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Full text of "Gegenbaurs morphologisches Jahrbuch"

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MORPHOLOGISCHES JAHRBUCH 


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EINE ZEITSCHRIFT 


ANATOMIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE 


HERAUSGEGEBEN 
VON 


GEORG RUGE 


PROFESSOR IN ZÜRICH 


EINUNDVIERZIGSTER BAND 


MIT 325 FIGUREN IM TEXT UND 14 TAFELN 


LEIPZIG 
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 
1910 


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Inhalt des Einundvierzigsten Bandes 


Erstes und Zweites Heft. 


Ausgegeben am 17. Mai 1910. Seite 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. Von Georg 
Base Mit.6b.Bicuren im Text) 2" .2.. 2. a0 er 2 
Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen am Schä- 
del, über die Venae cerebri und die Pacchionischen Granulationen 
bei den Primaten. Von H. Bluntschli. (Mit 16 Figuren im Text 
EEE CE) Di RE se re ee 110 
Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia, In- 
sectivora, Edentata, Prosimiae und Simiae. Von Erna Glaesmer. 


(Mit 36 Biguren im: Text und Tafel HIV) : ... 1. 2 ern. 149 
Neue Mitteilungen über die Sternalis-Fragee Von Georg Ruge. (Mit 
Br Bea) 4 Da ee ee ta 337 


Drittes Heft. 
Ausgegeben am 2. August 1910. 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane der Beutel- 
tiere. Von A. J. P.v. d.Broek. (Mit 52 Figuren im Text und Ta- 
TE NE. x 2.8.5, 2 ae Fe 347 

Entwicklung und Bau des Urogenital- Apparates der Beutler und dessen 
Verhältnis zu diesen Organen andrer Säuger und niederer Wirbeltiere. 
Von A.J.P.v.d. Broek. (Mit 7 Figuren im Text und Tafel VII) . 437 

Die Kopfregion der Amnioten. Morphogenetische Studien. (5. Fortsetzung) 
Be ersehen... Br a er 469 

Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. Von Karl 
Thäter. (Mit 35 Figuren im Text und Tafel VIII und IX) 471 


IV 


Viertes Heft. 


Ausgegeben am 11. Oktober 1910. Seite 

Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen — 
»Achselbogen«e. Von Georg Ruge. (Mit 2 Figuren im Text)... . 519 

Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi an Achselbogenbildungen 
beim Menschen. Von H.Bluntschli. (Mit 8 Figuren im Text) . . 539 

Eitudes sur les variöt6s de la colonne vertebrale Von G.P. Frets. Avec 
4 Figures dans le texte et Planche X et XI...... . 508 

Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des manch Earl 
Von W. Felix. Mit 22 Figuren im Text. .... :. » rem 577 

Die Kopfregion der Amnioten. Morphogenetische Studien. (6. Fortsetzung) 


Von A. Fleischmann. .. . . 615 
Die embryonale ME ornhonB Ser p Br siognomie N, de Minds 
höhle des Katzenkopfes. Von E. H. Pohlmann. Mit 


40 Figuren im Text und Tafel XU—XIV....... . 617 
Über den Begriff »Gaumen«. Kritische Betrachtungen. Von 
A. Fleischmann. Mit 27 Figuren im Text ..... 681 


Verbindungen des Platysma mit der tiefen Muskulatur des Halses beim 
Menschen. Von Georg Ruge. Mit 9 Figuren im Text... ... . 708 


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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und 
des Menschen. 


Von 


Georg Ruge. 


Mit 66 Figuren im Text. 


Grenzen der Pleura-Säcke. 


Die Ausdehnung der Pleura-Säcke ist durch diejenigen Stellen 
bestimmt, an welchen die verschiedenen Abschnitte der Pleura 
parietalis zusammentreffen, wo der eine Abschnitt in den andern 
sich umschlägt. Diese Umschlagsstellen treten in geschlossenen 
Linien auf; sie sind die Grenzlinien der Pleura-Säcke. Es lassen 
sich jederseits deren vier unterscheiden: 

1. VertebraleGrenzlinie. Sie bildet die Übergangsstelle des 
costo-vertebralen Blattes in das mediastinale Pleura-Blatt und liegt zur 
Seite der thoracalen Wirbel. Oben setzt sie sich zur Pleura-Kuppel 
und von ihr in die sternale Grenzlinie fort. Unten geht sie einer- 
seits in die costale, andrerseits in die mediastinale Grenzlinie über. 

2. Sternale Grenzlinie. Sie entspricht der Umschlagsstelle 
des costo-sternalen in das mediastinale Pleura-Blatt, liegt hinter dem 
Brustbeine oder bei lateraler Verschiebung hinter den Knorpel- 
stücken sterpaler Rippen. Die sternale Natur der Grenzlinie ändert 
sich in letzterem Falle in eine sterno-costale um. Abdominalwärts 
ist sie in der Nähe des Schwertfortsatzes einerseits in die costale, 
andrerseits in die mediastinale Grenzlinie fortgesetzt. 

3. Costale Grenzlinie. Sie fällt mit der Umschlagsstelle 
der Pleura costalis in die Pleura diaphragmatica zusammen; sie liegt 
hinter den Knorpelspangen der letzten Sternalrippen und der frei 


endigenden Rippen, und zwar oberhalb des costalen Zwerchfell- 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 1 


2) Georg Ruge 


Ursprunges. Hinter dem Brustbeine gehen sternale sowie media- 
stinale Grenzlinien in sie über. Dorsal setzt sie sich in die verte- 
brale und in die mediastinale Grenzlinie fort. 

4. Mediastinale Grenzlinie. Sie kommt durch den Über- 
gang der Pleura mediastinalis in die Pleura diaphragmatica zustande. 
Dorso-ventral gestellt, ist sie an das Zwerchfell gebunden. Hinter 
dem unteren Brustbein-Absehnitte geht sie in die sternale und in die 
costale, vor der Wirbelsäule in die eostale und die vertebrale Grenz- 
linie über. 


Sternale und costale Grenzlinien liegen der Innenfläche der 
vorderen, seitlichen und hinteren Wandung des Brustkorbes an. Sie 
besitzen engere Beziehungen zueinander, indem die sternale Grenz- 
linie durch laterale Verlagerung einen unmittelbaren Übergang in 
die eostale Grenzlinie vermitteln kann. Wenn aus einem solchen 
Befunde eine mehr einheitliche, sterno-costale Grenzlinie sich ein- 
stellt, so bleibt doch die Abgrenzung der einen von der andern 
Grenzlinie durch die kennzeichnenden Übergänge der angegebenen 
Pleura-Abschnitte ineinander erhalten. Da die sternale Grenzlinie 
durch seitliche Verschiebung hinter die Knorpelspangen der Sternal- 
rippen zu liegen kommen kann, so ist die Bezeichnung sternal für 
sie in diesem Falle nieht ganz zutreffend, bleibt aber die zweck- 
mäßigste und einfachste. Die Beibehaltung der Bezeichnung läßt 
sich insofern rechtfertigen, als nur die sternalen Rippen die Lage- 
beziehungen zur sternalen Grenzlinie übernehmen können. Darin 
besteht ein grundsätzlicher Unterschied zur costalen Grenzlinie, 
welche hauptsächlich hinter den asternalen Rippen gelagert ist. 


Morphologische Bedeutung der Grenzlinien der Pleura- 
Säcke. 


1. Vertebrale und sternale Grenzlinie bringen die Ausdehnung 
der Pleura-Säcke dorsal und ventral in eranio-caudaler Richtung 
zum Ausdrucke. Die eranialen Endpunkte beider Grenzlinien be- 
wahren wegen der unveränderlichen metameren Lage der 1. Rippe 
und der allem größeren Wechsel entzogenen Halsgegend eine große 
Gleichartigkeit. Desgleichen bleiben die vertebralen Grenzlinien 
vor der Wirbelsäule, auch zugleich wegen ihrer Lagebeziehung zur 
Aorta und zur Speiseröhre jeder nennenswerten Veränderung ent- 
zogen. Die caudalen Enden beider Grenzlinien unterliegen indessen 


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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 3 


dem größten Wechsel; sie bilden demgemäß auch den Schwerpunkt 
bei der Beurteilung der gestaltungsreichen Verhältnisse. Der Ur- 
sprung des Zwerchfelles steht in Wechselbeziehung zum Höhenstande 
beider Endpunkte. 

2. Die beiderseitigen vertebralen und sternalen Linien be- 
zeichnen die Annäherung der Pleura-Säcke gegen die Mittellinie, 
demnach dorsale und ventrale Breite des Mittelfell-Raumes. 

3. Die caudale Ausdehnung der Pleura-Säcke am vorderen, 
seitlichen und hinteren Umfange des Brustkorbes wird durch die 
costale Grenzlinie bestimmt. 

4. Die verschiedenartige Annäherung der Pleura-Säcke über 
dem Zwerchfelle wird durch beide sagittal gestellte mediastinale 
Grenzlinien angegeben. Sie bestimmen die Breite des Mittelfell- 
Raumes über dem Zwerchfelle. 


5. Aus der Lage der Pleura-Grenzen läßt sich ein annähernd 
zutreffendes Bild von der Ausdehnung der Lungen entwerfen. Der 
Wechsel in der Höhe derselben wird durch die costale Grenzlinie 
ziemlich genau angegeben, da der untere Rand der Lunge von ihr 
nur durch den Sinus costo-phrenieus entfernt bleibt, die Lungen- 
spitze aber über das Köpfchen der 1. Rippe nicht emporzuragen pflegt. 

Die Breite der Lungen kann jederseits durch die Lage der 
sternalen Grenzlinie bestimmt werden; denn die vorderen Lungen- 
ränder stoßen in der Regel bis an sie heran. Ein Sinus costo- 
mediastinalis, welcher das Zusammentreffen vom vorderen Rande 
der Lunge mit der sternalen Grenzlinie aufhebt, stellt sich erst 
nach der Verwachsung des Herzbeutels mit der vorderen Wand des 
Brustkorbes ein. 


6. Die mediastinalen Grenzlinien gestatten Rückschlüsse auf 
die Ausdehnung der Lungen gegeneinander, sowie auf die Breite des 
Mittelfell-Raumes über dem Zwerchfell. Ferner bringen sie die 
Form des mediastinalen Teiles des unteren Lungenrandes zum 
Ausdruck. 

Eine wichtige Rolle spielt hierbei der Lobus subpericardiacus 
der rechten Lunge, welcher als medialer Fortsatz gegen die linke 
Lunge ragt und dadurch eine nischenförmige Aussackung an der 
rechten mediastinalen Grenzlinie hinterläßt. 

Die Organe, welche das Zwerchfell durchbohren, stehen in 
regelmäßiger Beziehung zur mediastinalen Grenzlinie. Untere Hohl- 
vene und Speiseröhre werden von Bedeutung, insofern sie ventral 

1* 


4 Georg Ruge 


und dorsal die Eingangspforte in die Nische für den subpericardialen 
Lungenlappen markieren. 

7. Die Lage des Herzbeutels, mithin des Herzens zum Zwerch- 
felle wird aus den mediastinalen Grenzlinien ablesbar. Berühren 
sich die beiderseitigen Linien, so muß der Herzbeutel vom Zwerch- 
felle entfernt sein. Mit der Verwachsung letzterer treten die Grenz- 
linien auseinander. Mit diesem Vorgange geht die Rückbildung 
des subpericardialen Lungenlappens Hand in Hand; es verödet der 
nischenförmige Raum für ihn, dessen Reste zwischen den Pfeilern 
der Eingangspforte, d. i. unterer Hohlvene und Speiseröhre, sich 
erhalten können. 

8. Eine größere Anzahl anatomischer Einrichtungen an den 
Organen der Brusthöhle läßt sich daher aus dem Verhalten der 
Pleura-Grenzlinien unmittelbar ablesen. Der Wechsel an ihnen er- 
laubt Rückschlüsse auf die Wandlungen an den Brustorganen, da 
die Korrelationen auch während des fortschreitenden Umbildungs- 
vorganges erhalten bleiben. Sofern sich die Wandlungen auf Ver- 
änderungen der Durchmesser der Lunge, der Lagerung des Her- 
zens und auf die Rückbildung des Lobus subpericardiacus beziehen, 
so stehen sie insgesamt unter dem unmittelbaren Einflusse der Um- 
gestaltung am Rumpfe, insonderheit am Brustkorbe. 

In aufsteigender Reihe büßt der Rumpf stetig Segmente am 
thoraco-lumbalen Abschnitte ein, indem das Kreuzbein in eranialer 
Richtung sich verschiebt. Der Brustkorb wird durch Rückbildung 
unterer Rippen gleichzeitig ebenfalls ärmer an Segmenten. Sein 
Umfang nimmt dabei in der Breite zu. Die von ihm umschlossenen 
Organe erfahren die oben angeführten Bau- und Lageveränderungen, 
welche aus den Pleura-Grenzen erschlossen werden. Ein Vergleich 
der Grenzlinien erlaubt daher bis zu einem hohen Grade Rück- 
schlüsse auf Zustände am Rumpfe und Brustkorbe, welche Folge- 
erscheinungen einer metameren Verkürzung des Rumpfes sind. 


Die Umgestaltungen an den Grenzen der Pleura-Säcke voll- 
ziehen sich bei den Primaten im ganzen in aufsteigender Reihe; 
jedoch in der Weise, daß die fortschrittliehen Vorgänge innerhalb 
der einzelnen Gruppen selbständig je nur bis zu einem gewissen 
Maße gefördert werden, um bei einer höher stehenden Abteilung 
aufs neue, in der Regel aber bei einem differenteren Zustande einzu- 
setzen und dann höhere Grade der Umwandlung zu erzielen. "Eine 


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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 5 


Reihe von Umwandlungen einfacherer Art läßt sich bei den Halb- 
affen feststellen. Potenzierungen von Neugestaltungen sind bei 
den Affen und beim Menschen nachzuweisen. 

Auf diese Weise stellt sich bei den Halbaffen eine selbständige 
Entwicklungsreihe ein. Eine solche wird dann bei den Hylobatiden 
und bei den Anthropomorphen wieder angetroffen. Diese Tatsachen 
sind so zu verstehen, daß für eine jede Gruppe eine Urform mit 
indifferenten Eigenschaften anzunehmen ist, deren viele Descendenten 
sich verschieden weit von ihr entfernt haben. Es handelt sich dabei 
oft um gleichlautende, konvergente Erscheinungen, welche es nicht 
gestatten, einen stark abgeänderten Befund bei Halbaffen ohne 
weiteres auf einen ähnlichen bei höher stehenden Primaten zu be- 
ziehen. Ja, selbst ein hochentwickelter Aylobates-Befund darf z. B. 
nicht ohne weiteres als Ausgangspunkt für die Verhältnisse bei Anthro- 
pomorphen oder beim Menschen hingenommen werden. Bei der 
Bestimmung verwandtschaftlicher Beziehungen läßt sich innerhalb 
enger umgrenzter Gruppen wohl für eine jede Art die Stellung 
am Stammbaume einigermaßen nach der vorliegenden anatomischen 
Besonderheit feststellen. Will man aber die verwandtschaftliche 
Stellung der Vertreter mehrerer größerer Gruppen zueinander er- 
gründen, so wird man doch immer auf die schwierige Aufgabe hin- 
gewiesen, zunächst die Verwandtschaftlichkeit dieser Gruppen festzu- 
stellen, in welchen die konvergenten Umänderungen auftreten können. 

Die Reichhaltigkeit an Tatsachen auf dem Gebiete der Grenzen 
der Pleura-Säcke und der wechselweise an Nachbarorganen auf- 
tretenden Umwandlungen gestattet manchen klaren Einblick in die 
äußerst schwer zu ergründende verwandtschaftliche Stellung der re- 
centen Organismen zueinander. 


Um die beim Vergleiche sich ergebenden Eigenheiten deutlichst 
hervortreten zu lassen, empfiehlt es sich, die einzelnen Grenzlinien 
je für sich durch die ganze Primatenreihe zur Darstellung zu bringen. 


1. Vertebrale Grenzlinie. 


Ihr oberes Ende fällt mit der Kuppel des Pleura-Sackes zu- 
sammen; es befindet sich bei allen Primaten an der Grenze zwischen 
cervicalem und thoracalem Teil der Wirbelsäule und liegt vor dem 
Köpfehen der 1. Rippe oder in dessen Nähe. Die Gleichartig- 
keit in der eranialen Ausdehnung der vertebralen Grenzlinie hängt 


6 Georg Ruge 


von der Fixation eintöniger Zustände der Gliederung des Hals- 
abschnittes der Wirbelsäule ab. 

Das untere Ende der Grenzlinie unterliegt den größten Schwan- 
kungen. Sie stehen in nächster Wechselbeziehung zur sich ändernden 
Anzahl der Rippen, also zum metameren Aufbau des Brustkorbes. 
Sehr häufig dehnt sich die Grenzlinie bis zum Köpfchen der letzten 
Rippe aus; sie kann aber weit in die Lendengegend herabreichen, 
indem die Rippen sich hier rückbildeten, ohne eine gleichzeitige 
craniale Verschiebung der Pleura-Säcke nach sich gezogen zu haben. 
Organismen mit einer großen Anzahl von Rippen gelten unter den 
Primaten als niedriger stehend als diejenigen mit einer geringeren 
Rippenzahl. Die Einbuße von Rippen hat eine Verschiebung des 
unteren Endes der Grenzlinie in eranialer Richtung zur Folge. 
Treffen beide Erscheinungen nun auch in der Regel zusammen, so 
kann die eraniale Verschiebung des unteren Grenzlinienendes sich 
doch zuweilen verzögern. Es wird dann in der Höhe eines Lenden- 
wirbels angetroffen, welcher seine Rippe eingebüßt hat. Die ver- 
tebrale Grenzlinie bestreicht in diesem Falle den thoraco-lumbalen 
Abschnitt der Wirbelsäule. Andrerseits kann die craniale Ver- 
schiebung des unteren Endes der Grenzlinie der Rückbildung von 
Rippen vorausgeeilt sein. Die Grenzlinie endigt in diesem Falle 
etwa vor dem Köpfchen einer der unteren Rippen; sie bleibt auf 
den thoracalen Abschnitt der Wirbelsäule beschränkt. 

Der Grad der Indifferenz hängt also im Gebiete der verte- 
bralen Grenzlinie von deren caudalem Tiefstande ab und ist auf 
dem Wege des Vergleiches durchweg mit Sicherheit festzustellen. 


a. Halbaffen. 
Stand des oberen Endes der Grenzlinie. 


Er befindet sich in der Regel in der Höhe des 1. Thoracal- 
wirbels, zuweilen caudal vom Köpfchen der 1. Rippe. Von ihm aus 
geht die Grenzlinie über die Kuppe der Pleura ventralwärts zur 
1. Rippe über, wo sie in die sternale Grenzlinie fortgesetzt ist. 
Die Pleura-Kuppel kann eine kleine Strecke weit in die Halsgegend 
hineinragen. 


Stand des unteren Endes der Grenzlinie. 


Der Höhenstand wechselt bei den hierauf untersuchten Tieren 
innerhalb der Grenzen von drei Wirbeln. Bei Nyeticebus tardigradus 
liegt das caudale Ende der Grenzlinie vor der Wirbelbandscheibe 


In ED 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 7 


zwischen 16. und 17. thoraco-lumbalem Wirbel, bei Lemur macaco 
vor dem eranialen Rande des 14. Wirbels. 

Individuelle Schwankungen sind bei Nyceticebus aufgefunden 
worden. Der Höhenstand verschiebt sich um einen Wirbel. 

Wenn das beiderseitige Verhalten ungleich ist, so wird der 
Höhenstand auf der rechten Körperhälfte in ursprünglicher Weise 
weiter caudalwärts als auf der linken Hälfte angetroffen. Der Unter- 
schied betrifft höchstens eine halbe Wirbellänge. 

Die rein thoracale Lage der vertebralen Grenzlinie ist nur 
an einem Falle von Nyeticebus (Fig. 1, 1, b) ausgesprochen. Eine 
thoraco-lumbale Ausdehnung liegt bei einem andern Exemplar 
von Nyeticebus sowie bei allen übrigen Halbaffen vor. Diese Er- 
scheinungen fallen mit der Tatsache zusammen, daß Nycticebus 
als höchste Anzahl thoracaler Wirbel 17 besitzt, daß die Zahl bei 
den andern Formen aber bis auf 12 vermindert ist. Die lum- 
bale Strecke der Grenzlinie dehnt sich aus bei 


Nycticebus (b) mit 16 Rippen über 1/g Wirbel, bei 
Chiromys = 2 - B 3 - - 
Galago u - EWR - 
Lemur m 1 pe -  1!%—2 - und bei 
Avahis - 22 - - 1/, Wirbel. 


Die Ausschaltung von Rippen ist der eranialen Verschiebung 
des eaudalen Endes der Grenzlinie bei diesen Formen vorausgeeilt. 
Die Pleura-Grenze ist bei der Umwandlung des Rumpfes konser- 
vativer als das benachbarte Skelet. Das hat zur Folge, daß die Pleura- 
Säcke über Strecken des Achsenskeletes sich ausdehnen, welche die 
Zugehörigkeit zum knöchernen Brustkorbe längst verloren haben. 

Nach der verschiedenen Ausdehnung der vertebralen Grenzlinie 
in eaudaler Richtung reihen sich die untersuchten Formen in der 
folgenden, tabellarisch geordneten Weise aneinander. 


Höhenstand des caudalen Endes der verte- | Zahl der Wirbel: 

meipatton bralen Grenzlinie, nach der Zahl der thoraco- der 
lumbalen Wirbel bezeichnet lum- |thor.- 
| rechts | links thoracalen balen|lumb. 

. Nyeticebus 
a) trächtiges ©. . . | 17.—16. 17.—16. 16 21123 
SR, Er 16.—15. 158 16 1125 
. Loris graeilis .... 16. 16.—15. 15 8 | 23 
. Peridietus Potto. . . . ir 16 TAN 23 
. Chiromys madagascar. . 16.—15. 16.—15. 41217119 
. Tarsius speetrum . . . 15. 15. 13 6 19 
. Galago senegalensis . . 14. 14. | 13 6| 19 
. Avahis lamiger . . . . 14.| 14.—13. 12| 8 | 20 
Lemur macaco . . | 14. 14 12} 7,19 


8 Georg Ruge 


Die Figur 1 gewährt einen raschen Überblick über den Höhen- 
stand des eaudalen Endes der Grenzlinie bei den verschiedenen 
Halbaffen. Durch die Einfügung der letzten Kippe wird zugleich 
die Größe des von der Pleura bestrichenen, lumbalen Feldes, nach 
der Zahl von Wirbeln bemessen, erkennbar. Die schematische 
Figur erläutert die Verschiebung der caudalen Grenzen von Brust- 
korb und Pleura-Säcken bei den Halbaffen. 


Fig. 1. 


Nycticebus. Peridicticus. Loris. Chiromys. Tursius. Galago,. Lemur. 
b 


Schematische Darstellung der caudalen Ausdehnung der vertebralen Grenzlinie der Pleura-Säcke bei 
Halbaffen. Durch die letzte Rippe und die Grenzlinie wird die nach der Wirbelzahi bemessene Höhe 
der lumbalen Strecke der Pleura-Säcke erkennbar. 


b. Affen. 


Oberes Ende der Grenzlinie. Es liegt an der Stelle, wo 
die Pleura kuppelförmig über die Lungenspitze ventralwärts zieht, 
die Beziehung zur dorsalen Brustkorbwand aufgebend. Es fällt in 
der Regel mit dem Köpfehen der 1. Rippe zusammen. 

Bei einem Macacus cynomolgus blieb das obere Ende vom 
Köpfehen der 1. Rippe entfernt, was auch bei einigen Halbaffen 
beobachtet wurde. 

Die Kuppel der Pleura ragt über das Köpfchen der 1. Rippe 
in nennenswerter Weise niemals hinaus. Ihr höchster Punkt liegt 
meistens in der Nähe des Rippenköpfcehens, also dorsalwärts. Die 
Grenzlinie der Kuppel folgt eine Strecke weit dem Körper der 
1. Rippe. Die Kuppel erhebt sich eranialwärts beträchtlich über 
den Sternalteil des Einganges in den Brustkorb, was aus der starken 
ventralen Neigung der 1. Rippe sich herleitet. Sie fügt sich lateral 
der Innenfläche der Musculi scaleni an. Die bildlichen Darstellungen, 
bezüglich der Pleura-Grenzen schematisch gehalten, sind den an- 


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 Genera sind indessen derartig, daß sie die fort- 


9 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 


gegebenen Verhältnissen gemäß zu verstehen. So entspricht z. B. 
auf Fig. 34b die höchst gelegene Stelle des Pleura-Sackes dem 
oberen Ende der vertebralen Grenzlinie. 

Das gleiche Verhalten wird bei allen Affen, die Anthropomorphen 
inbegriffen, angetroffen. 


Caudales Ende der vertebralen Grenzlinie. 

In Übereinstimmung mit der metameren Verkürzung des thoraco- 
lumbalen Abschnittes der Wirbelsäule vollzieht sich auch bei den 
Affen eine allmähliche Verschiebung der caudalen Endpunkte der 
vertebralen Grenzlinien. Fallen beide Vorgänge auch oft zusammen, 
so kann die Ausdehnung der Pleura-Säcke sich doch bis in die 
Lende hinein erhalten; während Rippen an diesen Stellen ver- 
schwunden sind. Umgekehrt kann das Ende der vertebralen Grenz- 
linie eranial vom unteren Rande der letzten Rippe gelegen sein. Es 
besteht demgemäß nur eine allgemeine, aber keine genaue Ab- 
hängigkeit der Ausdehnung der Pleura-Höhlen von der metameren 
Zusammensetzung des thoraco-lumbalen Abschnittes des Achsen- 
skeletes. Immerhin besitzen wir im Zusammenhalten beider Er- 
scheinungen einen genauen Maßstab für das Ordnen aller Grenz- 
linienbefunde zu einer natürlichen Reihe. 

Verschiedenheiten werden bei den Arten derselben Gat- 
tung sowie bei den Individuen derselben Art angetroffen. Außer- 
dem stellen sich ungleiche Befunde zuweilen an beiden Körper- 
hälften eines Individuums ein. Die Breite der Schwankungen hier 
und dort kann erst allmählich, wenn eine grö- 
ßere Reichhaltigkeit an Tatsachen vorliegt, be- 
stimmt werden. Istaus ihnen einmal der Mittelwert 
allenthalben erschlossen, so wird der Überblick 
über den Entwicklungsvorgang der sich verschie- 
benden Grenzlinien innerhalb des ganzen Stam- 
mes wesentlich erleichtert sein. Bekannt gewor- 
dene Schwankungen innerhalb der einzelnen 


Fig. 2. 


Ateles. 


schreitende Cranialverschiebung der vertebralen 
Grenzlinien im gesamten Simier-Stamme nicht 


Caudale Ausdehnung der 


zu verdecken vermögen. 


“ 
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1. Platyrrhina. 
Ateles paniscus (Fig. 2). Das Ende der Grenz- 


linie befindet sich linkerseits zwischen 16. und 


vertebralen Pleura-Grenz- 
linie bei Ateles paniscus. 
Schematisch - asymmetri- 
scher Höhenstand. Gro- 
Bes lumbales Feld der 
Pleura-Säcke. 


10 Georg Ruge 


15., rechts vor der Mitte des 15. thoraco-Jumbalen Wirbels. Da 
14 Rippen bestehen, so liegt eine thoraco-Jumbale Grenzlinie vor, 
deren lumbale Strecke links die Höhe eines ganzen, rechts die eines 
halben Wirbels beträgt. 


2. Katharrhina. 
Papio mormon. Die Grenzlinie endigt bei einem Tiere zwischen 
15. und 14., bei einem andern rechts vor der Mitte des 14. und 
links vor dem cranialen Rande des 14., bei Papio sphinz rechts 
Fig. 3. 


Papio mormon. P. sphinz. 


1. 2. 
Caudale Ausdehnung der vertebralen Pleura-Grenzlinie bei Papio mormon und P. sphinz. Schema- 
tisch. Symmetrischer und asymmetrischer Höhenstand. Großes und kleines, lumbales Feld der 
Pleura-Säcke. 


vor dem cranialen Rande des 14. und links zwischen 14. und 13. 
thoraco-lumbalem Wirbel (Fig. 3). 

Es bestehen bei allen drei Formen 13 Rippen. Die Grenzlinie 
bestreicht bei Mormon demnach die Lende in einer und einer halben 
Wirbelhöhe; während sie bei Sphinz ungefähr mit dem unteren 
Rande des Brustkorbes zusammenfällt. Das Tier mit der größten 
Ausdehnung der Pleura-Säcke über die Lende besitzt 20, das mit 
der geringeren Ausdehnung nur 19 und das mit der geringsten nur 
18 thoraco-lumbale Wirbel. 

Die größere Zahl präsacraler Wirbel fällt mit der beträchtlicheren 
Ausdehnung der Grenzlinie über der Lendengegend zusammmen. 

Macacus radiatus (Fig. 4). Der ursprünglichste Befund bei drei 
Tieren zeigt das Ende der Grenzlinie vor dem oberen Viertel des 
15., der meist abgeänderte Befund vor der Mitte des 13. thoraco- 
lumbalen Wirbels. Der Bestand von 12 Rippen läßt an der Grenz- 
inie einen Lendenabschnitt von 2 bis !/, Wirbelhöhe unterscheiden- 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 11 


Die größere Zahl präsacraler (19 thor.-lumb.) Wirbel fällt hier 
mit der weiteren cranialen Verschiebung der Pleura-Säcke zusam- 
men. Die Verminderung der Wirbel um einen (18. thor.-lumb.) koinzi- 
diert mit dem ursprünglichen Verhalten an der Pleura. 

Macacus sinicus verhält sich sehr ähnlich wie Macacus radiatus b. 

Fig. 4. 


Macacus I 
a 


I 


ni: 


(ang 
Hr 
13. f 
14. \ 
h m 


Die bei drei Exemplaren von Macacus radiatus ausgesprochene Verschiedenheit des Höhenstandes 
am Caudalende der vertebralen Grenzlinie. Schematisch. Die Schwankung beträgt zwei Wirbel- 
höhen; sie beeinflußt die Höhe des lumbalen Feldes der Pleura-Säcke. 


Macacus eynomolgus (Fig. 5). Der Höhenstand des Endes der 
Grenzlinie schwankt bei fünf Tieren nur um einen Wirbel. Er wird 
im ursprünglichsten Falle zwischen 14. und 13., im differentesten 
zwischen 13. und 12. thoraeo-lumbalen Wirbel gefunden. 

Bei einem Exemplare mit 13 Rippen fällt das untere Ende der 
Grenzlinie in die Mitte des 13. Wirbels. Rippenrückbildung und 
eraniale Verschiebung der Pleura-Säcke legten gleiche Wegstrecken 

Fig. 5. 


Macacus cynomolgus. 


Ausdehnung der vertebralen Grenzlinie bei vier Exemplaren von Macacus cynomolgus. Schematisch. 
Die Schwankungen liegen innerhalb einer Wirbelhöhe. 


zurück. Die Grenzlinie ist rein thoracaler Natur. Bei 4 Tieren mit 
je 12 Rippen und 6 Lendenwirbeln besteht ein lumbaler Abschnitt 
der Grenzlinie von einer Wirbelhöhe im äußersten Falle. 

Das Tier mit den meisten präsacralen Wirbeln (19 thor.-lumb.) 
steht bezüglich des Pleuralbefundes an zweitletzter Stelle. 

Bei Cynomolgus hat sich ein gewisser Stillstand im Vergleiche 
mit Radiatus eingestellt. 


12 Georg Ruge 

Macacus nemestrinus (Fig. 6). Das Ende der vertebralen Grenz- 
linie liegt bei einem Exemplare mit 13 Rippen und 6 Lendenwirbeln 
rechts vor dem oberen Drittel, links vor dem oberen Rande des 


Fig. 6. 


Macacus nemestrinus. 


Höhenstand des Caudalendes 
der vertebralen Pleura-Grenz- 
linie' bei Macacus nemestri- 
nus. Schematisch. Das lum- 
bale Feld der Pleura-Säcke 
erreicht bei asymmetrischer 
Ausbildung nicht ganz die 


14. thoraco-lumbalen Wirbels. Der Befund ent- 
spricht etwa dem bei Sinzcus, bei welchem aber 
die Zahl präsacraler Wirbel um einen ver- 
mindert ist. 

Das lumbale Feld der Pleura-Säcke ist 
rechts auf den Bruchteil einer Wirbellänge, 
links auf die Höhe einer Wirbelbandscheibe 
eingeengt. 

Die Schwankungen der vertebralen Grenz- 
linie werden innerhalb der Macacus-Gruppe 
durch das obere Viertel des 15. (Radiatus 1) 


Höhe eines Wirbels. 


und die Wirbelbandscheibe zwischen 13. und 
12. thor.-lumb. Wirbel (Cynomolgus 5) begrenzt; sie betragen also die 
Länge von 21/, Wirbel. 

Die Ausdehnung der lumbalen Strecke der Grenzlinie schwankt 
zwischen 2!/, Wirbellänge (Radiatus 1) und einem völligen Fehlen 
(Oynomolgus 4). 

Drei Tiere mit der größeren Zahl thoraco-lumbaler Wirbel (19) 
bewahrten nicht die größere Indifferenz bezüglich der eranialen Ver- 
schiebung der Grenzlinie. 


Die bisher bekannt gewordenen Tatsachen lassen sich tabel- | 


larisch in der folgenden Weise ordnen. 


|Höhenstand des caudalen Endes der vertebralen || Zahl der Wirbel: 
Bes Pleura-Grenzlinie, nach der Zahl thoraco-Jum- der } 
baler Wirbel angegeben thora-| lum- |thor.- 
ö rechts | links calen| balen/lumb. 
Radiatus 1... ..... 15. (ob. !/ı) 15.—14. | 1216 | 38 
- Da el ee 14. (Mitte) 14.—13. | ? 
a ing; 13. (Mitte) 13. (Mitte)) 127 [19 
79, Sue, 14. (ob. 1/4) 14.—13. 13 | 5| 18 
Oynomolgus 1... ... 14.—13. 14.—13. 12| 6 18 
- Ba 14.—13. 14.—13. | 12 ? 
- 3. 13. (Mitte) 13. (Mitte) 12] 6 18 
- a tr 13. (Mitte) 13.(Mitte)13 |6 19 
- U RER 13.—12. 13.—12. |: 1216 | 18 
Nemestrinus ...... | 14. (ob. 1/3) | 14. (ob. Rand) 18 6 1 


Semnopithecus leucoprymnus (Fig. 7). Die Grenzlinie endigt vor 
der Bandscheibe zwischen 14. und 13. thor.-lumb. Wirbel, deren 19 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 13 


bestehen. Die lumbale Strecke der Pleura dehnt sich beim Bestande 
von 12 Rippen über eine Wirbelhöhe aus. Der Befund ähnelt 
bezüglich des Skeletaufbaues dem von 
Radiatus 3, bezüglich der Pleura dem von 
Sinteus. 


Fig. 7. 


Semmopithecus. 


Hylobatiden (Fig. 8). 


Die Zahl thor.-lumb. Wirbel zeigt eine 12. TE 
größere Beständigkeit; sie beträgt 18 an 18, 
6 von 7 Tieren. Sie sinkt einmal auf 17 14. 


bei Syndactylus herab. Auch der Stand des 
unteren Endes der Grenzlinien schwankt Höhenstand des Caudalendes 
nur um 1%/, Wirbel. Der ursprünglichste, iimie dei Semmopithuws luo. 
d.i. der am weitesten caudale Höhenstand ?rymmus. Schematisch. Der 
findet sich bei den Tieren mit 14 Rippen N 
(Agilis, Lar); während eine größere craniale rn Barber 
Verschiebung bei 5 Tieren mit je 13 Rippen 
sich kundgibt. Dabei beschließt aber der Befund mit nur 17 thor.- 
lumb. Wirbeln die Reihe nicht. 

Die Höhe der lumbalen Strecke der vertebralen Grenzlinie 
schwankt zwischen einer und einer halben Wirbellänge (Agzlıs, Leu- 
eiscus). 


Fig. 8. 
Hylobates: 
agilis. lar. syndactylus. leueiscus. 
a b a b 
13. | || 
141. I INS 
15. 
16. 
@ b a b 
3 2. 3. 4. 


- Höhenstand des Caudalendes der vertebralen Pleura-Grenzlinie bei Hylobates agilis, syndactylus und 
_ leweiscus. Schematisch. Die Schwankungen betragen bei teilweiser Asymmetrie nicht mehr als 
11/2 Wirbelhöhe. Syndactylus zeigt bei 3 Exemplaren einen Stillstand der Bewegung. Bei allen 
Tieren besteht ein Lumbalfeld der Pleura-Säcke. 


r 


Individuelle Schwankungen bestehen bei Agilis. Der Höhen- 
stand der Grenzlinie schwankt rechts um eine, links um eine halbe 
_ Wirbellänge. Es handelt sich um 2 Fälle mit gleicher Zahl prä- 
- saeraler Wirbel, aber mit 14 und mit 13 Rippen. 
€ Syndactylus zeigt an 3 Exemplaren rechts den gleichen Stand 
i 


or 


14 Georg Ruge 

der Grenzlinie vor dem unteren Rande des 14. Wirbels, links zwei- 
mal das gleiche Verhalten, und nur einmal um eine halbe Wirbel- 
länge weiter eranialwärts. Die präsacrale Wirbelzahl ist zweimal 
18, einmal 17. 

Die rechte vertebrale Grenzlinie liegt viermal weiter caudal- 
wärts als die linke, und zwar einmal um eine Wirbellänge (Agzks), 
dreimal um eine halbe Wirbellänge (Zar, Syndactylus 3, Agdis 2). 

Alle Tatsachen sind übersichtlich in die Tabelle eingetragen. 


Zahl der Wirbel: 


Höhenstand des caudalen Endes Ber 

tebralen Pleura-Grenzlinie, nach der Zahl der 
thoraco-lumbaler Wirbel angegeben thora- | lum- | thor.- 
h rechts links calen | balen | lumb. 
le I ea nahe 15. (unt. Rand) | 14. (unt. Rand), 14 4 18 
BMA ee 14. (unt. Rd.)| 14. (Mitte) 13 5 | 18 
NL N 0 A 15. (Mitte) 14. (unt. Rand) | 14 4 18 
Syndactylus ad. 1. 14. (unt. Rd.) 14. (unt. Rand) 13 5 18 
5 jur. 2. 14. (unt. Rd.)| 14. (unt. Rand) 13.124 17 
2 -98. | 14. (unt. Rd.)| 14. (Mitte) 131. Doms 
Deunseis. .. suaak | 14. (unt. Rd.)) 14. (Mitte) 13 [5] 18 


3. Anthropomorphae. 

Schimpanse. Bei gleicher Gliederung der Wirbelsäule in 13 tho- 
racale und 4 lumbale Wirbel schwankt der Stand des caudalen Endes 
der Grenzlinie bei 3 Tieren beiderseits um 11/, Wirbellängen, jedoch 

Fig. 9. 


Schimpanse. 


a b c 


Q 6) 
Caudaler Höhenstand der vertebralen Pleura-Grenzen bei 3 Exemplaren von Troglodytes niger. 
Schematisch gehalten. Die Pleura-Säcke nehmen bei a den tiefsten, bei c den höchsten Stand ein. 
Die Verschiebung erstreckt sich über 2 Wirbel. Es bestehen je 13 Rippenpaare, Die Pleura-Säcke 
besitzen ein lumbales Feld. 


rechts und links in verschiedener Weise. Rechts verschiebt sich 
der Stand von der Mitte des 15. bis zum unteren Rande des 13., 


links von der Grenze zwischen 15. und 14. bis zur Mitte des 13. 
thor.-lumb. Wirbels. Der rechtsseitige Befund ist bei einem jeden 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 15 


Objekte der indifferentere. Eine völlig symmetrische Anordnung 
wird vermißt. 

Die lumbale Strecke der Grenzlinie bestreicht rechts 1!/,, links 
1 Wirbellänge. 

Die Fig. 9 und die folgende Tabelle versinnlichen die wesent- 
lichsten Verhältnisse. 


Höhenstellung des caudalen Endes der Zahl der Wirbel: 


vertebralen Pleura-Grenzlinie, nach der | der 
Zahl thoraco-lumbaler Wirbel bemessen | thora- lum- thor.- 
rechts | links || ealen | balen lumb. 
Schimpansel. .. „15. (Mitte) 15.—14. 13 En Wr! 
ö 2.9... .|| 14 Mitte) |  14.(ob.Rä.)| 13 A 7 
& Ben 13. (unt. Rd.) 13. (Mitte)| 13 a: 


Der Verschiebungsvorgang beginnt bei Schimpanse nur um eine 
halbe Wirbellänge höher als bei der Gattung Hylobates. Er findet 
hier einen natürlichen Anschluß, pflanzt sich jedoch um eine ganze 
Wirbellänge höher fort, um dadurch von Hylobates sich zu entfernen, 
an Gorilla sich aber enger anzuschließen. 

Gorilla. Die Zahl thoraeo-lumbaler Wirbel schwankt bei 2 Tieren 
zwischen 18 und 16, die Zahl der Rippen zwischen 14 und 13. 
Das Ende der Grenzlinie lagert am Objekte mit 18 Wirbeln vor 
dem unteren Rande des 13., an dem mit 17 einen ganzen Wirbel 
weiter eranialwärts. Asymmetrien bestehen nicht. 

Die vertebrale Grenzlinie ist rein thoracaler Natur. Eine lum- 
bale Strecke fehlt nicht nur allein, das Caudalende entfällt vielmehr 
noch ceranialwärts vom letzten Thoracalwirbel. 

Die eraniale Verschiebung der Fig. 10. 

Enden der Pleura-Säcke ist bei Gorilla Boalle 

der Rippenrückbildung um ein ganzes 
Segment vorausgeeilt. Das ist eine 
neue Erscheinung, welche mit dem 
Bestand von nur 16 thoraco-lumbalen 
Wirbeln wenigstens bei einem Ob- 
Jekte koinzidiert. Eine so geringe 
Zahl präsacraler Segmente fehlt den 


D Caudaler Höbenstand der vertebralen Pleura- 
niederen Affen. Grenzen bei 2 Individuen. von Troglodytes 


1 Gorilla. Schematisch gehalten. Der tiefste 
Der hohe eraniale Stand der Stand findet sich bei a, der höchste bei b. 


 vertebralen Grenzlinie wird nicht un- Der Unterschied beträgt die Länge eines 
r A Wirbels und einer Bandscheibe. Bei a 
mittelbar von der Verminderung bestehen 14, bei d nur 13 Rippenpaare, Die 


—_. D Be „. letzten Rippen nehmen beide Male eine 
 präsacraler Wirbel abhängen können, BSH EKTAIG Bas ein. 


16 Georg Ruge 


da er ja bei der Anzahl von 18 Wirbeln am andern Exem- 
plare ebenfalls deutlich zum Ausdruck kommt und auch, allerdings 
nur selten, bei niederen Affen (Macacus-Arten) angetroffen wird 
Beide Erscheinungen werden durch eine gemeinsame, den Rumpf 
umgestaltende Ursache bedingt sein. 

Die Fig. 10 und die Tabelle enthalten in übersichtlicher Weise 
alles Tatsächliche. 


Höhenstellung des caudalen Endes der ver- Zahl der Wirbel: 
tebralen Pleura-Grenzlinie, nach der Zahl! der 
thoraco-Jumbaler Wirbel bemessen thora- lum- thor.- 
rechts | links calen | balen | lumb. 
Gerliat.:s :. 2,118. mat. Rand) 14: 2, 58 18 
2 Re RR a 12. (unt. Rd.)| 12. (unt. Rand)| 13| 3 .| 16 
| | | 


Orang. Die Zahl thoraco-lumbaler Wirbel ist auf 16, die der 
Rippen auf 12 vermindert. Die Enden der Grenzlinien haben einen 
dementsprechend höheren Grad era- 
nialer Verschiebung erfahren; sie be- 
finden sich in einem Falle vor der 
Mitte, in einem zweiten vor dem 
unteren Rande des 12. Wirbels. 


Fig. 11. 
Orang. 


R Das Verhalten ist beiderseits gleich. 
Die Lendengegend bleibt von 
R\ b der Pleura unbekleidet. Die Rück- 


Caudaler Höhenstand der vertebralen Pleura- bildung der Rippen und die eraniale 


Grenzen bei 2 Individuen von Simia Satyrus. - 
Schematisch gehalten. Der tiefste Stand Verschiebung der vertebralen Grenz- 


befindet sich bei a, der höchste bei d. Der linie machen ungefähr an gleichen 
Unterschied beträgt nur die Länge eines . . D 
halben Wirbels. Die Rippenzahl ist je 12. Stellen der Wirbelsäule Halt. Die 
Die Grenzlinie fällt bei a mit der letzten Pleura- Verschiebung ist in einem 
Rippe zusammen; sie liegt bei db cranial a, b . 
Sen Falle der Rippenreduktion voraus- 
geeilt. 

Bei Orang ist der höchste eraniale Stand der Grenzlinie er- 
reicht. Diese Erscheinung deekt sieh mit dem Befunde am Skelete. 

Fig. 11 und Tabelle enthalten die bisher bekannt gewordenen 
Tatsachen. 


Höhenstand des caudalen Endes der ver- Zahl der Wirbel: 
tebralen Pleura-Grenzlinie, nach der Zahl der 
thoraco-lumbaler Wirbel bemessen thora- lum- thor.- 
: rechts | links calen balen | lumb. 
Orangli.juv. S... .| 12. (Mitte) 12. (Mitte) 12 4.138 
NE an ie 1A ob; Bd.) 12. (ob. Rd.) 12 4 16 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 17 


Nach den vorliegenden Befunden nimmt Schimpanse unter den 
Anthropomorphen die niederste, Orang die höchste Rangstufe ein. 
Individuelle Schwankungen im Höhenstande der Grenzlinie sind 
beim Schimpanse am größten, beim Orang am geringsten; sie be- 
wegen sich dort in der Breite von 1!/,, hier in der von einer halben 
Wirbellänge. Gorilla steht in allen Eigenschaften zwischen Schim- 
panse und Orang. 

Der höchst erreichte Stand des Grenzlinienendes bei Schimpanse 
bezeichnet den Ausgangspunkt ceranialer Verschiebung beim Gorilla. 
Und wiederum setzt der ursprünglichste Zustand im Verschiebungs- 


prozesse von Orang da ein, wo der am meisten vorgeschrittene von 


Gorilla sich befindet. Der Anschluß ist jedoch kein so unmittel- 
barer, wie bei Schimpanse und Gorilla; denn der ursprünglichste 
Befund schließt sich bei Orang um eine halbe Wirbellänge höher 
an, als der am meisten fortgeschrittene bei Gorilla sich äußert. 

Der Zustand an der Pleura des Gorilla läßt sich demnach 
von dem des Schimpanse, derjenige des Orang von dem des 
Gorilla, rein morphologisch betrachtet, wohl ableiten. Im ganzen 
gilt das auch für die entsprechenden Befunde der Gliederung der 
Wirbelsäule, wenn schon Gorilla in einem Falle durch Vermehrung 
präsacraler Wirbel und Rippen um ein Stück Ursprünglicheres als 
Schimpanse darbietet. 

Diese Art der Ableitung darf ohne weiteres nicht im genealogi- 
schen Sinne verstanden werden; denn die geographische Verbreitung 
spricht zwar nicht gegen eine direkte Verwandtschaft zwischen 
Schimpanse und Gorilla, aber wohl gegen eine solche zwischen 
ihnen und Orang. Dazu kommt, daß Gorilla in andern anatomi- 
schen Einrichtungen tiefer steht als Schimpanse, und daß Orang 


in vielen Punkten eine ganz selbständige Entwicklung eingeschlagen 


| 


hat. Zutreffender ist die Annahme einer gemeinsamen Grundform 
für alle drei Antbropomorphen. Diesbezüglich leitet der Weg zum 
Genus Hylobates. Die gemeinsame Stammform für alle Arten dieser 
Gattung kann auch für die der Anthropomorphen gelten; während 
es unstatthaft ist, irgend eine Art, etwa Leuciscus, in eine engere 
Beziehung zu den letzteren, etwa zu Schimpanse, zu bringen. 
Sucht man noch weiter rückwärts in die genealogischen Ver- 
hältnisse vorzudringen, so bieten die Befunde bei der Gattung Maca- 


_ eus Anhaltepunkte dar. Im ganzen bedeutend niedriger organisiert, 


hat Macacus bezüglich der vertebralen Pleura-Grenzlinie Hylobates 
weit überholt, so daß Macacus nicht als Stammform für HAylobates 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 2 


18 Georg Ruge 


gelten kann. Macacus schließt sich bezüglich der Pleura enger an 
die Anthropoiden an. Es wäre aber vermessen, eine engere ver- 
wandtschaftliche Beziehung zwischen ihnen anzunehmen. Dagegen 
lehnt sich alles auf. Wir werden vielmehr dahin gedrängt, für 
Cercopitheeinen, Hylobates und Anthropomorphe eine gemeinsame 
Stammform anzunehmen. Eine jede Gattung trägt die Zeichen eige- 
ner Entwicklung, welche bei gleichem Grade konvergenter Umbil- 
dung Gleichheit vortäuschen können. Nur der Umwandlungsvorgang 
bleibt bei allen der gleiche; er zeigt sich eben in der eranialen 
Verschiebung der Pleura-Säcke. 

Je tiefer die gemeinsame Wurzel gesucht wird, aus welcher 
die verschiedenen Abteilungen der recenten Primaten sich entwickelt 
haben mögen, um so ungezwungener lassen sich die variablen ana- 
tomischen Befunde stammesgeschichtlich erklären. 

Ein auf Grund der vertebralen Grenzlinie etwa zu entwerfender 
Stammbaum der untersuchten Formen wird keinen sicheren Auf- 
schluß über deren Ablösung vom Stamme geben können, wohl aber 
deren Entfernung von ihm mit annähernder Genauigkeit bezeichnen 
(vgl. Seite 27). 


c. Mensch. 


Das eraniale Ende der vertebralen Grenzlinie liegt in der 
Regel vor dem Köpfchen oder in der Höhe des Halses der 1. Rippe 
(PanscH!). Zuweilen ragt es nicht unbeträchtlich über das Rippen- 
köpfehen halswärts empor, was bei einem 7monatigen Embryo an- 
getroffen worden ist. Es liegt die Vermutung nahe, daß das Fort- 
bestehen einer 7. Halsrippe die Ursache der Abweichung sei. 
Entwicklungsgeschichtliche Aufschlüsse hierüber stehen aus. Sicher 
ist, daß der Fortbestand einer Halsrippe bei Erwachsenen vom nor- 
malen Verhalten des Standes der Pleura-Kuppe begleitet sein kann. 
Das traf bei einem Individuum mit einer linken, 2 cm, und einer 
rechten, 5,5 em langen 7. Halsrippe zu; trotzdem die rechte Arteria 
subelavia als abnorm segmentierte die Halsrippe eranialwärts querte. 
Die von Panscu geäußerte Vermutung des Zusammenfallens von 
Halsrippe und Hochstand der Pleura-Kuppe bewahrheitete sich in 
diesem Falle nicht. 

Zuweilen liegt das obere Ende der Grenzlinie caudalwärts vom 
Köpfehen der 1. Rippe. Daraus erklärt sich die von RÜDINGER? 


1 Anatomische Vorlesungen, 1884, S. 140. 
2 RüpınGer. Topographisch-chirurgische Anatomie des Menschen. 


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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 19 


beobachtete Asymmetrie des Höhenstandes. In der Regel besteht 
eine beiderseitige Übereinstimmung (Pansch, HENKE). 

Die Pleura-Kuppe überragt Brustbein und Vorderenden des 
1. Rippenpaares im Mittel um 3,5 em (2,5—5,5 em)., 

Caudales Ende der vertebralen Grenzlinie. Der Höhen- 
stand fällt in der Regel mit der unteren Hälfte des 12. Wirbels zu- 
sammen, nähert sich dabei öfters dessen Mitte. 

Dieser Normalstand erhebt sich etwas über den vorgeschrittenen 
Befund von Gorilla und stimmt mit dem ursprünglichen bei Orang 
überein. Das differenteste Verhalten bei Schimpanse bleibt indessen 
ursprünglicher als das normale menschliche. Der Unterschied be- 
trägt die Länge eines Wirbels und einer Bandscheibe. 

Schwankungen im Höhenstande stellen sich nach der cau- 
dalen und der eranialen Richtung ein. 

Der tiefste caudale Stand fällt mit der Mitte des 13. thor.- 
lumb. Wirbels zusammen; er ist von PanscH? beobachtet worden. 
Er entfernt sich von der Norm etwa um die Länge eines Wirbels 
und einer Bandscheibe. Er stellt das ursprünglichste bekannte 
Verhalten dar und hat eine vorgeschichtliche Bedeutung. Er stimmt 
mit dem meist abgeänderten Befunde von Schimpanse überein, ist 
differenter als der primitivste von Gorilla, aber um eine ganze 
Wirbellänge ursprünglicher als der primitivste Befund von Orang. 


Der höchste eraniale Stand ragt bis zum unteren Rande des 
11. Wirbels hinauf und übertrifft den des Orang um eine Band- 
scheibe, den des Gorilla um die Länge einer Bandscheibe und 
eines Wirbels. Wir haben es hier mit der am weitesten vorge- 
schrittenen Stufe aller in der Primatenreihe bekannt gewordenen 
Umwandlungen zu tun. Dieser dem Menschen ureigenste Befund 
übertrifft den differenten von Orang allerdings nur um die Länge 
einer Bandscheibe. Der Breitegrad aller Schwankungen erstreckt 
sich über die Länge eines Wirbels und zweier Bandscheiben. 


Die Neigung zur Abweichung vom Normalstand ist nach dem 
regressiven Tiefstande zu lebhafter als nach dem progressiven Hoch- 
stande zu. Diese Erscheinung ist aus einer größeren Reihe von 
Beobachtungen T. Tansas zu entnehmen, welche die Häufigkeit der 
_ verschiedenen Befunde etwa in der folgenden Weise erkennen läßt. 


1 Henke. Atlas der topographischen Anatomie des Menschen. 
?2 Anatomische Vorlesungen. 1884. S. 139. 


2* 


90 Georg Ruge 


Man findet den 
Stand des Caudalendes der vertebralen Grenzlinie in 


der Höhe: 


1. des oberen Randes des 13. Wirbels 4mal = 3°,, 
2. zwischen 13. und 12. Wirbel 8mal = 15%, 
3. des unteren Randes des 12. Wirbels 14mal = 26 /,, 
4. der Mitte des 12. Wirbels 20mal = 37/,, 
5. des oberen Randes des 12. Wirbels 6mal = 11%, 
6. des unteren Randes des 11. Wirbels 2mal = 4P),. 


Eine ganz neue Erscheinung progressiver Art schließt sich 
beim Menschen an die craniale Verschiebung an. In der Regel 
bleiben die beiderseitigen vertebralen Grenzlinien bis zum caudalen 
Ende hin parallel gestellt. Dieser Zustand ist auch bei allen Affen 
ausgebildet; er ist der vorherrschende, primitive. Die Grenzlinien 
weichen nun zuweilen beim Menschen bereits vor ihren Endpunkten 
auseinander und langen je für sich am Seitenrande der Wirbel 
an. Es stellt sich vor dem letzten, pleuralen Wirbel ein breiteres 
interpleurales Feld ein. Der Übergang in die costale Grenzlinie, 
in der Regel unvermittelt, wird ein allmählicher. Diese Trennung 
der Grenzlinien voneinander fällt mit einer progressiven Gesamtver- 
schiebung zusammen und leitet einen höheren Grad derselben ein. 
Die folgenden Beobachtungen sichern die Annahme, daß der Um- 
wandlungsvorgang beim Menschen noch keinen Abschluß gefunden 
hat. Man vergleiche die Fig. 12 (1—4). 


Fig. 12. 
44jährige Frau. 26jährige Frau, 50 jähriger Mann. 16 monatiges Mädche 


"IP PR 3. 4. 
Vier Fälle von Auseinanderweichen der caudalen Endstrecken der vertebralen Pleura-Grenzen, ver- 
knüpft mit primitivem (Nr. 1 und 2, rechts) und sekundärem Höhenstande (Nr. 4) der Pleura-Säcke, 
Ein infracostales Feld der Pleura-Wandung tritt bei 1 und 2 auf; während die 12. Rippe bei 4 eine 
infrapleurale Lage einnimmt, Schematisch dargestellt. 


1. Bei einer 44jährigen weichen die vertebralen Grenzlinien 
vor der Bandscheibe zwischen 12, und 11. Wirbel auseinander. Sie 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 21 


ziehen je caudo-lateralwärts und erreichen die Seitenfläche der nächst- 
folgenden Bandscheibe (zwischen 13. und 12. Wirbel). 

2. Bei einer 26jährigen erfolgt die Trennung vor dem oberen 
Rande des 12. Wirbels. Die rechte Grenzlinie erreicht nach caudo- 
lateralem Verlaufe den oberen Rand des 13., die linke die Mitte 
des 12. Wirbels. Die rechte Linie schneidet die 12. Rippe erst 7 cm 
lateral vom Achsenskelete, so daß ein großes, dreieckiges subeosta- 
les Feld zustande kommt. Die linke Grenzlinie gelangt vom Wirbel 
unmittelbar vor die 12. Rippe. 

Der Befund ist so zu deuten, daß rechterseits ein primitives 
subeostales Feld neben der progressiven medialen Trennung der 
Pleura-Grenzen voneinander sich erhalten hat; während linkerseits 
der normale Stand der Grenzlinie erreicht worden ist. 

3. Die Grenzlinien weichen bei einem 50jährigen vor der 
Bandscheibe zwischen 12. und 11. Wirbel auseinander. Rechts er- 
reicht die Linie den unteren Rand, links die Mitte der Seitenfläche 
des 12. Wirbels. 

4, Die Grenzlinien ziehen bei einem l6monatigen Mädchen bis 
zur Mitte des 10. Wirbels nebeneinander in gleicher Entfernung 
caudalwärts. Die linke Linie gelangt steil, die rechte aber in leich- 
tem Bogen zur Seite des unteren Randes des 11. Wirbels, wo der 
Übergang in die costale Grenzlinie beiderseits derartig erfolgt, daß 
die 12. Rippe außerhalb des Pleura-Sackes zu liegen kommt, also 
eine infrapleurale Lage einnimmt. 

Eine hochgradige Cranialverschiebung paart sich hier mit der 
progressiven Erscheinung im medianen Bereiche. 

Die Divergenz der vertebralen Grenzlinien vermag sich also 
bis zur Mitte des 10. Wirbels fortzupflanzen. Der Vorgang empfängt 
nur dann die richtige Beleuchtung, wenn man ihn an das Ende 
aller Umwandlungen bei den Primaten einstellt. Als Einzelerschei- 
nung unverständlich, spielt er als Glied einer großen Reihe eine 
nicht zu unterschätzende Rolle. 

Asymmetrien treten in der Beobachtungsreihe T. TAvJas 
14mal (26 %/,) auf; sie treten auf Fig. 12 dreimal auf. Das Caudal- 
ende der rechten Grenzlinie reicht in 17 Fällen 14mal tiefer als das 
der linken herab. Die Tatsache ist insofern bemerkenswert, als Asym- 
 metrien bei Affen den tieferen Stand ebenfalls in der Regel rechts 
anzeigen (Papio, Macacus, Hylobates, Schimpanse). Bei Ateles ist der 
 Tiefstand jedoch linkerseits gefunden worden (Fig. 2). 
| Die ursächlichen Momente für den tieferen, rechtsseitigen Stand 


22 Georg Ruge 


sind nicht bekannt. Die Erscheinung widerstrebt der des großen 
Umfanges der rechten Leberhälfte, sowie derjenigen der Linkslage 
des Herzens bei Aylobates, Anthropomorphen und beim Menschen. 
Sie kann in Einklang gebracht werden mit der Ausbildung eines 
rechten, infraperieardialen Lungenlappens bei niederen Primaten und 
einer erhaltenen Einwirkung von ihm aus, selbst nach seinem Ver- 
schwinden bei Anthropomorphen und beim Menschen. 

Die Asymmetrie erreicht öfter die Länge einer halben Wirbel- 
höhe, zuweilen etwas mehr (vgl. Tanya). Der höchste Grad beträgt 
die Länge eines halben Wirbels und einer ganzen Bandscheibe 
(Fig. 12; Fall 2). 

Infracostales Feld der Pleura-Säcke. Es fehlt dem nor- 
malen Verhalten. Sein Auftreten beim Bestande von 12 Rippen 
entspricht einer primitiven Anordnung, in welcher die Rückbildung 
der 13. Rippe der cranialen Verlagerung der Pleura vorausgeeilt 
ist. Das Überschreiten des thoracalen Gehäuses durch die Pleura 
ist von PAnscH beobachtet, seitdem öfters festgestellt worden. Auf 
der Fig. 12 (Fall 2) liegt es rechterseits vor und fällt mit einem 
vertebralen Tiefstand der Grenzlinie zusammen. Infracostale Felder 
werden auch in denjenigen Fällen vorgelegen haben müssen, in 
welchen die Grenzlinie unterhalb des 12. Wirbels geendigt hat. 
TAanyJA beobachtete deren 14 (1891. Seite 194. III, 2a, b). 


Ein infracostales Feld wird beim Fehlen einer 12. Rippe wahr- 
scheinlich vorhanden sein. Beobachtungen hierüber liegen jedoch 
nicht vor. 


Infrapleurale Lage der 12. Rippe. Sie stellt das Gegen- 
spiel der vorigen Erscheinung dar, insofern die Verschiebung der 
Pleura-Säcke in eranialer Richtung einer gleichwertigen Rückbildung 
der 12. Rippe vorausgeeilt ist. Sie fällt immer mit einem pro- 


gressiven Befunde an der Pleura zusammen. Ein ausgesprochener 


asymmetrischer Zustand erscheint auf Fig. 12 (Fall 4). Die beiden 


von Tansa beschriebenen Beobachtungen mit einem Endstande der 


vertebralen Grenzlinie vor dem unteren Rande des 11. Brustwirbels 
waren mit suprapleural gelegenen 12. Rippen versehen (Fall 22 
und 23). 

Wechselbeziehungen zwischen Höhenstand der Grenzlinie 
und letzter Rippe kommen unter normalen Verhältnissen zu vollem 
Ausdrucke; sie lockern sich in abnormen Zuständen des Höhenstandes 
der Pleura und ziehen dann einerseits das Auftreten eines infra- 


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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 23 


costalen Feldes der Pleura-Säcke, anderseits die suprapleurale Lage 
der 12. Rippe nach sich. 

Abnorme Zustände im Bestande von Rippen dürften ebenfalls 
eine Abhängigkeit des Standes der Grenzlinie im Gefolge haben. 
Hierüber ist nur sehr wenig bekannt. Wir wissen aber, daß die 
Grenzlinie in Fällen mit sehr stark verkümmertem 12. Rippenpaare 
einen höheren Stand einnehmen kann (vgl. TansAa, Fall 18, 23), daß 
ihre Verschiebung dann gleichen Schritt mit der Rückbildung der 
12. Rippe hält. Wie die Pleura bei der Anwesenheit von 14 und 
13 oder von nur 11 Rippen sich verhalte, bleibt festzustellen. In 
gleicher Weise stehen Beobachtungen aus über den Einfluß der Ver- 
mehrung und der Verminderung präsacraler Wirbel. 


Die Verwertung aller berücksichtigten Tatsachen lehrt, daß der 
Höhenstand des Caudalendes der vertebralen Grenzlinie bei allen 
Primaten um 5 Wirbel und 51/, Bandscheiben schwankt. Dabei 
differiert die Zahl thoraeo-lumbaler Wirbel um 7 (bei einem Bestand 
von 23—16). 

Die eraniale Verschiebung der Pleura vollzieht sich also in der 
ganzen Reihe nicht im gleich raschen Tempo wie die Ausschaltung 
präsacraler Wirbel. 

Diese Erscheinung ist bei Halbaffen deutlichst ausgesprochen ; 
denn die Verschiebung an der Pleura beträgt die Länge von 4 Wir- 
beln und 3!/, Bandscheiben. 

Bei den Affen wird eine Gleichheit der segmentalen Pleura- 
Verschiebung und des Ausfalles präsacraler Wirbel beobachtet. Die 
Zahl ist 4 Für die einzelnen Abteilungen der Simier trifft dies - 
aber nicht zu, was sich aus der folgenden Zusammenstellung ergibt. 


Verschiebung der ver- |_ . 
tebralen Pleura-Wand BEneEunE 
Anss in der Zahl 
präsacraler 
Wirbel asnl- Wirbel: 
scheiben 
RER RNT She, aA SITE Te 1 11/g 2 
ei 2a als, BUER 21/y 21/9 1 
Hulolaies 0,4. 11/5 3 1 
Anthropomorphae ... 31/9 3 2 
Schimpanse .... . 2 2 0 
Goslar a De’ 4 2 
11 FREIEN | Ya 0 0 


Die eraniale Verschiebung der Pleura, nach der Zahl von Wir- 
bein gemessen, schwankt bei den Affen in der Regel mehr, als der 


24 Georg Ruge 


Ausfall von präsacralen Segmenten beträgt. Bei Papio und Gorilla 
ist das Gegenteil der Fall. Die Schwankungen an der Pleura sind 
in den einzelnen Abteilungen verschieden lebhaft und zeigen eine 
gewisse Selbständigkeit. Immerhin nehmen sie im ganzen ab und 
betragen beim Orang nur noch eine halbe Wirbellänge. 

Verschiedene Lebhaftigkeit der Schwankungen kommt bei den 
Arten einer Gattung vor. So liegen bei Hylobates syndactylus kon- 
stante Zustände vor; während die Schwankungen bei Agelis allein 
denen der ganzen Gattung entsprechen. 

Verschiebungen der Pleura schwanken beim Menschen um 
1t/, Wirbel und 2 Bandscheiben. 

Mensch und Schimpanse stimmen bei gleicher Zahl präsacraler 
Wirbel im Breitegrade der Pleura-Verschiebungen am meisten 'über- 
ein. Sie vollziehen sich aber beim Schimpanse in mehr caudal 
gelegenen Gebieten, übertreffen jedoch bei 3 Exemplaren diejenigen 
bei vielen menschlichen Individuen, allerdings nur um eine halbe 
Wirbellänge. 

Orang und Hylobates syndactylus zeigen bei verschiedener An- 
zahl präsacraler Segmente die größte Konstanz im Höhenstande der 
vertebralen Grenzlinie. 

Es ist demnach eine verschiedene Fixation in der Organisation 
der einzelnen Gattungen und selbst der einzelnen Arten eingetreten. 
Herrscht auf der einen Seite noch eine lebhafte Bewegung, so ist 
auf der andern Seite ein Stillstand eingetreten. 

Der in der ganzen Primatenreihe leicht erkennbare, lebhafte 
Verschiebungsvorgang der Pleura-Säcke vollzieht sich in den ein- 
‘zelnen Abteilungen nicht gleichmäßig, sondern hier lebhaft und dort 
in beschränktem Maße. Er kann sogar wie bei Syndactylus ausge- 
schaltet sein. 

Infracostales Feld der Pleura = Suprapleurale Lage 
der letzten Rippe. Das infracostale Feld der Pleura erreicht die 
Höhe von einem halben bis drei Wirbel bei den Halbaffen. Es ver- 
größert sich bei Formen mit einer kleineren Rippenzahl und ist bei 
Chiromys mit 12 Rippen und 19. thor.-lumb. Wirbeln am höchsten. 

Bei einigen niederen Affen (Ateles, Papio, Semnopithecus) schwankt 
die Höhe des infracostalen Pleura-Feldes zwischen 1'/, und /s, bei 
andern (Macacus) zwischen 2'/; und O Wirbelhöhe. Die Rückbil- 
dung von Rippen schreitet also in verschiedenem Maße der Cranial- 
verschiebung der Pleura voraus. Dabei können beide zusammen- 
fallen (Macacus). 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 5 


Bei Hylobates beträgt das Feld 1'/, bis 1/, Wirbelhöhe, ähnlich 
wie bei Papio. 

Unter den Anthropomorphen zeigt Schimpanse auf der einen 
Seite ein 2 Wirbel hohes infracostales Feld der Pleura, anderseits 
das Fehlen eines solchen. Bei Gorilla ist das Feld nicht nur aus- 
geschaltet, sondern die Pleura ist sogar über den Thoraxrand empor- 
geschoben, so daß die letzte Rippe eine suprapleurale Lage ein- 
nimmt. 

Örang zeigt das eine Mal den Stand der Pleura in der Höhe 
der letzten Rippe, das andre Mal über ihr. In dem einen Falle 
fehlt das infracostale Pleura-Feld, in dem andern ist eine supra- 
pleurale Lage der letzten Rippen an seine Stelle getreten. 


Beim Menschen wird normalerweise ein infracostales Feld ver- 
mißt. Es wird ausnahmsweise angetroffen. Ebenso kann die letzte 
Rippe ohne Beziehung zur Pleura sein, eine subpleurale Lage ein- 
nehmen. 


Morphologische Bedeutung. Anwesenheit, allmähliche Ein- 
schrumpfung, völlige Ausschaltung des infracostalen Pleura-Feldes 
ordnen sich ebenso wie die erst bei Anthropomorphen und beim 
Menschen auftretende Lage der letzten Rippe in einen den ganzen 
Primatenstamm beherrschenden Verlagerungsvorgang der Pleura- 
Säcke in ceranialer Richtung ein. Es ist bisher nicht gelungen, eine 
Verschiebung letzterer in umgekehrter Richtung auch nur einiger- 
maßen plausibel zu machen. 


Jedwedes Auftreten eines infracostalen Pleura-Feldes ge- 
stattet einen Rückschluß auf die Rückbildung von Rippen in dessen 
Bereiche. Ist das Feld klein, wie in den abnormen Fällen beim 
Menschen, so könnte in ihm eine embryonal regelmäßig angelegte 
Rippe auch erhalten sein. Ist das Feld groß, wie bei Chiromys, 
so kann der Nachweis embryonaler Rippenanlagen in ihm vielleicht 
nicht mehr möglich sein. Das würde aber nicht gegen das einst- 
malige Vorhandensein eingewendet werden können, da auch letzte 
Reste von Rippenanlagen ausgeschaltet werden können. 


Das infracostale Feld dehnt sich erfahrungsgemäß bei Primaten 
caudalwärts niemals über diejenige Zone aus, in welcher nicht bei 
ursprünglicheren Formen Rippen angetroffen werden. Peridietieus 
und Nycticebus je mit 16 Rippen erklären die größte bekannt ge- 
wordene Ausdehnung des infracostalen Feldes bis zum 16, thor.- 
lumb. Wirbel. 


Georg Ruge 


Fig. 13. 
N Prosimiae: | Simiae: , 
Ü Ayeti- | | Maca- Hylo- , Schim- j 
|  cebus. Lemur. Ateles, | Papio. | cus. bates. | panse, Gorilla. 
. | | 
11. | ) | ' 
I '& I 
12 @ \ 1 Fe } r = 
> | A \\ 2) IC 7 J = | 
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\ ) mi | [ N— ei I I 
15. Be . ee \ ) BER \ I 
| j T ] 7 I r 
” een ] 
N = - | F z 
17. I LU I H — - | ; 
1, 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. i 
Schematische Darstellung der cranialen Verschiebung des Höhenstandes der vertebralen Pleura- 
Grenzlinien bei den Primaten. Die Schwankungen im Höhenstande sind bei den einzelnen Abtei- 
® Jungen angegeben. Die dunklen einfachen Linien zeigen den primitiven, die Doppellinien den diffe- 
renteren Zustand an. Auf den Fig. 6 u. 8 sind die punktiert geführten letzten Rippen auf den h| 
differenten Zustand des Pleura-Befundes zu beziehen, die einfach liniierten auf den primitiven. 1 
Auf allen andern Figuren ist das letzte Rippenpaar für die primitiven und differenten Befunde das 
gleiche; es ist einfach liniiert, 
Größte 
Ausdehnung 
des infra- 
- talen 
Größte caudale Ausdehnung der verte- nn 2 
bralen Pleura-Grenzen, nach thoraco- || | an er ae. e| 
lumbalen Wirbeln bemessen 67 IDDEN. || 17er 
des, nach 
Wirbel- } 
längen be- 
messen 
Prosimiae. 
1. Peridketieus. ... . . 17.ob. Rand 16 1/a 1/g 
2. Nycticebus ...... 17.—16. 16 1/o 0 
2 PD a Be Ser 16. (Mitte) 15 1 1 
4. Chwomys ..... 16.—15. 12) 31/g 31/a 
RE 15. (Mitte) 13 ‚62 2 
TE TG N 14. (Mitte) 13 1 1 
Bcbemur ., ,.. . 14. (ob. 1/y) 12) 13/4 13/4 
Simiae 
nn nn 16.—15. 14 11/2 11/a 
u 15.—14. 13 2ila 1/g 
8. Macacus . . .. : 15. (ob. 1/)) 1 23/4 1/g 
4. Semnopithecus 14.—13. 12/1 11% 11/g 
D. Bulobales. .. .. .. 15. (unt. Rand) 14 11/a 1/a 
6. Schimpanse .... . 15. (Mitte) 13 2 0 
RER. 13. (unt. Rd.) 14 0 0 
NN 5.6, 12. (Mitte) 12) 0 0 
Mensch... 13. 12l 1 0 


Der vertebrale Stand der Pleura-Säcke gestattet demnach Rück- 
schlüsse auf stattgehabte Veränderungen am Rumpfskelete. 


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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 97 


Die tiefsten und höchsten Stände der vertebralen Pleura-Grenzen, 
' sowie die segmentalen Größen der infraeostalen Felder sind für die 
Halbaffen, Affen und den Menschen aus der Fig. 13 ablesbar. Sie 
lassen sich, wie folgt, zu einer Reihe ordnen. Hierbei ist aus der 
Angabe der Rippenzahl die segmentale Ausdehnung des ganzen 
Feldes je zu erkennen. 

Peridietieus und Nyceticebus. Das Herabreichen der Pleura bis 
vor den 17. Wirbel kann im obigen Sinne gedeutet werden, weil 
ein Fall mit 17 Rippen bei Nyeticebus bekannt ist (vgl. FLOwer!). 

Die Befunde bei andern Halbaffen bieten in der Deutung der 
infracostalen Felder als ursprünglicher Abschnitte des Thorax keine 
Schwierigkeiten, da für die Stammform mindestens die Zahl von 
17 Rippen, wie bei Nycticebus, anzunehmen ist. 

Ateles. Der Tiefstand des infracostalen Pleura-Feldes zwischen 
16. und 15. Wirbel setzt voraus, daß das Genus Ateles 15 Rippen 
besessen habe. 

Für Macacus, Hylobates und Schimpanse muß ein gleiches wie 
für Ateles angenommen werden. 

Bei Gorilla und Orang ist bisher kein infracostales Pleura- 
Feld beobachtet worden. Die unterste Rippe ist aus dem Bereiche 
des Brustfelles herausgerückt, nimmt also eine infrapleurale Lage ein. 

Mensch. Alle Befunde sind im obigen Sinne zu deuten, da 
14 Rippenpaare beim Menschen bekannt sind, eine 13. Rippe sich 
regelmäßig in früher embryonaler Zeit anlegt. 


Rücksehlüsse aus den Befunden an der Pleura auf nähere 
oder entferntere Stammesverwandtschaft. 


Nimmt man die Halbaffen als eine verwandtschaftlich enger 
zusammengehörige Gruppe, so darf ihre Ablösung vom gemeinsamen 
Primatenstamme als früh erfolgt angenommen werden, da sie die 
Formen mit den primitivsten Befunden, wie Peridietieus, Nyeticebus 
und Loris, in sich fassen. Eine hochgradige Spezialisierung trat 
bei andern Vertretern ein. Sie erwarben, wie Galago und Lemur, 
Umbildungen an den Pleura-Säcken, ähnlich denen bei Leueiscus 
und Schimpanse. Sie mit diesen in irgendwelchen innigeren Ver- 
band zu setzen, ist unstatthaft. 


1 Einleitung in die Osteologie der Säugethiere. Nach der 3., unter Mit- 
wirkung von Dr. H. GApow durchgesehenen Originalausgabe. Leipzig 1888. 


98 Georg Ruge 


In weleher Reihenfolge die Abteilungen der Simier vom Stamme 
sich abgelöst haben, entscheiden die Pleura-Befunde nicht, da 
sie alle zwanglos von einem einzigen niederen Zustande abgeleitet 
werden können. 

Mit Sicherheit lehren aber die Tatsachen, daß das Genus Aylo- 
bates mit den untersuchten Macacus-Arten keine engeren Beziehungen 
habe, da diese bezüglich der Pleura-Säcke höher organisiert sind 
als die im ganzen höher stehenden Hylobatiden. Schimpanse ver- 
hält sich wie Aylobates zu Macacus. 


Ob die drei Vertreter der Anthropomorphen nach gemein- 
samer oder selbständiger Ablösung vom Primatenstamme aus ihre 
Entwicklung genommen haben, darüber erhalten wir keine Auskunft. 
Daß sie später als die andern Simier vom Stamme sich loslösten, 
wird durch die Befunde wahrscheinlich gemacht, aber nicht mehr 
als dies, da Sphin«, Macacus und Semnopithecus spezialisierter sind 
als Schimpanse. 


Gorilla und Orang, je als letzter Überrest einer selbständigen 
Gruppe aufgefaßt, erscheinen als Ausläufer derselben. Sie haben 
unter den Affen die höchste Umwandlung an den Pleura-Grenzen 
erfahren. 


Gegen einen engeren Anschluß von Schimpanse an das Genus 
Hwylobates sprechen die Tatsachen nicht. Auch Gorilla und Orang 
können von ihm abgeleitet werden. Sicherheit hierüber besteht nicht. 


Der Mensch kann mit Schimpanse und Gorilla in einer näheren 
Beziehung wohl gedacht werden, da diese die hierzu erforderlichen 
primitiven Einrichtungen an den Pleura-Säcken aufweisen. Ihn mit 
Orang enger zu verknüpfen, ist jedoch unstatthaft, da dieser spe- 
zialisierter ist als der Mensch. Ihn unabhängig von den Anthropo- 
morphen oder von einer gemeinsamen Stammform mit ihnen herzu- 
leiten, widerstreitet dem Tatbestande nicht; denn je tiefer man für 
eine jede Abteilung die Loslösung vom "Stamme annimmt, um so 
leichter sind die anatomischen Tatsachen zu erklären. 


Wenn der Ursprung der einzelnen Abteilungen vom gemein- 
samen Stamme unbekannt bleibt, so tritt für sie die Entfernung von 
der Urform in den Tatsachen deutlicher hervor, welche durch die 
Umwandlung an den Pleura-Säcken ausgesprochen sind. Stellen 
wir die Formen mit gleichem Bau auf eine gleiche Linie und ordnen sie 
von unten nach oben, so ist damit ihre Entfernung vom Stamme 
angezeigt. In der folgenden Zusammenstellung, welche keine end- 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 99 


gültige sein kann, ist ein Mittelzustand für eine jede Form, aus der 
Summe von Wahrnehmungen erschlossen, angenommen worden. 


Orang 
5 sen mn nd Be en En len ee RE u can „ MONBCH 
nr RE Ro OO OLE ee Gorilla 

ee co. Sphinz Radiatus Leucoprymnus 
Lemur . ». 2... .. . Nemestrinus 
oe 3. et Leuciscus Schimpanse 


Syndactylus 


RER SE RE as RE NE a FB 


Ateles Agilis 
BIRD HOFMON Eee ee een 
16 Loris 
Nycticebus 
Peridicticus 
17 
irbel- West- 


höhe Halbaffen gpon Papio Macacus Semmnopithecus Hylobates Anthropomorphe Mensch 


Die Summe der so geordneten Tatsachen ist am unverfäng- 
lichsten derartig zu verstehen, daß von verschiedenen Seiten, nach 
selbständiger und an mehreren Orten erfolgter Ablösung vom 
Stamme, eine gleiche Höhe in der Organisation erklommen worden 
ist. Das Ergebnis der gleichartigen Umwandlungen erscheint uns 
in konvergenten Erscheinungen. 


Wechselbeziehung zwischen tiefstem Stande der verte- 
bralen Pleura-Grenzlinie und der Zahl von Rippen. 


Sie besteht, ist aber keine ganz innige. Sie tritt unter den 
Prosimiern bei Peridictieus, Nyeticebus und Loris deutlich in die 
Erscheinung, also bei Formen, welche bezüglich der Rippenzahl den 
niedrigsten Rang einnehmen. Hinwiederum ist die Korrelation beim 
Orang und Menschen eine ausgesprochene. Sie verhalten sich 
hinsichtlich des Besitzstandes an Rippen am differentesten. Unter 
den Affen kommt eine nähere Wechselbeziehung bei Sphinz, Nemes- 
trinus, Sinicus, bei einigen Individuen von Oynomolgus und Hylo- 
bates und an einem Exemplare von Schimpanse zum Ausdrucke. 
Andre Formen der Prosimier und Simier zeigen diese nahen Be- 
ziehungen nicht. 


Wechselbeziehung zwischen tiefstem Stande der verte- 
bralen Grenzlinie und der Zahl präsacraler Wirbel. 


Auch sie besteht, ohne jedoch eine sehr enge zu sein. Sie 
_ wird deutlichst erkennbar unter Berücksichtigung der Tatsache, daß 


30 Georg Ruge 


bei Halbaffen einerseits die höchste Zahl von 23 thoraco-Jumbalen 
Wirbeln mit dem tiefsten Stande, anderseits die niederste Zahl von 
19 Wirbeln mit dem Höchststande der vertebralen Grenzlinie zu- 
sammentrifft. Ebenso augenfällig wird die innige Wechselbeziehung 
dureh die Erscheinung, daß Orang mit der geringsten Anzahl thoraco- 
lumbaler Wirbel überhaupt (16) auch den höchsten Stand der Grenz- 
linie erreicht hat. Sie wird außerdem durch Befunde nahe gerückt, 
in denen wie bei Papio und Gorilla Individuen mit größerer 
Wirbelzahl auch einen tieferen Stand an der Grenzlinie aufweisen. 

Die Weehselbeziehung erscheint aber gelockert bei Gegenüber- 
stellung der Tatsachen, welche den gleichen Stand der Grenzlinie 
sowohl beim Menschen mit 17 als auch beim Orang mit 16 thoraco- 
lumbalen Wirbeln zeigen, oder derjenigen Erscheinungen, nach 'wel- 
chen Gorilla mit 15 und Schimpanse mit 17 thoraco-lumbalen 
Wirbeln einen höheren Stand der Grenzlinie besitzen als Aylobates 
mit gleicher Wirbelzahl. 

Weiterhin wird eine Störung in der Wechselbeziehung bemerk- 
bar durch die verschiedene Standhöhe an der Pleura bei Formen 
mit gleicher Wirbelzahl, z. B. mit 18 bei Ateles, Macacus, Hylobates, 
oder mit 17 beim Schimpanse und Menschen. Tiere mit 20 oder 
19 Wirbeln (Papio mormon) können einen höheren Pleura-Stand 
führen als solche mit nur 18 Wirbeln (Ateles, Hylobates agılıs). Der 
Stand der Grenzlinie kann fernerhin der gleiche sein, trotzdem eine 
individuelle Schwankung in der Wirbelzahl besteht. Das ist bei 
Hwylobates der Fall. Und schließlich treten individuelle Schwankungen 
zutage, nach welchen die größere Wirbelzahl mit einem höheren 
Pleura-Stande gepaart sein kann. Dies trifft bei Macacus eynomolgus 
mit 19 und mit 18 Wirbeln zu. 


Läßt sich daher eine Wechselbeziehung zwischen beiden ana- 
tomischen Einrichtungen bei den Primaten im großen sowie im kleinen 
Verbande einerseits nachweisen, so ist anderseits zuzugeben, daß 
die gesetzmäßige Erscheinung vielfach Einschränkungen und schein- 
bare Durchbrechungen erfährt. 


Ursachen der Störungen in der Wechselbeziehung zwi- 
schen Verminderung präsacraler Wirbelund Verlagerung 
der Pleura-Säcke in eranialer Richtung. 


Der Grund dafür, daß beide Erscheinungen eine gewisse Un- 
abhängigkeit voneinander bewahren können, beruht zunächst in ihrer 


I 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 31 


gemeinsamen Beherrschung durch einen Verkürzungsprozeß, welcher 
den gesamten Rumpf der Primaten stetig der Segmente beraubt. 

Die metamere Verkürzung des Rumpfes, für sich ununter- 
brochen tätig, hat eine eraniale Verschiebung der Pleura-Säcke wohl 
im Gefolge, gewährt ihr aber gewisse Freiheiten. Und zwar des- 
wegen, weil es sich für die Pleura-Säcke in letzter Instanz nicht 
um die metamere, sondern um die tatsächliche Länge handelt, welche 
die Wirbelsäule ihnen darbietet. Hiernach ist es aber sehr wohl 
denkbar, daß eine um Segmente verkürzte Strecke des Achsenske- 
letes durch kompensatorische Längenzunahme der wenigeren Wirbel 
das frühere Maß erhalten, vielleicht sogar vergrößern, daß aber auch 
das Umgekehrte sich einstellen kann. 

Dieser Umstand würde zur Erklärung aller oben aufgeführten 
Inkongruenzen zwischen Skelet und Pleura ohne weiteres herange- 
zogen werden können. Es kommt aber ein andrer Faktor hinzu, 
welcher gewisse Unbeständigkeiten im Stande der Pleura-Grenzlinien 
auszulösen vermag. Es ist die Ausbildung der verschiedenen For- 
men des Brustkorbes mit verschieden großem Raumgehalte. Ver- 
schieben sich die Pleura-Säcke vor der Wirbelsäule in eranialer 
Richtung unter dem Einflusse der metameren Rumpfverkürzung, ohne 
daß eine ergänzende Verlängerung der einzelnen Wirbel stattfindet, 
so muß der Thorax durch Zunahme an Umfang für die Lungen 
anderweitig Raum schaffen. Bleibt eine derartige Umformung am 
Thorax aus, trotzdem präsacrale Wirbel ausgeschaltet werden, so 
werden die Pleura-Säcke sich nicht eranialwärts verschieben können, 
und damit ist die Kongruenz der Wechselbeziehungen gestört. Der 
Möglichkeiten bestehen viele. So wird bei zwei Tieren mit gleicher 
Zahl präsacraler Wirbel der Stand der Pleura-Grenzen ungleich sein 
müssen, wenn der Umfang des Brustkorbes ein ungleicher ist. 

Hat die Verschiebung der Pleura-Säcke mit der metameren Ver- 
kürzung des Rumpfes gleichen Schritt gehalten, und haben beide 
einen so hohen Grad wie etwa beim Orang erreicht, so muß der 
Brustkorb, um die Lungen zu bergen, anderweitig an Ausdehnung 
gewonnen haben. Die Zunahme in die Breite erfüllt diese Ansprüche; 
sie ist bei allen Anthropomorphen und beim Menschen verwirklicht. 

Es ist bisher nicht gelungen, für den Einzelfall die gegenseitige 
Abhängigkeit von Pleura-Stand, Länge der pleuralen Strecke der 
Wirbelsäule und Thoraxform genau festzustellen. Es fehlt daher 
auch das Material für die Vergleichung. Bekannt sind uns indessen 
_ viele Tatsachen vom Längenverhältnisse zwischen pleuraler und 


32 Georg Ruge 


peritonealer Strecke des thoraco-lumbalen Abschnittes der Wirbel- 
säule. Brust- und Bauchhöhle haben sich jeweilig in die zur Ver- 
fügung stehende Strecke der Wirbelsäule zu teilen. Es fragt sich, 
in weleher Weise die Teilung unter stetiger Ausschaltung präsacra- 
ler Wirbel sich vollziehe. 


Längenverhältnis zwischen pleuraler und peritonealer 
Streeke des thoraco-lumbalen Abschnittes der Wirbel- 
säule. 


Unter »pleuraler« Strecke ist die Länge vom 1. thoracalen 
Wirbel bis zum Ende der vertebralen Grenzlinie, unter »peritonealer« 
Strecke die bis zum 1. Saeralwirbel sich anschließende Länge ver- 
standen. Das Verhältnis zwischen beiden Strecken ergab für die 
Prosimier die folgende Reihe. 


ı Verhältnis der pleu- 

ralen zur peritone- 

Prosimiae alenStrecke desthoraco- 

lumbalen Abschnittes der 

Wirbelsäule 
1 Chraemys y U HPAIR, Bar 
2, Tansuesh len. en 1,85:1 
DS Rorioneieusn a 18 
A Anahasız. u ne Kr 1 | 
D. -NGCHCEBUS 02 on 1,47:1 im Mittel 

302 67,277, VO EL LP ET RE RE 1,481 
2... Lem Bullet: Ihm 


Die »pleurale« Strecke beträgt bei Chiromys fast das Dreifache 
der peritonealen, während bei Lemur eine Gleichheit beider Längen- 
maße sich einstellt. 

Die Reihenfolge der Befunde deckt sich nun ganz und gar nicht 
mit der natürlichen, nach Maßgabe des Höhenstandes der vertebralen 
Grenzlinie aufgestellten Reihe (vgl. S. 7, 26). Der Widerspruch 
wird dadurch verständlich, daß die Thorax-Form für eine jede Art 
der Prosimier als eigenartig erkannt worden ist. Die verschiedene 
Kapazität des Brustkorbes bedingt je besondere Längenmaße an der 
vertebralen Wand der Pleura-Säcke. Dabei mögen nun noch eigene, 
von der Bauchhöhle ausgehende Umstände umgestaltend mitwirken. 
Von solehen wissen wir jedoch zurzeit nichts. 

Auch individuelle Schwankungen stellen sich ein. Bei Nyeticebus 
schwankt das Verhältnis zwischen 1,6:1 und 1,34:1, 


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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 33 


Bei einigen Exemplaren von Macacus sinkt das Längenmaß der 
»pleuralen« zugunsten der »peritonealen« Strecke und steht tiefer 
als bei Lemur. Die gewonnenen Werte stimmen unter einander 
ziemlich genau überein, was folgende Tabelle zeigt: 


| Verhältnis der pleuralen zur 
NE |peritonealen Strecke des 
ee || thoraco-lumbalen Abschnittes der 
Wirbelsäule 
s l — _— _— 
RNSZNRCUSS er ae | 1,02:1 
2. OynomolgusQ. ... . 10,92:1 | Mittel 0,95:1 
3. Oynomolgus 5 - . - . |0,91:1 


Die gleichen Werte bei den Individuen lassen auf eine gleich- 
artige Form des Brustkorbes bei ihnen zurückschließen. 

Hylobates, Schimpanse, Gorilla und Orang lassen ein Über- 
wiegen der »pleuralen« Strecke ähnlich wie bei den Halbaffen her- 
vortreten. Sie bilden eine rasch abfallende Reihe. Die Rangordnung 
der vier Formen deckt sich vollkommen mit derjenigen, welche die 
eraniale Verschiebung der vertebralen Grenzlinie zum Ausdrucke 
bringt (vgl. S. 26), so daß die Verschiebung letzterer mit einer Ver- 
kürzung der »pleuralen« Strecke hier zusammenfällt. 

Bei Macacus ist die Verkürzung der »pleuralen< Strecke um 
ein bedeutendes fortgeschritten, indessen der Pleura-Stand nicht in 
gleichem Maße cranialwärts verlagert ist. Der Entwicklungsgang 
ist auch hier ein durchaus selbständiger. Es ist nicht statthaft, 
Macacus kurzweg als eine niedriger stehende Form als Hylobates 
und die Anthropomorphen zu bezeichnen, da er in dieser Hinsicht 
höher steht als diese. Das Ergebnis ist weittragend. Es sollte 
durch neue Beobachtungen an Anthropomorphen geprüft werden. 

Die Befunde bei Hylobates,. Anthropomorphen und beim 
Menschen sind wie folgt: 


‚| Verhältnis der pleuralen zur 
peritonealen Strecke des 
thoraco-lumbalen Abschnittes der 


Wirbelsäule 
1. Hylobates syndactylus . DI | 
2. Schimpanse d... 23:51 
3. Gorilla juv. 2. rt 
4.Orang jur. d. «., 1,4751 
52, Manschedit Ab. 1,3 :1 (Mittelwert) 


Morpholog. Jahrbuch. 41. 3 


34 Georg Ruge 


In aufsteigender Reihe, welche Orang beschließt, findet nicht 
nur eine segmentale, sondern eine wirkliche Verkürzung der verte- 
bralen Wand der Pleura-Säcke statt. Diese Erscheinung muß eine 
kompensatorische Änderung am Thorax zur Folge haben. Die ge- 
waltige Breitenzunahme desselben, namentlich von Gorilla und 
Orang bekannt, bewahrheitet die Annahme. Durch sie empfängt 
der Binnenraum wieder, was er vertebral eingebüßt hat. Die Be- 
rüeksichtigung mehrerer, in Korrelation stehender Tatsachen nimmt 
auch hier dem Einzelbefunde das Befremdende. 


Mensch. 


Beobachtungen an Leichen verschieden alter Personen lassen 
eine nicht unerhebliche individuelle Schwankung hervortreten. Diese 
ist begrenzt durch die Verhältnis-Werte von 1,6:1 und 1,07:1. Es 
kann also die »peritoneale« Strecke auf Kosten der »pleuralen< um 
den 0,53. Teil der Schwankungswerte zunehmen. 


Das Alter bestimmt die Schwankungen nicht; denn junge und 
alte Individuen begrenzen hier und dort den Breitegrad. 


Die Befunde mit verhältnismäßig langer »pleuraler« Strecke 
(1,6:1) fügen sich zwischen die von Schimpanse und Gorilla ein, 
die mit stark verkürzter »pleuraler« Strecke (1,07:1) entfernen 
sich erheblich von Orang, so daß die relative Verkürzung der 
»pleuralen« zur »peritonealen« Strecke sich von den Anthropo- 
morphen auf den Menschen nicht allein forterstreckt, sondern bei 
ihm auch eine weitere progressive Richtung einschlägt. 

Der Mittelwert aus 14 Beobachtungen beträgt 1,3:1. Mit ihm 
rangiert der Mensch in obiger Tabelle hinter Orang und beschließt 
die Reihe der höheren Primaten. Fünf Fälle zeigen den Mittel- 
wert 1,3:1. Sie beziehen sich auf Personen von 47—50 Jahren. 
Vier Fälle entfallen nach der Indifferenz und fünf nach der Pro- 
gressivzone. Erstere betreffen Personen im Alter von 7 Monaten 
bis zu 49 Jahren, letztere solehe im Alter von 1!/; bis 47 Jahren. 

Die Verschiebung der vertebralen Wand der Pleura-Säcke und 
die relative Verkürzung der »pleuralen« Strecke sind bei Hylobates, 
Anthropomorphen und beim Menschen im übereinstimmenden 
Maße erfolgt. Das spricht nicht gegen die engeren Beziehungen 
dieser Formen untereinander, aber auch nieht mit Sicherheit für 
dieselben, da die primitivere Macacus-Gruppe mit dem Mittelwerte 
der »pleuralen« zur »peritonealen« Strecke 0,95:1 die menschlichen 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 35 
Verhältnisse überholt hat und dadurch die Konvergenzerscheinungen 
bei den Primaten bereichert. 

Die großen individuellen Schwankungen beim Menschen müssen 
sich mit Verschiedenheiten an dessen Brustkorbe decken. Wir 
kennen wohl die letzteren, aber nicht den Komplex von Erschei- 
nungen im Einzelfalle. 

Rassen-anatomisches ist bisher nicht bekannt geworden. Der 
Ausbau des Gegenstandes hat an die tabellarisch geordneten Be- 
funde anzuknüpfen. | 


Länge der Verhältnis 


Mensch Alter pleuralen | peritonealen ||beider Strecken 

Strecke zueinander 

il Knabe 7 Monate 10,4 em 6,5 em ld al 
2 Mann 46 Jahre 285 - 180 - 1,6 :1 
3| Mädchen 7 Monate Jane 85 - 1.41:13 
4 Frau 49 Jahre 28 - = AT 
b) - 4 - 25,3 - 185 - 1 
6 - 4 - 27,0 - 21,0 - 3 Be 
{\ Mann 49 - 27,5 - 21,0 - 13223 
8 , RE 250 - 190 - | 
9 - 50 - 24,5 - 19,0 - 1,3. 51 
10 - 4 - 25,0 - 20,5 - 1,22 :1 
at Frau 26 - 24,0 - 20,0 - 1 We ı 
12 | Mädchen 11/3 - 120 - 103 - 11671 
13 | Frau 4 - 26,0 - 25 - 1,16:51 
14 Mann 56 - 2,0 - 205 - 1,07:1 


Die Länge der »pleuralen« Strecke des thoraco-lumbalen Ab- 
schnittes der Wirbelsäule beträgt bei Erwachsenen von 27—56 Jahren 
im Mittel 25,7 cm, die der »peritonealen« Strecke 19,9 em. Das 
Verhältnis beider Strecken zueinander beträgt auch hier 1,3:1. 

Beobachtungen an jugendlichen Individuen sind zu spärlich und 
‚diese zugleich so verschiedenen Alters, daß sie für Schlußfolge- 
rungen unzureichend sind. Embryonale Befunde liegen nicht vor. 


2. Sternale Grenzlinien. 


Sie fallen mit dem Übergange der beiderseitigen mediastinalen 
in die sterno-costale Pleura zusammen und liegen ursprünglich hinter 
dem Brustbeine. Bei lateraler Verlagerung werden sie hinter sterna- 
len oder sternal gewesenen Rippen gefunden. 

Von der Grenzlinie ist das mediastinale Pleura-Blatt jederseits, 
zwar auf Umwegen, aber schließlich zur Seitenfläche der Speiseröhre 

3*+ 


36 Georg Ruge 


verfolgbar. Durch diese regelmäßige Beziehung zum Anfangsteile 
des Vorderdarmes kommt ein sagittal gestelltes Doppelblatt der Serosa 
zustande, welches ein Mesooesophageum ventrale ist. In dieses 
sind Herz, Thymus, Vena cava inferior mit ihrem thoracalen Ab- 
schnitte und die Nervi phreniei eingelagert; diese Organe bedingen 
naturgemäß streekenweise eine Entfernung beider Blätter des Mesooeso- 
phageum ventrale voneinander. Der durch diese Organe erfüllte, 
von den Pleura-Blättern beiderseits begrenzte Raum ist das vor dem 
Vorderdarm gelegene Cavum mediastinale ventrale. 

Ursprünglich schließen die sternalen Grenzlinien hinter dem 
Brustbeine aneinander. Von ihnen gelangt ein mediastinales Doppel- 
blatt dorsalwärts zu Thymus, Herzbeutel und unterhalb von ihm zur 
Cava inferior. Erst von ihnen aus erreicht die Serosa jederseits die 
Speiseröhre. Die zwischen Brustbein und den genannten Organen 
ausgedehnten Strecken des ventralen Mesooesophageum können als 
seröse Bänder, und zwar als Ligamentum thymo-sternale, 
Ligam. pericardiaco-sternale und Ligam. cavo-sternale 
unterschieden werden. | 

Sie bestehen bei niederen Säugern und stellen sich bei niederen 
Primaten in aller Ursprünglichkeit wieder ein. Sie erleiden bei 
höheren Primaten eine hochgradige Veränderung, welche die serösen 
Bandapparate allmählich vollkommen verschwinden läßt. Die Ur- 
sache dieses Wechsels der Erscheinungen liegt in der Umgestaltung 
des Brustkorbes und der mit ihr Hand in Hand gehenden Verlagerung 
des Herzens. 

Im unmittelbarsten Zusammenhange hiermit wird der primitive 
Anschluß beider sternalen Grenzlinien aufgehoben. Es tritt ein 
differenterer Zustand ein, der durch die Verlagerung des Herzens 
gegen das Brustbein zu verursacht wird und mit der Anlagerung 
des Herzbeutels an das Sternum endigt. Die sternalen Grenzlinien 
rücken im entsprechenden Gebiete auseinander. Auf diese Weise ver- 
schwindet ein Ligam. pericardiaco-sternale; die sterno-costale Pleura 
setzt sich unmittelbar in die Lamina pericardiaca fort. 

Ein Ligamentum cavo-sternale erlöscht völlig unter der An- 
näherung und schließlichen Verwachsung des Herzbeutels mit dem 
Zwerchfelle. 

Der gut gekannte, zusammengesetzte Vorgang, welcher bei den 
Affen sich abspielt, gestattet stets eine endgültige Beurteilung des 
jeweilen vorliegenden, anatomischen Befundes bezüglich der In- 
differenz oder Weiterbildung irgend einem Vergleichsobjekte gegenüber. 


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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 37 


Das orale Ende der sternalen Grenzlinien empfängt ein ein- 
töniges Gepräge durch deren Übergang in die Begrenzung der nur 
wenig veränderungsfähigen Pleura-Kuppeln. Die Grenzlinien pflegen 
hinter den Gelenken zwischen Sternum und COlavicula, also weit 
entfernt voneinander zu lagern, um erst hinter dem Manubrium 
caudalwärts sich einander zu nähern. Luftröhre und die großen 
Gefüße des Halses und der oberen Gliedmaße nehmen den Raum 
zwischen beiden Pleura-Säcken hier ein. 

Das aborale oder abdominale Ende unterliegt den größten 
Schwankungen. Es steht in Wechselbeziehung zum Aufbaue der 
vorderen Thoraxwand und pflegt in der Nachbarschaft der letzten 
sternalen Rippe zu liegen. Mit der Rückbildung sternaler Rippen, 
welche stets im unteren (ebiete den Verband mit dem Brustbeine 
aufgeben, verlagert sich das aborale Ende der Grenzlinien in oraler 
Richtung. Es findet also entsprechend der Abnahme sternaler Rippen 
eine Verschiebung der Pleura-Säcke in oraler Richtung statt. Dieser 
Vorgang äußert sich bei den Halbaffen lebhaft; er betätigt sich bei 
den niederen Affen in geringerem Grade, um bei den höheren mehr 
und mehr eingedämmt zu werden, da die Zahl sternaler Rippen auf 
sieben beschränkt zu sein pflegt. 

Die Verschiebung der aboralen Enden der sternalen Grenzlinien 
hält bei den einzelnen Individuen sowie innerhalb der Primaten- 
Abteilungen ungefähr gleichen Schritt mit den vorgeführten Ver- 
lagerungen an den vertebralen Grenzlinien. Diese Erscheinung 
steht im Einklange mit der Erfahrung, daß die Verminderung sternaler 
Rippen mit der Verminderung thoraco-lumbaler Wirbel im großen 
und ganzen zusammentrifft, und letztere die eraniale Verlagerung 
der vertebralen Grenzlinien verursacht. Analoge Vorgänge spielen 
sich also dorsal und ventral an den Pleura-Säcken ab. 

Der Gesamtkomplex der Umwandlungen ist hier wie nirgends ein 
mathematisch strenger. Auch in den Schwankungen tritt ein Paral- 
lelismus dorsal und ventral auf. 

Schreitet die Rückbildung sternaler Rippen, d. i. die Loslösung 
der Rippen vom Sternum, rascher fort als die orale Verschiebung 
der Enden der Grenzlinien, so äußert sich diese Art der Überholung 
darin, daß die Grenzlinien abdominalwärts über die vordere Thorax- 
wand und in die skeletfreie Rumpfgegend, welche dem Abdomen 
zufällt, sich ausdehnen. Dieses dann von der Pleura bestrichene 
Feld des Abdomen besaß einmal eine Skeletwand, welche jetzt aber 
verschwunden ist. So kommt es, daß die ventralen Grenzlinien einen 


38 Georg Ruge 


thoraeo-abdominalen Charakter haben können. Die abdominale Strecke 
ist einmal eine sternale gewesen; sie hat sich erhalten trotz des Ver- 
lustes der Skeletwand. Sie trägt stets, soweit es bekannt ist, die 
Eigenschaft eines primitiven Zustandes. An den vertebralen Grenz- 
linien stellt sich in ähnlicher Weise ein Jumbales oder infraco- 
stales Feld ein, sobald die Rückbildung der Rippen der eranialen 
Versehiebung der Pleura-Säcke vorangeschritten ist. 

Ein abdominales Feld der Pleura-Säcke kann ebenso wie ein 
lumbales bei niederen und höheren Primaten auftreten. Selbst 
beim Menschen wird es angetroffen. 

_ Eilt die orale Verschiebung an den Enden der sternalen Grenz- 
linien der Rückbildung sternaler Rippen voraus, so enden die 
Grenzlinien hinter der vorletzten oder hinter höher gelegenen Sternal- 
rippen. Diese Erscheinung kann indessen bei den Anthropomorphen 
eine Steigerung durch die Lage des Herzens erfahren, welche wiederum 
durch die Form des Thorax verursacht wird. Es werden daher 
zweierlei, ineinandergreifende Vorgänge, bei der vorauseilenden 


Verschiebung der Grenzlinien auseinanderzuhalten sein. An den 
vertebralen Wandungen der Pleura konnte die Cranialverschiebung 


die Ausschaltung von Rippen ebenfalls überholen. Die letzte Rippe 
nahm dann eine infrapleurale Lage ein. 

Entspricht die Lage des aboralen Endes der Grenzlinien der 
Höhe der letzten Sternalrippe, was nicht selten der Fall ist, so haben 
eben Rückbildung am Skelet und Verschiebung an der Pleura 
gleichen Sehritt gehalten. An der vertebralen Wand wurden analoge 
Zustände in gleicher Weise beurteilt. — 

Unter Verwertung dieser Gesichtspunkte erhalten die bekannt 
gewordenen Tatsachen eine Bedeutung nach verschiedenen Rich- 
tungen. 

a. Prosimiae. 

Beide sternalen Grenzlinien schließen bei allen Formen eng 
aneinander. Sie trennen sich oralwärts erst in der Höhe der zweiten 
oder dritten Rippe, um jederseits die Pleura-Kuppel zu erreichen. 
Ein Ligamentum thymo-pericardiaco-sternale besteht als 
seröses Doppelblatt. Das Herz bleibt von der vorderen Thoraxwand 
durchweg entfernt. 

Die Grenzlinien nehmen in der Regel eine mediane Lage ein, 
weichen nur zuweilen nach der linken Körperseite ab. Pleura-Säcke 
und Lungen sind demgemäß ventral auf beide Hälften des Thorax 
gleich verteilt. Dabei kann das Herz in ursprünglicher Weise mit 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 39 


seiner Längsachse median, oder in abgeänderter Art schief gestellt 
sein, ohne die Lage der Grenzlinien zu beeinflussen. Bei starker 
Linkslage des Herzens können diese eine entsprechende Verlagerung 
der Grenzlinien nach sich ziehen (Avahrs, Fig. 20). 

Die aborale Ausdehnung der Grenzlinien ist einem hochgradigen 
Wechsel unterworfen. Gemeinsam kommt allen untersuchten Formen 
ein abdominales Feld der Pleura-Säcke zu. Es liegt im Bereiche 
von asternalen Rippen, welche aber sternale gewesen sind. Die 
Wechselbeziehung zwischen Höhenstand der abdominalen Enden der 
Grenzlinien und letzter Sternalrippe ist überall unverkennbar, zu- 
weilen verwischt durch die immerhin ausgesprochene Selbständigkeit 
der Rückbildung sternaler Rippen und der oralen Verschiebung der 
Pleura-Säcke. 

Die nachweisbare Verkürzung an der ventralen (sternalen) Tho- 
raxwandung beträgt fünf Segmente. Die Verschiebung der Pleura- 
Säcke in oraler Richtung vollzieht sich über eine gleiche Anzahl von 
Segmenten. 


Die segmentale Verkürzung der ventralen Thoraxwand hält un- 
gefähr gleichen Schritt mit der an der dorsalen Wand. Analoger- 
weise entsprechen einander die oralen Verschiebungen der Pleura- 
Säcke dorsal und ventral. Neuer Raum für die Bergung der zum 
ganzen Körper im bestimmten Verhältnisse bleibenden Lungen wird 
kompensatorisch durch die Umänderung des Brustkorbes geschaffen. 
Schlank bei primitiven, breit bei den abgeänderten Formen wird der 
Thorax angetroffen. Die Lungen werden im breiten Thorax mehr 
auf die Seiten verlegt. 


Thoraxform und Ausdehnung der Pleura-Säcke befinden sich in 
einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnisse. Sie sind auch ab- 
hängig von der Anzahl der Bausteine am ganzen Rumpfe. — 


Nyeticebus tardigradus. Die dicht nebeneinander gelegenen 
Grenzlinien halten die Medianlinie inne; sie erreichen in ihr die 
Verbindungsstellen des elften sternalen Rippenpaares mit dem Brust- 
beine. Von hier aus weichen sie in aboraler Richtung auseinander, 
bestreichen etwa die Seitenränder des Schwertfortsatzes, erreichen 
darauf das freie Ende der 12. Rippe oder kreuzen deren Knorpel 
oder betreten den Raum zwischen 11. und 12. Rippe. Diese Zu- 
stände treten auf Fig. 14a und 5 zutage; sie zeigen die Grenzlinie 
in engerer Beziehung zur 12. Rippe. Sie wird bei Nyeticebus zu- 
weilen als Sternalrippe noch angetroffen. Auch ist ihre Entfernung 


40 Georg Ruge 


vom Brustbeine an beiden Individuen hier so gering, daß sie die 
sternale Eigenschaft nicht lange aufgegeben haben dürfte. Die Grenz- 
linien beziehen das 12. Rippenpaar noch in das Brustbeingebiet 


Fig. 14. 


Nyeticebus tardigradus. 


Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke zweier 
Individuen von Nycticebus tardigradus. 1/2. 
Das Brustbein ist mit 11 Rippenpaaren verbunden. 
Die 12. Rippe ist allenthalben in das abdominale 
Feld der Pleura-Wand hineinbezogen. Die Um- 
risse des Herzens sind senkrecht auf die Thorax- 
Wand eingestell#. a gravides Tier; b junges 
Individuum. 


hinein. Tatsächlich besteht aber 
ein kleines abdominales Feld 
der Pleura-Säcke; es liegt aboral 
von der letzten (11.) Sternalrippe. 

Die linke Grenzlinie der 
Fig. 14a entfernt sich am wei- 
testen von der Sternalverbindung 
der 11. Rippe; die Strecke be- 
trägt einen ganzen Zentimeter. 

Während die Fig. 14a die 
Berührung der Grenzlinien in 
oraler Ausdehnung zeigt, ist beim 
andern Exemplare der Fig. 145 
ein Auseinanderweichen von der 
6.—10. Rippe wahrnehmbar. Fett- 
anhäufungen, bis an den Herz- 
beutelheranreichend, verursachten 
diesen Zustand. 


Der Höhenstand des aboralen 
Endes der Grenzlinien fällt mit 
den Spitzen des 12. Rippenpaares 
zusammen. Das kleine abdomi- 
nale Feld links auf Fig. 14a gibt 
der Vermutung Raum, daß auch 
die 13. Rippe einmal mit dem 
Brustbeine verbunden gewesen ist. 

Peridictieus Potto (Fig. 15). 
Die linke sternale Grenzlinie ver- 
läßt das Brustbein in der Mitte 


des Schwertfortsatzes und gelangt in querer Verlaufsrichtung hinter 
den Knorpel der letzten, der 11. Sternalrippe. Dabei berührt sie die 


Spitze der 12. Rippe. 


Ein dreieckiges, abdominales Feld der Pleura wird vom Schwert- 
fortsatz, von der 11. Sternalrippe und der Grenzlinie eingefaßt. Es 
deutet darauf hin, daß die 12. Rippe das Feld durchzog und mit 
dem Sternum wie bei Nycticebus einmal verbunden gewesen ist. 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 41 


Chiromys madagascariensis (Fig. 16). Von der Höhe des 3. Rippen- 
paares an sind die Grenzlinien geschlossen bis zur Mitte des Pro- 
cessus ensiformis zu verfolgen. Sie lagern etwas rechts von der 
Mittellinie. Oralwärts von der 3. Rippe treten sie auseinander und 
schneiden die Knorpel des 2. und 3. Rippenpaares. 

Die aboralen Enden sind asymmetrisch. Die rechte Grenzlinie 
zieht noch eine Strecke weit hinter dem Schwertfortsatze becken- 
wärts, um dann seitlich abzubiegen. Beide Grenzlinien schneiden 


Fig. 16. 


Chiromys. 


Fig. 15. 


Peridicticus Potto. 


Sterno-costale Grenzlinien der Pleura- 
Säcke von Chiromys madagascariensis. 
1/3. Das Brustbein ist mit 9 Rippen- 
paaren verbunden. Die Grenzlinien 
schneiden die Enden der 10. Rippen, 
wodurch ein abdominales Feld an 


Aborales Ende der linken sternalen Grenzlinie den Wandungen der Pleura entsteht. 
des Pleura-Sackes. Vertebraler Teil der co- Die Umrisse des Herzens sind auf 
stalen Grenzlinie. 1/1. Das Brustbein ist jeder- die Vorderwand des Thorax proji- 
seits mit 11 Rippen verbunden. Die Herzumrisse ziert dargestellt. Der linke Nervus 
sind auf die Vorderfläche des Thorax projiziert. phrenicus ist sichtbar. 


die Knorpel des frei auslaufenden 10. Rippenpaares. Ein auf diese 
Weise zustande kommendes, abdominales Feld ist vom Schwertfort- 
satz, von der letzten sternalen und der 10. (asternalen) Rippe sowie 
von einer zwischen Schwertfortsatz und 10. Rippe ausgedehnten 
 Grenzlinienstrecke begrenzt. Das Feld gehört nur scheinbar dem 
Abdomen, tatsächlich aber dem Thorax zu, da der Pleura-Sack 
'in es hineinragt. Die 10. Rippe, ein Teil der Begrenzung des 
| Feldes, verrät ihre frühere sternale Natur. 

Die aborale Ausdehnung der Pleura-Säcke über frühere Sternal- 
gebiete überdauerte die weiter vorgeschrittene Rückbildung von 
Sternalrippen. 


42 Georg Ruge 


Der Stand des aboralen Endes der Grenzlinie darf unter diesen 
Erwägungen in der Höhe der 10. Rippe angenommen werden. Er 
ist im Vergleiche mit Nycticebus und Peridietieus um 2 Segmente 
oralwärts verschoben. 

Galago senegalensis (Fig. 17). Das Brustbein ist mit 9 Rippen- 
paaren verbunden. Die 10. Rippe lehnt sich bei weiter Entfernung 
vom Brustbeine (?” mm) der 9. Rippe an. 

Die Grenzlinien liegen in der Höhe des 7.—9. Rippenpaares in 
der Mittellinie nebeneinander und erstrecken sich in dieser Nachbar- 


Fig. 17. 
Galayo. 


Fig. 18. 


Lemur macaco. 


Sterno-costale Grenzlinie des linken Sterno-costale Grenzlinien von Lemur 
Pleura-Sackes von Galago senegalensis. macaco. 1:2,25. Das Brustbein ist mit | 
1/1. Das Brustbein ist mit 9 Rippen ver- 8 Rippenpaaren verbunden. Jederseits be- | 
bunden, Abdominales Feld der Pleura-' steht ein abdominales Feld der Pleura- 
Wand zwischen Schwertfortsatz, 9. Rippe Wand. Die Herzumrisse sind auf die | 
und Grenzlinie, Thorax-Wand projiziert dargestellt. | 


schaft aboral bis zur Mitte des Schwertfortsatzes, biegen dann schräg 
seitwärts. Die linke Grenzlinie schneidet dabei den Spitzenteil der‘ 
10. Rippe, um dann als costale Grenzlinie weiter zu ziehen. 

Ein abdominales, dreieckiges Feld ist vom Schwertfortsatz, 
von der 9. Rippe und einer Strecke der Grenzlinie eingefriedigt. 
Es gehört dem Thorax zu. Die 10. Rippe bewahrt zu ihm die Be- 
ziehungen; sie hat ihren sternalen Charakter eingebüßt. 

Die Rückbildung sternaler Rippen ist der oralen Verschiebung 
der Pleura-Säcke vorausgeeilt. 

Der Stand der aboralen Enden der Grenzlinien fällt in die Höhe 
der 10. Rippe; er stimmt mit dem bei Chiromys überein, befindet 
Sich aber um zwei Segmente oralwärts höher als bei Nyeticebus. 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 43 


Lemur macaco (Fig. 18). Es bestehen 8 sternale Rippenpaare. 
Das 9. Paar endigt spitz, angelehnt an das 8., entfernt vom Brust- 
beine. 

Die Grenzlinien liegen in der Höhe der 4.—8. Rippe, einander 
benachbart in der Medianlinie. Die linke Grenzlinie steigt median 
bis zur Höhe der 2. Rippe empor 
und biegt dann lateral-oralwärts ab; 
sie schneidet die 1. Rippe. Die 
rechte kreuzt die Knorpel der 3., 
2. und 1. Rippe. 


Die rechte Grenzlinie erstreckt 
sich in ursprünglicher Art weiter als 
die linke auf den Schwertfortsatz. 
Beide Grenzlinien schlagen von ihm 
aus einen queren Verlauf ein und 
treffen auf die Knorpelspitzen der 
9. Rippe, um von hier in die c0- Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke 
stalen Grenzen der Pleura-Säcke von Tarsius spectrum. 1/1. Das Brustbein 


ist mit 7 Rippenpaaren verbunden. Jeder- 


Fig. 19. 


Tarsius. 


überzugehen. seits besteht ein abdominales Feld der Pleura- 
ö & . Wand. Thymus und Herz in ihrer natür- 
Das abdominale Feld ist ım lichen Lage sind eingezeichnet, 


Vergleich zu dem bei Galago und 

Chiromys verkleinert. Das 9.Rippenpaar hilft es begrenzen und zeigt 
dadurch die frühere sternale Natur an. Das aborale Ende der 
Grenzlinien liegt in der Höhe dieses Rippenpaares. 


Die orale Verschiebung der Pleura-Säcke ist im Vergleiche mit 
Galago um ein Segment, im Vergleiche mit Nyeticebus um drei 
Segmente erfolgt. 


Die Verkürzung der ventralen Wandung des Thorax und der 
Pleura-Säcke hat gegenüber den vorhergehenden Formen Weiter- 
bildungen zu verzeichnen. Sie ist aber am Skelet in rascherem Tempo 
als an den serösen Räumen erfolgt. 


Tarsius spectrum (Fig. 19). Der Besitzstand an sternalen 
Rippen ist auf 7 zurückgegangen. Das 8. Rippenpaar hat sich 
vom Brustbeine zurückgezogen, bleibt aber angelehnt an das letzte 
sternale Paar. 


Die Grenzlinien nehmen eine mediane Lage ein und dehnen sich 
in dieser Eigenschaft auf den oralen Abschnitt des Schwertfortsatzes 
aus, biegen von hier aus unvermittelt quer zur Seite ab und treffen 
auf die freien Enden des 8. Rippenpaares, rechts allerdings etwas 


Georg Ruge 
> © 


von dem Spitzenteile entfernt bleibend. Die Fortsetzung in die 
costale Grenzlinie ist eine unmittelbare. 

Ein dreieckiges, abdominales Feld besteht auch hier. Zu ihm 
steht die 8. Rippe in Beziehung, deren frühere sternale Eigenschaft 
sich hieraus erschließen läßt. 

Der Stand des aboralen Endes der Grenzlinien fällt in die 

Fig. 20. Höhe des 8. Rippenpaares. Die Ver- 
Avahis laniger. schiebung der Pleura-Säcke im Ventral- 
gebiete hat sich im Vergleiche mit 
Lemur um ein Segment, im Vergleiche 
mit Nyeticebus um vier Segmente voll- 
zogen. Die Verkürzung des Brust- 
beines um an dessen Aufbaue beteiligte 
Rippen ist der oralen Verlagerung der 
Grenzlinien ebenfalls um eine kleine 
Strecke vorausgeeilt. 
ee ur leur Avahis laniger (Fig. 20). Links 


Säcke von Avahis laniger. 1/1. Ver- 

schiebung der Grenzlinien nach links. hat sieh der Primitivbestand von 

Die abdominalen Felder der Pleura-Wand . . 

sind beiderseits durch die rechte Grenz- 8 Sternalrippen erhalten. Rechts ist 

linie begrenzt, Das Brustbein ist rechts die 8. Rippe wie bei Tarsius vom 

mit 7, links mit 8 Rippen verbunden. n = Se 
Brustbeine abgetrennt. Die Grenzlinie 


bezieht sie in den thoracalen Bezirk ein. 


Die Grenzlinien gelangen in enger Aneinanderlage links vom 
Brustbeine in aboraler Richtung an den Knorpel der linken 6. Rippe. 
Die rechte Grenzlinie zieht senkrecht zur 7. linken Rippe, biegt von 
ihr aus im Bogen rechts ab, schneidet den sternalen Insertionsteil 
der 8. linken Rippe, um darauf die Mitte des Schwertfortsatzes zu 
kreuzen. Auf der rechten Körperhälfte gelangt sie nach fast querem 
Verlaufe hinter den Knorpel der 8. Rippe und zieht diese in ihren 
Bereich hinein. 


Die linke Grenzlinie weicht bereits hinter der 6. linken Rippe 
schräg lateralwärts ab, um in die costale Linie überzugehen. 


Ein abdominales Feld ist rechterseits deutlich entwickelt; es ist 
dreieckig, von 7. und 8. Rippe, dem Schwertfortsatze und der Grenz- 
linie eingefaßt. Auch linkerseits besteht ein abdominales, aber von 
der rechten Grenzlinie abnormerweise begrenztes Feld. 

Die Ursache für die Linkslagerung der Grenzlinien kann ver- 
mutungsweise in der Verschiebung des Herzens nach links gesucht 
werden. 


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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 45 


Der Höhenstand des aboralen Endes der rechten Grenzlinie ist 
durch die 8. Rippe markiert. 

Der rechte Pleura-Sack reicht beckenwärts beträchtlich über die 
sternalen Rippen hinaus. Die linke Grenzlinie hingegen zeigt ihr 
aborales Ende in der Höhe der drittletzten, sternalen Rippe, ist also 
gegen die bei Prosimiern sonst gültige Regel der Rückbildung von 
Sternalrippen in der oralen Verschiebung weit vorausgeeilt. 


Die wesentlichen Umgestaltungen an den sternalen Grenzlinien 
der Halbaffen vollziehen sich am Höhenstande der aboralen End- 
punkte. Sie lassen sich zur bildlichen, schematischen Reihe zusam- 
menstellen, welche auf Fig. 21, ähnlich wie auf Fig. 13 die Ver- 
schiebungsvorgänge im Dorsalgebiete, diese im ventralen Bereiche 
des Thorax leicht übersehen läßt. 


Fig. 21. 
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P£ a 7 PB N 7 
d. FERN EIN Z| \N 
, SER — 3) 
0, BIN HIN 
ZIINGRn 
17 /2. 
Nyeticebus. | a Chiromys. Lemur. Tarsius. 


Übersicht über die orale Verschiebung der ventralen Pleura-Wandungen bei Halbaffen. Schematisch. 
Durch 12.—7,. sind die Höhenlagen der Sternalinsertionen der 12.—7. Rippen angegeben. Der Pfeil 
rechts deutet die Richtung der Verschiebung an, 


Das Brustbein verliert in der Prosimier-Reihe die Verbindung 
mit vier Rippen. Die Pleura-Säcke verschieben sich über vier Rippen 
in oraler Richtung. 


b. Simiae. 


Die Grenzlinien treffen bei niederen Affen in der Regel hinter 
dem Brustbeine zusammen und dehnen sich in dieser Lage bis auf 
den Schwertfortsatz aus. Das Herz bleibt auf diese Weise von 
der ventralen Thoraxwand entfernt, verbunden mit ihr durch ein 
Ligamentum pericardiaco-sternale. Es ist auch vom Zwerchfelle 
durch die Anwesenheit eines Lobus subpericardiacus der rechten 
Lunge getrennt, so daß die untere Hohlvene, verbunden mit der 
vorderen Thoraxwand durch ein Ligam. cavo-sternale, senkrecht 


46 Georg Ruge 


durch das Cavum thoraeis emporsteigt. Diese Einrichtungen zeigen 
den Bauplan niederer Affen in Übereinstimmung mit demjenigen der 
Halbaffen. 

Die aneinandergeschlossenen Grenzlinien können eine Verlage- 
rung nach der rechten oder der linken Körperseite erfahren und, 
seitlich vom Sternum gelagert, eine costale Natur annehmen. Sie 
können streckenweise auch auseinanderweichen und ein interpleurales 
Feld hinter der ventralen Thoraxwand zustande kommen lassen. 
Beide Grenzlinien oder nur eine von ihnen werden in lateraler Ver- 
schiebung angetroffen. Alle diese Verhältnisse erscheinen als Ab- 
weichungen von der medianen Lage der Grenzlinien. Eine größere 
Zahl von Beobachtungen stehen noch aus, um die Normen für die 
einzelnen Abteilungen zu bestimmen. 


Ein abdominales Feld wird an den ventralen Wandungen der 
Pleura-Säcke regelmäßig vorgefunden. Es ist wie das der Prosimier 
zu beurteilen. 

Auch die Verkürzung des Brustbeines um Rippen sowie die 
Verschiebung der aboralen Enden der Grenzlinien eranialwärts finden 
bei niederen Affen statt. Beide, nebeneinander verlaufende Vorgänge 
bewegen sich aber in einem engeren Rahmen als wie bei den Halb- 
affen. Das Bestehen eines abdominalen Feldes deutet auch hier das 
Vorauseilen des grundlegenden Umwandlungsvorganges am Skelet 
an. — 

All’ diese ursprünglichen Eigenschaften treten rein oder an- 
deutungsweise bei den Hylobatiden wieder in die Erscheinung. 


Bei ihnen bereiten sich aber Dinge vor, welche in voller Aus- 
bildung erst bei den Anthropomorphen und beim Menschen eine 
höhere Rolle spielen. Die Hylobatiden nehmen hierin eine Zwischen- 
stufe zwischen niederen und höheren Affen ein. Die neuen Erschei- 
nungen, um welche es sich hier handelt, beruhen in der Verwachsung 
des Herzbeutels mit dem Zwerchfelle, womit die Rückbildung des 
Lobus subpericardiacus zusammenfällt, und das Schwinden eines 
Ligam. cavo-sternale sich vollzieht. Bei Hylobatiden wird dieser 
Vorgang eingeleitet, aber auch zu Ende geführt. Fernerhin kann das 
Herz durch Annäherung an die vordere Thoraxwand die sternalen 
Grenzlinien beeinflussen, eine Linksverschiebung der geschlossenen 
Linien bedingen (Agzlis) und teilweises (Syrdactylus) oder vollständiges 
Auseinanderweichen (Leweiscus) der Grenzlinien zur Folge haben. 
Neben diesen Folgezuständen stellen sich wiederum ganz primitive 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 47 


Verhältnisse ein (Agzilıs, Lar). Ein abdominales Feld tritt hier 
und da wie bei niederen Affen auf. Zuweilen ist es verschwunden. 

Anthropomorphe Affen sind mit einer Organisation aus- 
gestattet, welche aus der innigen Verwachsung vom Herzbeutel mit 
dem Zwerchfelle sich von selbst ergibt. Sie entfernen sieh dadurch 
weit von den niederen Affen. Die Brücke zu ihnen wird durch den 
Hylobatiden-Bau hergestellt. 

Die sternalen Grenzlinien können das ursprüngliche Verhalten, 
aber nur streckenweise, bewahren. Dieser Zustand ist bisher nur 
beim Schimpanse beobachtet worden. In der Regel ist bei ihm 
sowie stets bei Orang und Gorilla ein völlig neuer Typus aus- 
gebildet. Er beruht auf der Annäherung des Herzens an die vordere 
Thoraxwand und in der hiermit im Einklange stehenden, weiten 
Trennung der »sternalen« Grenzlinien voneinander. Letztere nehmen 
größtenteils eine sekundäre costale Lage ein. Das interpleurale Feld 
kann dabei gewaltige Dimensionen annehmen. 

Durchaus eigenartig für die Anthropomorphen ist die orale Ver- 
schiebung der caudalen Endpunkte der Grenzlinien auf höhere sternale 
Rippen. Sie rücken sehr häufig bis auf die drittletzte Sternalrippe 
hinauf und stehen nur ausnahmsweise mit der letzten Sternalrippe 
noch in Beziehung. Ein abdominales Feld ist auf diese Weise gänzlich 
verloren gegangen. Alle Symptome ursprünglicher Organisation sind 
damit verschwunden. In den Kreis dieser Äußerungen von Neu- 
gestaltung fügt sich auch Schimpanse ein. Bei Hylobates sind nur 
erste Anklänge an diese, alle niederen Affen weit hinter sich lassen- 
den, höchsten Ausbildungen beobachtet worden. Wir dürfen hier 
mit Fug und Recht von einem Anthropomorphen-Charakter sprechen, 
welcher das höchste Interesse besitzt. Alle Einzelheiten dieses Wesens 
werden verursacht durch die Umwandlung des gewaltigen Brust- 
kastens. Er imponiert durch seine Breite und seine verhältnismäßig 
geringe sagittale Ausdehnung. Das Herz, zwischen Wirbelsäule und 
Brustbein eingeengt gelagert, nähert sich dem letzteren und bedingt 
dadurch die übergroßen Verschiebungen an den pleuralen Grenz- 
linien. Die Form des Thorax ist daher in letzter Instanz die Ursache 
der Eigenartigkeiten an den Pleura-Säcken der Anthropoiden. 

Die oberflächliche Lage des Herzens, »Situs superfieialis cordis«, 
ist eine Begleiterscheinung des gesamten, differenten Bauplanes bei 
Anthropomorphen. Die vorderen Lungenränder finden sich durch 
das der vorderen Thoraxwand genäherte Herz zur Seite gedrängt. 
Die tiefe Herzlage, »Situs cordis profundus<, kommt den niederen 


48 Georg Ruge 


Primaten zu und ist ihrem ganzen Wesen nach eine ursprüngliche 
Einrichtung. 

Die Verlagerung der Spitze und des größeren Abschnittes des 
Herzens nach links zieht meistens eine stärkere, seitliche Verschie- 
bung der linken Grenzlinie nach sich. Diese wird bei Gorilla und 
Orang so hochgradig, daß die linke Grenzlinie nirgends mehr 
hinter dem Sternum angetroffen wird, sondern hinter die sternalen 
Rippen zu liegen kommt. 

Beim Menschen bestehen wie bei den Anthropomorphen Zu- 
stände an den Grenzlinien, welche durch die Verwachsung von Herz- 
beutel und Zwerchfell bedingt werden. Es fehlt ein Ligamentum 
cavo-sternale. Das Herz kann eine tiefe, ursprüngliche oder eine 
oberflächliche, sekundäre Lage einnehmen. Hiermit in Übereinstim- 
mung können die sternalen Grenzlinien einerseits alle ursprünglichen 
Eigenschaften besitzen, median zusammentreten bis zur letzten Sternal- 
rippe, ja selbst über diese hinaus abdominalwärts sich erstrecken, 
Andrerseits wird ein starkes Auseinanderweichen beider Grenzlinien 
mit seitlicher Verschiebung der linken Grenzlinie beobachtet. Abdo- 
minale Felder fehlen in der Regel. 


ee nn nn N I We 


Die Sekundärerscheinungen erreichen oft einen Grad, wie er 
beim Schimpanse besteht, erklimmen aber nie die bei Gorilla und 
Orang ausgesprochene Organisationsstufe. 


Es erhebt sich die wichtige Frage, ob das Menschengeschlecht 
in seiner Vorgeschichte einen Bauplan besessen habe, wie ihn Gorilla 
und Orang besitzen. Sollte das der Fall sein, so hätte sich bei ihm 
wieder ein ursprünglicheres Verhalten eingestellt. Vielleicht hilft 
die Embryologie die Frage lösen. Vorgeschichtliche Skelete mit gut- 
erhaltenen Brustkörben könnten ebenfalls aufklärend wirken. Solche 
werden uns jedoch wohl schwerlich jemals in die Hand gespielt 
werden. Auch die entwicklungsgeschichtlichen Befunde mit ihren 
vielen cänogenetischen, embryonal-adaptiven Begleiterscheinungen, 
werden wohl schwer sichere Auskunft erteilen. 


Mit Sicherheit können wir aussagen, daß, bei der allerdings 
ganz willkürlichen Annahme der Ableitung der menschlichen Orga- 
nisation von derjenigen eines Gorilla oder Orang, der Mensch von 
der Höhe des gut gekennzeichneten Anthropomorphen - Bauplanes 
wieder weit herabgestiegen sein müsse. Wenn dieser Rückgang zu 
Ursprünglicheren nieht zugestanden werden kann, so steht unumstö 
lich fest, daß die lebenden Anthropomorphen den Ausgangspunkt fü 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 49 


das Genus Homo nicht abgeben können. Man kommt dann zur An- 
sicht, daß dieses früher und selbständig vom Primaten-Stamme sich 
losgelöst habe. 


Auch Sechimpanse hat den Menschen im Baue des Brustkorbes 
und dessen Inhaltes überflügel. Nähere verwandtschaftliche An- 
knüpfungen ließen sich für den Menschen viel eher beim Genus 
Hylobates finden. 


Die Stellung des Menschen zu seinen, wie wir annehmen, nächsten 
Stammesgenossen bleibt vorläufig in Dunkel gehüllt. Die sicherste 
Rettung aus ihm ist die Zuflucht zur Annahme, daß die recenten 
Anthropomorphen und der Mensch sich je früh vom Stamme losgelöst 
und eine selbständige zum Teil konvergente Entwicklung eingeschlagen 
haben. 


1. Platyrrhina. 


Ateles paniscus (Fig. 22). Das Brustbein ist mit 10 Rippenpaaren 
verbunden. Die sternalen Grenzlinien sind in ihrer Ausdehnung aus- 
einandergewichen und nehmen Fig. 2. 

im aboralen Verlauf ein atypi- Re 
sches, in seinem Zustande- 
kommen nicht aufgeklärtes 
Verhalten an. Sie lagern bis 
zur sternalen Verbindung des 
5. Rippenpaares je zur Seite 
des Brustbeines und schließen 
ein größeresinterpleurales Feld 
hinter dem Sternum ein. Die 
rechte Grenzlinie setzt sich 
bis zur Sternalinsertion der 
6. Rippe fort, kreuzt darauf Sterno-costale Grenzlinien von Ateles paniscus. 1/2. 
das Brustbein in schräger Das Brustbein ist mit 12 Rippenpaaren verbunden. 

& r Die Grenzlinien weichen sehr stark nach links ab, 
Richtung und erreicht die Rechts besteht ein abdominales Feld der Pleura-Wand. 
Sternalverbindung der linken 
7. Rippe. Sie lagert dann hinter den Knorpeln der 7.—10. linken 
Rippe neben dem Sternalrande, kreuzt darauf die Wurzel des Schwert- 
fortsatzes und trifft dann auf den Knorpel der letzten rechten Sternal- 
rippe. Sie grenzt ein rechtes kleines Abdominalfeld ab. | 

Die linke Grenzlinie weicht von der Sternalinsertion der linken 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 4 


50 Georg Ruge 


5. Rippe schräg lateral-caudalwärts ab, geht dabei unvermittelt in 
die eostale Grenzlinie über und erreicht als solehe den Knochenteil 
der 10. linken Rippe. Durch diesen Verlauf kommt ein abwärts 
verbreitertes, nahezu dreieckiges, interpleurales Feld zustande. Es 
fällt der linken Thoraxhälfte zu. 

Neue Beobachtungen an Ateles sind erforderlich. 


2. Katarrhina. 
Papio. 
a. Papio mormon (Fig. 23 und 24). Die Grenzlinien berühren 
einander beim jugendlichen Männchen vom oberen Rande des Brust- 


Fig. 23. Fig. 24. 
Papio mormon. Mormon. 
1 
4. 


SI 


Fig. 23 u. 24. Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke von Papio mormon. 1/3. 
Fig. 23 nach T. Taysa. Es bestehen 9 sternale Rippen. Die Grenzlinien sind nach rechts ver- 
schoben. Jederseits ist ein abdominales Feld der Pleura-Säcke wahrnehmbar. 
Fig. 24. Das Brustbein ist mit 8 Rippenpaaren verbunden. Die sternalen Grenzlinien berühren 
einander. Abdominale Felder fehlen. 


beines an bis zur Basis des Schwertfortsatzes (Fig. 24). Sie treten 
bei einem andern Tiere (Fig. 23) erst in der Höhe der 4. Rippe zu- 
sammen und gelangen so bis hinter den Schwertfortsatz. Sie sind 
im ersten Falle in der oralen Hälfte des Sternum nach links ver- 
schoben und liegen in der aboralen Hälfte median. Im zweiten Falle 
sind die geschlossenen Linien nach rechts vom Brustbein verlagert 
und gelangen in die Medianlinie erst am Schwertfortsatze (Fig. 23). 
Die linke Grenzlinie kreuzt in schräger Richtung oralwärts das Brust- 
bein und schneidet die sternalen Ansatzstellen der 2. und 1. linken 
Rippe. Die rechte Grenzlinie zieht steiler zur Kuppel der Pleura 
empor. 


Grenzen der Pleura-Sicke der Affen und des Menschen. 51 


Die aboralen Enden der Grenzlinien nehmen auf Fig. 23 einen 
primitiven Stand ein; sie befinden sich hinter dem Schwertfortsatz, 
von wo aus sie je zur Seite abbieren und ein kleines abdominales 
Feld zustande kommen lassen. Die Spitzen des ersten asternalen 
Rippenpaares, weit vom Brustbein zurückgezogen, haben die Beziehung 
zu den Grenzlinien eingebüßt. 


Auf Fig. 24 entfällt das aborale Ende Jederseits hinter die letzte 
Sternalrippe. Die Grenzlinien haben sich vom Schwertfortsatz zurück- 
gezogen. Ein abdominales Feld fehlt. Die Verschiebung der Pleura- 
Säcke hat sich. im Vergleiche mit dem andern Befunde kopfwärts 
vollzogen, und zwar um das abdominale Feld, eine ganze Rippen- 
breite und um einen Zwischenrippenraum; denn dort bestehen 9, hier 
nur 8 sternale Rippenpaare. 


Die Rückbildung sternaler Rippen ist am Objekt mit erhaltenen 
9 derartigen Rippen der Verschiebung der Pleura-Säcke vorausgeeilt 
(Fig. 23); sie fällt mit dieser am Objekte mit nur 8 Sternalrippen 
zusammen. 


Das ursprünglichere Verhalten auf Fig. 23 wird verstärkt durch 
den Umstand, daß dem Objekt 20 thoraco-lumbale Wirbel zukommen, 
dem Objekt der Fig. 24 aber nur 19. 


Im Vergleiche mit Ateles sind die Enden der Pleura-Säcke bei 
Mormon der Fig. 24 um mehr als zwei Segmente kopfwärts ver- 
schoben. 


b. Papio sphinz (Fig. 25). Das von T. Tansa untersuchte Objekt 
besaß 8 Sternalrippen. Die sternalen Grenzlinien folgen den Seiten- 
rändern des Brustbeines bis zur Fig. 25. 

Verbindung mit dem 6, Rippen- As 

paare. Die rechte Grenzlinie 
weicht lateralwärts zum oberen 
Rande der 7. Rippe aus und geht 
hier in die costale Linie über. 
Die linke Grenzlinie kreuzt die 
7. Rippe und zieht schräg lateral 
durch den folgenden Zwischen- 
'aum als Costalgrenzlinie weiter, 


Die orale Verschiebung hat 
ich im Vergleiche mit Mormonr _Sterno-costale Grenzlinien von Papio sphinz. 1/3. 


= e $sternale Rippenpaare. Die sternalen Grenzlinien 
ler Fig. 24 rechts um etwa ein befinden sich zur Seite des Sternum. Das aborale 


» . Ende liegt links zwischen $. und 7., rechts 
ind ein halbes Segment, links zwischen 7. und 6. Rippe, 


4* 


59 Georg Ruge 


um etwas weniger vollzogen. Sie beträgt beim Genus Papio mehr 
als .drei Segmente. 


Macacus. 


a. Macacus nemestrinus (Fig. 26 und 27). An zwei Exemplaren 
weichen die Verhältnisse nur wenig voneinander ab. Bei gleicher 
Anzahl sternaler Rippen, 8 Paare, schließen die Grenzlinien von der 
Höhe der 2. Rippe bis zum Schwertfortsatz zusammen; sie nehmen 

Fig. 26. Fig. 27. einmal eine mediane Lage ein 

en? (Fig. 26), sind das andre Mal 
nach links verschoben (Fig. 27). 

Die oralen Abschnitte treten 
halswärts auseinander (Fig. 27); 
die rechte Grenzlinie schneidet 
die elavieulare Gelenkfläche, die 
linke weicht lateral weiter aus. 

Die aboralen Enden fallen 
hinter den Schwertfortsatz, rei- 
Blarneigoakele Planra-Grenzen. von Macacus neme-' chen hier weiter an dere ee 


strinus. 1/5. Das Brustbein ist je mit 8 Rippen- F 2 
paaren verbunden. Die Grenzlinien schließen an- als beim anderen Objekte herab. 


einander und helfen je ein abdominales Feld be- Dadurch ist aueh die verschie- 
grenzen, welches am größten auf Fig. 27 ist. e x 
dene Größe der abdominalen 
Felder gegeben. Das größte Feld ist das rechtsseitige der Fig. 27, das 
kleinste das linksseitige der Fig. 26. 


Die vom Schwertfortsatz seitlich abbiegenden Grenzlinien schnei- | 
den in primitiverer Art die Knorpel des 8. sternalen Rippenpaares auf 
Fig. 27 und liegen eine große Strecke weit hinter ihnen auf Fig. 26. 

Das 9. Rippenpaar zog sich vom Brustbeine so weit zurück, 
daß es zu den Wandungen der Pleura-Säcke jegliche Beziehungen 
verlor. 

Der Verlust an sternalen Rippen ist der Verschiebung der Pleura- 
Säcke einmal nicht unwesentlich vorausgeeilt (Fig. 27), während beide 
Erscheinungen das andre Mal ungefähr gleichen Fortgang zeigen 
(Fig. 26). 

Beide Befunde nähern sich am meisten dem von Papio mormon 
auf Fig. 24, verhalten sich aber ursprünglicher als dieser. 

b. Macacus radiatus und M. sinicus (Fig. 28a, b, c). Drei dureh 
Tanya mitgeteilte Beobachtungen sind in den Figuren a, b, e ihre 
Wesen nach wiedergegeben und zugleich nach ihrer Ursprünglichkei 
geordnet. Da überall 8 sternale Rippen vorhanden sind, ist da 


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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 53 


Verhalten der Grenzlinien leicht zu übersehen. Diese berühren ein- 
ander in der Mittellinie bei « von der 2. Rippe an bis zur Mitte 
des Schwertfortsatzes, sind bei 5 getrennt und liegen in der Nähe 
der Seitenränder des Brustbeines, während bei e die rechte Linie 
median vom Manubrium bis zum Processus ensiformis sich ausdehnt, 
die linke aber, zur Seite gedrängt, hinter der 3.—7. Rippe sich findet. 
Ein interpleurales Feld befindet sich bei 5 retrosternal, bei e retro- 
sterno-costal. 

Ein beiderseitiges abdominales Feld ist bei « dadurch be- 
merkenswert, daß die vom Schwertfortsatz seitwärts abbiegenden 

Fig. 28. 


Macacus radiatus-sinicus. 
AL 2,4 


Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke von Macacus radiatus (a, c) und Mac. sinicus (b), nach 
T, Tassa. Schematisch dargestellt. Die aboralen Enden der sternalen Grenzlinien nehmen bei aden 
tiefsten, bei c den höchsten Stand ein. Das Brustbein ist beia, b und c mit8 Rippenpaaren verbunden. 


Grenzlinien auf die Spitzen der 9. Rippen treffen und letztere in das 
Feld noch hineinbeziehen, wodurch die frühere sternale Natur 
angedeutet wird. Bei 5 fallen die aboralen Enden der Grenzlinien 
mit dem letzten Paare der Sternalrippen zusammen. Ein abdominales 
Feld fehlt. Bei ce wird rechts ein kleines Abdominalfeld bemerkt; 
links indessen hat die Grenzlinie sich bis zur 7. Rippe oralwärts 
verlagert. 

Der Fall a stimmt am meisten mit den Befunden bei Nemestrinus 


überein, ist aber primitiver als diese. Die Fälle 5b und e sind diffe- 


renterer Art; 5b stimmt bezüglich des Höhenstandes der aboralen End- 


punkte mit Papio mormon der Fig. 24 überein. 


©. Macacus cynomolgus (Fig. 29a, b, c, d). An vier Fällen, von 
denen TaxsA drei beschrieben hat, treten Schwankungen auf, welche 
einerseits Ursprüngliches wie bei Radiatus a, andrerseits Fortschritte 


5: 


54 Georg Ruge 


für das Genus Macacus zu erkennen geben. Die Fälle Tansas sind 
in a, c, d ihrem Wesen nach wiedergegeben. 

Im Falle « und 5 bestehen acht Paare sternaler Rippen. Bei 
a berühren sich die Grenzlinien von der Höhe der 3. Rippen an bis 


Fig. 29. 
Macacus cynomolgus. 
ce X 
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Gi © M- ws. 
a ir? h, 
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SS Are) N 7 LH NIE) 
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SIG IL9 I 


Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke von Macacus cynomolgus. a, c. d nach T. Tanya, sche- 

matisch gehalten. Bei a und b bestehen 8, bei d 7 sternale Rippenpaare, Bei c sind rechts $, 

links 7 sternale Rippen vorhanden. Die Herz-Umrisse sind bei b eingetragen. Rechts auf der Figur 

ist durch zwei horizontale Linien a und d und durch einen Pfeil die orale Verschiebung der Pleura- 
Säcke angegeben, welche bei den 4 Objekten stattgefunden hat. 


hinter dem Schwertfortsatze in der Medianlinie. Jederseits besteht 
ein ansehnliches abdominales Feld. Bei 5b ist ein solches rechts 
nur noch andeutungsweise vorhanden; links fällt das aborale Ende 
mit der letzten Sternalrippe zusammen. 


Fig. 30. 


Ateles. Mormon. Sphinz. Nemestrinus. Radiatus. Cynomolgus. 
Übersicht über die Verschiebung der vorderen Pleura-Wandungen in oraler Richtung bei Ateles, 
Papio und Macacus. Schematisch. Durch 11—7 sind die Höhenlagen der Sternalinsertionen der 
entsprechenden Rippen angegeben. Der Pfeil rechts deutet die Richtung der Verschiebung inner- 

halb der Grenzen 11 und 7 an. 


Das Objekt d hat linkerseits 7, rechts 8, das Objekt c beider- 


seits nur 7 Sternalrippen. Entsprechend dieser Reduction am Skelete 
sind die Pleura-Säcke oralwärts weiter verschoben. Bei c hat sich 
rechts ein von der 7. Rippe begrenztes Abdominalfeld erhalten, 
während das aborale Ende der Grenzlinie links mit der 7. Ripp 
zusammenfällt. Das Objekt d mit geschlossenen, median gestellten 


Grenzen der Pleura-Sicke der Affen und des Menschen. 55 


sternalen Grenzlinien zeigt deren Enden am oberen Rande des 
7. Rippenpaares. 

Fall a und 5b zeigen geschlossene mediane Linien. Fall e ist 
mit von der 3. Rippe an geschlossenen, aber zur linken Seite ver- 
schobenen Grenzlinien versehen. Das Objekt 5 ist eigenartig. Die 
rechte Grenzlinie hält von der 2. Rippe an bis zum Schwertfortsatz 
die Medianlinie inne, während die linke in den Höhen der 1. bis 
6. Rippe sich weit vom Brustbeine entfernt. Erst aboral vom Herzen 
tritt sie wieder an letzteres heran. Das Herz kann als Ursache für 
die Linksabweichung verantwortlich gemacht werden. 


Hrylobates. 


Lar (Fig. 31). Das Brustbein ist links mit 8 Rippen verbunden. 
Die rechte 8. Rippe hat sich vom Sternum entfernt und lehnt sich 
unweit von ihm der 7. Rippe eng an. Fig. 31. 
Die 9. Rippe ist an die 8. ange- Hylobates lar. 
schlossen. Die Grenzlinien liegen 
hinter dem PBrustbeine; die rechte 
Linie fällt in die Mediane, die linke 
liegt seitlich von ihr und reicht strecken- 
weise bis an die Knorpelinsertionen 
heran. Beide Linien berühren sich 
am Ende des Brustbeinkörpers. 


Die rechte Grenzlinie tritt auf 
den Schwertfortsatz über und verläßt 
ihn erst wiederam unteren Drittel. Sie Sterno-costale Pleura-Grenze von Hylo- 
Pohneidet ‚die 9., daranf erst die us, vochta mie 7 Rippen verkunden 
8. Rippe. Ein hohes, aber schmales a a 
abdominales Feld, in welches die 
9. Rippe hineinbezogen ist, läßt den Befund als den indifferentesten 
erkennen. Er steht etwa auf der Stufe, wie der von Papio mormon 


(Fig. 23) oder von Macacus radiatus (Fig. 28 a). 


Die linke Grenzlinie verläßt den Schwertfortsatz hoch oben; sie 
schneidet die 8. Sternalrippe in der Höhe des freien Endes der 
9. Rippe, ohne sie in das kleine Abdominalfeld hineinzubeziehen. Der 
linke Pleura-Sack hat sich nicht unbeträchtlich kopfwärts verschoben. 
Ein ähnlicher Zustand wurde bei den Macacus-Arten angetroffen. 
Agilıs (Fig. 32, a, b). Das Brustbein ist beim Objekte « mit 8, 
beim Objekte 5 nur noch mit 7 Rippen vereinigt. 


56 Georg Ruge 


Der verschiedene Zustand am Skelet prägt sich im gleichen 
Sinne auch an der Verschiedenheit der Pleura-Säcke aus. 

Die Grenzlinien liegen nebeneinander, bei 5 median hinter dem 
Sternum, bei a von der 3. Rippen-Höhe ab links von ihm. Sie 
entfernen sich bei @ voneinander gegen den oberen Rand des Brust- 
beines und erreichen den Schwertfortsatz an dessen linkem Randteile. 

Die aboralen Enden der Grenzlinien liegen bei « hinter dem 
Schwertfortsatze und lassen durch ihr seitliches Auseinanderweichen 
jederseits ein von der 8. Rippe begrenztes, kleines abdominales Feld 


Fig. 32. 
Hylobates agilıs. 


Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke von Hylobates agilis. 1:3. db helle Varietät, erwach- 
senes Männchen. Das Brustbein ist bei « mit 8, bei 5 mit 7 sternalen Rippenpaaren verbunden. 
Abdominale Felder der Pleura-Säcke bestehen bei a beiderseits, bei b nur links. 


zustande kommen. Es entspricht in der Größe ungefähr dem linken 
bei Lar. 

Bei b besteht links ein Abdominalfeld, welches von der 7. sternalen 
und der freigewordenen 8. Rippe eingerahmt wird. Die 8. Rippe, 
einbezogen in das Feld, bewahrte ebenso wie die 9. rechte bei Zar 
durch die Beziehung zum Pleura-Sacke ein Merkmal der einstmaligen 
sternalen Natur. Auf der rechten Seite gelangt die Grenzlinie zur 
Sternalinsertion der 7. Rippe, um auf sie überzugehen. Ein abdo- 
minales Feld fehlt. Die Pleura ist im Vergleiche zur rechten Seite 
und zu beiden Seiten von « um mehr als ein Segment oral- 
wärts verschoben. Ein ähnlicher Zustand trat bei Cynomolgus der 
Fig. 29 d auf. 

Leueiscus (Fig. 33). Der ursprüngliche Bestand von 8 sternalen 
Rippenpaaren ist mit der sehr erheblichen Entfernung beider Grenz- 


IE Be rn _ Ban 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 57 


linien voneinander gepaart. Die rechte Linie hält die Mediane inne, 
indessen die linke weit vom Brustbein sich entfernt hat und senk- 
recht bis zum 6. Rippen- Fig. 33. 

knorpel herabzieht. Hier geht Hylobates leuciscus. 

sie in die costale Grenzlinie 
über. Den 6. Zwischenrippen- 
raum schrägdurchsetzend, zeigt 
sie eine starke orale Verschie- 
bung. Der 7. Rippenknorpel 
liegt abdominalwärts von ihr. 


Die rechte Grenzlinie er- 
reicht die Wurzel des Schwert- 
fortsatzes, von welcher sie 
quer abbiegt, um ein winzig 
kleines abdominales Feld zu Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke von Hylo- 

‚ s bates leuciscus. 1:6. 8 sternale Rippenpaare. Die 
bilden, das von der 8. Sternal- rechte Grenzlinie liegt median und begrenzt ein ab- 
ri e ein efriedet ist Die dominales Feld. Die linke Grenzlinie ist seitlich 

PP 5 : stark verschoben. 
fortgesetzte costale Grenzlinie 
gelangt wie linkerseits in den 6. Intercostalraum, wodurch im Ver- 
gleiche zu Zar und Agzlis (Fig. 32a) eine orale Verschiebung des 
Pleura-Sackes sich ausspricht. Eine gleiche Erscheinung liegt bei 
Agtlis b vor. 


So vereinigt sich bei Lewciscus Primitives mit Differentem. 


Syndactylus (Fig. 34a, b, ec). Das Brustbein ist bei drei auf 
die Pleura untersuchten Tieren je mit 7 Rippenpaaren verbunden. 
Das 8. Paar zog sich je auf eine etwa gleiche Entfernung vom 
Sternum zurück. Ursprüngliches erhielt sich an den Grenzlinien an 
verschiedenen Stellen, und Umwandlungen stellten sich hier und dort 
ein. Die individuellen Schwankungen halten sich immerhin in engern 
Grenzen. 


Die mediane Berührung der sternalen Grenzlinien wird bei 5b 
_ wahrnehmbar. Die Aneinanderlage ist am aboralen Ende des Sternal- 
_ körpers bei ce und 5 erhalten, indessen kopfwärts eine Entfernung 
der Grenzlinien sich vollzogen hat, bei c mehr gleichmäßig als wie 
bei a. Bei c bleiben die Linien hinter dem Sternum gelagert. Bei 
a rückte die linke Linie stellenweise hinter die knorpeligen Rippen- 
geile, und zwar hinter die der 3.—7. linken Rippe. Ein etwa drei- 
eckiges, retrosternales Zwischenpleurafeld wird bei @ und ce an- 
‚getroffen. Die sternalen Linien gehen in die cervicalen bei 5 in der 


58 Georg Ruge 


Mitte der Ineisura jugularis über, bei @« und c aber in der Nähe oder 
hinter dem Schlüsselbeine. 

Die Fortsetzung auf den Schwertfortsatz erfolgt in ursprünglicher 
Weise bei a beiderseits, bei 5 und ce jedoch nur links. Die auf die letzte 
Sternalrippe vom Schwertfortsatze überspringende Grenzlinie hilft 
jedesmal ein abdominales Pleura-Feld begrenzen. Von ihm ist die 
8. Rippe allenthalben ausgeschlossen. Sie hat die letzten Zeichen 
ihres früheren sternalen Wesens eingebüßt. 

Das aborale Ende der sternalen Grenzlinie zog sich rechts bei 
b und e bis zur Höhe der sternalen Anheftung der 7. Rippe zurück, 
bei c etwas weiter oralwärts als wie bei b. 

Fig. 34. 
Hylobates syndactylus. 


Sterno-costale Pleura-Grenzen von Hylobates syndactylus. a junges Weibchen, 1:2; b erwachsenes 
Männchen, 1:6; c junges Weibchen 1:4. Das Brustbein ist bei a, 5 und c mit 7 Rippenpaaren 
verbunden. Bei a besteht beiderseits, bei b und c links ein abdominales Pleura-Feld. Die Grenz- 
linie ist rechts bei b und c auf die 7. Rippe oralwärts verschoben; sie bestreicht bei c die 6. Rippe, 


Der Anfangsteil der costalen Grenzlinie liegt beiderseits bei b 
hinter dem Knorpel der 7. Rippe; er rückte linkerseits bei @ und e 
in den 6. Zwischenrippenraum, rechts bei ce sogar in ausgesprochener 
Weise hinter die 6. Rippe, so daß auch an ihm eine Verschiebung in 
oraler Richtung sich kundgibt. 

Die drei Objekte sind verschiedenen Alters und verschiedenen 
Geschlechtes. Alter und Geschlecht beeinflussen die Verschieden- 
artigkeiten an der Pleura nicht. 


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Ebenso wie die variierenden Befunde für die einzelnen Arten 
zu besonderen Reihen zusammengestellt werden müssen, so muß das- 
selbe für die ganze Gattung Hylobates geschehen. Anknüpfungen R 
an andre, niedriger stehende Primaten-Abteilungen können nur auf ) 
Grund der primitiven Einrichtungen gesucht werden, da die differenten 
Zustände als selbständig in der Gattung entstanden zu denken sind. 


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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 59 


Stimmen sie mit denen andrer tiefer stehender Primaten überein, 
so ist die Annahme der Convergenz nicht von der Hand zu weisen. 

Die Schwankungen im Höhenstande der aboralen Enden der 
sternalen Grenzlinien sowie der sich anschließenden, vorderen Ab- 
schnitte der costalen Grenzlinien lassen sich auf den Grad der In- 
differenz untrüglich beurteilen. 

Der Breitegrad aller bekannt gewordenen Schwankungen im 
Höhenstande der Endpunkte der Sternalgrenzlinien ist durch die 
schematische Fig. 35 gekennzeichnet. Der ursprünglichste Befund 
zeigt den Stand auf der Höhe der 9. Rippe bei Zar, der differenteste 
Zustand zeigt ihn auf der Höhe der 7. Rippe bei Agelis und Syndactylus. 
Das primitive Verhalten weist zurück auf Verhältnisse bei Macacus 
radiatus (Fig. 28a) und Papio mormon (Fig. 23). 

Der tiefste Stand der vorderen Abschnitte der costalen Grenz- 


Fig. 35. 
Hylobates. 


Lar. Agilis,a. Agilis, b. Sunaaee Er 


Übersicht über die oralwärts stattfindende Verschiebung der ventralen Pleura-Wandungen bei Hylo- 
bates. Schematisch. Durch 9.—7. sind die Höhenlagen der Sternalinsertionen der entspechenden 
Rippen angegeben. Der Pfeil rechts deutet die Richtung der Verschiebung an. 


linien trifft mit der 9. Rippe zusammen (Lar); der höchste fällt in 
den 6. Intereostalraum und hinter die 6. Rippe (Syndactylus). Ein 
derartiger differenter Zustand ist bei keiner niederen Form bisher 
bekannt geworden. Wohl nähert sich ihm der bei Papio sphinz 
(Fig. 25) und Macacus cynomolgus (Fig. 29 c, d) angetroffene Befund, 
wo der 6. Intercostalraum den Höchststand angibt. Aber auch hierin 
können nur convergente Bildungen gesehen werden. 


3. Anthropomorphae. 


Bisher ist keineBeobachtung bekannt geworden, welche die Organi- 
sation eines Anthropomorphen auf tieferer Stufe zeigt, als die höchste 
Entwicklungsstufe bei Hylobates und niederen Affen sie angibt. Alle 
Befunde bei Anthropomorphen haben die der letzteren überholt. Da- 
durch nehmen die Anthropomorphen eine besondere Stellung ein und 
- schließen enger aneinander. Trotzdem läßt sich aber auch bei ihnen 
eine Entwicklungsreihe nachweisen. Schimpanse nimmt in ihr den 


60 Georg Ruge 


tiefsten Rang ein. Der höchste ist dem Orang zuzuerkennen. In- 
dividuelle Schwankungen werden auch hier bestehen. Sie aufzudecken 
bleibt eine dankenswerte Aufgabe. Bisher liegt nur außer eigenen 
Beobachtungen eine Mitteilung TAxJA’s über Orang vor. 

Schimpanse (Fig. 36a, b, ce). 

Von 13 Rippenpaaren, welche die untersuchten Tiere besitzen, 
sind bei 5 8, bei e 7 sternaler Natur. Das Objekt ce indessen weist 
rechts 8 und links 7 Sternalrippen auf. 

Beide sternale Grenzlinien berühren einander in der Medianlinie 
bei a. Sie haben bei 5 die Nachbarschaft aufgegeben, verlaufen aber, 
bis auf 4 bis 5 mm voneinander entfernt, parallel miteinander und 


Fig. 36. 


Schimpanse. 


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Sternale Grenzlinien der Pleura-Säcke von 3 Schimpansen. a 1:3; db Weibchen, etwa 1:4; 
ce Männchen, 1:3. 


leicht geschwungen hinter dem Brustbeine. Dabei schneidet die linke 
Grenzlinie die Ineisura jugularis median und hält auch hinter dem 
Manubrium sterni die Mittellinie inne. Die rechte Grenzlinie liegt 
hinter der Ineisura elavieularis und entfernt sich in deren Höhe von 
der linken 12 mm. Die linke Grenzlinie biegt in der Ebene der 
4. Rippe seitwärts aus und schneidet deren Knorpel. 

Die Berührung ist bei e hinter der unteren Hälfte des Manubrium 
bewahrt geblieben. Halswärts divergieren die Grenzlinien und treffen 
auf die Ineisurae celaviculares. In aboraler Richtung tritt unter Ein- 
buße des primitiven Verhaltens gleichfalls eine Divergenz ein. Die 
rechte Grenzlinie wird unweit des rechten Randes des Brustbeines 
und hinter ihm angetroffen. Die linke verläßt hinter der Grenze 
von Manubrium und Corpus sterni die Mittellinie und zieht nunmehr 


en 


Grenzen der Pleura-Sicke der Affen und des Menschen. 61 


aboral-lateralwärts; sie schneidet die 4. linke Rippe an deren Sternal- 
insertion und in immer weiterer Entfernung vom Brustbeine die 
Knorpel der 5., 6. Rippe (1 em—2,7 cın vom linken Sternum-Rande). 
Sie geht Mnter der 6. Rippe unvermittelt in die costale Grenzlinie 
über, schneidet als solehe die Knorpel-Knochen-Grenze der 7. Rippe. 

Durch die Entfernung der Grenzlinien kommt bei e ein drei- 
eckiges interpleurales Feld zustande; es nimmt eine retrosternale 
Lage ein und entfällt zum Teil hinter die Knorpel der linken 4. bis 
6. Rippe. Die Spitze des Feldes befindet sich hinter der Verbindung 
des Manubrium mit dem Corpus sterni; die Basis fällt mit den Um- 
rissen des Herzens zusammen und dehnt sich zwischen den Knorpeln 
des 6. Rippenpaares aus. 


Es liegen in «a, b, ce drei verschiedene Stadien der retrosternalen 
Lage der Grenzlinien vor. Der differente Zustand am Objekte ec 
entfernt sich vom primitiven am Objekte @ in sehr erheblicher Weise. 
Die Form des interpleuralen Feldes bei 5 ist keine neue Erscheinung. 
Wir trafen sie bei Ateles (Fig. 22) im oralen Gebiete des Sternum 
an, ferner bei Papio sphinz (Fig. 25) und Macacus (Fig. 28, a b). 
Bei Hylobates leueiscus (Fig. 33) ist das Feld bedeutend weiter nach 
links ausgedehnt. 


Die Form des dreieckigen, interpleuralen Feldes bei c ist jedoch 
eine ganz neue, eine nur den Anthropomorphen zukommende Er- 
scheinung. Wohl findet man bei Hylobates syndactylus (Fig. 34a, e) 
auch ein dreieckiges, interpleurales Feld. Dasselbe kehrt aber seine 
Basis dem Halse zu, während seine Spitze sich gegen den Schwert- 
fortsatz wendet. 


Die aboralen Enden der sternalen Grenzlinien sind bezüglich 
der Grade ihrer Ursprünglichkeit auf die beiden Seiten der drei 
Individuen verschieden verteilt. 1. Bei 5 befindet sich das Ende links 
hinter der Sternalanheftung der 6. Rippe, 2. bei ce rechts liegt es 
etwas höher, 3. bei « und bei 5b rechts fällt es in den 5. Intercostal- 
raum und 4. bei ce links ist der Endpunkt wegen des Überganges 

der sternalen in die costale Grenzlinie verwischt. Man kann ihn 
_ auf die 6. Rippe verlegt annehmen. 


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Bei allen drei Objekten überschreitet die beiderseitige Grenz- 
ö linie beckenwärts die 6. Rippe nicht; ihr Ende kann aber der 5. Rippe 
B genähert sein. Ein derartiges Verhalten, das hier die Regel ist, 
x wurde beiderseits bei keiner andern Form angetroffen; es gehört zu 


den Merkmalen der Anthropomorphen. Es kombiniert sich bei a 


j 
n | 


62 Georg Ruge 


mit dem primitiven Zusammenschlusse der Grenzlinien hinter dem 
Sternum. 

Wohl ist ein ähnlicher Sekundärbefund linksseitig unter den 
Halbaffen bei Avahis und unter den niederen Affen bei Ateles beob- 
achtet worden. Bei beiden handelt es sich aber um eine gleich- 
zeitige Linksverlagerung der rechten Grenzlinie in dem betreffenden 
Gebiete, deren Ursache unbekannt geblieben ist. In der Sternal- 
gegend, wie es bei Sehimpanse der Fall ist, befindet sich diese 
hohe Lage nicht, vielmehr auf der linken Körperseite, wohin auch 
die rechte Grenzlinie verschoben ist. Eine Annäherung an den dif- 
ferenten Zustand der hohen Lage liegt rechts bei Papio sphinz und 
links bei Hylobates leueiscus vor, bei denen der 6. Zwischenrippen- 
raum das Ende der Grenzlinie anzeigt. 

Die seitliche Deviation der linken Grenzlinie unterliegt beim 
Schimpanse individuellen Schwankungen. Sie fehlt einerseits bei a, 
nimmt andrerseits bei c einen ausgesprochenen Charakter an, während 
b eine Zwischenform darstellt. Sie fügt sich in den Rahmen pro- 
gressiver Zustände ein; denn sie wird in der gut gekennzeichneten 
Form bei niederen Primaten vermißt, wird bei andern Anthropomorphen 
zur Regel und tritt auch beim Menschen als eine sehr häufige, ja 
als normal angenommene Erscheinung hervor. 

Der indifferenteste Befund 5, in welchem die primitive sternale 
Lage der Grenzlinien mit dem differenten Höhenstande deren End- 
punkte kombiniert ist, hat alle bei niederen Affen bekannt gewordenen 
Einrichtungen in wesentlichen Punkten überflügelt. Die Möglichkeit, 
ihn in rein morphologischem Sinne von niederen Zuständen abzuleiten, 
liegt mehrfach vor. Hiylobates lar, Hwylobates agilis (Fig. 325) und 
Hylobates syndactylus (Fig. 34 b), Macacus und Papio zeigen je Ein- 
richtungen, welche wir als Ausgangspunkt des indifferenten, mithin 
auch der weiter fortgeschrittenen Entwicklungsstadien beim Schim- 
panse annehmen können. Wo der genealogische Anschluß zu suchen 
sei, lassen die Pleura-Verhältnisse nicht erkennen. Die ganz eigen- 
artige Gliederung des Brustbeines beim Genus Aylobates, wo zwei 
oder drei Rippenpaare mit einem Manubrium sterni verbunden sind, 
erschweren es, Schimpanse mit ihm in engste verwandtschaftliche 
Beziehung zu setzen. Es wird geboten, die Ablösung des Schim- 
panse vom Stamme tiefer anzunehmen, wo eine wie bei ihm vor- 
liegende Gliederung des Brustbeines noch besteht. Diesbezüglich 
werden wir auf Organisationen verwiesen, welche bei allen andern 
niedern Affen herrschen. 


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Br 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 63 


Gorilla (Fig. 37a, b). 

Es liegen die Beobachtungen an zwei Objekten vor. Das Objekt 
a hat Tansa bei seiner Darstellung benutzt. Es zeigt am Skelete 
durch den Besitz von 18 thoraco-lumbalen Wirbeln, 14 Rippenpaaren 
und 8 sternalen Rippen an der rechten Seite das primitivere Ver- 
halten. Das Objekt 5b ist mit 16 thoraco-lumbalen Wirbeln und 13 
Rippenpaaren ausgestattet, von welchen nur 7 sternaler Natur sind. 
Die Verhältnisse an den Pleura-Säcken sind hiermit übereinstimmend 
bei a die indifferenteren. 

Die Grenzlinien entfernen sich bei «a am oberen Sternalrande 
nur 0,5 cm voneinander; sie weichen aboralwärts weiter auseinander. 


Fig. 37. 


Gorilla, 


Sternale Grenzlinien von zwei Gorilla. a Männchen, etwa 1:4; db Weibchen, etwa 1:4. 


Das sich einstellende interpleurale Feld ähnelt dem von Schimpanse 
der Fig. 36c; es wendet wie dort die Spitze auf-, die Basis abwärts. 
Es hat sich aber im Vergleiche mit jenem verbreitert. Die größte 
Breitenausdehnung erreicht es in der Höhe des 4. Rippenpaares (2,3 cm). 
Aboral ist die Breite auf 1,35 em vermindert. Die rechte Grenzlinie 
zieht in leichtem Bogen rechts von der Mittellinie und mit rechts- 
gekehrter Krümmung hinter dem Sternum bis zur Basis des Schwert- 
fortsatzes, wo sie die Sternalinsertion der 7. linken Rippe berührt, 
aber in der Höhe der Sternalinsertion der rechten 8. Rippe sich 
befindet. Die linke Grenzlinie verläßt das Sternum bereits in der 
Höhe der 2. Rippe, deren Knorpel sie schneidet. Sie entfernt sich 
"aboral weiter und weiter vom Brustbein und lagert hier hinter den 
_ Knorpeln der 3. bis 5. Rippe, um hinter dem oberen Rande der 
6. knorpeligen Rippe in die eostale Grenzlinie überzugehen. Diese 
Übergangsstelle fällt mit dem Umrisse des Herzens zusammen. 


64 Georg Ruge 


Das interpleurale Feld ist von länglich-ovaler Gestalt. Es gestattet 
einem großen Teile der ventralen Fläche des Herzens eine Anlagerung 
an die Thorax-Wand. 

Aus Angaben P. EısLers ist zu entnehmen, daß die rechte Grenz- 
linie an dem von ihm untersuchten Exemplare hinter dem Brustbeine 
in der Nähe der Insertionen der 1. bis 6. Rippe, die linke Grenz- 
linie aber fast in ganzer Ausdehnung lateral vom Brustbeine sich 
befunden habe. Es ist möglich, daß eine Zwischenform zwischen 
Objekt a und b vorgelegen hat. 


Objektb. Denkt man sich die rechte Grenzlinie des Objektes a 
stark lateralwärts verschoben, die linke Linie im oralen Abschnitte 
ein wenig, im aboralen Gebiete aber stärker nach der linken Körper- 
seite gedrängt, so kommt der Befund 5 zustande. Das interpleurale 
Feld dehnt sich vom Brustbeine aus auf die rechte Gegend der 
knorpeligen Rippenteile ein wenig, auf die linke aber weit aus. Das 
Feld erhält durch den schrägen, aber parallelen Verlauf beider Grenz- 
linien eine Trapezform. Die rechte Grenzlinie schneidet die Knorpel 
der 6 oberen Rippen, den Knorpel der 1. Rippe weiter lateral als 
den der 6. Rippe. Ihre Entfernung von der Mittellinie beträgt oben 
2, unten 1 em. Der Übergang in die costale Grenzlinie erfolgt unter 
rechtwinkliger Abknickung hinter der 6. Rippe. Die linke Grenz- 
linie schneidet ebenfalls die Knorpel der 1.—6. Rippe, entfernt sich 
aber im Gegensatze zur rechten aboralwärts mehr und mehr von 
der Mittellinie. Der Übergang in die costale Grenzlinie ist unver- 
mittelt; er ist nicht genau bestimmbar, liegt wohl zwischen 5. und 
6. Rippe. Denkt man sich nämlich die abgekniekte Übergangsstelle 
der sternalen in die costale Grenzlinie bei « nur etwas weiter lateral 
verschoben, so ergibt sich ein Befund, wie er bei 5 verwirklicht ist. 
Die hochgradige stattgehabte Seitwärtsverschiebung spricht sich auch 
darin aus, daß die Knorpel-Knochen-Grenze der 6. Rippe von der 
linken Grenzlinie geschnitten wird. Das bedeutet im Vergleiche zu 
a einen gewaltigen Fortschritt der Umwandlung. 


Die Grenzlinien haben jegliche Beziehungen zum Brustbeine, das f 
durch Breitenentfaltung sich zudem noch auszeichnet, aufgegeben. 


Das interpleurale Feld wird durch das an die ventrale Thorax- 
wand gelangte Herz in Anspruch genommen. 


Ei 


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Das aborale Ende der Grenzlinien liegt rechts hinter der 
6. Rippe, also um mehr als 1 Segment, fast um 2 Segmente, höher 
als wie bei a, wo es unterhalb der 7. Rippe in der Höhe der 8. Sternal- 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 65 


rippe sich befindet. Der linksseitige Endpunkt, nicht genau mehr 
feststellbar, dürfte eine gleiche Höhe wie bei « eingenommen haben. 

Trotz der stattgefundenen Umwandlungen an den Grenzlinien 
hat sich rechts am Objekte a ein ursprünglicher Höhenstand des 
aboralen Endes erhalten. Ein solcher wurde beim Schimpanse 
nicht mehr angetroffen, trotzdem auch beim Objekte 5 8 sternale 
Rippen bestehen. Ein Indifferenzzustand wie beim Gorilla @ ist bei 
Hylobates lar, agilis und leueiscus beobachtet worden und ist bei 
niederen Affen nichts Ungewöhnliches. 

Orang (Fig. 38a, b). 

a. Ein von TAnJA untersuchtes, junges Tier zeigt die ursprüng- 
licheren Verhältnisse, welche in einigen Beziehungen sich über die 
von Gorilla erheben. 


Fig. 38. 
Orang. 


Sternale Grenzlinien der Pleura-Säcke von zwei Orang. a nach T. Tassa 1:4; b Männchen, 1:4, 


Das Tier besaß, wie das Objekt b, 16 thoraco-lumbale Wirbel, 
12 Rippenpaare und unter ihnen 7 von sternaler Natur. 

Die Grenzlinien sind symmetrisch angeordnet. Eine jede gelangt 
aus der 1 em über die 1. Rippe herausragenden Pleura-Kuppel hinter 
Clavieula und untern Teil der Ineisura clavicularis sterni; sie folgt 
dann hinter dem Brustbeine dessen Seitenrande bis zur Höhe der 
5. Rippe. Hier biegt die sternale Grenzlinie jederseits seitlich ab 
zum Übergange in die eostale Linie. 

Der Höhenstand des aboralen Endes fällt jederseits mit der 
‚Insertion der 5. Rippe zusammen. Diese wird in der Nähe des oberen 
Randes geschnitten. Die Verschiebung der Pleura-Säcke hat, soweit 
sie noch hinter das Sternum fallen, was rechterseits bei Schimpanse 
und Gorilla der Fall ist, nirgends einen so hohen Grad erreicht 
wie hier. 
| Morpholog. Jahrbuch, 41. ö 5 


- 


r 


66 Georg Ruge 


Die costalen Grenzlinien ziehen anfangs hinter der 5. Rippe 
lateralwärts und schneiden bereits die 6. Rippe an deren Knorpel- 
Knochen-Grenze. 

Dieser Zustand ist bei Schimpanse einmal auf der rechten 
Seite (Fig. 86c), bei Gorilla einmal beiderseits erreicht worden 
(Fig. 3% b). 

Das interpleurale Feld nimmt im Unterschied zu Sechimpanse 
ce und beiden Exemplaren von Gorilla eine retrosternale Lage, ist 
demgemäß von länglich-viereckiger Gestalt und von geringer Breite. 

 b. Auch hier nehmen beide Grenzlinien eine symmetrische Lage 
ein; sie beginnen hinter der Ineisura elavieularis sterni. Eine Über- 
einstimmung mit a zeigt sich fernerhin darin, daß die eostalen Grenz- 
linien die 6. Rippen an deren Grenzen vom Knorpel in den Knochen 
schneiden. Im übrigen stellten sich neue, einzig dastehende Um- 
wandlungen ein, welche als gewaltige Verschiedenheiten im Ver- 
gleiche mit @ in die Augen fallen. Beide Grenzlinien sind im oberen 
Gebiete auf die Seitenränder des Brustbeines verlagert. Die rechte 
Linie verläßt dasselbe hinter der Sternalinsertion der 3., die linke 
hinter derjenigen der 2. Rippe. Von hier aus entfernen sich die costal 
gewordenen Grenzlinien in aboraler Richtung voneinander, anfangs 
allmählich, bald aber so beträchtlich, daß sie in der Höhe des 
5. Rippenpaares dreimal so weit auseinanderliegen, als in der Höhe 
des 3. Weiterhin schlagen sie eine weniger steile Richtung ein 
und schneiden die 6. Rippe bereits jederseits am Übergange in deren 
knöchernen Abschnitt. 


Die aboralen Endpunkte der Grenzlinien, welche am Objekte «a 
hinter dem oberen Rande der Sternalinsertion des 5. Rippenpaares 
angetroffen werden, sind hier nicht mehr genau zu bestimmen, da 
der Übergang in die »costalen« Grenzlinien unvermittelt ist. Dieser 
unmittelbare Übergang kam durch seitliche Verschiebung der aboralen 
Endpunkte zustande. Sie dürften, wie beim Objekte a, hinter den i 
Knorpeln des 5. Rippenpaares gelegen sein, wo die stärkste Krümmung 
der Grenzlinien sich kundgibt. 2 


n 
Das interpleurale Feld schließt die ganze hintere, orale Fläche 1 
des Brustbeines in sich und dehnt sich jederseits auf die costale 
Thoraxwandung aus. Es ist gegen den Hals zu offen, und zwar 
in der Breite des Manubrium sterni. Abdominalwärts tritt eine rasche Ü 


und beträchtliche Erweiterung ein. 
Der größere Teil der ventralen Fläche des Herzbeutels ist der 


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Grenzen der Pleura-Sicke der Affen und des Menschen. 67 


Thoraxwand angelagert. Selbst die Spitze des Herzens fällt noch 
in den Bereich des interpleuralen Feldes. 

Die orale Verschiebung der unteren Endpunkte hat sich bei 
Orang um drei Segmente höher vollzogen als wie beim Gorilla a 
auf der rechten Seite, um etwas mehr als ein Segment wie beim 
Gorilla b auf der gleichen Seite. Sie steht beim Schimpanse 
um etwas weniger als ein Segment gegen die beim Orang zurück. 
Dieser nimmt daher die höchste Stufe in der oralen Verschiebung 
der Pleura-Säcke ein. 

Die linksseitige Verschiebung hat beim Gorilla 5 einen gleichen 
Grad erreicht wie beim Orang b. 

Die Befunde bei Orang lassen sich von einem indifferenten 
Zustande, wie ihn Schimpanse a und 5 darbieten, ungezwungen 
ableiten. Das differentere Verhalten bei Schimpanse ce und Gorilla 
a und 5b kann jedoch nicht mehr als Ausgangspunkt für den ur- 
sprünglicheren Tatbestand bei Oranga angenommen werden. Nimmt 
man für alle drei Anthropomorphe eine ursprünglichere Organisation 
als gemeinsamen Ausgangspunkt für eine je selbständige Umwand- 
lung bei jedem Vertreter an, so ist ein jeder Fall im Gebiete der 
individuellen Schwankungen leicht zu erklären. 

Mit Sicherheit läßt sich über eine engere oder weitere genea- 
logische Verwandtschaft der Anthropomorphen zueinander aus dem 
Verhalten der Pleura-Grenzen nichts aussagen. Es ist jedoch nicht 
ohne weiteres wahrscheinlich, daß die eine Form aus der andern 
sich entwickelt habe. Fest steht indessen die Tatsache, daß die drei 
Anthropomorphen Gemeinsames in der Entwicklung der Pleura-Säcke 
besitzen, welches eine Eigenartigkeit für sie ist. Wenn daher eine 
direkte Verwandtschaft zwischen ihnen auch nicht bestehen sollte, 
so schlugen sie doch einen gleichen Entwicklungsgang ein. Eine 
jede neue genaue Beobachtung wird das Urteil über die schwierige 
Frage der verwandtschaftlichen Beziehungen schärfen können. Heute 
sind wir mit dem entscheidenden Materiale noch schlecht bestellt. 


c. Mensch (Fig. 39 u. 40). 


Der Breitegrad individueller Schwankungen ist groß. Ganz 
ursprüngliche und hoch differente Einriehtungen sind bei ihm all- 
mählich bekannt geworden (vergl. TanJa). Man könnte behaupten, 
daß auch für die Anthropomorphen einmal ein ähnlicher Breitegrad 
individueller Schwankungen sich würde nachweisen lassen. Das ist 
ja möglich, für Schimpanse sogar wahrscheinlich. Gorilla und 


5* 


x 


68 Georg Ruge 


vor allem Orang zeigen indessen in dem Baue ihres Rumpfes so 
große Spezialisierungen, daß diese auch in der Anordnung der Brust- 
organe sich wiederspiegeln werden. Derartige strenger fixierte, 
fester eingebürgerte Eigenschaften treten nach dem Stande unsrer 
Erfahrungen bei Hylobates syndacetylus und bei Macacus cynomolgus 
uns entgegen. Sie für Orang in gleicher Weise anzunehmen, halte 
ich für durchaus gerechtfertigt. 

Die Einriehtungen am menschlichen Rumpfe sind nach allem, 
was wir wissen, nicht so spezialisiert, daß nicht Rückschläge und 
Weiterbildungen an ihm sich einstellen können. Ebenso wie das 
Skelet sind auch die Weichteile Schwankungen unterbreitet. Die 
sternalen Grenzlinien zeigen eine Fülle derselben. Einerseits treten 
Anklänge an die Organisation niederer Affen, selbst größere Über- 
einstimmung mit ihr in die Erscheinung. Derartige primitive Befunde 
weisen auf Entwicklungsstadien zurück, welche von den Anthropo- 
morphen weit überholt sind. Progressive Variationen sind andrer- 
seits an den sternalen Grenzlinien des Menschen bekannt geworden. 
Sie erreichen niemals die äußerste Grenze der Umwandlung, welche 
Gorilla und Orang uns darbieten. Der Mensch steht daher be- 
züglich der sternalen Grenzlinien nicht am Ende der Entwicklungs- 
reihe. Dieser Satz kann durch reichere Erfahrungen über Schwan- 
kungen bei den Anthropomorphen nur gesichert werden, da die 
Möglichkeit besteht, bei ihnen noch ausgesprochenere Umwandlungen 
anzutreffen. 

Die beim Menschen bekannt gewordenen Variationen (vergl. 
TaxsAa 1891) lassen sich nach ihren verschiedenen Merkmalen zu- 
sammenfassen und ordnen. Leitend hierbei sind die gleichen Ge- 
sichtspunkte, nach denen das tierische Material behandelt worden ist. 


«. Berührung beider sternaler Grenzlinien. 


1. Der ursprünglichste Zustand zeigt uns die Berührung beider 
Grenzlinien vom Manubrium sterni oder von der Höhe des 2. Rippen- 
paares an über den ganzen Körper des Brustbeines und über die 
orale Hälfte des Schwertfortsatzes. Ein solcher Tatbestand ist beim 
Neugeborenen, beim 18monatigen und Sjährigen Knaben, sowie beim 
5djährigen Manne aufgenommen worden. 

Das Alter ist für das Auftreten dieses primitiven Zustandes nicht 
ausschlaggebend. Er ist bisher nur bei männlichen Individuen in 
der Literatur verzeichnet. Er stimmt überein mit Befunden bei Halb- 
affen und niederen Affen. Macacus-Arten (Fig. 26, 28a, 29a) bieten 


all 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 69 


ihn öfters dar. Unter den Hylobatiden finden wir ihn bei Lar 
(Fig. 31), Agilis (Fig. 32 b) und Syndactylus (Fig. 34 b). 

Die Übereinstimmung wird um so augenfälliger, wo das Brust- 
bein in Verbindung mit 8 Rippenpaaren geblieben ist und die Grenz- 
linien sich nichtsdestoweniger geschlossen bis auf den Schwertfortsatz 
ausdehnen. Skeletund Pleura-Grenzen zeigen hier Wechselbeziehungen 
zueinander und deuten auf weit zurückliegende Einrichtungen hin 
(Fig. 39 1). 

Die Berührung der Grenzlinien setzt sich nur selten auf das 
Manubrium sterni hinauf fort. Sie endigt in dessen Mitte bei einem 
11jährigen Mädchen. Bis zum oberen Rande des Brustbeines ist der 
Anschluß der Grenzlinien bisher nicht wahrgenommen worden. 


2. Berührungen der Grenzlinien von der Höhe des 2. Rippenpaares 
an bis zur Basis des Schwertfortsatzes werden wiederholt an- 
getroffen (C. Sıck 1885). Berührungen von der 2. Rippe bis zur 
Höhe des 7., des 6., des 5. und des 3. Rippenpaares finden sich bei 
TanyJA aufgeführt. Hieran schließen sich die Beobachtungen, wonach 
die Berührung beider Grenzlinien nur noch auf kurze Strecken be- 
schränkt ist. Sie leiten zum Zustande der Trennung in ganzer Aus- 
dehnung über. 

Nach HAmERNIK (1858) bleiben die Grenzlinien in der Regel 
bis zur Höhe der Sternalanheftung des 6., nach LuscukA (1858) und 
Panscha (1881) bis zur Höhe des 4. Rippenpaares vereinigt. 


Die Berührung der Grenzlinien in der Mittellinie wird zu- 
weilen angetroffen. Sie besteht vom Manubrium bis zum Schwert- 
fortsatze beim 5djährigen Manne, bis zum 6. Intercostalraume bei 
einer 69 jährigen Frau und bis zur Höhe des 3. Rippenpaares bei 
einem 66 jährigen Manne. 

Verlagerung der sich berührenden Grenzlinien nach links. Sie 
liegt häufiger vor als eine solche nach rechts. Sie erfolgt bis zum 
linken Rande des Brustbeines. Nur einmal überschritt sie den linken 
Sternalrand. Sonst können die links verlagerten Grenzlinien bis 
zum Schwertfortsatze oder aber nur über kleine Strecken des Brust- 
beines sich erstrecken. 


Verlagerung der aneinandergeschlossenen Grenzlinien nach 
rechts. Sie tritt weniger ausgesprochen und auch seltener auf, 
erfolgt meist nur auf kürzere Strecken des sternalen Verlaufes der 
Grenzlinien. Der rechte Seitenrand des Brustbeines wird durch beide 
Grenzlinien nie bestrichen. Die Verschiebung beschränkt sich also 


70 Georg Ruge 


immer auf die rechte Sternalhälfte. Sie stellt sich nicht über eine 
größere Strecke ein, als die Entfernung von 2—3 Rippen beträgt. 

Die Linksverlagerung der vereinigten Grenzlinien bestand 
unter den Halbaffen bei Avakis (Fig. 20) und erfolgte bis hinter die 
Rippenknorpel. Sie ist keine ganz seltene Erscheinung bei Affen. 
Bei Macacus nemestrinus (Fig. 27) liegt sie in ganzer Ausdehnung 
bis zum Schwertfortsatze vor und ist größtenteils bis über den Sternal- 
rand hinaus erfolgt. Ähnlich verhält sich Macacus eynomolgus der 
Fig. 29c. Bei Papio mormon (Fig. 24) ist die Verlagerung auf orale 
Strecken der Grenzlinien beschränkt. Die Linkslage liegt bei Hylo- 
bates agilis (Fig. 32a) in ganzer Ausdehnung vor, von der 3.—8. Rippe 
zur Seite des Brustbeines. 

Die Rechtsverlagerung ist wie beim Menschen auch bei 
Affen selten vorhanden. Ein auffallendes Beispiel gibt Papio mormon 
der Fig. 23 ab, wo die geschlossenen Grenzlinien von der 3.—8. Rippe 
zur Seite des Brustbeines angetroffen werden. 

Häufigkeit der Verlagerung. Die Linkslage ist unter 20 
Fällen lateraler Deviation beim Menschen 16 mal durch TAnJA an- 
getroffen worden. 

Die Ursachen für die seitliche Abweichung der geschlossenen 
Grenzlinien lassen sich mit Sicherheit nicht angeben. Das Verhalten 
von Herz und Lungen hätte in jedem Falle genau festgestellt werden 
müssen, um Aufschluß über die Abhängigkeit der Verlagerung von 
andern Momenten zu erhalten. Immerhin wird man nicht felılgehen, 
wenn das nach links verschobene Herz für die häufige Links- 
verschiebung der Pleura-Grenzen verantwortlich gemacht wird. Andre 
Tatsachen, weiter unten erwähnt, bestärken uns in dieser Auf- 
fassung. Auskunft über die Ursachen der Rechtsverlagerung kann 
vorderhand nicht erteilt werden. 

Die gleichzeitige Verdrängung des Herzens und der geschlossenen 
Grenzlinien nach links stellt sich bei Avahis (Fig. 20) ein. Das Herz 
überschreitet die Mittellinie nach links dreimal so viel als nach 
rechts. Auch bei Papio mormon (Fig. 24) fallen beide Erscheinungen 
zusammen. Der größere Teil des auf den Thorax entworfenen Herzens 
lagert links von der Mittellinie. 

Bei Macacus nemestrinus (Fig. 27) ist der Umfang des Herzens 
ungefähr gleichmäßig auf beide Körperseiten verteilt, bei gleichzeitiger 
Linkslagerung der geschlossenen Pleura-Grenzen. Der Fall ist zu- 
gunsten des Herzens als angenommener Ursache der Pleura-Ver- 
schiebung nur noch des Umstandes wegen anzuführen, als die letztere 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 7i 


im Gebiete der Herzkontur sich befindet. Diese Erscheinung liegt 
auch bei Avahıs und Mormon vor. 

Die Frage nach der Ursache der Linkslage der Grenzlinien 
verliert dadurch an Durehsiehtigkeit, daß das Herz stark nach links 
verschoben sein kann, ohne daß die Grenzlinien ihm gefolgt sind. 
Die Befunde bei Nyeticebus (Fig. 14), Chiromys (Fig. 16), Tarsius 
(Fig. 19) und Hylobates syndactylus (Fig. 34, b) legen Zeugnis dafür ab. 

Die aborale Ausdehnung der sich berührenden Grenzlinien 
vollzieht sich im ursprünglichsten Zustande bis zur Mitte des 
Sehwertfortsatzes, beim Vorhandensein von 8 Sternalrippen. Sie 
rückt im differenteren Zustande bis in die Höhe der 3. Rippen hinauf. 
Zwischen diesen extremen Stellungen liegen fünf Segmente, welche der 
nachbarlichen Beziehungen der sternalen Grenzlinien beraubt werden. 

Ursache für das Verharren der weiten Ausdehnung der be- 
nachbarten Grenzlinien kann nicht direkt im Erhaltenbleiben von 
8 Sternalrippen gesucht werden; denn man kennt Fälle mit dieser 
primitiven Zahl von Brustbeinrippen, wo die Grenzlinien höher endigen 
als da, wo nur 7 Sternalrippen bestehen (Fig. 404. So können die 
Grenzlinien ihre Berührung bereits in der Höhe der 3. Rippe auf- 
geben, trotz des Bestandes von 8 Sternalrippen. 

Die ursächlichen Momente müssen tiefer gesucht werden. Die 
ganze Gestaltung des Brustkorbes, welche Form und Lage von Herz 
und Lungen beeinflußt, wird auch auf die Anordnung und Pleura- 
Säcke zurückwirken. Die strenge Analyse des Einzelfalles muß 
darüber aufklären. Auch hier sind das Wechselspiel der Variation 
und deren Symptome nicht leicht zu ergründen. 

Fälle mit primitivem Verhalten an Skelet und sternalen Grenz- 
linien wie auf Fig. 391 sollten zu weiterer Untersuchung des ganzen 
Thorax samt Inhalte dienen. 

Die Berührung der sternalen Grenzlinien führt das Vorhanden- 
sein eines Ligamentum perieardiaco-sternale im Gefolge und erlaubt bei 
den Lungen eine Ausdehnung bis zur Medianlinie. Damit fällt die 
Bedingung für das Auftreten eines Sinus costo-mediastinalis auch auf 
der linken Körperhälfte fort. 


8. Auseinanderweichen beider sternaler Grenzlinien in 
ganzer Ausdehnung. 
Es reiht sich an den im Vorhergehenden besprochenen Zustand 


an, in welchem die Berührung wie auf der Fig. 394 und Fig. 40 5 
eine beschränkte gewesen ist. 


-] 
ID 


Georg Ruge 


1. Das Auseinanderweichen kann von der Mittellinie aus gleich- 
mäßig nach beiden Seiten erfolgt sein. Dieser Zustand ist bei einem 
zweijährigen Mädehen beobachtet worden (Fig. 405). Die Grenz- 
linien liegen hinter den seitlichen Rändern des Brustbeines bis zur 
Sternalinsertion des 7. Rippenpaares. 

2. Die reehte Grenzlinie hat die mediane Lage bewahrt; die 


linke ist seitlich verschoben. Dieser Zustand kann in zahlreichen . 


Beobachtungen verschiedensten Entwicklungsgrades vorgeführt 
werden. 

Die linke Grenzlinie lagert hinter den Knorpelteilen der sechs 
oberen linken Rippen in der Nähe des Sternalrandes (Fig. 402). Sie 
ist beim 20 em langen Embryo weiter lateralwärts verschoben, um 
hinter der 7. Rippe in die costale Grenzlinie überzugehen (Fig: 395). 
Sie schneidet die Mitte der Knorpelstücke der 1.—7. Rippe bei einem 
Neugeborenen. In den beiden letzten Fällen ist die rechte Grenz- 
linie gegen den rechten Sternalrand verschoben, so daß sie nur in 
Rücksicht auf die überwiegende linksseitige Verlagerung in diese 
Gruppe zu zählen sind. Ganz reine Formen sind wegen häufigen 
Zusammentreffens verschiedener Zustände selten. 


Das interpleurale Feld räumt dem Herzen eine nähere Nach- 


barschaft mit der vorderen Wand des Thorax ein. 

Das häufigere Vorkommen und der größere Ausschlag der seit- 
lichen Verlagerung der linken Grenzlinie legen den Gedanken nahe, 
daß die Linkslage des Herzens die Ursache für diese Verschiebung 


ist. Zur gleichen Annahme führte die häufigere Linksverschiebung | 


beider, im ursprünglichen Verbande verbliebener Grenzlinien. Da 
trotz der Linkslage des Herzens beide Grenzlinien in der Median- 
linie‘ verharren können, so müssen noch andre Kräfte bei deren 


Deviation im Spiele sein. Folgende Überlegung dürfte aufklärend sein. | 
Ist der Raum zwischen Wirbelsäule und Brustbein verhältnismäßig weit, 


so kann das Herz in ihm sich zur Seite verschieben, ohne eine Zwangs- 
äußerung auf die Organe vor ihm auszuüben. Wird der Raum be- 
schränkter, so werden die letzteren zunächst in Mitleidenschaft ge- 
zogen, verdrängt, und zwar nach der Seite, nach welcher das Herz 
ausweicht. Wird der Raum noch mehr eingeengt, so tritt eine Be- 
rührung des Herzens mit der vorderen Skeletwandung ein. In diesem 
Falle ist die Linksverlagerung des Herzens und die des linken 
Pleura-Sackes ohne weiteres verständlich. Hiernach läßt es sich 
auch rechtfertigen, die folgenden Zustände an den Grenzlinien als 
höhere Entwicklungsstufen den vorgeführten anzureihen. 


aa 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 73 


y. Durch die Herzlage bedingte Linksabweichung der 
linken Grenzlinie. 

Diese Form ist als »Herzabweichung« durch eine schräge seit- 
liche Ausbiegung der linken Grenzlinie gekennzeichnet und durch 
LuscHukA (1857) als solche beschrieben worden. Die Ausbiegung folgt 
derjenigen des Herzens, so daß die gegenseitigen Beziehungen deut- 
lich hervortreten. 

Die »Herzabweichung« der Grenzlinie äußert sich sehr ver- 
schieden. Sie vermag mit den vorgeführten Zuständen sich zu kom- 
binieren und erscheint demgemäß im Kleide zahlreicher Variationen. 
Solange diese nur zum Teile bekannt waren, wurden durch die 
Autoren verschiedene Normalbefunde aufgestellt. Diese sind als Be- 
funde wertvoll, normale können sie nicht alle sein. Ihren morpho- 
logischen Wert erlangen sie als progressive Entwicklungsbildungen 
und reihen sich an die Verhältnisse bei den Anthropomorphen an. 

Die »Herzabweichung« der linken Grenzlinie tritt in der Regel 
in der Nähe der Herzspitze auf. Sie äußert sich darin, daß die 
Grenzlinie die Sternalinsertionen der linken 6. oder 5. oder 4. oder 
gar der 3. Rippe verläßt, um darauf, leicht gebogen, mit links ge- 
richteter Konvexität seitlich mehr und mehr auszubiegen. 

Die Abgrenzung gegen die costale Grenzlinie kann dabei in 
voller Schärfe erhalten bleiben (Fig. 40 6). Sie kann aber bei stärkerer 
Linksverschiebung der sternalen Grenzlinie veröden (Fig. 405). In 
diesem Falle setzt sich die links konvexe Linie als eine links kon- 
kave Linie beim Übergange in die eostale Grenzlinie fort. Die 
Fig. 394, 405, 406 lassen die verschiedenen Grade der »Herzab- 
weichung< erkennen. Die Befunde tragen das Gemeinsame einer 
streckenweise primitiven Berührung der Grenzlinien im oralen Ge- 
biete. 

Das Ergebnis der »Herzabweichung« ist um so gewaltiger, je 
weiter rechts die Trennung der linken Grenzlinie von ihrer Nach- 
barin erfolgt. Tritt die Trennung hingegen hinter der linken Hälfte 
des Brustbeines ein, so verkleinert sich das frei werdende, interpleu- 
rale Feld. 

Zuweilen folgt die rechte Grenzlinie der deviierenden linken 
eine Strecke weit; sie ist in diesem Falle nach links verschoben und 
liegt dann hinter dem linken Sternalrande. Sie folgte der linken 
Grenzlinie bei einem Neugeborenen noch weiter, überschritt den 
linken Rand des Brustbeines in den Höhen der 4. und 5. Rippe und 
war stark nach links gekrümmt. Von der 5. Rippe wendete sich 


74 Georg Ruge 


die rechte Grenzlinie schräg hinter das Corpus sterni und erreichte 
die Sternalinsertion der 7. rechten Rippe. 

Die »Herzabweichung« der linken Grenzlinie kann zuweilen 
oralwärts weiter verschoben sein. TansA fand die größte laterale 
Ausbuchtung bis in die Höhe der 4. Rippe hinaufgerückt. 

In diesem Falle war die Trennung beider Grenzlinien in ganzer 
Ausdehnung eingetreten. Das interpleurale Feld erreichte eine be- 
sonders große Ausdehnung. 

Denkt man sich den Zustand der »Herzabweichung« der Fig. 23 
noch gesteigert, so müssen schließlich seitliche Verschiebungen der 
linken Grenzlinie sich einstellen, wie sie die Fig. 395 zeigt und wie 
sieim Abschnitte 3 als extreme Formen der Auseinanderweichung vor- 
geführt worden sind. Daraus ergibt sich ein engerer Anschluß anForm- 
zustände, welehe unter £ als eine Gruppe besprochen worden sind, 
und an die hier als reine »Herzabweichungen« behandelten Befunde. 

Der extreme Fall beim Sehimpanse (Fig. 36c) wird, was die 
seitliche Verlagerung der linken Grenzlinie betrifft, beim Menschen 
erreicht und sogar überholt. Progressive Variationen erreichen beim 
Menschen zuweilen auch die beim Gorilla der Fig. 37 a angetroffenen 
Umwandlungen, wenigstens was die Linkslage der Pleura anlangt. 
Eine seitliche Verschiebung bis zum Knochenteile der 6. Rippe jedoch, 
wie sie bei Gorilla (Fig. 375) und Orang (Fig. 385) besteht, ist 
beim Menschen bisher nieht beobachtet worden. Ein Höhenstand 
der sterno-costalen Grenzlinie, wie er bei Gorilla 5 und Orang 
sich eingestellt hat, ist beim Menschen ebenfalls unbekannt. Die 
Größe eines interpleuralen Feldes, bei Gorilla 5b und Orang 5b durch 
die Divergenz beider Grenzlinien verursacht, wird im menschlichen 


Bauplane vollends vermißt. Die Ursachen hierfür liegen in der 


enormen Breitenentfaltung des Thorax der betreffenden Anthropo- 


morphen und der gleichzeitigen relativen Einengung des Raumes 
zwischen Wirbelsäule und Brustbein, wodurch das Herz in weiter 
Ausdehnung an die vordere Skeletwand heranrückt und die gesteigerte 


Verschiebung der Pleura-Säcke zur Seite bedingt. 


Beim Erwachsenen kann die linke Grenzlinie nach €. Sıck in 
der Höhe der 5. Rippe 3 em, in der Höhe der 6. Rippe 4cm, der 


7. Rippe 5 cm vom Brustbeine entfernt sein. 


d. Höhenstand der aboralen Endpunkte der sternalen 
Grenzlinien. 
Rechts. In Fällen mit 8 Sternalrippen kann die Grenzlinie in 
verschiedenen Höhen endigen: 


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| Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 75 


1. hinter der Mitte des Schwertfortsatzes (Fig. 397). Die recht- 
winklig abbiegende costale Grenzlinie umschließt mit der 8. Rippe 
und dem Schwertfortsatze ein dreieckiges, abdominales Feld. Dieser 


ursprünglichste bekannte Befund erhebt sich über den bei Lemur 

(Fig. 18), Macacus radiatus (Fig. 28a), Hylobates lar (Fig. 31), wo die 
' 9. Rippe in das abdominale Feld noch hineinragt; er greift zurück 
bis auf Organisationen, welche bei Nemestrinus (Fig. 26, 27), Radiatus 
(Fig. 28c), Cynomolgus (Fig. 29a, b), Hylobates agelis (Fig. 32a) und 
Leuciscus (Fig. 33) verwirklicht sind. Anthropomorphe haben, so- 
weit es bis jetzt bekannt ist, dieses Entwicklungsstadium über- 
wunden; 

2. hinter der Sternalinsertion der 8. Rippe (Fig. 39 2, 3). Der 
Befund weist zurück auf Zustände, wie sie bei Mormon (Fig. 24), 
Sinicus (Fig. 285) vorliegen. Unter den Anthropomorphen ist ähn- 
liches bei Gorilla (Fig. 37 a) angetroffen worden; 

3. hinter dem 6. Zwischenrippenraume (Fig. 394. Diese Ver- 
schiebung des Höhenstandes bei 8 sternalen Rippen ist bei Sphin« 
(Fig. 25) in ähnlicher Anordnung ausgeprägt. COynomolgus der 
Fig. 29d verhält sich etwas primitiver, da die Grenzlinie hinter der 
Sternalinsertion der 7. Rippe endigt. Schimpanse der Fig. 36a und e 
zeigt bei gleicher Indifferenz am Skelete einen differenteren Höhen- 
stand an dem Pleura-Sacke, hinter der 6. Rippe bei c, hinter dem 
5. Intercostalraume bei a. 

Im Normalbestande von 7 Sternalrippen ist für den Höhenstand 
das Folgende bekannt geworden. Das Ende der Pleura liegt: 

1. hinter dem Schwertfortsatze. Ein abdominales Feld ist von 
der 7. Rippe begrenzt (Fig. 40 1). Dieser für den Menschen ursprüng- 
liche Befund führt auf Einrichtungen zurück, wie sie bei Tarsius 
(Fig. 19), Oynomolgus (Fig. 29c), Hylobates symdactylus (Fig. 34a) 
bestehen. Bei Anthropomorphen ist ähnliches bisher nicht bekannt 
geworden; 

2. hinter der 7. Rippe. Im Anschlusse an den vorigen Fall 
liegt das Ende der Grenzlinie am unteren Rande der 7. Rippe, so 
daß ein abdominales Feld in letzten Andeutungen noch vorliegen 
kann (Fig. 40 2,5, 6), oder es liegt hinter der Sternalinsertion. 
Dieses Verhalten nähert sich dem normalen. Es wird auch bei 
Hylobates beobachtet. Agilis der Fig. 325 und Syndactylus der 
Fig. 345 und ec bieten es in reiner Form dar, während bei Oyno- 
molgus der Fig. 29d der rechtsseitige Bestand von 8 Sternalrippen 
den Befund indifferenter gestaltet; 


3. hinter dem 6. Zwischenrippenraume am oberen Rande der 
7. Rippe oder etwas höher (Fig. 405). Ein gleicher Höhenstand ist 
bei Papio sphine beobachtet worden; aber der Bestand von 
8 Sternalrippen läßt den Befund indifferenter erscheinen; 

4. hinter der Insertion der 6. Rippe (Fig. 404. Nach LuscHKA 
als Normalbefund bezeichnet, erreicht derselbe bereits eine fortschritt- 
liche Bedeutung, insofern er bei niederen Affen nicht mehr, wohl 
bei Gorilla der Fig. 375 verwirklicht ist. 

Höhere Entwieklungsstufen sind beim Menschen nicht beobachtet 
worden. Sie werden jedoch beim Orang (Fig. 37a, b) angetroffen, 
bei dem die Sternalinsertion der 5. Rippe das Ende der Grenzlinie 
bezeichnet (a), oder eine ganz eigenartige progressive Form durch 
seitliche Abweichung erzielt wird (b). 

Fig. 39. 


76 Georg Ruge 


Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke des Menschen. Schematisch nach T. Tansa. Das Brust- 
bein ist mit 8 Rippenpaaren bei 1, 2, 4, mit $ Rippen linkerseits bei 5 und rechterseits bei 3 ver- 
bunden. Die Grenzlinien sind hinter dem Sternum bei 1—3 vereinigt, bei 4 und 5 auseinandergewichen. 
Bei 1 besteht ein abdominales Feld; bei 2—5 ist eine allmähliche Steigerung einer Verschiebung 

der Pleura-Säcke in oraler Richtung bemerkbar. 


Links. In Fällen mit 8 Sternalrippen wird das Ende de 
Grenzlinie in sehr verschiedenen Höhen gefunden: 

1. hinter der Mitte des Schwertfortsatzes (Fig. 3971). Ein abdo 
minales Feld, von der 8. Rippe begrenzt, entspricht dem der rechten 
Seite und wiederholt weit zurückliegende Einrichtungen. Nemestrin 
(Fig. 27, 26), Oynomolgus (Fig. 29a), Hylobates agilis (Fig. 32a) stehe 
auf gleicher Stufe. Lemur (Fig. 18), Oynomolgus radiatus (Fig. 28 «a 
und Hylobates lar (Fig. 31) verhalten sich ursprünglicher; die 9. Ripp 
reicht bei ihnen an das abdominale Feld heran; 

2. hinter der Sternalinsertion der 7. Rippe (Fig. 39 2). Morm 
der Fig. 24 verhält sich primitiver; die Grenzlinie endigt hinter de, 
8. Rippe. Bei Sphinz (Fig. 25) ist ihr Ende in den 7. Intercosta 
raum verschoben; 

Bei 1 und 2 kommt das Ursprüngliche durch die Berührun 
beider Grenzlinien zum schärferen Ausdrucke; | 


- 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 17 


3. hinter der Sternalinsertion der 5. Rippe (Fig. 394). Der Fall 
ist mit der hohen Trennung der Grenzlinien und der »Herzabweichung« 
der linken Grenzlinie vergesellt. Er entspricht ungefähr dem von 
LuscHhkA angegebenen Normalzustande der linken Grenzlinie beim 
Bestande von 7 Sternalrippen. Entsprechende Befunde werden bei 
niederen Affen vermißt. Schimpanse der Fig. 36@ verhält sich 
primitiver; das Ende der Grenzlinie liegt hinter der Sternalinsertion 
der 6. Rippe. Ein ähnlicher Befund ist beim Menschen bisher nicht 
wahrgenommen worden, wird aber voraussichtlich einmal beobachtet 
werden, da es sich um ein Zwischenstadium von 2 und 3 handelt. 

In Fällen mit der normalen Anzahl von 7 Sternalrippen kehren 
primitive Verhältnisse an der Pleura wieder, und progressive fügen 


Fig. 40. 


Sterno-costale Grenzlinien der Pleura-Säcke beim Menschen. Schematisch, nach T. Tansa. Das 

Brustbein ist mit sieben Rippenpaaren verbunden. Die Berührung der sternalen Grenzlinien ist bei 

1 und 4 erhalten, bei 2 und 3 ist eine gleichzeitige Entfernung erfolgt; bei 5 und 6 ist die linke 

Grenzlinie zur Bildung einer »Herzabweichung« lateralwärts verschoben. Ein abdominales Feld be- 

steht rechterseits bei 1 und 5. Eine allmähliche Verschiebung der Pleura-Säcke in oraler Richtung 
ist bei 2, 6, 2 und 4 bemerkbar. 


sich dem Normalbefunde an. Es sind folgende Höhenlagen des 
Endes der Grenzlinie zu verzeichnen: 

1. hinter der Mitte des Schwertfortsatzes (Fig. 393). Ein von 
der 7. Rippe begrenztes abdominales Feld deutet auf eine bei 
niederen Formen bestehende Organisation hin. Sie ist realisiert bei 
Tarsius (Fig. 19), bei Hylobates agilis (Fig. 32b) und Hylobates syn- 
dactylus (Fig. 34 a,b, c). Agelis ist primitiver als Syndactylus, da 
die 8. Rippe in das abdominale Feld hineinbezogen ist. Ein ähn- 
licher Befund wird auch beim Menschen einmal angetroffen werden 
können, da ein abdominales Feld beim Auftreten von 8 Sternal- 
rippen bekannt ist. Die Anthropomorphen zeigen dieses Stadium 
‚nicht mehr; 

2. hinter der Sternalinsertion der 7. Rippe (Fig. 406). Beide 
Fälle sind mit einer ausgesprochenen »Herzabweichung« der linken 
Grenzlinie kombiniert; sie hat den medialen Tiefstand der letzteren 


18 Georg Ruge 


nieht aufgehoben. Ein gleicher Stand des Endes der Grenzlinie beim Be- 


stande von 7 Sternalrippen tritt nur bei Oynomolgus der Fig. 29d auf; 


3. hinter‘ dem 6. Zwischenrippenraume (Fig. 40 1 u. 2). In beiden 


Fällen ist die Grenzlinie seitlich verschoben; sie schneidet auf 
Fig. 402 die Knorpel der linken Rippen 1—7; 

4. hinter der Sternalinsertion der 6. Rippe (Fig. 404). Dieser 
höchste Grad oraler Verschiebung der in der Nähe des Brustbeines 
gelegenen Endpunkte beim Menschen ist durch Schimpanse bei 
gleicher Anzahl sternaler Rippen überholt (Fig. 365). Das Ende der 
Sternallinie liegt hier hinter dem 5. Zwischenrippenraume. 

‘ Als weitere progressive Umgestaltungen fügen sich alle als »Herz- 
abweichung« auftretenden, seitlichen Verschiebungen der linken 


Grenzlinie an. Sie haben schließlich den allmählichen Übergang der 


sternalen in die costale Grenzlinie zur Folge; fernerhin erzielen sie 
durch allmähliches Höhergreifen der lateralen Abweichung einen 
weiter oralwärts stattfindenden Übergang der Grenzlinie vom Brust- 
beine auf die Rippen. Der Übergang kann hinter der 5. Rippe 


(Fig. 394) oder hinter der 4. Rippe (Fig. 405) erfolgen. Dieser hohe 
Entwicklungszustand ist bei Schimpanse (Fig. 36c) realisiert. Daran 


lassen sich die Fälle übermäßiger lateraler Verschiebung anreihen, 
wo die Grenzlinie schließlich in ganzer Ausdehnung seitlich vom 
Brustbeine sich einstellt (Fig. 395). Sie finden ihresgleichen nur 
noch unter den Anthropomorphen bei Gorilla und Orang. 


Die »Herzabweichung« kann sich einstellen unter Wahrung der 


Lage des Endpunktes der linken Grenzlinie hinter dem Knorpel der 
7. Rippe in der Nähe des Brustbeines (Fig. 406). Die Grenzlinie 
beschreibt in diesem Falle einen links konvexen Bogen. 


Erfolgte durch seitliche Ausbiegung ein allmählicher Übergang 


in die costale Grenzlinie, so äußert sich die orale Verschiebung auch 
durch die Lage der letzteren hinter den Knorpelknochen-Grenzen 
niederer und höherer Rippen. Auf der Fig. 394 wird der Knochen 
der 8., auf Fig. 405 der der ”7., auf Fig. 34 der TansAschen Arbeit 
der der 6. Rippe erreicht. Diese Befunde erinnern an die bei An- 
thropomorphen. Bei Gorilla der Fig. 37a erreicht die Grenzlinie den 
Knochen der 8., bei Schimpanse der Fig. 36€ den der 7. und bei 
Gorilla der Fig. 375 sowie bei Orang der Fig. 385 den der 6. Rippe. 


Die ursprünglicheren Befunde an der linken Grenzlinie beim 
Menschen deuten weit zurück auf Einriehtungen, wie sie bei niederen 


Affen bekannt geworden sind. Höher entwickelte Zustände stimmen 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 79 


mit solchen bei Hylobates syndactylus überein. Die größten Umge- 
staltungen an ihr werden in gleicher Weise nur noch bei Anthropo- 
morphen angetroffen. Bei ihnen sind aber auch weitere Fortschritte 
zu verzeichnen, welche an den Pleura-Säcken des Menschen bisher 
nicht beobachtet worden sind. 

Die Darstellungen vom Verhalten der linken Grenzlinie, von 
verschiedenen Autoren gegeben, stellen je nur ein einzelnes Stadium 
der großen Reihe individueller Schwankungen dar. Dem genetischen 
Verhalten nach lassen sich die Angaben folgendermaßen aneinander- 
reihen: 1. nach HAMERNIK, 2. nach AEByY, 3. nach Weır, 4. nach 
LuscHkAa. 

Die primitiven Fälle an der linken Grenzlinie fallen mit einer 
tiefen, die progressiven mit einer oberflächlichen Herzlage zu- 
sammen. Letztere ist eine Errungenschaft der Anthropomorphen und 
des Menschen. 

Wissenswert bleibt das Feststellen eines mittleren Verhaltens an 
der linken Grenzlinie bei den Anthropomorphen und beim Menschen. 


Auch kennen wir nicht das Verhalten der Grenzlinien in den- 
jenigen Fällen, in denen das menschliche Brustbein mit 9 oder nur 
mit 6 Rippen verbunden ist. 

Die Ausdehnung der Pleura-Säcke über das Skelet des Brust- 
korbes hinaus ist bei Halbaffen und niederen Affen eine verhältnis- 
mäßig häufige Erscheinung. Ein gleiches gilt auch für Aylobates. 
Ein abdominales Pleura-Feld ist in 54 Fällen 37 mal bei ihnen ge- 
funden worden, d. i. in 68%,. Es tritt bei Halbaffen fast regelmäßig, 
unter 14 Fällen 13mal, d. i. in 93°/, auf, bei niederen Affen unter 
62 Fällen 14 mal, d. i. in 54 /,, bei Hylobatiden in 14 Fällen 10mal, 
d.i. in 71°/,. Nur 7mal unter 54 Fällen liegt eine orale Verschie- 
bung über das Ende des Thorax vor, d. i. in 13 %,. 

Ein abdominales Feld ist bei Anthropoiden unter 14 Fällen nie- 
mals wahrgenommen worden. 

Während also bei Halbaffen und niederen Affen die Reduetion 
der vorderen Skeletwand einer oralen Verschiebung an den Pleura- 
Säcken vorausgeeilt ist, wird das Gegenteil für die Anthropomorphen 
festgestellt. 

Der Mensch zeigt einerseits deutliche Anklänge an Halbaffen 
und niedere Affen, schließt sich anderseits an die Verhältnisse bei 
Anthropomorphen an, ohne sie jedoch zu erreichen. Er stellt sich 
zwischen beide. Dabei bleibt unentschieden, ob er nicht früher 


BERN 


“ 


80 Georg Ruge 


einmal den außergewöhnlichen Grad des Baues der Anthropomor- 
phen besessen, aber wieder aufgegeben habe. 

Die Gesamtergebnisse, mögen sie sich bei reicherer Erfahrung 
auch etwas verschieben, bilden mit die Grundlage für eine Wert- 
schätzung nicht nur des Brustkorbes, sondern des ganzen Rumpfes 
der Affen und des Menschen. 


3. Costale Grenzlinien. 


Ihre Höhenlagen sind das wichtigste Merkmal für eine morpho- 
logische Wertschätzung verschiedener Befunde. Sie lassen sich nach 
den Rippen bestimmen, deren Innenflächen von den Grenzlinien be- 
strichen werden. Eine andre Bestimmung für die Höhenlagen hinter 
den Knorpelteilen gleicher Rippen wird durch die Entfernung vom 
Übergange in die knöcherne Rippe ermöglicht. Die Grenzlinien 
können bis zur Knorpel-Knochen-Grenze einer gleichbezifferten Rippe, 
hinter deren Knorpel sie liegen, sich verschieben, ja selbst auf 
deren knöchernen Abschnitt heraufrücken. Auch in diesem Falle 
kann die veränderte Höhenlage durch die Entfernung von der Knor- 
pel-Knochen-Grenze angegeben werden. Diese Bestimmung ist keine 
genaue, da die Grenze zwischen knorpeligem und knöchernem Ab- 
schnitte einer Rippe nicht ohne weiteres als eine feste, einer Ver- 
lagerung nicht unterworfene Stelle angesehen werden kann. Immer- | 
hin ist dieselbe bei auffallender Höhenverschiebung der costalen 
Grenzlinien maßgebend. 

Die ventrale und dorsale Höhenlage der costalen Grenzlinien 
ist durch deren Übergang in die sternale sowie in die vertebrale 
Grenzlinie gekennzeichnet. Die betreffenden Stellen sind für die 
Primaten in den vorhergehenden Abschnitten besprochen worden. 
Ventral und dorsal findet demnach eine Verschiebung in oraler 
Richtung statt. Eine entsprechende Höhenverlagerung läßt sich auch 
am ganzen Umfange des Brustkorbes nachweisen; sie hält im großen 
und ganzen gleichen Schritt mit der ventralen und dorsalen Ver- 
schiebung. Diese Übereinstimmung berechtigt dazu, die Rangstellung 
der Befunde zueinander in gleicher Weise zu bestimmen, wie es für | 
die aboralen Enden der sternalen und vertebralen Grenzlinien ge- 
schehen ist. Derjenige Zustand gilt immer als der indifferentere, 
in welchem die Grenzlinie in einander entsprechenden Ebenen weiter 
caudalwärts gelegene Rippen schneidet. 

Bei Anthropomorphen und beim Menschen können die costalen 
Grenzlinien unmittelbar in die seitlich verschobenen sternalen über- 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 81 


gehen. Die Grenze zwischen ihnen bleibt nur durch den verschie- 
denen Zusammenhang einerseits mit der Pleura diaphragmatica und 
der Pl. mediastinalis anderseits erhalten. Ist die Zahl der Rippen 
bei verschiedenen Formen eine geringe und gleiche, und findet trotz- 
dem eine nennenswerte orale Verschiebung der costalen Grenzlinien 
statt, so ändert sich deren schräger, eaudo-dorsalwärts gerichteter 
Verlauf in einen mehr queren um. Gleichzeitig entfernen sich die 
Grenzlinien mehr und mehr von den Knorpel-Knochen-Grenzen der 
Rippen, weiter auf Dorsalgebiete der Knochenspangen übergreifend. 

Es liegen für alle Abteilungen der Primaten genauere Be- 
obachtungen vor, welche die dargelegten, gesetzmäßigen Erschei- 
nungen erläutern. 


1. Halbaffen. 

Nyeticebus tardigradus (Fig. 14a, b, 41). Die Grenzlinie schlägt 
einen steilen, caudo-dorsalen Verlauf ein. Das Objekt 5b der Fig. 14 
zeigt das ursprünglichere Verhalten. Die Grenzlinie liegt hinter 
dem Knorpel der 11. Rippe, durchzieht den 11. und 12. Zwischen- 
rippenraum, schneidet die Knorpel-Knochen-Grenze der 13. und 
14. Rippe, um dann vom Knochenteil der 15. Rippe quer zur Wirbel- 
säule zu gelangen. Am Objekte «a der Fig. 14 und Fig. 41 ist die 
Grenzlinie beiderseits oralwärts verschoben. Sie durchquert den 
10. Intereostalraum, schneidet bereits die Knorpel-Knochen - Grenze 
der 11. Rippe, dann die knöchernen Abschnitte der 12.—16. Rippe. 

Peridietieus Potto (Fig. 15). Die Grenzlinie verläuft steil wie 
bei Nyeticebus b (Fig. 14) hinter dem Knorpel der 11. Rippe, kreuzt 
den 11.—15. Intercostalraum, schneidet die 16. Rippe, von welcher 
sie zur Wirbelsäule gelangt. 

Galago senegalensis (Fig. 17 und 42). Die Grenzlinie schneidet 
die freie Spitze der 10. Rippe, dringt in den 9. Zwischenrippen- 
raum ein, liegt dann hinter dem Knorpel der 9. Rippe, durchzieht 
den 10. und 11. Raum zwischen den Knorpeln, um erst die 13. Rippe 
am knöchernen Abschnitte zu treffen und von hier quer zur Wirbel- 
säule zu gelangen. 

Im Vergleiche mit Nycticebus ist die Grenzlinie medio-ventral 
um 2 Segmente oralwärts verschoben. Bezüglich der Lage hinter 
der Knorpel-Knochen-Grenze ist Galago indifferent geblieben. Dorsal 
hat sich eine Verschiebung um etwa 2 Segmente eingestellt. 

| Chiromys (Fig. 16, 43). Die Grenzlinie liegt vorn 2 Segmente 
weiter oralwärts als bei Peridietieus; sie schneidet das freie 
*  Morpholog. Jahrbuch. 41. 6 


82 Georg Ruge 


Knorpelende der 10. Rippe, gelangt in den 9. und dann in den 
8. Intereostalraum, kreuzt die Knorpel der 9.—11. Rippe, um erst 
die 12. Rippe am Übergange in den knöchernen Abschnitt zu treffen. 
Von hier aus zieht sie quer zur Wirbelsäule, wobei sie trotz der 
Rückbildung tieferer Rippen den oralen Rand des 16. thoraco-lum- 
balen Wirbels erreicht, so daß im Dorsalgebiete keine wesentliche 
Verschiebung der costalen Grenzlinie im Vergleiche mit Nyeticebus 
vorliegt. Der Höhenstand der Grenzlinie ist ein ursprünglicher ge- 
blieben, während das Skelet durch Rippenverluste sich sehr ver- 
ändert hat. 

Im Vergleiche mit Galago liegt ventral eine orale Verschiebung 


Fig. 41. Fig. 42. Fig. 43. 


Linke Seitenansichten der Brustkörbe mit dem Verlaufe der costalen Grenzlinien der Pleura-Säcke 
von Nycticebus tardigradus Fig. 41 (1:2); Galago senegalensis Fig. 42 (1:1); Chiromys madagasca- 
riensis Fig. 43 (1:2). Fig.41 zeigt 11, Fig. 42 u. 43 zeigen je 9 Sternalrippen. 


um 1 Segment vor, durch die Beziehung zum 8. Zwischenraume., 
Auch ist die Annäherung an die Knorpel-Knochen-Grenze einer 
höheren Rippe erreicht. Im Dorsalgebiete besteht bei Chiromys 
jedoch das ursprünglichere Verhalten. | 

Lemur (Fig. 18 u. 44). Die Grenzlinie ist im Vergleiche mit’ 
Chiromys medio-ventral um 1 Segment oralwärts verschoben. Sie 
schneidet das freie Ende der 9. Rippe. Dann tritt sie in . 
8. Zwischenraum ein, liegt hinter der 8. Rippe und erreicht den 
7. Raum. Sie schneidet den Knochenteil bereits an der 12. Rippe. 
Dorsal liegt eine geringe orale Verschiebung im Vergleiche mit 
Galago vor, indem die Grenzlinie den Vorderrand des 14. tn 
lumbalen Wirbels erreicht. Bei Galago wird der 9., bei Chiromys 


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der 8., bei Lemur der 7. Intercostalraum gekreuzt. k 


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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 83 


Tarsius (Fig. 19 u. 45). Die Grenzlinie ist medio-ventral im 
Vergleiche zu Lemur wiederum um mehr als 1 Segment oralwärts 
verschoben. Sie liegt oral von der freien Knorpelspitze der 8. Rippe, 
kreuzt den Knorpel der 7. Rippe und passiert den 6. Zwischen- 
rippenraum. Lateral schneidet sie darauf die Knorpel der 7.—13. 
Rippe, verhält sich diesbezüglich indifferenter als Lemur. Auch 
dorsal trifft dies zu; denn die Grenzlinie erreicht die Wirbelsäule 
in der Mitte des 15. Wirbels, also 11/, Segmente weiter caudalwärts 
als bei Zemur. So sind ventral Fortschritte, dorsal aber primitive 
Zustände zu verzeichnen. 

, Avahis (Fig. 20 u. 46). Rechterseits stimmt die Höhenlage im 


Fig. 44. Fig. 45. Fig. 46. 


Linke Seitenansichten der Brustkörbe mit dem Verlaufe der costalen Grenzlinien der Pleura-Säcke 
von Lemur macaco Fig. 44 (1:2); Tarsius spectrum Fig. 45(1:1); Avahis laniger Fig.46 (1:1). Fig. 44 
u.46 zeigen je 8, Fig. 45 zeigt 7 Sternalrippen. 


wesentlichen mit Tarsius überein; auch hier wird der 6. Zwischen- 
rippenraum von der Grenzlinie gekreuzt. Links ist aber neuerdings 
eine orale Verschiebung bemerkbar. Die Innenfläche der 6. Rippe 

nimmt die Grenzlinie auf. Sie kreuzt weiterhin die Knorpel der 
folgenden Rippen, erreicht die Nähe der Knochengrenze an der 
12. Rippe. Im Dorsalgebiete ist die Grenzlinie unter den unter- 
suchten Halbaffen am weitesten oral verschoben; sie erreicht von der 
12. Rippe aus das Achsenskelet zwischen dem 13. und 14. thoraco- 
lumbalen Wirbel. 


Die bei Halbaffen vollzogenen Verschiebungen der eostalen 
Grenzlinien in oraler Richtung sind am Brustbeine und an der Wir- 
belsäule aus der Höhenlage zu den sternalen Rippen und Wirbeln 


24 6* 
de 


84 Georg Ruge 


bestimmbar. Im Ventralgebiete der eostalen Grenzlinien ist deren 
verschiedene Höhenlage durch den Intercostalraum anzugeben, wel- 
cher als weitest oral gelegener durch sie getroffen wird. Hiernach 
lassen sich die untersuchten Formen zu folgender natürlichen Reihe 
ordnen: 


Der weitest oral gelegene, von 
der costalen Grenzlinie 
gekreuzte Zwischenrippenraum 


‚Nyetsoebus u... 2.» | f1, 
„Bericieieus .». ., = | 11, 
Hialago: „54 ta, 9. 
SORMOMUE 2» 0.0 no | 8. R 
DEN. on 3 a | fe 

STARSWUB5. 5, HRr | 6. 

NN DS 


PVODe | 


No © 


Die Formen reihen sich in fast gleicher Weise aneinander wie 
da, wo die Rangstellung nach der Verschiebung der Pleura-Säcke 
im Sternalgebiete erfolgte. Nur Chiromys und Galago wechseln die 
Stellung miteinander. Die orale Verschiebung der Pleura-Säcke 
hinter dem Sternum pflanzt sich naturgemäß auf das Nachbargebiet 
der costalen Grenzlinien fort. | 

Die Lage der Grenzlinien an den Knorpel-Knochen-Grenzen der 
Rippen scheint einem größeren Wechsel unterbreitet zu sein. Die 
nach ihr zu bemessenden Verschiebungen stimmten mit den am 
Brustbeine und in dessen Nähe herrschenden Vorgängen nicht immer 
überein. Eine vollkommene Gleichartigkeit der Rangstellungen, 
welche nach den Verschiebungen im sternalen und im vertebralen 
Gebiete sich ergeben, besteht ebenfalls nicht. Die geringen Wechsel 
in den natürlichen Reihen, welche je nach dem Verhalten im ster- 
nalen, eostalen und vertebralen Grenzlinien-Gebiete aufgestellt wor- 
den sind, mögen als örtliche Ausgleiche variabler Ausdehnung der 
Pleura-Säcke sich eingestellt haben, welehe durch die verschieden- 
artige Gestaltung des ganzen Brustkorbes bei den Halbaffen verur- 
sacht werden. 

Abgesehen von den verschiedenen Graden der Verschiebungen 
der Pleura-Säcke im sternalen, eostalen und vertebralen Gebiete ist 
ein gleichartiger Vorgang bei den Prosimiern doch in einem jeden 
nachweisbar. Die orale Verschiebung an den costalen Grenzlinien 
befindet sich wie die an den vertebralen und sternalen im Einklange 
mit der Verminderung thoraco-lumbaler Wirbel und sternaler Rippen. 


- 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 5 


In ihr spricht sich eine Verkürzung des thoracalen Rumpfabschnittes 
um Segmente aus. Eine derartige Verkürzung des Skeletes hat eine 
Verkürzung der Pleura-Säcke auch im costalen Gebiete zur Folge. 

Die hochgradige Verlagerung der costalen Grenzlinien bei Avahıs 
und Tarsius kommt der bei Anthropomorphen und beim Menschen 
gleich. Nahe verwandtschaftliche Beziehungen bedingen diese Zu- 
stände nicht; sie sind Ergebnisse parallel 
nebeneinander verlaufender Vorgänge. 
Avahis und Tarsius bewahren andern- 
orts am Brustkorbe die primitive Organi- 
sation, die auch die tiefer stehenden 
Halbaffen besitzen. Die Anthropomorphen 
haben diese Einrichtungen überwunden. 


Fig. 47. 


2. Niedere Affen (Fig. 47—52). 

Es liegen Beobachtungen an Ateles, 
Macacus, Papio und Semnopithecus vor 
(TAnJA). Wenige Befunde lassen im Ver- Linke Seitenansicht des Brustkorbes 
gleiche miteinander eine Verschiebung der mit der sterno-costalen Grenzlinie 

Sy x 3 des Pleura-Sackes von Ateles ater 
costalen Grenzlinien in oraler Richtung er- 1:3/%. Das Brustbein ist mit 10 Rip- 
kennen. Diese Verschiebung tritt in ver- 7 a en 

2 f 3 2 inie geht in die costale unvermittelt 
schiedenen Zeichen auf; sie ist sternal über. 
und vertebral ergiebig; sie fand ihre 
Besprechung bei der Bestimmung der. aboralen Endpunkte der 
sternalen und vertebralen Grenzlinien. 

Zur Seite des Brustbeines befindet sich der weitest oral ge- 
legene, von der costalen Grenzlinie gekreuzte Zwischenrippenraum. 
Die Befunde reihen sich nach ihrer Ursprünglichkeit aneinander, 


wie die Tabelle zeigt. 


