Natural History Museum Library
BAND VIII
HEFT 3/4
GEOLOGISCHE RUNDSCHAU
ZEITSCHRIFT FUR ALLGEMEINE GEOLOGIE
HERAUSGEGEBEN YON DEE
GEOLOGISOHEN
VEREINIGIJNG
UNTER DER SCHRIFTLEITUNG YON
G. STEINMANN
(BONN)
W. SALOMON O. WILCKENS
(HEIDELBERG) (STRASSBURG i. E.)
ERSCHEINT JAHRLICH IN 8 HEFTEN YON JE 4-5 BOGEN
BEZUGSPREIS M. 12.—. EINZELHEFTE M. 2.-
Ausgegeben am
LEIPZIG
YERLAG YON WILHELM ENGELMANN
1917
J
INHALT
Seite
I. Aufsatze und Mitteilungen:
Hans Stille, Injektivfaltung and damit zusammenhangende
Erscheinungen. (Mit 15 Figuren im Text) . 89
II. Besprechungen:
Die Geologie von Neuseeland. (Otto Wilckens) . 143
III. Geologischer Unterricht :
Yerzeichnis der geologischen Yorlesungen an den deutschen Hoch-
schulen im Sominersemester 1917 . 162
IY. Bucher- und Zeitschriftenschau:
Jakresberichte und Mitteilungen des Oberrheinischen geologischen
Vereins. Bd. YI, Heft 2 . 165
Sapper, Katalog der geschichtlichen Yulkanausbriiche . 165
Mintrop, Einflihrung in die Markscheidekunst . 166
J. Park, A Textbook of Geology . 166
Geologische Karte von PreuBen. Lief. 212. Bl. Marburg und Nieder-
walgern . . . 166
V. Geologische Vereinigung:
Bericht iiber die Hauptversammlung in Frankfurt a. M. am 6. Ja-
nuar 1917 168
Die Fachg enossen und Verleger werden gebeten,
Bucher und Sonderabzuge zum ZivecU der Besprechung
an den Verleger der Bundschau , Wilhelm Engelmann ,
Leipzig , Mittelstrafie 2 zu senden . JEbendahin sind
auch Beschwerden iiber niclit zugegangene JEEefte der
Zeitschrift zu richten.
Znsendungen an die Schriftleitnng •
An den Scliriftleiter Professor G* Steinmann , Bonn , Poppelsdorfer Allee 98
sind zu senden:
1. Aufsatze und kleinere Mitteilungen, Notizen usw.
2. Besprechungen aus den Gebieten: Tektonik, Niveauschwankungen,
Morphologie, Erosion, Glazialgeologie, Sedimentbildung, Erdol, Kohlen,
usw. Geologischer Unterricht.
An den Scliriftleiter Professor W . Salomon , Heidelberg:
Besprechungen aus den Gebieten: Chemische Geologie, Petrographie,
Salzlagerstatten , Metamorphosen, Erzgangbildung , Prakambrium, Erd-
inneres, Yulkanismus, Erdbeben, Geologie anderer Weltkorper, Tech-
nische Geologie.
An den Scliriftleiter Professor O. Wilckens , StraJSburg i, E»f Ruprechts-
auer Allee 22 :
Besprechungen aus den Gebieten: Stratigraphie, Regionale Geologie.
Die Yerfasser von Auf satzen und Mitteilungen erhalten 100 Sonderdrucke
unentgeltlich, weitere gegen Erstattung der Herstellungskosten. Zusammen-
fassende Besprechungen werden mit 60 JS, Einzelreferate und kleinere
Mitteilungen mit 40 Jl fiir den Bogen bezahlt. Yon den Besprechungen
werden 50 Sonderdrucke unentgeltlich, weitere gegen Erstattung der Herstellungs¬
kosten geliefert.
Die Kosten fiir Satzverbesserungen, die das iibliche MaB iiber-
schreiten, fallen den Yerfassern zur Last.
Uber die Beigabe von Abbildungen ist vorherige Yerstiindigung mit der
Schriftleitung erforderlich.
In der Niederschrift sind zu bezeichnen:
Yerfassernamen — — — (Majuskel), Yersteinerungsnamen - (kursiv),
wichtige Dinge - (gesperrt), llberschriften ===== (fett).
I. Aufsatze und Mitteilungen.
Injektivfaltung und damit zusammenhangende
Erscheinungen.
Yon Hans Still© (Gottingen).1)
(Mit 15 Figuren im Text.)
Inhalt. Seite
Einleitung: Die Begriffe »Injektivfaltung« und »Faltungsinjektion(t .... 90
I. Die drei Haupttypen der saxonischen Faltung . 92
1. Schilderung der Typen . . 92
a) Der niederhessische Faltungstypus (dejektive Faltung) .... 92
b) Der nordhannoversche Faltungstypus (ejektive Faltung) .... 94
c) Der siidhannoversche Faltungstypus (kongruente Faltung) ... 95
2. Die Verkniipfung der Typen saxonischer Tektonik . 96
a) Raumliche Verkniipfung . 96
b) Verkniipfung durch Mittelformen . 96
3. Hessische » Graben (' und nordhannoversche »Horste« als Teile von
Fatten . 98
IT. Vorbe merkungen zur Erklarung injektiver Faltungen . . . 101
1. Die Faktoren Mobilitat und Position beim Zustandekommen einer
Faltung . 101
a) Der Faktor Mobilitat (Gefiigigkeit gegen den orogenetisehen Druck) 101
b) Der Faktor Position (Erreichbarkeit fiir den orogenetisehen Druck) 107
c) Selektive Faltung nach Mobilitat und Position . 108
2. Faltung und Faltungsarbeit . 109
III. Erklarung der kongruenten und injektiven saxonischen
Faltung . 112
1. Das Untergrundbild bei Eintritt der saxonischen Faltung .... 112
2. Selektive saxonische Faltung . 114
3. Inkongruente Faltung infolge von ungleichmaBiger Druckwirkung . 116
a) Dejektive Faltung bei starrerer Tiefe . 117
b) Ejektive Faltung bei mobilerer Tiefe . 119
4. Kongruente Faltung bei gleichmaBigerer Druckwirkung . 125
5. Zusammenfassung . 126
IV. Injektive Salzfaltung und Salzaufstieg . 130
1. Injektive Salzfaltung und Mobilitat . 130
2. Isostatischer Auf trieb des spezifisch leichten Salzes nach Arrhenius -
Lachmann . 134
3. Salzinjektion in Spalten . 135
4. Terminologisches . 135
V. Zur Systematik der Horste und Graben . 136
1. Begriff Horst und Graben. Haupteinteilung . .136
2. Undulationshorste und Undulationsgraben . 137
1) Vorgetragen auf der Hauptversammlung in Frankfurt a. M. am 6. Jan 1917.
Geologische Rundschau. VIII. 7
90 I. Aufsatze und Mitteilungen.
Seite
3. Undationshorste und Undationsgraben . 138
4. Unterscheidung von Horsten und Graben undatorischer und undula-
torischer Entstehung . 140
5. Hebung und Senkung bei der Entstehung der Horste und Graben . 141
Textfiguren.
Eig. 1. Schematisches Bild eines hessischen Grabens (dejektive Faltung) . 93
Fig. 2. Schematisches Bild eines nordhannoverschen Horstes (ejektive
Faltung) . 94
Fig. 3. Schematisches Bild einer Falte von sudhannoverschem Typus (kon- .
gruente Bruchf altung ) . 95
Fig. 4. Der raumliche Zusammenhang zwischen den Haupttypen saxo-
nischer Faltung . 97
Fig. 5. Reihenfolge der Haupttypen saxonischer Faltung von S. nach N.,
veranschaulicht in einem schematischen Profile . 98
Fig. 6. Profilreihe durch einen niederhessischen Graben . 99
Fig. 7. Die drei Haupttypen saxonischer Tektonik unter Vernachlassigung
der Verwerf ungen . . 100
Fig. 8. Formen der Einpassung auf engeren Raum. . . Ill
Fig . 9. Untergrund und Faltungsf orm bei der saxonischen Gebirgsbildung . . 113
Fig. 10. Gesteinsmobilitat und Faltungsform . . . . „ 122
Fig. 11. Ungleiche Hochbewegung von Hangendem und Liegendem bei un-
gleichmaBiger Einengung . 124
Fig. 12. Schematische Veranschaulichung der Injektion komprimablerer
Massen in Zonen geringerer Kompression . 127
Fig: 13. Inkongruente Faltung und Faltungswiderstande . 128
Fig. 14. Injektion und Gegenbewegung (Reaktion) bei inkongruenter Faltung 129
Fig. 15. Schmale (undulatorische) »Schollengraben« in einem weiten (unda-
torischen) ^Beckengraben « 141
Einleitung:
Die Begriffe »IujektiYfaltung« und >Faltungsinjektion <.
Unter »injektiver Faltung « verstelie ich eine Faltung unter ge-
steigertem Yortriebe einzelner Faltenelemente. Der Vortrieb kann ins
Liegende, Hangende oder Nebengebirge gericbtet sein; erfolgt er
ins Liegende, so spreche ich von dejektiver (dejektiv = abwartig
injektiv), erfolgt er ins Hangende, von ejektiver (ejektiv = auf-
wartig injektiv) Faltung. Eine »Faltungs injektion « (Injektion
durch Faltung) ist ein Eintrieb von Gesteinsmaterial in benachbartes
Gebirge durch den episodischen orogenetischen Druck (Faltungsdruck).
Die Begriffe winjektive Faltung « und ))Faltungsinjektion« decken sich
nicht ganz, wenigstens solange man die Moglichkeit offen laBt, daB
unter bestimmten Yerhaltnissen auch vulkanischer Glutbrei durch tek-
tonischen Druck vorgetrieben werden kann (tektoniscke Injektion vul-
kanischen Materiales neben derjenigen nichtvulkanischen). Dazu ist
injektive Faltung das Gesamtphanomen einer Faltung, die hinsicht-
lich einzelner Faltenelemente injektiv verfahrt, die »Faltungsinjektion«
dagegen der spezielle Yortrieb des einzelnen Faltenelemente s.
H. Stille — Injektivfaltung u. darnit zusammenhangende Eischeinungen. 91
Die Bezeichnung »injektive« Faltung ist ja der vulkanischen
Nomenklatur entlehnt, denn in extremen Fallen haben die resul-
tierenden Inj ektivkorper hinsichtlicli ihrer Konturen und ihrer Lage
zum Nebengebirge mancherlei Ahnlichkeit mit vulkanischen Intrusiv-
massen. So konnen z. B. die Gange, die von sehr mobilen Tonmassen
oder gar vom )>Salzbrei« gebildet werden, den Gangen von »Glutbrei«
als geologische Korper sehr ahneln, und auch die »Salzstocke« konnen
in manchen Fallen an Eruptivstocke kleinerer Ausmessung erinnern.
Aber auch hinsichtlich der wirkenden Krafte und der ganzen Art des
injektiven Vorganges scheinen Vergleichspunkte zwischen gewissen Arten
vulkanischer Injektion und dem tektonischen Vorschube einzelner unge-
wohnlich mobiler, dabei aber nichtvulkanischer Materialien zu bestehen.
Auch sonst sind in der geologischen Literatur zur Kennzeichnung
von tektonischen Erscheinungen bereits Bilder aus dem Gebiete des
Vulkanismus entlehnt worden. So sei, um nur bei den deutschen Ver-
haltnissen zu bleiben, an das )>eruptive« Rot E. Zimmermanns1) und an
E. Harborts2) Ausfiihrungen iiber das Aufsteigen der Salzmassen in
Spalten nach Art eines Magmas erinnert. Allerdings wurden, besonders
in letzterem Falle, die treibenden Krafte anders aufgefaBt, wie ich es
im folgenden tue, namlich nicht als tangential gerichtet und episodisch
wirkend, sondern als vertikal gerichtet und mehr oder weniger kon-
tinuierlich andauernd. Auch F. Rinne3) spricht von einer »Injektion«
der Salzmassen in ihr Nebengestein.
x) E. Zimmermann, Wissensch. Bericht iiber Aufnahmen auf den Blattern
Stadtilm und Plaue. Jahrb. preuB. geol. Landesanst. f. 1889. S. LIV: »Innerhalb
dieses [Storungs-jStreifens ist ein Sattel bemerkenswert, der unter den mancherlei
Formen seiner Ausbi Idling auch eine solche zeigt, wo in der Achse des Sattels
als altestes Glied Mittlerer Muschelkalk hinzieht und mitten aus cliesem eine nur
ganz kleine (800 und 200 Schritt Durchmesser zeigende) linsenformig umgrenzte
Stelle zutage tritt, gebildet vorwiegend von Mittlerem und daneben von etwas
Oberem Buntsandstein. Kartographisch ist das Bild dieses Auftretens eines tieferen
Gesteins zwischen holier gelegenem, im Kern eines Sattels, mehr ahnlich dem eines
E r u p t i v s t o c k e s , als dem eines .Horstes ! — Ich kann hier zugleich noch kurz
hervorheben, daB ich in der Fortsetzung derselben Storungszone noch an mehreren
Stellen Rot in einer Weise habe auftretend gefunden, daB das Kartenbild ganz
an das eines Eruptivgesteinsganges erinnert, welcher bald eine mit Ver-
werfung verbundene Spalte benutzt, bald eine Spalte, neben welcher keine Ver-
werfung nachweisbar ist. «
Derselbe, Uber eigenttimliche » eruptive « Formen des Auftretens von Sedi-
mentgesteinen bei Stadt 11m. Ztschr. d. deutsch. Geol. Ges. 1895, S. 615.
2) Vgl. u. a. E. Harbort, Zur Geologie der nordhannoverseken Salzhorste.
Ztschr. d. deutsch. geol. Ges. 1910, Monatsber., S. 330 und 331.
3) F. Rinne, Metamorphosen von Salzen und Silikatgesteinen. 7. Jahresber.
d. Niedersachs. geolog. Ver. 1914, S. 252ff., spez. S. 255, 264/265. — S. 255;
AVeiterhin kann es unter dem EinfluB des Hangenddruckes ebenfalls zu seitlichen
Vorschuben kommen, weim plastischem Material, etwa Salzen, die Gelegenheifc
zum AbflieBen in Zonen geringeren Widerstandes der Gesteinsschale sich dar-
bietet, in die sie dann gangformig injiziert werden. «
7*
92
I. Aufsatze und Mitteilungen.
I. Die drei Haupttypen der saxonischen Faltung.
1. Schilderung der Typen.
Aus der Fiille tektonischer Formen, zu denen die saxonische Bruch-
faltnng im mittel- nnd nordwestdeutschen Boden gefiilirt hat, treten
e n:ge Haupttypen besonders hervor, die wieder durch TTbergange in
weitestem MaBe miteinander verkniipft sind. Es ist zunachst ein mittlerer
Typus vorhanden, namlich derjenige der normalen oder, wie ich ihn hier
gleich nennen will, da in ihm die zerrissenen Sattel und Mulden einiger-
maBen kongruent entwickelt sind, der
kongruenten saxonischen Faltung.
Demgegenuber ist die
inkongruente saxonische Faltung
durch starke Verschiedenheit in der Entwicklung der Sattel und Mulden
charakterisiert. Sie erscheint in den Formen der
dejektiven saxonischen Faltung,
wenn die Muldenzonen unverhaltnismaBig tief eingesenkt sind, und der
ejektiven saxonischen Faltung,
wenn die Sattelzonen eine unverhaltnismaBig weite Vorstulpung er-
fahren haben.
Diese Typen der saxonischen Faltung trennen sich auch regional,
und nach den Hauptverbrei ungsgebieten in den niederhessisch-nieder-
sachsischen Landen unterscheide ich
1. den niederhessischen Typus (dejektive Faltung),
2. den siidhannoverscken Typus (kongruente Faltung),
3. den nordhannoverschen Typus (ejektive Fa’tung).
Der niederhessische Typus kommt am auffalligsten in den hessischen
»Grabenzonen« zum Ausdrucke; der nordhannoversche Typus hat seine
Hauptverbreitung im mittleren und nordlichen Hannover, im Gebiete
der »Horste«, d. h. der hochaufgepreBten Sattelkerne. Dazwischen
liegt im Randgebiete des N’ederdeutschen Beckens das Gebiet der kon¬
gruenten Bruchfaltung (slidhannoverscher Typus).
a) Der niederhessische Faltungst ypus (dejektive Faltung).
In der Hessischen Senke (Rheinische Tiefe vor dem Ostrande der
Rheinischen Masse) finden wir, wenn wir absehen von den tertiaren
und eruptiven Gesteinen, die ja nach den Untersuchungen von Gkupe,
Bucking u. a. jiinger als der Hauptteil der saxonischen Tektonik sind,
in weitester Verbreitung flachlagernde oder schwach gewellte Tafeln
alterer Trias, in die in schmalen, aber weit fortstreichenden Zonen
jungere Schichten, vorwiegend solche des Muschelkalks und Keupers,
lokal auch des Juras, eingesenkt sind. Diese schmalen Zonen jiingeren
Gesteins sind die hessischen Graben. Wir haben also in Nieder-
hessen sehr breite Bezirke der alteren Schichten und recht sc h male
Zonen j lingerer und finden die Dislokationen besonders dort,
H. Stille — Injektivfaltung u. damit zusammenhangende Erscheinungen. 93
wo die jiingeren Schichten auftreten. Diese Dislokationszonen
sind eben in erster Linie die Grabenzonen, und wenn man einen "Ober-
blick iiber die Tektonik Hessens gewinnen will, so pflegt man ja zu-
nachst den Verlanf der Grabenzonen zu verfolgen.
Fig. 1 zeigt uns einen schematiscben Scbnitt durch einen hessischen
Graben, veranscbaulicbt an der Lage einer einzelnen Schicht.
Die Grabenzonen sind als
Mulden, die dazwischen liegen-
den Bezirke alterer Sedimente
als Sattelgebiete aufznfassen,
wenn auch in letzteren die
Schichten weithin vollig oder
fast vollig flach liegen und die
sattelformige Anordnung erst
mit Annaherung an die Graben¬
zonen etwas deutlicher in Er-
scheinung zu treten pflegt. Ich bezeichne diese Sattelzonen, die gegen-
iiber den schmalen Muldenzonen eine ganz ungewohnliche Breite
haben, als ))Breitsattel«.
Hier und da treten in den Grabenzonen Niederhessens und der
dstlich angrenzenden thiiringischen Gebiete schmale Streifen ( »Auf-
pressungshorste«) alterer Schichten, und selbst solcher, die alter als die
Schichten der angrenzenden Breitsattel sind, auf; recht haufig handelt
es sich um Zechstein. Aber diese Aufpressungen werden nach Masse
und Betrag durch Masse und Betrag der Einsenkungen in der Regel
mehr als ausgeglichen , so dab auch dort, wo diese )>Grabenhorste«
auftreten, die tektonische Gesamtleistung auf die Niederziehung einer
schmalen Erdzone hinauskommt. Allerdings ist somit der Bau der
Grabenzone lokal wesentlich verwickelter, als das einfache Schema
in Fig. 1 angibt; es sind tektonische Zonen, die entweder, was die
Regel ist, ganz aus versenkten Schichten bestehen, oder in denen die
versenkten Schichten doch raumlich auberordentlich vorwalten.
Es ist eine sehr auffallige Erscheinung, dab die erwahnten Schollen
hoheren Alters nicht, wie man nach Erfahrungen in anderen Gebieten
saxonischer Bruchfaltung wohl zunachst erwarten miibte, im Kerne
der sattelfor migen Aufwolbungen, sondern gerade in den Zonen
der Muldengraben auftreten; es ist, als ob eine Reaktion der
Tiefe gegen den Senkungsvorgang (vgl. unten) eingetreten ware.
Jedenfalls liegt aber in diesen alteren Schollen innerhalb der Graben¬
zonen wieder ein Hinweis darauf, dab in den durch die Graben charak-
terisierten tektonischen Zonen Niederhessens und der angrenzenden
thiiringischen Gebiete Krafte gewirkt haben, die unter Umstanden
auch zur Aufpressung von Schollen aus groberer Tiefe heraus befahigt
sind.
Fig. 1. Sche matisches Bild eines
hessischen Grabens (dejektive
Faltung).
94
I. Aufsatze und Mitteilungen.
b) Der nordhanno verse he Faltungstypus (ejektive Faltung).
Die Umkehrung des hessischen Typus ist der nordhanno verse he,
wie wir ihn in seiner ausgesprochensten Entwicklung in Mittel- und
Nordhannover kennen. Kedet man in Hessen von den hessischen »Gra-
ben«, um die tektonische Eigenart des Landes zu charakterisieren, so
spricht man in Mittel- und Nordhannover von den hannoverschen
»Horsten«, unter denen bekanntlich der )>Salzhorst « eine ganz beson-
dere Rolle spielt.
Das schematische Bild eines solchen Horstes gibt Fig. 2.
Wir haben hier weitverbreitet und weithin in recht f lacher Lagerung
die j linger en Schichten (im Siiden vorherrschend Kreide, im Norden
vorherrschend Tertiar1), da-
' zwischen in schmalen Zo-
nen die alteren (Jura, Trias,
Zechsteinsalz). Die Dis-
lokationszonen sind die
Horstzonen, und wenn wir
einen Xlberblick liber die
Tektonik dieser Gebiete, z.B.
der Liineburger Heide, gewin-
nen wollen, so folgen wir den
-p. o o u -D-11- -i ))x4.ufpressungshorsten((.
