46,
welche diese Stelle bei stärkerer Vergrößerung wiedergibt, sind
die beiden Falten der oralen Eetodäumwand und die Phallusleiste,
scharf gegeneinander begrenzt, wahrzunehmen.
Nach und nach biegen die beiden Falten medianwärts (Fig. 45, f.g.)
um, bis sie sich median berühren, verschmelzen und so den Uro-
418 A. J. P. v. d. Broek
genital-Kanal vom Eetodäum abschnüren. Die breite epitheliale
Basis, welche dieser Gang hierdurch erhält, findet in der lateralen
Fig. 46.
c.c.p.
PUTIN
Mt: elta
A
Na \e IN
Querschnitt durch das Ectodäum von Hypsiprymnus. 5 8 em. Vergr. 130. v.d.a. und r.d.b. Rectal-
drüsen; ect. Ectodäum; m. Mesodermkerne in der Ecetodäumsfalte; pAl. Phallusleiste; c.c.p. Corp.
cavern. penis.'
Lagerung der ebenbeschriebenen Falten ihren Ursprung (Fig. 457).
Am Urogenital-Kanale bestehen somit auch hier zwei Teile, der
Fig. 47.
a b Fe c
Querschnitte durch die Geschlechtsorgane von Hypsiprymnus. Q@ 18 cm.
|
von der Phallusleiste und der vom Eetodäum herrührende Teil.
Die weitere Entwicklung verläuft wie bei den Macropodinae. Auch
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 419
bei Hypsiprymnodontinae kommt die teilweise Verdoppelung des
Urogenital-Kanales durch die Kanalisierung eines von der Phallus-
leiste aus entstandenen Epithelstranges zustande.
Ich kann es nicht unterlassen, auch auf die sehr instruktiven
Bilder beim weiblichen Hypsiprymnus hinzuweisen. Bei einem
Beuteljungen von 18 cm hat das Ectodäum die ganze Clitoris um-
wachsen, so daß sie äußerlich nicht mehr sichtbar ist. Querschnitte
lehren, daß sie in der oralen Hälfte des Eetodäumlumens liegt (Fig. 47a).
Sie zeigt auf ihrer reetalen Oberfläche eine Furche, entstanden durch
Schwund von Epithelzellen aus der Phallusleiste. Oral von der Furche
‚läuft ein in Bindegewebe eingebetteter, kurzer blind endigender Kanal,
ein Homologon des Blindschlauches im Penis. Das Eetodäum ist
im Begriff, sich durch zwei seitliche Falten in zwei Hälften zu zer-
legen (Fig. 475). Verschmilzt dann endlich die Clitorisoberfläche mit
der oralen Wand des Eetodäums (Fig. 47c), dann kommt ein Uro-
genital-Kanal zustande, welcher aus Phallusfurche und Teil des
Ectodäums zusammengesetzt, also vollkommen dem männlichen Uro-
genital-Kanal homolog ist. E
Über andre von mir untersuchte Formen habe ich bezüglich
der Genese des Urogenital-Kanales nur kurz zu berichten. Was
die Dasyuridae (außer Sminthopsis, siehe oben) anlangt, bin ich
durch Vergleichung von wenigen jungen Entwicklungsstadien mit
der Form des Urogenital-Kanales beim erwachsenen Tiere zur Über-
zeugung gelangt, daß auch hier an der Genese dieses Kanales zwei
Komponenten teilnehmen, homolog den Teilen bei den andern Beutlern.
Hiermit sehe ich mich gezwungen, eine früher geäußerte Meinung
teilweise zu widerrufen. Bei der Darstellung einiger jüngerer
Entwieklungsstadien männlicher Beutler (Dasyurus) schrieb ich: »die
Phallusleiste weitet sich zum Urogenital-Kanale aus« (l. e. S. 326),
als wäre diese Leiste die einzige Komponente bei der Umrandung
des Urogenital-Kanales. Die Vergleichung mit älteren Stadien und
| ‚andern Formen hat mich jetzt zu der Auffassung gebracht, daß bei der
Bildung nieht nur die Phallusleiste, sondern auch das umgebende
Eetoderm, bzw. ein Teil der Ectodäumwandung mit beiträgt.«
| i Von den Phascolomidae gilt dasselbe wie von den andern
| Br Im besonderen sind hier die sehr stark ausgesprochenen
‚knopfförmigen Anschwellungen am Ende der Phallusleiste zu er-
wähnen, welche dem Urogenital-Kanale wiederum eine eigenartige
viereckige Form verleihen (vergl. Perameles).
_ Überblieke ich die Resultate meiner Untersuchungen über die
420 A. J. P. v. d. Broek
Genese des Urogenital-Kanales der Beutler, so sind sie folgender-
maßen zusammenzufassen: Der Urogenital-Kanal der Beutler ist
als Samenharnröhre in dem Sinne zu deuten, daß er den Produkten
der Samenröhre und der Harnröhre von Echidna homolog ist. Er
ist teilweise entodermaler, teilweise eetodermaler Herkunft. Am
primitivsten gestaltet sich Perameles, bei dem nur in der oberen
Hälfte beide Kanäle sich zusammenfügen, in der caudalen Hälfte
aber getrennt verlaufen. Dann folgen die Didelphiden, bei denen
der eigentliche Urogenital-Kanal zwar ein einheitlicher Gang wird,
die Samenröhre jedoch sich als Furche auf die getrennten Penis-
schenkel fortsetzt. Bei andern Beutlerformen sind beide Kanäle
mehr oder weniger bis zur Penisspitze zu einem Kanale vereinigt.
Die Bedeutung dieser Ergebnisse für die Auffassung des Uro-
genital-Kanales der placentalen Säuger springt sofort ins Auge.
Auch für sie hat man bezüglich der Homologisierungsversuche di
Frage zu beantworten, was aus der Phallusleiste wird, und in welcher
Weise sich der Urogenital-Kanal bildet. Eine Erklärung für di
Homologie zwischen Samenröhre von Echrdna und Harnsamenröhr
der übrigen Säuger durch die einfache Annahme des Verschwindens
der Harnröhre (BoAs), oder durch Hinweis auf die Topographie
beider Gebilde, welche durch cavernöses Gewebe, Corpus cavernosum
urethrae, umgeben werden, ist ungenügend. Nur auf vergleichent
ontogenetischer Basis ist die richtige Deutung zu erlangen.
Für den Menschen meine ich den Beweis erbracht zu haben
daß der Urogenital-Kanal bei ihm doppelter Herkunft, also al
echte Samenharnröhre aufzufassen sei. Meines Erachtens gilt diese:
Satz auch in verschiedenem Maße für andre Säuger. Ich werd
das später ausführlicher begründen.
Accessorische Geschlechtsdrüsen.
Zu ihnen rechne ich folgende Drüsenformationen:
. Gl. prostata.
. Gl. urethrales.
. Gl. Cowperi.
. Gl. praeputiales und Drüsen in der Wandung des Ectodäum
. Gl. rectales.
1. Gl. prostata. Diese Drüse traf ich nur bei einem Macropus aı
den ich in ganz frischem Zustande untersuchen konnte. Zwar bot br
einigen konservierten Macropodinae (Halmaturus, Onychogale) dasober
grPpPVomD -
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 421
Ende des Urogenital-Kanales dasselbe Bild dar wie bei Macropus, doch
konnte mikroskopisch die Anwesenheit verschiedener Drüsenschläuche
einwandsfrei nicht mehr festgestellt werden. Das eraniale Ende des
stark verdickten Urogenital-Kanales von Macropus läßt auf dem
Längsdurchschnitt zwei deutlich und scharf begrenzte Partien unter-
scheiden. Die Umgebung des Collieulus seminalis wird durch eine
umgekehrt kegelförmige Gewebsmasse gebildet, diedurchihre glänzende
und glatte Oberfläche sich scharf abhebt vom streifigen Aussehen
des Gebietes der Urethraldrüsen. Die Basis der kegelförmigen
Drüsenmasse, die als Gl. pro-
‚stata anzusprechen ist, erreicht
die Muskelwandung des Uro-
genital-Kanales; die Spitze liegt
am unteren Ende des Samen-
hügels.. Die Prostata besitzt
keine eigene Muskelkapsel.
Makroskopisch ist auf der
Grenze zwischen ihr und den
Gl. urethrales ein starkes eireu-
läres Blutgefäß erkennbar.
4 Auch mikroskopisch tritt
der Unterschied deraneinander-
‚gronzenden Drüsen deutlich
zutage. Während die großen, Oberer Teil des Urogenital-Kanales von Hacropus.
auf Durehschnitten unregel- r. Muskelwand der Blase; o.ur. Ostium des Ureters;
mäßigen Lumina der Urethral- nn RN
- drüsen fast unmittelbar an-
einandergrenzen, liegen die Lumina der Prostata-Drüsenschläuche
etwas weiter voneinander entfernt und sind kleiner als die Urethral-
drüsen.
- Die Prostata besteht aus einer großen Zahl zusammengesetzt
tubulöser Drüsen, welche in der Umgebung der Ductus ejaeulatorii
ausmünden. Die Auskleidung der Drüsenschläuche besteht in einem
einschichtigen, 164 hohen Cylinderepithel (Fig. 13 auf Taf. V]).
\ Flachschnitte zeigen zwischen den etwa sechseckigen Zellen ein
schönes Schlußleistensystem. Der inneren Oberfläche benachbart
ist in den Zellen ein äußerst fein granulierter Saum zu sehen; der
übrige Zellinhalt ist klar. Das Drüsenlumen ist meistens von kleinen
"runden Körnern (Schleim) erfüllt, öfters trifft man Kernreste an. In
den Ausführungsgängen ist das Epithel geschichtet.
Fig. 48.
422 A. J. P. v. d. Broek
2. Die Lumina der Urethraldrüsen, welche die der Prostata
an Größe weit übertreffen, sind mit einem niedrigen, 6« hohen
kubischen Epithel ausgekleidet (Fig. 135 auf Taf. VI. Den Be-
schreibungen OUDEMANS über den Bau dieser Drüsen habe ich nichts
Wesentliches zuzufügen. Die Drüsen treten während der Entwicklung
erst ziemlich spät auf, zuerst im cranialen Teile des Urogenital-
Kanales. Sie sprossen radiär hervor und verzweigen sich mehrfach.
In eaudaler Richtung nehmen die Drüsen ziemlich schnell an Mächtig-
keit und Ausdehnung ab; sie fehlen im meist caudal gelegenen
Absehnitte des Urogenital-Kanales.
3. Gl. Cowperi. Auch bezüglich dieser Drüsen habe ich den
Beschreibungen von OÜUDEMANS wenig zuzusetzen. Im funktionierenden
Zustande sind die stark ausgedehnten Alveoli mit einem niedrigen
kubischen Epithel ausgekleidet. Die Epithelhöhe betrug bei Macro-
pus nur 3u. Ich habe keine Unterschiede im Verhalten des Epithels
der verschiedenen Drüsenkörper bei einem und demselben Tiere ge-
funden. OUDEMANS fand das Epithel der Cowperschen Drüsen bei
Perameles etwas höher als bei den andern Formen.
Die Beutler besitzen 3 Paar Cowpersche Drüsen. DISSELHORST
und CunnınGHAm beschreiben für Phalangista ein Paar. Ich fand
bei dieser Species, wie bei allen andern Phalangeridae 3 Paar. Das
von Tyson bei Didelphys als viertes angegebene Paar der COWPER-
schen Drüsen ist wohl, wie OQUDEMANS hervorhebt, als Teil der Crura der
Corp. eavernosa zu betrachten. Die drei Paar CowrpErschen Drüse
sind nicht gleich groß. Meistens (Macropodinae) ist ein Paar sehr
klein und den andern Drüsen so dicht angelagert, daß es erst durch ge
naue Präparation gelingt, die einzelnen Drüsen zu sondern. Jede
Drüse wird von einer starken quergestreiften muskulösen Hülle um-
geben. Diese ist, wie die Ontogenie lehrt, ein Produkt des M
sphineter eloacae. Hierin stimmen die Marsupialen mit Echidna
überein, bei welcher nach KeisEL die Muskulatur der CowPperscher
Drüse ebenfalls vom M. sphincter eloacae ableitbar ist. Verfolgt mar
die Ausführungsgänge nach dem Urogenital-Kanale hin, so erkenn
man, daß sie kurz vor der Mündungsstelle sich miteinander ver-
einigen, so daß fast immer nur eine einzige solehe im Urogenital-
Kanale besteht (vgl. Fig. 49 von Halmaturus). Nur bei Phascolog
flaviceps fand ich direkt nebeneinander gelagert zwei Ausführungs-
öffnungen vor.
Die meistens einfache Mündungsstelle liegt auf symmetrischer
großen Papillen, welche von der dorsalen (rectalen) Seite in da
a Ze nal nn ST un 2
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 423
‘Lumen des Urogenital-Kanales hineinragen. Die Papillen sind, wie
' OuUDEMAnNs auch für Dipelphys angibt, von einer Art Sinus des Uro-
‚ genital-Kanales, der sich noch etwas cranialwärts ausdehnt (s. in
Fig. 49), umgeben. Das Lumen des Kanals verändert in der Höhe
‚ der Einmündung der Drüsen seine Form. Cranial von der Mündungs-
‚stelle, wo der Traktus ausschließlich entodermaler Natur ist, steht
das Lumen sagittal, caudal davon, wo er gemischter Natur ist, ist
es horizontal gerichtet und mit einem medianen, senkrecht darauf-
stehenden Schenkel versehen.
Die Tatsache der einfachen Einmündung der CowPperschen
Fig. 49.
c.u:.g-
e.d. p.c.d.
c.u.g.
.c.d.
S. pP
p.c.d. Deo
, Einmündung der Cowrerschen Drüsen bei Halmaturus. c.u.g. Urogenital-Kanal; s. Sinus in diesem
Kanale; c.d. Ausführgang der Cowrerschen Drüsen; p.c.d. Papille.
Drüsen wird durch die Ontogenie verständlieh. Die später getrennten
' Drüsen verdanken einer einzigen Anlage ihre Entstehung. Die Drüse
Sproßt als einfacher Zellstrang aus der Wand des Urogenital-Sinus
(wahrscheinlicher Eetodäum) hervor (Halmaturus 1,75 em). Erst
nachher kommen am Ende dieses Ganges sekundäre Gänge hinzu
(Halmaturus 3,2 em), welche zu dem verwickelten Baue Veranlassung
geben. Die einfache Cowrersche Drüse der Beutler besitzt also
drei Lappen, welche durch Muskelmassen umgeben, voneinander ge-
‚trennt sind. Die orale Wandung des Ectodäums ist nach meiner
Meinung der Mutterboden für die erste Anlage der Drüsen, gleich-
wie bei Echidna. Bei einem Halmaturus-Beuteljungen von 1,75 em
waren beiderseits von der Phallusleiste zwei Kernanhäufungen sichtbar,
424 Ar" PL Ve U BIDER
welche anscheinend die Anlagestellen der Cowperschen Drüsen waren
(Fig. 37).
Die weitere Ontogenie läßt einen Unterschied mit Echidna und
dem Menschen erkennen. Im Gegensatze mit dem, was KEIBEL und
sein Schüler Vorr über die Entwicklung der Cowperschen Drüsen
bei Echidna beschreiben und abbilden, kommen keine netzförmigen
Verbindungen oder Anastomosen zwischen benachbarten Drüsenlumina
bei Beutlern vor. Die hervorsprossenden Drüsengänge verlaufen
diehotomisch verzweigt, etwa radiär zur Peripherie des Drüsen-
körpers.
4. Gl. praeputiales, bzw. Drüsen in der Wandung der Penis-
tasche.
In der Wandung der Penistasche habe ich, abgesehen von den
großen Haarbalgdrüsen, bei mehreren Formen (Didelphys, Phascologale,
Sminthopsis, Halmaturus) zusammengesetzte tubulöse Drüsen ge-
funden, deren Lumina mit einem einschichtigen, niedrigen Epithel
ausgekleidet waren. Besonders bei Sminthopsis waren sie überaus
mächtig entwickelt und kamen in Form und Ausbreitung mit den
Drüsen des weiblichen Geschlechtes überein, welche ich früher be-
schrieb und abbildete (3).
5. Reetaldrüsen. Bei männlichen Beutlern kommen zwei Paar
Rectaldrüsen vor, welche in eranio-caudaler Richtung angeordnet
sind. Nicht bei allen Formen gelangen beide Paare zur Entfaltung.
Bei sämtlichen Phalangeridae gelangt nur das caudal gelagerte Paar
zu weiterer Entwicklung; während die mehr cranial gelagerte
Drüsenanlage in der Form eines am Ende zuweilen geteilten Zell-
stranges verharrt. Den feineren Bau der Rectaldrüsen weiblicher
Beutler habe ich früher in einer speziellen Arbeit auseinandergesetzt.
Die Reetaldrüsen männlicher Formen kommen hiermit überein. Hier
werde ich nur die Rectaldrüsen von Hypsiprymuus näher besprechen,
bei welcher Species sie eine besondere und starke Entwicklung er-
fahren. Die Ausscheidung eines intensiv stinkenden Secretes weist
daraufhin, daß diese Drüsen, sei es zum geschlechtlichen Verhalten,
sei es zur Verteidigung des Tieres in näherer Beziehung stehen.
Eröffnet man das Eetodäum und das Reetum von der oralen Seite
her, dann fallen dreierlei Ausführöffnungen ins Auge. Zunächst
fällt in der Mitte der dorsalen Wandung des Eetodäums ein langer
und spitz endigender Fortsatz auf, der aus der äußeren Öffnung
hervorragt. Bei der Beschreibung der äußeren Geschlechtsorgane
fand dieser Fortsatz Berücksichtigung. Seine Spitze trägt zwei
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 425
kleine runde und seitwärts gerichtete Ostien. Diese Öffnungen
führen in lange und dünne Kanäle, welche den Fortsatz in ganzer
Länge durchsetzen, weiterhin in schräg eranialer Richtung die Ecto-
däumwandung durchbohren und schließlich in zwei runde Drüsen-
körper übergehen.
Was die Entwicklung und den Bau dieser Drüse anbelangt, so gilt
folgendes. Bei einem Beuteljungen von 8 cm geht von der Vor-
ragung der caudalen (bzw. dorsalen) Eetodäumwandung ein Drüsen-
gang nach innen, welcher die Eetodäumwand schräg cranial-
wärts durchsetzt und nach längerem Verlaufe in einem Drüsen-
körper endet, der im Baue mit einer sich entwickelnden Rectal-
drüse übereinkommt. Sie lagert zwischen zwei Schichten des
M. sphincter eloacae.
Bei einem Beuteljungen von 14 cm hat sich die Vorragung
stärker entwickelt (vgl. Fig. 2b, Taf. V), der Ausführungsgang sich
entsprechend verlängert. Dieser ist mit einem mehrschichtigen Epithel
austapeziert. Der Drüsenkörper besitzt eine centrale Höhle, umringt
von einem Kranze sekundärer kleinerer Höhlen. Die ganze Drüse
hat sich von der Umgebung losgelöst und besitzt eine eigene Muskel-
kapsel. Auch die Drüse des erwachsenen Tieres zeigt den Bau der
Rectaldrüse, wie man sie bei den Phalangeridae antrifft.
Wir haben hier also eine Reetaldrüse vor uns, welche an einer
besonderen Stelle (auf der rectalen Wandung des Ectodäums) ent-
steht und später außerhalb des Proetodäums ausmündet. Das zweite
Paar der Reetaldrüsen (auf Fig. 50 mit 5b angedeutet) mündet
seitlich vom oben genannten Fortsatz im obersten Teile des Procto-
däums. Die Ausmündungsstelle liegt unter einer großen Falte der
Schleimhaut verborgen, welche links auf der Fig. 50 umgeklappt ist.
Der ziemlich kurze Ausführungsgang führt schräg eranial- und lateral-
yärts zu einem großen und ovoiden Drüsenkörper, der von einer
icken Muskelkapsel umgeben ist.
Über Entwieklung und feineren Bau gilt folgendes. Beim
3euteljungen von 8 cm bildet die Drüsenanlage einen nur 450 u
langen und sehr breiten soliden Zellstrang, der von der seitlichen
Wandung des Ectodäums ausgeht (Fig. 45 a. b... Diese Lagerung
hat sich, durch die Aufteilung des Eetodäums, beim Beuteljungen
von 12 em derart geändert, daß die Drüse im Proctodäum aus-
mündet. Sie hat sich daneben weiter differenziert. Der dicke Zell-
trang hat ein unregelmäßiges Lumen bekommen, um das die Zellen
in vielen Schichten angeordnet sind. Er ist damit zu einem kurzen
496 Ar Pr 2:.d3Broek
Ausführungsgange geworden. An seinem Ende teilt er sich in mehrere
sekundäre Gänge, welche ihrerseits in verzweigte und netzförmig
anastomosierende Zellstränge übergehen. Im Centrum der ganzen
Masse finden sich bereits einige Lumina. Der Beginn seeretorischer
Tätigkeit ist wahrzunehmen. Diese besteht, wie die Untersuchung
beim erwachsenen Tiere lehrt, in der Produktion eines gelblichen,
amorphen Secretes, das einen stark durchdringenden Riechstoff ent-
hält. Bei der Produktion des Secretes gehen, wie in der Rectal-
drüse, Zellen zugrunde.
Der Drüsenkörper besitzt einen wehren: großen Alveolus,
Fig. 50.
Proctodäum und Rectum von Hypsiprymnus, an der dorsalen Seite geöffnet. a und db Rectaldrüsen
c Sinus.
welcher mit Seeret prall angefüllt ist, jedoch keinen Anteil an
der seeretorischen Tätigkeit zu nehmen scheint; er ist mit einem
scharf begrenzten, etwa zweischichtigen Epithel bekleidet. In
ihn münden die ihn rings umgebenden kleineren und miteinander
anastomosierenden Drüsenlumina aus, welche alveoläre Enda
schwellungen zeigen. i
Das dritte, nicht als eigentliche Drüse zu bezeichnende Gebilde
liegt dieht neben der Medianlinie auf der dorsalen Wandung des
Proctodäums (Fig. 50c), dicht an dessen oberer Grenze. Eine große
runde Öffnung führt in einen geräumigen Blindsack, dessen Aus-
dehnung in Fig. 50 angegeben ist. Der Blindsack nimmt seine En
stehung, wie die Untersuchung des Beuteljungen von 8 cm lehrt, aus
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 427
der dorsalen Wandung des Proctodäums als einfache, median gelagerte
Ausstülpung. Beim Beuteljungen von 14 cm ist die Ausstülpung
median und unpaar; erst nach vielen Schnitten teilt sie sich in zwei
Abschnitte. Der unpaare Abschnitt wird allmählich in das Procto-
däum aufgenommen, so daß die Ausstülpung beim erwachsenen
Tiere paarig erscheint.
Ich fand einen der beiden Säcke prall mit dem stinkenden Secrete
aus der zweitgenannten Reectaldrüse angefüllt. Vielleicht dient er
als Reservoir für das Secret, welches in bestimmten Augenblieken
in größerer Menge durch Kontraktion der kräftigen muskulösen
Wandung ausgelassen werden kann. Die Schleimhaut zeigt eine
große Zahl von Falten, was auf eine Ausdehnungsfähigkeit hinweist;
mikroskopisch stimmt sie im Baue mit der Wand des Proctodäums
überein.
Testikel und Epididymis.
a) Lagerung und Hüllen.
Die beiden Testes und Epididymes machen bei Beutlern einen
vollständigen Descensus durch und bleiben zeitlebens in dem präpe-
nialen Serotum liegen. Rückkehr in die Bauchhöhle durch Muskel-
wirkung (M. eremaster) kommt anscheinend nicht vor.
Im Serotum lagern die Testes einander sehr dicht an; die
einander zugekehrten Flächen, durch ein dünnes Septum seroti ge-
trennt, sind meistens abgeplattet. Die Epididymes liegen dorso-
lateral von den Testikeln.
Das Serotum ist der vorderen Bauchwand sehr breit (Phasco-
lomys) angelagert, sog. sessiles Serotum, oder die Verbindung zwischen
Serotum und Bauchwand ist eine schmale, stielartige (übrige Beutler).
Die Serotalhaut und das subeutane Bindegewebe geben zu besonderen
Bemerkungen keinen Anlaß; ein diekerer Bindegewebsstrang ver-
läuft zwischen die Serotalhaut und den Testikel, das Gubernaculum
Hunteri.
Die Hüllen des Testikels sind die üblichen. Eine deutliche
Fascia Cooperi als Produkt des M. obliquus abdominis externus
konnte ich nicht präparieren, es sei denn, daß das dünne Binde-
gewebslager, welches den M. eremaster bedeckt, als solche betrachtet
werden muß. Der M. cremaster bezieht seine Fasern, wie früher
ausführlicher beschrieben wurde, ausschließlich aus dem M. trans-
versus abdominis. Die Muskelbündel lagern dem Funieulus sperma-
Morpholog. Jahrbuch. 41. 28
%.
ge
Ei
428 AR;
v. d. Broek
ticus anfangs lateral an, um ihn nach und nach ganz zu umschließen.
Sie strahlen auf die Testikeloberfläche aus.
Ebensowenig wie eine CoorErsche Fascie war eine deutliche
Tunica vaginalis communis zu präparieren.
Zwischen parietalem und visceralem Blatt der T
Sinus vaginalis.
Blätter des Bauchfelles im Serotum sind im Abschnitte über das
Daselbst wurde auch schon die Aufmerk-
samkeit auf die tiefschwarze Pigmentierung gelenkt,
parietale Blatt bei vielen Formen aufweist.
greift auf das viscerale Blatt nicht über.
nur hin und wieder Pigmentierung vor.
propria findet sich der
Peritoneum nachzusehen.
b) Makroskopischer Bau von Testikel und Epididymis.
Zieht man Testikel und Epididymis auseinander, dann kann man
die Form des ganzen Testikels übersehen;
Fig. 51.
Schema des Verlaufes der Gefäße im Mesorchium
und Vas epididymidis bei Halmaturus. d.a, Drü-
siger Teil der Epididymis; v.e. Vas epididymidis;
p'p Plexus pampiniformis, mit dem Teil der
zum Nebenhoden (p’’p’) und zum Hoden (p'p')
zieht; e Epididymis.
sehr different und auch abweichend von dem Verlaufe der oberfiäclie
lichen Gefäße der Hoden andrer Säuger.
kommen, daß vielleicht ein Konnex zwischen innerer Organisation
und Gefäßverteilung bestehe, obwohl ich Sicheres darüber nicht
leh gebe hier nur einige Befunde wieder. Die
Frage selbst läßt sich nur an großem Vergleichsmaterial studieren,
was den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde.
aussagen kann.
'unica vaginalis
Die Verhältnisse beider
welche das
Die Pigmentierung
Im Samenstrange kommt
sonst wird er teilweise
durch die Epididymis bedeckt.
Der Hoden stellt ein Organ von fast
kugeliger (Didelphys) oder mehr
ovoider Gestalt (Phaseolaretidae,
Phalangeridae) mit glatter Ober-
fläche vor. An keiner Stelle
ist er mit dem Epididymis in
fester Verbindung, das breite
Mesorchium erlaubt eine große
Beweglichkeit gegen die Epidi-
dymis.
Zunächst fällt die Gefäßver-
sorgung des Testikels durch die
Verteilung der oberflächlich ver-
laufenden, hauptsächlich venösen
Getäße auf. Der Gefäßverlauf ist‘
bei verschiedenen Beutlerformen
Es läßt den Gedanken auf-
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 429
Bei Didelphys durchsetzen die Gefäße das Mesorchium an dessen
freiem Rande und begeben sich zum Testikel, wo sie sich radiär ver-
teilen. Ähnliches sieht man bei Dasyurus. Bei Phascolomys ver-
teilen sich die Gefäße (man erkennt nur die ganze Gruppe, Arterie
und Venen nicht gesondert) in zwei Gruppen. Eine Gruppe zieht
zum Nebenhoden, die andre verläuft in großem Bogen zwischen die
Blätter des Mesorchiums zum Testikel (Fig. 14, Taf. VI). Hier er-
reichen sie dessen Spitze und verteilen sich von da auf die Ober-
fläche. Hierbei treten einige Hauptgefäße in den Vordergrund;
sie sind parallel der Längsachse des Testikels auf dessen Oberfläche
zu verfolgen, wo die Äste sich baumförmig abzweigen. Die Haupt-
gefäße treten an der Spitze des Testikels, wo sie in das Mesorchium
übergehen, wirbelförmig zusammen.
Duetus efferentes testis (siehe unten) und Blutgefäße des Testikels
sind zwischen den Mesorchiumblättern weit voneinander entfernt (vgl.
Fig. 14, Taf. V]).
Bei den Maeropodinae ziehen die Blutgefäße, aus dem Samen-
strange kommend, mehr direkt zum Testikel, doch bleiben sie weit
vom Rande des Mesorchiums entfernt (vgl. Fig. 15 auf Taf. VI). Sie
erreichen den Testikel an einem seiner spitzen Pole und verteilen
sich dann auf dessen Oberfläche. Hier treten Differenzen auf. An
der einen Testikelfläche erblickt man ein Gefäß, das in der Mitte
der Oberfläche liegt, und von dem sich nach und nach die Äste in
das Organ einsenken (es ist offenbar eine Vene). An der gegenüber-
liegenden Seite befinden sich zwei Gefäße, welche einander voll-
kommen parallel verlaufen, und in welche die Äste von je einer
Testikelhälfte sich einsenken. Etwas tiefer gelagert schimmern kleine
gleichverlaufende Arterien durch.
Die Epididymis ist ein Organ von länglicher Form, das den
Testikel teilweise bedeckt. Zieht man den Nebenhoden vom Hoden
ab, dann kann man an ihm eine äußere konvexe und eine innere
konkave Fläche unterscheiden. Die Ränder zwischen beiden Flächen
sind glatt, außer bei Dasyurus (Fig. 16, Taf. VI), bei dem sie durch
eine starke Crenilierung ausgezeichnet sind. Die äußere, konvexe
Fläche ist teilweise breit dem parietalen Blatte der Tunica vaginalis
propria angeheftet (Mesepididymis), der übrige Teil ragt frei in den
Sinus vaginalis (vgl. Peritoneum). Von der Mitte der konkaven, den
Hoden zugewendeten Fläche, geht das Mesorchium aus, das Hoden
und Nebenhoden verbindet.
Es ist nicht zulässig, am Nebenhoden Caput und Cauda zu
2 28*
420 A. J. P. v. d. Broek
unterscheiden, wie es in der menschlichen Anatomie gebräuchlich ist,
was wohl durch die Abwesenheit eines Corpus Highmori und der
Coni vaseulosi verursacht wird.
Es sind äußerlich an der Epididymis zwei Regionen zu sehen,
welche sich durch das Kaliber der durchschimmernden Kanälchen
unterscheiden. Eine Region mit Kanälehen von großem Kaliber
(der stark geschlängelte Ductus epididymidis) setzt sich scharf ab
gegen eine Region mit Kanälchen von viel kleinerem Durchschnitt
(die Epididymiskanälchen). Letztere nehmen nur einen kleinen Teil
der Epididymis ein.
Die Verbindung zwischen Testikel und Epididymis kommt nur
durch ein oder durelı wenige Kanälchen zustande. Diese Ductus
efferens testis (bzw. D. efferentes testis) lagern nur bei Didelphys
am Rande des Mesorchiums, bei den andern bleiben sie etwas
von ihm entfernt. Bei den Macropodinae begleiten sie die das
Mesorehium durchsetzenden Gefäße. Bei Phascolomys durchsetzt ein
Gang die Mitte des Mesorchiums, weit von den Gefäßplexus entfernt,
und tritt in der Mitte des Nebenhodens ein (Fig. 14, Taf. VI).
Mikroskopischer Bau und Entwicklungsgeschichte.
Es ist nicht meine Absicht, an dieser Stelle einen Beitrag zur
Spermatogenese der Beutler zu liefern. Diese ist in mehreren Arbeiten
der letzten Jahre ausführlich beschrieben worden (FÜRST, v. KORFF,
BENDA). Ich beschränke mich daher für den Testikel auf einige
wenige entwicklungsgeschichtliche und histologische Angaben und
werde nur auf den Bau des Nebenhodens und die Entwicklung der
Verbindung zwischen beiden Organen etwas näher eingehen.
Auf Durchsehnitten von Quer- und Längsschnitten zeigt sich der
Testikel aufgebaut aus einer sehr großen Zahl geschlängelt ver-
laufender Samenkanälchen, welche durch sehr wenig Bindegewebe
voneinander getrennt sind. Ich sah keine Queranastomosen zwischen
benachbarten Kanälehen, womit natürlich nicht gesagt ist, daß solche
fehlen. Der ganze Komplex von Hodenkanälchen wird von einer
aus parallelen Bindegewebsfasern bestehenden Tunica albuginea um-
geben. &
Betrachtet man einen Längsschnitt durch einen sich entwickelnde
Hoden, wie Fig. 52 ihn wiedergibt, dann fällt sofort eine hetinmte
Lagerung der Hodenkanälchen auf. Diese verlaufen etwas ge-
schlängelt, im allgemeinen senkrecht gegen die Längsachse des
I
ö
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 431
Organes, wobei sie nach einer Stelle des Organes konvergieren.
Sehält man vom erwachsenen Organe die Tunica albuginea ab, dann
trifft man übereinander gelagerte Schichten von Hodenkanälchen,
welche durch dünne Schichten fibrillären Bindegewebes getrennt sind.
Diese Scehiehten sind den Lobuli im Testikel des Menschen nicht
völlig vergleichbar, denn ein Zusammentreten der Septen zur Bildung
eines Corpus Highmori fehlt den Beutlern.
Die Hodenkanälchen sammeln sich bei allen untersuchten
Formen zu ganz wenigen Kanälen (oder einem einzigen Kanal),
welche die Verbindung zwischen Hoden und Nebenhoden herstellen.
Ich traf im Bindegewebe des Hodens die sog. interstitiellen
Fig. 52.
Schnitt durch den Hoden von Halmaturus Benetti. 10,5 cm. Vergr. 33,5. p.p. Plexus pampini-
formis; m.g. Rest des Mürrerschen Ganges; v.e. Vas epididymidis; Z.s. Tubuli seminiferi.
Zellen reichlich an als große runde oder polygonale Zellen mit
großem runden Kern. Kristalle fand ich in ihnen nicht.
Was den Nebenhoden und die Verbindung zwischen beiden
Organen betrifft, so muß ich etwas weiter ausholen und an die Ent-
wicklungsgeschichte erinnern, wie ich sie teilweise früher (5) be-
schrieb.
Zur Zeit der Geburt funktioniert die Urniere und lagert an ihrer
ventro-medialen Seite der Testikel. Es besteht noch keine Ver-
bindung zwischen beiden. Die Urnierenkanälehen redueieren sich
in eranio-caudaler Richtung und bilden sich nicht in Nebenhoden-
kanälchen um. Der Worrrsche (und MüÜLLERsche) Gang wächst
bogenförmig in den Testikel hinein und erlangt da Verbindung mit
den nach einem Punkte konvergierenden Hodenkanälchen. Sind alle
Urnierenkanälchen redueiert, dann wird der ganze Nebenhoden
ausschließlich vom geschlängelt verlaufenden Duetus epididymidis
432 A. J. P. v. d. Broek
eingenommen; es fehlen alle Nebenhodenkanälchen (Didelphys,
Dasyurus, Halmaturus). Erst später entstehen an einer scharf um-
schriebenen Stelle des Nebenhodens die sog. Nebenhodenkanälchen
entweder durch Sprossungen oder, was ich für möglich halte, durch
Spaltungen an dem einzig vorhandenen Gange. Ich unterscheide
den betreffenden Teil als Pars conglomerata des Ductus epididy-
midis.
Diesen Entwicklungsmodus kann ich jetzt für die Phalangeridae
bestätigen. Auch bei ihnen besteht anfangs nur ein einziger Gang,
aus dem erst später die eben erwähnten Kanälchen hervorgehen.
Die Netzbildung bleibt nicht auf den Nebenhoden beschränkt;
sie erstreckt sich allmählich auch auf die Verbindungsstrecke zwischen
Testikel und Epididymis. Beim erwachsenen Tiere bildet diese Ver-
bindung einen feinen Strang, in dem eine größere Zahl von
Kanälchen dicht nebeneinander verlaufen, welche ein langgestrecktes
Netzwerk darstellen (vgl. Fig. 17, Taf. V]).
Obwohl also bei den Beutlern zwischen Hoden und Nebenhoden
mehrere Verbindungsgänge als Ductus efferentes testis verlaufen,
so nehmen sie doch eine andre Entwicklung als die Duetus efferentes
testis höherer Säugetiere; sie sind diesen nur der Funktion nach
gleichwertig.
Die sog. Nebenhodenkanälchen nehmen in der Epididymis der
Beutler nur einen kleinen, scharf begrenzten Platz ein. Dieser ist
äußerlich am Kaliber der durchschimmernden Kanälchen zu erkennen.
Sie besitzen ein einschichtiges Cylinderepithel, an dem secretorische
Tätigkeit zu erkennen ist. Die Zellen sind mit unregelmäßigen
Fortsätzen (Cilien) besetzt. Glattes Muskelgewebe, das DissELHORST
im Nebenhoden von Phalangısta beschrieb, fand ich bei Macropodinae
(Onychogale). Die Umhüllung des Nebenhodens besteht außer aus
dem Peritoneum aus einer Tunica albuginea, zwischen deren Binde-
gewebsfasern große und weite Lymphspalten auffallen. Auch größere
Blutgefäße verlaufen hier. Die Struktur des Ductus epididymidis gibt
zu besonderen Bemerkungen keinen Anlaß. Äußerst stark geschlängelt
verlaufend erfüllt der Gang den größten Teil des Nebenhodens und ver-
läßt diesen an der lateralen, konvexen Fläche, um in den Samenstrang
einzutreten. Der Übergang vom Nebenhoden in den Samenstrang
liegt nicht am Ende dieses Organes, sondern wie die Fig. 14—16
auf Taf. VI zeigen, in der Mitte dessen Höhe.
Appendices testis habe ich nur einmal mit Sicherheit, bei Dasyurl
macrourus, aufgefunden.
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Morpholog. Jahrbuch. Ba. AU
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Lüh.Anst.v. Johannes Arndt, Jen.
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 433
Andern Resten des MÜürLterschen Ganges hingegen begegnete
ich mehrere Male bei Beuteljungen. Bei Didelphys und Dasyurus
durchsetzt der MÜLLERsche Gang den Nebenhoden in ganzer Aus-
dehnung als ein Kanal mit rundem Lumen und einschichtigem Cylinder-
‚epithel. Bei Macropodinae (Halmaturus) fand ich einen solchen
Kanal nicht.
Bei allen Beutlern bleibt das caudale Ende des MÜLLERschen
Ganges bestehen und trägt bei zur Bildung des Ductus deferens.
Ich habe früher den sehr eigenartigen, spiralig umeinander gedrehten
Verlauf beschrieben, welchen WoLrrscher und MÜLLERscher Gang
bei ihrer Einmündung einschlagen. Das Endstück des MÜLLERschen
Ganges, das um den Worrrschen Gang herum verläuft, verschmilzt
später mit ihm zu einem einzigen Kanale. Am Verschmelzungspunkte
nimmt das Lumen des Ductus deferens plötzlich ziemlich stark zu
(Maeropodinae), eine Erscheinung, welche in dem Ostium, das im
Verlaufe der Vagina bei den Macropodinae angetroffen wird, ihr
Homologon hat.
Der eaudale Teil des Duetus deferens und der unterste Teil
der Vagina lateralis sind somit einander vollständig homolog.
Aus der eben beschriebenen Verbindung beider Kanäle erhellt
sofort, warum bei Beutlern eine Vagina masculina fehlt. Die Be-
obaehtung von Young (32), der eine solche bei Phascolarctos beschreibt,
kann ich nicht bestätigen.
Die Struktur des Funieulus spermatieus gleicht derjenigen bei
andern Säugern. Die große Zahl von Blutgefäßen, welche einen
Teil des Querschnittes ausmachen, besteht hauptsächlich aus äußerst
feinen Arterien. Mehr nach der Peripherie zu finden sich die größeren
Venen. Eine kleinere Anhäufung von Gefäßen liegt in der Um-
gebung des Ductus deferens und stellt die Zweige der Art. und Vena
deferentialis vor. Der Verlauf der Art. spermatica interna ist im
Abschnitte der Bauchwandmuskulatur beschrieben worden.
Serotum.
Die Beutlerbesitzen ein präpenialgelagertesSerotum, ausgenommen
Notoryctes typhlops, dem ein Serotum fehlt (STIRLING, SwEET).
Die Serotalanlage tritt in der Form zweier länglicher Wülste
auf der vorderen Bauchdecke zutage, welche in der Medianlinie
aneinander grenzen. Diese Area scroti liegt in bestimmtem oralen
Abstande von der Anlage der äußeren Geschlechtsorgane; sie nimmt
434 A. J. P: v. d. Broek
dieselbe Stelle ein wie beim Weibehen das Mammarfeld. Auf Quer-
schnitten stellt die Serotalanlage hauptsächlich eine subepidermoidale
Anhäufung von Bindegewebe vor. In der Mitte dieses lockeren
Bindegewebes fällt durch dunklere Tinktion das Ende des Ligamentum
inguinale auf, Dieses wird, an seiner medialen Seite, von. einem
Processus vaginalis peritonei begleitet. Ich konnte keine besonderen
Unterschiede in der Größe dieser Peritonealausstülpung finden. Eine
besondere Größe der Bursa bei Perameles, worauf KLAATsSCH hin-
weist (l. e. S. 624), ist mir nicht aufgefallen.
Die Serotalanlage hebt sich bald von der vorderen Bauchdecke
ab, indem die Testikel schon sehr früh in sie eintreten.
Untersucht man die Scerota von Beuteljungen auf Querschnitten,
dann sind zwei Teile an ihnen zu unterscheiden. In dem einen
Teile lagern die Testikel.e. Der zweite Teil bildet einen soliden
Fortsatz, der angefüllt ist mit Bindegewebe, in welches das Lig.
inguinale ausstrahlt. Später scheint dieser Teil zu verschwinden.
In der Subeutis des Beutlerscrotums findet man immer glatte
Muskelelemente, welche ein Art Tunica dartos darstellen.
Beim erwachsenen Tiere ist das Serotum sog. sessil (Phascolomyys),
oder es hängt durch einen schmaleren sog. Serotalstiel (KLAATscH)
mit der vorderen Bauchdecke zusammen. Bei Notoryctes liegen die
Testikel zwar subeutan, aber es fehlt, wie schon anfangs vermeldet,
ein eigentliches Serotum.
Der Hodensack umschließt, speziell bei den Maeropodinae, die
beiden Testikel sehr eng, so daß diese dicht aneinandergeschlossen
öfters sogar an der medialen Seite abgeplattet sind.
Die Bilateralität des Scrotums, welche sich schon bei der ersten
Anlage ausprägt, bleibt durch die Anwesenheit eines Septum seroti
erhalten.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einleitung. . . A Rn u a np en ae ne
Außere Geschlechtsorgane ae RENTE ee ee
Muskulatur . . . u u ER m 1 2
Pamtohenum 7, VA ER IRE NEAUARTET MIT AT IRSIN A,
Harmblase Ye. . ou. ita) SIRSR RTV lan. arıt AaIvHlu Me
tr en
RnohO . F.... 0 ne N Leu un
Urogenital-Kanal . . RES, MUmBonAE „UT RI VE
Accessorische Geschlechtsdrüsen era dr me Be een, Ve
Testis und m Eye egal ad re De ae 2
Serotum . . RT TARR TUR WEB NIISRERRFAID B7 13)
Taf: VI.
Lüh.Anst.v. Johannes Arndt, Jerea.
Verlag vor Wühelm Engelmann in Leinzig.
orpholog. Jahrbuch. Bd. XL
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 435
Figurenerklärung,
Tafel V u. VI.
Äußere Geschlechtsorgane von Perameles obesula 5 5 cm.
Außere Geschlechtsorgane von Hypsiprymnus rufescens. a © 63 mm;
b 5 14cm.
3. Äußere Geschlechtsorgane von Halmaturus thetidis. a 5 10,4 em;
b 5 16cm; c 3 19cm.
BIT
ie. 4. Penis und Penistasche von Phascolomys einereus.
. 5. Durchschnitt durch den Knorpelstab im Penis von Phascolomys einereus.
Vergr. 155.
6. Einmündung der Ureteren und Ductus deferentes bei Didelphys mar-
supialis.
Collieulus seminalis von Phascolomys einereus.
Collieulus seminalis von Phalangista lemurina.
7
8.
. 9. Collieulus seminalis (?) von Hypsiprymnus rufescens.
0
Querschnitt durch den Urogenital-Kanal von Perameles obesula.. 5 cm
Vergr. 135.
11. Grenze zwischen Eetoderm und Entoderm in der Phallusleiste von
Halmaturus thetidis. & 16,4 cm. Vergr. 130.
12. Grenze zwischen Eetoderm und Entoderm in der Wandung des Uro-
genital-Kanales von Phalangista lemurina. Vergr. 85.
.13. Querschnitt durch Drüsenschläuche der Prostata (@) und Gl. urethralis (b)
von Macropus dorsalis. Vergr. 265.
.14. Testikel von Phascolomys einereus.
.15. Testikel von Maeropus dorsalıs.
.16. Testikel von Dasyurus macrourus.
.17. Netzbildung im Verlaufe des Vas epididymidis.
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D
4
H
' Entwieklung und Bau des Urogenital-Apparates
‚ der Beutler und dessen Verhältnis zu diesen Organen
andrer Säuger und niederer Wirbeltiere.
Von
Prof. A. J. P. v. d. Broek.
Mit 7 Figuren im Text und Tafel VI.
In diesem Aufsatze beabsichtigeich, erst eineallgemeine Übersicht
über Entwieklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler zu
‚ geben. Ichwerde mich niehtauf das männliche Geschlecht beschränken,
‚sondern auch das weibliche Geschlecht mit in den Kreis der Be-
trachtungen ziehen. Erst nach der Veröffentlichung früherer Unter-
suchungen über diesen Gegenstand kamen mir mehrere Präparate unter
‚ die Augen, durch welehe manches, was früher nur lückenhaft unter-
sucht wurde, später vervollständigt werden konnte, und welche die
‚ Vergleichung der Organe beider Geschlechter besser durchführen
ließen. Allerdings können an dieser Stelle nur die hauptsächlichen
‚ Ergebnisse gestreift werden; für viele Einzelheiten muß auf die
| früheren Arbeiten ee werden. Außerdem werde ich, soweit
| die Gelegenheit sich hierzu bietet, den Geschlechtsapparat der Beut-
‚ ler sowohl mit dem der placentalen Säuger als auch mit dem der
‚ Monotremen und von niederen Wirbeltieren vergleichen. Für die Be-
schreibung nehme ich den Ausgang von einem noch nicht geschlecht-
lich differenzierten Stadium, welches ich bei einem Phalangista-
‚ Beuteljungen von 12 mm antraf.
| Die Urniere, welche anscheinend sehr früh auftritt, bildet einen
voluminösen Drüsenkörper, welcher das Cölom von jeder Seite her
‚ beträchtlich einengt. Der Geschlechtsstrang verläßt sie am cau-
dalen Drüsenpol und verläuft in caudo-medialer Richtung zum Sinus
|
438 A. J. P. v. d. Brock
urogenitalis. Im Geschlechtsstrange befinden sich Worrrscher und
Mürverscher Gang. Ersterer mündet in den Sinus urogenitalis,
dessen seitliche Wandung er, wie bei monodelphen Säugern, durch-
bohrt. Der Mürrersche Gang besitzt ein Ostium abdominale, er
erreicht den Sinus urogenitalis noch nicht. Das Urodäum, die ento-
dermale Cloake, ist bereits vollständig in Sinus urogenitalis
und Rectum aufgeteilt; es hat sich also ein primitiver Damm ge-
bildet. Sinus urogenitalis und Rectum senken sich hintereinander
in eine eetodermale Cloake, in das Eetodäum FLEISCHMANNS, ein.
Zwischen den Mündungen der Wortrschen Gänge beobachtet
man die schon eranialwärts gerichteten Ostien der Ureteren. Wenn
die Ureteren als Ausstülpungen der Wandung der Urnierengänge
entstehen, was angenommen werden darf, dann ist der Teil zwischen
ursprünglichem Ostium des Wouurschen Ganges und der Anlage-
stelle des Ureters (Allantoisstiel von v. MiHALKOVvIcs) in das Lumen
des Sinus urogenitalis bereits aufgenommen worden. In einem
solchen schnell sich vollziehenden Entwicklungsvorgange erblickt
bekanntlich KEIBEL die Ursache für die von den monodelphen Säu-
gern abweichenden Einmündungsverhältnisse der Ureteren und WOLFF-
schen Gänge.
Der Ureter ist bereits mit der mesodermalen Nachnierenanlage
in Zusammenhang getreten.
Der Sinus urogenitalis besitzt ein sehr kleines, sagittal gestell-
tes Lumen und geht nach vorn in die solide Uralplatte s. Phallus-
leiste über, welche als Doppellamelle entodermaler Zellen in die
orale Afterlippe (Phallus) hineinragt. Der Sinus urogenitalis geht
aufwärts in die Blasenanlage über. Dieser Teil ist ein äußerst kurzer
Schlauch mit quergestelltem Lumen. Weiter aufwärts ist das Lumen
verschmälert, und die Blasenanlage ist geschlossen. Eine Fortsetzung
als Allantois oder Allantoisrest ist nicht zu beobachten. Die äußeren
(Geschlechtsorgane treten in der Form eines niedrigen Ringwalles
auf, welcher ein kleines Lumen, das obengenannte Ectodäum,
umgibt. An der oralen Seite besitzt der Wall eine Vorragung,
den Phallus, oder orale © AHPTbRDH in welchen die Uralplatte sich
fortsetzt. n
Indem ich von diesem Stadium ausgehe, werde ich die Diffe-
renzierung in den beiden Geschlechtern besprechen, ich beginne mit
dem excretorischen Apparate. d
fl
2
Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 439
a) Urniere.
Die Glomerula lagern in ein bis zwei Reihen an der Medial-
seite des Organes. Sie haben, wie bei andern Säugern, eine
ovale Form; ihre Durchmesser betragen als größte Länge 0,133
(Didelphys) — 0,2 (Macropus) mm und 0,08—0,1mm als größte Breite.
Sie scheinen also nicht zu solchen excessiven Größen auszuwachsen,
wie bei andern Säugern (Sus bis zu 0,5 mm). In den Urnieren-
kanälchen tritt bei Beutlern eine Sonderung in einen secretorischen
und in einen abführenden Teil auf. Durch die Färbung der Kerne
sowie durch den größeren Durchmesser der Tubuli seeretorii gegen-
über den T. colleetivi ist diese Differenzierung gekennzeichnet. Ob
während der Entwicklung Nachbildung von selbständigen Urnieren-
kanälchen stattfindet, kann ich nicht angeben. Mit Bestimmtheit
habe ich hingegen eine Sprossenbildung an den Urnierenkanälchen
(Trichosurus, Didelphys, Macropus) wahrgenommen, welche anschei-
nend noch während des Individuallebens fortdauert. Hierin stimmen
Beutler mit placentalen Säugern überein (KoLLMANnN [Mensch], MiHAL-
Kkovıcs [Kaninchen], MAc CALLUM und WEBER [Schwein]). Die Ur-
niere funktioniert noch eine bestimmte Zeit während des Individual-
lebens. SELENKA gibt für Didelphys eine mehrere Wochen dauernde
Funktion an. Wie lange diese Zeit bei andern Formen dauert, läßt
sich bei dem unbekannten Alter der mir zu Gebote stehenden Beutel-
Jungen nicht bestimmen. Aus den mir bekannt gewordenen Bildern
schließe ich für die Beutler auf eine vielleicht nur kurze gleich-
zeitige Funktion von Urniere und Nachniere, (Phalangista), und ich
stimme hierin mit SELENKA überein (Didelphys). Ich traf Glome-
rula in der Nachnierenanlage schon zu einer Zeit an, wo die Urniere
anscheinend noch auf dem Höhepunkt ihrer Funktion stand. Diese
Erscheinung kann für eine gleichzeitige Funktion ins Feld ge-
führt werden, obwohl das Vorhandensein von Glomerula dem Durch-
bruch der Nierenkanälchen in die Pelvisverzweigungen bekanntlich
vorangeht. Beutler und Monotremen stimmen in dieser Hinsicht mit
Reptilien überein. Diese werden auch mit funktionierender Urniere
geboren welche noch längere Zeit mit der Nachniere zusammen
in Tätigkeit bleibt. Unter den Säugern besitzen Monotremen und
"Beutler die am stärksten ausgebildeten Urnieren, welche höchst-
wahrscheinlich funktionieren. Dann folgen (nach S. Weser) Schwein,
Kaninchen, Mensch, Maulwurf, Meerschweinchen, Maus. Bei diesen
monodelphen Säugern ist nach den Ausführungen von Ferıx die
440 A. J. P. v. d. Broek
Möglichkeit einer gleichzeitigen Funktion von Urniere und Nach-
niere sehr in Frage zu stellen (l. e. S. 374).
Die Reduction der Urniere geht anscheinend in eranio-caudaler
Richtung vor sich und führt ziemlich schnell zum fast völligen
Schwunde des ganzen Organes. Es sei besonders darauf hinge-
wiesen, daß die Urnierenkanälchen nicht in eine besondere Be-
ziehung zur Geschlechtsdrüse treten. Bei der Reduction sieht man,
ähnlich wie bei andern Säugern, Bindegewebe sich allmählich in der
Umgebung der Kanälehen anhäufen; dann zerfallen die Epithelien
nach und nach und gehen, ebenso wie die Glomerula, zugrunde. Das
Verhalten des Urnierenganges und des MÜrLLerschen Ganges findet
bei den Ausführungsgängen der Geschlechtsdrüsen eine Besprechung.
Die Blase ist, wie aus der oben gegebenen Beschreibung her-
vorgeht, bei den Beutlern fast gänzlich entodermalen, urodäalen
(eloakogenen) Ursprunges. Dazu kommt noch der vom WOoLrrschen
Gange herzuleitende Abschnitt (mesodermaler Teil nach FELIX).
Ob bei den Beutlern auch Teile des Allantois am Aufbau der Blase
sich beteiligen, habe ich nicht entscheiden können. Karz hält die
Beutlerblase für homolog der ganzen Allantois. Aus einem Zustande,
wie er beim Beuteljungen von 12 mm besteht, entwickelt sich die
Blase durch allseitige Erweiterung der ursprünglichen Anlage. Hierin
stehen die Marsupialier den Monotremen gegenüber, bei denen nach
KEIBELS Untersuchungen die Harnblase eine Ausstülpung der ven-
tralen Wandung der Harnblasen-Harnröhrenanlage bildet. Sie stim-
men in der Blasengenese vielmehr mit monodelphen Säugern über-
ein, mit denen sie auch die Topographie der Ostien der Ureteren
und Ductus deferentes gemein haben.
Die Ureteren münden beim jüngsten Tiere zwischen beiden
Worrrschen Gängen und in gleicher Höhe mit ihnen. Allmählich
rücken die Ostien der Ureteren aufwärts, und es bildet sich bei
Beutlern ein, dem Trigonum vesicae homologer Wandteil an der
Übergangsstelle der Blase in die Urethra. Bezüglich des Wachs-
tums und der Form dieses Trigonum vesicae sei auf die speziellen
Beschreibungen und Maßangaben (Halmaturus) verwiesen. {
Die Blase wächst, wahrscheinlich wegen der lang andauernden
Milchernährung bei den Beuteljungen, sehr stark und ragt dann mit
dem Scheitel frei in die Bauchhöhle hinein. Eine Fortsetzung des
Scheitels als Lig. vesicale medium der menschlichen Anatomie be-
steht nicht. ’
Die Blasenwandmuskulatur verläuft hauptsächlich eireulär. An
Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 441
den Anheftungsstellen der drei Blasenligamente kommt Längsmus-
kulatur in Form von Taenien vor. Das caudale Ende der Blase
setzt sich in die Urethra fort. Bei dieser ist zwischen männlichem
und weiblichem Geschlechte zu unterscheiden.
Beim Männchen ist die Urethra sehr kurz. Die Blase setzt sich
durch ziemlich plötzliche Verengerung des Lumens in einen schma-
len und kurzen, als Blasenhals unter-
schiedenen Teil fort. Dieser geht an den
Östien der Ductus deferentes in einen Uro-
genital-Kanal über. Die Ostien befinden
sich auf einer als Colliculus seminalis
zu bezeichnenden Hervorragung der dor-
salen I welche die direkte Fort-
setzung des Trigonum Lieutaudi bildet.
Für die Genese des Samenhügels verweise
ich auf die Beschreibung des Urogenital-
Kanales.
Rie. it.
Beim Weibchen sind zwei Zustände w.
zu unterscheiden, je nachdem die Vaginae |
getrennt bleiben oder eine einfache Vagina GH a INN
besteht. Im ersten Falle setzt sich die ff &
Blase in eine kurze und weite Urethra c AN
fort, deren hintere Wandung durch die Harnblase und Urogenital-Kanal von
Östien der Vaginae durehbrochen wird We en Sa
(vgl. Fig. 1 von Trichosurus vulpecula).
Hier besteht somit völlige Übereinstimmung in Genese und Aus-
dehnung der Urethra in beiderlei Geschlechtern.
DIN
ZEN
. Im zweiten Falle bildet die Urethra einen langen und feinen
Kanal, der mit kleinem Ostium in der vorderen Wandung der ein-
fachen Vagina mündet (vgl. Fig. 2 von Halmaturus). Es bleibt die
Frage zu beantworten, ob in diesem Falle die Urethra ausschließ-
lich aus der ursprünglichen Harnblasen-Harnröhrenanlage entstanden
sei (eranial von den Östien der Urnierengänge), oder ob noch ein
Teil des ursprünglichen Sinus urogenitalis zum Aufbau der Urethra
beigetragen habe.
Diese Frage deckt sich natürlich mit der nach der Genese der
einfachen Vagina der Maeropodinae. Ist diese ein Produkt der Ver-
schmelzung von den erst getrennten Vaginae oder sind Vagina und
Urethra Teilprodukte des Sinus urogenitalis? Was ich auf Grund
pers
442 A. J. P. v. d. Broek
meiner Präparate zur Lösung dieser Frage erfahren habe, gebe ich
bei der Beschreibung der Geschlechtsgänge wieder.
Fig. 2a. Fig. 22.
ur
En > n 3 .
EEE
x
SESES
2a Medianschnitt durch die weiblichen Geschlechtsorgane von Hulmaturus walabatus.
schnitt durch die männlichen Geschlechtsorgane von Halmaturus ualabatus.
b) Geschlechtsapparat.
Keimdrüsen.
Über die Entwicklung der Keimdrtisen habe ich früher aus
führlicher berichtet und, da meine Präparate für histogenetische
Zwecke nicht genügend waren, nichts Wesentliches hinzuzufügen
Ich gebe zunächst eine vergleichende Übersicht über die Ge-
schlechtsdrüsen und ihre Ausführgänge. |
Zur Erläuterung dieser Tabelle genügen einige Angaben. Wa
die Gebilde in der Tunica parenchymatosa und im Gebiete der Tu
buli seminiferi anlangt, so verweise ich auf meine früheren Besehrei.
bungen. Über die im Centrum des Ovars gelagerten Teile kann iel
Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 443
— — —_ 4
weiblich männlich
| Rinde Tuniea parenchyma- | Gebiet der Tubuli se-
Geschlechtsdriüse tosa mit Follikeln. miniferi.
| Centrum |Tunica vasculosa mit | Hilus testis mit ein-
eingewachs. WOLFF- | gewachs.. WOLFF-
schen Gange event. | schen Gange.
interstitielle Ovarial-
drüse.
Urniere geht zugrunde. Vasa aberrantia?
Vasa aberrantia imLig.
latum ?
eranialer Teil | wächst in das Ovarium | wächstin den Testikel.
hinein. Pars conjunctiva.
Worrrscher mittlerer Teil geschwunden. Pars conglomerata;
Gang Vielleicht Kanälchen | drüsiger Teil des
des Rete ovarii. Nebenhodens.
caudaler Teil nimmt Teil an der | Vas epididymidis.
Bildung der Vagina. | Vas deferens.
| Tuba. Rest im Nebenhoden.
MÜLLERscher Gang 4 | Uterus. geschwunden.
| Vagina (teilweise). Medial vom Ductus de-
ferens oder mit ihm
verschmolzen (Ma-
eropodinae).
einiges Neue hinzufügen. Es findet sich im Hilus ovarii bei meh-
reren Formen, speziell den Macropodinae, ein Konvolut von Kanäl-
chen, welche ich früher als Rete ovarii beschrieben und als Reste
von Urnierenkanälchen betrachtet habe.
Vergleiche ich jetzt männliche und weibliche Tiere miteinander,
so glaube ich mich zu der Annahme berechtigt, die Kanälchen des
Rete ovarii der Pars conglomerata des Nebenhodens homolog zu er-
achten. Sie entstehen in derselben Weise wie die Kanälchen
im Nebenhoden, nämlich durch die Ausbildung eines Wunder-
netzes im Verlaufe des WoLrrschen Ganges, der in das Ovar in der
gleichen Weise wie beim Männchen in den Hoden hineinwächst.
Bei einigen Beutlerformen habe ich eine interstitielle Ovarial-
drüse angetroffen. Diese Drüse war im Oyar eines Beuteljungen
von Sminthopsis crassicaudata von 25 mm anwesend, ferner im Ovar
einer erwachsenen Petrogale penicillat« und in einem Ovar einer
Jungen Halmaturus Derbianus. Da ich diese Drüse nicht nur im
Ovar ausgewachsener Tiere, sondern auch ebensogut in einem Ovar
Morpholog. Jahrbuch. 41. 29
444 A. J. P. v. d. Broek
entwickelt fand, in dem erst Primärfollikel anwesend waren, so
meine ich, daß die Entwicklung dieser Drüse bei Beutlern olıne
jeden Zusammenhang mit dem Alter der Tiere ist, auch nichts mit
der Bildung von Corpora lutea und atretischen Follikeln zu tun hat.
Es scheint, daß diese Drüse, die bei verschiedenen monodelphen
Säugern vorkommt und in den letzten Jahren studiert worden ist
(Kaninchen, Fledermaus, Pferd), eine sehr verschiedene Genese haben
kann. So meinen REGAUD und DUBREUIL einen bestimmten Konnex
zwischen Alter des Tieres und Ausbildung der Drüse annehmen zu
müssen (Kaninchen), indessen v. D. SrricHt zwischen Corpora lutea
und Entwicklung der Drüse eine Beziehung annimmt, wobei die
Zellen der ersteren in diejenigen der letzteren übergehen (Fleder-
maus und andre Säuger). Vielleicht sind die Zellen der intersti-
tiellen Ovarialdrüse auf eine Linie mit den sog. interstitiellen Zellen
des Hodens zu stellen. Diese fehlen auch im Beutlerhoden nicht.
Es blieben aber bis jetzt nicht erklärte Unterschiede bestehen.
Während nämlich die Hodenzellen regelmäßig angetroffen werden,
ist die Ausbildung einer interstitiellen Ovarialdrüse eine Ausnahme;
es sei denn, daß diese Zellen das eine Mal eine kompakte Masse
bilden, ein anderes Mal aber im Ovarium zerstreut liegen. Ich
habe die letztere Anordnung dieser Zellen, obwohl ich von vielen
ÖOvarien Serienschnitte anfertigte, nicht angetroffen. Die Frage nach
dem Wesen der Ovarialdrüse muß offen bleiben, bis ausgedehnte,
vergleichende, mehrere Familien umfassende Untersuchungen die
Entscheidung bringen.
Ausführungsgänge der Keimdrüsen.
a) WoLrrscher Gang = Urnierengang.
Er lagert an der Lateralseite der Urniere, nimmt die aufein-
anderfolgenden transversalen Kanälchen (32 bei Macropus) auf und
verläuft schräg caudalwärts zum Sinus urogenitalis. Er mündet in
der seitlichen Wandung des letzteren aus, etwas mehr dorsal al
ventral. Die Wandstrecke zwischen beiden Einmündungsstellen ist
bei den jüngsten Beuteljungen (Halmaturus, Phalangista) noch nich
konvex in das Lumen des Urogenitalsinus vorgebogen. Spät
münden die Urnierengänge nach der Bildung des Collieulus semi
nalis, auf der dorsalen Wandung des Urogenitalsinus aus; si
stimmen also in ihrem Verhalten mit den Urnierengängen der mon
delphen Säuger überein.
Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 445
b) MÜLLERscher Gang.
Bei den jüngsten mir zur Verfügung stehenden Beuteljungen
ist der MüLLErsche Gang zwar angelegt, jedoch noch nicht völlig
entwickelt. Die Keimdrüse zeigt, ebenso wie bei monodelphen Säu-
gern, schon geschlechtliche Differenzierung, bevor der MÜLLErRsche
Gang vollends entwickelt ist. Das Wachstum des MüLterschen
Ganges scheint bei einigen Formen (Didelphyidae, Dasyuridae)
sich unabhängig vom Worrrschen Gange zu vol- Fig. 3.
ziehen. Bei andern Formen, besonders bei Macropo- &
dinae sind, wie Fig. 3 zeigt, beide Gänge teilweise mit- ©
einander verschmolzen: der kleinere MÜLLERsche Gang
geht in das stark verdickte Epithel an der ventro-medialen
Seite des WoLrrschen Ganges über. Diese Bilder sprechen
sehr für eine Abspaltung des unteren Endes des MÜLLER-
schen Ganges vom Worrrschen Gange; sie stimmen
mit den Abbildungen von Querschnitten durch die Ge-
schlechtsgänge von Selachierembryonen (Sceyllium) sehr
überein, bei denen der MÜLLERsche Gang nach BALFOURS
Untersuchungen sich durch Abspaltung vom WoLrrschen
Gange entwickelt.
Es bestehen somit in der Bildungsweise des MÜLLER-
schen Ganges vielleichtbei verschiedenen Beutlergruppen
Differenzen. Zweierlei ist jedoch hier noch zu be-
merken, erstens, daß der MüLtersche Gang bei Macro- Ä
podinae niemals den Urogenital-Sinus erreicht, wodurch verhalten der
die genannte Beobachtung vielleicht als sekundäre Werrcher und
Vereinigung ursprünglich getrennter Gänge anzusehen Gänge bei Aal-
ist; zweitens, daß der MÜLLERsche Gang auch unter er
den monodelphen Säugern bei nahe verwandten Arten,
nach den Untersuchungen von TaALumAan Kır eine sehr verschie-
dene Genese haben, entweder durch Abspaltung vom Urnieren-
ang oder selbständig auswachsen kann.
Eine besondere Besprechung erheischt das gegenseitige Ver-
"halten von Worrrschen und Mürverschen Gängen in den meist
audalen Abschnitten, nahe den Einmündungsstellen in den Sinus
rogenitalis.
Bei der Mehrzahl der Beutler findet sich Folgendes. Der
lüLtersche Gang liegt eranial lateral vom WoLrFschen Gange; weiter
ach unten tritt er an dessen ventrale Seite. Letztere Lage wird
z 29*
446 A. J. P. v. d. Brock
bis kurz vor der Einmündung innegehalten. Hier beschreiben beide
Gänge einen caudalwärts konvexen Bogen, um die hintere Wandung
das Urogenital-Sinus zu erreichen. In diesem Verlaufe dreht sich
der Worrrsche Gang spiralartig um den Mürrerschen, liegt erst
medial von ihm und mündet schließlich medio-eranial von ihm in
den Sinus ein. Hierdurch wird die Topographie der Einmündungs-
ostien ungefähr dieselbe wie bei Zchidna, für welche KEIBEL die
Östien der Worrrschen Gänge medial und etwas caudal von den-
jenigen der MüLLerschen Gänge zeichnet (l. c. Fig. 2). Bei den
Macropodinae herrscht ein andrer Zustand. Hier lagern die
Mürverschen Gänge zuerst lateral von den Worrrschen, kreuzen
sie ventral und verlaufen dann an deren medialen Seiten. weiter.
Sie erreichen jedoch niemals die hintere Wandung des Sinus uro-
Fig. 4. genitalis, sondern münden in den cau-
dalen Teil des Wourrschen Ganges ein,
(oder spalten sich nicht vollständig von
ihnen ab). Hier besteht somit jederseits
immer nur eine einzige Öffnung im
Sinus urogenitalis für die verbundenen
Worrrschen und MÜLLERschen Gänge,
Differenzierung der Geschlechtsgänge.
a) Weibliches Geschlecht (Fig. 4).
Der Mürrersche Gang bildet sich
weiter aus; der Worrrsche Gang fällt
größtenteils der Reduction anheim. Bei
allen Beutlern bleiben die MÜLLERschen
Gänge in ganzer Länge getrennt. Nur
AR die Geschlechtsstränge vereinigen sich!
ER während der Entwicklung, und zwar a1
Schema der Geschlechtsgänge beim 3 & |
weiblichen Beuteltier (Macropus), der Stelle, wo sich später das craniale
Yo Wo her; Ende des Sinus vaginalis findet. Ich
vaginalis; 5.1.9. Sinus urogenitalis. hehe diese Tatsache besonders hervor
In Herrwısgs Handbuche der Entwicklungsgeschichte findet siel
nämlich auf S. 771, (Bd. III, Abt. II) folgende Angabe: »Bei de
Marsupialiern verschmelzen die beiden Münuerschen Gänge an dei
Stelle, welche der oberen Grenze der späteren Vagina entspricht;
v. d. BROEX fand die Verschmelzung bei einem weiblichen Beutel-
Jungen von Phalangista vollzogen.« Gleiches wird auf S. 781 ausge:
Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 447
sagt. Ich muß hiergegen betonen, daß bei weiblichen Beutlern nur
die Geschlechtsstränge sich eine kurze Strecke weit verbinden, die
Mürverschen (und Wourrschen) Gänge hingegen immer getrennt bleiben.
\ Am erwachsenen Geschlechtsapparat sind drei Teile des MÜLLERSchen
Ganges zu unterscheiden, nämlich Tuba, Uterus und Vagina samt
Sinus vaginalis.
Das eraniale Ende des Mürrterschen Ganges wird zu der ge-
schlängelt verlaufenden Tuba Falloppii; sie ist am abdominalen Ende
mit reichlichen Fimbrien ausgestattet. Die Wandung ist mit einem
Flimmerepithel bekleidet. Hier und da kommen kleine epitheliale
Einstülpungen vor; es ist schwer zu sagen, ob sie als Drüsen auf-
zufassen seien. Die Tuba geht ohne scharfe äußerliche Grenze all-
mählich in den Uterus über. Beide Uteri bleiben bei allen Beutlern
getrennt, obwohl Unterschiede in der Topographie vorkommen. Bei
Didelphiden, Dasyuridae, Phascolomidae bleiben beide Uteri weit
voneinander entfernt, bei Macropodinae sind sie teilweise aneinander-
gelagert, obwohl ein jeder Schlauch seine eigene Wandung beibehält.
Die Muskelwandung der Uteri besteht, worin ich Hırı bei-
stimme, ausschließlich aus ceireulär verlaufenden Fasern. Hierin
eigen die Beutler einen primitiven Zustand; denn aus den Unter-
suchungen SoBoTTAs ist hervorgegangen, daß die eirculäre Muskel-
schicht um die MüLterschen Gänge die ursprüngliche ist. Im Uterus
der Beutler entwickeln sich sehr reichlich tubuläre Drüsen, welche
stark geschlängelt verlaufen
und sich beim erwachsenen
iere bis gegen die Muskel-
wandung ausdehnen. Ichhabe
kein Material von trächtigen
Beutlern untersuchen können,
kann daher über die Veränder-
ıngen, welche die Drüsen =
während der Sehwangerschaft Anlage der ann bar: hei Hulmaplepe: Q 14cm.
p.u. Papilla uteri; v. Vagina.
eingehen, nichts aussagen und
rerweise dafür auf die ausgedehnten Untersuchungen von Hiırr.
Sehr scharf ist der Übergang zwischen Uterus und Vagina. Am
Übergange bildet sich eine, in das Lumen hervorragende Papille,
apilla uteri, aus. Die Entstehung dieser Papilla uteri hat man
ich durch eine excessive Entwieklung des oberen Teiles des Sinus
sinalis vorzustellen. Wie Fig. 5 lehrt, entwickelt sich der Sinus
sinalis ventralwärts, wo er in die Vagina übergeht, sowie dorsal-
448 A. J. P. v. d. Broek
wärts. Durch die Ausdehnung nach der dorsalen Seite wird allmählich
eine Papilla uteri aus dem Bindegewebe des Geschlechtsstranges
herausgebildet. Mit feinem Ostium mündet dann der Uterus in das
Lumen der Vagina (Sinus vaginalis).. Stimmen die verschiedenen
Beutlerformen soweit ziemlich miteinander überein; es bestehen
größere Unterschiede in der Differenzierungsweise des dritten Teiles
des MÜLLERschen Ganges, welcher die Anlage von Vagina (lateralis)
und Sinus vaginalis darstellt.
Verfolgt man die Mürterschen Gänge in einem Stadium der
Öntogenie, wo noch keine Differenzierung aufgetreten ist, dann er-
blickt man Folgendes. Beide Gänge verlaufen zuerst schräg eaudal-
und etwas medialwärts. Plötzlich biegen sie horizontal medialwärts
und zugleich ventralwärts ab und nähern sich bis auf kurzen Ab-
stand. Jetzt teilt sich jeder MÜLLERsche Gang in zwei Kanäle,
Aus der medialen Wandung setzt sich gerade nach unten ein Kanal
fort, der, dem anderseitigen dicht angeschlossen, die Anlage deg
Sinus vaginalis vorstellt. Der laterale Teil biegt lateralwärts u
und verläuft bogenförmig caudalwärts; er stellt die Anlage der
Vagina vor. h
Bei den verschiedenen Beutlerspecies kommen nun besonder
Differenzierungen vor, welche kurz erwähnt zu werden er
Bei Didelphiden bleiben die beiden Anlagen des Sinus vaginalis
zeitlebens vollkommen voneinander getrennt und durchbrechen nie-
mals die Wandung des Sinus urogenitalis.
Das Lumen der Vagina besitzt in ihrem Verlaufe eine doppe
Kniekung. Die Vagina biegt zuerst median- und eranialwärts um,
um unmittelbar darauf abermals umzubiegen und den ursprünglichen
—.
4
Verlauf fortzusetzen. Beide Vaginae münden getrennt in den Sinus
urogenitalis. Diese doppelte Kniekung hat eine besondere genetische
Bedeutung. Oben erwähnte ich die Spiraltour, welche der an
Gang um den meist caudalen Teil des MüLLErschen Ganges kurz
vor der Einmündung beider Gänge in den Sinus urogenitalis |
schreibt. Der Verlauf des Lumens der Vagina von Didelphys
hat nun höchstwahrscheinlich darin seinen Grund, daß der mei
caudale Abschnitt dieses Kanales nicht aus dem MüLLErschen, sondern,
wenigstens größtenteils, aus dem Wourrschen Gange hervorgeht.
Man braucht nur die beiden Teile der Vagina zu verlängern,
um den ursprünglichen Verlauf beider Gänge herzustellen. Daß
der caudalste Teil der Vagina der Didelphiden aus dem Worrrschen
Gange entsteht, ist nicht auffallend, denn dasselbe vollzieht si
Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 449
bei andern Formen. Bei Dasyurus münden in jungen Stadien (36mm)
die beiden Gänge in der erwähnten Lagerung gesondert ein; später
verschmelzen die caudalen Enden zu einem Gange, so daß auch hier
der Worrrsche Gang an der Bildung der Vagina teilnimmt.
Bei Dasyuridae bleiben die beiden Anlagen des Sinus vaginalis
' getrennt; nur während des Geburtsaktes wird das Gewebe zwischen
Sinus vaginalis und Urogenital-Kanal durchrissen, und es entsteht
wie bei Perameles ein zeitweiliger Durchgang für die Jungen (Hırr).
Bei Macropodinae münden, wie wir sahen, die MÜLLERschen
Gänge an der medialen Seite in die WoLrrschen Gänge. Im er-
wachsenen Zustande deutet ein Ostium in der Vagina die Verbindungs-
stelle beider Gänge an.
Es ist auffallend, wie schon während der Ontogenie die Ent-
, wieklung des Sinus vaginalis bei Macropodinae über die Entwicklung
, der Vagina überwiegt. Während ersterer bereits ein doppelter Kanal
, mit gut ausgeprägter Wandung und großem Lumen ist, wird letztere
‚noch durch einen epithelialen Strang mit sehr kleinem Lumen dar-
\ gestellt. Bekanntlich verschmelzen die beiden Kanäle zu einem ein-
‚ zigen und bricht später der Sinus vaginalis in den Urogenital-Kanal
durch und übernimmt die Funktion der Vagina als Geburtskanal.
Weiterhin tritt bei dieser Gruppe noch eine kurzeeinfache Vagina
‚auf (Fig. 2). Ist diese nun ein Produkt der Verbindung der caudalen
Enden beider anfangs getrennter Vaginae, oder ist sie ein Produkt
der Aufteilung des einheitlichen Sinus urogenitalis in Urethra und
‚ Vagina? Diese Frage wurde schon bei der Beschreibung der
Unterschiede der Urethra bei Macropodinae und andern Beutler-
formen gestellt.
Ältere Entwicklungsstadien lehren, daß der Sinus urogenitalis
sich bei Macropodinae in zwei Teile, ventral die Urethra, dorsal
die Vagina communis scheidet; der weitaus größte Teil des Lumens
wird dabei zur Vagina; Fig. 6a—c erläutert das Gesagte. Sie stellt
drei Querschnitte durch den Urogenital-Sinus von einem Halmaturus-
Beuteljungen von 14cm dar, Fig. 6@ gibt den meist caudalen der
drei Schnitte wieder. Auf diesem Schnitte erblickt man das Lumen
des Urogenital-Sinus. Die dorsale Wandung biegt konvex in das
Lumen des Sinus hinein. Diese Wandpartie ist vielleicht dem Colli-
‚ eulus seminalis im männlichen Geschlechte homolog. Ich mache
‚noch auf die zwei, von der seitlichen Wandung in das Lumen
‚ hineinragenden Schleimhautfalten @« aufmerksam. Einige Schnitte
‚höher ändert sich das Bild. Es ragen, abgesehen vom dorsalen
450 A. J. P. v. d. Broek
Wulst (ec. s.), von der seitlichen Wandung jederseits zwei Falten.
in das Lumen hinein (a und b). Die meist ventralen Falten (b) nähern
sich bis auf kurzen Abstand und teilen den Sinus bereits in einen
Fig. 6 a—.c.
Querschnitte durch den Urogenital-Tractus
von Halmaturus. Q@ 14 cm.
s.0.4. Sinus urogenitalis; a. Schleimhautfalte ;
b. Falte, welche die Trennung in Vagina (vr)
und Urethra («) zustande bringt; c.s. dorsaler
Wandteil, welcher in das Lumen hineinragt.
Forscher erbliektin der Vagina ausschießlieh ein Produkt der MÜLLER-
schen Gänge. Andre Autoren betrachten die Vagina als differen-
zierten Teil des Sinus urogenitalis (MÜLLER, VALENTIN, RATHKE). Nach
großen dorsalen und einen viel klei-
neren ventralen Abschnitt. Noch
höher hinauf verbinden sich diese
zwei Faltend miteinander und teilen
den Sinus völlig in Vagina (v) und
Urethra (vw). An den zwei kleinen
Vorragungen auf der ventralen
Vaginalwandung sowie an der Form
des Lumens der Urethra sind die
zwei Falten 5 noch zu erkennen.
Vagina und Urethra sind noch durch
den einheitlichen M. eircularis ure-
thrae umgeben. Die Urethra der
Maeropodinae ist also nicht der
kurzen Urethra der übrigen Beutler
homolog, sondern teilweise eine Neu-
bildung, entstanden durch die Auf-
teilung des Sinus urogenitlis. Gleich-
falls ist die Vagina communis der
Macropodinae als eine Neubildung
aufzufassen.
Diese Aufteilung des Sinus uro-
genitalis in Vagina (Canalis genitalis)
und Urethra bei Macropodinae bildet
den Anfang des Weges zur höheren
Differenzierung der Abführwege im
weiblichen Geschlechte, wie wir sie
bei den meisten monodelphen Säu-
gern als Vagina und als die höher
oder tiefer in letzterer ausmündende
Urethra antreffen. Bekanntlich ist
die Genese der Vagina von mono-
delphen Säugern noch immer ei
strittiger Punkt. Die Mehrzahl der
U
TEEN =
Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 451
RETTERER und Pozzı, welchen sich für die Primaten in verschiedenen
Hinsichten BoLK anschließt, ist die Vagina ein Produkt des Sinus
urogenitalis, ebenso wie die weibliche Urethra. Der Differenzierungs-
prozeß soll so vor sich gehen, daß auf den Seitenwänden des Sinus
urogenitalis zwei longitudinale Leisten sich erheben, sich entgegen-
wachsen und ein frontal gestelltes Septum bilden (Septum urethro-
vaginalis).
Eine dritte Gruppe von Forschern glaubt eine Beteiligung des
Wourrschen Ganges am Aufbaue der Vagina annehmen zu müssen
(TOURNEUX et LEGAY, BERRY HART, KEMPE). BERRY HART sagt über
die Vagina: »The upper two thirds of the vagina are derived from
the ducts of MÜLLER<; »the lower third is due to the eoalescence
of the upper portion of the uro-genital-Sinus and the lower ends of
the WoLrrian duct« (l.c. S. 344). Dieser Autor beruft sich auf die
Anatomie der Genitalorgane von den Macropodinae und läßt bei
diesen die Vagina (lateralis) aus dem Wortrschen Gange hervor-
gehen, was aber den Tatsachen, wie meine früheren Untersuchungen
beweisen, nicht entspricht. Nur der meist caudale Abschnitt der
Vagina der Macropodinae ist vom Worrrschen Gang herzuleiten.
Auf Grund des Studiums der einschlägigen Literatur sowie von
Schnittserien durch Embryonen verschiedener Säugetier-Species
schließe ich mich jenen Autoren an, welche die Vagina wenigstens
teilweise als Teilungsprodukt des Sinus urogenitalis betrachten und
durch das Zusammenwachsen zweier Falten der seitlichen Urogenital-
wandung (Plica septalis von BoLk) entstanden denken. Die Vagina
communis der Macropodinae ist dann der Vagina (teilweise?) der
monodelphen Säuger homolog. Bei diesen Beutlern ist die Aufteilung
des Sinus urogenitalis erst wenig weit fortgeschritten; bei höheren
monodelphen Säugern, besonders den Primaten, ist sie schon viel
weiter ausgedehnt. Den höchsten Grad erreicht sie bei den Säugern
mit durehbohrter Clitoris (Prosimiae, zahlreiche Rodentia, Talpa,
Sorex). Hier ist eine vollständige Trennung von Urethra und Canalis
urogenitalis (besser Vagina, bezw. Can. genitalis) erreicht, und es
besteht nicht ein einfaches Perineum, sondern ein zweifaches: eines
zwischen Reetum und Sinus urogenitalis, ein zweites mit ähnlicher
Genese zwischen Vagina und Urethra.
b) Männliches Geschlecht (Fig. 7).
Der Wourrsche Gang bildet sich zum Ductus deferens aus, und
der MüLLersche Gang fällt größtenteils der Reduction anheim.
452 A. J. P. v. d. Broek
Man kann am Wourrschen Gange drei Abschnitte unterscheiden,
1. den Verbindungskanal (bzw. Kanäle) zwischen Hoden und Neben-
hoden, 2. den im Nebenhoden verlaufenden Teil und 3. den Ductus
deferens zwischen Nebenhoden und Ein-
mündung in den Urogenital-Kanal.
Zur bestimmten Zeit wächst der
Worrrsche Gang in der Urniere cranial-
wärts aus und gelangt durch das Mesor-
chium, in bogenförmigem Verlaufe zum
Testikel. Eingedrungen in denselben, ver-
teilt er sich in zwei kurze Zweige, in
welchen die Anlagen der Hodenkanälchen
radiär sich einsenken. In diesem Stadium
besteht also die Verbindung zwischen
Hoden und späteren Nebenhoden in einem
einzigen, vom Worrrschen Gange ab-
leitbaren Kanale. Es ist hervorzuheben,
daß Urnierenkanälchen bei Beutlern in
den Hoden nicht hineinwachsen. Ziemlich
lange bleibt zwischen Hoden und Neben-
BR unun! hoden ein einziger Verbindungskanal be-
männlichen Beuteltier (Macropus), Stehen. Erstspäter differenziertsich dieser
EV En re a zu einem Komplex von mehreren Kanäl-
5.1.9 Sinus urogenitalis. chen (Phascolomys, Maeropodinae).
Im Nebenhoden spielt sich ein sehr interessanter Vorgang ab.
Die Nebenhodenkanälchen fallen in eranio-caudaler Richtung der
Reduction anheim und gehen vollständig zugrunde. In einem
bestimmten Stadium findet sich dann in der Epididymis nur
noch der stark verlängerte und geschlängelt verlaufende WOoLFF-
sche Gang vor (Dasyurus viverrinus, 53 mm). Später trittim Ver-
laufe des Ganges ein bipolares Wundernetz von Kanälchen auf,
welche die Epididymiskanälchen darstellen (Didelphys, Dasyurus,
Macropodinae). Nach und nach dehnt sich das Gebiet dieser
Kanälchen aus und nimmt im entwickelten Nebenhoden hauptsächlich !
dessen Kopf ein. Die Spaltung des ursprünglich einfachen Kanales
kann sich auch auf die Verbindungsstrecke zwischen Hoden und
Nebenhoden ausdehnen (Phascolomys, Macropodinae). Hieraus geht
hervor, daß die Epididymiskanälchen in der Kontinuität des WoLFFschen i
Ganges entstehen und vollkommen unabhängig von den Urnieren-
kanälchen auftreten. Die ersten Nebenhodenkanälchen werden erst
Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 453
sichtbar, nachdem die Urniere gänzlich verschwunden ist. Ich habe
früher diesen Teil des Duetus epididymidis als Pars conglomerata unter-
schieden. Nebenhoden und Verbindungsabschnitt zwischen ihm und
Hoden sind also nicht dem Caput epididymis und Rete testis von
andern Säugetieren homolog, welche, der gewöhnlichen Auffassung
nach, von Urnierenkanälchen abstammen. Ich habe für das von
andern Säugern und auch von niederen Wirbeltieren so völlig ab-
weichende Verhalten in der Genese der Nebenhodenkanälchen bei
Marsupialiern keine befriedigende Erklärung finden können. Die lange
dauernde Funktion der Urniere wird wohl schwerlich als ursächliches
Moment angeführt werden können, da, wie erwähnt, der Differen-
zierungsprozeß im Worrrschen Gange erst nach dem Schwunde der
Urnierenkanälchen beginnt. Wie sich in dieser Hinsicht die Mono-
tremen verhalten, ist, so viel ich weiß, unbekannt. Der dritte Teil
des Wourrschen Ganges wird zum Ductus epididymidis und Ductus
deferens. Er verläuft erst stark geschlängelt im Nebenhoden und
tritt dann in den Funiculus spermatieus. Die Schlängelungen nehmen
allmählich ab, und schließlich verläuft der Samenleiter gestreckt.
Am Annulusinguinalisinternus biegt er medianwärts ab und begibt sich
zur dorsalen Wand des Sinus urogenitalis, durchbohrt diese in
schräger Richtung und mündet in verschiedener Weise aus.
Bei sämtlichen untersuchten Beutlern verbindet sich der End-
abschnitt des Wourrschen Ganges mit dem caudalsten Teil des
MüÜrLrerschen Ganges. Caudales Ende von Ductus deferens und
Vagina (lateralis) sind einander somit völlig homolog.
Durch diese Verbindung beider Gänge kann selbstverständlich
bei Beutlern keine Vagina maseulina (bzw. Sinus pocularis) bestehen,
wie sie von Young bei Phascolarctos angegeben worden ist.
Reste des MÜLLERschen Ganges trifft man bei Beutlern nur
selten. Eine ungestielte Hydatide beobachtete ich nur auf den
Testikeln von Dasyurus macrourus.
Bei Beuteljungen fand ich öfters am Rande des Nebenhodens
den persistierenden Mürrerschen Gang. Bei Dasyurus von 53 mm
war er selbst sehr lang und mit einem Ostium abdominale versehen.
Später scheint er zugrunde zu gehen; ich vermißte die Reste im
erwachsenen Nebenhoden.
Eine Paradidymis, und Duetus aberrantes, habe ich mit Sicherheit
nieht nachweisen können.
Der Ductus deferens bleibt bei Beutlern sehr einfach. An ihm
bilden sich keine Drüsen oder Vesieulae seminales aus.
454 A. J. P. v. d. Broek
Canalis urogenitalis.
a) Weibliches Geschlecht.
Zwei Abschnitte sind an ihm zu unterscheiden: 1. der Teil
oberhalb der Drüsengänge, welche die Homologa der Cowrperschen
Drüsen sind, 2. der Teil zwischen den Einmündungsstellen dieser
Gänge und der äußeren Öffnung. Die eraniale Hälfte gestaltet sich
. verschieden, je nachdem die Vaginae getrennt bleiben (Didelphiden,
Dasyuridae, Phascolomys, Phalangerinae), oder ob eine Vagina com-
munis besteht. Im ersteren Falle (vgl. Fig. 1 von Trichosurus
vulpecula) besteht fast völlige Übereinstimmung mit dem männlichen
(Geschlechtsapparate. Wie wir gesehen haben, werden die unteren
Enden der Vaginae hauptsächlich von den Wourrschen Gängen ge-
bildet, und diese durchbrechen mit zwei runden und ziemlich großen
Östien die hintere Wandung des Urogenital-Kanales. Zwischen
beiden Ostien ragt eine hohe Schleimhautfalte, das Homologon des
Collieulus seminalis, in das Lumen hinein. Dieses setzt sich nach
oben in das Gebiet des Trigonum Lieutaudi fort.
Der einzige Unterschied zwischen männlichem und weiblichem
Geschlechtsapparat besteht in der Anwesenheit der Urethraldrüsen
beim Männchen, während sie beim Weibchen fehlen.
Caudalwärts behält der Traetus urogenitalis ungefähr dasselbe
Lumen bis zum Gebiete der obengenannten Drüsenstränge. Anders
gestaltet sich die craniale Hälfte des Urogenital-Kanales bei
Macropodinae. Wie erwähnt, teilt sich der Urogenital-Sinus bei
ihnen im oberen Teile in Urethra und Vagina. .In das Gewebe des
Septum urethro-vaginale wächst dann der Sinus vaginalis caudal-
wärts ein, bis er schließlich dessen unteren Rand erreicht und in
den Sinus urogenitalis durchbricht. Diese Verhältnisse sind am
leichtesten an einem Medianschnitt durch den weiblichen Geschlechts-
apparat zu übersehen, wie Fig. 2 ihn von Halmaturus walabatus gibt.
Das obere Ende des Sinus urogenitalis gestaltet sich dann so,
daß auf einem ventralen Schleimhautwulst hintereinander die Ostien
von Urethra und Sinus vaginalis sichtbar sind, indem sich das Lumen
selbst in die Vagina communis fortzusetzen scheint. Weiter caudal
wird die ventrale Schleimhautfalte allmählich niedriger und ver-
schwindet bald gänzlich.
Unmittelbar oberhalb der Mündung des Urogenital-Kanales auf
der Körperoberfläche münden auf der lateralen Wandung zwei
Blindkanäle (bzw. Zellstränge) aus, welehe den Cowrerschen
Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 455
Drüsen des männlichen Geschlechtes homolog sind. Caudal von
diesen Gebilden ist der Urogenital-Kanal doppelter Natur, näm-
lich teilweise entodermal, vom entodermalen Sinus urogenitalis ab-
leitbar, teilweise eetodermal und das Produkt vom Ecetodäum.
Der entodermale Sinus urogenitalis setzt sich nämlich als
epitheliale Doppellamelle in die Clitoris fort. Das die Clitoris um-
gebende Lumen ist das Produkt des Eetodäums. Bei erwachsenen
Formen trennt sich die Clitoris in zwei Hälften (Didelphiden), oder
es gestaltet sich die Lamelle zu einer Furche auf der Glitoris
(Phascolarctidae). Bei Perameles wird sie zu zwei, die Clitoris durch-
setzenden Epithelsträngen (Hırr), bei Macropodinae scheint sie als
Doppellamelle bestehen zu bleiben.
b) Männliches Geschlecht.
Am besten teilt man auch hier den Urogenital-Kanal in zwei
Abschnitte ein, nämlich 1. in den Teil von den Einmündungsstellen
der Ductus deferentes bis zu den Ostien der Cowperschen Drüsen
und 2. in den Teil von dieser letzten Stelle an bis zum Ostium
externum. Die craniale Hälfte ist vom Urodäum (entodermale
Cloake) abzuleiten; sie ist ganz entodermaler Natur. In ihrer
Wandung entwickeln sich zusammengesetzte tubulöse Drüsen, Gl.
urethrales. Sie sind am stärksten im cranialen Ende des Traktus
ausgebildet; caudalwärts nehmen sie fortwährend an Mächtigkeit
ab und sind kurz oberhalb der Ostien der Cowperschen Drüsen ge-
schwunden. Sie treten erst ziemlich spät auf.
Das Drüsenlager wird an der Außenseite umkleidet von einer
dünnen Schicht eireulärer, glatter Muskulatur, M. eireularis urethrae.
Außerdem kommt bei Perameles nach OupEmAans im obersten Teile
auch quergestreifte Muskulatur vor.
Bei Macropus fand ich im obersten Teile des Urogenital-Kanales
eine Prostata. Die obere Hälfte des Urogenital-Kanales verläuft
meistens gestreckt hinter der Symphyse. Bei Didelphiden wächst
sie sehr stark in die Länge und bekommt dabei eine spiralige Drehung
in der Mitte des Verlaufes. In dem obersten Teile des Lumens bildet
sich, wie es ausführlich beschrieben wurde, bei vielen Formen ein
Collieulus seminalis aus. Diese Vorragung auf der dorsalen Uro-
genitalis-Wandung entsteht vollkommen unabhängig von den MÜLLER-
schen Gängen und darf vielleicht als Kennzeichen aller Säuger,
außer den Monotremen, betrachtet werden. Ob ein Konnex zwischen
456 A. J. P. v. d. Broek
Samenhügel und Harnentleerung oder Ejaculation besteht, ist noch
nicht ausgemacht. Caudal von den Einmündungen der CowPErschen
Drüsen ist der Urogenital-Kanal doppelter Herkunft, teils entoder-
maler, teils eetodermaler Natur.
Das Urodäum setzt sich in Form einer Doppellamelle, Uralplatte
s. Phallusleiste, in den Phallus fort. Diese entodermale Phallusleiste
trägt bei verschiedenen Beutlerspecies in verschiedener Weise zum
Aufbau der caudalen Hälfte des Urogenital-Kanales bei. Dazu
kommt als eetodermaler Teil ein Kanal, der sich aus der Zusammen-
fügung zweier Falten der seitlichen Eetodäumwandung (ectodermale
Cloake) bildet und sich dem entodermalen Teile in verschiedener
Ausdehnung anfügt. Im speziellen Teile habe ich ausführlich die
Genese dieses Abschnittes des Urogenital-Kanales auseinandergesetzt.
An der Hand der hier beigefügten Schemata werde ich kurz reka-
pitulieren und mit Echidna, sowie monodelphen Säugern Vergleiche
ziehen.
Bei Echidna bestehen caudal von den CowPperschen Drüsen zwei
Kanäle, die entodermale Samenröhre, vom Urodäum ableitbar, und
die eetodermale Harnröhre, ein Produkt des Eetodäums. An Eechidna
schließt sich zunächst Perameles an (Fig. 30 des vorigen Teiles).
Bei ihm haben sich die beiden Kanäle teilweise zu einem einzigen
Gange verbunden; zum Teil verlaufen sie wie bei Echidna ge-
trennt.
Die Didelphiden schließen sich an. Bei ihnen haben sich beide
Kanäle eine größere Strecke weit aneinandergelegt, wodurch das
ÖOstium der (eetodermalen) Harnröhre von dem Eetodäum nach der
Penistasche sich verlegt hat. Die Samenröhre setzt sich auf die frei
hervorragenden Penisspitzen in Form zweier Rinnen fort (ibid Fig. 36).
Bei Maeropodinae haben sich die zwei Kanäle gänzlich zu einer
Samenharnröhre zusammengefügt.
Sobald beim Beuteljungen ein kurzer Urogenital-Kanal durch
das Zusammenwachsen der beiden Eetodäumfalten entstanden ist,
wächst er stark in die Länge. Durch dieses Längenwachstum wird
die Phallusleiste zur Penisspitze verlagert. Beim Halmaturus-Beutel-
Jungen von 19 cm findet man denn auch die Phallusleiste haupt- |
sächlich in dem Teil des Penis, der noch frei über das Ostium
externum des Urogenital-Kanales hervorragt. Die Wandbeschaffen-
heit dieses Traktus ist, wie Querschnitte lehren, größtenteils ecto-
dermaler Natur; das (entodermale) Produkt der Phallusleiste nimmt
nur die ventrale Wandstrecke ein (vgl. Fig. 42). |
Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 457
Anscheinend geht der in der frei hervorragenden Penisspitze
gelagerte Teil der Phallusleiste teilweise zugrunde. Ich fand
_ von ihm im Penisanhang, der bei Macropodinae über das Ostium
externum des Urogenital-Kanales hervorragt, nichts mehr vor.
‚ Vergleichen wir jetzt die Beutler mit placentalen Säugern. Für
die Genese des Urogenital-Kanales von placentalen Säugetieren
‚liegen aus den letzten Jahren mehrere Untersuchungen von
‚ Schülern FLEISCHMANNs vor. Für FLEISCHMANN ist der Urogenital-
Kanal der Säuger wesentlich entodermaler Natur. In der Zusammen-
‚ fassung seiner diesbezüglichen Arbeiten sagt er (l. e. S. 371):
'»In direkter Abhängigkeit von der Lage des Phallus erfährt das
‚ Urodäum wichtige Formveränderungen. Nachdem das Analrohr
abgetrennt ist, differenziert sich das Urodäum als kanalartiges
‚Gebilde (Canalis urogenitalis) mit einem unter dem Rectum
liegenden Abschnitte, der am Trigonum Lieutaudii sich zur Harn-
blase erweitert, und einem rechtwinkelig dazu abgebogenen Damm-
schenkel, welcher unter der Dammfläche gegen den Phallus zieht
und an der epithelialen Uralplatte (Phallusleiste) endet.«
Was die Uralplatte betrifft, so geht aus den Figuren hervor,
daß sie hauptsächlich zur Penisspitze verlagert wird. Über ihr
Schieksal während der Entwicklung ist Folgendes zu bemerken.
Beim Schafe wird nach Bönn (l. e. S. 293) »die Uralplatte (Phallus-
leiste) allmählich einer Reduetion unterworfen«e. Besondere Er-
wähnung verdient, daß der sog. Processus glandis nicht die Ural-
platte trägt, sondern seitlich davon entsteht (vgl. Fig. 42—44 der
Arbeit von Bönm), und zwar als höckerartiger Wulst auf der linken
Seite des Phallusgipfels. In welcher Weise sich das Lumen des
Urogenital-Kanales in diesen Processus glandis verlegt, ist mir aus
der Beschreibung nicht klar geworden. Dieser Processus glandis
kann dem am Penis der Macropodinae noch frei über das Ostium
des Urogenital-Kanales hervorragenden Processus nicht homolog sein;
denn dieser stellt die Spitze des ganzen Phallus dar.
Bei Cavwia cobaya nimmt nach GRUBERS Untersuchungen die
Phallusleiste anscheinend keinen Anteil an der Bildung des Urogenital-
Kanales (l. e. S. 15). Eine Reduction der Phallusleiste kommt, wie
DüÜrBEcK ausführt, beim Schweine zustande. Auch bei der Katze ver-
"mutet der Autor eine Rückbildung des Phallusgipfels mit der darin
gelagerten Phallusleiste (l. e. S. 55). In seiner zusammenfassenden
Übersicht über das Schicksal der Uralplatte (l. e. 8.588) sagt
FLEISCHMANN: »Denn die Uralplatte verwandelt sich entgegen der
458 A. J:. P. v. d. Broek
herrschenden Meinung eben nicht in eine Rinne. Sie erreicht sehr °
bald ihre größte Längenausdehnung und geht allmählich in die epi-
theliale Umkleidung des Orifieium urethrae nahe der Eichelspitze ”
über. «
Meine Befunde bei Beutlern weichen in zwei Hinsichten von
den Resultaten FLEISCHMANNSs bei placentalen Säugern ab. Erstens
ist meiner Ansicht nach der Urogenital-Kanal bei den Beutlern
caudal von den Cowperschen Drüsen gemischter Natur; er ist nach
FLEISCHMANN bei Säugern ausschließlich entodermal. Zweitens trägt
die Phallusleiste bei Beutlern wesentlich zum Aufbau der Wandung
des Urogenital-Kanales bei. Es bilden sich zwei in der Median-
linie zusammenwachsende ectodermale Falten, welche zur Verlagerung
des Ostiums des Urogenital-Kanales bis zur Penisspitze hin bei-
tragen. Nach FLEIiscHmAann wächst dagegen der Urogenital-Kanal
von sich aus in die Länge (l. c. S. 588).
Aus eigenen Untersuchungen habe ich kein Urteil über die
Vorgänge bei der Bildung des Urogenital-Kanales der meisten
placentalen Säugetiere gewonnen; ich kann also die angegebenen
Differenzen zwischen unsern Ergebnissen bei Beutlern und placen-
talen Säugern nicht beseitigen. Hingegen habe ich die Genese des
Urogenital-Kanales beim Menschen ausführlich untersucht. Auf
Grund meiner vor kurzem veröffentlichten Beobachtungen schließe
ich mich der sog. Faltenhypothese an. Beim Menschen ist der
Urogenital-Kanal caudal von den Cowrerschen Drüsen gemischter
Natur, sowohl entodermal (von der Phallusleiste ableitbar) als auch
ectodermal. Die zwei Lamellen der Phallusleiste weichen bei ihm
während der Entwicklung auseinander und tragen zur Begrenzung
einer Geschlechtsrinne bei. Außerdem beteiligt sich ein Teil de
ectodermalen Penisoberfläche an der Begrenzung der Geschlechts
rinne. Durch Verwachsung der mit Ecetoderm bekleideten Ränder
kommt der Schluß des Urogenital-Kanales zustande. So ist de
Jrogenital-Kanal auch beim Menschen in gleicher Weise wie bei
den Beutlern durch eine gemischte Zusammensetzung zu einer Samen
harnröhre geworden.
Copulationsorgane.
a) Weibliches Geschlecht.