Der weitest oral gelegene 
Zwischenrippenraum, welchen 
die costale Grenzlinie kreuzt 


Ateles. . . 


Macacus sinieus .... 8. 

- radiatus.... . 8. 

- - „Fr Man B: 

- cynomolgus. . - ?. 

- 5 Par 2 6. 
Papio mormon . .... 8. 

= y suhltks |.) » rl 7.1648 


Semnopitheeus ...... 5. 


86 


Georg Ruge 


Im Gebiete der Knorpel sternaler Rippen verschiebt sich hier- 
nach die eostale Grenzlinie vom 9. (Ateles) bis zum 5. Intercostal- 
raume (Semnopithecus), also um 4 Segmente. Individuelle Schwan- 


kungen halten sich in den 
Auch nach den Rippen, 


Grenzen zweier Segmente. 
welche an den Knorpel-Knochen-Grenzen 


durch die costalen Grenzlinien gekreuzt werden, ist eine Verlage- 
rung der Pleura-Säcke zu entnehmen. Die Befunde reihen sich, wie 


folgt, aneinander: 


Die von den Grenzlinien getroffenen Rippen: 


an der Knorpel- | am knöchernen Ab- 
Knochen-Grenze | schnitte 
1 I ee 9. 13. 14. 
2. Macacus sinieus 9.—11. — ; 
3: - radiatus. . . 9 10. —12. 
4. - cynomolgus 9 10. —12. 
BROT N 8 9.—11. 
7. Papio mormon. .... 9 10.—— 13. 
Bee men... 8. 9, 12, 
9. Semnopitheeus . . 6. | TE — 12. 


Die Verschiebung vollzieht sich in den Grenzen von 3 Seg- 
menten, also um 1 Segment weniger als die nach den Zwischen- 
Fig. 48 u. 49. 


Linke Seitenansichten der Brust- 

körbe mit den costalen Grenzlinien 

der Pleura-Säcke von Papio mormon 

Fig. 48 u. Papio sphinz Fig.49, 1:4. 

Fig. 48 zeigt 9, Fig. 49 8 sternale 
Rippen. 


räumen bestimmbare. 


Während der knöcherne Abschnitt 
bei den Halbaffen im äußersten Falle erst 
an der 11. Rippe (Nycticebus Fig. 41) ge- 
troffen wird, so rückt die Grenzlinie hier 
meistens auf die 10. oder 9., bei Sem- 
noprthecus sogar auf die 7. Rippe empor. 
Nur bei Ateles erhält sieh ein den Prosi- 
miern meistens zukommendes Verhalten. 


Die vier Beobachtungen bei Macaeus 
bilden eine natürliche Reihe. Der Fall 
auf Fig. 504 führt das indifferentere 


Verhalten vor; die Grenzlinie schneidet 


die Spitze der 9. Rippe und grenzt ein 
abdominales Feld ab. Die 9. Rippe, hinein- 
bezogen in das pleurale Gebiet, trägt 
darin noch ein Zeichen der früheren ster- 
nalen Natur. Fig. 5lb vergegenwärtigt 
den fortgeschrittenen Zustand; die Grenz- 


ae Ah 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 87 


linie liegt hinter dem Knorpel der 7. Rippe und durchsetzt den 
7. Intercostalraum. Die orale Verschiebung bei Macacus erfolgte 


Fig. 50. Fig. 51. 


A 
FAN 
2 AN 
70 A | I\\ en 3 
/R \\ SE=6 
N/5 
ER el, r 


Linke {Seitenansicht der Brustkörbe mit den Linke Seitenansicht der Brustkörbe mit den 

costalen {Grenzlinien der Pleura-Säcke vona Ma- costalen Grenzlinien der Pleura-Säcke zweier 

cacus radiatus, b Macacus sinicus, nach T. Tanya. Individuen von Hacacus cynomolgus. Nach 

1:33 Das Brustbein ist je mit $ Rippen ver- T. Tanga. 1:4. Bei a bestehen $, bei 5 7 ster- 

bunden. Die Grenzlinie schneidet bei Radiatus nale Rippen. Bei a besteht ein abdominales 

die Spitze der 9., bei Sinicus den Knorpel der Feld des Pleura-Sackes; die Grenzlinie schnei- 
8. Rippe. det den 7., bei b den 6. Intercostalraum. 


um 2 Segmente. Papio mormon der Fig. 48 verhält sich ursprüng- 
licher als Macacus; Papio sphinz der Fig. 49 nimmt eine Zwischen- 
stellung zwischen Macacus a und 5 der. 

Fig. 51 ein. Ki 


Bei Semnopithecus leucoprymn. (Fig. 52) 
ist die Grenzlinie weiter oralwärts ver- 
schoben; sie schneidet den 5. Intercostal- 
raum und den Knorpel der 5. Rippe. 


Hylobates (Fig. 53—55). Der höchst 
oral gelegene Intercostalraum, durch welchen 
die Grenzlinie gelangt, kann der 8., 7. und 
6. sein. Es wiederholen sich die bei Ma- 
cacus und Papio bestehenden Verhältnisse. 


Linke Seitenansicht des Brust- 

Individuelle und beiderseitige Schwan- korbes mit costaler Grenzlinie 
kun en halt . h . d G s des Pleura-Sackes von Semno- 
8 en sıch ın den renzen eınes pithecus leucoprymnus. 1:4. Das 


Segmentes. Die Befunde lassen sich, wie Brustbein ist mit 6 Rippen ver- 
h r bunden. Die Grenzlinie schnei- 
folgt, gruppieren: det den Knorpel der 5. Rippe. 


88 Georg Ruge 


Der weitest oral gelegene, von 
der Grenzlinie gekreuzte 


Zwischenrippenraum 
rechts | links 
LEEREN jE 8. 

AGB EL RAR | {# I: 
Se 6. 6. 
7 u PR 6. 6. 

Syndactylu a.Q .... B% 7. 
- b. | Ye 6 
- ce 6. 6 


Fig. 53. Linke Seitenansicht des Brustkorbes mit costaler Grenzlinie des Pleura-Sackes von Hylo- 
bates lar. 1:3. 
Fig. 54. a Rechte Seitenansicht des Brustkorbes mit costaler Grenzlinie von Hylobates agilis. 1:4; 
b Linke Ansicht von einem andern Exemplar (erwachs. Männchen). 1:4. 


Es wiederholen sich Zustände, welche bei Cynomolgus, Sphinz 
und Semnopithecus angetroffen worden sind, indem die 8., 7. oder 
6. Rippe an der Knorpel-Knochen-Grenze gekreuzt werden können. 
Bezüglich der Kreuzung der Knochenteile erhält sich Ursprüng- 
licheres; die 11. Rippe kann die erste in Betracht kommende sein. 
Die Verschiebung vollzieht sich aber auch hier wie bei Semnopithecus 
bis zur 7. Rippe. 

Die Befunde lassen sich zu folgender Reihe aneinanderfügen: 


| Von den Grenzlinien getroffene Rippen: 


an der Knorpel- am knöchernen Ab- 

Knochen-Grenze schnitte 
1. Hylobates agilis, a. . . 8.—10. 13. 
- rd 8. 9.—13. 
2. - Tan 8.9. 10.—— 13. 
3a. - syndactylus Q | 7.——10. 11.— 13. 
Do - ee a u * BR 
"a » Dad, |: 6. 7. ——]13. 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 89 


Bei Agilis a trifft die Grenzlinie, nachdem sie die 10. Rippe an 
der Knorpelgrenze erreicht hat, wieder auf die Knorpel der 11. 
und 12. Rippe. 

Individuelle Schwankungen bei Syndactylus halten sich bezüg- 
lich der Knorpelgrenze innerhalb eines Segmentes, bezüglich des 
Knochenteiles innerhalb 4 Segmente. 

Semnopithecus und Hylobates syndactylus ce stimmen überein und 
entfernen sich am weitesten vom Ausgangspunkte. 

Eine Verlagerung der costalen Grenzlinien in oraler Richtung 


Fig. 55. 


Fig. 55. Seitenansichten der Brustkörbe mit costalen Grenzlinien der Pleura-Säcke von Hylobates 
syndactylus. a linke Ansicht von einem Weibchen 1:3, b rechte Ansicht von einem Männchen 1:4, 
c linke Ansicht von einem Weibchen 1:2. 


findet bei niederen Affen und Hylobates statt; sie vollzieht sich aber 
nicht unaufhaltsam gleichmäßig. Individuelle Schwankungen durch- 
brechen den gesetzmäßigen Vorgang. Konvergenzerscheinungen 
stellen sich ein, indem innerhalb einer Gattung (Macacus, Hylobates) 
der Prozeß in einer gewissen Breite sich selbständig abspielt. 


3. Anthropomorphae. 


Schimpanse (Fig. 56a, b). Der von der costalen Grenzlinie am 
weitesten oral gelegene Zwischenrippenraum ist bei drei Objekten 
je der fünfte. Dieser Zustand ist beiderseits an den Objekten 5 und 
6, links bei «a festgestellt worden. Eine gleich starke Verschiebung 
besteht nur bei Semmopithecus. Bei allen Hylobatiden liegen ur- 
sprünglichere Verhältnisse vor. 

Die Kreuzungsstelle der Knorpelgrenzen durch die Grenzlinie 
unterliegt beiderseits Schwankungen. Am Objekte « wird links die 
9., am Objekte b beiderseits die 7., bei c links die 7. (8.) und rechts 
die 6. Rippe geschnitten. 


90 Georg Ruge 


Die Kreuzungsstellen an den knöchernen Teilen der Rippen 
entfernen sich mehr und mehr und schließlich sehr ansehnlich von 
den Knorpelgrenzen. Die 10. bis 
13. Rippe ist bei a, die 8.—13. 
bei 5, die 8. (7.—13.) linke und 
die 7.—13. rechte Rippe ist bei 
c am Knochen durch die eostale 
Grenzlinie gekreuzt. 

Der ursprüngliche Zustand 
bei « stimmt überein mit den 
Befunden bei Macacus radiatus 
et cynomolgus und Papio mor- 
mon; der differentere bei-b und 

’ y ce, wo die Knorpelgrenze der 
Linke Seitenansichten der Brustkörbe von zwei E ; ; N 
Schimpanse mit dem Verlaufe der costalen Grenz- Yp Rippe geschnitten wird, ı1st 
Weibahen. Die Geaseitnle lieg bei 8 weiter u Do JloDates SyndnetjuE 
wäıts als bei a; sie schneidet hier die Knorpel- &Achtet worden. Das differente ° 
en 2 Verhalten, in welchem die Knor- 

pelgrenze der 6. Rippe ge- 
kreuzt wird, ist bei Semmopithecus und bei Syndactylus c ausge- 
bildet. Schimpanse hat also Semnopithecus und Syndactylus in der 
oralen Verschiebung der Grenzlinien nieht überholt; aber der diffe- 
rente Zustand ist bei ihm doch der häufigere geworden. 

Gorilla (Fig. 57a, b). Der am weitesten oral gelegene, von 
der Grenzlinie gekreuzte Zwischenrippenraum ist am Objekte «a 
beiderseits der 6. Am Öbjekte 5 wird die Grenzlinie rechts am 
oberen Rande der 6. Rippe, gerade noch in den 5. Intereostalraum 
hineinreichend, gefunden. Links ist dieser durch die stark seitlich 
verschobene sterno-costale Grenzlinie durchzogen. 

Die individuellen Schwankungen der Verschiebungen betragen 
die Höhe eines Segmentes. Der fortschrittliche Zustand (Fig. 575) 
stimmt mit dem regelmäßigen von Schimpanse überein, welcher in 
diesem Punkte eine höhere Stellung einnimmt. j 

Die Knorpel-Knochen-Grenze wird am Objekte « links an der 
8., rechts an der 7. Rippe gekreuzt. Das Objekt 5 zeigt auch hier | 
eine orale Verlagerung der Grenzlinie, indem links die 7. und 6, 
rechts die 6. Rippe geschnitten werden. 

Die knöchernen Teile der 7., 8. oder 9.—13. Rippe werden in 
caudaler Richtung in rasch zunehmender Entfernung von den 7 


pelgrenzen gekreuzt. Diese Entfernung erscheint hier beträcht- 


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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 91 


licher als bei Schimpanse. Im Verlaufe zur Wirbelsäule nimmt die 
Grenzlinie eine fast quere Lage ein. Diese Eigenschaft ist auf 
Fig. 5 links und Fig. c sehr ausgeprägt. 


Fig. 57. 


Seitenansichten der Brustkörbe mit der costalen Grenzlinie der Pleura-Säcke von Gorilla. 1:3. 

a rechte Seitenansicht eines jungen weiblichen Tieres; b linke Seitenansicht eines jungen weib- 

lichen Tieres; c linke Seitenansicht eines jungen männlichen Tieres. Die Grenzlinie schneidet die 

Knorpelgrenze bei b zwischen 7. und 8. Rippe, bei a die der 7. Rippe, bei c die zwei Grenzen zwischen 

7. und 6. Rippe. Das Objekt a besitzt rechts 8 und links 7 sternale Rippen. Bei c bestehen 
7 sternale Rippen. 


Orang (Fig. 58a, b). Die costalen Grenzlinien sind bei zwei 
Tieren beiderseits gleich gelagert; sie gehen beim Objekte 5 in die 
sternalen Linien unvermittelt über, während am Objekt a die Ab- 
srenzung erhalten ist. 


Linke Seitenansichten der Brustkörbe mit costalen Grenzlinien der Pleura-Säcke von Orang. 1:4. 

@ junges Männchen; b nach T. Tansa. Das Brustbein ist je mit 7 Rippen verbunden. Die Grenz- 

linie ist beia nur um ein wenig indifferenter als wie bei b; sie schneidet die Knorpelgrenze der 
Rippe. 6. 


92 Georg Ruge 


Bei beiden Tieren ist die eostale Grenzlinie rechts und links 
bis in den 5. Intercostalraum verlagert. Orang stimmt diesbezüglich 
mit Schimpanse überein. Gorilla steht etwas tiefer. 

Die Grenzlinie schneidet regelmäßig die Knorpelgrenze der 
6. Rippe. Orang hat hierin die höchste Stufe erreicht, welche 
dureh Gorilla und Schimpanse nur ausnahmsweise, durch Schim- 
panse in fünf Fällen (rechts und links) einmal, durch Gorilla in 
vier Fällen zweimal eingenommen wird. 

Die Grenzlinien entfernen sich an der 7.—12. Rippe rasch und 
sehr erheblich von der!Knorpelgrenze. An der 11. Rippe biegt sie 
leicht gebogen dorsalwärts um und folgt ihr eine größere Strecke 
weit, um erst spät die 12. Rippe zu erreichen. Die weitest aboral 
gelegene Stelle der costalen Grenzlinie trifft bei beiden Objekten 
seitlich auf den 10. Intercostalraum. 

Die bei den sieben untersuchten Anthropomorphen bekannt ge- 
wordenen Befunde lassen sich folgendermaßen ordnen: 


Verlauf der costalen Grenzlinien: 
am weitest oral gelege- || an der Knorpel-Knochen-| am Knochenteile der 
nen Zwischenrippenraum Grenze der Rippen Rippen 
a rechts | links rechts | links rechts | links 
1. Schimpansea.. . 5. 5. E= g I 10.—13. 
- Die 3. 5. {A R: —_ 8.——13. 7 
n a 5. B. 6. 8.7... Bo 
ZuGorllac. , sc 6. 6. 7: 8.(7) | 813. | 9. 
- Die en 5. 6. 5. 6. 7.6. 17.—13. 17. 8)—13 
S:Orane a. Ara B. b. 6. 6. | 7.—12. 
SUN Nee |; 5 5 6. 6. | chd 
# 
4. Mensch. 


Aus T. Tansas Beobachtungen an 42 Individuen lassen sich“ 
für die Lage der Grenzlinien an den knorpeligen und knöchernen 
Abschnitten der Rippen einige Tatsachen von Bedeutung entnehmen. 

Bei vier Embryonen und einem Neugeborenen werden alle in 
das Gebiet der costalen Grenzlinien entfallenden Rippen an dere 
Knorpelstücken geschnitten. Bei einem Neugeborenen erreicht di 
grenzlinie die Knorpelgrenze der 11. Rippe; sie schneidet aue 
die 12. Rippe an dieser Grenze. Die Grenzlinie erreicht die Knorpel 
Grenze der 10. und 11. Rippe bei einem 6 Wochen alten Knaben; 
sie schneidet bei einem Neugeborenen und einem 4monatigen Kn 
ben die Knorpelgrenze der 10. Rippe, liegt hinter den Knorpel 
grenzen der 8.—12. Rippe bei einem 5tägigen Mädchen, hinter de 
Grenzen der 8.—11. Rippe bei einem Neugeborenen und eine 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 093 


4wöchigen Knaben. Sie erreicht die Knorpelgrenze der 9. Rippe 
bei zwei Neugeborenen. Dreimal werden die Knorpelgrenzen der 
8. und 9. Rippe gesehnitten, und zwar bei zwei Neugeborenen und 
einem Itägigen Kinde. 

Eine weitere orale Versehiebung auf die Knorpelgrenze der 
8. Rippe stellt sich dreimal rechtsseitig bei einem 3-, 9- und 13 mo- 
natigen Kinde ein. Auf der linken Körperseite bleibt die 9. Rippe 
an der Knorpelgrenze geschnitten. 

Diese indifferenteren Befunde sind auf 20 Fälle der unter- 
suchten 42 verteilt. Das ursprünglichste Verhalten, in welchem nur 
die Knorpelstücke geschnitten werden, findet sich bei Embryonen 
und einem Neugeborenen. Die allmählich differenter sich gestalten- 
den Zustände treffen auf Individuen meistens aus dem 1. Monate, 
einmal je aus dem 3., 4., 9. und 18. Monate zu. 

Die übrigen 22 Fälle beziehen sich auf Individuen verschieden- 
sten Alters. Unter ihnen finden sich drei Neugeborene und drei 
Objekte aus dem 1. Lebensjahre. 16 Individuen sind älter; das 
jüngste ist 2, das älteste 76 Jahre alt. Unter diesen 22 Fällen wird 
13mal die Knorpelgrenze der 8. Rippe geschnitten, 6mal die der 
7. Rippe, einmal die der 7. und 6. Rippe, einmal links die der 7., 
rechts die der 6. Rippe, und einmal die Knorpelgrenze der 6. Rippe. 
Letzterer Fall liegt bei einer 57 jährigen vor. 

Die Knorpelteile aller von den costalen Grenzlinien bestrichenen 
Rippen werden bei Embryonen von 12,5 —20 em Scheitel-Steiß- 
Länge gekreuzt, ebenso bei einem ausgetragenen Fötus. Die Grenz- 
linie rückt bei Individuen aus dem 1. Lebensjahre an die Knorpel- 
grenzen der Rippen heran und erreicht von der 12. Rippe an 
allmählich die 8. Rippe an der Grenze. Dieser progressive Zustand 
kann bereits beim Neugeborenen vorliegen. Bei Individuen, älter 
als 18 Monate, ist die Grenzlinie stets bis an die Knorpelgrenze 
der 8. Rippe heraufgerückt; sie kann die Grenze der 7. und in sel- 
tenen Fällen die der 6. Rippe erreichen. Beim Neugeborenen ist 
die 7. Rippe einmal bereits erreicht worden. 

Die costalen Grenzlinien verschieben sich demnach während 
der Entwicklung in oraler Richtung. Die Exkursionen sind sogar 
sehr beträchtliche, am bedeutsamsten im 1. Lebensjahre. Später 
wird am häufigsten die 8. Rippe an der Knorpelgrenze gekreuzt 
(33%/,), seltener die 7. Rippe (16°/,) und nur ausnahmsweise die 
6. Rippe. Bei erwachsenen Individuen wird die 9. Rippe an der 
Knorpelgrenze nie mehr getroffen; sie ist weiter oralwärts verschoben. 


94 Georg Ruge 


Die knöchernen Abschnitte der Rippen werden bei Embryonen 
von der Grenzlinie der Pleura-Säcke nicht gekreuzt. Erst nach der 
Geburt rückt sie auf den Knochen der 12. und allmählich bis zur 
8. Rippe hinauf, zuweilen auf den der 7. Rippe. 

Die auffallenden gegenseitigen Verschiebungen der Grenzlinien 
gegenüber den Knorpelgrenzen der Rippen kann auf zwei ver- 
schiedene Arten zustande kommen, entweder durch die Verlagerung 
der Knorpelgrenzen der Rippen in medio-ventraler oder durch die 
Verschiebung der Grenzlinien in eranio-dorsaler Richtung. Es ist 
nicht zu entscheiden, welcher Modus den Ausschlag gibt. 

Immerhin kann der embryonale und jugendliche Zustand ver- 
glichen werden mit tierischen Befunden. Übereinstimmungen be- 
stehen insofern, als die Grenzlinien bei niederen Säugetieren sehr 
häufig auf die knöchernen Abschnitte der Rippen gar nicht über- 
greifen. Dasselbe gilt für die Halbaffen. Bei niederen Affen tritt 
die Grenzlinie in der Regel erst auf die Knochenteile tieferer Rippen 
über, was selbst bei Hylobatiden wiederkehrt. 

Das beim Menschen am häufigsten realisierte Verhalten, in 
welchem die 9. Rippe die erste, am knöchernen Abschnitte gekreuzte 
ist, ist auch bei Oynomolgus, Sphinz und Hylobates agılis bekannt | 
geworden. Für die niederen Affen darf er aber als hochstehend 
betrachtet werden. Die Anthropomorphen haben diesen Zustand in 
der Regel überholt. 

Der Zustand, in welchem die Grenzlinie den Knochenteil der 
8. Rippe schneidet, wird bei jungen Personen angetroffen, scheint 
aber bei erwachsenen häufiger zu bestehen. Bei Hylobates sym- 
dactylus juv. ist er ebenfalls beobachtet worden. | 

Nur ganz selten wird die 7. Rippe am Knochenteile gekreuzt. 
Diese Erscheinung ist beim 11jährigen Mädchen und zweimal im 
höheren Alter bekannt geworden. Sie findet ihresgleichen unter 
den niederen Affen nur bei Semnopithecus und bei Syndactylus (ad. Q), 
beiden Anthropomorphen beim Schimpanse (Fig. 36 rechts, Amst. gt), 
Gorilla (Amst. © Fig. 57) und zwei Exemplaren von Orang (Fig. 58). 

Das ursprünglichere Verhalten beim Menschen deckt sich mit 
dem gewöhnlichen bei niederen Affen und mit dem rechts oder links 
zuweilen bei Anthropomorphen angetroffenen. Der weiter abgeänderte: 
Zustand, wie er beim Menschen in der Lage der Grenzlinie hinter 
der Knorpelgrenze der 7. Rippe seltener besteht, erscheint bei nie- 
deren Affen selten, bei Anthropoiden öfter. Die weitest orale Ver- 
lagerung der Grenzlinien bis zum Knochenteile der 7. Rippe ist fü 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 95 


den Menschen eine Seltenheit. Sie ist bei Semnopithecus und ein- 
mal bei Syndactylus (ad. @) beobachtet worden; sie tritt beim Schim- 
panse und Gorilla in die Erscheinung und scheint beim Orang zur 
Regel geworden zu sein. 

Anthropomorphe haben in dem letzten Punkte den Menschen 
überholt. 

Die costale Grenzlinie läßt zuweilen die 12. Rippe größtenteils 
oder gänzlich unberührt. Dieser hohe Grad der Verlagerung in 
oraler Richtung, wodurch die 12. Rippe außerhalb des Cavum pleurae 
fällt, ist bei der »vertebralen« Grenzlinie erörtert worden. Auch dieser 
progressive Zustand wurde nur beim Orang wieder angetroffen. 
Er ist für den Menschen keine Alterserscheinung, da er bereits 
bei einem monatigen Mädchen, dann aberbei Erwachsenen vorkommt. 

Die Schwankungen im Gebiete der costalen Grenzlinien beim Men- 
schen sind groß. Anders lautende Angaben hierüber, nach denen die 
Grenzlinien rechtunveränderlich seien (vgl. PanschH), sind zu berichtigen. 

Der weitest oral gelegene, von der Grenzlinie gekreuzte Inter- 
costalraum kann der 7., 6. und sogar der 5. sein. Aus der Arbeit 
Tansas habe ich aus Angaben über 37 Leichenbefunde 71 Fälle 
rechts- und linksseitiger Grenzlinien zusammenstellen können und 
an ihnen gefunden, daß der 7. Intereostalraum 31mal, der 6. 34mal 
und der 5. Raum nur 6mal von der Grenzlinie bestrichen worden 
ist. In 48°/, ist demnach der 6., in 43,6%, der 7. und in 8,4°/, der 
5. Zwischenrippenraum gekreuzt. Der”. Raum war rechts 17-, links 
l4mal geschnitten, der 6. Raum jederseits 17mal, der 5. Raum rechts 
nur 2-, links hingegen 4mal. Die linke Körperseite scheint hiernach in 
der oralen Verlagerung gegen die rechte etwas bevorzugt zu sein. 

Um den etwaigen Einfluß des Alters auf den Höhenstand fest- 
zustellen, reicht das vorliegende Material nicht aus. Bei 4 Embry- 
onen wurde die Grenzlinie gleich oft im 7. und im 6. Intereostal- 
raume gefunden. Hingegen bestrich sie bei 8 Neugeborenen 11mal 
den 7. und nur 5mal den 6. Raum. Im hohen Alter kann der 
7. Raum, im 3. Monate bereits der. vonder Grenzlinie bestrichen werden. 

Der Mensch nimmt bezüglich der gekreuzten Intereostalräume 
eine niedrigere Stufe als die Anthropomorphen ein, bei welchen der 
6. Raum nur in 14,30/, (Gorilla), der 5. aber in 85,70/, der von der 
Grenzlinie durchzogene ist (Schimpanse, Gorilla, Orang). Eine nähere 
Anknüpfung an die Hylobatiden läßt sich hier feststellen. Bei ihnen 
ist der 7. Raum in 43°/, (43,60%, beim Menschen), der 6. Raum in 
500/, (beim Menschen 48°/,) der gekreuzte. Der primiuve Zustand, 


96 Georg Ruge 


in welchem der 8. Raum von der Grenzlinie als weitest oraler durch- 
zogen ist, findet sich bei Hylobates in 7°/,,; er ist beim Menschen 

nicht beobachtet worden. Dieser hat aber einen Fortschritt gegen- 

über Hylobates zu verzeichnen, indem der 5. Raum in 8,4°/, bei ihm 

getroffen ist, bei Aylobates aber niemals. 


Das für statistische Aufnahmen in Betracht kommende Material 
ist in der folgenden Tabelle niedergelegt. 


Der weitest oral gelegene, von der costalen 
Alter, Geschlecht | Grenzlinie getroffene Intercostalraum: 
rechts | links 
1. |Fötus, 12,5cm .. 7. r. 
2. - 20 - Ta 2. 
3. |Neugeboren © . .| 7 7: 
4. - ar {F %% 
5, - : fx 7: 
6. - U: P 7, 
NG Wochen,. Ss +... J- Ye 
8. |4 Monate & 7. 
33 8: - 16) u R: 74 
10. |Erwachsen .... ie ds 
Leu bbJahr & ... u 1. f8 
eg IV DEE: Yon {® _ 
13. |Neugeboren © . He 6. 
14. - Bu 7B 6. 
15. |9 Tage © ’ m: 6. 
3 Jahr 3. :.68 2 d 6. 
17. |Neugeboren & .. B. N. 
38. 110: Tage. .”, 6. 1: 
19. |3 Monate © 6. R. 
BO IA Jahr er 6. A: 
21. |Fötus, 20cm .. . 6. 6. 
224.419, Monate... 0. 6. 6. 
23. |Neugeboren Q 6. 6. 
24. |5 Monate © 6. 6. 
26.- |9 - 6) 6. ‚0a 
26: Vaidahr „7.2.0: Sin 6. 6. 
RE NE 6. 6. 
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BRAIN DALE, 6. 6. 
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33. |3 Monate © ne 6. 5. 
3. 146 Jahr ö : . . . 6. d. 
= a N) Re 5. d. 
d. 


SD ANE Di ud 5. 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 97 


Tiefster Stand der eostalen Grenzlinien. 

Er fällt beim Menschen in der lateralen Thoraxgegend mit 
der 10. (nach PauscH) oder 9. Rippe (nach LuscHKA) zusammen. 
Von diesen Rippen aus steigt die Grenzlinie vertebral- und eranial- 
wärts, entsprechend der Schrägstellung der 11. und 12. Rippe, an, 
wodurch der größte Tiefstand nicht mit der letzten Rippe zusammen- 
fallen kann. 

ÖOrang. Er fällt an der lateralen Thoraxwand zwischen 10, 
und 11. Rippe (Fig. 585), in der Höhe der 11. Rippe bei a. 

Gorilla. Der tiefste Stand fällt seitlich am Brustkorbe in den 
Raum zwischen 11. und 12. Rippe (Fig. 57 ec). 

Schimpanse. Gleiches wie bei Gorilla trifft für Fig. 56a zu. 
Der tiefste Stand fällt mit der 12. Rippe zusammen beim Objekte 5. 

| Syndactylus. Bei a der Fig. 55 liegt der tiefste Stand seitlich 
zwischen 12. u. 13. Rippe, bei 5 und e in der Höhe der 13. Rippe. 

Agilis wiederholt bei 5 der Fig. 54 den Befund von Syndactylus a, 
bei a den von Syndactylus b und c. 

Es liegt hier eine geschlossene Reihe anatomischer Befunde 
vor, welche bei Hylobates, den Anthropomorphen und beim Menschen 
aufgenommen worden sind. Hylobates beginnt die Reihe; es schließen 
sich an Schimpanse, Gorilla und Orang. Der Mensch beschließt die 
Reihe. 

Der tiefste Stand der costalen Grenzlinie liegt bei niederen 
Affen und namentlich bei Halbaffen weiter vertebralwärts. Das ist 
ohne weiteres verständlich für alle Fälle mit großer subeostaler 
Ausdehnung der Pleura-Höhle (Ateles, Chiromys, Nycticebus). 

Vergleicht man nun die indifferenteren Befunde von Hylobates 
mit den hochstehenden von Orang und vom Menschen (vgl. Fig. 54, 
55 mit 55a, b), so fällt auf, daß der tiefste Stand in sehr aus- 
gesprochener Weise sich nach vorn verschoben hat. Diese Er- 
scheinung muß auch an der Form der Lungen zum Ausdrucke kommen. 


4. Mediastinale Grenzlinien. 

Sie liegen am Übergange der Pleura diaphragmatica in die 
Pleura mediastinalis. Vorn fügen sich die sternalen und costalen, 
hinten die vertebralen und costalen Grenzlinien an sie an. Sie ver- 
binden also die unteren Enden der vertebralen und sternalen Grenz- 
linien in sagittaler Richtung miteinander. 

Die Speiseröhre ist zwischen beide Grenzlinien eingelassen. 


Sie trennt sie sowie das gesamte paarige Mittelfell in einen dor- 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 7 


98 Georg Ruge 


salen und einen vertebralen Abschnitt. Der dorsale, zwischen Speise- 
röhre und Wirbelsäule ausgedehnte Teil der Grenzlinien gehört einem 
Mesoösophageum dorsale, der ventrale zwischen Speiseröhre und 
vorderer Thoraxwand gelegene Abschnitt fällt einem Mesoösophageum 
ventrale zu. 

Ein Ligamentum pulmonale geht von einer jeden Grenz- 
linie zur Seite oder hinter dem Ösophagus aus. Als Dopellamelle 
gelangt es zur Lunge. 

Die untere Hohlader gelangt nach der Durchbohrung des 


Fig. 59 u. 60. 


Speiseröhre .,.,., z 
nk. le Lig. pulm. d. 


Eing. 2. Sinus sub- 
pericardiacus 
V. cava inf. 


N. phr. d. 


N. phr. s. 


Mediastinale Grenzlinie e h 
Ventrales Cava-Gekröse 


Lig. pulmonale s. 


Osophagus 
Eing. z. Sinus sub- 
pericardsacus 


Mediastinale Grenzlinie Vena cava inf. 


Nahe 2 ara Ventrales Cava-Gekröse 


Pleura sterno-costalis 


Verlauf der mediastinalen Pleura-Grenzlinien von Nycticebus (Fig.59) und Chiromys (Fig. 60). 4:5 
und 1:2. Um auch die Lage des Herzens zur Anschauung zu bringen, sind die Grenzlinien nach 
der Loslösung der Brustorgane vom Zwerchfelle in der Ansicht von unten her aufgenommen worden, 


Zwerechfells in den Raum zwischen die Pleurae mediastinales und 
in ihm aufwärts bis zum Herzen. Die Lage der Hohlvene recht 
und hinten sowie die Ausbildung eines medialen Lappens der rechte 
Lunge bedingen die engere Beziehung der Hohlader zur rechte 
Pleura mediastinalis. Der mediale Lungenlappen schiebt sie 
zwischen Herzbeutel und Zwerchfell als Lobus subperieardiaeus ein 
Seine Lage caudalwärts vom Herzen gab ihm auch den Namen eines 
»infracardialene Lappens (Keızer 1888), sein unpaares Auftrete 
den eines Lobus impar s. azygos. Er verursacht eine Ausbuchtun 
der reehten Pleura-Höhle nach links. Die Buchtung empfängt al 
Sinus subpericardiacus durch die steil gestellten pfeilartigen Speis 


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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 99 


röhre und Hohlader eine scharf begrenzte Eingangspforte, an deren 
Begrenzung Herzbeutel und Zwerchfell sich auch beteiligen. 


Die Bucht erhält dureh die rechte Pleura mediastinalis eine 
Auskleidung. 


An den Grenzlinien kommen die Verhältnisse der Wandungen 
der subpericardialen Ausbuchtung für den medialen Lappen der 
rechten Lunge zum vollen Ausdrucke. 


Die untere Hohlader, nach rechts und hinten vom vertebralen 
Mesoösophageum entfernt, hat die rechte Pleura mediastinale von 
ihm aus zu einem Doppelblatte umgestaltet. Es begrenzt von der 
Hohlader bis zum Übergange in das sagittale, rechte mediastinale 
Blatt den Sinus subpericardiacus rechts und vorn. 


Fig. 61. Fig. 62. 
Eing. 2. Sinus 
subperic, 
Lig. pulm. s. 
R V. cava inf. 
Osophagus 
Mediast. Grenzl .. N. phr. d. 


Ventrales 
N. phr. s. Cava-Gekröse 
Facies diaphragm. 
pericardit 


Verlauf der mediastinalen Grenzlinien von Hacacus nemestrinus (Fig. 61) 1:2 und Macacus cyno- 
molgus (Fig. 62 a u. b) 4:5 und 2:3. Aufnahme von unten her, nach Loslösung der Brustorgane 
vom Zwerchfelle. Die auf Fig. 59 u. 60 bezeichneten Teile kommen hier wieder zur Darstellung. 


Die beiden Nervi phrenici sind beim Betreten des Zwerch- 
felles zwischen beiden mediastinalen Grenzlinien zu finden. Der 
rechte Nerv liegt neben der Hohlader, Er ist in die Blätter der 
durch die letztere ausgezogenen Duplikatur eingelagert. Aufwärts 
folgt er der Hohlader bis zum Herzen und lagert dann unter der 
Pleura pericardiaca. 


Der linke Nerv lagert vor dem Ösophagus zwischen den 
Blättern des Mesoösophageum ventrale.. Die Größe der Entfernung 
von der Speiseröhre nach vorn schwankt. 


Der geschilderte Zustand ist der für niedere Säugetiere maß- 
‚gebende. Er hat sich bei den Halbaffen unverändert erhalten; er 
‚wird der Ausgangspunkt für die Verhältnisse bei Simiern. In diesem 
Primitivzustande sind beide Lungen zwischen Herz und Zwerchfell 
nur durch mediastinale Pleura-Blätter getrennt. Der Lobus sub- 

nr 


100 Georg Ruge 


pericardiacus diktiert dabei die Besonderheiten der Lagerung der 
Teile zueinander. 

Niedere Affen können das Verhalten der Halbaffen in allen 
wesentlichen Punkten wieder hervortreten lassen. 

Erste Umwandlungen treten bei ihnen im Auseinanderweichen 
der Blätter der Duplikatur zwischen Hohlader und vorderer Thorax- 
wand auf (Fig. 61). Die Blätter haben sich von der Hohlvene bis 
zur Thoraxwand gleichmäßig voneinander entfernt bei Macacus 
memestrinus. Das Mesoösophageum ventrale besteht als geschlossenes 
Doppelblatt wie bei Prosimiern. 

‘Die Entfernung der cavo-sternalen Blätter ist bei Macacus 
cynomolgus ventralwärts weiter auseinander gewichen als in der 
Cava-Nähe. Die Entfernung der pleuralen Blätter hat sich auf 
den vorderen Abschnitt des Mesoösophageum ventrale ausgedehnt. 
(Fig. 62 a). 

Dieses Verhalten trifft mit der Verkleinerung des Sinus sub- 
pericardiacus, der Volumsverminderung des Lobus subpericardiacus 
zusammen. Gleichzeitig findet eine Annäherung der Herzspitze 
gegen das Zwerchfell statt, so daß das pleurafreie Feld am Herz- 
beutel der dem Zwerchfelle genäherten Fläche entspricht. f 

Ein weiterer Fortschritt ist bei einem andern COynomolgus zu 
verzeichnen (Fig. 625). Die pleuralen Blätter sind in der Gegend 
der Herzspitze sowohl am cavo-sternalen Doppelblatte als auch 
am Mesoösophageum ventrale auseinander gewichen. Die Herzspitze 
ist dem Zwerchfelle genähert. Die subpericardiale Bucht ist weniger 
geräumig, was aus dem Verlaufe des rechten Pleura-Blattes als j 
Wandung der Bucht aus der Abbildung sich ergibt. 

Ein neuer Vorstoß in der Umwandlung ist bei Hylobates zu 
verzeichnen (Fig. 63a, b). Bei Syndactylus a ist der Sinus subperi- 
cardiacus in zwei Abschnitte geschieden. Ein vorderer Abschnitt 
besteht als ein horizontaler Spaltraum, welcher den subpericardialen 
Lungenlappen nicht mehr aufnimmt. Er steht durch eine enge 
Öffnung mit einer hinteren Buchtung im Verbande. Diese hintere 
Bucht ist vom stark verkümmerten Lappen der rechten Lunge aus- 
gefüllt. Er drängt sich in typischer Weise zwischen Speiseröhre 
und Hohlvene in die Bucht ein. Ein breites pleurafreies Feld dehnt 
sich von der Hohlvene bis zur Herzspitze aus; es läßt am Herz- 
beutel eine Zwerchfellfläche hervortreten. Hinter dem Brustbeine 
sind beide mediastinalen Pleura-Blätter weit auseinandergerückt. 

Syndactylus b der Fig. 63 hat den vorderen, spaltartigen Raum 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 101 


des Sinus subpericardiacus eingebüßt. Es besteht nur noch der 
hintere Abschnitt, welcher zwischen Ösophagus und Cava inferior 
beginnt, sich nur wenig weit ventralwärts ausdehnt, in der Nähe 
der Vorhöfe verbleibt. Am Herzbeutel hat sich ein breites, pleura- 
freies, mit dem Zwerchfell verbundenes Feld eingestellt. Es ist 
links vom linken Blatte des Mesoösophageum ventrale, rechts vom 
rechten Blatte des ursprünglichen eavo-sternalen Doppelblattes, hinten 
von der sehr verkürzten Wand der subpericardialen Bucht begrenzt. 
Es entspricht der ursprünglichen Ausdehnung des Sinus subperi- 
eardiacus, weleher durch die Verschmelzung von Herzbeutel und 
Zwerchfell dorsalwärts bis zur Hohlvene verdrängt worden ist. 
Rechtes und linkes Blatt beider, den Sinus subpericardiacus ur- 


Fig. 63. 


E 
[% 


Ösophagus 2 
> Eing. z. Sinus 
D = \ subpericardiacus 
orS. 7 
Teil des N. phr. d. 
| Sinus \ OJ- 


subperi- *- V. cava inf. 
cardiacus 
Ventr 
t Rechte mediastin. 
Grenglinie 


Facies diaphragm. 
pericardii 


Mediastinale Grenzlinie in unterer Ansicht nach Loslösung der Brustorgane vom Zwerchfelle. Aylo- 

bates syndactylus. a 4:5; b 2:3. Der Sinus subpericardiacus ist bei a in einen ventralen und 

dorsalen Abschnitt geschieden. Der ventrale Abschnitt ist zur Spalte rückgebildet. Die Lunge hat 

sich aus ihm zurückgezogen. Dieser Sinus-Abschnitt fehlt bei db. Die Facies diaphragmatica peri- 
cardii hat an Ausdehnung gewonnen. 


sprünglich begrenzender Pleura-Duplikaturen, "haben ihre Lagerung 
bewahrt. Sie verbinden sich mit Herzbeutel und Zwerchfell an etwa 
gleichen Stellen, wie es bei Halbaffen und Macacus der Fall ist. 


Der Tatbestand der Fig. 63a läßt die Annahme zu, daß die 
Rückbildung des Sinus subpericardiacus auch durch Verlötung von 
pleuralen Wandungsstrecken erfolgen kann. 

Die rechte mediastinale Grenzlinie zeigt sich hier um ein sehr 
bedeutendes vereinfacht, indem sie nicht mehr behufs Umwandung 
eines großen Sinus subpericardiacus zwischen Ösophagus und Cava 
inferior weit ventralwärts ausgezogen ist und nicht mehr Anteil 
nimmt an der Bildung sowohl eines ursprünglichen Mesoösophageum 
ventrale als auch einer cava-sternalen Duplikatur. 

Von einem primitiven Mesoösophageum ventrale hat sich nur 


102 Georg Ruge 


vor dem Ösophagus eine kleine Streeke erhalten, deren Größe durch 
die der subpericardialen Bucht gegeben ist. 

Die Beobachtungen an den Syndactylus-Exemplaren sind von 
grundlegender Bedeutung. Der Fall «a knüpft sich an das Verhalten 
von Macacus an. Der Fall 5 leitet über zu den Anthropomorphen. 

Hylobates leuciscus. Die Verwachsung, von Herzbeutel und 
Zwercehfell ist nach BıscHorr (1870, 5. 269) eine beschränkte. 

Hwylobates stellt sich bezüglich des Lobus subpericardiacus, des 
Sinus subpericardiacus, der Annäherung des Herzbeutels an das 
Zwerchfell, der Vereinfachung der rechten mediastinalen Grenzlinie 
zwischen niedere und menschenähnliche Affen. 

Anthropomorphe Affen stimmen untereinander überein in der 
vollendeten Rückbildung des subpericardialen Lungenlappens und 
dem Fehlen eines Sinus subpericardiacus. 

Der Herzbeutel ist bei ihnen in größerer oder größter Aus- 
dehnung und inniger als wie bei Hylobates mit dem Zwerchfelle 
verbunden. Diesbezüglich nimmt Schimpanse die niederste, Gorilla 
die höchste Rangstufe ein. Orang stellt sich zwischen beide. Es 
handelt sich um eine Entwicklungsreihe, in welcher die Umwand- 
lungen an den mediastinalen Grenzlinien ebenfalls im fortschreitenden 
Sinne zum Ausdrucke kommen und in denkbar einfachster Weise 
sich schließlich verhalten. 

Die Stelle des Einganges in eine hier verlustig gegangene sub- 
pericardiale Bucht ist bei Schimpanse (Fig. 64) und Orang (Fig. 65) 
erhalten. Sie wird vor dem rechten Lungenbande als Einsenkung 
der Pleura mediastinalis zwischen Ösophagus und Cava inferior beim 
Orang gefunden, an gleicher Stelle beim Schimpanse, jedoch unter 
weiterer Entfernung der Einsenkung vom Ösophagus. Von einem 
gänzlichen Verschwinden des Sinus subperieardiacus beim Schimpanse 
und Orang kann füglich nicht die Rede sein (s. TanJA, S. 152). Wohl 
hat Gorilla alle Zeichen eines Sinus subperieardiacus an der rechten 
mediastinalen Grenzlinie eingebüßt. Mit der Rückbildung der sub- 
pericardialen Bucht zur einfachen Nische ist der Hohlvene eine An- 
näherung an den Ösophagus gewährt. Sie ist tatsächlich vollzogen. 

Individuelle Schwankungen werden vielleicht ähnlich wie bei 
Hylobates syndactylus bemerkenswerte Rückschläge oder Weiter- 
bildungen bei Schimpanse und Orang zutage fördern, während ähn- 
liches für Gorilla mit so ausgesprochen progressiven Merkmalen 
nicht zu erwarten ist. 

Durch die Ausschaltung der subpericardialen Bucht schlägt die 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 103 


rechte mediastinale Grenzlinie einen einfacheren Verlauf ein. Sie 
ist dorso-ventral gerichtet. Vor dem Ligamentum pulmonale bildet 
sie in letzter Andeutung die links gewendete Ausbuchtung bei 
Schimpanse und Orang und erreicht dann die hintere Cava-Wand. 
Sie bekleidet darauf auch die rechte Wand der Hohlvene und vor 
ihr den rechten Nervus phrenieus. Beim Gorilla ist sie nur noch 
mit der rechten Wand der Cava inferior in Berührung geblieben, 
überzieht aber auch den rechten Nervus phrenieus. Vor der Cava 
inferior erreicht die Grenzlinie ungefähr nach sagittaler Verlaufs- 
richtung die vordere Thorax-Wand. 

Beide mediastinalen Pleura-Blätter sind bis herab zu den Grenz- 


Fig. 64. Fig. 65. Fig. 66. 


Mediastinale Grenzlinien der Pleura-Säcke der Anthropomorphen. Untere Ansicht auf die vom Zwerch- 

felle abgelösten Brustorgane. Fig. 64 Schimpanse; Fig. 65 Orang; Fig. 66 Gorilla. Der Sinus 

subpericardiacus ist bei Schimpanse und Orang andeutungsweise vor dem Lig. pulmonale als Bucht 

erhalten, bei Gorilla gänzlich verschwunden. Die Facies diaphragmatica pericardii nimmt von 

Fig. 64 bis Fig. 66 an Breite erheblich zu, unter gleichzeitiger Vergrößerung der Berührungsflächen 
des Herzens mit der vorderen Thoraxwandung. 


linien weit auseinandergewichen. Die Entfernung erfolgt dorsal 
bereits in der Gegend von Ösophagus und Cava inferior; sie ver- 
größert sich ventralwärts. Dadurch kommt ein breites pleurafreies 
Feld am Herzbeutel zustande. Er ist an diesem Felde mit dem 
Zwerchfelle innigst verwachsen. Auf diese Weise prägt sich an ihm 
eine Facies diaphragmatica pericardii aus. Die Fläche ist abgeplattet. 
Die Abplattung pflanzte sich auf die entsprechende Oberfläche des 
Herzens fort. 

Der Grad der Verwachsung von Herzbeutel und Zwerchfell 
ist bei den Anthropomorphen verschieden. Er bedingt die Unter- 
schiede im Verlaufe der mediastinalen Grenzlinien, indem sie ver- 
schieden weit nach dem Verwachsungsgrade sich voneinander ent- 
fernen und dadurch die Zwerchfell-Fliche des Herzbeutels in all- 


104 Georg Ruge 


seitiger Ausdehnung beeinflussen. Schimpanse der Fig. 64 zeigt 
ein schmales pleurafreies Feld des Herzbeutels vor der Cava inferior; 
es verbreitert sich gegen die Herzspitze ein wenig. Orang der 
Fig. 65 besitzt eine ventralwärts stark verbreiterte Verwachsungs- 
fläche. Die Zwerchfellfläche des Herzbeutels hat an Ausdehnung 
gewonnen. Die mediastinalen Grenzlinien nähern sich den von unten 
sichtbaren Konturlinien des Herzens. Beim Gorilla der Fig. 66 
sind die Grenzlinien so weit auseinandergewichen, daß sie mit den 
seitlichen Konturlinien des Herzens zusammenfallen. Dementsprechend 
ist der Herzbeutel in ganzer Breite mit dem Zwerchfell verschmolzen; 
es ist das äußerste Maß der Verwachsungsmöglichkeit hier erreicht. 

Die mediastinalen Pleura-Blätter zeigen bei den Anthropomorphen 
nirgends mehr die ursprüngliche Berührung. Die einfache Doppel- 
blattbildung ist überall durch das Auseinanderweichen der Pleura- 
Blätter aufgehoben worden. 

Die Verwachsung von Herzbeutel und Zwerchfell trat bei einem 
Gorilla-F ötus in einer quer elliptischen Fläche zutage. Der quere 
Durchmesser verhielt sich zum sagittalen etwa wie 4:3. (DENIKER 
1886, S. 193). 

Ausgedehnte Verwachsungen in Breite und Tiefe sind beim 
Gorilla durch BıscHorr (1870, S. 43) und EısLer (1890, S. 3) fest- 
gestellt worden. BrocA (1877) nahm für Gorilla einen gleichen 
Verwachsungsgrad an, wie er beim Menschen bestände. 

Die Übergangsstellen der mediastinalen in die sternalen und 
costalen Grenzlinien haben ebenfalls eine sehr wesentliche Verände- 
rung erfahren. Die beiderseitigen Stellen liegen bei Schimpanse 
am nächsten zusammen; sie entfernen sich bei Orang weiter von- 
einander und haben bei Gorilla den höchsten Grad gegenseitiger 
Entfernung erreicht. Die Herzspitze und ein großer Teil der ventri- 
eularen Pericardflächen bleiben frei vom pleuralen Uberzuge. 

Ein andres, hiermit zusammenhängendes Symptom beruht in 
der Annäherung des Herzens an die vordere Wand des Brustkorbes. 
Diese Annäherung ist bei Schimpanse im geringsten, bei Gorilla 
im höchsten Grade verwirklicht. 

Das Gesamtbild, vom Auseinanderweichen der sternalen Grenz- 
linien bei den Anthropomorphen entworfen (s. S. 59—67), deckt 
sich mit den Erscheinungen im ventralen Gebiete der mediastinalen { 
Grenzlinien. 4 

Auf Grund der bisher bekannt gewordenen Tatsachen darf aus- 
gesagt werden, daß niedere Affen die Organisation, wie sie bei Halb- | 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 105 


affen besteht, übernommen und bewahrt haben, daß bei ihnen aber 
bereits eine Trennung der mediastinalen Pleura-Blätter bis zu den 
mediastinalen Grenzlinien sich einstellt, daß dadurch die Ausdehnung 
des Sinus subpericardiacus, sowie des ihn füllenden subpericardialen 
Lappens der rechten Lunge sich mindert. Fernerhin ergibt sich, 
daB bei Hylobates die Rückbildung des Sinus subpericardiacus sich 
vollzieht, und im unmittelbaren Verbande hiermit die Entfernung der 
mediastinalen Grenzlinien im Bereiche des Herzens sich erheblich 
vergrößert. Die Tatsachen lehren, daß im Anschlusse an den Bau- 
plan von Hylobates die Anthropomorphen eine ganz neue Anordnung 
der Grenzlinien erworben haben. 

Die Nebenerscheinungen lehren auf das bestimmteste, daß die 
Führung bei diesen gewaltigen Umformungen der sich stets steigern- 
den Verwachsung des Herzbeutels mit dem Zwerchfelle sowie der 
vorderen Wand des Brustkorbes zugesprochen werden muß. Die 
Umwandlungen des Brustkorbes bei den Primaten können als direkte 
Ursachen für diese Verwachsung verantwortlich gemacht werden. 

Mensch. Die mediastinalen Grenzlinien verhalten sich ähnlich 
wie bei Anthropomorphen, stimmen mehr mit der einen oder der 
andern Form unter ihnen überein. Genauere Untersuchungen hier- 
über stehen noch aus. Der Verlauf der rechten Grenzlinien ist ein 
nahezu sagittaler; die linke Grenzlinie ist durch die Linkslage des 
Herzens nach der linken Seite verschoben. Die Einfachheit der 
Anordnung ist wie bei den Anthropomorphen eine Sekundär- 
erscheinung. Man kennt die Überbleibsel eines Lobus subpericardiacus 
beim Menschen in vielen Abstufungen, so daß in seiner Stammes- 
geschichte auch ein Sinus subpericardiacus vorhanden gewesen sein 
muß. 

Die Anthropomorphen haben sich bezüglich des gesamten, tief‘ 
eingreifenden Erscheinungskomplexes, welcher die Lage des Herzens, 
das Fehlen des subpericardialen Lungenlappens und die Anordnung 
der mediastinalen Grenzlinien in sich faßt, einerseits weit von den 
niederen Affen entfernt. Sie schließen sich andrerseits eng an den 
Menschen an. Was Gorilla betrifft, so hat er den Menschen in 
manchem, so in der Annäherung des Herzens an die vordere Thorax- 
wand, sogar überholt. 

Die ausgiebige Verwachsung des Herzbeutels mit Zwerchfell 
und vorderen Wand des Brustkorbes, wie sie ausschließlich den 
Anthropomorphen und dem Menschen zueigen ist, fällt mit der Tat- 
sache zusammen, daß der Brustkorb dieser Wesen an Höhe und an 


106 Georg Ruge 


Tiefe gerade da erheblich Einbuße erlitten hat, wo das Herz in ihm 
eingelagert ist. Dasselbe muß auf diese Weise an die benachbarten 
Wandungen näher herangedrängt worden sein. Der Umwandlungs- 
vorgang am Brustkorbe darf daher für die genannten Verwachsungen 
in allererster Linie verantwortlich gemacht werden, Nur soweit, als 
die aufrechte Körperhaltung diese Umbildung des Thorax bei den 
Anthropomorphen bedingt, kann sie mit als Ursache für die Ver- 
schmelzung des Herzens mit den Wandungen ausgegeben werden. 
Der aufreehte Gang des Menschen kann unmöglich die Verwachsungen 
und die mit ihnen einhergehenden, eigenartigen Anordnungen der 
mediastinalen Grenzlinien eingeleitet haben. Gegen eine derartige 
Annahme spricht die Tatsache des Bestehens der gesamten Er- 
scheinungsreihe bei den Anthropomorphen. Bei ihnen sowie beim 
Menschen kommen die Folgezustände des veränderten Thorax an 
den mediastinalen Grenzlinien am deutlichsten zum Ausdrucke; sie 
offenbarten sich in eindeutiger Weise an den sternalen, blieben 
aber auch nicht aus an den vertebralen und costalen Grenzlinien. 
Es ist ja auch nur naturgemäß, daß die Art der Bergung des Inhaltes, 
d. i. des Herzens und der Lungen, durch die Gestaltung des Bergen- 
den, d.i. des Brustkorbes, bedingt sein muß. 

Das Bestreben, alle Anthropomorphen auch in ihrem anato- 
tomischen Bau enger an die niederen Affen als an den Menschen 
anzureihen, leidet auf dem besprochenen Gebiete Schiffbruch. Tat- 
sachen bleiben auch hier bindender als die Wünsche, für den 
Menschen eine Sonderstellung zu retten. Es gibt nur wenige Bei- 
spiele von so beweisender Kraft für die Annahme, daß die Anthro- 
pomorphen menschliche Einrichtungen nicht nur errreichen, sondern 
auch überflügeln können. Damit ist die hohe Bedeutung des hier 
zusammenfassend behandelten Themas gekennzeichnet. Die Angabe 
von PanschH (1884, S. 157), daß die feste Verwachsung von Herz- 
beutel und Zwerchfell nur dem Menschen zukomme und ihn von 
den anthropomorphen Affen unterscheide, beruht auf einem großen 
Irrtume. 

Um die Ergebnisse einer Kontrolle unterbreiten und ausbauen 
zu können, sollte das in die Hände der Anatomen gelangende kost- 
bare Anthropomorphen-Material Verwertung finden. Seit etwa 
17 Jahren ist zu dem Bekannten nichts wesentlich Neues hinzu- 
gefügt worden, abgesehen von den hier eingefügten wenigen neuen, 
eigenen Beobachtungen. 


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Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 107 


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TanJA, T. Über die Grenzen der Pleurahöhlen bei den Primaten und bei 
einigen Säugetieren. Morpholog. Jahrb. 17. Bd. 1891. 

Weıt. Handbuch und Atlas der topographischen Perkussion. 


108 Georg Ruge 


Inhaltsverzeichnis. 


Grenzen: der Bleura-Säcke si „wur. non... Bel 
1:/ VertebraleGrenzlinien ::.. "4.1 ad u RE 

2. Sternale’Grenzlinien. „wi. I. ad aa. er oe ee 

3. CostalesGrenzlinienn „un! null TEE 

4. Mediastinale Grenzlinien . „1 „Bra. „Marne Re 
Morphologische Bedeutung der Grenzlinien . ... 2.22 222.0... 
1- Wertebrale. Grenzlinie.' # . 2... u EN 
Oberes Ende. — Unteres Ende . . 2. wu 2 2 Weine 
saHalbatten:ı 3 A ET re ne "ang 


1. Platyrohina sr. 2 wi ms arten Nein 20.2 

Ar, Katarrhina o 20.200.222 KR. ee 

3. Anthropomorph383" , 2.2.2.2 21.0.0 Perg 

EAMERECh ee ee ME RD Pe A 

Infracostales Feld der Pleura-Säcke . . .;. . . SPRemeaEEzE 

Rückschlüsse aus den Befunden an der Pleura auf nähere oder 
entferntere Stammesverwandtschaft . . . 2». 2.2.2200. 

Wechselbeziehung zwischen tiefstem Stande der vertebralen Pleura- 

Grenzlinie und der Zahl von Rippen... .... . 2... 

Wechselbeziehung zwischen tiefstem Stande der vertebralen Grenzlinie 

und der Zahl präsaeraler Wirbel. .... 2.2.2... “. 

Ursachen der Störungen in der Wechselbeziehung zwischen Vermin- 

derung präsaeraler Wirbel und Verlagerung der Pleura-Säcke in 
CRERIBIOTSENONIUNE so nl a a ae ne ee 5 

Längenverhältnis zwischen pleuraler und peritonealer Strecke ds 

thoraco-lumbalen Abhehnittes der Wirbelsäule ... . 2... 

2. Btormaloss ronzumien se ee ae nn ne nee 

RIIGROBENIBO. 9, See nen tale A 

De a ee ef te a ee 

KIPlayIEDIna nn ee 2 a ne en ae 

A BERTOTEHINE ee in a nn here 2 En 

Ma ER N Ar ABER 


ulobakes" ham. U a une a ae ee et Ne 
8. Anthropomorphaaw . . . „ ı. 0 An auaar Se 
Bchimpansp nr... u an an 2. a 
GOrla, u. pa at de ah SOERERE 1,0 


«@. Berührung beider sternaler Grenzlinien. .... . 
Linksverlagerung » . » nn. u. so we 
Rechtsverlagerung. Häufigkeit. Ursachen . .. . 
Abörslo Ausdehnung . a». s:.» sus 


Grenzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. 109 


Seite 

3. Auseinanderweichen beider sternaler Grenzlinien 
In ganzer Ausdennung“.s z ,:u ee yai 

y. Durch die Herzlage bedingte Linksabweichung der 
linkon; Grenzlinie 9 N IE Te 73 

d. Höhenstand der aboralen Endpunkte der sternalen 
Grenzimiann: 0 ee ee a 74 
I EÜTCHZUNIEN.. syn a ran en ee A 80 
Do FIELISTEH N A A ee Na PR ang ar RE er N - 81 
RER NEE a RE Ge ER Re; 85 
ai Ara le 87 
EEG SIHOFDDAR, 64 a a ee ine 89 
Sehrmpanse, Gomlla Orange .. 2... 2... 89—91 
ee a N er, 92 
Tiefster Stand der costalen Grenzlinien. . ..... 97 
BeNaannmale Grenzlinien. oe 0a ar ee 97 
ERS ION 3 et ae ee ee 98 
Niedere; Alten, Huylabaless 0 2 una een rare 99 
RERRTORDHIOTDEEE ee 102 
ERBE EEE AR a AR FE 105 


Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 111 


Bearbeitung fand, namentlich in bezug auf die Ausbildung einer 
Fossula vermiana und auf die Abdrücke der großen Venensinus. 
Daß aber auch an andern Stellen des Uraniums die venösen Blut- 
wege unter Umständen das Innenrelief stark beeinflussen können, 
scheint weniger bekannt zu sein. 

Bei Gelegenheit der Konservierung von Gehirnen, welche von 
frisch eingegangenen Affen verschiedenster Arten stammten, konnte 
ich im Laufe der letzten Jahre einige nicht uninteressante Beob- 
achtungen machen, über die ich hier in Kürze berichten möchte. 
Sie betreffen das Innenrelief und den strukturellen Aufbau des 
Schädeldaches. 

Bekanntlich hat Fr. W. MÜLLER die Durchleuchtung des Schä- 
dels als geeignete Methode zur Untersuchung des Windungsreliefs 
am Schädel eingeführt, und wenn man auch mit SchwaAuLgE (1908) 
die spezielle Handhabungsweise derselben für nicht ganz einwand- 
frei halten mag, so ist sie doch keineswegs ganz verwerflich. Ich 
selbst hatte schon, ehe MürLLErs Publikation erschien, einen ähn- 
lichen Weg eingeschlagen, zu dem ich durch die Beobachtungen an 
frischen Schädelealotten gedrängt worden war. Die in unserm In- 
stitut eingehenden toten Primaten werden jeweils sofort mit 2%/,iger 
wässriger Formalinlösung in das Arteriensystem injiziert, worauf 
dann ca. 24 Stunden später die Herausnahme des Gehirns ange- 
schlossen wird. Bei der Wegnahme des Schädeldaches zeigte sich 
nun, namentlich bei den kleineren Arten bzw. bei jüngeren Indivi- 
duen größerer Species, bei denen die Sagittalkämme noch nicht 
stark ausgebildet erscheinen, ungemein auffallende Farbdifferenzen, 
sobald die frische Schädelealotte gegen das Licht gehalten wurde. 
Die bluthaltigen, also diplo@führenden Partien erschienen leuchtend 
rot gefärbt, dazwischen aber zeigten sich helle Flecken und Straßen, 
welche das Licht weißlich durchschimmern ließen. Es konnte kein 
Zweifel bestehen, daß an diesen Stellen keine Diplo@ zwischen der 

_ Lamina ossea externa und der Lamina vitrea bestand. Am Rande 
der helleren Felder erschienen anfangs spärlich, dann reichlicher 


Q 


a der Grenze gegen den roten Grund hin feine rötliche Linien 
und Netze, die ihrerseits, nur in sehr viel stärkerer Ausbildung, 
MEERE 

t Ich habe vereinzelt auch das Gehirn vor jeglicher Injektion exenteriert, 
die Durchleuchtungsbilder am Schädeldach waren in solchen Fällen bisweilen 
ebenso schön wie in den andern, nicht selten aber waren die Markräume auf- 
fallend blaß und blutleer. Offenbar wird bei der vorgängigen Injektion eine 
tauung und damit eine Füllung der Markräume hervorgerufen. 


112 H. Bluntschli 


_ 


auch die dunklen, roten Felder und Straßen ausmachten, wobei 
zwischen ihnen kleine weißliche Pünktchen und Linien nachweis- 
bar waren. Diese natürlichen Durchleuchtungsbilder!, von denen 
ich auf Taf. I in den Fig. 1—3 einige in photographischer Wieder- 
gabe abbilde, geben also ein getreues Bild der Spongiosierung der 
Knochen des Schädeldaches, 
und — weil die großen hellen 
Stellen, wie wohl ohne wei- 
teres verständlich, den Ab- 
drücken der Windungen des 
Gehirnes entsprechen, — bis 
zu einem gewissen Grade 
auch des Windungsreliefs 
an der Innenfläche des 
Schädels. DiedunklenLinien 
mit dem reichen Diploe- 
gehalt aber entsprechen den 
Sulei und Fissuren. Daß 
diese Auffassung richtig ist, 
bestätigt sofort die Abnahme 
eines Gipsausgusses der 
Schädelcalotte und sein Ver- 
Durchleuchtungsbild des Schädeldaches von Semnopithecus gleich mit dem Durchleuch- 
cephalopterus Nr. 628 (identisch mit Tafelfig. 1) mit Ein- tungsbild, bestätigt auch 
tragung der Sulci des Gehirnes, wie sie durch photo- 2 1 z 
graphische Aufnahme des letzteren sich darbieten. die Besichtigung des heraus- 
genommenen Gehirnes und 
seines oberen Windungsreliefs. Die Durchleuchtungsbilder lassen denn 
meistens auch den Wechsel des Windungsreliefs bei verschiedenen 
Arten und selbst individuelle Besonderheiten unschwer erkennen. 
Freilich sind, und das lehrt der Vergleich der Fig. 1—3 (Taf. I) 
miteinander, die diploöfreien Zonen keineswegs immer gleich deutlich 
und gleich ausgedehnt vorhanden, es bestehen hier individuelle und 
vielleicht auch Altersdifferenzen. Während Fig. 1 die Sulei am Frontal- 
und Parietallappen sozusagen lückenlos erkennen läßt, wie ein Ver- 
gleich mit Textfig. 1 sofort zeigt, ist in Fig. 2 das Windungsrelief in 
der Parietalzone schon schwerer erkenntlich, indem hier die Diplo&- 


Fig. 1. 


! Eine Anzahl meiner Präparate habe ich in Kaiserlingscher Lösung kon- 
serviert und der Sammlung des anatomischen Instituts einverleibt. Im großen 
ganzen behalten sie das Aussehen, das sie in frischem Zustande hatten, und 
haben nur wenig Farbe verloren. 


Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 113 


struktur auch an Stellen, die Sulei entsprechen, schwach oder gar nicht 
ausgebildet ist, und andrerseits ist in Fig. 3 von einem Cercopithecus 
nur im Spitzenteil der Frontalzone noch eine Andeutung der Windungen 
erkennbar. Trotzdem war an den Gipsausgüssen auch im zweiten 
und dritten Fall das innere Windungsrelief fast überall kenntlich, 
am wenigsten deutlich allerdings bei dem Cercopithecus, ausgeprägt. 
Aus dem Fehlen von Windungsbildern im Durchleuchtungsbild kann 
also nicht unbedingt auf das Fehlen eines inneren Windungsreliefs‘ 
geschlossen werden. Die Durchleuchtungsbilder zeigen überall dort, 
wo Windungsabdrücke als helle Flecken sichtbar sind, eine An- 
ordnung der feinen Diplo@öräume derart, daß diese im großen ganzen 
nahezu senkrecht auf die Windungen, bzw. wo Dellen an der Gehirn- 
oberfläche sich finden, ungefähr radiär zu diesen gestellt sind (Taf. I 
Fig. 1 u. 2'!), wenn aber, wie in Fig. 3, eigentliche Windungsflecken 
nicht ausgeprägt erscheinen, ist auch von einer topographischen Be- 
ziehung zwischen Spongiosabälkchen respektive Diplo@ökanälchen und 
dem Gehirnrelief keine Rede. Etwas stärker gestaltet ist die Wandung 
des Schädeldaches fast regelmäßig entsprechend den Nahtstellen, 
das zeigen die Fig. 1—3, wie eine Anzahl andrer Aufnahmen, die 
ich hier nicht abgebildet habe, und es fällt dabei immer ein nahezu 
paralleler Verlauf des Sulcus centralis und der nur wenig rostral 
davon gelegenen Coronarnaht auf, die bei den Cercopitheeiden Kon- 
stanz zu haben scheint. Bei den Cebiden ist sie nicht vorhanden, 
indem hier der Sulceus centralis weiter nach hinten, d. h. oceipitaler 
von ihr gelegen ist und unter anderm Winkel gegen die Sagittalnaht 
zieht, als die in der Mitte oft fast spitzwinklig gebrochene Sutura 
eoronalis. Die Windungsflecken und die Diplo@straßen entsprechend 
den Gehirnfurchen sind aber auch hier sehr auffallend ausgesprochen 
und fehlen auch bei Halbaffen nicht, wie mir Beobachtungen an 
Lemuren zeigten. Auffallend schwach sind diese Bilder bei Anthro- 
pomorphen, wo auch das innere Windungsrelief am Schädeldach 
kaum angedeutet ist. Bei einem jüngeren, weiblichen Schimpanse 
fand ich nur leichte grubenartige Vertiefungen, die einen Lobulus 
parietalis superior und solche, die eine obere Stirnwindung andeuteten. 


1 Anm. bei der Korrektur. Diese Details sind leider bei der Reproduktion 
meiner Photographien auf Taf. I nicht ganz so schön herausgekommen, als sie 
in den Originalen sichtbar sind. Immerhin lassen namentlich einzelne Stellen 
in Fig. 2 (speziell bei den Abdrücken der an den Sulcus interparietalis an- 

 grenzenden Gyri) die senkrechte Orientierung der Diplo@kanälchen zum 
_ Windungsverlauf mit Deutlichkeit erkennen. 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 8 


114 H. Bluntschli 


Diese Beobachtungen, so anspruchslos sie auch erscheinen mögen, 
sind wohl geeignet, ein Lieht auf die Frage der Osteogenese des 
Scehädels zu werfen. Es ist seit langem bekannt und insbesondere 
von Ecker (1878) betont worden, daß einer tiefen Impressio digitata 
eine Verdünnung des Schädeldaches an dieser Stelle entspreche, 
ebenso bekannt ist — und vor allem hat SchwAurer (1902 und 1904) 
darauf hingewiesen —, daß nur selten einer solehen Stelle am 
Schädeldach eine deutliche äußere Windungsprotuberanz entspricht, 
jedenfalls liegen die Verhältnisse ganz anders als in der Temporal- 
region. Äußere Protuberanzen am Schädeldache sind bei Affen nicht 
ganz selten, doch sind sie in der Regel nicht auf Windungsabdrücke, 
sondern meist auf die keineswegs seltenen Residuen geheilter Schädel- 
frakturen ! zu beziehen, wovon ich mich bei meinen Beobachtungen 
mehrfach überzeugen konnte. Daß freilich gelegentlich auch am 
Sehädeldache, selbst bis nahe zur Sagittalnaht, ganz schwache An- 
deutungen von Windungsprotuberanzen zu finden sind, will ich nicht 
bestreiten, ich selbst habe solche bei Cereopithecen und Semnopithecen 
gesehen, aber sie sind, wie schon SCHWALBE betont hat, weder regel- 
mäßige, noch deutliche Vorkommnisse. — Über die Entstehung des 
Gehirnreliefs am Schädel bestehen Differenzen in den Anschauungen 
von SCHWALBE und FR. W. MÜLLER. Nach ersterem (1902) wird die 
Schädelkapsel wesentlich durch das Gehirn modelliert. »An den 
Stellen geringsten Wachstumsdruckes wird in größerer Menge Knochen- 
substanz angebildet, welche bei äußerer Inanspruchnahme der Festig- 
keit des Schädels die funktionell wichtigen Strebepfeiler liefert.« 
Doch ist ScHwALBE (1907) noch eine andre Möglichkeit plausibel, 
die nämlich, »daß an den Stellen der Windungshöhen zwar eine 
Resorption bereits vorhandener Knochenschichten erfolgt, infolge des 
Druckes, welchen die wachsenden Windungen ausüben, daß aber in 
den Windungstälern ein solcher Druck nicht existiere, so daß hier 
Knochenmassen von der Resorption mehr verschont bleiben, ja sogar 
in Ruhe sich hier anbilden können, in Übereinstimmung mit einer 
von LessHart (1892 S. 103) gegebenen Formulierung, daß der Knochen 
nach der Stelle des geringsten Widerstandes wächst«. Demgegen- 
über wird von Mürner (1908) die Auffassung vertreten, daß der 


1 Diese Spuren geheilter Frakturen am Schädeldach stellen meist kleine 
rundliche oder längliche Verdickungen, bzw. auch leicht grubige Vertiefungen 
an der Außenseite dar und machen durchaus den Eindruck, als ob die Frak- 
turen dem Lochtypus zugehört haben müssen. Von Splitterung war nie etwas 
zu sehen. 


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Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 115 


Gehirndruck sich auf die incompressible Arachnoidealflüssigkeit und 
durch sie auf alle Teile der Arachnoidea, also auch nach allen 
Punkten der Schädelinnenfläche, gleichmäßig fortpflanze, also von 
verschiedenem Druck an Stelle der Impressiones und Juga nicht die 
Rede sein könne. »Die individuell verschiedene Ausbildung des inneren 
Schädelreliefs sei zurückzuführen auf die Variationen des Arach- 
noidealreliefs beziehungsweise auf die des Arachnoidealraumes«, in 
welchem das Gehirn »schwebend«, überall von Flüssigkeit umgeben, 
erhalten werde. So ist für MÜLLER die Ausbildung des inneren 
Schädelreliefs ein rein appositioneller Vorgang, der ohne Einfluß des 
Gehirnes in passiver Weise erfolgt. Schon SCHWALBE hat neuer- 
dings (1908) darauf hingewiesen, daß trotz der zugegebenen gleich- 
mäßigen Druckfortpflanzung im Arachnoidealraum, dennoch das 
Schädelrelief eben in den basalen Teilen und am Dach gänzlich ver- 
schiedenartig gestaltet, hier nur wenig ausgebildet, dort ungemein 
auffällig ausgeprägt sei. Diese Tatsache wird auch durch die funk- 
tionelle Erklärung, die MÜLLER für die Juga und Impressiones als 
Stützen und Kapseln für die einzelnen Hirnteile gibt, und der bis 
zu einem gewissen Grad ein richtiger Gedankengang zugrunde liegen 
dürfte, nicht aus der Welt geschafft, denn wenn hier wirklich stets 
gleichmäßige Druckverhältnisse mitspielen und das Gehirn nach 
allen Seiten hin freischwebend im Arachnoidealraum fixiert ist, dann 
müßten am Schädeldach funktionell keine andern Verhältnisse be- 
stehen als an der Basis, zumal bei dem Stellungswechsel des Kopfes 
sich auch hier eine Fixation durchaus zweckmäßig erweisen müßte 
Rückenlage). SCHWALBES (1902) Angaben über das spec. Gewicht 
des Gehirnes und des Liquor cerebro-spinalis geben die plausible 
Erklärung für die tatsächlich bestehenden Differenzen ab. Nach 
diesen erweist sich das Gehirn specifisch schwerer als der Liquor 
und sinkt deshalb im letzteren gegen die Schädelbasis zu ein, die 
Arachnoidealflüssigkeit aber sammelt sich unter dem Hirndach in 
reichlicherer Menge als andernorts. — Nun haben die oben mit- 
eteilten Beobachtungen der Diploöstruktur verschiedener Schädel- 
alotten (Taf. 1 Fig. 1—3) verschiedene Bilder ergeben, je nachdem 
b das Schädeldach als Ganzes dünner oder dicker, bzw. je nach- 
em die Windungsabdrücke schwächer oder stärker waren. Bei einer 
rein passiven, appositionellen Anlagerung der Knochensubstanzen an 
ie Meningen dürften wohl kaum so differente Bilder zustande 
tommen, vielmehr spricht die Gestaltung und Lage der Spongiosa- 
bälkchen und der Diplo@kanäle durchaus für einen direkten ge- 
8*+ 


—— 


116 H. Bluntschli 


staltenden Einfluß des Gehirnes, den wir uns, durchaus mit 
SCHWALBE, unter gleichzeitiger Abspielung resorptiver und produk- 
tiver Prozesse denken können, wie ja solche allüberall beim Knochen- 
wachstum mitspielen und die Substantia compacta wie spongiosa 
betreffen. Solange die Schädelwand als Ganzes dünn ist, wird auch 
die Lamina vitrea schwächer sein müssen, als im andern Fall, wo 
jene bereits eine gewisse Dieke erreicht hat. Je dünner aber die 
Lamina vitrea und je stärker die inneren Windungsabdrücke, um so 
eher kann das Gehirn durch die Meningen hindurch gestaltenden 
Einfluß auf die Diploöstruktur bekommen. Das stimmt durchaus mit 
meinen Beobachtungen überein, die Lamina vitrea war von den obigen 
3 Fällen am stärksten bei dem Schädeldach von Cercopithecus (Fig. 3), 
welches, trotzdem es das kleinste war (Höhe 20 mm, Breite 53 mm, 
Länge 64 mm), doch das größte Gewicht (6,75 g) aufwies, am 
zweitstärksten bei dem Semnopithecus cephalopterus (Fig. 1) (die Maße 
des Schädeldaches 20, 54, 65mm, das Gewicht 6,25 g), am schwächsten 
bei Semnopithecus Kelaarti (Fig.2) (die Mabe 23, 55, 64 mm, das 
Gewicht 5,85 g). Genaue Dickenmaße zu geben, ist ohne Anfertigung 
mikroskopischer Schnitte nicht möglich. Die obigen Ergebnisse und 
der Gewichtsvergleich zeigen zur Genüge, daß bei der leichtesten 
Calotte die Diplo@struktur am meisten Beziehung zum Gehirnrelief 
aufweist, und bei der schwersten am wenigsten. — Die Durchleuch- 
tungsbilder bestätigen auch in ganz ausgesprochenem Grade die An- 
schauung SCHWALBES, daß die Muskelbedeckung auf die Ge- 
staltung des Schädels ohne jeden Einfluß sei. Obgleich die 
Lineae temporales in allen drei obigen und in zahlreichen andern 
Fällen an der Schädeloberfläche deutlich zu sehen waren, bisweilen 
selbst nahe zur Sagittalnaht reichten, war niemals eine Beziehung 
der Diploöstruktur zu diesen äußeren Bildungen festzustellen. Die 
Temporallinien oder Cristae ziehen über das Schädeldach, ohne im 
Durchleuchtungsbild eine rote Spur zu hinterlassen, d. h. sie beein- 
flussen einzig und allein den Bau der Lamina externa und absolw 
nicht den der andern Lagen des Knochens. Das gilt von jungen 
wie von alten Individuen und von Affen der alten, wie der neuer 
Welt. Auch dort, wo Cristae sagittales bestanden, die noch nich 
ganz für Licht undurchlässig waren, war keine stärkere, meist g& 
keine Diploöansammlung an diesen Stellen zu sehen, woraus ge 
schlossen werden muß, daß die Sagittalkämme geringen und mittlerei 
Grades ebenfalls einzig und allein von der Lamina externa de 
Knochens gebildet werden. Über das Außenrelief des Schädel) 


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Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 117 


‚und seine Entstehung mich hier eingehender zu äußern, halte 
‘ieh nicht für angebracht, da ich wie gesagt nur selten etwas von 
‚demselben feststellen konnte, immerhin lehren mich Erfahrungen wie 
‚die, daß bei beiden Semnopithecen (Fig. 1 u. 2) dasselbe angedeutet, 
bei Cercopithecus (Fig. 3) aber keine Spur davon vorhanden war, 
‚obgleich ein Innenrelief, wie oben erwähnt, nicht ganz fehlte, daß 
MÜLLER nicht im Recht sein dürfte, wenn er sagt: »Ist die Knochen- 
‚platte im Allgemeinen gleichmäßig diek, so wird ein Relief der 
Innentläche sich außen wiederholen müssen«, denn dem widersprechen 
‚gerade meine Beobachtungen. Richtiger scheint es mir zu sagen, 
‚daß sich ein Außenrelief nur dann wird zeigen können, wenn die 
‚Tiefe der Impressiones digitatae eine derartige ist, daß zwischen den 
‚beiden Außenlagen der Knochenplatte eine Spongiosa nicht zur Aus- 
‚bildung kommen konnte, bzw. der Resorption verfallen mußte und 
‚umgekehrt dann sicher fehlen wird, wenn die Impressionen seicht 
sind oder wenn diese wohl tiefsind, aber das ganze Schädeldach sehr 
‚diek und schwer ist, so daß es zur Ausbildung von Markräumen 
zwischen beiden eines kommen konnte. Sobald man sich mit 
‚diesem Gedankengang vertraut macht, wird es ohne weiteres ver- 
ständlich, warum es unter anderm zur Vereinigung verschiedener 
innerer DE ngsahdrücke zu einer äußeren Protuberanz kommen 
‚kann, und warum eine bestimmte Protuberanz z. B. die der unteren 
'Stirnwindung beim Menschen nicht immer feststellbar ist, Dinge, auf 
die SCHWALBE mehrfach aufmerksam machte. Im ersteren Fall ist 
wohl, ähnlich wie in den parietalen Partien unsrer Fig. 2, eine 
Ausbildung von Spongiosa den Sulei entsprechend unterblieben, 
weil die Innenimpressionen nicht tief sind, im zweiten ist wohl das 
nnenrelief des Gyrus frontalis inferior ausgeprägt, aber kommt 
wben deswegen nicht zur Geltung, weil in den Bezirken um diese 
iußere Protuberanz herum namentlich gegen die sog. Fossa alaris 
lin aus andern Ursachen eine Erhöhung statthaben kann. Durch- 
Behtunes- wie Röntgenbilder dieser Region zeigen zur Genüge, wie 
serade hier äußerlich etwa entsprechend der Crista infratemporalis, 
lem Vorderrand der Pars orbitalis der Ala magna, und innen in 
3eziehung zu den kleinen Keilbeinflügeln sich in der reichlich vor- 
handenen Spongiosa wichtige trajektorielle Strukturen ausgebildet 
ıaben. Der individuelle Wechsel namentlich im Stärkegrad solcher 
Sildungen ist bekannt und wohl auf die verschiedenen mechanischen 
erhältnisse der so differenten einzelnen Schädel zu beziehen. Je 
tärker diese Strebepfeilersysteme hier ausgebildet sind, um so 


118 H. Bluntschli 


weniger wird das Relief des Gyrus frontalis inferior sich außen als 
Protuberanz geltend machen können, oft nicht deswegen, weil eine 
Protuberanz überhaupt nicht ausgebildet worden ist, sondern weil die 
Umgebung um diese herum eine derartige Erhöhung erfuhr, daß sie 
sich von jener nicht mehr oder kaum unterscheiden läßt. Der Aus- 
prägungsgrad äußerer Windungsprotuberanzen ist nach meiner Er- 
fahrung in nicht unbeträchtlichem Grade abhängig von der relativen 
Massigkeit eines Schädels, und SCHWALBE hat (1907) feststellen können, 
wie bezüglich der Tiefenausbildung der Fossa alaris Geschlechtsdiffe- 
renzen bestehen und wie die Schädelform einen Einfluß auf den 
Tiefengrad äußerer Sulei eraniales besitzt. Es will mir scheinen, 
als ob hier die Untersuchung im Röntgenbild neben jener des Schädels 
und der Gipsausgüsse in ausgedehntem Maße herangezogen werden 
sollte, man wird dadurch wohl zu einer Vertiefung der Kenntnisse 
kommen und eine Reihe von Fragen klären können, die heute offene 
sind. Mir selbst stehen weder die nötigen Apparate noch die nötigen 
Mittel zur Verfügung, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen. 


2. Das Relief venöser Blutwege an der Innenfläche des Schädeldaches. 

Auf der Innenfläche des Schädeldaches können sich neben Ab- 
drücken von Hirnwindungen auch solche von Venensinus und 
von Hirnvenen finden. Aus der menschlichen Anatomie ist der 
Suleus sagittalis und daneben die Impressio des Sinus sphenoparie- 
talis am bekanntesten. Sehr zahlreiche Lehrbücher erwähnen auch 
seitlich von demselben sog. Foveolae granulares als grubige Ver- 
tiefungen, hervorgerufen durch den Druck Paechionischer Granu- 
lationen. Daß neben den Vv. meningeae mediae und dem Sinus 
spheno-parietalis (MERKEL 1885) auch Hirnvenen, die nach dem Suleus 
sagittalis zustreben und offenbar in diesen oder die Laeunae laterales 
ausmünden, >sich ins Schädeldach eingraben und Furchen« mit medial- 
wärts gerichteten Zusammenfluß der Ästehen erzeugen können, finde 
ich nur bei OÖ. Scuurtze (1899) erwähnt. f 

Ich selbst habe über diese Abdrücke venöser Blutwege am 
Schädeldach an 28 Primaten genauere Aufnahmen gemacht und je- 
weilen auch die Venen selber und ihre genaue Lage zum Gehirn 
und seinen Furchen und Windungen studiert. Diese Beobachtungen, 
die sich auf Prosimier (Lemur 3'), platyrrhine (Ateles 4, Cebus 1) und 
catarrhine Affen (Macacus 5, Papio 1, Oercopithecus 8, er 


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. 
1 Zahl der untersuchten Exemplare. E 
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; 


Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 119 


Colobus 1) sowie Anthropomorphen (Schimpanse 1, Orang 2) beziehen, 
haben mir die Überzeugung beigebracht, daß das Venenrelief bei 
den Affen und Halhaffen in der Regel stärker ausgesprochen ist als 
beim Menschen. 

Was zunächst den Sinus sagittalis superior und seinen 
Abdruck anbetrifft, so ist der letztere beim Menschen selten in ganzer 
Länge am Schädeldach wohl verfolgbar, während dies bei Lemuren 
und den Affen der alten Welt, wie die Gipsausgüsse lehren, die 
Regel ist. Bei den Neuweltaffen war der Suleus sagittalis nur im 
Bereich des Os frontale deutlich. Nach hinten vom Bregma war am 
Gipsausguß meist eine rauhe, bisweilen tiefe, grabenartige Vertiefung 


Fig. 2. 


Fontanell- und Nahtknochen im Schädeldach von Ateles ater (Nr. 606@). A Außen-, B Innenansicht, 
(Halbe natürliche Größe.) 


festzustellen, die nichts mit dem Sinus zu tun hatte, wohl aber mit 
eigentümlichen Össificationsvorgängen entsprechend der Sutura sagit- 
talis zusammenhängen dürfte, die ich an mehreren Präparaten (freilich 
verschiedenen Grades) feststellen konnte. In Textfig. 2 ist das Schädel- 
dach eines großen, weiblichen Ateles ater abgebildet, der aber 
nicht ganz ausgewachsen war, soweit dies aus dem noch nicht voll- 
ständigen Dauergebiß (es fehlen die 2. u. 3. Molaren, und offenbar 
auch die Dauercanini) zu erschließen ist. Äußerlich war an Stelle 
der vorderen und hinteren Fontanelle je eine etwa dreieckige Ver- 
tiefung, deren Boden durch die Fontanellknochen gebildet ward, die 
von innen gesehen viel leichter auseinanderzuhalten sind, als von 
‚außen, wo sie sich überall aufs engste aneinanderlegen. Von innen 
sind auch verschiedene Nahtknochen der Sagittalnaht kenntlich, 
die von außen nicht zu sehen waren, indem sich hier die beiden 
Parietalia nahe aneinanderschieben. Ja diese Nahtknochen der 


120 H. Bluntschli 


Sagittalnaht springen wie ein länglicher Wulst gegen die Schädel- 
höhle vor und ebenso sind die Fontanellknochen am Lambda und 
Bregma etwas vorragend. Das Durchleuchtungsbild zeigte an Fron- 
tale und Parietale ungemein deutliche Windungsliehter und an jedem 
einzelnen der Fontanellknochen sein deutliches Spongiosacentrum. 
Der ganze Bezirk der Nähte und ihrer Schaltknochen war in breiter 
Ausdehnung ohne inneres Windungsrelief. Auch ein zweites und 
drittes Mal beobachtete ich bei Ateles solehe Fontanellknochen am 
Bregma, eine Feststellung die mit den Angaben Fıcausıs (1890), daß 
an dieser Stelle bei Cebiden häufig überzählige Knochen vorkämen, 
übereinstimmt. Danach GAupr (1905) das Auftreten von selbständigen 
Knocheneentren an den Rändern der Schädeldachknochen zu be- 
stimmten Zeiten des Fetallebens ein normales Vorkommnis darstellt, 
handelt es sich auch hier wohl um Reste embryonaler Zustände, die 
sich noch nicht verloren haben. Ob freilich nicht auch pathologische 
Prozesse bei der Ausbildung so zahlreicher Schaltknochen mitgespielt 
haben, ist nicht zu entscheiden. Bekanntlich führt beim Menschen 
Drucksteigerung im Schädelraum (Hydrocephalus) zur Spaltung 
von Schaltknochen und zum abnorm langen Offenbleiben von Schädel- 
nähten. — Immer war bei den Cebiden die Dura mater entlang der 
Sutura sagittalis und zu Seiten dieser auffallend derb und adhaerent, 
was vielleicht auch darauf zurückgeführt werden darf, daß bei den 
Cebiden die Ossificationsprozesse dieser Region sich etwas anders 
abspielen als beim Menschen, und damit hängt meines Erachtens 
auch das regelmäßige Fehlen eines Suleus sagittalis in der Gegend 
zwischen Bregma und Lambda zusammen, das ich bei den Altwelt- 
affen häufig sah. 

Abdrücke von Hirnvenen (Impressiones venarum) sind speziell 
im frontalen Bereich nicht selten, ich sah sie bei Lemuren und ver- 
schiedenen niederen Affen. Hinter dem Bregma sind nur selten 
welche zu finden, vor ihm an verschiedenen Stellen. Während aber 
beim Menschen die Venae cerebri superiores meist unter einem nach 
hinten offenen spitzen Winkel entgegen der Richtung des Blut- 
stromes sich in den Sinus sagittalis ergießen, verlaufen bei den Affen 
diese Venenabdrücke in der Regel ziemlich quer gegen den Sinus, 
um bisweilen kurz vor der Mündungsstelle sogar in oceipitader 
Richtung und nur selten (z. B. Fig. 4 rechte Seite) rostralwärts um- 
zubiegen. Es wird noch zu zeigen sein, daß dieses Verlaufsverhalten 
der oberen Hirnvenen eine entschieden charakteristische Erscheinung 
darstellt, durch die sich der Mensch von den niederen Affen durchaus 


Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 121 


unterscheidet. In den Fig. 4 und 5 auf Taf. I habe ich in Photo- 
graphien von Gipsausgüssen solche Venenimpressionen am Schädel- 
dach naturgetreu abgebildet, essind niedere allmählich verstreichende, 
individuell sehr verschieden weit verfolgbare, wulstige Erhebungen, 
nicht hoch genug, um auf die Spongiosastruktur im Knochen einen 
nachweisbaren Einfluß auszuüben. 

Mit den Impressiones venarum in gewissem Maße vergleichbar 
sind in seltenen Fällen Impressiones lacunarum festzustellen. 
Ausgedehntere Lacunae laterales des Sinus sagittalis superior fehlen 
bei Halbaffen, Platyrrhinen und Cercopitheeiden fast ganz, sie kommen 
nur bei Anthropomorphen vor. Auch hier sind sie wie beim Menschen 
in wechselndem Grad, an Zahl, wie an Länge, ausgebildet. Die Be- 
obachtung an cinem jugendlichen Orang (Textfig. 3) dürfte wohl das 
Maximum von Lacunenbildung darstellen, das vorkommen kann. Der 
Fall bietet deswegen größtes Interesse, weil diese Lacunen am 
Schädeldach tiefe Ein- Fig. 3. 
drücke erzeugten. Die 
Fig. 6 (Taf. I) gibt eine 
Vorstellung dieser Ver- 
hältnisse, wie sie sich 
am Gipsausguß darbieten. 
Jede einzelneder Lacunen 
unsrer Textfig. 3 ist hier 
ohne Schwierigkeit wie- 
der zufinden. Das Durch- 
leuchtungsbild (Tafelfig.7) 
zeigt, wie mehrere dieser 
lacunären Impressionen 
zu starken Verdünnungen 
des Knochens, der im 
ganzen recht stark war, 


führten. Äußere Protu- 


Der Sulcus sagittalis superior mit seinen Lacunae laterales 
beranzen fehlten. Am und den Mündungsstellen der Vv. cerebri superiores eines 


menschlichen Scehädel- Orang utan Nr. 585 (identisch mit Tafelfig. 6) in genauer 


topographischer Relation zu den Hirnwindungen. Die 
dach kann man gelegent- Pacchionischen Granulationen sind durch kleine Kreischen 
lieh seichte Abdrücke von angedeutet. 7/10 nat. Gr. [Anatom. Sammlung Zürich 1907, 
116. SVb 1]. 
Lacunen finden, aber vom 
Vorkommen einer so intensiven und ausgedehnten Abprägung des 
Laeunensystems wie hier ist mir nie etwas bekannt geworden. 


Es ist wohl nicht unmöglich, daß auch einmal beim Menschen 


199 H. Bluntschli 


ähnliches gefunden wird. Ich bemerke nur in Kürze, daß bei 
jenem Örang, weder an den Meningen noch am Gehirn oder den 
Gefäßen, soweit ich dies feststellen konnte, sich irgend etwas fand, 
was auf pathologische Prozesse hinwies. Die Beobachtung dürfte 
eine willkommene Bestätigung für die oben charakterisierte Auf- 
fassung der Entstehung des Innenreliefs am Schädel abgeben. Die 
Blutwege haben sich ihre Bahnen am Schädel selbst gegraben, in- 
dem die Stellen desselben, welche unter dem direkten Einfluß des 
Blutdruckes standen, leichter der Resorption verfielen, als die be- 
nachbarten, wo sich der Blutdruck auf den Knochen nicht geltend 
machen konnte. Über die Entstehung der Sinusabdrücke am Schädel 
hat sich schon Strasser (1901) geäußert. Er geht von den mecha- 
nischen Verhältnissen der Durafixation am Schädel aus und sagt: 
»Nach Maßgabe nun, wie die Venenkanäle sich entwickeln und in 
Sinus umwandeln, werden die anliegenden Knochenflächen in noch 
höherem Grade vor direkter Zugwirkung der Fasermasse geschützt. 
Sie höhlen sich, sei es die Folge dieser Entlastung, sei es unter 
direkter Usur durch den Venenstrom, so weit als dem Umfang des 
letzteren entspricht, während seitlich von ihnen, wo die direkte Zug- 
wirkung einsetzt, vorragende Knochenränder entstehen. Die Weite 
der Venenkanäle aber richtet sich vor allem nach der Gunst des 
Gefälles und man mag sich vorstellen, daß nach den Stellen hin, 
wo günstigere Abflußbedingungen vorliegen, resp. von diesen aus 
rückwärts die Sulei venosi sich ausweiten und tiefer in den Knochen 
eingraben. Es dürften hier ähnliche Verhältnisse vorliegen, wie bei 
der geologischen Erosion, die an und mit Stelle des größten Gefälles 
stromaufwärts fortschreitet. « 

Neben Impressiones digitatae und venosae kommen an der Innen- 
fläche des Schädeldaches noch die Abdrücke Pacchionischer Granu- 
lationen, sog. Foveolae granulares vor. Auch sie fehlen bei den 
Affen nicht. Für ihr Studium hat sich ebenfalls die Methode der 
Anfertigung von Leim- und Gipsausgüssen als zweckmäßig erwiesen. 
Am Kölner Naturforschertag (1908 b) habe ich kurz über meine Er- 
gebnisse berichtet und meine Präparate demonstriert. Ich habe mich 
aber damals sehr kurz fassen müssen und manches nicht darlegen 
können, was ich jetzt nachtragen möchte. Dabei muß ich weiter 
ausholen und einen Überbliek geben über das Verhalten der Venae 


cerebri superiores der Primaten, weichen diese doch in verschiedener 
Hinsicht von den Verhältnissen ab, die uns vom Menschen her ge- 


läufig sind. 


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Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 123 


3. Über die oberen Hirnvenen der Primaten. 


Der Beschreibung muß ich einige technische Vorbemerkungen 
vorausschieken. Die Injektion mit erstarrenden Farbmassen erwies 
sich für das Studium der Hirnvenen als unzweckmäßig, von der 
Cava superior aus füllten sie sich niemals gleichmäßig, und die 
Kanüle direkt in den Sinus sagittalis superior einzubinden gelang 
auch nicht befriedigend. Sehr viel einfacher und günstiger war es, 
eine einfache Stauung in den Venen herbeizuführen und so gewisser- 
maßen die natürliche Füllung als Mittel zum Zweck zu verwerten. 
Die mit Formalinlösung in das Arteriensystem injizierten Affen lagerte 
ich 24 Stunden so, daß der Kopf eine tiefere Lage einnahm, als der 
Rumpf. Wenn dann das Schädeldach weggenommen wurde, schim- 
merten bereits vielfach die rötlichen Hirnvenen durch die Dura mater 
durch und selbst nach Eröffnung des Sinus sagittalis sup. konnte 
die natürliche Füllung unschwer durch Hochlagern des Kopfes er- 
halten werden. Zu der nachfolgenden Beschreibung zog ich nur 
Fälle mit starker Füllung in Betracht und vermied es möglichst, 
diejenigen mit nur partiellem Venenbild heranzuziehen. Esist klar, 
daß unter Umständen auch trotz dieser Vorsichtsmaßregel ein kleineres 
Gefäß oder eine Anastomose übersehen werden konnte, aber diese 
Möglichkeit bringt ja jegliche nur makroskopische Untersuchungs- 
methode mit sich. Immerhin bin ich sicher, die größeren Gefäße 
alle beobachtet und aufgenommen und ihr Mündungsverhalten einem 
im einzelnen genauen Studium unterworfen zu haben. Um die 
topographischen Beziehungen der Hirnvenen zum Gehirn und dem 
Sinus in ihren natürlichen Verhältnissen zu erkennen, war ein etwas 
umständliches graphisches Aufnahmeverfahren nötig, das sich aber 
durchaus bewährte. 

Nach Wegnahme des Schädeldaches wurde der Sinus eröffnet 
und nun sofort eine genaue Zeichnung gemacht, in welche auch der 
Verlauf der durch die Dura mater meist deutlich durchschimmernden 
Hirnvenen eingetragen wurde. Am Sinus wurde besonders auf seit- 
liche Lacunen und auf die Mündungsstellen von Hirnvenen geachtet. 
Jetzt erst wurde auf der einen Hälfte die Dura mater entlang dem 
Sägeschnitt losgetrennt und so weit vorsichtig zurückgeschlagen und 
allmählich abgetragen, bis das Hirnrelief und die einzelnen Venen 
bis nahe zum Sinus verfolgt werden konnten. Jetzt wurde wieder 
eine genaue Zeichnung (mit Hilfe von Mattscheibe, Zirkel und Zenti- 
meter) angefertigt. Für die Feststellung des Mündungsverhaltens der 
Venen wurde vorsichtige Sondierung, vor allem aber die einfache 


124 H. Bluntschli 


Methode des Ausstreichens ihres flüssigen Inhaltes mit Beachtung 
der Ausflußstelle angewandt. War die eine Seite genau aufgenommen, 
so kam die zweite daran. Beim nachfolgenden Herausschneiden der 


Fig. 4. 


Die Oberfläche des Großhirnes von Zemur catta (Nr. 626 ©) mit dem Verlauf der Hirnvenen. Nat. Gr, 


Falx cerebri wurde das Mündungsverhalten der Venen nochmals 
kontrolliert und erst danach wurden die Mündungsabschnitte durch- 
trennt. Endlich machte ich nach Herausnahme des Gehirnes und 


Fig. 5. 


Die Oberfläche des Großhirnes von Zemur catta (Nr. 639Q@) mit dem Verlauf der Hirnvenen. Nat. Gr. 


Präparation desselben noch ein dritte Zeichnung allein von diesem, 
aber genau in entsprechender Lage wie die vorhergegangenen. Auf 
Pauspapier übertragen konnten nun die Einzelzeichnungen überein- 
ander gelegt werden und wurden leichte Zeichenfehler unschwer 
kenntlich. Auf diese Weise sind durch Kombination von Einzelauf- 


ir; P. 


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Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 125 


nahmen die Textfig. 14—16 entstanden, welche die Ergebnisse 
meiner Bemühungen illustrieren. Zum leichteren Verständnis und 
zur genauen Beziehung des Venenverlaufes auf die Hirnoberfläche 
habe ich jeweilen ein einfaches Windungsbild des betreffenden Ge- 
hirnes beigefügt und die wichtigsten Sulei und Fissuren bezeichnet. 
In der Benennung folgte ich für die Halbaffen der Namengebung, 
die ErrıorHa Smrra (1900) eingeführt hat, für die Affen derjenigen, 
die Rerzıus (1906) in seinem Werke über das Affenhirn gebrauchte. 

Betrachten wir zuerst die Verhältnisse bei Lemur (Fig. 4 u. 5), 
so finden wir eine Teilung des glattwandigen Sinus sagittalis superior 
in die beiden Sinus transversi unter relativ kleinem Winkel, der sich 
kaum stark von einem rechten entfernt (vgl. meine Mitteilung 1908a) 
und sehen wir in den Sinus von rechts und links her die einzelnen 
Venae cerebri superiores in querem oder oceipitalwärts gerichtetem, 
spitzwinkligem Verlauf einmünden, nachdem sie in nächster Nähe 
der Mündungsstelle die Dura durchsetzt haben. Es scheint schwer, 
in beiden Figuren identische Gefäße aufzudecken, wie auch deren 
Zahl variiert, doch möchte ich das Augenmerk auf eine Vene richten, 
welche jederseits in unsern Figuren etwa in der Mitte des Suleus 
coronalis beginnt und medialwärts zieht. Dieses Gefäß prägte sich 
beide Male auch am Schädeldach ab und besitzt, wie wir noch 
sehen werden, auch bei Affen eine ziemliche Konstanz. Wichtig 
erscheint mir endlich auch jene Vene, welche aus der Fissura Sylvi 
zum Suleus lateralis und am hinteren Ende desselben medialwärts 
zum Sinus sagittalis läuft. In Fig. 4 ist sie rechts und links allem 
Anschein nach ein gleiches Gefäß, Fig. 5 zeigt aber, daß Verdoppelung 
vorkommen kann, und es ist nicht unmöglich, daß die entsprechende 
Vene der linken Körperseite, die weiter rostralwärts einmündet, einem 
dritten Gefäßchen entspricht. Es ist also nicht von einer absoluten 
Homologie dieser einzelnen Venen zu sprechen, sondern nur von einer 
annähernd entsprechenden Lage und Verlaufsrichtung, wobei die Frage 
offen bleiben muß, wie diese zustande kommt. 

Meine Beobachtungen an Platyrrhinen beziehen sich nur auf 
Ateles und Cebus und sind leider nicht ganz einwandfrei. In mehreren 
Fällen war der Füllungsgrad der Venen zu ungenügend, um sichere 
Resultate zu erzielen. Ich beschränke mich daher auf die Wieder- 
gabe nur einer Figur von Ateles (Textfig. 6), wobei ich darauf zu 
achten bitte, wie die vorderen Venen vom Suleus frontomarginalis, 
präcentralis, frontalis sup., centralis und retrocentralis (S.r.c.) alle 
mehr oder weniger quer zum Sinus verlaufen. Diese Feststellung 


126 H. Bluntschli 


konnte ich auch bei andern Ateles-Species und Cebus libidinosus 
machen. Eine wichtige Venenmündungsstelle ist die Gegend, wo 
die Fissura parieto-oceipitalis medialis (F.p.o.m.) von der medialen 
Hemisphärenfläche zur Konvexität umbiegt, wo sie nach kurzem 
Verlauf endigt. In dieser Region mündet stets von der Seite her 
aus dem Suleus simiarum kommend, eine Vene (vgl. Textfig. 6) und 
meist auch eine Vene aus dem Suleus interparietalis und Sulcus 
temporalis superior, wie wir dies bei ÖCercopitheciden als Regel an- 
treffen werden. Auch hier nehmen die Venen vor ihrer Mündung 
keinen längeren intraduralen Verlauf. Der Sinus sagitt. sup. der 


Fig. 6. 


Die Oberfläche des Großhirnes von Ateles Geofroyi Nr. 621 5 mit dem Verlauf der Hirnvenen, 
2/3 nat. Gr. Mit kleinen Kreischen sind in der Nachbarschaft der Fissura parieto-occipitalis medi- 
alis Rauhigkeiten der Arachnoidea angedeutet, 


Platyrrhinen ist glattwandig, ohne Trabekel und in der Regel obne 
Seitentaschen. Kleine Lacunen habe ich zweimal beobachtet, bei 
Ateles Geoffroyi (Textfig. 6) in der Höhe der Fissura parieto-oceipitalis 
medialis, bei einem Cebus lbidinosus ebenda, wie auch bei der 
Mündung der Venen aus dem Sulcus frontalis sup. Diese kleinen 
Lacunen waren aber alle ganz kurz und wenig weit, bei den andern 
Tieren fehlten sie völlig. 

Über das Verhalten der Hirnvenen bei den Cereopitheciden 
habe ich reichere Erfahrung. Zum Ausgangspunkt der Darstellung 
möge uns das Genus Cercopithecus dienen. Wenn wir Textfig. 7 
betrachten, fällt uns auf, wie sehr der Venenverlauf dem Windungs- 
eharakter entspricht. Auf der rechten Seite allein ist eine Vene aus- 
gebildet, die vom Suleus präcentralis superior (S.p.s.) und inferior das 
Blut in querer Richtung dem Sinus zuführt, beiderseits ist eine starke 


h] 


Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 127 


V. sulei centralis vorhanden, und endlich finden wir einen sehr 
wichtigen Venen-Zusammenfluß am medialen Ende der Affenspalte. 
Hier treten eine V. sulei interparietalis, eine V. fossae Sylvi und 
eine V. sulei simiarum zusammen. Diese Mündungsstelle hat etwas 
sehr Charakteristisches, zumal wenn wir uns der oben gemachten anders- 


Fig. 7. 


5.2.5. 


Fig. 8. 


Fig. 7 u. 8. Die Oberfläche des Großhirnes von Cercopithecus ascanius (Nr. 637 ©) mit dem Verlauf 
der Hirnvenen. 2/3 nat. Gr. (Die durch Strichelung angedeuteten Venen fließen nach der medialen 
Hemisphärenfläche ab, Durch Kreischen sind Pacchionische Granulationen angedeutet. 


artigen Beobachtungen bei Lemuren und Platyrrhinen erinnern. In der 
Textfigur 8 füge ich auch Seitenansichten dieses Gehirnes und seiner 
Venen bei, welche uns die bereits gemachte Erfahrung bestätigen, 
daß ein absolut symmetrisches Verhalten nicht vorkommt; wir sehen 
auch, wie die verschiedenen Venen miteinander anastomosieren und 
neben dem Abfluß zum Sinus sagittalis superior Abflußwege nach 


BEER] 


128 H. Bluntschli 


der Schläfenregion in Frage kommen. An der linken Hemisphäre 
sind es zwei, an der rechten eine starke Vene, welche sich in den 
Sinus petroso-squamosus (vgl. meine Mitteilung 1908a) ergießen, nur 


Fig. 9. 


Die Oberfläche des Großhirnes von Cercopithecus patas (Nr. 623 5) mit dem Verlauf der Hirnvenen. 
2/3 nat. Gr. 


die hintere linke Vene tritt gerade an der Zusammenflußstelle der 
Sinus petroso-squamosus, Sinus transversus und Sinus petrosus- 
superior zum Sinus sigmoideus ein. Die lateralen Großhirnvenen 


Fig. 10. 


Die Oberfläche des Großhirnes von Macacus cymomolgus (Nr. 617 5) mit dem Verlauf der Hirnvenen, 
2/3 nat. Gr. 


machen den oberen das Wurzelgebiet in verschiedenem Grade streitig, 
während rechts noch stärkere Abflüsse vom Frontallappen zum Sinus d 
longitudinalis sup. und den Venen der medialen Hemisphäranläu 
bestehen, ist links dieses Gebiet fast ganz der vorderen Temporal- 
vene angeschlossen. Ebenso fließt links das Blut vom Oceipitallappen 


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Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 129 


Fig. 11. 


Die Oberfläche des Großhirnes von Macacus cynomolgus (Nr. 597 5) mit dem Verlauf der Hirnvenen. 
2/3 nat. Gr. 


Die Oberfläche des Großhirnes von Macacus pileatus (Nr. 627 Q@ altes Tier) mit dem Verlauf der 
Hirnvenen. 2/3 nat. Gr. 


5. simiar. 


) 


Die Oberfläche des Großhirnes von Macacus inuus (Nr. 620 5) mit dem Verlauf der Hirnvenen. 
2/3 nat. Gr. 


Morvholog. Jahrbuch. 41. 9 


130 H. Bluntschli 


und den oberen Teilen des Lobus temporalis vorwiegend durch die 
Vena sulei simiarum ab, während rechts ein Teil des Blutes zur 
hinteren Temporalvene strömt. Alle weiteren Beobachtungen bei 


Die Oberfläche des Großhirnes von Macacus manarus (Nr. 596 5) mit dem Verlauf der Hirnvenen. 
2/3 nat. Gr. 


Cereopitheeiden (Textfig. 9—15) zeigen auffallende Ähnlichkeit mit 
den aus Textfig. 7 bekannten Verhältnissen. Es kommen wohl weitere 
kleine, dem Sinus sagittalis sup. zustrebende Venen hinzu, und 


Fig. 15. 


S. simierum. 


Ser: 


Die Oberfläche des Großhirnes von Papio maimon (Nr. 618 @) mit dem Verlauf der Hirnvenen. 
2/3 nat. Gr. 


ebenso tritt bisweilen eine Vena sulei fronto-marginalis auf, deren 
Mündung in den Sinus auf den Figuren nicht überall mehr siehtbar 
wird, weil sie am Vorderende des Suleus statthat, aber die typischen“ 


i 


Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 131 


Venen der Sulei präcentralis, des S. centralis und das Venentrio, 
das am medialen Ende des Suleus simiarum mündet, sind 
regelmäßig auffindbar. Am Schädeldache prägen sich häufig die 
Venen aus dem Suleus fronto-marginalis und Suleus präcentralis ab. 
Daß es sich auch hier nicht um absolut homologe Gefäßchen, wohl 
aber um typische Verlaufsstraßen handelt, zeigen Beobachtungen wie 
Textfig. 9 links, 12 rechts, 13, wo von einer Vena sulei präcentralis 
nicht gesprochen werden kann, sondern mehrere kleinere Venen be- 
stehen, wie Textfig. 13—15, wo die Vena sulei centralis mehrfache 


Die Oberfläche des Großhirnes eines Schimpanse (Nr. 599 ©) mit dem Verlauf der Hirnvenen. Etwas 
weniger als 2/3 nat. Gr. (Als Ringelchen sind die Pacchionischen Granulationen, mit feiner 
Strichelung die Venen, die zur medialen Hemisphärenfläche treten, angegeben), 


Mündungen besitzt, und Textfig. 13 links und 15 links, wo dasselbe 
von dem Venentrio zu sagen ist. Ebenso ist das Abflußgebiet der 
Temporalvenen, die bei Macacen und Papio durch den Sinus petroso- 
squamosus zum Sinus sigmoideus und außerdem durch den Canalis 
temporalis ihr Blut ergießen, verschieden ausgedehnt. Trotz dieser 
Verschiedenheiten im einzelnen fällt die außerordentlich typische 
Verlaufsweise der Hirnvenen auf, in vieler Beziehung in enger 
Relation zu den Hirnfurchen, aber doch keineswegs (z. B. Frontal- 
region) nur aus dieser verständlich. Es scheint mir wichtig, darauf 
besonders hinzuweisen, daß von einem frontalwärts gerichteten Blut- 
abfluß und von spitzwinkliger rostrad gerichteter Mündung der Hirn- 
venen, wie beim Menschen, hier nirgends etwas festzustellen ist. Aus 
dem oberen Gebiet des Frontallappens vom Suleus centralis und 
9* 


1323 H. Bluntschli 


präcentralis fließt das Blut immer in nahezu querer Richtung dem 
oberen Pfeilsinus zu, gegen die Fissura parieto-oceipitalis medialis 
und ihre Verbindung mit der Affenspalte aber ist ein Zusammen- 
tluß meist oceipitalwärts gerichteter Venen festzustellen. Gelegent- 
lich treten auch vom Oeceipitallappen Venen zu dieser Confluenz- 
stelle, öfters münden oceipitale Venen in senkrechter Richtung 
direkt in den Sinus. Die Hirnvenen werden dabei öfters schon auf- 
fallend weit lateral vom Sinus von der Pia mater frei, verlassen 
diese, durchsetzen die Arachnoidea und lagern nun im weiteren 
Verlauf auf dieser, um meist erst unweit ihrer Mündung in den 
Sinus in die Dura mater einzudringen. Beschäftigen wir uns noch 
kurz mit dem Sinus sagitalis superior selber. Auch hier ist er in 
der Regel glatt, hat keine Trabekel und namentlich im hinteren 
Teil ein im Querschnitt etwa dreieckiges Lumen, Reste von einer 
ursprünglichen Anlage aus zwei Gefäßen finden sich selten (z. B. 
Textfig. 14) in Gestalt partieller Reste eines medianen Septums. 
Beim Menschen sind solche Reste bekanntlich häufiger (Knorr 1882, 
Mannu 1907). Lacunae laterales kommen relativ selten vor, sie sind, 
wo vorhanden, nur klein und meist an der Stelle der Mündung des 
Venentrios oder zwischen diesem Punkt und der Mündung der Vena 
sulei centralis zu finden. Ein einziges Mal (Semnopithecus) lagen 
auch welche noch weiter rostral. Von 15 darauf untersuchten Cerco- 
pitheeiden waren in 10 Fällen keine Spuren von Lacunen an- 
zutreffen. 

Von Anthropomorphen hatte ich zunächst bei einem jugend- 
lichen Schimpanse Gelegenheit, genauere Aufnahmen zu machen, 
schon der erste Blick auf die Textfig. 16 zeigt hier ein ganz andres 
Verlaufsverhalten der Vv. cerebri superiores, das weit mehr den 
menschlichen Zuständen als jenen der Cercopitheeiden gleicht, da- 
durch gegeben, daß eine Anzahl Venen aus oceipitaleren Rinden- 
bezirken einen stark rostrad gerichteten Verlauf nehmen, ehe sie in 
den Sinus eintreten, und daß das Venentrio in der Gegend der 
Fissura parieto-oceipitalis fehlt. Daß auch hier wieder gewisse 
Asymmetrien bestehen, wundert uns nicht. Im ganzen Gebiet zu 
Seiten des Sinus ist von einer Beziehung des Venenverlaufes zu den 
Hirnfurehen nichts festzustellen, die Venen haben sich völlig emanzi- 
piert. Vom Sulcus praecentralis, eentralis und retrocentralis und noch R 
weiteroceipital gelegenen Gebieten laufen starke Venen rostralwärts, um 
nach Durchsetzung der Arachnoidea und kürzerem, freiem, subduralem 
Verlauf in die Dura mater und, fast an derselben Stelle, in wohl aus- 


Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 133 


gebildete Lacunen einzumünden, die sich etwas nach vorn von der 
Höhe des Suleus präcentralis beiderseits finden. Die Vena sulei simi- 
arum, links verstärkt durch Zufluß aus dem Gebiet des Suleus inter- 
parietalis, verhält sich in ihrer Mündung beiderseits verschieden. 
Während sie rechterseits an die mediale Hemisphärenfläche tritt 
und erst auf dem Umweg durch die Falx cerebri den Sinus sagit- 
talis sup. erreicht, findet dasselbe links nur für einen Teil des ge- 
spaltenen Mündungsabschnittes der Vene statt, der andre läuft 
rostral- und medialwärts, gelangt an die mediale Hemisphärenfläche 
und erst beträchtlich weiter vorn wieder auf die Konvexität der 
Hemisphäre, um nun in gleicher Höhe wie eine kleinere, rechts- 
seitige Vene aus dem Gebiet des Lobulus parietalis superior in den 
Sinus einzutreten. — Die Textfig. 3 von einem jungen Orang zeigt 
uns ebenfalls den überall rostralwärts gerichteten Venenverlauf und 
die Emanzipation der Mündungsabschnitte der Venen von der 
Hirnfurchung. Das periphere Venengebiet war nicht deutlich genug 
festzustellen. Immerhin lassen sich mancherlei Anklänge an das 
Verhalten bei Schimpanse und keine an jenes der Öercopitheeiden 
finden. Bei dem oben beschriebenen Schimpanse habe ich auch 
das Verhalten an den seitlichen Hirnvenen aufgenommen und beider- 
seits eine starke Temporalvene angetroffen, die links zum Sinus 
petrosus superior, rechts in einen mäßig starken Sinus petroso- 
squamosus (welcher links übrigens auch nicht fehlte) sich ergoß, 
etwa entsprechend der Impressio des Gyrus temporalis medius. 
Bei einem zweiten Orang fehlte beiderseits der Sinus petroso- 
squamosus, dagegen sah ich auf der rechten Seite ein merkwürdiges 
Verhalten des Sinus petrosus superior. Von der Mitte desselben 
ließ sich ein mäßig starker Sinus in die mittlere Schädelgrube über 
die vordere Petrosumfläche herab verfolgen, der etwas lateral vom 
Foramen ovale endigte und daselbst eine starke Temporalvene vom 
Gehirn her aufnahm. Links fehlten Sinus und Vene. Andre Tem- 
poralvenen traten beiderseits an der Vereinigungsstelle von Sinus 
petrosus superior und transversus ein. Auch der Sinus longitudinalis 
superior der Anthropomorphen gleicht mehr dem Menschen als den 
Cercopitheciden, er ist weit, regelmäßig stark zerklüftet und oft von 
Balken durchsetzt, mit Aussackungen gegen die Falx hin und mit 
glattwandigen Lacunae laterales versehen. Die Zahl der letzteren 
ist, wie beim Menschen, im Einzelfall ebenso different als die Größe, 
aber in der Regel ist doch die Laeunenbildung unverkennbar fort- 
geschritten gegenüber den Verhältnissen bei niederen Affen. Wie 


134 H. Bluntschli 


weit die Ausbildung von Lacunen gehen kann, hat uns ja Textfig. 3 
gelehrt. Beim aufgeschnittenen Sinus lassen sich 3 Abschnitte aus- 
einanderhalten, ein vorderster, der bis nahe an die Kranznaht des 
Schädels reicht und einen dreieckigen Querschnitt mit steilgestellten 
Seitenrändern und schmalem Dach zeigt, er ist der engste. Es folgt 
der weiteste, mittlere mit breitem Dach und geringer Tiefe, sein 
Ende entspricht etwa dem Lambda. Der dritte hat ein Querschnitts- 
verhalten wie der erste, nur ist er im ganzen weiter als dieser, 
seine Wandungen fand ich immer glatt. Lacunen kommen meiner 
Erfahrung nach nur an den zwei vorderen Abschnitten vor. 


Über die Venae cerebri superiores und die Lacunenbildung des 
Sinus sagittalis superior beim Menschen fassen sich die Lehr- und 
Handbücher, soweit ich sehe, auffallend knapp. Alle erwähnen, 
daß die Vv. cerebri superiores in der Regel entgegen der Richtung 
des Blutstromes in den Sinus eintreten (LuschKA 1867, HExLeE 1876, 
(GEGENBAUR 1896). Auch Knorr (1882), der den Cerebralsinus des 
Menschen eine ausführliche Untersuchung widmete, gibt dasselbe an. 
Nach ihm treten die oberen Hirnvenen schräg durch die Sinuswand, 
wie der Ureter durch die Blasenwand. Wenn HENxLE sagt, daß die 
Stämme der Venae cerebri superiores sich in den Furchen der 
Hemisphären hielten, so denkt er dabei wohl nur an die lateralen Ab- 
schnitte derselben, erwähnt er doch selbst den stark rostralen Ver- 
lauf und die schräge Mündung, die für die hinteren Venen am aus- 
gesprochensten Sei. GEGENBAUR spricht von vorderen Vv. cerebri 
superiores, die vom Stirnlappen kommen, mittleren aus der Um- 
gebung der Centralfurche und hinteren vom Oceipitallappen. Die 
ausgezeichnete Abbildung in Torprs (1905) Atlas zeigt diese 
Gruppierung ebenso wie den schrägen Vorwärtsverlauf aller 
oberen Hirnvenen. Dabei läßt sich auch hier erkennen, daß die 
vorderen Venen diese Steilheit am wenigsten ausgeprägt zeigen 
und bisweilen fast rechtwinklig münden (HenLeE 1876, MERKEL 1885). 
Die Zahl der oberen Hirnvenen wird entsprechend den tatsächlich 
wechselnden Verhältnissen verschieden angegeben, im Minimum 8, 
im Maximum 15. MERKEL tut der Angaben BrownınGs! Erwähnung, 
wonach zwei Gruppen von Venen zu unterscheiden seien, eine vor- 
dere und eine hintere. Erstere sollen in das erste Drittel, letztere 
in die beiden hinteren Drittel des Sinus eintreten und zwischen 


1 Die Spezialuntersuchung von BROwnInG über »The veins of the brain 
and its envelopes« (Brooklin 1884), die MERKEL erwähnt, war mir nicht zugänglich. 


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Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 135 


beiden oft ein 4—5 em langer Zwischenraum bestehen, wo über- 
haupt keine Venen münden. Die spitzwinklige Mündung wird ihrem 
physiologischen Verhalten nach als eine Art Klappenverschluß auf- 
gefaßt, der den Rückstrom des Blutes hindern soll (HEXLE, KnorTr, 
MeErkeEr). — Über die Ontogenie dieser Hirnvenen finde ich nirgends 
in den neueren Arbeiten (SALzER 1895, HocHstEerrer 1903, MALL 
1904, Densstepr 1904, Grosser 1907) irgendwelche genauere An- 
gaben. Nach Mau bildet sich der Sinus sagittalis susp. als eine 
Anastomosenkette von Venae cerebri paarig auf der Dorsalseite des 
Gehirnes aus, um dann mit dem anderseitigen zu verschmelzen. 
Über das Verhalten der oberen Hirnvenen in der Wirbeltier- 
reihe finden sich die reichsten Angaben bei Hormann (1901), der 
Vertreter aller Klassen untersuchte. »Die Venen der dorsalen Seite 
des Großhirns ergießen sich bei der Mehrzahl der Gehirne zum 
größten Teil in den Sinus sagittalis superior. Bei den Fischen, wo 
die Sinusse noch vollständig fehlen, wird das Blut dieser Teile ent- 
weder durch eine eigene Vena cerebralis anterior (Rex) abgeführt 
oder strömt dem Foramen jugulare zu.« Für unsre Ableitungen 
kommen nur die Zustände, die Hormann bei Amnioten fand, in 
Frage. Bei Testudo graeca treffen wir auf der Dorsalseite am me- 
dialen Rand der Großhirnhälften jederseits eine V. sagittalis superior, 
die eigentliche Fortsetzung der V. cerebri superior anterior, die jeder- 
seits in der Furche zwischen Hemisphäre und Bulbus olfactorius 
verläuft. Erst in der Gegend der Zirbelärüse verschmelzen die 
Vv. sagittales superiores zu einem unpaaren Gefäß. »Der paarige 
Absehnitt der V. sagittalis sup. nimmt außer den Venen des Bulbus 
olfactorius noch die ganzen Venen der medialen sowie der oberen 
und der äußeren Seite der Großhirnhemisphärenoberfläche auf. 
Die stärksten dieser Venen, die man als Vv. cerebri sup. mediae be- 
zeichnen kann, haben einen stark nach hinten und oben gerichteten 
Verlauf und münden unter sehr spitzem Winkel in die V. sagittalis 
sup., ja sie können sogar vor ihrer Einmündung eine Strecke weit 
nahezu parallel zu ihr und dicht neben ihr gelagert caudalwärts 
verlaufen.« Dieselbe Verlaufsriehtung kommt den Venae cerebri 
sup. posteriores zu. (Ganz anders lauten die Angaben von den 
Vögeln (Huhn, Ente und Gans). Hier besteht ein unpaarer Sinus 
sagittalis superior. Die stärksten Venen der dorsalen Großhirn- 
partie werden durch die jederseits in rostraler Richtung verlaufende 
V. cerebri superior anterior dargestellt, welche sich in den Annulus 
venosus cerebri (NEUGEBAUER) ganz nahe seiner Verbindungsstelle 


136 H. Bluntschli 


mit dem Sinus sagittalis superior ergießt. Während seines Ver- 
laufes an der dorsalen Mantelkante nimmt der Sinus eine größere 
Zahl unscheinbarer Vv. cerebri superiores mediae unter rechten 
Winkeln auf. An seinem caudalen Ende (resp. schon in den Sinus 
transversus) münden jederseits eine, seltener zwei hintere obere 
Hirnvenen. Von Säugetieren hat Horumann Vertreter der Insecti- 
vora (Erinaceus, Talpa), Rodentia (Lepus cuniculus, Cavia cobaya, 
Sciurus vulgaris), Carnivora (Hund und Katze), Artiodactyla (Capra 
hircus, Ovis aries, Cervus elaphus, Bos taurus, Sus scropha) und 
Perissodaetyla (Eguus) untersucht. Im einzelnen liegen die Verhält- 
nisse recht verschieden. Ein Sinus sagittalis sup. ist noch nicht 
überall anzutreffen, öfters (Talpa, Lepus) findet sich noch eine Vena 
sagittalis sup. an seiner Stelle, die nur lose Verbindungen mit der 
auflagernden Dura mater besitzt. Auch die Zahl der oberen Hirn- 
venen wechselt stark. Die V. cerebri sup. ant. in der Abschnürungs- 
furche zwischen Riechkolben und Hemisphäre, die oben von TESTUDO 
beschrieben wurde, besteht deutlich erkennbar noch beim Igel, häufig 
aber ist sie nicht mehr so charakteristisch ausgeprägt, besitzt 
größeres Wurzelgebiet oder zeigt Verdoppelung. Sie stellt den 
Anfang des Sinus dar, indem an ihrer Mündung, die senkrecht oder 
spitzwinklig (Spitze nach hinten) erfolgt, der Sinus beginnt. Von 
dieser Vene abgesehen, münden die oberen Hirnvenen fast immer 
unter nahezu senkrechtem Winkel (Erinaceus, Lepus, Cavia, Sus, 
Eguus usw.), die hinteren, von denen öfters ein Teil sich direkt in 
den Confluens sinuum oder den Sinus transversus ergießt, nehmen 
einen caudal gerichteten Verlauf. Abseits stehende Zustände zeigt 
Talpa, wo an der Außenseite des Großhirns eine sagittal nach vorn 
ziehende Vene, ähnlich wie bei den Vögeln, sich findet. Von In- 
teresse sind auch parallel zum Sinus verlaufende Längsvenen, die 
mit den Vv. cerebri superiores anastomosieren und bei Lepus cuni- 
culus einen Teil des Venenblutes direkt dem Confluens sinuum zu- 
führen. Einzig beim Hund ! sehen wir das Venenblut aus oceipitaleren 
Gebieten (vordere Bogenwindungen, Inselgebiet) einer starken Vena 
cerebri superior media mit rostrader Verlaufsrichtung, aber nahezu 
senkrechter Mündung in den Sinus zuströmen. 

Vergleichen wir diese und die freilich wenig ausführlichen, 
ähnlich lautenden Angaben DEnNnstEpTs (1904) für die Haussäuge- 
tiere mit unsern Feststellungen, so ergibt sich erstens, daß die 


1 Die Angaben DENNSTEDTs widersprechen dem übrigens. 


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Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 137 


Verlaufsweise und die Zahl der oberen Hirnvenen der Primaten, 
besonders der niederen unter ihnen, ebenso charakteristische Unter- 
schiede jenen andern Mammaliern gegenüber aufweisen, wie die 
Großhirnfurchung. Nirgends sonst bestehen jene charakteristischen 
Venenbahnen unsres sog. Venentrios. Überhaupt ist bei den Säuge- 
tieren excel. die Primaten eine geringere Relation zwischen der Ver- 
laufsrichtung der Venen und dem Hirnfurchenverlauf festzustellen. 
Die zweite charakteristische Besonderheit diesmal nur der Anthro- 
pomorphen und des Menschen, den niederen Säugetieren gegenüber, 
betrifft die rostrade Verlaufsrichtung der oberen Hirnvenen und 
die Mündung in den Sinus entgegen der Richtung des Blutstromes!. 
Dies ist zweifellos eine höchst auffallende Tatsache, die ihre Paral- 
lele vielleicht nur in ähnlichen, freilich weit weniger ausgesprochenen 
Verhältnissen beim Hunde (nach den Angaben Hormanns) besitzt. 
Die ursprüngliche Mündungsweise ist zweifellos jene spitzwinklige 
nach hinten, wie wir sie von den Reptilien kennen lernten, dem- 
gegenüber stellt bei fast allen Säugetierordnungen unsres Wissens der 
ziemlich rechtwinklige Eintritt, bisweilen nach kurzem intraduralem 
Verlauf, die Regel dar. Wesentlich andre Zustände finden sich 
nur beiden höchsten Primaten. Hier treffen wir als unbestreitbare 
Tatsache in der Regel eine Mündung wenigstens der hinteren und 
mittleren Vv. cerebri superiores unter spitzem Winkel in frontader 
Richtung. Nur die vordersten frontalen Venen treten noch nahezu 
senkrecht gegen den Sinus. Nachdem wir sahen, wie der charak- 
teristische Furchungstypus der Primaten mit einem ziemlich charak- 
teristischen Venenverhalten zusammenfällt und sich von den Zu- 
ständen andrer Mammalier unterscheidet, müssen wir wenigstens 
den Versuch machen, in dem differenten Verhalten des Anthropo- 
morphengroßhirnes den niederen Affen und Halbaffen gegenüber 
einen Grund für die Erklärung im verschiedenen Verhalten der 
Venenbahnen zu suchen. Die Unterschiede im Großhirnbau der 
niederen Affen und der Anthropomorphen betreffen an der konvexen 
Fläche des Großhirns vorwiegend den Ausbau des sog. Parieto-oceipito- 
temporalen Grenzgebietes (FLecHsiG), in dessen Bereich sich eine 
sehr auffallende Steigerung der Furchung vollzogen hat, die teil- 
_ weise sogar zur Zerklüftung und zum Verschwinden der für die 
niederen Affen so charakteristischen Affenspalte führte. Diese Hirn- 


1 Nach Textfig. 6 scheint es, als ob sich Ateles bezüglich der hinteren 
Venen dem Anthropomorphenverhalten nähert. Ich muß es aber vorläufig dahin- 
gestellt sein lassen, ob dies ein regelmäßiges Vorkommnis ist oder nicht. 


138 H. Bluntschli 


zone, nach neueren Forschungen das eigentliche Centrum des »Geistes«, 
die bei fast allen Untersuchungen der Gehirne hervorragender Männer 
sich am stärksten ausgebildet erwies (FRoRIEP 1909), hat bei den 
Anthropomorphen und dem Menschen eine bedeutende Ausdehnungs- 
vergrößerung erfahren, nicht zum kleinsten Teil auf Kosten des 
Frontal- und Oceipitallappens, von denen Teile, die ursprünglich 
eine dorsale Lage hatten, nun eine mehr apicale annahmen. Man 
braucht nur z. B. an die Verlagerung des Suleus fronto-marginalis 
nach vorn oder der Fissura parieto-oceipitalis nach hinten zu denken. 
Daß bei der Umbildung im Bereich der Fissura simiarum auch das 
Venenverhalten modifiziert werden konnte, ist von vornherein wahr- 
scheinlich zu machen. Es wird uns also nicht wundern, daß wir 
jenes charakteristische Venentrio bei den höchsten Primaten ver- 
missen. Wie weit freilich auch die Änderung der Verlaufsrichtung 
der Venen damit in Zusammenhang gebracht werden darf, entzieht 
sich zurzeit unsrer Kenntnis. Undenkbar ist es nicht, daß für die 
Ausbildung neuer rostral gerichteter Venen im Parietalbereich Umbil- 
dungsvorgänge am Anthropomorphengehirn maßgebend waren. Die 
Mündung der oberen Hirnvenen entgegen der Richtung des Blut- 
stromes wird von den Autoren im Sinne einer Hemmungsvorrichtung 
zur Vermeidung eines Rückstromes der Blutwelle erklärt. Es ist 
wohl klar, daß bei Quadrupeden eine solche Einrichtung aus der 
ganzen Haltungsweise des Kopfes eher verständlich wäre als bei 
Formen, die ihren Kopfin der Regel aufrecht tragen. Dort aber finden 
_ wir von solchen Zuständen nichts, und damit dürfte jene Erklärung 
ihrer Berechtigung entbehren. Überhaupt ist es zurzeit unmöglich, 
die physiologische Bedeutung der geschilderten Verhältnisse zu 
deuten, mehr wie vage Vermutungen zu äußern steht uns nicht an. 
Der Experimentalphysiologie wird es unter Berücksichtigung der 
vergleichend-morphologisch erschlossenen Tatsachen vielleicht möglich 
sein, diese offene Frage der Klärung näher zu bringen. 
Die zweite Unterschiedlichkeit der Anthropomorphen und des 
Menschen gegenüber den niederen Primaten betrifft das Verhalten 
des Sinus sagittalis superior. Diese Differenz ist keine prinzipielle, 
sondern nur eine graduelle. Seine seitlichen Ausweitungen, die 
Laeunae laterales, bei den niederen Affen nur wenig ausgebildet, 3 
nehmen erst bei den Menschenaffen stärkere Entfaltung. Zum Ver- 
ständnis ihres Zustandekommens muß man sich erinnern, daß zu 
Seiten des Sinus beim Menschen, wie den Affen (wovon ich mich 
durch mikroskopische Präparate von Cercopitheeiden überzeugen 


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Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 139 


konnte) und wohl allen Säugetieren (Dennstenr 1904) ein spongiöses 
Gewebe zwischen Endorhachis und Dura mater cerebri (i. e. S.) vor- 
kommt, welches durch feine Kommunikationen mitdem Längsblutleiter 
zusammenhängt und eine Art cavernöser Bildung darstellt. Schon 
LuscHkaA (1867) tut desselben für den Menschen Erwähnung. Die 
Entstehung dieses Gewebes wird aus der Ontogenie der Hirnsinus ver- 
ständlich, die ursprünglich aus echten Venen und Venennetzen hervor- 
gehen (Sarvı 1898, Marz 1904). Streng genommen münden die 
Hirnvenen auch bei den Affen nicht direktin den Längsblutleiter, sondern 
in diese schwammigen Räume zu seinen Seiten und durch diese fast 
immer in geradliniger Fortsetzung der Venenriehtung in den Sinus. 
Man wird kaum fehlgehen, wenn man die Lacunae laterales des 
Sinus als Ausweitungen solcher Mündungskanäle im cavernösen 
Nachbargewebe des Sinus auffaßt. Damit stimmt die Tatsache, daß 
sich solche Lacunen eben vor allem dort ausbilden, wo zahlreichere 
Venen münden. Schon bei Ateles sahen wir kleine Sinusanhänge in 
der Höhe der Fissura parieto-oceipitalis medialis, bei Cereopitheeiden 
kommen kleine Laeunen auch hauptsächlich in der Mündungsregion 
des Venentrios vor, während bei den Anthropomorphen und dem 
Menschen Lacunen in der Stirn- und Scheitelgegend hinzutreten, 
wo jetzt z. T. stärkere Venen münden, während die hinteren Lacunen 
eher kleiner werden. Es ist bekannt, daß auch bei manchen andern 
Säugetieren (Pferd) solche Lacunen (Parasinoidalräume nach ELLEN- 
BERGER-BAUM, venöse Ampullen nach TROLARD) als formenreiche 
Gefäßerweiterungen des Sinus sagittalis vorkommen (HormAann 1901, 
Densstepr 1904). Worin der ursächliche Faktor ihrer Entstehung 
zu sehen ist, das entzieht sich unsrer Kenntnis. Inwieweit etwa 
die Entfaltung des Sinus spheno-parietalis als lateraler Abflußbahn 
des Lacunenblutes damit zusammenhängt, kann ich nicht sagen, da 
ich leider auf diesen Punkt erst aufmerksam wurde, als ich meine 
Untersuchungen bereits abgeschlossen hatte, aber auf eine andre 
auffallende Tatsache muß ich hier hinweisen, auf das Verhalten der 
Pacechionischen Granulationen, welches in unverkennbarer Relation 
zur Anordnung von Hirnvenen und Sinuslacunen steht. 


4. Die Pacchionischen Granulationen und ähnliche Arachnoidealbildungen. 


Nach dem gegenwärtigen Stand unsres Wissens sind die Granu- 
lationes arachnoideales (PaccHıont) beim Menschen normale Bil- 
dungen, welche kolbenartige Auswüchse der Arachnoidea darstellen, 
die im histologischen Bild aus einer oft mehrschicehtigen Epithellage 


140 H. Bluntschli 


und einem bindegewebigen Grundstock mit mehr oder weniger hoch- 
gradiger Verflüssigung bestehen. FıscHEr 1879, TroLarn 1892 und 
Dexssteor 1904 haben sie gelegentlich auch bei einzelnen Haus- 
tieren beobachtet. Ihre Vorstufen, sog. arachnoideale Epithelknoten ! 
haben Schuipr (1902) und sein Schüler Opyxıec (1908) beim 
Menschen studiert und als mehrschichtige Epithelinseln im sonst ein- 
schiehtigen Arachnoideaepithel (namentlich im spinalen) charakteri- 
siert. Offenbar hat sie auch TroLArp 1892 schon gesehen, der von 
weißen Flecken auf der Arachnoidea spinalis berichtet. Über ihre all- 
mähliche Entfaltung in der Primatenreihe habe ich mich selbst (1908 b) 
kurz geäußert und meine Erfahrungen dahin zusammengefaßt, daß 
diese arachnoidealen Bildungen in der ganzen Primatenreihe sich 
nachweisen lassen, im Ausbildungsgrad aber eine große Inkonstanz 
und Variabilität bestehe, eine Feststellung, die wir ja auch für den 
Menschen jederzeit machen können. Epithelknoten in dem Arach- 
noideaepithel, die sich nur mikroskopisch nachweisen lassen, kann 
man bei Halbaffen und Affen an verschiedensten Stellen der Arach- 
noidea cerebri antreffen, sie fehlen oft bei einem Individuum an 
Stellen, wo sie bei andern vorhanden sind, bei dritten findet man 
sie diffus, bei noch weiteren gar keine. Irgendwelche Regelmäßig- 
keit festzustellen gelang mir nicht. Die zweite Stufe der Ent- 
faltung stellt die kleine Paechionische Granulation dar, die noch 
nicht bis zur Dura mater vor- und in diese eingedrungen ist. Sie 
besitzt eine dieke Epithelkappe und einen bindegewebigen Grund- 
stock. Makroskopisch sind solehe Zustände als Rauhigkeiten der 
Arachnoidea sichtbar und mit der Lupe lassen sich oft bereits die 
Einzelkölbehen feststellen. Solehe Bildungen fand ich öfters in der 
Umgebung des oberen Endes der Fissura parieto-oceipitalis medialis, 
z. B. bei Ateles Geoffroyi (Textfig. 6) und Schimpanse (Textfig. 16). 
Im letzteren -Fall dehnten sie sich bis gegen die Centralfurche nach 
vorn hin aus. Abdrücke an der Innenfläche des Schädeldaches fehlen 
in solchen Fällen stets. Endlich wird die dritte Stufe durch 
größere und längere Zotten dargestellt. Das mikroskopische Bild 
läßt eine Verflüssigung des bindegewebigen Grundstockes, Konfluenz 
von Intercellularräumen und Ausdehnung des subarachnoidealen 
Raumes in die Zotten hinein erkennen, die nun ihrerseits, wie dies 


schon L. Meyer (1859 u. 1860) und Key und Rerzıus (1875) für den 


1 Damit identisch scheinen mir die sog. Epithelgranulationen der Arach- 
noidea zu sein, die L. Meyer 1859 beschreibt. 


Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 141 


Menschen feststellten, die Dura mater durchdringen und sich ent- 
weder in die Lacunen und den Sinus oder in das Spatiam epidurale 
(zwischen Endorhachis und eigentlicher Dura mater) ausdehnen. 
Selbstverständlich können solche Granulationen neben arachnoidealen 
Bildungen erster und zweiter Stufe vorkommen. Einmal sah ich 
solche Zotten, die, wie ich bemerken möchte, bei Affen niemals Ver- 
kalkungen und Verknöcherungen aufweisen, bei Lemur (Textfig. 4), 
ferner bei Papio (Textfig. 15) und öfters bei Cercopithecus-Arten 
(©. campbelli, talapoin, ascamias (Textfig. 7)), immer waren sie hier 
auf die Umgebung der Mündung des Venentrios beschränkt und ver- 
ursachten an dieser Stelle Foveolae granulares an der inneren Fläche 
des Schädeldaches. Bei Cercopithecus ascanias (Textfig. 7) ragten 
sie in den erweiterten Sinus longitudinalis hinein. Auch beim Orang 
(Textfig. 3) bestand dieses Zottenpaket mit Prominenz in Lacunae 
laterales, daneben aber eine vordere Anhäufung, die in der Höhen- 
lage etwa dem Gyrus postcentralis entsprach. Die charakteristische 
Lokalisation bei den Affen (den Anthropomorphen?) entsprechend der 
Mündungsstelle des Venentrios steht im Gegensatz zu dem Verhalten 
beim Menschen, wo an der oberen Hirnfläche diese Gebilde entlang 
dem ganzen Sinus sagittalis, namentlich aber in der Scheitelregion 
vorkommen, ganz abgesehen von andern Lokalisationen, wie der 
Gegend der Sylvischen Spalte, dem Pol des Temporal- und Oceipital- 
lappens und andern selteneren Stellen. Bei den Haustieren, z. B. dem 
Pferde, ist die Lokalisation der Granulationen, wie bei den niederen 
Primaten, auf hintere Bezirke der Großhirnhemisphären beschränkt 
(TroLarv 1892 S. 200). Stets aber sind sie beim Menschen wie bei 
Tieren, was schon Lupw. MEYER erkannte, in der Umgebung von 
Blutbahnen, wir wollen genauer sagen von venösen Blutstraßen, 
gelagert, und es ist bekannt, wie gerade die Lacunen des oberen 
Pfeilsinus häufige Lokalisationsstellen abgeben. Die Beziehung der 
Granulationen zum Venensystem besteht auch bei den Affen und 
übrigen Säugetieren, nur ist sie entsprechend dem andern Venen- 
verlauf hier eine andre. 

Zum Verständnis der Granulationes arachnoideales scheint mir 
auch die Kenntnis des arachnoidealen Systems notwendig. Vor allem 
Sterzıs (1901) gründliche Untersuchungen haben gezeigt, daß alle 
Hüllen des Centralnervensystems der Wirbeltiere phylo- wie onto- 
genetisch aus einer Bindegewebslage in der Umgebung desselben 
sich herleiten und daß das innere Periost des Schädels, welches bei 
den Säugetieren mit der Dura mater verklebt, eine Bildung sui 


142 H. Bluntschli 


generis darstellt. Die ursprünglich einheitliche Bindegewebslage 
(Meninx primitiva) ist bei den Fischen durch einen Lymphraum von 
der Endorhachis getrennt. Bei allen höheren Wirbeltieren wird dieser 
Zustand in der Öntogenese durchlaufen, aber überwunden. Bei Am- 
phibien und Sauropsiden teilt sich die Meninx primitiva in Dura 
mater und Meninx secundaria, bei den Säugetieren zerlegt sich die 
letztere weiter in Arachnoidea und Pia mater. Die Lymphräume 
zwischen diesen einzelnen Hüllen sind ebenfalls phylo- wie onto- 
genetisch verschiedenwertig. Als primärer Raum hat der Epi-(Peri-) 
duralraum zwischen Dura und Endorhachis zu gelten, der bei den 
Säugetieren bis auf kleinere endothelausgekleidete Räume schwindet, 
die FıscHer (1879) u. WALDEYER (1880) auch beim Menschen feststellten. 
Zufolge der starken Dickenentfaltung der Dura mater ist diesem Raum 
bei den Säugetieren die Kommunikation mit andern Lymphspatien 
verlorengegangen. Ein sekundärer Raum ist der Sub-(Intra-)dural- 
raum. Er bildet sich durch Konfluenz zahlreicher Intercellularräume 
zu einem weiten Lymphraum. Bei den Amphibien und Reptilien ist 
er noch von zahlreichen Trabekeln, den Resten jener Verbindungen 
von Dura und Meninx secundaria durchsetzt, bei den Vögeln und 
Säugern nehmen diese ab, — er wird mehr und mehr zu einer ein- 
heitlichen Höhle. Wie jeder höher differenzierte Lymphraum ist er 
von Endothel ausgekleidet, welches durch Umbildung aus Bindege- 
webszellen entstand. Während die eine äußere Lage der Dura mater 
innen aufruht, repräsentiert die andre, innere das Epithel der Arach- 
noidea.. Der Name Arachnoidea ist aber erst dann zu brauchen, 
wenn im Innern der Meninx secundaria die Gewebsspalten sich 
mehrten und vergrößerten und so ein Spatium tertium oder sub- 
(intra-)arachnoideale entstand. Dasselbe ist aber keine einheitliche 
Höhle, noch immer bleiben Arachnoidea und Pia durch Trabekel- 
massen in Verbindung. Seine Ausgestaltung scheint mir in der 
Primatenreihe in aufsteigender Richtung im Fluß zu sein. Bei 
Prosimiern und auch bei niederen Affen ist die Arachnoidea weit 
schwerer von der Pia zu lösen, als bei den Anthropomorphen, die 
intraarachnoideale Flüssigkeit scheint dort relativ geringer zu sein 
als hier. TROLARD gibt ersteres auch von den Haussäugetieren an. 
Die Folge der geringen Entwicklung des Subarachnoidealraumes 
äußert sich in stärkerer Abprägung der einzelnen Hirnwindungen 
an der Innen- und z. T. Außenfläche des Gehirnschädels, was unter 
den Primaten ganz besonders für die Prosimier gilt. Ich kann in 
Bestätigung der Beobachtungen Schwauges (1904) angeben, daß bei 


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Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 143 


den Lemuren sich alle oberen Windungen des Gehirnes am Schädel- 
dach innen sehr deutlich abprägen. Bei den niederen Affen ist das 
Windungsrelief am Schädeldach ebenfalls noch, aber freilich schwächer 
ausgesprochen !. Anders aber ist es, wie wir sahen, bei den Menschen- 
affen und dem Menschen. Hier finde ich die Arachnoidea selbständiger 
ausgebildet und das Spatium intraarachnoideale entschieden einheit- 
licher und voluminöser gestaltet. 

Geben wir uns Mühe, aus diesen verschiedenen Feststellungen 
ein einheitliches Bild zu gewinnen, so läßt sich sagen, daß in der 
aufsteigenden Primatenreihe mit der ee, Entfaltung 
des Arachnoidealraumes eine Ausweitung der Venenbahn 
des Sinus sagittalis superior (Lacunae laterales) und eine 
Zunahme und höhere Differenzierung der arachnoidealen 
Wucherungen (Granulationen)statthat. Alle diese Fortbildungen 
werden verständlich unter einem einheitlichen funktionellen 
Gesichtspunkt. Die Versuche von AxeL Key und Rerzıus, wie 
von Fr. FiscHer haben gezeigt, daß die Paechionischen Granulationen 
als Vorrichtungen angesehen werden müssen, die den Abfluß der 
Subdural- und Arachnoidealflüssigkeit in die Venenbahn vermitteln, 
umgekehrt aber ventilartig den Rückfluß von Blut in den Arachnoi- 
dealraum verhindern? Es ist also durchaus verständlich, daß eine 
Zunahme arachnoidealer Flüssigkeit eine entsprechende Entfaltung 
der arachnoidealen Proliferationen ebenso wie bestimmter venöser 
Bahnen zur Folge haben wird. All dies dürfte seinerseits wieder eine 
Erscheinung sein, welche in letzter Linie auf die Größenentfaltung des 
Primatengehirnes zurückzuführen ist. — Beim Menschen gibt es neben 
Arachnoidealzotten, die in die Lacunae resp. in Sinusse proliferieren, 
gerade an der oberen Fläche der Dura mater, und zwar seitlicher 
als das Lacunengebiet des Sinus und ohne Beziehung zu Venae 
meningeae mediae oder dem Sinus spheno-parietalis, stets auch 


1 Auffallend stark, äußerlich womöglich fast deutlicher als bei Lemuren, 
ist es bei gewissen Neuweltaffen, ganz speziell der Gattung Nyetipithecus, wie 
ich vor kurzem an Objekten feststellen konnte, welche der reichen Sammlung 
‚des Herrn Professor GoLpı in Bern angehören und auf die eingehen zu dürfen 
‚ich der großen Güte des Besitzers verdanke. 

{ ®2 Alle andern in der Literatur niedergelegten Anschauungen über die 
Bedeutung und Aufgabe der arachnoidealen Granulationen müssen dieser Erklä- 
Tung gegenüber als unwahrscheinlicher zurücktreten. Namentlich kann die alte 
_Meyversche Auffassung (1860), daß die PaccHionıschen Granulationen quasi einen 
Fixationsapparat des Gehirnes darstellen, die von TRoLARD (1892) neuerdings 
zu begründen versucht wurde, wohl kaum in Betracht kommen. 

4 


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144 H. Bluntschli 


solche, welche scheinbar keine Beziehung zu venösen Bahnen haben, 
wenngleich TroLARrD diese Tatsache bestreitet. Verfolgt man der- 
artige Zustände aber genauer, dann läßt sich zeigen, wie gerade 
diese Wucherungen sich in das Schädeldach eingraben und die 
Lamina vitrea durchbrechen. Stets bleiben sie aber in der Diploö- 
lage liegen und niemals durchsetzen sie die Lamina externa der 
Knochen. Dies beweist, daß auch im vorliegenden Fall eine Relation 
zu venösen Blutwegen, eben den Venen der Diplo&, hergestellt wird. 
Mit dieser Auffassung erscheinen also alle Zottenbildungen der Arach- 
noidea unter demselben funktionellen Gesichtspunkt. Die Arachnoi- 
dealgranulationen sind also wie die Zottenbildungen an den Plexus 
chorioidei zu beurteilen. Ob ihre Aufgabe nur eine rein filtratorische 
ist, scheint mir übrigens fraglich. Cytologische Studien zeigen, daß 
granuläre Einlagerung in ihren Epithelzellen vorkommen, die Drüsen- 
granulis mindestens ähnlich sind, auch die Mehrschichtigkeit der 
Epithellage junger Wucherungen weist auf eine gewisse aktive Tätig- 
keit dieser Zellen hin, die wir zurzeit nicht näher präzisieren 
können. Ebenso haben wir zurzeit keine genügende Erklärung 
über den individuell so wechselnden Entfaltungsgrad dieser Bildungen, 
die sicher normale und regelmäßige Vorkommnisse darstellen und 
auch beim Kinde nie ganz vermißt werden. 


Bemerkungen über Windungsprotuberanzen am Dach der Orbita. 

Obigen Ausführungen, welche sich zum Teil mit dem Windungs- 
relief am Schädel der Halbaffen und Affen beschäftigten, möchte ich 
noch eine kleinere diesbezügliche Feststellung für den Menschen 
beifügen. Schon SchwALgE (1902) und neuerdings Lanpau (1909a) 
haben darauf aufmerksam gemacht, daß trotz der Dünne des Orbital- 
daches und der starken Eingrabung von Impressiones digitata in seine 
obere cerebrale Fläche Windungsprotuberanzen gegen die Augenhöhle 
hinnicht vorkommen. LAanDat hat alsErklärung für diese Erscheinung, 
daß wohl »die Orbita die innere Gestaltung der Schädelhöhle be- 
einflußt und für die Entfaltung der letzteren ein räumliches Hinder- 
nis wird«2, trotzdem aber keine Windungsprotuberanzen bestehen, 
den lichtvollen Gedanken geäußert, daß die Weichteile der Orbita 
wie ein Gelenkkopf, die Orbita selber wie eine Gelenkpfanne an- 
. zusehen seien. Dieser Auffassung wird man im großen ganzen bei- 
pflicehten müssen. Nur gehen meine Erfahrungen nicht dahin, daß 
us E 


1 Wie ich nachträglich sehe, gibt dies schon Merkeu 1885— 18%, 8. 79 a 4 
2 Zitiert nach SCHWALBE. 


Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 145 


das äußere Windungsrelief am Dache der Orbita regelmäßig ganz 
fehle, vielmehr ist es garnicht so selten nur in sehr geringer Aus- 
prägung nachzuweisen, sofern man statt der reinen Inspektion die 
digitale Palpation zur Untersuchung heranzieht, oder wie ich dies 
mehrfach tat, Ausgüsse mit weiß gefärbter Leimmasse anfertigt und 
diese dem besichtigenden Studium unterwirft. Man wird dann häufig, 
wie dies Fig. 8 auf Taf. I zeigt, eine Delle in dem Öberflächenteil 
dieser Ausgüsse feststellen können, die einem der Gyri orbitales ent- 
spricht und nicht selten auch deutlich die Asymmetrien erkennen 
läßt, welehe gerade an diesem Teil des Orbitalhirnes so auffallend 
häufig sind (vgl. Lanpau 1909b). So kann eine zweckmäßige Methode 
Dinge sichtbar machen, die sonst nicht sichtbar sind. Es hängt dies 
damit zusammen, daß zufolge der Reflexion des Lichtes sich Rauhig- 
keiten und Ungleichheiten an einer konvexen Fläche, wie sie der 
Ausguß vom Orbitaldach gibt, immer leichter erkennen lassen als an 
einer Konkaven, wie sich die obere Wand der Orbita bei gewöhn- 
licher Inspektion darbietet. 


Figurenerklärung. 
Tafel I. 


Fig. 1. Durchleuchtungsbild des Schädeldaches von Semnopithecus cephalop- 
terus (Nr. 628 5) in photographischer Wiedergabe. 

Fig. 2. Dasselbe von Semnopitheeus Kelaarti (Nr. 616 3). 

Fig. 3. - - Cercopithecus ascanias (Nr. 637). 

Fig. 4. Vorderer Teil eines Gipsausgusses des Schädeldaches von Semno- 
pithecus cephalopterus (Nr. 628 $) in photographischer Wiedergabe mit 
dem Verlauf von Hirnvenen (rechts eine, links zwei). 

Fig. 5. Dasselbe von Semnopithecus Kelaarti (Nr. 616 5), auf jeder Seite ist eine 
Vene deutlich abgeprägt. 

Fig. 6. Gipsausguß des Schädeldaches eines Orang utan (Nr. 585) mit sehr 
deutlichem Relief der Lacunae laterales und des Sinus sagittalis 
superior. 

Fig. 7. Durchleuchtungsbild des Schädeldaches des Orang Nr. 585, von dem 
der Gipsausguß in Fig. 6 abgenommen wurde. Man sieht, wie ver- 
schiedene der Lacunae laterales zu einer wesentlichen Verdünnung 

s des Knochens führten. 

Fig. 8. Photographische Aufnahme der Fossa eranii anterior und eines Aus- 
% gusses der Orbitae mit weißgerärbter Gelatinemasse bei gleicher Be- 
2 leuchtung auf einer photographischen Platte, um das Relief an Innen- 
und Außenfläche des Orbitaldaches beim Menschen zu zeigen. 


Morpholog. Jahrbuch, 41. 10 


146 H. Bluntsehli 


12, 


13. 


14. 


15. 


16. 


17. 


im 


. *FıcAueı, E. Considerazione riassuntive sulle ossa accessorie del ceranio 


. FISCHER, F. Untersuchungen über die Lymphbahnen des Centralnerven- 


. FRORIEP, Aug. Über den Schädel und andere Knochenreste des Botanikers 


. Gaupp, E. Die Entwicklung des Kopfskelettes in Herrwıss Handbuch der 


. GROSSER, 0. Die Elemente des Kopfvenensystems der Wirbeltiere. Verh. 
. HEnLeE, J. Handbuch der syst. Anatomie des Menschen. Bd. III. 2. Aufl. 


. HoCHSTETTER. Die Entwicklung des Blutgeräßsystems in HerrwıGs Hand- 


Verzeichnis der benutzten Literatur‘. 


. BLuntschLi, H. Uber die Asymmetrie der Sinus transversi durae matris 


bei Menschen u. Affen. Verh. d. Ges. deutsch. Naturf. u. Ärzte. 80. Vers. 
Cöln. 1908. S. 361—362. 1908a. 

——  Versucheiner Phylogenese der Granulationesarachnoideales (PACCHIONI) 
bei den Primaten. Ebenda S. 363—364. 1908b. 


. DEnNSSTEDT, A. Die Sinus durae matris der Haussäugetiere. Anatom. 


Hefte. 'I. Abt. Arb.aus anatom. Inst. Bd. XXV. (Heft 75). S. 1— 
96, 3 Taf., 3 Textfig. 1904. 


. Ecker, A. Über die Methoden zur Ermittlung der topographischen Be- 


ziehungen zwischen Hirnoberfläche und Schädel. Arch. f. Anthropol. 
Bd. X. S. 233—241. 1878. 


dei Mammiferi e dell’ uomo. Monitore Zool. ital. AnnoI. No.7e'®. 
1890. 


systems. Mediz. Dissert. Straßburg. 1879. 


Huco v. MoHur. Arch. f. Anthropol. Bd. XXXVI. (N. Folge VII). 
S. 124—145,.5 Taf., 5 Textabb. 1909. 


vergl. und exper. Entwicklungslehre der Wirbeltiere. Bd. III. 2. Teil 
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d. anat. Ges. 21. Vers. Würzburg. S. 179—192. 8 Fig. 1907. 
Braunschweig. 1876. Vgl. S. 348 u. 332. 


buch der vergl. und exper. Entwicklungslehre der Wirbeltiere. Bd. Il. 
2. Teil. S. 21—166. 1901—1903. Vgl. S. 147 u. ff. 

HormAnn, MAx. Zur vergleichenden Anatomie der Gehirn- und Rücken- 
marksvenen der Vertebraten. Zeitschr. f. Morph. u. Anthrop. Bd. II. 
Ss. 239—299. 5 Taf., 6 Textfig. 1901. 

JACOBIUS, SALO. Untersuchungen über das Hirnwindungsrelief an der 
Außenseite des menschlichen Schädels. Mediz. Dissert. Leipzig. 1906. 
56 S. 

*Key, AxEL, u. Rerzıus, Gust. Studien in der Anatomie des Nervensystems 
und des Bindegewebes. Bd. I. Stockholm. 1875. Fol. 

Knorr, J. T. On the cerebral sinuses and their variations. Journ. of Anat. 
and Phys. Vol. XVI. p. 27—32. 1882. 

LAnpAU, E. Das Gehirnrelief der Fossa eranii anterior. Morph. Jahrb. 
Bd. XXXIX. S. 645—646. 2 Fig. 1909a. 

—— Über die Orbitalfurchen bei den Esten. Zeitschr. f. Morph. u. Anthrop. 
Bd. XII. S. 341—352. 3 Taf., 30 Textfig. 1909b. 


1 Die mit * bezeichneten Arbeiten waren mir trotz vielfacher Bemühungen 
Original nicht zugänglich. 


Beobachtungen über das Relief der Hirnwindungen und Hirnvenen usw. 147 


18. *Lessuart. Grundlagen der theoretischen Anatomie. 1892. 

19. v. Luschka, Hup. Die Anatomie des menschlichen Kopfes. Tübingen. 1867. 
Vgl. S. 247, 240 ete. 

20. MALL, FRANKLIn. On the development of the Blood-vessels of the brain in 
the human Embryo. Amer. Journ. of Anat. Vol. IV. p. 1—18, 3 Taf., 
4 Textfig. 1904. 

21. Mannu, Anpr. Il confluente dei seni della dura madre, le sue variazion 
e il suo significato. Intern. Monatsschr. f. Anat. ı. Physiol. Bd. XXIV 

{ S. 304—397. 2 Taf., 18 Textfig. 1907. 

22. MERKEL, Fr. Handbuch der topographischen Anatomie. I. Bd. Brann- 
schweig. 1885—1890. Vgl. S. 68, 79, 148 u. a. 

23. MEyYER, Lupw. Die Epithelsgranulationen der Arachnoidea. VIRCHOws 
Archiv. Bd. XVII. S. 209-227. 1 Taf. 1859. 

24. — Über die Bedeutung der PaccHıonischen Granulationen. Ebenda. 
Bd. XIX. S. 171—188 u. 288-320. 1 Taf., 1 Textfig. 1860. 

25. MÜLLER, Fr. W. Über die Beziehungen des Gehirns zum Windungsrelief 
(G. SCHWALBE) an der Außenseite der Schläfengegend beim mensch- 
lichen Schädel. Archiv f. Anat. u. Phys., Abt. f. Anat. 1908. 8. 57— 
218. 6 Taf. 

26. Opvnıec, A. Die Endothelknoten in der Arachnoidea spinalis und ihre 
pathol. Bedeutung. Med. Dissert. 30 8. 4 Fig. Zürich. 1908. 

27. Rerzıus, Gust. Das Affenhirn in bildlicher Darstellung. 67 Taf. Jena. 
1906. 

. SALVI, G. L’istogenesi e la struttura delle meningi. Atti Soe. Tose. di 
sc. nat. Pisa. Memorie Bd. XVI. p. 187—228. 2 Tav. 1898. 

. SALZER. Über die Entwicklung der Kopfvenen des Meerschweinchens. 
Morph. Jahrb. Bd. XXII. S. 232-255. 1 Taf. 1895. 

. ScHMIDT, M. B. Über die PaccHıonisschen Granulationen und ihr Ver- 
hältnis zu den Sareomen und Psammomen der Dura mater. VıRcHows 
Archiv Bd. CLXX. S. 429-464. 1 Taf. 1902. 

. SCHULTZE, O0. Über Sulei venosi meningei. Verhandl. d. anat. Gesellsch. 
13. Vers. S. 22. 1899. 

. — Über Sulei venosi meningei des [Schädeldaches. Zeitschr. f. Morph. 
u. Anthrop. Bd. I. 8.451—452. 3 Taf. 1899. 

. SCHWALBE, G. Über die Beziehungen zwischen Innenform und Außenform 
des Schädels. Deutsch. Arch. f. Klin. Med. Bd. LXXII S. 359— 
408. 5 Abb. 1902. 

. — Über das Gehirnrelief des Schädels bei den Säugetieren. Zeitschr. 
f. Morph. u. Anthrop. Bd. VII. S. 204-222, 2 Taf. 4 Textfig. 1904. 

. — Über das Gehirnrelief der Schläfengegend des menschlichen Schädels. 
Ebenda. Bd. X. S. 1-93. 6 Taf., 7 Textfig. 1907. 

. — Über das Windungsrelief des Gehirnes. Anatom. Anz. Bd. XXXII. 
S. 33—44. 1908. 

. SMITH, G. ELLIOT. On the morphology of the brain in the mammalia, with 
special reference to that of the Lemurs, recent and extinet. Transact. 
Linnean Soe. London. Zool. Vol. VIII. p- 319—432. 66 Textfig. 1903. 

. STERZI, G. Intorno alla divisione della dura madre dall’ endoeranio. Monit. 
Zool. Italiano. Anno XIII. p- 17—21. 1902. 

. — Gli spazi linfatiei delle meningi spinali e il loro significato. Monit. 
Zool. Ital. Vol. XII. p. 210-216. 1901. 


10* 


148 H. Bluntschli, Beobachtungen über d. Relief d. Hirnwindungen usw. 


40. Srerzı, G. Ricerche intorno alla anatomia comparata ed all’ ontogenia delle 
meningi. Considerazioni sulla filogenesi. Parte primo: Meningi 
midollari. Atti istit. Venet. Se. lett. ed. art. Vol. LX.1 Taf. 1900 -1901. 

41. STRASSER, H. Über die Hüllen des Gehirns und Rückenmarks, ihre Funk- 
tion und Entwicklung. Comptes rendus de l’assoc. desanat. 3° session. 
Lyon. p. 175—184. 1901. 

42. Touor, C. Anatomischer Atlas. 3. Aufi. 5. Lief. Gefäßlehre. Berlin u. 
Wien 1903.. Vgl. S. 689 u. 6%. 

43. TRoLARD, P. Les granulations de PACCHIONI, les lacunes veineuses de 
la dure möre. Journ. de l’Anat. et de la Physiol. Annde 28. p. 28—57 
et 172—210. 1892. 

44. WALDEYER, H. W. Beiträge zur Kenntnis der Lymphbahnen des Central- 
Nervensystems. Nach Untersuchungen von Dr. Fr. FıscHER mitge- 
geteilt. Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. XVII. $. 362—366. 1880. 


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b) 


Wo) pi loqıscht x Jahrbuch Bd R IA: 


Fie. 6. Fig. 7. 


Dlıınterhli nhnt Verlag v v 


Tafel I. 


a e 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei 
den Marsupialia, Insectivora, Edentata, Prosimiae 
und Simiae, 

Von 


Dr. med. Erna Glaesmer, 


Assistent am anatomischen Institut zu Heidelberg. 


Mit 36 Figuren im Text und Tafel II—IV. 


Einleitung. 

Der vorliegenden Arbeit ging eine Veröffentlichung voraus, die 
unter dem Titel » Untersuchung über die Flexorengruppe am Unter- 
schenkel und Fuß der Säugetiere« im 38. Band, Heft 1 und 2, des 
»Morphologischen Jahrbuchs« erschienen ist. Im zuerst behandelten 
»speziellen Teil« jener Veröffentlichung besprach ich die Unter- 
schenkel- und Fußmuskulatur der Monotremata und einiger Marsu- 
pialia.. Der darauffolgende »allgemeine Teil« brachte kurzgefaßte 
Notizen über die entsprechende Muskulatur bei höheren Säugetieren 
und zeigte im Anschluß daran in groben Umrissen die Entwicklung, 
welche die einzelnen Muskeln innerhalb der Säugetierreihe durch- 
gemacht haben. 

Auch die vorliegende Arbeit zerfällt in einen »allgemeinen« und 
»speziellen Teil«. 

Der »allgemeine Teil«, den ich hier an die Spitze stelle, stimmt 
in seinen prinzipiellen Fragen mit den s. Z. erhaltenen Resultaten 
überein. Er baut jedoch das dort als vorläufige Mitteilung Gebrachte 
näher aus, begründet es ausführlicher, nimmt zu verschiedenen, dort 
unentschieden gebliebenen Fragen bestimmtere Stellung, modifiziert 
einzelne andre und illustriert die einzelnen phylogenetischen Phasen 
der Muskeln mit schematischen Abbildungen. Der »spezielle Teil« 
der vorliegenden Arbeit ist deskriptiver Natur und bespricht die 
Unterschenkel- und Fußmuskulatur von weiteren Marsupialia, ferner 


150 Erna Glaesmer 


einzelnen Insectivora, Edentata, Prosimiae und Simiae. Er ist somit 
eine Fortsetzung des speziellen Teils der früheren Veröffentlichung. 

Da sich meine Untersuchung nicht, wie ursprünglich geplant war, 
über die ganze Säugetierreihe erstreckt, sondern zahlreiche Ord- 
nungen unberücksichtigt läßt, ziehe ich es vor, den Titel der vor- 
liegenden Arbeit auf die untersuchten Abteilungen zu spezialisieren. 


Meinem hochverehrten Lehrer und Chef, Herrn Geheimen Hof- 
rat Professor Dr. M. FÜRBRINGER, bin ich für die Überlassung des 
reichlichen, zum Teil sehr kostbaren Materials, für das große Inter- 
esse an meinen Untersuchungen und die Förderung, die er mir zu- 
teil: werden ließ, zu großem Danke verpflichtet. Ebenso danke ich 
an dieser Stelle Herrn Professor Dr. E. GOßPPERT für das liebens- 
würdige Interesse und die Anteilnahme an dieser Arbeit. | 


Inhalt. 
TAnlaHignn ee 
Allgemaensr DEINEN ER 30, al, in: Mu 
T. Oberflächliche! Muskelgruppe =. san nla in Isle Kegel 
1. Der mediale Gastroenemius, der laterale Gastrocnemius und 
dar Solana 7 ne he a een a 
2. Der Plantaris und der oberflächliche Kopf ie Flexor digi- 
FOLTLRADRONERSN,, innen et AR Br 
11. TB MaBEolerugpe? BU MER N Pl 
1MersPoplitouns: „alaasalıa snazlstean te AB 
2. Der Flexor tibialis und der Flexor fibularis........ 
3. Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis. ....... 
4. Der Tıblalis DoRGOnuS 2’... „nu. ne 2 
b. Der'Qnadratus'plantue”.".. 2.2 De 2 2.20 N ER 
6... Di6 Lumbricalen. =- 4... 2: =.» oe 
Spnezieller Tail. 7. Kasten ec A a a Du A 
L.. Maraupialia a 2.0 0. ee ee re Fe 
1. WPeraumeles oben au Eee 1 
2, FREBBORONE En ne me Ran, ee 
3. Didelphys marsupsahls.. USE 3 JONES re 
4, Didelphys erassteaudata =, h 5 lan Ami. al 
D.; Dasyurus maculatus (EZ)... 1:2. 10 10 an en a dm anna. on ‚5 
6... ZUSAMMENFASSUNG ı . = Le um le, 2 Te 
7. Vergleichend anatomische Bemerkungen . . . ...... 
4 msBetlvorß’.. 2’. 2. RUE ME KIOEHROHIEE ER, DU 
1,0Brinnceus europaeus . . . url lan ski le 
BAT BRRORGBO nu», \,.5iisu he erh ehe wen Pr 
BONO. = #00 ee ae 


AENIORORBBUMLES na oe. eh 120 Fo 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 151 


Seite 

5. Besprechung der Literatur über andre Insectivora. . . . . 228 

EZ ERTINETERRRIEI DE RE N ee Re 6 ce 229 

7. Vergleichend anatomische Bemerkungen . ...: 2.2... 234 
erdantata ae er it ni eu MEER DI 236 
1» :Oryeleropusiaelnopieus. 2.2. a. eye hl arte 236 
RE er PN TO RER FERPEPTBEFRRE 1# 240 

3. Bradypus indacıylus- * x»... v2... ee 

Ar Mimmecophaga ubala : .» 2 >. 2 nun. ee wre le e 249 
ES SEE a ee 257 

Di Tohmentesttmieanelüs .. 2. 000m an mn ne 261 

7. Ohlamydophorus truncatus . - » » 2.22... 264 
BHFHUSAMMONTBERUNE 45... da Shine del en 268 

9. Vergleichend anatomische Bemerkungen 273 
INmeRrosimiae".". .. %-% . BR ee Ela AR FRE NEE FREIE PALERE 276 
1. Lemur rufifrons.. . . . » - la bee rer u Aa: 276 

a Gnlauo. galago. 2.8 aa 4 a ae 280 
SENLENODS TOndEGTadMS 2» = en can a Te 282 

A Perodieheus malld: ı: = Wu ro Was. 5 VRR. 285 
BRARNSINMIERTASBUNE: 2... Se ee 287 

6. Vergleichend anatomische Bemerkungen . . . 2» .2.... 292 
ie het al. Far BENET I SR FRE SENFUGD. - 294 
ins Hamale, penieillatus: .: nut ale 294 

Bir Atoles DOrVegaBis.. 2 N el ee 297 
SER) EEE ER EN e 299 
BETERNS INONGENUS Sn aa te ne he Fe N 300 
miOmocehhalusı dogueral:. har analen] en ee ee 301 

1 Oynocephalus hamadiryas 3 Au Nm 0 ae ee 303 
MANGENCOBERELUS" DELM IRQ ne ne ERROR: 304 
SioMnbieus SiNiens.. Til. DICKE MINEN DEE ARD ER EN: 306 

94 Hylobates; variegatus; Ka: Attnaislen Tara rne: 306 

10: Serien san. 20a re ua re ae 310 

11. Anthropopitheeus troglodyles . .. 2. nun 0 wen 312 
AERHZUBAEh MEN EIRRUng Fe RE RR EHI 314 

13. Vergleichend anatomische Bemerkungen . . 2.2.2... 321 

WE Einige Muskolvarietäten: bei Homo. . . „.. ... 22 „2 zus 323 
ern verzeichnia A041 0 EN ER NE ee 325 
Belärung der Abbildungen „.ii. zonel 51,’d agsrie agngiitngue n : 333 


Allgemeiner Teil. 


In diesem Teil sowobl, als auch im speziellen hat es sich als 
zweckmäßig ergeben, die hier zu behandelnden Muskeln statt nach 
den aufeinanderfolgenden Regionen (Unterschenkel, Sohle) nach ihrer 
oberflächlicheren und tieferen Lage und ihrer entwicklungsgeschicht- 
lichen Zusammengehörigkeit zu behandeln. Demnach teile ich 
Muskeln in zwei Hauptgruppen: 


die 


152 Erna Glaesmer 


1. Die oberflächlich vom N. tibialis gelegenen Muskeln: medialer, 
lateraler Gastroenemius, Soleus, Plantaris und oberflächlicher 
Kopf des Flexor digitorum brevis. 

2. Die unter dem N. tibialis gelegenen Muskeln: Popliteus, Flexor 
tibialis, Flexor fibularis, tiefer Kopf des Flexor digitorum brevis, 
Tibialis posticus, Quadratus plantae und Lumbricales. 


I. Oberflächliche Muskelgruppe. 
1. Der mediale, laterale Gastrocnemius und der Soleus. 
Der mediale Gastrocnemius. 
Vorkommen und Fehlen des Muskels. 
Derselbe war stets vorhanden. Ein Fehlen des Muskels habe 


ich hier niemals beobachtet. Auch von andern Beobachtern wird er 
bei Säugetieren stets angegeben. 


Ursprung. 

In bezug auf seinen Ursprung ist der mediale Gastroenemius 
innerhalb der Säugetierreihe einer der konstantesten Muskeln. Er 
entspringt regelmäßig vom medialen Epicondylus oder Condylus 
femoris. 


Verlauf und Insertion. 


In zahlreichen Fällen verbindet sich der mediale Gastroenemius 
wie bei Homo mit dem lateralen. Sehr häufig bleibt er jedoch bis 
zum Calcaneus herab selbständig und inseriert für sich allein, neben 
der Insertionsstelle des lateralen Gastroenemius oder auch des Soleus 
an der Hinterseite des Tuber calcanei. (Näheres Verhalten siehe 
im folgenden.) 


Der laterale Gastroenemius. 


Vorkommen und Fehlen des Muskels. 


Ebenso wie der mediale, so war auch der laterale Gastroenemius 
stets vorhanden. Ein Fehlen des Muskels habe ich innerhalb der 
Säugetierreihe niemals beobachtet. 


Ursprung. 

Bei Homo entspringt der Muskel vom lateralen Condylus femoris. 
Derselbe Ursprung besteht in der Regel bei den Simiae, Prosimiae, 
den Edentata und Insectivora. 

Anders bei den Marsupialia und Monotremata. 


J En Bnichans-n Gas e u aatreonuiniie om ade en 
Bun Her mar zer werd: „waälan verbinde! 
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Aalen wereinigg Alab ur via Tall des Inikralas Ganır- 
re Eee Eee ia uaaı- woterda Diele Bose wir’ 
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Mavortlin orfohrt: Ins llnes Silk -hehn 
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De). ‘ pri! ig auch der late N r ar r 


ar mie. 2a Mantia ang A 
_ 5 en en vor x 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 153 


Bei letzteren entspringt der Muskel von dem schaufelförmigen 
Fortsatz der Fibula, bei den Marsupialia von der Fibula, dem Liga- 
mentum genu collaterale fibulare, dem fibularen Meniseus und dem 
lateralen Condylus femoris, also außer den bei den höheren Säuge- 
tieren und den Monotremata üblichen Ursprungsorten auch noch von 
dazwischen gelegenen Strecken. 

Auf diese Weise bildet der laterale Gastroenemius der Marsu- 
pialia eine Zwischenstufe zwischen dem der höheren Säugetiere und 
dem der Monotremata. 


Dieses Verhalten legt den Gedanken nahe, daß der laterale 
Gastroenemius bei den Vorfahren der Säugetiere vielleicht überhaupt 
vom Unterschenkel entsprang und erst im weiteren Verlaufe seiner 
Entwicklung auf das Femur gewandert ist. Eine Stütze findet diese 
_ Vermutung in dem ähnlichen Verhalten des Popliteus. 


Die Arbeiten von Fürst (1903) und TAayLor und Bonner (1905) 
beweisen an der Hand eines, auch niedrige Wirbeltiere umfassenden 
' Materials, daß auch der Popliteus ursprünglich nur vom Unterschenkel 
 entsprang und erst allmählich auf das Femur gelangt ist. 


Verlauf und Insertion. 


Die Beziehungen des lateralen Gastroenemius zum medialen sind 
‚ innerhalb der Säugetierreihe sehr wechselnde. Zuweilen verbindet 
‚ sich der laterale Gastroenemius wie bei Homo mit dem medialen. 


| In andern Fällen vereinigt sich nur ein Teil des lateralen Gastro- 
 enemius mit dem medialen, in noch weiteren bleibt der Muskel wäh- 
‚ rend seines ganzen Verlaufes selbständig. 


| Die Insertion erfolgt in allen Fällen an der Hinterseite des 
‚ Tuber calcanei. (Näheres Verhalten siehe im folgenden.) 


Der Soleus. 
Vorkommen und Fehlen des Muskels. 


‘= Ein Fehlen des Soleus ist innerhalb der Säugetierreihe verhält- 
‚nismäßig häufig zu beobachten, so z. B. bei den Monotremata, den 
‘ Marsupialia und einigen Insectivora. 

Bei den Monotremata und Marsupialia ist der Muskel augen- 
> scheinlich überhaupt noch nicht ausgebildet. Höchstens wird er 
‚ durch spärliche Fasern repräsentiert. 

Bei den Insectivora hingegen ist der Soleus häufig ein sehr 
| | kräftiger, gut ausgebildeter Muskel, so daß sein gelegentliches Feh- 


i 
! 
| 


154 Erna Glaesmer 


len innerhalb dieser Ordnung wohl am ehesten durch einen Reduc- 
tionsprozeß zu erklären sein wird. 


Ursprung. 

In bezug auf seinen Ursprung ist der Soleus innerhalb der 
Säugetierreihe ein sehr konstanter Muskel. Sein regelmäßiger Ur- 
sprungsort ist das Capitulum der Fibula; er kann aber außerdem 
noch Ursprungsfasern von der Tibia und Membrana interossea haben. 


Verlauf und Insertion. 


In seinen Beziehungen zum lateralen und medialen Gastroenemius 
verhält sich der Soleus sehr wechselnd. 

Zuweilen bleibt er vollständig isoliert, tritt weder mit dem me- 
dialen, noch mit dem lateralen Gastrocnemius in Verbivdung, son- 
dern inseriert für sich an der Hinterseite des Tuber calcanei, vor 
der Insertionsstelle der Gastroenemii. 

In andern Fällen vereinigt er sich mit dem lateralen Gastro- 
enemius oder nur einem Teil dieses Muskels. 

Endlich kommen Fälle vor, in welchen, wie bei Homo, die Aus- 
bildung eines Triceps surae erfolgt. Die drei Muskeln bilden eine 
gemeinsame Sehne, die Achillessehne, welche an der Hinterseite des 
Tuber caleanei inseriert. 

Die Anheftung des Soleus an die beiden Gastroenemii kann in 
verschiedener Weise erfolgen. Bald vereinigt sich der Soleus als 
Muskel mit den Muskelbäuchen der beiden Gastroenemii, und aus 
der gemeinsamen Muskelmasse geht die Achillessehne hervor, bald 
bildet er eine eigne Sehne, die sich sodann mit der Sehne der beiden 
vorigen Muskeln zur Achillessehne vereinigt. 


Beziehungen zwischen dem medialen, dem lateralen Gastro- 
enemius und dem Soleus. 


Bei einer zusammenhängenden Betrachtung des distalen Verhal- 
tens dieser drei Muskeln, sowie der Beziehungen, in die sie zuein- 
ander treten, ergibt sich folgendes: 

Bei Homo treten sie in innige Beziehung zueinander, und zwar 
verbindet sich erst der mediale Gastroenemius mit dem lateralen, 
dann gesellt sich zu der gemeinsamen Sehne auch noch die des 
Soleus. Die so entstandene Achillessehne ist ziemlich lang und in- 
seriert am Tuber calcanei. 

Ein ähnliches Verhalten ist auch bei den Simiae und Prosimiae 


5 


j 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 155 


zu beobachten. Nur besteht insofern ein Unterschied, als häufig nicht 
die Sehnen es sind, welche sich vereinigen, sondern durch Vermitt- 
lung von sehnigen Scheidewänden die Muskelbäuche. Der so ent- 
standene Triceps surae bleibt dann häufig bis an den Caleaneus 
herab muskulös, eine Achillessehne fehlt oder ist nur sehr kurz. 
Besonders bei den anthropoiden Affen ist ein solches Verhalten 
häufig. 

Ein Triceps surae, in ähnlicher Ausbildung wie bei Homo, ist 
ferner bei den meisten Insectivora anzutreffen. Bei einigen Inseeti- 
vora aber fehlt der Soleus. Wahrscheinlich ist er in diesen Fällen 
durch einen Rückbildungsprozeß verlorengegangen, denn er ist bei 
den meisten Insectivora ein kräftiger, wohlausgebildeter Muskel. Bei 

seinem Fehlen vereinigen sich nur die beiden Gastroenemii zu einer 
gemeinsamen Sehne. 

Sehr selten ist die Ausbildung eines Triceps surae bei den Eden- 
tata.. Wenn es zu einer solehen kommt, dann erfolgt der Anschluß 
des Soleus an die beiden Gastrocnemii gewöhnlich erst nahe am 
Calecaneus. Die gemeinsame Sehne inseriert wie bei Homo am Tuber 
calecanei. Einzelne Fasern der Gastrocnemii setzen sich zuweilen in 
die Plantarfascie fort. 


Bei den meisten Edentata, ferner bei allen Marsupialia und 
Monotremata kommt es jedoch keineswegs zur Ausbildung eines Tri- 
ceps surae. Die Beziehungen der Muskeln zueinander können in 
diesen Fällen recht verschiedenartige sein. 


Der Soleus kann zum Beispiel, wie das bei den meisten Eden- 
tata der Fall ist, recht kräftig entwickelt sein, aber vollständig iso- 
liert von den beiden Gastroenemii bleiben und auch selbständig am 
Tuber caleanei inserieren, während die beiden Gastrocnemii sich zu 
einer gemeinsamen Sehne vereinigen und hinter dem Soleus am Tu- 
ber calcanei inserieren. 


Oder der Soleus verbindet sich nur mit einem Teil des lateralen 
'Gastroenemius, während der zweite Teil des lateralen Gastroenemius 
mit dem medialen Gastrocnemius in Verbindung tritt. So entstehen 
statt einer Achillessehne zwei Sehnen, die nebeneinander am Tuber 
ealcanei inserieren. (Siehe Orycteropus aethiopieus.) 


Wieder in einem andern Fall vereinigt sich der Soleus mit dem 
ganzen lateralen Gastroenemius. Der mediale Gastrocnemius aber 
bleibt isoliert und inseriert selbständig am Tuber calcanei. Auch 
hier bestehen statt einer Achillessehne zwei nebeneinander am Tuber 


156 Erna Glaesmer 


caleanei inserierende Sehnen, die aber etwas anders zusammengesetzt 
sind, als in dem vorigen Fall. (Siehe Chlamydophorus truncatus.) 

Weiter bestehen Fälle, in welchen der Soleus fehlt. Der mediale 
und laterale Gastroenemius aber verbinden sich zu einer gemein- 
samen Sehne, welche am Tuber calcanei inseriert. (Bei den meisten 
Marsupialia und Ornethorhynchus.) 

Endlich sind solehe zu beobachten, wo der Soleus fehlt, der 
mediale und laterale Gastroenemius dabei zwei selbständige Muskeln 
bleiben, die mit je einer eignen Sehne nebeneinander am Tuber eal- 
canei inserieren. (Bei vielen Marsupialia und bei Echidna.) 

Diesen Verhältnissen gegenüber ist eine Vergleichung mit den 
bei Homo beobachteten Varietäten interessant, die vielfach die im 
Vorhergehenden beschriebenen Befunde wiederspiegeln. In bezug 
auf Varietäten beziehe ich mich an dieser Stelle sowie im Folgenden 
besonders auf Tesrur (1884) und Le Dougte (1897). Hauptsächlich 
sind da zu nennen: 

1. Das gelegentliche Fehlen des lateralen Gastroenemius oder die 
Reduction desselben zu einem Sehnenstrang. 

LE DougLE erwähnt von Tieren, bei denen das Fehlen 
des lateralen Gastroenemius beobachtet worden ist, nur Rep- 
tilien und Vögel. 

2. Die Verdoppelung der Gastroenemii. 

3. Die Gastrocnemii sind selbständige Muskeln und inserieren un- 
abhängig voneinander am Tuber calecanei. 

L&£ DougLe gibt an, daß bei Männern der schwarzen und 
gelben Rasse die Vereinigung der Gastrocnemii tiefer unterhalb 
des Kniegelenks erfolgt als bei den Männern der weißen Rasse. 
Von Säugetieren gibt Le DouBLE unter andern das Murmel- 
tier und die Ratte an, bei welchen sich ähnliche Verhältnisse 
vorfinden. Eine bis nahe an das Tuber caleanei gehende Tren- 
nung ist aber auch von Duverxoy (1855) bei drei Orangs beob- 
achtet worden. 

4. Es besteht ein dritter Kopf des Gastroenemius, der nach TestuT 
»temoigne d’une tendance de l’un des deux jumeaux & se fu- 
sionner avec l’autre en une masse indivise, disposition qui 
s’aceuse plus nettement et se realise m&me chez quelques 
Vertebres inferieurs. Deja chez quelques oiseaux on voit le 
jJumeau interne s’inserer non seulement sur le condyle interne, 
mais prolonger ses insertions sur tout l’espace qui separe les 
deux condyles, et atteindre le condyle externe«. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 157 


5. Der Soleus bleibt unabhängig von den Gastroenemi. 

Nach Le DousL£ erfolgt die Bildung der Achillessehne, 
das heißt die Vereinigung des Soleus mit den Gastrocnemii, 
bei den farbigen Rassen tiefer als bei den weiben. 

6. Der Soleus fehlt. 
7. Verdoppelung des Soleus. 

Die unter 1, 2, 4 und 7 aufgezählten Varietäten habe ich bei 
den von mir untersuchten Säugetieren nicht vertreten gefunden. 

Die unter 3 erwähnte habe ich bei Echidna, vielen Marsupialia 
und bei einzelnen Edentaten, die unter 5 geschilderte bei den mei- 
sten Edentaten, die unter 6 beobachtete bei den Monotremata, den 
Marsupialia und bei einigen Inseetivora vorgefunden. 

(GEGENBAUR, M. FÜRBRINGER und STRASSBURGER teilen die 
menschlichen Varietäten in zwei große Gruppen ein, nämlich solche, 
die ererbte Rückschlagsbildungen repräsentieren und uns somit Ein- 
blicke in die phylogenetische Entwicklung tun lassen (primäre, kon- 
servative, embryonale und atavistische Varietäten), und in solche, 
für die keine solchen Parallelen bisher gefunden wurden und wahr- 
scheinlich auch nicht zu finden sind, die wir vielmehr als neu er- 
worbene Gebilde auffassen müssen (sekundäre, progressive, adaptive 
Varietäten). Die unter 3, 5 und 6 aufgezählten Varietäten sind also 
ersichtlich atavistische Varietäten, die übrigen wohl progressive oder 
adaptive. Merkwürdig ist unter den letzteren die Verdoppelung des 
Muskels, die wohl durch eine Längsspaltung zustande gekommen ist. 


Versuch einer phylogenetischen Entwicklung 
des Triceps surae. 


Wenn man diese verschiedenen, im Vorhergehenden aufgezähl- 
ten Befunde miteinander in Beziehung und in systematische Reihen- 
folge zu bringen sucht, dann wird einem die Entscheidung, welchen 
derselben man als primitivsten auffassen sollte, nicht leicht. 

Es liegt ja selbstverständlich nahe, die Befunde eines im allge- 


meinen tief stehenden Tieres als primitiver anzusprechen, als die 


eines hochstehenden. Allein die Stellung und allgemeine Entwick- 


- lungshöhe eines Tieres ist kein unbedingt zuverlässiger Anhaltspunkt. 


Denn manches tiefstehende Individuum hat vielleicht unter dem Zwange 
äußerer Verhältnisse eine weitgehendere Änderung seiner Extremi- 
täten und Extremitätenmuskeln erfahren, als ein hochstehendes, das 
die von den gemeinsamen Vorfahren eingeschlagene Richtung bei- 


behalten hat. 


158 Erna Glaesmer 


Nun ergibt sich aber ein wichtiges Vergleichsmoment in dem 
Verhalten der Muskulatur bei niedrigen Wirbeltieren. Eine ein- 
gehende Untersuchung derselben ist mir zwar nicht möglich. Aber 
schon eine flüchtige Betrachtung zeigt, daß die auf dem Unterschenkel 
gelegenen Muskeln der niederen Wirbeltiere bedeutend einfachere 
Verhältnisse haben, daß vor allem auch die Zahl der Muskeln eine 
geringere ist. 

Es liegt also der Gedanke nahe, daß die zahlreicheren Mus- 
keln der höheren Wirbeltiere wenigstens zum Teil durch Spaltung, 
bzw. Längsteilung ursprünglich einheitlicher Muskelmassen entstan- 
den sind. 

Wenn man aber diesen Gedanken festhält, dann ergibt sich als 
natürliche Entwieklungsreihe eine solche, wie sie durch die neben- 
stehende schematische Darstellung veranschaulicht wird. 

Fig. 1 zeigt als einfachsten Befund die bei Ornithorhynchus be- 
stehenden Verhältnisse. Der mediale’Gastroenemius entspringt vom 
Femur, der »laterale« von der Fibula. Beide haben eine gemein- 
same Endsehne. Vom Soleus ist noch keine Spur- vorhanden. 

Allmählich wandert der Hauptteil des »lateralen Gastroenemius« 
auf das Ligamentum genu collaterale fibulare. Nur wenige Fasern 
behalten den Ursprung von der Fibula bei. Jener Hauptteil ist der 
in seiner Wanderung auf den Oberschenkel begriffene laterale Gastro- 
cnemius der höheren Säuger. In den auf dem Unterschenkel ver- 
bliebenen Fasern ist der Anfang des Soleus zu suchen. Dieses 
Stadium wird durch Fig. 2 veranschaulicht. Es findet sich bei den 
Marsupialia. 

Im weiteren Verlaufe der Entwicklung erstarken die auf dem 
Unterschenkel verbliebenen Fasern des lateralen Gastroenemius immer 
mehr und mehr und werden so zum Soleus der höheren Säugetiere, 
während der Hauptteil des Muskels vollends auf das Femur tritt. 
Auf diese Weise kommt es zur Ausbildung eines Triceps surae, wie 
er bei Homo, den Simiae und Prosimiae und einigen Inseetivora be- 
steht. Dieses Stadium wird durch Fig. 3 veranschaulicht. 

Wodurch die Wanderung des Muskels vom Unterschenkel auf 
das Femur verursacht wird, ist nieht ersichtlich. Vielleicht sind es 
ähnliche veranlassende Momente, welche den Popliteus zu der glei- 
chen Wanderung bewogen haben. 

Es ist aber anderseits auch möglich, daß die Wanderung acc 
Popliteus mehr infolge der Notwendigkeit einer Drehung des Unter- 
schenkels zustande kam, die des lateralen Gastroenemius aber mehr 


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160 Erna Glaesmer 


dem Bedürfnis einer Vergrößerung des Muskels zur Hebung des 
Fußes auf die Zehen entsprach. 

Die Tatsache der Wanderung von Muskelursprüngen ist allge- 
mein bekannt geworden, ebenso, daß der Muskel dabei gern den 
durch den geringsten Widerstand bestimmten Bahnen folgt. Er kann 
aber auch, wie es in diesem Falle der laterale Gastroenemius tut, 
über straffe Ligamente, die zwei Knochen verbinden, bis auf den 
Nachbarknochen hinwegwandern. Die Ursache solcher Wanderungen 
scheint in der Regel die Notwendigkeit funktioneller Anpassungen 
zu sein. 

Die bei Homo erreichte und durch Fig. 3 veranschaulichte Ent- 
wieklungsstufe der drei Muskeln hat bei andern Tieren, die im all- 
semeinen eine bedeutend tiefere Stellung einnehmen, eine Weiter- 
bildung im Sinne einer weiteren Aufspaltung und Isolierung der 
Muskeln erfahren. 


So kann sich der Soleus vollständig von den Gastroenemii ab- 
trennen und selbständig am Calcaneus inserieren. Dieser Fall ist 
bei verschiedenen Edentaten verwirklicht und wird durch Fig. 4 ver- 
anschaulicht. Oder der mediale Gastroenemius spaltet sich ab, wäh- 
rend der laterale mit dem Soleus vereint bleibt, wie dies bei Chla- 
mydophorus truncatus der Fall ist. Siehe Fig. 5. 


Endlich kann die Isolierung der Muskeln so weit gehen, daß 
jeder mehr oder weniger selbständig wird. Dieser Fall wird durch 
Fig. 6 veranschaulicht. Er kommt bei einzelnen Edentata vor, z. B. 
bei manchen Dasypodidae, bei denen höchstens dicht oberhalb des 
Caleaneus eine Vereinigung der Muskeln erfolgt. 


Wenn man sich den Sinn dieses ganzen Entwicklungsganges 
vergegenwärtigt, der darin zu liegen scheint, aus zusammengehörigen 
und zusammenhängenden Muskeln mehr oder weniger selbständige 
Individuen zu schaffen, so wird man sich als den bei den Vorfahren 
der Säugetiere bestehenden Urzustand des menschlichen Triceps surae 
einen Muskel vorstellen müssen, der vielleicht als einheitliche Masse 
zum Calcaneus verlief. 


Etwas diesem Zustand Ähnliches dürfte jene Varietät sein, welche 
Testur bei Homo unter dem Namen eines gastroenemien & trois chefs 
beschreibt. (Siehe die sub 4 auf Seite 156 aufgezählten Varietäten 
und den Passus »temoigne ainsi d’une tendance de l’un des deux 
jumeaux & se fusionner avec l’autre en une masse indivise« usw.). 


Durch meine neuen Untersuchungen bin ich also zu einem 


i 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 161 


andern Resultat gelangt als s. Z. (1908), wo ich annahm, die drei 
Muskeln seien ursprünglich selbständig gewesen und erst später zum 
Trieeps surae verschmolzen. 


Einfluß der Lebensweise auf die Entwicklung. 


Ein Versuch, zwischen der Lebensweise der Tiere und der da- 
mit verbundenen Funktion der Extremitäten einerseits, der Ausbil- 
dung der Gastrocnemii und des Soleus anderseits bestimmte Be- 
ziehungen herauszufinden, fällt negativ aus. 

Die Vereinigung der beiden Gastroenemii findet sich sowohl bei 
kletternden, wie grabenden und schwimmenden Tieren. 

Die Ausbildung zweier selbständiger Gastroenemii kommt bei 
grabenden und kletternden Tieren vor. 

Der Soleus fehlt sowohl bei grabenden, wie kletternden und 
schwimmenden Formen. 

Diese geringe Beeinflußbarkeit der angegebenen Muskeln durch 
die Funktion läßt vermuten, daß ihre Tätigkeit keine fein speziali- 
siertte und der jeweiligen Lebensweise besonders angepaßte ist, 
sondern allgemein in der Streckung des Fußes besteht. Aus dem 
Verhalten dieser Muskeln sind also bestimmtere Schlüsse auf Funk- 
tion der Extremitäten und Lebensweise der Tiere nieht möglich. 


2. Der Plantaris und der oberflächliche Kopf 
des Flexor digitorum brevis. 


Der Plantaris. 
Vorkommen und Fehlen des Muskels. 


Der Plantaris ist innerhalb der Säugetierreihe meistens vorhan- 
den. Zuweilen fehlt er jedoch, so bei den Monotremata, einzelnen 
Simiae, besonders den anthropoiden, und zuweilen bei Homo. Das 
Fehlen kann in zweifacher Weise gedeutet werden. Entweder der 
Muskel hat sieh noch nicht ausgebildet, oder er war ausgebildet ge- 
wesen, hat aber wieder eine Rückbildung erfahren. Bei den oben 
erwähnten Simiae und gelegentlich bei Homo ist der Muskel sicher 
durch einen Reductionsprozeß verlorengegangen. Von den Mono- 
tremata ist das nicht mit der gleichen Bestimmtheit zu behaupten. 
Da aber ein dem Plantaris ähnlicher Muskel sehon bei niederen 
Wirbeltieren existiert, so glaube ich, daß auch bei den Monotremata 
das Fehlen des Muskels in der nämlichen Weise zu erklären sein 
wird. 

__ Morpholog. Jahrbuch. 41. Tr 


162 Erna Glaesmer 


Ursprung. 


Der Plantaris ist in seinem Ursprunge ein verhältnismäßig kon- 
stanter Muskel, aber nicht so konstant wie der mediale Gastroenemius. 
Sein typischer und häufigster Ursprungsort ist der laterale Condylus 
femoris. Meist ist er hier eine kurze Strecke weit mit dem lateralen 
(astroenemius verwachsen. 

Bei den Marsupialia, aber auch bei andern Säugetieren, kann 
er von dem Ligamentum genu collaterale fibulare und dem fibularen 
Meniscus entspringen. 


Wahrscheinlich ist auch er, ebenso wie der Soleus, durch Ab- 
spaltung vom lateralen Gastroenemius entstanden und mit diesem 
vom Unterschenkel auf das Femur gewandert. In dem Ursprung 
vom Ligamentum genu collaterale fibulare ist demnach auch hier 
ein primitiverer Zustand zu erblicken. 


Verlauf und Insertion. 


In bezug auf Verlauf und Insertion lassen sich für den Plan- 
taris zwei Haupttypen unterscheiden: 


1. Der Plantaris wird von den beiden Gastroenemii bedeckt und 
inseriert mit der Achillessehne gemeinsam am Tuber calcanei. 
Er setzt sich nicht in die Planta fort. Dieser Fall ist bei 
Homo, ferner bei Manis, Myrmecophaga jubata (vgl. spez. Teil) 
und Troglodytes niger verwirklicht. 

2. Der Plantaris setzt sich in die Planta fort. In diesem Fall 
wird seine Sehne etwa in der Mitte des Unterschenkels noch 
von den beiden Gastroenemii bedeckt. Distalwärts aber ge- 
winnt sie eine immer mehr und mehr oberflächliche Lage. In 
der Höhe der Malleolen liegt sie medial von der Achillessehne 
in derselben Ebene wie diese, dann verläuft sie über das Tuber 
calcanei, wobei sie die Insertionsstelle der beiden Gastroenemiüi 
und des Soleus (wenn ein solcher vorhanden ist) vollständig 
zudeckt, in die Planta. Zuweilen gleitet die Sehne frei auf 
dem Tuber calcanei. In ihrer Lage wird sie dann durch Fa- 
serzüge festgehalten, welche beiderseits steigbügelartig vom 
Tuber nach der Fascie des Unterschenkels ziehen. Ein Schleim- 
beutel ist dann gewöhnlich zwischen ihr und dem Knochen zu 
beobachten. Manchmal aber heftet sich die Sehne selbst mit 
einigen Fasern am Tuber an. 

In der Planta geht sie entweder: 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 163 


a) in eine dünne Fascie, wie bei vielen Marsupialia und In- 
sectivora, oder 

b) in eine derbere Aponeurose, wie bei vielen Simiae und 
Prosimiae, oder 

ce) in eine kräftige Sehne über, welche sich in die perforierten 
Sehnen der Mittelphalangen aufteilt. Der letzte Befund 
findet sich bei den meisten Edentata. 

Zwischen diesen verschiedenen Arten von Befunden kommen 
Übergangszustände vor. So geht zum Beispiel gelegentlich nur ein 
Teil der Sehne des Plantaris in die Plantarfascie über, ein zweiter 
Teil bildet perforierte Sehnen. Oder die Sehne des Plantaris ver- 
bindet sich mit der der Gastroenemii und geht mit diesen gemein- 
sam in die Plantarfascie oder -Aponeurose über. 


Die bei Homo beobachteten Varietäten können sich sowohl im 
Fehlen des Muskels, als auch in einem wechselnden Verhalten seines 
Ursprunges und seiner Insertion äußern. Hauptsächlich sind als 
Varietäten zu nennen: 

1. Das Fehlen des Muskels. Der Plantaris fehlt häufig, häufiger 
allerdings bei der weißen Rasse als bei den farbigen. Manch- 
mal ist er zu einer Sehne reduziert. 

2. Die Verdoppelung des Muskels. 

3. Der Ursprung kann bald oberhalb, bald unterhalb des Con- 
dylus femoris erfolgen, zum Beispiel von der Bifurcation der 
Linea aspera, vom Ursprungskopf des lateralen Gastroenemius, 
oder vom Ligamentum genu collaterale fibulare, der Kniege- 
lenkskapsel, der Aponeurose des Popliteus, der Fibula, der 
Unterschenkelfaseie. 

4. Der Muskel kann mit seiner Sehne in dem zwischen ober- 
flächlichen und tiefen Muskeln der Hinterseite des Unterschen- 
kels gelegenen Fettzellgewebe endigen. (Im Varietätenbuch 
des hiesigen anatomischen Institutes findet sich eine ähnliche 
Varietät verzeichnet. Der Muskel endet noch in der oberen 
Hälfte des Unterschenkels in der Faseie.) 

Oder die Plantarissehne teilt sich in zwei Bündel, deren 

eines in die Plantaraponeurose übergeht, während das andre 

| wie gewöhnlich mit der Achillessehne am Calcaneus inseriert 
B und Ähnliches. 

Von diesen Varietäten erinnert das Fehlen des Plantaris, der 
Ursprung vom Ligamentum genu collaterale fibulare, der Ursprung 

2% 


164 Erna Glaesmer 


vom lateralen Gastroenemius und der Übergang in die Plantar- 
aponeurose an Befunde, wie sie bei Säugetieren vorkommen. 
Sie wären demnach als atavistische Varietäten zu bezeichnen. 
Wie die übrigen einzureihen sind, ist von weiteren Untersu- 
chungen abzuwarten; es ist möglich, daß manche derselben noch den 
atavistischen zuzuzählen sein werden, 


Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis,. 
Vorkommen und Fehlen des Muskels. 


Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis kann häufig 
fehlen, so bei vielen Marsupialia, Insectivora und Edentata. 

Sein Fehlen könnte eine zweifache Erklärung finden: 

Entweder ist der Muskel noch nicht entwickelt, oder er ist 
wieder verloren gegangen. 

Während sich beim Plantaris durch Vergleich mit andern Tieren 
und Tierordnungen bis zu einem gewissen Grade von Wahrschein- 
lichkeit entscheiden läßt, welcher der beiden Fälle vorliegt, hat das 
bei diesem Muskel seine Schwierigkeiten. 

Wenn der Plantaris bei allen Prosimiae und den meisten Simiae 
gut entwickelt ist, bei den anthropoiden Affen aber fehlt, so liegt 
es natürlich nabe, anzunehmen, er sei bei diesen einer Rückbildung 
anheimgefallen. 

Nicht so bei dem oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum 
brevis. Dieser Muskel ist innerhalb derselben Tierordnungen, ja 
manchmal bei eng verwandten Tieren in wechselnder Weise bald 
vorhanden, bald nicht, so daß sich eine bestimmte Gesetzmäßigkeit 
nicht erkennen und aufstellen läßt. 


Ursprung. 

Der Ursprung des oberflächlichen Kopfes des Flexor digitorum 
brevis ist nicht konstant. 

Bei Ornithorhynchus und, wenn er vorhanden ist, auch bei 
Echidna entspringt der Muskel vom Tuber calcanei. 

Bei allen Marsupialia, bei denen ein oberflächlicher Kopf des 
Flexor digitorum brevis entwickelt ist, ferner bei den meisten Pro- 
simiae fand ich den Muskel nur von der Innen-, d. h. Dorsalseite” 
der Plantarfaseie bzw. -Aponeurose entspringen. Bei den Simiae be- 
kommt der Muskel, ebenso wie bei Homo, außer den von der Plantar- 
aponeurose entspringenden Muskelfasern in der Regel auch noch Ur- 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 165 


sprungsfasern vom Tuber calcanei. Einzelne vom Tuber calcanei 
entspringende Muskelfasern kommen aber auch schon bei einigen 
Inseetivora vor. 
Insertion. 

Auch die Insertion des Muskels ist keine konstante. Bei den 
Monotremata, aber auch bei Manis, geht der Muskel mit seinen Seh- 
nen in die Sehnenscheiden der Zehen über, ohne perforierte Sehnen 
zu bilden. Bei den meisten Säugetieren aber funktioniert er als ein 
Flexor perforatus. Sehr selten versorgt er jedoch alle Zehen von 
der 2. bis 5., wie bei Homo, vielmehr helfen ihm als Synergisten 
in wechselnder Weise bald der tiefe Kopf des Flexor digitorum bre- 
vis, bald der Plantaris. (Näheres siehe unter »Die phylogenetische 
Entwicklung des Plantaris und des oberflächlichen Kopfes des 
Flexor digitorum brevis«, ferner »Beziehungen zwischen dem ober- 
flächlichen und dem tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis« und 
»Entstehung der Perforation «.) 


Die bei Homo beobachteten Varietäten des oberflächlichen Kopfes 
des Flexor digitorum brevis können sich im Fehlen des Muskels 
sowie in einem vom normalen Zustand abweichenden Verhalten des 
Ursprungs und der Insertion äußern. 

Der Muskel entspringt bei Homo vom Calcaneus und der Plantar- 
aponeurose und gibt vier Sehnen ab, welche die perforierten Sehnen 
für die lateralen vier Zehen bilden. 

Die häufigsten Varietäten sind folgende: 

1. Vollständiges Fehlen des Muskels. 

2. Verminderung der Zahl seiner Sehnen auf drei, die an den 
drei, dem Hallux zunächst gelegenen Zehen inserieren. Die 
fünfte Zehe wird dann meist von einem, von der Sehne des 
Flexor tibialis entspringenden Muskelbündel, das also dem 
tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis entspricht, versorgt. 

3. Vermehrung der Zahl der Sehnen, so daß eine Zehe zwei 
Sehnen empfängt. 

4. Die Sehnen werden nicht perforiert. Dieser Fall ist nur an 
der fünften Zehe beobachtet. Die Insertion der nicht perfo- 
rierten Sehne erfolgt selbständig oder auch zuweilen mit der 
tiefen Sehne gemeinsam an der Endphalanx. 

5. Der oberflächliche Beuger kann sich muskulös mit dem tieferen 
verbinden, oder die perforierte und perforierende Sehne der- 
selben Zehe vereinigen sich. 


166 Erna Glaesmer 


Von den aufgezählten Varietäten sind die ersten wohl atavistische. 

Die unter 1 angeführte Varietät ist als Normalbefund bei Säuge- 
tieren recht häufig; einen Befund, welcher der unter 3 erwähnten 
Varietät ähnlich ist, habe ich (1908) bei Dasyurus hallucatus be- 
schrieben. Auch bei Lacerta ocellata gibt der Flexor perforatus je 
zwei Sehnen ab. 

Die unter 2 genannte Varietät nennt Le DouBLE »une dispo- 
sition simienne par excellence«. 

Das stimmt nur annähernd. Ich habe einen der oben beschrie- 
benen Varietät genau entsprechenden Befund bei den Affen über- 
haupt nicht beobachtet und auch in der Literatur nicht verzeichnet 
gefunden. Es ist möglich, daß er gelegentlich vorkommt, er ist 
jedoch sicherlich sehr selten und verdient die Bezeichnung »dispo- 
sition simienne par excellence« keineswegs. 

Der oberflächliehe Kopf des Flexor digitorum brevis ist bei 
den Affen im allgemeinen schwächer als bei der bei Homo häufigen 
Varietät und versorgt meist nur eine bis zwei Zehen, während der 
von der Sehne des Flexor tibialis entspringende tiefe Kopf dement- 
sprechend stärker ist und die übrigen Zehen versorgt. Eine dem 
Affentypus genau entsprechende Varietät scheint bei Homo selten 
zu sein. Ich habe eine solche im vorigen Wintersemester gefunden 
und bespreche sie am Schluß der Arbeit. 

Den unter 4 beschriebenen Fall habe ich an der fünften Zehe 
von Orang beobachtet. Die in Frage kommende Sehne stammt aber 
nicht vom oberflächlichen, sondern vom tiefen Kopf des Flexor digi- 
torum brevis. Statt sich in zwei Zipfel zu teilen, bleibt die Sehne 
ungeteilt und inseriert, wie die des tiefen Beugers, mit dem sie in 
der Gegend des distalen Interphalangealgelenkes in Verbindung tritt, 
an der Endphalanx. 

Den unter 5 beschriebenen Fall führt Le DousLe auf bei nie- 
drigen Wirbeltieren vorkommende Verhältnisse zurück, bei denen 
die langen und kurzen Zehenbeuger zu einer einzigen Muskelmasse, 
der »Pronato-flexor mass« von HumPHRrY, verschmolzen sind. Die Ver- 
schmelzung des »Flexor digitorum brevis« mit den tiefer gelegenen 
Beugern wird auch von andern Autoren noch vielfach erwähnt. Alle 
Angaben muß man aber sehr vorsichtig aufnehmen und genauestens 
prüfen. Denn sehr selten wird in den Bezeichnungen ein Unter- 
schied zwischen dem oberflächlichen und dem tiefen Kopf gemacht, 
die sich in ihrem distalen Verhalten, dem Perforiertwerden und der 
Insertion an den Mittelphalangen, vollständig gleichen und auch sehr 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupi 


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168 Erna Glaesmer 


häufig miteinander in Verbindung treten. (Näheres siehe unter »Be- 
ziehungen zwischen dem oberflächlichen und dem tiefen Kopf des 
Flexor digitorum brevis«.) 


Die phylogenetische Entwicklung des Plantaris und des 
oberflächlichen Kopfes des Flexor digitorum brevis. 
Bei Homo ist kein Zusammenhang zwischen dem Plantaris und 

dem oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis zu beobachten. 
Daß ein solcher aber ursprünglich bestanden hat, läßt sich auf Grund 
der verschiedenen Befunde, welche innerhalb der Säugetierreihe an- 
zutreffen sind, vermuten. 


Gern würde ich, ausführlicher als in der vorhergehenden Arbeit, 
Befunde bei niedrigen Wirbeltieren zum Vergleiche heranziehen. 
Bei verschiedenen derselben ist nämlich ein Muskel, der an den 
Plantaris der Säugetiere erinnert und von den Autoren auch viel- 
fach mit diesem Namen belegt wird, anzutreffen. Dieser Muskel 
erscheint zuweilen vom Unterschenkel bis in die Planta fleischig 
und könnte als ein Urzustand, bei dem Plantaris und oberflächlicher 
Kopf des Flexor digitorum brevis noch eine einheitliche, zusammen- 
hängende Muskelmasse bilden, aufgefaßt werden. 


Da die Homologien der Muskeln aber doch zu unsichere sind 
und nicht einwandfrei feststehen, muß ich auf diese Vergleichs- 
punkte verzichten und will als primitivsten und Ausgangszustand 
lieber einen Befund annehmen, wie er bei Erinaceus europaeus vor- 
kommt. (Siehe schematische Darstellung S. 167. Auf dieser sind 
Medianschnitte durch Unterschenkel und Fuß gedacht, so daß die in 
Frage kommenden Muskeln sich als Längsschnitte darstellen.) 


Es muß vorausgeschickt werden, daß die auf der schematischen 
Darstellung S. 167 gebrachte Zusammenstellung nicht etwa einen 
Stammbaum der Säugetiere darstellen soll. Sie soll nur zeigen, wie 
sich der Plantaris und der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum 
brevis stufenweise weitergebildet haben könnten, wenn man den bei 
Erinaceus bestehenden Befund als primitivsten annimmt. 

Der Grund, warum ich Erinaceus zum Ausgangspunkt nehme, 
ist der, daß sich von ihm alle andern in weit natürlicherer Weise 
ableiten lassen, als etwa von einem Vertreter der Monotremata oder 
der Marsupialia. Es ist ja nicht unmöglich, daß sich Erinaceus trotz 
seiner höheren Stellung in mancher Hinsicht primitivere Extremi- 
tätenmuskeln bewahrt hat als die durch veränderte Funktion der 


a 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 169 


Extremitäten und Lebensweise stark beeinflußten Monotremata und 
Marsupialia. 

Beim Igel bildet der Plantaris (siehe Fig. 1 der schematischen 
Darstellung S. 167) etwa in der Mitte des Unterschenkels eine Sehne, 
welche frei über das Tuber calcanei verläuft, wo sie vom Abgleiten 
durch Sehnenzüge abgehalten wird, welche von der Sehne selbst 
aus nach den beiden Malleolen ziehen. Vom Tuber tritt die Sehne 
in die Planta, wo sie unmittelbar in den oberflächlichen Kopf des 
Flexor digitorum brevis übergeht, so daß beide Muskeln zusammen 
ein morphologisches Aussehen wie etwa der M. digastricus im Tri- 
gonum submaxillare des Menschen darbieten. Die oberflächliche 
Partie der Sehne geht in eine schwache Plantarfascie aus. 

Von diesem Befund lassen sich alle andern in einfacher Weise 
ableiten, und zwar ist die Entwicklung der beiden Muskeln in der 
Hauptsache nach zwei Richtungen erfolgt, die uns als Gegensätze 
in die Augen springen. 

Die eine Richtung führt zur Reduction des Plantaris (auf der 
schematischen Darstellung S. 167 die rechts von Erinaceus darge- 
stellte Richtung), die andre zur Reduction des oberflächlichen Kopfes 

des Flexor digitorum brevis bei wohlausgebildetem Plantaris (die 
links von Erinaceus dargestellte Richtung). 

Nicht alle Befunde lassen sich selbstverständlich unmittelbar 
von dem als primitiv angenommenen ableiten. So schließen sich, 
wie wir auf dieser schematischen Darstellung sehen, einige Mar- 
supialia, Prosimiae und Simiae (Fig. 4) und einige Insectivora 
und Edentata (Fig. 2) zwar eng an Erinaceus an, hingegen leitet 
sich der Muskel einiger Marsupialia (Fig. 3) offenbar von dem unter 
Fig. 4 dargestellten her usw. 

Aus dem bei Erinaceus bestehenden Verhalten könnte sich das 
als Fig. 4 angegebene auf die Weise entwickelt haben, daß die ober- 
flächlich liegenden Partien des oberflächlichen Kopfes des Flexor 
digitorum brevis mit der Plantarfasecie in Verbindung treten und 
verwachsen. Der Plantaris befreit sich allmählich vom direkten 
Zusammenhang mit dem distalen Brudermuskel und behält nur noch 
die unmittelbare Fortsetzung in die Plantarfascie bei, von deren 
‚Innen- bzw. Dorsalseite nunmehr der oberflächliche Kopf des Flexor 
digitorum brevis entspringt. Durch Vermittlung der Plantarfascie 
behält der Plantaris jedoch immerhin noch einigen Einfluß auf die 
Bewegung der Zehen. Er ist also dementsprechend in allen diesen 
Fällen verhältnismäßig kräftig entwickelt. 


170 Erna Glaesmer 


Die soeben geschilderten Verhältnisse finden sich zum Beispiel 
bei Didelphys canerivora, Lemur rufifrons, Lemur macaco, Galago 
galago, Hapale penicillatus, Oynocephalus doguera et hamadryas und 
Cercopithecus petaurista. 

Im weiteren Verlauf der Entwicklung zeigt sich das Bestreben, 
den Plantaris zu reduzieren, immer deutlicher. Der oberflächliche 
Kopf entspringt nicht mehr nur von der Plantaraponeurose, sondern 
nimmt zum Teil auch vom Tuber calcanei Ursprung. Siehe Fig. 5. 
Ebenso läuft die Sehne des Plantaris nicht mehr frei über das Tuber 
calecanei, sondern heftet sich dort zum Teil an. 

Der Einfluß des Plantaris auf die Beugung der Mittelphalangen 
ist dadurch bedeutend verringert, seine Beziehung zur Plantarapo- 
neurose aber noch erhalten. Ein solches Stadium habe ich bei 
Stenops tardigradus beobachtet. 

Ein folgendes Stadium wird dann durch Fig. 6 veranschaulicht. 
Es ist bei Manis, Myrmecophaga jubata, Troglodytes niger und Homo 
zu beobachten. Der recht dünn gewordene Plantaris setzt sich nicht 
mehr in die Plantaraponeurose fort, hat also keine Beziehung zum 
oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis mehr, sondern 
inseriert mit dem Triceps surae, dessen Synergist er auf diese Weise 
geworden ist, am Tuber calcanei. Der oberflächliche Kopf des Flexor 
digitorum brevis entspringt gemeinsam mit der Plantaraponeurose, 
mit der er am Ursprunge verwächst, von der Plantarseite des Tuber 
calcanei. 

Ein letztes Stadium, Fig. 7, zeigt den Plantaris vollständig re- 
duziert. Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis und 
die Plantaraponeurose aber verhalten sich wie im vorigen Fall. 
Dieses Stadium ist bei Ateles variegatus et ater, Hylobates variegatus 
und Simia satyrus zu beobachten. Es ist auch häufig als Varietät 
bei Homo anzutreffen. 

In diesen schematischen Figuren konnte auf die Stärke des ober- 
flächlichen Kopfes keine Rücksicht genommen werden. In Wirklich- 
keit ist der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis bald 
stärker, bald schwächer entwickelt und wird in seiner Funktion von 
dem tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis unterstützt. (Siehe 
»Beziehungen zwischen dem oberflächlichen und dem tiefen Kopf 
des Flexor digitorum brevis«.) 

Die Reduction des Plantaris einerseits und die wechselnde 
Stärke des oberflächlichen Kopfes des Flexor digitorum brevis ander- 
seits scheinen in keinem ursächlichen Zusammenhange zu stehen. 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 171 


Während es also in der soeben angegebenen Entwicklungsrich- 
tung zur Reduction des Plantaris kam, führt die andre Richtung 
(siehe Fig. 2 und 3 der schematischen Darstellung S. 167) zur Re- 
duetion des oberflächlichen Kopfes des Flexor digitorum brevis. 
Von diesen zwei Befunden schließt Fig. 2 eng an Hrinaceus an, 
während Fig. 3 nicht direkt aus dem bei Erinaceus bestehenden Ver- 
halten, wohl aber aus dem als Fig. 4 dargestellten zu erklären ist. 

Den bei einigen Marsupialia vorkommenden, als Fig. 3 gezeich- 
neten Befund kann man sich aus dem unter Fig. 4 gebrachten sehr 
leicht so entstanden denken, daß der nach und nach immer schwä- 
cher werdende oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
schließlich ganz zugrunde geht. Tatsächlich fehlt dieser Muskel 
bei Didelphys marsupialis, erassicaudata, Phascolomys und Trichosurus 
vulpecula vollständig und wird funktionell durch den tiefen Kopf 
des Flexor digitorum brevis vertreten. Der Plantaris selbst geht nur 
in die Plantarfascie über. 

Der in Fig. 2 dargestellte, bei mehreren Insectivora und Eden- 
tata vorkommende Zustand leitet sich dagegen von dem als Fig. 1 
gezeichneten ab, indem der ganze oberflächliche Kopf des Flexor 
digitorum brevis zu einer Sehne umgewandelt wird, welche sich in 
‚Einzelsehnen aufspaltet, die als perforierte an den Mittelphalangen 
der Zehen inserieren, wie es sonst der oberflächliche Kopf des Flexor 
digitorum brevis tut. Auch in diesem Fall ist es zu einer vollstän- 
digen Reduction des Flexor digitorum brevis gekommen, aber sowohl 
der Weg, auf dem dies erreicht wurde, ist ein verschiedener, als 
auch der Effekt. Denn in dem Fall Fig. 2 ist der Plantaris selbst 
zum perforierten Beuger geworden, während in dem Fall Fig. 3 einer 
der tiefen, unterhalb des N. tibialis gelegenen Muskeln, der tiefe Kopf 
des Flexor digitorum brevis, die Rolle des perforierten Beugers über- 
nommen hat. 

Zwischen diesen Haupttypen bestehen Vermittlungsstadien, die 
aber der besseren Übersichtlichkeit wegen hier nicht angegeben sind. 


Einfluß der Funktion auf die Ausbildung des Plantaris. 


Ein Versuch, zwischen der Lebensweise der Tiere und der Funk- 
tion der Extremitäten einerseits, der Ausbildung des Plantaris ander- 
seits Beziehungen herauszufinden, fällt im Gegensatz zu dem Ver- 
halten der Gastrocnemii und des Soleus durchaus positiv aus. 

So pflegt der Plantaris im allgemeinen bei springenden Tieren 
kräftiger entwickelt zu sein als bei solchen, die nicht springen. 


172 Erna Glaesmer 


Die für Homo ceharakteristische Insertion des Muskels am Cal- 
caneus und die vollständige Isolierung der Plantaraponeurose vom 
Plantaris ist offenbar die Folge des aufrechten Ganges und der recht- 
winkeligen Abknickung des Unterschenkels zum Fuß. Denn ich 
habe sie vorzüglich bei Tieren gefunden, die als Sohlengänger ge- 
schildert werden, oder bei denen, wie bei Manis, geradezu ange- 
geben wird, sie gingen als Sohlengänger auf den Hinterbeinen. 

Der Übergang des Plantaris in die Plantaraponeurose ist be- 
sonders bei Tieren, welche klettern, zu beobachten. So bei vielen 
Marsupialia, Prosimiae, Simiae. Er wird aber auch bei kletternden 
Raubtieren angegeben. (Mıvarr 1881). 

Der Übergang des Plantaris in perforierende Sehnen fällt be- 
sonders bei Grabern auf, zum Beispiel: Perameles obesula, Talpa 
europaea, Orycteropus aethiopieus, Dasypus sexeintus, Chlamydophorus 
truncatus. Es ist aber auch hier Vorsicht geboten, denn ein solches 
Verhalten des Plantaris wird auch bei Huftieren beschrieben. (ELLEN- 
BERGER und Baum 1900). 

Wie sehr gerade der Plantaris ein Produkt der Funktion ist, 
ist dagegen wieder bei Dradypus tridactylus zu sehen. Bei diesem 
Tier, das sein ganzes Leben in den Zweigen der Bäume hängend 
verbringt, hat der Plantaris eine Veränderung erfahren, in der er 
kaum wiederzuerkennen ist. Seine Sehne verwächst nämlich mit 
der des Flexor tibialis, des Flexor fibularis und mit Sehnen des 
Quadratus plantae zu einer einzigen mächtigen Sehne, welche sich 
in Teilsehnen für die Endphalangen spaltet. Dagegen zeigt der 
Triceps surae ein Verhalten, wie es auch andre Edentata aufweisen. 

Diese individuelle Modifizierung des Plantaris erscheint in höch- 
stem Grade zweckmäßig. Ein Plantaris, der die Zehen unmittelbar 
beherrscht, ist imstande, durch Flexion derselben den Fuß schaufel- 
förmig zu krümmen, wodurch er für seine Funktion, die von den 
Vorderfüßen aufgescharrte Erde hinter sich zu werfen, wie das zum 
Beispiel der Maulwurf tut, durchaus geeignet wird. 

Ein Plantaris, der in die Plantaraponeurose ausläuft und da- 
durch die Haut der Planta zu spannen imstande ist und außerdem 
auf die Flexion von Zehen Einfluß hat, prädisponiert sicherlich zur 
Kletterfunktion. 

Bei bradypus stellt sich der Muskel in den Dienst der Haupt- 
funktion, der Krümmung der Endphalangen. 

Während also die verschiedene Ausbildung der beiden Gastro- 
enemii und des Soleus nur wenig unter dem Zwange funktioneller 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 173 


Anpassungen zustande gekommen zu sein scheint, ist der Plantaris 
ganz besonders ein Ausdruck der Lebensweise, eine Art Werkzeug, 
das die Arbeit des Tieres charakterisiert. 

Daraus ergibt sich ein wichtiger Unterschied in der Bedeutung 
dieser beiden Muskelschichten für die Beurteilung der allgemeinen 
Phylogenie der Tiere. Während aus dem Verhalten der Gastroenemii 
und des Soleus bis zu einem gewissen Grade auf die allgemeine 
Entwicklungshöhe eines Tieres geschlossen werden darf, ist das im 
Hinblick auf den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor 
digitorum brevis nur mit größter Vorsicht zulässig. Bei einer An- 
ordnung und Einreihung der von mir untersuchten Tiere nach dem 
Verhalten der Gastroenemii und des Soleus erhält man auch tat- 
sächlich einen Stammbaum, der den heutigen Auffassungen über die 
Phylogenie der Säugetiere etwa entsprechen könnte. Eine Anordnung 
der Tiere nach dem Verhalten des Plantaris und des oberflächlichen 
Kopfes des Flexor digitorum brevis ergibt dagegen, wie aus der 
schematischen Darstellung S. 167 ersichtlich, das bunteste Nebenein- 
ander. Einzelne Ordnungen, wie besonders die Edentata, erscheinen 
ganz auseinandergerissen, anderseits kommen Insectivora neben Eden- 
tata, Marsupialia neben Prosimiae, Edentata neben Simiae usw. zu 
stehen. Plantaris und oberflächlicher Kopf des Flexor digitorum 
 brevis bilden somit ein vorzügliches Beispiel für scheinbare Ver- 
wandtschaften, scheinbare zootomische Parallelen, die nach M. FÜr- 
BRINGER (1887) als die Ergebnisse zufällig übereinstimmender sekun- 
därer Anpassungen entfernt stehender Tiere keinen Schluß auf in- 
timere Verwandtschaftsverhältnisse erlauben. 


Il. Tiefe Muskelgruppe. 
1. Der Popliteus. 
Vorkommen und Fehlen des Muskels, 


Der Popliteus fehlt innerhalb der Säugetierreihe zuweilen. Da 
er ein sehr alter Muskel zu sein scheint, der nach Fürst (1903) und 
TAyLor und Bonner (1905) schon bei niedrigen Wirbeltieren vor- 
handenist, so ist anzunehmen, daß sein gelegentliches Fehlen bei Säuge- 
tieren durch einen Rückbildungsprozeß zustande gekommen sein wird. 


Ursprung. 


In bezug auf seinen Ursprung zeigt der Popliteus eine ähnliche 
Inkonstanz, aber auch eine ähnliche Stufenfolge in seiner Entwick- 
lung wie der laterale Gastroenemius. 


174 Erna Glaesmer 


Bei den Monotremen entspringt der Muskel von der Fibula- 
schaufel und inseriert an der medialen Tibiakante. 

Bei den Marsupialia entspringt er teils von dem Fibulakopf, 
teils schon etwas höher: vom lateralen Knieband und vom Epicon- 
dylus femoris. 

Bei den Edentaten kann er fehlen. Wenn er vorhanden ist, 
dann entspringt er vom knorpligen Femurcondylus oder vom late- 
ralen Epicondylus. Bei Myrmecophaga ist in seine Ursprungssehne 
ein Sesamknorpel eingelagert. 

Bei den Inseetivoren und allen höheren Wirbeltieren nimmt er 
Ursprung vom lateralen Epiecondylus femoris. 

Nur bei Stenops tardigradus fiel mir besonders auf, daß der 
Popliteus (ebenso der Flexor fibularis und Tibialis postieus) vom 
lateralen Meniscus und dem Ligamentum genu collaterale fibulare 
entspringt. TAyLor und Bonney sprechen auch bei Lemur von einem: 
Ursprung des Popliteus von der Fibula, was ich bei meinem Exem- 
plar nicht bestätigt fand. Es ist merkwürdig, wie häufig bei den 
Prosimiae Verhältnisse auffallen, die an solche, wie sie bei Marsu- 
pialia vorkommen, erinnern. Mit dieser Beobachtung stimmt über- 
ein, daß auch Ruge bei zahlreichen Prosimiae Reste eines Marsupial- 
apparates beschrieben hat. 


Verlauf und Insertion. 


Der Popliteus ist in Verlauf und Insertion sehr konstant. Er 
breitet sich von seinem Ursprunge aus fächerförmig aus und inse- 
riert am proximalen Ende der Tibia, hauptsächlich an deren Hinter- 
fläche sowie der medialen Kante der Hinterseite. 


Phylogenetische Entwicklung. 


Die Entwicklung des Popliteus betreffend brauche ich nur auf 
die Arbeiten von Fürst (1903) sowie TayLor und Boney (1905) 
hinzuweisen. Die Autoren haben an der Hand eines Materials, das 
auch niedrige Wirbeltiere umfaßt, bewiesen, was auch aus meinen 
Untersuchungen ohne weiteres zu entnehmen ist, daß der Popliteus 
ursprünglich ein reiner Unterschenkelmuskel war und erst allmählich 
mit seinen Ursprungsfasern auf das Femur gewandert ist. 

Testur bezeichnet den Popliteus bei Homo als einen der kon- 
stantesten Muskeln, was durch die innerhalb so enger Grenzen vor 
sich gegangene Entwicklung ohne weiteres verständlich ist. Als 
Varietäten erwähnt Tesrtur das Vorhandensein eines Sesambeines i 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 175 


der Ursprungssehne, sowie sein gänzliches Fehlen. Eine accessorische 
_ Ursprungsportion von der Fibula, die man erwarten könnte, hat der 
"Muskel nicht. Le DousLe erwähnt ein schon wiederholt beschrie- 


benes accessorisches Bündel, das vom Sesambein des lateralen Gastro- 
enemius entspringt. Sowohl das Fehlen des Muskels, als auch das 


Vorhandensein eines Sesambeins in der Ursprungssehne und der Ur- 


sprung vom Sesambein des lateralen Gastroenemius erinnern an Ver- 
hältnisse, wie sie bei andern Säugetieren vorkommen. 
, 


2. Der Flexor tibialis und der Flexor fibularis. 
Der Flexor tibialis. 
Vorkommen und Fehlen des Muskels. 


Ein Fehlen des Flexor tibialis ist innerhalb der Säugetierreihe 
verhältnismäßig häufig zu beobachten. Der Grund dieses Fehlens 
dürfte in funktionellen Anpassungen zu suchen sein. 

Bei den Monotremata ist der Muskel nämlich als selbständiger, 
wohlentwickelter Muskel vorhanden. Wenn er also bei höherstehen- 
den Tieren, wie Insectivoren und Edentaten, zuweilen fehlt, so liegt 
die Annahme nahe, er sei sekundär durch einen Reductionsprozeß 
verloren gegangen. 

Diese Erklärung ist um so wahrscheinlicher, als das Fehlen des 
Muskels vorwiegend bei Tieren zu beobachten ist, die auch im übri- 
gen stark sekundäre Veränderungen aufweisen. 


Ursprung. 

In bezug auf seinen Ursprung ist der Flexor tibialis innerhalb 
der Säugetierreihe ein ziemlich konstanter Muskel. Er entspringt 
vom proximalen Ende der Tibia, oft auch der Fibula und der Mem- 
brana interossea. In einem einzelnen Falle, bei Stenops tardigradus, 
fand ich den Muskel auch vom medialen Epieondylus femoris ent- 
springen. 

Verlauf und Insertion. 
In seiner Lage und seinem Verlauf ist der Flexor tibialis sehr 


"konstant. Er liegt der Hinterseite der Tibia unmittelbar auf und 
geht in eine Sehne über, welche die des Tibialis postieus in der 


Mitte des Unterschenkels meistens zudeekt und oberhalb oder in der 


Höhe des medialen Malleolus hinter dieselbe tritt. Auf diese Weise 


findet sich tibio-fibularwärts, wie bei Homo, erst die Sehne des Ti- 


 bialis postieus, dann die des Flexor tibialis, endlich die des Flexor 


fibularis. 


176 Erna Glaesmer 


In seiner Insertion ist der Flexor tibialis dagegen einer der in- 
konstantesten Muskeln des Unterschenkels. Die Insertion ist sogar 
so wechselnd, daß der Muskel zuweilen gar nicht als solcher zu er- 
kennen ist, wenn man nicht durch die Untersuchung einer größeren 
Reihe von Tieren vermittelnde Zwischenstadien zu Gesicht bekommt. 
Wegen dieser wechselnden Insertion hat dieser Muskel auch in den 
vielen morphologischen Arbeiten die verschiedensten Deutungen er- 
fahren. 