Fig. 2. Schematisches Bild eines nord- 1 * 4 . &
hannoverschen Horstes (ejektive Faltung). Zwischen den hochge-
preBten Horstzonen (Sattel-
zonen) erstrecken sich die weiten »Breitmulden((, bestehend aus flach
oder doch nur schwach muldenformig gelagerten jiingeren Schichten.
Man betrachte die Bilder 1 und 2, um zu erkennen, daB der eine
Typus die Umkehrung des anderen ist. Inwiefern das zutrifft,
sei im folgenden zusammengestellt :
Niederhessen.
1. Ausgedehnte Bezirke ziem-
lich flachlagernder und verhalt-
nismaBig we nig gestorter alte-
rer Schichten (»Breitsattel«).
2. Schmale Zonen stark gestor¬
ter j lingerer Schichten (sog.
Grabenzonen).
3. Storungszonen hauptsachlich
dort, wo die jiingeren Schich¬
ten auftreten.
N ordhannover.
Ausgedehnte Bezirke ziemlich
flachlagernder und verhaltnis-
maBig wenig gestorter j linge¬
rer Schichten ( »Breitmulden(().
Schmale Zonen stark gestorter
alterer Schichten (sog. Horst¬
zonen).
Storungszonen hauptsachlich dort,
wo die alteren Schichten auf¬
treten.
1) Hier ist im Gegensatze zu Hessen (s. oben) ein wesentlicher Teil der saxo-
nischen Gebirgsbildung noch j linger als das vorhandene Tertiar, und zwar aucli
noch als das Obermiozan ( vgl. H. Stille, Untergrund der Liineburger Heide usw.
4. Jahresber. d. Niedersachs. geol. Ver. 1911, S. 225ff., spez. S. 274 — 276).
H. Stille — Injektivfaltung u. damit zusammenhangende Erscheinungen. 95
Zusa mmenfassung.
Niederhessen:
Weitansgedelinte, schwachgefal-
tete bis flache Tafeln alt ere r
Schichten, unterbrochen durch
schmale, stark gestorte Zonen
j lingerer.
Nordhanno ver :
Weitausgedehnte , schwachgefal-
tete bis flache Tafeln j lingerer
Schichten , unterbrochen durch
schmale, stark gestorte Zonen
alterer.
Stellen wir die Bilder 1 und 2 iibereinander, so ist das eine das Spiegel-
bild des anderen; was beim einen in abwartiger Ttichtung eirigetreten
ist, hat sich beim anderen in aufwartiger ereignet.
c) Der siidhannoversche Faltungstypus (kongruente Faltung).
Zwischen dem Gebiete des niederhessischen und dem des nord-
hannoverschen Faltungstypus liegt eine Zone, in der trotz vielfacher
ortlicher Abweichungen im groBen und ganzen eine mehr gleichmaBige
Entwicklung der Sattel und Mulden zu erkennen ist. Ein scherna-
tisches Bild der dortigen zerbrochenen Falten gibt Fig. 3. In dieser
Fig. 3. Schematisches Bild einer Falte von siidhanno-
verschem Typus (kongruente Bruchfaltung).
Art sind im allgemeinen z. B. die Falten des Egge-Yorlandes oder die-
jenigen Slidhannovers nordlich des Sollinggebirges, das noch den nieder¬
hessischen tektonischen Tyftus zeigt, entwickelt.
Wir erkennen wversenkte Muldenkerne« (G) und ))gehobene Sattel-
kerne« (H). Neben der Mulde erscheint als nach der Entwicklung gieich-
berechtigt der Sattel, neben dem »Graben« der »Horst«. Die Storungen
setzen ziemlich gleichmaBig in jiingeren und alteren Schichten auf und
das jiingere ist in der Yerbreitung vor dem alteren und das altere vor
dem jiingeren nicht wesentlich bevorzugt, — soweit es sich’nicht um
transgredierende und nach der altesten Faltungsphase abgelagerte
Schichten handelt.
Das ist der siidhannoversche Typus der saxonischen Gebirgs-
bildung.
96
I. Aufsatze und Mitteilungen.
2. Die Verkniipfung der Typen saxonischer Tektonik.
Die drei geschilderten Typen der saxonischen Tektonik sind eng
miteinander verkniipft, nnd zwar
a) raumlich,
b) durch Mittelformen.
a) Raumliche Verkniipfnng.
Weitaushaltende Systeme wrheinischer « nnd »herzynischer « Dis-
lokationen setzen das saxonische Faltengitter zusammen, nnd die ein-
zelnen Weilen dnrchkreuzen einander, haufig nnter Interferenzerschei-
nungen, oder lenken anch wohl ineinander ein oder setzen sick nach
ihrer Vereinignng in Mittelricbtungen fort. Eine infolge Kriegsaus-
brnches leider bisher nicht zur Veroffentlichung gelangte tektonische
Karte der niederhessisch-niedersachsischen Lande wird all diese Yer-
haltnisse im einzelnen zeigen. Nord-siidlich gerichtete Dislokationszonen
verfolgen wir von Hessen ans we it nordwarts. So dnrcbscbneidet die
»Scbwalm — Leine — Nette-Zone« fast geradlinig ganz Niederhessen und
kreuzt dabei die Fulda bei Altmorschen nnd die Werra oberbalb Witzen-
hausen, folgt bei Gottingen dem Leinetale nnd verlaBt dieses bei Nort¬
hern, nacbdem die Hanptfortsetznngen des Leinetalgrabens nacb NW.
abgebogen sind, setzt dann am Westrande des Harzes her und ist weiter
nordwarts im flachen Hiigellande und danacb im Flachlande bis zur
Aller, ja wabrscheinlich liber diese binans bis zur Elbe nnd bis Mecklen¬
burg zn verfolgen. Eine andere, die »Eder — Diemel — Egge-Zone«,
fiihrt von Hessen in nordwestlicher Richtung, sich immer mebr kom-
plizierend, indem sie immer nene berzynische Strange von Osten her
anfnimmt, zum Eggegebirge und Osning. So haben wir einheitliche und
zusammenhangende Zonen tektonischer Vorgange, aber die Art der
Vorgange unterliegt innerhalb der Zonen groBen Anderungen.
Im Siiden enthalten die Zonen die hessiscben »Graben«, weiter nord-
lich die sudhannoverscben Sattel und Mulden und endlich in den Rand-
gebieten des Flachlandes und in dem Flachlande selbst die nordhan-
noverscben »Horste«. Kommen wir z. B. aus Niederhessen nach Siid-
bannover, so treten die typiscben Graben bald zuriick und statt ihrer
erscheinen die breiten »Versenkungsbecken(( v. Koenens (Hilsmulde,
Markoldendorfer Mulde, Gronauer Kreidemulde usw.), die schon deut-
lichst den Cbarakter der Mulde tragen und ja auch von alters her als
solcbe bezeicbnet worden sind. Gehen wir anderseits von der Liineburger
Heide siidwarts, so treten an die Stelle der schmalen Horstzonen die
sich verbreiternden Sattel, wie etwa der Hildesheimer Wald.
b) Verkniipfung durch Mittelformen.
Aber nicht nur raumliche Zusammenhange verkniipfen die Typen
saxonischer Gebirgsbildung, sondern alle formalen Hbergange vermit-
teln vom sudhannoverschen so wohl zum niederhessischen, wie auch
H. Stille — Injektivfaltimg u. damit zusammenhangende Erscheinungen. 97
zum nordhannoverschen Typus, und so verknupfen sick iiber den siidhan-
noverschen aucli die in ihrer Form so entgegengesetzten niederhessischen
und nordhannoverschen Typen miteinander. Der Graben verbreitert
sich, der trennende Bezirk alterer Gebilde verschmalert sich, wahrend
die Wolbung der Scbichten in ihm zunimmt, und aus dem »nieder-
hessischen « wird ein » siidhannoversches « Gebilde; — die nordhanno-
versche »Horstzone(( ge-
winnt an Breite auf Kosten Norden
der trennenden Zonen f lach-
lagernder j lingerer Sedi-
mente, die eine zunehmende
muldenformige Anordnung
erkennen lassen, — und
aus dem nordhannoverschen
Typus saxonischer Faltung
entwickelt sich der siid-
hannoversche. So sind die
)) niederhessischen « , » siid-
hannoverschen « und »nord-
hannoverschen« Formen der
saxonischen Gebirgsbildung
nur Typen, und zwar die
niederhessische und nord-
hannoversche Form sozu-
sagen die extremsten, die
sudhannoversche Form ein
mittlerer Typus in einer
Gebilde.
Den von Siiden nach
Norden erfolgenden tlber-
gang vom niederhessischen
zum slidhannoverschen und
weiter zum nordhannover¬
schen Typus veranschau-
lichen in ganz schemati-
scher Weise Fig. 4 und 5,
und zwar Fig. 4 in einer GrundriBdarstellung, Fig. 5 in einem von Norden
nach Siiden gelegten Profile. Fig. 4 soil speziell zeigen, wie sich raum-
lich der Breitsattel Niederhessens mit dem Sattel Siidhannovers und
dem Horst Nordhannovers und ferner der Graben Hessens mit der
Mulde Siidhannovers und der Breitmulde Nordhannovers verkniipft.
In dieser Figur ist auch der bald herzynisch, bald rheinisch gerichtete
Yerlauf der saxonischen Faltungszonen angedeutet, und daB dabei fiir
langen Reihe ineinander
iibergehender tektonischer
Fig. 4. Der raumliche Zusammenhang
zwischen den Haupttypen saxonischer
Faltung.
98
I. Aufsatze und Mitteilungen.
den siidhannoverschen Typus die herzvnische Richtung gewah.lt wurde,
mag andeuten, daB dieser Typus besonders deutlich dort entwickelt ist,
wo die saxonische Faltung vorwiegend herzynisch geht, wenn er auch
Fig. 5. Reihenfolge der Haupttypen saxonischer Faltung von S. nach N.,
veranschaulicht in einem sche matischen Profile.
an anderen Stellen ebensogut unter rheinischer Richtung oder unter
Egge-Richtung (Mittelrichtung zwischen rheinischen und herzynischen
Falten) auftritt.
3. Hessische Graben und nordhannoversche Horste als Teile von Falten.
Sind die Gebilde Siidhannovers »Falten«, entstanden durch seit-
lichen Druck, so sind auch einerseits die hessischen Graben, anderer-
seits die nordhannoverschen Horste Falten oder Teile von solchen.
und zwar sind sie ganz extreme Formen der Faltung, die sich aus
ortlichen Verhaltnissen erklaren. Es ist undenkbar, daB der hessische
Graben, der im Fortstreichen zur siidhannoverschen Mulde wird und
mit dieser durch alle Ubergangsformen verbunden ist, oder daB der
nordhannoversche Horst, an dessen Stelle nach Siiden ganz allmahlich
normale saxonische Sattel treten, durch ganz andere Krafte erzeugt
sein sollte, wie die eine Mittelstellung einnehmende siidhannoversche
Falte; verschieden war nur die ortliche Wirkungsweise der Krafte.
Oder wo ware der Schnitt zu machen zwischen den Gebilden von siid-
hannoverschem Typus, die man noch als Falten ansprechen diirfte.
und denen von hannoverscher oder niederhessischer Art, denen diese
Bezeichnung vorzuenthalten ware?
Als Hauptargument dafiir, daB die saxonische Gebirgsbildung eine
Faltung ist, habe ich gegeniiber der SuESSschen Senkungstheorie unter
genauer Darstellung der beweisenden Yerhaltnisse geltend gemacht1),
daB sie mit einer Aufwartsbewegung der sich in die Form der Mulden
und Sattel legenden und dabei vielfach zerreiBenden Gesteinsmassen
verbunden war, wie ja iiberhaupt Faltungszonen Zonen der orogene-
tischen Aufwartsbewegung sind. Und auch die hessischen Graben sind
gleichzeitig mit einer Aufwartsbewegung des ganzen sie umschlieBen-
den Gebietes der hessischen Tiefe entstanden, — wie jedenfalls fiir ihre
Fortsetzung im siidost lichen Westfalen aus der den tektonischen Bewe-
gungen folgenden tiefeingreifenden Denudation der vorher versenkt
!) Vgl. u. a. H. Stille, Die saxonische »Faltung«. Zeitschr. d. d. geol. Ges.
1013, Bd. 65, Monatsber., S. 575 ff.
H. Stille — Injektivfaltung u. damit zusammenhangende Ersclieinungen. 99
liegenden Gesteinsmassen erweisbar ist. Wie aber bei einer Faltung
innerhalb der aufsteigenden Faltungszone die Mulde hinsicbtlicb des
Betrages der Aufwartsbewegung hinter dem Sattel zuriAckbleibt, so
sind aucb die Graben gegeniiber den angrenzenden Zonen etwas
zuriickgeblieben nnd damit relativ ge-
sunken. Legen wir einmal die Stein-
MANNsche Einteilung der gebirgsbildenden
Vorgange in positive nnd negative x) zu-
grunde, so sind die bessiscben Graben keines-
wegs Erzeugnisse einer negativen, sondern
einer dnrcbaus positiven Gebirgsbildnng.
Die Briiche sind nicht, wie z. B. E. Suess
es im ))Antlitz derErde« darstellt, Ur s ache
der saxonischen Bewegungen, sondern deren
aus den besonderen Verhaltnissen des Unter-
grundes zu erklarende Begleiterschei-
nnng, — denn die Bewegungen erfolgen
zum Teil auch ohne Verwerf ungen. Das
mag uns fur den speziellen Fall der dejek-
tiven saxonischen Gebirgsbildung nochmals
durch eine Profilserie durch ein und den-
selben hessischen Senkstreifen (vgl. Fig. 6)
vor Augen gefiihrt werden. In den Schnitten
a und b ist der Senkstreifen zweiseitig, im
Schnitte c einseitig, im Schnitte d iiberhaupt
nicht von Verwerf ungen begrenzt, aber der
tektonische Effekt ist in alien vier Fallen
der gleiche.
Die saxonischen Graben sind auch nicht Ursache, sondern" Begleit
die Gebilde einer Zerrung in der Erdkruste. erscheinung der Einsenkung
Denn ganz abgesehen davon, daB sie unter
einer differentiellen Aufwartsbewegung des
gesamten sie umschlieBenden »Senkungs-
feldes« entstanden sind, was mit der Vor-
stellung einer Zerrung des Bodens schwer vereinbar ist, zeigen schon
die Aufschliisse in und entlang den Grabenzonen fortwahrend die Er-
scheinungen der Stauung, — und auch auf die schon erwahnten horst-
Fig. 6. Profilreilie durch
einen nieder hessischen
» G r a b e n «.
Sie soil veranschaulichen,
daB die Verwerf ungen nicht
sind, — denn die Ein¬
senkung erfolgt (Schnitt d
und z. T. Schnitt c) auch
ohne Verwerfungen.
1) G. Steinmann (Die Bedeutung der jiingeren Granite in den Alpen, Geolog.
Rundschau 1913. Bericht uber Hauptvers. der Geol. Vereinigung zu Frankfurt
am 4. Jan. 1913, S. 4, Anm. 1) mochte »als positive Gebirgsbildung . . . diejenigen
gebirgsbildenden Vorgange bezeichnen, die sich vorwiegend aus hebenden Be¬
wegungen zusammensetzen, mogen diese sich als Folgen von Faltungen oder
von schollen- oder blockformigem Aufsteigen ergeben. Negative Gebirgsbildungen
sind dagegen solche, die sich vorwiegend in Senkungen und Einbriichen auBeriKt.
Wir haben bei den hessischen Graben »schollenformiges Aufsteigen « »als
Folge von Faltungen «.
100
I. Aufsatze und Mitteilungen.
artig aufgepreBten Scbollen im Znge der Graben sei bier nocbmals ver-
wiesen. Stauungserscbeinungen, z. B. Gberscbiebungen, finden wir ja
nacb Andreae, Salomon, Klemm u. a. aucb an den Randern des
Oberrbeiniscben Grabens, und ferner bebt Bowl1) bervor, daB die
bedeutendste der SuESSscben ))Disjunktiv«zonen, d. h. die groBe ost-
afrikanische Grabenzone mit ihren Fortsetzungen iin Roten Meere und
in Syrien, gerade dort, wo sie am besten untersucbt ist, d. b. in
Syrien (Fraas, Diener, Blanckenhorn), keine Zerrung, sondern eine
erbeblicbe Stauung erkennen laBt.
Das alles spricbt dafiir, daB Graben, wenn wir von Ausnabmef alien2)
abseben, nicbt Gebilde einer Zerrung, sondern einer Pressung sind,
und zwar die saxoniscben Graben die Gebilde derselben Pressung, die
die saxoniscben Geosynklina-
len oder docb wenigstens ibre
Randzonen in den orogeneti-
scben Pbasen auf warts be-
wegte.
In Fig. 7 stelle icb die ge-
scbilderten drei Haupttypen
saxoniscber Gebirgsbildung
unter Yernacblassigung der
Yerwerfungen einander nocb¬
mals gegenuber.
Der Yersucb, die Ent-
stebung der bessiscben »Gra-
ben« oder nordbannoverscben
))Horste« zu deuten, ist oft
gemacbt worden, aber dabei
wurde meist jede der beiden
tektoniscben Formen als Einzelerscbeinung bebandelt. Demgegenuber
kam es mir in vorstebenden Ausfiibrungen besonders darauf an, die
Graben und Horste eines bestimmten Gebietes in ibrem groBeren
Zusammenbange mit anderen tektoniscben Gebilden und uberbaupt
als Glieder in einer langen Reibe miteinander eng verknlipfter
Erscbeinungen zu kennzeicbnen — und gewiB kann nur eine solcbe
Deutung uns befriedigen, die diesen naturlicben Zusammenhangen
Rechnung tragt.
1) Lowl, Geologie, S. 153.
2) Mit solchen Ausnahmen ( »Zerrungsgraben« ) habe icli mich in einem in der
Zeitschr. d. deutschen geol. Gesellscbaft f. 1916 (Monatsberichte, S. 2691’f.) er-
scheinenden Aufsatze liber ))Hebung und Faltung im sogenaimten Schollengebirge
und zwar speziell in dem Kapitel IV liber »Kompression und sekundare Lockerung
beschaftigt. Dock auch in solchen Fallen erscheint die etwaige lokale Zerrung
am letzten Ende als eine Folge von allgemeinereti Pressungserscheinungen und
keinesfalls als unmittelbare Folge eines Zuges in die Tiefe.
N o nd e n
Fig. 7. Die drei Haupttypen saxoni¬
scber Tektonik unter Yernacblassi¬
gung der Verwerfungen.
a) Ejektive Faltung (Stiilpsattel und Breit-
mulden). b) Kongruente Faltung (normale
Sattel und Mulden). c) Dejektive Faltung
(Breitsattel und Stlilpmulden).
H. Stille — Injektivfaltung u. damit zusammenhangende Erscheinungen. 101
II. Yorbemerkungen zur Erklarung injektiver Faltungen.
1. Dio Faktoren Mobilitat und Position beim Zustandekommen einer
Faltung.
a) Der Faktor Mobilitat (Gefiigigkeit gegen den orogene-
tischen Druck).
Unter der Mobilitat und der Stabilitat (Resistenz) eines bestimmten
Gesteinsmaterials oder einer ganzen Erdzone verstehe ich im folgenden
ganz allgemein den die tektonische Umgestaltung und speziell die Ein-
passung in engeren Raum erleichternden oder erschwerenden Zustand.
Als » mobile « und »stabile« Zonen hat in diesem Sinne auch E. Haug
die Geosynklinalen und Festlandschwellen einander gegeniibergestellt.
Mobil ware als »nachgiebig gegen den orogenetischen Druck «, stabil
als »widersetzlich gegen den orogenetischen Druck « zu definieren.
Mobile und stabile Korper sind, wie Milch1) zutreffend hinsichtlich
der plastischen und starren Substanzen ausfuhrt, nicht der Art, son-
dern nur dem Grade nach verschieden, denn absolut stabile Korper,
d. h. solche, die iiberhaupt nicht mehr umformbar sind, gibt es ebenso-
wenig wie absolut mobile, d. h. solche, die sich ohne Widerstand durch
orogenetischen Druck einengen lassen; so gebrauchen wir die Bezeich-
nungen stabil und mobil nur fur Zustande, die dem einen oder anderen
Grenzfalle mehr genahert sind.
In welcher Form das Material der Einpassung in engeren Raum
unterliegt, ob unter AufreiBen von Yerwerf ungen oder sonstwie rup¬
tured, z. B. feinkataklastisch, oder ob bruchlos, und im letzteren Falle
ob rein plastisch, ob unter besonderer Bevorzugung von Translations-
flachen oder ob unter Umkristallisation oder Ummineralisation, oder
ob auf die eine und die andere Weise, — alles das bleibt bei Anwendung
der in dieser Hinsicht ganzlich neutral gedachten Bezeichnungen »mo-
bil« und » stabil « zunachst auBer Betracht. Es soil eben nur zum Aus-
drucke kommen, in welchem Grade iiberhaupt der Widerstand gegen
die Einengung vorhanden ist. Die Plastizitat, d. h. nach Tammann
die reziproke innere Reibung, spielt zwar insofern eine ganz besondere
Rolle, als sie die bei der Einengung eintretenden Verbiegungen der
Schichten in hohem MaBe erleichtert, und deshalb sind die Faktoren,
die die Plastizitat erhohen, zugleich auch »mobilisierende«.
Alb. Heim2) hat ja den Begriff plastisch sehr weit gefaBt, denn bei
ihm ist plastisch gleich bruchlos umformbar, und er spricht in diesem
Sinne von plastischer Gesteinsumformung, solange das Gestein um-
geformt wird, ohne als Gestein zu zerbrechen. Die feintrummerige
Zerquetschung des Quarzes, der Losungsumsatz des Feldspates, die
1) L. Milch, Tiber Plastizitat der Mineralien und Gesteine. Geol. Rundschau
1911, Bd. 2, S. 145ff.