Der Phallus tritt wie beim Männchen als Vorragung auf deı
oralen Wand des das Eetodäum umgebenden Ringwalles auf. Späte
wird die aus ihm entstandene Clitoris in das Gebiet des Urogenital
Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 459
Traktus durch Vergrößerung des Ectodäums einbezogen, welches den
Phallushöcker (Clitoris) umwächst. Man findet letzteren immer der
vorderen Wand des Sinus urogenitalis angelagert. Außerdem tritt
eine Clitorislamelle auf, welche, als epitheliale Doppelbildung in die
Tiefe eindringend, die Clitoris von ihrer Umgebung abhebt. Die
Lamelle zeigt in der Form große Übereinstimmung mit der Glandar-
lamelle, wie ich es für Phascolarctos früher besprochen habe. Lösen
sich beide Blätter der Clitorislamelle, so kommt die Clitoris, größten-
teils frei hervorragend, in das untere Ende des Urogenital-Sinus zu
liegen. Ein weiteres Merkmal der Beutlerelitoris besteht darin, daß
die beiden Blätter der Phallusleiste auseinanderweichen und da-
durch auf der Oberfläche der Clitoris eine Furche erzeugen
(Phaseolarctidae, Hypsiprymnus). Hierdurch wird der caudale Teil
des weiblichen Urogenital-Traktus eine dem männlichen Kanale
vollkommen homologe Bildung. Beide sind ectodermaler Herkunft,
soweit sie von der Aufteilung des Eetodäums herrühren, entodermaler
Natur, soweit sie der Phallusleiste die Entstehung verdanken.
Bei Didelphiden spaltet sich die Clitoris in zwei Hälften, welche
mit den getrennten Penisspitzen übereinstimmen. Die Clitoris der
Peramelidae ist nach Hınıs Untersuchungen durch den Besitz zweier
Epithelstränge gekennzeichnet, wodurch auch in diesem Geschlechte
Clitoris und Penis übereinstimmen. Sie bleibt bei den Macropodinae
ungespalten, und die Phallusleiste bildet sich nicht zu einer Furche aus.
Über das Verhältnis des weiblichen Urogenital-Traktus der
Beutler zum Penis vergleiche man die vorangehende Arbeit.
b) Männliches Geschlecht.
Bei der systematischen Darstellung der äußeren Geschlechts-
organe hatte ich Gelegenheit, die Form des Beutlerpenis bei den
verschiedenen Species zu beschreiben. Hier werde ich eine Ver-
gleichung der Copulationsorgane der Beutler mit denen der Mono-
tremen und niederen Wirbeltiere, sowie mit denen der placentalen
Säuger geben, zugleich aber auch einiges über die Frage nach
Vorkommen und Wesen der Glans penis bringen.
Bau der Copulationsorgane der Reptilien. Ich übergehe
die paarigen Copulationsorgane der Eidechsen und Schlangen; über
ihr Verhalten dem unpaaren Copulationsorgane der Schildkröten und
Krokodile sowie der Mammalier gegenüber finden sich wertvolle
Angaben in der Arbeit von GERHARDT.
Die Samenrinne der Schildkröten Taf. VII, Schema 1) ist nach den
-— Morpholog. Jahrbuch. 41. 30
4650 A. J. P. v. d. Broek
Beschreibungen von HELLMUTH und SCHMIDTGEN als ein Produkt
der ventralen Wandung des Urodäums aufzufassen. Sie beginnt an
der Stelle, wo die Corpora fibrosa miteinander verwachsen oder doch
so weit sich genähert haben, daß sie dicht nebeneinander verlaufen.
Sie gelangt bei keiner der von SCHMIDTGEN untersuchten Arten bis
zur Spitze, endet stets etwas vor derselben, und zwar mit Ausnahme
von Trionyx feroc an der vorderen Basis eines halbkreisförmigen
Wulstes.
Es scheint mir nicht bewiesen zu sein, daß die paarigen Höcker-
chen, welche HeLımurn bei Emys lutaria als Phallusanlage ohne
Beteiligung der ventralen Wand des Urodäums und als Produkt der
oralen Afterlippe beschreibt, wirklich ausschließlich den Fhallus
vorstellen. Es besteht die Möglichkeit, daß diese Höckerchen, welche
während der Embryonalzeit wenig Wachstumsenergie zeigen, diejenigen
Fortsätze des Penis sind, welche GERHARDT beim Begattungsorgane
von Thallassochelys beschreibt. Bei letzterem liegt zwischen beiden
Höckern eine seichte Rinne, was auch HELLMUTH angibt; sie hat
jedoch mit der Samenrinne nichts zu tun. Die Schwellkörper be-
stehen aus einem einfachen oder doppelten Corpus fibrosum; es um-
gibt die Samenrinne halbkreisförmig. Cavernöses Gewebe liegt an
den Peniswurzeln und am hinteren Ende. Beide Abschnitte der
Schwellkörper sind durch einen venösen Hohlraum verbunden. Bei
Thallassochelys eavetta durchsetzt das cavernöse Gewebe den Penis
im ganzen Verlaufe. Es erstreckt sich am Penisende auch zwischen
Corpus fibrosum und die den Penis überziehende Schleimhaut.
Der ganze Penis liegt nach SCHMIDTGEN bei den meisten Schild-
kröten in der ventralen Urodäumwand. Nur bei Testudo, Niconia
und Trionyx besitzt er ein freies Ende, das bei den ersten zwei
in einer freien Spitze, bei der letzten Form in fünf Zipfel ausläuft.
GEGENBAUR spricht bei den Schildkröten schon von einer Eichel,
Glans penis, und bezeichnet als solche das freie Penisende, soweit
es vor dem Ende der Samenrinne liegt (l. ce. Fig. 31—35, S. 534).
Er sagt: »Das Ende kann als Eichel bezeichnet werden, so unter-
scheiden wir diesen Abschnitt (das freie Penisende) als Glans«
(l. e. 8. 534).
Die Krokodilier stimmen nach den allerdings noch sehr mangel-
haften Untersuchungen mit den Säugetieren besser überein. Während
das Urodäum der Schildkröten nach HELLMUTHs Untersuchungen
sich nicht auf die orale Afterlippe erstreckt, so ragt bei den Kroko-
diliern ein Fortsatz des Urodäums in die orale Afterlippe als solide
ek
|
“
3
Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 461
Entodermplatte hinein, fast bis zum Gipfel der Lippe vordringend.
Hierin zeigen die Krokodilier eine bei allen Säugern wiederkehrende
Eigentümlichkeit. Der Fortsatz des Urodäums gestaltet sich wahr-
scheinlich durch Auseinanderweichen beider Blätter zur Samenrinne um.
Hiermit stimmt überein, daß der Penis der Krokodile in höherem Maße
von der Cloakenschleimhaut losgelöst und annähernd eylindrisch ist.
Die Spitze hat sich in eine dorsale, die Samenrinne tragende sog.
»Eichelschneppe« und ein ventrales »Eichelblatt« differenziert (Taf. VII,
‚Schema 2). Was diesevon RATHKE herrührenden Bezeichnungen be-
trifft, so hebt GERHARDT hervor, daß eine Homologie mit der Eichel
der Säugetiere nur für den dorsalen, spongiösen Abschnitt gelten
kann, welcher die Samenrinne trägt. Auch bei den Krokodilen
treffen wir, wie bei den Schildkröten, das periphere Ende des Uro-
däums an, welches auf dem an der äußeren Körperoberfläche ent-
standenen Penis lagert und die Samenrinne liefert. Um sie herum
legt sich die spongiöse Substanz an, und diese ist als Eichel zu be-
zeichnen.
- Unter den Säugetieren schließen sich die Monotremen, speziell
Echidna, an den Zustand der Krokodile an. Bei Monotremen ist,
was: bei Krokodilen noch nicht der Fall ist, das Urodäum aufgeteilt
in Rectum und (entodermalen) Sinus urogenitalis. Eine Fortsetzung
des Sinus urogenitalis (Urodäums) setzt sich beim Echidna-Beutel-
jungen in den Penis fort in der Form einer epithelialen Doppel-
lamelle, die von FLEISCHMANN so genannte Phallusleiste. Würden
deren beide Blätter auseinanderweichen, so würde eine Samenrinne,
‘wie bei den Krokodiliern, vorhanden sein. Es differenziert sich
jedoch aus dem Rande dieser Phallusleiste ein Kanal, die Samen-
'röhre, welche genetisch der Samenrinne der Reptilien vergleichbar
ist. GERHARDT erachtet, besonders auf Grund der Lagebeziehungen
zum Corpus fibrosum, die Samenrinne der Sauropsiden und das Samen-
rohr der Monotremen für einander homolog. Er erwähnt weiter die auf
der dorsalen Seite des Penis von Ornithorhynchus verlaufende Längs-
furche und stellt die Frage nach deren etwaigem genetischen Zu-
sammenhang mit der Samenrinne. Er meint, in der Furche den
Rest einer Verschlußnaht der Samenrinne erblicken zu können. Mir
scheint diese Furche, um nach den KEıBELschen Figuren zu urteilen,
die Stelle anzudeuten, wo die Phallusleiste mit dem Eetoderm der
Penisoberfläche in Berührung gekommen ist, welche Stelle ein wenig
eingezogen ist (vgl. Keıgers Fig. 60. Das Samenrohr der Mono-
tremen wird von zweierlei Schwellkörpern umgeben, 1. vom Corpus
30*
462 A. J. P. v. d. Broek
fihrosum und 2. vom dieses eirculär einfassenden Corpus spongiosum
(cavernosum), das nach WIEDERSHEIM sich bei Echidna »besonders
in der Glans stark anhäuft«. Ein weiterer Fortschritt den Kroko-
dilen gegenüber besteht darin, daß bei Echidna sich auch das
Eetodäum (eetodermale Cloake) schon teilweise aufteilt in Procto-
däum und Harnröhre (Taf. VII, Schema 3).
Bei den Beutlern treten, den Monotremen gegenüber, Verände-
rungen auf, welche zum Verhalten der Copulationsorgane der
monodelphen Säuger hinüberführen. Man hat dabei die Aufmerksam-
keit der Phallusleiste zuzuwenden, deren Schicksal ein verschiedenes
sein kann. Hiermit berührt man zugleich die Frage nach Wesen
und Vorkommen einer Glans penis bei Säugern.
In Schema 4 auf Taf. VII habe ich den Zustand wiedergegeben,
wie ihn der erwachsene Perameles zeigt. Wie aus dem Schema
direkt erhellt, schließt er sich an Echidna an, nur insoweit einen
höheren Zustand aufweisend, als Samenröhre und Harnröhre teil-
weise zu einem Kanale verbunden, teilweise getrennt sind.
Bei Didelphys (Schema 5) entwickelt sich aus der Phallusleiste,
d. h. aus dem in den Phallus ragenden Fortsatz des Urodäums,
hauptsächlich die Samenrinne, welche auf der Medialfläche einer
jeden Penishälfte verläuft. Im Urogenital-Kanale, bis zu den
Cowperschen Drüsen, verdankt die orale Wandung des Urogenital-
Traktus der Phallusleiste ihren Ursprung. Die Rinnen auf den Medial-
flächen der Penisspitzen von Didelphys sind meiner Meinung nach
der Samenrinne der Chelonier und Krokodile sehr gut zu ver-
gleichen, da beide ihren Ursprung im ventralen Ende des Uro-
däums haben, entodermaler Natur sind. Die Samenrinnen des
Didelphys-Penis entstehen nicht, wie GERHARDT meint, secundär aus
dem geschlossenen Rohre des Sinus urogenitalis (l. e. S. 351), (wo-
durch er ihnen jeden genetischen Zusammenhang mit der Samen-
rinne der Krokodile und Chelonier abspricht). Studiert man die
Sehwellkörper, d. h. die ©. eavern. urethrae (spongiosa), dann stellt
sich heraus, daß die beiden Crura oral vom Urogenital-Kanal sich
vereinigen, also an derselben Stelle wie bei der Samenrinne der
Sauropsiden. Die Schwellkörper verlaufen dann nach vorn und
erreichen ihre hauptsächliche Entwieklung in der freien Penis-
spitze, da, wo sich die Phallusleiste zur Samenrinne umformt. Hier
umhüllen sie das ©. cavern. penis (fibrosum) gänzlich und reichen
bis zur Haut. Als Neuerscheinung tritt dabei auf, daß die terminale
Anschwellung des C. cavern. urethrae durch eine gesonderte Arterie,
£
Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 463
Art. dorsalis penis, gespeist wird. Bei Dasyurus wird durch das
excessive Wachstum des Urogenital-Kanales während der Ent-
wicklung der Teil, welcher die Phallusleiste trägt, d. h. der ursprüng-
liche Phallushöcker, nach der Penisspitze verlagert, wo er sich
später in eine typische rautenförmige Grube umformt. Auch hier
häuft sich das cavernöse Gewebe dort an, wo die Phallusleiste sich ent-
wiekelt, d. h. an der Penisspitze, und es bildet sich ein Corpus
cavernosum glandis, das hauptsächlich durch die Art. dorsalis penis
gespeist wird. Von den Macropodinae gilt dasselbe. Die Phallus-
leiste mit ihren Produkten (vgl. die spezielle Beschreibung) wird
hauptsächlich auf die Penisspitze verlegt. Hier entwickelt sich das
C. eavernosum glandis, allerdings bei weitem nicht so kräftig wie
bei Dasyurus. Bei sämtlichen Beutlern stellt das Gebiet des 0. ca-
vernosum glandis denjenigen Teil des Penis dar, der ursprünglich
als Phallus eine Vorragung der oralen Afterlippe bildete. Hieraus
ist zu folgern, daß das Corpus cavernosum glandis der Beutler das
Homologon des Corpus spongiosum ist, welches bei Reptilien (Kroko-
dilier), das Ende der Samenrinne umgibt, und daß die Glans penis in
der Hauptsache als Homologon des freien Teiles des Reptilienpenis
zu betrachten ist. Zu ähnlichen Resultaten gelangt GERHARDT, wenn
er sagt (l. ec. S. 380): »Die Glans penis muß zum Teil wohl als
Homologon der Anhäufung von Schwellgewebe an der Spitze des un-
paaren Reptilienpenis betrachtet werden.«
Von den übrigen Säugern kennen wir bis auf wenige Aus-
nahmen das Schicksal der Phallusleiste und deren Zusammenhang
mit dem C. cavernosum glandis noch nicht.
Nach FLEiscHwmaAnns Untersuchungen bildet sich beim Schafe und
Schweine der ursprüngliche Phallus mit der darin verlaufenden
Phallusleiste zurück, nach GERHARDTs Beschreibungen fehlt den
Artiodaetylen eine Glans penis. Dieser Zustand muß dann als ein
secundär erworbener angesehen werden. Das Umgekehrte ist beim
“Menschen der Fall. Hier entwickelt sich die Phallusleiste sehr
kräftig, und es ist eine gut entwickelte Glans penis vorhanden
(Taf. VII, Schema 7).
Als Ergebnis dieser vergleichenden Betrachtungen stellt sich
heraus, daß derjenige Teil des Copulationsorganes, welcher morpho-
logisch als Glans penis bekannt ist, schon bei Reptilien angedeutet
_ ist, aber erst bei den Säugern besser ausgebildet wird. Bei allen
Formen stellt die Glans penis denjenigen Teil des. Schwellgewebes
(bzw. der Schwellkörper) dar, welcher mehr oder weniger unabhängig
464 A. J. P. v. d. Broek
vom übrigen Corpus cavernosum urethrae das ursprünglich in den
Phallus vorragende Ende des Urodäums umgibt.
Blindschläuche im Gebiete des Urogenital-Kanales bei Beutlern.
Bei mehreren Formen (Didelphiden, Macropodinae) wächst
während der Entwicklung von der oralen Seite der Phallus-
leiste ein Zellstrang in das Innere des Penismesoderms hinein, welcher
sich später zu einem Blindschlauch umformt. Er liegt bei Didelphys
zwischen äußerer Oberfläche und Corpus cavernosum penis und bricht
später zur Oberfläche durch; bei den Macropodinae liegt er im Ver-
laufe des Urogenital-Kanales zwischen diesem und dem Corpus cav.
penis. Es erhebt sich die Frage, ob sich für diese, dem Anscheine
nach bei Marsupialen funktionslosen Bildungen Homologa bei andern
Wirbeltieren finden lassen. Bei den Reptilien mit unpaaren Copu-
lationsorganen sind mir aus der Literatur derartige Bildungen, welche
als Produkte der oralen Urodäumwandung aufzufassen seien, nicht
bekannt geworden. Dagegen tritt bei den mit einem Penis ver-
sehenen Vögeln aus dem oralen Rande der Phallusleiste ein Zell-
strang hervor, der später ein Lumen bekommt und zu dem sog.
Penisblindschlauch der Vögel wird, der beim Copulationsakt aus-
gestülpt werden kann. Mit dem Hinweise auf diese analogen Ent-
wieklungsprozesse muß ich mich begnügen, ohne auf die Bedeutung
weiter eingehen zu können. Auffallend ist es, daß der erwähnte
Zellstrang bei den Macropodinae in beiden Geschlechtern vorkommt.
Bei den höheren Säugetieren können wir derartige homologe
Bildungen nur erwarten bei Formen, bei denen sich die Phallus-
leiste erhält bzw. weiter entwickelt. Solch eine Form ist der Mensch.
In der Tat findet man bei ihm als Auswuchs der Phallusleiste meist
einen kurzen Blindschlauch, der als Sinus von GuERIN bekannt ist.
Muskulatur.
Die mit dem Geschlechtsapparate in Verbindung tretende
Muskulatur ist in die der vorderen Bauchdecke und die der Geschlechts-
organe zu trennen.
In der Bauchdeeke findet man erstens den subeutanen M.
sphincter marsupii. Er ist beim Weibchen kräftig entfaltet. Die |
subeutane Muskulatur bleibt beim Männchen auf den oberhalb des
Serotums gelagerten Teil der vorderen Bauchwand beschränkt.
Einige Fasern umkreisen meistens das Serotum. Weiter caudal
wird sie durch eine ziemlich derbe Fascie ersetzt.
Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 465
Der M. obliquus abdominis externus zeigt den verschieden großen
Annulus inguinalis externus, aus dem beim Männchen der Samen-
strang hervortritt, in dem beim Weibehen bisweilen ein rudimentäres
Lig. uteri teres zu finden ist (Macropodinae), welches die Stelle des
Samenstranges einnimmt.
Vom M. transversus abdominis zweigen sich unterste Bündel ab
und werden beim Männchen zum M. eremaster, beim Weibehen zum
M. compressor mammae. Bisweilen zweigen sich Bündel des M.
eremaster seitwärts ab und endigen im Unterhautbindegewebe, in den
Inguinalkörper oder in dessen Nähe (Phascolomys, Macropus). Das
Lig. uteri teres wird von einigen Bündeln des M. compressor mammae
begleitet. Hieraus konnte leicht gefolgert werden, daß das Corpus
inguinale das Homologon der Mammardrüse sei, welche Ansicht
WEBER vertritt. Ich betrachte diese beiden Organe nicht für homolog,
hauptsächlich aus dem Grunde, weil bei denjenigen Formen, bei
denen ein Corpus inguinale sich vorfindet, dieses als Lymphdrüse
bei beiderlei Geschlechtern an gleicher Stelle anwesend ist.
Vom M. subeutaneus abdominis (M. sphineter marsupii) ist der
M. sphincter celoacae ableitbar. Hin und wieder (Maeropus)
bleiben beide Muskeln durch Verbindungszüge miteinander in Zu-
sammenhang. Der M. sphineter eloacae umgibt als Ringmuskel die
äußeren Geschlechtsorgane. Meistens ist er in zwei Schichten zu
trennen, zwischen denen die sehr mächtig entfalteten Reetaldrüsen
sich vorfinden. Aus dem M. sphineter eloacae differenzieren sich
die Muskelkapseln verschiedener zum Geschlechtsapparate gehöriger
Teile. Hierzu gehören die M. ischio-cavernosus, die Muskelkapseln
der Örura der ©. ec. urethrae und penis, der Cowperschen Drüsen
und der Reetaldrüsen. Ferner entsteht aus demselben Muskel ein von
den äußeren Geschlechtsorganen zur Symphyse sich erstreckendes
‚Muskelchen, der M. suspensor eloacae (bzw. Levator penis). Es ist
_ zuweilen nur durch sehnige Züge vertreten. Beim Männchen ist der
M. sphineter eloacae nur teilweise ein Ringmuskel. Die Bündel,
welche in der Nähe des Beckenrandes gelagert sind, heften sich an
ihm an oder an den Crura der Corp. cavernosa penis fest. Bei
‚einigen Beutlern treten die Fasern des M. sphineter eloacae auch
noch an andrer Stelle mit dem Skelet oder der umgebenden
Muskulatur in Verbindung. So treten beim männlichen Phascolomys
Bündel vom M. sphineter eloaecae zur Schwanzwurzel. EGGELING
beschreibt als M. ischio-cavernosus bei den weiblichen Beutlern ab-
getrennte Bündel vom M. sphineter eloacae, welehe am Tuber ischii
466 A. J. P. v. d. Broek
zur Insertion gelangen. Dieser Muskel ist nicht mit dem M. ischio-
cavernosus beim männlichen Geschlechte zu homologisieren. Der
M. sphineter cloacae wird durch einen Zweig des Nervus pudendus
innerviert.
Außer dieser quergestreiften Muskulatur tretenmitdemGeschlechts-
apparate noch zwei glatte Muskeln in Verbindung, nämlich ein M.
retractor eloacae (bzw. Penis) und ein M. recto-caudalis. Ersterer
entspringt vom Sacrum und verläuft, schräg am Reetum vorüber,
beim Weibehen zur Wandung des Urogenital-Kanales, beim Männ-
chen zur Umbiegungsstelle des Penis. Mikroskopisch ist er noch
weit auf die obere Fläche des Penis zu verfolgen. Ich konnte
keinen genetischen Zusammenhang zwischen diesem Muskel und der
glatten Muskulatur des Reetums oder Urogenital-Kanales feststellen.
Der M. reeto-caudalis wird durch Fasern dargestellt, welche von
der glatten Reetalwandmuskulatur sich abzweigen und zum Schwanze
hin verlaufen.
Accessorische Geschlechtsdrüsen.
Versteht man unter accessorischen Geschlechtsdrüsen nur solche
Drüsen, deren Secret sich dem Sperma beimengt oder die Ejaculation
des Spermas begleitet, dann kann nur beim Männchen von derartigen
Drüsen die Rede sein. Faßt man den Begriff weiter und rechnet
zu diesen Drüsen alle diejenigen, welche sich genetisch aus der
Wandung der Ausführgänge der Geschlechtsdrüsen: aus der
Wandung des Urodäums (entodermale Cloake) und des Eetodäums
(ectodermale Cloake) herleiten, dann kommen sie in beiden Ge-
schleehtern, obschon in verschiedener Ausbildung, vor.
Eine Übersicht über die Drüsen, welehe mit dem Geschlechts-
apparate in Verbindung treten, ergibt folgendes:
Ableitbar von | [6) | Q
| . .
WOoLrrschem Gange keine keine
MürLuerschem Gange keine Gl. uterinae
malen Teiles vom Uro- | ı /Macropus)
genital-Kanal Gl. urethral.
Wandung des ecetoder- | CowPpErsche Zellstränge
Wandung des entoder- | Prostata |
keine
malen Teiles des Uro- Drüsen ohne Funktion
genital-Kanales
Proctodium Analdrüsen Analdrüsen }
>
Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 467
Es fehlen, wie bekannt, den männlichen Beutlern Drüsen an
den Duetus deferentes. Solche treten bei vielen monodelphen Säugern
als Gl. vasis deferentis und Gl. vesiculares auf.
Aus der Wandung des entodermalen Urogenital-Kanales ent-
stehen beim Männchen die mächtigen Urethraldrüsen, denen die
Prostata sich bei Macropus hinzugesellt. Allerdings besitzt letztere
Drüse nicht die Eigenschaft, welche WEBER in seinem Lehrbuche
von einer Prostata fordert, nämlich daß sie außerhalb der glatten
Muskulatur sich finde. Nur auf Grund ihres mikroskopischen Baues
und der Stelle der Entwicklung ist die Drüse bei Macropus als solche
zu erkennen.
Beim Weibchen bleibt die Wandung des entodermalen Teiles
des Urogenital-Kanales ohne Drüsen.
Von der Wandung des Ecetodäums, der ectodermalen Cloake,
wachsen bei beiden Geschlechtern Zellstränge in das umgebende
Bindegewebe. Diese Zellstränge stellen die Anlagen der CowPER-
schen Drüsen oder die Homologa beim weiblichen Geschlechte dar.
Was die Herleitung der Cowperschen Drüsen bei den Beutlern
betrifft, befinde ich mich in Widerspruch mit den Angaben von
M. WEBER, welcher diese Drüsen als Differenzierungsprodukte der
(entodermalen) Urethraldrüsen auffaßt (l. e. S. 264). Die Drüsen sind,
bei den Beutlern nach meinen, bei Monotremen nach KEIBELSs Unter-
suchungen, als ectodermale Drüsen aufzufassen. Erst secundär
werden sie in den Urogenital-Kanal aufgenommen, in ähnlicher
Weise, wie die Gl. anales erst sekundär in das Lumen des Procto-
däums zu liegen kommen. Die einfache Anlage der CowPperschen
Drüse sondert sich später in drei ungleich große Lappen, deren
jeder von einer eigenen Muskelkapsel umgeben ist. Es ist daher
_ ungenau, von drei Paar Cowrzrschen Drüsen zu reden. Beim
Weibehen bleibt ein einfacher Zellstrang, welcher nur hin und wieder
_ ein Lumen besitzt, bestehen; aus ihm gehen keine Drüsenschläuche
hervor.
Die Rectaldrüsen entstehen in der Wandung des Ectodäums
und gelangen bei dessen Aufteilung in das Proctodäum. Es
kommen zwei Paar Rectaldrüsen zur Anlage. Ihnen fügen sich
bei Sminthopsis noch eine große Zahl von kleineren, zusammen-
gesetzten tubulösen Drüsen an, welche aus der Wand des Procto-
däums ihren Ursprung nehmen. 2
Bei den Macropodinae gelangt von den zwei Paar Drüsen
468 A. J. P. v. d. Broek, Entwicklung u. Bau des Urogenital-Apparates usw,
nur das caudale zur Entfaltung; das ceraniale Drüsenpaar bleibt
rudimentär.
In ganz besonderer Weise entwickeln sich die Reetaldrüsen von
Hypsiprymnus (vgl. die spezielle Beschreibung).
Literatur.
‚ Außer der in der vorhergehenden Arbeit aufgezählten kommt in Betracht:
1. BROEK, A. J. P.v. d. Over de ontwikkelungsgeschiedenis van het urogenitaal-
kanaal bij den man. Verslagen der Vergad. o. d. Kon. Akad. v.
Wetensch. 1909.
2. GERHARDT, W. Der gegenwärtige Stand der Kenntnisse von den Copulations-
organen der Wirbeltiere, insbesondere der Amnioten. Ergebnisse und
Fortschritte d. Zoologie. Bd. I. S. 307.
3. GEGENBAUR, C. Lehrbuch der vergl. Anatomie der Wirbeltiere.
4. ReGAUD, Cl. et DUBREUIL, G. Variations de la glande interstitielle de l’o-
vaire chez la lapine. Verhandl. d. Anat. Gesellsch. Berlin 1908.
S. 146.
5. SCHMIDTGEN, 0. Die Cloake und ihre Organe bei den Schildkröten. Zool.
Jahrbücher. Bd. XXIV. 1907.
Erklärung der Figuren,
Tafel VII.
Schemata der Copulationsorgane, teilweise nach BoAs, von:
I. Schildkröte. i V. Didelphys.
Il. Krokodil. VI. Maeropus.
III. Echidna. VI. Homo.
IV. Perameles. 4
In diesen Figuren. ist das Entoderm grün, das Eetoderm schwarz ange-
geben. Das Corpus cavernosum penis ist rot, das Corpus cavernosum ure-
thrae schraffiert.
A.d.p. Arteria dorsalis penis.
x aA
Aal
- j 4
Os av In
A u >,
a En
EI
Morpholog. Jahrbuch. bad. ALI
I. Schildkröte
EEE LETTER TE EEE
| DH. Echidna
‚Morpholog Jahrbuch ba AL Taf vH
I Schüdkröte N IK Didelphys r]
— = Sr
U Krokodil
BEE EEE p)
VI. Makropus
adp
IM. Mensch
W Perameles
Wilhelm Engelmann ır Deiozg Anst.n. Johannes A
Die Kopfregion der Amnioten.
Morphogenetische Studien.
(5. Fortsetzung.)
Von
Dr. A. Fleischmann,
Professor der Zoologie und vergl. Anatomie in Erlangen,
Das in gemeinsamer Arbeit mit mehreren Schülern von mir
‚ mehrfach erörterte Gaumenproblem ist in der Zwischenzeit (1907/08)
‚ auch von H. Fuchs besprochen worden. Ich darf einen Teil seiner
' Untersuchungen als eine willkommene Ergänzung meiner Studien
begrüßen; denn obwohl er nicht mein Schüler ist, hat er die von
mir inspirierte Deutung und Nomenklatur fast bedingungslos über-
nommen und die von meinen Schülern beschriebenen Verhältnisse
der Mund- und Nasenhöhle von Sauriern und Säugern neu bestätigt —
‚ freilich mit dem Unterschiede, daß er alles viel weitschweifiger er-
' zählte, als ich es meinen Mitarbeitern gestatte.
| Da ich bisher aus Mangel passenden Materiales mich aus-
' schließlich auf Saurier beschränkt hatte, schien es mirnach genauester
‚ Lektüre seiner beiden Berichte wünschenswert, neue Untersuchungen
über Schlangen und Schildkröten einzuleiten, um die Eigenschaften
des Munddaches dieser Gruppen durch eigenen Augenschein kennen
zu lernen; denn es kam mir vor, als sei Fuchs, obwohl er im all-
gemeinen meine Auffassung über den gegensätzlichen Bau des Mund-
daches bei Sauriern und Säugern teilt, konservativ auf älteren falschen
Ansichten stehen geblieben und habe die Analyse der Schnitte nicht
gründlich genug geführt.
Nachdem ich ausreichendes Material gesammelt hatte, habe ich
‚ Anfang November 1908 zwei Schüler vor diese Aufgabe gestellt.
Der eine sollte die Entwicklung des Munddaches der Schlangen und
470 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Schildkröten, der andre die Entwicklung des Gaumens der Säuger
so genau verfolgen, daß wir zum Schlusse scharfe Begriffsdefinitionen
geben könnten. Beide Arbeiten sind jetzt abgeschlossen, doch können
sie aus äußeren Gründen nicht gleichzeitig an die Redaktion des
Jahrbuches abgesandt werden. Die Studie über die Reptilien von
K. TuÄrTeR übergebe ich heute dem Drucke, während die Studie
über die Gaumenentwicklung der Katze von H. PoOHLMANN erst
später erscheint.
Allgemeine Reflexionen über das von mir aufgeworfene Problem
werde ich dann folgen lassen.
Erlangen, 15. Dezember 1909.
bissle _
VII.
Das Munddach der Schlangen und Schildkröten.
Von
Dr. Karl Thäter
aus Nürnberg.
Mit 38 Textfiguren und Tafel VIII u. IX.
Das Munddach der Schlangen und Schildkröten ist noch nicht
oft der Gegenstand eingehender Studien gewesen. Daher dürfte
eine erneute Untersuchung wohl nicht überflüssig erscheinen, zumal
die Arbeiten über den Gaumen der Schlangen sehr widersprechend
lauten. So erwähnt GEGENBAUR (1878), daß bei Schlangen der
harte, die Nasenhöhle von der Mundhöhle scheidende Gaumen am
wenigsten entwickelt sei. BuscH (1898) leugnete im Gegensatz hier-
zu das Auftreten eines Gaumens bei den Schlangen, während
GÖPPERT (1901) angibt, die Ophidier besitzen einen fertig gebildeten
Gaumen (Fig 1, Pal), der die Ductus naso-pharyngei ventralwärts ab-
grenzt. 1879 stellte Borw über die Entwieklung der Nasenhöhle
und des Gaumens bei den Schlangen genaue embryologische Studien
an. Vor zwei Jahren bestätigte Fucus deren Richtigkeit und trat
neuerdings dafür ein, daß bei den Schlangen und Schildkröten das
primäre Munddach durch Verwachsung während der Embryonalzeit
in einer Weise abgeändert wird, welche zu der bisher als sekundärer
Gaumen dieser Tiere bezeichneten Umbildung führt. Die entgegen-
gesetzten Meinungen in der Literatur veranlaßten mich, auf den Rat
meines hochverehrten Lehrers Dr. A. FLEISCHMANN dieses Gebiet
uoch einmal einer genauen Nachprüfung zu unterziehen. Herr
Professor FLEISCHMANN stellte mir die Sachlage nnd die Notwendig-
keit dar, die einzelnen Phasen der Entwieklungsgeschichte des Mund-
daches genau zu verfolgen, besonders exakte Modelle nach Quer-
472 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
schnitten zu konstruieren, damit sicher festgestellt werde, ob man
den Ausdruck »sekundärer Gaumen« mit Recht auf die Konfiguration
des Munddaches der Schlangen anwenden dürfe. Ferner riet er mir,
Fig. 1. die von Fuchs behauptete »aus-
giebige Verwachsung« der ab-
steigenden Choanengangschenkel
und der Choanenspalten in embry-
onaler Zeit nochmals zu kontrol-
lieren, da ihm diese Angabe recht
zweifelhaft erscheine.
Nach diesen Leitlinien habe
ich während des Wintersemesters
1908/1909 und des Sommerseme-
sters 1909 im zoologischen Institut
zu Erlangen gearbeitet. Erwach-
sene und embryonale Schlangen,
sowie Embryonen von Chrysemys
marginata standen mir reichlich
zur Verfügung. Ich ordnete sie
nach ihrem äußeren Aussehen
und ihrer Größe in verschiedene
Dach der Mundhöhle von Python tigris nach Gruppen. Bei den Schlangen maß
der Deutung von E. GörrErr. 1/1. N r . .
Ch Choane; Jac Jacogsonsches Organ; K Kau- ich die Entfernung vom Mittelhirn
muskel; Pal sekundärer Gaumen; Pl Schleimhaut- bis zur ‚Schnauzenspitze, um we-
falte des Gaumenrandes,
von‘ nigstens auf diese Weise einen
Anhaltspunkt zur Beurteilung des Größenunterschiedes der so
stark spiralig eingerollten Embryonen zu erhalten. Diese Entfernung
werde ich kurzweg als Mittelhirn-Schnauzenlänge (MSl) bezeichnen.
Die Anfertigung der Modelle und Schnittserien geschah in der von
AULMANN (Morpholog. Jahrbuch, Bd. XXXIX) erst kürzlich geschil-
derten Weise. An allen Serien habe ich eine Definierebene ange-
bracht und dieselbe auch an den abgebildeten Schnitten einge-
tragen.
Bevor ich mit der Darstellung meiner Beobachtungen beginne,
möchte ich meinem hochverehrten Lehrer ‚Prof. Dr. ALBERT
FLEISCHMANN für die unermüdliche Unterstützung und Förderung
meiner Arbeit meinen aufrichtigsten Dank aussprechen. Ebenso
danke ich Herrn Prof. Dr. ZAnDEr, der mir in liebenswürdiger Weise
teehnische Schwierigkeiten überwinden half.
ls a
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 473
I. Tropidonotus natrix.
1. Eigene Beobachtungen.
Junges Tier. (Taf. VIII Fig. 1, 2) Die Mundspalte schneidet
tief in den Kopf ein; die Mundwinkel liegen weit hinter den Augen,
und zwar von den Augen etwa noch einmal so weit entfernt als
die Augen von der Schnauze. Den hufeisenförmigen Mundrand be-
grenzen glatte Starrlippen (sl), welehe außen von einer starken
Hornschicht bekleidet sind und mit einer besonders an der oberen
Starrlippe ausgeprägten scharfen Kante in das Epithel der Mund-
höhle übergehen.
Die niedrige, lateral ausgedehnte Mundhöhle ist gerade gestreckt
und zeigt wenig Reliefeigentümlichkeiten der Wand. Bei der Be-
trachtung mit bloßem Auge oder Lupe erscheinen Dach und Boden
ziemlich eben. Höchstens gewahrt man ganz niedrige Leisten bzw.
“ Furehen. Wenn man jedoch Querschnitte zu Hilfe nimmt (Fig.2—7),
findet man das Relief belebter, als es vorher den Anschein hatte.
Man gewahrt enge Formbeziehungen zwischen Boden und Dach in
der Weise, daß den Leisten des Bodens Rinnen des Daches bzw. dem
Kehlkopfhügel eine konkave Grube (ow) gegenüberliegt.
Das flache Munddach ist nur durch mehrere Längsfalten der
Schleimhaut und dazwischen liegende Furchen coupiert. Die 4 Zahn-
reihen, welche auf dem Maxillare bzw. Pterygoid und Palatinum
Ezeln, sind durch Sagittalfalten verdeckt. Daher sieht man bei
der Betrachtung des Munddaches (Taf. VIII, Fig.1, 2) parallel zum
rechten und linken Rande der Oberlippe den äußeren Gebiß-
wulst (ag) d. h.je zwei sagittale Schl, Kautfalten (labiale und
linguale Falte), welche die Zahnreihen 8 iö8 Oberkiefers verdecken
und distal bis in die Prämaxillargeg&nd reichen. Daran schließen
sich jenseits einer reich gefältelten Hohlrinne (r) dieinneren Gebiß-
wülste (29), d.h. je zwei Deckfalten der Zahnreihe auf Palatinum
und Pterygoid, welche einander parallel ziehen und kürzer sind
als die äußeren Gebißwülste.
Am Munddach ist die obere Starrlippe von der Deckfalte der
maxillaren Zahnreihe schon durch das Aussehen abgesetzt, weil die
starre Oberlippe mit verhornter, in Schilder zerlegter Epidermis be-
_ kleidet wird, während die Deckfalte eine weißliche Färbung zeigt.
Am Mundboden grenzen sich untere Starrlippe und Deekfalte nicht
so deutlich ab. Die Gebißwülste alternieren. Der untere Gebiß-
474 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Fig. 2—7.
Querschnitte durch die Mundrachenhöhle von Tropidonotus natrix. Embryo von 8,5 mm MSl.
Vergr. 10/1.
Abstand der Schnitte: 2—3 = 1120 u Abstand der Schnitte 5-6 = 400 u
3—t= 800 u 6—7 = 1600 u
4—5 = 880 u
ch Choane; i Jacossoxsches Organ; I Larynx; n Nasenschlauch; ol Oberlippe; ow Orbitalgewölbe;
sa Sakter; «! Unterlippe; z Zunge.
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 475
wulst ragt bei geschlossenem Maule in die dorsale Hohlrinne (r)
zwischen dem äußeren und inneren Gebißwulst.
Der Umstand, daß die Zahnreihen von Falten umgeben sind,
hängt jedenfalls mit dem Verschlingen großer Nahrungsbissen zu-
sammen; denn der in den Deckfalten sich aussprechende Überschuß
von Schleimhaut wird dazu dienen, die Erweiterung der Mundhöhle
zu unterstützen und das am fressenden Tier zu beobachtende Aus-
einanderweichen der Zahnreihen bzw. der sie stützenden Knochen
zu ermöglichen, so daß die Wand der Mundhöhle bequem über ein
großes Beutetier gespannt werden kann.
Innerhalb der inneren Gebißwülste sieht man den dorsal empor-
dringenden Hohlraum desOrbitalgewölbes (Taf. VIII, Fig. 1, 2, oo),
der etwa unterhalb der Augen die höchste Krümmung erreicht.
Querschnitte zeigen das Orbitalgewölbe hinten an den Mundwinkeln
flach (Fig. 7) und vorn stark gekrümmt (Fig. 6). Ein scharfer Rand-
bogen scheidet das Orbitalgewölbe von einem vorderen, ungefähr
spitzwinklig dreieckigen Vomerfeld (Taf. VIII, Fig. 1, 2 vf), dessen
Seiten von den inneren Gebißwülsten bzw. zwei medial an diese
anschließenden zarten Schleimhautfältehen umrahmt werden. Das-
‚selbe ist gewöhnlich (Fig. 1) als »sekundärer Gaumen« der Schlangen
bezeichnet worden; doch ziehe ich den Ausdruck Vomerfeld vor,
weil er rein sachlich die Tatsache kennzeichnet, daß über diesem
Feld die beiden Vomerknochen liegen. In der Mitte des dreieckigen
Feldes zieht ein schmaler Streifen (Fig. 2, 3), den Fuchs ohne Grund
_ »Choanenpapille« genannt hat. Hier liegen auch die Mündungen
der Jacossonschen Organe (Fig. 3).
ER
| Aus dem Mundboden ragtein medianer Längshügel (Taf. IX, Fig. 14)
A in die Lichtung des Orbitalgewölbes. Er trägt die Kehlritze an
| einem besonders schrägen Oralabfall. Vor der Kehlritze liegt der
| Eingang in die Zungentasche (xt). Die Mundschleimhaut seitlich
von diesem Hügel und die Schleimhaut der Rachengegend ist in
feine Sagittalfalten gelegt.
Zum Schluß mache ich noch auf die geringe Wölbung des Mund-
daches und den stark ausgesprochenen flachen Charakter der ganzen
| Mundhöhle aufmerksam, welche wie ein niedriger transversaler
| Hohlraum im Kopf eingeschlossen ist und ganz gerade in die Speise-
‚rühre übergeht. Das ist auf den Querschnitten (Fig. 2—7) am Ab-
'stande des Munddaches von der Definierebene d und auf den Längs-
‚sehnitten (Taf. IX Fig. 14) an dem parallelen Verlaufe der Mund-
; Morpholog. Jahrbuch. 41. 31
476 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
rachenwand, der Luftröhre und der in der Nebentasche verborgenen
Zunge direkt abzulesen.
Nasenschläuche. In sehr geringem Abstand dorsal über dem
Vomerfelde liegen die einfach gestalteten Nasenschläuche. Von dem
iußeren Nasenloch führt der kurze, merkwürdig weite und stark
gefaltete Vorhofsabschnitt leicht ansteigend in die Muschelzone. Nahe
der äußeren Mündung ist sein Querschnitt rundlich (Fig. 2). Die
Nasenschläuche entfalten sich hauptsächlich in dorso-ventraler Riehtung
und verschmähen es, sich lateral auszubuchten, wie es etwa bei
Platydactylus Regel ist. Sie erscheinen wie sagittal kurze und
transversal schmale Flachsäcke, welche schwach gekrümmt verlaufen,
so daß ihr nariner, an die Nasenlöcher schließender Abschnitt etwas
gegen die Medianebene biegt, während der ehoanale Teil sich ent-
gegengesetzt wendet. Der ganze Nasenschlauch scheint nur dem
Stammteil der Saurier vergleichbar. An seiner lateralen Wand fällt
ungefähr in der Mitte der Höhe eine konkave Einbuchtung auf (Fig. 3),
welche etwas schräg narin gegen den dorsalen First verläuft. Durch
dieselbe werden 2 Stockwerke kenntlich. Der dorsale Absehnitt
biegt sich hinten lateral abwärts und bildet einen kleinen, kurzen
Sakter (sa). Stammteil und Choanengang sind nieht scharf vonein-
ander geschieden. Die Aulaxnische ist gar nicht angedeutet. Der
kleine Sakter hängt fast senkrecht d.h. parallel dem Stammteil herab.
Aus der Muschelgegend führt der dorso-ventral erhöhte Choanengang
zur Choanenmündung, welche an der oralen Wand des Orbitalgewölbes
oberhalb des Randbogens liegt.
Die Choanen sind nicht direkt sichtbar, wenn die Sehachse
senkrecht auf das Munddach gerichtet ist, weil sie durch den scharfen
Rand der Bogenfalte (Taf. VIII, Fig. 1, 2) verdeckt wird. Sobald man
aber den Kopf dreht, daß man unter einem spitzen Winkel auf das
vordere Ende des Orbitalgewölbes bliekt, dann erscheinen die Choanen
über dem vorderen Bogenrand der Orbitalmulde als zwei kleine
rundliche Löcher, und zwischen beiden eine seichte mediane Grube
mit rosettenartig gestellten Falten, welehe besonders klar macht,
daß die Choanen nieht median, sondern lateral in das Orbitalgewölbe
münden. (Fig.'5.)
Die Jacogsonschen Organe (Fig. 3) liegen als voluminöse Säcke
ventral unter dem Nasenschlauch, jedoch so, daß sie sich an die
mediale Wand. der Nasensehläuche anschmiegen, welche deshalb
schräg verläuft. Sie münden auf dem Vomerfeld zu beiden Seiter
des medialen Wulstes an dessen hinterem Ende. Wie die Schnitte
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 477
zeigen (Fig. 3—5), fehlt die Choanenrinne im Gegensatz zu den
Sauriern.
An die Beschreibung der fertigen Mundhöhle reihe ich die Schil-
derung von 4 Wachsmodellen, welche ich aus Schnittserien durch
den Kopf von Ringelnatterembryonen verschiedener Größe rekon-
struiert habe, um eine plastische Vorstellung von den bisher bloß
nach Serienschnitten beschriebenen Entwicklungsvorgängen zu ge-
winnen, und beginne mit dem jüngsten Embryo.
Modell II (Taf. VII, Fig. 8, 9). Bei einem kleinen Embryo (5 mm
MS!) ist die Mundhöhle in einer von der beim erwachsenen Tier
durchaus verschiedenen Form ausgebildet; es bedarf daher einer
starkenMetamorphose, um den Zustand des Maules der erwachsenen
Schlange herbeizuführen. Die hufeisenförmige Mundspalte ist ent-
sprechend der geringen Größe des Embryos verhältnismäßig kurz.
Die Mundwinkel liegen unmittelbar unter den Augen. Die mediane
Spitze der Oberlippe überragt gleich einem Schnabel die noch
sehr kurze Unterlippe (Taf. IX, Fig. 13).
Von dem Lippenrande zieht die im allgemeinen gleichsinnig ge-
krümmte, ventrale und dorsale Wand der Mundhöhle in ziemlich
steiler Neigung gegen die dorsale Mittellinie. Die Mundhöhle ist
ein über das Niveau des Lippenrandes dorsal emporgewölbter Raum
(Fig. 10), dessen Krümmung am Dach mehr auffällt als am Boden.
Es lassen sich schon zwei Hauptabschnitte (Fig. 11) unterscheiden,
nämlich der dorsal emporsteigende Mittelraum (mr) und die Seiten-
nischen (sr), welche parallel dem Lippenrande verlaufen und hier
ziemlich steil in die Masse des Kopfes einwärts ziehen. Im Mittel-
raum ist die dorsale Wölbung des Munddaches am stärksten aus-
geprägt; ihr entspricht als konvexe Gegenform ein vorspringender
_Wulst des Mundbodens. Die Unterscheidung von Mittelraum und
"Seitennischen läßt sich im hinteren Abschnitt der Mundhöhle (Fig. 11)
nahe den Mundwinkeln bzw. der Hypophysenmündung viel schärfer
“durchführen als in dem vorderen Bezirk (Fig. 10) hinter den Choa-
nen, weil hier das Munddach bzw. der Mundboden von den Lippen-
tändern einfach schräg dorsal emporsteigt.
Um die eigenartige Plastik der Mundwand richtig zu erfassen,
muß man nicht bloß die Mund- oder Innenfläche des Modells, son-
dern auch die äußere, d.h. die dem Kopfmesoderm anliegende Fläche
\ (Taf. VIII, Fig. 9) betrachten. Dann erkennt man, daß die dorsale
Munddecke — wenn ich einen Ausdruck der Architekten gebrauchen
31*
Fo
478 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
darf — einem »gebrochenen Satteldache« vergleichbar ist mit zwei
schräg geneigten Lateralwänden (ko), welche an einem medianen
Firststreifen zusammenstoßen, und zwei transversalen Wänden, einer
Vorderwand (chw) bzw. einer caudalen Rückwand (rw). Auf dem
Längsschnitt (Taf. IX, Fig. 13) ist die Firststrecke des Mittelraumes an
der Einmündung der Hypophyse kenntlich, die Vorderwand ist mit
den Buchstaben chw, die Rückwand mit den Buchstaben ro be-
zeichnet. An der Vorderwand des Mittelraumes liegen die beiden
Choanenöffnungen der einfachen Nasenschläuche. Daher nenne ich
Fig. 8-11.
Querschnitte durch die Mundrachenhöhle von Tropidonotus natrix. Embryo von 5mm MSl. Ver-
größerung 10/1.
Abstand der Schnitte: 8— 9 = 180 u
9—10 = 420 u
10—11 = 720 u
dd Definierebene; h Hypophyse; i Jacorsonsches Organ, mr Mittelraum; » Nasenschlauch; ol Ober-
lippe; sn Seitennische; «l Unterlippe; z Zunge.
sie choanale Wand (chw). Die hintere Wand liegt hinter der Hypo-
physe, sie fällt daher schon in den Bereich des entodermalen Rachens.
Bei der Betrachtung des Modells von der inneren und äußeren
Seite überrascht das Gewölbe der einem Satteldach verglichenen
Munddecke am meisten. Der dorsal zwischen die Augäpfel ein-
dringende Mittelraum erscheint weit (Fig. 10), seine Seitenwände
gehen schwach divergierend und eigentlich ohne scharfen Absatz ir
den rechten und linken Dachstreifen der Seitennischen (s”) über
Das Gewölbe des Mittelraumes besitzt dicht hinter den Choanen ein
enge dorsale Ausbuchtung (Fig. 10), aber gegen die Hypophyse (Fig. 11
verschwindet die scharfe firstähnliche Gestaltung, so daß ein breite
und flacher Mittelstreifen rückwärts streicht. Der höchste Punk
des Mittelraumes liegt sowohl in diesem Stadium als in allen spä
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 479
teren Entwicklungsphasen hinter den Nasenschläuchen bzw. den
Choanen. Von hier fällt die choanale Vorderwand des Mittelraumes,
eine ungefähr dreieckige Fläche, sehr steil gegen die Lippenspitze
ab. In den Mittelraum ragt ein Höcker des Mundbodens (Taf. IX,
Fig. 13).
Dach und Boden der Seitennischen laufen näher dem Mund-
winkel horizontal (Fig. 11) und näher der Maulspalte schräg (Fig. 9).
Am Nischendach kann man schon zwei Bezirke unterscheiden: den
lateralen als Anlage der Starrlippe und den medialen als Anlage
des inneren Gebißwulstes. Beide sind durch eine seichte Ausfur-
chung getrennt.
Die Nasenschläuche sind zwar sehr klein und einfach geformt,
doch ist ihr späterer Stilcharakter schon gut zu erkennen, be-
sonders die laterale Abbiegung des Nasenschlauches zur Anlage des
Sakter. Bloß sitzen die Anlagen der später unterscheidbaren Ab-
schnitte: Vorhof, Stammteil, Choanengang noch sehr nahe beisammen,
weil die sagittale Länge der Nasenschläuche sehr gering ist. Die
JacoBsonschen Organe sind eben als kugelige Blindsäcke aus der
medialen Wand der Nasenschläuche hervorgewachsen (Fig. 9).
Ich erwähne noch den Befund bei einem etwas jüngeren
Embryo, dessen Mundhöhle im allgemeinen die Formeigenschaften
des eben beschriebenen Stadiums zeigt, weshalb die ausführliche
Beschreibung unterbleiben kann.
Hier haben sich die Nasenschläuche vor kurzer Zeit abgeschnürt
und münden an einer 0,21 mm langen Strecke unmittelbar in die
Mundhöhle, und zwar gleichfalls lateral, nicht in der Medianebene.
Die Nasenschläuche hängen durch eine Epithelmauer mit dem Ecto-
derm innig zusammen. Nur auf die ganz kurze Strecke von W u
ist die Epithelwand unterbrochen.
Modell III (Taf. VIII, Fig. 5—7). Bei dem etwas älteren Embryo
von 6—6,5 mm MSl sind die Eigenschaften des eben beschriebenen
Zustandes deutlicher ausgeprägt, weil in der Zwischenzeit der Kopf,
die Mundwand und die Maulspalte an Länge und Breite zugenommen
_ haben. Das in Rede stehende Modell III sowie alle später zu er-
wähnenden beweisen, daß ich mit vollem Recht den Mittelraum
(mr) der Mundhöhle und die beiden Seitennischen (sr) unterschied.
Denn das Munddach zeigt durch kräftigere Reliefverschiedenheiten
_ den Gegensatz der drei Abschnitte schon. viel klarer als in dem
Jüngeren Stadium 5 mm MSI. Der Mittelraum (Taf. VII, Fig. 7) erreicht
vor der Hypophyse (%) und dicht hinter den Choanen (chg) den höchsten
480 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Punkt (p) seiner dorsalen Entfaltung und sinkt von hier gegen
die Mündung der Hypophyse steil ab (Fig. 16—17), ein Formcharak-
ter, welcher zwar beim jungen Embryo 5 mm MS! schon angedeutet,
aber wenig auffällig war. Die hinter der Hypophyse anschließende
kachenwand ist aus der fast senkrechten Stellung, welche am jüng-
sten Stadium zu beobachten war, in eine weniger steile Neigung
gebracht worden, so daß sie jetzt wie eine Verlängerung des Mittel-
raumdaches erscheint. Die vordere Abschlußwand (chev) des Mittel-
raumes ist ebenfalls aus der steilen Richtung in eine schwächer ge-
neigte Stellung übergegangen. Die Seitennischen (Fig. 13—17) sind
breiter geworden und der innere Gebißwulst modelliert sich als
rundlicher Vorsprung zu beiden Seiten des Eingangs in den Mittel-
raum. Die Tatsache, daß die Neigung der Vorderwand und der
Rachenwand des Mittelraumes in eine sanftere Richtung gemildert
wird, ist ein wichtiges Merkmal der zur Ausgestaltung des Schlangen-
mauls führenden Entwicklungsvorgänge. Wir beobachten an den
späteren Stadien, daß der Prozeß noch weiter schreitet, bis endlich
diese beiden Flächen fast horizontal gestellt sind und am erwach-
senen Tier wie ebene Bezirke des Munddaches aussehen, welche
den rinnenförmig gebliebenen Rest des Mittelraumes (oder des
Orbitalgewölbes, wie ich oben [S. 475] sagte, oralund caudal umsäumen.
Die vordere Abschlußwand des Mittelraumes geht durch diesen Prozeß
zum größeren Teil in denjenigen Abschnitt des Munddaches über,
welchen ich oben als Vomerfeld bezeichnet hatte. Schon an dem
Modell III ist ein wichtiger Charakter des Vomerfeldes, nämlich die
aufihm befindliche Mündung (©) der JacoBsonschen Organe (Fig. 13)
deutlich entwickelt, während am Modell II die JacoBsonschen
Organe in der mehrfach abgebildeten Weise als mediale Aus-
sackungen an der Wand der Nasenschläuche dorsal über den
Choanen hängen (Fig. 9).
Modell IV (Taf. VIII, Fig. 4). Bei dem Embryo ” mm MS ist
Wachstum und Modellierung in der Stilart fortgeschritten, welche
aus dem vorhergehenden Modell zu vermuten war. Wesentliche
Gegensätze sind dadurch zwar nicht geschaffen, jedoch sind einzelne
Eigenschaften gesteigert worden. In allererster Linie ist im Zu-
sammenhang mit der transversalen Entfaltung der Mundhöhle die
Neigung der Rachenwand (ro) des Mittelraumes hinter der Hypophyse
noch mehr zur flachen Lage geändert worden. Auch das Vomerfeld
ist etwas weniger steil geneigt als im vorhergehenden Stadium.
Die Stellungsänderung der vorderen und pharyngealen Fläche
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 481
ist besonders am medianen Längsschnitt (Taf. IX, Fig. 15) erkennbar.
Von der Hypophyse (h) etwa gegenüber dem Kehlkopf (l) steigt das
Munddach schräg dorsal empor und erreicht etwas oberhalb der
Choanen den höchsten Punkt, um nun mit starker Neigung schräg
gegen den Lippenrand abzufallen (Fig. 22—20). Das eigentliche
Satteldach des Mittelraumes ist nicht wesentlich länger geworden,
dagegen modellieren sich die inneren Gebißwülste (9) stark heraus
und grenzen den Mittelraum von den Seitennischen schärfer ab. Die
Fig. 12—17.
Querschnitte [durch die Mundrachenhöhle von Tropidonotus natrix. Embryo von 7 mm SMl. Ver-
größerung 10/1.
Abstand der Schnitte: 12—13 = 160 u Abstand der Schnitte: 15—16 = 680 u
13—14 = 320 u 16—17 = 760 u
14—15 = 160 u
ch Choane; chg Choanengang; dd Definierebene; " Hypophyse; i Jacogsonsches Organ; l Larynx;
mr Mittelraum; ol Oberlippe; sn Seitennische; «l Unterlippe; z Zunge; zl Zahnleiste.
Form des Mittelraumes ist ungleichmäßig. Hinter der Hypophyse
(Fig. 23) ist er breit und flach gewölbt, vor der Hypophyse dringt
er dorsal in die Gegend zwischen die beiden Augäpfel empor (Fig. 22),
während der hintere Abschnitt tiefer unter den Augen liegt. An
.der Vorderwand des Mittelraumes liegen die Choanen (Fig. 21). In
etlicher Entfernung (480 u) sind die Öffnungen der Jacogsoxschen
Organe (Fig. 19) sichtbar und median liegt ein kleiner sagittaler Vor-
Sprung.
Das Munddach ist durch einen lateralen Randwulst (Fig. 20—23)
begrenzt, welcher die Anlage der Starrlippe und des Gebißwulstes
482 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
der äußeren Zahnreihe darstellt. Freilich sind diese Abschnitte
noch sehr schwach voneinander abgesetzt, da nur die erste Anlage
des Gebißwulstes als Zahnleiste (xl) angedeutet ist und ganz kleine
Erhebungen an der lateralen und medialen Seite der Epithelleiste
als Skizzen der künftigen Deckfalten auftreten. Das Munddach
steigt von hier etwas schräg empor; es zeigt eine seichte Ausfur-
chung (r), die Anlage der künftigen Hohlrinne, und medial von
derselben die Anlage des inneren Gebißwulstes (ög) mit der Zahn-
leiste der Pterygoidpalatinzähne.
Aus dem Mundboden (Taf. IX, Fig. 15) springt gegen den Mittel-
raum ein transversaler, schmaler Höcker vor. In letzterem verläuft
die Luftröhre (f) und unter ihr die Anlage der Zungenmuskulatur.
Der Kehlspalt liegt median auf der Oberfläche des Bodenwulstes,
dessen vorderes Ende in zwei kurze Lappen (Fig. 20) ausgefranst
ist. Es biegen sich also in der Mittelzone Dach und Boden dorsal
empor und stehen in enger Formbeziehung, die an das Verhältnis
von Patrize und Matrize erinnern.
Vom Nasenschlauch ist nichts Besonderes zu vermelden. Die
Querschnitte zeigen Choanenmündung (Fig. 21), die Choanengänge
(Fig. 20) und den sattelförmig gekrümmten Sakter (Fig. 19). Die
Mündungen der Jacogsonschen Organe liegen noch deutlich auf der
schrägen Choanalwand des Mittelraumes.
Modell V (Taf. VIII, Fig. 3). Bei dem Embryo 8 mm MS$1 zeigt
sich das allgemeine Körperwachstum in der Mundgegend durch Ver-
längerung und Verbreiterung der Seitennischen sowie des Mittel-
raumes. Die Rachenwand und das Choanalfeld sind noch mehr
flach geneigt als bei dem vorhergehenden Stadium. Aus diesem
Grunde erscheint jetzt der Mittelraum ganz seicht und flach. Die
an den jungen Stadien auffallende winkelige Knickung seines
dorsalen Firstes ist durch das Längenwachstum des Mittelraumdaches
sowohl des von der Hypophyse bis zur Choane reichenden Abschnittes
als des von der COhoane gegen den Schnauzenrand abfallenden
Choanalfeldes aufgehoben. Nur der hinter den Choanen liegende
Abschnitt, welcher schon in jüngeren Stadien am meisten dorsal,
emporragte, hat diese Eigenschaft beibehalten und erscheint wie ein
enger, einer winkeligen Grube vergleichbarer Nebenraum. Er bildet
nach entsprechender Auswölbung und Verbreiterung während der
folgenden Embryonalzeit die oben als Orbitalgewölbe beschriebene
Grube am Munddache der erwachsenen Schlange. Die Palatoptery-
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Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 483
goidwülste liegen nicht mehr so nahe der Medianebene wie bei
jüngeren Embryonen.
Die embryonalen Vorgänge bei den Schlangen führen also eine
allgemeine Verflachung des Munddaches herbei, doch bleibt der
mediane Abschnitt des Mittelraumes hinter den Choanen immer eine
dorsal aufsteigende Bucht zwischen den beiden Augen; dieselbe
Fig. 18—23.
Querschnitte durch die Mundrachenhöhle von Tropidonotus natrix. Embryo von Smm MSI. Ver-
größerung 10/1.
Abstand der Schnitte: 15—19 = 280 u Abstand der Schnitte: 21—22 = 280 u
19—20 = 840 u 22—23 = 2040 u
20—21 = 160 u
ch Choane; chg Choanengang; dd Definierebene; h Hypophyse; i Jacossossches Organ; ig innerer
Gebißwulst; » Nasenschlauch; ol Oberlippe; ow Orbitalgewölbe; r Hohlrinne; xl Unterlippe: z Zunge;
zl Zahnleiste.
verengt sich oral gegen die Choanen; dadurch wird es immer mehr
unmöglich, die Choanen selbst wahrzunehmen. Erst wenn man das
Wachsmodell umdreht und die dem Mesoderm zugekehrte Fläche
des Munddaches betrachtet, sieht man die beiden Choanen am oralen
Abfall des Orbitalgewölbes selbst liegen. Das Vomerfeld wird so
sehr den Flächen der Seitennischen gleichgestellt, daß man ohne
Kenntnis der jüngeren Stadien gar nicht glauben möchte, daß es
früher die wichtige orale Abschlußwand des Mittelraumes war, ob-
484 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
wohl es immer noeh über die anstoßenden Palatinwülste etwas dorsal
gekrümmt emporsteigt. Der hintere Rand des Vomerfeldes springt
wie eine Querfalte vor, überschattet die beiden Choanen und erzeugt
dadurch eine scharfe Grenze gegen das Orbitalgewölbe.
Das Längenwachstum übt auf die Form der Seitennischen keinen
Einfluß aus. Starre Oberlippe und äußerer Gebißwulst sind noch
nicht deutlicher voneinander geschieden. An den Zahnleisten hängen
erst ganz kleine Schmelzglocken. Das gleiche gilt für den inneren
Gebißwulst.
2. Fremde Schilderungen.
Wenn ich nach der Bekanntgabe meiner eigenen Beobachtungen
die in der Literatur vorliegenden Schilderungen desselben Objektes
bespreche, so habe ich nur zwei Autoren, BORN und FuchHs, zu er-
wähnen.
Die Untersuehungen Borns liegen mehr als 25 Jahre zurück in
jener Zeit, als man eben begonnen hatte, die Technik der Schnitt-
serien und der Rekonstruktionen für embryologische Studien auszu-
nützen. Ich gebe ihren Inhalt etwas ausführlicher wieder, weil sie
bisher die alleinige Quelle unsrer Kenntnisse waren und die neuen
Mitteilungen von H. Fuchs in weitgehender Weise beeinflußt haben.
Born (le, S. 194) beginnt mit der Beschreibung, wie sich an
Köpfen von etwas über 4mm Länge die Apertura externa und die
primitive Choane trennt, indem sich der äußere Nasenfortsatz mit
seiner Spitze und dem größten Teil seines Vorderrandes an die
Außenfläche des inneren Nasenfortsatzes legt. Der Verschmelzung
der Epithelien folgt binnen kurzer Zeit eine Verwachsung der
bindegewebigen Grundlagen mit Verdrängung der trennenden Epithel-
schichten. Das vordere Ende des Oberkieferfortsatzes neigt sich ein
wenig über das hintere Ende der primitiven Choanen nach innen,
ebenso der Gaumenwulst des Oberkieferfortsatzes über die Fläche
des Gaumens, so daß hier eine Art Rinne entsteht, welche die primi-
tive Choane nach hinten fortsetzt.
Bei Köpfen bis zu 5 mm Länge schiebt sich das vordere Ende
des Oberkieferfortsatzes allmählich unter dem äußeren Nasenfortsatz
nach vorn gegen den inneren Nasenfortsatz und übernimmt die
laterale Begrenzung der primitiven Choane. Die Innenfläche des
Öberkieferfortsatzes legt sich von unten über die primitive Choane
und das nachfolgende Stück der Gaumenfläche. Zugleich wird die
primitive Choane enger. Hinter ihr entsteht durch die Überlagerung
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 485
der Gaumenleiste des Oberkieferfortsatzes eine kurze Rinne. Genau
genommen kann man jetzt schon nieht mehr von einer primitiven
Choanenspalte reden, da sich dieselbe in einen kurzen schrägen
Gang verwandelt hat.
Bei Köpfen von 5—5,5 mm wird die von vorn nach hinten fort-
schreitende Verklebung der Choanenspalte merklicher. Der ziem-
lich hohe Gang, der von der Mundhöhle schräg nach aufwärts in
die eigentliche Nasengrube führt, wird verlegt. Schon in den vorigen
Stadien hatte sich der vor der Öffnung des Jacossonschen Organs
liegende Teil der Choanenspalte verschlossen; jetzt verlegt sich der
Eingang in das Jacogsonsche Organ in der vorderen Hälfte selbst,
indem eine diese Öffnung von oben her begrenzende Falte tiefer
herabsteigt und mit der gegenüberliegenden Wand verschmilzt. Durch
diesen Prozeß erhält auch der hintere muscheltragende Teil der
Nasenhöhle einen festen Boden.
Der Verschluß schreitet ziemlich rasch von vorn nach hinten
vorwärts. Der obere Rand der Öffnung, die aus dem Jacorsonschen
Organ in die Choanenspalte führte, senkt sich tiefer herab und die
denselben begrenzende, bisher freie Falte verschmilzt mit der gegen-
überliegenden Wand.
Bei Köpfen von über 6 mm Länge schreitet die Verklebung
der Choanenspalte sehr rasch nach rückwärts vor. Auch hinter dem
Ausführungsgang des JacoBsonschen Organs legt sich die Seiten-
wand desselben etwa in ihrer halben Höhe an die gegenüberliegende
Wand an und verschmilzt mit derselben. Schließlich ist die Choanen-
spalte ein schräg nach rück- und abwärts steigender Gang, der neben
dem hinteren Umfang des JacogBsoxschen Organs herabführt und
sich medialwärts in die Mundhöhle öffnet. Durch das Auswachsen
einer queren horizontalen Falte aus dem hinteren Rande des Mittel-
feldes und die seitliche Verbindung derselben mit dem Gaumen-
wulste fügt sich dieser absteigenden Choanenspalte ein an Länge
zunehmendes, mehr horizontal nach hinten verlaufendes Stück an.
Die breite Scheidewand zwischen den Choanen wächst zuerst
nach hinten aus; später bleibt sie zurück, so daß ein kurzer, ge-
meinschaftlicher Nasenrachenraum entsteht. Die beiderseitigen
Nasenrachengänge konvergieren gegeneinander, bleiben aber anfangs
durch eine Scheidewand voneinander getrennt; erst bei Köpfen von
nahezu 8 mm Länge bleibt die Scheidewand zurück und das letzte,
sehr kurze Ende ist ein gemeinsamer, in die Quere verbreiterter
Nasenrachengang. Die definitive Choane ist ein weites, in einer
486 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Frontalebene liegendes, quer gestelltes Loch, während die Choanen
vorher zwei längsgerichtete, schmale, in der Horizontalebene gelegene
Spalten waren.
Die Bildung der definitiven Choane ist bei den verschiedenen
Saurierfamilien sehr verschieden; doch ist der Verschluß der ur-
sprünglichen zur Nasengrube führenden Choanenspalte bei den
Schlangen viel vollständiger als bei den Sauriern. Es bleibt bei
Troptidonotus keine tiefe, von der Ausmündung des JACOBSON-
schen Organs zur definitiven Choane führende Rinne als Rest der
zur Nasengrube führenden Spalte zurück, sondern die JACOBSON-
schen Organe münden auf der Gaumenfläche ganz für sich weit von
der definitiven Choane aus. Die letztere wird bei Schlangen weiter
rückwärts verlegt dadurch, daß sich hinten an die eigentliche Nasen-
grube je ein Nasenrachengang von ansehnlicher Länge anfügt. Bei
Lygosoma fand Born eine ähnliche Verlängerung der Nasenhöhle,
doch war der dort gebildete Nasenrachengang an der unteren Seite
durch einen Längsschlitz aufgespalten.
Der andre Autor, der für unsre Frage noch in Betracht kommt,
ist H. Fuchs (3b). Nach ihm verlaufen die ersten Entwieklungs-
vorgänge bei Tropidonotus in der gleichen Weise wie bei Lacerta.
Anfangs erscheinen zwei verdiekte Eetodermfelder der ventralen
Fläche des Vorderkopfes. Sie senken sich bald in die Tiefe, so
daß zwei langgestreckte Furchen oder Gruben entstehen, die hinten
am Munddach auslaufen. Die Gruben vertiefen sich; ihre seitlichen
Ränder wachsen ventral stärker hervor und bilden zwei Wülste, den
lateralen und medialen Nasenfortsatz. Die Gruben öffnen sich der
ganzen Länge nach ventralwärts. Indem der laterale Nasenfortsatz
mit dem medialen Nasenfortsatz verschmilzt, wird eine Verwachsungs-
brücke oder der primitive Gaumen geschaffen und die Nasengruben
in die Nasenschläuche umgewandelt. Weil aber die Verschmelzung
nicht über die ganze Länge der Nasenfortsätze erfolgt, so bleiben
die entgegengesetzten Endpunkte der ursprünglichen Nasenfurche
als äußeres Nasenloch und primitive Choane bestehen. '
Auf Grund einer Serie durch einen Embryo mit entwickeltem
Knorpelskelet, aber ohne Deekknochen gibt Fuchs an, daß später #
Vomerpolster und Oberkiefermassen ausgiebig miteinander ver-
wachsen. Während bei jungen Embryonen die Choanenspalten
sich ursprünglich von der Ausmündung des Jacogsonschen Organs
über die ganze Muschelzone erstrecken und in ihrer ganzen Länge
mit dem absteigenden Schenkel der Choanengänge zusammenhängen,
A
;
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 487
werde der Zugang zu den Nasenschläuchen hinter der Ausmündung
der Jacogsoxschen Organe verlegt, dadurch daß auf Kosten der
absteigenden Choanengangschenkel Vomerpolster und ÖOberkiefer-
massen miteinander etwa auf ein Drittel der ganzen Länge der
Nasenschläuche verwachsen. Dadurch werde die Choanenspalte
zum Teil verschlossen und ihr vorderes und mittleres Drittel
in eine Choanenrinne umgewandelt, welche den Ausführgang der
Jacogsoxschen Organe und den Tränengang aufnimmt und caudal-
wärts in die Choanen (im engeren Sinne) auslaufe.
Durch weitere Verwachsung zwischen Vomerpolster und Ober-
kiefermassen verschwinden auch die Choanenrinnen, bloß ihre
vordersten Abschnitte in der Tiefe der Nasalmulde werden erhalten.
Die Choanenspalten, welehe Vomerpolster und Oberkiefer der ganzen
Länge nach trennten, reichen dann nicht mehr bis zu der auf der
Grenze zwischen Vomerpolster und prämaxillärem Gaumen liegenden
Choanenpapille. Die hinteren Reste der primitiven Choanen
dauern als definitive sog. sekundäre Choanen. Nur die Reste
der Choanenrinnen, welche die Ausmündungen der Jacogsoxschen
Organe und die Tränengänge aufnehmen, sind übrig geblieben, stehen
aber mit den definitiven sekundären Choanen in keiner Verbindung.
Die bei den Embryonen gut ausgeprägte Nasalmulde wird verwischt,
weil das Vomerpolster bzw. das Nasenseptum sich abwärts senkt
und den Muldenraum verdrängt.
Fuchs charakterisiert zum Schlusse die Entwieklung des defini-
tiven Munddaches von Tropidonotus durch folgende Momente: starke
Abwärtswanderung des Nasenseptums verbunden mit Verdrängung
der Nasalmulde und ausgiebiger Verwachsung des Vomerpolsters
mit den Oberkiefern auf Kosten der absteigenden Choanengang-
schenkel und der Choanenspalten, so daß von beiden nur caudale
Reste übrig bleiben. Übereinstimmende Vorgänge habe er bei Sehild-
kröten (Chelone, Emys) beschrieben. Auch die benachbarten Knochen
bilden eine im Nasenseptum gelegene Knochenplatte, welche dem
sog. knöchernen sekundären Gaumen der Schildkröten entspreche.
3. Kritik.
Nach den oben in Wort und Bild wiedergegebenen Modellen
verschiedener und ziemlich gut aneinanderschließender Stadien des
Munddaches kann ich die Schilderung, welehe Born und Fucus von
der Verwachsung der Choanen und des Choanenganges ge-
geben haben, als unrichtig verwerfen. Ich lasse die erste Anlage der
488 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Nasengrube sowie die Entstehung des äußeren Nasenloches und der
primitiven Choanen hier außer Betracht, weil ich mich mit den jün-
geren Stadien nicht eingehend beschäftigt habe, und opponiere bloß
gegen die Darstellung von der weiter fortschreitenden Verwachsung
der Choane. Dieselbe erhellt aus meinen Modellen keineswegs.
Born und Fuchs haben sich auf das reine Studium der Quer-
schnittserien beschränkt und ermangeln darum der eindringlichen
plastischen Kenntnis der Einzelheiten, welche für die Deutung des
Vorgangs erforderlich ist. Besonders täuschten sie sich über die
ursprüngliche Größe und das weitere Wachstum der Choanen. Meine
Modelle zeigen mir unwiderleglich, daß die primitive Choane in der
Entwieklungsperiode, wo das Jacogsoxsche Organ noch als blasen-
förmige Ausstülpung an der Seitenwand des Nasenschlauches hängt,
durchaus nicht eine lange Spalte, sondern ein sehr kleines Loch
ist. Nach den Querschnitten berechnet sich ihre sagittale Länge
auf 0,21 mm. Dieses Maß erfährt eine Verkleinerung, wenn die
durch das Modell III (Taf. VIII, Fig. 5) illustrierte Umänderung erfolgt
und das Jacogsonsche Organ vom Nasenschlauch abgetrennt wird.
Dann sinkt die sagittale Länge der Choane auf 0,16 mm und be-
harrt auf dieser Größe in den nächstfolgenden Wachstumsstadien
bis zu Modell I (Taf. VIII, Fig. 5—3 und 1). Wenn die von FuchHs
so entschieden verteidigte Verwachsung von zwei Drittel der Choanen-
länge stattfinden würde, so müßte zwischen der JAcoBsoxschen Mün-
dung und der Choane eine Strecke von 0,14 mm liegen, während
die Messung bloß eine Strecke von 0,08 mm wirkliche Länge er-
gibt. Diese Zahlen sind so minimal, daß niemand wohl die Be-
hauptung von Fuchs wird ernstlich vertreten wollen.
Die Abgliederung des JacoBsonschen Organs von der medialen
Wand des Nasenschlauches und die Bildung einer selbständigen
Mündung desselben geschieht eben nicht durch Verwachsung des
absteigenden Choanenganges und dessen hypothetisch in die Länge
gestreckter Choane, sondern vermöge eines außerordentlich einfachen
Vorganges von einem andern plastischen Charakter. An einigen Quer-
schnittserien durch Embryonen des Modellstadiums Nr. II (Taf. VIII,
Fig. 8) finde ich nämlich das Jacogsonsche Organ vom Nasenschlauch
abgetrennt und durch eine flache, in das Mundepithel der Choanal-
wand des Mittelraumes eingesprengte Epithelleiste mit dem oralen
Rand der Choane zusammenhängen. An andern Querschnittserien
durch Embryonen von ziemlich gleicher Größe ist die Kontinuität
der Epithelleiste durchbrochen und damit die Trennung der genetisch
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 489
eng zusammengehörigen Teile des Nasenschlauches endgültig be-
siegelt.
Ich erkläre die Schnittbilder durch folgende Vermutung. In
einer gewissen Phase wird am Choanenende des Nasenschlauches,
welchem ja die Anlage des JacogBsonschen Organs enge anhängt,
eine aktive Umformung eintreten, so daß das JAcoBsonsche Organ
durch Wachstum oral vom Choanengang weggelagert wird. Nach-
dem die Abschiebung einigermaßen eingeleitet ist, wird weiteres
Wachstum die Entfernung beider rasch steigern, während der Zu-
sammenhang der Epithelien noch nieht gestört wird; daher die flache
Verbindungsleiste zwischen Choane und Jacogsoxschem Organ. Zu-
gleich aber erfolgt die viel mehr einschneidende Umbildung des ur-
sprünglichen Mittelraumes der Mundhöhle, wie ich sie oben nach
den Modellen geschildert habe. Die orale Wand des Mittelraumes,
welche Choane und Jacogsoxsche Öffnung enthält, wird so abge-
knickt (Taf. VIII, Fig. 5—3, 1), daß die Choane zeitlebens in die Or-
bitalmulde), die Jacogsonsche Öffnung in das Vomerfeld schauen.
Wenn endlich die Leiste zwischen beiden Öffnungen schwindet, ist
die Trennung vollzogen. Die Umbildung erfolgt bei Embryonen
des Modellstadiums III von 6—6,5 mm MI (Taf. VIII, Fig. 5). Eine
weitere Verwachsung ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil die
Größe der Choane bei den Embryonenvon 7, 8, 9mm MS1 (Taf. VII,
Fig. 4, 3, 1) unverrückt auf 0,16 mm stehen bleibt. Da aber der
ganze Kopf aus der Kleinheit embryonaler Verhältnisse auf die
Größe des ausschlüpfenden Tieres gehoben wird, nehmen die ein-
zelnen Regionen, besonders die Strecke zwischen der JacoBsonschen
Mündung und der Choane ständig zu. Dieselbe beträgt beim Em-
bryo des Modell III 0,40 mm, beim Embryo des Modell IV 0,48 mm,
beim Embryo des Modell V 0,92 mm und beim Embryo des Modell I
1,24 mm. Die Form der Modelle läßt nun sehr deutlich erkennen,
daß das bedeutende Wachstum dieser Strecke zugleich mit der
stärkeren Abmodellierung des Vomerfeldes (of) und seines hinteren
Randbogens (Taf. VIII, Fig. 4, 3, 1) erfolgt. Daher ist es ausgeschlossen,
daß ihr ein besonderer Zuschuß durch Verwachsung der Choanen
gegeben würde, wie man nach FucHs annehmen soll.
Fuchs hat sich übrigens die Beweisführung sehr leicht gemacht.
Er verweist auf 6 Schnitte aus der Serie eines Embryos mit ent-
wickeltem Knorpelskelet (aber noch ohne Deckknochen) und sagt,
‚auf einem Schnitt (35 Taf. VIII, Fig. 47) erscheinen Vomerpolster und
Oberkiefermassen an der mit einem Stern bezeichneten Stelle ausgiebig
490 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
miteinander verwachsen. Früher hätten sich die Choanenspalten
von der Jacogsonschen Mündung über die ganze Muschelzone er-
streckt und an allen Stellen freien Zugang zu den Nasenschläuchen
gehabt. Jetzt aber sei der Zugang zu den Nasenschläuchen ver-
legt dadurch, daß auf Kosten der absteigenden Choanengangschenkel
Vomerpolster und ÖOberkiefer im vorderen und mittleren Drittel
der Choanenspalten miteinander verwachsen wären. Man wird mit
mir diese Art der Begründung tadeln. Es genügt doch wirklich
nicht, eine weittragende Behauptung aufzustellen und dann auf einen
einzigen Schnitt durch einen viel zu alten Embryo zu verweisen, an
welchem man alles andre, bloß nicht den Prozeß der Verwachsung
wahrnehmen kann. Da zwei Drittel des Choanenganges verlegt sein
sollen, hätte Fuchs die ursprüngliche und die reducierte Länge des-
selben angeben müssen. Aber ich meine, wenn er sich die Mühe
solcher Messungen und genauer Beobachtungen überhaupt genommen
hätte, so würde er ganz andre Resultate gefunden haben.
II. Chrysemys marginata.
1. Fremde Untersuchungen.
Die Mund- und Nasenhöhle der Schildkröten ist bisher wenig
beachtet worden. In der Literatur liegen nur drei Abhandlungen
von SEYDEL, VOELTZKOW und Fuchs vor.
Nach Seypver (1896) (9a S. 479) tritt in der Ontogenie von Ohry-
semys die Anlage des Nasenrachenganges (Ductus nasopharyngeus)
als eine Rinne auf, die an das hintere, untere Ende der eingesenk-
ten Rieehgrube anschließt und am Mundhöhlendache ausläuft. Durch
Verschmelzung ihrer Ränder wird die Rinne in einen Kanal umge-
wandelt. Der Vorgang schließt sich ganz kontinuierlich an die Bil-
dung des Nasenhöhlenbodens an und schreitet von vorn nach hinten
fort. Der Abschluß der Rinne erfolgt anfangs durch Weichteile;
später beteiligen sich die Knochen durch Fortsatzbildungen an der
Umwandung des Kanals.
Die Ausdehnung der Nasenhöhle im vertikalen Durchmesser be-
dingt eine Verschiebung des Nasenhöhlenbodens nach unten; hier-
durch wird die Apertura interna in die fast vertikale Stellung über-
geführt. Der Ductus nasopharyngeus kann als eine röhrenförmige
Verlängerung der senkrecht gestellten und nach hinten gerichsehit
Apertura nasalis interna aufgefaßt werden. |
Ausführlicher behandelte A. VoELTzkow (1903, 11b 8.185) die
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 491
Entwieklung der Nasenhöhle und des Gaumens der Schildkröten.
Die flachen, relativ sehr großen Riechgruben treten an der Unter-
seite des Vorderhirns mit schwach aufgewulsteten Rändern auf. Wahr-
scheinlich geschieht die erste Anlage, indem sich der Boden der
Nasengrube durch lokale Wucherung des Ectoderms nach innen senkt;
die weitere Verlagerung in die Tiefe erfolgt jedoch durch Aufwulstung
der Randpartien.
Dann erheben sich die Grubenränder. Die Nasenhöhlen werden
größer und nehmen eine längliche Gestalt an infolge des stärkeren
Hervortretens des Stirnfortsatzes, wodurch der innere Rand der
Nasengruben nach vorn und innen und schließlich in eine Spitze
ausgezogen wird. Nunmehr kann man von einem äußeren und
inneren Nasenfortsatz sprechen.
Während der weiteren Entwicklung beteiligt sich an der Be-
grenzung der Nasengrube nicht mehr der äußere Nasenfortsatz allein,
sondern auch der vorgeschobene Oberkieferfortsatz, welcher
endlich den Abschluß der vorher rinnenförmig nach unten geöffneten
Nasenspalte bewirkt, indem er sich von innen und unten an den
inneren und äußeren Nasenfortsatz anlagert. Der Verschluß durch
den Öberkieferfortsatz ist aber nur von kurzer Dauer. Bald erfolgt
der endgültige Verschluß dadurch, daß die unteren Teile des late-
ralen und medialen Nasenfortsatzes miteinander verschmelzen. Durch
raschere Entwicklung der Nasenwülste wird der Stirnfortsatz mehr
und mehr zurückgedrängt. Die inneren Nasenfortsätze berühren
‚sich mit ihren äußeren Teilen, verschmelzen und schließen so die
erheblich in die Länge gestreckte Nasenhöhle nach unten ab.
Die einfache Nasenspalte wird also von vorn nach hinten
durch Aneinanderlegen des lateralen und medialen Nasenfortsatzes
verschlossen und zerfällt in die beiden Öffnungen: Apertura nasalis
externa am Gesicht und die primitive Choane in der Mundhöhle.
Der Mund selbst nimmt die Form eines Dreiecks an, dessen Seiten
von dem Öberkiefer, dessen Spitze von den vereinigten Nasenfort-
sätzen gebildet ist. Die früher an der Unterfläche des Kopfes be-
findlichen äußeren Nasenöffnungen rücken allmählich vor, gelangen auf
die Oberseite und bleiben von nun an nahe dem Ende der Schnauze.
Die erste Anlage des primitiven Gaumens erfolgt durch die Ver-
schmelzung des lateralen und medialen Nasenfortsatzes. Erst se-
kundär tritt der Oberkieferfortsatz in Beziehung dazu, indem er sich
vorschiebt, bis er den Nasenfortsatz erreicht und damit zur Bildung
der Oberlippe und des Gaumens beiträgt.
_—_ Morpholog. Jahrbuch. 41. 32
492 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Der harte Gaumen bildet sich dadurch, daß sich an den
unpaaren Vomer von beiden Seiten die Verbreiterungen der
Maxillaria und Palatina anschmiegen. Dadurch werden die
Choanen mehr und mehr nach hinten verlegt. Bei andern Cheloniern,
(z.B. Testudo, Emys, Trionyx), ist nach BuscH nur ein weicher Gau-
men vorhanden.
Der Aufsatz von H. Fuchs (1907, 3a S. 446) wiederholt im
allgemeinen die Darstellung VoELTZKOws über die Bildung des sog.
sekundären Gaumens, sowie die Schicksale der primitiven Choane.
Durch Einsenken des mit verdicktem Epithel versehenen Riechfeldes
entstehen die ventralwärts offenen Nasenfurchen oder Nasenmund-
rinnen an der ventralen Seite des Vorderkopfes. Sie führen nach
hinten und enden am Dache der Mundhöhle. Indem ihre Seiten-
ränder stärker nach unten wachsen, werden die lateralen und medialen
Nasenfortsätze gebildet. Hinten werden die Nasenfurchen durch die
vordersten Abschnitte der Oberkieferfortsätze begrenzt.
Durch Verwachsung des lateralen und medialen Nasenfortsatzes
werden die Nasenfurchen teilweise verschlossen, so daß der primitive
oder prämaxillare Gaumen, sowie ein Nasengang mit einer äußeren
Nasenöffnung und der primitiven Choane entsteht.
Der Oberkieferfortsatz beteiligt sich auf keinen Fall an der
Bildung des primitiven Gaumens. In der Folge der Serie nimmt
der Oberkieferfortsatz immer mehr an Umfang zu, die-lateralen Nasen-
fortsätze dagegen ab; beide sind deutlich gegeneinander abgegrenzt.
Erst am hinteren Ende des primitiven Gaumens ist der laterale
Nasenfortsatz nahezu verschwunden und durch den Oberkieferfort-
satz ersetzt, welcher die hinter dem primitiven Gaumen beginnende
primitive Choane lateral begrenzt. Die beiden primitiven Choanen
sind sagittal lang ausgezogene Schlitze der Mundhöhle, welche
rückwärts allmählich auslaufen und vorn an die als Rinne kenntliche
Verwachsungsstelle der Nasenfortsätze (an der Mundseite des primitiven
Gaumens) stoßen. Medial wird die Choane durch das Vomerpolster,
den untersten Abschnitt des Nasenseptums begrenzt. Zwischen den
hintersten Teilen der an der Mundseite des primitiven Gaumens
hinziehenden Rinne befindet sich ein kleiner Vorsprung des Vomer-
polsters, Papilla palatina-
Bei einem etwas älteren Emys-Embryo entsteht der sekundäre
Gaumen durch Verwachsung der medialen Seite des Ober
kieferfortsatzes mit dem untersten Abschnitt des Nasen-
septums. Zuerst verklebt nur das Epithel der zur Berührung ein-
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 493
ander genäherten Bezirke, später wird die Epithelbrücke vom
Mesenchym durchbrochen. Vomerpolster und Oberkieferfortsatz sind
längs der Verwachsungsstelle durch eine von vorn nach hinten ver-
laufende Rinne getrennt, welche sich in die Verwachsungsrinne am
primitiven Gaumen fortsetzt. Demnach erscheint der sekundäre
Gaumen als eine Fortsetzung des primitiven Gaumens.
Die primitiven Choanen werden durch die Bildung des sekundären
Gaumens großenteils gegen die [Mundhöhle verschlossen, aber
die Verwachsung erreicht niemals das hintere Ende der primitiven
Choanen. Daher bleiben ihre hintersten Abschnitte offen und werden
zu den definitiven sekundären Choanen. Die sekundären Choanen
sind also die Reste der primitiven Choanen, welche von der Ver-
wachsung nicht ergriffen wurden; denn die Papilla palatina liegt
beim älteren Embryo immer noch zwischen den hintersten Abschnitten
der Choanen. Die Teile der Nasenschläuche, welche sich früher
mittels der primitiven Choanen-am Munddach öffneten, sind durch
den sekundären Gaumen gegen die Mundhöhle abgeschlossen worden
und stellen die sog. Choanengänge vor,
Das Vomerpolster bildet im Verein mit dem primitiven Gaumen
nicht nur das primitive Munddach, sondern liegt auch am sekundären
Munddach frei zutage.
2. Eigene Beobachtungen und Kritik.
Modell VI (Taf. VII, Fig. 10). Die hufeisenförmige Mundspalte
wird von Hornlippen umfaßt. Die Mundwinkel liegen wenig hinter
den Augen. Die von stark verhorntem Epithel bekleidete Ober-
lippe (od)=oberer Hornschnabel besitzt eine scharf schneidende
Ventralkante und überragt die Außenfläche der verhornten Unter-
lippe. Der mediane Teil der Oberlippe ist in einen kurzen Vor-
sprung (Schnabelspitze) ausgezogen.
Die niedrige Mundhöhle (Fig. 26—28) zeigt wenig Relief-
verschiedenheiten. Man kann wieder den Mittelraum (mr) und die
lateralen Seitennischen (sr) unterscheiden. Die Seitennischen sind
sehr flach und wenig schräg geneigt. Nahe der Mundspalte wölben
sie sich dorsal und steigen steil gegen die scharfe Kante der
Öberlippe abwärts (Fig. 27). Das Nischendach bildet dieht an dem
im Querschnitt \/ förmigen Rand der Oberlippe eine Kehlrinne, in
welcher die scharfe Kante der Unterlippe bei der Ruhe ver-
borgen ist.
32*
494 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Der Mittelraum ist flach und durch einen ziemlich unbedeuten-
den Wulst (ww) gegen die Seitennischen abgegrenzt. Der Wulst wird
nach hinten etwas deutlicher, weil die Seitennischen dieht hinter
dem Mundwinkel dorsal stärker emporgewölbt sind. An der vorderen
sehr niedrigen Wand des flachen Mittelraumes (Taf. VII, Fig. 10) liegen
die beiden Choanen (ch), getrennt durch einen schmalen Mittelpfeiler (pf).
Der vor dem Mittelraum befindliche Teil des Munddaches ist ohne
Fig .24—28.
Querschnitte durch die Mundrachenhöhle eines Embryo. von Chrysemys marginata (18 mm Rücken-
schild). Vergr. 7,5/1.
Abstand der Schnitte: 24—25 = 540 u Abstand der Schnitte: 26—27 = 600 u
25—26 = 1080 u 27—28 = 420 u
b Furche an der Seitenwand des Nasenschlauches; chgy Choanengang; dd Definierebene; mr Mittel-
raum; n Nasenschlauch; ol Oberlippe; sn Seitennische; «! Unterlippe; tw Grenzwulst des Orbital-
gewölbes gegen die Seitennische; z Zunge.
weitere Differenzierung. Daher setzt sich hier der Mittelraum
deutlich ab, während er gegen den Rachen verflacht. Vom -Mund-
boden ragt die plumpe Zunge in die Lichtung des Mittelraumes
(Fig. 28) ein.
Die Nasenschläuche zeigen sich als schmale, lateral kom-
primierte, aber dorso-ventral stark erhöhte Säcke (Fig. 24, 25). Sie
sind schräg gestellt, so daß ihre dorsalen Kanten median nahe zu
sammenstehen, während der ventrale Boden der Nasenschläuch
größeren transversalen Abstand zeigt. Sie beginnen an den äußeren
Nasenlöchern mit rundlichem Querschnitte, erweitern sich aber sehr
bald zu hohen schmalen Säcken. An der lateralen Wand (Fig. 24
EN Dies RER; 6 Pie ER de
u, E73 ge ua un, En
Er ae bern DE tie
N 2 Va
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an 3 Br.
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 495
trennt eine seichte Furche (b) einen niedrigen ventralen und einen
höheren dorsalen Teil ab. Man könnte den unteren als Aulaxnische,
den oberen als Stammteil deuten. Nahe den Choanen ist am hintersten
Abschnitt des Nasenschlauches eine schmale und kurze Seitentasche
zu beobachten, welche man als einen schwach entwickelten Sakter
auffassen könnte.
Modell VII, (Taf. VIII, Fig. 11). Bei dem jüngeren Embryo sind
die einfachen Verhältnisse der Mundhöhle noch einfacher. Das
Munddach ist außen umrahmt von den Wülsten der Oberlippe (ol),
zwischen denen median ein kleiner Höcker (mA) auffällt. Von dem
äußeren Rande der Oberlippe steigt das Munddach dorsal an, so daß
Fig. 2932.
Querschnitte durch die Mundrachenhöhle eines jüngeren Embryo von Chrysemys marginata. Ver-
größerung 15/1.
Abstand der Schnitte: 29—30 = 330 u
»- 3031 = 240 u
31-32 = 630 u
an äußeres Nasenloch; ch Choane; dd Definierebene; n Nasenschlauch; ol Oberlippe.
ein niedriger, breiter, flacher Mittelraum (Fig. 32) entsteht, in dessen
vorderes Ende (Fig. 31) die Choanen einmünden. Die Seitennischen
sind noch nicht angelegt; der schräg von dem Rande des Mittel-
raumes absteigende Streifen des Munddaches wird das Material für
die Entfaltung der Seitennischen liefern.
Die Nasenschläuche sind gleichfalls schmale, lateral kom-
primierte, aber dorso-ventral stark erhöhte Säcke, welehe schräg im
Kopfmesoderm liegen (Fig. 30). Ihre mediale Wand ist konvex gegen
den Ethmoidalknorpel gekrümmt. Die Nasenschläuche sind bereits
‘von dem Mundhöhlenepithel abgeschnürt. Gegen die äußere Nasen-
öffnung zeigt sich eine ventrale Erweiterung ihres Lumens.
Ich beschreibe endlich das Wachsmodell eines jungen Embryo,
‚das die erste Ausgestaltung des Munddaches vorstellt (Taf. VIII, Fig. 12).
Bei demselben liegen, wie bereits SEYDEL, VOELTZKOW und Fuchs
496 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
angegeben haben, am vorderen Ende des Kopfes zwei schmale
Schlitze (nf) beiderseits von einem medianen Höcker (mh). Das
sind die Eingangsöffnungen in die hohen, sagittal kurzen Nasen-
schläuche, welche schon lateral abgekrümmt sind (Fig. 33—34). Das
Modell eines andern Embryo, das ich nicht photographiert habe,
zeigt, daß mit dem Breitenwachstum des Munddaches die Nasen-
schlitze etwas in die Länge wachsen und durch Zusammenbiegen
ihrer Begrenzungsränder ungefähr in der Mitte ihrer Länge in zwei
gesonderte Öffnungen zerlegt werden: äußeres Nasenloch und Choane.
Bei diesem Embryo ist der Mittelraum des Munddaches stark dorsal
gewölbt und zu beiden Seiten eingerahmt von den Oberlippen-
Fig. 33—35.
Querschnitte durch die Mundrachenhöhle eines Embryo von Chrysemys marginata (3,5 mm MSl). Ver-
größerung 15/1.
Abstand der Schnitte: 33—34 = 150 u
34—35 = 420 u
dd Definierebene; nf Nasenfurche; mAh Mittelhöcker; ol Oberlippe.
wülsten. Die vordere Wand des Mittelraumes, an welcher dieChoanen
liegen, fällt schräg gegen den medianen Höcker zwischen den Ober-
lippenwülsten ab.
An diesem Modelle kann ich mich nicht davon überzeugen, daß
die Behauptung der drei Autoren recht sei, der Nasenschlitz wachse
in die Länge und werde durch weitere Verwachsung wieder kleiner
gemacht. Denn wenn man das Modell VII (Taf. VIII, Fig. 11) be-
trachtet, so kann man eigentlich nur konstatieren, daß die durch die
früher erfolgte Verwachsung gebildete schmale Brücke (br) zwischendem }
äußeren Nasenloch und der Choane durch eigene Wachstumsenergie ;
sagittal länger wurde, aber nicht dadurch, daß die Choane sagittal‘
ausgezogen und sekundär durch Verschmelzung ihres medialen
und lateralen Randes wieder verkürzt wurde, wie Fuchs es angibt.
Die Nasenschläuche hängen mit dem Eetoderm nur am äußeren
>
j
a
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 497
Nasenloch bzw. der Choane zusammen und sind oberhalb der Zwischen-
brücke vom Eectoderm geschieden. Keine Besonderheit der Schnitte
deutet darauf hin, daß ein Verwachsungsprozeß in diesem Stadium
spielt. Auch der Umstand, daß der Mittelraum bei dem Embryo
des Modelles VII schon seine dorsale Krümmung deutlich ausbildet
und sich gegen die seitlichen Randwülste, welche die Anlage der
Oberlippe und des Daches der Seitennischen darstellen, scharf ab-
setzt, spricht nicht dafür, daß die Choanen sich nach rückwärts ver-
längern und sekundär verwachsen. Ich bin vielmehr der Meinung,
die Choanen sind gebildet, nachdem die Verklebung in der Mitte
des Nasenschlitzes erfolgt ist. Damit ist die morphologische Grenze
sowohl für das hintere Ende des Nasenschlauches als auch für die
orale Wand des Mittelraumes festgelegt, und die Vergrößerung einer-
seits des Nasenschlauches, andrerseits des sog. prämaxillären Gaumens
erfolgt durch eigene Wachstumsenergie. Jedenfalls ist diese Auf-
fassung einfacher und ungezwungener als die Angabe von Fuchs,
daß die Choanen sagittal lang ausgezogene Schlitze der Mundhöhle
seien und durch Verwachsung der medialen Flächen der Oberkiefer-
fortsätze mit dem untersten Abschnitt des Nasenseptums verlegt
würden, bis endlich nur ihre hintersten Abschnitte offenbleiben,
welche von Fuchs »definitive sekundäre Choanen« genannt werden,
Für die fortdauernde Verlängerung und Verwachsung der Choanen
hat übrigens FucHs keine Beweise beigebracht, und ich glaube, wenn
er Rekonstruktionsmodelle seiner Schnittserien ausgeführt hätte, so
würde er die Behauptung von der sagittal lang ausgezogenen Schlitz-
form der Choanen. nicht ausgesprochen haben; denn an meinen
Modellen zeigen die hinteren Öffnungen des Nasenschlauches eine
rundlich-ovale Gestalt. Aber sie besitzen in keiner Weise die
Eigenschaft, sagittal besonders ausgedehnt zu sein.
Nur das Modell VII (Taf. VIII, Fig. 12) des jüngsten Embryos
zeigt langgestreckte Nasenschlitze. Aber bei der Betrachtung des-
selben ist wohl zu beachten, daß die langgestreckten Schlitze an
dem Wachsmodell oder an seiner Abbildung (Taf. VIII, Fig. 12) ab-
gelesen werden und daß man das in Wirklichkeit herrschende Ver-
hältnis erst erfaßt, wenn man die bedeutende Vergrößerung
berücksichtigt, bei welcher das Modell ausgeführt wurde. Die wahre
Länge des Schlitzes beträgt 0,5lmm. Das ist eine so kurze Strecke,
daß man wirklich keinen lang andauernden Verwachsungsprozeß an-
zunehmen braucht. Da auf das Stadium des Modelles VIII der
Zustand des Modelles VII (Taf. VII, Fig. 11) folgt, dessen Choane
498 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
bereits am vorderen Ende des Mittelraumes liegt, so sehe ich nicht
ein, wie später eine Verlängerung der Choanenöffnung und ihr sekun-
därer Verschluß erfolgen sollte. Die Lagebeziehungen der Choane
zum Oberlippenwulst und dem Auge stimmen in beiden Modellen ziem-
lich überein, jedenfalls gewährt das durch die Modelle dargestellte
Relief des Munddaches kein Recht, eine wesentliche Ausdehnung
der Choane nach hinten zu vermuten. Mir scheint der Herd leb-
haften Wachstums nicht hinter den Choanen, sondern vor denselben
zu liegen. Denn durch ausgiebiges Wachstum vor den Choanen
kann allein der Zustand des Modell VII herbeigeführt worden sein,
wo Öhoane und äußeres Nasenloch durch einen breiten Streifen des
Munddaches und der Schnabelfläche getrennt sind und der mediane
Höcker viel stärker entfaltet ist.
Da die Autoren immer von dem lateralen und medialen Nasen-
fortsatz, sowie dem Oberkieferfortsatz und ihrer Verwachsung sprechen,
so will ich an dieser Stelle nachdrücklichst betonen, daß mir für
diese Bezeichnungen kein Grund vorzuliegen scheint. Ich sehe an
den Modellen lediglich zwei niedrige Wülste längs des Randes des
Munddaches ziehen, das sind die Anlagen der zum Hornschnabel
verhärtenden Oberlippe. Dieselben liegen am Modell VIII so weit
vom medianen Höcker und dem inneren Rand der Choanen entfernt,
daß es mir ausgeschlossen erscheint, als könnte, wie Fuchs meint,
ihre mediale Seite mit dem untersten Abschnitte des Nasenseptums
verwachsen.
Der Ausdruck »lateraler und medialer Nasenfortsatz« sollte
künftig aufgegeben werden. Denn es scheint mir unzulässig zu sein,
daß man den Rand der einfachen Öffnung des Nasenschlauches
mit diesen Namen belegt. Die Öffnung ist bloß einen halben Milli-
meter lang und ihr Rand ist in Wirklichkeit, wenn man das mikro-
skopische Bild durch die Vergrößerungszahl dividiert, außerordentlich
niedrig.
Endlich sehe ich keinen Grund ein, weshalb man mit Fuchs
annehmen sollte, die Choanengänge seien Teile der Nasenschläuche,
welche sich früher dureh die primitiven Choanen öffneten und später
durch Verwachsung abgeschlossen wurden. Nach genauer Erwägung
der Modelle stelle ich die Behauptung entgegen, daß die Choanen-
gänge von allem Anfange an Abschnitte der Nasenschläuche in un-
mittelbarer Nachbarschaft der Choanen sind und) sich mit dem
Größenwachstum der Nasenschläuche allmählich aus deren Wand
herausgestalten, ohne daß irgendwie eine Verwachsung notwendig
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 499
wäre. Je länger ich über die Angaben von Fuchs nachgedacht
habe, desto mehr wurde ich davon überzeugt, daß Fuchs die Klein-
heit der Embryonen, bei welchen die prinzipielle Ausbildung der
Nasenschläuche mit den für die Schildkröten charakteristischen Eigen-
schaften erfolgt, nieht gebührend berücksichtigt hat. Es sindin der
Tat außerordentlich winzige Reliefveränderungen, welche den Fort-
schritt zum definitiven Zustand anbahnen.
Wenn man die tatsächlichen Angaben in der Beweisführung von
H. Fuchs genauer in Betracht zieht, so erkennt man, daß die Be-
hauptung von der besonderen Art der Entwicklung des sekundären
Gaumens bei den Schildkröten ganz in der Luft schwebt. Fuchs
bildet die Serie eines jüngeren Embryo von Emys lutarva (3a, Taf. XXI,
Fig. 1—43) und die Serie eines etwas älteren Embryo (3a, Taf. XXIII,
Fig. 1—41) ab, um an denselben die Entwicklung des primitiven
und des sekundären Gaumens zu besprechen. Die erste Serie zeigt
die Querschnitte durch den einfachen Nasenschlauch, der bereits das
äußere Nasenloch und die Choane besitzt und zwischen beiden (das
sind 16 Schnitte, Fig. 13—28) durch ein niedriges Epithelseptum
mit dem Eetoderm zusammenhängt.