Meist wird er als ein zweiter Tibialis posticus geführt. Da 
dann kein weiterer Muskel vorhanden ist, der als Flexor tibialis 
gelten könnte, pflegt in diesen Fällen angenommen zu werden, der 
Flexor tibialis sei mit dem Flexor fibularis zu einer untrennbaren 
Einheit verschmolzen. Besonders wenn der Flexor fibularis eine 
kurze Strecke lang einen Spalt in seiner Sehne aufweist, liegt diese 
Annahme nahe. 

Im allgemeinen habe ich in bezug auf die Insertion des Flexor 
tibialis drei Grundtypen unterschieden: 

1. Die Sehne des Flexor tibialis inseriert am tibialen Randkno- 
chen, der durch die Plantarfascie an den medialen Fußrand 
angeheftet wird, oder an der Fascie des medialen Fußrandes, 
oder am Metatarsale oder den Grundphalangen des Hallux 
oder der Sehnenscheide des Hallux. Die Sehne zeigt also 
keinerlei Verbindung mit der des Flexor fibularis. 

Solche Befunde fanden sich bei den Monotremata, ferner 
vielen Marsupialia, einigen Inseetivora und Edentata. 

2. Die Sehne des Flexor tibialis tritt mit der des Flexor fibularis 
in Verbindung und unterstützt diesen in seiner Aufgabe, die 
Endphalangen der Zehen zu versorgen. 

Dieser Befund findet sich bei einigen Marsupialia, Insecti- 
vora und Edentata, ferner allen Prosimiae, den meisten Simiae 
und bei Homo. Bei Simia satyrus und Troglodytes niger ist e8 
allerdings wieder zu einer sekundären Lösung dieser Verbin- 
dung gekommen. (Siehe »Phylogenetische Entwicklung des 
Flexor tibialis und Flexor fibularis«.) 

3. Der dritte Typus bildet eine Zwischenstufe zwischen den beiden 
vorigen. Die Sehne des Flexor tibialis teilt sich nämlich in 
zwei Teilsehnen. Eine derselben inseriert in der Art, wie 
unter 1 angegeben, die zweite, wie unter 2 angegeben ist. 
Solehe Befunde sind selten. Sie finden sich bei einzelne 
Marsupialia, Insectivora und Edentata. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 177 


Die bei Homo vorkommenden Varietäten des Flexor tibialis 
können sich in solehen des Ursprungs oder der Insertion äußern. 
Vor allem sind zu nennen: 


1. Accessorische Ursprungsbündel vom Tibialis postieus, von der 
Fibula, von der Fascie des Unterschenkels, vom Ligamentum 
interosseum, vom äußeren Condylus femoris und dem Liga- 
mentum genu collaterale fibulare. 

. 2. In bezug auf die Insertion zeigt der Muskel Varietäten, die 
mit zu den bekanntesten gehören, in allen Lehrbüchern der 
Anatomie nachzulesen sind und den Austausch der Sehnen 
zwischen Flexor tibialis und fibularis betreffen. Über die Be- 
ziehungen von Flexor tibialis und fibularis haben F. E. ScHuLTze, 
TURNER, CHUDZINSKI, MACALISTER, LE DOUBLE und andre ge- 
arbeitet. 

Die Folgerungen sind im allgemeinen die, daß der Flexor 
fibularis gewöhnlich außer seiner Hallux-Sehne eine zweite 
Sehne abgibt, die mit der des Flexor tibialis in Konnex tritt 
und sich an der Bildung von perforierenden Sehnen beteiligt. 
Die Art und Stärke der Beteiligung ist jedoch eine wechselnde 
und kaum bei zwei Individuen gleich. Meist werden Fasern 
zur Sehne für die zweite und dritte, manchmal auch die vierte 
Zehe zugesellt. Nach GEGENBAUR (1899) erhält die fünfte Zehe 
niemals eine Sehne von dem Flexor fibularis; Le DougLe er- 
wähnt aber auch solche Fälle. 

3. werden Varietäten erwähnt, wonach die zweite Zehe von einem 
selbständigen Bündel des Flexor tibialis versorgt wird; ebenso 
wurde ein selbständiger Muskel zur fünften Zehe beobachtet. 


Die sub 1 und 2 erwähnten Varietäten sind zum Teil als ata- 
vistische zu betrachten. 
Die accessorischen Ursprünge sind als normal bei Säugetieren 
häufig. 

Den Ursprung vom äußeren Femurcondylus und dem Ligamen- 
m genu collaterale fibulare habe ich jedoch in der Tierreihe nicht 
beobachtet. 

j Der Austausch von Sehnen zwischen Flexor tibialis und fibu- 
laris erinnert an Verhältnisse bei den Prosimiae und den meisten 
miae. Bei Orang und Schimpanse haben sich dagegen die Sehnen 
on Flexor tibialis und fibularis vollständig voneinander emanzipiert. 


ehe unter »Beziehungen zwischen Flexor tibialis und Flexor 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 12 


Tsd 


Pe 


178 Erna Glaesmer 


fibularis« und »Phylogenetische Entwicklung des Flexor tibialis und 
Flexor fibularis«.) 

Die dritte Varietät, das Selbständigwerden eines Bündels des 
Flexor tibialis, ist wohl als eine progressive Varietät aufzufassen, 
ähnlich, wie auch an der Hand zum Beispiel der Extensor digiti 
minimi durch ein Selbständigwerden eines Bündels des Extensor di- 
gitorum eommunis entstanden sein dürfte. 


Der Flexor fibularis. 
Vorkommen und Fehlen des Muskels. 


Ein Fehlen des Flexor fibularis habe ich bei den von mir unter- 

suchten Säugetieren nicht beobachtet. 
Ursprung. 

Der Muskel entspringt innerhalb der Säugetierreihe hauptsäch- 
lich von der Fibula; aber auch von der Tibia und der Membrana 
interossea kann er Ursprungsfasern bekommen. 

MicHAeuıs (1903) fand ihn bei einem Orang auch vom Epicon- 
dylus lateralis femoris und vom Ligamentum accessorium entspringen. 


Verlauf und Insertion. 


Der Muskel geht in eine kräftige Sehne über, welche am medialen 
Malleolus hinter der des Flexor tibialis verläuft, so daß, mit nur 
wenig Ausnahmen, die topographische Lage der Sehnen dieselbe ist, 
wie bei Homo. 

Der Flexor fibularis ist in seiner Insertion insofern ein kon- 
stanter Muskel, als er innerhalb der ganzen Säugetierreihe ein 
Beuger der Endphalangen ist. Nur die Zahl der Zehen, die er ver- 
sorgt, wechselt. Bei den niederen Säugetieren ist er der alleinige 
Beuger der Endphalangen, erst bei den höheren Säugern wird 2 
mehr oder weniger durch den Flexor tibialis ersetzt. 

Die bei Homo beobachteten Varietäten beziehen sich haupil 
sächlich auf die Insertion und die Beziehungen zwischen Flexor ti- 
bialis und Flexor fibularis. (Näheres siehe unter »Flexor tibialise 
und »Beziehungen zwischen Flexor tibialis und Flexor fibularis«.) 


Beziehungen zwischen Flexor tibialis und Flexor 
fibularis. 

Bei den Monotremata, vielen Marsupialia, aber auch noch einige 

Inseetivora und Edentata sind Flexor tibialis und fibularis zwei sel 

ständige Muskeln, die miteinander in keinerlei Verbindung stehe 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 179 


Ihre Wertigkeit ist eine ganz ungleiche. Der Flexor fibularis 
ist ein kräftiger Muskel, dessen Sehne sich in der Planta in fünf, 
zu den Endphalangen verlaufende Sehnen teilt. Der Flexor tibialis 
ist bedeutend schwächer und inseriert in der Fascie des medialen 
Fußrandes oder am tibialen Randknochen (Prähallux?) oder dem 
Metatarsale oder der Grundphalanx des Hallux. Beide Sehnen ver- 
laufen neben- und parallel zueinander, ohne sich zu vereinigen. 
(Siehe Fig. 1 der schematischen Darstellung S. 180.) 

Bei einzelnen Marsupialia und Edentata ist zu beobachten, daß 
die Sehne des Flexor tibialis sich in zwei Teilsehnen spaltet, deren 
eine ähnlich, wie soeben beschrieben, zu inserieren pflegt, während 
die andre sich mit der Sehne des Flexor fibularis vereinigt. Beide 
Sehnen liegen an ihrer Vereinigungsstelle in einer Ebene und verweben 
ihre Fasern in diffuser Weise. Von einer Überkreuzung der Sehnen 
ist keine Rede. (Siehe Fig. 2 der schematischen Darstellung S. 180.) 

Bei einer weiteren Reihe von Tieren, so z. B. einigen Marsupia- 
lia und Insectivora, besteht eine vollständige Vereinigung der Sehnen 
des Flexor tibialis und fibularis. Beide Sehnen liegen auch hier in 
einer Ebene. Die Verschmelzung der Sehnenfasern erfolgt ebenfalls 
in diffuser Weise, von einer Überkreuzung der Sehnen ist nichts zu 
sehen. (Siehe Fig. 3 der schematischen Darstellung S. 180.) 
| Bei den Prosimiae und vielen Simiae sind die Verhältnisse 
bedeutend komplizierter. 

Auch hier treten die Sehnen der beiden Muskeln in innige Be- 
ziehung zueinander. Es erfolgt aber nicht eine diffuse Verschmel- 
zung der Sehnenfasern, sondern eine Aufteilung in Teilstränge, die 
miteinander in Verbindung treten. Hierbei hat vor der Teilung die 
Sehne des Flexor tibialis eine oberflächlichere Lage inne als die 
des Flexor fibularis. Da überdies der Flexor tibialis im allgemeinen 
die fibular gelegenen, der Flexor fibularis die tibial gelegenen Zehen 
bevorzugt, so kommt es zu einer Überkreuzung der Sehnen. (Siehe 
Fig. 4 der schematischen Darstellung S. 180.) 

Die Zahl der Zehen, die von dem einen oder dem andern Muskel 
versorgt wird, ist sehr wechselnd. Fig. 4 soll nicht etwa als Typus 
für die Verteilung der Sehnen gelten, sondern soll vor allem die 
Uberkreuzung und beginnende Emanzipation der Sehnen zeigen. 

Bei Homo wird angegeben, das die Sehne des Flexor fibularis 
hauptsächlich den Hallux, sodann aber in abnehmender Stärke die 
2., 3. und 4. Zehe versorgt. Äußerst selten wird eine Sehne zur 
5. Zehe abgegeben. Bei den Prosimiae und Simiae wird ebenfalls 


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180 Erna Glaesmer 


Zur Phylogenie des Flexor fibularis und tibialis. 


Flexor tibialis. Ausbildung des 
Flexor fibularis 
und tibialis. 


Reduktion des (TEnaNEBEE- : urn) Gleichwertige 
Fig. 3. 


Fig. 5. 
Fl. tib 


Fı. fi. |F1. to. 


Verhalten der Sehnen: 


Keine Partielle Totale Beginnende Totale 
Verbindung. Verbindung Verbindung Lösung Lösung 
und Ver- und Ver- und Über-- und Über- 
schmelzung. schmelzung. kreuzung. kreuzung. 


Das dargestellte Verhalten findet sich bei: 


Didelphys cancr., Didelphys Didelphys cras- Prosimiae, Troglodytes 
Dasypus hall,, marsup., sicaud., Pera- die meisten niger, 
Phascolomys, Orycteropus meles obesula, Simiae, Simia satyrus 
Trichosurus aeth. Sorex araneus. (diesem fehlt 

vulp., Erinaceus Sehne 1). 
europ., Talpa 
europ., Manis, 

Myrmecophaga 
jub., Dasypus 

sexc.,Chlamydo- 
phorus trunc,, 

Ornithorhyn- 
chus, Echidna. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 181 


der Hallux vorwiegend vom Flexor fibularis, die 5. Zehe vom Flexor 
tibialis versorgt, für die mittleren Zehen besteht jedoch ein sehr 
unregelmäßiges Verhalten. 

Das bei Homo, den Prosimiae und den meisten Simiae be- 
stehende Verhalten hat, wenn man so will, eine weitere Ausbildung 
bei Orang und Schimpanse erfahren. Die Sehnen der beiden Muskeln 
sind nämlich bei diesen Tieren völlig unabhängig voneinander ge- 
worden. Auch hier erfolgt eine Überkreuzung der Sehnen. Der 
Flexor tibialis verläuft dabei oberflächlich vom Flexor fibularis und 
versorgt die 2. und 5., der Flexor fibularis beim Schimpanse die 1., 
3. und 4. Zehe, beim Orang, dessen Hallux keine Sehne bekommt, 
nur die 3. und 4. 


Phylogenetische Entwicklung des Flexor tibialis und 
Flexor fibularis. 


Bei Betrachtung der auf der schematischen Tafel S. 180 darge- 
stellten Reihe erscheint esim ersten Augenblick nicht unwahrscheinlich, 
daß Fig. 1 einen primitiven Zustand darstellt, von dem sich die 
andern in direkter Linie herleiten. Aus zwei ursprünglich selb- 
ständigen Muskeln (Fig. 1) wäre bei dieser Annahme durch ein ver- 
mittelndes Stadium (Fig. 2) schließlich eine Vereinigung der Sehnen 
des Flexor tibialis und fibularis erfolgt (Fig. 3), Wie aus dieser 
Vereinigung die weitere Differenzierung (Fig. 4 und 5) zustande kam, 
ist nur unschwer abzuleiten. 


Eine solche monophyletische Auffassung halte ich jedoch für 
sehr unwahrscheinlich. 


Vielmehr bin ich geneigt, den unter Fig. 3 dargestellten Zu- 
stand als den primitivsten aufzufassen und dementsprechend dann 
eine Weiterentwicklung nach zwei Richtungen anzunehmen. Denn: 


1. scheinen die auf dem Unterschenkel und Fuß gelegenen Mus- 
keln überhaupt durch eine Längsspaltung einheitlicher Muskel- 
massen und weniger durch Verschmelzung ursprünglich selb- 
ständiger Muskeln zu entstehen; 


2. habe ich bei einem niedrigen Wirbeltiere, ZLacerta ocellata, 
ähnliche Verhältnisse vorgefunden, wie Fig. 3 sie zeigt. Der 
Flexor perforans stellt sich als ein Doppelmuskel mit zwei 
Sehnen dar, welche in der Planta zu einer einzigen ver- 
schmelzen und die perforierenden, an den Endphalangen in- 
serierenden Sehnen abgeben. 


182 Erna Glaesmer 


Von dem unter Fig. 3 dargestellten Befund dürften die andern 
durch eine Ausbildung nach zwei verschiedenen Richtungen ent- 
standen sein. 

Es ist leicht verständlich, daß aus dem unter Fig. 3 dargestell- 
ten Zustand, bei dem eine diffuse Vermischung und Verschmelzung 
der Sehnenfasern besteht, nach und nach durch größere Inanspruch- 
nahme bestimmter Zehen, Auslösung bestimmter Bewegungen, wie 
Greifbewegungen usw., der unter Fig. 4 und 5 gezeigte sich ent- 
wickelt. Jeder Muskel differenziert und ordnet sich seine Sehnen- 
fasern mehr und mehr in der Richtung des Zuges. Daß das Re- 
sultat dieser Differenzierung eine immer im Fortschreiten begriffene 
Isolierung der Sehnen werden muß, kann keineswegs wundernehmen. 
Auch die Überkreuzung der Sehnen ist leicht verständlich, wenn 
man sich vorstellt, daß gerade dadurch der Zugkraft der beiden 
Muskeln viel günstigere Angriffspunkte gewährt werden, als es bei 
einem parallelen Verlauf der Sehnen der Fall wäre. 


Bei Homo fehlt zuweilen (GEGENBAUR, 1899) jede Verbindung 
zwischen den Sehnen der beiden Muskeln. Diese Varietät ist wohl 
als eine progressive aufzufassen, die den Befunden bei Orang und 
Schimpanse vollständig entspricht. 


Auch in der andern Entwicklungsrichtung kommt es zu einer 
Isolierung der Sehnen des Flexor tibialis und fibularis. Diese 
zweite Richtung aber bezweckt eine mehr oder weniger weitgehende 
Reduction des Flexor tibialis. 


Aus dem unter Fig. 3 dargestellten Zustand entwickelt sich der 
unter Fig. 2 dargestellte wohl dadurch, daß ein Teil der Sehne des 
Flexor tibialis wandert. Ich fand ihn in den beiden von mir be- 
schriebenen Fällen an der Fascie des medialen Fußrandes, in die 
ein Sesambein, der Prähallux, eingelagert war, inserieren. 


Bei andern Individuen endlich ist die Verbindung mit dem 
Flexor fibuluris ganz und gar aufgegeben (Fig. 1). Der Flexor ti- 
bialis inseriert für sich allein, bald am Metatarsale oder der Grund- 
phalanx des Hallux, bald in der Faseie des medialen Fußrandes, 
in die sehr häufig ein Sesambein oder -Knorpel eingelagert ist. 
Mit der Frage, ob dieses Sesambein in allen Fällen dem »Prähallux« 
der Säugetiere entspricht, konnte ich mich nicht eingehend beschäf- 
tigen. Wahrscheinlich ist es ein Produkt der Sehne des Flexor 
tibialis, ein tenontogener Sesamkörper, der mit einer rudimentären 
Zehe gar nichts zu tun hat. 


149 


j 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 183 


In bezug auf die Entwicklung des Flexor tibialis und fibularis 
bin ich hiermit zu einer andern Auffassung gelangt als 1908. 

Dort hielt ich es für möglich, daß die einzelnen, innerhalb der 
Säugetierreihe zu beobachtenden Befunde in direkter Linie vonein- 
ander abgeleitet werden könnten. 

Interessant ist es, daß ebenso, wie in der Ausbildung des Plan- 
taris, so auch in der des Flexor tibialis und fibularis die anthro- 
poiden Affen im allgemeinen den Menschen überholt haben. 


3. Der tiefe Kopf des Fiexor digitorum brevis. 
Vorkommen und Fehlen des Muskels. 
Der Muskel fehlt sehr häufig. Sein Fehlen ist als sekundäre 
Rückbildung aufzufassen. Denn wie kaum ein Muskel, so hat dieser 
den Charakter eines primitiven Muskels an sich. 


Ursprung. 
Immer hat der Muskel enge Beziehung zum Flexor fibularis, 
von dessen Sehne er meist in der Planta entspringt. Zuweilen reicht 
aber sein Ursprung höher, bis auf den Unterschenkelabschnitt der Sehne 


‚ hinauf, ja in manchen Fällen verwächst sein Muskelbauch sogar mit 


dem des Flexor fibularis, so daß man den Eindruck bekommt, als 
würden perforierte und perforierende Sehnen von einem und dem- 
selben Muskel abgegeben (z. B. bei Trichosurus vulpecula). Dieser 
Befund legt den Gedanken nahe, den tiefen Kopf des Flexor digi- 
torum brevis als einen Muskel aufzufassen, der bei den Vorfahren 
der Säugetiere und den niederen Säugetieren eine einheitliche Muskel- 
masse mit dem Flexor fibularis gebildet habe und bei den höheren 
Säugetieren abwärts, bis in die Planta, gewandert sei. Dagegen 
spricht jedoch die Innervation. Der Nerv verläuft nämlich in einem 
Falle (Trichos. vulp.) vom Unterschenkel abwärts bis nahe an den 
Caleaneus, macht hier einen scharfen Bogen und zieht wieder pro- 
ximalwärts zurück zum tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis. 
(Siehe auch Tafel VI, Fig. 5, GLAESMER 1908.) Dieses Verhalten 
des Nerven spricht dafür, daß der Muskel erst sekundär auf den 
Unterschenkel gewandert ist. Bei den höheren Säugern, besonders 
den Prosimiae und Simiae, entspringt der Muskel vorwiegend von 
der Sehne des Flexor tibialis statt fibularis. Dieses im ersten Mo- 
ment frappierende Ändern des Ursprunges erklärt sich leicht, wenn 
man sich vor Augen führt, wie die Überkreuzung der Sehnen des 


184 Erna Glaesmer 


Flexor tibialis und fibularis zustande gekommen ist. Durch die 
Vereinigung der Sehnen (Fig. 3 schemat. Darst. S. 180) ist dem tiefen 
Kopf Gelegenheit gegeben, auf die Sehne des Flexor tibialis über- 
zugreifen. Die über das Niveau sich erhebende Sehne des Flexor 
tibialis (Fig. 4 derselben Darst.) nimmt dann auch den tiefen Kopf 


des Fl. digitorum brevis mit sich. 


Verlauf und Insertion. 

Der Muskel wird vom oberflächlichen Kopf des Flexor digi- 
torum brevis, oder direkt von der Plantarfascie bzw. -Aponeurose be- 
deckt und geht in eine bis vier Sehnen über, welche in der Regel 
perforiert werden und an den Mittelphalangen inserieren. Bei ein- 
zelnen Tieren, so den Monotremata, inserieren die Sehnen jedoch 
an den Sehnenscheiden, welche die Sehnen des Flexor fibularis um- 
hüllen. (Näheres siehe unter »Entstehung der Perforation«.) 


Beziehungen zwischen dem oberflächlichen und dem tiefen 
Kopf des Flexor digitorum brevis. 

Der oberflächliche und der tiefe Kopf des Flexor digitorum bre- 
vis stehen in einer Art von alternierendem Verhältnis zueinander. 
Sie ersetzen einander vielfach ganz oder teilweise, d.h. wenn der 
tiefe oder ein Teil des tiefen Kopfes fehlt, so wird er durch den 
oberflächlichen oder einen Teil des oberflächlichen Kopfes ersetzt. 
Es gibt aber außerdem Fälle, in denen eine oder die andre Zehe 
zugleich vom oberflächlichen wie vom tiefen Kopf versorgt wird. 
Alle gewonnenen Befunde möchte ich in zwei Gruppen teilen. Die 
eine Gruppe umfaßt vereinzelte Typen, die in keinerlei Beziehung 
zueinander gebracht werden können (Ornithorhynchus, Dasyurus, 
Manis) und an erster Stelle besprochen werden sollen. 

Bei Ornithorhynchus verläuft 


Es & der oberflächliche Kopf zur Seh- 
1 nenscheide der 4., der tiefe Kopf 
ı\ zur Sehnenscheide der 2. und 
“ 3. Zehe. Die beiden Muskeln lie- 
\ gen ungefähr in derselben Ebene 
nebeneinander, ohne sich, wie das 
\ bei höheren Säugern der Fall ist, 
’ zu überkreuzen. Bei Dasyurus 
en 2e ER 5  hallucatus (siehe nebenstehende 


schemat. Darstellung Fig. 1) ver- 
t=tiefer, o = oberfl. Kopf. Das dargestellte 7 er : = 
Verhältnis findet sich bei Dasyurus hall. u. Manis. läuft der oberflächliche Kopf zur 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 185 


3. und 5., der tiefe zur 3., 4. und 5. Zehe. Die zur 3. und 5. Zehe 
verlaufenden Sehnen der beiden Köpfe vereinigen sich je zu einer 
gemeinsamen, welche perforiert wird und an der Mittelphalanx der 
betreffenden Zehe inseriert. Bei Manis (siehe schematische Darstel- 
lung S. 184, Fig. 2) verläuft der oberflächliche Kopf zu den Sehnen- 
scheiden der 2., 3., 4. und 5. Zehe, der tiefe zur Sehnenscheide der 
3. und 4., ohne daß die entsprechenden Sehnen des tiefen und ober- 
flächlichen Kopfes miteinander in Verbindung treten. 

Alle übrigen Befunde lassen sich in eine Reihe bringen, die 
durch die schematische Darstellung S. 186 veranschaulicht wird. 
Zwei Glieder dieser Reihe, die ich der Übersicht wegen mit einge- 
führt habe, sind schwächer gezeichnet und mit Fragezeichen ver- 
sehen. Für diese beiden Glieder habe ich keine Vertreter gefunden, 
nach der Beschreibung BiscHorrs (1870) hätte das eine jedoch 
einen Vertreter in seinem Hapale penicillatus. 

Die reihenmäßige Anordnung der Einzelbefunde soll nicht etwa 
einen genetischen Zusammenhang in dem Sinne bedeuten, als leite 
sich jeder vom vorhergehenden ab und als wäre der an erster Stelle 
gezeichnete der primitivste. 

Da das erste Glied dieser Reihe durch das Fehlen des ober- 
flächlichen Kopfes charakterisiert wird, widerspräche ja eine solche 
Auffassung auch dem unter »Der Plantaris und der oberflächliche 
Kopf des Flexor digitorum brevis« Ausgeführten, wonach das Vor- 
handensein eines oberflächlichen Kopfes (siehe Fig. 4 der schema- 
tischen Darstellung S. 167) einen primitiveren Zustand bedeutet als das 
Fehlen desselben (Fig. 3 derselben Darstellung). 

Vielmehr ist die als schematische Darstellung S. 186 gebrachte 
Reihe nur eine nach Art und Zahl der Verteilung der Sehnen zu 
den Zehen getroffene Anordnung, welche die Frage des genetischen 
Zusammenhangs offen lassen soll. 

Die erste Figur dieser Darstellung zeigt das vollständige Fehlen 
des oberflächlichen Kopfes, bei der zweiten ist dieser Muskel als 
schwaches Bündel vertreten, das sich mit einer Sehne des 
tiefen Kopfes verbindet und mit ihr die perforierte Sehne der 
zweiten Zehe bildet (von BıscHorr 1870 bei Hapale peneillatus 
beschrieben). 

In der dritten Figur ist der oberflächliche Kopf etwas stärker 
und versorgt selbständig die 2. Zehe. Figur 4 zeigt den Muskel 
noch kräftiger; er versorgt die 2. Zehe ganz, die 3. mit dem tiefen 
Kopf gemeinsam. Jedes folgende Glied der Reihe veranschaulicht 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 187 


ein weiteres Erstarken des oberflächlichen auf Kosten des tiefen 
Kopfes. 

Da sich die ersten Glieder der angeführten Reihe vorwiegend 
bei niederen Säugetieren, die letzten mehr bei höheren finden, so 
gewinnt man tatsächlich den Eindruck, als habe der oberflächliche 
Kopf in aktiver Weise den tiefen verdrängt, indem er ihm immer 
mehr und mehr seines Territoriums abgewann. Eine solche Auf- 
fassung erscheint mir jedoch zweifelhaft, da eine Erklärung der 
sprungweisen Wanderung des Muskels von einer Zehe auf die 
andre Schwierigkeit macht. Viel eher bin ich geneigt, die verschie- 
denen Befunde im großen und ganzen als Parallelbildungen auf- 
zufassen. 

Die außerhalb der Reihe stehende Gruppe, besonders Dasyurus 
hallucatus und Manis, bei denen zwei Zehen in doppelter Weise, 
nämlich vom oberflächlichen und vom tiefen Kopf versorgt werden, 
läßt an die Möglichkeit denken, daß ursprünglich vielleicht alle 
Zehen in doppelter Weise versorgt wurden und daß jene in zahlen- 
gemäßer Reihe vorgeführten Befunde durch verschieden weit vor- 
geschrittene Reductionsprozesse zu erklären sind. 

| Aber auch diese Erklärung bietet bei näherer Überlegung große 
+ Schwierigkeiten. 

So möchte ich denn diese Frage, deren Beantwortung vielleicht 
durch weitere und eingehendere Untersuchungen bei Prosimiae und 
Simiae gelingen könnte, offen lassen. 

Der Ersatz des tiefen Kopfes durch den oberflächlichen scheint 
ein Prozeß zu sein, der sich mit einer gewissen Leichtigkeit ab- 
spielt. Denn die, besonders bei den Simiae und Prosimiae ange- 
gebenen Beziehungen zwischen oberflächlichem und tiefem Kopf sind 
nicht etwa für die betreffende Tierart als absolut feststehende zu 
betrachten. So habe ich z. B. an beiden Füßen eines und desselben 

- Tieres des COynocephalus doguera (den ich aus diesem Grunde nicht 
in der Reihe mit aufgezählt habe) ein verschiedenes Verhalten vor- 
gefunden. Rechts verhielt sich {:o—=3:1, links wie 21/, : 11/, (siehe 

das auf der schematischen Tafel angegebene Zahlenverhältnis). 
Ebenso fanden R. Fıck (1895) und MicHaAeuıs (1903) beim Orang 

Verhältnisse, die rechts und links wechselten. 

Die bei Homo bestehenden Varietäten auf diesem Gebiete 
sprechen ebenfalls in diesem Sinne. Die Varietät, t:0o = 1!/, : 21/, 
habe ich in dem Wintersemester 1908/1909 auf dem Heidelberger 
Präparierboden beobachtet, die Varietät 2:o—=1:3 gibt Tesrur als 


188 Erna Glaesmer 


häufige Varietät an, während ich die erstere in der Literatur 
nieht angegeben finde. Ferner zeigen sehr nahe verwandte Species 
ein verschiedenes Verhalten. HAylobates leueiscus hat z. B. nach 
KoHLBrÜüGGE (1890) andre Verhältnisse als Aylobates syndactylus 
und agilis, bei denen KOHLBRÜGGE dasselbe Verhalten beschreibt, 
wie ich es bei Hylobates variegatus vorgefunden habe. BISCHOFF 
beschreibt bei Hapale penicillatus ein Verhältnis, das t:0o —=3!/g : !/a 
ist, während ich bei meinem Exemplar t:o—=21/,:1!/, gefunden 
habe. 

Anderseits verzeichnet BıscHorr (1870) beim Orang und Schim- 
panse dieselben Befunde, wie ich sie auch bei diesen Tieren be- 
schrieben habe. 


Entstehung der Perforation. 


Über das Zustandekommen der Perforation habe ich 1908 vor- 
läufige Mitteilung gemacht. Entgegen andern Ansichten bin ich zu 
dem Resultat gelangt, der Flexor digitorum brevis sei ursprünglich 
ein Tensor der Sehnenscheiden des Flexor fibularis gewesen und 
habe nach und nach aus der Sehnenscheide in der Richtung des 
Zuges seine Sehne herausdifferenziert. 

Neuerdings fand ich in Manis ein zwischen den Monotremata 
und Mwyrmecophaga jubata vermittelndes Stadium, so daß sich 
mir für die damalige Auffassung über die phylogenetische Ent- 
stehung der Perforation eine neue Stütze bietet. Vier verschiedene 
Stadien dieses Entwieklungsganges mögen durch die folgende sche- 
matische Darstellung S. 189 veranschaulicht werden. Die Sehnen- 
scheide ist dabei durchsichtig gedacht, gewissermaßen wie eine 
Glasröhre. | 

Fig. 1 zeigt ein Verhalten, das bei den Monotremata anzutreffen 
ist. Die Sehne des Flexor digitorum brevis inseriert an der Sehnen- 
scheide, mit deren Fasern sie sich innig verwebt. 

Fig. 2 stellt die Verhältnisse bei Manis dar. In der Zugrich- 
tung nehmen die Fasern innerhalb des Gewebes der Sehnenscheide 
ein strafferes Gefüge an, ohne daß es jedoch vorerst zur Ausbildung 
einer Sehne kommt. Deutlich ist das Auseinanderweichen der Fasern 
nach zwei Richtungen zu sehen. 

Fig. 3 zeigt ein Verhalten, das bei einigen andern Edentata an- 
zutreffen ist. Aus der Sehnenscheide hat sich eine wohlgebildete 
Sehne herausdifferenziert, welche sich gabelt, die tiefe Sehne um- 
faßt und an deren Dorsalseite an der Mittelphalanx ansetzt. Es 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 189 


besteht somit eine vollständig ausgebildete Perforation wie bei den 
höchsten Säugetieren, nur mit dem Unterschied, daß die proximale 
Partie der Perforatussehne innig mit der umgebenden Sehnenscheide 
verwachsen ist. 


Die Entstehung der Perforation 
bei den Beugemuskeln des Fußes. 


Schematische Darstellung. 


a. Profunde Sehne. b. Vagina der profunden Sehne. c. Superficiale 
Sehne, die an der Vagina inseriert und in der Innenwand derselben 
verläuft. 


Fig.1. 


Monotremata. iS. Myrmecophaga Prosimiae, 
jub., Oryctero- Simiae, Homo. 
pus äthiop. 
u. a.Edentaten. 


Das dargestellte 
Verhältnis findet 
sich bei 


| Fig. 4. Die Sehne des Flexor digitorum brevis macht sich von der 
Sehnenscheide vollständig frei und es resultiert die bei Homo und 
' den meisten Säugetieren bestehende Ausbildung der Perforation. 


4. Der Tibialis posticus. 


| Er zeigt innerhalb der Säugetierreihe ein ganz konstantes Ver- 
halten und dürfte ein sehr alter Muskel sein, denn schon bei den 
‚Reptilien besteht ein Muskel, der in Ursprung und Insertion dem 


- 
F4 


190 Erna Glaesmer 


Tibialis postieus der höheren Säuger vollkommen entspricht und 
auch im allgemeinen als ein Tibialis posticus aufgefaßt zu werden 
pflegt. 
5. Der Quadratus plantae. 
Vorkommen und Fehlen des Muskels. 


Er fehlt sehr häufig. Zuweilen ist er zu einem sehnigen Strang 
reduziert. Sein Fehlen, das besonders bei den Affen und Halbaffen 
oftmals auffällt, aber auch bei den Marsupialia fast regelmäßig zu 
beobachten ist, scheint auf einem Reductionsprozeß zu beruhen. Bei 
den Monotremata ist der Muskel sehr gut und kräftig ausgebildet. 


Ursprung. 

Der Quadratus plantae entspringt innerhalb der Säugetierreihe 
vom Tuber ealeanei. Einen Ursprung vom Unterschenkel habe ich 
nur bei einzelnen Marsupialia beobachtet. 

Bei Homo ist sehr häufig als Varietät der Ursprung des Qua- 
dratus plantae vom Unterschenkel zu beobachten. GEGENBAUR hält 
den Muskel für eine »herabgerückte Ursprungsportion eines auch 
den Flexor longus hallueis (Flexor fibularis) mit begreifenden Flexor 
digit. longus, die ihre Kontinuität mit der Unterschenkelportion ver- 
lore.. Für diese Auffassung bietet sich mir bei meinen Unter- 
suchungen kein Anhaltspunkt. Die Herkunft des Quadratus plantae 
ist mir ebenso wie die des tiefen Kopfes des Flexor digitorum brevis 
unaufgeklärt geblieben. Es ist wahrscheinlich, daß sie von der tiefen, 
d. h. der unterhalb des N. tibialis gelegenen Muskelgruppe stammen. 


Verlauf und Insertion. 


Der Qu. plantae inseriert meist muskulös, seltener zum Teil 
sehnig an der Sehne des Flexor fibularis oder Flexor tibialis. 

Bei Myrmecophaga jubata (Taf. II, Fig. 5 u. Taf. III, Fig. 6 u. 7) 
geht ein Teil des Muskels in eine Sehne über, welche mit der für 
die erste Zehe bestimmten Sehne des Flexor fibularis verschmilzt. 
Die übrige Muskelmasse inseriert fleischig an den für die zweite 
und dritte Zehe bestimmten Sehnen des Flexor fibularis. Sie geht 
zum Teil direkt in den für die vierte Zehe bestimmten Lumbricalis über. 

Einen ähnlichen Übergang des Quadratus plantae in die fibularen 
zwei Lumbrieales habe ich am linken Fuß eines neugeborenen 
Kindes beobachtet. Am rechten Fuß waren die Muskeln wie ge- 
wöhnlich völlig unabhängig voneinander. Auch bei erwachsenen 


y 
« 


vs 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 191 


Leichen hatte ich im vergangenen Winter im Verlauf der Präparier- 
übungen öfters Gelegenheit, den Übergang von Fasern des Quadratus 
plantae in einen oder den andern Lumbricalis zu beobachten. 

Es ist sehr leicht möglich, daß dies eine atavistische Varietät 
ist, die von einer ursprünglichen Zusammengehörigkeit der Muskeln 
zeugt. Eine solche Zusammengehörigkeit besteht z. B. nach DoBsoN 
bei einzelnen Potamogalidae. (Siehe Quadratus plantae unter der 
Zusammenfassung der Befunde bei Insectivora. Spez. Teil.) 


6. Die Lumbricales. 

Sie verhalten sich bei den Säugetieren vielfach wie bei Homo. 
Verhältnismäßig häufig trifft man jedoch eine Verdoppelung der 
Muskeln, die dann an den einander zugekehrten Seiten der Zehen 
inserieren. 


Spezieller Teil. 
I. Marsupialia. 
1. Perameles obesula. 
A. Muskeln. 
a. Oberflächliche Muskelgruppe. 
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 


repräsentiert durch den medialen und lateralen Gastroenemius sowie 
den Plantaris. 


«) Der mediale Gastroenemius 


entspringt mit kurzer, breiter Sehne oberhalb des medialen Condylus 
femoris. Er bedeckt vollständig alle auf der medialen Seite des 
Unterschenkels gelegenen tiefen Flexoren. Von seinem Ursprunge 
verläuft er schräg ab- und medialwärts, wird etwas oberhalb der 
Mitte des Unterschenkels sehnig und vereinigt sich bald darauf mit 
‚der Sehne des lateralen Gastroenemius. Die gemeinsame Sehne 
‚inseriert an der Hinterseite des Tuber caleanei, wobei eine Über- 
kreuzung der Sehnenfasern stattfindet. Dabei verlaufen die Sehnen- 
‚ fasern des medialen Gastroenemius oberflächlich und inserieren lateral, 
‚ die des lateralen medial an dem Tuber calcanei. Es ist dies eine 
‚ Überkreuzung, auf die Parsons (1894) besonders aufmerksam ge- 
‚ macht hat und die bei den Säugetieren fast konstant anzutreffen ist. 


ß) Der laterale Gastroenemius 
ist mit dem Plantaris, den er vollständig bedeckt, am Ursprunge 


192 Erna Glaesmer 


innig verwachsen. Die Grenze zwischen beiden Muskeln aber ist 
deutlich durch den Nerven für den lateralen Gastroenemius bezeichnet. 
Der laterale Gastroenemius entspringt muskulös oberhalb des late- 
ralen Condylus femoris vom Femurschaft, ferner vom Ligamentum 
genu collaterale fibulare, von der fibularen Circumferenz der Patella, 
vom Capitulum der Fibula, sowie mit einigen Fasern von der Fascie 
der Streckseite. Etwas oberhalb der Mitte des Unterschenkels wird 
der Muskel sehnig und vereinigt sich etwa in der Mitte desselben 
mit der Sehne des medialen Gastrocnemius, mit dem er gemeinsam 
an der Hinterseite des Tuber calcanei inseriert. 


Die vom Fibulaköpfehen und der Fascie der Streckseite ent- 
springenden Fasern zeigen gegenüber den andern eine gewisse Selb- 
ständigkeit. Eine kurze Strecke lang bilden sie sogar eine eigene 
Sehne. Wie ich es schon bei Didelphys canerivora, Dasyurus hallu- 
catus und Trichosurus vulpecula getan habe, so fasse ich auch hier 
diese vom Capitulum der Fibula und der Fascie der Streckseite her- 
kommenden Muskelfasern des lateralen Gastrocnemius als die ersten 
Anfänge eines Soleus auf. 


y) Der Soleus 
fehlt als selbständiger Muskel. Die ersten Anfänge seiner Anlage 
aber werden wahrscheinlich durch jene Muskelfasern des lateralen 
Gastroenemius repräsentiert, welche vom Capitulum der Fibula und 
von der Fascie der Streckseite entspringen. 


0) Der Plantaris 


ist an seinem Ursprunge mit dem lateralen Gastroenemius innig ver- 
wachsen. Die Grenze zwischen beiden Muskeln wird aber durch 
den Nervenast für den lateralen Gastroenemius deutlich bezeichnet. 
Mit dem lateralen Gastrocnemius entspringt der Plantaris oberhalb 
des lateralen Condylus vom Femurschaft. Er wird etwas unterhalb 
der Mitte des Unterschenkels sehnig und bleibt bis nahe an das 
Tuber calcanei von den beiden vereinigten Gastroenemii bedeckt. 
Nahe am Tuber aber taucht die Sehne am medialen Rande der 
Gastroenemiussehne an die Oberfläche und legt sich auf dem Tuber 
selbst über die Insertionsstelle der vorigen, die auf diese Weise von 
der Plantarissehne zugedeckt wird. In ihrer Lage auf dem Tuber 
wird die Plantarissehne durch Faserzüge festgehalten, welche von 
ihr nach den beiden Malleolen ziehen. Die Sehne setzt sich sodann 
als kräftige Aponeurose in die Planta fort und strahlt in einen 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 193 


kräftigen medialen, zur starkentwickelten 4. Zehe verlaufenden und 
einen schwächeren lateralen Strang zurd. Zehe aus. Diese Stränge 
endigen zum größten Teil in den Sehnenscheiden der 4. und 5. Zehe, 
sie inserieren aber auch mit einigen Fasern an der Haut. 


e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
fehlt. 
b. Tiefe Muskelgruppe. 
Die tiefe, unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
repräsentiert durch den Popliteus, Flexor tibialis, Flexor fibularis 
und den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis. 


«) Der Popliteus 

entspringt muskulös vom Capitulum fibulae, eng an die fibularen 
Fasern des lateralen Gastroenemius angeschlossen, ferner mit wenigen 
Fasern vom Ligamentum genu collaterale fibulare. Die Muskelfasern 
verlaufen schwach divergierend medialwärts und setzen an der 
medialen Tibiakante an, wobei sie eine kleine Strecke derselben 
unterhalb des Kniegelenks freilassen. 


ß) Der Flexor tibialis 


ist an seinem Ursprunge mit dem Flexor fibularis innig verwachsen. 
Er entspringt muskulös hauptsächlich von der hinteren Fläche der 
Tibia, bis nahe an deren Malleolus herab, ferner von der Membrana 
interossea. Fibularwärts gehen seine Fasern in die des Flexor fibu- 
laris über. Am unteren Drittel des Unterschenkels wird der Muskel 
zu einer Sehne, welche sich von der des Flexor fibularis deut- 
lich isoliert und von ihr zum größten Teile bedeckt wird. Die Sehne 
zieht so hinter dem tibialen Malleolus in die Planta, in deren 
proximalem Drittel sie sich vollständig mit der Sehne des Flexor 
fibularis vereinigt. Dabei verlaufen die Sehnenfasern des Flexor 
tibialis oberflächlich und vorwiegend fibularwärts. 


y) Der Flexor fibularis 


ist ungefähr ebenso stark wie der Flexor tibialis, jedenfalls nicht, 
wie das gewöhnlich zu sein pflegt, stärker. 

Er entspringt nahezu von der ganzen Hinterseite der Fibula, 
vom Capitulum abwärts bis nahe an den fibularen Malleolus, ferner 
von der Membrana interossea. Medialwärts ist er an den oberen 
zwei Dritteln des Unterschenkels innig mit dem Flexor tibialis ver- 


"wachsen, so daß seine Fasern unmittelbar in die des Flexor tibialis 
£ Morpholog. Jahrbuch. 41. 13 


194 Erna Glaesmer } 


überzugehen scheinen. Die am unteren Drittel des Unterschenkels 
entstehende Sehne isoliert sich von der des Flexor tibialis und ver- 
läuft hinter dem tibialen Malleolus oberflächkicher und etwas hinter 
der Sehne des Flexor tibialis, die sie zum größten Teile deckt. Im 
proximalen Drittel der Planta vereinigt sie sich mit der Sehne des 
Flexor tibialis, wobei die Sehnenfasern des Flexor tibialis oberfläch- 
lich und vorwiegend fibularwärts, die des Flexor fibularis tiefer und 
vorwiegend tibialwärts verlaufen. 

Inmitten der Planta teilt sich die so entstandene Sehnenplatte 
in vier Einzelsehnen. Eine besonders kräftige Sehne verläuft zur 
Endphalanx der sehr stark entwickelten 4. Zehe, eine etwas schwächere 
zur schwächeren 5. Zehe. Zwei dünne Sehnen verteilen sich an die 
Endphalangen je einer der durch Syndactylie verschmolzenen 2. und 
3. Zehe. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 


wird durch vier Einzelmuskelchen, die in der Planta von der Sehne 
des Flexor fibularis entspringen, repräsentiert. An ihrem Ursprunge 
sind sie miteinander verwachsen. Von diesen Muskelchen verläuft 
eines zur d. Zehe, ein zweites zu den durch Syndactylie verschmolzenen 
Zehen, zwei verlaufen zur 4. Zehe. In seiner Funktion wird der 
tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis vom Plantaris unterstützt, 
weshalb die Insertionsverhältnisse beider Muskeln an dieser Stelle 
gemeinsame Besprechung finden mögen. 

Zur 5. Zehe entsendet sowohl der Plantaris als auch der tiefe 
Kopf des Flexor digitorum brevis je eine Sehne. Die Sehne des 
Plantaris scheint, von der Oberfläche gesehen, diffus in der Sehnen- 
scheide aufzugehen. In Wirklichkeit aber bleibt sie auch innerhalb 
der Sehnenscheide als Sehne erhalten, spaltet sich hier in zwei 
Zipfel, welche die tiefe Sehne umgreifen, sich dorsal von ihr wieder 
vereinigen und an der 2. Phalanx inserieren. Die dünne Sehne des 
tiefen Kopfes des Flexor digitorum brevis legt sich medial an die 
Sehnenscheide an, verwächst aber weder mit dieser, noch tritt sie 
mit den innerhalb der Sehnenscheide verlaufenden Sehnen in irgend 
eine Beziehung, sondern inseriert ganz selbständig an der 2. Phalanx. 
Sie hat also mit der Perforation gar nichts zu schaffen. 

An die 4. Zehe entsendet der Plantaris eine, der tiefe Kopf des 
Flexor digitorum brevis 2 Sehnen. Die Sehne des Plantaris ver- 
einigt sich mit der lateralen der beiden letzteren und bildet mit ihr 
_ die perforierte Sehne der 4. Zehe. Das Verhalten ist dabei dasselbe, 


; 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 195 


wie es soeben für die 5. Zehe beschrieben worden ist. Die mediale 
dieser beiden für die 4. Zehe bestimmten Sehnen des Flexor digi- 
torum brevis profundus inseriert selbständig an der 2. Phalanx 
außerhalb der Sehnenscheide. Sie hat also nichts mit der Perfo- 
ration zu schaffen. Zur 3. Zehe, die mit der 2. durch Syndactylie 
verschmolzen ist, geht nur eine Sehne des tiefen Kopfes des Flexor 
digitorum brevis, keine vom Plantaris. Die Sehne verliert sich diffus 
in der Sehnenscheide. Von einer Perforation habe ich weder an 
dieser noch an der 2. Zehe etwas bemerkt. Jede der beiden Zehen 
hat zwar eine eigene Sehnenscheide.e Im Innern derselben aber 
gleitet nur die Sehne des Flexor fibularis. 


&) Der Tibialis posticus 


fehlt. 
£) Der Quadratus plantae 
fehlt. 
| n) Die Lumbricales 
fehlen. 


B. Innervation. 


Der N. tibialis bildet bei Perameles obesula, im Gegensatz zu 
den andern, 1908 von mir untersuchten Marsupialia, längs des 
ganzen Unterschenkels einen einheitlichen Strang, der sich erst in 
Höhe des tibialen Malleolus in den N. plantaris lateralis und den 
N. plantaris medialis teilt. 

Die Abgabe der Muskeläste des N. tibialis geschieht in folgender 
Reihenfolge: 

Zuerst wird der Ast für den medialen Gastroenemius abgegeben. 
Dieser Nerv zweigt sich schon in der Mitte des Oberschenkels vom 
N. tibialis ab. Etwas tiefer geht lateralwärts ein zweiter Ast ab, 
der sich zwischen Plantaris und Gastroenemius lateralis einbohrt, um 
den letzteren zu versorgen. Der dritte Ast geht dicht oberhalb des 
Kniegelenks ab und verläuft zum Plantaris. 

Fast in derselben Höhe geht ein vierter Ast ab, der sich an 
die tiefe Muskelgruppe verzweigt. Der zu höchst entspringende 
Zweig dieses Astes verläuft zum Popliteus, der nächste in der Tiefe 
zwischen dem Flexor tibialis und Flexor fibularis auf der Membrana 
interossea, wo er zu endigen scheint; ein dritter Zweig versorgt den 
Flexor tibialis, ein letzter gibt erst ein Ästehen an den Flexor fibularis 
ab und verläuft dann, ziemlich oberflächlich zwischen Flexor tibialis 
und fibularis, abwärts, wobei er sich an diese beiden Muskeln verästelt. 

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196 Erna Glaesmer 


In Höhe des tibialen Malleolus teilt sich der N. tibialis in den 
N. plantaris lateralis und den N. plantaris medialis. 

Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis wird vom N. plan- 
taris medialis versorgt. Der innervierende Ast geht etwa in der 
Mitte der Planta von seinem Hauptnery ab. Vom N. plantaris late- 
ralis habe ich zum tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis keinen 
Ast beobachtet. 


2. Phascolomys. 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 

Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
durch den medialen, den lateralen Gastrocnemius und den Plantaris 
repräsentiert. 

«) Der mediale Gastroenemius 
entspringt muskulös vom medialen Epicondylus femoris. Etwa in 
der Mitte des Unterschenkels wird der Muskel sehnig und vereinigt 
sich mit der Sehne des lateralen Gastrocnemius, worauf beide mit 
einer gemeinschaftlichen Sehne an der Hinterseite des Tuber calcanei 
inserieren. 

P) Der laterale Gastroenemius 


entspringt muskulös vom lateralen Epicondylus femoris, mit einem 
Teil seiner Fasern aber auch vom Ligamentum genu collaterale 
fibulare, sowie dem Capitulum der Fibula. 

Wie bei Perameles obesula und den übrigen von mir unter- 
suchten Marsupialia, so fasse ich auch hier diese vom Capitulum der 
Fibula entspringenden Muskelfasern als die ersten Anfänge eines 
nach und nach bei höheren Tieren erstarkenden Soleus auf. 


y) Der Soleus 


fehlt. Die ersten Anfänge werden aber wahrscheinlich durch jene 
Muskelfasern des lateralen Gastrocnemius repräsentiert, welche vom 
Capitulum der Fibula entspringen. 


ö) Der Plantaris 


wird an seinem Ursprunge vom lateralen Gastroenemius vollständig 
bedeekt. Er entspringt wie dieser vom lateralen Epieondylus femoris. 
Der Muskel und seine etwa inmitten des Unterschenkels entstehende 
Sehne bleibt bis nahe an das Tuber ealecanei von den beiden Ga- 
stroenemii bedeckt. Nahe am Tuber aber tritt die Sehne des Plan- 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 197 


taris an die mediale Seite der Gastroenemius-Sehne, legt sich im 
weiteren Verlaufe auf sie und deckt so ihre Insertionsstelle am Tuber 
vollständig zu. Vom Tuber, an das sie sich mit ihren Randpartien 
festheftet, verläuft die Sehne in die Planta, wo sie sich in einzelnen 
aponeurotischen Strängen zu den Sehnenscheiden und zur Haut er- 
schöpft. 


e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
fehlt. 
b) Tiefe Muskelgruppe. 
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird durch 


den Flexor tibialis, Flexor fibularis, den tiefen Kopf des Flexor 
digitorum brevis und einen Lumbricalis repräsentiert. 


«) Der Popliteus 


war als soleher an dem Präparat nicht zu erkennen. Ich muß des- 
halb die Frage offen lassen, ob ein solcher besteht oder nicht. 


ß) Der Flexor tibialis 


entspringt von den oberen zwei Dritteln der Hinterseite der Tibia. 
Eine fibularwärts gelegene Portion des Muskels ist mit dem Flexor 
fibularis innig verwachsen und entspringt mit diesem gemeinsam. 
Am unteren Drittel des Unterschenkels isoliert sich der Flexor tibialis 
‚ vollständig von dem Flexor fibularis und geht in seine Sehne über. 
ı Diese verläuft in einer Rinne hinter dem tibialen Malleolus, vor der 
Sehne des Flexor fibularis, betritt dann die Planta, wo sie ein kräftiges 
Sesambein eingelagert hat, und inseriert schließlich an der proxi- 
malen Phalanx des Hallux. Der Ursprung, die Lage und das in 
die Sehne eingelagerte Sesambein dienen in diesem Falle, trotz der 
bei den Marsupialia ungewöhnlichen Insertion, als Erkennungszeichen 
für den Muskel. 


y) Der Flexor fibularis 


ist ein kräftig entwickelter Muskel, der tibialwärts innig mit dem 
Flexor tibialis verwachsen ist. 

An den unteren zwei Dritteln des Unterschenkels wird er vom 
‚ tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis bedeckt, der eine kurze 
‚ Strecke weit untrennbar mit dem Flexor fibularis verwachsen ist. 
‚ Der Flexor fibularis entspringt vom Capitulum der Fibula, von der 
ganzen Hinterseite des Fibularschaftes, sowie von der Membrana in- 
terossea. Seine kräftige Sehne verläuft hinter dem tibialen Malleolus 


198 Erna Glaesmer 


in die Planta und teilt sich hier in vier Sehnen, welche die Sehnen 
des tiefen Kopfes des Flexor digitorum brevis durchbohren und an 
den Endphalangen der vier fibularen Zehen’ inserieren. Der Hallux 
bekommt seine Sehne vom Flexor tibialis. 


0) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 

ist an seinem Ursprunge vollständig mit dem Flexor fibularis ver- 
wachsen, mit dem er gemeinsam vom Schafte der Fibula und der 
Membrana interossea entspringt. Am unteren Drittel des Unter- 
schenkels isoliert sich der Muskel und bildet eine eigene Sehne, 
welche in der Planta in vier Teilsehnen übergeht. Jede derselben 
wird von je einer des Flexor fibularis perforiert und inseriert an 
den Mittelphalangen der fibularen vier Zehen. 


&) Der Tibialis posticus 
fehlt. 
£) Der Quadratus plantae 
fehlt. 
n) Lumbricales. 

Ich habe nur einen beobachtet, der aus dem Winkel zwischen 
den für die 4. und 5. Zehe bestimmten Sehnen des Fl. fib. ent- 
sprang und an der tibialen Seite der 5. Zehe inserierte. 

B. Innervation. 

Der N. tibialis gibt als ersten Ast den zum medialen Gastro- 
cnemius ab. Als zweiter folgt ein Ast, der sich an den lateralen 
Gastroenemius und den Plantaris verteilt. 

Der dritte Ast ist sehr stark. Er gibt einen Zweig zur fibu- 
laren Ursprungsportion des lateralen Gastroenemius, einen zweiten 
stärkeren zum Flexor tibialis und Flexor fibularis ab. 

Ein vierter Ast gibt einen Zweig zur Haut des Calcaneus, so- 
wie zwei weitere Zweige zu den unteren Partien des Flexor fibu- 
laris und zum tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis ab. 

Der N. tibialis selbst teilt sich in Höhe der Malleolen in den N. plan- 
taris lateralis und medialis, die uns hier nicht weiter interessieren. 


3. Didelphys marsupialis. 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
durch den medialen und lateralen Gastroenemius, sowie den Plan- 
taris repräsentiert. 


| 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 199 


«) Der mediale Gastrocnemius 


entspringt muskulös vom medialen Epicondylus femoris. Seine etwa 
in der Mitte des Unterschenkels entstehende Sehne vereinigt sich 
in Malleolenhöhe mit der Sehne des lateralen Gastroenemius und 
inseriert mit dieser gemeinsam an der Hinterseite des Tuber cal- 
canei. 


£) Der laterale Gastroenemius 


entspringt gemeinsam mit dem Plantaris vom Epicondylus lateralis 
femoris, vom Ligamentum genu collaterale fibulare, vom Capitulum 
der Fibula und der Fascie der Streckseite.e. Wie bei den andern 
von mir untersuchten Marsupialia, so fasse ich auch hier die vom 
Capitulum der Fibula und der Fascie der Streckseite entspringen- 
den Fasern als die ersten Anfänge eines bei höheren Tieren nach 
und nach erstarkenden Soleus auf. Die Sehne des lateralen Gastro- 
enemius vereinigt sich in Malleolenhöhe mit der des medialen Gastro- 
enemius und inseriert mit ihr gemeinsam am Tuber calcanei. 


y) Der Soleus 


fehlt. Die ersten Anfänge aber werden wahrscheinlich durch jene 
“Muskelfasern repräsentiert, welche vom Capitulum der Fibula und 
der Fascie der Extensorenseite entspringen. 


0) Der Plantaris 


entspringt mit dem lateralen Gastroenemius gemeinsam, von dem er 
bedeckt wird, vom Epicondylus lateralis femoris. Seine etwa in der 
Mitte des Unterschenkels entstehende Sehne verhält sich in ihrem 
Verlaufe wie bei Perameles obesula und Phascolomys. In der Planta 
geht sie in die Plantarfaseie über, welche an den Sehnenscheiden 
und der Haut inseriert. Innerhalb der Sehnenscheiden sind beson- 
ders hervortretende Züge der Plantarisfasern nicht zu beobachten. 


. e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
fehlt. 
b) Tiefe Muskelgruppe. 
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird durch 
den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis, den tiefen Kopf 
des Flexor digitorum brevis, den Tibialis posticus, Quadratus plantae 
und durch sechs Lumbricales repräsentiert. 


200 Erna Glaesmer 


«) der Popliteus 
wie bei Perameles obesula. 
ß) Der Flexor tibialis 
verhält sich in bezug auf Ursprung wie bei Perameles obesula. 
Seine Sehne aber teilt sich in der Planta in zwei Teilsehnen, von 
denen eine am tibialen Randknochen inseriert, während die zweite 
sich mit der Sehne des Flexor fibularis vereinigt. 


y) Der Flexor fibularis 
verhält sich in bezug auf seinen Ursprung etwa wie bei Perameles 
obesula. Seine Sehne aber vereinigt sich in der Planta mit einer 
Teilsehne des Flexor tibialis. Die so entstandene gemeinsame Sehne 
teilt sich in fünf Einzelsehnen, welche an den Endphalangen der 
Zehen inserieren. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 


setzt sich aus zwei Portionen zusammen. 

Eine entspringt vom Unterschenkel, gemeinsam mit der Muskel- 
masse des Flexor fibularis, mit der sie innig verwachsen ist. Eine 
zweite entspringt von der Sehnenplatte, die durch Vereinigung der 
Sehne des Flexor fibularis mit einer Teilsehne des Flexor tibialis 
entstanden ist. 

Je ein Bündel der ersten Portion vereinigt sich mit je einem 
der zweiten. Die daraus hervorgehenden Sehnen inserieren an den 
Mittelphalangen der 3., 4. und 5. Zehe. 

Zur 2. Zehe geht eine Sehne, die einem nur von der Sehnen- 
platte entspringenden Muskelbündel entstammt. 


&) Der Tibialis postieus 
verhält sieh wie bei Perameles obesula. 


£) Der Quadratus plantae, 
der hier, im auffallenden Gegensatz zu den übrigen von mir unter- 
suchten Marsupialia, vorhanden ist, entspringt vom Calcaneus sowie 
von den untersten Partien der Fibula. Er inseriert an der Sehnen- 
platte des Flexor fibularis. 


n) Lumbricales 
sind sieben vorhanden. Sie entspringen aus den Winkeln, welche 
die Sehnen des Flexor fibularis bilden. Je zwei inserieren an den 
einander zugekehrten Seiten der 5., 4., 3. und 2. Zehe. Einer, der 
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 201 


aus dem Winkel der beiden für den Hallux und die 2. Zehe be- 
stimmten Sehnen entspringt, inseriert an der tibialen Seite der 2. Zehe. 
Die vier an den tibialen Seiten der Zehen inserierenden gehen in 
die Dorsalaponeurose der Zehen über, die fibularen drei inserieren 
an den Sehnen des tiefen Kopfes des Flexor digitorum brevis. 


B. Innervation 


ähnlich wie bei Didelphys canerivora (vgl. GLAESMER 1908). 


4, Didelphys crassicaudata. 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 

Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
durch den medialen und lateralen Gastrocnemius, sowie den Plan- 
taris repräsentiert. 

«) der mediale Gastrocnemius 


wie bei Didelphys marsupialıs. 


p) der laterale Gastroenemius 
wie bei Didelphys marsupialis. 


y) Der Soleus 
wie bei Didelphys marsupialıs. 
| 0) Der Plantaris 
wie bei Didelphys marsupialıs. 
&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
fehlt. 
b) Tiefe Muskelgruppe. 
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird durch 
den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis, den tiefen Kopf 


des Flexor digitorum brevis, den Tibialis posticus, Quadratus plantae 
und vier Lumbricales repräsentiert. 


«) Der Popliteus 
wie bei Didelphys marsupialıs. 
£) Der Flexor tibialis. | 
Die Sehne teilt sich nicht wie bei Didelphys marsupialis in zwei 


"Teilsehnen, sondern vereinigt sich vollständig mit der Sehne des 
Flexor fibularis. 


202 Erna Glaesmer 


y) Der Flexor fibularis. 
Seine Sehne vereinigt sich mit der ganzen Sehne des Flexor 
tibialis und teilt sich nach dieser Vereinigung in fünf Einzelsehnen, 
welche an den Endphalangen der Zehen inserieren. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 
hat ebenso wie bei Didelphys marsupialis zwei verschieden hoch 
entspringende Portionen, die aber beide noch von der Sehnenplatte 
des Flexor fibularis kommen und nicht wie bei Didelphys marsu- 
pialis bis auf den Muskelbauch des Flexor fibularis hinaufreichen. 
Im übrigen verhält sich der Muskel ähnlich wie bei Didelphys mar- 
supialıs. 
e) Der Tibialis postieus 


wie bei Didelphys marsupialıs. 


£) Der Quadratus plantae 

wie bei Didelphys marsupialis. 

n) Lumbricales 
sind vier vorhanden. Sie entspringen aus den vier Winkeln, welche 
von den fünf dem Flexor tibialis und fibularis entstammenden Sehnen 
gebildet werden. Sie inserieren an den tibialen Seiten der 2., 3., 
4. und 5. Zehe und gehen in die Dorsalaponeurose dieser Zehen 
über. 

B. Innervation 
wie bei Didelphys marsupialıs. 


5. Dasyurus maculatus (?)!. 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
durch den medialen und lateralen Gastroenemius, den Plantaris und 
den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis repräsentiert. 


«) Der mediale Gastroenemius 
wie bei Dasyurus hallucatus (vgl. GLAESMER 1908). 


ß) Der laterale Gastroenemius 
wie bei Dasyurus hallucatus. 


ı Der Erhaltungszustand des Tieres war nicht mehr so gut, daß es sich“ 
mit aller Sicherheit bestimmen ließ. 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 203 


y) Der Soleus 
fehlt. 
0) Der Plantaris 


verhält sich ähnlich wie bei Dasyurus hallucatus. Seine Sehne setzt 
sich in die Plantarfascie fort und teilt sich als solche in mehrere 
Stränge, von denen einzelne mit den Sehnen des Flexor digitorum 
brevis in Verbindung treten. 


&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 


entspringt von der Unter- d. h. Dorsalseite der Plantarfaseie. Seine 
Muskelmasse vereinigt sich mit der des tiefen Kopfes und gibt mit 
diesem zusammen die perforierten Sehnen für die Zehen ab. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 


Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird durch 
den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis, den tiefen Kopf 
des Flexor digitorum brevyis, den Tibialis posticus und sieben Lum- 
brieales repräsentiert. 


«) Der Popliteus 
wie bei Dasyurus hallucatus. 


ß) Der Flexor tibialis 


verhält sich in bezug auf Ursprung und Verlauf wie bei Dasyurus 
halluweatus. In der Planta aber geht die Sehne in die Plantarfaseie 
des medialen Fußrandes und des reduzierten Hallux über. 


y) Der Flexor fibularis 


wie bei Dasyurus hallucatus. Seine Sehne teilt sich in vier Einzel- 
sehnen, welche an den Endphalangen der Zehen inserieren. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 


entspringt von der Plantarfläche der Sehne des Flexor fibularis. 
Seine Muskelmasse vereinigt sich mit der des oberflächlichen Kopfes 
und gibt mit letzterem gemeinsam die perforierten Sehnen ab. 


> &) Der Tibialis posticus 
wie bei Dasyurus hallucatus. 


£) Der Quadratus plantae 
fehlt. 


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206 Erna Glaesmer 


n) Lumbricales 
sind sieben vorhanden. Ursprung wie bei Didelphys marsupials. 
Vier treten von den tibialen Seiten der 5., 4., 3. und 2. Zehe, drei 
von der fibularen Seite der 4., 3. und 2. Zehe in die Dorsalaponeu- 
rose über. 


B. Innervation 
ähnlich wie bei Dasyurus hallucatus. 


6. Zusammenfassung. 

Von den sieben von MAx Weser (1904) angegebenen Familien 
der Marsupialia habe ich insgesamt fünf untersucht, und zwar von 
jeder dieser Familien einen oder mehrere Vertreter. Um die Varia- 
bilität der Verhältnisse besser zeigen zu können, gebe ich S. 204 u. 205 
eine tabellarische Übersicht, wobei ich die, viel Gemeinsames und 
Konstantes darbietenden Muskeln, den medialen und lateralen Gastro- 
enemius, den Soleus, Popliteus, Tibialis posticus, Quadratus plantae 
und die Lumbricales jedoch nicht berücksichtige. 

Das Hauptaugenmerk lege ich bei dieser tabellarischen Über- 
sicht auf die Insertionsverhältnisse und die Beziehung der Muskeln 
zueinander. Ferner konnte ich nicht umhin, auch Lebensweise und 
Gangart der Tiere zu berücksichtigen, da mir die Funktion der Ex- 
tremitäten für die Ableitung allgemeiner Gesichtspunkte von großem 
Werte erschien. 

Aus alledem lassen sich folgende für die Marsupialia im all- 
gemeinen gültigen Sätze ableiten: 


a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
ce) und £) Der mediale und der laterale Gastroenemius 
entspringen jeweils vom medialen und lateralen Epicondylus femoris, 
der laterale Gastrocnemius meist mit dem Plantaris gemeinsam auch 
noch häufig vom lateralen Meniscus und dem Ligamentum genu 
collaterale fibulare. In der Regel repräsentiert jeder der beiden 
Muskeln bis dicht an das Tuber calcanei ein selbständiges Muskel- 
individuum. Es kommen aber auch Fälle vor, wo beide Muskeln 
kurz nach ihrem Ursprunge sich verbinden, oder aber ihre Sehnen 
sich schon Mitte des Unterschenkels zu einer gemeinsamen Sehne 


vereinigen. Die Insertion erfolgt an der Hinterseite des Tuber cal- 5 


canei, wobei in der Regel zu beobachten ist, daß die Sehnenfasern 


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des Gastroenemius medialis oberflächlich und lateralwärts, die des A 


lateralen Gastroenemius medialwärts verlaufen und ansetzen. 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 207 


y) Der Soleus 


fehlt. Ich habe in keinem einzigen Falle diesen Muskel vorgefun- 
den. Der laterale Gastrocnemius besitzt aber Muskelfasern, die von 
dem Capitulum der Fibula, oft auch noch von der Fascie der Streck- 
seite herkommen. Diese Muskelfasern sind oft von der übrigen 
Muskelmasse auffallend isoliert, in einem Fall gingen sie sogar in 
eine eigene Sehne über, ohne daß dies aber so ausgesprochen ge- 
wesen wäre, um von einem selbständigen Muskel sprechen zu können. 

Diese von dem Capitulum der Fibula und der Fascie der Streck- 
seite entspringenden Muskelfasern halte ich für die ersten Spuren 
eines in der Entstehung begriffenen Soleus. Einen eignen, dieses 
Muskelbündel allein versorgenden Nerven habe ich nirgends be- 
obachtet. 


0) Der Plantaris 


entspringt gemeinsam mit dem lateralen Gastroenemius, von dem er 
am Ursprunge zugedeckt wird, vom lateralen Epicondylus femoris, 
manchmal auch vom lateralen Meniscus und dem Ligamentum genu 
ceollaterale fibulare. Seine Sehne wird an der oberen Hälfte des 
Unterschenkels von den Sehnen der beiden Gastroenemii bedeckt, ge- 
winnt aber im weiteren Verlaufe eine immer mehr und mehr ober- 
flächliche Lage, tritt erst an die mediale Seite der Gastrocnemius- 
Sehnen (bzw. -Sehne falls eine Vereinigung schon erfolgt ist), dann 
auf sie und verläuft, die Insertionsstelle der Gastroenemii vollstän- 
dig deckend, über das Tuber calcanei in die Planta. Hier setzt sie 
sich in eine Plantarfascie oder Plantaraponeurose fort, die besonders 
an den Fußrändern stark entwickelt zu sein pflegt und oft in der 
Gegend des Naviculare einen Sesamknorpel oder -Knochen enthält. 

Die Insertion dieser Plantarfaseie kann nun eine zweifache sein. 
Ihre Sehnenfasern inserieren in einer Reihe von Fällen an der Haut 
und an den Sehnenscheiden, wobei sie, man könnte im Gegensatz 
zu dem nachher zu besprechenden Verhalten sagen, spurlos an diesen 
Insertionsstellen in das übrige Gewebe einbezogen werden, d.h. ihr 
Gewebe geht so vollständig in dem Gewebe der Insertionsstelle auf, 
daß es nicht weiter zu verfolgen ist. 

In einer zweiten Reihe von Fällen kommen neben solchen so- 
eben beschriebenen Faserzügen deutlich differenzierte Sehnen vor, 
welche ebenfalls an die Sehnenscheiden herantreten, hier aber nicht 
spurlos verschwinden, sondern im Gegenteil innerhalb der Sehnen- 
scheiden weiter verlaufen, sich in zwei Zipfel spalten und von der 


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208 Erna Glaesmer 


jeweiligen Sehne des Flexor perforans perforiert werden. Zuweilen 
gibt der Plantaris eine Sehne ab, die sich mit einer des Flexor di- 
gitorum brevis zu einer perforierten vereinigt. 

Nirgends fand ich aber einen Plantaris, der, wie bei den Eden- 
taten gelegentlich, sämtliche perforierten Sehnen abgibt. 

Von der Unterseite d. h. Dorsalseite der Plantarfascie entspringt 
in einzelnen Fällen der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum 
brevis. 

&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
soll gemeinsam mit dem tiefen Kopf Besprechung finden. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
«) Der Popliteus 


entspringt bei den meisten Marsupialia nur vom Capitulum der 
Fibula, bei einigen fanden sich aber noch außerdem Ursprungs- 
portionen vom Ligamentum genu collaterale fibulare und vom late- 
ralen Meniscus. Einen rein femoralen Ursprung habe ich nicht be- 
obachtet. 


ß) Der Flexor tibialis 


gehört, ebenso wie der Plantaris, zu den sehr variablen Muskeln. 
Er entspringt nicht nur von der Tibia, sondern oft auch noch von 
der Fibula und der Membrana interossea. 

In bezug auf seine Insertion kann man zweckmäßig drei Gruppen 
unterscheiden: 

1. Die Sehne des Flexor tibialis breitet sich, sobald sie unter- 
halb des medialen Malleolus in die Planta getreten ist, immer 
mehr und mehr aus und bedeckt so den medialen Fußrand 
mit einer eignen Fascie. Sie kann aber auch in andern Fällen 

als Sehne bestehen bleiben und an der Grundphalanx des 

Hallux, in andern Fällen am rudimentären Hallux inserieren. 
Charakteristisch für alle diese Fälle ist, daß die Sehne des 

Flexor tibialis isoliert am medialen Fußrande inseriert und 

keine Beziehung zum Flexor fibularis erkennen läßt. I 

2. In einer Reihe von Fällen vereinigt sich die Sehne des 

Flexor tibialis mit der Sehne des Flexor fibularis, im 

Prinzip also dieselbe Erscheinung wie bei Homo, wo dureh 

gegenseitigen Austausch von Sehnenfasern die Sehnen dieser 

beiden Muskeln ebenfalls in Verbindung treten. Der Unter 
schied wird aber bei Betrachtung der schematischen Dar- 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 209 


stellung S. 209, auf welcher Fig. 2 etwa die Verhältnisse bei 
Homo, Fig. 1 bei jenen Marsupialia darstellt, bei welchen 
diese Vereinigung der Sehnen erfolgt, sofort klar. 
Bei Homo erfolgt eine ausgesprochene Überkreuzung der 
Sehnen von Flexor tibialis und Flexor fibularis, wobei die 
Sehne des Flexor tibialis oberflächlich liegt. 
Bei den Marsupialia ist eine Niveaudifferenz in der Lage 
der beiden Sehnen nicht zu be- 
merken, demnach kann auch von Fig. 1. Fig. 2. 
keiner eigentlichen Überkreuzung 
der Sehnen die Rede sein. Die 
beiden Sehnen legen sich viel- 
mehr mit ihren benachbarten 
Rändern aneinander und verwe- 
ben in diffuser Weise ihre Sehnen- 
fasern, so daß ohne weiteres gar 
nicht ersichtlich ist, zu welchen 
Ziehen die SehnenfaserndesFlexor 
tibialis, zu welchen die des Flexor 
fibularis verlaufen. Bei näherem 
Zusehen ist allerdings doch zu 
erkennen, daß der Flexor tibialis 
hauptsächlich Fasern zum Hallux und den benachbarten zwei 
Zehen abgibt, der Flexor fibularis died. und 4. Zehe allein zu 
versorgen scheint, aber auch Fasern zu der 3., 2. und 1. schickt. 
In diesem Verhalten ergibt sich wieder ein Gegensatz 
zu Homo, wo die Verschmelzung der Sehnenfasern nicht in so 
diffuser Weise erfolgt. Sehr häufig teilt sich bei Hono jede der 
Sehnen in zwei Teilsehnen, von denen je eine stärker bleibt 
und ihrer Hauptbestimmung zustrebt, während die zweite, 
dünnere zum je andern Muskel überläuft. So versorgt der 
Flexor fibularis hauptsächlich die große Zehe — dies ist seine 
Hauptfunktion —, er schiekt aber eine zweite dünnere Sehne 
zum Flexor tibialis, mit dessen Sehnenfasern er hauptsächlich 
zur 2. und 3., aber auch zur 4. Zehe verläuft. Der Flexor 
tibialis versorgt hauptsächlich die 5., 4, 3. und 2. Zehe — 
dies ist seine Hauptfunktion —, er schickt aber auch eine zweite 
dünnere Sehne zur Hauptsehne des Flexor fibularis und beugt 
mit dieser die große Zehe. 


Der Flexor tibialis ist also bei Homo im Vergleich zum 
Morpholog. Jahrbuch, 41. 14 


210 Erna Glaesmer 


Flexor fibularis stärker als bei den Marsupialia und versorgt 
hauptsächlich die lateralen Zehen, bei den Marsupialia die 
medialen Zehen. 

3. Die dritte Reihe von Fällen umfaßt Übergangszustände zwi- 
schen den beiden soeben angeführten. Die Sehne des Flexor 
tibialis teilt sich nämlich in zwei Sehnen. Eine dieser beiden 
inseriert nach Art der sub 1 beschriebenen Fälle am tibialen 
Randknochen oder am Metatarsale des Hallux, tritt also in 
keinerlei Beziehung zum Flexor fibularis. Die zweite vereinigt 
sich nach Art der sub 2 beschriebenen Fälle mit der Sehne 
des Flexor fibularis. Diese Übergangszustände sind mir ganz 
besonders wertvoll und interessant, weil sie eine Brücke für 
die beiden erstangeführten Befunde bilden, eine Brücke, ohne 
welche ein Beweis für die Homologie dieses so verschieden 
sich verhaltenden Flexor tibialis sonst wohl kaum zu er- 
bringen wäre. 


y) Der Flexor fibularis 


ist bei allen Marsupialia ein mächtiger Muskel, meist drei- bis vier- 
mal stärker als der Flexor tibialis. Er entspringt hauptsächlich von 
der Hinterseite der Fibula und der Membrana interossea. 
In der Planta bildet er eine mächtige Sehne, welche entweder 
selbständig die vier bis fünf Sehnen zu den Endphalangen der Zehen 
abgibt, oder aber sich mit einem Teil oder der ganzen Sehne des 
Flexor tibialis vereinigt, um mit diesem gemeinsam die an den End- 
phalangen der Zehen inserierenden Sehnen abzugeben. (Näheres 
Verhalten der Sehnenfasern siehe unter £) Flexor tibialis.) 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 


findet hier aus Zweckmäßigkeitsgründen mit dem oberflächlichen 
gemeinsame Besprechung: Der ganze Flexor digitorum brevis zeigt 
in seiner Zusammensetzung ein recht variables Verhalten. 

In manchen Fällen besteht er aus beiden Ursprungsportionen, 
dem oberflächlichen und dem tiefen Kopf. In andern Fällen fehlt 
der oberflächliche Kopf. Ein Fehlen des tiefen habe ich bei den 
von mir untersuchten Marsupialia jedoch nieht beobachtet, es ist 
aber wohl möglich, daß auch solche Fälle existieren. j 

Der oberflächliche Kopf entspringt von der Unter- d.h. Dorsal- 
seite der Plantarfaseie, der tiefe von dem Plantarabschnitt der Sehne 
des Flexor fibularis, er kann aber auch vom Unterschenkelabschnit 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 211 


dieser Sehne, ja sogar noch höher, von dem Muskelbauch des Flexor 
fibularis entspringen. 

Jeder der beiden Muskelköpfe gibt Sehnen ab, welche von den 
Sehnen des Flexor perforans (der sich aus Flexor tibialis und fibu- 
laris zusammensetzen kann, oder nur durch den Flexor fibularis 
dargestellt wird) perforiert werden. Zuweilen verbindet sich eine 
oder die andre Sehne des oberflächlichen Kopfes mit einer des tiefen, 
und beide gemeinsam bilden eine perforierte Sehne. Der oberfläch- 
liche Kopf bevorzugt mit seiner Versorgung im allgemeinen die 
medialen, der tiefe Kopf die lateralen Zehen. 

Wenn der oberflächliche Kopf fehlt, dann gibt in der Regel 
der tiefe alle perforierten Sehnen ab. Es gibt aber auch Fälle, wo 
sich an der Absendung von perforierten Sehnen auch der Plantaris 
beteiligt, so daß die verschiedensten Kombinationen möglich sind: 

1. Der tiefe Kopf gibt sämtliche perforierten Sehnen ab. 

2. Einzelne perforierte Sehnen gibt der tiefe, andre der ober- 
flächliche Kopf ab. 

3. Einzelne perforierte Sehnen gibt der tiefe, andre der ober- 
flächliche Kopf ab, eine wird gemeinsam vom oberflächlichen 
und tiefen gebildet. 

4. Einzelne perforierte Sehnen gibt der tiefe Kopf ab, andre 
werden gemeinsam vom tiefen Kopf und vom Plantaris ge- 
bildet. 

5. Tiefer, oberflächlicher Kopf und Plantaris beteiligen sich an 
der Bildung von perforierten Sehnen. 

Sieherlich würde man bei Untersuchung noch weiterer Marsu- 
pialia noch mehr Kombinationen vorfinden. 


&) Der Tibialis posticus 
ist ein Muskel, der innerhalb der ganzen Tierreihe wenig oder gar 
keine Abwechslung darbietet. Er entspringt bei den Marsupialia von 
der Fibula, vielfach auch von der Membrana interossea und der 
Fascie des Popliteus und inseriert am Navieulare, bzw. Cuneiforme I. 
Manchmal fehlt er. 


£) Der Quadratus plantae. 


In meiner Arbeit »Untersuchung über die'Flexorengruppe am Unter- 
schenkel und Fuß der Säugetiere« (1908) habe ich diesen Muskel mit 
CunxıneHaum (1882) als bei allen Marsupialia fehlend verzeichnet. 
Bei meinen neuen Untersuchungen habe ich aber diesen Muskel bei 
14* 


919 Erna Glaesmer 


einzelnen Marsupialia vorgefunden. Er entsprang in diesem Falle 
nicht von dem Calcaneus, sondern unterhalb der größten Vortreibung 
des fibularen Malleolus von der Fibula. 


n) Die Lumbricales 


sind entweder einfach oder verdoppelt (d. h. sieben an Zahl). 
Sie entspringen aus den Winkeln, die von den Einzelsehnen des 
Flexor perforans (der sich aus Flexor tibialis und fibularis zusam- 
mensetzt oder nur durch den Flexor fibularis dargestellt wird) ge- 
bildet werden. Wenn nur vier Lumbricales vorhanden sind, so in- 
serieren sie meist an der Dorsalaponeurose der Zehen, an die sie 
von der tibialen Seite herantreten. Wenn sie aber doppelt vertreten 
sind, dann fand ich in einem Fall nur die vier an die tibiale Seite 
der vier lateralen Zehen herantretenden Lumbricales in die Dorsal- 
aponeurose fortgesetzt, die fibularen drei setzten sich in die Sehnen 
des Flexor digitorum brevis fort, in einem andern Fall inserierten 
alle sieben in der Dorsalaponeurose, in einem dritten Fall fand ich 
sie zu beiden Seiten der Flexorenscheide inserieren, ohne Beziehung 
zur Dorsalaponeurose. 


7. Vergleichend anatomische Bemerkungen. 


Bei Vergleich der Muskelbefunde bei den Marsupialia mit denen 
der Monotremen ergibt sich, daß die Beugemuskeln des Fußes 
bei den Marsupialia im allgemeinen auf einer höheren Stufe 
stehen. 

a) Oberflächliche Muskelgruppe. 


c) und %) Der mediale und laterale Gastroenemius. 


Der mediale Gastroenemius zeigt in bezug auf seinen Ursprung 
bei den Marsupialia dieselben Verhältnisse wie bei den Monotremen. 
Der laterale Gastrocenemius aber zeigt bei den Marsupialia schon 
das Bestreben, seinen Ursprung auf das Femur zu verlegen, wäh- 
rend er bei den Monotremen einen rein fibularen Ursprung hat. 
Die Beziehungen der beiden Muskeln zueinander sind dieselben wie 
bei den Monotremen. Es gibt Fälle, wo die Muskeln bis zu ihrer 
Insertion getrennt und selbständig bleiben neben solehen, wo eine 
Vereinigung der Sehnen schon Mitte des Unterschenkels erfolgt. 


y) Der Soleus. N 
Ebenso wie bei den Monotremen fehlt der Soleus auch bei de 
Marsupialia. Während aber bei den Monotremen noch keine Sp 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 213 


eines solchen bemerkbar ist, zeigen sich bei den Marsupialia schon 
die ersten Anfänge in Muskelfasern, die dem lateralen Gastroenemius 
ı gegenüber eine gewisse Selbständigkeit aufweisen. 


| 0) Der Plantaris, 
der bei den Monotremen fehlt, ist bei den Marsupialia ein wohl- 
ausgebildeter Muskel, der in die Plantarfascie übergeht. 


&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 


weist bei den Marsupialia wesentliche Fortschritte auf. Die Sehnen 
gehen bei den Monotremen in die Sehnenscheiden über, ohne daß 
innerhalb derselben ein Weiterverlauf bemerkbar wäre. Bei den 
Marsupialia besteht in der Regel schon eine deutliche Perforation. 

Ein Unterschied besteht ferner in der Versorgung der Zehen. 
Bei den Monotremen bevorzugt der oberflächliche Kopf die lateralen 
Zehen, bei den Marsupialia die medialen (ähnlich wie bei den Si- 
miaden). Aus diesem Grunde verlaufen oberflächlicher und tiefer 
Kopf des Flexor digitorum brevis bei den Monotremen nebenein- 
ander, denn der vom lateral gelegenen Calcaneus entspringende 
Kopf bleibt auch lateral, der von der medial davon gelegenen 
Flexor-fibularis-Sehne entspringende Kopf bleibt medial. Die beiden 
Köpfe haben es also nicht nötig, sich zu überkreuzen. 

Bei jenen Marsupialia, bei welchen beide Köpfe entwickelt sind, 
verläuft aber der von der lateral gelegenen Plantarissehne ent- 
springende Kopf medialwärts, der von der medial gelegenen 
Flexor-fibularis-Sehne entspringende Kopf lateralwärts. Durch diese 
Überkreuzung muß notwendig der eine Kopf oberflächlich, der andre 
tiefer zu liegen kommen. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
«) Der Popliteus 
zeigt bei den Marsupialia schon das Bestreben, seinen Ursprung auf 
das Femur zu verlegen, während er bei den —— einen rein 
fibularen Ursprung hat. 


ß) Der Flexor tibialis 
steht bei einigen Marsupialia auf derselben Entwicklungsstufe wie 
bei den Monotremen. Bei andern aber hat er eine primitivere 
Entwicklungsstufe beibehalten, bei jenen nämlich, wo eine Ver- 
einigung seiner Sehne mit der des Flexor fibularis erfolgt. Dabei 


214 Erna Glaesmer 


bevorzugt aber die Sehne des Flexor tibialis die medialen, die des 
Flexor tibularis die lateralen Zehen. Aus diesem Grunde verlaufen 
die Sehnenfasern des Flexor tibialis bei diesen Marsupialia in einer 
Ebene, nebeneinander. Die beiden Sehnen haben es also nicht 
nötig sich zu überkreuzen. 

Anders bei Homo, wo der medial gelegene Flexor tibialis vor- 
zugsweise laterale, der lateral gelegene Flexor fibularis me- 
diale Zehen versorgt. Hier muß eine Überkreuzung und damit 
die oberflächliche Lage des einen, die tiefe des andern zustande 
kommen. 

y) Der Flexor fibularis 


ist bei den Monotremen wie bei den Marsupialia ein sehr kräftiger 
Muskel. Während er aber bei den Monotremen der alleinige und 
ausschließliche Beuger der Endphalangen ist, kommen bei den Mar- 
supialia neben diesen Entwicklungsstufen noch ursprünglichere 
vor. Es sind dies jene Fälle, bei welchen sich die Sehne des Flexor 
fibularis mit der des Flexor tibialis zum Teil oder ganz vereinigt 


und sich mit dieser in die Versorgung der Endphalangen teilt. (Siehe 


auch »Der Flexor tibialis.«) 


0) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 


steht, ebenso wie der oberflächliche, bei den Marsupialia insofern 
auf einer höheren Stufe, als meistens eine deutliche Perforation zu- 
stande kommt, während bei den Monotremen die Muskelsehnen in 
die Sehnenscheiden übergehen, ohne daß sie innerhalb der Sehnen- 
scheiden weiter zu verfolgen wären. Über die Versorgung der Zehen 
siehe »Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis.« 


e) Der Tibialis postieus 


verhält sich bei den Marsupialia ebenso wie bei den Monotremen. 


£) Der Quadratus plantae, 


der bei den Monotremen sehr kräftig ausgebildet ist und vom Cal- 
caneus entspringt, fehlt bei den Marsupialia fast durchweg. In ein- 


zelnen Fällen, in denen ich ihn bei den Marsupialia vorgefunden 


habe, entsprang er aber nicht vom Caleaneus, sondern von der Fibula. 


n) Die Lumbricales 


fehlen bei den Monotremen, sind bei den Marsupialia aber immer 


vorhanden. In manchen Fällen sind sie verdoppelt. £ 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 215 


Il. Insectivora. 
1. Erinaceus europaeus (Taf. II, Fig. 1). 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 

Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
vertreten durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den 
Soleus, den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor digi- 
torum brevis. 


a) Der mediale Gastroenemius 


entspringt muskulös vom medialen Epicondylus femoris. Aus dem 
Muskelbauch geht eine schlanke Sehne hervor, welche sich etwa in 
der Mitte des Unterschenkels mit den bereits vereinigten Sehnen von 
lateralem Gastroenemius und Soleus vereinigt. Diese durch Ver- 
bindung der drei Muskeln entstandene Achillessehne deckt die Plan- 
tarissehne zu, tritt dann an deren laterale Seite, wird aber im 
weiteren Verlaufe von ihr bedeckt und inseriert so an der Hinter- 
seite des Tuber ealcanei. 


ß) Der laterale Gastrocnemius 


entspringt gemeinsam mit dem Plantaris, den er, ebenso wie den 
größten Teil des Soleus zudeckt, vom lateralen Epieondylus femoris. 
Er vereinigt sich zuerst mit dem Soleus, dann auch noch mit dem 
medialen Gastroenemius. Die so entstandene Achillessehne inseriert, 
von der Plantarissehne bedeckt, an der Hinterseite des Tuber cal- 
canei. Auch bei Erinaceus ist zu beobachten, daß die Sehnenfasern 
des medialen Gastroenemius oberflächlich verlaufen und lateral, die 
des lateralen medial am Tuber caleanei inserieren (Parsons 1894). 


y) Der Soleus 


entspringt vom Capitulum und dem oberen lateralen Viertel der Fibula 
und wird zum größten Teile vom lateralen Gastroenemius bedeckt. 
Seine Sehne verbindet sich mit dem lateralen Gastroenemius, der sich 
seinerseits mit dem medialen Gastroenemius vereinigt. Die gemein- 
same Sehne dieser drei Muskeln ist die an der Hinterseite des Tuber 
ealcanei inserierende Achillessehne. 


0) Der Plantaris 
entspringt mit dem lateralen Gastroenemius, von dem er bedeckt 


216 Erna Glaesmer 


wird, vom lateralen Epicondylus femoris. Mit seinem lateralen Rande 
legt er sich dicht an den Soleus an und deckt einen Teil des Flexor 
fibularis. Seine Sehne liegt am unteren Drittel des Unterschenkels 
unter der Achillessehne, verläuft dann eine kurze Strecke medial 
von ihr und deckt sie endlich, allmählich breiter und breiter werdend, 
über dem Tuber calcanei vollständig zu. In ihrer Lage auf dem 
Tuber wird sie durch Sehnenzüge festgehalten, welche von der Sehne 
aus nach beiden Malleolen ziehen. 


Vom Tuber aus tritt die Sehne in die Planta, wo sie unmittel- 
bar in den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis über- 
geht, so daß Plantaris und oberflächlicher Kopf ähnlich dem M. 
digastrieus bei Homo den Eindruck eines zweibäuchigen Muskels 
machen, dessen distaler Bauch von einer starken Fascie bedeckt wird. 


&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 


geht zum größten Teile unmittelbar aus der Plantarissehne hervor 
(siehe »Der Plantaris«). Ein kleiner Teil des Muskels aber entspringt 
von der Plantarseite jenes ersten Teiles selbst und zwar hauptsäch- 
lich von seiner Muskelfascie. Es sind dies Muskelfasern, die vor 
wiegend für die 5. Zehe bestimmt sind. Der ganze so zusammen- 
gesetzte oberflächliche Kopf geht in vier Sehnen über, welche je in 
eine Sehnenscheide der vier lateralen Zehen übergehen. Wenn man 
diese Sehnenscheide der Länge nach spaltet, so sieht man die Sehne 
innerhalb der Sehnenscheide weiterverlaufen.. Von ihrer Unter- 
d. h. Dorsalseite sieht man einen dieken sehnigen Ring dorsalwärts 
um die Sehne des Flexor fibularis ziehen und sich an die Grund- 
phalanx anheften. Von der Dorsalseite dieses Ringes aber gehen 
zwei Sehnen aus, welche konvergierend distalwärts laufen, sich ver- 
einigen und an der Mittelphalanx ansetzen. Die Sehne des ober- 
flächlichen Kopfes vor dem Ring, der sehnige Ring und die An- 
fangspartien der zwei daraus hervorgehenden Sehnen sind mit der 
Sehnenscheide verwachsen. Mitten durch den sehnigen Ring zieht 
die Sehne des Flexor fibularis. Die proximal vom sehnigen Ring 
liegende Partie des oberflächlichen Kopfes liegt plantar, die beiden 
aus dem Sehnenring hervorgehenden Sehnen liegen dorsal von ihr, 

Es ist ohne weiteres klar, daß es sich auch hier um eine »Per- 
foration« der Sehnen des Flexor digitorum brevis durch die des 
Flexor fibularis handelt. Auffallend aber ist, daß die Sehne des 
Flexor perforatus mit der Sehnenscheide verwachsen ist. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 217 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
repräsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis 
und den Tibialis posticus. 


«) Der Popliteus 
entspringt mit kurzer, gedrungener Sehne aus einer Vertiefung der 
lateralen Fläche des lateralen Femurcondylus. Er breitet sich fächer- 
' förmig aus und inseriert an der Hinterseite der Tibia, besonders der 
_ medialen Kante: An dieser läßt er die oberste Partie frei, inseriert 
aber abwärts bis zur Hälfte des Unterschenkels. 


ß) Der Flexor tibialis 
war in einem Falle ein zweiköpfiger Muskel, dessen lateraler Kopf 
mit dem Soleus vom Fibulaköpfchen, dessen medialer von der hinteren 
Seite der Tibia, dicht unterhalb des Gelenkes entsprang. 


Bei einem zweiten Exemplar, das ich wegen dieses Muskels 
untersuchte, hat der Flexor tibialis nur einen von der Tibia ent- 
‚springenden Kopf. Die schlanke Sehne des Flexor tibialis verläuft 
hinter dem medialen Malleolus, wo sie von den von der Plantaris- 
sehne zum Malleolus ziehenden Sehnenfasern festgehalten wird, in 
die Planta. Oberhalb des Malleolus kreuzt sie die Sehne des Tibialis 
posticus, indem sie oberflächlich über diese hinweg nach hinten zieht, 
so daß am medialen Malleolus die Sehne des Flexor tibialis, wie 
bei Homo, hinter der Sehne des Tibialis posticus verläuft. 


In der Planta verwebt sich die Sehne des Flexor tibialis innig 
mit der Sehnenscheide der Halluxsehne. Ihre Sehnenfasern bleiben 
aber im Gewebe der Sehnenscheide bis zur Endphalanx durch die 
ausgesprochene Längsstreifung sichtbar. Ein Sesambein fand ich 
nicht eingelagert. 


y) Der Flexor fibularis 


ist der stärkste aller Unterschenkelbeuger. Er wird zum Teil von 
Soleus und Flexor tibialis bedeekt und entspringt von den oberen 
zwei Dritteln des Fibulaschafts, von der Membrana interossea und 
dem oberen Drittel der Tibia, soweit dieses vom Popliteus freige- 
geben wird. 


Die starke Sehne verläuft am medialen Malleolus hinter der 
Sehne des Flexor tibialis. In der Planta teilt sie sich in fünf Sehnen, 


218 Erna Glaesmer 


die zu den Endphalangen der fünf Zehen verlaufen. Jede Sehne 
gleitet innerhalb der Sehnenscheide in dem dort befindlichen dicken 
Sehnenring. (Näheres siehe unter » Der oberflächliche Kopf des Flexor 
digitorum brevis.«) 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 
fehlt. 
&) Der Tibialis posticus 

ist ein sehr schwacher Muskel. Er wird in dem einen Falle, wo ein 
lateraler Kopf des Flexor tibialis besteht, vollständig von diesem 
bedeckt. Er entspringt vom Capitulum der Fibula. Die zarte Sehne 
bleibt bis nahe an den medialen Malleolus von der Sehne des Flexor 
tibialis bedeckt. Oberhalb des Malleolus aber, wo die Sehne des 
Flexor tibialis sich nach hinten wendet, wird sie sichtbar. Am 
Malleolus liegt sie vor der Sehne des Flexor tibialis. In der Planta 
inseriert die Sehne mit divergierenden Fasern am Naviculare. 


£) Der Quadratus plantae 
fehlt. 
n) Die Lumbrieales 
fehlen. 


B. Innervation. 

Der N. tibialis gibt dicht oberhalb der Gelenkspalte des Knie- 
gelenks zwei Äste in gleicher Höhe ab, einen lateralen und einen 
medialen. Der mediale versorgt den medialen Gastroenemius. 

Der laterale teilt sich in zwei Zweige, einen Muskelzweig für 
den lateralen Gastroenemius und Soleus und einen Hautzweig, den 
N. communicans tibialis. | 

Am unteren Rande des Popliteus gibt der N. tibialis lateral- 
wärts einen Ast an den Plantaris, medialwärts Äste an den Popli- 
teus, Flexor tibialis und Tibialis posticus ab. 

Noch weiter distal geht ein Ast ab, der zum Teil den Flexor 
fibularis in mehreren Abständen versorgt, zum Teil einen Hautast 


für den medialen Malleolus bildet. H 
Etwas oberhalb des Calcaneus teilt sich der N. tibialis in den) 
N. plantaris lateralis und plantaris medialis. 


Der N. plantaris medialis gibt Äste an den oberflächlichen Kop 
des Flexor digitorium brevis und mehrere Hautäste ab. So versor 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 219 


er die Haut der Planta, sowie die der drei medialen Zehen und 
den medialen Rand der vierten. 

Der N. plantaris lateralis tritt unter den oberflächlichen Kopf 
des Flexor digitorum brevis, verläuft dort an dessen lateralem Rand 
entlang, wobei er dem lateralen Abschnitt des Muskels ein Ästchen 
abgibt. Dann schickt er, außer Ästen für die tiefen Fußmuskeln, Haut- 
äste für die fünfte, sowie den lateralen Rand der vierten Zehe ab. 
Die Aufteilung des N. tibialis in mehrere Stränge, wie sie bei den 
Monotremen und einigen Marsupialia beobachtet ist, besteht also bei 
Erinaceus europaeus nicht. 

Über die Muskulatur der Erinaceiden sind mir zwei Arbeiten be- 
kannt geworden, Dogsons große Inseetivoren-Arbeit (1882—1883) 
und eine Arbeit von Parsons (1897). 

Dogsox hat in bezug auf die Erinaceiden im großen und ganzen 
dieselben Befunde verzeichnet, wie soeben bei Erinaceus europaeus 
beschrieben wurde. Ein Vergleich wird aber erschwert durch die 
zum Teil verschiedene Benennung. 

So unterscheidet DoBson, ebenso wie CuNNInGHAMm (1882) bei 
Cuscus zwei Tibiales postiei, während ich den einen dieser beiden 
als Flexor tibialis auffasse. 

Den von mir als Flexor fibularis beschriebenen Muskel faßt er 
als eine Vereinigung von Flexor tibialis und Flexor fibularis auf. 

Diese Auffassung war für ihn die nächstliegende, um so mehr, als 
der Muskel nach seiner Beschreibung in zwei isolierte Sehnen über- 
geht, die sich oberhalb des Calcaneus zu einer einzigen vereinigen. 
Dasselbe Verhalten des Flexor fibularis fand ich auch bei einem 
aus Holland stammenden Erinaceus europaeus. 

Diese streckenweise markierte Teilung legt natürlich die Ver- 
mutung nahe, es handle sich hier um einen Flexor tibialis und 
einen Flexor fibularis, die sich vereinigt haben. 

Ich erinnere nur an Perameles obesula, wo ich einen ähnlichen 
Befund genau so wie Dossox zu deuten gezwungen bin. Zwischen 
den bei Perameles obesula und einigen Erinaceidae vorkommenden 
Gesamtbefunden besteht jedoch ein großer Unterschied. Dort ist 
kein einziger Muskel vorhanden, der irgendwie den Anspruch auf 
die Dignität eines Flexor tibialis erheben könnte. Ja, auch der so 
gut charakterisierte Tibialis posticus fehlt. Es bleibt also keine 
andre Auffassung übrig, als höchstens die noch, auch den Flexor 
tibialis als fehlend zu betrachten. 


220 Erna Glaesmer | 
r | 

Bei Erinaceus hingegen existiert neben einem Tibialis postieus 
ein zweiter Muskel, der genau das Verhalten zeigt, wie es bei 
einigen Marsupialia besteht. 

Ein Quadratus plantae war bei meinem Exemplar Erinaceus 
nicht vorhanden. DoBsox beschreibt aber diesen Muskel bei andern 
Erinaceus-Arten. 

Ebenso hat Dogsox bei einem Exemplar einen Lumbricalis zur 
3. Zehe gefunden. Es ist möglich, daß ich diesen — vielleicht 
schwach entwickelten Muskel — übersehen habe. Bei den Inseecti- 
voren scheint es ja allgemein mit den Lumbricales schlecht bestellt 
zu 'sein. 

Richtig entwickelte fand Dogson bei den verschiedensten Erina- 
eeidae höchstens zwei, für die 3. und 4. Zehe. 

In bezug auf den Flexor digitorum brevis (oberflächlicher Kopf) 
ist es interessant, daß Dobson bei einigen Zrinaceus-Arten auch 
Ursprungsfasern vom Caleaneus fand. 

Parsons (1897) behandelt die mit den Erinaceidae verwandte 
Gymnura Rafflesü, die auch ähnliche Befunde wie Erinaceus euro- 
paeus darzubieten scheint. 

Den unmittelbaren Übergang des Plantaris in den oberflächlichen 
Kopf des Flexor digitorum brevis faßt Parsons ersichtlich als eine 
sekundär erworbene Bildung auf, während ich ihn für einen primi- 
tiven Zustand halte. 

Über den Flexor tibialis bei Gymnura Rafflesüi sind PARsoNSs 
und DoBson verschiedener Meinung. 

Nach Dogsox inseriert der Muskel, den er Tibialis posticus in- 
ternus nennt, in der Plantarfascie, während der Flexor fibularis alle 
fünf Sehnen für die Endphalangen abgibt. 

Nach PArsons, der dieselben Benennungen gebraucht wie ich, 
verbindet sich die Sehne des Flexor tibialis mit der des Flexor 
fibularis. 

Parsons kennt die Arbeit Dogsons und scheint ihm die In- 
sertion seines »Tibialis postieus internus« (Flexor tibialis PARSONs) 
in der Plantarfaseie nicht recht zu glauben. r 

Leider steht mir kein Exemplar Gymnura zur Verfügung. Ich 
halte es aber ohne weiteres für möglich, daß beide Befunde richtig 
sind. Habe ich doch bei zwei engverwandten Tieren, wie Didelphys 
canerivora und Didelphys erassicaudata, in gleicher Weise diese beiden 
Extreme vertreten gefunden. Es ist möglich, das PArsons und 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 221 


Dogson nicht dieselbe Species Gymnura untersucht haben. Es ist 
auch nicht ausgeschlossen, daß bei derselben Species Varianten vor- 
kommen, besonders bei einem so inkonstanten und offenbar sprung- 
weise sich entwickelnden Muskel, wie es der Flexor tibialis ist. 


2. Talpa europaea (Tafel II, Fig. 2 u. 3). 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe ist ver- 
treten durch den medialen, den lateralen Gastrocnemius und den 
Plantaris. 


«) Der mediale Gastroenemius 


entspringt vom medialen Epicondylus femoris, wird am unteren 
Drittel des Unterschenkels sehnig und verbindet sich dort mit der 
Sehne des lateralen Gastroenemius. Beide inserieren gemeinsam an 
der Hinterseite des Tuber caleanei, wobei eine Überkreuzung der 
Sehnenfasern stattfindet; die des medialen Gastrocnemius verlaufen 
oberflächlich lateralwärts, die des lateralen Gastroenemius medial- 
wärts. 


P) Der laterale Gastroenemius 


entspringt vom lateralen Epicondylus femoris. Etwa in der Mitte 
des Unterschenkels vereinigt er sich mit der Sehne des medialen 
Gastroenemius und inseriert mit dieser gemeinsam an der Hinter- 
seite des Tuber calcanei. 


y) Der Soleus 
fehlt. 


0) Der Plantaris 


ist ein recht kräftiger Muskel. Er entspringt vom lateralen Epicon- 
dylus femoris. In der Mitte des Unterschenkels wird er sehnig und 
verläuft über das Tuber calecanei, wobei er die Insertionsstelle der 
beiden Gastrocnemii zudeckt. In der Planta wird seine Sehne breiter 
und geht zu einem Teile in eine derbe Fascie für den lateralen 
Fußrand, zum andern Teile in drei zarte Sehnen für die mittleren 
drei Zehen über. Diese drei Sehnen drehen sich seilartig umeinander, 
so daB die beiden lateral entspringenden Sehnen schließlich ober- 
flächlich und medial, die medial entspringende lateral zu liegen 
kommt (Taf. I, Fig. 3). Jede dieser Sehnen verläuft weiterhin 


222 Erna Glaesmer 


eine kurze Strecke weit auf der entsprechenden Sehne des Flexor 
fibularis, dann treten die beiden für die 2. und 3. Zehe bestimmten 
Sehnen an deren medialen Rand und teilen sich hier in eine längere 
und eine zweite kürzere Teilsehne. Die kürzere inseriert an der 
Grund-, die längere an der Mittelphalanx. Die für die 4. Zehe be- 
stimmte Sehne tritt hingegen an die laterale Seite der entsprechenden 
Sehne des Flexor fibularis und teilt sich hier ebenfalls in eine längere 
und kürzere Teilsehne, von denen die kürzere an der Grund-, die 
längere an der Endphalanx inseriert. 

Beide Sehnen, sowohl die des Plantaris, wie die des Flexor 
fibularis, sind über den Phalangen von einer gemeinsamen Sehnen- 
scheide eingehüllt, wobei die Teilsehnen der jeweiligen Plantaris- 
sehne eng mit der umgebenden Scheide verwachsen sind, so daß es 
einer künstlichen Trennung bedarf (wie das auf Tafel II, Fig. 3 
geschehen ist), um Verlauf und Insertion der Plantarissehne selbst 
zu zeigen. 

Sehr auffallend ist es, daß eine Spaltung der Plantarissehne er- 
folgt, ohne daß der Flexor fibularis den so entstandenen Schlitz als 
Durchtrittsstelle benutzt, wie das sonst allgemein der Fall ist. Ferner 
fällt auf, daß nieht beide Teilsehnen wie sonst an den Mittelpha- 
langen, sondern nur eine dortselbst, die andre aber an der Grund- 
phalanx inseriert. Dieses Verhalten legt den Gedanken nahe, daß 
die Zweiteilung der Plantarissehne ohne irgendwelche Abhängigkeit 
von der Sehne des Flexor fibularis erfolgt ist, denn der Flexor fibu- 
laris tritt ja hier zu den Plantarissehnen in gar keine Beziehung. 
Einzig und allein die Funktion des Plantaris, die Richtung, in der 
seine Sehnen an der Sehnenscheide ziehen, mögen die Ursache sein, 
daß sich innerhalb der Sehnenscheide die Sehnen in dieser be- 
stimmten Art entwickelt haben. Durch diese Insertionsart wird allem 
Anschein nach nicht eine reine Plantarflexion, wie bei andern Tieren, 
bezweckt, sondern eine gleichzeitige Adduction der 2. u. 3. und Ab- 
duction der 4. Zehe. 


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&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 


fehlt. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
Diese wird nur dargestellt durch den Flexor tibialis und Flexor 
fibularis. 
«) Der Popliteus 
fehlt. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 223 


ß) Der Flexor tibialis 


‚ist ein schwach‘ entwiekelter Muskel, der einen schmalen Mittel- 
streifen des Flexor fibularis deckt. Mit seiner, etwa in der Mitte 
des Unterschenkels entstehenden Sehne verläuft er hinter dem medi- 
alen Malleolus in die Planta, wo er an einem langen Knorpelstäbehen 
inseriert. Dieses ist durch eine derbe Fascie an den medialen Fuß- 
rand befestigt. Ein sehniges Band zieht von seinem distalen Ende 
zu den proximalen Tarsalknochen. 


y) Der Flexor fibularis 


entspringt von der ganzen Hinterseite der Tibia bis nahe an deren 
Malleolus, ferner von der Membrana interossea und mit einigen Fasern 
auch noch von der mit der Tibia distalwärts verwachsenen Fibula. 
Die dicht oberhalb des Malleolus entstehende Sehne verläuft am 
Malleolus hinter der Sehne des Flexor tibialis in die Planta, wo sie 
sich in fünf Sehnen aufteilt, die an den Endphalangen der Zehen 
inserieren. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 
fehlt. 
&) Der Tibialis postieus 
fehlt. 
£) Der Quadratus plantae 
fehlt. 


n) Die Lumbricales 
fehlen. 


B. Innervation. 


Der N. tibialis gibt erst einen Ast für den medialen Gastroene- 
mius ab. Darauf folgt ein Ast für den lateralen Gastrocnemius, 
endlich einer, der sich an den Plantaris, Flexor tibialis und Flexor 
fibularis verzweigt. 

Am medialen Malleolus liegt der Nerv nicht, wie gewöhnlich, 
zwischen der Sehne von Flexor tibialis und Flexor fibularis, sondern 
auf der Sehne des Flexor fibularis. 

In der Planta teilt er sich in den N. plantaris medialis und 
N. plantaris lateralis. 


Aus der Familie der Talpidae beschreibt Dogson (1882—1883) 
Talpa europaea, Scalops aquaticus, Scapanus americanus, Condylura 


224 Erna Glaesmer 
eristata, Myogale moschata und pyreneica, bei denen er ähnliche Be- 
funde, wie ich bei Talpa europaea bekommen hat. 

Der Flexor tibialis, der mich in allen diesen Fällen besonders 
interessiert, heftet sich bei den vier zuerst genannten Tieren wie 
bei meinem Exemplar Talpa europaea an einem Sesambein des medi- 
alen Fußrandes an. 

Bei Myogale moschata vereinigt sich die Sehne mit der des 
Tibialis postieus, bei Myogale pyreneica erfolgt eine Teilung in zwei 
Sehnen, deren eine zum tibialen Sesambein geht, während die andre 
an der Grundphalanx des Hallux inseriert. Demnach inseriert die 
eine Teilsehne bei M. pyreneica ähnlich wie die ganze Sehne des 
Flexor tibialis bei Talpa, europaea (tibialer Randknochen) die zweite 
ähnlich wie bei Erinaceus europaeus (Hallux). | 

Der Tibialis postieus fehlt bei einigen dieser Talpidae, bei andern 
ist er vorhanden. 


3. Sorex araneus. 


A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
repräsentiert durch den medialen, den lateralen Gastroenemius und 
den Plantaris. 


«) Der mediale Gastrocnemius 


entspringt vom medialen Epicondylus femoris. Mitte des Unter- 
schenkels vereinigt er seine Sehne mit der des lateralen Gastroene- 
mius und inseriert mit diesem gemeinsam an der Hinterseite des 
Tuber calcanei. 


ß) Der laterale Gastroenemius E 


entspringt vom lateralen Epicondylus femoris. In der Mitte des 
Unterschenkels etwa vereinigt er sich mit der Sehne des medialen 
Gastroenemius und inseriert mit diesem gemeinsam an der Hinter- 
seite des Tuber calcanei. Der Muskel ist fast in seinem ganzen 
Verlaufe mit dem Plantaris verwachsen. | 

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y) Der Soleus 
fehlt. 


0) Der Plantaris 


ist bis nahe an das Tuber ealeanei mit dem lateralen Gastroenemius 
verwachsen. Er entspringt mit diesem vom lateralen Epicondylu 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 225 


femoris. Seine Sehne wird in der Mitte des Unterschenkels von der 
gemeinsamen Sehne der Gastroenemii bedeckt, dann tritt sie medial- 
wärts, um sich endlich lateralwärts um sie zu schlingen. Auf dem 
Tuber bedeckt sie die Insertionsstelle der beiden Gastroenemii und 
verläuft von da in die Planta, wo sie in vier für die 5., 4, 3. und 
2. Zehe bestimmte Sehnen übergeht, welche die Sehnen des Flexor 
fibularis durchtreten lassen. 


&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
fehlt. 
b) Tiefe Muskelgruppe. 

Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird reprä- 
sentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis und den Flexor 
fibularis. 
| «@) Der Popliteus 
ist schwach entwickelt. Er entspringt vom lateralen Condylus femoris 
und inseriert an dem oberen Viertel der medialen Kante der Tibia. 


| ß) Der Flexor tibialis 

ist ein zweiköpfiger Muskel. Der eine Kopf entspringt gemeinsam 
mit dem Flexor fibularis von der Fibula, die distalwärts mit der 
'Tibia verwächst, ferner von der Membrana interossea; der zweite, 
schwächere kommt von der Tibia. (Die Verhältnisse erinnern an 
‚einen ähnlichen Fall bei Erinaceus europaeus.) Die beiden Köpfe 
‚gehen in eine gemeinsame Sehne über, welche oberhalb des Calea- 
neus mit der Sehne des Flexor fibularis verwächst. Aus der ge- 
meinsamen Sehne gehen fünf Teilsehnen hervor, welche mit Aus- 
ahme der Halluxsehne die vier Sehnen des Plantaris perforieren 
und an den Endphalangen der Zehen inserieren. 


y) Der Flexor fibularis 

entspringt gemeinsam mit dem fibularen Kopf des Flexor tibialis 
von der Fibula, ferner mit einigen Fasern von der Membrana inter- 
ossea. Seine Sehne vereinigt sich oberhalb des Calcaneus mit der 
ehne des Flexor tibialis. Aus der so entstandenen Sehne gehen 
nf Teilsehnen hervor, deren laterale vier die Plantarissehnen per- 
forieren und an den Endphalangen der Zehen inserieren. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 
&) Der Quadratus plantae 


Morpholog. Jahrbuch. 41. 15 


226 Erna Glaesmer 


<) Der Tibialis postieus 
fehlt. 
n) Die Lumbricales 
fehlen. 
B. Innervation. 

Der N. tibialis splittert sich dicht unterhalb der Gelenkspalte 
des Kniegelenks in Einzeläste für die Muskeln auf. Jeder Muskel 
wird von einem besondern Aste, nur der Flexor fibularis und der 
fibulare Kopf des Flexor tibialis werden von einem gemeinsamen 
Aste innerviert. 

4. Macroscelides. 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
Die oberhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird reprä- 


sentiert durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den Soleus 
und den Plantaris. 


«) Der mediale Gastroenemius 


entspringt vom medialen Epicondylus femoris. Noch ehe er in eine 
Sehne übergeht, verwächst sein Muskelbauch mit dem des lateralen 
Gastroenemius und Soleus, zum Teil sogar mit dem Plantaris. 

Oberhalb der Mitte des Unterschenkels geht aus den vereinigten 
Muskeln von medialem, lateralem Gastroenemius und Soleus eine ge 
meinsame Sehne hervor, während die Sehne des Plantaris sich eine 
kurze Strecke lang davon isolieren läßt. Am unteren Drittel des 
Unterschenkels sind alle vier Sehnen vereinigt und inserieren ge- 
meinsam am Tuber calcanei. Von da aus aber setzen sie sich in 
die Planta fort, wo sie sich in vier Sehnen aufteilen, die die ent- 
sprechenden Sehnen des Flexor fibularis durchtreten lassen und an 
den Mittelphalangen der 5., 4., 3. und 2. Zehe inserieren. 


ß) Der laterale Gastrocnemius 


entspringt mit dem Plantaris gemeinsam vom lateralen Epiecondylu 
femoris. Sein Muskelbauch verbindet sich mit dem des Soleus une 
des lateralen Gastroenemius; auch der Plantaris steht in lockere) 
Verbindung mit diesen drei Muskeln, läßt sich aber bis zum unteren 
Drittel des Unterschenkels von den übrigen Muskeln isolieren. Von 
da ab aber sind alle vier Sehnen vereinigt. (Weiteres Verhalte 
siehe unter »Der mediale Gastroenemius.«) 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 227 


y) Der Soleus 
entspringt vom Xapitulum der Fibula. Er verwächst mit dem late- 
ralen Gastroenemius, dem medialen Gastrocnemius, zum Teil auch 
mit dem Plantaris. (Weiteres Verhalten siehe unter »Der mediale 
Gastroenemius. «) 

0) Der Plantaris 
entspringt mit dem lateralen Gastroenemius vom lateralen Epicon- 
dylus femoris. Er verwächst locker mit dem lateralen, dem medialen 
Gastroenemius und dem Soleus, läßt sich aber bis zur Mitte des 
Unterschenkels von den übrigen drei Muskeln isolieren. Am unteren 
Drittel des Unterschenkels aber tritt seine Sehne in feste Verbindung 
mit der Achillessehne und inseriert mit dieser gemeinsam am Cal- 
caneus. (Weiteres Verhalten siehe unter »Der mediale Gastroenemius. «) 


&) Der oberflächliehe Kopf des Flexor digitorum brevis 
fehlt. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 

Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird reprä- 
sentiert durch den Popliteus, den Flexor fibularis und drei Lum- 
bricales. 

«) Der Popliteus 
ist verhältnismäßig stark. Ursprung und Insertion wie bei Sorex. 


ß) Der Flexor tibialis 
fehlt. 

y) Der Flexor fibularis 
entspringt von der Fibula und weiter distal von der Verwachsungs- 
stelle der Tibia und Fibula. Die etwa in der Mitte des Unter- 
schenkels entstehende Sehne verläuft in einer Rinne hinter dem 
medialen Malleolus und tritt sodann in die Planta. Hier teilt sie 
sich in fünf Sehnen auf, deren laterale vier die von lateralem, medi- 
alem Gastroenemius, Soleus und Plantaris abgegebenen Sehnen durch- 
bohren. Sie inserieren an den Endphalangen der fünf Zehen. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 


fehlt. 

&) Der Tibialis postieus 
fehlt. 

{) Der Quadratus plantae 
fehlt. 


15* 


228 Erna Glaesmer 


n) Lumbricales 
sind drei vorhanden. Sie entspringen aus den Winkeln, welche von 
den lateralen vier Sehnen des Flexor fibularis gebildet werden, und 
inserieren an den tibialen Seiten der 5., 4. und 3. Zehe. 


B. Innervation. 

Der N. tibialis gibt oberhalb der Vereinigungsstelle des medialen 
und lateralen Gastroenemius einen Strahl von Einzelästen ab. Ein 
Ast versorgt den medialen Gastrocnemius, ein zweiter verzweigt sich 
an den lateralen Gastroenemius und Soleus, je ein Ast verläuft so- 
dann zum Plantaris, Popliteus und Flexor fibularis. 


In der Planta erfolgt die Aufteilung in den N. plantaris late- 
ralis und N. plantaris medialis. 


5. Besprechung der Literatur über andre Insectivora. 


Da mir nicht viel Inseetivoren zur Verfügung stehen, möchte 
ich wenigstens kurz die Befunde erwähnen, die Dogsox über andre 
Familien, besonders was den Flexor tibialis und fibularis angeht, 
verzeichnet. 


Oentetidae. 


Bei Erieulus und Oryxorietes liegt die Sehne des Flexor tibialis 
in der Planta oberflächlich von der des Flexor fibularis, schließt sich 
aber innig an diese an. Der Flexor tibialis gibt Sehnen zum Hallux 
und der 5. Zehe ab, der Flexor fibularis versorgt die drei mittleren 
Zehen. 


Bei Solenodon teilt sich der Flexor tibialis in zwei Sehnen. Die 
innere, schmälere inseriert an der Basis des ersten Metatarsale, die 
breitere verschmilzt mit der Sehne des Flexor fibularis. DoBson 
spricht im Gegensatz zu der bei den Erinaceidae gebrauchten Be- 
zeichnung in diesem, sowie auch in andern ähnlichen Fällen, von 
einem Flexor tibialis ebenso wie ich und nicht wie dort von einem 
Tibialis posticus internus. Es ist dies eine gewisse Inkonsequenz 
seiner Nomenklatur. 


Potamogalidae. | 

Bei diesen beschreibt Dossoxn einen Flexor digitorum brevis, 
der perforierte Sehnen für die äußeren vier Zehen bildet. Der Flexor 
tibialis vereinigt seine Sehne mit der des Flexor fibularis. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 229 


Chrysochloridae. 
Auch hier vereinigt der Flexor tibialis seine Sehne mit der des 
Flexor fibularis. Beide gehen in fünf Sehnen über. 
Der Flexor digitorum brevis entspringt von der Plantarfaseie. 


6. Zusammenfassung. 


Von den acht von Max WEBER (1904) angegebenen Familien 
der Inseetivora sind an dieser Stelle vier, mit je einem Vertreter 
untersucht worden. 

Über die besondere Variabilität aufweisenden Muskeln bringe 
ich S. 230 eine tabellarische Übersicht. Auch hier lege ich, ebenso 
wie bei den Marsupialia, das Hauptgewicht auf die Insertionsver- 
hältnisse. 
| Aus alledem lassen sich folgende für die Insectivora im allge- 
meinen gültigen Sätze ableiten: 


a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
«) und #) Der mediale und laterale Gastroenemius 


entspringen vom medialen und lateralen Epicondylus femoris, der 
laterale meist mit dem Plantaris gemeinsam. Die beiden Muskeln 
sind nicht bis zu ihrer Insertion selbständige Individuen, sondern 
vereinigen sich gewöhnlich etwa in der Mitte des Unterschenkels 
und inserieren gemeinsam an der Hinterseite des Tuber ealeanei. 
In einem Falle fand ich die Sehne mit der Plantaris- und Soleus- 
sehne gemeinsam sich bis in die Planta fortsetzen und die perfo- 
rierten Sehnen abgeben (Macroscelides). 


y) Der Soleus 


fehlt zuweilen. Wenn er vorhanden ist, entspringt er vom Capitulum 
der Fibula und vereinigt sich mit dem medialen und lateralen Ga- 
stroenemius zum Triceps surae. 


0) Der Plantaris 


entspringt gemeinsam mit dem lateralen Gastroenemius, von dem er 
am Ursprunge zugedeckt wird, vom lateralen Epicondylus femoris. 
Seine Sehne wird am oberen Teil des Unterschenkels von der Sehne 
der beiden Gastroenemii bedeckt, gewinnt aber im weiteren Verlaufe 
eine immer mehr und mehr oberflächliche Lage, indem sie erst an 
die mediale Seite der Gastroenemius- bzw. Tricepssehne, sodann auf 


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Erna Glaesmer 


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201] 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 231 


sie tritt und so in die Planta verläuft, wobei sie die Insertionsstelle 
‘ der Gastroenemii bzw. des Trieeps surae am Tuber ealcanei zudeckt. 


In der Planta kann sich die Sehne des Plantaris unmittelbar 
als solche fortsetzen, wobei sie sich sodann in einzelne perforierte 
Sehnen aufteilt, die an den Mittelphalangen inserieren. 


In andern Fällen setzt sich die Plantarissehne zum Teil in den 
oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis fort, während seine 
oberflächlichen Fasern in eine feine Plantarfaseie übergehen. 


e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 


fehlt in zahlreichen Fällen. Er wird dann durch den Plantaris er- 
setzt, der statt seiner die perforierenden Sehnen abgibt. 

Wenn er vorhanden ist, so geht er unmittelbar aus der Plan- 
tarissehne hervor, oder aber er bekommt auch noch — wie DoBson 
das bei verschiedenen Insectivora beobachtet hat — Ursprungsfasern 
vom Caleaneus. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
a) Der Popliteus 


fehlt zuweilen. Wenn er vorhanden ist, so entspringt er vom late- 
ralen Condylus femoris und inseriert an dem oberen Teil der Hinter- 
seite der Tibia. 


ß) Der Flexor tibialis 
kann fehlen, ist aber in der Regel vorhanden. 


Er entspringt dann von der Tibia, manchmal aber auch von 
der Membrana interossea und der Fibula. 


Ein Vergleich der von mir gewonnenen Befunde mit den in der 
Literatur verzeichneten stellt sich insofern schwierig, als die Nomen- 
klatur, ebenso wie bei den Marsupialia, keine einheitliche ist. 


So nennt Dogson den Muskel gern, aber nicht konsequent, 
einen Tibialis posticus internus (Tibialis posticus externus ist dann 
der eigentliche Tibialis posticus). 

Parsons hingegen hat dieselbe Benennung wie ich. — 

. In bezug auf die Insertion des Flexor tibialis kann man ähnlich 
wie bei den Marsupialia drei Grundtypen unterscheiden: 

1. Die Sehne des Flexor tibialis inseriert am tibialen Randknochen, 

der durch die Fasecie an den medialen Fußrand befestigt ist, 

oder an der Sehnenscheide des Hallux. Sie kann sich auch 


Erna Glaesmer 


in zwei Sehnen teilen, deren eine zum tibialen Randknochen, 
deren andre zum Hallux, z. B. der Grundphalanx geht. 
Charakteristisch für alle diese Fälle ist, daß die Sehne 
des Flexor tibialis für sich allein am medialen Fußrande in- 
seriert und keine Beziehung zum Flexor fibularis erkennen läßt. 


. In einer Reihe von andern Fällen vereinigt sich die Sehne des 


Flexor tibialis mit der Sehne des Flexor fibularis. Ich habe 
bei der leider beschränkten Anzahl von untersuchten Inseeti- 
voren diesen Befund nur bei Sorex araneus vertreten gefunden, 
PArsons beschreibt einen solchen aber auch bei Gymmura, 
Dossonx bei Chrysochloris und den Potamogalidae. 

Von einer Überkreuzung der Sehnen habe ich bei Sorex 
nichts bemerkt. Die Sehne des Flexor tibialis verwebt ihre 
Sehnenfasern mit denen des Flexor fibularis so innig, daß der 
weitere Verlauf der Sehnenfasern, besonders bei den kleinen 
Proportionen von Sorex, kaum zu beobachten ist. Vorwiegend 
verlaufen aber auch hier die Sehnenfasern des Flexor tibialis 
zum Hallux, während der Flexor fibularis besonders die 2., 3., 
4. und 5. Zehe versorgt. Do»son sah in einigen Fällen den 
Flexor tibialis außer zum Hallux auch eine Sehne zur 5. Zehe 
abgeben, während der Flexor fibularis die mittleren drei Zehen 
versorgte. 


. Die dritte Reihe von Fällen umfaßt Übergangszustände zwi- 


schen den beiden soeben angeführten. Die Sehne des Flexor 
tibialis teilt sich nämlich in zwei Sehnen. Die eine dieser 
beiden verbindet sich mit der Sehne des Flexor fibularis, wäh- 
rend die andre am medialen Fußrande, sei es am tibialen 
Randknochen oder an Knochen des Hallux, inseriert (z. B. am 
Metatarsale I). Ich habe einen solchen Befund zwar leider bei 
meinen vier Tieren nicht zu verzeichnen, DoBson beschreibt 
aber solche Fälle, z. B. bei Solenodon. 

Diese Übergangszustände sind ganz besonders wertvoll 
und interessant, weil sie zwischen den beiden vorerst ange- 


führten Extremen vermitteln und die Homologie derselben 


beweisen. 


y) Der Flexor fibularis 


ist bei den Inseetivoren der stärkste Muskel des Unterschenkels. 
Er entspringt hauptsächlich von der Fibula, kann aber auch Fasern 
von der Tibia und der Membrana interossea bekommen. In der 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 233 


Planta spaltet sich seine Sehne gewöhnlich in fünf Teilsehnen, 
welche an den Endphalangen der Zehen inserieren. In andern 
Fällen aber vereinigt sich die Sehne des Flexor fibularis mit einem 
Teil oder den ganzen Sehnen des Flexor fibularis, und beide ge- 
meinsam geben die fünf Sehnen für die Endphalangen ab. Dabei 
bevorzugt dann der Flexor tibialis den Hallux, kann aber auch nach 
Dogson eine Sehne zur 5. Zehe abgeben, während der Flexor fibu- 
laris die vier lateralen oder wenigstens die 2., 3. und 4. Zehe ver- 
sorgt. 
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 

fehlt bei den von mir untersuchten Insectivora und scheint, soweit ich 
dies aus der Literatur ersehen kann, bei allen Insectivora zu fehlen. 


e) Der Tibialis posticus 
wie bei den Marsupialia. 


£) Der Quadratus plantae 
ist nicht konstant vorhanden. Er ist aber bei Gymnura von PAr- 
sons und DoBson, bei einigen Potamogalidae und andern von DoBsoN 
beobachtet. 

Nach diesen Angaben ist das Verhalten des Muskels meist etwas 
anders, als wir es vorzufinden gewohnt sind. 

Er entspringt gewöhnlich vom Caleaneus, aber Dogson beschreibt 
auch gelegentlich Ursprungsfasern von der tiefen Plantarfascie. Auf- 
fallend aber ist die Insertion. Nach PArsons bildet der Muskel in 
einem Falle eine Sehne, die über die Sehnen der langen Flexoren 
hinwegläuft und an der Endphalanx des Hallux inseriert. Der Fall 
erinnert an den von mir bei Myrmecophaga jubata beschriebenen, 
wo ein Teil der Muskelmasse in eine Sehne übergeht, die gemein- 
sam mit der Halluxsehne des Flexor fibularis zur Endphalanx dieser 
Zehe verläuft. 

Noch auffallender aber ist die von Dosson bei den Potamo- 
galidae beobachtete Insertion. Hier ist der Quadratus plantae eng 
mit dem Flexor digitorum brevis verbunden (dem oberflächlichen 
Kopf!). 

Während ein Teil des gemeinsamen Muskels nun die perforierten 
Sehnen für die vier äußeren Zehen abgibt, inseriert die größere 
Masse an der Oberfläche der vereinigten Sehne von Flexor tibialis 
und Flexor fibularis. Dabei sind einige Muskelfasern deutlich in 
die Lumbricales fortgesetzt (wie bei Myrmecophaga jubata!). 


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234 Erna Glaesmer 


Jedenfalls ist der die perforierten Sehnen abgebende Muskelteil 
als oberflächlicher Kopf des Flexor digitorum brevis aufzufassen, der 
übrige Muskelteil als Quadratus plantae. 


n) Die Lumbricales 
sind bei den Inseetivoren fast nie vollzählig vertreten. Zuweilen 


fehlen sie vollständig, meist sind die für die 3. und 4. Zehe vor- 
handen. 


7. Vergleichend anatomische Bemerkungen. 


Ein Vergleich der bei den Inseetivora gewonnenen Muskel- 
befunde mit denen der Marsupialia ergibt, daß die Inseetivoren im 
Verhalten vieler Muskeln etwa dieselbe Stufe einnehmen wie die 
Marsupialia, im Verhalten andrer aber wieder diesen weit voraus 
sind. 

a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
c) und %) Der mediale und laterale Gastrocnemius. 


Der mediale Gastroenemius entspringt wie bei den Monotremen 
und Marsupialia. Der laterale Gastrocnemius, der bei den Marsu- 
pialia schon deutlich das Bestreben zeigte, seinen Ursprung von der 
Fibula auf das Femur zu verlegen, entspringt bei den Insectivora 
rein femoral. 

Die innige Zusammengehörigkeit des medialen und lateralen 
Gastroenemius ist bei den Insectivora viel ausgesprochener als bei 
den Marsupialia. Während eine Vereinigung der beiden Sehnen bei 
den Marsupialia eine Ausnahme ist, ist sie bei den Insectivora die 
Regel. 

y) Der Soleus, 


der bei den Marsupialia durchweg fehlt oder nur mit einigen Mus- 
kelfasern angedeutet war, ist bei den Insectivora, wenn er vorhanden 
ist, ein recht kräftiger, gut entwickelter Muskel, der sich mit den 
beiden Gastroenemii zum Triceps surae vereinigt. Das Vorhanden- 


sein eines Trieeps surae und einer Achillessehne in dem Sinne wie 


bei Homo ist bei den Marsupialia nirgends, soweit mir bekannt, be- 
schrieben. 


0) Der Plantaris 


zeigt bei den Insectivora außer ähnlichen, wie bei den Marsupialia 
bestehenden Verhältnissen auch noch wesentlich andre. Hierher ge- 
hört der unmittelbare Übergang der Plantarissehne in den oberfläch- 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 235 


liehen Kopf des Flexor digitorum brevis, sowie die unmittelbare Ab- 
gabe von perforierten Sehnen. Der erstere dieser beiden Fälle lehnt 
sich einigermaßen an bei Marsupialia anzutreffende Befunde an, wo der 
oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis von der Innenseite 
der aus der Plantarissehne hervorgehenden Plantarfascie entspringt. 
Der zweite Fall hat einige Ähnlichkeit mit jenen Fällen bei Marsu- 
pialia, wo der Plantaris statt des oberflächlichen Kopfes des Flexor 
digitorum brevis eine perforierte Sehne abgibt. 


&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis, 


der bei den Marsupialia in der Regel vorhanden ist, fehlt bei den 
Inseetivoren sehr häufig. Dieses Fehlen steht im Zusammenhang 
mit dem Verhalten des Plantaris, der dann statt seiner die perfo- 
rierten Sehnen abgibt. 

In einzelnen Fällen geht der Muskel unmittelbar aus der Sehne 
des Plantaris hervor. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
«) Der Popliteus 
fehlt zuweilen. Wenn er vorhanden ist, so entspringt er im allge- 
meinen rein femoral, während er bei den Monotremen einen rein 
fibularen Ursprung aufweist, bei den Marsupialia aber schon das 
Bestreben zeigt, allmählich vollständig mit seinem Ursprung auf 
das Femur zu wandern. 


5) Der Flexor tibialis 


zeigt bei den Insectivora dieselben drei Grundtypen der Insertion 
' wie bei den Marsupialia. 


y) Der Flexor fibularis 

ist bei den Insectivora ebenfalls wie bei den Marsupialia der stärkste 
Muskel des Unterschenkels. Er verhält sich im allgemeinen wie 
bei den Marsupialia. Während er bei den Monotremen der alleinige 
und ausschließliche Beuger der Endphalangen ist, kommen bei den 
Marsupialia und Insectivora Fälle vor, wo der Flexor tibialis sich 
mit dem Flexor fibularis vereinigt und beide gemeinsam die Ver- 
sorgung der Endphalangen übernehmen. 


6) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis, 


der bei den Marsupialia, soweit mir bekannt, immer vorhanden ist, 
fehlt bei den Insectivora in der Regel. Die perforierten Sehnen 


— 


+ 
* 
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236 Erna Glaesmer 


werden vom Plantaris oder dem oberflächlichen Kopf des Flexor di- 
gitorum brevis abgegeben. 


e) Der Tibialis postieus 
wie bei den Marsupialia. 


£) Der Quadratus plantae 
fehlt bei den Insectivora nicht so häufig wie bei den Marsupialia. 
Er zeigt bei den Insectivora manchmal Verhältnisse, die sehr auf- 
fallend sind (s. unter »Zusammenfassung«). 


n) Die Lumbricales, 
die bei den Marsupialia sehr regelmäßig vorhanden, ja manchmal 
sogar verdoppelt sind, sind bei den Inseetivora fast nie vollzählig 
vertreten. Zuweilen fehlen sie ganz. 


Ill. Edentata. 
1. Oryeteropus aethiopieus. (Taf. II, Fig. 4.) 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
repräsentiert durch den medialen, den lateralen Gastrocnemius, den 
Soleus und den Plantaris. 


a) Der mediale Gastroenemius 
entspringt mit starker Sehne vom medialen Epicondylus femoris und 
vom Ligamentum genu collaterale tibiale. Seine Sehne vereinigt sich 
mit einem Teil des lateralen Gastroenemius. Die gemeinsame Sehne, 
in die auch ein vom Beckengürtel kommender Muskel ausläuft, in- 
seriertt am Tuber calcanei. 


ß) Der laterale Gastroenemius 
entspringt mit starker Sehne, in die ein Sesambein eingelagert ist, 
vom lateralen Epicondylus femoris. Seine Muskelmasse teilt sich in 
zwei, verschieden sich verhaltende Portionen. Während ein kleiner 
Teil des Muskels sich mit dem medialen Gastroenemius vereinigt, 
verbindet sich die Hauptmasse des Muskels mit dem Soleus und in- 
seriert mit diesem zusammen am Tuber calcanei, etwas lateral und 
vor der Sehne der beiden Gastroenemii. Von der Beugeseite aus 
gesehen, liegt also die Sehne der beiden Gastroenemii oberflächlich 
und medial von der Gastroenemius-Soleussehne. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 237 


y) Der Soleus 
ist ein schwacher, plattgedrückter Muskel, der in seiner ganzen Länge 
die mittleren Partien des Flexor fibularis deckt. Er entspringt von 
einem, unmittelbar unterhalb des Gelenkes befindlichen starken Fort- 
satz der Fibula und inseriert, gemeinsam mit der Hauptmasse des 
lateralen Gastroenemius, an dem Tuber calcanei. Dabei liegt diese 
Gastroenemius-Soleusinsertionsstelle etwas vor und lateral von der In- 
sertionsstelle der Gastroenemii (s. auch »Der mediale Gastroenemius«). 


0) Der Plantaris 

ist sehr stark entwickelt. Er entspringt mit starker Sehne vom la- 
teralen Epicondylus femoris und wird am Ursprunge vom lateralen, 
weiter distalwärts von beiden Gastroenemii bedeckt. Seine Sehne 
kommt am unteren Teil des Unterschenkels medial von der Sehne 
der beiden Gastroenemii an die Oberfläche, schlingt sich um jene 
und tritt, über ihren Ansatz am Tuber calcanei hinweglaufend, in 
die Planta. Dort wird sie zu einer breiten Sehnenplatte, welehe sich 
‘in der Mitte der Sohle in vier Sehnen teilt. Jede der Sehnen wird 
in der Gegend der Metatarso - Phalangealverbindung breiter und 
scheint, von der Oberfläche gesehen, diffus in der Sehnenscheide der 
2., 3., 4 und 5. Zehe aufzugehen. In Wirklichkeit bleibt sie aber 
auch innerhalb der Sehnenscheide als Sehne erhalten, spaltet sich 
hier in zwei Zipfel, welche die tiefe Sehne umgreifen und sich dorsal 
von ihr wieder vereinigen, um so an der zweiten Phalanx zu inse- 
rieren. Diese Verhältnisse sind erst dann zu beobachten, wenn man 
die Sehnenscheide spaltet und aufklappt. Beim Öffnen der Sehnen- 
Scheide ergibt sich, daß die Plantarissehne im Anfang ihrer Spaltung 
innig mit der Sehnenscheide verwachsen ist (auf Taf. II, Fig. 4 ist 
eine Sehnenscheide abpräpariert). Die ganze Sehnenscheide umfaßt 
die beiden in ihr lagernden Sehnen und heftet sich zu beiden Seiten 
an Knochen und Periost der Phalangen an, wobei ein kleiner Teil 
der Fasern, die zumeist quer verlaufen, sich auch auf die Dorsal- 
seite der Zehe fortsetzt. Der Hauptteil der Fasern aber verläuft 
‚unter, d. h. dorsal von der tiefen Sehne und verwebt sich dort mit 
dem Periost und den Fasern der andern Seite. 

$ &) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
fehlt. 

b) Tiefe Muskelgruppe. 

«) Der Popliteus ‚ 

entspringt sehnig vom lateralen Condylus femoris und inseriert an 
der Hinterseite der Tibia bis zur Mitte des Unterschenkels herab. 


238 Erna Glaesmer 


.?) Der Flexor tibialis 
entspringt gemeinsam mit dem Flexor fibularis vom Fibula-Fortsatz, 
und zwar liegen seine Ursprungsfasern medial von denen des Flexor 
fibularis. Außerdem bekommt der Muskel Ursprungsfasern von der 
Membrana interossea. Den unmittelbar der Tibia auflagernden Ti- 
bialis postieus deckt er fast vollständig zu. 

Am medialen Malleolus tritt seine Sehne hinter die des Tibialis 
postieus und teilt sich in der Planta in zwei Sehnen. Die eine dieser 
beiden heftet sich mit einem Teil ihrer Fasern am Metatarsale I an, 
zum andern Teil läuft sie in die Fascie, welche die Grundphalanx 
bedeckt, aus. In diesen zweiten Teil der Sehnenfasern ist in Ge- 
gend des Tarso-Metatarsalgelenkes ein Sesamknorpel eingelagert, 

Die zweite Sehne des Flexor tibialis vereinigt sich mit der Sehnen- 
platte des Flexor fibularis. Ihre Sehnenfasern verlaufen dabei ober- 
flächlich und ziehen hauptsächlich zur 1. Zehe, während der Rest 
der Fasern zur 5., zum Teil auch noch zur 4. Zehe zieht. 


y) Der Flexor fibularis 
ist ein sehr kräftiger Muskel. Er bedeckt die ganze Fibula, den 
größten Teil des Flexor tibialis und die Membrana interossea. 

Er entspringt unterhalb des Soleus-Ursprunges und lateral vom 
Ursprunge des Flexor tibialis vom Fibulafortsatz, ferner von der 
Membrana interossea und dem inneren Rand der Tibia. Seine Sehne 
verläuft am medialen Malleolus hinter der Sehne des Flexor tibialis 
und bildet, in die Planta tretend, eine breite Sehnenplatte, welche 
von der des Plantaris bedeckt wird. 

Nach Aufnahme der einen Teilsehne des Flexor tibialis teilt 
sich die ganze Sehne in fünf Einzelsehnen, welche in der oben an- 
gegebenen Weise (s. »Oberflächliche Muskelgruppe« unter Plantaris) 
die Sehnen des Plantaris perforieren und an den Endphalangen 
der fünf Zehen inserieren. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 
fehlt. 


&) Der Tibialis postieus | 
entspringt, eng angeschlossen an die beiden vorigen Muskeln, vom 
Fibulafortsatz, sowie vom proximalen Viertel der Tibia. Seine Sehne 
die erst am unteren Viertel des Unterschenkels entsteht, tritt 
medialen Malleolus vor die Sehne des Flexor tibialis und inserier 
in der Planta, bedeckt von der Sehne des Flexor tibialis, am Me 
tarsale und Cuneiforme 1. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 239 


£) Der Quadratus plantae 


fehlt. An seiner Stelle besteht aber ein kräftiges Ligament. 


n) Die Lumbricales. 


Es sind vier vorhanden. Sie entspringen aus den Winkeln, 
welche von den fünf Sehnen des Flexor perforans gebildet werden, 
und inserieren an der Tibialseite der Sehnenscheiden für die 2., 3., 
4. und 5. Zehe. 


B. Innervation. 


Der N. tibialis verläuft auf der tiefen Schicht der Beugemus- 
keln, d. h. bedeckt von den Gastrocnemii und dem Soleus, abwärts 
und gibt folgende Muskeläste ab: 

Der erste derselben geht zum medialen Gastrocnemius. 

Der zweite bildet drei Zweige: 

Einer derselben geht zum Plantaris, sowie jenem Abschnitt 
des lateralen Gastroenemius, der sich mit dem medialen 
vereinigt. 

Ein zweiter verläuft zum größeren, mit dem Soleus sich 
verbindenden Abschnitt des lateralen Grastroenemius, sowie 
zum Soleus. 

Ein dritter versorgt den Plantaris (dieser Muskel wird 
aber außerdem distalwärts noch von zwei weiteren, selbstän- 
dig aus dem N. tibialis entspringenden Ästen versorgt). 

Der dritte Ast bildet ebenfalls drei Zweige: 

Einer versorgt den Flexor fibularis. 

Ein zweiter teilt sich in drei Ästchen: eines für die tiefe 
Schicht des Flexor fibularis, ein zweites für den Flexor ti- 
bialis, ein drittes für den Tibialis posticus. 

| Ein dritter Zweig versorgt den Popliteus, in den er von 
distal her eintritt. 

Als vierter und fünfter Ast gehen vom N. tibialis zwei Nerven 

für den Plantaris ab, die etwa in der Mitte des Unter- 

schenkels in den Muskel eintreten. 


h Über Oryeteropus aethiopieus sind mir keine myologischen Ar- 
beiten bekannt geworden, wohl aber fand ich zwei, die Muskulatur 

des in Südafrika vorkommenden Orycteropus capensis betreffende 

® Untersuchungen von Humrury (1868) und GaLton (1870). 

Obwohl es sich um zwei verschiedene Arten handelt, scheinen 


240 Erna Glaesmer 


sich die Muskeln doch sehr ähnlich zu verhalten. Ein Vergleich 
wird allerdings dadurch erschwert, daß in Humpurys Arbeit mehrere 
Muskeln offensichtlich falsch bestimmt sind. 

Als Gastroenemius faßt Humpnury alle oberflächlich vom N. ti- 
bialis gelegenen Muskeln auf, er rechnet also auch Soleus und Plan- 
taris hinzu. Den Soleus beschreibt er als dritten Kopf, den Plan- 
taris als tiefere Portion des lateralen Gastroenemius. 

Außer dem Gastroenemius bespricht er von den langen Flexoren 
nur noch einen Flexor digitorum und einen Tibialis posticus. Unter 
dem »Flexor digitorum«< beschreibt er einen Muskel, der dem Flexor 
fibularis von Oryeteropus aethiopieus entsprechen dürfte. Die beiden 
von mir als Flexor tibialis und Tibialis posticus beschriebenen Mus- 
keln faßt er als einen einzigen, einen Tibialis postieus mit zwei 
Sehnen auf. Da GaLron diese beiden Muskeln ebenfalls als Tibi- 
alis posticus mit zwei Sehnen beschreibt, so halte ich es für mög- 
lich, daß sie bei Orycteropus capensis fest verwachsen sind und so 
den Eindruck eines einzigen machen. Bei Orycteropus aethiopieus 
waren sie deutlich getrennt. 

Den »Tibialis posticus« ausgenommen, stimmt GALToONs Be- 
schreibung der Muskeln mit der meinigen völlig überein. 

Jenen Muskel aber, den ich bei Orycteropus aethiopieus vom 
Oberschenkel zum Calcaneus verlaufen und sich mit der Sehne des 
medialen und einem Teil des lateralen Gastroenemius verbinden sah, 
erwähnt weder HumpHry noch GALTon. Wahrscheinlich ist er also. 
bei Orycteropus capensis nicht vorhanden. 

Als rudimentären Flexor accessorius beschreibt HuMPHRY jenes: 
Ligament, das ich auch bei Orycteropus aethiopicus an Stelle des: 
Quadratus plantae vorgefunden habe. 


2. Manis. 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
Die oberhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird re- 
präsentiert durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den 
Soleus, den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor 
digitorum brevis. / 


«) Der mediale Gastroenemius 


entspringt vom medialen Condylus und Epicondylus femoris. Er 
wird etwa Mitte des Unterschenkels sehnig und vereinigt sich so- 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 241 


dann mit der Sehne des lateralen Gastroenemius. Beide inserieren 
gemeinsam am Tuber calcanei. 


ß) Der laterale Gastroenemius 


ist mit dem Plantaris bis zur Mitte des Unterschenkels fast innig 
verwachsen. Er entspringt mit diesem vom lateralen Epieondylus 
femoris, wird schon oberhalb der Mitte des Unterschenkels sehnig 
und verbindet sich sodann mit der Sehne des medialen Gastro- 
enemius. Beide inserieren gemeinsam an der Hinterseite des Tuber 
calcanei. 
y) Der Soleus 

ist ein kräftiger Muskel, der vom Capitulum der Fibula und der 
Fascie der Streckseite entspringt. Er ist mit dem Flexor fibularis 
zum Teil verwachsen. Er bleibt bis zum Calcaneus herab musku- 
lös, nur seine Oberfläche bedeckt sich mit einer breiten Sehne. 
Seine Insertion erfolgt vor und lateral von der Insertionsstelle der 
Gastroenemii am Tuber calcanei. Eine Verbindung der beiden 
Gastroenemii mit dem Soleus zu einem Triceps surae besteht also 
nicht. 

ö) Der Plantaris 
entspringt mit dem lateralen Gastrocnemius gemeinsam, mit dem er 
bis zur Mitte des Unterschenkels verwachsen ist, vom lateralen 
Epicondylus femoris. In der Mitte des Unterschenkels isoliert sich 
‚seine Sehne von der des lateralen Gastroenemius und verläuft, be- 
‚deckt von der gemeinsamen Sehne der beiden Gastroenemii, abwärts 
zum Calcaneus, wo sie vor und medial von derselben am Tuber 
‚ealcanei inseriert. Eine Fortsetzung der Plantarissehne in die Planta 
‚habe ich nicht beobachtet. 


&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 


‚entspringt von der plantaren und medialen Seite des Tuber calcanei. 
Der kräftige Muskel geht in vier Sehnen über, welche an den 
Sehnenscheiden der 2., 3., 4. und 5. Zehe inserieren, wo sie sich 
innig mit den Fasern der Sehnenscheiden verweben. Wenn man 
diese Sehnenscheiden spaltet und aufklappt, dann kann man bei 
genauem Zusehen allerdings auch innerhalb derselben Längszüge 
der Sehne weiterlaufen sehen. Diese Züge liegen zu beiden Seiten 
der Sehne des Flexor fibularis und verlaufen im Gebiet der Mittel- 
phalangen hinter, d. h. dorsal von derselben. Die Bahn einer »per- 
forierten« Sehne erscheint demnach deutlich vorgezeichnet, ohne daß 
Morpholog. Jahrbuch, 41. 16 


242 Erna Glaesmer 


es aber zu einer ausgesprochenen Sehnenbildung des oberflächlichen 
jeugers und einer Perforation käme. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 


Diese wird vertreten durch den Popliteus, den Flexor tibialis, 
Flexor fibularis, den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den 
Tibialis posticus, den Quadratus plantae und drei Lumbricales. 


«) Der Popliteus 


verhält sich wie bei Orycteropus aethiopieus. 


ß) Der Flexor tibialis 


bedeckt den Tibialis postieus. Am Ursprunge ist er mit dem Flexor 
fibularis verwachsen. Er entspringt nur mit wenig Fasern von der 
Tibia, in der Hauptsache mit dem Flexor fibularis gemeinsam von 
der Fibula und der Membrana interossea. In der Planta inseriert 
der Muskel am Metatarsale I, sowie einem kleinen tibialen Rand- 
knochen, der durch die Fascie am medialen Fußrand befestigt ist. 


y) Der Flexor fibularis 


ist sehr kräftig. Er wird zum Teil vom Soleus bedeckt, mit dem 
er am oberen Drittel des Unterschenkels verwachsen ist. Der Mus- 
kel entspringt von der Hinterseite der Fibula und der Membrana 
interossea. In der Planta teilt sich seine Sehne in fünf Teilsehnen, 
welche an den Endphalangen der Zehen inserieren. Eine Verbin- 
dung des Muskels mit dem Flexor tibialis besteht nicht. 


0) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 


macht auf den ersten Blick den Eindruck von zwei Lumbrieales. 

Es sind dies zwei kleine Muskelbündel, die von dem oberfläch- 
lichen Kopf des Flexor digitorum brevis bedeckt werden und (zum 
Teil als Fortsetzung des Quadratus plantae) von der Sehne des 
Flexor fibularis entspringen, bevor diese sich in ihre Teilsehnen 
aufteilt. Sie gehen unter den entsprechenden Sehnen des oberfläch- 
lichen Kopfes in die Sehnenscheiden der 3. und 4. Zehe über, ohne 
vorher mit den Sehnen des oberflächlichen Kopfes zu verwachsen. 


&) Der Tibialis postieus 
ist ziemlich stark. Er wird vom Flexor tibialis bedeckt und ent- 
springt von der Tibia, Fibula und Membrana interossea. Er in- 


seriert ungefähr wie bei Orycteropus aethiopieus. y 


i 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw, 243 


£) Der Quadratus plantae 


entspringt von der medialen Seite des Tuber calcanei und inseriert 
hauptsächlich an der Plantarseite und am fibularen Rand der Sehne 
des Flexor fibularis. Ein Teil seiner tibial gelegenen Muskelfasern 
setzt sich in den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis fort, wäh- 
rend ein zweiter Teil sehnig wird und sich mit der Hallux-Sehne 
des Flexor fibularis verbindet. 


n) Die Lumbricales. 

Es sind drei vorhanden, die aus den drei Winkeln, welche von 
der 2., 3., 4. und 5. Sehne des Flexor fibularis gebildet werden, 
entspringen. 

Ein Lumbricalis entspringt aus dem Winkel zwischen 2. und 
3. Sehne und inseriert an der tibialen Seite der 3. Zehe. 

Ein zweiter entspringt aus dem Winkel zwischen 3. und 4. Sehne 
und inseriert an der tibialen Seite der 4. Zehe. 

Ein dritter entspringt aus dem Winkel zwischen 4. und 5. Sehne 
und inseriert mit je einer Sehne an den einander zugekehrten Seiten 
der 4. und 5. Zehe. 


B. Innervation. 

Der N. tibialis gibt einen Ast zum medialen Gastroenemius ab, 

Ein zweiter Ast versorgt den lateralen Gastroenemius und Plan- 
taris. 

Ein dritter Ast geht zum Popliteus und Flexor fibularis. 

Ein vierter verzweigt sich an den Flexor tibialis und Tibialis 
postieus. 

Ein fünfter Ast innerviert den Soleus und Flexor fibularis. 

Ein sechster verzweigt sich nochmals an den Flexor fibularis. 

Oberhalb des Malleolus teilt sich der übrigbleibende Stamm des 
N. tibialis in den N. plantaris lateralis und den N. plantaris me- 
dialis. 

Der N. plantaris medialis teilt sich seinerseits wieder in zwei 

ste. 


Einer dieser beiden Äste, der mediale, scheint rein sen- 
sibel zu sein, der laterale dagegen verzweigt sich an den 
oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis. 

Der N. plantaris lateralis teilt sich ebenfalls in zwei Äste. 

Der mediale dieser beiden verläuft unter dem oberfläch- 
lichen Kopf des Flexor digitorum brevis und gibt einen 

16* 


244 Erna Glaesmer 


Zweig an den Quadratus plantae, einen zweiten an den ober- 
flächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis, einen dritten 
an den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis ab. Dann 
tritt der übrigbleibende Stamm am lateralen Rande des 
Flexor fibularis in die Tiefe. 

Der laterale Ast des N. plantaris lateralis tritt unter den 
Quadratus plantae, dem er Zweige abgibt, und setzt sich 
dann medialwärts fort. 


Über Manis Dalmanni hat Humrury (1870) Untersuchungen 
veröffentlicht, deren Resultate ich, soweit sie hier in Betracht 
kommen, kurz wiedergebe. | 

Beim medialen Gastroenemius beschreibt HumpHurY auch Ur- 
sprungsfasern vom Abductor magnus. In bezug auf den lateralen 
Gastroenemius und Soleus hat er etwa dieselben Befunde wie ich. 


Der Plantaris ist nach HumrHry vom Gastrocnemius nicht iso- 
lierbar. Bei meinem Exemplar war die Sehne des Plantaris sehr 
gut zu isolieren. Eine Fortsetzung der inneren Partien der Gastro-Y 
enemius-Sehne in Stränge, von denen der Flexor digitorum brevis 
entspringt, habe ich bei meinem Exemplar Manis nicht beobachtet. 
Diese Partien sollen nach HumpHary dem Plantaris angehören. 


Den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis (Flexor 
digitorum brevis, HuMmPHry) beschreibt‘ er ähnlich wie ich. Nur 
steht nach H. die innere Portion des Flexor digitorum brevis in 
Zusammenhang mit den äußeren Fasern (soll wohl inneren heißen!) 
der »Achillessehne«, welche den Plantaris repräsentieren. 


Für den Flexor tibialis (erster Tibialis postieus, HumpHry) be 
schreibt er nur die Insertion an der medialen Seite des Metatar- 
sale I, während bei meinem Exemplar auch noch Insertionsfasern 
zu einem tibialen Randknochen vorhanden waren. 

Der Flexor fibularis (Flexor digitorum, Humpury) und Tibiali 
posticus (zweiter Tibialis postieus, Humpury) zeigt dieselben Befunde 
wie bei meinem Exemplar. } 

Einen tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis beschreibt Hux- 
PHRY nicht. Vielleicht rechnete er diesen Muskel, der bei mein 
Exemplar zum Teil eine direkte Fortsetzung des Quadratus plant 
bildet, zu dem letzteren. 

Lumbricales beschreibt er ebenfalls drei, mit etwas andrer 
sertion. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 245 


3. Bradypus tridactylus. 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
dargestellt durch den medialen, den lateralen Gastrocnemius, den 
Soleus und den Plantaris (?). 


«) Der mediale Gastrocnemius 


entspringt vom medialen Epicondylus femoris. In Malleolenhöhe 
vereinigt er seine Sehne mit der des lateralen Gastroenemius und 
inseriert mit diesem zusammen an der Hinterseite des Tuber cal- 
‚canei. Es erfolgt dabei eine deutliche Überkreuzung der Fasern, 
wie Parsons (1894) sie beschreibt und wie sie auch in diesen Unter- 
suchungen öfters bei andern Tieren erwähnt worden ist. 


| ß) Der laterale Gastroenemius 


entspringt vom lateralen Epiecondylus femoris. Am unteren Drittel 
des Unterschenkels wird er sehnig und verbindet sich in Knöchel- 
höhe mit der Sehne des medialen Gastroenemius. Beide inserieren 
gemeinsam an der Hinterseite des Tuber calcanei. 


y) Der Soleus 


ist ein kräftiger Muskel, der medial mit dem Flexor fibularis ver- 
wachsen ist. Er entspringt vom Capitulum der Fibula und den 
oberen zwei Dritteln der lateralen Tibiakante. Seine Insertion er- 
folgt fleischig am Tuber calcanei, vor und lateral von der Ansatz- 
stelle der Gastrocnemii. 

d) Der Plantaris 


ist in seiner Identität zweifelhaft. Es handelt sich hier um einen 
Muskel, der die übliche Lage und den üblichen Ursprung des Plan- 
taris, dabei aber eine ganz abweichende Insertion aufweist. 

Der Muskel entspringt gemeinsam mit dem lateralen Gastro- 
‚enemius vom lateralen Epicondylus femoris. Seine Sehne entsteht 
in der Mitte des Unterschenkels, ist sehr kurz und vereinigt sich 
mit der Sehne des Flexor fibularis. 

Ob es sich hier wirklich um einen Plantaris handelt, ist schwer 
zu sagen. Es ist immerhin möglich, daß eine sekundäre Verschmel- 
zung von Flexor perforatus und Flexor perforans erfolgt ist. 


Y &) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 


fehlt. Es waren wohl einige muskulöse Fasern zu beobachten, aber 
5 


a 


246 Erna Glaesmer 


eine Insertion derselben an irgend einem fixen Punkt war nicht 
festzustellen. 
b) Tiefe Muskelgruppe. 
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird re- 
präsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis, 
den Tibialis -postieus und den Quadratus plantae. 


«) Der Popliteus 
entspringt mit einer Sehne, in die ein Sesambein eingelagert ist, 
vom lateralen Epieondylus femoris und inseriert am oberen Drittel 
der Hinterseite der Tibia. 
ß) Der Flexor tibialis 

wird vom Tibialis postieus fast vollständig zugedeckt. Er entspringt 
vom mittleren Drittel der Hinterseite der Tibia, von der Membrana 
interossea und dem oberen Drittel der Fibula. Seine kurze Sehne 
vereinigt sich mit der Sehne des Flexor fibularis distal von der 
Vereinigungsstelle des Flexor fibularis mit dem Plantaris. 


y) Der Flexor fibularis 

entspringt von der Hinterseite der oberen zwei Drittel der Fibula. 
Er ist am Ursprunge mit dem Soleus verwachsen. Die in der Mitte 
des Unterschenkels entstehende Sehne nimmt erst die des Plantaris, 
dann die des Flexor tibialis auf und verläuft hinter dem medialen Mal- 
leolus in die Planta, wo sie sich in drei mächtige Sehnen teilt, 
deren jede sieh noch mit je einer Sehne des Quadratus plantae ver- 
einigt. Die so entstandenen dicken Sehnen inserieren an den End- 
phalangen der Zehen. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 
fehlt. 
&) Der Tibialis postieus 
entspringt vom Capitulum der Fibula, von der Fascie des Popliteus 
sowie von der medialen Tibiakante. Den Flexor tibialis deckt er 
dabei fast vollständig zu. Seine Sehne inseriert am Navieulare und 
Cuneiforme I. 


£) Der Quadratus plantae 


ist sehr kräftig. Er entspringt von der ganzen Plantarseite, sowie 
der lateralen und medialen Fläche des Tuber ealcanei. Der Muskel 
geht in drei kräftige Sehnen über, deren jede sich mit je einer des 

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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 247 


Flexor fibularis vereinigt. Die so entstandenen gemeinschaftlichen 
mächtigen Sehnen inserieren an den Endphalangen der drei Zehen. 


n) Die Lumbrieales 
fehlen. 
B. Innervation. 


Der N. tibialis gibt einen Ast für den medialen Gastroenemius 
ab. Darauf folgt ein zweiter Ast für Plantaris, Soleus, den lateralen 
Gastroenemius und Tibialis posticus. 


Ein dritter Ast versorgt den Flexor tibialis und Flexor fibularis. 
In der Mitte des Unterschenkels erfolgt die Teilung in den 


N. plantaris medialis und N. plantaris lateralis. 
Der Quadratus plantae wird vom N. plantaris lateralis versorgt. 


Unter den über die Bradypodiden erschienenen Arbeiten fand ich 
als wichtigste die von MAcALISTER (1869) und von HumrarrY (1869). 
MACALISTER bespricht Dradypus tridactylus, HumPHRrY außer diesem 
auch noch BDradypus didactylus. 


Ein Vergleich dieser verschiedenen Untersuchungen über das- 
selbe Tier, Bradypus tridactylus, ergibt folgendes: 


Die beiden Gastroenemii sind nach MACALISTER separiert, nach 
HunpHrY erfolgt eine Vereinigung in Knöchelhöhe. Ich habe eben- 
falls eine Vereinigung in Knöchelhöhe vorgefunden. Diese kleine 
Differenz kann auf einer individuellen Varietät beruhen; es bleibt 
aber auch bei diesen und ähnlichen »Verwachsungen« immer eine 
offene Frage, wie weit man geneigt ist, z. B. durch Fascien zusam- 
mengehaltene Gebilde als Verwachsungen gelten zu lassen. Die In- 
sertion der Gastroenemii erfolgt am Calcaneus. HumrHryY macht 
dabei auf die bekannte Kreuzung der Sehnenfasern aufmerksam. 


Der Soleus ist nach MACALISTER und Hurry vollständig iso- 
liert. Auch Meckeı (1828) gibt dasselbe an. 


Über die Auffassung des Plantaris sind Humrary und MacA- 
LISTER verschiedener Meinung. Humpury beschreibt als Plantaris 
ein vom Femur entspringendes Muskelbündel, während MACALISTER 
denselben Muskel wie ich als Plantaris auffaßt. MACALISTER setzt 
hinzu, diese Fortsetzung des Plantaris in den »Flexor digitorum 
longus« sei für Edentaten charakteristisch, was in keiner Weise 
zutrifft. 


248 Erna Glaesmer 


Der Flexor tibialis vereinigt nach MACALISTER (der den Mus- 
kel Flexor digitorum longus nennt) seine Sehne mit der des Flexor 
fibularis (Flexor hallueis, MACALISTER) und der des Plantaris. Die 
gemeinsame Sehne versorgt alle drei Zehen. 

HumpHry dagegen spricht dieses aus drei Muskeln sich zusam- 
mensetzende Gebilde als einen einzigen Muskel an, den »Flexor 
digitorum« (einen Flexor hallueis erwähnt er nicht). 

MACALISTERS Auffassung scheint mir wahrscheinlicher. 

Der Tibialis postieus inseriert nach beiden Autoren am Ento- 
cuneiforme. 

Den Flexor digitorum brevis erwähnt MACALISTER nicht. Bei 
meinem Exemplar ist er fehlend verzeichnet. 

Hunrary beschreibt ihn als schmalen Muskel, der vom Cal- 
caneus entspringt und je eine Sehne für jede Zehe abgibt. Welchen 
Muskel HumrHury damit meint, ist mir nach meinem Befunde nicht 
verständlich. 

Der Quadratus plantae wird von MACALISTER als ein Doppel- 
muskel beschrieben, dessen eine Portion von der äußeren, dessen 
andre von der inneren Seite des Calcaneus entspringt. Die erste 
inseriert an der dritten, die zweite an den zwei medialen Sehnen 
des Flexor fibularis. Humpury beschreibt den Muskel, wie er bei 
meinem Exemplar sich vorfand. 

Lumbricales fehlen nach beiden Autoren. 

Bei Bradypus didactylus finden sich nach HumrHury folgende 
Verhältnisse: 

Die Sehnen der Gastroenemii sind separiert. 

Der Soleus gibt auch einige Fasern zum medialen Gastroenemius 
ab, andre sind in den Quadratus plantae fortgesetzt. 

Der Plantaris ist nicht isoliert vorhanden. 

Der Flexor fibularis (Flexor digitorum, HumPHry) versorgt die 
2., 3. und 4. Zehe. 

Der Tibialis postieus inseriert am Naviculare und an der Basis 
des Metatarsale. Eine Portion setzt sich in einen schmalen spindel- 
förmigen Muskel mit feiner Sehne fort, der die Sohle durchzieht 
und sich mit der für die 4. Zehe bestimmten Sehne des Flexor di- 
gitorum brevis vereinigt. (Ob diese zweite Portion nicht dem Flexor 
tibialis zuzurechnen ist?) 

Der Flexor digitorum brevis hat drei Portionen. Eine kommt 
vom Entocuneiforme und vereinigt sich mit den beiden folgenden. 

Zwei kommen vom Calcaneus. Alle Sehnen endigen in den 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 249 


Flexorscheiden. Die zur 4. Zehe verlaufende Portion erhält Ver- 
stärkung vom »Tibialis posticus«. 

Der Quadratus plantae, in den sich der Soleus fortsetzt, ent- 
springt vom Calcaneus. Seine breiteste Portion verbindet sich mit 
der Flexor fibularis-Sehne für die 4. Zehe, der Rest mit den zwei 
andern Sehnen. 

Lumbricales sind drei vorhanden, die zu den tibialen Seiten 
der 2., 3. und 4. Zehe verlaufen und sich mit den Extensorensehnen 
verbinden. i 

Aus diesem kurzen Referate und der vorhergegangenen Be- 
schreibung ist leicht zu ersehen, daß die Beugemuskeln des Fußes 
von Bradypus tridactylus und didactylus sehr starke sekundäre Um- 
wandlungen erfahren haben, was bei der Lebensweise der Faul- 
tiere, die ihr ganzes Leben in den Zweigen der Bäume hängend 
verbringen, nicht wundernehmen kann. Jedenfalls stehen sie, wenig- 
stens in bezug auf ihre hinteren Extremitäten, so weit abseits von 
der direkten Linie, daß sie für eine Ableitung phylogenetischer Ge- 
sichtspunkte gar nicht in Betracht kommen, so sehr sie auch indivi- 
duell interessant erscheinen. 


4. Myrmecophaga jubata. (Taf. II, Fig. 5 u. Taf. III, Fig. 6 u. 7). 
| Das Präparat, das mir zur Verfügung stand, war leider nur 
so weit erhalten, daß an der rechten Extremität der Fuß, an der 
linken der Unterschenkel für eine Untersuchung verwertbar war. 
Ich mußte mir also durch Kombination dieser beiden Teile ein Bild 
von dem Verhalten der Muskeln entwerfen. Auf Taf. II, Fig. 5 ist 
der rechte Fuß in umgekehrtem Bilde an den linken Unterschenkel 
gezeichnet. 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 

Die oberflächliche vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
repräsentiert durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den 
Soleus, den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor di- 
gitorum brevis. 

«) Der mediale Gastrocnemius 

entspringt von der Hinterseite des medialen Epicondylus femoris, 
vereinigt sich in der Mitte des Unterschenkels mit dem lateralen 
Gastroenemius und inseriert mit diesem gemeinsam an der Hinter- 
und Unterseite des Tuber caleanei, wobei aber einige oberflächliche 


— 


ö 


250 Erna Glaesmer 


Fasern unmittelbar in die Muskelfasern des Flexor digitorum brevis 
übergehen. 


?) Der laterale Gastroenemius | 
ist bis zur Mitte des Unterschenkels herab mit dem darunterliegen-. 
den Plantaris vereinigt. Er entspringt sehnig von der lateralen Seite 
des lateralen Epiecondylus femoris. In der Mitte des Unterschenkels 
vereinigt er sich mit dem medialen Gastroenemius und inseriert mit 
diesem gemeinsam an der Hinter- und Unterseite des Tuber cal- 
canei. Dabei verlaufen die Sehnenfasern des medialen Gastro- 
enemius vorwiegend lateralwärts, die des lateralen vorwiegend me- 
dialwärts. 


y) Der Soleus 

ist ein sehr kräftiger Muskel, der vom lateralen Gastroenemius und 
Plantaris bedeckt wird. Er entspringt vom Capitulum der Fibula, ferner 
vom oberen Viertel der Tibia und verwächst innig mit dem darunter- 
liegenden Flexor fibularis. Der Muskel bleibt bis nahe an das 
Tuber calcanei fleischig und inseriert an der Hinterseite desselben, 
vor der gemeinsamen Gastroenemiussehne. In seinem ganzen Ver- 
laufe bleibt der Soleus von den beiden Gastrocnemii getrennt. 


0) Der Plantaris 

ist von seinem Ursprunge bis zur Mitte des Unterschenkels herab 
mit dem darüberliegenden lateralen Gastroenemius innig ver- 
wachsen. Er entspringt mit diesem vom lateralen Epieondylus fe- 
moris, tritt mit seiner Sehne an die laterale Seite der vereinigten 
Gastroenemius-Sehne und setzt sich in die derbe Unterschenkelfaseie 
der lateralen Seite fort. Leider war gerade diese Partie an beiden 
Extremitäten lädiert, so daß ich die hier besprochene Insertion nicht 
als unbedingt authentisch hinstellen möchte. Es erscheint unwahr- 
scheinlich, daß ein Muskel, der im allgemeinen an der medialen 
Seite der Gastroenemius-Sehne vorbeizulaufen pflegt, hier eine Aus- 
nahme machen sollte. 


Daß aber dieser Muskel als ein selbständiger Muskel und nicht 
etwa als ein Teil des lateralen Gastroenemius aufzufassen ist, dafür 
spricht der gesonderte Verlauf, sowie die Innervation. Der Muskel 
wird nämlich durch den für den Soleus bestimmten Nervenast vom 
lateralen Gastroenemius getrennt und wird auch von jenem und nich 
von dem Nervenast des lateralen Gastroenemius innerviert. VE 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 251 


&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis. 

Dieser Muskel entspringt vom Calcaneus, zum Teil aber bilden 
einige oberflächliche Muskelfasern eine direkte Fortsetzung der 
Sehnenfasern der Gastrocnemius-Sehne. Die ganze Muskelmasse 
teilt sich in vier einzelne Bündel, die in schmale Sehnen übergehen. 

Das Muskelbündel für die 4. Zehe ist das stärkste, das für die 
5. Zehe schließt eng an den Abductor (?) der 5. Zehe an. Jede 
Sehne wird in der Gegend der Metatarso-Phalangeal-Verbindungen 
breiter und geht in die Sehnenscheiden über, welche die Sehnen 
des Flexor fibularis über der 2., 3., 4. und 5. Zehe umhüllen. Die 
Sehnenscheiden sind nicht über der ganzen Volarseite der Zehe 
ausgebildet, sondern haben an dem distalen Ende eine ovale Öffnung, 
die durch loekeres Bindegewebe bedeckt wird. (Tafel III, Fig. 6.) 
Wenn man eine dieser Sehnenscheiden längs spaltet (3. und 4. Zehe 
derselben Figur) dann ergibt sich ein ähnliches Bild wie bei Oryeteropus 
aethiopieus (Tafel II, Fig. 4). 

Die Sehnenscheide zeigt innen nicht die einfache glatte Struktur 
wie außen. Denn die Sehne des Flexor digitorum brevis endet nicht 
diffus im Gewebe der Sehnenscheide, wie es bei der Ansicht von 
außen den Anschein hat und wie es zum Beispiel bei den Mono- 
tremen der Fall ist. Vielmehr behält die Sehne innerhalb des Ge- 
webes der Sehnenscheide ihre isolierte Bahn bei, teilt sich in zwei 
Teilsehnen, die erst divergieren, dann zu beiden Seiten der ent- 
sprechenden Sehne des Flexor fibularis verlaufen und endlich hinter, 
d. h. an die Dorsalseite der Sehne des Flexor fibularis treten, wo 
sie sich wieder vereinigen, um an der Mittelphalanx zu inserieren. 
Während dieses ganzen Verlaufs, besonders aber im Beginne der 
Teilung ist die Sehne des Flexor digitorum brevis mit der Innen- 
wand der Sehnenscheide mehr oder weniger innig verwachsen. Das 
Verhalten des Flexor digitorum brevis und des Flexor fibularis stellt 

also eine der Perforation bei den höheren Säugetieren ähnliche Bil- 
‚dung dar, mit dem Unterschiede, daß dort die Sehne des Flexor 
digitorum brevis sich von der umgebenden Sehnenscheide vollstän- 
dig befreit hat. 


Innerviert werden die beiden medialen Bündel des Muskels vom 
N. plantaris medialis, die beiden lateralen vom N. plantaris lateralis. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird ver- 


252 Erna Glaesmer 


treten durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den Flexor fibularis, 
den Tibialis posticus, den Quadratus plantae- und vier Lumbricales. 


«) Der Popliteus 
entspringt mit kräftiger Sehne, in die ein Sesamknorpel eingelagert 
ist, von der lateralen Seite des lateralen Epieondylus femoris. Seine 
Fasern divergieren medialwärts und inserieren am oberen Drittel 
der medialen Tibiakante. Dabei bleibt ein kleines Dreieck unter- 
halb der Gelenkspalte frei. 


ß) Der Flexor tibialis 


entspringt von der medialen Hinterseite der Tibia, von dem mitt- 
leren Drittel derselben ab abwärts. Seine obersten, d. h. proximal- 
sten Partien werden ebenso wie die des Soleus vom Popliteus be- 
deckt. Der Flexor tibialis wird etwas oberhalb des Malleolus sehnig 
und zieht dann hinter demselben zur Planta, wo er in die Plan- 
tarfascie ausläuft. In der Gegend des Cuneiforme I und der Basis 
des Metatarsale I enthält die Plantarfascie einen flachen Sesam- 
knorpel. 
y) Der Flexor fibularis 

wird bis nahe an den Calcaneus abwärts vom Soleus bedeckt, mit 
dem er an seinem oberen Drittel verwachsen ist. Er entspringt von 
dem mittleren Drittel der Fibula und von der Membrana interossea. 
Seine mediale Längshälfte wird dabei von dem lateralen Teil des 
Tibialis posticus bedeckt. Die Sehne verläuft hinter dem medialen 
Malleolus in die Planta, wobei sie eine kurze Strecke lang eine Spal- 
tung in zwei Sehnen aufweist, wie sie an dieser Stelle bei einem 
holländischen Igel erwähnt wurde. Aus der Sehne gehen in der 
Planta fünf Einzelsehnen hervor, welche zu den Endphalangen der 
fünf Zehen verlaufen, nachdem sie die Sehnen des oberflächlichen 
Kopfes des Flexor digitorum brevis durchbohrt haben. Die für den 
Hallux bestimmte Sehne verwächst mit einer von dem medialen 
Teil des Quadratus plantae gebildeten Sehne. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 
fehlt. 


&) Der Tibialis posticus 
liegt lateral vom Flexor tibialis. Er entspringt von der Hinterseite 
der Tibia. Die Sehne verläuft hinter dem medialen Malleolus ab- 
wärts und inseriert in der Planta an der Basis des Metatarsale I, 
wo sie von der Endausbreitung des Flexor tibialis bedeckt wird. 
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 253 


Die topographische Lage der drei Sehnen hinter dem medialen 
Malleolus ist die allgemein übliche: Tibio-fibularwärts finden wir 
erst die Sehne des Tibialis posticus, dann die des Flexor tibialis, 
endlich die des Flexor fibularis. 


£) Der Quadratus plantae (siehe Tafel III, Fig. 6) 
ist ein kurzer breiter Muskel, der vollständig vom oberflächlichen 
Kopf des Flexor digitorum brevis bedeckt wird. Der Muskel ent- 
springt von der distalen Hälfte der Unterseite des langgestreckten 
Caleaneus und. verläuft schräg medial- und distalwärts. Der me- 
diale Teil endet in einer kurzen gedrungenen Sehne, die mit der 
darunterliegenden Hallux-Sehne des Flexor fibularis verschmilzt und 
mit dieser gemeinsam an der Endphalanx der ersten Zehe inseriert. 
Die übrige Muskelmasse inseriert an der Plantarseite der zweiten 
und dritten Sehne des Flexor fibularis, wobei sich aber die Muskel- 
fasern zum Teil unmittelbar in die Lumbricales fortsetzen. 


n) Die Lumbricales. 


Es sind ihrer vier vorhanden. Der erste entspringt von der 
Plantarseite der von dem Quadratus plantae und dem Flexor fibu- 
laris gebildeten Hallux-Sehne, der zweite von derselben Sehne sowie 
mit einigen Fasern von der zweiten Sehne des Flexor fibularis. Der 
dritte Lumbricalis entspringt zum Teil von der Plantarseite der 
dritten und vierten Sehne, zum Teil scheint er eine direkte Fort- 
setzung des Quadratus plantae, der vierte entspringt von der Plan- 
tarseite der vierten und fünften Sehne, Die Insertion aller vier 
Lumbricales erfolgt an den tibialen Seiten der Sehnenscheiden der 
2., 3., 4. und 5. Zehe. Die medialen drei Lumbricales werden vom 
N. plantaris medialis, der laterale vom N. plantaris lateralis versorgt. 


B. Innervation. 


Der N. tibialis gibt bald nach seiner Trennung vom N. peroneus 
einen starken Muskelast zum medialen Gastrocenemius ab. Dann 
verläuft er im medialen Teil der Fossa poplitea abwärts und gibt 
in der Höhe der Gelenkspalte zwei starke Muskeläste ab, von denen 
der eine lateral-, der andre medialwärts verläuft. 

Der erstere dieser beiden tritt zwischen den lateralen Gastro- 
enemius und den Plantaris und gibt hier einen Muskelast zum la- 


| teralen Gastroenemius ab. Der Rest des Nerven verläuft abwärts, 


gibt einen Muskelast für den Plantaris ab, schlingt sich um 


254 Erna Glaesmer 


diesen und verläuft dann wieder medial- und abwärts zum Soleus, 
der von diesem Endast innerviert wird. Der mediale stärkere 
Ast verläuft über den Popliteus abwärts, wo eine Aufteilung in meh- 
rere Zweige erfolgt. 

Einer davon versorgt mit mehreren Ästchen den Popli- 
teus, in den er von unten her eintritt. 

Ein zweiter geht zum Flexor fibularis mit drei Zweigen, 
die in verschiedener Höhe in ihn eintreten. 

Ein dritter teilt sich am unteren Rande des Popliteus in 
zwei Ästehen, von denen eines den Tibialis postieus, ein 
zweites den Flexor tibialis versorgt. 

Etwas oberhalb des Calcaneus teilt sich dann der N. tibialis 
in den N. plantaris lateralis und den N. plantaris medialis. Der 
N. plantaris medialis, der ebenso wie der N. plantaris lateralis von 
der Plantarfascie und vom Flexor digitorum brevis bedeckt wird, 
gibt gleich nach seinem Eintritt in die Planta einen Ast ab, der 
die zur 1. und 2. Zehe verlaufende Portion und bald einen zweiten, 
der die zur 3. und 4. Zehe verlaufende Portion desselben Muskels 
versorgt. 

Sodann erfolgt eine Aufteilung in zwei Äste, die als Hautnerven 
endigen, nachdem sie vorher je einen Ast zum Großzehenmuskel 
und zu den drei medialen Lumbricales abgegeben haben. 

Der N. plantaris lateralis gibt sofort nach seinem Eintritt in die 
Planta einen sehr starken Ast ab, der schräg medialwärts verläuft 
und den Quadratus plantae versorgt. 

Bald darauf gehen lateralwärts zwei Äste ab, von denen der 
eine den Kleinzehenmuskel, der andre die für die 5. Zehe bestimmte 
Portion des oberflächlichen Kopfes des Digitorum brevis versorgt. 

Der Rest des Nerven setzt sich teils als Nerv für die tiefen 
Muskeln, teils als Hautnerv fort. 


Die über Myrmecophaga jub. und andre Myrmecophagidae er- 
schienene Literatur ist recht umfangreich. Von den mir zugänglichen 
Arbeiten, MEckeu (1819), Rapp (1852), Owen (1854), PoucHer (1867), 
Gauron (1869), Humrury (1870), MAcALısTeR (1875), WInDLE und 
Parsons (1399), bespreche ich an dieser Stelle die wichtigsten. 

Interessant ist auch hier ein Vergleich der Befunde, die ver- 
schiedene Autoren über dasselbe Tier gewonnen haben. So hat 
Oyelothurus didactylus allein drei mir bekannte Bearbeitungen er- 
fahren, Meckeu (1819), Gauron (1869) und HumpHury (1870). ‘ 


4 


j 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 255 


Den medialen und lateralen Gastroenemius beschreibt MECKEL 
als Wadenmuskel mit innerem und äußerem Bauch, die mittels einer 
langen Sehne am Tuber cealcanei inserieren. 

Der Soleus entspringt von der Fibula und inseriert mit selb- 
ständiger Sehne auch am Calcaneus. 

Fast ebenso werden die drei Muskeln von GALTon und Hun- 
PHrY beschrieben. 

Der Plantaris (schlanker Sohlenmuskel) kommt nach MECKEL 
vom Femur und inseriert am »großen Fußwurzelknochen«. MECKEL 
beschreibt als solchen einen, am inneren Fußrande befindlichen 
langen prismatischen Knochen, der mit dem Kahn- und ersten Keil- 
bein artieuliert und »sich auf Kosten der großen Zehe, die hier ver- 
hältnismäßig klein ist, entwickelt hat«. Dieser Knochen entspricht 
wohl demjenigen, der in dieser Arbeit, möglichst indifferent, mit 
andern Autoren als »tibialer Randknochen« bezeichnet wird. 
HumpHry beschreibt den Muskel ebenso wie MECKEL. GALTON 
hat außerdem Insertionsfasern am Caleaneus beobachtet. 

Vom Flexor digitorum brevis sagt HumpHry, er verhalte sich 
_ wie gewöhnlich. MECKEL und GALToN erwähnen diesen Muskel 
nicht. 

Der Popliteus entspringt nach MEcKEL vom Oberschenkel, nach 
GALToN von einem Sesambein, das hinter dem Ligamentum genu 
collaterale fibulare liegen soll. MECKEL fand ein Sesambein in die 
Sehne des Popliteus eingelagert. Es handelt sich hier wohl nur 
um eine Verschiedenheit des Ausdrucks und nicht um verschiedene 
Befunde. Eine Differenz aber besteht zwischen MECKEL und GALTON 
in bezug auf zwei weitere Muskeln, die nach den angegebenen In- 
sertionen als Flexor tibialis und Tibialis posticus aufzufassen wären. 
Einer dieser Muskeln inseriert nach MECKEL am tibialen Rand- 
knochen (wohl der Flexor tibialis), ein zweiter am ersten Keilbein 
(wohl Tibialis postieus). 

GALTON beschreibt zwei am tibialen Randknochen inserierende 
Muskeln. 

Den einen, an der fibularen und unteren Seite des Randknochens 
inserierenden nennt er Tibialis posticus, einen zweiten vor dem 
Tibialis postieus am Randknochen inserierenden »Flexor hallueis«. 
Da die Sehne des letzteren Muskels nach GALron am medialen 
Malleolus hinter der des ersteren liegt, so dürfte es sich in diesem 
letzteren Falle also wohl sicher um einen Flexor tibialis handeln, 
während der erstere den Tibialis posticus repräsentiert. Demnach 


2 


256 Erna Glaesmer 


wird die Insertion des Tibialis posticus von GALTON anders ange- 
geben als von MECKEL. 

HumrHnry gibt für diese beiden Muskeln dieselben Insertionen 
wie MECKEL an. 

Der Flexor fibularis (gemeinschaftlicher Beuger) inseriert nach 
allen drei Autoren an den Endphalangen. 

Der Quadratus plantae ist nach GALTON und HumPpHRY gut ent- 
wickelt. Ebenso geben beide Autoren drei Lumbricales an, die zu 
den tibialen Seiten der drei äußeren Zehen verlaufen. 

Auffallend ist, daß weder von einem Flexor digitorum brevis, 
noch einem Plantaris, der perforiert würde, ausdrücklich die Rede ist. 

Die Rarrsche Arbeit (1852) behandelt in dem Kapitel »Muskeln« 
die Muskulatur der vorderen und hinteren Extremität von Myrme- 
cophaga tamandua. 

Gastroenemii und Soleus vereinigen sich dort und inserieren mit 
gemeinsamer Sehne an der Tuberositas ealcanei. (Bei Myrmecophaga 
Jubata ist der Soleus isoliert.) 

Ein Plantaris fehlt. (Bei Myrmecoph. jub. Insertion fraglich.) 

Als kurzer gemeinschaftlicher Beuger wird ein Muskel be- 
schrieben, der in drei Sehnen für die 2., 3. und 4. Zehe übergeht. 
Diese Sehnen werden von den Sehnen des langen gemeinschaftlichen 
Beugers durchbohrt. 

Flexor tibialis und Tibialis posticus werden nicht näher be- 
schrieben. 

Der Flexor fibularis inseriert mit fünf Sehnen an den End- 
phalangen. 

Der Quadratus plantae verbindet sich mit der Sehne des letzteren 
Muskels. 

Lumbricales sind nicht näher beschrieben. 

PArsons und WınpLE (1899) erwähnen über Myrmecophagidae 
etwa Folgendes: 

Der Plantaris inseriert bei Myrmecophaga Jubata in der Plantar- 
fascie, bei Oyclothurus am Randknochen. 

Der Flexor digitorum brevis entspringt bei den Myrmeeophagidae 
vom Caleaneus. Er hat keine Beziehung zum Plantaris, wenn dien 
überhaupt vorhanden ist. 

Flexor tibialis und fibularis sind untrennbar, dagegen werde 
zwei Tibiales postiei beschrieben, von denen einer am Navicuları 
und Entocuneiforme, der zweite am tibialen Randknochen inserier 


Ä 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 257 


Es ist ohne weiteres klar, daß der erste dieser beiden Tibiales 
postiei dem eigentlichen Tibialis postieus entspricht. 

Der am Randknochen inserierende Muskel ist meiner Auffassung 
nach ein Flexor tibialis. 


5. Dasypus sexeinetus. (Taf. III, Fig. 8). 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 

Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
dargestellt durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den 
Soleus und den Plantaris. 

«) Der mediale Gastrocnemius 
entspringt sehnig von einem Knochenfortsatz oberhalb des medialen 
Condylus femoris. Der kräftige Muskel geht in eine breite Sehne 
über, die sich dicht oberhalb des Tuber caleanei mit der Sehne des 
lateralen Gastrocnemius vereinigt. Einige Fasern strahlen auch in 
die Plantarfascie (nicht in die Plantarissehne!) aus. 


ß) Der laterale Gastroenemius 


entspringt muskulös oberhalb des lateralen Condylus vom Femur. In 
der Mitte des Unterschenkels wird er sehnig. 

Während nun der Hauptteil des Muskels an der lateralen Seite 
des Tuber calcanei inseriert, verlaufen einige Fasern medialwärts 
unter die Sehne des medialen Gastroenemius. Mit dieser vereinigen 
sie sich und setzen sich dann mit einigen Fasern des medialen 
Gastroenemius in die Plantarfascie fort, welche die Plantarissehne 
bedeckt. 

y) Der Soleus 


entspringt von der lateralen Fläche des Capitulum fibulae, von der 
Fascie der Streckseite und ist zum Teil mit dem Flexor fibularis ver- 
wachsen. Er ist ein recht kräftiger Muskel, der proximal schmal 
‚beginnt, distalwärts aber dieker und breiter wird. Er deckt die 
lateralen Partien des Flexor fibularis vollständig zu und inseriert 
muskulös am ventralen Abschnitt der gemeinsamen Gastrocnemius- 
sehne, mit der er die sehr kurze Achillessehne bildet, und am Tuber 
Galcanei, ventral vom Ansatz der Gastroenemii. 


ö) Der Plantaris 


liegt zwischen den beiden Gastroenemii. Alle drei Muskeln haben 


merkwürdig abgeplattete Bäuche, deren breite Flächen sagittal liegen, 


_— Morpholog. Jahrbuch. 41. 17 
L 


258 Erna Glaesmer 


d.h. die beiden Gastroenemii schließen mit ihren nach der Median- 
ebene zu gelegenen breiten Muskelflächen den Plantaris ein. Dieser 
entspringt muskulös vom lateralen Epieondylus femoris, wo er vom 
lateralen Gastroenemius bedeckt wird. Auf dem Unterschenkel ragt 
eine Kante des Plantaris zwischen den beiden Gastroenemii hervor. 
Am unteren Drittel des Unterschenkels wird der Muskel sehnig. 
Die Sehne verläuft dann in einer Rinne des Tuber calcanei, die von 
der gemeinsamen Gastroenemiussehne bedeckt wird. Von dort aus 
tritt die Sehne in die Planta, wird hier breiter und teilt sich in 
Gegend der Tarso-Metatarsalgelenke in vier Sehnen für die medialen 
vier Zehen. 

Jede Sehne wird im Gebiet des Metatarso-Phalangealgelenkes 
breiter und geht in die Sehnenscheide der betreffenden Zehe über. 
Beim Aufschneiden der Sehnenscheiden zeigen sich im Innern etwa 
dieselben Verhältnisse wie bei Orycteropus aethiopieus und Myrme- 
cophaga jubata, nur mit dem Unterschiede, daß bei Oryeteropus und 
Dasypus die perforierten Sehnen vom Plantaris, bei Myrmecophaga 
jubata aber von dem oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis 
abgegeben werden. 


e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
fehlt. 
b) Tiefe Muskelgruppe. 
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird dar- 
gestellt durelı den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis, 
Tibialis postieus und sieben Lumbricales. 


«) Der Popliteus 


entspringt mit kurzer Sehne von der lateralen Seite des lateralen 
Condylus femoris. Die Muskelfasern divergieren medialwärts und 
inserieren an der hinteren Tibiafläche, das obere und die unteren 
zwei Drittel freilassend. An der unteren Grenze des Popliteus ent- 
lang entspringen die übrigen Muskeln. 


ß) Der Flexor tibialis 


ist ein schwacher Muskel. Er entspringt von der Hinterseite der 
unteren Hälfte der Tibia. Mit seiner feinen Sehne verläuft er in 
einer Rinne hinter dem medialen Malleolus, wo er vor die Sehne 
des Tibialis postieus zu liegen kommt. 

In der Planta inseriert die Sehne zum Teil in der Plantarfaseik 
des medialen Fußrandes, zum Teil heftet sie sich an einen Fan 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 259 


plättchenförmigen Sesamknorpel, der sich im Gebiet des Tarso-Meta- 
tarsalgelenkes des medialen Fußrandes befindet und durch Fascien- 
züge an diesen angeheftet wird. Von diesem Knorpel geht ein 
sehniger Strang nach der Grundphalanx des Hallux weiter. 


y) Der Flexor fibularis 


entspringt von der ganzen Hinterfläche der Fibula und mit einigen 
Fasern von der Membrana interossea. Mit dem von der Tibia kom- 
menden Tibialis posticus ist er innig verwachsen. 

Der Flexor fibularis wird erst in der Gegend des Calcaneus, knapp 
bevor er die Planta betritt, sehnig. Am medialen Malleolus liegt 
die Sehne hinter der des Tibialis posticus. 

In der Planta hat die Sehne ein großes Sesambein eingelagert, 
an dessen distaler Cireumferenz sich die Sehne dann in fünf Einzel- 
sehnen aufteilt, welche in die Sehnenscheiden eintreten und inner- 
halb derselben an den Endphalangen der fünf Zehen inserieren. 

An der zweiten Zehe der rechten Extremität (Taf. III, Fig. 8 


stellt die linke dar) bemerkte ich ein eigentümliches Verhalten der 
_ Flexor-fibularis-Sehne. Die oberflächlichen Sehnenfasern gruppieren 


| 


| 
| 


sich zu zwei nebeneinanderliegenden Strängen, die dann divergieren 
und so für die tiefen Fasern, die nun an die Oberfläche treten, eine 
Art Schlitz bilden. Im Gebiete der Endphalanx verlieren sich diese 
Stränge im Gewebe der Sehnenscheide. Die »durchgetretenen« tiefen 
Fasern aber verlaufen weiter und inserieren weiter distal an der 


‚ Endphalanx. 


Dieses eigentümliche Verhalten, das eine Art zweiter Perforation 
darstellt, fand sich an den andern Zehen nur angedeutet vor. Auch 
hier Welchen die oberflächlichen Fasern auseinander, um den tiefen 

Platz zu machen, aber sie bilden nicht, wie an der zweiten Zehe 


‚ zwei Stränge, sondern inserieren einzeln nacheinander an der Sehnen- 
‚ scheide. | 


| ‚ fehlt. 


| 


| 


] 


| ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 


F e) Der Tibialis postieus 


' ist mit dem Flexor fibularis innig verwachsen und entspringt von 
| der unteren Hälfte der hinteren Tibiafläche. Er ist ein schwacher 
' Muskel, der mit seiner feinen Sehne in einer Rinne hinter dem 
medialen Malleolus verläuft, wo er hinter der Sehne des Flexor 


| tibialis liegt. In der Planta inseriert er am Naviculare. 


228 


260 Erna Glaesmer 


£) Der Quadratus plantae 
fehlt. 
n) Die Lumbricales. 


Es sind ihrer sieben vorhanden. Sie entspringen von dem großen 
Sesambein aus den Winkeln, welche von den Sehnen des Flexor 
fibularis gebildet werden. Zwischen 3. und 4. Sehne kommt einer 
hervor, aus den übrigen Winkeln entspringen je zwei Lumbricales. 

Von den zwei zwischen 1. und 2. Sehne des Flexor fibularis 
befindlichen Lumbricales geht einer zur fibularen Seite des Hallux, 
der zweite zur tibialen Seite der 2. Zehe. 

Ebenso verläuft von den zwei zwischen 2. und 3. Sehne ent- 
springenden einer zur fibularen Seite der 2., der andre zur tibialen 
Seite der 3. Zehe. | | 

Der von der 3. und 4. Sehne entspringende geht zur tibialen 
Seite der 4. Zehe, während von den zwei zwischen 4. und 5. Sebne 
entspringenden einer wieder zur fibularen Seite der 4, der andre 
zur tibialen Seite der 5. Zehe geht. 

Die Insertion erfolgt jeweils an der Sehnenscheide, zur Seite 
der Sehne des Flexor fibularis im Bereich der Endphalanx. 


B. Innervation. 


Der N. tibialis gibt einen Ast für den medialen Gastrocne- 
mius ab. 

Dicht darunter geht ein starker Ast lateralwärts, der sich sofort 
aufteilt und an den lateralen Gastroenemius, Soleus und Plantaris 
verzweigt. 

Unterhalb der Kniegelenkspalte geht ein dritter Ast ab, der den 
Popliteus und den proximalen Abschnitt des Flexor fibularis versorgt. 

Ein vierter Ast innerviert die unteren Partien des Flexor fibularis 
und den Tibialis postieus. Die Innervation des Flexor tibialis habe 
ich leider verfehlt. 

Oberhalb des Calcaneus erfolgt die Teilung in den N. plantaris 
medialis und N. plantaris lateralis. . 


Über Dasypus sexeinctus besteht eine myologische Arbeit von 
Garron (1870), die fast dieselben Befunde verzeichnet, zum Teil nur 
unter andrer Benennung der Muskeln. 

Die Vereinigung der Gastroenemii erfolgt nach GALToN & 
unteren Drittel des Unterschenkels, bei meinem Exemplar etwas tiefe 
Soleus und Plantaris zeigen hier wie dort dasselbe Verhalten. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 261 


Bei dem Popliteus hat GaLron auch Ursprungsfasern von der 
Kapsel des Kniegelenks wahrgenommen. 

Den in den vorliegenden Untersuchungen als Flexor tibialis be- 
schriebenen Muskel erwähnt GALToNn, unter Vorbehalt, als einen 
Tibialis postieus secundus vel internus. Er inseriert an der Hinter- 
seite eines Knöchelchens, das vor dem Scaphoid längs der freien 
Kante des Entocuneiforme liegt. Von dem vorderen Ende dieses 
Knöchelehens verläuft ein starkes Ligament zur Basis der Grund- 
phalanx des Hallux. Nach dieser Beschreibung kann kein Zweifel 
bestehen, daß G. damit den von mir als Flexor tibialis beschriebenen 
Muskel meint, daß die beiden Befunde sich decken und nur die 
Nomenklatur eine verschiedene ist. Den Flexor fibularis beschreibt 
GaLton als Flexor digitorum. 

Der eigentliche Tibialis posticus hat nach GALToN zwei Köpfe. 
Der innere entspringt von der Tibia, der äußere von der Fibula. 
In meinem Fall war der Tibialis postieus innig mit dem Flexor 
fibularis verwachsen. Ein Vorhandensein von zwei Köpfen habe ich 
_ nicht beobachtet. Einen Quadratus plantae erwähnt GALToN nicht. 
Er dürfte in seinem Fall also auch gefehlt haben. 

Lumbricales beschreibt GAaLron ebenfalls sieben mit gleicher 
Insertion wie unter »Lumbricales« ausgeführt worden ist. 


6. Tolypeutes tricinctus. 


A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
dargestellt durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den 
Soleus und den Plantaris. 


«) Der mediale Gastrocnemius 


entspringt vom medialen Epicondylus femoris. Seine Sehne ver- 
bindet sich dicht oberhalb des Caleaneus mit der Sehne des lateralen 
Gastroenemius, mit der sie gemeinsam an der Hinterseite des Tuber 
calcanei inseriert, wo medial auch der Plantaris ansetzt. 


ß) Der laterale Gastrocnemius 
ist am Ursprunge eng mit dem Plantaris verwachsen. Er entspringt 
mit diesem gemeinsam vom lateralen Epicondylus femoris. In der 
Mitte des Unterschenkels etwa trennt sich der laterale Gastroenemius 
vom Plantaris, bildet eine breite, flache Sehne und verbindet sich 


262 Erna Glaesmer 


etwas oberhalb des Calcaneus mit der Sehne des medialen Gastro- 
enemius, mit der er gemeinsam an der Hinterseite des Tuber cal- 
canei inseriert. 
y) Der Soleus 

ist verhältnismäßig stark. Er entspringt vom Capitulum der Fibula 
und von der Fascie der Streekseite und ist zum Teil mit dem Flexor 
fibularis verwachsen. Der Muskel inseriert am unteren ventralen 
Abschnitt der gemeinsamen Gastroenemius-Sehne. 


0) Der Plantaris 


ist eng mit dem lateralen Gastroenemius verwachsen, von dem er 
sich erst in der Mitte des Unterschenkels trennt. Er entspringt mit 
jenem Muskel vom lateralen Epicondylus femoris. Etwas unterhalb 
der Mitte des Unterschenkels bildet er eine schlanke drehrunde 
Sehne, die von der Sehne des medialen Gastroenemius bedeckt wird, 
im weiteren Verlaufe aber an deren medialer Seite an die Oberfläche 
tritt und medial von ihr am Calcaneus inseriert. 

Die Sehnenfasern des medialen, des lateralen Gastroenemius und 
des Plantaris vereinigen sich hier, wobei sie in ein- und derselben 
Ebene nebeneinander verlaufen. Es wird also nicht, wie bei andern 
Tieren so häufig beschrieben worden ist, die gemeinsame Gastroenemius- 
sehne vom Plantaris zugedeckt. Die beiden Gastroenemii nehmen am 
Calcaneus Anheftung, wo ihre Sehnenfasern zum größten Teil auch 
endigen. Ein Teil der Fasern aber setzt sich mit dem Plantaris in 
die Planta fort und geht mit diesem zum Teil in die Plantarfaseie, 
zum andern Teil in eine breite Sehnenplatte über. Die letztere teilt 
sich in vier Sehnen auf, welche zu den medialen vier Zehen ver- 
laufen, wo sie wie bei Dasypus an den Sehnenscheiden derselben 
inserieren. 


&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
fehlt. 
b) Tiefe Muskelgruppe. 
Die tiefe Muskelgruppe wird dargestellt durch den Flexor fibu- 
laris, Tibialis postieus und sechs Lumbricales. 


«) Der Popliteus 
fehlt. 
ß) Der Flexor tibialıs 


De 77 


fehlt. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 263 


y) Der Flexor fibularis 
wird vom Soleus, mit dem er zum Teil verwachsen ist, bedeckt. Er 


- entspringt von der oberen Hälfte der Fibula, sowie mit einigen Fasern 


von der Tibia und Membrana interossea. Seine Sehne, die sich 
ebenso wie bei Dasypus verhält, verläuft hinter dem medialen Malle- 
olus in die Planta, wo sie ein starkes Sesambein eingelagert hat. 
Distal vom Sesambein erfolgt eine Aufteilung in fünf Einzelsehnen, 
welche an den Endphalangen der fünf Zehen inserieren. Die dritte 
und vierte Zehe sind verwachsen, bekommen aber trotzdem je eine 
Sehne. Die zur fünften Zehe verlaufende Sehne ist sehr dünn. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 

fehlt. 

&) Der Tibialis posticus 
entspringt von der oberen Hälfte der Tibia, außerdem mit einigen 
Fasern von der Membrana interossea. Er inseriert an der Plantar- 
fläche des Naviculare. 

£) Der Quadratus plantae 
fehlt. 

n) Die Lumbricales. 

Es sind sechs Lumbricales vorhanden. Je zwei entspringen aus den 
Winkeln zwischen je zwei Sehnen des Flexor fibularis. Dabei bleibt 
jedoch der Winkel zwischen vierter und fünfter Sehne frei. 

Die zwischen erster und zweiter Sehne entspringenden inserieren 
an den einander zugekehrten Seiten der ersten und zweiten, die aus 
den beiden nächsten Winkeln entspringenden ebenso an Zehe II 
und III, bezw. III und IV. Die fünfte Zehe bekommt demnach keinen 
Lumbricalis. 

B. Innervation. 


Der N. tibialis gibt noch oberhalb des Gelenkes einen Ast für 
den medialen Gastroenemius ab. 

Darauf folgen zwei Äste, die sich an den lateralen Gastrocne- 
mius, den Plantaris und Soleus verteilen. 

Ein vierter Ast tritt zwischen Flexor fibularis und Tibialis posti- 
eus ein und versorgt diese beiden Muskeln. Ein besonders starker 
Zweig dieses Astes verläuft bis zum unteren Viertel des Unter- 
schenkels und versorgt die untersten Partien des Flexor fibularis. 
Am unteren Drittel des Unterschenkels teilt sich der N. tibialis in 
den N. plantaris lateralis und N. plantaris medialis. 


264 Erna Glaesmer 


Über Tolypeutes conurus bringt Murıe (1874) eine Arbeit, die 
ich zum Vergleiche kurz referiere. 

Gastroenemius und Soleus verhalten sich nach MurıE ähnlich 
wie bei meinem Exemplar Tolypeutes trieinctus. 

Der Plantaris inseriert nach MurIE am Calcaneus, ohne sich in 
die Plantarfascie fortzusetzen. Diese scheint nach MurıE vielmehr 
ein selbständiges Gebilde zu sein, das vom Calcaneus und dem 
inneren Malleolus entspringt, die Planta vollständig bedeckt und sich 
in Sehnen aufteilt, von welchen die zur zweiten und dritten Zehe 
verlaufenden perforiert werden. Bei meinem Exemplar Tolypeutes 
trieinetus setzte sich der Plantaris in die perforierten Sehnen fort. 
Der Popliteus, der bei Tolypeutes trieinetus fehlt, ist bei Tol /ypeutes 
conurus sehr kräftig entwickelt. 

Der Ursprung des Flexor tibialis (zweiter Tibialis posticus, 
MurIE) erfolgt gesondert von dem des Tibialis posticus. Die Insertion 
erfolgt am proximalen Ende des Hallux. 

Den Flexor fibularis beschreibt MurıE als einen Flexor hallueis 
und Flexor digitorum communis, die untrennbar verwachsen seien. 
Das Verhalten ist wie bei Tolypeutes triceinetus. 

Der Tibialis postieus inseriert ähnlich wie bei Tolypeutes trieinetus. 

Den Quadratus plantae erwähnt MurıE nicht. Er scheint also 
wie bei Tolypeutes tricinetus zu fehlen. 

Lumbricales beschreibt MurıE drei. Bei Tolypeutes trieinetus 
fanden sich sechs. 

Nach alledem verhält sieh Tolypeutes conurus wesentlich anders 
als Tolypeutes trieinetus. Vor allem fällt bei Tolypeutes trieinetus 
das Fehlen mehrerer Muskeln, so besonders des Flexor tibialis, auf, 
der sich bei Tolypeutes conurus findet. 


7. Chlamydophorus truncatus. 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 


durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den Soleus und 
den Plantaris repräsentiert. 4 
1 

«) Der mediale Gastroenemius 


entspringt dicht oberhalb des medialen Condylus femoris. In d r 
Mitte des Unterschenkels wird er sehnig und inseriert an. der medi 


| 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 265 


alen Hinterseite des Caleaneus, ohne mit der Sehne des lateralen 
Gastroenemius in irgend eine Verbindung zu treten. 


ß) Der laterale Gastroenemius 
entspringt dicht oberhalb des lateralen Condylus femoris. Er ver- 
wächst mit dem darunter liegenden Soleus und inseriert mit diesem 
gemeinsam an der lateralen Hinterseite des Caleaneus. Eine Ver- 
bindung der Sehnen mit der des medialen Gastrocnemius besteht nicht. 


y) Der Soleus 
entspringt vom proximalen Drittel der Fibula. Er liegt unter dem 
lateralen Gastroenemius, mit dem er sich vereinigt, um mit ihm an 
der lateralen Hinterseite des Calcaneus zu inserieren. 


0) Der Plantaris 

ist ein verhältnismäßig starker Muskel, der oberhalb des lateralen 
Condylus femoris entspringt. Er verläuft zwischen den beiden Ga- 
stroenemii, wird in der Mitte des Unterschenkels sehnig, tritt mit 
seiner Endsehne unter die Sehre des medialen Gastroenemius und 
verläuft dann medial von dieser in einer Rinne des Calcaneus in 
die Planta. Diese Rinne befindet sich nicht, wie bei Dasypus sex- 
einctus an der Hinterseite des Tuber calcanei, sondern an dessen 
medialer Seite. In der Planta teilt sich die Sehne des Plantaris in 
fünf Sehnen für die einzelnen Zehen auf. An der medialen Seite 
der Sehne für die 1. Zehe entspringt bei meinem Exemplar ein 
kleiner Muskel, der wie ein Lumbricalis aussieht, aber kaum einem 
solehen entsprechen dürfte. Er inseriert an der medialen Seite der 
Nagelphalanx. Die Insertion der Sehnen des Plantaris erfolgt wie 
bei Dasypus sexcinctus und andern Edentaten. Die für die 1. Zehe 
bestimmte Sehne zeigt jedoch keine Perforation, sondern geht in die 
Sehnenscheide für die Sehne des Flexor fibularis über. 


e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum 
fehlt. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
Die in der Tiefe unter dem N. tibialis gelegene Muskelgruppe 
wird dargestellt durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den Flexor 
fibularis, den Tibialis posticus und fünf Lumbricales. 


«) Der Popliteus 


entspringt vom lateralen Condylus femoris. Seine Fasern divergieren 
medialwärts und inserieren an der medialen Tibiakante. 


Teganz j 


266 Erna Glaesmer 


ß) Der Flexor tibialis 
wird zum größten Teil vom Tibialis posticus bedeckt. Er entspringt 
gemeinsam mit dem Flexor fibularis und dem Tibialis posticus von 
der Fibula und Membrana interossea, mit einigen Fasern auch unter- 
halb des distalen Randes des Popliteus von der Hinterseite der Ti- 
bia. Seine Sehne tritt am unteren Drittel des Unterschenkels unter 
die des Tibialis posticus und kommt am medialen Malleolus vor die- 
selbe zu liegen. Die Lage der Sehnen ist also eine andre als ge- 
wöhnlich. Tibio-fibularwärts finden wir erst die Sehne des Flexor 
tibialis, dann die des Tibialis posticus und endlich die des Flexor 
fibularis.. In der Planta inseriert die Sehne des Flexor tibialis an 
einem starken langgestreckten Knorpel, der durch die Plantarfascie 
an den medialen Fußrand festgeheftet wird. 


y) Der Flexor fibularis 


entspringt vom proximalen Drittel der Fibula (medial vom Soleus), 
ferner von der Membrana interossea, sowie mit einigen Fasern von 
der Tibia. Er läßt sich an seinem Ursprunge vom Flexor tibialis 
und Tibialis postieus nicht deutlich isolieren. Seine starke Sehne 
verläuft in einer Rinne hinter dem medialen Malleolus und betritt 
dann die Planta, wo sie wie bei Dasypus sexcinctus ein Sesambein 
eingelagert hat. Die Sehne teilt sich sodann in fünf Einzelsehnen, 
welehe die Sehnen des Plantaris perforieren und an den Endpha- 
langen inserieren. 

Bei Chlamydophorus hat also auch die erste Zehe sowohl eine 
vom Plantaris kommende wie eine vom Flexor fibularis kommende 
Sehne. Eine Perforation aber kommt an dieser 1. Zehe nicht zu- 
stande; vielmehr geht die Plantarissehne der 1. Zehe in die Sehnen- 
scheide des Hallux über, mit deren Fasern sie sich innig verwebt. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 
fehlt. 
&) Der Tibialis postieus 

ist ein neben dem Flexor fibularis liegender, den Flexor tibialis 
größtenteils deckender Muskel, der mit dem Flexor fibularis und 
Flexor tibialis am Ursprunge verwachsen ist. 

Der Muskel wird am unteren Drittel des Unterschenkels sehnig, 
verläuft am medialen Malleolus hinter der Sehne des Flexor tibialis 
und inseriert in der Planta am Naviculare. 


3 


4 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 267 


£) Der Quadratus plantae 
fehlt. 
n) Die Lumbricales. 

Aus den Winkeln, welehe von den Sehnen des Flexor fibularis 
gebildet werden, entspringen fünf Lumbricales. Zwei derselben ent- 
springen aus dem Winkel zwischen erster und zweiter Sehne. Aus 
den übrigen drei Winkeln entspringt je einer. 

Die ersten zwei Lumbricales inserieren an den einander zuge- 
kehrten Seiten der Sehnenscheiden der 1. und 2. Zehe, der dritte 
an der fibularen Seite der 2. Zehe, der vierte an der tibialen Seite 
der 4., der fünfte an der tibialen Seite der 5. Zehe. Für die 
3. Zehe habe ich also keinen Lumbricalis vorgefunden. 


B. Innervation. 


Der N. tibialis gibt in der Mitte des Unterschenkels vier Nerven- 
äste ab. 

Der erste Ast verläuft medialwärts, versorgt den medialen Ga- 
stroenemius, gibt aber außerdem einen Zweig ab, dessen weitere 
Präparation mir nieht gelungen ist. 

Ein zweiter Ast versorgt die lateralen oberflächlichen Muskeln 
des Unterschenkels, den lateralen Gastroenemius, den Soleus und 
den Plantaris. 

Ein dritter Ast versorgt den Popliteus, Flexor tibialis und Tibi- 
alis postieus. 

Ein vierter gibt einen Zweig zum Flexor tibialis und Tibialis 
posticus ab und versorgt außerdem den Flexor fibularis. 

Der Hauptstamm verläuft dann zwischen den oberflächlichen 
und tiefen Muskeln abwärts und teilt sich in der Mitte des Unter- 
schenkels in zwei Äste. 

Der stärkere, dem N. plantaris medialis entsprechende, verläuft 
mit dem Flexor fibularis, der N. plantaris lateralis mit dem Plan- 
taris in die Sohle. 

Die Lumbricales werden von Ästen des N. plantaris medialis 
versorgt. 

Über Chlamydophorus truncatus sind mir myologische Arbeiten 
von Hyeru (1854, 1855), MacALıster (1895) und Burne (1901) be- 
kannt geworden. 

Die wichtigste davon ist die MACALISTERS. 

Den medialen, lateralen Gastroenemius und Soleus beschreibt 


_ MACALISTER ebenso wie in der vorliegenden Untersuchung. 


268 Erna Glaesmer 


Der Plantaris ist ein feiner Muskel, dessen Sehne sich mit der 
vom lateralen Gastroenemius und Soleus gebildeten Sehne vereinigt. 
Eine schmale Muskelportion fand MACALISTER an den Calcaneus fest- 
geheftet. Ich habe die Vereinigung des Plantaris mit dem Gastro- 
enemius und Soleus nicht beobachtet. 

Den Flexor tibialis beschreibt MACALISTER, wie gewöhnlich, als 
zweiten Tibialis postieus, HyrrL als Tibialis postieus accessorius. 
Der »zweite Tibialis postieus< (= Flexor tibialis) inseriert am Ento- 
cuneiforme, der erste (= Tibialis posticus!) am Naviculare. 

Ich habe diesen Muskel am tibialen Randknochen inserieren 
sehen. Die Dimensionen sind bei Chlamydophorus truncatus jedoch 
so klein, daß Irrtümer leicht möglich sind. 

Der Auffassung des Flexor tibialis als zweiten Tibialis TobEaRR 
entsprechend faßt MAcALIsTER den Flexor fibularis als den untrennbar 
mit dem »Flexor hallueis« vereinigten »Flexor digitorum« auf. 

Lumbrieales beschreibt MACALISTER vier, die an den tibialen 
Seiten der Zehen inserieren. 


8. Zusammenfassung. 


Von den ersten beiden von Max WEBER (1904) angegebenen Ord- 
nungen der Edentata, den Tubulidentata und Pholidota, ist im vor- 
liegenden je einer, von der Ordnung der Xenarthra sind fünf Ver- 
treter untersucht worden. Von den letzteren gehört je ein Genus 
zu der Familie der Bradypodidae und Myrmecophagidae, drei stam- 
men aus der Familie der Dasypodidae. Ehe ich an die eigentliche 
Zusammenfassung der Befunde gehe, möchte ich auch hier vorerst 
eine tabellarische Übersicht jener Muskeln geben, die eine größere 
Variabilität ihrer Verhältnisse zeigen. Siehe S. 270 u. 271. Die 
mehr Gemeinsames und Konstantes darbietenden Muskeln, wie der 
mediale und laterale Gastroenemius, der Soleus, Popliteus, Tibialis 
postieus, Quadratus plantae und die Lumbrieales finden im An- 
schlusse an diese Tabelle Berücksichtigung. 

Aus alledem lassen sich folgende, für die Edendata im allge- 
meinen gültigen Sätze ableiten: 


a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
c) und £8) Der mediale und laterale Gastroenemius 


zeigen den üblichen Ursprung vom medialen und lateralen Epicon- 
dylus femoris. 
Die Vereinigung der Sehnen erfolgt entweder in der Mitte des 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 269 


Unterschenkels oder etwas tiefer. Es kommen aber auch Fälle vor, 
in denen die Sehnen der beiden Gastroenemii sich nicht vereinigen 
(Chlamydophorus truncatus), oder solche, in denen sich die Sehne 
des medialen Gastroenemius nur mit einem Teil des lateralen Gastro- 
enemius verbindet (Oryeteropus aethiopieus). In diesen beiden Fällen 
trat der laterale Gastroenemius bzw. der isoliert gebliebene Teil des- 
selben mit dem Soleus in Verbindung. 


Die Insertion der beiden Gastrocnemii erfolgt wie üblich an 
der Hinterseite des Tuber calcanei. In einzelnen Fällen aber setzen 
sich Fasern auch noch in die Planta fort, sei es, um hier an der 
Bildung der Plantarfaseie Anteil zu nehmen, sei es, um sich in die 
Muskelfasern des oberflächlichen Kopfes des Flexor digitorum brevis 
fortzusetzen. 

y) Der Soleus 
ist im allgemeinen ein recht kräftig entwickelter Muskel, der haupt- 
sächlich von der Fibula entspringt und häufig mit dem darunterlie- 
genden Flexor fibularis innig verwachsen ist. Gewöhnlich inseriert 
der Muskel selbständig, ohne mit den beiden Gastroenemii in Ver- 
bindung zu treten, vor und medial von denselben am Calcaneus, 
Zuweilen verbindet er sich dicht oberhalb des Calcaneus mit der 
Sehne der Gastroenemii zu einer kurzen Achillessehne. In einzelnen 
Fällen erfolgt aber am Unterschenkel eine Vereinigung mit dem 
lateralen Gastroenemius oder wenigstens einem Teil des lateralen 
Gastroenemius, wobei dann der mediale Gastroenemius isoliert bleibt. 


ö) Der Plantaris 


entspringt mit dem lateralen Gastroenemius gemeinsam vom lateralen 
Epicondylus femoris. 


Seine Sehne hat zuweilen einen ähnlichen Verlauf, wie er häufig 
bei den Marsupialia und Inseetivoren vorzufinden ist. Am oberen 
Teil des Unterschenkels wird sie von der Sehne der beiden Gastro- 
enemii bedeckt, gewinnt aber im weiteren Verlaufe eine immer ober- 
tlächlichere Lage, indem sie erst an die mediale Seite der Gastro- 
enemiussehne, sodann auf sie tritt und so die Insertionsstelle der 
Gastroenemii zudeckend in die Planta verläuft. Hier teilt sie sich 
dann in die perforierten Sehnen. 

In einer zweiten Reihe von Fällen aber gewinnt die Sehne des 
Plantaris diese oberflächliche Lage nicht, sondern bleibt bis an das 
Tuber ealeanei von der Sehne der beiden Gastroenemii bedeekt und 


Erna Glaesmer 


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272 Erna Glaesmer 


inseriert hier entweder, wie bei Homo, an jenem Knochen medial 
und vor der Gastrocnemiussehne, oder aber sie setzt sich in die 
Planta fort. Dabei gleitet sie dann in einer Rinne des Calcaneus, 
die von der Gastroenemiussehne überdacht wird (in einem Fall ver- 
läuft sie auch medial von der Gastroenemiussehne durch diese Rinne). 
In der Planta erfolgt dann die Aufteilung in 4—5 Sehnen, welche 
an den Sehnenscheiden inserieren, innerhalb derselben aber eine 
deutliche Perforation zeigen. 

Auffallend ist, daß zuweilen auch der Hallux vom Plantaris 
eine Sehne bekommt. 


. &) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 


fehlt meist. Denn die perforierten Sehnen werden vom Plantaris 
abgegeben. 

In den seltenen Fällen, in denen ich den Muskel vorgefunden 
habe, entspringt er vom Calcaneus und inseriert an den Sehnen- 
scheiden der vier lateralen Zehen. Innerhalb der Sehnenscheiden 
ist eine mehr oder weniger deutliche Perforation zu bemerken. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
«) Der Popliteus 
fehlt zuweilen. Wenn er vorhanden ist, verhält er sich ähnlich wie 
bei den Insectivora. 
ß) Der Flexor tibialis 


kann fehlen, ist aber in der Regel vorhanden. 

Er entspringt hauptsächlich von der Tibia, zuweilen aber auch 
von der Membrana interossea und der Fibula. 

In bezug auf seine Insertion kann man, wie bei den Marsupialia 
und Insectivora, drei Grundtypen unterscheiden: 

1. Die Sehne des Flexor tibialis inseriert in der Plantarfaseie, 
am tibialen Randknochen oder am Metatarsale des Hallux. 
Sie tritt mit der Sehne des Flexor fibularis in keinerlei Ver- 
bindung. 

2. Die Sehne des Flexor tibialis vereinigt sich mit der des Flexor 
fibularis (nur bei Bradypus tridactylus beobachtet). 

3. Die Sehne des Flexor tibialis teilt sich in zwei Teilsehnen. 
Eine derselben inseriert am Metatarsale und der Grundphalanx 
des Hallux. Die zweite verbindet sich mit der Sehne des 
Flexor fibularis und gibt mit dieser gemeinsam die fünf Sehnen 
zu den Endphalangen ab. Die Sehnenfasern des Flexor tibialis 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 273 


verlaufen hauptsächlich zum Hallux, einzelne aber auch zur 
5. Zehe. 
y) Der Flexor fibularis 

ist auch bei den Edentata im allgemeinen der stärkste Muskel des 
Unterschenkels. Er ist in der Regel der alleinige und ausschließliche 
Beuger der Endphalangen. 

Mit dem Flexor tibialis tritt er meistens in keinerlei Verbindung. 
In vereinzelten Fällen ist jedoch auch die Verbindung der ganzen 
oder einer Teilsehne des Flexor tibialis mit der Sehne des Flexor 
fibularis zu beobachten. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 


fehlt in der Regel. Ich habe einen ähnlichen Muskel nur bei Manis 
beobachtet. Der Muskel entspringt hier von der Sehne des Flexor 
fibularis und bildet zwei Sehnen, die von den entsprechenden Sehnen 
des oberflächlichen Kopfes bedeckt werden und mit diesen an den 
Sehnenscheiden der 3. und 4. Zehe inserieren. 


&) Der Tibialis postieus 
zeigt ungefähr dasselbe Verhalten wie bei den Marsupialia und In- 
sectivora. 
£) Der Quadratus plantae 
fehlt zuweilen. In andern Fällen ist er sehr kräftig. Der Muskel 
entspringt vom Calcaneus und inseriert an der Sehne des Flexor 
fibularis. 
In einem Falle geht aber ein Teil des Muskels in eine Sehne 
über, die sich mit der Hallux-Sehne des Flexor fibularis vereinigt. 
Bei Bradypus tridactylus bildet der Quadratus plantae sogar 
drei kräftige Sehnen. 


n) Die Lumbricales. 
Sie können zuweilen fehlen. Zuweilen sind sie einfach, manchmal 
aber auch doppelt vertreten. 


9. Vergleichend anatomische Bemerkungen. 


Ein Vergleich der bei den Edentata mit den bei Marsupialia 
‚und Insectivora gewonnenen Befunde ergibt: 


EHELEUTE 


a) Oberflächliche Muskelgruppe, 
«u. 8) Der mediale und laterale Gastroenemius. 
Diese beiden Muskeln zeigen in bezug auf ihren Ursprung die- 


selben Verhältnisse wie bei den Insectivora. Auch der laterale 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 18 


274 Erna Glaesmer 


Gastroenemius entspringt wie bei diesen rein femoral, während er 
bei den Monotremen rein fibular entspringt und bei den Marsupialia 
außer fibularen noch häufig Ursprungsfasern vom Femur hat. 

Die innige Zusammengehörigkeit des medialen und lateralen 
Gastroenemius ist bei den Edentata, ebenso wie bei den Insectivora, 
viel ausgesprochener als bei den Marsupialia. Die Vereinigung der 
beiden Sehnen ist hier die Regel, während sie bei den Marsupialia 
die Ausnahme ist. 


y) Der Soleus 
ist bei den Edentata, ebenso wie bei den meisten Insectivora, kräftig 
entwickelt. Bei den Marsupialia fehlt er durchweg oder wird 
höchstens dureh einige Muskelfasern angedeutet. 

Bei den Inseetivora verbindet sich der Soleus, wenn er vorhanden 
ist, in der Regel mit den Gastroenemii zum Triceps surae. Bei den 
Edentata ist die Bildung eines Triceps surae und einer Achillessehne 
seltener. Gewöhnlich bleibt der Soleus in seinem ganzen Verlaufe 
selbständig und inseriert vor der Sehne der Gastroenemii am Calcaneus. 


0) Der Plantaris 


entspringt bei den Edentata, ebenso wie bei den Insectivora und 
Marsupialia, hauptsächlich vom lateralen Epieondylus femoris. 

Bei den Marsupialia geht der Muskel über die Insertionsstelle 
der Gastroenemii am Tuber hinweg und setzt sich in der Planta in 
die Plantarfaseie fort, von deren Unterseite zuweilen der oberfläch- 
liche Kopf des Flexor digitorum brevis entspringt. In seltenen Fällen 
geht ein oder der andre Strang der Plantarfaseie selbst in eine 
Sehne über, die ebenso wie der Flexor digitorum brevis an der 
Sehnenscheide inseriert und innerhalb derselben perforiert wird. 

Bei den Insectivora geht in einem Fall die Sehne des Plantaris, 
‘ die über dem Tuber calcanei ebenfalls oberflächlich liegt und die 
Insertionsstelle der Gastroenemii zudeckt, unmittelbar in den ober- 
flächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis über. In andern Fällen 
aber setzt sich die Sehne des Plantaris als solche in die Planta fort 
und gibt vier Sehnen ab, welche an den Sehnenscheiden inserieren 
und innerhalb derselben perforiert werden. 

Bei den Edentata ist das zuletzt beschriebene Verhalten die 
Regel. Variabel ist jedoch der Verlauf der Plantaris-Sehne vor 
der Teilung in die Einzelsehnen: In einzelnen Fällen verläuft die 
Plantaris-Sehne oberflächlich über die Ansatzstelle der Gastroenemü 


Die Beugemuskeln am ‚Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 275 


hinweg. In andern Fällen wird sie von der Gastroenemius-Sehne 
bedeckt, wieder in andern liegt sie am Calcaneus medial von der 
Gastroenemius-Sehne. 

Außer der Insertion an den Mittelphalangen finden sich bei den 
Edentaten in vereinzelten Fällen noch andre Insertionstypen vor. 
So die Insertion am Tuber calcanei, vor und medial von der In- 
sertionsstelle der Gastrocnemii (ähnlich wie bei Homo), ferner die 
Vereinigung der Plantaris-Sehne mit der des Flexor fibularis (siehe 
Bradypus tridactylus). 


e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis, 


der bei den Marsupialia fast regelmäßig vorhanden ist, fehlt bei den 
Edentata, ebenso wie bei den Insectivora sehr häufig. Der Plantaris 
gibt in diesen Fällen die perforierten Sehnen ab. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
«) Der Popliteus 


fehlt zuweilen. Wenn er vorhanden ist, so entspringt er bei den 
Edentata ebenso wie bei den Inseetivora im allgemeinen rein femoral, 
während er bei den Monotremata einen rein fibularen Ursprung auf- 
weist, bei den Marsupialia aber schon das Bestreben zeigt, auf das 
Femur zu wandern. 


ß) Der Flexor tibialis 


zeigt bei den Edentata dieselben drei Grundtypen der Insertion wie 
bei den Insectivora und Marsupialia: 
1. Isolierte Insertion am medialen Fußrand (Plantarfaseie, tibialer 
Randknochen oder Hallux). 
2. Vereinigung der Sehne mit der des Flexor fibularis. 
3. Spaltung in zwei Teilsehnen, deren eine sich nach dem 1., die 
andre nach dem 2. Grundtypus verhält. 
Bei den Monotremata verhält sich die Sehne des Flexor tibialis 
nach dem 1. Grundtypus. 


y) Der Flexor fibularis 


verhält sich im allgemeinen wie bei den Inseetivora und den Mar- 

_ supialia. Meist ist er der alleinige und ausschließliche Beuger der 

Endphalangen. Manchmal aber vereinigt sich ein Teil oder die 

ganze Sehne des Flexor tibialis mit ihm und unterstützt ihn in 

dieser Funktion. 

Bei den Monotremata erfolgt eine Vereinigung der Sehnen niemals. 
18* 


276 Erna Glaesmer 


0) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis, 
der bei den hier untersuchten Monotremata und Marsupialia immer 
vorhanden ist, fehlt in der Regel bei den Edentata ebenso wie bei 
den Insectivora. Die perforierten Sehnen werden dann vom Plantaris 
oder dem oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis abgegeben. 


e) Der Tibialis postieus 


verhält sich bei den Edentata ebenso wie bei den Monotremata, 
Marsupialia und Insectivora. 


£) Der Quadratus plantae, 


der bei den Marsupialia häufig fehlt, fehlt bei den Inseetivora und 
Edentata seltener. 

n) Die Lumbricales 
sind bei den Edentata ebenso regelmäßig vorhanden wie bei den 


Marsupialia. Sie fehlen nur selten. Zuweilen sind sie verdoppelt. 
Bei den Insectivora fehlen sie häufig zum Teil, manchmal ganz. 


IV. Prosimiae. 
1, Lemur rufifrons (Tafel III, Fig. 9 u. 10). 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 

Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
repräsentiert durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den 
Soleus, den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor digi- 
torum brevis, 


«) Der mediale Gastrocnemius 


entspringt vom medialen Epicondylus femoris. In der Mitte des 
Unterschenkels verbindet er sich mit dem lateralen Gastroenemius 
und dem Soleus. Die gemeinsame Sehne inseriert am Tuber calcanei, 
wo sie von der Sehne des Plantaris bedeckt wird. 


ß) Der laterale Gastroenemius 


entspringt mit dem Plantaris gemeinsam vom lateralen Epieondylus 
femoris. Etwa in der Mitte des Unterschenkels vereinigt er sich 
mit dem medialen Gastroenemius und dem Soleus. Die gemeinsame 
Sehne inseriert am Tuber calcanei, wo sie von der Sehne des Plan- 
taris bedeckt wird. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 277 


y) Der Soleus 
entspringt mit schmaler Sehne vom Capitulum der Fibula. Er wird 
vom lateralen Gastroenemius bedeckt und inseriert mit einem Teil 
seiner Muskelfasern schon in der Mitte des Unterschenkels an der 
gemeinsamen Gastroenemiussehne, während die übrigen Muskelfasern 
nach und nach an dieselbe herantreten. Mit dem lateralen und 
medialen Gastroenemius zusammen inseriert er am Tuber calecanei, 
wo die gemeinsame Sehne von der des Plantaris bedeckt wird. 

ö) Der Plantaris 
entspringt mit dem lateralen Gastroenemius gemeinsam vom lateralen 
Epicondylus femoris. Sein Muskelbauch liegt medial vom Soleus, 
fast in ein und derselben Ebene mit diesem. 

In der Mitte des Unterschenkels tritt seine Sehne an die mediale 
Seite der Achillessehne, im weiteren Verlaufe auf dieselbe, so daß 
sie auf dem Tuber calcanei die Insertionsstelle der Achillessehne 
vollständig zudeckt. Mit den Randpartien setzt sich die Sehne am 
Tuber calcanei an, ihr Hauptteil verläuft aber frei weiter in die 
Planta und bildet hier die Plantaraponeurose, die, wie auch LorH ( 1908) 
beschreibt, besonders an der fibularen Seite der Planta gut ent- 
wickelt ist. Auf Tafel III, Fig. 9 ist ein Strang zur Sehnenscheide 
der 4. Zehe, den ich besonders deutlich hervortretend fand, noch 
erhalten. 


&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
wird von der Plantaraponeurose, mit der er innig verwachsen ist, 
bedeckt. Der Muskel entspringt zum Teil von der Unter-, d.h. 
Dorsalseite der Plantaraponeurose, zum Teil vom Tuber caleanei und 
geht in zwei Sehnen über. (Taf. II, Fig. 10.) 
Die eine bildet die perforierte Sehne für die zweite Zehe. 

Die zweite verbindet sich mit einer Sehne, die vom tiefen Kopf 
des Flexor digitorum brevis abgegeben wird, und bildet mit ihr die 
perforierte Sehne der dritten Zehe. 

Mit der Plantaraponeurose und dem oberflächlichen Kopf des 
Flexor digitorum brevis innig verwachsen ist der Abductor des Hallux 
und der fünften Zehe. 

b) Tiefe Muskelgruppe. 
Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird dar- 


- gestellt durch den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis, den 
_ tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den Tibialis postieus und 


vier Lumbrieales. 


278 Erna Glaesmer 


«) Der Popliteus 


entspringt vom lateralen Condylus femoris. Seine Fasern divergieren 
medialwärts und inserieren am oberen Fünftel der Hinterseite der 
Tibia. 

8) Der Flexor tibialis 
entspringt von der Tibia, unterhalb des distalen Randes des Popliteus, 
ferner von der Membrana interossea. 