2) Vgl. u. a. Geologische Nachlese Nr. 19. Vierteljahrschr. d. Nat. Ges. Zurich,
Bd. 53, S. 33 ff., 1908.
I. Auf sat ze und Mitteilungen.
10 2
Verschieb ungen entlang den Blattchen von Sericit und Glimmer, —
alles das sind bei ihm Teile der )>plastischen« Umformung eines Granites
in einen Gneis. Milch bat 1. c. mit Recht darauf hingewiesen, dab man
brucblose und plastiscbe Umformung nicbt als gleicbwertig betrachten
darf; zwar ist die plastiscbe Umformung eine bruchlose, aber nicbt
jede brucblose Umformung ist eine plastiscbe, denn aucb Umkristalli-
sation und Ummineralisation konnen brucblose Umformung hervor-
rufen oder neben der plastiscben erbeblicb mitwirken. Aucb Lachmann1)
hat mebrfacb auf die Notwendigkeit scbarferer Fassung und Anwen-
dung des Begriffes »plastisch« hingewiesen. Fiir die » plastiscben « Yer-
anderungen im Sinne von Heim, d. h. fur alle Arten brucbloser Yer-
anderung, bringt Milch (1. c. S. 161) den allgemeinen Ausdruck »Um-
formung« in Yorscblag, und zwar im Gegensatz zur ))Zertrummerung«;
bei der ))Umformung« andert der Korper nur seine Gestalt, bei der
))Zertrummerung (( verliert er sie. In diesem Sinne ware die brucblose
Faltung noch eine »Umformung((, aber ein paar Risse in den Falten
wiirden geniigen, um den Begriff der »Formung« auszuschlieBen ; wenn
aber nach ziemlicb allgemeiner Annabme die Brucbfalten in groBerer
Tiefe, soweit sie dort nicht ausklingen, in brucblose Falten ubergeben,
so ware derselbe faltenscbaffende Yorgang zwar in der Tiefe eine »Um-
formung«, in hoheren Solen aber nicbt mehr. Da es nun beUder
Diskussion bedeutsamer geologiscber Fragen zunacbst auf die Tatsache
und den Grad der Einengung an sich ankommt, ganz abgesehen da von,
wie sie gescbab, ob bruchlos oder ob unter Bruchbildung, so bedurfen
wir eines Begriffes, der noch weiter gefaBt ist, als wumformbar « im
Sinne von Milch, und als soldier wird eben )>mobil« bzw. sein Gegen-
teil »stabil« im folgenden verwandt.
Die Mobilitat der Gesteinsmassen, die uns an der Tagesoberfiache
entgegentreten, ist nun abhangig von der Bescbaffenbeit der Einzel-
materialien und vom ganzen Gesteinsverbande. Ein stark gefalteter
Boden zeigt nach allgemeineren Erfabrungen eine erbeblicbe Wider-
standskraft gegen neue Yerbiegung, besonders wenn sie nicht im Sinne
der alten Faltenwellen verlauft, wabrend vielleicbt die Mehrzahl der
Komponenten dieses Gebirges als Einzelplatten der Yerbiegung weit
geringeren Widerstand entgegensetzen wiirden. So haben wir die Spe-
zial mobilitat des einzelnen Gesteinsstiickes von der Komplex-
mobilitat der groBeren tektonischen Einheit zu unterscbeiden. Gerade
die Yersteifung der Erdzonen durch Faltung ist von besonderer
Bedeutung. Mit ihr bat man sich schon vielfacb beschaftigt, so z. B.
Frech (Tribulaungruppe 1893, Karniscbe Alpen 1894) in den Alpen,
Y. Uhlig2) in den Karpathen, und auch sonst ist in Mitteleuropa und
L) Vgl. u. a. R. Lachmanx, Salzauftrieb, 3. Folge. Zeitschr. Kali, 6. Jalirgang.
2) V. Uhlig, Uber Gebirgsbildung. Wien 1904. S. 16: »Das mesozoiscbe Fal-
tungsgebirge erweist sich widerstandsfahig gegen die alttertiare, das alttertiare
Gebirge widerstandsfahig gegen die jungtertiare Faltung. «
H. Stille — Injektivfaltung u. damit zusammenhangende Erse he inungen. 103
speziell in Mitteldeutschland zu erkennen, daB der jiingere Faltungs-
vorgang die Massen mit alter er Faltung, d. h. die variscischen »Rah-
men«, sozusagen umgeht und erst in den gerahmten Feldern in dem
MaBe an Bedentung gewinnt, wie sick iiber dem gefalteten Grund-
gebirge ein flacbes Sediment, d. h. solcbes von groBerer Mobilitat, ein-
stellt1). Sicher sind aber in vielen Fallen groBerer Starrheit eines Grund-
gebirges aneb allerlei magma tisebe Injektionen oder anch, wie Lowl
in seinem Lehrbnche der Geologie annahm, die hohere Lage des kristal-
linen Untergrundes von Bedentung. Die Erstarrung gefalteter Gebiete
spielt ja auch in der E. SuESSschen Synthese der Gebirge unserer Erde
eine ganz besondere Rolle, und zwar definiert Suess die Erstarrung als
das ))Ende der Spannungen«2). So gilt fur Suess die Rheingegend als
»erstarrt«, weil dort »einseitige gebirgsbildende Spannung« feblt. Suess
mochte die Ursacbe der Erstarrung in den Senkungen suchen. In
diesem Sinne wird von ihm in Erwagung gezogen (1. c.), ob vielleicht
die europaiseben Senkungen die Erstarrung der variscischen Zonen her-
beigeflihrt baben, und zwar hat er dabei, wie er es spater nochmals
klar ausspricht3), die Einsenkungen im Innern des Rabmens im Auge.
Unmoglich kann man meines Erachtens E. Suess hierin zustimmen4).
Senkungen mit anschlieBender Sedimentation br ingen, wenn wir von
Ausnahmefallen der Erfullung der Senkungen durcb ungewohnlicb
machtige und starre, wohl meist zoogene, Kalkmassen oder durcb macb-
tige vulkaniscbe Ergusse absehen, flacbe und mobilere Scbicbttafeln
dorthin, wo vor der Senkung gefaltetes varisciscbes Gebirge lag, d. h.
sie ersetzen Material von hoherer komplexer Stabilitat durcb mobileres,
und so finden wir ja die mobilen Zonen innerbalb des variscischen Rah-
mens gerade dort, wo die Senkungen eingetreten waren. Ich meine also
gerade entgegen der SuESSschen Auffassung, daB Senkungen innerhalb
einer groBeren tektonischen Einbeit niebt zur Erstarrung fiihren, son-
dern neue Mobilitat und neues tektonisebes Leben in vorher starrere
Zonen hineintragen5).
1) H. Stille, Die mitteldeutsche Rahmenfaltung. 3. Jahresber. d. Nieder-
sachs. geol. Vereins 1910, S. 141 ff.
2) E. Suess, Antlitz der Erde lit, 2, S. 720.
3) »Unter diesenUmstanden muBte die Frage erwachen, ob die Einsenkungen
im Innern des Rahmens die Ursache seiner Erstarrung sind. « E. Suess, Uber
die Zerlegung der gebirgsbildenden Kraft. Mitt. Geol. Ges. Wien 1912, S. 60.
4) Zur notwendigen Erlauterung einer bestimmten Vorstellung habe ich den
nachfolgenden Gedankengang , z. T. mit denselben Worten, in einer FuBnote zu
dem Anm. 2 S. 100 zitierten Aufsatze iiber »Hebung und Faltung im sogenannten
Sc hollengebirge« schon kurz vorwegnehmen miissen.
5) Etwas anders kann zwar die Sachlage sein, wenn es sich nicht, wrie es
E. Suess in bezug auf die Verhaltnisse Mitteleuropas vorschwebte, um Senkungen
innerhalb, sondern um solche neben einer tektonischen Einheit handelt. Das
spielt zwar weniger eine Rolle bei undulatorischen Vorgangen (Faltungen), als
bei undatorischen. In spateren Ausfiihrungen iiber Undationsgesetze wird zu
zeigen sein, daB ein tektonischer Komplex von bestimmter Resistenz sich neben
104
I. Aufsatze und Mitteilungen.
Die jeweilige Mobilitat des Gesteins ist die Funktion der verschie-
denartigsten physikaliscben Verhaltnisse, unter denen das Gestein
steht, und sie andert sich natiirlick, sobald das Gestein unter ver-
anderte Verhaltnisse kommt. So steigert sie sick mit zunekmender
Tiefe. Die dabei in Frage kommenden mobilisierenden Faktoren
Belastung und Temperatur fiihren zu der »latenten« Teufenmobilitat
der anorogenetiscken Zeiten, wie ick mit einer Yariante der bekannten
HEiMschen Ausdrucksweise sagen mochte.
Der orogenetiscke Druck setzt nun ein und die Teufenmobilitat
tritt, um wieder an den HEiMschen Ausdruck anzuschlieBen, aus der
Latenz in die Aktivitat. »Die Gberlastung mackt deformierbar, die
Dislokation deformiert, « — so kat Milch (1. c.) den HEiMscken Ge-
dankengang etwas anders ausgedriickt. Aber meines Erachtens wirkt
in mancken Fallen der orogenetiscke Druck nickt nur dislozierend
(deformierend), sondern unter Umstanden auck nock, und zwar zunachst,
mobilisierend, so daB das zunackst starker mobilisierte Material danach
mit um so kleinerem Arbeitsaufwande deformiert werden kann. Ein
Beispiel gibt das Salzgebirge, kinsicktlick dessen ick sckon an anderer
Stelle1) die Auffassung vertreten kabe, daB erst der orogenetiscke
Druck ikm den koken Grad von Faltbarkeit iibermittelt. Das Salz
ist in den Teufen, in denen es unserer Beobacktung nock zuganglick
ist, und auck in den tiefsten Bokrungen, aus denen die Kerne gekolt
worden sind, ein reckt starrer Korper, — darauf kat auck R. Lach-
mann2) nackdriicklick in einer Diskussion gegen E. Harbort iiber die
Ursacken des Salzaufstieges kingewiesen. In kaum einem anderen
Gesteine konnen derartig groBe Raume, wie die Abbaufirsten unserer
Kaliwerke, ohne jede Verzimmerung bestehen! Wenn sick nun aber
feststellen laBt, daB das Salz auck nock, nackdem es bereits in geringere
Teufen gehoben worden war, weitere Faltungen und Aufwartsbewegungen
unter bruchloser und wokl im wesentlicken plastiscker innerer Um-
formung erfahren hat, so miissen wir eben fiir die Zeiten der Umformung
einer dnrch mobileres Material wieder erfullten Senkung oder gar zwiscken
solchen Senkungen relativ starr verhalten kann, und schon deskalb liier der unda-
toriscben Auf warts bewegung unterliegt, wahrend er neben einer ilm an Starr -
heit iibertreffenden Zone sich als relativ mobil erweist und im wesentliclien des-
halb bei der Undation einen abwiirtigen Weg nimmt. Im ersteren Falle bedingt
allerdings, — oder steigert doch wenigstens, — eine Senkung, aber eine solche
neben der starreren Einheit, ein starreres Verlialten.
Ich wiederhole nochmals, um jegliche mi B verstandliche Auffassung auszu-
schlieBen: Die absolute oder doch relative Starrlieit einer tektonischen Einheit
wird im allgemeinen durch Senkungen innerhalb derselben vermmdert, durch
solche neben derselben erhoht. In den SuESSscken Gedankengangen handelt es
sich aber um Senkungen innerhalb der tektonischen Einheit.
B H. Stille, Das tektonische Bild des Benther Sattels. 7. Jahresber. d.
Niedersacks. geol. Ver. 1914, S. 342 — 343.
2) R. Lachmann, Der Salzauftrieb, 3. Folge. Zeitschr. Kali, 6. Jahrg. Sonder-
druck, S. 36 — 38.
H. Stille — Injektivfaltung u. damit zusammenhangende Erscheinungen. 105
eine besondere mobilisierende Kraft und als solche den orogenetischen
Druck annehmen, und dafiir spricbt namentlich, daB Aufwartsbewe-
gung und Faltung zu den Zeiter\ der Wirksamkeit dieses Druckes ein-
getreten sind und also gerade damals der hocbmobile Zustand vor-
handen war. Damit erledigt sick auch der von Lachmann gegen die
plastiscbe Umformung geltend gemachte Einwand, daB das Salz in der
Tiefenlage, in der es der Umformung unterlag, gar nicbt plastisch ge-
wesen sei und daB schon desbalb andere Formen brucbloser Umformung,
und zwar speziell Umkristallisationen, in Frage kommen muBten. Der
Zustand in der beutigen anorogenetischen Zeit ist eben nicbt der
gleicbe wie derjenige wahrend der Umformung in den orogenetischen
Phasen. GewiB sind auch Umkristallisationen im Salzgebirge in er-
beblichem Umfange erkennbar, und mogen sie auch oft genug unter
dem orogenetischen Drucke eingetreten sein und an der »bruchlosen «
Umformung des Salzgebirges in den orogenetischen Phasen ihren
Anteil haben, so sind sie anderseits doch zum guten Teile vortekto-
nischer und auch nachtektonischer, das heiBt im alten Sinne Ever-
dings »posthumer « Art.
Zur Belastung und Temper atur tritt also unter Umstanden als
weiterer mobilisierender Faktor der orogenetische Druck hinzu, —
und zwar indem er im wesentlichen die Plastizitat, daneben wohl auch
die Moglichkeit zu Umkristallisationen, Ummineralisationen und Trans-
lationen erhoht. »Uberlastung macht deformierbar, Dislokation defor-
miert, « — so hieB der alte HEiMsche Satz in der MiLCHschen Fassung
(s. oben); »Uberlastung macht deformierbar, Dislokation erhoht u. U.
die Deformierbarkeit und def ormiert « , — so mochte ich ihn etwas
erweitern. Auch die Zeit mag eine gewisse Bedeutung als mobilisierender
Faktor haben, denn schlieBlich sind auch — geologisch gesprochen —
»kurzdauernde « Yorgange nicht von heute auf morgen geschehen, doch
kommt sie natiirlich fur die orogenetischen Erscheinungen nicht in
annahernd gleichem MaBe in Betracht, wie fur die Undationen in den
langen anorogenetischen (epirogenetischen) Zeiten.
Die verschiedengradige Mobilitat der Materialien und der ganzen
Erdzonen ist ja von groBter Bedeutung bei der Erklarung der Faltem
verteilung an der Oberflache unseres Planeten. Nur in den archaischen
Gesteinen ist die Faltung liberall sichtbar, worauf ganz besonders
E. Suess1) und im AnschluB an ihn V. Uhlig2) hinge wiesen haben.
Uhlig spricht von der »Ubiquitat « der archaischen Faltungen als
cinem bezeichnenden Merkmale derselben gegeniiber alien jiingeren
Faltungen, so schon denen des palaozoischen Zeitalters. Die zuneh-
x) Vgl. u. a. E. Stjess, Antlitz der Erde III, 1, S. 7: »Die faltende Kraft ist
einst fiber den ganzen Erdball tatig gewesen, heute aber ortlich beschrankt. «
2) Viktor Uhlig, 1. c. S. 10: »Die Faltung war daher in jener friiliesten
Urzeit der Erde ein universeller ProzeB, der in alien Teilen der Erdkruste Spuren
hinterlieB. <t
Geologische Rundschau. VIII.
3
106
I. Aufsatze und Mitteilungen.
mende Differenzierung in starrere und mobilere Erdzonen gilt als Ur-
saclre der Lokalisierung der jiingeren Faltungen. Auf Mobilitats-
verhaltnissen beruht ja aucb in erster Linie der Gegensatz zwiscben
den ungefaitet bleibenden Scbwellen und der starken Faltung um diese
herum in den ebemaligen Geosynklinalgebieten, und so erklart sicli
das ganze Bild der ihre Stammsckwellen umziekenden Faltenkranze.
Gefaltet wurden in erster Linie diejenigen Erdsclrnitte, die nack ikrer
Gesamtbeschaffenheit, und nickt etwa nur in einer vielleickt nur
geringmacktigen Oberschicht, am leicktesten faltbar waren, — soweit
nickt etwa Absckerungen groBten Stiles die Obersckickt unabkangig
von ikrer Unterlage mackten.
- ; Aber nickt nur in nebeneinandery sondern auck in uberein-
a n der liegenden Zonen und Materialien kann infolge groBerer Mobili-
tatsuntersckiede der Grad der Faltung ein versckiedener sein. Sckon
die starkere Faltung und Faltelung der Sckiefertone und Tonsckiefer
unseres palaozoischen Grundgebirges gegeniiber den starreren Quarziten
und Grauwacken, zwiscben die sie oft eindringen, ist ein Beispiel dessen,
und von besonders extremen Fallen dieser Art wird bei der Deutung
der injektiven saxoniscken Faltung die Rede sein. Stark mobile Mate¬
rialien werden dann unter Umstanden beim Einsetzen des Faltungs-
druckes auch stark injektiv.
Die versckiedenartige Reaktion auf den Gebirgsdruck innerkalb eines
und desselben Profiles aus rein qualitativen (stofflicken oder struk-
turellen) Grunden bezeichne ich mit einem auck sonst sckon in der
Literatur in diesem Sinne gebrauckten Ausdrucke1) als eine » disbar -
monisckecc. Diskarmoniscke Faltung werden wir zwar besonders auf-
fallig in mancken Teilen des inkongruenten2) Faltenwurfes und in ge-
wissen Fallen sogar als Ursacke oder dock als Mitursacke der Inkon-
gruenz zwiscben Mulden und Satteln kennen lernen, aber keineswegs
ist jede inkongruente Faltung auch eine diskarmoniscke, wie ander-
seits diskarmonische Reaktionen auf den tektonischen Druck auck bei
kongruenten Faltungsformen durckaus nickt feklen.
Die Folgen unkarmoniscken V erhaltens der Gesteine sind die nament-
lick in den Faltengebirgen sckon oft diskutierten tektonischen Diskor-
danzen ( ))Faltungsdiskordanzen«).
x) E. Haug, Traite de Geologie, I, 1907, S. 216. — A. Buxtorf (Prognosen
und Befunde beim Hauensteinbasis- und Grenchenbergtunnel usw. Verb, naturf.
Gesellscli. Basel 1916, Bd. XXVII, S. 249) spriclit von der » unharmonischen «
Faltung der Malmkalke liber den Oxfordtonen. Vgl. ferner F. A. Schaffer, Grund-
ziige der Allgem. Geologie 1916, S. 133 und Fig. 169 auf S. 135.
2) Bei der inkongruenten Gebirgsbildung erfahren die Faltenelemente Sattel
und Mulde eine ungleiche Entwicklung, die unharmonische Faltung zeigt sich
dagegen in ein und demselben Faltenelemente, z. B. innerhalb ein und desselben
Sattels.
H. Stille — Injek tivfaltung u. damit zusammenhangende Erscheinungen. 107
b) Der Faktor Position.
(Erreichbarkeit fiir den orogenetischen Druck.)
Die bisher betracbtete Mobilitat der einzelnen Erdzonen vermag
aliein nicht den ortlichen Grad der Eeaktion auf den Faltungsdruck zu
erklaren, — finden wir doch, daB nnter Umstanden relativ mobile Mate-
rialien und Erdschnitte nngefaltet bleiben, wahrend sich solche gleicber
oder gar geringerer Mobilitat oft in nnfernen Zonen falteten. Audi
die Lageverhaltnisse spielen eine groBe Rolle. Eine zu faltende Ge-
steinsmasse muB eben nicht nur ausreichend gefiigig gegenuber deni
tektonischen Drucke, sondern auch fiir ihn erreichbar sein. Dabei
wird durch die Mobilitatsverhaltnisse der Grad der Gefiigigkeit,
durch die Positionsverhaltnisse1) der Grad der Erreichbarkeit
bestimmt.
Wir sprachen von der Faltung der mobileren Geosynklinalzonen
neben den starreren und deshalb der Faltung widerstehenden Massen.
Es ergreift nun aber in sehr vielen Fallen die Faltung nicht die ganze
Geosynklinale, sondern nur die mehr randlichen Zonen und verklingt in
der Richtung auf die inneren Teile, die durchaus nicht weniger mobil,
meist sogar mobiler sind. Man mag den Faltungsdruck als von den
Schwellen(Rahmen) kommend annehmenund dasVerklingen der Faltung
als Folge der durch Reibungswiderstande hervorgerufenenVerschwachung
der faltenden Kraft mit zunehmender Entfernung von der Schwelle
betrachten2), oder man mag, wie E. Suess es zum Teil tat, die Rolle der
Schwellen als eine rein stauende fiir die durch ganz andersartigen Im-
puls geschaffenen Erdwellen auffassen, — jedenfalls ist durch den
zunehmenden Ab stand von der Schwelle oder, allgemeiner gesagt, durch
positionare Verhaltnisse das Yerklingen der Faltung zu erklaren.
Ebensowenig wie aliein die Mobilitat bedingt aber auch aliein
die Schwellennahe den Grad der Faltung, — finden wir doch, daB der
Faltenkranz um die Schwellen auf gewisse Erstreckungen oder gar
ganzlich fehlen kann oder daB zwischen der Schwelle und den Falten-
ziigen noch weite, allerdings relativ flachgriindige, ungefaltete Zonen3)
1) AuBer durch diese kann die »Erreichbarkeit!( in manchen Fallen anschei-
nend auch noch durch die Ausgestaltung der vermittelnden Zone zwischen Schwelle
und Geosynklinale beeinfiuBt sein.