Die zweite Serie (3a, Taf. XXIII, Fig. 1—41) zeigt den Nasen-
schlauch zwischen äußerem Nasenloch und Choane vom Eetoderm
durchweg abgetrennt. In der Erklärung dieser Serie behauptet
Fuchs, bei Schnitt 18 bzw. 21 liege die Grenze des primitiven Gau-
mens. Hier habe bei dem jüngeren Embryo die primitive Choane
begonnen. An dieser Serie aber sei sie bis Schnitt 28 bzw. 31 durch
den sekundären Gaumen verschlossen. Mit aller Bestimmtheit lasse
sich aus der Serie entnehmen, daß die mediale Seite des Oberkiefer-
fortsatzes mit dem Vomerpolster, dem unteren Abschnitt des Nasen-
septums, verwachsen sei. |
Die Zählung der Schnitte ergibt, daß die Entfernung vom hin-
teren Ende des Nasenloches (Schnitt 9, bzw. 10) bis zum vorderen
Rande der Choane (Schnitt 28, bzw. 31) 20 Schnittdicken zu 20 u
beträgt, während bei der ersten Serie 16 Schnitte zu 15 « zwischen
beide Grenzpunkte fallen. Es ist also der Abstand um 160 «u größer
geworden,
Die Sehnittbilder selbst geben keinen Anlaß, einen Verwachsungs-
prozeß anzunehmen. Man sieht bloß, daß Fuchs auf 5 Zeichnungen
(Schnitt 13—17) in den Raum zwischen den Nasenschläuchen und
Eetoderm den Namen »primärer Gaumen« (pr. g.) und auf 8 Zeich-
nungen (Schnitt 13—25) die Bezeichnung, »sekundärer Gaumen« (s. @.)
500 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
eingeschrieben hat. Wenn man den Gründen nachfragt, so erfährt
man, daß der Öberkieferfortsatz das diagnostische Merkmal für die
Bewertung des unterhalb der Nasenschläuche liegenden Bezirks als
sekundärer Gaumen ist. Fuchs behandelt die Oberkieferfortsätze
als bestimmte Größen, welche beim jüngeren Embryo die primitive
Choane hinter dem primitiven Gaumen lateralwärts begrenzen, wäh-
rend ihre mediale Begrenzung durch den untersten Abschnitt des
Nasenseptums geschieht.
In der zweiten Serie seien die Oberkieferfortsätze noch weiter
nach vorn gewachsen auf der lateralen Seite der lateralen Nasen-
fortsätze und weiter hinten mit dem Vomerpolster verwachsen. In
der Tat sieht man jedoch an den Schnittbildern keine Spur einer
Verwachsung, sondern genau so wie an meinem Modell (Taf. VIII, Fig. 11)
eine seichte Furche, welche den Oberlippenwulst von dem Mittelhöcker
(= Vomerpolster, Fuchs) absetzt. In den Schnitten 8—16 (3a,
Taf. XXIII) ist lateral davon noch eine viel seichtere Einfurchung;
diese betrachtet Fucuhs als eine Marke, um vom Oberkieferfortsatz
den lateralen Nasenfortsatz zu unterscheiden.
Ich halte es überhaupt für mißlich, den Oberkieferfortsatz als
ein eigenes morphologisches Element hen Denn er ist ledig-
lich eine Differenzierung der äußeren Oberfläche und wird mit Rück-
sicht auf die späteren Ereignisse besser nicht »Fortsatz«, sondern
»Oberlippenwulst« genannt. Auf Schnitten seine Ausdehnung im
Mesoderm anzugeben, ist aber ganz ausgeschlossen, und noch weniger
kann man von einer Verwachsung des Oberkieferfortsatzes sprechen.
Ich behaupte daher, daß Fuchs keinen zwingenden Beweis für den
Verschluß der primitiven Choanen durch die Beschreibung zweier #
Schnittserien erbracht hat. Damit fallen aber seine theoretischen
Erörterungen zusammen!
sie 1 ne
III. Historische Übersicht.
1. Ältere Lehre.
Die meisten der neueren Abhandlungen, welche das Munddach der Reptilie
betreffen, speziell die Arbeiten von Busch, MIHALKOVICS, GÖPPERT, VOELTZKO
sind von theoretischen, aus älteren Zeiten stammenden Gesichtspunkten be-
herrscht und schließen sich unbedingt den Gedankengängen an, welche z. B.
den Lehrbüchern von GEGENBAUR (1878) und WIEDERSHEIM (1886) ri
sind. Ich erinnere daher zuerst an den Wortlaut der einschlägigen Stellen:
GEGENBAUR (4, S. 571): »Die sekundäre Nasenhöhle und die En
Mundhöhle wird durch eine Differenzierung der primitiven Mundhöhle gebild
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 501
Der dahinter gelegene, nicht in diesen Vorgang mit eingezogene Rest der pri-
mitiven Mundhöhle stellt den Pharynx vor.
Durch horizontale Leisten oder Fortsätze, die vom Öberkieferfortsatz des
ersten Bogens ausgehen, wird allmählich eine die primitive Mundhöhle in zwei
Etagen teilende Platte gebildet, der Gaumen. Dieser bildet für den oberen Raum,
also für die Nasenhöhle, den Boden und für den unteren das Dach. Indem die
Nasenscheidewand diese Gaumenplatte erreicht, sondert sie zwei Nasenhöhlen
voneinander und in jede mündet nunmehr der Nasenkanal aus, dessen äußere
Öffnung mit jener der Nasenhöhle zusammenfällt. Die
durch die Gaumenplatte von der Mundhöhle und durch
die senkrechte Nasenscheidewand voneinander ge-
trennten hinteren Öffnungen, Choanen der Nasenhöhlen,
münden in den Pharynx ein.
Das Verhalten dieser Gaumenplatten repräsentiert
sehr verschiedene Stadien. Bei Schlangen, Sauriern und
Vögeln ist jener Scheidungsvorgang minder vollstän-
dig; die Choanen erscheinen als eine Längsspalte, in-
dem die Gaumenfortsätze nur vorne einander er-
reichen, nach hinten zu aber voneinander getrennt Fe WITH N
A onderung der primitiven
bleiben. Bei den Krokodilen sind sie am weitesten wundhöhle nach C. Gesex-
nach hinten gerückt; wie bei den Säugetieren öffnen BAUR.
sie sich nicht mehr in die sekundäre Mundhöhle, eNasenscheidewand;n sekun-
= däre Mundhöhle; » Nasen-
sondern in den Pharynx.« höhle; p Gaumenplatten.
(4, S. 484): »Die bei Fischen zur Seite der Schädel-
basis aufgetretenen Knochen gelangen gegen die Medianebene, so daß die Schädel-
basis von der Begrenzung mehr oder minder ausgeschlossen wird. Die bei den
Amphibien dicht am Vorderrande des Schädels in die Mundhöhlen führenden Nasen-
höhlen zeigen ihre innere Öffnung bei den Reptilien immer weiter nach hinten
gelagert, indem horizontale Fortsätze von Oberkiefer, Gaumenbein, Flügelbein
allmählich vor ihnen in mediane Verbindung gelangen. Diese Veränderungen
sind am wenigsten bei Eidechsen, Schlangen und Vögeln entwickelt, mehr bei
Schildkröten und am vollkommensten bei Krokodilen.«
R. WIEDERSHEIM (12, S. 144 u. 482) äußert in seiner vergleichenden Ana-
tomie durchaus übereinstimmende Gedanken. Durch die Bildung eines eigent-
lichen Gaumens erfolgt eine Scheidung der primitiven Mundhöhle in ein oberes,
durch ein Septum in zwei Seitenhälften zerfallendes respiratorisches und ein
‚unteres nutritives Cavum oder in eine Nasen- und in eine sekundäre oder
definitive Mundhöhle.
Bei Amphibien und auch noch bei Ophidiern und Lacertiliern legen sich
die beiden Oberkieferhälften unter Bildung von Gaumenfortsätzen einfach
‚an die Seite der Schädelbasis bzw. des an der betreffenden Stelle sich befindenden
Vomers oder Palatinums und formieren (mit diesen und der ganzen Schädel-
‚basis in einem Niveau liegend) ein einfaches Gaumendach, dessen
vordere Partie zugleich als Boden der Nasenhöhle fungiert und die Choanen
umschließt. Indem nun beim Krokodil die Gaumenfortsätze der Maxillaria
und weiter hinten die Palatina und Flügelbeine in der Mittellinie bis zu
unmittelbarer Berührung zusammentreten, entsteht ein von der eigentlichen
(sphenoidalen) Schädelbasis sich abhebendes und diese von der Mundhöhle
abschließendes zweites Dach des Cavum oris. Der zwischen letzterem und
der Basis eranii gelegene Hohlraum fällt in die Rückwärtsverlängerung der
Fig. 36.
502 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Nasenhöhle, welche dadurch schärfer von der Mundhöhle differenziert erscheint
und deren Choanen sich infolge davon gewissermaßen zu langen, erst weit
hinten in der Regio basi-oceipitalis ausmündenden Röhren ausdehnen.
Wie die vergleichend-anatomischen Betrachtungen in der 7. und 8. De-
kade des 19. Jahrhunderts von dem Bestreben beherrscht waren, die Eigen-
schaften der Reptilien mit denen der Säuger in phylogenetischen Zusammenhang
zu setzen, so sind auch die entwicklungsgeschichtlichen Studien von G. BoRN
(la, S. 65) nach dem gleichen Ziele gerichtet. Derselbe wies schon 1878 auf
Ähnlichkeiten der embryonalen Entwicklung bei Säugern und Sauriern hin und
äußerte eine bis zum heutigen Tage festgehaltene Meinung.
Auf einem bestimmten Stadium kommunizieren bei Säugern und Sauriern die
eigentlichen Riechgruben durch je einen engen Schlitz (= die ziemlich langen
primitiven Gaumenspalten Dursys) mit der primitiven Mundhöhle. Das JACoBSon-
sche Organ öffnet sich in den vordersten Teil der Spalte. Mit dem raschen
Längenwachstum der Nasenhöhlen schließt sich bei Lacerta der obere Rand
des Schlitzes vom vorderen Ende nach hinten durch Verwachsung. So werde
das Lumen des Schlitzes von der Nasenhöhle abgetrennt und zur Mundhöhle
geschlagen. Um das vorderste Ende sei die Verwachsung am weitesten aus-
gedehnt, so daß die Öffnung des Jacorsonschen Organs nicht bloß von der
Nasenhöhle abgeschlossen, sondern auch aus der ursprünglichen Richtung nach
unten eingestellt werde. Die Öffnung des Tränenkanals werde weit nach hinten
bis in die Gegend der späteren Choanen verlegt. |
Im folgenden Jahre 1879 entwarf Born (1b, S. 77) ein genaueres Bild
seiner Beobachtungen: Bei den jüngsten Embryonen von Lacerta agelis öffne
sich die Nasenhöhle in einer verhältnismäßig langen Spalte (Nasenspalte oder
primitive Gaumenspalte), die von der vorderen Fläche des Gesichts auf die
Gaumenfläche übergreift. Am Gesicht ist sie von aufgewulsteten Rändern um-
geben, dem inneren und äußeren Nasenfortsatz. Der Oberkieferfortsatz ist an-
fänglich von der Nasenspalte weit entfernt, aber bald legt sich sein kolbiger, #
vorderster Teil über das etwas erweiterte Gaumenende der Nasenspalte. |
Auf dem nächsten Stadium wird der mittlere Teil der Nasenspalte verlegt, .
indem die winklig vorspringende Mitte des äußeren Nasenfortsatzes sich etwa #
in der Höhe der Öffnung des Jacogsonschen Organs an den medialen Rand der #
Nasenspalte anlegt und mit ihm verschmilzt. Damit zerfällt die vorher einfache
Nasenspalte in zwei Öffnungen: Apertura nasalis externa am Gesicht und die
primitive Choane. Der Oberkieferfortsatz entwickelt sich rasch bis zum vorderen.
Ende der Choane, wölbt sich in diese Spalte hinein und unter derselben hinwegil
so daß er sie von unten her fast ganz verdeckt. Dieser vorgewölbte Teil ist
als erste Andeutung der Gaumenplatte des Oberkieferfortsatzes aufzufassen.
Born legt im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen Gewicht darauf, daß nicht der
äußere Nasenfortsatz, sondern die Spitze des Oberkieferfortsatzes mit dem
inneren Nasenfortsatz vereinigt wird. Dann schreitet die Verlegung der primi-
tiven Choane nach hinten fort, und zwar so, daß nur der vordere Teil des
Choanenschlitzes offen bleibt und zu der Spalte im Boden des JACOBSON-
schen Organs führt; davor, darüber und dahinter bis zum oberen
Rande des Jacopsonschen Organs und an der Seitenwand bis zum
unteren Rande des Muschelwulstes erfolgt eine vollständige Ver-
schmelzung. Sobald die Choane bis zum hinteren Rande des JACOBSON-
schen Organs verlegt ist, bleibt ein größerer Teil der schräg aufsteigend
Choanenspalte, der sich beinahe unter der ganzen eigentlichen Nasenhöhle
ii AS rd dar u A
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 503
erstreckt, gegen die Mundhöhle rinnenartig offen. Ein Teil der Choanen-
spalte wird von der Nasenhöhle abgeschnürt und zur Mundhöhle bezogen (Em-
bryonen von 31 mm Länge).
Der bei Lacerta gangartige Rest der Choanenspalte, welcher ringsum ab-
geschlossen zum JAcoBsonschen Organ führt, wird aus seiner ursprünglich
schräg nach außen aufsteigenden Richtung durch den Gaumenfortsatz abgedrängt.
Hinter dem JACoBsonschen Organ findet nur ein Verschluß, keine Verlegung
der Choanenspalte statt. Die unter der Verwachsungsstelle schräg nach
außen aufsteigende Choanenspalte wird als Rinne erhalten. Doch reicht die
Verwachsung nicht bis zum hinteren Ende der Nasenhöhle, sondern ein Teil
der primitiven Gaumenspalte bleibt als Choane offen.
Bei den Ascalaboten öffnet sich das JAcoBsonsche Organ direkt in die
obere Seite des einen Astes der Rinne am Dache der Mundhöhle, die sich bis
zum JACOBSONschen Organ hin erhält, während dieses ursprüngliche embryonale
Verhältnis bei Lacerta durch Verlegung der bezüglichen Strecke der Rinne auf-
gehoben wird.
Bei allen Crassilinguiern bleibt die zu der Ausmündung der JACOBSON-
schen Organe führende Choanenspalte in ihrer ganzen Länge offen und wird
nur nach oben hin gegen die Nasenhöhle abgeschlossen.
| Bei Lygosoma, Eumeces, Euprepes, Marethia und Hinulia laufen die beiden
Furchen, in denen die Choanen enthalten sind, am Dache der Mundhöhle
nach hinten nicht breit aus, sondern bleiben bis zur Vereinigungsstelle gleich
schmal und setzen sich hinten in einen feinen Spalt fort, welcher nach
oben in einen röhrenartigen Raum führt, der als eine Art hinterer Nasen-
gang fungiert und sich erst in einer Querlinie mit der Mitte der Unterkiefer-
gelenke weit in den Rachen Öffnet. Das Skelet dieser Röhre liefert das Pala-
tinum, welches gleich einem C zusammengebogen ist. Offenbar liege hier ein
Ansatz zur Bildung eines den Nasengang der Nasenhöhle weiter nach rück-
wärts verlängernden hinteren Nasenrachenganges mit Verlängerung des
Palatum durum vor, wie dies bei den andern Reptilienfamilien (Krokodilen und
Schildkröten) durchgeführt sei.
15 Jahre später (1893) vertrat F. KEIBEL die Meinung (7, S. 478), daß die
erste Anlage des primitiven Gaumens bei den Säugetieren durch die Anlagerung
des lateralen Nasenfortsatzes an den medialen zustande komme. Später trete der
Oberkieferfortsatz in seine Rechte, indem er bis an den medialen Nasenfortsatz
vordringt, mit demselben verschmilzt und den lateralen Nasenfortsatz von der
Bildung der Oberlippe ausschließt. Er zitiert zwei Stellen aus der Bornschen
Abhandlung, um zu zeigen, daß die Verhältnisse bei den Reptilien in den theo-
retisch bedeutungsvollen Punkten gerade so liegen wie bei den Säugern.
2. Neue Vorkämpfer für die ältere Lehre.
Vor einem Jahrzehnt (1898) suchte K. Busch (2) die phylogenetische Ent-
stehung des Gaumens durch neue Untersuchungen festzustellen. Auch er ver-
stand unter dem Worte »Gaumen« eine horizontale Wand im Sinne GEGENBAURS,
_ welche die primitive Mundhöhle in zwei Etagen zerlegt, deren obere durch die
Nasengänge, deren untere durch den Mund zugänglich sei. Denn er fußte auf
_ der falschen Ansicht, daß die Nasenhöhle der Säugetiere, die er Rhinodaeum
nennt, aus einem dem Nasengang der Amphibien entsprechenden Hohlraum,
einem durch harten und weichen Gaumen abgegrenzten Abschnitt der primären
504 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Mundhöhle bestehe und durch das Ostium pharyngonasale in den Pharynx münde.
Da nach dem biogenetischen Grundgesetz die Gaumenentwicklung der Säugetiere
den stammesgeschichtlichen Weg der Gaumenbildung erkennen lasse, so ver-
mutete er, daß bei den Eidechsen zuerst ein Paar horizontaler Falten an den
Seiten der primären Mundhöhle auftrete, allmählich an Breite zunehme, in der
Mittellinie zusammentreffe und zur Gaumenwand verwachse.
Unter den gegenwärtig lebenden Eidechsenformen seien noch einige
Stadien des phylogenetischen Entwicklungsganges festgehalten,
durch welche die primäre Mundhöhle in Rhinodaeum und sekundäre Mundhöhle
gesondert wurde. Unverkennbare Anfänge des Gaumens seien schon bei tiefer
stehenden Eidechsen vorhanden. Seine Untersuchungen führten ihn zu der Ver-
mutung, der erste Beginn der Gaumenbildung bestehe in zwei horizontalen,
klappenartigen Schleimhautfalten (= Gaumenblätter), welche sich lateral
über die innere Nasenöffnung legen und letztere gegen die Mundhöhle ab-
schließen.
Da die Gaumenblätter die weiten Öffnungen am Munddach zu beiden Seiten
des Vomerpolsters, welche Busch als »innere Vorhöhlen der Nasen-
gänge« bezeichnet, wie klappenartige Falten überdecken, bleiben von den
weiten Öffnungen der >»inneren Vorhöhlen« nur zwei schmale »Nasengaumen-
spalten« zu beiden Seiten des Vomerpolsters übrig.
Die Stufenreihe der an Breite zunehmenden und in der Mittellinie zu-
sammentreffenden Gaumenblätter denkt sich Busc#H folgendermaßen: Am nie-
drigsten?steht Sphenodon, dann folgen Agamidae, Tejidae, Anguwidae, Lacertidae
und Zonuridae, schließlich Seineidae Nicht einzugliedern in die auf-
steigende Reihe der Eidechsen sind Varanidae, Geckonidae, Chamaeleontidae
und Amphisbaenidae. Bei Tejidae, Angwidae sei der vordere Abschnitt der
Gaumenblätter mit dem Vomer verwachsen. Bei Lacerta sei in den Weich-
teilen schon eine sekundäre Mundhöhle hergestellt, welche teilweise über
die primitive hinwegziehe. Bei Zonuridae bedingen die auf das Vomerpolster
gelegten Gaumenblätter eine noch vollkommenere Gaumenbildung und
bei Seineidae bewirken die breiten, einander berührenden oder übereinander ge-
schobenen weichen Gaumenblätter eine markante Scheidung des Stomodaeum
in Rhinodaeum und Phagodaeum sowie die Bildung eines Ostium pharyngo-
nasale. Zugleich werde ein wirklicher knöcherner Gaumen gebildet. Den Zu-
stand von Tiligua gigas deutete Busch als nahezu vollendete Bildung
eines geschlossenen Gaumens. Nicht nur in den Weichteilen, sondern auch
in den Knochen sei eine fast vollendete Scheidung der Nasen- und Mundhöhle
durch den Gaumen erfolgt.
Die obersten Glieder dieser Reihe betrachtete er als Vorstufen zur
Gaumenbildung der Schildkröten, welche eine den Säugetieren ähnliche
Gaumenbildung zeigen, weil die Pterygoidea nicht zur Begrenzung der Choanen
dienen. Bei Testudo, Emys, Trionyx komme überhaupt bloß ein weicher Gaumen vor. |
Die Krokodile zeichnen sich durch den vollständigsten knöchernen Gaumen
aus und übertreffen sogar die meisten Säugetiere. e
1898 beschrieb von MIHALKOVICS (8, S. 34) sekundäre Gaumenfort-
sätze, welche während der Embryonalzeit unter dem Boden der primären
Nasenhöhle (= dem primären oder prämaxillaren Gaumen) vorwachsen und
einen Rinnenteil der primären Mundhöhle als seitlichen Gaumenspalt
abgliedern. Von vorn nach hinten an Breite zunehmend bedecken sie den seit-
lichen Teil der Gaumenspalte und die Choanen, welche in letztere münden.
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 505
E. GörpErRT (5au.b) legte in zwei Abhandlungen (1901, 1903) seine Ansicht
über die Genese des sekundären Gaumens und der Beziehungen zwischen Kehl-
kopf und Nasenhöhle klar, mehr nach physiologischen als nach morphologischen
Gesichtspunkten. Ohne Nachuntersuchung pflichtete er der Behauptung von
Busch bei, daß bei Sauriern alle »Zwischenzustände der Gaumen-
bildung« zwischen dem ersten Beginn und der Vollendung angetroffen werden,
und unterstützte sie durch Erörterungen über den Wert der Gaumenfortsätze.
Sie dienen nicht zum Schutze der Nasenhöhle, sondern sichern die Atmung;
denn der Raum zwischen Gaumenfortsätzen und Palatopterygoidkanten, welche
er als »unvollkommene Anfänge einer Gaumenbildung« bezeichnet, wird
von der Zunge überbrückt. Daher wird ein dorsaler Teil der Mundhöhle als
besonderer Luftweg abgegrenzt, der als »Ductus nasopharyngeus« die
primitive Nasenhöhle gegen die Kehlspalte fortsetzt. Ohne Zunge würden die
Gaumenfortsätze und die Pterygoidkanten keinen Einfluß auf den Verlauf des
Luftstromes haben. Beide leisten also das gleiche wie der sekundäre
Gaumen der Säuger.
Bei den meisten Sauriern bestehen nur Anfänge einer Gaumenbildung,
bei vielen Arten der Seineiden kommt ein »sekundärer Gaumen«, »sekundäre
Nasenhöhle« und ein »Ducetus nasopharyngeus«< zustande, weil die Gaumenfalten
und Pterygoidkanten sich verbreitern, das Vomerpolster erreichen und hinter
ihm zur Medianebene vorwachsen. Doch unterbleibt die Verschmelzung der
beiderseitigen Falten. Daher klafft eine durch die Zunge zu ergänzende Median-
spalte im sog. »Gaumen«.
Die Schlangen dagegen besitzen einen fertig gebildeten Gaumen, der
die Ductus nasopharyngei ventral abgrenzt. Schildkröten sind mit sekundärem
Gaumen ausgestattet und paarigen Ductus nasopharyngei, welche die primitive
Nasenhöhle nach hinten fortsetzen. Die Krokodile besitzen ebenfalls einen
sekundären Gaumen mit langgestrecktem Ductus nasopharyngeus. Die weit
zurückliegenden Choanen werden von einer Art weichen Gaumens umrahmt, der
aber nicht die Fortsetzung des harten Gaumens ist wie bei Säugern.
Auch bei den Vögeln wird die primäre Choane durch sekundäre Gau-
menfortsätze ventral überdeckt, ein Teil der primären Mundhöhle abgetrennt
und als Ductus nasopharyngeus der Nasenhöhle zugewiesen.
GÖPPERT vermutet, daß bei den früheren Vorfahren der Krokodile und
Säuger der sekundäre Gaumen weit klaffte, so daß die noch schwach ent-
wickelten Gaumenfortsätze durch die Zunge ergänzt wurden. Die Ontogenese
der Säuger durchlaufe Stadien, welche in wesentlichen Punkten mit Zuständen
unvollkommener Gaumenbildung übereinstimmen. Trotz erheblicher Abwei-
chungen bei den verschiedenen Formen erfolge die Gaumenbildung bei allen Am-
nioten im Prinzip gleichartig. Die Einrichtungen am Säugergaumen er-
scheinen ihm als spezialisierte Weiterbildung der Zustände bei den Sauropsiden.
GÖPPERT hat sich zwar ein großes Verdienst erworben dadurch, daß er
auf die innigen Wechselbeziehungen zwischen dem Mundboden und Munddach
hinwies; aber seine Ausführungen leiden darunter, daß die anatomische Grund-
lage der Buschschen Vorarbeit falsch war. Denn Hormann konnte leicht nach-
weisen, daß es bei den Sauriern gar keine Gaumenfortsätze gibt; darum fallen
auch die andern Vergleiche haltlos zusammen. Besonders die von GÖPPERT
gebrauchte Nomenklatur führt zu Mißverständnissen; im Gegensatz zu BuscH
und MiHALKOVIcS verwendet er das Wort »Gaumenrinne<, um die untere Etage
der Nasenhöhle zu bezeichnen, und nennt den Ausgang der Nasenköhle (Aper-
506 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
tura nasalis interna) in die Mundhöhle die »Nasengaumenspalte«. Letztere wird
durch die »Gaumenfortsätze« abgegrenzt. Die median verbreiterten Gaumen-
fortsätze nennt er >sekundären Gaumen«, den dorsal über ihnen liegenden °
Raum der Mundhöhle »Ductus nasopharyngeus« und spricht von einer median
klaffenden Spalte im sog. »Gaumen« der Saurier. Die Unrichtigkeit dieser Be-
zeichnungen hat sich im Laufe der Diskussion immer klarer herausgestellt.
A. VoELTzkow (11a, S. 36) verknüpfte 1902 die von BuscH und GÖPPERT
ausgesprochene Meinung, daß bei den rezenten Sauriern die phylogenetischen
Vorstufen der Gaumenbildung zu finden seien, mit seinen Untersuchungen über
Krokodile und versuchte darzulegen, daß der bleibende Zustand des Munddaches
bei) Geckomidae, Gongylus, Egernia, Mahwia, Lygosoma verschiedenen Ent-
wieklungsstadien des@Gaumens von (rocodilus madagascariensis entspreche.
Er’ beschrieb in Anlehnung an Buscun das Munddach der erwähnten Saurier,
die verschiedene Breite der Gaumenblätter und die scheinbar verschiedene Lage
der Choane so, daß der Anschein einer stufenweise fortschreitenden
Veränderung, eines Breitenwachstums der Gaumenblätter und einer rückwärts
gerichteten Verlagerung der Choanen erweckt wurde, um dann hinzuzufügen,
bei Crocodilus madagascariensis erfolge die Ausbildung des Ductus nasopharyn-
seus und des Gaumens durch die Stufen der Lacertiden.
Auch bei fossilen Formen innerhalb des Stammes der Krokodile z. B. Be-
lodon, Pelagosaurus und Teleosaurus zeigen sich ähnliche Verhältnisse wie bei
den Krokodilembryonen. Demnach stimmen die Tatsachen der Entwicklungs-
geschichte von Crocodilus madagascariensis mit den Veränderungen des Gaumens
im Verlauf seiner Weiterbildung als auch mit den Modifikationen bei dem Kroko-
diltypus seit seinem frühesten Auftreten überein.
Zu einer entgegengesetzten Meinung gelangte 0. SeypEL 1899 (9b, S. 445)
im Anschluß an Untersuchungen über die Nasenhöhle bei Amphibien und Am-
nioten. Er tritt dafür ein, daß die Ausgestaltung des Mundhöhlendaches und
die Bildung des Nasenhöhlenbodens bei Amphibien, Cheloniern, Sauriern, Ophi-
diern, Mammaliern sich in divergenten Bahnen bewege. Die ersten Schritte
zur Bildung eines sekundären Gaumens glaubt er bei Salamanderlarven zu sehen,
bei deren Metamorphose ein kleiner Gaumenfortsatz am vorderen und seitlichen
Rande der Choanen auftrete und einen Teil der Mundhöhle abgrenze, so daß
die seitliche Nasenrinne aus der Nasenhöhle auf das Dach der Mundhöhle über-
greife und ein Abschnitt der Mundhöhle in enge Beziehung zur Nasenhöhle
trete. Die Gaumenfortsätze der Saurier entsprechen nach seinem Urteil der
gleichnamigen Falte der Salamanderlarven, aber sie sind ungleichwertig mit
den Gaumenfortsätzen der Säuger, welche durch ihrejVerschmelzung den Gaumen,
d.h. den sekundären Nasenboden bilden, während die Gaumenfortsätze der
Saurier und Ophidier von der Bildung des sekundären Nasenbodens ausge-
schlossen sind. Die Gaumenfortsätze der Saurier trennen zwar einen kleinen
Teil der Mundhöhle als Gaumenrinne ab, jedoch unabhängig von den Gaumen-
fortsätzen entstehe der sekundäre Boden der Nasenhöhle. Durch denselben
werde vielmehr ein Teil der primären Nasenhöhle abgeschlossen und samt der
Mündung des Tränenkanals und der Öffnung des Jacogsonschen Organs in die
nrinne, d.h. einen Teil der definitiven Mundhöhle einbezogen.
Sehr richtig hat SeypeL die Längsstreckung der primitiven Choanen bei,
den Sauriern begriffen. Die am fertigen Munddach kenntliche Schrägstellung
derselben hat er durch eine Senkung des Nasenseptums bzw. des unter dem-
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 507
selben liegenden medianen Abschnittes des primären Munddaches zu erklären
gesucht. Das hintere Ende der Choanen bleibe im Niveau des Rachen».
3. Eine neue Deutung.
Gegen die durch fortwährende Tradition allmählich eingebürgerte Lehre
der eben angeführten Autoren erhob O. Hormann (6) zum erstenmal (1904)
Widerspruch, nachdem er im Erlanger Institut unter der Leitung von Professor
Dr. A. FreıscHumann die Berechtigung geprüft hatte, ob man die lateralen, neben
dem Vomerpolster bzw. den Choanenrinnen liegenden Teile des Munddaches
der Saurier wirklich »Gaumenfalten, Gaumenblätter, Gaumenfortsätzee nennen
Fig. 37.
Querschnitt durch die Nasenregion des Kopfes von Platydactylus guttatus (großer Embryo, 5,7 em lang).
Vergr. 15/1. Knorpel punktiert, Epithel und Knochen schwarz. Nach W. Sırrer. As Anstieg; as
Choanengang, absteigender Schenkel; Av Aulax; Co Muschel; Cs Choanenspalte; d Zahnanlage; hs
Choanengang, horizontaler Schenkel; ! Grenzleiste; Sa Sakter; Sp Kieferspange; tr Tränennasengang ;
U Unterkiefer; V Vomer; VYp Vomerpolster; Z Zunge.
dürfe. Ausgehend von den im gleichen Institut durchgeführten Untersuchungen
von A. BEECKER über die Stilistik der Nasenschläuche bei den Sauriern und
gestützt auf gründliches Studium vieler Querschnittserien durch Eidechsenköpfe,
das von den andern Autoren allzusehr vernachlässigt worden war, verfolgte er
die topographischen Beziehungen zwischen Mund- und Nasenhöhle, über-
haupt die Beschaffenheit des Munddaches in der Nasen- und Augengegend. Er
beschrieb nach den Querschnitten das Mittelfeld des sog. Sauriergaumens mit
dem breiten Vomerpolster !(Vp) und seiner schmalen, über der Grenzfalte (!)
der Kieferspange (Sp) liegenden Wand, dem Anstieg (As), und zeigte unwider-
leglich, daß die enge Lichtung (as) zu beiden Seiten des Vomerpolsters, welche
Busch als »Nasengaumenspalte«, SEYDEL als »Gaumenrinne« bezeichnet hatte,
Morpholog. Jahrbuch. 41. 33
508 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
gar nicht zur Mundhöhle, sondern zur Nasenhöhle gehört, weil sie die Lichtung
des absteigenden Schenkels (as) des Choanengangs samt derj Winkeltasche
desselben ist. Daher kann man den unter dem Choanenschenkel liegenden Teil
der Kieferspange nicht als Gaumenfalte auffassen. Denn er ist ein Teil
des soliden Munddaches selbst, das den Nasenschlauch trägt. Die Ursache der
falschen älteren Deutung liegt lediglich darin, daß keiner der andern Autoren
Querschnittserien durch ältere und jüngere Embryonen untersucht hatte. BuscH
beschränkte sich auf die makroskopische Beschreibung des Munddachreliefes
GÖPPERT unterließ im Vertrauen auf die Richtigkeit die Nachprüfung der
Buschschen Angaben, während SEYDEL zu Unrecht einen Teil der sog. Gaumen-
Querschnitt durch die Nasenregion des Kopfes von Vanellus cristatus. Nach W. Sırrer, Vergr. 15/1.
Knorpel punktiert, Epithel und Knochen schwarz, As Anstieg; Au Aulax; Cg Choanengang; (Co
Muschel; Cs Choanenspalt; Z Grenzleiste; Sa Sakter; Sp Kieferspange; sr Subchoanalraum; St Steil-
wand; U Unterkiefer; V Vomer; Vp Vomerpolster; Z Zunge.
rinne als abgegliederten Abschnitt der Nasenhöhle, einen andern als Derivat der
Mundhöhle erklärte. Die Choanen schauen aber bei allen Saurierarten direkt
in die Mundhöhle, nie in einen besonderen, von ihr abgegliederten Seitenraum
oder Gaumenrinne. Ferner hat Hormann nachgewiesen, daß die median ver-
breiterten Palatopterygoidkanten den vorderen Teil der Orbitalmulde bei den
Scineiden verdecken und daß die Homologie dieses Raumes mit dem Ductus
nasopharyngeus der Säugetiere nicht gegeben sei.
Ein paar Jahre später (1907) erschien die Abhandlung von W. Sırpeu (10),
welcher gleichzeitig mit Hormann im Erlanger zoologischen Institut zu arbeiten
begonnen hatte. Er baute auf der von O. Hormann gelegten Basis weiter und
zog den Vergleich des Munddaches der Vögel und Säuger mit dem Munddach
der Saurier. Das Ergebnis desselben war der damals herrschenden Lehre nicht
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Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 509
günstig. Denn anstatt der bisher unbedenklich proklamierten Ähnlichkeiten des
Gaumenbaues deckte SıprEeL eine ungeahnte Verschiedenheit auf, ob-
wohl sich eine gewisse fundamentale Übereinstimmung in der allgemeinen Zu-
sammensetzung des Munddaches dieser drei Klassen, d.h. der gemeinsame Stil
der Amniotengruppe nicht verleugnet. Die genauere Analyse des Munddaches
vom Kiebitz zeigte, daß hier ebensowenig als bei den Sauriern Gaumenfalten
angelegt sind. Was GÖPPERT als »Gaumenfortsatz«e oder den »Beginn eines
solchen« vorgeführt hatte, ist ein Abschnitt der soliden Munddecke,
weil dorsal über den sog. Gaumenfortsätzen nicht ein abgeschnürter Teil der
Mundhöhle, sondern wirkliche Nasenhöhle (Cy) liegt. Der sog. Gaumenfortsatz
trägt die laterale Wand des Choanengangs (Cg) und ist durch die primitive
Choanenspalte (Cs). vom Nasenseptum getrennt. Die Choanen aber münden in
den Orbitosubcehoanalraum (sr), der von den Steilwänden (Sf) begrenzt über
dem Anstieg (As) liegt. Die Verhältnisse des Vogelmunddaches sind denen der
Saurier (Fig. 37) insofern ähnlich, als in beiden Gruppen der Anstieg der Kiefer-
spange vorhanden ist, welchem die Zunge (x) anliegt, so daß die Lippenfalte
oder Grenzleiste (2) der Kieferspange (Sp) eine schmale, seichte, dem Negativ
der Zungenform entsprechende Mulde umfaßt. Aber während bei den Sauriern
(Fig. 37) das Vomerpolster zwischen dem Anstieg der rechten und linken Kiefer-
spange eingeschaltet liegt und seine freie Ventralfläche (Vp) in das Niveau der
Horizontalfläche des Anstieges fällt, ist bei den Vögeln das Vomerpolster (Vp)
über das Niveau des Anstieges erhoben und bildet die schmale Decke eines
über dem Zungenrücken bzw. den Anstiegen liegenden Subchoanalraumes (sr),
der von den Steilwänden der Kieferspange (Sp) umfaßt wird und durch den
zwischen den Anstiegen klaffenden Orbitosubehoanalspalt zugänglich ist. SIPPEL
erklärt mit vollem Recht, daß die bisher für diesen Spalt gebrauchte Bezeich-
nung: Choane, sekundäre Choane nach jeder Hinsicht falsch war.
Wenn damit auch die stilistische Verwandtschaft der Nasalmulde von
Sauriern und Vögeln erwiesen war, so war damit nicht zugleich ausgemacht,
daß die Gaumenrinne der Säugetiere der Nasalmulde der Saurier und Vögel
homolog sei. SırrEL trat vielmehr den bisher vertretenen Anschauungen schroff
entgegen. Die Gaumenrinne der Säuger besitzt nach seinen Ausführungen
eine stilistische Sonderstellung; denn ihr fehlt der wahre den Sauriern und
Vögeln eigentümliche Anstieg der Kieferspange mit seiner Hohlkehle, welche
die Seitenränder der Zunge umfaßt. Ihr fehlt ferner sowohl der horizontale
Schenkel des Anstiegs als die Steilwand dorsal über demselben. Daher kann
die Gaumenrinne der Nasalmulde der Sauropsiden nicht homolog sein. Sie
gleicht der Nasalmulde, welche bei den Sauriern breit und seicht ist, bei den
Vögeln einen breiten unteren und einen schmalen oberen Teil besitzt, nur
insofern, als alle drei Gebilde dorsale Ausbuchtungen des Mundraumes,
bzw. dem Munddach eingegrabene Rinnen sind; aber die Beschaffenheit der
Seitenwand und der Decke, sowie die dorso-ventrale Höhe dieser Rinnen ist in
den drei Gruppen sehr verschieden. Auch die rinnenförmige Fortsetzung der
Choanenöffnung unterhalb der Nasenschläuche bis zum JacoBsonschen Organ,
welche man bei den Sauriern fast immer gut ausgeprägt findet, fehlt den Säuge-
tieren durchaus. Durch die verwachsenden Gaumenfortsätze wird die Ver-
schiedenheit noch mehr gesteigert, weil die Choane der Säuger in zwei getrennte
Öffnungen, das Foramen ineisivum und die eigentliche Choane zerfällt. Eine
wirkliche Ähnlichkeit herrscht bloß zwischen den Gaumenleisten und Grenzleisten.
Die genaue Analyse der Tatsachen raubte also dem bisherigen Bestreben,
y 33*
510 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
bei den Sauriern die »Anfäünge des Gaumens« zu finden, alle positive Unterlage
und stellte den Grundsatz fest, daß der Stileharakter der Munddecke in den
drei Gruppen der Vögel, Saurier und Säuger abgesehen von ganz allgemeinen
Eigenschaften seine besondere Eigenart besitze, weshalb die Idee der stufen-
mäßigen Vervollkommnung des Gaumens in der Amniotenreihe
endgültig zu verwerfen ist.
4. Ein neuer Kompromißvorschlag.
Durch Hormanss Widerspruch wurde H. Fucas (3a u.b) angeregt, die Ent-
wicklungsgeschichte des Gaumens der Reptilien zu untersuchen. Ihm erschien
es von vornherein fehlerhaft, daß alle Autoren den bei den Säugern richtig er-
kannten ontogenetischen Prozeß ohne weiteres auf die Entwicklungsgeschichte
aller sekundären Gaumenbildungen übertragen, also einseitig eine einzige Art
der ontogenetischen und phylogenetischen Entstehung des sekundären Gaumens
angenommen hätten. Er wollte dagegen zeigen, daß es ganz verschiedene Ent-
wicklungsweisen der sekundären Gaumenbildungen, nicht nur eine, sondern
mehrere, mindestens zwei Arten von sekundärem Gaumen gebe, welche nicht
miteinander verglichen, aber vielleicht auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt
bei primitiven Formen ohne sekundären Gaumen zurückgeführt werden können.
Das Arbeitsziel, welches FucHs sich damit gesteckt hatte, hat zu den in
der Literatur vertretenen Ansichten keine Beziehung. Wie meine Darstellung
auf den vorhergehenden Seiten erläutert, hat sich kein Autor auf die Behauptung
festgelegt, daß es nur eine Art von sekundärem Gaumen gebe. Alle gingen
lediglich darauf aus, die Anfänge des Gaumens der Säugetiere bei den
Sauriern aufzufinden und O. HormAnn schnitt die Aussichten auf die Erfüllung
dieses Lieblingswunsches mit einemmal) ab durch den Nachweis, daß man die
Bezeichnungen »Gaumenfalten, Gaumenrinne« usw. nicht zur Beschreibung des
Munddaches der Saurier verwenden dürfe, weil die Gaumenfalten der Säugetiere
in keiner Weise den irrtümlich gleichnamig gemachten Abschnitten des Eidechsen-
munddaches homolog sind.
In einer ersten Arbeit (3a) wollte FucHs zeigen, wie das Munddach der
Schildkröten (Cryptodiren) ontogenetisch entsteht und wie man die zahlreichen,
bei den einzelnen Schildkrötengruppen anzutreffenden Modifikationen sich phylo-
genetisch entstanden denken künne. Die wichtigsten hierzu notwendigen
Vorgänge sind nach seiner Meinung: Der Verschluß der primitiven
Choane in größerem oder geringerem Maße durch Verwachsung der weichen
Oberkiefermassen mit dem unteren Abschnitte des Nasenseptums. Dadurch
bleiben verschieden große, hintere Reste der primitiven Choane dauernd als
definitive oder sog. sekundäre Choane der Schildkröten erhalten. Die auf diese
Weise erfolgende Änderung des ursprünglichen Munddaches führe zu jener
Bildung, welche man als »ssekundären Gaumen« der Schildkröten zu be-
zeichnen pflegt. Den Abünderungen am weichen Munddach schließen sich Ab-
änderungen der Knochen Prämaxillaria, Maxillaria, Palatina, Vomeres an, indem
diese durch bestimmte Lageänderungen und Wölbungen aus der ursprünglichen
Ebene des primären Munddaches heraustreten und gewisse nach der Median-
ebene hinstrebende »Gaumenfortsätze« bilden. Die so abgeänderten Knochen
umschließen die Choanengänge der Nasenschläuche. Durch Verwachsung der
Gaumenfortsätze aller genannten Knochen von vorn nach hinten kommt eine
von der ursprünglichen Form des primitiven, knöchernen Munddaches völlig ab-
f
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 511
weichende Form zustande, welche Fucns den »sekundären Gaumen« der Schild-
kröten nennt, obwohl er selbst einsieht, daß derselbe dem sekundären Gaumen
der Säugetiere weder verglichen noch homolog erachtet werden kann.
Fuchs bemüht sich, gerade dieses Urteil sehr eindringlich und zu wieder-
holten Malen vorzutragen:
Die sekundären Choanen der Schildkröten sind den gleichnamigen Öffnun-
gen der Säugetiere nicht vergleichbar und nicht homolog.
Der Ductus nasopharyngeus der Schildkröten hat mit dem gleichnamigen
Kanal der Säuger, der ein Abkömmling der primitiven Mundhöhle ist, nicht das
geringste gemein.
Bei der Bildung des sekundären Schildkrötengaumens findet keine Zer-
legung der primitiven Mundhöhle statt wie bei den Säugern. Die Mund- und
Nasenhöhlen der Schildkröten bleiben stets primär.
Während bei den Säugern durch die Bildung des sekundären Gaumens ein
völlig neues Munddach in einer wesentlich tieferen Ebene unter dem primitiven
Munddach geschaffen wird, entwickelt sich der knöcherne sekundäre Gaumen
der Schildkröten innerhalb des primären Munddaches in dem als Vomerpolster
bezeichneten untersten Teile des Nasenseptums.
Wenn nun alle Merkmale des sekundären Gaumens der Säugetiere nicht
auf die Eigenschaften des Munddaches der Schildkröten passen, so ist es auch
nicht gerechtfertigt, daß Fucas darauf besteht, das Wort »sekundärer Gau-
men« zur Benennung von durchaus verschiedenartigen und gar nicht vergleich-
baren Bildungen zu verwenden. Die Sachlage würde viel kürzer durch die Er-
klärung gebessert: weil das primäre Munddach der Schildkröten, seine sog. sekun-
däre Choane, sein sog. Ductus nasopharyngeus morphologisch grundverschieden
von den Zuständen der Säugetiere sind, so tut man besser daran, die Bezeich-
nung sekundärer Gaumen und Ductus nasopharyngeus für die Schildkröten zu
verbieten. Dann braucht man auch nicht von zwei Arten des sekundären
Gaumens zu sprechen, sondern könnte den Ausdruck allein für die Säugetiere reser-
vieren und den Mangel einer dem sekundären Gaumen vergleichbaren Einrich-
tung bei Sauropsiden konstatieren. Denn das Ergebnis von Fuchs schließt sich
ausgezeichnet an die Resultate von HormAnN und SIPPEL an, daß weder im
Bau des Munddaches bei den Sauriern noch im Bau desselben bei den Vögeln
wichtige Stilmerkmale des sekundären Gaumens der Säugetiere auftreten. FucHs
hat ein übereinstimmendes Urteil über das Munddach der Schildkröten gefällt
und am Schluß seiner zweiten Abhandlung besonders betont: die Bildungen, die
man bei Sauriern, Schlangen, Schildkröten einerseits, bei Krokodilen und Säu-
gern andrerseits als sekundären Gaumen bezeichnete, sind von Grund aus
verschieden. Man habe das gleiche Wort für gänzlich verschiedene Bil-
dungen in der irrigen Annahme gebraucht, die fraglichen Bildungen seien
einander gleich. FucHs hat also .die von FLEISCHMANN und seinen Schülern
für Saurier und Vögel eingehend begründete Ansicht auch für Schildkröten
gültig erwiesen.
Darum ist es unverständlich, warum Fuchs bei der alten Nomenklatur
stehen geblieben ist. Die von ihm angeführten Motive scheinen mir nicht aus-
schlaggebend. Er bezweifelt, daß man die für die Schildkröten eingebürgerten
falschen Bezeichnungen kurzerhand ausrotten könne. Auch zeige das stark
abgeänderte knöcherne Munddach der meisten Schildkröten sicherlich manche
Ahnlichkeiten mit dem Gaumen der Säuger. Endlich halte er die Benennungen
weniger belangreich, wenn nur die grundlegenden Unterschiede beider Gruppen
512 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
gentigend betont würden. Am Schluß seiner zweiten Abhandlung schlug er aber
doch statt »sekundärer Gaumen« der Schildkröten die Bezeichnung »Palatum
vomeromaxillaree — gaumenartige Abänderung des primären Munddaches mit
Beteiligung der Vomeres und Maxillaria (manchmal auch der Palatina), ev. auch
Palatum primarium, und statt sekundäre Choanen die Bezeichnung: Choanae
reliquae vor.
In einer zweiten Abhandlung beschäftigt sich H. Fuchs mit dem Bau des Mund-
daches der übrigen Reptilien (Rhynchocephalen, Saurier, Schlangen, Krokodile).
Seine Darstellung steht sichtlich unter dem Einfluß der Ansichten von A. FLEISCH-
MANN und seinen Schülern A. BEECKER, O0. HOFMANN, W. SıppEeL. Denn FucHs
spricht nicht mehr von »Gaumenfortsätzen«e oder den >Anfängen eines sekun-
dären Gaumens«, sondern verbreitet sich ganz im Sinne von OÖ. HormAnn und
W.,SırpEL über die Beziehungen zwischen Mund- und Nasenhöhle und widmet
den Nasenschläuchen eine besondere Aufmerksamkeit. In der nochmal aufge-
worfenen Frage, ob es bei Reptilien Einrichtungen gebe, welche den weichen
sekundären Gaumenfortsätzen der Säuger verglichen werden können, pflichtet
er der Argumentation HormAanns gegen Busch und GÖPPERT bei, daß die
freien, an die Choanenmündung grenzenden Enden des Anstieges der Kiefer-
spange, für welche FucHs den neuen Terminus »Choanenfalten« einführt, nicht
als sekundäre Gaumenfortsätze gedeutet werden dürfen. Er wiederholt das Ur-
teil Sırreuns, daß die Grenzleisten (Fuchs hat dafür den Ausdruck mediale
Seitenfalten oder Seitenkanten gebraucht) den jungen Gaumenfortsätzen der
Säuger homolog sind.
An einer späteren Stelle (3b S. 236) bemerkt er freilich, obwohl die Saurier
nur die Vorstufen eines sekundären weichen Gaumens hätten, besäßen sie
doch bereits Ansätze zu knöchernen Gaumenfortsätzen an den Maxil-
laria und Palatina, welche als Homologa zu den jungen, knöchernen Gaumen-
fortsätzen der Säuger zu betrachten seien.
Dann vertritt Fuchs eigenartige Gedanken über die Verhältnisse bei
Schildkröten und Schlangen. Er setzt diese durchaus verschieden organisierten
Reptiliengruppen in enge begriffliche Verbindung durch den Ausspruch, die
Schlangen besäßen, was den Zusammenhang zwischen Nasen- und Mundhöhle
betreffe, die größte Ähnlichkeit mit den Schildkröten. Ich kann dieser
Ansicht nicht beistimmen, weil meine Modelle (Taf. VIII) das Gegenteil offenbaren,
nämlich auch in der frühen Anlage des Munddaches Unterschiede so schrof-
fer Art, wie man sie an den Köpfen erwachsener Schildkröten und Schlangen
gewahrt. Fuchs jedoch behauptet die große Ähnlichkeit derselben während der
embryonalen Zeit.
Der sog. sekundäre Gaumen in beiden Gruppen entstehe nicht durch Ver-
wachsung von Gaumenfalten, sondern durch Verwachsung eines Teiles
der Nasenschläuche, nämlich des vorderen und mittleren Teiles der ab-
steigenden Choanengangschenkel und der Choanenspalten. Wie er dureh drei
schematische Figuren (3b $. 179 Fig. 6a—.c) erläutert, soll bei Zacerta die Epithel-
wand im absteigenden Schenkel des Choanenganges oberhalb der Winkeltasche
sich gegenseitig zusammenlegen und darauf eine ausgedehnte Verwachsung des
Vomerpolsters mit den Oberkiefermassen stattfinden. Fucns nahm also eine
von Born vor fast 30 Jahren geiußerte Idee von neuem auf und glaubte einen
Fortschritt unsrer Kenntnis herbeizuführen, indem er mit Born erklärte, der
Verwachsung, welche zur Bildung des »sekundären Gaumens« der Schlangen
und Schildkröten führe, gehe erst eine Veränderung der Nasenschläuche selbst
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Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 513
durch Austilgung des Lumens und des Epithels in einem bestimmten Abschnitt
der absteigenden Schenkel voraus.
Ich habe bereits oben die Gründe dargelegt, aus welchen ich bestreiten
muß, daß bei der Ringelnatter der absteigende Choanengangschenkel und die
Choanenspalte verschlossen werden. Obwohl ich keine speziellen Untersuchungen
über die Saurier angestellt habe, bezweifle ich die Richtigkeit der Angabe, daß
eine Verwachsung des absteigenden Choanengangschenkels zu zwei Drittel statt-
findet, hauptsächlich aus dem Grunde, weil Fucns an der Hand einiger
Schnitte aus der Serie eines älteren, kurz vor dem Ausschlüpfen stehenden
Embryos unter Berufung auf G. Borxs Autorität behauptet, hier habe eine Ver-
wachsung zwischen Oberkiefer und Vomerpolster stattgefunden, wodurch der
direkte Zugang der Nasenschläuche zu den Choanenspalten auf eine größere
Strecke verlegt worden sei. Diese Behauptung ist bloß an einem schematisierten
Beispiel, nicht an wirklichen Modellen erläutert.
Ebensowenig hat Fucns die Verwachsung bei den Schildkröten und Schlan-
gen bewiesen; er wiederholt nur die Bornsche Ansicht.
Fucus hat auch über die Anfänge und die Entwicklung des Munddaches
Mitteilungen gemacht. Er glaubte für den Zusammenhang zwischen Mund- und
Nasenhöhle die verschiedenen Zustände in eine einheitliche, aufsteigende,
vom Einfachen zum Komplizierten führende Entwicklungslinie bringen zu
können (3b 8.214), deren phylogenetische Etappen durch Hatteria, die Saurier, Va-
ranus, Schlangen, Schildkröten bezeichnet werden, während die von BuscH und
GÖPPERT als wichtigste Zwischenform eingeschätzten Seinköden eine Sonderstellung
einnehmen.
Als Ausgangspunkt der Entwicklung stellte er sich ein primäres Mund-
dach aller Amnioten vor, wie man es bei Hatteria findet, die nach seiner An-
sicht auch im erwachsenen Zustand embryonale Verhältnisse von denkbar ein-
fachster Form offenbare. Hier ist nur ein primitiver oder prämaxillarer Gaumen
vorhanden mit den langen Sagittalschlitzen der primitiven Choanen. Diese be-
ginnen unmittelbar hinter den Prämaxillaria und stehen weit getrennt durch
das breite Vomerpolster. Zwischen ihren vordersten Enden liegt die Choanen-
papille, zu ihren beiden Seiten die Ausführungsgänge der JACoBSonschen Organe.
Vom Stammteil der Nasenschläuche zieht der absteigende, überall wegsame
Choanengangschenkel zur primitiven Choane. Letztere reichen über die ganze
Länge des Choanengangs bzw. der Muschelzone, stehen an allen Stellen mit dem
absteigenden Choanengangschenkel in offener Verbindung unä sind ebensowenig
wie der absteigende Choanengangschenkel irgendwo eingeengt noch verschlossen.
Die JacoBsonschen Organe münden stets in das vorderste Ende der primitiven
Choanen unmittelbar hinter dem eaudalen Rand des primitiven Gaumens.
Das primäre Munddach wird vorne von dem primitiven Gaumen, seitlich
von den Oberkiefermassen, in der Mitte oralwärts vom Nasenseptum, eaudal-
wärts von der primitiven Rachendecke gebildet; es schließt eine tiefe Orbito-
nasalmulde ein. Der vordere Teil derselben, die Nasal- oder Vomermulde, ent-
Steht, weil das Nasenseptum dorsal höher liegt als die Masse der Oberkiefer-
fortsätze. Die Nasalmulde setzt sich ohne jegliche Grenze eaudalwärts in die
von den Oberkiefermassen begrenzte Orbitalmulde fort. Der mediale Teil der
_ Orbitalmulde bildet eine schmale, sagittale, von den Palatopterygoidkanten be-
"grenzte Interorbitalrinne.
Gegenüber dem einfachsten Zustand bei Hatteria weisen die Saurier manche
bedeutungsvolle Neuerwerbung auf, vor allem den etwa zu zwei Drittel erfolgen-
514 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
«
den Verschluß der absteigenden Choanengangschenkel, hervorgerufen durch
Verwachsung über den Choanenspalten, deren Ausdehnung ganz ungeschmä-
lert bleibt; bloß ihre beiden vordersten Drittel erscheinen als Choanenrinnen
zwischen Vomerpolster und Öberkiefern. Bei Varanus gehen auch die vorderen
Teile der Choanenspalten zugrunde, so daß nur ihre hinteren Abschnitte erhalten
bleiben.
Die Schlangen schließen sich an Varanus an. Ihre Ontogenese soll
in nicht zu verkennender Weise die verschiedenen von den Sauriern her
bekannten Etappen wiederholen. Die Austilgung der Choanenspalte in
ihren vorderen Teilen sei wesentlich weiter gediehen. Die absteigenden Cho-
anengangschenkel und die Choanenspalten seien zum allergrößten Teile ver-
schlossen, so daß nur der allerhinterste Rest jeder Choane als sekundäre Choane
erhalten bleibt. Ein kleiner Rest der primären Choane hinter dem primären
Gaumen dauert, um den Ausführungsgang des JAcoBSoNschen Organs aufzu-
nehmen. Dadurch werde das Munddach der Schlangen in die bisher als sekun-
därer Gaumen bezeichnete Modifikation abgeändert. Bei manchen Schlangen
bilden auch die Prämaxillaria, Maxillaria und Vomeres eine dem sog. knöcher-
nen sekundären Gaumen der Schildkröten entsprechende Knochenplatte. Der
sekundäre Gaumen und die sekundäre Choane der Schlangen sind den gleich-
namigen Gebilden der Säuger nichthomolog und haben mit ihnen nichts zu tun.
Die gleiche Abänderung hat Fuchs für die Schildkröten beschrieben.
Sie zeigen im Zusammenhange zwischen Nasen- und Mundhöhle die größte Ähn-
lichkeit mit den Schlangen sowohl in den Weichteilen wie in den Knochen;
nur fehlt ihnen mit dem JAcoBsoxschen Organe auch der vordere Rest der
primitiven Choane. Bei Schlangen und Schildkröten liegen also zwei pa-
rallele, einander gleiche, aber völlig unabhängig voneinander entstandene Ent-
wicklungsreihen vor. Die Schildkröten haben diese Verhältnisse von Anfang
an selbständig entwickelt, die Schlangen aber mögen die ersten Anfänge bereits
von ihren saurierartigen Vorfahren übernommen haben.
Bei den Schlangen und Schildkröten soll, wie H. Fuc#s mit 0. SEYDEL
behauptet, das primäre Munddach durch eine bedeutende Abwärtswanderung
des Vomerpolsters abgeändert werden, was durch das starke Vorspringen
nach unten besonders auffalle. Ich habe aber an meinen Modellen nicht ge-
sehen, daß das Nasenseptum in beiden Gruppen heraustritt und einen Teil der
Nasalmulde verschwinden macht. Im Gegenteil zeigen die Längsschnitte (Taf. IX,
Fig. 13—16), daß die schräg gestellte Zone des künftigen Vomerfeldes sich mehr
horizontal einstellt und daß von einer Senkung nicht die Rede sein kann.
Ebensowenig lassen sich die embryonalen Stadien des Munddaches der
Ringelnatter (Taf. VIII, Fig. 1, 3—5, 8) als Wiederholung der verschiedenen Zu-
stände der Saurier deuten und die große Ähnlichkeit zwischen den Schlangen
und Schildkröten scheint mir nach meinen Modellen durchaus zu fehlen.
Daher glaube ich, daß die Behauptungen von Fuchs nach keiner Richtung
den wirklichen Tatsachen entsprechen und darum unannehmbar sind.
Das Munddach der Krokodile unterscheidet sich sowohl vom Munddache
aller anderen Reptilien als auch der Säugetiere. Während der Zusammenhang
zwischen Mund- und Nasenhöhle bei Hatteria, den Sauriern, Schlangen, Schild-
kröten dauernd durch die primitiven Choanen in ganzer oder beschränkter
Ausdehnung vermittelt wird, besitzen die sekundären Choanen der Kro-
kodile keine genetische Beziehung zu den primitiven Choanen und
deshalb einen andern morphologischen Wert als die sog. sekundären
IE EB LETZTEN
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 515
Choanen der Schildkröten und Schlangen. Die definitive Mund- und Nasenhöhle,
sowie das definitive Munddach der Krokodile sind Bildungen eigener Art.
Denn die Krokodile entwickeln ein vollkommen neues Munddach unter
Abtrennung eines Teiles der primitiven Mundhöhle als Ductus naso-
pharyngeus. Derselbe kommt zur Nasenhöhle hinzu, vergrößert sie zur sekun-
dären Nasenhöhle und verkleinert zugleich die Mundhöhle zur sekundären Mund-
höhle, welche ein neues knöchernes Dach erhält.
Die Entwicklungsvorgänge, welche diese Neuerung herbeiführen, hat FucHs
wegen Mangels an Material nicht eingehend verfolgen können. Auch über das
Verhältnis der primitiven Choanen, auf welches er sein besonderes Augenmerk
richtete, konnte er nichts Sicheres ausmachen und er beklagte lebhaft die
wesentlichen Lücken seiner Untersuchung. Wie er in dem Kapitel über die
Schlangen den Gedanken Borns gefolgt ist, so schließt er sich für die Krokodile
der »überzeugenden Darstellung« von VOELTZKOW an, daß inder Nasen- und Augen-
gegend von den medialen Kieferseiten zwei Platten medianwärts vorwachsen
und nach Verschmelzung die Mundhöhle in den Duetus nasopharyngeus und die
sekundäre Mundhöhle zerlegen. Der Ductus nasopharyngeus wird, wie Fuchs
meint, unpaarig angelegt und später erst paarig durch Bildung einer lotrechten
Scheidewand zwischen seiner rechten und linken Hälfte. Nur der vorderste
kleine Teildes Ductus, der sich an die Muschelzone anschließt, entstehe als paariger
Gang. Fucns konnte zwar seine Bildung nicht direkt beobachten, glaubte aber
mit Wahrscheinlichkeit folgendes Gesamtbild derselben entwerfen zu können: Im
Gebiete der primitiven Choane sollen sich die Gaumenfortsätze medianwärts in
den dorsalen Teil der Orbitonasalmulde einschieben. Aber ehe sie sich median
treffen, sollen ihre freien Ränder nach oben mit dem Nasenseptum verwachsen.
Fuchs läßt die Frage offen, wie das alles geschieht. Wenn es jedoch so wäre,
würden zwei Teile aus dem dorsalen Abschnitt der Orbitonasalmulde herausge-
schnitten, welche die primitiven Choanen aufnehmen und mit den Muschelzonen
zusammenhängen. Hinter dem caudalen Ende der primitiven Choanen sollen auf
einmal die freien Ränder der Gaumenfortsätze nicht mehr mit dem Nasenseptum
verwachsen, sondern einander selbst entgegenstreben. Alles das erschließt Fuchs
aus einer Serie durch einen jüngeren Embryo von Crocodilus madagascariensis
mit beginnender Entwicklung des Knorpelskelets (3b, Taf. VIII, Fig. 49—53).
Er verweist wie in früheren Fällen wieder auf zwei Schnittbilder (3b, Taf. VIII
Fig. 49—50) und behauptet, daß die Gaumenfortsätze mit dem Nasenseptum ver-
wachsen seien. Ich kann mich nicht davon überzeugen, daß die Schnittbilder
gerade so gedeutet werden müssen; doch unterdrücke ich jede Kritik, weil ich
keine Krokodilembryonen untersucht habe. Wie Fuchs betont, hat die von
ihm angenommene Verwachsung der Gaumenfortsätze und des Nasenseptums
nichts mit der für Saurier, Schlangen, Schildkröten behaupteten Verwachsung
zwischen den Oberkiefermassen und dem Vomerpolster gemeinsam; denn bei
diesen erfolge sie auf Kosten gewisser Teile des Nasenschlauches, während bei
den Krokodilen zwei kurze Gänge aus der Mundhöhle herausgetrennt und
zur Nasenhöhle hinzugefügt würden.
Die schmale tiefe Rinne zwischen den verwachsenden Gaumenfortsätzen
werde später vollständig ausgemerzt, weil die Gaumenfortsätze median ver-
schmelzen. Die Ausmündung des in der Entwicklung begriffenen Ductus naso-
pharyngeus werde caudalwärts verschoben durch Verschmelzung der Gaumen-
fortsätze und später der benachbarten Teile der Oberkiefermassen.
Die Gaumenfortsätze der Krokodile unterscheiden sich von den Gaumen-
516 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
fortsätzen der Säugetiere, weil sie nicht erst abwärts wachsen, sondern von
vornherein direkt medianwärts gerichtet seien. Ihre Vorstufen glaubt er in den
Choanenfalten und Palatopterygoidkanten der Rhynchocephaler und Saurier zu
erkennen. Die Choanenfalten gehen zwar nicht direkt in die Palatopterygoid-
kanten über. Doch schwinde die Schwierigkeit, wenn man sich vorstelle, daß
bei den Vorfahren der Krokodile die Choanenfalten sich durch etwas abge-
änderte Wachstumsrichtung mit den Palatopterygoidkanten vereinigten.
Die Ähnlichkeiten zwischen den Krokodilen und Säugetieren kennzeichnet
Fuchs in folgender Weise: Bei den Krokodilen und Säugern wird die primäre
Mundhöhle längs der Orbital- und Nasalgegend in zwei Abschnitte zerlegt, und
zwar geht nur der dorsale Abschnitt der Orbitonasalmulde in dem Ductus naso-
pharyngeus auf. Der ventrale Abschnitt wird hier wie dort unterdrückt. Bei
den Säugern füllen die weichen Gaumenfortsätze durch ihre Verwachsung den
Raum des ventralen Muldenabschnittes aus. Bei den Krokodilen verschmelzen
nach Verwachsung der weichen Gaumenfortsätze abwärts davon auch noch die
Oberkiefermassen miteinander. Durch diesen verschiedenen Vorgang wird aber
das eine Gemeinsame erreicht, daß die ganze Orbitonasalmulde aus der defini-
tiven Mundhöhle ausscheidet und soweit sie nicht zum Ductus wird, unterdrückt
wird. In beiden Gruppen ermangelt also die definitive sekundäre Mundhöhle
genau des gleichen Teiles der primären Mundhöhle. Infolgedessen ist auch der
Rest der primitiven Mundhöhle, die sekundäre Mundhöhle, in beiden Gruppen
gleich. Die sekundären Mundhöhlen der Säuger und Krokodile sind einander
homolog im Hinblick auf die primäre Mundhöhle, aber nicht homolog im Hinblick
auf die Art, wie sie aus der primären Mundhöhle gebildet werden. Daher unter-
scheidet FucHns die zwei genetisch verschiedenen Arten des sekundären
Munddaches oder des Tegmen oris secundarium sive Palatum secundarium
sive Palatum palatinomaxillare, nämlich das Tegmen oris secundarium Croco-
dilium und das Tegmen oris secundarium Mammalium.
An verschiedenen Stellen des Berichts über die Untersuchungen von
H. Fuchs habe ich meine kritischen Bedenken eingeflochten und dadurch aus-
gedrückt, in welch ungünstigem Verhältnis nach meiner Ansicht die theoretischen
Kombinationen seine exakten Beobachtungen überwiegen. Besonders seine An-
gaben über die Verwachsung des absteigenden Choanengangschenkels bei Sau-
riern und Schlangen, sowie die Angaben über die Einengung der primitiven
Choane bei Schlangen und Schildkröten lassen sich mit meinen Beobachtungen
und Modellen nicht vereinen. Daher scheint mir auch die Ableitung des Mund-
daches der Saurier, Schlangen, Schildkröten von einer gemeinsamen Urform,
welche wie Hatteria ausgesehen haben soll, sachlich verfehlt. Die Vergleiche,
welche Fuchs zwischen den Säugetieren und Krokodilen zieht, werden sich
erst nach dem Erscheinen der im hiesigen Institut eben vollendeten Untersuchung
von H. PoHLmAnNn kritisieren lassen.
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Erklärung der Abbildungen.
Gemeinsame Buchstabenbezeichnung.
ag äußerer Gebißwulst. br Brückezwischen dem äußeren Nasen-
an äußeres Nasenloch. loch und der Choane.
b Furche an der Seitenwand des Nasen- ch Choane.
schlauches von Chrysemys mar- chg Choanengang.
ginata. ehw choanale Wand.
518 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
dd Definierebene. p höchster Punkt des Mittelraumes.
e Epiphyse. pf Mittelpfeiler.
f medianer First des Munddaches. r Hohlrinne.
h Hypophyse. rs Rachenseptum.
i Jacopsoxsches Organ oder Mündung rw Rachenwand.
desselben. sa Sakter.
ig innerer Gebißwulst. sl Starrlippe.
! Larynx. sn Seitennische.
Iw Lateralwand. t Luftröhre.
mh Mittelhöcker. ul Unterlippe.
mr Mittelraum. vf Vomerfeld. |
n Nasenschlauch. w Grenzwulst des Mittelraumes gegen |
nf Nasenfurche. die Seitennische.
o Auge. x Zunge.
oe Ösophagus. xl Zahnleiste.
ol Oberlippe. xt Zungentasche.
ow Orbitalgewölbe.
Tafelerklärung.
Tafel VIII.
Fig. 1—9. Tropidonotus natrüx.
Fig. 1. Modell’des Munddaches einer Ringelnatter von 9 mm MSl. Vergr. 10/1.
Fig. 2. Photographische Ansicht des Munddaches einer erwachsenen Ringel-
natter. Vergr. 2/1.
Fig. 3. Modell des Munddaches eines Embryo von 8mm MSI. Vergr. 10/1.
Fig. 4 Modell des Munddaches eines Embryo von 7 mm MSl. Vergr. 15/1.
Fig. 5—7. Modell des Munddaches eines Embryo von 6,5 mm MSI. Vergr. 15/1.
Fig. 5. Innenansicht. Fig. 6. Außenansicht. Fig. 7. Seitenansicht.
Fig. 8—9. Modell des Munddaches eines Embryo von ömm MSI. Vergr. 15/1.
Fig. 8. Innenansicht. Fig. 9. Außenansicht.
Fig. 10—12. COhrysemys marginata.
Fig. 10. Modell des Munddaches eines [Embryo von 18 mm Rückenschild.
Vergr. 15/1.
Fig. 11. Modell des Munddaches eines jüngeren Embryo. Vergr. 30/1.
Fig. 12. Modell des Munddaches eines Embryo von 3,5 mm MSl. Verg. 30/1.
Tafel IX.
Fig. 13—16. Ideale Längsschnitte durch den embryonalen Kopf von Zropi-
donotus natrix. Vergr. 10/1.
Fig. 13. Embryo von 5mm MSI. Fig. 14. Embryo von 9 mm MSI.
Fig. 15. Embryo von 7mm MSI. Fig. 16. Embryo von 8mm MSI.
Fig. 17—18. Ideale Längsschnitte durch den embryonalen Kopf von Ohrysemys
marginata. Vergr. 10/1.
Morphologisches Jahrbuch. Dd. 41.
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Fig. 5. (#/ı)
Thäter
| Taf. VIII.
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Fig. 10. (%/,)
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ann in Leipzig.
Morphologisches Jahrbuch.
Thäter
Bd. 41.
Fig. 17. (19),
Verlag von ig
Taf. IX.
ann in Leipzig.
Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achsel-
gegend des Menschen — »Achselbogen.«.
Von
Georg Ruge.
Mit 2 Figuren im Text.
Der Achselbogen des Menschen ist ein Restbestand des Haut-
Rumpf-Muskels. Letzterer kommt den Säugetieren zu. Den Anthro-
pomorphen und dem Menschen ist er abhanden gekommen; er tritt
bei ihnen nur noch in Resten und in diesen selbst nur noch zuweilen
auf. Der Achselbogen des Menschen ist eine nicht gerade seltene
Bildung. Seinen morphologischen hohen Wert erhält er als Beweis-
stück dafür, daß der Mensch einen Haut-Rumpf-Muskel früher be-
sessen hat, und zwar in derjenigen stattlichen Ausbildung, in welcher
die Bündellagen vom Humerus aus durch die Achselhöhle zum Rücken
sich ausgedehnt haben. Die zu dieser Annahme zwingenden Gründe
dürfen als bekannt vorausgesetzt werden, da sie in letzter Zeit Gegen-
stand ausführlicher Erörterungen gewesen sind!.
Als muskulöses Gebilde nimmt der Achselbogen das anatomische
Interesse ferner durch seine häufige und innige Verbindung mit dem
Latissimus dorsi in Anspruch. Die Vereinigung beider hat zu der
irrigen Ansicht verleitet, den Achselbogen vom Latissimus dorsi her-
zuleiten. In der Tat sind ja auch Zustände denkbar, in denen der
Latissimus dorsi durch die Art der Verbindung mit dem Reste des
Haut-Rumpf-Muskels am Aufbaue des Achselbogens sich wirklich
beteiligt. Wo dies nachweisbar ist, bildet der primitive Hautmuskel-
ı L. TOBLER. Der Achselbogen des Menschen, ein Rudiment des Panni-
eulus carnosus der Mammalier. Morpholog. Jahrb. XXX. Bd. 1902. — G. Ruck.
Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere. Der M. sternalis und der Achselbogen
des Menschen. Morpholog. Jahrb. XXXIIU. Bd. 1905.
Morpholog. Jahrbuch. 41. 34
520 Georg Ruge
Achselbogen aber die Handhabe für die Anteilnahme des Latissimus
dorsi an einem sekundär zustande kommenden Gebilde. Genaue
Analysen einzelner Fälle zeigen zuweilen, daß die Annahme, es
handle sich bei ihnen um eine Beteiligung des Latissimus dorsi am
primitiven Achselbogen, nicht gut aufrecht erhalten werden kann.
Der vorliegende Fall ist ein solcher. Er mahnt zur Vorsicht; er
zeigt, wie leicht dem breiten Rückenmuskel eine ihm nicht zukom-
mende Bedeutung zugesprochen werden kann.
Außerdem kommt dem Achselbogen eine eigenartige Bedeutung
insofern zu, als er als das Rudiment einer über den ganzen Rumpf ur-
sprünglich ausgebreiteten Muskelplatte nunmehr an Ort und Stelle
zu einem ansehnlichen, ja selbständigen Muskel anschwellen kann.
Seinem großen Umfange gemäß und durch die Vereinigung mit dem
Latissimus dorsi wird er mit ihm gemeinsam auf den Humerus
haben einwirken können. Auch hierfür ist der vorliegende Befund
ein gutes Beispiel.
Die Möglichkeit zur starken Entfaltung des Achselbogens als
eines Restes des Haut-Rumpf-Muskels gewinnt nach anderer Rich-
tung noch eine größere Tragweite. Denn das, was in der Achsel-
höhlengegend sich einstellt, kann auch andernorts sich vollziehen.
Den Vertretern der Ansicht, der Musculus sternalis sei ebenfalls ein
Rest des Haut-Rumpf-Muskels, kann nicht gut entgegengehalten
werden, daß die zuweilen starke Entwicklung des Sternalis diese
Annahme nicht zulasse. Die Größe bestimmt nicht den morpholo-
gischen Wert eines Organes. Wissenswert bleibt es aber immerhin,
welche Ursachen das Rudiment eines Muskels wieder zur übermäßigen
Entfaltung veranlaßt haben können.
Der Achselbogen wurde an beiden Armen eines 72jährigen
Mannes aus dem Kanton Zürich angetroffen. Sein außergewöhnlich
großer Umfang könnte daher dem Alter nach im Laufe des Lebens
erworben worden sein, wobei aber auf die Annahme einer frühen
Anlage des Muskels nicht verzichtet werden kann. Die Humerus-
Anheftung erfolgt gemeinsam mit der Pars abdominalis des Pectoralis
major an der Crista tubereuli majoris. Der Achselbogen bildet hier-
bei eine tiefere Lage. Dies Verhalten entspricht einem bekannten,
engen Verbande beider, in welchem die Pars abdominalis die Brücke,
die Vermittlerin zwischen Haut-Rumpf-Muskel und der Pectoralis-
Gruppe ist.
Linksseitiger Muskel (Fig. la, b). Aus einer platten Sehne
Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 521
entfaltet sich der Muskelbauch. Die Sehne schiebt sich am Distal-
rande weit in letzteren hinein, woraus eine Halbfiederung und der
Bündelreichtum des Bauches verständlich werden.
Der Muskel schließt sich nach Durchquerung der Achselgegend
- dem Latissimus dorsi in dreifach verschiedener Weise eng an. Hier-
mit hängt eine Gliederung der Muskelplatte in drei Schiehten zu-
sammen. Diese werden in den bildlichen Darstellungen von beiden
Flächen des Muskels aus sichtbar. Es handelt sich um eine ober-
Fig. 1.
Teres major
Pector.
major:
Pars ., Pector. maj.:
abdom. \ . Pars abdom.
Achsel- | j Achselbogen
bogen 1
Ir
Ill Fr
\ fl l | Os
1 In |
1% - Rand d. La-
Y’ | tissimus-
j Sehne
2.
\h- Vorderrand
Vorder-
k rand
/ .
Muskulöser Achselbogen der linken Seite eines 72 Jahre alten Mannes, im Zusammenhange mit dem
Latissimus dorsi. Die Muskeln sind vom Skelet entfernt worden, um den Aufbau des Achsel-
bogens aus seinen Schichten (1, 2, 3) genau darstellen zu können. Der Teres major ist für die
Orientierung des Latissimus dorsi erhalten. 1/2.
Fig. a Darstellung der freien Oberfläche, Fig. db Darstellung der tiefen Oberfläche der Muskeln.
Das Objekt ist im anatom. Museum Zürich aufbewahrt.
Latissimus dorsi Latissimus dorsi
flächliche, eine mittlere und eine tiefe Schiehte. Sie schließen sich
humeruswärts zu einer Einheit aneinander, während sie distalwärts
sich voneinander sondern.
Jede Schichte hat ihre besondere Bedeutung. Die oberflächliche
und die mittlere tragen in Lage und Ausdehnung noch die Merk-
ale eines Haut-Rumpf-Muskelsniederer Formen. Dietiefe Schichte hat
diese Zeichen durch Verbindung mit dem Latissimus dorsi eingebüßt.
1. Oberfläehliche Schichte (Fig. la). Sie bildet den dista-
len, gehöblten Rand des ganzen Muskels. Der Nervus intercosto-
34*
522 Georg Ruge
brachialis durchsetzt sie. Die humeruswärts geschlossenen Bündel
strahlen distal aus, wobei sie schließlich eine dreifach so große Fläche
bilden als proximal. Die Anheftung erfolgt hauptsächlich auf der
Dorsalfläche der Endsehne des Latissimus dorsi mittels einer ge-
zackten Nahtstelle, welehe humeruswärts 5 mm vom Proximalrande
der Sehne entfernt bleibt, distal aber mit dem Rande zusammen-
fällt. Die Länge der Naht beträgt 2,2 cm.
Diesem Abschnitte schließt sich eine Bündellage an, deren End-
sehne auf der mittleren Schichte oberflächlich sich ausbreitet, deren
Fleischbündel gegen den Humerus an die Elemente der Mittellage
unmittelbar sich anfügen.
Diese oberflächliche Sehichte entsprieht durch die Ausbreitung
auf dem Latissimus dorsi sowie auf der mittleren Schichte, mit denen
eine Kreuzung der Bündel vorliegt, dem durch die Achsel quer und
schräg zum Rücken ziehenden Abschnitte des Haut-Rumpf-Muskels
niederer Primaten. Sie stellt einen Rest desselben dar. Da diese
Dorsalbündel des Hautmuskels die letzten Stationen dessen gewal-
tiger Ausbildung sind, so bleiben sie auch in ihren Resten das wich-
tige Zeugnis für den einstmaligen Besitz eines auch den Rücken des
Menschen bedeckenden Hautmuskels. Diese Annahme hat bei der
ihr zugesprochenen, grundlegenden Bedeutung durchaus nichts Be-
fremdendes. Wer möchte sich wohl dagegen wehren, dem Bauplane
des Menschen in einer früheren Zeit das zuzuerkennen, was ein
Besitztum aller Säugetiere ist? Die Annahme erhält Fremdartiges
höchstens als eine weitgehende Folgerung aus dem scheinbar be-
deutungslosen Verhalten eines abnormen Achselbogens. Man könnte
hier einwenden, daß diese oberflächliche Schichte sich selbständig
ohne höhere morphologische Wertung eingestellt habe. Dieser Ein-
wand wäre deshalb nicht ohne weiteres stichhaltig, weil man mit
der mittleren Schichte (2) in gleicher Weise sich abfinden müßte,
dabei aber immer mehr in Widerspruch mit der gesamten vergleichen-
den Forsehung auf diesem Gebiete sich setzen würde.
2. Mittlere Schichte (Fig. la, 5 [2]). Sie geht aus dem ge-
meinsamen Bauche ohne erkennbare Abgliederung von Schichte 1
und 3 hervor. Die Trennung erfolgt erst in distaler Richtung. Hier
ist sie aber durchgeführt, und zwar in der Weise, daß unter starker
Abplattung ein breites Muskelband sich formt, welches dem Vorder-
rande des Latissimus dorsi sich zunächst anschließt, weiter distal
aber zur Dorsalfläche des Muskels sich umschlägt. Der Anschluß
an den Vorderrand vollzieht sich am Beginne der Endsehne des
|
|
Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 523
letzteren und ist distal ein sehr enger. Der Latissimus-Bauch emp-
fängt durch die mittlere Schichte einen nicht unbeträchtlichen Zu-
wachs. Verfolgt man ihn vom Ursprunge zur Insertion, so gewinnt
man den Eindruck, es handele sich um eine Spaltung des Muskels
in der Achselhöhle gegen den Humerus zu. Der Latissimus scheint
mit einem Schenkel die Crista tubereuli majoris zu erreichen. Dies
ist jedoch nur scheinbar der Fall, da in Wahrheit der Achselbogen
als ein dem Latissimus ganz fremdartiges Gebilde diese Anheftung
auslöst. Alle Latissimus-Bündel gehen ohne Restteile und bei voller
Prägnanz in die breite Endsehne über; alle Bündel der mittleren
Schiehte trennen sich in der Höhe der Latissimus-Sehne von ihr und
erweisen sich als integrierende Bestandteile des gemeinsamen Achsel-
bogens. Hier scheint eine andre Deutung des Tatbestandes am Prä-
parate völlig ausgeschlossen zu sein. Die ganze Schichte 2 entspricht
denjenigen Bündeln eines Haut-Rumpf-Muskels, welche bei dessen
Ausstrahlen zur seitlichen Rumpfgegend parallelen Verlaufes mit den
vorderen Randbündeln des Latissimus sich befinden und enger mit
ihnen verbunden zu sein pflegen, sobald sie eben in Resten beim
Menschen auftreten.
Auffallend ist hier wiederum die starke Ausbildung der lateralen
_ Bündel des Hautmuskels. Sie kann sich auch einstellen, wenn diese
Bündel die einzigen erhaltenen Reste des Muskels sind, und auch
dann zu einer Verschmelzung mit dem Latissimus hinneigen. Nach
der Vereinigung mit ihm werden sie für dessen Leistungsvermögen
nutzbringend. Der Latissimus gewinnt durch ihre Vermittlung einen
Angriffspunkt auf die Crista tubereuli majoris, von welcher der Haut-
- Rumpf-Muskel ja stets ausgeht. Der Gewinn dieser neuen Einwirkung
für den Latissimus auf das Skelet kann im besonderen Falle die
besonders kräftige Entfaltung verursacht haben.
Y Verfolgt man die »Achselbogen-Randbündel« des Latissimus dorsi
- distalwärts, so wenden sie sieh allmählich zur dorsalen Fläche des
Muskels, um dann auf ihr zu verstreichen. Hier taucht die Eigen-
schaft von dorsalen Bündeln eines Hautmuskels auf, deren ausge-
‚sprochenste Art durch die Sehichte 1 vertreten ist. Es ist zuweilen
zu beobachten, daß ein an den Latissimus-Rand sich anschmiegender
_ Achselbogen alle Elemente zur dorsalen Fläche des Rückenmuskels
entsendet, wo sie unter Kreuzung mit dessen Bündeln in der Fascie
‚auslaufen.
Es ist begreiflich, wenn ein Fall, wie er hier vorliegt, fälschlich
als eine Varietät des Latissimus dorsi imponiert und dargestellt wird.
524 Georg Ruge
Die Schärfe der Interpretation der einzelnen Merkmale kommt dabei
aber nicht zu ihrem Rechte. Diese Merkmale sind aber die Ur-
kunden der einstmaligen Existenz eines Haut-Rumpf-Muskels beim
Menschen.
3. Tiefe Sehichte (Fig. 15 [3)). Ihre Bündel gehen aus der
Sehne des gemeinsamen Bauches hervor. Elemente der vorigen
Schiehte (2) schließen sich allenthalben auf das unmittelbarste an.
Die genetische Einheitlichkeit mit der dorsalen Schichte (1) bewahrt
der proximale Abschnitt des gemeinsamen Muskelbauches. In distaler
Riehtung gliedert sich die ganze tiefe Bündellage von den Nachbar-
teilen ab, bildet einen platten Bauch, welcher unter Verbreiterung
zum Vorderrande der Latissimus-Sehne gelangt. Es ist besonders
hervorzuheben, daß diese Sehne der tiefen Schichte wohl eine An-
heftungsstelle darbietet, aber Material weder von ihr erhält noch an
sie abgibt. Der Rand der Sehne gehört dem Latissimus zu, nimmt
dessen Randbündel auf und läuft in die breite Endplatteaus. Die Ver-
bindung mit der Latissimus-Sehne ist eine erworbene. Das erhellt
unzweifelhaft aus der Art des Zusammenhanges. Die so gestaltete
Bündellage, welche hier als tiefste Schichte besteht, ist nicht selten
der einzige Bestandteil eines Achselbogens. Gute Belege finden sich
in L. TOBLERS Aufsatze. Ist ein soleher Achselbogen kräftig ent-
wickelt, so kann der die Anheftung vermittelnde Abschnitt des
Latissimus vom Stammmuskel sich abgliedern. Dabei wird ein Teil
der Latissimus-Sehne zur »Zwischensehne« zwischen Achselbogen
und breitem Rückenmuskel. Wie weit die Abspaltungen an letz-
terem sich vollziehen können, zeigt unter anderm die Fig. 26 auf
S. 502 des Togrerschen Aufsatzes. Ob die Grenze zwischen beiden
Muskel-Gebieten ganz verschwinden könne, ist einwandlos nach
meiner Meinung bis jetzt nicht nachgewiesen. Die Möglichkeit da-
für besteht, da Zwischensehnen ja ganz verschwinden können. Würde
einmal eine Latissimus - Portion ohne erkennbare Abgrenzung
gegen einen »Achselbogen« bis zum Humerus verfolgt werden, so
würde der Haut-Muskel diese Ausdehnung in irgend einer Weise
vermittelt haben müssen. Ließe man diese Annahme nicht zu, so
würde man einen derartigen besonderen Befund als einen abseits
von der großen geschlossenen Reihe bekannter Varietäten stehenden
auch auf eine besondere Weise zu erklären haben.
Ein starker Nervus intereosto-brachialis, aus dem zweiten und
dritten Intercostalnerven stammend, durchsetzt die oberflächliehe (1) und
die mittlere (2) Schiehte. Hierin tritt nichts Fremdartiges zutage,
Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 525
da alle Rami eutanei laterales der Intereostalnerven den Haut-Rumpf-
Muskel der Säugetiere durehbohren.
Die Nerven für den wohlausgebildeten Achselbogen waren im
Zusammenhange mit den Stämmen nicht erhalten. Die in dem Muskel
aufgefundenen Nerven sprachen nicht gegen den Ursprung aus den
Nn. thoracales anteriores. Das ganze Wesen des muskulösen Achsel-
bogens erlaubt den Schluß, daß letzteren die Versorgung zukam.
Fig. 2.
Pars sterno- a b
costalis : Pars abdominalis
‘
’ ”
' Ax =
EEE EL NN re
nn wu 222 er
BL _
— 2
= UNI
Ir alr „.. Pector.
rapie major
Latissimus dorsi Latissimus dorsi
"Muskulöser Achselbogen der rechten Seite eines 72 Jahre alten Mannes, in Verbindung mit dem
Latissimus dorsi. 1:2. Der Achselbogen läßt wie auf der Figur 1 drei Schichten erkennen:
1, eine dorsal auf der Latissimus-Sehne ausgebreitete Schichte; 2. eine dem Vorderrande des
_ Latissimus angefügte und 3. eine ventrale Schichte, welche mit Bündeln des Latissimus an einer
p Zwischensehne sich anheften.
\, Das Objekt ist im anatom. Museum Zürich aufbewahrt.
} Die vielen gut beglaubigten Fälle der Innervation des Achselbogens
% durch vordere Thoracalnerven führen zu dieser Annahme.
Rechtsseitiger Muskel (Fig. 2, a, b). Er steht dem links-
seitigen an Umfang nicht nach. Die Anheftung am Humerus findet
in gleicher Weise wie links in Verbindung mit der Sehne der Pars
' abdominalis des Pectoralis major an der Crista tubereuli majoris
Die Sehne bedeckt faseienartig den kurzen Kopf des Biceps
brachii und den Coraco-brachialis und dehnt sich bei einer Länge
_ von 12 cm bis zum Coracoid aus.
Drei Abschnitte des Muskels bestehen wie an der linken Seite,
526 Georg Ruge
aber in einer etwas andern Ausbildung und Anordnung. So fehlt
eine mittlere Schichte. Der ihr gleichwertige Abschnitt stellt ein
Randbündel dar. Eine oberflächliche und tiefe Schichte, gut ent-
faltet, sind nicht getrennt durch eine Zwischenlage; sie treten mit-
einander in engeren Verband. Ihnen schließt sich das Randbündel
an, welches zugleich dem Vorderrande des Latissimus dorsi einver-
leibt ist. Es entspricht den Randbündeln der mittleren Schichte
der linken Seite.
Die tiefe Schichte ist mit einem Abschnitte des Latissimus dorsi
auf das innigste vereinigt und bildet mit ihm einen durch eine
Zwischensehne gegliederten Muskelstreifen.
Die oberflächliche dorsale Schiehte breitet sich auf der Latissi-
mus-Sehne aus. Sie entspricht dem Reste dorsaler Bündel eines
Haut-Rumpf-Muskels (Schichte 1), während die Randbündel des Achsel-
bogens Reste lateraler Hautmuskelteile sind (Schichte 2).
Die tiefe Schiehte entspricht genau dem mit dem lateralen Rande
der Latissimus-Sehne verschmolzenen Teile des linken Achselbogens
(Sehichte 3).
Die Abschnitte 1, 2, 3 des linken Muskels treten wieder zutage.
Ihre eigenartige Ausbildung beleuchtet den Befund der linken Körper-
hälfte sowie die Geschichte des Achselbogens überhaupt.
1. Oberfläehlieche, dorsale Schichte (Fig. 2a [1]). Sie geht
aus dem distalen Abschnitt des gemeinsamen Bauches hervor und
strahlt auf der Dorsalfläche der Latissimus-Sehne aus. Die Anhef-
tung erfolgt etwa 8 mm vom Sehnenrande als eine 2,5 cm breite
Platte. Die dem Oberarm benachbarten Bündel sind mit der Latis-
simus-Sehne ohne Übergänge nur verlötet, wie es links im ganzen
Bereiche geschieht. Die dem Latissimus-Rande sich nähernden In-
sertionsbündel biegen in oberflächlich abgelöste Latissimus-Bündel
ein, so daB eine Zwischensehne zwischen ihnen sich zu bilden be-
ginnt. Das Verhalten ist weiter fortgeschritten als das der andern
Seite.
Die ganze Schichte entspricht den zum Rücken ausstrahlenden
Lagen eines Haut-Rumpf-Muskels. Mit ihr ist die tiefe ventrale
Sehichte auf das innigste sowie die Randbündel-Schiehte durch un-
mittelbare Anlageruug vereinigt.
2. Randbündel-Schichte (Fig. 2 a, b [2]). Sie geht aus dem
proximalen Abschnitte des gemeinsamen Bauches hervor. Die Ur-
sprungssehne dehnt sich längs der Crista tubereuli majoris bis zum
Tubereulum majus und darüber hinaus bis zum Coracoid aus.
Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 597
Die 8mm breite Platte trennt sich am Insertionsteile der 1. Schiehte
los, fügt sich dem Rande des Latissimus dorsi an, lagert sich aber
demselben mehr dorsal auf. Alle Bündel laufen ohne Zwischensehne
distalwärts aus.
Wir haben es hier mit dem lateralen, senkrecht vom Humerus
gegen die Lendenweiche ziehenden, dabei mit dem Latissimus-Rande
verbundenen Teile des Haut-Muskels zu tun. Ihre dorsale Lage zum
Latissimus deutet auf einen früheren Anschluß an die 1. Schichte
noch hin. Sie bedeckt Teile der tiefen, ventralen Schiehte und ist
mit ihnen am gemeinsamen Bauche des Achselbogens proximalwärts
untrennbar verbunden.
Die entsprechende Schichte der linken Seite schob sich als eine
mittlere zwischen die beiden andern Lagen ein.
3. Tiefe, ventrale Schichte (Fig. 22 [3]. Ihre Zugehörig-
keit zur Schiehte 1 und 2 ist gut ausgeprägt. Sie unterscheidet sich
von der linksseitigen dadurch, daß sie mit einer etwa 2,5 cm breiten
Rand-Bündel-Zone des Latissimus dorsi zu einer Platte inniger sich
verbunden hat. Eine Zwischensehne trennt aber auf das schärfste
beide Muskelgebiete; sie ist ein Teil der abgelösten Randsehne des
Latissimus. Links fügte sich die entsprechende Schichte dem un-
veränderten, durchlaufenden Latissimusrande einfach an. Hier liegt
ein stark abgeändertes Verhalten vor, welches durch das kombinierte
Auftreten mit Schichte 1 und 2 erst seine volle Erklärung findet.
Alle zur Schichte 2 gehörenden, durchlaufenden Bündel des
Achselbogenslassen sich von den tiefen, zur Zwischensehne gelangenden
Elementen ohne Restbestandteile abtrennen, so daß ein Zweifel an
der Gliederung des Achselbogens in die drei Schichten nicht be-
stehen kann. Die Sicherung der gegebenen Auffassung geschieht
_ außerdem durch das im Wesen gleiche linksseitige Verhalten.
Die tiefe Schichte bildet durch den Verband mit den Rand-
bündeln des Latissimus dorsi für diesen eine Brücke, welche ihn
überleitet zum Ausgangspunkte des Achselbogens, zur Crista tuber-
euli majoris. In funktioneller Beziehung ist diese Brücke bereits
durch alle, mit dem Latissimus enger verbundenen Teile des Achsel-
‚bogens geschlagen, da letzterer als wirksamer Muskel vom Latissimus
beherrscht wird und von ihm aus zum beweglichen Humerus aus-
gedehnt aufgefaßt werden kann. Die Frage, inwieweit Latissimus-
Bündel ohne erhaltene Vermittlung von Achselbogenteilen direkt zur
Pectoralis-Insertion am Humerus übergeleitet werden können, er-
hebt sich hier aufs neue. Die in diesem Sinne gedeuteten Fälle
528 Georg Ruge
sind nicht ganz einwandfrei, weil die von der Insertion der Portio
abdominalis des Peetoralis major in den Latissimus dorsi fortgesetzten
Muskellagen seitliche Reste des Haut-Rumpf-Muskels sein oder ent-
halten können, weil eine genaue Prüfung auf Bestände von Zwischen-
sehnen wohl nicht immer vorgenommen worden ist, deren Vorhanden-
sein die diploneure Natur des fraglichen Muskels aber bestimmt.
Die von L. Toter (1902) beschriebenen Fälle (vgl. Fig. 21,
22, 25, 26) zeigen die innige Verbindung beider Muskeln unter Aus-
bildung einer Zwischensehne. Einige von Böse 1904 mitgeteilte
Beobachtungen sind als Beispiele direkter Anheftung des Latissimus
dorsi an der Crista tubereuli majoris oder der Oberarm-Faseie dar-
gestellt worden. Sind die Deutungen einwandfrei, so muß doch
auch hier nach allem, was wir von der Geschichte des Achselbogens
als eines Restes des Haut-Rumpf-Muskels wissen, derselbe als der Ver-
mittler für die Überleitung des Latissimus angesehen werden.
Der Latissimus dorsi des Menschen ist im Vergleiche mit ver-
wandten Formen in einer Ausbildung begriffen. Erhält sich abnormer-
weise der axillare Teil des Hautmuskels, so kann er durch die Ver-
bindung mit dem Latissimus dorsi die ansehnliche Entwicklung
eingehen, welche dem Latissimus in funktionellem Sinne zugute
kommt und durch ihn verursacht sein kann.
Das hier genauer besprochene Verhalten eines doppelseitigen
muskulösen Achselbogens hat insofern eine grundlegende Bedeutung,
als er sich in diejenigen Abschnitte gegliedert zeigt, welche je für
sich allein bestehen oder aber miteinander kombiniert zu den mannig-
faltigsten Ausbildungen führen können. Diese bilden das Tatsachen-
material, auf Grund dessen den muskulösen Achselbögen die Her-
kunft vom Haut-Rumpf-Muskel abgesprochen worden ist. Im Gegensatze
zur hier vertretenen Ansicht werden sie als Reste eines Latissimus
dorsi-Abschnittes aufgefaßt, welcher in primitiver Weise eine Ver-
bindung mit der Peetoralis-Gruppe herstelle.
Dr. Böse! läßt einige Formen des muskulösen Achselbogens
als Reste des Hautmuskels gelten. Dem habe ich nichts hinzu-
zufügen; denn L. TOBLER, mit dessen Ausführungen ich übereinstimme,
hat entsprechende Befunde bereits im genannten Sinne gedeutet.
Es handelt sich um Fälle, in welchen die Schichte 1 des hier be-
! Über einige Muskelvarietiten, den Pectoralis major, Latissimus dorsi und
Achselbogen betreffend. Morpholog. Jahrb. XXXII. Bd. 1904. S. 587—601.
Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 529
schriebenen Achselbogens allein erhalten ist. Böse neigt aber auch
zur Ansicht hin, eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Achsel-
bogen-Formen von jenem Latissimus-Abschnitte herzuleiten, welcher
den Rest einer primitiven Verbindung mit dem Pectoralis major dar-
stellen und in den Varietäten sich erhalten solle. Eine noch andre
Gruppe von Achselbögen wird als eine Kombination beider genetisch
verschiedenen Arten ausgegeben. Ich halte diese Deutungen für
unrichtig und alle von ihm verwerteten Fälle als treffliche Beispiele
von Haut-Muskel-Resten und von Latissimusbündeln, welche mit
diesen in engeren Verband getreten sind.
Um den Achselbogen als Rest einer Verbindung zwischen Pec-
toralis major und Latissimus dorsi zu erklären, nimmt Böse den
sehnigen LAnGerschen Achselbogen zum Ausgangspunkte und leitet
einige muskulöse Formen von ihm ab. Er führt zunächst eine Be-
obachtung hierfür ins Feld, wo ein Bündel aus dem Randteile des
Latissimus dorsi hervorgeht und, in einzelne Fasern aufgelöst, in
der Fascie der Achselhöhle endigt (Fig. 5 des Aufsatzes). Darin
wird man dem Autor zustimmen, daß dieses Latissimus-Randbündel
ein Rest eines Hautmuskels nicht zu sein brauche. Immerhin ist es
doch möglich, da dem Latissimusrande Hautmuskel-Reste tatsächlich
angeschlossen sein können. Es ist aber auch möglich, daß es sich
um Neubildungen am Latissimus handele, welehe durch Aberrationen
von Randbündeln zur Achselfaseie neue Beziehungen für den Muskel
erwerben lassen. Fernerhin ist es möglich, daß dieses Randbündel
den Rest einer Verbindung mit einem muskulösen Achselbogen dar-
stelle, wobei letzterer sich völlig rückbildete. Es wird in diesem
Falle den Elementen des Latissimus gleichwertig sein, welche auf
Fig. 2b mit der Schichte 3 des Achselbogens noch vereinigt sind.
Da eine Entscheidung für eine dieser möglichen Erklärungen aus-
geschlossen ist, verliert der Fall bei dem jetzigen Stande der Achsel-
bogen-Frage zunächst jegliche Bedeutung für deren Aufklärung.
| Böse geht weiter und knüpft an den vorigen Fall den auf
Fig. 4 abgebildeten an und bringt beide in genetischen Zusammen-
hang. Es handelt sich um einen Latissimus mit verbreitertem freien
_ Rande. Dieser geht in einen Sehnenbogen über, welcher von der
_ Latissimus-Endsehne zur Fascie des Oberarmes und Achselhöhle bis
_ zum Pectoralis major ausstrahlt. Der mit dem Sehnenbogen ver-
_ einigte Randteil des Latissimus ist etwa 2 cm breit. Auch hier kann
die Möglichkeit zugegeben werden, daß der Latissimus, wie Böse
n annimmt, ohne jegliche Beziehungen zu einem muskulösen Achsel-
i
530 Georg Ruge
bogen sich befinde, daß er von sich aus den Verband mit dem Peecto-
ralis major in sich trage. Diese Möglichkeit kann zugegeben werden,
da ein muskulöser Achselbogen fehlt. Es kann aber. ebensowenig
bestritten werden, daß ein solcher in irgend einer Weise angelegt und
der Vermittler für die Überleitung des Latissimus-Randbündels zum
fraglichen Sehnenbogen gewesen sei, und zwar aus dem schwer-
wiegenden Grunde, weil der Sehnenbogen nach Art der Verbindung
mit dem Peetoralis major und dem Randbündel des Latissimus sowie
durch seine Ausbreitung als ein sehnig umgewandelter Achsel-
bogen, aus dem Haut-Rumpf-Muskel hervorgegangen, sich kundgibt.
Denkt man sich den muskulösen Achselbogen der Fig. 25 zur Sehnen-
platte umgewandelt, so kommt in allen wesentlichen Dingen ein
Verhalten zustande, mit welchem Böse operiert. Ich halte es zum
mindesten für wahrscheinlicher, daß Böses Fall III (Fig. 4) die Ver-
bindung des Latissimus mit einem Restbestande des Haut-Muskels
darstelle, als daß er einer primitiven Latissimus-Anlage entspreche.
Böse geht noch einen Schritt weiter. Er erklärt auch jene ab-
gespaltenen Randbündel des Latissimus, welche ohne Vermittlung
eines Sehnenbogens direkt in die Oberarm-Fascie übergehen,
wenigstens zum Teil als Reste einer früheren Ausbreitung des
_ Latissimus in das Peetoralis-Gebiet. Böse meint (S. 598), man müsse
die aus dem Latissimus direkt, ohne Zwischensehne hervorgehenden
Formen als ursprünglich diesem Muskel eigen, als der tiefen Muskel-
schicht angehörig ansehen. Ich gehe auf die vergleichend-anatomische
Begründung hier nicht näher ein. Böse entnimmt sie aus dem Ver-
halten beim Meerschweinchen, Kaninchen und Hunde. Ich halte
mich streng an die in Betracht kommenden, menschlichen Befunde.
Nach Böse bestehen zwei verschiedene Grundformen für den
Achselbogen. Entweder ist er ein Rest des Pannieulus carnosus, oder
er läßt sich auf die frühere Ausbreitung des Latissimus dorsi in das
Peetoralis-Gebiet zurückführen. Jede Form kann für sieh bestehen;
beide können aber auch nebeneinander oder zur Bildung des Achsel-
bogens vereinigt vorkommen. Nach diesen Anschauungen werden
nun verschiedene anatomische Beobachtungen beurteilt, von denen
in der Tat einige einwandfrei, allerdings in einem ganz andern
Sinne, gedeutet werden können. Es seien die folgenden hervor-
gehoben.
1. Die in den Achselbogen gelegentlich übergehenden Bündel
der Pars abdominalis des Peetoralis major werden durch Böse mit
dem Randstreifen des Latissimus dorsi zusammengefaßt und als
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ie . Kr Bra nus ur Be &
Nr. aa
Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 531
Rest einer ursprünglich innigeren Verbindung von Latissimus und
Pectoralis-Gruppe gedeutet (l. ce. S. 599). Hiergegen ist einzuwenden,
daß ein ausgebildeter Haut-Rumpf-Muskel der Primaten sich wohl
anschließt an die Pars abdominalis der Pectoralis-Gruppe, mit welcher
er die gleiche Insertion, gleiche Innervation und gleiche Lage am
Abdomen teilt, daß er aber in diesem primitiven Verhalten gar keine
Gemeinsamkeit mit dem Latissimus dorsi besitzt. Diese stellt sich
erst als ein Sekundärzustand beim Menschen gelegentlich ein. Ein
primitiver Zusammenhang von Pars abdominalis und Latissimus ist
bei allen Primaten unbekannt.