Die Sehne tritt am medialen Malleolus hinter die Sehne des 
Tibialis postieus und liegt in der Planta oberflächlich von der Sehne 
des Flexor fibularis, mit der sie in Verbindung tritt. Ihre Sehnen- 
fasern verteilen sich an die erste, vierte und fünfte Zehe, welch 
letztere keine Sehnenfasern vom Flexor fibularis bekommt. Die zum 
Hallux und zur vierten Zehe verlaufenden Fasern dagegen gesellen 
sich zu solchen des Flexor fibularis und bilden mit diesen gemeinsam 
die eigentliche Hallux-Sehne, sowie die perforierende, an der End- 
phalanx inserierende Sehne für die vierte Zehe. 

Von der Plantarseite der Sehne des Flexor tibialis entspringt 
der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis. 


y) Der Flexor fibularis 


entspringt mit dem Tibialis posticus gemeinsam, mit dem er bis etwa 
zur Mitte des Unterschenkels verwachsen bleibt, vom Capitulum der 
Fibula und der Membrana interossea. An seinem Ursprunge wird 
er vom Soleus bedeckt. 

Die Sehne verläuft am medialen Malleolus hinter der des Flexor 
tibialis, wird aber in der Planta von letzterer bedeckt und tritt mit 
ihr in Verbindung; und zwar setzt sich die Hallux-Sehne aus etwa 
2/, Fasern des Flexor fibularis und !/, des Flexor tibialis zusammen. 

Die zweite und dritte Zehe werden nur von Sehnen des Flexor 
fibularis versorgt. 

Die Sehne für die vierte Zehe besteht zum Teil aus Fasern des 
Flexor fibularis, zum Teil des Flexor tibialis. 

Die für die fünfte Zehe bestimmte Sehne wird nur vom Flexor 
tibialis abgegeben. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 


entspringt von dem Plantarabschnitt der Sehne des Flexor tibialis 
und geht in drei Sehnen über. (Taf. III, Fig. 10.) 

Die mediale dieser drei Sehnen vereinigt sich mit der lateralen 
Sehne des oberflächlichen Kopfes des Flexor digitorum brevis und 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 279 


bildet mit dieser die an der Mittelphalanx inserierende perforierte 
Sehne der dritten Zehe. 

Die mittlere der drei Sehnen des tiefen Kopfes bildet die per- 
forierte Sehne der vierten, die laterale die perforierte Sehne der 
fünften Zehe. 

&) Der Tibialis posticus 
entspringt mit dem Flexor fibularis gemeinsam, mit dem er bis etwa 
zur Mitte des Unterschenkels verwachsen bleibt, von dem Capitulum 
der Fibula und der Membrana interossea. Die Sehne wird am 
medialen Malleolus von der Sehne des Flexor tibialis bedeckt und 
tritt dann in die Planta, wo sie am Naviculare und Cuneiforme I 
inseriert. 

£) Der Quadratus plantae 
fehlt. 

n) Die Lumbricales. 


Es sind ihrer vier vorhanden. Sie entspringen aus den vier 
Winkeln, welche von den fünf perforierenden Sehnen gebildet werden, 
und inserieren an den tibialen Seiten der zweiten, dritten, vierten 
und fünften Zehe, wo sie in die Dorsalaponeurose übergehen. 


B. Innervation. 


Der N. tibialis gibt dieht oberhalb des Kniegelenks einen Ast 
ab, der sich an den medialen, den lateralen Gastroenemius und den 
Plantaris verteilt. Ein Zweig tritt zwischen den lateralen Gastro- 
enemius und den Plantaris in die Tiefe und versorgt den Soleus. 

Ein zweiter Ast geht dieht unterhalb des Kniegelenkes ab und 
versorgt den Popliteus und den Tibialis postieus. 

Ein dritter Ast versorgt den Flexor tibialis und den Flexor fibularis. 

Der N. tibialis verläuft am medialen Malleolus in die Planta 
und teilt sich hier in eine Anzahl von Ästen, ohne daß eine deut- 
liche Teilung in einen N. plantaris medialis und N. plantaris late- 
ralis erfolgt. Erst aus dem weiteren Verlauf der Äste, besonders 
dem Verhalten der Hautäste kann man ersehen, was dem N. 
plantaris medialis, was dem N. plantaris lateralis zuzurechnen ist. 


Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis wird vom 
N. plantaris lateralis und medialis versorgt, der tiefe Kopf vom N. 
plantaris lateralis. 


Lemur macaco bietet ähnliche Befunde wie Lemur rufifrons. 


280 Erna Glaesmer 


Der mediale, laterale Gastroenemius und Soleus verhalten sich wie 
bei diesem. 

Der Plantaris geht in die ähnlich sich verhaltende Plantar- 
aponeurose über, von deren Unterseite der oberflächliche Kopf des 
Flexor digitoram brevis entspringt. Dieser gibt die perforierten 
Sehnen für die zweite und dritte Zehe ab, während der tiefe Kopf 
des Flexor digitorum brevis von der Sehne des Flexor tibialis ent- 
springt und die perforierten Sehnen für die vierte und fünfte Zehe 
abgibt. Zwischen oberflächlichem und tiefem Kopf besteht keine 
Verbindung, wie sie bei L. rufifrons zu beobachten war. 

“ Die Sehne des Flexor tibialis tritt mit der des Flexor fibularis 
in Verbindung. Dabei gibt der Flexor tibialis eine perforierende 
Sehne zur fünften, der Flexor fibularis zur zweiten Zehe ab. Die 
erste, dritte und vierte Zehe versorgen beide Muskeln gemeinsam. 

Ein Quadratus plantae fehlt auch bei Lemur macaco. 

Die Lumbricales sind einfach vertreten und verhalten sich ähnlich 
wie bei Lemur rufifrons. 


2. Galago galago. 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 

Die oberhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird dar- 
gestellt durch den medialen, den lateralen GFastroenemius, den Soleus, 
den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum 
brevis. 

«) Der mediale Gastroenemius 


wie bei Lemur rufifrons. 


5) Der laterale Gastrocnemius 
wie bei Lemur rufifrons. 


y) Der Soleus 
wie bei Lemur rufifrons. 


0) Der Plantaris 


entspringt mit dem lateralen Gastroenemius, mit dem er am Ur- 
sprunge verwachsen ist, vom lateralen Epicondylus femoris. Die 
Sehne verläuft erst an der medialen Seite der Achillessehne, tritt 
aber im weiteren Verlaufe auf sie, so daß sie über dem Tuber cal- 
canei die Insertionsstelle der Gastroenemii vollständig zudeckt. 

Die Sehne selbst verläuft frei in die Planta, wo sie in die Plantar- 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 281 


aponeurose übergeht, die sich ähnlich, wie Loru (1908) bei Galago 
Garnetti angibt, verhält. Ein starker tibialer Strang verläuft zum 
Hallux, mehrere schwächere zu den Zehen, die sie aber nicht er- 
reichen, sondern schon früher an der Haut inserieren. 

Von der Unterseite der Plantaraponeurose entspringt der ober- 
flächliche Kopf des Flexor digitorum brevis. 


&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 


entspringt von der Unterseite der Plantaraponeurose und geht in 
eine Sehne über, die als perforierte Sehne an der zweiten Phalanx 
der zweiten Zehe inseriert. Neben diesem Muskel entspringt von 
der Unterseite der Plantaraponeurose noch ein zweites, ebenso starkes 
Muskelbündel, das an der Grundphalanx der 5. Zehe inseriert, aber 
auch in die Dorsalaponeurose übergeht. Das Muskelbündel erweckt 
den Anschein, als gehörte es zum oberflächlichen Kopf. Es hat aber 
keine perforierte Sehne. Zwischen oberflächlichem und tiefem Kopf 
besteht keine Verbindung. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 

Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird re- 
präsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis, 
den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den Tibialis postieus 
und vier Lumbricales. 

Die tiefe Muskelgruppe verhält sich ähnlich wie bei Lemur 
rufifrons. Zwischen oberflächlichem und tiefem Kopf des Flexor 
digitorum brevis besteht aber keine Verbindung. Die Sehne des 
oberflächlich verlaufenden Flexor tibialis vereinigt sich mit der des 
Flexor fibularis vor der Teilung in Einzelsehnen. Soweit zu ersehen 
ist, versorgt der Flexor fibularis die 3. und 4. Zehe, der Flexor 
tibialis die 5. allein. Die 1. Zehe wird von beiden gemeinsam, 
aber vorwiegend vom Flexor fibularis, die zweite ebenfalls gemeinsam, 

_ aber vorwiegend vom Flexor tibialis versorgt. 


B. Innervation. 


Der N. tibialis gibt dicht oberhalb des Kniegelenks zwei Äste 
ab: einen schwachen medialen zum medialen Gastroenemius, einen 
stärkeren lateralen zum lateralen Gastroenemius und Soleus. 

In der Kniekehle geht ein Ast zum Plantaris ab. 

’ Darauf folgen nacheinander drei Äste: Der erste dieser drei 
_ verzweigt sich an den Popliteus, den Flexor fibularis und den Tibialis 


mans 


# 


282 Erna Glaesmer 


postieus. Der zweite versorgt den Flexor tibialis. Der dritte geht 
zum Flexor fibularis. 

Wie bei Lemur rufifrons erfolgt keine deutliche Teilung in einen 
N. plantaris medialis und lateralis. Aus dem Verlauf der Hautäste 
läßt sich aber wohl erkennen, welche Äste dem N. plantaris medialis, 
welche dem lateralis zuzurechnen sind. 

Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis wird vom 
N. plantaris lateralis und medialis versorgt, der tiefe scheint nur 
vom N. plantaris lateralis innerviert zu werden. 


3. Stenops tardigradus. (Taf. IV, Fig. 11.) 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 


Die oberhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird re- 
präsentiert durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den 
Soleus, den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor digi- 
torum brevis. 

«) Der mediale Gastrocnemius 
entspringt vom medialen Epicondylus femoris, gemeinsam mit einem 
Kopf des Plantaris. Während dieser mediale Plantaris-Kopf sich 
nun mit dem lateralen verbindet, tritt der mediale Gastroenemius 
zum lateralen Gastrocenemius und Soleus und bildet mit diesen beiden 
Muskeln eine gemeinsame Muskelmasse, die mit ihrer Sehne an der 
Hinterseite des Tuber calcanei inseriert. 


ß) Der laterale Gastroenemius 


entspringt mit dem lateralen Plantaris-Kopf gemeinsam vom lateralen 
Epicondylus femoris. Während der laterale Plantaris-Kopf sich nun 
mit dem medialen Kopf vereinigt, bildet der laterale Gastroenemius 
mit dem Soleus und dem medialen Gastroenemius eine gemeinsame 
Muskelmasse, die mit ihrer Sehne an der Hinterseite des Tuber 
calcanei inseriert. 

y) Der Soleus 


entspringt vom Capitulum der Fibula. Er vereinigt sich mit dem 
medialen und lateralen Gastroenemius und bildet so mit diesen beiden 
Muskeln den Triceps surae. Die gemeinsame Sehne inseriert an der 
Hinterseite des Tuber calcanei. 


0) Der Plantaris 
hat zwei Ursprungsköpfe, einen medialen und einen lateralen. Der 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 283 


mediale entspringt gemeinsam mit dem medialen Gastroenemius vom 
medialen Epicondylus femoris, der laterale mit dem lateralen Gastro- 
enemius gemeinsam vom lateralen Epieondylus femoris. Einen aus 
2 Köpfen bestehenden Plantaris habe ich auch bei einem Exemplar 
Erinaceus europaeus beobachtet. Der Muskel entsprang aber dort 
nicht vom Femur, wie bei Stenops tardigradus, sondern von der Tibia. 

Der mediale Ursprungskopf des Plantaris scheint bei Stenops 
tardigradus eine Abspaltung des medialen Gastrocnemius zu sein, 
denn beide Muskeln werden von demselben Nervenast innerviert. 

Am oberen Drittel des Unterschenkels vereinigen sich beide Ur- 
sprungsköpfe zu einer gemeinsamen Sehne, welche von dem Triceps 
surae bedeckt wird, dann an der medialen Seite desselben an die 
Oberfläche tritt und so in die Planta verläuft, wobei sie die In- 
sertionsstelle der Achillessehne zudeckt. Am Calcaneus heftet sich 
die Sehne mit den Randpartien an und geht in der Planta in eine 
schwach entwickelte Aponeurose über. Von der Unterseite dieser 
Aponeurose entspringen einzelne Fasern des oberflächlichen Kopfes 
des Flexor digitorum brevis. 


e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 


entspringt als kleiner Muskel vom Calcaneus und von der Unterseite 
der Plantaraponeurose. Der Muskel geht in eine feine Sehne über, 
welche von der entsprechenden Sehne des Flexor perforans perforiert 
wird und dann an der Mittelphalanx der 2. Zehe inseriert. Mit dem 
tiefen Kopf tritt der oberflächliche in keine Verbindung. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 

Die unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird re- 
präsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, Flexor fibularis, 
den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den Tibialis postieus 
und sieben Lumbricales. 


«) Der Popliteus 
entspringt vom Ligamentum genu collaterale fibulare und von dem 


lateralen Meniscus. Die Fasern divergieren medialwärts und in- 
serieren an der medialen Tibiakante. 


ß) Der Flexor tibialis 


hat zwei Ursprungsköpfe. Ein medialer entspringt medial von der 
Ursprungsstelle des medialen Gastroenemius und des medialen Plantaris- 
Kopfes vom medialen Epicondylus femoris. Ein zweiter, lateraler 
Ursprungskopf kommt von der Tibia und der Membrana interossea. 


284 Erna Glaesmer 


Die gemeinsame Sehne verläuft hinter dem medialen Malleolus 
in die Planta, wo sie die Sehne des Flexor fibularis kreuzt und zum 
Teil zudeckt. Sie teilt sich in fünf Sehnen. Die medialen drei ver- 
binden sich mit je einer Sehne des Flexor fibularis und inserieren 
mit diesen an den Endphalangen der medialen drei Zehen. 

Die lateralen zwei Sehnen inserieren, ohne mit Sehnen des Flexor 
fibularis in Verbindung zu treten, an den Endphalangen der vierten 
und fünften Zehe. 

y) Der Flexor fibularis 
entspringt hauptsächlich von der Hinterseite der Fibula, bekommt 
aber auch Ursprungsfasern vom Ligamentum genu collaterale fibulare 
und vom fibularen Meniscus. 

Die Sehne des Muskels verläuft hinter dem medialen Malleolus 
in die Planta, wo sie vom oberflächlich verlaufenden Flexor tibialis 
gekreuzt wird. Dort teilt sie sich in drei Sehnen, welche sich mit 
den medialen drei Sehnen des Flexor tibialis vereinigen. Mit diesen 
gemeinsam bildet der Flexor fibularis die drei an den Endphalangen 
der ersten, zweiten und dritten Zehe inserierenden Sehnen. 


d) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 


entspringt in der Planta von der Sehne des Flexor tibialis. Der 
Muskel geht in drei Sehnen über, welche von den Sehnen des Flexor 
perforans perforiert werden und an den Mittelphalangen der dritten, 
vierten und fünften Zehe inserieren. Mit dem oberflächlichen Kopf 
tritt der Muskel in keine Verbindung. 


&) Der Tibialis posticus 
entspringt, bedeckt vom Flexor fibularis, mit diesem gemeinsam vom 
lateralen Meniseus und vom Ligamentum genu collaterale fibulare. 
Die Sehne des Muskels verläuft hinter dem medialen Malleolus in 
die Planta, wo sie am Naviculare und Cuneiforme I inseriert. 


£) Der Quadratus plantae 
fehlt. 


n) Die Lumbricales. 


Es sind ihrer sieben vorhanden. Sie entspringen aus den 
Winkeln, welehe von den Sehnen des Flexor perforans gebildet 
werden, und inserieren an den einander zugekehrten Seiten der 
fünften, vierten, dritten und zweiten, sowie der tibialen Seite der 
zweiten Zehe. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 285 


B. Innervation. 


Der N. tibialis gibt dieht oberhalb des Kniegelenks einen Ast 
zum medialen Gastrocnemius und zum medialen Kopf des Plantaris ab. 

Dann folgt ein Ast, der sich ähnlich, wie in meiner Arbeit »Unter- 
suchung über die Flexorengruppe am Unterschenkel und Fuß« bei 
den Marsupialia beschrieben wurde, verhält. Dieser Ast verläuft in 
der Fascie, die den Triceps surae bedeckt, abwärts, tritt dann von 
lateral her unter den Triceps surae und vereinigt sich hier mit 
einem vom Hauptstamm des N. tibialis sich abspaltenden Ast zum 
N. plantaris lateralis. 

Eine kleine Strecke distal von dem soeben beschriebenen Ast 
verläßt den N. tibialis ein Ast, der sich an den lateralen Gastro- 
enemius und den lateralen Kopf des Plantaris verzweigt. 

Als nächster folgt ein Muskelast für den Popliteus. 

Oberhalb der proximalen Grenze des Popliteus entspringt ein 
Nervenast, der sich an den Soleus, Flexor fibularis und Tibialis 
postiecus verzweigt. 

Zum Schluß folgt als letzter Muskelast des Unterschenkels ein 
Nerv für die beiden Köpfe des Flexor tibialis. 

Oberhalb des Malleolus geht vom N. tibialis ein Ast ab, der 
sich mit dem oben beschriebenen zweiten Unterschenkelast des N. 
tibialis zum N. plantaris lateralis vereinigt. Der übrigbleibende 
Stamm stellt den N. plantaris medialis dar. 


4, Perodicticus potto. 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 

Die oberhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird dar- 
gestellt durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den Soleus, 
den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis. 

Alle diese Muskeln zeigen bei meinem Exemplar untereinander 


- eigentümliche Verwachsungen. Kaum zwei Muskeln lassen sich 


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‘ 
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isolieren. 


Ähnlich wie bei Stenops tardigradus kommt es zur Ausbildung 
eines Triceps surae, dessen Sehne an der Hinterseite des Caleaneus 
inseriert. 

Auch der Plantaris verhält sich ähnlich wie bei Stenops tardi- 
gradus. Die Sehne deckt den Ansatz der Achillessehne am Tuber 
ealcanei zu und setzt sich als Plantaraponeurose in die Planta fort. 


286 Erna Glaesmer 


Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis entspringt 
nicht von der Unterseite der Plantaraponeurose, sondern vom Körper 
des Calecaneus. Er zeigt keinen Zusammenhang mit dem Plantaris 
und bildet die perforierte Sehne für die 2. Zehe. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 


Diese verhält sich ähnlich wie bei Stenops tardıgradus. 

Der Flexor tibialis tritt mit dem Flexor fibularis in Verbindung. 

Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis entspringt in der 
Planta von der Sehne des Flexor tibialis und bildet die perforierten 
Sehnen für die dritte, vierte und fünfte Zehe. 


Über die Muskulatur der Prosimiae besteht eine ziemlich um- 
fangreiche Literatur. Einzelne dieser Arbeiten möchte ich nicht un- 
berücksichtigt lassen. Bei der Eindeutigkeit der Verhältnisse ist ein 
Vergleich der verschiedenen Befunde bedeutend leichter, als es bei 
den niederen Tiergruppen der Fall war. 

Über Lemurinae haben Murız und MıvArr (1872) ähnliche Be- 
funde verzeichnet wie ich bei Lemur rufifrons. 

Über Chiromys madagascariensis hat ZUCKERKANDL (1900) eine 
recht umfangreiche Arbeit veröffentlicht, deren Resultate ich, daich selbst 
kein Exemplar Ohiromys untersucht habe, kurz wiedergeben möchte: 

Die von mir als oberflächliche Muskelgruppe bezeichneten Muskeln 
zeigen ungefähr dieselben Verhältnisse, wie sie bei Lemur rufifrons 
verzeichnet worden sind. 

Flexor tibialis und Flexor fibularis treten ebenfalls, wie bei allen 
Prosimiae, in Beziehung zueinander. Die Verteilung der Sehnenfasern 
zu den einzelnen Zehen, die im allgemeinen wechselnd ist, zeigt hier 
wieder ein neues Bild. ZUCKERKANDL gibt nämlich an, daß die 
5. Zehe, die ich bei den von mir untersuchten Prosimiae immer nur 
vom Flexor tibialis versorgt fand, bei Chiromys auch Sehnenfasern 
vom Flexor fibularis erhält. Die übrigen Zehen werden etwa zu 
gleichen Teilen von beiden Muskeln versorgt. 

Bei dem Flexor digitorum brevis unterscheidet ZUCKERKANDL 
ebenfalls einen oberflächlichen und tiefen Kopf. 

Der oberflächliche Kopf entspringt bei Chiromys von der Plan- 
taraponeurose und gibt die perforierte Sehne für die zweite Zehe ab, 
der tiefe von der Sehne des Flexor tibialis und versorgt in gleicher 
Weise die dritte, vierte und fünfte Zehe. Zwischen beiden Muskeln 
scheint nach der Beschreibung keine Verbindung zu bestehen. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 287 


Die übrigen Muskeln verhalten sich ähnlich wie bei Lemur 
rufifrons. Der Quadratus plantae fehlt auch hier. 

OUDEMANNS (1888) gibt, wie ZUCKERKANDL zitiert, bei Chwromnys 
in bezug auf den Flexor tibialis und fibularis wieder eine andre 
Verteilung der Sehnen an: Von beiden Muskeln gemeinsam wird 
die dritte, vierte, fünfte und, wie hervorzugehen scheint, auch die 
erste Zehe versorgt. Dagegen wird die zweite nur vom Flexor 
fibularis versehen. Auch OUDEMANNSsS fand also zur fünften Zehe 
Sehnenfasern von beiden Muskeln verlaufen. 

Owen (1866) fand bei Chiromys die zweite Zehe von beiden 
Muskeln versorgt. Vor der Teilung in die für die dritte, vierte und 
fünfte Zehe bestimmten Sehnen gesellt sich nach seinen Angaben 
zur Sehne des Flexor tibialis noch die des Flexor fibularis. 

Otolienus verhält sich nach ZUCKERKANDL (1900) ähnlich wie 
Galago galagoe. Während ich aber bei Galago galago die Hallux- 
Sehne vom Flexor tibialis und Flexor fibularis gebildet fand, wird 
sie bei Ololienus nur vom Flexor fibularis gebildet. 

Nycticebus verhält sich nach Mivarr und Muriz (1865) ähnlich 
wie Stenops tardıgradus. 

Den Flexor tibialis fanden beide Autoren ebenfalls vom Epicon- 
dylus femoris entspringen. Der Plantaris aber soll fehlen. 


5. Zusammenfassung. 

Von den fünf von Max WEBER (1904) angegebenen Familien 
der Prosimiae sind hier drei mit je einem, bzw. zwei Vertretern 
untersucht worden; ich habe dieselben in bezug auf die Muskeln, die 
eine größere Variabilität innerhalb der Säugetierreihe zu zeigen pflegen, 
auf S. 288 u. 289 tabellarisch zusammengestellt. 

Aus dem Vorhergegangenen lassen sich für die Prosimiae etwa 
folgende im allgemeinen gültige Sätze ableiten: 


a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
«) und #) Der mediale und laterale Gastroenemius 
zeigen bei den Prosimiae den üblichen Ursprung vom medialen = 
lateralen Epicondylus femoris. 

Die Vereinigung der Sehnen erfolgt ungefähr in der Mitte des 
Unterschenkels. Fälle, in denen eine Vereinigung nicht erfolgt 
wäre, habe ich nicht beobachtet. 

Ebenso vereinigt sich in allen von mir untersuchten Fällen der 
 Soleus mit den beiden Gastroenemii, so daß es zur Ausbildung eines 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 289 


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Morpholog. Jahrbuch. 41. 


290 Erna Glaesmer 


Trieeps surae kommt. Dieser Triceps surae inseriert mit seiner 
Sehne, der Achillessehne, an der Hinterseite des Tuber calcanei. 
Dort wird seine Insertionsstelle von der darüber hinweglaufenden 
Sehne des Plantaris bedeckt. 


y) Der Soleus 


entspringt vom Capitulum fibulae. Er vereinigt sich mit dem me- 
dialen und lateralen Gastroenemius und bildet mit diesen beiden 
den Trieeps surae. Die gemeinsame Sehne, die Achillessehne, in- 
seriert an der Hinterseite des Tuber ealcanei, wo die Insertionsstelle 
von der darüber hinweglaufenden Sehne des Plantaris bedeckt wird. 


0) Der Plantaris 
ist verschieden stark entwickelt. Bei Nyeticebus scheint er nach 
MıwArT und Murıe (1865) zu fehlen. Er entspringt vom lateralen 
Epieondylus femoris, mit dem lateralen Gastroenemius gemeinsam. 
Es kann außerdem aber auch noch ein zweiter, vom medialen Epi- 
condylus entspringender Ursprungskopf bestehen. 

Die Sehne des Plantaris wird von dem Triceps surae bedeckt, 
kommt dann aber an der medialen Seite desselben zum Vorschein, 
deckt die Insertionsstelle des Triceps surae am Calcaneus zu und 
verläuft in die Planta, wo sie in die stärker oder schwächer ent- 
wickelte Plantaraponeurose übergeht. Von der Unterseite der Apo- 
neurose entspringt der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum 
brevis oder wenigstens ein Teil desselben. 


&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 


entspringt regelmäßig von der Unter- d. h. Dorsalseite der Plantar- 
aponeurose, bekommt aber zuweilen auch Ursprungsfasern vom Cal- 
caneus. Ein Fehlen des oberflächlichen Kopfes habe ich bei den 
von mir untersuchten Tieren nicht beobachtet. Er scheint aber, wie 
aus Literaturangaben zu entnehmen ist, zuweilen zu fehlen. In der 
Regel ist der oberflächliche Kopf schwächer entwickelt als der tiefe 
und geht in eine, höchstens zwei perforierte Sehnen über. Wenn 
nur eine vorhanden ist, so versorgt diese die 2. Zehe. Wenn zwei 
ausgebildet sind, dann geht die mediale dieser beiden zur 2. Zehe, die 
laterale entweder allein zur 3. Zehe, oder aber sie vereinigt sich mit 
einer Sehne des tiefen Kopfes zur perforierten Sehne der 3. Zehe. 
In diesem Fall besteht eine Verbindungsbrücke zwischen oberfläch- 
lichem und tiefem Kopf. 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 291 


Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis ist in der Regel 
stärker entwickelt als der oberflächliche Kopf. 

Er entspringt in der Planta von der Sehne des Flexor tibialis 
und bildet zwei bis drei perforierte Sehnen, die zu den lateralen 
Zehen verlaufen, Die mediale dritte dieser drei Sehnen kann selb- 
ständig die 3. Zehe versorgen, sie kann sich aber auch mit einer 
Sehne des oberflächlichen Kopfes vereinigen und mit dieser gemein- 
sam die perforierte Sehne für die 3. Zehe bilden. Fälle, in welchen 

- der oberflächliche Kopf mehr als zwei und der tiefe weniger als 
zwei Sehnen abgibt, habe ich bei den Prosimiae nicht beobachtet. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
«) Der Popliteus 


entspringt vom lateralen Condylus femoris, kann aber auch tiefer, 
vom Ligamentum genu collaterale fibulare und dem lateralen Menis- 
eus entspringen. Er inseriert wie gewöhnlich an der Hinterseite der 
Tibia. 
ß) Der Flexor tibialis 

entspringt von der Tibia und Membrana interossea. Es kommt aber 
auch ein Ursprungskopf vom medialen Epieondylus femoris vor. 
Von den drei bei den übrigen Tiergruppen angegebenen Insertions- 
typen ist bei den Prosimiae nur eine, nämlich die Vereinigung der 
Sehnen des Flexor tibialis und Flexor fibularis, zu beobachten. 


Die Überkreuzung der Sehnen und Verteilung der Sehnenfasern 
ist ähnlich wie bei Homo. Zur 5. Zehe habe ich, ebenso wie bei 
Homo angegeben wird (GEGENBAUR, 1899), keine vom Flexor fibu- 
laris herstammenden Sehnenfasern beobachtet. Es werden aber 
solche von OuDEMANNs (1888) und ZuckErkAnDL (1900) angegeben. 
Die 1. Zehe wird, wie bei Homo, vorwiegend vom Flexor fibularis 
versorgt. 

Ein Unterschied zwischen Homo und den Prosimiae besteht 
aber in der Versorgung der drei Mittelzehen. Bei Homo wird an- 
gegeben, daß die 4. Zehe selten eine Sehne vom Flexor fibularis 
bekommt. Dieser zeigt vielmehr eine Vorliebe für die 3., noch mehr 
die 2. Zehe. 

Bei den Prosimiae ist die Verteilung der Sehnenfasern zu den 
_ Mittelzehen sehr wechselnd. Jedenfalls ist eine Vorliebe des Flexor 

 fibularis für die medialen, des Flexor tibialis für die lateralen Zehen 
nicht ausgesprochen. 


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299 Erna Glaesmer 


y) Der Flexor fibularis 
entspringt im allgemeinen von der Fibula und Membrana interossea, 
kann aber auch Ursprungsfasern vom Ligamentum genu collaterale 
fibulare und dem fibularen Meniseus bekommen. Seine Sehne ver- 
einigt sich mit der des Flexor tibialis. Näheres siehe unter »Flexor 
tibialis«. 
ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 
siehe unter »oberflächlicher Kopf des Flexor digitorum brevis.« 


&) Der Tibialis posticus 
wie bei den Edentaten, Insectivoren usw. 
£) Der Quadratus plantae 
fehlt in der Regel. 
n) Die Lumbricales 
sind einfach oder verdoppelt. 


6. Vergleichend anatomische Bemerkungen. 


Ein Vergleich der bei den Prosimiae gewonnenen Befunde mit 
den bei den Monotremen, Marsupialia, Insectivora und Edentata er- 
haltenen ergibt vor allem, daß die Muskeln der einzelnen Tierfamilien 
untereinander bei den Prosimiae mehr Gleichförmigkeit und Konstanz 
zeigen, als es bei den andern Ordnungen der Fall ist. 


a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
ce) und ?) Der mediale und der laterale Gastroenemius. 


Diese beiden Muskeln zeigen in bezug auf Ursprung und In- 
sertion etwa dieselben Verhältnisse wie bei den Inseetivora und 
Edentata, d. h. der Ursprung ist auch für den lateralen Gastro- 
enemius rein femoral. Die beiden Sehnen vereinigen sich jedoch 
bei den Prosimiae ausnahmslos und inserieren wie gewöhnlich am 


Tuber ealeanei. 
y) Der Soleus 


ist, wie bei den Edentata und Inseetivora, kräftig entwickelt. Wäh- 
rend aber bei den Edentata der Anschluß an die Sehne der Gastro- 
enemii seltener ist, ist er bei den Prosimiae, ebenso wie bei den 
Inseetivora, die Regel. Bei den Monotremen und Marsupialia ist 
der Muskel gar nicht oder nur in seinen ersten Anfängen vorhanden. 


ö) Der Plantaris 
zeigt bei den Prosimiae ähnliche Verhältnisse, wie sie bei den Marsu- 
pialia häufig vorkommen. Die Sehne setzt sich nämlich in die Plan- 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 293 


taraponeurose, die bei den Marsupialia allerdings mehr den Cha- 
rakter einer Fascie hat, fort. Von der Unterseite entspringt hier 
wie dort der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis oder 
wenigstens ein Teil desselben. 

Diese Verhältnisse, die bei den Marsupialia aber nur in zahl- 
reichen Fällen vorkommen, sind bei den Prosimiae die Regel. 

Alle andern Insertionsarten des Plantaris (siehe auch unter Eden- 
tata, »Vergleichend anatomische Bemerkungen«) sind bei den Prosi- 
miae nicht vertreten. 

&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
erinnert ebenfalls an bei Marsupialia vorkommende Verhältnisse, 
d. h. er entspringt von der Unterseite der Plantarfascie. Es sind 
aber auch Fasern vom Calcaneus beobachtet. Bei den Insectivora 
geht der Muskel in dem einen Fall, in dem er zu beobachten war, 
unmittelbar aus der Sehne des Plantaris hervor, bei den Edentata 
sah ich ihn bei einem Exemplar direkt vom Calcaneus entspringen. 
Im allgemeinen fehlt er den Edentata und Insectivora zumeist. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
«) Der Popliteus 
entspringt vom lateralen Epicondylus femoris. Bei Stenops tardi- 
gradus fällt der Ursprung vom Ligamentum genu collaterale fibulare 
auf. Dieser Ursprung erinnert sehr stark an bei den Marsupialia 
vorkommende Verhältnisse. 


?) und y) Der Flexor tibialis und fibularis 


zeigen ein Verhalten, wie es vereinzelt bei den Marsupialia, aber 
auch bei den Insectivora anzutreffen ist. Der Flexor tibialis tritt 
nämlich mit dem Flexor fibularis in Verbindung. 
Während aber bei diesen Tieren eine Vereinigung der ganzen 
Sehnen erfolgt und dann erst eine Aufteilung in Teilsehnen, ist 
dies bei den Prosimiae umgekehrt der Fall. 

Bei den Edentata habe ich eine Vereinigung der beiden Mus- 
keln nur bei Dradypus vorgefunden. Das Tier hat aber so starke 
sekundäre Umwandlungen seiner Extremität erfahren, daß die Be- 
stimmung der Muskeln nicht mit unbedingter Sicherheit erfolgen 
_ konnte. 

0) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 


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schließt sich in seinem Verhalten am engsten an die bei den Mar- 
supialia bestehenden Verhältnisse an. Er entspringt bei den Pro- 


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294 Erna Glaesmer 


simiae aber fast nur von der oberflächlich liegenden Sehne des 
Flexor tibialis, während er bei den Marsupialia von den beiden ver- 
einigten Sehnen des Flexor tibialis und fibularis, bzw. nur von der 
Sehne des Flexor fibularis, (wenn eine Vereinigung der Sehnen 
dieser beiden Muskeln nicht besteht) herkommt. Mit dem oberfläch- 
lichen Kopf kann der Muskel, ebenso wie bei den Marsupialia, in 
Verbindung treten, er kann aber auch selbständig für sich inserieren. 


&) Der Tibialis postieus 
zeigt dasselbe Verhalten wie bei den vorher beschriebenen Tier- 
ordnungen. 

£) Der Quadratus plantae 
fehlt ebenso wie bei den Marsupialia in der Regel. Bei den In- 
sectivora und Edentata ist der Muskel zwar nicht immer, aber häufig 
vorhanden. Bei den beiden Monotremen ist er kräftig entwickelt. 


n) Lumbricales. 


Eine Verdoppelung kommt ebenso wie bei den Marsupialia und 
Edentata zuweilen vor. Bei den Inseetivora sind die Lumbricales 
"im allgemeinen spärlich und schwach entwickelt. 


V. Simiae. 
1. Hapale penicillatus. (Taf. IV, Fig. 12.) 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 


Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
repräsentiert durch den medialen und lateralen Gastroenemius, den 
Soleus, Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum 
brevis. 

«) Der mediale Gastroenemius 


entspringt vom medialen Epicondylus femoris. Er verbindet sich in 
der Mitte des Unterschenkels mit dem lateralen Gastroenemius zu 
einer gemeinsamen Sehne, an deren Vorderseite bis zum Caleaneus 
herab der Soleus inseriert, so daß es zur Ausbildung eines Triceps 
surae kommt. 
ß) Der laterale Gastroenemius 

entspringt mit dem Plantaris gemeinsam vom lateralen Epicondylus 
femoris. Er verbindet sich in der Mitte des Unterschenkels mit 
dem medialen Gastrocnemius zu einer gemeinsamen Sehne, an deren 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 295 


Vorderseite bis zum Calcaneus herab der Soleus inseriert, so daß 
es zur Ausbildung eines Triceps surae kommt. 


y) Der Soleus 

entspringt mit Kurzer Sehne vom Fibulaköpfehen und inseriert an 
der Vorderseite der gemeinsamen Sehne der Gastroenemii bis nahe 
an den Calcaneus herab. 

ö) Der Plantaris 
entspringt mit dem lateralen Gastroenemius gemeinsam vom lateralen 
Epieondylus femoris. Oberhalb der Vereinigungsstelle der beiden 
Gastroenemii wird er sehnig. Die Sehne verläuft erst unter dem 
Trieeps surae, tritt dann an die mediale Seite, endlich über dem 
Tuber calcanei auf die Achillessehne. In der Planta verbreitet sie 
sich zur Aponeurose, wobei aber ein Teil der Sehnenfasern direkt 
in Muskelfasern, den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum 
brevis, übergeht. 


&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 


entspringt nicht von der Unterseite der Plantaraponeurose, sondern 
geht aus einzelnen Sehnenfasern derselben unmittelbar hervor. Der 
Muskel geht in zwei zarte Sehnen über, von denen eine die per- 
forierte Sehne der 2. Zehe bildet, während die andre sich mit der 
Sehne des tiefen Kopfes zur perforierten Sehne für die 3. Zehe ver- 
einigt. 

b) Tiefe Muskelgruppe. 

Die tiefe, unterhalb des N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
repräsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den Flexor 
fibularis, den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den Tibialis 
posticus, den Quadratus plantae und vier Lumbricales. 


«) Der Popliteus 


entspringt vom lateralen Condylus femoris und zwar von der late- 
ralen Knorpelfläche desselben. Er inseriert mit divergierenden 
Fasern an dem oberen Viertel der hinteren Tibiafläche und der 
medialen Tibiakante. 
£) Der Flexor tibialis 

entspringt von der hinteren Tibiafläche und der Membrana inter- 
ossea. Er deckt den Tibialis posticus zum Teil zu. In der Planta 
kreuzt seine Sehne die des Flexor fibularis und verwächst mit ihr 


296 Erna Glaesmer 


vor der Teilung in Einzelsehnen. Er gibt perforierte Sehnen zur 
1., 2., 4. und 5. Zehe ab. Die vierte versorgt er mit dem Flexor 
fibularis gemeinsam. 
y) Der Flexor fibularis 

entspringt von der Fibula und der Membrana interossea. Er ist 
ungefähr gleich stark, eher schwächer als der Flexor tibialis. In der 
Planta wird er von der Sehne des Flexor tibialis, mit der er ver- 
wächst, zugedeckt. Seine Sehne teilt sich ihrerseits in zwei perfo- 
rierende Sehnen für die dritte und die vierte Zehe. Letztere ver- 
bindet sich mit einigen Fasern des Flexor tibialis. Der Hallux wird 
also: ausschließlich vom Flexor tibialis versorgt. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 
entspringt hauptsächlich vom Flexor tibialis, aber auch mit einigen 
Fasern von der, zwischen den Teilsehnen des Flexor tibialis hervor- 
kommenden Partie der Sehne des Flexor fibularis. Er bildet die 
perforierten Sehnen für die fünfte und vierte Zehe. Eine weitere 
Sehne vereinigt sich mit einer der Sehnen des oberflächlichen Kopfes 
und bildet mit dieser gemeinsam die perforierte Sehne für die dritte 
Zehe. Zwischen oberflächlichem und tiefem Kopf besteht auf diese 
Weise eine Verbindung. 


&) Der Tibialis posticus 
verhält sich wie bei den Prosimiae. 


£) Der Quadratus plantae 


entspringt von der lateralen Seite des Caleaneus-Körpers und inse- 
riert an der Sehne des Flexor fibularis. 


n) Die Lumbricales. 


Es sind deren vier vorhanden. Sie entspringen wie bei den Prosi- 
miae und inserieren an den tibialen Seiten der Zehen. 


B. Innervation. 


Vom N. tibialis geht oberhalb des Kniegelenks ein Ast ab, der 
den medialen, den lateralen Gastroenemius, Soleus und Plantaris 
versorgt. 

Ein zweiter Ast geht zu den übrigen Muskeln. 

Oberhalb des Caleaneus erfolgt die Teilung in den N. plantaris 
lateralis und N. plantaris medialis. 

Der N. plantaris lateralis versorgt den tiefen Kopf des Flexor 
digitorum brevis und den Quadratus plantae, der N. plantaris medialis 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 297 


den oberflächlichen Kopf, gibt aber auch ein Astchen ab, das sich 
mit einem Astchen des N. plantaris lateralis vereinigt und mit diesem 
gemeinsam den tiefen Kopf versorgt. 


2. Ateles variegatus. 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
vertreten durch den medialen Gastrocnemius, den lateralen Gastro- 
. enemius, den Soleus und den oberflächlichen Kopf des Flexor digi- 
torum brevis. 
a) Der mediale Gastroenemius 


entspringt vom medialen Epicondylus femoris und vereinigt sich in 
der Mitte des Unterschenkels mit der Sehne des lateralen Gastro- 


_ enemius. Nach kurzem Verlauf gesellt sich zu dieser Muskelmasse 


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fehlt. 


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noch der Soleus. Der so entstandene Triceps surae inseriert fleischig 
am Tuber calcanei. 
P) Der laterale Gastroenemius 

entspringt vom lateralen Epieondylus femoris und vereinigt sich in 
der Mitte des Unterschenkels mit der Sehne des medialen Gastro- 
enemius. Nach kurzem Verlauf gesellt sich zu dieser Muskelmasse 
noch der Soleus. Der auf diese Weise entstandene Trieceps surae 
inseriert fleischig am Tuber calcanei. 


y) Der Soleus 
entspringt von dem proximalen Drittel der Fibula. Er vereinigt sich 
mit der Muskelmasse der beiden Gastroenemii und inseriert mit 
diesen gemeinsam als Triceps surae am Tuber caleanei. 


d) Der Plantaris 


&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 


3 entspringt vom Calcaneus. Seine Muskelmasse geht in drei Sehnen 


& 


über. Die medialen zwei werden perforiert und inserieren an den 
Mittelphalangen der zweiten und dritten Zehe; die laterale ver- 
_ einigt sich mit einer Sehne des tiefen Kopfes und bildet mit dieser 
_ die perforierte Sehne für die vierte Zehe. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
Die in der Tiefe unter dem N. tibialis gelegene Muskelgruppe 


wird repräsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den Flexor 


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298 Erna Glaesmer 


fibularis, den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den Tibialis 
postieus, den Quadratus plantae und vier Lumbricales. 


«) Der Popliteus 
entspringt mit kurzer Sehne aus einer Cavität der lateralen Knorpel- 
fläche des lateralen Condylus femoris. Er breitet sich fächerförmig 
aus und inseriert am obern Fünftel der medialen Tibiakante. 


ß) Der Flexor tibialis 

entspringt etwa vom zweiten Fünftel des Tibiaschaftes, distal vom 
unteren Rande des Popliteus. Am Malleolus geht der Muskel in 
eine Sehne über, welche die Sehne des Flexor fibularis zudeckt 
und kreuzt, um sich in der Planta in vier Sehnen zu teilen, welche 
in Beziehung zu den Sehnen des Flexor fibularis treten. Die drei 
medialen verbindeu sich mit je einer Sehne des Flexor fibularis zur 
Halluxsehne und den zwei perforierenden Sehnen für die zweite und 
vierte Zehe, während die laterale Sehne des Flexor tibialis selb- 
ständig die fünfte Zehe versorgt. Alle diese Sehnen inserieren wie 
üblich an den Endphalangen der Zehen. 


y) Der Flexor fibularis 
entspringt von der ganzen Hinterseite der Fibula, ferner von der 
Membrana interossea und der Tibia. 

Seine Sehne verläuft am Malleolus hinter der Sehne des Flexor 
tibialis, von der sie in der Planta bedeckt wird. Dort erfolgt eine 
Teilung in vier Sehnen. Drei derselben vereinigen sich mit Sehnen 
des Flexor tibialis, um die Halluxsehne sowie die perforierenden, an 
den Mittelphalangen inserierenden Sehnen für die zweite und vierte 
Zehe zu bilden. Die vierte versorgt selbständig die dritte Zehe. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 


entspringt von der Plantarseite der Sehne des Flexor tibialis, vor 
der Teilung in die Einzelsehnen. Der Muskel zerfällt in zwei Bündel. 
Die Sehne des einen vereinigt sich mit einer Sehne des oberfläch- 
lichen Kopfes und bildet mit ihr die perforierte Sehne für die vierte 
Zehe. Die Sehne des zweiten bildet die perforierte Sehne für die 
fünfte Zehe. Auf diese Weise komnit eine Verbindung zwischen 
oberflächlichem und tiefem Kopf des Flexor digitorum brevis zu- 
stande. 
&) Der Tibialis posticus 

liegt hauptsächlich der Membrana interossea auf. Er entspringt von 
dieser, sowie von den einander zugekehrten Flächen der Tibia und 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 299 


Fibula. Die Sehne verläuft am medialen Malleolus in eine Rinne 
desselben vor der Sehne des Flexor tibialis und verhält sich im 
übrigen wie bei den Prosimiae. 
£) Der Quadratus plantae 
entspringt von der Unterseite des Calecaneus und inseriert an der 
lateralen Seite der Sehne des Flexor tibialis, vorwiegend an der 
Sehne für die fünfte Zehe. 
n) Die Lumbricales. 

Es sind ihrer vier vorhanden. Sie entspringen aus den Winkeln, 
welche von den perforierenden Sehnen gebildet werden und inse- 
rieren an den tibialen Seiten der lateralen vier Zehen. 


B. Innervation. 


Diese verhält sich ähnlich wie bei Hapale penicillatus. 


3. Ateles ater. 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 

Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
repräsentiert durch den medialen, den lateralen Gastroenemius, den 
Soleus und den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis. 
Alle diese Muskeln verhalten sich ebenso wie bei Ateles varzegatus. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
Die unter dem N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird reprä- 


_ sentiert durch den Popliteus, Flexor tibialis, Flexor fibularis, den 


tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den Tibialis posticus und 
vier Lumbricales. 

«) Der Popliteus 
verhält sich wie bei Ateles variegatus. 


ß) Der Flexor tibialis 


entspringt von der Hinterfläche des Tibiaschaftes. Die Sehne ver- 
läuft in der Planta über die des Flexor fibularis hinweg, der von 
ihr gekreuzt und zugedeckt wird. Eine vollständige Verschmelzung 
beider Sehnen erfolgt jedoch nicht. Der Flexor tibialis bildet nur 
zwei Sehnen, deren eine sich mit einer Sehne des Flexor fibularis 
zur perforierenden Sehne für die vierte Zehe vereinigt, während die 
zweite selbständig die perforierende Sehne für die fünfte Zehe bildet. 


300 Erna Glaesmer 


y) Der Flexor fibularis 
teilt sieh in der Planta in vier Sehnen. Die medialen drei verlaufen 
zum Hallux und bilden ferner die perforierenden Sehnen für die 
zweite und dritte Zehe, eine vierte verbindet sich mit einer Sehne 
des Flexor tibialis zur perforierenden Sehne für die vierte Zehe. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 
entspringt mit einem winzigen Bündel in der Planta von der Sehne 
des Flexor fibularis, mit zwei größeren Einzelbündeln vom Flexor 
tibialis.. Das vom Flexor fibularis kommende vereinigt sich mit 
einem der zwei letzteren und tritt sodann mit einer Sehne des ober- 
flächlichen Kopfes in Verbindung, um die perforierte Sehne für die 
vierte Zehe zu bilden. Das zweite vom Flexor tibialis kommende 
Bündel bildet die perforierte Sehne für die fünfte Zehe. 


&) Der Tibialis postieus 
verhält sich wie bei den Prosimiae. 


£) Der Quadratus plantae 
entspringt vom Calcaneus und inseriert an der Sehne des Flexor 
tibialis. 
nn) Die Lumbricales. 
Es sind ihrer vier vorhanden. Ursprung und Insertion wie bei Hapale 
penicillatus und Ateles variegatus. 


B. Innervation 
ähnlich wie bei Hapale penieillatus. 


4. Cebus monachus. 


Cebus monachus zeigt ungefähr dieselben Verhältnisse wie Ateles 
varvegatus. 

Etwas abweichend sind jedoch die Insertionsverhältnisse der 
perforierten und perforierenden Muskeln. 

Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis ist schwächer 
als bei Ateles variegatus und tritt in keine Verbindung mit dem tiefen 
Kopf, sondern gibt nur die perforierte Sehne für die zweite Zehe ab. 

Der tiefe Kopf, der vom Flexor tibialis entspringt, hat hingegen 


drei Sehnen, welche perforiert werden und an den Mittelphalangen | 


der dritten, vierten und fünften Zehe inserieren. 
Der Flexor tibialis teilt sich in zwei Sehnen. Eine dünne ver- 
einigt sich mit einer stärkeren, vom Flexor fibularis kommenden 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 301 


Sehne zur Halluxsehne, eine zweite bildet die perforierende Sehne 
für die fünfte Zehe, welehe nur vom Flexor tibialis versorgt wird. 

Der Flexor fibularis hat vier Sehnen. Eine derselben vereinigt 
sich mit einer feinen Sehne des Flexor tibialis zur Halluxsehne, 
die übrigen drei bilden die perforierenden Sehnen für die zweite, 
dritte und vierte Zehe. Letztere drei Zehen werden also nur vom 
Flexor fibularis versorgt. 


5. Cynocephalus doguera. 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 

Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
repräsentiert durch den medialen und lateralen Gastroenemius, den 
Soleus, den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor 
digitorum brevis. 

«) Der mediale Gastroenemius 
entspringt vom medialen Epicondylus femoris. Seine Muskelmasse 
vereinigt sich am obern Fünftel des Unterschenkels mit der des 
lateralen. 

In der Mitte des Unterschenkels nehmen beide noch den Soleus 
auf. Die gemeinsame Sehne inseriert als Achillessehne am Tuber 
calecanei. Ein Teil der Sehnen geht in die Sehne des Plantaris über. 


ß) Der laterale Gastroenemius 
entspringt vom lateralen Epicondylus femoris. Die Muskelmasse 
vereinigt sich am obern Fünftel des Unterschenkels mit der medialen. 
In der Mitte des Unterschenkels nehmen beide noch den Soleus 
auf und inserieren gemeinsam als Achillessehne am Tuber calcanei, 
wobei ein Teil der Sehnen in die Sehne des Plantaris übergeht. 


y) Der Soleus 
entspringt vom Capitulum der Fibula. Etwa in der Mitte des Unter- 
schenkels inseriert er an der gemeinsamen Sehne der Gastroenemii 
bis nahe an den Calcaneus heran. 


ö) Der Plantaris 
ist mäßig stark entwickelt. Er wird vom lateralen Gastroenemius 
fast vollständig bedeckt und entspringt mit diesem vom lateralen 
Epicondylus femoris. Die Sehne wird von der Sehne der beiden 
Gastroenemii bedeckt, tritt aber proximal von der Insertionsstelle 
des Soleus an deren mediale Seite und verläuft in derselben Ebene 


302 Erna Glaesmer 


mit jener bis an das Tuber. Hier vereinigt sich ein Teil der Sehnen- 
fasern der beiden Gastroenemii mit der Plantarissehne und verläuft 
als gemeinsame Sehne in die Planta, wo aus ihr die Plantaraponeu- 
rose hervorgeht. 


&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
entspringt von der Unterseite der Plantaraponeurose. Er bildet nur 
eine Sehne, welche mit der tiefen Sehne in keinerlei Verbindung 
tritt. Sie geht ‘als perforierte Sehne der zweiten Zehe an deren 
Mittelphalanx. 

‘(Am linken Fuß hatte der oberflächliche Kopf außerdem eine 
zweite Sehne, die sich mit einer Sehne des tiefen Kopfes zur per- 
forierten Sehne für die dritte Zehe verband.) 


b) Tiefe Muskelgruppe. 

Die in der Tiefe unter dem N. tibialis gelegene Muskelgruppe 
wird repräsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den 
Flexor fibularis, den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den 
Tibialis postieus, den Quadratus plantae und vier Lumbricales. 


«) Der Popliteus 
entspringt von der lateralen Seite des lateralen Condylus femoris. 
Er breitet sich fächerförmig aus und inseriert am oberen Fünftel 
der Hinterseite der Tibia. 


ß) Der Flexor tibialis 
deckt den Tibialis posticus fast vollständig zu und entspringt von 
der Hinterseite der Tibia bis zum distalen Viertel derselben. Seine 
Sehne kreuzt die des Tibialis posticus, indem sie hinter dieselbe tritt 
und so in die Planta verläuft. 

Hier kreuzt sie auch noch die Sehne des Flexor fibularis und 
deckt sie an einer Stelle vollständig zu. 

In der Planta erfolgt die Teilung in vier Einzelsehnen, deren 
eine sich mit einer Sehne des Flexor fibularis zur Halluxsehne ver- 
einigt, während eine zweite selbständig die zweite Zehe versorgt. 
Eine dritte, nur aus wenigen Fasern bestehende, geht mit einer be- 
deutend stärkeren Sehne des Flexor fibularis zur vierten Zehe. Eine 
vierte versorgt selbständig die fünfte Zehe. 


y) Der Flexor fibularis 
entspringt von der ganzen Hinterseite der Fibula, sowie mit einigen 
Fasern von der Membrana interossea. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 303 


Die Sehne verläuft am medialen Malleolus hinter der Sehne 
des Flexor tibialis, wird in der Planta von ihr bedeckt und teilt 
sich hier in drei Sehnen. Die eine verläuft zusammen mit wenigen 
Fasern des Flexor tibialis zum Hallux. Eine zweite versorgt die dritte, 
eine dritte mit wenigen Fasern des Flexor tibialis die vierte Zehe. 

ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 
entspringt hauptsächlich vom Flexor tibialis, kommt aber mit seinen 
Muskelfasern auch zwischen den Sehnen des Flexor tibialis aus der 
Tiefe von der Sehne des Flexor fibularis. Er geht in drei Sehnen 
über, welche die perforierten Sehnen für die dritte, vierte und fünfte 
Zehe bilden. Mit dem oberflächlichen Kopf tritt er in keine Ver- 
bindung. 

&) Der Tibialis postieus 
verhält sich wie bei den Prosimiae. 

£) Der Quadratus plantae 
entspringt, zum Teil sehnig, vom Calcaneus und inseriert an der 
Sehne des Flexor tibialis, besonders an dem für die fünfte Zehe be- 
stimmten Teil. 

n) Die Lumbricales. 

Es sind deren vier vorhanden. Ursprung und Insertion verhalten 
sich wie bei Hapale penieillatus. 


6. Cynocephalus hamadryas. 

a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskeigruppe wird 
repräsentiert durch den medialen und lateralen Gastroenemius, den 
Soleus, den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor digi- 


 torum brevis. 


ce) u. 8) Der mediale und laterale Gastrocnemius 


verhalten sich wie bei Oynocephalus doguera. 


y) Der Soleus 


entspringt wie bei Oynocephalus doguera. Die Vereinigung mit den 


4 
5 


beiden Gastroenemii erfolgt aber erst knapp am Caleaneus. 


ö) Der Plantaris 


ist am Ursprunge mit dem lateralen Gastroenemius innig verwachsen. 


Sonst wie bei Cynocephalus dogquera. 


&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 


entspringt von der Unterseite der Plantaraponeurose. Ein Teil des 


304 Erna Glaesmer 


Muskels geht in die perforierte Sehne für die zweite Zehe über, ein 
zweiter Teil verbindet sich mit dem tiefen Kopf des Flexor digi- 
torum brevis. 

b) Tiefe Muskelgruppe. 


Die in der Tiefe unter dem N. tibialis gelegene Muskelgruppe 
wird repräsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den Flexor 
fibularis, den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den Tibialis 
postieus, den Quadratus plantae und vier Lumbricales. 

«) Der Popliteus 

verhält sich wie bei Uynocephalus doguera. 

8) Der Flexor tibialis 
kreuzt in der Planta die Sehne des Flexor fibularis und geht in vier 
Sehnen über. Eine, aus wenigen Fasern bestehende, versorgt ge- 
meinsam mit einer Sehne des Flexor fibularis den Hallux. Eine 
zweite verläuft zur zweiten Zehe, eine dritte gemeinsam mit einer 
Sehne des Flexor fibularis zur dritten Zehe. Eine vierte versorgt 
selbständig die fünfte Zehe. 

y) Der Flexor fibularis 
hat drei Sehnen. Eine derselben verläuft mit wenigen Fasern des 
Flexor fibularis zum Hallux, eine zweite verbindet sich mit wenigen 
Fasern des Flexor tibialis zur Sehne für die dritte Zehe, eine dritte 
versorgt selbständig die vierte Zehe. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 
entspringt wie bei Cynocephalus doguera von der Sehne des Flexor 
tibialis und des Flexor fibularis. Der Muskel geht in drei Sehnen 
zur dritten, vierten und fünften Zehe über. Eine Muskelportion des 
oberflächlichen verbindet sich mit dem tiefen Kopf. 

e) Der Tibialis postieus 
verhält sich wie bei Uynocephalus doguera. 

£) Der Quadratus plantae 
entspringt vom Caleaneus und inseriert an der Sehne des Flexor 
tibialis, besonders an der für die fünfte Zehe bestimmten Sehne. 


n) Die Lumbricales 
verhalten sich wie bei Oynocephalus doguera. 


7. Cercopithecus petaurista. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
«) $)u.y) Die beiden Gastroenemii und der Soleus 
zeigen im wesentlichen dasselbe Verhalten wie bei Cynocephalus 
doguera. 


Be in 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 305 


ö) Der Plantaris. 


Die Sehne des Plantaris inseriert zum Teil am Calcaneus, zum Teil 
geht sie in die Plantaraponeurose über. 


e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
entspringt von der Unterseite der Plantaraponeurose und bildet die 
perforierte Sehne für die zweite Zehe. Eine Verbindung mit dem 
tiefen Kopf besteht nicht. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
«) Der Popliteus 
verhält sich wie bei Cynocephalus doguera. 


ß) Der Flexor tibialis 
deekt und kreuzt wie bei Cynocephalus doguera die Sehne des Flexor 
fibularis. Einzelne seiner Sehnen verwachsen mit Sehnen des Flexor 
fibularis. Selbständig versorgt der Flexor tibialis die zweite und 
fünfte Zehe. Außerdem gibt er eine feine Sehne zur Halluxsehne, 
sowie eine weitere Sehne ab, die sich mit der für die vierte Zehe 
bestimmten Sehne des Flexor fibularis vereinigt. 

y) Der Flexor fibularis 
hat drei Sehnen. Eine derselben verbindet sich mit einer feinen 
Sehne des Flexor tibialis zur Halluxsehne, eine zweite versorgt selb- 
ständig die dritte Zehe, während eine dritte mit einer Sehne des 
Flexor tibialis gemeinsam zur vierten Zehe verläuft. 

6) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 

entspringt hauptsächlich von der Sehne des Flexor tibialis, mit 
wenigen Fasern nur von der des Flexor fibularis. Der Muskel geht 
in drei Sehnen über, welche die perforierten Sehnen für die dritte, 
vierte und fünfte Zehe bilden. Er tritt in keine Verbindung mit 
dem oberflächlichen Kopf. 

e) Der Tibialis postieus 
verhält sich wie bei Oynocephalus doguera. 


£) Der Quadratus plantae 
entspringt vom Calcaneus und inseriert an der Sehne des Flexor 
tibialis. 
n) Die Lumbricales 
entspringen aus den Winkeln, welche von den perforierenden Sehnen 


gebildet werden, gleichgültig, ob diese dem Flexor tibialis oder dem 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 20 


306 Erna Glaesmer 


Flexor fibularis angehören. Die Insertion erfolgt wie gewöhnlich an 
den tibialen Seiten der Zehen. 


8. Macacus sinicus, 

Das Verhalten der oberflächlichen und tiefen Muskelgruppe ist 
mit geringfügigen Unterschieden dasselbe wie bei Cercopithecus 
petaurista. 

9. Hylobates variegatus. (Taf. IV, Fig. 13.) 
A. Muskeln. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 

' Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
repräsentiert durch den medialen und lateralen Gastroenemius, den 
Soleus und den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis. 


«) Der mediale Gastrocnemius 


entspringt oberhalb des medialen |Condylus femoris. Am oberen 
Drittel des Unterschenkels vereinigt er sich mit dem lateralen Gas- 
troenemius, in der Mitte außerdem mit dem Soleus. Die Insertion 
des so entstandenen Triceps surae erfolgt am Tuber calcanei. 


ß) Der laterale Gastroenemius 


entspringt oberhalb des lateralen Condylus vom Femur. Am oberen 
Drittel des Unterschenkels vereinigt er sich mit dem medialen Gas- 
troenemius, in der Mitte außerdem mit dem Soleus. Insertion siehe 
unter »Der mediale Gastroenemius«. 


y) Der Soleus 
entspringt mit langer, breiter Sehne von der hintern und lateralen 
Fläche des Capitulum fibulae. Er vereinigt sich in der Mitte des 
Unterschenkels mit den beiden Gastroenemii. Insertion siehe unter 
»Der mediale Gastrocnemius«. 


ö) Der Plantaris 
fehlt. 


e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
entspringt gemeinsam mit dem Abductor der Großzehe vom Caleaneus 
und der Unterseite der Plantaraponeurose. Der Muskel geht in eine 
schlanke Sehne über, welche die perforierte Sehne der zweiten Zehe 
bildet. Mit dem tiefen Kopf besteht keinerlei Verbindung. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
Die in der Tiefe unter dem N. tibialis gelegene Muskelgruppe 
wird repräsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 307 


Flexor fibularis, den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den 
Tibialis posticus und vier Lumbricales. 


«) Der Popliteus 

entspringt vom lateralen Condylus femoris und mit einigen Fasern 
von der Kniegelenkskapsel. Seine Fasern breiten sich fächerförmig 
aus und inserieren am oberen Fünftel der medialen Tibiakante sowie 
an der hinteren Tibiafläche. 

8) Der Flexor tibialis 
deckt den Tibialis postieus vollständig zu. Er entspringt von der 
Hinterseite der Tibia und zwar vom distalen Rande des Popliteus 
abwärts bis zum untern Viertel der Tibia, sowie mit einzelnen Fasern 
von der Membrana interossea.. Die Sehne verläuft am medialen 
Malleolus hinter der Sehne des Tibialis posticus. In der Planta 
kreuzt und deckt sie die Sehne des Flexor fibularis und teilt sich 
dort in drei Sehnen. Zwei davon vereinigen sich mit Sehnen des 
Flexor fibularis und zwar verbindet sich eine derselben mit einer 
Sehne des Flexor fibularis zur Halluxsehne, während eine zweite, 
schwächere mit der zweiten Sehne des Flexor fibularis die perforie- 
rende Sehne für die zweite Zehe bildet. Eine dritte Sehne versorgt 
selbständig die fünfte Zehe. 

y) Der Flexor fibularis 


entspringt von der ganzen Hinterseite der Fibula und von der Mem- 
brana interossea. Außerdem bekommt er einige Fasern vom Septum 
interosseum, das zwischen der Flexoren- und der Peroneus-Musku- 
latur liegt. Die kräftige Sehne verläuft in der Planta lateral von 
der Sehne des Flexor tibialis, wird aber dann von jener gekreuzt 
und teilt sich in vier Sehnen, von welchen sich die erste mit Sehnen- 
fasern des Flexor tibialis zur Halluxsehne, eine zweite mit einer 
Sehne des Flexor tibialis zur perforierenden Sehne der zweiten 
Zehe verbindet. Die zwei andern Sehnen versorgen selbständig die 
dritte und vierte Zehe. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 
entspringt ausschließlich von der Sehne des Flexor tibialis. Er geht 
in drei Muskelbündel über, welche die perforierenden Sehnen für 
die dritte, vierte und fünfte Zehe bilden. Mit dem oberflächlichen 
Kopf besteht keine Verbindung. 
e) Der Tibialis postieus 
ist sehr schwach und wird vom Flexor tibialis bedeckt. Er ent- 
20* 


308 


Erna Glaesmer 


springt von der lateralen Tibiafläche und der Membrana interossea. 
Die feine Sehne inseriert am Naviculare, der Basis des Metatar- 
sale III und am Cuneiforme II und III. 


£) Der Quadratus plantae 


fehlt. 


n) Die Lumbricales. 


Es sind ihrer vier vorhanden. Insertion wie bei Uynocephalus doguera. 


B. Innervation. 

Das Verhalten der Sehnen des Fl. tib. und fib. bei den verschiede- 
nen’ Hylobates-Arten läßt sich durch Zusammenstellung meiner Be- 
funde bei H. variegatus mit den Befunden Konusrüsses (1890) 


bei H. syndactylus, agılıs und leueiscus zeigen: 


Tier Flexor tibialis 


Flexor fibularis 


Zusammenstellung 
der Zehenversorgung 


Hylobates syn-|hat 2 Sehnen, eine hat 4 Sehnen, eine 


dactylus mit einer Sehne des 
(KOHLBRÜGGE)| Flex. fibularis zur 2., 
die and. zur 5. Zehe 
verlaufend. 
Hiylobates wie Syndactylus 
agilis 
(KOHLBRÜGGE) 


Hylobates leu-|hat 2 Sehnen, eine 


eiscus mit einer Sehne des 
(KOHLBRÜGGE)| Flexor fibulariszum 
Hallux, 
die andre zur 5. Zehe 
verlaufend. 
Hylobates va-|hat 3 Sehnen, eine 
riegatus. mit einer Sehne des 


Flexor fibularis zum 
Hallux, 

die andre mit einer 
Sehne des Flex. fibu- 
laris zur 2. 

die dritte zur 5. Zehe 
verlaufend. 


zum Hallux 

die and. m. einer Sehne 
des Flexor tibialis 
zur 2. Zehe 

die dritte zur 3. 

die vierte zur 4. Zehe 
verlaufend. 


wie Syndaetylus 


hat 4 Sehnen, eine 
mit einer Sehne des 
Flexor tibialis zum 
Hallux, 

dieandre zur 2. 

die dritte zur 3. 

die vierte zur 4. Zehe 
verlaufend. 


hat 4 Sehnen, eine 
mit einer Sehne des 
Flexor tibialis zum 
Hallux, 

die and. m. ein. Sehne 
des Flexor tibialis 
zur 2. 

die dritte zur 3. 

die vierte zur 4. Zehe 
verlaufend. 


Fl. tib.: 
Fl. fib.: 


EN 
1234. 


wie Syndactylus 


Fl. tib.: 
Fl. fib.: 


1: ua 
1.232% 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 309 


Das Verhalten der Sehnen des Flexor tibialis und fibularis ist 
also, wie das die Tabelle veranschaulicht, variabel. 

Das Konstante ist hier die ausschließliche Versorgung der fünften 
Zehe durch den Flexor tibialis, sowie die ausschließliche Versorgung 
der dritten und vierten Zehe durch den Flexor fibularis. — Auf- 
fallend ist die von KOHLBRÜGGE beobachtete Kuriosität, daß Hylo- 
bates leuciscus rechts zum Hallux keine Sehne (weder vom Flexor 
tibialis noch fibularis) bekommt, dafür aber ein Sehnenstrang des 
Tibialis posticus, der jedoch nach KOHLBRÜGGE keine Beugung aus- 
zulösen imstande wäre, dorthin zieht. — 

Ebenso variabel wie das Verhalten von Flexor tibialis und fibu- 
laris ist bei den verschiedenen Hylobates-Arten das des Flexor digi- 
torum brevis. (KOHLBRÜGGE faßt nur den vom Caleaneus ent- 
springenden Kopf als Flexor digitorum brevis auf und betrachtet den 
vom Flexor tibialis entspringenden tiefen Kopf als zum Flexor 
tibialis gehörig.) Diese Variabilität des Flexor digitorum brevis zeigt 
sich in folgender Zusammenstellung: 


Tier Oberflächlicher Kopf Tiefer Kopf 
Hylobates syn- entspringt vom Calcaneus. | entspringt von der Sehne des 
dactylus. Inseriert an der 2. Zehe. Flexor tibialis. 
(KOHLBRÜGGE) Inseriert an der 3., 4. und 5. 
Zehe. 
Hylobates agilis. wie Syndactylus. entspringt von der Sehne des 
(KOHLBRÜGGE) Flexor tibialis. 
Inseriert an der 3. und 4. 
Zehe. Died.bekommt keine 


Sehne. 


Hylobates leueiscus. | entspringt von der Plantar- | entspringt von der Sehne des 
(KOHLBRÜGGE) faseie. Flexor tibialis. 

Die Sehne verbindet sich mit | Eine Sehne inseriert mit einer 
einer des tiefen Kopfes und | Sehne des oberfl. Kopfes 
inseriert mit jener an der| an der 2. Zehe. Zwei wei- 
2. Zehe. tere inserieren an der 3. 

und 4. Zehe. Die 5. Zehe 
bekommt keine Sehne. 


Hylobatesvariegatus | entspringt vom Calcaneusund | entspringt von der Sehne des 
vonder Unterseite der Plan-| Flexor tibialis. 
tarfascie. Inseriert an der 3., 4. und 5. 
Inseriert an der 2. Zehe. Zehe. 


310 Erna Glaesmer 


In allen vier Fällen ist also der tiefe Kopf des Flexor digitorum 
brevis stärker als der oberflächliche und versorgt vorwiegend die 
lateralen drei Zehen. Zur fünften Zehe scheint die perforierte Sehne 
zuweilen zu fehlen. Eine Verbindung der beiden Köpfe des Flexor 
digitorum brevis besteht bei dem Genus Hylobates im allgemeinen 
also selten; sie ist aber von KOHLBRÜGGE bei Hylobates leuciscus 
beobachtet worden. 


10. Simia satyrus. 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 


Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
repräsentiert durch den medialen und lateralen Gastrocnemius, den 
Soleus und den oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum brevis. 


«) Der mediale Gastrocnemius 


entspringt vom medialen Condylus femoris. Am oberen Viertel des 
Unterschenkels vereinigt er sich mit dem lateralen Gastroenemius 
und in der Mitte des Unterschenkels auch noch mit dem Soleus. 
Alle drei inserieren mit gemeinsamer Sehne am Tuber calcanei. 


ß) Der laterale Gastroenemius 


ist etwas schwächer als der mediale. Er entspringt vom lateralen 
Condylus femoris. Am oberen Viertel des Unterschenkels vereinigt 
er sich mit dem medialen Gastrocnemius, in der Mitte des Unter- 
schenkels außerdem mit dem Soleus. Alle drei inserieren mit ge- 
meinsamer Sehne am Tuber calcanei. 


y) Der Soleus 
ist schwach entwickelt. Er entspringt wie gewöhnlich vom Capitulum 
der Fibula und vereinigt sich mit den beiden Gastrocnemii. Alle 
drei inserieren mit gemeinsamer Sehne am Tuber calcanei. 


0) Der Plantaris 
fehlt. 


€) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 


entspringt vom Calcaneus und der Plantaraponeurose und geht in drei 
Sehnen über. Zwei derselben bilden die perforierten Sehnen für 
die zweite und dritte Zehe. Die dritte vereinigt sich mit einer Sehne 
des tiefen Kopfes zur perforierten Sehne für die vierte Zehe. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 311 


b) Tiefe Muskelgruppe. 

Die in der Tiefe unter dem N. tibialis gelegene Muskelgruppe 
wird repräsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den 
Flexor fibularis, den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den 
Tibialis posticus und vier Lumbricales. 

«) Der Popliteus 
ist recht kräftig entwickelt. Er entspringt von der lateralen Seite 
des lateralen Condylus femoris und inseriert am obern Viertel der 
Tibia. 
ß) Der Flexor tibialis 

entspringt von der Tibia. Er deckt den Tibialis posticus zu und 
bleibt bis in die Planta muskulös. Dort kreuzt seine Sehne die des 
Flexor fibularis und deckt sie zu. Es erfolgt jedoch keine Ver- 
bindung mit den Sehnen des Flexor fibularis. Vielmehr versorgt der 
Flexor tibialis selbständig die zweite und fünfte Zehe mit perfo- 
rierenden Sehnen, während der Flexor fibularis die übrigen Zehen, 
mit Ausnahme des Hallux, versorgt. 


y) Der Flexor fibularis 
entspringt von der Fibula. Seine Sehne tritt jedoch in keine Ver- 
bindung mit den Sehnen des Flexor tibialis. Sie bleibt isoliert und 
teilt sich in die zwei perforierenden Sehnen für die dritte und vierte 
Zehe. Der Hallux bekommt keine Sehne. Es inseriert an der ersten 
Zehe also nur der Peroneus longus. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 
entspringt von der Sehne des Flexor tibialis und geht in zwei Sehnen 
über. Eine derselben bildet die perforierte Sehne für die fünfte, 
eine zweite verbindet sich mit einer Sehne des oberflächlichen Kopfes 
zur perforierten Sehne für die vierte Zehe. 


e) Der Tibialis postieus 
verhält sich wie gewöhnlich. 

£) Der Quadratus plantae 
fehlt. 

n) Die Lumbricales. 

Es sind ihrer vier vorhanden. Sie entspringen von den perforierenden 
Sehnen und inserieren an den tibialen Seiten der Zehen. Der für 
die zweite und fünfte Zehe bestimmte entspringt von den ent- 
sprechenden Sehnen des Flexor tibialis, der der vierten Zehe zu- 
kommende von der entsprechenden Sehne des Flexor fibularis. 


312 Erna Glaesmer 


Der für die dritte Zehe bestimmte Lumbricalis entspringt von 
der zur zweiten Zehe verlaufenden Sehne des Flexor tibialis sowie 
der zur dritten Zehe verlaufenden Sehne des Flexor fibularis. Durch 
den zuletzt beschriebenen Lumbriealis wird trotz der fehlenden Ver- 
bindung zwischen Flexor tibialis und Flexor fibularis eine engere 
Zusammengehörigkeit dieser Muskeln dokumentiert. 


11. Anthropopithecus troglodytes. (Troglodytes niger.) 
a) Oberflächliche Muskelgruppe. 

Die oberflächlich vom N. tibialis gelegene Muskelgruppe wird 
repräsentiert durch den medialen und lateralen Gastroenemius, den 
Soleus, den Plantaris und den oberflächlichen Kopf des Flexor digi- 
torum brevis. 

«) Der mediale Gastrocenemius 


entspringt vom medialen Condylus femoris und vereinigt sich am 


oberen Drittel des Unterschenkels mit dem lateralen Gastrocnemius. 
In der Mitte des Unterschenkels tritt der Soleus, der sich aber bis 
nahe an das Tuber calcanei isolieren läßt, hinzu. 


ß) Der laterale Gastroenemius 


entspringt vom lateralen Condylus femoris und vereinigt sich am 
oberen Drittel des Unterschenkels mit dem medialen Gastroenemius. 
In der Mitte des Unterschenkels tritt der Soleus, der sich aber bis 
nahe an das Tuber calcanei isolieren läßt, hinzu. 


y) Der Soleus 
entspringt vom Capitulum der Fibula. In der Mitte des Unter- 
schenkels vereinigt er sich mit den beiden Gastroenemii, läßt sich 
aber leicht bis nahe an das Tuber calcanei von den beiden Muskeln 


isolieren. 
0) Der Plantaris 


ist sehr schwach entwickelt. ‘Er entspringt vom lateralen Condylus 
femoris und wird vom lateralen Gastroenemius bedeckt. Die feine 
Sehne verläuft zwischen Gastroenemius und Soleus ab- und medial- 
wärts und inseriert medial vom Ansatz des Triceps surae am Tuber 
ealeanei. 

&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
entspringt vom Caleaneus und geht in zwei Sehnen über. Die eine 
bildet die perforierte Sehne für die zweite Zehe, die zweite ver- 
bindet sich mit einer Sehne des tiefen Kopfes und bildet mit ihr zu- 
sammen die perforierte Sehne für die dritte Zehe. 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 313 


b) Tiefe Muskelgruppe. 

Die in der Tiefe unter dem N. tibialis gelegene Muskelgruppe 
wird repräsentiert durch den Popliteus, den Flexor tibialis, den 
Flexor fibularis, den tiefen Kopf des Flexor digitorum brevis, den 
Tibialis posticus und vier Lumbricales. 


a) Der Popliteus 


entspringt von der lateralen Seite des Condylus femoris, breitet sich 
fächerförmig aus und inseriert am obern Drittel der Hinterseite der 
Tibia. 

8) Der Flexor tibialis 
ist etwas schwächer als der Flexor fibularis. Er entspringt von der 
Hinterseite der Tibia, vom distalen Popliteusrand an abwärts und 
vom Septum intermusculare. Er deckt den Tibialis postieus voll- 
ständig zu, tritt aber am tibialen Malleolus mit seiner Sehne vor die 
des Flexor fibularis. In der Planta verläuft die Sehne erst medial 
von der des Flexor fibularis, kreuzt sie aber dann und teilt sich in 
zwei Sehnen, welche sich mit den Sehnen des Flexor fibularis nicht 
vereinigen, sondern selbständig an der zweiten und fünften Zehe 
inserieren. 

y) Der Flexor fibularis 
ist stärker entwickelt als der Flexor tibialis. Er entspringt von der 
Hinterseite der Fibula und der Membrana interossea und bildet in 
der Planta drei Sehnen, die sich mit den Sehnen des Flexor tibialis 
nicht verbinden, sondern selbständig an den Endphalangen des Hallux 
sowie der dritten und vierten Zehe inserieren. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 


entspringt von der Sehne des Flexor tibialis. Er hat zwei Sehnen, 
von welchen sich eine mit einer Sehne des oberflächlichen Kopfes 
des Flexor digitorum brevis verbindet und die perforierte Sehne für 
die dritte Zehe bildet, während eine zweite als perforierte Sehne 
zur vierten Zehe verläuft. — Am rechten Fuß fand sich noch eine 
perforierte Sehne zur fünften Zehe. Diese entsprang jedoch nicht 
aus einem Muskelbündel, sondern bildete eine direkte Abspaltung 
der perforierenden Sehne des Flexor tibialis. 


e) Der Tibialis postieus 
verhält sich wie gewöhnlich. 


£) Der Quadratus plantae 
fehlt. 


314 Erna Glaesmer 


n) Die Lumbricales. 


Es sind ihrer vier vorhanden. Der erste entspringt von der für die 
zweite Zehe bestimmten Sehne des Flexor tibialis und inseriert an 
der zweiten Zehe. Der zweite kommt von derselben Sehne des 
Flexor tibialis, sowie mit einem kleinen Bündel von der für die 
dritte Zehe bestimmten Sehne des Flexor fibularis. Er inseriert an 
der dritten Zehe. 

Der dritte entspringt aus dem Winkel der für die dritte und vierte 
Zehe bestimmten Sehnen des Flexor fibularis und inseriert an der 
vierten Zehe. Der vierte entspringt von der Außenseite der für die 
vierte Zehe bestimmten Sehne des Flexor fibularis und inseriert an 
der fünften Zehe. — Durch den zweiten Lumbricalis wird also trotz 
der fehlenden Verbindung zwischen Flexor tibialis und Flexor fibu- 


laris eine engere Zusammengehörigkeit dieser Muskeln dokumentiert. - 


12. Zusammenfassung. 

Aus der Unterordnung der Platyrrhina sind Vertreter beider von 
Max WEBER (1904) angegebenen Familien untersucht worden, und 
zwar aus der Familie der Hapalidae einer, der Cebidae drei. Ebenso 
wurde einer oder mehrere Vertreter der drei Familien der Katarrhina 
untersucht, und zwar aus der Familie der Cercopithecidae vier, der 
Familie der Hylobatidae einer, der Anthropomorphae zwei. 

In bezug auf jene Muskeln, welche innerhalb der Säugetierreihe 
besonders wechselnde Befunde darbieten, folgt eine tabellarische Über- 
sicht S. 316—319. 

Wenn man sich nunmehr alle gewonnenen Befunde vergegen- 
wärtigt, so fällt vor allem auf, daß bei den Simiae eine viel größere 
Einheitlichkeit und Gleichförmigkeit in der Ausbildung der Musku- 
latur herrscht, als es bei den andern Tierordnungen der Fall war. 

Besondersin bezug auf den Triceps surae, ferner die Beziehungen 
zwischen Flexores perforati und perforantes, die bei den übrigen 
Tierordnungen durch das ewig Schwankende ihres Verhaltens über- 
raschen, ist eine gewisse Gleichartigkeit zu beobachten. 


a) Oberfllächliche Muskelgruppe. 

« u.) Der mediale und laterale Gastroenemius 
entspringen je vom medialen und lateralen Condylus femoris. Am 
oberen Fünftel schon, meist aber tiefer erfolgt die Vereinigung der 
beiden Muskeln zu einer gemeinsamen Muskelmasse, der sich, ge- 
wöhnlich distal von der Vereinigungsstelle, auch noch der Soleus 
hinzugesellt. Aus dieser gemeinsamen Masse geht die Achillessehne 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw, 315 


hervor, welche an der Hinterseite des Calcaneus inseriert. In seltenen 
Fällen strahlen einige Fasern derselben in die Plantaraponeurose aus. 

Zuweilen, und zwar ist das ganz besonders bei den Anthropoiden 
zu beobachten, bleibt der Triceps surae bis zum Calcaneus muskulös, 
oder nur ein Teil der Muskelfasern geht in eine Sehne über. 


y) Der Soleus 
ist im allgemeinen bei den Simiae verhältnismäßig schwach ent- 
wickelt. Er entspringt hauptsächlich von der Fibula und inseriert, 
gewöhnlich etwas unterhalb der Vereinigungsstelle der Gastrocnemii, 
an der von diesen beiden Muskeln gebildeten Muskelmasse. 


= ö) Der Plantaris 
fehlt häufig. Für die Anthropoiden, mit Ausnahme des Schimpanse, 
gilt dies ganz besonders. 

Wenn der Muskel vorhanden ist, dann entspringt er mit dem 
lateralen Gastroenemius gemeinsam vom lateralen Epicondylus femoris 
Die Sehne des Plantaris wird von dem Triceps surae bedeckt. Am 
distalen Ende des Unterschenkels aber tritt sie an der medialen 
Seite des Triceps an die Oberfläche und auf die Achillessehne, 
die sie über dem Tuber zudeckt. Von da aus verläuft sie weiter 
in die Planta und geht in die mehr oder weniger stark entwickelte 
Plantaraponeurose über, zuweilen auch in einen Teil der Muskel- 
fasern des oberflächlichen Kopfes des Flexor digitorum brevis. 

Es gibt aber auch Fälle, wie z. B. bei Troglodytes niger, in 
welchen die Sehne den Ubergang in die Plantaraponeurose nicht 
zeigt, sondern wie bei Homo mit dem Triceps surae am Tuber cal- 
canei inseriert. 


e) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 


entspringt, wie bei den Prosimiae, in der Regel von der Unter- d.h. 
Dorsalseite der Plantaraponeurose. Sehr häufig bekommt der Muskel 
‚auch Ursprungsfasern vom Calcaneus. Bei Troglodytes niger ent- 
springt er überhaupt nur vom Calcaneus. 

Der Muskel geht in 1—3 Sehnen über, welche perforiert werden. 
Die laterale dieser Sehnen verbindet sich ebenso wie bei den Pro- 
-sSimiae häufig mit einer Sehne des tiefen Kopfes zur perforierenden 
Sehne. In diesem Fall besteht auf solche Weise eine Verbindungs- 
brücke zwischen oberflächlichem und tiefem Kopf. Der oberfläch- 
liche Kopf des Flexor digitorum brevis ist bei den Simiae im allge- 
meinen stärker als bei den Prosimiae. 


Erna Glaesmer 


316 


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320 Erna Glaesmer 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
«) Der Popliteus 
verhält sich ähnlich wie bei den Prosimiae. 


ß) Der Flexor tibialis 
entspringt von der Tibia und häufig mit einzelnen Fasern auch noch 
von der Membrana interossea. In der Planta vereinigt sich seine 
Sehne zum Teil oder vollständig mit der Sehne des Flexor fibularis, 
manchmal bleiben jedoch die Sehnen auch unvereinigt, so bei Simia 
satyrus und Troglodytes niger. 

Wenn sie sich vereinigen, so verlaufen, wie bei den Prosimiae, 
die Sehnenfasern des Flexor tibialis oberflächlich und im allgemeinen 
fibularwärts, während die des Flexor fibularis tibialwärts ziehen, so 
daß es zu einer Überkreuzung der Fasern kommt. 


Dabei versorgt der Flexor tibialis die fünfte Zehe, ohne vom 


Flexor fibularis irgendwelche Verstärkung zu bekommen; ferner zeigt 
der Muskel eine Vorliebe für die zweite Zehe. Dagegen werden 
Hallux, dritte und vierte Zehe vorwiegend vom Flexor fibularis ver- 
sorgt. Sie bekommen aber meistens noch einige allerdings nur 
wenige Fasern vom Flexor tibialis. 

Bei Simia satyrus und Troglodytes niger, bei welchen keine Ver- 
einigung der Sehnen besteht, versorgt der Flexor tibialis die zweite 
und fünfte, der Flexor fibularis die übrigen Zehen. Dazu ist jedoch 


zu bemerken, daß bei Simia satyrus der Hallux keine Sehne be- 


kommt. 

y) Der Flexor fibularis 
entspringt hauptsächlich von der Fibula, bekommt aber häufig auch 
Ursprungsfasern von der Membrana interossea und der Tibia. Über 
das Verhalten seiner Sehne siehe unter Flexor tibialis. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 


entspringt von der Sehne des Flexor tibialis und meist auch von 
der des Flexor fibularis. Er ist im allgemeinen bei den Simiae 
schwächer als bei den Prosimiae. 

Der Muskel bildet zwei bis drei Sehnen, welche von den Sehnen 
der Flexores perforantes perforiert werden. Die medialste dieser 
Sehnen verbindet sich häufig mit einer Sehne des oberflächlichen 
Kopfes zu einer perforierten. 


&) Der Tibialis posticus 
verhält sich wie bei den Prosimiae. 


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13 
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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 321 


£) Der Quadratus plantae 
fehlt zuweilen, besonders bei den Anthropoiden scheint dieser Zu- 
stand die Regel zu sein. Wenn der Muskel vorhanden ist, entspringt 
er vom Calcaneus und inseriert meist an den Sehnen des Flexor 
tibialis, wobei er sich hauptsächlich an die für die fünfte Zehe be- 
stimmte Sehne anheftet. Zuweilen erfolgt aber die Insertion auch 
an der Sehne des Flexor fibularis. 
n) Lumbricales 
sind in der Regel vier vorhanden, die sich ähnlich wie bei Homo 
verhalten. 
13. Vergleichend anatomische Bemerkungen. 

Ebenso wie bei den Prosimiae fällt auch bei den Simiae eine 
viel größere Gleichförmigkeit in der Entwicklung der Unter- 
schenkelmuskulatur auf. 

a) Oberflächliche Muskelgruppe. 
a u. ß) Der mediale und laterale Gastroenemius. 

Das Verhalten dieser Muskeln ist ein ähnliches wie bei den 
Prosimiae, den Insectivora und Edentata, d. h. der Ursprung ist auch 
für den lateralen Gastrocnemius rein femoral. Ohne Ausnahme er- 
folgt ferner, wie bei jenen Tierordnungen, eine Vereinigung der 
Sehnen. 

y) Der Soleus 
ist im allgemeinen etwas schwächer entwickelt als bei den Prosimiae, 
den Edentata und Insectivora. Ebenso wie bei den Prosimiae und 
den Insectivora ist der Anschluß des Muskels an die beiden Gas- 
troenemiü die Regel. 
0) Der Plantaris 

ist im allgemeinen bei den Simiae schwach entwickelt oder fehlt 
ganz, während er bei den Prosimiae meist ein sehr kräftiger Muskel 
ist. Die Sehne setzt sich mit wenig Ausnahmen bei den Simiae 
ebenso wie bei den Prosimiae in die Plantaraponeurose fort, 
wie dies auch bei den Marsupialia häufig der Fall ist. Eine Be- 
ziehung zur Perforation, wie sie bei andern Tierordnungen, besonders 
den Edentata zu beobachten ist, zeigt der Plantaris bei den Simiae 
ebensowenig wie bei den Prosimiae. 

&) Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis 
erinnert in seinem Verhalten ebenso wie der der Prosimiae an die 
bei den Marsupialiahäufig vorkommenden Verhältnisse, während dieser 
Muskel bei den Insectivora und Edentata meist fehlt. 

Morpholog. Jahrbuch. 41. 21 


322 Erna Glaesmer 


Wie bei den Marsupialia und Prosimiae entspringt der Muskel 
hauptsächlich von der Unterseite der Plantaraponeurose, er bekommt 
aber in zahlreichen Fällen auch Ursprungsfasern vom Üalcaneus. 
Einzelne Muskelfasern bilden in seltenen Fällen, ähnlich wie bei 
manchen Inseetivora, eine direkte Fortsetzung der Plantarissehne. 

Mit dem tiefen Kopf kann der Muskel, ebenso wie bei den 
Marsupialia und Prosimiae, sowohl in Verbindung treten, als auch 
völlig unabhängig von ihm bleiben. 


b) Tiefe Muskelgruppe. 
«) Der Popliteus 
verhält sich im allgemeinen wie bei den Prosimiae. Der Ursprung 
erfolgt in der Regel vom lateralen Condylus femoris, während bei 
andern Tierordnungen häufig ein Ursprung vom Ligamentum genu 
collaterale fibulare zu beobachten ist. 


ß u.y) Der Flexor tibialis und fibularis 
verhalten sich — ausgenommen bei Simia satyrus und Troglodytes 
niger — wie bei den Prosimiae und erinnern an Befunde, wie sie 
ähnlich auch bei den Marsupialia und bei den Inseetivora verein- 
zelt anzutreffen sind, d. h. es erfolgt eine mehr oder weniger 
innige Verbindung der Sehnen. 

Während aber bei den Marsupialia und Insectivora eine voll- 
ständige Verschmelzung eintritt, teilen sich bei den Prosimiae und 
Simiae die zwei Hauptsehnen in Teilsehnen, und nur einzelne, nicht 
alle dieser Teilsehnen verbinden sich miteinander. 


ö) Der tiefe Kopf des Flexor digitorum brevis 
erinnert ebenfalls, wie der der Prosimiae, an bei Marsupialia vor- 
kommende Verhältnisse. 

Während der Muskel bei den Prosimiae aber vorwiegend von 
der Sehne des Flexor tibialis entspringt, bekommt er bei den Simiae 
öfters auch Ursprungsfasern vom Flexor fibularis. Bei den Marsu- 
pialia entspringt er ebenfalls von beiden Sehnen, wenn eine Ver- 
einigung derselben überhaupt erfolgt ist. 

Mit dem oberflächlichen Kopf kann der Muskel, ebenso wie bei 
den Prosimiae und Marsupialia, sowohl in Verbindung treten, als 
auch völlig unabhängig von ihm bleiben. 


&) Der Tibialis postieus 
zeigt dasselbe Verhalten wie bei den übrigen hier besprochenen 
Tierordnungen. 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 323 


£) Der Quadratus plantae 
fehlt bei den Simiae häufig, aber nicht so häufig wie bei den Pro- 
simiae und den Marsupialia. Bei den Insectivora und Edentata ist 
der Muskel zwar auch nicht immer, aber viel häufiger vorhanden. 
Bei den Monotremata ist er kräftig entwickelt. 


n) Lumbricales. 
Eine Verdoppelung dieser Muskeln, die bei den Prosimiae, Marsu- 
pialia und Edentata nicht allzu selten vorkommt, habe ich bei den 
Simiae nicht beobachtet. 


VI. Einige Muskelvarietäten bei Homo. 

Gelegentlich der Präparierübungen im vergangenen Winter- 
semester hatte ich Gelegenheit, einige Muskelvarietäten zu beobachten, 
von denen folgende zwei an dieser Stelle interessieren könnten: Es 
fand sich in einem Falle ein Flexor digitorum brevis vor, der dem 
Affentypus, wie er durch Fig. 6 der schematischen Darstellung S. 186 
veranschaulicht wird, vollkommen entspricht. Der Muskel setzte sich, 
genau wie z. B. auch bei Ateles ater, variegatus und Simia satyrus, 
aus zwei verschieden entspringenden Komponenten, einem oberfläch- 
lichen und einem tiefen Kopf, zusammen. 

Der oberflächliche Kopf entsprang vom Calcaneus, der tiefe von 
der Sehne des Flexor tibialis. Der oberflächliche Kopf ging in drei 
Sehnen über, deren zwei perforiert wurden und an den Mittel- 
phalangen der 2. und 3. Zehe inserierten, während die dritte Sehne 
sich mit einer Sehne des tiefen Kopfes zur perforierten Sehne für 
die 4. Zehe verband. Der tiefe Kopf bildete zwei Sehnen, deren 
eine als perforierte an der Mittelphalanx der 5. Zehe inserierte, 
während die zweite sich mit einer Sehne des oberflächlichen Kopfes 
zur perforierten Sehne für die 4. Zehe vereinigte. 

Eine zweite Varietät, die den Quadratus plantae betrifft, wurde 
für die hiesige anatomische Sammlung präpariert. (Siehe Abbildung 
auf nächster Seite.) 

Der Quadratus plantae entspringt hier von der medialen und der 
Hinterseite des Tuber caleanei. Der Hauptteil des Muskels inseriert 
an der Plantarseite der Sehne des Flexor tibialis, mit einzelnen 
Fasern aber auch an der Dorsalseite, sowie an der Sehne des Flexor 
fibularis. Ein Teil des Muskels aber geht in eine kurze Sehne über, 
die sich mit dem lateralen Teil der Sehne des Flexor fibularis ver- 
einigt; ein zweiter Teil, der dem übrigen Muskel aufliegt, geht in 


21? 


394 Erna Glaesmer 


eine lange, feine Sehne über, die zwischen Flexor tibialis und Flexor 
digitorum brevis distalwärts zieht und sich im Gebiete der Grund- 
phalanx mit der zur 3. Zehe ziehenden Sehne des Flexor digitorum 
brevis vereinigt, um mit 
dieser, wie das sonst 
zuweilen der tiefe Kopf 
des Flexor digitorum bre- 
vis tut, die perforierte 
Sehne für die 3. Zehe zu 
bilden. Dieser Anteil des 
Quadratus plantae an der 
Perforation ist eine Er- 
scheinung, welche denGe- 
danken nahe legt, eskönn- 
ten vielleicht zwischen 
dem Quadratus plantae 
und dem tiefen Kopf des 
Flexor digitorum brevis 
ebenfalls Beziehungenbe- 
stehen. Den ganzen Mus- 
kel fand ich von Ästen 
des N. plantaris lateralis 
versorgt. Der Gedanke, 
daß diese zum Flexor di- 
gitorum brevis in Bezie- 
hung tretende Portion des 
Quadratus plantae ein — 
wie ich zuerst dachte — 
in die Tiefe verlagerter Anteil des Flexor digitorum brevis sei, erweist 
sich nach der Innervation als unwahrscheinlich. 

An demselben Präparat sind noch zwei weitere Varietäten zu 
beobachten: Ein Teil des Quadratus plantae geht unmittelbar in die 
für die 4. und 5. Zehe bestimmten Lumbricales über (auf der obigen 
Darstellung nicht gezeichnet). Ferner hat der Flexor digitorum brevis 
nur drei Sehnen. Die Sehne für die 5. Zehe fehlt. 


u 0 Zu 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 325 


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Journal of Anatomy. Baltimore. Vol. VI. No.3. p. 259—390. 

GLAESMER, ERNA. Untersuchung über die Flexorengruppe am Unter- 
schenkel und Fuß der Säugetiere. Morph. Jahrbuch. Bd. XXXVII. 
Heft1 u. 2. 

Lor#, EpwArd. Die Aponeurosis plantaris in der Primatenreihe. Mor- 
phologisches Jahrbuch. Bd. XXXVII. Heft1 u. 2. S. 194—322. 
WIEDERSHEIM R. Der Bau des Menschen als Zeugnis für seine Ver- 

gangenheit. Tübingen. 


a Ka ee 


Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 333 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel II, III, IV. 


Die reproduzierten Präparate sind mit Hilfe der BrAus-DrÜnerschen Lupe 
hergestellt. 

Fig. 6, 7 und 8 sind von Frl. Ense Reıss, Fig. 5, sowie die schematische 
Darstellung $. 189 von Herrn August VIERLING, dem Präparator und Zeichner des 
hiesigen anatomischen Instituts, die übrigen von mir angefertigt. 


Fig. 3. 


Fig. 4. 


Gemeinsame Bezeichnungen: 


br brevis, p posticus, 
Cale Calcaneus, prof profundus, 
com eommunicans, Pl, pl Plantaris, plantaris, 
d digiti, digitorum, Popl Popliteus, 
fib fibularis, Qu Quadratus plantae, 
‘ Fl Flexor, So Soleus, 
Ge Gastrocnemius, Sp Sporn, 
Kl.Z.M Kleinzehenmuskel, sup superior, 
l lateralis, Tib, tib Tibialis, tibialis, 
Laumbr Lumbricales, Vag Vagina, 
m medialis, * Sesambein bzw. Knorpel. 
N Nervus, 
Tafel II. 
Fig. 1. Unterschenkel und Fuß von Erinaceus europaeus. 3/, der natürlichen 


Größe. Der mediale Gastroenemius ist einige em distal von seinem 
Ursprunge durchtrennt. Beide Enden sind zurückgeschlagen, so daß der 
darunter liegende Popliteus, Flexor tibialis, Flexor fibularis und 
Tibialis posticus sichtbar werden. 

Die Sehnenscheiden der 2. und 3. Zehe sind längs gespalten und 
nach beiden Seiten aufgeklappt. Aus den für die 2. und 3. Zehe be- 
stimmten Sehnen des Flexor fibularis sind Stücke reseziert. 
Unterschenkel und Fuß von Talpa europaea. ?/, der natürlichen Größe. 

Der mediale Gastroenemius ist dicht am Ursprunge abgeschnitten 
und mit dem lateralen Gastroenemius zurückgeschlagen, so daß die 
darunter liegenden Muskeln, der Plantaris, der Flexor fibularis und der 
Flexor tibialis, sichtbar werden. 

Der Fuß von Talpa europaea aus der vorhergehenden Figur etwas 
vergrößert. Es soll dadurch der Übergang des Plantaris in drei Seh- 
nen, welche sich in zwei Zipfel teilen, ohne die Sehnen des tiefen 
Beugers durchtreten zu lassen, deutlich gezeigt werden. 

Fuß von Orycteropus aethiopieus. Größe 1/a. 

Die Plantarfaseie ist abgetragen, so daß die Sehnen des Plantaris 
des Flexor tibialis und fibularis sichtbar werden. 

Die Sehnenscheiden der 1., 2. und 3. Zehe sind erhalten, die der 4. 
ist eröffnet, die der 5. Zehe ganz abgetragen. Innerhalb der 4. Sehnen- 
scheide ist die Perforation der Plantarissehne durch die des Flexor 
fibularis sichtbar, ebenso der Zusammenhang der Sehne des Plantaris 
mit der Sehnenscheide. Die Lumbricales sind nicht gezeichnet. 


334 


Fig. 5. 


Fig. 6. 


Fig. 7. 


Fig. 8. 


Erna Glaesmer 


Unterschenkel und Fuß von Myrmecophaga jubata. Grüße t/.. 

Der mediale Gastroenemius ist am Ursprunge abgeschnitten und 
mit dem lateralen Gastroenemius zurückgeschlagen, so daß die darunter 
liegenden Muskeln sichtbar werden. Auch der Plantaris erscheint seit- 
wärts geschoben. 

Der Flexor tibialis ist im Zusammenhange mit dem Sesamknorpel 
und einem Teile der Plantarfasecie von der Unterlage losgelöst und 
medialwärts umgeschlagen. 

Ein kleiner Teil des Flexor digitorum brevis ist umgeklappt und 
medialwärts gedrängt, damit die Innervation und der Quadratus plan- 
tae, der zum Teil in die Lumbricales übergeht, sichtbar werden. 


Tafel III. 


Fuß von Myrmecophaga jubata. Größe 1/.. Diese Figur ist aus der 
1908 erschienenen Arbeit herübergenommen, da sie an dieser Stelle 
zum Verständnis der tiefen Fußmuskeln notwendig ist. Die Plantar- 
fascie ist abpräpariert, der Flexor digitorum brevis am Metatarsopha- 
langealgelenk abgeschnitten. An der 2. Zehe sieht man die Sehne des 
Flexor digitorum brevis in die uneröffnete Sehnenscheide übergehen. 
An der 3. und 4. Zehe ist die Sehnenscheide eröffnet und nach beiden 
Seiten aufgeklappt. Ein Stück der Sehne des Flexor fibularis ist re- 
seziert. An der 5. Zehe ist die Sehnenscheide ebenfalls eröffnet, die 
Sehne des Flexor digitorum brevis ganz herausgelöst. 

Fuß von Myrmecophaga jubata. Größe 1/ı. 

Die Plantarfascie, der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum, der 
Quadratus plantae, die Lumbricales und alle Weichteile an den Zehen 
sind mit Ausnahme der Sehne des Flexor fibularis abgetragen. In der 
Sehne des Flexor fibularis ist ein Längsspalt zu sehen. 


Unterschenkel und Fuß von Dasypus sexeinetus. Größe !/ı. 

Der mediale Gastroenemius ist nahe an seinem Ursprunge durch- 
geschnitten, das proximale Ende nach aufwärts geschlagen, das distale 
vom lateralen Gastroenemius vollständig abgelöst. Der laterale Ga- 
stroenemius erscheint lateralwärts geschlagen, damit der von ihm be- 
bedeckte Soleus gut sichtbar wird. 

Der Plantaris ist am Ursprunge abgeschnitten und medialwärts ge- 
legt, damit der Popliteus und ein Teil des Flexor fibularis sicht- 
bar wird. Von der Rinne, in der die Sehne des Plantaris gleitet, 
ist das durch die Endausbreitung der Gastrocenemii gebildete Dach 
derselben abpräpariert. Ebenso ist in der Planta die Plantarfascie 
weggenommen. 

Die Sehnenscheiden der 2., 3. und 5. Zehe sind eröffnet, so daß 
auf der 5. Zehe die Sehne des Flexor fibularis sichtbar wird. Über 
der 2. und 3. Zehe sieht man die Perforation der Sehnen des Plantaris 
durch die des Flexor fibularis. Aus den Sehnen des Flexor fibularis 
sind Stücke reseziert. 

Die Sehnenscheiden des Hallux und der 4. Zehe sind uneröffnet. 
Man sieht den Übergang der Sehnen des Plantaris in die Sehnen- 
scheiden. 


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Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß bei den Marsupialia usw. 335 


Fig. 9. 


Fig. 10. 


Fig. 11. 


Fig. 12. 


Die Äste des N. tibialis sind nach ihrem Eintritte unter den Plan- 
taris abgeschnitten. 

Unterschenkel und Fuß von Lemur rufifrons. Größe !/ı. 

Der mediale, der laterale Gastroenemius und der Plantaris sind am 
Ursprunge abgeschnitten und lateralwärts gezogen, so daß der Soleus, 
der Popliteus, Flexor tibialis und fibularis sichtbar werden. 

Der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis ist von der 
Plantaraponeurose getrennt und zurückgeschlagen, um die Verbindung 
mit dem tiefen Kopf zu zeigen. Ein besonders stark entwickelter 
fibularer Teil der Aponeurose aber ist mit dem Muskel abgeschnitten und 
zurückgeschlagen. Der Kleinzehenmuskel ist knapp an seiner Insertion 
abgeschnitten und mit dem oberflächlichen Kopf des Flexor digitorum 
brevis im Zusammenhang gelassen. 


An dem Hallux und der 5. Zehe sind die Sehnenscheiden abgetragen, 
an den übrigen Zehen erhalten. An der 4. Zehe sieht man den fibu- 
laren Strang der Aponeurose in die Sehnenscheide übergehen. Die 
Lumbricales sind nicht gezeichnet. 


Fuß von Lemur rufifrons. Etwas verkleinert. 

Die Plantaraponeurose ist abgetragen. Der oberflächliche Kopf des 
Flexor digitorum brevis ist in seiner natürlichen Lage erhalten, damit 
die Überkreuzung mit dem tiefen Kopf sichtbar wird. Von der Sehne 
des Flexor tibialis ist nur das Stück erhalten, von dem der tiefe Kopf 
des Flexor digitorum brevis entspringt. 


Tafel IV. 
Unterschenkel und Fuß von Stenops tardigradus. Größe 1/ı. 


Der mediale Gastroenemius ist am Ursprunge abgeschnitten und 
lateralwärts geschlagen, so daß der Soleus, Plantaris, Popliteus, Flexor 
tibialis, fibularis und Tibialis posticus sichtbar werden. 


Die Plantaraponeurose ist abgetragen, ebenso die Sehnenscheiden 
der Zehen. Die Lumbricales sind nicht gezeichnet. 


Unterschenkel und Fuß von Hapale penicillatus. Etwas vergrößert. 


Der mediale Gastrocnemius ist am Ursprunge abgeschnitten und 
mit dem lateralen Gastroenemius lateralwärts geschlagen, damit der 
Plantaris, der Soleus, Popliteus, Flexor tibialis, fibularis und Tibialis 
postieus sichtbar werden. 


Von der Plantaraponeurose ist ein Stück mit dem oberflächlichen 
Kopf des Flexor digitorum brevis im Zusammenhang erhalten. Die 
Sehnenscheide des Hallux ist abgetragen, die der 3. Zehe eröffnet, so 
daß die Perforation der vom oberflächlichen und tiefen Kopf des Fle- 
xor digitorum brevis gebildeten Sehne durch die Sehne des Flexor 
perforans sichtbar wird. Aus der Sehne des letzteren ist ein Stück 
reseziert. Die übrigen Sehnenscheiden sind erhalten. Die Lumbricales 
sind nicht gezeichnet. Die Endäste des N. tibialis sind abgeschnitten. 


Unterschenkel und Fuß von Hylobates variegatus. Etwas verkleinert. 
Der mediale Gastrocnemius ist am Ursprunge abgeschnitten und 
lateralwärts zurückgeschlagen, so daß der Soleus, Popliteus, Flexor 


336 Erna Glaesmer, Die Beugemuskeln am Unterschenkel und Fuß usw. 


tibialis, fibularis und Tibialis posticus sichtbar werden. Die Plantar- 
aponeurose ist bis auf ein kurzes Stück am Tuber ealcanei abgetragen, 
der oberflächliche Kopf des Flexor digitorum brevis im Zusammen- 
hange mit dem Großzehenmuskel vom Calcaneus und der Plantar- 
aponeurose abgelöst und zurückgeschlagen. Die Lumbricales sind nicht 
gezeichnet. 

Die Endiste des N. tibialis sind abgeschnitten. 


Morpholog. Fahrb. Bd. X11. 


— N.tib. 


Al.d.br.sup. 


Verlag von Wilhelm 


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Fl.d.br.sup. 


in Leipzig. 


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Morpholog. Fahrb. Bd. XL1. 


Taf. 1. 


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Morpholog. Jahrb. Bd. XL1. 


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Neue Mitteilungen über die Sternalis-Frage. 
Von 
Georg Ruge. 
Mit 1 Figur im Text. 

Die Fragestellungen bei Untersuchungen über die Herkunft 
eines Musculus sternalis dürfen zunächst als abgeklärt gelten. 

Der Muskel ist seiner Lage und seinen zuweilen auftretenden 
Verbindungen nach mit dem Sterno-cleido-mastoideus, mit dem 
Pectoralis major, mit dem Haut-Rumpf-Muskel und durch diesen 
mit der tieferen Pectoralis-Muskulatur in nähere Beziehung gebracht 
worden. Der sagittale Verlauf des Sternalis hat auch die Meinung 
auftauchen lassen, er könne zum Rectus-Systeme des Rumpfes ge- 
hören. Eine fünfte Ansicht bringt den Sternalis mit einer voll- 
kommen unbekannten, hypothetisch angenommenen Muskulatur des 
Thorax in genetischen Verband. Dieselbe soll einer metameren 
Rumpf-Muskulatur zugehören. 

Die Entscheidung darüber, wohin ein Sternalis gehöre, kann 
nur auf dem Wege der Interpretation getroffen werden, und zwar 
unter Heranziehung der verschiedenen Kennzeichen, welche für die 
eine oder die andre Herkunft Zeugnis ablegen. Das trifft für den 
Sternalis ebenso wie für alle andern Varietäten zu, deren onto- 
genetische Zustände nicht ermittelt worden sind. Entwicklungs- 
geschichtliche, die Entstehung des Sternalis völlig aufklärende Beob- 
achtungen werden an die Stelle von Deutungen fertiger Zustände‘ 
schwerlich je treten, weil der Sternalis als seltene Varietät keine 
regelmäßige ontogenetische Anlage mehr zu besitzen braucht. 
Zunächst bleiben wir jedenfalls auf die Interpretationen zufäl- 
liger Befunde angewiesen, um über das Wesen des Sternalis über- 


haupt Anfschluß zu erhalten. Diesbezügliche Ableitungen oder 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 22 


338 Georg Ruge 


Folgerungen aus vorliegenden Erscheinungen können sich wohl nur 
dann auf rechten Pfaden bewegen, wenn die nötigen Merkmale an 
dem zu Deutenden in geforderter Weise durch die Beobachtungen 
einwandfrei festgestellt worden sind. 

Das Einwandfreie in .der Beobachtung von wichtigsten Merk- 
malen von Sternalis-Fällen ist immer wieder in Zweifel gezogen 
worden. Die Deutungen haben deshalb auch keine allgemeine An- 
erkennung gefunden. 

1. Die Ableitung eines Sternalis vom Sterno-cleido-mastoideus 
erfordert den Nachweis der Innervation durch den Nervus accessorius 
oder durch die mit ihm zuweilen vereinigten oberen, cervicalen 
Spinalnerven. Ein derartiger Nachweis fehlt. Damit verliert eine 
solehe Deutung an Zuverlässigkeit, und eine noch so innige Ver- 
bindung zwischen beiden. Muskeln beweist gar nichts für deren 
Wesenseinheit. Das wissen wir vom Biventer mandibulae; mag 
der Zusammenhang zwischen dessen vorderem und hinterem Bauche 
auch noch so sehr für dessen Einheitlichkeit sprechen, so bleiben 
beide doch ganz verschiedene genetische, verschieden innervierte 
Gebilde. Der Zusammenhang zwischen Sternalis und Sterno-eleido- 
mastoideus ist ein erworbener. 

2. Die Zurückführung des Sternalis auf einen segmentalen 
Seitenrumpfmuskel der Thorax-Gegend, etwa auf einen Reectus 
thoraco-abdominalis oder einen hypothetisch angenommenen, andern 
Muskel, erfordert dessen tiefere Lage zur Gliedmaßen-Muskulatur 
der Brust. Eine solche besteht für einen Sternalis niemals; er 
zeichnet sich ja gerade durch die subeutane Anordnung, durch die 
Ausbreitung auf der Muskel-Binde des Pectoralis major aus. Ein 
auf eine segmentale Thorax-Muskulatur zurückführbarer Sternalis 
müßte von Intercostalnerven versorgt sein. Läge eine solche vor, 
so könnte gegen die Deutung trotz der widersinnigen oberflächlichen 
Sternalis-Lage zunächst ernstlich nichts eingewendet werden, da 
die Innervation bei der Herleitung der Muskel-Individuen ein sicherer 
Führer ist. Nun ist aber gerade diese oft behauptete Innervation 
durch Intereostalnerven mißtrauisch beurteilt worden. Reiche Er- 
fahrung in der Darstellung der Sternalis-Nerven sowie der Haut- 
äste von Intercostalnerven und Hautgefäßen, welche einen Sternalis 
durehbohren, wird den Zweifel an der Richtigkeit der Intereostalis- 
Innervation erhalten. Der Zweifel kann nur durch den Nachweis 
am vorliegenden Objekte beseitigt werden. Und es lohnte sich wohl, 
einen einwandlosen, bis jetzt immer wieder bezweifelten Fall einem 


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Neue Mitteilungen über die Sternalis-Frage. 339 


anatomischen Museum einzuverleiben, um den Zweifler durch den 
Augenschein zu belehren. Das ist bis jetzt meines Wissens nicht 
angestrebt worden. Ich meinerseits bestreite nicht die Aufrichtig- 
keit, aber die Richtigkeit der beschriebenen Fälle. Sollte je die 
Intereostalis-Innervation eines Sternalis einwandfrei festgestellt 
werden, so nähme dieser eine ganz besondere Stellung ein. Er 
wäre aus der großen Gruppe der durch Nervi thoracales anteriores 
zweifellos versorgten, gewöhnlichen Sternales auszuscheiden. Ein 
solcher Intereostalis-innervierter Muskel würde ein vollkommen 
unverstandenes Gebilde sein, da es sich mit nichts Bekanntem in 
Beziehung bringen ließe. Dieser Umstand nährt den Zweifel an 
seiner Existenz. Vor einer einwandlosen Tatsache hätte man sich 
zu beugen; aber auch nur vor dieser. Solange sie fehlt, behält 
der Skeptizismus volle Berechtigung. 

3. Die Ableitung des Sternalis vom Pectoralis major wird 
durch den Zusammenhang beider sowie die Versorgung durch gleiche 
Nerven begründet. Solche Fälle kommen vor. Sie lassen sich ein- 
teilen in zwei Gruppen, von denen die eine Gruppe solche Fälle 
umfaßt, in denen ein oberflächliches größeres oder kleineres Bün- 
del aus den oberflächlichen Lagen der Pars clavieularis oder der 
Pars sterno-costalis sich loslöst, aberriert und eine gewisse Selb- 
ständigkeit erwirbt. Ein solcher Peetoralis major-Sternalis wäre 
nichts andres als ein losgelöster, mehr oder weniger selbständiger, 
oberflächlicher Abschnitt des Pectoralis major, welcher u. a. auf 
Grund von Bildungsanomalien am Thorax in die Erscheinung träte. 
Man kann ja in der Tat so weit gehen, derartige einfach abgelöste 
Bündel des Pectoralis major in die Sternalis-Gruppe einzufügen. 
Diese Sternalis-Arten müssen aber nach dem Stande unsrer Kennt- 
nisse scharf abgetrennt werden von einer zweiten Gruppe. Zu ihr 
gehören diejenigen Formen, welche von einer tieferen Schichte der 
Pectoralis-Muskulatur sich herleiten und die Forschung auch in 
Zukunft beschäftigen werden, da ihre Herkunft mit aller Sicherheit 
nur äußerst schwer festzustellen ist. Sie stellen nach meiner An- 
sicht das Hauptkontingent aller Sternalis-Fälle dar. Sie sind im 
Zusammenhange mit dem Ursprunge der Pars abdominalis des 
Pectoralis major, mit einem Achsel-Bogen und mit einem seitlichen 
Reste des Haut-Rumpf-Muskels gefunden worden. Ihre Innervationen 
finden sich im Einklange mit denen, welehe der Haut-Rumpf-Muskel 
bei niederen Formen zeigt. Unter Berufung auf eine geschlossene 
Reihe menschlicher Varietäten und vergleichend-anatomischer Tat- 


22* 


340 . Georg Ruge 


sachen ist für diese Art von Sternalis-Muskeln die Deutung von 


Resten des Haut-Rumpf-Muskels der Säugetiere gegeben worden. 
Es ist auf die ganz hervorragende Rolle hingewiesen worden, welche 
der Haut-Rumpf-Muskel bei allen Säugetieren hinauf bis zu Primaten 
spielt. Es ist erörtert worden, daß er erst den Anthropomorphen 
und dem Menschen abhanden gekommen ist, daß er beim Menschen 
in Resten unter Berücksichtigung aller Umstände für und gegen 
eine derartige Erklärung sicher nachgewiesen worden ist. Es ist 
wahrscheinlich gemacht worden, daß eine große Reihe von Sternalis- 
Bildungen, da sie alle, an Reste eines Haut-Rumpf-Muskels gestell- 
ten Forderungen erfüllen, auf ihn zu beziehen sei. Und gerade, 
weil der Haut-Rumpf-Muskel ein allgemeines Besitztum niederer 
Säugetiere ist, kann seinem zeitweiligen Auftreten bei Formen, 
welche ihn eingebüßt haben, nichts Auffälliges zukommen. 

Es wird heute anstandslos eingeräumt werden können, daß sub- 
cutan gelegene Muskel-Varietäten, welche prästernal oder präpectoral 
beobachtet und als Sternalis-Arten beschrieben worden sind, 
entweder auf einfach losgelöste Teile des Pectoralis major oder 
auf Reste des Haut-Rumpf-Muskels sich beziehen. Man vergleiche 
die Ausführungen hierüber in dieser Zeitschrift, 33. Bd., 19051). 


Neue Beobachtungen über den Sternalis dürfen die Kennzeichen, 
welche für die eine oder die andre Art sprechen sollen, nicht außer 
acht lassen, ja müssen sie ganz besonders hervorheben, um nicht 
dem Autor den Vorwurf, in alte Fehler verfallen zu sein, einzu- 
tragen. Denn man ist nur dann berechtigt, mit einem einzelnen Ob- 
jekte, wie mit dem Sternalis, so intensiv sich zu beschäftigen, wenn 
die strengen wissenschaftlichen Methoden an ihm geübt werden, 
um dann auch andernorts angewendet werden zu können. 


GERHARD RENVALL bespricht einen neuen Fall von Sternalis- 


Bildung im Anatomischen Anzeiger, 35. Bd. 1909, S. 401—407. Der 
Muskel wird als Abkömmling des rechtsseitigen Pectoralis major 
gedeutet. Die Unzulänglichkeit dieser Erklärung soll hier dargetan 
werden, damit die Literatur von einem neuen Wirrsal in der viel 
umstrittenen Sternalis-Frage befreit werde. 

Der Tatbestand wird an der Hand einer »schematischen« Ab- 
paar a und ist auf der nebenstehenden Figur in allen 


1 Der Haut-Rumpf-Muskel der Säugetiere. — Der M. sternalis und der N 


Achselbogen des Menschen. 


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Neue Mitteilungen über die Sternalis-Frage. 341 


wichtigen Punkten wegen der Möglichkeit rascher Orientierung 
wiedergegeben. Er ist, wenn ich das für eine kritische Erörterung 
Wesentliche herausgreife, folgender. Bei einem Erwachsenen löst 
sich 2—3 em von der Oberarm-Insertion des rechten Peetoralis major 
entfernt vom Muskelbauche ein Bündel los. Es bleibt anfangs mit 
der Portio clavieularis und der P. sterno-eostalis verwebt, sondert 
sich sterno-clavicularwärts von den Bündeln des Pectoralis major, 
bleibt dabei aber von der Fasceia pectoralis bedeckt. Als sehr 
dünnes, schmales Bündel lagert es zwischen beiden Pectoralis- 
Portionen. Vor der Verbindung der 2. Rippe mit dem Brustbein 
betritt das Bündel die Vor- 
derfläche des letzteren. Es 
wird hier dieker und bleibt 
von ihm durch lockeres 
Bindegewebe getrennt. Der 
fragliche Muskel erreicht 
nun die linke Körperseite. 
An ihr nimmt er eine ab- 
geplattete Form an, breitet 
sich mehr und mehr aus 
und erlangt schließlich eine 

Wiedergabe der wesentlichen Verhältnisse aus einer Ab- 


.ni 4 x er 
Breite Malz 2,6 em. Er ver bildung G. Rexvarıs Ein einheitlicher Muskel erstreckt 
läuft in einem auf- und sich über beide Körperseiten; er ist rechts aus einem 


lateralwärts gerichteten Bo- Bündel des Pectoralis rer aus einem Sternalis 
gen über den linken Pec- 

toralis major. Der Übergang in sehnige Fasern erfolgt vor der 
Pars abdominalis des linken Pectoralis major. Die Sehnenfasern 
vereinigen sich zum Teil mit der Rectus-Scheide vor dem Processus 
ensiformis. 

Ein ansehnlieherer Abschnitt mehr abgezweigter Sehnenfasern 
breitet sich über der linken Rectus-Scheide aus und erreicht teil- 
weise die Medianlinie, unter Verwebung mit der Sehnenscheide. 

Ein drittes, mehr geschlossenes Sehnenbündel zieht lateral- 
und aufwärts und geht unter Divergenz seiner Fasern bald in die 
Faseia pectoralis der linken Seite über. 

Die Innervation des als einheitlich beschriebenen, über beide 
Körperseiten ausgedehnten Muskels bleibt unbekannt. 


REnvALL deutet ihn als einen Teil des rechten Peetoralis major. 
Das rechtsseitige Bündel habe seinen Ursprung über das Brustbein 


342 Georg Ruge 


zur linken Körperseite und dann längs der Bahn des linken Bauches 
bis zur Reetus-Scheide verlagert. Dabei scheinen die Fasern des 
wandernden sternalen Ursprungsteiles sich verbreitert zu haben, 
woraus die strahlige Anordnung der Festheftung an der Scheide 
des Bauchmuskels sich ergebe. 

Für das rechtsseitige zarte Bündel trifft RenvAaLıs Deutung 
ohne Frage das Richtige. Es inseriert am Humerus, liegt zwischen 
beiden Portionen des rechten Pectoralis major und ist von der 
Fascia pectoralis bedeckt. Auf den Nachweis der Innervations- 
verhältnisse kann füglich verziehtet werden. Dieser rechte Abschnitt 
trägt keinerlei Zeichen einer Sternalis-Bildung; er ist ein ganz ge- 
wöhnliches Pectoralis major-Bündel. 

Ganz anders steht es um den linken Teil des als einheitlich 
beschriebenen Muskels. Dieser liegt auf dem Pectoralis major, wie 
wir es von einem Sternalis verlangen. Er strahlt mit verbreiterter 
Sehne in der Scheide des geraden Bauchmuskels aus. Auch dieses 
Verhalten ist von Sternalis-Bildungen sehr wohl bekannt. Außerdem 
lagert er auf der Muskelbinde des Pectoralis major, was ebenfalls 
für einen wahren Sternalis zutrifft. — Um nun das rechtsseitige 
Pectoralis major-Bündel und den linksseitigen Sternalis-Abschnitt 
berechtigterweise als Einheitlichkeit ausgeben zu können, würden 
zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Erstens muß ganz besonders 
festgestellt sein, daß die beiderseitigen Abschnitte durch eine se- 
kundäre Verschmelzung nicht zur scheinbaren Einheit geführt haben. 
Wenn ein Zeichen für eine sekundäre Verbindung nicht hätte fest- 
gestellt werden können, so wäre eine solche trotz des fehlenden 
Nachweises dennoch nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, 
da derartige innige Verschmelzungen ganz verschiedener Muskeln 
erfahrungsgemäß erfolgen können. Um diesem bei myologischen 
Forschungen voll berechtigten Einwande zu begegnen, hätte zweitens 
die Innervation des linksseitigen Muskelabschnittes durch einen 


Ast der rechten Nervi thoracales anteriores festgestellt werden 


müssen. RENVALL glaubt auf diesen Nachweis verzichten zu dürfen. 


Dieser Verzicht wäre gerechtfertigt gewesen, handelte es sich nur 


um die gewöhnliche Beschreibung einer ungewöhnlichen Varietät. 


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Der Verzicht ist jedoch ganz und gar nicht am Platze, wo es sich 
um eine durchaus ungewöhnliche Deutung des linksseitigen Sternalis 
als eines Teiles eines aberrierten rechtsseitigen Pectoralis major- 
Bündels handelt. Die einfache Überlegung fordert hier unabweis- 
lich den einzig stützenden Nachweis der Innervation für RENVALLS 


| 


Neue Mitteilungen iiber die Sternalis-Frage. 343 


Deutung des Befundes. Die Kritik fordert unnachsichtig, was in 
der Beweisführung des Autors fehlt. 

Darin liegt denn auch der Grund, daß der Unbefangene den 
Tatbestand ganz anders deuten kann, als dies durch RENnvALL ge- 
schehen ist. 

Es ist möglich, ja sehr wahrscheinlich, daß die beiderseitigen 
Abschnitte des Muskels durch sekundäre Vereinigung eine nur schein- 
bare Einheit bilden. Es. ist wahrscheinlich, daß der rechte Ab- 
schnitt durch rechtsseitige, der linksseitige Abschnitt durch links- 
seitige Nerven versorgt gewesen ist. 

Es ist sicher, daß der rechte Abschnitt ein ganz gewöhnliches, 
losgelöstes Bündel des Pectoralis major dexter ist. Es ist gewiß, 
daß der linke Abschnitt einer Varietätenreihe zugehört, deren 
Glieder wir je einen Sternalis heißen. 

Nicht um die Deutung des rechten, sondern um die des linken 
Abschnittes, des eigentlichen Sternalis, kann es sich nur noch 
handeln. 

Dafür sind diejenigen Kennzeichen an ihm zu bestimmen, welche 
für die Ableitung eines Sternalis überhaupt irgendwelche Geltung 
besitzen. 

Die Überschreitung der Mittellinie und die Überkreuzung oder 
die Verbindung mit Muskeln der andern Seite kommen dem Sternalis 
öfter zu. Die hier vorliegende Vereinigung des Sternalis mit einem 
Bündel des Pectoralis major dexter wird von einem Kenner myo- 
logischer Verhältnisse aus den angegebenen Gründen nie als Zeugnis 
der Herkunft angesprochen werden. 

Hingegen ist das Ausstrahlen der verbreiterten Sehnenplatte 
zur Rectus-Scheide sehr bemerkenswert! Es erfolgt in der Höhe 
der Ursprungsstelle der Pars abdominalis des linken Pectoralis major 
und auf derselben. Die Sehnenbündel befestigen sich vor dem 
Sehwertfortsatze mit der Reetus-Scheide, breiten sich weiter abwärts 
über der letzteren bis zur Medianlinie aus und verweben sich schließ- 
lich mit ihr. 

Die Fasern dieser Sehnenplatte des linken Sternalis liegen in 
der Richtung und oberflächlich der Ursprungsbündel der Pars 
abdominalis des Pectoralis major. Einige von ihnen werden mit 
letzteren des parallelen Verlaufes wegen innigst verbunden gewesen 
Sein, und zwar die in der Nähe des Schwertfortsatzes befindlichen. 


Die schematische Abbildung deutet die enge Beziehung beider zu- 
einander an. 


344 Georg Ruge 


Alle diese Merkmale sind sehr ausführlich und unter beson- 
derer Hervorhebung an Fällen von Sternalis beschrieben und als 
Zeugnisse für dessen Herkunft vom Haut-Rumpf-Muskel gedeutet 
worden. Dabei ist auf schwerwiegende, den Achselbogen be- 
treffende Beziehungen dieser Sternalis-Arten hingewiesen worden. 
Da die gravierenden Merkmale der Zusammengehörigkeit des Sternalis 
mit der Pars abdominalis an dem hexvautschen Falle in un- 
veränderter Weise wieder auftreten, so dürfen sie auch mit gleichem 
keehte und in gleichem Sinne für die Haut-Rumpf-Muskelnatur des 
Sternalis verwertet werden. Die Begründung hierfür ist an ent- 
spreehender Stelle zu finden'. Ich halte sie noch heute für streng 
wissenschaftlich, da die vergleichend anatomischen Tatsachen 
nirgends außer acht gelassen worden sind. REexvaLL hat jene Aus- 
einandersetzungen nicht in den Kreis seiner Erörterungen gezogen. 
Das ist bei wiederholter Besprechung so schwieriger und oft be- 
handelter, grundlegender Fragen eine, wie ich meine, nicht zu recht- 
fertigende Unterlassung. 

Der neue Befund ist ein treffendes Beispiel für den Zusammen- 
hang eines Sternalis mit der Pars abdominalis des Peetoralis major 
und für die Möglichkeit, ihn mit der Haut-Rumpf-Muskulatur in 
genetischen Verband zu setzen. 

Beschreibung und Deutung des Befundes durch den Autor haben 
zu einer Vertiefung der Sternalis-Frage nicht beigetragen. 

Es bedeutet einen Rückfall in frühere Zeiten, wenn ein linker 
Muskel ohne triftige Gründe aus einem rechtsseitigen abgeleitet wird, 
wenn die geringen Fortschritte in der ganzen Frage unberücksichtigt 
bleiben. 

Bei genauerer Untersuchung der Richtung von Sehnenbündeln, 
welche sich als dreieckig auf der Figur dargestellte Platte lateral- 
wärtsan die Rectusscheidenbündel anschließen, wären vielleicht andre 
wichtige Indizien für die Herleitung des Sternalis vom Haut-Rumpf 
Muskel zutage getreten. Die dreieckige Sehnenplatte lagert näm- 


lich der Pars abdominalis des Peetoralis major auf. Die Spitze 


ist lateral-aufwärts, die Basis abdominalwärts gelagert. Die unteren 


Randteile der Platte schlagen die Richtung der Peetoralis-Bündel 


ein; sie können als Reste eines von der Pars abdominalis des Pec- 


toralis major ableitbaren Haut-Rumpf-Muskels sehr gut verstanden 


! Zusammenhang des M. sternalis mit der Pars abdominalis des M. pec- 
toralis major und mittels dieser mit dem Achselbogen. Morphol. Jahrb. 33. Bd. 
R 


1905. 8. 348—373. 


Neue Mitteilungen über die Sternalis-Frage. 345 


werden. Sie haben nach Lage und Ausdehnung gleiche Eigen- 
schaften, wie die auf Fig. 3 und 2 des Aufsatzes (1905) darge- 
stellten, mit einem Achselbogen zusammenhängenden Stränge, wie 
das auf Fig. 1 daselbst abgebildete, quere Fasceienbündel. 

Die oberen, bogenförmig vom Sternalis des REnvauıschen Be- 
fundes zur Spitze der Sehnenplatte ziehenden Sehnenbündel lassen 
eine verschiedene Deutung zu, auf deren Erörterung einzugehen 
wäre, wenn die genaueren ‚Verlaufsverhältnisse der einzelnen Züge 
bekannt wären. 

Die einzigen, sicheren für die Abstammung in Betracht kommen- 
den Merkmale an dem von REnVALL beschriebenen Sternalis stimmen 
mit denjenigen überein, welche für die Haut-Rumpf-Muskelnatur 
Zeugnis ablegen. Will man Einsprache dagegen erheben, so ist eine 
ganz andre Behandlung des Gegenstandes erforderlieh, als sie tat- 
sächlich in dem Aufsatze vorliegt. 


um 


Untersuchungen über den Bau der männlichen 
Geschlechtsorgane der Beuteltiere., 
| Von 
Prof. A. d..P. v..@. Broek 


in Utrecht. 


Mit 52 Figuren im Text und Tafel V u. VI. 


Einleitung. 

Vorliegende Arbeit bringt die Resultate einer Untersuchung über 
den Bau und die Entwicklung der männlichen Geschlechtsorgane 
der Beutler. 

Ich war in der Lage, dieses Organsystem an einem reichhaltigen 
Materiale, sowohl erwachsener Tiere wie Beuteljungen, zu studieren 
und kam zu Resultaten, welche, wie es mir vorkommt, auch für die 
vergleichende Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Genital- 
-organe, speziell der Säugetiere, gewisse Bedeutung haben. Ich werde 
in dieser Arbeit hauptsächlich eine systematische Beschreibung der 
verschiedenen zusammensetzenden Teile des Genitalapparates geben; 
im Anschluß daran werde ich eine allgemeine Besprechung geben über 
den Bau und die Entwicklung des Geschlechtsapparates der Marsu- 
pialier und sein Verhalten zu dem der Monotremen, niederen Verte- 
braten und der placentalen Säuger. In diesem letztgenannten Teil werde 
ich sowohl männlichen wie weiblichen Geschlechtsapparat behandeln; 
von den weiblichen Geschlechtsorganen gab ich früher schon eine syste- 
matische Beschreibung (4) ebenso wie über einige entwicklungs- 
geschichtliche Erscheinungen (5). Die vorliegende Arbeit wurde 
größtenteils im anatomischen Institut der Universität zu Amsterdam 
fertiggestellt. Herrn Prof. Dr. L. BoLk, meinem damaligen Lehrer, 
bringe ich hier gerne meinen aufrichtigen Dank dar für die Über- 
lassung des Materials vom Institut, sowie für seine Unterstützung 


und sein Interesse an der Arbeit. 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 23 


348 A. J. P. v. d. Broek 


Weiter spreche ich den Herren, welche mir durch das Abgeben von 


Untersuchungsmaterial behilflich gewesen sind, meinen besten Dank 
aus. Vor allem bin ich Herrn Prof. Dr. A. FLEISCHMANN in Er- 
langen für die Überlassung eines sehr reichhaltigen Materiales 
von Beuteljungen und von Serien sehr verpflichtet. Durch seine 
Liberalität war ich in der Lage, vieles an aufeinanderfolgenden Ent- 
wieklungsstadien zu studieren. 

Den Herren Prof. Dr. SLUITER, dem Direktor des Zoologischen 
Institutes in Amsterdam, sowie den Herren Geheimrat Prof. Dr. FÜür- 
BRINGER in Heidelberg und Prof. Dr. G. SCHWALBE in Straßburg 


sage ich meinen herzlichen Dank für die freundliche Unterstützung 


durch die Abgabe von Untersuchungsmaterial. 


Eine historische Übersicht über die Arbeiten, welche sich mit 


dem Thema dieser Untersuchungen beschäftigen, ist überflüssig. Die 
sehr zerstreuten Angaben und kurzen Notizen werden bei den spe- 
ziellen Beschreibungen Berücksichtigung finden. Ich gebe unten- 
stehend eine Übersicht des von mir untersuchten Materiales. 


I. Didelphyidae. 
Didelphys (spee.). 
Beuteljunge: 3,8 cm, 10,2 cm, 13,0 cm, 15 cm. 
Erwachsen. 


II. Dasyuridae. 

Dasyurus. 
Beuteljunge 1,9 em, 5,3 cm. 
Erwachsen. 

Phascologale. 
Erwachsen. 

Sminthopsis erassicaudatus. 
Erwachsen. 


IT. Peramelidae. 
Perameles. 
Beuteljunge 5 em, 11 cm. 
Erwachsen(?) (25 em). 
IV. Phaseolarctidae. 
Phascolarctos einereus. 
Erwachsen. 
Phascolomys. 
Erwachsen. 


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7 


Bi ’ ö E IE un 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 349 


V. Phalangeridae. 
a) Phalangerinae. 
Phalangista vulpina. 
Beuteljunge 1,2 cm, 2,4 em, 3,7 cm, 11,5 cm. 
Erwachsen. 
Acrobates pygmaeus. 
Erwachsen. 
Trichosurus vulpecula. 
Beuteljunge 3,2 em. 
Erwachsen. 
b) Hypsiprymnodontinae. 
Hypsiprymmus rufescens. 
Beuteljunge 6,3 cm, 8 cm, 14 cm. 
Erwachsen. 
ce) Macropodinae. 
Halmaturus Benetti. H. ualabatus. 
Erwachsen. 
Halmaturus thetidıis. 
Beuteljunge 1,75 cm, 2,2 cm, 2,8 cm, 3,2 cm, 10,5 cm, 
16,4 cm, 18,5 cm, 19 em. 
Erwachsen. 
Petrogale penicillata. 
Erwachsen. 
Macropus ruficollis. 
Beuteljunge 3,4 em. 
Erwachsen. 


Äußere Geschlechtsorgane. 
Die äußeren Geschlechtsorgane besitzen eine so große Mannig- 
faltigkeit der Form, daß ihnen ein bestimmter taxonomischer Wert 
zuzuerkennen ist. 

Mit Ausnahme einiger Formen, nämlich Dasyurus und Phascolo- 
gale, ist beim erwachsenen Tiere von dem Copulationsorgane in nicht 
erigiertem Zustande nichts zu sehen; es liegt in einer mehr oder 
weniger tiefen Tasche, Penistasche, versteckt. Erst allmählich wird 
dieser Zustand während der Entwicklungsgeschichte erreicht, so daß 
es geboten ist, bei der Beschreibung der äußeren Genitalien auch 
kurz ihre Entwicklung ins Auge zu fassen. Bei den kleinsten Beutel- 
Jungen, welche zur Untersuchung gelangten, hatte sich die geschlecht- 
liche Differenzierung schon vollzogen. 

_ 23*+ 


350 A. I. P. v. d. Broek 


Den Phallus bildet ein kurzer, etwa konischer Zapfen auf der 
oralen Seite des Ringwalles, welcher das Eetodäum (ect. Cloake) um- 
gibt. Fig. 1—3 auf Taf. V geben die äußeren Geschlechtsteile von 
Perameles (Fig. 1), Hypsiprymnus (Fig. 2) und Halmaturus (Fig. 3) 
wieder. Von diesem Zustande, wie ich ihn mit nur ganz gering- 
fügigen Unterschieden bei allen untersuchten Formen antraf, schlägt ° 
die weitere Entwicklung verschiedene Wege ein, so daß es geboten 
ist, die verschiedenen Species nacheinander kurz zu beschreiben. 

3ei Didelphys wird zunächst die erst einfache Öffnung des 
Eetodäums in zwei hintereinander gelagerte Ostien zerlegt durch 
die Bildung eines (definitiven) Dammes, welcher ein schmales, trans- 
versal gestelltes Septum bildet (Fig. 1). 

Durch zwei Prozesse gelangt der, erst frei hervorragende Penis 
in seine Penistasche. Er wird erstens allmählich umwachsen durch 

Fig. 1. zwei Fortsätze der seitlichen | 
Eetodäumwandung, welche 
ihn schließlich gänzlich um- 


a 


hüllen. Zweitens kommt 
wahrscheinlich ein Teil der 
Penistasche zustande durch 
Einwachsen einer Glandar- 
lamelle. Indem dann der 
Penis durch die in seinem 
Verlaufe auftretende Knik- 
kung erheblich verkürzt wird, 
kommt er tief in die Penis- 
tasche versteckt zu liegen. 
Beim erwachsenen Tiere 
sehen dann die äußeren Ge- 
schlechtsteile aus, wie Fig. 1 
sie wiedergibt. Auf einer hügelartigen Vorragung, welche ich 
Collieulus urogenitalis nennen will, erblickt man zwei ziemlich” 
große, hintereinander gelagerte Ostien, die Öffnungen von der 
Penistasche und vom Reetum bzw. Proctodäum. Vom vorderen 
Rande des Geschlechtshügels ausgehend und auf die vordere Bauch- 
decke zu verfolgen bis kurz an das Serotum ist eine median ge- 
stellte Falte zu beobachten, welche vielleicht mit der Penistaschen- 
bildung in Zusammenhang steht (vgl. weiter unten). 
Ganz anders gestalten sich die äußeren Geschlechtsteile von 
Dasyurus und Phascologale. 


Äußere Geschlechtsorgane von Didelphys marsupialis. 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 351 


Bei Dasyurus, auf Fig. 2 wiedergegeben, liegt kurz vor der 
Schwanzwurzel der sehr hohe und konische Collieulus urogenitalis, 
dessen orale Wand sich Fig. 2. 
in den langen eylindri- 
schen Penis (mit Penis- 
tasche) fortsetzt. 

Der Anus steht weit 
geöffnet, zwischen ihm 
und dem Penis liegt ein 
ziemlich kurzes Peri- 
neum. Man konnte bei 
dieser Form fast von 
einem Penis pendulus 
reden. Aus der äußeren 
Öffnung der Penistasche 
treten zwei Fortsätze zum 
Vorschein, der anal ge- 
lagerte ist der eigentliche 
Penis, der andre stellt 
einen aparten Schwellkörper dar (vgl. weiter unten). 

Phaseologale differiert insofern von Dasyurus, als ihm der ge- 
nannte Schwellkörper fehlt; da- 

gegen sind die Penisenden ge- 
trennt. Sminthopsis, auch ein 
Vertreter der Dasyuridae, besitzt 
ganz anders geformte äußere Ge- 
schlechtstelle und zeigt mehr 
Formübereinstimmung mit den 
Peramelidae. Beim Perameles 
von 5 cm ragt, wie Fig. 1 auf 
_ Taf. V zeigt, der Phallus noch als 
_ ein konischer Zapfen frei hervor. 
_ Allmählich wird er in der vorde- 
_ ren Wand des Eetodäums einge- 
schlossen. Beim Tierchen von 
_11’em ist noch gerade die Penis- 
spitze sichtbar, beim erwachse- 
nen Tiere ist er ganz von der 
_ Oberfläche verschwunden. } 
Der kleine Collieulus urogeni- AS ee An ee 


Äußere Geschlechtsorgane von Dasyurus G@eoffroyi. 


Fig. 3. 


ra u a 


352 A. J. P. v. d. Broek 


talis zeigt dann eine einzige, etwa trapezförmige Öffnung (Fig. 3). 
Diese führt in ein kurzes Ecetodäum (eetod. Cloake), in dessen Tiefe 
man die Öffnungen von Proctodäum und Harnröhre erblickt. 

Ebenso wie Perameles besitzen die Phascolaretidae ein kurzes 
Eetodäum, dessen Öffnung auf der Mitte des umfangreichen, aber 
niedrigen Geschlechtshügels liegt. Phalangerinae und Maeropodinae 
sind einander sehr ähnlich; von ihnen abweichend gestaltet sich 
Hypsiprymmus. 

Beim Hypsiprymmus-Beuteljungen von 63mm zeigt der Ringwall 


Fig. 4. 


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Äußere Geschlechtsorgane von Hypsiprymnus rufescens. 


des Eetodäums nicht eine, sondern zwei Vorragungen, einander 
gerade gegenübergestellt. Die orale ist der Phallus, die reetale werde 
ich als Drüsenorgan unterscheiden. (Fig 2a, Taf. V.) 

Beide Vorragungen wachsen zunächst stark in die Länge; jedoch 
werden sie dabei allmählich vom Ringwalle des Eetodäums umwachsen. 
Beim Tierchen von 14 cm sitzen sie nicht mehr auf dem Ringwall, 
sondern ragen aus der äußeren Eetodäumöffnung hervor (Fig. 25 auf 
Taf. V). Beide Organe sind jetzt etwas gekrümmt und liegen ein- 
ander dicht an. Nach und nach verschwindet, wohl hauptsächlich 
dureh Vergrößerung des Ectodäums, der Penis von der Körperober- 
fläche. Beim erwachsenen Tiere finde ich einen Zustand, wie Fig. 4 
ihn wiedergibt. 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 353 


Der sehr hohe und konisch gestaltete Collieulus urogenitalis 
besitzt eine spaltförmige Öffnung, aus welcher ein dünnes und spitz 
zulaufendes Organ hervorsteht. Es ist der reetalen Seite der Offnung 
angelagert und stellt das mehrgenannte Drüsenorgan vor. Vom Be- 
gattungsorgane ist nichts zu sehen. 

Die spaltförmige Öffnung führt in ein sehr kurzes Eetodäum. 

| Bei den Macropodinae biegt der Phallus bei kleinen Beuteljungen 
reetalwärts um und bedeckt dadurch teilweise die äußere Eetodäum- 
Öffnung. 

Der Phallus wächst erheblich in die Länge und bleibt ziemlich 
lang äußerlich sichtbar, beim Beuteljungen von 18 cm ragt er noch 
ganz frei aus. Das Eetodäum hat sich inzwischen schon in Procto- 
däum und (eetodermalen) Sinus urogenitalis getrennt, so daß das 
Perineum beim Tierchen von 18 cm schon die Körperoberfläche er- 
reicht hat. ö 

Schließlich verschwindet auch bei den Macropodinae das Be- 
gattungsglied von der Körperoberfläche und liegt dann in der Penis- 
tasche versteckt. 

Der Collieulus urogenitalis ist beim erwachsenen Tiere ziemlich 
hoch und ungefähr ceylindrisch; er trägt, durch ein breites Perineum 
getrennt, die Öffnungen von Penistasche und Proetodäum. 

Einmal, nämlich bei einem Onychogale, fand ich ein Kurzes 
Eetodäum. 


Muskulatur. 


Die Beschreibung derjenigen Muskeln, welche mit dem Uro- 
genitalapparat in irgend eine Beziehung treten, geschieht am besten 
in zwei Abteilungen, nämlich 1) Muskeln der vorderen Bauchdecke 
und ihre Produkte und 2) Muskulatur der äußeren und inneren Ge- 
schlechtsorgane. 

1. Es ist nieht meine Absicht, eine Myologie der vorderen Bauch- 
decke männlicher Beuteltiere zu geben, sondern nur die Aufmerk- 
samkeit auf Muskeln oder Muskelteile zu lenken, welche mit dem 

_Genitalapparat, speziell dem Funiculus spermatieus, in Beziehung 
stehen. 

Nach Wegnahme der Haut der vorderen Bauchdecke fällt zu- 
nächst der M. subeutaneus abdominis auf. Er erreicht bei 
männlichen Beutlern nicht den Grad der Entfaltung wie bei weib- 
‚lichen Tieren. Seine untere Grenze finde ich, gleichwie Karz bei 
Dasyurus, in der Höhe des Überganges vom Serotum in die Bauch- 


04 A. J. P. v. d. Broek 


decke (Dasyurus, Hypsiprymnus, Phascolomys, Macropodinae). Das’ 
Serotum wird meistens durch einige eireuläre Bündel umgeben. Nur 
bei Didelphys sah ich auch caudal vom Serotum einige transversal ver- 
laufende Faserbündel. Genaue Präparation lehrt, daß der Hautmuskel 
sich caudalwärts fortsetzt in ein wohlentwickeltes Fascienblatt, welches 
sich bis zum Beckenrande verfolgen läßt. Diese Fascie ist wahr- 
scheinlich als Rudiment des untersten Teiles des Hautmuskels auf- 
zufassen. Einen Zusammenhangzwi- 
schen Hautmuskel und M. sphincter 
cloacae, wie ich ihn bei einem 
weiblichen Halmaturus beschrieb, 
habe ich bei männlichen Tieren 
niemals gefunden. R 
Spaltet man Hautmuskel und 
Fascie in der Medianlinie und 
klappt sie zurück, dann treten 
einige bemerkenswerte Verhältnisse 
zutage. 
2 Bei den meisten der hierauf- 
Vordere Bauchdecke von NMacropus dorsalis. hin untersuchten Formen liegt der 
M. subeutaneus abdominis umgeklappt. o.a.e. Innenfläche des M. subeutaneus ab- 
M. obl. ext.; o.m. Os marsupii; a, a’ Abge- 
schnittene Enden der Abzweigung von M. dominis eine größere oder kleinere 
Gemaser; ci. Corps ui; at. Art. Dymphärlise an, wie sie von 
WEBER (30) als Corpus inguinale bei 
Phascolomys beschrieben wurde. Ich fand eine solche Drüse bei 
Didelphys, Dasyurus, Phascologale, Phascolarctos, Phascolomys, Pha- 
langeridae, also bei mehr Formen als WEBER, der sie nur bei Phas- 
colomys beobachtete. Die Unterschiede liegen vielleicht in den Ver- 
hältnissen der Muskulatur zur besagten Drüse. Gleichwie WEBER 
fand ich eine Abzweigung des M. ceremaster, welche die Drüse er- 
reicht, nur bei Phascolomys cinereus. Daß Muskelfasern zwischen 
M. eremaster und Corpus inguinale auch bei andern Formen vor- 
kommen können, beweist Fig. 5 von Macropus dorsalis. Hier zweigen 
sich die medialsten Fasern des M. eremaster ab (in der Figur ab- 
geschnitten) und begeben sich zum Hautmuskel (Fig. 5a, a’), woselbst 
sie in bestimmtem Abstand vom Corpus inguinale inserieren, davon ge- 
trennt durch die Arteria epigastrica inferior superficialis (Grenzgefäß 
des Marsupialfeldes von Kraarscn). Obwohl die Drüse hier also 
noch innerhalb des Marsupialfeldes liegt, kann ich sie, hauptsäch- 
lich auch wegen ihres Vorkommens beim weiblichen Geschlechte 


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Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 355 


(Dasyurus, Maeropus) nicht 
als Rudiment oder 
einer transformierten Milch- 
drüse betrachten. Ausführ- 
licher habe ich meine Be- 
lege für diese Meinung in 
einer früheren Arbeit dar- 
gelegt (l. ec. S. 390). 

Der Annulus inguinalis 
externus stellt bei fast allen 
untersuchten Formen eine 
längliche, von lateral oben 
nach medial unten verlau- 
fende spaltförmige Öffnung 
im sehnigen Teile des M. 
obliquus abdominis externus 
dar (Fig. 5 von Macropus). 

Nur bei Didelphys und 
bei Phascolomys traten die 
beiden Muskelteile weiter 
auseinander, wodurch sie bei 
Didelphys eine ovale, bei 
Phascolomys eine große und 
fast runde äußere Inguinal- 
Öffnung umranden (vgl. Fig. 6 
von Didelphys). Didelphus 
bildet weiter noch eine Aus- 
nahme insofern, als bei ihm 
der M. transversus abdomi- 
nis weiter caudalwärts reicht 
als der M. obliquus ab- 
dominis externus, mithin 
‚schon im Annulus inguinalis 
exteimus sichtbar ist. Nach 
Wegnahme des M. obliquus 
abdominis externus erblickt 
man eine etwa dreieckige 
und große Fläche, wo das 
Peritoneum (bzw. die Fascia 
transversa abdominis) sicht- 


_— 


Rest 


Fig. 6. 


= III — 0. ll. 
EIN \ 
III - n.tr.abd. 
\ EN 
’ 
N 
N 


t— 111.01 . 


Vordere Bauchdecke von Didelphys marsupialis. f.s. 

Funiculus spermatieus; o.a.e. M. obl. abd. ext.; o.a.i. 

M. obl. abd, int.; m.tr. abd. M. transv. abdom.; m.cr. 

M. cremaster; a.f. Art. femoralis; o.m. Marsupial- 
knochen; p. Peritoneum. 


Fig. 7. 


me (0:8 


Sn See EB 


Vordere Bauchdecke von Onychogale lunatus nach Weg- 
nahme des M. obl. abdom. ext. o.o.e. M. obl. abd. 
ext.; 0.a.i. M. obl. abd. int.; a.sp.i. Art. spermatic» 
int.; p. Peritoneum; v.d. Vas defereus; s. Symphyse. 


356 A. J. P. v. d. Broek 


bar ist; von einem Inguinalkanal kann also kaum die Rede sein. 
Diese dreieckige Fläche wird begrenzt vom unteren Rande des M. 
obliquus abdominis externus, Beutelknochen mit den daran inserie- 
renden Muskeln und Becekenrand. Deutlich zutage tritt sie in Fig. 7, 
wo die vordere Bauchdeeke von Onychogale lunatus, nach teilweiser 
Fortnahme des M. obliquus abd. ext. dargestellt ist. Aus der Mitte 
ungefähr der peritonealen Oberfläche (Ann. inguin. internus) tritt das 
Vas deferens zum’ Vorschein, um sich in bogenförmigem Verlauf zum 
Serotum zu begeben (Fig. 7). 

Vom unteren Rande des M. transversus abdominis, fast als 
selbständiger Muskel vom Beckenrande entspringend, kommt der 
M. eremaster und legt sich, in einem schräg caudo-medialen Verlauf 
erst an der lateralen Seite des Vas deferens an, um es allmählich zu 
umhüllen (vgl. Fig. 6 u. 7). Ich brauche nicht mehr den Nach- 
druck auf die Tatsache zu legen, daß der Muskel nur aus Trans- 
versusfasern besteht. Der M. obl. abd. int. nimmt an ihm keinen 
Anteil. 

Von oben und medial her kommt die Art. spermatica interna, 
die sich im Funiculus spermaticus lateral an den Ductus deferens 
anlegt (Fig. Ta.sp.i). Das Vas deferens wird bei seinem Durch- 
tritte durch die innere Leistenöffnung von einem Proc. vaginalis peri- 
tonei begleitet (vgl. Peritoneum). Vollständigkeitshalber möchte ich 
an dieser Stelle darauf hinweisen, daß ich auch bei einem erwach- 
senen weiblichen Halmaturus ruficollis einen ziemlich kräftig aus- 
gebildeten Proc. vaginalis peritonei (Diverticulum Nuckm) antraf, 
welcher das Lig. uteri teres begleitete. Der M. compressor mammae 
schmiegte sich, von lateral oben kommend, dieser peritonealen Aus- 
stülpung an, indem das Lig. uteri rotundum, allmählich schwächer 
werdend, eine gewisse Strecke auf die Oberfläche des M. compressor 
mammae verfolgbar war. 

Bekanntlich konnte Katz diese Beziehung des Compressor mam- 
mae (Homologon des M. eremaster) zu einem Proc vagin. peritonei 
nicht konstatieren, und auch KraArscH glückte es nur, das kurze’ 
Auftreten eines Divertieulum Nucku bei Perameles nachzuweisen 
Ich erblieke in der oben mitgeteilten Beobachtung eine weitere Stütze 
für die Annahme von der Homologie zwischen M. cremaster und 
M. compressor mammae. 

Der M. ceremaster begleitet den Samenstrang bis ins Serotur 
und strahlt da hauptsächlich auf die laterale Oberfläche der Tunic: 
“ vaginalis (propria) des Testikels aus. 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 357 


2. Muskeln der äußeren und inneren Genitalien. Es 
kommen hier zu allererst in Betracht der M. sphincter eloacae und 
seine Produkte. 

Die aus dem Beekenausgange hervorragenden Geschlechtsorgane 
und das Ende des Reetums samt dem Ectodäum werden von einer 
ringförmigen Muskelschicht umgeben, welche als M. sphincter cloacae 
bekannt ist. Der Namen Sphineter trifft jedoch nur zu für den 
meist peripheren Teil der Muskelschicht, welche die äußere Öffnung 
des Geschlechtshügels umgibt; die mehr dem Beckenausgange ge- 
näherten Bündel inserieren beiderseits am Schambeinast (Didelphys, 
Dasyurus, Phascologale, Phalangeridae) oder sie heften sich an die 


Fig. 8. 


SI ------___ m.sph.c. 


Mo: Er m.l.p. 


=== e£.C.P. 


 Didelphys marsupialis. b. Oberschenkelmuskulatur; m.sph.c. M. sphincter cloacae; m.l.p. Teil des 
M. levator penis; c.c.p. Corpus cavernosum penis. 


‚Oberfläche der Tunica albuginea der Schwellkörper (Phascolomys). 
Bei Phascolomys zweigt sich an der dem Schwanze zugekehrten 


sich an der Oberfläche des M. ischio cavernosus festheftet. Diese 
Muskelpartie bildet ein Teil des M. levator penis (CUNNINGHAM). 
In der Medianlinie verläuft zwischen M. er eloacae und 


Lig. suspensorium nenne. Am stärksten entwickelt ist es bei 
Dasyurus. Bei diesem Tiere geht von der Symphyse eine starke 
Jlattge Sehne ab, welche sich in zwei Hälften spaltet, die jederseits 


358 ANTRPNy. d.FBLOBK 


des M. Jevator penis auf den M. sphineter eloacae inserieren. Hier- 
mit wird für die speziell bei Dasyurus sehr weit aus dem Becken- 
ausgange heraushängenden Genitalien (vgl. Fig. 4) ein starker Be- 
festigungsapparat geschaffen. f 

Die übrigen, mit dem Geschlechtsapparate in Zusammenhang 
stehenden Muskeln sind die folgenden: 

1. M. retractor penis. 
. M. levator penis. 
. Muskelehen an der Innenseite der Symphyse. 
. M. bulbo-cavernosus. 
. M. ischio-cavernosus. 
. Muskelkapseln der Gl. Cowperi. 
. Muskelkapseln der Gl. anales. | 
. M. reeto-caudalis. 


Po 


Q ID Qi 


1. M. retractor penis. 


Der Name M. retractor penis wurde zuerst von CUNNINGHAM (7) 
angewendet, anstatt des älteren Namens M. retractor eloacae. Er 
ist zutreffender, zumal der Muskel mit der eigentlichen Cloake 
(Eetodäum) nichts zu schaffen hat, auch kein Produkt des M. sphineter 
eloacae ist. Er entspringt gewöhnlich mit einer platten schmalen 
Sehne beiderseits der Medianlinie in der Mitte der Höhe vom Saerum 
und begibt sich von hier schräg eaudo-ventralwärts, passiert das Reetum 
und heftet sich an den Penis fest in der Höhe der Knickung in 
diesem Organe. Bei mikroskopischer Untersuchung stellt sich heraus, 
daß er, der fibrösen Wand des Penis entlang verlaufend, fast bis zur 
Spitze verfolgbar ist. Bei seiner Kontraktion wird er den heraus- 
gestreckten Penis in seine Tasche zurückziehen können. 

Der Muskel besteht aus glatten Muskelfasern, kann mithin kein 
Produkt des M. sphineter cloacae sein, sondern muß zur Muskulatur 
der Eingeweide gerechnet werden. 

Über seine Genese kann ich folgendes sagen. Bei’ einem 
Halmaturus-Beuteljungen von 17,5 mm fand ich den Muskel noch 
nicht gut entwickelt, es lag lateral vom Rectum ein Zellhaufen, der 
den Verlauf des späteren Muskels angab, höchstwahrscheinlich als 
seine Anlage betrachtet werden mußte; beim 22 mm großen Beutel- 
jungen war der Muskel nachzuweisen und verlief unabhängig vo 
der Reetalmuskulatur. Bei älteren Beuteljungen war er völlig 
differenziert. Wahrscheinlich entsteht er unabhängig von der Reeta 
muskulatur. 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 359 


2. M. levator penis. 
Nach Fortnahme des M. sphincter eloacae erblickt man auf der 
ventralen Fläche des Penis in der Medianlinie einen paarigen Muskel, 


den M. levator penis 
(Fig. 9 und 10). Peripher 
geht er in eine bisweilen 
paarige (Phascolomys), je- 
doch meistens unpaare 
Sehne über, welche cau- 
dal von der Kniekung 
des Penis, in dessen bin- 
degewebiger Hülle inse- 
riet. Auf der Quer- 
schnittserie ist er noch 
weit peripherwärts, fast 
bis zur Spitze, verfolgbar. 
Nach oben zu ver- 
laufen diebeiden Muskeln, 
erst eng aneinander gela- 
_gert, in der Medianlinie, 
indem sie unterhalb der 
Symphyse lateralwärts 
abbiegen, um muskulös 


% der Tunica albuginea 


es Corpus cavernosum 
penis sich festzuheften. 
Nach Owen (2ö)undEGGE- 
LInG soll dieser Muskel 
nur denjenigen Beutlern 
zukommen, welche eine 
gespaltene Glans penis 
besitzen. In Überein- 
stimmung mit CUNNING- 
dam (Thylacinus, Cuscus) 
und Young (Phascolarctos) 
finde ich ihn auch bei 
solchen Formen, deren 
enisende ungeteilt ist. 


Ze 


a u TEE TE ET 


NH [6 
Fig. 9. 
>= c,u.4. 
Y, mır.D. 
Y 
BANK, Br 
Pp- F x 0. 
0.0.u. 
d. 
m.l.p. 
m.sph.e. 
e.m.l.p. 


Männliche Geschlechtsorgane von Didelphys marsupialis, von 

ventral gesehen. m.r.p. M. retractor penis; p. Umbiegungs- 

stelle des Penis; c.c. Cowpersche Drüsen; m.l.p. M. levator 

penis; m,sph.c. M. sphincter cloacae; c.u.g. Urogenital-Kanal; 
c.c.u. Corp. cavern. urethrae. 


Fig. 10. 


M. Levator penis von Dasyurus Geoffroyi. m.l.p. M. levator 
penis; m.sph.c. M. sphincter cloacae; p Schwellkörper; p.t. 
Penistasche. 


Jie Wirkung des Muskels kann, wieich meine, nur darin bestehen, die 
Krümmung, welche im Ruhezustand des Penis besteht, auszugleichen. 


360 A. J. P. v. d. Broek 


Damit wird der Muskel jedoch mehr zu einen Protusor penis als zu 
einem Levator. 

Ein wenig abweichend verhält sich der Muskel bei Dasyurus 
Fig. 10). Hier entspringt er von der Tunica albuginea des Corpus 
cavernosum penis kurz neben der Medianlinie, vereinigt sich sodann 
mit dem anderseitigen zu einem Muskel, dessen schmale Sehne 
nicht im eigentlichen Penis, jedoch in der Wand des oral davon 
in der Penistasche liegenden Schwellkörpers (vgl. Kap. Penis) ihr 
Ende hat. 


3. Muskelchen an der Innenseite der Symphyse. 


Bei Didelphys marsupialıs fand ich, oral von dem M. levator 
penis, ein zweites, ebenfalls paariges Muskelchen (Fig. 9a). Es ver- 
läuft an der Innenseite des Beckenrandes, im Gegensatze zum M. 
levator penis, der an der Außenseite liegt. Sein Ursprung liegt an 
der Innenseite des Corpus cavernosum penis, von da an verläuft es 
zur Medianlinie, verbindet sich mit dem anderseitigen zu einer 
kurzen medianen Sehne, welche in das Gewebe der ventralen Penis- 
fläche verschwindet. Die Bedeutung dieses Muskelchens ist mir nicht 
klar geworden, vielleicht ist es eine Variation des M. levator. 


4. M. bulbo-cavernosus 


und 
5. M. isehio-cavernosus. 


Diese beiden Muskeln bilden stark entwickelte Hüllen für 
die Bulbi des Corpus cavernosum urethrae und der Corpora cavernosa 
penis. Ich belege sie mit den Namen bulbo-cavernosus und ischio- 
cavernosus, in Übereinstimmung mit CunsıngHams Beschreibung. 
Diese Bezeichnung scheint mir zutreffender als die von EGGELING 
vorgeschlagenen Namen: M. compressor bulbi corporis spongiosi 
und M. erector penis, die er gebrauchte, weil ihm die morphologische 
Bedeutung dieser Muskeln und ihre Homologie mit den gleich- 
namigen Muskeln der menschlichen Anatomie nicht gesichert vorkam.. 

Die Mm. ischio-eavernosi umhüllen die Bulbi der Corpora caver- 
nosa penis gänzlich, so daß deren Albuginea nicht unmittelbar mil 
dem Isehium in Verbindung ist. Einen Zusammenhang der Albugine 
des Schwellkörpers mit dem Ischium, wie Sack (27) ihn für Phascologal 
angibt, traf ich niemals. Auch die Verbindung zwischen M. ischio 
cavernosus und Sitzbein ist oft eine ziemlich lockere, die wenige 
verbindenden Muskelfasern gestatten leicht eine Lösung der Muskel 


a an nn ehe hehe 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 361 


kapsel. Nur bei Phascolomys ist die Verbindung eine ziemlich feste. 
Bei Phalangeridae sind die Mm. ischio-cavernosi nur mittels Binde- 
gewebe am Sitzbeine befestigt, die Bulbi also vollkommen frei. 
Dasselbe berichten Youn@ und auch EsGELınG von Phascolarctos, 
CowPER von Didelphys. 

6. u. 7. Die Cowrerschen Drüsen, sowie die Analdrüsen sind 
von Muskelkapseln umschlossen. Die Umhüllung der Cowperschen 
Drüsen wurde von PAuLEr (26) mit dem Namen »M. compressor 
glandulae Cowperi« belegt. Ein besonderer Namen scheint mir über- 
flüssig, da sonst auch die Muskulatur der Gl. anales mit einem ähn- 
lichen Namen belegt werden muß. Sowohl die Muskelumhüllungen 
der Gl. Cowperi wie diejenigen der Analdrüsen sind, wie die Onto- 
genie lehrt, als Abspaltungsprodukte des M. sphineter eloacae auf- 
zufassen. Dasselbe gilt, worauf bereits EGGELING hingewiesen hat, 
für die Muskelumhüllungen der Bulbi von dem Corpus cavernosum 
urethrae und von den Üorpora cavernosa penis. 

8. Schließlich muß noch der M. recto-caudalis (coceygeus) ge- 
nannt werden. Dieser besteht aus glatten Muskelelementen, welche 
sich aus der Längsmuskulatur des Rectums lösen und sich zum 
Schwanze begeben, um da neben der Medianlinie zu inserieren. 
Diese Abspaltung der glatten Rectalmuskulatur scheint nicht regel- 
mäßig vorzukommen, ich vermißte sie immer bei Macropodinae. 
E6GELING vermißte den Muskel bei einem jungen Phascolomys wombat; 
bei einem ausgewachsenen Phascolomys cinereus war er kräftig ent- 
wickelt und inserierte am Schwanzrudimente. 


Peritoneum. 


_ Beim Bauchfelle haben wir zu unterscheiden: a) das Verhalten 
in der Bauchhöhle, b) dasjenige im Serotum. 


j 
- a) In der Bauchhöhle sind die Verhältnisse sehr einfache. 


Die Blase ist mittels dreier Ligamente mit der Bauchwand ver-. 
u Ventral liegt zwischen Blase und vorderer Bauchdecke ein 
Ligamentum vesicale anterius. Es reicht nicht bis zur Spitze 
der Blase, sein oberer Rand steigt mit einer sanft konkaven Linie 
von der vorderen Blasenwand zur Bauchdeeke empor. 

- Im freien Rande dieses Ligamentes habe ich bei erwachsenen 
Tieren ebensowenig wie Karz (18) Allantoisreste angetroffen. Über 
die Verhältnisse des oberen Blasenpoles zum Lig. vesicale anterius 


bei jungen Maeropodinae habe ich schon früher (l. e., S. 378) aus- 


i 


362 A. J. P. v. d. Broek 


führlieher berichtet. Ebenfalls habe ich daselbst meine Gründe an- 
gegeben für die Ursache der speziellen Verhältnisse der Blasen- 
ligamente. Von den lateralen Seiten der Blase gehen, schräg latero- 
dorsalwärts, die beiden Ligamenta vesicalia posteriora ab und 
verlaufen zur seitlichen Beeken- und Bauchwand. Auch diese beiden 
Ligamente erreichen den oberen Blasenpol nicht. In ihrem freien 
Rande oder etwas unterhalb desselben verläuft die Arteria umbili- 
calis von der Art. hypogastrica zur Blase. Eine Fortsetzung dieses 
Gefäßes in der Form eines Lig. vesico-umbilicale laterale besteht 
nieht. Ich habe Reste des Gefäßabschnittes, welcher embryonal 
zwischen Nabelöffnung und Blasenpol sich ausgestreckt haben muß, 
nicht aufgefunden. Bekanntlich entsprechen nach Karz die Artt. 
vesicales, welehe für die Blasenwand bestimmt sind, den ganzen 
intraembryonalen Artt. umbilicales. 

An den Insertionsstellen der drei Blasenligamente trifft man 
auch bei männlichen Beutlern, speziell den Macropodinae, die Längs- 
muskulatur zu Streifen, Taeniae museulares, verdichtet. 

Zwischen vorderer Bauchdeeke und Ligg. vesie. posteriora bildet 
sich jederseits ein peritonealer Reecessus, der, in Übereinstimmung 
mit dem weiblichen Geschlechte, als Excavatio vesicalis lateralis be- 
zeichnet werden kann. 

An der Stelle der großen Öffnung, welehe als Ann. inguinalis 
internus zu bezeichnen ist, kommt auch bei erwachsenen Tieren noch 
ein Processus vaginalis peritonei vor. Bei Didelphiden ist es sehr 
kurz und geschlossen, bei Dasyuridae gleichfalls, dagegen bei Phas- 
colomys sehr weit und zeitlebens offen, eng aber zeitlebens durch- 
gängig ist es bei Macropodinae. Der Ductus deferens verläuft nicht 
retroperitoneal, wie beim Menschen, doch liegt er erheblich von der 
Beckenwand entfernt und ist durch eine ziemlich breite peritoneale 
Duplicatur, ein Meso-deferentium, damit verbunden. Anfänglich, 
d. h. an der meist eranialen Stelle des intraabdominalen Verlaufes 
des Ductus deferens, verläuft diese Duplicatur fast sagittal gestellt 
zur hinteren Bauchdecke (Fig. 114) und erreicht diese gerade az 
derjenigen Stelle, wo sich der Ureter eaudalwärts begibt (Fig. 11A ur.) 

Caudalwärts rückt das Mesodeferentium mit seiner Insertion’ 
immer mehr von der hinteren auf die seitliche Bauch- (bzw. Beeken-) 
wandung, während der Ureter zwischen seine beiden Blätter tri 
Endlich erreicht die Duplieatur die Insertionsstelle des Lig. vesicale 
posterius und setzt sich auf dessen Hinterfläche fort. Es bildet sie) 
dann eine Duplicatur auf dem hinteren Blatte des Lig. vesicale 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 363 


posterius, in welcher der Ureter (medial) und der Ductus deferens 
(lateral) gelagert sind, wie aus Fig. 11 ersichtlich. 

In ihrem untersten Teile verbinden sich die beiderseitigen 
Duplicaturen zu einer transversal gestellten peritonealen Platte, 
zwischen deren Blätter die ebengenannten Gänge lagern. Durch 
diese mediane Vereinigung wird von der großen Excavatio recto- 
vesicalis eine kleine Excavatio vesi- 
calis dorsalis abgetrennt, deren un- 
terste Enden in Fig. 11 ©, dorso-lateral 
von der Blase gerade noch zu sehen 
sind. 

Caudalwärts verschmälert sich 
diese transversale Duplicatur natür- 
lich durch die Annäherung der beiden 
Ligg. vesicalia posteriora, bis die Ure- 
‚teren und die Ductus deferentes in 
die hintere Blasenwand eintreten. Das 
Rectum ist durch ein langes Meso- 
'reetum mit der hinteren Bauch- bzw. 
‚Beckenwand verbunden und ragt 
mithin weit in die Excavatio recto- 
'vesicalis vor. 

b) Im Serotum. Den ausführ- 
lichen Beschreibungen vonFRANKL (15) 
habe ich nur wenig hinzuzufügen. 

Die Beutler besitzen eine Tunica 
vaginalis propria testis, an der ein 
Brietales und ein viscerales Blätt Verhältnisse das Peritonsums zur Blase. 
zu unterscheiden sind. "Zwischen as deferens. Ureteren und Rectum bei 
‚beiden befindet sich der Sinus vagi- en te a 
nalis. In dem Falle, wo letiterer 
nicht mit der Peritonealhöhle kommuniziert, d. h. wo der Processus 
vaginalis geschlossen und obliteriert ist, wie bei Didelphiden und 
Dasyuridae, besteht ein Zustand ähnlich dem beim Menschen. 
Bei andern Formen, Phascolaretidae und Maeropodinae, bleibt lebens- 
lang eine offene Verbindung zwischen Peritonealhöhle und Sinus 
vaginalis bestehen. 


Das parietale Blatt der Tunica vaginalis propria ist bei mehreren 


‚Beutlerformen, Didelphys, Dasyurus, Petaurus (FRAnKL) und Phalan- 


geridae durch tiefschwarze Pigmentierung ausgezeichnet. Diese 
— Morpholog. Jahrbuch. 41. 24 


M 
Er 7 


364 A. J. P. v. d. Broek 


« 


kommt aueh teilweise im parietalen Peritonealblatte des Samenstranges 
vor. Ich fand sie dagegen niemals am visceralen Blatt, auch nicht 
im Mesorehium, wie es FrAnKL für Halmaturus beschreibt. 
Verfolgt man den Umschlagsrand des parietalen in das viscerale 
Fig. 12, Blatt der Tunica vaginalis, so kommt man, 
für Phalangeridae, welche ich als Bei- 
spiel wähle, zu folgendem. 

Im Samenstrange umgibt der Sinus 
vaginalis den Ductus deferens und den 
Plexus pampiniformis als spaltförmige 
Raum. Der Samenleiter ist mittels eine 
kurzen Duplicatur der Gewebsmasse des 
Plexus pampiniformis angeheftet (Fig. 12 
m. v.d.). 

Der Samenstrang erreicht den Neben 
hoden ungefähr in der Mitte von dessen 
Höhe. Der Ductus deferens begibt sich 
sodann zum Nebenhodenschwanze. Die 
Gefäße des Plexus pampiniformis ver 
laufen in der Hauptsache zum Neben 
hodenkopfe gerichtet. 

Die Verhältnisse des Peritoneums 
gestalten sich in den beiden Hälften des 
Nebenhodens etwas verschieden. 

In der Hälfte des Nebenhoden 

a enstaane von Human Schwanzes sitzt dieser dem parietalenBlatte 

walabatus. v.d. Vas deferens; pp. der Tunica vaginalis propria breit auf 
Plexus pampiniformis; m.v.d. Dup- n ih E 4 E > 

likatur des Vas deferens; £. Testikel; EIN Mesepididymis (FRANKL) ist eigentlich 

m. Mesorchium; e. Epididymis; me. nicht als solches, d. h. als peritonealeg 

Mesepididymis. 

Doppelblatt zu erkennen (Fig. 12 m. e.) 

Der Ductus deferens (bzw. Ductus epididymidis) ist in dieser Höhe 
dem Nebenhoden mittels einer kurzen Duplicatur (Fig. 12 m. v. d. 
verbunden, weiter zum Schwanze hin tritt er in den Nebenhoden eit 

Die obere Hälfte des Nebenhodens liegt frei im Sinus vaginali 
(Fig. 120). Zwischen Plexus pampiniformis und Nebenhoden lieg 
eine kurze peritoneale Duplicatur. 

Hoden und Nebenhoden werden vereinigt durch ein sehr breite 
Mesorchium. Die Länge desselben gestattet es, beide Organe erheb: 
lich voneinander zu entfernen. Sind Testikel und Epididymi 


einander angelagert, dann wird ein großer Teil von ersterem durel 


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| 
Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 365 
‚das Mesorchium bedeckt. Es inseriert am Nebenhoden in der Mitte 
‚der Fläche, welche dem Hoden zugekehrt ist. Am Hoden geht es 
‚an der seitlichen Fläche in dessen Bedeckung über (Fig. 12 B und C). 

Zwischen den Blättern des Mesorchiums verlaufen die Blut- 
‚gefäße und Ductuli efferentes testis. Hierüber wird später (S. 407 
und Fig. 14, Taf. VI) ausführlicher gehandelt. 

Ich fand den Rand des Mesorchiums nicht zu einem sog. Liga- 
‚mentum testis verdickt. 


Harnblase. 


Einige, uns interessierende Merkmale dieses Organes seien hier 
"hervorgehoben. Die Blase ist in kontrahiertem Zustande ein ziem- 
lich kleines, mehr oder weniger ovales, diekwandiges Organ, das 
der vorderen Bauchdecke, kurz oberhalb der Symphyse, anliegt. 
Ihre Wand setzt sich aus Serosa, Muskulatur und Schleimhaut zu- 
sammen. Über die Blasenligamente habe ich oben berichtet. Über- 
wiegend verlaufen die glatten Muskelbündel in eireulärer Richtung; 
oberflächlich wird diese eirculäre Muskelschicht bedeckt durch Längs- 
muskelbänder, welche zu drei Taeniae umgewandelt, an den Stellen, 
wo sich die Blasenligamente anheften, gelagert sind. An den Über- 
gang der Blase in den Urogenital-Kanal ist die Längsmuskulatur 
komplett, die eireuläre Muskelschicht zu einem Sphineter vesicae 
verdickt. Die Schleimhaut der Blase liegt im kontrahierten Zu- 
stande in starken und dicken Falten, ausgenommen an der Stelle 
"audal von den Einmündungen der Ureteren, wo sie faltenlos ist. 
Sie ist zusammengesetzt aus einem einsahtohtigen Epithel und 
iner breiten, ziemlich locker gefügten Submucosa. 

Im eaudalsten Blasenteile, kurz oberhalb des Überganges in den 
Jrogenital-Kanal münden die beiden Ureteren. Die Ausmündungs- 
teen gestalten sich bei verschiedenen Beutlerspecies in sehr ver- 
sehiedener Weise. Bei Didelphys lagen die Ureteren-Ostien auf zwei 
"inander anliegenden, kleinen konischen Papillen (Fig. 6, Taf. V 
>. ur.), wobei die Ostien zum Blasenfundus hinschauen. Ein gleiches 
Verhalten gibt CunninGHam für Thylacinus cymocephalus an. 

Bei Hypsiprymnus (Fig. 9, Taf. V) und Phalangista (Fig. 8, Taf. V) 
"agt im unteren Teile der Blase eine etwa konische Erhöhung der 
Sehleimhautoberfläche hervor, welche mit ihrer Basis zum Blasen- 
'undus gekehrt ist, mit der Spitze zum Urogenital-Kanal. Die 
3asis dieser Schleimhautwulst trägt die beiden, gleichfalls zum 
3lasenfundus hinschauenden Öffnungen der Ureteren. 

= 24* 


1 


366 A. J. P. v. d. Broek 


Bei Phascolomys sind die beiden Ureteren an ihrer Einmündung 
weiter voneinander entfernt. Ein jeder ragt mit einer, leicht caudal- 
wärts gerichteten etwa zitzenförmigen Papille ins Lumen hervor 
Fig. 7, Taf. V). Nach Young (32) münden bei Phascolarctos einereus 
die Ureteren in der Blase mit schräg caudalwärts gerichteten Ostien, 
ohne daß sie ins Blasenlumen hervorragen. 

Bei Maeropodinae sind die Ureterenpapillen dicht aneinander ge- 
lagert, niedrig und mit zum Fundus schauenden Östien versehen. 

Der eaudal von den Ureterenöffnungen liegende Teil der Blasen- 
wandung ist als das Homologon des Trigonum Lieutaudi der mensch- 
liehen Anatomie aufzufassen. Es gestaltet sich bei Beutlern sehr 
verschieden in Form je nach der Übergangsweise der Blase in den 
Urogenital-Kanal. Dieser Übergang ist als Blasenhals, Collum vesicae, 
oder als Urethra zu bezeichnen. Ziemlich dick und mit weitem Lumen 
versehen ist das Collum vesieae bei Didelphys (vgl. Fig. 6, Taf. V), 
Dureh allmähliche Wandverdiekung zeichnet sich äußerlich das obere 
Ende des Urogenital-Kanales aus. Schärfer ausgeprägt ist der Übergang 
der Blase in den Urogenital-Kanal bei Phascolomys. Von einem 
eigentlichen Collum vesicae kann da nicht die Rede sein, eine tiefe 
Furche deutet äußerlich die Grenze an; auch das Lumen ist an der 
selben Stelle eingeschnürt. Besser wieder ist ein Collum vesieae 
zu erkennen bei den Phalangerinae. Bei Hypsiprymnus allerdings 
ziemlich weit, wird es bei Macropodinae zu einem kurzen Kanale 
mit kleinem Lumen, das gegen das Blasenlumen, sowie gegen der 
Urogenital-Kanal äußerlich scharf begrenzt ist. In diesem Collum 
vesicae hat, wie auch aus der Fig. 9, Taf. V ersichtlich, die Schleim- 
haut eine faltenlose Oberfläche. i 

Über Wachstum und Ausdehnung des Trigonum Lieutaudi 
seben die folgenden zwei Beispiele Aufschluß. j 

Bei einem Beuteljungen von Phalangista vulpina von 12 mm 
münden Ureteren und Duetus deferentes in gleicher Höhe, letzter 
medial, die Ureteren lateral. Bei einer Tierlänge von 24 mm ist 
der Abstand schon 360 u, bei 37 mm beträgt er 720 u, beim er 
wachsenen Tiere 8 mm. 

Bei einem Halmaturus-Beuteljungen von 17,5 mm münden die 
Ureteren schon 120 u oberhalb der Ductus deferentes, bei 28 mm 
beträgt die Entfernung 480 u, bei 32 mm 750 u, bei 105 mm ist si 
930 u und beim erwachsenen Tiere 9 mm. i 

Zwei Kennzeichen der Ureteren seien noch erwähnt. Erstei 
dehnt sich das Trigonum vesieae nicht wie beim Menschen in ( 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 367 


Breite aus; die Ostien der Ureteren sind bei Beutlern einander sehr 
benachbart. 

Zweitens ist der Verlauf der Ureteren innerhalb der Blasen- 
wandung bei Beutlern ein schräger, und zwar gerade umgekehrt wie 
beim Menschen, wodurch die Ostien zum Blasenfundus hin gerichtet sind. 
Diese eraniale Richtung der Ureterenenden prägt sich schon bei sehr 
kleinen Beuteljungen aus. Bei weiblichen Tieren erblickte ich in 
der Verbindung beider Geschlechtsstränge die Ursache des bogen- 
fürmigen Ureterenverlaufes. Diese Ursache trifft nicht zu für männ- 
liche Tiere, bei denen die Geschlechtsstränge getrennt bleiben. 
Sicheres über die Ursache des Verlaufes der Ureteren kann ich nicht 
angeben. 


Penis, 
a) Form des Penis. 


Äußerlich ist außer bei den Dasyuridae in nicht erigiertem Zu- 
tande vom Begattungsorgane nichts zu sehen. Der Penis ist mehr 
der weniger weit in einer Penistasche zurückgezogen. 

Man kann am Begattungsgliede, gerechnet von der Stelle, wo 
ich die Corpora cavernosa dem Urogenital-Kanal anlagern, zwei 
eile unterscheiden, eine Fig. 13. 
ars libera und eine Pars a b 
bteeta. Ich wende hier 
ie Bezeichnung Pars 
ibera und nicht Glans 
Jenis an, wie es von 
EISCHMANN vorgeschla- 
sen worden ist, weil es 
nir vorkommt, daß da- 
urch nicht homologe 
elle des Begattungs- 
geanes von verschiede- Penis von Didelphys marsupialis. 4A Ansicht der oralen 
n Formen mit demsel- Fläche, 2 Ansicht der rectalen Fläche. fr. Frenulum; 
en Namen belegtwerden. aa 
ie Pars libera des Penis, also der in der Penistasche steckende 
schnitt, zeigt bei den verschiedenen Beutlerspecies sehr große und 
‚ ontogenetischer Hinsicht beachtenswerte Unterschiede, welche eine 
etrennte Besprechung der Species notwendig machen. 

Didelphys marsupialis. Eröffnet man die Penistasche von der 
ectalen Fläche her, so erblickt man den in zwei Hälften gespaltenen 


368 A. J. P. v. d. Broek 


Penis. Die freien Enden der beiden Penisschenkel laufen spitz zu, 
ihre medialen Flächen bleiben, von dorsal gesehen, ziemlich weit 
voneinander entfernt. Im obersten Teile der Penistasche verbindet 
sich der Penis zuerst in der Medianlinie mit der Wand der Penis- 
tasche, wodurch eine Art Frenulum gebildet wird (Fig. 135 fr.), dann 
vereinigen sich die zwei Penisschenkel zu einem einheitlichen Organe, 
In der Form zweier Nischen, deren Ausdehnung in Fig 135 durch 
gestrichelte Linien angegeben ist, dehnt sich die Penistasche noch 
eine Strecke weit jederseits des Frenulums aus. Direkt oberhalb 
des Fornix der Penistasche ist äußerlich die Insertion des M. retractor 
penis wahrnehmbar. 

Die orale Fläche ist komplizierter gestaltet (Fig. 13a). Eine 
bestimmte Strecke von der Spitze entfernt nimmt der Penis ziem- 
lich plötzlich an Dieke zu, und man erbliekt auf jedem Penisschenkel 
eine transversal zur Penislängsachse gestellte Furche, welche in einen 
kurzen Blindsack führt. Auf die Genese und die Bedeutung dieses‘ 
Blindsackes komme ich weiter unten zurück. In gleicher Höhe wie 
die ebengenannte Grube tritt an der medialen Fläche eines jeden 
Penisschenkels eine Furche auf. Beide Furchen konvergieren nach ® 
oben und setzen sich in den Urogenital-Kanal fort. Die äußere, 
Öffnung desselben liegt also im obersten Teile der Pars libera des# 
Penis (vgl. Fig. 13a). Auf die verschiedenen Grade der Spaltung‘ 
der Pars libera penis bei verschiedenen Didelphys-Species macht | 
GERHARDT aufmerksam. An der Stelle der Insertion vom M. retracto 
penis biegt der Penis plötzlich nach der reetalen Seite um, um nach® 
kurzem Verlaufe abermals umzukehren und wieder in cranialer | 
Richtung weiter zu verlaufen. Diese Kniekung im Verlaufe des 
Penis kommt allen von mir untersuchten Beutlerformen zu, ihre Ge- | 
nese bespreche ich weiter unten. i 

An der zweiten Biegungsstelle, also wo der Penis seinen Ver- 
lauf wieder in eranialer Richtung fortsetzt, treten die Corpora eaver 
nosa an ihn heran. u 

Ganz andre Zustände findet man bei Dasyurus. Bei Be- 
sprechung der äußeren Geschlechtsorgane machte ich darauf auf 
merksam, daß kurz vor der Analöffnung der mehr oder weniger 
eylindrische, von einer Tasche teilweise umhüllte Penis zu sehen ist 
Es ragen aus der Penistasche zwei Zipfel hervor, über deren gegen- 
seitige Lagerung innerhalb der Tasche Fig. 10 uns belehrt. Da 
rectal gelagerte Organ ist der eigentliche Penis, welcher also apieal 
ungespalten ist. Das Penisende ist etwas angeschwollen und be- 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 369 


sitzt auf seiner rectalen Fläche eine länglich viereckige Öffnung 
(Fig. 14). Auf der seitlichen Wandung der durch die Öffnung hervor- 
gerufenen Grube liegt jederseits eine Furche. Nach oben konver- 
gieren die beiden Furchen und gehen an der obersten Ecke der 
rautenförmigen Grube in den Urogenital-Kanal über. Anklänge an 
den Zustand bei Didelphys fehlen also bei Dasyurus nieht gänzlich, 
auch hier endet der Urogenital-Kanal nicht am Penisapex, sondern 
höher und setzt sich in der Fig. 14, 

Form zweier Furchen apical- A B 

wärts fort. Nur bei Didelphyys 
sind die Penisenden getrennt, 

bei Dasyurus deutet eine me- 
diane Grube die Bilateralität 
noch eben an. Das oral 
vom Penis gelagerte Organ 
(Fig 109) verbindet sich im “ 
obersten Teile der Penistasche 


@ 
mit dem eigentlichen Penis; 


es stellt, wie mikroskopische A Ende des Penis von Dasyurus macrourus von rectal 
Durchsehnitte lehren, En gesehen. B Ss zur Höhe der 
besonderenSchwellkörperdar. 

Phascologale flaviceps zeigt äußerlich große Übereinstimmung mit 
Dasyurus; nur sind bei ihm die Penisenden gespalten und treten 
ganz wenig aus der Öffnung der Penistasche hervor. Bei Ph. thor- 
beckiana soll nach SPooF und GERHARDT der Penis ungespalten sein. 
Bei Sminthopsis crassicaudatus ist äußerlich von einem Copulations- 
organe nichts zu sehen. Das untersuchte Tier besitzt, wie die Schnitt- 
serie, durch den Genitalapparat lehrt, keine Pars libera des Penis, 
das ganze Organ ist im Bindegewebe der Eetodäumwand aufgenommen. 

Gleiches gilt von den von mir untersuchten Perameles. Ich 
werde die sehr besonderen und vom vergleichend ontogenetischen 
Standpunkte wichtigen Verhältnisse des Copulationsorganes dieses 
Tieres, um Wiederholungen zu vermeiden, weiter unten im Kapitel 
über die Ontogenie des Urogenital-Kanales auseinandersetzen, wo- 
durch auch der Zustand von Smönthopsis verständlich sein wird. 

Der erwachsene Phascolomys (Ph. cinereus) besitzt eine kurze 
ungespaltene Pars libera des Penis, welche tief in der Tasche zurück- 
gezogen liegt. Der kurze freie Penis ist mit mehreren Reihen von 
Stacheln besetzt, deren freie Enden von der Penisapex abgekehrt 
sind (Fig. 4, Taf. V). Die innere Wand der Penistasche besitzt keine 


370 A. J. P. v. d. Broek 


Stacheln. Die Öffnung des Urogenital-Kanales liegt apical. Nach 
GERHARDT ist der Penis an seinem Ende in zwei kurze, spitze Fort- 
sätze geteilt. 

Der Penis von Phascolarctos hat große Formübereinstimmung mit 
dem Organe von Phascolomys. Eine einfache und fast eylindrische 
Pars libera des Penis besitzt Phalangista (Fig. 15)- 
Er ist fast gänzlich mit Stacheln besetzt, ebenso 
wie die Innenwand der Penistasche. | 

Kurz an der Spitze verjüngt sich der Penis 
plötzlich und geht in einen kurzen und spitz zu- 
laufenden Fortsatz über (Fig. 15). Die Öffnung. 
des Urogenital-Kanales liegt nicht an der Spitze 
des Penis, sondern seitlich von der Basis des 
ebengenannten Fortsatzes, 9 mm von der Apex 
entfernt. Ich verweise für die Struktur des Penis- 
endes und des genannten Fortsatzes auf die Be- 
schreibung der Querschnitte. 

Bene ron) Fialingists Hypsiprymnus besitzt eine ziemlich kurze, 
lemurina. o.e. Stelledes etwa ceylindrische Pars libera penis, welche in nicht 
Ostium externum des - a1.» . 
ar Kanaloc erigiertem Zustande weit in die Tasche zurückge- 
zogen ist. Ich sah weder auf der Penisoberfläche, 
noch auf der Innenwand der Penistasche stachelföürmige Erhebungen 
der Epidermis. Die Öffnung des Urogenital-Kanales liegt nicht ganz 
apical, sondern seitlich. Das Copulationsorgan der Macropodinae 
ist demjenigen von Phalangista ähnlich. Die Pars libera ist jedoch 
nicht so eylindrisch, sondern verjüngt sich allmählich in der Riehtung 
zur Apex (Halmaturus, Macropus, Onychogale). Auch bei diesen 
Formen liegt, wie bei Phalangista, die Öffnung des Urogenital- 
Kanales seitlich, 5 (Macropus) — 13 mm (Onychogale) von der Spitze 
entfernt. Weder Penisoberfläche noch Innenwand der Penistasche 
sind mit Stacheln besetzt. 

Über die Bedeutung der Pars libera penis der Beutler, speziell 
über ihr Verhalten zur Glans penis der monodelphen Säuger kann 
erst gesprochen werden, nachdem die Penistasche und ihre Genese 
klargestellt worden sind. 

Die Pars obteceta penis ist von einer Tunica albuginea um-' 
hüllt und dadurch gegenüber dem umgebenden Bindegewebe gut 
begrenzt. x 
Im Verlaufe der Pars obteeta besitzt der Penis eine a 
Kniekung. An der Stelle, wo der Penis hinter der Symphyse plötz- 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 371 


lich 180° umbiegt, inseriert der M. retraetor penis (vgl. Fig. 16). 
Die Sehwellkörper machen die Umbiegung mit und gehen an der 
Stelle, wo der Penis zum zweiten Male um 180° umbiegt, in ihre 
Sehenkel über. An derselben Stelle liegen die Einmündungen der 
Cowperschen Drüsen (vgl. Fig. 18). 

Oberhalb dieser Stelle liegt der entodermale Teil des Uro- 
genital-Traetus, durch die Entwicklung der Urethraldrüsen gekenn- 
zeichnet. 


Fig. 16. 


MT.D. 


c.u.g. 


Schematischer Medianschnitt durch einen Beutlerpenis. m.r.p. M. retracetor penis; c.u.g. Urogenital- 
Kanal; c.d. Cowrersche Drüse; c.c.p. Corp. cavern. penis; c.c.u. Corp. cavern. urethrae; p.t. 
Penistasche. 


Die gegebene Übersicht lehrt uns ein sehr verschiedenes Ver- 
halten des Beutlerpenis, speziell was die Pars libera und ihre Aus- 
dehnung betrifft. Owen war der Ansicht, daß ein einfacher Penis 
den uniparen Beutlern, eine gespaltene Pars libera den multiparen 
Formen zukäme. Diese Auffassung eines Konnexes zwischen Penis- 
form und Zahl der Jungen beim Weibehen hat wohl keine Be- 
rechtigung. 

 GERHARDT sucht einen Zusammenhang zwischen Spaltung des 
Penis und dem Zustand der caudalen Vaginalenden. Nachdem er 


372 A: JB. vi d. Broek 


aufmerksam gemacht hat auf den langen Sinus urogenitalis beim 
Weibehen, welcher die Rolle der Vagina der monodelphen Säuger 
spielt, sagt er l.c. S. 353: »Da, wo nun der Sinus urogenitalis im- 
stande ist, den ganzen Penis bei der Begattung in sich aufzunehmen, 
wäre eine Spaltung seiner Spitze unnütz. Wo aber der Penis 
länger ist als der Sinus urogenitalis, da wird ein größerer oder 
kleinerer Teil von ihm in die doppelte Vagina hineinragen — die bei 
manchen Beutlern vorkommende »mittlere Vagina« ist immer nur 
Geburts- und nicht Begattungskanal — und je nach dem Grade 
dieses Hineinragens wird der distale Teil des Penis gespalten sein. 
Allerdings ließe sich hiergegen einwenden, daß bei Formen mit un- 
sespaltenem Penis auch ein Begattungsmodus denkbar wäre, bei 
dem der Penis nur in eine Vagina eindränge, also auf die Seite 
gebogen würde. Das ist nicht wahrscheinlich wegen der Festigkeit 
des erigierten Corpus fibrosum, und außerdem ist in diesen Fällen 
der Sinus urogenitalis in der Tat imstande, den gesamten Penis in 
sich aufzunehmen. « 

Diese Auffassung ist wohl nicht zutreffend. Erstens gibt es 
unter den Beutlern Formen, bei denen keine Übereinstimmung in dem 
Verhalten von Penisenden und Vaginae besteht. So finde ich bei 
Phascolomys cinereus den Penis einfach, die Vaginae getrennt, selbst 
an der Einmündungsstelle ziemlich weit voneinander entfernt. 

In noch höherem Maße gilt dies für Dasyurus mit seinem ein- 
fachen, am Ende angeschwollenen Penis und doppelter Vagina. 

Der Zustand einer doppelten Vagina ist ein primärer, da die 
Geschlechtsgänge bilateral angelegt werden und nicht zur Vereinigung 
gelangen. Die einfache Vagina der Macropodinae ist ein Produkt 
des Sinus urogenitalis. Der Zustand einer doppelten Penisspitze 
wird erst während der Entwicklung im Beutel erworben; bei 
allen untersuchten kleinen Beuteljungen ist der Penis ein unpaares 
Organ. Übereinstimmend mit der Verdoppelung des Penisendes im 
männlichen Geschlechte geht, obwohl nicht immer, beim Weibchen 
eine Verdoppelung der Clitoris einher. 

Es ist durch Maßangaben natürlich nicht auszumachen, ob der 
Penis in erigiertem Zustande den ganzen weiblichen Sinus uro- 
genitalis anfüllt und gezwungen wird, mit seinen getrennten Enden 
in die Vaginae hineinzuragen. Der Beweis ist somit nicht zu” 
liefern, daß gespaltene Penisenden in die Vaginae treten. Die von 
GERHARDT angenommenen Argumente sind nicht stiehhaltig. Es sei 
auch darauf hingewiesen, daß das Argument, wonach er die Be- 


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Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 373 


gattungsmöglichkeit in der Vagina mittels ungespaltenen Penis auf 
Grund der Festigkeit des erigierten Organes verwirft, in nicht ge- 
ringerem Grade für den gespaltenen Penis gilt, da die Corpora 
fibrosa sich in den Penisspitzen fortsetzen, und da die Vaginae immer 
im Winkel in den Sinus urogenitalis einmünden. 

Warum der Sinus urogenitalis der Macropodinae in der Tat 
imstande ist, den gesamten Penis in sich aufzunehmen, weiß ich 
nicht. Die Moeropodinae besitzen den relativ kürzesten Uro-genital- 
Kanal (Owen, v. d. BROER); indessen die Didelphiden einen sehr langen 
Urogenital-Kanal haben. 


b) Innerer Bau des Penis. 


In der Struktur sowie im Verhalten der Corpora cavernosa zeigt 
der Penis der verschiedenen Beutler nicht unerhebliche Differenzen, 
so daß es wünschenswert ist, auch hier die einzelnen Species ge- 
sondert zu besprechen. 

Didelphys. Die beiden, von mächtigen Muskelkapseln um- 
sebenen Schenkel des Corpus cavernosum urethrae vereinigen sich 
median und umhüllen dann den Urogenital-Kanal mit einer breiten 
Lage von großen und weiten Blutlacunen. Ein medianes Septum 
fehlt, so daß von einer Zusammensetzung aus zwei Hälften nichts 
zu selien ist. Die Blutlacunen werden von sehr platten Endothel- 
zellen begrenzt und voneinander durch mächtige Bindegewebszüge 
getrennt. Ich fand bei Didelphys kein Muskelgewebe als Wandung 
der Lacunen. In den Bindegewebsbalken verlaufen hauptsächlich 
arterielle Gefäße, welche als zuführende Gefäße des Corpus caver- 
nosum urethrae zu betrachten sind. 1 

An der Stelle, wo der Penis sich in seine zwei Spitzen teilt, 
wird auch das Corpus cavernosum urethrae paarig. Die Lacunen 
umgeben nicht nur die Rinnen, welche die Fortsetzung des Uro- 
genital-Kanales bilden, sondern auch des C. cavern. penis und reichen 
bis unter die Haut. Sie werden da von einer besonderen Arteria, 
welche der Art. dorsalis penis homolog zu stellen ist, gespeist. 

Die Corpora cavernosa penis sind paarig und symmetrisch. 
Beide Crura treten in der Medianlinie zusammen, verlaufen durch 
den einfachen Teil des Penis und setzen, wieder getrennt, ihren 
Verlauf in die beiden Penisspitzen fort. 

In den Corpora eavernosa penis von Didelphys spielen die Blut- 
lacunen nur eine untergeordnete Rolle. Fast das ganze Gebilde ist 
aus derben Bindegewebsbündeln aufgebaut und verdient vielmehr 


374 A. J. P. v. d. Broek 


den Namen Corpus fibrosum als Corpus cavernosum; nur in den 
beiden Crura erreichen die Blutlaeunen einen größeren Umfang. 

Dasyurus. Die Spitze des Penis ist ziemlich stark angeschwollen, 
was seine Ursache in der mächtigen Ausbildung der Blutlacunen des 
Corpus cavernosum urethrae hat, welche bis gegen die Haut reichen 
und eine Glans penis vorstellen. Verfolgt man die Lacunen in der 
Querschnittserie, dann sieht man, wie sie sich um den Urogenital- 
Kanal konzentrieren. Ein Teil der Lacunen jedoch wird aus einer 
besonderen Arteria dorsalis penis gespeist; sie zeigen damit das Ver- 
halten der Lacunen der Glans penis des Menschen. 

"Das Corpus cavernosum urethrae trennt sich an der Knickungs- 
stelle des Penis in zwei Crura, welche bis zu den Tubera ischii zu 
verfolgen sind. Im Centrum dieser Crura verläuft eine diekwandige 
Arterie, ein Zweig der Art. hypogastrica und das zuführende Gefäß 
für diesen Teil des C. ce. urethrae. 

Bei Dasyurus besteht ein dritter Schwellkörper, der in der 
Penistasche an der oralen Seite des Penis gelagert ist und frei 
hervorragt. Betreffs der Genese dieses Schwellkörpers verweise ich 
auf eine früher gegebene Darstellung (l. e. S. 351). Hier sei er- 
wähnt, daß die den Schwellkörper anfüllenden Blutlacunen mit denen 
des C. eavern. penis zusammenhängen, daß das ganze Gebilde also 
als ein Produkt des letzteren aufzufassen ist. 

Die Corpora eavernosa penis bestehen auch hier hauptsächlich 
aus dicken und kräftigen Bindegewebsbündeln; die Blutlacunen 
nehmen nur einen untergeordneten Teil des Schwellkörpers ein; auch 
hier wäre die Bezeichnung Corpus fibrosum zutreffender. 

Bei Phascologale sind die Penisspitzen getrennt. Jede Spitze 
wird bis gegen die Haut von mächtig entfalteten Blutlacunen angefüllt, 
welche von Zweigen der Art. dorsalis penis gespeist werden, also 
als Corpus cavernosum glandis aufgefaßt werden können. Weiter am 
Urogenital-Kanal entlang nimmt die Zahl der Lacunen im €. cavern. 
urethrae ab, so daß dieser Traktus von nur wenigen Lumina um- 
geben wird. 

Die beiden Schenkel der Corpora cavernosa penis treten in der 
Medianlinie zusammen und lagern dann als eine, auf Querschnitten 
hufeisenförmige Masse oral vom Urogenital-Kanal. Am apicalen 
Penisende trennt die Masse sieh wiederum in zwei Hälften, welche 
im Centrum der großen Laeunen des ©. ce. urethrae (glandis) zu 
den beiden Penisspitzen sich fortsetzen. An den (. e. penis ist eine 
dieke Tuniea albuginea und eine centrale Masse zu erkennen. 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 375 


Letztere wird hauptsächlich von Bindegewebe gebildet, und die Blut- 
lacunen sind nur spärlich vorhanden. Es bildet sich bei Phascolo- 
gale flaviceps kein besonderes Corpus eavernosum wie bei Dasyurus. 

Bei Sminthopsis crassicaudatus, dessen Penis bei meinem Objekte 
im Bindegewebe der Eetodäumwandung eingeschlossen liegt, bildet 
sich auch ein Corpus cavernosum glandis aus, während das C. e. 
urethrae durch nur wenige Blutlacunen dargestellt wird. Erst da, 
wo sich der Schwellkörper in seine beiden Schenkel teilt, sind die 
Laeunen reichlicher entwickelt. Beide Corpora cavernosa penis ver- 
binden sich median und bilden eine einzige, auf Querschnitten huf- 
eisenförmige Masse. Diese teilt sich am apicalen Penisende in zwei 
Ausläufer. 

Die Anlage eines dritten Schwellkörpers, ein Produkt des €. e. 
penis, ist anwesend, nur ist es äußerst kurz. 

Perameles. Beim Tiere von 11 cm sind Blutlacunen erst in den 


beiden Schenkeln des C. carvern. urethrae aufgetreten; rings um 


den Urogenital-Kanal findet man sie noch gar nicht. Die Corpora 
cavernosa penis treten median zusammen und bilden oral vom Uro- 
genital-Kanal einen einfachen fibrösen Strang. Auch hierin fehlen 
Blutlacunen noch gänzlich. 

Beim Tiere von 25 cm ist der periphere Teil das Penis in zwei 
Hälften getrennt; eine jede Hälfte ist von einer eireulären Präputial- 
lamelle umgeben. 

Blutlacunen des Corp. cavern. urethrae sind auch hier haupt- 
sächlich in beiden Crura dieses Schwellkörpers zu finden. Rings 
um den (im Bindegewebe der Eetodäumwand gelagerten) Urogenital- 
Kanal sieht man sie nur im Teile oberhalb der Präputiallamellen. 

Die Crura der Corpora cavernosa penis treten in der Median- 
linie zusammen; sie bilden dann eine den Urogenital-Kanal an 
dessen oraler Seite hufeisenföürmig umgebende Masse, an welcher 
die Bilateralität durch ein teilweises Septum hervortritt. Peripher 
trennt sich dieser, fast ausschließlich bindegewebige Strang in zwei 
Schenkel, welche sich je in eine Penisspitze fortsetzen. Ein jeder 
Schenkel teilt sich an seinem Ende nochmals, so daß am Ende vier 
Spitzen der C. ce. penis bestehen. Perameles unterscheidet sich also 
von andern Beutlern, soweit ich sehe, durch das Fehlen eines C. 
cavern. glandis. Ob die Blutlacunen später sich stärker entwickeln, 
muß ich unentschieden lassen. 

Im Baue des Penis von Phascolomys treten mehrere Eigentüm- 
lichkeiten auf. Das Epithel der Penisoberfläche und der Penistasche, 


376 Rd. By, duBrIoek 


sowie das des Urogenital-Kanales ist durch den Besitz von Pigment 
ausgezeichnet, welches sich in der Form von feinsten Körnchen in 
den tieferen Zellagen vorfindet. 

Die Lacunen des Corpus cavernosum urethrae sind mächtig ent- 
wickelt und beherrschen die ganze Penislänge hindurch das Durch- 
schnittsbild. 

Beide Corpora cavernosa penis bleiben ihrer ganzen Länge nach 
vollständig voneinander getrennt und verlaufen selbst in ziemlicher 
Entfernung voneinander parallel durch den Penis. Beide sind von 
den Lacunen des C. e. urethrae rings umgeben. Auch hier werden 
die O©. e. penis größtenteils aus Bindegewebe geformt, während die 
Lacunen nur spärlich vorhanden sind. | 

In der Mitte ungefähr eines jeden Corpus cavernosum penis 
liegt ein kurzer Stab aus hyalinem Knorpelgewebe. Auf Fig. 5, 
Taf. V habe ieh den Querschnitt des Knorpelstabes bei stärkerer 
Vergrößerung wiedergegeben. Phascolomys ist meines Wissens der 
einzige Beutler, der Knorpelgewebe im Penis aufweist. Da das 
untersuchte Tier völlig ausgewachsen war, so ist es nicht wahr- 
scheinlich, daß dieser Knorpel sich noch in Knochengewebe umge- 
wandelt haben würde. 

Macropodinae. Ich beschreibe zunächst den Penis eines 
jungen Macropus dorsalis, den ich in frischem Zustande konservieren 
und in einer ununterbrochenen Serie von Querschnitten zerlegen 
konnte. 

Die äußere Bedeekung wird von einem mehrschichtigen Pflaster- 
epithel gebildet, dessen oberste Lagen verhornt sind. Sie ist mit 
großen gegen die Peniswurzel gerichteten Stacheln ziemlich dicht 
besetzt. Das Corium besitzt ein kräftig entwickeltes Stratum 
papillare. Die Papillen setzen sich bis in die Stacheln hinein fort. 

Die Grundmasse des Penisgewebes ist ein dichtgefügtes Binde- 
gewebe, in welches der Urogenital-Traktus und die Corpora caver- 
nosa, sowie mehrere Gefäße und Nerven eingebettet sind. 

Die Bindegewebsfibrillen verlaufen im allgemeinen eireulär. Ein 
Corpus cavernosum urethrae ist als gut umgrenztes Gebiet (Fig. 17) 
nicht nachzuweisen. In der Umgebung des Urogenital-Kanales sind 
mehrere große Gefäßlumina zu erkennen (Fig. 17 e. e. «.). Eine be- 
stimmte Abgrenzung gegen ihre Umgebung, sowie gegen eine Tunica- 
albuginea, fehlt. Doch stellen diese Lumina, wie die Dureh- 
musterung der Serie zeigt, in der Tat das Corpus cavernosum 
urethrae dar. In der Nähe der Peniswurzel sammeln sich die Ge- 


a 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 377 


fäße um den Urogenital-Kanal und gehen schließlich in beide 
Sehenkel dieses Sehwellkörpers über. Ein Teil der Lumina sammelt 
sich zu einer Vena dorsalis penis, obwohl nicht kräftig entwickelt, 
bilden sie doch ein C. eavernosum glandis. Zweierlei Blutlumina 
sind zu unterscheiden. Erstens trifft man auf dem ganzen Quer- 
schnitt bis in das Fig. 17. 

Stratum papillare hin- 
ein Lumina, welche 
nun mit Endothel um- 
randet sind; sie stellen 
wohl Capillaren vor, 
welche wahrscheinlich 
für das Grundgewebe 
des Penis dienen. 
Zweitens liegen in der 
Umgebung des Uro- 
genital-Kanales die 
erwähnten großen Lu- 
mina. Obwohl Arterien 
und Venenlumina mit ee 0 I €: 
muskulösen Wandun- DE er N nn 
gen angetroffen wer- AUNAN Iyldei 
den, besitzt die Mehr- 
zahl dieser Lunina 
nur Wandungen von 

Bindegewebszügen. 

Durch festes Gefüge 


en Querschnitt durch den Penis von NMacropus dorsalis jwvenilis. 
und Kernreichtum las c.u.g. Urogenitalkanal; c.c.v. Lacunen des Corpus cavern. ure- 


sen sich diese Binde- thrae; c.c.p. Corpus cavern. penis; s. Stacheln des Epithels (e) 
gewebswandungen der 9. Grundgewebe des Penis. 
Lumina vom umgebenden Gewebe unterscheiden. 

Ganz anders gestalten sich die Corpora eavernosa penis. Dieht 
oberhalb, d.h. oral vom Urogenital-Kanal findet man die im Penis 
verlaufenden Teile der Corpora cavernosa penis. Es besteht im 
Penis der Macropodinae eine Asymmetrie dieser Schwellkörper. 

Eine mächtige Tunica albuginea begrenzt deren Umgebung. 
Sie besteht aus festgefügten eireulären Bindegewebsfibrillen, zwischen 
welche nur sehr spärlich Kerne eingestreut liegen. 

Hin und wieder dringen von der Albuginea Septen ins Innere 
des Corpus cavernosum. Die Grundmasse wird von einer kern- 


ec.p. 


IS DR RURSGETED, 
SUN 77,07 
URAN IE INGE 


— aan (Als 


378 A. J. P. v. d. Broek 


reichen und dadurch dunkel tingierten Bindegewebsmasse gebildet. 
In ihr finden sich ziemlich spärliche Blutlacunen. Diese sind mit 
Endothel bekleidet. Eine Muskelwandung fehlt. Ich befinde mich 
hiermit in Widerspruch mit den Angaben von DisseLHorsrt (10), der 
die Lumina im Ü. ce. penis von Phalangista als »Schläuche von 
glatter Muskulatur« bezeichnet (l. e. S. 145). 
Dem Ü. eavern. penis gesellt sich in der Nähe der Peniswurzel 


Fig. 18. 


r.d. h 


Ms ph.ci. 


[9 


‘| 


Querschnitt durch die Geschlechtsorgane von Halmaturus thetidis, 5 19 em, vergr. 18. c.c.p. Corpus 
cavern. penis; c.c.«. Corpus cavern. urethrae; c.u.y. Urogenitalkanal; »n.r.p. M. retractor penis; 
r. Rectum; r.d. Rectaldrüse; m.sph.cl. M. sphincter cloacae. - 


ein zweites C. cavern. hinzu. Dieser zweite Schwellkörper nimmt 
bald an Mächtigkeit zu, bis die beiden ungefähr gleich groß sind. 
Sie treten darauf in der Medianlinie zusammen und umgeben den 
Urogenital-Kanal hufeisenförmig. An der Peniswurzel trennen sie 
sich wieder voneinander, treten in die Crura ein, welche, von 
mächtigen Muskelkapseln umgeben, bis zu den Tubera ischii verlaufe 

Zur Orientierung über die gegenseitige Lagerung der Schwel 
körper an der Peniswurzel gebe ich in Fig. 18 einen Querschnitt 
dureh die äußeren Geschlechtsorgane von Halmaturus thetidis (19 em 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 379 


wieder. Der Schnitt geht durch die Höhe der Einmündung der 
Cowrerschen Drüsen. 


Oral vom Urogenital-Kanal verbinden sich beide Schenkel der 
Corpora cavernosa penis in der Medianlinie. Zwischen diesen und 
dem Urogenital-Kanal liegen die Schenkel des Corp. cavern. urethrae. 
Im Centrum der Crura des letzteren verläuft eine starke Arterie, ein 
‚Zweig der Art. hypogastriea. 

Überblicke ich die Anordnung der Corpora cavernosa im Penis 
der Beutler, dann komme ich zu folgendem Ergebnisse. 


1. Corpora eavernosa penis. Die von mächtigen Muskel- 
kapseln umgebenen Schenkel dieser Schwellkörper verbinden sich 
median zu einer einzigen Masse, welche den Urogenital-Kanal an 
dessen dorsaler Seite hufeisenförmig umgibt (Didelphyidae, Dasyuri- 
dae, Peramelidae, Macropodinae). Apical trennt sich diese Masse 
wieder in zwei Hälften bei Formen mit getrennten Penisspitzen 
(Didelphyidae, Phascologale, Dasyurus, Perameles [4]. Bei Macro- 
podinae ist die Entwicklung der Crura asymmetrisch, indem nur 
der linke Schenkel sich durch den ganzen Penis hindurch 
fortsetzt. 


Bei Phascolomidae bleiben die beiden Corpora cavernosa penis 
gänzlich getrennt und weit voneinander entfernt. 


Die C. e. penis besitzen eine mächtige Tunica albuginea; es 
kommen in ihnen nur wenige Blutlacunen vor. Sie verdienen daher 
mehr den Namen Corpus fibrosum als C. cavernosum. 


2. Corpus cavernosum urethrae. Es besitzt gleichfalls 
zwei von Muskeln umgebene Crura, welche median in. der Höhe 
der Einmündung der Cowperschen Drüsen zusammentreten. Von 
da an umgeben ihre Lacunen den Urogenital-Kanal in verschiedener 
Ausdehnung. Eine Tunica albuginea als äußere Umgrenzung fehlt. 
_ Apical schwillt es zu einem 


3. Corpus cavernosum glandis an. Dieser Teil wird wie 
beim Menschen von einer Art. dorsalis penis aus gespeist. Am ge- 
ringsten entwickelt fand ich das ganze C. c. urethrae bei Perameles, 
am stärksten bei Phascolomys.. 


4. Besondere Schwellkörper kommen als Differenzierungs- 
produkte des C. c. penis bei einigen Dasyuridae (Dasyurus, 
Sminthopsis) vor (Phascologale nach GERHARDT). 


Was die Ontogenie der Schwellkörper betrifft, so zeigen die 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 25 


380 A. J. P. v. d. Broek 


Corpora cavernosa penis bei den jüngsten von mir untersuchten 
Beuteljungen eigentlich schon dieselbe Form, welche sie im er- 
wachsenen Tiere besitzen. 

Bei kleinen Beuteljungen liegt oral von der Anlage des Uro- 
genital-Kanales (bzw. der Phallusleiste) ein Strang dichtgefügter 
mesodermaler Zellen, welcher sich in zwei Crura trennt, die bis in 
die Nähe der Tubera ischii zu verfolgen sind. Am apicalen Ende 
ist dieser Zellstrang bei den Formen mit getrennten Penisenden 
zweigeteil. Auch bei Monodelphen bilden die später paarigen 
Corpora cavernosa zuerst einen einheitlichen medianen Zellstrang, 
worauf schon von NicoLAs, RETTERER, EICHBAUM, TOURNEUX und in 
letzter Zeit von LICHTENBERG hingewiesen worden ist. 

Erst ziemlich spät differenzieren sich aus dieser Anlage die 
Corpora cavernosa penis. Erstens bilden sich die peripheren Zell- R 
schichten in eine derbe Tunica albuginea um und zweitens ent- 
stehen im Innern allmählich die Blutlacunen, und zwar wie mir 
scheint, in der Richtung von der Peniswurzel zur Spitze hin. Die 
Aufteilung des anfänglich einfachen Zellstranges in den paarigen 
Schwellkörper ist eine verschiedene. Nur bei Phascolomys treten 
schließlich zwei völlig getrennte Schwellkörper auf. Die Möglich-" 
keit besteht, daß sie vielleicht schon vom ersten Auftreten an paarig 
waren. Asymmetrisch gestalten sich die Penisschwellkörper bei den 
Macropodinae. Während bei Beuteljungen die Anlage ganz sym- 
metrisch ist, wird nach und nach der ganze im Penis verlaufende 
Zellstrang in das linke C. cavern. penis übergeführt. Das rechte 
erstreckt sich nur wenig in den Penis hinein (vgl. Beschreibung von 
Macropus). 


Hiermit tritt bei den Maeropodinae ein Zustand auf, wie er bei 
den mit einem Penis versehenen Vögeln (Straußen, Enten, Gänsen) 
vorkommt. Naeh der Beschreibung von JOHANNES MÜLLER ist der 
Penis dieser Tiere jedoch mit »zwei an der Basis verwachsenen, 
nach der Eichel zu asymmetrische Schenkel bildenden fibrösen 
Körpern ausgestattet« (zit. nach PoMAYER). Eine gleiche Erscheinun 
kommt bei einigen Säugetieren vor. Die Entwicklung des Corpu 
cavernosum urethrae und des C. cav. glandis stimmt, soweit mein 
Beobachtungen reichen, mit derjenigen bei monodelphen Säuger 
und dem Menschen überein. Nur fehlt den Beutlern eine Tunie 
albuginea als äußere Umgrenzung dieses Schwellkörpers. 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 381 


Penistasche. 


Der nicht erigierte, Penis liegt mehr oder weniger tief in einer 
Tasche versteckt, welche ich als Penistasche bezeichnet habe. Ich 
wählte diesen indifferenten Namen, weil mir die Bezeichnungen »Prä- 
putialtasche« oder »Glandarium« nicht für alle Beutlerformen in 
gleichem Maße berechtigt vorkamen. Die Genese der Penistasche 


Fig. 19. 


Querschnitte durch die Geschlechtsorgane von Didelphys aurita. 5 15 cm. 
h. Lumen der Penistasche; ph. Phallus; pAl. Phallusleiste; c.«.g. Urogenital-Kanal; a. Sinusim Phallus, 


kommt nämlich bei verschiedenen Beutlern nicht in derselben Weise 
zustande. 

Die primitivsten Verhältnisse, welche sich dem Monotremen- 
zustande anschließen, zeigen die Didelphiden. 

Der Penis, welcher bei kleinen Beuteljungen in der Form eines 
konischen Zapfens frei hervorragt, wird bei Didelphys allmählich 
von zwei Wülsten der seitlichen Ectodäumwandung umwachsen, welche 
en 25* 


38 A. J. P. v..d. Broek 


sich, oral von ihm, in der. Medianlinie begegnen und hier mitein- 
ander verwachsen. In Fig. 19 ist die Bildung der Penistasche beim 
Beuteljungen von 15 cm zu sehen. In Fig. 19 A werden die getrenn- 
ten Penisspitzen teilweise von den zwei Wülsten umgeben, welche 
(Fig. 19 B—D) sich allmählich nähern und schließlich verschmelzen 
(Fig. 19E). 

Ob die so entstandene Penistasche sich später noch vertieft, 
etwa dadurch, daß das Epithel der inneren Oberfläche in das Penis- 
sewebe hineinwuchert (Glandarlamelle), muß ich unentschieden 
lassen, obwohl es mir im Zusammenhang mit der Topographie der 
den Penis aufbauenden Teile nicht sehr wahrscheinlich vorkommt. 
Beim erwachsenen Didelphys beobachtet man bisweilen auf der vor- 
deren Wandung der Penistasche eine Art Raphe, welche vielleicht 
als das Produkt des Zusammenwachsens der zwei seitlichen Wülste 
anzusehen ist. Diese Genese ist in zweierlei Hinsicht von Wichtig- 
keit. Erstens führt sie uns einen Bildungsmodus vor Augen, wie 
er nach KEIBELsS bekannten Untersuchungen teilweise bei Echidna 
angetroffen wird (l. e. S. 193). Zweitens führt die Beobachtung zur 
Erkennung der Tatsache, daß die Pars libera penis von Didelphys 
dem ganzen, frei hervorragenden Phallushöcker entspricht. Eine 
Teilung in sog. Glans und Glandarium im Sinne FLEISCHMANNS 
durch Hineinwucherung einer Glandarlamelle trifft höchstens für 
einen kleinen Teil der Pars libera zu; daher kann diese auch nicht 
ohne weiteres der Glans penis (nach FLEISCHMANN) andrer Säuger 
homolog sein. 

Bei Dasyurus ist die Genese der Penistasche eine andre. Meinen 
früheren Beschreibungen (l. e. S. 304) entnehme ich folgendes. Beim 
männlichen Beuteljungen von 19,6 mm ist eine epitheliale Glandar- 
lamelle eben aufgetreten; sie hat eine Höhe von 45 u und ist 150 u 
von der Penisspitze entfernt. Diese Lamelle trennt also einen cen- 
tralen Mesodermkern von einer peripheren Schicht. Nach FLEıscH- 
MANN konnte man hier von einer Glans und einem Glandarium reden. 

Der Penis wächst zunächst stark in die Länge, beim Beuteljungen 
von 53 mm fängt die Glandarlamelle sogar erst 630 « von der Penis- 
spitze entfernt an. Sie hat inzwischen auch an Länge zugenommen, 
da sie eine Strecke von 795 u in das Penisgewebe eindringt. Bei’ 
der weiteren Entwicklung haben wir dann einen doppelten Pro- 
zeß zu unterscheiden. Durch tieferes Eindringen der Glandar- 
lamelle wird ein immer größerer Teil des Penis im centralen Teil 
(Pars libera) von einer peripheren Hülle (Penistasche) getrennt. Y 


Pr 


Ya 


Pi 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 383 


Die Wandung der Penistasche wächst viel schneller als der 
Penis, wodurch der erst frei hervorragende Penisabschnitt allmäh- 
lich in die Penistasche hineinbezogen wird, bis schließlich der ganze 
Penis von der äußeren Körperoberfläche verschwunden ist. Es sind 
also am Penis von Dasyurus eigentlich zwei Teile zu unterscheiden, 


Fig. 20. 
A ekt. _E ekt, 
E 
B ekt. 
r. 
F pP 
® 
c.u.g. 
p. 
D 7 
G p 
c.u.g. 


Querschnitte durch die männlichen Geschlechtsorgane von Sminthopsis crassicaudatus. ekt. Eetodäum; 
pr. Proctodäum; c.u.g. Urogerital-Kanal; p. Penis. 


der apicale Teil, der von der Wandung der Penistasche umwachsen 
wird, und ein andrer Teil, welcher durch Einwucherung des Epithels 
der Glandarlamelle aus seiner Umgebung herausgeschält worden ist. 
‚Äußerlich ist am Penis des erwachsenen Tieres keine Grenze zwi- 
schen diesen zwei Abschnitten zu beobachten. Beim ältesten, mir 
zur Verfügung stehenden Beuteljungen von Dasyurus (53 mm) umgab 


384 A. J. P. v. d. Broek 


die Glandarlamelle noch nicht die ganze Peniseireumferenz, so daß 
ich nieht die Bildung einer Raphe (praeputii) habe wahrnehmen 
können. 

Der dritte Schwellkörper bei Dasyurus entsteht dadurch, daß 
eine ringförmige Epithelmasse in das Phallusgewebe hineinwuchert. 
Diese epitheliale Doppellamelle liegt in der Mitte der Glandarlamelle 
und an der oralen Seite des Penis (vgl. 1. e. Fig. 24). Nach Ab- 
lösung der Epithelien liegt dann der dritte Schwellkörper oral vom 
Penis in der Penistasche. 


Querschnitt durch den Penis von Sminthopsis crassicaudatus. Verg.115. c.c.g. Corp. cavern. glandis 
9. . Glandarlamelle; c.c.p. Corp. cavern. penis, phl. Phallusleiste; e. Lumen des Ectodäums. 


Die Genese der Penistasche bei Phascologale ist der von Dasy- 
urus sehr ähnlich. Versehieden davon ist der Befund bei Smin- 
thopsis crassicaudatus. Das bei diesem Tiere gefundene Verhalte 
führt hinüber zu dem Zustande, der für Perameles charakteristisch i 

Der Penis (und Clitoris) von Sminthopsis ist nicht frei, sonde 
liegt im Bindegewebe der oralen Eetodäumwandung eingebettet. 

Durehmustert man die Querschnittserie von der Penisapex 
dann fällt zuerst auf, daß es nicht eine, sondern zwei Gland: 
lamellen gibt. Eine jede umgibt eine der Penisspitzen (Fig. 20 
Nach einigen Schnitten tritt sogar eine dritte, zwischen beiden Gl 
darlamellen gelagerte epitheliale Doppellamelle auf (Fig. 20D). 1 
innerhalb dieser Lamelle befindliche Gewebe unterscheidet sich von 


sehr kleinen Organ ein Ho- 
mologon des dritten Corpus 
cavernosum von Dasyurus 
‚erblicke. Nach einigen 
| Schnitten verbinden sich 
die drei epithelialen La- 
\ mellen miteinander, und es 
snitiert daraus eine ein- 
zige, hufeisenförmig ge- 
‚ staltete Glandarlamelle, wie 
"sie in Fig. 21 dargestellt 
ist. Diese ist, allmählich 
an Ausdehnung sich verrin- 
gernd, durch viele Schnitte 
zu verfolgen. Nur durch 
‚Lösung der Epithelien kann 
‚ bei diesem Tiere, ebenso wie 
bei Perameles der Penis be- 
weglich werden und aus der 
Penistasche hervorgestreckt 
werden. Es besteht ein gut 
entwickelter M. retractor 
penis. 
Entwicklungsvorgänge 
bei Perameless. Der ur- 
sprünglich frei hervorra- 
gende Phallus wird erst all- 
mählich in das Gewebe der 
oralen Ecetodäumwandung 
aulgenommen. Das Epithel, 
das die anfangs freie Phallus- 
oberfläche bedeckt, scheint 


nn — m 


Perameles 11 em). Erst 
später wachsen, wie mir 


Pe. 


Su 


cheinen will, von der Wan- 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 385 


Penisspitzen dadurch, daß es kein Corpus cavernosum enthält. Ich 
glaube nicht zu irren, wenn ich in diesem, allerdings bei Sminthopsis 


Fig. 22. 
\ Be). “in c.u.g. 


Querschnitte durch die Geschlechtsorgane von Perameles. 
5»Bem. ekt. Ectodäum; v.f. ventrale Falte; v.r. ventrale 
Rinne; phl. Phallus; p. Präputiallamelle; pr. Procto- 


däum; c.u.g. Urogenital-Kanal. 


lung des Eetodäums ausgehend, zwei Glandarlamellen nach innen. 
°se sind cireulär, berühren sich in der Medianlinie und stehen 


386 A. J. P. v. d. Broek 


an der Penisspitze mit dem Epithel der Ectodäumwandung im Zu- 
sammenhang (Perameles von 25 cm). Perameles unterscheidet 
sich hierin wesentlich von andern Beutlern. Erstens haben wir, 
gewiß wohl als große Ausnahme, die Bildung von zwei Glandar- 
lamellen zu verzeichnen. Werden später durch die Delamination der 
Epithelien von den Glandarlamellen die von ihnen umschlossenen 
Penisabschnitte beweglich, dann treten getrennte Penisspitzen auf. 
Diese sind bei Perameles jedoch genetisch- nicht mit den getrennten 
Penisspitzen von Didelphys homolog. Indem sie bei dieser Form 
durch Delamination der Zellen von der Phallusleiste entstehen, 
eine jede Penisspitze also die Hälfte des ursprünglichen Phallus- 
höckers vorstellt, kommt, die Bildung bei Perameles durch die 
Einwucherung der zwei Glandarlamellen zustande. Eine jede der 
so entstandenen Penisspitzen enthält bei Perameles Corpora cavernosa 
und einen Epithelstrang; letzterer ist ein Produkt der Phallus- 
leiste und stellt die Anlage der Samenröhre vor. Erst später be- 
kommt sie ein Lumen. (Vergl. Fig. 22.) 

Den Beschreibungen von Hırn nach tritt auch beim weiblichen 
Geschlechte eine doppelte Glandarlamelle auf. Anscheinend lösen 
sich die Zellen dieser Doppellamellen nicht, und es bleibt die 
Clitoris also zeitlebens an die vordere Wand des Eetodäums ange- 
schlossen. Beim erwachsenen Perameles- Weibchen zeichnet HırLL 
die zwei Glandarlamellen ebenso, wie ich sie beim Männchen von 
25 em antreffe. i 

Von den Phascolomidae stand mir kein entwieklungsgeschicht- 
liches Material zu Gebote; ich kann daher nur einige Mitteilungen 
über die Penistasche beim erwachsenen Tiere machen. Diese ist, 
wie Fig. 4 auf Taf. V zeigt, sehr tief. Die kurze, dicke Pars libera 
penis füllt sie nur teilweise. Bei Betrachtung der inneren Ober- 
fläche der Tasche fällt sofort das verschiedene Aussehen zweier Teile 
auf. Die den Penis umgebende obere Hälfte der Tasche zeigt eine 
fast vollkommen glatte Oberfläche, welche keine Stacheln trägt. Die 
untere dagegen besitzt eine stark gerunzelte Oberfläche, welche an 
der äußeren Öffnung allmächlich in die äußere Haut übergeht. Ihre 
Oberfläche besitzt Haare. Auch die Penisoberfläche läßt deutlich 
zwei Teile unterscheiden. Der obere ist glatt und mit Stacheln be- 
setzt, der untere, nur die Spitze einnehmende Teil besitzt solche 
nicht. 

Ich habe die zwei Teile der Penistasche deswegen so scharf 
unterschieden, weil ich meine, daß sie genetisch wohl zu trennen 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 387 


sind. Doch werde ich das näher bei Besprechung der Genese 
der Penistasche bei den Phalangeridae erörtern. 

Es kommen bei den Vertretern der drei Gruppen der Phalan- 
geridae keine Unterschiede in der Bildung einer Penistasche vor. 
Ich kann mich daher auf die Beschreibung einer einzigen Species 
beschränken. Ich wähle dafür Halmaturus thetidıs. 

Die Anlage einer Penistasche tritt ziemlich spät auf, bei einem 
Beuteljungen von 10,4 em besteht sie noch nicht. Bei ihm ragt der Penis 


noch weit über die Oberfläche der Eetodäumwandung hervor (540 u). 


Bei einem Beuteljungen von 16,4 cm besteht eine Glandarlamelle 
in einer Ausdehnung von 560 u. Die Lamelle dringt in einer Ent- 
fernung von 1280 « von der Penisspitze in das Penisgewebe ein; 
äußerlich ist diese Stelle durch eine Furche auf der Oberfläche des 
Penis bemerkbar. Nur im meist apicalen Teile ist diese Furche 
eine eirculäre, höher hinauf ist sie immer mehr auf die orale Penis- 
oberfläche beschränkt. 

Wie die Querschnitte aus verschiedenen Stadien lehren, um- 
wächst die Glandarlamelle erst allmählich die Peniscircumferenz 
von der Spitze zur Wurzel hin. Beide Ränder treten an der rec- 
talen Seite in einer Raphe zusammen, wie es für verschiedene mo- 
nodelphe Säuger (Schaf, Cavia, Katze) in den Arbeiten FLEISCHMANNS 
auseinandergesetzt ist. Die Querschnitte lehren uns des weiteren, 
daß der oral aus der Phallusleiste in das Penisgewebe hineinwach- 
sende Zellstrang ganz in demjenigen Penisabschnitte gelagert ist, 
der außerhalb der Anfangsstelle der Glandarlamelle sich befindet, 
also in der frei hervorragenden Penisspitze. 

Beim Beuteljungen von 18,5 cm verhalten sich die unterschie- 


denen Teile folgendermaßen. Die Glandarlamelle hat eine Höhe 


von 840 u erreicht; die Stelle, wo sie in das Gewebe des Penis ein- 
dringt, ist 3400 « von der Spitze entfernt. Hieraus ist der Schluß 
zu ziehen, daß nicht allein die Höhe der Glandarlamelle zugenom- 
men hat, sondern daß auch der apical von ihr gelagerte Penisab- 
schnitt ziemlich stark gewachsen ist. Dieses Wachstum geht weiter 
aus der Tatsache hervor, daß der ebenerwähnte Zellstrang noch 
immer in der freien Penisapex sich befindet, obwohl er an Länge 
zugenommen und ein Lumen bekommen hat. 

Schreiten wir jetzt zum Beuteljungen von 19,5 em. Die Höhe 
der Glandarlamelle beträgt jetzt 4700 u, ihr Abstand von der Penis- 
spitze ist 400 u. Wiederum also eine Höhenzunahme der Glandar- 
lamelle. Doch ist dem vorigen Beuteljungen gegenüber eine Ände- 


388 A. J. P. v. d. Broek 


rung aufgetreten. Während beim Beuteljungen von 18,5 cm der 
erwähnte Zellstrang bzw. Blindkanal apical vom Rande der Glandar- 
lamelle liegt, findet man jetzt die Stelle, wo diese Lamelle anfängt, 
mit der Bifureationsstelle des Urogenitalkanals fast in gleicher Höhe. 
Das bedeutet, daß der Blindkanal jetzt fast ganz in dem Teile des 
Penis lagert, der von einer Glandarlamelle umgeben ist. Diese 
Umbildung der Topographie kann nur in einer Weise zustande ge- 
kommen sein, nämlich dadurch, daß neben einer Einwachsung der 
Lamelle in das Penisgewebe auch eine Umwachsung der Penisspitze 
durch das umgebende Gewebe stattgefunden hat. Diese Umwachsung 
geht langsam weiter, sie führt zu einer allmählichen Aufnahme 
der Spitze in die Penistasche, so daß beim erwachsenen Tiere der 
ganze Penis in der Tasche versteckt liegt. 