2) Im Sinne der Kontraktionstheorie erklart sich der besondere Druck, den
die Schwelle auf die angrenzenden Geosynklinalgebiete bei dem Faltungsvorgange
ausubt, aus der Starrheit der Schwelle. Die notwendig werdende Einengung ver-
teilt sich infolge der Dishomogenitat des Untergrundes ungleichmaBig (vgl. oben),
das Starre behalt annahernd seine alte Ausdehnung, nimmt dadurch dem Mobi¬
leren, einen Teil des Raumes, der diesem bei gleichmaBiger Einengung zukommen
wiirde, und zwingt es somit durch seine Resistenz zu verstarktem Zusammen-
schube. Die »faltende« Wirkung der Schwelle ist in diesem Sinne gewissermaBen
eine aktive Wirkung aus Passivitat.
3) Gerade diese werden dann oft in einer spateren Phase nach inzwischen
eingetretener Erhohung der Faltbarkeit durch starkere sakulare Senkung und
8*
108
I. Aufsatze und Mitteilungen.
bleiben. Vielmehr ist das Yerteilungsbild der Falten oder, was auf
dasselbe hinauskommt, die regionale Intensitat der Faltung eine Funktion
der Mobilitat und der Distanz von der Stamms chwelle, und erst diese
beiden Faktoren zusammen bestimmen, inwieweit eine Erdzone fur die
Faltung pradestiniert ist.
Doch nicht nur in horizontaler, sondern aucb in vertikaler Richtung
kann sick aus den Lageverhaltnissen ein Sebutz fiir an sick mobile
Materialien ergeben. Wir stellen uns eine starre Platte und dariiber
ein System flacher und mobiler Schickten vor und lassen nun den oro-
genetiscken seitlicken Druck wirken. Dann leistet natiirlick die starrere
Platte Widerstand, aber auck die zunackst liber ikr liegenden Sckickten
und, in sick verschwachendem MaBe, die alsdann folgenden sind durck
die starre Basalplatte der vollen Wirkung des seitlicken Druckes ent-
zogen. So muB auck ein infolge alterer Faltung oder aus sonstigen
Grunden starreres )>Grundgebirge « einen Sckutz auf sein Hangendes
ausliben, und zwar bis zu einer bestimmten Hoke und in einem nack
dem Hangenden sick verschwachenden Grade. Wir wollen im folgenden
von dem festlegenden »Grundsckutze « ( »Basalsckutze «) der starreren
Unterlage innerkalb ihrer bis zu bestimmter Hohe reichenden »Bann-
zone« sprechen. In dieser Bannzone nimmt die Angreifbarkeit in ab-
wartiger Richtung, d. k. entgegen der wenn auch geringen Zunahme der
Teufenmobilitat, ab.
Der Basalsckutz muB um so starker sein, je starrer die Basis ist,
und sich deshalb mit zunekmender Tiefenlage der Basis verschwachen.
Mit der Basis sinkt aber auch die Bannzone, und so wirkt die zunehmende
Tiefe auf die Bannzone in zweierlei Hinsicht f altungserleickternd : sie
erhoht erstens die Mobilitat der Bannzone und sie vermindert zweitens
den faltungshemmenden Grundschutz, indem sie die Starrheit des
Grundgebirges kerabsetzt.
Auck von einem »Flankenschutz «, der unter ganz besonderen Ver-
haltnissen auf an sick mobilere Sckickttafeln aurch senkrecht oder schrag
zur Richtung der Faltung stekende starrere Massen ausgeiibt werden
kann, wird unten noch gelegentlich die Rede sein.
c) Selektive Faltung nach Mobilitat und Position.
Die in gewissen Pkasen der Erdgesckichte einsetzende Faltung ver-
fahrb, wie wir nun sagen wollen, selektiv (auswahlend), und zwar
1. hinsichtlick nebeneinander liegender Zonen ( »zonare Selektion«),
2. hinsicktlich liber einander liegender Niveaus und Materialien.
entsprechende Sedimentation zu Statten starker Gebirgsbildung (Wandern der
Gebirgsbildung rahmenwarts, z. B. der Alpenfaltung nach Norden gegen die va-
risoischen Rahmen, der Faltung des Himalaja und Hindukusch sudwarts gegen
Gondwanaland, der Faltung der Pacific Mountains Nordamerikas — jungjuras-
sische »Pacif ic-Re volution « — ostwarts gegen den kanadischen Schild in der spat-
eretacisch- alttertiaren »Laramide-Revolution<( der Rocky Mountains).
H. Stille — Injektivfaltung v. damit zusarnmenhangende Ersche inungen. 109
Die Auswahl erfolgt entsprechend der Angreifbarkeit der Zonen
und Materialien, wobei die Angreifbarkeit sich zum Teil auf die groBere
oder geringere innere Starke (substantielle Verhaltnisse), zum Teil auf
die mehr oder weiiiger geschiitzte Lage (Positionsverhaltnisse) griindet;
in diesem Sinne wirken substantielle Selektion (Auswahl nach
Mobilitat) und positionare Selektion (Auswahl nach Lage) zusammen.
Auf substantielle Selektion kommt die disharmonische Faltung
innerhalb ein und desselben Erdschnittes hinaus. Auch die zonare
Selektion ist zum guten Teil eine substantielle, doch kommt es bei ihr
nicht so sehr auf die Mobilitat der Einzelsubstanz, als vielmehr auf
die durchschnittliche Mobilitat ganzer Gesteinszonen an.
Die positionare Selektion wurde im vorigen Kapitel durch zwei
Beispiele erlautert, deren eines solche Erdzonen, die nebeneinander,
deren anderes solche, die iibereinander liegen, betraf. Die Faltung
ergreift in verstarktem Mafie die fur sie am leichtesten erreichbaren
Gesteinsmassen, d. h. in ersterem Falle die einer starreren Schwelle in
horizontalem Sinne naher liegenden, im zweiten Falle die von einem
starreren Grundgebirge in vertikalem Sinne entfernteren. Es schiitzt
beim horizontalen Nebeneinander die Entfernung ( »Distanzschutz«),
beim vertikalen TTbereinander die Nahe (»Basalschutz«) des Starreren.
2. Faltung und|Faltungsarbeit.
Der orogenetische Druck vollbringt bei der Einengung der Ge¬
steinsmassen auf schmaleren Raum
1. seitliche Verfrachtung (Schubarbeit),
2. Hochbewegung (Hebungsarbeit).
3. Deformation (Deformationsarbeit).
Unter » Deformation « sind hier die gesamtenl Veranderungen inner¬
halb der durch den seitlichen Druck seitwarts und aufwarts bewegten
Massen verstanden, und zwar sowohl die groBe Umformung zu einem
Systeme von Falten und Schollen usw., wie auch die Kleinarbeit der
»inneren« Umformungen.
Die drei Arten der Arbeitsleistung greifen ineinander (z. B. Defor¬
mation unter seitlicher Verfrachtung und Hochbewegung), aber dennoch
ist hier zum besseren Verst andnis gewisser tektonischer Dinge die schar-
fere Trennung einmal geboten.
Die Schubarbeit tritt bei der so schwachen saxonischen Faltung
in den Hintergrund. Sehen wir von ihr ab, so erscheint diejenige Art
der Faltung als besonders arbeitsokonomisch, die
1. Hebungsarbeit, G
2. Deformationsarbeit
moglichst erspart.
Hebungsarbeit kann z. B. durch Ausnutzung irgendwelcher ge-
steigerten Aufnahmemoglichkeit der tief eren Solen oder durch gesteigerte
Hochbewegung der spezifisch leichteren Stoffe zugunsten schwacherer
110
I. Aufsatze und.Mitteilungen.
Hochbewegung der spezifisch schwereren verringert werden. Auch
unter diesem Gesichtspunkte haben wir nacbher gewisse Verhaltnisse
nachzupriifen.
Ob icb nun ein Kilogramm starren Eisens oder ein Kilogramm be-
weglichen Wassers hebe, ist ja in bezug auf die erforderliche Hebungs-
arbeit gleichgiiltig. Aber ein groBer Unterscbied tritt hinsiclitlich der
erforderlichen Arbeitsleistung ein, wenn die Hebung unter Einengung
— und das ist im allgemeinen der Y or gang bei der Faltung — zu voll-
bringen ist, — nur ist es ja nicht Hebungsarbeit, die bei dieser
Art der Hebung bei dem mobileren Materiale gegenliber dem starreren
erspart wird, sondern Def or mationsarbeit. Nur in diesem Sinne ist
es natiirlicb zu verstehen, wenn im folgenden gelegentlich davon die
Rede sein wird, dafi die hohere Mobilitat die Hebungsarbeit er-
leichtert.
Die GroBe der Def or mationsarbeit bleibt der in erster Linie
ausschlaggebende Faktor, wenn wir die verschiedenen Formen der
Faltung einmal unter dem Gesichtspunkte der Arbeitsokonomie be-
trachten und zu verstehen suchen. Speziell kommt es dabei auf die
Yerbiegungsarbeit an. Hierbei ist selbstverstandlich zu bedenken,
daB die sehr' intensive Yerbiegung eines mobileren Materiales unter
Umstanden weit geringere Arbeit erfordert, als schon die ganz schwache
Yerbiegung eines starreren.
Yerbiegungsarbeit kann somit auf folgende zwei Arten erspart
werden :
1. Die Verbiegung wird ganz besonders in solche Substanzen ver-
legt, die ihr wenig Widerstand entgegensetzen, zugunsten der Er-
sparnis von Yerbiegung in starreren Materialien (disharmonische
Yerbiegung). _ 6 | .4,
2. Die Verbiegung an sicli bleibt moglichst gering und wird
durch andere Formen der Einengung auf schmaleren Raum,
die durch besondere Verhaltnisse begunstigt sind, wenigstens
teilweise ersetzt.
Zu 1. Yon der Ersparnis der Yerbiegungsarbeit auf erstere Art
wird weiterhin noch die Rede sein. Sie kann sich bei der Auffaltung
stark dishomogener Massen einstellen, indem die mobileren Massen, die
sich unter entsprechend starker, aber mit geringerem Arbeitsaufwande
erzielbarer Deformation neuen Raumverhaltnissen leicht einzupassen
vermogen, weit voraneilen, wahrend die Hochbewegung der starreren
Materialien gerade wegen der Schwierigkeit der inneren Deformation
entsprechend geringer ist.
Zu 2. Die Schicht aa ist in den engeren Raum [3 (3 einzupassen. Das
kann z. B. geschehen
Fall 1: durch Yerbiegung der Schicht;
Fall 2: durch AusstoBung eines Stuck es hinab ins Hangende
oder hinauf ins Liegende.
H. Stille — Injektivfaltung u. damit zuSammenhangende Erscheinungen. Ill
Fall 2 a.
F
?////////////////'////&
WSfflJZZBZZMnw
Im Falle 2 a ist das ausgestoBene Stiick aus dem Zusammenhange
der iibrigen Schiclit ganzlich herausgerissen, im Falle 2 b ist es verbogen
und der Zusammenhang mit der iibrigen Schiclit wenigstens teilweise
gewahrt.
Im Falle 1 ist eine sehr weitgehende Yerbiegungsarbeit zu leisten,
in den Fallen 2 ist sie aber erspart (2 a) oder doch lokalisiert und herab-
gesetzt (2 b) durch den Heraus-
schub einzelner Stiicke und deren
Yortrieb in das Liegende oder
Hangende. Der Gedanke liegt
ohne weiteres nahe, daB in den
Fallen 2 a und 2 b bestimmte Yer-
haltnisse den Eintrieb einzelner
Stiicke in das Liegende oder
Hangende begiinstigt haben mo-
gen1); denn sind solche Yerhalt-
nisse gegeben, so entspricht es
nur dem allgemeinen Gesetze der
Arbeitsersparnis , daB die Ein-
zwangung der Schichten auf enge-
ren Raum sich diese Verhaltnisse
zunutze macht und daB damit die
Yerbiegung auf Teile der Schicht-
massen beschrankt bleibt oder
gar vermieden wird, — und das
namentlich, wenn es sich um re-
lativ starr e Materialien handelt.
Die Lokalisierung des tektoni-
schen Yorganges auf die schmale
Mittelzone bringt aber eine ganz besondere Arbeitsersparnis, wenn
sich hier infolge irgendwelcher Yorgange Materialien hoherer Mobilitat
einstellen.
. Man konnte zunachst fragen, ob vielleicht Spalten, entlang denen
im Hangenden oder Liegenden das Gebirge weit klafft, den tektonischen
Eintrieb fordern. Wenn nun auch ein Eindringen von Materialien in
Spalten in ganz extremen Fallen der Mobilitat vorkommt, so kann
derartiges zur Erklarung der Gesamterscheinung der inkongruenten
saxonischen Faltung schon deshalb nicht in Frage kommen, weil diese
auch ohne Yerwerf ungen eintritt und weil die Yerwerfungen, wo vor-
handen, nicht Ur sac he, sondern eine aus den speziellen Yerhaltnissen
des Untergrundes sich erklarende Begleiterscheinung des tektonischen
Yorganges der Ausstiilpung oder Einstiilpung sind (vgl. oben).
x) Dazu gehort im Falle 2 a, daB die Risse, an denen die Aufwarts- oder Ab-
wartsbewegung erfolgt, infolge Sprodigkeit des Materials ohne groBen Arbeits-
aufwand zu erzielen sind.
Fall 2b.
Fig. 8. For men der Einpassung
auf engeren Raum.
Fall 1: Totalverbiegung.
Fall 2a: Keine Verbiegung.
Fall 2b: Partielle Verbiegung.
112
I. Aufsatze und Mitteilungen.
III. ErklaruDg der kongruenten und injektiven saxonischen
Faltung.
1. Das TJntergrundbild bei Eintritt der saxonischen Faltung.
Wollen wir nunmehr die eigenartigen Formen der saxonischen Fal¬
tung, und namentlich die injektiven, zu erklaren versucken, so miissen
wir zunachst das Bild, das der zu faltende Untergrund beim Einsetzen
der Faltung bot, und uberhaupt die Verhaltnisse, unter denen die
Faltung erfolgte, ins Auge fassen und miissen bei einer vergleichen-
den Betrachtung der Gebiete, in denen die Faltung zu so verschiedenen
Formen gefiibrt hat, besonders den gegensatzlichen Verkaltnissen Be¬
ach tung schenken. Ich tue das in Form der nachstehenden Tabelle, in
der »Niederhessen«, »Siidhannover « und »Nordhannover « naturlich
nicht genau in ihren geographischen Grenzen, sondern in der Ausdeh-
nung der fiir diese Gebiete typischen Faltungsform zu verstehen sind.
In diesem Sinne sind z. B. der siidhannoversche Soiling und das slid-
hannoversche Eichsfeld noch ))Niederhessen«.
1.
3.
4.
5.
a. Niederhessen.
Starke variscische Fal-
tung.
Salzfloz groBer Machtig-
keit entsteht im Aus-
gange der Dyas.
In Oberdyas, Trias und
teilweise noch im Lias
Teil des Germanischen
Beckens. Danach meist
Teil des Mitteldeut-
schen Festlandes.
Sedimentation nur bis in
die altere Jurazeit und
voriibergehend wieder
im Tertiar. Denuda¬
tion in langen geologi-
schen Zeiten.
Triadische und altjuras-
sische Sedimente in-
folge epirogenetischer
Heraushebung schon
vor der saxonischen
Faltung z. T. wieder
beseitigt. Auch Salz¬
floz vielleicht hier und
da schon wieder aus-
gelaugt. Jiingere Sedi¬
mentation unterblie-
ben oder gering.
b. Siidhannover.
Starke variscische Fal¬
tung.
Salzfloz sehr groBer
Machtigkeit entsteht
im Ausgange der Dyas.
c. Nordhannover.
Variscische Faltung nur
noch im Suden, klingt
aus nach Norden.
Salzfloz von ganz be¬
sonders groBer Mach¬
tigkeit entsteht imAus-
gange der Dyas.
In Oberdyas und Trias Teil des Germanischen
und danach des Niederdeutschen Beckens, und
zwar
randnaher Teil des letz- randfernerer Teil des
teren. letzteren.
Seit Ausgang des Palaozoikums fast ununter-
brochen starke Sedimentation bis zum Tertiar
und z. T. auch noch in diesem. Denudationen
nur sehr lokal und im allgemeinen nur n'ach
orogenetischen Phasen.
Triadische und jurassische Sedimente infolge
epirogenetischer Absenkung bei Beginn der saxo¬
nischen Faltung noch in urspriinglicher Machtig¬
keit vorhanden. Auch Salzfloz damals wohl noch
uberall intakt.
Machtige jiingere Sedi- Sehr machtige jiingere
mentation. Sedimentation.
H. Stille — Injektivfaltung u. damit zusammenhangende Erscheinungen. 113
6.
7.
a. Niederhessen.
Variscisch gefaltetes
Grundgebirge bei saxo-
nischer Faltung in ge-
ringerer Tief e ( » f 1 a c h -
grundiges« postva-
riscisches Deckge-
birge).
Machtiges Salzfloz bei
Faltung in durch-
schnittlich etwa 1000m
Tiefe dicht liber dem
variscischen Grundge¬
birge.
b. Siidhannover.
Variscisch gefaltetes
Grundgebirge bei saxo-
nischer Faltung in
groBerer Tiefe (»tief-
griindiges« postva-
riscisches Deckge-
birge).
Sehr machtiges Salz¬
floz bei Faltung in
mehrere tausend Meter
Tiefe dicht liber dem
variscischen Grund¬
gebirge.
c. Nordhannover.
Variscisch gefaltetes
Grundgebirge bei saxo-
nischer Faltung in sehr
groBer Tiefe oder gar
fehlend (sehr »tief-
grundiges« oder gar
»grundloses« post-
variscisches Deck-
gebirge).
Sehr machtiges Salzfloz
bei Faltung in viele
tausend Meter Tiefe,
nur im Siiden noch
dicht liber einem ge-
falteten Grundgebirge,
im Norden liber flachen
palaozoischen Schicht-
tafeln.
Die Punkte 1 — 5 bilden die historiscbe Erklarung fur den unter 6 — 7
erlauterten Zustand des Bodens bei Eintritt der saxonischen Faltung.
Niederhessen
T T
N iederdeut s ches Becken
Siidhannover Nordhannover
-4 _ JL
Fig. 9. Untergrund und Faltungsfor m beidersaxonischenGebirgs-
bildung. — Die Punktierung im tieferen Teile des postvariscischen Deck-
gebirges zeigt die Lage des permischen Salzflozes an.
Kurz und zunacbst okne Beriicksicbtigung des fiir einen Teil der
zu behandelnden Fragen zwar sehr bedeutsamen permischen Salzflozes
gesagt, finden wir die dejektive Faltung (niederhessischer Typus)
114
I. Aiifsatze und Mitteilungen.
in einem flachgriindigen Scliwellengebiete^ die harmonise he
Fa it ung (sudhannoverscher Typus) in tie fgr tin digen und schwel-
lennalien; die ejektive Faltung (norclhannoverscher Typus) in
sehr tiefgriindigen bis grundlosen und schwellenferneren
Zonen. Fig. 9 veranschaulicht dieses noch bildlich in schematischer
Weise.
2. Selektive saxonische Faltung.
Betrachten wir nun zunachst im AnschluB an die obigen Ausfiih-
rungen iiber die Bevorzugung bestimmter Zonen und Materialien durch
den FaltungsprozeB die wechselnde Intensitat der Faltiing in den
saxonischen Gebieten.
Da ist vorweg hervorzuheben. daB ja die ganze saxonische Faltung
nur recht schwach ist. wenn wir die Starke der Faltung nach dem Grade
des durch sie hervorgerufenen Zusammenschubes beurteilen und wenn
wir vergleichsweise etwa die Yerhaltnisse des variscischen Bogens oder
unserer jungen »echtenc( Faltengebirge heranziehen. Nur ganz lokal
und in bestimmten Gesteinsgliedern (Salz) konnen sich Faltungserschei-
nungeii zeigen, die gegeniiber alpinen nicht zuriickstehen. Wenn wir
also von einer »starkeren« saxonischen Faltung reden, so ist das nur
im Rahmen des ganzen Phanomens der saxonischen Gebirgsbildung zu
verstehen. Der saxonische Boden wTar eben im groBen und ganzen
w*enig gefugig, und zwar aus mancherlei Grunden. In Betracht kommt
in diesem Sinne neben dem Yorhandensein des variscisch gefalteten
Untergrundes ganz besonders dessen von der saxonischen Faltung ab-
v'eichendes Streichen und sodann die vielfach nur geringe Bedeckung, *
unter der die Falten entstanden. Ferner brachte es die oft nur relativ
geringe Ausdehnung der in den variscischen Untergrund eingesenkten
Spezialbecken und deren mehrseitige Umrandung durch starrere Rah¬
men mit sich, daB die Einengung parallel zum einen Beckenrande den
Widerstand ( ))Flankenschutz«) der schrag oder senkrecht dazu stehenden
Rahmenzonen fand. So mag z. B. bei der Faltung des Tkiiringer Beckens
zwischen Thiiringer Wald und Harz auch der Flankenschutz des das
Becken im Osten umrahmenden Grundgebirges gewirkt haben. In dem
relativ widerspenstigen Boden treten auch die Erscheinungen der
Yerbiegung oft stark zuriick und dafiir erfolgt dann bei der Faltung
weithin ein mehr sc hollenweises Neuverstauen mit teihveisem Yber-
einanderschiebeii der Massen, das aber nur eine ziemlich schwache Ein¬
engung liefert.