2. Selbst die Abdominalportion wird durch Böse der tiefen
Schiehte und nicht dem Hautmuskel zugerechnet. Hiergegen ist
geltend zu machen, daß die Abdominalportion, sobald sie als solehe
eine innigere Verbindung mit dem Pectoralis major eingegangen ist,
eine oberflächlichere Lage am Oberarme einnimmt als der Haut-Rumpf-
Muskel. Letzterer schließt sich nach der Assimilierung der Pars
abdominalis mit dem Pectoralis major viel inniger dem Pectoralis minor
auf Grund seiner Lage an. Das wird bei niederen Primaten mit
einem Haut-Rumpf-Muskel, das wird beim Menschen nach Umbildung
des letzteren zu einem Achselbogen angetroffen (vgl. Fig. 1 und 2).
Niemals nimmt die Abdominalportion eine tiefere Lage als der Haut-
muskel ein. Besteht ein solcher, so fehlt ein Achselbogen, wie wir
ihn beim Menschen finden, und es fehlt ein Übergreifen des Latissi-
mus in das Pectoralis-Gebiet. Diese Dinge stellen sich erst als
differente menschliche Zustände ein.
3. Böse gibt zu, daß man die in der Fascie des Serratus anterior
ausstrahlenden Muskelzüge auf den Panniculus carnosus zurückführen
müsse. Er erklärt aber die von den Rippen oder der Abdominal-
portion des Pectoralis major ausgehenden Muskeln als Differenzierungs-
produkte der Peectoralis-Gruppe und hält diese Erklärung für ein-
facher als die einer sekundären funktionellen Hypertrophie eines
Hautmuskelteiles. Hiergegen ist hervorzuheben, daß das Wesen der
_ ganzen Frage hierdurch gar nicht berührt wird. Das Wesentliche
besteht eben darin, daß der Haut-Rumpf-Muskel ursprünglich auf
das unmittelbarste an die tiefe Schichte der Pectoralis-Gruppe.
sich anschließt, daß wir von der Abdominalportion erst nach statt-
u ndener Anlehnung eines oralen Abschnittes an den oberfläch-
‚liehen »Pectoralis major« reden können. Die Abdominalportion
bleibt für den Morphologen die Brücke zwischen Haut-Muskel und
Pectoralis-Gruppe. Der Begriff eines Haut-Rumpf-Muskels wird
Eee ee
532 Georg Ruge
durch die subeutane Lage gegeben. Der Muskel kann Beziehungen
zum Skelete erwerben. Die Verbindungen mit den Dornfortsätzen
der Wirbel ist weit verbreitet. Ein an Rippen festgehefteter Muskel-
teil, beim Menschen zugleich der Abdominalportion des Peetoralis major
angeschlossen, kann diese Skelet-Verbindung wohl erst später erworben
und ohne diese eine Zwischenstufe zwischen Peetoralis und Haut-
muskel abgegeben haben. Die auf dem Serratus anterior aus-
laufenden Muskelzüge entstammen der gleichen Schiehte wie die
Abdominalportion und sind Zwischenglieder zwischen ihr und axillaren
Resten des Haut-Rumpf-Muskels. Letzterer gehört aber seiner Ab-
stämmung nach zum Pectoralis-Gebiet. Die Abdominalportion des
Peetoralis major ist also ebenso wie der ganze Haut-Rumpf-Muskel
ein Differenzierungsprodukt der Pectoralis-Gruppe. Sobald Teile der
Abdominalportion auf die Rectus-Scheide beckenwärts herabreichen
oder weit lateralwärts ausgreifen und dabei auf den Serratus
anterior zu liegen kommen, so gelangen sie in das Gebiet des
Haut-Rumpf-Muskels und sind als Reste eines solehen zu bezeichnen.
Bündel der Abdominalportion können dabei den gleichen morpho-
logischen Wert wie die auf dem Serratus auslaufenden besitzen.
4. Die aus dem Latissimus dorsi direkt, ohne Zwischensehne
hervorgehenden Achselbogen-Bündel sollen dem Latissimus zugehören
und aus einem primitiven Zusammenhange zwischen ihm mit dem
Pectoralis-Gebiete ’erhalten sein. Es ist möglich, daß derartige
Formen vorkommen. Der Nachweis ihrer Existenz ist noch nicht
geführt. Sicher aber ist, daß Bündel eines Haut-Rumpf-Muskels sich
so innig dem Latissimus-Rande anschließen können, um den Ein-
druck von durchlaufenden Latissimus-Bündeln vorzutäuschen. Der
hier mitgeteilte Befund hat dies zeigen sollen. Die Fig. 10 in
Böses Aufsatze ist in schematischer Darstellung gegeben; sie
kann keinen Aufschluß über die Natur der »Randbündel« des
Latissimus geben, da die für die Frage in Betracht kommenden Zu-
stände unbekannt geblieben sind.
5. Wenn ein muskulöser Achselbogen durch eine Zwischensehne
in zwei Abschnitte zerlegt ist, so soll hier ebenfalls der Latissimus-
teil dem Reste einer früheren Ausbreitung des Latissimus in das
Pectoralis-Gebiet entsprechen (l. e. S. 599). Latissimus und Panni-
eulus carnosus seien zur Bildung eines Achselbogens vereinigt. Die
Unhaltbarkeit der Annahme von einer ursprünglichen Latissimus-
Ausdehnung hat durch die Analyse des oben dargestellten beider-
seitigen Achselbogens klargestellt werden sollen. Die Loslösung von
Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 533
Randbündeln des Latissimus dorsi und deren Verschmelzung mit
axillären Teilen eines Haut-Rumpf-Muskels zu einem Achselbogen
sind nach meiner Erfahrung immer sekundärer Natur. Wie weit
aber das sekundäre Übergreifen des Latissimus dorsi gegen die
Insertionsstellen der Peectoralis-Gruppe (Crista tubereuli majoris,
Tubereulum majus, Coracoid und Oberarm-Fascie) vorschreiten könne,
müssen neue, gut beglaubigte Tatsachen lehren. Bei der Aufnahme
derselben wird die genaue Berücksichtigung bestimmter Einrichtungen
in ähnlicher Weise gefordert, wie sie für unsern Fall erforderlich
gewesen ist. Die Fragestellung für Herkunft und Umwandlung des
Achselbogens ist eben bestimmter geworden, wodurch für die Unter-
suchung größere Genauigkeit gefordert wird. Nur sie kann noch
auf diesem Gebiete einen Fortschritt bringen. So steht es z. B. auch
bezüglich des sehnigen LAngerschen Achselbogens.
Wir können vermuten, er sei auf dem Boden des Hautmuskels
entstanden. Es sind aber auch andre Entstehungsarten denkbar.
Es kann sich ja zuweilen um eine selbständige Bildung einer Faseie
handeln, und warum sollte gelegentlich nicht auch der Latissimus
dorsi Anteil an einem axillaren Sehnenbogen nehmen? Der Einzel-
fall muß hier Aufschluß geben.
. F. Heipericm! behandelt den muskulösen und den sehnigen
Achselbogen. Er hält die sehnige Form für den letzten Rest des
bisweilen vorkommenden muskulösen Achselbogens. Diese Ansicht
hat durchaus nichts Befremdendes. Ich trage auch kein Bedenken,
alle aponeurotischen Achselbögen, deren Fasern zur Insertion der
Peetoralis-Gruppe, also zur Crista tubereuli majoris bis zum Coracoid
hinauf zu verfolgen sind, für letzte, sehnig umgewandelte Reste
muskulöser Achselbögen anzuerkennen. Geht der aponeurotische
Charakter mehr und mehr verloren, so wird sich schließlich eine
Bindegewebsmembran einstellen, die als eine Art Fascie ebenfalls
dem muskulösen Achselbogen die Entstehung verdanken kann.
_ Weitere Rückbildung werden Bindegewebsteile in der Achsel hinter-
lassen können, welche in die Nachbarschaft sich verlieren und, der
_ scharfen Begrenzung entbehrend, kein Urteil über die morphologische
_ Wertigkeit mehr gestatten. Eine Gruppe der muskulösen Achsel-
_ bögen, als Ausgang für die vielen Variationen aponeurotischer
F
: 1 Die Faseien und Aponeurosen der Achselhöhle, zugleich ein Beitrag
_ zur Achselbogenfrage. Anat. Hefte. XXX. Bd. Heft 92. 1906. Wiesbaden.
8. 519-557.
534 Georg Ruge
Bildungen genommen, ist nach F. HeıperıcH der Rest der bei andern
Siugern normal vorkommenden, pectoralen Portion des Latissimus
dorsi. Diese Art der muskulösen Achselbögen des Menschen hat
nach HEIDErRICH mit dem Pannieulus earnosus der übrigen Säuger
nichts zu tun. Ich halte diese Deutung nach den obigen Aus-
führungen für unrichtig. Es ist durch HEıperıcHh kein einziger
zwingender Grund vorgebracht worden, welcher die von ihm be-
sproehenen Formen von Achselbögen anders geartet zeigt als die auf
dem Boden eines Haut-Rumpf-Muskels entstandenen. Es handelt
sich nur um eine einzige große Gruppe, deren Glieder an Umfang und
Gestaltung sehr erheblich sich voneinander unterscheiden können.
Die verschiedenen Meinungen stehen sich schroff gegenüber, und so
werden wohl auch die Fehler der Deutung und Beobachtung hier
oder dort aufzudecken sein.
Auf Grund welcher grundlegenden Tatsachen deutet nun
F. HEıpDERICH die eine Gruppe des Achselbogen-Muskels für den Rest
einer peetoralen Portion des Latissimus dorsi? Er beschreibt einen
sehr ausgesprochenen Fall von muskulösem Achselbogen (l. e. Fig. 7,
S. 540), leitet von ihm eine Reihe andrer Formen ab und vergleicht
ihn mit einem Befunde bei der Katze. Menschlicher und Katzen-
befund gleichen nach HeipericH einander so vollkommen, daß beim
Vergleiche menschlicher Bildungen auf die der Carnivoren zurück-
gegangen wird. Es darf nun wohl zugegeben werden, daß ein Be-
fund bei der Katze unter Umständen ein sehr wertvolles Vergleichs-
objekt sein könne. Die Muskulatur der oberen Extremität der
Feliden dürfte jedoch ihre Besonderheiten besitzen. Das Schlüssel-
bein der Feliden ist rückgebildet, die Finger sind krallentragend.
Die Peetoralis- und Latissimus-Gruppe haben an Halt zu ersetzen,
was durch das rückgebildete Schlüsselbein verlorengegangen ist.
Die Katzen klettern; ihre Vordergliedmaßen verleihen ihnen den
Raubtiercharakter in höchster Spezialisierung. Sie erhaschen ihre
Beute im Sprunge und besitzen eine außerordentlich große Bewegungs-
freiheit und Kraft in ihren vorderen Gliedmaßen. Die Muskulatu
ist diesem Wesen natürlich auf das innigste angepaßt. Die An
ordnung von Pectoralis und Latissimus dorsi einer Katze kann un
möglich eine primitive Erscheinung sein. Mensch und Katze direk
miteinander zu vergleichen, verbietet uns ja so mancherlei, daß de
Versuch, diese ihrem ganzen Wesen nach verschiedenen Säugetiere un
mittelbar nebeneinanderzustellen, ein bedenkliches Wagnis zu heiße!
ist. Liegen einmal überraschende Übereinstimmungen vor, so wird ma’
Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 535
zur Vorsicht gemahnt. Es wird zunächst zu erwägen sein, ob es
sich um Einrichtungen handele, welche allen Säugetieren zukommen,
oder, wenn dies nicht der Fall ist, ob etwa Convergenzbildungen
vorliegen. Heiperich hält ohne besondere Prüfung der Feliden-
Organisation alle Zweifel an der Übereinstimmung des Achselbogens
von Mensch und Katze für ausgeschlossen. Meine Meinung unter-
scheidet sich dem ganzen Wesen nach von der HeivericHs. Ich
halte Heıpericuhs Methode der Interpretation für falsch. Für Ver-
gleichungen müssen in allererster Linie und ausnahmslos zunächst die
einander verwandten Formen herangezogen werden. Im natürlichen
Systeme stehen aber die Simiae und Prosimiae dem Menschen am
nächsten. Als Primaten gehören sie zusammen. HEIDERICH nimmt
hierzu eine höchst bedenkliche Eigenstellung ein. Die Primaten lassen
uns, so sagt er aus, bei der Deutung des muskulösen Achselbogens
des Menschen völlig im Stiche (1. e. S. 545). Der offenbar zu speziel-
leren Bewegungen weiter entwickelten Muskulatur der oberen Ex-
tremität wird die Schuld zugemessen. Ob HEIDERICH den Menschen
zu den Primaten zählt, erfahren wir nicht. Jedenfalls löst er ihn bei
den vergleichenden Erwägungen von Affen und Halbaffen los und bringt
ihn mit den Carnivoren und unter ihnen sogar mit den meist
spezialisierten Feliden in engeren Verband. Dieses Vorgehen steht
heutzutage wohl vereinzelt da. Würde es Nachahmer finden, so wäre
es vielleicht geboten, auf die Verirrung einer derartigen Ver-
gleichung genauer einzugehen. Eine Verirrung aber liegt fraglos
or, da der Sprung vom menschlichen Bau auf den der Carnivoren
ein Sprung ins Ungewisse ist. Wir fordern zunächst die Ableitung
der spezialisierten Organisation der Feliden vom primitiven Säugetier-
Bauplan, bevor wir den Vergleich mit andern spezialisierten Formen
für statthaft halten.
Es ergibt sich ohne weiteres, daß HEIDERICH andre Anschau-
ungen vertreten muß, als derjenige, welcher die Vorgänge am
muskulösen Achselbogen innerhalb der Primaten genauer studiert
hat und deren Ordnungen verwandtschaftlich zusammengehörend er-
_ achtet.
» Der Latissimus dorsi der Primaten dehnt sich in das Gebiet der
‚ Pectoralis-Gruppe ursprünglich nicht aus. Er inseriert als ein dorsaler
Muskel der Gliedmaßen an den für die Dorsalmuskulatur bestimmten
Flächen des Oberarmes. Er ist durch die vorderen Oberarm-Muskeln
_ (Biceps, Coraco-brachialis) von den Insertionsflächen der Pectoralis-
_ Gruppe getrennt. Dieses primäre, für alle Säugetiere geltende Ver-
». Morpholog, Jahrbuch. 41. 35
f
%
536 Georg Ruge
halten kann abgeändert werden, z. B. bei der Katze (s. HEIDERICH),
ob ohne Zutun des Haut-Rumpf-Muskels, ist unbekannt. Festzustellen,
wie diese Abänderung zustande kommt, ist eine dankbare Aufgabe
der vergleichenden Anatomie. Die primäre Anordnung kann auch
beim Menschen in einen sekundären Zustand übergeleitet werden;
aber nur unter Vermittelung von axillaren Resten des Haut-Rumpf-
Muskels. Es handelt sich bei Feliden und beim Menschen, bei weit
voneinander abstehenden Formen, vielleicht um ganz verschiedenartige
Vorgänge, welche immerhin zu scheinbar gleiehartigen Befunden
führen können. Als Convergenzerscheinungen erhalten sie ihren Wert.
Alle Einzelbeobachtungen, soweit sie interpretationsfähig
sind, behalten ihre Bedeutung für die umstrittenen Erklärungen.
Von den durch HEIDERICH mitgeteilten neuen Beobachtungen ist die
auf Fig. 7 abgebildete die wertvollste. Sie ist photographisch wieder-
gegeben und genauer beschrieben. Sie ist in der Tat eigenartig.
Dies Eigenartige verlockte zur Vergleichung mit Formen, welche mit
der menschlichen direkt nichts Gemeinsames haben.
Der Befund zeigt folgendes. Ein platter Muskel schließt an
den Seitenrand des Latissimus dorsi an. Ein schmaler, deutlicher
Spalt trennt beide. Der Faserverlauf beider ist ein paralleler. Die
dem Latissimus anliegenden Bündel inserieren an der Latissimus-
Sehne. Die oralwärts folgenden Bündel gelangen zu einem Sehnen-
bogen, welcher vom Rande des Latissimus dorsi zur Unterfläche
des Peetoralis major und zum Coracoid sich ausdehnt. Vordere
Randbündel ziehen direkt zum Coracoid. — Der abnorme Muskel
füllt den Raum zwischen Latissimus und Pectoralis major aus; er ist
caudal durch einen breiten Zwischenraum von letzterem getrennt und
verschwindet eranialwärts unter ihm.
Wie der abnorme Muskel sich am Rumpfe verhält, ob er frei
ausläuft oder an Rippen befestigt ist, ist nicht angegeben. Das
Verhalten des Pectoralis minor ist nicht erwähnt. Da der abnorme
Muskel bis an das Coracoid heranreicht, muß irgendwelche Be-
ziehung zum Pectoralis minor bestanden haben. Diese Beziehung
ist vielleicht eine derartige gewesen, daß sie die Zusammengehörig-
keit beider hätte erkennen lassen. Auch die Innervation ist unbe-
kannt geblieben. Mithin blieb an dem Falle nur übrig, einem Muskel
eine Deutung zu geben, weleher vom Coracoid und distalwärts von
ihm an der unteren Sehnenfläche des Peectoralis major ausging und
unter Verbreiterung seines Bauches den Anschluß an den Seitenrand
des Latissimus fand, wobei der zur Sehne des letzteren ziehende
Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 537
Abschnitt des abnormen Muskels einen scharfgeschnittenen Sehnen-
bogen bildete, welcher über Gefäße und Nerven der Achselhöhle
sich erstreckte.
Dieser im Wesen so einfache Muskel ist durch HEIDERICH als
eine peetorale Portion des Latissimus dorsi gedeutet. Hierfür ist
kein einziges sicheres Merkmal angeführt worden. Die bloße Er-
scheinung sollte schon die Erklärung sein. Nicht einmal die Inner-
vation hat für die Deutung des Befundes ins Feld geführt werden
können, welcher sogar auf die Carnivoren-Organisation zurückweisen
soll. Das ist zu wenig für die Interpretation eines in der Er-
klärung umstrittenen Sachverhaltes. Die Möglichkeit indessen, daß
HEıpericHhs Auffassung von der Latissimus-Natur des abnormen
Muskels richtig sei, gebe ich zu. Aber auch nicht mehr. Denn es
besteht die andre Möglichkeit der Deutung, daß der Seitenteil eines
Haut-Rumpf-Muskels sich erhalten und an den Latissimus sich enger
angeschlossen habe. Dabei können Randbündel des letzteren los-
gelöst und zum Sehnenbogen in Beziehung gelangt sein. Zugunsten dieser
Deutung könnte der vom Autor angegebene deutliche Spalt zwischen
Latissimus und abnormem Muskel angeführt werden (l. ec. S. 539).
Vor allem aber fällt folgender Erscheinungskomplex zugunsten dieser
Erklärung ins Gewicht. Der Ausgang des fraglichen Muskels vom
Coracoid und von der unteren Fläche der Endsehne des Pectoralis
major sowie der Verlauf zur seitlichen Rumpffläche sind die durch-
gehenden Eigentümlichkeiten eines von der Peectoralis-Gruppe ab-
stammenden Hautmuskels. Die starke Entfaltung des abnormen
Muskels spricht dabei selbstverständlich nicht gegen letztere Deutung,
‚und der enge Anschluß an den Seitenrand des Latissimus ist für
Reste eines Haut-Rumpf-Muskels gar nichts Ungewöhnliches. Um
den Zweifler an dieser Tatsache zu belehren, diene der oben mit-
geteilte, aufklärende Fall. — Eine dritte Möglichkeit der Deutung
"ist die, daß Teile eines Hautmuskels und losgelöste Latissimus-Rand-
bündel im fraglichen Gebilde enthalten seien, etwa ähnlich wie im
‚oben geschilderten Verhalten. Das läßt sich aber nachträglich aus
der Vorlage schlechterdings nicht entscheiden. Wenn es aber der
"Fall sein sollte, so wäre die Überleitung der Latissimus-Teile durch den
_ Hautmuskel in einer nicht mehr zu eruierenden Weise zustande ge-
kommen. Dieser besitzt am Coracoid und an der Crista tubereuli
majoris für alle Säugetiere primäre Stätten der Anheftung; während
der »dorsale« Latissimus diese »ventralen« Skeletinsertionsflächen,
auf welchem Wege auch immer, erst zu erwerben hat.
30*
538 Georg Ruge. Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend usw.
HEIDERICH hat bei seinem Befunde nicht alle Möglichkeiten der
Deutung erwogen, bei der Anwendung der vergleichenden Methode
aber eine sehr schiefe Bahn betreten.
Die bei Heıperıcn auf Fig. 9 und 11 abgebildeten Fälle sind
so schematisch und ungenau gehalten, daß aus ihnen für die Förderung
der Achselbogenfrage nichts Neues erschlossen werden kann. Wir
verfügen über viel bessere Beispiele für diese Arten von Achsel-
bögen, welche allerdings unter ganz andern Gesichtspunkten eine
Besprechung erfahren haben. Es ist wahr, daß im Falle der Fig. 11
ein Latissimus-Abschnitt zum Achselbogen gelangt; denn der N.
thoraco-dorsalis versorgt ihn. Welche Bestandteile aber sonst noch
im Achselbogen bestehen mögen, lassen weder Figur noch Be-
schreibung erraten. Auf dem Gebiete des Achselbogens ist eben-
so wie auf dem des Sternalis nur noch das zielbewußte Genaueste
nutzbringend.
Die Arbeit HEIDERICHs regt aufs neue die Frage an, wie weit
der Latissimus dorsi nach Verbindung mit dem muskulösen Achsel-
bogen, einem Derivate des Haut-Rumpf-Muskels sich an der Bildung
eines Achselbogens beteiligen und zur Insertion der Mm. pectorales
sich ausdehnen könne. Ein wohlverbürgter Fall in der Literatur,
wo der Latissimus dorsi den ganzen Achselbogen bildet, ist bis jetzt
unbekannt. Wird er einmal bekannt, so hat man ihn als Endglied
und nicht als Ausgangspunkt der gesamten Reihe einzuschätzen.
Das fordert nach dem jetzigen Stande unsrer Erfahrungen die ver-
gleichende Anatomie der Primaten. Die Verfechtung einer gegen-
teiligen Ansicht hätte viel Grundsätzliches zu stürzen, Neues aber:
mit einem andern als bis jetzt verwendeten Materiale aufzubauen.
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E.
(Aus dem anatomischen Institut der Universität Zürich.)
Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi
an Achselbogenbildungen beim Menschen.
Von
Dr. H. Bluntschli,
Privatdozent und Assistent am anatomischen Institut Zürich.
Mit 8 Figuren im Text.
Diesen Zeilen vorstehend findet sich ein Aufsatz meines ver-
ehrten Chefs und Lehrers GEORG RugeE! abgedruckt, in welchen
derselbe der Achselbogenfrage neuerdings seine Aufmerksamkeit
schenkt und vor allem die grundsätzlichen Gesichtspunkte scharf
zeichnet, unter welchen eine weitere Förderung des Problems zu er-
warten steht. Dabei mußte er sich mit den Auffassungen einiger
neuerer Autoren (vor allem Böses? und HEIDERICHs?) beschäftigen,
welche auf Grund keineswegs vollständiger und absolut nicht ein-
deutiger Beobachtungen für die Ableitung gewisser Achselbogen-
zustände vom Latissimus dorsi eintraten. Trotzdem RugE bereits
ausführlich das Irrtümliche in jenen Anschauungen auseinanderge-
setzt hat, folge ich seiner Aufforderung, an Hand einiger selbständig
gemachter Beobachtungen auf das Tatsächliche in der Latissimus-
Achselbogenfrage einzugehen. Ich tue es in der Hoffnung, daß die
nachfolgenden Beobachtungen dazu beitragen möchten, die ganze
Frage dem Boden der Gegensätzlichkeiten und Mißverständnisse
etwas mehr zu entrücken, als dies bisher bei einzelnen, nicht gerade
tiefgehenden Arbeiten der letzten Zeit der Fall war.
1 G. Rue. Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des
Menschen—» Achselbogen«, Morphol. Jahrb., Bd. XLI. 1910. $. 519—538.
2 Böse. Über einige Muskelvarietäten, den Peetoralis major, Latissimus
dorsi und Achselbogen betreffend. Morph. Jahrb., Bd. XXXII. S. 587—601.
11 Fig. 1904.
3 F. HeipericH. Über Fascien und Aponeurosen der Achselhöhle, zugleich
ein Beitrag zur Achselbogenfrage. Anatom. Hefte. Abt. Arbeiten aus anat.
Instituten. Bd. XXX, Heft 92. S. 517-557. 12 Abb. 1906.
540 H. Bluntschli
Daß in der Achselhöhlenregion des Menschen, sowie in der
seitlichen Brustregion, eine oberflächliche, dem Pannieulus carnosus
zahlreicher Säugetiere homologe Muskulatur, in im einzelnen sehr
wechselnden Erscheinungsbildern feststellbar werden kann, dürfte
durch die umfassenden Untersuchungen L. TOBLERS! und die aus-
führliehen Darlegungen G. Ruses? einwandfrei bewiesen sein. Die
nach den Anschauungen Böses und HEIDERICHS offene Frage ist nur
die, ob alle Achselbogenbildungen auf Pannieulusreste rückführbar
sind oder ob zweierlei grundsätzlich unterscheidbare Bildungen be-
stehen, welche beide auf primitive, an sich aber gänzlich verschieden-
artige, Verhältnisse hinweisen. Die Tatsache, daß Beziehungen
zwischen Achselbogenbildungen einerseits, welche auf die Hautrumpf-
muskulatur bezogen werden müssen und der Pectoralisgruppe ent-
stammen, und Teilen des dorsalen® Latissimus dorsi anderseits
vorkommen, ist längst festgelegt. Nicht immer bestehen diese
nur in funktionell wohl wenig bedeutsamen, oberflächlichen An-
lagerungen von Panniculuselementen an den breiten Rücken-
muskel, sondern gar nicht so selten, wie dies schon TOBLEr (S. 500)
deutlichst hervorhob, auch in funktionell wichtigen Verknüpfungen
der beiden nachbarlichen Muskelgebilde. Durch diese Verbindung
ist die Grundlage für die progressive Metamorphose gewisser
Achselbogenbildungen gegeben, welche nur unter Annahme einer
funktionellen Hypertrophie der ursprünglich gewiß zarten Panni-
culuselemente zu recht kräftigen Muskelgebilden verständlich werden.
Diesen Beziehungen zwischen Achselbogenbildungen und Latissimus
dorsi nachzugehen und dieselben spezieller zu untersuchen, kann
als eine durchaus zeitgemäße und erwünschte Aufgabe gelten.
TOBLER ist auf diese Frage nicht näher eingegangen, hat uns aber
nicht in Unklarheit darüber gelassen, daß er sich diese Verbindung
als eine sekundär entstandene denkt (S. 501). GEHRI#, der eine
sehr schöne Beobachtung mitteilt, pfliehtet TOBLERS Anschauungen
bei und auch Ruge (1905, S. 496) denkt ähnlich Er gruppiert die
Beziehungen zwischen Hautrumpfmuskel und Latissimus in drei
! L. TOBLER. Der Achselbogen des Menschen, ein Rudiment des Panni-
culus carnosus der Mammalier. Morph. Jahrb. Bd. XXX. S. 453—505, 27 Abb. 1902.
2 G. Rue. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere. — Der M. sternalis und
der Achselbogen des Menschen. Morph. Jahrb. Bd. XXXIIl. 8. 379—531. 1905.
3 Selbstverständlich nur auf die Gliedmaßen- und nicht auf die Rumpf-
muskulatur bezogen.
* K. Gzur1. Neue Beiträge zur Geschichte des Achselbogens des Menschen.
Morph. Jahrb. Bd. XXXI. S.446—452. 2 Fig. 1903.
Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi usw. 541
Reihen. Die erste (primärer Achselbogen) charakterisiert sich
durch Verwachsung der Pars axillaris des Hautrumpfmuskels, bzw.
von Resten derselben, mit den Randbündeln des Latissimus. Eine
Zwischensehne teilt beide Komponenten. Beim zweiten Typus (zu-
sammengesetzter oder sekundärer Achselbogen) spalten sich
Randbündel des Latissimus dorsi vom Muskelbauch ab und dehnen
sich axillarwärts aus, wobei der primäre Hautmuskelachselbogen
ihnen als Anheftung dient!. Die dritte Möglichkeit (tertiärer
Achselbogen), die rein hypothetisch konzipiert ist und bisher nicht
einwandfrei beschrieben wurde, würde durch weitere Ausbildung der
Latissimusbündel und Auswachsen gegen die Pectoralis major-In-
sertion bei gleichzeitiger Rückbildung des Hautrumpfmuskels zustande
kommen müssen (Latissimus-Achselbogen). »In allen diesen Fällen
wäre der Hautmuskelachselbogen der Ausgangspunkt für die Brücken-
bildung zwischen Pectoralis und Latissimus.< Neuerdings haben, in
Anlehnung an ältere Angaben von TestuT, EnDRES und LE DousLE
(zitiert nach Ruge 1905, S. 501ff.), Böse und HEIDERICH den Anlauf
zu andersartiger Auffassung der Verhältnisse genommen. Sie sprechen
von Latissimusachselbögen, welche als Reste der bei Carnivoren und
Nagern beobachteten peetoralen Portion des breiten Rückenmuskels
zu gelten hätten. Ich kann es mir versagen, ihre Darlegungen genauer
auszuführen, nachdem dies soeben in Rugzs Aufsatz (1910) eingehend
geschehen ist. Es findet sich dort auch die genauere Begründung für
die Ansicht, daß ihr Versuch als ein unglücklicher zu gelten habe.
Wenn ich die Frage erwäge, wie jene Verfasser zu ihren Folgerungen
kamen, kann ich mich des Schlusses nicht erwehren, daß ihnen der
große und ungemein lehrreiche Eindruck fehlte, welcher sich dem
Primatenforscher bei seinen Untersuchungen an den verschiedensten
Organsystemen tagtäglich mit aller Macht aufdrängt: eine ein-
heitliche Säugetiergruppe vor sich zu haben. Wenn er dann
mit geschultem Auge eine Katze, einen Hund, ein Meerschweinchen
oder Kaninchen — alles Tiere, auf die Böse und HEIDERICH ihre
Folgerungen stützen — zergliedert, trifft er auf Schritt und Tritt
grundsätzliche Differenzen, die an sich dem Ungeübten nicht be-
sonders tiefgreifende zu sein scheinen, aber dem, der nun einmal
die Zustände der Primatenlegion überbliekt und bei allen artlichen
und individuellen Besonderheiten den durchaus einheitlichen Grund-
charakter im Primatenbau, welcher sich sehr wohl vom Grundtypus
i Hierher gehört der Fall GEHrı S. 451.
542 H. Bluntschli
der Säuger überhaupt unterscheiden läßt, erfaßt hat, zu auffallenden
Unterschiedliebkeiten werden. Es liegt in der vergleichend-morpho-
logischen Forschungsmethode, sofern sie Anspruch darauf machen
will, über die inneren, verwandtschaftlichen Beziehungen der Orga-
nismen zueinander etwas auszusagen, die Voraussetzung begründet,
daß sie von reieher und auf allgemeinere Kenntnisse gestützter Er-
fahrung über das zu vergleichende Material getragen sei, denn nur
dann ist die Möglichkeit gegeben, eine Scheidung zwischen an sich
wesensgleichen Befunden, welche zu wichtigen Dokumenten der
Stammesgeschichte werden, und wesensähnlichen, weil durch
konvergente Entwicklung bei einander durchaus fernstehenden Formen
entstandenen Zuständen, durchzuführen. Ohne diese Einschätzung
der Tatsachen auf Grund eines Erfahrungsschatzes der Forschung
hört die vergleichende Anatomie auf, eine ernste Wissenschaft zu
sein, — denn, wie CLAUDE BERNART treffend sagt, machen nicht die
Tatsachen die Wissenschaft aus, sondern die Folgerungen und Schlüsse,
die man aus den Tatsachen zieht. Vergleichende Morphologie zu
treiben, ohne reiche eigene oder fremde Erfahrungen über das zu
vergleichende Material in Berücksichtigung zu ziehen, muß als ein
verfehltes Bemühen gelten, ganz dazu angetan, eine an sich treffliche
und hochbedeutsame Forschungsrichtung zu diskreditieren.
Nach diesen Überlegungen wollen wir dazu übergehen, das Tat-
sachenmaterial über den Anteil des Latissimus dorsi an Achselbogen-
bildungen genauer anzusehen. Dabei möchte ich von den eigenen Beob-
achtungen ausgehen, die ich auf dem Züricher Präpariersaal machte.
Abbildung 1 stellt eine starke Verbreiterung des Latissimus
dorsi in die seitliche Thoraxregion dar, wobei es im Insertionsteil
zu einer Gliederung der Muskelmasse in eine ventrale Partie und
eine dorsale, letztere fortgesetzt in die reguläre Latissimussehne, ge-
kommen ist. Der ventrale Teil heftet sich unter teilweiser Abbiegung
der Muskelfasern an einen Sehnenstreifen fest, der auf der unteren
Grenzlinie der Latissimussehne beginnt, als schmales Gebilde gegen
den Coracoidfortsatz gerichtet ist und daselbst, wie nach lateral von
dieser Stelle, in die den Musculus coraco-brachialis bedeekende
Fascienlamelle ausstrahlt. Dabei läßt sich an dieser Insertionssehne
eine Verstärkung am ventralen Rande, der zum Processus coracoides
läuft, wie auch am lateralen, der gegen den Coracobrachialis und
die Insertion des Peetoralis major ausstrahlt, feststellen, dazwischen
ist die Sehne entschieden zarter. Die muskuläre Insertion an diesem
Bandstreifen hat 3 cm Breite, der ventrale Insertionsteil des ver-
Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi usw. 543
breiterten Sehnenstreifens ist nahezu ebenso lang. Daß der ganze
Muskel als Latissimus dorsi aufzufassen ist, erscheint mir zufolge
der Innervation durch den N. thoraco-dorsalis undiskutierbar.
Während im oberen Teil die Pars ventralis und dorsalis dieses
Muskels deutlicher getrennt erscheinen, erfolgt nach unten von einer
Höhe, die etwa der Horizontalprojektion der Serratusanheftung an
der 5. Rippe entspricht, eine so innige Aneinanderlagerung beider
Fig. 1.
Proc. coracoides
> Sehniger Achsel-
bogen
’ M.sternalis — Pars dors. ja M.
latiss.
—— —_ Pars a dorsi
| \ |
Ir.
Sehniger Achselbogen mit ventraler Verbreiterung des Latissimus dorsi bei einem 47 jährigen Italiener,
(Leichen Nr. 09/82.)
Portionen, daß man von einem einheitlichen Muskel sprechen muß.
E Durch Verfolgung der Faserrichtung läßt sich nachweisen, daß in
_ die Pars ventralis noch ein Teil der Muskelzüge übergeht, der von
der Ursprungsaponeurose des Latissimus stammt, ebenso die Rippen-
zackenfasern und einzelne oberflächliche Faserzüge, die auf der
_ untersten Serratuszacke, sowie zwischen dieser und der obersten
Rippenzacke des Latissimus fascialen Ursprung nehmen. Die Pec-
toralismuskeln zeigten keine wesentlichen Besonderheiten, doch be-
_ stand ein rechtsseitiger M. sternalis, welcher aus zwei Bündeln
zusammengesetzt war, die in der Gegend des Angulus sternalis
sehnig, in Zusammenhang mit rechts- und linksseitigen Pectoralis-
544 H. Bluntschli
fasern, entsprangen. Das mediale Bündel wird etwa in der Höhe
des Unterrandes der 3. Rippe fleischig, ist recht kompakt und breit
und inseriert an der Rectusscheide am Unterrand der Pars sterno-
costalis des Peectoralis major, d. h. entsprechend der Höhe des
5. Rippenknorpels. Das laterale Bündel macht eine starke Krümmung
durch, es ist ein zarter schmaler Strang, der aus sehr feiner Sehne
hervorgeht und auf jener Zacke des Pectoralis major fascial endet,
welche sich an der Knorpelknochengrenze der 5. Rippe anheftet.
Unsere Beobachtung zeigt reichliche Anklänge an Zustände, wie
sie vor allem HEIDERICH beschrieb. Er hat in verschiedenen Figuren!
die starke Ausdehnung des Latissimus dorsi auf eine Sehnenbrücke,
»die sich vom Rande des Latissimus dorsi zur Unterseite des M.
pect. major und zum Processus coracoides ausspannt« gesehen und
auch für diese zum Teil ventral von den Achselhöhlengefäßen und
Nerven inserierenden Muskelzüge gelegentlich eine dorsale Inner-
vation festgestellt. Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich annehme,
daß HEIDERICH meine Beobachtung seinen Latissimusachselbögen
ohne weiteres beizählen würde. Für die Bewertung der Beobachtung
wird nun die Frage von prinzipieller Bedeutung, ob die Latissimus-
fasern zu jenem Sehnenbogen nur sekundäre Beziehung besitzen, ihn
gewissermaßen nur als Brücke zur Wanderung ihres Angriffspunktes
benutzten, oder ob der Sehnenbogen die eigentliche Endsehne der
ventralen Latissimusportion von vornherein darstellt. HEIDERICH
nimmt das letztere als bewiesen an, — ich hoffe zeigen zu können,
daß erstere Auffassung, die schon von Rucz (1905, S. 497) auf Grund
einiger älterer Beobachtungen vertreten ward, nach unseren heutigen
Kenntnissen tatsächlich allein in Frage kommt. Das genaue In-
sertionsverhalten unseres Falles tut zweierlei dar, 1. daß jene
Sehnenbrücke auf den Vorderrand der Latissimussehne aufgelagert
sein muß und nicht einen Teil derselben darstellt, wie der Verlauf
der Sehnenfasern einwandfrei zeigt, 2. daß die Fasern der ventralen
Latissimusportion sich alle, namentlich die hinteren, entgegen ihrer
eigentlichen Verlaufsrichtung unter leichter Abbiegung nach ventral
festheften. Letzteres kann wohl kaum als primitives Verhalten ge-
deutet werden, denn gerade die Carnivorenzustände, auf die sich
HEIDERICH beruft, widersprechen dem entschieden, ersteres scheint
mir auch die Erklärung für jenen merkwürdigen Faserverlauf im
sehnigen Teile muskulöser Achselbögen abzugeben, von dem HEIDERICH
ı Fig. 7—11.
Über die Beteiligung des Museulus latissimus dorsi usw. 545
in seinen Fig. 8 und 9 Darstellungen gibt, die durchaus nicht den
Charakter ursprünglicher Verhältnisse, vielmehr von sekundären
Verschiebungen und Verlagerungen tragen. Schon dies weist darauf
hin, daß jene Sehnenbrücke dem Latissimus dorsi ursprünglich
fremd gewesen sein dürfte.
Woher kann nun diese Sehnenbrücke (Aponeurotischer Achsel-
bogen, LAnGERsS) stammen? Nach allem was bisher von mensch-
lichen Varianten wie an Befunden niederer Primaten festgestellt
werden konnte, liegt die Ableitung vom sog. axillären, muskulären
Achselbogen, dem Rudiment eines zur Rückenhaut ziehenden Haut
muskelteiles niederer Formen am nächsten. Nur wenn diese Ab-
leitung mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnte, wäre an andre
Dinge zu denken. Sie läßt sich aber in unserm Fall durchaus
wahrscheinlich machen und durch andre Befunde direkt beweisen.
In unsrer Beobachtung sprechen zwei oben erwähnte Punkte für die
sekundäre Beziehung des Latissimus zu der Sehnenbrücke, ebenso
wie die Tatsache, daß die Äste des N. thoraco-dorsalis erst tief unten
in die Pars ventralis des Latissimus eintreten, was nach NussBAums!
Beobachtungen auf ein Auswachsen dieser Partie des Latissimus nach
eranial und ventral hinweist, es spricht für die ursprüngliche Haut-
muskelnatur des Sehnenstreifens die Endausstrahlung gegen den
Processus coracoides und die Fascienbedeckung der vorderen Arm-
muskeln (Coracobrachialis, Biceps). Die Insertionsausdehnung des
Pannieulus carnosus der Primaten ist in primitiven Zuständen (TOBLER)
eine große, sie reicht von der Crista tubereuli majoris zur Fascie auf
Biceps und Coracobrachialis und bis zum Rabenschnabelfortsatz. Die
Mannigfaltigkeit im Insertionsverhalten muskulärer und sehniger
Achselbogenbildungen beim Menschen beruht gerade auf dem im Ein-
zelfall ungleichen Erhaltenbleiben ausgedehnterer Anlagen. Schon bei
den Affen ist die Pars axillaris des Hautrumpfmuskels vielfach redueiert
undan der Insertion verschmälert. Die letztere findet sich (vgl. TOBLER,
S. 486), 1. entweder gemeinsam mit der Pectoralis major-Sehne,
oder 2. von dieser getrennt an der Crista tubere. maj., oder 3. an
der Faseie über der langen Bicepssehne, dem kurzen Bicepskopf und
dem Coracobrachialis, in einzelnen Fällen strahlen die Insertions-
fasern zum Humeruskopf, zur Gelenkkapsel und zum Processus
j {
eoracoides aus.
ei
E ! NussBAum. Muskel und Nerv. Verhandl. d. anatom. Gesellschaft, Straß-
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ER
r
546 H. Bluntschli
Für die Ableitung des sehnigen Achselbogens von Hautrumpf-
muskelresten sprechen nun vor allem seine Beziehungen zu den
lateralsten Teilen des großen Brustmuskels, zur sog. Portio abdo-
minalis, die einer tiefen Pectoralisschicht entstammt, gelegentlich
als Pectoralis quartus noch selbständig getroffen wird und sehr häufig
noch intensivere Beziehungen zum Skelet vermissen läßt, d.h. erst
sekundär zu einem Teil des Pectoralis major geworden sein dürfte.
Für solche Verbindungen kann ich eine Reihe von Belegen beibringen.
Ehe ich auf ihre Schilderung eingehe, sei in Kürze der Ein-
teilung der Hautrumpfmuskulatur des Stammes, die sich
stets von der tiefen Pectoralschicht herleitet und deshalb primär
stets Beziehungen zum Peectoralis minor besitzt, gedacht. Diese tiefe
Matrix der Pannieulusschicht deutet unzweifelhaft auf die sekundär
erworbenen Beziehungen zur Haut hin!. Auf der Wanderung dieser
Muskulatur kam es zur Überschichtung von andern Muskeln, die
niehts mit der Genese der Hautrumpfmuskulatur zu tun haben. Die
Ausdehnung erfolgte nach hinten und unten, durch die Achselhöhle und
auf die Rückenmuskulatur (Pars axillaris et dorsi), sie erfolgte
nach unten in die seitliche Thoraxregion und führte zur Über-
schichtung über den Serratus anterior (Pars thoracalis lateralis),
sie ging auch nach ventral und unten (Pars abdominalis). Diese
Teile hängen vielfach kontinuierlich zusammen, ihre Unterscheidung
im einzelnen ist nur dort durchführbar, wo es zu Trennungen kam.
Von ihnen allen treten beim Menschen noch Reste in Erscheinung,
auch hier aber sind wir bisweilen im Zweifel, ob wir Einzelbündel
diesem oder jenem Teil zuzurechnen haben. So ist für Randfasern,
die sich dem Latissimus anschmiegen, die Zugehörigkeit zur Pars
dorsi oder zur Pars thoracalis lateralis nicht immer genau festzulegen.
Es sind intermediäre Züge, die bei Erhaltensein einer Pars dorsi
zu ihr, bei Bestehen einer Pars thoracalis lateralis (Fall BAscHo?)
zu dieser gezählt werden können. Deutlicher gesondert ist in der
Regel die Pars abdominalis. Sie wird durch Anlagerung an den
Pectoralis major und Assimilierung durch diesen zu einer Portio
abdominalis desselben mit mehr oder weniger deutlichen Skelet-
anheftungen. Wir können also die ventralen Hautmuskelabkömmlinge
(Pars abdominalis) in gewissen Gegensatz zu den dorsalen (Pars
1 'TOBLER, ]. c. S. 462.
? Bascuo, PaurA. Beobachtung eines Restes des Hautrumpfmuskels beim
Menschen, Pars thoracalis lateralis desselben. Morph. Jahrb. Bd. XXXIII. 1905.
S. 374—378,
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82 Ar
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Über die Beteiligung des Museulus latissimus dorsi usw. 547
axillaris et dorsi, Pars thoracalis lateralis) bringen. Dieser Gegensatz
charakterisiert sich auch im Insertionsverhalten, die Pars ventralis
ist inniger dem Peectoralis major verbunden, die Pars dorsalis in der
Regel noch weit näher in Beziehung zur tiefen Pectoralisschicht,
dem Pectoralis minor. Eine Kreuzung der Faserrichtung im In-
sertionsteil wird aus diesem Verhalten verständlich, sie besteht zum
Teil schon bei niederen Primaten und prägt sich in interessanten
Befunden beim Menschen auffallend deutlich aus. Wo sie fehlt,
handelt es sich um Rückschläge auf ältere Zustände, wo die Pars
Fig. 2.
Nerv | zum Achsel- ”
bogen u. zur Pars
abdom. des Pect. maj.
(aus Nn.thorac. ant.)
Muskulöser Achsel-
bogen
N. intereosto-brach.”"
(aus N, intercost.III)
Pars abdominalis ”
d. Hautrumpfmuskels
Achselbogen eines 70jährigen Mannes aus dem Bezirk Andelfingen, Kanton Zürich (08/86).
dorsalis und ventralis des Hautrumpfmuskels noch nicht voneinander
geschieden waren.
In TogLers Fig. 22 und 23 (S. 496 u. 498) sind Zustände er-
kennbar, wo sich die Insertion der Pars abdominalis (bzw. Portio
abdominalis des Peetoralis major) auf die Insertion der Pars dorsalis
des Hautrumpfmuskels, die sich nicht rein muskulös erhalten, sondern
zum größten Teil in einen langen Sehnenstreifen umgewandelt hat,
verschoben findet. Hier reihen sich neue Befunde ein, die ich nun-
mehr besprechen und in ihrer Bedeutung würdigen will. — Bei
einem 7Ojährigen Manne (Abb. 2) traf ich einen schönen muskulösen
Achselbogen, deutlich auf die Insertionssehne des Latissimus dorsi
aufgelagert und durchbohrt vom N. intereosto-brachialis, wie dies
so häufig angetroffen wird. Seine platte Insertionssehne schließt
548 H. Bluntschli
sich der Unterfläche der Peetoralis major-Insertion an, wobei sich
ihr ein mediales Bündel der Pars abdominalis beigesellt, während
sich ein laterales Bündel durch sehnige Faserzüge an der Fascien-
bedeekung seines Unterrandes, nicht weit vom vorderen Latissimus-
rande, anheftet. Diese Pars abdominalis charakterisiert sich auch
im Ursprungsverhalten als dem Pectoralis major fremd, ihre sehnigen
Fasern überkreuzen die untersten Ursprungszüge der Pars sterno-
costalis genannten Muskels. Die Innervation des Achselbogens und
Fig. 3.
N. thorac. ant. aus N. cervic. VIII e
«. thorac. I zu M. pect. min. u. N. thorac. ant. aus Nn. cervic.
Pars abd. d. pect. ma). V—VII zu M. pect, ma).
= Sehniger Achsel-
bogen
SE TT F-LL | "== Latissimusinser-
M TG FE ZA l Il Il tion am sehnigen
TFA Achselbogen
CHTERE / ,
TTTE z % N!
Il}
” Pectoralis major
port. abd. (Pect.
quartus)
Sehniger Achselbogen eines 35 jährigen Italieners. (09/77).
des oberen Bündels der Pars abdominalis geschah durch Ästehen
der Nn. thoracales anteriores, die Innervation des unteren Bündels
konnte ich nicht feststellen, sie wird wohl vom selben Nerven er-
folgt sein. Die ganze Beobachtung erinnert stark an TOBLERS
Fig. 23 (S. 498). — Etwas anders lagen die Verhältnisse bei dem
Italiener der Abb. 3. Ein muskulöser Achselbogen fehlt, dagegen
besteht die Pars abdominalis des Pectoralis major aus zwei fleischigen
Zügen, die sich an einer Sehnenbrücke befestigen, welche in ihrem
ganzen Verlauf durchaus an den sehnigen Achselbogen unserer Fig. 1
und den muskulösen unserer Abb. 2 erinnert und wohl mit Recht
Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi usw. 549
als sehniger Rest einer Pars dorsalis der Hautmuskulatur gedeutet
werden darf. Ihre Auflagerung auf die Latissimussehne, wie der
Übergang in die Fascie auf Biceps und Coracobrachialis mit teil-
weiser Ausstrahlung zum Processus coracoides (ähnlich wie in
ToBLers Fig. 23) spricht dafür. Auch hier ward die Innervation
der Pars abdominalis durch Nn. thoracales anteriores und zwar
durch einen dorsal vom Pectoralis minor verlaufenden und auch
diesen Muskel innervierenden Zweig festgestellt. — Die Abb. 2 u. 3
zeigen deutlich, wie die Pars dorsalis des Panniculus zur Brücke für
lateralwärts wandernde Faserzüge der Pars abdominalis werden kann,
und wir werden kaum fehlgehen, in diesen Verlagerungen die Aus-
bildung funktionell wichtiger Verknüpfungen zweier Muskelteile zu
sehen, die ursprünglich einander nur angelagert waren und daher
aufeinander keine Wirkung auszuüben vermochten. Es fehlen jegliche
Anhaltspunkte, solche Zustände als primäre auffassen zu können, —
es müssen Fortbildungen sekundärer Natur sein, von denen wir
nicht wissen, ob ihnen eine grundsätzliche prospective Bedeutung
für die menschliche Art oder — was wahrscheinlicher ist — nur
singulärer Charakter zukommt. Das Bedeutsame dieser Befunde
für die Frage der Latissimusbeziehungen zum sehnigen Achselbogen
erhellt ohne weiteres, zumal in Abb. 3 sich auch ein vorderer Teil
der Latissimusfasern an diesem sehnigen Achselbogen angeheftet
findet. Hier kann dieser Zustand nicht anders als ein sekundärer
sein, und damit haben wir durch Rückschluß die einwandfreie Be-
rechtigung gefunden, auch die große Ausdehnung des Latissimus auf
den sehnigen Achselbogen unserer Abb. 1 durch eine sekundäre
Überwanderung von Latissimuselementen auf einen vom Hautmuskel
ableitbaren Sehnenbogen zu erklären, die wohl im Hinblick auf die
funktionelle Tätigkeit des nunmehr an Wirksamkeit ergiebigeren
Latissimus interessant erscheint, in morphologischer Hinsicht sich
aber nicht als primitives Verhalten, wie HEIDERICH meinte, charak-
terisiert. — In analoger Weise muß nunmehr das Latissimusverhalten
unserer Abb. 4 aufgefaßt werden. Hier treffen wir eine starke Pars
abdominalis (Peetoralis quartus) im Ursprung vollkommen selbständig
‚dem Pectoralis major gegenüber, die von der 4.—6. Rippe fleischig
entspringt und mit breiter, platter und zarter Sehne in Zusammen-
hang mit der Crista tubereuli majoris wie mit dem Processus cora-
‚eoides steht. Sie überkreuzt einen sehnigen Achselbogen von gleichem
_ Verlauf, wie in unseren Abb. 1 und 3, an dem sich eine in den
oberen Partien vom übrigen Latissimus gesonderte Pars ventralis
550 H. Bluntschli
des Muskels in den Seitenteilen des Unterrandes anheftet. Ungemein
eigenartig ausgebildet zeigt sich in diesem Falle die tiefe Pectoralis-
muskulatur der einen Körperseite. Der Pectoralis minor wird linker-
seits durch zwei Muskeln repräsentiert, die beide relativ zarte Ge-
bilde darstellen. Ein oberer beginnt mit zarten und zum Teil sehr
langen Sehnenfasern von der 2.—6. Rippe und zieht als fleischiger,
sich verschmälernder Muskelbauch zum Processus coracoides, wo er
Fig. 4.
M, pect. major M. pect. minor (Pars sup.)
—— — M. pect. min,
(Pars inf.)
M. pector. quartus —
M. latiss. pars ventr. — —
Pectoralis quartus und sehniger Achselbogen mit Latissimusbeteiligung bei einem 73 jährigen Manne
aus dem Kanton Zürich (Bezirk Uster). (09/69.)
sich am Medialrand, direkt medial von der Anheftung des sehnigen
Achselbogens befestigt. Ein zweiter Muskel verläuft ziemlich longi-
tudinal, von der 5. zur 6. Rippe und wird von den sehnigen Ur-
sprüngen des oberen in seinen lateralen Teilen überdeckt. Die Er-
klärung dieser Verhältnisse bereitet Schwierigkeiten. Sie kann wohl
kaum durch die Stammesgeschichte allein gefunden werden, wenig-
stens fehlen zurzeit Angaben, auf welehe zurückzugreifen wäre. So
liegt es nahe, an pathologische Bildungen in der Ontogenie zu denken,
obgleich sich auch hierfür keine weiteren Anhaltspunkte ergeben.
Sehen wir von diesen Zuständen der tiefen Peetoralisschicht ganz
ab, so bietet der Befund Interesse vor allem durch die starke Aus-
Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi usw. 551
bildung des ebenfalls nur links vorhandenen Pectoralis quartus,
welcher am Skelete ausgedehnte Ursprünge fand und vielleicht sich
gerade deshalb so stark entwickelte, um die Aufgabe des redueierten
und mißgebildeten Peetoralis minor erfüllen zu können, wobei selbst-
verständlich die Anlage des Muskels nicht durch jene Verhältnisse
bedingt, wohl aber seine Entfaltung aus der embryonalen Anlage
dadurch gegeben gewesen sein dürfte. Die Möglichkeit, funktionell
den Pectoralis minor zu ersetzen, dürfte auch der Grund sein, warum
sich hier Insertionsbeziehungen des Pectoralis quartus (seu Pars
Fig. 5.
M. pect. minor — _
M. pect. maj. — —
Selbstündige Pars“
abd. des pect. ma).
(Pect. quartus)
Pectoralis quartus (Pars abdominalis des Hautrumpfmuskels) bei einem 67jährigen Manne aus dem
Kanton Zürich (Bezirk Affoltern) (04/64).
abdominalis des Pannieulus) zum Processus coracoides erhielten, wie
solche nicht so gar häufig getroffen werden und auf relativ sehr
ursprüngliche Verhältnisse des Zusammenhangs von Pars dorsalis
und ventralis des Panniculus hinweisen, wie dies schon oben skizziert
wurde. — Auf solche’alte Zusammenhänge des Pectoralis quartus
(Pars abdom. des Panniceulus) mit dem Pectoralis minor deuten nun
auch Faserzüge unsrer Abb. 5 hin, welche sich vom oberen Rand
der Pars abdominalis lösen und die zwischen den Insertionen von
Peetoralis major und minor mit zarten Sehnenfasern ins Fettpolster
‚der Achselhöhle ausstrahlen.
Morpholog. Jahrbuch. 41. 36
552 H. Bluntschli
Sahen wir oben Beziehungen des Latissimus dorsi zum sehnigen
Achselbogen sich in sekundärer Weise ausbilden, so gibt es noch
eine zweite Gruppe von Zuständen, in denen der Latissimus Fort-
bildungen in der Achselhöhlenregion erkennen läßt. Für diese
mögen die Abb. 6 u. 7 als Beleg dienen.
Es sind seit längerer Zeit Beobachtungen beim Menschen be-
schrieben worden, bei welchen die Insertion des Peetoralis major
auf die Faseie des Oberarmes oder bis herab zum Epiecondylus me-
dialis verlängert erschien. Bald handelt es sich um isolierte
Randbündel des Peetoralis, welche von unteren Rippen entspringen
(Chondro-epitrochlearis DUvERNAY), bald um eine einheitliche Ver-
breiterung der Insertion des Peetoralis major in sehr wechselnder
Stärke und Ausdehnung (Testur!, Le DouBLE?. Diese Zustände
werden meist auf tierische Zustände bezogen, wie sie sich in ähn-
licher Ausdehnung bei niederen Säugetieren und unter den Primaten
z. B. bei Hylobates finden (KOHLBRUGGE®). Es fehlt aber an ge-
naueren Untersuchungen, speziell über die Beteiligung der Panni-
culusabkömmlinge an diesen Pectoralisausdehnungen. Aus ver-
schiedenen Gründen ist es wahrscheinlich, daß die Pars abdominalis
des Hautrumpfmuskels beim Zustandekommen dieser Bildungen eine
nicht unwichtige Rolle spielt. Auch beim Menschen stehen echte
Panniculusachselbögen nicht selten in Verbindung mit solchen Pec-
toralisrandbündeln zum Oberarm oder Ellbogen (TOBLER, Fig. 24,
S. 499; Böse, Fig. 2, S. 589). Die bisher beschriebenen Befunde dieser
Art zeigen muskulöse Achselbögen mit Ursprung von der Latissimus-
sehne und Insertion an dem Sehnenstreif, welcher entsprechend dem
Lig. intermusculare mediale zum medialen Ellbogenknorren zieht.
Unsre Beobachtung Fig. 6 weist wesentlich andre Zustände auf.
Sie läßt sich aber, wie mir scheint, doch mit jenen älteren Angaben
in gewisse Beziehung bringen. — Bei einem 54jährigen Manne fand
ich einen muskulösen Achselbogen mit Ursprung von einem langen
(lateralen) Sehnenstreifen, der von der Fascie auf dem Serratus
anterior ausging und aufs innigste der Latissimussehne angelagert,
sowie an dieser adhärent, lateralwärts zog, um in die Fascie des @
Oberarmes an deren medialer Seite auszustrahlen. Die ee |
! Testur, L. Les Anomalies musculaires chez l’homme. Paris 1884. p. 17ff. |
? Le DousLe. Trait6 des Variations du Systeme musculaire de ’homme.
Paris 1897. Tome I. p. 248ff.
3 KOHLBRUGGE. Muskeln u. Nerven der Primaten. Verh. d. K. Akademie
van Wetenschappen Amsterdam (Tweede Sektie) Deel V, Nr. 6. 1897. p. 60.
Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi usw. 553
Latissimusfasern hefteten sich an der Unterfläche dieses Stranges
unter leichter Abbiegung nach ventral gerade an jener Stelle fest,
wo von der Oberfläche des Streifens der muskulöse Achselbogen
abging. Vom Unterrand des Pectoralis major her (Pars abdominalis)
z0g ein feines Muskelband zum Oberrand des geschilderten Sehnen-
zuges, und ich gewann durchaus den Eindruck, als ob ein vom
Achselbogenursprung überdeckter Teil des Sehnenstreifens die direkte
Fortsetzung dieses Muskelbündels darstelle. Ein zweiter mehr medial
Fig. 6.
Muskulöser Achselbogen M. pect. major.
"N. intercosto-brach.
aus N. interc. III
Medialer ——
Sehnen-
ve IQ Zateral. Sehmenstreif
streif
—=
— Aberrantess Bündel
des Pect. major
(Pars abd.d. Haut-
rumpfmuskels)
rn N M. latiss. dorsi
Sehnenstreifen und Muskelzüge der Achselhöhle bei einem 54jährigen Manne aus dem Kanton Zürich
Bezirk Bülach (09/8).
und cranial gelagerter, schwächerer Sehnenstreif ging ungefähr
parallel zum ersteren vom Außenrand des kleinen Brustmuskels aus
und endete auf dem Fettpolster der Axilla. Am Pectoralis minor
bestand eine. Verbreiterung der Insertion nach lateral vom Processus
_ coracoides im Übergang einzelner Sehnenfasern in die Faseie auf
_Coracobrachialis und Biceps. Die Insertion des muskulösen Achsel-
bogens fand sich mit der Unterfläche des Peetoralis major verbunden.
Es ist naturgemäß ein schwieriges Ding, eine so isoliert stehende
Beobachtung morphologisch zu bewerten und einzuschätzen. Sichere
Pfade können hier nicht beschritten werden, aber in hypothetischer
36*
E
BETA
554 H. Bluntschli
Weise läßt sich vielleicht doch ein Urteil gewinnen. Es will mir
scheinen, als ob in jenem zarten vom Peetoralis major-Unterrand
ausgehenden Muskelband und im lateralen Sehnenstreifen sich die
Reste jenes oben erwähnten Chondro-epitrochlearis erkennen lassen,.
als ob der Latissimus, da dieser Sehnenstreif mit seiner Endsehne
in innigsten Kontrakt kam (warum, bleibt fraglich), die Möglichkeit
zur Abspaltung medialster Faserzüge und damit einen neuen An-
griffspunkt seiner Wirkung bekam. Vielleicht ist darin der Grund
zu sehen, daß ein muskulöser Achselbogen sich in so starker Aus-
Fig. 7.
Sehnenstreif _ _ _
Panniculus carno- — — —
sus pars thor.
lat. (2)
M. latiss. dors.-- — —
Starke Verbreiterung des Latissimus dorsi nach ventral bei einem 55jährigen Manne aus Oberbayern
(09/90).
bildung entfalten konnte (funktionelle Hypertrophie, der an sich
wohl schwächeren Anlage). Die Lagerung des muskulösen Achsel-
bogens auf dem lateralen und die Existenz des medialen Sehnenstreifens
deuten aller Wahrscheinlichkeit nach auf recht starke Umbildungen
der ursprünglich wohl anders gestalteten Anlage hin. — Obgleich
der geschilderte Befund ein klarer und eindeutiger nicht genannt
werden kann, habe ich ihn hier dargelegt in der Absicht zu zeigen,
daß Verbindungen von Pectoralis- und Latissimusmuskulatur noch in
andrer Art und Weise möglich und denkbar sind als jene, die in
dem ersten Abschnitt dieser Mitteilung Besprechung fanden und die
weit häufigere Vorkommnisse darstellen.
Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi usw. 555
Noch weniger in ihrer morphologischen Bedeutung klarzulegen
sind die Zustände der Fig. 7, charakterisiert durch eine außer-
ordentlich breite scheinbar in Kontinuität mit dem Latissimus stehende
Muskelplatte, deren Ursprünge sich auf der Fascie des Serratus
anterior finden und deren Faserzüge an einem schmalen Sehnen-
streifen enden, welcher in schräger Richtung gegen die Latissimus-
schne hinläuft, in der er am vorderen Rande verstreicht. Leider
konnte ich die Innervation dieser Muskelbündel nicht feststellen.
Es scheint mir nicht unmöglich, daß es sich hier nicht nur
um eine Latissimusverbreiterung, sondern eventuell auch um Reste
einer Pars thoracalis lateralis des Panniculus carnosus handelt.
Der schräge Sehnenstreifen erinnert im übrigen stark an den
lateralen Sehnenzug unsrer Abb. 6. Es wird in Zukunft darauf
zu achten sein, wie sich beim Fehlen muskulöser und sehniger
Achselbogenbildungen der Vorderrand des Latissimus dorsi verhält.
Man findet nämlich nicht ganz selten auch in solchen Fällen einige
Randfasern mit fascialem Ursprung und fascialer Insertion. Ob es
immer Rudimente des Pannieulus sind, muß erst genau festgestellt
werden, die Möglichkeit von Abspaltungen aus dem Latissimusgebiet
ist, nach den Erfahrungen, die wir im obigen darlegen konnten,
nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, aber nur durch genaue
Einzelbeobachtungen zu erhärten.
Zweifellos eine Pars thoracalis lateralis des Hautrumpfmuskels
liegt in der Beobachtung vor, welcher unsre Fig. 8 nachgebildet
wurde. Es handelt sich wieder (3mal unter den 8 geschilderten
Fällen, was bei der Zusammensetzung des Züricher Leichenmaterials!
eine durchaus auffällige Erscheinung ist) um die Leiche eines
Italieners. Pectoralis major und minor, wie der Latissimus boten
keine Besonderheiten. Auffallend ist ein zartes, fleischiges, plattes
Muskelband, welches in geringem Abstand vom Vorderrand des
breiten Rückenmuskels verläuft. Die lateralsten Fasern endigen mit
zarten Sehnenzügen im Fett der Achselhöhle, dann folgen nach
_ ventral zwei Fleischbündelehen, die ich leider abgeschnitten vorfand,
|
|
ß
wie dies bei Präpariersaalbeobachtungen leicht vorkommt, die aber
_ vermutlich mit zwei feinen höher oben auf dem Fettpolster lagernden
sehnigen Fäserchen zusammengehangen haben werden, und endlich
1 Vgl. BLuntschLı. Beiträge zur Kenntnis der Variation beim Menschen
Iu.Il. Morphol. Jahrb. Bd. XL. S.204ff. _
%
—
556 H. Bluntschli
ein breiterer, am meisten ventral gelegener Zug, welcher in ein
deutlich begrenztes Sehnenband sich fortsetzt, das ventralwärts um-
biegend über die zweite Rippe läuft, dann sich über die erste Rippe
brückenartig frei vorschiebt und in die Fascia coraco-elavieularis und °
zur Clavieula ausstrahlt. Ihm gesellen sich einzelne Sehnenzüge
von der zweiten Rippe und dem ersten Intercostalraum bei. Die
Beziehung des Hautmuskelrestes dieser Beobachtung zur tiefsten
Pectoralislage ist evident, sehr eigenartig und zunächst kaum er-
Fig. 8.
Proc. coracoides
Fascia coraco-clavi-
cularis
- Art. subel.
Vena subelav.
M. latiss. dorsi
M. pect. minor _ —_
Pars thoracalis late- ——
ralis des Haut-
rumpfmuskels
Pars thoracalis lateralis des Hautrumpfmuskels in Zusammenhang mit der Fascıa coraco-clavicularis
bei einem A0jährigen Italiener (08/111).
klärlich ist die weit medialwärts verlagerte Sehnenanheftung an der
Fascia coraco-celavieularis. Die Erklärung, warum diese Faserzüge
über den Processus coracoides, die eigentliche, primär-medialste
Insertion der tiefen Muskellage hinaus verschoben sind, kann nicht
gegeben werden. Vielleicht wirft dies aber, wenn einmal.speziellere
Untersuchungen sich in dieser Richtung bewegen, ein Licht auf die
Genese jenes so rätselhaften Gebildes, welches in der Coraco-clavi-
eularfascie vorliegt und in irgend einer Weise mit der Differenzierung
der Peetoralisgruppe etwas zu tun haben muß.
uber Fr “af
In, "ah; su
Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi usw. 557
Am Ende dieser Darlegungen sei es gestattet, bezüglich der
Hauptfrage, der Beteiligung des Latissimus dorsi an Achselbogen-
bildungen beim Menschen, ein kurzes Fazit zu ziehen. Es ergab
sich die Tatsache, daß, ganz im Sinne von RuGEs Anschauungen,
keinerlei irgendwie eindeutige Beobachtungen bestehen, welche auf
eine primitive, innige Verbindung zwischen der Pectoralis- und der
Latissimusgruppe hindeuten. Vielmehr gelingt es durch Serienbeob-
achtungen zu zeigen, daß die Ausdehnung vorderer Latissimusfasern
in der Richtung gegen die Pectoralisinsertionen nur dann zustande
kommt, wenn eine der Hautmuskulatur entstammende Brücke zur
Verfügung steht. Der sehnige LAnGersche Achselbogen ist meinen
Beobachtungen nach immer »der zur Sehnenhaut rückgebildete
Hautmuskel-Achselbogen«. Die Möglichkeiten, daß er aus dem stark
entfalteten axillaren Abschnitt der Oberarmfascie, oder aus dem
Latissimusabschnitt des zusammengesetzten Achselbogens hervorgeht
— auf welche Ruge 1905, S. 498 hinwies —, spielen vielleicht auch
eine — sicher aber eine untergeordnete — Rolle.
Alle hier besprochenen Beobachtungen entstammen männlichen
Leichen. Ebenso verhält es sich mit fast allen Angaben der Literatur.
Daraus dürfte zu entnehmen sein, daß, wie dies TOBLER zuerst an-
deutete, in der Tat die funktionelle Inanspruchnahme bei der Aus-
bildung der Achselbogenbildungen eine wichtige Rolle spielt. Die
Anlage als solche wird gewiß auch bei weiblichen Individuen auf-
zufinden sein, aber die eigentliche, häufig stärkere Ausbildung, die
gerade bei jenen männlichen Individuen nicht selten ist, die ihre
Arme im Leben zu größeren Kraftleistungen benutzten (Erdarbeiter),
hängt von dem züchtenden und deshalb erhaltenden und ausbauenden
Reiz des Gebrauches ab. Auch für die Beteiligung des Latissimus
dorsi an diesen Bildungen spielt derselbe Faktor als ursächliches
Moment mit.
Etudes sur les varietes de la colonne vertebrale.
Par
G. P. Frets.
Avec 4 Figures dans le texte et Planche X et XI.
I. Observations nouvelles sur les Monotr&mes.
En 1908 j’ai publie une &tude sur 13 squelettes de l’Echidne
epineux (hystrix). Maintenant je peux ajouter aA cette collection
encore 12 pieces. Je reunis ces 12 squelettes aux 13 de 1908
et aux 4, dont j’ai etudie le plexus lombosacrale (Morphol.
Jahrb. 1909, p. 43) dans la liste suivante!:
Squelette d’Innsbruck (inst. d’anat.), Ex. III: des 17 eötes,
six s’attachent au sternum; les extremites sternales des 7° sont
endommagees; celles des 6°° sont larges et ossifiees. Des trois ver-
tebres lombaires la premiere et la troisieme ont des processus lateraux.
La 7° vertebre cervicale a des trous transversaux.
Deux squelettes de Zürich (inst. zool.), Ex. Xlet V: le vieux
squelette a 4 vertebres sacrales; les proc. mammillares des trois
premieres sont en connexion avec lilium. Tous les 4 processus
spinosi sont libres. Six eötes sternales. Des 3 vertebres lombaires
les deux premieres ont de petits processus lateraux. Six cötes du
squelette neuf sont attachees au sternum; la 7° vertebre cervicale a
des trous transversaux. La 1° et la 2° vertebre lombaire ont des
proe. lateraux.
Des 7 squelettes de Paris le suivant est a remarquer: l’Ex. II
(A 3318, galerie) est l’Echidne de la N! Guinde, il a 6te deerit
par P. Gervaıs (1877—78) comme Proechidna bruynüu. Il est
interessant de remarquer que GERVAIS (p. 50) nomme comme un des
caracteres de cette espece, qu’il a dix-sept eötes, tandis que l’Echidne
1 La plupart de ces squelettes sont des Echidn&s Epineux (aculeata 8. typica;
1909, p. 62, Note 2): le nom sp6eifique de quelques-uns n’Ctait pas indique; il est
done possible, qu'il y ait parmi eux des Echidnds setosa.
Etudes sur les vari6tös de la colonne vertebrale.
Paris, 1879 N. 126 1—7 ©
- 1903 N. 540 no
71.00-
- A 3317
- 1903 N. 536
N. 111, 1908 p. 6941 1—7 ©
üx. 3, 1909 p. 552 j
Paris, 1893 N. 342
1. 106, 1908, p. 622
1.118Q,1908p.621 1—7 @
1.114, 1908 p.620 1-7 ©
001. Inst. Heidel- 1—7 ©
berg 1908, p. 620
Würzburg, 1909
6
| p- 62
fünchen, 1909p.62 1-—7
'aris, 1893 N. 341 1—7
1.115Q, 1908 p.619
ix. 4, 1909 p. 57
[.114Q, 1908 p.618
font. skel. Heid.
1908 p. 617
ürich, squel.vieux 1—7 0»
1.107, 1908 p. 615
.117Q,1908 p.614
1.108, 1908 p. 613
x. 5, 1909 p. 59
.103, 1908 p. 613
ürich, neu. Skelet
1.109, 1908 p. 6091 1—7 @
Innsbruck
'roechidna bruynii 1—7 Ov
Paris A 3318
&. 2, 1909 p. 512 1-7
faut observer que les squelett
ees si reguliörement, qu’il est bien invraisemblable
Ss exemplaires XV—XIX sont d’un d&veloppeme
8—22 15) D
de. st.
8—22 (15) D
Bäabe.st.
8—22 (15) D
6 e. st.
8—22 (15) D
6 e. st.
8—22 (15) D
De. st.
8—22 (15) D
8—22 (15) D
v.8—22 (15) D
8—23 (16) D
Di0HSt.;
16.D+++
8—23 (16) D
16.D++
8—23 (16) D
8—23 (16) D
8—23 (16) D
8—23 (16) D
8—23 (16) D
be. st.
8—23 (16) D
16.D++
8—23 (16) D
8—23 (16) D
8—23 (16) D
6e. st.
8—23 (16) D
6 e. st.
8—23 (16) D
6.c. st.
8—23 (16) D
8—23 (16) D
8—23 (16) D
8—23 (16) D
be. st.
8—23 (16) D
8—24 (17) D
6e. st.
8—24 (17) D
6e. st.
8—24 (17) D
7 e. st.3
£. = cÖötes qui s’attachent au sternum.
yez mon article dans le Morph. Jahrb., Bd. 40, p- 45—-66.
yez mon article dans le Morph. Jahrb., Bd. 38, p. 608—653,
es XXVI et XXVIII &
23—25 3) L
23—25 (3) L
23—25 (3) L
23—25 (3)L
23—26 (4) L
4.L+++
23—26 (4) L
4.L+++
23 DL 24—26 (3) L
3.L+++
23 DL 24—26 (3) L
3.L++
24—26 (3) L
3.L++
24—26 (3) L
24—26 (3) L
24—26 (3) L
24—26 (3) L
24—26 (3) L
24—26 (3) L
24—26 (3) L
24-—26 (3) L
2426 (3) L
24—26 (3) L
599
26—28 (3) 8 29—(31-Fx) Cu
1.0d-
26—28 (3) S 29-42 (13) ul
1.0d—
26—29 (4) S 3041 (12) Cu
26—29 (4) S 30—41 Od
aHTT
27—29 (3) $ 30—(37-+x) Od
27—29 (3) S 30—41 (12) Od
27—29 (3) S 30—41 (12) Od
1:09—
27—29 (3) S 30—42 (13) Cd
27—29 (3) S 30—(38-+x) Od
27—29 (3) $ 30—42 (13) Od
1.9
27—29 (3) S 30—(40-+2) Cd
27—29 (3) S 30—41 (12) Od
27—29 (3) S 30—(40-+x) Od
27—29 (3) S 30—(37-+x) Od
1,0
27—29 (3) S 30—41 (12) Od
1. 0d—-
27—29 (3) S 30 Sed 31—42
12) Cd
27—29 (3) S 30 Sed
31—(38-+x) Od
27—29 (3) S 30 Sed
31— (39-42) Cd
27-30 (4) S 3L—(41-F?) Od
24—26 (3) L 27 LS28—30 (3) S 31—43 (13) Od
1.0d—
24—26 (3) L 27 LS28—30 (3) $ 31—43 (13) Od
24—27 (4) L
4.L+
24—97 (4) L
24—27 (4) L
25—27 (3) L
3.L+
25—27.(3)L
25—27 (3) L
1.0d
28—30 (3) $ 31—43 (13) Cd
100
28—30 (3) $ 31—43 (13) Od
28—30 (3) S ne (12) Cd
1 Be
d
28—30 (3) S 31—(40-+2) Od
7
28—30 (3) S 31—43 (13) Od
1.0
28—30 (3) S 31—43 (13) Od
1.0d—
.Cd
28—31 (4) S 32—43 (12) Od
18- 1.0d-
28—31 (4) S 3243 (12) Od
1.8- 1.Cd—
taient partages en 4 pieces; ces pieces
qu’une vertebre soit perdue.
nt presqu’identique.
560 G. P. Frets
epineux n’en a que seize. Maintenant qu'il est demontre, que le
rachis de l’Echidn& epineux ia une variabilite eonsiderable et que
FLower (1835, p. 89) indique pour l’Echidna bruyniti 16 eötes, il est
evident qu’une difference du nombre des cötes ne peut plus £&tre
acceptee comme caractere pour separer les deux Echidnes. Il reste
& etudier si l’Eehidne bruynii a une variabilite aussi grande que
l’Echidne epineux et quelle formule de la eolonne vertebrale se trouve
le plus souvent.
Les vertebres cervicales de ce squelette plus robuste et plus
grand qu’un des squelettes de l’Echidne Epineux, que j’ai vus, ont
tous des trous transversaux. Six cötes sternales; les parties carti-
lagineuses des 7° manquent; deux cötes sont en connexion avec
le manubrium. La 17° cöte est bien developp6e; elle s’artieule avec
la 23° et la 24° vertebre.
Les processus mammillares de S, et de S, sont ossifies avee les
os iliaques; les processus spinosi des trois dernieres vertebres sacrales
forment une er&te osseuse. La 1° haemapophyse, tres petite encore,
se trouve A la 3° vert. caudale.
Ex. XVI (Echidne, s. renseig.), Paris 1893, N. 341 (coll. du labor.;
rentre de la galerie, IV 31;) ©v, a des trous transv.; 6 eötes sternales.
L, a des proc. lat. Les proc. mam. de S, et de 5, sont en conne-
xion avec les os iliaques. 1° Haem. a la 5° Cd. Exempl. jeune.
Ex. XXIII (Eehidne, s. renseig.), Paris 1893, N. 342 (coll. du
labor.; rentre de la galerie, IV 32) Cv, a des trous transv. La
derniere eöte, la 15°, est bien developpee. La 23° vertebre est une
vertebre dorso-lombaire; & droite il se trouve une petite piece d’os,
assise sur le processus transv., & gauche elle manque, mais elle sera
perdue. La 1‘ vert. lomb. a de petits proe. lat.; la 3° en a del)
grands qui sont unis par des ligaments aux os iliaques; les proc.
mamill. sont libres. De la 1° vert. caudale les proe. lateraux ont
une direetion eraniale et s’attachent aux proe. lat. de la derniere
sacrale: Cd. Ainsi dans cet exemplaire 5 vertebres ont des carac-
teres de vertebres sacrales. Tous les proe. spinosi sont libres.|
1?re Haemapophyse & la 4° vert. caudale. Le sternum manque. |
Ex. XXVI (Echidne, s. renseig.), Paris 1903, N. 536 (coll. dıl)
lab.; ancien fond) jeune, mal conserve. Toutes les vert. cerv. on
des trous transv. La 1° vert. lomb. a des proe. lat., la 2° ne les:
pas, la 3°en a de petits. Les proc. mam. des trois premieres ver
tebres sacrales sont en connexion avec les os iliaques. 1%° Haema
pophyse (rud.) a la 4° vert. caud.
Etudes sur les vari6tes de la colonne vert£brale. 561
Ex. XXVII, Paris A. 3317 (galerie; IV 29, Echidna epineux de
Tasmanie); adulte. 6 eötes sternales. 15° cöte bien developpee. L,
a de grands proe. lat&raux. Les processus mammillares de S,, 5, et S;
sont en connexion avec
les os iliaques; tous les
processus spinosi sont
libres. 1% Haemapo-
physe a la 3° vert.
caudale.
Exempl. XXVIU
(Echidne, s. renseig.),
Paris 1903, N. 540
(coll. du labor.; ancien
fond); adulte La
7° vertebre cervicale
n’a pas de trous trans-
versaux; & gauche on
en trouve encore le ru-
diment, pas encore de
trous intravertebraux.
La derniere, la 15° cöte est petite. Des 3 vertebres lumbales, la
premiere a des proc. lateraux, la deuxictme ne les a pas et la troi-
sieme en a de tres petits. A droite se trouvent eing, & gauche six
cötes sternales (Fig. 1). Les processus &pineux des deux premieres
vertebres sacrales sont ossifies, les processus mammillares de ces
vertebres sont en connexion avec les os iliaques. La 1° haemapo-
physe se trouve & la 4° vertebre caudale.
Ex. XXIX (Echidne, env. de Sydney), Paris 1879 N. 126 (coll.
du labor.) jeune.
1—70v 8—22(15)D 23—25(3)L 26—28(3)$ 29—(31-+x) Cd.
7.Cv- 1.0
Cet exemplaire est plus progressif qu’un des cas deja deerits,
plus progressif aussi que le cas de ROSENBERG (1883, p. 502), ot
la 29° vertebre &tait la derniere sacrale.
Echidne. Ex. XXVIII. 3/1 X 2/3.
Cinq eötes s’attachent au sternum; les extremites sternales des
5° eötes sont Elargies, les sixiemes eötes finissent A une assez grande
distance du sternum. A gauche la 7° vertebre cervicale a un foramen
intravert. tres rudimentaire (1908, p. 624, Fig. 14). La 1° vertebre
lombaire a de grands processus lateraux, surtout a gauche; la
562 G. P. Frets
deuxieme ne les a pas, la troisieme a un petit proe. lateralis a gauche,
un rudiment a droite. Les processus mammillares des deux premieres
vertebres sacrales sont en connexion avec les os iliaques.
La 7° vertebre cervicale n’a pas de trous transversaux. (1908,
p. 633.) Cette vertebre montre encore quelques caracteres par les-
quels elle ressemble au type dorsal des vertebres.
Chez les jeunes Echidnes la branche ventrale du foramen trans-
versarium se montre tres nettement comme cöte rudimentaire (FLOWER
1888, p. 25, Fig. 5); seulement, ces eötes rudimentaires sont atta-
chees A la partie caudale du cot& lateral des corps de ces vertebres.
Fig. 2.
D; C,
D \ C2
Echidne. Ex. XXIX. 3/1 X 2/3. Cr. = cöte Echidne. Ex. XVl. 3/1. x 2/3.
rudimentaire de la 7 (.v.; sa connexion cra-
niale avec le corps vertebral; p.c. = proc.
costarius; p.t. = pr. transv.; f«t. = for, transv.
de la 6e Cw.
Dans l’objet XXIX ceci est le cas des six premieres vertebres cervi-
cales; pourtant la cöte rudimentaire de la septieme vertebre se
trouve a la partie eraniale tout comme chez les cötes, (qui
d’ailleurs s’articulent avee la vertebre pr&eedente (Fig. 2).
La eöte rudimentaire de la 6° et celle de la 7° vertebre cervi-
cale se trouvent ainsi fort rapprochees l’une de l’autre. Des autres
cas de Paris, l’ex. XX VIII, montre evidemment les m&mes rapports, les
autres exemplaires ont le proc. costarius de la 7° cervicale attach6
a la partie caudale du bord lateral du corps vertebral (Fig. 3);
dans ces cas le 7° proc. cost. et la premiere cöte se sont tres rap-
prochös!.
! Dans le squelette d’un Myrmecophaga jubata (cat. B. VI, 263, voy. p. 13
de cet article) les rudiments costaux de la 7° vertöbre cervicale sont attaches ä
Vextr&mit& eraniale du corps vertebral.
Etudes sur les variöt6s de la colonne vertöbrale. 563
Cette cöte rudimentaire de la 7° vertebre cervicale est attachee
au corps vertebral par un disque cartilagineux; pourtant la jone-
tion avec l’arc neural, qui se fait aussi dans les autres jeunes cas
par un disque cartilagineux a lieu dans l’ex. XXIX par une arti-
eulation.
Aussi la cöte rudimentaire de la 7° vert. cervieale est tres
mobile. Le processus costarius est attach&e A l’are neural par un
ligament. Il est douteux que cette artieulation eüt encore existe
pendant la vie adulte; la connexion cartilagineuse avec le corps
vertebral se füt ossifiee.
Qu’une 7° vertebre cervieale se rapproche autant du type dorsal
c’est ce que je n’avais pas encore vu. Elle se trouve dans le cas
le plus progressif que j’ai etudie; d’accord avec les explications que
j’ai donnees ailleurs (1908, p. 646), je eonsidere eet ex. XXIX comme
un cas progressif, chez lequel en consequence de la transformation
de la partie caudale du thorax (15 cötes au lieu de 16 ou 17) s’est
developpe une cöte cervicale, tres rudimentaire il est vrai.
Chez les exemplaires jeunes de Paris, les sutures sont tres di-
stinetes encore. Ainsi on voit dans le cas 26, entre le corps et
l’are neural de la 1° vert. lombaire, la suture qui separe le proc.
lateralis gauche en deux moities egales; d’ordinaire cette suture est
ventrale de ce processus.
Des deux squelettes d’Ornithorhynque que j’ai etudies encore,
celui de Zürich (inst. zool. V. S. 1890) a 7 vertebres cervicales, 17
dorsales, deux lombaires (la seconde n’a pas de proe. lateraux), deux
sacrales et 17+x caudales (les proe. lat. de la 1l®re eaudale sont
en connexion avec ceux de la derniere sacrale).
Le squelette de Paris (galerie A 3319), jeune, a 7 vert. cervi-
cales, la 7° a des trous transv., et 17 vertebres dorsales (la 17° eöte est
petite). 6 eötes sternales. Une vertebre lombaire. La 26° vertebre
est une vert. lombosacrale: & droite le petit processus lateralis est
_ en ceonnexion ligamenteuse avec l’ilium, a gauche ce processus est
attache lui-m&me & cet os. Le proc. mammillaris de S, est uni avec
Pilium, les proe. mammill. de la vertebre lombosacrale sont en con-
nexion avec cet os par des ligaments. Deux vertebres sacrales (Sy);
17+20d (1.Cd-); 1 Haem. & la 3° vert. caud. Cet exemplaire
d’Ornithorhynque est done plus progressif qu’un des douze cas que
Jai etudies (1909, p. 42).
Ces observations nouvelles confirment les r&esultats des recherches
que j’ai deja publiees: la variabilite considerable de l’Echidne et
564 G. P. Frets
tres limit6e de l’Ornithorhynque. Il reste a remarquer que les
6 squelettes de l’Echidne de Paris ne se trouvent pas places au
hasard dans la liste (p. 2) mais qu’ils forment un groupe d’exem-
plaires progressifs. Il est bien possible que ce soit un hasard,
mais d’aceord avee mes recherches sur l’heredite des varietes de la
colonne vertebrale (Verh. anat. Ges. 1909, p. 115) je ne veux pas ex-
elure la possibilit@ d’une action de l’heredite sur ce groupement.
Les exemplaires de ma premiere liste appartiennent presque tous
a la colleetion SEMmoN et ont £t& recueillis dans un territoire assez
etroit!.
Il. Des varietes de la colonne vertebrale d’Edentes fossiles.
Pour completer mes recherches sur les varietes de la colonne
vertebrale (1908, 1909) jai encore voulu etudier les fossiles.
Quoiqu’on puisse s’attendre A ce qu'il y ait aussi des varietes
parmi les vertebres fossiles j’ai voulu les rechercher, parce qu’en
effet l’importance theorique des varietes rend desirable la r&union
de »materials for the study of variation« (BATESON).
Le nombre de fossiles accessibles &tant peu eleve, on est tres
limite dans le ehoix du groupe & etudier. Pour les Monotremes
(Echidna) p. e. il n’existe que quelques os des membres (Owen, 1883;
KrErrt, 1868).
STROMER VON REICHENHALL a decrit quelques variations verte-
brales des Carnivores fossiles (1902, p. 267; voyez aussi p. 248,
262, 272). ?
J’ai choisi pour ma recherche les Edentes. Les formes r¢es
de ces animaux ont &t& etudiees plusieurs fois, par PoucHer (1874),
WELCcKER (1881), ROSENBERG (1896). J’aurais prefere etudier des
groupes de la periode tertiaire ou m&esozoique, — les Edentes examines
sont des formes de la periode quaternaire? —, mais le materiel d’ob-
servation me manquait.
Megatherium Americanum (s. ÜUVIERI).
Des deseriptions de Megatherium de Guvier (1836, Vol. 8, p. 345,
Atl. II, p. 217, ex. de Madrid), de PAnper et D’Auron (1821, ex. de
! R. Semon. Dans Semons Zoologische Forschungsreisen 1894, Bd. I.
2 Gervaıs (1871/73, p. 21: Il a existe dans l’Am£rique ä& une &poque peu
reculöe et certainement post6rieure ä la fin des temps geologiques compris sous
la denomination commune de p6riode tertiaire, un certain nombre d’especes
Sa naguce appartenant ä l’ordre des Edentes. (Voy. aussi GervAıs 1867/69,
P: .)
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Etudes sur les varietes de la colonne vert£brale. 565
Madrid), d’Owzen (1855, ex. de Londres), de Burmeister (1864,
ex. de Buenos-Aires) et d’autres, il resulte avee une certitude
plus ou moins grande !' que la formule de la colonne vertebrale
etait chez ces exemplaires: 7 @v, 16D, 3L, 58 et 18 Cd.
De la description de Cuvier je citerai »Le sacrum n’est com-
pose que de eing vertebres soudees ensemble, et dont les apophyses
epineuses elles-m@mes se soudent en une er&te dentel&e; ce qui joint
a leur elevation ... ete. ... (voyez aussi pl. 217, Fig. 1, 14; les
figures de PAnDER et D’ALTon).
La deseription claire et detaillee donnee par Owen rend
possible la comparaison en plusieurs points importants du squelette
de Londres? a celui de Paris.
Owen dit au sujet de la 7° vertebre cervicale p. 375: »The
diapophyses (= proc. transy.) are strong and terminate in rough
truncate ends«. Elles n’ont pas, comme l’ont les proc. transversi
des autres vertebres cervicales un trou pour l’artere vertebrale
(pl. XX, fig. 6).
Neuf ou dix eötes sont attachees au sternum (p. 372, p. 373).
Les trois dernieres ceötes montrent des caracteres de r&duetion
progressive (p. 373); la 16° eöte est tres petite (Pl. 17) et ne s’articule
avec la vertebre que par la racine de l’are neural (p. 378 et pl. 26,
fig. 5).
Les artieulations accessoires des vertebres lombaires (p. 374) sem-
blables & celles qu’on trouve chez les Myrmecophaga (p. 370)3, sont
deja form6es entre les 15° et 16° vertebres dorsales (p. 372 pl. 19;
fig. 4 et 5, pl. 26, fig. 5).
Le sacrum »includes five vertebrae, which are not only anchy-
losed to each other, but to both the iliac and ischial bones. The
centrum of $, presents a flattened surface for that of the last lum-
bar vertebra«. Quatre trous sacraux posterieurs.
»The neural arch of the 1% sacral vertebra is separated from
that of the second by a narrow transversely elongated elliptical
vacuity.< »The back and under part of the diapophysis of both the
fourth and fifth vertebrae are coalesced with the ischium.« »The
1 Quand les auteurs ont fait des remarques sur l’origine des squelettes, on
les trouve dans le texte.
2 Le squelette de Londres est une combinaison de deux envois (voyez
1855, p. 367 et 1887, Part. V, p. 86).
3 »Les processus exog@nes des vertebres« ont &t@ deerits par OWEN
dans le 1er article sur le Megatherium (1851).
566 G. P. Frets
neural arch of the 5'" sacral developes a pair of posterior zygapo-
physes.« (p. 378, 379, pl. 17, 22 et 23).
Burmeister (1864—69)! donne une description detaillee et des
figures du sternum, dont il avait a sa disposition un exemplaire
parfait en &tat, et encore deux autres. Cette deseription n’est pas
tres importante pour nous; beaucoup d’attention a de petites diffe-
rences du deuxieme sternebre, l’auteur accorde. Il dit expresse-
ment, remarquons-le, que le sternum est compose de 7 pieces et il
eroit que la description D’ÖwEN est inexacte (p. 153).
AMmEGHINO (1889, p. 667) eerit sur le sternum du Megatherium:
»El esternon se compone de 8 piezas ö esternebras distintas, y no
Fig. 4.
Megatherium Cuvieri, Paris. Partie caudale du sternum.
de 7 como algunos afırman, a los que se unen direetamente 8 0 9
pares de costillas.«
Le musee de Paris dans lequel j’ai fait ma recherche possede
un squelette et un bassin de Megatherium.
Megatherium Cuvieri Desmarest. Mont6 par Senechal; les pieces
ont 6t& trouvees par Sügurn. Le bassin manquait: il a &t& refait d’apres
le modele du sujet, qui est & Londres. (Cat. d’anat. comp. 2=® Coll.
Seguin, 1871, 383) 2.
ı P. 152: la cadera no se ha conservado completa; tenemos dos bastante
rotas en el Museo, la una recojida por mi en la barranca dei Rio Salado, la
otra regalada por el Sr. D. J. M. CAnTIto.
? Gervaıs 1880, p. 137: »Le sujet que possede le Museum de Paris, restaur&
Etudes sur les varietes de la colonne vert£brale. 567
La septieme vertebre eervicale n’a pas les trous transversaux.
Le sternum est compos& du manubrium et de 7 sternebres. A
gauche huit eötes sont en connexion avec le sternum, a droite il yen a
neuf. Les extremites sternales de la 8° et la 9° eöte droites different
de celles a gauche (Fig. 1).
Quand nous comparons le sternum &tudie par BURMEISTER, celui
deerit par Owen et celui du musde de Paris, nous voyons que neuf
(ou dix), huit ou sept cötes peuvent Etre trouvees en connexion avec
le sternum, un fait dont l’analogue deja a.&te observ6& chez les Echidnes
(1909a p. 105).-
Le squelette de Paris a 16 cötes; les dernieres eötes sont tres
longues — dans les squelettes de Londres (Pl. 17) et de Madrid
(Cuvier, Pl. 217) elles sont ceourtes. Ües cötes s’artieulent encore,
dans l’exemplaire de Paris, avec la vertebre precedente et a gauche
se trouve le tuberculum costae, qui manque dans l’exemplaire de
Londres (p. 372).
La premiere vertebre lombaire — comme le bassin — est un moulage!;
trois vertebres lombaires suivent cette premiere vertebre lombaire. Il me semble
que la deuxicme vert@bre lombaire n’ert pas la deuxieme mais la premiere lom-
baire. La rangee des processus spinosi est interrompue par celui de la pre-
miere lombaire; quand on l’eloigne par la pensce, le processus spinosus de
la 2° lombaire — qui devient alors la lere — se range parfaitement ä la
suite de celui de la 16° dorsale.
Il me semble done qu’il faudrait &loigner la premiere vertebre lombaire —
moulage d’une vertebre lombaire de Londres —; trois vertebres lombaires, reste-
raient alors, nombre qu’on trouve aussi dans les autres squelettes du Megatherium.
Sur le corps vertebral, pres de l’arc neural, se trouve ä gauche — ä droite
cette partie de la vertebre est restaurde une surface articulaire peu profonde
sous la direetion du Prof. P. GERvAIS, a Et@ trouv@ par F. Se@uın sur les bords
du Rio Cascarema dans la province de Santa f£.«
1 Il est indique& sur l’&tiquette que le bassin manquait dans le squelette.
Je ne peux trouver l’indication que la premiere vertebre lombaire, qui est
certainement un moulage, ait &t@ intercal&e (n’appartient pas au squelette),
(voy. p. e. H. Gervaıs 1880, p. 137).
Apres avoir communiqu& des moulages de quelques vertebres caudales de
Megatherium regus de Londres, LAURILLARD cerit (CUVIER, 1836, T. 8, p. 359):
»Il y a encore une vertebre lombaire qui n’offre point les caracteres de
celles des vrais fourmiliers et des tatous, c'est a dire l’apophyse articulaire
a double facette et la longue saillie qui surmonte cette apophyse dans ces
derniers.< (Sur l’apophyse articulaire ä double facette, voy. OWEN p. 374.)
P. MerLıeux 1865: »Vers 1834, le Museum de Paris recut en don, du
college des chirurgiens, une collection de modeles en plätre d’un assez grand
nombre de pieces d’un squelette de Megatherium, dont les debris avaient &t&
_ trouves dans le lit du Salado par M. WOooDEInE PARISH.«
Voyez aussi Owen 1841 p. 84.
Morpholog. Jahrbuch. 41. 37
568 G. P. Frets
ä l’endroit, oü se trouve chez les vertebres lombaires la surface artieulaire pour
le processus transversus de la vertebre pr&c&dente. (Owen pl. 26, fig. 5.) Pius
en arriere il se trouve encore une surface d’apparence articulaire. 1] serait alors
possible d’attribuer cette derniere surface & l'articulation avec le proc. {rans-
versus et de comprendre la premiere surface comme surface articulaire d’une
derniere cöte; cependant, comme la surface artieulaire de la derniere cöte
est dessinee par OwEN dans une direction plus caudale sur l’are neural — un
endroit olı aucune cöte n’est attachde A sa vertebre dans notre squelette — il
me semble qu’il n’est pas possible, de d£finir le type de cette vertebre avec
une certitude suffisante et je la d£erits simplement comme la 24° vert&bre
ou la premiere vertebre lombaire.
Comme il a ete deja indiqu& pour l’exemplaire de Londres par
Owen (p. 374 et 381) les vertebres lombaires du squelette de Paris posse-
dent aussi des processus articulares a doubles facettes. La zyga-
pophyse superieure de la 1° vertebre lombaire est embrassee
par la zygapophyse inferieure et par la surface mediale du pro-
cessus transversus de la 16° dorsale. Le processus lateralis de la
25° et de la 26° vertebre a d’ailleurs une surface artieulaire. La
zygapophyse superieure de la 1‘ vert. sacrale enfin est embrassee
par le proc. art. inf. et le proc, lat. de la derniere vertebre lombaire.
>Le bassin manquait: ila &t& refait d’apr&s lemod£le du sujetquiestä Londres«
lit-on sur l’&tiquette du squelette. Le bassin de Londres est d£crit et figur& par
Owen; celui de Paris est d’accord avec cette description sauf sur un point.
Dans le modele de Paris la 1° vertebre sacrale se trouve unie par son bord
eranial & une vertebre, dans le modele de Londres ce bord eranial est libre
(Owen, pl. 22—23. Ce n'est pas une vertebre complete qui est unie ä la
le sacrale, car on ne trouve pas un processus spinosus correspondant; c’est done
une faute dans la construction du moulage ä laquelle on a ä faire.
Bassin. Megatherium Cwvieri Desm. Pampeen de la Plata (rep.
argeutine). M. BonnEment, 1881—35. Pl. X, Fig. 1 et Pl. XI, Fig. 2.
Les zygapophyses superieures de la premiere |vertebre sacrale
sont bien developpees; on trouve les deux surfaces articulaires comme
& la derniere vertebre lombaire. Le processus spinosus est bien
distinet et independant. L’are neural est ossifi& avec l’arc neural
de la 2° sacrale.
Le eorps seul de la derniere, i. e. la 5° vertebre sacrale (Fig. 1 et 2)
est ossifie avee la vertebre precedente; il y a des artieulations
avec la 4° vertebre sacrale et pour la 1* vertebre caudale (qui
manque); le processus spinosus est independant et les processus late-
raux ne s’attachent que par une petite surface aux ischions. De la
4° vertebre sacrale quoique le processus lateralis se trouve en face
de P’ischion, il ne lui est non plus sonde que par une petite partie.
Ces conditions sont semblables sur les deux cötes.
Etudes sur les variötes de la eolonne vertöbrale. 569
Les 2°, 3° et 4° vertebres saerales sont tout A fait ossifices entre
elles et avec les os iliaques. Les processus spinosi forment une
erete osseuse peu &Elevee. Ainsi le saecrum montre trois foramina
sacralia et on pourrait nommer la 5° vertebre sacrale, vertebre sacro-
caudale. Il faut mentionner que la premiere vertebre sacrale se
trouve en connexion avee les bords proximaux des os iliaques; il
n'y a done pas d’indieation que la derniere vertebre lombaire se soit
rapprochee de la forme sacrale.
Quand on eompare le sacrum de Londres (Owen, Pl. 23) & celui
qui est deerit iei, il est evident que ce sacrum de Paris est une
variation. Dans le bassin de Londres 5, et S;, sont tout & fait
ossifi&es. Les premieres zygapophyses se trouvent A la partie cau-
dale de S,; au contraire l’are neural de S, n’est pas encore ossifie
avec celui de 5, |(p. 378) comme c’est le cas dans notre exem-
plaire!.
Le bassin de Paris a beaucoup de ressemblance avec l’ex. 4
des bassins de Myrmecophaga jubata, publie par PoucHeEr (1874,
fig. 4).
Il parait done que la colonne vertebrale du Megatherium a
montre une variabilite assez considerable, eomme on l’observe
chez les Edentes recents, Myrmecophaga jubata, ROSENBERG (1895),
PoucHEr (1874). Bradypus et Choloepus (WELCKER, 1882) aussi?
J’ajoute une liste des formules de la colonne vertebrale des
Edentes qui se trouvent dans les colleetions du laboratoire et du
musee d’anatomie comparee de Paris:
! Il est bien ä esperer, qu’on aura un jour des descriptions completes du
materiel du musce de Buenos- Aires. BURMEISTER 1876, II, p. 207 mentionne
p- e. trois bassins de Megatherium.
2 La colonne vertebrale de Megatherium ressemble ä celle des Myrmeco-
phagidae, voire Myrmecophaga jubata (le tamanoir). Le mode de connexion du
sacrum avec lesischions du Megatherium differe avec celui du Myrm. tamandua
(Tamandua, M. tetradactylus) — les processus laterales des vert&bres qui s’atta-
chent aux ischions se repandent au dehors de cette connexion encore — et
avec celui du Myrmecophaga didactylus (fourmilier ä deux doigts, Myrm. eyelo-
turus, Oyeloturus didactylus) — dans lequel les ischions ne sont pas attaches
aux sacrum.
Parce que la connexion ischio-sacrale de la variete differe de celle du
Megatherium Ouvieri (comparez Owen, Pl. XXIII et Pl. X Fig. 1), il est
_ possible, que le bassin decrit est une variet® d’une autre espece de Mega-
_ therium.
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© Poli) SE BR ae+® ıCTg 'z8st smfmpıp »boydooaukp
EZ
Choloepus didactylus
1876 N. 723 1—70v 8—32(25)D 33—35(3)L 36-43 (8) 44—48 (5 ou6) Od
7 Cv for. tr. manque
adolescent
(Paresseux, UNAU)
88
Bassın
1879 N. 70
adulte
1900, 383
Etudes sur les varietes de la eolonne vert£brale. 571
1.62=
6A+1+1)8
c<+53L
Bradypus tridactylus
(Paresseux, Ai)
4+2C0d
4L
L, asymm.
©--14D
A. 12414, 188 J 1869
1.Cd=
29 —35 (7) 8
36 — 44 (9) Cd
10 Cd
65
1903, 486 trös jeune 1—8C» 9 D@w 10--24(15) D 25—28 (4) L,
VI, 487 Bassin
@
K
eötes rudiment. libres encore
1—8 0v 9 DOv 10—25 (16) D 26—28 (3) Z 29 LS
(6) 5
h)
3
Id
30-
D
ec
1882, 546
Scelidotherium lepto-
cephalum ÜOwen.
Squelette d’un in-
dividu trouve entre Re-
coletta et Palermo, sur
les bords du Rio de la
Plata, pres de Buenos-
Ayres. Il a ete monte
par M. DEYROLLE (cat.
1885 —24).
Lacolonne vertebrale
de ce tres beau squelette
est composce de 7 Ov,
15:D, 5.68. 2.09.
La 7° vertebre a en-
core des’ trous transver-
saux tres larges.
8 paires de cötes
s’attachent au sternum.
Le sternum est com-
pose du manubrium et
de 6 sternebres.