Öffnet man die Penistasche von Halmaturus, dann sind an der 
Innenfläche wieder zwei Teile zu unterscheiden, welche durch das 
Öberflächenrelief sich unterscheiden. Der obere, den größten Teil 
des Penis umgebende Teil besitzt ein fast glattes, der Penisober- 
fläche ähnelndes Aussehen; der untere Teil hat eine gerunzelte Ober- 
fläche, welche mehr mit der äußeren Hautbedeckung übereinstimmt. 
Wahrscheinlich sind dies die beiden in ihrer Genese differenten Ab- 
schnitte. 


Canalis urogenitalis. 


Ich werde bei dessen Beschreibung zwei Abschnitte unterscheiden: 
1. den vom Anfange bis zur Einmündungsstelle der Cowperschen 
Drüsen und 2. den von letztgenannter Stelle bis zur äußeren Öff- 
nung gelangenden Abschnitt. 

1. Craniale Hälfte. Die obere Hälfte des Urogenital-Kanales 
ist ein Produkt des entodermalen Sinus urogenitalis und gestaltet 
sich bei den verschiedenen Species zu einem Kanal von verschiedener 
Form und Länge. 

Bei Didelphiden ist er ein dicker, caudalwärts sich ein wenig 
verjüngender Schlauch. Das untere Ende liegt ungefähr in der Höhe 
des Unterrandes der Symphyse. Der Übergang von der Blase in den 
Urogenital-Kanal überragt den oberen Symphysenrand beträchtlich 
(Fig. 23). Der sehr lange Traetus verläuft dabei nicht gerade, son- 
dern besitzt in seiner oberen Hälfte eine spiralige Drehung; von 
einem verticalen Verlaufe biegt er plötzlich horizontal um und zieht 
nach kurzem horizontalen Verlaufe in der ursprünglichen Richtung‘ 
weiter (Fig. 23). Diese Drehung liegt im intraperitonealen Teile des 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 389 


Urogenital-Tractus. Bei den übrigen Beutlern ist der Urogenital- 
Kanal verhältnismäßig viel kürzer. Am besten ist die Form einem 
Keile zu vergleichen, der mit seiner Basis eranialwärts steht und 
dessen Spitze an der Einmündungsstelle der Cowrerschen Drüsen 
liegt. Der ganze Traetus verläuft gestreckt hinter der Symphyse 
und kommt in seiner Länge ungefähr mit der Höhe der Symphyse 
überein. Er ist mit letzterer durch lockeres Bindegewebe verbunden. 
Strafferes Gewebe fand ich, namentlich bei Ma- Fir. 23. 
eropodinae, nur zwischenunterem Symphysenrand 
und Wandung des Urogenital-Kanales. 

Außer bei den ebenerwähnten Didelphiden 
liegt der ganze Urogenital-Kanal extraperitoneal. 
Seine Form wird fast ausschließlich durch die 
excessive Entwicklung der Gl. urethrales (und der 
Prostata bei Macropus) bedingt. Für die Be- 
schreibung dieser Drüsen verweise ich auf das 
Kapitel »Accessorische Geschlechtsdrüsen«. 
Durch die allmähliche Reduction der Drüsen in 
caudaler Richtung verjüngt sich der Urogenital- 

Kanal in derselben Richtung. Im alleruntersten ana von Didapmae mar 
Teile fehlen die Drüsen. Außen wird die Drüsen- swpialis. — Grenze der 
schicht von glatter Muskulatur umgeben, deren a ann et 
Bündel in transversaler Richtung verlaufen. 

Früher habe ich sie als M. eircularis urethrae unterschieden. 
OuDEMmAns hat im obersten Teile des Urogenital-Kanales von Pera- 
meles einen quergestreiften Muskel gefunden und als M. urethralis 
beschrieben, der den andern Marsupialiern vollständig fehlt. 

Das Lumen des Urogenital-Kanales ist, abgesehen vom ober- 
sten Teile, wo die Ductus deferentes einmünden, von ziemlich glei- 
chem Umfange. Die Schleimhaut bildet im allgemeinen längsver- 
laufend eFalten, wodurch das Lumen auf Querschnitten sich mehr oder 
weniger sternförmig gestaltet. Es ist mit einem mehrschichtigen 
Epithel austapeziert. 

Die Öffnungen der Urethraldrüsen sind als feine Pünktchen 
‚schon mit unbewaffnetem Auge auf der Schleimhautoberfläche zu 
sehen. Eine besondere Besprechung erheischt der oberste Teil des 
Urogenital-Kanales mit den Einmündungsstellen der Ductus defe- 
rentes, wo das Lumen mehr oder weniger spindelförmig erweitert 
ist. Bei Didelphys ragen auf der dorsalen Wand dieses Teiles zwei 
ziemlich lange und schmale Papillen hervor, welche mit schräg caudal- 


— 


390 A. J. P. v. d. Broek 


wärts gerichteten Ostien in den Urogenital-Kanal einmünden. Es sind 
dies die beiden, sich in das Lumen hinein erstreckenden Enden der 
Ductus deferentes (Fig. 6, Taf. V). 

Bei Dasyurus münden letztere dicht nebeneinander auf einer, 
von der dorsalen Oberfläche des Urogenital-Kanales in das Lumen 
hineinragenden Erhöhung, welcher der Namen Colliculus seminalis 
beizulegen ist. Gleiches findet sich bei Perameles. | 

Einen großen und gut ausgebildeten Colliculus seminalis besitzt 
Phascolomys (Fig. 7, Taf. V). Der Urogenital-Kanal ist im obersten 
Teile stark spindelförmig erweitert. Von der dorsalen Wand ragt 
hier ein länglich ovoider Schleimhautwulst in das Lumen des Ka- 
nales, der sich nach oben zu in das Schleimhautgebiet des Trigonum 
Lieutaudi fortsetzt. Nach unten geht er in eine kräftige Längsfalte 
im Urogenital-Kanale über, welche caudalwärts allmählich niedriger 
wird. In der Mitte dieses Hügels lagern die Ostien der Samenleiter, 
ferner sind auf der Oberfläche (außer zwischen den beiden Ostien 
der Ductus deferentes) die Öffnungen von Urethraldrüsen zu erkennen. 
Auf der Mitte des Collieulus zwischen den zwei Ostien ist noch eine 
schmale Längsfalte der Schleimhaut zu sehen. 

Den Phalangerinae kommt ein Collieulus seminalis zu, doch 
scheint er nicht so kräftig ausgebildet zu sein wie bei Phascolomys. 
Bei einem Phalangista vulpina von 11 cm (Beuteljunges), mündeten 
die Ductus deferentes auf der Oberfläche des Collieulus seminalis, 
bei einem erwachsenen Phalangista lemurina sah ich einen läng- 
lichen und schmalen Colliculus, daneben auf kurzen Papillen die 
Östien der Ductus deferentes (Fig. 8, Taf. V). 

Hypsiprymmus bildet eine Ausnahme. Obwohl der craniale Teil 
des Urogenital-Kanales eine selbst stark ausgesprochene Erweiterung 
besitzt (vgl. Fig. 9 auf Taf. V), ist von einem Colliculus seminalis' 
nichts zu sehen. Dagegen hängen, von der dorsalen Wand des Ver- 
bindungsstückes zwischen Blase und Urogenital-Kanal ausgehend, 
zwei mächtige und einander angelagerte Papillen mit eaudalwärts 
gerichteten Ostien in das Lumen des Urogenital-Kanales vor. 

Den Maeropodinae kommt ein Collieulus seminalis in typischer 
Ausbildung zu. j 

Ich konnte die Entwicklung des Samenhügels an den Beutel- 
Jungen von Halmaturus thetidis studieren und gebe zunächst meine 
Befunde wieder. Bei einem Beuteljungen von 28mm münden die 
beiden Worrrschen Gänge in der lateralen Wand des Sinus uro- 
genitalis, etwas der dorsalen Seite genähert. Die zwischen beiden 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 391 


Gängen gelagerte Wandstrecke ist nicht in das Lumen des Sinus 
vorgebuchtet; es besteht also noch kein Collieulus seminalis. (Fig. 28a.) 
Hierin zeigt Halmaturus Übereinstimmung mit monodelphen Säugern 
und dem Menschen, denn nach FELIX (l. ce. S. 438) findet »beim Men- 
schen der Durchbruch der Worrrschen Gänge in die Oloake auf- 
fallend weit caudal und ventral statt; ihre spätere dorsale Lage zur 


Fig. 24. 


Entwicklung des Colliculus seminalis bei Halmaturus thetidis. A Beuteljunges 23 mm; B Beutel- 
Junges 32 mm; © Beuteljunges 104 mm; D Beuteljunges 164 mm; E Beuteljunges 190 mm. 


Harnblasen-Harnröhrenanlage können wir wohl nur durch die An- 
nahme erklären, daß die Wandstrecke der Cloakenwand zwischen 
der Mündung des primitiven Harnleiters und dem lateralen Umfang 
der Cloakenmembran stärker als ihre Umgebung wächst und so die 
Mündung dorsalwärts verlagert«. 

Beim Beuteljungen von 32 mm münden die WoLrrschen Gänge 
bereits auf der dorsalen Wandung des Urogenital-Sinus aus. Die 
Wandstrecke zwischen den beiderseitigen Einmündungsstellen buchtet 
sich konvex in das Lumen vor (Fig. 24B). Diese Einbuchtung wird 


392 A. J. P. v. d. Broek 


_ 


eranialwärts sowie caudalwärts niedriger, d. h. es hat sich schon ein 
Collieulus seminalis ausgebildet. Der Abstand zwischen beiden Ein- 
mündungsstellen hat sich indessen nicht vergrößert, er ist derselbe 
wie beim Beuteljungen von 28 mm. 

Auf Figur 24 C, welche das eines Beuteljungen von 10,4 em 
wiedergiebt, münden die WoLrrschen Gänge bereits auf den Samen- 
hügel. Ihre Ostien sind lateralwärts gerichtet. Auch hier ist deren 
Abstand noch ebenso groß wie beim vorigen Beuteljungen, obwohl 
der Umfang des Urogenital-Traetus stark zugenommen hat. Die 
Anlagen der Urethraldrüsen liegen lateral von den Wourrschen 
Gängen. Beim Beuteljungen von 16,4 em hat der Colliculus 
seminalis an Ausdehnung stark zugenommen (Fig. 24D). Die 
Worrrschen Gänge münden an der Übergangsstelle der vorderen 
und seitlichen Wandung des Samenhügels aus. Die Urethraldrüsen- 
anlagen sind noch nicht auf den Colliculus gerückt. Beim Tierchen 
von 19 em ist der bleibende Zustand erreicht. Die Ductus deferentes 
münden, noch immer in derselben Entfernung voneinander, auf der 
vorderen Wand des Colliculus seminalis aus. Auch hier bleibt das 
Gebiet des Samenhügels noch frei von Urethraldrüsen. 

Wir ersehen hieraus, daß ein Collieulus seminalis dadurch ent- 
steht, daß die anfangs konkave Wandstrecke zwischen beiden WOLFF- 
schen Gängen konvex in das Lumen des Sinus urogenitalis vor- 
buchtet. Diese Wandstrecke wächst bei der weiteren Entwicklung 
nicht mehr. Indem sich nach und nach ein immer größerer Teil 
der Wandung in das Lumen des Urogenital-Tractus vorbuchtet, werden 
die Ostien der Ductus deferentes allmählich auf den Samenhügel 
verlegt. 

Daß kein Zusammenhang zwischen Bildung des Collieulus 
seminalis und Herantreten der MürLerschen Gänge an die dorsale 
Wandung des Urogenital-Tratus besteht, geht aus dem oben Gesagten 
deutlich hervor. Erstens ist ein Collieulus seminalis bereits vorhanden, 
bevor die Mürnerschen Gänge sich voll entwickelt haben, und 
zweitens sehen wir einen gut ausgebildeten Samenhügel auch bei 
den Macropodinae, bei denen die MüLterschen Gänge niemals den 
Urogenital-Sinus erreichen, sondern in die WoLrrschen Gänge au 
münden. Daß in dieser Hinsicht die Beutler nieht ganz isoliert da- 
stehen, geht aus den Beschreibungen von KwWIETNIEWSKI (21) hervor, 
der bei Cavia von einem Collieulus seminalis spricht, noch bevor sich 
die Müruerschen Gänge entwickelt haben (Embryo von 15 mm) 
(l. c. S. 242.) 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 393 


Der Collieulus seminalis hat somit eine andre Bedeutung als 
diejenige, welche ihm, hauptsächlich auf Grund der Untersuchungen 
MiHALKOVICs, KEIBELS u. a., zugeschrieben ist. FELIx sagt hierüber 
(l.e.S. 77) »An der dorsalen Wand des Sinus urogenitalis angelangt, 
brechen die MüLLerschen Gänge nicht sofort durch, sondern bleiben 
eine lange Zeit blind geschlossen liegen. Vor ihrem Durchbruch 
buchten sie die Wand des Sinus ein und bilden eine Papille, auf 
welcher später die gemeinsame Mündung erfolgt. Die Papille hat 
v. Mınarkovic den Mürterschen Hügel getauft.« 

Es erhebt sich die Frage, welche Ursache für das Auftreten 
eines Colliculus seminalis besteht, und welche Bedeutung ihm zu- 
kommt. Die Antwort auf diese Frage würde den Rahmen vorliegender 
Arbeit überschreiten. Ausgebreitetere vergleichende Untersuchungen 
haben die Bedeutung des Samenhügels ans Licht zu stellen. Wir 
können nur feststellen, daß der Collieulus seminalis eine, wahrschein- 
lich allen Säugetieren außer den Monotremen zukommende Ein- 
richtung im Urogenital-Kanal ist. 

2. Caudale Hälfte des Urogenital-Kanales. Die ‘caudale 
Hälfte des Urogenital-Kanales liegt zwischen Einmündungsstelle 
der Cowrerschen Drüsen und äußerer Öffnung. Zum richtigen Ver- 
ständnisse der Bilder, welche uns beim Studium dieses Abschnittes 
vor Augen treten, ist es unumgänglich nötig, die ÖOntogenie der 
betreffenden Teile heranzuziehen. Erst dadurch ist man imstande, 
‚eine Erklärung für den so abweichenden Bau des Urogenital- 
'Kanales bei den verschiedenen Beutlern zugeben. Daneben scheinen 
mir die Befunde bei Marsupialiern wichtig auch für die Deutung 
und Homologisierung des caudalen Teiles des Urogenital-Kanales 
bei andern Säugern und dem Menschen. An andrer Stelle habe 
ich (5) kurz über die Entwicklungsgeschichte des Urogenital-Kanales 
bei drei Beutlerformen (Perameles, Didelphys, Halmaturus) berichtet 
und meine Ansichten über das Wesen dieses Tractus auseinander- 
‚gesetzt. Ich beginne die Beschreibung mit der Gattung Perameles: 
Das jüngste von mir untersuchte Objekt hat eine Länge von 
50 mm!. Das apieale Ende des frei hervorragenden Phallus wird 
durch die Phallusleiste? (Fig. 25pAl) in zwei Hälften zerlegt. Gegen 
die Wurzel des Phallus hin schneidet die Leiste von der reetalen 


YH 


ı Fadenlänge von der Schnauzenspitze bis zur Schwanzwurzel. 

2 Phallusleiste (FLEISCHMANN) —= bouchon eloacal, lame eloacale, lame ur£- 
thrale (ToURNEUx), Cloakenplatte, Urogenital-Platte (KEıBeL, Disse), Urethral- 
leiste (PascHkıs), Cloakenseptum (REICHEL), Urethralplatte (LICHTENBERG). 


N 
ii 


394 A. J. P. v. d. Broek 


Oberfläche ein und ist an ihrem Ende gabelig geteilt (Fig. 25B). 
Sobald der Phallus in die orale Afterlippe übergegangen ist, 
(Fig. 25 0), tritt in dem sehr@dicken Epithellager, welches die 


Querschnitte durch die äußeren Geschlechtsorgane von Perameles. 5 50 mm. pAl. Phallusleiste; 
ekt. Ectodäum; g.r. Rectaldrüsenanlage; c.u.g. Urogenital-Kanal; pr. Proctodäum; s.f. Mesoderm- 
masse von der seitlichen Wand des Ectodäums; r. Rectum; c.d. Cowrexsche Drüse. 


rectale Phallusoberfläche bedeckt, eine Spalte auf (Fig. 25 C, e. «. g.), 
welche die äußere Öffnung des Tractus urogenitalis ist. Wie der 
Fig. 250 zu entnehmen ist, ist die epitheliale Bekleidung der in 
das Eetodäum schauenden Phallusoberfläche sehr viel dicker als die- 
jenige des übrigen Teiles. Nach einigen Schnitten wird das Lumen 


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Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 395 


des Urogenital-Kanales von der Oberfläche durch zwei mesodermale 
Massen abgeschnürt, welche von den seitlichen Wandungen des Ecto- 
däums medianwärts vorragen und sich miteinander verbinden. In 
Fig. 25D sind sie beinahe miteinander verschmolzen. In dieser 
Weise kommt das Lumen des Urogenital-Kanales erst im Gebiete 
des Epithels zustande, welches die reetale Phallusoberfläche be- 
deckt (Fig. 25D). Sobald sich durch Vereinigung der Mesoderm- 
massen in der Medianlinie Proctodäum (Fig. 253E pr) und Urogenital- 
Kanal (c.w.g.) voneinander getrennt haben, sind an letzterem zwei 
Teile zu erkennen, erstens der von Ectoderm umrandete Kanal, 
zweitens eine der oralen Wand dieses Kanales aufsitzende Doppel- 
lamelle, welche die Fortsetzung der Phallusleiste darstellt. 

Im mikroskopischen Bilde sind diese zwei Teile scharf gegen- 
einander begrenzt, wie Fig. 10 auf Tafel V lehrt. Der Urogenital- 
Kanal wird von mehreren Schichten eirculär gelagerter platter, 
großer und blasser Zellen umrandet. Die tiefsten Zellschichten sind 
nicht sehr scharf gegen das untenliegende Bindegewebe abzugrenzen. 
Die Bindegewebskerne liegen an der rectalen Seite des Urogenital- 
Kanales (in der Figur nach oben) deutlich wie in Strömen zur Median- 
linie hin gerichtet; sie sind daselbst nieht so dicht wie im Gebiete 
der Phallusleiste gelegen. Diese sitzt der oralen Urogenital-Wand 
auf und besteht, außer einem doppelten Stratum germinativum aus 
einigen Schichten dunkel tingierter Zellen, welche durch diese Färbung 
sich scharf gegen die blasseren Zellen des Urogenital-Epithels ab- 
grenzen. 

Während an dem vorzüglich konservierten Objekt an keiner 
Stelle Retraction vom Epithel des Urogenital-Kanales vom umgebenden 
Bindegewebe sich vorfindet, hat sich das Epithel der Phallusleiste 
an einigen Stellen vom Bindegewebe zurückgezogen (vergl. Fig. 10, 
Taf. V). Daß diese Retraction nieht die Ursache für die tiefere 
_ Färbung ist, beweisen die Stellen, wo eine derartige Retraction nicht 
besteht, und trotzdem die Tinktion gleich dunkel ist. 

Dieser Aufbau des Urogenital-Kanales bleibt, abgesehen von 
einer etwas abnehmenden Höhe der Phallusleiste bis zur Einmündungs- 
‚ stelle der Cowrerschen Drüsen (Fig. 257) bestehen. Hier weichen 
die Blätter der Phallusleiste auseinander und gehen in die Wandung 
‚des entodermalen Teiles des Urogenital-Kanales über. 

Die Cowrerschen Drüsen münden im ectodermalen Teile des 
‚ Urogenital-Kanales aus, d.h. in dem Teile, welchen wir als vom 


Ectodäum abgeschnürt erkannt ‚haben. 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 26 


396 A. J. P. v. d. Broek 


Auf Fig. 26 habe ich versucht, den eben beschriebenen Zustand 
an einem schematischen Längsschnitte wiederzugeben. Für dieses 
Schema, sowie für die Schemata der folgenden zu beschreibenden 
Formen gilt, daß die Phallusleiste und ihre Produkte sowie das 
übrige Entoderm gestrichelt, 
das Ectoderm als durchge- 
zogene Linie und das Corpus 
cavernosum doppelt schraf- 
fiert dargestellt sind. Bei 
einem _ Perameles - Beutel- 

_ Jungen von 11 cm liegt ein 
an on Fo Ds an. cn On ganz andrer Zustand wor 
cavern,; phl. Phallusleiste; c.u.g. Urogenital-Kanal; . Von einem frei hervorra- 

Rectum; c.d. Cowpessche Drüse, . 
genden Phallus ist nichts 

zu sehen. Der konische Colliculus urogenitalis trägt eine ein- 

fache etwa trapezförmige Öffnung. Die ersten Schnitte durch 
den Colliculus urogenitalis geben uns das Bild der Figur 274. 
Das Lumen des Eetodäums ist etwa trapezförmig, die schmälere 
Seite liegt oral, die breitere Basis rectal. Die Mitte der oralen 
Wandung trägt eine schmale und hohe Falte (v. f.) auf deren etwas 
verbreiterter Spitze eine starke Ecetodermwucherung, die Spitze des 
Phallus, sitzt (Fig. 27pk). Der ursprünglich frei hervorragende 
Phallus ist also bei Perameles sekundär mit der ventralen Wand des 
Eetodäums in Zusammenhang getreten. Auf Figur 27B wird der 
Phallus (ph) schon weit mehr wie bei A von der eben erwähnten 
Falte der oralen Eetodäumwand beiderseits umfaßt. Die Falte an 
sich ist niedriger und breiter geworden. Ganz anders sieht das 
Bild etwas weiter cranial aus (Figur 27C). Der Phallus ist allmählich 
durch das Bindegewebe der Vorragung gegen die orale Eetodäum- 
wand allseitig umgeben worden und befindet sich jetzt gänzlich 
eingeschlossen in das Bindegewebe der oralen Eetodäumwandung, 
Ein Rest des Epithels, von der ursprünglich freien Oberfläche her- 
rührend, ist auf Fig. 27C noch bei az zu sehen, Im Phallus 
selbst erblickt man zwei dicht nebeneinander lagernde Epithel- 
knöpfe. Sie sind als Produkte der Phallusleiste aufzufassen, höchst- 
wahrscheinlich dem gabelförmig geteilten Ende dieser Leiste ent- 
sprechend. Man muß hierbei annehmen, daß der Zusammenhang 
mit der Oberfläche verloren gegangen ist. Auch die Lagebeziehung 
zum Öorpus eavernosum weist daraufhin, daß wir in diesen zwei Epithel- 


knöpfen Produkte der Phallusleiste vor uns haben. 7 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 397 


Auf demselben Schnitte beansprucht noch eine zweite Erscheinung 
die Aufmerksamkeit. Aus der Fig. 27C ist zu ersehen, wie das 
Eetodäum im Begriff ist, durch zwei große Falten, welche der seit- 


Fig. 27. 


Querschnitte durch die äußeren Geschlechtsorgane von Perameles spec. 11 em. ph. Phallusspitze; 
s.f. Falte der seitlichen Ectodäumwand; die übrigen wie Fig, 25. 


lichen Wand aufsitzen (Fig.27 C's.f.), in zwei Hälften zerlegt zu werden. 
Sobald die Falten median vereinigt sind (Fig. 27D) ist auch das 
Lumen des Ectodäums in zwei Teile zerlegt, in das Proctodäum (pr) 
und die Harnröhre (c.z.g.). Oral von letzterer sind die oben erwähnten 
Epithelknöpfe im Bindegewebe der Eetodäumwand wieder zu finden. 
& 26* 


398 A. J. P. v. d. Broek 


Dureh viele Schnitte bleibt der angetroffene Zustand bestehen; 
nur wird der Abstand zwischen Proctodäum und Harnröhre all- 
mählieh größer (Fig. 27E). Endlich kommt, nachdem die Epithel- 
knöpfe ein kleines Lumen bekommen haben, eine Verbindung zwischen 
Harnröhre und Epithelknöpfen zustande (Fig. 27F). Hierdurch 
entsteht ein Urogenital-Kanal von typischer, viereckiger Form 
(e.u..g + phl). Die Teile dieses Kanales sind an der Form sowie am 
Epithel zu erkennen und sind ceranialwärts bis zur Einmündungs- 
höhe der Cowrerschen Drüsen verfolgbar. Diese münden daselbst 
in.dem vom Eetodäum abgeschnürten Teile des Urogenital-Kanales 
aus. Die schematische 
Fig. 28 soll den Zu- 
stand im Median- 
schnitte wiedergeben. 
Das Produkt von dem 
Eetodäum ist als Harn- 
röhre aufzufassen. Ven- 
tral von ihr liegt im 
Bindegewebe das Pro- 


Schematischer Medianschnitt durch die Geschlechtsorgane von dukt der Phallusleiste 
Perameles spec. & 11 cm. c.c. Corpus cavern.; phl. Phallusleiste; ö og Er 
c.u.g. Urogenital-Kanal (Harnröhre); pr. Proctodäum; c.d. (die Epithelknöpfe). 


a ae Cranial hiervon folgt 
ein Teil des Urogenital-Kanales von gemischter Natur. Endlich, 
oberhalb der CowPperschen Drüsen, wird er ganz entodermaler Natur. 

Noch eigenartiger waren die Bilder bei einem Perameles spec. 
von 25 em. Die ersten Schnitte dureh den Collieulus urogenitalis 
zeigen uns den unregelmässig viereckigen Querschnitt des Eetodäums, 
mit einer hohen medianen Längsfalte auf der oralen Wandung. Nach 
mehreren Schnitten dringt ein epitheliales Septum, dessen Ende etwas 
angeschwollen ist, in diese Vorragung ein und teilt sie in zwei 
Hälften (Fig. 29B). Durch Auseinanderweichen beider Lamellen 
dieses Septums wandelt es sich in eine Furche um (Fig. 29C.) Vom 
Ende dieser dringt das Epithel noch eine Strecke in das Bindegeweb 
ein und endigt mit einer starken Anschwellung, welche, wie di 
weiteren Schnitte lehren, die Penisspitze darstellt. In den folgende 
Schnitten ändert sich das Bild ziemlich stark. Während die median 
Rinne tiefer wird, erblickt man im Bindegewebe der oralen Eetodäum 
wandung zwei Epithelknöpfe (Fig. 29D phl), deren jeder von eine 
ringförmigen epithelialen Doppellamelle umgeben ist. Die beide 
seitigen eirculären Lamellen sind median verschmolzen. Innerhal 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 399 


einer jeden dieser Epithellamellen liegt auch der Querschnitt von 


einem Corpus cavernosum. 

Der Befund ist, wie ich 
meine, so zu deuten, daß die 
Epithelknöpfe die Produkte 
der Phallusleiste sind, wofür 
auch ihre Lagerung zum Cor- 
pus cavernosum spricht. Die 
eireulären - Doppellamellen 
müssen, wie weitere Schnitte 
und die Vergleichung mit an- 
dern Formen lehren, als Glan- 
darlamellen aufgefaßt werden. 
Sie sind noch weit cranial- 
wärts zu verfolgen. 

Durch eine Brücke ist 
das Epithel dieser Lamellen 
mit dem Oberflächenepithel 
des Ecetodäums verbunden. 

Durch mediane Vereini- 
gung der beiden, die mediane 
Rinne umfassenden Ränder 
schnürt sich eine Harnröhre 
vom Eetodäum ab (Fig. 29 E). 
Dann liegt die Harnröhre im 
Bindegewebe des medianen 
Wulstes, nähert sich aber nach 
und nach den beiden Epithel- 
knöpfen. In Fig. 29 G liegt sie 
der äußeren Oberfläche der 
Präputiallamellen unmittelbar 
an. Cranial von den Enden 
der@Glandarlamellen istein Zu- 
stand aufgetreten (Fig. 29 7), 
wie wir ihn schon beim Ob- 
jekte von 11 em kennen lern- 
ten. Auch hier treten eine 
Harnröhre und oral von ihr 


Querschnitte durch die äußeren Geschlechtsorgane von 

Perameles spec. & 25 em. s. Epithelseptum in der 

ventralen Falte v.f.; v.r. Urogenital-Rinne; p. Glan- 
darlamelle; die übrigen wie Fig. 25. 


zwei Epithelknöpfe auf, welche sich noch etwas höher zu einem 
Kanale von viereckiger Form vereinigen, wie Fig. 29J uns lehrt, 


400 A. J. P. v. d. Broek 


und wie ich es ausführlich vom vorigen Beuteljungen beschrieben 
habe. 

In Fig. 30 ist wiederum ein schematischer Medianschnitt dar- 
gestellt. Der caudale Teil, die Harnröhre, ist das Produkt vom 
Eetodäum. Oral von ihm liegt das Produkt der Phallusleiste 
(Epithelknöpfe) und ist von einer doppelten Präputiallamelle im 
Bindegewebe der oralen Eetodäumwandung umgeben. Weiter oben 
ist der Urogenital-Kanal; gemischter Natur, durch Zusammenfluß 
vom eetodäalen Teil mit den von der Phallusleiste herrührenden 
Knöpfen entstanden. Er erstreckt sich bis zu den Cowrerschen 
Drüsen, wo er in den entodermalen Sinus urogenitalis übergeht. 


Fig. 30. 


Schematischer Medianschnitt durch die äußeren Geschlechtsorgane von Perameles spec. 5 25 em. 
p. Glandarlamelle; c.c. Corpus cavern.; phl. Phallusleiste; c.v.g. Harnröhre; r. Rectum; c.d. 
CowPpersche Drüse. 


Überblickt man den Entwieklungsgang des Urogenital-Kanales 
bei Perameles, so kommt man zu dem Schlusse, daß an ihm, caudal von 
den Cowrerschen Drüsen zwei Abschnitte zu unterscheiden sind. 
Im oberen Abschnitte ist der Kanal gemischter Natur und zusammen- 
gesetzt aus dem Produkte der entodermalen Phallusleiste und dem 
(eetodermalen) vom Eetodäum abgesehnürten Teile. Im unteren Ab- 
schnitte sind Harnröhre und Samenröhre getrennt; erstere stellt 
einen vom Eetodäum abgeschnürten und vom Penis unabhängig ver- 
laufenden Schlauch dar, letztere liegt im Bindegewebe der oralen 
Eetodäumwandung eingeschlossen. Warum ich die beiden Teile als 
Harnröhre und Samenröhre aufführe, geht aus folgendem hervor. 
Bei Echidna bestehen nach KEIBEL caudal von der Einmündungs- 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 401 


stelle der Cowrperschen Drüsen zwei Kanäle, eine Samenröhre, 
welche den Penis durchsetzt, und eine Harnröhre, welche vom Uro- 
genital- Kanale in schräg caudaler Richtung unabhängig vom Penis 
zum Eetodäum hin verläuft. Diese beiden Kanäle haben eine ganz 
verschiedene Genese. Die Samenröhre differenziert sich aus der 
Phallusleiste. Den Figuren der KeısgEerschen Arbeit nach glaube ich, 
daß der obere Randteil dieser Leiste hauptsächlich das Material 
dafür liefert. Lange Zeit bleibt die Samenröhre undurchbohrt und 
ist ein solider, den Penis durchsetzender Epithelstrang; später be- 
kommt sie ein Lumen. 

Die Harnröhre entsteht dadurch, daß das Eetodäum (ectodermale 
Cloake in KEigers Beschreibung) sich dureh zwei Falten der seit- 
lichen Wandungen in zwei Hälften zerlegt, anal in das Proctodäum 
oder das ectodermale Ansatzrohr am Rectum, und oral in die Harn- 
röhre, welche vom Urogenital-Kanal in schräg eaudaler Richtung 
zum Eetodäum verläuft. 

Vergleicht man die Genese des Urogenital-Kanales bei Pera- 
meles mit der von Echidna, so springt die große Übereinstimmung 
sofort ins Auge. Bei Perameles verbinden sich im obersten Teile 
beide Kanäle zu einem Gange; weiter caudal bestehen zwei ge- 
sonderte Gänge, die (doppelte) Samenröhre im Penis und die Harn- 
röhre, welche schräg caudal zum Ectodäum verläuft. Ich habe 
hierbei angenommen, daß die zwei Epithelknöpfe als Samenröhre 
aufzufassen sind. Daß sie wirklich als solehe funktionieren, ist 
nieht sicher zu beweisen. Es scheint mir jedoch äußerst wahrschein- 
lich, und zwar aus folgenden Gründen. Das älteste von mir unter- 
suchte Tier hatte eine Länge von 25 em; das erwachsene ist 40 bis 
50 em lang. Mein Exemplar war also noch nicht erwachsen. Es 
ist unwahrscheinlich, daß der ganze Phallus lebenslänglich im Binde- 
gewebe der Ectodäumwandung eingeschlossen bleibt; es würde Pera- 
meles dann ein Säuger ohne eigentliches Copulationsorgan sein. 
Vielmehr stelle ich mir vor, daß, etwa während der Brunstzeit, eine 
Lösung der Epithelien in den Glandarlamellen, sowie in der Epithel- 
masse zustande kommt, welche die Penisspitze mit der Furche in 
der Eetodäumwand verbindet. Ist dies geschehen, dann kann der 
Penis ohne weiteres ausgestülpt werden, wozu er die nötige Länge 
besitzt (er ist wie bei andern Beutlerformen eranial von den CowPpER- 
schen Drüsen doppelt umgebogen).. Die Anwesenheit eines M. 
retraetor penis bestärkt mich in dieser Annahme. Die beiden Epithel- 
knöpfe müssen sich dabei in Kanäle umwandeln und so oben eine 


402 A. J. P.'v. d. Broek 


einfache, unten eine doppelte Samenröhre bilden. Auch dies ist sehr 
wahrscheinlich. Sehen wir doch auch bei Echidna, daß die Samen- 
röhre sich viel später aushöhlt als die Harnröhre. Endlich kann 
ich noch hinweisen auf eine, anscheinend wenig beachtete Be- 
schreibung vom Geschlechtsapparate von Perameles bei Owen (l. e. 
IIL., S. 647). »In the Peramelis lagotis not only is the. glans bifur- 
eate, but each division is perforated and the urethral ceanal is divi- 
ded by a vertical septum for about half an inch before it reaches the 
forked glans; from the septum to the bladder the canal is simple, 
as in other Marsupials.< Beim Weibchen verhält sich die Clitoris 
vollkommen wie beim Männchen der Penis. Beim weiblichen Pera- 
meles liegt, wie die Beschreibungen und Figuren von HıLr zeigen, 
die Clitoris samt Glandarlamellen ebenfalls vollständig in Binde- 
gewebe eingeschlossen. Die erwähnten Epithelknöpfe besitzen sogar 
an manchen Stellen ein kleines Lumen. 

Stellen wir zum Schlusse nochmals fest, daß Perameles in der 
Genese des Urogenital-Traetus Übereinstimmung mit Echidna zeigt. 
Welche Bedeutung diese Beobachtung für die vergleichende 
Öntogenie und Homologisierung des Urogenital-Kanales bei andern 
Beutlerformen und placentalen Säugern besitzt, wird weiter unten 
auseinandergesetzt. 

Einen ähnlichen und mit Perameles verwandten Zustand zeigt 
Sminthopsis crassicaudatus, ein Vertreter der Dasyuridae. Ich konnte 
ein erwachsenes männliches und ein erwachsenes weibliches Tier 
untersuchen. Fig. 31 gibt eine Anzahl Schnitte auf verschiedenen 
Höhen durch den männlichen Geschlechtsapparat wieder. Die ersten 
zwei Figuren zeigen uns nur Durchschnitte durch das Lumen des 
Eetodäums. An der dritten Figur (Fig. 31C) treten im Bindegewebe 
der oralen Eetodäumwand die getrennten Penisspitzen auf, deren 
jede von einer Glandarlamelle umgeben ist. Nach einigen Schnitten 
vereinigen sich die beiden Penishälften zu einem Organe. Die 
Glandarlamelle wird dabei eine einfache, das ganze Organ um- 
fassend. Aus dieser Gegend ist auf Fig. 21 ein Schnitt bei stärkerer 
Vergrößerung wiedergegeben. In den, von der Glandarlamelle 
umgebenen Penis dringen von der reetalen (dem Eetodäum zuge- 
kehrten) Oberfläche zwei einander fast parallele Epithelleisten, die 
hier doppelte Phallusleiste, ein (phl). Eine jede dieser Leisten wird 
an ihrem Ende von einer etwa hufeisenförmigen Masse des Corpus 
eavernosum penis umgeben. Weiter tritt im Bindegewebe eine große 
Zahl weiter Blutgefäße hervor (Corp. eavern. urethrae). 


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Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 403 


Man sieht, wie das Lumen des Eetodäums sich eben anschickt, 
sich in zwei Hälften zu teilen, das bei weitem größte Procto- 
däum (pr) und ein kleineres, der Penisoberfläche anliegendes Lumen, 
das wohl ohne Bedenken als der oben besprochenen Harnröhre von 
Perameles homolog aufzufassen ist. 

Fig. 31. 


Pi 
R p 
c.u.g. 
P. 
r. 
G p 


= AU.g. 


en 


rschnitte durch die männlichen Geschlechtsorgane von Sminthopsis crassicaudatus. ekt. Eetodäum; 


p. Glandarlamelle; pr. Proctodäum; c.2u.g. Urogenital-Kanal. 


Verfolgt man die Schnitte weiter cranial, dann sieht man, wie 
‚mröhre und Proctodäum voneinander getrennt werden (Fig. 31 F) 
d wie die Harnröhre sich mit der Samenröhre (entstanden durch 
inanderweichen der Epithelien von den Phallusleisten) zu einem 
genital-Kanale doppelten Charakters vereinigt (Fig.31F). An der 
lten Form bleibt die Zusammensetzung und damit die doppelte 
nese des Urogenital-Kanales bis zur Höhe der Einmündung der 


404 A. J. P. v. d. Broek 


Cowperschen Drüsen verfolgbar. Die Glandarlamelle, in Fig. 31F 
noch anwesend, schwindet weiter oben, wodurch der Zustand der 
Fig. 31@ erlangt wird. 

Ein Fortschritt Perameles gegenüber besteht insofern, als beide 


Fig. 32. 


Querschnitte durch die weiblichen Geschlechtsorgane von Sminthopsis crassicaudata, ekt. Ectod& 
c. Clitoris; pr, Proctodäum; c.u.g. Urogenital-Kanal. 


Teile des Urogenital-Tractus, Harnröhre und Samenröhre, sich | 
Sminthopsis über einen weit größeren Abstand miteinander zu ein 
einfachen Tractus verbunden haben. Zum Vergleiche gebe ich : 
Fig. 32 eine Serie von Querschnitten durch die weiblichen Geschlech 
organe von Sminthopsis wieder, welche den Sehnitten von Fig. 
entsprechend gewählt sind. So sieht man auf Fig. 32C, wie ı 
peripheren Clitorisenden frei ins Lumen des Eetodäums hery 


| Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 405 
| ragen. Auf Fig. 32D ist die Verbindung mit der oralen Eetodäum- 
 wandung zustande gekommen. Auf Fig. 32D und E haben die 
Phallusleisten auch ein Lumen, lange vor der Trennung des Eeto- 
däums in Proetodäum und Urogenital-Tracetus. Diese Trennung 
kommt erst oberhalb des Gebietes der Clitoris zustande, wie Fig. 32 F 
und @ lehren. 

An dritter Stelle bespreche ich Genese und Zusammensetzung 
des Urogenital-Kanales (Caudalhälfte) bei Didelphys. 
| Beim jüngsten von mir untersuchten Didelphys-Beuteljungen 
125 mm) begegnet man Bildern, welche denjenigen von kleinsten 


Fig. 33. 


DIL Ze 


i 
j 
| 
| 


| B D 
Querschnitte durch die Geschlechtsorgane von Didelphys cancrivora. 5 25 mm. phl. Phallusleiste; 
ect. Ectodäum; c.u.g. Urogenital-Kanal; pr. Proctodäum; r. Reetum; c.d. Cowprrsche Drüse, 


Perameles sehr ähnlich sind. Im frei hervorragenden Phallus durch- 
setzt die Phallusleiste dessen ganze Dieke, zerlegt ihn damit in zwei 
symmetrische Hälften, deren jede durch den Besitz eines Corpus 
cavernosum gekennzeichnet ist. Der Mitte dieser Phallusleiste sitzt 
jederseits eine knopfförmige Verdickung auf (Fig. 33 A). Beim Über- 
ang des Phallus in die orale Afterlippe ist schon auf der rectalen 
Phallusoberfläche die schlitzförmige Öffnung des Urogenital-Kanales 
bemerkbar. 

In Fig. 33B kommt die Trennung des Eetodäums in Proetodäum 
und Urogenital-Kanal (Harnröhre + Phallusleiste) in derselben 
Weise zustande, wie ich es von Perameles beschrieb. Daß in dieser 
Figur noch ein zweiter Teil der Phallusleiste (phl) sichtbar ist, ist 


406 A. J. P.'v. d. Broek 


eine Folge der Schnittführung durch den schr kurzen und krummen 
Phallus. 

Der Urogenital-Kanal setzt sich, wie Fig. 33B und C zeigen, 
aus der, vom Eetodäum abgeschnürten Harnröhre und der, dieser 
oral aufsitzenden Phallusleiste zusammen. Bis zur Einmündungsstelle 


Fig. 34. 


Querschnitte durch die Geschlechtsorgane von Didelphys aurıta. & 15 em. 
h. Penistasche; a Sinus auf der oralen Penisoberfläche; phl. Phallusleiste; e Epithel der Penistase 
c.u.g. Urogenital-Kanal (Harnröhre). 


der Cowrperschen Drüsen ist er in derselben Zusammensetzung V 
folgbar; dann bekommt die Phallusleiste ein Lumen, und der Trae 
geht in den entodermalen Teil über. 

Die Durehsehnitte durch die Geschleehtsorgane von einem 15 © 
großen Beuteljungen von Didelphys aurita liefern ein andres Bil 
insofern als der Penis fast gänzlich in seine Penistasche auf; 
nommen ist. £ 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 407 


Die ersten Schnitte (Fig. 34A) zeigen uns die schon gänzlich 
getrennten Enden des Penis, umgeben von den zwei vorwachsenden 
Falten des Präputiums. Auf Fig. 345 sind die zwei Penishälften 
teilweise, auf Fig. 34 C gänzlich miteinander verbunden. Auf letzterer 
Figur durchsetzt die Phallusleiste die ganze Penisdieke; ihre Mitte 
ist durch eine seitliche Anschwellung ausgezeichnet. An der Stelle, 


-C.U.0, 


Querschnitte durch den Penis von Didelphys marsupialis. 
p. Penis; a Sinus auf der oralen Oberfläche; c.u.g. Urogenitalrinne (bzw. Kanal) ; pr. Penistasche, 


wo die Phallusleiste die orale Penisoberfläche erreicht, dringt jeder- 
seits eine kurze epitheliale Leiste schräg in den Penis hinein. In 
den folgenden Schnitten liegt diese Epitheleinsenkung, was ich aus- 
drüecklich hervorheben möchte und was Fig. 34D zeigt, an der Außen- 
seite desCorpus cavernosum, also zwischen ihm und der Penisoberfläche. 
Der rectalen Penisoberfläche anliegend ist die Harnröhre als abge- 
schnürter Teil des Eetodäums sichtbar. Die Schnittreihe verfolgend, 
sieht man wiederum einen zusammengesetzten Tractus urogenitalis 


408 A. J. P. v. d. Broek 


auftreten, welcher aus der Harnröhre und, ibr oral aufsitzend, 
der Phallusleiste besteht. Das Ende der letzteren ist (Fig. 34.) 
gabelig geteilt; die Enden der beiden Schenkel sind stark ange- 
schwollen und besitzen hier und dort ein Lumen (Fig. 34 E rechts). 
Ich glaube, nicht .fehlzugehen, wenn ich diese Knöpfe mit den 
seitlichen Anschwellungen der Phallusleiste vom jüngsten Beutel- 
jungen gleichwertig erachte. 

Cranialwärts wird die Phallusleiste nach und nach niedriger, 
bis schließlich der gemischte Urogenital-Kanal von typisch vier- 
eckiger Gestalt aufgetreten ist, wie Fig. 34F’ ihn uns vorführt, und 
wie er bis zu der Einmündung der Cowrerschen Drüsen verfolg- 
bar ist. 

Quersehnitte durch den Penis eines erwachsenen Dia 
marsupialis gibt Fig. 354 bis K wieder. Die ersten sieben Quer- 
schnitte treffen die getrennten Penisenden, in den letzten drei sind 
die Hälften median verbunden. Mehrere Schnitte von der Apex 
entfernt wird die orale Penisoberfläche von einer Art Duplieatur 
überragt, welche in eine tiefe seitlich gerichtete Nische führt 
(Fig. 35.D, a). Einige Schnitte weiter sieht man eine Furche auf der 
medialen Oberfläche der Penishälfte und außerdem einen Raum 
zwischen Corpus cavernosum und Penisoberfläche (Fig. 35 Ka). Dieser 
Raum setzt sich eine Streeke weit an der lateralen Seite des Corpus 
cavernosum fort und endigt schließlich blind. Er ist wohl das 
Produkt der oben beschriebenen epithelialen Einsenkung in der 
Phallusoberfläche, bzw. der Abzweigung von der Phallusleiste, und 
stellt den schon äußerlich kenntlichen Blindsack vor, den ich bei 
der Bespreehung der äußeren Form des Penis genannt und abge- 
bildet habe (vgl. Fig. 135). Die Furche auf der medialen Fläche 
einer jeden Penishälfte vertieft sich in eranialer Riehtung ein wenig 
und besitzt an ihrem Ende eine kleine Erweiterung, welche der 
knopfförmigen Anschwellung seitlich an der Phallusleiste des Dee 
jungen von 15 cm entspricht. 

Im obersten Teile des freien Penis vereinigen sich median die 
beiden Penishälften, und die beiderseitigen Furchen schließen sich 
nebst einem dazwischen liegenden Teil zu dem Urogenital-Kanal, 
Obwohl an ihm die zusammensetzenden Teile nicht so deutlich mehr 
zu erkennen sind wie an den Beuteljungen, meine ich auch hier, dem 
Kanale eine doppelte Genese und daher eine gemischte Zusammen- 
setzung, und zwar aus dem Produkte der Phallusleiste, sowie aus 
der L rnröhre zuschreiben zu müssen. Die Furchen auf der medialen 


Untersuchungen iiber den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 409 


Penisoberfläche sind als Produkte der Phallusleiste, welche eine 
Lichtung bekommen haben, anzusehen. 

Auf Fig. 36 habe ich einen Medianschnitt durch einen erwachsenen 
Didelphys schematisch dargestellt. 

Sehr verschiedene Entwicklungsstadien konnte ich von Halma- 
turus untersuchen. 

Das jüngste Beuteljunge hatte eine Länge von 17,5 mm. Die 
Querschnittserie lehrt Folgendes. Im frei hervorragenden Phallus 
reicht die Phallusleiste bis zur Spitze. Sie ist auf dem Querschnitte 
etwa kolbenförmig und gleicht hierin der bei Echidna. Sehr bald 
trifft man auf dem Querschnitt das sehr kurze Eetodäum, dessen 
oraler Wand die Phallusleiste aufsitzt. Zu beachten sind hier zwei 


Fig. 36. 


Schematischer Medianschnitt durch die Geschlechtsorgane von Didelphys. & erwachsen, c.c. Corp. 
cavern. penis; phl. Phallusleiste; c.d, Cowrersche Drüse; r Rectum. 


Mesodermverdichtungen seitlich von der Medianlinie und oral von 
der Eetodäumwand. Ich meine, hierin die ersten Anlagestellen der 
Cowperschen Drüsen erblicken zu müssen, obwohl eine Epithel- 
einsenkung noch nieht nachweisbar ist. Wenn diese Voraussetzung 
zutrifft, so besteht eine Übereinstimmung mit Echidna, für welchen 
KEıBeL (19) die Anlage der Cowperschen Drüse auf der oralen 
Eetodäumwandung angibt (l. e. Fig. 60a). Wenige Schnitte weiter 
En die getrennten Lumina vom (entodermalen) Sinus urogenitalis 
und Reetum angetroffen. Bei einem Benteljungen von 22 mm be- 
findet sich die Cowrersche Drüse schon im Gebiete des Urogenital- 
Kanales. Im freien Phallus liegt die am Ende kolbenförmig ange- 
schwollene Phallusleiste (Fig. 38.4 phl.). Während sie in eranialer Rich- 
tung allmählich niedriger wird, kommt an der Stelle der Einmündung 
des Urogenital-Kanales in das Eetodäum eine Höhenzunahme zustande, 


al 


N 


410 A. J. P. v. d. Broek 


verursacht durch zwei Falten der Eetodäumwandung, welche median- 
wärts umbiegen und den Urogenital-Kanal (Harnröhre) vom Eeto- 
däum abschnüren. Daß wir es hier mit zwei vordringenden Falten 
zu tun haben, geht aus der Lagerung der Bindegewebskerne in diesem 
Teile hervor. Durch die diehte Anordnung, sowie durch die Richtung 
unterscheiden sie sich von den direkt darüber sich befindenden 
Bindegewebskernen. Der gemischte Charakter des Urogenital- 


A 
phl. 
Fig. 37. 
B phl. 
A 
s.f- 
ect. 
B 
c 
C 
Querschnitte durch die Geschlechtsor- Querschnitte durch die Geschlechtsor- 
gane von Halmaturus spec. 5 17,5 mm. gane von Halmaturus spec. & 22 mm. 


Bezeichnung wie Fig. 25. 3ezeichnung wie Fig. 25. 


Kanales ist nicht so deutlich nachweisbar wie bei Perameles, obwohl 
er an der eranialwärts niedriger werdenden Falte, welche der oralen 
Wand aufsitzt, zu erkennen ist. In der Höhe der Einmündungen 
der Cowrerschen Drüsen geht der Urogenital-Kanal in den entoder- 
malen Abschnitt über. 

Beim Beuteljungen von 32 mm tritt eine neue Erscheinung zutage. 
Die Phallusleiste ist im frei hervorragenden Phallus am Rande quer 
abgeflacht (Fig. 394). Vom Rande schnürt sich unweit der Spitz 
ein Epithelstrang ab, der über eine Anzahl von Schnitten in den 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 411 


bindegewebigen Kern oral von der Phallusleiste zu verfolgen ist 
(Fig. 394 e.). Auf Schieksal und Bedeutung dieses noch kurzen 
Stranges komme ich unten zurück. Im Gebiete des Überganges vom 
Phallus in die orale Eetodäumwandung (Fig. 39 B) liegt die Öffnung 
des Urogenital-Kanales als kleiner Schlitz im Epithel der reetalen 
(ectodäalen) Phallusoberfläche. Nachher schließt sich diese Öffnung 
zu einem gänzlich im Epithel der reetalen Phallusoberfläche liegenden 


Fig. 39. 


Querschnitte durch die Geschlechtsorgane von Halmaturus spec. 5 32 mm. Bezeichnung wie Fig. 25. 
e Epithelknopf, von der Phallusleiste abgeschnürt. 


Kanale. Durch zwei von der seitlichen Eetodäumwandung vor- 


dringende Falten wird er dann vom übrigen Eetodäum abgetrennt. 


Jetzt setzt sich der Urogenital-Kanal aus zwei Teilen zusammen, 
aus der vom Eetodäum abgeschnürten Harnröhre und aus der ihr 
oral aufsitzenden Phallusleiste (= Samenröhre). Bis zur Einmündung 
der Cowperschen Drüsen, ist er in dieser Zusammensetzung zu ver- 
folgen. 

Bei der weiteren Entwicklung sind ein sehr starkes Längen- 


wachstum des Urogenital-Kanales, sowie eine Verlängerung des 


Morpholog. Jahrbuch. 41. 97 


412 A. J. P. v. d. Broek 


oral von der Phallusleiste lagernden Epithelstranges zu verzeichnen 
(Fig. 40). Ein Sagittalschnitt durch die Geschlechtsorgane eines 
10,4 cm großen Beuteljungen zeigt den Hauptteil der Phallusleiste 
noch im Gebiete des Phallus, welcher frei über die äußere Öffnung 


Fig. 40. 


phl. 


Medianschnitt durch die Geschlechtsorgane von Halmaturus thetidis. 5 10,4 cm. Bezeichnung wie 
Fig. 30. e Epithelstrang von der Phallusleiste. 
des Urogenital-Kanales hervorragt und stark schwanzwärts umge- 
bogen ist, ebenso wie der genannte Epithelstrang (e). Dieser hat 
an Länge erheblich zugenommen, liegt zwischen Phallusleiste und 
Fig. 41. Corpus cavernosum und ist am Ende 
leicht angeschwollen, wodurch der Längs- 
schnitt des Corpus cavernosum etwas aus- 
gehöhlt erscheint. Der oralen Wand des 
Urogenital-Kanales aufsitzend ist, haupt- 
sächlich im apicalen Teile, eine Firste be- 
merkbar, welehe die Phallusleiste darstellt. 
Sie wird bald niedriger und in die Wand 
des Urogenital-Kanales anscheinend mit 
einbezogen. Eine Glandarlamelle ist beim 
Dumemitt durch den Phallus von Beuteljungen von 10,4 cm noch nicht auf- 
almaturus thetidis. 16,4cm. Vergr. 16. 
ect, Ectoderm; phl. Phallusleiste; c.c.p. getreten. 
re rein Fre Zu erwähnen ist eine Beobachtung, 
welche ich an der Phallusleiste auf einer 
Querschnittserie durch den Geschlechtsapparat eines 16,4 em großen 
Beuteljungen derselben Species (H. thetidis) gemacht habe. Die 
Leiste zeigt in ihrem Baue ein Zusammensetzung aus zwei Teilen 
(Fig. 41). Der ectodermalen Oberfläche benachbart, ist sie aus den- 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 413 


selben Zellen wie die Phallusoberfläche aufgebaut. Oral davon ist 
die Zellmasse viel heller. Zwischen beiden Teilen besteht eine 
kleine Einschnürung. Es macht den Eindruck, als finde eine Ein- 
wucherung des Ecetoderms an der Stelle der Phallusleiste statt. 
In dieser Vermutung werde ich durch die Beobachtung der be- 
treffenden Leiste bei stärkerer Vergrößerung bestärkt. Auf Fig. 11 
auf Taf. V ist die Grenze der zwei Epithelarten bei 130facher 
Vergrößerung wiedergegeben. Nach oben sieht man das dunkler 
gefärbte Ectoderm; das Stratum germinativum ist nicht deutlich er- 
kennbar. Nach innen von ihm liegen die größeren polygonalen 


Fig. 42. 


CC. 


= --— 22200 nhl. 


Medianschnitt durch die Geschlechtsorgane von Halmaturus thetidis. 5 % cm. Bezeichnung 
wie Fig. 30. 


Zellen, deren Grenzen, speziell in der Mitte der Leiste, vollkommen 
‘scharf hervortreten. Nach dem entodermalen Teile der Phallusleiste 
hin platten sich die Zellen mehrund mehrab. Schließlich geben einige 
eihen sehr platter Zellen die scharfe Grenze an. 

Der zweite, meines Erachtens entodermale, Teil besitzt ein 
} schönes Stratum germinativum mit hohen eylindrischen Zellen, welche 
‚scharf gegen den ectodermalen Teil abstechen (Fig. 11, Taf. V). 


| En ist nichts zu sehen (Fig. 11). Diese Erscheinung ist meines 

| rachtens so zu erklären, daß man der Meinung FLEISCHMANNS 
-Jnach in der Phallusleiste (und der späteren »Samenröhre«) ein Produkt 
K- 27* 


414 A. J. P. v. d. Broek 


des entodermalen Urodäums zu erblicken hat; denn wäre die Phallus- 
leiste ab origine eetodermaler Natur, wie manche Forscher meinen, dann 
wäre eine Zusammensetzung, wie ich sie oben schilderte, undenkbar. 

Setzen wir jetzt die Beschreibung unserer Befunde an Halmaturus 
fort. Der freie Phallus wächst in der Entwicklungsperiode zwischen 
10 und 20 em langen Objekten stark in die Länge, so daß er, wie 
die Vergleichung der Fig. 40 mit 42 lehrt, beim älteren‘ Tier weit 
stärker hervorragt wie beim jüngeren. Auch hier ist das Ende noch 
schwanzwärts umgebogen, liegt jedoch in ziemlich großer Entfernung 
von der äußeren Rectal(Proctodäum-)öffnung. Der Urogenital-Kanal 


Schematischer Medianschnitt durch die 5 Geschlechtsorgane von Halmaturus. Adult. Bezeichnung 
wie Figur 30. 


ist noch schneller gewachsen ale der ganze Phallus, so daß seine 
Öffnung sich der Phalluspitze genähert hat. Hierdurch kommt die 
Ursprungsstelle des von der Phallusleiste entstandenen Epithelstranges 
in das Gebiet des Urogenital-Kanales zu liegen. Der in die Länge 
gewachsene Strang hat sich kanalisiert, wahrscheinlich durch Aus- 
einanderweichen oder Schwund von centralen Epithelzellen. Ver- 
folgt man den Urogenital-Kanal jetzt von der äußeren Öffnung, so 
bemerkt man eine Spaltung in den eigentliehen Urogenital- 
Kanal und den oral davon gelagerten Blindschlauch (Fig. 42a), der 
hier noch ziemlich kurz ist. Der Urogenital-Kanal hat auffallender- 
weise an einer Stelle eine Kniekung, und zwar da, wo sieh der 
M. retractor penis anheftet. Der Kanal zeigt an dieser Höhe eine 
Erweiterung des Lumens. Diese Biegung vermißt man noch beim 
Beuteljungen von 10 cm. 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 415 


Zwischen diesem und dem erwachsenen Zustande bestehen nur 
noch graduelle Unterschiede. Auch beim erwachsenen Tiere erreicht 
das Orifieium externum des Urogenital-Kanales die Penisspitze nicht; 
es liegt seitlich davon (vergl. Fig. 43). Ein kleiner, spitz endigender 
Teil ragt wie ein Processus glandis über die äußere Öffnung hervor. 
Bei Phalangista ist es scharf gegen das Corpus penis begrenzt, bei 
Mocropus geht es allmählich darin über. 

Dringt man in den Urogenital-Kanal ein, dann bemerkt man, 
wie er sich in bestimmter Höhe in zwei Kanäle spaltet (Fig. 43). Die 
Teilungsstelle entspricht der kurz hinter dem Orificium externum 
gelagerten Bifurcation beim Beuteljungen von 20 cm. Sie liegt beim 
erwachsenen Tier etwas unter der Mitte der Pars libera penis. Es 
muß sich also das apicale Ende des 
Urogenital-Kanales während der spä- 
‚teren Entwicklung noch stark verlän- 
gert haben. Die beiden Kanäle liegen 
dieht voreinander, der größere dem 
Corpus cavernosum zugewendet, der 
kleinere mehr oberflächlich (Fig. 43). 
Nach und nach verändert sich das 
Verhältnis derartig, daß der dem 
Corpus cavernosum zugewendete Kanal 
immer kleiner wird und schließlich 
blind endigt; während der Urogenital- 
Kanal seinen Verlauf fortsetzt. Die 
Kniekung im Verlaufe, in der Höhe des 
Ansatzes des M.retractor penis, hat sich 
inzwischen stärker ausgeprägt. Fig. 43 
stellt schematisiert einen Medianschnitt 
durch die Geschlechtsorgane deserwach- 
senen Halmaturus dar. Die beschrie- 
benen Verhältnisse sind erkennbar. 
Fig. 44 gibt Querschnitte durch den 
Penis eines jungen Macropus. Hier 
ist mehreres zu beobachten. An mitte Ben a 
der Spitze des Penis dringen caudal 
vom ÖOrifieium externum von der Oberfläche zwei Furchen ein, 
welche offenbar dem gabelig geteilten Ende der Phallusleiste ent- 
‚sprechen. Nach Schließung des Urogenital-Kanales hat dieser 
gleichfalls ein gabelig geteiltes Lumen. Es teilt sich nach vielen 


Fig. 44. 


416 A. J. P. v. d. Broek 


Schnitten in zwei ungleiche Hälften, von denen die größere dem 
Corpus cavernosum zugewendet ist. In diesen zwei Teilstücken be- 
steht eine Differenz in der epithelialen Bekleidung, indem diese 
im Blindschlauch viel höher ist als im eigentlichen Urogenital- 
Kanal. Bald verringert sich der Durchschnitt des Blindschlauches, 
bis er als solider Zellstrang endigt. Die Anwesenheit dieses 
Blindschlauches, eines Produktes der Phallusleiste, ist ein Be- 
weis dafür, daß letztere an der Umgrenzung des Urogenital-Kanales 
Anteil nimmt. Diese Teilnahme an der Wandzusammensetzung 
tritt noch deutlicher zutage an der Epithelbekleidung, welche ich 
im apicalen Ende des Urogenital-Kanales beim erwachsenen 
Phalangısta lemurina antraf. Hier waren zwei Epithelarten zu er- 
kennen, welche scharf begrenzt waren. Fig. 12 auf Taf. V gibt 
die Übergangsstelle beider Epithelarten wieder. Einerseits trifft 
man ein Pflasterepithel mit mehreren verhornten Schichten (Eetoderm) 
an, daneben ein hohes mehrlagiges Epithel, dessen oberste Lagen 
nicht abgeplattet (Übergangsepithel) und nicht verhornt sind. Wahr- 
scheinlich sind beide Teile von der Phallusleiste und vom Eetoderm 
aus entstanden. Der Blindschlauch führt wenigstens nur Epithel 
der letzgenannten Form. 


In der folgenden Tabelle stelle ich von Halmaturus thetidis 
einige Zahlenangaben zusammen, welche die Wachstumsverhältnisse 
der verschiedenen Teile des Penis und des Urogenital-Kanales er- 
kennen lassen. 


| Halmaturus thetidis 


10,4 cm | 16,4 cm | 19,4 cm 


I. Länge des frei hervorragenden 
ee a 1260 « 1560 u 2000 u 

Il. Abstand zwischen Öffnung des 
Urogenital-Kanales und des 
Proctodäums . . . . . . |in gleicher Höhe 540 u 1120 u 

III. Länge des Urogenital- Kanales 
zwischen Orif. ext. und Ein- 
mündung der CowPperschen 


Drison..., 2.2.00 sr 1200 u 5000 u 6000 u 
IV. Höhe der Glandarlamelle . . . _ 560 u + 1700 u 
V. Abstand zwischen Anus und Ein- | undet auf dem 
mündung der Rectaldrüsen. . |  Eetoderm 840 u 1160 u 
VI. Abstand zwischen Reetaldrüsen 
und Übergang ins Entoderm | == 1600 u 1660 u 


VI. Länge des ganzen Proctodäums . | 150 u | 2440 u 2820 u 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 417 


Aus dieser Tabelle geht hervor, daß der Urogenital-Kanal 
schneller als der Penis wächst (zwischen 10,4 und 19,4 cm 
resp. 730 «u und 1120 «), wodurch das Orifieium externum mehr zur 
Penisspitze hin verlegt wird. Das starke Wachstum des ganzen 
Urogenital-Kanales ist aus Fig. 45. 
der dritten Reihe zu er- 
sehen. Die im Verlaufe auf- 
tretende Krümmung steht 
wohl auch teilweise mit dem 
schnelleren Wachstum im 
Zusammenhang. 

Vom Proetodäum ist zu 
melden, daß die Verlänge- 
rung hauptsächlich den anal 
von der Einmündung der 
Reetaldrüsen liegenden Teil 
betrifft, daß der Abschnitt 
zwischen dieser Einmündung 
und dem Übergang ins Ento- 
derm sich aber nur wenig 
vergrößert. Die Verlänge- 
rung kommt also in der 
Hauptsache dadurch zu- 
stande, daß Teile des Ecto- 
‘ däums in das Proctodäum 
übergeführt werden. 

Sehr lehrreich endlich Querschnitte durch die Geschlechtsorgane von Hypsi- 
ist die Bildung des Uro- a a 
genital-Kanales bei Hypsiprymnus (Fig. 45). Bei einem Beuteljungen 
von 8cm wird der frei hervorragende Phallus durch die Phallusleiste 
teilweise durchsetzt (Fig. 45, a—e). In der Höhe des Ectodäum- 
lumens (Fig. 45c) ist die Basis, welche die Phallusleiste mit dem 
Ectodäum verbindet, stark verbreitert. Mehrere Schnitte weiter wird 
das Epithel der oralen Eetodäumwandung in ziemlich großer Ent- 
fernung von der Phallusleiste ins Lumen vorgestülpt. Auf Fig. 46, 
welche diese Stelle bei stärkerer Vergrößerung wiedergibt, sind 
die beiden Falten der oralen Eetodäumwand und die Phallusleiste, 
scharf gegeneinander begrenzt, wahrzunehmen. 

Nach und nach biegen die beiden Falten medianwärts (Fig. 45, f.g.) 
um, bis sie sich median berühren, verschmelzen und so den Uro- 


418 A. J. P. v. d. Broek 


genital-Kanal vom Eetodäum abschnüren. Die breite epitheliale 
Basis, welche dieser Gang hierdurch erhält, findet in der lateralen 
Fig. 46. 


c.c.p. 


PUTIN 
Mt: elta 


A 


Na \e IN 


Querschnitt durch das Ectodäum von Hypsiprymnus. 5 8 em. Vergr. 130. v.d.a. und r.d.b. Rectal- 
drüsen; ect. Ectodäum; m. Mesodermkerne in der Ecetodäumsfalte; pAl. Phallusleiste; c.c.p. Corp. 
cavern. penis.' 


Lagerung der ebenbeschriebenen Falten ihren Ursprung (Fig. 457). 
Am Urogenital-Kanale bestehen somit auch hier zwei Teile, der 


Fig. 47. 


a b Fe c 
Querschnitte durch die Geschlechtsorgane von Hypsiprymnus. Q@ 18 cm. 


| 
von der Phallusleiste und der vom Eetodäum herrührende Teil. 
Die weitere Entwicklung verläuft wie bei den Macropodinae. Auch 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 419 


bei Hypsiprymnodontinae kommt die teilweise Verdoppelung des 
Urogenital-Kanales durch die Kanalisierung eines von der Phallus- 
leiste aus entstandenen Epithelstranges zustande. 

Ich kann es nicht unterlassen, auch auf die sehr instruktiven 
Bilder beim weiblichen Hypsiprymnus hinzuweisen. Bei einem 
Beuteljungen von 18 cm hat das Ectodäum die ganze Clitoris um- 
wachsen, so daß sie äußerlich nicht mehr sichtbar ist. Querschnitte 
lehren, daß sie in der oralen Hälfte des Eetodäumlumens liegt (Fig. 47a). 
Sie zeigt auf ihrer reetalen Oberfläche eine Furche, entstanden durch 
Schwund von Epithelzellen aus der Phallusleiste. Oral von der Furche 
‚läuft ein in Bindegewebe eingebetteter, kurzer blind endigender Kanal, 
ein Homologon des Blindschlauches im Penis. Das Eetodäum ist 
im Begriff, sich durch zwei seitliche Falten in zwei Hälften zu zer- 
legen (Fig. 475). Verschmilzt dann endlich die Clitorisoberfläche mit 
der oralen Wand des Eetodäums (Fig. 47c), dann kommt ein Uro- 
genital-Kanal zustande, welcher aus Phallusfurche und Teil des 
Ectodäums zusammengesetzt, also vollkommen dem männlichen Uro- 
genital-Kanal homolog ist. E 

Über andre von mir untersuchte Formen habe ich bezüglich 
der Genese des Urogenital-Kanales nur kurz zu berichten. Was 
die Dasyuridae (außer Sminthopsis, siehe oben) anlangt, bin ich 
durch Vergleichung von wenigen jungen Entwicklungsstadien mit 
der Form des Urogenital-Kanales beim erwachsenen Tiere zur Über- 
zeugung gelangt, daß auch hier an der Genese dieses Kanales zwei 
Komponenten teilnehmen, homolog den Teilen bei den andern Beutlern. 
Hiermit sehe ich mich gezwungen, eine früher geäußerte Meinung 
teilweise zu widerrufen. Bei der Darstellung einiger jüngerer 
Entwieklungsstadien männlicher Beutler (Dasyurus) schrieb ich: »die 
Phallusleiste weitet sich zum Urogenital-Kanale aus« (l. e. S. 326), 
als wäre diese Leiste die einzige Komponente bei der Umrandung 
des Urogenital-Kanales. Die Vergleichung mit älteren Stadien und 
| ‚andern Formen hat mich jetzt zu der Auffassung gebracht, daß bei der 
Bildung nieht nur die Phallusleiste, sondern auch das umgebende 
Eetoderm, bzw. ein Teil der Ectodäumwandung mit beiträgt.« 
| i Von den Phascolomidae gilt dasselbe wie von den andern 
| Br Im besonderen sind hier die sehr stark ausgesprochenen 
‚knopfförmigen Anschwellungen am Ende der Phallusleiste zu er- 
wähnen, welche dem Urogenital-Kanale wiederum eine eigenartige 
 viereckige Form verleihen (vergl. Perameles). 

_ Überblieke ich die Resultate meiner Untersuchungen über die 


420 A. J. P. v. d. Broek 


Genese des Urogenital-Kanales der Beutler, so sind sie folgender- 
maßen zusammenzufassen: Der Urogenital-Kanal der Beutler ist 
als Samenharnröhre in dem Sinne zu deuten, daß er den Produkten 
der Samenröhre und der Harnröhre von Echidna homolog ist. Er 
ist teilweise entodermaler, teilweise eetodermaler Herkunft. Am 
primitivsten gestaltet sich Perameles, bei dem nur in der oberen 
Hälfte beide Kanäle sich zusammenfügen, in der caudalen Hälfte 
aber getrennt verlaufen. Dann folgen die Didelphiden, bei denen 
der eigentliche Urogenital-Kanal zwar ein einheitlicher Gang wird, 
die Samenröhre jedoch sich als Furche auf die getrennten Penis- 
schenkel fortsetzt. Bei andern Beutlerformen sind beide Kanäle 
mehr oder weniger bis zur Penisspitze zu einem Kanale vereinigt. 

Die Bedeutung dieser Ergebnisse für die Auffassung des Uro- 
genital-Kanales der placentalen Säuger springt sofort ins Auge. 
Auch für sie hat man bezüglich der Homologisierungsversuche di 
Frage zu beantworten, was aus der Phallusleiste wird, und in welcher 
Weise sich der Urogenital-Kanal bildet. Eine Erklärung für di 
Homologie zwischen Samenröhre von Echrdna und Harnsamenröhr 
der übrigen Säuger durch die einfache Annahme des Verschwindens 
der Harnröhre (BoAs), oder durch Hinweis auf die Topographie 
beider Gebilde, welche durch cavernöses Gewebe, Corpus cavernosum 
urethrae, umgeben werden, ist ungenügend. Nur auf vergleichent 
ontogenetischer Basis ist die richtige Deutung zu erlangen. 

Für den Menschen meine ich den Beweis erbracht zu haben 
daß der Urogenital-Kanal bei ihm doppelter Herkunft, also al 
echte Samenharnröhre aufzufassen sei. Meines Erachtens gilt diese: 
Satz auch in verschiedenem Maße für andre Säuger. Ich werd 
das später ausführlicher begründen. 


Accessorische Geschlechtsdrüsen. 

Zu ihnen rechne ich folgende Drüsenformationen: 
. Gl. prostata. 
. Gl. urethrales. 
. Gl. Cowperi. 
. Gl. praeputiales und Drüsen in der Wandung des Ectodäum 
. Gl. rectales. 

1. Gl. prostata. Diese Drüse traf ich nur bei einem Macropus aı 
den ich in ganz frischem Zustande untersuchen konnte. Zwar bot br 
einigen konservierten Macropodinae (Halmaturus, Onychogale) dasober 


grPpPVomD - 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 421 


Ende des Urogenital-Kanales dasselbe Bild dar wie bei Macropus, doch 
konnte mikroskopisch die Anwesenheit verschiedener Drüsenschläuche 
einwandsfrei nicht mehr festgestellt werden. Das eraniale Ende des 
stark verdickten Urogenital-Kanales von Macropus läßt auf dem 
Längsdurchschnitt zwei deutlich und scharf begrenzte Partien unter- 
scheiden. Die Umgebung des Collieulus seminalis wird durch eine 
umgekehrt kegelförmige Gewebsmasse gebildet, diedurchihre glänzende 
und glatte Oberfläche sich scharf abhebt vom streifigen Aussehen 
des Gebietes der Urethraldrüsen. Die Basis der kegelförmigen 
Drüsenmasse, die als Gl. pro- 
‚stata anzusprechen ist, erreicht 
die Muskelwandung des Uro- 
genital-Kanales; die Spitze liegt 
am unteren Ende des Samen- 
hügels.. Die Prostata besitzt 
keine eigene Muskelkapsel. 
Makroskopisch ist auf der 
Grenze zwischen ihr und den 
Gl. urethrales ein starkes eireu- 
läres Blutgefäß erkennbar. 
4 Auch mikroskopisch tritt 
der Unterschied deraneinander- 
‚gronzenden Drüsen deutlich 
zutage. Während die großen, Oberer Teil des Urogenital-Kanales von Hacropus. 
auf Durehschnitten unregel- r. Muskelwand der Blase; o.ur. Ostium des Ureters; 
mäßigen Lumina der Urethral- nn RN 
- drüsen fast unmittelbar an- 

einandergrenzen, liegen die Lumina der Prostata-Drüsenschläuche 
etwas weiter voneinander entfernt und sind kleiner als die Urethral- 
drüsen. 

- Die Prostata besteht aus einer großen Zahl zusammengesetzt 
tubulöser Drüsen, welche in der Umgebung der Ductus ejaeulatorii 
ausmünden. Die Auskleidung der Drüsenschläuche besteht in einem 
einschichtigen, 164 hohen Cylinderepithel (Fig. 13 auf Taf. V]). 
\ Flachschnitte zeigen zwischen den etwa sechseckigen Zellen ein 
schönes Schlußleistensystem. Der inneren Oberfläche benachbart 
ist in den Zellen ein äußerst fein granulierter Saum zu sehen; der 
übrige Zellinhalt ist klar. Das Drüsenlumen ist meistens von kleinen 
"runden Körnern (Schleim) erfüllt, öfters trifft man Kernreste an. In 
den Ausführungsgängen ist das Epithel geschichtet. 


Fig. 48. 


422 A. J. P. v. d. Broek 


2. Die Lumina der Urethraldrüsen, welche die der Prostata 
an Größe weit übertreffen, sind mit einem niedrigen, 6« hohen 
kubischen Epithel ausgekleidet (Fig. 135 auf Taf. VI. Den Be- 
schreibungen OUDEMANS über den Bau dieser Drüsen habe ich nichts 
Wesentliches zuzufügen. Die Drüsen treten während der Entwicklung 
erst ziemlich spät auf, zuerst im cranialen Teile des Urogenital- 
Kanales. Sie sprossen radiär hervor und verzweigen sich mehrfach. 
In eaudaler Richtung nehmen die Drüsen ziemlich schnell an Mächtig- 
keit und Ausdehnung ab; sie fehlen im meist caudal gelegenen 
Absehnitte des Urogenital-Kanales. 

3. Gl. Cowperi. Auch bezüglich dieser Drüsen habe ich den 
Beschreibungen von OÜUDEMANS wenig zuzusetzen. Im funktionierenden 
Zustande sind die stark ausgedehnten Alveoli mit einem niedrigen 
kubischen Epithel ausgekleidet. Die Epithelhöhe betrug bei Macro- 
pus nur 3u. Ich habe keine Unterschiede im Verhalten des Epithels 
der verschiedenen Drüsenkörper bei einem und demselben Tiere ge- 
funden. OUDEMANS fand das Epithel der Cowperschen Drüsen bei 
Perameles etwas höher als bei den andern Formen. 

Die Beutler besitzen 3 Paar Cowpersche Drüsen. DISSELHORST 
und CunnınGHAm beschreiben für Phalangista ein Paar. Ich fand 
bei dieser Species, wie bei allen andern Phalangeridae 3 Paar. Das 
von Tyson bei Didelphys als viertes angegebene Paar der COWPER- 
schen Drüsen ist wohl, wie OQUDEMANS hervorhebt, als Teil der Crura der 
Corp. eavernosa zu betrachten. Die drei Paar CowrpErschen Drüse 
sind nicht gleich groß. Meistens (Macropodinae) ist ein Paar sehr 
klein und den andern Drüsen so dicht angelagert, daß es erst durch ge 
naue Präparation gelingt, die einzelnen Drüsen zu sondern. Jede 
Drüse wird von einer starken quergestreiften muskulösen Hülle um- 
geben. Diese ist, wie die Ontogenie lehrt, ein Produkt des M 
sphineter eloacae. Hierin stimmen die Marsupialen mit Echidna 
überein, bei welcher nach KeisEL die Muskulatur der CowPperscher 
Drüse ebenfalls vom M. sphincter eloacae ableitbar ist. Verfolgt mar 
die Ausführungsgänge nach dem Urogenital-Kanale hin, so erkenn 
man, daß sie kurz vor der Mündungsstelle sich miteinander ver- 
einigen, so daß fast immer nur eine einzige solehe im Urogenital- 
Kanale besteht (vgl. Fig. 49 von Halmaturus). Nur bei Phascolog 
flaviceps fand ich direkt nebeneinander gelagert zwei Ausführungs- 
öffnungen vor. 

Die meistens einfache Mündungsstelle liegt auf symmetrischer 
großen Papillen, welche von der dorsalen (rectalen) Seite in da 


a Ze nal nn ST un 2 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 423 


‘Lumen des Urogenital-Kanales hineinragen. Die Papillen sind, wie 
' OuUDEMAnNs auch für Dipelphys angibt, von einer Art Sinus des Uro- 
‚ genital-Kanales, der sich noch etwas cranialwärts ausdehnt (s. in 
Fig. 49), umgeben. Das Lumen des Kanals verändert in der Höhe 
‚ der Einmündung der Drüsen seine Form. Cranial von der Mündungs- 
‚stelle, wo der Traktus ausschließlich entodermaler Natur ist, steht 
das Lumen sagittal, caudal davon, wo er gemischter Natur ist, ist 
es horizontal gerichtet und mit einem medianen, senkrecht darauf- 
stehenden Schenkel versehen. 

Die Tatsache der einfachen Einmündung der CowPperschen 


Fig. 49. 


c.u:.g- 
e.d. p.c.d. 
c.u.g. 
.c.d. 
S. pP 
p.c.d. Deo 


, Einmündung der Cowrerschen Drüsen bei Halmaturus. c.u.g. Urogenital-Kanal; s. Sinus in diesem 
Kanale; c.d. Ausführgang der Cowrerschen Drüsen; p.c.d. Papille. 


Drüsen wird durch die Ontogenie verständlieh. Die später getrennten 
' Drüsen verdanken einer einzigen Anlage ihre Entstehung. Die Drüse 
Sproßt als einfacher Zellstrang aus der Wand des Urogenital-Sinus 
(wahrscheinlicher Eetodäum) hervor (Halmaturus 1,75 em). Erst 
nachher kommen am Ende dieses Ganges sekundäre Gänge hinzu 
(Halmaturus 3,2 em), welche zu dem verwickelten Baue Veranlassung 
geben. Die einfache Cowrersche Drüse der Beutler besitzt also 
drei Lappen, welche durch Muskelmassen umgeben, voneinander ge- 
‚trennt sind. Die orale Wandung des Ectodäums ist nach meiner 
Meinung der Mutterboden für die erste Anlage der Drüsen, gleich- 
wie bei Echidna. Bei einem Halmaturus-Beuteljungen von 1,75 em 
waren beiderseits von der Phallusleiste zwei Kernanhäufungen sichtbar, 


424 Ar" PL Ve U BIDER 


welche anscheinend die Anlagestellen der Cowperschen Drüsen waren 
(Fig. 37). 

Die weitere Ontogenie läßt einen Unterschied mit Echidna und 
dem Menschen erkennen. Im Gegensatze mit dem, was KEIBEL und 
sein Schüler Vorr über die Entwicklung der Cowperschen Drüsen 
bei Echidna beschreiben und abbilden, kommen keine netzförmigen 
Verbindungen oder Anastomosen zwischen benachbarten Drüsenlumina 
bei Beutlern vor. Die hervorsprossenden Drüsengänge verlaufen 
diehotomisch verzweigt, etwa radiär zur Peripherie des Drüsen- 
körpers. 

4. Gl. praeputiales, bzw. Drüsen in der Wandung der Penis- 
tasche. 

In der Wandung der Penistasche habe ich, abgesehen von den 
großen Haarbalgdrüsen, bei mehreren Formen (Didelphys, Phascologale, 
Sminthopsis, Halmaturus) zusammengesetzte tubulöse Drüsen ge- 
funden, deren Lumina mit einem einschichtigen, niedrigen Epithel 
ausgekleidet waren. Besonders bei Sminthopsis waren sie überaus 
mächtig entwickelt und kamen in Form und Ausbreitung mit den 
Drüsen des weiblichen Geschlechtes überein, welche ich früher be- 
schrieb und abbildete (3). 

5. Reetaldrüsen. Bei männlichen Beutlern kommen zwei Paar 
Rectaldrüsen vor, welche in eranio-caudaler Richtung angeordnet 
sind. Nicht bei allen Formen gelangen beide Paare zur Entfaltung. 
Bei sämtlichen Phalangeridae gelangt nur das caudal gelagerte Paar 
zu weiterer Entwicklung; während die mehr cranial gelagerte 
Drüsenanlage in der Form eines am Ende zuweilen geteilten Zell- 
stranges verharrt. Den feineren Bau der Rectaldrüsen weiblicher 
Beutler habe ich früher in einer speziellen Arbeit auseinandergesetzt. 
Die Reetaldrüsen männlicher Formen kommen hiermit überein. Hier 
werde ich nur die Rectaldrüsen von Hypsiprymuus näher besprechen, 
bei welcher Species sie eine besondere und starke Entwicklung er- 
fahren. Die Ausscheidung eines intensiv stinkenden Secretes weist 
daraufhin, daß diese Drüsen, sei es zum geschlechtlichen Verhalten, 
sei es zur Verteidigung des Tieres in näherer Beziehung stehen. 

Eröffnet man das Eetodäum und das Reetum von der oralen Seite 
her, dann fallen dreierlei Ausführöffnungen ins Auge. Zunächst 
fällt in der Mitte der dorsalen Wandung des Eetodäums ein langer 
und spitz endigender Fortsatz auf, der aus der äußeren Öffnung 
hervorragt. Bei der Beschreibung der äußeren Geschlechtsorgane 
fand dieser Fortsatz Berücksichtigung. Seine Spitze trägt zwei 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 425 


kleine runde und seitwärts gerichtete Ostien. Diese Öffnungen 
führen in lange und dünne Kanäle, welche den Fortsatz in ganzer 
Länge durchsetzen, weiterhin in schräg eranialer Richtung die Ecto- 
däumwandung durchbohren und schließlich in zwei runde Drüsen- 
körper übergehen. 

Was die Entwicklung und den Bau dieser Drüse anbelangt, so gilt 
folgendes. Bei einem Beuteljungen von 8 cm geht von der Vor- 
ragung der caudalen (bzw. dorsalen) Eetodäumwandung ein Drüsen- 
gang nach innen, welcher die Eetodäumwand schräg cranial- 
wärts durchsetzt und nach längerem Verlaufe in einem Drüsen- 
körper endet, der im Baue mit einer sich entwickelnden Rectal- 
drüse übereinkommt. Sie lagert zwischen zwei Schichten des 
M. sphincter eloacae. 

Bei einem Beuteljungen von 14 cm hat sich die Vorragung 
stärker entwickelt (vgl. Fig. 2b, Taf. V), der Ausführungsgang sich 
entsprechend verlängert. Dieser ist mit einem mehrschichtigen Epithel 
austapeziert. Der Drüsenkörper besitzt eine centrale Höhle, umringt 
von einem Kranze sekundärer kleinerer Höhlen. Die ganze Drüse 
hat sich von der Umgebung losgelöst und besitzt eine eigene Muskel- 
kapsel. Auch die Drüse des erwachsenen Tieres zeigt den Bau der 
Rectaldrüse, wie man sie bei den Phalangeridae antrifft. 

Wir haben hier also eine Reetaldrüse vor uns, welche an einer 
besonderen Stelle (auf der rectalen Wandung des Ectodäums) ent- 
steht und später außerhalb des Proetodäums ausmündet. Das zweite 
Paar der Reetaldrüsen (auf Fig. 50 mit 5b angedeutet) mündet 
seitlich vom oben genannten Fortsatz im obersten Teile des Procto- 
däums. Die Ausmündungsstelle liegt unter einer großen Falte der 
Schleimhaut verborgen, welche links auf der Fig. 50 umgeklappt ist. 
Der ziemlich kurze Ausführungsgang führt schräg eranial- und lateral- 
yärts zu einem großen und ovoiden Drüsenkörper, der von einer 
icken Muskelkapsel umgeben ist. 

Über Entwieklung und feineren Bau gilt folgendes. Beim 
3euteljungen von 8 cm bildet die Drüsenanlage einen nur 450 u 
langen und sehr breiten soliden Zellstrang, der von der seitlichen 
Wandung des Ectodäums ausgeht (Fig. 45 a. b... Diese Lagerung 
hat sich, durch die Aufteilung des Eetodäums, beim Beuteljungen 
von 12 em derart geändert, daß die Drüse im Proctodäum aus- 
mündet. Sie hat sich daneben weiter differenziert. Der dicke Zell- 
trang hat ein unregelmäßiges Lumen bekommen, um das die Zellen 
in vielen Schichten angeordnet sind. Er ist damit zu einem kurzen 


496 Ar Pr 2:.d3Broek 


Ausführungsgange geworden. An seinem Ende teilt er sich in mehrere 
sekundäre Gänge, welche ihrerseits in verzweigte und netzförmig 
anastomosierende Zellstränge übergehen. Im Centrum der ganzen 
Masse finden sich bereits einige Lumina. Der Beginn seeretorischer 
Tätigkeit ist wahrzunehmen. Diese besteht, wie die Untersuchung 
beim erwachsenen Tiere lehrt, in der Produktion eines gelblichen, 
amorphen Secretes, das einen stark durchdringenden Riechstoff ent- 
hält. Bei der Produktion des Secretes gehen, wie in der Rectal- 
drüse, Zellen zugrunde. 

Der Drüsenkörper besitzt einen wehren: großen Alveolus, 


Fig. 50. 


Proctodäum und Rectum von Hypsiprymnus, an der dorsalen Seite geöffnet. a und db Rectaldrüsen 
c Sinus. 


welcher mit Seeret prall angefüllt ist, jedoch keinen Anteil an 
der seeretorischen Tätigkeit zu nehmen scheint; er ist mit einem 
scharf begrenzten, etwa zweischichtigen Epithel bekleidet. In 
ihn münden die ihn rings umgebenden kleineren und miteinander 
anastomosierenden Drüsenlumina aus, welche alveoläre Enda 
schwellungen zeigen. i 

Das dritte, nicht als eigentliche Drüse zu bezeichnende Gebilde 
liegt dieht neben der Medianlinie auf der dorsalen Wandung des 
Proctodäums (Fig. 50c), dicht an dessen oberer Grenze. Eine große 
runde Öffnung führt in einen geräumigen Blindsack, dessen Aus- 
dehnung in Fig. 50 angegeben ist. Der Blindsack nimmt seine En 
stehung, wie die Untersuchung des Beuteljungen von 8 cm lehrt, aus 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 427 


der dorsalen Wandung des Proctodäums als einfache, median gelagerte 
Ausstülpung. Beim Beuteljungen von 14 cm ist die Ausstülpung 
median und unpaar; erst nach vielen Schnitten teilt sie sich in zwei 
Abschnitte. Der unpaare Abschnitt wird allmählich in das Procto- 
däum aufgenommen, so daß die Ausstülpung beim erwachsenen 
Tiere paarig erscheint. 

Ich fand einen der beiden Säcke prall mit dem stinkenden Secrete 
aus der zweitgenannten Reectaldrüse angefüllt. Vielleicht dient er 
als Reservoir für das Secret, welches in bestimmten Augenblieken 
in größerer Menge durch Kontraktion der kräftigen muskulösen 
Wandung ausgelassen werden kann. Die Schleimhaut zeigt eine 
große Zahl von Falten, was auf eine Ausdehnungsfähigkeit hinweist; 
mikroskopisch stimmt sie im Baue mit der Wand des Proctodäums 
überein. 


Testikel und Epididymis. 
a) Lagerung und Hüllen. 


Die beiden Testes und Epididymes machen bei Beutlern einen 
vollständigen Descensus durch und bleiben zeitlebens in dem präpe- 
nialen Serotum liegen. Rückkehr in die Bauchhöhle durch Muskel- 
wirkung (M. eremaster) kommt anscheinend nicht vor. 

Im Serotum lagern die Testes einander sehr dicht an; die 

einander zugekehrten Flächen, durch ein dünnes Septum seroti ge- 
trennt, sind meistens abgeplattet. Die Epididymes liegen dorso- 
lateral von den Testikeln. 
Das Serotum ist der vorderen Bauchwand sehr breit (Phasco- 
lomys) angelagert, sog. sessiles Serotum, oder die Verbindung zwischen 
Serotum und Bauchwand ist eine schmale, stielartige (übrige Beutler). 
Die Serotalhaut und das subeutane Bindegewebe geben zu besonderen 
Bemerkungen keinen Anlaß; ein diekerer Bindegewebsstrang ver- 
läuft zwischen die Serotalhaut und den Testikel, das Gubernaculum 
Hunteri. 

Die Hüllen des Testikels sind die üblichen. Eine deutliche 
Fascia Cooperi als Produkt des M. obliquus abdominis externus 
konnte ich nicht präparieren, es sei denn, daß das dünne Binde- 
gewebslager, welches den M. eremaster bedeckt, als solche betrachtet 
werden muß. Der M. cremaster bezieht seine Fasern, wie früher 
ausführlicher beschrieben wurde, ausschließlich aus dem M. trans- 


versus abdominis. Die Muskelbündel lagern dem Funieulus sperma- 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 28 


%. 


ge 


Ei 


428 AR; 


v. d. Broek 


ticus anfangs lateral an, um ihn nach und nach ganz zu umschließen. 
Sie strahlen auf die Testikeloberfläche aus. 


Ebensowenig wie eine CoorErsche Fascie war eine deutliche 
Tunica vaginalis communis zu präparieren. 

Zwischen parietalem und visceralem Blatt der T 
Sinus vaginalis. 
Blätter des Bauchfelles im Serotum sind im Abschnitte über das 
Daselbst wurde auch schon die Aufmerk- 
samkeit auf die tiefschwarze Pigmentierung gelenkt, 
parietale Blatt bei vielen Formen aufweist. 
greift auf das viscerale Blatt nicht über. 
nur hin und wieder Pigmentierung vor. 


propria findet sich der 


Peritoneum nachzusehen. 


b) Makroskopischer Bau von Testikel und Epididymis. 
Zieht man Testikel und Epididymis auseinander, dann kann man 
die Form des ganzen Testikels übersehen; 


Fig. 51. 


Schema des Verlaufes der Gefäße im Mesorchium 

und Vas epididymidis bei Halmaturus. d.a, Drü- 

siger Teil der Epididymis; v.e. Vas epididymidis; 

p'p Plexus pampiniformis, mit dem Teil der 

zum Nebenhoden (p’’p’) und zum Hoden (p'p') 
zieht; e Epididymis. 


sehr different und auch abweichend von dem Verlaufe der oberfiäclie 
lichen Gefäße der Hoden andrer Säuger. 
kommen, daß vielleicht ein Konnex zwischen innerer Organisation 
und Gefäßverteilung bestehe, obwohl ich Sicheres darüber nicht 
leh gebe hier nur einige Befunde wieder. Die 
Frage selbst läßt sich nur an großem Vergleichsmaterial studieren, 
was den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde. 


aussagen kann. 


'unica vaginalis 
Die Verhältnisse beider 


welche das 
Die Pigmentierung 
Im Samenstrange kommt 


sonst wird er teilweise 
durch die Epididymis bedeckt. 
Der Hoden stellt ein Organ von fast 
kugeliger (Didelphys) oder mehr 
ovoider Gestalt (Phaseolaretidae, 
Phalangeridae) mit glatter Ober- 
fläche vor. An keiner Stelle 
ist er mit dem Epididymis in 
fester Verbindung, das breite 
Mesorchium erlaubt eine große 
Beweglichkeit gegen die Epidi- 
dymis. 

Zunächst fällt die Gefäßver- 
sorgung des Testikels durch die 
Verteilung der oberflächlich ver- 
laufenden, hauptsächlich venösen 
Getäße auf. Der Gefäßverlauf ist‘ 
bei verschiedenen Beutlerformen 


Es läßt den Gedanken auf- 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 429 


Bei Didelphys durchsetzen die Gefäße das Mesorchium an dessen 
freiem Rande und begeben sich zum Testikel, wo sie sich radiär ver- 
teilen. Ähnliches sieht man bei Dasyurus. Bei Phascolomys ver- 
teilen sich die Gefäße (man erkennt nur die ganze Gruppe, Arterie 
und Venen nicht gesondert) in zwei Gruppen. Eine Gruppe zieht 
zum Nebenhoden, die andre verläuft in großem Bogen zwischen die 
Blätter des Mesorchiums zum Testikel (Fig. 14, Taf. VI). Hier er- 
reichen sie dessen Spitze und verteilen sich von da auf die Ober- 
fläche. Hierbei treten einige Hauptgefäße in den Vordergrund; 
sie sind parallel der Längsachse des Testikels auf dessen Oberfläche 
zu verfolgen, wo die Äste sich baumförmig abzweigen. Die Haupt- 
gefäße treten an der Spitze des Testikels, wo sie in das Mesorchium 
übergehen, wirbelförmig zusammen. 

Duetus efferentes testis (siehe unten) und Blutgefäße des Testikels 
sind zwischen den Mesorchiumblättern weit voneinander entfernt (vgl. 
Fig. 14, Taf. V]). 

Bei den Maeropodinae ziehen die Blutgefäße, aus dem Samen- 
strange kommend, mehr direkt zum Testikel, doch bleiben sie weit 
vom Rande des Mesorchiums entfernt (vgl. Fig. 15 auf Taf. VI). Sie 
erreichen den Testikel an einem seiner spitzen Pole und verteilen 
sich dann auf dessen Oberfläche. Hier treten Differenzen auf. An 
der einen Testikelfläche erblickt man ein Gefäß, das in der Mitte 
der Oberfläche liegt, und von dem sich nach und nach die Äste in 
das Organ einsenken (es ist offenbar eine Vene). An der gegenüber- 
liegenden Seite befinden sich zwei Gefäße, welche einander voll- 
kommen parallel verlaufen, und in welche die Äste von je einer 
Testikelhälfte sich einsenken. Etwas tiefer gelagert schimmern kleine 
gleichverlaufende Arterien durch. 

Die Epididymis ist ein Organ von länglicher Form, das den 
Testikel teilweise bedeckt. Zieht man den Nebenhoden vom Hoden 
ab, dann kann man an ihm eine äußere konvexe und eine innere 
konkave Fläche unterscheiden. Die Ränder zwischen beiden Flächen 
sind glatt, außer bei Dasyurus (Fig. 16, Taf. VI), bei dem sie durch 
eine starke Crenilierung ausgezeichnet sind. Die äußere, konvexe 
Fläche ist teilweise breit dem parietalen Blatte der Tunica vaginalis 
propria angeheftet (Mesepididymis), der übrige Teil ragt frei in den 
Sinus vaginalis (vgl. Peritoneum). Von der Mitte der konkaven, den 
Hoden zugewendeten Fläche, geht das Mesorchium aus, das Hoden 
und Nebenhoden verbindet. 

Es ist nicht zulässig, am Nebenhoden Caput und Cauda zu 
2 28* 


420 A. J. P. v. d. Broek 


unterscheiden, wie es in der menschlichen Anatomie gebräuchlich ist, 
was wohl durch die Abwesenheit eines Corpus Highmori und der 
Coni vaseulosi verursacht wird. 

Es sind äußerlich an der Epididymis zwei Regionen zu sehen, 
welche sich durch das Kaliber der durchschimmernden Kanälchen 
unterscheiden. Eine Region mit Kanälehen von großem Kaliber 
(der stark geschlängelte Ductus epididymidis) setzt sich scharf ab 
gegen eine Region mit Kanälchen von viel kleinerem Durchschnitt 
(die Epididymiskanälchen). Letztere nehmen nur einen kleinen Teil 
der Epididymis ein. 

Die Verbindung zwischen Testikel und Epididymis kommt nur 
durch ein oder durelı wenige Kanälchen zustande. Diese Ductus 
efferens testis (bzw. D. efferentes testis) lagern nur bei Didelphys 
am Rande des Mesorchiums, bei den andern bleiben sie etwas 
von ihm entfernt. Bei den Macropodinae begleiten sie die das 
Mesorehium durchsetzenden Gefäße. Bei Phascolomys durchsetzt ein 
Gang die Mitte des Mesorchiums, weit von den Gefäßplexus entfernt, 
und tritt in der Mitte des Nebenhodens ein (Fig. 14, Taf. VI). 


Mikroskopischer Bau und Entwicklungsgeschichte. 


Es ist nicht meine Absicht, an dieser Stelle einen Beitrag zur 
Spermatogenese der Beutler zu liefern. Diese ist in mehreren Arbeiten 
der letzten Jahre ausführlich beschrieben worden (FÜRST, v. KORFF, 
BENDA). Ich beschränke mich daher für den Testikel auf einige 
wenige entwicklungsgeschichtliche und histologische Angaben und 
werde nur auf den Bau des Nebenhodens und die Entwicklung der 
Verbindung zwischen beiden Organen etwas näher eingehen. 

Auf Durchsehnitten von Quer- und Längsschnitten zeigt sich der 
Testikel aufgebaut aus einer sehr großen Zahl geschlängelt ver- 
laufender Samenkanälchen, welche durch sehr wenig Bindegewebe 
voneinander getrennt sind. Ich sah keine Queranastomosen zwischen 
benachbarten Kanälehen, womit natürlich nicht gesagt ist, daß solche 
fehlen. Der ganze Komplex von Hodenkanälchen wird von einer 
aus parallelen Bindegewebsfasern bestehenden Tunica albuginea um- 
geben. & 

Betrachtet man einen Längsschnitt durch einen sich entwickelnde 
Hoden, wie Fig. 52 ihn wiedergibt, dann fällt sofort eine hetinmte 
Lagerung der Hodenkanälchen auf. Diese verlaufen etwas ge- 
schlängelt, im allgemeinen senkrecht gegen die Längsachse des 

I 


ö 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 431 


Organes, wobei sie nach einer Stelle des Organes konvergieren. 
Sehält man vom erwachsenen Organe die Tunica albuginea ab, dann 
trifft man übereinander gelagerte Schichten von Hodenkanälchen, 
welche durch dünne Schichten fibrillären Bindegewebes getrennt sind. 
Diese Scehiehten sind den Lobuli im Testikel des Menschen nicht 
völlig vergleichbar, denn ein Zusammentreten der Septen zur Bildung 
eines Corpus Highmori fehlt den Beutlern. 

Die Hodenkanälchen sammeln sich bei allen untersuchten 
Formen zu ganz wenigen Kanälen (oder einem einzigen Kanal), 
welche die Verbindung zwischen Hoden und Nebenhoden herstellen. 

Ich traf im Bindegewebe des Hodens die sog. interstitiellen 


Fig. 52. 


Schnitt durch den Hoden von Halmaturus Benetti. 10,5 cm. Vergr. 33,5. p.p. Plexus pampini- 
formis; m.g. Rest des Mürrerschen Ganges; v.e. Vas epididymidis; Z.s. Tubuli seminiferi. 


Zellen reichlich an als große runde oder polygonale Zellen mit 
großem runden Kern. Kristalle fand ich in ihnen nicht. 

Was den Nebenhoden und die Verbindung zwischen beiden 
Organen betrifft, so muß ich etwas weiter ausholen und an die Ent- 
wicklungsgeschichte erinnern, wie ich sie teilweise früher (5) be- 
schrieb. 

Zur Zeit der Geburt funktioniert die Urniere und lagert an ihrer 
ventro-medialen Seite der Testikel. Es besteht noch keine Ver- 
bindung zwischen beiden. Die Urnierenkanälehen redueieren sich 
in eranio-caudaler Richtung und bilden sich nicht in Nebenhoden- 
kanälchen um. Der Worrrsche (und MüÜLLERsche) Gang wächst 
bogenförmig in den Testikel hinein und erlangt da Verbindung mit 
den nach einem Punkte konvergierenden Hodenkanälchen. Sind alle 
Urnierenkanälchen redueiert, dann wird der ganze Nebenhoden 
ausschließlich vom geschlängelt verlaufenden Duetus epididymidis 


432 A. J. P. v. d. Broek 


eingenommen; es fehlen alle Nebenhodenkanälchen (Didelphys, 
Dasyurus, Halmaturus). Erst später entstehen an einer scharf um- 
schriebenen Stelle des Nebenhodens die sog. Nebenhodenkanälchen 
entweder durch Sprossungen oder, was ich für möglich halte, durch 
Spaltungen an dem einzig vorhandenen Gange. Ich unterscheide 
den betreffenden Teil als Pars conglomerata des Ductus epididy- 
midis. 

Diesen Entwicklungsmodus kann ich jetzt für die Phalangeridae 
bestätigen. Auch bei ihnen besteht anfangs nur ein einziger Gang, 
aus dem erst später die eben erwähnten Kanälchen hervorgehen. 

Die Netzbildung bleibt nicht auf den Nebenhoden beschränkt; 
sie erstreckt sich allmählich auch auf die Verbindungsstrecke zwischen 
Testikel und Epididymis. Beim erwachsenen Tiere bildet diese Ver- 
bindung einen feinen Strang, in dem eine größere Zahl von 
Kanälchen dicht nebeneinander verlaufen, welche ein langgestrecktes 
Netzwerk darstellen (vgl. Fig. 17, Taf. V]). 

Obwohl also bei den Beutlern zwischen Hoden und Nebenhoden 
mehrere Verbindungsgänge als Ductus efferentes testis verlaufen, 
so nehmen sie doch eine andre Entwicklung als die Duetus efferentes 
testis höherer Säugetiere; sie sind diesen nur der Funktion nach 
gleichwertig. 

Die sog. Nebenhodenkanälchen nehmen in der Epididymis der 
Beutler nur einen kleinen, scharf begrenzten Platz ein. Dieser ist 
äußerlich am Kaliber der durchschimmernden Kanälchen zu erkennen. 
Sie besitzen ein einschichtiges Cylinderepithel, an dem secretorische 
Tätigkeit zu erkennen ist. Die Zellen sind mit unregelmäßigen 
Fortsätzen (Cilien) besetzt. Glattes Muskelgewebe, das DissELHORST 
im Nebenhoden von Phalangısta beschrieb, fand ich bei Macropodinae 
(Onychogale). Die Umhüllung des Nebenhodens besteht außer aus 
dem Peritoneum aus einer Tunica albuginea, zwischen deren Binde- 
gewebsfasern große und weite Lymphspalten auffallen. Auch größere 
Blutgefäße verlaufen hier. Die Struktur des Ductus epididymidis gibt 
zu besonderen Bemerkungen keinen Anlaß. Äußerst stark geschlängelt 
verlaufend erfüllt der Gang den größten Teil des Nebenhodens und ver- 
läßt diesen an der lateralen, konvexen Fläche, um in den Samenstrang 
einzutreten. Der Übergang vom Nebenhoden in den Samenstrang 
liegt nicht am Ende dieses Organes, sondern wie die Fig. 14—16 
auf Taf. VI zeigen, in der Mitte dessen Höhe. 

Appendices testis habe ich nur einmal mit Sicherheit, bei Dasyurl 
macrourus, aufgefunden. 


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Morpholog. Jahrbuch. Ba. AU 


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Lüh.Anst.v. Johannes Arndt, Jen. 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 433 


Andern Resten des MÜürLterschen Ganges hingegen begegnete 
ich mehrere Male bei Beuteljungen. Bei Didelphys und Dasyurus 
durchsetzt der MÜLLERsche Gang den Nebenhoden in ganzer Aus- 
dehnung als ein Kanal mit rundem Lumen und einschichtigem Cylinder- 


‚epithel. Bei Macropodinae (Halmaturus) fand ich einen solchen 


Kanal nicht. 

Bei allen Beutlern bleibt das caudale Ende des MÜLLERschen 
Ganges bestehen und trägt bei zur Bildung des Ductus deferens. 
Ich habe früher den sehr eigenartigen, spiralig umeinander gedrehten 
Verlauf beschrieben, welchen WoLrrscher und MÜLLERscher Gang 
bei ihrer Einmündung einschlagen. Das Endstück des MÜLLERschen 
Ganges, das um den Worrrschen Gang herum verläuft, verschmilzt 
später mit ihm zu einem einzigen Kanale. Am Verschmelzungspunkte 
nimmt das Lumen des Ductus deferens plötzlich ziemlich stark zu 
(Maeropodinae), eine Erscheinung, welche in dem Ostium, das im 
Verlaufe der Vagina bei den Macropodinae angetroffen wird, ihr 
Homologon hat. 

Der eaudale Teil des Duetus deferens und der unterste Teil 
der Vagina lateralis sind somit einander vollständig homolog. 

Aus der eben beschriebenen Verbindung beider Kanäle erhellt 
sofort, warum bei Beutlern eine Vagina masculina fehlt. Die Be- 
obaehtung von Young (32), der eine solche bei Phascolarctos beschreibt, 
kann ich nicht bestätigen. 

Die Struktur des Funieulus spermatieus gleicht derjenigen bei 
andern Säugern. Die große Zahl von Blutgefäßen, welche einen 
Teil des Querschnittes ausmachen, besteht hauptsächlich aus äußerst 
feinen Arterien. Mehr nach der Peripherie zu finden sich die größeren 
Venen. Eine kleinere Anhäufung von Gefäßen liegt in der Um- 
gebung des Ductus deferens und stellt die Zweige der Art. und Vena 
deferentialis vor. Der Verlauf der Art. spermatica interna ist im 
Abschnitte der Bauchwandmuskulatur beschrieben worden. 


Serotum. 


Die Beutlerbesitzen ein präpenialgelagertesSerotum, ausgenommen 
Notoryctes typhlops, dem ein Serotum fehlt (STIRLING, SwEET). 

Die Serotalanlage tritt in der Form zweier länglicher Wülste 
auf der vorderen Bauchdecke zutage, welche in der Medianlinie 
aneinander grenzen. Diese Area scroti liegt in bestimmtem oralen 
Abstande von der Anlage der äußeren Geschlechtsorgane; sie nimmt 


434 A. J. P: v. d. Broek 


dieselbe Stelle ein wie beim Weibehen das Mammarfeld. Auf Quer- 
schnitten stellt die Serotalanlage hauptsächlich eine subepidermoidale 
Anhäufung von Bindegewebe vor. In der Mitte dieses lockeren 
Bindegewebes fällt durch dunklere Tinktion das Ende des Ligamentum 
inguinale auf, Dieses wird, an seiner medialen Seite, von. einem 
Processus vaginalis peritonei begleitet. Ich konnte keine besonderen 
Unterschiede in der Größe dieser Peritonealausstülpung finden. Eine 
besondere Größe der Bursa bei Perameles, worauf KLAATsSCH hin- 
weist (l. e. S. 624), ist mir nicht aufgefallen. 

Die Serotalanlage hebt sich bald von der vorderen Bauchdecke 
ab, indem die Testikel schon sehr früh in sie eintreten. 

Untersucht man die Scerota von Beuteljungen auf Querschnitten, 
dann sind zwei Teile an ihnen zu unterscheiden. In dem einen 
Teile lagern die Testikel.e. Der zweite Teil bildet einen soliden 
Fortsatz, der angefüllt ist mit Bindegewebe, in welches das Lig. 
inguinale ausstrahlt. Später scheint dieser Teil zu verschwinden. 
In der Subeutis des Beutlerscrotums findet man immer glatte 
Muskelelemente, welche ein Art Tunica dartos darstellen. 

Beim erwachsenen Tiere ist das Serotum sog. sessil (Phascolomyys), 
oder es hängt durch einen schmaleren sog. Serotalstiel (KLAATscH) 
mit der vorderen Bauchdecke zusammen. Bei Notoryctes liegen die 
Testikel zwar subeutan, aber es fehlt, wie schon anfangs vermeldet, 
ein eigentliches Serotum. 

Der Hodensack umschließt, speziell bei den Maeropodinae, die 
beiden Testikel sehr eng, so daß diese dicht aneinandergeschlossen 
öfters sogar an der medialen Seite abgeplattet sind. 

Die Bilateralität des Scrotums, welche sich schon bei der ersten 
Anlage ausprägt, bleibt durch die Anwesenheit eines Septum seroti 
erhalten. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 
Einleitung. . . A Rn u a np en ae ne 
Außere Geschlechtsorgane ae RENTE ee ee 
Muskulatur . . . u u ER m 1 2 
Pamtohenum 7, VA ER IRE NEAUARTET MIT AT IRSIN A, 
Harmblase Ye. . ou. ita) SIRSR RTV lan. arıt AaIvHlu Me 
tr en 
RnohO . F.... 0 ne N Leu un 
Urogenital-Kanal . . RES, MUmBonAE „UT RI VE 
Accessorische Geschlechtsdrüsen era dr me Be een, Ve 
Testis und m Eye egal ad re De ae 2 
Serotum . . RT TARR TUR WEB NIISRERRFAID B7 13) 


Taf: VI. 


Lüh.Anst.v. Johannes Arndt, Jerea. 


Verlag vor Wühelm Engelmann in Leinzig. 


orpholog. Jahrbuch. Bd. XL 


Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 


Untersuchungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane usw. 435 


Figurenerklärung, 


Tafel V u. VI. 
Äußere Geschlechtsorgane von Perameles obesula 5 5 cm. 
Außere Geschlechtsorgane von Hypsiprymnus rufescens. a © 63 mm; 
b 5 14cm. 
3. Äußere Geschlechtsorgane von Halmaturus thetidis. a 5 10,4 em; 
b 5 16cm; c 3 19cm. 


BIT 


ie. 4. Penis und Penistasche von Phascolomys einereus. 
. 5. Durchschnitt durch den Knorpelstab im Penis von Phascolomys einereus. 


Vergr. 155. 
6. Einmündung der Ureteren und Ductus deferentes bei Didelphys mar- 
supialis. 
Collieulus seminalis von Phascolomys einereus. 
Collieulus seminalis von Phalangista lemurina. 


7 
8. 

. 9. Collieulus seminalis (?) von Hypsiprymnus rufescens. 
0 


Querschnitt durch den Urogenital-Kanal von Perameles obesula.. 5 cm 

Vergr. 135. 

11. Grenze zwischen Eetoderm und Entoderm in der Phallusleiste von 
Halmaturus thetidis. & 16,4 cm. Vergr. 130. 

12. Grenze zwischen Eetoderm und Entoderm in der Wandung des Uro- 

genital-Kanales von Phalangista lemurina. Vergr. 85. 


.13. Querschnitt durch Drüsenschläuche der Prostata (@) und Gl. urethralis (b) 


von Macropus dorsalis. Vergr. 265. 


.14. Testikel von Phascolomys einereus. 

.15. Testikel von Maeropus dorsalıs. 

.16. Testikel von Dasyurus macrourus. 

.17. Netzbildung im Verlaufe des Vas epididymidis. 


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I. 


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24. 


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G 


II. Jena 1898. 


Journal of anatomy and uhystologi 


D 


4 
H 


' Entwieklung und Bau des Urogenital-Apparates 
‚ der Beutler und dessen Verhältnis zu diesen Organen 
andrer Säuger und niederer Wirbeltiere. 

Von 


Prof. A. J. P. v. d. Broek. 


Mit 7 Figuren im Text und Tafel VI. 


In diesem Aufsatze beabsichtigeich, erst eineallgemeine Übersicht 
über Entwieklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler zu 
‚ geben. Ichwerde mich niehtauf das männliche Geschlecht beschränken, 
‚sondern auch das weibliche Geschlecht mit in den Kreis der Be- 
trachtungen ziehen. Erst nach der Veröffentlichung früherer Unter- 
suchungen über diesen Gegenstand kamen mir mehrere Präparate unter 
‚ die Augen, durch welehe manches, was früher nur lückenhaft unter- 
sucht wurde, später vervollständigt werden konnte, und welche die 
‚ Vergleichung der Organe beider Geschlechter besser durchführen 
ließen. Allerdings können an dieser Stelle nur die hauptsächlichen 
‚ Ergebnisse gestreift werden; für viele Einzelheiten muß auf die 
| früheren Arbeiten ee werden. Außerdem werde ich, soweit 
| die Gelegenheit sich hierzu bietet, den Geschlechtsapparat der Beut- 
‚ ler sowohl mit dem der placentalen Säuger als auch mit dem der 
‚ Monotremen und von niederen Wirbeltieren vergleichen. Für die Be- 
schreibung nehme ich den Ausgang von einem noch nicht geschlecht- 
lich differenzierten Stadium, welches ich bei einem Phalangista- 

‚ Beuteljungen von 12 mm antraf. 
| Die Urniere, welche anscheinend sehr früh auftritt, bildet einen 
voluminösen Drüsenkörper, welcher das Cölom von jeder Seite her 
‚ beträchtlich einengt. Der Geschlechtsstrang verläßt sie am cau- 
dalen Drüsenpol und verläuft in caudo-medialer Richtung zum Sinus 


| 


438 A. J. P. v. d. Brock 


urogenitalis. Im Geschlechtsstrange befinden sich Worrrscher und 
Mürverscher Gang. Ersterer mündet in den Sinus urogenitalis, 
dessen seitliche Wandung er, wie bei monodelphen Säugern, durch- 
bohrt. Der Mürrersche Gang besitzt ein Ostium abdominale, er 
erreicht den Sinus urogenitalis noch nicht. Das Urodäum, die ento- 
dermale Cloake, ist bereits vollständig in Sinus urogenitalis 
und Rectum aufgeteilt; es hat sich also ein primitiver Damm ge- 
bildet. Sinus urogenitalis und Rectum senken sich hintereinander 
in eine eetodermale Cloake, in das Eetodäum FLEISCHMANNS, ein. 


Zwischen den Mündungen der Wortrschen Gänge beobachtet 
man die schon eranialwärts gerichteten Ostien der Ureteren. Wenn 
die Ureteren als Ausstülpungen der Wandung der Urnierengänge 
entstehen, was angenommen werden darf, dann ist der Teil zwischen 
ursprünglichem Ostium des Wouurschen Ganges und der Anlage- 
stelle des Ureters (Allantoisstiel von v. MiHALKOVvIcs) in das Lumen 
des Sinus urogenitalis bereits aufgenommen worden. In einem 
solchen schnell sich vollziehenden Entwicklungsvorgange erblickt 
bekanntlich KEIBEL die Ursache für die von den monodelphen Säu- 
gern abweichenden Einmündungsverhältnisse der Ureteren und WOLFF- 
schen Gänge. 


Der Ureter ist bereits mit der mesodermalen Nachnierenanlage 
in Zusammenhang getreten. 


Der Sinus urogenitalis besitzt ein sehr kleines, sagittal gestell- 
tes Lumen und geht nach vorn in die solide Uralplatte s. Phallus- 
leiste über, welche als Doppellamelle entodermaler Zellen in die 
orale Afterlippe (Phallus) hineinragt. Der Sinus urogenitalis geht 


aufwärts in die Blasenanlage über. Dieser Teil ist ein äußerst kurzer 


Schlauch mit quergestelltem Lumen. Weiter aufwärts ist das Lumen 


verschmälert, und die Blasenanlage ist geschlossen. Eine Fortsetzung 


als Allantois oder Allantoisrest ist nicht zu beobachten. Die äußeren 
(Geschlechtsorgane treten in der Form eines niedrigen Ringwalles 
auf, welcher ein kleines Lumen, das obengenannte Ectodäum, 
umgibt. An der oralen Seite besitzt der Wall eine Vorragung, 
den Phallus, oder orale © AHPTbRDH in welchen die Uralplatte sich 
fortsetzt. n 


Indem ich von diesem Stadium ausgehe, werde ich die Diffe- 
renzierung in den beiden Geschlechtern besprechen, ich beginne mit 
dem excretorischen Apparate. d 

fl 


2 


Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 439 


a) Urniere. 

Die Glomerula lagern in ein bis zwei Reihen an der Medial- 
seite des Organes. Sie haben, wie bei andern Säugern, eine 
ovale Form; ihre Durchmesser betragen als größte Länge 0,133 
(Didelphys) — 0,2 (Macropus) mm und 0,08—0,1mm als größte Breite. 
Sie scheinen also nicht zu solchen excessiven Größen auszuwachsen, 
wie bei andern Säugern (Sus bis zu 0,5 mm). In den Urnieren- 
kanälchen tritt bei Beutlern eine Sonderung in einen secretorischen 
und in einen abführenden Teil auf. Durch die Färbung der Kerne 
sowie durch den größeren Durchmesser der Tubuli seeretorii gegen- 
über den T. colleetivi ist diese Differenzierung gekennzeichnet. Ob 
während der Entwicklung Nachbildung von selbständigen Urnieren- 
kanälchen stattfindet, kann ich nicht angeben. Mit Bestimmtheit 
habe ich hingegen eine Sprossenbildung an den Urnierenkanälchen 
(Trichosurus, Didelphys, Macropus) wahrgenommen, welche anschei- 
nend noch während des Individuallebens fortdauert. Hierin stimmen 
Beutler mit placentalen Säugern überein (KoLLMANnN [Mensch], MiHAL- 
Kkovıcs [Kaninchen], MAc CALLUM und WEBER [Schwein]). Die Ur- 
niere funktioniert noch eine bestimmte Zeit während des Individual- 
lebens. SELENKA gibt für Didelphys eine mehrere Wochen dauernde 
Funktion an. Wie lange diese Zeit bei andern Formen dauert, läßt 
sich bei dem unbekannten Alter der mir zu Gebote stehenden Beutel- 
Jungen nicht bestimmen. Aus den mir bekannt gewordenen Bildern 
schließe ich für die Beutler auf eine vielleicht nur kurze gleich- 
zeitige Funktion von Urniere und Nachniere, (Phalangista), und ich 
stimme hierin mit SELENKA überein (Didelphys). Ich traf Glome- 
rula in der Nachnierenanlage schon zu einer Zeit an, wo die Urniere 
anscheinend noch auf dem Höhepunkt ihrer Funktion stand. Diese 
Erscheinung kann für eine gleichzeitige Funktion ins Feld ge- 
führt werden, obwohl das Vorhandensein von Glomerula dem Durch- 
bruch der Nierenkanälchen in die Pelvisverzweigungen bekanntlich 
vorangeht. Beutler und Monotremen stimmen in dieser Hinsicht mit 
Reptilien überein. Diese werden auch mit funktionierender Urniere 
geboren welche noch längere Zeit mit der Nachniere zusammen 
in Tätigkeit bleibt. Unter den Säugern besitzen Monotremen und 
"Beutler die am stärksten ausgebildeten Urnieren, welche höchst- 
wahrscheinlich funktionieren. Dann folgen (nach S. Weser) Schwein, 
Kaninchen, Mensch, Maulwurf, Meerschweinchen, Maus. Bei diesen 
monodelphen Säugern ist nach den Ausführungen von Ferıx die 


440 A. J. P. v. d. Broek 


Möglichkeit einer gleichzeitigen Funktion von Urniere und Nach- 
niere sehr in Frage zu stellen (l. e. S. 374). 

Die Reduction der Urniere geht anscheinend in eranio-caudaler 
Richtung vor sich und führt ziemlich schnell zum fast völligen 
Schwunde des ganzen Organes. Es sei besonders darauf hinge- 
wiesen, daß die Urnierenkanälchen nicht in eine besondere Be- 
ziehung zur Geschlechtsdrüse treten. Bei der Reduction sieht man, 
ähnlich wie bei andern Säugern, Bindegewebe sich allmählich in der 
Umgebung der Kanälehen anhäufen; dann zerfallen die Epithelien 
nach und nach und gehen, ebenso wie die Glomerula, zugrunde. Das 
Verhalten des Urnierenganges und des MÜrLLerschen Ganges findet 
bei den Ausführungsgängen der Geschlechtsdrüsen eine Besprechung. 

Die Blase ist, wie aus der oben gegebenen Beschreibung her- 
vorgeht, bei den Beutlern fast gänzlich entodermalen, urodäalen 
(eloakogenen) Ursprunges. Dazu kommt noch der vom WOoLrrschen 
Gange herzuleitende Abschnitt (mesodermaler Teil nach FELIX). 
Ob bei den Beutlern auch Teile des Allantois am Aufbau der Blase 
sich beteiligen, habe ich nicht entscheiden können. Karz hält die 
Beutlerblase für homolog der ganzen Allantois. Aus einem Zustande, 
wie er beim Beuteljungen von 12 mm besteht, entwickelt sich die 
Blase durch allseitige Erweiterung der ursprünglichen Anlage. Hierin 
stehen die Marsupialier den Monotremen gegenüber, bei denen nach 
KEIBELS Untersuchungen die Harnblase eine Ausstülpung der ven- 
tralen Wandung der Harnblasen-Harnröhrenanlage bildet. Sie stim- 
men in der Blasengenese vielmehr mit monodelphen Säugern über- 
ein, mit denen sie auch die Topographie der Ostien der Ureteren 
und Ductus deferentes gemein haben. 

Die Ureteren münden beim jüngsten Tiere zwischen beiden 
Worrrschen Gängen und in gleicher Höhe mit ihnen. Allmählich 
rücken die Ostien der Ureteren aufwärts, und es bildet sich bei 
Beutlern ein, dem Trigonum vesicae homologer Wandteil an der 
Übergangsstelle der Blase in die Urethra. Bezüglich des Wachs- 
tums und der Form dieses Trigonum vesicae sei auf die speziellen 
Beschreibungen und Maßangaben (Halmaturus) verwiesen. { 

Die Blase wächst, wahrscheinlich wegen der lang andauernden 
Milchernährung bei den Beuteljungen, sehr stark und ragt dann mit 
dem Scheitel frei in die Bauchhöhle hinein. Eine Fortsetzung des 
Scheitels als Lig. vesicale medium der menschlichen Anatomie be- 
steht nicht. ’ 

Die Blasenwandmuskulatur verläuft hauptsächlich eireulär. An 


Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 441 


den Anheftungsstellen der drei Blasenligamente kommt Längsmus- 
kulatur in Form von Taenien vor. Das caudale Ende der Blase 
setzt sich in die Urethra fort. Bei dieser ist zwischen männlichem 
und weiblichem Geschlechte zu unterscheiden. 

Beim Männchen ist die Urethra sehr kurz. Die Blase setzt sich 
durch ziemlich plötzliche Verengerung des Lumens in einen schma- 
len und kurzen, als Blasenhals unter- 
schiedenen Teil fort. Dieser geht an den 
Östien der Ductus deferentes in einen Uro- 
genital-Kanal über. Die Ostien befinden 
sich auf einer als Colliculus seminalis 
zu bezeichnenden Hervorragung der dor- 
salen I welche die direkte Fort- 
setzung des Trigonum Lieutaudi bildet. 
Für die Genese des Samenhügels verweise 
ich auf die Beschreibung des Urogenital- 
Kanales. 


Rie. it. 


Beim Weibchen sind zwei Zustände w. 
zu unterscheiden, je nachdem die Vaginae | 
getrennt bleiben oder eine einfache Vagina GH a INN 
besteht. Im ersten Falle setzt sich die ff & 
Blase in eine kurze und weite Urethra c AN 
fort, deren hintere Wandung durch die Harnblase und Urogenital-Kanal von 
Östien der Vaginae durehbrochen wird We en Sa 
(vgl. Fig. 1 von Trichosurus vulpecula). 

Hier besteht somit völlige Übereinstimmung in Genese und Aus- 
dehnung der Urethra in beiderlei Geschlechtern. 


DIN 


ZEN 


. Im zweiten Falle bildet die Urethra einen langen und feinen 
Kanal, der mit kleinem Ostium in der vorderen Wandung der ein- 
fachen Vagina mündet (vgl. Fig. 2 von Halmaturus). Es bleibt die 
Frage zu beantworten, ob in diesem Falle die Urethra ausschließ- 
lich aus der ursprünglichen Harnblasen-Harnröhrenanlage entstanden 
sei (eranial von den Östien der Urnierengänge), oder ob noch ein 
Teil des ursprünglichen Sinus urogenitalis zum Aufbau der Urethra 
beigetragen habe. 


Diese Frage deckt sich natürlich mit der nach der Genese der 
einfachen Vagina der Maeropodinae. Ist diese ein Produkt der Ver- 
schmelzung von den erst getrennten Vaginae oder sind Vagina und 
Urethra Teilprodukte des Sinus urogenitalis? Was ich auf Grund 


pers 


442 A. J. P. v. d. Broek 


meiner Präparate zur Lösung dieser Frage erfahren habe, gebe ich 
bei der Beschreibung der Geschlechtsgänge wieder. 


Fig. 2a. Fig. 22. 


ur 


En > n 3 . 
EEE 
x 


SESES 


2a Medianschnitt durch die weiblichen Geschlechtsorgane von Hulmaturus walabatus. 
schnitt durch die männlichen Geschlechtsorgane von Halmaturus ualabatus. 


b) Geschlechtsapparat. 
Keimdrüsen. 


Über die Entwicklung der Keimdrtisen habe ich früher aus 
führlicher berichtet und, da meine Präparate für histogenetische 
Zwecke nicht genügend waren, nichts Wesentliches hinzuzufügen 

Ich gebe zunächst eine vergleichende Übersicht über die Ge- 
schlechtsdrüsen und ihre Ausführgänge. | 

Zur Erläuterung dieser Tabelle genügen einige Angaben. Wa 
die Gebilde in der Tunica parenchymatosa und im Gebiete der Tu 
buli seminiferi anlangt, so verweise ich auf meine früheren Besehrei. 
bungen. Über die im Centrum des Ovars gelagerten Teile kann iel 


Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 443 


— — —_ 4 


weiblich männlich 
| Rinde Tuniea parenchyma- | Gebiet der Tubuli se- 
Geschlechtsdriüse tosa mit Follikeln. miniferi. 


| Centrum |Tunica vasculosa mit | Hilus testis mit ein- 
eingewachs. WOLFF- | gewachs.. WOLFF- 
schen Gange event. | schen Gange. 

interstitielle Ovarial- 


drüse. 
Urniere geht zugrunde. Vasa aberrantia? 
Vasa aberrantia imLig. 
latum ? 
eranialer Teil | wächst in das Ovarium | wächstin den Testikel. 
hinein. Pars conjunctiva. 
Worrrscher mittlerer Teil geschwunden. Pars conglomerata; 
Gang Vielleicht Kanälchen | drüsiger Teil des 
des Rete ovarii. Nebenhodens. 


caudaler Teil nimmt Teil an der | Vas epididymidis. 
Bildung der Vagina. | Vas deferens. 


| Tuba. Rest im Nebenhoden. 
MÜLLERscher Gang 4 | Uterus. geschwunden. 
| Vagina (teilweise). Medial vom Ductus de- 


ferens oder mit ihm 
verschmolzen (Ma- 
eropodinae). 


einiges Neue hinzufügen. Es findet sich im Hilus ovarii bei meh- 
reren Formen, speziell den Macropodinae, ein Konvolut von Kanäl- 
chen, welche ich früher als Rete ovarii beschrieben und als Reste 
von Urnierenkanälchen betrachtet habe. 

Vergleiche ich jetzt männliche und weibliche Tiere miteinander, 
so glaube ich mich zu der Annahme berechtigt, die Kanälchen des 
Rete ovarii der Pars conglomerata des Nebenhodens homolog zu er- 
achten. Sie entstehen in derselben Weise wie die Kanälchen 
im Nebenhoden, nämlich durch die Ausbildung eines Wunder- 
netzes im Verlaufe des WoLrrschen Ganges, der in das Ovar in der 
gleichen Weise wie beim Männchen in den Hoden hineinwächst. 
Bei einigen Beutlerformen habe ich eine interstitielle Ovarial- 
drüse angetroffen. Diese Drüse war im Oyar eines Beuteljungen 
von Sminthopsis crassicaudata von 25 mm anwesend, ferner im Ovar 
einer erwachsenen Petrogale penicillat« und in einem Ovar einer 
Jungen Halmaturus Derbianus. Da ich diese Drüse nicht nur im 


Ovar ausgewachsener Tiere, sondern auch ebensogut in einem Ovar 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 29 


444 A. J. P. v. d. Broek 


entwickelt fand, in dem erst Primärfollikel anwesend waren, so 
meine ich, daß die Entwicklung dieser Drüse bei Beutlern olıne 
jeden Zusammenhang mit dem Alter der Tiere ist, auch nichts mit 
der Bildung von Corpora lutea und atretischen Follikeln zu tun hat. 
Es scheint, daß diese Drüse, die bei verschiedenen monodelphen 
Säugern vorkommt und in den letzten Jahren studiert worden ist 
(Kaninchen, Fledermaus, Pferd), eine sehr verschiedene Genese haben 
kann. So meinen REGAUD und DUBREUIL einen bestimmten Konnex 
zwischen Alter des Tieres und Ausbildung der Drüse annehmen zu 
müssen (Kaninchen), indessen v. D. SrricHt zwischen Corpora lutea 
und Entwicklung der Drüse eine Beziehung annimmt, wobei die 
Zellen der ersteren in diejenigen der letzteren übergehen (Fleder- 
maus und andre Säuger). Vielleicht sind die Zellen der intersti- 
tiellen Ovarialdrüse auf eine Linie mit den sog. interstitiellen Zellen 
des Hodens zu stellen. Diese fehlen auch im Beutlerhoden nicht. 

Es blieben aber bis jetzt nicht erklärte Unterschiede bestehen. 
Während nämlich die Hodenzellen regelmäßig angetroffen werden, 
ist die Ausbildung einer interstitiellen Ovarialdrüse eine Ausnahme; 
es sei denn, daß diese Zellen das eine Mal eine kompakte Masse 
bilden, ein anderes Mal aber im Ovarium zerstreut liegen. Ich 
habe die letztere Anordnung dieser Zellen, obwohl ich von vielen 
ÖOvarien Serienschnitte anfertigte, nicht angetroffen. Die Frage nach 
dem Wesen der Ovarialdrüse muß offen bleiben, bis ausgedehnte, 
vergleichende, mehrere Familien umfassende Untersuchungen die 
Entscheidung bringen. 


Ausführungsgänge der Keimdrüsen. 
a) WoLrrscher Gang = Urnierengang. 


Er lagert an der Lateralseite der Urniere, nimmt die aufein- 
anderfolgenden transversalen Kanälchen (32 bei Macropus) auf und 
verläuft schräg caudalwärts zum Sinus urogenitalis. Er mündet in 
der seitlichen Wandung des letzteren aus, etwas mehr dorsal al 
ventral. Die Wandstrecke zwischen beiden Einmündungsstellen ist 
bei den jüngsten Beuteljungen (Halmaturus, Phalangista) noch nich 
konvex in das Lumen des Urogenitalsinus vorgebogen. Spät 
münden die Urnierengänge nach der Bildung des Collieulus semi 
nalis, auf der dorsalen Wandung des Urogenitalsinus aus; si 
stimmen also in ihrem Verhalten mit den Urnierengängen der mon 
delphen Säuger überein. 


Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 445 


b) MÜLLERscher Gang. 

Bei den jüngsten mir zur Verfügung stehenden Beuteljungen 
ist der MüLLErsche Gang zwar angelegt, jedoch noch nicht völlig 
entwickelt. Die Keimdrüse zeigt, ebenso wie bei monodelphen Säu- 
gern, schon geschlechtliche Differenzierung, bevor der MÜLLErRsche 
Gang vollends entwickelt ist. Das Wachstum des MüLterschen 
Ganges scheint bei einigen Formen (Didelphyidae, Dasyuridae) 
sich unabhängig vom Worrrschen Gange zu vol- Fig. 3. 
ziehen. Bei andern Formen, besonders bei Macropo- & 
dinae sind, wie Fig. 3 zeigt, beide Gänge teilweise mit- © 
einander verschmolzen: der kleinere MÜLLERsche Gang 
geht in das stark verdickte Epithel an der ventro-medialen 
Seite des WoLrrschen Ganges über. Diese Bilder sprechen 
sehr für eine Abspaltung des unteren Endes des MÜLLER- 
schen Ganges vom Worrrschen Gange; sie stimmen 
mit den Abbildungen von Querschnitten durch die Ge- 
schlechtsgänge von Selachierembryonen (Sceyllium) sehr 
überein, bei denen der MÜLLERsche Gang nach BALFOURS 
Untersuchungen sich durch Abspaltung vom WoLrrschen 
Gange entwickelt. 

Es bestehen somit in der Bildungsweise des MÜLLER- 
schen Ganges vielleichtbei verschiedenen Beutlergruppen 
Differenzen. Zweierlei ist jedoch hier noch zu be- 
merken, erstens, daß der MüLtersche Gang bei Macro- Ä 
podinae niemals den Urogenital-Sinus erreicht, wodurch verhalten der 
die genannte Beobachtung vielleicht als sekundäre Werrcher und 
Vereinigung ursprünglich getrennter Gänge anzusehen Gänge bei Aal- 
ist; zweitens, daß der MÜLLERsche Gang auch unter er 
den monodelphen Säugern bei nahe verwandten Arten, 
nach den Untersuchungen von TaALumAan Kır eine sehr verschie- 
dene Genese haben, entweder durch Abspaltung vom Urnieren- 
ang oder selbständig auswachsen kann. 


Eine besondere Besprechung erheischt das gegenseitige Ver- 
"halten von Worrrschen und Mürverschen Gängen in den meist 
audalen Abschnitten, nahe den Einmündungsstellen in den Sinus 
rogenitalis. 

Bei der Mehrzahl der Beutler findet sich Folgendes. Der 
lüLtersche Gang liegt eranial lateral vom WoLrFschen Gange; weiter 
ach unten tritt er an dessen ventrale Seite. Letztere Lage wird 
z 29* 


446 A. J. P. v. d. Brock 


bis kurz vor der Einmündung innegehalten. Hier beschreiben beide 
Gänge einen caudalwärts konvexen Bogen, um die hintere Wandung 
das Urogenital-Sinus zu erreichen. In diesem Verlaufe dreht sich 
der Worrrsche Gang spiralartig um den Mürrerschen, liegt erst 
medial von ihm und mündet schließlich medio-eranial von ihm in 
den Sinus ein. Hierdurch wird die Topographie der Einmündungs- 
ostien ungefähr dieselbe wie bei Zchidna, für welche KEIBEL die 
Östien der Worrrschen Gänge medial und etwas caudal von den- 
jenigen der MüLLerschen Gänge zeichnet (l. c. Fig. 2). Bei den 
Macropodinae herrscht ein andrer Zustand. Hier lagern die 
Mürverschen Gänge zuerst lateral von den Worrrschen, kreuzen 
sie ventral und verlaufen dann an deren medialen Seiten. weiter. 
Sie erreichen jedoch niemals die hintere Wandung des Sinus uro- 

Fig. 4. genitalis, sondern münden in den cau- 
dalen Teil des Wourrschen Ganges ein, 
(oder spalten sich nicht vollständig von 
ihnen ab). Hier besteht somit jederseits 
immer nur eine einzige Öffnung im 
Sinus urogenitalis für die verbundenen 
Worrrschen und MÜLLERschen Gänge, 


Differenzierung der Geschlechtsgänge. 
a) Weibliches Geschlecht (Fig. 4). 


Der Mürrersche Gang bildet sich 
weiter aus; der Worrrsche Gang fällt 
größtenteils der Reduction anheim. Bei 
allen Beutlern bleiben die MÜLLERschen 
Gänge in ganzer Länge getrennt. Nur 
AR die Geschlechtsstränge vereinigen sich! 
ER während der Entwicklung, und zwar a1 
Schema der Geschlechtsgänge beim 3 & | 
weiblichen Beuteltier (Macropus), der Stelle, wo sich später das craniale 
Yo Wo her; Ende des Sinus vaginalis findet. Ich 
vaginalis; 5.1.9. Sinus urogenitalis. hehe diese Tatsache besonders hervor 
In Herrwısgs Handbuche der Entwicklungsgeschichte findet siel 
nämlich auf S. 771, (Bd. III, Abt. II) folgende Angabe: »Bei de 
Marsupialiern verschmelzen die beiden Münuerschen Gänge an dei 
Stelle, welche der oberen Grenze der späteren Vagina entspricht; 
v. d. BROEX fand die Verschmelzung bei einem weiblichen Beutel- 
Jungen von Phalangista vollzogen.« Gleiches wird auf S. 781 ausge: 


Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 447 


sagt. Ich muß hiergegen betonen, daß bei weiblichen Beutlern nur 
die Geschlechtsstränge sich eine kurze Strecke weit verbinden, die 
Mürverschen (und Wourrschen) Gänge hingegen immer getrennt bleiben. 
\ Am erwachsenen Geschlechtsapparat sind drei Teile des MÜLLERSchen 
Ganges zu unterscheiden, nämlich Tuba, Uterus und Vagina samt 
Sinus vaginalis. 

Das eraniale Ende des Mürrterschen Ganges wird zu der ge- 
schlängelt verlaufenden Tuba Falloppii; sie ist am abdominalen Ende 
mit reichlichen Fimbrien ausgestattet. Die Wandung ist mit einem 
Flimmerepithel bekleidet. Hier und da kommen kleine epitheliale 
Einstülpungen vor; es ist schwer zu sagen, ob sie als Drüsen auf- 
zufassen seien. Die Tuba geht ohne scharfe äußerliche Grenze all- 
mählich in den Uterus über. Beide Uteri bleiben bei allen Beutlern 
getrennt, obwohl Unterschiede in der Topographie vorkommen. Bei 
Didelphiden, Dasyuridae, Phascolomidae bleiben beide Uteri weit 
voneinander entfernt, bei Macropodinae sind sie teilweise aneinander- 
gelagert, obwohl ein jeder Schlauch seine eigene Wandung beibehält. 
Die Muskelwandung der Uteri besteht, worin ich Hırı bei- 
stimme, ausschließlich aus ceireulär verlaufenden Fasern. Hierin 
eigen die Beutler einen primitiven Zustand; denn aus den Unter- 
suchungen SoBoTTAs ist hervorgegangen, daß die eirculäre Muskel- 
schicht um die MüLterschen Gänge die ursprüngliche ist. Im Uterus 
der Beutler entwickeln sich sehr reichlich tubuläre Drüsen, welche 
stark geschlängelt verlaufen 
und sich beim erwachsenen 
iere bis gegen die Muskel- 
wandung ausdehnen. Ichhabe 
kein Material von trächtigen 
Beutlern untersuchen können, 
kann daher über die Veränder- 
ıngen, welche die Drüsen = 
während der Sehwangerschaft Anlage der ann bar: hei Hulmaplepe: Q 14cm. 

p.u. Papilla uteri; v. Vagina. 

eingehen, nichts aussagen und 

rerweise dafür auf die ausgedehnten Untersuchungen von Hiırr. 
Sehr scharf ist der Übergang zwischen Uterus und Vagina. Am 
Übergange bildet sich eine, in das Lumen hervorragende Papille, 
apilla uteri, aus. Die Entstehung dieser Papilla uteri hat man 
ich durch eine excessive Entwieklung des oberen Teiles des Sinus 
sinalis vorzustellen. Wie Fig. 5 lehrt, entwickelt sich der Sinus 
sinalis ventralwärts, wo er in die Vagina übergeht, sowie dorsal- 


448 A. J. P. v. d. Broek 


wärts. Durch die Ausdehnung nach der dorsalen Seite wird allmählich 
eine Papilla uteri aus dem Bindegewebe des Geschlechtsstranges 
herausgebildet. Mit feinem Ostium mündet dann der Uterus in das 
Lumen der Vagina (Sinus vaginalis).. Stimmen die verschiedenen 
Beutlerformen soweit ziemlich miteinander überein; es bestehen 
größere Unterschiede in der Differenzierungsweise des dritten Teiles 
des MÜLLERschen Ganges, welcher die Anlage von Vagina (lateralis) 
und Sinus vaginalis darstellt. 

Verfolgt man die Mürterschen Gänge in einem Stadium der 
Öntogenie, wo noch keine Differenzierung aufgetreten ist, dann er- 
blickt man Folgendes. Beide Gänge verlaufen zuerst schräg eaudal- 
und etwas medialwärts. Plötzlich biegen sie horizontal medialwärts 
und zugleich ventralwärts ab und nähern sich bis auf kurzen Ab- 
stand. Jetzt teilt sich jeder MÜLLERsche Gang in zwei Kanäle, 
Aus der medialen Wandung setzt sich gerade nach unten ein Kanal 
fort, der, dem anderseitigen dicht angeschlossen, die Anlage deg 
Sinus vaginalis vorstellt. Der laterale Teil biegt lateralwärts u 
und verläuft bogenförmig caudalwärts; er stellt die Anlage der 
Vagina vor. h 

Bei den verschiedenen Beutlerspecies kommen nun besonder 
Differenzierungen vor, welche kurz erwähnt zu werden er 

Bei Didelphiden bleiben die beiden Anlagen des Sinus vaginalis 
zeitlebens vollkommen voneinander getrennt und durchbrechen nie- 
mals die Wandung des Sinus urogenitalis. 

Das Lumen der Vagina besitzt in ihrem Verlaufe eine doppe 
Kniekung. Die Vagina biegt zuerst median- und eranialwärts um, 
um unmittelbar darauf abermals umzubiegen und den ursprünglichen 


—. 


4 


Verlauf fortzusetzen. Beide Vaginae münden getrennt in den Sinus 
urogenitalis. Diese doppelte Kniekung hat eine besondere genetische 
Bedeutung. Oben erwähnte ich die Spiraltour, welche der an 
Gang um den meist caudalen Teil des MüLLErschen Ganges kurz 
vor der Einmündung beider Gänge in den Sinus urogenitalis | 
schreibt. Der Verlauf des Lumens der Vagina von Didelphys 
hat nun höchstwahrscheinlich darin seinen Grund, daß der mei 
caudale Abschnitt dieses Kanales nicht aus dem MüLLErschen, sondern, 
wenigstens größtenteils, aus dem Wourrschen Gange hervorgeht. 
Man braucht nur die beiden Teile der Vagina zu verlängern, 
um den ursprünglichen Verlauf beider Gänge herzustellen. Daß 
der caudalste Teil der Vagina der Didelphiden aus dem Worrrschen 
Gange entsteht, ist nicht auffallend, denn dasselbe vollzieht si 


Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 449 


bei andern Formen. Bei Dasyurus münden in jungen Stadien (36mm) 
die beiden Gänge in der erwähnten Lagerung gesondert ein; später 
verschmelzen die caudalen Enden zu einem Gange, so daß auch hier 
der Worrrsche Gang an der Bildung der Vagina teilnimmt. 

Bei Dasyuridae bleiben die beiden Anlagen des Sinus vaginalis 

' getrennt; nur während des Geburtsaktes wird das Gewebe zwischen 
Sinus vaginalis und Urogenital-Kanal durchrissen, und es entsteht 
wie bei Perameles ein zeitweiliger Durchgang für die Jungen (Hırr). 
Bei Macropodinae münden, wie wir sahen, die MÜLLERschen 
Gänge an der medialen Seite in die WoLrrschen Gänge. Im er- 
wachsenen Zustande deutet ein Ostium in der Vagina die Verbindungs- 
stelle beider Gänge an. 
Es ist auffallend, wie schon während der Ontogenie die Ent- 
, wieklung des Sinus vaginalis bei Macropodinae über die Entwicklung 
, der Vagina überwiegt. Während ersterer bereits ein doppelter Kanal 
, mit gut ausgeprägter Wandung und großem Lumen ist, wird letztere 
‚noch durch einen epithelialen Strang mit sehr kleinem Lumen dar- 
\ gestellt. Bekanntlich verschmelzen die beiden Kanäle zu einem ein- 
‚ zigen und bricht später der Sinus vaginalis in den Urogenital-Kanal 
durch und übernimmt die Funktion der Vagina als Geburtskanal. 
Weiterhin tritt bei dieser Gruppe noch eine kurzeeinfache Vagina 
‚auf (Fig. 2). Ist diese nun ein Produkt der Verbindung der caudalen 
Enden beider anfangs getrennter Vaginae, oder ist sie ein Produkt 
der Aufteilung des einheitlichen Sinus urogenitalis in Urethra und 
‚ Vagina? Diese Frage wurde schon bei der Beschreibung der 
Unterschiede der Urethra bei Macropodinae und andern Beutler- 
formen gestellt. 

Ältere Entwicklungsstadien lehren, daß der Sinus urogenitalis 
sich bei Macropodinae in zwei Teile, ventral die Urethra, dorsal 
die Vagina communis scheidet; der weitaus größte Teil des Lumens 
wird dabei zur Vagina; Fig. 6a—c erläutert das Gesagte. Sie stellt 
drei Querschnitte durch den Urogenital-Sinus von einem Halmaturus- 
Beuteljungen von 14cm dar, Fig. 6@ gibt den meist caudalen der 
drei Schnitte wieder. Auf diesem Schnitte erblickt man das Lumen 
des Urogenital-Sinus. Die dorsale Wandung biegt konvex in das 
Lumen des Sinus hinein. Diese Wandpartie ist vielleicht dem Colli- 
‚ eulus seminalis im männlichen Geschlechte homolog. Ich mache 
‚noch auf die zwei, von der seitlichen Wandung in das Lumen 
‚ hineinragenden Schleimhautfalten @« aufmerksam. Einige Schnitte 
‚höher ändert sich das Bild. Es ragen, abgesehen vom dorsalen 


450 A. J. P. v. d. Broek 


Wulst (ec. s.), von der seitlichen Wandung jederseits zwei Falten. 
in das Lumen hinein (a und b). Die meist ventralen Falten (b) nähern 
sich bis auf kurzen Abstand und teilen den Sinus bereits in einen 


Fig. 6 a—.c. 


Querschnitte durch den Urogenital-Tractus 
von Halmaturus. Q@ 14 cm. 

s.0.4. Sinus urogenitalis; a. Schleimhautfalte ; 

b. Falte, welche die Trennung in Vagina (vr) 

und Urethra («) zustande bringt; c.s. dorsaler 

Wandteil, welcher in das Lumen hineinragt. 


Forscher erbliektin der Vagina ausschießlieh ein Produkt der MÜLLER- 
schen Gänge. Andre Autoren betrachten die Vagina als differen- 
zierten Teil des Sinus urogenitalis (MÜLLER, VALENTIN, RATHKE). Nach 


großen dorsalen und einen viel klei- 
neren ventralen Abschnitt. Noch 
höher hinauf verbinden sich diese 
zwei Faltend miteinander und teilen 
den Sinus völlig in Vagina (v) und 
Urethra (vw). An den zwei kleinen 
Vorragungen auf der ventralen 
Vaginalwandung sowie an der Form 
des Lumens der Urethra sind die 
zwei Falten 5 noch zu erkennen. 
Vagina und Urethra sind noch durch 
den einheitlichen M. eircularis ure- 
thrae umgeben. Die Urethra der 
Maeropodinae ist also nicht der 
kurzen Urethra der übrigen Beutler 
homolog, sondern teilweise eine Neu- 
bildung, entstanden durch die Auf- 
teilung des Sinus urogenitlis. Gleich- 
falls ist die Vagina communis der 
Macropodinae als eine Neubildung 
aufzufassen. 

Diese Aufteilung des Sinus uro- 
genitalis in Vagina (Canalis genitalis) 
und Urethra bei Macropodinae bildet 
den Anfang des Weges zur höheren 
Differenzierung der Abführwege im 
weiblichen Geschlechte, wie wir sie 
bei den meisten monodelphen Säu- 
gern als Vagina und als die höher 
oder tiefer in letzterer ausmündende 
Urethra antreffen. Bekanntlich ist 
die Genese der Vagina von mono- 
delphen Säugern noch immer ei 
strittiger Punkt. Die Mehrzahl der 


U 
TEEN = 


Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 451 


RETTERER und Pozzı, welchen sich für die Primaten in verschiedenen 
Hinsichten BoLK anschließt, ist die Vagina ein Produkt des Sinus 
urogenitalis, ebenso wie die weibliche Urethra. Der Differenzierungs- 
prozeß soll so vor sich gehen, daß auf den Seitenwänden des Sinus 
urogenitalis zwei longitudinale Leisten sich erheben, sich entgegen- 
wachsen und ein frontal gestelltes Septum bilden (Septum urethro- 
vaginalis). 

Eine dritte Gruppe von Forschern glaubt eine Beteiligung des 
Wourrschen Ganges am Aufbaue der Vagina annehmen zu müssen 
(TOURNEUX et LEGAY, BERRY HART, KEMPE). BERRY HART sagt über 
die Vagina: »The upper two thirds of the vagina are derived from 
the ducts of MÜLLER<; »the lower third is due to the eoalescence 
of the upper portion of the uro-genital-Sinus and the lower ends of 
the WoLrrian duct« (l.c. S. 344). Dieser Autor beruft sich auf die 
Anatomie der Genitalorgane von den Macropodinae und läßt bei 
diesen die Vagina (lateralis) aus dem Wortrschen Gange hervor- 
gehen, was aber den Tatsachen, wie meine früheren Untersuchungen 
beweisen, nicht entspricht. Nur der meist caudale Abschnitt der 
Vagina der Macropodinae ist vom Worrrschen Gang herzuleiten. 

Auf Grund des Studiums der einschlägigen Literatur sowie von 
Schnittserien durch Embryonen verschiedener Säugetier-Species 
schließe ich mich jenen Autoren an, welche die Vagina wenigstens 
teilweise als Teilungsprodukt des Sinus urogenitalis betrachten und 
durch das Zusammenwachsen zweier Falten der seitlichen Urogenital- 
wandung (Plica septalis von BoLk) entstanden denken. Die Vagina 
communis der Macropodinae ist dann der Vagina (teilweise?) der 
monodelphen Säuger homolog. Bei diesen Beutlern ist die Aufteilung 
des Sinus urogenitalis erst wenig weit fortgeschritten; bei höheren 
monodelphen Säugern, besonders den Primaten, ist sie schon viel 
weiter ausgedehnt. Den höchsten Grad erreicht sie bei den Säugern 
mit durehbohrter Clitoris (Prosimiae, zahlreiche Rodentia, Talpa, 
Sorex). Hier ist eine vollständige Trennung von Urethra und Canalis 
urogenitalis (besser Vagina, bezw. Can. genitalis) erreicht, und es 
besteht nicht ein einfaches Perineum, sondern ein zweifaches: eines 
zwischen Reetum und Sinus urogenitalis, ein zweites mit ähnlicher 
Genese zwischen Vagina und Urethra. 


b) Männliches Geschlecht (Fig. 7). 


Der Wourrsche Gang bildet sich zum Ductus deferens aus, und 
der MüLLersche Gang fällt größtenteils der Reduction anheim. 


452 A. J. P. v. d. Broek 


Man kann am Wourrschen Gange drei Abschnitte unterscheiden, 
1. den Verbindungskanal (bzw. Kanäle) zwischen Hoden und Neben- 
hoden, 2. den im Nebenhoden verlaufenden Teil und 3. den Ductus 
deferens zwischen Nebenhoden und Ein- 
mündung in den Urogenital-Kanal. 

Zur bestimmten Zeit wächst der 
Worrrsche Gang in der Urniere cranial- 
wärts aus und gelangt durch das Mesor- 
chium, in bogenförmigem Verlaufe zum 
Testikel. Eingedrungen in denselben, ver- 
teilt er sich in zwei kurze Zweige, in 
welchen die Anlagen der Hodenkanälchen 
radiär sich einsenken. In diesem Stadium 
besteht also die Verbindung zwischen 
Hoden und späteren Nebenhoden in einem 
einzigen, vom Worrrschen Gange ab- 
leitbaren Kanale. Es ist hervorzuheben, 
daß Urnierenkanälchen bei Beutlern in 
den Hoden nicht hineinwachsen. Ziemlich 
lange bleibt zwischen Hoden und Neben- 
BR  unun! hoden ein einziger Verbindungskanal be- 
männlichen Beuteltier (Macropus), Stehen. Erstspäter differenziertsich dieser 
EV En re a zu einem Komplex von mehreren Kanäl- 

5.1.9 Sinus urogenitalis. chen (Phascolomys, Maeropodinae). 

Im Nebenhoden spielt sich ein sehr interessanter Vorgang ab. 
Die Nebenhodenkanälchen fallen in eranio-caudaler Richtung der 
Reduction anheim und gehen vollständig zugrunde. In einem 
bestimmten Stadium findet sich dann in der Epididymis nur 
noch der stark verlängerte und geschlängelt verlaufende WOoLFF- 
sche Gang vor (Dasyurus viverrinus, 53 mm). Später trittim Ver- 
laufe des Ganges ein bipolares Wundernetz von Kanälchen auf, 
welche die Epididymiskanälchen darstellen (Didelphys, Dasyurus, 
Macropodinae). Nach und nach dehnt sich das Gebiet dieser 
Kanälchen aus und nimmt im entwickelten Nebenhoden hauptsächlich ! 
dessen Kopf ein. Die Spaltung des ursprünglich einfachen Kanales 
kann sich auch auf die Verbindungsstrecke zwischen Hoden und 
Nebenhoden ausdehnen (Phascolomys, Macropodinae). Hieraus geht 
hervor, daß die Epididymiskanälchen in der Kontinuität des WoLFFschen i 
Ganges entstehen und vollkommen unabhängig von den Urnieren- 
kanälchen auftreten. Die ersten Nebenhodenkanälchen werden erst 


Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 453 


sichtbar, nachdem die Urniere gänzlich verschwunden ist. Ich habe 
früher diesen Teil des Duetus epididymidis als Pars conglomerata unter- 
schieden. Nebenhoden und Verbindungsabschnitt zwischen ihm und 
Hoden sind also nicht dem Caput epididymis und Rete testis von 
andern Säugetieren homolog, welche, der gewöhnlichen Auffassung 
nach, von Urnierenkanälchen abstammen. Ich habe für das von 
andern Säugern und auch von niederen Wirbeltieren so völlig ab- 
weichende Verhalten in der Genese der Nebenhodenkanälchen bei 
Marsupialiern keine befriedigende Erklärung finden können. Die lange 
dauernde Funktion der Urniere wird wohl schwerlich als ursächliches 
Moment angeführt werden können, da, wie erwähnt, der Differen- 
zierungsprozeß im Worrrschen Gange erst nach dem Schwunde der 
Urnierenkanälchen beginnt. Wie sich in dieser Hinsicht die Mono- 
tremen verhalten, ist, so viel ich weiß, unbekannt. Der dritte Teil 
des Wourrschen Ganges wird zum Ductus epididymidis und Ductus 
deferens. Er verläuft erst stark geschlängelt im Nebenhoden und 
tritt dann in den Funiculus spermatieus. Die Schlängelungen nehmen 
allmählich ab, und schließlich verläuft der Samenleiter gestreckt. 
Am Annulusinguinalisinternus biegt er medianwärts ab und begibt sich 
zur dorsalen Wand des Sinus urogenitalis, durchbohrt diese in 
schräger Richtung und mündet in verschiedener Weise aus. 

Bei sämtlichen untersuchten Beutlern verbindet sich der End- 
abschnitt des Wourrschen Ganges mit dem caudalsten Teil des 
MüÜrLrerschen Ganges. Caudales Ende von Ductus deferens und 
Vagina (lateralis) sind einander somit völlig homolog. 

Durch diese Verbindung beider Gänge kann selbstverständlich 
bei Beutlern keine Vagina maseulina (bzw. Sinus pocularis) bestehen, 
wie sie von Young bei Phascolarctos angegeben worden ist. 

Reste des MÜLLERschen Ganges trifft man bei Beutlern nur 
selten. Eine ungestielte Hydatide beobachtete ich nur auf den 
Testikeln von Dasyurus macrourus. 

Bei Beuteljungen fand ich öfters am Rande des Nebenhodens 
den persistierenden Mürrerschen Gang. Bei Dasyurus von 53 mm 
war er selbst sehr lang und mit einem Ostium abdominale versehen. 
Später scheint er zugrunde zu gehen; ich vermißte die Reste im 
erwachsenen Nebenhoden. 

Eine Paradidymis, und Duetus aberrantes, habe ich mit Sicherheit 
nieht nachweisen können. 

Der Ductus deferens bleibt bei Beutlern sehr einfach. An ihm 
bilden sich keine Drüsen oder Vesieulae seminales aus. 


454 A. J. P. v. d. Broek 


Canalis urogenitalis. 
a) Weibliches Geschlecht. 


Zwei Abschnitte sind an ihm zu unterscheiden: 1. der Teil 
oberhalb der Drüsengänge, welche die Homologa der Cowrperschen 
Drüsen sind, 2. der Teil zwischen den Einmündungsstellen dieser 
Gänge und der äußeren Öffnung. Die eraniale Hälfte gestaltet sich 
. verschieden, je nachdem die Vaginae getrennt bleiben (Didelphiden, 
Dasyuridae, Phascolomys, Phalangerinae), oder ob eine Vagina com- 
munis besteht. Im ersteren Falle (vgl. Fig. 1 von Trichosurus 
vulpecula) besteht fast völlige Übereinstimmung mit dem männlichen 
(Geschlechtsapparate. Wie wir gesehen haben, werden die unteren 
Enden der Vaginae hauptsächlich von den Wourrschen Gängen ge- 
bildet, und diese durchbrechen mit zwei runden und ziemlich großen 
Östien die hintere Wandung des Urogenital-Kanales. Zwischen 
beiden Ostien ragt eine hohe Schleimhautfalte, das Homologon des 
Collieulus seminalis, in das Lumen hinein. Dieses setzt sich nach 
oben in das Gebiet des Trigonum Lieutaudi fort. 

Der einzige Unterschied zwischen männlichem und weiblichem 
Geschlechtsapparat besteht in der Anwesenheit der Urethraldrüsen 
beim Männchen, während sie beim Weibchen fehlen. 

Caudalwärts behält der Traetus urogenitalis ungefähr dasselbe 
Lumen bis zum Gebiete der obengenannten Drüsenstränge. Anders 
gestaltet sich die craniale Hälfte des Urogenital-Kanales bei 
Macropodinae. Wie erwähnt, teilt sich der Urogenital-Sinus bei 
ihnen im oberen Teile in Urethra und Vagina. .In das Gewebe des 
Septum urethro-vaginale wächst dann der Sinus vaginalis caudal- 
wärts ein, bis er schließlich dessen unteren Rand erreicht und in 
den Sinus urogenitalis durchbricht. Diese Verhältnisse sind am 
leichtesten an einem Medianschnitt durch den weiblichen Geschlechts- 
apparat zu übersehen, wie Fig. 2 ihn von Halmaturus walabatus gibt. 

Das obere Ende des Sinus urogenitalis gestaltet sich dann so, 
daß auf einem ventralen Schleimhautwulst hintereinander die Ostien 
von Urethra und Sinus vaginalis sichtbar sind, indem sich das Lumen 
selbst in die Vagina communis fortzusetzen scheint. Weiter caudal 
wird die ventrale Schleimhautfalte allmählich niedriger und ver- 
schwindet bald gänzlich. 


Unmittelbar oberhalb der Mündung des Urogenital-Kanales auf 
der Körperoberfläche münden auf der lateralen Wandung zwei 


Blindkanäle (bzw. Zellstränge) aus, welehe den Cowrerschen 


Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 455 


Drüsen des männlichen Geschlechtes homolog sind. Caudal von 
diesen Gebilden ist der Urogenital-Kanal doppelter Natur, näm- 
lich teilweise entodermal, vom entodermalen Sinus urogenitalis ab- 
leitbar, teilweise eetodermal und das Produkt vom Ecetodäum. 


Der entodermale Sinus urogenitalis setzt sich nämlich als 
epitheliale Doppellamelle in die Clitoris fort. Das die Clitoris um- 
gebende Lumen ist das Produkt des Eetodäums. Bei erwachsenen 
Formen trennt sich die Clitoris in zwei Hälften (Didelphiden), oder 
es gestaltet sich die Lamelle zu einer Furche auf der Glitoris 
(Phascolarctidae). Bei Perameles wird sie zu zwei, die Clitoris durch- 
setzenden Epithelsträngen (Hırr), bei Macropodinae scheint sie als 
Doppellamelle bestehen zu bleiben. 


b) Männliches Geschlecht. 


Am besten teilt man auch hier den Urogenital-Kanal in zwei 
Abschnitte ein, nämlich 1. in den Teil von den Einmündungsstellen 
der Ductus deferentes bis zu den Ostien der Cowperschen Drüsen 
und 2. in den Teil von dieser letzten Stelle an bis zum Ostium 
externum. Die craniale Hälfte ist vom Urodäum (entodermale 
Cloake) abzuleiten; sie ist ganz entodermaler Natur. In ihrer 
Wandung entwickeln sich zusammengesetzte tubulöse Drüsen, Gl. 
urethrales. Sie sind am stärksten im cranialen Ende des Traktus 
ausgebildet; caudalwärts nehmen sie fortwährend an Mächtigkeit 
ab und sind kurz oberhalb der Ostien der Cowperschen Drüsen ge- 
schwunden. Sie treten erst ziemlich spät auf. 


Das Drüsenlager wird an der Außenseite umkleidet von einer 
dünnen Schicht eireulärer, glatter Muskulatur, M. eireularis urethrae. 
Außerdem kommt bei Perameles nach OupEmAans im obersten Teile 
auch quergestreifte Muskulatur vor. 


Bei Macropus fand ich im obersten Teile des Urogenital-Kanales 
eine Prostata. Die obere Hälfte des Urogenital-Kanales verläuft 
meistens gestreckt hinter der Symphyse. Bei Didelphiden wächst 
sie sehr stark in die Länge und bekommt dabei eine spiralige Drehung 
in der Mitte des Verlaufes. In dem obersten Teile des Lumens bildet 
sich, wie es ausführlich beschrieben wurde, bei vielen Formen ein 
Collieulus seminalis aus. Diese Vorragung auf der dorsalen Uro- 
genitalis-Wandung entsteht vollkommen unabhängig von den MÜLLER- 
schen Gängen und darf vielleicht als Kennzeichen aller Säuger, 
außer den Monotremen, betrachtet werden. Ob ein Konnex zwischen 


456 A. J. P. v. d. Broek 


Samenhügel und Harnentleerung oder Ejaculation besteht, ist noch 
nicht ausgemacht. Caudal von den Einmündungen der CowPErschen 
Drüsen ist der Urogenital-Kanal doppelter Herkunft, teils entoder- 
maler, teils eetodermaler Natur. 

Das Urodäum setzt sich in Form einer Doppellamelle, Uralplatte 
s. Phallusleiste, in den Phallus fort. Diese entodermale Phallusleiste 
trägt bei verschiedenen Beutlerspecies in verschiedener Weise zum 
Aufbau der caudalen Hälfte des Urogenital-Kanales bei. Dazu 
kommt als eetodermaler Teil ein Kanal, der sich aus der Zusammen- 
fügung zweier Falten der seitlichen Eetodäumwandung (ectodermale 
Cloake) bildet und sich dem entodermalen Teile in verschiedener 
Ausdehnung anfügt. Im speziellen Teile habe ich ausführlich die 
Genese dieses Abschnittes des Urogenital-Kanales auseinandergesetzt. 
An der Hand der hier beigefügten Schemata werde ich kurz reka- 
pitulieren und mit Echidna, sowie monodelphen Säugern Vergleiche 
ziehen. 

Bei Echidna bestehen caudal von den CowPperschen Drüsen zwei 
Kanäle, die entodermale Samenröhre, vom Urodäum ableitbar, und 
die eetodermale Harnröhre, ein Produkt des Eetodäums. An Eechidna 
schließt sich zunächst Perameles an (Fig. 30 des vorigen Teiles). 
Bei ihm haben sich die beiden Kanäle teilweise zu einem einzigen 
Gange verbunden; zum Teil verlaufen sie wie bei Echidna ge- 
trennt. 

Die Didelphiden schließen sich an. Bei ihnen haben sich beide 
Kanäle eine größere Strecke weit aneinandergelegt, wodurch das 
ÖOstium der (eetodermalen) Harnröhre von dem Eetodäum nach der 
Penistasche sich verlegt hat. Die Samenröhre setzt sich auf die frei 
hervorragenden Penisspitzen in Form zweier Rinnen fort (ibid Fig. 36). 
Bei Maeropodinae haben sich die zwei Kanäle gänzlich zu einer 
Samenharnröhre zusammengefügt. 

Sobald beim Beuteljungen ein kurzer Urogenital-Kanal durch 
das Zusammenwachsen der beiden Eetodäumfalten entstanden ist, 
wächst er stark in die Länge. Durch dieses Längenwachstum wird 
die Phallusleiste zur Penisspitze verlagert. Beim Halmaturus-Beutel- 
Jungen von 19 cm findet man denn auch die Phallusleiste haupt- | 
sächlich in dem Teil des Penis, der noch frei über das Ostium 
externum des Urogenital-Kanales hervorragt. Die Wandbeschaffen- 
heit dieses Traktus ist, wie Querschnitte lehren, größtenteils ecto- 
dermaler Natur; das (entodermale) Produkt der Phallusleiste nimmt 
nur die ventrale Wandstrecke ein (vgl. Fig. 42). | 


Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 457 


Anscheinend geht der in der frei hervorragenden Penisspitze 
 gelagerte Teil der Phallusleiste teilweise zugrunde. Ich fand 
_ von ihm im Penisanhang, der bei Macropodinae über das Ostium 
 externum des Urogenital-Kanales hervorragt, nichts mehr vor. 
‚ Vergleichen wir jetzt die Beutler mit placentalen Säugern. Für 
die Genese des Urogenital-Kanales von placentalen Säugetieren 
‚liegen aus den letzten Jahren mehrere Untersuchungen von 
‚ Schülern FLEISCHMANNs vor. Für FLEISCHMANN ist der Urogenital- 
Kanal der Säuger wesentlich entodermaler Natur. In der Zusammen- 
‚ fassung seiner diesbezüglichen Arbeiten sagt er (l. e. S. 371): 
'»In direkter Abhängigkeit von der Lage des Phallus erfährt das 
‚ Urodäum wichtige Formveränderungen. Nachdem das Analrohr 
abgetrennt ist, differenziert sich das Urodäum als kanalartiges 
‚Gebilde (Canalis urogenitalis) mit einem unter dem Rectum 
liegenden Abschnitte, der am Trigonum Lieutaudii sich zur Harn- 
blase erweitert, und einem rechtwinkelig dazu abgebogenen Damm- 
schenkel, welcher unter der Dammfläche gegen den Phallus zieht 
und an der epithelialen Uralplatte (Phallusleiste) endet.« 

Was die Uralplatte betrifft, so geht aus den Figuren hervor, 
daß sie hauptsächlich zur Penisspitze verlagert wird. Über ihr 
Schieksal während der Entwicklung ist Folgendes zu bemerken. 
Beim Schafe wird nach Bönn (l. e. S. 293) »die Uralplatte (Phallus- 
leiste) allmählich einer Reduetion unterworfen«e. Besondere Er- 
wähnung verdient, daß der sog. Processus glandis nicht die Ural- 
platte trägt, sondern seitlich davon entsteht (vgl. Fig. 42—44 der 
Arbeit von Bönm), und zwar als höckerartiger Wulst auf der linken 
Seite des Phallusgipfels. In welcher Weise sich das Lumen des 
Urogenital-Kanales in diesen Processus glandis verlegt, ist mir aus 
der Beschreibung nicht klar geworden. Dieser Processus glandis 
kann dem am Penis der Macropodinae noch frei über das Ostium 
des Urogenital-Kanales hervorragenden Processus nicht homolog sein; 
denn dieser stellt die Spitze des ganzen Phallus dar. 

Bei Cavwia cobaya nimmt nach GRUBERS Untersuchungen die 
Phallusleiste anscheinend keinen Anteil an der Bildung des Urogenital- 
Kanales (l. e. S. 15). Eine Reduction der Phallusleiste kommt, wie 
DüÜrBEcK ausführt, beim Schweine zustande. Auch bei der Katze ver- 
"mutet der Autor eine Rückbildung des Phallusgipfels mit der darin 
gelagerten Phallusleiste (l. e. S. 55). In seiner zusammenfassenden 
Übersicht über das Schicksal der Uralplatte (l. e. 8.588) sagt 
FLEISCHMANN: »Denn die Uralplatte verwandelt sich entgegen der 


458 A. J:. P. v. d. Broek 


herrschenden Meinung eben nicht in eine Rinne. Sie erreicht sehr ° 
bald ihre größte Längenausdehnung und geht allmählich in die epi- 
theliale Umkleidung des Orifieium urethrae nahe der Eichelspitze ” 
über. « 

Meine Befunde bei Beutlern weichen in zwei Hinsichten von 
den Resultaten FLEISCHMANNSs bei placentalen Säugern ab. Erstens 
ist meiner Ansicht nach der Urogenital-Kanal bei den Beutlern 
caudal von den Cowperschen Drüsen gemischter Natur; er ist nach 
FLEISCHMANN bei Säugern ausschließlich entodermal. Zweitens trägt 
die Phallusleiste bei Beutlern wesentlich zum Aufbau der Wandung 
des Urogenital-Kanales bei. Es bilden sich zwei in der Median- 
linie zusammenwachsende ectodermale Falten, welche zur Verlagerung 
des Ostiums des Urogenital-Kanales bis zur Penisspitze hin bei- 
tragen. Nach FLEIiscHmAann wächst dagegen der Urogenital-Kanal 
von sich aus in die Länge (l. c. S. 588). 

Aus eigenen Untersuchungen habe ich kein Urteil über die 
Vorgänge bei der Bildung des Urogenital-Kanales der meisten 
placentalen Säugetiere gewonnen; ich kann also die angegebenen 
Differenzen zwischen unsern Ergebnissen bei Beutlern und placen- 
talen Säugern nicht beseitigen. Hingegen habe ich die Genese des 
Urogenital-Kanales beim Menschen ausführlich untersucht. Auf 
Grund meiner vor kurzem veröffentlichten Beobachtungen schließe 
ich mich der sog. Faltenhypothese an. Beim Menschen ist der 
Urogenital-Kanal caudal von den Cowrerschen Drüsen gemischter 
Natur, sowohl entodermal (von der Phallusleiste ableitbar) als auch 
ectodermal. Die zwei Lamellen der Phallusleiste weichen bei ihm 
während der Entwicklung auseinander und tragen zur Begrenzung 
einer Geschlechtsrinne bei. Außerdem beteiligt sich ein Teil de 
ectodermalen Penisoberfläche an der Begrenzung der Geschlechts 
rinne. Durch Verwachsung der mit Ecetoderm bekleideten Ränder 
kommt der Schluß des Urogenital-Kanales zustande. So ist de 
Jrogenital-Kanal auch beim Menschen in gleicher Weise wie bei 
den Beutlern durch eine gemischte Zusammensetzung zu einer Samen 
harnröhre geworden. 


Copulationsorgane. 
a) Weibliches Geschlecht. 
Der Phallus tritt wie beim Männchen als Vorragung auf deı 
oralen Wand des das Eetodäum umgebenden Ringwalles auf. Späte 
wird die aus ihm entstandene Clitoris in das Gebiet des Urogenital 


Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 459 


Traktus durch Vergrößerung des Ectodäums einbezogen, welches den 
Phallushöcker (Clitoris) umwächst. Man findet letzteren immer der 
vorderen Wand des Sinus urogenitalis angelagert. Außerdem tritt 
eine Clitorislamelle auf, welche, als epitheliale Doppelbildung in die 
Tiefe eindringend, die Clitoris von ihrer Umgebung abhebt. Die 
Lamelle zeigt in der Form große Übereinstimmung mit der Glandar- 
lamelle, wie ich es für Phascolarctos früher besprochen habe. Lösen 
sich beide Blätter der Clitorislamelle, so kommt die Clitoris, größten- 
teils frei hervorragend, in das untere Ende des Urogenital-Sinus zu 
liegen. Ein weiteres Merkmal der Beutlerelitoris besteht darin, daß 
die beiden Blätter der Phallusleiste auseinanderweichen und da- 
durch auf der Oberfläche der Clitoris eine Furche erzeugen 
(Phaseolarctidae, Hypsiprymnus). Hierdurch wird der caudale Teil 
des weiblichen Urogenital-Traktus eine dem männlichen Kanale 
vollkommen homologe Bildung. Beide sind ectodermaler Herkunft, 
soweit sie von der Aufteilung des Eetodäums herrühren, entodermaler 
Natur, soweit sie der Phallusleiste die Entstehung verdanken. 

Bei Didelphiden spaltet sich die Clitoris in zwei Hälften, welche 
mit den getrennten Penisspitzen übereinstimmen. Die Clitoris der 
Peramelidae ist nach Hınıs Untersuchungen durch den Besitz zweier 
Epithelstränge gekennzeichnet, wodurch auch in diesem Geschlechte 
Clitoris und Penis übereinstimmen. Sie bleibt bei den Macropodinae 
ungespalten, und die Phallusleiste bildet sich nicht zu einer Furche aus. 

Über das Verhältnis des weiblichen Urogenital-Traktus der 
Beutler zum Penis vergleiche man die vorangehende Arbeit. 


b) Männliches Geschlecht. 


Bei der systematischen Darstellung der äußeren Geschlechts- 
organe hatte ich Gelegenheit, die Form des Beutlerpenis bei den 
verschiedenen Species zu beschreiben. Hier werde ich eine Ver- 
gleichung der Copulationsorgane der Beutler mit denen der Mono- 
tremen und niederen Wirbeltiere, sowie mit denen der placentalen 
Säuger geben, zugleich aber auch einiges über die Frage nach 
Vorkommen und Wesen der Glans penis bringen. 

Bau der Copulationsorgane der Reptilien. Ich übergehe 
die paarigen Copulationsorgane der Eidechsen und Schlangen; über 
ihr Verhalten dem unpaaren Copulationsorgane der Schildkröten und 
Krokodile sowie der Mammalier gegenüber finden sich wertvolle 
Angaben in der Arbeit von GERHARDT. 

Die Samenrinne der Schildkröten Taf. VII, Schema 1) ist nach den 
-— Morpholog. Jahrbuch. 41. 30 


4650 A. J. P. v. d. Broek 


Beschreibungen von HELLMUTH und SCHMIDTGEN als ein Produkt 
der ventralen Wandung des Urodäums aufzufassen. Sie beginnt an 
der Stelle, wo die Corpora fibrosa miteinander verwachsen oder doch 
so weit sich genähert haben, daß sie dicht nebeneinander verlaufen. 
Sie gelangt bei keiner der von SCHMIDTGEN untersuchten Arten bis 
zur Spitze, endet stets etwas vor derselben, und zwar mit Ausnahme 
von Trionyx feroc an der vorderen Basis eines halbkreisförmigen 
Wulstes. 

Es scheint mir nicht bewiesen zu sein, daß die paarigen Höcker- 
chen, welche HeLımurn bei Emys lutaria als Phallusanlage ohne 
Beteiligung der ventralen Wand des Urodäums und als Produkt der 
oralen Afterlippe beschreibt, wirklich ausschließlich den Fhallus 
vorstellen. Es besteht die Möglichkeit, daß diese Höckerchen, welche 
während der Embryonalzeit wenig Wachstumsenergie zeigen, diejenigen 
Fortsätze des Penis sind, welche GERHARDT beim Begattungsorgane 
von Thallassochelys beschreibt. Bei letzterem liegt zwischen beiden 
Höckern eine seichte Rinne, was auch HELLMUTH angibt; sie hat 
jedoch mit der Samenrinne nichts zu tun. Die Schwellkörper be- 
stehen aus einem einfachen oder doppelten Corpus fibrosum; es um- 
gibt die Samenrinne halbkreisförmig. Cavernöses Gewebe liegt an 
den Peniswurzeln und am hinteren Ende. Beide Abschnitte der 
Schwellkörper sind durch einen venösen Hohlraum verbunden. Bei 
Thallassochelys eavetta durchsetzt das cavernöse Gewebe den Penis 
im ganzen Verlaufe. Es erstreckt sich am Penisende auch zwischen 
Corpus fibrosum und die den Penis überziehende Schleimhaut. 

Der ganze Penis liegt nach SCHMIDTGEN bei den meisten Schild- 
kröten in der ventralen Urodäumwand. Nur bei Testudo, Niconia 
und Trionyx besitzt er ein freies Ende, das bei den ersten zwei 
in einer freien Spitze, bei der letzten Form in fünf Zipfel ausläuft. 
GEGENBAUR spricht bei den Schildkröten schon von einer Eichel, 
Glans penis, und bezeichnet als solche das freie Penisende, soweit 
es vor dem Ende der Samenrinne liegt (l. ce. Fig. 31—35, S. 534). 
Er sagt: »Das Ende kann als Eichel bezeichnet werden, so unter- 
scheiden wir diesen Abschnitt (das freie Penisende) als Glans« 
(l. e. 8. 534). 

Die Krokodilier stimmen nach den allerdings noch sehr mangel- 
haften Untersuchungen mit den Säugetieren besser überein. Während 
das Urodäum der Schildkröten nach HELLMUTHs Untersuchungen 
sich nicht auf die orale Afterlippe erstreckt, so ragt bei den Kroko- 
diliern ein Fortsatz des Urodäums in die orale Afterlippe als solide 

ek 


| 
“ 


3 


Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 461 


Entodermplatte hinein, fast bis zum Gipfel der Lippe vordringend. 
Hierin zeigen die Krokodilier eine bei allen Säugern wiederkehrende 
Eigentümlichkeit. Der Fortsatz des Urodäums gestaltet sich wahr- 
scheinlich durch Auseinanderweichen beider Blätter zur Samenrinne um. 
Hiermit stimmt überein, daß der Penis der Krokodile in höherem Maße 
von der Cloakenschleimhaut losgelöst und annähernd eylindrisch ist. 
Die Spitze hat sich in eine dorsale, die Samenrinne tragende sog. 
»Eichelschneppe« und ein ventrales »Eichelblatt« differenziert (Taf. VII, 
‚Schema 2). Was diesevon RATHKE herrührenden Bezeichnungen be- 
trifft, so hebt GERHARDT hervor, daß eine Homologie mit der Eichel 
der Säugetiere nur für den dorsalen, spongiösen Abschnitt gelten 
kann, welcher die Samenrinne trägt. Auch bei den Krokodilen 
treffen wir, wie bei den Schildkröten, das periphere Ende des Uro- 
däums an, welches auf dem an der äußeren Körperoberfläche ent- 
standenen Penis lagert und die Samenrinne liefert. Um sie herum 
legt sich die spongiöse Substanz an, und diese ist als Eichel zu be- 
zeichnen. 

- Unter den Säugetieren schließen sich die Monotremen, speziell 
Echidna, an den Zustand der Krokodile an. Bei Monotremen ist, 
was: bei Krokodilen noch nicht der Fall ist, das Urodäum aufgeteilt 
in Rectum und (entodermalen) Sinus urogenitalis. Eine Fortsetzung 
des Sinus urogenitalis (Urodäums) setzt sich beim Echidna-Beutel- 
jungen in den Penis fort in der Form einer epithelialen Doppel- 
lamelle, die von FLEISCHMANN so genannte Phallusleiste. Würden 
deren beide Blätter auseinanderweichen, so würde eine Samenrinne, 
‘wie bei den Krokodiliern, vorhanden sein. Es differenziert sich 
jedoch aus dem Rande dieser Phallusleiste ein Kanal, die Samen- 
'röhre, welche genetisch der Samenrinne der Reptilien vergleichbar 
ist. GERHARDT erachtet, besonders auf Grund der Lagebeziehungen 
zum Corpus fibrosum, die Samenrinne der Sauropsiden und das Samen- 
rohr der Monotremen für einander homolog. Er erwähnt weiter die auf 
der dorsalen Seite des Penis von Ornithorhynchus verlaufende Längs- 
furche und stellt die Frage nach deren etwaigem genetischen Zu- 
sammenhang mit der Samenrinne. Er meint, in der Furche den 
Rest einer Verschlußnaht der Samenrinne erblicken zu können. Mir 
scheint diese Furche, um nach den KEıBELschen Figuren zu urteilen, 
die Stelle anzudeuten, wo die Phallusleiste mit dem Eetoderm der 
Penisoberfläche in Berührung gekommen ist, welche Stelle ein wenig 
eingezogen ist (vgl. Keıgers Fig. 60. Das Samenrohr der Mono- 
tremen wird von zweierlei Schwellkörpern umgeben, 1. vom Corpus 

30* 


462 A. J. P. v. d. Broek 


fihrosum und 2. vom dieses eirculär einfassenden Corpus spongiosum 
(cavernosum), das nach WIEDERSHEIM sich bei Echidna »besonders 
in der Glans stark anhäuft«. Ein weiterer Fortschritt den Kroko- 
dilen gegenüber besteht darin, daß bei Echidna sich auch das 
Eetodäum (eetodermale Cloake) schon teilweise aufteilt in Procto- 
däum und Harnröhre (Taf. VII, Schema 3). 

Bei den Beutlern treten, den Monotremen gegenüber, Verände- 
rungen auf, welche zum Verhalten der Copulationsorgane der 
monodelphen Säuger hinüberführen. Man hat dabei die Aufmerksam- 
keit der Phallusleiste zuzuwenden, deren Schicksal ein verschiedenes 
sein kann. Hiermit berührt man zugleich die Frage nach Wesen 
und Vorkommen einer Glans penis bei Säugern. 

In Schema 4 auf Taf. VII habe ich den Zustand wiedergegeben, 
wie ihn der erwachsene Perameles zeigt. Wie aus dem Schema 
direkt erhellt, schließt er sich an Echidna an, nur insoweit einen 
höheren Zustand aufweisend, als Samenröhre und Harnröhre teil- 
weise zu einem Kanale verbunden, teilweise getrennt sind. 

Bei Didelphys (Schema 5) entwickelt sich aus der Phallusleiste, 
d. h. aus dem in den Phallus ragenden Fortsatz des Urodäums, 
hauptsächlich die Samenrinne, welche auf der Medialfläche einer 
jeden Penishälfte verläuft. Im Urogenital-Kanale, bis zu den 
Cowperschen Drüsen, verdankt die orale Wandung des Urogenital- 
Traktus der Phallusleiste ihren Ursprung. Die Rinnen auf den Medial- 
flächen der Penisspitzen von Didelphys sind meiner Meinung nach 
der Samenrinne der Chelonier und Krokodile sehr gut zu ver- 
gleichen, da beide ihren Ursprung im ventralen Ende des Uro- 
däums haben, entodermaler Natur sind. Die Samenrinnen des 
Didelphys-Penis entstehen nicht, wie GERHARDT meint, secundär aus 
dem geschlossenen Rohre des Sinus urogenitalis (l. e. S. 351), (wo- 
durch er ihnen jeden genetischen Zusammenhang mit der Samen- 
rinne der Krokodile und Chelonier abspricht). Studiert man die 
Sehwellkörper, d. h. die ©. eavern. urethrae (spongiosa), dann stellt 
sich heraus, daß die beiden Crura oral vom Urogenital-Kanal sich 
vereinigen, also an derselben Stelle wie bei der Samenrinne der 
Sauropsiden. Die Schwellkörper verlaufen dann nach vorn und 
erreichen ihre hauptsächliche Entwieklung in der freien Penis- 
spitze, da, wo sich die Phallusleiste zur Samenrinne umformt. Hier 
umhüllen sie das ©. cavern. penis (fibrosum) gänzlich und reichen 
bis zur Haut. Als Neuerscheinung tritt dabei auf, daß die terminale 
Anschwellung des C. cavern. urethrae durch eine gesonderte Arterie, 


£ 


Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 463 


Art. dorsalis penis, gespeist wird. Bei Dasyurus wird durch das 
excessive Wachstum des Urogenital-Kanales während der Ent- 
wicklung der Teil, welcher die Phallusleiste trägt, d. h. der ursprüng- 
liche Phallushöcker, nach der Penisspitze verlagert, wo er sich 
später in eine typische rautenförmige Grube umformt. Auch hier 
häuft sich das cavernöse Gewebe dort an, wo die Phallusleiste sich ent- 
wiekelt, d. h. an der Penisspitze, und es bildet sich ein Corpus 
cavernosum glandis, das hauptsächlich durch die Art. dorsalis penis 
gespeist wird. Von den Macropodinae gilt dasselbe. Die Phallus- 
leiste mit ihren Produkten (vgl. die spezielle Beschreibung) wird 
hauptsächlich auf die Penisspitze verlegt. Hier entwickelt sich das 
C. eavernosum glandis, allerdings bei weitem nicht so kräftig wie 
bei Dasyurus. Bei sämtlichen Beutlern stellt das Gebiet des 0. ca- 
vernosum glandis denjenigen Teil des Penis dar, der ursprünglich 
als Phallus eine Vorragung der oralen Afterlippe bildete. Hieraus 
ist zu folgern, daß das Corpus cavernosum glandis der Beutler das 
Homologon des Corpus spongiosum ist, welches bei Reptilien (Kroko- 
dilier), das Ende der Samenrinne umgibt, und daß die Glans penis in 
der Hauptsache als Homologon des freien Teiles des Reptilienpenis 
zu betrachten ist. Zu ähnlichen Resultaten gelangt GERHARDT, wenn 
er sagt (l. ec. S. 380): »Die Glans penis muß zum Teil wohl als 
Homologon der Anhäufung von Schwellgewebe an der Spitze des un- 
paaren Reptilienpenis betrachtet werden.« 

Von den übrigen Säugern kennen wir bis auf wenige Aus- 
nahmen das Schicksal der Phallusleiste und deren Zusammenhang 
mit dem C. cavernosum glandis noch nicht. 

Nach FLEiscHwmaAnns Untersuchungen bildet sich beim Schafe und 
Schweine der ursprüngliche Phallus mit der darin verlaufenden 
Phallusleiste zurück, nach GERHARDTs Beschreibungen fehlt den 
Artiodaetylen eine Glans penis. Dieser Zustand muß dann als ein 
secundär erworbener angesehen werden. Das Umgekehrte ist beim 
“Menschen der Fall. Hier entwickelt sich die Phallusleiste sehr 
kräftig, und es ist eine gut entwickelte Glans penis vorhanden 
(Taf. VII, Schema 7). 

Als Ergebnis dieser vergleichenden Betrachtungen stellt sich 
heraus, daß derjenige Teil des Copulationsorganes, welcher morpho- 
logisch als Glans penis bekannt ist, schon bei Reptilien angedeutet 
_ ist, aber erst bei den Säugern besser ausgebildet wird. Bei allen 
Formen stellt die Glans penis denjenigen Teil des. Schwellgewebes 
(bzw. der Schwellkörper) dar, welcher mehr oder weniger unabhängig 


464 A. J. P. v. d. Broek 


vom übrigen Corpus cavernosum urethrae das ursprünglich in den 
Phallus vorragende Ende des Urodäums umgibt. 


Blindschläuche im Gebiete des Urogenital-Kanales bei Beutlern. 


Bei mehreren Formen (Didelphiden, Macropodinae) wächst 
während der Entwicklung von der oralen Seite der Phallus- 
leiste ein Zellstrang in das Innere des Penismesoderms hinein, welcher 
sich später zu einem Blindschlauch umformt. Er liegt bei Didelphys 
zwischen äußerer Oberfläche und Corpus cavernosum penis und bricht 
später zur Oberfläche durch; bei den Macropodinae liegt er im Ver- 
laufe des Urogenital-Kanales zwischen diesem und dem Corpus cav. 
penis. Es erhebt sich die Frage, ob sich für diese, dem Anscheine 
nach bei Marsupialen funktionslosen Bildungen Homologa bei andern 
Wirbeltieren finden lassen. Bei den Reptilien mit unpaaren Copu- 
lationsorganen sind mir aus der Literatur derartige Bildungen, welche 
als Produkte der oralen Urodäumwandung aufzufassen seien, nicht 
bekannt geworden. Dagegen tritt bei den mit einem Penis ver- 
sehenen Vögeln aus dem oralen Rande der Phallusleiste ein Zell- 
strang hervor, der später ein Lumen bekommt und zu dem sog. 
Penisblindschlauch der Vögel wird, der beim Copulationsakt aus- 
gestülpt werden kann. Mit dem Hinweise auf diese analogen Ent- 
wieklungsprozesse muß ich mich begnügen, ohne auf die Bedeutung 
weiter eingehen zu können. Auffallend ist es, daß der erwähnte 
Zellstrang bei den Macropodinae in beiden Geschlechtern vorkommt. 

Bei den höheren Säugetieren können wir derartige homologe 
Bildungen nur erwarten bei Formen, bei denen sich die Phallus- 
leiste erhält bzw. weiter entwickelt. Solch eine Form ist der Mensch. 
In der Tat findet man bei ihm als Auswuchs der Phallusleiste meist 
einen kurzen Blindschlauch, der als Sinus von GuERIN bekannt ist. 


Muskulatur. 

Die mit dem Geschlechtsapparate in Verbindung tretende 
Muskulatur ist in die der vorderen Bauchdecke und die der Geschlechts- 
organe zu trennen. 

In der Bauchdeeke findet man erstens den subeutanen M. 
sphincter marsupii. Er ist beim Weibchen kräftig entfaltet. Die | 
subeutane Muskulatur bleibt beim Männchen auf den oberhalb des 
Serotums gelagerten Teil der vorderen Bauchwand beschränkt. 
Einige Fasern umkreisen meistens das Serotum. Weiter caudal 
wird sie durch eine ziemlich derbe Fascie ersetzt. 


Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 465 


Der M. obliquus abdominis externus zeigt den verschieden großen 
Annulus inguinalis externus, aus dem beim Männchen der Samen- 
strang hervortritt, in dem beim Weibehen bisweilen ein rudimentäres 
Lig. uteri teres zu finden ist (Macropodinae), welches die Stelle des 
Samenstranges einnimmt. 

Vom M. transversus abdominis zweigen sich unterste Bündel ab 
und werden beim Männchen zum M. eremaster, beim Weibehen zum 
M. compressor mammae. Bisweilen zweigen sich Bündel des M. 
eremaster seitwärts ab und endigen im Unterhautbindegewebe, in den 
Inguinalkörper oder in dessen Nähe (Phascolomys, Macropus). Das 
Lig. uteri teres wird von einigen Bündeln des M. compressor mammae 
begleitet. Hieraus konnte leicht gefolgert werden, daß das Corpus 
inguinale das Homologon der Mammardrüse sei, welche Ansicht 
WEBER vertritt. Ich betrachte diese beiden Organe nicht für homolog, 
hauptsächlich aus dem Grunde, weil bei denjenigen Formen, bei 
denen ein Corpus inguinale sich vorfindet, dieses als Lymphdrüse 
bei beiderlei Geschlechtern an gleicher Stelle anwesend ist. 

Vom M. subeutaneus abdominis (M. sphineter marsupii) ist der 
M. sphincter celoacae ableitbar. Hin und wieder (Maeropus) 
bleiben beide Muskeln durch Verbindungszüge miteinander in Zu- 
sammenhang. Der M. sphineter eloacae umgibt als Ringmuskel die 
äußeren Geschlechtsorgane. Meistens ist er in zwei Schichten zu 
trennen, zwischen denen die sehr mächtig entfalteten Reetaldrüsen 
sich vorfinden. Aus dem M. sphineter eloacae differenzieren sich 
die Muskelkapseln verschiedener zum Geschlechtsapparate gehöriger 
Teile. Hierzu gehören die M. ischio-cavernosus, die Muskelkapseln 
der Örura der ©. ec. urethrae und penis, der Cowperschen Drüsen 
und der Reetaldrüsen. Ferner entsteht aus demselben Muskel ein von 
den äußeren Geschlechtsorganen zur Symphyse sich erstreckendes 
‚Muskelchen, der M. suspensor eloacae (bzw. Levator penis). Es ist 

_ zuweilen nur durch sehnige Züge vertreten. Beim Männchen ist der 
M. sphineter eloacae nur teilweise ein Ringmuskel. Die Bündel, 
welche in der Nähe des Beckenrandes gelagert sind, heften sich an 
ihm an oder an den Crura der Corp. cavernosa penis fest. Bei 
‚einigen Beutlern treten die Fasern des M. sphineter eloacae auch 
noch an andrer Stelle mit dem Skelet oder der umgebenden 
Muskulatur in Verbindung. So treten beim männlichen Phascolomys 
Bündel vom M. sphineter eloaecae zur Schwanzwurzel. EGGELING 
beschreibt als M. ischio-cavernosus bei den weiblichen Beutlern ab- 
getrennte Bündel vom M. sphineter eloacae, welehe am Tuber ischii 


466 A. J. P. v. d. Broek 


zur Insertion gelangen. Dieser Muskel ist nicht mit dem M. ischio- 
cavernosus beim männlichen Geschlechte zu homologisieren. Der 
M. sphineter cloacae wird durch einen Zweig des Nervus pudendus 
innerviert. 

Außer dieser quergestreiften Muskulatur tretenmitdemGeschlechts- 
apparate noch zwei glatte Muskeln in Verbindung, nämlich ein M. 
retractor eloacae (bzw. Penis) und ein M. recto-caudalis. Ersterer 
entspringt vom Sacrum und verläuft, schräg am Reetum vorüber, 
beim Weibehen zur Wandung des Urogenital-Kanales, beim Männ- 
chen zur Umbiegungsstelle des Penis. Mikroskopisch ist er noch 
weit auf die obere Fläche des Penis zu verfolgen. Ich konnte 
keinen genetischen Zusammenhang zwischen diesem Muskel und der 
glatten Muskulatur des Reetums oder Urogenital-Kanales feststellen. 

Der M. reeto-caudalis wird durch Fasern dargestellt, welche von 
der glatten Reetalwandmuskulatur sich abzweigen und zum Schwanze 
hin verlaufen. 


Accessorische Geschlechtsdrüsen. 

Versteht man unter accessorischen Geschlechtsdrüsen nur solche 
Drüsen, deren Secret sich dem Sperma beimengt oder die Ejaculation 
des Spermas begleitet, dann kann nur beim Männchen von derartigen 
Drüsen die Rede sein. Faßt man den Begriff weiter und rechnet 
zu diesen Drüsen alle diejenigen, welche sich genetisch aus der 
Wandung der Ausführgänge der Geschlechtsdrüsen: aus der 
Wandung des Urodäums (entodermale Cloake) und des Eetodäums 
(ectodermale Cloake) herleiten, dann kommen sie in beiden Ge- 
schleehtern, obschon in verschiedener Ausbildung, vor. 

Eine Übersicht über die Drüsen, welehe mit dem Geschlechts- 
apparate in Verbindung treten, ergibt folgendes: 


Ableitbar von | [6) | Q 
| . . 
WOoLrrschem Gange keine keine 
MürLuerschem Gange keine Gl. uterinae 


malen Teiles vom Uro- | ı /Macropus) 
genital-Kanal Gl. urethral. 


Wandung des ecetoder- | CowPpErsche Zellstränge 


Wandung des entoder- | Prostata | 
keine 


malen Teiles des Uro- Drüsen ohne Funktion 
genital-Kanales 
Proctodium Analdrüsen Analdrüsen } 


> 


Entwicklung und Bau des Urogenital-Apparates der Beutler usw. 467 


Es fehlen, wie bekannt, den männlichen Beutlern Drüsen an 
den Duetus deferentes. Solche treten bei vielen monodelphen Säugern 
als Gl. vasis deferentis und Gl. vesiculares auf. 


Aus der Wandung des entodermalen Urogenital-Kanales ent- 
stehen beim Männchen die mächtigen Urethraldrüsen, denen die 
Prostata sich bei Macropus hinzugesellt. Allerdings besitzt letztere 
Drüse nicht die Eigenschaft, welche WEBER in seinem Lehrbuche 
von einer Prostata fordert, nämlich daß sie außerhalb der glatten 
Muskulatur sich finde. Nur auf Grund ihres mikroskopischen Baues 
und der Stelle der Entwicklung ist die Drüse bei Macropus als solche 
zu erkennen. 

Beim Weibchen bleibt die Wandung des entodermalen Teiles 
des Urogenital-Kanales ohne Drüsen. 


Von der Wandung des Ecetodäums, der ectodermalen Cloake, 
wachsen bei beiden Geschlechtern Zellstränge in das umgebende 
Bindegewebe. Diese Zellstränge stellen die Anlagen der CowPER- 
schen Drüsen oder die Homologa beim weiblichen Geschlechte dar. 


Was die Herleitung der Cowperschen Drüsen bei den Beutlern 
betrifft, befinde ich mich in Widerspruch mit den Angaben von 
M. WEBER, welcher diese Drüsen als Differenzierungsprodukte der 
(entodermalen) Urethraldrüsen auffaßt (l. e. S. 264). Die Drüsen sind, 
bei den Beutlern nach meinen, bei Monotremen nach KEIBELSs Unter- 
suchungen, als ectodermale Drüsen aufzufassen. Erst secundär 
werden sie in den Urogenital-Kanal aufgenommen, in ähnlicher 
Weise, wie die Gl. anales erst sekundär in das Lumen des Procto- 
däums zu liegen kommen. Die einfache Anlage der CowPperschen 
Drüse sondert sich später in drei ungleich große Lappen, deren 
jeder von einer eigenen Muskelkapsel umgeben ist. Es ist daher 
_ ungenau, von drei Paar Cowrzrschen Drüsen zu reden. Beim 

Weibehen bleibt ein einfacher Zellstrang, welcher nur hin und wieder 
_ ein Lumen besitzt, bestehen; aus ihm gehen keine Drüsenschläuche 
hervor. 


Die Rectaldrüsen entstehen in der Wandung des Ectodäums 
und gelangen bei dessen Aufteilung in das Proctodäum. Es 
kommen zwei Paar Rectaldrüsen zur Anlage. Ihnen fügen sich 
bei Sminthopsis noch eine große Zahl von kleineren, zusammen- 
gesetzten tubulösen Drüsen an, welche aus der Wand des Procto- 
 däums ihren Ursprung nehmen. 2 


Bei den Macropodinae gelangt von den zwei Paar Drüsen 


468 A. J. P. v. d. Broek, Entwicklung u. Bau des Urogenital-Apparates usw, 


nur das caudale zur Entfaltung; das ceraniale Drüsenpaar bleibt 
rudimentär. 

In ganz besonderer Weise entwickeln sich die Reetaldrüsen von 
Hypsiprymnus (vgl. die spezielle Beschreibung). 


Literatur. 


‚ Außer der in der vorhergehenden Arbeit aufgezählten kommt in Betracht: 

1. BROEK, A. J. P.v. d. Over de ontwikkelungsgeschiedenis van het urogenitaal- 
kanaal bij den man. Verslagen der Vergad. o. d. Kon. Akad. v. 
Wetensch. 1909. 

2. GERHARDT, W. Der gegenwärtige Stand der Kenntnisse von den Copulations- 
organen der Wirbeltiere, insbesondere der Amnioten. Ergebnisse und 
Fortschritte d. Zoologie. Bd. I. S. 307. 

3. GEGENBAUR, C. Lehrbuch der vergl. Anatomie der Wirbeltiere. 

4. ReGAUD, Cl. et DUBREUIL, G. Variations de la glande interstitielle de l’o- 
vaire chez la lapine. Verhandl. d. Anat. Gesellsch. Berlin 1908. 
S. 146. 

5. SCHMIDTGEN, 0. Die Cloake und ihre Organe bei den Schildkröten. Zool. 
Jahrbücher. Bd. XXIV. 1907. 


Erklärung der Figuren, 


Tafel VII. 
Schemata der Copulationsorgane, teilweise nach BoAs, von: 
I. Schildkröte. i V. Didelphys. 
Il. Krokodil. VI. Maeropus. 
III. Echidna. VI. Homo. 


IV. Perameles. 4 
In diesen Figuren. ist das Entoderm grün, das Eetoderm schwarz ange- 
geben. Das Corpus cavernosum penis ist rot, das Corpus cavernosum ure- 
thrae schraffiert. 
A.d.p. Arteria dorsalis penis. 


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Morpholog. Jahrbuch. bad. ALI 


I. Schildkröte 


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VI. Makropus 


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IM. Mensch 


W Perameles 


Wilhelm Engelmann ır Deiozg Anst.n. Johannes A 


Die Kopfregion der Amnioten. 


Morphogenetische Studien. 


(5. Fortsetzung.) 
Von 


Dr. A. Fleischmann, 


Professor der Zoologie und vergl. Anatomie in Erlangen, 


Das in gemeinsamer Arbeit mit mehreren Schülern von mir 
‚ mehrfach erörterte Gaumenproblem ist in der Zwischenzeit (1907/08) 
‚ auch von H. Fuchs besprochen worden. Ich darf einen Teil seiner 
' Untersuchungen als eine willkommene Ergänzung meiner Studien 
begrüßen; denn obwohl er nicht mein Schüler ist, hat er die von 
mir inspirierte Deutung und Nomenklatur fast bedingungslos über- 
nommen und die von meinen Schülern beschriebenen Verhältnisse 
der Mund- und Nasenhöhle von Sauriern und Säugern neu bestätigt — 
‚ freilich mit dem Unterschiede, daß er alles viel weitschweifiger er- 
' zählte, als ich es meinen Mitarbeitern gestatte. 
| Da ich bisher aus Mangel passenden Materiales mich aus- 
' schließlich auf Saurier beschränkt hatte, schien es mirnach genauester 
‚ Lektüre seiner beiden Berichte wünschenswert, neue Untersuchungen 
über Schlangen und Schildkröten einzuleiten, um die Eigenschaften 
des Munddaches dieser Gruppen durch eigenen Augenschein kennen 
zu lernen; denn es kam mir vor, als sei Fuchs, obwohl er im all- 
gemeinen meine Auffassung über den gegensätzlichen Bau des Mund- 
daches bei Sauriern und Säugern teilt, konservativ auf älteren falschen 
Ansichten stehen geblieben und habe die Analyse der Schnitte nicht 
gründlich genug geführt. 

Nachdem ich ausreichendes Material gesammelt hatte, habe ich 
‚ Anfang November 1908 zwei Schüler vor diese Aufgabe gestellt. 
Der eine sollte die Entwicklung des Munddaches der Schlangen und 


470 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


Schildkröten, der andre die Entwicklung des Gaumens der Säuger 
so genau verfolgen, daß wir zum Schlusse scharfe Begriffsdefinitionen 
geben könnten. Beide Arbeiten sind jetzt abgeschlossen, doch können 
sie aus äußeren Gründen nicht gleichzeitig an die Redaktion des 
Jahrbuches abgesandt werden. Die Studie über die Reptilien von 
K. TuÄrTeR übergebe ich heute dem Drucke, während die Studie 
über die Gaumenentwicklung der Katze von H. PoOHLMANN erst 
später erscheint. 

Allgemeine Reflexionen über das von mir aufgeworfene Problem 
werde ich dann folgen lassen. 


Erlangen, 15. Dezember 1909. 


bissle _ 


VII. 
Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 


Von 


Dr. Karl Thäter 


aus Nürnberg. 


Mit 38 Textfiguren und Tafel VIII u. IX. 


Das Munddach der Schlangen und Schildkröten ist noch nicht 
oft der Gegenstand eingehender Studien gewesen. Daher dürfte 
eine erneute Untersuchung wohl nicht überflüssig erscheinen, zumal 
die Arbeiten über den Gaumen der Schlangen sehr widersprechend 
lauten. So erwähnt GEGENBAUR (1878), daß bei Schlangen der 
harte, die Nasenhöhle von der Mundhöhle scheidende Gaumen am 
wenigsten entwickelt sei. BuscH (1898) leugnete im Gegensatz hier- 
zu das Auftreten eines Gaumens bei den Schlangen, während 
GÖPPERT (1901) angibt, die Ophidier besitzen einen fertig gebildeten 
Gaumen (Fig 1, Pal), der die Ductus naso-pharyngei ventralwärts ab- 
grenzt. 1879 stellte Borw über die Entwieklung der Nasenhöhle 
und des Gaumens bei den Schlangen genaue embryologische Studien 
an. Vor zwei Jahren bestätigte Fucus deren Richtigkeit und trat 
neuerdings dafür ein, daß bei den Schlangen und Schildkröten das 
primäre Munddach durch Verwachsung während der Embryonalzeit 
in einer Weise abgeändert wird, welche zu der bisher als sekundärer 
Gaumen dieser Tiere bezeichneten Umbildung führt. Die entgegen- 
gesetzten Meinungen in der Literatur veranlaßten mich, auf den Rat 
meines hochverehrten Lehrers Dr. A. FLEISCHMANN dieses Gebiet 
uoch einmal einer genauen Nachprüfung zu unterziehen. Herr 
Professor FLEISCHMANN stellte mir die Sachlage nnd die Notwendig- 
keit dar, die einzelnen Phasen der Entwieklungsgeschichte des Mund- 
daches genau zu verfolgen, besonders exakte Modelle nach Quer- 


472 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


schnitten zu konstruieren, damit sicher festgestellt werde, ob man 
den Ausdruck »sekundärer Gaumen« mit Recht auf die Konfiguration 
des Munddaches der Schlangen anwenden dürfe. Ferner riet er mir, 
Fig. 1. die von Fuchs behauptete »aus- 
giebige Verwachsung« der ab- 
steigenden Choanengangschenkel 
und der Choanenspalten in embry- 
onaler Zeit nochmals zu kontrol- 
lieren, da ihm diese Angabe recht 
zweifelhaft erscheine. 

Nach diesen Leitlinien habe 
ich während des Wintersemesters 
1908/1909 und des Sommerseme- 
sters 1909 im zoologischen Institut 
zu Erlangen gearbeitet. Erwach- 
sene und embryonale Schlangen, 
sowie Embryonen von Chrysemys 
marginata standen mir reichlich 
zur Verfügung. Ich ordnete sie 
nach ihrem äußeren Aussehen 
und ihrer Größe in verschiedene 

Dach der Mundhöhle von Python tigris nach Gruppen. Bei den Schlangen maß 

der Deutung von E. GörrErr. 1/1. N r . . 
Ch Choane; Jac Jacogsonsches Organ; K Kau- ich die Entfernung vom Mittelhirn 
muskel; Pal sekundärer Gaumen; Pl Schleimhaut- bis zur ‚Schnauzenspitze, um we- 

falte des Gaumenrandes, 

von‘ nigstens auf diese Weise einen 
Anhaltspunkt zur Beurteilung des Größenunterschiedes der so 
stark spiralig eingerollten Embryonen zu erhalten. Diese Entfernung 
werde ich kurzweg als Mittelhirn-Schnauzenlänge (MSl) bezeichnen. 
Die Anfertigung der Modelle und Schnittserien geschah in der von 
AULMANN (Morpholog. Jahrbuch, Bd. XXXIX) erst kürzlich geschil- 
derten Weise. An allen Serien habe ich eine Definierebene ange- 
bracht und dieselbe auch an den abgebildeten Schnitten einge- 
tragen. 

Bevor ich mit der Darstellung meiner Beobachtungen beginne, 
möchte ich meinem hochverehrten Lehrer ‚Prof. Dr. ALBERT 
FLEISCHMANN für die unermüdliche Unterstützung und Förderung 
meiner Arbeit meinen aufrichtigsten Dank aussprechen. Ebenso 
danke ich Herrn Prof. Dr. ZAnDEr, der mir in liebenswürdiger Weise 
teehnische Schwierigkeiten überwinden half. 


ls a 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 473 


I. Tropidonotus natrix. 
1. Eigene Beobachtungen. 

Junges Tier. (Taf. VIII Fig. 1, 2) Die Mundspalte schneidet 
tief in den Kopf ein; die Mundwinkel liegen weit hinter den Augen, 
und zwar von den Augen etwa noch einmal so weit entfernt als 
die Augen von der Schnauze. Den hufeisenförmigen Mundrand be- 
grenzen glatte Starrlippen (sl), welehe außen von einer starken 
Hornschicht bekleidet sind und mit einer besonders an der oberen 
Starrlippe ausgeprägten scharfen Kante in das Epithel der Mund- 
höhle übergehen. 

Die niedrige, lateral ausgedehnte Mundhöhle ist gerade gestreckt 
und zeigt wenig Reliefeigentümlichkeiten der Wand. Bei der Be- 
trachtung mit bloßem Auge oder Lupe erscheinen Dach und Boden 
ziemlich eben. Höchstens gewahrt man ganz niedrige Leisten bzw. 
“ Furehen. Wenn man jedoch Querschnitte zu Hilfe nimmt (Fig.2—7), 
findet man das Relief belebter, als es vorher den Anschein hatte. 
Man gewahrt enge Formbeziehungen zwischen Boden und Dach in 
der Weise, daß den Leisten des Bodens Rinnen des Daches bzw. dem 
Kehlkopfhügel eine konkave Grube (ow) gegenüberliegt. 


Das flache Munddach ist nur durch mehrere Längsfalten der 
Schleimhaut und dazwischen liegende Furchen coupiert. Die 4 Zahn- 
reihen, welche auf dem Maxillare bzw. Pterygoid und Palatinum 
Ezeln, sind durch Sagittalfalten verdeckt. Daher sieht man bei 
der Betrachtung des Munddaches (Taf. VIII, Fig.1, 2) parallel zum 
rechten und linken Rande der Oberlippe den äußeren Gebiß- 
wulst (ag) d. h.je zwei sagittale Schl, Kautfalten (labiale und 
linguale Falte), welche die Zahnreihen 8 iö8 Oberkiefers verdecken 
und distal bis in die Prämaxillargeg&nd reichen. Daran schließen 
sich jenseits einer reich gefältelten Hohlrinne (r) dieinneren Gebiß- 
wülste (29), d.h. je zwei Deckfalten der Zahnreihe auf Palatinum 
und Pterygoid, welche einander parallel ziehen und kürzer sind 
als die äußeren Gebißwülste. 


Am Munddach ist die obere Starrlippe von der Deckfalte der 
maxillaren Zahnreihe schon durch das Aussehen abgesetzt, weil die 
starre Oberlippe mit verhornter, in Schilder zerlegter Epidermis be- 
_ kleidet wird, während die Deckfalte eine weißliche Färbung zeigt. 
Am Mundboden grenzen sich untere Starrlippe und Deekfalte nicht 
so deutlich ab. Die Gebißwülste alternieren. Der untere Gebiß- 


474 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


Fig. 2—7. 


Querschnitte durch die Mundrachenhöhle von Tropidonotus natrix. Embryo von 8,5 mm MSl. 
Vergr. 10/1. 
Abstand der Schnitte: 2—3 = 1120 u Abstand der Schnitte 5-6 = 400 u 
3—t= 800 u 6—7 = 1600 u 
4—5 = 880 u 


ch Choane; i Jacossoxsches Organ; I Larynx; n Nasenschlauch; ol Oberlippe; ow Orbitalgewölbe; 
sa Sakter; «! Unterlippe; z Zunge. 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 475 


wulst ragt bei geschlossenem Maule in die dorsale Hohlrinne (r) 
zwischen dem äußeren und inneren Gebißwulst. 


Der Umstand, daß die Zahnreihen von Falten umgeben sind, 
hängt jedenfalls mit dem Verschlingen großer Nahrungsbissen zu- 
sammen; denn der in den Deckfalten sich aussprechende Überschuß 
von Schleimhaut wird dazu dienen, die Erweiterung der Mundhöhle 
zu unterstützen und das am fressenden Tier zu beobachtende Aus- 
einanderweichen der Zahnreihen bzw. der sie stützenden Knochen 
zu ermöglichen, so daß die Wand der Mundhöhle bequem über ein 
großes Beutetier gespannt werden kann. 


Innerhalb der inneren Gebißwülste sieht man den dorsal empor- 
dringenden Hohlraum desOrbitalgewölbes (Taf. VIII, Fig. 1, 2, oo), 
der etwa unterhalb der Augen die höchste Krümmung erreicht. 
Querschnitte zeigen das Orbitalgewölbe hinten an den Mundwinkeln 
flach (Fig. 7) und vorn stark gekrümmt (Fig. 6). Ein scharfer Rand- 
bogen scheidet das Orbitalgewölbe von einem vorderen, ungefähr 
spitzwinklig dreieckigen Vomerfeld (Taf. VIII, Fig. 1, 2 vf), dessen 

Seiten von den inneren Gebißwülsten bzw. zwei medial an diese 
anschließenden zarten Schleimhautfältehen umrahmt werden. Das- 
‚selbe ist gewöhnlich (Fig. 1) als »sekundärer Gaumen« der Schlangen 
bezeichnet worden; doch ziehe ich den Ausdruck Vomerfeld vor, 
weil er rein sachlich die Tatsache kennzeichnet, daß über diesem 
Feld die beiden Vomerknochen liegen. In der Mitte des dreieckigen 
Feldes zieht ein schmaler Streifen (Fig. 2, 3), den Fuchs ohne Grund 
_ »Choanenpapille« genannt hat. Hier liegen auch die Mündungen 
der Jacossonschen Organe (Fig. 3). 


ER 


| Aus dem Mundboden ragtein medianer Längshügel (Taf. IX, Fig. 14) 
A in die Lichtung des Orbitalgewölbes. Er trägt die Kehlritze an 
| einem besonders schrägen Oralabfall. Vor der Kehlritze liegt der 
| Eingang in die Zungentasche (xt). Die Mundschleimhaut seitlich 
von diesem Hügel und die Schleimhaut der Rachengegend ist in 
feine Sagittalfalten gelegt. 

Zum Schluß mache ich noch auf die geringe Wölbung des Mund- 
daches und den stark ausgesprochenen flachen Charakter der ganzen 
| Mundhöhle aufmerksam, welche wie ein niedriger transversaler 
| Hohlraum im Kopf eingeschlossen ist und ganz gerade in die Speise- 
‚rühre übergeht. Das ist auf den Querschnitten (Fig. 2—7) am Ab- 
'stande des Munddaches von der Definierebene d und auf den Längs- 


‚sehnitten (Taf. IX Fig. 14) an dem parallelen Verlaufe der Mund- 
; Morpholog. Jahrbuch. 41. 31 


476 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


rachenwand, der Luftröhre und der in der Nebentasche verborgenen 
Zunge direkt abzulesen. 

Nasenschläuche. In sehr geringem Abstand dorsal über dem 
Vomerfelde liegen die einfach gestalteten Nasenschläuche. Von dem 
iußeren Nasenloch führt der kurze, merkwürdig weite und stark 
gefaltete Vorhofsabschnitt leicht ansteigend in die Muschelzone. Nahe 
der äußeren Mündung ist sein Querschnitt rundlich (Fig. 2). Die 
Nasenschläuche entfalten sich hauptsächlich in dorso-ventraler Riehtung 
und verschmähen es, sich lateral auszubuchten, wie es etwa bei 
Platydactylus Regel ist. Sie erscheinen wie sagittal kurze und 
transversal schmale Flachsäcke, welche schwach gekrümmt verlaufen, 
so daß ihr nariner, an die Nasenlöcher schließender Abschnitt etwas 
gegen die Medianebene biegt, während der ehoanale Teil sich ent- 
gegengesetzt wendet. Der ganze Nasenschlauch scheint nur dem 
Stammteil der Saurier vergleichbar. An seiner lateralen Wand fällt 
ungefähr in der Mitte der Höhe eine konkave Einbuchtung auf (Fig. 3), 
welche etwas schräg narin gegen den dorsalen First verläuft. Durch 
dieselbe werden 2 Stockwerke kenntlich. Der dorsale Absehnitt 
biegt sich hinten lateral abwärts und bildet einen kleinen, kurzen 
Sakter (sa). Stammteil und Choanengang sind nieht scharf vonein- 
ander geschieden. Die Aulaxnische ist gar nicht angedeutet. Der 
kleine Sakter hängt fast senkrecht d.h. parallel dem Stammteil herab. 
Aus der Muschelgegend führt der dorso-ventral erhöhte Choanengang 
zur Choanenmündung, welche an der oralen Wand des Orbitalgewölbes 
oberhalb des Randbogens liegt. 

Die Choanen sind nicht direkt sichtbar, wenn die Sehachse 
senkrecht auf das Munddach gerichtet ist, weil sie durch den scharfen 
Rand der Bogenfalte (Taf. VIII, Fig. 1, 2) verdeckt wird. Sobald man 
aber den Kopf dreht, daß man unter einem spitzen Winkel auf das 
vordere Ende des Orbitalgewölbes bliekt, dann erscheinen die Choanen 
über dem vorderen Bogenrand der Orbitalmulde als zwei kleine 
rundliche Löcher, und zwischen beiden eine seichte mediane Grube 
mit rosettenartig gestellten Falten, welehe besonders klar macht, 
daß die Choanen nieht median, sondern lateral in das Orbitalgewölbe 
münden. (Fig.'5.) 

Die Jacogsonschen Organe (Fig. 3) liegen als voluminöse Säcke 
ventral unter dem Nasenschlauch, jedoch so, daß sie sich an die 
mediale Wand. der Nasensehläuche anschmiegen, welche deshalb 
schräg verläuft. Sie münden auf dem Vomerfeld zu beiden Seiter 
des medialen Wulstes an dessen hinterem Ende. Wie die Schnitte 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 477 


zeigen (Fig. 3—5), fehlt die Choanenrinne im Gegensatz zu den 
Sauriern. 


An die Beschreibung der fertigen Mundhöhle reihe ich die Schil- 
derung von 4 Wachsmodellen, welche ich aus Schnittserien durch 
den Kopf von Ringelnatterembryonen verschiedener Größe rekon- 
struiert habe, um eine plastische Vorstellung von den bisher bloß 
nach Serienschnitten beschriebenen Entwicklungsvorgängen zu ge- 
winnen, und beginne mit dem jüngsten Embryo. 


Modell II (Taf. VII, Fig. 8, 9). Bei einem kleinen Embryo (5 mm 
MS!) ist die Mundhöhle in einer von der beim erwachsenen Tier 
durchaus verschiedenen Form ausgebildet; es bedarf daher einer 
starkenMetamorphose, um den Zustand des Maules der erwachsenen 
Schlange herbeizuführen. Die hufeisenförmige Mundspalte ist ent- 
sprechend der geringen Größe des Embryos verhältnismäßig kurz. 
Die Mundwinkel liegen unmittelbar unter den Augen. Die mediane 
Spitze der Oberlippe überragt gleich einem Schnabel die noch 
sehr kurze Unterlippe (Taf. IX, Fig. 13). 


Von dem Lippenrande zieht die im allgemeinen gleichsinnig ge- 
krümmte, ventrale und dorsale Wand der Mundhöhle in ziemlich 
steiler Neigung gegen die dorsale Mittellinie. Die Mundhöhle ist 
ein über das Niveau des Lippenrandes dorsal emporgewölbter Raum 
(Fig. 10), dessen Krümmung am Dach mehr auffällt als am Boden. 
Es lassen sich schon zwei Hauptabschnitte (Fig. 11) unterscheiden, 
nämlich der dorsal emporsteigende Mittelraum (mr) und die Seiten- 
nischen (sr), welche parallel dem Lippenrande verlaufen und hier 
ziemlich steil in die Masse des Kopfes einwärts ziehen. Im Mittel- 
raum ist die dorsale Wölbung des Munddaches am stärksten aus- 
geprägt; ihr entspricht als konvexe Gegenform ein vorspringender 
_Wulst des Mundbodens. Die Unterscheidung von Mittelraum und 
"Seitennischen läßt sich im hinteren Abschnitt der Mundhöhle (Fig. 11) 
nahe den Mundwinkeln bzw. der Hypophysenmündung viel schärfer 
“durchführen als in dem vorderen Bezirk (Fig. 10) hinter den Choa- 
nen, weil hier das Munddach bzw. der Mundboden von den Lippen- 


tändern einfach schräg dorsal emporsteigt. 


Um die eigenartige Plastik der Mundwand richtig zu erfassen, 
muß man nicht bloß die Mund- oder Innenfläche des Modells, son- 
dern auch die äußere, d.h. die dem Kopfmesoderm anliegende Fläche 
\ (Taf. VIII, Fig. 9) betrachten. Dann erkennt man, daß die dorsale 
Munddecke — wenn ich einen Ausdruck der Architekten gebrauchen 
31* 


Fo 


478 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


darf — einem »gebrochenen Satteldache« vergleichbar ist mit zwei 
schräg geneigten Lateralwänden (ko), welche an einem medianen 
Firststreifen zusammenstoßen, und zwei transversalen Wänden, einer 
Vorderwand (chw) bzw. einer caudalen Rückwand (rw). Auf dem 
Längsschnitt (Taf. IX, Fig. 13) ist die Firststrecke des Mittelraumes an 
der Einmündung der Hypophyse kenntlich, die Vorderwand ist mit 
den Buchstaben chw, die Rückwand mit den Buchstaben ro be- 
zeichnet. An der Vorderwand des Mittelraumes liegen die beiden 
Choanenöffnungen der einfachen Nasenschläuche. Daher nenne ich 


Fig. 8-11. 


Querschnitte durch die Mundrachenhöhle von Tropidonotus natrix. Embryo von 5mm MSl. Ver- 
größerung 10/1. 


Abstand der Schnitte: 8— 9 = 180 u 


9—10 = 420 u 
10—11 = 720 u 
dd Definierebene; h Hypophyse; i Jacorsonsches Organ, mr Mittelraum; » Nasenschlauch; ol Ober- 


lippe; sn Seitennische; «l Unterlippe; z Zunge. 


sie choanale Wand (chw). Die hintere Wand liegt hinter der Hypo- 
physe, sie fällt daher schon in den Bereich des entodermalen Rachens. 


Bei der Betrachtung des Modells von der inneren und äußeren 
Seite überrascht das Gewölbe der einem Satteldach verglichenen 
Munddecke am meisten. Der dorsal zwischen die Augäpfel ein- 
dringende Mittelraum erscheint weit (Fig. 10), seine Seitenwände 
gehen schwach divergierend und eigentlich ohne scharfen Absatz ir 
den rechten und linken Dachstreifen der Seitennischen (s”) über 
Das Gewölbe des Mittelraumes besitzt dicht hinter den Choanen ein 
enge dorsale Ausbuchtung (Fig. 10), aber gegen die Hypophyse (Fig. 11 
verschwindet die scharfe firstähnliche Gestaltung, so daß ein breite 
und flacher Mittelstreifen rückwärts streicht. Der höchste Punk 
des Mittelraumes liegt sowohl in diesem Stadium als in allen spä 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 479 


teren Entwicklungsphasen hinter den Nasenschläuchen bzw. den 
Choanen. Von hier fällt die choanale Vorderwand des Mittelraumes, 
eine ungefähr dreieckige Fläche, sehr steil gegen die Lippenspitze 
ab. In den Mittelraum ragt ein Höcker des Mundbodens (Taf. IX, 
Fig. 13). 

Dach und Boden der Seitennischen laufen näher dem Mund- 
winkel horizontal (Fig. 11) und näher der Maulspalte schräg (Fig. 9). 
Am Nischendach kann man schon zwei Bezirke unterscheiden: den 
lateralen als Anlage der Starrlippe und den medialen als Anlage 
des inneren Gebißwulstes. Beide sind durch eine seichte Ausfur- 
chung getrennt. 

Die Nasenschläuche sind zwar sehr klein und einfach geformt, 
doch ist ihr späterer Stilcharakter schon gut zu erkennen, be- 
sonders die laterale Abbiegung des Nasenschlauches zur Anlage des 
Sakter. Bloß sitzen die Anlagen der später unterscheidbaren Ab- 
schnitte: Vorhof, Stammteil, Choanengang noch sehr nahe beisammen, 
weil die sagittale Länge der Nasenschläuche sehr gering ist. Die 
JacoBsonschen Organe sind eben als kugelige Blindsäcke aus der 
medialen Wand der Nasenschläuche hervorgewachsen (Fig. 9). 

Ich erwähne noch den Befund bei einem etwas jüngeren 
Embryo, dessen Mundhöhle im allgemeinen die Formeigenschaften 
des eben beschriebenen Stadiums zeigt, weshalb die ausführliche 
Beschreibung unterbleiben kann. 

Hier haben sich die Nasenschläuche vor kurzer Zeit abgeschnürt 
und münden an einer 0,21 mm langen Strecke unmittelbar in die 
Mundhöhle, und zwar gleichfalls lateral, nicht in der Medianebene. 
Die Nasenschläuche hängen durch eine Epithelmauer mit dem Ecto- 
derm innig zusammen. Nur auf die ganz kurze Strecke von W u 
ist die Epithelwand unterbrochen. 

Modell III (Taf. VIII, Fig. 5—7). Bei dem etwas älteren Embryo 
von 6—6,5 mm MSl sind die Eigenschaften des eben beschriebenen 
Zustandes deutlicher ausgeprägt, weil in der Zwischenzeit der Kopf, 
die Mundwand und die Maulspalte an Länge und Breite zugenommen 
_ haben. Das in Rede stehende Modell III sowie alle später zu er- 
wähnenden beweisen, daß ich mit vollem Recht den Mittelraum 
(mr) der Mundhöhle und die beiden Seitennischen (sr) unterschied. 
Denn das Munddach zeigt durch kräftigere Reliefverschiedenheiten 
_ den Gegensatz der drei Abschnitte schon. viel klarer als in dem 

Jüngeren Stadium 5 mm MSI. Der Mittelraum (Taf. VII, Fig. 7) erreicht 
vor der Hypophyse (%) und dicht hinter den Choanen (chg) den höchsten 


480 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


Punkt (p) seiner dorsalen Entfaltung und sinkt von hier gegen 
die Mündung der Hypophyse steil ab (Fig. 16—17), ein Formcharak- 
ter, welcher zwar beim jungen Embryo 5 mm MS! schon angedeutet, 
aber wenig auffällig war. Die hinter der Hypophyse anschließende 
kachenwand ist aus der fast senkrechten Stellung, welche am jüng- 
sten Stadium zu beobachten war, in eine weniger steile Neigung 
gebracht worden, so daß sie jetzt wie eine Verlängerung des Mittel- 
raumdaches erscheint. Die vordere Abschlußwand (chev) des Mittel- 
raumes ist ebenfalls aus der steilen Richtung in eine schwächer ge- 
neigte Stellung übergegangen. Die Seitennischen (Fig. 13—17) sind 
breiter geworden und der innere Gebißwulst modelliert sich als 
rundlicher Vorsprung zu beiden Seiten des Eingangs in den Mittel- 
raum. Die Tatsache, daß die Neigung der Vorderwand und der 
Rachenwand des Mittelraumes in eine sanftere Richtung gemildert 
wird, ist ein wichtiges Merkmal der zur Ausgestaltung des Schlangen- 
mauls führenden Entwicklungsvorgänge. Wir beobachten an den 
späteren Stadien, daß der Prozeß noch weiter schreitet, bis endlich 
diese beiden Flächen fast horizontal gestellt sind und am erwach- 
senen Tier wie ebene Bezirke des Munddaches aussehen, welche 
den rinnenförmig gebliebenen Rest des Mittelraumes (oder des 
Orbitalgewölbes, wie ich oben [S. 475] sagte, oralund caudal umsäumen. 
Die vordere Abschlußwand des Mittelraumes geht durch diesen Prozeß 
zum größeren Teil in denjenigen Abschnitt des Munddaches über, 
welchen ich oben als Vomerfeld bezeichnet hatte. Schon an dem 
Modell III ist ein wichtiger Charakter des Vomerfeldes, nämlich die 
aufihm befindliche Mündung (©) der JacoBsonschen Organe (Fig. 13) 
deutlich entwickelt, während am Modell II die JacoBsonschen 
Organe in der mehrfach abgebildeten Weise als mediale Aus- 
sackungen an der Wand der Nasenschläuche dorsal über den 
Choanen hängen (Fig. 9). 

Modell IV (Taf. VIII, Fig. 4). Bei dem Embryo ” mm MS ist 
Wachstum und Modellierung in der Stilart fortgeschritten, welche 
aus dem vorhergehenden Modell zu vermuten war. Wesentliche 
Gegensätze sind dadurch zwar nicht geschaffen, jedoch sind einzelne 
Eigenschaften gesteigert worden. In allererster Linie ist im Zu- 
sammenhang mit der transversalen Entfaltung der Mundhöhle die 
Neigung der Rachenwand (ro) des Mittelraumes hinter der Hypophyse 
noch mehr zur flachen Lage geändert worden. Auch das Vomerfeld 
ist etwas weniger steil geneigt als im vorhergehenden Stadium. 

Die Stellungsänderung der vorderen und pharyngealen Fläche 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 481 


ist besonders am medianen Längsschnitt (Taf. IX, Fig. 15) erkennbar. 
Von der Hypophyse (h) etwa gegenüber dem Kehlkopf (l) steigt das 
Munddach schräg dorsal empor und erreicht etwas oberhalb der 
Choanen den höchsten Punkt, um nun mit starker Neigung schräg 
gegen den Lippenrand abzufallen (Fig. 22—20). Das eigentliche 
Satteldach des Mittelraumes ist nicht wesentlich länger geworden, 
dagegen modellieren sich die inneren Gebißwülste (9) stark heraus 
und grenzen den Mittelraum von den Seitennischen schärfer ab. Die 


Fig. 12—17. 


Querschnitte [durch die Mundrachenhöhle von Tropidonotus natrix. Embryo von 7 mm SMl. Ver- 
größerung 10/1. 


Abstand der Schnitte: 12—13 = 160 u Abstand der Schnitte: 15—16 = 680 u 
13—14 = 320 u 16—17 = 760 u 
14—15 = 160 u 


ch Choane; chg Choanengang; dd Definierebene; " Hypophyse; i Jacogsonsches Organ; l Larynx; 
mr Mittelraum; ol Oberlippe; sn Seitennische; «l Unterlippe; z Zunge; zl Zahnleiste. 


Form des Mittelraumes ist ungleichmäßig. Hinter der Hypophyse 
(Fig. 23) ist er breit und flach gewölbt, vor der Hypophyse dringt 
er dorsal in die Gegend zwischen die beiden Augäpfel empor (Fig. 22), 
während der hintere Abschnitt tiefer unter den Augen liegt. An 
.der Vorderwand des Mittelraumes liegen die Choanen (Fig. 21). In 
etlicher Entfernung (480 u) sind die Öffnungen der Jacogsoxschen 
Organe (Fig. 19) sichtbar und median liegt ein kleiner sagittaler Vor- 
Sprung. 

Das Munddach ist durch einen lateralen Randwulst (Fig. 20—23) 
begrenzt, welcher die Anlage der Starrlippe und des Gebißwulstes 


482 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


der äußeren Zahnreihe darstellt. Freilich sind diese Abschnitte 
noch sehr schwach voneinander abgesetzt, da nur die erste Anlage 
des Gebißwulstes als Zahnleiste (xl) angedeutet ist und ganz kleine 
Erhebungen an der lateralen und medialen Seite der Epithelleiste 
als Skizzen der künftigen Deckfalten auftreten. Das Munddach 
steigt von hier etwas schräg empor; es zeigt eine seichte Ausfur- 
chung (r), die Anlage der künftigen Hohlrinne, und medial von 
derselben die Anlage des inneren Gebißwulstes (ög) mit der Zahn- 
leiste der Pterygoidpalatinzähne. 

Aus dem Mundboden (Taf. IX, Fig. 15) springt gegen den Mittel- 
raum ein transversaler, schmaler Höcker vor. In letzterem verläuft 
die Luftröhre (f) und unter ihr die Anlage der Zungenmuskulatur. 
Der Kehlspalt liegt median auf der Oberfläche des Bodenwulstes, 
dessen vorderes Ende in zwei kurze Lappen (Fig. 20) ausgefranst 
ist. Es biegen sich also in der Mittelzone Dach und Boden dorsal 
empor und stehen in enger Formbeziehung, die an das Verhältnis 
von Patrize und Matrize erinnern. 