Die Gebiete der mit obiger Einschrankung )>starken« saxonischen
Faltung grenzen weithin unmittelbar an die Mitteldeutsche Schw^elle
an. In ihnen (z. B. Siidhannover, Teutoburger Wald) herrscht die kon-
gruente Faltungsform. Hier handelt es sich um die Gebiete ganz beson-
derer Wirksamkeit der ))faltengebarenden(( Kraft der Mitteldeutschen
Schwelle. Die Faltung versehwhekt sich von Siidhannover aus einerseits
H. Stille — Injektivfaltung u. damit zusammenhangende Erscheinungen. 115
nord warts (beckenwarts) in den Gebieten des ejektiven Fait ungsty pus
und anderseits siidwarts (massenwarts) in den flachgriindigen Gebieten
der dejektiven Muldenkerne. In letzterem Falle bedingen substantielle
Griinde, namlich die zunehmende Resistenz des Untergrundes, in
ersterem positionare Griinde, d. h. die zunehmende Distanz von der
Stammschwelle, das Abflauen der Faltung, die nun ganz besonders die-
jenigen Zonen ergreift, die einerseits moglichst nahe der Stammschwelle
liegen und dabei anderseits von relativ hoher Mobilitat sind. GewiB
nimmt die Mobilitat nach Norden mit zunehmender Machtigkeit der
postvariscischen Schichtenmassen und zunehmender Tiefenlage des
variscischen Untergrundes noch zu, aber das kompensiert nicht die
mit der groBeren Distanz von der Mutterschwelle zusammenhangende
Erschwerung des Faltungsvorganges.
Niederhessen ist,/So wollen wir wiederholen, fur den orogenetischen
Druck wenig gefiigig, Nordhannover wenig erreichbar; Siid-
hannover ist ausreichend gefiigig und erreichbar.
Hinsichtlich des Eintretens der substantiellen Selektion inner -
halb der vertikalen Profile zeigt sich ein gewisser Gegensatz zwi-
schen der dejektiven und der ejektiven saxonischen Faltung. Aron der
dejektiven Faltung Niederhessens sind namlich die verschiedensten
Schichten (Trias und lokal noch Lias) ziemlich gleichmaBig betroffen,
und zwar Sandsteine, Schiefertone, Mergel, machtigere Kalksteine usw.,
und hochstens in ganz lokalen Ausnahmen ist eine auf der Material-
beschaffenheit beruhende besondere Bevorzugung einer bestimmten
Gesteinsart ersichtlich. Doch anders ist die Sachlage bei den
Faltungsejektionen Nordhannovers. Wenn sprodere Gesteinsmassen
gewiB auch an ihnen teilnehmen, so ist doch unverkennbar, daB die
mobileren Gesteine, wie Tone, tonige Sandsteine, tonige Mergel, mehr
noch, als ihrer Beteiligung am normalen Schichtenprofile an sich
schon entspricht, in die ejektive Aufwartsbewegung hineingezogen
sind; z. B. scheinen auf den Flanken der Ejektivsiittel die »Yer-
werfungen« sich mit besonderer Vorliebe dort einzustellen, wo der
Muschelkalk stecken rniiBte, und das bedeutet, daB gerade der
Muschelkalk in der Aufwartsbewegung zuriickgeblieben ist. In ganz
besonderem MaBe ist aber das Salz von der Faltung ergriffen und
hochbewegt worden und die Achsen Mittel- und Nordhannovers sind
ja zum guten Teile geradezu ))Salzlinien«.
Bei der dejektiven Faltung Niedersachsens erkennen wir
also ein in der Hauptsache harmonisch.es, bei der ejektiven Fal¬
tung Nordhannovers dagegen ein sehr unhar monisches Ver-
halten der betroffenen Gesteine.
116
I. Aufsatze und Mitteilungen.
3. Inkongruente Faltung infolge von ungleichmaBiger Druckwirkung.
Die inkongruentenFaltungsformen ersparenVerbiegungsarbeit gegen-
iiber den kongruenten, und zwar zum Teil durch Yerringerung der Ver-
biegung an sich, zum Teil durch Verlegung der efforderlich werdenden
Verbiegung in moglichst mobile Materialien. Von vornherein diirfen
wir sie nach obigen allgemeineren Ausfiihrungen (vgl. S. Ill) nament-
lich dann erwarten, wenn der injektive Eintrieb durch ganz besondere
Verhaltnisse erleichtert wird. DaB in diesem Sinne klaffende Spalten
nicht oder doch hochstens einmal in Ausnahmef alien in Frage kommen,
wurde schon gesagt.
Die Sachlage scheint vielmehr folgende zu sein.
Inkongruente Faltung zeigt sich besonders bei relativ1) er-
heblichen Unterschieden in der Angreifbarkeit iiberein-
ander liegender Schichtsyste me, wobei die ))Angreifbarkeit« aus
den besonderen V erhaltnissen teils substantieller, teils positionarer Art
resultiert; und zwar ist dort, wo die dejektive Faltungsform herrscht,
das Hangende und dort, wo die ejektive Faltungsform herrscht, das
Liegende leichter angreifbar. Die starkere Angreifbarkeit fiihrt bei
einsetzendem Faltungsdrucke zu stark erem Zusammenschube oder
kann doch wenigstens dazu fuhren, wahrend das Hangende oder Lie¬
gende schwacher eingeengt wird. Die schwachere Einengung eines be-
stimmten Erdniveaus konnen wir auch als seine relative Dehnung
gegeniiber den Niveaus starkeren Zusamrnenschubes bezeichnen.
Die in horizontaler Eichtung starker zusammengeschobenen Massen
miissen natiirlich in vertikaler Eichtung entsprechenden Eaum gewinnen.
Das kann aber nur in der Eichtung der abnehmenden Korn-
pression geschehen, da ja in der Eichtung der gesteigerten Kom-
pression durch den noch verstarkten Aufstau der dortigen Massen der
Weg versperrt ist. So erklart sich auch, daB nicht in ein und derselben
saxonischen Faltungsform Ejektionen und Dejektionen nebeneinander
auftreten, — etwa Stiilpsattel und Stiilpmulden, getrennt durch Stiicke
einigermaBen schwebender Lagerung, — denn es ist ja nach der
ganzen Sachlage die Injektion entweder auf warts oder ab warts
unmoglich2).
Somit kommt die inkongruente Faltung unter gesteigertem
V orschube mobilerer (oder wenigstens doch aus positionaren Griinden
leichter zusammenschiebbarer) Massen in der Eichtung zuneh-
menden Faltungswiderstandes — und das heiBt auch bis auf
1) »Relativ « zur Starke der Gesamtfaltung.
2) Nur dort, wo nicht eine allgemeinere aufwartige oder abwartige Kom-
primibilitatsabnahme, sondern ein mehr lokaler Komprimibilitatswechsel von
Schicht zu Schicht in Frage kommt, waren vielleicht einmal kleinere Ausstiil-
pungen einer besonders mobilen Schicht sowohl in das starrere Hangende, wie
in das starrere Liegende denkbar.
H. Stille — Injektivfaltung u. damit zusammenhangende Erscheinungen. 117
einen selbstverstandlichen Ausnahmefall (s. unten) in der Richtung
zunehmender relativer Dehnung — zustande.
Die ungleiche Komprimibilitat fiihrt nun keineswegs in der ganzen
Ausdehnung der ungleicb faltbaren Niveaus zu ungleicher Einengung.
Ware das der Fall, — ware z. B. durch die weitesten Gebiete Nieder-
hessens das Hangende iiberall oder auch nur weitbin starker ein-
geengt, als das Liegende — , so miiBten ja unter tlberwindung groBer
Reibungswiderstande weitgehende horizontale Yerschiebungen auf
Abscherungsflachen, wie sie sich etwa Buxtorf in dem salzfiihrenden
Mittleren Muschelkalke im Untergrunde des Schweizer Juragebirges
vorstellt, eingetreten sein, — und von solchen Schubleistungen kann
bei der geringen Starke des saxonischen Druckes keine Rede sein;
das zeigen uns auch. die Bohrungen und sonstigen Aufschliisse und
der ganze geologische Ban, wenn Abscherungen gewiB auch lokal
in geeigneten Materialien innerhalb der Zonen ortlich erhohter Wirk-
.samkeit des tektonischen Druckes nicht fehlen. Vielmehr ergiebt
sich aus der ungleichen Angreifbarkeit nur in ganz bestimmten
Faltenteilen eine ungleiche Kompression, und zwar in denjenigen,
die an sich schon in der Injektionsrichtung vorbewegt werden,
d. h. bei der dejektiven Faltung in den Mulden, bei der ejektiven
in den Satteln.
a) Dejektive Faltung bei starrerer Tiefe.
Niederhessen kennzeichneten wir als Gebiet mit flachgriindigem
postvariscischen Sedimente iiber einem variscisch gefalteten Grund-
gebirge. Die erhebliche Starrheit des Untergrundes lieB, so nahmen
wir an, eine irgendwie betrachtlichere saxonische Faltung nicht zu¬
stande kommen.
Klar tritt uns hier der Gegensatz zwischen einem mobileren
H angenden (postvariscisches Sediment) und einer resistenteren
Tiefe (variscisches Grundgebirge) entgegen. Im Liegenden muB in-
folgedessen ein starker Einengungswiderstand gewaltet haben, wodurch
es beim Einsetzen des orogenetischen Druckes zu einer Region rela¬
tiver Dehnung wurde. Das somit eintretende abwartige Kom-
pressionsgefalle haben wir aber nicht nur an der unmittelbaren
Grenze des resistenteren und weniger resistenten Materiales/ an der
es sprunghafter Art ist, sondern auch in der ganzen »Bannzone« (vgl.
oben) iiber dem starr eren Grundgebirge. Hier ist innerhalb der Decke
beweglicheren Materiales das tiefere, — wenn wir von Abweichungen
durch substantielle Verhaltnisse absehen, die aber gerade hier von ge-
ringerer Bedeutung zu sein scheinen — , jeweilig schwerer angreifbar,
als das hohere. Es ist ja natiirlich, daB der Basalschutz nur bis zu einer
gewissen Hohe hinaufreicht und bei entsprechend groBer Machtigkeit
des Deckgebirges in dessen hangendem Teile nicht mehr wirkt, — aber
118
I. Aufsatze und Mitteilungen.
diese Machtigkeit ist eben dort, wo der niederhessische Bautypus herrscht,
noch nicbt erreicbt gewesen.
In diesem Banne des starreren Grundgebirges lag auch, so scheint
es, das permische Salzlager, soweit es nicht iiberbaupt durch vor-
tektonisohe Auslaugung im Gefolge vorangegangener epirogenetiscber
Hebungen und Aufwolbungen ortlicb beseitigt wat.
Das dejizierende (abwartig injizierende) Motiv bei der niederhessi-
scben Faltung sucben wir also in der naben Unterlagerung durcli starreres
Grundgebirge. Es kornnit zur Wirkung in den an sick schon ab warts
gerichteten F altenelementen, d. b. in den Mulden, die nun in der Rich-
tung der abnebmenden Einengung vorgestiilpt werden, und zwar rneist
in Form von »Graben«, zurucktretend aucb als Senkstreifen mit ein-
seitiger oder beiderseitiger Begrenzung durcli Flexuren.
Die verstarkte Einengung im Hangenden und die Einstulpung
von hier ins Liegende muB, da weite, flachenhafte Abscberungen und
Gleitungen des Hangenden auf dem Liegend^n nicbt eintreten, einen
Ausgleicb durcb eine Art Gegenbewegung aus dem injizierten Liegenden
zum Hangenden finden. Man betracbte Fig. 14a auf S. 129. Die ge-
stricbelte Linie gibt in ibr die Muldenkurve bei kongruenter Faltung
an; bei der inkongruenten wird das Mittelstuck verstarkt gesenkt (ab-
wartiger Pfeil) und im allgemeinen aucb verstarkt eingeengt. seine
Flanken sind aber gegenuber der Kurve kongruenter Faltung geboben
(aufwartiger Pfeil). Natiirlicb gilt aucb bier der Begriff »gesenkt« nur
relativ, denn tatsacblicb baben wur ja (vgl. S. 99) kein Sinken des
Grabens, sondern nur ein Zuruckbleiben bei der allgemeinen Hebung
und dafiir ein starkeres Yoraneilen der Flanken, als bei barmoniscber
Faltungsform eintreten wurde. Der Sattel laBt seine Scbultern weniger
hangen, um erst neben oder aucb erst in deni randlicben Teile des de-
j izierten Kernes um so steiler zur Muldenlinie abzufallen, — das aber
ist die kennzeicbnende Form der Breitsattel bei der dejektiven Faltungs-
art. Bewirkt die Injektion das Bild der Stlilpmulde, so bat also die
Reaktion auf die Injektion ibre Bedeutung fiir das Zustandekommen
des Breitsattels.
Durcli Reaktionsscbiibe in diesem oder alinlicliem Sinne erklaren
sicb vielleicbt aucli in mancben Fallen die kleinen Scbollen alteren Ge-
birges, z. B. von Zecbstein, die in der Randzone der Graben eine so
auffallige Ersclieinung bilden. Es ist dabei vielleicbt aucb von Be¬
deutung, daB sicb bei stark erer Faltung des Hangenden, wie weiter
unten noch zu zeigen sein wird, eine gewisse Tendenz vertikaler Zerrung
einstellt und den Gegenschub auf die eingetretene Yersenkung erleicbtern
kann.
H. Stille* — Injektivfaltiuig u. damit zusammenhangende Erscheinungen. 119
.
;■* l ■ b) Ejektive Ealtung bei mobilerer Tiefe.
Der nordhannoversche Typus der saxonischen Ealtung (ejektive
Ealtung) findet sick in den inneren, sehr tiefgriindigen bis grundlosen
Teilen des Niederdeutschen Beckens und besonders bedeutungsvoll ist
hier die weitgeliende Ausschaltung der Wirkungen eines variscisch ge-
falteten Untergrundes. Ein solcher ist iiberhaupt nur noch unter dem
sudlichen Teile Nordhannovers vorhanden, — wie z. B. auch noch im
Flechtinger Hohenzuge zwischen Obisfelde und Magdeburg — , wahrend
der Norden schon ganz auBerhalb des variscischen Bogens, den wir ja
weiter westlich bei Osnabriick ausklingen sehen, liegt. Dock auck im
Siiden liegt das variscische Gebirge in solcher Tiefe, daB es schon eine
erhebliche EinbuBe an seiner Starrheit erlitten haben diirfte und seine
festlegende Wirkung sowokl an sick, wie auch hinsichtlich ikrer auf-
wartigen Reichweite um so geringer ware.
Dock nock etwas anderes scheint fur die Ausschaltung der Schutz-
wirkung des vorpermischen Grundgebirges auf die ganzen hangen-
den Schichtmassen und auck schon auf die an den ejektiven Sattel-
kernen so stark beteiligte permische Salzformation in Betracht zu
kommen, namlich die leichte Mdglichkeit ortlicker Abscherungen zwi¬
schen dem Grundgebirge und den hangenden Schichten in der Zone
des permischen Salzes1). Letzteres befand sick ja bei Eintritt der Faltung
in einer Machtigkeit, die vielleicht bis zu 1000 m betragen hat, unter
einer Schichtfolge von mekreren tausend Metern; eine TTberdeckung
von 3000 Metern bringt aber schon eine Temperaturzunahme um
rund 100°, und nacli den Untersuchungen, die besonders Milch2) an-
gestellt hat, erfahrt gerade das Salz schon durch solche Temperatur-
zunahmen eine ganz ungewohnliche Steigerung seiner Beweglichkeit; der
Yersuch der ringformigen Yerbiegung etwas erwarmter kleiner Stein-
salzstabchen, die man durch Spaltung gewinnt, ist jederzeit leicht an-
zustellen. Steigert Temperaturerhohung ganz allgemein die Bildsam-
keit der Materialien, so tut sie es ganz besonders beim Steinsalz, und
ist das Salz an sich schon ein relativ mobiles oder dock leicht zu mobili-
sierendes Element, so trifft das ganz besonders fiir das tiefe Salz zu.
In Niederhessen ist das Salz an den variscischen Untergrund ge-
wissermaBen festgebannt; er macht es, wie wir sagten, schwer erreich-
bar fiir den orogenetischen Druck, so daB dieser die Eigenmobilitat
des Salzes nicht wesentlich erhohen konnte. Damit sind auch die
1) Die Kalke, Dolomite usw. des Mittleren und Unteren Zechsteins, die das
Salz vom variscischen Grundgebirge trennen, spielen hier etwa dieselbe Rolle,
wie nach der Auffassung Buxtorfs die Untertrias und der Wellenkalk zwischen
dem vorpermischen Grundgebirge und der abgescherten jlingeren Schichtfolge
des Schweizer Juras.
2) L. Milch, Uber Zunahme der Plastizitat bei Kristallen durch Erhohung
der Temperatur. Neues Jahrb. f. Mineralogie usw. 1909, I, S. 60ff.
120
I. Aufsatze und Mitteilungen.
Abscberungserscbeinungen dort sebr erscbwert. Zum Zustandekommen
solcber bedarf es aber in den groBen Tiefen Nordbannovers gar nicbt
mebr einer sebr wesentlicben Steigernng der Mobilitat des Salzes durcb .
den orogenetiscben Druck, vielmehr ist bier das Salz an sicb scbon
obne groBen inneren Halt, — ancb trotz einer etwaigen Starrbeit und
Scbutzwirkung des Untergrundes — ; und desbalb ist es in seinen
Faltungserscbeinuagen verbaltnismaBig wenig durcb den Untergrund
gebemmt; damit ist aber aucb die Einwirkung des Grundgebirges auf
das ganze Hangende wesentbcb abgescbwacbt. Immerhin kann die Ab-
scherung nicbt, wie scbon gesagt wurde, als allgemeine Erscbeinung
unter den Gebieten der an sicb so scbwacben ejektiven Faltung und
speziell nicbt unter den ausgedebnten Breitmulden gelten, sondern nur
als lokales Pbanomen unter den Zonen starkster Wirksamkeit des oro¬
genetiscben Druckes, d. b. unter den Sattelzonen.
Hatten wir die dejektive Faltungsform durcb das Yorbandensein
einer besonders resistenten Tiefe erklart, so liegt es scbon von vorn-
berein nabe, als Ursacbe ibrer Umkebrung, d. b. der ejektiven Faltungs¬
form, die umgekebrten Verbaltnisse, d. b. eine besondere Angreifbarkeit
der Tiefe oder docb bestimmter Tiefenzonen und eine relative Re-
sistenz des Hangenden zu vermuten. In der Tat liegen solcbe Verbalt¬
nisse vor. Sie sind in der Hauptsacbe substantieller Art und fiibren
zu einer Ejektion aus Mobilitat.
In erster Linie kommt als mobiles Tiefenelement das macbtige und,
wie wir eben sahen, durcb das Grundgebirge in seiner Mobilitat wenig
gebemmte permiscbe Salzlager in Betracbt, das ja aucb an den ejektiven
Sattelkernen Nordhannovers so stark beteiligt ist. Wacbst mit der
Tiefenlage, wie gesagt wurde, seine Mobilitat sebr stark, so wacbst mit
ibr aucb ganz besonders der Mobilitatskontrast gegenuber den anders-
artigen Scbicbten, und auf diesen kommt es bei den Faltungsinjektionen
eben an.
Das Salzlager des Zecbsteins war nun nicbt das einzige in der Tiefe
des zentraleren Niederdeutscben Beckens, sondern aucb im Hangenden
des Perms, in der Trias, sind Salze vorbanden, und zwar im allgemeinen
in drei Horizonten, im Oberen Buntsandstein, Mittleren Muscbelkalk
und Mittleren Keuper. Schatzen wir die gesamte intakte Scbicht masse
vom Oberen Zecbstein bis zur Unterkante des Rbats auf iiber 2500 m — ,
die Zabl ist zwar etwas unsicber — , so bestanden vielleicbt zwei Funftel
oder mebr von dieser Macbtigkeit aus Salz.
Als mobilisierend kommt fiir die tiefere Schicbtenserie ferner in Be¬
tracbt, daB gerade im nordlicben Hannover die macbtige Untertrias
nacb dem Ergebnisse der Bohrungen im Yergleich zu weiter siidlicb
liegenden Gebieten relativ arm an kompakteren Sandsteinen und um
so reicber an Scbiefern und sandigen Scbiefern zu sein scbeint. GewiB
feblen demgegenuber aucb starrere Scbicbten nicbt, speziell im Muscbel¬
kalk; aber sie bilden nur einen kleinen Teil der ganzen Schichtfolge und
H. Stille — Injektivfaltung u. damit zusammenhangende Erscheinungen. 121
namentlich das starreste Schichtenglied, der Trochitenkalk, 1st nur
wenige Meter machtig.