Les dernieres 3 cötes
n’ont pas d’articulation
avec le processus trans-
versus du corps vertebral,
et ne s’articulent qu’avec
la racine de l’are neural
de la m&me vertebre
(voyez Owen, Megathe-
rium 1855, p. 372). Les
deux dernieres cötes n’ont
pas le tubereulum costae
pour l’artieulation avec
le proc. transyv. de la
vertebre. La derniere eöte
est plus courte que la
precedente, la premiere
vertebre lombaire n’a pas
de surfaces articulaires
572 G. P. Frets
costales, le nombre des vertebres dorsales est alors quinze.
Le processus lateralis de la 1%° vertebre lombaire est un peu plus
massif que le processus transversus de la derniere dorsale: il
n’y a pas de processus costarius. La 3°, 4° et 5° vertebre lombaire
et la 1®e vertebre sacrale ont des processus articulares superiores.
Ces artieulations compliquees des vertebres lombaires qu’on trouve
chez les Myrmecophaga, on les trouve aussi mais pas si compliquees
chez le Megatherium (Owen, p. 374); le Scelidotherium les a de
meme, mais encore moins compliquees que ce dernier; ce’est ainsi
un developpement progressif de ces artieulations dans les
trois formes. Dans notre exemplaire de Scelidotherium L, et S, ont
a droite deux surfaces artieulaires pour le proc. artieularis inf. et le
processus transversus de L, et de Z,; a gauche on les trouve aussi
au ZL, et S,, mais elles ne sont pas si distinetes. Les processus spi-
nosi des 6 vertebres sacrales forment une cr&te osseuse; les vertebres‘
dorsales ont de grands proc. spinosi!, ceux des vertebres cervicales
sont plus petits; les vertebres caudales ne les ont pas.
La premiere hamapophyse se trouve entre la 2° et la 3° ver-
tebre caudale.
S; a les processus artieulares superiores, S; les processus in-
feriores. Les trois premieres vertebres sacrales s’articulent avee l’ilium,
les deux dernieres avec l’ischium. Les vertebres caudales ont de
grands processus lateraux.
Je ne connais pas de description complete de la colonne verte-
brale du Scelidotherium.
Owen (1842, p. 53) ecrit: »in the Scelidotherium (likewise) the
3 lumbar vertebrae are unanchylosed (voy. aussi 1855, p. 383).
L’exemplaire de Paris a 5 vertebres lombaires.
Il existe une belle monographie du Mylodon robustus par OWEN
(1842)2. Il donne la formule vertebrale 7 Cv, 16D, 3L, 78, (20-+?) Od.
Je cite: p. 47 »In the last dorsal vertebra the small rib (la 16°) was
1 Gervaıs (1869 et 1855 pl. XII fig. 7 et p. 50) d&erit les surfaces articu-
laires suplömentaires »en avant et en arriere de l’apophyse &pineuse, ä la base
de cette derniere et sur une ligne me&diane<; Owen (1855, p. 372) les a d&crites
pour le Megatherium.
? The vertebrae of the skeleton of the Mylodon here deseribed would
appear to have been discovered in their natural relative position, for they were
numbered consecutively from the atlas to the twenty-third vertebra, the body
of which was separated from the above described anchylosed neural arch (p 56).
Etudes sur les varietes de la colonne vertebrale. 573
anchylosed by both its head and tuberele, resembling a long trans-
verse, process, perforated at its base.« Cette vertebre est done une
vertebre dorsolombaire.
p. 51 »9 ribs were artieulated with the sternum.«
p- 64 »The sacrum of the Mylodon, defined by its connexions
with the ossa innominata, consists of seven vertebrae; but according
to the character of anchylosis it includes eleven.«
p- 47 »The last dorsal and all the lumbar vertebrae eontributing
to form an anterior prolongation of a peculiarly extensive sacrum.«
p- 66 »The complicated artieular processus in front of the last
dorsal vertebra indicate that it was interlocked with a double arti-
cular process on each side of the posterior part of the preceding
dorsal vertebra (Pl. X, Fig. 1)«.
AMEGHINO (p. 741) donne pour le Mylodon la formule vertebrale:
16D, 3L78, 20—24 Cd. Le Sternum consiste de 7 pieces.
BURMEISTER! (1865, p. 424) Ecrit »die mit dem Kreuzbein ver-
wachsenen Lendenwirbel belaufen sich bei Mylodon robustus und
ebenso bei Mylodon gracilis (2 ex.) auf drei, bei Mylodon giganteus
nur auf zwei.« Le sacrum se compose d’apres BURMEISTER dans le
Mylodon giganteus de 5-+2 vertebres; il y a trois vertebres lombaires
(1864—1869, p. 163) »no cuatro, como en las especies menores«?.
Dans le Mylodon robustus (p. 164) 7 cötes atteignent le sternum, qui
se compose de 7 pieces (pl. V, fig. 2). Je eite encore: p. 167: El
hueso esternocostal octavo se une (dans le Mylodon gracilis) con la
ültima (septima) vertebra esternal direetamente, y no con el septimo
hueso esternocostal como en el Mylodon robustus.
Le dernier sternebre est atteint par deux paires de cötes dans
! Il se trouve & Buenos-Aires un squelette eomplet de Mylodon graeilis
(BURMEISTER 1865, p. 421; voy. aussi cependant): 1864, p. 160, Circumstancias
muy favorables han traido & mis manos todas las partes que faltaban al esque-
leto primero.
2 1864, p. 163... .; siendo el numero de las vörtebras sacrales, de solo
einco, y el de}; las vertebras lumbares unidas con el sacro de dos. — >»De las
once vertebras libres antes de la pelvis que tenemos en el Museo püblico, sola-
mente una, la ültima, no tiene superficies artieularias de costillas; lo que prueba
que ella es vertebra lumbar, y que el nimero completo de tales vertebras fue
tres, no cuatro, como en las especies menores.«
p- 164. EI esternon del Mylodon (robustus) es eompuesto lo mismo que el
des Megaterio, de siete vertebras esternales, de las euales ya son conocidas las
seis primeras, faltando la Ultima, llamada ap£ndice xifoides, en la fig. de Owen
pl. IV de su obra.
574 G. P. Frets
le Mylodon gracilis, d’une paire seulement dans le Mylodon robustus
p. 168, 169: voyez aussi p. 170; la figure n’est pas d’accord avec
le texte).
Dans le musee de Paris se trouve:
Lestodon armatus. P. GERvAıs (M&m, de la soc. geol. de France
1873; eat. de l’an. comp. fev. 1857). s. Mylodon armatus (LYDEKKER
1893)! s. Mylodon giganteus (BURMEISTER; 1864, p. 161).
Bassin et quelques vertebres; mal eonserves. Avee la premiere
vertebre saerale est ossifiee la derniere lombaire; les processus
artieulares de celle-ei sont en connexion avec l’os iliaque. C’est le cas
aussi avec la vertebre lombaire precedente; la lombaire, qui suit,
— la derniere vertebre presente et tres endommagee — est ossifiee
avec les autres aussi, mais les processus articulares n’atteignent plus
les os iliaques.
Il y a 6 vertebres sacrales, la derniere est ossifice avee la cin-
quieme, mais les processus lateraux asymmötriques et ossifies avec
ceux de la 5’ vertebre sacrale ne sont pas en connexion avec les 053a
coxae. La 6° vertebre sacrale a des processus artieulaires inferieurs.
Les processus spinosi des 6 vertebres sacrales et des 3 lombaires
forment une erete osseuse.
Comme LYDEkKER'!, apres avoir vu beaucoup de cränes de.
Mylodon, eonelut que les Mylodons, decrits dans la litterature, appar-
tiennent tous & la m@me espece, il est vraisemblable que le cas de
BURMEISTER avec 4 au lieu de 3 vertebres lombaires (Myl. gracilis,
Myl. robustus et Myl. giganteus) est une variete. (Voy. aussi p. 12,2.)
Dans l’exemplaire de Londres le sacrum consiste de 7, dans celui
de Paris de 6 et dans celui de Buenos-Aires (BURMEISTER) de 5 ver-
tebres.
Le Glyptodon typus, Novor (fev. 1857) du musee de Paris
possede 7 vertebres cervicales, 12 dorsales, 7 lombaires, 10 (ou 9)
sacrales (desquelles 4 atteignent l’os iliaque et 2 [ou 1] Tiisehion) et
14 caudales. Il n’est pas impossible pourtant, que la 1° ver-
tebre lombaire ait eu des eötes. AMEGHINO (p. 777) indique 12 ou 13
vertebres dorsales, 6 ou 8 vert. lombaires et 9 ou 10 vert. sacrales
et pour Glyptodon reticulatus 11 vert. dorsales et 7 lombaires.
! LYDEKKER (1893, p. 79): From a survey of some five-and-twenty more or
less nearly complete skulls (de Mylodon), to say nothing of a number of upper
and lower jaws, I am convinced that the whole of the long list of names given
above are synonyms of this species.
Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLI Tafel X.
for.sac.postt.
pr. art.inf. Sei.
Foto: Frets et Cintrakt, Paris.
Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig.
Etudes sur les variöt6s de la colonne vertöbrale. 575
LYDEKKER est convaincu que »all the specimens of Glyptodon from
the Argentine Pampas are referable to a single species« (p. 6).
De ces observations peu nombreuses sur les varietes de la
colonne vertebrale des Edentes fossiles je rappellerai:
le bassin de Megatherium de Paris (p. 11).
la partie caudale du sternum de Paris (p. 9).
la vertebre dorsolombaire de Mylodon, ex de Londres (p. 15).
le bassin de cet exemplaire de Mylodon.
le nombre variable des vertebres lombaires des exempl. de
Mylodon &tudies par BURMEISTER.
le developpement progressif des artieulations a doubles disques
des vertebres lombaires de Scelidotherium, Megatherium et Myrme-
cophaga (p. 15).
Je remercie sincerement MM. les Professeurs Epm. PERRIER et
Marc. BouULE de m’avoir permis d’etudier les colleetions du Jardin
des Plantes; et d’autre part MM. les Docteurs AnTHONY et THEYVENIN
pour les informations qu’ils m’ont donnees dans le laboratoire d’ana-
tomie comparee et de paleontologie.
Planche X et XI. Fig. 1 et 2.
Fig. 1. Megatherium Cuvieri. Bassin. Vue d’arriere et de dessus. On voit
3 foramina sacralia, les processus articulares sup. de la 1. vert. sacrale;
les proc. artieulares sup. et inf. de la vertebre sacrocaudale.
Fig. 2. Id. Vue laterale. On voit que la vertebre sacrocaudale est presque
libre.
Quvrages eites,
1864—69, F. AmEGHINO. Anales del Museo püblico de Buenos-Ayres. T.1.
1889. —— Contr. al con d. l. Mamiferos fösiles de la Repüblica Argentina.
Buenos-Aires et Paris.
1864—69. H. BURMEISTER. Anales del Mus. pub. Buenos-Aires. T.I.
1876. —— Description physique de la Röpublique Argentine. Paris, traduit
de l’allemand.
1875. —— Die fossilen Pferde der Pampasformation. 4°.
1885. W. H. FLowEr. An introduction to the Osteologie of the Mammalia.
3. ed. revised with the assistance of H. GApow. London.
1855. P. GERvAISs. Animaux nouveaux ou rares recueillis pendant l’expedition
de l’Ame£rique du sud sous la direction de F. DE CASTELNAU 7. Partie.
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Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLI.
Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig.
Tafel X.
Fie. >.
Frets et Cintrakt, Paris.
Foto:
Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des
menschlichen Embryo.
Von
W. Felix, Zürich.
Mit 22 Figuren im Text.
Ich bin mit einer Untersuchung über die Entwicklung der Rumpf-
gefäße der Wirbeltiere beschäftigt. Aus dieser Untersuchungsreihe
veröffentliche ich im Nachfolgenden die Ergebnisse beim Menschen.
Ich tue das lediglich in dem Wunsche, meine Befunde für das im
Erscheinen begriffene Handbuch der Entwicklungsgeschichte des
Menschen von KEIBEL und MArL nutzbar zu machen.
Den wegleitenden Gedanken meiner Untersuchung habe ich
bereits im Kapitel Urogenitalsystem des großen Handbuches von
HeErTwıG, Bd. III, S. 401ff. niedergelegt. Ich machte dort den
Versuch, den filtratorischen Apparat der einzelnen Vertebraten-Vor-
nieren zu homologisieren; ich gebe ihn hier etwas ausführlicher
wieder.
Amphioxus,
Die Gefäßverhältnisse des Amphioxus kennen wir aus der Arbeit
von Boverı (92). Ich gebe aus ihr das uns Interessierende zunächst
im Schema wieder (Fig. 1). Wir sehen zwei Längsgefäße, ein ven-
trales und ein dorsales, die V. subintestinalis und die Aorta dorsalis.
Zwischen diesen beiden Längsgefäßen sind in regelmäßigen Ab-
ständen Quergefäße angeordnet, die ich viscero-ventrale Bogenge-
fäße nennen will. Ein jedes Bogengefäß verläuft zwischen Splanchno-
pleura und Darm und wird in seinem Verlaufe durch ein
Wundernetz unterbrochen. Die Wundernetze sind gebunden an
die Harnkanälchen, sie treten nur da auf, wo diese liegen,
und ihre Ausbreitung entspricht der eines Harnkanälehens samt
D78 W. Felix
seinem Solenocytenfelde; BovErı faßt sie deshalb mit Recht
als Glomeruli auf. Jedes viscero-ventrale Bogengefäß wird also
Fig. 1.
Längscommissur
dorsales Längsgefaß
ventrales Längsgefäß
Schema des visceroventralen Bogensystems eines Amphioxus. Das visceroventrale Bogensystem ver-
bindet ein ventrales Längsgefäß und ein dorsales Längsgefäß. In jeden visceroventralen Bogen ist
ein Wundernetz derart eingeschaltet, daß er durch dasselbe mit dem nachfolgenden Bogen verbunden
wird. Aus der Summe der Wundernetze entsteht ein Längsgefäß, das parallel der Aorta dorsalis
verläuft und die einzelnen visceroventralen Bogen untereinander verbindet.
Fig. 2.
Kiemennierenarterie des primären Bogens (I). Seltene Anastomose zwischen 2 Glomerulis
| \ | E
Aorta
Kiemennieren-
arterie des sekun-
dären Bogens (II).
Harnkanälchen
Kiemenstab
axiale Lamelle
inneres äußeres inneres äußeres Cölomgefäß axiale Lamelle
Achsengefäß Achsengefäß Achsengefäß Achsengefäß
Flächenbild der medialen Wand des subchordalen Cöloms zur Darstellung der Beziehung zwischen
Nierenkanälchen und Gefüßsystem des Amphioxus. Mit I sind die primären Kiemenbogen, mit II die
sekundären Kiemenbogen bezeichnet. Im primären Kiemenbogen laufen drei visceroventrale Bogen-
gefäße, im sekundären Kiemenbogen deren zwei. Je eines der Gefäße des primären und des sekun-
dären Bogens bilden die Vasa afferentia des Glomerulus, aus dem zwei Vasa efferentia herausfähren,
das Efferens cranialis, welches die Verbindung mit der Aorta herstellt, das Efferens caudalis,
welches Verbindung mit einem visceroventralen Bogengefäß des nächstfolgenden primären Kiemen-
bogens eingeht. Nach Boverı (92).
durch seinen Glomerulus zweigeteilt, wir sprechen am besten von
einem Vas afferens des Glomerulus, das von der V. subintestinalis
kommt, und einem Vas efferens, das zur Aorta dorsalis geht. Das
. _ ß ® j [ a
ara,
=
EEE
Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 579
Vas afferens ist einfach, das Vas efferens stets doppelt; die beiden
efferentia liegen in cranio-caudaler Richtung hintereinander, wir
können deshalb ein craniales und ein caudales Vas efferens unter-
scheiden. Das efferens cranialis mündet in die Aorta, das efferens
caudalis in das efferens eranialis des nächstfolgenden Glomerulus.
Da sämtliche Glomeruli zwei efferentia haben und jedes efferens
caudalis die Verbindung mit dem nächstfolgenden efferens eranialis
vermittelt, entsteht aus der Summe der Glomeruli und der caudalen
efferentia eine parallel der Aorta verlaufende Blutbahn, die ich als
Längscommissur des viscero-ventralen Bogengefäßsystems bezeichne.
Die wirklichen Verhältnisse, wie sie in Fig. 2 wiedergegeben
sind, sind etwas komplizierter. Wir haben beim Amphioxus neben
den primären Kiemenbogen sekundäre, in der Figur sind die primären
Kiemenbogen mit I, die sekundären mit II bezeichnet. In dem
primären Kiemenbogen liegen 3, im sekundären 2 Bogengefäße, im
ganzen also 5. Statt dieser 5 Gefäße ist im Schema nur ein einziges
gezeichnet. Von diesen 9 Bogengefäßen steht im primären wie im
sekundären Bogen immer nur eines mit dem Glomerulus in Verbin-
dung; es existieren also in Wirklichkeit zwei afferentia, eines des
primären und eines des sekundären Bogens; die efferentia zeigen
gegenüber dem Schema keine Änderung.
Selachier.
Die Gefäßverhältnisse der Selachier stelle ich gleichfalls im
Schema dar (Fig. 3). Auch hier haben wir zwei Längsgefäße, ein
Fig. 3.
Vornierenarterien Aorta dorsalis Aortenbogen
N N u En —— N
mn a
caudale Gruppe craniale Gruppe
des visceroventralen Bogensystems
Schema des visceroventralen Bogensystems eines Selachiers. Das visceroventrale Bogensystem ist
in zwei Gruppen gespalten, eine craniale Gruppe, respräsentiert durch die Aortenbogen, eine
eaudale Gruppe, repräsentiert durch die Vornierenarterien, die sich später zur A. vitellina vereinigen.
ventrales: die V. subintestinalis und ein dorsales, die Aorta dorsalis.
Die V. subintestinalis wird hier durch das Herz (in dem Schema
nicht gezeichnet) unterbrochen, wir unterscheiden ein craniales Stück,
580 W. Felix
das die Aorta ventralis darstellt, und ein caudales Stück, die V. sub-
intestinalis im engeren Sinne. Zwischen diesen beiden Abschnitten des
ventralen Gefäßes und der dorsalen Aorta sind, wie beim Amphioxus,
(uergefüße ausgespannt, die viscero-ventralen Bogengefäße. Die
Bogengefäße des eranialen Abschnittes werden durch die Aorten-
bogen repräsentiert, die des hinteren Abschnittes sind als die
Paun Maverschen Darmgefäße bekannt. Beide Bogengefäßgruppen
zeigen volle Übereinstimmung, sie haben dieselben Verbindungen
und liegen beide zwischen Splanchnopleura und Darm. Die Bogen-
gefäße der caudalen Gruppe stehen in Beziehung zur Vorniere;
1) finden sich diese Bogengefäße nur in der Vornierengegend, und
zwar liegt immer ein Gefäß caudal von dem entsprechenden Vor-
nierenkanälchen; 2) verschiedene Selaghierfamilien zeigen eine ver-
schiedene Zahl von Vornierenkanälchen und mit dieser verschiedenen
Zahl der Vornierenkanälchen variiert auch die Zahl der Bogen-
gefäße, so hat z. B. Prostiurus 4 Vornierenkanälchen und 4 Bogen-
gefäße, Torpedo 7 Vornierenkanälehen und 7 Bogengefäße; 3) sind
die einzelnen Vornierenkanälchen nicht gleich kräftig entwickelt,
dementsprechend sind auch die Bogengefäße nicht gleich stark ent-
wickelt, einem kräftig entwickelten Vornierenkanälchen entspricht
auch ein kräftig entwickeltes Bogengefäß; 4) sehen wir bei der
Rückbildung der Vorniere, daß die Vornierenkanälchen und ihre
Nephrostomata miteinander verschmelzen; synchron mit dieser
Verschmelzung der Vornieren-Bestandteile tritt auch eine Ver-
schmelzung der Bogengefäße ein; endlich ist 5) durch RÜückerr (88)
wenigstens bei Torpedo festgestellt worden, daß die Bogengefäße
gegenüber den Vornieren-Ostien eine Erweiterung zeigen. Aus alle-
dem geht hervor, daß die Bogengefäße in inniger Beziehung zu
den Vornierenkanälehen stehen und daß RasL (96) im Recht ist,
wenn er diese Bogengefüße direkt als Vornierenarterien bezeichnet.
Die Vorniere der Selachier wird vollständig zurückgebildet, die Vor-
nierenarterien verschmelzen zwar miteinander, bleiben aber schließlich
erhalten, weil aus ihnen die Dottersackarterie, die A. vitellina
hervorgeht.
Vergleichen wir zunächst die Gefäßverhältnisse der Selachier
mit den Gefäßverhältnissen des Amphioxus, se dürfen wir wohl
ohne weiteres die Bogengefäße der eranialen Gruppe mit den
vorderen Bogengefüßen des Amphiowus identifizieren. Es besteht
aber nicht der geringste Hinderungsgrund, auch die Bogengefäße
der caudalen Gruppe einem Teil der eaudalen Bogengefäße des
Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 581
Amphioxus gleichwertig zu setzen; schon Bovzrı hat diesen Ver-
gleich durchgeführt. Bei dem Vergleiche fällt uns auf, daß die
Zahl der Bogengefäße der Selachier eine außerordentlich geringe
ist. Den Grund für diese Verkürzung haben wir zu suchen in der
Verkürzung der Kiemen- und der Vornierenregion. Die Kiemen-
region wird von hinten her in caudo-eranialer Richtung, die Vor-
nierenregion von vorn her in eranio-caudaler Richtung zurückgebildet.
Infolgedessen kommen Kiemen- und Harnkanälchen nicht mehr
nebeneinander im gleichen Segment vor, wie das der Amphioxus
zeigt, sondern: sie werden auseinandergerückt, die Kiemen liegen
mehr in der vorderen, die Vornierenkanälchen mehr in der hinteren
Partie und dieses Auseinanderrücken bewirkt auch die Trennung
der Bogengefäße in die beiden Gruppen, die eraniale und caudale.
Ob in früheren Entwicklungsstufen sich zwischen den beiden Gruppen
und schwanzwärts von der caudalen Gruppe noch Gefäße nach-
weisen lassen, ist nicht festzustellen, da Untersuchungen, die speziell
auf Beantwortung dieser Frage gerichtet sind, noch nicht ausgeführt
wurden, immerhin ist das Auffinden weiterer Gefäße sehr unwahr-
scheinlich, da die Vornieren-Arterien von RABL untersucht worden
sind, und wir wohl erwarten dürfen, daß bei der absoluten Zuver-
lässigkeit dieses Forschers keine Arterie übersehen worden ist.
Weiter fällt bei einem Vergleich das Fehlen der Wundernetze
in der ecaudalen Gruppe auf. Das Fehlen derselben hängt wieder
mit der rudimentären Ausbildung der Vorniere dieser Tiere zu-
sammen. Es gibt unter den Wirbeltieren keine Vorniere, die so
schlecht ausgebildet wäre wie die der Selachier, die Vornieren-
kanälehen der Selachier sind nicht bloß örtlich verkürzt, indem sie
in nur ganz wenigen Segmenten vorkonmen, sondern auch zeitlich,
weil sie nur während einer verschwindend kleinen Periode der Ge-
samtentwicklung bestehen.
Wir können die Verhältnisse bei den Selachiern dahin zusammen-
fassen, daß die viscero-ventralen Bogengefäße durch Rückbildung
der Kiemen und Rückbildung der Vorniere in zwei Gruppen getrennt
werden, in eine vordere Gruppe, die im Dienst des Kiemen-Apparates
bleibt, Kiemengefäße oder Aortenbogen, und eine hintere Gruppe,
die ihre Beziehnngen zu den Harnkanälchen beibehält, die Vornieren-
Arterien bzw. die Vornieren-Dottersackarterien.
Ganoiden,
Auch die Ganoiden zeigen die beiden Längs- und die viscero-
ventralen Bogengefäße; das ventrale Längsgefiß wird wie bei
zekz
582 W. Felix
den Selachiern durch das Herz unterbrochen (Fig. 4). Die Aorta
ventralis steht durch Bogengefäße mit der Aorta dorsalis in Ver-
bindung. Daß diese Bogengefäße den Aortenbogen der Selachier
und den vorderen Kiemenarterien des Amphioxrus homolog sind,
bedarf keiner weiteren Erörterung. Die caudale Gruppe der Bogen-
gefäße, welche bei den Selachiern die V. subintestinalis im engeren
Sinne mit der Aorta dorsalis verband, fehlt scheinbar vollständig.
Um sie zu suchen, haben wir uns zu erinnern, daß die Bogen-
gefäße der caudalen Gruppe zu den Vornierenkanälchen in Be-
ziehung stehen. Die Vorniere der Ganoiden — ich lege meiner
Darstellung die Verhältnisse bei Amia calva zugrunde — besteht
Fig. 4.
Vornierenarterien Aortenbogen
a PETE re DEE SCORE
Caudale Gruppe er Craniale Gruppe
des viscero-ventralen Bogensystems
Schema des visceroventralen Bogensfstems eines Ganoiden (Amia calva). Die craniale Gruppe des
visceroventralen Bogensystems wird durch die Aortenbogen repräsentiert, eine caudale Gruppe
wird dargestellt durch die primäre und sekundäre Wurzel der A. mesenterica sup. Der Vornieren-
glomerulus ist als Längscommissur zwischen diesen Wurzeln eingeschaltet, er setzt sich cranialwärts
in ein Längsgefäß fort, das in Verbindung mit dem 6. und 7. Aortenbogen kommt, nach rückwärts
in ein Längsgefäß, welches als A. mesenterica sup. entlang der dorsalen Darmperipherie verläuft.
Das Verbindungsgefäß zwischen Aortenbögen und Glomerulus, der Glomerulus selbst und die A.
mesenterica repräsentieren die Längscommissur des visceroventralen Bogensystems, die beiden
Wurzeln der A. mesenterica sup. stellen Reste von visceroventralen Bogen dar.
im ausgebildeten Zustand aus einer Vornierenkammer, die sich
über mehrere Körpersegmente erstreckt, und aus einem Vornieren-
kanälchen. Die mediale Wand der Vornierenkammer wird beider-
seits durch eine Wundernetzbildung eingestülpt, rechtes und linkes
Wundernetz sind an ihrem cranialen Ende getrennt, an ihrem
caudalen vereinigt. Wir haben mithin ein unpaares Wundernetz
mit drei Polen, zwei eranialen und einem caudalen. An den beiden
cranialen Polen tritt rechts und links ein Vas afferens in das
Wundernetz ein, am caudalen unpaaren Pole ein einziges Vas efferens
aus. Verfolgt man die afferentia eranialwärts weiter (Fig. 4), so
findet man sie in Zusammenhang mit den beiden letzten Bogen-
gefäßen der eranialen Gruppe, und zwar als deutliche Längs-
eommissur. Das efferens setzt sich entlang der dorsalen Darm-
peripherie caudalwärts als A. mesenterieca sup. fort. Die beiden
Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 583
afferentia und das efferens werden durch Quergefäße mit der Aorta
dorsalis verbunden. Diese Gefäße sind in der Literatur als primäre
(die paarigen) und sekundäre (die unpaare) Wurzeln der A. mesen-
terica sup. bekannt. Im Verlauf der Entwicklung werden primäre
Wurzeln und Glomerulus zurückgebildet, die sekundäre Wurzel
bleibt allein erhalten.
Vergleichen wir zunächst die Ganoiden-Verhältnisse mit denen
des Amphioxus, so haben wir bereits vorhin erwähnt, daß die
eraniale Gruppe der Ganoidenbogengefäße den eranialen Bogen-
sefäßen des Amphioxus entspricht. Die Vasa afferentia erscheinen
wenigstens zwischen dem 6. und 7. Bogen als Längscommissur, es
wäre deshalb möglich, die Vasa afferentia, die beiden Wundernetze,
das Vas efferens und seine Fortsetzung, die Art. mesent. sup. mit
den Längscommissuren des Amphioxus zu vergleichen, wir hätten
hier nur den Unterschied, daß die Längscommissuren des Amphioxus
in ganzer Ausdehnung paarig sind, während die Längscommissuren
der Ganoiden im vorderen Abschnitt wohl paarig, im hinteren Ab-
schnitt aber unpaar sind. Der Glomerulus der Ganoidenvorniere
ist einer Reihe von Amphioxus-Glomeruli homolog, das geht hervor
1) aus der Tatsache, daß der Ganoiden-Glomerulus sich über mehrere
Segmente erstreckt, und 2) daß er bei jüngeren Embryonen in ein-
zelne voneinander getrennte Abschnitte zerfällt. Entsprechen aber
die Vasa afferentia, die Glomeruli, das Vas efferens und die A.
mesenterica sup. den Längscommissuren des Amphioxus, so müssen
folgerichtig die Querverbindung zwischen afferentia und efferens
einerseits und der Aorta anderseits, d. h. die primären und die se-
kundäre Wurzel der A. mesenterica sup. Resten von viscero-ventralen
Bogengefäßen gleich gesetzt werden. Bei jüngeren Embryonen,
deren Glomeruli in 4—5 Abschnitte zerfallen können, stehen diese
Abschnitte gleichfalls durch Quergefäße mit der Aorta in Verbin-
dung und auch diese Quergefäße würden dann als Reste von viscero-
ventralen Bogengefäßen anzunehmen sein. Auch hier hätten wir
dann die gleichen Erscheinungen wie an der Längscommissur zu
beobachten, daß die ceranial gelegenen Bogengefäße noch paarig,
_ die weiter caudal gelegenen Bogengefäße unpaar ausgebildet werden.
Alle diese Quergefäße entsprechen aber nur einem Abschnitt
der Amphioxus-Bogengefäße, und zwar demjenigen, den wir oben
als eraniales efferens bezeichnet haben. Solange keine Verbindung
mit der V. subintestinalis nachgewiesen ist, oder solange kein
andrer Nachweis geliefert werden kann, daß die Wurzeln der
Morpholog. Jahrbuch. 41. 38
f
er
584 W. Felix
A. mesenterica sup. homolog den Bogengefäßen der caudalen
Gruppe sind, ist der Homologisierungsversuch nicht sicher begründet.
Das mir zur Verfügung stehende Ganoidenmaterial reicht leider
nieht aus, diese Frage zur Entscheidung zu bringen, wir sind aber
durch Vergleiche mit den Teleostiern in der Lage, trotzdem die
Vornierengefäße der Ganoiden mit den Bogengefäßen der caudalen
Gruppe der Selachier zu homologisieren.
Teleostier.
Die Rumpfgefäße der Teleostier gleichen fast vollständig
denen der Ganoiden, das ventrale Längsgefäß wird wieder durch
das Herz in die Aorta ventralis und die V. subintestinalis im engeren
Sinne geschieden (Fig. 5). Die ventrale Aorta steht durch die Aorten-
bogen mit der dorsalen Aorta in Verbindung. Diese Aortenbogen
sind selbstverständlich denen der Ganoiden, denen der Selachier
Fig. 5.
Des visceroventralen Bogensystems
caudale Gruppe mittlere Gruppe craniale Gruppe
mesenterica
4. vitellina Vornierenglomerulus
Schema des visceroventralen Bogensystems einer Forelle. Das visceroventrale Bogensystem zerfällt
hier in drei Gruppen, in eine eraniale Gruppe, repräsentiert durch die Aortenbögen, in eine mittlere
Gruppe, repräsentiert erstens durch die Verbindungsgefäße zwischen Vornierenglomerulus und Aorta
und zweitens durch die A. vitellina, und endlich in eine caudale Gruppe (in der Fig. unvollständig
dargestellt), repräsentiert durch Darmarterien, die sich beim Embryo zwischen A. mesenterica und
A. analis vorfinden.
und damit den vorderen Bogengefüßen des Amphioxus homolog.
Die eraniale Gruppe der viscero-ventralen Bogengefäße wäre da-
durch gefunden. Die caudale Gruppe der Bogengefäße ist wie bei
den Ganoiden zunächst nicht sofort siehtbar. Wir müssen auch hier
wieder die Vornierenverhältnisse prüfen, um diese caudale Gruppe
zu finden. Die Teleostiervorniere besteht aus einer rechten und
linken Vornierenkammer mit je einem Vornierenkanälchen. Die
Vornierenkammer wird wie bei den Ganoiden durch den Glomerulus
eingestülpt; dieser Glomerulus ist in seinem eranialen Abschnitte
paarig, in seinem caudalen Abschnitt unpaar. Aus dem unpaaren
Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 585
Glomerulus-Abschnitte tritt die A. mesenterica sup. aus und läuft
wieder entlang der dorsalen Darm-Peripherie schwanzwärts. Der
Glomerulus steht durch eine Reihe von Quergefäßen mit der Aorta
dorsalis in Verbindung. Von diesen Quergefäßen sind die an den
beiden eranialen Enden und dem caudalen Ende gelegenen die
stärksten, sie entsprechen den primären Wurzeln und der sekundären
Wurzel der Ganoiden (Fig. 5). Was uns bei Vergleich der Fig. 5
mit der Fig. 4 auffällt, ist das Fehlen der beiden afferentia. Bei
den Salmoniden, nach denen ich das Schema zeichnete, steht der
Glomerulus nieht mit den Bogengefäßen der eranialen Gruppe in
Verbindung. Zweitens fällt uns auf, daß eines von den Quergefäßen
durch das Wundernetz hindurchtritt und die V. subintestinalis er-
reicht. Dieses Gefäß wäre die Arteria vitellina und damit dem
'gleiehnamigen Gefäß der Selachier homolog. Dieses eine Quer-
gefäß, welches jetzt die V. subintestinalis bzw. das Dottersack-
capillarnetz mit der Aorta dorsalis verbindet, rechtfertigt die Homo-
logisierung aller übrigen Quergefäße mit den Bogengefäßen der
caudalen Gruppe und rechtfertigt damit auch die Homologisierung
der Quergefäße des Ganoiden-Glomerulus mit diesen caudalen Bogen-
gefäßen. Drittens fällt uns auf, daß hinter der sekundären Wurzel
der A. mesenterica noch eine Reihe weiterer Quergefäße diese
Darmarterie mit der Aorta dorsalis verbindet (es sind in Fig. 5
nicht alle Quergefäße eingetragen). Diese Quergefäße werden bis
auf eins, das zur A. analis wird, zurückgebildet; im Embryo er-
reichen sie die V. subintestinalis.
Vergleichen wir die Teleostier-Gefäßverhältnisse mit denen der
übrigen bisher besprochenen Wirbeltiergruppen, so fällt uns auf, daß
bei den Teleostiern die caudale Gruppe sehr groß ist; ihre Bogen-
gefäße befinden sich entlang dem ganzen Darmrohre bis zum End-
darm gruppiert. Wir können deshalb zusammenfassend sagen: die
viscero-ventralen Bogengefäße der Teleostier werden 1) durch die
Anlage des Herzens, 2) durch ihre Beziehung zu den Kiemen, den
Vornierenkanälchen und dem Darm in drei Gruppen getrennt; die
eine Gruppe, vor dem Herzen gelegen, wird repräsentiert durch die
Aortenbogen, die zweite Gruppe, caudal vom Herzen gelegen, ent-
hält die Vornieren-Arterien und die A. vitellina, die dritte Gruppe,
gleichfalls caudal vom Herzen, setzt sich zusammen aus den Darm-
arterien. Dabei vollzieht sich in der Richtung von vorn nach hinten
ein wichtiger Umwandlungsprozeß, die eraniale Gruppe ist paarig
und ohne Längscommissur, die mittlere Gruppe ist im vorderen
38*
586 W. Felix
Teile paarig, im hinteren Teil unpaar, bei ihr spielt die Längs-
eommissur eine bedeutende Rolle. Die eaudale Gruppe ist unpaar,
zwar sind Stücke paariger Bogengefäße erhalten, aber die Längs-
Fig. 6. commissur, die in ihr
die Hauptrolle spielt,
ist unpaar.
a Siren
Amphibien.
Unsre Kenntnisse
über die Rumpfgefäße
„zen“ der Amphibien sind
lückenhaft, in bezug auf
die Entwicklung der-
selben wissen wir so
gut wie nichts. Auch
erypto- hier können wir die
branchss drei Gruppen des vis-
cero-ventralen Bogen-
systems unterscheiden;
eine eraniale Gruppe
wird durch die Aorten-
d an bogenrepräsentiert; eine
mittlere Gruppe müßte
in den Gefäßen der
Vorniere gesucht wer-
den, sie ist noch nicht
nachgewiesen, doch zei-
e Anagan gen die Arbeiten FıLa-
rows (1904 und 1905),
daß dies Suchen wahr-
scheinlich erfolgreich
Vergleichend anatomische Darstellung der Arterienverhältnisse 1 ir: 1 =
der Amphibien aus Kraarson (1892): a stellt die Darmarterien Bl wird »- AEBEEEEE
von Siren, b von Menobranchus, c und d von Oryptobranchus dale Gruppe würde
und e der Anuren dar.
durch die Darmarterien
dargestellt, für deren Anordnung die vergleichend anatomische Zu-
sammenstellung von KrAArscH (92) wichtige Fingerzeige gibt. Ich
reproduziere in der Fig. 6 die Zusammenstellung aus seiner Arbeit.
Wir sehen in Fig. a, welche die Verhältnisse von Sören. wiedergibt,
zahlreiche aber unpaare Darmarterien, wir sehen danr weiter in den
Fig. b, ce und d (Menobranchus und Cryptobranchus) die Zahl dieser
—
o
Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 587
Darmarterien allmählich abnehmen, indem eine Art von Längscommissur
entwickelt wird, aus welcher die eigentlichen Darmarterien ent-
springen. Endlich sehen wir bei den Anuren (Fig. e) nur noch eine
Darmarterie, die A. intestinalis communis, von der aus der gesamte
Darm versorgt wird. Es ist möglich, daß die unbekannte Entwick-
lung bei Anuren zahlreiche viscero-ventrale Bogengefäße ergibt,
die untereinander durch eine Längscommissur verbunden werden,
und daß von den Wurzeln dieser Bogengefäße nur noch die am
weitesten cranial gelegene als A. intestinalis communis erhalten
bleibt, während die peripheren Gebiete sämtlicher Darmarterien
durch eine Längscommissur ihr Blut aus dieser einzig erhalten ge-
bliebenen Wurzel beziehen. Diese Unpaarigkeit der Darmarterien
würde gar keine Schwierigkeit machen, da wir ja von den Teleo-
stiern her wissen, daß die Unpaarigkeit gerade bei der dritten
Gruppe sich allmählich aus dem paarigen Zustande entwickelt.
Reptilien.
Auch die Reptilien lassen die drei Gruppen des viscero-ventralen
Bogengefäßsystems erkennen. Die eraniale Gruppe wird durch die
Aortenbogen repräsentiert. Eine mittlere Gruppe, die noch nicht
bekannt ist, müßte in den Gefäßen der Vorniere gefunden werden.
Die caudale Gruppe ist in den Darmarterien gegeben. Nach
HOcHSTETTER (98) wird die A. omphalo-mesenterica ursprünglich durch
eine größere Zahl von Aortenästen vertreten, welche zum größten
Teil paarig, teils von Anfang an unpaar entspringen. Mit Aus-
bildung des Darmgekröses verschmelzen die paarig entwickelten
Darmarterien untereinander, und eines dieser unpaaren Gefäße wird
zur A. omphalo-mesenterica, während die andern zurückgebildet
werden. Ob eine Längscommissur gebildet wird, ist nicht bekannt,
doch würde sie theoretisch fast erforderlich sein, wenn wir wissen,
‚daß schließlich eine Arterie das Gebiet aller versorgt.
Vögel und Säugetiere,
Die Aortenbogen der Vögel und Säuger stellen die craniale
Gruppe des viscero-ventralen Bogensystems dar; die mittlere Gruppe,
die Beziehungen haben müßte zur Vorniere, ist nicht bekannt; die
_ eaudale Gruppe würde auf früherer Entwieklungsstufe durch zahl-
reiche Dottersackarterien, welche paarig aus den noch nicht ver-
‚einigten Aorten entspringen, repräsentiert.
588 W. Felix
Zusammenfassung.
Wir haben das Verhalten des viscero-ventralen Bogensystems
innerhalb der einzelnen Klassen des Wirbeltierstammes kennen ge-
lernt und können jetzt zusammenfassend sagen: Vom Amphioxus
angefangen bis hinauf zu den Säugern lassen sich viscero-ventrale
Bogengefäße entlang entweder der ganzen Länge oder entlang von
Teilstrecken des Darmes nachweisen. Diese viscero-ventralen Bogen-
gefiße liegen ursprünglich innerhalb der Kiemenbogen zwischen
Splanehnopleura und Darm; sie verbinden im primitiven Zustand
ein ventrales Längsgefäß, aus dem später Aorta ventralis, Herz und
V. subintestinalis hervorgehen, mit einem dorsalen Längsgefäß, der
Aorta dorsalis. In den Verlauf dieser Bogengefäße sind Wunder-
netze derartig eingeschaltet, daß sie zwei aufeinanderfolgende
Bogen verbinden; aus der Summe der Wundernetze entsteht eine
parallel der Aorta dorsalis verlaufende Längscommissur, die Längs-
commissur des viscero-ventralen Bogensystems. Die Wundernetze
entsprechen in Lage und Ausdehnung den Harnkanälchen und
ihren Verzweigungen. Später wird die Zahl der Kiemenbogen
und der Harnkanälchen vermindert, die Kiemenbogen beschränken
sich auf die eranialen, die Harnkanälchen auf die mittleren und
caudalen Abschnitte des Rumpfes. Diese Scheidung zwischen
Kiemen- und Vornierenregion hat auch eine Teilung der viscero-
ventralen Bogengefäße in eine craniale und eine caudale Gruppe
zur Folge. Die eraniale Gruppe bleibt als Aortenbogensystem bis
zu den Säugern erhalten. Die caudale Gruppe macht verschiedene
Umänderungen durch, ihre einzelnen Bogen treten außer zu den
Harnkanälchen auch zu der Darmdottersackwand in Beziehung, da
die Vornierenkanälchen in der aufsteigenden Wirbeltierreihe immer
mehr an Zahl abnehmen, spaltet sich die caudale Gruppe wieder
in zwei Unterabteilungen, in eine mittlere Gruppe, welche zu Vor-
niere und Darm, und eine caudale Gruppe im engeren Sinne, welche
nur noch zum Darm in Beziehung steht.
Kiemen und Vornierenkanälchen sind paarige Organe, wir
werden deswegen die Erhaltung der Paarigkeit der Bogengefäße
im eranialen und mittleren Abschnitt erwarten dürfen. Der Darm
ist ein unpaares Organ, es wird deshalb bei den Bogen der caudalen
Gruppe sich aus dem paarigen Zustand der unpaare entwickeln
können.
Die Längscommissur des viscero-ventralen Bogensystems kann
Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 589
in allen drei Gruppen erhalten bleiben oder zurückgebildet werden.
Da, wo alle Bogengefäße einer Abteilung in ganzer Länge zur Aus-
bildung gelangen und in den erwachsenen Zustand übergeführt
werden, ist sie nicht nötig, sie wird deshalb nicht mehr, oder nur
unvollkommen angelegt. Wo nicht alle Gefäße einer Abteilung,
wie das bei der mittleren und eaudalen Gruppe der Fall ist, in den
erwachsenen Zustand übergeführt werden, ist die Ausdehnung der
Rückbildung abhängig von der Längseommissur. Diese teilt jedes
Bogengefäß in ein Wurzelstück und ein peripheres Stück. Das
periphere Stück steht mit dem einheitlichen Capillarnetz in der
Dottersackdarmwand in Verbindung. Wo eine Längscommissur be-
steht, macht sie dieses periphere Capillarnetz unabhängig von dem
einzelnen Wurzelstück; ist ein Wurzelstück eines oder mehrerer
Bogengefäße genügend erweiterungsfähig, dann kann es mit Hilfe
der Längscommissur die peripheren Stücke aller übrigen Bogen-
gefäße und das von ihnen gespeiste Capillarnetz mit Blut versorgen;
damit sind die übrigen Wurzelstücke unnötig geworden und fallen
der Rückbildung anheim. Wir sehen deshalb im caudalen Ab-
schnitt, wo die Rückbildung der zahlreichen Bogengefäße am
stärksten auftritt, die Längscommissur am häufigsten erhalten.
Die Entwicklung der Rumpfgefäße beim Menschen,
Mit dieser Zusammenfassung ist der leitende Gesichtspunkt
festgestellt, der bei allen Untersuchungen über die Entwicklung
der Rumpfgefäße eines Wirbeltierembryo maßgebend sein sollte.
Um eine solehe Untersuchung beim Menschen auszuführen,
standen mir nur vier Embryonen zur Verfügung, die hinreichend
jung waren, um wirklich die erste Entwicklung der Rumpfgefäße
zu zeigen. Alle übrigen waren zu alt und zeigten Verhältnisse, wie
sie bereits aus BROMANNs Zusammenfassung (07) bekannt geworden
sind. Zwei Embryonen wurden mir von dem verstorbenen Geheim-
rat Prof. PFANNENSTIEL anvertraut — ich gedenke seiner in herz-
licher Dankbarkeit —; zwei weitere Embryonen stellte mir mein
verehrter Freund und Kollege, Prof. ROBERT MEYER, Berlin, der un-
eigennützige Förderer so vieler entwicklungsgeschichtlicher Arbeiten
der letzten Zeit, zur Verfügung. Die PFANNENSTIEL-Embryonen
tragen die Namen PFANNENSTIEL-KRÖMER, 1,38 mm gr. L. (Bestim-
mung aus der Serie)und 5—6 Ursegmentpaaren, und PFANNENSTIEL III,
2,6 mm gr. L. und 13—14 Ursegmentpaaren. Die beiden ROBERT
Meyerschen Embryonen tragen die Bezeiehnung R. MEYER 335,
590 W. Felix
1,73 mm gr. L. (Bestimmnng aus der Serie) und 8—10 Ursegment-
paaren, und R. Meyer 300, 2,5 mm gr. L. und 23 Ursegmentpaaren.
Ich beschreibe die Rumpfgefäße dieser vier Embryonen der Reihe
Fig. 7.
Zone
der omphalo-
mesenterica
RN; 16:
Rekonstruktion des arteriellen Gefüßsystems eines menschlichen
Embryo von 2,5 mm gr. L. und 23 Ursegmentpaaren.
Meyer 300, aus der Sammlung von Prof. Dr. Rogerr Meyer, Berlin,
Das arterielle Gefüßsystem besteht aus folgenden Teilen: der
Aorta dorsalis, dem visceroventralen Bogensystem, der Längs-
commissur des visceroventralen Bogensystems, dem dorsalen
sogensystem und der Längscommissur des dorsalen Bogen-
systems und endlich aus der A. umbilicalis, welche durch den
19.—2). Bogen des visceroventralen Bogensystems mit der
Aorta in Verbindung steht.
Embryo R.
nach und beginne mit
dem ältesten
EmbryoR.Meyer300,
(Fig. 6, 7 u. 8).
Die beiden Aorten
sind bereits in ihrer
ganzen Länge als kon-
tinuierlicheGefäße vor-
handen und erstrecken
sich von der Kiemen-
region biszurSchwanz-
spitze. Sie sind in
ihrer ganzen Länge
paarig, mit Ausnahme
der Strecke im 10. bis
16. Ursegment, wo sie
bereits zur unpaaren
Aorta dorsalis verei-
nigtsind. Entlang der
vorderen zwei Drittel
liegen sie am dorsalen
Umfang des Darmes,
weiter caudal entlang
der Seitenwand der
Cloake. Sie sind über-
all mit geschlossener
Wandung versehen,
ihre Lichtung ist ziem-
lich gleichmäßig rund, nur überwiegt bald mehr der frontale, bald
mehr der sagittale Durchmesser. Die unpaare Strecke zeigt eine lang-
gestreckte spindelförmige Erweiterung (Fig. 7).
Von den Aorten
gehen bei diesem Embryo 21 paarige dorsale und 31 meist paarig
angeordnete viscero-ventrale Bogengefäße aus.
Die dorsalen Gefäße sind bis auf die drei am weitesten eranial
gelegenen streng metamer angeordnet, sie liegen stets zwischen
zwei Ursegmenten, beginnen hinter dem dritten Ursegment und
Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 591
enden hinter dem letzten, dem 23. Ursegment. Die drei am
weitesten eranial gelegenen dorsalen Gefäße verteilen sich auf eine
Strecke vom Interstitiium zwischen 3. und 4. Ursegment bis zur
vorderen Fläche des 5. Ursegmentes (Fig. 7). Sämtliche dorsalen Ge-
Fig. 8.
Commissurengefäß des dorsalen Bogensystems
Aorta _ Anlage der
V. cardinalis
post.
nephrogener
Strang
prim. Harn-
leiter
Ramus 24
intestinalis
V. umbi
—— lical.sin
V. umbili- _
calis dextr.
A. umbili-
calis destr.
Anastomose der Vv. umbilicales A. umbilical. sin.
Querschnitt eines menschlichen Embryo von 2,5 mm. gr. L. und 23 Ursegmentpaaren. Embryo
R. Meyer 300, Sammlung Prof. Dr. Rogerr Meyer, Berlin. 12. Objektträger, 4. Reihe, 2. Schnitt. Der
Schnitt geht rechts (linke Seite der Figur) etwas vor der caudalen Wand durch das 13. Ursegment,
links durch die Mitte des 13. Ursegmentes. Der Schnitt trifft das erste Bogenpaar der caudalen
Gruppe des visceroventralen Bogensystems der Länge nach. Der rechte Pärling ist ein starkes Ge-
füß, das bis zur ventralen Darmperipherie reicht, der linke Pärling ist ein schwaches Gefäß, das
nur in seinem Wurzelstück vom Schnitt getroffen ist. Neben dem Medullarrohr ist beiderseits die
Längscommissur des dorsalen Bogensystems getroffen. Vergrößerung 150:1.
fäße verlaufen zwischen Medullarrohr und Ursegment und um-
fassen die ventrale Hälfte des letzteren, die meisten von ihnen
_ werden an ihrem Ende durch ein Längsgefäß verbunden, das sich
eranialwärts bis zur vorderen Fläche des ersten Ursegmentes,
also über das Gebiet der dorsalen Aste hinaus, erstreckt, und
eaudalwärts am 17. dorsalen Gefäße, hinter dem 18. Ursegment
endigt. Diese dorsalen Bogen bezeichne ich als dorsales Bogen-
592 W. Felix
system, das sie verbindende Längsgefäß als Längscommissur des
dorsalen Bogensystems; Querschnitte dieser Längscommissur sind
in den Fig. 8 und 9 zu sehen. Nicht alle dorsalen Bogen stehen
mit der Längscommissur in Verbindung, die ersten 5 und der
Fig. 9.
16. Ursegment
Commissuren-
gefäß des
dorsalen Bogen-
systems
F. 17. Ursegmert
”
nephrog.
Gewebe —
ir
20. R.intestinalis
”
A
21.R.intestinalis
TR
22.R.intestinalis
entrhfl ‘
23.R.intestinalis
prim.
Harn-
leiter Aorta
Querschnitt eines menschlichen Embryo von 2,5 mm gr. L. und 23 Ursegmentpaaren. Embryo
R. Meyer 300, Sammlung Prof. Dr. Roserr Meyer, Berlin. 14. Objektträger, 2. Reihe, 6. Schnitt.
Der Schnitt geht durch die Schwanzkrümmung des Embryo, trifft also hier den Embryo in frontaler
Richtung. Der Ort des Schnittes ist in Fig. 7 durch eine Linie mit »XIV. 2. 6« angegeben. Auf der
Kopfseite trifft er das 16. und 17. Ursegment, auf der Schwanzseite das noch nicht abgesetzte 24. Ur-
segment. Der Schnitt läuft fast parallel zur Aorta, trifft deswegen die einzelnen Rr. intestinales
quer und die Längscommissur längs. Die Längscommissur des dorsalen Bogensystems ist auf der
Kopfseite links und rechts getroffen. Vergrößerung 120 :1.
14. bis 16. endigen vor Erreichung derselben blind (Fig. 7); es
ist ziemlich wahrscheinlich, daß dieses Nichterreichen eine Rück-
bildungserscheinung darstellt und daß auch entsprechend den zwei
ersten Ursegmenten dorsale Bogen vorhanden gewesen sind. Be-
weisen läßt es sich nicht sicher, da der nächst jüngere Embryo,
PFANNENSTIEL Ill, noch keine dorsalen Bogen entwickelt hat.
u
Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 593
Aus den dorsalen Bogen geht ventral von den Ursegmenten
die erste Anlage der Aa. intereostales und lumbales hervor; ihrer
Lage nach wären diese Gefäße ventrale Bogen, die ich zum Unter-
schied von den viscero-ventralen Bogen parieto-ventrale Bogen nenne.
Die 31 viscero-ventralen Bogen verteilen sich über den ganzen
Rumpf bis zur Schwanzspitze, sie sind fast überall paarig vorhanden,
aber überall bis auf das Ursprungsgebiet der A. umbilicalis ist der
rechte Bogen der stärker entwickelte. Die viscero-ventralen Bogen
sind im cranialen und mittleren Abschnitt sicher dysmetamer an-
geordnet, vom 15. Ursegment ab ist eine gewisse Regelmäßigkeit
in ihrer Anordnung vorhander, doch kann man auch hier von einer
strengen Metamerie nicht sprechen. Die viscero-ventralen Bogen-
gefäße lassen sich in die in der Übersicht festgestellten drei
Gruppen ordnen: die craniale Gruppe besteht aus zwei Aorten-
bogen; die mittlere Gruppe ist zusammengesetzt aus den
Bogen 3—15 (in Fig. 7 Bogen 1—13), sie besteht aus den Vornieren-
Dottersackgefäßen, die mehr kopfwärts gelegenen Bogen dieser
Gruppe sind nur rudimentär angelegt, manchmal (5—7) gar nicht
mehr mit der Aorta in Verbindung, die schwanzwärts gelegenen
Bogen dieser Gruppe sind besser entwickelt, sie versorgen an der
Vorniere vorbeiziehend den Dottersack und bilden in seiner Wand
zahlreiche Äste, die wahrscheinlich alle untereinander in netz-
förmiger Verbindung stehen, die caudale Gruppe umfaßt die
übrigen Bogen, 16—31 (in Fig. 7, Bogen 14—29), die eranialen
Bogengefäße dieser Gruppe versorgen den Enddarm, um den sie
weitmaschige Netze bilden, die caudalen Bogen geben der A. um-
biliealis Ursprung. Fig. 8 gibt einen Längsschnitt durch den ersten
Bogen der dritten Gruppe wieder. Man sieht die Paarigkeit, die
stärkere Ausbildung des rechten Pärlings und das Vordringen des-
selben bis zur ventralen Peripherie des Darmes.
Sämtliche Bogen der caudalen und die letzten Bogen der mitt-
leren Gruppe sind untereinander durch eine Längscommissur ver-
bunden oder zeigen Überreste dieser Verbindung (Fig. 7). Diese
Längscommissur des viscero-ventralen Bogensystems ist wie die
Bogen selbst paarig vorhanden. Da wo das Ursprungsgebiet der
A. umbiliealis beginnt, geht die Längscommissur in ein Netz über,
das den dorsalen Umfang des Enddarmes umgibt (Fig. 7), die
A. umbiliealis steht nicht direkt mit der Aorta in Verbindung,
sondern erhält ihr Blut aus ihr durch Vermittlung dieses Netzes
-(Fig. 7). Durch das Netz und die Längscommissur ist das Wurzel-
594 W. Felix
zebiet der A. umbiliealis ein sehr großes, es erstreckt sich von dem
Interstitium zwischen 17. und 18. Ursegment bis zur Schwanzspitze
(Fig. 7). In Fig. 9 ist ein Querschnitt des Embryo entsprechend
der Linie (mit XIV. 2.6 bezeichnet) in Fig. 7 wiedergegeben. Er
seht gerade durch die Schwanzkrümmung und stellt deswegen für
diese Gegend einen frontalen Schnitt dar. Die Aorten sind zwei-
mal getroffen, zwischen ihnen liegen die Querschnitte des 22.— 29.
Bogens. Alle Querschnitte werden durch die längs getroffenen
Längscommissuren des viscero-ventralen Bogensystems verbunden.
Wenn man bedenkt, daß hinter der 4. Kiementasche — die
Kiementaschen sind in Fig. 7 eingetragen, aber nicht bezeichnet —
noch der 5. und 6. Aortenbogen entwickelt werden, und in der
gleichen Figur die Stellung des ersten viscero-ventralen Bogenge-
fäßes der mittleren Gruppe zur vierten Kiementasche feststellt, so
darf man wohl sagen, daß die beiden Gruppen unmittelbar anein-
ander schließen. Dasselbe ist bei der mittleren und caudalen
Gruppe der Fall, bei denen die gegenseitige Abgrenzung lediglich
künstlich durch die Beziehung oder Nichtbeziehung zur Vorniere ge-
zogen wurde. Wir können also sagen, daß bei diesem menschlichen
Embryo das viscero-ventrale Bogensystem aus einer kontinuierlichen
Folge von Gefäßen besteht, die an den Kiemen beginnen und bis
zum caudalen Darmende reichen. Sämtliche Bogen bis zur Schwanz-
spitze sind noch paarig angeordnet, ebenso die Längscommissur.
Wir haben damit Verhältnisse vor uns, wie sie bis jetzt ursprüng-
licher bei keinem andern Wirbeltier nachgewiesen worden sind.
Was wir bei dem viscero-ventralen Bogengefäßsystem des Menschen
vermissen, das sind die Wundernetze; das Fehlen derselben erklärt
sich einmal daraus, daß die meisten von ihnen gar keine Beziehung
zu den Vornierenkanälchen besitzen, und. wo diese Beziehungen vor-
handen sind, da wird die rudimentäre Anlage und die kurze
Existenzzeit der Vorniere eine solche Ausbildung unmöglich oder
unnötig machen.
Embryo Pfannenstiel III (Fig. 10—14).
Die Aorta dorsalis ist in ganzer Länge entwickelt und in ganzer
Ausdehnung noch unvereinigt, ihre Wandung ist eine allseitig ge-
schlossene, eine Lichtung ist durchgängig vorhanden. Auffallend
ist, daß an einer Stelle der 1. Aortenbogen unterbrochen ist (Fig. 12
u. 13); doch berechtigt eine Verletzung des Embryo gerade an dieser
Stelle zum Zweifel an der wirklichen Existenz dieser Unterbrechung.
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Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 595
4.9
Rudiment. Vornierenkanälchen VER u
\ N RI) 222 27
\ #
4 Er
Aorta
>—— _ Ram. intestinalis im
dorsalen Abschnitt
wegsam
Angioblastem
Dorsalste Masche des Rete intestinale
Rete intestinale
wegsam
E;
E“ intestinale noch im Stadium der Blutinsel
Blut-
insel
Qaerschnitt durch einen menschlichen Embryo von 2,6 mm gr. L., 13—14 Ursegmentpaaren. Em-
bryo PFANNENSTIEL III, Sammlung Geheimrat Prof. Prasnenstien +, Kiel. 8. Objektträger, 2. Reihe
1. Schnitt. Vergr. 105/1. Der Schnitt geht durch das 7. Ursegment. Er ist ausgewählt zur Dar-
stellung des Angioblastems, des Rete periintestinale und der Rr. intestinales. Das Entoderm, in
- dessen dorsale Wand noch die Chorda eingeschaltet ist, ist fast in der Mitte des Dottersackstieles
getroffen. An ihm ist eine Grenze zwischen Darm-Entoderm und Dottersack-Entoderm nicht zu
ziehen, dagegen läßt sich die Grenze aus den Verhältnissen des Mesoderms auch in dieser Figar be-
stimmen, da das embryonale Mesoderm als mehrschichtiges Cylinderepithel angeordnet, das außer-
embryonale Mesoderm nur locker geschichtet ist. Zwischen Splanchnopleura und dem Entoderm be-
findet sich das Angioblastem, aus welchem sich das Rete periintestinale entwickelt, ein Gefäßnetz,,
- das die Seitenwand des Darmes, den Dottersackstiel und den Dottersack umspannt. Wegen der ver-
schiedenen Struktur des Mesoderms hebt sich das Angioblastem nur im Bereiche des embryonalen
Mesoderms scharf gegen die Splanchnopleura ab. Auf der rechten Seite (linke Seite der Figur) ist
‚die dorsale Grenze des Angioblastems scharf ausgeprägt. Auf der linken Seite steht das Angio-
blastem mit der Aorta durch Vermittlung eines R. intestinalis in Verbindung. Der R. intestinalis
ist in seinen an die Aorta angrenzenden Abschnitten hohl und kommuniziert mit ihr, in seiner
größeren peripheren Strecke ist er solid. Im Angioblastem sind alle Stadien der Entwicklung des
_ Kete periintestinale vorhanden, von der ersten Anlage der Blutinseln bis zum ausgebildeten Gefäß.
Em Tu
+.
596 W. Felix
Das Hauptmerkmal für diesen Embryo ist ein zwischen Splanchno-
pleura und Darm gelegenes Blastem, ich will es das Angioblastem
nennen. Dieses Blastem macht den Eindruck eines selbständigen
Blattes, welches gegen das Entoderm scharf abgegrenzt ist; das
Ps
. . “don .,
a * u CL
Bi m. les an... BL:
blastem
nit Vor-
niere
Rete peri-
intestinale
Dottersack
Querschnitt eines menschlichen Embryo von 2,6 mm gr. L. und 13—14 Ursegmentpaaren. Embryo
Pransesstien III, Sammlung Geheimrat Prof. Prassenstier +, Kiel. 10. Objektträger, 3. Reihe,
5. Schnitt. Schnitt durch das 11. Ursegment. Vergr. ca. 120:1. Der Schnitt zeigt auf der rechten
Seite einen in ganzer Ausdehnung hohlen R. intestinalis. Wir nähern uns hier dem Gebiet der
caudalen Netzgruppe des Rete periintestinale.
Verhältnis zum Mesoderm ist verschieden; im Bereich des embryo-
nalen Mesoderms, wo die Splanchnopleura ein mehrfach geschichtetes
Cylinderepithel zeigt, ist die Grenze eine ziemlich scharfe; im Be-
reiche des außerembryonalen Mesoderms, wo die Splanchnopleura die
Dottersackhülle bildet und nieht mehr ausgesprochenen Blatteharakter
besitzt, ist die Grenze ganz unscharf (Fig. 10, 11). Das Angioblastem
Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 597
umhüllt den ganzen Umfang des Dottersackes (Fig. 11) und den
ventralen Umfang des Darmes (Fig. 10 links) und endigt entlang der
\
vn rer \
A 3 ame Aorta dorsalis
Craniales Rete
intestinale
kam.intestinalis
(solid)
Caudales Rete
intestinale
Ram. intestinal.
(hohl)
Allantoisgang
A. umbilicalis Längscommisur
Enddarın
Cherda aus deren
Enioderm ausge-
schaltet
Rekonstruktion der arteriellen Gefäße eines menschlichen Embryo von 2,6 mm gr. L. und 13—14 Ur-
_ segmentpaaren. Linke Seite. Embryo PraxxenstIer III, Sammlung Geheimrat Prof. PransenstieL 4
Kiel. Die Konturen des Embryo und der Ursegmente sind mit schwarzen Strichen eingetragen, die
Gefäße sind grau getönt. Am Dottersackstiel ist durch den hellen Farbton das Angioblastem mar-
kiert, das ungefähr bis zur Mitte des Darmumfanges dorsalwärts reicht. Die Grenzkontur des Angio-
blastems verläuft ziemlich geradlinig. Im Angioblastem ist durch Strichelung das Rete periintestirale
_ des Dotiersackstieles markiert; es zerfällt in zwei Abschnitte, einen cranialen und einen caudalen,
An seiner dorsa'en Grenze steht das Angioblastem durch Rr. inte:tinales mit der Aorta in Verbindung.
Diese Rami sind teils dunkel, teils hell gehalten; der dunkle Ton soll ausdrücken, daß das Gefäß voll
entwickelt ist, der helle Ton bedeutet, daß das Gefäß noch solid ist. Caudalwärts geht das Angio-
blastem in das Rete periinte:tinale des Enddarms über, Die A. umbilicalis steht mit der caudalen
Netzgruppe des Rete periintestinale des Dottersackstieles in Verbindung. Die Verbindung mit dem
Rete periintestinale des Enddarmes beginnt sich gerade herzustellen.
"Mittellinie des letzteren mit fast geradliniger Kontur (Fig. 12 u. 13).
Das Angioblastem besteht aus locker zusammengefügten Zellen,
zwischen denen Blutinseln in allen Stadien der Entwicklung einge-
schaltet sind (Fig. 10 u. 11). Die jüngsten Blutinseln bestehen aus
598 W. Felix
dieht aneinandergedrängten großen Zellen; der Kern derselben ist
rund, homogen und dunkel färbbar, das Protoplasma enthält Hämo-
Fig. 13. globin. Die dichte
Ban Lagerung der Zellen,
2 x die dunkle Färbung
Pr \ der Kerne und der
/ leuchtende Farbtondes
Protoplasmas heben
N
N A 7
F__- llantoisgang
A, umbilicalis
Rekonstruktion der arteriellen Gefäße eines menschlichen Em-
bryo von 2,6 mm gr. L. und 13—14 Ursegmentpaaren. Embryo
PransEnstieL Ill, Sammlung Geheimrat Prof. PFANNENSTIEL 7,
Kiel. Rechte Seite. Die Konturen des Embryo und die der Ur-
segmente sind in Linien ausgezogen, das Gefäßsystem ist in
Tönen dargestellt. Wir haben wieder zu unterscheiden das im
hellen Farbton gehaltene Angioblastem, in dem das Rete peri-
intestinale sich entwickelt. Das craniale Netz des Rete peri-
intestinale ist voll ausgebildet, das caudale Netz ist erst in der
Entwicklung begriffen. Auch hier steht das Angioblastem durch
Er. intestinales mit der Aorta in Verbindung; soweit die Ver-
bindungsbrücken solid sind, sind sie hell, soweit sie hohl sind,
in der Farbe dunkel gehalten. Die A. umbilicalis entspringt
hier bereits aus dem Rete periintestinale des Enddarms in der
Höhe des 12. Ursegmentes, man sieht aber, wie bereits neue Ur-
sprungswurzeln in der Anlage begriffen sind.
die Blutinseln scharf
von ihrer Umgebung
ab, schärfer als die
schwarz gehaltene
Fig. 10 es wiedergeben
kann. Ältere Blutinseln
zeigen einen lockeren
Bau, zwischen den ein-
zelnen Zellen sind
Spalträume vorhanden,
aber irgendeine Gefäß-
wandbildung ist nicht
nachzuweisen; die äu-
ßersten Zellen zeigen
Ähnlichkeit mit einem
niedrig-kubischen Epi-
thel, dessen einzelne
Elemente durch breite
Intercellularlücken ge-
trennt sind. Ausge-
bildete Blutinseln zei-
sen ein typisches
Gefäßepithel, die Lich-
tung mit vereinzelten
hämoglobinhaltigen
Blutkörperchen ange-
füllt oder leer. Die Ent-
wieklungsstadien der
Blutinseln finden sich über die ganze Dottersackwand verteilt, doch läßt
sich insofern eine bestimmte Anordnung erkennen, als die jüngsten
Stadien sich mehr an der ventralen Peripherie des Dottersackes, die
ältesten Stadien mehr am Dottersackstiel und der Darmwand finden.
Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 599
Rekonstruiert man das Angioblastem mit seinen Blutinseln, wie
das in Fig. 12 u. 13 für die Gefäßinseln am Dottersackstiel und der
Darmwand geschehen ist, so sieht man, daß das Angioblastem auf
einen mittleren Streifen des Darmes beschränkt ist, die vordere Grenze
liegt ungefähr in der Höhe des 4. Ursegmentes, eraniale und caudale
Darmbucht werden von keinem Blastem umhüllt. Um die Wand der
14. Ursegment —_
Aorta mit
kam. intest.
Rete perüntesti- —
nale
8%:
“
oo00®%
U. > .. .
ee — Niete perüntesti-
nale
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Allantoisgang
Querschnitt eines menschlichen Embryo von 2,6 mm gr. L. und 13—14 Ursegmentpaaren in der Höhe
des 14. resp. 13. Ursegmentes. Embryo Praxnenstiet III, Sammlung Geheimrat Prof. PFANNENSTIEL 7,
Kiel. 12. Objektträger, 1. Reihe, 5. Schnitt. Vergr. 180:1. Der Schnitt geht rechts (linke Seite
der Figur) durch die sich anlegende craniale Wand des 14. Ursegmentes, links durch die caudale
Wand des 13, Ursegmentes. Der Schnitt zeigt das ausgebildete Rete periintestinale zu beiden Seiten
_ des Enddarmes. Die beiden Aa. umbilicales nähern sich dem Rete. Zwischen Aorta und Rete ist
rechts ein breiter R. intestinalis getroffen.
_ eranialen Darmbucht legen sich später die Aortenbogen an, die
_ wahrscheinlich keine Beziehung zum Angioblastem besitzen. Die
| Wand der eaudalen Darmbucht wird von einem Gefäßnetz um-
_ geben, auf das ich bei Besprechung der Verhältnisse der A.
| umbilicalis zurückkommen werde. In dem Angioblastem bilden die
Blutinseln ein Netz (Rete periintestinale), in dem sich wieder auf
beiden Seiten des Embryo eine eraniale und caudale Gruppe unter-
Morpholog. Jahrbuch. 41. 39
600 W. Felix
scheiden lassen (Fig. 12 u. 13). Der verschiedene Entwicklungs-
zustand der Netze ist auch in der Rekonstruktion ausgedrückt. Voll
ausgebildete Netze mit deutlichem Gefäßepithel und Lichtung sind
im vollen Farbton gehalten, solide Gefäßinseln und ausgehöhlte Gefäß-
inseln mit noch unausgebildeter Wand sind durch Strichelung
dargestellt. Die eraniale Netzgruppe liegt im Bereiche des 5.—8. Ur-
segments, die caudale Netzgruppe beginnt im 10. Ursegment und
hängt an ihrem caudalen Ende mit dem Rete periintestinale des End-
darmes zusammen. Beide Netzgruppen kommen mit großen Gefäßen
in Verbindung, die eraniale mit der V. omphalo-mesenteriea, die cau-
dale mit der A. umbilicalis. Diese Beziehungen erklären ohne
weiteres die Scheidung des Rete periintestinale in die beiden
Gruppen, die Verbindung beider Gruppen untereinander findet
durch den Teil des Rete periintestinale statt, welcher den Dotter-
sack umspinnt.
Das Angioblastem steht durch eine Reihe von Verbindungs-
brücken, Rr. intestinales, mit der Aorta in Zusammenhang. Diese
Rami sind nur am caudalen Umfang des Dottersackstieles so ge-
stellt, daß sie mit dem Rete periintestinale in Verbindung kommen,
in den übrigen Abschnitten des Dottersackstieles wird durch sie
nur das Angioblastem ohne Rücksicht auf die in ihm enthaltenen
Blutnetze der Aorta angeschlossen (Fig. 10 rechte Seite). Die Rr. in-
testinales sind nicht streng paarig und nicht segmental angeordnet,
ihre Zahl beträgt rechts (Fig. 13) wie links (Fig. 12) 14, von diesen
kommen rechts 11 auf 9 Segmente (1—11 auf 6.—14., links 12
auf 8 Segmente (1—12 auf 7.—14.). Sämtliche Rami sind an der
Verbindungsstelle mit der Aorta hohl, die Rami 1—4 rechts und
links sind in ihrem weiteren Verlaufe solid, bestehen sogar manchmal
nur aus einer Reihe von Zellen (Fig. 10 rechts), außerdem stehen sie
nur mit dem Angioblastem in Verbindung, die Rr. intestinales
5—6 rechts und 5—7 links sind in ihrem ganzen Verlauf hohl, sind
aber gleichfalls nur dem Angioblastem angeschlossen, die Rami 7—14
rechts, 8—14 links sind hohl und ihre Lichtung steht mit der
caudalen Netzgruppe des Rete periintestinale und dem Rete peri-
intestinale des Enddarms in Zusammenhang (Fig. 11 links, Fig. 12
u. 15). Das craniale Netz des Rete periintestinale des Dotter-
sackes, welches ungefähr in gleicher Höhe mit den am weitesten
eranial gelegenen Rr. intestinales liegt, ist also nur in solider, nicht
offener Verbindung mit der Aorta, das findet seine Erklärung in
der Tatsache, die wir bereits oben erwähnt haben, daß die eraniale
Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 601
Netzgruppe mit der V. omphalo-mesenterica in Verbindung tritt.
Der Anschluß an das Venensystem führt zur Niehtaushöhlung oder
Öbliteration der Rr. intestinales und damit zu ihrer Ablösung vom
Arteriensystem.
Die Aa. umbilicales stehen rechts und links mit der caudalen
Netzgruppe des Rete periintestinale des Dottersackes und dem Rete
periintestinale des Enddarmes und durch beide mit der Aorta in
Verbindung. Das caudale Rete des Enddarmes bildet ein weites
und weitmaschiges Geflecht, aus dem sich — man betrachte nament-
lich Fig. 13 — schon die Längscommissur des viscero-ventralen
Bogensystems herauszudifferenzieren beginnt. Die A. umbilicalis
ist beiderseits S-förmig gekrümmt (Fig. 12 u. 13); der größere untere
und distale Bogen des $ ist ohne Verbindung, der kleinere und
proximale Bogen steht rechts durch den 8. R. intestinalis in der
Höhe des 12. Ursegmentes, links durch 9.—11. Rr. intestinales
in der Höhe des 13. Ursegmentes mit der Aorta in Verbindung.
Fig. 12 sowohl wie auch Fig. 13 zeigen aber schon, daß rechts die
Verbindung mit den Rr. intestinales 9—11, links mit den Rr. in-
testinales 12—14 vorbereitet wird. Ist diese Verbindung hergestellt,
dann erscheint der obere und proximale Bogen der A. umbilicalis
nicht als Bestandteil dieser Arterie, sondern als Bestandteil des
Rete periintestinale. Vergleicht man den Ursprung der A. umbilicalis
in der Fig. 7 mit dem Ursprung in der Fig. 12, so fällt sofort die
Abwanderung der A. umbilicalis ins Auge. Während diese Arterie
beim Embryo PFAnNnENSTIEL III in der Höhe des 11. und 12. Ur-
segmentes rechts und 12.—13. Ursegmentes links entspringt, ist der
Ursprung bei Embryo Rogß. MEYER 300 auf die Höhe des 18. Ur-
segmentes bis zum unsegmentierten Mesoderm herabgesunken. Wie
die Abwanderung vor sich geht, dafür sind Fig. 12 u. 13 Zeugen.
Die A. umbilicalis steht zunächst nur mit dem Rete in Verbindung
und durch dieses mit der Aorta. Je mehr der Embryo wächst, je
mehr Ursegmente den vorhandenen angegliedert werden, um so
weiter erstreckt sich auch das Rete, und mit Hilfe dieses Rete kommt
die A. umbilicalis mit immer weiter caudal gelegenen Abschnitten
der Aorta in Zusammenbang, die neu gewonnenen Verbindungen
bilden sich stärker aus, die alten lösen sich durch Obliteration der
ihnen entsprechenden Retepartien von der Aorta ab. Aber nur das
_ Rete — das zeigt der Vergleich von Fig. 7 u. 12 — geht zugrunde,
_ die Rr. intestinales bleiben erhalten; die Teile der Längseommissur,
_ die Fig. 7 noch im Bereiche der Rami 12—18 zeigt, sind nichts
39*
602 W. Felix
andres als Rete-Reste. Die Verbindung der A. umbilicalis mit dem
Rete gibt der ersteren erst den Anschluß an die Aorta, deswegen
sehen wir das Rete immer nur da stark und gut ausgebildet, wo es
diesen Anschluß zu vermitteln hat. Fig. 14 stellt einen Querschnitt
durch das Rete periintestinale des Enddarmes dar. Man sieht das
Rete voll entwickelt, um die Gefäßlichtung herum aber noch lockere
Zellen, den letzten Rest des Angioblastems. Sobald also das Rete
Fig. 15.
Aorta dorsalis
Rete perüintesti-
nale
Hintere Darm-
bucht
Allantoisstiel
A. umbilicalis
Rekonstruktion der Gefäße eines menschlichen Embryo von 1,335 mm gr. L. (Bestimmung aus der
Serie) und 5—6 Ursegmentpaaren, von der rechten Seite gesehen. Die Aorta ist bis zu dem ersten
Rumpfsegment als kontinuierliches Rohr vorhanden, von da ab bis zum hinteren Körperende ist sie im
statu nascendi. In dieser Strecke erscheint sie bald als Rohr, bald nur aus einer oder mehreren
ohne Zusammenhang gelagerten Zellen gebildet. Auf dem Dottersack an der Übergangsstelle zur
hinteren Darmbucht ist ein Rete periintestinale entwickelt, mit dem die A. umbilicalis in Ver-
bindung steht. Um den Enddarm herum ist ein Angioblastem vorhanden, mit dem sowohl die Aorta
als das Rete periintestinale in Verbindung stehen.
ausgebildet ist, verschwindet das Angioblastem in dem sich allmählich
entwickelnden Mesenchym; außerdem zeigt diese Figur, wie nahe
bereits die Aa. umbilicales dem Rete gekommen sind.
Embryo Pfannenstiel-Krömer, Fig. 15—20.
Der Embryo ist in der Ansicht von rechts und links und von
oben rekonstruiert (Fig. 15, 16, 17). Die Aorta ist in ganzer Länge
Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 603
paarig, sie steht durch einen Aortenbogen mit dem Truncus arteriosus
in Zusammenhang. Sie ist beiderseits bis in die Höhe des ersten
Ursegmentes ein vollkommen entwickeltes Gefäß mit deutlicher
Liehtung und deutlicher Wandung. Von da ab ist die Aorta bis
zum Beginn der hinteren Darmbucht in der ersten Anlage begriffen;
Stellen, wo sie ein gut entwickeltes hohles Gefäß darstellt (Fig. 18
u. 19), wechseln ab mit Stellen, wo sie entweder gar nicht vorhanden
Fig. 16.
Aorta
Dottersack
1.—5. Ursegment
Rete
Bauchstiel mit
A. umbilicalis
Derselbe Embryo wie Fig. 15, von der linken Seite gesehen. Dieselbe Erklärung wie bei Fig. 15.
ist oder nur durch eine oder mehrere Zellen, die aber kein geschlos-
senes Rohr bilden, angedeutet wird.
In den Rekonstruktionsfiguren ist die Aorta, soweit sie ein ge-
schlossenes Rohr bildet, mit dunklem Farbton, wo sie nur durch
einzelne Zellen repräsentiert wird, gestrichelt dargestellt (Fig. 17).
Man sieht in Fig. 17, daß die dunklen und die gestrichelten
Stellen nicht gleichmäßig links und rechts angeordnet sind und daß
sie keinen segmentalen Charakter tragen. In der Ansicht von der
Seite, Fig. 15 u. 16, erscheint der hintere Abschnitt der Aorta wie
| eine Perlenschnur mit weit auseinander stehenden Perlen. Diese
604 W. Felix
Befunde beweisen zunächst, daß die Aorta in loco entsteht. Das
Rete periintestinale ist nur im hinteren Teil des Darmes vorhanden,
seine Lage ist gerade vor dem Gebiet der hinteren Darmbucht; um
letztere selbst ist wie eine Hülle ein Angioblastem entwickelt; Netz
und Angioblastem sind in den Fig. 15—17 dargestellt, das Angio-
blastem in der Fig. 15 u. 16 mit hellgrauer Farbe, in Fig. 17 ge-
striehelt. Fig. 20 zeigt das Angioblastem auf dem Querschnitt; die
Stelle, welcher der Schnitt entnommen ist, bezeichnet in Fig. 7 der
Fig. 17.
Aorta dorsalis
Schnitt VI. 3.7.
Schnitt VII.1.3.
Schnitt VII. 1.4.
Ram. intestinal.
Schnitt VII. 3.3.
Angioblastem
Schnitt VI. 3.7.
Schnitt VII. 1.3.
Schnitt VII. 1.4.
Schnitt VII. 3.3.
Canal. neuren-
tericus
A. umbilicalis
Gefäß-Rekonstruktion eines menschlichen Embryo von 1,38 mm gr. L, und 5—6 Ursegmentpaaren.
Embryo PFAnnEnsTIEL-KRöMER, Sammlung Geheimrat Prof. PrFANnenSTIEL 7, Kiel. Ansicht von oben.
Man sieht, daß das Rete periintestinale mit der rechten Aorta durch einen hohlen R. intestinalis in
Verbindung steht, während auf der linken Seite eine solche Verbindung noch nicht vorhanden ist.
Soweit die Gefäße mit deutlicher Liehtung und deutlicher Wand vorhanden sind, sind sie in
dunklem Farbton dargestellt, die in der Entwicklung begriffenen Gefäße und das Angioblastem
sind gestrichelt,
Strich mit »VII, 3, 3«; die Querschnitte laufen in schiefer Richtung
durch den Embryo, deswegen die verschiedene Stellung des Striches
rechts und links. Das Entoderm hat sich während der Fixierung
etwas gefaltet, es liegt deshalb der Splanchnopleura und ihren
Derivaten nicht unmittelbar an; das hat sich für unsre Zwecke als
günstig erwiesen. Das embryonale Mesoderm ist solid, der Schnitt
trifft die noch unsegmentierte Region, man sieht keine Grenze
zwischen Ursegmentplatte und Seitenplatte; das außerembryonale
Mesoderm ist durch das Exocölom gespalten, die Splanchnopleura
Zur Entwicklungsgeschiehte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 605
desselben bildet eine geschlossene Masse. Zwischen diesem und
dem Entoderm ist gleichsam ein 5. Keimblatt eingeschaltet, das
auf der rechten Seite vollständig vom Mesoderm getrennt ist, auf
der linken Seite mit ihm durch zahlreiche Brücken zusammenhängt.
Das Blatt besteht auf der rechten Seite nur aus einer Reihe von
Zellen, auf der linken meist auch aus einer Reihe, nur da wo die
Verbindungsbrücken, von der Splanchnopleura kommend, sich an-
setzen, und da, wo die A. umbilicalis liegt, sind mehrere Reihen
vorhanden. Dieses 5. Keimblatt stellt das Angioblastem dieses
Fig. 18.
Be — m rum
ge 5 Br u
ä —L
PR H %
Pa I Hl x
fl WE =
Nana) NE
f 5
Mi
( antenne
\ l links }
N Rete perüntestinale Aorta Chorda Aorta
Querschnitt eines menschlichen Embryo von 1,38 mm gr. L.’(Serienbestimmung) und 5—6 Ursegment-
paaren. Embryo PraxxenstIEL-KröMeEr, Sammlung Geheimrat Prof. PrawsenstieL +, Kiel. 7. Objekt-
träger, 1. Reihe, 3. Schnitt. Der Schnitt geht beiderseits durch die Ursegmentplatte, er zeigt die
rechte und linke Aorta voll entwickelt und das Rete periintestinale. Vergrößerung ca. 120 :1.
Embryo dar. Es beginnt an der ventralen Peripherie des Dotter-
sackes, mit D bezeichnet, und endigt etwas ventral von der Ur-
segmentplatte. Die linke Seite (rechts in der Fig. 20) ist weiter
caudal getroffen als die rechte; verfolgt man die linke eranialwärts
weiter, so treten genau dieselben Verbindungsstränge auf wie rechts,
es stellen also die beiden Seiten der Fig. 20 zwei verschiedene Ent-
wicklungszustände des Angioblastems dar. Auf der linken Seite
der Fig. 20 ist die A. umbilicalis zweimal getroffen; sie ist hier auf
dem Wege zum Rete periintestinale, das sie weiter eranial erreicht.
Die Umbiliealis zeigt schon vollständig geschlossene Wandung und
setzt sich deswegen ziemlich scharf gegen das allmählich sich ent-
wickelnde Rete periintestinale ab; die Räume nämlich, welehe durch
606 W. Felix
die Verbindungsstränge zwischen Mesoderm und Angioblastem ab-
gegrenzt werden, stellen nichts andres dar als die erste Anlage des
Rete, sie gehen auch eranialwärts ganz allmählich in dasselbe über
(Fig. 16). Die am weitesten dorsal gelegenen Abschnitte des Angio-
blastems stehen mit dem Mesoderm nicht durch Stränge in Ver-
bindung (Fig. 20, 19, 18), das weist dieser Strecke des Angioblastems
von Anfang an eine besondere Stellung zu; sie nimmt diese Stellung
auch in der Tat ein, denn aus ihr entwickelt sich die Aorta. Ver-
folgt man sie in der Serie eranialwärts, so löst sie sich bald von
dem übrigen Angioblastem bzw. von dem aus ihm hervorgegangenen
Rete ab und geht in die Aorta über. Ich habe deswegen in Fig. 15
u. 16 beide Aorten in das Angioblastem auslaufen lassen.
FT 8 m 22 .
En „ ef;
BEN EA Aorta Chorda Aorta 5
N
Rete perüintestinale
Rete perüntestin.
Querschnitt eines menschlichen Embryo von 1,38 mm gr. L. (Serienbestimmung) und 5—6 Ursegment-
paaren. Embryo PrFAnnEns TIEL-KRÖMER, Sammlung Geheimrat Prof. PrFAnxEnstIEL +, Kiel. 7. Objekt-
träger, 1. Reihe, 4. Schnitt. Vergr. 120:1. Der Schnitt folgt in der Serie unmittelbar dem der
Fig. 18. Er zeigt die einzig wegsame Verbindung, welche in diesem Embryo zwischen Aorta dextra
. (auf der Fig. links) und Rete periintestinale besteht.
Das Rete periintestinale ist in den Fig. 18 u. 19, die unmittelbar
einander folgenden Schnitten nachgebildet sind, zu sehen. Es ist
mächtig ausgebildet, wie auch die Fig. 15 u. 16 zeigen, und hat
folgende Verbindungen: Die caudale Verbindung mit dem Angio-
blastem haben wir bereits erwähnt; eranialwärts öffnen sich seine
Gefäße teilweise frei in die primäre Leibeshöhle, teils stehen sie
'mit dem Netz auf dem Dottersack, das in den Fig. 15 u. 16 nicht
dargestellt ist, in Verbindung; ventralwärts hängt es mit der A. um-
bilicalis zusammen, die Verbindung ist rechts (Fig. 15 u. 17 voll-
ständig fertig, links (Fig. 16 u. 17) ist sie an einer Stelle noch
unterbrochen; dorsalwärts steht nur das rechte Rete in der Höhe
des zukünftigen 7. Ursegmentes mit der sich entwickelnden Aorta
in offener Verbindung (Fig. 15, 17, 18), zwischen dem linken Rete
und der Aorta finden sich dagegen zahlreiche Zellketten ausgespannt
Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 607
(Fig. 17, 18). Demnach steht die linke A. umbiliealis nur mit dem
Rete, aber nicht mit der Aorta, die rechte Umbiliealis mit beiden
in Verbindung. Auch bei diesem Embryo zeigt sich, daß die Ver-
bindung mit der A. umbiliealis die volle Ausbildung des betreffenden
Reteabschnittes bedingt. Innerhalb des Bauchstieles sind die beiden
Fig. 20.
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In das Rete peri-
intestinale ein-
mündende A.
umbilicalis
A. umbilicalis-Einmündung in das Rete perüntest.
Querschnitt eines menschlichen Embryo von 1,38 mm gr. L, und 5—6 Ursegmentpaaren. Embryo
PFANNENSTIEL-KRÖMER, Sammlung Geheimrat Prof. PrannenstieL 7, Kiel. 7. Objektträger, 3. Reihe,
3. Schnitt. Vergr. ca. 120:1. Der Schnitt geht durch den Enddarm. Infolge einer Schrumpfung
hat sich das Entoderm vom Mesoderm abgehoben und stark gefaltet. Dadurch tritt die Gefäß-
bildung, wie sie in diesem Falle von der gesamten Splanchnopleura ausgeht, deutlich hervor. Es
erfolgt gleichsam eine Delamination der Splanchnopleura des Mesoderms und dadurch die Bildung
eines geschlossenen Gefäßblattes. Dasselbe steht teils durch Zellausläufer, teils durch ganze Zell-
gruppen mit der Splanchnopleura in Verbindung. Durch diese Verbindung wird der Raum zwischen
Mesoderm und Gefäßblatt in einzelne Fächer zerlegt, die sich durch ihren Gehalt an Blutkörperchen
als künftige Gefüße zu erkennen geben.
Umbilieales ungeheuer weit (Fig. 17), erst beim Eintritt in die ven-
trale Wand des Embryo fallen beide Gefäße plötzlich zusammen
und sind nur noch mit größter Mühe zu verfolgen. Es mag diese
Erscheinung auf eine Schrumpfung des Embryo während der
Fixation zurückzuführen sein. Infolge der Schrumpfung des Embryo
werden alle Gefäße innerhalb desselben verengt und ihr Inhalt nach
außen getrieben, also in die Aa. umbilicales.
608 W. Felix
Ergebnisse.
Nachdem wir die Rumpfgefäße der einzelnen Embryonen im
Detail dargestellt haben, wollen wir versuchen, die bei ihnen ge-
wonnenen Ergebnisse zusammenzufassen.
Die Rumpfgefäße des menschlichen Embryo lassen sich auf
folgendes Grundschema zurückführen: Von einem Längsgefäß, Aorta
dorsalis, zwischen Darm und Medullarrohr gelegen, gehen paarig an-
geordnete Bogengefäße aus, ein Bogenpaar umkreist das Medullar-
rohr, dorsales Bogensystem, ein zweites Bogenpaar umkreist den
Darm, viscero-ventrales Bogensystem, und endlich ein drittes Paar
umkreist die Leibeshöhle, parieto-ventrales Bogensystem. Alle
3 Systeme sind bereits von MAackEyY (89) theoretisch aufgestellt
worden. Das viscero-ventrale Bogenpaar steht sicher mit einem
Längsgefäß in Verbindung, das dem ventralen Umfang des Darm-
rohres entlang zieht und sich in drei Teile gliedert, die von hinten
nach vorn aufgezählt als V. subintestinalis (bzw. Rete periintestinale),
Herz, Aorta ascendens zu bezeichnen wären. Es ist möglich, daß
auch das parieto-ventrale Bogenpaar dieses ventrale Längsgefäß er-
reicht. Die dorsalen Bogen sind wahrscheinlich überall segmental
angeordnet, vom 4. Ursegment ab sicher. Sie setzen in ihrer Ge-
samtheit das dorsale Bogensystem zusammen. Sie werden an ihren
Enden durch Anastomosen verbunden, welche in ihrer Gesamtheit
jederseits ein Längsgefäß (Fig. 7), die Längscommissur des dorsalen
Bogensystems, bilden. Welche Arterien bei den Erwachsenen die
dorsalen Bogengefäße repräsentieren, ist noch nicht festgestellt,
ebensowenig die Bedeutung ihrer Längscommissur.
Das viscero-ventrale Bogensystem wird repräsentiert durch die
Aortenbogen, die Vornieren-Darm-Dottersack-Arterien und die Dotter-
sack-Darmarterien. Es ist von Anfang an paarig, aber nicht metamer
angelegt. Auch dieses Bogensystem besitzt eine paarige Längs-
commissur, die einen besondern gleich zu besprechenden Ent-
wicklungsgang besitzt.
Das parieto-ventrale Bogensystem wird in der Brust- und Lenden-
gegend durch die Aa. intercostales und lumbales gebildet. Eine
Längscommissur ist bei ihnen nicht bekannt, doch sprechen Varietäten-
bildungen im Bereiche sowohl der Intercostales als Lumbales und
die Existenz einer Mammaria interna und einer Mammaria lateralis
für eine solche, und zwar in der Mehrzahl auf jeder Seite.
Eine vierte Gruppe von hintereinander angeordneten Gefäßen
Zur Entwicklungsgeschichte- der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 609
wird durch die Urnierenarterien gebildet. Sie stellen kein Bogen-
system dar, nehmen aber insofern eine besondere Stellung ein, als
sie direkt aus der Aorta entspringen (s. meine Darstellung der Ur-
nierengefäße in KEıgers Handbuch der Entwicklungsgeschichte des
Menschen). Die Urnierenarterien liefern im Erwachsenen vielleicht
die Bronchiales post., sicher die Phrenicae, die Suprarenales, die
Renales, die Spermatieae internae und endlich die Gefäße zu den
Lymphdrüsen und sympathischen Ganglien der Lumbalgegend. Von
den drei Bogensystemen repräsentieren nur das viscero-ventrale
Bogensystem, Aorta dorsalis, und das ventrale Längsgefäß ein ur-
sprüngliches System. Das dorsale entsteht sekundär durch Aus-
stülpung aus der Aorta, das parieto-ventrale tertiär durch Ausstülpung
aus dem dorsalen Bogensystem.
Aorta und viscero-ventrales Bogensystem mit Ausnahme der von
den Aortenbogen dargestellten cranialen Gruppe entstehen aus ein und
demselben Gefäßblatt. Die Entstehung des ventralen Längsgefäßes
ist zu einem Teil (Vena subintestinalis im engeren Sinne und Rete
periintestinale) sicher auf dieses Gefäßblatt zurückzuführen, zum
andern Teil ist seine Entwicklung unbekannt. Die Entstehung der
Aortenbogen ist in dieser Hinsicht noch nicht genügend untersucht.
Das Gefäßblatt ist eine Abspaltung von der Splanchnopleura
des Mesoderms, welche über dem ganzen Darm und Dottersack mit
Ausnahme der vorderen Darmbucht eintritt. Aus dem Gefäßblatt
sehen drei Gebilde hervor: das ventral gelegene Rete periintestinale,
die dorsalen Aorten und die zwischen beiden gelegenen Rr. in-
testinales. Das Rete periintestinale ist ein Gefäßnetz, welches die
Oberfläche des Dottersackes und die des Enddarmes überzieht, es
steht durch die Rr. intestinales mit den dorsalen Aorten in Ver-
bindung, später erwirbt es neue Verbindungen sowohl nach der
venösen Seite (Vv. omphalo-mesentericae) als nach der arteriellen
Seite (Aa. umbilicales). Die Rr. intestinales sind wahrscheinlich
paarig angeordnet, segmental wohl kaum; sie werden über den
ganzen Rumpf entwickelt, sicher sind sie in der Zahl von 29 nach-
gewiesen, es ist aber wohl möglich, daß sie noch zahlreicher sind.
Rete periintestinale, Rr. intestinales und die dorsalen Aorten
stellen einen Blutgefäßring um den Darm dar, welcher mit dem
Darmblutsinus der Wirbellosen (LaxG 1903) verglichen werden kann.
Die Möglichkeit eines solchen Vergleiches unterstützt unsre Be-
hauptung, daß das viscero-ventrale Bogensystem ein primäres, das
610 W. Felix
dorsale und parieto-ventrale Bogensystem sekundäre Bogensysteme
repräsentieren.
Aus dem Rete periintestinale kann sich bei seiner Rückbildung
die Längscommissur des viscero-ventralen Bogensystems ausbilden.
Die Existenz einer solehen Längscommissur macht das periphere
Gebiet der Rr. intestinales, dessen Entstehung ob durch Auswachsen
der Rr. intestinales, ob aus dem Rete nicht bekannt ist, unabhängig
von dem Wurzelgebiet, daher die Möglichkeit, daß alle Rr. intestinales
bis auf drei zurückgebildet werden, aus denen A. coeliaca, mesen-
terica sup. und mesenterica inf. entstehen. Die Mehrzahl der
Rr. intestinales und die Existenz einer Längscommissur erklären
spielend alle Varietäten, die im erwachsenen Zustande vorkommen.
Die Unpaarigkeit der Darmarterien kann ich mit Bestimmtheit
nicht erklären, soweit meine Beobachtungen einen Schluß gestatten,
möchte ich mich für das Zugrundegehen des einen Pärlings, und
zwar des linken aussprechen. Ich habe wiederholt die Coeliaca zu
einer Zeit, wo sie schon vollkommen den erwachsenen Zustand auf-
weisen sollte, paarig angetroffen. Es war dann der rechte Pärling
als typische Coeliaca neben einem schwachen linken vorhanden.
Für die Bevorzugung des rechten Pärlings spricht auch, daß er von
Anbeginn an der stärkere ist. Daß Bilder zur Beobachtung kommen,
die für eine Vereinigung der beiden Pärlinge wenigstens im Wurzel-
gebiet sprechen, weiß ich sehr wohl. Immer aber, wo ich diese
Bilder antraf, konnte ich nachweisen, daß die ventrale Aortenwand
samt den von ihr entspringenden Rami intestinales firstartig aus-
gebuchtet wurde.
Die große Zahl der Rr. intestinales und ihre Verteilung über
die ganze Länge des Darmes macht eine große Variabilität des Ur-
sprungs der drei Arterien der Erwachsenen möglich. Die ver-
schiedene Ursprungshöhe der Coeliaca und der beiden Mesentericae,
wie wir sie bei Embryonen, Kindern und Erwachsenen kennen,
braucht ihren Grund nicht in einer Verschiebung des Ursprungs zu
haben, sondern kann ebensogut — und vielleicht besser — ihre
Erklärung in der Erhaltung eines andern R. intestinalis finden. Die
Art und Weise, wie eine solche Verschiebung einer Darmarterie ein-
treten könnte, ist wohl von BromAn (07) sehr eingehend erörtert
worden, gesehen hat sie aber weder er noch irgend ein andrer.
Die viscero-ventralen Bogen lassen sich nach ihren Beziehungen
zu andern Organen in die oben in der Übersicht aufgestellten
3 Gruppen trennen. Die eraniale Gruppe liefert die Aortenbogen,
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Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 611
die mittlere die Vornieren-Darm-Dottersackarterien, die caudale die
Dottersack-Darmarterien. Alle zu den 3 Gruppen gehörenden
Gefäße werden paarig angelegt, die Paarigkeit bleibt bei den Ge-
fäßen der ersten Gruppe erhalten, die Gefäße der mittleren Gruppe
verschwinden, aus den Gefäßen der dritten Gruppe gehen die un-
paaren (ganz selten paarigen) Darmarterien hervor.
Die A. umbilicalis steht von Anfang an mit dem Rete in Zu-
sammenhang und kommt erst durch dieses mit der Aorta in offene
Verbindung. Die erste offene Verbindung mit der Aorta liegt in
der Höhe des 7. Ursegmentes, also des späteren 4. Öervicalsegmentes.
Fig. 21.
Viscerale Prim.
Darm Wurzel Harnleiter Aorta
4A. umbilicalis
Parietale
Wurzeln
> Ureterknospe
Rekonstruktion der A. umbilicalis eines menschlichen Embryo von 5,3 mm gr. L., 4,6 NS, 36 Ur-
segmentpaaren. Embryo 1420, Sammlung Prof. Keıser, Freiburg i. Br. Die A. umbilicalis entspringt
mit drei Wurzeln aus der Aorta, mit einer visceralen und zwei parietalen; zwischen den Wurzeln
liegt der primäre Harnleiter.
Von dieser Höhe wandern die Aa. umbilieales allmählich caudalwärts,
indem sie das Rete periintestinale gleichsam als eine Leiter benutzen,
an der sie hinabklettern; die Stelle des Rete periintestinale, welche
jeweilen die Verbindung zwischen Umbilicalis und Aorta zu ver-
mitteln hat, ist stark ausgebildet. Wird caudalwärts mit dem
Wachstum des Embryo eine neue Verbindung hergestellt, so ob-
literiert von der alten Verbindung nur das Rete periintestinale, die
Rr. intestinales bleiben erhalten. Diese Tatsache ist nicht unwichtig,
BroMmAN (07) nimmt an, daß bei dem von ihm theoretisch postulierten
Abwandern der Darmarterien ein Zugrundegehen der nicht mehr
benutzten höher gelegenen Wurzeln einträte. Hier haben wir ein
bewiesenes Absteigen einer Arterie entlang der Aorta, ohne daß die
612 W. Felix
nieht mehr benutzten Wurzeln zerstört werden. Die Wurzeln der
A. umbiliealis aus dem viscero-ventralen Bogensystem bezeichne ich
als die visceralen Wurzeln der A. umbilicalis. Von diesen visceralen
Wurzeln bleiben keine erhalten, die A. umbilicalis tritt, an ihrem
definitiven Ort im Embryo angelangt, mit dem parieto-ventralen Ge-
fäßsystem in Verbindung, und zwar gleichfalls durch mehrere Wurzeln,
Fig. 22.
Parieio-ventrale
Wurzel — Harnleiter
Harnleiter
Viscero-ventrale
Wurzel
V. umbilicalis
deztra
A. umbilical.
deztra
„bilicalis
sin.
Querschnitt eines menschlichen Embryo von 5,3 mm gr. L., 4,6 NS und 36 Ursegmentpaaren. Em-
bryo 1420, Sammlung Prof. Keıser, Freiburg i. Br. 12. Objektträger, 2. Reihe, 1. Schnitt. Der
Schnitt zeigt die parietale und viscerale Wurzel der A. umbilicalis nebeneinander. Vergr. ca. 60 fach.
die parietalen Wurzeln der A. umbilicalis. Beide Wurzeln kommen
nebeneinander vor und liegen so, daß sie den primären Harnleiter
umfassen (Fig. 21 u. 22). Fig. 22 zeigt die Rekonstruktion des Ur-
sprungs der A. umbilicalis, man sieht eine wiscerale und zwei
parietale Wurzeln, welche mit der Aorta einen Ring bilden, durch
welchen der primäre Harnleiter hindurchtritt. In Fig. 22 sind auf
der linken Seite beide Wurzeln im Querschnitt dargestellt.
Der Nachweis des viscero-ventralen Bogensystems und seiner
Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 613
Längscommissuren könnte selbstverständlich zu einer Erklärung für
die Entstehung weiterer Arterien herbeigezogen werden. Wer die
Anlage der embryonalen A. pulmonalis aus dem 6. Aortenbogen
kennt, wird durch den Verlauf dieser Arterie unwillkürlich an die
Längsecommissur des viscero-ventralen Bogengefäßes der Ganoiden
erinnert; es sind aber alle meine Bemühungen, eine solche Ableitung
zu beweisen, bis jetzt ergebnislos verlaufen.
Weiterhin werden wir uns erinnern, daß zwischen der A. mesen-
terica sup. und der A. mesenterica inf. eine Anastomose vorhanden
ist, die A. colica media und colica sinistra verbindet; diese Ana-
stomose kann sogar doppelt sein. Es liegt nahe, diese Anastomose,
welche bei gestrecktem Darm als Längsgefäß erscheint, gleichfalls
mit der Längscommissur des viscero-ventralen Bogensystems in Be-
ziehung zu bringen. Auch hier haben meine Bemühungen kein
sicheres Resultat ergeben. Es ist wahrscheinlich, daß diese Ana-
stomosen aus erhalten gebliebenen Abschnitten des Rete periin-
testinale abstammen; mehr läßt sich aber zur Stunde nicht sagen.
614 W. Felix. Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien usw.
Literaturverzeichnis.
Boverı, TH. 1892. Die Nierenkanälchen des Amphioxus. Ein Beitrag zur
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L)
Die Kopfregion der Amnioten.
Morphogenetische Studien.
(6. Fortsetzung.)
Von
Dr. A. Fleischmann,
Professor der Zoologie und vergl. Anatomie in Erlangen.