Vom Nasenschlauch ist nichts Besonderes zu vermelden. Die 
Querschnitte zeigen Choanenmündung (Fig. 21), die Choanengänge 
(Fig. 20) und den sattelförmig gekrümmten Sakter (Fig. 19). Die 
Mündungen der Jacogsonschen Organe liegen noch deutlich auf der 
schrägen Choanalwand des Mittelraumes. 


Modell V (Taf. VIII, Fig. 3). Bei dem Embryo 8 mm MS$1 zeigt 
sich das allgemeine Körperwachstum in der Mundgegend durch Ver- 
längerung und Verbreiterung der Seitennischen sowie des Mittel- 
raumes. Die Rachenwand und das Choanalfeld sind noch mehr 
flach geneigt als bei dem vorhergehenden Stadium. Aus diesem 
Grunde erscheint jetzt der Mittelraum ganz seicht und flach. Die 
an den jungen Stadien auffallende winkelige Knickung seines 
dorsalen Firstes ist durch das Längenwachstum des Mittelraumdaches 
sowohl des von der Hypophyse bis zur Choane reichenden Abschnittes 
als des von der COhoane gegen den Schnauzenrand abfallenden 
Choanalfeldes aufgehoben. Nur der hinter den Choanen liegende 
Abschnitt, welcher schon in jüngeren Stadien am meisten dorsal, 
emporragte, hat diese Eigenschaft beibehalten und erscheint wie ein 
enger, einer winkeligen Grube vergleichbarer Nebenraum. Er bildet 
nach entsprechender Auswölbung und Verbreiterung während der 
folgenden Embryonalzeit die oben als Orbitalgewölbe beschriebene 
Grube am Munddache der erwachsenen Schlange. Die Palatoptery- 


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Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 483 


goidwülste liegen nicht mehr so nahe der Medianebene wie bei 
jüngeren Embryonen. 

Die embryonalen Vorgänge bei den Schlangen führen also eine 
allgemeine Verflachung des Munddaches herbei, doch bleibt der 
mediane Abschnitt des Mittelraumes hinter den Choanen immer eine 
dorsal aufsteigende Bucht zwischen den beiden Augen; dieselbe 


Fig. 18—23. 


Querschnitte durch die Mundrachenhöhle von Tropidonotus natrix. Embryo von Smm MSI. Ver- 
größerung 10/1. 


Abstand der Schnitte: 15—19 = 280 u Abstand der Schnitte: 21—22 = 280 u 
19—20 = 840 u 22—23 = 2040 u 
20—21 = 160 u 


ch Choane; chg Choanengang; dd Definierebene; h Hypophyse; i Jacossossches Organ; ig innerer 
Gebißwulst; » Nasenschlauch; ol Oberlippe; ow Orbitalgewölbe; r Hohlrinne; xl Unterlippe: z Zunge; 
zl Zahnleiste. 


verengt sich oral gegen die Choanen; dadurch wird es immer mehr 
unmöglich, die Choanen selbst wahrzunehmen. Erst wenn man das 
Wachsmodell umdreht und die dem Mesoderm zugekehrte Fläche 
des Munddaches betrachtet, sieht man die beiden Choanen am oralen 
Abfall des Orbitalgewölbes selbst liegen. Das Vomerfeld wird so 
sehr den Flächen der Seitennischen gleichgestellt, daß man ohne 
Kenntnis der jüngeren Stadien gar nicht glauben möchte, daß es 
früher die wichtige orale Abschlußwand des Mittelraumes war, ob- 


484 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


wohl es immer noeh über die anstoßenden Palatinwülste etwas dorsal 
gekrümmt emporsteigt. Der hintere Rand des Vomerfeldes springt 
wie eine Querfalte vor, überschattet die beiden Choanen und erzeugt 
dadurch eine scharfe Grenze gegen das Orbitalgewölbe. 

Das Längenwachstum übt auf die Form der Seitennischen keinen 
Einfluß aus. Starre Oberlippe und äußerer Gebißwulst sind noch 
nicht deutlicher voneinander geschieden. An den Zahnleisten hängen 
erst ganz kleine Schmelzglocken. Das gleiche gilt für den inneren 
Gebißwulst. 


2. Fremde Schilderungen. 


Wenn ich nach der Bekanntgabe meiner eigenen Beobachtungen 
die in der Literatur vorliegenden Schilderungen desselben Objektes 
bespreche, so habe ich nur zwei Autoren, BORN und FuchHs, zu er- 
wähnen. 

Die Untersuehungen Borns liegen mehr als 25 Jahre zurück in 
jener Zeit, als man eben begonnen hatte, die Technik der Schnitt- 
serien und der Rekonstruktionen für embryologische Studien auszu- 
nützen. Ich gebe ihren Inhalt etwas ausführlicher wieder, weil sie 
bisher die alleinige Quelle unsrer Kenntnisse waren und die neuen 
Mitteilungen von H. Fuchs in weitgehender Weise beeinflußt haben. 

Born (le, S. 194) beginnt mit der Beschreibung, wie sich an 
Köpfen von etwas über 4mm Länge die Apertura externa und die 
primitive Choane trennt, indem sich der äußere Nasenfortsatz mit 
seiner Spitze und dem größten Teil seines Vorderrandes an die 
Außenfläche des inneren Nasenfortsatzes legt. Der Verschmelzung 
der Epithelien folgt binnen kurzer Zeit eine Verwachsung der 
bindegewebigen Grundlagen mit Verdrängung der trennenden Epithel- 
schichten. Das vordere Ende des Oberkieferfortsatzes neigt sich ein 
wenig über das hintere Ende der primitiven Choanen nach innen, 
ebenso der Gaumenwulst des Oberkieferfortsatzes über die Fläche 
des Gaumens, so daß hier eine Art Rinne entsteht, welche die primi- 
tive Choane nach hinten fortsetzt. 

Bei Köpfen bis zu 5 mm Länge schiebt sich das vordere Ende 
des Oberkieferfortsatzes allmählich unter dem äußeren Nasenfortsatz 
nach vorn gegen den inneren Nasenfortsatz und übernimmt die 
laterale Begrenzung der primitiven Choane. Die Innenfläche des 
Öberkieferfortsatzes legt sich von unten über die primitive Choane 
und das nachfolgende Stück der Gaumenfläche. Zugleich wird die 
primitive Choane enger. Hinter ihr entsteht durch die Überlagerung 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 485 


der Gaumenleiste des Oberkieferfortsatzes eine kurze Rinne. Genau 
genommen kann man jetzt schon nieht mehr von einer primitiven 
Choanenspalte reden, da sich dieselbe in einen kurzen schrägen 
Gang verwandelt hat. 

Bei Köpfen von 5—5,5 mm wird die von vorn nach hinten fort- 
schreitende Verklebung der Choanenspalte merklicher. Der ziem- 
lich hohe Gang, der von der Mundhöhle schräg nach aufwärts in 
die eigentliche Nasengrube führt, wird verlegt. Schon in den vorigen 
Stadien hatte sich der vor der Öffnung des Jacossonschen Organs 
liegende Teil der Choanenspalte verschlossen; jetzt verlegt sich der 
Eingang in das Jacogsonsche Organ in der vorderen Hälfte selbst, 
indem eine diese Öffnung von oben her begrenzende Falte tiefer 
herabsteigt und mit der gegenüberliegenden Wand verschmilzt. Durch 
diesen Prozeß erhält auch der hintere muscheltragende Teil der 
Nasenhöhle einen festen Boden. 

Der Verschluß schreitet ziemlich rasch von vorn nach hinten 
vorwärts. Der obere Rand der Öffnung, die aus dem Jacorsonschen 
Organ in die Choanenspalte führte, senkt sich tiefer herab und die 
denselben begrenzende, bisher freie Falte verschmilzt mit der gegen- 
überliegenden Wand. 

Bei Köpfen von über 6 mm Länge schreitet die Verklebung 
der Choanenspalte sehr rasch nach rückwärts vor. Auch hinter dem 
Ausführungsgang des JacoBsonschen Organs legt sich die Seiten- 
wand desselben etwa in ihrer halben Höhe an die gegenüberliegende 
Wand an und verschmilzt mit derselben. Schließlich ist die Choanen- 
spalte ein schräg nach rück- und abwärts steigender Gang, der neben 
dem hinteren Umfang des JacogBsoxschen Organs herabführt und 
sich medialwärts in die Mundhöhle öffnet. Durch das Auswachsen 
einer queren horizontalen Falte aus dem hinteren Rande des Mittel- 
feldes und die seitliche Verbindung derselben mit dem Gaumen- 
 wulste fügt sich dieser absteigenden Choanenspalte ein an Länge 
zunehmendes, mehr horizontal nach hinten verlaufendes Stück an. 

Die breite Scheidewand zwischen den Choanen wächst zuerst 
nach hinten aus; später bleibt sie zurück, so daß ein kurzer, ge- 
meinschaftlicher Nasenrachenraum entsteht. Die beiderseitigen 
Nasenrachengänge konvergieren gegeneinander, bleiben aber anfangs 
durch eine Scheidewand voneinander getrennt; erst bei Köpfen von 
nahezu 8 mm Länge bleibt die Scheidewand zurück und das letzte, 
sehr kurze Ende ist ein gemeinsamer, in die Quere verbreiterter 
Nasenrachengang. Die definitive Choane ist ein weites, in einer 


486 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


Frontalebene liegendes, quer gestelltes Loch, während die Choanen 
vorher zwei längsgerichtete, schmale, in der Horizontalebene gelegene 
Spalten waren. 

Die Bildung der definitiven Choane ist bei den verschiedenen 
Saurierfamilien sehr verschieden; doch ist der Verschluß der ur- 
sprünglichen zur Nasengrube führenden Choanenspalte bei den 
Schlangen viel vollständiger als bei den Sauriern. Es bleibt bei 
Troptidonotus keine tiefe, von der Ausmündung des JACOBSON- 
schen Organs zur definitiven Choane führende Rinne als Rest der 
zur Nasengrube führenden Spalte zurück, sondern die JACOBSON- 
schen Organe münden auf der Gaumenfläche ganz für sich weit von 
der definitiven Choane aus. Die letztere wird bei Schlangen weiter 
rückwärts verlegt dadurch, daß sich hinten an die eigentliche Nasen- 
grube je ein Nasenrachengang von ansehnlicher Länge anfügt. Bei 
Lygosoma fand Born eine ähnliche Verlängerung der Nasenhöhle, 
doch war der dort gebildete Nasenrachengang an der unteren Seite 
durch einen Längsschlitz aufgespalten. 

Der andre Autor, der für unsre Frage noch in Betracht kommt, 
ist H. Fuchs (3b). Nach ihm verlaufen die ersten Entwieklungs- 
vorgänge bei Tropidonotus in der gleichen Weise wie bei Lacerta. 
Anfangs erscheinen zwei verdiekte Eetodermfelder der ventralen 
Fläche des Vorderkopfes. Sie senken sich bald in die Tiefe, so 
daß zwei langgestreckte Furchen oder Gruben entstehen, die hinten 
am Munddach auslaufen. Die Gruben vertiefen sich; ihre seitlichen 
Ränder wachsen ventral stärker hervor und bilden zwei Wülste, den 
lateralen und medialen Nasenfortsatz. Die Gruben öffnen sich der 
ganzen Länge nach ventralwärts. Indem der laterale Nasenfortsatz 
mit dem medialen Nasenfortsatz verschmilzt, wird eine Verwachsungs- 
brücke oder der primitive Gaumen geschaffen und die Nasengruben 
in die Nasenschläuche umgewandelt. Weil aber die Verschmelzung 
nicht über die ganze Länge der Nasenfortsätze erfolgt, so bleiben 
die entgegengesetzten Endpunkte der ursprünglichen Nasenfurche 
als äußeres Nasenloch und primitive Choane bestehen. ' 

Auf Grund einer Serie durch einen Embryo mit entwickeltem 
Knorpelskelet, aber ohne Deekknochen gibt Fuchs an, daß später # 
Vomerpolster und Oberkiefermassen ausgiebig miteinander ver- 
wachsen. Während bei jungen Embryonen die Choanenspalten 
sich ursprünglich von der Ausmündung des Jacogsonschen Organs 
über die ganze Muschelzone erstrecken und in ihrer ganzen Länge 
mit dem absteigenden Schenkel der Choanengänge zusammenhängen, 


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; 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 487 


werde der Zugang zu den Nasenschläuchen hinter der Ausmündung 
der Jacogsoxschen Organe verlegt, dadurch daß auf Kosten der 
absteigenden Choanengangschenkel Vomerpolster und ÖOberkiefer- 
massen miteinander etwa auf ein Drittel der ganzen Länge der 
Nasenschläuche verwachsen. Dadurch werde die Choanenspalte 
zum Teil verschlossen und ihr vorderes und mittleres Drittel 
in eine Choanenrinne umgewandelt, welche den Ausführgang der 
Jacogsoxschen Organe und den Tränengang aufnimmt und caudal- 
wärts in die Choanen (im engeren Sinne) auslaufe. 

Durch weitere Verwachsung zwischen Vomerpolster und Ober- 
kiefermassen verschwinden auch die Choanenrinnen, bloß ihre 
vordersten Abschnitte in der Tiefe der Nasalmulde werden erhalten. 
Die Choanenspalten, welehe Vomerpolster und Oberkiefer der ganzen 
Länge nach trennten, reichen dann nicht mehr bis zu der auf der 
Grenze zwischen Vomerpolster und prämaxillärem Gaumen liegenden 
Choanenpapille. Die hinteren Reste der primitiven Choanen 
dauern als definitive sog. sekundäre Choanen. Nur die Reste 
der Choanenrinnen, welche die Ausmündungen der Jacogsoxschen 
Organe und die Tränengänge aufnehmen, sind übrig geblieben, stehen 
aber mit den definitiven sekundären Choanen in keiner Verbindung. 
Die bei den Embryonen gut ausgeprägte Nasalmulde wird verwischt, 
weil das Vomerpolster bzw. das Nasenseptum sich abwärts senkt 
und den Muldenraum verdrängt. 

Fuchs charakterisiert zum Schlusse die Entwieklung des defini- 
tiven Munddaches von Tropidonotus durch folgende Momente: starke 
Abwärtswanderung des Nasenseptums verbunden mit Verdrängung 
der Nasalmulde und ausgiebiger Verwachsung des Vomerpolsters 
mit den Oberkiefern auf Kosten der absteigenden Choanengang- 
schenkel und der Choanenspalten, so daß von beiden nur caudale 
Reste übrig bleiben. Übereinstimmende Vorgänge habe er bei Sehild- 
kröten (Chelone, Emys) beschrieben. Auch die benachbarten Knochen 
bilden eine im Nasenseptum gelegene Knochenplatte, welche dem 
sog. knöchernen sekundären Gaumen der Schildkröten entspreche. 


3. Kritik. 

Nach den oben in Wort und Bild wiedergegebenen Modellen 
verschiedener und ziemlich gut aneinanderschließender Stadien des 
 Munddaches kann ich die Schilderung, welehe Born und Fucus von 
der Verwachsung der Choanen und des Choanenganges ge- 
geben haben, als unrichtig verwerfen. Ich lasse die erste Anlage der 


488 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


Nasengrube sowie die Entstehung des äußeren Nasenloches und der 
primitiven Choanen hier außer Betracht, weil ich mich mit den jün- 
geren Stadien nicht eingehend beschäftigt habe, und opponiere bloß 
gegen die Darstellung von der weiter fortschreitenden Verwachsung 
der Choane. Dieselbe erhellt aus meinen Modellen keineswegs. 

Born und Fuchs haben sich auf das reine Studium der Quer- 
schnittserien beschränkt und ermangeln darum der eindringlichen 
plastischen Kenntnis der Einzelheiten, welche für die Deutung des 
Vorgangs erforderlich ist. Besonders täuschten sie sich über die 
ursprüngliche Größe und das weitere Wachstum der Choanen. Meine 
Modelle zeigen mir unwiderleglich, daß die primitive Choane in der 
Entwieklungsperiode, wo das Jacogsoxsche Organ noch als blasen- 
förmige Ausstülpung an der Seitenwand des Nasenschlauches hängt, 
durchaus nicht eine lange Spalte, sondern ein sehr kleines Loch 
ist. Nach den Querschnitten berechnet sich ihre sagittale Länge 
auf 0,21 mm. Dieses Maß erfährt eine Verkleinerung, wenn die 
durch das Modell III (Taf. VIII, Fig. 5) illustrierte Umänderung erfolgt 
und das Jacogsonsche Organ vom Nasenschlauch abgetrennt wird. 
Dann sinkt die sagittale Länge der Choane auf 0,16 mm und be- 
harrt auf dieser Größe in den nächstfolgenden Wachstumsstadien 
bis zu Modell I (Taf. VIII, Fig. 5—3 und 1). Wenn die von FuchHs 
so entschieden verteidigte Verwachsung von zwei Drittel der Choanen- 
länge stattfinden würde, so müßte zwischen der JAcoBsoxschen Mün- 
dung und der Choane eine Strecke von 0,14 mm liegen, während 
die Messung bloß eine Strecke von 0,08 mm wirkliche Länge er- 
gibt. Diese Zahlen sind so minimal, daß niemand wohl die Be- 
hauptung von Fuchs wird ernstlich vertreten wollen. 

Die Abgliederung des JacoBsonschen Organs von der medialen 
Wand des Nasenschlauches und die Bildung einer selbständigen 
Mündung desselben geschieht eben nicht durch Verwachsung des 
absteigenden Choanenganges und dessen hypothetisch in die Länge 
gestreckter Choane, sondern vermöge eines außerordentlich einfachen 
Vorganges von einem andern plastischen Charakter. An einigen Quer- 
schnittserien durch Embryonen des Modellstadiums Nr. II (Taf. VIII, 
Fig. 8) finde ich nämlich das Jacogsonsche Organ vom Nasenschlauch 
abgetrennt und durch eine flache, in das Mundepithel der Choanal- 
wand des Mittelraumes eingesprengte Epithelleiste mit dem oralen 
Rand der Choane zusammenhängen. An andern Querschnittserien 
durch Embryonen von ziemlich gleicher Größe ist die Kontinuität 
der Epithelleiste durchbrochen und damit die Trennung der genetisch 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 489 


eng zusammengehörigen Teile des Nasenschlauches endgültig be- 
siegelt. 

Ich erkläre die Schnittbilder durch folgende Vermutung. In 
einer gewissen Phase wird am Choanenende des Nasenschlauches, 
welchem ja die Anlage des JacogBsonschen Organs enge anhängt, 
eine aktive Umformung eintreten, so daß das JAcoBsonsche Organ 
durch Wachstum oral vom Choanengang weggelagert wird. Nach- 
dem die Abschiebung einigermaßen eingeleitet ist, wird weiteres 
Wachstum die Entfernung beider rasch steigern, während der Zu- 
sammenhang der Epithelien noch nieht gestört wird; daher die flache 
Verbindungsleiste zwischen Choane und Jacogsoxschem Organ. Zu- 
gleich aber erfolgt die viel mehr einschneidende Umbildung des ur- 
sprünglichen Mittelraumes der Mundhöhle, wie ich sie oben nach 
den Modellen geschildert habe. Die orale Wand des Mittelraumes, 
welche Choane und Jacogsoxsche Öffnung enthält, wird so abge- 
knickt (Taf. VIII, Fig. 5—3, 1), daß die Choane zeitlebens in die Or- 
bitalmulde), die Jacogsonsche Öffnung in das Vomerfeld schauen. 
Wenn endlich die Leiste zwischen beiden Öffnungen schwindet, ist 
die Trennung vollzogen. Die Umbildung erfolgt bei Embryonen 
des Modellstadiums III von 6—6,5 mm MI (Taf. VIII, Fig. 5). Eine 
weitere Verwachsung ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil die 
Größe der Choane bei den Embryonenvon 7, 8, 9mm MS1 (Taf. VII, 
Fig. 4, 3, 1) unverrückt auf 0,16 mm stehen bleibt. Da aber der 
ganze Kopf aus der Kleinheit embryonaler Verhältnisse auf die 
Größe des ausschlüpfenden Tieres gehoben wird, nehmen die ein- 
zelnen Regionen, besonders die Strecke zwischen der JacoBsonschen 
Mündung und der Choane ständig zu. Dieselbe beträgt beim Em- 
bryo des Modell III 0,40 mm, beim Embryo des Modell IV 0,48 mm, 
beim Embryo des Modell V 0,92 mm und beim Embryo des Modell I 
1,24 mm. Die Form der Modelle läßt nun sehr deutlich erkennen, 
daß das bedeutende Wachstum dieser Strecke zugleich mit der 
stärkeren Abmodellierung des Vomerfeldes (of) und seines hinteren 
Randbogens (Taf. VIII, Fig. 4, 3, 1) erfolgt. Daher ist es ausgeschlossen, 
daß ihr ein besonderer Zuschuß durch Verwachsung der Choanen 
gegeben würde, wie man nach FucHs annehmen soll. 

Fuchs hat sich übrigens die Beweisführung sehr leicht gemacht. 
Er verweist auf 6 Schnitte aus der Serie eines Embryos mit ent- 
wickeltem Knorpelskelet (aber noch ohne Deckknochen) und sagt, 
‚auf einem Schnitt (35 Taf. VIII, Fig. 47) erscheinen Vomerpolster und 
Oberkiefermassen an der mit einem Stern bezeichneten Stelle ausgiebig 


490 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


miteinander verwachsen. Früher hätten sich die Choanenspalten 
von der Jacogsonschen Mündung über die ganze Muschelzone er- 
streckt und an allen Stellen freien Zugang zu den Nasenschläuchen 
gehabt. Jetzt aber sei der Zugang zu den Nasenschläuchen ver- 
legt dadurch, daß auf Kosten der absteigenden Choanengangschenkel 
Vomerpolster und ÖOberkiefer im vorderen und mittleren Drittel 
der Choanenspalten miteinander verwachsen wären. Man wird mit 
mir diese Art der Begründung tadeln. Es genügt doch wirklich 
nicht, eine weittragende Behauptung aufzustellen und dann auf einen 
einzigen Schnitt durch einen viel zu alten Embryo zu verweisen, an 
welchem man alles andre, bloß nicht den Prozeß der Verwachsung 
wahrnehmen kann. Da zwei Drittel des Choanenganges verlegt sein 
sollen, hätte Fuchs die ursprüngliche und die reducierte Länge des- 
selben angeben müssen. Aber ich meine, wenn er sich die Mühe 
solcher Messungen und genauer Beobachtungen überhaupt genommen 
hätte, so würde er ganz andre Resultate gefunden haben. 


II. Chrysemys marginata. 
1. Fremde Untersuchungen. 


Die Mund- und Nasenhöhle der Schildkröten ist bisher wenig 
beachtet worden. In der Literatur liegen nur drei Abhandlungen 
von SEYDEL, VOELTZKOW und Fuchs vor. 

Nach Seypver (1896) (9a S. 479) tritt in der Ontogenie von Ohry- 
semys die Anlage des Nasenrachenganges (Ductus nasopharyngeus) 
als eine Rinne auf, die an das hintere, untere Ende der eingesenk- 
ten Rieehgrube anschließt und am Mundhöhlendache ausläuft. Durch 
Verschmelzung ihrer Ränder wird die Rinne in einen Kanal umge- 
wandelt. Der Vorgang schließt sich ganz kontinuierlich an die Bil- 
dung des Nasenhöhlenbodens an und schreitet von vorn nach hinten 
fort. Der Abschluß der Rinne erfolgt anfangs durch Weichteile; 
später beteiligen sich die Knochen durch Fortsatzbildungen an der 
Umwandung des Kanals. 

Die Ausdehnung der Nasenhöhle im vertikalen Durchmesser be- 
dingt eine Verschiebung des Nasenhöhlenbodens nach unten; hier- 
durch wird die Apertura interna in die fast vertikale Stellung über- 
geführt. Der Ductus nasopharyngeus kann als eine röhrenförmige 
Verlängerung der senkrecht gestellten und nach hinten gerichsehit 
Apertura nasalis interna aufgefaßt werden. | 

Ausführlicher behandelte A. VoELTzkow (1903, 11b 8.185) die 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 491 


Entwieklung der Nasenhöhle und des Gaumens der Schildkröten. 
Die flachen, relativ sehr großen Riechgruben treten an der Unter- 
seite des Vorderhirns mit schwach aufgewulsteten Rändern auf. Wahr- 
scheinlich geschieht die erste Anlage, indem sich der Boden der 
Nasengrube durch lokale Wucherung des Ectoderms nach innen senkt; 
die weitere Verlagerung in die Tiefe erfolgt jedoch durch Aufwulstung 
der Randpartien. 

Dann erheben sich die Grubenränder. Die Nasenhöhlen werden 
größer und nehmen eine längliche Gestalt an infolge des stärkeren 
Hervortretens des Stirnfortsatzes, wodurch der innere Rand der 
Nasengruben nach vorn und innen und schließlich in eine Spitze 
ausgezogen wird. Nunmehr kann man von einem äußeren und 
inneren Nasenfortsatz sprechen. 

Während der weiteren Entwicklung beteiligt sich an der Be- 
grenzung der Nasengrube nicht mehr der äußere Nasenfortsatz allein, 
sondern auch der vorgeschobene Oberkieferfortsatz, welcher 
endlich den Abschluß der vorher rinnenförmig nach unten geöffneten 
Nasenspalte bewirkt, indem er sich von innen und unten an den 
inneren und äußeren Nasenfortsatz anlagert. Der Verschluß durch 
den Öberkieferfortsatz ist aber nur von kurzer Dauer. Bald erfolgt 
der endgültige Verschluß dadurch, daß die unteren Teile des late- 
ralen und medialen Nasenfortsatzes miteinander verschmelzen. Durch 
raschere Entwicklung der Nasenwülste wird der Stirnfortsatz mehr 
und mehr zurückgedrängt. Die inneren Nasenfortsätze berühren 
‚sich mit ihren äußeren Teilen, verschmelzen und schließen so die 
erheblich in die Länge gestreckte Nasenhöhle nach unten ab. 

Die einfache Nasenspalte wird also von vorn nach hinten 
durch Aneinanderlegen des lateralen und medialen Nasenfortsatzes 
verschlossen und zerfällt in die beiden Öffnungen: Apertura nasalis 
externa am Gesicht und die primitive Choane in der Mundhöhle. 
Der Mund selbst nimmt die Form eines Dreiecks an, dessen Seiten 
von dem Öberkiefer, dessen Spitze von den vereinigten Nasenfort- 
sätzen gebildet ist. Die früher an der Unterfläche des Kopfes be- 
findlichen äußeren Nasenöffnungen rücken allmählich vor, gelangen auf 
die Oberseite und bleiben von nun an nahe dem Ende der Schnauze. 

Die erste Anlage des primitiven Gaumens erfolgt durch die Ver- 
schmelzung des lateralen und medialen Nasenfortsatzes. Erst se- 
kundär tritt der Oberkieferfortsatz in Beziehung dazu, indem er sich 
vorschiebt, bis er den Nasenfortsatz erreicht und damit zur Bildung 
der Oberlippe und des Gaumens beiträgt. 


_—_ Morpholog. Jahrbuch. 41. 32 


492 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 

Der harte Gaumen bildet sich dadurch, daß sich an den 
unpaaren Vomer von beiden Seiten die Verbreiterungen der 
Maxillaria und Palatina anschmiegen. Dadurch werden die 
Choanen mehr und mehr nach hinten verlegt. Bei andern Cheloniern, 
(z.B. Testudo, Emys, Trionyx), ist nach BuscH nur ein weicher Gau- 
men vorhanden. 

Der Aufsatz von H. Fuchs (1907, 3a S. 446) wiederholt im 
allgemeinen die Darstellung VoELTZKOws über die Bildung des sog. 
sekundären Gaumens, sowie die Schicksale der primitiven Choane. 
Durch Einsenken des mit verdicktem Epithel versehenen Riechfeldes 
entstehen die ventralwärts offenen Nasenfurchen oder Nasenmund- 
rinnen an der ventralen Seite des Vorderkopfes. Sie führen nach 
hinten und enden am Dache der Mundhöhle. Indem ihre Seiten- 
ränder stärker nach unten wachsen, werden die lateralen und medialen 
Nasenfortsätze gebildet. Hinten werden die Nasenfurchen durch die 
vordersten Abschnitte der Oberkieferfortsätze begrenzt. 

Durch Verwachsung des lateralen und medialen Nasenfortsatzes 
werden die Nasenfurchen teilweise verschlossen, so daß der primitive 
oder prämaxillare Gaumen, sowie ein Nasengang mit einer äußeren 
Nasenöffnung und der primitiven Choane entsteht. 

Der Oberkieferfortsatz beteiligt sich auf keinen Fall an der 
Bildung des primitiven Gaumens. In der Folge der Serie nimmt 
der Oberkieferfortsatz immer mehr an Umfang zu, die-lateralen Nasen- 
fortsätze dagegen ab; beide sind deutlich gegeneinander abgegrenzt. 
Erst am hinteren Ende des primitiven Gaumens ist der laterale 
Nasenfortsatz nahezu verschwunden und durch den Oberkieferfort- 
satz ersetzt, welcher die hinter dem primitiven Gaumen beginnende 
primitive Choane lateral begrenzt. Die beiden primitiven Choanen 
sind sagittal lang ausgezogene Schlitze der Mundhöhle, welche 
rückwärts allmählich auslaufen und vorn an die als Rinne kenntliche 
Verwachsungsstelle der Nasenfortsätze (an der Mundseite des primitiven 
Gaumens) stoßen. Medial wird die Choane durch das Vomerpolster, 
den untersten Abschnitt des Nasenseptums begrenzt. Zwischen den 
hintersten Teilen der an der Mundseite des primitiven Gaumens 
hinziehenden Rinne befindet sich ein kleiner Vorsprung des Vomer- 
polsters, Papilla palatina- 

Bei einem etwas älteren Emys-Embryo entsteht der sekundäre 
Gaumen durch Verwachsung der medialen Seite des Ober 
kieferfortsatzes mit dem untersten Abschnitt des Nasen- 
septums. Zuerst verklebt nur das Epithel der zur Berührung ein- 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 493 


ander genäherten Bezirke, später wird die Epithelbrücke vom 
Mesenchym durchbrochen. Vomerpolster und Oberkieferfortsatz sind 
längs der Verwachsungsstelle durch eine von vorn nach hinten ver- 
laufende Rinne getrennt, welche sich in die Verwachsungsrinne am 
primitiven Gaumen fortsetzt. Demnach erscheint der sekundäre 
Gaumen als eine Fortsetzung des primitiven Gaumens. 


Die primitiven Choanen werden durch die Bildung des sekundären 
Gaumens großenteils gegen die [Mundhöhle verschlossen, aber 
die Verwachsung erreicht niemals das hintere Ende der primitiven 
Choanen. Daher bleiben ihre hintersten Abschnitte offen und werden 
zu den definitiven sekundären Choanen. Die sekundären Choanen 
sind also die Reste der primitiven Choanen, welche von der Ver- 
wachsung nicht ergriffen wurden; denn die Papilla palatina liegt 
beim älteren Embryo immer noch zwischen den hintersten Abschnitten 
der Choanen. Die Teile der Nasenschläuche, welche sich früher 
mittels der primitiven Choanen-am Munddach öffneten, sind durch 
den sekundären Gaumen gegen die Mundhöhle abgeschlossen worden 
und stellen die sog. Choanengänge vor, 


Das Vomerpolster bildet im Verein mit dem primitiven Gaumen 
nicht nur das primitive Munddach, sondern liegt auch am sekundären 
Munddach frei zutage. 


2. Eigene Beobachtungen und Kritik. 


Modell VI (Taf. VII, Fig. 10). Die hufeisenförmige Mundspalte 
wird von Hornlippen umfaßt. Die Mundwinkel liegen wenig hinter 
den Augen. Die von stark verhorntem Epithel bekleidete Ober- 
lippe (od)=oberer Hornschnabel besitzt eine scharf schneidende 
 Ventralkante und überragt die Außenfläche der verhornten Unter- 
lippe. Der mediane Teil der Oberlippe ist in einen kurzen Vor- 
sprung (Schnabelspitze) ausgezogen. 


Die niedrige Mundhöhle (Fig. 26—28) zeigt wenig Relief- 
verschiedenheiten. Man kann wieder den Mittelraum (mr) und die 
lateralen Seitennischen (sr) unterscheiden. Die Seitennischen sind 
sehr flach und wenig schräg geneigt. Nahe der Mundspalte wölben 
sie sich dorsal und steigen steil gegen die scharfe Kante der 
Öberlippe abwärts (Fig. 27). Das Nischendach bildet dieht an dem 
im Querschnitt \/ förmigen Rand der Oberlippe eine Kehlrinne, in 
welcher die scharfe Kante der Unterlippe bei der Ruhe ver- 
borgen ist. 

32* 


494 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


Der Mittelraum ist flach und durch einen ziemlich unbedeuten- 
den Wulst (ww) gegen die Seitennischen abgegrenzt. Der Wulst wird 
nach hinten etwas deutlicher, weil die Seitennischen dieht hinter 
dem Mundwinkel dorsal stärker emporgewölbt sind. An der vorderen 
sehr niedrigen Wand des flachen Mittelraumes (Taf. VII, Fig. 10) liegen 
die beiden Choanen (ch), getrennt durch einen schmalen Mittelpfeiler (pf). 
Der vor dem Mittelraum befindliche Teil des Munddaches ist ohne 


Fig .24—28. 


Querschnitte durch die Mundrachenhöhle eines Embryo. von Chrysemys marginata (18 mm Rücken- 
schild). Vergr. 7,5/1. 
Abstand der Schnitte: 24—25 = 540 u Abstand der Schnitte: 26—27 = 600 u 
25—26 = 1080 u 27—28 = 420 u 
b Furche an der Seitenwand des Nasenschlauches; chgy Choanengang; dd Definierebene; mr Mittel- 
raum; n Nasenschlauch; ol Oberlippe; sn Seitennische; «! Unterlippe; tw Grenzwulst des Orbital- 
gewölbes gegen die Seitennische; z Zunge. 


weitere Differenzierung. Daher setzt sich hier der Mittelraum 
deutlich ab, während er gegen den Rachen verflacht. Vom -Mund- 
boden ragt die plumpe Zunge in die Lichtung des Mittelraumes 
(Fig. 28) ein. 

Die Nasenschläuche zeigen sich als schmale, lateral kom- 
primierte, aber dorso-ventral stark erhöhte Säcke (Fig. 24, 25). Sie 
sind schräg gestellt, so daß ihre dorsalen Kanten median nahe zu 
sammenstehen, während der ventrale Boden der Nasenschläuch 
größeren transversalen Abstand zeigt. Sie beginnen an den äußeren 
Nasenlöchern mit rundlichem Querschnitte, erweitern sich aber sehr 
bald zu hohen schmalen Säcken. An der lateralen Wand (Fig. 24 


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an 3 Br. 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 495 


trennt eine seichte Furche (b) einen niedrigen ventralen und einen 
höheren dorsalen Teil ab. Man könnte den unteren als Aulaxnische, 
den oberen als Stammteil deuten. Nahe den Choanen ist am hintersten 
Abschnitt des Nasenschlauches eine schmale und kurze Seitentasche 
zu beobachten, welche man als einen schwach entwickelten Sakter 
auffassen könnte. 

Modell VII, (Taf. VIII, Fig. 11). Bei dem jüngeren Embryo sind 
die einfachen Verhältnisse der Mundhöhle noch einfacher. Das 
Munddach ist außen umrahmt von den Wülsten der Oberlippe (ol), 
zwischen denen median ein kleiner Höcker (mA) auffällt. Von dem 
äußeren Rande der Oberlippe steigt das Munddach dorsal an, so daß 


Fig. 2932. 


Querschnitte durch die Mundrachenhöhle eines jüngeren Embryo von Chrysemys marginata. Ver- 
größerung 15/1. 

Abstand der Schnitte: 29—30 = 330 u 

»- 3031 = 240 u 

31-32 = 630 u 

an äußeres Nasenloch; ch Choane; dd Definierebene; n Nasenschlauch; ol Oberlippe. 
ein niedriger, breiter, flacher Mittelraum (Fig. 32) entsteht, in dessen 
vorderes Ende (Fig. 31) die Choanen einmünden. Die Seitennischen 
sind noch nicht angelegt; der schräg von dem Rande des Mittel- 
raumes absteigende Streifen des Munddaches wird das Material für 
die Entfaltung der Seitennischen liefern. 

Die Nasenschläuche sind gleichfalls schmale, lateral kom- 
primierte, aber dorso-ventral stark erhöhte Säcke, welehe schräg im 
Kopfmesoderm liegen (Fig. 30). Ihre mediale Wand ist konvex gegen 
den Ethmoidalknorpel gekrümmt. Die Nasenschläuche sind bereits 
‘von dem Mundhöhlenepithel abgeschnürt. Gegen die äußere Nasen- 
öffnung zeigt sich eine ventrale Erweiterung ihres Lumens. 

Ich beschreibe endlich das Wachsmodell eines jungen Embryo, 
‚das die erste Ausgestaltung des Munddaches vorstellt (Taf. VIII, Fig. 12). 
Bei demselben liegen, wie bereits SEYDEL, VOELTZKOW und Fuchs 


496 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


angegeben haben, am vorderen Ende des Kopfes zwei schmale 
Schlitze (nf) beiderseits von einem medianen Höcker (mh). Das 
sind die Eingangsöffnungen in die hohen, sagittal kurzen Nasen- 
schläuche, welche schon lateral abgekrümmt sind (Fig. 33—34). Das 
Modell eines andern Embryo, das ich nicht photographiert habe, 
zeigt, daß mit dem Breitenwachstum des Munddaches die Nasen- 
schlitze etwas in die Länge wachsen und durch Zusammenbiegen 
ihrer Begrenzungsränder ungefähr in der Mitte ihrer Länge in zwei 
gesonderte Öffnungen zerlegt werden: äußeres Nasenloch und Choane. 
Bei diesem Embryo ist der Mittelraum des Munddaches stark dorsal 
gewölbt und zu beiden Seiten eingerahmt von den Oberlippen- 


Fig. 33—35. 


Querschnitte durch die Mundrachenhöhle eines Embryo von Chrysemys marginata (3,5 mm MSl). Ver- 
größerung 15/1. 


Abstand der Schnitte: 33—34 = 150 u 
34—35 = 420 u 
dd Definierebene; nf Nasenfurche; mAh Mittelhöcker; ol Oberlippe. 


wülsten. Die vordere Wand des Mittelraumes, an welcher dieChoanen 
liegen, fällt schräg gegen den medianen Höcker zwischen den Ober- 
lippenwülsten ab. 

An diesem Modelle kann ich mich nicht davon überzeugen, daß 
die Behauptung der drei Autoren recht sei, der Nasenschlitz wachse 
in die Länge und werde durch weitere Verwachsung wieder kleiner 
gemacht. Denn wenn man das Modell VII (Taf. VIII, Fig. 11) be- 
trachtet, so kann man eigentlich nur konstatieren, daß die durch die 
früher erfolgte Verwachsung gebildete schmale Brücke (br) zwischendem } 
äußeren Nasenloch und der Choane durch eigene Wachstumsenergie ; 
sagittal länger wurde, aber nicht dadurch, daß die Choane sagittal‘ 
ausgezogen und sekundär durch Verschmelzung ihres medialen 
und lateralen Randes wieder verkürzt wurde, wie Fuchs es angibt. 
Die Nasenschläuche hängen mit dem Eetoderm nur am äußeren 


> 


j 
a 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 497 


Nasenloch bzw. der Choane zusammen und sind oberhalb der Zwischen- 
brücke vom Eectoderm geschieden. Keine Besonderheit der Schnitte 
deutet darauf hin, daß ein Verwachsungsprozeß in diesem Stadium 
spielt. Auch der Umstand, daß der Mittelraum bei dem Embryo 
des Modelles VII schon seine dorsale Krümmung deutlich ausbildet 
und sich gegen die seitlichen Randwülste, welche die Anlage der 
Oberlippe und des Daches der Seitennischen darstellen, scharf ab- 
setzt, spricht nicht dafür, daß die Choanen sich nach rückwärts ver- 
längern und sekundär verwachsen. Ich bin vielmehr der Meinung, 
die Choanen sind gebildet, nachdem die Verklebung in der Mitte 
des Nasenschlitzes erfolgt ist. Damit ist die morphologische Grenze 
sowohl für das hintere Ende des Nasenschlauches als auch für die 
orale Wand des Mittelraumes festgelegt, und die Vergrößerung einer- 
seits des Nasenschlauches, andrerseits des sog. prämaxillären Gaumens 
erfolgt durch eigene Wachstumsenergie. Jedenfalls ist diese Auf- 
fassung einfacher und ungezwungener als die Angabe von Fuchs, 
daß die Choanen sagittal lang ausgezogene Schlitze der Mundhöhle 
seien und durch Verwachsung der medialen Flächen der Oberkiefer- 
fortsätze mit dem untersten Abschnitt des Nasenseptums verlegt 
würden, bis endlich nur ihre hintersten Abschnitte offenbleiben, 
welche von Fuchs »definitive sekundäre Choanen« genannt werden, 
Für die fortdauernde Verlängerung und Verwachsung der Choanen 
hat übrigens FucHs keine Beweise beigebracht, und ich glaube, wenn 
er Rekonstruktionsmodelle seiner Schnittserien ausgeführt hätte, so 
würde er die Behauptung von der sagittal lang ausgezogenen Schlitz- 
form der Choanen. nicht ausgesprochen haben; denn an meinen 
Modellen zeigen die hinteren Öffnungen des Nasenschlauches eine 
rundlich-ovale Gestalt. Aber sie besitzen in keiner Weise die 
Eigenschaft, sagittal besonders ausgedehnt zu sein. 

Nur das Modell VII (Taf. VIII, Fig. 12) des jüngsten Embryos 
zeigt langgestreckte Nasenschlitze. Aber bei der Betrachtung des- 
selben ist wohl zu beachten, daß die langgestreckten Schlitze an 
dem Wachsmodell oder an seiner Abbildung (Taf. VIII, Fig. 12) ab- 
gelesen werden und daß man das in Wirklichkeit herrschende Ver- 
hältnis erst erfaßt, wenn man die bedeutende Vergrößerung 
berücksichtigt, bei welcher das Modell ausgeführt wurde. Die wahre 
Länge des Schlitzes beträgt 0,5lmm. Das ist eine so kurze Strecke, 
daß man wirklich keinen lang andauernden Verwachsungsprozeß an- 
zunehmen braucht. Da auf das Stadium des Modelles VIII der 
Zustand des Modelles VII (Taf. VII, Fig. 11) folgt, dessen Choane 


498 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


bereits am vorderen Ende des Mittelraumes liegt, so sehe ich nicht 
ein, wie später eine Verlängerung der Choanenöffnung und ihr sekun- 
därer Verschluß erfolgen sollte. Die Lagebeziehungen der Choane 
zum Oberlippenwulst und dem Auge stimmen in beiden Modellen ziem- 
lich überein, jedenfalls gewährt das durch die Modelle dargestellte 
Relief des Munddaches kein Recht, eine wesentliche Ausdehnung 
der Choane nach hinten zu vermuten. Mir scheint der Herd leb- 
haften Wachstums nicht hinter den Choanen, sondern vor denselben 
zu liegen. Denn durch ausgiebiges Wachstum vor den Choanen 
kann allein der Zustand des Modell VII herbeigeführt worden sein, 
wo Öhoane und äußeres Nasenloch durch einen breiten Streifen des 
Munddaches und der Schnabelfläche getrennt sind und der mediane 
Höcker viel stärker entfaltet ist. 

Da die Autoren immer von dem lateralen und medialen Nasen- 
fortsatz, sowie dem Oberkieferfortsatz und ihrer Verwachsung sprechen, 
so will ich an dieser Stelle nachdrücklichst betonen, daß mir für 
diese Bezeichnungen kein Grund vorzuliegen scheint. Ich sehe an 
den Modellen lediglich zwei niedrige Wülste längs des Randes des 
Munddaches ziehen, das sind die Anlagen der zum Hornschnabel 
verhärtenden Oberlippe. Dieselben liegen am Modell VIII so weit 
vom medianen Höcker und dem inneren Rand der Choanen entfernt, 
daß es mir ausgeschlossen erscheint, als könnte, wie Fuchs meint, 
ihre mediale Seite mit dem untersten Abschnitte des Nasenseptums 
verwachsen. 

Der Ausdruck »lateraler und medialer Nasenfortsatz« sollte 
künftig aufgegeben werden. Denn es scheint mir unzulässig zu sein, 
daß man den Rand der einfachen Öffnung des Nasenschlauches 
mit diesen Namen belegt. Die Öffnung ist bloß einen halben Milli- 
meter lang und ihr Rand ist in Wirklichkeit, wenn man das mikro- 


skopische Bild durch die Vergrößerungszahl dividiert, außerordentlich 


niedrig. 

Endlich sehe ich keinen Grund ein, weshalb man mit Fuchs 
annehmen sollte, die Choanengänge seien Teile der Nasenschläuche, 
welche sich früher dureh die primitiven Choanen öffneten und später 
durch Verwachsung abgeschlossen wurden. Nach genauer Erwägung 
der Modelle stelle ich die Behauptung entgegen, daß die Choanen- 
gänge von allem Anfange an Abschnitte der Nasenschläuche in un- 
mittelbarer Nachbarschaft der Choanen sind und) sich mit dem 
Größenwachstum der Nasenschläuche allmählich aus deren Wand 
herausgestalten, ohne daß irgendwie eine Verwachsung notwendig 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 499 


wäre. Je länger ich über die Angaben von Fuchs nachgedacht 
habe, desto mehr wurde ich davon überzeugt, daß Fuchs die Klein- 
heit der Embryonen, bei welchen die prinzipielle Ausbildung der 
Nasenschläuche mit den für die Schildkröten charakteristischen Eigen- 
schaften erfolgt, nieht gebührend berücksichtigt hat. Es sindin der 
Tat außerordentlich winzige Reliefveränderungen, welche den Fort- 
schritt zum definitiven Zustand anbahnen. 

Wenn man die tatsächlichen Angaben in der Beweisführung von 
H. Fuchs genauer in Betracht zieht, so erkennt man, daß die Be- 
hauptung von der besonderen Art der Entwicklung des sekundären 
Gaumens bei den Schildkröten ganz in der Luft schwebt. Fuchs 
bildet die Serie eines jüngeren Embryo von Emys lutarva (3a, Taf. XXI, 
Fig. 1—43) und die Serie eines etwas älteren Embryo (3a, Taf. XXIII, 
Fig. 1—41) ab, um an denselben die Entwicklung des primitiven 
und des sekundären Gaumens zu besprechen. Die erste Serie zeigt 
die Querschnitte durch den einfachen Nasenschlauch, der bereits das 
äußere Nasenloch und die Choane besitzt und zwischen beiden (das 
sind 16 Schnitte, Fig. 13—28) durch ein niedriges Epithelseptum 
mit dem Eetoderm zusammenhängt. 

Die zweite Serie (3a, Taf. XXIII, Fig. 1—41) zeigt den Nasen- 
schlauch zwischen äußerem Nasenloch und Choane vom Eetoderm 
durchweg abgetrennt. In der Erklärung dieser Serie behauptet 
Fuchs, bei Schnitt 18 bzw. 21 liege die Grenze des primitiven Gau- 
mens. Hier habe bei dem jüngeren Embryo die primitive Choane 
begonnen. An dieser Serie aber sei sie bis Schnitt 28 bzw. 31 durch 
den sekundären Gaumen verschlossen. Mit aller Bestimmtheit lasse 
sich aus der Serie entnehmen, daß die mediale Seite des Oberkiefer- 
fortsatzes mit dem Vomerpolster, dem unteren Abschnitt des Nasen- 
septums, verwachsen sei. | 

Die Zählung der Schnitte ergibt, daß die Entfernung vom hin- 
teren Ende des Nasenloches (Schnitt 9, bzw. 10) bis zum vorderen 
Rande der Choane (Schnitt 28, bzw. 31) 20 Schnittdicken zu 20 u 
beträgt, während bei der ersten Serie 16 Schnitte zu 15 « zwischen 
beide Grenzpunkte fallen. Es ist also der Abstand um 160 «u größer 
geworden, 

Die Sehnittbilder selbst geben keinen Anlaß, einen Verwachsungs- 
prozeß anzunehmen. Man sieht bloß, daß Fuchs auf 5 Zeichnungen 
(Schnitt 13—17) in den Raum zwischen den Nasenschläuchen und 
Eetoderm den Namen »primärer Gaumen« (pr. g.) und auf 8 Zeich- 
nungen (Schnitt 13—25) die Bezeichnung, »sekundärer Gaumen« (s. @.) 


500 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


eingeschrieben hat. Wenn man den Gründen nachfragt, so erfährt 
man, daß der Öberkieferfortsatz das diagnostische Merkmal für die 
Bewertung des unterhalb der Nasenschläuche liegenden Bezirks als 
sekundärer Gaumen ist. Fuchs behandelt die Oberkieferfortsätze 
als bestimmte Größen, welche beim jüngeren Embryo die primitive 
Choane hinter dem primitiven Gaumen lateralwärts begrenzen, wäh- 
rend ihre mediale Begrenzung durch den untersten Abschnitt des 
Nasenseptums geschieht. 


In der zweiten Serie seien die Oberkieferfortsätze noch weiter 
nach vorn gewachsen auf der lateralen Seite der lateralen Nasen- 
fortsätze und weiter hinten mit dem Vomerpolster verwachsen. In 
der Tat sieht man jedoch an den Schnittbildern keine Spur einer 
Verwachsung, sondern genau so wie an meinem Modell (Taf. VIII, Fig. 11) 
eine seichte Furche, welche den Oberlippenwulst von dem Mittelhöcker 
(= Vomerpolster, Fuchs) absetzt. In den Schnitten 8—16 (3a, 
Taf. XXIII) ist lateral davon noch eine viel seichtere Einfurchung; 
diese betrachtet Fucuhs als eine Marke, um vom Oberkieferfortsatz 
den lateralen Nasenfortsatz zu unterscheiden. 


Ich halte es überhaupt für mißlich, den Oberkieferfortsatz als 
ein eigenes morphologisches Element hen Denn er ist ledig- 
lich eine Differenzierung der äußeren Oberfläche und wird mit Rück- 
sicht auf die späteren Ereignisse besser nicht »Fortsatz«, sondern 
»Oberlippenwulst« genannt. Auf Schnitten seine Ausdehnung im 
Mesoderm anzugeben, ist aber ganz ausgeschlossen, und noch weniger 
kann man von einer Verwachsung des Oberkieferfortsatzes sprechen. 
Ich behaupte daher, daß Fuchs keinen zwingenden Beweis für den 
Verschluß der primitiven Choanen durch die Beschreibung zweier # 
Schnittserien erbracht hat. Damit fallen aber seine theoretischen 
Erörterungen zusammen! 


sie 1 ne 


III. Historische Übersicht. 


1. Ältere Lehre. 


Die meisten der neueren Abhandlungen, welche das Munddach der Reptilie 
betreffen, speziell die Arbeiten von Busch, MIHALKOVICS, GÖPPERT, VOELTZKO 
sind von theoretischen, aus älteren Zeiten stammenden Gesichtspunkten be- 
herrscht und schließen sich unbedingt den Gedankengängen an, welche z. B. 
den Lehrbüchern von GEGENBAUR (1878) und WIEDERSHEIM (1886) ri 
sind. Ich erinnere daher zuerst an den Wortlaut der einschlägigen Stellen: 

GEGENBAUR (4, S. 571): »Die sekundäre Nasenhöhle und die En 
Mundhöhle wird durch eine Differenzierung der primitiven Mundhöhle gebild 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 501 


Der dahinter gelegene, nicht in diesen Vorgang mit eingezogene Rest der pri- 
mitiven Mundhöhle stellt den Pharynx vor. 

Durch horizontale Leisten oder Fortsätze, die vom Öberkieferfortsatz des 
ersten Bogens ausgehen, wird allmählich eine die primitive Mundhöhle in zwei 
Etagen teilende Platte gebildet, der Gaumen. Dieser bildet für den oberen Raum, 
also für die Nasenhöhle, den Boden und für den unteren das Dach. Indem die 
Nasenscheidewand diese Gaumenplatte erreicht, sondert sie zwei Nasenhöhlen 
voneinander und in jede mündet nunmehr der Nasenkanal aus, dessen äußere 
Öffnung mit jener der Nasenhöhle zusammenfällt. Die 
durch die Gaumenplatte von der Mundhöhle und durch 
die senkrechte Nasenscheidewand voneinander ge- 
trennten hinteren Öffnungen, Choanen der Nasenhöhlen, 
münden in den Pharynx ein. 

Das Verhalten dieser Gaumenplatten repräsentiert 
sehr verschiedene Stadien. Bei Schlangen, Sauriern und 
Vögeln ist jener Scheidungsvorgang minder vollstän- 
dig; die Choanen erscheinen als eine Längsspalte, in- 
dem die Gaumenfortsätze nur vorne einander er- 
reichen, nach hinten zu aber voneinander getrennt Fe WITH N 

A onderung der primitiven 
bleiben. Bei den Krokodilen sind sie am weitesten wundhöhle nach C. Gesex- 
nach hinten gerückt; wie bei den Säugetieren öffnen BAUR. 
sie sich nicht mehr in die sekundäre Mundhöhle, eNasenscheidewand;n sekun- 

= däre Mundhöhle; » Nasen- 
sondern in den Pharynx.« höhle; p Gaumenplatten. 

(4, S. 484): »Die bei Fischen zur Seite der Schädel- 
basis aufgetretenen Knochen gelangen gegen die Medianebene, so daß die Schädel- 
basis von der Begrenzung mehr oder minder ausgeschlossen wird. Die bei den 
Amphibien dicht am Vorderrande des Schädels in die Mundhöhlen führenden Nasen- 
höhlen zeigen ihre innere Öffnung bei den Reptilien immer weiter nach hinten 
gelagert, indem horizontale Fortsätze von Oberkiefer, Gaumenbein, Flügelbein 
allmählich vor ihnen in mediane Verbindung gelangen. Diese Veränderungen 
sind am wenigsten bei Eidechsen, Schlangen und Vögeln entwickelt, mehr bei 
Schildkröten und am vollkommensten bei Krokodilen.« 

R. WIEDERSHEIM (12, S. 144 u. 482) äußert in seiner vergleichenden Ana- 
tomie durchaus übereinstimmende Gedanken. Durch die Bildung eines eigent- 
lichen Gaumens erfolgt eine Scheidung der primitiven Mundhöhle in ein oberes, 
durch ein Septum in zwei Seitenhälften zerfallendes respiratorisches und ein 
‚unteres nutritives Cavum oder in eine Nasen- und in eine sekundäre oder 
definitive Mundhöhle. 

Bei Amphibien und auch noch bei Ophidiern und Lacertiliern legen sich 
die beiden Oberkieferhälften unter Bildung von Gaumenfortsätzen einfach 
‚an die Seite der Schädelbasis bzw. des an der betreffenden Stelle sich befindenden 
Vomers oder Palatinums und formieren (mit diesen und der ganzen Schädel- 
‚basis in einem Niveau liegend) ein einfaches Gaumendach, dessen 
vordere Partie zugleich als Boden der Nasenhöhle fungiert und die Choanen 
umschließt. Indem nun beim Krokodil die Gaumenfortsätze der Maxillaria 
und weiter hinten die Palatina und Flügelbeine in der Mittellinie bis zu 
unmittelbarer Berührung zusammentreten, entsteht ein von der eigentlichen 
(sphenoidalen) Schädelbasis sich abhebendes und diese von der Mundhöhle 
abschließendes zweites Dach des Cavum oris. Der zwischen letzterem und 
der Basis eranii gelegene Hohlraum fällt in die Rückwärtsverlängerung der 


Fig. 36. 


502 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


Nasenhöhle, welche dadurch schärfer von der Mundhöhle differenziert erscheint 
und deren Choanen sich infolge davon gewissermaßen zu langen, erst weit 
hinten in der Regio basi-oceipitalis ausmündenden Röhren ausdehnen. 

Wie die vergleichend-anatomischen Betrachtungen in der 7. und 8. De- 
kade des 19. Jahrhunderts von dem Bestreben beherrscht waren, die Eigen- 
schaften der Reptilien mit denen der Säuger in phylogenetischen Zusammenhang 
zu setzen, so sind auch die entwicklungsgeschichtlichen Studien von G. BoRN 
(la, S. 65) nach dem gleichen Ziele gerichtet. Derselbe wies schon 1878 auf 
Ähnlichkeiten der embryonalen Entwicklung bei Säugern und Sauriern hin und 
äußerte eine bis zum heutigen Tage festgehaltene Meinung. 

Auf einem bestimmten Stadium kommunizieren bei Säugern und Sauriern die 
eigentlichen Riechgruben durch je einen engen Schlitz (= die ziemlich langen 
primitiven Gaumenspalten Dursys) mit der primitiven Mundhöhle. Das JACoBSon- 
sche Organ öffnet sich in den vordersten Teil der Spalte. Mit dem raschen 
Längenwachstum der Nasenhöhlen schließt sich bei Lacerta der obere Rand 
des Schlitzes vom vorderen Ende nach hinten durch Verwachsung. So werde 
das Lumen des Schlitzes von der Nasenhöhle abgetrennt und zur Mundhöhle 
geschlagen. Um das vorderste Ende sei die Verwachsung am weitesten aus- 
gedehnt, so daß die Öffnung des Jacorsonschen Organs nicht bloß von der 
Nasenhöhle abgeschlossen, sondern auch aus der ursprünglichen Richtung nach 
unten eingestellt werde. Die Öffnung des Tränenkanals werde weit nach hinten 
bis in die Gegend der späteren Choanen verlegt. | 

Im folgenden Jahre 1879 entwarf Born (1b, S. 77) ein genaueres Bild 
seiner Beobachtungen: Bei den jüngsten Embryonen von Lacerta agelis öffne 
sich die Nasenhöhle in einer verhältnismäßig langen Spalte (Nasenspalte oder 
primitive Gaumenspalte), die von der vorderen Fläche des Gesichts auf die 
Gaumenfläche übergreift. Am Gesicht ist sie von aufgewulsteten Rändern um- 
geben, dem inneren und äußeren Nasenfortsatz. Der Oberkieferfortsatz ist an- 
fänglich von der Nasenspalte weit entfernt, aber bald legt sich sein kolbiger, # 
vorderster Teil über das etwas erweiterte Gaumenende der Nasenspalte. | 

Auf dem nächsten Stadium wird der mittlere Teil der Nasenspalte verlegt, . 
indem die winklig vorspringende Mitte des äußeren Nasenfortsatzes sich etwa # 
in der Höhe der Öffnung des Jacogsonschen Organs an den medialen Rand der # 
Nasenspalte anlegt und mit ihm verschmilzt. Damit zerfällt die vorher einfache 
Nasenspalte in zwei Öffnungen: Apertura nasalis externa am Gesicht und die 
primitive Choane. Der Oberkieferfortsatz entwickelt sich rasch bis zum vorderen. 
Ende der Choane, wölbt sich in diese Spalte hinein und unter derselben hinwegil 
so daß er sie von unten her fast ganz verdeckt. Dieser vorgewölbte Teil ist 
als erste Andeutung der Gaumenplatte des Oberkieferfortsatzes aufzufassen. 
Born legt im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen Gewicht darauf, daß nicht der 
äußere Nasenfortsatz, sondern die Spitze des Oberkieferfortsatzes mit dem 
inneren Nasenfortsatz vereinigt wird. Dann schreitet die Verlegung der primi- 
tiven Choane nach hinten fort, und zwar so, daß nur der vordere Teil des 
Choanenschlitzes offen bleibt und zu der Spalte im Boden des JACOBSON- 
schen Organs führt; davor, darüber und dahinter bis zum oberen 
Rande des Jacopsonschen Organs und an der Seitenwand bis zum 
unteren Rande des Muschelwulstes erfolgt eine vollständige Ver- 
schmelzung. Sobald die Choane bis zum hinteren Rande des JACOBSON- 
schen Organs verlegt ist, bleibt ein größerer Teil der schräg aufsteigend 
Choanenspalte, der sich beinahe unter der ganzen eigentlichen Nasenhöhle 


ii AS rd dar u A 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 503 


erstreckt, gegen die Mundhöhle rinnenartig offen. Ein Teil der Choanen- 
spalte wird von der Nasenhöhle abgeschnürt und zur Mundhöhle bezogen (Em- 
bryonen von 31 mm Länge). 

Der bei Lacerta gangartige Rest der Choanenspalte, welcher ringsum ab- 
geschlossen zum JAcoBsonschen Organ führt, wird aus seiner ursprünglich 
schräg nach außen aufsteigenden Richtung durch den Gaumenfortsatz abgedrängt. 
Hinter dem JACoBsonschen Organ findet nur ein Verschluß, keine Verlegung 
der Choanenspalte statt. Die unter der Verwachsungsstelle schräg nach 
außen aufsteigende Choanenspalte wird als Rinne erhalten. Doch reicht die 
Verwachsung nicht bis zum hinteren Ende der Nasenhöhle, sondern ein Teil 
der primitiven Gaumenspalte bleibt als Choane offen. 

Bei den Ascalaboten öffnet sich das JAcoBsonsche Organ direkt in die 
obere Seite des einen Astes der Rinne am Dache der Mundhöhle, die sich bis 
zum JACOBSONschen Organ hin erhält, während dieses ursprüngliche embryonale 
Verhältnis bei Lacerta durch Verlegung der bezüglichen Strecke der Rinne auf- 
gehoben wird. 

Bei allen Crassilinguiern bleibt die zu der Ausmündung der JACOBSON- 
schen Organe führende Choanenspalte in ihrer ganzen Länge offen und wird 
nur nach oben hin gegen die Nasenhöhle abgeschlossen. 
| Bei Lygosoma, Eumeces, Euprepes, Marethia und Hinulia laufen die beiden 
Furchen, in denen die Choanen enthalten sind, am Dache der Mundhöhle 
nach hinten nicht breit aus, sondern bleiben bis zur Vereinigungsstelle gleich 
schmal und setzen sich hinten in einen feinen Spalt fort, welcher nach 
oben in einen röhrenartigen Raum führt, der als eine Art hinterer Nasen- 
gang fungiert und sich erst in einer Querlinie mit der Mitte der Unterkiefer- 
gelenke weit in den Rachen Öffnet. Das Skelet dieser Röhre liefert das Pala- 
tinum, welches gleich einem C zusammengebogen ist. Offenbar liege hier ein 
Ansatz zur Bildung eines den Nasengang der Nasenhöhle weiter nach rück- 
wärts verlängernden hinteren Nasenrachenganges mit Verlängerung des 
Palatum durum vor, wie dies bei den andern Reptilienfamilien (Krokodilen und 
Schildkröten) durchgeführt sei. 

15 Jahre später (1893) vertrat F. KEIBEL die Meinung (7, S. 478), daß die 
erste Anlage des primitiven Gaumens bei den Säugetieren durch die Anlagerung 
des lateralen Nasenfortsatzes an den medialen zustande komme. Später trete der 
Oberkieferfortsatz in seine Rechte, indem er bis an den medialen Nasenfortsatz 
vordringt, mit demselben verschmilzt und den lateralen Nasenfortsatz von der 
Bildung der Oberlippe ausschließt. Er zitiert zwei Stellen aus der Bornschen 
Abhandlung, um zu zeigen, daß die Verhältnisse bei den Reptilien in den theo- 
retisch bedeutungsvollen Punkten gerade so liegen wie bei den Säugern. 


2. Neue Vorkämpfer für die ältere Lehre. 


Vor einem Jahrzehnt (1898) suchte K. Busch (2) die phylogenetische Ent- 
stehung des Gaumens durch neue Untersuchungen festzustellen. Auch er ver- 
stand unter dem Worte »Gaumen« eine horizontale Wand im Sinne GEGENBAURS, 
_ welche die primitive Mundhöhle in zwei Etagen zerlegt, deren obere durch die 
Nasengänge, deren untere durch den Mund zugänglich sei. Denn er fußte auf 
_ der falschen Ansicht, daß die Nasenhöhle der Säugetiere, die er Rhinodaeum 
nennt, aus einem dem Nasengang der Amphibien entsprechenden Hohlraum, 
einem durch harten und weichen Gaumen abgegrenzten Abschnitt der primären 


504 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


Mundhöhle bestehe und durch das Ostium pharyngonasale in den Pharynx münde. 
Da nach dem biogenetischen Grundgesetz die Gaumenentwicklung der Säugetiere 
den stammesgeschichtlichen Weg der Gaumenbildung erkennen lasse, so ver- 
mutete er, daß bei den Eidechsen zuerst ein Paar horizontaler Falten an den 
Seiten der primären Mundhöhle auftrete, allmählich an Breite zunehme, in der 
Mittellinie zusammentreffe und zur Gaumenwand verwachse. 

Unter den gegenwärtig lebenden Eidechsenformen seien noch einige 
Stadien des phylogenetischen Entwicklungsganges festgehalten, 
durch welche die primäre Mundhöhle in Rhinodaeum und sekundäre Mundhöhle 
gesondert wurde. Unverkennbare Anfänge des Gaumens seien schon bei tiefer 
stehenden Eidechsen vorhanden. Seine Untersuchungen führten ihn zu der Ver- 
mutung, der erste Beginn der Gaumenbildung bestehe in zwei horizontalen, 
klappenartigen Schleimhautfalten (= Gaumenblätter), welche sich lateral 
über die innere Nasenöffnung legen und letztere gegen die Mundhöhle ab- 
schließen. 

Da die Gaumenblätter die weiten Öffnungen am Munddach zu beiden Seiten 
des Vomerpolsters, welche Busch als »innere Vorhöhlen der Nasen- 
gänge« bezeichnet, wie klappenartige Falten überdecken, bleiben von den 
weiten Öffnungen der >»inneren Vorhöhlen« nur zwei schmale »Nasengaumen- 
spalten« zu beiden Seiten des Vomerpolsters übrig. 

Die Stufenreihe der an Breite zunehmenden und in der Mittellinie zu- 
sammentreffenden Gaumenblätter denkt sich Busc#H folgendermaßen: Am nie- 
drigsten?steht Sphenodon, dann folgen Agamidae, Tejidae, Anguwidae, Lacertidae 
und Zonuridae, schließlich Seineidae Nicht einzugliedern in die auf- 
steigende Reihe der Eidechsen sind Varanidae, Geckonidae, Chamaeleontidae 
und Amphisbaenidae. Bei Tejidae, Angwidae sei der vordere Abschnitt der 
Gaumenblätter mit dem Vomer verwachsen. Bei Lacerta sei in den Weich- 
teilen schon eine sekundäre Mundhöhle hergestellt, welche teilweise über 
die primitive hinwegziehe. Bei Zonuridae bedingen die auf das Vomerpolster 
gelegten Gaumenblätter eine noch vollkommenere Gaumenbildung und 
bei Seineidae bewirken die breiten, einander berührenden oder übereinander ge- 
schobenen weichen Gaumenblätter eine markante Scheidung des Stomodaeum 
in Rhinodaeum und Phagodaeum sowie die Bildung eines Ostium pharyngo- 
nasale. Zugleich werde ein wirklicher knöcherner Gaumen gebildet. Den Zu- 
stand von Tiligua gigas deutete Busch als nahezu vollendete Bildung 
eines geschlossenen Gaumens. Nicht nur in den Weichteilen, sondern auch 
in den Knochen sei eine fast vollendete Scheidung der Nasen- und Mundhöhle 
durch den Gaumen erfolgt. 

Die obersten Glieder dieser Reihe betrachtete er als Vorstufen zur 
Gaumenbildung der Schildkröten, welche eine den Säugetieren ähnliche 
Gaumenbildung zeigen, weil die Pterygoidea nicht zur Begrenzung der Choanen 
dienen. Bei Testudo, Emys, Trionyx komme überhaupt bloß ein weicher Gaumen vor. | 


Die Krokodile zeichnen sich durch den vollständigsten knöchernen Gaumen 
aus und übertreffen sogar die meisten Säugetiere. e 
1898 beschrieb von MIHALKOVICS (8, S. 34) sekundäre Gaumenfort- 
sätze, welche während der Embryonalzeit unter dem Boden der primären 
Nasenhöhle (= dem primären oder prämaxillaren Gaumen) vorwachsen und 
einen Rinnenteil der primären Mundhöhle als seitlichen Gaumenspalt 
abgliedern. Von vorn nach hinten an Breite zunehmend bedecken sie den seit- 
lichen Teil der Gaumenspalte und die Choanen, welche in letztere münden. 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 505 


E. GörpErRT (5au.b) legte in zwei Abhandlungen (1901, 1903) seine Ansicht 
über die Genese des sekundären Gaumens und der Beziehungen zwischen Kehl- 
kopf und Nasenhöhle klar, mehr nach physiologischen als nach morphologischen 
Gesichtspunkten. Ohne Nachuntersuchung pflichtete er der Behauptung von 
Busch bei, daß bei Sauriern alle »Zwischenzustände der Gaumen- 
bildung« zwischen dem ersten Beginn und der Vollendung angetroffen werden, 
und unterstützte sie durch Erörterungen über den Wert der Gaumenfortsätze. 
Sie dienen nicht zum Schutze der Nasenhöhle, sondern sichern die Atmung; 
denn der Raum zwischen Gaumenfortsätzen und Palatopterygoidkanten, welche 
er als »unvollkommene Anfänge einer Gaumenbildung« bezeichnet, wird 
von der Zunge überbrückt. Daher wird ein dorsaler Teil der Mundhöhle als 
besonderer Luftweg abgegrenzt, der als »Ductus nasopharyngeus« die 
primitive Nasenhöhle gegen die Kehlspalte fortsetzt. Ohne Zunge würden die 
Gaumenfortsätze und die Pterygoidkanten keinen Einfluß auf den Verlauf des 
Luftstromes haben. Beide leisten also das gleiche wie der sekundäre 
Gaumen der Säuger. 

Bei den meisten Sauriern bestehen nur Anfänge einer Gaumenbildung, 
bei vielen Arten der Seineiden kommt ein »sekundärer Gaumen«, »sekundäre 
Nasenhöhle« und ein »Ducetus nasopharyngeus«< zustande, weil die Gaumenfalten 
und Pterygoidkanten sich verbreitern, das Vomerpolster erreichen und hinter 
ihm zur Medianebene vorwachsen. Doch unterbleibt die Verschmelzung der 
beiderseitigen Falten. Daher klafft eine durch die Zunge zu ergänzende Median- 
spalte im sog. »Gaumen«. 

Die Schlangen dagegen besitzen einen fertig gebildeten Gaumen, der 
die Ductus nasopharyngei ventral abgrenzt. Schildkröten sind mit sekundärem 
Gaumen ausgestattet und paarigen Ductus nasopharyngei, welche die primitive 
Nasenhöhle nach hinten fortsetzen. Die Krokodile besitzen ebenfalls einen 
sekundären Gaumen mit langgestrecktem Ductus nasopharyngeus. Die weit 
zurückliegenden Choanen werden von einer Art weichen Gaumens umrahmt, der 
aber nicht die Fortsetzung des harten Gaumens ist wie bei Säugern. 

Auch bei den Vögeln wird die primäre Choane durch sekundäre Gau- 
menfortsätze ventral überdeckt, ein Teil der primären Mundhöhle abgetrennt 
und als Ductus nasopharyngeus der Nasenhöhle zugewiesen. 

GÖPPERT vermutet, daß bei den früheren Vorfahren der Krokodile und 
Säuger der sekundäre Gaumen weit klaffte, so daß die noch schwach ent- 
wickelten Gaumenfortsätze durch die Zunge ergänzt wurden. Die Ontogenese 
der Säuger durchlaufe Stadien, welche in wesentlichen Punkten mit Zuständen 
unvollkommener Gaumenbildung übereinstimmen. Trotz erheblicher Abwei- 
chungen bei den verschiedenen Formen erfolge die Gaumenbildung bei allen Am- 
nioten im Prinzip gleichartig. Die Einrichtungen am Säugergaumen er- 
scheinen ihm als spezialisierte Weiterbildung der Zustände bei den Sauropsiden. 

GÖPPERT hat sich zwar ein großes Verdienst erworben dadurch, daß er 
auf die innigen Wechselbeziehungen zwischen dem Mundboden und Munddach 
hinwies; aber seine Ausführungen leiden darunter, daß die anatomische Grund- 
lage der Buschschen Vorarbeit falsch war. Denn Hormann konnte leicht nach- 
weisen, daß es bei den Sauriern gar keine Gaumenfortsätze gibt; darum fallen 
auch die andern Vergleiche haltlos zusammen. Besonders die von GÖPPERT 
gebrauchte Nomenklatur führt zu Mißverständnissen; im Gegensatz zu BuscH 
und MiHALKOVIcS verwendet er das Wort »Gaumenrinne<, um die untere Etage 
der Nasenhöhle zu bezeichnen, und nennt den Ausgang der Nasenköhle (Aper- 


506 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


tura nasalis interna) in die Mundhöhle die »Nasengaumenspalte«. Letztere wird 
durch die »Gaumenfortsätze« abgegrenzt. Die median verbreiterten Gaumen- 
fortsätze nennt er >sekundären Gaumen«, den dorsal über ihnen liegenden ° 
Raum der Mundhöhle »Ductus nasopharyngeus« und spricht von einer median 
klaffenden Spalte im sog. »Gaumen« der Saurier. Die Unrichtigkeit dieser Be- 
zeichnungen hat sich im Laufe der Diskussion immer klarer herausgestellt. 


A. VoELTzkow (11a, S. 36) verknüpfte 1902 die von BuscH und GÖPPERT 
ausgesprochene Meinung, daß bei den rezenten Sauriern die phylogenetischen 
Vorstufen der Gaumenbildung zu finden seien, mit seinen Untersuchungen über 
Krokodile und versuchte darzulegen, daß der bleibende Zustand des Munddaches 
bei) Geckomidae, Gongylus, Egernia, Mahwia, Lygosoma verschiedenen Ent- 
wieklungsstadien des@Gaumens von (rocodilus madagascariensis entspreche. 
Er’ beschrieb in Anlehnung an Buscun das Munddach der erwähnten Saurier, 
die verschiedene Breite der Gaumenblätter und die scheinbar verschiedene Lage 
der Choane so, daß der Anschein einer stufenweise fortschreitenden 
Veränderung, eines Breitenwachstums der Gaumenblätter und einer rückwärts 
gerichteten Verlagerung der Choanen erweckt wurde, um dann hinzuzufügen, 
bei Crocodilus madagascariensis erfolge die Ausbildung des Ductus nasopharyn- 
seus und des Gaumens durch die Stufen der Lacertiden. 


Auch bei fossilen Formen innerhalb des Stammes der Krokodile z. B. Be- 
lodon, Pelagosaurus und Teleosaurus zeigen sich ähnliche Verhältnisse wie bei 
den Krokodilembryonen. Demnach stimmen die Tatsachen der Entwicklungs- 
geschichte von Crocodilus madagascariensis mit den Veränderungen des Gaumens 
im Verlauf seiner Weiterbildung als auch mit den Modifikationen bei dem Kroko- 
diltypus seit seinem frühesten Auftreten überein. 


Zu einer entgegengesetzten Meinung gelangte 0. SeypEL 1899 (9b, S. 445) 
im Anschluß an Untersuchungen über die Nasenhöhle bei Amphibien und Am- 
nioten. Er tritt dafür ein, daß die Ausgestaltung des Mundhöhlendaches und 
die Bildung des Nasenhöhlenbodens bei Amphibien, Cheloniern, Sauriern, Ophi- 
diern, Mammaliern sich in divergenten Bahnen bewege. Die ersten Schritte 
zur Bildung eines sekundären Gaumens glaubt er bei Salamanderlarven zu sehen, 
bei deren Metamorphose ein kleiner Gaumenfortsatz am vorderen und seitlichen 
Rande der Choanen auftrete und einen Teil der Mundhöhle abgrenze, so daß 
die seitliche Nasenrinne aus der Nasenhöhle auf das Dach der Mundhöhle über- 
greife und ein Abschnitt der Mundhöhle in enge Beziehung zur Nasenhöhle 
trete. Die Gaumenfortsätze der Saurier entsprechen nach seinem Urteil der 
gleichnamigen Falte der Salamanderlarven, aber sie sind ungleichwertig mit 
den Gaumenfortsätzen der Säuger, welche durch ihrejVerschmelzung den Gaumen, 
d.h. den sekundären Nasenboden bilden, während die Gaumenfortsätze der 
Saurier und Ophidier von der Bildung des sekundären Nasenbodens ausge- 
schlossen sind. Die Gaumenfortsätze der Saurier trennen zwar einen kleinen 
Teil der Mundhöhle als Gaumenrinne ab, jedoch unabhängig von den Gaumen- 
fortsätzen entstehe der sekundäre Boden der Nasenhöhle. Durch denselben 
werde vielmehr ein Teil der primären Nasenhöhle abgeschlossen und samt der 
Mündung des Tränenkanals und der Öffnung des Jacogsonschen Organs in die 
nrinne, d.h. einen Teil der definitiven Mundhöhle einbezogen. 

Sehr richtig hat SeypeL die Längsstreckung der primitiven Choanen bei, 
den Sauriern begriffen. Die am fertigen Munddach kenntliche Schrägstellung 
derselben hat er durch eine Senkung des Nasenseptums bzw. des unter dem- 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 507 


selben liegenden medianen Abschnittes des primären Munddaches zu erklären 
gesucht. Das hintere Ende der Choanen bleibe im Niveau des Rachen». 


3. Eine neue Deutung. 
Gegen die durch fortwährende Tradition allmählich eingebürgerte Lehre 
der eben angeführten Autoren erhob O. Hormann (6) zum erstenmal (1904) 
Widerspruch, nachdem er im Erlanger Institut unter der Leitung von Professor 
Dr. A. FreıscHumann die Berechtigung geprüft hatte, ob man die lateralen, neben 
dem Vomerpolster bzw. den Choanenrinnen liegenden Teile des Munddaches 
der Saurier wirklich »Gaumenfalten, Gaumenblätter, Gaumenfortsätzee nennen 


Fig. 37. 


Querschnitt durch die Nasenregion des Kopfes von Platydactylus guttatus (großer Embryo, 5,7 em lang). 

Vergr. 15/1. Knorpel punktiert, Epithel und Knochen schwarz. Nach W. Sırrer. As Anstieg; as 

Choanengang, absteigender Schenkel; Av Aulax; Co Muschel; Cs Choanenspalte; d Zahnanlage; hs 

Choanengang, horizontaler Schenkel; ! Grenzleiste; Sa Sakter; Sp Kieferspange; tr Tränennasengang ; 
U Unterkiefer; V Vomer; VYp Vomerpolster; Z Zunge. 


dürfe. Ausgehend von den im gleichen Institut durchgeführten Untersuchungen 
von A. BEECKER über die Stilistik der Nasenschläuche bei den Sauriern und 
gestützt auf gründliches Studium vieler Querschnittserien durch Eidechsenköpfe, 
das von den andern Autoren allzusehr vernachlässigt worden war, verfolgte er 
die topographischen Beziehungen zwischen Mund- und Nasenhöhle, über- 
haupt die Beschaffenheit des Munddaches in der Nasen- und Augengegend. Er 
beschrieb nach den Querschnitten das Mittelfeld des sog. Sauriergaumens mit 
dem breiten Vomerpolster !(Vp) und seiner schmalen, über der Grenzfalte (!) 
der Kieferspange (Sp) liegenden Wand, dem Anstieg (As), und zeigte unwider- 
leglich, daß die enge Lichtung (as) zu beiden Seiten des Vomerpolsters, welche 
Busch als »Nasengaumenspalte«, SEYDEL als »Gaumenrinne« bezeichnet hatte, 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 33 


508 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


gar nicht zur Mundhöhle, sondern zur Nasenhöhle gehört, weil sie die Lichtung 
des absteigenden Schenkels (as) des Choanengangs samt derj Winkeltasche 
desselben ist. Daher kann man den unter dem Choanenschenkel liegenden Teil 
der Kieferspange nicht als Gaumenfalte auffassen. Denn er ist ein Teil 
des soliden Munddaches selbst, das den Nasenschlauch trägt. Die Ursache der 
falschen älteren Deutung liegt lediglich darin, daß keiner der andern Autoren 
Querschnittserien durch ältere und jüngere Embryonen untersucht hatte. BuscH 
beschränkte sich auf die makroskopische Beschreibung des Munddachreliefes 
GÖPPERT unterließ im Vertrauen auf die Richtigkeit die Nachprüfung der 
Buschschen Angaben, während SEYDEL zu Unrecht einen Teil der sog. Gaumen- 


Querschnitt durch die Nasenregion des Kopfes von Vanellus cristatus. Nach W. Sırrer, Vergr. 15/1. 

Knorpel punktiert, Epithel und Knochen schwarz, As Anstieg; Au Aulax; Cg Choanengang; (Co 

Muschel; Cs Choanenspalt; Z Grenzleiste; Sa Sakter; Sp Kieferspange; sr Subchoanalraum; St Steil- 
wand; U Unterkiefer; V Vomer; Vp Vomerpolster; Z Zunge. 


rinne als abgegliederten Abschnitt der Nasenhöhle, einen andern als Derivat der 
Mundhöhle erklärte. Die Choanen schauen aber bei allen Saurierarten direkt 
in die Mundhöhle, nie in einen besonderen, von ihr abgegliederten Seitenraum 
oder Gaumenrinne. Ferner hat Hormann nachgewiesen, daß die median ver- 
breiterten Palatopterygoidkanten den vorderen Teil der Orbitalmulde bei den 
Scineiden verdecken und daß die Homologie dieses Raumes mit dem Ductus 
nasopharyngeus der Säugetiere nicht gegeben sei. 

Ein paar Jahre später (1907) erschien die Abhandlung von W. Sırpeu (10), 
welcher gleichzeitig mit Hormann im Erlanger zoologischen Institut zu arbeiten 
begonnen hatte. Er baute auf der von O. Hormann gelegten Basis weiter und 
zog den Vergleich des Munddaches der Vögel und Säuger mit dem Munddach 
der Saurier. Das Ergebnis desselben war der damals herrschenden Lehre nicht 


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Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 509 


günstig. Denn anstatt der bisher unbedenklich proklamierten Ähnlichkeiten des 
Gaumenbaues deckte SıprEeL eine ungeahnte Verschiedenheit auf, ob- 
wohl sich eine gewisse fundamentale Übereinstimmung in der allgemeinen Zu- 
sammensetzung des Munddaches dieser drei Klassen, d.h. der gemeinsame Stil 
der Amniotengruppe nicht verleugnet. Die genauere Analyse des Munddaches 
vom Kiebitz zeigte, daß hier ebensowenig als bei den Sauriern Gaumenfalten 
angelegt sind. Was GÖPPERT als »Gaumenfortsatz«e oder den »Beginn eines 
solchen« vorgeführt hatte, ist ein Abschnitt der soliden Munddecke, 
weil dorsal über den sog. Gaumenfortsätzen nicht ein abgeschnürter Teil der 
Mundhöhle, sondern wirkliche Nasenhöhle (Cy) liegt. Der sog. Gaumenfortsatz 
trägt die laterale Wand des Choanengangs (Cg) und ist durch die primitive 
Choanenspalte (Cs). vom Nasenseptum getrennt. Die Choanen aber münden in 
den Orbitosubcehoanalraum (sr), der von den Steilwänden (Sf) begrenzt über 
dem Anstieg (As) liegt. Die Verhältnisse des Vogelmunddaches sind denen der 
Saurier (Fig. 37) insofern ähnlich, als in beiden Gruppen der Anstieg der Kiefer- 
spange vorhanden ist, welchem die Zunge (x) anliegt, so daß die Lippenfalte 
oder Grenzleiste (2) der Kieferspange (Sp) eine schmale, seichte, dem Negativ 
der Zungenform entsprechende Mulde umfaßt. Aber während bei den Sauriern 
(Fig. 37) das Vomerpolster zwischen dem Anstieg der rechten und linken Kiefer- 
spange eingeschaltet liegt und seine freie Ventralfläche (Vp) in das Niveau der 
Horizontalfläche des Anstieges fällt, ist bei den Vögeln das Vomerpolster (Vp) 
über das Niveau des Anstieges erhoben und bildet die schmale Decke eines 
über dem Zungenrücken bzw. den Anstiegen liegenden Subchoanalraumes (sr), 
der von den Steilwänden der Kieferspange (Sp) umfaßt wird und durch den 
zwischen den Anstiegen klaffenden Orbitosubehoanalspalt zugänglich ist. SIPPEL 
erklärt mit vollem Recht, daß die bisher für diesen Spalt gebrauchte Bezeich- 
nung: Choane, sekundäre Choane nach jeder Hinsicht falsch war. 

Wenn damit auch die stilistische Verwandtschaft der Nasalmulde von 
Sauriern und Vögeln erwiesen war, so war damit nicht zugleich ausgemacht, 
daß die Gaumenrinne der Säugetiere der Nasalmulde der Saurier und Vögel 
homolog sei. SırrEL trat vielmehr den bisher vertretenen Anschauungen schroff 
entgegen. Die Gaumenrinne der Säuger besitzt nach seinen Ausführungen 
eine stilistische Sonderstellung; denn ihr fehlt der wahre den Sauriern und 
Vögeln eigentümliche Anstieg der Kieferspange mit seiner Hohlkehle, welche 
die Seitenränder der Zunge umfaßt. Ihr fehlt ferner sowohl der horizontale 
Schenkel des Anstiegs als die Steilwand dorsal über demselben. Daher kann 
die Gaumenrinne der Nasalmulde der Sauropsiden nicht homolog sein. Sie 
gleicht der Nasalmulde, welche bei den Sauriern breit und seicht ist, bei den 
Vögeln einen breiten unteren und einen schmalen oberen Teil besitzt, nur 
insofern, als alle drei Gebilde dorsale Ausbuchtungen des Mundraumes, 
bzw. dem Munddach eingegrabene Rinnen sind; aber die Beschaffenheit der 
Seitenwand und der Decke, sowie die dorso-ventrale Höhe dieser Rinnen ist in 
den drei Gruppen sehr verschieden. Auch die rinnenförmige Fortsetzung der 
Choanenöffnung unterhalb der Nasenschläuche bis zum JacoBsonschen Organ, 
welche man bei den Sauriern fast immer gut ausgeprägt findet, fehlt den Säuge- 
tieren durchaus. Durch die verwachsenden Gaumenfortsätze wird die Ver- 
schiedenheit noch mehr gesteigert, weil die Choane der Säuger in zwei getrennte 
Öffnungen, das Foramen ineisivum und die eigentliche Choane zerfällt. Eine 
wirkliche Ähnlichkeit herrscht bloß zwischen den Gaumenleisten und Grenzleisten. 

Die genaue Analyse der Tatsachen raubte also dem bisherigen Bestreben, 


y 33* 


510 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


bei den Sauriern die »Anfäünge des Gaumens« zu finden, alle positive Unterlage 
und stellte den Grundsatz fest, daß der Stileharakter der Munddecke in den 

drei Gruppen der Vögel, Saurier und Säuger abgesehen von ganz allgemeinen 

Eigenschaften seine besondere Eigenart besitze, weshalb die Idee der stufen- 

mäßigen Vervollkommnung des Gaumens in der Amniotenreihe 

endgültig zu verwerfen ist. 


4. Ein neuer Kompromißvorschlag. 


Durch Hormanss Widerspruch wurde H. Fucas (3a u.b) angeregt, die Ent- 
wicklungsgeschichte des Gaumens der Reptilien zu untersuchen. Ihm erschien 
es von vornherein fehlerhaft, daß alle Autoren den bei den Säugern richtig er- 
kannten ontogenetischen Prozeß ohne weiteres auf die Entwicklungsgeschichte 
aller sekundären Gaumenbildungen übertragen, also einseitig eine einzige Art 
der ontogenetischen und phylogenetischen Entstehung des sekundären Gaumens 
angenommen hätten. Er wollte dagegen zeigen, daß es ganz verschiedene Ent- 
wicklungsweisen der sekundären Gaumenbildungen, nicht nur eine, sondern 
mehrere, mindestens zwei Arten von sekundärem Gaumen gebe, welche nicht 
miteinander verglichen, aber vielleicht auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt 
bei primitiven Formen ohne sekundären Gaumen zurückgeführt werden können. 

Das Arbeitsziel, welches FucHs sich damit gesteckt hatte, hat zu den in 
der Literatur vertretenen Ansichten keine Beziehung. Wie meine Darstellung 
auf den vorhergehenden Seiten erläutert, hat sich kein Autor auf die Behauptung 
festgelegt, daß es nur eine Art von sekundärem Gaumen gebe. Alle gingen 
lediglich darauf aus, die Anfänge des Gaumens der Säugetiere bei den 
Sauriern aufzufinden und O. HormAnn schnitt die Aussichten auf die Erfüllung 
dieses Lieblingswunsches mit einemmal) ab durch den Nachweis, daß man die 
Bezeichnungen »Gaumenfalten, Gaumenrinne« usw. nicht zur Beschreibung des 
Munddaches der Saurier verwenden dürfe, weil die Gaumenfalten der Säugetiere 
in keiner Weise den irrtümlich gleichnamig gemachten Abschnitten des Eidechsen- 
munddaches homolog sind. 

In einer ersten Arbeit (3a) wollte FucHs zeigen, wie das Munddach der 
Schildkröten (Cryptodiren) ontogenetisch entsteht und wie man die zahlreichen, 
bei den einzelnen Schildkrötengruppen anzutreffenden Modifikationen sich phylo- 
genetisch entstanden denken künne. Die wichtigsten hierzu notwendigen 
Vorgänge sind nach seiner Meinung: Der Verschluß der primitiven 
Choane in größerem oder geringerem Maße durch Verwachsung der weichen 
Oberkiefermassen mit dem unteren Abschnitte des Nasenseptums. Dadurch 
bleiben verschieden große, hintere Reste der primitiven Choane dauernd als 
definitive oder sog. sekundäre Choane der Schildkröten erhalten. Die auf diese 
Weise erfolgende Änderung des ursprünglichen Munddaches führe zu jener 
Bildung, welche man als »ssekundären Gaumen« der Schildkröten zu be- 
zeichnen pflegt. Den Abünderungen am weichen Munddach schließen sich Ab- 
änderungen der Knochen Prämaxillaria, Maxillaria, Palatina, Vomeres an, indem 
diese durch bestimmte Lageänderungen und Wölbungen aus der ursprünglichen 
Ebene des primären Munddaches heraustreten und gewisse nach der Median- 
ebene hinstrebende »Gaumenfortsätze« bilden. Die so abgeänderten Knochen 
umschließen die Choanengänge der Nasenschläuche. Durch Verwachsung der 
Gaumenfortsätze aller genannten Knochen von vorn nach hinten kommt eine 
von der ursprünglichen Form des primitiven, knöchernen Munddaches völlig ab- 


f 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 511 


weichende Form zustande, welche Fucns den »sekundären Gaumen« der Schild- 
kröten nennt, obwohl er selbst einsieht, daß derselbe dem sekundären Gaumen 
der Säugetiere weder verglichen noch homolog erachtet werden kann. 

Fuchs bemüht sich, gerade dieses Urteil sehr eindringlich und zu wieder- 
holten Malen vorzutragen: 

Die sekundären Choanen der Schildkröten sind den gleichnamigen Öffnun- 
gen der Säugetiere nicht vergleichbar und nicht homolog. 

Der Ductus nasopharyngeus der Schildkröten hat mit dem gleichnamigen 
Kanal der Säuger, der ein Abkömmling der primitiven Mundhöhle ist, nicht das 
geringste gemein. 

Bei der Bildung des sekundären Schildkrötengaumens findet keine Zer- 
legung der primitiven Mundhöhle statt wie bei den Säugern. Die Mund- und 
Nasenhöhlen der Schildkröten bleiben stets primär. 

Während bei den Säugern durch die Bildung des sekundären Gaumens ein 
völlig neues Munddach in einer wesentlich tieferen Ebene unter dem primitiven 
Munddach geschaffen wird, entwickelt sich der knöcherne sekundäre Gaumen 
der Schildkröten innerhalb des primären Munddaches in dem als Vomerpolster 
bezeichneten untersten Teile des Nasenseptums. 

Wenn nun alle Merkmale des sekundären Gaumens der Säugetiere nicht 
auf die Eigenschaften des Munddaches der Schildkröten passen, so ist es auch 
nicht gerechtfertigt, daß Fucas darauf besteht, das Wort »sekundärer Gau- 
men« zur Benennung von durchaus verschiedenartigen und gar nicht vergleich- 
baren Bildungen zu verwenden. Die Sachlage würde viel kürzer durch die Er- 
klärung gebessert: weil das primäre Munddach der Schildkröten, seine sog. sekun- 
däre Choane, sein sog. Ductus nasopharyngeus morphologisch grundverschieden 
von den Zuständen der Säugetiere sind, so tut man besser daran, die Bezeich- 
nung sekundärer Gaumen und Ductus nasopharyngeus für die Schildkröten zu 
verbieten. Dann braucht man auch nicht von zwei Arten des sekundären 
Gaumens zu sprechen, sondern könnte den Ausdruck allein für die Säugetiere reser- 
vieren und den Mangel einer dem sekundären Gaumen vergleichbaren Einrich- 
tung bei Sauropsiden konstatieren. Denn das Ergebnis von Fuchs schließt sich 
ausgezeichnet an die Resultate von HormAnN und SIPPEL an, daß weder im 
Bau des Munddaches bei den Sauriern noch im Bau desselben bei den Vögeln 
wichtige Stilmerkmale des sekundären Gaumens der Säugetiere auftreten. FucHs 
hat ein übereinstimmendes Urteil über das Munddach der Schildkröten gefällt 
und am Schluß seiner zweiten Abhandlung besonders betont: die Bildungen, die 
man bei Sauriern, Schlangen, Schildkröten einerseits, bei Krokodilen und Säu- 
gern andrerseits als sekundären Gaumen bezeichnete, sind von Grund aus 
verschieden. Man habe das gleiche Wort für gänzlich verschiedene Bil- 
dungen in der irrigen Annahme gebraucht, die fraglichen Bildungen seien 
einander gleich. FucHs hat also .die von FLEISCHMANN und seinen Schülern 
für Saurier und Vögel eingehend begründete Ansicht auch für Schildkröten 

gültig erwiesen. 
Darum ist es unverständlich, warum Fuchs bei der alten Nomenklatur 
stehen geblieben ist. Die von ihm angeführten Motive scheinen mir nicht aus- 
schlaggebend. Er bezweifelt, daß man die für die Schildkröten eingebürgerten 
falschen Bezeichnungen kurzerhand ausrotten könne. Auch zeige das stark 
abgeänderte knöcherne Munddach der meisten Schildkröten sicherlich manche 
Ahnlichkeiten mit dem Gaumen der Säuger. Endlich halte er die Benennungen 
weniger belangreich, wenn nur die grundlegenden Unterschiede beider Gruppen 


512 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


gentigend betont würden. Am Schluß seiner zweiten Abhandlung schlug er aber 


doch statt »sekundärer Gaumen« der Schildkröten die Bezeichnung »Palatum 
vomeromaxillaree — gaumenartige Abänderung des primären Munddaches mit 
Beteiligung der Vomeres und Maxillaria (manchmal auch der Palatina), ev. auch 
Palatum primarium, und statt sekundäre Choanen die Bezeichnung: Choanae 
reliquae vor. 

In einer zweiten Abhandlung beschäftigt sich H. Fuchs mit dem Bau des Mund- 
daches der übrigen Reptilien (Rhynchocephalen, Saurier, Schlangen, Krokodile). 
Seine Darstellung steht sichtlich unter dem Einfluß der Ansichten von A. FLEISCH- 
MANN und seinen Schülern A. BEECKER, O0. HOFMANN, W. SıppEeL. Denn FucHs 
spricht nicht mehr von »Gaumenfortsätzen«e oder den >Anfängen eines sekun- 
dären Gaumens«, sondern verbreitet sich ganz im Sinne von OÖ. HormAnn und 
W.,SırpEL über die Beziehungen zwischen Mund- und Nasenhöhle und widmet 
den Nasenschläuchen eine besondere Aufmerksamkeit. In der nochmal aufge- 
worfenen Frage, ob es bei Reptilien Einrichtungen gebe, welche den weichen 
sekundären Gaumenfortsätzen der Säuger verglichen werden können, pflichtet 
er der Argumentation HormAanns gegen Busch und GÖPPERT bei, daß die 
freien, an die Choanenmündung grenzenden Enden des Anstieges der Kiefer- 
spange, für welche FucHs den neuen Terminus »Choanenfalten« einführt, nicht 
als sekundäre Gaumenfortsätze gedeutet werden dürfen. Er wiederholt das Ur- 
teil Sırreuns, daß die Grenzleisten (Fuchs hat dafür den Ausdruck mediale 
Seitenfalten oder Seitenkanten gebraucht) den jungen Gaumenfortsätzen der 
Säuger homolog sind. 

An einer späteren Stelle (3b S. 236) bemerkt er freilich, obwohl die Saurier 
nur die Vorstufen eines sekundären weichen Gaumens hätten, besäßen sie 
doch bereits Ansätze zu knöchernen Gaumenfortsätzen an den Maxil- 
laria und Palatina, welche als Homologa zu den jungen, knöchernen Gaumen- 
fortsätzen der Säuger zu betrachten seien. 

Dann vertritt Fuchs eigenartige Gedanken über die Verhältnisse bei 
Schildkröten und Schlangen. Er setzt diese durchaus verschieden organisierten 
Reptiliengruppen in enge begriffliche Verbindung durch den Ausspruch, die 
Schlangen besäßen, was den Zusammenhang zwischen Nasen- und Mundhöhle 
betreffe, die größte Ähnlichkeit mit den Schildkröten. Ich kann dieser 
Ansicht nicht beistimmen, weil meine Modelle (Taf. VIII) das Gegenteil offenbaren, 
nämlich auch in der frühen Anlage des Munddaches Unterschiede so schrof- 
fer Art, wie man sie an den Köpfen erwachsener Schildkröten und Schlangen 
gewahrt. Fuchs jedoch behauptet die große Ähnlichkeit derselben während der 
embryonalen Zeit. 

Der sog. sekundäre Gaumen in beiden Gruppen entstehe nicht durch Ver- 
wachsung von Gaumenfalten, sondern durch Verwachsung eines Teiles 
der Nasenschläuche, nämlich des vorderen und mittleren Teiles der ab- 
steigenden Choanengangschenkel und der Choanenspalten. Wie er dureh drei 
schematische Figuren (3b $. 179 Fig. 6a—.c) erläutert, soll bei Zacerta die Epithel- 
wand im absteigenden Schenkel des Choanenganges oberhalb der Winkeltasche 


sich gegenseitig zusammenlegen und darauf eine ausgedehnte Verwachsung des 


Vomerpolsters mit den Oberkiefermassen stattfinden. Fucns nahm also eine 
von Born vor fast 30 Jahren geiußerte Idee von neuem auf und glaubte einen 
Fortschritt unsrer Kenntnis herbeizuführen, indem er mit Born erklärte, der 
Verwachsung, welche zur Bildung des »sekundären Gaumens« der Schlangen 
und Schildkröten führe, gehe erst eine Veränderung der Nasenschläuche selbst 


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Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 513 


durch Austilgung des Lumens und des Epithels in einem bestimmten Abschnitt 
der absteigenden Schenkel voraus. 

Ich habe bereits oben die Gründe dargelegt, aus welchen ich bestreiten 
muß, daß bei der Ringelnatter der absteigende Choanengangschenkel und die 
Choanenspalte verschlossen werden. Obwohl ich keine speziellen Untersuchungen 
über die Saurier angestellt habe, bezweifle ich die Richtigkeit der Angabe, daß 
eine Verwachsung des absteigenden Choanengangschenkels zu zwei Drittel statt- 
findet, hauptsächlich aus dem Grunde, weil Fucns an der Hand einiger 
Schnitte aus der Serie eines älteren, kurz vor dem Ausschlüpfen stehenden 
Embryos unter Berufung auf G. Borxs Autorität behauptet, hier habe eine Ver- 
wachsung zwischen Oberkiefer und Vomerpolster stattgefunden, wodurch der 
direkte Zugang der Nasenschläuche zu den Choanenspalten auf eine größere 
Strecke verlegt worden sei. Diese Behauptung ist bloß an einem schematisierten 
Beispiel, nicht an wirklichen Modellen erläutert. 

Ebensowenig hat Fucns die Verwachsung bei den Schildkröten und Schlan- 
gen bewiesen; er wiederholt nur die Bornsche Ansicht. 

Fucus hat auch über die Anfänge und die Entwicklung des Munddaches 
Mitteilungen gemacht. Er glaubte für den Zusammenhang zwischen Mund- und 
Nasenhöhle die verschiedenen Zustände in eine einheitliche, aufsteigende, 
vom Einfachen zum Komplizierten führende Entwicklungslinie bringen zu 
können (3b 8.214), deren phylogenetische Etappen durch Hatteria, die Saurier, Va- 
ranus, Schlangen, Schildkröten bezeichnet werden, während die von BuscH und 
GÖPPERT als wichtigste Zwischenform eingeschätzten Seinköden eine Sonderstellung 
einnehmen. 

Als Ausgangspunkt der Entwicklung stellte er sich ein primäres Mund- 
dach aller Amnioten vor, wie man es bei Hatteria findet, die nach seiner An- 
sicht auch im erwachsenen Zustand embryonale Verhältnisse von denkbar ein- 
fachster Form offenbare. Hier ist nur ein primitiver oder prämaxillarer Gaumen 
vorhanden mit den langen Sagittalschlitzen der primitiven Choanen. Diese be- 
ginnen unmittelbar hinter den Prämaxillaria und stehen weit getrennt durch 
das breite Vomerpolster. Zwischen ihren vordersten Enden liegt die Choanen- 
papille, zu ihren beiden Seiten die Ausführungsgänge der JACoBSonschen Organe. 

Vom Stammteil der Nasenschläuche zieht der absteigende, überall wegsame 
Choanengangschenkel zur primitiven Choane. Letztere reichen über die ganze 
Länge des Choanengangs bzw. der Muschelzone, stehen an allen Stellen mit dem 
absteigenden Choanengangschenkel in offener Verbindung unä sind ebensowenig 
wie der absteigende Choanengangschenkel irgendwo eingeengt noch verschlossen. 
Die JacoBsonschen Organe münden stets in das vorderste Ende der primitiven 
Choanen unmittelbar hinter dem eaudalen Rand des primitiven Gaumens. 

Das primäre Munddach wird vorne von dem primitiven Gaumen, seitlich 
von den Oberkiefermassen, in der Mitte oralwärts vom Nasenseptum, eaudal- 
wärts von der primitiven Rachendecke gebildet; es schließt eine tiefe Orbito- 
nasalmulde ein. Der vordere Teil derselben, die Nasal- oder Vomermulde, ent- 


Steht, weil das Nasenseptum dorsal höher liegt als die Masse der Oberkiefer- 
fortsätze. Die Nasalmulde setzt sich ohne jegliche Grenze eaudalwärts in die 
von den Oberkiefermassen begrenzte Orbitalmulde fort. Der mediale Teil der 
_ Orbitalmulde bildet eine schmale, sagittale, von den Palatopterygoidkanten be- 
"grenzte Interorbitalrinne. 


Gegenüber dem einfachsten Zustand bei Hatteria weisen die Saurier manche 


bedeutungsvolle Neuerwerbung auf, vor allem den etwa zu zwei Drittel erfolgen- 


514 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


« 
den Verschluß der absteigenden Choanengangschenkel, hervorgerufen durch 
Verwachsung über den Choanenspalten, deren Ausdehnung ganz ungeschmä- 
lert bleibt; bloß ihre beiden vordersten Drittel erscheinen als Choanenrinnen 
zwischen Vomerpolster und Öberkiefern. Bei Varanus gehen auch die vorderen 
Teile der Choanenspalten zugrunde, so daß nur ihre hinteren Abschnitte erhalten 
bleiben. 

Die Schlangen schließen sich an Varanus an. Ihre Ontogenese soll 
in nicht zu verkennender Weise die verschiedenen von den Sauriern her 
bekannten Etappen wiederholen. Die Austilgung der Choanenspalte in 
ihren vorderen Teilen sei wesentlich weiter gediehen. Die absteigenden Cho- 
anengangschenkel und die Choanenspalten seien zum allergrößten Teile ver- 
schlossen, so daß nur der allerhinterste Rest jeder Choane als sekundäre Choane 
erhalten bleibt. Ein kleiner Rest der primären Choane hinter dem primären 
Gaumen dauert, um den Ausführungsgang des JAcoBSoNschen Organs aufzu- 
nehmen. Dadurch werde das Munddach der Schlangen in die bisher als sekun- 
därer Gaumen bezeichnete Modifikation abgeändert. Bei manchen Schlangen 
bilden auch die Prämaxillaria, Maxillaria und Vomeres eine dem sog. knöcher- 
nen sekundären Gaumen der Schildkröten entsprechende Knochenplatte. Der 
sekundäre Gaumen und die sekundäre Choane der Schlangen sind den gleich- 
namigen Gebilden der Säuger nichthomolog und haben mit ihnen nichts zu tun. 

Die gleiche Abänderung hat Fuchs für die Schildkröten beschrieben. 
Sie zeigen im Zusammenhange zwischen Nasen- und Mundhöhle die größte Ähn- 
lichkeit mit den Schlangen sowohl in den Weichteilen wie in den Knochen; 
nur fehlt ihnen mit dem JAcoBsoxschen Organe auch der vordere Rest der 
primitiven Choane. Bei Schlangen und Schildkröten liegen also zwei pa- 
rallele, einander gleiche, aber völlig unabhängig voneinander entstandene Ent- 
wicklungsreihen vor. Die Schildkröten haben diese Verhältnisse von Anfang 
an selbständig entwickelt, die Schlangen aber mögen die ersten Anfänge bereits 
von ihren saurierartigen Vorfahren übernommen haben. 

Bei den Schlangen und Schildkröten soll, wie H. Fuc#s mit 0. SEYDEL 
behauptet, das primäre Munddach durch eine bedeutende Abwärtswanderung 
des Vomerpolsters abgeändert werden, was durch das starke Vorspringen 
nach unten besonders auffalle. Ich habe aber an meinen Modellen nicht ge- 
sehen, daß das Nasenseptum in beiden Gruppen heraustritt und einen Teil der 
Nasalmulde verschwinden macht. Im Gegenteil zeigen die Längsschnitte (Taf. IX, 
Fig. 13—16), daß die schräg gestellte Zone des künftigen Vomerfeldes sich mehr 
horizontal einstellt und daß von einer Senkung nicht die Rede sein kann. 

Ebensowenig lassen sich die embryonalen Stadien des Munddaches der 
Ringelnatter (Taf. VIII, Fig. 1, 3—5, 8) als Wiederholung der verschiedenen Zu- 
stände der Saurier deuten und die große Ähnlichkeit zwischen den Schlangen 
und Schildkröten scheint mir nach meinen Modellen durchaus zu fehlen. 

Daher glaube ich, daß die Behauptungen von Fuchs nach keiner Richtung 
den wirklichen Tatsachen entsprechen und darum unannehmbar sind. 

Das Munddach der Krokodile unterscheidet sich sowohl vom Munddache 
aller anderen Reptilien als auch der Säugetiere. Während der Zusammenhang 
zwischen Mund- und Nasenhöhle bei Hatteria, den Sauriern, Schlangen, Schild- 
kröten dauernd durch die primitiven Choanen in ganzer oder beschränkter 
Ausdehnung vermittelt wird, besitzen die sekundären Choanen der Kro- 
kodile keine genetische Beziehung zu den primitiven Choanen und 
deshalb einen andern morphologischen Wert als die sog. sekundären 


IE EB LETZTEN 


Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 515 


Choanen der Schildkröten und Schlangen. Die definitive Mund- und Nasenhöhle, 
sowie das definitive Munddach der Krokodile sind Bildungen eigener Art. 

Denn die Krokodile entwickeln ein vollkommen neues Munddach unter 
Abtrennung eines Teiles der primitiven Mundhöhle als Ductus naso- 
pharyngeus. Derselbe kommt zur Nasenhöhle hinzu, vergrößert sie zur sekun- 
dären Nasenhöhle und verkleinert zugleich die Mundhöhle zur sekundären Mund- 
höhle, welche ein neues knöchernes Dach erhält. 

Die Entwicklungsvorgänge, welche diese Neuerung herbeiführen, hat FucHs 
wegen Mangels an Material nicht eingehend verfolgen können. Auch über das 
Verhältnis der primitiven Choanen, auf welches er sein besonderes Augenmerk 
richtete, konnte er nichts Sicheres ausmachen und er beklagte lebhaft die 
wesentlichen Lücken seiner Untersuchung. Wie er in dem Kapitel über die 
Schlangen den Gedanken Borns gefolgt ist, so schließt er sich für die Krokodile 
der »überzeugenden Darstellung« von VOELTZKOW an, daß inder Nasen- und Augen- 
gegend von den medialen Kieferseiten zwei Platten medianwärts vorwachsen 


und nach Verschmelzung die Mundhöhle in den Duetus nasopharyngeus und die 


sekundäre Mundhöhle zerlegen. Der Ductus nasopharyngeus wird, wie Fuchs 
meint, unpaarig angelegt und später erst paarig durch Bildung einer lotrechten 
Scheidewand zwischen seiner rechten und linken Hälfte. Nur der vorderste 
kleine Teildes Ductus, der sich an die Muschelzone anschließt, entstehe als paariger 
Gang. Fucns konnte zwar seine Bildung nicht direkt beobachten, glaubte aber 
mit Wahrscheinlichkeit folgendes Gesamtbild derselben entwerfen zu können: Im 
Gebiete der primitiven Choane sollen sich die Gaumenfortsätze medianwärts in 
den dorsalen Teil der Orbitonasalmulde einschieben. Aber ehe sie sich median 
treffen, sollen ihre freien Ränder nach oben mit dem Nasenseptum verwachsen. 
Fuchs läßt die Frage offen, wie das alles geschieht. Wenn es jedoch so wäre, 
würden zwei Teile aus dem dorsalen Abschnitt der Orbitonasalmulde herausge- 
schnitten, welche die primitiven Choanen aufnehmen und mit den Muschelzonen 
zusammenhängen. Hinter dem caudalen Ende der primitiven Choanen sollen auf 
einmal die freien Ränder der Gaumenfortsätze nicht mehr mit dem Nasenseptum 
verwachsen, sondern einander selbst entgegenstreben. Alles das erschließt Fuchs 
aus einer Serie durch einen jüngeren Embryo von Crocodilus madagascariensis 
mit beginnender Entwicklung des Knorpelskelets (3b, Taf. VIII, Fig. 49—53). 
Er verweist wie in früheren Fällen wieder auf zwei Schnittbilder (3b, Taf. VIII 
Fig. 49—50) und behauptet, daß die Gaumenfortsätze mit dem Nasenseptum ver- 
wachsen seien. Ich kann mich nicht davon überzeugen, daß die Schnittbilder 
gerade so gedeutet werden müssen; doch unterdrücke ich jede Kritik, weil ich 
keine Krokodilembryonen untersucht habe. Wie Fuchs betont, hat die von 
ihm angenommene Verwachsung der Gaumenfortsätze und des Nasenseptums 
nichts mit der für Saurier, Schlangen, Schildkröten behaupteten Verwachsung 
zwischen den Oberkiefermassen und dem Vomerpolster gemeinsam; denn bei 
diesen erfolge sie auf Kosten gewisser Teile des Nasenschlauches, während bei 
den Krokodilen zwei kurze Gänge aus der Mundhöhle herausgetrennt und 
zur Nasenhöhle hinzugefügt würden. 

Die schmale tiefe Rinne zwischen den verwachsenden Gaumenfortsätzen 
werde später vollständig ausgemerzt, weil die Gaumenfortsätze median ver- 
schmelzen. Die Ausmündung des in der Entwicklung begriffenen Ductus naso- 
pharyngeus werde caudalwärts verschoben durch Verschmelzung der Gaumen- 
fortsätze und später der benachbarten Teile der Oberkiefermassen. 

Die Gaumenfortsätze der Krokodile unterscheiden sich von den Gaumen- 


516 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


fortsätzen der Säugetiere, weil sie nicht erst abwärts wachsen, sondern von 
vornherein direkt medianwärts gerichtet seien. Ihre Vorstufen glaubt er in den 
Choanenfalten und Palatopterygoidkanten der Rhynchocephaler und Saurier zu 
erkennen. Die Choanenfalten gehen zwar nicht direkt in die Palatopterygoid- 
kanten über. Doch schwinde die Schwierigkeit, wenn man sich vorstelle, daß 
bei den Vorfahren der Krokodile die Choanenfalten sich durch etwas abge- 
änderte Wachstumsrichtung mit den Palatopterygoidkanten vereinigten. 

Die Ähnlichkeiten zwischen den Krokodilen und Säugetieren kennzeichnet 
Fuchs in folgender Weise: Bei den Krokodilen und Säugern wird die primäre 
Mundhöhle längs der Orbital- und Nasalgegend in zwei Abschnitte zerlegt, und 
zwar geht nur der dorsale Abschnitt der Orbitonasalmulde in dem Ductus naso- 
pharyngeus auf. Der ventrale Abschnitt wird hier wie dort unterdrückt. Bei 
den Säugern füllen die weichen Gaumenfortsätze durch ihre Verwachsung den 
Raum des ventralen Muldenabschnittes aus. Bei den Krokodilen verschmelzen 
nach Verwachsung der weichen Gaumenfortsätze abwärts davon auch noch die 
Oberkiefermassen miteinander. Durch diesen verschiedenen Vorgang wird aber 
das eine Gemeinsame erreicht, daß die ganze Orbitonasalmulde aus der defini- 
tiven Mundhöhle ausscheidet und soweit sie nicht zum Ductus wird, unterdrückt 
wird. In beiden Gruppen ermangelt also die definitive sekundäre Mundhöhle 
genau des gleichen Teiles der primären Mundhöhle. Infolgedessen ist auch der 
Rest der primitiven Mundhöhle, die sekundäre Mundhöhle, in beiden Gruppen 
gleich. Die sekundären Mundhöhlen der Säuger und Krokodile sind einander 
homolog im Hinblick auf die primäre Mundhöhle, aber nicht homolog im Hinblick 
auf die Art, wie sie aus der primären Mundhöhle gebildet werden. Daher unter- 
scheidet FucHns die zwei genetisch verschiedenen Arten des sekundären 
Munddaches oder des Tegmen oris secundarium sive Palatum secundarium 
sive Palatum palatinomaxillare, nämlich das Tegmen oris secundarium Croco- 
dilium und das Tegmen oris secundarium Mammalium. 

An verschiedenen Stellen des Berichts über die Untersuchungen von 
H. Fuchs habe ich meine kritischen Bedenken eingeflochten und dadurch aus- 
gedrückt, in welch ungünstigem Verhältnis nach meiner Ansicht die theoretischen 
Kombinationen seine exakten Beobachtungen überwiegen. Besonders seine An- 
gaben über die Verwachsung des absteigenden Choanengangschenkels bei Sau- 
riern und Schlangen, sowie die Angaben über die Einengung der primitiven 
Choane bei Schlangen und Schildkröten lassen sich mit meinen Beobachtungen 
und Modellen nicht vereinen. Daher scheint mir auch die Ableitung des Mund- 
daches der Saurier, Schlangen, Schildkröten von einer gemeinsamen Urform, 
welche wie Hatteria ausgesehen haben soll, sachlich verfehlt. Die Vergleiche, 
welche Fuchs zwischen den Säugetieren und Krokodilen zieht, werden sich 
erst nach dem Erscheinen der im hiesigen Institut eben vollendeten Untersuchung 
von H. PoHLmAnNn kritisieren lassen. 


Literaturverzeichnis. 
la) Bors, G. Die Entstehung des Tränenkanals und das JAcoBsonsche Organ 
der Amnioten. 55. Jahresber. der schlesisch. Gesellsch. für vaterlän- 
dische Kultur. 1878, | 
b) —— Die Nasenhöhlen und der Tränennasengang der amnioten Wirbeltiere. 
Morphol. Jahrb. Bd. V. 1879. 
ec) —— Fortsetzung III. Morphol. Jahrb. Bd. VIII. 1883. 


BU De re 1. u a Ze 


| 
i 2 


A 
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Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 517 


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Zool. Jahrb., Abteil. f. Anat. Bd. XI. 1898. 

3a) Fuchs, H. Untersuchungen über Ontogenie und Phylogenie der Gaumen- 
bildungen bei den Wirbeltieren. Erste Mitteilung: Über den Gaumen 
der Schildkröten und seine Entwicklungsgeschichte. Zeitschr. f. Mor- 
phol. Anthropolog. Stuttgart. Bd. X. 1907. 

b) — Zweite Mitteilung; Über das Munddach der Rhynchocephalen 
Saurier, Schlangen, Krokodile und Säuger. Zeitschr. f. Morphol. An- 
thropol. Stuttgart. Bd. XI. 1908. 

4. GEGENBAUR, C. Grundriß der vergleichenden Anatomie. . 1878. 

da) GÖPPERT, E. Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Kehlkopfes und 
seiner Umgebung mit besonderer Berücksichtigung der Monotremen. 
R. SEmons Zool. Forschungsreisen Ill. Bd. II. 1: Denkschr. d. med. 
nat. Gesellschaft. Jena. Bd. VI. 1. Teil. 1897—1901. 

b) — Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen und den Duetus 
nasopharyngeus. Morphol. Jahrb. Bd. XXXI. 1903. 

6. Hormann, OÖ. Das Munddach der Saurier. Morphol. Jahrb. Bd, XXXIII. 1905. 

7. KEIBEL, Fr. Zur Entwicklungsgeschichte und vergleichenden Anatomie 
der Nase und des oberen Mundrandes (Oberlippe) bei Vertebraten 
Anat. Anzeiger. Bd. VIII. 189. 

8. v. MiHArLkovics, Vıcror, Nasenhöhle und JAcogsonsches Organ. Anat. 
Hefte. Bd. XI. 1899. 

9a) Seyper, 0. Über die Nasenhöhle und das Jacogsonsche Organ der Land- 
und Sumpfschildkröte. Festschr. f. GEGENBAUR. 1896, 

b) — Über Entwicklungsvorgänge an der Nasenhöhle und’am Mundhöhlen- 
dache von Echidna nebst Beiträgen zur Morphologie des peripheren 
Geruchsorganes und des Gaumens der Wirbeltiere. R. Semons Zool. 
Forschungsreisen in Australien und dem malayischen Archipel. Bd. II. 
Denkschr. der med. naturwissenschaftl. Gesellschaft. Jena. Bd. VI. 
1899. 

10. Sıprer, W. Das Munddach der Vögel und Saurier. Morphol. Jahrb. 
Bd. XXXVI. 1907. 
11a) VoELTzkow, A. Biologie und Entwicklung der äußeren Körperform von 
Crocodilus madagascariensis. Abhandlungen! Senckenberg. naturf. Ges. 
Bd. XXVI 1902. 
b) —— Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. VI. Gesichts- 
. bildung und Entwicklung der äußeren Körperform bei Chelone imbri- 
cata Schweig. Abhandl. Senckenberg. naturf. Ges.) Bd..XXVII. 1903. 
12. WIEDERSHEIM, R. Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere. 
1886. 


Erklärung der Abbildungen. 
Gemeinsame Buchstabenbezeichnung. 


ag äußerer Gebißwulst. br Brückezwischen dem äußeren Nasen- 
an äußeres Nasenloch. loch und der Choane. 

b Furche an der Seitenwand des Nasen- ch Choane. 

schlauches von Chrysemys mar- chg Choanengang. 

ginata.  ehw choanale Wand. 


518 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


dd Definierebene. p höchster Punkt des Mittelraumes. 
e Epiphyse. pf Mittelpfeiler. 
f medianer First des Munddaches. r Hohlrinne. 
h Hypophyse. rs Rachenseptum. 
i Jacopsoxsches Organ oder Mündung rw Rachenwand. 
desselben. sa Sakter. 
ig innerer Gebißwulst. sl Starrlippe. 
! Larynx. sn Seitennische. 
Iw Lateralwand. t Luftröhre. 
mh Mittelhöcker. ul Unterlippe. 
mr Mittelraum. vf Vomerfeld. | 
n Nasenschlauch. w Grenzwulst des Mittelraumes gegen | 
nf Nasenfurche. die Seitennische. 
o Auge. x Zunge. 
oe Ösophagus. xl Zahnleiste. 
ol Oberlippe. xt Zungentasche. 


ow Orbitalgewölbe. 


Tafelerklärung. 
Tafel VIII. 
Fig. 1—9. Tropidonotus natrüx. 

Fig. 1. Modell’des Munddaches einer Ringelnatter von 9 mm MSl. Vergr. 10/1. 
Fig. 2. Photographische Ansicht des Munddaches einer erwachsenen Ringel- 

natter. Vergr. 2/1. 
Fig. 3. Modell des Munddaches eines Embryo von 8mm MSI. Vergr. 10/1. 
Fig. 4 Modell des Munddaches eines Embryo von 7 mm MSl. Vergr. 15/1. 
Fig. 5—7. Modell des Munddaches eines Embryo von 6,5 mm MSI. Vergr. 15/1. 

Fig. 5. Innenansicht. Fig. 6. Außenansicht. Fig. 7. Seitenansicht. 
Fig. 8—9. Modell des Munddaches eines Embryo von ömm MSI. Vergr. 15/1. 

Fig. 8. Innenansicht. Fig. 9. Außenansicht. 

Fig. 10—12. COhrysemys marginata. 

Fig. 10. Modell des Munddaches eines [Embryo von 18 mm Rückenschild. 

Vergr. 15/1. 
Fig. 11. Modell des Munddaches eines jüngeren Embryo. Vergr. 30/1. 
Fig. 12. Modell des Munddaches eines Embryo von 3,5 mm MSl. Verg. 30/1. 


Tafel IX. 
Fig. 13—16. Ideale Längsschnitte durch den embryonalen Kopf von Zropi- 
donotus natrix. Vergr. 10/1. 
Fig. 13. Embryo von 5mm MSI. Fig. 14. Embryo von 9 mm MSI. 
Fig. 15. Embryo von 7mm MSI. Fig. 16. Embryo von 8mm MSI. 
Fig. 17—18. Ideale Längsschnitte durch den embryonalen Kopf von Ohrysemys 
marginata. Vergr. 10/1. 


Morphologisches Jahrbuch. Dd. 41. 


De AO /,\ 
Fig. le (10/,) 


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Fig. 5. (#/ı) 


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| Taf. VIII. 


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Fig. 10. (%/,) 


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ann in Leipzig. 


Morphologisches Jahrbuch. 


Thäter 


Bd. 41. 


Fig. 17. (19), 


Verlag von ig 


Taf. IX. 


ann in Leipzig. 


Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achsel- 
gegend des Menschen — »Achselbogen.«. 
Von 


Georg Ruge. 


Mit 2 Figuren im Text. 


Der Achselbogen des Menschen ist ein Restbestand des Haut- 
Rumpf-Muskels. Letzterer kommt den Säugetieren zu. Den Anthro- 
pomorphen und dem Menschen ist er abhanden gekommen; er tritt 
bei ihnen nur noch in Resten und in diesen selbst nur noch zuweilen 
auf. Der Achselbogen des Menschen ist eine nicht gerade seltene 
Bildung. Seinen morphologischen hohen Wert erhält er als Beweis- 
stück dafür, daß der Mensch einen Haut-Rumpf-Muskel früher be- 
sessen hat, und zwar in derjenigen stattlichen Ausbildung, in welcher 
die Bündellagen vom Humerus aus durch die Achselhöhle zum Rücken 
sich ausgedehnt haben. Die zu dieser Annahme zwingenden Gründe 
dürfen als bekannt vorausgesetzt werden, da sie in letzter Zeit Gegen- 
stand ausführlicher Erörterungen gewesen sind!. 

Als muskulöses Gebilde nimmt der Achselbogen das anatomische 
Interesse ferner durch seine häufige und innige Verbindung mit dem 
Latissimus dorsi in Anspruch. Die Vereinigung beider hat zu der 
irrigen Ansicht verleitet, den Achselbogen vom Latissimus dorsi her- 
zuleiten. In der Tat sind ja auch Zustände denkbar, in denen der 
Latissimus dorsi durch die Art der Verbindung mit dem Reste des 
Haut-Rumpf-Muskels am Aufbaue des Achselbogens sich wirklich 
beteiligt. Wo dies nachweisbar ist, bildet der primitive Hautmuskel- 


ı L. TOBLER. Der Achselbogen des Menschen, ein Rudiment des Panni- 
eulus carnosus der Mammalier. Morpholog. Jahrb. XXX. Bd. 1902. — G. Ruck. 
Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere. Der M. sternalis und der Achselbogen 
des Menschen. Morpholog. Jahrb. XXXIIU. Bd. 1905. 

Morpholog. Jahrbuch. 41. 34 


520 Georg Ruge 


Achselbogen aber die Handhabe für die Anteilnahme des Latissimus 
dorsi an einem sekundär zustande kommenden Gebilde. Genaue 
Analysen einzelner Fälle zeigen zuweilen, daß die Annahme, es 
handle sich bei ihnen um eine Beteiligung des Latissimus dorsi am 
primitiven Achselbogen, nicht gut aufrecht erhalten werden kann. 
Der vorliegende Fall ist ein solcher. Er mahnt zur Vorsicht; er 
zeigt, wie leicht dem breiten Rückenmuskel eine ihm nicht zukom- 
mende Bedeutung zugesprochen werden kann. 

Außerdem kommt dem Achselbogen eine eigenartige Bedeutung 
insofern zu, als er als das Rudiment einer über den ganzen Rumpf ur- 
sprünglich ausgebreiteten Muskelplatte nunmehr an Ort und Stelle 
zu einem ansehnlichen, ja selbständigen Muskel anschwellen kann. 
Seinem großen Umfange gemäß und durch die Vereinigung mit dem 
Latissimus dorsi wird er mit ihm gemeinsam auf den Humerus 
haben einwirken können. Auch hierfür ist der vorliegende Befund 
ein gutes Beispiel. 

Die Möglichkeit zur starken Entfaltung des Achselbogens als 
eines Restes des Haut-Rumpf-Muskels gewinnt nach anderer Rich- 
tung noch eine größere Tragweite. Denn das, was in der Achsel- 
höhlengegend sich einstellt, kann auch andernorts sich vollziehen. 
Den Vertretern der Ansicht, der Musculus sternalis sei ebenfalls ein 
Rest des Haut-Rumpf-Muskels, kann nicht gut entgegengehalten 
werden, daß die zuweilen starke Entwicklung des Sternalis diese 
Annahme nicht zulasse. Die Größe bestimmt nicht den morpholo- 
gischen Wert eines Organes. Wissenswert bleibt es aber immerhin, 
welche Ursachen das Rudiment eines Muskels wieder zur übermäßigen 
Entfaltung veranlaßt haben können. 


Der Achselbogen wurde an beiden Armen eines 72jährigen 
Mannes aus dem Kanton Zürich angetroffen. Sein außergewöhnlich 
großer Umfang könnte daher dem Alter nach im Laufe des Lebens 
erworben worden sein, wobei aber auf die Annahme einer frühen 
Anlage des Muskels nicht verzichtet werden kann. Die Humerus- 
Anheftung erfolgt gemeinsam mit der Pars abdominalis des Pectoralis 
major an der Crista tubereuli majoris. Der Achselbogen bildet hier- 
bei eine tiefere Lage. Dies Verhalten entspricht einem bekannten, 
engen Verbande beider, in welchem die Pars abdominalis die Brücke, 
die Vermittlerin zwischen Haut-Rumpf-Muskel und der Pectoralis- 
Gruppe ist. 

Linksseitiger Muskel (Fig. la, b). Aus einer platten Sehne 


Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 521 


entfaltet sich der Muskelbauch. Die Sehne schiebt sich am Distal- 
rande weit in letzteren hinein, woraus eine Halbfiederung und der 
Bündelreichtum des Bauches verständlich werden. 
Der Muskel schließt sich nach Durchquerung der Achselgegend 
- dem Latissimus dorsi in dreifach verschiedener Weise eng an. Hier- 
mit hängt eine Gliederung der Muskelplatte in drei Schiehten zu- 
sammen. Diese werden in den bildlichen Darstellungen von beiden 
Flächen des Muskels aus sichtbar. Es handelt sich um eine ober- 


Fig. 1. 


Teres major 


Pector. 
major: 
Pars ., Pector. maj.: 
abdom. \ . Pars abdom. 
Achsel- | j Achselbogen 
bogen 1 
Ir 
Ill Fr 
\ fl l | Os 
1 In | 
1% - Rand d. La- 
Y’ | tissimus- 
j Sehne 
2. 


\h- Vorderrand 
Vorder- 
k rand 


/ . 


Muskulöser Achselbogen der linken Seite eines 72 Jahre alten Mannes, im Zusammenhange mit dem 
Latissimus dorsi. Die Muskeln sind vom Skelet entfernt worden, um den Aufbau des Achsel- 
bogens aus seinen Schichten (1, 2, 3) genau darstellen zu können. Der Teres major ist für die 
Orientierung des Latissimus dorsi erhalten. 1/2. 
Fig. a Darstellung der freien Oberfläche, Fig. db Darstellung der tiefen Oberfläche der Muskeln. 
Das Objekt ist im anatom. Museum Zürich aufbewahrt. 


Latissimus dorsi Latissimus dorsi 


flächliche, eine mittlere und eine tiefe Schiehte. Sie schließen sich 
humeruswärts zu einer Einheit aneinander, während sie distalwärts 
sich voneinander sondern. 

Jede Schichte hat ihre besondere Bedeutung. Die oberflächliche 
und die mittlere tragen in Lage und Ausdehnung noch die Merk- 
ale eines Haut-Rumpf-Muskelsniederer Formen. Dietiefe Schichte hat 
diese Zeichen durch Verbindung mit dem Latissimus dorsi eingebüßt. 

1. Oberfläehliche Schichte (Fig. la). Sie bildet den dista- 
len, gehöblten Rand des ganzen Muskels. Der Nervus intercosto- 
34* 


522 Georg Ruge 


brachialis durchsetzt sie. Die humeruswärts geschlossenen Bündel 
strahlen distal aus, wobei sie schließlich eine dreifach so große Fläche 
bilden als proximal. Die Anheftung erfolgt hauptsächlich auf der 
Dorsalfläche der Endsehne des Latissimus dorsi mittels einer ge- 
zackten Nahtstelle, welehe humeruswärts 5 mm vom Proximalrande 
der Sehne entfernt bleibt, distal aber mit dem Rande zusammen- 
fällt. Die Länge der Naht beträgt 2,2 cm. 

Diesem Abschnitte schließt sich eine Bündellage an, deren End- 
sehne auf der mittleren Schichte oberflächlich sich ausbreitet, deren 
Fleischbündel gegen den Humerus an die Elemente der Mittellage 
unmittelbar sich anfügen. 

Diese oberflächliche Sehichte entsprieht durch die Ausbreitung 
auf dem Latissimus dorsi sowie auf der mittleren Schichte, mit denen 
eine Kreuzung der Bündel vorliegt, dem durch die Achsel quer und 
schräg zum Rücken ziehenden Abschnitte des Haut-Rumpf-Muskels 
niederer Primaten. Sie stellt einen Rest desselben dar. Da diese 
Dorsalbündel des Hautmuskels die letzten Stationen dessen gewal- 
tiger Ausbildung sind, so bleiben sie auch in ihren Resten das wich- 
tige Zeugnis für den einstmaligen Besitz eines auch den Rücken des 
Menschen bedeckenden Hautmuskels. Diese Annahme hat bei der 
ihr zugesprochenen, grundlegenden Bedeutung durchaus nichts Be- 
fremdendes. Wer möchte sich wohl dagegen wehren, dem Bauplane 
des Menschen in einer früheren Zeit das zuzuerkennen, was ein 
Besitztum aller Säugetiere ist? Die Annahme erhält Fremdartiges 
höchstens als eine weitgehende Folgerung aus dem scheinbar be- 
deutungslosen Verhalten eines abnormen Achselbogens. Man könnte 
hier einwenden, daß diese oberflächliche Schichte sich selbständig 
ohne höhere morphologische Wertung eingestellt habe. Dieser Ein- 
wand wäre deshalb nicht ohne weiteres stichhaltig, weil man mit 
der mittleren Schichte (2) in gleicher Weise sich abfinden müßte, 
dabei aber immer mehr in Widerspruch mit der gesamten vergleichen- 
den Forsehung auf diesem Gebiete sich setzen würde. 

2. Mittlere Schichte (Fig. la, 5 [2]). Sie geht aus dem ge- 
meinsamen Bauche ohne erkennbare Abgliederung von Schichte 1 
und 3 hervor. Die Trennung erfolgt erst in distaler Richtung. Hier 
ist sie aber durchgeführt, und zwar in der Weise, daß unter starker 
Abplattung ein breites Muskelband sich formt, welches dem Vorder- 
rande des Latissimus dorsi sich zunächst anschließt, weiter distal 
aber zur Dorsalfläche des Muskels sich umschlägt. Der Anschluß 
an den Vorderrand vollzieht sich am Beginne der Endsehne des 


| 


| 


Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 523 


letzteren und ist distal ein sehr enger. Der Latissimus-Bauch emp- 
fängt durch die mittlere Schichte einen nicht unbeträchtlichen Zu- 
wachs. Verfolgt man ihn vom Ursprunge zur Insertion, so gewinnt 
man den Eindruck, es handele sich um eine Spaltung des Muskels 
in der Achselhöhle gegen den Humerus zu. Der Latissimus scheint 
mit einem Schenkel die Crista tubereuli majoris zu erreichen. Dies 
ist jedoch nur scheinbar der Fall, da in Wahrheit der Achselbogen 
als ein dem Latissimus ganz fremdartiges Gebilde diese Anheftung 
auslöst. Alle Latissimus-Bündel gehen ohne Restteile und bei voller 
Prägnanz in die breite Endsehne über; alle Bündel der mittleren 
Schiehte trennen sich in der Höhe der Latissimus-Sehne von ihr und 
erweisen sich als integrierende Bestandteile des gemeinsamen Achsel- 
bogens. Hier scheint eine andre Deutung des Tatbestandes am Prä- 
parate völlig ausgeschlossen zu sein. Die ganze Schichte 2 entspricht 
denjenigen Bündeln eines Haut-Rumpf-Muskels, welche bei dessen 
Ausstrahlen zur seitlichen Rumpfgegend parallelen Verlaufes mit den 
vorderen Randbündeln des Latissimus sich befinden und enger mit 
ihnen verbunden zu sein pflegen, sobald sie eben in Resten beim 
Menschen auftreten. 
Auffallend ist hier wiederum die starke Ausbildung der lateralen 
_ Bündel des Hautmuskels. Sie kann sich auch einstellen, wenn diese 
Bündel die einzigen erhaltenen Reste des Muskels sind, und auch 
dann zu einer Verschmelzung mit dem Latissimus hinneigen. Nach 
der Vereinigung mit ihm werden sie für dessen Leistungsvermögen 
nutzbringend. Der Latissimus gewinnt durch ihre Vermittlung einen 
Angriffspunkt auf die Crista tubereuli majoris, von welcher der Haut- 
- Rumpf-Muskel ja stets ausgeht. Der Gewinn dieser neuen Einwirkung 
für den Latissimus auf das Skelet kann im besonderen Falle die 
besonders kräftige Entfaltung verursacht haben. 
Y Verfolgt man die »Achselbogen-Randbündel« des Latissimus dorsi 
- distalwärts, so wenden sie sieh allmählich zur dorsalen Fläche des 
 Muskels, um dann auf ihr zu verstreichen. Hier taucht die Eigen- 
schaft von dorsalen Bündeln eines Hautmuskels auf, deren ausge- 
‚sprochenste Art durch die Sehichte 1 vertreten ist. Es ist zuweilen 
zu beobachten, daß ein an den Latissimus-Rand sich anschmiegender 
_ Achselbogen alle Elemente zur dorsalen Fläche des Rückenmuskels 
entsendet, wo sie unter Kreuzung mit dessen Bündeln in der Fascie 
‚auslaufen. 
Es ist begreiflich, wenn ein Fall, wie er hier vorliegt, fälschlich 
als eine Varietät des Latissimus dorsi imponiert und dargestellt wird. 


524 Georg Ruge 


Die Schärfe der Interpretation der einzelnen Merkmale kommt dabei 
aber nicht zu ihrem Rechte. Diese Merkmale sind aber die Ur- 
kunden der einstmaligen Existenz eines Haut-Rumpf-Muskels beim 
Menschen. 

3. Tiefe Sehichte (Fig. 15 [3)). Ihre Bündel gehen aus der 
Sehne des gemeinsamen Bauches hervor. Elemente der vorigen 
Schiehte (2) schließen sich allenthalben auf das unmittelbarste an. 
Die genetische Einheitlichkeit mit der dorsalen Schichte (1) bewahrt 
der proximale Abschnitt des gemeinsamen Muskelbauches. In distaler 
Riehtung gliedert sich die ganze tiefe Bündellage von den Nachbar- 
teilen ab, bildet einen platten Bauch, welcher unter Verbreiterung 
zum Vorderrande der Latissimus-Sehne gelangt. Es ist besonders 
hervorzuheben, daß diese Sehne der tiefen Schichte wohl eine An- 
heftungsstelle darbietet, aber Material weder von ihr erhält noch an 
sie abgibt. Der Rand der Sehne gehört dem Latissimus zu, nimmt 
dessen Randbündel auf und läuft in die breite Endplatteaus. Die Ver- 
bindung mit der Latissimus-Sehne ist eine erworbene. Das erhellt 
unzweifelhaft aus der Art des Zusammenhanges. Die so gestaltete 
Bündellage, welche hier als tiefste Schichte besteht, ist nicht selten 
der einzige Bestandteil eines Achselbogens. Gute Belege finden sich 
in L. TOBLERS Aufsatze. Ist ein soleher Achselbogen kräftig ent- 
wickelt, so kann der die Anheftung vermittelnde Abschnitt des 
Latissimus vom Stammmuskel sich abgliedern. Dabei wird ein Teil 
der Latissimus-Sehne zur »Zwischensehne« zwischen Achselbogen 
und breitem Rückenmuskel. Wie weit die Abspaltungen an letz- 
terem sich vollziehen können, zeigt unter anderm die Fig. 26 auf 
S. 502 des Togrerschen Aufsatzes. Ob die Grenze zwischen beiden 
Muskel-Gebieten ganz verschwinden könne, ist einwandlos nach 
meiner Meinung bis jetzt nicht nachgewiesen. Die Möglichkeit da- 
für besteht, da Zwischensehnen ja ganz verschwinden können. Würde 
einmal eine Latissimus - Portion ohne erkennbare Abgrenzung 
gegen einen »Achselbogen« bis zum Humerus verfolgt werden, so 
würde der Haut-Muskel diese Ausdehnung in irgend einer Weise 
vermittelt haben müssen. Ließe man diese Annahme nicht zu, so 
würde man einen derartigen besonderen Befund als einen abseits 
von der großen geschlossenen Reihe bekannter Varietäten stehenden 
auch auf eine besondere Weise zu erklären haben. 

Ein starker Nervus intereosto-brachialis, aus dem zweiten und 
dritten Intercostalnerven stammend, durchsetzt die oberflächliehe (1) und 
die mittlere (2) Schiehte. Hierin tritt nichts Fremdartiges zutage, 


Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 525 


da alle Rami eutanei laterales der Intereostalnerven den Haut-Rumpf- 
Muskel der Säugetiere durehbohren. 

Die Nerven für den wohlausgebildeten Achselbogen waren im 
Zusammenhange mit den Stämmen nicht erhalten. Die in dem Muskel 
aufgefundenen Nerven sprachen nicht gegen den Ursprung aus den 
Nn. thoracales anteriores. Das ganze Wesen des muskulösen Achsel- 
bogens erlaubt den Schluß, daß letzteren die Versorgung zukam. 


Fig. 2. 
Pars sterno- a b 
costalis :  Pars abdominalis 
‘ 
’ ” 
' Ax = 
EEE EL NN re 
nn wu 222 er 


BL _ 


— 2 
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Ir alr „.. Pector. 


rapie major 


Latissimus dorsi Latissimus dorsi 
"Muskulöser Achselbogen der rechten Seite eines 72 Jahre alten Mannes, in Verbindung mit dem 
Latissimus dorsi. 1:2. Der Achselbogen läßt wie auf der Figur 1 drei Schichten erkennen: 
1, eine dorsal auf der Latissimus-Sehne ausgebreitete Schichte; 2. eine dem Vorderrande des 
_ Latissimus angefügte und 3. eine ventrale Schichte, welche mit Bündeln des Latissimus an einer 
p Zwischensehne sich anheften. 
\, Das Objekt ist im anatom. Museum Zürich aufbewahrt. 


} Die vielen gut beglaubigten Fälle der Innervation des Achselbogens 
% durch vordere Thoracalnerven führen zu dieser Annahme. 


Rechtsseitiger Muskel (Fig. 2, a, b). Er steht dem links- 
 seitigen an Umfang nicht nach. Die Anheftung am Humerus findet 
in gleicher Weise wie links in Verbindung mit der Sehne der Pars 
' abdominalis des Pectoralis major an der Crista tubereuli majoris 
Die Sehne bedeckt faseienartig den kurzen Kopf des Biceps 
 brachii und den Coraco-brachialis und dehnt sich bei einer Länge 
_ von 12 cm bis zum Coracoid aus. 

Drei Abschnitte des Muskels bestehen wie an der linken Seite, 


526 Georg Ruge 


aber in einer etwas andern Ausbildung und Anordnung. So fehlt 
eine mittlere Schichte. Der ihr gleichwertige Abschnitt stellt ein 
Randbündel dar. Eine oberflächliche und tiefe Schichte, gut ent- 
faltet, sind nicht getrennt durch eine Zwischenlage; sie treten mit- 
einander in engeren Verband. Ihnen schließt sich das Randbündel 
an, welches zugleich dem Vorderrande des Latissimus dorsi einver- 
leibt ist. Es entspricht den Randbündeln der mittleren Schichte 
der linken Seite. 

Die tiefe Schichte ist mit einem Abschnitte des Latissimus dorsi 
auf das innigste vereinigt und bildet mit ihm einen durch eine 
Zwischensehne gegliederten Muskelstreifen. 

Die oberflächliche dorsale Schiehte breitet sich auf der Latissi- 
mus-Sehne aus. Sie entspricht dem Reste dorsaler Bündel eines 
Haut-Rumpf-Muskels (Schichte 1), während die Randbündel des Achsel- 
bogens Reste lateraler Hautmuskelteile sind (Schichte 2). 

Die tiefe Schiehte entspricht genau dem mit dem lateralen Rande 
der Latissimus-Sehne verschmolzenen Teile des linken Achselbogens 
(Sehichte 3). 

Die Abschnitte 1, 2, 3 des linken Muskels treten wieder zutage. 
Ihre eigenartige Ausbildung beleuchtet den Befund der linken Körper- 
hälfte sowie die Geschichte des Achselbogens überhaupt. 

1. Oberfläehlieche, dorsale Schichte (Fig. 2a [1]). Sie geht 
aus dem distalen Abschnitt des gemeinsamen Bauches hervor und 
strahlt auf der Dorsalfläche der Latissimus-Sehne aus. Die Anhef- 
tung erfolgt etwa 8 mm vom Sehnenrande als eine 2,5 cm breite 
Platte. Die dem Oberarm benachbarten Bündel sind mit der Latis- 
simus-Sehne ohne Übergänge nur verlötet, wie es links im ganzen 
Bereiche geschieht. Die dem Latissimus-Rande sich nähernden In- 
sertionsbündel biegen in oberflächlich abgelöste Latissimus-Bündel 
ein, so daB eine Zwischensehne zwischen ihnen sich zu bilden be- 
ginnt. Das Verhalten ist weiter fortgeschritten als das der andern 
Seite. 

Die ganze Schichte entspricht den zum Rücken ausstrahlenden 
Lagen eines Haut-Rumpf-Muskels. Mit ihr ist die tiefe ventrale 
Sehichte auf das innigste sowie die Randbündel-Schiehte durch un- 
mittelbare Anlageruug vereinigt. 

2. Randbündel-Schichte (Fig. 2 a, b [2]). Sie geht aus dem 
proximalen Abschnitte des gemeinsamen Bauches hervor. Die Ur- 
sprungssehne dehnt sich längs der Crista tubereuli majoris bis zum 
Tubereulum majus und darüber hinaus bis zum Coracoid aus. 


Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 597 


Die 8mm breite Platte trennt sich am Insertionsteile der 1. Schiehte 
los, fügt sich dem Rande des Latissimus dorsi an, lagert sich aber 
demselben mehr dorsal auf. Alle Bündel laufen ohne Zwischensehne 
distalwärts aus. 

Wir haben es hier mit dem lateralen, senkrecht vom Humerus 
gegen die Lendenweiche ziehenden, dabei mit dem Latissimus-Rande 
verbundenen Teile des Haut-Muskels zu tun. Ihre dorsale Lage zum 
Latissimus deutet auf einen früheren Anschluß an die 1. Schichte 
noch hin. Sie bedeckt Teile der tiefen, ventralen Schiehte und ist 
mit ihnen am gemeinsamen Bauche des Achselbogens proximalwärts 
untrennbar verbunden. 

Die entsprechende Schichte der linken Seite schob sich als eine 
mittlere zwischen die beiden andern Lagen ein. 

3. Tiefe, ventrale Schichte (Fig. 22 [3]. Ihre Zugehörig- 
keit zur Schiehte 1 und 2 ist gut ausgeprägt. Sie unterscheidet sich 
von der linksseitigen dadurch, daß sie mit einer etwa 2,5 cm breiten 
Rand-Bündel-Zone des Latissimus dorsi zu einer Platte inniger sich 
verbunden hat. Eine Zwischensehne trennt aber auf das schärfste 
beide Muskelgebiete; sie ist ein Teil der abgelösten Randsehne des 
Latissimus. Links fügte sich die entsprechende Schichte dem un- 
veränderten, durchlaufenden Latissimusrande einfach an. Hier liegt 
ein stark abgeändertes Verhalten vor, welches durch das kombinierte 
Auftreten mit Schichte 1 und 2 erst seine volle Erklärung findet. 

Alle zur Schichte 2 gehörenden, durchlaufenden Bündel des 
Achselbogenslassen sich von den tiefen, zur Zwischensehne gelangenden 
Elementen ohne Restbestandteile abtrennen, so daß ein Zweifel an 
der Gliederung des Achselbogens in die drei Schichten nicht be- 

stehen kann. Die Sicherung der gegebenen Auffassung geschieht 
_ außerdem durch das im Wesen gleiche linksseitige Verhalten. 

Die tiefe Schichte bildet durch den Verband mit den Rand- 
bündeln des Latissimus dorsi für diesen eine Brücke, welche ihn 
überleitet zum Ausgangspunkte des Achselbogens, zur Crista tuber- 
euli majoris. In funktioneller Beziehung ist diese Brücke bereits 
durch alle, mit dem Latissimus enger verbundenen Teile des Achsel- 
‚bogens geschlagen, da letzterer als wirksamer Muskel vom Latissimus 
beherrscht wird und von ihm aus zum beweglichen Humerus aus- 
gedehnt aufgefaßt werden kann. Die Frage, inwieweit Latissimus- 
Bündel ohne erhaltene Vermittlung von Achselbogenteilen direkt zur 
Pectoralis-Insertion am Humerus übergeleitet werden können, er- 
hebt sich hier aufs neue. Die in diesem Sinne gedeuteten Fälle 


528 Georg Ruge 


sind nicht ganz einwandfrei, weil die von der Insertion der Portio 
abdominalis des Peetoralis major in den Latissimus dorsi fortgesetzten 
Muskellagen seitliche Reste des Haut-Rumpf-Muskels sein oder ent- 
halten können, weil eine genaue Prüfung auf Bestände von Zwischen- 
sehnen wohl nicht immer vorgenommen worden ist, deren Vorhanden- 
sein die diploneure Natur des fraglichen Muskels aber bestimmt. 

Die von L. Toter (1902) beschriebenen Fälle (vgl. Fig. 21, 
22, 25, 26) zeigen die innige Verbindung beider Muskeln unter Aus- 
bildung einer Zwischensehne. Einige von Böse 1904 mitgeteilte 
Beobachtungen sind als Beispiele direkter Anheftung des Latissimus 
dorsi an der Crista tubereuli majoris oder der Oberarm-Faseie dar- 
gestellt worden. Sind die Deutungen einwandfrei, so muß doch 
auch hier nach allem, was wir von der Geschichte des Achselbogens 
als eines Restes des Haut-Rumpf-Muskels wissen, derselbe als der Ver- 
mittler für die Überleitung des Latissimus angesehen werden. 

Der Latissimus dorsi des Menschen ist im Vergleiche mit ver- 
wandten Formen in einer Ausbildung begriffen. Erhält sich abnormer- 
weise der axillare Teil des Hautmuskels, so kann er durch die Ver- 
bindung mit dem Latissimus dorsi die ansehnliche Entwicklung 
eingehen, welche dem Latissimus in funktionellem Sinne zugute 
kommt und durch ihn verursacht sein kann. 


Das hier genauer besprochene Verhalten eines doppelseitigen 
muskulösen Achselbogens hat insofern eine grundlegende Bedeutung, 
als er sich in diejenigen Abschnitte gegliedert zeigt, welche je für 
sich allein bestehen oder aber miteinander kombiniert zu den mannig- 
faltigsten Ausbildungen führen können. Diese bilden das Tatsachen- 
material, auf Grund dessen den muskulösen Achselbögen die Her- 
kunft vom Haut-Rumpf-Muskel abgesprochen worden ist. Im Gegensatze 
zur hier vertretenen Ansicht werden sie als Reste eines Latissimus 
dorsi-Abschnittes aufgefaßt, welcher in primitiver Weise eine Ver- 
bindung mit der Peetoralis-Gruppe herstelle. 

Dr. Böse! läßt einige Formen des muskulösen Achselbogens 
als Reste des Hautmuskels gelten. Dem habe ich nichts hinzu- 
zufügen; denn L. TOBLER, mit dessen Ausführungen ich übereinstimme, 
hat entsprechende Befunde bereits im genannten Sinne gedeutet. 
Es handelt sich um Fälle, in welchen die Schichte 1 des hier be- 


! Über einige Muskelvarietiten, den Pectoralis major, Latissimus dorsi und 
Achselbogen betreffend. Morpholog. Jahrb. XXXII. Bd. 1904. S. 587—601. 


Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 529 


schriebenen Achselbogens allein erhalten ist. Böse neigt aber auch 
zur Ansicht hin, eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Achsel- 
bogen-Formen von jenem Latissimus-Abschnitte herzuleiten, welcher 
den Rest einer primitiven Verbindung mit dem Pectoralis major dar- 
stellen und in den Varietäten sich erhalten solle. Eine noch andre 
Gruppe von Achselbögen wird als eine Kombination beider genetisch 
verschiedenen Arten ausgegeben. Ich halte diese Deutungen für 
unrichtig und alle von ihm verwerteten Fälle als treffliche Beispiele 
von Haut-Muskel-Resten und von Latissimusbündeln, welche mit 
diesen in engeren Verband getreten sind. 
Um den Achselbogen als Rest einer Verbindung zwischen Pec- 
toralis major und Latissimus dorsi zu erklären, nimmt Böse den 
sehnigen LAnGerschen Achselbogen zum Ausgangspunkte und leitet 
einige muskulöse Formen von ihm ab. Er führt zunächst eine Be- 
obachtung hierfür ins Feld, wo ein Bündel aus dem Randteile des 
Latissimus dorsi hervorgeht und, in einzelne Fasern aufgelöst, in 
der Fascie der Achselhöhle endigt (Fig. 5 des Aufsatzes). Darin 
wird man dem Autor zustimmen, daß dieses Latissimus-Randbündel 
ein Rest eines Hautmuskels nicht zu sein brauche. Immerhin ist es 
doch möglich, da dem Latissimusrande Hautmuskel-Reste tatsächlich 
angeschlossen sein können. Es ist aber auch möglich, daß es sich 
um Neubildungen am Latissimus handele, welehe durch Aberrationen 
von Randbündeln zur Achselfaseie neue Beziehungen für den Muskel 
erwerben lassen. Fernerhin ist es möglich, daß dieses Randbündel 
den Rest einer Verbindung mit einem muskulösen Achselbogen dar- 
stelle, wobei letzterer sich völlig rückbildete. Es wird in diesem 
Falle den Elementen des Latissimus gleichwertig sein, welche auf 
Fig. 2b mit der Schichte 3 des Achselbogens noch vereinigt sind. 
Da eine Entscheidung für eine dieser möglichen Erklärungen aus- 
geschlossen ist, verliert der Fall bei dem jetzigen Stande der Achsel- 
bogen-Frage zunächst jegliche Bedeutung für deren Aufklärung. 
| Böse geht weiter und knüpft an den vorigen Fall den auf 

Fig. 4 abgebildeten an und bringt beide in genetischen Zusammen- 
hang. Es handelt sich um einen Latissimus mit verbreitertem freien 
_ Rande. Dieser geht in einen Sehnenbogen über, welcher von der 
_ Latissimus-Endsehne zur Fascie des Oberarmes und Achselhöhle bis 
_ zum Pectoralis major ausstrahlt. Der mit dem Sehnenbogen ver- 
_ einigte Randteil des Latissimus ist etwa 2 cm breit. Auch hier kann 
die Möglichkeit zugegeben werden, daß der Latissimus, wie Böse 
n annimmt, ohne jegliche Beziehungen zu einem muskulösen Achsel- 


i 


530 Georg Ruge 


bogen sich befinde, daß er von sich aus den Verband mit dem Peecto- 
ralis major in sich trage. Diese Möglichkeit kann zugegeben werden, 
da ein muskulöser Achselbogen fehlt. Es kann aber. ebensowenig 
bestritten werden, daß ein solcher in irgend einer Weise angelegt und 
der Vermittler für die Überleitung des Latissimus-Randbündels zum 
fraglichen Sehnenbogen gewesen sei, und zwar aus dem schwer- 
wiegenden Grunde, weil der Sehnenbogen nach Art der Verbindung 
mit dem Peetoralis major und dem Randbündel des Latissimus sowie 
durch seine Ausbreitung als ein sehnig umgewandelter Achsel- 
bogen, aus dem Haut-Rumpf-Muskel hervorgegangen, sich kundgibt. 
Denkt man sich den muskulösen Achselbogen der Fig. 25 zur Sehnen- 
platte umgewandelt, so kommt in allen wesentlichen Dingen ein 
Verhalten zustande, mit welchem Böse operiert. Ich halte es zum 
mindesten für wahrscheinlicher, daß Böses Fall III (Fig. 4) die Ver- 
bindung des Latissimus mit einem Restbestande des Haut-Muskels 
darstelle, als daß er einer primitiven Latissimus-Anlage entspreche. 

Böse geht noch einen Schritt weiter. Er erklärt auch jene ab- 
gespaltenen Randbündel des Latissimus, welche ohne Vermittlung 
eines Sehnenbogens direkt in die Oberarm-Fascie übergehen, 
wenigstens zum Teil als Reste einer früheren Ausbreitung des 
_ Latissimus in das Peetoralis-Gebiet. Böse meint (S. 598), man müsse 
die aus dem Latissimus direkt, ohne Zwischensehne hervorgehenden 
Formen als ursprünglich diesem Muskel eigen, als der tiefen Muskel- 
schicht angehörig ansehen. Ich gehe auf die vergleichend-anatomische 
Begründung hier nicht näher ein. Böse entnimmt sie aus dem Ver- 
halten beim Meerschweinchen, Kaninchen und Hunde. Ich halte 
mich streng an die in Betracht kommenden, menschlichen Befunde. 

Nach Böse bestehen zwei verschiedene Grundformen für den 
Achselbogen. Entweder ist er ein Rest des Pannieulus carnosus, oder 
er läßt sich auf die frühere Ausbreitung des Latissimus dorsi in das 
Peetoralis-Gebiet zurückführen. Jede Form kann für sieh bestehen; 
beide können aber auch nebeneinander oder zur Bildung des Achsel- 
bogens vereinigt vorkommen. Nach diesen Anschauungen werden 
nun verschiedene anatomische Beobachtungen beurteilt, von denen 
in der Tat einige einwandfrei, allerdings in einem ganz andern 
Sinne, gedeutet werden können. Es seien die folgenden hervor- 
gehoben. 

1. Die in den Achselbogen gelegentlich übergehenden Bündel 
der Pars abdominalis des Peetoralis major werden durch Böse mit 
dem Randstreifen des Latissimus dorsi zusammengefaßt und als 


a ee ra 
ie . Kr Bra nus ur Be & 


Nr. aa 


Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 531 


Rest einer ursprünglich innigeren Verbindung von Latissimus und 
Pectoralis-Gruppe gedeutet (l. ce. S. 599). Hiergegen ist einzuwenden, 
daß ein ausgebildeter Haut-Rumpf-Muskel der Primaten sich wohl 
anschließt an die Pars abdominalis der Pectoralis-Gruppe, mit welcher 
er die gleiche Insertion, gleiche Innervation und gleiche Lage am 
Abdomen teilt, daß er aber in diesem primitiven Verhalten gar keine 
Gemeinsamkeit mit dem Latissimus dorsi besitzt. Diese stellt sich 
erst als ein Sekundärzustand beim Menschen gelegentlich ein. Ein 
primitiver Zusammenhang von Pars abdominalis und Latissimus ist 
bei allen Primaten unbekannt. 
2. Selbst die Abdominalportion wird durch Böse der tiefen 
Schiehte und nicht dem Hautmuskel zugerechnet. Hiergegen ist 
geltend zu machen, daß die Abdominalportion, sobald sie als solehe 
eine innigere Verbindung mit dem Pectoralis major eingegangen ist, 
eine oberflächlichere Lage am Oberarme einnimmt als der Haut-Rumpf- 
Muskel. Letzterer schließt sich nach der Assimilierung der Pars 
abdominalis mit dem Pectoralis major viel inniger dem Pectoralis minor 
auf Grund seiner Lage an. Das wird bei niederen Primaten mit 
einem Haut-Rumpf-Muskel, das wird beim Menschen nach Umbildung 
des letzteren zu einem Achselbogen angetroffen (vgl. Fig. 1 und 2). 
Niemals nimmt die Abdominalportion eine tiefere Lage als der Haut- 
muskel ein. Besteht ein solcher, so fehlt ein Achselbogen, wie wir 
ihn beim Menschen finden, und es fehlt ein Übergreifen des Latissi- 
mus in das Pectoralis-Gebiet. Diese Dinge stellen sich erst als 
differente menschliche Zustände ein. 
3. Böse gibt zu, daß man die in der Fascie des Serratus anterior 
ausstrahlenden Muskelzüge auf den Panniculus carnosus zurückführen 
müsse. Er erklärt aber die von den Rippen oder der Abdominal- 
portion des Pectoralis major ausgehenden Muskeln als Differenzierungs- 
produkte der Peectoralis-Gruppe und hält diese Erklärung für ein- 
facher als die einer sekundären funktionellen Hypertrophie eines 
 Hautmuskelteiles. Hiergegen ist hervorzuheben, daß das Wesen der 
_ ganzen Frage hierdurch gar nicht berührt wird. Das Wesentliche 
besteht eben darin, daß der Haut-Rumpf-Muskel ursprünglich auf 
das unmittelbarste an die tiefe Schichte der Pectoralis-Gruppe. 
sich anschließt, daß wir von der Abdominalportion erst nach statt- 
u ndener Anlehnung eines oralen Abschnittes an den oberfläch- 
‚liehen »Pectoralis major« reden können. Die Abdominalportion 
bleibt für den Morphologen die Brücke zwischen Haut-Muskel und 
Pectoralis-Gruppe. Der Begriff eines Haut-Rumpf-Muskels wird 


Eee ee 


532 Georg Ruge 


durch die subeutane Lage gegeben. Der Muskel kann Beziehungen 
zum Skelete erwerben. Die Verbindungen mit den Dornfortsätzen 
der Wirbel ist weit verbreitet. Ein an Rippen festgehefteter Muskel- 
teil, beim Menschen zugleich der Abdominalportion des Peetoralis major 
angeschlossen, kann diese Skelet-Verbindung wohl erst später erworben 
und ohne diese eine Zwischenstufe zwischen Peetoralis und Haut- 
muskel abgegeben haben. Die auf dem Serratus anterior aus- 
laufenden Muskelzüge entstammen der gleichen Schiehte wie die 
Abdominalportion und sind Zwischenglieder zwischen ihr und axillaren 
Resten des Haut-Rumpf-Muskels. Letzterer gehört aber seiner Ab- 
stämmung nach zum Pectoralis-Gebiet. Die Abdominalportion des 
Peetoralis major ist also ebenso wie der ganze Haut-Rumpf-Muskel 
ein Differenzierungsprodukt der Pectoralis-Gruppe. Sobald Teile der 
Abdominalportion auf die Rectus-Scheide beckenwärts herabreichen 
oder weit lateralwärts ausgreifen und dabei auf den Serratus 
anterior zu liegen kommen, so gelangen sie in das Gebiet des 
Haut-Rumpf-Muskels und sind als Reste eines solehen zu bezeichnen. 
Bündel der Abdominalportion können dabei den gleichen morpho- 
logischen Wert wie die auf dem Serratus auslaufenden besitzen. 

4. Die aus dem Latissimus dorsi direkt, ohne Zwischensehne 
hervorgehenden Achselbogen-Bündel sollen dem Latissimus zugehören 
und aus einem primitiven Zusammenhange zwischen ihm mit dem 
Pectoralis-Gebiete ’erhalten sein. Es ist möglich, daß derartige 
Formen vorkommen. Der Nachweis ihrer Existenz ist noch nicht 
geführt. Sicher aber ist, daß Bündel eines Haut-Rumpf-Muskels sich 
so innig dem Latissimus-Rande anschließen können, um den Ein- 
druck von durchlaufenden Latissimus-Bündeln vorzutäuschen. Der 
hier mitgeteilte Befund hat dies zeigen sollen. Die Fig. 10 in 
Böses Aufsatze ist in schematischer Darstellung gegeben; sie 
kann keinen Aufschluß über die Natur der »Randbündel« des 
Latissimus geben, da die für die Frage in Betracht kommenden Zu- 
stände unbekannt geblieben sind. 

5. Wenn ein muskulöser Achselbogen durch eine Zwischensehne 
in zwei Abschnitte zerlegt ist, so soll hier ebenfalls der Latissimus- 
teil dem Reste einer früheren Ausbreitung des Latissimus in das 
Pectoralis-Gebiet entsprechen (l. e. S. 599). Latissimus und Panni- 
eulus carnosus seien zur Bildung eines Achselbogens vereinigt. Die 
Unhaltbarkeit der Annahme von einer ursprünglichen Latissimus- 
Ausdehnung hat durch die Analyse des oben dargestellten beider- 
seitigen Achselbogens klargestellt werden sollen. Die Loslösung von 


Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 533 


Randbündeln des Latissimus dorsi und deren Verschmelzung mit 
axillären Teilen eines Haut-Rumpf-Muskels zu einem Achselbogen 
sind nach meiner Erfahrung immer sekundärer Natur. Wie weit 
aber das sekundäre Übergreifen des Latissimus dorsi gegen die 
Insertionsstellen der Peectoralis-Gruppe (Crista tubereuli majoris, 
Tubereulum majus, Coracoid und Oberarm-Fascie) vorschreiten könne, 
müssen neue, gut beglaubigte Tatsachen lehren. Bei der Aufnahme 
derselben wird die genaue Berücksichtigung bestimmter Einrichtungen 
in ähnlicher Weise gefordert, wie sie für unsern Fall erforderlich 
gewesen ist. Die Fragestellung für Herkunft und Umwandlung des 
Achselbogens ist eben bestimmter geworden, wodurch für die Unter- 
suchung größere Genauigkeit gefordert wird. Nur sie kann noch 
auf diesem Gebiete einen Fortschritt bringen. So steht es z. B. auch 
bezüglich des sehnigen LAngerschen Achselbogens. 


Wir können vermuten, er sei auf dem Boden des Hautmuskels 
entstanden. Es sind aber auch andre Entstehungsarten denkbar. 
Es kann sich ja zuweilen um eine selbständige Bildung einer Faseie 
handeln, und warum sollte gelegentlich nicht auch der Latissimus 
dorsi Anteil an einem axillaren Sehnenbogen nehmen? Der Einzel- 
fall muß hier Aufschluß geben. 


. F. Heipericm! behandelt den muskulösen und den sehnigen 
Achselbogen. Er hält die sehnige Form für den letzten Rest des 
bisweilen vorkommenden muskulösen Achselbogens. Diese Ansicht 
hat durchaus nichts Befremdendes. Ich trage auch kein Bedenken, 
alle aponeurotischen Achselbögen, deren Fasern zur Insertion der 

 Peetoralis-Gruppe, also zur Crista tubereuli majoris bis zum Coracoid 
hinauf zu verfolgen sind, für letzte, sehnig umgewandelte Reste 
muskulöser Achselbögen anzuerkennen. Geht der aponeurotische 
Charakter mehr und mehr verloren, so wird sich schließlich eine 
Bindegewebsmembran einstellen, die als eine Art Fascie ebenfalls 
dem muskulösen Achselbogen die Entstehung verdanken kann. 
_ Weitere Rückbildung werden Bindegewebsteile in der Achsel hinter- 
lassen können, welche in die Nachbarschaft sich verlieren und, der 
_ scharfen Begrenzung entbehrend, kein Urteil über die morphologische 
_ Wertigkeit mehr gestatten. Eine Gruppe der muskulösen Achsel- 
_ bögen, als Ausgang für die vielen Variationen aponeurotischer 


F 
: 1 Die Faseien und Aponeurosen der Achselhöhle, zugleich ein Beitrag 
_ zur Achselbogenfrage. Anat. Hefte. XXX. Bd. Heft 92. 1906. Wiesbaden. 
8. 519-557. 


534 Georg Ruge 


Bildungen genommen, ist nach F. HeıperıcH der Rest der bei andern 
Siugern normal vorkommenden, pectoralen Portion des Latissimus 
dorsi. Diese Art der muskulösen Achselbögen des Menschen hat 
nach HEIDErRICH mit dem Pannieulus earnosus der übrigen Säuger 
nichts zu tun. Ich halte diese Deutung nach den obigen Aus- 
führungen für unrichtig. Es ist durch HEıperıcHh kein einziger 
zwingender Grund vorgebracht worden, welcher die von ihm be- 
sproehenen Formen von Achselbögen anders geartet zeigt als die auf 
dem Boden eines Haut-Rumpf-Muskels entstandenen. Es handelt 
sich nur um eine einzige große Gruppe, deren Glieder an Umfang und 
Gestaltung sehr erheblich sich voneinander unterscheiden können. 
Die verschiedenen Meinungen stehen sich schroff gegenüber, und so 
werden wohl auch die Fehler der Deutung und Beobachtung hier 
oder dort aufzudecken sein. 

Auf Grund welcher grundlegenden Tatsachen deutet nun 
F. HEıpDERICH die eine Gruppe des Achselbogen-Muskels für den Rest 
einer peetoralen Portion des Latissimus dorsi? Er beschreibt einen 
sehr ausgesprochenen Fall von muskulösem Achselbogen (l. e. Fig. 7, 
S. 540), leitet von ihm eine Reihe andrer Formen ab und vergleicht 
ihn mit einem Befunde bei der Katze. Menschlicher und Katzen- 
befund gleichen nach HeipericH einander so vollkommen, daß beim 
Vergleiche menschlicher Bildungen auf die der Carnivoren zurück- 
gegangen wird. Es darf nun wohl zugegeben werden, daß ein Be- 
fund bei der Katze unter Umständen ein sehr wertvolles Vergleichs- 
objekt sein könne. Die Muskulatur der oberen Extremität der 
Feliden dürfte jedoch ihre Besonderheiten besitzen. Das Schlüssel- 
bein der Feliden ist rückgebildet, die Finger sind krallentragend. 
Die Peetoralis- und Latissimus-Gruppe haben an Halt zu ersetzen, 
was durch das rückgebildete Schlüsselbein verlorengegangen ist. 
Die Katzen klettern; ihre Vordergliedmaßen verleihen ihnen den 
Raubtiercharakter in höchster Spezialisierung. Sie erhaschen ihre 
Beute im Sprunge und besitzen eine außerordentlich große Bewegungs- 
freiheit und Kraft in ihren vorderen Gliedmaßen. Die Muskulatu 
ist diesem Wesen natürlich auf das innigste angepaßt. Die An 
ordnung von Pectoralis und Latissimus dorsi einer Katze kann un 
möglich eine primitive Erscheinung sein. Mensch und Katze direk 
miteinander zu vergleichen, verbietet uns ja so mancherlei, daß de 
Versuch, diese ihrem ganzen Wesen nach verschiedenen Säugetiere un 
mittelbar nebeneinanderzustellen, ein bedenkliches Wagnis zu heiße! 
ist. Liegen einmal überraschende Übereinstimmungen vor, so wird ma’ 


Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 535 


zur Vorsicht gemahnt. Es wird zunächst zu erwägen sein, ob es 
sich um Einrichtungen handele, welche allen Säugetieren zukommen, 
oder, wenn dies nicht der Fall ist, ob etwa Convergenzbildungen 
vorliegen. Heiperich hält ohne besondere Prüfung der Feliden- 
Organisation alle Zweifel an der Übereinstimmung des Achselbogens 
von Mensch und Katze für ausgeschlossen. Meine Meinung unter- 
scheidet sich dem ganzen Wesen nach von der HeivericHs. Ich 
halte Heıpericuhs Methode der Interpretation für falsch. Für Ver- 
gleichungen müssen in allererster Linie und ausnahmslos zunächst die 
einander verwandten Formen herangezogen werden. Im natürlichen 
Systeme stehen aber die Simiae und Prosimiae dem Menschen am 
nächsten. Als Primaten gehören sie zusammen. HEIDERICH nimmt 
hierzu eine höchst bedenkliche Eigenstellung ein. Die Primaten lassen 
uns, so sagt er aus, bei der Deutung des muskulösen Achselbogens 
des Menschen völlig im Stiche (1. e. S. 545). Der offenbar zu speziel- 
leren Bewegungen weiter entwickelten Muskulatur der oberen Ex- 
tremität wird die Schuld zugemessen. Ob HEIDERICH den Menschen 
zu den Primaten zählt, erfahren wir nicht. Jedenfalls löst er ihn bei 
den vergleichenden Erwägungen von Affen und Halbaffen los und bringt 
ihn mit den Carnivoren und unter ihnen sogar mit den meist 
spezialisierten Feliden in engeren Verband. Dieses Vorgehen steht 
heutzutage wohl vereinzelt da. Würde es Nachahmer finden, so wäre 
es vielleicht geboten, auf die Verirrung einer derartigen Ver- 
gleichung genauer einzugehen. Eine Verirrung aber liegt fraglos 
or, da der Sprung vom menschlichen Bau auf den der Carnivoren 
ein Sprung ins Ungewisse ist. Wir fordern zunächst die Ableitung 
der spezialisierten Organisation der Feliden vom primitiven Säugetier- 
Bauplan, bevor wir den Vergleich mit andern spezialisierten Formen 
für statthaft halten. 
Es ergibt sich ohne weiteres, daß HEIDERICH andre Anschau- 
ungen vertreten muß, als derjenige, welcher die Vorgänge am 
muskulösen Achselbogen innerhalb der Primaten genauer studiert 
hat und deren Ordnungen verwandtschaftlich zusammengehörend er- 
_ achtet. 
» Der Latissimus dorsi der Primaten dehnt sich in das Gebiet der 
‚ Pectoralis-Gruppe ursprünglich nicht aus. Er inseriert als ein dorsaler 
Muskel der Gliedmaßen an den für die Dorsalmuskulatur bestimmten 
Flächen des Oberarmes. Er ist durch die vorderen Oberarm-Muskeln 
_ (Biceps, Coraco-brachialis) von den Insertionsflächen der Pectoralis- 
_ Gruppe getrennt. Dieses primäre, für alle Säugetiere geltende Ver- 
». Morpholog, Jahrbuch. 41. 35 


f 
% 


536 Georg Ruge 


halten kann abgeändert werden, z. B. bei der Katze (s. HEIDERICH), 
ob ohne Zutun des Haut-Rumpf-Muskels, ist unbekannt. Festzustellen, 
wie diese Abänderung zustande kommt, ist eine dankbare Aufgabe 
der vergleichenden Anatomie. Die primäre Anordnung kann auch 
beim Menschen in einen sekundären Zustand übergeleitet werden; 
aber nur unter Vermittelung von axillaren Resten des Haut-Rumpf- 
Muskels. Es handelt sich bei Feliden und beim Menschen, bei weit 
voneinander abstehenden Formen, vielleicht um ganz verschiedenartige 
Vorgänge, welche immerhin zu scheinbar gleiehartigen Befunden 
führen können. Als Convergenzerscheinungen erhalten sie ihren Wert. 

Alle Einzelbeobachtungen, soweit sie interpretationsfähig 
sind, behalten ihre Bedeutung für die umstrittenen Erklärungen. 
Von den durch HEIDERICH mitgeteilten neuen Beobachtungen ist die 
auf Fig. 7 abgebildete die wertvollste. Sie ist photographisch wieder- 
gegeben und genauer beschrieben. Sie ist in der Tat eigenartig. 
Dies Eigenartige verlockte zur Vergleichung mit Formen, welche mit 
der menschlichen direkt nichts Gemeinsames haben. 

Der Befund zeigt folgendes. Ein platter Muskel schließt an 
den Seitenrand des Latissimus dorsi an. Ein schmaler, deutlicher 
Spalt trennt beide. Der Faserverlauf beider ist ein paralleler. Die 
dem Latissimus anliegenden Bündel inserieren an der Latissimus- 
Sehne. Die oralwärts folgenden Bündel gelangen zu einem Sehnen- 
bogen, welcher vom Rande des Latissimus dorsi zur Unterfläche 
des Peetoralis major und zum Coracoid sich ausdehnt. Vordere 
Randbündel ziehen direkt zum Coracoid. — Der abnorme Muskel 
füllt den Raum zwischen Latissimus und Pectoralis major aus; er ist 
caudal durch einen breiten Zwischenraum von letzterem getrennt und 
verschwindet eranialwärts unter ihm. 

Wie der abnorme Muskel sich am Rumpfe verhält, ob er frei 
ausläuft oder an Rippen befestigt ist, ist nicht angegeben. Das 
Verhalten des Pectoralis minor ist nicht erwähnt. Da der abnorme 
Muskel bis an das Coracoid heranreicht, muß irgendwelche Be- 
ziehung zum Pectoralis minor bestanden haben. Diese Beziehung 
ist vielleicht eine derartige gewesen, daß sie die Zusammengehörig- 
keit beider hätte erkennen lassen. Auch die Innervation ist unbe- 
kannt geblieben. Mithin blieb an dem Falle nur übrig, einem Muskel 
eine Deutung zu geben, weleher vom Coracoid und distalwärts von 
ihm an der unteren Sehnenfläche des Peectoralis major ausging und 
unter Verbreiterung seines Bauches den Anschluß an den Seitenrand 
des Latissimus fand, wobei der zur Sehne des letzteren ziehende 


Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des Menschen. 537 


Abschnitt des abnormen Muskels einen scharfgeschnittenen Sehnen- 
bogen bildete, welcher über Gefäße und Nerven der Achselhöhle 
sich erstreckte. 

Dieser im Wesen so einfache Muskel ist durch HEIDERICH als 
eine peetorale Portion des Latissimus dorsi gedeutet. Hierfür ist 
kein einziges sicheres Merkmal angeführt worden. Die bloße Er- 
scheinung sollte schon die Erklärung sein. Nicht einmal die Inner- 
vation hat für die Deutung des Befundes ins Feld geführt werden 
können, welcher sogar auf die Carnivoren-Organisation zurückweisen 
soll. Das ist zu wenig für die Interpretation eines in der Er- 
klärung umstrittenen Sachverhaltes. Die Möglichkeit indessen, daß 
HEıpericHhs Auffassung von der Latissimus-Natur des abnormen 
Muskels richtig sei, gebe ich zu. Aber auch nicht mehr. Denn es 
besteht die andre Möglichkeit der Deutung, daß der Seitenteil eines 
Haut-Rumpf-Muskels sich erhalten und an den Latissimus sich enger 
angeschlossen habe. Dabei können Randbündel des letzteren los- 
gelöst und zum Sehnenbogen in Beziehung gelangt sein. Zugunsten dieser 
Deutung könnte der vom Autor angegebene deutliche Spalt zwischen 
Latissimus und abnormem Muskel angeführt werden (l. ec. S. 539). 
Vor allem aber fällt folgender Erscheinungskomplex zugunsten dieser 
Erklärung ins Gewicht. Der Ausgang des fraglichen Muskels vom 
Coracoid und von der unteren Fläche der Endsehne des Pectoralis 
major sowie der Verlauf zur seitlichen Rumpffläche sind die durch- 
gehenden Eigentümlichkeiten eines von der Peectoralis-Gruppe ab- 
stammenden Hautmuskels. Die starke Entfaltung des abnormen 
Muskels spricht dabei selbstverständlich nicht gegen letztere Deutung, 
‚und der enge Anschluß an den Seitenrand des Latissimus ist für 
Reste eines Haut-Rumpf-Muskels gar nichts Ungewöhnliches. Um 
den Zweifler an dieser Tatsache zu belehren, diene der oben mit- 
geteilte, aufklärende Fall. — Eine dritte Möglichkeit der Deutung 
"ist die, daß Teile eines Hautmuskels und losgelöste Latissimus-Rand- 
bündel im fraglichen Gebilde enthalten seien, etwa ähnlich wie im 
‚oben geschilderten Verhalten. Das läßt sich aber nachträglich aus 
der Vorlage schlechterdings nicht entscheiden. Wenn es aber der 
"Fall sein sollte, so wäre die Überleitung der Latissimus-Teile durch den 
_ Hautmuskel in einer nicht mehr zu eruierenden Weise zustande ge- 
kommen. Dieser besitzt am Coracoid und an der Crista tubereuli 
majoris für alle Säugetiere primäre Stätten der Anheftung; während 
der »dorsale« Latissimus diese »ventralen« Skeletinsertionsflächen, 
auf welchem Wege auch immer, erst zu erwerben hat. 

30* 


538 Georg Ruge. Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend usw. 


HEIDERICH hat bei seinem Befunde nicht alle Möglichkeiten der 
Deutung erwogen, bei der Anwendung der vergleichenden Methode 
aber eine sehr schiefe Bahn betreten. 

Die bei Heıperıcn auf Fig. 9 und 11 abgebildeten Fälle sind 
so schematisch und ungenau gehalten, daß aus ihnen für die Förderung 
der Achselbogenfrage nichts Neues erschlossen werden kann. Wir 
verfügen über viel bessere Beispiele für diese Arten von Achsel- 
bögen, welche allerdings unter ganz andern Gesichtspunkten eine 
Besprechung erfahren haben. Es ist wahr, daß im Falle der Fig. 11 
ein Latissimus-Abschnitt zum Achselbogen gelangt; denn der N. 
thoraco-dorsalis versorgt ihn. Welche Bestandteile aber sonst noch 
im Achselbogen bestehen mögen, lassen weder Figur noch Be- 
schreibung erraten. Auf dem Gebiete des Achselbogens ist eben- 
so wie auf dem des Sternalis nur noch das zielbewußte Genaueste 
nutzbringend. 

Die Arbeit HEIDERICHs regt aufs neue die Frage an, wie weit 
der Latissimus dorsi nach Verbindung mit dem muskulösen Achsel- 
bogen, einem Derivate des Haut-Rumpf-Muskels sich an der Bildung 
eines Achselbogens beteiligen und zur Insertion der Mm. pectorales 
sich ausdehnen könne. Ein wohlverbürgter Fall in der Literatur, 
wo der Latissimus dorsi den ganzen Achselbogen bildet, ist bis jetzt 
unbekannt. Wird er einmal bekannt, so hat man ihn als Endglied 
und nicht als Ausgangspunkt der gesamten Reihe einzuschätzen. 
Das fordert nach dem jetzigen Stande unsrer Erfahrungen die ver- 
gleichende Anatomie der Primaten. Die Verfechtung einer gegen- 
teiligen Ansicht hätte viel Grundsätzliches zu stürzen, Neues aber: 
mit einem andern als bis jetzt verwendeten Materiale aufzubauen. 


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(Aus dem anatomischen Institut der Universität Zürich.) 


Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi 
an Achselbogenbildungen beim Menschen. 


Von 
Dr. H. Bluntschli, 


Privatdozent und Assistent am anatomischen Institut Zürich. 


Mit 8 Figuren im Text. 


Diesen Zeilen vorstehend findet sich ein Aufsatz meines ver- 
ehrten Chefs und Lehrers GEORG RugeE! abgedruckt, in welchen 
derselbe der Achselbogenfrage neuerdings seine Aufmerksamkeit 
schenkt und vor allem die grundsätzlichen Gesichtspunkte scharf 
zeichnet, unter welchen eine weitere Förderung des Problems zu er- 
warten steht. Dabei mußte er sich mit den Auffassungen einiger 
neuerer Autoren (vor allem Böses? und HEIDERICHs?) beschäftigen, 
welche auf Grund keineswegs vollständiger und absolut nicht ein- 
deutiger Beobachtungen für die Ableitung gewisser Achselbogen- 
zustände vom Latissimus dorsi eintraten. Trotzdem RugE bereits 
ausführlich das Irrtümliche in jenen Anschauungen auseinanderge- 
setzt hat, folge ich seiner Aufforderung, an Hand einiger selbständig 
gemachter Beobachtungen auf das Tatsächliche in der Latissimus- 
Achselbogenfrage einzugehen. Ich tue es in der Hoffnung, daß die 
nachfolgenden Beobachtungen dazu beitragen möchten, die ganze 
Frage dem Boden der Gegensätzlichkeiten und Mißverständnisse 
etwas mehr zu entrücken, als dies bisher bei einzelnen, nicht gerade 
tiefgehenden Arbeiten der letzten Zeit der Fall war. 


1 G. Rue. Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend des 
Menschen—» Achselbogen«, Morphol. Jahrb., Bd. XLI. 1910. $. 519—538. 

2 Böse. Über einige Muskelvarietäten, den Peetoralis major, Latissimus 
dorsi und Achselbogen betreffend. Morph. Jahrb., Bd. XXXII. S. 587—601. 
11 Fig. 1904. 

3 F. HeipericH. Über Fascien und Aponeurosen der Achselhöhle, zugleich 
ein Beitrag zur Achselbogenfrage. Anatom. Hefte. Abt. Arbeiten aus anat. 
Instituten. Bd. XXX, Heft 92. S. 517-557. 12 Abb. 1906. 


540 H. Bluntschli 


Daß in der Achselhöhlenregion des Menschen, sowie in der 
seitlichen Brustregion, eine oberflächliche, dem Pannieulus carnosus 
zahlreicher Säugetiere homologe Muskulatur, in im einzelnen sehr 
wechselnden Erscheinungsbildern feststellbar werden kann, dürfte 
durch die umfassenden Untersuchungen L. TOBLERS! und die aus- 
führliehen Darlegungen G. Ruses? einwandfrei bewiesen sein. Die 
nach den Anschauungen Böses und HEIDERICHS offene Frage ist nur 
die, ob alle Achselbogenbildungen auf Pannieulusreste rückführbar 
sind oder ob zweierlei grundsätzlich unterscheidbare Bildungen be- 
stehen, welche beide auf primitive, an sich aber gänzlich verschieden- 
artige, Verhältnisse hinweisen. Die Tatsache, daß Beziehungen 
zwischen Achselbogenbildungen einerseits, welche auf die Hautrumpf- 
muskulatur bezogen werden müssen und der Pectoralisgruppe ent- 
stammen, und Teilen des dorsalen® Latissimus dorsi anderseits 
vorkommen, ist längst festgelegt. Nicht immer bestehen diese 
nur in funktionell wohl wenig bedeutsamen, oberflächlichen An- 
lagerungen von Panniculuselementen an den breiten Rücken- 
muskel, sondern gar nicht so selten, wie dies schon TOBLEr (S. 500) 
deutlichst hervorhob, auch in funktionell wichtigen Verknüpfungen 
der beiden nachbarlichen Muskelgebilde. Durch diese Verbindung 
ist die Grundlage für die progressive Metamorphose gewisser 
Achselbogenbildungen gegeben, welche nur unter Annahme einer 
funktionellen Hypertrophie der ursprünglich gewiß zarten Panni- 
culuselemente zu recht kräftigen Muskelgebilden verständlich werden. 
Diesen Beziehungen zwischen Achselbogenbildungen und Latissimus 
dorsi nachzugehen und dieselben spezieller zu untersuchen, kann 
als eine durchaus zeitgemäße und erwünschte Aufgabe gelten. 
TOBLER ist auf diese Frage nicht näher eingegangen, hat uns aber 
nicht in Unklarheit darüber gelassen, daß er sich diese Verbindung 
als eine sekundär entstandene denkt (S. 501). GEHRI#, der eine 
sehr schöne Beobachtung mitteilt, pfliehtet TOBLERS Anschauungen 
bei und auch Ruge (1905, S. 496) denkt ähnlich Er gruppiert die 
Beziehungen zwischen Hautrumpfmuskel und Latissimus in drei 


! L. TOBLER. Der Achselbogen des Menschen, ein Rudiment des Panni- 
culus carnosus der Mammalier. Morph. Jahrb. Bd. XXX. S. 453—505, 27 Abb. 1902. 

2 G. Rue. Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere. — Der M. sternalis und 
der Achselbogen des Menschen. Morph. Jahrb. Bd. XXXIIl. 8. 379—531. 1905. 

3 Selbstverständlich nur auf die Gliedmaßen- und nicht auf die Rumpf- 
muskulatur bezogen. 

* K. Gzur1. Neue Beiträge zur Geschichte des Achselbogens des Menschen. 
Morph. Jahrb. Bd. XXXI. S.446—452. 2 Fig. 1903. 


Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi usw. 541 


Reihen. Die erste (primärer Achselbogen) charakterisiert sich 
durch Verwachsung der Pars axillaris des Hautrumpfmuskels, bzw. 
von Resten derselben, mit den Randbündeln des Latissimus. Eine 
Zwischensehne teilt beide Komponenten. Beim zweiten Typus (zu- 
sammengesetzter oder sekundärer Achselbogen) spalten sich 
Randbündel des Latissimus dorsi vom Muskelbauch ab und dehnen 
sich axillarwärts aus, wobei der primäre Hautmuskelachselbogen 
ihnen als Anheftung dient!. Die dritte Möglichkeit (tertiärer 
Achselbogen), die rein hypothetisch konzipiert ist und bisher nicht 
einwandfrei beschrieben wurde, würde durch weitere Ausbildung der 
Latissimusbündel und Auswachsen gegen die Pectoralis major-In- 
sertion bei gleichzeitiger Rückbildung des Hautrumpfmuskels zustande 
kommen müssen (Latissimus-Achselbogen). »In allen diesen Fällen 
wäre der Hautmuskelachselbogen der Ausgangspunkt für die Brücken- 
bildung zwischen Pectoralis und Latissimus.< Neuerdings haben, in 
Anlehnung an ältere Angaben von TestuT, EnDRES und LE DousLE 
(zitiert nach Ruge 1905, S. 501ff.), Böse und HEIDERICH den Anlauf 
zu andersartiger Auffassung der Verhältnisse genommen. Sie sprechen 
von Latissimusachselbögen, welche als Reste der bei Carnivoren und 
Nagern beobachteten peetoralen Portion des breiten Rückenmuskels 
zu gelten hätten. Ich kann es mir versagen, ihre Darlegungen genauer 
auszuführen, nachdem dies soeben in Rugzs Aufsatz (1910) eingehend 
geschehen ist. Es findet sich dort auch die genauere Begründung für 
die Ansicht, daß ihr Versuch als ein unglücklicher zu gelten habe. 
Wenn ich die Frage erwäge, wie jene Verfasser zu ihren Folgerungen 
kamen, kann ich mich des Schlusses nicht erwehren, daß ihnen der 
große und ungemein lehrreiche Eindruck fehlte, welcher sich dem 
Primatenforscher bei seinen Untersuchungen an den verschiedensten 
Organsystemen tagtäglich mit aller Macht aufdrängt: eine ein- 
heitliche Säugetiergruppe vor sich zu haben. Wenn er dann 
mit geschultem Auge eine Katze, einen Hund, ein Meerschweinchen 


oder Kaninchen — alles Tiere, auf die Böse und HEIDERICH ihre 


Folgerungen stützen — zergliedert, trifft er auf Schritt und Tritt 
grundsätzliche Differenzen, die an sich dem Ungeübten nicht be- 
sonders tiefgreifende zu sein scheinen, aber dem, der nun einmal 
die Zustände der Primatenlegion überbliekt und bei allen artlichen 
und individuellen Besonderheiten den durchaus einheitlichen Grund- 
charakter im Primatenbau, welcher sich sehr wohl vom Grundtypus 


i Hierher gehört der Fall GEHrı S. 451. 


542 H. Bluntschli 


der Säuger überhaupt unterscheiden läßt, erfaßt hat, zu auffallenden 
Unterschiedliebkeiten werden. Es liegt in der vergleichend-morpho- 
logischen Forschungsmethode, sofern sie Anspruch darauf machen 
will, über die inneren, verwandtschaftlichen Beziehungen der Orga- 
nismen zueinander etwas auszusagen, die Voraussetzung begründet, 
daß sie von reieher und auf allgemeinere Kenntnisse gestützter Er- 
fahrung über das zu vergleichende Material getragen sei, denn nur 
dann ist die Möglichkeit gegeben, eine Scheidung zwischen an sich 
wesensgleichen Befunden, welche zu wichtigen Dokumenten der 
Stammesgeschichte werden, und wesensähnlichen, weil durch 
konvergente Entwicklung bei einander durchaus fernstehenden Formen 
entstandenen Zuständen, durchzuführen. Ohne diese Einschätzung 
der Tatsachen auf Grund eines Erfahrungsschatzes der Forschung 
hört die vergleichende Anatomie auf, eine ernste Wissenschaft zu 
sein, — denn, wie CLAUDE BERNART treffend sagt, machen nicht die 
Tatsachen die Wissenschaft aus, sondern die Folgerungen und Schlüsse, 
die man aus den Tatsachen zieht. Vergleichende Morphologie zu 
treiben, ohne reiche eigene oder fremde Erfahrungen über das zu 
vergleichende Material in Berücksichtigung zu ziehen, muß als ein 
verfehltes Bemühen gelten, ganz dazu angetan, eine an sich treffliche 
und hochbedeutsame Forschungsrichtung zu diskreditieren. 

Nach diesen Überlegungen wollen wir dazu übergehen, das Tat- 
sachenmaterial über den Anteil des Latissimus dorsi an Achselbogen- 
bildungen genauer anzusehen. Dabei möchte ich von den eigenen Beob- 
achtungen ausgehen, die ich auf dem Züricher Präpariersaal machte. 

Abbildung 1 stellt eine starke Verbreiterung des Latissimus 
dorsi in die seitliche Thoraxregion dar, wobei es im Insertionsteil 
zu einer Gliederung der Muskelmasse in eine ventrale Partie und 
eine dorsale, letztere fortgesetzt in die reguläre Latissimussehne, ge- 
kommen ist. Der ventrale Teil heftet sich unter teilweiser Abbiegung 
der Muskelfasern an einen Sehnenstreifen fest, der auf der unteren 
Grenzlinie der Latissimussehne beginnt, als schmales Gebilde gegen 
den Coracoidfortsatz gerichtet ist und daselbst, wie nach lateral von 
dieser Stelle, in die den Musculus coraco-brachialis bedeekende 
Fascienlamelle ausstrahlt. Dabei läßt sich an dieser Insertionssehne 
eine Verstärkung am ventralen Rande, der zum Processus coracoides 
läuft, wie auch am lateralen, der gegen den Coracobrachialis und 
die Insertion des Peetoralis major ausstrahlt, feststellen, dazwischen 
ist die Sehne entschieden zarter. Die muskuläre Insertion an diesem 
Bandstreifen hat 3 cm Breite, der ventrale Insertionsteil des ver- 


Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi usw. 543 


breiterten Sehnenstreifens ist nahezu ebenso lang. Daß der ganze 
Muskel als Latissimus dorsi aufzufassen ist, erscheint mir zufolge 
der Innervation durch den N. thoraco-dorsalis undiskutierbar. 
Während im oberen Teil die Pars ventralis und dorsalis dieses 
Muskels deutlicher getrennt erscheinen, erfolgt nach unten von einer 
Höhe, die etwa der Horizontalprojektion der Serratusanheftung an 
der 5. Rippe entspricht, eine so innige Aneinanderlagerung beider 


Fig. 1. 


Proc. coracoides 


> Sehniger Achsel- 
bogen 


’ M.sternalis — Pars dors. ja M. 
latiss. 


—— —_ Pars a dorsi 


| \ | 


Ir. 


Sehniger Achselbogen mit ventraler Verbreiterung des Latissimus dorsi bei einem 47 jährigen Italiener, 
(Leichen Nr. 09/82.) 


Portionen, daß man von einem einheitlichen Muskel sprechen muß. 
E Durch Verfolgung der Faserrichtung läßt sich nachweisen, daß in 


_ die Pars ventralis noch ein Teil der Muskelzüge übergeht, der von 
der Ursprungsaponeurose des Latissimus stammt, ebenso die Rippen- 
 zackenfasern und einzelne oberflächliche Faserzüge, die auf der 
_ untersten Serratuszacke, sowie zwischen dieser und der obersten 
 Rippenzacke des Latissimus fascialen Ursprung nehmen. Die Pec- 
 toralismuskeln zeigten keine wesentlichen Besonderheiten, doch be- 
_ stand ein rechtsseitiger M. sternalis, welcher aus zwei Bündeln 
zusammengesetzt war, die in der Gegend des Angulus sternalis 


sehnig, in Zusammenhang mit rechts- und linksseitigen Pectoralis- 


544 H. Bluntschli 


fasern, entsprangen. Das mediale Bündel wird etwa in der Höhe 
des Unterrandes der 3. Rippe fleischig, ist recht kompakt und breit 
und inseriert an der Rectusscheide am Unterrand der Pars sterno- 
costalis des Peectoralis major, d. h. entsprechend der Höhe des 
5. Rippenknorpels. Das laterale Bündel macht eine starke Krümmung 
durch, es ist ein zarter schmaler Strang, der aus sehr feiner Sehne 
hervorgeht und auf jener Zacke des Pectoralis major fascial endet, 
welche sich an der Knorpelknochengrenze der 5. Rippe anheftet. 

Unsere Beobachtung zeigt reichliche Anklänge an Zustände, wie 
sie vor allem HEIDERICH beschrieb. Er hat in verschiedenen Figuren! 
die starke Ausdehnung des Latissimus dorsi auf eine Sehnenbrücke, 
»die sich vom Rande des Latissimus dorsi zur Unterseite des M. 
pect. major und zum Processus coracoides ausspannt« gesehen und 
auch für diese zum Teil ventral von den Achselhöhlengefäßen und 
Nerven inserierenden Muskelzüge gelegentlich eine dorsale Inner- 
vation festgestellt. Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich annehme, 
daß HEIDERICH meine Beobachtung seinen Latissimusachselbögen 
ohne weiteres beizählen würde. Für die Bewertung der Beobachtung 
wird nun die Frage von prinzipieller Bedeutung, ob die Latissimus- 
fasern zu jenem Sehnenbogen nur sekundäre Beziehung besitzen, ihn 
gewissermaßen nur als Brücke zur Wanderung ihres Angriffspunktes 
benutzten, oder ob der Sehnenbogen die eigentliche Endsehne der 
ventralen Latissimusportion von vornherein darstellt. HEIDERICH 
nimmt das letztere als bewiesen an, — ich hoffe zeigen zu können, 
daß erstere Auffassung, die schon von Rucz (1905, S. 497) auf Grund 
einiger älterer Beobachtungen vertreten ward, nach unseren heutigen 
Kenntnissen tatsächlich allein in Frage kommt. Das genaue In- 
sertionsverhalten unseres Falles tut zweierlei dar, 1. daß jene 
Sehnenbrücke auf den Vorderrand der Latissimussehne aufgelagert 
sein muß und nicht einen Teil derselben darstellt, wie der Verlauf 
der Sehnenfasern einwandfrei zeigt, 2. daß die Fasern der ventralen 
Latissimusportion sich alle, namentlich die hinteren, entgegen ihrer 
eigentlichen Verlaufsrichtung unter leichter Abbiegung nach ventral 
festheften. Letzteres kann wohl kaum als primitives Verhalten ge- 
deutet werden, denn gerade die Carnivorenzustände, auf die sich 
HEIDERICH beruft, widersprechen dem entschieden, ersteres scheint 
mir auch die Erklärung für jenen merkwürdigen Faserverlauf im 
sehnigen Teile muskulöser Achselbögen abzugeben, von dem HEIDERICH 


ı Fig. 7—11. 


Über die Beteiligung des Museulus latissimus dorsi usw. 545 


in seinen Fig. 8 und 9 Darstellungen gibt, die durchaus nicht den 
Charakter ursprünglicher Verhältnisse, vielmehr von sekundären 
Verschiebungen und Verlagerungen tragen. Schon dies weist darauf 
hin, daß jene Sehnenbrücke dem Latissimus dorsi ursprünglich 
fremd gewesen sein dürfte. 

Woher kann nun diese Sehnenbrücke (Aponeurotischer Achsel- 
bogen, LAnGERsS) stammen? Nach allem was bisher von mensch- 
lichen Varianten wie an Befunden niederer Primaten festgestellt 
werden konnte, liegt die Ableitung vom sog. axillären, muskulären 
Achselbogen, dem Rudiment eines zur Rückenhaut ziehenden Haut 
muskelteiles niederer Formen am nächsten. Nur wenn diese Ab- 
leitung mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnte, wäre an andre 
Dinge zu denken. Sie läßt sich aber in unserm Fall durchaus 
wahrscheinlich machen und durch andre Befunde direkt beweisen. 
In unsrer Beobachtung sprechen zwei oben erwähnte Punkte für die 
sekundäre Beziehung des Latissimus zu der Sehnenbrücke, ebenso 
wie die Tatsache, daß die Äste des N. thoraco-dorsalis erst tief unten 
in die Pars ventralis des Latissimus eintreten, was nach NussBAums! 
Beobachtungen auf ein Auswachsen dieser Partie des Latissimus nach 
eranial und ventral hinweist, es spricht für die ursprüngliche Haut- 
muskelnatur des Sehnenstreifens die Endausstrahlung gegen den 
Processus coracoides und die Fascienbedeckung der vorderen Arm- 
muskeln (Coracobrachialis, Biceps). Die Insertionsausdehnung des 
Pannieulus carnosus der Primaten ist in primitiven Zuständen (TOBLER) 
eine große, sie reicht von der Crista tubereuli majoris zur Fascie auf 
Biceps und Coracobrachialis und bis zum Rabenschnabelfortsatz. Die 
Mannigfaltigkeit im Insertionsverhalten muskulärer und sehniger 
Achselbogenbildungen beim Menschen beruht gerade auf dem im Ein- 
zelfall ungleichen Erhaltenbleiben ausgedehnterer Anlagen. Schon bei 
den Affen ist die Pars axillaris des Hautrumpfmuskels vielfach redueiert 
undan der Insertion verschmälert. Die letztere findet sich (vgl. TOBLER, 
S. 486), 1. entweder gemeinsam mit der Pectoralis major-Sehne, 
oder 2. von dieser getrennt an der Crista tubere. maj., oder 3. an 
der Faseie über der langen Bicepssehne, dem kurzen Bicepskopf und 
dem Coracobrachialis, in einzelnen Fällen strahlen die Insertions- 

fasern zum Humeruskopf, zur Gelenkkapsel und zum Processus 


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 eoracoides aus. 


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E ! NussBAum. Muskel und Nerv. Verhandl. d. anatom. Gesellschaft, Straß- 


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546 H. Bluntschli 


Für die Ableitung des sehnigen Achselbogens von Hautrumpf- 
muskelresten sprechen nun vor allem seine Beziehungen zu den 
lateralsten Teilen des großen Brustmuskels, zur sog. Portio abdo- 
minalis, die einer tiefen Pectoralisschicht entstammt, gelegentlich 
als Pectoralis quartus noch selbständig getroffen wird und sehr häufig 
noch intensivere Beziehungen zum Skelet vermissen läßt, d.h. erst 
sekundär zu einem Teil des Pectoralis major geworden sein dürfte. 
Für solche Verbindungen kann ich eine Reihe von Belegen beibringen. 

Ehe ich auf ihre Schilderung eingehe, sei in Kürze der Ein- 
teilung der Hautrumpfmuskulatur des Stammes, die sich 
stets von der tiefen Pectoralschicht herleitet und deshalb primär 
stets Beziehungen zum Peectoralis minor besitzt, gedacht. Diese tiefe 
Matrix der Pannieulusschicht deutet unzweifelhaft auf die sekundär 
erworbenen Beziehungen zur Haut hin!. Auf der Wanderung dieser 
Muskulatur kam es zur Überschichtung von andern Muskeln, die 
niehts mit der Genese der Hautrumpfmuskulatur zu tun haben. Die 
Ausdehnung erfolgte nach hinten und unten, durch die Achselhöhle und 
auf die Rückenmuskulatur (Pars axillaris et dorsi), sie erfolgte 
nach unten in die seitliche Thoraxregion und führte zur Über- 
schichtung über den Serratus anterior (Pars thoracalis lateralis), 
sie ging auch nach ventral und unten (Pars abdominalis). Diese 
Teile hängen vielfach kontinuierlich zusammen, ihre Unterscheidung 
im einzelnen ist nur dort durchführbar, wo es zu Trennungen kam. 
Von ihnen allen treten beim Menschen noch Reste in Erscheinung, 
auch hier aber sind wir bisweilen im Zweifel, ob wir Einzelbündel 
diesem oder jenem Teil zuzurechnen haben. So ist für Randfasern, 
die sich dem Latissimus anschmiegen, die Zugehörigkeit zur Pars 
dorsi oder zur Pars thoracalis lateralis nicht immer genau festzulegen. 
Es sind intermediäre Züge, die bei Erhaltensein einer Pars dorsi 
zu ihr, bei Bestehen einer Pars thoracalis lateralis (Fall BAscHo?) 
zu dieser gezählt werden können. Deutlicher gesondert ist in der 
Regel die Pars abdominalis. Sie wird durch Anlagerung an den 
Pectoralis major und Assimilierung durch diesen zu einer Portio 
abdominalis desselben mit mehr oder weniger deutlichen Skelet- 
anheftungen. Wir können also die ventralen Hautmuskelabkömmlinge 
(Pars abdominalis) in gewissen Gegensatz zu den dorsalen (Pars 


1 'TOBLER, ]. c. S. 462. 

? Bascuo, PaurA. Beobachtung eines Restes des Hautrumpfmuskels beim 
Menschen, Pars thoracalis lateralis desselben. Morph. Jahrb. Bd. XXXIII. 1905. 
S. 374—378, 


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Über die Beteiligung des Museulus latissimus dorsi usw. 547 


axillaris et dorsi, Pars thoracalis lateralis) bringen. Dieser Gegensatz 
charakterisiert sich auch im Insertionsverhalten, die Pars ventralis 
ist inniger dem Peectoralis major verbunden, die Pars dorsalis in der 
Regel noch weit näher in Beziehung zur tiefen Pectoralisschicht, 
dem Pectoralis minor. Eine Kreuzung der Faserrichtung im In- 
sertionsteil wird aus diesem Verhalten verständlich, sie besteht zum 
Teil schon bei niederen Primaten und prägt sich in interessanten 
Befunden beim Menschen auffallend deutlich aus. Wo sie fehlt, 
handelt es sich um Rückschläge auf ältere Zustände, wo die Pars 


Fig. 2. 


Nerv | zum Achsel- ” 
bogen u. zur Pars 
abdom. des Pect. maj. 
(aus Nn.thorac. ant.) 


Muskulöser Achsel- 
bogen 


N. intereosto-brach.”" 
(aus N, intercost.III) 


Pars abdominalis ” 
d. Hautrumpfmuskels 


Achselbogen eines 70jährigen Mannes aus dem Bezirk Andelfingen, Kanton Zürich (08/86). 


dorsalis und ventralis des Hautrumpfmuskels noch nicht voneinander 
geschieden waren. 

In TogLers Fig. 22 und 23 (S. 496 u. 498) sind Zustände er- 
kennbar, wo sich die Insertion der Pars abdominalis (bzw. Portio 
abdominalis des Peetoralis major) auf die Insertion der Pars dorsalis 
des Hautrumpfmuskels, die sich nicht rein muskulös erhalten, sondern 
zum größten Teil in einen langen Sehnenstreifen umgewandelt hat, 
verschoben findet. Hier reihen sich neue Befunde ein, die ich nun- 
mehr besprechen und in ihrer Bedeutung würdigen will. — Bei 
einem 7Ojährigen Manne (Abb. 2) traf ich einen schönen muskulösen 
Achselbogen, deutlich auf die Insertionssehne des Latissimus dorsi 
aufgelagert und durchbohrt vom N. intereosto-brachialis, wie dies 
so häufig angetroffen wird. Seine platte Insertionssehne schließt 


548 H. Bluntschli 


sich der Unterfläche der Peetoralis major-Insertion an, wobei sich 
ihr ein mediales Bündel der Pars abdominalis beigesellt, während 
sich ein laterales Bündel durch sehnige Faserzüge an der Fascien- 
bedeekung seines Unterrandes, nicht weit vom vorderen Latissimus- 
rande, anheftet. Diese Pars abdominalis charakterisiert sich auch 
im Ursprungsverhalten als dem Pectoralis major fremd, ihre sehnigen 
Fasern überkreuzen die untersten Ursprungszüge der Pars sterno- 
costalis genannten Muskels. Die Innervation des Achselbogens und 


Fig. 3. 
N. thorac. ant. aus N. cervic. VIII e 
«. thorac. I zu M. pect. min. u. N. thorac. ant. aus Nn. cervic. 
Pars abd. d. pect. ma). V—VII zu M. pect, ma). 


= Sehniger Achsel- 


bogen 
SE TT F-LL | "== Latissimusinser- 
M TG FE ZA l Il Il tion am sehnigen 
TFA Achselbogen 


CHTERE / , 
TTTE z % N! 
Il} 


” Pectoralis major 
port. abd. (Pect. 
quartus) 


Sehniger Achselbogen eines 35 jährigen Italieners. (09/77). 


des oberen Bündels der Pars abdominalis geschah durch Ästehen 
der Nn. thoracales anteriores, die Innervation des unteren Bündels 
konnte ich nicht feststellen, sie wird wohl vom selben Nerven er- 
folgt sein. Die ganze Beobachtung erinnert stark an TOBLERS 
Fig. 23 (S. 498). — Etwas anders lagen die Verhältnisse bei dem 
Italiener der Abb. 3. Ein muskulöser Achselbogen fehlt, dagegen 
besteht die Pars abdominalis des Pectoralis major aus zwei fleischigen 
Zügen, die sich an einer Sehnenbrücke befestigen, welche in ihrem 
ganzen Verlauf durchaus an den sehnigen Achselbogen unserer Fig. 1 
und den muskulösen unserer Abb. 2 erinnert und wohl mit Recht 


Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi usw. 549 


als sehniger Rest einer Pars dorsalis der Hautmuskulatur gedeutet 
werden darf. Ihre Auflagerung auf die Latissimussehne, wie der 
Übergang in die Fascie auf Biceps und Coracobrachialis mit teil- 
weiser Ausstrahlung zum Processus coracoides (ähnlich wie in 
ToBLers Fig. 23) spricht dafür. Auch hier ward die Innervation 
der Pars abdominalis durch Nn. thoracales anteriores und zwar 
durch einen dorsal vom Pectoralis minor verlaufenden und auch 
diesen Muskel innervierenden Zweig festgestellt. — Die Abb. 2 u. 3 
zeigen deutlich, wie die Pars dorsalis des Panniculus zur Brücke für 
lateralwärts wandernde Faserzüge der Pars abdominalis werden kann, 
und wir werden kaum fehlgehen, in diesen Verlagerungen die Aus- 
bildung funktionell wichtiger Verknüpfungen zweier Muskelteile zu 
sehen, die ursprünglich einander nur angelagert waren und daher 
aufeinander keine Wirkung auszuüben vermochten. Es fehlen jegliche 
Anhaltspunkte, solche Zustände als primäre auffassen zu können, — 
es müssen Fortbildungen sekundärer Natur sein, von denen wir 
nicht wissen, ob ihnen eine grundsätzliche prospective Bedeutung 
für die menschliche Art oder — was wahrscheinlicher ist — nur 
singulärer Charakter zukommt. Das Bedeutsame dieser Befunde 
für die Frage der Latissimusbeziehungen zum sehnigen Achselbogen 
erhellt ohne weiteres, zumal in Abb. 3 sich auch ein vorderer Teil 
der Latissimusfasern an diesem sehnigen Achselbogen angeheftet 
findet. Hier kann dieser Zustand nicht anders als ein sekundärer 
sein, und damit haben wir durch Rückschluß die einwandfreie Be- 
rechtigung gefunden, auch die große Ausdehnung des Latissimus auf 
den sehnigen Achselbogen unserer Abb. 1 durch eine sekundäre 
Überwanderung von Latissimuselementen auf einen vom Hautmuskel 
ableitbaren Sehnenbogen zu erklären, die wohl im Hinblick auf die 
funktionelle Tätigkeit des nunmehr an Wirksamkeit ergiebigeren 
Latissimus interessant erscheint, in morphologischer Hinsicht sich 
aber nicht als primitives Verhalten, wie HEIDERICH meinte, charak- 
terisiert. — In analoger Weise muß nunmehr das Latissimusverhalten 
unserer Abb. 4 aufgefaßt werden. Hier treffen wir eine starke Pars 
abdominalis (Peetoralis quartus) im Ursprung vollkommen selbständig 


‚dem Pectoralis major gegenüber, die von der 4.—6. Rippe fleischig 


entspringt und mit breiter, platter und zarter Sehne in Zusammen- 
hang mit der Crista tubereuli majoris wie mit dem Processus cora- 


‚eoides steht. Sie überkreuzt einen sehnigen Achselbogen von gleichem 
_ Verlauf, wie in unseren Abb. 1 und 3, an dem sich eine in den 


oberen Partien vom übrigen Latissimus gesonderte Pars ventralis 


550 H. Bluntschli 


des Muskels in den Seitenteilen des Unterrandes anheftet. Ungemein 
eigenartig ausgebildet zeigt sich in diesem Falle die tiefe Pectoralis- 
muskulatur der einen Körperseite. Der Pectoralis minor wird linker- 
seits durch zwei Muskeln repräsentiert, die beide relativ zarte Ge- 
bilde darstellen. Ein oberer beginnt mit zarten und zum Teil sehr 
langen Sehnenfasern von der 2.—6. Rippe und zieht als fleischiger, 
sich verschmälernder Muskelbauch zum Processus coracoides, wo er 
Fig. 4. 


M, pect. major M. pect. minor (Pars sup.) 


—— — M. pect. min, 
(Pars inf.) 


M. pector. quartus — 


M. latiss. pars ventr. — — 


Pectoralis quartus und sehniger Achselbogen mit Latissimusbeteiligung bei einem 73 jährigen Manne 
aus dem Kanton Zürich (Bezirk Uster). (09/69.) 


sich am Medialrand, direkt medial von der Anheftung des sehnigen 
Achselbogens befestigt. Ein zweiter Muskel verläuft ziemlich longi- 
tudinal, von der 5. zur 6. Rippe und wird von den sehnigen Ur- 
sprüngen des oberen in seinen lateralen Teilen überdeckt. Die Er- 
klärung dieser Verhältnisse bereitet Schwierigkeiten. Sie kann wohl 
kaum durch die Stammesgeschichte allein gefunden werden, wenig- 
stens fehlen zurzeit Angaben, auf welehe zurückzugreifen wäre. So 
liegt es nahe, an pathologische Bildungen in der Ontogenie zu denken, 
obgleich sich auch hierfür keine weiteren Anhaltspunkte ergeben. 
Sehen wir von diesen Zuständen der tiefen Peetoralisschicht ganz 
ab, so bietet der Befund Interesse vor allem durch die starke Aus- 


Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi usw. 551 


bildung des ebenfalls nur links vorhandenen Pectoralis quartus, 
welcher am Skelete ausgedehnte Ursprünge fand und vielleicht sich 
gerade deshalb so stark entwickelte, um die Aufgabe des redueierten 
und mißgebildeten Peetoralis minor erfüllen zu können, wobei selbst- 
verständlich die Anlage des Muskels nicht durch jene Verhältnisse 
bedingt, wohl aber seine Entfaltung aus der embryonalen Anlage 
dadurch gegeben gewesen sein dürfte. Die Möglichkeit, funktionell 
den Pectoralis minor zu ersetzen, dürfte auch der Grund sein, warum 
sich hier Insertionsbeziehungen des Pectoralis quartus (seu Pars 


Fig. 5. 


M. pect. minor — _ 


M. pect. maj. — — 


Selbstündige Pars“ 
abd. des pect. ma). 
(Pect. quartus) 


Pectoralis quartus (Pars abdominalis des Hautrumpfmuskels) bei einem 67jährigen Manne aus dem 
Kanton Zürich (Bezirk Affoltern) (04/64). 


abdominalis des Pannieulus) zum Processus coracoides erhielten, wie 


solche nicht so gar häufig getroffen werden und auf relativ sehr 


ursprüngliche Verhältnisse des Zusammenhangs von Pars dorsalis 
und ventralis des Panniculus hinweisen, wie dies schon oben skizziert 
wurde. — Auf solche’alte Zusammenhänge des Pectoralis quartus 
(Pars abdom. des Panniceulus) mit dem Pectoralis minor deuten nun 
auch Faserzüge unsrer Abb. 5 hin, welche sich vom oberen Rand 
der Pars abdominalis lösen und die zwischen den Insertionen von 
Peetoralis major und minor mit zarten Sehnenfasern ins Fettpolster 
‚der Achselhöhle ausstrahlen. 


Morpholog. Jahrbuch. 41. 36 


552 H. Bluntschli 


Sahen wir oben Beziehungen des Latissimus dorsi zum sehnigen 
Achselbogen sich in sekundärer Weise ausbilden, so gibt es noch 
eine zweite Gruppe von Zuständen, in denen der Latissimus Fort- 
bildungen in der Achselhöhlenregion erkennen läßt. Für diese 
mögen die Abb. 6 u. 7 als Beleg dienen. 

Es sind seit längerer Zeit Beobachtungen beim Menschen be- 
schrieben worden, bei welchen die Insertion des Peetoralis major 
auf die Faseie des Oberarmes oder bis herab zum Epiecondylus me- 
dialis verlängert erschien. Bald handelt es sich um isolierte 
Randbündel des Peetoralis, welche von unteren Rippen entspringen 
(Chondro-epitrochlearis DUvERNAY), bald um eine einheitliche Ver- 
breiterung der Insertion des Peetoralis major in sehr wechselnder 
Stärke und Ausdehnung (Testur!, Le DouBLE?. Diese Zustände 
werden meist auf tierische Zustände bezogen, wie sie sich in ähn- 
licher Ausdehnung bei niederen Säugetieren und unter den Primaten 
z. B. bei Hylobates finden (KOHLBRUGGE®). Es fehlt aber an ge- 
naueren Untersuchungen, speziell über die Beteiligung der Panni- 
culusabkömmlinge an diesen Pectoralisausdehnungen. Aus ver- 
schiedenen Gründen ist es wahrscheinlich, daß die Pars abdominalis 
des Hautrumpfmuskels beim Zustandekommen dieser Bildungen eine 
nicht unwichtige Rolle spielt. Auch beim Menschen stehen echte 
Panniculusachselbögen nicht selten in Verbindung mit solchen Pec- 
toralisrandbündeln zum Oberarm oder Ellbogen (TOBLER, Fig. 24, 
S. 499; Böse, Fig. 2, S. 589). Die bisher beschriebenen Befunde dieser 
Art zeigen muskulöse Achselbögen mit Ursprung von der Latissimus- 
sehne und Insertion an dem Sehnenstreif, welcher entsprechend dem 
Lig. intermusculare mediale zum medialen Ellbogenknorren zieht. 

Unsre Beobachtung Fig. 6 weist wesentlich andre Zustände auf. 
Sie läßt sich aber, wie mir scheint, doch mit jenen älteren Angaben 
in gewisse Beziehung bringen. — Bei einem 54jährigen Manne fand 
ich einen muskulösen Achselbogen mit Ursprung von einem langen 
(lateralen) Sehnenstreifen, der von der Fascie auf dem Serratus 
anterior ausging und aufs innigste der Latissimussehne angelagert, 
sowie an dieser adhärent, lateralwärts zog, um in die Fascie des @ 
Oberarmes an deren medialer Seite auszustrahlen. Die ee | 


! Testur, L. Les Anomalies musculaires chez l’homme. Paris 1884. p. 17ff. | 
? Le DousLe. Trait6 des Variations du Systeme musculaire de ’homme. 
Paris 1897. Tome I. p. 248ff. 
3 KOHLBRUGGE. Muskeln u. Nerven der Primaten. Verh. d. K. Akademie 
van Wetenschappen Amsterdam (Tweede Sektie) Deel V, Nr. 6. 1897. p. 60. 


Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi usw. 553 


Latissimusfasern hefteten sich an der Unterfläche dieses Stranges 
unter leichter Abbiegung nach ventral gerade an jener Stelle fest, 
wo von der Oberfläche des Streifens der muskulöse Achselbogen 
abging. Vom Unterrand des Pectoralis major her (Pars abdominalis) 
z0g ein feines Muskelband zum Oberrand des geschilderten Sehnen- 
zuges, und ich gewann durchaus den Eindruck, als ob ein vom 
Achselbogenursprung überdeckter Teil des Sehnenstreifens die direkte 
Fortsetzung dieses Muskelbündels darstelle. Ein zweiter mehr medial 
Fig. 6. 


Muskulöser Achselbogen M. pect. major. 


"N. intercosto-brach. 
aus N. interc. III 


Medialer —— 
Sehnen- 


ve IQ Zateral. Sehmenstreif 
streif 


—= 


— Aberrantess Bündel 
des Pect. major 
(Pars abd.d. Haut- 
rumpfmuskels) 


rn N M. latiss. dorsi 


Sehnenstreifen und Muskelzüge der Achselhöhle bei einem 54jährigen Manne aus dem Kanton Zürich 
Bezirk Bülach (09/8). 


und cranial gelagerter, schwächerer Sehnenstreif ging ungefähr 
parallel zum ersteren vom Außenrand des kleinen Brustmuskels aus 
und endete auf dem Fettpolster der Axilla. Am Pectoralis minor 
bestand eine. Verbreiterung der Insertion nach lateral vom Processus 
_ coracoides im Übergang einzelner Sehnenfasern in die Faseie auf 
_Coracobrachialis und Biceps. Die Insertion des muskulösen Achsel- 
bogens fand sich mit der Unterfläche des Peetoralis major verbunden. 
Es ist naturgemäß ein schwieriges Ding, eine so isoliert stehende 
Beobachtung morphologisch zu bewerten und einzuschätzen. Sichere 
Pfade können hier nicht beschritten werden, aber in hypothetischer 


36* 


E 


BETA 


554 H. Bluntschli 


Weise läßt sich vielleicht doch ein Urteil gewinnen. Es will mir 
scheinen, als ob in jenem zarten vom Peetoralis major-Unterrand 
ausgehenden Muskelband und im lateralen Sehnenstreifen sich die 
Reste jenes oben erwähnten Chondro-epitrochlearis erkennen lassen,. 
als ob der Latissimus, da dieser Sehnenstreif mit seiner Endsehne 
in innigsten Kontrakt kam (warum, bleibt fraglich), die Möglichkeit 
zur Abspaltung medialster Faserzüge und damit einen neuen An- 
griffspunkt seiner Wirkung bekam. Vielleicht ist darin der Grund 
zu sehen, daß ein muskulöser Achselbogen sich in so starker Aus- 


Fig. 7. 


Sehnenstreif _ _ _ 


Panniculus carno- — — — 
sus pars thor. 
lat. (2) 


M. latiss. dors.-- — — 


Starke Verbreiterung des Latissimus dorsi nach ventral bei einem 55jährigen Manne aus Oberbayern 
(09/90). 


bildung entfalten konnte (funktionelle Hypertrophie, der an sich 
wohl schwächeren Anlage). Die Lagerung des muskulösen Achsel- 
bogens auf dem lateralen und die Existenz des medialen Sehnenstreifens 
deuten aller Wahrscheinlichkeit nach auf recht starke Umbildungen 
der ursprünglich wohl anders gestalteten Anlage hin. — Obgleich 
der geschilderte Befund ein klarer und eindeutiger nicht genannt 
werden kann, habe ich ihn hier dargelegt in der Absicht zu zeigen, 
daß Verbindungen von Pectoralis- und Latissimusmuskulatur noch in 
andrer Art und Weise möglich und denkbar sind als jene, die in 
dem ersten Abschnitt dieser Mitteilung Besprechung fanden und die 
weit häufigere Vorkommnisse darstellen. 


Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi usw. 555 


Noch weniger in ihrer morphologischen Bedeutung klarzulegen 
sind die Zustände der Fig. 7, charakterisiert durch eine außer- 
ordentlich breite scheinbar in Kontinuität mit dem Latissimus stehende 
Muskelplatte, deren Ursprünge sich auf der Fascie des Serratus 
anterior finden und deren Faserzüge an einem schmalen Sehnen- 
streifen enden, welcher in schräger Richtung gegen die Latissimus- 
schne hinläuft, in der er am vorderen Rande verstreicht. Leider 
konnte ich die Innervation dieser Muskelbündel nicht feststellen. 
Es scheint mir nicht unmöglich, daß es sich hier nicht nur 
um eine Latissimusverbreiterung, sondern eventuell auch um Reste 
einer Pars thoracalis lateralis des Panniculus carnosus handelt. 
Der schräge Sehnenstreifen erinnert im übrigen stark an den 
lateralen Sehnenzug unsrer Abb. 6. Es wird in Zukunft darauf 
zu achten sein, wie sich beim Fehlen muskulöser und sehniger 
Achselbogenbildungen der Vorderrand des Latissimus dorsi verhält. 
Man findet nämlich nicht ganz selten auch in solchen Fällen einige 
Randfasern mit fascialem Ursprung und fascialer Insertion. Ob es 
immer Rudimente des Pannieulus sind, muß erst genau festgestellt 
werden, die Möglichkeit von Abspaltungen aus dem Latissimusgebiet 
ist, nach den Erfahrungen, die wir im obigen darlegen konnten, 
nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, aber nur durch genaue 
Einzelbeobachtungen zu erhärten. 


Zweifellos eine Pars thoracalis lateralis des Hautrumpfmuskels 
liegt in der Beobachtung vor, welcher unsre Fig. 8 nachgebildet 
wurde. Es handelt sich wieder (3mal unter den 8 geschilderten 
Fällen, was bei der Zusammensetzung des Züricher Leichenmaterials! 
eine durchaus auffällige Erscheinung ist) um die Leiche eines 
Italieners. Pectoralis major und minor, wie der Latissimus boten 
keine Besonderheiten. Auffallend ist ein zartes, fleischiges, plattes 
Muskelband, welches in geringem Abstand vom Vorderrand des 
breiten Rückenmuskels verläuft. Die lateralsten Fasern endigen mit 
zarten Sehnenzügen im Fett der Achselhöhle, dann folgen nach 


_ ventral zwei Fleischbündelehen, die ich leider abgeschnitten vorfand, 


| 


| 


ß 


wie dies bei Präpariersaalbeobachtungen leicht vorkommt, die aber 
_ vermutlich mit zwei feinen höher oben auf dem Fettpolster lagernden 


sehnigen Fäserchen zusammengehangen haben werden, und endlich 


1 Vgl. BLuntschLı. Beiträge zur Kenntnis der Variation beim Menschen 
Iu.Il. Morphol. Jahrb. Bd. XL. S.204ff. _ 
% 


— 


556 H. Bluntschli 


ein breiterer, am meisten ventral gelegener Zug, welcher in ein 
deutlich begrenztes Sehnenband sich fortsetzt, das ventralwärts um- 
biegend über die zweite Rippe läuft, dann sich über die erste Rippe 
brückenartig frei vorschiebt und in die Fascia coraco-elavieularis und ° 
zur Clavieula ausstrahlt. Ihm gesellen sich einzelne Sehnenzüge 
von der zweiten Rippe und dem ersten Intercostalraum bei. Die 
Beziehung des Hautmuskelrestes dieser Beobachtung zur tiefsten 
Pectoralislage ist evident, sehr eigenartig und zunächst kaum er- 


Fig. 8. 


Proc. coracoides 


Fascia coraco-clavi- 
cularis 


- Art. subel. 


Vena subelav. 


M. latiss. dorsi 
M. pect. minor _ —_ 


Pars thoracalis late- —— 
ralis des Haut- 
rumpfmuskels 


Pars thoracalis lateralis des Hautrumpfmuskels in Zusammenhang mit der Fascıa coraco-clavicularis 
bei einem A0jährigen Italiener (08/111). 


klärlich ist die weit medialwärts verlagerte Sehnenanheftung an der 
Fascia coraco-celavieularis. Die Erklärung, warum diese Faserzüge 
über den Processus coracoides, die eigentliche, primär-medialste 
Insertion der tiefen Muskellage hinaus verschoben sind, kann nicht 
gegeben werden. Vielleicht wirft dies aber, wenn einmal.speziellere 
Untersuchungen sich in dieser Richtung bewegen, ein Licht auf die 
Genese jenes so rätselhaften Gebildes, welches in der Coraco-clavi- 
eularfascie vorliegt und in irgend einer Weise mit der Differenzierung 


der Peetoralisgruppe etwas zu tun haben muß. 


uber Fr “af 
In, "ah; su 


Über die Beteiligung des Musculus latissimus dorsi usw. 557 


Am Ende dieser Darlegungen sei es gestattet, bezüglich der 
Hauptfrage, der Beteiligung des Latissimus dorsi an Achselbogen- 
bildungen beim Menschen, ein kurzes Fazit zu ziehen. Es ergab 
sich die Tatsache, daß, ganz im Sinne von RuGEs Anschauungen, 
keinerlei irgendwie eindeutige Beobachtungen bestehen, welche auf 
eine primitive, innige Verbindung zwischen der Pectoralis- und der 
Latissimusgruppe hindeuten. Vielmehr gelingt es durch Serienbeob- 
achtungen zu zeigen, daß die Ausdehnung vorderer Latissimusfasern 
in der Richtung gegen die Pectoralisinsertionen nur dann zustande 
kommt, wenn eine der Hautmuskulatur entstammende Brücke zur 
Verfügung steht. Der sehnige LAnGersche Achselbogen ist meinen 
Beobachtungen nach immer »der zur Sehnenhaut rückgebildete 
Hautmuskel-Achselbogen«. Die Möglichkeiten, daß er aus dem stark 
entfalteten axillaren Abschnitt der Oberarmfascie, oder aus dem 
Latissimusabschnitt des zusammengesetzten Achselbogens hervorgeht 
— auf welche Ruge 1905, S. 498 hinwies —, spielen vielleicht auch 
eine — sicher aber eine untergeordnete — Rolle. 

Alle hier besprochenen Beobachtungen entstammen männlichen 
Leichen. Ebenso verhält es sich mit fast allen Angaben der Literatur. 
Daraus dürfte zu entnehmen sein, daß, wie dies TOBLER zuerst an- 
deutete, in der Tat die funktionelle Inanspruchnahme bei der Aus- 
bildung der Achselbogenbildungen eine wichtige Rolle spielt. Die 
Anlage als solche wird gewiß auch bei weiblichen Individuen auf- 
zufinden sein, aber die eigentliche, häufig stärkere Ausbildung, die 
gerade bei jenen männlichen Individuen nicht selten ist, die ihre 
Arme im Leben zu größeren Kraftleistungen benutzten (Erdarbeiter), 
hängt von dem züchtenden und deshalb erhaltenden und ausbauenden 
Reiz des Gebrauches ab. Auch für die Beteiligung des Latissimus 
dorsi an diesen Bildungen spielt derselbe Faktor als ursächliches 
Moment mit. 


Etudes sur les varietes de la colonne vertebrale. 
Par 
G. P. Frets. 


Avec 4 Figures dans le texte et Planche X et XI. 


I. Observations nouvelles sur les Monotr&mes. 

En 1908 j’ai publie une &tude sur 13 squelettes de l’Echidne 
epineux (hystrix). Maintenant je peux ajouter aA cette collection 
encore 12 pieces. Je reunis ces 12 squelettes aux 13 de 1908 
et aux 4, dont j’ai etudie le plexus lombosacrale (Morphol. 
Jahrb. 1909, p. 43) dans la liste suivante!: 

Squelette d’Innsbruck (inst. d’anat.), Ex. III: des 17 eötes, 
six s’attachent au sternum; les extremites sternales des 7° sont 
endommagees; celles des 6°° sont larges et ossifiees. Des trois ver- 
tebres lombaires la premiere et la troisieme ont des processus lateraux. 
La 7° vertebre cervicale a des trous transversaux. 

Deux squelettes de Zürich (inst. zool.), Ex. Xlet V: le vieux 
squelette a 4 vertebres sacrales; les proc. mammillares des trois 
premieres sont en connexion avec lilium. Tous les 4 processus 
spinosi sont libres. Six eötes sternales. Des 3 vertebres lombaires 
les deux premieres ont de petits processus lateraux. Six cötes du 
squelette neuf sont attachees au sternum; la 7° vertebre cervicale a 
des trous transversaux. La 1° et la 2° vertebre lombaire ont des 
proe. lateraux. 

Des 7 squelettes de Paris le suivant est a remarquer: l’Ex. II 
(A 3318, galerie) est l’Echidne de la N! Guinde, il a 6te deerit 
par P. Gervaıs (1877—78) comme Proechidna bruynüu. Il est 
interessant de remarquer que GERVAIS (p. 50) nomme comme un des 
caracteres de cette espece, qu’il a dix-sept eötes, tandis que l’Echidne 


1 La plupart de ces squelettes sont des Echidn&s Epineux (aculeata 8. typica; 
1909, p. 62, Note 2): le nom sp6eifique de quelques-uns n’Ctait pas indique; il est 
done possible, qu'il y ait parmi eux des Echidnds setosa. 


Etudes sur les vari6tös de la colonne vertebrale. 