Nach vorstehenden Betracktungen befand sick bei der saxoniscken
Faltung Nordkannovers eine liegende Sckicktenmasse von kokerer Mo-
bilitat unter einer Sckicktenmasse von groBerer Resistenz, d. k. es lag
die Umkekrung des Yerhaltnisses vor, aus dem keraus wir in Niederkessen
die dejektive Faltungsform zu erklaren versuckt kaben. Die starkere
Einengung %des Liegenden bedeutet die relative Deknung
des Hangenden. Eanden wir unter den Yerhaltnissen der dejektiven
Faltung eine abwartige, so kaben wir dort, wo die Faltungse jektion
eintritt, eine aufwartige Kompressionsabnakme^ und in der
Ricktung dieser werden nun gewisse Teile der Falten weit auf warts vor-
gestreckt,
Somit ist das Yorkandensein des permiscken Salzgebirges, dazu in
den groBeren Tiefen mit an sick koker Temperatur, zwar der Haupt-
faktor, der mobilisierend in den tieferen Regionen des zentraleren Nieder-
deutscken Beckens wirkt, — aber schlieBlich dock nur ein Faktor
neben mehreren, namlick neben anderen salinaren Einschaltungen,
neben dem starken Zurucktreten starrerer Gesteine und nickt zum
let z ten neben der allgemeinen Zunakme der Teufenmobilitat in sehr
tiefgrundigen Sckicktmassen. Unter Hinweis auf letztere mag viel-
leickt gefragt werden, warum denn nickt ganz allgemein eine Tendenz
ejektiver Faltung in den tiefgrundigen Teilen der Sedimentationsbecken
erkennbar sei, — aber erstens gibt es nock viele Yerkaltnisse, die, wie
sckon die reicklickere Einsckaltung an sick resist enter en Materiales, die
zunekmende Teufenmobilitat wieder aufkeben konnen, und zweitens ist
ja die Teufentemperatur im Falle Nordkannovers wiederum nur ein
Faktor, der zu anderen kinzukommt und nun gerade ganz besonders
in einem Gebirge wirkt, das salinare Einschaltungen in so erheblichem
Umfange enthalt.
So kaben wir in der Tiefe der zentraleren Teile des Niederdeutschen
Beckens, wie ich nockmals zusammenfassen mochte, eine sehr machtige
Sckicktfolge, die fast zur Halfte aus Salz, im ubrigen aber vorkerrsckend
aus Tonen, Sckiefern, sandigen Sckiefern und tonigen Mergeln bestekt
und die unter der mobilisierenden Wirkung der gesteigerten Belastung
und gesteigerten Temperatur stekt. Das ist aber unverkennbar eine
mobile Tiefe gegenuber einem Hangenden, dem zunachst das hoch-
gradig mobilisierende Salzelement feklt, das sick aber zweitens unter
weit geringerem Drucke und unter niedrigerer Temperatur befindet.
Die hohere Mobilitat der Tiefe, d. k. die Yorbedingung fur die ejek-
tive Faltungsform, ist in der gesckilderten Weise zwar unter ganz Nord-
kannover anzunekmen, fiihrt aber zu tektoniscken Ejektionen nur in
sekr sckmalen Zonen, die als Sattelzonen an sick sckon der vorgescho-
benste Teil des Faltensystemes sind. Hier wird dasjenige unter starken
Deformationen, wie die E jektion sie mit sick bringt, gesteigert vor-
Geologische Rundschau. VIII. 9
122
I. Aufsatze und Mitteilungen.
geschoben, das sicli infolge seiner hoben Mobilitat den neuen Raum-
verhaltnissen am leichtesten anzupassen nnd ganz besonders die Kosten
des Znsammenschnbes in den injizierten hoheren Solen zu tragen ver-
mag, wahrend dafiir das scbwerer Einengbare relativ zuriickbleibt
nnd sicb den durcb die Ejektion gewissermaBen frei gewordenen Raum
Fall a: Norinale Sattelwolbung bei barmonischem Verhalten der Schichten.
Fall b: Ejektion aus Mobilitat bei disharmonischem Verhalten der Schichten.
Fig. 10. Gesteinsmobilitat und Faltungsfor m.
Im Falle a sind die Schichten als einigermaBen gleich starr, im Falle b ist die
Schicht c (Salz) und danach die Schicht / als besonders mobil angenommen.
a = Haselgebirge.
znnntze macht. So ist’s im groBen im Verhaltnis der mobilen Tiefe
zum resistenten Hangenden, so ist’s ancli im kleinen innerbalb der auf-
steigenden Tiefenmassen nach der wecbselnden Mobilitat.
In Fig. 10 b veranschauliche ich ganz scliematisch den Fall einer
Faltnngsejektion in einem Sattelkerne nnter Yergleicb mit einer nor-
H. Stille — Injektivfaltung u. clamit zusammenhangende Ersoheinungen. 123
malen Sattelbildung (Fig. 10a). 4Dem oberen Bilde liegt die Annahme
zugrunde, dab die Schichten a — l einigermaben gleichmabig mobil sind,
wahrend in Profil 10 b die Schicht c (Salz) und danacb die Schicht /
als ganz besonders mobil angenommen werden. Am starksten hoch-
geprebt ist im Profil b das in sich stark gefaltete und gefaltelte Salz
und auch die Schicht / ist an den Flanken des Salzes erheblich vor-
gestoben. Zwischen dem Salze und dem Nebengesteine liegt das bei
der Hochbewegung entstandene Haselgebirge (a), ein Haufwerk von
Blocken und Stiicken des Nebengesteines in einer Salzmatrix. Rela-
tiv zuriickgeblieben sind die weniger mobilen Schichten, so besonders
eine als starker resistent angenommene Schicht e, die ihre Raumein-
engung unter Zerbrechen uifd Zusammenstauchung erfahren hat. Den
Betrag der Aufwartsbewegung ermessen wir nach dem Alter der Schichten
im Liegenden der nach der Faltung und Einebnung abgelagerten diskor-
danten Decke T (z. B. Tertiar), und zwar ist in beiden Fallen ein gleich-
tiefes Eingreifen der einebnenden Vorgange angenommen. Im Falle a
finden wir unter der Transgression die Schichten h, i, k, /, im Falle b
weithin jeweilig jiingere, dafiir aber auf kleine Erstreckung die relativ
alte Schicht c; das bedeutet aber fiir den Fall b eine Hebungsersparnis
auf den Sattelflanken unter gesteigerter Hebung des besonders mobilen
und deshalb besonders leicht aufwarts bewegbaren Kernes. Die Arbeits-
ersparnis liegt darin, dab die tektonischen Vorgange sich moglichst
in die Gebirgsglieder von geringerer Resistenz verlegen.
Die relative Senkung bzw. das starkere Zuriickbleiben der Flanken
des gesteigert vorgeschobenen Sattelkernes ist gewissermaben die Reak-
tion auf den ejektiven Vorgang; das erlautert Fig. 14 b (s. unten)
nochmals ganz schematisch. In ihr bezeichnet die gestrichelte Linie
die Kurve kongruenter Faltung; bei der inkongruenten Faltung wird
nun das Mittelsttick des Sattels gesteigert hochbewegt (aufwartiger
Pfeil) und eingeengt, seine Flanken werden aber entsprechend weniger
gehoben (abwartige Pfeile). Betrachten wir nun die Sachlage in bezug
auf die Mulden, so heben diese ihre Flanken nicht in dem Mabe, wie bei
der harmonischen Faltung, sondern lassen sie bis nahe an den ejektiven
Kern heran relativ gesenkt. Das aber ist es, was die »Breitmulde «
kennzeichnet. Bedingt bei der inkongruenten Faltung Nordhannovers
die Injektion die spezielle Ausgestaltung des Sattelteiles, so er-
scheint fiir die Ausgestaltung des Muldenteiles die Reaktion auf
die Injektion besonders bedeutungsvoll.
Das disharmonische Verhalten der Gesteinsmassen verschiedener
Mobilitat erschien uns als Ur sac he der ejektiven Faltung; aber es ist
auch, wie nunmehr zu zeigen ist, Folge einer solchen, und so verstarken
Ursache und Wirkung einander beim Zustandekommen der sehr ex-
tremen Bilder tektonischer Disharmonie. Wir gehen davon aus, dab
je starker die Faltung einer bestimmten Sole, um so starker auch der
Hochtrieb ihrer Gesteinsmassen ist. So haben wir (vgl. Fig. 11) bei
9*
124
I, Aufsatze und Mitteilungen. '
starkerer1 Kompression des Hangenden (dejektive Faltung) naturgemaB
anck einen verstarkten Hocbtrieb des Hangenden bei gleicbzeitig
schwacberem Hochtriebe des Liegenden; bier eilt das Hangende ge-
wissermaBen voran, das Liegende bleibt ihm gegeniiber zuriick und so
entstebt in vertikalem Sinne eine gewisse Zerrungstendenz, die verti-
kale Yerscbiebungen innerbalb der sicb faltenden Massen nur erleicbtern
kann. Umgekebrt unterliegt bei starkerer seitlicber Kompression des
Fig. 11. Ungleicbe Hocbbewegung von Han-
gendem und Liegendem bei ungleichmaBiger
Einengung.
Kurze Pfeile: Schwa chere Hocbbewegung infolge
schwacherer Einengung.
Lange Pfeile: Starkere Hocbbewegung infolge star¬
kerer Einengung.
Fall a: Voraneilendes Hangendes.
Fall b : Lastendes Hangendes.
Liegenden (ejektive Faltung) dieses Liegende dem stark eren Hocbtriebe
bei scbwacberem Hocbtriebe des Hangenden; das Hangende lastet hier
gewissermaBen auf dem Liegenden, und es ergibt sicb eine dem auf-
wartigen Vorscbube von Faltenteilen entgegenwirkende Tendenz verti-
kaler Kompression. Der aus der ungleicben later alen Einengung
resultierende injektive Yorscbub von Faltenteilen ist also bei starkerer
Faltung des Hangenden (d. b. bei der dejektiven Faltungsart) erleic ’li¬
ter t durch eine Tendenz vertikaler Zerrung, bei starkerer Faltung des
Liegenden (d. b. bei den ejektiven Yorgangen) erscbwert durcb eine
Tendenz vertikaler Kompression.
Icb prazisiere die Sacblage nocbmals in folgender Weise:
Der dejektive Yorscbub von Faltenteilen (Muldenkernen) erfolgt
binein in ein in vertikalem Sinne entlastetes Liegendes, der ejektive
Yorschub von Faltenteilen (Sattelkernen) binein in ein lastendes
Hangendes. Nebenber gebt, daB in ersterem Falle das Liegende, in
letzterem das Hangende in horizontalem Sinne relativ gedebnt ist.
Damit muB der aufwartige injektive Yorscbub bei der ejektiven
Faltung einen ungleicb boberen Widerstand finden, als der abwartige
bei der dejektiven. Der dejektive Yorscbub ist, wie man vergleicbsweise
gegeniiber dem ejektiven Typus einmal sagen konnte, mebr eine Art
Hineinsenkung, der ejektive gegeniiber dem dejektiven mebr eine
zwangsmaBige Hineinpressung von Faltenteilen in die Zonen der
geringeren seitlicben Kompression. Scbon allein auf diese Weise wiirde
sicb erklaren, daB bei der relativ geringen mecbaniscben Leistung der
dejektiven »Hineinsenkung « die verscbiedene Mobilitat der Gesteins-
massen keine groBe Rolle spielt und der Faltungsvorgang wenig selektiv
verfabrt, wabrend bei der ungleicb erscbwerteren mecbaniscben Arbeit
der ejektiven »Hineinpressung« die Resistenz der Einzelmaterialien
Hangendes
^ Liegend
A
es
a. Dejekt. b.Ejekt.
Fcdtimg laltmic/
H. Stille — Injektrvfaliung u. damit zusan menhargende Frscheinunger.1 125
eine ganz andere Bedeutung gewinnt und hier die geliigigsten (mcbilsten)
Massen am starksten an den Injektionen teilnehmen. »Einpres&ung«
erfordert eben ganz andere innere Deform ationen, wie ))Einsenkung«,
und deshalb finden wir bei der ))Einpressung« die gesteigerte Bevor-
zugung dessen, das der inneren Deformation am wenigsten TViderstand
entgegensetzt. Auch in diesem Zusammenhange sei auf den schon
oben (vgl. Kap. Ill, 2) bervorgebobenen Unterschied hinsichtlicb der
disharmonischen Erscheinungen bei der einen und der anderen Art/ der
inkongruenten saxonischen Ealtung verwiesen.
4. Kongruente Faltung bei gleichmabigerer Druckwirkung.
Wie erklark sicb nun did kongruente saxonische Faltung in ibrer
raumlichen und formalen Mittelstellurig zwischen der dejektiven Ealtung
Niederhessens und der ejektiven Mitt el- und Nordhannovers? Kurz
gesagt dadurch, dab diejenigen Verhaltnisse, aus denen heraus wir in
Niederhessen und Nordbannover das Abweichen von der kongruenten
Faltung deuteten, wegfallen oder doch ganz zurucktreten.
Wir erklarten die inkongruente Faltung aus der ungleiehen Faltungs-
resistenz in tibereinander liegenden Scliicbtsystemen; demgegenuber
baben wir also kongruente Faltung dort zu erwarten, wo die ganze an
der Entstehung des Faltenbildes beteiligte Schichtenfolge einigermaben
gleicbmabig dem tektoniscben Drucke zuganglich war.
Im einzelnen baben wir zu erortern, inwiefern bei der Faltung Sud-
bannovers 1. die dejektiven Motive Niederbessens und 2. die ejektiven
Motive Nordbannovers ausgescbaltet waren.
Die dejektive Faltung Niederbessens bracbten wir mit der Flacb-
grundigkeit dieser Gebiete, d. h. mit der geringen Macbtigkeit der meso-
zoischen Scbiebtentafeln fiber dem varisciseben Grundgebirge, in Zu-
sammenbang. Sie vollzog sich, wie wir sagten, nccb im Banne der va-
riscischen Tiefe. Demgegentiber lag das variscische Grundgebirge in
Sudhannover in einige tausend Meter Tiefe, so dab sicb bier die
Faltung wenigstens der hoheren Teile schon ganz auberhalb seiner Ein-
flubsphare abgespielt habendiirfte; und dazu war in der groberen Tiefe
Siidhannovers das Grundgebirge vielleicht aucb scbon etwas weniger
starr. Wo aber in Sudhannover infolge vorangegangener sakularer
Aufwolbungen das variscische Gebirge bei Eintritt des Faltungsvor-
ganges relativ dicbt unter Tage lag, — wie im Soiling, der nordlicben
Fortsetzung des niederhessiscben Buntsandsteingebiets, cder wie zum
Teil im Eicbsfelde, — da erscbeint auch tatsachlicb nccb der nieder-
bessiscbe Graben.
Die Ursacbe fur die Faltungsejektionen Nordbannovers war nacb
unserer Ansicht in der Hauptsacbe qualitativer Art, und zwar spielten
die Salzlager, und unter cliesen wieder das permische, die Hauptrolle1).
x) Ich beschranke mich hier auf den Haupttrager der Tiefenmobilitat bei der
ejektiven Faltung; andere Verhaltnisse kommen, wie wir gesehen haben, hinzu.
126
I. Aufsatze und Mitteilungen.
Audi in Slidhannover, und naturgemaB besonders im Gbergangs-
gebiete zum nordbannoverscben Typus, sind Salzejektionen erkennbar,
und zwar unter tektoniscben Yerhaltnissen, die sonst nocF durchaus
als »sudhannbversche« ^u bezeichnen und speziell noch durch einiger-
maBen korigruente Entwicklung von Satteln und Mulden charakterisiert
sind. Aber trotz solcber lokalen Erscheinungen tritt im groBen und
ganzen die Ejektivitat des Salzes gegeniiber den nordlichen Gebieten
sehr zuriick. Oft genug finden wir das Salz, wenn aucb in sick kom-
plizierter gefaltet, nock dort, wo esrnach dem stratigrapkiscken Yer-
bande seinen Platz haben muB, d. k. unter den Aufwolbungen des Bunt -
sandsteins; und ist es in anderen Fallen vorangeeilt, so kandelt es sick
dock nickt annakernd um solcke Betrage, wie weiter nordlick.
* Wakrend also in Siidkannover das varisciscke Grundgebirge auf die
hoher liber ikm liegenden Sckichtfolgen eine dejektive Wirkung zwar
nickt mekr ausuben und eine dejektive Faltung nickt mekr kerbeifiikren
konnte, kat es dock, wie wir annekmen miissen, dem dickt iiber ikm
liegenden Salzgebirge nock einen gewissen Schutz gegen eine gesteigerte
Wirkung des orogenetiscken Druckes gegeben und dadurck bis zu einem
gewissen Grade die an sich lioke Mobilitat des Salzes kompensiert.
Immerkin war letztere nock nickt derartig, wie in den nock groBeren
Tiefen Nordkannovers, und damit war auck die Loslosung von der
bannenden Basis durck lokale Absclierungs- und aknlicke Yorgange
nock nickt derartig erleicktert, wie weiter nordlick.
5. Zusammenfassung.
Die Formen der inkongruenten Faltung kaben wir im wesentlicken
unter dem Gesicktspunkte der gegeniiber der kongruenten Faltungsart
ersparten Yerbiegungsarbeit zu deuten versuckt. Zweierlei Arten
der Ersparnis, die z. T. nebeneinander kergeken, z.T. innigst miteinander
verkniipft sind, kommen dabei in Frage (vgl. S. 110), namlicli
1. Ersparnis von Yerbiegungsarbeit durck Ersparnis von Yer-
biegung,
2. Ersparnis von Yerbiegungsarbeit durch Yerlegung der Yer-
biegung in moglickst leickt verbiegbare (mobile) Materialien.
Die durck die Einengung auf kleineren Raum erforderte Gesamt-
verbiegung einer bestimmten Schicht wird durck AusstoBung eines
Gesteinsstreifens oder Gesteinskeiles in das Hangende oder' Liegende
kerabgesetzt ; dieser Vorgang wird unter den Yerhaltnissen der in¬
kongruenten Faltung durck eine gesteigerte Eintriebsmoglichkeit
in das Hangende oder Liegende erleicktert, die dadurck zustande
kommt, daB infolge qualitativer oder positionarer Verhaltnisse der
einzuengenden Massen die Faltbarkeit in einem Falle (Fig. 12 a)
nack dem Liegenden, im anderen (Fig. 12 b) nack dem Hangenden
abnimmt und d,amit bei einsetzender Faltung in dem einen Falle (a)
das Liegende, in dem anderen (b) das Hangende gewissermaBen in
H. Stille — Injektivfaltung u. damit zusammenhangende Erscheinungen. 127
den Zustand relativer Dehnung kommt. Wir haben im ersten Falle
ein ab warts gerichtetes, im zweiten ein auf warts gerichtetes Kompri-
mibilitatsgefalle, und in der Richtung desselben werden nun einzelne
Faltenteile gesteigert vorgeschoben. Der Ausgleich der relatjven Deh-
nung wird in diesem Sinne durch tektonischen Einscbub erzielt.
V
Fig. 12. Sche matische Veranschaulichung der .
Injektion ko mprimablerer Massen in Zonen ge*
ringerer Ko mpression
a) , bei der dejektiven Faltung.
b) bei der ejektiven Faltung.
Kurze horizontale Pfeile: groBerer Faltungswiderstand
’ und geringere KorapresSion
(relative Dehnung).
Range horizontale Pfeile: geringerer Faltungswiderstand
und starkere-Kompression.
Vertikale Pfeile: Injektion in der Richtung zunehmen-
der Starrheit und zunehmender rela¬
tiver Dehnung.
I c
Die inkongruente Faltung kommt dort zustande, wo die
Gesteinsmassen in verscbiedenen Erdsohlen auf den oro-
genetischen Druck stark ungleich reagieren, die kongruente
dort, wo'die Schichtensysteme der Einengung einigermaBen
gleichmaBig zuganglich sind.
Ersparnis von Verbiegungsarbeit durch Verlegung der Verbiegung
in moglichst verbiegbare Materialien tritt bei den injektiven Faltungen
schon dadurch ein, daB sich Gesteinsmassen der komprimableren Zone
in die weniger komprimable Region vorschieben und hier einen erheb-
lichen Teil der erf order lichen Verbiegung zugunsten der Ersparnis von
Verbiegung in den weniger angreifbaren Materialien auf sich nehmen.
So wird unter Umstanden der Einengungsvorgang im ganzen Bereiche
der vertikalen Durchdringung erleichtert. Alles das spielt eine ganz
besondere Rolle bei der ejektiven Faltungsform und bei dieser kommt
nun innerhalb der vorgeschobenen Massen noch die bevorzugte Faltung
der mobileren Komponenten hinzu. So kommt die ejektive Faltung
auf das gesteigerte Voraneilen der mobilsten Elemente in der Richtung
des aufwartigen Kompressionsgef alles hinaus und wir stehen bei ihr
den extremsten Fallen ))disharmonischer« Faltung gegeniiber.
Die dejektive Faltung ist eine solche bei tragerer1), die ejek¬
tive eine solche bei mobilerer1) Tiefe, und so konnen wir geradezu
1) Korrekter wurde man wohl sagen bei trage sich verhaltender uinkbei
mobiler sich verhaltender Tiefe. Denn im ersteren Falle -konnen ja an sich
mobile Elemente da sein, doch ist ihre Mobilitiit unwirksam gemacht (z. B. in der
Bapnzone des liegenden Grundgebirges), und im letzteren Falle konnen an sich
V*
128
I. Aufsatze und Mitteilungen.
von der de jizierenden (herabziehenden) Wirkung einer star -
rereiij von der ejizierenden (ausstoBenden) Wirkung einer
mobileren Tiefenregion sprechen. In diesem Sinne spielen zwei
Schichtensysteme eine ganz wesentliche Rolle, ein stabileres. namlich
das variscisch gefaltete Grundgebirge, und ein mqbileres, namlich. die
permische Salzformation1).