In den vorhergehenden Abschnitten dieser Studien suchte ich die
innige topographische Abhängigkeit der Mund- und Nasenhöhlen zu-
nächst während der jüngeren, der Knochenanlagen entbehrenden
Stadien klarzulegen. Zur Ergänzung lasse ich nun die äußere
Gestalt der Mundnasengegend besprechen. Die Bildungsgeschichte
derselben eingehend zu verfolgen, veranlaßten mehrere Unterhaltungen
mit dem mir befreundeten Professor der Chirurgie E. GRASER über
verschiedene, in der hiesigen Klinik von uns beobachtete Fälle von
Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten einfacher und komplizierter Art
sowie der dabei zutage tretende Kontrast seiner auf die Darstellung
in den gebräuchlichen Handbüchern der Chirurgie fußenden Ansichten
über die Entstehung der Mißbildungen zu meiner auf dem Anblicke
von vielen hundert Embryonen basierten Meinung. Zur Beseitigung
unserer Zweifel betraute ich den appr. Zahnarzt E. H. POHLMANN
mit der erneuten Untersuchung des Gesichtes zahlreicher Katzen-
embryonen.
Schon seit langer Zeit hatte ich die landläufige Lehre über die
Gesichtsentwicklung nicht mehr vortragen mögen, weil ich weder
von den bekannten Abbildungen und Wachsmodellen noch von der
üblichen Beschreibung mittels der Terminologie der Gesichtsfortsätze
und der Verwachsung derselben befriedigt war. Trotz der trefi-
lichen Figuren, welche den großen Atlas von H. RABL schmücken,
schien mir seine Methode, das embryonale Gesicht bei 1öfacher Ver-
Morpholog. Jahrbuch. 41. 40
616 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
größerung in verschiedenen Ansichten zu zeichnen, nicht ausreichend.
Da es sich um geringfügige Reliefverschiedenheiten handelt, glaubte
ich durch Ausnutzung stärkerer (50 und 100facher) Vergrößerung,
sowie durch die Herstellung exakter Wachsmodelle einen Vorteil
der Erkenntnis zu gewinnen.
Ich habe mich ferner nicht auf die Betrachtung des Gesichts-
reliefs beschränkt, sondern zugleich die hinter ihm liegenden Teile
genau verfolgen lassen. Ist es doch für jeden, der das Gesicht der
Amnioten vergleichend beurteilt, selbstverständlich, daß die besondere
Gestalt des Gebisses und der Kiefermuskulatur, sowie die Form und
Größe der Nasenhöhle hauptsächliche Faktoren für den Stilcharakter
des Antlitzes sind. Aus der Erwägung, daß in früher Embryonalzeit
der Gesichtsteil des Kopfes fast ganz fehlt, ergab sich die Aufgabe,
die unter strenger Abhängigkeit erfolgende Entwicklung der Mund-
und Nasenhöhlen im Zusammenhang mit der Ausgestaltung des Ge-
sichtes zu verfolgen und an einer vollständigen Serie von Embryonen
gewissermaßen mitzuerleben, wie dank dem Wachstum der nutrito-
rischen und respiratorischen Hohlräume die Gesichtsfläche vor dem
Hirne angelegt und vorgetrieben wird.
Zur Erkenntnis der fundamentalen Beziehungen hielt ich die
Säuger für das passendere Untersuchungsobjekt, weil in dieser Gruppe
die gegenseitige Abhängigkeit der inneren und äußeren Gesichtsteile
offen zutage liegt. Später könnten parallele Studien an Sauropsiden
geführt werden.
Der äußere Anlaß, welcher mich zur Behandlung des Gesichts-
problemes führte, klingt in der nachfolgenden Dissertation wieder;
sie befaßt sich mit den unhaltbaren Ansichten der Pathologen
und Chirurgen eingehender, als notwendig gewesen wäre, wenn
wir ung ausschließlich an embryologisch geschulte Leser gewendet
hätten, denen die von HocustErTEr angebahnte Reform der alten
Ansicht geläufig ist.
Erlangen, 10. Dezember 1909.
IX.
Die embryonale Metamorphose der Physiognomie
und der Mundhöhle des Katzenkopfes,
Von
Dr. E. H. Pohlmann,
prakt, Zahnarzt in Saalfeld.
Mit 40 Figuren im Text und Tafel XII—-XIV.
Als mir Anfang November 1908 Professor A. FLEISCHMANN den
Rat gab, die Entwicklungsgeschichte des Gesichtes und die Natur
der sog. Gesichtsfortsätze einer neuen Bearbeitung zu unterziehen,
hegte ich geheime Zweifel, ob ich auf diesem Gebiete neue Resultate
finden könnte, wußte ich doch sowohl aus meiner früheren Studien-
zeit als aus der Praxis, wie einleuchtend die herrschende Ansicht
klingt, und welch kräftige Beweise dieselbe in den Mißbildungen
des Gesichtes hat. Ermutigt durch die Zuversicht meines hochver-
ehrten Lehrers, wagte ich mich an die Prüfung der fast zu einem
Dogma erhobenen Lehre. Seinen Fingerzeigen verdanke ich, daß
es mir gelungen ist, die verwickelten, in der Literatur nieder-
gelegten Ansichten übersichtlich zu ordnen und aus den Präparaten
neue Gesichtspunkte abzulesen. Den Dank für die Anleitung,
kritisch wissenschaftlich zu arbeiten, und für die aufopfernde Unter-
stützung, die mir mein hochverehrter Lehrer bei der Ausführung
der Arbeit zuteil werden ließ, möchte ich ihm hier ehrerbietigst
aussprechen.
Auch Herrn Professor Dr. E. ZANDER sage ich für seine liebens-
würdige Beihilfe bei den photographischen Aufnahmen meinen
wärmsten Dank.
Da bisher die Entwicklung des menschlichen Gesichtes das
_ Lieblingsthema der Forscher gebildet hatte, empfahl mir Professor
= . 40*
618 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Dr. FLEISCHMANN die Katze als Untersuchungsobjekt, weil bei diesem
Haustiere die Schnauze am wenigsten lang und der Vergleich mit
dem menschlichen Gesicht am ehesten möglich ist. Auf seinen Rat
habe ich mich bemüht, exakte Rekonstruktionsmodelle der wichtigsten
Stadien herzustellen, an denen man leicht die Entwieklung ohne er-
läuternden Text abzulesen vermag.
Von den nach bekannten Methoden*konservierten und gefärbten
Katzenembryonen habe ich mehr als 100 in Serien zerlegt und zwar
in Quersehnitte: 25 Stück unter 8 mm Sstl., 65 Stück von 8—20 mm
Sstl., 12 Stück über 20 mm, in Sagittalschnitte: 4 Stück unter 8 mm,
15 Stück von 8—30 mm. Die größte Sorgfalt habe ich der guten
Orientierung der eingebetteten Objekte auf dem Mikrotom geschenkt,
welche jedesmal mit einer Definierebene versehen wurden. Nach
genauem Studium der Serien wählte ich die passenden Entwicklungs-
stadien zum Modellieren aus. Aus den Schnittbildern habe ich die
Eetodermhülle samt der Epithelschicht von Mund- und Nasenhöhle
isoliert mit dem Edingerschen Zeichenapparate gezeichnet und in
Wachs ausgeschnitten, so daß die fertige Rekonstruktion eine Hohl-
maske des Gesichtes bzw. der Vorder- und Seitenflächen des Kopfes
darstellte. Nur so war es mir möglich, die Formeigenschaften der
Physiognomie, sowie der Mund- und Nasenhöhle von außen und
innen zu studieren und die Frage nach der Existenz und Verwachsung
der Gesichtsfortsätze, welche in der pathologischen und chirurgischen
Literatur immer noch eine große Rolle spielen, zu klären.
Außer 15 ganzen Kopfmodellen vom kleinsten Embryo bis zu
22 mm Sstl. stellte ich 7 Teilmodelle her, die mir ein genaues Bild
über die Entwicklung der Nase und der Mundhöhle geben sollten.
Die ganzen Modelle wurden bei 50 und 100facher Vergrößerung, die
Teilmodelle bei 100facher, nur eines bei 7Ofacher Vergrößerung
hergestellt. Davon wurden in Holz geschnitzt und der Sammlung
des zoologischen Institutes zu Erlangen einverleibt die Gesichts-
modelle der kleinen Embryonen (Taf. XII, Fig. 1, 2) bei 50- und 100-
facher Vergrößerung, ferner die Gesichtsmodelle
des Embryos 8 mm Sstl. (Taf. XII, Fig. 3)
- - 10-2. - =. (Tara, 710%2)
- - IL 52,)09-4 [Mai XH, Fish)
- - 12 - - (Taf. XII, Fig. 6)
- - 22 - - (Taf. XI, Fig. 7) in 50facher
Vergrößerung.
Nach einem historischen Abrisse über die Wandlung der An-
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 619
sichten von der Gesichtsentwicklung schildere ich zunächst das Außen-
relief der Modelle und die Entstehung der Nasenschläuche. Hierauf
folgt die Beschreibung der Mundhöhle und ihrer Gaumenmetamor-
phose. Ich berücksichtige dabei hauptsächlich die Vorgänge im
Eetoderm und behandle das Mesoderm als Fillmasse, welche die
Zwischenräume zwischen den Epithelwänden des Modells ausfüllt
und durch ihre Wachstumsenergie die Umgestaltungen im Eetoderm
korrelativ begleitet.
I. Die Entwicklung des Gesichtes.
1. Die herrschende Lehre. .
Die heute herrschende Lehre über die Entwicklung des Gesichts,
der Mund- und Nasenhöhle reicht zurück bis an den Beginn des
19. Jahrhunderts, also in eine Zeit, wo alle technischen und op-
tischen Hilfsmittel zur ausreichenden Beobachtung der winzig kleinen
Embryonen fehlten und man auf indirektem Wege, nämlich durch
die Teratologie, das Verständnis des normalen Entwicklungsganges
nach der bekannten Formel zu gewinnen glaubte: die Mißgeburten
seien durch Bildungshemmung des normalen Verlaufes entstan-
den, vorübergehende embryonale Stadien seien in ihnen dauernd
festgehalten. Obwohl die Angaben der damaligen, mit so be-
schränkten Hilfsmitteln forschenden Gelehrten wegen der unzu-
reichenden Methodik längst hätten antiquiert sein sollen, haben sie
sich im Gegenteil zu Dogmen entwickelt und ein Jahrhundert lang
den Fortschritt der Erkenntnis verzögert.
Soweit mir bekannt ist, hat J. F. MECKEL zuerst davon ge-
sprochen, daß bei menschlichen Embryonen der 7. Schwangerschafts-
woche eine weite gemeinschaftliche Nasen- und Mundhöhle vor-
handen sei, deren oberer Rand ohne Grenze in die vordere Gesichts-
tläche übergehe. Die Nasenhöhle soll unten durch zwei auf die
vordere Gesichtsfläche reichende Spalten oflen sein. Später lege
sich die Haut als Ober- und Unterlippe vor die Mundhöhle und ver-
wachse in der Mitte. Ebenso wachsen die Gaumenteile des Ober-
kiefers und der Gaumenbeine allmählich bis zur Nasenscheidewand.
(16, 1. Bd. S. 72, 73, 74, 80: Tab. V. Fig. X u. XL.) Der Mund nimmt als
breiter Spalt die ganze Breite der Gesichtsfläche ein. Die gemeinschaftliche
Nasen- und Mundhöhle liegt in ihrem vorderen Teil offen dar und biegt sich
allmählich in die Gesichtsfläche auf. Ganz deutlich sieht man am unteren Teile
der Gesichtsfläche jeder Seite eine kleine, rundliche Öffnung, von welcher
2 Spalten sich wegbegeben. Die eine ist kleiner und läuft nach außen, die
620 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
andre weit längere läuft schräg nach unten und innen und wird bald von dem
etwas aufwärtsragenden unteren Mundrande bedeckt. Die Längsspalten beider
Seiten erreichen einander nicht, etwas hinter ihrem hinteren Ende befindet sich
eine kleine Queröffaung, zu welcher sie früher vielleicht ganz gelangten. Jene
weitere vordere randliche Öffnung ist von einer Art von Deckel angefüllt, doch
sieht man deutlich einen Raum zwischen beiden. Die zuletzt beschriebene Ge-
gend ist deutlich die innere Nase, die Scheidewand noch im Verhältnis zur
Höhe jeder Seite sehr breit, was mit der noch ganz seitlichen Lage der Augen,
der ungeheuren Weite des Mundes, der großen Breite und geringen Länge aller
Teile zusammenfällt!. Vom Gaumenfortsatz des Oberkiefers, der später Nasen-
und Mundhöhle trennt, findet sich noch keine Spur, und daher sind beide durch-
aus noch eine Höhle. Bei einem andern Fetus hat die Mundhöhle ihre Gestalt
beträchtlich verändert. Die vordere Gesichtsfläche, die früher schräg in die
obere Wand der gemeinschaftlichen Mund- und Nasenhöhle überlief, geht jetzt
in dieselbe mehr unter einem rechten Winkel über, weil der Oberkiefer mehr
nach unten gewachsen ist und daher den Mnnd von oben mehr verschließt.
Darum reichen auch die Spalten, welche die nach unten noch offenen
Nasenhöhlen darstellen, nicht mehr bis in die vordere Gesichtsfläche, sondern
haben sich ganz in die Nasen- und Mundhöhle zurückgezogen, deren vorderen
Rand sie nieht einmal mehr erreichen. Ihre Gestalt ist so verändert, daß man
keinen vorderen runden, durch ein Knöpfehen verschlossenen Teil mehr wahr-
nimmt, sondern daß sie etwas nach außen gebogen mehr zugespitzt werden.
Vier Jahre später benützte MEcKEL seine unzureichenden em-
bryologisehen Beobachtungen zur Erklärung der Hasenscharte und
des Wolfsrachens. (16a, S. 522 —526.)
Aus den früheren Beschreibungen der Embryonen ergibt es sich, daß an-
fänglich der Gaumen noch gar nicht gebildet ist, und daß die Spalten, wodurch
die sehr weite Nasenscheidewand von dem Oberkiefer getrennt wird, sich bis
auf die vordere Gesichtsfläche bis zur Gegend der Nase, die aber nicht existiert,
erstrecken. Dieser Zustand geht dem voran, wo sich von beiden Seiten her die
Haut als Ober- und Unterlippe vor die Mundhöhle gelegt hat, aber noch nicht
von beiden Seiten zusammengetreten ist, sondern wenigstens die Oberlippe durch
eine einfache mittlere Längenspalte geteilt wird. Ebenso wachsen auch die
Gaumenteile des Oberkiefers und der Gaumenbeine zuerst in ihrem vorderen,
dann in ihrem hinteren Teile allmählich bis zur Nasenscheidewand.
Der doppelte Wolfsrachen und die doppelte Hasenscharte sind Hemmun -
gen, die an den frühesten Zustand dieser Teile erinnern. Die Hasenscharte
erkannte schon Harvey als ein Stehenbleiben auf einer früheren Bildungsstufe.
Fir den Wolfsrachen hat AUTENRIETH dasselbe dargetan.
Zwanzig Jahre später machte K. E. vox Baer bestimmte An-
gaben über die Entwicklung der Nasenhöhle des Hühnchens. Ich
gebe einen ausführlichen Auszug seiner Darstellung, weil die-
selbe während der folgenden 80 Jahre alle Untersucher beeinflußt
und die embryologischen Lehrbücher unbedingt beherrscht hat.
(3, II. Bd., 8.123). Beide Oberkieferhälften und die Seitenwülste des Stirn-
fortsatzes wachsen unterhalb der Nasengruben zusammen: nach hinten
! Gerade das Gegenteil dieser Behauptungen trifft tatsächlich zu.
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 621
zu verbinden sie sich mit den entsprechenden Teilen der anderen Seite zu einer
Wand, dem Gaumen. So werden die Nasenhöhlen von der Mundhöhle abge-
schieden. Die Nasenhöhlen sind anfangs sehr kurz, werden aber durch Ver-
längerung des Gaumens allmählich länger. Ihr hinterer Ausgang reicht aber
nicht viel über die Mitte der gesamten Decke der Mund- und Nasenhöhle hinaus.
(3, 8. 78, 87, 106, 122,123). Am 4. Tage bildet sich in der verdickten
Schädelmasse ein längliches Nasengrübehen mit wulstigem Rande, das
eigentliche Riechorgan. Am 5. Tage werden die ziemlich dicht zusammen-
liegenden Nasengruben weit tiefer und durch den vorspringenden Stirnfort-
satz mehr getrennt. Am 6. Tage nimmt die Nasengrube an Tiefe zu. Indem
der Oberkiefer mit dünner Spitze den Stirnfortsatz erreicht, bleibt
zwischen beiden eine Lücke, der Nasengang, der nach außen als äußere Nasen-
öffnung mündet, mit dem anderen Ende in die Mundhöhle geht. Dieser Gang
ist kurz, indem er fast senkrecht hinabsteigt; denn die Einsenkung des Nasen-
ganges in die Mundhöhle ist ganz dicht hinter der Schnabelspitze wie bei Am-
phibien. Der ganze Nasengang geht unter der Nasengrube weg, welche nur von
oben in den Nasengang einmündet. Das Riechorgan hat sich also früher ge-
bildet, als der für die Atmung bestimmte Luftkanal.
In den nächsten Tagen (8.—10.4) stellt sich der Nasengang allmählich mehr
horizontal teils, indem der Schnabel mehr hervortritt, aber auch dadurch, daß
der Oberkiefer, nachdem er den Stirnfortsatz erreicht hat, nach innen sich gegen
den benachbarten ausdehnt und nach hinten zu immer mehr mit ihm verwächst,
wobei sich zugleich die Nasenscheidewand bildet. Dadurch werden also die
Gaumenbögen geformt. Vorn stoßen sie aneinander, nach hinten werden sie
durch einen Schlitz getrennt. In diesen Schlitz laufen die Nasengänge aus.
H. Rarake veröffentlichte 1832 ergänzende Beobachtungen über
die Gesichtsbildung der Säugetiere (21 S. 9).
Bei sehr jungen Schafembryonen besteht die vordere Gesichts-
fläche fast nur allein aus der künftigen Stim. Am unteren Ende
der Gesichtsfläche befinden sich zwei sehr kleine flache, rundliche,
weitauseinanderliegende Nasengruben, welche an die Mundspalte
angrenzen. Die Gruben werden bald tiefer, weil die Gesichts-
wand in ihrer Nähe etwas dieker wird. Nasen- und Mundhöhle
sind eine Zeitlang nicht voneinander geschieden. Aus der
Stirnwand wächst der Stirnnasenfortsatz hervor. Er dient als
Grundlage für die knorpelige Scheidewand der Nase, den Vomer,
die Scheidewand des Siebbeins und die Zwischenkiefer.
Die Oberkiefer wachsen nach Art der Extremitäten aus
‚den Seitenwänden des Schädels hervor. Sie krümmen sich gegen
die seitlichen Vorsprünge des Stirnnasenfortsatzes und verwachsen
‚endlich mit demselben. Durch die Verwachsung der drei Fortsätze
wird über die Öffnung der Nasengruben ein Bogen gespannt, welcher
die Öffnung in zwei Hälften teilt: eine obere, das künftige Nasenloch,
‚und eine untere, welche gegen die Mundhöhle gekehrt ist. Mit dem
622 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Wachstum der drei Fortsätze wird die Nasenhöhle in die Länge
vergrößert.
Zum Beweise seiner Angaben bildet Rarnke (21, Taf. VII,
Fig. 3—6) das Gesicht mehrerer Schafembryonen bei vierfacher
Vergrößerung ab. Ich gebe zwei Figuren (Fig. 1,2) aus KÖLLIKERS
Lehrbuch vom Jahre 1879 wieder, welche ungefähr dasselbe illu-
strieren.
Die Lehre, daß bei der Bildung des Gesichtes paarige, den
Extremitätenanlagen vergleichbare Fortsätze miteinander ver-
schmelzen, gewann damals eine große innere Wahrscheinlichkeit
durch die Entdeckung der Kiementafeln von H. RATHkKE, welcher
Fig. 1.
4 Oberkieferfortsatz; 5 primitiver Unterkiefer; z Zunge.
Fig. 2. Kopf eines 6 Wochen alten menschlichen Embryos nach KöLLikEr. an äußerer Nasenfort-
satz; y Hypophyse; n Nasengrube;o Oberkieferfortsatz des 1. Kiemenbogens ; st Stirnfortsatz « Stelle,
wo der Unterkiefer saß.
1826 bei Hühnerembryonen des dritten und vierten Tages in der
»langen und dicken Halsgegend« eine »weite Rachenhöhle« sah.
Er hob ihre Ähnlichkeit mit der Kiemenhöhle der Haifische hervor,
weil ‚sie drei Spalten der Seitenwand zeige. Die Spalten durch-
setzen (wie bei den Fischen) die dicke Halswand, so daß eigentlich
drei plattgedrückte, von außen nach innen sich verkleinernde Hals-
seitenhöhlen an der Rachenhöhle hängen und diese mit den Spalten
an der Außenfläche des Körpers verbinden. Zwischen den drei
äußeren Spalten liegen zwei Tafeln, welche nach Lage, Stellung
und Gestalt eine entfernte Ähnlichkeit mit Fischkiemen haben.
Sie werden aber später den Kiemen erwachsener Fische nicht
ähnlicher, sondern verschwinden in den folgenden Bebrütungs-"
tagen. Die Kiemenanlagen von Blennius erscheinen in früher
Embryonalzeit ebenfalls als bogenförmig gekrümmte schmale Tafeln!
und haben eine große Ähnlichkeit mit den Tafeln am Halse des
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E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 623
Hühnchens, obwohl sie in größerer Zahl (5) vorhanden und
dünner sind.
RATHKE fürchtete daher keinen Fehlgriff zu tun, wenn er die
Tafeln am Halse des Hühnchens für die Anlagen der Kiemen oder
die auf einer der niedrigsten Stufen stehenden Durchgangsbildungen
der Kiemen halte und behaupte, daß auch die Vögel mit Kiemen
versehen sind, die aber in ihrer ersten Entwicklung schon wieder
zugrunde gehen. Diese Befunde galten ihm als höchst wichtiger und
auffälliger Beweis für die Richtigkeit des alten HarvEyschen Satzes,
Fig. 3.
Embryo eines Rindes. Vergr. 5/l nach KöruLizer. g Geruchsgrübchen; k 1. Kiemenbogen mit dem
Ober- und Unterkieferfortsatz; k" K'"' 2. u. 3. Kiemenbogen; o Gehörbläschen; s Scheitelhöcker.
daß die höheren Wirbeltiere bei ihrer Entwieklung die niederen in
sich aufnehmen.
Am 4. Bruttage bemerkte er dicht hinter dem Mund jeder-
seits zwei dicke median verschmolzene Lappen, welche durch eine
Querfurche an der unteren Fläche in zwei Abteilungen zerfallen.
Aus dem vorderen Teile entstehe der Unterkiefer. Der hintere
Teil bedecke die vorderste größte Halsspalte, ähnlich wie der
Kiemendeckel die Kiemen der meisten Fische. Auch die Form
dieses Teiles (mitten breit, oben und unten schmal) stimme mit dem
Kiemendeckel der erwachsenen Fische überein.
Später fand Raruke (21a) bei den Säugetierembryonen eben-
falls die lappenförmigen Tafeln und mehrere Spaltöffnungen (4),
624 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
welche durch die dieke Wand des Halses in die Rachenhöhle
führen, und 1828 sah er die Spalten auch bei menschlichen Em-
bryonen (Fig. 3).
RATHKES Angaben wurden gleich 1827 von HuscHkE unbedingt
bestätigt und seit jener Zeit so oft aufs neue bekräftigt, daß heute
kein Zweifel mehr erlaubt scheint.
Zur Popularisierung der sehr primitiven Ansichten über die
Gesichtsentwicklung trugen die Zeichnungen menschlicher Embryonen
von A. EckEr (6) und die unter dessen Aufsicht von Dr. A. ZIEGLER
in Freiburg 1859 angefertigten Wachspräparate (Serie V., Die Ent-
wicklung der äußeren Form des Menschengesichtes erlänternd) sehr
vie] bei, da sie in die meisten Sammlungen kamen und ein beliebtes
Demonstrationsmittel bei den Vorlesungen wurden.
Das Modell I stellt das Kopfende eines vier Linien langen
Embryos aus der 3. Woche mit 4 Kiemenbogen und der ersten An-
deutung der Oberkieferfortsätze dar, Modell II das Kopfende eines
5,5 Linien langen Embryos, ungefähr aus der 6. Woche, an welchem
der längere Oberkieferfortsatz den mittleren Stirnfortsatz noch nicht
erreicht habe und durch eine wirkliche Spalte vom äußeren Stirn-
fortsatz getrennt sei.
Ecker bildete ferner den Kopf eines zirka 6 Linien langen
Embryos ab, dessen mittlerer Stirnfortsatz rechterseits vom Ober-
kieferfortsatze und dem mit diesem schon verschmolzenen seitlichen
Stirnfortsatze durch eine Spalte getrennt sei, während die linke
Spalte sich unten schon geschlossen, oben zum Nasenloch umge-
wandelt habe, und bemerkt, hier habe also eine halbseitige Hemmung
der Entwicklung stattgefunden.
Modell III des Kopfes eines 5 Linien langen Embryos aus der
9. Woche zeigt, daß der Oberkieferfortsatz sich an die Stirnfortsätze
angelegt habe, während die Nasenspalte zwischen ihnen noch
offen sei.
Ecker bildete (6 Taf. 26, Fig. 10) einen Embryo der sechsten
Woche ab, dessen Oberkieferfortsatz schon größtenteils an die
untere Schädelfläche angewachsen sei. Er verweist auch auf eine
andre Figur (6 Taf. 27, Fig. 1) eines 5,75 Linien langen Embryos,
dort sei die Furche, welehe die Verbindung des Oberkieferfort-
satzes mit dem seitlichen Stirnfortsatze bezeichnet, noch deutlich
wahrzunehmen.
Das größte Wachsmodell IV stellt den Kopf eines 7,5 Linien
langen Embryos dar, an dem die ehemalige Trennung des Ober-
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 625
kieferfortsatzes vom Zwischenkiefer und seitlichen Stirnfortsatz noch
durch eine Furche angedeutet sei.
Die Anschaulichkeit der ZieGLerschen Wachsmodelle machte
auf alle späteren Forscher und die Verfasser von Lehrbüchern einen
so nachhaltigen Eindruck, daß die damit bewiesene Lehre von der
Gesichtsentwicklung, die im besten Einklange mit den Erfahrungen
der Pathologen und Chirurgen stand, unbezweifelt sich 4 Jahrzehnte
forterbte.
Nicht wenig wurde ihre Herrschaft durch den Beifall von A.
KÖLLIKER (13). gestärkt, welcher auf Grund neuer Beobachtungen
im Jahre 1860 die Angaben K. E. v. Baers über die Nasenent-
wicklung des Hühnchens bestätigte. Er unterschied die primitiven
Fig. 4.
2
-.
Köpfe von Hühnerembryonen vom Ende des 4. und Anfang des 5. Bruttages nach KöLrıker. an
äußerer Nasenfortsatz; in innerer Nasenfortsatz; %' 2. Kiemenbogen; m Mundhöhle; n Nasengrube;
nf Nasenfurche; 0 Oberkieferfortsatz; s Schlundhöhle ; sp Chorioidalspalt; st Stirnfortsatz ; v Unterkiefer.
Nasengruben (Fig. 4n), welche von einem als inneren (®”) und
äußeren (an) Nasenfortsatz wulstig hervortretenden Wall umgeben
sind, und die oberflächlichen Nasenfurchen, welehe zwischen dem
Stirnfortsatz (st), äußeren Nasenfortsatz (ar) und Oberkieferfortsatz
(0) in die primitive Mundhöhle verlaufen. Aus den primitiven
Nasengruben entwickeln sich die Labyrinthe des Geruchsorgans.
Die Nasenfurchen aber werden zu kurzen, in die Mundhöhle
ausmündenden primitiven Nasengängen, wenn der ÖOberkiefer-
fortsatz mit dem inneren Nasenfortsatz verwachse (Fig. 4). Jeder
Nasengang münde durch das hintere Nasenloch in den Nasen-
rachengang, welcher durch Bildung des Gaumens und der oberen
Hälfte der ursprüngliehen Mundhöhle entstehe. Später werde jeder
Nasengang weiter und bilde schließlich mit dem Nasenrachengang
_ zusammen den ganzen unteren Nasengang. Der Stirnfortsatz (st)
626 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
liefere das Nasenseptum samt den zugehörigen Deckknochen. Die
äußeren Nasenfortsätze (an) liefern die Labyrinthe, die drei Muscheln
und die Nasenflügel.
Der Tränengang entstehe als eine zwischen dem äußeren Nasen-
fortsatz und Kieferfortsatz, vom Auge zur Nasenfurche ziehende
Rinne und werde durch Verwachsung der genannten Fortsätze in
einen Kanal umgewandelt.
Im Jahre 1866 schilderte KoLLmann (15) das äußere Relief
des embryonalen Gesichtes in Wort und Bild. Bei seinem Bemühen,
die durch die ZıesLerschen Modelle veranlaßten fehlerhaften An-
sichten zu korrigieren, verfiel er in eine karikaturenhafte Über-
treibung der Gesichtsplastik: Der Stirnfortsatz hänge nicht, wie
man nach den Modellen erwarten sollte, gleich einer Schürze ab-
wärts, in der sich die Nasenlöcher wie ein paar Einschnitte finden,
sondern stehe von der Stirn ungefähr in einem Winkel von 45° nach
abwärts ab. Die nüsternartigen Nasenöffnungen seien von hohen
vorstehenden Wülsten begrenzt. Jede der durch eine tiefe Furche
getrennten Nüstern besitze einen äußeren kürzeren und inneren
längeren Flügel. Die Furche werde tiefer und enger, endlich ver-
wachsen die inneren, einander zugekehrten Nasenflügel und bilden
das Septum narium. Die nicht zum Septum verwendeten Teile der
inneren Nasenflügel wachsen nach unten als zwei sich verbreiternde
Hautlappen aus, um sich median unter einander und durch seitliche
Naht mit den Oberkieferfortsätzen zu vereinigen. Die Oberlippe rühre
also nur vom Stirnfortsatz her und entstehe aus zwei Teilen, deren
mittlere Naht am normalen Antlitz als Philtrum charakterisiert
sei. Die Oberlippe allein bilde die obere Begrenzung der Mund-
spalte.
Dursy (5) hat 1869 eine sehr ausführliche Schilderung seiner
Studien über die Entwicklung des Kopfes veröffentlicht. In seinem
Bestreben, den Zusammenhang der frühen Embryonalanlagen mit
den anatomischen Befunden am fertigen Kopfe zu erhellen, hat er
die anatomische Terminologie zur Beschreibung des embryonalen
Zustandes gebraucht und wesentlich dazu beigetragen, daß die auf
durchaus unzureichender Beobachtung fußenden Ansichten der älteren
Schule eine neue Bekräftigung gewannen. Mit der unverbesserten
Methodik der alten Schule konnte Dursy am Ende der 60er Jahre
in der Analyse junger Stadien keine wichtigen Entdeckungen machen,
sondern bloß alte Täuschungen auffrischen. Auch er schreibt dem
Stirnfortsatz die wesentliche Rolle bei der Gesiehtsbildung zu. Er
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 627
sagt: vor dem Erscheinen der Riechgruben gehe die Stirnwand ohne
Abgrenzung bogenförmig in die Schädelbasis über. Später entstehe
der Stirnfortsatz, d. h. eine zur Bildung der Nase bestimmte Fort-
setzung der Schädelbasis, sowie der vorderen und seitlichen Stirn-
wand. Durch mediane Verdünnung zerfalle derselbe in zwei Seiten-
hälften: die zwischen den Riechgruben gelegene Partie der Schädel-
basis und der Stirnwand enthalte die paarige Anlage des mittleren
Stirnfortsatzes, aus dem die Nasenscheidewand und die Zwischen-
Fig. 5.
„„ Riechgrube
_ Seitl. Stirnfortsatz
... Tränenfurche
Auge —-
Mittl. Stirnfortsatz -—-,
Oberkieferfortsatz --- D... Nasenfurche
Vorderansicht des Kopfes eines Hundeembryos (304). Nach O. Scuurzze. Vergr. 10/1.
kiefergegend des Gesichtes hervorgehe; die über und hinter den
Riechgruben liegende Partie, die Stirnfortsatzwurzel enthalte die
Anlage der beiden’seitlichen Stirnfortsätze, welche die laterale Wand
der primitiven Nasenhöhlen darstellen.
Die Riechgruben in der unteren Partie der seitlichen Stirnwand
werden von einem bogenförmigen Saum oben umfaßt, bleiben aber
unten frei und verlieren sich allmählich gegen die Mund-
‘spalte und Augennasenfurche.
Aus dem bogenförmigen Randsaum werde ein dieker Wulst und
durch Höhenwachstum seines hinteren und oberen Abschnittes werde
der obere und hintere Abschnitt der Riechgrube verdeckt. So ent-
628 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
stehe ein hoher, seitlich komprimierter Spaltraum als Anlage der
Nasenhöhle, die somit hinten und oben geschlossen, unten und vorn
dagegen offen sei. Die mediane Wand werde von der lateralen
Schädelwand gebildet, die laterale Wand von dem in‘eine breite
Platte ausgewachsenen, früheren hinteren Randsaume der Riechgrube
oder seitlichen Stirnfortsatz (REICHERT), welcher auf dem verlänger-
ten Oberkieferfortsatz ruhe, aber von ihm durch die vom Auge zur
Mundspalte schief absteigende Augennasenfurche geschieden sei.
Der vordere Rand des seitlichen Stirnfortsatzes rücke nach vorn,
verdecke schließlich die Riechgrube völlig und erreiche den vorderen
Randwulst: er ziehe neben ihm zum vorderen Ende des Oberkiefer-
fortsatzes herab.
Die Seitenflügel des mittleren Stirnfortsatzes umfassen die Nasen-
löcher von unten und verbinden sich mit den Spitzen der Ober-
kieferfortsätze, nur eine äußere Furche deute noch die frühere Tren-
nung an. So erhalten die anfangs in ihrer ganzen Länge unten
offenen Nasenhöhlen einen über der Mundspalte liegenden Boden
oder primitiven Gaumen, der an den Gaumen gewisser Tiere, z. B.
der Eidechsen erinnere. Vor ihm entstehe das äußere Nasenloch,
während hinter ihm eine offene Verbindung mit der Mundhöhle durch
eine Längsspalte des Nasenhöhlenbodens — primitiver Gaumenspalt
bestehe. Der mediane Teil des Stirnfortsatzes zwischen den primi-
tiven Gaumenspalten sei der untere Rand der noch niedrigen Nasen-
scheidewand, seine Seitenteile seien die Seitenflügel der Nase.
Im weiteren Verlaufe der Entwicklung verdieke sich die Basis
des Hirnschädels, wachse in ihrer ganzen ursprünglichen Breite in
die Mundhöhle hinab und stelle die unverhältnismäßig breite Anlage
der Nasenscheidewand dar. Die beiden Nasenhöhlen rücken später
mit den Augen herab und kommen unter den Schädel zu liegen.
Die kleineren äußeren Nasenlöcher würden von einem breiten Wulst
umfaßt, dessen laterale und obere Partie dem seitlichen, dessen
mediale und untere Partie dem mittleren Stirnfortsatz angehören.
Der zwischen den beiden Gaumenplatten liegende Abschnitt der
primitiven Mundhöhle werde von der Zunge völlig erfüllt. Wenn die
Zunge sich von der Schädelbasis zurückziehe, werde der obere Ab-
schnitt der primitiven Mundhöhle durch die mediane Verbindung
der Gaumenplatten abgeschieden. Die beiden Gaumenplatten wachsen
aus der Seitenwand der primitiven Mund- und Sehlundkopfhöhle
hervor und trennen die ursprünglich einfache Höhle in zwei über-
einander liegende Abteilungen.
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 629
Der dadurch gewonnene Raum diene zur Vervollständigung der
Regio respiratoria und zerfalle in einen hinteren unpaarigen Nasen-
rachengang und vorderen paarigen Abschnitt. Der von der Nasen-
scheidewand gebildete Anteil des primitiven Gaumens verwachse
schließlich mit dem eigentlichen Gaumen.
Die allgemeinen Ansichten der nächstfolgenden Jahrzehnte werden
am besten durch die Darstellung erläutert, welche Ü. GEGENBAUR
in seinem Lehrbuch der Anatomie 1883 (S. 433) über die genetischen
Beziehungen von Mund- und Nasenhöhle gegeben hat.
Die Kopfdarmhöhle, welche auch als primitive Mundhöhle bezeichnet wird,
sondert sich in zwei übereinanderliegende Räume, davon der untere die spätere,
sekundäre Mundhöhle darstellt. Der obere, mit jener Sonderung gleichzeitig
durch eine mittlere Scheidewand in zwei seitliche Hälften getrennt, repräsentiert
die Nasenhöhle, nachdem in diesen Abschnitt zugleich die Riechorgane einge-
bettet wurden. Diese Scheidung setzt sich aber nicht durch den ganzen Raum
der Kopfdarmhöhle fort, die hinterste Strecke bleibt ungetrennt, sie bildet den
Pharynx.
Die Scheidung der primitiven Kopfdarmhöhle vollzieht sich erst bei den
höheren Wirbeltieren. Bei Reptilien (Eidechsen, Schlangen) und Vögeln beginnt
die Scheidung und ist bei Schildkröten zum Teile, vollständiger bei Krokodilen
ausgeführt. Den Säugetieren kommt der Vorgang in früher Embryonalperiode
zu. Seitlich und vorne wachsen leistenförmige Vorsprünge (Gaumenplatten) ein
und treffen mit der von der Basis Cranii ausgehenden Nasenscheidewand median
zusammen. Unvollständiger Vollzug dieses Vorganges läßt einen Defect als
Gaumenspalte bestehen.
Auch W. Hıs bewegte sich in der durch K. E. v. BAER und
H. RATHKE vorgezeichneten Bahn. Er hat innerhalb 17 Jahren (1885
bis 1902) dreimal die Entwicklung des Gesichtes und der Nase unter-
sucht und durch das Gewicht seiner Autorität die alte Ansicht an
der Wende des 20. Jahrhunderts nicht bloß neu gestärkt, sondern
auch gegen die Angriffe, welche aus einer besseren Erkenntnis er-
wuchsen, mit Energie verteidigt. Man sieht an diesem Beispiele
wieder einmal, wie schwer es ist, alte Gedanken, welchen der Vor-
zug einer 5Ojährigen Tradition zuteil geworden ist, zu verwerfen;
denn objektiv betrachtet, stützt sich die BAER-RATHKEsche Lehre gar
nicht auf gründliche Beobachtungen, weil die geringe Lupenver-
größerung und der Mangel der Konservierungsmittel es jenen genialen
Forschern unmöglich machte, das Detail so zu erkennen, daß sie
darüber Klarheit hätten erlangen können. Hıs befand sich in einer
_ wesentlich günstigeren Position. Aber trotz der von ihm so gut aus-
gebildeten Rekonstruktionsmethoden und vieler Wachsmodelle blieb
er in der alten Observanz und trat der von HoCHSTETTER ange-
630 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
bahnten Reform ablehnend entgegen. Ich fasse den wesentlichen
Inhalt seiner drei Abhandlungen (8, 8a, 8b) summarisch zusammen.
Bei jüngeren Embryonen zieht die Oberhautanlage, wie eine
Haube (Stirnhaube), dieht über das Ende des Hirnrohres direkt in
die Rachenhaut. Wenn das Gehirn auswächst, besonders wenn die
Großhirnhemisphären sich emporwölben, erfährt die Stirnhaube eine
entsprechende Ausdehnung. Sie hebt sich vom Gehirn stellenweise
ab und bildet eine anfangs sehr breite, später verschmälerte blasen-
artige Sagittalfalte, die Schnauzenfalte. Ihr Mittelstück besteht
aus einem, jede Nasengrube konvex überragenden und einem unteren
konkaven Abschnitt. Gleichzeitig mit der Sagittalfalte tritt eine
quere Falte zur Bildung der Nasenkante und Nasenspitze auf.
Jederseits von der Stirnhaube entstehen am Vorderkopfe 2 flache
Nasenfelder, deren Boden muldenartig zu Riechgruben einsinkt. Sie
scheiden sich in die JAcoBsonschen und eigentlichen Nasen-Gruben.
Die anfangs im Bereiche des Vorderhirns liegenden Riechgruben
rücken bald nach vorn abwärts und verlassen den Hirnbereich.
Indem sie in die Seitenwand der Sagittalfalte mit einbezogen sind,
gleiten sie zunächst in schräger Richtung nach vorn und kommen
durch das Schmälerwerden der Faltenbasis in einen geringeren Ab-
stand voneinander zu liegen. Das geht mit einer doppelseitigen
Faltenbildung im Gebiete des mittleren Stirnfortsatzes einher. Die
Riechgruben zerfällen die Vorderfläche des Schnauzenfaltengebietes
in die mittleren und seitlichen Stirnfortsätze (Fig. 5). Der laterale
Schenkel des Randwulstes der Nasengrube leitet die Bildung des
seitlichen Stirnfortsatzes ein. Der seitliche Stirnfortsatz schiebt sich
jederseits über die lateralwärts offene Nasengrube und wandelt
sie rasch in die lateralwärts geschlossenen Nasenhöhlen um, welche
die Form zweier enger Spalten annehmen, die mit einem schrägen
Schlitz nach vorn und unten sich öffnen. Der seitliche Stirnfortsatz
geht in die Scheidewand der Nase über, welche durch Verschmälerung
des mittleren Stirnfortsatzes gebildet ist. Der mittlere Stirnfortsatz
ist ein sehr breiter Streifen mit niedrigen Seitenleisten (Lamina
nasalis) und eingesunkenem Mittelstück (Area infranasalis). Über der
Area infranasalis liegt die Anlage des Nasenrückens (Area trian-
gularis). Jede Seitenleiste ist eine besondere Sagittalfalte und er-
scheint als Fortsetzung eines gewölbten Bogens, welcher am seit-
lichen Stirnfortsatz als späterer Nasenflügel beginnt und die Nasen-
öffnung von oben her medial als Randwulst der Nasenöffnung umgreift
und die mediale Wand der Nasengrube bildet. Der Bogen läuft in
E. H, Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 631
einen vorderen kugeligen Vorsprung (Processus globularis — innerer
Nasenfortsatz KÖLLIKER) aus. Eine breite zur Nasenöffnung empor-
steigende Furche trennt den Processus globularis vom Ende des
Oberkieferfortsatzes. Später ist der Oberkieferfortsatz näher an den
Processus globularis herangeschoben. Wenn der mittlere Stirnwulst
auf den Höhepunkt seiner embryonalen Entwicklung gelangt ist
(etwa im Beginn der 6. Woche), lassen sich an ihm drei Zonen unter-
scheiden, eine oberste Pars ethmoidalis, welche die beiden Nasen-
höhlen überragt, eine mittlere Pars nasalis = Septum, die zwischen
die beiden Höhlen eingeschoben ist, und die untere Pars inter-
maxillaris, welche die Höhlen vom Mundraum trennt. Der seitliche
Stirnfortsatz scheint vom Oberkiefer durch eine quere Spalte getrennt
zu sein.
Der zwischen beiden Oberkiefern liegende Teil der primitiven
Mundöffnung wird bei fortschreitender Entwicklung von den 3 Stirn-
fortsätzen ausgefüllt. Der mittlere Stirnfortsatz bzw. Processus globu-
laris desselben verwächst unterhalb der zuerst durchweg offenen
Nasenspalte mit dem Öberkieferfortsatz, der schräg von hinten und
außen herantrit. Dadurch entsteht eine das Nasenloch von der
Mundspalte trennende Querbrücke, der primitive Gaumen (Dursy)
oder Anlage der Oberlippe und der unmittelbar dahinter liegenden
Teile und es scheidet sich dadurch eine Gesichts- und Mundrachen-
öffnung der Riechhöhlen ab. Der Schluß der offenen Nasengruben
geschieht teils durch die Lamina nasalis, ausgiebiger durch Hervor-
schiebung ihres hinteren Randes, der sich über die Außenfläche der
Grube legt und dieselbe zudeckt; er ist der seitliche Stirnfortsatz,
sein wulstiger Rand wird zum Nasenflügel.
Sobald der seitliche Schluß der Grube erfolgt ist, führt von der
vorderen Öffnung ein kurzer Eingangstrichter in eine hohe Spalte,
(= Nasenschlauch) die oben von der Pars ethmoidalis überwölbt ist
und in deren Decke der N. olfactorius sich einsenkt.
Jenseits von der Nervenendstelle nimmt die Höhle an Höhe ab
und läuft in den niedrigen Nasenrachengang aus, der lateralwärts
von der Lamina nasalis in den hinteren Nasenlöchern sich öffnet.
Nachdem der primitive Gaumen geschlossen ist, rücken die Processus
globulares und zugleich die vorderen Enden der Laminae nasales
median zusammen und verschmelzen. Durch die Vereinigung
entsteht das Mittelstück der Lippen und der Zwischenkiefer; der
Mundhöhlenteil des Oberkiefers oder innerer Kieferwulst rückt
gleichfalls gegen den Processus globularis und verschmilzt mit ihm.
Morpholog. Jahrbuch. 41. 41
=
632 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Das Septum narium entsteht demnach durch mediane Verbindung
zweier ursprünglich getrennter Anlagen. Beim Menschen bildet sich
die Oberlippe durch Verwachsung der Globularfortsätze des mittleren
Stirnfortsatzes mit den Oberkieferfortsätzen. Die Oberfläche des
mittleren Stirnfortsatzes zerfällt in einen als mediane Kante hervor-
tretenden Teil, der zum Nasenrüicken wird, und einen als mediane
Rinne sich vertiefenden Teil, der zur Nasenscheidewand und Ober-
lippe wird. Die Grenze beider ist die Nasenspitze. Wenn die
Nasenlöcher zusammenrücken, treibt sich der Nasenrücken schärfer
hervor, dagegen vertieft sich der Einschnitt an der unteren Fläche
des mittleren Stirnfortsatzes. Schließlich verbinden sich die Seiten-
wandungen der medianen Rinne. An der Oberlippe begegnen sich
die beiden Kugelfortsätze in der Mittellinie und das Nasenseptum,
das zuerst aus zwei nebeneinanderliegenden Platten besteht, ver-
wächst zu einer einfachen Lamelle. Die Oberlippe behält einen
tiefen mittleren Einschnitt, dessen letzter Rest als Philtrum zurück-
bleibt. Die Spur der bilateralen Verbindung von Lippen und Nasen-
scheidewand erhält sich bei der Mehrzahl der Säugetiere bleibend
als eine mediane, vom Lippenrand bis zur Schnauzenspitze reichende
Spalte, z. B. Doggennase.
O. SEYDEL (19) beschrieb 1899 die Nasenbildung bei Eehrdna
ganz im Stile der Hisschen Darstellung. Der auswachsende äußere
Nasenfortsatz liefere die komplette laterale Wand der Riechtasche.
Später beteilige sich auch der Oberkieferfortsatz an der Bildung der
hinteren lateralen Wand der Tasche. Die zugekehrten Ränder des
spaltförmigen Zuganges zur Riechtasche verschmelzen, indem der
untere Rand des äußeren Nasenfortsatzes sich an die entsprechende
Partie des inneren Nasenfortsatzes lege. Der Oberkieferfortsatz bleibe
daran unbeteiligt, weil er nicht so weit nach vorn reiche. Das
hintere Ende des spaltförmigen Zuganges dauere als Kommunikation
zwischen Nasen- und Mundhöhle. Mit dem Vorwachsen der Schnauzen-
gegend erfahre die taschenförmige primitive Riechgrube eine rinnen-
artige Verlängerung nach vorn, die von den verlängerten Nasen-
fortsätzen umgeben und durch Verschmelzung derselben zum
Atrium der eigentlichen Nasenhöhle abgeschlossen werde. Mit dem
Auswachsen des Schnauzenteils würde die schlitzförmige Apertura
nasalis externa größer werden, wenn sich nieht gleichzeitig von
hinten nach vorn fortschreitend die Schließung derselben durch
Verlötung der unteren Ränder des äußeren und inneren Nasenfort-
satzes vollzöge. Also werde in einem bestimmten Entwicklungs-
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 653
stadium (Echidna-Embryo 42) die äußere Nasenöffnung kontinuierlich
neu gebildet. Mit dem Vorwachsen des Vorderkopfes verlängere
sich die Öffnung nach vorn, wobei immer neu entstehende Teile in
ihre Umgrenzung einbezogen würden, aber im gleichen Maße werde
sie von hinten her verlegt.
An Hıs schließt sich H. RaAsrL (20) an, der 1902 durch
schöne Zeichnungen die Entwicklung des Gesichtes schilderte.
Er legte weniger auf die Beschreibung, als auf naturgetreue Ab-
bildungen Gewicht. Mit Recht tadelt er im Vorworte, daß die meisten
der älteren Abbildungen entweder ganz unbrauchbar seien oder
das embryonale Gesicht nur in Karikaturen wiedergäben. Die
Mehrzahl derselben vermöge weder den primitivsten künstlerischen,
noch wissenschaftlichen Anforderungen zu genügen. Man habe in
die Zeichnungen jedes Licht und jeden Schatten eingetragen, den
man beim Drehen und Wenden eines Embryos nach allen Seiten
überhaupt sehen könne; daher hätten die verbreiteten Abbildungen
geringe Beweiskraft. Angesichts der trefflichen Zeichnungen
seines neuen Werkes wird jeder die Berechtigung des herben Tadels
zugestehen; aber RABL verurteilt auch die neue Methode, daß man
Modelle von den Embryonen anfertigt und diese Modelle zeichnet.
Wohl schwerlich falle es einem Maler ein, einen Menschen, den er
porträtieren wolle, zuerst zum Bildhauer zu schicken. Es sei ganz
verwerflich, den Kopf oder das Gesicht eines Embryos nach einem
Plattenmodell zu zeichnen; die nach solchen Vorbildern hergestellten
Figuren seien so scheußlich, daß jeder, der einigen Formensinn be-
sitze und die Objekte aus eigener Anschauung kenne, davon abge-
stoßen werde. Hierin scheint mir RABL nicht recht zu haben, weil
er den Vorteil übersieht, welehen die Untersuchung des embryonalen
Gesichtes bei stärkeren Vergrößerungen (5%/, oder 1%/,) gewährt im
Gegensatze zu einer l5fachen Vergrößerung, bei der seine Figuren
entworfen sind. Nachfolgend stelle ich die wichtigsten Sätze aus
dem Begleittexte des Raptschen Tafelwerkes zusammen.
Das Riechfeld ist im Stadium 8 (114 2b) zu einer Grube eingesenkt, die
oben von einer Art Schirm überwölbt ist und dadurch vertieft wird, während
sie nach unten flach ausläuft. Mit dem hinteren Ende dieses Schirmes tritt der
Öberkieferfortsatz in Verbindung. Die Nasengrube hat also nur oben einen
scharfen Rand. Der Boden springt polsterartig nach außen vor.
| In den nächsten Stadien 9 und 10 ist die Nasengrube vertieft mit fast
‚kreisrunder Eingangsöffnung. Die schärfere Begrenzung desselben bringt es
} mit sich, daß man jetzt schon einen medialen und lateralen Nasenfort-
Isatz erkennen kann. Vom medialen Fortsatze zieht eine Leiste aus, die unter
41*
634 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
dem lateralen Nasenfortsatze hinweg zum ÖOberkieferfortsatz reicht, um sich mit
ihm zu verbinden. Der mediale Nasenfortsatz des Stadiums 11 besitzt unterhalb
der Nasenöffnung eine kleine, nach innen gerichtete Delle. Die Strecke zwischen
den beiden medialen Nasenfortsätzen ist eingesenkt.
Beim Stadium 12 stehen die enger gewordenen, schlitzförmigen Nasenlöcher
nicht relativ, sondern auch absolut näher beieinander, als früher. Sie führen
in den nach hinten an Tiefe zunehmenden Nasensack, an dessen medianer Wand
die Miindung des Jacobsonschen Organs liegt. Das hintere Blindende des
Sackes stößt an das Epithel des Vorderendes des primitiven Gaumens.
Die aus beiden Epithelschichten bestehende Membran verschließt die primitive
Choane. Zwischen den beiden mittleren Nasenfortsätzen, also an der unteren
Seite des Stirnfortsatzes ist eine ziemlich tiefe Einsenkung bemerkbar; wie früher
zieht eine Leiste vom medialen Nasenfortsatz unter dem lateralen Fortsatze
hinweg zum Oberkiefer.
Im Stadium 13 liegen die verengten und schief gestellten Nasenlöcher
absolut eine Spur weiter auseinander, relativ aber enger zusammen. Die Ein-
senkungen zwischen den beiden mittleren Nasenfortsätzen sind tiefer geworden;
von ihrem Grunde zieht eine kurze schmale Furche, die einer Naht nicht
unähnlich ist, senkrecht nach oben.
Im Stadium 14 erscheint hinter dem inneren Ende der medialen Nasen-
fortsätze eine kleine Grube als erste Andeutung der primitiven Choane, aber
der Durchbruch ist noch nicht geschehen.
Im Stadium 15 sind die Nasenlöcher kleiner geworden. Von der medianen
tiefsten Einkerbung der Oberlippe, die zwischen den beiden Processus globulares
liegt, zieht ein flacher Wulst nach oben. Die Oberlippe zeigt außerdem rechts
und links am medianen Nasenfortsatz eine Einkerbung, auf welche die Kerbe
zwischen Nasenfortsatz und Öberkieferfortsatz folgt. Die Choanen sind noch
nicht durchgebrochen.
Stadium 16. Von den Nasenlöchern zieht eine Furche im halbkreis-
förmigen Bogen nach innen und unten zu der Ineisur zwischen den Processus
globulares. Die beiderseitigen Furchen grenzen den Schnauzenteil deutlich ab.
Der sagittale Wulst, welcher von der Ineisur senkrecht nach oben reicht, flacht
sich allmählich ab. Vom oberen Ende der schlitzförmigen Nasenlöcher laufen
bogenförmige Furchen gegen das obere Ende der medianen Erhebung oder
Leiste (mediane Nasenleiste) und grenzen kleine paarige Knötchen ab.
Stadium 17. Über die schlitzförmigen Nasenlöcher schieben sich von oben
und außen deckelartig die lateralen Nasenfortsätze.
Die fast 100 Jahre währende Tradition der Gesichtsentwicklung
nach MECKEL, BAER, RATHKE wurde zum ersten Male durch F. HocH-
STETTER im Jahre 1891 angetastet. HOCHSTETTER (9, 9a) erklärte
nach Untersuchungen an Katzen- und Kaninchen-Embryonen:
Eine offene Nasenfurche als primäre Kommunikationsspalte
zwischen Mund- und Nasengrube existiert ebensowenig, als der Ab-
schluß der beiden Höhlen durch Verwachsung der Furchenränder
erfolgt. Der Hohlraum der Nasengrube ist von der Mundhöhle
durchaus abgeschieden und gewinnt durch Herabwachsen des lateralen
Stirnfortsatzes Taschenform. Der Epithelüberzug der Begrenzungs-
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 635
ränder der Nasengrube d.h. der laterale und mediale Stirnfortsatz
verschmelzen, so daß der hintere Abschnitt der Nasentasche in
einen kurzen Blindsack umgewandelt werde, der durch eine Epithel-
lamelle mit dem Epithel des Munddaches zusammenhängt. Letztere
wird vom Mesoderm durchbrochen und damit eine solide Scheide-
wand zwischen Nasenhöhle und primitivem Gaumen hergestellt. Im
hinteren Abschnitt der Nasentasche wird die Epithellamelle erniedrigt
und verbreitert, bis sie schließlich als eine dünne Membran (Mem-
brana bucco-nasalis) erscheint (Fig. 6). Wenn sie zerreißt, ist die
hintere Öffnung der Nasentasche oder Choane gebildet. Die Nasen-
öffnung wird vom medianen und lateralen Stirnfortsatz umgeben.
Fig. 6.
Membrana Unter- Oberkieferfortsatz
bucco-nasalis kieferforts.
Sagittalschnitt des Kopfes von Vespertilio murinus von 8mm Länge. Vergr. 12/1. Nach Tıemann.
Der Oberkieferfortsatz beteiligt sich weder an der Begrenzung des
Nasenloches noch am Abschlusse der Nasenhöhle. Sehr richtig be-
merkt HocHSTETTER, der Öberkieferfortsatz stellt keinen reinen
Fortsatz dar, sondern erscheint nur äußerlich als eine wulst-
förmige Hervorhebung des embryonalen Gesichtes, dessen Meso-
dermmassen kontinuierlich mit den Mesodermmassen des benachbarten
Fortsatzes zusammenhängen.
F. Keiıger (11) pflichtete 1893 dem Bericht HocHSTETTERS in allen
wesentlichen Punkten bei, nur mit der Einschränkung, daß er die
älteren Autoren, vor allem Hıs verteidigt. Er meint, die erste
| Anlage des primitiven Gaumens komme durch Anlagerung des
| lateralen Nasenfortsatzes an den medialen Nasenfortsatz zustande.
Später dringe der Öberkieferfortsatz bis an den medialen Nasen-
| fortsatz vor und trage wahrscheinlich zur Bildung des primitiven
636 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Gaumens, jedenfalls zur Bildung der Oberlippe bei. Die Beschreibung
und Darstellung, welche Ecker und Hıs von der Nasenrinne gaben,
beruhe auf sorgfältiger Beobachtung, freilich an schlecht konser-
vierten Objekten. Er habe dieselben Bilder bekommen, wenn er
Fig. 79.
„.._ primitive
ur. Nasen-
höhle
Nasenloch
Medialer Stirnfortsatz
Fig. 7—9. Schnitte durch den Kopf von Vespertilio murinus. Vergr. 14/1. Nach Tiemann.
Schweinsembryonen in verdünnter Müllerscher Flüssigkeit leicht
macerierte und mit einem Pinsel das Epithel entfernte.
Die Nachuntersuchungen von H. TıEmAnn (25) an Embryonen
Fig. 10.
Pe
Tränenfurche ---
i J-_. Oberkieferfortsatz
f |
1 I
' H
1 |
Medialer Stirnfortsatz Membrana bucco-nasalis
Frontalschnitt des Kopfes eines 9 mm langen Kaninchen-Embryos von 13 Tagen. Vergr. 14/1. Nach
TıEMmAnN.
von Fledermaus, Hund, Kaninchen, Rind, Schaf, Schwein im Jahr
1896/97 bestätigten die Entdeckung HOoCHSTETTERS.
Die Frage, wie die Riechfelder in Nasengruben und diese in
Nasenhöhlen umgewandelt werden, beantwortet TıEmann im Einklange
mit Hochsrerrer dahin, daß Vorwulstung ihrer Ränder die Riech-
felder zu taschenähnlichen Nasengruben gestalte, und daß die stark
hervorwachsenden, seitlichen Begrenzungsränder der Nasengruben,
nämlich der laterale und mediale Nasenfortsatz sich an dem
hinteren Teil der Gruben zusammenlegen und allmählich gegen
den vorderen Teil epithelial versehmelzen. Dadurch entstehe deı
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 637
von HocHsTETTER angezeigte, allein von den Nasenfortsätzen um-
schlossene Blindsack der Nasenhöhle und die gegen das oberflächliche
Eetoderm ziehende Epithellamelle (Fig. 9). Durchbrechende Mesoderm-
massen vernichten die epitheliale Verschmelzung der beiden Nasen-
fortsätze unter dem vorderen Abschnitt der Nasenhöhle und schaffen
hier festes Gewebe, während sich im hinteren Abschnitt die Epithel-
brücke noch erhält, um durch Auseinanderweichen der Seitenwände
in die Membrana buceo-nasalis umgewandelt zu werden (Fig. 6). Wenn
sie endlich zerreißt, ist die primitive Choane angelegt. TIEMANN
betont entschieden, daß die Nasenhöhle bloß von den Nasenfortsätzen
und die obere Wand der Mundhöhle nur durch die beiderseitigen
Nasenfortsätze nebst mittleren Stirnfortsätzen begrenzt werde. Die
Oberkieferfortsätze ständen noch zu weit lateral, als daß sie etwas
zum Abschluß dieser Höhle beitragen könnten. Sie überwuchern
den lateralen Nasenfortsatz und erzeugen einen Teil der späteren
Oberlippe, nachdem die primitiven Choanen entstanden seien.
K. Perer (18) erklärte 1902, die von HocHsSTETTER hervorge-
hobene Differenz im Verhalten der beiden Nasenfortsätze sei nicht
so groß. Sowohl beim Menschen, als Kaninchen beginne die Bildung
des Nasenblindsackes im Bereiche der Oberkieferfortsätze und greife
später auf die seitlichen Nasenfortsätze über — beim Kaninchen
früher und im größeren Umfang, beim Menschen später und in ge-
ringerer Ausdehnung. Der Abschluß der Nasenrinne erfolge beim
Kaninchen im Bereiche des Oberkiefers, beim menschlichen Embryo
begrenze der Oberkieferfortsatz allein den hinteren Nasenblindsack.
Einige Jahre später (1906) schilderte K. PErrer (18a) im Hand-
buche von HerrwıG die Anlage der Nasenhöhle als Riechfeld, die
Verwandlung desselben in eine tiefe Rinne und die Veränderung
derselben durch Auftreten der Gesichtsfortsätze (des inneren bzw.
äußeren Nasenfortsatzes und Oberkieferfortsatzes). Im Bereiche des
Oberkieferfortsatzes wachsen die Ränder der Nasenrinnen zu-
sammen und vertiefen den hinteren Riechsack der Nasengrube. Die
Verschmelzung ihrer Ränder greife bald auf den äußeren Nasen-
fortsatz über. Im Bereich des geschlossenen Blindsackes buchten
sich die inneren Nasenfortsätze kugelig vor und bilden die Processus
globulares, die sich mit den Öberkieferfortsätzen vereinigen. Die
Gesichtsfortsätze werden beim Abschlusse der Nasenrinne nur
epithelial verschmolzen. Wenn die Epithelbrücke, welche den
Riechsack längs der Verwachsungsfurche mit dem äußeren Epithel
verbindet, durchreiße, trete Bindegewebe in die Rißzone und ver-
638 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
einige nun auch die mesodermalen Teile der Gesichtsfort-
sätze. Nur das Blindende des Geruchsorganes bleibt mit der Epi-
dermis verbunden, hier findet kein Durchbruch von Mesoderm statt.
Die Verschmelzungsstelle weitet sich allmählich aus und wird zu der
dünnen Membrana buceo-nasalis (Fig. 10). Sie verdünnt sich und reißt
ein, so daß die Choanen entstehen. Die zwischen äußerem Nasen-
loch und Choane liegende Substanzbrücke ist der primitive Gaumen.
Derselbe enthält medial das Material der inneren Nasenfortsätze,
lateral in seiner hinteren Partie Massen des Oberkieferfortsatzes und
in seinem vorderen Teile einen größeren oder kleineren Anteil des
äußeren Nasenfortsatzes. Bei Säugern existiert keine primäre Ver-
bindung der Nasenhöhle mit der Mundhöhle, keine Nasenrinne (HocH-
STETTER). Die primitiven Gaumenspalten verlängern sich, der primäre
Gaumen wird kurz.
2. Die Metamorphose des Gesichtes.
Der historischen Übersicht lasse ich die Beschreibung einiger
ausgewählter Modelle folgen, welehe die Metamorphose des Katzen-
gesichtes bezeugen. So stark der Gegensatz zwischen dem kleinsten
und größten Stadium (Taf. XII, Fig. 1, 7) auf den ersten Blick er-
scheinen mag, die eingehende Betrachtung der Zwischenformen (Taf. XII,
Fig. 2—6) hat mich belehrt, daß die ontogenetische Formentwicklung
in einer, wenn ich so sagen darf, folgerichtigen Weise dem definitiven
Zustande entgegeneilt. Man wird aus den mit großer Sorgfalt her-
gestellten Gesichtsmasken erkennen, daß die bisherige Ansicht von
den Gesichtsfortsätzen und ihrer Verwachsung, auch in der von
HOCHSTETTER, TIEMANN und PETER abgeschwächten Fassung nicht
länger aufrecht erhalten werden kann.
Soweit es der verfügbare Tafelraum gestattet, wurden die Masken
bei derselben Vergrößerung (18/1) abgebildet (nur das größte Modell
ist etwas kleiner, 12/1 dargestellt), weil man das rechte Urteil allein
durch Berücksichtigung der wirklichen Größenverhältnisse gewinnt.
Die in den Lehrbüchern verbreiteten Figuren leiden an dem Fehler,
daß die kleinen Embryonen zu groß und die älteren Stadien zu
klein gezeichnet wurden, daher hat man sich manche Einzelheit viel
größer vorgestellt als der Wirklichkeit entspricht, z. B. die Ver-
wachsung des Riechgrubenrandes für einleuchtend gehalten, obwohl
das Riechfeld ganz minimal klein ist.
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 639
A. Das Larvengesicht.
1. Periode.
(Taf. XII, Fig. 1, 2, 3, la, 2a, 3a).
Sehr kleine Embryonen entbehren des Gesichtes und zeigen nur
einfache Elementaranlagen mit wenigen Merkmalen. Das außer-
ordentlich geringe Volumen ihres Kopfes verbietet die reiche
Modellierung des äußeren Reliefs. Das Gehirn bildet die Haupt-
masse des Kopfes (Taf. XIV, Fig. 18—21); sein stark gekrümmtes
Vorderhirn liegt dem Eetoderm dicht an. Da es sich stark ventral
biegt und sehr geringen Abstand vom vorderen Nabelrand hat,
so ist die Gesichtsanlage unansehnlich; die Vorderhirnwölbung allein
(Taf. XII Fig. 1a, 2a) drückt dem Kopf sein charakteristisches
Larvengepräge auf.
Zuerst fällt die kräftige, vom Vorderhirn veranlaßte Wölbung
(nh) auf, zu beiden Seiten derselben kleine hügelartige Vorsprünge,
die sog. »Oberkieferfortsätze« (lv), unterhalb derselben zwei weitere
Hügel (vl), die sog. » Unterkieferfortsätze«. Die Gesichtsregion be-
steht also aus fünf höckerartigen Erhebungen. Zwischen ihnen
liegt eine ungefähr dreieckige Grube (mg), die in den Vorderdarm
führt und die embryonale Anlage des Mundes ist, aus der sich später
der Lippenmund und die eigentliche Mundhöhle durch weiteres
Wachstum entwickeln werden. Ich nenne sie daher auch Mund-
grube und hebe besonders hervor, daß der vordere Rand der Mund-
grube von der Hirnwölbung nicht abgesetzt ist, bloß die Unterlippen-
wülste (z) bilden einen deutlichen Rand.
Man hat die Hügel um die Mundgrube bisher »Gesichtsfortsätze«
genannt und als Ober- bzw. Unterkieferfortsätze unterschieden. Ich
schließe mich diesem Gebrauche aber nicht an. Da in den jungen
Stadien noch keine Skeletanlagen auftreten, halte ich es für richtiger,
die Skulptur des embryonalen Gesichtes, statt auf die tieferliegenden
Knochen, auf die Oberfläche, d.h. die fertige Physiognomie zu be-
ziehen und die Bezeichnungen von den Regionen des Gesichtes zu
nehmen, die sich aus den Hügeln entwickeln. Ich werde daher statt
»Oberkieferfortsatz« künftig Lippenwangenwulst (lw), statt » Unter-
kieferfortsatz«e die Bezeichnung Unterlippenwulst (x) gebrauchen.
Der Ausdruck »Wulst« ist vorzuziehen, weil es sich nicht um
wirkliche »Fortsätze«, die RATHKE sogar mit den Extremitäten-
stummeln verglichen hat, sondern um ganze leise Modellierungen
der Kopffläche handelt, die in der folgenden Zeit nicht kräftiger
640 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
vorspringen, sondern abflachend in die Breite wachsen. Sie sehen
freilich an den Modellen und den Photographien derselben sehr
kräftig aus, allein man muß doch immer bedenken, daß das Konterfei
des embryonalen Gesichtes mehr oder weniger vergrößert ist, und
daß alle Modelle (bzw. Tafelfiguren) durch die Vergrößerungszahl
zu dividieren sind, will man eine rechte Anschauung der reellen
Kleinheit ihres Details erhalten.
Bei dem Embryo II (Taf. XII, Fig. 2, 2a) ist das Volumen des
Kopfes gestiegen und infolgedessen die Gesichtsgegend auch trans-
versal gewachsen. Dadurch sind die einzelnen Abschnitte deutlicher
ausgeprägt. Man sieht noch die fünf Wülste in der Umrahmung
der Mundgrube (mg). Am meisten treten die Unterlippenwülste (z/)
hervor, welche wie bei Modell 1 durch eine seichte V-förmige Ein-
kerbung geschieden sind. Die Kerbe hat früher zu der Deutung
veranlaßt, daß die Unterlippe durch mediane Verwachsung zweier
symmetrischer Hälften (— Unterkieferfortsätze) entstehe. Wenn man
aber die tatsächlichen Belege für die allgemein geltende Meinung
prüft, findet man zur eignen Verwunderung, daß gar keine Beob-
achtung des Verwachsungsprozesses selbst gemacht wurde, und daß
jede Spur einer wirklichen Verwachsungsnaht fehlt. Ich sehe auch
keinen genügenden Grund, weshalb man die paarige Natur der
unteren Buckel («/) so stark betonen sollte. Mir scheint es viel
richtiger, die Unterlippenanlage als einheitlichen Bügel aufzu-
fassen, wie sie dem nicht voreingenommenen Blicke an dem Modell
(Taf. XII, Fig. 2a) entgegentritt, und die bisher als getrennte Unter-
kieferfortsätze gedeuteten Wülste als Auswölbung ihrer lateralen
Zonen anzusehen.
Die Unterlippe bildet den hinteren Rand der Mundgrube; der
vordere Rand, die spätere Oberlippe ist ebensowenig wie im vorigen
Stadium skizziert, nur lateral an den Mundwinkeln ist sie als Lippen-
wangenwulst (lvo) angelegt. Zwischen diesen ladet der breite Quer-
wulst (rk) aus, welcher durch das dieht anstoßende Vorderhirn vor-
gewölbt ist. Hıs hat ihn »Stirnhaube« genannt. In der weiteren
Entwicklung sieht man aber nicht die Stirne, sondern den Schnauzen-
teil daraus entstehen. Denn die enge Nachbarschaft des Vorder-
hirns (Taf. XIV, Fig. 19—24) ist nur ein vorübergehender, embryonaler
Charakter, der sehr bald durch die Ausbildung der Nasenschläuche
und der Augen aufgehoben wird, so daß das Vorderhirn weit vom
Eetoderm der sog. Stirnhaube abrückt. Ich lege daher auf den
Umstand, daß jetzt die flachen Riechfelder (vf), später die Nasen-
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 641
löcher (l) in dieser Gegend liegen, den Nachdruck und gebrauche
statt »Stirnhaube« den Ausdruck »Nasenhaube« (rk). Die beiden
flachen Einsenkungen der Riechfelder (of) sind wirklich abgegrenzte
Facettenflächen zu beiden Seiten der Nasenhaube.
Die unterhalb der Riechfelder einwärts ziehende, ungefähr drei-
seitige Eetodermwand ist eine undifferenzierte Larvenanlage. Nach
Kenntnis der späteren Stadien betrachte ich sie als gemeinsame An-
lage des künftigen Munddaches und des unter den Nasenlöchern
entstehenden Lippenabschnittes. Da die Mundhöhle überhaupt noch
nicht als wirkliche Binnenhöhle des Kopfes ausgestaltet ist, so bildet
ihr Dach die Unterfläche der jetzt durch das Vorderhirn auf-
setriebenen Nasenhaube (rA), und man sieht von außen bis an die
Hypophyse (Taf. XIV, Fig. 20—22). Die flachen Riechgruben erstrecken
sich nicht auf das Munddach, wie die älteren Autoren einstimmig
angegeben haben. An der lateralen Fläche, dorsal über den Riech-
feldern sind die Linsengruben (lg) angelegt.
Alles in allem genommen sind an dem kleinen Kopfvolumen
wenige Teile räumlich und morphologisch ausgebildet. Die andern,
jetzt nicht sichtbaren Abschnitte mögen potentiell vorhanden sein,
treten jedoch erst nach stärkerem Wachstum der gesamten Kopf-
anlage sichtbar vor.
Beide Modelle zeigen noch die geringe Entfernung des Kopfes
bzw. der Mundgrube vom vorderen Nabelrand, also den Mangel
der Halsregion. Ebenso klein ist die Entfernung des Unterlippen-
wulstes vom Mittelhirnhöcker.
Weil die Spalten des embryonalen Gesiehtes in der patho-
logischen und chirurgischen Literatur eine so wichtige Rolle spielen,
will ich ausdrücklich hervorheben, daß meine Modelle und die ihnen
zugrunde liegenden Querschnittserien gar keine Spur wirklicher
Trennungsspalten zeigen. Die ganze Gesichtsfläche ist von einer
zusammenhängenden Ectodermschicht bedeckt, die unter der
Nasenhaube (rk) zur Mundgrube (ng) eingebuchtet und lateral in
Form von Buckeln (lv, ul) vorgetrieben ist. Infolge dieses Reliefs
sind natürlich die Grenzen zwischen den Buckeln als seichte
Furchen eingeschrieben; die älteren Autoren hielten sie irrtümlich
für »Trennungsspalten«, obwohl es seichte Rinnen der Außenfläche
sind, welche nicht gleich Spalten in die Masse des Kopfes ein-
greifen. Eine Verwachsung derselben könnte niemals stattfinden,
weil die ectodermale Gesichtsmaske von allem Anfang an als eine
einheitliche Decke über die inneren Organe, speziell das Vorder-
642 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
hirn und den Vorderdarm samt dem spärlichen Mesoderm gebreitet
ist. Die alten Forscher hatten daher durchaus unrecht, von »Spalten»
zu sprechen. Wären welche vorhanden, so könnten sie auf den
Querschnitten, die heute nicht bei vierfacher, sondern bei hundert-
facher und noch stärkerer Vergrößerung studiert werden, nicht
übersehen werden: daher ist es höchste Zeit, daß die Mediziner mit
dem alten Irrtum von den Gesichtsfortsätzen und ihrer Verwachsung
endgültig brechen.
Die Einfachheit der Kopfanlage erhellt ohne weiteres aus Längs-
schnitten der Larvenköpfe (Taf. XIV, Fig. 21, 22). Gehirn und Vorder-
darm sind die beiden Hauptbestandteile, umhüllt vom spärlichen
Mesoderm. Die Sinnesorgane werden an der Öberfläche angelegt,
als Riechfelder, Linsen- und Labyrinthgrübehen, während die Augen-
blasen aus dem Vorderhirn vorwachsen.
Die von der Unterlippe umsäumte Mundgrube führt direkt in
den Vorderdarm, welcher in sehr geringer Entfernung von der
Eetodermmaske dicht unter dem Mittel- und Hinterhirn zieht. Er
stellt einen transversal breiten Schlauch mit sehr schmalem Lumen
dar (Textfig. 14, 15). Die Grenze zwischen der Mundgrube und
dem Vorderdarm ist an dem kleinen Vorsprunge der dorsalen Wand
kenntlich, gegen welchen das Ende der Chorda biegt. Die Bucht
vor demselben ist die Anlage der Hypophyse. Als wichtige Tat-
sache hebe ich noch die Lagebeziehung zwischen Mundgrube und
Vorderdarm hervor. Beide stehen fast unter einem rechten Winkel
gegeneinander (Taf. XIV, Fig. 20—22).
Bei einem Embryo von 8 mm Sstl. (Taf. XII, Fig. 3, 3a) hat das
Kopfvolumen bedeutend zugenommen. Die transversale Ausdehnung
der Gesichtsmaske ist auf das Doppelte das Maßes von Modell 2
gestiegen, wie man am besten an der breiten Form der Mundgrube
(mg) und der stark vorgewölbten Nasenhaube erkennt. Die quer-
gedehnte Mundgrube ist bequem zu überblicken. Wenn man das
Modell 3 mit Modell 1 und 2 vergleicht, so begreift man, warum die
Wangenlippen- und Unterlippenbuckel (lw und «/) bei den kleinen
Embryonen so sehr auffallen. Es ist eben die Medianzone ganz
außerordentlich schmal. Beim Embryo des Modells 3 aber sind die
seitlichen Buckel durch die Verbreiterung des medialen Gesichts-
streifens (n/fj mehr voneinander entfernt und imponieren, trotzdem
sie größer wurden, nicht mehr so sehr.
An der oberen Begrenzung der breiten Mundgrube wird anfangs
wenig geändert. Immer eilt die Unterlippe voraus, sie nähert sich
E. H Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 643
dem definitiven Zustand, indem mit ihrer Massenentfaltung die
mediane Kerbe schwindet. Wer die Modelle 2 und 3 unbefangen
betrachtet, wird zugeben, daß eigentlich nichts für einen Verwachsungs-
prozeß der sog. Unterkieferfortsätze in der Mediane spricht, dagegen
alles für die langsame Ausgleichung einer oberflächlichen Kerbe.
Lateral bildet die Unterlippe immer noch die größte Auswulstung
der Gesichtsfläche. Davor liegt der Wangenwulst und über diesem
springt, durch eine ringförmige Furche abgesetzt, die Hornhaut (e)
vor. Die seichten Furchen zwischen den Gesichtsbuckeln sind all-
mählich ausgeglichen, so daß die Gesichtsfläche noch deutlicher als
einheitliche, nicht von Spalten zerschnittene Maske erscheint.
Anstatt der flachen Riechfelder sind zwei Nasenlöcher (2) vor-
handen, welche in die blind geschlossenen Nasenschläuche hinter der
Ecetodermmaske führen. Das transversale Wachstum des Kopfes
hat die geringe Entfernung zwischen den beiden Riechfeldern von
Modell 2 ungefähr auf das Doppelte gesteigert, so daß die Öffnungen,
welche die Skizze der Nasenlöcher des erwachsenen Tieres dar-
stellen, doppelt so großen Querabstand zeigen, als die flachen Riech-
felder des Embryo 2. Die Strecke (n/f) zwischen den Nasenlöchern
(2) werde ich kurz das Nasenlippenfeld nennen.
Abgesehen von der Verbreiterung herrscht in der Medianzone
des Gesichtes eine große morphologische Ruhe. Bei richtiger
Stellung des Modells 3 überblickt man immer noch die ganze dorsale
Wand der Mundhöhle bis zur Hypophyse, rechts und links begrenzt
von zwei seichten, gegen die Hypophyse konvergierenden Furchen,
den Grenzen des später auftretenden Mittelraumes.
Die Profilansicht des Modells 3a läßt zwischen dem Nasenloch
() und dem Lippenwangenwulst (l2v) eine feine Einsenkung erkennen,
welche die früheren Autoren als Verwachsungsnaht gedeutet haben.
Die Modelle sind aber sichere Beweise, daß von einer Verwachsung
nicht die Rede sein kann; denn ob wir Modell 3 oder 1 oder noch
Jüngere Embryonen untersuchen, stets ist das Vorderende des
Embryos (Taf. XIV, Fig. 18—21) vom Eetoderm bekleidet und die
Eetodermmaske zeigt an der kritischen Stelle keine spaltförmige
Unterbrechung, sondern überzieht als einheitliche Decke die Ober-
fläche der Kopfanlage. Da aber das Vorderhirn die Nasenhaube
bzw. das Nasenlippenfeld ventral heraustreibt, so sinkt das Eetoderm
von ihm zum Lippenwangenwulste (lvo) ab. Infolge der lateralen
Ausbuchtung desselben entsteht notwendigerweise eine kleine Furche
zwischen beiden Regionen.
644 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Zum Vergleich habe ich die Vorderansicht des Kopfes von einem
Schweineembryo aus dem Lehrbuche der Entwicklungsgeschichte
von O. SCHULTZE hier eingefügt (Fig. 11), damit der Leser sich über-
zeugen kann, daß diese Zeichnang ebensowenig wie meine Figur
Fie. 11.
FE TEN Stirnwulst
Lateraler Nasenforts.
Riechgrube __/ Medialer Nasenforts.
ER Ä_ Mundspalte
-- Unterkieferbogen
% %..-2. Kiemenbogen
SS 3. Kiemenbogen
N
aA
e y Aorta
‚ ER :
rn 4
= 4
Ep ----- Rückenmark
Vorderansicht des Kopfes eines Schweineembryos 1 em lang. Vergr. 10/1. Nach 0. Schurtze.
(Taf. XII, Fig. 3) oder die jüngeren Modelle (Taf. XII, Fig. 1, 2) das
sachliche Recht gewährt, einen medialen und lateralen Nasenfortsatz
zu unterscheiden. Nur alte Gewohnheit hat diese falsche Ausdrucks-
weise bis auf den heutigen Tag konserviert; es ist notwendig,
sie endlich vollkommen abzuschaffen.
Fig. 12—15.
12 Bi Feen
a augen
Fig. 12—15. Querschnitte durch die Mund- und Rachenhöhle eines Katzenembryos von 3,3 mm Kpfl.
und $ mm Nstl, (Taf. I, Fig. 3 u. 3a). Vergr. 18/1. Der Abstand der Fig. 12—13 beträgt 60 u, der
Fig. 13—14 = 200 u, der Fig. 14—15 = 100 u.
Die gemeinsame Betrachtung der drei Profilbilder (Taf. XII, Fig. 1a,
2a, 3a) erhellt, daß die am jüngsten Modell skizzierten Formeigen-
schaften in konsequenter Weise fortgebildet wurden, während das
Volumen des ganzen Kopfes, also auch seine einzelnen Teile stetig
zunahmen.
Der Längsschnitt (Taf. XIV, Fig. 22) kann, obwohl er durch einen
bi,
ei
Kieterfi
+ Die er
na bern. z x cur
feidı |
- u m ra Abe ee e
Wr, Bu ve ee er Au ‚alah ge un e
Hessen =. 1 Vgl she. Ya fig, Me
| EEE in: a ha
ae mu
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 645
etwas älteren Katzenembryo geführt ist, dazu dienen, die Lage-
beziehungen der inneren Organe des Kopfes zur äußeren Gesichts-
fläche zu erläutern. Die Querschnitte (Fig. 12—15) zeigen die ein-
fache Gestalt des Quermundes (Fig. 12), die niedrige Mundhöhle
(Fig. 13), welche noch aller Differenzierung ermangelt, und die ein-
fache Rachenhöhle (Fig. 14, 15).
Die Entwicklung der Nasenschläuche.
Bei Embryonen, welche zwischen Stadium II und III einzureihen
sind, findet die Umbildung der Riechfelder in die schmalen blind-
geschlossenen Nasenschläuche statt. Embryo II zeigt das Riechfeld
(vf) am Eetoderm der Nasenhaube (r%h) gleich einer Facettenfläche
ausgeprägt, welche innerhalb eines niedrigen Randwulstes etwas
konkav eingesunken ist. Die älteren Autoren haben das Riechfeld
nicht gekannt, sondern eine primitive Nasengrube samt einer ober-
flächlichen, in die Mundhöhle verlaufende Nasenfurche angenommen
und den Abschluß infolge Verwachsung der Stirnnasen- und Ober-
kieferfortsätze gelehrt.
Die neuen Forscher sind aus diesem Vorstellungskreise nicht
ganz herausgekommen; denn HOocCHSTETTER nannte den Rand des
Riechfeldes lateralen, bzw. medialen Stirnfortsatz und glaubte, durch
ihre Verwachsung werde der Nasenblindsack erzeugt. Die von ihm
zuerst beschriebene Epithellamelle galt ihm als Scheidewand zwischen
beiden Fortsätzen. TIEMANN vertrat dieselbe Ansicht: der laterale
und mediane Nasenfortsatz umschließen den Nasenblindsack, treten
als Begrenzungsränder an der Oberfläche hervor, legen sich zu-
sammen und verschmelzen epithelial zu einem Septum, das später
vernichtet wird. PETER verlieh dem gleichen Gedanken Aus-
‚druck. Der äußere und innere Nasenfortsatz sowie der Oberkiefer-
fortsatz verschmelzen beim Abschlusse der Nasenrinne erst epithelial.
Nach dem Durchreißen des Epithelseptums vereinigen sich auch die
mesodermalen Teile der Gesichtsfortsätze.
Um über den Vorgang genaueren Aufschluß zu erhalten, habe
ich Teilmodelle der Nasenregion bei 100facher Vergrößerung her-
gestellt und durch sie die Überzeugung gewonnen, daß die Facetten-
fläche des Riechfeldes wahrscheinlich weniger durch Vorwölben des
Randes als durch plastische Wachstumsenergie des Epithels den in
der Kopfmasse, d. h. hinter der Eetodermmaske liegenden Nasen-
schlauch erzeugen wird. Die objektive Schwierigkeit, den Ansichten
von HOCHSTETTER, TIEMANN, PETER beizustimmen, liegt für mich in
646 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
der geringen Größe und der runden Form des Riechfeldes. Ange-
siehts der Figuren 2, 2a, 3, 3a (Taf. XII), kann ich mir nicht vor-
stellen, daß der runde Rand des Riechfeldes sich vor dem Lippen-
wangenwulst zusammenbiege und verwachse. HOCHSTETTER, TIE-
MANN und PETER haben das ebensowenig gesehen, wie ich. Sie
vermuten nur diese Bildungsart des Nasenblindsackes, weil sie die
zum Eetoderm reichende Epithellamelle desselben für das Pro-
dukt einer Verwachsung hielten.
Der schmale Blindsack, welchen das erste Modell (TafXIIL, Fig. 14)
nach der Serie des Embryos (Taf. XII, Fig. 3) darstellt, kann nicht
das Produkt von einfachen Einsenkungs- und Wulstungsprozessen
sein; denn er ist seitlich komprimiert und so eigenartig gebogen,
daß sein Formzustand durch einen besonderen Bildungsprozeß hervor-
gerufen sein muß. Seine schmale Lichtung ist durch das äußere,
etwas längliche Nasenloch / (Taf. XII, Fig. 3) zugänglich. Der Nasen-
sack reicht aber hinter den oralen Rand des Nasenloches hinaus, in
der Richtung gegen das zur Hypophyse aufsteigende Munddach (md),
und hängt auf dieser, jetzt freilich noch sehr kurzen Strecke mit
dem Eetoderm der Nasenhaube untrennbar zusammen durch ein
Epithelseptum (s), welches HOCHSTETTER, TIEMANN, PETER als Folge
der epithelialen Verklebung der Nasenfortsätze deuteten. Ich kann
mich jedoch nicht damit einverstanden erklären, daß in dieser
Gegend eine Verschmelzung von ursprünglich getrennten Epithel-
flächen zum Epithelseptum stattgefunden habe, und zwar aus dem
Grunde nicht, weil die Längsachse des offenen Riechfeldes bei
Modell 2 fast so groß ist, als der Durchmesser des Nasenloches bei
Modell 3. Daher glaube ich, daß der leicht gewulstete Rand des
Riechfeldes (vf, Taf. XII, Fig. 2) nicht als Rand der Riechgrube,
sondern als Rand des Nasenloches anzusehen ist. Man hat seine
Natur bloß verkannt, weil die später von ihm umfaßte Lichtung des
Naseneinganges in den jungen Stadien wegen der flachen Spannung
des Epithelbezirks, welcher als Eetodermfacette (rf) den Mutterboden
des Nasenschlauches darstellt, noch nieht vorhanden ist. Jedenfalls
gewähren die Modelle kein Recht, der bisher gebilligten Behauptung
beizupflichten, daß die Ränder der Riechgruben miteinander ver-
wachsen. Ich beziehe den Zustand der Nasenanlage vom Modell 2
auf den Zustand des Modells 3 (bzw. der Fig. 14) durch die An-
nahme, die Zellen des Riechfeldes hätten kraft lebhafter Teilung
einen schmalen Epithelsack erzeugt, während der Rand der Riech-
facette an der Gesichtsfläche fast unverändert blieb, höchstens sich
E. H. Pohımann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 647
ein klein wenig zusammenzog. Die ganze Eetodermmaske des
Larvenkopfes scheint mir etwas hervorgetrieben, d. h. ihr Abstand
vom Vorderhirn größer geworden zu sein. So wurde Raum für den
einwachsenden Nasenblindsack geschaffen und das Nasenloch zu-
gleich etwas verengt. Das ganze Riechfeld hat übrigens einen auber-
ordentlich geringen Flächeninhalt. Der Durchmesser ist bloß 300 u
lang. Wenn wir in vielen andern Fällen beobachten, wie die kom-
plizierten Höhlen mancher Organe durch die plastische Gestaltung
eines ebenso kleinen und vielleieht noch winzigeren Epithelbezirks
entstehen, warum sollte gerade bei der Nase nicht möglich sein,
was sonst allgemeine Regel ist?
Ich sehe auch keinen Anlaß, bei der Beschreibung des
Embryonalgesichtes (Fig. 1, 2, 3, Taf. XII) von »Nasenfortsätzen« zu
sprechen, aus dem gleichen Grunde, weshalb ich oben (S. 25) den
Gebrauch des Ausdruckes: »Gesichtsfortsätze«e bekämpfte. Denn
das Relief ist viel zu klein für die derben Bezeichnungen. Ich kann
bloß leise Niveauunterschiede an dem Nasenbezirke der Eetoderm-
maske, bzw. ihrer mesodermalen Füllmasse gewahren und halte es
für falsch, wenn man an den Schnittbildern einen willkürlich heraus-
gerissenen Teil der Mesodermzellen den »Nasenfortsatz« nennt.
Jedenfalls sind die reellen Bezirke in so engen Dimensionen be-
fangen, daß die Analogie der Wundheilungsprozesse zum Ver-
ständnis des normalen Entwieklungsverlaufes nieht angerufen zu
werden braucht. Es ist viel einfacher, den Rand des Riechfeldes
als Anlage des definitiven Nasenloches anzusprechen und ferner anzu-
nehmen, daß an seiner gegen das künftige Munddach gekehrten
Seite eine stärkere Anhäufung von Eetodeimzellen geschehe, welche
mit dem Wachstum sowohl der Nasentasche als der Gesichts- und
Mundwand in einen Epithelstreifen, eben das von HocHsTETTER ent-
deckte sog. Septum (s) ausgezogen werde. Die Wachstumsrichtung
des Nasensackes ist, wie Modell 14 (Taf. XIII) zeigt, nicht senk-
recht, sondern parallel zum Eetoderm der Nasenhaube bzw. Mund-
grube gestellt.
Im Modell Fig. 15 (Taf. XIII) hat sich der Nasensack unter be-
deutender Größenzunahme komplizierter gestaltet. Für unsre Be-
trachtung ist sein Längenwachstum am meisten wichtig; denn da-
durch wurde das hintere Ende vom Nasenloch (!) entfernt und die
Epithelmauer lang ausgezogen. Dicht hinter dem Nasenloch ist am
Modell eine kleine Lücke /, weil die Verbindungsbrücke mit dem
äußeren Epithel auf eine Strecke von 0,120 mm unterbrochen ist.
Morpholog. Jahrbuch. 41. 42
648 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Damit sind zwei Stellen geschieden, mittels welcher der Nasenschlauch
an dem Eetoderm hängt: das Nasenloch im Gesichte und eine hin-
tere, zur Membrana nasobuccalis werdende Hattstelle.
Das dritte Modell Fig. 16 (Taf. XIII) zeigt einen noch längeren
Nasenblindsack und beweist so das energische, in der Nasenlippen-
gegend des Kopfes stattfindende Wachstum. Die Lücke ? des sog.
Verwachsungsseptums ist viel größer geworden, nicht bloß durch
Zerstörung der Epithellamelle, sondern sicher auch durch Wachstum
der Kopfmasse in der Lücke und ihrer nächsten Umgebung. Die
Membrana nasobuccalis (25) an der hinteren Haftstelle des Nasen-
schlauches, welche an der aufgebogenen Strecke des Munddaches (md)
liegt, am Modelle jedoch nicht sichtbar ist, stellt jetzt einen dünnen
Epithelbezirk dar und scheidet noch die schmale N Nasenliehtung von
der Mundhöhle. Ein andres, nicht abgebildetes Modell von ähnlicher
Größe zeigt bereits die offene Choane.
Beim vierten Modell Fig. 17 (Taf. XIII), das aus einem Katzen-
embryo etwa gleicher Größe wie Fig. 5 (Taf. XII) isoliert wurde, ist
der Abstand des Nasenloches / und der Choane ch, sowie des Nasen-
schlauches vom Eetoderm wesentlich gestiegen, so daß in der weiß
erscheinenden Lücke ? starke Mesodermmassen eingekeilt sind. Die
Choane hat sich bedeutend verbreitert.
Bei unbefangener Betrachtung der Modelle (Fig. 14—17, Taf. XIII)
wird man sich des Eindruckes nicht erwehren können, daß die Ent-
wicklung des Nasenschlauches in der Tat ein selbständiger Model-
lierungsprozeß ist, der mit der Verwachsung von Nasenfortsätzen
nichts zu tun hat. Darum schlage ich vor, die traditionelle Aus-
drucksweise endlich zu beseitigen.
2. Periode.
(Taf. XII, Fig. 4, 4a, 5, 5a.)
Zusammenfassend beschreibe ich nun die Gesichtsmodelle zweier
Katzenembryonen von 10 und 11 mm Nstl. Das allgemeine Körper-
wachstum äußert sich in der Kopfgegend auf folgende Weise:
Der Abstand der Mundspalte vom Nabelrand ist mehr als
doppelt so groß. Die Lippenwangen- und Unterlippenwülste, welche
die Plastik der vorigen Periode beherrschten, sind dureh transversales
Wachstum abgeglichen, so daß die Umrandung des Mundes von ein-
heitlichen, lippenähnlichen Wülsten gebildet wird. Über der flachen
Unterlippe (wl) wölbt sich ein gleichsinnig gekrümmter Bogenwulst
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 649
(ol), der als Anlage der künftigen Oberlippe anzusprechen ist. Diese
wichtige Veränderung wird hauptsächlich durch Vorgänge im Nasen-
lippenfeld zwischen den Nasenlöchern (?) veranlaßt, indem die bisher
(Taf. XII, Fig. 3) schwach eingedellte Breitfläche (r/f) desselben ein klein
wenig distal vorgetrieben wurde, so daß sie die Unterlippe überragt.
Der Einblick in die Mundhöhle wird dadurch um so mehr benommen,
als zugleich die Unterlippe gegen die neugeschaffene Oberlippe und
das hinter der Oberlippe einwärtsziehende Munddach vorwächst.
Daher spielt letzteres im Relief der Gesichtsmaske keine Rolle mehr.
Stärkeren Zuwachs erfahren auch die beiden Wangenwülste ober-
halb der Mundwinkel. Der am Modell 3 hinter dem Lippenwangen-
wulst auffallende Buckel, der wie eine Fortsetzung der Unterlippe
erschien, ist verstrichen.
Obwohl im Nasenlippenfelde nur eine einfache Vorwölbung der
medianen Partie geschah, sind die Folgen auf dem Gesamthabitus
der Mundgegerd recht bedeutend; denn damit ist die Anlage der
vollständigen Oberlippe, welche vorher bloß durch die seitlichen
Buckel (ko). angedeutet war, vervollständigt, aber nicht durch Ver-
schmelzung der sog. Stirn- und Oberkieferfortsätze, sondern durch
kräftige Wulstung des Nasenlippenfeldes, während die Kopfanlage
allseitig zunahm. Der Zustand des Lippenmundes wird also in zwei
Etappen erreicht: zuerst waren die lateralen Partien zwischen Mund-
grube und Auge als Wangenlippenwulst (lw) bei den jüngsten
Embryonen (Taf. XII, Fig. 1, 2) skizziert, später (Taf. XII, Fig. 3) ist
das mediane Nasenlippenfeld zwischen beide eingeschaltet und vor-
gewölbt worden. In der Profilansicht (Taf. XII, Fig. 3a—da«) der Mo-
delle sind diese Veränderungen besonders schön zu sehen.
Zugleich wurde auch der median eingezogene Streifen zwischen
Nabelrand und Unterlippe vorgewölbt. Diese an sich unbedeutende
Tatsache steht in erfreulichem Einklange mit meiner Auffassung,
daß das Nasenlippenfeld vorgetrieben sei. Der Unterschied zwischen
den Embryonen 3 und 5 gipfelt eben hauptsächlich in der Relief-
veränderung des medialen Streifens, der zwischen den Nasenlöchern
und dem Nabelrand liegt. Das treibende Moment für den Fortschritt
der Modellierung muß in der Entfaltung der Nasenschläuche hinter der
Eetodermmaske, sowie im Wachstume der Mesodermmassen an der
ventralen Mund- und Rachenwand gesucht werden.
Bei Modell 4 und 5 ist durch die Vorwölbung der Nasenlippe
das Munddach von der Außenfläche der Nasenhaube abgegrenzt.
42*
650 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Da auch die Unterlippe gegen den Rand der Oberlippe vorrückt,
so ist die Mundhöhle nach außen abgeschlossen.
Mit dem Wachstum des Kopfes steigt die Größe der Mundhöhle
und die Entfernung der Hypophyse vom Lippenrand.
Die Nasenschläuche sind in diesem Stadium (Taf. XIII, Fig. 17)
noch sehr klein und plump modelliert; Nasenloch und Choane liegen
einander eng benachbart. So einfach das Relief ihrer Außenfläche
erscheint, seine Beziehungen zu dem fertigen Zustand, den BLEN-
DINGER (4) beschrieben hat, kann man doch sicher erkennen, wenn man
viele Modelle aus der Entwieklung der Nasenschläuche vor sich hat.
Leider konnte ich nicht so viele Abbildungen geben, um meine
Behauptung anschaulich zu belegen. Aber an der medialen Ansicht des
Modelles (Fig. 17, Taf. XIII) sieht man vom Nasenloch (2) die Muschel-
region (M) schräg aufsteigen und an ihrer medialen Wand die rinnen-
fürmige Ausbuchtung (?) des JacoBsoxschen Organes hängen. Seichte
Einbuchtungen der nicht abgebildeten Lateralwand des Nasen-
schlauches künden bereits den künftigen Nasoturbinalwulst, das
Saktergesimse, den Maxilloturbinalwulst und Aulax an, der oberste
Höcker (Pe) wird zur vordersten Tasche (Procribrum) der Cribral-
region entwickelt, freilich nach der lateralen in Fig. 17 nicht sicht-
baren Seite ausladend. Der Vorsprung (he) ist die Gesamtskizze des
hinteren Cribralabschnittes, aus welchem das Mesoeribrum und Meta-
eribrum entstehen werden.
B. Das Katzengesicht.
(Taf. XII, Fig. 6, 6a und 7, 7a.)
Wer die Modelle 4—6 nebeneinander sieht, erkennt sofort die
bedeutsame Verwandlung der Gesichtsmaske. Im Modell 6 klingen
Charaktere des Katzengesichtes leise an, dank geringen Modifika-
tionen der vorhergehenden Plastik. Starke Kontraste sind am Mo-
dell 6 nieht nachzuweisen, höchstens, daß sich die Oberlippe (ol)
besser ausprägt und nicht mehr in einem so flachen Bogen spannt,
wie bei Modell 4 und 5; auch ihre Breite hat unbedeutend zuge-
nommen. Die Unterlippe (wJ) springt ebenfalls stärker vor. Die
Entfernung des Mundspaltes vom Nabel ist mit der transversalen
Entfaltung des Kopfes gestiegen. Am meisten wird die Veränderung
der gesamten Physiognomie, die besonders in der Profilansicht be-
merkbar ist, durch die schnauzenartige Erhebung der um die Nasen-
löcher liegenden Region veranlaßt, welehe sich von der Stirngegend
Eh Das Ka
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 651
absetzt (Taf. XII, Fig. 6@). Der Wangenwulst ist viel breiter geworden,
da der Abstand des unteren Augenrandes vom Lippenwinkel um
die Hälfte gestiegen ist. Dadurch wurde Raum geschaffen, um die
Öberlippe der definitiven Form zu nähern und von dem Wangen-
vorsprung unterhalb des Auges durch eine seichte Delle abzugliedern.
Das letzte Modell (Taf. XII, Fig. 7) zeigt bereits die wirkliche
Katzenphysiognomie. Während beim Larvengesicht das Vorderhirn
den vor der Mundgrube bzw. dem Quermunde liegenden Abschnitt
beherrschte, tritt es durch die Entfaltung der Nasenlippengegend
allmählich in den Hintergrund. Dafür spielen jetzt der Mundrand,
die Lippen samt den Nasenlöchern eine wesentliche Rolle, indem
sie sich schnauzenartig vorschieben. Das Gesicht, das bisher in der
Ventralansicht wie eine flache hufeisenähnliche Querzone erschien,
ist kegelförmig verlängert, das breite Maul von konvex gekrümmten
Lippen begrenzt. Die Veränderung ist hauptsächlich durch das kräf-
tige Auswachsen des am vorigen Modell (Taf. XII, Fig. 6) auf-
tretenden Schnauzenhügels sowie der Lippengegend geschehen. Da-
durch schob sich die ganze, vor den Augen liegende Region mit
den Mund- und Nasenöffnungen als Schnauze vor. Die Unterlippe
teilte diese Wachstumsenergie, so daß sie über die Mundwinkel wie
ein bügelförmiges Gebilde aufragt. Die klaffenden Lippenränder
lassen die Zungenspitze etwas herausschauen. Der Abstand der
Nasenlöcher vom Lippenrand hat zugenommen. Die Wangengegend
ist nicht mehr aufgewulstet und die bei Modell 6 beschriebene Ein-
dellung ausgeglichen.
Der Überblick über die Gesichtsmasken (Fig. 1—7 Taf. XII) be-
weist, daß die wirklichen Vorgänge anders sind, als wir sie
gewöhnlich schildern hören. Das embryonale Geschehen besteht
weder in der Verwachsung von Fortsätzen und getrennten An-
lagen noch in der Beseitigung von Spalten, wie man vor
50 Jahren meinte; es besteht vielmehr in einer sorgfältigen und
konsequenten Durehmodellierung der Gesichtsfläche, welche an das
steigende Volumen des Kopfes gebunden ist. An den kleinen An-
lagen der ersten Stadien werden Zonen, welche später ansehnliche
Flächen des Gesichtes bilden, als winzige, bloß durch die starke
Vergrößerung der Rekonstruktion grell vorspringende Unebenheiten
oder wie man früher sagte »Gesichtsfortsätze« angelegt, während
andre Abschnitte, z. B. der Vorderrand des Mundes vollkommen
fehlen. Die Einfügung des letzteren (Fig. 3) und seine Entfaltung
führt die starke Metamorphose des Larvengesichtes herbei (Fig.4 u. 5).
652 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Dann geht durch die Entwicklung der Mund- und Nasenhöhle die
ebene Gesichtsfläehe in den Formzustand der Schnauze über. Alle
Veränderungen schließen so innig aneinander, daß sich kaum eine
wirkliche Grenze zwischen den Stadien ziehen läßt, wenn nicht die
Zufälligkeit des Embryonenmaterials einen Ruhepunkt der Analyse
erzwingt.
II. Die Entwicklung der Mundhöhle.
1. Die herrschende Lehre.
Der Gaumen ist uns allen in Vorlesungen und Lehrbüchern als
das Produkt einer Verwachsung geschildert worden, welche am. pri-
mitiven Munddache sich abspielt und die Gaumenrinne durch Auf-
richten und Verschmelzen der Gaumenfortsätze in den Ductus naso-
pharyngeus umwandelt.
Diese Ansicht wurde zuerst von Dursy (5) eingehend begründet,
und seine Darstellung ist zur geltenden Schulmeinung erhoben worden.
Er hielt zwei abgerundete Längswülste, welche aus dem medianen
Teil des Oberkieferfortsatzes hervorgehen und von der Zwischen-
kiefergegend bis an die Seitenwand des Schlundkopfes reichen, für
die erste Anlage des sekundären Gaumens. Dieselben wachsen ver-
tikal abwärts und fassen die der Schädelbasis und dem primitiven
Gaumen angeschmiegte Zunge zwischen sich. Nachdem die Zunge
aus der Gaumenrinne zurückgezogen sei, richten sich die vor-
her vertikal absteigenden Gaumenplatten auf und nehmen
eine horizontale Riehtung an. Eine Zeitlang bleiben sie durch
einen an verschiedenen Stellen ungleich breiten Spalt geschieden.