Paris, 1879 N. 126 1—7 © 
- 1903 N. 540 no 
71.00- 
- A 3317 
- 1903 N. 536 
N. 111, 1908 p. 6941 1—7 © 
üx. 3, 1909 p. 552 j 
Paris, 1893 N. 342 
1. 106, 1908, p. 622 
1.118Q,1908p.621 1—7 @ 


1.114, 1908 p.620 1-7 © 

001. Inst. Heidel- 1—7 © 

berg 1908, p. 620 

Würzburg, 1909 
6 


| p- 62 
fünchen, 1909p.62 1-—7 
'aris, 1893 N. 341 1—7 


1.115Q, 1908 p.619 
ix. 4, 1909 p. 57 
[.114Q, 1908 p.618 
font. skel. Heid. 
1908 p. 617 
ürich, squel.vieux 1—7 0» 
1.107, 1908 p. 615 
.117Q,1908 p.614 
1.108, 1908 p. 613 
x. 5, 1909 p. 59 
.103, 1908 p. 613 
ürich, neu. Skelet 
1.109, 1908 p. 6091 1—7 @ 


Innsbruck 


'roechidna bruynii 1—7 Ov 
Paris A 3318 
&. 2, 1909 p. 512 1-7 


faut observer que les squelett 
ees si reguliörement, qu’il est bien invraisemblable 
Ss exemplaires XV—XIX sont d’un d&veloppeme 


8—22 15) D 
de. st. 
8—22 (15) D 
Bäabe.st. 
8—22 (15) D 
6 e. st. 
8—22 (15) D 
6 e. st. 
8—22 (15) D 
De. st. 
8—22 (15) D 


8—22 (15) D 


v.8—22 (15) D 


8—23 (16) D 
Di0HSt.; 
16.D+++ 
8—23 (16) D 
16.D++ 
8—23 (16) D 


8—23 (16) D 


8—23 (16) D 
8—23 (16) D 


8—23 (16) D 
be. st. 
8—23 (16) D 

16.D++ 
8—23 (16) D 


8—23 (16) D 


8—23 (16) D 
6e. st. 
8—23 (16) D 
6 e. st. 
8—23 (16) D 
6.c. st. 
8—23 (16) D 


8—23 (16) D 
8—23 (16) D 


8—23 (16) D 
be. st. 
8—23 (16) D 


8—24 (17) D 
6e. st. 
8—24 (17) D 
6e. st. 
8—24 (17) D 

7 e. st.3 


£. = cÖötes qui s’attachent au sternum. 
yez mon article dans le Morph. Jahrb., Bd. 40, p- 45—-66. 
yez mon article dans le Morph. Jahrb., Bd. 38, p. 608—653, 


es XXVI et XXVIII & 


23—25 3) L 
23—25 (3) L 
23—25 (3) L 
23—25 (3)L 
23—26 (4) L 
4.L+++ 
23—26 (4) L 
4.L+++ 
23 DL 24—26 (3) L 
3.L+++ 
23 DL 24—26 (3) L 
3.L++ 
24—26 (3) L 
3.L++ 
24—26 (3) L 
24—26 (3) L 
24—26 (3) L 


24—26 (3) L 
24—26 (3) L 


24—26 (3) L 
24—26 (3) L 
24-—26 (3) L 
2426 (3) L 
24—26 (3) L 


599 


26—28 (3) 8 29—(31-Fx) Cu 
1.0d- 

26—28 (3) S 29-42 (13) ul 
1.0d— 

26—29 (4) S 3041 (12) Cu 


26—29 (4) S 30—41 Od 
aHTT 
27—29 (3) $ 30—(37-+x) Od 
27—29 (3) S 30—41 (12) Od 
27—29 (3) S 30—41 (12) Od 
1:09— 
27—29 (3) S 30—42 (13) Cd 
27—29 (3) S 30—(38-+x) Od 
27—29 (3) $ 30—42 (13) Od 
1.9 
27—29 (3) S 30—(40-+2) Cd 
27—29 (3) S 30—41 (12) Od 


27—29 (3) S 30—(40-+x) Od 
27—29 (3) S 30—(37-+x) Od 


1,0 
27—29 (3) S 30—41 (12) Od 
1. 0d—- 
27—29 (3) S 30 Sed 31—42 
12) Cd 
27—29 (3) S 30 Sed 
31—(38-+x) Od 
27—29 (3) S 30 Sed 


31— (39-42) Cd 
27-30 (4) S 3L—(41-F?) Od 


24—26 (3) L 27 LS28—30 (3) S 31—43 (13) Od 
1.0d— 
24—26 (3) L 27 LS28—30 (3) $ 31—43 (13) Od 


24—27 (4) L 


4.L+ 
24—97 (4) L 


24—27 (4) L 
25—27 (3) L 
3.L+ 
25—27.(3)L 


25—27 (3) L 


1.0d 
28—30 (3) $ 31—43 (13) Cd 
100 
28—30 (3) $ 31—43 (13) Od 
28—30 (3) S ne (12) Cd 
1 Be 


d 
28—30 (3) S 31—(40-+2) Od 


7 
28—30 (3) S 31—43 (13) Od 


1.0 
28—30 (3) S 31—43 (13) Od 
1.0d— 


.Cd 

28—31 (4) S 32—43 (12) Od 
18- 1.0d- 

28—31 (4) S 3243 (12) Od 
1.8- 1.Cd— 


taient partages en 4 pieces; ces pieces 
qu’une vertebre soit perdue. 
nt presqu’identique. 


560 G. P. Frets 


epineux n’en a que seize. Maintenant qu'il est demontre, que le 
rachis de l’Echidn& epineux ia une variabilite eonsiderable et que 
FLower (1835, p. 89) indique pour l’Echidna bruyniti 16 eötes, il est 
evident qu’une difference du nombre des cötes ne peut plus £&tre 
acceptee comme caractere pour separer les deux Echidnes. Il reste 
& etudier si l’Eehidne bruynii a une variabilite aussi grande que 
l’Echidne epineux et quelle formule de la eolonne vertebrale se trouve 
le plus souvent. 

Les vertebres cervicales de ce squelette plus robuste et plus 
grand qu’un des squelettes de l’Echidne Epineux, que j’ai vus, ont 
tous des trous transversaux. Six cötes sternales; les parties carti- 
lagineuses des 7° manquent; deux cötes sont en connexion avec 
le manubrium. La 17° cöte est bien developp6e; elle s’artieule avec 
la 23° et la 24° vertebre. 

Les processus mammillares de S, et de S, sont ossifies avee les 
os iliaques; les processus spinosi des trois dernieres vertebres sacrales 
forment une er&te osseuse. La 1° haemapophyse, tres petite encore, 
se trouve A la 3° vert. caudale. 

Ex. XVI (Echidne, s. renseig.), Paris 1893, N. 341 (coll. du labor.; 
rentre de la galerie, IV 31;) ©v, a des trous transv.; 6 eötes sternales. 
L, a des proc. lat. Les proc. mam. de S, et de 5, sont en conne- 
xion avec les os iliaques. 1° Haem. a la 5° Cd. Exempl. jeune. 

Ex. XXIII (Eehidne, s. renseig.), Paris 1893, N. 342 (coll. du 
labor.; rentre de la galerie, IV 32) Cv, a des trous transv. La 
derniere eöte, la 15°, est bien developpee. La 23° vertebre est une 
vertebre dorso-lombaire; & droite il se trouve une petite piece d’os, 
assise sur le processus transv., & gauche elle manque, mais elle sera 
perdue. La 1‘ vert. lomb. a de petits proe. lat.; la 3° en a del) 
grands qui sont unis par des ligaments aux os iliaques; les proc. 
mamill. sont libres. De la 1° vert. caudale les proe. lateraux ont 
une direetion eraniale et s’attachent aux proe. lat. de la derniere 
sacrale: Cd. Ainsi dans cet exemplaire 5 vertebres ont des carac- 
teres de vertebres sacrales. Tous les proe. spinosi sont libres.| 
1?re Haemapophyse & la 4° vert. caudale. Le sternum manque. | 

Ex. XXVI (Echidne, s. renseig.), Paris 1903, N. 536 (coll. dıl) 
lab.; ancien fond) jeune, mal conserve. Toutes les vert. cerv. on 
des trous transv. La 1° vert. lomb. a des proe. lat., la 2° ne les: 
pas, la 3°en a de petits. Les proc. mam. des trois premieres ver 
tebres sacrales sont en connexion avec les os iliaques. 1%° Haema 
pophyse (rud.) a la 4° vert. caud. 


Etudes sur les vari6tes de la colonne vert£brale. 561 


Ex. XXVII, Paris A. 3317 (galerie; IV 29, Echidna epineux de 
Tasmanie); adulte. 6 eötes sternales. 15° cöte bien developpee. L, 
a de grands proe. lat&raux. Les processus mammillares de S,, 5, et S; 
sont en connexion avec 
les os iliaques; tous les 
processus spinosi sont 
libres. 1% Haemapo- 
physe a la 3° vert. 
caudale. 

Exempl. XXVIU 
(Echidne, s. renseig.), 
Paris 1903, N. 540 
(coll. du labor.; ancien 
fond); adulte La 
7° vertebre cervicale 
n’a pas de trous trans- 
versaux; & gauche on 
en trouve encore le ru- 
diment, pas encore de 
trous intravertebraux. 
La derniere, la 15° cöte est petite. Des 3 vertebres lumbales, la 
premiere a des proc. lateraux, la deuxictme ne les a pas et la troi- 
sieme en a de tres petits. A droite se trouvent eing, & gauche six 
cötes sternales (Fig. 1). Les processus &pineux des deux premieres 
vertebres sacrales sont ossifies, les processus mammillares de ces 
vertebres sont en connexion avec les os iliaques. La 1° haemapo- 
physe se trouve & la 4° vertebre caudale. 


Ex. XXIX (Echidne, env. de Sydney), Paris 1879 N. 126 (coll. 
du labor.) jeune. 
1—70v 8—22(15)D 23—25(3)L 26—28(3)$ 29—(31-+x) Cd. 
7.Cv- 1.0 

Cet exemplaire est plus progressif qu’un des cas deja deerits, 


plus progressif aussi que le cas de ROSENBERG (1883, p. 502), ot 
la 29° vertebre &tait la derniere sacrale. 


Echidne. Ex. XXVIII. 3/1 X 2/3. 


Cinq eötes s’attachent au sternum; les extremites sternales des 
5° eötes sont Elargies, les sixiemes eötes finissent A une assez grande 
distance du sternum. A gauche la 7° vertebre cervicale a un foramen 
intravert. tres rudimentaire (1908, p. 624, Fig. 14). La 1° vertebre 
lombaire a de grands processus lateraux, surtout a gauche; la 


562 G. P. Frets 


deuxieme ne les a pas, la troisieme a un petit proe. lateralis a gauche, 
un rudiment a droite. Les processus mammillares des deux premieres 
vertebres sacrales sont en connexion avec les os iliaques. 

La 7° vertebre cervicale n’a pas de trous transversaux. (1908, 
p. 633.) Cette vertebre montre encore quelques caracteres par les- 
quels elle ressemble au type dorsal des vertebres. 

Chez les jeunes Echidnes la branche ventrale du foramen trans- 
versarium se montre tres nettement comme cöte rudimentaire (FLOWER 
1888, p. 25, Fig. 5); seulement, ces eötes rudimentaires sont atta- 
chees A la partie caudale du cot& lateral des corps de ces vertebres. 


Fig. 2. 


D; C, 
D \ C2 
Echidne. Ex. XXIX. 3/1 X 2/3. Cr. = cöte Echidne. Ex. XVl. 3/1. x 2/3. 
rudimentaire de la 7 (.v.; sa connexion cra- 
niale avec le corps vertebral; p.c. = proc. 
costarius; p.t. = pr. transv.; f«t. = for, transv. 
de la 6e Cw. 


Dans l’objet XXIX ceci est le cas des six premieres vertebres cervi- 
cales; pourtant la cöte rudimentaire de la septieme vertebre se 
trouve a la partie eraniale tout comme chez les cötes, (qui 
d’ailleurs s’articulent avee la vertebre pr&eedente (Fig. 2). 

La eöte rudimentaire de la 6° et celle de la 7° vertebre cervi- 
cale se trouvent ainsi fort rapprochees l’une de l’autre. Des autres 
cas de Paris, l’ex. XX VIII, montre evidemment les m&mes rapports, les 
autres exemplaires ont le proc. costarius de la 7° cervicale attach6 
a la partie caudale du bord lateral du corps vertebral (Fig. 3); 
dans ces cas le 7° proc. cost. et la premiere cöte se sont tres rap- 
prochös!. 

! Dans le squelette d’un Myrmecophaga jubata (cat. B. VI, 263, voy. p. 13 


de cet article) les rudiments costaux de la 7° vertöbre cervicale sont attaches ä 
Vextr&mit& eraniale du corps vertebral. 


Etudes sur les variöt6s de la colonne vertöbrale. 563 


Cette cöte rudimentaire de la 7° vertebre cervicale est attachee 
au corps vertebral par un disque cartilagineux; pourtant la jone- 
tion avec l’arc neural, qui se fait aussi dans les autres jeunes cas 
par un disque cartilagineux a lieu dans l’ex. XXIX par une arti- 
eulation. 

Aussi la cöte rudimentaire de la 7° vert. cervieale est tres 
mobile. Le processus costarius est attach&e A l’are neural par un 
ligament. Il est douteux que cette artieulation eüt encore existe 
pendant la vie adulte; la connexion cartilagineuse avec le corps 
vertebral se füt ossifiee. 

Qu’une 7° vertebre cervieale se rapproche autant du type dorsal 
c’est ce que je n’avais pas encore vu. Elle se trouve dans le cas 
le plus progressif que j’ai etudie; d’accord avec les explications que 
j’ai donnees ailleurs (1908, p. 646), je eonsidere eet ex. XXIX comme 
un cas progressif, chez lequel en consequence de la transformation 
de la partie caudale du thorax (15 cötes au lieu de 16 ou 17) s’est 
developpe une cöte cervicale, tres rudimentaire il est vrai. 

Chez les exemplaires jeunes de Paris, les sutures sont tres di- 
stinetes encore. Ainsi on voit dans le cas 26, entre le corps et 
l’are neural de la 1° vert. lombaire, la suture qui separe le proc. 
lateralis gauche en deux moities egales; d’ordinaire cette suture est 
ventrale de ce processus. 

Des deux squelettes d’Ornithorhynque que j’ai etudies encore, 
celui de Zürich (inst. zool. V. S. 1890) a 7 vertebres cervicales, 17 
dorsales, deux lombaires (la seconde n’a pas de proe. lateraux), deux 
sacrales et 17+x caudales (les proe. lat. de la 1l®re eaudale sont 
en connexion avec ceux de la derniere sacrale). 

Le squelette de Paris (galerie A 3319), jeune, a 7 vert. cervi- 
cales, la 7° a des trous transv., et 17 vertebres dorsales (la 17° eöte est 
petite). 6 eötes sternales. Une vertebre lombaire. La 26° vertebre 
est une vert. lombosacrale: & droite le petit processus lateralis est 
_ en ceonnexion ligamenteuse avec l’ilium, a gauche ce processus est 
attache lui-m&me & cet os. Le proc. mammillaris de S, est uni avec 
Pilium, les proe. mammill. de la vertebre lombosacrale sont en con- 
nexion avec cet os par des ligaments. Deux vertebres sacrales (Sy); 
17+20d (1.Cd-); 1 Haem. & la 3° vert. caud. Cet exemplaire 
d’Ornithorhynque est done plus progressif qu’un des douze cas que 
Jai etudies (1909, p. 42). 

Ces observations nouvelles confirment les r&esultats des recherches 
que j’ai deja publiees: la variabilite considerable de l’Echidne et 


564 G. P. Frets 


tres limit6e de l’Ornithorhynque. Il reste a remarquer que les 
6 squelettes de l’Echidne de Paris ne se trouvent pas places au 
hasard dans la liste (p. 2) mais qu’ils forment un groupe d’exem- 
plaires progressifs. Il est bien possible que ce soit un hasard, 
mais d’aceord avee mes recherches sur l’heredite des varietes de la 
colonne vertebrale (Verh. anat. Ges. 1909, p. 115) je ne veux pas ex- 
elure la possibilit@ d’une action de l’heredite sur ce groupement. 
Les exemplaires de ma premiere liste appartiennent presque tous 
a la colleetion SEMmoN et ont £t& recueillis dans un territoire assez 
etroit!. 


Il. Des varietes de la colonne vertebrale d’Edentes fossiles. 

Pour completer mes recherches sur les varietes de la colonne 
vertebrale (1908, 1909) jai encore voulu etudier les fossiles. 

Quoiqu’on puisse s’attendre A ce qu'il y ait aussi des varietes 
parmi les vertebres fossiles j’ai voulu les rechercher, parce qu’en 
effet l’importance theorique des varietes rend desirable la r&union 
de »materials for the study of variation« (BATESON). 

Le nombre de fossiles accessibles &tant peu eleve, on est tres 
limite dans le ehoix du groupe & etudier. Pour les Monotremes 
(Echidna) p. e. il n’existe que quelques os des membres (Owen, 1883; 
KrErrt, 1868). 

STROMER VON REICHENHALL a decrit quelques variations verte- 
brales des Carnivores fossiles (1902, p. 267; voyez aussi p. 248, 
262, 272). ? 

J’ai choisi pour ma recherche les Edentes. Les formes r&centes 
de ces animaux ont &t& etudiees plusieurs fois, par PoucHer (1874), 
WELCcKER (1881), ROSENBERG (1896). J’aurais prefere etudier des 
groupes de la periode tertiaire ou m&esozoique, — les Edentes examines 
sont des formes de la periode quaternaire? —, mais le materiel d’ob- 
servation me manquait. 


Megatherium Americanum (s. ÜUVIERI). 
Des deseriptions de Megatherium de Guvier (1836, Vol. 8, p. 345, 
Atl. II, p. 217, ex. de Madrid), de PAnper et D’Auron (1821, ex. de 


! R. Semon. Dans Semons Zoologische Forschungsreisen 1894, Bd. I. 

2 Gervaıs (1871/73, p. 21: Il a existe dans l’Am£rique ä& une &poque peu 
reculöe et certainement post6rieure ä la fin des temps geologiques compris sous 
la denomination commune de p6riode tertiaire, un certain nombre d’especes 
Sa naguce appartenant ä l’ordre des Edentes. (Voy. aussi GervAıs 1867/69, 
P: .) 


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Etudes sur les varietes de la colonne vert£brale. 565 


Madrid), d’Owzen (1855, ex. de Londres), de Burmeister (1864, 
ex. de Buenos-Aires) et d’autres, il resulte avee une certitude 
plus ou moins grande !' que la formule de la colonne vertebrale 
etait chez ces exemplaires: 7 @v, 16D, 3L, 58 et 18 Cd. 

De la description de Cuvier je citerai »Le sacrum n’est com- 
pose que de eing vertebres soudees ensemble, et dont les apophyses 
epineuses elles-m@mes se soudent en une er&te dentel&e; ce qui joint 
a leur elevation ... ete. ... (voyez aussi pl. 217, Fig. 1, 14; les 
figures de PAnDER et D’ALTon). 

La deseription claire et detaillee donnee par Owen rend 
possible la comparaison en plusieurs points importants du squelette 
de Londres? a celui de Paris. 

Owen dit au sujet de la 7° vertebre cervicale p. 375: »The 
diapophyses (= proc. transy.) are strong and terminate in rough 
truncate ends«. Elles n’ont pas, comme l’ont les proc. transversi 
des autres vertebres cervicales un trou pour l’artere vertebrale 
(pl. XX, fig. 6). 

Neuf ou dix eötes sont attachees au sternum (p. 372, p. 373). 

Les trois dernieres ceötes montrent des caracteres de r&duetion 
progressive (p. 373); la 16° eöte est tres petite (Pl. 17) et ne s’articule 
avec la vertebre que par la racine de l’are neural (p. 378 et pl. 26, 
fig. 5). 

Les artieulations accessoires des vertebres lombaires (p. 374) sem- 
blables & celles qu’on trouve chez les Myrmecophaga (p. 370)3, sont 
deja form6es entre les 15° et 16° vertebres dorsales (p. 372 pl. 19; 
fig. 4 et 5, pl. 26, fig. 5). 

Le sacrum »includes five vertebrae, which are not only anchy- 
losed to each other, but to both the iliac and ischial bones. The 
 centrum of $, presents a flattened surface for that of the last lum- 
bar vertebra«. Quatre trous sacraux posterieurs. 

»The neural arch of the 1% sacral vertebra is separated from 
that of the second by a narrow transversely elongated elliptical 
vacuity.< »The back and under part of the diapophysis of both the 
fourth and fifth vertebrae are coalesced with the ischium.« »The 


1 Quand les auteurs ont fait des remarques sur l’origine des squelettes, on 
les trouve dans le texte. 


2 Le squelette de Londres est une combinaison de deux envois (voyez 
1855, p. 367 et 1887, Part. V, p. 86). 

3 »Les processus exog@nes des vertebres« ont &t@ deerits par OWEN 
dans le 1er article sur le Megatherium (1851). 


566 G. P. Frets 


neural arch of the 5'" sacral developes a pair of posterior zygapo- 
physes.« (p. 378, 379, pl. 17, 22 et 23). 

Burmeister (1864—69)! donne une description detaillee et des 
figures du sternum, dont il avait a sa disposition un exemplaire 
parfait en &tat, et encore deux autres. Cette deseription n’est pas 
tres importante pour nous; beaucoup d’attention a de petites diffe- 
rences du deuxieme sternebre, l’auteur accorde. Il dit expresse- 
ment, remarquons-le, que le sternum est compose de 7 pieces et il 
eroit que la description D’ÖwEN est inexacte (p. 153). 

AMmEGHINO (1889, p. 667) eerit sur le sternum du Megatherium: 
»El esternon se compone de 8 piezas ö esternebras distintas, y no 


Fig. 4. 


Megatherium Cuvieri, Paris. Partie caudale du sternum. 


de 7 como algunos afırman, a los que se unen direetamente 8 0 9 
pares de costillas.« 

Le musee de Paris dans lequel j’ai fait ma recherche possede 
un squelette et un bassin de Megatherium. 

Megatherium Cuvieri Desmarest. Mont6 par Senechal; les pieces 
ont 6t& trouvees par Sügurn. Le bassin manquait: il a &t& refait d’apres 
le modele du sujet, qui est & Londres. (Cat. d’anat. comp. 2=® Coll. 
Seguin, 1871, 383) 2. 

ı P. 152: la cadera no se ha conservado completa; tenemos dos bastante 
rotas en el Museo, la una recojida por mi en la barranca dei Rio Salado, la 


otra regalada por el Sr. D. J. M. CAnTIto. 
? Gervaıs 1880, p. 137: »Le sujet que possede le Museum de Paris, restaur& 


Etudes sur les varietes de la colonne vert£brale. 567 


La septieme vertebre eervicale n’a pas les trous transversaux. 

Le sternum est compos& du manubrium et de 7 sternebres. A 
gauche huit eötes sont en connexion avec le sternum, a droite il yen a 
neuf. Les extremites sternales de la 8° et la 9° eöte droites different 
de celles a gauche (Fig. 1). 

Quand nous comparons le sternum &tudie par BURMEISTER, celui 
deerit par Owen et celui du musde de Paris, nous voyons que neuf 
(ou dix), huit ou sept cötes peuvent Etre trouvees en connexion avec 
le sternum, un fait dont l’analogue deja a.&te observ6& chez les Echidnes 
(1909a p. 105).- 

Le squelette de Paris a 16 cötes; les dernieres eötes sont tres 
longues — dans les squelettes de Londres (Pl. 17) et de Madrid 
(Cuvier, Pl. 217) elles sont ceourtes. Ües cötes s’artieulent encore, 
dans l’exemplaire de Paris, avec la vertebre precedente et a gauche 
se trouve le tuberculum costae, qui manque dans l’exemplaire de 
Londres (p. 372). 

La premiere vertebre lombaire — comme le bassin — est un moulage!; 
trois vertebres lombaires suivent cette premiere vertebre lombaire. Il me semble 
que la deuxicme vert@bre lombaire n’ert pas la deuxieme mais la premiere lom- 
baire. La rangee des processus spinosi est interrompue par celui de la pre- 
miere lombaire; quand on l’eloigne par la pensce, le processus spinosus de 
la 2° lombaire — qui devient alors la lere — se range parfaitement ä la 
suite de celui de la 16° dorsale. 

Il me semble done qu’il faudrait &loigner la premiere vertebre lombaire — 
moulage d’une vertebre lombaire de Londres —; trois vertebres lombaires, reste- 
raient alors, nombre qu’on trouve aussi dans les autres squelettes du Megatherium. 


Sur le corps vertebral, pres de l’arc neural, se trouve ä gauche — ä droite 
cette partie de la vertebre est restaurde une surface articulaire peu profonde 


sous la direetion du Prof. P. GERvAIS, a Et@ trouv@ par F. Se@uın sur les bords 
du Rio Cascarema dans la province de Santa f£.« 

1 Il est indique& sur l’&tiquette que le bassin manquait dans le squelette. 
Je ne peux trouver l’indication que la premiere vertebre lombaire, qui est 
certainement un moulage, ait &t@ intercal&e (n’appartient pas au squelette), 
(voy. p. e. H. Gervaıs 1880, p. 137). 

Apres avoir communiqu& des moulages de quelques vertebres caudales de 
Megatherium regus de Londres, LAURILLARD cerit (CUVIER, 1836, T. 8, p. 359): 

»Il y a encore une vertebre lombaire qui n’offre point les caracteres de 
celles des vrais fourmiliers et des tatous, c'est a dire l’apophyse articulaire 
a double facette et la longue saillie qui surmonte cette apophyse dans ces 
derniers.< (Sur l’apophyse articulaire ä double facette, voy. OWEN p. 374.) 

P. MerLıeux 1865: »Vers 1834, le Museum de Paris recut en don, du 
college des chirurgiens, une collection de modeles en plätre d’un assez grand 
nombre de pieces d’un squelette de Megatherium, dont les debris avaient &t& 
_ trouves dans le lit du Salado par M. WOooDEInE PARISH.« 

Voyez aussi Owen 1841 p. 84. 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 37 


568 G. P. Frets 


ä l’endroit, oü se trouve chez les vertebres lombaires la surface artieulaire pour 
le processus transversus de la vertebre pr&c&dente. (Owen pl. 26, fig. 5.) Pius 
en arriere il se trouve encore une surface d’apparence articulaire. 1] serait alors 
possible d’attribuer cette derniere surface & l'articulation avec le proc. {rans- 
versus et de comprendre la premiere surface comme surface articulaire d’une 
derniere cöte; cependant, comme la surface artieulaire de la derniere cöte 
est dessinee par OwEN dans une direction plus caudale sur l’are neural — un 
endroit olı aucune cöte n’est attachde A sa vertebre dans notre squelette — il 
me semble qu’il n’est pas possible, de d£finir le type de cette vertebre avec 
une certitude suffisante et je la d£erits simplement comme la 24° vert&bre 
ou la premiere vertebre lombaire. 

Comme il a ete deja indiqu& pour l’exemplaire de Londres par 
Owen (p. 374 et 381) les vertebres lombaires du squelette de Paris posse- 
dent aussi des processus articulares a doubles facettes. La zyga- 
pophyse superieure de la 1° vertebre lombaire est embrassee 
par la zygapophyse inferieure et par la surface mediale du pro- 
cessus transversus de la 16° dorsale. Le processus lateralis de la 
25° et de la 26° vertebre a d’ailleurs une surface artieulaire. La 
zygapophyse superieure de la 1‘ vert. sacrale enfin est embrassee 
par le proc. art. inf. et le proc, lat. de la derniere vertebre lombaire. 


>Le bassin manquait: ila &t& refait d’apr&s lemod£le du sujetquiestä Londres« 
lit-on sur l’&tiquette du squelette. Le bassin de Londres est d£crit et figur& par 
Owen; celui de Paris est d’accord avec cette description sauf sur un point. 
Dans le modele de Paris la 1° vertebre sacrale se trouve unie par son bord 
eranial & une vertebre, dans le modele de Londres ce bord eranial est libre 
(Owen, pl. 22—23. Ce n'est pas une vertebre complete qui est unie ä la 
le sacrale, car on ne trouve pas un processus spinosus correspondant; c’est done 
une faute dans la construction du moulage ä laquelle on a ä faire. 

Bassin. Megatherium Cwvieri Desm. Pampeen de la Plata (rep. 
argeutine). M. BonnEment, 1881—35. Pl. X, Fig. 1 et Pl. XI, Fig. 2. 

Les zygapophyses superieures de la premiere |vertebre sacrale 
sont bien developpees; on trouve les deux surfaces articulaires comme 
& la derniere vertebre lombaire. Le processus spinosus est bien 
distinet et independant. L’are neural est ossifi& avec l’arc neural 
de la 2° sacrale. 

Le eorps seul de la derniere, i. e. la 5° vertebre sacrale (Fig. 1 et 2) 
est ossifie avee la vertebre precedente; il y a des artieulations 
avec la 4° vertebre sacrale et pour la 1* vertebre caudale (qui 
manque); le processus spinosus est independant et les processus late- 
raux ne s’attachent que par une petite surface aux ischions. De la 
4° vertebre sacrale quoique le processus lateralis se trouve en face 
de P’ischion, il ne lui est non plus sonde que par une petite partie. 
Ces conditions sont semblables sur les deux cötes. 


Etudes sur les variötes de la eolonne vertöbrale. 569 


Les 2°, 3° et 4° vertebres saerales sont tout A fait ossifices entre 
elles et avec les os iliaques. Les processus spinosi forment une 
erete osseuse peu &Elevee. Ainsi le saecrum montre trois foramina 
sacralia et on pourrait nommer la 5° vertebre sacrale, vertebre sacro- 
caudale. Il faut mentionner que la premiere vertebre sacrale se 
trouve en connexion avee les bords proximaux des os iliaques; il 
n'y a done pas d’indieation que la derniere vertebre lombaire se soit 
rapprochee de la forme sacrale. 


Quand on eompare le sacrum de Londres (Owen, Pl. 23) & celui 
qui est deerit iei, il est evident que ce sacrum de Paris est une 
variation. Dans le bassin de Londres 5, et S;, sont tout & fait 
ossifi&es. Les premieres zygapophyses se trouvent A la partie cau- 
dale de S,; au contraire l’are neural de S, n’est pas encore ossifie 
avec celui de 5, |(p. 378) comme c’est le cas dans notre exem- 
plaire!. 

Le bassin de Paris a beaucoup de ressemblance avec l’ex. 4 
des bassins de Myrmecophaga jubata, publie par PoucHeEr (1874, 
fig. 4). 

Il parait done que la colonne vertebrale du Megatherium a 
montre une variabilite assez considerable, eomme on l’observe 
chez les Edentes recents, Myrmecophaga jubata, ROSENBERG (1895), 
PoucHEr (1874). Bradypus et Choloepus (WELCKER, 1882) aussi? 

J’ajoute une liste des formules de la colonne vertebrale des 
Edentes qui se trouvent dans les colleetions du laboratoire et du 
musee d’anatomie comparee de Paris: 


! Il est bien ä esperer, qu’on aura un jour des descriptions completes du 
materiel du musce de Buenos- Aires. BURMEISTER 1876, II, p. 207 mentionne 
p- e. trois bassins de Megatherium. 


2 La colonne vertebrale de Megatherium ressemble ä celle des Myrmeco- 
phagidae, voire Myrmecophaga jubata (le tamanoir). Le mode de connexion du 
sacrum avec lesischions du Megatherium differe avec celui du Myrm. tamandua 
(Tamandua, M. tetradactylus) — les processus laterales des vert&bres qui s’atta- 
chent aux ischions se repandent au dehors de cette connexion encore — et 
avec celui du Myrmecophaga didactylus (fourmilier ä deux doigts, Myrm. eyelo- 
turus, Oyeloturus didactylus) — dans lequel les ischions ne sont pas attaches 
aux sacrum. 

Parce que la connexion ischio-sacrale de la variete differe de celle du 
Megatherium Ouvieri (comparez Owen, Pl. XXIII et Pl. X Fig. 1), il est 
_ possible, que le bassin decrit est une variet® d’une autre espece de Mega- 
_ therium. 
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© Poli) SE BR ae+® ıCTg 'z8st smfmpıp »boydooaukp 


EZ 


Choloepus didactylus 


1876 N. 723 1—70v 8—32(25)D 33—35(3)L 36-43 (8) 44—48 (5 ou6) Od 


7 Cv for. tr. manque 


adolescent 


(Paresseux, UNAU) 


88 


Bassın 


1879 N. 70 


adulte 
1900, 383 


Etudes sur les varietes de la eolonne vert£brale. 571 


1.62= 


6A+1+1)8 


c<+53L 


Bradypus tridactylus 
(Paresseux, Ai) 


4+2C0d 


4L 
L, asymm. 


©--14D 


A. 12414, 188 J 1869 


1.Cd= 


29 —35 (7) 8 
36 — 44 (9) Cd 


10 Cd 


65 


1903, 486 trös jeune 1—8C» 9 D@w 10--24(15) D 25—28 (4) L, 


VI, 487 Bassin 


@ 


K 


eötes rudiment. libres encore 
1—8 0v 9 DOv 10—25 (16) D 26—28 (3) Z 29 LS 


(6) 5 


h) 


3 
Id 


30- 


D 
ec 


1882, 546 


Scelidotherium lepto- 
cephalum ÜOwen. 
Squelette d’un in- 

dividu trouve entre Re- 
coletta et Palermo, sur 
les bords du Rio de la 
Plata, pres de Buenos- 
Ayres. Il a ete monte 
par M. DEYROLLE (cat. 
1885 —24). 

Lacolonne vertebrale 
de ce tres beau squelette 
est composce de 7 Ov, 
15:D, 5.68. 2.09. 

La 7° vertebre a en- 
core des’ trous transver- 
saux tres larges. 

8 paires de cötes 
s’attachent au sternum. 

Le sternum est com- 
pose du manubrium et 
de 6 sternebres. 

Les dernieres 3 cötes 
n’ont pas d’articulation 
avec le processus trans- 
versus du corps vertebral, 
et ne s’articulent qu’avec 
la racine de l’are neural 
de la m&me vertebre 
(voyez Owen, Megathe- 
rium 1855, p. 372). Les 
deux dernieres cötes n’ont 
pas le tubereulum costae 
pour l’artieulation avec 
le proc. transyv. de la 
vertebre. La derniere eöte 
est plus courte que la 
precedente, la premiere 
vertebre lombaire n’a pas 
de surfaces articulaires 


572 G. P. Frets 


costales, le nombre des vertebres dorsales est alors quinze. 
Le processus lateralis de la 1%° vertebre lombaire est un peu plus 
massif que le processus transversus de la derniere dorsale: il 
n’y a pas de processus costarius. La 3°, 4° et 5° vertebre lombaire 
et la 1®e vertebre sacrale ont des processus articulares superiores. 
Ces artieulations compliquees des vertebres lombaires qu’on trouve 
chez les Myrmecophaga, on les trouve aussi mais pas si compliquees 
chez le Megatherium (Owen, p. 374); le Scelidotherium les a de 
meme, mais encore moins compliquees que ce dernier; ce’est ainsi 
un developpement progressif de ces artieulations dans les 
trois formes. Dans notre exemplaire de Scelidotherium L, et S, ont 
a droite deux surfaces artieulaires pour le proc. artieularis inf. et le 
processus transversus de L, et de Z,; a gauche on les trouve aussi 
au ZL, et S,, mais elles ne sont pas si distinetes. Les processus spi- 
nosi des 6 vertebres sacrales forment une cr&te osseuse; les vertebres‘ 
dorsales ont de grands proc. spinosi!, ceux des vertebres cervicales 
sont plus petits; les vertebres caudales ne les ont pas. 

La premiere hamapophyse se trouve entre la 2° et la 3° ver- 
tebre caudale. 

S; a les processus artieulares superiores, S; les processus in- 
feriores. Les trois premieres vertebres sacrales s’articulent avee l’ilium, 
les deux dernieres avec l’ischium. Les vertebres caudales ont de 
grands processus lateraux. 

Je ne connais pas de description complete de la colonne verte- 
brale du Scelidotherium. 

Owen (1842, p. 53) ecrit: »in the Scelidotherium (likewise) the 
3 lumbar vertebrae are unanchylosed (voy. aussi 1855, p. 383). 
L’exemplaire de Paris a 5 vertebres lombaires. 


Il existe une belle monographie du Mylodon robustus par OWEN 
(1842)2. Il donne la formule vertebrale 7 Cv, 16D, 3L, 78, (20-+?) Od. 
Je cite: p. 47 »In the last dorsal vertebra the small rib (la 16°) was 


1 Gervaıs (1869 et 1855 pl. XII fig. 7 et p. 50) d&erit les surfaces articu- 
laires suplömentaires »en avant et en arriere de l’apophyse &pineuse, ä la base 
de cette derniere et sur une ligne me&diane<; Owen (1855, p. 372) les a d&crites 
pour le Megatherium. 

? The vertebrae of the skeleton of the Mylodon here deseribed would 
appear to have been discovered in their natural relative position, for they were 
numbered consecutively from the atlas to the twenty-third vertebra, the body 
of which was separated from the above described anchylosed neural arch (p 56). 


Etudes sur les varietes de la colonne vertebrale. 573 


anchylosed by both its head and tuberele, resembling a long trans- 
verse, process, perforated at its base.« Cette vertebre est done une 
vertebre dorsolombaire. 

p. 51 »9 ribs were artieulated with the sternum.« 

p- 64 »The sacrum of the Mylodon, defined by its connexions 
with the ossa innominata, consists of seven vertebrae; but according 
to the character of anchylosis it includes eleven.« 


p- 47 »The last dorsal and all the lumbar vertebrae eontributing 
to form an anterior prolongation of a peculiarly extensive sacrum.« 


p- 66 »The complicated artieular processus in front of the last 
dorsal vertebra indicate that it was interlocked with a double arti- 
cular process on each side of the posterior part of the preceding 
dorsal vertebra (Pl. X, Fig. 1)«. 


AMEGHINO (p. 741) donne pour le Mylodon la formule vertebrale: 
16D, 3L78, 20—24 Cd. Le Sternum consiste de 7 pieces. 

BURMEISTER! (1865, p. 424) Ecrit »die mit dem Kreuzbein ver- 
wachsenen Lendenwirbel belaufen sich bei Mylodon robustus und 
ebenso bei Mylodon gracilis (2 ex.) auf drei, bei Mylodon giganteus 
nur auf zwei.« Le sacrum se compose d’apres BURMEISTER dans le 
Mylodon giganteus de 5-+2 vertebres; il y a trois vertebres lombaires 
(1864—1869, p. 163) »no cuatro, como en las especies menores«?. 
Dans le Mylodon robustus (p. 164) 7 cötes atteignent le sternum, qui 
se compose de 7 pieces (pl. V, fig. 2). Je eite encore: p. 167: El 
hueso esternocostal octavo se une (dans le Mylodon gracilis) con la 
ültima (septima) vertebra esternal direetamente, y no con el septimo 
hueso esternocostal como en el Mylodon robustus. 

Le dernier sternebre est atteint par deux paires de cötes dans 


! Il se trouve & Buenos-Aires un squelette eomplet de Mylodon graeilis 
(BURMEISTER 1865, p. 421; voy. aussi cependant): 1864, p. 160, Circumstancias 
muy favorables han traido & mis manos todas las partes que faltaban al esque- 
leto primero. 

2 1864, p. 163... .; siendo el numero de las vörtebras sacrales, de solo 
einco, y el de}; las vertebras lumbares unidas con el sacro de dos. — >»De las 
once vertebras libres antes de la pelvis que tenemos en el Museo püblico, sola- 
mente una, la ültima, no tiene superficies artieularias de costillas; lo que prueba 
que ella es vertebra lumbar, y que el nimero completo de tales vertebras fue 
tres, no cuatro, como en las especies menores.« 

p- 164. EI esternon del Mylodon (robustus) es eompuesto lo mismo que el 
des Megaterio, de siete vertebras esternales, de las euales ya son conocidas las 
seis primeras, faltando la Ultima, llamada ap£ndice xifoides, en la fig. de Owen 
pl. IV de su obra. 


574 G. P. Frets 


le Mylodon gracilis, d’une paire seulement dans le Mylodon robustus 
p. 168, 169: voyez aussi p. 170; la figure n’est pas d’accord avec 
le texte). 

Dans le musee de Paris se trouve: 

Lestodon armatus. P. GERvAıs (M&m, de la soc. geol. de France 
1873; eat. de l’an. comp. fev. 1857). s. Mylodon armatus (LYDEKKER 
1893)! s. Mylodon giganteus (BURMEISTER; 1864, p. 161). 


Bassin et quelques vertebres; mal eonserves. Avee la premiere 
vertebre saerale est ossifiee la derniere lombaire; les processus 
artieulares de celle-ei sont en connexion avec l’os iliaque. C’est le cas 
aussi avec la vertebre lombaire precedente; la lombaire, qui suit, 
— la derniere vertebre presente et tres endommagee — est ossifiee 
avec les autres aussi, mais les processus articulares n’atteignent plus 
les os iliaques. 

Il y a 6 vertebres sacrales, la derniere est ossifice avee la cin- 
quieme, mais les processus lateraux asymmötriques et ossifies avec 
ceux de la 5’ vertebre sacrale ne sont pas en connexion avec les 053a 
coxae. La 6° vertebre sacrale a des processus artieulaires inferieurs. 
Les processus spinosi des 6 vertebres sacrales et des 3 lombaires 
forment une erete osseuse. 

Comme LYDEkKER'!, apres avoir vu beaucoup de cränes de. 
Mylodon, eonelut que les Mylodons, decrits dans la litterature, appar- 
tiennent tous & la m@me espece, il est vraisemblable que le cas de 
BURMEISTER avec 4 au lieu de 3 vertebres lombaires (Myl. gracilis, 
Myl. robustus et Myl. giganteus) est une variete. (Voy. aussi p. 12,2.) 

Dans l’exemplaire de Londres le sacrum consiste de 7, dans celui 
de Paris de 6 et dans celui de Buenos-Aires (BURMEISTER) de 5 ver- 
tebres. 

Le Glyptodon typus, Novor (fev. 1857) du musee de Paris 
possede 7 vertebres cervicales, 12 dorsales, 7 lombaires, 10 (ou 9) 
sacrales (desquelles 4 atteignent l’os iliaque et 2 [ou 1] Tiisehion) et 
14 caudales. Il n’est pas impossible pourtant, que la 1° ver- 
tebre lombaire ait eu des eötes. AMEGHINO (p. 777) indique 12 ou 13 
vertebres dorsales, 6 ou 8 vert. lombaires et 9 ou 10 vert. sacrales 
et pour Glyptodon reticulatus 11 vert. dorsales et 7 lombaires. 


! LYDEKKER (1893, p. 79): From a survey of some five-and-twenty more or 
less nearly complete skulls (de Mylodon), to say nothing of a number of upper 
and lower jaws, I am convinced that the whole of the long list of names given 
above are synonyms of this species. 


Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLI Tafel X. 


for.sac.postt. 


pr. art.inf. Sei. 


Foto: Frets et Cintrakt, Paris. 


Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 


Etudes sur les variöt6s de la colonne vertöbrale. 575 


LYDEKKER est convaincu que »all the specimens of Glyptodon from 
the Argentine Pampas are referable to a single species« (p. 6). 

De ces observations peu nombreuses sur les varietes de la 
colonne vertebrale des Edentes fossiles je rappellerai: 

le bassin de Megatherium de Paris (p. 11). 

la partie caudale du sternum de Paris (p. 9). 

la vertebre dorsolombaire de Mylodon, ex de Londres (p. 15). 

le bassin de cet exemplaire de Mylodon. 

le nombre variable des vertebres lombaires des exempl. de 
Mylodon &tudies par BURMEISTER. 

le developpement progressif des artieulations a doubles disques 
des vertebres lombaires de Scelidotherium, Megatherium et Myrme- 
cophaga (p. 15). 

Je remercie sincerement MM. les Professeurs Epm. PERRIER et 
Marc. BouULE de m’avoir permis d’etudier les colleetions du Jardin 
des Plantes; et d’autre part MM. les Docteurs AnTHONY et THEYVENIN 
pour les informations qu’ils m’ont donnees dans le laboratoire d’ana- 
tomie comparee et de paleontologie. 


Planche X et XI. Fig. 1 et 2. 


Fig. 1. Megatherium Cuvieri. Bassin. Vue d’arriere et de dessus. On voit 
3 foramina sacralia, les processus articulares sup. de la 1. vert. sacrale; 
les proc. artieulares sup. et inf. de la vertebre sacrocaudale. 

Fig. 2. Id. Vue laterale. On voit que la vertebre sacrocaudale est presque 
libre. 


Quvrages eites, 


1864—69, F. AmEGHINO. Anales del Museo püblico de Buenos-Ayres. T.1. 

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1902. STROMER VON REICHENHALL. Zoologiea. 1902. 


Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLI. 


Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 


Tafel X. 


Fie. >. 


Frets et Cintrakt, Paris. 


Foto: 


Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des 
menschlichen Embryo. 
Von 
W. Felix, Zürich. 


Mit 22 Figuren im Text. 


Ich bin mit einer Untersuchung über die Entwicklung der Rumpf- 
gefäße der Wirbeltiere beschäftigt. Aus dieser Untersuchungsreihe 
veröffentliche ich im Nachfolgenden die Ergebnisse beim Menschen. 
Ich tue das lediglich in dem Wunsche, meine Befunde für das im 
Erscheinen begriffene Handbuch der Entwicklungsgeschichte des 
Menschen von KEIBEL und MArL nutzbar zu machen. 

Den wegleitenden Gedanken meiner Untersuchung habe ich 
bereits im Kapitel Urogenitalsystem des großen Handbuches von 
HeErTwıG, Bd. III, S. 401ff. niedergelegt. Ich machte dort den 
Versuch, den filtratorischen Apparat der einzelnen Vertebraten-Vor- 
nieren zu homologisieren; ich gebe ihn hier etwas ausführlicher 
wieder. 


Amphioxus, 


Die Gefäßverhältnisse des Amphioxus kennen wir aus der Arbeit 
von Boverı (92). Ich gebe aus ihr das uns Interessierende zunächst 
im Schema wieder (Fig. 1). Wir sehen zwei Längsgefäße, ein ven- 
trales und ein dorsales, die V. subintestinalis und die Aorta dorsalis. 
Zwischen diesen beiden Längsgefäßen sind in regelmäßigen Ab- 
ständen Quergefäße angeordnet, die ich viscero-ventrale Bogenge- 
fäße nennen will. Ein jedes Bogengefäß verläuft zwischen Splanchno- 
pleura und Darm und wird in seinem Verlaufe durch ein 
Wundernetz unterbrochen. Die Wundernetze sind gebunden an 
die Harnkanälchen, sie treten nur da auf, wo diese liegen, 
und ihre Ausbreitung entspricht der eines Harnkanälehens samt 


D78 W. Felix 


seinem Solenocytenfelde; BovErı faßt sie deshalb mit Recht 
als Glomeruli auf. Jedes viscero-ventrale Bogengefäß wird also 


Fig. 1. 


Längscommissur 


dorsales Längsgefaß 


ventrales Längsgefäß 


Schema des visceroventralen Bogensystems eines Amphioxus. Das visceroventrale Bogensystem ver- 

bindet ein ventrales Längsgefäß und ein dorsales Längsgefäß. In jeden visceroventralen Bogen ist 

ein Wundernetz derart eingeschaltet, daß er durch dasselbe mit dem nachfolgenden Bogen verbunden 

wird. Aus der Summe der Wundernetze entsteht ein Längsgefäß, das parallel der Aorta dorsalis 
verläuft und die einzelnen visceroventralen Bogen untereinander verbindet. 


Fig. 2. 
Kiemennierenarterie des primären Bogens (I). Seltene Anastomose zwischen 2 Glomerulis 
| \ | E 
Aorta 


Kiemennieren- 
arterie des sekun- 
dären Bogens (II). 


Harnkanälchen 


Kiemenstab 


axiale Lamelle 


inneres äußeres inneres äußeres  Cölomgefäß axiale Lamelle 
Achsengefäß Achsengefäß Achsengefäß Achsengefäß 


Flächenbild der medialen Wand des subchordalen Cöloms zur Darstellung der Beziehung zwischen 
Nierenkanälchen und Gefüßsystem des Amphioxus. Mit I sind die primären Kiemenbogen, mit II die 
sekundären Kiemenbogen bezeichnet. Im primären Kiemenbogen laufen drei visceroventrale Bogen- 
gefäße, im sekundären Kiemenbogen deren zwei. Je eines der Gefäße des primären und des sekun- 
dären Bogens bilden die Vasa afferentia des Glomerulus, aus dem zwei Vasa efferentia herausfähren, 
das Efferens cranialis, welches die Verbindung mit der Aorta herstellt, das Efferens caudalis, 
welches Verbindung mit einem visceroventralen Bogengefäß des nächstfolgenden primären Kiemen- 
bogens eingeht. Nach Boverı (92). 


durch seinen Glomerulus zweigeteilt, wir sprechen am besten von 
einem Vas afferens des Glomerulus, das von der V. subintestinalis 
kommt, und einem Vas efferens, das zur Aorta dorsalis geht. Das 


. _ ß ® j [ a 


ara, 


= 


EEE 


Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 579 


Vas afferens ist einfach, das Vas efferens stets doppelt; die beiden 
efferentia liegen in cranio-caudaler Richtung hintereinander, wir 
können deshalb ein craniales und ein caudales Vas efferens unter- 
scheiden. Das efferens cranialis mündet in die Aorta, das efferens 
caudalis in das efferens eranialis des nächstfolgenden Glomerulus. 
Da sämtliche Glomeruli zwei efferentia haben und jedes efferens 
caudalis die Verbindung mit dem nächstfolgenden efferens eranialis 
vermittelt, entsteht aus der Summe der Glomeruli und der caudalen 
efferentia eine parallel der Aorta verlaufende Blutbahn, die ich als 
Längscommissur des viscero-ventralen Bogengefäßsystems bezeichne. 

Die wirklichen Verhältnisse, wie sie in Fig. 2 wiedergegeben 
sind, sind etwas komplizierter. Wir haben beim Amphioxus neben 
den primären Kiemenbogen sekundäre, in der Figur sind die primären 
Kiemenbogen mit I, die sekundären mit II bezeichnet. In dem 
primären Kiemenbogen liegen 3, im sekundären 2 Bogengefäße, im 
ganzen also 5. Statt dieser 5 Gefäße ist im Schema nur ein einziges 
gezeichnet. Von diesen 9 Bogengefäßen steht im primären wie im 
sekundären Bogen immer nur eines mit dem Glomerulus in Verbin- 
dung; es existieren also in Wirklichkeit zwei afferentia, eines des 
primären und eines des sekundären Bogens; die efferentia zeigen 
gegenüber dem Schema keine Änderung. 


Selachier. 


Die Gefäßverhältnisse der Selachier stelle ich gleichfalls im 
Schema dar (Fig. 3). Auch hier haben wir zwei Längsgefäße, ein 


Fig. 3. 
Vornierenarterien Aorta dorsalis Aortenbogen 
N N u En —— N 
mn a 
caudale Gruppe craniale Gruppe 


des visceroventralen Bogensystems 


Schema des visceroventralen Bogensystems eines Selachiers. Das visceroventrale Bogensystem ist 
in zwei Gruppen gespalten, eine craniale Gruppe, respräsentiert durch die Aortenbogen, eine 
eaudale Gruppe, repräsentiert durch die Vornierenarterien, die sich später zur A. vitellina vereinigen. 


ventrales: die V. subintestinalis und ein dorsales, die Aorta dorsalis. 
Die V. subintestinalis wird hier durch das Herz (in dem Schema 
nicht gezeichnet) unterbrochen, wir unterscheiden ein craniales Stück, 


580 W. Felix 


das die Aorta ventralis darstellt, und ein caudales Stück, die V. sub- 
intestinalis im engeren Sinne. Zwischen diesen beiden Abschnitten des 
ventralen Gefäßes und der dorsalen Aorta sind, wie beim Amphioxus, 
(uergefüße ausgespannt, die viscero-ventralen Bogengefäße. Die 
Bogengefäße des eranialen Abschnittes werden durch die Aorten- 
bogen repräsentiert, die des hinteren Abschnittes sind als die 
Paun Maverschen Darmgefäße bekannt. Beide Bogengefäßgruppen 
zeigen volle Übereinstimmung, sie haben dieselben Verbindungen 
und liegen beide zwischen Splanchnopleura und Darm. Die Bogen- 
gefäße der caudalen Gruppe stehen in Beziehung zur Vorniere; 
1) finden sich diese Bogengefäße nur in der Vornierengegend, und 
zwar liegt immer ein Gefäß caudal von dem entsprechenden Vor- 
nierenkanälchen; 2) verschiedene Selaghierfamilien zeigen eine ver- 
schiedene Zahl von Vornierenkanälchen und mit dieser verschiedenen 
Zahl der Vornierenkanälchen variiert auch die Zahl der Bogen- 
gefäße, so hat z. B. Prostiurus 4 Vornierenkanälchen und 4 Bogen- 
gefäße, Torpedo 7 Vornierenkanälehen und 7 Bogengefäße; 3) sind 
die einzelnen Vornierenkanälchen nicht gleich kräftig entwickelt, 
dementsprechend sind auch die Bogengefäße nicht gleich stark ent- 
wickelt, einem kräftig entwickelten Vornierenkanälchen entspricht 
auch ein kräftig entwickeltes Bogengefäß; 4) sehen wir bei der 
Rückbildung der Vorniere, daß die Vornierenkanälchen und ihre 
Nephrostomata miteinander verschmelzen; synchron mit dieser 
Verschmelzung der Vornieren-Bestandteile tritt auch eine Ver- 
schmelzung der Bogengefäße ein; endlich ist 5) durch RÜückerr (88) 
wenigstens bei Torpedo festgestellt worden, daß die Bogengefäße 
gegenüber den Vornieren-Ostien eine Erweiterung zeigen. Aus alle- 
dem geht hervor, daß die Bogengefäße in inniger Beziehung zu 
den Vornierenkanälehen stehen und daß RasL (96) im Recht ist, 
wenn er diese Bogengefüße direkt als Vornierenarterien bezeichnet. 
Die Vorniere der Selachier wird vollständig zurückgebildet, die Vor- 
nierenarterien verschmelzen zwar miteinander, bleiben aber schließlich 
erhalten, weil aus ihnen die Dottersackarterie, die A. vitellina 
hervorgeht. 

Vergleichen wir zunächst die Gefäßverhältnisse der Selachier 
mit den Gefäßverhältnissen des Amphioxus, se dürfen wir wohl 
ohne weiteres die Bogengefäße der eranialen Gruppe mit den 
vorderen Bogengefüßen des Amphiowus identifizieren. Es besteht 
aber nicht der geringste Hinderungsgrund, auch die Bogengefäße 
der caudalen Gruppe einem Teil der eaudalen Bogengefäße des 


Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 581 


Amphioxus gleichwertig zu setzen; schon Bovzrı hat diesen Ver- 
gleich durchgeführt. Bei dem Vergleiche fällt uns auf, daß die 
Zahl der Bogengefäße der Selachier eine außerordentlich geringe 
ist. Den Grund für diese Verkürzung haben wir zu suchen in der 
Verkürzung der Kiemen- und der Vornierenregion. Die Kiemen- 
region wird von hinten her in caudo-eranialer Richtung, die Vor- 
nierenregion von vorn her in eranio-caudaler Richtung zurückgebildet. 
Infolgedessen kommen Kiemen- und Harnkanälchen nicht mehr 
nebeneinander im gleichen Segment vor, wie das der Amphioxus 
zeigt, sondern: sie werden auseinandergerückt, die Kiemen liegen 
mehr in der vorderen, die Vornierenkanälchen mehr in der hinteren 
Partie und dieses Auseinanderrücken bewirkt auch die Trennung 
der Bogengefäße in die beiden Gruppen, die eraniale und caudale. 
Ob in früheren Entwicklungsstufen sich zwischen den beiden Gruppen 
und schwanzwärts von der caudalen Gruppe noch Gefäße nach- 
weisen lassen, ist nicht festzustellen, da Untersuchungen, die speziell 
auf Beantwortung dieser Frage gerichtet sind, noch nicht ausgeführt 
wurden, immerhin ist das Auffinden weiterer Gefäße sehr unwahr- 
scheinlich, da die Vornieren-Arterien von RABL untersucht worden 
sind, und wir wohl erwarten dürfen, daß bei der absoluten Zuver- 
lässigkeit dieses Forschers keine Arterie übersehen worden ist. 

Weiter fällt bei einem Vergleich das Fehlen der Wundernetze 
in der ecaudalen Gruppe auf. Das Fehlen derselben hängt wieder 
mit der rudimentären Ausbildung der Vorniere dieser Tiere zu- 
sammen. Es gibt unter den Wirbeltieren keine Vorniere, die so 
schlecht ausgebildet wäre wie die der Selachier, die Vornieren- 
kanälehen der Selachier sind nicht bloß örtlich verkürzt, indem sie 
in nur ganz wenigen Segmenten vorkonmen, sondern auch zeitlich, 
weil sie nur während einer verschwindend kleinen Periode der Ge- 
samtentwicklung bestehen. 

Wir können die Verhältnisse bei den Selachiern dahin zusammen- 
fassen, daß die viscero-ventralen Bogengefäße durch Rückbildung 
der Kiemen und Rückbildung der Vorniere in zwei Gruppen getrennt 
werden, in eine vordere Gruppe, die im Dienst des Kiemen-Apparates 
bleibt, Kiemengefäße oder Aortenbogen, und eine hintere Gruppe, 
die ihre Beziehnngen zu den Harnkanälchen beibehält, die Vornieren- 
Arterien bzw. die Vornieren-Dottersackarterien. 

Ganoiden, 

Auch die Ganoiden zeigen die beiden Längs- und die viscero- 
ventralen Bogengefäße; das ventrale Längsgefiß wird wie bei 


zekz 


582 W. Felix 


den Selachiern durch das Herz unterbrochen (Fig. 4). Die Aorta 
ventralis steht durch Bogengefäße mit der Aorta dorsalis in Ver- 
bindung. Daß diese Bogengefäße den Aortenbogen der Selachier 
und den vorderen Kiemenarterien des Amphioxrus homolog sind, 
bedarf keiner weiteren Erörterung. Die caudale Gruppe der Bogen- 
gefäße, welche bei den Selachiern die V. subintestinalis im engeren 
Sinne mit der Aorta dorsalis verband, fehlt scheinbar vollständig. 
Um sie zu suchen, haben wir uns zu erinnern, daß die Bogen- 
gefäße der caudalen Gruppe zu den Vornierenkanälchen in Be- 


ziehung stehen. Die Vorniere der Ganoiden — ich lege meiner 
Darstellung die Verhältnisse bei Amia calva zugrunde — besteht 
Fig. 4. 
Vornierenarterien Aortenbogen 
a PETE re DEE SCORE 
Caudale Gruppe er Craniale Gruppe 


des viscero-ventralen Bogensystems 
Schema des visceroventralen Bogensfstems eines Ganoiden (Amia calva). Die craniale Gruppe des 
visceroventralen Bogensystems wird durch die Aortenbogen repräsentiert, eine caudale Gruppe 
wird dargestellt durch die primäre und sekundäre Wurzel der A. mesenterica sup. Der Vornieren- 
glomerulus ist als Längscommissur zwischen diesen Wurzeln eingeschaltet, er setzt sich cranialwärts 
in ein Längsgefäß fort, das in Verbindung mit dem 6. und 7. Aortenbogen kommt, nach rückwärts 
in ein Längsgefäß, welches als A. mesenterica sup. entlang der dorsalen Darmperipherie verläuft. 
Das Verbindungsgefäß zwischen Aortenbögen und Glomerulus, der Glomerulus selbst und die A. 
mesenterica repräsentieren die Längscommissur des visceroventralen Bogensystems, die beiden 
Wurzeln der A. mesenterica sup. stellen Reste von visceroventralen Bogen dar. 
im ausgebildeten Zustand aus einer Vornierenkammer, die sich 
über mehrere Körpersegmente erstreckt, und aus einem Vornieren- 
kanälchen. Die mediale Wand der Vornierenkammer wird beider- 
seits durch eine Wundernetzbildung eingestülpt, rechtes und linkes 
Wundernetz sind an ihrem cranialen Ende getrennt, an ihrem 
caudalen vereinigt. Wir haben mithin ein unpaares Wundernetz 
mit drei Polen, zwei eranialen und einem caudalen. An den beiden 
cranialen Polen tritt rechts und links ein Vas afferens in das 
Wundernetz ein, am caudalen unpaaren Pole ein einziges Vas efferens 
aus. Verfolgt man die afferentia eranialwärts weiter (Fig. 4), so 
findet man sie in Zusammenhang mit den beiden letzten Bogen- 
gefäßen der eranialen Gruppe, und zwar als deutliche Längs- 
eommissur. Das efferens setzt sich entlang der dorsalen Darm- 


peripherie caudalwärts als A. mesenterieca sup. fort. Die beiden 


Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 583 


afferentia und das efferens werden durch Quergefäße mit der Aorta 
dorsalis verbunden. Diese Gefäße sind in der Literatur als primäre 
(die paarigen) und sekundäre (die unpaare) Wurzeln der A. mesen- 
terica sup. bekannt. Im Verlauf der Entwicklung werden primäre 
Wurzeln und Glomerulus zurückgebildet, die sekundäre Wurzel 
bleibt allein erhalten. 

Vergleichen wir zunächst die Ganoiden-Verhältnisse mit denen 
des Amphioxus, so haben wir bereits vorhin erwähnt, daß die 
eraniale Gruppe der Ganoidenbogengefäße den eranialen Bogen- 
sefäßen des Amphioxus entspricht. Die Vasa afferentia erscheinen 
wenigstens zwischen dem 6. und 7. Bogen als Längscommissur, es 
wäre deshalb möglich, die Vasa afferentia, die beiden Wundernetze, 
das Vas efferens und seine Fortsetzung, die Art. mesent. sup. mit 
den Längscommissuren des Amphioxus zu vergleichen, wir hätten 
hier nur den Unterschied, daß die Längscommissuren des Amphioxus 
in ganzer Ausdehnung paarig sind, während die Längscommissuren 
der Ganoiden im vorderen Abschnitt wohl paarig, im hinteren Ab- 
schnitt aber unpaar sind. Der Glomerulus der Ganoidenvorniere 
ist einer Reihe von Amphioxus-Glomeruli homolog, das geht hervor 
1) aus der Tatsache, daß der Ganoiden-Glomerulus sich über mehrere 
Segmente erstreckt, und 2) daß er bei jüngeren Embryonen in ein- 
zelne voneinander getrennte Abschnitte zerfällt. Entsprechen aber 
die Vasa afferentia, die Glomeruli, das Vas efferens und die A. 
mesenterica sup. den Längscommissuren des Amphioxus, so müssen 
folgerichtig die Querverbindung zwischen afferentia und efferens 
einerseits und der Aorta anderseits, d. h. die primären und die se- 
kundäre Wurzel der A. mesenterica sup. Resten von viscero-ventralen 
Bogengefäßen gleich gesetzt werden. Bei jüngeren Embryonen, 
deren Glomeruli in 4—5 Abschnitte zerfallen können, stehen diese 
Abschnitte gleichfalls durch Quergefäße mit der Aorta in Verbin- 
dung und auch diese Quergefäße würden dann als Reste von viscero- 
ventralen Bogengefäßen anzunehmen sein. Auch hier hätten wir 
dann die gleichen Erscheinungen wie an der Längscommissur zu 
beobachten, daß die ceranial gelegenen Bogengefäße noch paarig, 

_ die weiter caudal gelegenen Bogengefäße unpaar ausgebildet werden. 

Alle diese Quergefäße entsprechen aber nur einem Abschnitt 
der Amphioxus-Bogengefäße, und zwar demjenigen, den wir oben 
als eraniales efferens bezeichnet haben. Solange keine Verbindung 
mit der V. subintestinalis nachgewiesen ist, oder solange kein 


 andrer Nachweis geliefert werden kann, daß die Wurzeln der 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 38 


f 
er 


584 W. Felix 


A. mesenterica sup. homolog den Bogengefäßen der caudalen 
Gruppe sind, ist der Homologisierungsversuch nicht sicher begründet. 
Das mir zur Verfügung stehende Ganoidenmaterial reicht leider 
nieht aus, diese Frage zur Entscheidung zu bringen, wir sind aber 
durch Vergleiche mit den Teleostiern in der Lage, trotzdem die 
Vornierengefäße der Ganoiden mit den Bogengefäßen der caudalen 
Gruppe der Selachier zu homologisieren. 


Teleostier. 

Die Rumpfgefäße der Teleostier gleichen fast vollständig 
denen der Ganoiden, das ventrale Längsgefäß wird wieder durch 
das Herz in die Aorta ventralis und die V. subintestinalis im engeren 
Sinne geschieden (Fig. 5). Die ventrale Aorta steht durch die Aorten- 
bogen mit der dorsalen Aorta in Verbindung. Diese Aortenbogen 
sind selbstverständlich denen der Ganoiden, denen der Selachier 


Fig. 5. 
Des visceroventralen Bogensystems 
caudale Gruppe mittlere Gruppe craniale Gruppe 


mesenterica 


4. vitellina Vornierenglomerulus 


Schema des visceroventralen Bogensystems einer Forelle. Das visceroventrale Bogensystem zerfällt 

hier in drei Gruppen, in eine eraniale Gruppe, repräsentiert durch die Aortenbögen, in eine mittlere 

Gruppe, repräsentiert erstens durch die Verbindungsgefäße zwischen Vornierenglomerulus und Aorta 

und zweitens durch die A. vitellina, und endlich in eine caudale Gruppe (in der Fig. unvollständig 

dargestellt), repräsentiert durch Darmarterien, die sich beim Embryo zwischen A. mesenterica und 
A. analis vorfinden. 


und damit den vorderen Bogengefüßen des Amphioxus homolog. 
Die eraniale Gruppe der viscero-ventralen Bogengefäße wäre da- 
durch gefunden. Die caudale Gruppe der Bogengefäße ist wie bei 
den Ganoiden zunächst nicht sofort siehtbar. Wir müssen auch hier 
wieder die Vornierenverhältnisse prüfen, um diese caudale Gruppe 
zu finden. Die Teleostiervorniere besteht aus einer rechten und 
linken Vornierenkammer mit je einem Vornierenkanälchen. Die 
Vornierenkammer wird wie bei den Ganoiden durch den Glomerulus 
eingestülpt; dieser Glomerulus ist in seinem eranialen Abschnitte 
paarig, in seinem caudalen Abschnitt unpaar. Aus dem unpaaren 


Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 585 


Glomerulus-Abschnitte tritt die A. mesenterica sup. aus und läuft 
wieder entlang der dorsalen Darm-Peripherie schwanzwärts. Der 
Glomerulus steht durch eine Reihe von Quergefäßen mit der Aorta 
dorsalis in Verbindung. Von diesen Quergefäßen sind die an den 
beiden eranialen Enden und dem caudalen Ende gelegenen die 
stärksten, sie entsprechen den primären Wurzeln und der sekundären 
Wurzel der Ganoiden (Fig. 5). Was uns bei Vergleich der Fig. 5 
mit der Fig. 4 auffällt, ist das Fehlen der beiden afferentia. Bei 
den Salmoniden, nach denen ich das Schema zeichnete, steht der 
Glomerulus nieht mit den Bogengefäßen der eranialen Gruppe in 
Verbindung. Zweitens fällt uns auf, daß eines von den Quergefäßen 
durch das Wundernetz hindurchtritt und die V. subintestinalis er- 
reicht. Dieses Gefäß wäre die Arteria vitellina und damit dem 
'gleiehnamigen Gefäß der Selachier homolog. Dieses eine Quer- 
gefäß, welches jetzt die V. subintestinalis bzw. das Dottersack- 
capillarnetz mit der Aorta dorsalis verbindet, rechtfertigt die Homo- 
logisierung aller übrigen Quergefäße mit den Bogengefäßen der 
caudalen Gruppe und rechtfertigt damit auch die Homologisierung 
der Quergefäße des Ganoiden-Glomerulus mit diesen caudalen Bogen- 
gefäßen. Drittens fällt uns auf, daß hinter der sekundären Wurzel 
der A. mesenterica noch eine Reihe weiterer Quergefäße diese 
Darmarterie mit der Aorta dorsalis verbindet (es sind in Fig. 5 
nicht alle Quergefäße eingetragen). Diese Quergefäße werden bis 
auf eins, das zur A. analis wird, zurückgebildet; im Embryo er- 
reichen sie die V. subintestinalis. 

Vergleichen wir die Teleostier-Gefäßverhältnisse mit denen der 
übrigen bisher besprochenen Wirbeltiergruppen, so fällt uns auf, daß 
bei den Teleostiern die caudale Gruppe sehr groß ist; ihre Bogen- 
gefäße befinden sich entlang dem ganzen Darmrohre bis zum End- 
darm gruppiert. Wir können deshalb zusammenfassend sagen: die 
viscero-ventralen Bogengefäße der Teleostier werden 1) durch die 
Anlage des Herzens, 2) durch ihre Beziehung zu den Kiemen, den 
Vornierenkanälchen und dem Darm in drei Gruppen getrennt; die 
eine Gruppe, vor dem Herzen gelegen, wird repräsentiert durch die 
Aortenbogen, die zweite Gruppe, caudal vom Herzen gelegen, ent- 
hält die Vornieren-Arterien und die A. vitellina, die dritte Gruppe, 
gleichfalls caudal vom Herzen, setzt sich zusammen aus den Darm- 
arterien. Dabei vollzieht sich in der Richtung von vorn nach hinten 
ein wichtiger Umwandlungsprozeß, die eraniale Gruppe ist paarig 
und ohne Längscommissur, die mittlere Gruppe ist im vorderen 

38* 


586 W. Felix 


Teile paarig, im hinteren Teil unpaar, bei ihr spielt die Längs- 
eommissur eine bedeutende Rolle. Die eaudale Gruppe ist unpaar, 
zwar sind Stücke paariger Bogengefäße erhalten, aber die Längs- 
Fig. 6. commissur, die in ihr 
die Hauptrolle spielt, 

ist unpaar. 

a Siren 
Amphibien. 

Unsre Kenntnisse 
über die Rumpfgefäße 
„zen“ der Amphibien sind 
lückenhaft, in bezug auf 
die Entwicklung der- 
selben wissen wir so 
gut wie nichts. Auch 
erypto- hier können wir die 
branchss drei Gruppen des vis- 
cero-ventralen Bogen- 
systems unterscheiden; 
eine eraniale Gruppe 
wird durch die Aorten- 
d an bogenrepräsentiert; eine 
mittlere Gruppe müßte 
in den Gefäßen der 
Vorniere gesucht wer- 
den, sie ist noch nicht 
nachgewiesen, doch zei- 
e Anagan gen die Arbeiten FıLa- 
rows (1904 und 1905), 
daß dies Suchen wahr- 


scheinlich erfolgreich 


Vergleichend anatomische Darstellung der Arterienverhältnisse 1 ir: 1 = 
der Amphibien aus Kraarson (1892): a stellt die Darmarterien Bl wird »- AEBEEEEE 


von Siren, b von Menobranchus, c und d von Oryptobranchus dale Gruppe würde 
und e der Anuren dar. 

durch die Darmarterien 
dargestellt, für deren Anordnung die vergleichend anatomische Zu- 
sammenstellung von KrAArscH (92) wichtige Fingerzeige gibt. Ich 
reproduziere in der Fig. 6 die Zusammenstellung aus seiner Arbeit. 
Wir sehen in Fig. a, welche die Verhältnisse von Sören. wiedergibt, 
zahlreiche aber unpaare Darmarterien, wir sehen danr weiter in den 
Fig. b, ce und d (Menobranchus und Cryptobranchus) die Zahl dieser 


— 


o 


Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 587 


Darmarterien allmählich abnehmen, indem eine Art von Längscommissur 
entwickelt wird, aus welcher die eigentlichen Darmarterien ent- 
springen. Endlich sehen wir bei den Anuren (Fig. e) nur noch eine 
Darmarterie, die A. intestinalis communis, von der aus der gesamte 
Darm versorgt wird. Es ist möglich, daß die unbekannte Entwick- 
lung bei Anuren zahlreiche viscero-ventrale Bogengefäße ergibt, 
die untereinander durch eine Längscommissur verbunden werden, 
und daß von den Wurzeln dieser Bogengefäße nur noch die am 
weitesten cranial gelegene als A. intestinalis communis erhalten 
bleibt, während die peripheren Gebiete sämtlicher Darmarterien 
durch eine Längscommissur ihr Blut aus dieser einzig erhalten ge- 
bliebenen Wurzel beziehen. Diese Unpaarigkeit der Darmarterien 
würde gar keine Schwierigkeit machen, da wir ja von den Teleo- 
stiern her wissen, daß die Unpaarigkeit gerade bei der dritten 
Gruppe sich allmählich aus dem paarigen Zustande entwickelt. 


Reptilien. 


Auch die Reptilien lassen die drei Gruppen des viscero-ventralen 
Bogengefäßsystems erkennen. Die eraniale Gruppe wird durch die 
Aortenbogen repräsentiert. Eine mittlere Gruppe, die noch nicht 
bekannt ist, müßte in den Gefäßen der Vorniere gefunden werden. 
Die caudale Gruppe ist in den Darmarterien gegeben. Nach 
HOcHSTETTER (98) wird die A. omphalo-mesenterica ursprünglich durch 
eine größere Zahl von Aortenästen vertreten, welche zum größten 
Teil paarig, teils von Anfang an unpaar entspringen. Mit Aus- 
bildung des Darmgekröses verschmelzen die paarig entwickelten 
Darmarterien untereinander, und eines dieser unpaaren Gefäße wird 
zur A. omphalo-mesenterica, während die andern zurückgebildet 
werden. Ob eine Längscommissur gebildet wird, ist nicht bekannt, 
doch würde sie theoretisch fast erforderlich sein, wenn wir wissen, 
‚daß schließlich eine Arterie das Gebiet aller versorgt. 


Vögel und Säugetiere, 


Die Aortenbogen der Vögel und Säuger stellen die craniale 
Gruppe des viscero-ventralen Bogensystems dar; die mittlere Gruppe, 
die Beziehungen haben müßte zur Vorniere, ist nicht bekannt; die 

_ eaudale Gruppe würde auf früherer Entwieklungsstufe durch zahl- 
reiche Dottersackarterien, welche paarig aus den noch nicht ver- 
‚einigten Aorten entspringen, repräsentiert. 


588 W. Felix 


Zusammenfassung. 


Wir haben das Verhalten des viscero-ventralen Bogensystems 
innerhalb der einzelnen Klassen des Wirbeltierstammes kennen ge- 
lernt und können jetzt zusammenfassend sagen: Vom Amphioxus 
angefangen bis hinauf zu den Säugern lassen sich viscero-ventrale 
Bogengefäße entlang entweder der ganzen Länge oder entlang von 
Teilstrecken des Darmes nachweisen. Diese viscero-ventralen Bogen- 
gefiße liegen ursprünglich innerhalb der Kiemenbogen zwischen 
Splanehnopleura und Darm; sie verbinden im primitiven Zustand 
ein ventrales Längsgefäß, aus dem später Aorta ventralis, Herz und 
V. subintestinalis hervorgehen, mit einem dorsalen Längsgefäß, der 
Aorta dorsalis. In den Verlauf dieser Bogengefäße sind Wunder- 
netze derartig eingeschaltet, daß sie zwei aufeinanderfolgende 
Bogen verbinden; aus der Summe der Wundernetze entsteht eine 
parallel der Aorta dorsalis verlaufende Längscommissur, die Längs- 
commissur des viscero-ventralen Bogensystems. Die Wundernetze 
entsprechen in Lage und Ausdehnung den Harnkanälchen und 
ihren Verzweigungen. Später wird die Zahl der Kiemenbogen 
und der Harnkanälchen vermindert, die Kiemenbogen beschränken 
sich auf die eranialen, die Harnkanälchen auf die mittleren und 
caudalen Abschnitte des Rumpfes. Diese Scheidung zwischen 
Kiemen- und Vornierenregion hat auch eine Teilung der viscero- 
ventralen Bogengefäße in eine craniale und eine caudale Gruppe 
zur Folge. Die eraniale Gruppe bleibt als Aortenbogensystem bis 
zu den Säugern erhalten. Die caudale Gruppe macht verschiedene 
Umänderungen durch, ihre einzelnen Bogen treten außer zu den 
Harnkanälchen auch zu der Darmdottersackwand in Beziehung, da 
die Vornierenkanälchen in der aufsteigenden Wirbeltierreihe immer 
mehr an Zahl abnehmen, spaltet sich die caudale Gruppe wieder 
in zwei Unterabteilungen, in eine mittlere Gruppe, welche zu Vor- 
niere und Darm, und eine caudale Gruppe im engeren Sinne, welche 
nur noch zum Darm in Beziehung steht. 


Kiemen und Vornierenkanälchen sind paarige Organe, wir 
werden deswegen die Erhaltung der Paarigkeit der Bogengefäße 
im eranialen und mittleren Abschnitt erwarten dürfen. Der Darm 
ist ein unpaares Organ, es wird deshalb bei den Bogen der caudalen 


Gruppe sich aus dem paarigen Zustand der unpaare entwickeln 
können. 


Die Längscommissur des viscero-ventralen Bogensystems kann 


Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 589 


in allen drei Gruppen erhalten bleiben oder zurückgebildet werden. 
Da, wo alle Bogengefäße einer Abteilung in ganzer Länge zur Aus- 
bildung gelangen und in den erwachsenen Zustand übergeführt 
werden, ist sie nicht nötig, sie wird deshalb nicht mehr, oder nur 
unvollkommen angelegt. Wo nicht alle Gefäße einer Abteilung, 
wie das bei der mittleren und eaudalen Gruppe der Fall ist, in den 
erwachsenen Zustand übergeführt werden, ist die Ausdehnung der 
Rückbildung abhängig von der Längseommissur. Diese teilt jedes 
Bogengefäß in ein Wurzelstück und ein peripheres Stück. Das 
periphere Stück steht mit dem einheitlichen Capillarnetz in der 
Dottersackdarmwand in Verbindung. Wo eine Längscommissur be- 
steht, macht sie dieses periphere Capillarnetz unabhängig von dem 
einzelnen Wurzelstück; ist ein Wurzelstück eines oder mehrerer 
Bogengefäße genügend erweiterungsfähig, dann kann es mit Hilfe 
der Längscommissur die peripheren Stücke aller übrigen Bogen- 
gefäße und das von ihnen gespeiste Capillarnetz mit Blut versorgen; 
damit sind die übrigen Wurzelstücke unnötig geworden und fallen 
der Rückbildung anheim. Wir sehen deshalb im caudalen Ab- 
schnitt, wo die Rückbildung der zahlreichen Bogengefäße am 
stärksten auftritt, die Längscommissur am häufigsten erhalten. 


Die Entwicklung der Rumpfgefäße beim Menschen, 


Mit dieser Zusammenfassung ist der leitende Gesichtspunkt 
festgestellt, der bei allen Untersuchungen über die Entwicklung 
der Rumpfgefäße eines Wirbeltierembryo maßgebend sein sollte. 

Um eine solehe Untersuchung beim Menschen auszuführen, 
standen mir nur vier Embryonen zur Verfügung, die hinreichend 
jung waren, um wirklich die erste Entwicklung der Rumpfgefäße 
zu zeigen. Alle übrigen waren zu alt und zeigten Verhältnisse, wie 
sie bereits aus BROMANNs Zusammenfassung (07) bekannt geworden 
sind. Zwei Embryonen wurden mir von dem verstorbenen Geheim- 
rat Prof. PFANNENSTIEL anvertraut — ich gedenke seiner in herz- 
licher Dankbarkeit —; zwei weitere Embryonen stellte mir mein 
verehrter Freund und Kollege, Prof. ROBERT MEYER, Berlin, der un- 
eigennützige Förderer so vieler entwicklungsgeschichtlicher Arbeiten 
der letzten Zeit, zur Verfügung. Die PFANNENSTIEL-Embryonen 
tragen die Namen PFANNENSTIEL-KRÖMER, 1,38 mm gr. L. (Bestim- 
mung aus der Serie)und 5—6 Ursegmentpaaren, und PFANNENSTIEL III, 
2,6 mm gr. L. und 13—14 Ursegmentpaaren. Die beiden ROBERT 
Meyerschen Embryonen tragen die Bezeiehnung R. MEYER 335, 


590 W. Felix 


1,73 mm gr. L. (Bestimmnng aus der Serie) und 8—10 Ursegment- 
paaren, und R. Meyer 300, 2,5 mm gr. L. und 23 Ursegmentpaaren. 
Ich beschreibe die Rumpfgefäße dieser vier Embryonen der Reihe 


Fig. 7. 


Zone 
der omphalo- 
mesenterica 


RN; 16: 


Rekonstruktion des arteriellen Gefüßsystems eines menschlichen 
Embryo von 2,5 mm gr. L. und 23 Ursegmentpaaren. 
Meyer 300, aus der Sammlung von Prof. Dr. Rogerr Meyer, Berlin, 
Das arterielle Gefüßsystem besteht aus folgenden Teilen: der 
Aorta dorsalis, dem visceroventralen Bogensystem, der Längs- 
commissur des visceroventralen Bogensystems, dem dorsalen 
sogensystem und der Längscommissur des dorsalen Bogen- 
systems und endlich aus der A. umbilicalis, welche durch den 
19.—2). Bogen des visceroventralen Bogensystems mit der 
Aorta in Verbindung steht. 


Embryo R. 


nach und beginne mit 
dem ältesten 


EmbryoR.Meyer300, 

(Fig. 6, 7 u. 8). 

Die beiden Aorten 
sind bereits in ihrer 
ganzen Länge als kon- 
tinuierlicheGefäße vor- 
handen und erstrecken 
sich von der Kiemen- 
region biszurSchwanz- 
spitze. Sie sind in 
ihrer ganzen Länge 
paarig, mit Ausnahme 
der Strecke im 10. bis 
16. Ursegment, wo sie 
bereits zur unpaaren 
Aorta dorsalis verei- 
nigtsind. Entlang der 
vorderen zwei Drittel 
liegen sie am dorsalen 
Umfang des Darmes, 
weiter caudal entlang 
der Seitenwand der 
Cloake. Sie sind über- 
all mit geschlossener 
Wandung versehen, 
ihre Lichtung ist ziem- 


lich gleichmäßig rund, nur überwiegt bald mehr der frontale, bald 
mehr der sagittale Durchmesser. Die unpaare Strecke zeigt eine lang- 


gestreckte spindelförmige Erweiterung (Fig. 7). 


Von den Aorten 


gehen bei diesem Embryo 21 paarige dorsale und 31 meist paarig 
angeordnete viscero-ventrale Bogengefäße aus. 

Die dorsalen Gefäße sind bis auf die drei am weitesten eranial 
gelegenen streng metamer angeordnet, sie liegen stets zwischen 
zwei Ursegmenten, beginnen hinter dem dritten Ursegment und 


Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 591 


enden hinter dem letzten, dem 23. Ursegment. Die drei am 
weitesten eranial gelegenen dorsalen Gefäße verteilen sich auf eine 
Strecke vom Interstitiium zwischen 3. und 4. Ursegment bis zur 
vorderen Fläche des 5. Ursegmentes (Fig. 7). Sämtliche dorsalen Ge- 


Fig. 8. 


Commissurengefäß des dorsalen Bogensystems 


Aorta _ Anlage der 
V. cardinalis 


post. 


nephrogener 
Strang 


prim. Harn- 
leiter 


Ramus 24 
intestinalis 


V. umbi 
—— lical.sin 

V. umbili- _ 
calis dextr. 


A. umbili- 
calis destr. 


Anastomose der Vv. umbilicales A. umbilical. sin. 


Querschnitt eines menschlichen Embryo von 2,5 mm. gr. L. und 23 Ursegmentpaaren. Embryo 
R. Meyer 300, Sammlung Prof. Dr. Rogerr Meyer, Berlin. 12. Objektträger, 4. Reihe, 2. Schnitt. Der 
Schnitt geht rechts (linke Seite der Figur) etwas vor der caudalen Wand durch das 13. Ursegment, 
links durch die Mitte des 13. Ursegmentes. Der Schnitt trifft das erste Bogenpaar der caudalen 
Gruppe des visceroventralen Bogensystems der Länge nach. Der rechte Pärling ist ein starkes Ge- 
füß, das bis zur ventralen Darmperipherie reicht, der linke Pärling ist ein schwaches Gefäß, das 
nur in seinem Wurzelstück vom Schnitt getroffen ist. Neben dem Medullarrohr ist beiderseits die 
Längscommissur des dorsalen Bogensystems getroffen. Vergrößerung 150:1. 


 fäße verlaufen zwischen Medullarrohr und Ursegment und um- 


fassen die ventrale Hälfte des letzteren, die meisten von ihnen 


_ werden an ihrem Ende durch ein Längsgefäß verbunden, das sich 


eranialwärts bis zur vorderen Fläche des ersten Ursegmentes, 
also über das Gebiet der dorsalen Aste hinaus, erstreckt, und 


 eaudalwärts am 17. dorsalen Gefäße, hinter dem 18. Ursegment 
 endigt. Diese dorsalen Bogen bezeichne ich als dorsales Bogen- 


592 W. Felix 


system, das sie verbindende Längsgefäß als Längscommissur des 
dorsalen Bogensystems; Querschnitte dieser Längscommissur sind 
in den Fig. 8 und 9 zu sehen. Nicht alle dorsalen Bogen stehen 
mit der Längscommissur in Verbindung, die ersten 5 und der 


Fig. 9. 


16. Ursegment 


Commissuren- 
gefäß des 
dorsalen Bogen- 

systems 


F. 17. Ursegmert 


” 


nephrog. 
Gewebe — 


ir 


20. R.intestinalis 


” 
A 


21.R.intestinalis 


TR 


22.R.intestinalis 


entrhfl ‘ 


23.R.intestinalis 


prim. 
Harn- 


leiter Aorta 


Querschnitt eines menschlichen Embryo von 2,5 mm gr. L. und 23 Ursegmentpaaren. Embryo 
R. Meyer 300, Sammlung Prof. Dr. Roserr Meyer, Berlin. 14. Objektträger, 2. Reihe, 6. Schnitt. 
Der Schnitt geht durch die Schwanzkrümmung des Embryo, trifft also hier den Embryo in frontaler 
Richtung. Der Ort des Schnittes ist in Fig. 7 durch eine Linie mit »XIV. 2. 6« angegeben. Auf der 
Kopfseite trifft er das 16. und 17. Ursegment, auf der Schwanzseite das noch nicht abgesetzte 24. Ur- 
segment. Der Schnitt läuft fast parallel zur Aorta, trifft deswegen die einzelnen Rr. intestinales 
quer und die Längscommissur längs. Die Längscommissur des dorsalen Bogensystems ist auf der 
Kopfseite links und rechts getroffen. Vergrößerung 120 :1. 


14. bis 16. endigen vor Erreichung derselben blind (Fig. 7); es 
ist ziemlich wahrscheinlich, daß dieses Nichterreichen eine Rück- 
bildungserscheinung darstellt und daß auch entsprechend den zwei 
ersten Ursegmenten dorsale Bogen vorhanden gewesen sind. Be- 
weisen läßt es sich nicht sicher, da der nächst jüngere Embryo, 
PFANNENSTIEL Ill, noch keine dorsalen Bogen entwickelt hat. 


u 


Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 593 


Aus den dorsalen Bogen geht ventral von den Ursegmenten 
die erste Anlage der Aa. intereostales und lumbales hervor; ihrer 
Lage nach wären diese Gefäße ventrale Bogen, die ich zum Unter- 
schied von den viscero-ventralen Bogen parieto-ventrale Bogen nenne. 

Die 31 viscero-ventralen Bogen verteilen sich über den ganzen 
Rumpf bis zur Schwanzspitze, sie sind fast überall paarig vorhanden, 
aber überall bis auf das Ursprungsgebiet der A. umbilicalis ist der 
rechte Bogen der stärker entwickelte. Die viscero-ventralen Bogen 
sind im cranialen und mittleren Abschnitt sicher dysmetamer an- 
geordnet, vom 15. Ursegment ab ist eine gewisse Regelmäßigkeit 
in ihrer Anordnung vorhander, doch kann man auch hier von einer 
strengen Metamerie nicht sprechen. Die viscero-ventralen Bogen- 
gefäße lassen sich in die in der Übersicht festgestellten drei 
Gruppen ordnen: die craniale Gruppe besteht aus zwei Aorten- 
bogen; die mittlere Gruppe ist zusammengesetzt aus den 
Bogen 3—15 (in Fig. 7 Bogen 1—13), sie besteht aus den Vornieren- 
Dottersackgefäßen, die mehr kopfwärts gelegenen Bogen dieser 
Gruppe sind nur rudimentär angelegt, manchmal (5—7) gar nicht 
mehr mit der Aorta in Verbindung, die schwanzwärts gelegenen 
Bogen dieser Gruppe sind besser entwickelt, sie versorgen an der 
Vorniere vorbeiziehend den Dottersack und bilden in seiner Wand 
zahlreiche Äste, die wahrscheinlich alle untereinander in netz- 
förmiger Verbindung stehen, die caudale Gruppe umfaßt die 
übrigen Bogen, 16—31 (in Fig. 7, Bogen 14—29), die eranialen 
Bogengefäße dieser Gruppe versorgen den Enddarm, um den sie 
weitmaschige Netze bilden, die caudalen Bogen geben der A. um- 
biliealis Ursprung. Fig. 8 gibt einen Längsschnitt durch den ersten 
Bogen der dritten Gruppe wieder. Man sieht die Paarigkeit, die 
stärkere Ausbildung des rechten Pärlings und das Vordringen des- 
selben bis zur ventralen Peripherie des Darmes. 

Sämtliche Bogen der caudalen und die letzten Bogen der mitt- 
leren Gruppe sind untereinander durch eine Längscommissur ver- 
bunden oder zeigen Überreste dieser Verbindung (Fig. 7). Diese 
Längscommissur des viscero-ventralen Bogensystems ist wie die 
Bogen selbst paarig vorhanden. Da wo das Ursprungsgebiet der 
A. umbiliealis beginnt, geht die Längscommissur in ein Netz über, 
das den dorsalen Umfang des Enddarmes umgibt (Fig. 7), die 
A. umbiliealis steht nicht direkt mit der Aorta in Verbindung, 
sondern erhält ihr Blut aus ihr durch Vermittlung dieses Netzes 
-(Fig. 7). Durch das Netz und die Längscommissur ist das Wurzel- 


594 W. Felix 


zebiet der A. umbiliealis ein sehr großes, es erstreckt sich von dem 
Interstitium zwischen 17. und 18. Ursegment bis zur Schwanzspitze 
(Fig. 7). In Fig. 9 ist ein Querschnitt des Embryo entsprechend 
der Linie (mit XIV. 2.6 bezeichnet) in Fig. 7 wiedergegeben. Er 
seht gerade durch die Schwanzkrümmung und stellt deswegen für 
diese Gegend einen frontalen Schnitt dar. Die Aorten sind zwei- 
mal getroffen, zwischen ihnen liegen die Querschnitte des 22.— 29. 
Bogens. Alle Querschnitte werden durch die längs getroffenen 
Längscommissuren des viscero-ventralen Bogensystems verbunden. 

Wenn man bedenkt, daß hinter der 4. Kiementasche — die 
Kiementaschen sind in Fig. 7 eingetragen, aber nicht bezeichnet — 
noch der 5. und 6. Aortenbogen entwickelt werden, und in der 
gleichen Figur die Stellung des ersten viscero-ventralen Bogenge- 
fäßes der mittleren Gruppe zur vierten Kiementasche feststellt, so 
darf man wohl sagen, daß die beiden Gruppen unmittelbar anein- 
ander schließen. Dasselbe ist bei der mittleren und caudalen 
Gruppe der Fall, bei denen die gegenseitige Abgrenzung lediglich 
künstlich durch die Beziehung oder Nichtbeziehung zur Vorniere ge- 
zogen wurde. Wir können also sagen, daß bei diesem menschlichen 
Embryo das viscero-ventrale Bogensystem aus einer kontinuierlichen 
Folge von Gefäßen besteht, die an den Kiemen beginnen und bis 
zum caudalen Darmende reichen. Sämtliche Bogen bis zur Schwanz- 
spitze sind noch paarig angeordnet, ebenso die Längscommissur. 
Wir haben damit Verhältnisse vor uns, wie sie bis jetzt ursprüng- 
licher bei keinem andern Wirbeltier nachgewiesen worden sind. 
Was wir bei dem viscero-ventralen Bogengefäßsystem des Menschen 
vermissen, das sind die Wundernetze; das Fehlen derselben erklärt 
sich einmal daraus, daß die meisten von ihnen gar keine Beziehung 
zu den Vornierenkanälchen besitzen, und. wo diese Beziehungen vor- 
handen sind, da wird die rudimentäre Anlage und die kurze 
Existenzzeit der Vorniere eine solche Ausbildung unmöglich oder 
unnötig machen. 


Embryo Pfannenstiel III (Fig. 10—14). 


Die Aorta dorsalis ist in ganzer Länge entwickelt und in ganzer 
Ausdehnung noch unvereinigt, ihre Wandung ist eine allseitig ge- 
schlossene, eine Lichtung ist durchgängig vorhanden. Auffallend 
ist, daß an einer Stelle der 1. Aortenbogen unterbrochen ist (Fig. 12 
u. 13); doch berechtigt eine Verletzung des Embryo gerade an dieser 
Stelle zum Zweifel an der wirklichen Existenz dieser Unterbrechung. 


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Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 595 


4.9 


Rudiment. Vornierenkanälchen VER u 
\ N RI) 222 27 
\ # 


4 Er 


Aorta 


>—— _ Ram. intestinalis im 
dorsalen Abschnitt 
wegsam 


Angioblastem 


Dorsalste Masche des Rete intestinale 


Rete intestinale 
wegsam 


E; 


E“ intestinale noch im Stadium der Blutinsel 


Blut- 
insel 


Qaerschnitt durch einen menschlichen Embryo von 2,6 mm gr. L., 13—14 Ursegmentpaaren. Em- 
bryo PFANNENSTIEL III, Sammlung Geheimrat Prof. Prasnenstien +, Kiel. 8. Objektträger, 2. Reihe 
1. Schnitt. Vergr. 105/1. Der Schnitt geht durch das 7. Ursegment. Er ist ausgewählt zur Dar- 
stellung des Angioblastems, des Rete periintestinale und der Rr. intestinales. Das Entoderm, in 
- dessen dorsale Wand noch die Chorda eingeschaltet ist, ist fast in der Mitte des Dottersackstieles 
getroffen. An ihm ist eine Grenze zwischen Darm-Entoderm und Dottersack-Entoderm nicht zu 
ziehen, dagegen läßt sich die Grenze aus den Verhältnissen des Mesoderms auch in dieser Figar be- 
stimmen, da das embryonale Mesoderm als mehrschichtiges Cylinderepithel angeordnet, das außer- 
 embryonale Mesoderm nur locker geschichtet ist. Zwischen Splanchnopleura und dem Entoderm be- 
findet sich das Angioblastem, aus welchem sich das Rete periintestinale entwickelt, ein Gefäßnetz,, 
- das die Seitenwand des Darmes, den Dottersackstiel und den Dottersack umspannt. Wegen der ver- 
schiedenen Struktur des Mesoderms hebt sich das Angioblastem nur im Bereiche des embryonalen 
Mesoderms scharf gegen die Splanchnopleura ab. Auf der rechten Seite (linke Seite der Figur) ist 
‚die dorsale Grenze des Angioblastems scharf ausgeprägt. Auf der linken Seite steht das Angio- 
 blastem mit der Aorta durch Vermittlung eines R. intestinalis in Verbindung. Der R. intestinalis 
ist in seinen an die Aorta angrenzenden Abschnitten hohl und kommuniziert mit ihr, in seiner 
größeren peripheren Strecke ist er solid. Im Angioblastem sind alle Stadien der Entwicklung des 
_ Kete periintestinale vorhanden, von der ersten Anlage der Blutinseln bis zum ausgebildeten Gefäß. 


Em Tu 


+. 


596 W. Felix 


Das Hauptmerkmal für diesen Embryo ist ein zwischen Splanchno- 
pleura und Darm gelegenes Blastem, ich will es das Angioblastem 
nennen. Dieses Blastem macht den Eindruck eines selbständigen 
Blattes, welches gegen das Entoderm scharf abgegrenzt ist; das 


Ps 

. . “don ., 

a * u CL 

Bi m. les an... BL: 


blastem 
nit Vor- 
niere 


Rete peri- 
intestinale 


Dottersack 


Querschnitt eines menschlichen Embryo von 2,6 mm gr. L. und 13—14 Ursegmentpaaren. Embryo 

Pransesstien III, Sammlung Geheimrat Prof. Prassenstier +, Kiel. 10. Objektträger, 3. Reihe, 

5. Schnitt. Schnitt durch das 11. Ursegment. Vergr. ca. 120:1. Der Schnitt zeigt auf der rechten 

Seite einen in ganzer Ausdehnung hohlen R. intestinalis. Wir nähern uns hier dem Gebiet der 
caudalen Netzgruppe des Rete periintestinale. 


Verhältnis zum Mesoderm ist verschieden; im Bereich des embryo- 
nalen Mesoderms, wo die Splanchnopleura ein mehrfach geschichtetes 
Cylinderepithel zeigt, ist die Grenze eine ziemlich scharfe; im Be- 
reiche des außerembryonalen Mesoderms, wo die Splanchnopleura die 
Dottersackhülle bildet und nieht mehr ausgesprochenen Blatteharakter 
besitzt, ist die Grenze ganz unscharf (Fig. 10, 11). Das Angioblastem 


Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 597 


umhüllt den ganzen Umfang des Dottersackes (Fig. 11) und den 
ventralen Umfang des Darmes (Fig. 10 links) und endigt entlang der 


\ 
vn rer \ 
A 3 ame Aorta dorsalis 


Craniales Rete 
intestinale 


kam.intestinalis 
(solid) 


Caudales Rete 
intestinale 


Ram. intestinal. 
(hohl) 


Allantoisgang 


A. umbilicalis Längscommisur 


Enddarın 


Cherda aus deren 
Enioderm ausge- 
schaltet 


Rekonstruktion der arteriellen Gefäße eines menschlichen Embryo von 2,6 mm gr. L. und 13—14 Ur- 
_  segmentpaaren. Linke Seite. Embryo PraxxenstIer III, Sammlung Geheimrat Prof. PransenstieL 4 
Kiel. Die Konturen des Embryo und der Ursegmente sind mit schwarzen Strichen eingetragen, die 
Gefäße sind grau getönt. Am Dottersackstiel ist durch den hellen Farbton das Angioblastem mar- 
kiert, das ungefähr bis zur Mitte des Darmumfanges dorsalwärts reicht. Die Grenzkontur des Angio- 
blastems verläuft ziemlich geradlinig. Im Angioblastem ist durch Strichelung das Rete periintestirale 
_ des Dotiersackstieles markiert; es zerfällt in zwei Abschnitte, einen cranialen und einen caudalen, 
An seiner dorsa'en Grenze steht das Angioblastem durch Rr. inte:tinales mit der Aorta in Verbindung. 
Diese Rami sind teils dunkel, teils hell gehalten; der dunkle Ton soll ausdrücken, daß das Gefäß voll 
entwickelt ist, der helle Ton bedeutet, daß das Gefäß noch solid ist. Caudalwärts geht das Angio- 
blastem in das Rete periinte:tinale des Enddarms über, Die A. umbilicalis steht mit der caudalen 
Netzgruppe des Rete periintestinale des Dottersackstieles in Verbindung. Die Verbindung mit dem 
Rete periintestinale des Enddarmes beginnt sich gerade herzustellen. 


"Mittellinie des letzteren mit fast geradliniger Kontur (Fig. 12 u. 13). 
Das Angioblastem besteht aus locker zusammengefügten Zellen, 
zwischen denen Blutinseln in allen Stadien der Entwicklung einge- 
schaltet sind (Fig. 10 u. 11). Die jüngsten Blutinseln bestehen aus 


598 W. Felix 
dieht aneinandergedrängten großen Zellen; der Kern derselben ist 
rund, homogen und dunkel färbbar, das Protoplasma enthält Hämo- 
Fig. 13. globin. Die dichte 
Ban Lagerung der Zellen, 
2 x die dunkle Färbung 
Pr \ der Kerne und der 
/ leuchtende Farbtondes 
Protoplasmas heben 


N 
N A 7 
F__- llantoisgang 


A, umbilicalis 


Rekonstruktion der arteriellen Gefäße eines menschlichen Em- 
bryo von 2,6 mm gr. L. und 13—14 Ursegmentpaaren. Embryo 
PransEnstieL Ill, Sammlung Geheimrat Prof. PFANNENSTIEL 7, 
Kiel. Rechte Seite. Die Konturen des Embryo und die der Ur- 
segmente sind in Linien ausgezogen, das Gefäßsystem ist in 
Tönen dargestellt. Wir haben wieder zu unterscheiden das im 
hellen Farbton gehaltene Angioblastem, in dem das Rete peri- 
intestinale sich entwickelt. Das craniale Netz des Rete peri- 
intestinale ist voll ausgebildet, das caudale Netz ist erst in der 
Entwicklung begriffen. Auch hier steht das Angioblastem durch 
Er. intestinales mit der Aorta in Verbindung; soweit die Ver- 
bindungsbrücken solid sind, sind sie hell, soweit sie hohl sind, 
in der Farbe dunkel gehalten. Die A. umbilicalis entspringt 
hier bereits aus dem Rete periintestinale des Enddarms in der 
Höhe des 12. Ursegmentes, man sieht aber, wie bereits neue Ur- 
sprungswurzeln in der Anlage begriffen sind. 


die Blutinseln scharf 
von ihrer Umgebung 
ab, schärfer als die 
schwarz gehaltene 
Fig. 10 es wiedergeben 
kann. Ältere Blutinseln 
zeigen einen lockeren 
Bau, zwischen den ein- 
zelnen Zellen sind 
Spalträume vorhanden, 
aber irgendeine Gefäß- 
wandbildung ist nicht 
nachzuweisen; die äu- 
ßersten Zellen zeigen 
Ähnlichkeit mit einem 
niedrig-kubischen Epi- 
thel, dessen einzelne 
Elemente durch breite 
Intercellularlücken ge- 
trennt sind. Ausge- 
bildete Blutinseln zei- 
sen ein typisches 
Gefäßepithel, die Lich- 
tung mit vereinzelten 
hämoglobinhaltigen 
Blutkörperchen ange- 
füllt oder leer. Die Ent- 
wieklungsstadien der 


Blutinseln finden sich über die ganze Dottersackwand verteilt, doch läßt 
sich insofern eine bestimmte Anordnung erkennen, als die jüngsten 
Stadien sich mehr an der ventralen Peripherie des Dottersackes, die 
ältesten Stadien mehr am Dottersackstiel und der Darmwand finden. 


Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 599 


Rekonstruiert man das Angioblastem mit seinen Blutinseln, wie 
das in Fig. 12 u. 13 für die Gefäßinseln am Dottersackstiel und der 
Darmwand geschehen ist, so sieht man, daß das Angioblastem auf 
einen mittleren Streifen des Darmes beschränkt ist, die vordere Grenze 
liegt ungefähr in der Höhe des 4. Ursegmentes, eraniale und caudale 
Darmbucht werden von keinem Blastem umhüllt. Um die Wand der 


14. Ursegment —_ 


Aorta mit 
kam. intest. 


Rete perüntesti- — 
nale 


8%: 
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U. > .. . 
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nale 


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Allantoisgang 


Querschnitt eines menschlichen Embryo von 2,6 mm gr. L. und 13—14 Ursegmentpaaren in der Höhe 

des 14. resp. 13. Ursegmentes. Embryo Praxnenstiet III, Sammlung Geheimrat Prof. PFANNENSTIEL 7, 
Kiel. 12. Objektträger, 1. Reihe, 5. Schnitt. Vergr. 180:1. Der Schnitt geht rechts (linke Seite 
der Figur) durch die sich anlegende craniale Wand des 14. Ursegmentes, links durch die caudale 
Wand des 13, Ursegmentes. Der Schnitt zeigt das ausgebildete Rete periintestinale zu beiden Seiten 
_ des Enddarmes. Die beiden Aa. umbilicales nähern sich dem Rete. Zwischen Aorta und Rete ist 
rechts ein breiter R. intestinalis getroffen. 


_ eranialen Darmbucht legen sich später die Aortenbogen an, die 
_ wahrscheinlich keine Beziehung zum Angioblastem besitzen. Die 
| Wand der eaudalen Darmbucht wird von einem Gefäßnetz um- 
_ geben, auf das ich bei Besprechung der Verhältnisse der A. 
| umbilicalis zurückkommen werde. In dem Angioblastem bilden die 
Blutinseln ein Netz (Rete periintestinale), in dem sich wieder auf 
beiden Seiten des Embryo eine eraniale und caudale Gruppe unter- 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 39 


600 W. Felix 


scheiden lassen (Fig. 12 u. 13). Der verschiedene Entwicklungs- 
zustand der Netze ist auch in der Rekonstruktion ausgedrückt. Voll 
ausgebildete Netze mit deutlichem Gefäßepithel und Lichtung sind 
im vollen Farbton gehalten, solide Gefäßinseln und ausgehöhlte Gefäß- 
inseln mit noch unausgebildeter Wand sind durch Strichelung 
dargestellt. Die eraniale Netzgruppe liegt im Bereiche des 5.—8. Ur- 
segments, die caudale Netzgruppe beginnt im 10. Ursegment und 
hängt an ihrem caudalen Ende mit dem Rete periintestinale des End- 
darmes zusammen. Beide Netzgruppen kommen mit großen Gefäßen 
in Verbindung, die eraniale mit der V. omphalo-mesenteriea, die cau- 
dale mit der A. umbilicalis. Diese Beziehungen erklären ohne 
weiteres die Scheidung des Rete periintestinale in die beiden 
Gruppen, die Verbindung beider Gruppen untereinander findet 
durch den Teil des Rete periintestinale statt, welcher den Dotter- 
sack umspinnt. 

Das Angioblastem steht durch eine Reihe von Verbindungs- 
brücken, Rr. intestinales, mit der Aorta in Zusammenhang. Diese 
Rami sind nur am caudalen Umfang des Dottersackstieles so ge- 
stellt, daß sie mit dem Rete periintestinale in Verbindung kommen, 
in den übrigen Abschnitten des Dottersackstieles wird durch sie 
nur das Angioblastem ohne Rücksicht auf die in ihm enthaltenen 
Blutnetze der Aorta angeschlossen (Fig. 10 rechte Seite). Die Rr. in- 
testinales sind nicht streng paarig und nicht segmental angeordnet, 
ihre Zahl beträgt rechts (Fig. 13) wie links (Fig. 12) 14, von diesen 
kommen rechts 11 auf 9 Segmente (1—11 auf 6.—14., links 12 
auf 8 Segmente (1—12 auf 7.—14.). Sämtliche Rami sind an der 
Verbindungsstelle mit der Aorta hohl, die Rami 1—4 rechts und 
links sind in ihrem weiteren Verlaufe solid, bestehen sogar manchmal 
nur aus einer Reihe von Zellen (Fig. 10 rechts), außerdem stehen sie 
nur mit dem Angioblastem in Verbindung, die Rr. intestinales 
5—6 rechts und 5—7 links sind in ihrem ganzen Verlauf hohl, sind 
aber gleichfalls nur dem Angioblastem angeschlossen, die Rami 7—14 
rechts, 8—14 links sind hohl und ihre Lichtung steht mit der 
caudalen Netzgruppe des Rete periintestinale und dem Rete peri- 
intestinale des Enddarms in Zusammenhang (Fig. 11 links, Fig. 12 
u. 15). Das craniale Netz des Rete periintestinale des Dotter- 
sackes, welches ungefähr in gleicher Höhe mit den am weitesten 
eranial gelegenen Rr. intestinales liegt, ist also nur in solider, nicht 
offener Verbindung mit der Aorta, das findet seine Erklärung in 
der Tatsache, die wir bereits oben erwähnt haben, daß die eraniale 


Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 601 


Netzgruppe mit der V. omphalo-mesenterica in Verbindung tritt. 
Der Anschluß an das Venensystem führt zur Niehtaushöhlung oder 
Öbliteration der Rr. intestinales und damit zu ihrer Ablösung vom 
Arteriensystem. 

Die Aa. umbilicales stehen rechts und links mit der caudalen 
Netzgruppe des Rete periintestinale des Dottersackes und dem Rete 
periintestinale des Enddarmes und durch beide mit der Aorta in 
Verbindung. Das caudale Rete des Enddarmes bildet ein weites 


und weitmaschiges Geflecht, aus dem sich — man betrachte nament- 
lich Fig. 13 — schon die Längscommissur des viscero-ventralen 


Bogensystems herauszudifferenzieren beginnt. Die A. umbilicalis 
ist beiderseits S-förmig gekrümmt (Fig. 12 u. 13); der größere untere 
und distale Bogen des $ ist ohne Verbindung, der kleinere und 
proximale Bogen steht rechts durch den 8. R. intestinalis in der 
Höhe des 12. Ursegmentes, links durch 9.—11. Rr. intestinales 
in der Höhe des 13. Ursegmentes mit der Aorta in Verbindung. 
Fig. 12 sowohl wie auch Fig. 13 zeigen aber schon, daß rechts die 
Verbindung mit den Rr. intestinales 9—11, links mit den Rr. in- 
testinales 12—14 vorbereitet wird. Ist diese Verbindung hergestellt, 
dann erscheint der obere und proximale Bogen der A. umbilicalis 
nicht als Bestandteil dieser Arterie, sondern als Bestandteil des 
Rete periintestinale. Vergleicht man den Ursprung der A. umbilicalis 
in der Fig. 7 mit dem Ursprung in der Fig. 12, so fällt sofort die 
Abwanderung der A. umbilicalis ins Auge. Während diese Arterie 
beim Embryo PFAnNnENSTIEL III in der Höhe des 11. und 12. Ur- 
segmentes rechts und 12.—13. Ursegmentes links entspringt, ist der 
Ursprung bei Embryo Rogß. MEYER 300 auf die Höhe des 18. Ur- 
segmentes bis zum unsegmentierten Mesoderm herabgesunken. Wie 
die Abwanderung vor sich geht, dafür sind Fig. 12 u. 13 Zeugen. 
Die A. umbilicalis steht zunächst nur mit dem Rete in Verbindung 
und durch dieses mit der Aorta. Je mehr der Embryo wächst, je 
mehr Ursegmente den vorhandenen angegliedert werden, um so 
weiter erstreckt sich auch das Rete, und mit Hilfe dieses Rete kommt 
die A. umbilicalis mit immer weiter caudal gelegenen Abschnitten 
der Aorta in Zusammenbang, die neu gewonnenen Verbindungen 
bilden sich stärker aus, die alten lösen sich durch Obliteration der 
ihnen entsprechenden Retepartien von der Aorta ab. Aber nur das 
_ Rete — das zeigt der Vergleich von Fig. 7 u. 12 — geht zugrunde, 
_ die Rr. intestinales bleiben erhalten; die Teile der Längseommissur, 
_ die Fig. 7 noch im Bereiche der Rami 12—18 zeigt, sind nichts 
39* 


602 W. Felix 


andres als Rete-Reste. Die Verbindung der A. umbilicalis mit dem 
Rete gibt der ersteren erst den Anschluß an die Aorta, deswegen 
sehen wir das Rete immer nur da stark und gut ausgebildet, wo es 
diesen Anschluß zu vermitteln hat. Fig. 14 stellt einen Querschnitt 
durch das Rete periintestinale des Enddarmes dar. Man sieht das 
Rete voll entwickelt, um die Gefäßlichtung herum aber noch lockere 
Zellen, den letzten Rest des Angioblastems. Sobald also das Rete 


Fig. 15. 


Aorta dorsalis 


Rete perüintesti- 
nale 


Hintere Darm- 
bucht 


Allantoisstiel 


A. umbilicalis 


Rekonstruktion der Gefäße eines menschlichen Embryo von 1,335 mm gr. L. (Bestimmung aus der 
Serie) und 5—6 Ursegmentpaaren, von der rechten Seite gesehen. Die Aorta ist bis zu dem ersten 
Rumpfsegment als kontinuierliches Rohr vorhanden, von da ab bis zum hinteren Körperende ist sie im 
statu nascendi. In dieser Strecke erscheint sie bald als Rohr, bald nur aus einer oder mehreren 
ohne Zusammenhang gelagerten Zellen gebildet. Auf dem Dottersack an der Übergangsstelle zur 
hinteren Darmbucht ist ein Rete periintestinale entwickelt, mit dem die A. umbilicalis in Ver- 
bindung steht. Um den Enddarm herum ist ein Angioblastem vorhanden, mit dem sowohl die Aorta 
als das Rete periintestinale in Verbindung stehen. 


ausgebildet ist, verschwindet das Angioblastem in dem sich allmählich 
entwickelnden Mesenchym; außerdem zeigt diese Figur, wie nahe 
bereits die Aa. umbilicales dem Rete gekommen sind. 


Embryo Pfannenstiel-Krömer, Fig. 15—20. 


Der Embryo ist in der Ansicht von rechts und links und von 
oben rekonstruiert (Fig. 15, 16, 17). Die Aorta ist in ganzer Länge 


Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 603 


paarig, sie steht durch einen Aortenbogen mit dem Truncus arteriosus 
in Zusammenhang. Sie ist beiderseits bis in die Höhe des ersten 
Ursegmentes ein vollkommen entwickeltes Gefäß mit deutlicher 
Liehtung und deutlicher Wandung. Von da ab ist die Aorta bis 
zum Beginn der hinteren Darmbucht in der ersten Anlage begriffen; 
Stellen, wo sie ein gut entwickeltes hohles Gefäß darstellt (Fig. 18 
u. 19), wechseln ab mit Stellen, wo sie entweder gar nicht vorhanden 


Fig. 16. 


Aorta 


Dottersack 


1.—5. Ursegment 


Rete 


Bauchstiel mit 
A. umbilicalis 


Derselbe Embryo wie Fig. 15, von der linken Seite gesehen. Dieselbe Erklärung wie bei Fig. 15. 


ist oder nur durch eine oder mehrere Zellen, die aber kein geschlos- 
senes Rohr bilden, angedeutet wird. 

In den Rekonstruktionsfiguren ist die Aorta, soweit sie ein ge- 
schlossenes Rohr bildet, mit dunklem Farbton, wo sie nur durch 
einzelne Zellen repräsentiert wird, gestrichelt dargestellt (Fig. 17). 
Man sieht in Fig. 17, daß die dunklen und die gestrichelten 
Stellen nicht gleichmäßig links und rechts angeordnet sind und daß 
sie keinen segmentalen Charakter tragen. In der Ansicht von der 
Seite, Fig. 15 u. 16, erscheint der hintere Abschnitt der Aorta wie 
| eine Perlenschnur mit weit auseinander stehenden Perlen. Diese 


604 W. Felix 


Befunde beweisen zunächst, daß die Aorta in loco entsteht. Das 
Rete periintestinale ist nur im hinteren Teil des Darmes vorhanden, 
seine Lage ist gerade vor dem Gebiet der hinteren Darmbucht; um 
letztere selbst ist wie eine Hülle ein Angioblastem entwickelt; Netz 
und Angioblastem sind in den Fig. 15—17 dargestellt, das Angio- 
blastem in der Fig. 15 u. 16 mit hellgrauer Farbe, in Fig. 17 ge- 
striehelt. Fig. 20 zeigt das Angioblastem auf dem Querschnitt; die 
Stelle, welcher der Schnitt entnommen ist, bezeichnet in Fig. 7 der 


Fig. 17. 


Aorta dorsalis 


Schnitt VI. 3.7. 
Schnitt VII.1.3. 
Schnitt VII. 1.4. 
Ram. intestinal. 
Schnitt VII. 3.3. 
Angioblastem 


Schnitt VI. 3.7. 
Schnitt VII. 1.3. 
Schnitt VII. 1.4. 


Schnitt VII. 3.3. 


Canal. neuren- 
tericus 


A. umbilicalis 


Gefäß-Rekonstruktion eines menschlichen Embryo von 1,38 mm gr. L, und 5—6 Ursegmentpaaren. 
Embryo PFAnnEnsTIEL-KRöMER, Sammlung Geheimrat Prof. PrFANnenSTIEL 7, Kiel. Ansicht von oben. 
Man sieht, daß das Rete periintestinale mit der rechten Aorta durch einen hohlen R. intestinalis in 
Verbindung steht, während auf der linken Seite eine solche Verbindung noch nicht vorhanden ist. 
Soweit die Gefäße mit deutlicher Liehtung und deutlicher Wand vorhanden sind, sind sie in 
dunklem Farbton dargestellt, die in der Entwicklung begriffenen Gefäße und das Angioblastem 
sind gestrichelt, 
Strich mit »VII, 3, 3«; die Querschnitte laufen in schiefer Richtung 
durch den Embryo, deswegen die verschiedene Stellung des Striches 
rechts und links. Das Entoderm hat sich während der Fixierung 
etwas gefaltet, es liegt deshalb der Splanchnopleura und ihren 
Derivaten nicht unmittelbar an; das hat sich für unsre Zwecke als 
günstig erwiesen. Das embryonale Mesoderm ist solid, der Schnitt 
trifft die noch unsegmentierte Region, man sieht keine Grenze 
zwischen Ursegmentplatte und Seitenplatte; das außerembryonale 


Mesoderm ist durch das Exocölom gespalten, die Splanchnopleura 


Zur Entwicklungsgeschiehte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 605 


desselben bildet eine geschlossene Masse. Zwischen diesem und 
dem Entoderm ist gleichsam ein 5. Keimblatt eingeschaltet, das 
auf der rechten Seite vollständig vom Mesoderm getrennt ist, auf 
der linken Seite mit ihm durch zahlreiche Brücken zusammenhängt. 
Das Blatt besteht auf der rechten Seite nur aus einer Reihe von 
Zellen, auf der linken meist auch aus einer Reihe, nur da wo die 
Verbindungsbrücken, von der Splanchnopleura kommend, sich an- 
setzen, und da, wo die A. umbilicalis liegt, sind mehrere Reihen 
vorhanden. Dieses 5. Keimblatt stellt das Angioblastem dieses 


Fig. 18. 
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PR H % 
Pa I Hl x 
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Nana) NE 

f 5 
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( antenne 
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N Rete perüntestinale Aorta Chorda Aorta 


Querschnitt eines menschlichen Embryo von 1,38 mm gr. L.’(Serienbestimmung) und 5—6 Ursegment- 

paaren. Embryo PraxxenstIEL-KröMeEr, Sammlung Geheimrat Prof. PrawsenstieL +, Kiel. 7. Objekt- 

träger, 1. Reihe, 3. Schnitt. Der Schnitt geht beiderseits durch die Ursegmentplatte, er zeigt die 
rechte und linke Aorta voll entwickelt und das Rete periintestinale. Vergrößerung ca. 120 :1. 


Embryo dar. Es beginnt an der ventralen Peripherie des Dotter- 
sackes, mit D bezeichnet, und endigt etwas ventral von der Ur- 
segmentplatte. Die linke Seite (rechts in der Fig. 20) ist weiter 
caudal getroffen als die rechte; verfolgt man die linke eranialwärts 
weiter, so treten genau dieselben Verbindungsstränge auf wie rechts, 
es stellen also die beiden Seiten der Fig. 20 zwei verschiedene Ent- 
wicklungszustände des Angioblastems dar. Auf der linken Seite 
der Fig. 20 ist die A. umbilicalis zweimal getroffen; sie ist hier auf 
dem Wege zum Rete periintestinale, das sie weiter eranial erreicht. 
Die Umbiliealis zeigt schon vollständig geschlossene Wandung und 
setzt sich deswegen ziemlich scharf gegen das allmählich sich ent- 
wickelnde Rete periintestinale ab; die Räume nämlich, welehe durch 


606 W. Felix 


die Verbindungsstränge zwischen Mesoderm und Angioblastem ab- 
gegrenzt werden, stellen nichts andres dar als die erste Anlage des 
Rete, sie gehen auch eranialwärts ganz allmählich in dasselbe über 
(Fig. 16). Die am weitesten dorsal gelegenen Abschnitte des Angio- 
blastems stehen mit dem Mesoderm nicht durch Stränge in Ver- 
bindung (Fig. 20, 19, 18), das weist dieser Strecke des Angioblastems 
von Anfang an eine besondere Stellung zu; sie nimmt diese Stellung 
auch in der Tat ein, denn aus ihr entwickelt sich die Aorta. Ver- 
folgt man sie in der Serie eranialwärts, so löst sie sich bald von 
dem übrigen Angioblastem bzw. von dem aus ihm hervorgegangenen 
Rete ab und geht in die Aorta über. Ich habe deswegen in Fig. 15 
u. 16 beide Aorten in das Angioblastem auslaufen lassen. 


FT 8 m 22 . 
En „ ef; 
BEN EA Aorta Chorda Aorta 5 
N 
Rete perüintestinale 
Rete perüntestin. 


Querschnitt eines menschlichen Embryo von 1,38 mm gr. L. (Serienbestimmung) und 5—6 Ursegment- 

paaren. Embryo PrFAnnEns TIEL-KRÖMER, Sammlung Geheimrat Prof. PrFAnxEnstIEL +, Kiel. 7. Objekt- 

träger, 1. Reihe, 4. Schnitt. Vergr. 120:1. Der Schnitt folgt in der Serie unmittelbar dem der 

Fig. 18. Er zeigt die einzig wegsame Verbindung, welche in diesem Embryo zwischen Aorta dextra 
. (auf der Fig. links) und Rete periintestinale besteht. 


Das Rete periintestinale ist in den Fig. 18 u. 19, die unmittelbar 
einander folgenden Schnitten nachgebildet sind, zu sehen. Es ist 
mächtig ausgebildet, wie auch die Fig. 15 u. 16 zeigen, und hat 
folgende Verbindungen: Die caudale Verbindung mit dem Angio- 
blastem haben wir bereits erwähnt; eranialwärts öffnen sich seine 
Gefäße teilweise frei in die primäre Leibeshöhle, teils stehen sie 
'mit dem Netz auf dem Dottersack, das in den Fig. 15 u. 16 nicht 
dargestellt ist, in Verbindung; ventralwärts hängt es mit der A. um- 
bilicalis zusammen, die Verbindung ist rechts (Fig. 15 u. 17 voll- 
ständig fertig, links (Fig. 16 u. 17) ist sie an einer Stelle noch 
unterbrochen; dorsalwärts steht nur das rechte Rete in der Höhe 
des zukünftigen 7. Ursegmentes mit der sich entwickelnden Aorta 
in offener Verbindung (Fig. 15, 17, 18), zwischen dem linken Rete 
und der Aorta finden sich dagegen zahlreiche Zellketten ausgespannt 


Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 607 


(Fig. 17, 18). Demnach steht die linke A. umbiliealis nur mit dem 
Rete, aber nicht mit der Aorta, die rechte Umbiliealis mit beiden 
in Verbindung. Auch bei diesem Embryo zeigt sich, daß die Ver- 
bindung mit der A. umbiliealis die volle Ausbildung des betreffenden 
Reteabschnittes bedingt. Innerhalb des Bauchstieles sind die beiden 


Fig. 20. 
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In das Rete peri- 
intestinale ein- 
mündende A. 
umbilicalis 


A. umbilicalis-Einmündung in das Rete perüntest. 


Querschnitt eines menschlichen Embryo von 1,38 mm gr. L, und 5—6 Ursegmentpaaren. Embryo 
PFANNENSTIEL-KRÖMER, Sammlung Geheimrat Prof. PrannenstieL 7, Kiel. 7. Objektträger, 3. Reihe, 
3. Schnitt. Vergr. ca. 120:1. Der Schnitt geht durch den Enddarm. Infolge einer Schrumpfung 
hat sich das Entoderm vom Mesoderm abgehoben und stark gefaltet. Dadurch tritt die Gefäß- 
bildung, wie sie in diesem Falle von der gesamten Splanchnopleura ausgeht, deutlich hervor. Es 
erfolgt gleichsam eine Delamination der Splanchnopleura des Mesoderms und dadurch die Bildung 
eines geschlossenen Gefäßblattes. Dasselbe steht teils durch Zellausläufer, teils durch ganze Zell- 
gruppen mit der Splanchnopleura in Verbindung. Durch diese Verbindung wird der Raum zwischen 
Mesoderm und Gefäßblatt in einzelne Fächer zerlegt, die sich durch ihren Gehalt an Blutkörperchen 
als künftige Gefüße zu erkennen geben. 


Umbilieales ungeheuer weit (Fig. 17), erst beim Eintritt in die ven- 
trale Wand des Embryo fallen beide Gefäße plötzlich zusammen 
und sind nur noch mit größter Mühe zu verfolgen. Es mag diese 
Erscheinung auf eine Schrumpfung des Embryo während der 
Fixation zurückzuführen sein. Infolge der Schrumpfung des Embryo 
werden alle Gefäße innerhalb desselben verengt und ihr Inhalt nach 
außen getrieben, also in die Aa. umbilicales. 


608 W. Felix 


Ergebnisse. 


Nachdem wir die Rumpfgefäße der einzelnen Embryonen im 
Detail dargestellt haben, wollen wir versuchen, die bei ihnen ge- 
wonnenen Ergebnisse zusammenzufassen. 

Die Rumpfgefäße des menschlichen Embryo lassen sich auf 
folgendes Grundschema zurückführen: Von einem Längsgefäß, Aorta 
dorsalis, zwischen Darm und Medullarrohr gelegen, gehen paarig an- 
geordnete Bogengefäße aus, ein Bogenpaar umkreist das Medullar- 
rohr, dorsales Bogensystem, ein zweites Bogenpaar umkreist den 
Darm, viscero-ventrales Bogensystem, und endlich ein drittes Paar 
umkreist die Leibeshöhle, parieto-ventrales Bogensystem. Alle 
3 Systeme sind bereits von MAackEyY (89) theoretisch aufgestellt 
worden. Das viscero-ventrale Bogenpaar steht sicher mit einem 
Längsgefäß in Verbindung, das dem ventralen Umfang des Darm- 
rohres entlang zieht und sich in drei Teile gliedert, die von hinten 
nach vorn aufgezählt als V. subintestinalis (bzw. Rete periintestinale), 
Herz, Aorta ascendens zu bezeichnen wären. Es ist möglich, daß 
auch das parieto-ventrale Bogenpaar dieses ventrale Längsgefäß er- 
reicht. Die dorsalen Bogen sind wahrscheinlich überall segmental 
angeordnet, vom 4. Ursegment ab sicher. Sie setzen in ihrer Ge- 
samtheit das dorsale Bogensystem zusammen. Sie werden an ihren 
Enden durch Anastomosen verbunden, welche in ihrer Gesamtheit 
jederseits ein Längsgefäß (Fig. 7), die Längscommissur des dorsalen 
Bogensystems, bilden. Welche Arterien bei den Erwachsenen die 
dorsalen Bogengefäße repräsentieren, ist noch nicht festgestellt, 
ebensowenig die Bedeutung ihrer Längscommissur. 


Das viscero-ventrale Bogensystem wird repräsentiert durch die 
Aortenbogen, die Vornieren-Darm-Dottersack-Arterien und die Dotter- 
sack-Darmarterien. Es ist von Anfang an paarig, aber nicht metamer 
angelegt. Auch dieses Bogensystem besitzt eine paarige Längs- 
commissur, die einen besondern gleich zu besprechenden Ent- 
wicklungsgang besitzt. 


Das parieto-ventrale Bogensystem wird in der Brust- und Lenden- 
gegend durch die Aa. intercostales und lumbales gebildet. Eine 
Längscommissur ist bei ihnen nicht bekannt, doch sprechen Varietäten- 
bildungen im Bereiche sowohl der Intercostales als Lumbales und 
die Existenz einer Mammaria interna und einer Mammaria lateralis 
für eine solche, und zwar in der Mehrzahl auf jeder Seite. 


Eine vierte Gruppe von hintereinander angeordneten Gefäßen 


Zur Entwicklungsgeschichte- der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 609 


wird durch die Urnierenarterien gebildet. Sie stellen kein Bogen- 
system dar, nehmen aber insofern eine besondere Stellung ein, als 
sie direkt aus der Aorta entspringen (s. meine Darstellung der Ur- 
nierengefäße in KEıgers Handbuch der Entwicklungsgeschichte des 
Menschen). Die Urnierenarterien liefern im Erwachsenen vielleicht 
die Bronchiales post., sicher die Phrenicae, die Suprarenales, die 
Renales, die Spermatieae internae und endlich die Gefäße zu den 
Lymphdrüsen und sympathischen Ganglien der Lumbalgegend. Von 
den drei Bogensystemen repräsentieren nur das viscero-ventrale 
Bogensystem, Aorta dorsalis, und das ventrale Längsgefäß ein ur- 
sprüngliches System. Das dorsale entsteht sekundär durch Aus- 
stülpung aus der Aorta, das parieto-ventrale tertiär durch Ausstülpung 
aus dem dorsalen Bogensystem. 


Aorta und viscero-ventrales Bogensystem mit Ausnahme der von 
den Aortenbogen dargestellten cranialen Gruppe entstehen aus ein und 
demselben Gefäßblatt. Die Entstehung des ventralen Längsgefäßes 
ist zu einem Teil (Vena subintestinalis im engeren Sinne und Rete 
periintestinale) sicher auf dieses Gefäßblatt zurückzuführen, zum 
andern Teil ist seine Entwicklung unbekannt. Die Entstehung der 
Aortenbogen ist in dieser Hinsicht noch nicht genügend untersucht. 


Das Gefäßblatt ist eine Abspaltung von der Splanchnopleura 
des Mesoderms, welche über dem ganzen Darm und Dottersack mit 
Ausnahme der vorderen Darmbucht eintritt. Aus dem Gefäßblatt 
sehen drei Gebilde hervor: das ventral gelegene Rete periintestinale, 
die dorsalen Aorten und die zwischen beiden gelegenen Rr. in- 
testinales. Das Rete periintestinale ist ein Gefäßnetz, welches die 
Oberfläche des Dottersackes und die des Enddarmes überzieht, es 
steht durch die Rr. intestinales mit den dorsalen Aorten in Ver- 
bindung, später erwirbt es neue Verbindungen sowohl nach der 
venösen Seite (Vv. omphalo-mesentericae) als nach der arteriellen 
Seite (Aa. umbilicales). Die Rr. intestinales sind wahrscheinlich 
paarig angeordnet, segmental wohl kaum; sie werden über den 
ganzen Rumpf entwickelt, sicher sind sie in der Zahl von 29 nach- 
gewiesen, es ist aber wohl möglich, daß sie noch zahlreicher sind. 


Rete periintestinale, Rr. intestinales und die dorsalen Aorten 
stellen einen Blutgefäßring um den Darm dar, welcher mit dem 
Darmblutsinus der Wirbellosen (LaxG 1903) verglichen werden kann. 
Die Möglichkeit eines solchen Vergleiches unterstützt unsre Be- 
hauptung, daß das viscero-ventrale Bogensystem ein primäres, das 


610 W. Felix 


dorsale und parieto-ventrale Bogensystem sekundäre Bogensysteme 
repräsentieren. 

Aus dem Rete periintestinale kann sich bei seiner Rückbildung 
die Längscommissur des viscero-ventralen Bogensystems ausbilden. 
Die Existenz einer solehen Längscommissur macht das periphere 
Gebiet der Rr. intestinales, dessen Entstehung ob durch Auswachsen 
der Rr. intestinales, ob aus dem Rete nicht bekannt ist, unabhängig 
von dem Wurzelgebiet, daher die Möglichkeit, daß alle Rr. intestinales 
bis auf drei zurückgebildet werden, aus denen A. coeliaca, mesen- 
terica sup. und mesenterica inf. entstehen. Die Mehrzahl der 
Rr. intestinales und die Existenz einer Längscommissur erklären 
spielend alle Varietäten, die im erwachsenen Zustande vorkommen. 

Die Unpaarigkeit der Darmarterien kann ich mit Bestimmtheit 
nicht erklären, soweit meine Beobachtungen einen Schluß gestatten, 
möchte ich mich für das Zugrundegehen des einen Pärlings, und 
zwar des linken aussprechen. Ich habe wiederholt die Coeliaca zu 
einer Zeit, wo sie schon vollkommen den erwachsenen Zustand auf- 
weisen sollte, paarig angetroffen. Es war dann der rechte Pärling 
als typische Coeliaca neben einem schwachen linken vorhanden. 
Für die Bevorzugung des rechten Pärlings spricht auch, daß er von 
Anbeginn an der stärkere ist. Daß Bilder zur Beobachtung kommen, 
die für eine Vereinigung der beiden Pärlinge wenigstens im Wurzel- 
gebiet sprechen, weiß ich sehr wohl. Immer aber, wo ich diese 
Bilder antraf, konnte ich nachweisen, daß die ventrale Aortenwand 
samt den von ihr entspringenden Rami intestinales firstartig aus- 
gebuchtet wurde. 

Die große Zahl der Rr. intestinales und ihre Verteilung über 
die ganze Länge des Darmes macht eine große Variabilität des Ur- 
sprungs der drei Arterien der Erwachsenen möglich. Die ver- 
schiedene Ursprungshöhe der Coeliaca und der beiden Mesentericae, 
wie wir sie bei Embryonen, Kindern und Erwachsenen kennen, 
braucht ihren Grund nicht in einer Verschiebung des Ursprungs zu 
haben, sondern kann ebensogut — und vielleicht besser — ihre 
Erklärung in der Erhaltung eines andern R. intestinalis finden. Die 
Art und Weise, wie eine solche Verschiebung einer Darmarterie ein- 
treten könnte, ist wohl von BromAn (07) sehr eingehend erörtert 
worden, gesehen hat sie aber weder er noch irgend ein andrer. 

Die viscero-ventralen Bogen lassen sich nach ihren Beziehungen 
zu andern Organen in die oben in der Übersicht aufgestellten 
3 Gruppen trennen. Die eraniale Gruppe liefert die Aortenbogen, 


We. rw rn Dee =” ve Eu R a 

Be ah a Wh E X 

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Pa er \ör 


Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 611 


die mittlere die Vornieren-Darm-Dottersackarterien, die caudale die 
Dottersack-Darmarterien. Alle zu den 3 Gruppen gehörenden 
Gefäße werden paarig angelegt, die Paarigkeit bleibt bei den Ge- 
fäßen der ersten Gruppe erhalten, die Gefäße der mittleren Gruppe 
verschwinden, aus den Gefäßen der dritten Gruppe gehen die un- 
paaren (ganz selten paarigen) Darmarterien hervor. 

Die A. umbilicalis steht von Anfang an mit dem Rete in Zu- 
sammenhang und kommt erst durch dieses mit der Aorta in offene 
Verbindung. Die erste offene Verbindung mit der Aorta liegt in 
der Höhe des 7. Ursegmentes, also des späteren 4. Öervicalsegmentes. 


Fig. 21. 


Viscerale Prim. 
Darm Wurzel Harnleiter Aorta 


4A. umbilicalis 


Parietale 
Wurzeln 


> Ureterknospe 


Rekonstruktion der A. umbilicalis eines menschlichen Embryo von 5,3 mm gr. L., 4,6 NS, 36 Ur- 

segmentpaaren. Embryo 1420, Sammlung Prof. Keıser, Freiburg i. Br. Die A. umbilicalis entspringt 

mit drei Wurzeln aus der Aorta, mit einer visceralen und zwei parietalen; zwischen den Wurzeln 
liegt der primäre Harnleiter. 


Von dieser Höhe wandern die Aa. umbilieales allmählich caudalwärts, 
indem sie das Rete periintestinale gleichsam als eine Leiter benutzen, 
an der sie hinabklettern; die Stelle des Rete periintestinale, welche 
jeweilen die Verbindung zwischen Umbilicalis und Aorta zu ver- 
mitteln hat, ist stark ausgebildet. Wird caudalwärts mit dem 
Wachstum des Embryo eine neue Verbindung hergestellt, so ob- 
literiert von der alten Verbindung nur das Rete periintestinale, die 
Rr. intestinales bleiben erhalten. Diese Tatsache ist nicht unwichtig, 
BroMmAN (07) nimmt an, daß bei dem von ihm theoretisch postulierten 
Abwandern der Darmarterien ein Zugrundegehen der nicht mehr 
benutzten höher gelegenen Wurzeln einträte. Hier haben wir ein 
 bewiesenes Absteigen einer Arterie entlang der Aorta, ohne daß die 


612 W. Felix 


nieht mehr benutzten Wurzeln zerstört werden. Die Wurzeln der 
A. umbiliealis aus dem viscero-ventralen Bogensystem bezeichne ich 
als die visceralen Wurzeln der A. umbilicalis. Von diesen visceralen 
Wurzeln bleiben keine erhalten, die A. umbilicalis tritt, an ihrem 
definitiven Ort im Embryo angelangt, mit dem parieto-ventralen Ge- 
fäßsystem in Verbindung, und zwar gleichfalls durch mehrere Wurzeln, 


Fig. 22. 


Parieio-ventrale 
Wurzel — Harnleiter 


Harnleiter 


Viscero-ventrale 
Wurzel 


V. umbilicalis 
deztra 


A. umbilical. 
deztra 


„bilicalis 
sin. 


Querschnitt eines menschlichen Embryo von 5,3 mm gr. L., 4,6 NS und 36 Ursegmentpaaren. Em- 
bryo 1420, Sammlung Prof. Keıser, Freiburg i. Br. 12. Objektträger, 2. Reihe, 1. Schnitt. Der 
Schnitt zeigt die parietale und viscerale Wurzel der A. umbilicalis nebeneinander. Vergr. ca. 60 fach. 


die parietalen Wurzeln der A. umbilicalis. Beide Wurzeln kommen 
nebeneinander vor und liegen so, daß sie den primären Harnleiter 
umfassen (Fig. 21 u. 22). Fig. 22 zeigt die Rekonstruktion des Ur- 
sprungs der A. umbilicalis, man sieht eine wiscerale und zwei 
parietale Wurzeln, welche mit der Aorta einen Ring bilden, durch 
welchen der primäre Harnleiter hindurchtritt. In Fig. 22 sind auf 
der linken Seite beide Wurzeln im Querschnitt dargestellt. 

Der Nachweis des viscero-ventralen Bogensystems und seiner 


Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien des menschl. Embryo. 613 


Längscommissuren könnte selbstverständlich zu einer Erklärung für 
die Entstehung weiterer Arterien herbeigezogen werden. Wer die 
Anlage der embryonalen A. pulmonalis aus dem 6. Aortenbogen 
kennt, wird durch den Verlauf dieser Arterie unwillkürlich an die 
Längsecommissur des viscero-ventralen Bogengefäßes der Ganoiden 
erinnert; es sind aber alle meine Bemühungen, eine solche Ableitung 
zu beweisen, bis jetzt ergebnislos verlaufen. 

Weiterhin werden wir uns erinnern, daß zwischen der A. mesen- 
terica sup. und der A. mesenterica inf. eine Anastomose vorhanden 
ist, die A. colica media und colica sinistra verbindet; diese Ana- 
stomose kann sogar doppelt sein. Es liegt nahe, diese Anastomose, 
welche bei gestrecktem Darm als Längsgefäß erscheint, gleichfalls 
mit der Längscommissur des viscero-ventralen Bogensystems in Be- 
ziehung zu bringen. Auch hier haben meine Bemühungen kein 
sicheres Resultat ergeben. Es ist wahrscheinlich, daß diese Ana- 
stomosen aus erhalten gebliebenen Abschnitten des Rete periin- 
testinale abstammen; mehr läßt sich aber zur Stunde nicht sagen. 


614  W. Felix. Zur Entwicklungsgeschichte der Rumpfarterien usw. 


Literaturverzeichnis. 


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Naturwiss. N. F. Bd. XXXI S.1—373. 

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Arch. f. Anat. u. Entwickl. S. 205—278. 


L) 


Die Kopfregion der Amnioten. 
Morphogenetische Studien. 
(6. Fortsetzung.) 
Von 


Dr. A. Fleischmann, 


Professor der Zoologie und vergl. Anatomie in Erlangen. 


In den vorhergehenden Abschnitten dieser Studien suchte ich die 
innige topographische Abhängigkeit der Mund- und Nasenhöhlen zu- 
nächst während der jüngeren, der Knochenanlagen entbehrenden 
Stadien klarzulegen. Zur Ergänzung lasse ich nun die äußere 
Gestalt der Mundnasengegend besprechen. Die Bildungsgeschichte 
derselben eingehend zu verfolgen, veranlaßten mehrere Unterhaltungen 
mit dem mir befreundeten Professor der Chirurgie E. GRASER über 
verschiedene, in der hiesigen Klinik von uns beobachtete Fälle von 
Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten einfacher und komplizierter Art 
sowie der dabei zutage tretende Kontrast seiner auf die Darstellung 
in den gebräuchlichen Handbüchern der Chirurgie fußenden Ansichten 
über die Entstehung der Mißbildungen zu meiner auf dem Anblicke 
von vielen hundert Embryonen basierten Meinung. Zur Beseitigung 
unserer Zweifel betraute ich den appr. Zahnarzt E. H. POHLMANN 
mit der erneuten Untersuchung des Gesichtes zahlreicher Katzen- 
embryonen. 

Schon seit langer Zeit hatte ich die landläufige Lehre über die 
Gesichtsentwicklung nicht mehr vortragen mögen, weil ich weder 
von den bekannten Abbildungen und Wachsmodellen noch von der 
üblichen Beschreibung mittels der Terminologie der Gesichtsfortsätze 
und der Verwachsung derselben befriedigt war. Trotz der trefi- 
lichen Figuren, welche den großen Atlas von H. RABL schmücken, 


schien mir seine Methode, das embryonale Gesicht bei 1öfacher Ver- 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 40 


616 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


größerung in verschiedenen Ansichten zu zeichnen, nicht ausreichend. 
Da es sich um geringfügige Reliefverschiedenheiten handelt, glaubte 
ich durch Ausnutzung stärkerer (50 und 100facher) Vergrößerung, 
sowie durch die Herstellung exakter Wachsmodelle einen Vorteil 
der Erkenntnis zu gewinnen. 

Ich habe mich ferner nicht auf die Betrachtung des Gesichts- 
reliefs beschränkt, sondern zugleich die hinter ihm liegenden Teile 
genau verfolgen lassen. Ist es doch für jeden, der das Gesicht der 
Amnioten vergleichend beurteilt, selbstverständlich, daß die besondere 
Gestalt des Gebisses und der Kiefermuskulatur, sowie die Form und 
Größe der Nasenhöhle hauptsächliche Faktoren für den Stilcharakter 
des Antlitzes sind. Aus der Erwägung, daß in früher Embryonalzeit 
der Gesichtsteil des Kopfes fast ganz fehlt, ergab sich die Aufgabe, 
die unter strenger Abhängigkeit erfolgende Entwicklung der Mund- 
und Nasenhöhlen im Zusammenhang mit der Ausgestaltung des Ge- 
sichtes zu verfolgen und an einer vollständigen Serie von Embryonen 
gewissermaßen mitzuerleben, wie dank dem Wachstum der nutrito- 
rischen und respiratorischen Hohlräume die Gesichtsfläche vor dem 
Hirne angelegt und vorgetrieben wird. 

Zur Erkenntnis der fundamentalen Beziehungen hielt ich die 
Säuger für das passendere Untersuchungsobjekt, weil in dieser Gruppe 
die gegenseitige Abhängigkeit der inneren und äußeren Gesichtsteile 
offen zutage liegt. Später könnten parallele Studien an Sauropsiden 
geführt werden. 

Der äußere Anlaß, welcher mich zur Behandlung des Gesichts- 
problemes führte, klingt in der nachfolgenden Dissertation wieder; 
sie befaßt sich mit den unhaltbaren Ansichten der Pathologen 
und Chirurgen eingehender, als notwendig gewesen wäre, wenn 
wir ung ausschließlich an embryologisch geschulte Leser gewendet 
hätten, denen die von HocustErTEr angebahnte Reform der alten 
Ansicht geläufig ist. 


Erlangen, 10. Dezember 1909. 


IX. 
Die embryonale Metamorphose der Physiognomie 
und der Mundhöhle des Katzenkopfes, 


Von 


Dr. E. H. Pohlmann, 
prakt, Zahnarzt in Saalfeld. 


Mit 40 Figuren im Text und Tafel XII—-XIV. 


Als mir Anfang November 1908 Professor A. FLEISCHMANN den 
Rat gab, die Entwicklungsgeschichte des Gesichtes und die Natur 
der sog. Gesichtsfortsätze einer neuen Bearbeitung zu unterziehen, 
hegte ich geheime Zweifel, ob ich auf diesem Gebiete neue Resultate 
finden könnte, wußte ich doch sowohl aus meiner früheren Studien- 
zeit als aus der Praxis, wie einleuchtend die herrschende Ansicht 
klingt, und welch kräftige Beweise dieselbe in den Mißbildungen 
des Gesichtes hat. Ermutigt durch die Zuversicht meines hochver- 
ehrten Lehrers, wagte ich mich an die Prüfung der fast zu einem 
Dogma erhobenen Lehre. Seinen Fingerzeigen verdanke ich, daß 
es mir gelungen ist, die verwickelten, in der Literatur nieder- 
gelegten Ansichten übersichtlich zu ordnen und aus den Präparaten 
neue Gesichtspunkte abzulesen. Den Dank für die Anleitung, 
kritisch wissenschaftlich zu arbeiten, und für die aufopfernde Unter- 
 stützung, die mir mein hochverehrter Lehrer bei der Ausführung 
der Arbeit zuteil werden ließ, möchte ich ihm hier ehrerbietigst 
aussprechen. 

Auch Herrn Professor Dr. E. ZANDER sage ich für seine liebens- 
würdige Beihilfe bei den photographischen Aufnahmen meinen 
 wärmsten Dank. 

Da bisher die Entwicklung des menschlichen Gesichtes das 
_ Lieblingsthema der Forscher gebildet hatte, empfahl mir Professor 
= . 40* 


618 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


Dr. FLEISCHMANN die Katze als Untersuchungsobjekt, weil bei diesem 
Haustiere die Schnauze am wenigsten lang und der Vergleich mit 
dem menschlichen Gesicht am ehesten möglich ist. Auf seinen Rat 
habe ich mich bemüht, exakte Rekonstruktionsmodelle der wichtigsten 
Stadien herzustellen, an denen man leicht die Entwieklung ohne er- 
läuternden Text abzulesen vermag. 

Von den nach bekannten Methoden*konservierten und gefärbten 
Katzenembryonen habe ich mehr als 100 in Serien zerlegt und zwar 
in Quersehnitte: 25 Stück unter 8 mm Sstl., 65 Stück von 8—20 mm 
Sstl., 12 Stück über 20 mm, in Sagittalschnitte: 4 Stück unter 8 mm, 
15 Stück von 8—30 mm. Die größte Sorgfalt habe ich der guten 
Orientierung der eingebetteten Objekte auf dem Mikrotom geschenkt, 
welche jedesmal mit einer Definierebene versehen wurden. Nach 
genauem Studium der Serien wählte ich die passenden Entwicklungs- 
stadien zum Modellieren aus. Aus den Schnittbildern habe ich die 
Eetodermhülle samt der Epithelschicht von Mund- und Nasenhöhle 
isoliert mit dem Edingerschen Zeichenapparate gezeichnet und in 
Wachs ausgeschnitten, so daß die fertige Rekonstruktion eine Hohl- 
maske des Gesichtes bzw. der Vorder- und Seitenflächen des Kopfes 
darstellte. Nur so war es mir möglich, die Formeigenschaften der 
Physiognomie, sowie der Mund- und Nasenhöhle von außen und 
innen zu studieren und die Frage nach der Existenz und Verwachsung 
der Gesichtsfortsätze, welche in der pathologischen und chirurgischen 
Literatur immer noch eine große Rolle spielen, zu klären. 

Außer 15 ganzen Kopfmodellen vom kleinsten Embryo bis zu 
22 mm Sstl. stellte ich 7 Teilmodelle her, die mir ein genaues Bild 
über die Entwicklung der Nase und der Mundhöhle geben sollten. 
Die ganzen Modelle wurden bei 50 und 100facher Vergrößerung, die 
Teilmodelle bei 100facher, nur eines bei 7Ofacher Vergrößerung 
hergestellt. Davon wurden in Holz geschnitzt und der Sammlung 
des zoologischen Institutes zu Erlangen einverleibt die Gesichts- 
modelle der kleinen Embryonen (Taf. XII, Fig. 1, 2) bei 50- und 100- 
facher Vergrößerung, ferner die Gesichtsmodelle 

des Embryos 8 mm Sstl. (Taf. XII, Fig. 3) 


- - 10-2. - =. (Tara, 710%2) 
- - IL 52,)09-4 [Mai XH, Fish) 
- - 12 - - (Taf. XII, Fig. 6) 
- - 22 - - (Taf. XI, Fig. 7) in 50facher 


Vergrößerung. 
Nach einem historischen Abrisse über die Wandlung der An- 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 619 


sichten von der Gesichtsentwicklung schildere ich zunächst das Außen- 
relief der Modelle und die Entstehung der Nasenschläuche. Hierauf 
folgt die Beschreibung der Mundhöhle und ihrer Gaumenmetamor- 
phose. Ich berücksichtige dabei hauptsächlich die Vorgänge im 
Eetoderm und behandle das Mesoderm als Fillmasse, welche die 
Zwischenräume zwischen den Epithelwänden des Modells ausfüllt 
und durch ihre Wachstumsenergie die Umgestaltungen im Eetoderm 
korrelativ begleitet. 


I. Die Entwicklung des Gesichtes. 
1. Die herrschende Lehre. . 


Die heute herrschende Lehre über die Entwicklung des Gesichts, 
der Mund- und Nasenhöhle reicht zurück bis an den Beginn des 
19. Jahrhunderts, also in eine Zeit, wo alle technischen und op- 
tischen Hilfsmittel zur ausreichenden Beobachtung der winzig kleinen 
Embryonen fehlten und man auf indirektem Wege, nämlich durch 
die Teratologie, das Verständnis des normalen Entwicklungsganges 
nach der bekannten Formel zu gewinnen glaubte: die Mißgeburten 
seien durch Bildungshemmung des normalen Verlaufes entstan- 
den, vorübergehende embryonale Stadien seien in ihnen dauernd 
festgehalten. Obwohl die Angaben der damaligen, mit so be- 
schränkten Hilfsmitteln forschenden Gelehrten wegen der unzu- 
reichenden Methodik längst hätten antiquiert sein sollen, haben sie 
sich im Gegenteil zu Dogmen entwickelt und ein Jahrhundert lang 
den Fortschritt der Erkenntnis verzögert. 

Soweit mir bekannt ist, hat J. F. MECKEL zuerst davon ge- 
sprochen, daß bei menschlichen Embryonen der 7. Schwangerschafts- 
woche eine weite gemeinschaftliche Nasen- und Mundhöhle vor- 
handen sei, deren oberer Rand ohne Grenze in die vordere Gesichts- 
tläche übergehe. Die Nasenhöhle soll unten durch zwei auf die 
vordere Gesichtsfläche reichende Spalten oflen sein. Später lege 
sich die Haut als Ober- und Unterlippe vor die Mundhöhle und ver- 
wachse in der Mitte. Ebenso wachsen die Gaumenteile des Ober- 
kiefers und der Gaumenbeine allmählich bis zur Nasenscheidewand. 


(16, 1. Bd. S. 72, 73, 74, 80: Tab. V. Fig. X u. XL.) Der Mund nimmt als 
breiter Spalt die ganze Breite der Gesichtsfläche ein. Die gemeinschaftliche 
Nasen- und Mundhöhle liegt in ihrem vorderen Teil offen dar und biegt sich 
allmählich in die Gesichtsfläche auf. Ganz deutlich sieht man am unteren Teile 
der Gesichtsfläche jeder Seite eine kleine, rundliche Öffnung, von welcher 
2 Spalten sich wegbegeben. Die eine ist kleiner und läuft nach außen, die 


620 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


andre weit längere läuft schräg nach unten und innen und wird bald von dem 
etwas aufwärtsragenden unteren Mundrande bedeckt. Die Längsspalten beider 
Seiten erreichen einander nicht, etwas hinter ihrem hinteren Ende befindet sich 
eine kleine Queröffaung, zu welcher sie früher vielleicht ganz gelangten. Jene 
weitere vordere randliche Öffnung ist von einer Art von Deckel angefüllt, doch 
sieht man deutlich einen Raum zwischen beiden. Die zuletzt beschriebene Ge- 
gend ist deutlich die innere Nase, die Scheidewand noch im Verhältnis zur 
Höhe jeder Seite sehr breit, was mit der noch ganz seitlichen Lage der Augen, 
der ungeheuren Weite des Mundes, der großen Breite und geringen Länge aller 
Teile zusammenfällt!. Vom Gaumenfortsatz des Oberkiefers, der später Nasen- 
und Mundhöhle trennt, findet sich noch keine Spur, und daher sind beide durch- 
aus noch eine Höhle. Bei einem andern Fetus hat die Mundhöhle ihre Gestalt 
beträchtlich verändert. Die vordere Gesichtsfläche, die früher schräg in die 
obere Wand der gemeinschaftlichen Mund- und Nasenhöhle überlief, geht jetzt 
in dieselbe mehr unter einem rechten Winkel über, weil der Oberkiefer mehr 
nach unten gewachsen ist und daher den Mnnd von oben mehr verschließt. 

Darum reichen auch die Spalten, welche die nach unten noch offenen 
Nasenhöhlen darstellen, nicht mehr bis in die vordere Gesichtsfläche, sondern 
haben sich ganz in die Nasen- und Mundhöhle zurückgezogen, deren vorderen 
Rand sie nieht einmal mehr erreichen. Ihre Gestalt ist so verändert, daß man 
keinen vorderen runden, durch ein Knöpfehen verschlossenen Teil mehr wahr- 
nimmt, sondern daß sie etwas nach außen gebogen mehr zugespitzt werden. 

Vier Jahre später benützte MEcKEL seine unzureichenden em- 
bryologisehen Beobachtungen zur Erklärung der Hasenscharte und 
des Wolfsrachens. (16a, S. 522 —526.) 

Aus den früheren Beschreibungen der Embryonen ergibt es sich, daß an- 
fänglich der Gaumen noch gar nicht gebildet ist, und daß die Spalten, wodurch 
die sehr weite Nasenscheidewand von dem Oberkiefer getrennt wird, sich bis 
auf die vordere Gesichtsfläche bis zur Gegend der Nase, die aber nicht existiert, 
erstrecken. Dieser Zustand geht dem voran, wo sich von beiden Seiten her die 
Haut als Ober- und Unterlippe vor die Mundhöhle gelegt hat, aber noch nicht 
von beiden Seiten zusammengetreten ist, sondern wenigstens die Oberlippe durch 
eine einfache mittlere Längenspalte geteilt wird. Ebenso wachsen auch die 
Gaumenteile des Oberkiefers und der Gaumenbeine zuerst in ihrem vorderen, 
dann in ihrem hinteren Teile allmählich bis zur Nasenscheidewand. 

Der doppelte Wolfsrachen und die doppelte Hasenscharte sind Hemmun - 
gen, die an den frühesten Zustand dieser Teile erinnern. Die Hasenscharte 
erkannte schon Harvey als ein Stehenbleiben auf einer früheren Bildungsstufe. 
Fir den Wolfsrachen hat AUTENRIETH dasselbe dargetan. 


Zwanzig Jahre später machte K. E. vox Baer bestimmte An- 
gaben über die Entwicklung der Nasenhöhle des Hühnchens. Ich 
gebe einen ausführlichen Auszug seiner Darstellung, weil die- 
selbe während der folgenden 80 Jahre alle Untersucher beeinflußt 
und die embryologischen Lehrbücher unbedingt beherrscht hat. 


(3, II. Bd., 8.123). Beide Oberkieferhälften und die Seitenwülste des Stirn- 
fortsatzes wachsen unterhalb der Nasengruben zusammen: nach hinten 


! Gerade das Gegenteil dieser Behauptungen trifft tatsächlich zu. 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 621 


zu verbinden sie sich mit den entsprechenden Teilen der anderen Seite zu einer 
Wand, dem Gaumen. So werden die Nasenhöhlen von der Mundhöhle abge- 
schieden. Die Nasenhöhlen sind anfangs sehr kurz, werden aber durch Ver- 
längerung des Gaumens allmählich länger. Ihr hinterer Ausgang reicht aber 
nicht viel über die Mitte der gesamten Decke der Mund- und Nasenhöhle hinaus. 

(3, 8. 78, 87, 106, 122,123). Am 4. Tage bildet sich in der verdickten 
Schädelmasse ein längliches Nasengrübehen mit wulstigem Rande, das 
eigentliche Riechorgan. Am 5. Tage werden die ziemlich dicht zusammen- 
liegenden Nasengruben weit tiefer und durch den vorspringenden Stirnfort- 
satz mehr getrennt. Am 6. Tage nimmt die Nasengrube an Tiefe zu. Indem 
der Oberkiefer mit dünner Spitze den Stirnfortsatz erreicht, bleibt 
zwischen beiden eine Lücke, der Nasengang, der nach außen als äußere Nasen- 
öffnung mündet, mit dem anderen Ende in die Mundhöhle geht. Dieser Gang 
ist kurz, indem er fast senkrecht hinabsteigt; denn die Einsenkung des Nasen- 
ganges in die Mundhöhle ist ganz dicht hinter der Schnabelspitze wie bei Am- 
phibien. Der ganze Nasengang geht unter der Nasengrube weg, welche nur von 
oben in den Nasengang einmündet. Das Riechorgan hat sich also früher ge- 
bildet, als der für die Atmung bestimmte Luftkanal. 

In den nächsten Tagen (8.—10.4) stellt sich der Nasengang allmählich mehr 
horizontal teils, indem der Schnabel mehr hervortritt, aber auch dadurch, daß 
der Oberkiefer, nachdem er den Stirnfortsatz erreicht hat, nach innen sich gegen 
den benachbarten ausdehnt und nach hinten zu immer mehr mit ihm verwächst, 
wobei sich zugleich die Nasenscheidewand bildet. Dadurch werden also die 
Gaumenbögen geformt. Vorn stoßen sie aneinander, nach hinten werden sie 
durch einen Schlitz getrennt. In diesen Schlitz laufen die Nasengänge aus. 


H. Rarake veröffentlichte 1832 ergänzende Beobachtungen über 
die Gesichtsbildung der Säugetiere (21 S. 9). 


Bei sehr jungen Schafembryonen besteht die vordere Gesichts- 
fläche fast nur allein aus der künftigen Stim. Am unteren Ende 
der Gesichtsfläche befinden sich zwei sehr kleine flache, rundliche, 
weitauseinanderliegende Nasengruben, welche an die Mundspalte 
angrenzen. Die Gruben werden bald tiefer, weil die Gesichts- 
wand in ihrer Nähe etwas dieker wird. Nasen- und Mundhöhle 
sind eine Zeitlang nicht voneinander geschieden. Aus der 
Stirnwand wächst der Stirnnasenfortsatz hervor. Er dient als 
Grundlage für die knorpelige Scheidewand der Nase, den Vomer, 
die Scheidewand des Siebbeins und die Zwischenkiefer. 


Die Oberkiefer wachsen nach Art der Extremitäten aus 
‚den Seitenwänden des Schädels hervor. Sie krümmen sich gegen 
die seitlichen Vorsprünge des Stirnnasenfortsatzes und verwachsen 
‚endlich mit demselben. Durch die Verwachsung der drei Fortsätze 
wird über die Öffnung der Nasengruben ein Bogen gespannt, welcher 
die Öffnung in zwei Hälften teilt: eine obere, das künftige Nasenloch, 
‚und eine untere, welche gegen die Mundhöhle gekehrt ist. Mit dem 


622 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 
Wachstum der drei Fortsätze wird die Nasenhöhle in die Länge 
vergrößert. 

Zum Beweise seiner Angaben bildet Rarnke (21, Taf. VII, 
Fig. 3—6) das Gesicht mehrerer Schafembryonen bei vierfacher 
Vergrößerung ab. Ich gebe zwei Figuren (Fig. 1,2) aus KÖLLIKERS 
Lehrbuch vom Jahre 1879 wieder, welche ungefähr dasselbe illu- 
strieren. 

Die Lehre, daß bei der Bildung des Gesichtes paarige, den 
Extremitätenanlagen vergleichbare Fortsätze miteinander ver- 
schmelzen, gewann damals eine große innere Wahrscheinlichkeit 
durch die Entdeckung der Kiementafeln von H. RATHkKE, welcher 


Fig. 1. 


4 Oberkieferfortsatz; 5 primitiver Unterkiefer; z Zunge. 
Fig. 2. Kopf eines 6 Wochen alten menschlichen Embryos nach KöLLikEr. an äußerer Nasenfort- 
satz; y Hypophyse; n Nasengrube;o Oberkieferfortsatz des 1. Kiemenbogens ; st Stirnfortsatz « Stelle, 
wo der Unterkiefer saß. 


1826 bei Hühnerembryonen des dritten und vierten Tages in der 
»langen und dicken Halsgegend« eine »weite Rachenhöhle« sah. 
Er hob ihre Ähnlichkeit mit der Kiemenhöhle der Haifische hervor, 
weil ‚sie drei Spalten der Seitenwand zeige. Die Spalten durch- 
setzen (wie bei den Fischen) die dicke Halswand, so daß eigentlich 
drei plattgedrückte, von außen nach innen sich verkleinernde Hals- 
seitenhöhlen an der Rachenhöhle hängen und diese mit den Spalten 
an der Außenfläche des Körpers verbinden. Zwischen den drei 
äußeren Spalten liegen zwei Tafeln, welche nach Lage, Stellung 
und Gestalt eine entfernte Ähnlichkeit mit Fischkiemen haben. 
Sie werden aber später den Kiemen erwachsener Fische nicht 
ähnlicher, sondern verschwinden in den folgenden Bebrütungs-" 
tagen. Die Kiemenanlagen von Blennius erscheinen in früher 
Embryonalzeit ebenfalls als bogenförmig gekrümmte schmale Tafeln! 
und haben eine große Ähnlichkeit mit den Tafeln am Halse des 


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E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 623 


Hühnchens, obwohl sie in größerer Zahl (5) vorhanden und 
dünner sind. 

RATHKE fürchtete daher keinen Fehlgriff zu tun, wenn er die 
Tafeln am Halse des Hühnchens für die Anlagen der Kiemen oder 
die auf einer der niedrigsten Stufen stehenden Durchgangsbildungen 
der Kiemen halte und behaupte, daß auch die Vögel mit Kiemen 
versehen sind, die aber in ihrer ersten Entwicklung schon wieder 
zugrunde gehen. Diese Befunde galten ihm als höchst wichtiger und 
auffälliger Beweis für die Richtigkeit des alten HarvEyschen Satzes, 


Fig. 3. 


Embryo eines Rindes. Vergr. 5/l nach KöruLizer. g Geruchsgrübchen; k 1. Kiemenbogen mit dem 
Ober- und Unterkieferfortsatz; k" K'"' 2. u. 3. Kiemenbogen; o Gehörbläschen; s Scheitelhöcker. 


daß die höheren Wirbeltiere bei ihrer Entwieklung die niederen in 
sich aufnehmen. 

Am 4. Bruttage bemerkte er dicht hinter dem Mund jeder- 
seits zwei dicke median verschmolzene Lappen, welche durch eine 
Querfurche an der unteren Fläche in zwei Abteilungen zerfallen. 
Aus dem vorderen Teile entstehe der Unterkiefer. Der hintere 
Teil bedecke die vorderste größte Halsspalte, ähnlich wie der 
Kiemendeckel die Kiemen der meisten Fische. Auch die Form 
dieses Teiles (mitten breit, oben und unten schmal) stimme mit dem 
Kiemendeckel der erwachsenen Fische überein. 

Später fand Raruke (21a) bei den Säugetierembryonen eben- 
falls die lappenförmigen Tafeln und mehrere Spaltöffnungen (4), 


624 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


welche durch die dieke Wand des Halses in die Rachenhöhle 
führen, und 1828 sah er die Spalten auch bei menschlichen Em- 
bryonen (Fig. 3). 

RATHKES Angaben wurden gleich 1827 von HuscHkE unbedingt 
bestätigt und seit jener Zeit so oft aufs neue bekräftigt, daß heute 
kein Zweifel mehr erlaubt scheint. 

Zur Popularisierung der sehr primitiven Ansichten über die 
Gesichtsentwicklung trugen die Zeichnungen menschlicher Embryonen 
von A. EckEr (6) und die unter dessen Aufsicht von Dr. A. ZIEGLER 
in Freiburg 1859 angefertigten Wachspräparate (Serie V., Die Ent- 
wicklung der äußeren Form des Menschengesichtes erlänternd) sehr 
vie] bei, da sie in die meisten Sammlungen kamen und ein beliebtes 
Demonstrationsmittel bei den Vorlesungen wurden. 

Das Modell I stellt das Kopfende eines vier Linien langen 
Embryos aus der 3. Woche mit 4 Kiemenbogen und der ersten An- 
deutung der Oberkieferfortsätze dar, Modell II das Kopfende eines 
5,5 Linien langen Embryos, ungefähr aus der 6. Woche, an welchem 
der längere Oberkieferfortsatz den mittleren Stirnfortsatz noch nicht 
erreicht habe und durch eine wirkliche Spalte vom äußeren Stirn- 
fortsatz getrennt sei. 

Ecker bildete ferner den Kopf eines zirka 6 Linien langen 
Embryos ab, dessen mittlerer Stirnfortsatz rechterseits vom Ober- 
kieferfortsatze und dem mit diesem schon verschmolzenen seitlichen 
Stirnfortsatze durch eine Spalte getrennt sei, während die linke 
Spalte sich unten schon geschlossen, oben zum Nasenloch umge- 
wandelt habe, und bemerkt, hier habe also eine halbseitige Hemmung 
der Entwicklung stattgefunden. 

Modell III des Kopfes eines 5 Linien langen Embryos aus der 
9. Woche zeigt, daß der Oberkieferfortsatz sich an die Stirnfortsätze 
angelegt habe, während die Nasenspalte zwischen ihnen noch 
offen sei. 

Ecker bildete (6 Taf. 26, Fig. 10) einen Embryo der sechsten 
Woche ab, dessen Oberkieferfortsatz schon größtenteils an die 
untere Schädelfläche angewachsen sei. Er verweist auch auf eine 
andre Figur (6 Taf. 27, Fig. 1) eines 5,75 Linien langen Embryos, 
dort sei die Furche, welehe die Verbindung des Oberkieferfort- 
satzes mit dem seitlichen Stirnfortsatze bezeichnet, noch deutlich 
wahrzunehmen. 

Das größte Wachsmodell IV stellt den Kopf eines 7,5 Linien 
langen Embryos dar, an dem die ehemalige Trennung des Ober- 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 625 


kieferfortsatzes vom Zwischenkiefer und seitlichen Stirnfortsatz noch 
durch eine Furche angedeutet sei. 

Die Anschaulichkeit der ZieGLerschen Wachsmodelle machte 
auf alle späteren Forscher und die Verfasser von Lehrbüchern einen 
so nachhaltigen Eindruck, daß die damit bewiesene Lehre von der 
Gesichtsentwicklung, die im besten Einklange mit den Erfahrungen 
der Pathologen und Chirurgen stand, unbezweifelt sich 4 Jahrzehnte 
forterbte. 

Nicht wenig wurde ihre Herrschaft durch den Beifall von A. 
KÖLLIKER (13). gestärkt, welcher auf Grund neuer Beobachtungen 
im Jahre 1860 die Angaben K. E. v. Baers über die Nasenent- 
wicklung des Hühnchens bestätigte. Er unterschied die primitiven 


Fig. 4. 


2 
-. 


Köpfe von Hühnerembryonen vom Ende des 4. und Anfang des 5. Bruttages nach KöLrıker. an 
äußerer Nasenfortsatz; in innerer Nasenfortsatz; %' 2. Kiemenbogen; m Mundhöhle; n Nasengrube; 
nf Nasenfurche; 0 Oberkieferfortsatz; s Schlundhöhle ; sp Chorioidalspalt; st Stirnfortsatz ; v Unterkiefer. 


Nasengruben (Fig. 4n), welche von einem als inneren (®”) und 
äußeren (an) Nasenfortsatz wulstig hervortretenden Wall umgeben 
sind, und die oberflächlichen Nasenfurchen, welehe zwischen dem 
Stirnfortsatz (st), äußeren Nasenfortsatz (ar) und Oberkieferfortsatz 
(0) in die primitive Mundhöhle verlaufen. Aus den primitiven 
Nasengruben entwickeln sich die Labyrinthe des Geruchsorgans. 
Die Nasenfurchen aber werden zu kurzen, in die Mundhöhle 
ausmündenden primitiven Nasengängen, wenn der ÖOberkiefer- 
fortsatz mit dem inneren Nasenfortsatz verwachse (Fig. 4). Jeder 
Nasengang münde durch das hintere Nasenloch in den Nasen- 
rachengang, welcher durch Bildung des Gaumens und der oberen 
Hälfte der ursprüngliehen Mundhöhle entstehe. Später werde jeder 
Nasengang weiter und bilde schließlich mit dem Nasenrachengang 
_ zusammen den ganzen unteren Nasengang. Der Stirnfortsatz (st) 


626 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


liefere das Nasenseptum samt den zugehörigen Deckknochen. Die 
äußeren Nasenfortsätze (an) liefern die Labyrinthe, die drei Muscheln 
und die Nasenflügel. 

Der Tränengang entstehe als eine zwischen dem äußeren Nasen- 
fortsatz und Kieferfortsatz, vom Auge zur Nasenfurche ziehende 
Rinne und werde durch Verwachsung der genannten Fortsätze in 
einen Kanal umgewandelt. 

Im Jahre 1866 schilderte KoLLmann (15) das äußere Relief 
des embryonalen Gesichtes in Wort und Bild. Bei seinem Bemühen, 
die durch die ZıesLerschen Modelle veranlaßten fehlerhaften An- 
sichten zu korrigieren, verfiel er in eine karikaturenhafte Über- 
treibung der Gesichtsplastik: Der Stirnfortsatz hänge nicht, wie 
man nach den Modellen erwarten sollte, gleich einer Schürze ab- 
wärts, in der sich die Nasenlöcher wie ein paar Einschnitte finden, 
sondern stehe von der Stirn ungefähr in einem Winkel von 45° nach 
abwärts ab. Die nüsternartigen Nasenöffnungen seien von hohen 
vorstehenden Wülsten begrenzt. Jede der durch eine tiefe Furche 
getrennten Nüstern besitze einen äußeren kürzeren und inneren 
längeren Flügel. Die Furche werde tiefer und enger, endlich ver- 
wachsen die inneren, einander zugekehrten Nasenflügel und bilden 
das Septum narium. Die nicht zum Septum verwendeten Teile der 
inneren Nasenflügel wachsen nach unten als zwei sich verbreiternde 
Hautlappen aus, um sich median unter einander und durch seitliche 
Naht mit den Oberkieferfortsätzen zu vereinigen. Die Oberlippe rühre 
also nur vom Stirnfortsatz her und entstehe aus zwei Teilen, deren 
mittlere Naht am normalen Antlitz als Philtrum charakterisiert 
sei. Die Oberlippe allein bilde die obere Begrenzung der Mund- 
spalte. 

Dursy (5) hat 1869 eine sehr ausführliche Schilderung seiner 
Studien über die Entwicklung des Kopfes veröffentlicht. In seinem 
Bestreben, den Zusammenhang der frühen Embryonalanlagen mit 
den anatomischen Befunden am fertigen Kopfe zu erhellen, hat er 
die anatomische Terminologie zur Beschreibung des embryonalen 
Zustandes gebraucht und wesentlich dazu beigetragen, daß die auf 
durchaus unzureichender Beobachtung fußenden Ansichten der älteren 
Schule eine neue Bekräftigung gewannen. Mit der unverbesserten 
Methodik der alten Schule konnte Dursy am Ende der 60er Jahre 
in der Analyse junger Stadien keine wichtigen Entdeckungen machen, 
sondern bloß alte Täuschungen auffrischen. Auch er schreibt dem 
Stirnfortsatz die wesentliche Rolle bei der Gesiehtsbildung zu. Er 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 627 


sagt: vor dem Erscheinen der Riechgruben gehe die Stirnwand ohne 
Abgrenzung bogenförmig in die Schädelbasis über. Später entstehe 
der Stirnfortsatz, d. h. eine zur Bildung der Nase bestimmte Fort- 
setzung der Schädelbasis, sowie der vorderen und seitlichen Stirn- 
wand. Durch mediane Verdünnung zerfalle derselbe in zwei Seiten- 
hälften: die zwischen den Riechgruben gelegene Partie der Schädel- 
basis und der Stirnwand enthalte die paarige Anlage des mittleren 
Stirnfortsatzes, aus dem die Nasenscheidewand und die Zwischen- 


Fig. 5. 


„„ Riechgrube 


_ Seitl. Stirnfortsatz 


... Tränenfurche 


Auge —- 
Mittl. Stirnfortsatz -—-, 


Oberkieferfortsatz --- D... Nasenfurche 


Vorderansicht des Kopfes eines Hundeembryos (304). Nach O. Scuurzze. Vergr. 10/1. 


kiefergegend des Gesichtes hervorgehe; die über und hinter den 
Riechgruben liegende Partie, die Stirnfortsatzwurzel enthalte die 
Anlage der beiden’seitlichen Stirnfortsätze, welche die laterale Wand 
der primitiven Nasenhöhlen darstellen. 


Die Riechgruben in der unteren Partie der seitlichen Stirnwand 
werden von einem bogenförmigen Saum oben umfaßt, bleiben aber 
unten frei und verlieren sich allmählich gegen die Mund- 
‘spalte und Augennasenfurche. 


Aus dem bogenförmigen Randsaum werde ein dieker Wulst und 
durch Höhenwachstum seines hinteren und oberen Abschnittes werde 
der obere und hintere Abschnitt der Riechgrube verdeckt. So ent- 


628 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


stehe ein hoher, seitlich komprimierter Spaltraum als Anlage der 
Nasenhöhle, die somit hinten und oben geschlossen, unten und vorn 
dagegen offen sei. Die mediane Wand werde von der lateralen 
Schädelwand gebildet, die laterale Wand von dem in‘eine breite 
Platte ausgewachsenen, früheren hinteren Randsaume der Riechgrube 
oder seitlichen Stirnfortsatz (REICHERT), welcher auf dem verlänger- 
ten Oberkieferfortsatz ruhe, aber von ihm durch die vom Auge zur 
Mundspalte schief absteigende Augennasenfurche geschieden sei. 
Der vordere Rand des seitlichen Stirnfortsatzes rücke nach vorn, 
verdecke schließlich die Riechgrube völlig und erreiche den vorderen 
Randwulst: er ziehe neben ihm zum vorderen Ende des Oberkiefer- 
fortsatzes herab. 

Die Seitenflügel des mittleren Stirnfortsatzes umfassen die Nasen- 
löcher von unten und verbinden sich mit den Spitzen der Ober- 
kieferfortsätze, nur eine äußere Furche deute noch die frühere Tren- 
nung an. So erhalten die anfangs in ihrer ganzen Länge unten 
offenen Nasenhöhlen einen über der Mundspalte liegenden Boden 
oder primitiven Gaumen, der an den Gaumen gewisser Tiere, z. B. 
der Eidechsen erinnere. Vor ihm entstehe das äußere Nasenloch, 
während hinter ihm eine offene Verbindung mit der Mundhöhle durch 
eine Längsspalte des Nasenhöhlenbodens — primitiver Gaumenspalt 
bestehe. Der mediane Teil des Stirnfortsatzes zwischen den primi- 
tiven Gaumenspalten sei der untere Rand der noch niedrigen Nasen- 
scheidewand, seine Seitenteile seien die Seitenflügel der Nase. 

Im weiteren Verlaufe der Entwicklung verdieke sich die Basis 
des Hirnschädels, wachse in ihrer ganzen ursprünglichen Breite in 
die Mundhöhle hinab und stelle die unverhältnismäßig breite Anlage 
der Nasenscheidewand dar. Die beiden Nasenhöhlen rücken später 
mit den Augen herab und kommen unter den Schädel zu liegen. 
Die kleineren äußeren Nasenlöcher würden von einem breiten Wulst 
umfaßt, dessen laterale und obere Partie dem seitlichen, dessen 
mediale und untere Partie dem mittleren Stirnfortsatz angehören. 

Der zwischen den beiden Gaumenplatten liegende Abschnitt der 
primitiven Mundhöhle werde von der Zunge völlig erfüllt. Wenn die 
Zunge sich von der Schädelbasis zurückziehe, werde der obere Ab- 
schnitt der primitiven Mundhöhle durch die mediane Verbindung 
der Gaumenplatten abgeschieden. Die beiden Gaumenplatten wachsen 
aus der Seitenwand der primitiven Mund- und Sehlundkopfhöhle 
hervor und trennen die ursprünglich einfache Höhle in zwei über- 
einander liegende Abteilungen. 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 629 


Der dadurch gewonnene Raum diene zur Vervollständigung der 
Regio respiratoria und zerfalle in einen hinteren unpaarigen Nasen- 
rachengang und vorderen paarigen Abschnitt. Der von der Nasen- 
scheidewand gebildete Anteil des primitiven Gaumens verwachse 
schließlich mit dem eigentlichen Gaumen. 

Die allgemeinen Ansichten der nächstfolgenden Jahrzehnte werden 
am besten durch die Darstellung erläutert, welche Ü. GEGENBAUR 
in seinem Lehrbuch der Anatomie 1883 (S. 433) über die genetischen 
Beziehungen von Mund- und Nasenhöhle gegeben hat. 


Die Kopfdarmhöhle, welche auch als primitive Mundhöhle bezeichnet wird, 
sondert sich in zwei übereinanderliegende Räume, davon der untere die spätere, 
sekundäre Mundhöhle darstellt. Der obere, mit jener Sonderung gleichzeitig 
durch eine mittlere Scheidewand in zwei seitliche Hälften getrennt, repräsentiert 
die Nasenhöhle, nachdem in diesen Abschnitt zugleich die Riechorgane einge- 
bettet wurden. Diese Scheidung setzt sich aber nicht durch den ganzen Raum 
der Kopfdarmhöhle fort, die hinterste Strecke bleibt ungetrennt, sie bildet den 
Pharynx. 

Die Scheidung der primitiven Kopfdarmhöhle vollzieht sich erst bei den 
höheren Wirbeltieren. Bei Reptilien (Eidechsen, Schlangen) und Vögeln beginnt 
die Scheidung und ist bei Schildkröten zum Teile, vollständiger bei Krokodilen 
ausgeführt. Den Säugetieren kommt der Vorgang in früher Embryonalperiode 
zu. Seitlich und vorne wachsen leistenförmige Vorsprünge (Gaumenplatten) ein 
und treffen mit der von der Basis Cranii ausgehenden Nasenscheidewand median 
zusammen. Unvollständiger Vollzug dieses Vorganges läßt einen Defect als 
Gaumenspalte bestehen. 


Auch W. Hıs bewegte sich in der durch K. E. v. BAER und 

H. RATHKE vorgezeichneten Bahn. Er hat innerhalb 17 Jahren (1885 
bis 1902) dreimal die Entwicklung des Gesichtes und der Nase unter- 
sucht und durch das Gewicht seiner Autorität die alte Ansicht an 
der Wende des 20. Jahrhunderts nicht bloß neu gestärkt, sondern 
auch gegen die Angriffe, welche aus einer besseren Erkenntnis er- 
wuchsen, mit Energie verteidigt. Man sieht an diesem Beispiele 
wieder einmal, wie schwer es ist, alte Gedanken, welchen der Vor- 
zug einer 5Ojährigen Tradition zuteil geworden ist, zu verwerfen; 
denn objektiv betrachtet, stützt sich die BAER-RATHKEsche Lehre gar 
nicht auf gründliche Beobachtungen, weil die geringe Lupenver- 
größerung und der Mangel der Konservierungsmittel es jenen genialen 
Forschern unmöglich machte, das Detail so zu erkennen, daß sie 
darüber Klarheit hätten erlangen können. Hıs befand sich in einer 

_ wesentlich günstigeren Position. Aber trotz der von ihm so gut aus- 
gebildeten Rekonstruktionsmethoden und vieler Wachsmodelle blieb 


er in der alten Observanz und trat der von HoCHSTETTER ange- 


630 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


bahnten Reform ablehnend entgegen. Ich fasse den wesentlichen 
Inhalt seiner drei Abhandlungen (8, 8a, 8b) summarisch zusammen. 
Bei jüngeren Embryonen zieht die Oberhautanlage, wie eine 
Haube (Stirnhaube), dieht über das Ende des Hirnrohres direkt in 
die Rachenhaut. Wenn das Gehirn auswächst, besonders wenn die 
Großhirnhemisphären sich emporwölben, erfährt die Stirnhaube eine 
entsprechende Ausdehnung. Sie hebt sich vom Gehirn stellenweise 
ab und bildet eine anfangs sehr breite, später verschmälerte blasen- 
artige Sagittalfalte, die Schnauzenfalte. Ihr Mittelstück besteht 
aus einem, jede Nasengrube konvex überragenden und einem unteren 
konkaven Abschnitt. Gleichzeitig mit der Sagittalfalte tritt eine 
quere Falte zur Bildung der Nasenkante und Nasenspitze auf. 
Jederseits von der Stirnhaube entstehen am Vorderkopfe 2 flache 
Nasenfelder, deren Boden muldenartig zu Riechgruben einsinkt. Sie 
scheiden sich in die JAcoBsonschen und eigentlichen Nasen-Gruben. 
Die anfangs im Bereiche des Vorderhirns liegenden Riechgruben 
rücken bald nach vorn abwärts und verlassen den Hirnbereich. 
Indem sie in die Seitenwand der Sagittalfalte mit einbezogen sind, 
gleiten sie zunächst in schräger Richtung nach vorn und kommen 
durch das Schmälerwerden der Faltenbasis in einen geringeren Ab- 
stand voneinander zu liegen. Das geht mit einer doppelseitigen 
Faltenbildung im Gebiete des mittleren Stirnfortsatzes einher. Die 
Riechgruben zerfällen die Vorderfläche des Schnauzenfaltengebietes 
in die mittleren und seitlichen Stirnfortsätze (Fig. 5). Der laterale 
Schenkel des Randwulstes der Nasengrube leitet die Bildung des 
seitlichen Stirnfortsatzes ein. Der seitliche Stirnfortsatz schiebt sich 
jederseits über die lateralwärts offene Nasengrube und wandelt 
sie rasch in die lateralwärts geschlossenen Nasenhöhlen um, welche 
die Form zweier enger Spalten annehmen, die mit einem schrägen 
Schlitz nach vorn und unten sich öffnen. Der seitliche Stirnfortsatz 
geht in die Scheidewand der Nase über, welche durch Verschmälerung 
des mittleren Stirnfortsatzes gebildet ist. Der mittlere Stirnfortsatz 
ist ein sehr breiter Streifen mit niedrigen Seitenleisten (Lamina 
nasalis) und eingesunkenem Mittelstück (Area infranasalis). Über der 
Area infranasalis liegt die Anlage des Nasenrückens (Area trian- 
gularis). Jede Seitenleiste ist eine besondere Sagittalfalte und er- 
scheint als Fortsetzung eines gewölbten Bogens, welcher am seit- 
lichen Stirnfortsatz als späterer Nasenflügel beginnt und die Nasen- 
öffnung von oben her medial als Randwulst der Nasenöffnung umgreift 
und die mediale Wand der Nasengrube bildet. Der Bogen läuft in 


E. H, Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 631 


einen vorderen kugeligen Vorsprung (Processus globularis — innerer 
Nasenfortsatz KÖLLIKER) aus. Eine breite zur Nasenöffnung empor- 
steigende Furche trennt den Processus globularis vom Ende des 
Oberkieferfortsatzes. Später ist der Oberkieferfortsatz näher an den 
Processus globularis herangeschoben. Wenn der mittlere Stirnwulst 
auf den Höhepunkt seiner embryonalen Entwicklung gelangt ist 
(etwa im Beginn der 6. Woche), lassen sich an ihm drei Zonen unter- 
scheiden, eine oberste Pars ethmoidalis, welche die beiden Nasen- 
höhlen überragt, eine mittlere Pars nasalis = Septum, die zwischen 
die beiden Höhlen eingeschoben ist, und die untere Pars inter- 
maxillaris, welche die Höhlen vom Mundraum trennt. Der seitliche 
Stirnfortsatz scheint vom Oberkiefer durch eine quere Spalte getrennt 
zu sein. 

Der zwischen beiden Oberkiefern liegende Teil der primitiven 
Mundöffnung wird bei fortschreitender Entwicklung von den 3 Stirn- 
fortsätzen ausgefüllt. Der mittlere Stirnfortsatz bzw. Processus globu- 
laris desselben verwächst unterhalb der zuerst durchweg offenen 
Nasenspalte mit dem Öberkieferfortsatz, der schräg von hinten und 
außen herantrit. Dadurch entsteht eine das Nasenloch von der 
Mundspalte trennende Querbrücke, der primitive Gaumen (Dursy) 
oder Anlage der Oberlippe und der unmittelbar dahinter liegenden 
Teile und es scheidet sich dadurch eine Gesichts- und Mundrachen- 
öffnung der Riechhöhlen ab. Der Schluß der offenen Nasengruben 
geschieht teils durch die Lamina nasalis, ausgiebiger durch Hervor- 
schiebung ihres hinteren Randes, der sich über die Außenfläche der 
Grube legt und dieselbe zudeckt; er ist der seitliche Stirnfortsatz, 
sein wulstiger Rand wird zum Nasenflügel. 

Sobald der seitliche Schluß der Grube erfolgt ist, führt von der 
vorderen Öffnung ein kurzer Eingangstrichter in eine hohe Spalte, 
(= Nasenschlauch) die oben von der Pars ethmoidalis überwölbt ist 
und in deren Decke der N. olfactorius sich einsenkt. 

Jenseits von der Nervenendstelle nimmt die Höhle an Höhe ab 
und läuft in den niedrigen Nasenrachengang aus, der lateralwärts 
von der Lamina nasalis in den hinteren Nasenlöchern sich öffnet. 
Nachdem der primitive Gaumen geschlossen ist, rücken die Processus 
globulares und zugleich die vorderen Enden der Laminae nasales 
median zusammen und verschmelzen. Durch die Vereinigung 
entsteht das Mittelstück der Lippen und der Zwischenkiefer; der 
Mundhöhlenteil des Oberkiefers oder innerer Kieferwulst rückt 


gleichfalls gegen den Processus globularis und verschmilzt mit ihm. 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 41 


= 


632 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


Das Septum narium entsteht demnach durch mediane Verbindung 
zweier ursprünglich getrennter Anlagen. Beim Menschen bildet sich 
die Oberlippe durch Verwachsung der Globularfortsätze des mittleren 
Stirnfortsatzes mit den Oberkieferfortsätzen. Die Oberfläche des 
mittleren Stirnfortsatzes zerfällt in einen als mediane Kante hervor- 
tretenden Teil, der zum Nasenrüicken wird, und einen als mediane 
Rinne sich vertiefenden Teil, der zur Nasenscheidewand und Ober- 
lippe wird. Die Grenze beider ist die Nasenspitze. Wenn die 
Nasenlöcher zusammenrücken, treibt sich der Nasenrücken schärfer 
hervor, dagegen vertieft sich der Einschnitt an der unteren Fläche 
des mittleren Stirnfortsatzes. Schließlich verbinden sich die Seiten- 
wandungen der medianen Rinne. An der Oberlippe begegnen sich 
die beiden Kugelfortsätze in der Mittellinie und das Nasenseptum, 
das zuerst aus zwei nebeneinanderliegenden Platten besteht, ver- 
wächst zu einer einfachen Lamelle. Die Oberlippe behält einen 
tiefen mittleren Einschnitt, dessen letzter Rest als Philtrum zurück- 
bleibt. Die Spur der bilateralen Verbindung von Lippen und Nasen- 
scheidewand erhält sich bei der Mehrzahl der Säugetiere bleibend 
als eine mediane, vom Lippenrand bis zur Schnauzenspitze reichende 
Spalte, z. B. Doggennase. 

O. SEYDEL (19) beschrieb 1899 die Nasenbildung bei Eehrdna 
ganz im Stile der Hisschen Darstellung. Der auswachsende äußere 
Nasenfortsatz liefere die komplette laterale Wand der Riechtasche. 
Später beteilige sich auch der Oberkieferfortsatz an der Bildung der 
hinteren lateralen Wand der Tasche. Die zugekehrten Ränder des 
spaltförmigen Zuganges zur Riechtasche verschmelzen, indem der 
untere Rand des äußeren Nasenfortsatzes sich an die entsprechende 
Partie des inneren Nasenfortsatzes lege. Der Oberkieferfortsatz bleibe 
daran unbeteiligt, weil er nicht so weit nach vorn reiche. Das 
hintere Ende des spaltförmigen Zuganges dauere als Kommunikation 
zwischen Nasen- und Mundhöhle. Mit dem Vorwachsen der Schnauzen- 
gegend erfahre die taschenförmige primitive Riechgrube eine rinnen- 
artige Verlängerung nach vorn, die von den verlängerten Nasen- 
fortsätzen umgeben und durch Verschmelzung derselben zum 
Atrium der eigentlichen Nasenhöhle abgeschlossen werde. Mit dem 
Auswachsen des Schnauzenteils würde die schlitzförmige Apertura 
nasalis externa größer werden, wenn sich nieht gleichzeitig von 
hinten nach vorn fortschreitend die Schließung derselben durch 
Verlötung der unteren Ränder des äußeren und inneren Nasenfort- 
satzes vollzöge. Also werde in einem bestimmten Entwicklungs- 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 653 


stadium (Echidna-Embryo 42) die äußere Nasenöffnung kontinuierlich 
neu gebildet. Mit dem Vorwachsen des Vorderkopfes verlängere 
sich die Öffnung nach vorn, wobei immer neu entstehende Teile in 
ihre Umgrenzung einbezogen würden, aber im gleichen Maße werde 
sie von hinten her verlegt. 

An Hıs schließt sich H. RaAsrL (20) an, der 1902 durch 
schöne Zeichnungen die Entwicklung des Gesichtes schilderte. 
Er legte weniger auf die Beschreibung, als auf naturgetreue Ab- 
bildungen Gewicht. Mit Recht tadelt er im Vorworte, daß die meisten 
der älteren Abbildungen entweder ganz unbrauchbar seien oder 
das embryonale Gesicht nur in Karikaturen wiedergäben. Die 
Mehrzahl derselben vermöge weder den primitivsten künstlerischen, 
noch wissenschaftlichen Anforderungen zu genügen. Man habe in 
die Zeichnungen jedes Licht und jeden Schatten eingetragen, den 
man beim Drehen und Wenden eines Embryos nach allen Seiten 
überhaupt sehen könne; daher hätten die verbreiteten Abbildungen 
geringe Beweiskraft. Angesichts der trefflichen Zeichnungen 
seines neuen Werkes wird jeder die Berechtigung des herben Tadels 
zugestehen; aber RABL verurteilt auch die neue Methode, daß man 
Modelle von den Embryonen anfertigt und diese Modelle zeichnet. 
Wohl schwerlich falle es einem Maler ein, einen Menschen, den er 
porträtieren wolle, zuerst zum Bildhauer zu schicken. Es sei ganz 
verwerflich, den Kopf oder das Gesicht eines Embryos nach einem 
Plattenmodell zu zeichnen; die nach solchen Vorbildern hergestellten 
Figuren seien so scheußlich, daß jeder, der einigen Formensinn be- 
sitze und die Objekte aus eigener Anschauung kenne, davon abge- 
stoßen werde. Hierin scheint mir RABL nicht recht zu haben, weil 
er den Vorteil übersieht, welehen die Untersuchung des embryonalen 
Gesichtes bei stärkeren Vergrößerungen (5%/, oder 1%/,) gewährt im 
Gegensatze zu einer l5fachen Vergrößerung, bei der seine Figuren 
entworfen sind. Nachfolgend stelle ich die wichtigsten Sätze aus 
dem Begleittexte des Raptschen Tafelwerkes zusammen. 

Das Riechfeld ist im Stadium 8 (114 2b) zu einer Grube eingesenkt, die 
oben von einer Art Schirm überwölbt ist und dadurch vertieft wird, während 
sie nach unten flach ausläuft. Mit dem hinteren Ende dieses Schirmes tritt der 


Öberkieferfortsatz in Verbindung. Die Nasengrube hat also nur oben einen 
scharfen Rand. Der Boden springt polsterartig nach außen vor. 


| In den nächsten Stadien 9 und 10 ist die Nasengrube vertieft mit fast 
‚kreisrunder Eingangsöffnung. Die schärfere Begrenzung desselben bringt es 

} mit sich, daß man jetzt schon einen medialen und lateralen Nasenfort- 

Isatz erkennen kann. Vom medialen Fortsatze zieht eine Leiste aus, die unter 
41* 


634 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


dem lateralen Nasenfortsatze hinweg zum ÖOberkieferfortsatz reicht, um sich mit 
ihm zu verbinden. Der mediale Nasenfortsatz des Stadiums 11 besitzt unterhalb 
der Nasenöffnung eine kleine, nach innen gerichtete Delle. Die Strecke zwischen 
den beiden medialen Nasenfortsätzen ist eingesenkt. 

Beim Stadium 12 stehen die enger gewordenen, schlitzförmigen Nasenlöcher 
nicht relativ, sondern auch absolut näher beieinander, als früher. Sie führen 
in den nach hinten an Tiefe zunehmenden Nasensack, an dessen medianer Wand 
die Miindung des Jacobsonschen Organs liegt. Das hintere Blindende des 
Sackes stößt an das Epithel des Vorderendes des primitiven Gaumens. 
Die aus beiden Epithelschichten bestehende Membran verschließt die primitive 
Choane. Zwischen den beiden mittleren Nasenfortsätzen, also an der unteren 
Seite des Stirnfortsatzes ist eine ziemlich tiefe Einsenkung bemerkbar; wie früher 
zieht eine Leiste vom medialen Nasenfortsatz unter dem lateralen Fortsatze 
hinweg zum Oberkiefer. 

Im Stadium 13 liegen die verengten und schief gestellten Nasenlöcher 
absolut eine Spur weiter auseinander, relativ aber enger zusammen. Die Ein- 
senkungen zwischen den beiden mittleren Nasenfortsätzen sind tiefer geworden; 
von ihrem Grunde zieht eine kurze schmale Furche, die einer Naht nicht 
unähnlich ist, senkrecht nach oben. 

Im Stadium 14 erscheint hinter dem inneren Ende der medialen Nasen- 
fortsätze eine kleine Grube als erste Andeutung der primitiven Choane, aber 
der Durchbruch ist noch nicht geschehen. 

Im Stadium 15 sind die Nasenlöcher kleiner geworden. Von der medianen 
tiefsten Einkerbung der Oberlippe, die zwischen den beiden Processus globulares 
liegt, zieht ein flacher Wulst nach oben. Die Oberlippe zeigt außerdem rechts 
und links am medianen Nasenfortsatz eine Einkerbung, auf welche die Kerbe 
zwischen Nasenfortsatz und Öberkieferfortsatz folgt. Die Choanen sind noch 
nicht durchgebrochen. 

Stadium 16. Von den Nasenlöchern zieht eine Furche im halbkreis- 
förmigen Bogen nach innen und unten zu der Ineisur zwischen den Processus 
globulares. Die beiderseitigen Furchen grenzen den Schnauzenteil deutlich ab. 
Der sagittale Wulst, welcher von der Ineisur senkrecht nach oben reicht, flacht 
sich allmählich ab. Vom oberen Ende der schlitzförmigen Nasenlöcher laufen 
bogenförmige Furchen gegen das obere Ende der medianen Erhebung oder 
Leiste (mediane Nasenleiste) und grenzen kleine paarige Knötchen ab. 

Stadium 17. Über die schlitzförmigen Nasenlöcher schieben sich von oben 
und außen deckelartig die lateralen Nasenfortsätze. 


Die fast 100 Jahre währende Tradition der Gesichtsentwicklung 
nach MECKEL, BAER, RATHKE wurde zum ersten Male durch F. HocH- 
STETTER im Jahre 1891 angetastet. HOCHSTETTER (9, 9a) erklärte 
nach Untersuchungen an Katzen- und Kaninchen-Embryonen: 

Eine offene Nasenfurche als primäre Kommunikationsspalte 
zwischen Mund- und Nasengrube existiert ebensowenig, als der Ab- 
schluß der beiden Höhlen durch Verwachsung der Furchenränder 
erfolgt. Der Hohlraum der Nasengrube ist von der Mundhöhle 
durchaus abgeschieden und gewinnt durch Herabwachsen des lateralen 
Stirnfortsatzes Taschenform. Der Epithelüberzug der Begrenzungs- 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 635 


ränder der Nasengrube d.h. der laterale und mediale Stirnfortsatz 
verschmelzen, so daß der hintere Abschnitt der Nasentasche in 
einen kurzen Blindsack umgewandelt werde, der durch eine Epithel- 
lamelle mit dem Epithel des Munddaches zusammenhängt. Letztere 
wird vom Mesoderm durchbrochen und damit eine solide Scheide- 
wand zwischen Nasenhöhle und primitivem Gaumen hergestellt. Im 
hinteren Abschnitt der Nasentasche wird die Epithellamelle erniedrigt 
und verbreitert, bis sie schließlich als eine dünne Membran (Mem- 
brana bucco-nasalis) erscheint (Fig. 6). Wenn sie zerreißt, ist die 
hintere Öffnung der Nasentasche oder Choane gebildet. Die Nasen- 
öffnung wird vom medianen und lateralen Stirnfortsatz umgeben. 


Fig. 6. 


Membrana Unter- Oberkieferfortsatz 
bucco-nasalis  kieferforts. 


Sagittalschnitt des Kopfes von Vespertilio murinus von 8mm Länge. Vergr. 12/1. Nach Tıemann. 


Der Oberkieferfortsatz beteiligt sich weder an der Begrenzung des 
Nasenloches noch am Abschlusse der Nasenhöhle. Sehr richtig be- 
merkt HocHSTETTER, der Öberkieferfortsatz stellt keinen reinen 
Fortsatz dar, sondern erscheint nur äußerlich als eine wulst- 
förmige Hervorhebung des embryonalen Gesichtes, dessen Meso- 
dermmassen kontinuierlich mit den Mesodermmassen des benachbarten 
Fortsatzes zusammenhängen. 

F. Keiıger (11) pflichtete 1893 dem Bericht HocHSTETTERS in allen 
wesentlichen Punkten bei, nur mit der Einschränkung, daß er die 
älteren Autoren, vor allem Hıs verteidigt. Er meint, die erste 
| Anlage des primitiven Gaumens komme durch Anlagerung des 
| lateralen Nasenfortsatzes an den medialen Nasenfortsatz zustande. 
Später dringe der Öberkieferfortsatz bis an den medialen Nasen- 
| fortsatz vor und trage wahrscheinlich zur Bildung des primitiven 


636 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


Gaumens, jedenfalls zur Bildung der Oberlippe bei. Die Beschreibung 
und Darstellung, welche Ecker und Hıs von der Nasenrinne gaben, 
beruhe auf sorgfältiger Beobachtung, freilich an schlecht konser- 
vierten Objekten. Er habe dieselben Bilder bekommen, wenn er 


Fig. 79. 


„.._ primitive 
ur. Nasen- 
höhle 


Nasenloch 


Medialer Stirnfortsatz 
Fig. 7—9. Schnitte durch den Kopf von Vespertilio murinus. Vergr. 14/1. Nach Tiemann. 


Schweinsembryonen in verdünnter Müllerscher Flüssigkeit leicht 
macerierte und mit einem Pinsel das Epithel entfernte. 
Die Nachuntersuchungen von H. TıEmAnn (25) an Embryonen 


Fig. 10. 


Pe 


Tränenfurche --- 


i J-_. Oberkieferfortsatz 


f | 
1 I 
' H 
1 | 
Medialer Stirnfortsatz Membrana bucco-nasalis 
Frontalschnitt des Kopfes eines 9 mm langen Kaninchen-Embryos von 13 Tagen. Vergr. 14/1. Nach 


TıEMmAnN. 


von Fledermaus, Hund, Kaninchen, Rind, Schaf, Schwein im Jahr 
1896/97 bestätigten die Entdeckung HOoCHSTETTERS. 

Die Frage, wie die Riechfelder in Nasengruben und diese in 
Nasenhöhlen umgewandelt werden, beantwortet TıEmann im Einklange 
mit Hochsrerrer dahin, daß Vorwulstung ihrer Ränder die Riech- 
felder zu taschenähnlichen Nasengruben gestalte, und daß die stark 
hervorwachsenden, seitlichen Begrenzungsränder der Nasengruben, 
nämlich der laterale und mediale Nasenfortsatz sich an dem 
hinteren Teil der Gruben zusammenlegen und allmählich gegen 
den vorderen Teil epithelial versehmelzen. Dadurch entstehe deı 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 637 


von HocHsTETTER angezeigte, allein von den Nasenfortsätzen um- 
schlossene Blindsack der Nasenhöhle und die gegen das oberflächliche 
Eetoderm ziehende Epithellamelle (Fig. 9). Durchbrechende Mesoderm- 
massen vernichten die epitheliale Verschmelzung der beiden Nasen- 
fortsätze unter dem vorderen Abschnitt der Nasenhöhle und schaffen 
hier festes Gewebe, während sich im hinteren Abschnitt die Epithel- 
brücke noch erhält, um durch Auseinanderweichen der Seitenwände 
in die Membrana buceo-nasalis umgewandelt zu werden (Fig. 6). Wenn 
sie endlich zerreißt, ist die primitive Choane angelegt. TIEMANN 
betont entschieden, daß die Nasenhöhle bloß von den Nasenfortsätzen 
und die obere Wand der Mundhöhle nur durch die beiderseitigen 
Nasenfortsätze nebst mittleren Stirnfortsätzen begrenzt werde. Die 
Oberkieferfortsätze ständen noch zu weit lateral, als daß sie etwas 
zum Abschluß dieser Höhle beitragen könnten. Sie überwuchern 
den lateralen Nasenfortsatz und erzeugen einen Teil der späteren 
Oberlippe, nachdem die primitiven Choanen entstanden seien. 

K. Perer (18) erklärte 1902, die von HocHsSTETTER hervorge- 
hobene Differenz im Verhalten der beiden Nasenfortsätze sei nicht 
so groß. Sowohl beim Menschen, als Kaninchen beginne die Bildung 
des Nasenblindsackes im Bereiche der Oberkieferfortsätze und greife 
später auf die seitlichen Nasenfortsätze über — beim Kaninchen 
früher und im größeren Umfang, beim Menschen später und in ge- 
ringerer Ausdehnung. Der Abschluß der Nasenrinne erfolge beim 
Kaninchen im Bereiche des Oberkiefers, beim menschlichen Embryo 
begrenze der Oberkieferfortsatz allein den hinteren Nasenblindsack. 

Einige Jahre später (1906) schilderte K. PErrer (18a) im Hand- 
buche von HerrwıG die Anlage der Nasenhöhle als Riechfeld, die 
Verwandlung desselben in eine tiefe Rinne und die Veränderung 
derselben durch Auftreten der Gesichtsfortsätze (des inneren bzw. 
äußeren Nasenfortsatzes und Oberkieferfortsatzes). Im Bereiche des 
Oberkieferfortsatzes wachsen die Ränder der Nasenrinnen zu- 
sammen und vertiefen den hinteren Riechsack der Nasengrube. Die 
Verschmelzung ihrer Ränder greife bald auf den äußeren Nasen- 
fortsatz über. Im Bereich des geschlossenen Blindsackes buchten 
sich die inneren Nasenfortsätze kugelig vor und bilden die Processus 
globulares, die sich mit den Öberkieferfortsätzen vereinigen. Die 
Gesichtsfortsätze werden beim Abschlusse der Nasenrinne nur 
epithelial verschmolzen. Wenn die Epithelbrücke, welche den 
Riechsack längs der Verwachsungsfurche mit dem äußeren Epithel 
verbindet, durchreiße, trete Bindegewebe in die Rißzone und ver- 


638 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


einige nun auch die mesodermalen Teile der Gesichtsfort- 
sätze. Nur das Blindende des Geruchsorganes bleibt mit der Epi- 
dermis verbunden, hier findet kein Durchbruch von Mesoderm statt. 
Die Verschmelzungsstelle weitet sich allmählich aus und wird zu der 
dünnen Membrana buceo-nasalis (Fig. 10). Sie verdünnt sich und reißt 
ein, so daß die Choanen entstehen. Die zwischen äußerem Nasen- 
loch und Choane liegende Substanzbrücke ist der primitive Gaumen. 
Derselbe enthält medial das Material der inneren Nasenfortsätze, 
lateral in seiner hinteren Partie Massen des Oberkieferfortsatzes und 
in seinem vorderen Teile einen größeren oder kleineren Anteil des 
äußeren Nasenfortsatzes. Bei Säugern existiert keine primäre Ver- 
bindung der Nasenhöhle mit der Mundhöhle, keine Nasenrinne (HocH- 
STETTER). Die primitiven Gaumenspalten verlängern sich, der primäre 
Gaumen wird kurz. 


2. Die Metamorphose des Gesichtes. 


Der historischen Übersicht lasse ich die Beschreibung einiger 
ausgewählter Modelle folgen, welehe die Metamorphose des Katzen- 
gesichtes bezeugen. So stark der Gegensatz zwischen dem kleinsten 
und größten Stadium (Taf. XII, Fig. 1, 7) auf den ersten Blick er- 
scheinen mag, die eingehende Betrachtung der Zwischenformen (Taf. XII, 
Fig. 2—6) hat mich belehrt, daß die ontogenetische Formentwicklung 
in einer, wenn ich so sagen darf, folgerichtigen Weise dem definitiven 
Zustande entgegeneilt. Man wird aus den mit großer Sorgfalt her- 
gestellten Gesichtsmasken erkennen, daß die bisherige Ansicht von 
den Gesichtsfortsätzen und ihrer Verwachsung, auch in der von 
HOCHSTETTER, TIEMANN und PETER abgeschwächten Fassung nicht 
länger aufrecht erhalten werden kann. 


Soweit es der verfügbare Tafelraum gestattet, wurden die Masken 
bei derselben Vergrößerung (18/1) abgebildet (nur das größte Modell 
ist etwas kleiner, 12/1 dargestellt), weil man das rechte Urteil allein 
durch Berücksichtigung der wirklichen Größenverhältnisse gewinnt. 
Die in den Lehrbüchern verbreiteten Figuren leiden an dem Fehler, 
daß die kleinen Embryonen zu groß und die älteren Stadien zu 
klein gezeichnet wurden, daher hat man sich manche Einzelheit viel 
größer vorgestellt als der Wirklichkeit entspricht, z. B. die Ver- 
wachsung des Riechgrubenrandes für einleuchtend gehalten, obwohl 
das Riechfeld ganz minimal klein ist. 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 639 


A. Das Larvengesicht. 
1. Periode. 
(Taf. XII, Fig. 1, 2, 3, la, 2a, 3a). 

Sehr kleine Embryonen entbehren des Gesichtes und zeigen nur 
einfache Elementaranlagen mit wenigen Merkmalen. Das außer- 
ordentlich geringe Volumen ihres Kopfes verbietet die reiche 
Modellierung des äußeren Reliefs. Das Gehirn bildet die Haupt- 
masse des Kopfes (Taf. XIV, Fig. 18—21); sein stark gekrümmtes 
Vorderhirn liegt dem Eetoderm dicht an. Da es sich stark ventral 
biegt und sehr geringen Abstand vom vorderen Nabelrand hat, 
so ist die Gesichtsanlage unansehnlich; die Vorderhirnwölbung allein 
(Taf. XII Fig. 1a, 2a) drückt dem Kopf sein charakteristisches 
Larvengepräge auf. 

Zuerst fällt die kräftige, vom Vorderhirn veranlaßte Wölbung 
(nh) auf, zu beiden Seiten derselben kleine hügelartige Vorsprünge, 
die sog. »Oberkieferfortsätze« (lv), unterhalb derselben zwei weitere 
Hügel (vl), die sog. » Unterkieferfortsätze«. Die Gesichtsregion be- 
steht also aus fünf höckerartigen Erhebungen. Zwischen ihnen 
liegt eine ungefähr dreieckige Grube (mg), die in den Vorderdarm 
führt und die embryonale Anlage des Mundes ist, aus der sich später 
der Lippenmund und die eigentliche Mundhöhle durch weiteres 
Wachstum entwickeln werden. Ich nenne sie daher auch Mund- 
grube und hebe besonders hervor, daß der vordere Rand der Mund- 
grube von der Hirnwölbung nicht abgesetzt ist, bloß die Unterlippen- 
wülste (z) bilden einen deutlichen Rand. 


Man hat die Hügel um die Mundgrube bisher »Gesichtsfortsätze« 
genannt und als Ober- bzw. Unterkieferfortsätze unterschieden. Ich 
schließe mich diesem Gebrauche aber nicht an. Da in den jungen 
Stadien noch keine Skeletanlagen auftreten, halte ich es für richtiger, 
die Skulptur des embryonalen Gesichtes, statt auf die tieferliegenden 
Knochen, auf die Oberfläche, d.h. die fertige Physiognomie zu be- 
ziehen und die Bezeichnungen von den Regionen des Gesichtes zu 
nehmen, die sich aus den Hügeln entwickeln. Ich werde daher statt 
»Oberkieferfortsatz« künftig Lippenwangenwulst (lw), statt » Unter- 
kieferfortsatz«e die Bezeichnung Unterlippenwulst (x) gebrauchen. 
Der Ausdruck »Wulst« ist vorzuziehen, weil es sich nicht um 
wirkliche »Fortsätze«, die RATHKE sogar mit den Extremitäten- 
stummeln verglichen hat, sondern um ganze leise Modellierungen 
der Kopffläche handelt, die in der folgenden Zeit nicht kräftiger 


640 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


vorspringen, sondern abflachend in die Breite wachsen. Sie sehen 
freilich an den Modellen und den Photographien derselben sehr 
kräftig aus, allein man muß doch immer bedenken, daß das Konterfei 
des embryonalen Gesichtes mehr oder weniger vergrößert ist, und 
daß alle Modelle (bzw. Tafelfiguren) durch die Vergrößerungszahl 
zu dividieren sind, will man eine rechte Anschauung der reellen 
Kleinheit ihres Details erhalten. 

Bei dem Embryo II (Taf. XII, Fig. 2, 2a) ist das Volumen des 
Kopfes gestiegen und infolgedessen die Gesichtsgegend auch trans- 
versal gewachsen. Dadurch sind die einzelnen Abschnitte deutlicher 
ausgeprägt. Man sieht noch die fünf Wülste in der Umrahmung 
der Mundgrube (mg). Am meisten treten die Unterlippenwülste (z/) 
hervor, welche wie bei Modell 1 durch eine seichte V-förmige Ein- 
kerbung geschieden sind. Die Kerbe hat früher zu der Deutung 
veranlaßt, daß die Unterlippe durch mediane Verwachsung zweier 
symmetrischer Hälften (— Unterkieferfortsätze) entstehe. Wenn man 
aber die tatsächlichen Belege für die allgemein geltende Meinung 
prüft, findet man zur eignen Verwunderung, daß gar keine Beob- 
achtung des Verwachsungsprozesses selbst gemacht wurde, und daß 
jede Spur einer wirklichen Verwachsungsnaht fehlt. Ich sehe auch 
keinen genügenden Grund, weshalb man die paarige Natur der 
unteren Buckel («/) so stark betonen sollte. Mir scheint es viel 
richtiger, die Unterlippenanlage als einheitlichen Bügel aufzu- 
fassen, wie sie dem nicht voreingenommenen Blicke an dem Modell 
(Taf. XII, Fig. 2a) entgegentritt, und die bisher als getrennte Unter- 
kieferfortsätze gedeuteten Wülste als Auswölbung ihrer lateralen 
Zonen anzusehen. 

Die Unterlippe bildet den hinteren Rand der Mundgrube; der 
vordere Rand, die spätere Oberlippe ist ebensowenig wie im vorigen 
Stadium skizziert, nur lateral an den Mundwinkeln ist sie als Lippen- 
wangenwulst (lvo) angelegt. Zwischen diesen ladet der breite Quer- 
wulst (rk) aus, welcher durch das dieht anstoßende Vorderhirn vor- 
gewölbt ist. Hıs hat ihn »Stirnhaube« genannt. In der weiteren 
Entwicklung sieht man aber nicht die Stirne, sondern den Schnauzen- 
teil daraus entstehen. Denn die enge Nachbarschaft des Vorder- 
hirns (Taf. XIV, Fig. 19—24) ist nur ein vorübergehender, embryonaler 
Charakter, der sehr bald durch die Ausbildung der Nasenschläuche 
und der Augen aufgehoben wird, so daß das Vorderhirn weit vom 
Eetoderm der sog. Stirnhaube abrückt. Ich lege daher auf den 
Umstand, daß jetzt die flachen Riechfelder (vf), später die Nasen- 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 641 


löcher (l) in dieser Gegend liegen, den Nachdruck und gebrauche 
statt »Stirnhaube« den Ausdruck »Nasenhaube« (rk). Die beiden 
flachen Einsenkungen der Riechfelder (of) sind wirklich abgegrenzte 
Facettenflächen zu beiden Seiten der Nasenhaube. 

Die unterhalb der Riechfelder einwärts ziehende, ungefähr drei- 
seitige Eetodermwand ist eine undifferenzierte Larvenanlage. Nach 
Kenntnis der späteren Stadien betrachte ich sie als gemeinsame An- 
lage des künftigen Munddaches und des unter den Nasenlöchern 
entstehenden Lippenabschnittes. Da die Mundhöhle überhaupt noch 
nicht als wirkliche Binnenhöhle des Kopfes ausgestaltet ist, so bildet 
ihr Dach die Unterfläche der jetzt durch das Vorderhirn auf- 
setriebenen Nasenhaube (rA), und man sieht von außen bis an die 
Hypophyse (Taf. XIV, Fig. 20—22). Die flachen Riechgruben erstrecken 
sich nicht auf das Munddach, wie die älteren Autoren einstimmig 
angegeben haben. An der lateralen Fläche, dorsal über den Riech- 
feldern sind die Linsengruben (lg) angelegt. 

Alles in allem genommen sind an dem kleinen Kopfvolumen 
wenige Teile räumlich und morphologisch ausgebildet. Die andern, 
jetzt nicht sichtbaren Abschnitte mögen potentiell vorhanden sein, 
treten jedoch erst nach stärkerem Wachstum der gesamten Kopf- 
anlage sichtbar vor. 

Beide Modelle zeigen noch die geringe Entfernung des Kopfes 
bzw. der Mundgrube vom vorderen Nabelrand, also den Mangel 
der Halsregion. Ebenso klein ist die Entfernung des Unterlippen- 
wulstes vom Mittelhirnhöcker. 

Weil die Spalten des embryonalen Gesiehtes in der patho- 
logischen und chirurgischen Literatur eine so wichtige Rolle spielen, 
will ich ausdrücklich hervorheben, daß meine Modelle und die ihnen 
zugrunde liegenden Querschnittserien gar keine Spur wirklicher 
Trennungsspalten zeigen. Die ganze Gesichtsfläche ist von einer 
zusammenhängenden Ectodermschicht bedeckt, die unter der 
Nasenhaube (rk) zur Mundgrube (ng) eingebuchtet und lateral in 
Form von Buckeln (lv, ul) vorgetrieben ist. Infolge dieses Reliefs 
sind natürlich die Grenzen zwischen den Buckeln als seichte 
Furchen eingeschrieben; die älteren Autoren hielten sie irrtümlich 
für »Trennungsspalten«, obwohl es seichte Rinnen der Außenfläche 
sind, welche nicht gleich Spalten in die Masse des Kopfes ein- 
greifen. Eine Verwachsung derselben könnte niemals stattfinden, 
weil die ectodermale Gesichtsmaske von allem Anfang an als eine 
einheitliche Decke über die inneren Organe, speziell das Vorder- 


642 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


hirn und den Vorderdarm samt dem spärlichen Mesoderm gebreitet 
ist. Die alten Forscher hatten daher durchaus unrecht, von »Spalten» 
zu sprechen. Wären welche vorhanden, so könnten sie auf den 
Querschnitten, die heute nicht bei vierfacher, sondern bei hundert- 
facher und noch stärkerer Vergrößerung studiert werden, nicht 
übersehen werden: daher ist es höchste Zeit, daß die Mediziner mit 
dem alten Irrtum von den Gesichtsfortsätzen und ihrer Verwachsung 
endgültig brechen. 

Die Einfachheit der Kopfanlage erhellt ohne weiteres aus Längs- 
schnitten der Larvenköpfe (Taf. XIV, Fig. 21, 22). Gehirn und Vorder- 
darm sind die beiden Hauptbestandteile, umhüllt vom spärlichen 
Mesoderm. Die Sinnesorgane werden an der Öberfläche angelegt, 
als Riechfelder, Linsen- und Labyrinthgrübehen, während die Augen- 
blasen aus dem Vorderhirn vorwachsen. 

Die von der Unterlippe umsäumte Mundgrube führt direkt in 
den Vorderdarm, welcher in sehr geringer Entfernung von der 
Eetodermmaske dicht unter dem Mittel- und Hinterhirn zieht. Er 
stellt einen transversal breiten Schlauch mit sehr schmalem Lumen 
dar (Textfig. 14, 15). Die Grenze zwischen der Mundgrube und 
dem Vorderdarm ist an dem kleinen Vorsprunge der dorsalen Wand 
kenntlich, gegen welchen das Ende der Chorda biegt. Die Bucht 
vor demselben ist die Anlage der Hypophyse. Als wichtige Tat- 
sache hebe ich noch die Lagebeziehung zwischen Mundgrube und 
Vorderdarm hervor. Beide stehen fast unter einem rechten Winkel 
gegeneinander (Taf. XIV, Fig. 20—22). 

Bei einem Embryo von 8 mm Sstl. (Taf. XII, Fig. 3, 3a) hat das 
Kopfvolumen bedeutend zugenommen. Die transversale Ausdehnung 
der Gesichtsmaske ist auf das Doppelte das Maßes von Modell 2 
gestiegen, wie man am besten an der breiten Form der Mundgrube 
(mg) und der stark vorgewölbten Nasenhaube erkennt. Die quer- 
gedehnte Mundgrube ist bequem zu überblicken. Wenn man das 
Modell 3 mit Modell 1 und 2 vergleicht, so begreift man, warum die 
Wangenlippen- und Unterlippenbuckel (lw und «/) bei den kleinen 
Embryonen so sehr auffallen. Es ist eben die Medianzone ganz 
außerordentlich schmal. Beim Embryo des Modells 3 aber sind die 
seitlichen Buckel durch die Verbreiterung des medialen Gesichts- 
streifens (n/fj mehr voneinander entfernt und imponieren, trotzdem 
sie größer wurden, nicht mehr so sehr. 

An der oberen Begrenzung der breiten Mundgrube wird anfangs 
wenig geändert. Immer eilt die Unterlippe voraus, sie nähert sich 


E. H Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 643 


dem definitiven Zustand, indem mit ihrer Massenentfaltung die 
mediane Kerbe schwindet. Wer die Modelle 2 und 3 unbefangen 
betrachtet, wird zugeben, daß eigentlich nichts für einen Verwachsungs- 
prozeß der sog. Unterkieferfortsätze in der Mediane spricht, dagegen 
alles für die langsame Ausgleichung einer oberflächlichen Kerbe. 

Lateral bildet die Unterlippe immer noch die größte Auswulstung 
der Gesichtsfläche. Davor liegt der Wangenwulst und über diesem 
springt, durch eine ringförmige Furche abgesetzt, die Hornhaut (e) 
vor. Die seichten Furchen zwischen den Gesichtsbuckeln sind all- 
mählich ausgeglichen, so daß die Gesichtsfläche noch deutlicher als 
einheitliche, nicht von Spalten zerschnittene Maske erscheint. 

Anstatt der flachen Riechfelder sind zwei Nasenlöcher (2) vor- 
handen, welche in die blind geschlossenen Nasenschläuche hinter der 
Ecetodermmaske führen. Das transversale Wachstum des Kopfes 
hat die geringe Entfernung zwischen den beiden Riechfeldern von 
Modell 2 ungefähr auf das Doppelte gesteigert, so daß die Öffnungen, 
welche die Skizze der Nasenlöcher des erwachsenen Tieres dar- 
stellen, doppelt so großen Querabstand zeigen, als die flachen Riech- 
felder des Embryo 2. Die Strecke (n/f) zwischen den Nasenlöchern 
(2) werde ich kurz das Nasenlippenfeld nennen. 

Abgesehen von der Verbreiterung herrscht in der Medianzone 
des Gesichtes eine große morphologische Ruhe. Bei richtiger 
Stellung des Modells 3 überblickt man immer noch die ganze dorsale 
Wand der Mundhöhle bis zur Hypophyse, rechts und links begrenzt 
von zwei seichten, gegen die Hypophyse konvergierenden Furchen, 
den Grenzen des später auftretenden Mittelraumes. 

Die Profilansicht des Modells 3a läßt zwischen dem Nasenloch 
() und dem Lippenwangenwulst (l2v) eine feine Einsenkung erkennen, 
welche die früheren Autoren als Verwachsungsnaht gedeutet haben. 
Die Modelle sind aber sichere Beweise, daß von einer Verwachsung 
nicht die Rede sein kann; denn ob wir Modell 3 oder 1 oder noch 
Jüngere Embryonen untersuchen, stets ist das Vorderende des 
Embryos (Taf. XIV, Fig. 18—21) vom Eetoderm bekleidet und die 
Eetodermmaske zeigt an der kritischen Stelle keine spaltförmige 
Unterbrechung, sondern überzieht als einheitliche Decke die Ober- 
fläche der Kopfanlage. Da aber das Vorderhirn die Nasenhaube 
bzw. das Nasenlippenfeld ventral heraustreibt, so sinkt das Eetoderm 
von ihm zum Lippenwangenwulste (lvo) ab. Infolge der lateralen 
Ausbuchtung desselben entsteht notwendigerweise eine kleine Furche 
zwischen beiden Regionen. 


644 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


Zum Vergleich habe ich die Vorderansicht des Kopfes von einem 
Schweineembryo aus dem Lehrbuche der Entwicklungsgeschichte 
von O. SCHULTZE hier eingefügt (Fig. 11), damit der Leser sich über- 
zeugen kann, daß diese Zeichnang ebensowenig wie meine Figur 

Fie. 11. 


FE TEN Stirnwulst 


Lateraler Nasenforts. 


Riechgrube __/ Medialer Nasenforts. 


ER Ä_ Mundspalte 
-- Unterkieferbogen 


% %..-2. Kiemenbogen 


SS 3. Kiemenbogen 
N 
aA 


e y Aorta 


‚ ER : 
rn 4 
= 4 

Ep ----- Rückenmark 


Vorderansicht des Kopfes eines Schweineembryos 1 em lang. Vergr. 10/1. Nach 0. Schurtze. 


(Taf. XII, Fig. 3) oder die jüngeren Modelle (Taf. XII, Fig. 1, 2) das 
sachliche Recht gewährt, einen medialen und lateralen Nasenfortsatz 
zu unterscheiden. Nur alte Gewohnheit hat diese falsche Ausdrucks- 
weise bis auf den heutigen Tag konserviert; es ist notwendig, 
sie endlich vollkommen abzuschaffen. 


Fig. 12—15. 


12 Bi Feen 
a augen 


Fig. 12—15. Querschnitte durch die Mund- und Rachenhöhle eines Katzenembryos von 3,3 mm Kpfl. 
und $ mm Nstl, (Taf. I, Fig. 3 u. 3a). Vergr. 18/1. Der Abstand der Fig. 12—13 beträgt 60 u, der 
Fig. 13—14 = 200 u, der Fig. 14—15 = 100 u. 


Die gemeinsame Betrachtung der drei Profilbilder (Taf. XII, Fig. 1a, 
2a, 3a) erhellt, daß die am jüngsten Modell skizzierten Formeigen- 
schaften in konsequenter Weise fortgebildet wurden, während das 
Volumen des ganzen Kopfes, also auch seine einzelnen Teile stetig 
zunahmen. 


Der Längsschnitt (Taf. XIV, Fig. 22) kann, obwohl er durch einen 


bi, 
ei 
Kieterfi 
+ Die er 
na bern. z x cur 
feidı | 


- u m ra Abe ee e 

Wr, Bu ve ee er Au ‚alah ge un e 
Hessen =. 1 Vgl she. Ya fig, Me 
| EEE in: a ha 


ae mu 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 645 


etwas älteren Katzenembryo geführt ist, dazu dienen, die Lage- 
beziehungen der inneren Organe des Kopfes zur äußeren Gesichts- 
fläche zu erläutern. Die Querschnitte (Fig. 12—15) zeigen die ein- 
fache Gestalt des Quermundes (Fig. 12), die niedrige Mundhöhle 
(Fig. 13), welche noch aller Differenzierung ermangelt, und die ein- 
fache Rachenhöhle (Fig. 14, 15). 


Die Entwicklung der Nasenschläuche. 


Bei Embryonen, welche zwischen Stadium II und III einzureihen 
sind, findet die Umbildung der Riechfelder in die schmalen blind- 
geschlossenen Nasenschläuche statt. Embryo II zeigt das Riechfeld 
(vf) am Eetoderm der Nasenhaube (r%h) gleich einer Facettenfläche 
ausgeprägt, welche innerhalb eines niedrigen Randwulstes etwas 
konkav eingesunken ist. Die älteren Autoren haben das Riechfeld 
nicht gekannt, sondern eine primitive Nasengrube samt einer ober- 
flächlichen, in die Mundhöhle verlaufende Nasenfurche angenommen 
und den Abschluß infolge Verwachsung der Stirnnasen- und Ober- 
kieferfortsätze gelehrt. 

Die neuen Forscher sind aus diesem Vorstellungskreise nicht 
ganz herausgekommen; denn HOocCHSTETTER nannte den Rand des 
Riechfeldes lateralen, bzw. medialen Stirnfortsatz und glaubte, durch 
ihre Verwachsung werde der Nasenblindsack erzeugt. Die von ihm 
zuerst beschriebene Epithellamelle galt ihm als Scheidewand zwischen 
beiden Fortsätzen. TIEMANN vertrat dieselbe Ansicht: der laterale 
und mediane Nasenfortsatz umschließen den Nasenblindsack, treten 
als Begrenzungsränder an der Oberfläche hervor, legen sich zu- 
sammen und verschmelzen epithelial zu einem Septum, das später 
vernichtet wird. PETER verlieh dem gleichen Gedanken Aus- 
‚druck. Der äußere und innere Nasenfortsatz sowie der Oberkiefer- 
fortsatz verschmelzen beim Abschlusse der Nasenrinne erst epithelial. 
Nach dem Durchreißen des Epithelseptums vereinigen sich auch die 
mesodermalen Teile der Gesichtsfortsätze. 

Um über den Vorgang genaueren Aufschluß zu erhalten, habe 
ich Teilmodelle der Nasenregion bei 100facher Vergrößerung her- 
gestellt und durch sie die Überzeugung gewonnen, daß die Facetten- 
fläche des Riechfeldes wahrscheinlich weniger durch Vorwölben des 
Randes als durch plastische Wachstumsenergie des Epithels den in 
der Kopfmasse, d. h. hinter der Eetodermmaske liegenden Nasen- 
schlauch erzeugen wird. Die objektive Schwierigkeit, den Ansichten 
von HOCHSTETTER, TIEMANN, PETER beizustimmen, liegt für mich in 


646 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


der geringen Größe und der runden Form des Riechfeldes. Ange- 
siehts der Figuren 2, 2a, 3, 3a (Taf. XII), kann ich mir nicht vor- 
stellen, daß der runde Rand des Riechfeldes sich vor dem Lippen- 
wangenwulst zusammenbiege und verwachse. HOCHSTETTER, TIE- 
MANN und PETER haben das ebensowenig gesehen, wie ich. Sie 
vermuten nur diese Bildungsart des Nasenblindsackes, weil sie die 
zum Eetoderm reichende Epithellamelle desselben für das Pro- 
dukt einer Verwachsung hielten. 

Der schmale Blindsack, welchen das erste Modell (TafXIIL, Fig. 14) 
nach der Serie des Embryos (Taf. XII, Fig. 3) darstellt, kann nicht 
das Produkt von einfachen Einsenkungs- und Wulstungsprozessen 
sein; denn er ist seitlich komprimiert und so eigenartig gebogen, 
daß sein Formzustand durch einen besonderen Bildungsprozeß hervor- 
gerufen sein muß. Seine schmale Lichtung ist durch das äußere, 
etwas längliche Nasenloch / (Taf. XII, Fig. 3) zugänglich. Der Nasen- 
sack reicht aber hinter den oralen Rand des Nasenloches hinaus, in 
der Richtung gegen das zur Hypophyse aufsteigende Munddach (md), 
und hängt auf dieser, jetzt freilich noch sehr kurzen Strecke mit 
dem Eetoderm der Nasenhaube untrennbar zusammen durch ein 
Epithelseptum (s), welches HOCHSTETTER, TIEMANN, PETER als Folge 
der epithelialen Verklebung der Nasenfortsätze deuteten. Ich kann 
mich jedoch nicht damit einverstanden erklären, daß in dieser 
Gegend eine Verschmelzung von ursprünglich getrennten Epithel- 
flächen zum Epithelseptum stattgefunden habe, und zwar aus dem 
Grunde nicht, weil die Längsachse des offenen Riechfeldes bei 
Modell 2 fast so groß ist, als der Durchmesser des Nasenloches bei 
Modell 3. Daher glaube ich, daß der leicht gewulstete Rand des 
Riechfeldes (vf, Taf. XII, Fig. 2) nicht als Rand der Riechgrube, 
sondern als Rand des Nasenloches anzusehen ist. Man hat seine 
Natur bloß verkannt, weil die später von ihm umfaßte Lichtung des 
Naseneinganges in den jungen Stadien wegen der flachen Spannung 
des Epithelbezirks, welcher als Eetodermfacette (rf) den Mutterboden 
des Nasenschlauches darstellt, noch nieht vorhanden ist. Jedenfalls 
gewähren die Modelle kein Recht, der bisher gebilligten Behauptung 
beizupflichten, daß die Ränder der Riechgruben miteinander ver- 
wachsen. Ich beziehe den Zustand der Nasenanlage vom Modell 2 
auf den Zustand des Modells 3 (bzw. der Fig. 14) durch die An- 
nahme, die Zellen des Riechfeldes hätten kraft lebhafter Teilung 
einen schmalen Epithelsack erzeugt, während der Rand der Riech- 
facette an der Gesichtsfläche fast unverändert blieb, höchstens sich 


E. H. Pohımann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 647 


ein klein wenig zusammenzog. Die ganze Eetodermmaske des 
Larvenkopfes scheint mir etwas hervorgetrieben, d. h. ihr Abstand 
vom Vorderhirn größer geworden zu sein. So wurde Raum für den 
einwachsenden Nasenblindsack geschaffen und das Nasenloch zu- 
gleich etwas verengt. Das ganze Riechfeld hat übrigens einen auber- 
ordentlich geringen Flächeninhalt. Der Durchmesser ist bloß 300 u 
lang. Wenn wir in vielen andern Fällen beobachten, wie die kom- 
plizierten Höhlen mancher Organe durch die plastische Gestaltung 
eines ebenso kleinen und vielleieht noch winzigeren Epithelbezirks 
entstehen, warum sollte gerade bei der Nase nicht möglich sein, 
was sonst allgemeine Regel ist? 