Das stabilere System wirkt besonders im Sliden (Niederhessen) und
verschwacht seine Wirkung nordwarts, das mobilere besonders im
Norden (Nordhannover) und verschwacht seine Wirkung siidwarts, und
zwar besteht ein gewisser ursachlicher Zusammenhang zwischen der
zunehmenden Wirkung des
einen und der gleichzeitig
abnehmenden Wirkung des
anderen. Beide Schichten¬
systeme sinken ja nordwarts
ein. Aber fur das starr e
Grundgebirge bedeutet die
zunehmende Tiefe eine Ver-
schwachung seiner Starrheit,
flir das mobilere Salz eine
Erhohung seiner Mobilitat.
Und mit nachlassender Starr¬
heit infolge zunehmender
Tiefe (und zum Teil auch
infolge nach Norden aus-
ldingender variscischer Fal-
tung) verschwacht sich auch und verschwindet schlieBlich die schiit-
zende Wirkung, die das vorpermische Grundgebirge auf sein Hangendes
und speziell auf das in den Zustancl hoher Teufenmobilitat gelangte per¬
mische Salzlager ausiibt.
Bei den beiden Formen inkongruenter Gebirgsbildung spielen —
auch so konnen wir die Sachlage ausdriicken — , Faltungshe mmun -
gen eine Rolle, und zwar bei der dejektiven Faltung solche der Tiefe,
bei der ejektiven Faltung solche im Hangenden. Will ich in Fig. 13
die Kurve a (dejektive Faltung) in die Kurve kongruenter Faltung
uberfiihren, so muB ich von oben her ^ will ich das gleiche mit der
Kurve b (ejektive Faltung) tun, so muB ich von unten her eine Aus-
bauchung vornehmen. Es verrat sich damit gewissermaBen bei der
Kurve a ein Widerstand von unten her, bei der Kurve b ein solcher
von oben her gegen die Entstehung der kongruenten Faltungskurve.
Der Liegendwiderstand ist im Falle der dejektiven Faltung die groBere
starrere Massen (Grundgebirge) da sein, sind aber in ihrer Wirksainkeit auf das
Hangende (z. B. durcli Abscherung des Mobileren iiber ilinen) stark eingeschrankt.
1) Auch hier besehranke ich mich wieder auf den Haupttrager der Tiefen-
mobilitat.
Fig. 13. Inkongruente Faltung und Fal-
t un gs wider st an de,
Der Ausbildung der (gestrichelten) kongruen¬
ten Faltungskurve wirkt entgegen bei der
a) dejektiven Faltung ein Faltungswiderstand
im Liegenden,
b) ejektiven Faltung ein Faltungswiderstand
im Hangenden.
H. Stiele — Injektivfaltung u. damit zusammenhangende Erscheinrmgen. 129
Starrheit des Grundgebirges bzw. die von ihm ausgehende und nach
dem Hangenden abnehmende Schutzwirkung, der Hangendwiderstand
ist im Falle der ejektiven Falt’ung die schwere Last des weniger
mobilen und vielleicht aucb fur den orogenetischen Druck
weniger erreichbaren Hangenden.
Die starkere Einengung eines bestimmten Niveaus muB entweder
zu weitgehender Abscherung zwischen diesem und den Niveaus
groBerer fetarrheit oder zu irgendeiner Art mehr ortlichenAusgleiches
fiibren. Weite Abscherungen kommen nicbt in Frage, und so bringen
den Ausgleich die scbon gescbilderten ortlichen Reaktionsbewegungen.
Somit kommt das Bild der inkongruenten Faltung durcb zweierlei Vor-
gange zustande, deren zweiter durcb den ersten unmittelbar ausgelost
wird, namlich
1. durch die Injektion^ d. h. den Yortrieb aus den mobileren in
die resistenteren Zonen,
2. durch die Reaktion auf die Injektion,, d. h. die Gegenbewe-
gung aus den resistenteren Zonen zu den mobileren infolge der
Evakuation der letzteren.
Die Injektion ist dabei in den Zonen der Battel und Mulden die zen-
trale, die Reaktion die mebr randliche Erscheinung.
Stulpmulde Stul psattel
Fig. 14. Injektion und Gegenbewegung (Reaktion) bei inkongruenter
Faltung
a (links): bei dejektiver Faltung
b (rechts): bei ejektiver Faltung.
Die gestrickelten Kurven geben die kongruente Faltenentwicklung an. Ihr gegen-
iiber sind die Mittelstiicke vorangeeilt und starker eingeengt, die randlichen Teile
aber verflacbt, und zwar gewissermaBen infolge Gegenbewegung gegen die Injektion.
Die Injektion schafft die Stiilpmulden und Stlilpsattel, die Gegenbewegung ist fur
die Ausgestaltung der zugehorigen Breitmulden und Breitsattel von Bedeutung.
Die Injektion scbafft die injektiven Sattel- oder Muldenkerne,
die nur ein Teil des inkongruenten Faltenwurfes sind, der im iibrigen
aucb die Breitmulden oder Breitsattel umfaBt. Fiir deren iVusbildung
scheint nun die Reaktion eine ganz besondere Bedeutung zu haben.
Icb babe das scbon fur die dejektive und ejektive Faltung im ein-
zelnen ausgefiihrt und veranschaulicbe es zusammenfassend nochmals
in Fig. 14.
Wenn ich oben die geringere Kompression eines bestimmten Erd-
niveaus als dessen » relative Dehnung« angesprocben und durcb diese
die Erleicbterung des Injektionsvorganges erklart babe, so bleibt doch
130
I. Aufsatze und Mitteilungen.
zu bedenken, daB die ^relative Dehmmg « scbon gewissermaBen in
statu nascendi durcb Yerschiebungen neben den Injektionsstatten
wieder ausgeglichen wird. Am letzten Ende findet ein zur Erleichterung
der ganzen Faltung fiihrender Massenaustausc h zwischen hoheren
und tieferen Solen statt.
Eine ganz besondere Rode konnen dabei Yerwerf ungen, Yberschie-
bungen und als unmittelbare Eolge der ungleichen Reaktion auf den
tektoniscken Druck auck die »Faltungsdiskordanzen« spielen, — und
Faltungsdiskordanzen gesteigertster Art sind in der Mekrzakl der Falle
scklieBlick auck die »Randverwerfungen« unserer »Salzhorste«.
Auf einen ganz selbstverstandlichen Fall ist zum SckluB nock hin-
zuweisen, in dem ein Niveau relativer Dehnung, und zwar starkster
relativer Deknung, nickt zugleick ein Niveau gesteigerter Starrkeit
und damit gesteigerten Faltungswiderstandes ist, — das ist der Fall
der freien Atmosphare liber dem obersten Erdniveau. Wiirden wir die
ejektive Faltung allein als Folge der relativen Deknung des Hangenden
auffassen, so lieBe sick mit Recht einwenden, daB dann ja jede Faltung
nake der Tagesoberflache eine ejektive sein und daB im Falle der nieder-
kessiscken Faltung die dejektive Wirkung der relativen Deknung der
Tiefe durck eine ejektive der unvergleicklick starkeren relativen Dek¬
nung der Luftktille wenigstens in den kangendsten Zonen der Faltung
aufgekoben sein miisse; dieser Einwand ist naturlick kinfallig bei der
Erklarung der inkongruenten Faltung durck gesteigerten Eintrieb von
mobileren Massen in die Niveaus groBerer Resistenz und damit
auch relativer Deknung. Speziell bei der dejektiven Faltung ist die
Sachlage ja die, daB die starkere Einengung der hangenden Schickten
den tiefer liegenden Schickten den ejektiven Weg versperrt, — auck
wenn liber ihnen nun plotzlich *an der Oberflache der ganzen Schiclit-
masse die Moglichkeit starkster Deknung eintritt.
IY. Injektiye Salzfaltung und Salzaufstieg.
1. Injektive Salzfaltung aus Mobilitat.
Aufwartige Injektion aus Mobilitat, d. h. gesteigerter tektoniscker
Yortrieb des Beweglickeren unter orogenetisckem Druck e^ — das
ist es, was das Salzgebirge im Niederdeutsclien Becken erfahren kat.
Seine Ejektion ist ein extremer Fad des disharmonischen Aufwarts-
strebens der Massen, das zu vertikalen Durchdringungen fiikrt. So
stabil sick auck das Salz wakrend der anorogenetischen Zeiten wenigstens
auf koken Erdsoklen verhalt, ein so mobiles Material ist es auck schon
auf diesen unter orogenetisckem Drucke, und eine gewaltige Steigerung
erfakrt dieser Zustand naturlick noch mit zunekmender Tiefe, solange
ein starres Basalgebirge das Salz nickt in seinern sckiitzenden Banne
halt. So kommt es, daB das Salz unter dem Faltungsdrucke den iibrigen
Sckichten, meist im Kerne der Sattel, weit vorauseilt und dann als Salz-
H. Stille — Injektivfaltung u. damit zusammenhangende Erscheinungen. 131
stock von vielfach sehr unregelmaBiger Kontur oft inmitten ganz j unger
Schichten steckt, deren Faltung, wie ja gerade bei inkongruenter Fal-
tungsform nicht iiberraschen kann, unter Umstanden nur schwach
angedeutet ist. Wenn dann dazu noch die Aufschliisse, wie z. B. unter
der Quartarbedeckung Nordhannovers, auf ein paar Bohrungen be-
schrankt sind, kann leicht die Vorstellung erweckt werden, als ob das
Salz inmitten ganz flacker Schichten eingeschlossen sei.
Der ganze Vorgang ist also eine tJberfuhrung gefiigiger Salzejekte
aus der Region groBerer Kompression und groBerer Beweglichkeit in
die hangenden Zonen relativer Dehnung; das Salz wird aus seinem ur-
spriinglicken Schicktverbande kerausgerissen und steckt nun, wie ick
es friiher einmal ausgedriickt habe, als ein Faltengebirge von Salz in¬
mitten des Schollengebirges der hangenden Schichten. Es entspricht
eben dem Gesetze der geringsten Widerstande, daB bei starkerer Raum-
einengung in erster Linie das beweglichste, dessen Zusammenschub
und Hochforderung am wenigsten Arbeit beansprucht, herausgequetscht
wird, falls es so lag oder so weit aufgewolbt war, daB der tektonische
Druck es richtig anfassen konnte.
Wenn man bei dem Vorgange des Aufstieges der Salzmassen von
einem wSalzgletscher « oder ))Salzstrome « spricht, so sind das eben
mehr oder weniger gliickliche Bilder, die man rein als solche und ohne
die von den Autoren mit den Bezeichnungen verbundenen genetischen
Deutungen auch bei der Erklarung durch episodischen tektonischen
Druck akzeptieren konnte.
Die Verbreiterung der Salzstocke nach dem Hangenden und ihre
Umgrenzung im Yertikalschnitte durch »Schwanenhalskurven« ist mehr-
fach beobachtet worden, und in extremen Fallen mag eine derartige
Salzmasse die Yerbindung nach der Tiefe sogar ganzlich verloren haben
und in Form eines riesigen Salztropfens inmitten jiingerer Schichten
stecken. Das Ende eines derartigen Salztropfens ist zwar in so groBen
Tiefen zu erwarten, daB die ganzliche Unterfahrung wohl kaum einmal
eintreten wird; immerhin sind durch unmittelbareren AufschluB Falle
des b eider sei tigen Einschiebens der Randgesteine unter das Salz-
gebirge belegt1).
Lachmann hat in der Gestaltung der seitlichen Rander der Salz¬
stocke »nach Schwanenhalskurven « einen Beweis fiir die nichttektonische
(autoplaste) Formung seiner ))Salzekzeme « erblicken wollen. Meines
Erachtens ist es die Abnahme des Manteldruckes auf die Salzmassen
mit zunehmender Hohenlage, die die zunehmende Erstarrung des Salz-
breies und vor allem den seitlichen Raumgewinn begunstigt; wir erhalten
damit in einem solchen Salzprofile die relative Dehnung eines weniger
mobilen Hangenden unmittelbar veranschaulicht.
DaB die Kalke und Dolomite des Mittleren Zechsteins, die das Salz-
D Solche Falle liegen der Darstellung in Fig. 10b zugmnde.
132
I. Aufsatze und Mitteilungen.
gebirge unterlagern, die bocbgradige Aufwartsbewegung und die hoch-
gradige innere Faltung der Salzmassen nicht mitmacben konnen, ist
ja, da dock die gesteigerte Faltung und Hochbewegung des Salzes auf
seiner Mobilitat beruht, nur selbstverstandlich und kann unmbglich,
wie mebrfach gescheben, als Beweis gegen die tektoniscbe Formung
des Salzes verwertet werden. Mittlerer Zecbstein und Salz ver-
balten sich eben ganzlicli disbar moniscb. Kirschmann1)’, der
sicb ganz ini LACHMANNschen Gedankenkreise bewegt, meint zwar,
»daB nicbt einzuseben sei, wie das bangende Salzgebirge durcb seit-
licben Druck zu den boheren Regionen aufgepreBt sein soil, obne daB
das Liegende eine sattelformige Lagerung besitzt«. Van Werveke2) ist
Kirschmann schon entgegengetreten und hat darauf liingewiesen, daB
durcb Abscberungen bei der Auf faltung, wie sie Buxtorf (1. c.) im
Faltenbau des Kettenjuras angenommen bat, die nacb Kirschmann
entscbeidende Tatsacbe, »an der jeder Yersucb einer Deutung mit
Hilfsmitteln der normalen Tektonik scheitern muB« (Kirschmann,
1. c.), eine ungezwungene Erklarung findet. Van Wervekes und meine
Ansicbten geben, wie iiberhaupt hinsichtlich der prinzipiellen Erklarung
des Salzauftriebes, so aucb hinsicbtlicb dieses Details parallel, — denn
eine gewisse Abscberung ist eben die notwendige Begleiterscheinung
bei stark disharmoniscber Faltung. A
In dem in Fig. 10 b gegebenen Bilde einer inj ektiven Faltungsform
als Folge gesteigerter Mobilitat einzelner Schichtsysteme wird in dem
Yerbalten der Scbicbt c der spezielle Fall einer Salzinjektion ver-
anscbauliclit. DaB das Salz in diesem Bilde auf gewisse Erstreckung
zwiscben seinem ursprunglicben Hangenden und Liegenden in der Zone
der starksten Aufpressung ganz feblt, ist natiirlicb nur ein fur die Dar-
stellung angenomnrener spezieller Fall. Wenn icb es ferner etwas abseits
von der Salzinjektion wieder in seinem ursprunglicben Yerbande er-
scbeinen lasse, so stutze ich mich auf die bisber wobl einzige Bobrung,
die einmal unter einigermaBen vergleichbaren Verbaltnissen an der
Flanke eines aufgepreBten Salzk ernes das permiscbe Salzgebirge ange-
troffen bat, namlicb auf die Bohrung Petze am Sudflrigel des Hildes-
1) Kirschmann, Die Lagerungsverhaltnisse des oberen Allertales zwischen
Morsleben und Wallbeck. Zeitschr. f. prakt. Geol. 1913, S. 1 — 27. Zu den von
Kirschmann gegebenen Profilen durcb das »Ekzem « der oberen Aller, auf die sicb
Lachmann immer wieder bezieht, ist ubrigens zu bemerken, daB die »flache«
Lagerung des Mittleren Zechsteins dock recht anfechtbar zu sein sclieint. Jeden-
falls stimmt mit ihr clurcbaus nicht uberein, claB Schmierer, wie Harbort (Mo-
natsber. deutscb. geol. Ges. 1913, S. 107) mitteilt, in Kernen von Bobrungen, die
in das Liegende des »Ekzems« gestoBen wurden, ein Einfallen des Mittleren Zech¬
steins von liber 40° feststellte. Daraus hat schon Harbort geschlossen, daB die-
Oberflache des Mittleren Zechsteins unter dem Allertal keineswegs so ungestort
zu liegen scheint, wie Kirschmann annahm.
2) L. van Werveke, Stauchungen in der Lettenkolile bei Farschweiler (Lothr.
verbunden mit Abscherungen. Hinweis auf die Salzliorste Norddeutschlands.
Mitt. Geol. Landesanst. Els. -Lothr., Bd. VIII, 1913, S. 221 ff.
H. Stille — Inj ekti vf alt ing u. damit zusammenhangende Ersclieinungen. 133
lieimer Waldes. Mebrfacb ist ja bebauptet und in scbematiscben
Bildern veranscbaulicht worden, daB das Salz der Salzkerne unter
den angrenzenden flaclien Schicbttafeln durcb deren Gewicbt nacb der
Seite bin weggepreBt worden sei, und gerade mit Rucksicbt hierauf
habe icb die fur die Klarung des Yerbaltens des Salzgebirges etwas
abseits vom aufgepreBten Sattelkerne ungewobnlicb giinstig liegende
Bohrung Petze wabrend ibrer Niederbringung mebrfacb besucbt und
ibre Resultate in alien Einzelbeiten verfolgt. Das von mir festgestellte
Bobrprofil ist bereits in der Erlauterung zu Bl. Sibbesse der geol.
Spezialkarte von PreuBen veroffentlicbt worden; es ist folgendes:
— 110 m
— 954 m
— 975 m
— 1033 m
— 1084,4 m
— 1084,6 m
— 1100 m
— 1105 m
— 1238,28 m
— 4242,35 m
— 1242,50 m
— 1250,67 m
— 1290,3 m
Rot, unten Gips,
Mittlerer und Unterer Buntsandstein.
Roter Ton und Letten.
Roter Ton und Steinsalz wechselnd.
Anhydritlagen bei 997,4 m,
998 m,
999 m.
Rotliches Steinsalz, oben noch mit rotlichen Letten.
Sog. Pegmatit-Anhydrit.
Roter j lingerer Salzton \
Graufa-rbiger j iingerer Salzton Jiingerer (»roter«) Salzton.
mit Steinsalz j
Rotliches Steinsalz, zu oberst noch mit etwas grauen Letten.
Steinsalzhaltige Anhydrite bei 1133,5 — 1134 m,
1142,9 — 1154,5 m,
1167,3—1170 m.
Sylvinit \
Steinsalz Kalifloz »Niedersachsen(t (jiingeres Kalilager).
Camallit J
Rotliches und helles Steinsalz.
Die Bohrung ist hiernach dicht liber dem Hauptanhydrit, unter dem nach
einer Zwischenlage von alterem ( »grauen <t) Salzton das altere Kalifloz »StaBf urt «
zu erwarten ist, eingestellt worden.
Das Profil ist voliig intakt; das Salz liegt durcbaus nor¬
mal unter seinem urspriinglicbenHangenden, und Salzscbicbt
nacb Salzscbicbt wurde in fast sobliger Lagerung obne Spuren
tektoniscber Beeinflussung und speziell tektoniscber Re-
duktion durcbsunken ! Yom Siidflugel bei Petze aus ist also gewiB
nicbt das Salz zum Salzkerne des Hildesbeimer Waldes bingedruckt
worden. Nun ist der dortige Salzkern zwar ein ejektives, aber docb
nocb nicbt ein derartig extrem ejektives Gebilde, wie etwa die Salzkerne
der Luneburger Heide, und so wird man vielleicbt einwenden, daB das,
was am Hildesbeimer Walde nocb nicbt zutrifft, trotzdem unter der
gesteigerten Last des nordbannoverscben Deckgebirges moglicb sein
konnte, und dabei wird man vielleicbt besonders auf die bobe Teufen-
mobilitat des Salzes unter der Bedeckung von mebrere tausend Meter
Sediment hinweisen. Der Ein wand wlirde an sicb aucb nicbt ganz un-
berecbtigt sein, wenn nicbt scbon ganz andere Yerbaltnisse dem isosta-
134
I. Aufsatze und Mitteilungen.
tischen Auftriebe unter den randlichen Sedimentmassen hinweg wider-
sprachen. Aber man hatte anderseits doch bei Petze wenigstens eine
Andentnng dessen erwarten miissen, was unter den gesteigerten Yer-
haltnissen Nordhannovers eine fur die ganze Entstehung der Salzkerne
prinzipiell bedeutungsvolle Erscheinung sein solL Die unmittelbare
Anscbauung wird uns iiber das Vorhandensein oder Feblen des Salzes
unter den randlichen Teilen der nordhannoverschen Breitmulden k'eine
Aufklarung geben konnen, denn dort sind die Tiefen zu groB; wo
aber weiter siidlich (Hildesheim) nacb der Tiefenlage des Salzes die
Probe aufs Exempel gerade nocb moglich War, hat sie jedenfalls fiir
den angenommenen weiten Zustrom des Salzes von den Seiten her
keinen Anhalt ergeben.
2. Isostatischer Auftrieb des spezifisch leichten Salzes nach
Arrhenius-Lachmann.
Die Auffassung, daB die Mobilitat des Salzmateriales den gestei¬
gerten Aufstieg bedingt, steht im Gegensatz zu den Arrhenius-Lach-
MANNschen Yorstellungen1), nach denen das geringere spezifische
Gewicht die Ursache der Hochbewegung ist und diese also auf iso-
statischem Auftriebe beruht. »Als wesentliche Kraft bei der Bildung
der Salzstocke haben wir den Salzauftrieb erkannt, d. h. eine als Wirkung
der Schwerkraft der Erde sich kenntlich machende vertikale Kraft,
welche im Schwerpunkte der Salzmassen angreift und sie gegeniiber
den umliegenden und spezifisch schwereren Erdmassen aufwarts bewegt.