Später wachsen sie einander bis zur Berührung, endlich zur Ver-
schmelzung in medianer Naht entgegen, welche hinter dem Zwischen-
kiefer beginnt und rück- und vorwärts fortschreitet.
Hıs (85) ging ebenfalls von der eigentümlichen Tatsache aus,
daß die Zunge in der Gaumenanlage förmlich eingeklemmt wird,
ihr Rücken die Schädelbasis berührt und ihre Spitze dem hinteren
Naseneingange anliegt. Gegen Ende des zweiten Monats bestehe
noch ein doppelseitiger physiologischer Wolfsrachen mit Tiefstand
der Gaumenplatten und Hochstand der Zunge. Die Umlagerung
der Gaumenplatten erfolge am Ende des zweiten oder Beginn
des dritten Monats. Dann stehen die Platten mit zugekehrten Rän-
dern über der Zunge, ihre Verwachsung schreitet langsam von vorn
nach rückwärts fort. Bei einem Fetus von 5l mm SSl. ist der vordere
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw, 653
Teil der Gaumenplatten glatt verwachsen; rückwärts findet sich eine
Strecke mit epithelialer Verklebung und dahinter eine klaffende, an
Breite rasch zunehmende Spalte. Hıs meinte, das Emporsteigen der
Gaumenplatten könne unter diesen Umständen nur erfolgen, wenn
die Zunge zuvor ausgewichen sei, und stellte sich vor, daß das Aus-
weichen durch aktive Muskelkontraktion d. h. Senken des Unter-
kiefers und Bewegung der Zunge eingeleitet werde. Es sei denk-
bar, daß die Hebung der Gaumenplatten nicht auf beiden Seiten zu-
gleich erfolge, sondern daß die Zunge erst nach der einen, dann
nach der andern Seite Raum schaffe. Sein Präparat des mensch-
lichen Embryos Mr von 8 Wochen entspreche einer solchen Über-
sangsphase, in der der Prozeß einseitig begonnen habe, aber noch
nicht vollendet sei. Querschnitte durch die Mundhöhle zeigen die
Zunge sehr schräg gestellt. Die Zungenspitze stehe beinahe vertikal
und ihr rechter Rand dränge sich am Gaumenfortsatz vorbei bis
zum unteren Teil der Nasenhöhle empor. Links stehe der Gaumen-
fortsatz über der Zunge.
Im Gegensatz zu Dursy behauptete 1895 J. Nussgaunm (17) nach
Untersuchungen an Hundeembryonen, daß die Gaumenplatten nicht
direkt miteinander verwüchsen. Die Nasenscheidewand beteilige
sich an der Bildung des harten Gaumens, indem sie sich zwischen
die Gaumenplatten schiebe und mit diesen verschmelze.
Er sagt: »Beim Hunde wächst im vorderen und mittleren Teile
der primitiven Mundhöhle der untere Rand der Nasenscheidewand
so früh nach unten, daß ihr unterer sehr breiter Teil zwischen die
Gaumenplatten kommt, bevor sie sich gegeneinander nähern. Daher
treffen beide Gaumenplatten in der Mittellinie nicht zusammen,
sondern verschmelzen direkt mit den unteren seitlichen Teilen der
Nasenscheidewand, und die untere freie breite Fläche des Septums
beteiligt sich direkt an der Bildung des Mundhöhlendaches. Die
Verschmelzung der Gaumenplatten mit der Nasenscheidewand er-
folgt in der Richtung von vorn nach hinten. Die Stexsonschen
Gänge sind Reste der embryonalen Kommunikation zwischen Nasen-
und Mundhöhle, d. h. der beiden durch die Nasenscheidewand ge-
trennten Gaumenspalten. Die unteren Mündungen der STENnSoxschen
Gänge sind aber beim Hunde nicht Reste der Gaumenspalten. Viel-
mehr verschwindet das Lumen in ihnen, so daß sie durch einen
kleinen soliden Strang mit dem Epithel des Gaumens zusammen-
hängen. Gleichzeitig erscheint etwas nach vorn eine kleine hohle
Einstülpung des Gaumenepithels beiderseits von der Gaumenpapille,
654 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
welche nach oben, hinten und etwas nach außen wächst, bis ihr
hinteres Ende sich mit dem unteren nach vorn gekehrten Endteile
des STEnSoNschen Ganges vereinigt.
A. Pörzu (19) verwarf die Meinung von Hıs (6b), daß bei der
Umlagerung der Gaumenplatten aktive Muskelbewegungen mitspielen,
und vertrat die Ansicht, die Umlagerung erfolge durch Wachstums-
differenzen verschiedener Kopfbezirke.
Bei menschlichen Embryonen zwischen 17—37 mm SSI# erfahre
das Gesicht und die Schädelbasis wichtige Veränderungen. Zunge und
Unterkiefer sind zunächst klein. Wurzel und Rücken der Zunge
stoßen dicht an die Schädelbasis. Die plumpe Zungenspitze liege
im hinteren Teil der Mundhöhle, hinter dem Ende des Zwischen-
kiefers. Durch fortschreitendes Wachstum komme sie unter den
Zwischenkiefer, schließlich unter die Oberlippe, und der Zungen-
rücken werde stark gekrümmt. Auch der Unterkiefer gelange durch
starkes Wachstum vor die Ebene der Schnauze, so daß die Zungen-
spitze auf der Alveolarleiste des Unterkiefers liege.
Die Gaumenplatten entstehen als niedrige Leisten hinter dem
Zwischenkiefer, d. h. im hinteren Teile der Mundhöhle.
Die Teilung des Nervus palatinus gebe die Grenze zwischen
hartem und weichem Gaumen an. Die Anlage des harten Gaumens
sei nach innen unten gerichtet und liege unter den Seitenteilen der
Zunge, während die Anlage des weichen Gaumens senkrecht neben
der Zunge absteige. Durch Wachstumsdifferenzen im Gesicht und
der Schädelbasis gelange die Zunge endlich so weit nach vorn und
unten, daß der Zwischenkiefer sowie die Anlage des harten Gaumens
über ihr, der weiche Gaumen hinter ihr liege. Die Platten des
harten Gaumens ändern dann ihre Form und wachsen oberhalb
der Zunge in horizontaler Richtung median. Ihre vordersten Teile
treffen sich eine Strecke hinter dem Zwischenkiefer; von da setzen
sie sich nach vorn in zwei, jetzt erst vom. vordersten Teile der
Öberkiefer gegen die Mitte auswachsende Platten fort, die den
Zwischenkiefer unterlagern und mit ihm die Srtensoxnschen Gänge
einschließen. Die Verwachsung des harten Gaumens schreite nach
vorn und rückwärts fort, zugleich verwachse mit ihm das länger
gewordene Septum; auch der weiche Gaumen schließe sich teilweise.
Also werde die Schließung des sekundären Gaumens dadurch er-
möglicht, daß die Zunge aus dem Raume zwischen den Gaumen-
platten nach vorne hinauswachse, ohne von rückwärts in denselben
hineinzugelangen.
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 655
PöLzL macht zugunsten dieser Behauptung geltend, daß die
Bildung des sekundären Gaumens von den Amphibien bis zu den
niederen Säugetieren durch Vorwachsen der Gaumenplatten in
horizontaler Richtung geschehe. Die Annahme von Stellungs-
veränderungen der Gaumenplatten sei sehr wenig wahrschein-
lich, ebenso die plötzliche Veränderung, wenn die Zunge sich durch
Muskelaktion nach unten zurückziehe und die Gaumenplatten sich
aus der vertikalen Stellung zur horizontalen aufrichten. Die An-
nahme aktiver Muskelkontraktionen bei Embryonen von 28—30 mm
SS1. sei sehr gewagt. Die Zunge könnte infolge Wachstumsdifferenzen
der Umgebung auch ohne aktive Bewegungen in ihre definitive
Lage rücken. Zwischen den Gaumenplatten liege ein viel geringerer
Teil der Zunge, als Hıs vermutete, welcher auch die Höhe der Gaumen-
platten und die Ausdehnung der Anlage des harten Gaumens über-
schätzt habe. Der größere Teil der Gaumenplatten gehöre dem weichen
Gaumen an. Da die Richtung des in den weichen Gaumen einstrah-
lenden Ramus posterior des Nervus palatinus unverändert bleibe, auch
wenn der harte Gaumen bereits über der Zunge liege, könne der
weiche Gaumen nicht hinaufklappen. Der weiche Gaumen entstehe
zweifellos durch Vorwachsen der Gaumenplatten zu schief frontal ge-
stellten, von vorn oben nach hinten unten geneigten Platten. Wenn
der weiche Gaumen sich durch direktes Vorwachsen gegen die Mitte
schließe und ebenso der Teil des harten Gaumens, der den Zwischen-
kiefer unterlagert, so sei es unwahrscheinlich, daß der dazwischen-
liegende Teil des harten Gaumens sich auf eine völlig andre Weise
schließe, zumal dieser Abschnitt gerade am kleinsten sei.
G. SCHORR (22) kommt auf Grund seiner Studien an Affen-,
Maulwurf-, Menschen-, Schwein-Embryonen zu Resultaten, die teil-
weise die Meinung von Dursy und Hıs, andrerseits die Angaben
von A. PöLzL bestätigen.
Die Anlage des sekundären Gaumens wachse weiter aus und
ändere mit der Zeit ihre Lage, indem sie beiderseitig und gleich-
zeitig allmählich die horizontale Richtung annehme.
Die Gaumenumlagerung sei das Resultat einer Reihe kompli-
zierter Prozesse, die auf dem Prinzip ungleichen Wachstums basieren.
Es finde also nicht, wie A. PÖLzL meint, eine Formänderung des
an der früheren Stelle bleibenden Gaumens statt; denn bisher wurde
kein Übergangsstadium beobachtet, wo die Zunge gesunken war und
die Gaumenplatten anfingen, ihre Form zu wechseln. Die Zunge
und die Gaumenplatten spielen in dem Prozesse der Umlagerung
656 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
zanz selbständige, streng koordinierte Rollen. Gegen Hıs, welcher
der Zunge eine leitende, dem Gaumen eine untergeordnete Rolle zu-
sprach, hebt ScHorr die Autonomie der Gaumenumlagerung hervor:
denn er habe ein Stadium bei Cercocebus cynomolgus beobachtet, wo
die Zunge noch über dem schon horizontalen Gaumen steht, ferner
habe er bei Nasenaffen die Gaumenplatten über das horizontale
Niveau eranialwärts umbiegen sehen. Der sekundäre Gaumen wachse
anfangs nach innen und unten. Weiter aber müsse zu dieser
Richtung der lebendigen Kraft eine neue, in Kreisrichtung wirkende
Kraft kommen, deren Centrum nahe dem sog. primären Gaumen
liege. Diese Kraft sei das Resultat einer lebhaften Proliferation des
Mesenchyms, eines relativ anhaltenden Wachstums des medialen
Teiles des sekundären Gaumens und eines Höhenwachstums des
Öberkiefers, welches bis zur Verschmelzung der horizontalen Gaumen-
platten anhalte. Der sekundäre Gaumen könne die horizontale
Lage recht lange Zeit auch ohne Stütze beibehalten.
Mit A. PÖLZL nimmt er an, daß Lageveränderungen der Zunge
dem sekundären Gaumen die Möglichkeit gäben, die horizontale
Stellung zu erreichen. Das Sinken und das Längenwachstum der
Zunge sowie die Tendenz des Gaumens, sich emporzurichten, er-
möglichen ein langsames Gleiten zwischen der Seitenfläche der
Zunge und der Medialfläche der Gaumenplatte, eine beständige
Anpassung aneinander und daneben eine allmähliche Umlagerung
eines Teiles nach dem andern von vorn nach hinten.
2. Die Metamorphose der Mundhöhle. N
A. Die Gaumenrinne.
Mit der Ausgestaltung der äußeren Physiognomie gehen sehr
bedeutende Veränderungen der Mundhöhle einher, die durch die
Volumsteigerung des Kopfes und aller seiner Bestandteile ermöglicht
werden. Ich habe den Vorgängen besondere Aufmerksamkeit ge-
schenkt, indem ich bei der Ausführung der Gesichtsmodelle jedesmal
das Epithel der Mund- und Nasenhöhle zeichnete und in Wachs
ausschnitt, so daß die Modelle nicht bloß die Eetodermmaske des
Gesichtes, sondern auch die Ausdehnung der durch Nasenloch und
Mund zugänglichen Höhlen bzw. deren epitheliale Wand (Taf. XII,
Fig. 8—10) wiedergeben. Außerdem habe ich mehrere Spezial-
modelle der Epithelwand von Mund- und Nasenhöhle älterer Em-
bryonen (um 20 mm Nstl.) bei stärkerer Vergrößerung hergestellt
(Taf. XIII, Fig. 11, 12, 13), um die Bildung des Gaumens zu ergründen.
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 657
In den Gesprächen mit mir hatte mein verehrter Lehrer öfters
den Umstand getadelt, daß die meisten Bearbeiter der Gaumenfrage
ihr Interesse einseitig auf die Gaumenfortsätze konzentrierten. Er
habe daher schon vor zwei Jahren von G. AULMANN eine gründ-
liche Berücksichtigung der andern Merkmale anstreben und die An-
sicht vertreten lassen, daß die Gaumenfortsätze die Mundhöhle in
drei Abschnitte, den Mittelraum (oder Gaumenrinne) und die beiden
Kaunischen teilen. Seinen Fingerzeigen folgend habe ich die Ent-
stehung und die Metamorphose des Mittelraums eingehend verfolgt.
Bei den jungen Embryonen (Taf. XII, Fig. 1, 2, 3; Taf. XIV,
Fig. 20, 21) ist die Rachenmembran (Taf. XIV, Fig. 18, 19) zerstört und
die seichte Mundgrube als ein kurzer und weiter Vorraum des flach-
gedrückten Vorderdarms entstanden. Ihre äußerlich sichtbaren Eigen-
schaften sind oben (8. 25) geschildert. Die Grenze beider Abschnitte
ist wenigstens an der dorsalen Wand durch die Hypophyse gesteckt.
Mundgrube und Vorderdarm sind winklig gegeneinander gestellt.
Man erkennt das nicht bloß an den Längsschnitten, sondern auch
an dermesodermalen Fläche der Gesichtsmasken (Taf. XI, Fig. 8—10),
von denen Fig. 8 und Fig. 10 die Innenseite des in Fig. 4, bzw. in
Fig. 5 dargestellten Katzengesichtes zeigt. Das Munddach_ steigt
von der Öberlippe in einer zur Gesichtsfläche ziemlich schrägen
Richtung bis zur Hypophyse (%) auf und geht hier fast unter einem
rechten Winkel in den parallel dem Hinterhirn verlaufenden Vorder-
darm (vd), dessen Paukenhöhlenanlage (ci) an den Modellen deutlich
sichtbar ist. Hinter den Paukenhöhlentaschen biegt der Schlund in
der Gegend des Kehlkopfes wieder fast unter einem rechten Winkel ab
(Taf. XIV, Fig. 23), um als Speiseröhre in den Rumpf einzutreten.
Die Mundhöhle der rekonstruierten Modelle (Taf. XII, Fig. 8—10)
stellt keinen einheitlichen Raum mehr vor; denn sie beginnt sich
in die drei von AULMANN unterschiedenen Abschnitte zu gliedern,
die vorderhand kurzen, an den Modellen (Taf. XII, Fig. 8$—10) noch
nahe der inneren Maskenfläche liegenden Anlagen der Kaunischen
(kn) und den tiefer einragenden Mittelraum (oder Gaumenrinne). An
der rechten Seite der Modelle (Taf. XII, Fig. 8—10) ist durch den
starken Schatten die Eindellung des Munddaches kenntlich, welche
den Mittelraum beiderseits von der Kaunische (kr) abhebt, und man
sieht das Dach des Mittelraumes in stärkerer Wölbung über die
transversal gerichteten Kaunischen hervortreten. Meine Modelle
decken sich nach allen wesentlichen Formeharakteren mit den Re-
konstruktionen von AULMANN (2, Taf. VI, Fig. 33, 36): ebenso wie an
658 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
dessen Modellen zieht der hintere Rand der lateral ausladenden
Kaunischen medial gegen den Vorderdarm, welcher abgesehen von
den lateralen Aussackungen der Paukentaschen weniger breit ist,
als die Mundhöhle.
Die beiden Nasenschläuche (N) liegen als schmale Epithelsäcke
vor der Mundhöhle. Wir sehen (Taf. XII, Fig. 8$—10) hauptsächlich
auf ihre dorsale, später zum Cribrum entfaltete Kante. Ihr Choanen-
gang (cg) steht ziemlich senkrecht auf dem vorderen, von AULMANN
parachoanale Wand genannten Bezirke (pch) des Mund- bzw. Mittel-
raumdaches und mündet hier durch die Choanen (Taf. XII, Fig. 5).
‘ Am Mundboden ist die Dreigliederung der Mundhöhle gleichfalls
abzulesen. Ein kleiner stumpfer Wulst, die Zungenanlage (x), springt
Fig. 16-18.
Fig. 16—18. Querschnitte durch die Mundhöhle eines Katzenembryos von 6,6 mm Kpfl. und 11 mm
Nstl. (Taf. I, Fig.5u.5«). Vergr. 9/1. Der Abstand der Fig. 16—17 = 180 u, der Fig. 17—18 = 360 u.
«l Unterlippe; z Zungenwulst.
als solides Gegenstück in den dorsal ausgebogenen Mittelraum. Ihre
freie Spitze hinter der Unterlippe liegt der kurzen parachoanalen-
Wand gerade gegenüber. Die Querschnitte (Fig. 16—18) bezeugen
das eben geschilderte Relief der Mundwand durch einfache Kontur-
linien. Die Neigung der parachoanalen Wand (pck) des Mittelraumes
gegen den Rachen oder die äußere Gesichtsfläche scheint individu-
ellen und speeifischen Verschiedenheiten zu unterliegen. Wenigstens
steigt sie bei einem Katzenmodelle (Taf. XII, Fig. 9) und bei den Schaf-
modellen (AuLmann Taf. VI, Fig. 33—35) ziemlich steil, bei den andern
Modellen (Taf. XII, Fig. 8 u. 10) weniger schräg von der Lippe auf.
Der Wulst der künftigen Muskelzunge ist anfangs plump, seine
Vorderfläche abgerundet und wenig von der Umgebung differenziert.
Bei etwas älteren Embryonen hebt er sich besser ab, weil die
Zungenspitze gegen die Unterlippe vordringt. Da der Zungen-
wulst das morphologische Gegenstück der Gaumenrinne ist, treten
beide Differenzierungen am Boden und Dache der Mundhöhle
gleichzeitig, anfangs freilich etwas verschwommen auf, mit ihnen
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 659
werden zugleich die Seitenflügel oder Kaunischen der Mundhöhle,
d. h. die lateral von Zungenwulst und Gaumenrinne befindlichen
Teile der Mundwand abgegrenzt (Fig. 16—18).
An der Physiognomie sind diese Ereignisse durch die Näherung
der Lippenränder (Taf. XII, Fig. 4 u. 3) kenntlich. Je mehr die Lippen
sich nähern, um so enger wird die Formspiegelung zwischen dem
Boden und Dache der Mundhöhle. Das fortschreitende Wachstum
des Kopfes bedingt die Vergrößerung der Mundhöhle und schafft
Raum für die Entfaltung der Mittelzone derselben. Dem immer mehr
vorspringenden Zungenwulst entspricht der sich im gleichen Maße
erweiternde Mittelraum am Munddache, und die der Zungenwölbung
im morphologischen Spiegelgebilde gleichsinnige Krümmung seiner
Fig. 19—24. Querschnitte durch die Nasen- und Mundhöhle eines Katzenembryos von 7,4 mm Kpfl.
und 12 mm Nstl. (Taf. I, Fig. 6 u. 6a). Vergr. 9/1. Der Abstand der Fig. 19—20 beträgt 360 u, der
Fig. 20—21 = 140 u, der Fig. 41-22 = 320 u, der Fig. 22—23 = 160 u, der Fig. 23—24 = 540 u.
gl Grenzleiste, ic Interchoanalstreif; kn Kaunische; m» Mittelraum; «2 Unterlippe; z Zunge.
Wand führt dessen schärfere Abgrenzung durch die gegen die seit-
lichen Zungenfurchen vorspringenden Grenzleisten (gl) herbei. Das
geschieht in der Periode, sobald die Physiognomie des Katzenge-
sichtes anklingt (Taf. XII, Fig. 6 und Textfig. 19— 24).
Einen guten Einblick in die Verhältnisse gewährt das Modell
der Mundwand (Taf. XII, Fig. 11, 11a) eines Katzenembryos, der etwas
weiter als der Embryo der Gesichtsmaske (Taf. XII, Fig. 6) entwickelt
war. Ausgewählte Schnitte der Serie sind in den Textfiguren 25—30
dargestellt. Das Modell ist längs der Mundwinkelrinne ge-
spalten, damit Dach und Boden auseinandergeschoben und gesondert
betrachtet werden können. An dem Quersehnitte des Munddaches
sind die Grenzleisten (gl) im Profil sichtbar. Ihr Verlauf gegen den
Lippenrand (o/) ist an der Fig. 11a (Taf. XIII) direkt und oben an der
Außenansicht des Modelles an den seitlichen Furchen (fg) zu beiden
‚Seiten des Mittelraumes (mr) zu sehen; die Kaunischen (kd) haben
sich dorsal aufgekrümmt. An der Bodenhälfte des Modells springt
151616 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
der Zungenwulst (x) über die ventrale Wand (kb) der Kaunischen
hervor. Von der Mundhöhle aus betrachtet, säumen die beiden Gaumen-
leisten (gl) den Mittelraum ein, weleher, wie der Längsschnitt (Taf. XIV,
Fig. 24) im Vergleich zu den Längssehnitten (Taf. XIV, Fig. 21, 22)
bezeugt, fast auf das Doppelte seiner sagittalen Länge (zwischen dem
Oberlippenrand und Hypophyse) ausgedehnt wurde. An diesem
Wachstum ist besonders die parachoanale Wand beteiligt; denn die
Fig. 25—30.
Fig. 25—30. Querschnitte durch die Nasen- und Mundhöhle eines Katzenembryos von fast 20 mm Nstl.
(Taf. I, Fig. 11 u. 11a). Vergr. 9/1. Der Abstand der Fig 25—26 beträgt 360 u, der Fig. 26—27 =
440 u, der Fig. 27—28 = 360 u, der Fig. 28—29 = 520 u, der Fig. 29—30 = 400 u.
Au Aulax; gl Grenzleiste; 95 Saktergesimse ; ic Interehoanalstreif kn Kaunische; mr Mittelraum;
al Unterlippe z Zunge.
beim Embryo (Taf. X, Fig. 5) als rundliehe Löcher angelegten Choanen
sind jetzt in zwei schmale Schlitze (ch) und ungefähr auf das Vier-
fache ihres ursprünglichen Durchmessers ausgezogen.
Die dem Zungenwulst bzw. der Bodenfläche der Kaunischen
parallel gerichtete Krümmung des Munddaches ist bisher wenig ge-
würdigt worden, weil man sie nieht aus derselben dorsalen Richtung
betrachtete, wie den Mundboden, sondern meist entgegengesetzt von
der ventralen Seite (Taf. XIII, Fig. 11a). Dann erscheint das Mund-
dach wie eine negative Matrize, welche über das positive Relief
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E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 661
des Mundbodens gestülpt ist. Wenn man jedoch das rekonstruierte
Modell, das die epitheliale Wand der Mundhöhle allein berück-
siehtigt, von außen d. h. von der Mesodermseite her (Taf. XIII, Fig. 11
oben) ansieht, so wird deutlich, daß das Munddach dem Mundboden
durchaus homolog gekrümmt ist. (Fig. 23—30.)
Das eben in Wort und Bild geschilderte Relief der Mundhöhle
ist seit langem bekannt; seine Deutung aber blieb konventionell in
dem Rahmen des ersten Versuches, welchen Dursy 1869 gemacht
hatte. Nachdem er damals die Grenzleisten des Mittelraumes als
Gaumenfortsätze bezeichnet und als die notwendigen Vorstufen für
die Ausbildung des sekundären Gaumens erklärt hatte, wurde seine
Meinung getreulich wiederholt, obwohl sie weder durch seine Beob-
achtungen, noch durch die späteren Forscher (Hıs, NussBAum, PÖLZL,
SCHORR) begründet war. Ich will daher versuchen, eine bessere
Interpretation vorzutragen, indem ich auf die außerordentliche Schmal-
heit der Mundliehtung und die aus den Schnitten (Fig. 16—30) ab-
zulesende Formspiegelung vom Boden und Dach Gewicht lege. Das
Studium vieler Querschnittserien durch Stadien, welche den Text-
figuren 19—30 entsprechen, sowie das Modell (Taf. XIII, Fig. 11, 11a)
hat mich überzeugt, daß man die Wülste (gl), welche den Mittel-
raum einsäumen, nicht als »G@aumenfortsätze« bezeichnen darf, weil
sie unbedeutende Relieferhebungen des epithelialen Munddaches
sind, welche den an eine kräftige Plastik gemahnenden Namen:
Fortsatz gar nicht verdienen. Sie entstehen auch nicht durch aktives
Vorwachsen eines bestimmten, etwa hufeisenförmigen Epithel-
streifens, sondern lediglich als morphologische Konsequenzen des
Umstandes, daß drei, transversal nebeneinanderliegende Streifen
der Mundwand (diese Angabe bezieht sich sowohl auf das Dach als
den Boden derselben) in verschiedenem Grade dorsal gekrümmt
werden. Daher setzt sich der dorsal gewölbte Mittelraum bzw. der
Zungenwulst durch zwei niedrige Grenzleisten bzw. Zungenfurchen
von den wenig gekrümmten Seitenflügeln oder Kaunischen ab.
Der Stilcharakter der ganzen vorhergehenden Embryonalentwick-
lung liegt in der engen Formabhängigkeit vom Mundboden und Mund-
dach. Auch wenn allmählich die Wand der Mundhöhle dank der
Volumenvergrößerung des ganzen Kopfes umfangreicher und lebendiger
modelliert wird, schwindet die gegenseitige Formspiegelung der dor-
| salen und ventralen Wand nicht, sie bleibt vielmehr bis zu dem
_ Zeitpunkte bestehen, wo die Bildung des sekundären Gaumens erfolgt.
Während der Entwicklung der Zunge, bzw. des Mittelraumes
662 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
oder Gaumenrinne und der Kaunischen wachsen die Parachoanalwand
des Munddaches, sowie die angrenzenden Nasenschläuche ansehnlich.
Die bei allen Embryonen ziemlich nahe dem Rande der Oberlippe
liegenden Choanen, die anfangs rundliche Öffnungen (Taf. XII, Fig. 4,5)
waren, streeken sich zu langen sagittalen Schlitzen. Daraus geht
deutlich hervor, daß gerade die Zone der Choanen bzw. der Para-
choanalteil des Munddaches vergrößert wird. Den Nasenschläuchen,
welehe früher hauptsächlich die Anlage des Cribrums besaßen, wird
jetzt die Muschelregion angefügt, und die Stammzone der letzteren
mündet mit den langen Choanen. Das bedeutende Wachstum der
Nasenschläuche ist sicher auch der Grund, weshalb das Nasenlippen-
feld sehnauzenartig vorgetrieben wird (Taf. XII, Fig. 6).
Da die Zungenspitze von jeher der parachoanalen Wand gegen-
über lag, so hat sie der durch neues Wachstum hinzugefügten Strecke
der Mundwand auch die Besonderheit der Grenzleisten und Gaumen-
rinne aufgeprägt. Die beiden Choanen öffnen sieh daher in den
oralen, schräg abfallenden Teil der Gaumenrinne (Taf. XIII, Fig. 11a).
B. Der geschlossene Gaumen.
Mit einem Male schwindet im Stadium zwischen Modell 6 und 7
(Taf. XIII) die eben geschilderte morphologische Abhängigkeit und es
tritt mit der forteilenden Größenzunahme eine Erweiterung und
Umformung der Mundhöhle bzw. der Epithelwand derselben ein.
Dach und Boden werden mehr voneinander entfernt, so daß sie in
gesonderter Formrichtung sich entfalten. Ihre nicht mehr in so
strengem Spiegelbilde erfolgende Veränderung bereitet allmählich
den Zustand vor, welcher für die Erledigung des Kaugeschäftes
notwendig ist.
Alle Welt hat bisher die Meinung geteilt, daß die sog. Gaumen-
platten dabei aus ihrer vertikalen Richtung in die horizontale Lage über-
geführt werden. Wenn man aber die Beweisgründe für die herrschende
Ansicht kritisch abwägt, so erstaunt man, daß die Stellungsänderung
noch von keinem Forscher aus eigener Anschauung beschrieben
worden ist. Allehaben teils Querschnitte durch die offene Gaumenrinne,
teils durch den fertigen Gaumen mit der Verwachsungsnaht abge-
bildet, die dazwischenliegenden Vorgänge aber sind noch nie beob-
achtet worden.
Nachdem Prof. Freıschmann mich auf die bedenkliche Lücke
der Beweisführung aufmerksam gemacht hatte, bin ich mit fester‘
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 663
Absicht darauf ausgegangen, möglichst viele Embryonen aus dem
kritischen Stadium (Embryonen von 18—20 mm Sstl.) in Querschnitte
zu zerlegen, um die Phasen der Verwachsung aufzufinden. Zwar
habe ich meinem Ziele zuliebe viele Serien umsonst geschnitten,
jedoch endlich ist meine Beharrlichkeit belohnt worden: ich fand
vier Katzenembryonen, bei welchen sich die Metamorphose des
Munddaches wenigstens so weit erkennen ließ, daß ich eine opposi-
tionelle Stellung gegen die landläufige Ansicht einnehmen kann.
Fig. 31—34.
Fig. 31—34. Querschnitte durch die Nasen- und Mundhöhle eines Katzenembryos von 19 mm Nstl.
(Taf. II, Fig. 12). Vergr. 9/1. Der Abstand der Fig. 31—32 beträgt 250 u, der Fig. 32—33 = 3U0 u,
der Fig. 33—34 = 350 u.
gw Gaumenbrücke; ic Interchoanalstreif; kn Kaunische; Pc Procribrum; z Zunge,
Das Modell der Mundwand (Taf. XIII, Fig. 12) von einem Katzen-
embryo 19 mm Nstl. gab mir die Anhaltspunkte.
Dasselbe ist in gleicher Weise wie Modell Fig. 11 (Taf. XIII)
zerlegt, d. h. die Mundwand ist längs der Mundwinkelrinne durch-
schnitten, so daß Dach und Boden gesondert betrachtet werden
können. Ausgewählte Schnitte der Serie sind in den Textfig. 31—34
abgebildet. An den letzteren ist die Erweiterung der Mundhöhle
direkt ersichtlich. Man vergleiche nur Figur 32—34 mit Figur 26—28.
Die Zungenfurchen (xf), welche (Taf. XIII, Fig. 11) zu beiden Seiten
der Zunge offen lagen, sind (Taf. XII, Fig. 12) auffallend verengt,
so daß die Zungenwurzel gewissermaßen zwischen die beiden Boden-
Morpholog. Jahrbuch. 41. 43
664 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
streifen (kb) der Kaunischen versinkt. Die Querschnitte (Fig. 35—39)
offenbaren ein späteres Stadium der Veränderung: die früher fast
senkrecht (Fig. 27) abfallenden Seitenwände der Zunge sind hier
konvergierend schräg gestellt. Bloß die Zungenspitze (Fig. 31, 35, 36)
steht über den Bodenstreifen der Kaunischen.
Fig. 35—39.
°o °
J35 7/7 gm
-dn
de ‚gr
38
37
‚g7V
II
Fig. 35—39. Querschnitte durch die Nasen- und Mundhöhle eines Katzenembryos von 22 mm Nstl,
(Taf. I, Fig. 7 u. 7a. Taf. II, Fig. 13). Vergr. 9/1. Der Abstand der Fig. 35—36 beträgt 450 u,
der Fig. 36—37 = 500 u, der Fig. 37—38 = 600 u, der Fig. 35—39 = 500 u.
dn Ductus nasopharyngeus; gn Gaumennaht; gw Gaumenbrücke; ic Interchoanalstreif; kn Kaunische.
Pc Procribrum; z Zunge.
Am Munddache sind die Grenzleisten (gl) nur im hinteren Ab-
schnitt (Taf. XIII, Fig. 12) vorhanden, unter der Choane aber ver-
strichen. Daher zieht das Kaunischendach mit geringerer Wölbung
(Fig. 34) von den Leisten seitwärts, weiter vorn (Fig. 31—34) fehlt
dem Munddache jede Spur der früher vorhandenen Grenzleisten
(Fig. 25—29) und die Gaumenrinne ist unter dem vorderen Teile
der Choanen verschwunden. Das zugleich breiter gewordene Kau-
nischendach steigt schräg gegen die schmalen Vorsprünge (ge) unter
den Choanen auf. Dem Munddach und Mundboden ist also die
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 665
frühere Formspiegelung genommen. Statt der als Gaumenplatten (gl)
bezeichneten, ventral gefalteten Streifen des Munddaches findet man
je eine dorsal konvexe Krümmung.
Nach meinem Urteile sind die sog. Gaumenplatten nicht dadurch
verschwunden, daß sie aus der vertikalen Stellung in die horizontale
Lage übergingen; denn sie verdienen den Namen: »Platten« bloß
im übertragenen Sinne. Es sind nicht frei in die Mundhöhle herab-
hängende Fortsätze, wie man etwa von den Extremitätenfortsätzen
spricht, sie lassen sich daher auch nicht gleich einem in der Mund-
höhle liegenden Fremdkörper verschieben. Die sog. Gaumenplatten
sind vielmehr integrierende Reliefmerkmale der Mundwand von sehr
geringer reeller Höhe, welche durch die Gliederung der Mundhöhle
in den Mittelraum und die beiden Kaunischen notwendig entstehen.
Daher ist es ausgeschlossen, daß sie sich in der von Dursy
und Hıs vermuteten Weise plötzlich in die horizontale Lage begeben.
Die aus Fig. 12 (Taf. XIII) und den Schnitten (Fig. 31—34) ersichtliche
Veränderung des Formbildes kann nur durch eine Ummodel-
lierung der gesamten Mundwand erklärt werden.
Ich stelle mir vor, daß die Entfernung des Zungenrückens von
dem zwischen den beiden Choanen liegenden (interchoanalen) Streifen
(cc) des Gaumenrinnendaches, dem er (Fig. 25—27) vorher sehr nahe
gelegen war, durch Erweiterung der Mundhöhle, bzw. durch leb-
haftes Wachstum der Mundwand eingeleitet wird. Wie sich der
Mundboden durch Vertiefung der Zungenfurchen und die zu-
nehmende Versenkung der Zunge verändert, so daß eine gering-
fügige Ausweitung der Mundhöhle in ventraler Richtung die
Folge sein muß, so erhebt sich das Munddach in etwas höheres
Niveau durch Neuformung des ganzen Dachreliefs.. Während in
den jüngeren Stadien das Dach von den Mundwinkeln gegen die
Gaumenleiste mehr oder minder gekrümmt einwärts zog und dann
mit scharfer Biegung als Seitenwand und Decke des Mittelraumes
dorsal verlief, steigt es jetzt von dem ÖOberlippenrande bzw. den
Mundwinkelrinnen schräg empor zu zwei dicht unter den Choanen
bzw. dem Dache der früheren Gaumenrinne vorspringenden, horizon-
talen Wülsten, welche in keiner Hinsicht mit den Gaumenleisten
_ identisch, aber als die Vorbedingung für die Herstellung des Gaumen-
daches der Säugetiere anzusehen sind; denn sie stehen (Fig. 31—34)
| einander sehr nahe und berühren sich bald (Fig. 36—38) in medianer
' Epithelnaht. Der Grund, weshalb ich diesen Wülsten den morpho-
I logischen Wert »eigentlicher Gaumenbrücken« (g@) zuspreche und
43*
666 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
sie durchaus verschieden von den Gaumenleisten (gl) erachte, liegt in
dem Umstande, daß an dem Modelle (Taf. XII, Fig. 12) die Gaumen-
leisten (gl) im hinteren Teil des Munddaches noch vorhanden sind,
während sie vorn unter den Choanen und vor denselben fehlen.
Ich sehe die Gaumenleisten in dem gleichen Abstande wie am Modell
(Taf. XIII, Fig. 11) von der hinteren Mundgrenze als niedrige Epithel-
erhebung oral ziehen, aber in zunehmendem Maße abflachen und
bald ganz verstreichen. Daher nehme ich an, in dem Abschnitte
des Munddaches, wo sie jetzt vermißt werden, seien sie wahrschein-
lich auf einem Embryonalstadium, das mir zufälligerweise nicht zu
Gesicht kam, verschwunden, weil eine neue Modellierung des bisher
in die Form der Gaumenleisten und Gaumenrinne geprägten Epithel-
bezirkes erfolgte, etwa in der Weise, daß der ventrale Rand der
Gaumenrinne sich ausweitete, während die Seitenwände median in
das bisher vom Zungenwulste erfüllte Lumen einbogen. Die mediane
Vorwölbung (fw) ist an der hinteren Schnittfläche und der rechten
Seitenwand des Modelles (Taf. XIII, Fig. 12) deutlich wahrzunehmen.
An den Modellen überzeugt man sich in der Tat von der Um-
gestaltung der ganzen Mundwand. Die Gaumenleisten bilden nur
die auffallende Grenze zwischen den verschieden gekrümmten Ab-
schnitten des Munddaches. Weil der Mittelraum (mr) eine andre
Krümmung besitzt, als die Kaunischen, so liegt zwischen beiden
eine Grenzzone, welche von Dursy einem Fortsatze verglichen wurde,
aber kein wirklicher Fortsatz, sondern ein Biegungsrand ist. Neben-
bei bemerkt erscheint der Biegungsrand um so länger und einem
Fortsatze ähnlicher, je schräger die Schnittebene steht. In der
durch das Modell Fig. 12 (Taf. XIII) charakterisierten Embryonalperiode
erfolgen aber andre Biegungen der Mundwand, indem das Kau-
nischendach eine von der Mundwinkelrinne schräg ansteigende
Neigung (Fig. 31—33) statt der früheren queren Richtung (Fig. 23—28),
welche übrigens im hintersten Abschnitte der Mundhöhle (Fig. 34)
noch erhalten ist, gewinnt und die lateralen Wände der Gaumen-
rinne median vorgetrieben werden. Der scharfe Kniekungswinkel
des Munddaches in der Gegend der Gaumenleisten (Fig. 27)
schwindet damit und macht den neuen, in einem viel höheren Niveau
liegenden Gaumenbrücken Platz. Die neue Modellierung erstreckt
sich längs des Bereiches der Gaumenrinne. Am lebhaftesten setzt
sie im oralen Teile derselben ein, später kommt sie in dem cau-
dalen Teil zur Geltung, daher sieht man an dem Modelle Fig. 12
(Taf. XIII) noch die hinteren Spuren der Gaumenleisten (gl).
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 667
Beide, sowohl Gaumenleisten als Gaumenbrücken (gw) sind sym-
metrische Differenzierungen des Munddaches und gehen oral hinter
der Oberlippe nieht ineinander über (Taf. XIII, Fig. 11a). Die Gaumen-
rinne ist hier weniger scharf abgegrenzt, ihr zwischen den Choanen
liegender Dachstreifen (ze) fällt etwas geneigt gegen die Oberlippe
(ol) ab.
Wahrscheinlich werden die unterhalb der Choanen neu ent-
stehenden Gaumenbrücken der seitlichen Gaumenrinnenwand dieselbe
Eigenschaft teilen. Ich vermute dieses Verhalten, obwohl ich keine
direkte Beobachtung machen konnte, nach dem in dieser Gegend
später herrschenden Relief. Im Stadium des Modells (Fig. 12,
Taf. XIII) verdecken die Gaumenbrücken (Fig. 31) die Choanen und
bilden die ventrale Begrenzung eines über der Mundhöhle liegenden,
dorso-ventral sehr niedrigen Querraumes, welcher als Anlage des
Ductus nasopharyngeus unter den Nasenschläuchen gegen den
Pharynx zieht. Die hier flachen Gaumenbrücken divergieren unter den
oralen Choanenecken ein klein wenig, so daß eine schmale, spitz-
winkelige Insel des Daches zwischen ihnen vorragt. Hinter derselben
sind sie eine Strecke (450 u) getrennt und lassen einen engen
Zugang zur Lichtung des Ductus nasopharyngeus frei. Dann ver-
schmelzen sie auf eine Länge von 250 u, hinten klaffen sie wieder.
Die Stelle, wo die neu entstandene Lichtung des Ductus naso-
pharyngeus mit der Mundhöhle kommuniziert, ist als Mündung des
STENSoNschen Ganges bekannt. BEECKER hat sie in Anlehnung an
NussBAuM früher als Rest der primitiven Choane angesprochen. Ich
beseitige jetzt seine Deutung und plädiere dafür, die Mündung des
STENSONschen Ganges als einen persistierenden Spalt zwischen dem
oralen Ende der Gaumenbrücken anzusehen, weil die Choanen an
dem Modelle etwas höher stehen und das Lumen des Nasenrachen-
. ganges durch eine deutliche transversale Einbuchtung des Mund-
epithels abgegrenzt ist. Erst oberhalb derselben liegen die Choanen.
Wenn ich die Gaumenbrücken mit voller Bestimmtheit als neue
Differenzierungen im Gegensatze zu den Gaumenleisten erkläre, so
leitet mich die Erwägung, daß die Lichtung des mit ihnen ent-
stehenden Duetus nasopharyngeus eine ganz andre Gestalt hat als
die Gaumenrinne der Larvenzeit. Sie ist nicht bloß viel niedriger,
sondern auch schmäler. Nach den beiden Modellen (Taf. XII, Fig. 11,
12) beurteilt, ist die Querausdehnung des Duetus nasopharyngeus
um 1/, geringer als die transversale Breite der Gaumenrinne. Das
spricht doch unleugbar dafür, daß eine radikale Veränderung der
668 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
Dimensionen des Munddaches statt hatte, welche bloß durch eine
wirkliche Neumodellierung erklärt werden kann. Die Betrachtung
des Modells von der Mesodermseite her läßt die Einbuckelung (fzo)
der seitlichen Gaumenrinnenwand als einen neuen morphologischen
Charakter noch viel besser erkennen, als es an der Fig. 12 (Taf. XIII)
sichtbar ist.
Anfangs ist die in die Lichtung der larvalen Gaumenrinne ein-
ragende Vorwölbung der Rinnenseitenwand, welche ich kurz die
Gaumenbrüeke (gec) nannte, sehr schmal (Fig. 32), aber später wächst
sie dorso-ventral (Fig. 36—38), so daß eine höhere Gaumennaht (gr)
Fig.13, Taf. XIII) entsteht. Der Ductus nasopharyngeus wird zugleich
breiter und das geschlossene Gaumendach der Mundhöhle wird
flacher, weil der frühere Gegensatz der ungleich gekrümmten drei
Zonen (Gaumenrinne und Kaunischen) gänzlich schwindet. Damit
ist der ungefähr parallele Verlauf des Munddaches und des Ductus
nasopharyngeus erreicht. Die plastische Metamorphose der Mund-
wand geht mit einer allgemeinen Vergrößerung der Mundhöhle
einher, deren Notwendigkeit durch die alsbald einsetzende Ent-
wicklung der Zahnanlagen und die embryonalen Vorbereitungen für
die Tätigkeit des Gebisses begreiflich ist. Ebenso wachsen die
Nasenschläuche und ihre nunmehr in den Ductus nasopharyngeus
schauenden Choanen sehr lebhaft.
Die bisherige Lehre, daß der Ductus durch Verwachsen paariger
Gaumenanlagen entstehe, bleibt also unangetastet. Meine Dar-
stellung richtet sich nur gegen die bisher ohne jeden sachlichen Be-
weis herrschende Vermutung, daß die bei Embryonen unter 18 mm
Nstl. vorhandenen Grenzleisten bereits die Anlagen des Gaumens
seien und sich zur medianen Verschmelzung aus der vertikalen in
die horizontale Lage aufrichten.
R. Fıck (7, S. 305) allein hat den Gedanken ausgesprochen,
daß der auf einem von Dursy abgebildeten Frontalschnitt durch den
Kopf eines 3 em langen Schweineembryos sichtbare Wulst der vertikal
stehenden Gaumenplatten, welchen Dursy primitiven Gaumenfortsatz
nannte, bei weiterem Wachstum eine Gaumenplatte bilden würde,
welche gleich anfangs an der richtigen Stelle, nämlich über der Zunge
stünde. Doch schränkte er die gute Bemerkung durch den Zusatz
ein: Dursy freilich lasse den bleibenden Gaumen durch Herauf-
klappen der vertikalen, die Zunge zangenförmig nmgreifenden
Gaumenplatten, bzw. dureh aktives Tiefertreten der Zunge unter
die Platten zustande kommen.
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 669
III. Mißbildungen des Gesichtes.
Unleugbar hatte die traditionelle Ansicht über die Gesichts-
bildung ihre stärkste Stütze in den teratologischen Befunden, welche
auch heute noch viele Pathologen und Chirurgen für den veralteten
Standpunkt von J. F. MEckEL (S. 6) gewinnen.
Die Verunstaltungen der kindlichen Physiognomie hatten längst
das Entsetzen der Laien und Ärzte erweckt und man hatte den
ungewohnten Anblick durch Vergleich mit tierischen Gesichtern,
z. B. Hasenscharte, Wolfsrachen zu schildern gesucht. Obgleich die
Analogie durchaus unzutreffend war, unterstützten die schlecht ge-
wählten Namen die Neigung, das verunstaltete Gesicht als eine
niedrige Stufe der physiognomischen Entwicklung einzuschätzen.
Nachdem die Teratologen die Gesichtsstörungen als Folgen mangel-
hafter oder ausgebliebener Verwachsung von getrennten paarigen
Anlagen hingestellt hatten, schienen eben diese Fälle die Existenz
embryonaler Gesichtsspalten und Gesichtsfortsätze so augenscheinlich
zu demonstrieren, daß die Berufung auf die in den Kliniken ge-
machten Erfahrungen die Angaben der Embryologen über allen Zweifel
hob. Die unzureichenden Untersuchungen der kleinen Embryonen be-
stätigten lange Jahrzehnte diese Deutung; daher konnten von den
Pathologen und Chirurgen die Mißbildungen und die vermeintliche
Entwicklung des normalen Gesichtes in ein sich wechselseitig er-
gänzendes System geordnet werden und die Anhänger desselben
bewegten sich fast ein Jahrhundert lang in einem trügerischen Cireulus
vitiosus, indem sie die teratologischen Fälle als Beweise für die
normale Ontogenie und den embryologischen Befund als Erklärung
für die Bildungshemmung abwechselnd gebrauchten. Zur Charakte-
ristik dieser Denkweise führe ich die Darstellung von AHLFELD und
Kırr hier an.
AHLFELD (1) sagt:
In der 4. Woche der Entwicklung liegt in der Mitte des Gesichtes eine
große Höhle, die nach unten durch den primitiven Unterkiefer, nach oben durch
den Stirnfortsatz mit seinen beiden Nasenfortsätzen begrenzt wird. Die Seiten-
grenzen sind teilweise der Unterkiefer, teilweise die noch nicht vereinigten
Oberkieferfortsätze. Nach oben und außen steht diese Höhle durch Spalten in
Verbindung mit den Nasengruben. Zur Anlage des Auges führt die Spalte
zwischen äußerem Nasen- und Oberkieferfortsatz des 1. Kiemenbogens (Fig. 1,
8.8). Vereinigen sich diese Spalten im Laufe der Entwieklung nicht, geht
die primäre Anlage der Augen zugrunde, oder bleibt sie rudimentär, dann ent-
steht das Bild der totalen Gesichtsspalte.
Einige Zeit später in der Entwicklung stellt der Stirn-Nasenlappen einen
kleinen keilförmigen Anhang dar. Zu beiden Seiten desselben zieht sich schräg
670 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
nach oben und außen nach den Augenblasen hin die obenerwähnte Spalte, die
Gesichts-Nasenspalte resp. Augennasenspalte. Normalerweise schließt sich die-
selbe vollständig, abnormal persistiert sie. Verbindet sich das Zwischenkiefer-
bein nicht mit den Nasenfortsätzen, dann entsteht die große Gesichtsspalte.
Diese Spalte erstreckt sich entsprechend der embryonalen Spalte zwischen
Stirnfortsatz und Öberkieferfortsatz bis zum inneren Augenwinkel.
Wenn die Oberkieferfortsätze sich nicht vollständig vereinen und das
Zwischenkieferbein in seiner Entwicklung zurückbleibt, dann entsteht die mittlere
Lippen- resp. Gaumenspalte.
Schließt sich in der 9. und 10. Woche durch Annäherung der Gaumen-
teile der Oberkieferfortsätze des 1. Kiemenbogens die embryonale Gaumenspalte
nicht, dann bleibt eine Spalte, die mit der darüberliegenden Nasenhöhle kom-
muniziert, die Gaumenspalte. Da in solchen Fällen die Oberkieferfortsätze auch
mit'dem Zwischenbein sich nicht vereinigen, so ist die Gaumenspalte meist mit
einer doppelten oder einfachen Kieferspalte gepaart, an die sich dann auch die
Lippenspalte anschließt.
Das Unterbleiben der Verwachsung der Unterkieferfortsätze des 1. Kiemen-
bogens verursacht eine Spalte des Unterkiefers, die natürlich auch die Unter-
lippe betrifft.
Ta. Kırr (12) gibt im Lehrbuche der pathologischen Anatomie für
Tierärzte folgende Darstellung:
Die mediane Hasenscharte kommt dadurch zustande, daß die medialen
Wände der inneren Nasenfortsätze sich bloß bis zur Berührung nähern, aber
nicht ganz verwachsen.
Obwohl bei den Huftieren die Verwachsung vollständig erfolgt, bleibt
manchmal bei der Oberlippe und dem Nasenspiegel eine geringe Kerbe bestehen,
wie sie physiologisch bei Nagern und Raubtieren gegeben ist.
Die seitliche Lippen- und Kieferspalte entsteht, wenn der laterale Nasen-
fortsatz mit dem Oberkieferfortsatz nieht völlig verwächst und das untere Ende
der Tränenfurche oder die Nasenfurche rinnig bleiben.
Die schräge Gesichtsspalte repräsentiert sich einfach als ein Offenbleiben
der Tränenfurche.
Mangelhafte Vereinigung der Gaumenplatten des Oberkieferfortsatzes bringt
als Mißbildung die Gaumenspalte (Wolfsrachen) zur Schau. Verwachsen die
Oberkieferfortsätze nicht mit dem Zwischenkieferbein oder vereinigen sich die
inneren Nasenfortsätze nicht, so haben wir als Resultat die Lippenkieferspalte.
Die Nichtvereinigung der Unterkieferfortsätze ruft eine Spalte, die Unter-
kieferspalte hervor. Dabei kann gleichzeitig die Zunge gespalten sein. Die
Wangenspalte oder Großmaul erklärt sich daraus, daß die Furche zwischen Ober-
und Unterkieferfortsatz nicht überbrückt wird.
Eine zu weitgehende Verwachsung der Haut, welche die Kieferfortsätze
überzieht, kann die Mundbucht so verengern, daß Mikrostomie entsteht oder
auch gänzlicher Verschluß der Mundöffnung, Astomie stattfindet.
Um wenigstens ein anschauliches Beispiel zu geben, füge ich
in Fig. 40 einen Fall von Mißbildung des Gesichtes und Gaumens
bei, welchen O. Schuutze (23, S. 216) folgendermaßen erklärt:
Die vom rechten Nasenloche abwärts laufende, narbenähnliche
Furche gebe die Richtung der ursprünglichen Nasenfurche an. Hier
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 671
sei die embryonale Grenze zwischen Oberkieferfortsatz und Stirn-
fortsatz erkennbar geblieben. Das linke Nasenloch ist abnorm weit,
weil der mediane Stirnfortsatz mangelhaft entwickelt und nur durch
eine dünne Oberlippenbrücke von der Mundöffnung getrennt sei.
Da die Gaumenplatten nicht zur Vereinigung kamen, zeigt der
Gaumen eine weit klaffende Gaumenspalte (Wolfsrachen), in deren
Grund der untere Rand des frei endigenden Nasenseptums sicht-
bar ist.
Zum Sehlusse will ich versuchen, die Ätiologie einiger Ent-
‚ Ursprüngliche -
Nasenfurche Stirnfortsatz
Dens incisivu
Septum na;t s
Gaumenplatte
Kopf eines mehrere Wochen alten Kindes mit Gaumenspalte. Nach O0. SCHULTZE.
stellungen des Gesichtes von einem andern Gesichtspunkte zu be-
leuchten, freilich mit großem Vorbehalt, weil ich nur Vermutungen
aussprechen kann. Im Gegensatze zu den älteren Autoren glaube
ich die Mißbildungen nicht lediglich als Entwicklungshemmungen
auf einer früheren embryonalen Stufe deuten zu sollen, sondern be-
trachte hauptsächlich abnormes Wachstum epithelialer oder meso-
dermaler Massen als Ursachen.
Sehr leicht kann z. B. eine Lippenspalte entstehen, wenn
eine kleine Stelle des Nasenlippenfeldes unter dem Nasenloch
(Taf. XII Fig. 3) in der Entwieklung zurückbleibt, während an allen
Nachbarregionen mesodermales Wachstum stattfindet; dann wird
eine mehr oder minder große Einkerbung resultieren, die mit
einer embryonalen Spalte nichts zu tun hat.
672 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Ampnioten.
Genau so ließe sich der Unterlippenspalt erklären; denn
wenn bei winzigen Embryonen die mediane Kerbe zwischen den
Unterlippenwülsten (Taf. XII Fig. 2, 3, 4) träger wächst, muß sie sich
beim fertigen Individuum, wo die Nachbarteile normal weiter ge-
diehen sind, als klaffender Spalt bemerkbar machen in um se
höherem Grade, je früher die Störung eintrat.
Die Entstehung der Hasenscharte und Kieferspalte
denke ich mir durch regelwidrige Dauer und abnormes Wachs-
tum der Epithellamelle veranlaßt, welche die jüngsten Nasen-
schläuche an das Ectoderm das Nasenlippenfeldes bindet und, wie
Fig. 14 (Taf. XII) zeigt, vom äußeren Nasenloch bis zur Stelle der
Choane reicht. Dieselbe wird im normalen Falle durchbrochen
(Fig. 15, 16, Taf. XII) und hierauf durch starkes Wachstum der Ge-
webe um die Resorptionszone die Entfernung des äußeren Nasenloches
von der primären Choane bedeutend gesteigert, so daß Raum (?)
für die Entfaltung der Mesodermmassen und die späteren Ver-
knöcherungsprozesse geschaffen wird. Wenn man annimmt, daß
die Epithellamelle aus irgendwelchem Grunde nicht unterbrochen
wird, vielmehr an dem starken Wachstum ihrer Kopfzone teilnimmt,
so muß eine längere Epithelmauer resultieren, welche zwischen den
immer mehr auseinanderweichenden äußeren und inneren Öffnungen
der Nasenschläuche sowie dem Nasenboden und dem Epithel der
Lippen (bzw. des Munddaches vor dem Öralrande der Choane) ein-
gespannt ist. Dieselbe hindert natürlich das Eindringen von Mesoderm-
massen, infolgedessen kann hier kein Verknöcherungsprozeß statt-
finden. Ein solches anormales Epithelseptum ist die embryonale Vor-
bedingung für die Bildung einer Öffnung oder eines Spaltes; denn
das in der Epithelmauer potentiell anzunehmende Lumen kann reell
werden, wenn die Schichten auseinanderweichen. Dann muß eine
Lippenkieferspalte entstehen, welche vom äußeren Nasenloch bis
zum Foramen ineisivum reicht.
Es wäre denkbar, daß die Lippenspalte durch einen ähnlichen
Vorgang entstünde, wenn nämlich die Epithelmauer zwar durchreißt,
aber nahe dem Nasenloch bestehen bleibt und etwas wuchert,
während hinter der gestörten Stelle der Boden des Nasenschlauches
vom Eetoderm des Munddaches getrennt ist, das Mesoderm dort ein-
dringt und eine Verknöcherung erfolgt. Die in Fig. 40 dargestellte
Narbe unter dem rechten Nasenloche könnte ebenfalls durch einen
vorderen Rest der Epithelmauer veranlaßt sein, welcher weniger
stark wächst und darum keine wirkliche Spaltung herbeiführt.
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E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 673
Auch die quere Gesichtsspalte, die vom Mundwinkel bis zum
Auge zieht, wäre nach unsern Modellen nicht unerklärlich. Wenn
man bei Modell 1 sieht, wie nahe die Augenanlage zwischen Lippen-
wangenbuckel und Nasenhaube liegt, so kann man sich leicht denken,
daß eine Hemmung im Wachstum der Furchenstelle, die als Aus-
buckelungsfurche sich präsentiert, bzw. eine Wucherung des dort
ziehenden Epithels eine Spalte verursacht.
Der Wolfsrachen hat eine andre Atiologie als die Lippen-
und Kieferspalte. Er scheint mir eine Hemmungsbildung zu sein
dadurch, daß die regelmäßige Metamorphose der Mundhöhle zwar ein-
tritt, aber die Verschmelzung der Gaumenbrücken unterbleibt, während
das Wachstum der übrigen Teile des Kopfes ungehindert fortschreitet.
Ich maße mir nieht an, durch meine Andeutungen die Frage ge-
löst zu haben; ich wollte bloß zeigen, daß man nicht gezwungen
ist, die Genese der Mißbildungen in der schulmäßigen Weise zu er-
klären.
Zusammenfassung.
1. Die sog. Gesichtsfortsätze (Stirnnasen-, Oberkiefer-, Unter-
kieferfortsätze) d. h. ursprünglich durch Spalten getrennte und später
verwachsende, bzw. epithelial verlötende Vorsprünge sind bei
Katzenembryonen nicht nachzuweisen.
2. Die von allem Anfange an mit einer einheitlichen Ecto-
dermhülle überzogene Kopfanlage bei Embryonen von 2 mm Kopf-
länge zeigt nur winzig kleine Reliefbesonderheiten der künftigen
Gesichtsfläche (Lippenwangen- und Unterlippenwülste), welche in
den folgenden Stadien abflachen, aber nicht verwachsen, daher den
Namen »Gesichtsfortsätze« nicht verdienen.
3. Auch die Nasensäcke entstehen nicht durch Verwachsung
ursprünglich getrennter Nasenfortsätze, sondern aus den Riechfeldern
durch aktive Umbildung derselben. Der Rand jedes Riechfeldes
ist die Anlage des Nasenlochrandes.
4. Die primitiven Nasenblindsäcke bleiben nach ihrer Entstehung
eine Zeitlang mit dem Ectoderm mittels einer Epithelleiste ver-
bunden.
5. An der Epithelleiste differenzieren sich zwei Zonen. Der
vordere Teil wird durchbrochen, so daß der Nasenschlauch bald vom
Eetoderm abgetrennt ist. In der hinteren Zone verbreitert sich
die Leiste zwischen jedem Nasenblindsacke und dem Mundepithel
zur Membrana nasobuccalis, dem temporären Choanenverschlusse.
674 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
6. Hasenscharte und Lippenspalte sind wahrscheinlich durch
regelwidriges Wachstum der Epithelleiste veranlaßt, deren potentielles
Lumen reell wird.
7. Die sog. Gaumenfortsätze sind keine wirklichen Fortsätze, son-
dern Bieguugskanten, welche durch Gliederung der larvalen Mund-
höhle im Mittelraum (= Gaumenrinne) und seitliche Kaunischen er-
zwungen werden.
8. Die Biegungskanten (Grenzleisten) richten sich weder auf,
noch verwachsen sie. Vielmehr verstreichen sie mit der allgemeinen
Umformung der Mundhöhle, bzw. Mundwand. Aus den lateralen
Flächen der Gaumenrinne wachsen die Gaumenbrücken hervor,
verschmelzen und trennen den Duetus nasopharyngeus ab.
9. Wenn diese Metamorphose der Mundhöhle nicht vollendet
wird, entsteht der Wolfsrachen.
Literaturverzeichnis.
1. AnHtrerp, F. Mißbildungen des Menschen. Leipzig 1880/82.
2. Aurmann, G. Mundrachenwand der Vögel und Säugetiere. Morphol. Jahrb.
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3. von Baer, K.E. Über Entwicklungsgeschichte der Tiere. Beobachtung
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Morph Tafel XII.
4
Fig.8 (18/1).
Ppch
peh
Fie. 7a (12/1).
Fig. 10 (18/1).
Pohlmann.
Horphologisches Jahrbuch. Bd. XLI. Tafel XII.
’
az a Ca,
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5
Fig. 3 (18/1). | - 2
pP Fig. 4 (18/1)
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Fig. 1a (18/1). Fig. 2a (18/1).
I
Fig. 4a (18/1).
2.9 18/1).
Fig. 5a (18/1).
Fig. 6 (18/1). Fig. 6a (18/1).
Fig. 7 (12/1). % Fig.10 (18/1).
Fig. 7a (12/1).
Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig.
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 675
10.
11,
12.
13.
14.
15.
16.
16a.
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Berlin 1909. Entstehung der
Korrespondenzbl. f. Zahnärzte.
Erklärung der Abbildungen.
Gemeinsame Buchstabenbezeichnung.
Au Aulax der Muschelregion.
b Brustregion.
C Hornhaut.
C0g Choanengang.
ch Choane.
c* Paukenhöhle.
cw Choanalwand.
D Blindende des Cribrums.
dn Ductus nasopharyngeus.
fg Furche der Gaumenleiste.
fw Furche der Gaumenwülste.
gl Gaumenleiste.
gn Gaumennaht.
gr Gaumenrinne oder Mittelraum.
gs Gesimsgrad des Sacters.
gw Gaumenwülste.
h Hypophyse.
he Anlage des hinteren Teiles vom
Cribrum.
i Jacogsonsches Organ.
ie Interchoanalstreif der Gaumenrinne.
k Kehlkopf.
kb Boden der Kaunische.
kn Kaunische.
kd Dach der Kaunischen.
! äußeres Nasenloch.
!g Linsengrube.
li Lippenwinkel.
Iw Lippenwangenwulst.
M Muschelregion des Nasenschlauches.
md Munddach.
mg Mundgrube.
mr Mittelraum.
Mte Metacribrum.
N Nasenschlauch.
nb Membrana nasobucealis.
nif Nasenlippenfeld.
nh Nasenhaube.
ol Oberlippe.
Pe Proeribrum.
pch Parachoanalwand.
rf Riechfeld.
s Epithellamelle zwischen Nasen-
schlauch und Eetoderm.
Sm Sinus maxillaris.
st STENSONscher Gang.
t Lücke an den Nasenmodellen, welche
vom Mesoderm ausgefüllt ist.
ul Unterlippe.
vd Vorderdarm.
w Wange.
Z Zunge.
“f Zungenfurche.
xl Zahnleiste.
Tafel XII.
Fig. 1-7. Die Gesichtsfliche embryonaler Katzenköpfe nach Rekonstruktions-
modellen.
Fig. 1a—7a.
Fig. 1 und 1a.
Die Profilansicht derselben Katzenköpfe.
Embryo von 1,6 mm Kopfl.
18/1.
Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLI.
Fig. 11 (8).
Fig. 11a (18).
Pohlmann. Verlag von
Tafel XII.
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 677
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
2 und 2a. Embryo von 2,3 mm Kopfl. 18/1.
3 - 3a. - = hd - 8mm Nstl. 18/1.
4 = 4a 3 SE elle a ABl.
DEE= 50: - =), Gioe- Elle T- - 18/1.
6 - 6a. - - 74 Sa ei 181];
Ye - u nl Se 1}
8—10. Eetodermale Gesichtsmaske mit Mundschlundwand und Nasen-
schläuchen von drei Katzenembryonen, innere Ansicht (18/1).
Fig. 8. Maske des Kopfmodelles der Fig. 4 u. 4a. 10 mm Nstl.
Fig. 9. Gesichtsmaske eines Embryos von 10,5 mm Nstl.
Fig. 10. Maske des Kopfmodelles der Fig. 5 u. 5@. 11 mm Nstl.
Tafel XIII.
. 11—12. Modelle der epithelialen Mundwand und der Nasenschläuche zweier
Katzenembryonen, längs der Mundwinkelrinne durchschnitten, so daß
Boden und Dach voneinander entfernt werden konnten (18/1).
Fig. 11. Katzenembryo von 18 mm Nstl.
Fig. 11a. Innere Ansicht des Munddaches vom Modelle der Fig. 11.
Fig. 12. Katzenembryo von 19 mm Nstl.
. 13. Katzenembryo von 22mm Nstl. Modell des epithelialen Munddaches
und der. Nasenschläuche nach Verschmelzung der Gaumenbrücken (18/1).
. 14-17. Modelle des linken Nasenschlauches von vier Katzenembryonen.
Mediale Ansicht (50/1).
Fig. 14. Embryo von 8 mm Nstl.
Fig. 15. m N!
Fig. 16. id Earrnk:
Fig. 17. Seht Are
Tafel XIV.
18—24. Ideale Längsschnitte durch embryonale Katzenköpfe (12,5/1).
Fig. 18. Embryo mit 10 Urwirbeln.
Fig. 19. - -n13 -
Fig. 20—22. Drei stark spiral gekrümmte Embryonen.
Fig. 23. Embryo 9 mm Nistl.
Fig. 24. - 14 - Nstl.
Nachwort.
Die Korrekturen des vorstehenden Aufsatzes waren längst er-
ledigt, als mir Prof. A. FLEISCHMAnN den Artikel von H. Fucns:
Über eorrelative Beziehungen zwischen Zungen- und Gaumenentwick-
lung der Säugerembryonen, nebst Betrachtungen über Erscheinungs-
formen progressiver und regressiver Entwicklung (Zeitschrift für
Morphol. u. Anthropol., Bd. XIII, 1910, S. 97”—130) übersandte mit
der Aufforderung, dessen Inhalt nachträglich zu berücksichtigen, um
die Literaturübersicht zu vervollständigen.
Eine Mißbildung des sekundären Gaumens und der Zunge bei
einem neugeborenen Kinde, die in der Sammlung des pathol. anat.
Institutes zu Straßburg aufbewahrt wird, bot Fuchs den Anlaß, seine
Ansicht über die Stellungsänderung der embryonalen Gaumenfalten
darzulegen. Er nimmt mit Hıs an, daß die in die Gaumenrinne ein-
geklemmte Zunge (Fig. 16, 17, 20—23, 25—29; Taf. XIII, Fig. 11 und
11a) die abwärts gerichteten Gaumenfalten hindere, in die Höhe zu
steigen und sich horizontal einzustellen, aber bezweifelt mit A. PÖLzL,
daß das für die Umlagerung der Falten unerläßliche Ausweichen der
Zunge samt der Senkung des Unterkiefers durch aktive Muskelkon-
traktion bewirkt werde. Das verhältnismäßig ganz außerordentliche
Wachstum der Zunge spiele vielmehr die Hauptrolle. Nach Ver-
einigung ihrer caudal hintereinander liegenden Primäranlagen liege
die kleine Zunge ganz hinten in der Mundhöhle und nehme schnell
an Größe, besonders an Länge zu. Ihre Spitze komme immer weiter
oral, trete schließlich in die Mundspalte, welche durch die von hinten
andringende Zunge gleichsam gesprengt werde, während der Unter-
kiefer nach unten rotiere, d. h. von der Schädelbasis und Munddecke
durch Senkung entfernt werde.
Wenn die Zunge weiter wachse, trete sie noch mehr aus der
Mundspalte hervor; die Entfernung des Unterkiefers und damit auch
der Zunge vom Öberkiefer und der Schädelbasis werde größer, viel-
leicht unterstützt durch Hebung des Oberkiefers und des neuralen
Kopfteiles. Schließlich erreiche die Entfernung einen solchen Grad,
daß die emporsteigenden Gaumenfalten keinen nennenswerten Wider-
stand mehr träfen.
a
\
N
Morphologisches Jahrbuch. IF
Fig. 18 (5/)).
|
Pohlmann.
\Iorphologisches Jahrbuch. Bd. XLI. Tafel XIV.
Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 679
Daher beseitige die Zunge selbst vermöge ihres auberordent-
lichen Längenwachstums das Hindernis des Gaumenschlusses, in-
dem sie die Öffnung des Mundes und die Senkung des Unterkiefers
veranlasse.
Sehr heftig polemisiert Fuchs gegen A. PöLzL, obwohl er ihre
Meinung teilt, daß die Zunge erst tief in der Mundhöhle liegt und
aus dem Raum zwischen den Gaumenplatten heraustritt. Er gibt
an, A. PörzL habe den Satz aufgestellt, große Teile der Gaumen-
platten wüchsen überhaupt nicht senkrecht, sondern gleich in hori-
zontaler Richtung median vor, daher brauchten sie keine Umlage-
rung zu erfahren und bekämpft denselben mit großer Ausführlichkeit.
Diese Ansicht hat jedoch A. PöLZL gar nicht vertreten. Ich ver-
weise auf mein Referat (S. 40—41), woraus deutlich hervorgeht, daß
A. PöÖLzZL ebensogut wie wir alle die Gaumenanlage nach innen unten
gerichtet neben der Zunge beobachtet hat. Sie glaubt bloß nicht,
daß ihre Stellung geändert wird, sondern entscheidet sich für eine
Formänderung, welche erst erfolge, nachdem die Zunge durch Wachs-
tumsdifferenzen im Gesicht und an der Schädelbasis so weit nach
vorn und unten gelangt sei, daß der Zwischenkiefer sowie die An-
lage des harten Gaumens über ihr, der weiche Gaumen hinter ihr
liege. Die Schließung des sekundären Gaumens werde also dadurch
ermöglicht, daß die Zunge aus dem Raume zwischen den Gaumen-
platten nach vorn hinauswachse. Ich kann nun keinen so wesent-
lichen Unterschied zwischen den beiden Darstellungen erkennen, um
die schroffe Polemik von Fuchs für gerechtfertigt zu halten.
Über das Emporsteigen der Gaumenplatten teilt Fucas die An-
sicht SCHORRS, daß verstärktes Wachstum auf der unteren (lateralen)
Seite an der Basis der Gaumenfalten schließlich ihr Emporsteigen
bewirke. Das erhöhte Wachstum beginne schon, wenn die Zunge
noch tief zwischen den Gaumenplatten stecke. Das Emporsteigen
erfolge dann ebenso plötzlich als das Abwärtstreten der Zunge.
Sehr unwahrscheinlich ist mir die Annahme von Fuchs, daß die
Zungenspitze gleich einem Keile die Mundspalte sprenge und den
Unterkiefer vom Oberkiefer entferne. Ich habe an Schnittbildern und
Modellen (Taf. XIV, Fig. 22—24; Taf. XII, Fig. 4, 5, 6) gerade im
Gegenteil das vordere Zungenende (Z) dicht hinter dem Unterlippen-
wulst («l) beobachtet.
Auch an den Gesiehtsmodellen (Taf. XII, Fig. 3—6) kommt mir
die Mundspalte nicht so eng vor, daß sie durch die Zunge ge-
sprengt werden müßte. In der ganzen Larvenperiode fällt sogar die
Morpholog. Jahrbuch. 41. 44
680 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten.
relativ weite Eingangsöffnung der Mundhöhle auf. Wenn die Um-
wandlung ins Katzengesicht beginnt, setzt das Schnauzenwachstum
ein, das sich an den beteiligten Regionen: Oberlippe, Unterlippe,
Zunge ziemlich gleichmäßig äußert. Erst nach Verschmelzung der
(Gaumenbrücken ragt die Zungenspitze zwischen den Lippen hervor
(Fig. 7). Die von Fucas (Fig. 22—27) gezeichneten Katzenköpfe sind
aber für seine Behauptung nicht beweiskräftig, weil sie von Em-
bryonen genommen sind, die längst das Stadium des Gaumenschlusses
überschritten haben.
FucHs hat eben einseitig sein Augenmerk auf das Längenwachs-
tum der Zunge gerichtet und das Wachstum der gesamten Mund-
höhle außer acht gelassen. Mit der Volumenzunahme des Kopfes,
die an den Gesichtsmodellen und Längsschnitten deutlich abzulesen
ist, geht eine fortschreitende Vergrößerung und Formänderung des
Zungenwulstes, der Zungenfurchen, Kaunischen, Grenzleisten und
Gaumenrinne Hand in Hand. Besonders die seitlichen Zungenfurchen,
welche enge Complementärformen der Grenzleisten sind, ändern sich;
zugleich erfolgt die Bildung und Verschmelzung der Gaumenbrücken,
die Vergrößerung der Mundwand und der anstoßenden Mesoderm-
massen. Die Verknöcherung schreitet zusehends weiter, bis endlich
die mächtigen Proportionen aller Mundorgane des geburtsreifen In-
dividuums erreicht sind.
Es scheint mir daher nicht berechtigt, das Längenwachstum der
Zunge allein als den ausschlaggebenden Faktor für die Gaumen-
bildung herauszuheben.
Ich fasse mein Urteil zum Schlusse bündig zusammen: Fuchs
hat den Gedanken von Hıs, die Zunge müsse ausweichen, um die
Veränderung der Gaumenfortsätze zu ermöglichen, mit andern Worten
ausgesprochen, indem er statt Zungenmuskelbewegung den Ausdruck:
Entfernung der Zunge vom Öberkiefer und der Schädelbasis ge-
braucht, aber er hat den Vorgang weder genauer, noch an besseren
Präparaten als seine Vorgänger verfolgt und die von mir eingehend
belegte Metamorphose der Mundhöhle nicht beachtet.
2.
Über den Begriff „Gaumen“.
Kritische Betrachtungen
von
Dr. A. Fleischmann.
Mit 27 Figuren im Text.
Vor etlichen Jahren hatte ich daran Anstoß genommen, daß der
Begriff »Gaumen« und manch andre für die Zwecke der Säuger-
anatomie gebildete Worte ohne weiteres auf Eigenschaften der Rep-
tilien übertragen werden und damit eine unsichere Definition er-
halten. Deshalb ließ ich fünf meiner Schüler die Beschaffenheit des
Munddaches und seine Beziehungen zu den Nachbarteilen, besonders
zur Nasenhöhle, bei verschiedenen Amnioten studieren, damit ich die
sachlichen Unterlagen für die Kritik gewänne (2).
Wer der Geschichte des Problemes nachgeht, findet den Aus-
druck »Gaumen« hauptsächlich im osteologischen Sinne gebraucht;
denn die anatomischen Vergleiche haben zuerst das Knochengerüste
betroffen und hängen noch heute gerne daran. Der Umstand, daß
die Knochen Prämaxilla, Maxilla, Vomer, Palatinum, Pterygoid in
medianer Naht zusammenstoßen, bestimmte CUVIER, seine Zeitgenossen
und die nachfolgenden Geschlechter, vom »harten Gaumen« der Kroko-
dile und Schildkröten zu sprechen. Obgleich die eindringliche
Analyse der Schädel jedermann davon überzeugt, daß der Terminus
»Gaumen« am Schädel eines Säugers, Krokodils oder einer Schildkröte
durchaus verschiedene Formzustände der beteiligten Knochen
meint, hat doch der langjährige Gebrauch desselben Wortklanges
für große Kontraste die anatomische Spekulation auf eine falsche
Bahn geleitet und das Streben wachgerufen, Vorstufen des Gaumens
bei den Reptilien zu suchen, weil man diese gewohnheitsmäßig als
die niedrigsten Amnioten einschätzte, was gar nicht richtig war.
44*
882 A. Fleischmann
Angesichts der osteologischen Tatsachen (Fig. 1) hätte man die
Unterbegriffe: Säugergaumen, Krokodil-, Sehildkrötengaumen bilden
und scharf auseinanderhalten sollen. Das geschah jedoch nicht; der
Mißbrauch des Begriffes »Gaumen«, der eine Übereinstimmung vor-
täuschte, welche in der Tat gar nicht vorhanden ist, wurde sogar
mit der von Dursy zuerst vertretenen Ansicht kombiniert, daß der
Untere Ansicht der Knochenschädel A von Chelonia, B von Crocodilus nach Ü. GEGENBAUR.
€ Condylus oceipitalis, Ch Choane, Fr Frontale, Ju Jugale, Mx Maxillare, 0b Oceipitale basilare,
01 Oceipitale laterale, Opo Opisthoticum, Pa Parietale, Pal Palatinum, Pfr Postfrontale, Pf Pterygoid,
Px Praemaxillare, Q Quadratum, @j Quadratojugale, Spb Basisphenoid, Sy Squamosum, 7r Trans-
versum, Vo Vomer.
Säugergaumen in Form von embryonalen Gaumenfortsätzen entstehe,
welche sich später aufrichten und verschmelzen. Letztere besitzen
zwar keine Knochenanlagen; die Ossifieation beginnt erst nach der
Umbildung der embryonalen Gaumenrinne. Aber die durch die falsche
Terminologie unterstützte Spekulation begann allmählich bei den
Sauriern, welchen man wegen des offenkundigen Widerspruchs der
Tatsachen keinen Gaumen zuerkennen konnte, wenigstens nach An-
fängen desselben, d. h. nach Gaumenfortsätzen zu suchen. An-
geregt war dieses präjudicielle Denken schon durch die Darstellung
Über den Begriff »Gaumen«. 683
in den Lehrbüchern von C. GEGENBAUR und R. WIEDERSHEIM, be-
stimmter wurde es durch die Studien von C. Busch (1) formuliert.
Derselbe fand bei den Sauriern (Fig. 2), was er zu finden gesucht
hatte, nämlich die Vorstufen und eine aufsteigende Reihe der Ver-
vollkommnung der Gaumenfortsätze, sogar die Anlage eines wirk-
lichen Ductus nasopharyngeus. E. GörrerT (4) bemühte sich bald
nachher, zur Ergänzung der rein anatomischen Beschreibung den
physiologischen Wert der Gaumenfortsätze bei Sauropsiden darzulegen
und zu zeigen, daß die von Busch (1) beschriebenen Gaumenfalten
wegen des engen Anschlusses an Zunge und Kehlkopf auch nützlich
gewesen, darum erhalten und zu höherer anatomischer Vollkommen-
heit entwickelt worden seien.
Fig. 2a. Fig. 2b.
D.nas.-ph
er
4
Ling 6.M
Querschnitte durch den Kopf von Platydactylus nach E. GörrErT.
Cav.nas Nasenhöhlle, Conch Muschel, D.nas.-ph Ductus nasopharyngeus, G.F Gaumenblatt
@.M Vomerpolster, @.R Gaumenspalte, H Hyoid, Ziny Zunge, Mand Unterkiefer.
Hier setzten die Untersuchungen meiner Schüler (2) ©. Hor-
MANN, W. SIPPEL, G. AULMANN, K. THÄTER, E. POHLMANN ein. Mit
wachsender Bestimmtheit zersplitterten sie die eben skizzierten Vor-
urteile und erwiesen die Unmöglichkeit, die Termini der Säuger-
anatomie auf das Munddach der’ Sauropsiden zu übertragen; denn
wir bewiesen folgende Thesen:
1. Die sog. Gaumenblätter (Busch) der Saurier (Fig. 2a, b, @F)
sind nicht Seitenfalten, sondern Abschnitte des Mundreliefs.
2. Die sog. Gaumenspalten (Busch, MiHALKovIcs) der Saurier
(Fig. 2a, GR) sind Teile der Nasenschläuche und darum nicht die
Vorstufen zur Herstellung einer sekundären Mundhöhle.
3. Der sog. Ductus nasopharyngeus (BuscH) der Seineiden ist
die von den Palatopterygoidkanten verdeckte Orbitalmulde und dem
gleichnamigen Kanale der Säuger ebensowenig homolog als der
Suleus nasopharyngeus (GÖPPERT) (Fig. 2b, D. nas.-ph.).
4. Die sog. Gaumenfortsätze (GÖPPERT) der Vögel sind über-
haupt keine Fortsätze, sondern Abschnitte des soliden Munddaches.
684 A. Fleischmann
5. Der sog. »unvollkommene Ductus nasopharyngeus« (GÖPPERT)
der Vögel ist die Orbitalmulde oder das dorsale Stockwerk der
Mundhöhle.
6. Die sog. sekundäre Choane (GÖPPERT) der Vögel ist der von
den Orbitalkanten umsäumte Eingangsspalt in die Orbitalmulde.
7. Die Choanen der Vögel liegen an der oralen Wand des
vorderen Abschnittes der Orbitalmulde, welchen SIrpEL Subchoanal-
raum nannte.
8. Die Gaumenrinne der Säuger besitzt einen morphologischen
Sonderwert, sie ist keiner bleibenden Einrichtung in der Mundhöhle
der Sauropsiden vergleichbar.
9. Die embryonale Mundhöhle der Säuger gliedert sich in die
Kaunischen und die Gaumenrinne. Die Grenze der drei dorsal ver-
schieden gekrümmten Abschnitte wird durch die Gaumenleisten, bzw.
Zungenfurchen gesteckt.
10. Das definitive Munddach der Säuger entsteht durch Ver-
schmelzung der am Ende der Larvenperiode neu auftretenden Gaumen-
brücken. Die Gaumenleisten haben damit nichts zu tun, sondern ver-
streichen.
11. Die Gaumenleisten sind homolog den Grenzleisten (GÖPPERT)
der Saurier und Vögel.
Unsere Revision hat also erwiesen, daß sowohl das Wort
»Gaumen« als die verschiedenen Composita desselben mit Unrecht
zur Beschreibung der Verhältnisse bei Sauropsiden und das Wort
»Falte« fälschlich auf beliebige Reliefbesonderheiten der dorsalen
Mundwand angewendet wurden. Da der Begriff »Gaumen« zuerst
für die Säuger geschaffen ward, halte ich es für angemessen, seine
Gültigkeit auf diese Gruppe zu beschränken und ihn für die Saurop-
siden ganz zu verpönen. Dasselbe gilt für den Namen »Ductus
nasopharyngeus«. Der Ausdruck »sekundäre Choane«, der rein
osteologisch gedacht ist und ein Intervall am Säugerschädel kenn-
zeichnet, kann bei der Beschreibung der Weichteile nicht gebraucht
werden. Demnach schlage ich vor, die Ausdrücke: primäres, sekun-
däres Munddach, Gaumenfalten, sekundäre Choane ganz abzuschaffen
und einfach zu sagen: die Säugetiere allein besitzen einen wahren
Gaumen; allen Sauropsiden fehlt dieses Merkmal.
Nieht einverstanden mit meiner Reform ist H. Fucas (3), welcher
vor ein paar Jahren (1907/08) angeregt durch meinen Widerspruch
die Ontogenie und Phylogenie der Gaumenbildungen bei den Wirbel-
tieren weitläufig erörtertee Während er der von meinen Schülern
Über den Begriff »Gaumen«. 685
geübten Betrachtungsweise und Terminologie größtenteils beitrat,
wandte er altem Herkommen getreu das Wort »Gaumen« auf die
Reptilien, speziell Schildkröten und Krokodile an und verirrte sich
in den Schwierigkeiten, welche mich bewogen hatten, eine kritische
Analyse über den Geltungsbereich des Begriffes einzuleiten. Die
Lektüre seiner Abhandlung gewährt das seltene Schauspiel, daß der
Autor seine Nomenklatur vielfach entschuldigt und, um Mißverständ-
nisse zu vermeiden, wiederholt die großen Differenzen der mit dem-
selben Wortklange belegten anatomischen Verhältnisse hervorhebt.
Das wäre nicht nötig gewesen, wenn Fuchs sich von vornherein
entschlossen hätte, das Wort »Gaumen« aufdie Säuger einzuschränken.
Allein er war eben in der alten Meinung befangen, daß unter den
Amnioten mehrere Typen der Gaumenbildung, ja sogar eine Urform
derselben existiere, und konnte meine radikale Reform natürlich
nicht billigen, weil damit seine allgemeine Ansicht hinfällig ge-
worden wäre. Ich fasse die wichtigsten Punkte seines Ideenganges
in kurze Leitsätze zusammen, um die Fehler augenscheinlich zu
machen:
1. Die Saurier besitzen keinen sekundären weichen Gaumen,
nur die Vorstufen dazu in den »medialen Seitenfalten«, welche die
mediale Seite der Orbitonasalmulde begrenzen und den weichen
Gaumenfortsätzen der Säuger verglichen werden können. An den
Maxillae und Palatina sind »Ansätze« zu knöchernen Gaumenfort-
sätzen, mindestens zu Fortsätzen, welche als Homologon der jungen
knöchernen Gaumenfortsätze bei Säugern zu betrachten sind.
2. Die durch die Palatopterygoidkanten verdeckte Interorbitalrinne
der Seineidae ist eine Neuerwerbung in Form eines Ductus naso-
pharyngeus. Die medianen Fortsätze der Palatina sind den medialen
Fortsätzen der Säugerpalatina homolog.
3. Der sekundäre Gaumen und die sekundären Choanen der
Schlangen sind absolut nicht homolog den gleichnamigen Ge-
bilden der Säuger.
4. Vielen Schildkröten kommen unleugbar ein sekundärer Gaumen,
ein sekundäres Munddach und sekundäre Choanen zu, aber diese
sind den Einrichtungen bei Säugern weder vergleichbar noch
homolog und sollten eigentlich durch die Worte: Tegmen oris pri-
marium commutatum (s. novatum) und Choanae reliquae bezeichnet
werden. Ein Ductus nasopharyngeus wird überhaupt nicht ge-
bildet.
9. Die Krokodile besitzen einen sekundären Gaumen, einen
686 A. Fleischmann
echten Duetus nasopharyngeus, eine sekundäre Mundhöhle, eine
sekundär vergrößerte Nasenhöhle und sekundäre Choanen. Ihre
Gaumenfalten sind denen der Säuger nicht homolog. Die Gaumen-
fortsätze der Maxillaria, Palatina, Pterygoidea sind den Fortsätzen
der entsprechenden Säugerknochen homolog. Was den Duetus
nasopharyngeus anlangt, so herrscht in der Nasengegend keine
Homologie, sondern große Differenz. Der Orbitalteil des Duetus
ist dagegen dem orbitalen Abschnitte des Duetus der Säuger in ge-
wissem Sinne gleichwertig, weil beide aus dem dorsalen Ab-
schnitte der Orbitalmulde hervorgehen, jedoch nicht homolog in
den Prozessen, welehe ihn aus der Mundhöhle herausschneiden. Die
Bildung der Scheidewand des Ductus ist von der Bildungsart bei
Säugern verschieden.
Wenn ich ganz davon absehe, was in diesen Sätzen durch un-
zureichende Beobachtung verfehlt ist, und dafür auf den kritischen
Bericht von K. THÄTER und mein weiter unten folgendes Resümee
verweise, so scheinen mir gerade die Verklausulierung und die kate-
gorische Abschwächung, unter welcher Fuchs den Gebrauch des
Wortes »Gaumen« für einzelne Reptiliengruppen noch möglich hielt,
ein schlagender Beweis für meine resolute Entscheidung der Frage.
Welchen Wert soll das konservative Beharren auf der Nomenklatur
einer früheren wissenschaftlichen Periode haben, welche die uns heute
interessierenden Probleme nicht ahnen und darum auch nicht für die
erforderliche Bestimmtheit der Begriffe sorgen konnte? Ich fürchte
die Gefahr der Mißverständnisse, wenn das gleiche Wort »Gaumen«
für mehrere in keiner Hinsicht homologe Bildungen gelten soll,
besonders aus dem Grunde, weil recht viele Leute, welche das Wort
wiederholen werden, die reellen Verhältnisse nicht aus eigener An-
schauung kennen und durch den Wortklang zu einer unrichtigen
Gedankenschematisierung verführt werden. In andern Fällen, z. B. |
wenn das Wort »Flügel« mit demselben Unrechte für Vögel und
Insekten gebraucht wird, mag die Gefahr nicht so groß sein, da der
grundsätzliche anatomische Kontrast vor aller Augen liegt. Aber in
unserm Falle rate ich entschieden ab, den Begriff Gaumen bei der
Beschreibung des Munddaches der Sauropsiden und seines Knochen-
gerüstes beizubehalten.
Dann wird man vor der unhaltbaren Konsequenz bewahrt, daß
es zwei Arten von sekundärem Gaumen bei Säugern und Schild-
kröten gebe, welche einander nicht verglichen werden dürfen! Auch
würde der sprachliche Zwang aufhören, mit Fuchs die » Ansätze zu
Über den Begriff »Gaumen«. 687
Fortsätzen< an den Palatina der Seineidae sowie an den Maxillae,
Palatina, Pterygoidea der Krokodile »Gaumenfortsätze« zu nennen.
Die von Fuchs aus dieser Terminologie abgeleitete Folgerung, daß
sie den Gaumenfortsätzen der gleichnamigen Säugerknochen homolog
seien, halte ich sachlich unriehtig, weil unser Vergleich nicht bloß
die Knochen des macerierten Schädels ins Auge fassen soll, wozu
die alten Anatomen durch die mangelhafte Technik gezwungen waren,
sondern auch die Weichteile in der Umgebung der Knochen berück-
sichtigen muß. So erst wird eine größere Zahl von Merkmalen er-
wogen, nach ‘denen sich das Relief der knöchernen Teile sicherer
beurteilen läßt, als an den isolierten Knochen allein. Es ist eben
ein wissenschaftliches Gebot der Gegenwart, das Skelet als solches
nicht mehr isoliert zu studieren. Wie es sich von selbst versteht,
z. B. die Knochen der Gliedmaßen mit ihren Gelenken, Bändern,
Muskeln, Gefäßen und Nerven zusammenfassend zu betrachten und
ihre Besonderheiten aus der gegenseitigen Abhängigkeit der topo-
graphisch und funktionell zusammengehörigen Stücke zu begreifen,
so ist für die Kopfregion die einseitige osteologische Auffassung, in
welcher Fuchs befangen blieb, durch die umfassende Berücksichtigung
der Weichteile zu ergänzen. Wer auf Grund meiner Studien ein-
sieht, daß die gleicbnamigen Knochen der Säuger und Sauropsiden
an der Wand der in sehr verschiedenem Grade modifizierten Mund-
schlundhöhle liegen, wird die Ähnlichkeiten ihrer groben Form nicht
mehr so rasch als Homologien einschätzen!
Indem ich den Geltungsbereich des Begriffes »Gaumen« auf die
Säuger einschränke, verwerfe ich durchaus nicht das Bestreben, ein
allgemeines Formgesetz für die Eigenschaften der Mundhöhle zu
suchen. Die bisher erschienenen Kapitel meiner Studien über die
Kopfregion waren ja gerade auf dieses Ziel gerichtet. Ich stimme
jedoch Fuchs nicht bei, daß die »Urform für das Munddach aller
Reptilien und Säuger« oder der »einfachste Zustand des Amnioten-
munddaches« ziemlich rein bei Hatteria gegeben sei. Die Frage,
ob eine gemeinsame Urform für das Munddach existiere, scheint mir
falsch formuliert. So sehr ich überzeugt bin, daß allgemeine morpho-
logische Ähnlichkeiten bestehen, weil die fortschreitende Stilanalyse
immer mehr gemeinschaftliche Charaktere der Amnioten nachweist,
erblicke ich in dem Suchen nach einer gemeinsamen »Urform« doch
nur den letzten Ausfluß der von BuscH, GÖPPERT u. a. vertretenen
in der falschen Anwendung des Wortes »Gaumen« wurzelnden Denk-
weise. Viele Anatomen der letzten Jahrzehnte haben sich nicht klar
[ötefe) A. Fleischmann
gemacht, daß die vergleichende Betrachtung in allen Fällen lediglich
allgemeine Begriffe erzeugt, welche die Subsumption möglichst
vieler Einzelfälle gestatten, aber nie und nimmer eine reelle Urform
entdeckt, welehe gewissermaßen das anatomische Ahnenmaterial ge-
wesen und sich später in die verschiedenen Artfälle differenziert
haben soll. Ebenso wie das Wort »Amnioten« keine reelle Tatsache,
sondern ein Name ist, mit welchem eine ungeheure Zahl als ähn-
lich erkannter Tierarten begrifflich zusammengefaßt werden, be-
zeichnen die Ausdrücke: »einfachstes Munddach, Gaumen, Choanen«
Gattungsbegriffe topographisch-morphologischer Art, um die wissen-
schaftliche Beschreibung der specifischen Verhältnisse abzukürzen.
Solehe Allgemeinbegriffe nennt man auch ein Naturgesetz; daher
kann man sagen, die vergleichende Betrachtung sucht das gemein-
same Stilgesetz für die Ausbildung der Mundhöhle.
Man kann hierzu verschiedene Wege einschlagen. Die ältere
Zeit hat sich notgedrungen an den fertigen Zustand gehalten. Jetzt
analysieren wir die embryonalen Stadien der Tiere, weil an ihnen
leichter zu durchschauen ist, welche Merkmale speeifischen, welche
generellen Wert haben und die Einordnung unter einen weiten Be-
griff ermöglichen. Man darf aber das Resultat der ontogenetischen
Stiluntersuchung nicht in der Erklärung von Fuchs sehen, daß die
Säugerembryonen einer bestimmten Stufe mit jungen Reptilembryonen,
mit den Embryonen der Saurier und Hatteria übereinstimmen,
noch in dem von Fuchs häufig wiederholten Satze, daß Hatteria
auch im erwachsenen Zustande embryonale Verhältnisse von denk-
bar einfachster Form offenbare.
Der zweite Satz ist unrichtig, weil die embryonalen Verhältnisse
gegen den erwachsenen Zustand durch ihre Kleinheit, ganz andre
Proportionen und weit einfachere vom minimalen Volumen erzwungene
Formen kontrastieren. Den ersten Satz halte ich ebenfalls nicht für
zutreffend, weil die Säugerembryonen auf jeder Stufe des Uterin-
lebens von den Embryonen der Reptilien durch scharfe, untrügliche
Merkmale unterschieden sind. Wer wenig Schnitte gesehen hat,
könnte vielleicht an die Übereinstimmung im Baue der Mundhöhle
glauben! Aber dann braucht man ihm bloß die Nachbarorgane:
Zahnanlagen, Zunge, Kehlkopf, Nasenschläuche, Augen zu demon-
strieren, und er wird einsehen, daß die Behauptung: »Reptilien und
Säuger machen samt und sonders eine Zeitlang eine völlig gleich-
gerichtete Entwicklung durch und kommen so schließlich zu einer
allen Amnioten gemeinsamen Entwicklungsstufe«, bloß zu MiBß-
Über den Begriff »Gaumen«. 689
verständnissen führt, da sie einseitig einige Ähnlichkeiten allgemeiner
Art, nämlich das primitive Munddach, die primitiven Choanen, die
Orbitonasalmulde und die allgemeine Form der Nasenschläuche be-
tont, aber die zugleich bestehenden Unterschiede vergißt.
Den entwicklungsgeschichtlichen Studien lege ich keinen ge-
ringeren Wert bei als Fuchs, aber ich fasse für mein Urteil eine
größere Anzahl von Merkmalen zusammen und gelange zu andern
Resultaten. Gemeinsam finde ich bei den von mir untersuchten
Amniotenembryonen die engen Lagebeziehungen der durch die
Choanen kommunizierenden Nasenhöhlen und Mundhöhle, die Gliede-
rung der letzteren in zwei Abschnitte: Mittelraum und Randnische,
die Formspiegelung der dorsalen und ventralen Wand des Mittel-
raumes. Das sind jedoch ganz allgemeine Beziehungen der Lage
und Raumeinteilung, welche von vielen Varianten modifiziert und in
jeder Klasse besonders geartet sind, so daß bei Beachtung aller Merk-
male von einer Übereinstimmung keine Rede sein kann. Je besser
man in die Einzelheiten des embryonalen Geschehens eindringt, desto
deutlicher enthüllt sich der specifische, zum definitiven Endzustand
führende Gang der Entwicklung. Schon an ganz jungen Stadien er-
kennt der geübte Embryologe in unscheinbaren Zügen die Klassen-
verschiedenheit, welche für den erwachsenen Zustand längst bekannt
ist. Man hat nur früher nicht genug empirisches Material gesehen,
um die systematische Diagnostik mit der gleichen Schärfe auf
Embryonen anzuwenden. Darum hat sich aus jener Zeit der Satz
erhalten, die Ähnlichkeit der Amnioten sei auf den jungen Stadien
viel größer. Derselbe trifft jedoch nicht die Tatsachen. Die Ähnlich-
keit ist nicht größer, sondern leichter festzustellen, weil am Embryo
relativ wenig Merkmale ausgebildet sind und ein großer Teil der
Arteharaktere, besonders diejenigen, welche für die grobe Diagnostik
des Systematikers in Betracht kommen, noch fehlt, bzw. in außer-
ordentlich kleinen Dimensionen angelegt ist.
Übrigens ist nicht bloß der Begriff »Gaumen« durch die eben
gerügten Mißstände für den modernen Gebrauch unzureichend,
sondern auch der in der Kopfregion liegende Eingangsraum des
Darmes wird durch die Worte: »Mundhöhle«, »Rachenhöhle« oder
»Kopfdarmhöhle« schlecht bezeichnet. Ich schlage vor, künftighin
den Ausdruck Stomopharynx zu verwenden, indem ich von der
längst bekannten Tatsache ausgehe, daß derselbe aus einem eetoder-
malen Anteile, dem Stomodäum, und einem entodermalen Stücke,
dem Pharynx, entsteht. Beide werden in ungleichem Verhältnisse
690 A. Fleischmann
angelegt, weil der entodermale durch die Scehlundtaschen ausge-
zeichnete Anteil zuerst auftritt und vor ihm bzw. vor der primären
Rachenmembran das Stomodäum als eine winzig kleine, von den
Unterlippen- und Oberlippenwangenwülsten eingerahmte Grube ge-
bildet wird, welche mit der Differenzierung des Gesichtes langsam
an Größe und Umfang zunimmt. Nach der Resorption der Rachen-
membran fließen Stomodäum und Pharynx in einen gemeinsamen
Raum, eben den Stomopharynx, zusammen. Man war bisher damit
zufrieden, denselben als Mundhöhle zu bezeichnen, aber der morpho-
logische Vergleich erheischt es unbedingt, die eetodermalen und
entodermalen Anteile seiner Wand scharf zu unterscheiden. Wie
ich bereits durch G. AULMANN (2) aussprechen ließ, nehme ich die
Wurzelstelle der Hypophyse als sichere Grenzmarke des Eetoderm-
epithels an und halte den durch die seitlichen Zungenfurchen be-
srenzten Zungenwulst für ein Gebilde des Mundbodens, während die
Tuben und der Kehlkopf unzweifelhaft entodermale Produkte sind.
Durch die gegenseitige Lagebeziehung dieser vier Elemente läßt sich
das Relief des Stomopharynx vorderhand in befriedigender Weise
beurteilen, wenngleich ich von der Zukunft eine noch größere Ge-
nauigkeit erwarte.
Gemeinsame Stilcharaktere des Stomopharynx. der Amnioten sehe
ich in folgenden Punkten:
Regelmäßige Anlage eines dorsal gekrümmten Mittelraumes und
einer denselben bügel- oder N-förmig umrahmenden Randnische, deren
Flügel längs der rechten und linken Seite des Mittelraumes bis zu
den Kaumuskelwülsten reichen, ferner die in strenger Matrizen-
abhängigkeit erfolgende Entwicklung von Munddach und Mundboden
während der frühen Embryonalzeit. Die Dimensionen sowie die
speziellen Formzüge der großen Hauptabschnitte sind in einzelnen
(zruppen sehr verschieden. Daher muß man z weiHaupttypendesMund-
stiles gut auseinanderhalten. Der eine herrscht bei den Säugetieren
und ist durch die mächtige Rand- oder Kaunische und schwache
Ausbildung des lediglich in früher Embryonalzeit bestehenden Mittel-
raumes ausgezeichnet, welcher durch eine aus symmetrischen An-
lagen verwachsende Gaumenbrücke eingeengt und ganz von der Kau-
nische abgetrennt wird, so daß ein Munddach mit wahrem Gaumen
entsteht.
Der andre Haupttypus umfaßt alle Sauropsiden. Für sie gilt
das gerade Gegenteil der bei den Säugern herrschenden Verhältnisse.
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Über den Begriff »Gaumen«. 691
I. Mamalia.
Die embryonale Plastik des Stomodäums gipfelt in der Schaffung
einer geräumigen Kaunische, welche dank den in sie einragenden,
breiten Zahnkronen zum Mahlen der Nahrung dient, während der
kleine Mittelraum zu einem Teile des Ductus nasopharyngeus um-
gebildet wird. Außerdem ist als wichtiges Stilmerkmal hervor-
zuheben, daß die Gliederung in zwei Stockwerke über das Stomo-
däum, d. h. die Hypophysenwurzel hinausreicht und auch den
vorderen Teil des Pharynx in zwei gesonderte Kanäle zerlegt.
Der Mittelraum (= Gaumenrinne) besteht bloß beikleinen Embry-
onen (1,8 cm Sstl. kleine Arten, 2,8 cm Sstl. große Arten) als ein
Querschnitte durch Mund- und Rachenhöhle der Hauskatze.
Fig. 3 und 4: Embryo 1,85 cm Sstl. Fig. 5 und 6: Embryo 2,1 cm Sstl. Vergr. 8/1.
ch Choane, gl Grenzleiste, gw Gaumenbrücke, kn Kaunische, mr Mittelraum, p Kehlrachen, i Tube,
tp Tubopharynx, w weicher Gaumen, zf Zungenfurche, z Zunge.
offenes dorsales Stockwerk des Stomodäums (Fig. 3, 4), das durch die
Grenzleisten gl (oder Gaumenplatten) von dem rechten und linken
Flügel der Kaunische kn geschieden ist. Im Gegensatz zu den
Sauropsiden sind die Grenzleisten einander parallel gerichtet, und
die beiden Seitenwände des Mittelraumes steigen von den Grenz-
leisten ziemlich vertikal gegen das flache dorsale Dach empor. Daher
zeichnet sich die Eigenart der Gaumenrinne auf Querschnitten
(Fig. 3, 4) in einer viermal rechtwinklig geknickten Linie FL. Der
Mittelraum verflacht oral; denn die parachoanale Wand, d. h. der
Teil seines medianen Dachstreifens, an welchem die langen Choanen
liegen, fällt schräg geneigt gegen die Oberlippe. Da Dach und
Boden in engster Formspiegelung stehen, entspricht dem engen Mittel-
raum ein schmaler Zungenwulst x, welcher ebenfalls schräg gegen
692 A. Fleischmann
die Unterlippe ausläuft. Die Seitenflügel der Kaunische verbreiten
sich nach hinten und nehmen an transversaler Ausdehnung ab, je
mehr sie sich dem Rachen nähern, daher hat die Horizontalprojektion
der Kaunische etwa birnförmigen Umriß. Anfangs ist die Kaunische
in dem kleinen Kopfvolumen dorsal aufgekrümmt (Fig. 4) und durch
die Grenzleisten gl, bzw. Zungenfurchen xf gegen den Mittelraum mr
abgesetzt. Wenn später mit dem allseitigen Wachstum des Kopfes
das Stomodäum an transversaler Breite gewinnt, verlieren (Fig. 5)
die Seitenflügel der Kaunische die dorsale Beugung und die Grenz-
leisten am Dache verstreichen, aber am Mundboden bleibt die ur-
sprüngliche Gliederung erhalten. Die tiefen, den Grenzleisten in
negativer Matrizenform korrespondierenden Furchen xf heben die
Zunge d.i. den ventralen Mittelwulst x» von den Kaunischenboden ab.