Ich sehe auch keinen Anlaß, bei der Beschreibung des 
Embryonalgesichtes (Fig. 1, 2, 3, Taf. XII) von »Nasenfortsätzen« zu 
sprechen, aus dem gleichen Grunde, weshalb ich oben (S. 25) den 
Gebrauch des Ausdruckes: »Gesichtsfortsätze«e bekämpfte. Denn 
das Relief ist viel zu klein für die derben Bezeichnungen. Ich kann 
bloß leise Niveauunterschiede an dem Nasenbezirke der Eetoderm- 
maske, bzw. ihrer mesodermalen Füllmasse gewahren und halte es 
für falsch, wenn man an den Schnittbildern einen willkürlich heraus- 
gerissenen Teil der Mesodermzellen den »Nasenfortsatz« nennt. 
Jedenfalls sind die reellen Bezirke in so engen Dimensionen be- 
fangen, daß die Analogie der Wundheilungsprozesse zum Ver- 
ständnis des normalen Entwieklungsverlaufes nieht angerufen zu 
werden braucht. Es ist viel einfacher, den Rand des Riechfeldes 
als Anlage des definitiven Nasenloches anzusprechen und ferner anzu- 
nehmen, daß an seiner gegen das künftige Munddach gekehrten 
Seite eine stärkere Anhäufung von Eetodeimzellen geschehe, welche 
mit dem Wachstum sowohl der Nasentasche als der Gesichts- und 
Mundwand in einen Epithelstreifen, eben das von HocHsTETTER ent- 
deckte sog. Septum (s) ausgezogen werde. Die Wachstumsrichtung 
des Nasensackes ist, wie Modell 14 (Taf. XIII) zeigt, nicht senk- 
recht, sondern parallel zum Eetoderm der Nasenhaube bzw. Mund- 
grube gestellt. 

Im Modell Fig. 15 (Taf. XIII) hat sich der Nasensack unter be- 
deutender Größenzunahme komplizierter gestaltet. Für unsre Be- 
trachtung ist sein Längenwachstum am meisten wichtig; denn da- 
durch wurde das hintere Ende vom Nasenloch (!) entfernt und die 
Epithelmauer lang ausgezogen. Dicht hinter dem Nasenloch ist am 
Modell eine kleine Lücke /, weil die Verbindungsbrücke mit dem 


äußeren Epithel auf eine Strecke von 0,120 mm unterbrochen ist. 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 42 


648 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


Damit sind zwei Stellen geschieden, mittels welcher der Nasenschlauch 
an dem Eetoderm hängt: das Nasenloch im Gesichte und eine hin- 
tere, zur Membrana nasobuccalis werdende Hattstelle. 

Das dritte Modell Fig. 16 (Taf. XIII) zeigt einen noch längeren 
Nasenblindsack und beweist so das energische, in der Nasenlippen- 
gegend des Kopfes stattfindende Wachstum. Die Lücke ? des sog. 
Verwachsungsseptums ist viel größer geworden, nicht bloß durch 
Zerstörung der Epithellamelle, sondern sicher auch durch Wachstum 
der Kopfmasse in der Lücke und ihrer nächsten Umgebung. Die 
Membrana nasobuccalis (25) an der hinteren Haftstelle des Nasen- 
schlauches, welche an der aufgebogenen Strecke des Munddaches (md) 
liegt, am Modelle jedoch nicht sichtbar ist, stellt jetzt einen dünnen 
Epithelbezirk dar und scheidet noch die schmale N Nasenliehtung von 
der Mundhöhle. Ein andres, nicht abgebildetes Modell von ähnlicher 
Größe zeigt bereits die offene Choane. 

Beim vierten Modell Fig. 17 (Taf. XIII), das aus einem Katzen- 
embryo etwa gleicher Größe wie Fig. 5 (Taf. XII) isoliert wurde, ist 
der Abstand des Nasenloches / und der Choane ch, sowie des Nasen- 
schlauches vom Eetoderm wesentlich gestiegen, so daß in der weiß 
erscheinenden Lücke ? starke Mesodermmassen eingekeilt sind. Die 
Choane hat sich bedeutend verbreitert. 

Bei unbefangener Betrachtung der Modelle (Fig. 14—17, Taf. XIII) 
wird man sich des Eindruckes nicht erwehren können, daß die Ent- 
wicklung des Nasenschlauches in der Tat ein selbständiger Model- 
lierungsprozeß ist, der mit der Verwachsung von Nasenfortsätzen 
nichts zu tun hat. Darum schlage ich vor, die traditionelle Aus- 
drucksweise endlich zu beseitigen. 


2. Periode. 
(Taf. XII, Fig. 4, 4a, 5, 5a.) 

Zusammenfassend beschreibe ich nun die Gesichtsmodelle zweier 
Katzenembryonen von 10 und 11 mm Nstl. Das allgemeine Körper- 
wachstum äußert sich in der Kopfgegend auf folgende Weise: 

Der Abstand der Mundspalte vom Nabelrand ist mehr als 
doppelt so groß. Die Lippenwangen- und Unterlippenwülste, welche 
die Plastik der vorigen Periode beherrschten, sind dureh transversales 
Wachstum abgeglichen, so daß die Umrandung des Mundes von ein- 
heitlichen, lippenähnlichen Wülsten gebildet wird. Über der flachen 
Unterlippe (wl) wölbt sich ein gleichsinnig gekrümmter Bogenwulst 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 649 


(ol), der als Anlage der künftigen Oberlippe anzusprechen ist. Diese 
wichtige Veränderung wird hauptsächlich durch Vorgänge im Nasen- 
lippenfeld zwischen den Nasenlöchern (?) veranlaßt, indem die bisher 
(Taf. XII, Fig. 3) schwach eingedellte Breitfläche (r/f) desselben ein klein 
wenig distal vorgetrieben wurde, so daß sie die Unterlippe überragt. 
Der Einblick in die Mundhöhle wird dadurch um so mehr benommen, 
als zugleich die Unterlippe gegen die neugeschaffene Oberlippe und 
das hinter der Oberlippe einwärtsziehende Munddach vorwächst. 
Daher spielt letzteres im Relief der Gesichtsmaske keine Rolle mehr. 
Stärkeren Zuwachs erfahren auch die beiden Wangenwülste ober- 
halb der Mundwinkel. Der am Modell 3 hinter dem Lippenwangen- 
wulst auffallende Buckel, der wie eine Fortsetzung der Unterlippe 
erschien, ist verstrichen. 


Obwohl im Nasenlippenfelde nur eine einfache Vorwölbung der 
medianen Partie geschah, sind die Folgen auf dem Gesamthabitus 
der Mundgegerd recht bedeutend; denn damit ist die Anlage der 
vollständigen Oberlippe, welche vorher bloß durch die seitlichen 
Buckel (ko). angedeutet war, vervollständigt, aber nicht durch Ver- 
schmelzung der sog. Stirn- und Oberkieferfortsätze, sondern durch 
kräftige Wulstung des Nasenlippenfeldes, während die Kopfanlage 
allseitig zunahm. Der Zustand des Lippenmundes wird also in zwei 
Etappen erreicht: zuerst waren die lateralen Partien zwischen Mund- 
grube und Auge als Wangenlippenwulst (lw) bei den jüngsten 
Embryonen (Taf. XII, Fig. 1, 2) skizziert, später (Taf. XII, Fig. 3) ist 
das mediane Nasenlippenfeld zwischen beide eingeschaltet und vor- 
gewölbt worden. In der Profilansicht (Taf. XII, Fig. 3a—da«) der Mo- 
delle sind diese Veränderungen besonders schön zu sehen. 


Zugleich wurde auch der median eingezogene Streifen zwischen 
Nabelrand und Unterlippe vorgewölbt. Diese an sich unbedeutende 
Tatsache steht in erfreulichem Einklange mit meiner Auffassung, 
daß das Nasenlippenfeld vorgetrieben sei. Der Unterschied zwischen 
den Embryonen 3 und 5 gipfelt eben hauptsächlich in der Relief- 
veränderung des medialen Streifens, der zwischen den Nasenlöchern 
und dem Nabelrand liegt. Das treibende Moment für den Fortschritt 
der Modellierung muß in der Entfaltung der Nasenschläuche hinter der 
Eetodermmaske, sowie im Wachstume der Mesodermmassen an der 
ventralen Mund- und Rachenwand gesucht werden. 


Bei Modell 4 und 5 ist durch die Vorwölbung der Nasenlippe 
das Munddach von der Außenfläche der Nasenhaube abgegrenzt. 
42* 


650 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


Da auch die Unterlippe gegen den Rand der Oberlippe vorrückt, 
so ist die Mundhöhle nach außen abgeschlossen. 

Mit dem Wachstum des Kopfes steigt die Größe der Mundhöhle 
und die Entfernung der Hypophyse vom Lippenrand. 

Die Nasenschläuche sind in diesem Stadium (Taf. XIII, Fig. 17) 
noch sehr klein und plump modelliert; Nasenloch und Choane liegen 
einander eng benachbart. So einfach das Relief ihrer Außenfläche 
erscheint, seine Beziehungen zu dem fertigen Zustand, den BLEN- 
DINGER (4) beschrieben hat, kann man doch sicher erkennen, wenn man 
viele Modelle aus der Entwieklung der Nasenschläuche vor sich hat. 

Leider konnte ich nicht so viele Abbildungen geben, um meine 
Behauptung anschaulich zu belegen. Aber an der medialen Ansicht des 
Modelles (Fig. 17, Taf. XIII) sieht man vom Nasenloch (2) die Muschel- 
region (M) schräg aufsteigen und an ihrer medialen Wand die rinnen- 
fürmige Ausbuchtung (?) des JacoBsoxschen Organes hängen. Seichte 
Einbuchtungen der nicht abgebildeten Lateralwand des Nasen- 
schlauches künden bereits den künftigen Nasoturbinalwulst, das 
Saktergesimse, den Maxilloturbinalwulst und Aulax an, der oberste 
Höcker (Pe) wird zur vordersten Tasche (Procribrum) der Cribral- 
region entwickelt, freilich nach der lateralen in Fig. 17 nicht sicht- 
baren Seite ausladend. Der Vorsprung (he) ist die Gesamtskizze des 
hinteren Cribralabschnittes, aus welchem das Mesoeribrum und Meta- 
eribrum entstehen werden. 


B. Das Katzengesicht. 
(Taf. XII, Fig. 6, 6a und 7, 7a.) 

Wer die Modelle 4—6 nebeneinander sieht, erkennt sofort die 
bedeutsame Verwandlung der Gesichtsmaske. Im Modell 6 klingen 
Charaktere des Katzengesichtes leise an, dank geringen Modifika- 
tionen der vorhergehenden Plastik. Starke Kontraste sind am Mo- 
dell 6 nieht nachzuweisen, höchstens, daß sich die Oberlippe (ol) 
besser ausprägt und nicht mehr in einem so flachen Bogen spannt, 
wie bei Modell 4 und 5; auch ihre Breite hat unbedeutend zuge- 
nommen. Die Unterlippe (wJ) springt ebenfalls stärker vor. Die 
Entfernung des Mundspaltes vom Nabel ist mit der transversalen 
Entfaltung des Kopfes gestiegen. Am meisten wird die Veränderung 
der gesamten Physiognomie, die besonders in der Profilansicht be- 
merkbar ist, durch die schnauzenartige Erhebung der um die Nasen- 
löcher liegenden Region veranlaßt, welehe sich von der Stirngegend 


Eh Das Ka 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 651 


absetzt (Taf. XII, Fig. 6@). Der Wangenwulst ist viel breiter geworden, 
da der Abstand des unteren Augenrandes vom Lippenwinkel um 
die Hälfte gestiegen ist. Dadurch wurde Raum geschaffen, um die 
Öberlippe der definitiven Form zu nähern und von dem Wangen- 
vorsprung unterhalb des Auges durch eine seichte Delle abzugliedern. 

Das letzte Modell (Taf. XII, Fig. 7) zeigt bereits die wirkliche 
Katzenphysiognomie. Während beim Larvengesicht das Vorderhirn 
den vor der Mundgrube bzw. dem Quermunde liegenden Abschnitt 
beherrschte, tritt es durch die Entfaltung der Nasenlippengegend 
allmählich in den Hintergrund. Dafür spielen jetzt der Mundrand, 
die Lippen samt den Nasenlöchern eine wesentliche Rolle, indem 
sie sich schnauzenartig vorschieben. Das Gesicht, das bisher in der 
Ventralansicht wie eine flache hufeisenähnliche Querzone erschien, 
ist kegelförmig verlängert, das breite Maul von konvex gekrümmten 
Lippen begrenzt. Die Veränderung ist hauptsächlich durch das kräf- 
tige Auswachsen des am vorigen Modell (Taf. XII, Fig. 6) auf- 
tretenden Schnauzenhügels sowie der Lippengegend geschehen. Da- 
durch schob sich die ganze, vor den Augen liegende Region mit 
den Mund- und Nasenöffnungen als Schnauze vor. Die Unterlippe 
teilte diese Wachstumsenergie, so daß sie über die Mundwinkel wie 
ein bügelförmiges Gebilde aufragt. Die klaffenden Lippenränder 
lassen die Zungenspitze etwas herausschauen. Der Abstand der 
Nasenlöcher vom Lippenrand hat zugenommen. Die Wangengegend 
ist nicht mehr aufgewulstet und die bei Modell 6 beschriebene Ein- 
dellung ausgeglichen. 

Der Überblick über die Gesichtsmasken (Fig. 1—7 Taf. XII) be- 
weist, daß die wirklichen Vorgänge anders sind, als wir sie 
gewöhnlich schildern hören. Das embryonale Geschehen besteht 
weder in der Verwachsung von Fortsätzen und getrennten An- 
lagen noch in der Beseitigung von Spalten, wie man vor 
50 Jahren meinte; es besteht vielmehr in einer sorgfältigen und 
konsequenten Durehmodellierung der Gesichtsfläche, welche an das 
steigende Volumen des Kopfes gebunden ist. An den kleinen An- 
lagen der ersten Stadien werden Zonen, welche später ansehnliche 
Flächen des Gesichtes bilden, als winzige, bloß durch die starke 
Vergrößerung der Rekonstruktion grell vorspringende Unebenheiten 
oder wie man früher sagte »Gesichtsfortsätze« angelegt, während 
andre Abschnitte, z. B. der Vorderrand des Mundes vollkommen 
fehlen. Die Einfügung des letzteren (Fig. 3) und seine Entfaltung 
führt die starke Metamorphose des Larvengesichtes herbei (Fig.4 u. 5). 


652 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


Dann geht durch die Entwicklung der Mund- und Nasenhöhle die 
ebene Gesichtsfläehe in den Formzustand der Schnauze über. Alle 
Veränderungen schließen so innig aneinander, daß sich kaum eine 
wirkliche Grenze zwischen den Stadien ziehen läßt, wenn nicht die 
Zufälligkeit des Embryonenmaterials einen Ruhepunkt der Analyse 
erzwingt. 


II. Die Entwicklung der Mundhöhle. 
1. Die herrschende Lehre. 


Der Gaumen ist uns allen in Vorlesungen und Lehrbüchern als 
das Produkt einer Verwachsung geschildert worden, welche am. pri- 
mitiven Munddache sich abspielt und die Gaumenrinne durch Auf- 
richten und Verschmelzen der Gaumenfortsätze in den Ductus naso- 
pharyngeus umwandelt. 

Diese Ansicht wurde zuerst von Dursy (5) eingehend begründet, 
und seine Darstellung ist zur geltenden Schulmeinung erhoben worden. 
Er hielt zwei abgerundete Längswülste, welche aus dem medianen 
Teil des Oberkieferfortsatzes hervorgehen und von der Zwischen- 
kiefergegend bis an die Seitenwand des Schlundkopfes reichen, für 
die erste Anlage des sekundären Gaumens. Dieselben wachsen ver- 
tikal abwärts und fassen die der Schädelbasis und dem primitiven 
Gaumen angeschmiegte Zunge zwischen sich. Nachdem die Zunge 
aus der Gaumenrinne zurückgezogen sei, richten sich die vor- 
her vertikal absteigenden Gaumenplatten auf und nehmen 
eine horizontale Riehtung an. Eine Zeitlang bleiben sie durch 
einen an verschiedenen Stellen ungleich breiten Spalt geschieden. 
Später wachsen sie einander bis zur Berührung, endlich zur Ver- 
schmelzung in medianer Naht entgegen, welche hinter dem Zwischen- 
kiefer beginnt und rück- und vorwärts fortschreitet. 

Hıs (85) ging ebenfalls von der eigentümlichen Tatsache aus, 
daß die Zunge in der Gaumenanlage förmlich eingeklemmt wird, 
ihr Rücken die Schädelbasis berührt und ihre Spitze dem hinteren 
Naseneingange anliegt. Gegen Ende des zweiten Monats bestehe 
noch ein doppelseitiger physiologischer Wolfsrachen mit Tiefstand 
der Gaumenplatten und Hochstand der Zunge. Die Umlagerung 
der Gaumenplatten erfolge am Ende des zweiten oder Beginn 
des dritten Monats. Dann stehen die Platten mit zugekehrten Rän- 
dern über der Zunge, ihre Verwachsung schreitet langsam von vorn 
nach rückwärts fort. Bei einem Fetus von 5l mm SSl. ist der vordere 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw, 653 


Teil der Gaumenplatten glatt verwachsen; rückwärts findet sich eine 
Strecke mit epithelialer Verklebung und dahinter eine klaffende, an 
Breite rasch zunehmende Spalte. Hıs meinte, das Emporsteigen der 
Gaumenplatten könne unter diesen Umständen nur erfolgen, wenn 
die Zunge zuvor ausgewichen sei, und stellte sich vor, daß das Aus- 
weichen durch aktive Muskelkontraktion d. h. Senken des Unter- 
kiefers und Bewegung der Zunge eingeleitet werde. Es sei denk- 
bar, daß die Hebung der Gaumenplatten nicht auf beiden Seiten zu- 
gleich erfolge, sondern daß die Zunge erst nach der einen, dann 
nach der andern Seite Raum schaffe. Sein Präparat des mensch- 
lichen Embryos Mr von 8 Wochen entspreche einer solchen Über- 
sangsphase, in der der Prozeß einseitig begonnen habe, aber noch 
nicht vollendet sei. Querschnitte durch die Mundhöhle zeigen die 
Zunge sehr schräg gestellt. Die Zungenspitze stehe beinahe vertikal 
und ihr rechter Rand dränge sich am Gaumenfortsatz vorbei bis 
zum unteren Teil der Nasenhöhle empor. Links stehe der Gaumen- 
fortsatz über der Zunge. 

Im Gegensatz zu Dursy behauptete 1895 J. Nussgaunm (17) nach 
Untersuchungen an Hundeembryonen, daß die Gaumenplatten nicht 
direkt miteinander verwüchsen. Die Nasenscheidewand beteilige 
sich an der Bildung des harten Gaumens, indem sie sich zwischen 
die Gaumenplatten schiebe und mit diesen verschmelze. 

Er sagt: »Beim Hunde wächst im vorderen und mittleren Teile 
der primitiven Mundhöhle der untere Rand der Nasenscheidewand 
so früh nach unten, daß ihr unterer sehr breiter Teil zwischen die 
Gaumenplatten kommt, bevor sie sich gegeneinander nähern. Daher 
treffen beide Gaumenplatten in der Mittellinie nicht zusammen, 
sondern verschmelzen direkt mit den unteren seitlichen Teilen der 
Nasenscheidewand, und die untere freie breite Fläche des Septums 
beteiligt sich direkt an der Bildung des Mundhöhlendaches. Die 
Verschmelzung der Gaumenplatten mit der Nasenscheidewand er- 
folgt in der Richtung von vorn nach hinten. Die Stexsonschen 
Gänge sind Reste der embryonalen Kommunikation zwischen Nasen- 
und Mundhöhle, d. h. der beiden durch die Nasenscheidewand ge- 
trennten Gaumenspalten. Die unteren Mündungen der STENnSoxschen 
Gänge sind aber beim Hunde nicht Reste der Gaumenspalten. Viel- 
mehr verschwindet das Lumen in ihnen, so daß sie durch einen 
kleinen soliden Strang mit dem Epithel des Gaumens zusammen- 
hängen. Gleichzeitig erscheint etwas nach vorn eine kleine hohle 
Einstülpung des Gaumenepithels beiderseits von der Gaumenpapille, 


654 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


welche nach oben, hinten und etwas nach außen wächst, bis ihr 
hinteres Ende sich mit dem unteren nach vorn gekehrten Endteile 
des STEnSoNschen Ganges vereinigt. 

A. Pörzu (19) verwarf die Meinung von Hıs (6b), daß bei der 
Umlagerung der Gaumenplatten aktive Muskelbewegungen mitspielen, 
und vertrat die Ansicht, die Umlagerung erfolge durch Wachstums- 
differenzen verschiedener Kopfbezirke. 

Bei menschlichen Embryonen zwischen 17—37 mm SSI# erfahre 
das Gesicht und die Schädelbasis wichtige Veränderungen. Zunge und 
Unterkiefer sind zunächst klein. Wurzel und Rücken der Zunge 
stoßen dicht an die Schädelbasis. Die plumpe Zungenspitze liege 
im hinteren Teil der Mundhöhle, hinter dem Ende des Zwischen- 
kiefers. Durch fortschreitendes Wachstum komme sie unter den 
Zwischenkiefer, schließlich unter die Oberlippe, und der Zungen- 
rücken werde stark gekrümmt. Auch der Unterkiefer gelange durch 
starkes Wachstum vor die Ebene der Schnauze, so daß die Zungen- 
spitze auf der Alveolarleiste des Unterkiefers liege. 

Die Gaumenplatten entstehen als niedrige Leisten hinter dem 
Zwischenkiefer, d. h. im hinteren Teile der Mundhöhle. 

Die Teilung des Nervus palatinus gebe die Grenze zwischen 
hartem und weichem Gaumen an. Die Anlage des harten Gaumens 
sei nach innen unten gerichtet und liege unter den Seitenteilen der 
Zunge, während die Anlage des weichen Gaumens senkrecht neben 
der Zunge absteige. Durch Wachstumsdifferenzen im Gesicht und 
der Schädelbasis gelange die Zunge endlich so weit nach vorn und 
unten, daß der Zwischenkiefer sowie die Anlage des harten Gaumens 
über ihr, der weiche Gaumen hinter ihr liege. Die Platten des 
harten Gaumens ändern dann ihre Form und wachsen oberhalb 
der Zunge in horizontaler Richtung median. Ihre vordersten Teile 
treffen sich eine Strecke hinter dem Zwischenkiefer; von da setzen 
sie sich nach vorn in zwei, jetzt erst vom. vordersten Teile der 
Öberkiefer gegen die Mitte auswachsende Platten fort, die den 
Zwischenkiefer unterlagern und mit ihm die Srtensoxnschen Gänge 
einschließen. Die Verwachsung des harten Gaumens schreite nach 
vorn und rückwärts fort, zugleich verwachse mit ihm das länger 
gewordene Septum; auch der weiche Gaumen schließe sich teilweise. 
Also werde die Schließung des sekundären Gaumens dadurch er- 
möglicht, daß die Zunge aus dem Raume zwischen den Gaumen- 
platten nach vorne hinauswachse, ohne von rückwärts in denselben 
hineinzugelangen. 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 655 


PöLzL macht zugunsten dieser Behauptung geltend, daß die 
Bildung des sekundären Gaumens von den Amphibien bis zu den 
niederen Säugetieren durch Vorwachsen der Gaumenplatten in 
horizontaler Richtung geschehe. Die Annahme von Stellungs- 
veränderungen der Gaumenplatten sei sehr wenig wahrschein- 
lich, ebenso die plötzliche Veränderung, wenn die Zunge sich durch 
Muskelaktion nach unten zurückziehe und die Gaumenplatten sich 
aus der vertikalen Stellung zur horizontalen aufrichten. Die An- 
nahme aktiver Muskelkontraktionen bei Embryonen von 28—30 mm 
SS1. sei sehr gewagt. Die Zunge könnte infolge Wachstumsdifferenzen 
der Umgebung auch ohne aktive Bewegungen in ihre definitive 
Lage rücken. Zwischen den Gaumenplatten liege ein viel geringerer 
Teil der Zunge, als Hıs vermutete, welcher auch die Höhe der Gaumen- 
platten und die Ausdehnung der Anlage des harten Gaumens über- 
schätzt habe. Der größere Teil der Gaumenplatten gehöre dem weichen 
Gaumen an. Da die Richtung des in den weichen Gaumen einstrah- 
lenden Ramus posterior des Nervus palatinus unverändert bleibe, auch 
wenn der harte Gaumen bereits über der Zunge liege, könne der 
weiche Gaumen nicht hinaufklappen. Der weiche Gaumen entstehe 
zweifellos durch Vorwachsen der Gaumenplatten zu schief frontal ge- 
stellten, von vorn oben nach hinten unten geneigten Platten. Wenn 
der weiche Gaumen sich durch direktes Vorwachsen gegen die Mitte 
schließe und ebenso der Teil des harten Gaumens, der den Zwischen- 
kiefer unterlagert, so sei es unwahrscheinlich, daß der dazwischen- 
liegende Teil des harten Gaumens sich auf eine völlig andre Weise 
schließe, zumal dieser Abschnitt gerade am kleinsten sei. 

G. SCHORR (22) kommt auf Grund seiner Studien an Affen-, 
Maulwurf-, Menschen-, Schwein-Embryonen zu Resultaten, die teil- 
weise die Meinung von Dursy und Hıs, andrerseits die Angaben 
von A. PöLzL bestätigen. 

Die Anlage des sekundären Gaumens wachse weiter aus und 
ändere mit der Zeit ihre Lage, indem sie beiderseitig und gleich- 
zeitig allmählich die horizontale Richtung annehme. 

Die Gaumenumlagerung sei das Resultat einer Reihe kompli- 
zierter Prozesse, die auf dem Prinzip ungleichen Wachstums basieren. 
Es finde also nicht, wie A. PÖLzL meint, eine Formänderung des 
an der früheren Stelle bleibenden Gaumens statt; denn bisher wurde 
kein Übergangsstadium beobachtet, wo die Zunge gesunken war und 
die Gaumenplatten anfingen, ihre Form zu wechseln. Die Zunge 
und die Gaumenplatten spielen in dem Prozesse der Umlagerung 


656 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


zanz selbständige, streng koordinierte Rollen. Gegen Hıs, welcher 
der Zunge eine leitende, dem Gaumen eine untergeordnete Rolle zu- 
sprach, hebt ScHorr die Autonomie der Gaumenumlagerung hervor: 
denn er habe ein Stadium bei Cercocebus cynomolgus beobachtet, wo 
die Zunge noch über dem schon horizontalen Gaumen steht, ferner 
habe er bei Nasenaffen die Gaumenplatten über das horizontale 
Niveau eranialwärts umbiegen sehen. Der sekundäre Gaumen wachse 
anfangs nach innen und unten. Weiter aber müsse zu dieser 
Richtung der lebendigen Kraft eine neue, in Kreisrichtung wirkende 
Kraft kommen, deren Centrum nahe dem sog. primären Gaumen 
liege. Diese Kraft sei das Resultat einer lebhaften Proliferation des 
Mesenchyms, eines relativ anhaltenden Wachstums des medialen 
Teiles des sekundären Gaumens und eines Höhenwachstums des 
Öberkiefers, welches bis zur Verschmelzung der horizontalen Gaumen- 
platten anhalte. Der sekundäre Gaumen könne die horizontale 
Lage recht lange Zeit auch ohne Stütze beibehalten. 

Mit A. PÖLZL nimmt er an, daß Lageveränderungen der Zunge 
dem sekundären Gaumen die Möglichkeit gäben, die horizontale 
Stellung zu erreichen. Das Sinken und das Längenwachstum der 
Zunge sowie die Tendenz des Gaumens, sich emporzurichten, er- 
möglichen ein langsames Gleiten zwischen der Seitenfläche der 
Zunge und der Medialfläche der Gaumenplatte, eine beständige 
Anpassung aneinander und daneben eine allmähliche Umlagerung 
eines Teiles nach dem andern von vorn nach hinten. 


2. Die Metamorphose der Mundhöhle. N 
A. Die Gaumenrinne. 


Mit der Ausgestaltung der äußeren Physiognomie gehen sehr 
bedeutende Veränderungen der Mundhöhle einher, die durch die 
Volumsteigerung des Kopfes und aller seiner Bestandteile ermöglicht 
werden. Ich habe den Vorgängen besondere Aufmerksamkeit ge- 
schenkt, indem ich bei der Ausführung der Gesichtsmodelle jedesmal 
das Epithel der Mund- und Nasenhöhle zeichnete und in Wachs 
ausschnitt, so daß die Modelle nicht bloß die Eetodermmaske des 
Gesichtes, sondern auch die Ausdehnung der durch Nasenloch und 
Mund zugänglichen Höhlen bzw. deren epitheliale Wand (Taf. XII, 
Fig. 8—10) wiedergeben. Außerdem habe ich mehrere Spezial- 
modelle der Epithelwand von Mund- und Nasenhöhle älterer Em- 
bryonen (um 20 mm Nstl.) bei stärkerer Vergrößerung hergestellt 
(Taf. XIII, Fig. 11, 12, 13), um die Bildung des Gaumens zu ergründen. 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 657 


In den Gesprächen mit mir hatte mein verehrter Lehrer öfters 
den Umstand getadelt, daß die meisten Bearbeiter der Gaumenfrage 
ihr Interesse einseitig auf die Gaumenfortsätze konzentrierten. Er 
habe daher schon vor zwei Jahren von G. AULMANN eine gründ- 
liche Berücksichtigung der andern Merkmale anstreben und die An- 
sicht vertreten lassen, daß die Gaumenfortsätze die Mundhöhle in 
drei Abschnitte, den Mittelraum (oder Gaumenrinne) und die beiden 
Kaunischen teilen. Seinen Fingerzeigen folgend habe ich die Ent- 
stehung und die Metamorphose des Mittelraums eingehend verfolgt. 

Bei den jungen Embryonen (Taf. XII, Fig. 1, 2, 3; Taf. XIV, 
Fig. 20, 21) ist die Rachenmembran (Taf. XIV, Fig. 18, 19) zerstört und 
die seichte Mundgrube als ein kurzer und weiter Vorraum des flach- 
gedrückten Vorderdarms entstanden. Ihre äußerlich sichtbaren Eigen- 
schaften sind oben (8. 25) geschildert. Die Grenze beider Abschnitte 
ist wenigstens an der dorsalen Wand durch die Hypophyse gesteckt. 
Mundgrube und Vorderdarm sind winklig gegeneinander gestellt. 
Man erkennt das nicht bloß an den Längsschnitten, sondern auch 
an dermesodermalen Fläche der Gesichtsmasken (Taf. XI, Fig. 8—10), 
von denen Fig. 8 und Fig. 10 die Innenseite des in Fig. 4, bzw. in 
Fig. 5 dargestellten Katzengesichtes zeigt. Das Munddach_ steigt 
von der Öberlippe in einer zur Gesichtsfläche ziemlich schrägen 
Richtung bis zur Hypophyse (%) auf und geht hier fast unter einem 
rechten Winkel in den parallel dem Hinterhirn verlaufenden Vorder- 
darm (vd), dessen Paukenhöhlenanlage (ci) an den Modellen deutlich 
sichtbar ist. Hinter den Paukenhöhlentaschen biegt der Schlund in 
der Gegend des Kehlkopfes wieder fast unter einem rechten Winkel ab 
(Taf. XIV, Fig. 23), um als Speiseröhre in den Rumpf einzutreten. 

Die Mundhöhle der rekonstruierten Modelle (Taf. XII, Fig. 8—10) 
stellt keinen einheitlichen Raum mehr vor; denn sie beginnt sich 
in die drei von AULMANN unterschiedenen Abschnitte zu gliedern, 
die vorderhand kurzen, an den Modellen (Taf. XII, Fig. 8$—10) noch 
nahe der inneren Maskenfläche liegenden Anlagen der Kaunischen 
(kn) und den tiefer einragenden Mittelraum (oder Gaumenrinne). An 
der rechten Seite der Modelle (Taf. XII, Fig. 8—10) ist durch den 
starken Schatten die Eindellung des Munddaches kenntlich, welche 
den Mittelraum beiderseits von der Kaunische (kr) abhebt, und man 
sieht das Dach des Mittelraumes in stärkerer Wölbung über die 
transversal gerichteten Kaunischen hervortreten. Meine Modelle 
decken sich nach allen wesentlichen Formeharakteren mit den Re- 
konstruktionen von AULMANN (2, Taf. VI, Fig. 33, 36): ebenso wie an 


658 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


dessen Modellen zieht der hintere Rand der lateral ausladenden 
Kaunischen medial gegen den Vorderdarm, welcher abgesehen von 
den lateralen Aussackungen der Paukentaschen weniger breit ist, 
als die Mundhöhle. 

Die beiden Nasenschläuche (N) liegen als schmale Epithelsäcke 
vor der Mundhöhle. Wir sehen (Taf. XII, Fig. 8$—10) hauptsächlich 
auf ihre dorsale, später zum Cribrum entfaltete Kante. Ihr Choanen- 
gang (cg) steht ziemlich senkrecht auf dem vorderen, von AULMANN 
parachoanale Wand genannten Bezirke (pch) des Mund- bzw. Mittel- 
raumdaches und mündet hier durch die Choanen (Taf. XII, Fig. 5). 

‘ Am Mundboden ist die Dreigliederung der Mundhöhle gleichfalls 
abzulesen. Ein kleiner stumpfer Wulst, die Zungenanlage (x), springt 


Fig. 16-18. 


Fig. 16—18. Querschnitte durch die Mundhöhle eines Katzenembryos von 6,6 mm Kpfl. und 11 mm 
Nstl. (Taf. I, Fig.5u.5«). Vergr. 9/1. Der Abstand der Fig. 16—17 = 180 u, der Fig. 17—18 = 360 u. 
«l Unterlippe; z Zungenwulst. 


als solides Gegenstück in den dorsal ausgebogenen Mittelraum. Ihre 
freie Spitze hinter der Unterlippe liegt der kurzen parachoanalen- 
Wand gerade gegenüber. Die Querschnitte (Fig. 16—18) bezeugen 
das eben geschilderte Relief der Mundwand durch einfache Kontur- 
linien. Die Neigung der parachoanalen Wand (pck) des Mittelraumes 
gegen den Rachen oder die äußere Gesichtsfläche scheint individu- 
ellen und speeifischen Verschiedenheiten zu unterliegen. Wenigstens 
steigt sie bei einem Katzenmodelle (Taf. XII, Fig. 9) und bei den Schaf- 
modellen (AuLmann Taf. VI, Fig. 33—35) ziemlich steil, bei den andern 
Modellen (Taf. XII, Fig. 8 u. 10) weniger schräg von der Lippe auf. 
Der Wulst der künftigen Muskelzunge ist anfangs plump, seine 
Vorderfläche abgerundet und wenig von der Umgebung differenziert. 
Bei etwas älteren Embryonen hebt er sich besser ab, weil die 
Zungenspitze gegen die Unterlippe vordringt. Da der Zungen- 
wulst das morphologische Gegenstück der Gaumenrinne ist, treten 
beide Differenzierungen am Boden und Dache der Mundhöhle 
gleichzeitig, anfangs freilich etwas verschwommen auf, mit ihnen 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 659 


werden zugleich die Seitenflügel oder Kaunischen der Mundhöhle, 
d. h. die lateral von Zungenwulst und Gaumenrinne befindlichen 
Teile der Mundwand abgegrenzt (Fig. 16—18). 

An der Physiognomie sind diese Ereignisse durch die Näherung 
der Lippenränder (Taf. XII, Fig. 4 u. 3) kenntlich. Je mehr die Lippen 
sich nähern, um so enger wird die Formspiegelung zwischen dem 
Boden und Dache der Mundhöhle. Das fortschreitende Wachstum 
des Kopfes bedingt die Vergrößerung der Mundhöhle und schafft 
Raum für die Entfaltung der Mittelzone derselben. Dem immer mehr 
vorspringenden Zungenwulst entspricht der sich im gleichen Maße 
erweiternde Mittelraum am Munddache, und die der Zungenwölbung 
im morphologischen Spiegelgebilde gleichsinnige Krümmung seiner 


Fig. 19—24. Querschnitte durch die Nasen- und Mundhöhle eines Katzenembryos von 7,4 mm Kpfl. 
und 12 mm Nstl. (Taf. I, Fig. 6 u. 6a). Vergr. 9/1. Der Abstand der Fig. 19—20 beträgt 360 u, der 
Fig. 20—21 = 140 u, der Fig. 41-22 = 320 u, der Fig. 22—23 = 160 u, der Fig. 23—24 = 540 u. 
gl Grenzleiste, ic Interchoanalstreif; kn Kaunische; m» Mittelraum; «2 Unterlippe; z Zunge. 


Wand führt dessen schärfere Abgrenzung durch die gegen die seit- 
lichen Zungenfurchen vorspringenden Grenzleisten (gl) herbei. Das 
geschieht in der Periode, sobald die Physiognomie des Katzenge- 
sichtes anklingt (Taf. XII, Fig. 6 und Textfig. 19— 24). 

Einen guten Einblick in die Verhältnisse gewährt das Modell 
der Mundwand (Taf. XII, Fig. 11, 11a) eines Katzenembryos, der etwas 
weiter als der Embryo der Gesichtsmaske (Taf. XII, Fig. 6) entwickelt 
war. Ausgewählte Schnitte der Serie sind in den Textfiguren 25—30 
dargestellt. Das Modell ist längs der Mundwinkelrinne ge- 
spalten, damit Dach und Boden auseinandergeschoben und gesondert 
betrachtet werden können. An dem Quersehnitte des Munddaches 
sind die Grenzleisten (gl) im Profil sichtbar. Ihr Verlauf gegen den 
Lippenrand (o/) ist an der Fig. 11a (Taf. XIII) direkt und oben an der 
Außenansicht des Modelles an den seitlichen Furchen (fg) zu beiden 
‚Seiten des Mittelraumes (mr) zu sehen; die Kaunischen (kd) haben 
sich dorsal aufgekrümmt. An der Bodenhälfte des Modells springt 


151616 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


der Zungenwulst (x) über die ventrale Wand (kb) der Kaunischen 
hervor. Von der Mundhöhle aus betrachtet, säumen die beiden Gaumen- 
leisten (gl) den Mittelraum ein, weleher, wie der Längsschnitt (Taf. XIV, 
Fig. 24) im Vergleich zu den Längssehnitten (Taf. XIV, Fig. 21, 22) 
bezeugt, fast auf das Doppelte seiner sagittalen Länge (zwischen dem 
Oberlippenrand und Hypophyse) ausgedehnt wurde. An diesem 
Wachstum ist besonders die parachoanale Wand beteiligt; denn die 


Fig. 25—30. 


Fig. 25—30. Querschnitte durch die Nasen- und Mundhöhle eines Katzenembryos von fast 20 mm Nstl. 
(Taf. I, Fig. 11 u. 11a). Vergr. 9/1. Der Abstand der Fig 25—26 beträgt 360 u, der Fig. 26—27 = 
440 u, der Fig. 27—28 = 360 u, der Fig. 28—29 = 520 u, der Fig. 29—30 = 400 u. 
Au Aulax; gl Grenzleiste; 95 Saktergesimse ; ic Interehoanalstreif kn Kaunische; mr Mittelraum; 
al Unterlippe z Zunge. 


beim Embryo (Taf. X, Fig. 5) als rundliehe Löcher angelegten Choanen 
sind jetzt in zwei schmale Schlitze (ch) und ungefähr auf das Vier- 
fache ihres ursprünglichen Durchmessers ausgezogen. 

Die dem Zungenwulst bzw. der Bodenfläche der Kaunischen 
parallel gerichtete Krümmung des Munddaches ist bisher wenig ge- 
würdigt worden, weil man sie nieht aus derselben dorsalen Richtung 
betrachtete, wie den Mundboden, sondern meist entgegengesetzt von 
der ventralen Seite (Taf. XIII, Fig. 11a). Dann erscheint das Mund- 
dach wie eine negative Matrize, welche über das positive Relief 


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E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 661 


des Mundbodens gestülpt ist. Wenn man jedoch das rekonstruierte 
Modell, das die epitheliale Wand der Mundhöhle allein berück- 
siehtigt, von außen d. h. von der Mesodermseite her (Taf. XIII, Fig. 11 
oben) ansieht, so wird deutlich, daß das Munddach dem Mundboden 
durchaus homolog gekrümmt ist. (Fig. 23—30.) 

Das eben in Wort und Bild geschilderte Relief der Mundhöhle 
ist seit langem bekannt; seine Deutung aber blieb konventionell in 
dem Rahmen des ersten Versuches, welchen Dursy 1869 gemacht 
hatte. Nachdem er damals die Grenzleisten des Mittelraumes als 
Gaumenfortsätze bezeichnet und als die notwendigen Vorstufen für 
die Ausbildung des sekundären Gaumens erklärt hatte, wurde seine 
Meinung getreulich wiederholt, obwohl sie weder durch seine Beob- 
achtungen, noch durch die späteren Forscher (Hıs, NussBAum, PÖLZL, 
SCHORR) begründet war. Ich will daher versuchen, eine bessere 
Interpretation vorzutragen, indem ich auf die außerordentliche Schmal- 
heit der Mundliehtung und die aus den Schnitten (Fig. 16—30) ab- 
zulesende Formspiegelung vom Boden und Dach Gewicht lege. Das 
Studium vieler Querschnittserien durch Stadien, welche den Text- 
figuren 19—30 entsprechen, sowie das Modell (Taf. XIII, Fig. 11, 11a) 
hat mich überzeugt, daß man die Wülste (gl), welche den Mittel- 
raum einsäumen, nicht als »G@aumenfortsätze« bezeichnen darf, weil 
sie unbedeutende Relieferhebungen des epithelialen Munddaches 
sind, welche den an eine kräftige Plastik gemahnenden Namen: 
Fortsatz gar nicht verdienen. Sie entstehen auch nicht durch aktives 
Vorwachsen eines bestimmten, etwa hufeisenförmigen Epithel- 
streifens, sondern lediglich als morphologische Konsequenzen des 
Umstandes, daß drei, transversal nebeneinanderliegende Streifen 
der Mundwand (diese Angabe bezieht sich sowohl auf das Dach als 
den Boden derselben) in verschiedenem Grade dorsal gekrümmt 
werden. Daher setzt sich der dorsal gewölbte Mittelraum bzw. der 
Zungenwulst durch zwei niedrige Grenzleisten bzw. Zungenfurchen 
von den wenig gekrümmten Seitenflügeln oder Kaunischen ab. 

Der Stilcharakter der ganzen vorhergehenden Embryonalentwick- 
lung liegt in der engen Formabhängigkeit vom Mundboden und Mund- 
dach. Auch wenn allmählich die Wand der Mundhöhle dank der 
Volumenvergrößerung des ganzen Kopfes umfangreicher und lebendiger 
modelliert wird, schwindet die gegenseitige Formspiegelung der dor- 
| salen und ventralen Wand nicht, sie bleibt vielmehr bis zu dem 
_ Zeitpunkte bestehen, wo die Bildung des sekundären Gaumens erfolgt. 
Während der Entwicklung der Zunge, bzw. des Mittelraumes 


662 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


oder Gaumenrinne und der Kaunischen wachsen die Parachoanalwand 
des Munddaches, sowie die angrenzenden Nasenschläuche ansehnlich. 
Die bei allen Embryonen ziemlich nahe dem Rande der Oberlippe 
liegenden Choanen, die anfangs rundliche Öffnungen (Taf. XII, Fig. 4,5) 
waren, streeken sich zu langen sagittalen Schlitzen. Daraus geht 
deutlich hervor, daß gerade die Zone der Choanen bzw. der Para- 
choanalteil des Munddaches vergrößert wird. Den Nasenschläuchen, 
welehe früher hauptsächlich die Anlage des Cribrums besaßen, wird 
jetzt die Muschelregion angefügt, und die Stammzone der letzteren 
mündet mit den langen Choanen. Das bedeutende Wachstum der 
Nasenschläuche ist sicher auch der Grund, weshalb das Nasenlippen- 
feld sehnauzenartig vorgetrieben wird (Taf. XII, Fig. 6). 

Da die Zungenspitze von jeher der parachoanalen Wand gegen- 
über lag, so hat sie der durch neues Wachstum hinzugefügten Strecke 
der Mundwand auch die Besonderheit der Grenzleisten und Gaumen- 
rinne aufgeprägt. Die beiden Choanen öffnen sieh daher in den 
oralen, schräg abfallenden Teil der Gaumenrinne (Taf. XIII, Fig. 11a). 


B. Der geschlossene Gaumen. 


Mit einem Male schwindet im Stadium zwischen Modell 6 und 7 
(Taf. XIII) die eben geschilderte morphologische Abhängigkeit und es 
tritt mit der forteilenden Größenzunahme eine Erweiterung und 
Umformung der Mundhöhle bzw. der Epithelwand derselben ein. 
Dach und Boden werden mehr voneinander entfernt, so daß sie in 
gesonderter Formrichtung sich entfalten. Ihre nicht mehr in so 
strengem Spiegelbilde erfolgende Veränderung bereitet allmählich 
den Zustand vor, welcher für die Erledigung des Kaugeschäftes 
notwendig ist. 

Alle Welt hat bisher die Meinung geteilt, daß die sog. Gaumen- 
platten dabei aus ihrer vertikalen Richtung in die horizontale Lage über- 
geführt werden. Wenn man aber die Beweisgründe für die herrschende 
Ansicht kritisch abwägt, so erstaunt man, daß die Stellungsänderung 
noch von keinem Forscher aus eigener Anschauung beschrieben 
worden ist. Allehaben teils Querschnitte durch die offene Gaumenrinne, 
teils durch den fertigen Gaumen mit der Verwachsungsnaht abge- 
bildet, die dazwischenliegenden Vorgänge aber sind noch nie beob- 
achtet worden. 

Nachdem Prof. Freıschmann mich auf die bedenkliche Lücke 
der Beweisführung aufmerksam gemacht hatte, bin ich mit fester‘ 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 663 


Absicht darauf ausgegangen, möglichst viele Embryonen aus dem 
kritischen Stadium (Embryonen von 18—20 mm Sstl.) in Querschnitte 
zu zerlegen, um die Phasen der Verwachsung aufzufinden. Zwar 
habe ich meinem Ziele zuliebe viele Serien umsonst geschnitten, 
jedoch endlich ist meine Beharrlichkeit belohnt worden: ich fand 
vier Katzenembryonen, bei welchen sich die Metamorphose des 
Munddaches wenigstens so weit erkennen ließ, daß ich eine opposi- 
tionelle Stellung gegen die landläufige Ansicht einnehmen kann. 


Fig. 31—34. 


Fig. 31—34. Querschnitte durch die Nasen- und Mundhöhle eines Katzenembryos von 19 mm Nstl. 
(Taf. II, Fig. 12). Vergr. 9/1. Der Abstand der Fig. 31—32 beträgt 250 u, der Fig. 32—33 = 3U0 u, 
der Fig. 33—34 = 350 u. 


gw Gaumenbrücke; ic Interchoanalstreif; kn Kaunische; Pc Procribrum; z Zunge, 


Das Modell der Mundwand (Taf. XIII, Fig. 12) von einem Katzen- 
embryo 19 mm Nstl. gab mir die Anhaltspunkte. 

Dasselbe ist in gleicher Weise wie Modell Fig. 11 (Taf. XIII) 
zerlegt, d. h. die Mundwand ist längs der Mundwinkelrinne durch- 
schnitten, so daß Dach und Boden gesondert betrachtet werden 
können. Ausgewählte Schnitte der Serie sind in den Textfig. 31—34 
abgebildet. An den letzteren ist die Erweiterung der Mundhöhle 
direkt ersichtlich. Man vergleiche nur Figur 32—34 mit Figur 26—28. 

Die Zungenfurchen (xf), welche (Taf. XIII, Fig. 11) zu beiden Seiten 
der Zunge offen lagen, sind (Taf. XII, Fig. 12) auffallend verengt, 


so daß die Zungenwurzel gewissermaßen zwischen die beiden Boden- 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 43 


664 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


streifen (kb) der Kaunischen versinkt. Die Querschnitte (Fig. 35—39) 
offenbaren ein späteres Stadium der Veränderung: die früher fast 
senkrecht (Fig. 27) abfallenden Seitenwände der Zunge sind hier 
konvergierend schräg gestellt. Bloß die Zungenspitze (Fig. 31, 35, 36) 
steht über den Bodenstreifen der Kaunischen. 


Fig. 35—39. 
°o ° 
J35 7/7 gm 
-dn 
de ‚gr 
38 


37 


‚g7V 
II 


Fig. 35—39. Querschnitte durch die Nasen- und Mundhöhle eines Katzenembryos von 22 mm Nstl, 
(Taf. I, Fig. 7 u. 7a. Taf. II, Fig. 13). Vergr. 9/1. Der Abstand der Fig. 35—36 beträgt 450 u, 
der Fig. 36—37 = 500 u, der Fig. 37—38 = 600 u, der Fig. 35—39 = 500 u. 
dn Ductus nasopharyngeus; gn Gaumennaht; gw Gaumenbrücke; ic Interchoanalstreif; kn Kaunische. 
Pc Procribrum; z Zunge. 


Am Munddache sind die Grenzleisten (gl) nur im hinteren Ab- 
schnitt (Taf. XIII, Fig. 12) vorhanden, unter der Choane aber ver- 
strichen. Daher zieht das Kaunischendach mit geringerer Wölbung 
(Fig. 34) von den Leisten seitwärts, weiter vorn (Fig. 31—34) fehlt 
dem Munddache jede Spur der früher vorhandenen Grenzleisten 
(Fig. 25—29) und die Gaumenrinne ist unter dem vorderen Teile 
der Choanen verschwunden. Das zugleich breiter gewordene Kau- 
nischendach steigt schräg gegen die schmalen Vorsprünge (ge) unter 
den Choanen auf. Dem Munddach und Mundboden ist also die 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 665 


frühere Formspiegelung genommen. Statt der als Gaumenplatten (gl) 
bezeichneten, ventral gefalteten Streifen des Munddaches findet man 
je eine dorsal konvexe Krümmung. 

Nach meinem Urteile sind die sog. Gaumenplatten nicht dadurch 
verschwunden, daß sie aus der vertikalen Stellung in die horizontale 
Lage übergingen; denn sie verdienen den Namen: »Platten« bloß 
im übertragenen Sinne. Es sind nicht frei in die Mundhöhle herab- 
hängende Fortsätze, wie man etwa von den Extremitätenfortsätzen 
spricht, sie lassen sich daher auch nicht gleich einem in der Mund- 
höhle liegenden Fremdkörper verschieben. Die sog. Gaumenplatten 
sind vielmehr integrierende Reliefmerkmale der Mundwand von sehr 
geringer reeller Höhe, welche durch die Gliederung der Mundhöhle 
in den Mittelraum und die beiden Kaunischen notwendig entstehen. 
Daher ist es ausgeschlossen, daß sie sich in der von Dursy 
und Hıs vermuteten Weise plötzlich in die horizontale Lage begeben. 
Die aus Fig. 12 (Taf. XIII) und den Schnitten (Fig. 31—34) ersichtliche 
Veränderung des Formbildes kann nur durch eine Ummodel- 
lierung der gesamten Mundwand erklärt werden. 

Ich stelle mir vor, daß die Entfernung des Zungenrückens von 
dem zwischen den beiden Choanen liegenden (interchoanalen) Streifen 
(cc) des Gaumenrinnendaches, dem er (Fig. 25—27) vorher sehr nahe 
gelegen war, durch Erweiterung der Mundhöhle, bzw. durch leb- 
haftes Wachstum der Mundwand eingeleitet wird. Wie sich der 
Mundboden durch Vertiefung der Zungenfurchen und die zu- 
nehmende Versenkung der Zunge verändert, so daß eine gering- 
fügige Ausweitung der Mundhöhle in ventraler Richtung die 
Folge sein muß, so erhebt sich das Munddach in etwas höheres 
Niveau durch Neuformung des ganzen Dachreliefs.. Während in 
den jüngeren Stadien das Dach von den Mundwinkeln gegen die 
Gaumenleiste mehr oder minder gekrümmt einwärts zog und dann 
mit scharfer Biegung als Seitenwand und Decke des Mittelraumes 
dorsal verlief, steigt es jetzt von dem ÖOberlippenrande bzw. den 
Mundwinkelrinnen schräg empor zu zwei dicht unter den Choanen 
bzw. dem Dache der früheren Gaumenrinne vorspringenden, horizon- 
talen Wülsten, welche in keiner Hinsicht mit den Gaumenleisten 
_ identisch, aber als die Vorbedingung für die Herstellung des Gaumen- 
daches der Säugetiere anzusehen sind; denn sie stehen (Fig. 31—34) 
| einander sehr nahe und berühren sich bald (Fig. 36—38) in medianer 
' Epithelnaht. Der Grund, weshalb ich diesen Wülsten den morpho- 
I logischen Wert »eigentlicher Gaumenbrücken« (g@) zuspreche und 
43* 


666 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


sie durchaus verschieden von den Gaumenleisten (gl) erachte, liegt in 
dem Umstande, daß an dem Modelle (Taf. XII, Fig. 12) die Gaumen- 
leisten (gl) im hinteren Teil des Munddaches noch vorhanden sind, 
während sie vorn unter den Choanen und vor denselben fehlen. 
Ich sehe die Gaumenleisten in dem gleichen Abstande wie am Modell 
(Taf. XIII, Fig. 11) von der hinteren Mundgrenze als niedrige Epithel- 
erhebung oral ziehen, aber in zunehmendem Maße abflachen und 
bald ganz verstreichen. Daher nehme ich an, in dem Abschnitte 
des Munddaches, wo sie jetzt vermißt werden, seien sie wahrschein- 
lich auf einem Embryonalstadium, das mir zufälligerweise nicht zu 
Gesicht kam, verschwunden, weil eine neue Modellierung des bisher 
in die Form der Gaumenleisten und Gaumenrinne geprägten Epithel- 
bezirkes erfolgte, etwa in der Weise, daß der ventrale Rand der 
Gaumenrinne sich ausweitete, während die Seitenwände median in 
das bisher vom Zungenwulste erfüllte Lumen einbogen. Die mediane 
Vorwölbung (fw) ist an der hinteren Schnittfläche und der rechten 
Seitenwand des Modelles (Taf. XIII, Fig. 12) deutlich wahrzunehmen. 

An den Modellen überzeugt man sich in der Tat von der Um- 
gestaltung der ganzen Mundwand. Die Gaumenleisten bilden nur 
die auffallende Grenze zwischen den verschieden gekrümmten Ab- 
schnitten des Munddaches. Weil der Mittelraum (mr) eine andre 
Krümmung besitzt, als die Kaunischen, so liegt zwischen beiden 
eine Grenzzone, welche von Dursy einem Fortsatze verglichen wurde, 
aber kein wirklicher Fortsatz, sondern ein Biegungsrand ist. Neben- 
bei bemerkt erscheint der Biegungsrand um so länger und einem 
Fortsatze ähnlicher, je schräger die Schnittebene steht. In der 
durch das Modell Fig. 12 (Taf. XIII) charakterisierten Embryonalperiode 
erfolgen aber andre Biegungen der Mundwand, indem das Kau- 
nischendach eine von der Mundwinkelrinne schräg ansteigende 
Neigung (Fig. 31—33) statt der früheren queren Richtung (Fig. 23—28), 
welche übrigens im hintersten Abschnitte der Mundhöhle (Fig. 34) 
noch erhalten ist, gewinnt und die lateralen Wände der Gaumen- 
rinne median vorgetrieben werden. Der scharfe Kniekungswinkel 
des Munddaches in der Gegend der Gaumenleisten (Fig. 27) 
schwindet damit und macht den neuen, in einem viel höheren Niveau 
liegenden Gaumenbrücken Platz. Die neue Modellierung erstreckt 
sich längs des Bereiches der Gaumenrinne. Am lebhaftesten setzt 
sie im oralen Teile derselben ein, später kommt sie in dem cau- 
dalen Teil zur Geltung, daher sieht man an dem Modelle Fig. 12 
(Taf. XIII) noch die hinteren Spuren der Gaumenleisten (gl). 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 667 


Beide, sowohl Gaumenleisten als Gaumenbrücken (gw) sind sym- 
metrische Differenzierungen des Munddaches und gehen oral hinter 
der Oberlippe nieht ineinander über (Taf. XIII, Fig. 11a). Die Gaumen- 
rinne ist hier weniger scharf abgegrenzt, ihr zwischen den Choanen 
liegender Dachstreifen (ze) fällt etwas geneigt gegen die Oberlippe 
(ol) ab. 

Wahrscheinlich werden die unterhalb der Choanen neu ent- 
stehenden Gaumenbrücken der seitlichen Gaumenrinnenwand dieselbe 
Eigenschaft teilen. Ich vermute dieses Verhalten, obwohl ich keine 
direkte Beobachtung machen konnte, nach dem in dieser Gegend 
später herrschenden Relief. Im Stadium des Modells (Fig. 12, 
Taf. XIII) verdecken die Gaumenbrücken (Fig. 31) die Choanen und 
bilden die ventrale Begrenzung eines über der Mundhöhle liegenden, 
dorso-ventral sehr niedrigen Querraumes, welcher als Anlage des 
Ductus nasopharyngeus unter den Nasenschläuchen gegen den 
Pharynx zieht. Die hier flachen Gaumenbrücken divergieren unter den 
oralen Choanenecken ein klein wenig, so daß eine schmale, spitz- 
winkelige Insel des Daches zwischen ihnen vorragt. Hinter derselben 
sind sie eine Strecke (450 u) getrennt und lassen einen engen 
Zugang zur Lichtung des Ductus nasopharyngeus frei. Dann ver- 
schmelzen sie auf eine Länge von 250 u, hinten klaffen sie wieder. 

Die Stelle, wo die neu entstandene Lichtung des Ductus naso- 
pharyngeus mit der Mundhöhle kommuniziert, ist als Mündung des 
STENSoNschen Ganges bekannt. BEECKER hat sie in Anlehnung an 
NussBAuM früher als Rest der primitiven Choane angesprochen. Ich 
beseitige jetzt seine Deutung und plädiere dafür, die Mündung des 
STENSONschen Ganges als einen persistierenden Spalt zwischen dem 
oralen Ende der Gaumenbrücken anzusehen, weil die Choanen an 
dem Modelle etwas höher stehen und das Lumen des Nasenrachen- 
. ganges durch eine deutliche transversale Einbuchtung des Mund- 
epithels abgegrenzt ist. Erst oberhalb derselben liegen die Choanen. 
Wenn ich die Gaumenbrücken mit voller Bestimmtheit als neue 
Differenzierungen im Gegensatze zu den Gaumenleisten erkläre, so 
leitet mich die Erwägung, daß die Lichtung des mit ihnen ent- 
stehenden Duetus nasopharyngeus eine ganz andre Gestalt hat als 
die Gaumenrinne der Larvenzeit. Sie ist nicht bloß viel niedriger, 
sondern auch schmäler. Nach den beiden Modellen (Taf. XII, Fig. 11, 
12) beurteilt, ist die Querausdehnung des Duetus nasopharyngeus 
um 1/, geringer als die transversale Breite der Gaumenrinne. Das 
spricht doch unleugbar dafür, daß eine radikale Veränderung der 


668 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


Dimensionen des Munddaches statt hatte, welche bloß durch eine 
wirkliche Neumodellierung erklärt werden kann. Die Betrachtung 
des Modells von der Mesodermseite her läßt die Einbuckelung (fzo) 
der seitlichen Gaumenrinnenwand als einen neuen morphologischen 
Charakter noch viel besser erkennen, als es an der Fig. 12 (Taf. XIII) 
sichtbar ist. 

Anfangs ist die in die Lichtung der larvalen Gaumenrinne ein- 
ragende Vorwölbung der Rinnenseitenwand, welche ich kurz die 
Gaumenbrüeke (gec) nannte, sehr schmal (Fig. 32), aber später wächst 
sie dorso-ventral (Fig. 36—38), so daß eine höhere Gaumennaht (gr) 
Fig.13, Taf. XIII) entsteht. Der Ductus nasopharyngeus wird zugleich 
breiter und das geschlossene Gaumendach der Mundhöhle wird 
flacher, weil der frühere Gegensatz der ungleich gekrümmten drei 
Zonen (Gaumenrinne und Kaunischen) gänzlich schwindet. Damit 
ist der ungefähr parallele Verlauf des Munddaches und des Ductus 
nasopharyngeus erreicht. Die plastische Metamorphose der Mund- 
wand geht mit einer allgemeinen Vergrößerung der Mundhöhle 
einher, deren Notwendigkeit durch die alsbald einsetzende Ent- 
wicklung der Zahnanlagen und die embryonalen Vorbereitungen für 
die Tätigkeit des Gebisses begreiflich ist. Ebenso wachsen die 
Nasenschläuche und ihre nunmehr in den Ductus nasopharyngeus 
schauenden Choanen sehr lebhaft. 

Die bisherige Lehre, daß der Ductus durch Verwachsen paariger 
Gaumenanlagen entstehe, bleibt also unangetastet. Meine Dar- 
stellung richtet sich nur gegen die bisher ohne jeden sachlichen Be- 
weis herrschende Vermutung, daß die bei Embryonen unter 18 mm 
Nstl. vorhandenen Grenzleisten bereits die Anlagen des Gaumens 
seien und sich zur medianen Verschmelzung aus der vertikalen in 
die horizontale Lage aufrichten. 

R. Fıck (7, S. 305) allein hat den Gedanken ausgesprochen, 
daß der auf einem von Dursy abgebildeten Frontalschnitt durch den 
Kopf eines 3 em langen Schweineembryos sichtbare Wulst der vertikal 
stehenden Gaumenplatten, welchen Dursy primitiven Gaumenfortsatz 
nannte, bei weiterem Wachstum eine Gaumenplatte bilden würde, 
welche gleich anfangs an der richtigen Stelle, nämlich über der Zunge 
stünde. Doch schränkte er die gute Bemerkung durch den Zusatz 
ein: Dursy freilich lasse den bleibenden Gaumen durch Herauf- 
klappen der vertikalen, die Zunge zangenförmig nmgreifenden 
Gaumenplatten, bzw. dureh aktives Tiefertreten der Zunge unter 
die Platten zustande kommen. 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 669 


III. Mißbildungen des Gesichtes. 


Unleugbar hatte die traditionelle Ansicht über die Gesichts- 
bildung ihre stärkste Stütze in den teratologischen Befunden, welche 
auch heute noch viele Pathologen und Chirurgen für den veralteten 
Standpunkt von J. F. MEckEL (S. 6) gewinnen. 

Die Verunstaltungen der kindlichen Physiognomie hatten längst 
das Entsetzen der Laien und Ärzte erweckt und man hatte den 
ungewohnten Anblick durch Vergleich mit tierischen Gesichtern, 
z. B. Hasenscharte, Wolfsrachen zu schildern gesucht. Obgleich die 
Analogie durchaus unzutreffend war, unterstützten die schlecht ge- 
wählten Namen die Neigung, das verunstaltete Gesicht als eine 
niedrige Stufe der physiognomischen Entwicklung einzuschätzen. 
Nachdem die Teratologen die Gesichtsstörungen als Folgen mangel- 
hafter oder ausgebliebener Verwachsung von getrennten paarigen 
Anlagen hingestellt hatten, schienen eben diese Fälle die Existenz 
embryonaler Gesichtsspalten und Gesichtsfortsätze so augenscheinlich 
zu demonstrieren, daß die Berufung auf die in den Kliniken ge- 
machten Erfahrungen die Angaben der Embryologen über allen Zweifel 
hob. Die unzureichenden Untersuchungen der kleinen Embryonen be- 
stätigten lange Jahrzehnte diese Deutung; daher konnten von den 
Pathologen und Chirurgen die Mißbildungen und die vermeintliche 
Entwicklung des normalen Gesichtes in ein sich wechselseitig er- 
gänzendes System geordnet werden und die Anhänger desselben 
bewegten sich fast ein Jahrhundert lang in einem trügerischen Cireulus 
vitiosus, indem sie die teratologischen Fälle als Beweise für die 
normale Ontogenie und den embryologischen Befund als Erklärung 
für die Bildungshemmung abwechselnd gebrauchten. Zur Charakte- 
ristik dieser Denkweise führe ich die Darstellung von AHLFELD und 
Kırr hier an. 

AHLFELD (1) sagt: 


In der 4. Woche der Entwicklung liegt in der Mitte des Gesichtes eine 
große Höhle, die nach unten durch den primitiven Unterkiefer, nach oben durch 
den Stirnfortsatz mit seinen beiden Nasenfortsätzen begrenzt wird. Die Seiten- 
grenzen sind teilweise der Unterkiefer, teilweise die noch nicht vereinigten 
Oberkieferfortsätze. Nach oben und außen steht diese Höhle durch Spalten in 
Verbindung mit den Nasengruben. Zur Anlage des Auges führt die Spalte 
zwischen äußerem Nasen- und Oberkieferfortsatz des 1. Kiemenbogens (Fig. 1, 
8.8). Vereinigen sich diese Spalten im Laufe der Entwieklung nicht, geht 
die primäre Anlage der Augen zugrunde, oder bleibt sie rudimentär, dann ent- 
steht das Bild der totalen Gesichtsspalte. 

Einige Zeit später in der Entwicklung stellt der Stirn-Nasenlappen einen 
kleinen keilförmigen Anhang dar. Zu beiden Seiten desselben zieht sich schräg 


670 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


nach oben und außen nach den Augenblasen hin die obenerwähnte Spalte, die 
Gesichts-Nasenspalte resp. Augennasenspalte. Normalerweise schließt sich die- 
selbe vollständig, abnormal persistiert sie. Verbindet sich das Zwischenkiefer- 
bein nicht mit den Nasenfortsätzen, dann entsteht die große Gesichtsspalte. 
Diese Spalte erstreckt sich entsprechend der embryonalen Spalte zwischen 
Stirnfortsatz und Öberkieferfortsatz bis zum inneren Augenwinkel. 

Wenn die Oberkieferfortsätze sich nicht vollständig vereinen und das 
Zwischenkieferbein in seiner Entwicklung zurückbleibt, dann entsteht die mittlere 
Lippen- resp. Gaumenspalte. 

Schließt sich in der 9. und 10. Woche durch Annäherung der Gaumen- 
teile der Oberkieferfortsätze des 1. Kiemenbogens die embryonale Gaumenspalte 
nicht, dann bleibt eine Spalte, die mit der darüberliegenden Nasenhöhle kom- 
muniziert, die Gaumenspalte. Da in solchen Fällen die Oberkieferfortsätze auch 
mit'dem Zwischenbein sich nicht vereinigen, so ist die Gaumenspalte meist mit 
einer doppelten oder einfachen Kieferspalte gepaart, an die sich dann auch die 
Lippenspalte anschließt. 

Das Unterbleiben der Verwachsung der Unterkieferfortsätze des 1. Kiemen- 
bogens verursacht eine Spalte des Unterkiefers, die natürlich auch die Unter- 
lippe betrifft. 


Ta. Kırr (12) gibt im Lehrbuche der pathologischen Anatomie für 
Tierärzte folgende Darstellung: 


Die mediane Hasenscharte kommt dadurch zustande, daß die medialen 
Wände der inneren Nasenfortsätze sich bloß bis zur Berührung nähern, aber 
nicht ganz verwachsen. 

Obwohl bei den Huftieren die Verwachsung vollständig erfolgt, bleibt 
manchmal bei der Oberlippe und dem Nasenspiegel eine geringe Kerbe bestehen, 
wie sie physiologisch bei Nagern und Raubtieren gegeben ist. 

Die seitliche Lippen- und Kieferspalte entsteht, wenn der laterale Nasen- 
fortsatz mit dem Oberkieferfortsatz nieht völlig verwächst und das untere Ende 
der Tränenfurche oder die Nasenfurche rinnig bleiben. 

Die schräge Gesichtsspalte repräsentiert sich einfach als ein Offenbleiben 
der Tränenfurche. 

Mangelhafte Vereinigung der Gaumenplatten des Oberkieferfortsatzes bringt 
als Mißbildung die Gaumenspalte (Wolfsrachen) zur Schau. Verwachsen die 
Oberkieferfortsätze nicht mit dem Zwischenkieferbein oder vereinigen sich die 
inneren Nasenfortsätze nicht, so haben wir als Resultat die Lippenkieferspalte. 

Die Nichtvereinigung der Unterkieferfortsätze ruft eine Spalte, die Unter- 
kieferspalte hervor. Dabei kann gleichzeitig die Zunge gespalten sein. Die 
Wangenspalte oder Großmaul erklärt sich daraus, daß die Furche zwischen Ober- 
und Unterkieferfortsatz nicht überbrückt wird. 

Eine zu weitgehende Verwachsung der Haut, welche die Kieferfortsätze 
überzieht, kann die Mundbucht so verengern, daß Mikrostomie entsteht oder 
auch gänzlicher Verschluß der Mundöffnung, Astomie stattfindet. 

Um wenigstens ein anschauliches Beispiel zu geben, füge ich 
in Fig. 40 einen Fall von Mißbildung des Gesichtes und Gaumens 
bei, welchen O. Schuutze (23, S. 216) folgendermaßen erklärt: 

Die vom rechten Nasenloche abwärts laufende, narbenähnliche 


Furche gebe die Richtung der ursprünglichen Nasenfurche an. Hier 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 671 


sei die embryonale Grenze zwischen Oberkieferfortsatz und Stirn- 
fortsatz erkennbar geblieben. Das linke Nasenloch ist abnorm weit, 
weil der mediane Stirnfortsatz mangelhaft entwickelt und nur durch 
eine dünne Oberlippenbrücke von der Mundöffnung getrennt sei. 
Da die Gaumenplatten nicht zur Vereinigung kamen, zeigt der 
Gaumen eine weit klaffende Gaumenspalte (Wolfsrachen), in deren 
Grund der untere Rand des frei endigenden Nasenseptums sicht- 
bar ist. 

Zum Sehlusse will ich versuchen, die Ätiologie einiger Ent- 


‚ Ursprüngliche - 
Nasenfurche Stirnfortsatz 


Dens incisivu 
Septum na;t s 


Gaumenplatte 


Kopf eines mehrere Wochen alten Kindes mit Gaumenspalte. Nach O0. SCHULTZE. 


stellungen des Gesichtes von einem andern Gesichtspunkte zu be- 
leuchten, freilich mit großem Vorbehalt, weil ich nur Vermutungen 
aussprechen kann. Im Gegensatze zu den älteren Autoren glaube 
ich die Mißbildungen nicht lediglich als Entwicklungshemmungen 
auf einer früheren embryonalen Stufe deuten zu sollen, sondern be- 
trachte hauptsächlich abnormes Wachstum epithelialer oder meso- 
dermaler Massen als Ursachen. 

Sehr leicht kann z. B. eine Lippenspalte entstehen, wenn 
eine kleine Stelle des Nasenlippenfeldes unter dem Nasenloch 
(Taf. XII Fig. 3) in der Entwieklung zurückbleibt, während an allen 
Nachbarregionen mesodermales Wachstum stattfindet; dann wird 
eine mehr oder minder große Einkerbung resultieren, die mit 
einer embryonalen Spalte nichts zu tun hat. 


672 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Ampnioten. 


Genau so ließe sich der Unterlippenspalt erklären; denn 
wenn bei winzigen Embryonen die mediane Kerbe zwischen den 
Unterlippenwülsten (Taf. XII Fig. 2, 3, 4) träger wächst, muß sie sich 
beim fertigen Individuum, wo die Nachbarteile normal weiter ge- 
diehen sind, als klaffender Spalt bemerkbar machen in um se 
höherem Grade, je früher die Störung eintrat. 

Die Entstehung der Hasenscharte und Kieferspalte 
denke ich mir durch regelwidrige Dauer und abnormes Wachs- 
tum der Epithellamelle veranlaßt, welche die jüngsten Nasen- 
schläuche an das Ectoderm das Nasenlippenfeldes bindet und, wie 
Fig. 14 (Taf. XII) zeigt, vom äußeren Nasenloch bis zur Stelle der 
Choane reicht. Dieselbe wird im normalen Falle durchbrochen 
(Fig. 15, 16, Taf. XII) und hierauf durch starkes Wachstum der Ge- 
webe um die Resorptionszone die Entfernung des äußeren Nasenloches 
von der primären Choane bedeutend gesteigert, so daß Raum (?) 
für die Entfaltung der Mesodermmassen und die späteren Ver- 
knöcherungsprozesse geschaffen wird. Wenn man annimmt, daß 
die Epithellamelle aus irgendwelchem Grunde nicht unterbrochen 
wird, vielmehr an dem starken Wachstum ihrer Kopfzone teilnimmt, 
so muß eine längere Epithelmauer resultieren, welche zwischen den 
immer mehr auseinanderweichenden äußeren und inneren Öffnungen 
der Nasenschläuche sowie dem Nasenboden und dem Epithel der 
Lippen (bzw. des Munddaches vor dem Öralrande der Choane) ein- 
gespannt ist. Dieselbe hindert natürlich das Eindringen von Mesoderm- 
massen, infolgedessen kann hier kein Verknöcherungsprozeß statt- 
finden. Ein solches anormales Epithelseptum ist die embryonale Vor- 
bedingung für die Bildung einer Öffnung oder eines Spaltes; denn 
das in der Epithelmauer potentiell anzunehmende Lumen kann reell 
werden, wenn die Schichten auseinanderweichen. Dann muß eine 
Lippenkieferspalte entstehen, welche vom äußeren Nasenloch bis 
zum Foramen ineisivum reicht. 

Es wäre denkbar, daß die Lippenspalte durch einen ähnlichen 
Vorgang entstünde, wenn nämlich die Epithelmauer zwar durchreißt, 
aber nahe dem Nasenloch bestehen bleibt und etwas wuchert, 
während hinter der gestörten Stelle der Boden des Nasenschlauches 
vom Eetoderm des Munddaches getrennt ist, das Mesoderm dort ein- 
dringt und eine Verknöcherung erfolgt. Die in Fig. 40 dargestellte 
Narbe unter dem rechten Nasenloche könnte ebenfalls durch einen 
vorderen Rest der Epithelmauer veranlaßt sein, welcher weniger 
stark wächst und darum keine wirkliche Spaltung herbeiführt. 


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E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 673 


Auch die quere Gesichtsspalte, die vom Mundwinkel bis zum 
Auge zieht, wäre nach unsern Modellen nicht unerklärlich. Wenn 
man bei Modell 1 sieht, wie nahe die Augenanlage zwischen Lippen- 
wangenbuckel und Nasenhaube liegt, so kann man sich leicht denken, 
daß eine Hemmung im Wachstum der Furchenstelle, die als Aus- 
buckelungsfurche sich präsentiert, bzw. eine Wucherung des dort 
ziehenden Epithels eine Spalte verursacht. 

Der Wolfsrachen hat eine andre Atiologie als die Lippen- 
und Kieferspalte. Er scheint mir eine Hemmungsbildung zu sein 
dadurch, daß die regelmäßige Metamorphose der Mundhöhle zwar ein- 
tritt, aber die Verschmelzung der Gaumenbrücken unterbleibt, während 
das Wachstum der übrigen Teile des Kopfes ungehindert fortschreitet. 

Ich maße mir nieht an, durch meine Andeutungen die Frage ge- 
löst zu haben; ich wollte bloß zeigen, daß man nicht gezwungen 
ist, die Genese der Mißbildungen in der schulmäßigen Weise zu er- 
klären. 


Zusammenfassung. 


1. Die sog. Gesichtsfortsätze (Stirnnasen-, Oberkiefer-, Unter- 
kieferfortsätze) d. h. ursprünglich durch Spalten getrennte und später 
verwachsende, bzw. epithelial verlötende Vorsprünge sind bei 
Katzenembryonen nicht nachzuweisen. 

2. Die von allem Anfange an mit einer einheitlichen Ecto- 
dermhülle überzogene Kopfanlage bei Embryonen von 2 mm Kopf- 
länge zeigt nur winzig kleine Reliefbesonderheiten der künftigen 
Gesichtsfläche (Lippenwangen- und Unterlippenwülste), welche in 
den folgenden Stadien abflachen, aber nicht verwachsen, daher den 
Namen »Gesichtsfortsätze« nicht verdienen. 

3. Auch die Nasensäcke entstehen nicht durch Verwachsung 
ursprünglich getrennter Nasenfortsätze, sondern aus den Riechfeldern 
durch aktive Umbildung derselben. Der Rand jedes Riechfeldes 
ist die Anlage des Nasenlochrandes. 

4. Die primitiven Nasenblindsäcke bleiben nach ihrer Entstehung 
eine Zeitlang mit dem Ectoderm mittels einer Epithelleiste ver- 
bunden. 

5. An der Epithelleiste differenzieren sich zwei Zonen. Der 
vordere Teil wird durchbrochen, so daß der Nasenschlauch bald vom 
Eetoderm abgetrennt ist. In der hinteren Zone verbreitert sich 
die Leiste zwischen jedem Nasenblindsacke und dem Mundepithel 
zur Membrana nasobuccalis, dem temporären Choanenverschlusse. 


674 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


6. Hasenscharte und Lippenspalte sind wahrscheinlich durch 
regelwidriges Wachstum der Epithelleiste veranlaßt, deren potentielles 
Lumen reell wird. 

7. Die sog. Gaumenfortsätze sind keine wirklichen Fortsätze, son- 
dern Bieguugskanten, welche durch Gliederung der larvalen Mund- 
höhle im Mittelraum (= Gaumenrinne) und seitliche Kaunischen er- 
zwungen werden. 

8. Die Biegungskanten (Grenzleisten) richten sich weder auf, 
noch verwachsen sie. Vielmehr verstreichen sie mit der allgemeinen 
Umformung der Mundhöhle, bzw. Mundwand. Aus den lateralen 
Flächen der Gaumenrinne wachsen die Gaumenbrücken hervor, 
verschmelzen und trennen den Duetus nasopharyngeus ab. 

9. Wenn diese Metamorphose der Mundhöhle nicht vollendet 
wird, entsteht der Wolfsrachen. 


Literaturverzeichnis. 


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Morph Tafel XII. 


4 


Fig.8 (18/1). 
Ppch 


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Fie. 7a (12/1). 


Fig. 10 (18/1). 


Pohlmann. 


Horphologisches Jahrbuch. Bd. XLI. Tafel XII. 


’ 
az a Ca, 
ng Me > Dr 7 ch 
5 
Fig. 3 (18/1). | - 2 
pP Fig. 4 (18/1) 


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Fig. 1a (18/1). Fig. 2a (18/1). 


I 


Fig. 4a (18/1). 


2.9 18/1). 


Fig. 5a (18/1). 


Fig. 6 (18/1). Fig. 6a (18/1). 


Fig. 7 (12/1). %  Fig.10 (18/1). 


Fig. 7a (12/1). 


Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 675 


10. 


11, 


12. 


13. 


14. 


15. 


16. 


16a. 


17. 


18. 


18a. 


19. 


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21a. 


22. 


22a. 


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676 


ID 
or 


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26. WARNEKROS. Gaumenspalten. 


2. Aufl. 
Hasenscharte und des Wolfsrachens. 
XXVII. Bd. 1899. Ergh. 4. 


Berlin 1909. Entstehung der 
Korrespondenzbl. f. Zahnärzte. 


Erklärung der Abbildungen. 


Gemeinsame Buchstabenbezeichnung. 


Au Aulax der Muschelregion. 

b Brustregion. 

C Hornhaut. 

C0g Choanengang. 

ch Choane. 

c* Paukenhöhle. 

cw Choanalwand. 

D Blindende des Cribrums. 

dn Ductus nasopharyngeus. 

fg Furche der Gaumenleiste. 

fw Furche der Gaumenwülste. 

gl Gaumenleiste. 

gn Gaumennaht. 

gr Gaumenrinne oder Mittelraum. 

gs Gesimsgrad des Sacters. 

gw Gaumenwülste. 

h Hypophyse. 

he Anlage des hinteren Teiles vom 
Cribrum. 

i Jacogsonsches Organ. 

ie Interchoanalstreif der Gaumenrinne. 

k Kehlkopf. 

kb Boden der Kaunische. 

kn Kaunische. 

kd Dach der Kaunischen. 

! äußeres Nasenloch. 

!g Linsengrube. 


li Lippenwinkel. 

Iw Lippenwangenwulst. 

M Muschelregion des Nasenschlauches. 

md Munddach. 

mg Mundgrube. 

mr Mittelraum. 

Mte Metacribrum. 

N Nasenschlauch. 

nb Membrana nasobucealis. 

nif Nasenlippenfeld. 

nh Nasenhaube. 

ol Oberlippe. 

Pe Proeribrum. 

pch Parachoanalwand. 

rf Riechfeld. 

s Epithellamelle zwischen Nasen- 
schlauch und Eetoderm. 

Sm Sinus maxillaris. 

st STENSONscher Gang. 

t Lücke an den Nasenmodellen, welche 

vom Mesoderm ausgefüllt ist. 

ul Unterlippe. 

vd Vorderdarm. 

w Wange. 

Z Zunge. 

“f Zungenfurche. 

xl Zahnleiste. 


Tafel XII. 
Fig. 1-7. Die Gesichtsfliche embryonaler Katzenköpfe nach Rekonstruktions- 


modellen. 
Fig. 1a—7a. 
Fig. 1 und 1a. 


Die Profilansicht derselben Katzenköpfe. 
Embryo von 1,6 mm Kopfl. 


18/1. 


Morphologisches Jahrbuch. Bd. XLI. 


Fig. 11 (8). 


Fig. 11a (18). 


Pohlmann. Verlag von 


Tafel XII. 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 677 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


2 und 2a. Embryo von 2,3 mm Kopfl. 18/1. 

3 - 3a. - = hd - 8mm Nstl. 18/1. 

4 = 4a 3 SE elle a ABl. 

DEE= 50: - =), Gioe- Elle T- - 18/1. 

6 - 6a. - - 74 Sa ei 181]; 

Ye - u nl Se 1} 

8—10. Eetodermale Gesichtsmaske mit Mundschlundwand und Nasen- 


schläuchen von drei Katzenembryonen, innere Ansicht (18/1). 
Fig. 8. Maske des Kopfmodelles der Fig. 4 u. 4a. 10 mm Nstl. 
Fig. 9. Gesichtsmaske eines Embryos von 10,5 mm Nstl. 

Fig. 10. Maske des Kopfmodelles der Fig. 5 u. 5@. 11 mm Nstl. 


Tafel XIII. 


. 11—12. Modelle der epithelialen Mundwand und der Nasenschläuche zweier 


Katzenembryonen, längs der Mundwinkelrinne durchschnitten, so daß 
Boden und Dach voneinander entfernt werden konnten (18/1). 

Fig. 11. Katzenembryo von 18 mm Nstl. 

Fig. 11a. Innere Ansicht des Munddaches vom Modelle der Fig. 11. 
Fig. 12. Katzenembryo von 19 mm Nstl. 


. 13. Katzenembryo von 22mm Nstl. Modell des epithelialen Munddaches 


und der. Nasenschläuche nach Verschmelzung der Gaumenbrücken (18/1). 


. 14-17. Modelle des linken Nasenschlauches von vier Katzenembryonen. 


Mediale Ansicht (50/1). 
Fig. 14. Embryo von 8 mm Nstl. 


Fig. 15. m N! 

Fig. 16. id Earrnk: 

Fig. 17. Seht Are 
Tafel XIV. 


18—24. Ideale Längsschnitte durch embryonale Katzenköpfe (12,5/1). 
Fig. 18. Embryo mit 10 Urwirbeln. 
Fig. 19. - -n13 - 
Fig. 20—22. Drei stark spiral gekrümmte Embryonen. 
Fig. 23. Embryo 9 mm Nistl. 
Fig. 24. - 14 - Nstl. 


Nachwort. 


Die Korrekturen des vorstehenden Aufsatzes waren längst er- 
ledigt, als mir Prof. A. FLEISCHMAnN den Artikel von H. Fucns: 
Über eorrelative Beziehungen zwischen Zungen- und Gaumenentwick- 
lung der Säugerembryonen, nebst Betrachtungen über Erscheinungs- 
formen progressiver und regressiver Entwicklung (Zeitschrift für 
Morphol. u. Anthropol., Bd. XIII, 1910, S. 97”—130) übersandte mit 
der Aufforderung, dessen Inhalt nachträglich zu berücksichtigen, um 
die Literaturübersicht zu vervollständigen. 

Eine Mißbildung des sekundären Gaumens und der Zunge bei 
einem neugeborenen Kinde, die in der Sammlung des pathol. anat. 
Institutes zu Straßburg aufbewahrt wird, bot Fuchs den Anlaß, seine 
Ansicht über die Stellungsänderung der embryonalen Gaumenfalten 
darzulegen. Er nimmt mit Hıs an, daß die in die Gaumenrinne ein- 
geklemmte Zunge (Fig. 16, 17, 20—23, 25—29; Taf. XIII, Fig. 11 und 
11a) die abwärts gerichteten Gaumenfalten hindere, in die Höhe zu 
steigen und sich horizontal einzustellen, aber bezweifelt mit A. PÖLzL, 
daß das für die Umlagerung der Falten unerläßliche Ausweichen der 
Zunge samt der Senkung des Unterkiefers durch aktive Muskelkon- 
traktion bewirkt werde. Das verhältnismäßig ganz außerordentliche 
Wachstum der Zunge spiele vielmehr die Hauptrolle. Nach Ver- 
einigung ihrer caudal hintereinander liegenden Primäranlagen liege 
die kleine Zunge ganz hinten in der Mundhöhle und nehme schnell 
an Größe, besonders an Länge zu. Ihre Spitze komme immer weiter 
oral, trete schließlich in die Mundspalte, welche durch die von hinten 
andringende Zunge gleichsam gesprengt werde, während der Unter- 
kiefer nach unten rotiere, d. h. von der Schädelbasis und Munddecke 
durch Senkung entfernt werde. 

Wenn die Zunge weiter wachse, trete sie noch mehr aus der 
Mundspalte hervor; die Entfernung des Unterkiefers und damit auch 
der Zunge vom Öberkiefer und der Schädelbasis werde größer, viel- 
leicht unterstützt durch Hebung des Oberkiefers und des neuralen 
Kopfteiles. Schließlich erreiche die Entfernung einen solchen Grad, 
daß die emporsteigenden Gaumenfalten keinen nennenswerten Wider- 
stand mehr träfen. 


a 


\ 
N 


Morphologisches Jahrbuch. IF 


Fig. 18 (5/)). 


| 


Pohlmann. 


\Iorphologisches Jahrbuch. Bd. XLI. Tafel XIV. 


Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiognomie usw. 679 


Daher beseitige die Zunge selbst vermöge ihres auberordent- 
lichen Längenwachstums das Hindernis des Gaumenschlusses, in- 
dem sie die Öffnung des Mundes und die Senkung des Unterkiefers 
veranlasse. 

Sehr heftig polemisiert Fuchs gegen A. PöLzL, obwohl er ihre 
Meinung teilt, daß die Zunge erst tief in der Mundhöhle liegt und 
aus dem Raum zwischen den Gaumenplatten heraustritt. Er gibt 
an, A. PörzL habe den Satz aufgestellt, große Teile der Gaumen- 
platten wüchsen überhaupt nicht senkrecht, sondern gleich in hori- 
zontaler Richtung median vor, daher brauchten sie keine Umlage- 
rung zu erfahren und bekämpft denselben mit großer Ausführlichkeit. 
Diese Ansicht hat jedoch A. PöLZL gar nicht vertreten. Ich ver- 
weise auf mein Referat (S. 40—41), woraus deutlich hervorgeht, daß 
A. PöÖLzZL ebensogut wie wir alle die Gaumenanlage nach innen unten 
gerichtet neben der Zunge beobachtet hat. Sie glaubt bloß nicht, 
daß ihre Stellung geändert wird, sondern entscheidet sich für eine 
Formänderung, welche erst erfolge, nachdem die Zunge durch Wachs- 
tumsdifferenzen im Gesicht und an der Schädelbasis so weit nach 
vorn und unten gelangt sei, daß der Zwischenkiefer sowie die An- 
lage des harten Gaumens über ihr, der weiche Gaumen hinter ihr 
liege. Die Schließung des sekundären Gaumens werde also dadurch 
ermöglicht, daß die Zunge aus dem Raume zwischen den Gaumen- 
platten nach vorn hinauswachse. Ich kann nun keinen so wesent- 
lichen Unterschied zwischen den beiden Darstellungen erkennen, um 
die schroffe Polemik von Fuchs für gerechtfertigt zu halten. 

Über das Emporsteigen der Gaumenplatten teilt Fucas die An- 
sicht SCHORRS, daß verstärktes Wachstum auf der unteren (lateralen) 
Seite an der Basis der Gaumenfalten schließlich ihr Emporsteigen 
bewirke. Das erhöhte Wachstum beginne schon, wenn die Zunge 
noch tief zwischen den Gaumenplatten stecke. Das Emporsteigen 
erfolge dann ebenso plötzlich als das Abwärtstreten der Zunge. 

Sehr unwahrscheinlich ist mir die Annahme von Fuchs, daß die 
Zungenspitze gleich einem Keile die Mundspalte sprenge und den 
Unterkiefer vom Oberkiefer entferne. Ich habe an Schnittbildern und 
Modellen (Taf. XIV, Fig. 22—24; Taf. XII, Fig. 4, 5, 6) gerade im 
Gegenteil das vordere Zungenende (Z) dicht hinter dem Unterlippen- 
wulst («l) beobachtet. 

Auch an den Gesiehtsmodellen (Taf. XII, Fig. 3—6) kommt mir 
die Mundspalte nicht so eng vor, daß sie durch die Zunge ge- 


sprengt werden müßte. In der ganzen Larvenperiode fällt sogar die 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 44 


680 A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. 


relativ weite Eingangsöffnung der Mundhöhle auf. Wenn die Um- 
wandlung ins Katzengesicht beginnt, setzt das Schnauzenwachstum 
ein, das sich an den beteiligten Regionen: Oberlippe, Unterlippe, 
Zunge ziemlich gleichmäßig äußert. Erst nach Verschmelzung der 
(Gaumenbrücken ragt die Zungenspitze zwischen den Lippen hervor 
(Fig. 7). Die von Fucas (Fig. 22—27) gezeichneten Katzenköpfe sind 
aber für seine Behauptung nicht beweiskräftig, weil sie von Em- 
bryonen genommen sind, die längst das Stadium des Gaumenschlusses 
überschritten haben. 

FucHs hat eben einseitig sein Augenmerk auf das Längenwachs- 
tum der Zunge gerichtet und das Wachstum der gesamten Mund- 
höhle außer acht gelassen. Mit der Volumenzunahme des Kopfes, 
die an den Gesichtsmodellen und Längsschnitten deutlich abzulesen 
ist, geht eine fortschreitende Vergrößerung und Formänderung des 
Zungenwulstes, der Zungenfurchen, Kaunischen, Grenzleisten und 
Gaumenrinne Hand in Hand. Besonders die seitlichen Zungenfurchen, 
welche enge Complementärformen der Grenzleisten sind, ändern sich; 
zugleich erfolgt die Bildung und Verschmelzung der Gaumenbrücken, 
die Vergrößerung der Mundwand und der anstoßenden Mesoderm- 
massen. Die Verknöcherung schreitet zusehends weiter, bis endlich 
die mächtigen Proportionen aller Mundorgane des geburtsreifen In- 
dividuums erreicht sind. 

Es scheint mir daher nicht berechtigt, das Längenwachstum der 
Zunge allein als den ausschlaggebenden Faktor für die Gaumen- 
bildung herauszuheben. 

Ich fasse mein Urteil zum Schlusse bündig zusammen: Fuchs 
hat den Gedanken von Hıs, die Zunge müsse ausweichen, um die 
Veränderung der Gaumenfortsätze zu ermöglichen, mit andern Worten 
ausgesprochen, indem er statt Zungenmuskelbewegung den Ausdruck: 
Entfernung der Zunge vom Öberkiefer und der Schädelbasis ge- 
braucht, aber er hat den Vorgang weder genauer, noch an besseren 
Präparaten als seine Vorgänger verfolgt und die von mir eingehend 
belegte Metamorphose der Mundhöhle nicht beachtet. 


2. 
Über den Begriff „Gaumen“. 
Kritische Betrachtungen 
von 
Dr. A. Fleischmann. 


Mit 27 Figuren im Text. 


Vor etlichen Jahren hatte ich daran Anstoß genommen, daß der 
Begriff »Gaumen« und manch andre für die Zwecke der Säuger- 
anatomie gebildete Worte ohne weiteres auf Eigenschaften der Rep- 
tilien übertragen werden und damit eine unsichere Definition er- 
halten. Deshalb ließ ich fünf meiner Schüler die Beschaffenheit des 
Munddaches und seine Beziehungen zu den Nachbarteilen, besonders 
zur Nasenhöhle, bei verschiedenen Amnioten studieren, damit ich die 
sachlichen Unterlagen für die Kritik gewänne (2). 

Wer der Geschichte des Problemes nachgeht, findet den Aus- 
druck »Gaumen« hauptsächlich im osteologischen Sinne gebraucht; 
denn die anatomischen Vergleiche haben zuerst das Knochengerüste 
betroffen und hängen noch heute gerne daran. Der Umstand, daß 
die Knochen Prämaxilla, Maxilla, Vomer, Palatinum, Pterygoid in 
medianer Naht zusammenstoßen, bestimmte CUVIER, seine Zeitgenossen 
und die nachfolgenden Geschlechter, vom »harten Gaumen« der Kroko- 
dile und Schildkröten zu sprechen. Obgleich die eindringliche 
Analyse der Schädel jedermann davon überzeugt, daß der Terminus 
»Gaumen« am Schädel eines Säugers, Krokodils oder einer Schildkröte 
durchaus verschiedene Formzustände der beteiligten Knochen 
meint, hat doch der langjährige Gebrauch desselben Wortklanges 
für große Kontraste die anatomische Spekulation auf eine falsche 
Bahn geleitet und das Streben wachgerufen, Vorstufen des Gaumens 
bei den Reptilien zu suchen, weil man diese gewohnheitsmäßig als 
die niedrigsten Amnioten einschätzte, was gar nicht richtig war. 


44* 


882 A. Fleischmann 


Angesichts der osteologischen Tatsachen (Fig. 1) hätte man die 
Unterbegriffe: Säugergaumen, Krokodil-, Sehildkrötengaumen bilden 
und scharf auseinanderhalten sollen. Das geschah jedoch nicht; der 
Mißbrauch des Begriffes »Gaumen«, der eine Übereinstimmung vor- 
täuschte, welche in der Tat gar nicht vorhanden ist, wurde sogar 
mit der von Dursy zuerst vertretenen Ansicht kombiniert, daß der 


Untere Ansicht der Knochenschädel A von Chelonia, B von Crocodilus nach Ü. GEGENBAUR. 
€ Condylus oceipitalis, Ch Choane, Fr Frontale, Ju Jugale, Mx Maxillare, 0b Oceipitale basilare, 
01 Oceipitale laterale, Opo Opisthoticum, Pa Parietale, Pal Palatinum, Pfr Postfrontale, Pf Pterygoid, 
Px Praemaxillare, Q Quadratum, @j Quadratojugale, Spb Basisphenoid, Sy Squamosum, 7r Trans- 
versum, Vo Vomer. 


Säugergaumen in Form von embryonalen Gaumenfortsätzen entstehe, 
welche sich später aufrichten und verschmelzen. Letztere besitzen 
zwar keine Knochenanlagen; die Ossifieation beginnt erst nach der 
Umbildung der embryonalen Gaumenrinne. Aber die durch die falsche 
Terminologie unterstützte Spekulation begann allmählich bei den 
Sauriern, welchen man wegen des offenkundigen Widerspruchs der 
Tatsachen keinen Gaumen zuerkennen konnte, wenigstens nach An- 
fängen desselben, d. h. nach Gaumenfortsätzen zu suchen. An- 
geregt war dieses präjudicielle Denken schon durch die Darstellung 


Über den Begriff »Gaumen«. 683 


in den Lehrbüchern von C. GEGENBAUR und R. WIEDERSHEIM, be- 
stimmter wurde es durch die Studien von C. Busch (1) formuliert. 
Derselbe fand bei den Sauriern (Fig. 2), was er zu finden gesucht 
hatte, nämlich die Vorstufen und eine aufsteigende Reihe der Ver- 
vollkommnung der Gaumenfortsätze, sogar die Anlage eines wirk- 
lichen Ductus nasopharyngeus. E. GörrerT (4) bemühte sich bald 
nachher, zur Ergänzung der rein anatomischen Beschreibung den 
physiologischen Wert der Gaumenfortsätze bei Sauropsiden darzulegen 
und zu zeigen, daß die von Busch (1) beschriebenen Gaumenfalten 
wegen des engen Anschlusses an Zunge und Kehlkopf auch nützlich 
gewesen, darum erhalten und zu höherer anatomischer Vollkommen- 
heit entwickelt worden seien. 


Fig. 2a. Fig. 2b. 
D.nas.-ph 


er 


4 


Ling 6.M 


Querschnitte durch den Kopf von Platydactylus nach E. GörrErT. 
Cav.nas Nasenhöhlle, Conch Muschel, D.nas.-ph Ductus nasopharyngeus, G.F Gaumenblatt 
@.M Vomerpolster, @.R Gaumenspalte, H Hyoid, Ziny Zunge, Mand Unterkiefer. 

Hier setzten die Untersuchungen meiner Schüler (2) ©. Hor- 
MANN, W. SIPPEL, G. AULMANN, K. THÄTER, E. POHLMANN ein. Mit 
wachsender Bestimmtheit zersplitterten sie die eben skizzierten Vor- 
urteile und erwiesen die Unmöglichkeit, die Termini der Säuger- 
anatomie auf das Munddach der’ Sauropsiden zu übertragen; denn 
wir bewiesen folgende Thesen: 

1. Die sog. Gaumenblätter (Busch) der Saurier (Fig. 2a, b, @F) 
sind nicht Seitenfalten, sondern Abschnitte des Mundreliefs. 

2. Die sog. Gaumenspalten (Busch, MiHALKovIcs) der Saurier 
(Fig. 2a, GR) sind Teile der Nasenschläuche und darum nicht die 
Vorstufen zur Herstellung einer sekundären Mundhöhle. 

3. Der sog. Ductus nasopharyngeus (BuscH) der Seineiden ist 
die von den Palatopterygoidkanten verdeckte Orbitalmulde und dem 
gleichnamigen Kanale der Säuger ebensowenig homolog als der 
Suleus nasopharyngeus (GÖPPERT) (Fig. 2b, D. nas.-ph.). 

4. Die sog. Gaumenfortsätze (GÖPPERT) der Vögel sind über- 
haupt keine Fortsätze, sondern Abschnitte des soliden Munddaches. 


684 A. Fleischmann 


5. Der sog. »unvollkommene Ductus nasopharyngeus« (GÖPPERT) 
der Vögel ist die Orbitalmulde oder das dorsale Stockwerk der 
Mundhöhle. 

6. Die sog. sekundäre Choane (GÖPPERT) der Vögel ist der von 
den Orbitalkanten umsäumte Eingangsspalt in die Orbitalmulde. 

7. Die Choanen der Vögel liegen an der oralen Wand des 
vorderen Abschnittes der Orbitalmulde, welchen SIrpEL Subchoanal- 
raum nannte. 

8. Die Gaumenrinne der Säuger besitzt einen morphologischen 
Sonderwert, sie ist keiner bleibenden Einrichtung in der Mundhöhle 
der Sauropsiden vergleichbar. 

9. Die embryonale Mundhöhle der Säuger gliedert sich in die 
Kaunischen und die Gaumenrinne. Die Grenze der drei dorsal ver- 
schieden gekrümmten Abschnitte wird durch die Gaumenleisten, bzw. 
Zungenfurchen gesteckt. 

10. Das definitive Munddach der Säuger entsteht durch Ver- 
schmelzung der am Ende der Larvenperiode neu auftretenden Gaumen- 
brücken. Die Gaumenleisten haben damit nichts zu tun, sondern ver- 
streichen. 

11. Die Gaumenleisten sind homolog den Grenzleisten (GÖPPERT) 
der Saurier und Vögel. 

Unsere Revision hat also erwiesen, daß sowohl das Wort 
»Gaumen« als die verschiedenen Composita desselben mit Unrecht 
zur Beschreibung der Verhältnisse bei Sauropsiden und das Wort 
»Falte« fälschlich auf beliebige Reliefbesonderheiten der dorsalen 
Mundwand angewendet wurden. Da der Begriff »Gaumen« zuerst 
für die Säuger geschaffen ward, halte ich es für angemessen, seine 
Gültigkeit auf diese Gruppe zu beschränken und ihn für die Saurop- 
siden ganz zu verpönen. Dasselbe gilt für den Namen »Ductus 
nasopharyngeus«. Der Ausdruck »sekundäre Choane«, der rein 
osteologisch gedacht ist und ein Intervall am Säugerschädel kenn- 
zeichnet, kann bei der Beschreibung der Weichteile nicht gebraucht 
werden. Demnach schlage ich vor, die Ausdrücke: primäres, sekun- 
däres Munddach, Gaumenfalten, sekundäre Choane ganz abzuschaffen 
und einfach zu sagen: die Säugetiere allein besitzen einen wahren 
Gaumen; allen Sauropsiden fehlt dieses Merkmal. 

Nieht einverstanden mit meiner Reform ist H. Fucas (3), welcher 
vor ein paar Jahren (1907/08) angeregt durch meinen Widerspruch 
die Ontogenie und Phylogenie der Gaumenbildungen bei den Wirbel- 
tieren weitläufig erörtertee Während er der von meinen Schülern 


Über den Begriff »Gaumen«. 685 


geübten Betrachtungsweise und Terminologie größtenteils beitrat, 
wandte er altem Herkommen getreu das Wort »Gaumen« auf die 
Reptilien, speziell Schildkröten und Krokodile an und verirrte sich 
in den Schwierigkeiten, welche mich bewogen hatten, eine kritische 
Analyse über den Geltungsbereich des Begriffes einzuleiten. Die 
Lektüre seiner Abhandlung gewährt das seltene Schauspiel, daß der 
Autor seine Nomenklatur vielfach entschuldigt und, um Mißverständ- 
nisse zu vermeiden, wiederholt die großen Differenzen der mit dem- 
selben Wortklange belegten anatomischen Verhältnisse hervorhebt. 
Das wäre nicht nötig gewesen, wenn Fuchs sich von vornherein 
entschlossen hätte, das Wort »Gaumen« aufdie Säuger einzuschränken. 
Allein er war eben in der alten Meinung befangen, daß unter den 
Amnioten mehrere Typen der Gaumenbildung, ja sogar eine Urform 
derselben existiere, und konnte meine radikale Reform natürlich 
nicht billigen, weil damit seine allgemeine Ansicht hinfällig ge- 
worden wäre. Ich fasse die wichtigsten Punkte seines Ideenganges 
in kurze Leitsätze zusammen, um die Fehler augenscheinlich zu 
machen: 

1. Die Saurier besitzen keinen sekundären weichen Gaumen, 
nur die Vorstufen dazu in den »medialen Seitenfalten«, welche die 
mediale Seite der Orbitonasalmulde begrenzen und den weichen 
Gaumenfortsätzen der Säuger verglichen werden können. An den 
Maxillae und Palatina sind »Ansätze« zu knöchernen Gaumenfort- 
sätzen, mindestens zu Fortsätzen, welche als Homologon der jungen 
knöchernen Gaumenfortsätze bei Säugern zu betrachten sind. 

2. Die durch die Palatopterygoidkanten verdeckte Interorbitalrinne 
der Seineidae ist eine Neuerwerbung in Form eines Ductus naso- 
pharyngeus. Die medianen Fortsätze der Palatina sind den medialen 
Fortsätzen der Säugerpalatina homolog. 

3. Der sekundäre Gaumen und die sekundären Choanen der 
Schlangen sind absolut nicht homolog den gleichnamigen Ge- 
bilden der Säuger. 

4. Vielen Schildkröten kommen unleugbar ein sekundärer Gaumen, 
ein sekundäres Munddach und sekundäre Choanen zu, aber diese 
sind den Einrichtungen bei Säugern weder vergleichbar noch 
homolog und sollten eigentlich durch die Worte: Tegmen oris pri- 
marium commutatum (s. novatum) und Choanae reliquae bezeichnet 
werden. Ein Ductus nasopharyngeus wird überhaupt nicht ge- 
bildet. 

9. Die Krokodile besitzen einen sekundären Gaumen, einen 


686 A. Fleischmann 


echten Duetus nasopharyngeus, eine sekundäre Mundhöhle, eine 
sekundär vergrößerte Nasenhöhle und sekundäre Choanen. Ihre 
Gaumenfalten sind denen der Säuger nicht homolog. Die Gaumen- 
fortsätze der Maxillaria, Palatina, Pterygoidea sind den Fortsätzen 
der entsprechenden Säugerknochen homolog. Was den Duetus 
nasopharyngeus anlangt, so herrscht in der Nasengegend keine 
Homologie, sondern große Differenz. Der Orbitalteil des Duetus 
ist dagegen dem orbitalen Abschnitte des Duetus der Säuger in ge- 
wissem Sinne gleichwertig, weil beide aus dem dorsalen Ab- 
schnitte der Orbitalmulde hervorgehen, jedoch nicht homolog in 
den Prozessen, welehe ihn aus der Mundhöhle herausschneiden. Die 
Bildung der Scheidewand des Ductus ist von der Bildungsart bei 
Säugern verschieden. 

Wenn ich ganz davon absehe, was in diesen Sätzen durch un- 
zureichende Beobachtung verfehlt ist, und dafür auf den kritischen 
Bericht von K. THÄTER und mein weiter unten folgendes Resümee 
verweise, so scheinen mir gerade die Verklausulierung und die kate- 
gorische Abschwächung, unter welcher Fuchs den Gebrauch des 
Wortes »Gaumen« für einzelne Reptiliengruppen noch möglich hielt, 
ein schlagender Beweis für meine resolute Entscheidung der Frage. 
Welchen Wert soll das konservative Beharren auf der Nomenklatur 
einer früheren wissenschaftlichen Periode haben, welche die uns heute 
interessierenden Probleme nicht ahnen und darum auch nicht für die 
erforderliche Bestimmtheit der Begriffe sorgen konnte? Ich fürchte 
die Gefahr der Mißverständnisse, wenn das gleiche Wort »Gaumen« 
für mehrere in keiner Hinsicht homologe Bildungen gelten soll, 
besonders aus dem Grunde, weil recht viele Leute, welche das Wort 
wiederholen werden, die reellen Verhältnisse nicht aus eigener An- 
schauung kennen und durch den Wortklang zu einer unrichtigen 
Gedankenschematisierung verführt werden. In andern Fällen, z. B. | 
wenn das Wort »Flügel« mit demselben Unrechte für Vögel und 
Insekten gebraucht wird, mag die Gefahr nicht so groß sein, da der 
grundsätzliche anatomische Kontrast vor aller Augen liegt. Aber in 
unserm Falle rate ich entschieden ab, den Begriff Gaumen bei der 
Beschreibung des Munddaches der Sauropsiden und seines Knochen- 
gerüstes beizubehalten. 

Dann wird man vor der unhaltbaren Konsequenz bewahrt, daß 
es zwei Arten von sekundärem Gaumen bei Säugern und Schild- 
kröten gebe, welche einander nicht verglichen werden dürfen! Auch 
würde der sprachliche Zwang aufhören, mit Fuchs die » Ansätze zu 


Über den Begriff »Gaumen«. 687 


Fortsätzen< an den Palatina der Seineidae sowie an den Maxillae, 
Palatina, Pterygoidea der Krokodile »Gaumenfortsätze« zu nennen. 
Die von Fuchs aus dieser Terminologie abgeleitete Folgerung, daß 
sie den Gaumenfortsätzen der gleichnamigen Säugerknochen homolog 
seien, halte ich sachlich unriehtig, weil unser Vergleich nicht bloß 
die Knochen des macerierten Schädels ins Auge fassen soll, wozu 
die alten Anatomen durch die mangelhafte Technik gezwungen waren, 
sondern auch die Weichteile in der Umgebung der Knochen berück- 
sichtigen muß. So erst wird eine größere Zahl von Merkmalen er- 
wogen, nach ‘denen sich das Relief der knöchernen Teile sicherer 
beurteilen läßt, als an den isolierten Knochen allein. Es ist eben 
ein wissenschaftliches Gebot der Gegenwart, das Skelet als solches 
nicht mehr isoliert zu studieren. Wie es sich von selbst versteht, 
z. B. die Knochen der Gliedmaßen mit ihren Gelenken, Bändern, 
Muskeln, Gefäßen und Nerven zusammenfassend zu betrachten und 
ihre Besonderheiten aus der gegenseitigen Abhängigkeit der topo- 
graphisch und funktionell zusammengehörigen Stücke zu begreifen, 
so ist für die Kopfregion die einseitige osteologische Auffassung, in 
welcher Fuchs befangen blieb, durch die umfassende Berücksichtigung 
der Weichteile zu ergänzen. Wer auf Grund meiner Studien ein- 
sieht, daß die gleicbnamigen Knochen der Säuger und Sauropsiden 
an der Wand der in sehr verschiedenem Grade modifizierten Mund- 
schlundhöhle liegen, wird die Ähnlichkeiten ihrer groben Form nicht 
mehr so rasch als Homologien einschätzen! 

Indem ich den Geltungsbereich des Begriffes »Gaumen« auf die 
Säuger einschränke, verwerfe ich durchaus nicht das Bestreben, ein 
allgemeines Formgesetz für die Eigenschaften der Mundhöhle zu 
suchen. Die bisher erschienenen Kapitel meiner Studien über die 
Kopfregion waren ja gerade auf dieses Ziel gerichtet. Ich stimme 
jedoch Fuchs nicht bei, daß die »Urform für das Munddach aller 
Reptilien und Säuger« oder der »einfachste Zustand des Amnioten- 
munddaches« ziemlich rein bei Hatteria gegeben sei. Die Frage, 
ob eine gemeinsame Urform für das Munddach existiere, scheint mir 
falsch formuliert. So sehr ich überzeugt bin, daß allgemeine morpho- 
logische Ähnlichkeiten bestehen, weil die fortschreitende Stilanalyse 
immer mehr gemeinschaftliche Charaktere der Amnioten nachweist, 
erblicke ich in dem Suchen nach einer gemeinsamen »Urform« doch 
nur den letzten Ausfluß der von BuscH, GÖPPERT u. a. vertretenen 
in der falschen Anwendung des Wortes »Gaumen« wurzelnden Denk- 
weise. Viele Anatomen der letzten Jahrzehnte haben sich nicht klar 


[ötefe) A. Fleischmann 


gemacht, daß die vergleichende Betrachtung in allen Fällen lediglich 
allgemeine Begriffe erzeugt, welche die Subsumption möglichst 
vieler Einzelfälle gestatten, aber nie und nimmer eine reelle Urform 
entdeckt, welehe gewissermaßen das anatomische Ahnenmaterial ge- 
wesen und sich später in die verschiedenen Artfälle differenziert 
haben soll. Ebenso wie das Wort »Amnioten« keine reelle Tatsache, 
sondern ein Name ist, mit welchem eine ungeheure Zahl als ähn- 
lich erkannter Tierarten begrifflich zusammengefaßt werden, be- 
zeichnen die Ausdrücke: »einfachstes Munddach, Gaumen, Choanen« 
Gattungsbegriffe topographisch-morphologischer Art, um die wissen- 
schaftliche Beschreibung der specifischen Verhältnisse abzukürzen. 
Solehe Allgemeinbegriffe nennt man auch ein Naturgesetz; daher 
kann man sagen, die vergleichende Betrachtung sucht das gemein- 
same Stilgesetz für die Ausbildung der Mundhöhle. 

Man kann hierzu verschiedene Wege einschlagen. Die ältere 
Zeit hat sich notgedrungen an den fertigen Zustand gehalten. Jetzt 
analysieren wir die embryonalen Stadien der Tiere, weil an ihnen 
leichter zu durchschauen ist, welche Merkmale speeifischen, welche 
generellen Wert haben und die Einordnung unter einen weiten Be- 
griff ermöglichen. Man darf aber das Resultat der ontogenetischen 
Stiluntersuchung nicht in der Erklärung von Fuchs sehen, daß die 
Säugerembryonen einer bestimmten Stufe mit jungen Reptilembryonen, 
mit den Embryonen der Saurier und Hatteria übereinstimmen, 
noch in dem von Fuchs häufig wiederholten Satze, daß Hatteria 
auch im erwachsenen Zustande embryonale Verhältnisse von denk- 
bar einfachster Form offenbare. 

Der zweite Satz ist unrichtig, weil die embryonalen Verhältnisse 
gegen den erwachsenen Zustand durch ihre Kleinheit, ganz andre 
Proportionen und weit einfachere vom minimalen Volumen erzwungene 
Formen kontrastieren. Den ersten Satz halte ich ebenfalls nicht für 
zutreffend, weil die Säugerembryonen auf jeder Stufe des Uterin- 
lebens von den Embryonen der Reptilien durch scharfe, untrügliche 
Merkmale unterschieden sind. Wer wenig Schnitte gesehen hat, 
könnte vielleicht an die Übereinstimmung im Baue der Mundhöhle 
glauben! Aber dann braucht man ihm bloß die Nachbarorgane: 
Zahnanlagen, Zunge, Kehlkopf, Nasenschläuche, Augen zu demon- 
strieren, und er wird einsehen, daß die Behauptung: »Reptilien und 
Säuger machen samt und sonders eine Zeitlang eine völlig gleich- 
gerichtete Entwicklung durch und kommen so schließlich zu einer 
allen Amnioten gemeinsamen Entwicklungsstufe«, bloß zu MiBß- 


Über den Begriff »Gaumen«. 689 


verständnissen führt, da sie einseitig einige Ähnlichkeiten allgemeiner 
Art, nämlich das primitive Munddach, die primitiven Choanen, die 
Orbitonasalmulde und die allgemeine Form der Nasenschläuche be- 
tont, aber die zugleich bestehenden Unterschiede vergißt. 

Den entwicklungsgeschichtlichen Studien lege ich keinen ge- 
ringeren Wert bei als Fuchs, aber ich fasse für mein Urteil eine 
größere Anzahl von Merkmalen zusammen und gelange zu andern 
Resultaten. Gemeinsam finde ich bei den von mir untersuchten 
Amniotenembryonen die engen Lagebeziehungen der durch die 
Choanen kommunizierenden Nasenhöhlen und Mundhöhle, die Gliede- 
rung der letzteren in zwei Abschnitte: Mittelraum und Randnische, 
die Formspiegelung der dorsalen und ventralen Wand des Mittel- 
raumes. Das sind jedoch ganz allgemeine Beziehungen der Lage 
und Raumeinteilung, welche von vielen Varianten modifiziert und in 
jeder Klasse besonders geartet sind, so daß bei Beachtung aller Merk- 
male von einer Übereinstimmung keine Rede sein kann. Je besser 
man in die Einzelheiten des embryonalen Geschehens eindringt, desto 
deutlicher enthüllt sich der specifische, zum definitiven Endzustand 
führende Gang der Entwicklung. Schon an ganz jungen Stadien er- 
kennt der geübte Embryologe in unscheinbaren Zügen die Klassen- 
verschiedenheit, welche für den erwachsenen Zustand längst bekannt 
ist. Man hat nur früher nicht genug empirisches Material gesehen, 
um die systematische Diagnostik mit der gleichen Schärfe auf 
Embryonen anzuwenden. Darum hat sich aus jener Zeit der Satz 
erhalten, die Ähnlichkeit der Amnioten sei auf den jungen Stadien 
viel größer. Derselbe trifft jedoch nicht die Tatsachen. Die Ähnlich- 
keit ist nicht größer, sondern leichter festzustellen, weil am Embryo 
relativ wenig Merkmale ausgebildet sind und ein großer Teil der 
Arteharaktere, besonders diejenigen, welche für die grobe Diagnostik 
des Systematikers in Betracht kommen, noch fehlt, bzw. in außer- 
ordentlich kleinen Dimensionen angelegt ist. 

Übrigens ist nicht bloß der Begriff »Gaumen« durch die eben 
gerügten Mißstände für den modernen Gebrauch unzureichend, 
sondern auch der in der Kopfregion liegende Eingangsraum des 
Darmes wird durch die Worte: »Mundhöhle«, »Rachenhöhle« oder 
»Kopfdarmhöhle« schlecht bezeichnet. Ich schlage vor, künftighin 
den Ausdruck Stomopharynx zu verwenden, indem ich von der 
längst bekannten Tatsache ausgehe, daß derselbe aus einem eetoder- 
malen Anteile, dem Stomodäum, und einem entodermalen Stücke, 
dem Pharynx, entsteht. Beide werden in ungleichem Verhältnisse 


690 A. Fleischmann 


angelegt, weil der entodermale durch die Scehlundtaschen ausge- 
zeichnete Anteil zuerst auftritt und vor ihm bzw. vor der primären 
Rachenmembran das Stomodäum als eine winzig kleine, von den 
Unterlippen- und Oberlippenwangenwülsten eingerahmte Grube ge- 
bildet wird, welche mit der Differenzierung des Gesichtes langsam 
an Größe und Umfang zunimmt. Nach der Resorption der Rachen- 
membran fließen Stomodäum und Pharynx in einen gemeinsamen 
Raum, eben den Stomopharynx, zusammen. Man war bisher damit 
zufrieden, denselben als Mundhöhle zu bezeichnen, aber der morpho- 
logische Vergleich erheischt es unbedingt, die eetodermalen und 
entodermalen Anteile seiner Wand scharf zu unterscheiden. Wie 
ich bereits durch G. AULMANN (2) aussprechen ließ, nehme ich die 
Wurzelstelle der Hypophyse als sichere Grenzmarke des Eetoderm- 
epithels an und halte den durch die seitlichen Zungenfurchen be- 
srenzten Zungenwulst für ein Gebilde des Mundbodens, während die 
Tuben und der Kehlkopf unzweifelhaft entodermale Produkte sind. 
Durch die gegenseitige Lagebeziehung dieser vier Elemente läßt sich 
das Relief des Stomopharynx vorderhand in befriedigender Weise 
beurteilen, wenngleich ich von der Zukunft eine noch größere Ge- 
nauigkeit erwarte. 

Gemeinsame Stilcharaktere des Stomopharynx. der Amnioten sehe 
ich in folgenden Punkten: 


Regelmäßige Anlage eines dorsal gekrümmten Mittelraumes und 
einer denselben bügel- oder N-förmig umrahmenden Randnische, deren 
Flügel längs der rechten und linken Seite des Mittelraumes bis zu 
den Kaumuskelwülsten reichen, ferner die in strenger Matrizen- 
abhängigkeit erfolgende Entwicklung von Munddach und Mundboden 
während der frühen Embryonalzeit. Die Dimensionen sowie die 
speziellen Formzüge der großen Hauptabschnitte sind in einzelnen 
(zruppen sehr verschieden. Daher muß man z weiHaupttypendesMund- 
stiles gut auseinanderhalten. Der eine herrscht bei den Säugetieren 
und ist durch die mächtige Rand- oder Kaunische und schwache 


Ausbildung des lediglich in früher Embryonalzeit bestehenden Mittel- 


raumes ausgezeichnet, welcher durch eine aus symmetrischen An- 
lagen verwachsende Gaumenbrücke eingeengt und ganz von der Kau- 
nische abgetrennt wird, so daß ein Munddach mit wahrem Gaumen 
entsteht. 


Der andre Haupttypus umfaßt alle Sauropsiden. Für sie gilt 
das gerade Gegenteil der bei den Säugern herrschenden Verhältnisse. 


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Über den Begriff »Gaumen«. 691 


I. Mamalia. 

Die embryonale Plastik des Stomodäums gipfelt in der Schaffung 
einer geräumigen Kaunische, welche dank den in sie einragenden, 
breiten Zahnkronen zum Mahlen der Nahrung dient, während der 
kleine Mittelraum zu einem Teile des Ductus nasopharyngeus um- 
gebildet wird. Außerdem ist als wichtiges Stilmerkmal hervor- 
zuheben, daß die Gliederung in zwei Stockwerke über das Stomo- 
däum, d. h. die Hypophysenwurzel hinausreicht und auch den 
vorderen Teil des Pharynx in zwei gesonderte Kanäle zerlegt. 

Der Mittelraum (= Gaumenrinne) besteht bloß beikleinen Embry- 
onen (1,8 cm Sstl. kleine Arten, 2,8 cm Sstl. große Arten) als ein 


Querschnitte durch Mund- und Rachenhöhle der Hauskatze. 
Fig. 3 und 4: Embryo 1,85 cm Sstl. Fig. 5 und 6: Embryo 2,1 cm Sstl. Vergr. 8/1. 
ch Choane, gl Grenzleiste, gw Gaumenbrücke, kn Kaunische, mr Mittelraum, p Kehlrachen, i Tube, 
tp Tubopharynx, w weicher Gaumen, zf Zungenfurche, z Zunge. 


offenes dorsales Stockwerk des Stomodäums (Fig. 3, 4), das durch die 
Grenzleisten gl (oder Gaumenplatten) von dem rechten und linken 
Flügel der Kaunische kn geschieden ist. Im Gegensatz zu den 
Sauropsiden sind die Grenzleisten einander parallel gerichtet, und 
die beiden Seitenwände des Mittelraumes steigen von den Grenz- 
leisten ziemlich vertikal gegen das flache dorsale Dach empor. Daher 
zeichnet sich die Eigenart der Gaumenrinne auf Querschnitten 
(Fig. 3, 4) in einer viermal rechtwinklig geknickten Linie FL. Der 
Mittelraum verflacht oral; denn die parachoanale Wand, d. h. der 
Teil seines medianen Dachstreifens, an welchem die langen Choanen 
liegen, fällt schräg geneigt gegen die Oberlippe. Da Dach und 
Boden in engster Formspiegelung stehen, entspricht dem engen Mittel- 
raum ein schmaler Zungenwulst x, welcher ebenfalls schräg gegen 


692 A. Fleischmann 


die Unterlippe ausläuft. Die Seitenflügel der Kaunische verbreiten 
sich nach hinten und nehmen an transversaler Ausdehnung ab, je 
mehr sie sich dem Rachen nähern, daher hat die Horizontalprojektion 
der Kaunische etwa birnförmigen Umriß. Anfangs ist die Kaunische 
in dem kleinen Kopfvolumen dorsal aufgekrümmt (Fig. 4) und durch 
die Grenzleisten gl, bzw. Zungenfurchen xf gegen den Mittelraum mr 
abgesetzt. Wenn später mit dem allseitigen Wachstum des Kopfes 
das Stomodäum an transversaler Breite gewinnt, verlieren (Fig. 5) 
die Seitenflügel der Kaunische die dorsale Beugung und die Grenz- 
leisten am Dache verstreichen, aber am Mundboden bleibt die ur- 
sprüngliche Gliederung erhalten. Die tiefen, den Grenzleisten in 
negativer Matrizenform korrespondierenden Furchen xf heben die 
Zunge d.i. den ventralen Mittelwulst x» von den Kaunischenboden ab. 

Das enge Lumen des dorsalen Mittelraumes wird durch mediane 
Verwachsung (Fig. 5) der dorsal oberhalb der Grenzleisten neu 
differenzierten Gaumenbrücken gw verdrängt. Bloß ein schmaler 
dorsaler Teil desselben dauert als Lichtung eines niedrigen Kanales, 
in welchen die Choanen kraft ihrer unveränderten Lage einmünden, 
und geht hinter der Hypophyse ohne scharfe Grenze in den Pharynx 
über. Der ventrale Teil des Mittelraumes mit der Zunge und die 
Zahnnischen werden zur Kaukammer ausgebildet. 

Auch der Pharynx erleidet sehr wichtige, mit der morpho- 
logischen Gliederung des Stomodäums einhergehende Veränderungen. 
Diese bestimmen mich, zwei Abschnitte des embryonalen Pharynx 
zu unterscheiden: einen hinteren einheitlichen Raum p, welcher den 
Kehlmund samt Epiglottis e und den Ausgang in den Ösophagus oe 
enthält, und einen vorderen (dorso-ventral niedrigen, transversal 
schmalen) Teil, an dessen Seitenwänden die Eingänge in die Tubae 
Eustachii liegen. Unterhalb derselben treten (Fig. 6) zwei schmale 
Seitenwülste (Rachenbrücken) auf und scheiden durch ihre mediane 
Verschmelzung zum sog. weichen Gaumen « das Lumen in zwei dorso- 
ventral übereinanderliegende Kanäle von ungefähr rechteekigem Quer- 
schnitte, welche mit den beiden Teilstücken des Stomodäums direkt 
zusammenhängen. Der obere Kanal, Tubopharynx ip, mit den beiden 
Tubenöffnungen bildet die direkte Fortsetzung (Fig. 7) des vom Mittel- 
raum abgetrennten postehoanalen Kanales cs; der untere Gang gp 
Glossopharynx bildet eine direkte Verlängerung der Kaukammer. 
Den Ausdruck Ductus nasopharyngeus fasse ich jetzt in eine 
andern Sinne als die Autoren und ich selbst in früheren Abhand- 
lungen, weil ich durch meine Studien eingesehen habe, daß ich mi 


Über den Begriff »Gaumen«. 693 
A. BEECKER unrecht hatte, den ganzen von den Choanen bis zum 
Rachensegel reichenden Gang (= cs + tp) als einheitliches Gebilde 
anzusprechen. Wenn man sich nicht vor der Einführung neuer 
Termini scheut, wäre es freilich noch richtiger, den ectodermalen 
Anteil cs als Canalis choano-stomalis und den später durch 
Addition des Tubo-pharynx tp Fig. 7. 

erzeugten Gang als Ductus naso- Pu, 
pharyngeus zu bezeichnen. Dann 
bliebe der Sinn des längst einge- 
bürgerten Wortes unberührt und 


doch würde der besseren embryo- 7 
logischen Erkenntnis Rechnung hr 
getragen. 


Die totale Neumodellierung, <L . 

welche das Stomodäum mit der 
Einfügung eines soliden Zwischen- 
bodens oder Gaumenstreifens in 
den Eingang der Gaumenrinne, 


sowie der Pharynx durch die 
Zerlegung in Tubopharynx und 
Glossopharynx erfahren, ist die 
Vorbedingung für die Entwick- 


Längsschnitt durch den Stomopharynx eines Schaf- 
embryos 3,6 cm Sstl. Vergr. 4/1. 
Cr Cribrum, cs Canalis choanostomalis, ep Epi- 
glottis, gp Glossopharynx, % Hypophyse, ! Larynxz, 
M Muschelregion, oe Ösophagus, p hinterer Pha- 
rynx, z Zungenwulst. 


lung der Epithelglocken der hin- 

teren Zahnleistenstrecke zu mahlenden Backzähnen (Prämolaren bzw. 
Molaren) mit breiter Krone. Die starken Wurzeln derselben werden 
von entsprechend kräftigen Knochenmassen der Maxillaria umgeben, 
welchein einer sog. Naht zusammenstoßen, wie die außer Beziehung 
zu den Backzähnen stehenden Palatina. Dadurch wird ein solides 
Knoehengewölbe hergestellt, das die Festigkeit des gesamten Kau- 
apparates sichert. Die durch das Kiefergelenk bewegliche, untere 
Backzahnreihe schlägt gegen die oberen Partner wie gegen einen 
Amboß. 

Der Glossopharynx tritt in funktionellen Verband mit der Kau- 
kammer des Stomodäums. Die engen Beziehungen zwischen dem 
hinteren Rande der Rachenscheidewand oder Rachensegel und dem 
Kehldeckel (ep) gestatten den sicheren Abschluß der glossopharyn- 
gealen Lichtung vom hinteren Pharynxraum p, wohin die Kreuzung 
des Speise- und Luftweges verlegt ist. Die zum Kaugeschäfte not- 
wendige Umbildung des unteren stomodäalen Stockwerkes, dessen 


Dach durch Verwachsung der Gaumenbrücken und mediane Aus- 


694 A. Fleischmann 


dehnung der maxillaren und palatinalen Verknöcherungsherde große 
Festigkeit gewinnt, wird durch den engen Anschluß des Glossopharynx 
und die Diehtung seines hinteren Ausganges mittels weichen Gaumens 
und Kehldeckels ep, welche gleich einem Ventile wirken, funktionell 
verbessert und eine vollständige Isolierung des Luftweges zum Kehl- 
munde erreicht, so daß die Zerkleinerung der Nahrung unabhängig 
vom Khythmus der Atembewegungen erfolgen und die gekaute 
Masse mittels kräftiger Kontraktionen des muskelreichen Glosso- 
pharynx rasch durch den Kehlrachen p in die Speiseröhre befördert 
werden kann. Mit der besonderen Aufgabe der Kaukammer harmo- 
niert die enge Mundöffnung, deren Lippenwinkel weit vom hinteren 
Ende des Stomodäums entfernt stehen, die Umrandung des Mundes 
mit weichen Muskellippen und die Anlagerung der Backenmuskeln 
an die seitliche Mundwand. Gerade die muskulösen Elemente am 
Eingange der Mundhöhle und im Ventilrohre des Glossopharynx er- 
möglichen es, den Raum der Zahnkammer des Kopfes allseitig ab- 
zusperren und die ausgiebige Zerkleinerung der Nahrung hier durch- 
zuführen. 

Bei der stilistischen Würdigung des im Kopfe liegenden Darm- 
abschnittes darf man die Eigenschaften der Nasenschläuche nicht 
übergehen; denn sie stehen im engen Konnexe zum Stomodäum, so- 
wohl durch die direkte Mündung der Choanen als durch andre topo- 
graphische Beziehungen. Da ich die allgemeinen Stilcharaktere vor 
längerer Zeit durch A. BEECKER und W. BLENDINGER habe umreißen 
lassen, hebe ich hier bloß die systematisch wichtigsten Merkmale hervor. 
Sie sind in der sagittalen Streckung der Muschelregion M und der 
ausgiebigen Entfaltung des Cribrums Or gegeben (Fig.7). Die Muschel- 
region dehnt sich oral vor dem Mittelraume aus. Das Cribrum 
wächst dieht über dem Canalis choanostomalis aboral, seine hinterste 
Tasche, Metacribrum, dringt fast bis zur Hypophyse in den Ver- 
knöcherungsherd des Basisphenoid vor, weshalb sie auch Keilbein- 
höhle genannt wird. Außerdem entsendet das Cribrum einen großen 
Nebensack, den Sinus maxillaris, an die Seitenwand der Kaukammer, 
der vom Össificationskerne des Maxillare ganz umfaßt wird. Die 
reichliehe Bildung der cribralen Seitentaschen harmoniert mit der 
transversalen Verbreiterung der Kaukammer in der Molargegend und 
den vorspringenden Wangen des Gesichtes. 

Bei den Sauropsiden vermisse ich durchweg die homologen 
Charaktere, dort gewinnen die Nasenschläuche niemals eine so wich- 
tige Bedeutung für die Plastik des Stomodäums und des Antlitzes selbst. 


Über den Begriff »Gaumen«. 695 


Alle eben zusammengefaßten Eigenschaften hängen untrennbar 
zusammen. Sie sollen in Erinnerung gerufen werden, wenn man 
nach dem Grundsatze: Pars pro toto ein Merkmal herausgreift und 
vom harten und weichen Gaumen der Säuger spricht. 


Il. Sauropsida. 


In der Mundhöhle ist nicht nur die periphere Randnische r% 
und der Mittelraum »»r angelegt, sondern am Dache des Mittelraumes 
wieder ein peripherer niedriger Teil (Anstieg, As) und ein medianer 
höherer Abschnitt, die Orbitalrinne om unterschieden. Die schmale 
Randnische enthält kleine Zähne; denn die Speise wird auch bei 
jenen Arten, welche Zähne besitzen, nicht in der Mundhöhle gekaut. 
Im Verhältnisse zur Randnische ist der Mittelraum relativ groß und 
weit geöffnet, höchstens die Orbitalrinne wird durch stärkere Ein- 
biegung der Seitenwand mehr abgesetzt. 


1. Sauria (Fig. 8—17). 

Die Randnische ist außerordentlich schmal; ihre der langen 
Maulspalte entsprechend langen Seitenflügel bergen dünne konische 
Zähne, welche die Beute bloß festhalten, nicht kauen können. Das 
Dach der Randnische ist bisher von uns unter dem Namen »Kiefer- 
spange« beschrieben worden. Die Grenzleiste gl bildet eine deut- 
liche Marke zwischen Randnische und Mittelraum. Bei jungen Em- 
bryonen sind beide Abschnitte minder deutlich abgehoben. Da die 
Seitenflügel der Randnische wenig dorsal gekrümmt sind, ist die 
Grenzleiste anfangs nur als unbedeutende Biegung skizziert. Erst 
allmählich tritt sie schärfer heraus, um eine während des ganzen 
Lebens dauernde Marke zu werden im Gegensatze zu ihrer ephe- 
meren Existenz bei Säugern. 

Der Mittelraum mr ist ein über die Randnische dorsal empor- 
dringender Teil der Mundhöhle von ansehnlicher Breite. Während 
er bei den Säugern /Fig. 3) einer schmalen vierkantigen, dem Mund- 
dache eingegrabenen Rinne gleicht, fügt sich bei den Sauriern seine 
Wand wie ein niedrig gespanntes Zelt zwischen die Kieferspange 
ein. Die besondere Krümmung derselben berechtigt uns, zwei Etagen 
des Mittelraumes zu unterscheiden: die engere dorsal gewölbte Orbital- 
mulde 0» und unter ihr einen niedrigen, breiten, über der Zunge 
bzw. dem Mundboden stehenden Abschnitt As, dessen Wand ich 


früher als »Anstieg«, soweit das Vomerpolster reicht, und als orbi- 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 45 


696 A. Fleischmann 


tale Randkehle unterscheiden ließ. Jetzt freilich sehe ich ein, daß 

es richtiger ist, beide Strecken nicht durch den Namen zu trennen. 

Daher werde ich sie künftig in der Bezeichnung Anstieg zusammen- 

fassen. Derselbe biegt von der Grenzleiste etwas dorsal, um eine 
Fig. 8. Fig. 9. 


4. 


24 
RE ne 77 er u 

m Fr 
nF O7 


Fig. 10. Fig. 11. 


Querschnitte durch die Mundhöhle von Chalcides ocellatus. Vergr. 8/1. 
As Anstieg, ch Choane, gl Grenzleiste, mr Mittelraum, om Orbitalraum, rn Randnische, vom Vomer- 
mulde, vp Vomerpolster, zf Zungenfurche, zw Zungenwulst. 

Abstand der Schnitte: Fig. 8—9 = 0,56 mm, Fig. 9—10 = 0,52 mm, Fig. 10—11= 0,64 mm. 
mehr oder weniger breite Strecke medianwärts horizontal zu ver- 
laufen (Fig. 8—15). Darüber wird das Munddach stärker dorsal ge- 

.r . F 
krümmt und umfaßt den engen Raum der Orbitalmulde om. Infolge 


der verschiedenen Krümmung der Mundwand sind die beiden 


Fig. 12. Fig. 18. 


an - 


zw 


Querschnitte durch die Mundhöhle von Mabwia multifasciata. Vergr. S/l1. 
As Anstieg, ch Choane, gl Grenzleiste, mr Mittelraum, om Orbitalraum, »n Randnische, vum Vomer- 
mulde, vp Vomerpolster, z/ Zungenfurche, zw Zungenwulst. 
Abstand der Schnitte: Fig. 12—13=1,2 mm, Fig. 13—14=1 mm, Fig. 15=1,36 mm. 


Etagen, nämlich Anstiegraum und Orbitalmulde, deutlich gegen- 
einander abgesetzt. Auf Querschnitten (Fig. 10, 13, 14) sieht die 
Grenze wie eine Falte aus, welche als Palatopterygoidkante bekannt 


und um so größer ist, je enger der Eingang in die Orbitalmulde ist. 
Meine Beschreibung des Mittelraumes bezog sich auf den unter- 


Über den Begriff »Gaumen«. 697 


halb der Augen liegenden Abschnitt (Fig. 10, 11, 13—15), wo das 
Querschnittsprofil ziemlich gleichmäßig bleibt. In der Nasengegend 
(Fig. 8, 12) aber ändert sich das Wandrelief, weil die scharfe Schei- 
dung der zwei Stockwerke aufgehoben wird und das Dach des 
Mittelraumes in ein tieferes Niveau, d. h. näher an den Anstieg herab- 
sinkt. Man kann die morphologischen Beziehungen begreifen, wenn 
man für den Mittelraum einen generellen Formbegriff bildet und 
durch Ziehen der punktierten Hilfslinien (Fig. 10, 13, 14) sich an- 


-schaulich macht, daß die Wand des Mittelraumes als ein auf der 


Grenzleiste der Kieferspange ruhendes Muldengewölbe betrachtet 
werden kann, dessen rechte und linke Wand medianwärts einge- 
buchtet sind, so daß die Enge zwischen den Palatopterygoidkanten 


Horizontalprojektion des Deckenreliefs der Mundrachenhöhle von Platydactylus guttatus (Fig. 16) und von 
Tejus spec. (Fig. 17). Asund Ok Anstieg, Cs Choane, Am Kaumuskelwulst, Om Orbitalmulde, Pk Grenzkante 
zwischen Orbitalmulde und Anstieg, Sp Dach der Randnische, 7% Tubeneingang, Vp Vomerpolster. 


die zwei Stockwerke der Orbitalmulde und des Anstiegraumes trennt. 
In der Nasengegend (Fig. 8, 12) erfolgt diese mit einer allgemeinen 
Erhöhung des Mittelraumes zusammenhängende Umbildung nicht. 
Deshalb tritt der hier befindliche Abschnitt des Mittelraumes in der 
einfacheren Gestalt der Vomermulde vom auf, welche von einer breiten 
Stirnwand, dem Vomerpolster vp, das in der Fortsetzung des Daches 
der Orbitalmulde zieht, und ganz niedrigen Seitenwänden, dem An- 
stiege (in dem engen von OÖ. HormAnN zuerst gebrauchten Sinne) um- 
faßt wird. Vom Mundboden aus gesehen, erscheint die Vomermulde 
z. B. von Platydactylus (Fig. 16) wie eine schaufelförmige Verbreite- 
rung der Orbitalmulde, in andern Fällen, z. B. bei Tejus (Fig. 17) 
schmal und lang gezogen. 

Die Choanen ch der Nasenschläuche schauen in die Vomermulde 


45* 


698 A. Fleischmann 


des Mittelraumes und fallen wegen dieser Lage und ihrer lang ge- 
streckten Form bei Besichtigung des Munddaches sofort auf. Sie 
nehmen eine morphologisch wichtige Lage ein, weil sie gerade an 
der Grenze zwischen dem Anstiege und dem Vomerpolster einge- 
sprengt sind. In der Orbitalgegend trifft man an der topographisch 
entsprechenden Stelle die Einengung des Mittelraumes durch die 
Palatopterygoidkanten. Das hintere, meist rundlich erweiterte Ende 
beider Choanenspalten schaut in den vorderen Teil der Orbitalmulde. 

Da keine Kauarbeit in der Mundhöhle erfolgt, bleibt das Zahn- 
gehege schwach. Die mediane Verbindung der Prämaxillae genügt 
zur Festigung der Mundknochen. Die Maxillae gewinnen ebenso- 
wenig als die Palatina und Pterygoidea eine mediane Berührungs- 
kante. Aber die beiden Vomerstücke besitzen dank der freien Lage 
der Choanen einen großen Wert als integrierende Stützknochen des 
Munddaches. 

Die kleine flache Zunge ist muskelarm und nicht so beweglich 
wie bei Säugern. Sie liegt lediglich dem Vomerpolster an und bleibt 
dem Orbitalgewölbe fern, welchem schon der Rachenboden mit dem 
Kehlkopfe gegenüberliegt, während bei Säugern der Kehlkopf weiter 
halswärts steht. 


2. Ophidia (Fig. 18, 19). 

Trotz der einseitigen Ausgestaltung der Mundhöhlengegend für 
die eigentümliche Art der in größeren Intervallen erfolgenden 
Nahrungsaufnahme und die Bewältigung mächtiger Bissen, welche 
in der Dehnbarkeit der Mundspalte und gesamten Mundhöhle, sowie 
in der Verschiebbarkeit der anliegenden Knochen begründet ist, läßt 
sich die nahe Formverwandtschaft der Schlangen mit den Sauriern 

Fig. 18. Fig. 19. 


DS 
a mr a P, E 


 Querschnitte durch die Mundhöhle von Tropidonotus natrix. Vergr. S/l. 
el Außere, il innere Zahnleiste, mr Mittelraum, rn Randnische, zw Zungenwulst. 


nicht verkennen, wenn man junge Embryonen untersucht, bei denen 
Mittelraum und Randnische deutlich angelegt sind. Die spätere Form- 
entwicklung gipfelt hauptsächlich in der bedeutenden Verlängerung 
der lateralen Randnischenflügel, welche an der sagittalen Ausdehnung 
der Maxilla bei allen nicht giftigen Schlangen abzulesen ist, und der 


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Dubera und & 

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Über den Begriff »Gaumen«. 699 


in noch höherem Grade als bei den Sauriern erfolgenden Abflachung 
des Mittelraumes. Nur der orale Vorderteil (Fig. 18) desselben dicht 
hinter den Choanen beharrt in einer stärkeren Dorsalwölbung, die 
übrigen Teile des Mittelraumes (Fig. 19) flachen ab. Sogar die 
parachoanale Stirnwand wird aus ihrer anfänglich schrägen Neigung 
fast flach gestellt, ein Formenzug, der auch bei manchen Sauriern 
zu beobachten ist. 

Die Choanen sind nicht lang gestreckt, sondern rund und 
schauen ausschließlich in das kleine Orbitalgewölbe. In früher 
Embryonalzeit besitzen sie eine leistenförmige Verlängerung, an 
welcher das Jacogsonsche Organ hängt. Da aber die Leisten später 
schwinden, ist das flache Vomerfeld nicht durch Choanenspalten von 
dem Anstiege getrennt und die JAcoBSoNschen Organe zeigen ge- 
trennte Öffnungen auf dem Vomerfelde. 

Die Abfiachung des Mittelraumes ist ein Korrelat der bei 
Schlangen auftretenden inneren Zahnreihen 2/, welche entlang den 
Verknöcherungsherden: Palatina und Pterygoidea angelegt werden. 
Innere und äußere Zahnreihen sind in Deckfalten verborgen. Grenz- 
kanten fehlen. Als Homologon betrachte ich die innere Deckfalte 
des äußeren Gebißwulstes; das flache Tal zwischen dem äußeren und 
inneren Gebißwulste vergleiche ich dem Anstiege. 

Der Mundboden ist noch kürzer als bei Sauriern. Die lange 
Zunge wird in einer ventralen Nebentasche gleich einem Präputium 
geborgen, so daß der Kehlkopf und die vordere Rachengrenze sehr 
dicht hinter der unteren Starrlippe bzw. Zahnreihe liegen. 


3. Chelonia (Fig. 20, 21). 

Ohne Schwierigkeit lassen sich in der kurzen Mundhöhle die von 
hornigen Starrlippen begrenzte Rand- oder Schnabelnische und der 
flach gewölbte kleine Mittelraum unterscheiden. Die Niveauunter- 

Fig. 20. Fig. 21. 


ch 
nr ‚gi 
zw 
mr IN 
Den] & 


Querschnitte durch die Mundhöhle von Chrysemys marginala. Vergr. 8/1. 
ch Choane, gl Grenzleiste, mr Mittelraum, rn Randnische, zf Zungenfurche, zw Zungenwulst. 
schiede sind freilich sehr gering. Die rückwärts gerichteten Choanen- 
gänge ch der Nasenschläuche münden in das Vorderende des kurzen 
Mittelraumes, welcher keine weitere Gliederung durch Anstieg und 
Palatopterygoidkanten zeigt. Von dem A-fürmigen Grenzrande der 


700 A. Fleischmann 


Schnabelnische steigt die Mittelwand dorsal empor, um ein einfaches 
Muldengewölbe zu bilden. Ein kurzer, an die Choanen anstoßender 
Teil. des Mittelraumes (Fig. 20) wird durch eine mediale Kante in 
zwei symmetrische Räume geteilt. Die Zunge, der weiche Mittel- 
wulst des Bodens, ist durch die seitlichen Zungenfurchen x/ deutlich 
abgegrenzt (Fig. 21). Die hier herrschenden Zustände können mit 
den Befunden bei Sauriern nicht direkt verglichen werden. Erst 
wenn man die in Fig. 10 eingezeichnete Hilfslinie betrachtet, versteht 
man die stilistische Verwandtschaft (Fig. 21). 


4. Aves (Fig. 22—27). 

Auch bei den Vögeln ist das Stomodäum in Randnische und 
Mittelraum gegliedert. Die Randnische wird als Schnabelnische aus- 
gebildet mit weiter Maulspalte, stark verhornten Lippen (Schnabel- 
scheiden) und flacher dorsaler bzw. ventraler Wand. 

Die Grenzleisten gl scheiden (Fig. 22) bei vielen Arten die 

Fig. 22. Fig. 23. Fig. 24. 


09 k 
om. ER pr 
gi 
nr 
mn 
UND EDIE ir 


Querschnitte durch die Mundrachenhöhle von Fringilla canaria. Vergr. 8/1. 

As Anstieg, gl Grenzleiste, mr Mittelraum, og Orbitalenge, om Orbitalmulde, pf Pharynxfalte, 2 Tube, 
tp Yubopharynx, Zr Trachea, «p unterer Pharynxraum, zw Zungenwulst. 
Schnabelnische von dem Mittelraum, welcher wieder in zwei Stock- 
werke: den Anstiegraum und die Orbitalmulde zerfällt, aber mit dem 
Unterschiede, daß die Orbitalmulde schmal und der Anstieg breiter 
ist, während die Dimensionen beider Zonen bei Platydactylus (Fig. 16) 
sich gerade umgekehrt verhalten. Deshalb ist hier eine deutlichere 
Trennung des ventralen und dorsalen Stockwerks zu konstatieren. 
Der Anstiegraum ist flach und entsprechend der schmalen Zunge 

wenig breiter als die Orbitalmulde. 

Da der Anstieg nahe gegen die Medianebene reicht, läßt er eine 
schmale Kommunikationsenge og, welehe bisher Choanenspalt hieß, als 
Eingang in die obere rinnenartige Orbitalmulde frei. Im Gegensatz 
zu den Sauriern erstreckt sich die Verengung nicht bloß über 
die Orbitalregion s. str., sondern auch über die Choanengegend 
(Fig. 25), welche bei den Sauriern unverdeckt bleibt. Das Vomer- 
polster wird nicht breit entfaltet; die niedrigen Choanen liegen dicht 
nebeneinander, hingegen der Anstieg gewinnt ansehnliche Breite, so 
daß die Choanen ausschließlich in die Orbitalmulde schauen. Wäre 


Über den Begriff »Gaumen«. 701 


nieht die Orbitalenge so ausnehmend schmal, so würde das Vomer- 
polster frei am Munddache liegen, genau so wie bei Sauriern. Bei 
kleinen Vögeln sind die Uhoanen eng und rund und erinnern an 
den Zustand von Schildkröten und Schlangen. 

Der Pharynx wird in zwei höchst ungleiche Stockwerke ge- 
gliedert (Fig. 24) durch Einbiegung der lateralen Wand. Die so ent- 
stehenden Pharynxfalten sind jedoch dorso-ventral schräg geneigt und 
breit, so daß sie wie Stücke der Wand des unteren weiten Pharynx- 
raumes aussehen, in welchem die Fig. 25. 

Kehlritze liegt. Durch die stär- 
kere mediane Zusammenschie- 
bung ihrer dorsalen Grenzen 
heben die Pharynxfalten pf einen 
außerordentlich kleinen Teil ip 
des Pharynxlumens samt den 
beiden Tubenöffnungen, den Tubo- 
pharynx (= Antrum tubarum) wie 
eine schmale Nebentasche ab. 
In der späteren Embryonalzeit 
wächst der untere Kehlrachen «up 
zu einem geräumigen und erweite- 
rungsfähigen Abschnitt aus und 
die Pharynxfalten gewinnen an 
transversaler Ausdehnung; daher 
erkennt man bei der üblichen 
Betrachtung des gespaltenen 
Stomopharynx (Fig. 25) die Zer- 
legung der Rachenhöhle in zwei Amnürchentuc vn Talın Amaion ae 
Stockwerke nicht so leicht und bitalenge, / Ösophagus, g hintere Papillenreihe, 
sieht bloß zwischen ne ka 
fälligen Pharynxfalten sden mini- »' »", p" Papillenreihen des Anstiegfeldes, 
2 ODE r Hinterrand und s Oberfläche der Pharynxfalten. 
malen Eingangsspalt © in den 
Tubopharynx. Hauptsächlich aus diesem Grunde ist die stilistisch 
so wichtige Abgliederung des Tubopharynx bisher unverstanden ge- 
blieben. Der morphogenetische Kontrast zu den Sauriern liegt also 
in dem Umstande, daß die Tubengegend des Pharynx dort weit und 
kaum geteilt, das Vomerpolster breit gehalten ist und lediglich die 
Orbitalmulde eine enge Gratrinne erhält, während bei den Vögeln 
die ganze dorsale Zone des Stomopharynx verschmälert und durch 


starke Einengung von dem weiten ventralen Stockwerke faktisch 


N de 


702 A. Fleischmann 


abgetrennt wird. Die Grenze der Stomodäums suche ich gerade an 
dem oralen Rande (Fig. 26) der engen Tubopharynxtasche tp. Dort liegt 
bei jungen Embryonen die Hypophysenwurzel, doch sind eingehende 
Untersuchungen zur definitiven Entscheidung der Frage notwendig. 
Fig. 26. Teilweise besteht im Stomo- 
pharynx strenge Formspiegelung 
zwischen Boden und Dach. Die 
aus dem dehnbaren Boden vor- 
ragende Zunge schmiegt sich, wie 
GÖPPERT zeigte, dem von der 
Grenzleiste umrahmten Anstieg- 
a ER feldean. Jeinniger bei einzelnen 
iin Conan Yen. Ali. Arten (z. B. Raubvögeln) die Zunge 
ch Choane, h Hypophyse, k Kanten der Orbital- anliegt, um so klarer ist ihr 
un Et Widerschein dem Munddache ein- 
geschrieben und die Grenzleisten 
konvergieren oral unter einem spitzen Bogen. Die zwei hinteren 
Zungenspitzen spiegeln sich bei vielen Arten in einer gleichsinnig 
verlaufenden Reihe von Hornpapillen des Munddaches (Fig. 259). 
So weit ist die Orbitalenge schmal (Fig. 25a), rückwärts divergieren 
die symmetrischen Kanten, weil sie nieht mehr so weit median 
vordringen. Diesem weiteren Abschnitte der Orbitalenge (Fig. 25.«”) 
liegt die Kehlritze gegenüber. Der häufig durch Papillen ausge- 
zeichnete caudale Rand des Kehlkopfhügels ‚schmiegt sich den 
Pharynxfalten an und sperrt dadurch den Rachen gegen die Speise- 
röhre ab. 


5. Crocodila (Fig. 27). 

Die Krokodile weichen durch die Verlängerung und Abplattung 
des vorderen Kopfbezirkes (Schnauze), das große zahnbewehrte Maul 
mit langer Spalte, die kleinen Augen, die versteckte Lage des 
Trommelfelles, die enge Tube und viele andre Charaktere des inneren 
Baues sehr stark von den übrigen Reptilien ab. Die unerwartet weit 
zurückgeschobene Lage der sog. Choanen an den Pterygoidea, die 
mediane Naht zwischen den Maxillae, Palatina, Pterygoidea und das 
von H. RATHKE zuerst signalisierte Gaumensegel verstärken den Ein- 
druck des großen anatomischen Kontrastes. Daher ist es begreiflich, 
warum man bisher die Mundrachenhöhle der Krokodile weniger auf 
Sauropsiden als auf Säuger vergleichend bezogen hat. Nach meiner 
Überzeugung aber muß die alte Nomenklatur, welche die Termini 
der Säugeranatomie unbedenklich auf Krokodile übertrug, und die 


\ 


Über den Begriff »Gaumen«. 703 


dadurch in weiten Kreisen erweckte Ansicht, daß die Krokodile einen 
wirklichen harten, sogar einen weichen Gaumen samt einem, wie 
FucHs meinte, den Säugern im gewissen Sinne gleichwertigen, jedoch 
in der Entwicklung nicht homologen Ductus nasopharyngeus besitzen, 
einer neuen und strengen Prüfung unterzogen werden. Ich spreche 
meine persönliche Auffassung hier mit sehr großer Reserve aus, 
weil ich noch nicht das Glück hatte, Krokodilembryonen genauer. 
untersuchen zu lassen, und meine Gedanken lediglich durch Be- 
trachtung des fertigen Zustandes gewann. Immerhin halte ich letzteren 
für so durchsichtig, daß der Vergleich mit andern Stilabarten unter 
den Sauropsiden durchzuführen ist. 

Ich verwerfe die allgemeine Ansicht, daß bei Krokodilen ein 
harter und weicher Gaumen und Ductus nasopharyngeus vorhanden 
sei, hauptsächlich aus dem Grunde, weil die Hypophyse, welche ich 
als sichere Grenzmarke zwischen Mundhöhle und Vorderdarm betrachte, 
hinter den sog. von den Pterygoidea gestützten Choanen & (Fig. 27) 
liegt, so daß der ganze sog. Ductus nasopharyngeus in der Mund- 
höhle endet. Daher kann das sog. Gaumensegel RATHKES, jene 
bogenförmige Hautfalte gs, welche vor den sog. Choanen an der Unter- 
fläche der Pterygoidea angeheftet ist und mit der hinter der Zunge 
aufragenden Querfalte f den Verschluß des Einganges in die hintere, 
den Kehlkopf bergende Höhle Z herstellt, kein Gaumensegel sein; 
denn es liegt in der eigentlichen Mundhöhle. Ferner ist der etwa 
birnförmige Raum H, in welchen der Kehlkopf ! hineinschaut, nicht 
Rachen schlechthin, sondern aus ecetodermalen wie entodermalen Be- 
zirken zusammengesetzt. 

Die meisten Vergleichspunkte sehe ich bei den Vögeln gegeben, 
deren Ähnlichkeit im Baue des Magens, Herzens, der Lungen, der 
Urogenitalorgane usw. anklingt und längst bekannt ist. Freilich ist 
die Formverwandtschaft nicht an den frei zutage liegenden Teilen, 
sondern an den versteckten Teilen des Stomopharynx wahrzunehmen 
und aus diesem Grunde so lange übersehen worden. Das wichtigste 
Merkmal ist die dicht hinter den sog. Choanen liegende unpaare 
Öffnung ö, welehe durch eine halbmondförmig vorspringende Schleim- 
hautklappe geschützt wird. R. Owen hatte sie für die Rachen- 
öffnung der Tuben gehalten. Hasse beschrieb später, daß sie in eine 
bei alten Krokodilen außerordentlich tiefe Grube führt, welche eine 
gegen das Basioceipitale gerichtete Abteilung (Sinus tubarum) mit 
den beiderseitigen Tuben und einen medianen nach vorn im Basi- 
sphenoid verborgenen Fortsatz besitzt. Er deutete den letztgenannten 


704 A. Fleischmann 


Fortsatz als Ausstülpung der Rachenschleimhaut gegen die Sella 
tureica und die Hypophysis cerebri. 

Wer nun genügend viele Längsschnitte durch Vogelköpfe (Fig. 26) 
untersucht hat, weiß, daß bei den Vögeln eine durchaus homologe 
Seitentasche, der Tubopharynx, vorkommt und daß an der oralen 
Spitze derselben die Wurzelstelle der Hypophyse liegt. In der Tiefe 
der dorsalen Grube bei den Krokodilen zieht die Grenze des Stomo- 
däums. Denn auf dem Längsschnitte (Fig. 27) durch den freilich 
nicht besonders gut konservierten Kopf eines Krokodilembryos habe 
ich an dem vorderen medianen Ausläufer der Grube Zp die Hypo- 

| Fig. 27. physenschläuche % deutlich 
hängen sehen, so daß kein 
Zweifel bestehen kann, daß 
hier eetodermales Epithel ein- 
gebuchtet wurde. Obwohl ich 
meine Deutung einstweilen pro- 
visorisch halte, benutze ich 
sie zur Interpretation der an- 
Längsschnitt durch den Stomopharynx von Orocodiiw, dern Verhältnisse. Wenn wirk- 

Embryo. Vergr. 2/1. lich die Grenze des Stomo- 
f untere, gs obere Dichtungsfalte, H hinterer Stomo- Re z 
pharynzraum, A Hypophyse, i Eingang des Tubo- däums in der Hypophysen- 
pharynx, 4 Larynz, N Nasenhöhle, oe Ösophagus, fubengrube liegt, führt der 
ae an 9 Fee Vergleich mit dem Zustand 
der Vögel zu der weiteren Konsequenz, daß die sog. Choanen & der 
Krokodile als Homologon der Orbitalenge og (Fig. 22, 23), d. h. des 
Eingangsspaltes der Orbitalmulde zu deuten sind, und der Unter- 
schied gegen die Vögel läge nur darin, daß die Orbitalenge der 
Krokodile sagittal kurz ist, während sie bei Vögeln verhältnismäßig 
lang wird. Das sog. Gaumensegel gs der Krokodile liegt demnach 
im Stomodäum; es ist eine besondere Einrichtung ohne Homologie bei 
andern Reptilien, geschweige bei Säugern, und so speecifisch für die 
Krokodile, wie etwa die Flughaut und ihre Spannung mittels des 
fünften Fingers für die Pterosauria. Es drückt die Vorkehr für 
die Bedürfnisse des im Wasser nach Beute haschenden Tieres aus, 
wie die Dehnbarkeit des Stomopharynx und die Beweglichkeit aller 
angrenzenden Teile die besondere Nahrungsaufnahme der Schlangen 
spiegelt. 

Das sog. Gaumensegel gs grenzt den vorderen größeren Teil des 
Stomodäums deutlich von dem kürzeren hinteren Teile samt Orbital- 
enge und Hypophyse ab. Am Munddache sind keine Besonderheiten 


Über den Begriff »Gaumen«. 705 


wahrzunehmen, durch welche sich Zahnnische und Anstieg unter- 
scheiden ließen. Die flache Zunge x liegt am Boden, und zwar vor 
der Falte gs des sog. Gaumensegels, welcher eine entsprechende 
Bogenfalte f des hinteren Zungenendes gegenübersteht. So selb- 
ständig diese Tatsachen erscheinen mögen, ich glaube doch vergleich- 
bare Differenzierungen bei den Vögeln namhaft machen zu können. 
Denn bei vielen Arten derselben (anscheinend sind es die guten 
Flieger) ist das Anstiegfeld des Stomodäums durch Hornpapillen aus- 
gezeichnet. Diese hören ungefähr dort, wo die Orbitalenge weiter 
wird, mit einem scharfen Rande auf (Fig. 259). Am Mundboden ist 
das entsprechende Korrelat in dem scharf abgesetzten, hinteren Zungen- 
ende, bzw. den häufig dort vorkommenden Papillen gegeben. Man 
kann sich an frischen Objekten leicht überzeugen, daß die beiden 
Papillengruppen im Ruhestande dicht aufeinander schließen und den 
Teil des Stomopharynx, durch welchen der respiratorische Luftstrom 
zwischen Choanen bzw. Orbitalmulde und Kehlritze streicht, schnabel- 
wärts absperren. Daher nenne ich die bisher so wenig beachteten 
Differenzierungen »Dichtungsplatten der dorsalen und ventralen 
Mundwand«. 

Wie mir scheint, können sie nach Lage und Funktion mit den 
beiden Dichtungsfalten der Krokodile verglichen werden, welche den 
oralen Teil des Stomopharynx gegen den laryngealen Raum ab- 
schließen; denn das gemeinsame Moment besteht in der Möglichkeit, 
zwei hintereinander liegende Teile des Stomopharynx ohne Rück- 
sicht auf ihre embryonale Genese, die Schnabelzungenkammer und 
den Kehlritzenraum, am lebenden Tiere so sicher zu scheiden, daß 
die Krokodile ohne Benetzungsgefahr für die Kehlritze ihr Maul 
auch unter Wasser öffnen können, und daß der Luftweg des 
fliegenden Vogels gegen den Schnabelzungenraum gedichtet ist. 
Hinter der dorsalen Dichtungsfalte liegen bei den Krokodilen die 
sog. Choanen x dicht zusammengedrängt. Ich beurteile die ovalen 
Öffnungen aber nicht als Endpforten des paarigen Ductus naso- 
pharyngeus, sondern als Orbitalenge, d. h. als Eingang in die Orbital- 
mulde, weil mir die Ähnlichkeit mit den Vögeln unverkennbar 
scheint. Die Orbitalenge der Vögel ist freilich lang gezogen, spitz- 
winkelig und von dieht genäherten Kanten umsäumt, so daß man 
die Orbitallichtung in den meisten Fällen nieht direkt überblickt. 
Bei den Krokodilen ist die Orbitalenge dagegen sehr kurz und von 
einem rundlichen Randsaum umschlossen, jedoch liegt sie der im 
Tubopharynx versteckten Hypophyse ebenso nahe, wie bei den Vögeln. 


706 A. Fleischmann 


Daher habe ich die neue Deutung der sog. Choane vorläufig aus- 
gesprochen, um später ausführlich darauf zurückzukommen. 

Die eben skizzierten Tatsachen führen mich zu dem Schlusse, 
daß der Ausdruck »fortschreitende Reihe der Gaumenbildung« das 
wirkliche Verhältnis des Baues der Mundrachenhöhle für die syste- 
matischen Gruppen der Amnioten nicht richtig charakterisiert. Die 
anatomischen Unterschiede sind so groß und hängen innig mit bio- 
logischen und physiologischen Kontrasten zusammen, daß die Gruppen- 
typen sich bei gründlicher Erwägung aller Einzelheiten als funk- 
tionelle Gegensätze herausstellen, welche nicht stufenweise aufein- 
ander bezogen werden können, sondern als Einrichtungen anzu- 
erkennen sind, um auf recht verschiedene Weise Nahrung zu 
ergreifen und in den Magen zu befördern. 

Nach der Darlegung meiner Ansicht über den morphologischen 
Stiltypus des Stomopharynx und seiner biologisch notwendigen 
Varianten bei den Amnioten will ich ausdrücklich betonen, daß mir 
einzelne Thesen einer gründlichen Durcharbeitung bedürftig scheinen. 
Schon habe ich mehrere Schüler aufgefordert, die Sonderfragen ge- 
nauer zu verfolgen, und Anstalten getroffen, vollständigeres Material 
von Embryonen zu erlangen. Immerhin glaube ich gezeigt zu haben, 
daß die herkömmliche Sitte, Vorsprünge der Mundschlundwand als 
Falten zu registrieren, durch eine bessere morphologische Anschauung 
ersetzt werden kann, welche auf die Gesamtform der Stomopharynx- 
höhle, bzw. ihrer Wand und Umgebung Rücksicht nimmt und die 
allgemeinen Begriffe auf eine fundamentale Embryonalphase und 
deren fortschreitende Veränderung gründet, anstatt wie bisher den 
fertigen Zustand und vornehmlich sein Knochengerüst allein ins 
Auge zu fassen. Die knöchernen Teile soll man zwar nicht vernach- 
lässigen, jedoch nach meiner festen Überzeugung wird die Gemeinsam- 
keit der Stilcharaktere richtiger an den Weichteilen abgelesen, weil 
die Verknöcherungsherde mehr oder weniger weit von der Wand des 
Stomopharynx entfernt sind und nicht bloß zu dieser, sondern zu vielen 
andern Teilen der Kopfmasse, besonders zu den Muskeln enge Be- 
ziehungen haben, welche ihre Gestalt wesentlich beeinflussen. Es 
wird noch emsige Arbeit erheischen, um die verwickelten Abhängig- 
keitsverhältnisse klarzustellen. 


Erlangen, 30. März 1910. 


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5. 


6. 


Über den Begriff »Gaumen«. 707 


Literaturverzeichnis. 


Busch, K., Beitrag zur Kenntnis der Gaumenbildung bei den Reptilien 
Zool. Jahrb. Abt. f. Anat. Bd. XI. 1898. 
FLEISCHMANN, A., Die Kopfregion der Amnioten. Morph. Jahrbuch: 
1903. Bd. XXXI. S. 560—619. (A. BEECKER.) 
1904. Bd. XXXII. S.451—504. (W. BLENDINGER.) 
1905. Bd. XXXII. S. 1—38. (0. Hormann.) 
1907. Bd. XXXVII. S. 488—527. (W. Sırper.) 
1909. Bd. XXXIX. S.31—82. (G. AULMAnn.) 
1910. Bd. XLI. S. 471—518. (W. THÄTER) 
1910. Bd. XLI. S. 617—677. (E. POHLMAnN.) 
Fuc#s, H., Untersuchungen über Ontogenie und Phylogenie der Gaumen- 
bildungen bei den Wirbeltieren. Zeitschr. f. Morph. u. Anthrop. Bd. X 
u. XI. 1907—1908. 

GÖPPERT, E., Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen und 
den Ductus nasopharyngeus. Morphol. Jahrb. Bd. XXXI. 1903. 
HassE, C., Das Gehörorgan der Krokodile in Anatom. Studien. I. Bd. 1871. 

S. 692. 
REESE, A. M., The nasal Passages of the Florida Alligator. Proc. Acad. 
Philadelphia. 1901. p. 457. 


6a. — The development of the American Alligator. Smithsonian Miscell. 


Colleetions. Vol. 51. 1908. 


6b. —— Development of the brain of the American Alligator. The paraphysis 


and Hypophysis. Smithson. Miscell. Colleet. Vol. 54. 1910. 


Verbindungen des Platysma mit der tiefen 
Muskulatur des Halses beim Menschen. 


Von 


Georg Ruge. 
Mit 9 Figuren im Text. 


Die Verbindung des Platysma mit. der tiefen Muskulatur des 
Halses ist an der Leiche eines 62 jährigen Mannes beobachtet worden. 
Sie ist durch ein beiderseitiges Auftreten besonders beachtenswert, 
da dieses gegen eine zufällige, etwa postembryonal entstandene 
Bildung spricht, vielmehr auf eine frühe Anlage hinweist. 

Der linksseitige Befund unterscheidet sich vom rechtsseitigen 
durch die Art der Verbindung des Platysma mit der tieferen Mus- 
kulatur. Die Beziehungen beider zueinander gestalten sich dadurch 
mannigfaltiger und erhöhen die morphologische Bedeutung des 
Tatbestandes. 

Ein Zusammenhang des Platysma besteht rechts mit dem 
hinteren Bauche des Biventer mandibulae, links mit der Muskulatur 
des Schlundkopfes. Der Verband ist beiderseits ein inniger und 
deutet ebenfalls auf eine frühe Anlage des Zustandes hin. 


1. Rechtsseitiger Tatbestand und Beurteilung desselben 
(Fig. 1). 

Etwa 5 cm unterhalb der oberen Nackenlinie des Schädels 
und von der dorsalen Mittellinie entfernt, entsteht auf dem 
Sterno-cleido-mastoideus ein Nackenbündel des Platysma. Es. 
gelangt in einer Breite von 18 mm unter das Ohr, dann vor das- 
selbe zum Gesicht und strahlt in ihm, 5 cm vor dem Gehörgange, 
in der Nähe des Ursprungs des Jochbeinmuskels aus. Auf der 
Figur ist dasselbe nur in seiner Lage auf dem Sterno-eleido- 
mastoideus dargestellt worden. 


Verbindungen d. Platysma mit der tiefen Muskulatur d. Halses beimMenschen. 709 


Ein höher gelegenes Nackenbündel entspringt zweizipflig, 3,9 
und 4,5 cm von der Protuberantia oceipitalis externa entfernt, in 
der Mittellinie auf dem Trapezius. Es ist auf der Figur als Varie- 
tät bezeichnet. Aus beiden Zipfeln geht ein 2 mm breites, ge- 
schlossenes Muskelband hervor. Dasselbe zieht in querer Richtung 
vorwärts und geht auf dem Sterno-eleido-mastoideus in eine Sehne 
über, welche sich bald spaltet. Ein oberer Abschnitt breitet sich 
auf dem Sterno-cleido-mastoideus aus; ein unterer, schlanker, 
aber derber Sehnenstrang setzt sich auf dem Muskel, etwa 1 cm 
von dessen Vorderrand entfernt, wieder in ein muskulöses Band 
fort. Ein Übergang in den Gesichtsteil des Platysma erfolgt nicht. 

Fig. 1. Fig. 2. 


a Platysma=- pharyngeus 

2 NMTENE 
N TER ze EU 
DEN iR Hint. Bauch des Biventer 


mardibulae 


\ NN \ M.stplo= 


N a re Ar la J J L 


dh N } Y, 
EN | Wu \\ Na Varietät WW MM j \Y 
INS N \S Ih Trapezius 
\ I \ Nacken-Gesichts = 7 N Kr & 
I bündel (Platysma). IH \. Sterno-deido-mast. 
\ a) MN IE a. 
\ RN N V.juqularis int. 
\\ \ \ N | M.carotis int. 
5; en er N. glosso-pharyngeus. 


Abnormes Nackenbündel des Platysma, welches in die Tiefe dringt und dem hinteren Bauche des 
Biventer mandibulae auf Fig. 1, den Pharynxmuskeln auf Fig. 2 sich anlegt. 1/2. 
Statt dessen dringt das Muskelband am Vorderrande des Sterno- 
eleido-mastoideus in die Tiefe und ist hier vom Warzenfortsatz des 
Schläfenbeines 2,2 em entfernt. Es erreicht den hinteren Rand des 
Biventer mandibulae, etwa in der Mitte von dessen Länge. Der An- 
schluß an ihn wird durch eine derbe Fascie vermittelt. Während 
diese bis zur Zwischensehne des Biventer sich hüllenartig um ihn 
vorschiebt, gelangt das Muskelband zur Innenfläche des Biventer 
und strahlt unter Abplattung gegen den Zungenbeinkörper aus. Der 
Stylo-hyoideus bleibt ohne Beziehung zum abnormen Muskel. — 
Das in die Tiefe gelangende Bündel ist ein Bindeglied zwischen 
Nackenportion des Platysma und hinterem Bauche des Biventer. 
Beide, vom Facialis versorgt, gehören zu einer gemeinsamen 
Nerven-Muskel-Gruppe und sind Glieder der Hyoidbogen-Muskulatur. 
Platysma und Gesiehtsmuskulatur sind vergleichend-anatomisch 
von der Muskulatur des Hyoidbogens abgeleitet worden. Die Tren- 


ı 


710 Georg Ruge 


nung von letzterer ist bei Säugetieren in der Regel vollzogen. Ist 
diese Tatsache wegen der funktionellen, hochgradigen Verschieden- 
heit zwischen einem subeutanen Gebilde und dem tiefen Skelet- 
muskel verständlich, so hat doch das Fehlen letzter Andeutungen 
eines anatomischen Verbandes zwischen ihnen den theoretisch ge- 
forderten Zusammenhang vermissen lassen. Dieser ist durch den 
vorliegenden, seltenen Befund noch erkennbar. Er bestätigt den 
vergleichend-anatomisch erbrachten Nachweis der Zusammengehörig- 
keit beider Muskellagen. Eine diesbezügliche Bestätigung wurde 
auch von der Entwicklungsgeschichte gefordert. Sie hatte dieselbe 
in ganz einwandfreier Weise lange Zeit nicht erbracht. Allerdings 
war es gelungen, die Anlage des Platysma beim Menschen in der 
Höhe des Hyoidbogens nachzuweisen. Das Platysma reicht nach 
Karı Ragı? (1887) bei Embryonen von 22 mm größter und 19 mm 
Nacken-Steiß-Länge aus dem Bereiche des früheren Hyoidbogens 
kaum über den Unterkieferrand empor, so daß eine Gesichts- 
muskulatur noch nicht besteht. Das Platysma entwickelt sich 
hauptsächlich im Bereiche jenes Schlundbogens. Wir näherten uns 
nach diesen Angaben dem Ziele, zu welchem die Ontogenie führen 
sollte, erreichten es aber nicht. 

Baum und DoBErs haben bei ihren Untersuchungen über »die 
Entwicklung des äußeren Ohres bei Schwein und Sehaf« 1905 fest- 
gestellt?, daß ein gemeinsames Bildungsmaterial für den tiefen 
Muse. stapedius und die oberflächliche Facialis-Muskulatur im Hyoid- 
bogen angelegt wird. Es lagert hinter der Ohrmuschelfalte und 
hängt in der Tiefe innig mit dem Bildungsgewebe des REICHERTschen 
Knorpels zusammen. Aus ihm treten zuerst die Anlagen für die 
hinteren Ohrmuschelmuskeln hervor. Das ventrale Platysma mit 
allen seinen Derivaten sproßt erst später aus dem dorsalen Ab- 
schnitt des gemeinsamen Platysma-Gebietes hervor. Die dorsalen 
Derivate des gemeinsamen Platysma, wie es bei Fischen, Amphibien 
und Reptilien ausgebildet ist, zeigen nach Baum und DOoBErs eine 
frühere gewebliche Sonderung als das ventrale Platysma-Gebiet. 
Der ontogenetische Zusammenhang der oberflächlichen Schichten 
mit tiefen Muskeln war nur für den Stapedius angegeben. Die 


! Über das Gebiet des Nervus facialis. Anatom. Anzeiger, 2. Jahrgang 
1887, No. 8. 8. 219-297. 

2 Prof. Dr. Baum und Dr. Dogers. Die Entwicklung des äußeren Ohres 
bei Schwein und Schaf. Anatomische Hefte, XXVIII. Bd., 2.u.3. Heft 1905. 
S. 587—690. 


u 


Verbindungen d. Platysma mit der tiefen Muskulatur d. Halses beim Menschen. 711 


Autoren bestätigten dadurch die von G. Kıruıan (1890)! auf Grund 
von Untersuchungen an Amphibien und Reptilien ausgesprochene 
Vermutung, daß die oberflächliche Muskulatur der Ohrmuschel bei 
Säugetieren gleich wie die tiefe im 2. Schlundbogen angelegt würde. 

Für die Entstehung der gesamten Facialis-Muskulatur im Hyoid- 
bogen ist J. KoLLmann (1898) eingetreten (Lehrbuch der Entwick- 
lungsgeschichte des Menschen. Jena). 

R. FurAnura ? hat 1906 festgestellt, daß die gesamte Faeialis- 
Muskulatur bei einem 27—-30 tägigen menschlichen Embryo als 
ein schmales Bildungsmaterial, und zwar lateral vom skeletogenen 
Gewebe des Zungenbeinbogens angelegt ist. Die ganze Anlage 
beschränkt sich auf den 2. Sehlundbogen. Bei einem etwas älteren, 
3l—34 tägigen Embryo zeigt das Muskelblastem unter Zunahme 
seiner Masse eine dorsale und ventrale Ausdehnung. Es hat den 
2. Schlundbogen in aboraler Richtung überschritten, damit den Platz 
des primitiven Halses erreicht, fast bis zur oberen Schultergegend 
sich ausdehnend. Auf diese Weise ist das Platysma in die Er- 
scheinung getreten. Ein 35—36 tägiger Embryo läßt die Ausbrei- 
tung des dicht gedrängten Muskelblastems über den REıcHErTtschen 
Knorpel gegen die Gehörkapsel erkennen. Ein Ast des Faeialis 
dringt in ‘diese Bildungsmasse ein. Sie stellt die Anlage der tiefen 
Muskeln des 2. Schlundbogens dar (Stapedius, Stylo-hyoideus, 
Hinterer Bauch des Biventer). Ihr Zusammenhang mit der ober- 
flächliehen Blastem-Masse ist noch erhalten, welche als dünnes 
Platysma in die Halsgegend hineinragt. Erst bei einem 6 wöchigen 
Embryo ist das Übergreifen des Muskelblastems auf den Kopf ge- 
schehen. Hinter dem äußeren Ohr wird ein oceipitaler, vor ihm ein 
Gesichtsteil des Platysma unterscheidbar. 

Auf Grund der vorliegenden Angaben läßt sich jeder abnorm 
erhaltene Verband zwischen oberflächlichen und tiefen Faeialis- 
Muskeln verstehen. 

Furamura dehnte entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen auf 
Amphibien, Reptilien, Vögel und unter Säugetieren auf das Schwein 
aus?®. Der Zusammenhang von oberflächliehen und tiefen Muskeln 


t Kırııan. G. Zur vergleichenden Anatomie und vergleichenden Ent- 
wicklungsgeschichte der Öhrmuscheln. Anatom. Anzeiger V. Bd. 1890. $. 226—229. 
2 Über die Entwicklung der Facialismuskulatur des Menschen. Ana- 
tomische Hefte, XXX. Bd., Heft 91. 1906. 
3 Beiträge zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte der Faeialis-Mus- 
kulatur. Anatomische Hefte, XXXI. Bd., Heft 98. 1907 
Morpholog. Jahrbuch. 41. 46 


712 Georg Ruge 


wurde bei der Eidechse in der Hinterhauptsgegend, beim Schweine 
hinter dem äußeren Ohr gefunden. — 

Die Muskulatur des 2. Schlundbogens ist bereits bei Selachiern 
in eine oberflächliche und tiefe Schichte gesondert. Dies Verhalten 
kehrt bei Amphibien und Reptilien wieder. Der Zusammenhang 
zwischen beiden Schichten bleibt bei Fischen, Amphibien und 
Reptilien dorsal hinter dem Schädel, allerdings in sehr verschiedenem 
Grade erhalten. Er ist bei Heptanchus, Menopoma, Oryptobranchus 
und bei Varanus z. B. dadurch ausgeprägt, daß ein tiefer, zum 
Unterkiefer verlaufender, dorsaler Muskel auch noch oberflächliche, 
von der dorsalen Halsfaseie entspringende Bündel bezieht, welche 
mit der oberflächlichen Schichte den ursprünglichen Verband unter- 
halten. Derartige Verhältnisse stimmen im Wesen mit dem vor- 
liegenden Befunde überein. Er deutet weit zurück, und zwar bis 
auf eine Organisation der Vertebraten, bei welchen der einem 
hinteren Biventer-Kopf entsprechende Muskel durch einen Sterno- 
cleido-mastoideus noch nicht überlagert, noch nicht ganz in die 
Tiefe verlagert worden ist. Es sei zum Vergleiche mit dem Ver- 
halten bei Fischen, Amphibien und Sauriern auf die Abbildungen 
7, 45-50, 55 und 65 des Aufsatzes in der Festschrift für 
C. GEGENBAUR verwiesen!. 

Der zum Hyoid gelangende Muskel der Facialis-Gruppe kann 
auch bei Säugetieren noch eine oberflächliche Ursprungsstätte 
hinter der Ohrmuschel besitzen. Ein solches Verhalten ist z. B. bei 
Hyäne und Seehund angetroffen worden. Es zeigt den Ursprung 
des beim Menschen im hinteren Bauch eines Biventer mandibulae 
erscheinenden Muskels in einer gleichen Lage mit dem Platysma 
und ist insofern ein Überbleibsel des Zusammenhanges zwischen 
oberflächlicher und tiefer Muskulatur des Hyoidbogens. 

Der vorliegende anatomische Tatbestand der Fig. 1 kann im 
Zusammenhalt mit den ontogenetischen und vergleichend -ana- 
tomischen Verhältnissen, namentlich auch in Rücksicht auf das links- 
seitige Verhalten, kaum anders als aus einer frühen Anlage herge- 
leitet werden. Trifft das aber zu, so werden oberflächliche und 
tiefe Faeialis-Muskulatur nach ihrer Sonderung aus einem einheit- 
lichen Blastem wenigstens zuweilen noch beim Menschen im em- 
bryonalen Zusammenhang bestehen müssen. Geeignete, entwicklungs- 


ı RUGE, G. Über das peripherische’ Gebiet des Nervus facialis bei Wirbel- 
tieren. Festschrift zum 70. Geburtstage von CARL GEGENBAUR, III. Bd. 8.195—348. 


ne. 


Verbindungen d. Platysma mit der tiefen Muskulatur d. Halses beim Menschen. 713 


geschichtliche Stadien oder die günstigen, mit innewohnenden, 
atavistischen Varietäten-Anlagen behafteten Objekte werden einmal 
den geforderten ontogenetischen Zusammenhang einwandsfrei zu- 
tage fördern können. Negative Ergebnisse lassen unter Berück- 
sichtigung des vorliegenden Falles höchstens noch die Deutung 
zu, daß der Zusammenhang häufig, vielleicht meistens, aber nicht 
immer aus der Ontogenie ausgeschaltet worden ist. 

Hier liegt ein ähnliches Verhalten vor wie etwa für den Pro- 
cessus supracondyloideus humeri. Er legt sich beim Menschen in 
der Regel nicht mehr an, ist bei Embryonen meines Wissens noch 
nicht angetroffen worden, und dennoch muß er bei den ihn be- 
sitzenden Individuen wegen vieler zwingender Gründe bereits als 
ontogenetische Varietät in die Erscheinung getreten- sein und als 
solche durch das ganze Leben hindurch sich erhalten haben. Des- 
halb wird er bei ausgedehnteren, entwicklungsgeschichtlichen Unter- 
suchungen gelegentlich auch gefunden werden müssen. 

Es wird immer wahrscheinlicher, daß die Variabilität bereits 
die erste Anlage der Organe beherrscht, daß die vorausgesetzten 
Übergangsformen in vielen Fällen nur sporadisch in der Ontogenese 
wieder auftreten. Selbst die verschiedenartige und stammesge- 
schichtlich durch EmıL ROSENBERGS Forschungen wohl verstandene 
Gliederung der menschlichen Wirbelsäule findet bereits in ontoge- 
netischen, retro- und prospektiven Variationen ihren Ausdruck. Da- 
durch wird die bedeutungsvolle Beurteilung, welche einer Wirbel- 
säule mit Vermehrung präsacraler Segmente durch E. ROSENBERG 
gegeben worden ist, in nichts geschmälert, wenn auch eine Ver- 
minderung präsacraler Wirbel bereits in embryonaler Zeit sich ein- 
stellen kann. 

Der ontogenetische Verband zwischen oberflächlicher und tiefer 
Muskulatur des Hyoidbogens wird immer an Stellen gesucht werden 
müssen, wo zuerst K. RagL die Platysma-Anlage hat wahrnehmen 
können, wo diese auch durch spätere Untersuchungen gefunden 
worden ist, wo der anatomische Befund der Fig. 1 ihn aufs neue 
vermuten läßt. 

Letzterer ist zur Bestimmung näherer verwandtschaftlicher Be- 
ziehungen des Menschen zu niederen Formen durchaus ungeeignet, 
da diese, und hier kommen zunächst Simier und Prosimier in Be- 
tracht, den primitiven Zustand nicht bewahrt zu haben scheinen. 
Der Befund weist vielmehr auf eine ältere Organisation im Verte- 


bratenstamme zurück, in welcher die Sonderung der Hyoid-Musku- 
46* 


714 Georg Ruge 

latur in beide Sehiehten wohl durchgeführt ist, die völlige Trennung 
beider sich aber noch nicht vollzogen hat (Fische, Amphibien, Rep- 
tilien). Es handelt sich daher um die Wiederholung einer allge- 
meinen, den Vertebraten znkommenden, primitiven Einrichtung, 
welche der Keim vorübergehend zeigt (vgl. FuTAmURA) und aus- 
nahmsweise bewahrt hat. Eine angeborene Halsfistel deutet in 
ähnlicher Weise weit auf eine gemeinsame Anlage im ganzen 
Vertebraten-Stamme zurück, ohne eine bestimmte, nähere Verwandt- 
schaftlichkeit des Menschen mit niederen Formen zu belegen. 

Der geforderte, nunmehr geleistete Nachweis eines Zusammen- 
hanges von Platysma und tiefer Muskulatur des Faeialis-Gebietes 
ist nur eine Bestätigung vergleichend anatomischer Erkenntnis. 

Stellte die Entwicklungsgeschichte die Anlage des Platysma 
im Bereiche des Hyoidbogens, die eraniale Ausbreitung ventral und 
dorsal vom äußeren Gehörgange sowie die hochgradigen Umbildungen 
der gesamten Gesichtsmuskulatur fest, so werden diese Vorgänge 
doch nur die in der Stammesgeschichte erworbenen und als ver- 
erbt wieder auftretenden Umwandlungen sein können. Die eigent- 
lichen treibenden Ursachen für die Ausbildung einer mimischen 
Muskulatur können unmöglich in der Ontogenie gefunden werden; 
sie bringt im Individuum zu rascher Entfaltung, was in der 
Stammesgeschiehte langsam sich durch Anpassungen an mannigfache 
äußere Bedingungen zu hoher Vollkommenheit entwickelt hat. 


2. Linksseitiger Tatbestand und dessen Beurteilung (Fig. 2). 

Ein Nackenbündel des Platysma entsteht zweizipflig in der 
Höhe der oberen Nackenlinie des Schädels. Ein Zipfel geht sehnig 
in der Nähe der Protuberantia oceipitalis externa aus. Er ver- 
bindet sich mit einem zweiten Zipfel, welcher, 5 cm hinter dem 
Processus mastoides und 1,5 em von der oberen Nackenlinie ent- 
fernt, auf der Endsehne des Sterno-eleido-mastoideus entspringt. 
Die Vereinigung beider Zipfel erfolgt auf der Grenze von Bauch 
und Sehne des letzteren. Als 7 mm breiter Muskelstreifen gelangt 
das abnorme Gebilde, nach dem Übergang in eine derbe dreh- 
runde Sehne, gegen den Vorderrand des Sterno-eleido-mastoideus. 
Hier setzt sich die derbe Sehne in einer Länge von 1,6 em in 
die Tiefe fort. Dann geht sie aufs neue in einen Muskelbauch 
über, welcher eine Breite von 2 mm erreicht. Dieser schlägt einen 
medial absteigenden Verlauf ein, lagert dabei vor der V. jugularis 
interna und der Carotis interna. Weiter medianwärts lehnt sich 


Verbindungen d. Platysma mit der tiefen Muskulatur d. Halses beim Menschen. 715 


das Muskelband dem Unterrande des Stylo-pharyngeus an. Der 
Nervus glosso-pharyngeus lagert anfangs hinter beiden Muskeln, 
schlingt sich darauf seitlich um den abnormen Muskel herum und 
dringt schließlich vor dem Stylo-pharyngeus in die Wand des 
Schlundkopfes ein. Das abnorme Platysma-Bündel selbst endigt im 
Längsverlaufe in der seitlichen und hinteren Pharynx-Wand. Seine 
Gesamtlänge vom Ursprunge bis zur Anlagerung an den Stylo- 
pharyngeus beträgt nicht weniger als 12 cm. 

Der abnorme Muskel stellt eine Art von Platysma-pharyngeus 
dar. Er,zeigt keinerlei Gemeinschaft mit dem Stylo-hyoideus und 
mit dem hinteren Biventer-Bauche. Indessen gibt sich eine engere 
Beziehung zum Stylo-pharyngeus zu erkennen: erstens durch die 
gleiche Lage zum Nervus glosso-pharyngeus, zweitens durch den 
übereinstimmenden Verlauf bis an die Pharynx-Wand, drittens durch 
die gemeinsame Längsausstrahlung in derselben. 

Die Zugehörigkeit zum Gebiete des Nervus glosso-pharyngeus, 
dureh die Innervation allerdings nicht unzweifelhaft festgestellt, ist 
aus dem Gesamtverhalten zu entnehmen. 


3. Beiderseitiges Verhalten. Beurteilung. 


Der abnorme Platysma-Teil geht beiderseits unweit von der 
oberen Nackenlinie des Schädels und der Medianlinie aus. Er senkt 
sich auf beiden Körperhälften in nahezu gleicher Höhe vom Vorder- 
rande des Sterno-celeido-mastoideus aus in die Tiefe ein. In ihr 
findet rechts und links eine verschiedene Verbindung statt, rechts 
mit dem hinteren Biventer-Bauch, links mit der Pharynx-Wand. 

Als Teil des weit auf den Nacken‘ ausgedehnten Platysma 
wurde das abnorme Gebilde beiderseits dargestellt und erst bei 
weiterschreitender Präparation in seiner Eigenartigkeit erkannt. 

Rechts liegt für den abnormen Muskel die Zugehörigkeit zum 
Faeialis-, links zum Glosso-pharyngeus-Gebiete vor. 

Das Platysma enthält im vorliegenden Falle also geringe Mengen 
von Glosso-pharyngeus-Elementen. Ob solche auch dem normalen 
menschlichen Platysma zukommen, ist nicht bekannt. 

Facialis- und Glosso-pharyngeus-Bündel des Platysma gehen 
beiderseits von einander nahezu entsprechenden Stellen des Nackens 
aus. Sie werden daher in der Kombination des beiderseitigen Ver- 
haltens nur im engsten Anschluß aneinander vorzustellen sein. 
Das gemeinsame Eindringen in die Tiefe bringt sie durch den 


' 


716 Georg Ruge 


Übergang in die Muskulatur des 2. und des 3. Schlundbogens auch 
hier in nächste gegenseitige Berührung. 

Nun schließen oberflächliche, dorsale Lagen beider Muskel- 
zebiete bei Fischen und Amphibien noch auf das allerengste an- 
einander, obschon bei letzteren bereits eine teilweise hochgradige 
Verschiebung beider oberflächlicher Muskellagen gegeneinander 
eingeleitet ist. Die Fig. 3 zeigt die Einheitlichkeit der Muskel- 
platte, wie sie bei einem Hai (Acanthias) sich darstellt. Die ein- 
heitliche Platte breitet sich zwischen Schädel und Schultergürtel 
von der dorsalen bis zur ventralen Körperwand aus. Sie ist durch 


Fig. 3. 


Retr.p.s. Czmd. 


l, 


/ / 
f 


R. c. max. R. c. C2a m.v. hor. Zw. Ca vd. 
fac. md. fac. 


Seitenansicht der Schädel-Kiemengegend von Acanthias vulgaris. 2/3. Der Konstriktor der Schlund- 

bogen setzt sich aus fünf Teilstücken (O2) zusammen, von denen (2 dem Gebiete des Nervus 

facialis, Ca dem des N. glosso-pharyngeus zugehört. Der Dorsalabschnitt der Muskelplatte ist ge- 
schlossen, wenn schon er in Segmente zerlegt ist. Er bedeckt den Trapezius. 


die Kiemenspalten und durch von diesen ausgehende Scheidewände 
segmentiert. Das vorderste Teilstück (C,) ist vom Facialis, das 
2. (C;) vom Glosso-pharyngeus und die folgenden Stücke (C,— C;) 
sind vom Vagus versorgt. 

Bei urodelen Amphibien ist eine Trennung der Muskelplatte in 
die den einzelnen Schlundbogen zugehörigen Abschnitte erfolgt. 
Diese schließen bei Oryptobranchus dorsal noch aneinander, trennen 
sich ventralwärts bei ihrem Verlaufe zu den tiefer gelegenen Skelet- 
teilen (Fig. 4). Facialis-Glosso-pharyngeus-Gebiete (C, + C,) grenzen 
also immer noch aneinander. Bei andern Formen hat das Faeialis- 
Gebiet (C,) an Ausbreitung gewonnen und sich als oberflächliche 
Schichte weit caudalwärts über die Muskulatur des 3. Schiundbogens 
(C3) verschoben. Immerhin ist zwischen Schädel und Gliedmaße 


Dirt 
dureh? 


Verbindungen d. Platysma mit der tiefen Muskulatur d. Halses beim Menschen. 717 


die einheitliche Muskelplatte dorsal auch hier noch erhalten; sie ist 
aber geschichtet. Ein derartiges Verhalten findet sich bei Menopoma 
Fig. 4. i 
Camd.(er.) Camd. Trap. Trap. 
Cad. 1A | 


Add. md, | 


R.c.md.fac. AR.c. Fac. Thym. 
ment. fac. 


Seitenansicht der Kopf-Halsgegend von Oryptobranchus japonicus. 1/2. Der Konstriktor der Schlund- 

bogen (C» _,) ist in seine Komponenten zerlegt, welche dorsal noch aneinander angeschlossen, ventral 

jedoch getrennt sind. Die Muskulatur des 2. Schlundbogens (C;) ist von der des 3. Bogens ((5) eine 
kleine Strecke weit überlagert. 


der Fig. 5, auf der eine oberflächliche, dorsale Schichte der Hyoid- 
Muskulatur abgetragen worden ist, um deren tiefe Schichte in der 
Lagebeziehung zum Glosso-pharyngeus-Gebiete hervortreten zu lassen. 


Re.c.trig. III, Camd.(a.s.) 


C2 vd. | \ C 
a | IS 


Kiem. sp. | X) 
(ee vd. 


Seitenansicht der Kopf-Halsgegend von Menopoma alleghaniensis. 4/5. Eine oberflächliche Schichte 
der Hyoidbogen-Muskulatur (C) ist entfernt worden, um die gegenseitige Lagerung der tieferen 
Schichte zur Muskulatur des 3. (65) und 4. (C,) Schlundbogens hervortreten zu lassen. 


Ähnliche Einrichtungen können bei Reptilien erhalten sein. 
Sie lassen sich stets vom Zustande eines geschlossenen Konstrietor- 
Systems der Schlundspaltengegend bei den Haien herleiten. 


718 Georg Ruge 


Die bei Säugetieren oberflächlich von der Nackengegend aus- 
-ehenden Bündel, welehe dem Facialis-Gebiete zugehören und als 
Teile des normalen Platysma auftreten, sind denen bei Fischen 
und Amphibien gleichwertig. Die abnormerweise aus dem Glosso- 
pharyngeus-Gebiete erhalten gebliebenen dorsalen Ursprungsbündel 
haben eine gleichwertige Beurteilung zu erfahren, ebenso alle die- 
jenigen Faserbündel, welche dorsal eine oberflächliche Lage be- 
wahrt haben, ventralwärts aber in die Tiefe dringen. 

Der Überrest eines derartigen Anschlusses von oberflächlichen 
Lagen beider Muskelgebiete hat sich auf Fig. 1 und 2 in letzten 
Andeutungen beim Menschen erhalten. Der beiderseitige Zustand 
deutet daher auf niedere Einrichtungen bei Vertebraten zurück. 
Aus ihm erklärt sich in diesem Falle die Doppelnatur des Platysma. 

Der Zusammenhang oberflächlicher und tiefer Bündel der 
Muskulatur ist für beide Schlundbogen in gleicher Weise auf das 
primitive Verhalten bei Fischen und Amphibien beziehbar. So 
können Platysma-Bündel zum Hyoid gelangen, oder mit der Pharynx- 
Muskulatur sich vereinigen, entweder zur 2. oder zur 3. Schlundbogen- 
Muskulatur gehörend. 


4. Einschlägige frühere Beobachtungen. 


a) Facialis-Gebiet.. Le DousLeE! hat, wie dies vor ihm 
L. Testut? in seinem wertvollen Sammelwerke ausgeführt hat, eine 
teihe von Abweichungen am hinteren Bauche des Biventer mandibulae 
zusammengetragen, an welche der vorliegende Fall sich anschließt. 
Es kommen hier zunächst nur diejenigen Befunde mit einer Aus- 
dehnung von Ursprungsbündeln des Biventer mandibulae auf den 
Warzenfortsatz und längs der oberen Nackenlinie bis zur Protu- 
berantia oceipitalis externa in Betracht. In diesen Varietäten tritt 
die ursprüngliche oberflächliche Lage des Muskels wieder in die Er- 
scheinung, wie sie bei Fischen, Amphibien (Fig. 4) und bei Reptilien 
noch die Regel zu sein scheint. 

Der aus einem gleichen Bildungsmaterial wie der hintere 
Biventer-Kopf des Menschen hervorgegangene Muskel heftet sich bei 
diesen niederen Vertebraten am Unterkiefer fest und wirkt als 
Depressor mandibulae. Er ist noch kein Teil eines zweibäuchigen 
Muskels, welcher nur bei Säugetieren angetroffen wird. Bei 


' Trait© des variations du systeme museulaire de l’homme. T.I. Paris 
1897. p. 118. \ 


® Les anomalies musculaires chez l’homme. Paris 1884. T.1. p. 2%. 


Verbindungen d. Platysma mit der tiefen Muskulatur d. Halses beim Menschen. 719 


Hatteria punctata (Fig. 6) z. B. nimmt er eine rein oberflächliche 
Lage ein (C, m.d.) Ihm fügt sich caudalwärts die zum Platysma 
der Säugetiere sich umbildende, oberflächliche Lage der Hyoid- 
Muskulatur an (Cyd.v.). Bei Varanus bivittatus (Fig. 7) hat sich 
der Depressor mandibulae (C', m.d.) von der oberflächlichen Platysma- 
Lage abgeschichtet und ist von ihr größtenteils bedeckt. Der De- 
pressor mandibulae bewahrt seinen dorsalen oberflächlichen Ursprung 
auf dem Trapezius und dehnt sich vom Schädel weit nach hinten 
Fig. 6. 


(a md. Gdv. d. Apon. An. c. spin. 


C» d v (m.) G.dv. 
Seitliche Ansicht der Kopf-Halsgegend von Hatteria punctata. 4/5. An den hinteren Rand des ober- 
flächlich am Nacken entspringenden Depressor mandibulae (C» md.) schließt sich noch unmittelbar der 
oberflächliche Zungenbogen-Muskel (C. dr) an. 


aus, wobei es an ihm zur Schichtenbildung kommt. Diese ist durch 
eine ausgedehnte Anheftung an der Mandibula zustandegekommen. 

Unter den Säugetieren kann die oberflächliche Ursprungsportion 
eines »hinteren Biventerkopfes« erhalten sein, vom Oceipitale in der 
Nähe der oberen Nackenlinie oder vom Warzenteile des Schläfen- 
beines ausgehen. 

Diejenigen menschlichen Varietäten nun, bei welchen über- 
zählige, oberflächliche Bündellagen mit dem hinteren Biventer-Kopfe 
oder dem Stylo-hyoideus in der Nähe des Zungenbeines sich ver- 
binden, an letzterem ähnlich wie der Biventer-Kopf angeheftet, oder 
aber in dessen Nähe geendigt sind, können zu den Stylo-hyoideus- 
Biventer-Anomalien mit Fug und Recht gezählt werden. Der auf 
Fig. 1 dargestellte Befund gehört hierher, und zwar auf Grund 
der Vereinigung des abnormen Muskels mit dem hinteren Biventer- 


720 Georg Ruge 


Bauche und dem Zungenbeine. Wegen der Einfügung des ober- 
flächlichen Nackenursprungs in’ die Bündel des Platysma kann er 
aber mit gleichem Rechte als eine Varietät von diesem ausgegeben 
werden. Er bildet eben eine Brücke zwischen beiden. 

Ein dem hinteren Biventer-Abschnitte angehöriger Muskel ist 
von I. P. PErRIN! beschrieben und abgebildet worden. Eine Wieder- 
gabe findet sich auf Fig. 8. Der nur links vorhandene, schlanke Muskel 
seht an der oberen Nackenlinie hinter dem Processus mastoides 
aus. Die Anheftung liegt am Hyoid-Körper im unmittelbaren An- 
schlusse an ein selbständig zum Hyoid ziehendes Bündel des Bi- 
venter mandibulae. Gegen die dem Muskel durch LE DouBLE ge- 
gebene Deutung ist nichts einzuwenden. Ein Stylo-hyoideus wurde 


Pi2. 7. 
‘E C2 md(sup.f) Cz2m d (pr.) 


Fac. C2d. Fac. Cav? 


Seitenansicht der Kopf-Halsgegend von Varanus bivittatus. 4/5. Der Depressor mandibulae (C» m d) 

bildet eine vom oberflächlichen Platysma bedeckte Schichte. Er ist in zwei Lagen gesondert. Beide 

entstehen aus der Nacken-Fascie, vom Schädel aus weit caudalwärts reichend. Das Platysma ist 
entfernt. 


vermißt. Dieser Umstand legt den Gedanken nahe, das abnorme 
Bündel in nähere Beziehung mit ihm zu bringen, was PERRIN auch 
getan hat. Eine Entscheidung zu treffen, welche von diesen sich 
nahestehenden Ansichten die richtige sei, halte ich beim Mangel 
eines genügenden Vergleichsmateriales z. Z. nicht für möglich. 
Stylo-hyoideus und hinterer Biventer-Teil sind zu eng verwandte 
Glieder. 

J. B. Perkın! beschreibt fernerhin einen beiderseits in der 
Nähe der Protuberantia oceipitalis externa entspringenden Muskel, 
welcher am Körper, am großen und kleinen Horn des Zungenbeins 
sich anheftet, außerdem in eine Fascie über dem Constrietor 


! Perrıs, J.B. On a peculiar additional digastrie musele. Journal of 
Anatomy and Physiology. 1871. Vol. V. pag. 251—256. 


Verbindungen d. Platysma mit der tiefen Muskulatur d. Halses beim Menschen. 721 


pharyngeus medius übergeht. Die Figur 9 gibt die für uns in Be- 
tracht kommenden Verhältnisse wieder. In der Nähe des Hyoids 
liegt der Muskel der Innenfläche des Hyo-glossus an. Eine un- 
mittelbare Verbindung mit dem Biventer mandibulae besteht nicht. 
Der Muskel besitzt daher im Ursprunge Eigenschaften des Platysma, 
in der Insertion solche der tiefen Facialis-Muskulatur, zu welcher 
unter andern ja auch der hintere Biventer-Kopf gehört. 

PERrRIN beobachtete einen ähnlichen Fall an der rechten Seite 
einer Frau. Die Anheftungsstelle bildete das große Horn des 


Fig. 9. 


Fig. 8. 
Hinterer 
Biventer- 


Vccipito- 
Mastoideo- hyoideu‘ 


hyoideus 


Seitenansicht der Nacken-Halsgegend. Ab- Seitenansicht von Kopf-Halsgegend. Abnormer Muskel 


normer Muskel mit Ursprung hinter dem Pro- mit Ursprung in der Nähe der Protuber. oceipit. ext. 
cessus mastoides und Anheftung am Hyoid-_ und Anheftung an den Hörnern des Hyoids. Nach 
Körper. Nach J. B. Perry (1871. S. 253). J. B. Perrıv (1871. S. 251. 


Zungenbeines (1871, S. 252). Der Muskel besaß also Beziehungen 
zum Skelet des 3. Schlundbogens. Es ist nicht zu entscheiden, ob 
er dem Facialis- oder dem Glosso-pharyngeus-Gebiete zugehöre. 

PERRIN (l. e. S. 255) vergleicht die angeführten Fälle sowie 
einen vierten Zustand, welcher aber in diese Reihe gar nicht ge- 
hört, mit dem in verschiedene Portionen aufgelösten Stylo-hyoideus 
der Vögel, unter Hinweis auf den Tatbestand bei Psittacus erythacus. 
Es ist aus vielen Gründen unzulässig, diese menschlichen Varietäten 
als gleichwertig mit den sehr spezialisierten Muskeln der Vögel 
auszugeben. 

b) Glosso-pharyngeus-Gebiet. In die Reihe von Anomalien 


722 Georg Ruge 

im Muskelgebiete des 3. Schlundbogens gehört ein durch 5. A. West! 
beschriebener Fall. Der Muskel besteht beiderseits. Der linke 
entspringt unter der Nackenlinie des Oceipitale auf dem Trapezius. 
Nach horizontalem Verlaufe senkt er sich am Vorderrande des 
Sterno-eleido-mastoideus, wo er sehnig unterbrochen ist, in die Tiefe 
ein. Er gelangt zur Außenfläche des Stylo-pharyngeus und schiebt 
sich dann zwischen Constrietor pharyngis superior et medius ein. 
Bedeckt vom Constrietor pharyngis medius verschmilzt er mit den 
Elementen des Constrietor pharyngeus inferior an dessen Dorsal- 
wand. Einige Bündel kreuzen sich sogar mit denen des Partners 
und des anderseitigen Constrietor pharyngis inferior. 


Der auf Fig. 2 abgebildete Befund gleicht dem von West be- 
schriebenen durch den Übergang des ganzen Muskels in die Wand 
des Sehlundkopfes.. Hierdurch ist jegliche innere Beziehung zum 
hinteren Biventer-Abschnitte aufgehoben. Der Muskel gehört einem 
weiter caudal gelegenen Segmente an. West fand den rechtsseitigen 
Muskel desselben Objektes gleich geordnet, nur schwächer entwickelt. 


BovErRO? berichtet ebenfalls von einem von der Nackengegend 
ausgehenden und zum Stylo-pharyngeus und Constrietor superior 
pharyngis übergehenden Muskel. Derselbe wird also dem 3. Schlund- 
bogen zugehört haben müssen. 


JOHN ÜCURNow> beschreibt als einen Oceipito-hyoideus, als 
eine Abweichung des Digastrieus, einen von der oberflächlichen 
Fascie des Splenius capitis ausgehenden Muskel, welcher, vom 
Platysma bedeckt, den Sterno-cleido-mastoideus kreuzt, um dann 
zwischen Hyoid und der Scheide der Carotis sich zu verlieren. 
In einem andern Falle ging ein Muskelstreifen an der Grenze von 
Bauch und Ursprungssehne des Digastrieus aus, verlief caudal- 
medianwärts über die Mm. styloidei und den Constrietor pharyngeus 
medius und verschmolz mit dem oberen Rande des Constr. phar. 
inferior, lateral vom Sehildknorpel. 


Läßt sich der 1. Fall Curnows nur schwer beurteilen, so ist 
der 2. durch den Verband mit der Schlundkopf-Muskulatur wohl in 
die Reihe 5b einzuordnen. 


' A Peeuliar Digastrie Muscle. A Variety of the Oceipito-Hyoid. Journal 
of Anatomy and Physiology. Vol. VIII. 1874. pag. 150-151. 
* Monitore zoologico ital. 1895. p. 6. 


® Notes on some Museular Irregularities. Journ. of Anat. and Phys. 
Vol. VII. 1874 pag. 379, 


Verbindungen d. Platysma mit der tiefen Muskulatur d. Halses beim Menschen. 723 


ec) Facialis und Glosso-pharyngeus-Gebiet. Die von 
M. FrescH! und Le Dousre beobachteten Fälle verraten eine Doppel- 
natur bezüglich ihrer Zusammensetzung dadurch, daß die am Nacken 
entstehenden Muskeln sowohl zur Zwischensehne des Biventer man- 
dibulae als auch zum Constrietor pharyngis superior et medius ge- 
langen. Le DougLE hat einen Ast des Facialis zum Muskel ver- 
folgen können. Wenn ein Glosso-pharyngeus in der Tat gefehlt 
hat, so muß eine Ausdehnung des Muskels in das Gebiet des 
3. Schlundbogens angenommen werden. Nachträglich kann darüber 
nicht entschieden werden. 


Der von FrescH beobachtete Muskel ging vom Oceipitale in 
der Nähe des Trapezius-Ursprunges aus. Aus einer 3 em langen 
Sehne setzte sich erst ein 4mm breites Muskelband fort, welches 
in einen vorderen und einen hinteren Zipfel sich teilte. Der hintere 
pharyngeale lagerte dorsal von den Ästen der Carotis externa, was 
auch in den Prrrınschen Fällen ausgesprochen war (vgl. Fig. 9). 


Der Muskel war ein Oceipito-hyoideo-pharyngeus. 


Die Beurteilung der verschiedenen Varietäten als solche des 
hinteren Bauches des Biventer mandibulae, wozu sie WEST, ÜURNOW, 
LE DougLe zählen, ist zu eng gefaßt. Auch als Bildungen des 
Stylo-hyoideus, wofür sie PERRIN hält, können sie nach unsern 
Ausführungen nicht mehr gedeutet werden. Auch durch HumpHry, 
welcher die Varietäten sowohl dem Stylo-hyoideus als auch dem 
Digastrieus zuspricht, ist die Frage nach deren Herkunft und Be- 
deutung nicht endgültig beantwortet worden. 


Die menschlichen Varietäten, welche als eng zusammengehörig 
hier behandelt worden sind, lassen sich in ihrem morphologischen 
Verhalten ohne weiteres verstehen, sobald man sie auf einen Üon- 
strietor arcuum visceralium der Haie und auf die Umwandlungen 
bezieht, welchen ein solch primitiver Schlundbogen-Muskel bei 
Amphibien und höheren Vertebraten unterworfen gewesen ist. Sie 
können sich dann als Abweichungen des Biventer mandibulae, des 
Stylo-hyoideus oder der Pharynx-Muskulatur manifestieren. Soweit 
sie einen oberflächlichen Nackenursprung bewahrt haben, können sie 
aber auch zu Sonderzuständen des Platysma werden. Wozu man sie 


1 Varitäten-Beobachtungen. Würzburger Verhandlungen, aus dem Präpa- 
riersaale zu Würzburg. Neue Folge. XII. 1879. 


2 British Med. Journ. June. T.I. p. 69. 1873. 


724 Georg Ruge, Verbindungen des Platysma mit der Muskulatur usw. 


im Einzelfalle rechnen solle, hängt von den hervorstechenden Eigen- 
schaften des Befundes ab. In den Fällen der Fig. 1 und 2 traten 
die Einordnungen der Nackenbündel in die des Platysma in den 
Vordergrund. Dieser Umstand rechtfertigt es, die Varietäten dem 
letzteren zuzuzählen. Man kann sie mit gutem Rechte aber auch 
zu denen des hinteren Biventerteiles und der Pharynx-Muskulatur 


stellen. 


GEGENBAURS 


RPrOLO ISCHES JAHRBUCH 


EINE ZEITSCHRIFT 


ANKTOMIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


GEORG RUGE 


PROFESSOR IN ZÜRICH 


EINUNDVIERZIGSTER BAND 
ERSTES UND ZWEITES HEFT 


MIT 119 FIGUREN IM TEXT UND 4 TAFELN 


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LEIPZIG 


| VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 


Se, & Ausgegeben am 17. Mai 1910 


Inhalt 


S 
nzen der Pleura-Säcke der Affen und des Menschen. (Mit } 
uren im Text h 
li, Beobachtungen über d. 18 Relief dr Eile AeN Hirn- 
venen am Schädel, über die Venae eerebri und die Pacchionischen 


Granulationen bei den Primaten. (Mit 16 Figuren im Text und Tafel D 110° 


Erna Glaesmer, Die Beugemuskeln am Unterschenkel nnd Fuß bei den 
Marsupialia, Inseetivora, Edentata, Prosimiae und Simiae. (Mit 36 Fi- 
euren im Text und Tafel I—IV) . . : ... 0% 2.02 53% . 149 

Georg Barye‘ Neue Mitteilungen über die Stern: ulis- Frage, (Mit 1 For im 
EN Nee 2 RE Te ARE ee 


Mitteilung. 
Beiträge für das Morphologische Jahrbuch bitten wir an Herrn 
Prof. Georg Ruge in Zürich-Oberstraß einzusenden. Im In- 


teresse einer raschen und sichern V eröffentlichung liegt es, daß die. 


Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden: da mit nachträß- 
lichen Einschaltungen und ausgedehnten Abänderungen während der 
Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. 


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Raum des im Morph. Jahrbuch üblichen Tafelformates nicht über- 
schritten wird. Als Textfiguren bestimmte Zeichnungen sind auf 
Aranndoren Blättern beizulegen. 


“ MDie Herren Mitarbeiter des »Mor holen J ahrBuähne erhalten | 
von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Sonderabdrücke unbe- 


rechnet, eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der 
Herstellungskosten. 
Der Herausgeber Die Verlagsbuchhandlung 
Georg Ruge. . Wilhelm Engelmann. 


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1° MÖRPHOLOGISCHES JAHRBUCH | 
25 | 
| EINE ZEITSCHRIFT 
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| | | | GEORG RUGE 


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MIT 94 FIGUREN IM TEXT UND 5 TAFELN 


gg 


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o der Beuteltiere. {Mit 52 Figuren im Text und Tafel V u. VI) 347 
Brock, Eutwieklung und Bau des. Urogenital- Apparates der 
tler und dessen Verhältnis zu diesen Organen’andrer Säuger und 

ıiederer Wirbeltiere. (Mit 7 Figuren im Text und Tafel VII) .: ... 437 
schmann:; Die Kopfregion der Amnioten. Morphogenetische Studien. 


5. Fortsetsunf) v. 2 N BT A a ee 1 A 469 
Karl Thäter, Das Munddach der Schlangen und Schildkröten. 
Mit 35 Figuren im Text und Tafel VIII und IX) . . . 471 
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rechnet, eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der 
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Zweiter Teil: Stammesgeschichte oder Phylogenie 
Mit 30 Tafeln, 512 Textfiguren und 60 genetischen Tabellen - 
In zwei Loinenbänden .# 20,—; In zwei Halbfranzbänden .4 4.— 


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NORPHOLOGISCHES JAHRBUCH 


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Ä EINE ZEITSCHRIFT 


ANATOMIE IND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE | 


HERAUSGEGEBEN 


voN 


GEORG RUGE | 


PROFESSOR IN ZÜRICH 


EINUNDVIERZIGSTER BAND 
VIERTES HEFT 


MIT 112 FIGUREN IM TEXT UND 5 TAFELN „_ 


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LEIPZIG 
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 


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Rn gi: Sir PR Ausneneben am 11. Oktober 1910 


Inhalt 


‚„°, Ein Rest des Haut-Rumpf-Muskels in der Achselgegend Fe: 
Menschen — »Achselbogen«. Mit 2 Figuren im Text ......, 519 

sehli, Über die Beteiligung des Museulus latissimus dorsi an Achsel- 
borenbildungen beim Menschen. Mit 8 Figuren im Text. ..... 539 

P. Frets, Etudes sur les varietes de la eolonne verttbrale. Avec 4 Fi- 
eures dans le texte et Planche X et XI... ... va rc. 2a.» 558 

W. Felix, Zur E ntwicklungsgeschiechte der Rumpfarterien ‘des menschlichen 
Embryo. Mit 22 Figuren im Text‘. . x zug sv m, 577 

A. Fleischmann, Die Kopfregion der Amnioten. Morphogenetische Studien. 
8. Kortsetzung) -.-,...2. 0. RE ee ee 615 


E. H. Pohlmann, Die embryonale Metamorphose der Physiog- 
nomie und der Mundhöhle des Katzenkopfes. Mit 40 Fi- 


guren im Text und Tafel XII—XIV ......... 617 
: A. Fleischmann, Über den Begriff »Gaumen«. Kritische Be- 
trachtungen. Mit 27 Figuren im Text. ........ 681 
Georg Ruge, Verbindungen des Platysma mit der tiefen Maskulatay: des 
Halses beim Menschen. Mit 9 Figüren 3m Toxt).. 7.7.5, Sa 708 
Mitteilung. 


Beiträge für das Morphologische Jahrbuch bitten wir an Herrn 
Prof. Georg Ruge in Zürich-Oberstraß einzusenden. Im In- 
teresse einer raschen und sichern Veröffentlichung liegt es, daß die 
Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträg- 
lichen Einschaltungen und ausgedehnten Abänderungen während der 
Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. 
Bei der Disponierung der Zeichnungen ist darauf zu achten, daß der 
Raum des im Morph. Jahrbuch üblichen Tafelformates .nicht über- 
schritten wird. Als Textfiguren bestimmte Zeichnungen sind auf 
besonderen Blättern beizulegen. 


Die Herren Mitarbeiter des »Morphologischen Jahrbuchs« erhalten 
von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Sonderabdrücke unbe- 


rechnet, eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der 
Herstellungskosten. Auf besonderen Wunsch werden die Ve 


vor Erscheinen des betr. Heftes abgegeben. 


Der Herausgeber Die Verlagsbuchhandlung 
Georg Ruge. Wilhelm ERUCRERAN: 


: VERLAG VON WILHELM ENGELMANN IN LEIPZIG : 2 


Wichtige Preisherabsetzung 4 


Lehrbuch der Zoologie 


von 
Dr. Alexander Goette 
ord. Professor der Zoologie an der Universität Straßburg i.E. 
Mit 512 Abbildungen im Text. 32 Bogen gr.8 
Geheftet statt # 12—. #9; gebunden split, A 13. 2 10, 


: VERLAG VON WILHELM ENGELMANN IN LEIPZIG :: 


Archiv für Zellforschung 


Unter Mitwirkung 
namhafter Gelehrter des In- und Auslandes 


herausgegeben von 


Dr. Richard Goldschmidt 


Professor an der Universität München 


Fünfter Band, 1. Heft 


Inhalt: 


Kristine Bonnevie, Über die Rolle der Centralspindel während der indirekten 
 Zellteilung. (Mit 4 Fig. im Text u. Taf. I-IIL) — Hermann Matscheck, Über 
Eireifung und Eiablage bei Copepoden. (Mit 30 Fig. im Text u. Taf. IV— VIII.) 
— Thos H. Montgomery, jr., On the Dimegalous Sperm and Chromosomal 
Variation of Euschistus, with Reference to Chromosomal Continuity. (With 
1 figure in the text and plates IX and X.) — Al Mräzek, Degenerationserschei- 
nungen an Muskelzellen der Annulaten. (Mit 1 Fig. im Text.) — Katharine 
Foot and E. €. Strobell, Pseudo-Reduction in the Oögenesis of Allolobophora 
foetida. (With 1 ER, in the text and plates XI and XII) — Referate: 
Sr E. Meirowsky, Über den Uysprung des melanotischen Pigments der Haut und 
des Auges. /(Hueck.) — Mich. F. Guyer, The Spermatogenesis of the Domestic 
| Guinea (Numida meleagris dom.) (P. Buchner.) — Mich.’F. @uyer, The Spermato- 
genesis of the Domestie Chicken (Gallus gallus dom.) (P. Buchner.) — Vietor 
Gregoire, La r&eduction dans le Zoogonus mirus Lss. et le >»Primärtypus«e. /P. 
Buchner.) — F« A. Janssens et J. Willems, Spermatogenese dans les batraciens. 
(P. Buchner.) — Willy Deton, L’ötape synaptique dans l’ovogenese du Thysano- 
zoon Brochii. (P. Buchner.) — Paul Debaisieux, Les debuts de l’ovogenese 
dans le Dytiscus marginalis. (P. Buchner.) — (C. Golgi, Sur une fine partieu- 
larit& de structure de l’epithelium de la muqueuse gastrique et intestinale de 
quelques vertöbres. /P. Buchner.) — P. Morawitz, Über Oxydationsprozesse 
im Blut. /Strokl.) 


SIE Bogen 8. Geheftet .# 16.— 


Ser Fünfter Band, 2. Heft 


Inhalt: > 


 Achille Russo, Sui mutamenti che subiscono i mitocondri ed i materiali deuto- 
- plasmiei dell’ ooeite di Coniglia in diversi periodi di inanizione. (Con 3 Figure 
nel testo e Tavola XIII.) — Leopoldo .Granata, Le cinesi spermatogenetiche 
di Pamphagus marmoratus (Burm.) (Con una figura nel testo e le tavole XIV— 
 -.XVL) — Paul Buchner, Von den Beziehungen zwischen Centriol und Bukett- 

stadium. (Mit 23 Figuren im Text.) — J. F. Me Clendon, Further studies on the 
er ‚Gametogenesis of Pandarus sinuatus, Say. (With 1 Figure in the text and 


-  eellulare dei lipoidi. (Con Tavole XVIII—-XX. 
; 11 Bogen 8. Geheftet .4 20.— 


are XVIl) — €. Ciaceio, Contributo alla distribuzione ed alla fisio-pathologia FR , 


ROTE 
wur MR Ja 


VERLAG VON WILHELM ENGELMANN IN LRIPz 


So erschienen: 


Nat: Geist- Technik 


Ausgewählte Reden, Vorträge und Essays 
von 
Julius Wiesner 


Mit 7 Textfiguren 
171/, Bogen 8. Geh. .# 11.40; in Leinen geb. .# 12.60 7 


Anthropogenie Be 

oder > 3 e 2 
Entwickelungsgeschichte des Menschen 
Keimes- und Stammesgeschichte ’ > 

Ernst Haeckel 


Sechste verbesserte Auflage 


- Zwei Teile 
Erster Teil: Keimesgeschichte oder Ontogenice 
Zweiter Teil: Stammesgeschichte oder Phylogenie 
Mit 30 Tafeln, 512 Textfiguren und 60 genetischen Tabellen 
In zwei Leinenbänden „4 20.—; In zwei Halbfranzbänden # 24.— 


In Kürze erscheint: 


Prinzipien der rationellen® 


Fi 


vergleichenden Embryolog ; 


von HR Er 


Eugen Schultz 


Privatdozent der Universität st. Petersburg. i EEE j 


Yıas 


16 Bogen. 8. Geh. # 4.—; in Lolusn 8 'b Pr 


R Daick ; von n Breitkopf & t & Hürtel in hie "N 


VERLAG von WILHELM ENGELMANN in LEIPZIG 
Die 
Siüßwasserfische 


von 


Mittel-Europa 


herausgegeben von 


WILHELM GROTE (f), Barmen 


bearbeitet von 


Professor Dr. CARL VOGT (f), Genf 
Prof. Dr. BRUNO HOFER, München 


Zwei Bände Preis M. 300.— 


Fr. vorliegende, seit 2 Jahrzehnten in Arbeit befindliche Werk, welches auf streng fachwissen- 

schaftlicher Forschung beruht, ist nicht nur für alle Interessenten der Fischerei, den wirt- 

schaftlichen und praktischen Fischzüchter, sondern auch für den speziellen Fischkenner und 

Zoologen bestimmt. Der Inhalt besteht aus zwei Teilen: 

Teil Iz Beschreibender Text (Format 22x28 cm) von (XXIV)+558 Seiten mit 292 Ab- 
bildungen, enthaltend Anatomie, Biologie, Schutz, Vermehrung und Zucht der Fische, Fisch- 
krankheiten, Systematik und Lebensgewohnheiten der einzelnen Fische und die aus dem 
Ausland eingeführten Fische. 

Teilll gibt in einem Atlas (Format 33 x 50 cm) auf 31 Tafeln 152 Fische, die in natürlichen 
Farben chromolithographisch von Werner & Winter meisterhaft dargestellt sind. 


e: Zwei Vorträge 


zur 


_ NATURPHILOSOPHIE 


von 


Dr. Hans Driesch 
Heidelberg 


I. Die logische Rechtfertigung der Lehre von der 
Eigengesetzlichkeit des Belebten 


II. Über Aufgabe und Begriff der Naturphilosophie 


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- quelques observations sur le developpement des fibres museulaires strides. #E 
 (Avec 10 figures dans le texte et planches XXVII—XXX.) — Max Dingler, 
Über die Spermatogenese des Dierocoelium lanceatum Stil. et Hass. (Disto- (9% 


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 — Thos H. Montgomery, jr., On the Dimegalous Sperm and Chromosomalı 
Variation of Euschistus, with Reference to Chromosomal Continuity. (With 


VERLAG von WILHELM ENGELMANN IN LEIPZIG Be, 


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Unter Mitwirkung 5 
namhafter Gelehrter des In- und Auslandes : 
herausgegeben von Ba 
Dr. Richard Goldschmidt Br: 
Professor an der Universität München n : ER: 


Vierter Band, 4. Heft 


Inhalt: rn Er. 


Stanislaw Maziarski, Sur les changements morphologiques de la structure nuc- 
löaire dans les cellules glandulaires. Contribution & l’&tude du noyau cellulaire.» 
(Avee planches XXIV— XXVIL) — J. Duesberg, Les chondriosomes des cellu- wi 
les embryonnaires du poulet, et leur röle dans la genese des,myofibrilles, ve 


mum lanceolatum.) (Mit 4 Fig. im Text u. Taf. XXXI—XXXIV.) 
: x 17 Bogen 8. Geheftet „#4 24.— 


Fünfter Band, 1. Heft 
Inhalt: 


Kristine Bonnevie, Über die Rolle der Centralspindel während der indirekte 
Zellteilung. (Mit 4 Fig. im Text u. Taf. I-Ill.) — Hermann Matscheck, Über 
Eireifung und Eiablage bei Copepoden. (Mit 30 Fig. im Text u. Taf. IV—VIL) 


1 figure in the text and plates IX and X.) — Al Mräzek, Degenerationserschei- - 
nungen an Muskelzellen der Annulaten. (Mit 1 Fig. im Text.) — Katharine 
Foot and E. 0. Strobell, Pseudo-Reduction in the Oögenesis of Allolobophorn R 
foetida. (With 1 figure in the text and plates XI and xIL) Referate 
E. Meirowsky, Über den Ursprung des melanotischen Pigments der Haut und 
des Auges. (Hueck.) — Mich. F. Guyer, The: ‚Spermatogenesis of the Dome: 
Guinea | Hunde meleag Zar dom. ) (P. Buchner.) — Mich. F. Guyer, The: ‚Sperm: 


etenire, La enekon dans le Zoogonus mirus Les. et le »Primärtypus FRr 


Buchner | —- Y, A. Janssens et J. Willems, Spermatogenöse dans les Due racien: 
(P. Buchner.) — Willy Deton, L'‘tape synaptique dans lovogenöse. du’ 
zoon Brochii. (P. Buchner) — Paul Debaisienx, Les. döbuts de l’o 
dans le Dytiseus inoreinalis. /P. Buchner.) — C. Golgi, Sur une ap 
larit& de structure de Depithl Iium de la muquense gastrique et inte 
yuelques vertcbres. (7. Buchner.) — P. Morawitz, Über. Oxydati 
im Blut. /Strohl.) ZT Sa 
11 Bogen 8. Geheftet 4 16 Kur? 
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Eirchiv für  Teliforschuna 


Unter Mitwirkung 
namhafter Gelehrter des In- und Auslandes 


herausgegeben von 


/ Dr. Richard Goldschmidt 


“ Professor an der Universität München 


Vierter Band, 1. Heft 


Inhalt: 


Methodi Popoff, Experimentelle Zellstudien. III. Über einige Ursachen der 
physiologischen Depression der Zelle. (Mit 3 Fig. im Text u. Taf. I—-IL) — 


= Wilhelm Fries, Die Entwicklung der Chromosomen im Ei von Branchipus Grub. 
N und der parthenogenetischen Generationen von Artemia salina. (Mit Taf. III—V.) 
— R. Goldschmidt, Das Skelett der Muskelzelle von Ascaris nebst Bemer- ’ 


kungen über den ER der Metazoenzelle. (Mit 3 Fig. im Text und 
Taf. VI-X,) — Alice M. Boring, A small chromosome in Ascaris megalocephala. 
(With plate X) — Th. Boveri, Über »Geschlechtschromosomen« bei Nematoden. 
(Mit 2 Fig. im Text.) — Theodor Moroff, Entwicklung der Nesselzellen bei Ane- 
-  monia. (Ein Beitrag zur Physiologie des Zellkerng). (Mit 57 Fig. im Text.) 


10 Bogen 8. Geheftet .# 13.— j R 


Vierter Band, 2. u. 3. Heft Pe 
| Inhalt: ‘} ng 
Max Jörgensen, Beiträge zur Kenntnis der Eibildung, Reifung, Befruchtung 
‚ und Furchung bei Schwämmen (Syconen). (Mit 1 Fig. im Text u. Taf. XI-XV.) 2% 
— H.E. Jordan, A cytological study of the egg of Cumingia with speeil 
reference to the history of the chromosomes and the centrosome. (With pl 
tes XVI-XVIL) — M. v. Derschau, Zur Frage eines Makronucleus der Pflanzen- Br x 
 zelle. (Mit 8 Fig. im Text.) — Julius Schaxel, Die Morphologie des Eiwachstums 
und der Follikelbildungen bei den Ascidien. Ein Beitrag zur Frage der Chro- # 


er 


Ben! bei Metazoen. (Mit 1 Fig. im Text u. Taf. XIX— je = Hubert 
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19 Bogen 8. Geheflet 0 20.— B 2 


Vierter Band, 4. Heft ”.. ee. 
£ Inhalt: A rele 
"atahiekaw Maziarski, Sur les changements morphologiques de la ee nuc- oe 
 leaire dans les cellules glandulaires. Contribution & P’ötude du noyau cellulaire. B 

(Aveo planches XXIV—XXVIL) — J. Duesberg, Les ehondriosomes des cellu- 78, 
les embryonnaires du poulet, et leur röle dans la genese des myofibrilles, avee & . 
juelques observations sur le developpement des fibres museulaires strides, IN; 


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er die Spermatogenese' des Dierocoelium lanceatum® Stil. et Hass. (Disto- 
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VERT.AG von WILHELM ENGELMANN in LEIPZIG 


vl, Band. IV. Jahre. (1910). Nr. XIV-2 


“SCIENTIAT” 


Internationale Zeitschrift f, wissenschaftliche Synthese 


Inhalt: 

E. Mach, Die Leitgedanken meiner naturwissenchaftlichen Erkenntnislehre 
und ihre Aufnahme durch die Zeitgenossen. — (Les idtes directrices 
de ma thöorie de la connaissance dans les sciences naturelles et 
l’accueil qw'elles ont recu des eontemporains). 

A. C.D. Crommelin, The origin and nature of comets. — (Origine et 
nature des cometes'. 

E. W. Maunder, The «Canals» of Mars. — (Les «Canaux> de Mars). 

H. Bouasse, Döveloppement historique des theories de la plhıysique. 

P. Lebedew, Die Druckkräfte des Lichtes. — (Les forces de pression 
de la lumiere). 

G. Galeotti, La dottrina degli antiecorpi. — (L’ tat de nos connais- 
sances sur les anticorps). 


R. Semon, Die physiologischen Grundlagen der organischen Reproduk- 
tionsphaenomene. — "(Les fondements physiologiques de phenomenes 
organiques de reproduetion). 


C. Emery, Il polimorfismo e la fondazione delle societä negli insetti 
soeiali. — (Le polymorphisme et la fondation des soeiöt&s chez les 
inseetes sociaux). 


M. Hoernes, Die körperlichen Grundlagen der Köullarentwieklüns: — (Les 
bases structurales du d&veloppement intelleetuel). 


-F. Enriques, La filosofia positiva e la classificazione delle seienze. — 
(La philosophie positive et la classification des sciences). 


Referate: F. MExrri, Cournot et lä renaissance du probabilisme r. 
Boutroux) — G. HzssemBErG. K. KAISER, L. NELSON, Abhandlungen 
der Fries’schen Schule (E. De Michelis) — Atti del IV Congresso 
internazionale dei Matematiei (A. F.) — A. Rıcaı. La materia radi- $ 
ante ei raggi magnetici (L. Amaduzzii) — H. Driescn. The seience : 
and philosophy of the organism (E. 8. Russell — R. M. YERKES, u 
The daneing mouse; a study in animal behavior (6. Bohn) — E. je. 
MEUMANN, Intelligenz und Wille (A. Rey) — M. Hoerxes, Natur und 
Urgesehichte des Menschen (V Ginffrida-Ruggeri) — F. Zizer. Die 


statistischen Mittelwerte; eine methodologische Untersuchung (C. Bres- | > 
eiani-Turronii — G. Brot, A. CROISET, W. MoxoD, ete., Morales 1 u 
et religions (%&. Chatterton-Hill). a 
Physische Rundschau: Ch. Fabry (Les donndes numeriques de la spee- % 
. troscopie). y ri 
Rechtliche Rundschau: P. Bonfante (I.es nouvelles ötudes du droit ro- P 


main en Allemagne). 3 
Geschichtliche Rundschau: 6. Boargin (Les &tudes recentes dhistoire AK 


religieuse). 
Revue der Zeitschriften. — Chronik. 
BOLOGNA. 
NICOLA ZANICHELLI 
LONDON PARIS LEIPZIG 
WILLIAMS AND NORGATE FELIX ALCAN WILHELM ENGELMANN 


Direktion: Milano, Vin 4 Aurelio. 0 Satl, IB... 


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. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig 


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Gegensbaurs Morphologisches 


Jahrbuch 


vol. 441 1910 59.06(43)N2 


INN 
100130368