Das enge Lumen des dorsalen Mittelraumes wird durch mediane
Verwachsung (Fig. 5) der dorsal oberhalb der Grenzleisten neu
differenzierten Gaumenbrücken gw verdrängt. Bloß ein schmaler
dorsaler Teil desselben dauert als Lichtung eines niedrigen Kanales,
in welchen die Choanen kraft ihrer unveränderten Lage einmünden,
und geht hinter der Hypophyse ohne scharfe Grenze in den Pharynx
über. Der ventrale Teil des Mittelraumes mit der Zunge und die
Zahnnischen werden zur Kaukammer ausgebildet.
Auch der Pharynx erleidet sehr wichtige, mit der morpho-
logischen Gliederung des Stomodäums einhergehende Veränderungen.
Diese bestimmen mich, zwei Abschnitte des embryonalen Pharynx
zu unterscheiden: einen hinteren einheitlichen Raum p, welcher den
Kehlmund samt Epiglottis e und den Ausgang in den Ösophagus oe
enthält, und einen vorderen (dorso-ventral niedrigen, transversal
schmalen) Teil, an dessen Seitenwänden die Eingänge in die Tubae
Eustachii liegen. Unterhalb derselben treten (Fig. 6) zwei schmale
Seitenwülste (Rachenbrücken) auf und scheiden durch ihre mediane
Verschmelzung zum sog. weichen Gaumen « das Lumen in zwei dorso-
ventral übereinanderliegende Kanäle von ungefähr rechteekigem Quer-
schnitte, welche mit den beiden Teilstücken des Stomodäums direkt
zusammenhängen. Der obere Kanal, Tubopharynx ip, mit den beiden
Tubenöffnungen bildet die direkte Fortsetzung (Fig. 7) des vom Mittel-
raum abgetrennten postehoanalen Kanales cs; der untere Gang gp
Glossopharynx bildet eine direkte Verlängerung der Kaukammer.
Den Ausdruck Ductus nasopharyngeus fasse ich jetzt in eine
andern Sinne als die Autoren und ich selbst in früheren Abhand-
lungen, weil ich durch meine Studien eingesehen habe, daß ich mi
Über den Begriff »Gaumen«. 693
A. BEECKER unrecht hatte, den ganzen von den Choanen bis zum
Rachensegel reichenden Gang (= cs + tp) als einheitliches Gebilde
anzusprechen. Wenn man sich nicht vor der Einführung neuer
Termini scheut, wäre es freilich noch richtiger, den ectodermalen
Anteil cs als Canalis choano-stomalis und den später durch
Addition des Tubo-pharynx tp Fig. 7.
erzeugten Gang als Ductus naso- Pu,
pharyngeus zu bezeichnen. Dann
bliebe der Sinn des längst einge-
bürgerten Wortes unberührt und
doch würde der besseren embryo- 7
logischen Erkenntnis Rechnung hr
getragen.
Die totale Neumodellierung, <L .
welche das Stomodäum mit der
Einfügung eines soliden Zwischen-
bodens oder Gaumenstreifens in
den Eingang der Gaumenrinne,
sowie der Pharynx durch die
Zerlegung in Tubopharynx und
Glossopharynx erfahren, ist die
Vorbedingung für die Entwick-
Längsschnitt durch den Stomopharynx eines Schaf-
embryos 3,6 cm Sstl. Vergr. 4/1.
Cr Cribrum, cs Canalis choanostomalis, ep Epi-
glottis, gp Glossopharynx, % Hypophyse, ! Larynxz,
M Muschelregion, oe Ösophagus, p hinterer Pha-
rynx, z Zungenwulst.
lung der Epithelglocken der hin-
teren Zahnleistenstrecke zu mahlenden Backzähnen (Prämolaren bzw.
Molaren) mit breiter Krone. Die starken Wurzeln derselben werden
von entsprechend kräftigen Knochenmassen der Maxillaria umgeben,
welchein einer sog. Naht zusammenstoßen, wie die außer Beziehung
zu den Backzähnen stehenden Palatina. Dadurch wird ein solides
Knoehengewölbe hergestellt, das die Festigkeit des gesamten Kau-
apparates sichert. Die durch das Kiefergelenk bewegliche, untere
Backzahnreihe schlägt gegen die oberen Partner wie gegen einen
Amboß.
Der Glossopharynx tritt in funktionellen Verband mit der Kau-
kammer des Stomodäums. Die engen Beziehungen zwischen dem
hinteren Rande der Rachenscheidewand oder Rachensegel und dem
Kehldeckel (ep) gestatten den sicheren Abschluß der glossopharyn-
gealen Lichtung vom hinteren Pharynxraum p, wohin die Kreuzung
des Speise- und Luftweges verlegt ist. Die zum Kaugeschäfte not-
wendige Umbildung des unteren stomodäalen Stockwerkes, dessen
Dach durch Verwachsung der Gaumenbrücken und mediane Aus-
694 A. Fleischmann
dehnung der maxillaren und palatinalen Verknöcherungsherde große
Festigkeit gewinnt, wird durch den engen Anschluß des Glossopharynx
und die Diehtung seines hinteren Ausganges mittels weichen Gaumens
und Kehldeckels ep, welche gleich einem Ventile wirken, funktionell
verbessert und eine vollständige Isolierung des Luftweges zum Kehl-
munde erreicht, so daß die Zerkleinerung der Nahrung unabhängig
vom Khythmus der Atembewegungen erfolgen und die gekaute
Masse mittels kräftiger Kontraktionen des muskelreichen Glosso-
pharynx rasch durch den Kehlrachen p in die Speiseröhre befördert
werden kann. Mit der besonderen Aufgabe der Kaukammer harmo-
niert die enge Mundöffnung, deren Lippenwinkel weit vom hinteren
Ende des Stomodäums entfernt stehen, die Umrandung des Mundes
mit weichen Muskellippen und die Anlagerung der Backenmuskeln
an die seitliche Mundwand. Gerade die muskulösen Elemente am
Eingange der Mundhöhle und im Ventilrohre des Glossopharynx er-
möglichen es, den Raum der Zahnkammer des Kopfes allseitig ab-
zusperren und die ausgiebige Zerkleinerung der Nahrung hier durch-
zuführen.
Bei der stilistischen Würdigung des im Kopfe liegenden Darm-
abschnittes darf man die Eigenschaften der Nasenschläuche nicht
übergehen; denn sie stehen im engen Konnexe zum Stomodäum, so-
wohl durch die direkte Mündung der Choanen als durch andre topo-
graphische Beziehungen. Da ich die allgemeinen Stilcharaktere vor
längerer Zeit durch A. BEECKER und W. BLENDINGER habe umreißen
lassen, hebe ich hier bloß die systematisch wichtigsten Merkmale hervor.
Sie sind in der sagittalen Streckung der Muschelregion M und der
ausgiebigen Entfaltung des Cribrums Or gegeben (Fig.7). Die Muschel-
region dehnt sich oral vor dem Mittelraume aus. Das Cribrum
wächst dieht über dem Canalis choanostomalis aboral, seine hinterste
Tasche, Metacribrum, dringt fast bis zur Hypophyse in den Ver-
knöcherungsherd des Basisphenoid vor, weshalb sie auch Keilbein-
höhle genannt wird. Außerdem entsendet das Cribrum einen großen
Nebensack, den Sinus maxillaris, an die Seitenwand der Kaukammer,
der vom Össificationskerne des Maxillare ganz umfaßt wird. Die
reichliehe Bildung der cribralen Seitentaschen harmoniert mit der
transversalen Verbreiterung der Kaukammer in der Molargegend und
den vorspringenden Wangen des Gesichtes.
Bei den Sauropsiden vermisse ich durchweg die homologen
Charaktere, dort gewinnen die Nasenschläuche niemals eine so wich-
tige Bedeutung für die Plastik des Stomodäums und des Antlitzes selbst.
Über den Begriff »Gaumen«. 695
Alle eben zusammengefaßten Eigenschaften hängen untrennbar
zusammen. Sie sollen in Erinnerung gerufen werden, wenn man
nach dem Grundsatze: Pars pro toto ein Merkmal herausgreift und
vom harten und weichen Gaumen der Säuger spricht.
Il. Sauropsida.
In der Mundhöhle ist nicht nur die periphere Randnische r%
und der Mittelraum »»r angelegt, sondern am Dache des Mittelraumes
wieder ein peripherer niedriger Teil (Anstieg, As) und ein medianer
höherer Abschnitt, die Orbitalrinne om unterschieden. Die schmale
Randnische enthält kleine Zähne; denn die Speise wird auch bei
jenen Arten, welche Zähne besitzen, nicht in der Mundhöhle gekaut.
Im Verhältnisse zur Randnische ist der Mittelraum relativ groß und
weit geöffnet, höchstens die Orbitalrinne wird durch stärkere Ein-
biegung der Seitenwand mehr abgesetzt.
1. Sauria (Fig. 8—17).
Die Randnische ist außerordentlich schmal; ihre der langen
Maulspalte entsprechend langen Seitenflügel bergen dünne konische
Zähne, welche die Beute bloß festhalten, nicht kauen können. Das
Dach der Randnische ist bisher von uns unter dem Namen »Kiefer-
spange« beschrieben worden. Die Grenzleiste gl bildet eine deut-
liche Marke zwischen Randnische und Mittelraum. Bei jungen Em-
bryonen sind beide Abschnitte minder deutlich abgehoben. Da die
Seitenflügel der Randnische wenig dorsal gekrümmt sind, ist die
Grenzleiste anfangs nur als unbedeutende Biegung skizziert. Erst
allmählich tritt sie schärfer heraus, um eine während des ganzen
Lebens dauernde Marke zu werden im Gegensatze zu ihrer ephe-
meren Existenz bei Säugern.
Der Mittelraum mr ist ein über die Randnische dorsal empor-
dringender Teil der Mundhöhle von ansehnlicher Breite. Während
er bei den Säugern /Fig. 3) einer schmalen vierkantigen, dem Mund-
dache eingegrabenen Rinne gleicht, fügt sich bei den Sauriern seine
Wand wie ein niedrig gespanntes Zelt zwischen die Kieferspange
ein. Die besondere Krümmung derselben berechtigt uns, zwei Etagen
des Mittelraumes zu unterscheiden: die engere dorsal gewölbte Orbital-
mulde 0» und unter ihr einen niedrigen, breiten, über der Zunge
bzw. dem Mundboden stehenden Abschnitt As, dessen Wand ich
früher als »Anstieg«, soweit das Vomerpolster reicht, und als orbi-
Morpholog. Jahrbuch. 41. 45
696 A. Fleischmann
tale Randkehle unterscheiden ließ. Jetzt freilich sehe ich ein, daß
es richtiger ist, beide Strecken nicht durch den Namen zu trennen.
Daher werde ich sie künftig in der Bezeichnung Anstieg zusammen-
fassen. Derselbe biegt von der Grenzleiste etwas dorsal, um eine
Fig. 8. Fig. 9.
4.
24
RE ne 77 er u
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nF O7
Fig. 10. Fig. 11.
Querschnitte durch die Mundhöhle von Chalcides ocellatus. Vergr. 8/1.
As Anstieg, ch Choane, gl Grenzleiste, mr Mittelraum, om Orbitalraum, rn Randnische, vom Vomer-
mulde, vp Vomerpolster, zf Zungenfurche, zw Zungenwulst.
Abstand der Schnitte: Fig. 8—9 = 0,56 mm, Fig. 9—10 = 0,52 mm, Fig. 10—11= 0,64 mm.
mehr oder weniger breite Strecke medianwärts horizontal zu ver-
laufen (Fig. 8—15). Darüber wird das Munddach stärker dorsal ge-
.r . F
krümmt und umfaßt den engen Raum der Orbitalmulde om. Infolge
der verschiedenen Krümmung der Mundwand sind die beiden
Fig. 12. Fig. 18.
an -
zw
Querschnitte durch die Mundhöhle von Mabwia multifasciata. Vergr. S/l1.
As Anstieg, ch Choane, gl Grenzleiste, mr Mittelraum, om Orbitalraum, »n Randnische, vum Vomer-
mulde, vp Vomerpolster, z/ Zungenfurche, zw Zungenwulst.
Abstand der Schnitte: Fig. 12—13=1,2 mm, Fig. 13—14=1 mm, Fig. 15=1,36 mm.
Etagen, nämlich Anstiegraum und Orbitalmulde, deutlich gegen-
einander abgesetzt. Auf Querschnitten (Fig. 10, 13, 14) sieht die
Grenze wie eine Falte aus, welche als Palatopterygoidkante bekannt
und um so größer ist, je enger der Eingang in die Orbitalmulde ist.
Meine Beschreibung des Mittelraumes bezog sich auf den unter-
Über den Begriff »Gaumen«. 697
halb der Augen liegenden Abschnitt (Fig. 10, 11, 13—15), wo das
Querschnittsprofil ziemlich gleichmäßig bleibt. In der Nasengegend
(Fig. 8, 12) aber ändert sich das Wandrelief, weil die scharfe Schei-
dung der zwei Stockwerke aufgehoben wird und das Dach des
Mittelraumes in ein tieferes Niveau, d. h. näher an den Anstieg herab-
sinkt. Man kann die morphologischen Beziehungen begreifen, wenn
man für den Mittelraum einen generellen Formbegriff bildet und
durch Ziehen der punktierten Hilfslinien (Fig. 10, 13, 14) sich an-
-schaulich macht, daß die Wand des Mittelraumes als ein auf der
Grenzleiste der Kieferspange ruhendes Muldengewölbe betrachtet
werden kann, dessen rechte und linke Wand medianwärts einge-
buchtet sind, so daß die Enge zwischen den Palatopterygoidkanten
Horizontalprojektion des Deckenreliefs der Mundrachenhöhle von Platydactylus guttatus (Fig. 16) und von
Tejus spec. (Fig. 17). Asund Ok Anstieg, Cs Choane, Am Kaumuskelwulst, Om Orbitalmulde, Pk Grenzkante
zwischen Orbitalmulde und Anstieg, Sp Dach der Randnische, 7% Tubeneingang, Vp Vomerpolster.
die zwei Stockwerke der Orbitalmulde und des Anstiegraumes trennt.
In der Nasengegend (Fig. 8, 12) erfolgt diese mit einer allgemeinen
Erhöhung des Mittelraumes zusammenhängende Umbildung nicht.
Deshalb tritt der hier befindliche Abschnitt des Mittelraumes in der
einfacheren Gestalt der Vomermulde vom auf, welche von einer breiten
Stirnwand, dem Vomerpolster vp, das in der Fortsetzung des Daches
der Orbitalmulde zieht, und ganz niedrigen Seitenwänden, dem An-
stiege (in dem engen von OÖ. HormAnN zuerst gebrauchten Sinne) um-
faßt wird. Vom Mundboden aus gesehen, erscheint die Vomermulde
z. B. von Platydactylus (Fig. 16) wie eine schaufelförmige Verbreite-
rung der Orbitalmulde, in andern Fällen, z. B. bei Tejus (Fig. 17)
schmal und lang gezogen.
Die Choanen ch der Nasenschläuche schauen in die Vomermulde
45*
698 A. Fleischmann
des Mittelraumes und fallen wegen dieser Lage und ihrer lang ge-
streckten Form bei Besichtigung des Munddaches sofort auf. Sie
nehmen eine morphologisch wichtige Lage ein, weil sie gerade an
der Grenze zwischen dem Anstiege und dem Vomerpolster einge-
sprengt sind. In der Orbitalgegend trifft man an der topographisch
entsprechenden Stelle die Einengung des Mittelraumes durch die
Palatopterygoidkanten. Das hintere, meist rundlich erweiterte Ende
beider Choanenspalten schaut in den vorderen Teil der Orbitalmulde.
Da keine Kauarbeit in der Mundhöhle erfolgt, bleibt das Zahn-
gehege schwach. Die mediane Verbindung der Prämaxillae genügt
zur Festigung der Mundknochen. Die Maxillae gewinnen ebenso-
wenig als die Palatina und Pterygoidea eine mediane Berührungs-
kante. Aber die beiden Vomerstücke besitzen dank der freien Lage
der Choanen einen großen Wert als integrierende Stützknochen des
Munddaches.
Die kleine flache Zunge ist muskelarm und nicht so beweglich
wie bei Säugern. Sie liegt lediglich dem Vomerpolster an und bleibt
dem Orbitalgewölbe fern, welchem schon der Rachenboden mit dem
Kehlkopfe gegenüberliegt, während bei Säugern der Kehlkopf weiter
halswärts steht.
2. Ophidia (Fig. 18, 19).
Trotz der einseitigen Ausgestaltung der Mundhöhlengegend für
die eigentümliche Art der in größeren Intervallen erfolgenden
Nahrungsaufnahme und die Bewältigung mächtiger Bissen, welche
in der Dehnbarkeit der Mundspalte und gesamten Mundhöhle, sowie
in der Verschiebbarkeit der anliegenden Knochen begründet ist, läßt
sich die nahe Formverwandtschaft der Schlangen mit den Sauriern
Fig. 18. Fig. 19.
DS
a mr a P, E
Querschnitte durch die Mundhöhle von Tropidonotus natrix. Vergr. S/l.
el Außere, il innere Zahnleiste, mr Mittelraum, rn Randnische, zw Zungenwulst.
nicht verkennen, wenn man junge Embryonen untersucht, bei denen
Mittelraum und Randnische deutlich angelegt sind. Die spätere Form-
entwicklung gipfelt hauptsächlich in der bedeutenden Verlängerung
der lateralen Randnischenflügel, welche an der sagittalen Ausdehnung
der Maxilla bei allen nicht giftigen Schlangen abzulesen ist, und der
\
’erane);
Dubera und &
anien Tahiz
Bel son enikn ; f
res Beate srwlei:
Be
’ u}
OD er
ss
. w. e, RER, ü
re
Über den Begriff »Gaumen«. 699
in noch höherem Grade als bei den Sauriern erfolgenden Abflachung
des Mittelraumes. Nur der orale Vorderteil (Fig. 18) desselben dicht
hinter den Choanen beharrt in einer stärkeren Dorsalwölbung, die
übrigen Teile des Mittelraumes (Fig. 19) flachen ab. Sogar die
parachoanale Stirnwand wird aus ihrer anfänglich schrägen Neigung
fast flach gestellt, ein Formenzug, der auch bei manchen Sauriern
zu beobachten ist.
Die Choanen sind nicht lang gestreckt, sondern rund und
schauen ausschließlich in das kleine Orbitalgewölbe. In früher
Embryonalzeit besitzen sie eine leistenförmige Verlängerung, an
welcher das Jacogsonsche Organ hängt. Da aber die Leisten später
schwinden, ist das flache Vomerfeld nicht durch Choanenspalten von
dem Anstiege getrennt und die JAcoBSoNschen Organe zeigen ge-
trennte Öffnungen auf dem Vomerfelde.
Die Abfiachung des Mittelraumes ist ein Korrelat der bei
Schlangen auftretenden inneren Zahnreihen 2/, welche entlang den
Verknöcherungsherden: Palatina und Pterygoidea angelegt werden.
Innere und äußere Zahnreihen sind in Deckfalten verborgen. Grenz-
kanten fehlen. Als Homologon betrachte ich die innere Deckfalte
des äußeren Gebißwulstes; das flache Tal zwischen dem äußeren und
inneren Gebißwulste vergleiche ich dem Anstiege.
Der Mundboden ist noch kürzer als bei Sauriern. Die lange
Zunge wird in einer ventralen Nebentasche gleich einem Präputium
geborgen, so daß der Kehlkopf und die vordere Rachengrenze sehr
dicht hinter der unteren Starrlippe bzw. Zahnreihe liegen.
3. Chelonia (Fig. 20, 21).
Ohne Schwierigkeit lassen sich in der kurzen Mundhöhle die von
hornigen Starrlippen begrenzte Rand- oder Schnabelnische und der
flach gewölbte kleine Mittelraum unterscheiden. Die Niveauunter-
Fig. 20. Fig. 21.
ch
nr ‚gi
zw
mr IN
Den] &
Querschnitte durch die Mundhöhle von Chrysemys marginala. Vergr. 8/1.
ch Choane, gl Grenzleiste, mr Mittelraum, rn Randnische, zf Zungenfurche, zw Zungenwulst.
schiede sind freilich sehr gering. Die rückwärts gerichteten Choanen-
gänge ch der Nasenschläuche münden in das Vorderende des kurzen
Mittelraumes, welcher keine weitere Gliederung durch Anstieg und
Palatopterygoidkanten zeigt. Von dem A-fürmigen Grenzrande der
700 A. Fleischmann
Schnabelnische steigt die Mittelwand dorsal empor, um ein einfaches
Muldengewölbe zu bilden. Ein kurzer, an die Choanen anstoßender
Teil. des Mittelraumes (Fig. 20) wird durch eine mediale Kante in
zwei symmetrische Räume geteilt. Die Zunge, der weiche Mittel-
wulst des Bodens, ist durch die seitlichen Zungenfurchen x/ deutlich
abgegrenzt (Fig. 21). Die hier herrschenden Zustände können mit
den Befunden bei Sauriern nicht direkt verglichen werden. Erst
wenn man die in Fig. 10 eingezeichnete Hilfslinie betrachtet, versteht
man die stilistische Verwandtschaft (Fig. 21).
4. Aves (Fig. 22—27).
Auch bei den Vögeln ist das Stomodäum in Randnische und
Mittelraum gegliedert. Die Randnische wird als Schnabelnische aus-
gebildet mit weiter Maulspalte, stark verhornten Lippen (Schnabel-
scheiden) und flacher dorsaler bzw. ventraler Wand.
Die Grenzleisten gl scheiden (Fig. 22) bei vielen Arten die
Fig. 22. Fig. 23. Fig. 24.
09 k
om. ER pr
gi
nr
mn
UND EDIE ir
Querschnitte durch die Mundrachenhöhle von Fringilla canaria. Vergr. 8/1.
As Anstieg, gl Grenzleiste, mr Mittelraum, og Orbitalenge, om Orbitalmulde, pf Pharynxfalte, 2 Tube,
tp Yubopharynx, Zr Trachea, «p unterer Pharynxraum, zw Zungenwulst.
Schnabelnische von dem Mittelraum, welcher wieder in zwei Stock-
werke: den Anstiegraum und die Orbitalmulde zerfällt, aber mit dem
Unterschiede, daß die Orbitalmulde schmal und der Anstieg breiter
ist, während die Dimensionen beider Zonen bei Platydactylus (Fig. 16)
sich gerade umgekehrt verhalten. Deshalb ist hier eine deutlichere
Trennung des ventralen und dorsalen Stockwerks zu konstatieren.
Der Anstiegraum ist flach und entsprechend der schmalen Zunge
wenig breiter als die Orbitalmulde.
Da der Anstieg nahe gegen die Medianebene reicht, läßt er eine
schmale Kommunikationsenge og, welehe bisher Choanenspalt hieß, als
Eingang in die obere rinnenartige Orbitalmulde frei. Im Gegensatz
zu den Sauriern erstreckt sich die Verengung nicht bloß über
die Orbitalregion s. str., sondern auch über die Choanengegend
(Fig. 25), welche bei den Sauriern unverdeckt bleibt. Das Vomer-
polster wird nicht breit entfaltet; die niedrigen Choanen liegen dicht
nebeneinander, hingegen der Anstieg gewinnt ansehnliche Breite, so
daß die Choanen ausschließlich in die Orbitalmulde schauen. Wäre
Über den Begriff »Gaumen«. 701
nieht die Orbitalenge so ausnehmend schmal, so würde das Vomer-
polster frei am Munddache liegen, genau so wie bei Sauriern. Bei
kleinen Vögeln sind die Uhoanen eng und rund und erinnern an
den Zustand von Schildkröten und Schlangen.
Der Pharynx wird in zwei höchst ungleiche Stockwerke ge-
gliedert (Fig. 24) durch Einbiegung der lateralen Wand. Die so ent-
stehenden Pharynxfalten sind jedoch dorso-ventral schräg geneigt und
breit, so daß sie wie Stücke der Wand des unteren weiten Pharynx-
raumes aussehen, in welchem die Fig. 25.
Kehlritze liegt. Durch die stär-
kere mediane Zusammenschie-
bung ihrer dorsalen Grenzen
heben die Pharynxfalten pf einen
außerordentlich kleinen Teil ip
des Pharynxlumens samt den
beiden Tubenöffnungen, den Tubo-
pharynx (= Antrum tubarum) wie
eine schmale Nebentasche ab.
In der späteren Embryonalzeit
wächst der untere Kehlrachen «up
zu einem geräumigen und erweite-
rungsfähigen Abschnitt aus und
die Pharynxfalten gewinnen an
transversaler Ausdehnung; daher
erkennt man bei der üblichen
Betrachtung des gespaltenen
Stomopharynx (Fig. 25) die Zer-
legung der Rachenhöhle in zwei Amnürchentuc vn Talın Amaion ae
Stockwerke nicht so leicht und bitalenge, / Ösophagus, g hintere Papillenreihe,
sieht bloß zwischen ne ka
fälligen Pharynxfalten sden mini- »' »", p" Papillenreihen des Anstiegfeldes,
2 ODE r Hinterrand und s Oberfläche der Pharynxfalten.
malen Eingangsspalt © in den
Tubopharynx. Hauptsächlich aus diesem Grunde ist die stilistisch
so wichtige Abgliederung des Tubopharynx bisher unverstanden ge-
blieben. Der morphogenetische Kontrast zu den Sauriern liegt also
in dem Umstande, daß die Tubengegend des Pharynx dort weit und
kaum geteilt, das Vomerpolster breit gehalten ist und lediglich die
Orbitalmulde eine enge Gratrinne erhält, während bei den Vögeln
die ganze dorsale Zone des Stomopharynx verschmälert und durch
starke Einengung von dem weiten ventralen Stockwerke faktisch
N de
702 A. Fleischmann
abgetrennt wird. Die Grenze der Stomodäums suche ich gerade an
dem oralen Rande (Fig. 26) der engen Tubopharynxtasche tp. Dort liegt
bei jungen Embryonen die Hypophysenwurzel, doch sind eingehende
Untersuchungen zur definitiven Entscheidung der Frage notwendig.
Fig. 26. Teilweise besteht im Stomo-
pharynx strenge Formspiegelung
zwischen Boden und Dach. Die
aus dem dehnbaren Boden vor-
ragende Zunge schmiegt sich, wie
GÖPPERT zeigte, dem von der
Grenzleiste umrahmten Anstieg-
a ER feldean. Jeinniger bei einzelnen
iin Conan Yen. Ali. Arten (z. B. Raubvögeln) die Zunge
ch Choane, h Hypophyse, k Kanten der Orbital- anliegt, um so klarer ist ihr
un Et Widerschein dem Munddache ein-
geschrieben und die Grenzleisten
konvergieren oral unter einem spitzen Bogen. Die zwei hinteren
Zungenspitzen spiegeln sich bei vielen Arten in einer gleichsinnig
verlaufenden Reihe von Hornpapillen des Munddaches (Fig. 259).
So weit ist die Orbitalenge schmal (Fig. 25a), rückwärts divergieren
die symmetrischen Kanten, weil sie nieht mehr so weit median
vordringen. Diesem weiteren Abschnitte der Orbitalenge (Fig. 25.«”)
liegt die Kehlritze gegenüber. Der häufig durch Papillen ausge-
zeichnete caudale Rand des Kehlkopfhügels ‚schmiegt sich den
Pharynxfalten an und sperrt dadurch den Rachen gegen die Speise-
röhre ab.
5. Crocodila (Fig. 27).
Die Krokodile weichen durch die Verlängerung und Abplattung
des vorderen Kopfbezirkes (Schnauze), das große zahnbewehrte Maul
mit langer Spalte, die kleinen Augen, die versteckte Lage des
Trommelfelles, die enge Tube und viele andre Charaktere des inneren
Baues sehr stark von den übrigen Reptilien ab. Die unerwartet weit
zurückgeschobene Lage der sog. Choanen an den Pterygoidea, die
mediane Naht zwischen den Maxillae, Palatina, Pterygoidea und das
von H. RATHKE zuerst signalisierte Gaumensegel verstärken den Ein-
druck des großen anatomischen Kontrastes. Daher ist es begreiflich,
warum man bisher die Mundrachenhöhle der Krokodile weniger auf
Sauropsiden als auf Säuger vergleichend bezogen hat. Nach meiner
Überzeugung aber muß die alte Nomenklatur, welche die Termini
der Säugeranatomie unbedenklich auf Krokodile übertrug, und die
\
Über den Begriff »Gaumen«. 703
dadurch in weiten Kreisen erweckte Ansicht, daß die Krokodile einen
wirklichen harten, sogar einen weichen Gaumen samt einem, wie
FucHs meinte, den Säugern im gewissen Sinne gleichwertigen, jedoch
in der Entwicklung nicht homologen Ductus nasopharyngeus besitzen,
einer neuen und strengen Prüfung unterzogen werden. Ich spreche
meine persönliche Auffassung hier mit sehr großer Reserve aus,
weil ich noch nicht das Glück hatte, Krokodilembryonen genauer.
untersuchen zu lassen, und meine Gedanken lediglich durch Be-
trachtung des fertigen Zustandes gewann. Immerhin halte ich letzteren
für so durchsichtig, daß der Vergleich mit andern Stilabarten unter
den Sauropsiden durchzuführen ist.
Ich verwerfe die allgemeine Ansicht, daß bei Krokodilen ein
harter und weicher Gaumen und Ductus nasopharyngeus vorhanden
sei, hauptsächlich aus dem Grunde, weil die Hypophyse, welche ich
als sichere Grenzmarke zwischen Mundhöhle und Vorderdarm betrachte,
hinter den sog. von den Pterygoidea gestützten Choanen & (Fig. 27)
liegt, so daß der ganze sog. Ductus nasopharyngeus in der Mund-
höhle endet. Daher kann das sog. Gaumensegel RATHKES, jene
bogenförmige Hautfalte gs, welche vor den sog. Choanen an der Unter-
fläche der Pterygoidea angeheftet ist und mit der hinter der Zunge
aufragenden Querfalte f den Verschluß des Einganges in die hintere,
den Kehlkopf bergende Höhle Z herstellt, kein Gaumensegel sein;
denn es liegt in der eigentlichen Mundhöhle. Ferner ist der etwa
birnförmige Raum H, in welchen der Kehlkopf ! hineinschaut, nicht
Rachen schlechthin, sondern aus ecetodermalen wie entodermalen Be-
zirken zusammengesetzt.
Die meisten Vergleichspunkte sehe ich bei den Vögeln gegeben,
deren Ähnlichkeit im Baue des Magens, Herzens, der Lungen, der
Urogenitalorgane usw. anklingt und längst bekannt ist. Freilich ist
die Formverwandtschaft nicht an den frei zutage liegenden Teilen,
sondern an den versteckten Teilen des Stomopharynx wahrzunehmen
und aus diesem Grunde so lange übersehen worden. Das wichtigste
Merkmal ist die dicht hinter den sog. Choanen liegende unpaare
Öffnung ö, welehe durch eine halbmondförmig vorspringende Schleim-
hautklappe geschützt wird. R. Owen hatte sie für die Rachen-
öffnung der Tuben gehalten. Hasse beschrieb später, daß sie in eine
bei alten Krokodilen außerordentlich tiefe Grube führt, welche eine
gegen das Basioceipitale gerichtete Abteilung (Sinus tubarum) mit
den beiderseitigen Tuben und einen medianen nach vorn im Basi-
sphenoid verborgenen Fortsatz besitzt. Er deutete den letztgenannten
704 A. Fleischmann
Fortsatz als Ausstülpung der Rachenschleimhaut gegen die Sella
tureica und die Hypophysis cerebri.
Wer nun genügend viele Längsschnitte durch Vogelköpfe (Fig. 26)
untersucht hat, weiß, daß bei den Vögeln eine durchaus homologe
Seitentasche, der Tubopharynx, vorkommt und daß an der oralen
Spitze derselben die Wurzelstelle der Hypophyse liegt. In der Tiefe
der dorsalen Grube bei den Krokodilen zieht die Grenze des Stomo-
däums. Denn auf dem Längsschnitte (Fig. 27) durch den freilich
nicht besonders gut konservierten Kopf eines Krokodilembryos habe
ich an dem vorderen medianen Ausläufer der Grube Zp die Hypo-
| Fig. 27. physenschläuche % deutlich
hängen sehen, so daß kein
Zweifel bestehen kann, daß
hier eetodermales Epithel ein-
gebuchtet wurde. Obwohl ich
meine Deutung einstweilen pro-
visorisch halte, benutze ich
sie zur Interpretation der an-
Längsschnitt durch den Stomopharynx von Orocodiiw, dern Verhältnisse. Wenn wirk-
Embryo. Vergr. 2/1. lich die Grenze des Stomo-
f untere, gs obere Dichtungsfalte, H hinterer Stomo- Re z
pharynzraum, A Hypophyse, i Eingang des Tubo- däums in der Hypophysen-
pharynx, 4 Larynz, N Nasenhöhle, oe Ösophagus, fubengrube liegt, führt der
ae an 9 Fee Vergleich mit dem Zustand
der Vögel zu der weiteren Konsequenz, daß die sog. Choanen & der
Krokodile als Homologon der Orbitalenge og (Fig. 22, 23), d. h. des
Eingangsspaltes der Orbitalmulde zu deuten sind, und der Unter-
schied gegen die Vögel läge nur darin, daß die Orbitalenge der
Krokodile sagittal kurz ist, während sie bei Vögeln verhältnismäßig
lang wird. Das sog. Gaumensegel gs der Krokodile liegt demnach
im Stomodäum; es ist eine besondere Einrichtung ohne Homologie bei
andern Reptilien, geschweige bei Säugern, und so speecifisch für die
Krokodile, wie etwa die Flughaut und ihre Spannung mittels des
fünften Fingers für die Pterosauria. Es drückt die Vorkehr für
die Bedürfnisse des im Wasser nach Beute haschenden Tieres aus,
wie die Dehnbarkeit des Stomopharynx und die Beweglichkeit aller
angrenzenden Teile die besondere Nahrungsaufnahme der Schlangen
spiegelt.
Das sog. Gaumensegel gs grenzt den vorderen größeren Teil des
Stomodäums deutlich von dem kürzeren hinteren Teile samt Orbital-
enge und Hypophyse ab. Am Munddache sind keine Besonderheiten
Über den Begriff »Gaumen«. 705
wahrzunehmen, durch welche sich Zahnnische und Anstieg unter-
scheiden ließen. Die flache Zunge x liegt am Boden, und zwar vor
der Falte gs des sog. Gaumensegels, welcher eine entsprechende
Bogenfalte f des hinteren Zungenendes gegenübersteht. So selb-
ständig diese Tatsachen erscheinen mögen, ich glaube doch vergleich-
bare Differenzierungen bei den Vögeln namhaft machen zu können.
Denn bei vielen Arten derselben (anscheinend sind es die guten
Flieger) ist das Anstiegfeld des Stomodäums durch Hornpapillen aus-
gezeichnet. Diese hören ungefähr dort, wo die Orbitalenge weiter
wird, mit einem scharfen Rande auf (Fig. 259). Am Mundboden ist
das entsprechende Korrelat in dem scharf abgesetzten, hinteren Zungen-
ende, bzw. den häufig dort vorkommenden Papillen gegeben. Man
kann sich an frischen Objekten leicht überzeugen, daß die beiden
Papillengruppen im Ruhestande dicht aufeinander schließen und den
Teil des Stomopharynx, durch welchen der respiratorische Luftstrom
zwischen Choanen bzw. Orbitalmulde und Kehlritze streicht, schnabel-
wärts absperren. Daher nenne ich die bisher so wenig beachteten
Differenzierungen »Dichtungsplatten der dorsalen und ventralen
Mundwand«.
Wie mir scheint, können sie nach Lage und Funktion mit den
beiden Dichtungsfalten der Krokodile verglichen werden, welche den
oralen Teil des Stomopharynx gegen den laryngealen Raum ab-
schließen; denn das gemeinsame Moment besteht in der Möglichkeit,
zwei hintereinander liegende Teile des Stomopharynx ohne Rück-
sicht auf ihre embryonale Genese, die Schnabelzungenkammer und
den Kehlritzenraum, am lebenden Tiere so sicher zu scheiden, daß
die Krokodile ohne Benetzungsgefahr für die Kehlritze ihr Maul
auch unter Wasser öffnen können, und daß der Luftweg des
fliegenden Vogels gegen den Schnabelzungenraum gedichtet ist.
Hinter der dorsalen Dichtungsfalte liegen bei den Krokodilen die
sog. Choanen x dicht zusammengedrängt. Ich beurteile die ovalen
Öffnungen aber nicht als Endpforten des paarigen Ductus naso-
pharyngeus, sondern als Orbitalenge, d. h. als Eingang in die Orbital-
mulde, weil mir die Ähnlichkeit mit den Vögeln unverkennbar
scheint. Die Orbitalenge der Vögel ist freilich lang gezogen, spitz-
winkelig und von dieht genäherten Kanten umsäumt, so daß man
die Orbitallichtung in den meisten Fällen nieht direkt überblickt.
Bei den Krokodilen ist die Orbitalenge dagegen sehr kurz und von
einem rundlichen Randsaum umschlossen, jedoch liegt sie der im
Tubopharynx versteckten Hypophyse ebenso nahe, wie bei den Vögeln.
706 A. Fleischmann
Daher habe ich die neue Deutung der sog. Choane vorläufig aus-
gesprochen, um später ausführlich darauf zurückzukommen.
Die eben skizzierten Tatsachen führen mich zu dem Schlusse,
daß der Ausdruck »fortschreitende Reihe der Gaumenbildung« das
wirkliche Verhältnis des Baues der Mundrachenhöhle für die syste-
matischen Gruppen der Amnioten nicht richtig charakterisiert. Die
anatomischen Unterschiede sind so groß und hängen innig mit bio-
logischen und physiologischen Kontrasten zusammen, daß die Gruppen-
typen sich bei gründlicher Erwägung aller Einzelheiten als funk-
tionelle Gegensätze herausstellen, welche nicht stufenweise aufein-
ander bezogen werden können, sondern als Einrichtungen anzu-
erkennen sind, um auf recht verschiedene Weise Nahrung zu
ergreifen und in den Magen zu befördern.
Nach der Darlegung meiner Ansicht über den morphologischen
Stiltypus des Stomopharynx und seiner biologisch notwendigen
Varianten bei den Amnioten will ich ausdrücklich betonen, daß mir
einzelne Thesen einer gründlichen Durcharbeitung bedürftig scheinen.
Schon habe ich mehrere Schüler aufgefordert, die Sonderfragen ge-
nauer zu verfolgen, und Anstalten getroffen, vollständigeres Material
von Embryonen zu erlangen. Immerhin glaube ich gezeigt zu haben,
daß die herkömmliche Sitte, Vorsprünge der Mundschlundwand als
Falten zu registrieren, durch eine bessere morphologische Anschauung
ersetzt werden kann, welche auf die Gesamtform der Stomopharynx-
höhle, bzw. ihrer Wand und Umgebung Rücksicht nimmt und die
allgemeinen Begriffe auf eine fundamentale Embryonalphase und
deren fortschreitende Veränderung gründet, anstatt wie bisher den
fertigen Zustand und vornehmlich sein Knochengerüst allein ins
Auge zu fassen. Die knöchernen Teile soll man zwar nicht vernach-
lässigen, jedoch nach meiner festen Überzeugung wird die Gemeinsam-
keit der Stilcharaktere richtiger an den Weichteilen abgelesen, weil
die Verknöcherungsherde mehr oder weniger weit von der Wand des
Stomopharynx entfernt sind und nicht bloß zu dieser, sondern zu vielen
andern Teilen der Kopfmasse, besonders zu den Muskeln enge Be-
ziehungen haben, welche ihre Gestalt wesentlich beeinflussen. Es
wird noch emsige Arbeit erheischen, um die verwickelten Abhängig-
keitsverhältnisse klarzustellen.
Erlangen, 30. März 1910.
x
’
P)
D
u {
5.
6.
Über den Begriff »Gaumen«. 707
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Verbindungen des Platysma mit der tiefen
Muskulatur des Halses beim Menschen.
Von
Georg Ruge.
Mit 9 Figuren im Text.
Die Verbindung des Platysma mit. der tiefen Muskulatur des
Halses ist an der Leiche eines 62 jährigen Mannes beobachtet worden.
Sie ist durch ein beiderseitiges Auftreten besonders beachtenswert,
da dieses gegen eine zufällige, etwa postembryonal entstandene
Bildung spricht, vielmehr auf eine frühe Anlage hinweist.
Der linksseitige Befund unterscheidet sich vom rechtsseitigen
durch die Art der Verbindung des Platysma mit der tieferen Mus-
kulatur. Die Beziehungen beider zueinander gestalten sich dadurch
mannigfaltiger und erhöhen die morphologische Bedeutung des
Tatbestandes.
Ein Zusammenhang des Platysma besteht rechts mit dem
hinteren Bauche des Biventer mandibulae, links mit der Muskulatur
des Schlundkopfes. Der Verband ist beiderseits ein inniger und
deutet ebenfalls auf eine frühe Anlage des Zustandes hin.
1. Rechtsseitiger Tatbestand und Beurteilung desselben
(Fig. 1).
Etwa 5 cm unterhalb der oberen Nackenlinie des Schädels
und von der dorsalen Mittellinie entfernt, entsteht auf dem
Sterno-cleido-mastoideus ein Nackenbündel des Platysma. Es.
gelangt in einer Breite von 18 mm unter das Ohr, dann vor das-
selbe zum Gesicht und strahlt in ihm, 5 cm vor dem Gehörgange,
in der Nähe des Ursprungs des Jochbeinmuskels aus. Auf der
Figur ist dasselbe nur in seiner Lage auf dem Sterno-eleido-
mastoideus dargestellt worden.
Verbindungen d. Platysma mit der tiefen Muskulatur d. Halses beimMenschen. 709
Ein höher gelegenes Nackenbündel entspringt zweizipflig, 3,9
und 4,5 cm von der Protuberantia oceipitalis externa entfernt, in
der Mittellinie auf dem Trapezius. Es ist auf der Figur als Varie-
tät bezeichnet. Aus beiden Zipfeln geht ein 2 mm breites, ge-
schlossenes Muskelband hervor. Dasselbe zieht in querer Richtung
vorwärts und geht auf dem Sterno-eleido-mastoideus in eine Sehne
über, welche sich bald spaltet. Ein oberer Abschnitt breitet sich
auf dem Sterno-cleido-mastoideus aus; ein unterer, schlanker,
aber derber Sehnenstrang setzt sich auf dem Muskel, etwa 1 cm
von dessen Vorderrand entfernt, wieder in ein muskulöses Band
fort. Ein Übergang in den Gesichtsteil des Platysma erfolgt nicht.
Fig. 1. Fig. 2.
a Platysma=- pharyngeus
2 NMTENE
N TER ze EU
DEN iR Hint. Bauch des Biventer
mardibulae
\ NN \ M.stplo=
N a re Ar la J J L
dh N } Y,
EN | Wu \\ Na Varietät WW MM j \Y
INS N \S Ih Trapezius
\ I \ Nacken-Gesichts = 7 N Kr &
I bündel (Platysma). IH \. Sterno-deido-mast.
\ a) MN IE a.
\ RN N V.juqularis int.
\\ \ \ N | M.carotis int.
5; en er N. glosso-pharyngeus.
Abnormes Nackenbündel des Platysma, welches in die Tiefe dringt und dem hinteren Bauche des
Biventer mandibulae auf Fig. 1, den Pharynxmuskeln auf Fig. 2 sich anlegt. 1/2.
Statt dessen dringt das Muskelband am Vorderrande des Sterno-
eleido-mastoideus in die Tiefe und ist hier vom Warzenfortsatz des
Schläfenbeines 2,2 em entfernt. Es erreicht den hinteren Rand des
Biventer mandibulae, etwa in der Mitte von dessen Länge. Der An-
schluß an ihn wird durch eine derbe Fascie vermittelt. Während
diese bis zur Zwischensehne des Biventer sich hüllenartig um ihn
vorschiebt, gelangt das Muskelband zur Innenfläche des Biventer
und strahlt unter Abplattung gegen den Zungenbeinkörper aus. Der
Stylo-hyoideus bleibt ohne Beziehung zum abnormen Muskel. —
Das in die Tiefe gelangende Bündel ist ein Bindeglied zwischen
Nackenportion des Platysma und hinterem Bauche des Biventer.
Beide, vom Facialis versorgt, gehören zu einer gemeinsamen
Nerven-Muskel-Gruppe und sind Glieder der Hyoidbogen-Muskulatur.
Platysma und Gesiehtsmuskulatur sind vergleichend-anatomisch
von der Muskulatur des Hyoidbogens abgeleitet worden. Die Tren-
ı
710 Georg Ruge
nung von letzterer ist bei Säugetieren in der Regel vollzogen. Ist
diese Tatsache wegen der funktionellen, hochgradigen Verschieden-
heit zwischen einem subeutanen Gebilde und dem tiefen Skelet-
muskel verständlich, so hat doch das Fehlen letzter Andeutungen
eines anatomischen Verbandes zwischen ihnen den theoretisch ge-
forderten Zusammenhang vermissen lassen. Dieser ist durch den
vorliegenden, seltenen Befund noch erkennbar. Er bestätigt den
vergleichend-anatomisch erbrachten Nachweis der Zusammengehörig-
keit beider Muskellagen. Eine diesbezügliche Bestätigung wurde
auch von der Entwicklungsgeschichte gefordert. Sie hatte dieselbe
in ganz einwandfreier Weise lange Zeit nicht erbracht. Allerdings
war es gelungen, die Anlage des Platysma beim Menschen in der
Höhe des Hyoidbogens nachzuweisen. Das Platysma reicht nach
Karı Ragı? (1887) bei Embryonen von 22 mm größter und 19 mm
Nacken-Steiß-Länge aus dem Bereiche des früheren Hyoidbogens
kaum über den Unterkieferrand empor, so daß eine Gesichts-
muskulatur noch nicht besteht. Das Platysma entwickelt sich
hauptsächlich im Bereiche jenes Schlundbogens. Wir näherten uns
nach diesen Angaben dem Ziele, zu welchem die Ontogenie führen
sollte, erreichten es aber nicht.
Baum und DoBErs haben bei ihren Untersuchungen über »die
Entwicklung des äußeren Ohres bei Schwein und Sehaf« 1905 fest-
gestellt?, daß ein gemeinsames Bildungsmaterial für den tiefen
Muse. stapedius und die oberflächliche Facialis-Muskulatur im Hyoid-
bogen angelegt wird. Es lagert hinter der Ohrmuschelfalte und
hängt in der Tiefe innig mit dem Bildungsgewebe des REICHERTschen
Knorpels zusammen. Aus ihm treten zuerst die Anlagen für die
hinteren Ohrmuschelmuskeln hervor. Das ventrale Platysma mit
allen seinen Derivaten sproßt erst später aus dem dorsalen Ab-
schnitt des gemeinsamen Platysma-Gebietes hervor. Die dorsalen
Derivate des gemeinsamen Platysma, wie es bei Fischen, Amphibien
und Reptilien ausgebildet ist, zeigen nach Baum und DOoBErs eine
frühere gewebliche Sonderung als das ventrale Platysma-Gebiet.
Der ontogenetische Zusammenhang der oberflächlichen Schichten
mit tiefen Muskeln war nur für den Stapedius angegeben. Die
! Über das Gebiet des Nervus facialis. Anatom. Anzeiger, 2. Jahrgang
1887, No. 8. 8. 219-297.
2 Prof. Dr. Baum und Dr. Dogers. Die Entwicklung des äußeren Ohres
bei Schwein und Schaf. Anatomische Hefte, XXVIII. Bd., 2.u.3. Heft 1905.
S. 587—690.
u
Verbindungen d. Platysma mit der tiefen Muskulatur d. Halses beim Menschen. 711
Autoren bestätigten dadurch die von G. Kıruıan (1890)! auf Grund
von Untersuchungen an Amphibien und Reptilien ausgesprochene
Vermutung, daß die oberflächliche Muskulatur der Ohrmuschel bei
Säugetieren gleich wie die tiefe im 2. Schlundbogen angelegt würde.
Für die Entstehung der gesamten Facialis-Muskulatur im Hyoid-
bogen ist J. KoLLmann (1898) eingetreten (Lehrbuch der Entwick-
lungsgeschichte des Menschen. Jena).
R. FurAnura ? hat 1906 festgestellt, daß die gesamte Faeialis-
Muskulatur bei einem 27—-30 tägigen menschlichen Embryo als
ein schmales Bildungsmaterial, und zwar lateral vom skeletogenen
Gewebe des Zungenbeinbogens angelegt ist. Die ganze Anlage
beschränkt sich auf den 2. Sehlundbogen. Bei einem etwas älteren,
3l—34 tägigen Embryo zeigt das Muskelblastem unter Zunahme
seiner Masse eine dorsale und ventrale Ausdehnung. Es hat den
2. Schlundbogen in aboraler Richtung überschritten, damit den Platz
des primitiven Halses erreicht, fast bis zur oberen Schultergegend
sich ausdehnend. Auf diese Weise ist das Platysma in die Er-
scheinung getreten. Ein 35—36 tägiger Embryo läßt die Ausbrei-
tung des dicht gedrängten Muskelblastems über den REıcHErTtschen
Knorpel gegen die Gehörkapsel erkennen. Ein Ast des Faeialis
dringt in ‘diese Bildungsmasse ein. Sie stellt die Anlage der tiefen
Muskeln des 2. Schlundbogens dar (Stapedius, Stylo-hyoideus,
Hinterer Bauch des Biventer). Ihr Zusammenhang mit der ober-
flächliehen Blastem-Masse ist noch erhalten, welche als dünnes
Platysma in die Halsgegend hineinragt. Erst bei einem 6 wöchigen
Embryo ist das Übergreifen des Muskelblastems auf den Kopf ge-
schehen. Hinter dem äußeren Ohr wird ein oceipitaler, vor ihm ein
Gesichtsteil des Platysma unterscheidbar.
Auf Grund der vorliegenden Angaben läßt sich jeder abnorm
erhaltene Verband zwischen oberflächlichen und tiefen Faeialis-
Muskeln verstehen.
Furamura dehnte entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen auf
Amphibien, Reptilien, Vögel und unter Säugetieren auf das Schwein
aus?®. Der Zusammenhang von oberflächliehen und tiefen Muskeln
t Kırııan. G. Zur vergleichenden Anatomie und vergleichenden Ent-
wicklungsgeschichte der Öhrmuscheln. Anatom. Anzeiger V. Bd. 1890. $. 226—229.
2 Über die Entwicklung der Facialismuskulatur des Menschen. Ana-
tomische Hefte, XXX. Bd., Heft 91. 1906.
3 Beiträge zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte der Faeialis-Mus-
kulatur. Anatomische Hefte, XXXI. Bd., Heft 98. 1907
Morpholog. Jahrbuch. 41. 46
712 Georg Ruge
wurde bei der Eidechse in der Hinterhauptsgegend, beim Schweine
hinter dem äußeren Ohr gefunden. —
Die Muskulatur des 2. Schlundbogens ist bereits bei Selachiern
in eine oberflächliche und tiefe Schichte gesondert. Dies Verhalten
kehrt bei Amphibien und Reptilien wieder. Der Zusammenhang
zwischen beiden Schichten bleibt bei Fischen, Amphibien und
Reptilien dorsal hinter dem Schädel, allerdings in sehr verschiedenem
Grade erhalten. Er ist bei Heptanchus, Menopoma, Oryptobranchus
und bei Varanus z. B. dadurch ausgeprägt, daß ein tiefer, zum
Unterkiefer verlaufender, dorsaler Muskel auch noch oberflächliche,
von der dorsalen Halsfaseie entspringende Bündel bezieht, welche
mit der oberflächlichen Schichte den ursprünglichen Verband unter-
halten. Derartige Verhältnisse stimmen im Wesen mit dem vor-
liegenden Befunde überein. Er deutet weit zurück, und zwar bis
auf eine Organisation der Vertebraten, bei welchen der einem
hinteren Biventer-Kopf entsprechende Muskel durch einen Sterno-
cleido-mastoideus noch nicht überlagert, noch nicht ganz in die
Tiefe verlagert worden ist. Es sei zum Vergleiche mit dem Ver-
halten bei Fischen, Amphibien und Sauriern auf die Abbildungen
7, 45-50, 55 und 65 des Aufsatzes in der Festschrift für
C. GEGENBAUR verwiesen!.
Der zum Hyoid gelangende Muskel der Facialis-Gruppe kann
auch bei Säugetieren noch eine oberflächliche Ursprungsstätte
hinter der Ohrmuschel besitzen. Ein solches Verhalten ist z. B. bei
Hyäne und Seehund angetroffen worden. Es zeigt den Ursprung
des beim Menschen im hinteren Bauch eines Biventer mandibulae
erscheinenden Muskels in einer gleichen Lage mit dem Platysma
und ist insofern ein Überbleibsel des Zusammenhanges zwischen
oberflächlicher und tiefer Muskulatur des Hyoidbogens.
Der vorliegende anatomische Tatbestand der Fig. 1 kann im
Zusammenhalt mit den ontogenetischen und vergleichend -ana-
tomischen Verhältnissen, namentlich auch in Rücksicht auf das links-
seitige Verhalten, kaum anders als aus einer frühen Anlage herge-
leitet werden. Trifft das aber zu, so werden oberflächliche und
tiefe Faeialis-Muskulatur nach ihrer Sonderung aus einem einheit-
lichen Blastem wenigstens zuweilen noch beim Menschen im em-
bryonalen Zusammenhang bestehen müssen. Geeignete, entwicklungs-
ı RUGE, G. Über das peripherische’ Gebiet des Nervus facialis bei Wirbel-
tieren. Festschrift zum 70. Geburtstage von CARL GEGENBAUR, III. Bd. 8.195—348.
ne.
Verbindungen d. Platysma mit der tiefen Muskulatur d. Halses beim Menschen. 713
geschichtliche Stadien oder die günstigen, mit innewohnenden,
atavistischen Varietäten-Anlagen behafteten Objekte werden einmal
den geforderten ontogenetischen Zusammenhang einwandsfrei zu-
tage fördern können. Negative Ergebnisse lassen unter Berück-
sichtigung des vorliegenden Falles höchstens noch die Deutung
zu, daß der Zusammenhang häufig, vielleicht meistens, aber nicht
immer aus der Ontogenie ausgeschaltet worden ist.
Hier liegt ein ähnliches Verhalten vor wie etwa für den Pro-
cessus supracondyloideus humeri. Er legt sich beim Menschen in
der Regel nicht mehr an, ist bei Embryonen meines Wissens noch
nicht angetroffen worden, und dennoch muß er bei den ihn be-
sitzenden Individuen wegen vieler zwingender Gründe bereits als
ontogenetische Varietät in die Erscheinung getreten- sein und als
solche durch das ganze Leben hindurch sich erhalten haben. Des-
halb wird er bei ausgedehnteren, entwicklungsgeschichtlichen Unter-
suchungen gelegentlich auch gefunden werden müssen.
Es wird immer wahrscheinlicher, daß die Variabilität bereits
die erste Anlage der Organe beherrscht, daß die vorausgesetzten
Übergangsformen in vielen Fällen nur sporadisch in der Ontogenese
wieder auftreten. Selbst die verschiedenartige und stammesge-
schichtlich durch EmıL ROSENBERGS Forschungen wohl verstandene
Gliederung der menschlichen Wirbelsäule findet bereits in ontoge-
netischen, retro- und prospektiven Variationen ihren Ausdruck. Da-
durch wird die bedeutungsvolle Beurteilung, welche einer Wirbel-
säule mit Vermehrung präsacraler Segmente durch E. ROSENBERG
gegeben worden ist, in nichts geschmälert, wenn auch eine Ver-
minderung präsacraler Wirbel bereits in embryonaler Zeit sich ein-
stellen kann.
Der ontogenetische Verband zwischen oberflächlicher und tiefer
Muskulatur des Hyoidbogens wird immer an Stellen gesucht werden
müssen, wo zuerst K. RagL die Platysma-Anlage hat wahrnehmen
können, wo diese auch durch spätere Untersuchungen gefunden
worden ist, wo der anatomische Befund der Fig. 1 ihn aufs neue
vermuten läßt.
Letzterer ist zur Bestimmung näherer verwandtschaftlicher Be-
ziehungen des Menschen zu niederen Formen durchaus ungeeignet,
da diese, und hier kommen zunächst Simier und Prosimier in Be-
tracht, den primitiven Zustand nicht bewahrt zu haben scheinen.
Der Befund weist vielmehr auf eine ältere Organisation im Verte-
bratenstamme zurück, in welcher die Sonderung der Hyoid-Musku-
46*
714 Georg Ruge
latur in beide Sehiehten wohl durchgeführt ist, die völlige Trennung
beider sich aber noch nicht vollzogen hat (Fische, Amphibien, Rep-
tilien). Es handelt sich daher um die Wiederholung einer allge-
meinen, den Vertebraten znkommenden, primitiven Einrichtung,
welche der Keim vorübergehend zeigt (vgl. FuTAmURA) und aus-
nahmsweise bewahrt hat. Eine angeborene Halsfistel deutet in
ähnlicher Weise weit auf eine gemeinsame Anlage im ganzen
Vertebraten-Stamme zurück, ohne eine bestimmte, nähere Verwandt-
schaftlichkeit des Menschen mit niederen Formen zu belegen.
Der geforderte, nunmehr geleistete Nachweis eines Zusammen-
hanges von Platysma und tiefer Muskulatur des Faeialis-Gebietes
ist nur eine Bestätigung vergleichend anatomischer Erkenntnis.
Stellte die Entwicklungsgeschichte die Anlage des Platysma
im Bereiche des Hyoidbogens, die eraniale Ausbreitung ventral und
dorsal vom äußeren Gehörgange sowie die hochgradigen Umbildungen
der gesamten Gesichtsmuskulatur fest, so werden diese Vorgänge
doch nur die in der Stammesgeschichte erworbenen und als ver-
erbt wieder auftretenden Umwandlungen sein können. Die eigent-
lichen treibenden Ursachen für die Ausbildung einer mimischen
Muskulatur können unmöglich in der Ontogenie gefunden werden;
sie bringt im Individuum zu rascher Entfaltung, was in der
Stammesgeschiehte langsam sich durch Anpassungen an mannigfache
äußere Bedingungen zu hoher Vollkommenheit entwickelt hat.
2. Linksseitiger Tatbestand und dessen Beurteilung (Fig. 2).
Ein Nackenbündel des Platysma entsteht zweizipflig in der
Höhe der oberen Nackenlinie des Schädels. Ein Zipfel geht sehnig
in der Nähe der Protuberantia oceipitalis externa aus. Er ver-
bindet sich mit einem zweiten Zipfel, welcher, 5 cm hinter dem
Processus mastoides und 1,5 em von der oberen Nackenlinie ent-
fernt, auf der Endsehne des Sterno-eleido-mastoideus entspringt.
Die Vereinigung beider Zipfel erfolgt auf der Grenze von Bauch
und Sehne des letzteren. Als 7 mm breiter Muskelstreifen gelangt
das abnorme Gebilde, nach dem Übergang in eine derbe dreh-
runde Sehne, gegen den Vorderrand des Sterno-eleido-mastoideus.
Hier setzt sich die derbe Sehne in einer Länge von 1,6 em in
die Tiefe fort. Dann geht sie aufs neue in einen Muskelbauch
über, welcher eine Breite von 2 mm erreicht. Dieser schlägt einen
medial absteigenden Verlauf ein, lagert dabei vor der V. jugularis
interna und der Carotis interna. Weiter medianwärts lehnt sich
Verbindungen d. Platysma mit der tiefen Muskulatur d. Halses beim Menschen. 715
das Muskelband dem Unterrande des Stylo-pharyngeus an. Der
Nervus glosso-pharyngeus lagert anfangs hinter beiden Muskeln,
schlingt sich darauf seitlich um den abnormen Muskel herum und
dringt schließlich vor dem Stylo-pharyngeus in die Wand des
Schlundkopfes ein. Das abnorme Platysma-Bündel selbst endigt im
Längsverlaufe in der seitlichen und hinteren Pharynx-Wand. Seine
Gesamtlänge vom Ursprunge bis zur Anlagerung an den Stylo-
pharyngeus beträgt nicht weniger als 12 cm.
Der abnorme Muskel stellt eine Art von Platysma-pharyngeus
dar. Er,zeigt keinerlei Gemeinschaft mit dem Stylo-hyoideus und
mit dem hinteren Biventer-Bauche. Indessen gibt sich eine engere
Beziehung zum Stylo-pharyngeus zu erkennen: erstens durch die
gleiche Lage zum Nervus glosso-pharyngeus, zweitens durch den
übereinstimmenden Verlauf bis an die Pharynx-Wand, drittens durch
die gemeinsame Längsausstrahlung in derselben.
Die Zugehörigkeit zum Gebiete des Nervus glosso-pharyngeus,
dureh die Innervation allerdings nicht unzweifelhaft festgestellt, ist
aus dem Gesamtverhalten zu entnehmen.
3. Beiderseitiges Verhalten. Beurteilung.
Der abnorme Platysma-Teil geht beiderseits unweit von der
oberen Nackenlinie des Schädels und der Medianlinie aus. Er senkt
sich auf beiden Körperhälften in nahezu gleicher Höhe vom Vorder-
rande des Sterno-celeido-mastoideus aus in die Tiefe ein. In ihr
findet rechts und links eine verschiedene Verbindung statt, rechts
mit dem hinteren Biventer-Bauch, links mit der Pharynx-Wand.
Als Teil des weit auf den Nacken‘ ausgedehnten Platysma
wurde das abnorme Gebilde beiderseits dargestellt und erst bei
weiterschreitender Präparation in seiner Eigenartigkeit erkannt.
Rechts liegt für den abnormen Muskel die Zugehörigkeit zum
Faeialis-, links zum Glosso-pharyngeus-Gebiete vor.
Das Platysma enthält im vorliegenden Falle also geringe Mengen
von Glosso-pharyngeus-Elementen. Ob solche auch dem normalen
menschlichen Platysma zukommen, ist nicht bekannt.
Facialis- und Glosso-pharyngeus-Bündel des Platysma gehen
beiderseits von einander nahezu entsprechenden Stellen des Nackens
aus. Sie werden daher in der Kombination des beiderseitigen Ver-
haltens nur im engsten Anschluß aneinander vorzustellen sein.
Das gemeinsame Eindringen in die Tiefe bringt sie durch den
'
716 Georg Ruge
Übergang in die Muskulatur des 2. und des 3. Schlundbogens auch
hier in nächste gegenseitige Berührung.
Nun schließen oberflächliche, dorsale Lagen beider Muskel-
zebiete bei Fischen und Amphibien noch auf das allerengste an-
einander, obschon bei letzteren bereits eine teilweise hochgradige
Verschiebung beider oberflächlicher Muskellagen gegeneinander
eingeleitet ist. Die Fig. 3 zeigt die Einheitlichkeit der Muskel-
platte, wie sie bei einem Hai (Acanthias) sich darstellt. Die ein-
heitliche Platte breitet sich zwischen Schädel und Schultergürtel
von der dorsalen bis zur ventralen Körperwand aus. Sie ist durch
Fig. 3.
Retr.p.s. Czmd.
l,
/ /
f
R. c. max. R. c. C2a m.v. hor. Zw. Ca vd.
fac. md. fac.
Seitenansicht der Schädel-Kiemengegend von Acanthias vulgaris. 2/3. Der Konstriktor der Schlund-
bogen setzt sich aus fünf Teilstücken (O2) zusammen, von denen (2 dem Gebiete des Nervus
facialis, Ca dem des N. glosso-pharyngeus zugehört. Der Dorsalabschnitt der Muskelplatte ist ge-
schlossen, wenn schon er in Segmente zerlegt ist. Er bedeckt den Trapezius.
die Kiemenspalten und durch von diesen ausgehende Scheidewände
segmentiert. Das vorderste Teilstück (C,) ist vom Facialis, das
2. (C;) vom Glosso-pharyngeus und die folgenden Stücke (C,— C;)
sind vom Vagus versorgt.
Bei urodelen Amphibien ist eine Trennung der Muskelplatte in
die den einzelnen Schlundbogen zugehörigen Abschnitte erfolgt.
Diese schließen bei Oryptobranchus dorsal noch aneinander, trennen
sich ventralwärts bei ihrem Verlaufe zu den tiefer gelegenen Skelet-
teilen (Fig. 4). Facialis-Glosso-pharyngeus-Gebiete (C, + C,) grenzen
also immer noch aneinander. Bei andern Formen hat das Faeialis-
Gebiet (C,) an Ausbreitung gewonnen und sich als oberflächliche
Schichte weit caudalwärts über die Muskulatur des 3. Schiundbogens
(C3) verschoben. Immerhin ist zwischen Schädel und Gliedmaße
Dirt
dureh?
Verbindungen d. Platysma mit der tiefen Muskulatur d. Halses beim Menschen. 717
die einheitliche Muskelplatte dorsal auch hier noch erhalten; sie ist
aber geschichtet. Ein derartiges Verhalten findet sich bei Menopoma
Fig. 4. i
Camd.(er.) Camd. Trap. Trap.
Cad. 1A |
Add. md, |
R.c.md.fac. AR.c. Fac. Thym.
ment. fac.
Seitenansicht der Kopf-Halsgegend von Oryptobranchus japonicus. 1/2. Der Konstriktor der Schlund-
bogen (C» _,) ist in seine Komponenten zerlegt, welche dorsal noch aneinander angeschlossen, ventral
jedoch getrennt sind. Die Muskulatur des 2. Schlundbogens (C;) ist von der des 3. Bogens ((5) eine
kleine Strecke weit überlagert.
der Fig. 5, auf der eine oberflächliche, dorsale Schichte der Hyoid-
Muskulatur abgetragen worden ist, um deren tiefe Schichte in der
Lagebeziehung zum Glosso-pharyngeus-Gebiete hervortreten zu lassen.
Re.c.trig. III, Camd.(a.s.)
C2 vd. | \ C
a | IS
Kiem. sp. | X)
(ee vd.
Seitenansicht der Kopf-Halsgegend von Menopoma alleghaniensis. 4/5. Eine oberflächliche Schichte
der Hyoidbogen-Muskulatur (C) ist entfernt worden, um die gegenseitige Lagerung der tieferen
Schichte zur Muskulatur des 3. (65) und 4. (C,) Schlundbogens hervortreten zu lassen.
Ähnliche Einrichtungen können bei Reptilien erhalten sein.
Sie lassen sich stets vom Zustande eines geschlossenen Konstrietor-
Systems der Schlundspaltengegend bei den Haien herleiten.
718 Georg Ruge
Die bei Säugetieren oberflächlich von der Nackengegend aus-
-ehenden Bündel, welehe dem Facialis-Gebiete zugehören und als
Teile des normalen Platysma auftreten, sind denen bei Fischen
und Amphibien gleichwertig. Die abnormerweise aus dem Glosso-
pharyngeus-Gebiete erhalten gebliebenen dorsalen Ursprungsbündel
haben eine gleichwertige Beurteilung zu erfahren, ebenso alle die-
jenigen Faserbündel, welche dorsal eine oberflächliche Lage be-
wahrt haben, ventralwärts aber in die Tiefe dringen.
Der Überrest eines derartigen Anschlusses von oberflächlichen
Lagen beider Muskelgebiete hat sich auf Fig. 1 und 2 in letzten
Andeutungen beim Menschen erhalten. Der beiderseitige Zustand
deutet daher auf niedere Einrichtungen bei Vertebraten zurück.
Aus ihm erklärt sich in diesem Falle die Doppelnatur des Platysma.
Der Zusammenhang oberflächlicher und tiefer Bündel der
Muskulatur ist für beide Schlundbogen in gleicher Weise auf das
primitive Verhalten bei Fischen und Amphibien beziehbar. So
können Platysma-Bündel zum Hyoid gelangen, oder mit der Pharynx-
Muskulatur sich vereinigen, entweder zur 2. oder zur 3. Schlundbogen-
Muskulatur gehörend.
4. Einschlägige frühere Beobachtungen.
a) Facialis-Gebiet.. Le DousLeE! hat, wie dies vor ihm
L. Testut? in seinem wertvollen Sammelwerke ausgeführt hat, eine
teihe von Abweichungen am hinteren Bauche des Biventer mandibulae
zusammengetragen, an welche der vorliegende Fall sich anschließt.
Es kommen hier zunächst nur diejenigen Befunde mit einer Aus-
dehnung von Ursprungsbündeln des Biventer mandibulae auf den
Warzenfortsatz und längs der oberen Nackenlinie bis zur Protu-
berantia oceipitalis externa in Betracht. In diesen Varietäten tritt
die ursprüngliche oberflächliche Lage des Muskels wieder in die Er-
scheinung, wie sie bei Fischen, Amphibien (Fig. 4) und bei Reptilien
noch die Regel zu sein scheint.
Der aus einem gleichen Bildungsmaterial wie der hintere
Biventer-Kopf des Menschen hervorgegangene Muskel heftet sich bei
diesen niederen Vertebraten am Unterkiefer fest und wirkt als
Depressor mandibulae. Er ist noch kein Teil eines zweibäuchigen
Muskels, welcher nur bei Säugetieren angetroffen wird. Bei
' Trait© des variations du systeme museulaire de l’homme. T.I. Paris
1897. p. 118. \
® Les anomalies musculaires chez l’homme. Paris 1884. T.1. p. 2%.
Verbindungen d. Platysma mit der tiefen Muskulatur d. Halses beim Menschen. 719
Hatteria punctata (Fig. 6) z. B. nimmt er eine rein oberflächliche
Lage ein (C, m.d.) Ihm fügt sich caudalwärts die zum Platysma
der Säugetiere sich umbildende, oberflächliche Lage der Hyoid-
Muskulatur an (Cyd.v.). Bei Varanus bivittatus (Fig. 7) hat sich
der Depressor mandibulae (C', m.d.) von der oberflächlichen Platysma-
Lage abgeschichtet und ist von ihr größtenteils bedeckt. Der De-
pressor mandibulae bewahrt seinen dorsalen oberflächlichen Ursprung
auf dem Trapezius und dehnt sich vom Schädel weit nach hinten
Fig. 6.
(a md. Gdv. d. Apon. An. c. spin.
C» d v (m.) G.dv.
Seitliche Ansicht der Kopf-Halsgegend von Hatteria punctata. 4/5. An den hinteren Rand des ober-
flächlich am Nacken entspringenden Depressor mandibulae (C» md.) schließt sich noch unmittelbar der
oberflächliche Zungenbogen-Muskel (C. dr) an.
aus, wobei es an ihm zur Schichtenbildung kommt. Diese ist durch
eine ausgedehnte Anheftung an der Mandibula zustandegekommen.
Unter den Säugetieren kann die oberflächliche Ursprungsportion
eines »hinteren Biventerkopfes« erhalten sein, vom Oceipitale in der
Nähe der oberen Nackenlinie oder vom Warzenteile des Schläfen-
beines ausgehen.
Diejenigen menschlichen Varietäten nun, bei welchen über-
zählige, oberflächliche Bündellagen mit dem hinteren Biventer-Kopfe
oder dem Stylo-hyoideus in der Nähe des Zungenbeines sich ver-
binden, an letzterem ähnlich wie der Biventer-Kopf angeheftet, oder
aber in dessen Nähe geendigt sind, können zu den Stylo-hyoideus-
Biventer-Anomalien mit Fug und Recht gezählt werden. Der auf
Fig. 1 dargestellte Befund gehört hierher, und zwar auf Grund
der Vereinigung des abnormen Muskels mit dem hinteren Biventer-
720 Georg Ruge
Bauche und dem Zungenbeine. Wegen der Einfügung des ober-
flächlichen Nackenursprungs in’ die Bündel des Platysma kann er
aber mit gleichem Rechte als eine Varietät von diesem ausgegeben
werden. Er bildet eben eine Brücke zwischen beiden.
Ein dem hinteren Biventer-Abschnitte angehöriger Muskel ist
von I. P. PErRIN! beschrieben und abgebildet worden. Eine Wieder-
gabe findet sich auf Fig. 8. Der nur links vorhandene, schlanke Muskel
seht an der oberen Nackenlinie hinter dem Processus mastoides
aus. Die Anheftung liegt am Hyoid-Körper im unmittelbaren An-
schlusse an ein selbständig zum Hyoid ziehendes Bündel des Bi-
venter mandibulae. Gegen die dem Muskel durch LE DouBLE ge-
gebene Deutung ist nichts einzuwenden. Ein Stylo-hyoideus wurde
Pi2. 7.
‘E C2 md(sup.f) Cz2m d (pr.)
Fac. C2d. Fac. Cav?
Seitenansicht der Kopf-Halsgegend von Varanus bivittatus. 4/5. Der Depressor mandibulae (C» m d)
bildet eine vom oberflächlichen Platysma bedeckte Schichte. Er ist in zwei Lagen gesondert. Beide
entstehen aus der Nacken-Fascie, vom Schädel aus weit caudalwärts reichend. Das Platysma ist
entfernt.
vermißt. Dieser Umstand legt den Gedanken nahe, das abnorme
Bündel in nähere Beziehung mit ihm zu bringen, was PERRIN auch
getan hat. Eine Entscheidung zu treffen, welche von diesen sich
nahestehenden Ansichten die richtige sei, halte ich beim Mangel
eines genügenden Vergleichsmateriales z. Z. nicht für möglich.
Stylo-hyoideus und hinterer Biventer-Teil sind zu eng verwandte
Glieder.
J. B. Perkın! beschreibt fernerhin einen beiderseits in der
Nähe der Protuberantia oceipitalis externa entspringenden Muskel,
welcher am Körper, am großen und kleinen Horn des Zungenbeins
sich anheftet, außerdem in eine Fascie über dem Constrietor
! Perrıs, J.B. On a peculiar additional digastrie musele. Journal of
Anatomy and Physiology. 1871. Vol. V. pag. 251—256.
Verbindungen d. Platysma mit der tiefen Muskulatur d. Halses beim Menschen. 721
pharyngeus medius übergeht. Die Figur 9 gibt die für uns in Be-
tracht kommenden Verhältnisse wieder. In der Nähe des Hyoids
liegt der Muskel der Innenfläche des Hyo-glossus an. Eine un-
mittelbare Verbindung mit dem Biventer mandibulae besteht nicht.
Der Muskel besitzt daher im Ursprunge Eigenschaften des Platysma,
in der Insertion solche der tiefen Facialis-Muskulatur, zu welcher
unter andern ja auch der hintere Biventer-Kopf gehört.
PERrRIN beobachtete einen ähnlichen Fall an der rechten Seite
einer Frau. Die Anheftungsstelle bildete das große Horn des
Fig. 9.
Fig. 8.
Hinterer
Biventer-
Vccipito-
Mastoideo- hyoideu‘
hyoideus
Seitenansicht der Nacken-Halsgegend. Ab- Seitenansicht von Kopf-Halsgegend. Abnormer Muskel
normer Muskel mit Ursprung hinter dem Pro- mit Ursprung in der Nähe der Protuber. oceipit. ext.
cessus mastoides und Anheftung am Hyoid-_ und Anheftung an den Hörnern des Hyoids. Nach
Körper. Nach J. B. Perry (1871. S. 253). J. B. Perrıv (1871. S. 251.
Zungenbeines (1871, S. 252). Der Muskel besaß also Beziehungen
zum Skelet des 3. Schlundbogens. Es ist nicht zu entscheiden, ob
er dem Facialis- oder dem Glosso-pharyngeus-Gebiete zugehöre.
PERRIN (l. e. S. 255) vergleicht die angeführten Fälle sowie
einen vierten Zustand, welcher aber in diese Reihe gar nicht ge-
hört, mit dem in verschiedene Portionen aufgelösten Stylo-hyoideus
der Vögel, unter Hinweis auf den Tatbestand bei Psittacus erythacus.
Es ist aus vielen Gründen unzulässig, diese menschlichen Varietäten
als gleichwertig mit den sehr spezialisierten Muskeln der Vögel
auszugeben.
b) Glosso-pharyngeus-Gebiet. In die Reihe von Anomalien
722 Georg Ruge
im Muskelgebiete des 3. Schlundbogens gehört ein durch 5. A. West!
beschriebener Fall. Der Muskel besteht beiderseits. Der linke
entspringt unter der Nackenlinie des Oceipitale auf dem Trapezius.
Nach horizontalem Verlaufe senkt er sich am Vorderrande des
Sterno-eleido-mastoideus, wo er sehnig unterbrochen ist, in die Tiefe
ein. Er gelangt zur Außenfläche des Stylo-pharyngeus und schiebt
sich dann zwischen Constrietor pharyngis superior et medius ein.
Bedeckt vom Constrietor pharyngis medius verschmilzt er mit den
Elementen des Constrietor pharyngeus inferior an dessen Dorsal-
wand. Einige Bündel kreuzen sich sogar mit denen des Partners
und des anderseitigen Constrietor pharyngis inferior.
Der auf Fig. 2 abgebildete Befund gleicht dem von West be-
schriebenen durch den Übergang des ganzen Muskels in die Wand
des Sehlundkopfes.. Hierdurch ist jegliche innere Beziehung zum
hinteren Biventer-Abschnitte aufgehoben. Der Muskel gehört einem
weiter caudal gelegenen Segmente an. West fand den rechtsseitigen
Muskel desselben Objektes gleich geordnet, nur schwächer entwickelt.
BovErRO? berichtet ebenfalls von einem von der Nackengegend
ausgehenden und zum Stylo-pharyngeus und Constrietor superior
pharyngis übergehenden Muskel. Derselbe wird also dem 3. Schlund-
bogen zugehört haben müssen.
JOHN ÜCURNow> beschreibt als einen Oceipito-hyoideus, als
eine Abweichung des Digastrieus, einen von der oberflächlichen
Fascie des Splenius capitis ausgehenden Muskel, welcher, vom
Platysma bedeckt, den Sterno-cleido-mastoideus kreuzt, um dann
zwischen Hyoid und der Scheide der Carotis sich zu verlieren.
In einem andern Falle ging ein Muskelstreifen an der Grenze von
Bauch und Ursprungssehne des Digastrieus aus, verlief caudal-
medianwärts über die Mm. styloidei und den Constrietor pharyngeus
medius und verschmolz mit dem oberen Rande des Constr. phar.
inferior, lateral vom Sehildknorpel.
Läßt sich der 1. Fall Curnows nur schwer beurteilen, so ist
der 2. durch den Verband mit der Schlundkopf-Muskulatur wohl in
die Reihe 5b einzuordnen.
' A Peeuliar Digastrie Muscle. A Variety of the Oceipito-Hyoid. Journal
of Anatomy and Physiology. Vol. VIII. 1874. pag. 150-151.
* Monitore zoologico ital. 1895. p. 6.
® Notes on some Museular Irregularities. Journ. of Anat. and Phys.
Vol. VII. 1874 pag. 379,
Verbindungen d. Platysma mit der tiefen Muskulatur d. Halses beim Menschen. 723
ec) Facialis und Glosso-pharyngeus-Gebiet. Die von
M. FrescH! und Le Dousre beobachteten Fälle verraten eine Doppel-
natur bezüglich ihrer Zusammensetzung dadurch, daß die am Nacken
entstehenden Muskeln sowohl zur Zwischensehne des Biventer man-
dibulae als auch zum Constrietor pharyngis superior et medius ge-
langen. Le DougLE hat einen Ast des Facialis zum Muskel ver-
folgen können. Wenn ein Glosso-pharyngeus in der Tat gefehlt
hat, so muß eine Ausdehnung des Muskels in das Gebiet des
3. Schlundbogens angenommen werden. Nachträglich kann darüber
nicht entschieden werden.
Der von FrescH beobachtete Muskel ging vom Oceipitale in
der Nähe des Trapezius-Ursprunges aus. Aus einer 3 em langen
Sehne setzte sich erst ein 4mm breites Muskelband fort, welches
in einen vorderen und einen hinteren Zipfel sich teilte. Der hintere
pharyngeale lagerte dorsal von den Ästen der Carotis externa, was
auch in den Prrrınschen Fällen ausgesprochen war (vgl. Fig. 9).
Der Muskel war ein Oceipito-hyoideo-pharyngeus.
Die Beurteilung der verschiedenen Varietäten als solche des
hinteren Bauches des Biventer mandibulae, wozu sie WEST, ÜURNOW,
LE DougLe zählen, ist zu eng gefaßt. Auch als Bildungen des
Stylo-hyoideus, wofür sie PERRIN hält, können sie nach unsern
Ausführungen nicht mehr gedeutet werden. Auch durch HumpHry,
welcher die Varietäten sowohl dem Stylo-hyoideus als auch dem
Digastrieus zuspricht, ist die Frage nach deren Herkunft und Be-
deutung nicht endgültig beantwortet worden.
Die menschlichen Varietäten, welche als eng zusammengehörig
hier behandelt worden sind, lassen sich in ihrem morphologischen
Verhalten ohne weiteres verstehen, sobald man sie auf einen Üon-
strietor arcuum visceralium der Haie und auf die Umwandlungen
bezieht, welchen ein solch primitiver Schlundbogen-Muskel bei
Amphibien und höheren Vertebraten unterworfen gewesen ist. Sie
können sich dann als Abweichungen des Biventer mandibulae, des
Stylo-hyoideus oder der Pharynx-Muskulatur manifestieren. Soweit
sie einen oberflächlichen Nackenursprung bewahrt haben, können sie
aber auch zu Sonderzuständen des Platysma werden. Wozu man sie
1 Varitäten-Beobachtungen. Würzburger Verhandlungen, aus dem Präpa-
riersaale zu Würzburg. Neue Folge. XII. 1879.
2 British Med. Journ. June. T.I. p. 69. 1873.
724 Georg Ruge, Verbindungen des Platysma mit der Muskulatur usw.
im Einzelfalle rechnen solle, hängt von den hervorstechenden Eigen-
schaften des Befundes ab. In den Fällen der Fig. 1 und 2 traten
die Einordnungen der Nackenbündel in die des Platysma in den
Vordergrund. Dieser Umstand rechtfertigt es, die Varietäten dem
letzteren zuzuzählen. Man kann sie mit gutem Rechte aber auch
zu denen des hinteren Biventerteiles und der Pharynx-Muskulatur
stellen.
GEGENBAURS
RPrOLO ISCHES JAHRBUCH
EINE ZEITSCHRIFT
ANKTOMIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE
HERAUSGEGEBEN
VON
GEORG RUGE
PROFESSOR IN ZÜRICH
EINUNDVIERZIGSTER BAND
ERSTES UND ZWEITES HEFT
MIT 119 FIGUREN IM TEXT UND 4 TAFELN
I
LEIPZIG
| VERLAG VON WILHELM ENGELMANN
Se, & Ausgegeben am 17. Mai 1910
Inhalt
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nzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. (Mit }
uren im Text h
li, Beobachtungen über d. 18 Relief dr Eile AeN Hirn-
venen am Schädel, über die Venae eerebri und die Pacchionischen
Granulationen bei den Primaten. (Mit 16 Figuren im Text und Tafel D 110°
Erna Glaesmer, Die Beugemuskeln am Unterschenkel nnd Fuß bei den
Marsupialia, Inseetivora, Edentata, Prosimiae und Simiae. (Mit 36 Fi-
euren im Text und Tafel I—IV) . . : ... 0% 2.02 53% . 149
Georg Barye‘ Neue Mitteilungen über die Stern: ulis- Frage, (Mit 1 For im
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Mitteilung.
Beiträge für das Morphologische Jahrbuch bitten wir an Herrn
Prof. Georg Ruge in Zürich-Oberstraß einzusenden. Im In-
teresse einer raschen und sichern V eröffentlichung liegt es, daß die.
Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden: da mit nachträß-
lichen Einschaltungen und ausgedehnten Abänderungen während der
Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind.
Bei der Disponierung der Zeichnungen ist darauf zu achten, daß der
Raum des im Morph. Jahrbuch üblichen Tafelformates nicht über-
schritten wird. Als Textfiguren bestimmte Zeichnungen sind auf
Aranndoren Blättern beizulegen.
“ MDie Herren Mitarbeiter des »Mor holen J ahrBuähne erhalten |
von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Sonderabdrücke unbe-
rechnet, eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der
Herstellungskosten.
Der Herausgeber Die Verlagsbuchhandlung
Georg Ruge. . Wilhelm Engelmann.
: VERLAG VON WILHELM ENGELMANN IN LEIPZIG ::
Über die gestaltliche Anpassung
der Blutgefäße
Unter Berücksichtigung der funktionellen Transplantation
von
Professor Dr. Albert Opel
in Halle a.S. Bi Ne i
Mit einer Originalbeigabe von °- Re
Professor W. Roux
enthaltend seine Er gr: Er
Theorie der Gestaltung der Blutgefäße, einschließlich
des Kollateralkreislaufs sa 1
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1° MÖRPHOLOGISCHES JAHRBUCH |
25 |
| EINE ZEITSCHRIFT
| ANATOMIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE
| | | | GEORG RUGE
EINUNDVIERZIGSTER BAND
| DRITTES HEFT
MIT 94 FIGUREN IM TEXT UND 5 TAFELN
gg
LEIPZIG
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN
Inhalt
Untersuehungen über den Bau der männlichen Geschlechts-
o der Beuteltiere. {Mit 52 Figuren im Text und Tafel V u. VI) 347
Brock, Eutwieklung und Bau des. Urogenital- Apparates der
tler und dessen Verhältnis zu diesen Organen’andrer Säuger und
ıiederer Wirbeltiere. (Mit 7 Figuren im Text und Tafel VII) .: ... 437
schmann:; Die Kopfregion der Amnioten. Morphogenetische Studien.
5. Fortsetsunf) v. 2 N BT A a ee 1 A 469
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten.
Mit 35 Figuren im Text und Tafel VIII und IX) . . . 471
Mitteilung.
Beiträge für das Morphologische Jahrbuch bitten wir an Herrn
Prof. Georg Ruge in Zürich-Oberstraß einzusenden. Im In-
teresse einer Taschen und sichern Veröffentlichung liegt es, daß die
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lichen Einschaltungen und ausgedehnten Abänderungen während der
Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind.
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schritten wird. Als Textfiguren bestimmte Zeichnungen sind auf
besonderen Blättern beizulegen.
Die Herten Mitarbeiter des »Morphologischen Jahrbuchs« erhalten
von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Sonderabdrücke unbe-
rechnet, eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der
‚Herstellungskosten. Auf besonderen Wunsch werden die Separate
vor Erscheinen des betr. Heftes abgegeben.
Der Herausgeber - Die Verlagsbuchhandlung
Georg Ruge. Wilhelm Engelmann.
: VERLAG VON WILHELM ENGELMANN IN LEIPZIG :
Anthropogenie
oder
Entwickelungsgeschichte des Menschen
Keimes- und Stammesgeschichte
von
Ernst Haeckel
——— Sechste verbesserte Auflage
Zwei Teile
\
Erster Teil: Keimesgeschichte oder Ontogenie
Zweiter Teil: Stammesgeschichte oder Phylogenie
Mit 30 Tafeln, 512 Textfiguren und 60 genetischen Tabellen -
In zwei Loinenbänden .# 20,—; In zwei Halbfranzbänden .4 4.—
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NORPHOLOGISCHES JAHRBUCH
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ANATOMIE IND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE |
HERAUSGEGEBEN
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GEORG RUGE |
PROFESSOR IN ZÜRICH
EINUNDVIERZIGSTER BAND
VIERTES HEFT
MIT 112 FIGUREN IM TEXT UND 5 TAFELN „_
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Inhalt
‚„°, Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend Fe:
Menschen — »Achselbogen«. Mit 2 Figuren im Text ......, 519
sehli, Über die Beteiligung des Museulus latissimus dorsi an Achsel-
borenbildungen beim Menschen. Mit 8 Figuren im Text. ..... 539
P. Frets, Etudes sur les varietes de la eolonne verttbrale. Avec 4 Fi-
eures dans le texte et Planche X et XI... ... va rc. 2a.» 558
W. Felix, Zur E ntwicklungsgeschiechte der Rumpfarterien ‘des menschlichen
Embryo. Mit 22 Figuren im Text‘. . x zug sv m, 577
A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. Morphogenetische Studien.
8. Kortsetzung) -.-,...2. 0. RE ee ee 615
E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiog-
nomie und der Mundhöhle des Katzenkopfes. Mit 40 Fi-
guren im Text und Tafel XII—XIV ......... 617
: A. Fleischmann, Über den Begriff »Gaumen«. Kritische Be-
trachtungen. Mit 27 Figuren im Text. ........ 681
Georg Ruge, Verbindungen des Platysma mit der tiefen Maskulatay: des
Halses beim Menschen. Mit 9 Figüren 3m Toxt).. 7.7.5, Sa 708
Mitteilung.
Beiträge für das Morphologische Jahrbuch bitten wir an Herrn
Prof. Georg Ruge in Zürich-Oberstraß einzusenden. Im In-
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Der Herausgeber Die Verlagsbuchhandlung
Georg Ruge. Wilhelm ERUCRERAN:
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Wichtige Preisherabsetzung 4
Lehrbuch der Zoologie
von
Dr. Alexander Goette
ord. Professor der Zoologie an der Universität Straßburg i.E.
Mit 512 Abbildungen im Text. 32 Bogen gr.8
Geheftet statt # 12—. #9; gebunden split, A 13. 2 10,
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Archiv für Zellforschung
Unter Mitwirkung
namhafter Gelehrter des In- und Auslandes
herausgegeben von
Dr. Richard Goldschmidt
Professor an der Universität München
Fünfter Band, 1. Heft
Inhalt:
Kristine Bonnevie, Über die Rolle der Centralspindel während der indirekten
Zellteilung. (Mit 4 Fig. im Text u. Taf. I-IIL) — Hermann Matscheck, Über
Eireifung und Eiablage bei Copepoden. (Mit 30 Fig. im Text u. Taf. IV— VIII.)
— Thos H. Montgomery, jr., On the Dimegalous Sperm and Chromosomal
Variation of Euschistus, with Reference to Chromosomal Continuity. (With
1 figure in the text and plates IX and X.) — Al Mräzek, Degenerationserschei-
nungen an Muskelzellen der Annulaten. (Mit 1 Fig. im Text.) — Katharine
Foot and E. €. Strobell, Pseudo-Reduction in the Oögenesis of Allolobophora
foetida. (With 1 ER, in the text and plates XI and XII) — Referate:
Sr E. Meirowsky, Über den Uysprung des melanotischen Pigments der Haut und
des Auges. /(Hueck.) — Mich. F. Guyer, The Spermatogenesis of the Domestic
| Guinea (Numida meleagris dom.) (P. Buchner.) — Mich.’F. @uyer, The Spermato-
genesis of the Domestie Chicken (Gallus gallus dom.) (P. Buchner.) — Vietor
Gregoire, La r&eduction dans le Zoogonus mirus Lss. et le >»Primärtypus«e. /P.
Buchner.) — F« A. Janssens et J. Willems, Spermatogenese dans les batraciens.
(P. Buchner.) — Willy Deton, L’ötape synaptique dans l’ovogenese du Thysano-
zoon Brochii. (P. Buchner.) — Paul Debaisieux, Les debuts de l’ovogenese
dans le Dytiscus marginalis. (P. Buchner.) — (C. Golgi, Sur une fine partieu-
larit& de structure de l’epithelium de la muqueuse gastrique et intestinale de
quelques vertöbres. /P. Buchner.) — P. Morawitz, Über Oxydationsprozesse
im Blut. /Strokl.)
SIE Bogen 8. Geheftet .# 16.—
Ser Fünfter Band, 2. Heft
Inhalt: >
Achille Russo, Sui mutamenti che subiscono i mitocondri ed i materiali deuto-
- plasmiei dell’ ooeite di Coniglia in diversi periodi di inanizione. (Con 3 Figure
nel testo e Tavola XIII.) — Leopoldo .Granata, Le cinesi spermatogenetiche
di Pamphagus marmoratus (Burm.) (Con una figura nel testo e le tavole XIV—
-.XVL) — Paul Buchner, Von den Beziehungen zwischen Centriol und Bukett-
stadium. (Mit 23 Figuren im Text.) — J. F. Me Clendon, Further studies on the
er ‚Gametogenesis of Pandarus sinuatus, Say. (With 1 Figure in the text and
- eellulare dei lipoidi. (Con Tavole XVIII—-XX.
; 11 Bogen 8. Geheftet .4 20.—
are XVIl) — €. Ciaceio, Contributo alla distribuzione ed alla fisio-pathologia FR ,
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171/, Bogen 8. Geh. .# 11.40; in Leinen geb. .# 12.60 7
Anthropogenie Be
oder > 3 e 2
Entwickelungsgeschichte des Menschen
Keimes- und Stammesgeschichte ’ >
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Professor Dr. CARL VOGT (f), Genf
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Fr. vorliegende, seit 2 Jahrzehnten in Arbeit befindliche Werk, welches auf streng fachwissen-
schaftlicher Forschung beruht, ist nicht nur für alle Interessenten der Fischerei, den wirt-
schaftlichen und praktischen Fischzüchter, sondern auch für den speziellen Fischkenner und
Zoologen bestimmt. Der Inhalt besteht aus zwei Teilen:
Teil Iz Beschreibender Text (Format 22x28 cm) von (XXIV)+558 Seiten mit 292 Ab-
bildungen, enthaltend Anatomie, Biologie, Schutz, Vermehrung und Zucht der Fische, Fisch-
krankheiten, Systematik und Lebensgewohnheiten der einzelnen Fische und die aus dem
Ausland eingeführten Fische.
Teilll gibt in einem Atlas (Format 33 x 50 cm) auf 31 Tafeln 152 Fische, die in natürlichen
Farben chromolithographisch von Werner & Winter meisterhaft dargestellt sind.
e: Zwei Vorträge
zur
_ NATURPHILOSOPHIE
von
Dr. Hans Driesch
Heidelberg
I. Die logische Rechtfertigung der Lehre von der
Eigengesetzlichkeit des Belebten
II. Über Aufgabe und Begriff der Naturphilosophie
ER R I u. 38 $.
ar: ne 8. Geheftet „4 —.80
- quelques observations sur le developpement des fibres museulaires strides. #E
(Avec 10 figures dans le texte et planches XXVII—XXX.) — Max Dingler,
Über die Spermatogenese des Dierocoelium lanceatum Stil. et Hass. (Disto- (9%
na,
-
— Thos H. Montgomery, jr., On the Dimegalous Sperm and Chromosomalı
Variation of Euschistus, with Reference to Chromosomal Continuity. (With
VERLAG von WILHELM ENGELMANN IN LEIPZIG Be,
Ay
Are ch für Zellforschung 4
Unter Mitwirkung 5
namhafter Gelehrter des In- und Auslandes :
herausgegeben von Ba
Dr. Richard Goldschmidt Br:
Professor an der Universität München n : ER:
Vierter Band, 4. Heft
Inhalt: rn Er.
Stanislaw Maziarski, Sur les changements morphologiques de la structure nuc-
löaire dans les cellules glandulaires. Contribution & l’&tude du noyau cellulaire.»
(Avee planches XXIV— XXVIL) — J. Duesberg, Les chondriosomes des cellu- wi
les embryonnaires du poulet, et leur röle dans la genese des,myofibrilles, ve
mum lanceolatum.) (Mit 4 Fig. im Text u. Taf. XXXI—XXXIV.)
: x 17 Bogen 8. Geheftet „#4 24.—
Fünfter Band, 1. Heft
Inhalt:
Kristine Bonnevie, Über die Rolle der Centralspindel während der indirekte
Zellteilung. (Mit 4 Fig. im Text u. Taf. I-Ill.) — Hermann Matscheck, Über
Eireifung und Eiablage bei Copepoden. (Mit 30 Fig. im Text u. Taf. IV—VIL)
1 figure in the text and plates IX and X.) — Al Mräzek, Degenerationserschei- -
nungen an Muskelzellen der Annulaten. (Mit 1 Fig. im Text.) — Katharine
Foot and E. 0. Strobell, Pseudo-Reduction in the Oögenesis of Allolobophorn R
foetida. (With 1 figure in the text and plates XI and xIL) Referate
E. Meirowsky, Über den Ursprung des melanotischen Pigments der Haut und
des Auges. (Hueck.) — Mich. F. Guyer, The: ‚Spermatogenesis of the Dome:
Guinea | Hunde meleag Zar dom. ) (P. Buchner.) — Mich. F. Guyer, The: ‚Sperm:
etenire, La enekon dans le Zoogonus mirus Les. et le »Primärtypus FRr
Buchner | —- Y, A. Janssens et J. Willems, Spermatogenöse dans les Due racien:
(P. Buchner.) — Willy Deton, L'‘tape synaptique dans lovogenöse. du’
zoon Brochii. (P. Buchner) — Paul Debaisienx, Les. döbuts de l’o
dans le Dytiseus inoreinalis. /P. Buchner.) — C. Golgi, Sur une ap
larit& de structure de Depithl Iium de la muquense gastrique et inte
yuelques vertcbres. (7. Buchner.) — P. Morawitz, Über. Oxydati
im Blut. /Strohl.) ZT Sa
11 Bogen 8. Geheftet 4 16 Kur?
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Eirchiv für Teliforschuna
Unter Mitwirkung
namhafter Gelehrter des In- und Auslandes
herausgegeben von
/ Dr. Richard Goldschmidt
“ Professor an der Universität München
Vierter Band, 1. Heft
Inhalt:
Methodi Popoff, Experimentelle Zellstudien. III. Über einige Ursachen der
physiologischen Depression der Zelle. (Mit 3 Fig. im Text u. Taf. I—-IL) —
= Wilhelm Fries, Die Entwicklung der Chromosomen im Ei von Branchipus Grub.
N und der parthenogenetischen Generationen von Artemia salina. (Mit Taf. III—V.)
— R. Goldschmidt, Das Skelett der Muskelzelle von Ascaris nebst Bemer- ’
kungen über den ER der Metazoenzelle. (Mit 3 Fig. im Text und
Taf. VI-X,) — Alice M. Boring, A small chromosome in Ascaris megalocephala.
(With plate X) — Th. Boveri, Über »Geschlechtschromosomen« bei Nematoden.
(Mit 2 Fig. im Text.) — Theodor Moroff, Entwicklung der Nesselzellen bei Ane-
- monia. (Ein Beitrag zur Physiologie des Zellkerng). (Mit 57 Fig. im Text.)
10 Bogen 8. Geheftet .# 13.— j R
Vierter Band, 2. u. 3. Heft Pe
| Inhalt: ‘} ng
Max Jörgensen, Beiträge zur Kenntnis der Eibildung, Reifung, Befruchtung
‚ und Furchung bei Schwämmen (Syconen). (Mit 1 Fig. im Text u. Taf. XI-XV.) 2%
— H.E. Jordan, A cytological study of the egg of Cumingia with speeil
reference to the history of the chromosomes and the centrosome. (With pl
tes XVI-XVIL) — M. v. Derschau, Zur Frage eines Makronucleus der Pflanzen- Br x
zelle. (Mit 8 Fig. im Text.) — Julius Schaxel, Die Morphologie des Eiwachstums
und der Follikelbildungen bei den Ascidien. Ein Beitrag zur Frage der Chro- #
er
Ben! bei Metazoen. (Mit 1 Fig. im Text u. Taf. XIX— je = Hubert
ut
19 Bogen 8. Geheflet 0 20.— B 2
Vierter Band, 4. Heft ”.. ee.
£ Inhalt: A rele
"atahiekaw Maziarski, Sur les changements morphologiques de la ee nuc- oe
leaire dans les cellules glandulaires. Contribution & P’ötude du noyau cellulaire. B
(Aveo planches XXIV—XXVIL) — J. Duesberg, Les ehondriosomes des cellu- 78,
les embryonnaires du poulet, et leur röle dans la genese des myofibrilles, avee & .
juelques observations sur le developpement des fibres museulaires strides, IN;
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er die Spermatogenese' des Dierocoelium lanceatum® Stil. et Hass. (Disto-
mum ae (Mit 4 Fig. im. Text. u. Taf. RXXI-XXXIV.) 0°
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VERT.AG von WILHELM ENGELMANN in LEIPZIG
vl, Band. IV. Jahre. (1910). Nr. XIV-2
“SCIENTIAT”
Internationale Zeitschrift f, wissenschaftliche Synthese
Inhalt:
E. Mach, Die Leitgedanken meiner naturwissenchaftlichen Erkenntnislehre
und ihre Aufnahme durch die Zeitgenossen. — (Les idtes directrices
de ma thöorie de la connaissance dans les sciences naturelles et
l’accueil qw'elles ont recu des eontemporains).
A. C.D. Crommelin, The origin and nature of comets. — (Origine et
nature des cometes'.
E. W. Maunder, The «Canals» of Mars. — (Les «Canaux> de Mars).
H. Bouasse, Döveloppement historique des theories de la plhıysique.
P. Lebedew, Die Druckkräfte des Lichtes. — (Les forces de pression
de la lumiere).
G. Galeotti, La dottrina degli antiecorpi. — (L’ tat de nos connais-
sances sur les anticorps).
R. Semon, Die physiologischen Grundlagen der organischen Reproduk-
tionsphaenomene. — "(Les fondements physiologiques de phenomenes
organiques de reproduetion).
C. Emery, Il polimorfismo e la fondazione delle societä negli insetti
soeiali. — (Le polymorphisme et la fondation des soeiöt&s chez les
inseetes sociaux).
M. Hoernes, Die körperlichen Grundlagen der Köullarentwieklüns: — (Les
bases structurales du d&veloppement intelleetuel).
-F. Enriques, La filosofia positiva e la classificazione delle seienze. —
(La philosophie positive et la classification des sciences).
Referate: F. MExrri, Cournot et lä renaissance du probabilisme r.
Boutroux) — G. HzssemBErG. K. KAISER, L. NELSON, Abhandlungen
der Fries’schen Schule (E. De Michelis) — Atti del IV Congresso
internazionale dei Matematiei (A. F.) — A. Rıcaı. La materia radi- $
ante ei raggi magnetici (L. Amaduzzii) — H. Driescn. The seience :
and philosophy of the organism (E. 8. Russell — R. M. YERKES, u
The daneing mouse; a study in animal behavior (6. Bohn) — E. je.
MEUMANN, Intelligenz und Wille (A. Rey) — M. Hoerxes, Natur und
Urgesehichte des Menschen (V Ginffrida-Ruggeri) — F. Zizer. Die
statistischen Mittelwerte; eine methodologische Untersuchung (C. Bres- | >
eiani-Turronii — G. Brot, A. CROISET, W. MoxoD, ete., Morales 1 u
et religions (%&. Chatterton-Hill). a
Physische Rundschau: Ch. Fabry (Les donndes numeriques de la spee- %
. troscopie). y ri
Rechtliche Rundschau: P. Bonfante (I.es nouvelles ötudes du droit ro- P
main en Allemagne). 3
Geschichtliche Rundschau: 6. Boargin (Les &tudes recentes dhistoire AK
religieuse).
Revue der Zeitschriften. — Chronik.
BOLOGNA.
NICOLA ZANICHELLI
LONDON PARIS LEIPZIG
WILLIAMS AND NORGATE FELIX ALCAN WILHELM ENGELMANN
Direktion: Milano, Vin 4 Aurelio. 0 Satl, IB...
Ö
. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig
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Gegensbaurs Morphologisches
Jahrbuch
vol. 441 1910 59.06(43)N2
INN
100130368