Wir haben im kleinen eine AuBerung der Isostasie in der Erdrinde vor
uns« (Arrhenius-Lachmann, 1. c. S. 153),
Zugegeben, daB die geringere Schwere, wenn das gefiigige Salz durch
tektonischen Druck in Aufwartsbewegung gebracht ist,j den Auftrieb
noch zu erleichtern vermag, so kann sie doch nicht die wesentliche
Ursache desselben sein. Der isostatische Auftrieb ist eine bis zur Ein-
stellung volliger Isostasie mehr oder weniger s tan dig wirksame Kraft-
quelle und iniiBte eine mehr oder weniger standige (sakulare) Hoch¬
bewegung des Salzes veranlassen. Eine solche nimmt ja Lachmann —
und mit ihm Arrhenius, dem als Physiker die einschlagigen geologischen
Beweisgrtinde natiirlich ferner liegen — , tatsachlich auch an, wie auch
recht viele andere Salzforscher tun, z. B. Harbort und Seidl. Aber
dem ist eben entgegenzuhalten, — wie ich schon mehrfach seit 1910 getan
habe, ohne daB eine ernsthaft zu nehmende Einrede hatte erhoben
werden konnen, — daB das Salz sich nur in den zeitlich ziemlich genau
fixierbaren orogenetischen Phasen der Yorzeit, also episodisch, auf¬
warts bewegte, wahrend es in den anorogenetischen Zeiten wie jedes.
U Sv. Arrhenius und R. Lachmann, Die physikaliscli-cliemiscken Bedin-
gungen bei der Bildung der Salzlagerstatten und ihre Anwendung auf geologische
Probleme. Geolog. Rundschau 1912, Bd. 3, S. 139 ff.
H. Stille — Injektivfaltung u. damit zusammenhangende Erscheinungen. 135
anclere Gestein des Niederdeutschen Beckens zur Tiefe sank; und so
kann auch nicht eine kontinuierlich wirkende Kraftquelle, wie der
Auftrieb infolge geringeren spezifisclien Gewichtes, als Ursache oder
wenigstens nicht als Hauptursache des Salzaufstieges in Frage kommen,
sondern nur eine in den orogenetischen Phasen sich episodisch ein-
stellende. Und diese ist eben der orogenetische Seitendruck, der erst
dem Salz, wenigstens soweit es iiberhaupt noch oder schon wieder in
hoheren Erdzonen steckt, seine hochgradige Mobilitat verleiht und es
erst injektibel macht.
Ich fasse die von mir vertretene Auftassung nochmals in folgendem
kurzen Satze zusammen : Der Salzauftrieb ist weniger die Ejektion des
besonders leichten, als vielmehr des besonders mobilen Materiales.
3. Salzinjektion in Spalten.
Schon bei der ersten Erorterung dessen, daB bestimmte Verhalt-
nisse den tektonischen Eintrieb in das Liegende oder Hangende er-
leichtert zu haben scheinen, fragten wir, ob vielleicht klaffende Spalten
eine Rolle spielen, und damals wurde schon gesagt, daB nur in gewissen
Ausnahmef alien derartiges anzunehmen sei. Solche Falle zeigt uns nun
begreiflicherweise im besonderen MaBe das gefiigigste Schichtenmaterial,
das Salz, indem es sich in Spalten des sproderen Hangenden oder Lie-
genden oder Seitengebirges, vor alien Dingen aber in seine sproderen
Zwischenschichten (Anhydriteinschaltungen usw.) hineinfaltet und hin-
einschiebt. Recht anschauliche Bilder solcher Erscheinungen, und zwar
sowohl von Fallen ejektiven (aufwartigen), wie dejektiven (abwartigen)
Yorschubes, hat kiirzlich noch W. Wagner1) aus dem oberelsassischen
Salzgebirge verdffentlicht. Bei dem Vortriebe in Spalten liegt der Ver-
gleich zwischen der tektonischen Injektion des Salzes mit der vub
kanischen des Glutbreies natiirlich besonders nahe, so groB der Unter-
schied der Mobilitat des Salz »breies « von derjenigen eines Glutbreies
auch noch gewesen ist. In der auBeren Form konnen diese tektonischen
Salzinj ektionen unter Umstanden »posthumen« Kluftausfiillungen durch
chemischen Absatz ahnlich werden, aber die innere Struktur pflegt uns
die wahre Natur anzuzeigen.
4. Terminologisches.
Welche Bezeichnung wird nun der Eigenart dieser nordhannover-
schen Salzejekte am besten gerecht? Man hat ja, als man die Massen
von Salz inmitten weit j lingerer Schichten zuerst kennen lernte,
von »Salzhorsten(( gesprochen; aber ich habe schon vor mehreren
1) W. Wagner, Einpressungen von Salz in Spalten der oberelsassischen Salz-
und Kalisalzablagerungen. Mitt. Geol. Landesanst. Els.-Lothr. 1916, Bd. IX,
Heft 2, S. 135ff.
136
I. Aufsatze und Mitteilungen.
Jakren1) geltend gemackt, daB sick die kockaufgepreBten Salzkerne,
die alle Spuren des bei ihrer Aufwartsbewegung erfolgten intensiven
Zusammensckubes tragen, so weit von dem entfernen, was man
gemeinbin einen » Horst « nennt, daB man gut tut, die Bezeicbnung
)>Salzkorst« nicbt mebr zu gebraucben und mit unverfanglickeren Be-
zeicbnungen, wie z. B. »Salzkern«, auszukommen. Auck von »Salz-
pfeilern« und »Salz3treifen« habe ick in diesem Sinne gesprocken.' Im
AnsokluB an den Begriff der injektiven Ealtung des Salzes, der an die
Terminologie der vulkaniscben Pkanomene erinnert, empfiehlt sick viel-
leickt die Anwendung des wokl auck sonst sckon gebrauckten Wortes
))Salzstock«, das wenigstens der Lage inmitten fremdartigen Gesteines
und zum Teil auck der Art der Konturen einigermaBen gereckt wird.
Mit dieser Terminologie nakern wir uns sckeinbar den E. HARBORTscken
Gedankengangen von dem Aufsteigen des Salzbreies in Spalten nack
Art eines Magmas. Und dock bestekt der grundsatzlicke Untersckied2)
zwiscken der Vorstellung Harborts von einem infolge vertikal
wirkender Krafte mekr oder weniger kontinuierlick vor sick
gekendem isostatiscken Auftriebe und der Vorstellung der episo-
discken injektiven Faltung unter tangentialem Drucke.
Y. Zur Systematik der Horste und Griiben.
1. Begriff Horst und Graben. Haupteinteilung.
Die Begciffe »Horst« und »Graben« sind bekanntlick durck E. Suess
(Anti, der Erde, I. Teil, S. 166/87) aus der Bergmannsspracke in die
Spracke des Geologen eingefiikrt worden. Suess verstand unter einem
Graben einen versenkten Streifen der Erdkruste und unter dem Horst
den trennenden Riicken zwiscken zwei Graben, d. k. einen steken-
bleibenden Teil inmitten der zur Tiefe sinkenden Sckollen. Die Be-
zeicknungen ))Graben« und »Horst« sind derartig in die geologiscke
Wissensckaft eingebiirgert, daB man sie beibekalten muB, auck wenn
man die von Suess gegebene genetiscke Erklarung, zunackst, was die
Horste anlangb, dann aber auck kinsicktlick der Mekrzakl der Graben,
ableknt, — - nur muB man die Bezeicknungen nickt mekr, wie Suess
es tat, genetisck, sondern rein besckreibend verwenden und also unter
einen Graben einen von Verwerfungen umrandeten Streifen jiingerer
Sckickten in mitten alteren Gebirges, unter einem »Horsk« einen von
Verwerfungen umrandeten Komplex alterer Sckickten zwiscken j linger en
versteken.
Die Gebilde, die nack diesem rein besckreibenden Verfakren als
Horst oder Graben bezeicknet werden, sind ikrer Entstekung nack
H. Stille, Untergrund der Liineburger Heide usw. 4. Jahresber. Nieder-
sacks. geol. Ver. 1911, S. 259.
2) Hieriiber vgl. H. Stille, Das tektonische Bild des Benther Sattels. 7. Jah¬
resber. Niedersachs. geol. Ver., S. 270ff., spez. Kap. IX.
H. Stille — Injektivfaltung u. damit znsammenhangende Erscheinungen. 137
recht verschieden, und besonders sind zwei groBe Gruppen zu unter-
scheiden1), namlich
1. Horste und Graben rein orogenetischer Entstehung:
Undnlationshorste und Undulationsgraben.
2. Horste und Graben, die im wesentlichen epirogenetischer Ent¬
stehung sind, die allerdings die durch den Begriff Horst und
Graben erforderte Umrandung durch Briiche erst nachtraglich,
und zwar in den orogenetischen Phasen, erhalten haben:
Undationshorste und Undationsgraben.
2. Undulationshorste und Undulationsgraben.
(Schollenhorste und jSchollengraben. )
Undulationshorste und Undulationsgraben sind Begleit-
erscheinungen der Bruchfaltung, z. B. der saxonischen, und konnen
darum auch als »Faltungsgraben« und »Ealtungshorste« bezeichnet
werden. Die Horste sind in der ganz liber wiegenden Zahl der Falle
durch Briiche modifizierte Sattelkerne ( »Sattelhorste «), in Ausnahme-
fallen auch einmal Schollen alterer Schichten, die durch lokale Kom-
plikationen auBerhalb der Sattellinien in jiingere Umgebung gelangt
sind (vgl. z. B. die »Grabenhorste« Hessens). — Die Graben sind in
ihrer allergroBten Zahl durch Bruchbildung modifizierte Mulden (»Mul-
dengraben«), in Ausnahmef alien Einstiirze oder Einpressungen auBer¬
halb der Mulden, z. B. in Sattelspalten ( )>Sattelgraben«) oder Quer-
briiche (»Quergraben«), die bei der Faltung aufreiBen. Undulations¬
horste und Undulationsgraben sind zwar ganz besonders charakte-
ristische Erscheinungen der inkongruenten saxonischen Faltung (De-
jektivgraben des niederhessischen und Ejektivhorste des nordhannover-
schen Typus), finden sich aber auch recht haufig bei der kongruenten
Faltung ein, denn auch hier umgrenzen sich haufig die Sattel- und
Muldenkerne mit Verwerf ungen und rufen dadurch die Erscheinungen
eines Horstes ( H in Fig. 3) oder eines Grabens (G in Fig. 3) hervor.
Fur die Undulationshorste und Undulationsgraben erscheinen mir
die Bezeichnungen »Schollenhorste« und ))Schollengraben« des-
wegen einigermaBen treffend, weil diese Bezeichnungen — gerade im
Gegensatze zu den Horst en und Graben undatorischer Entstehung
(s. unten) — zum Ausdruck bringen, daB es sich nur um Teilstiicke
(Schollen) aus einer groBeren Einheit gleicher geologischer Yorgeschichte
handelt. Besondere Formen sind die »injektiven« Schollengraben und
Schollenhorste und der extremste Fall der letzteren ist der »Salz-
. <
stock «.
U Auf die Unterscheidung epirogenetischer >>Undationshorste « und orogene¬
tischer »Undulationshorste« habe ich schon in dem obenerwahnten Aufsatze liber
die »Saxonische Faltung* hingewiesen.
Geologische Rundschau. VIII.
10
138
L Aufsatze und Mitteilungen.
3. TJndationshorste und Undationsgraben.
(Scliwellenliorste und Beckengraben.)
Undationshorste ())Schwellenhorste«) sind Schwellen epiro-
genetiscber (sakularer) Entstebung, entlang deren' Randern in spaterer
Zeit Verwerfungen aufgerissen sind; so wurden die Schwellen zu
» Schwellenhorsten « urngef ormt .
Undationsgraben (»Beckengraben« oder »Grabenbecken«) sind
Senken von geosynklinalem Charakter, — d. h. also Regionen saku¬
larer epirogenetischer Senkung — , die sick in den orogenetischen Phasen
mit Brlichen umzogen haben.
Das AufreiBen der Verwerfungen ist aber in der Geschichte und im
Gesamtbilde dieser Horste und Graben gegeniiber den undatorischen
Vorgangen eine so unbedeutende Erscheinung, daB sich die Bezeich-
nung »Undat ions horste « und »Undationsgraben« wohl rechtfertigt.
Die Schwellenhorste und Beckengraben waren also schon vor den
Perioden der Faltung und Bruchbildung tektonische Hoch- bzw. Tiefen-
zonen gegeniiber ihrer Nackbarschaft, die Schollenhorste und Schollen-
graben sind es erst in diesen Perioden geworden. DaB aber die Rand-
verwerfungen der Schwellenhorste und Beckengraben nachtragliche
Zutaten zu den praexistierenden Schwellen und Becken und nicht
die Ursache der Hebungen und Senkungen derselben sind, laBt
sich im Boden Deutschland^ deshalb so einwandsfrei beweisen, weil
hier die Randzonen alter Meeresbecken unter besonders glinstigen Ver-
haltnissen genauer Beobachtung zuganglich sind und gerade fiber das
Alter der Verwerfungen ein gesichertes Urteil infolge besonders giin-
stiger Falle transgredierender Lagerung moglich ist. Die Rheinische
Masse erhob sich als alte Schwelle schon in der Zechsteinzeit liber die
ostlich von ihr liegende Hessische Senke und liber das nordostlich und
nordlich liegende Niederdeutsche Becken und sie ist heute von einem
Bruchsysteme umsaumt, das ihr den Charakter als » Horst « verleiht.
Diese Randbriiche sind aber nicht entstanden in den Zeiten der starken
Absenkungen, in denen im Niederdeutschen Becken und zum Teil auch
in der Hessischen Senke der Ozean wogte oder festlandiscke Sedimenta¬
tion vor sich ging, — denn dann miiBten sie in den Lagerungsformen
und Verbandsverhaltnissen der permisch-triadisch-jurassischen Schichten
zum Ausdrucke kommen, — sondern, me sich an der Nordostecke der
Rheinischen Masse so ausgezeichnet nachweisen laBt, erst im Ausgange
der Jurazeit und vor Ablagerung der Kreide, d. h. in einer der groBen
orogenetischen Phasen der saxonischen Faltung; zum Teil sind sie
dann in spiiteren Faltungsphasen nochmals aufgerissen.
Gehen wir in andere Randzonen der alten Becken, z. B. zum West-
rande der Bohmischen Masse, so sprechen dort die Lagerungs- und Ver-
bandsverhaltnisse der Schichten gegen jegliche jungpalaozoisch-triadisch-
alterjurassische Verwerfung, d. h. auch hier hat die Beckenabsenkung
H. Stille — Injektivfaltnng u. damit zusammenhangende Erscheinungen. 139
der damaligen Zeiten unabhangig von Verwerf ungen stattgefunden, —
und am Ende ergibt sich aus alien derartigen Einzelfeststellungen die
gesicherte Erfahrung, daB die fossilen deutschen Meere nicbt einge-
b roc hen sind, sondern sich ohne Mitwirkung von Briichen als Syn-
khnalen groBer Spann weite sakular eingesenkt haben. Diese gesicherte
Erfahrung, die wir in die Formel
»Erst (sakulare) Senkung, dann Bruchs
kleiden konnen, steht allerdings in starkstem Widerspruche zu dem,
was wir sonst in der geologischen Literatur, liber die Entstehung und
Eortbildung der Meeresbecken zu lesen pflegen und was hinauskommt
auf die Formel
»Erst Bruch , dann Senkunga,
»Die Einbriiche sind es, welche die Wasser in tiefen Weltmeeren
gesammelt haben «, so sagt Suess 1885 im SchluBabsatze des ersten
Bandes des »Antlitzes der Erde«, und dieser Gedanke erscheint auch
in den spateren Banden dieses Fundamentalwerkes der synth etischen
Erdforschung immer wieder, so auch noch im SchluBkapitel des 1912
erschienenen letzten Bandes, wo es dann weiter heiBt (S. 720), daB
wuberhaupt, mit Ausnahme von Buchten in Kiaskiisten, kein Meeresteil
bekannt ist, der durch lateralen Druck als Synklinale erzeugt ware«.
Ich komme darauf an anderer Stelle zuriick, denn eine befriedigende
allgemeinere Auseinandersetzung liber diese Dinge ist erst moglich,
nachdem gewisse grundlegende Gesetze der Undation behandelt sein
werden.
Nur auf das Hauptargument, das Suess (vgl. u. a. Antlitz III,
Bd. 2, S. 690) als Beweis fiir die Entstehung der Meeresbecken durch
Einbruch bringt, sei deshalb hier kurz eingegangen, weil es mit der
gleichen Beweiskraft, die es an anderer Stelle haben soli, auch auf die
Entstehung der alten deutschen Meeresbecken anwendbar ware. »Die
Begriindung ergibt sich aus den die Struktur durchschneidenden Um-
rissen der atlantischen Horste, dem Abbrechen ganzer Faltenziige und
dem nicht seltenen Vortreten pflanzenfiihrender Schichten an die Ufer«,
so heiBt es bei Suess. Durchschneiden nicht auch die Umrisse der alten
deutschen Becken die Struktur der Horste weithin in genau so scharfer
Weise wie etwa der Band des Atlantischen Ozeans die Struktur der
Meseta an der Ostkiiste der Iberischen Halbinsel oder diejenige der
Bretonischen Masse abschneidet? Brechen die variscischen Faltenziige
nicht an dem alten West-, Ost- und Nordostrande der Rheinischen
Masse ebenso ab, wie die armorikanischen Falten an den heutigen
atlantischen Kiisten? Traten nicht pflanzenfiihrende Schichten des
Karbons im jiingsten Palaozoikum und Mesozoikum in Nordwest-
deutschland ebenso an das Meer heran, wie heute noch die von Suess
so oft im Zusammenhange mit der Entstehung des Indischen Ozeans
erwahnten Gondwanaschichten des slidostlichen Afrikas? Aber trotz
10*
140
J, Aufsatze und Mitteilungen.
des Zutreffens der SuESSschen Argumente waren die durch Kiisten
von dur chaus »atlantisclier<( Struktur umsaumten dentscken fossilen
Meere nicht eingebrochen, sondern bruchlos eingesunken. Wenn
die Argumente aber hier keine beweisende Kraft haben, so kann
man die beweisende Kraft aucb an anderer Stelle nicht anerkennen.
/
DaB sich der Strand der fossilen deutschen Meere weithin senkrecbt
und schief zu den alten Falten einstellte, erklart sick durcb ganz
andere Yerhaltnisse, namlich durch die Neuorientierung der nach-
variscischen Undation, und deren Griinden miissen wir nachgehen, um
das zu deuten, was im Sinne von Suess die Entstehung der Meeres-
becken durch Einbruch beweisen soil.
4. Unterscheidung von Horsten und Graben undatorischer und
undulatorischer Entstehung.
i Ob nun ein Graben oder Horst ein undatorisches oder undulatorisches
Gebilde ist, muB im allgemeinen aus seiner und seiner Umgebung Yor-
geschichte abgeleitet werden. Fallt der Graben annahernd mit einem
alten Sedimentationsraume oder fallt der Horst annahernd mit einer
alten Sohwelle zusammen, so handelt es sich um undatorische Gebilde ;
sind die Graben und Horste aber nur kleine Teile eines groBeren Schich-
tensystem.es mit liber einstimmender Yorgeschichte, so handelt es sich
um Gebilde undulatorischer Art. Alle die kleinen Horste und Graben
inmitten der saxonischen Faltungsf elder sind natiirlich orogenetischer
Entstehung, wahrend die Horste und Graben epirogenetischer Abkunft
weit gcoBerer Einheiten zu sein pflegen.
In den Randzonen der Beckengraben wird sich im allgemeinen die
ehemalige Nahe der Festlandschwelle im Auskeilen oder in der ver min¬
der ten Machtigkeit oder in den lithologisclien und sonstigen faziellen
Yerhaltnissen oder in den Lagerungsformen wenigstens einzelner der
sbratigraphisohen Horizonte zu erkennen geben. Immerhin wird in
manchen Fallen die Entscheidung, ob ein orogenetisches oder ein epiro-
genetisches Ge*bilde vorliegfc, nicht ganz leicht sein. Sie hat sich dann
auf sorglaltigste Studien stratigraphisch-fazieller Art, wie sie z. B. der
durch den Tod ftir das Yaterland leider uns so frith entrissene Th.
Ba.iNDES liber den norddeutschen Lias in vorbildlicher Weise angestellt
hat, zu griinden. Wo heufce der »Horst« des Soilings liegt, befand sich
nach Bra.'ntdes zur Liaszeit schon eine Sollinginsel und etwa entlang dem
Hordrande dieser lag ja auch durch lange Zeiten der Erdgeschichte das
Hiedersachsische Ufer. Und so ist der Soiling ein Schwellenhorst, —
allerdings nur in Bezieliung auf sein nordliclies und zum Teil auch auf
ein ostliches und westliches Yorland. Er ist namlich der nordlichste
Auslaufer der Buntsandsteingebiete Niederhessens, die wieder ein
Senkungsfeld gegeniiber der Rheinischen Masse darstellen. Eine
Absenkung der Hessischen Senke gegeniiber der Rheinischen Masse
H. Sulle — Injektivfaltung u. damit zusammenhangende Erscheinungen. 141
und die Absenkung des Niederdeutschen Beckens gegeniiber der
Hessiscben Senke, — das sind die Tatsachen, die uns den Soiling
einerseits als Teil eines groBen Senkungsfeldes und gleichzeitig als
Horst gegeniiber einer tieferen Senkung erklaren. Die Hessische
Senke ist in ihrer Gesamtheit ein undatorisclies Grabenfeld oder wenig-
stens der Teil eines solchen. Schon zur Zechsteinzeit deulete sich die
heutige Zone ihres Abbrucbes gegen die Rheinische Masse als Randzone
einer Senke gegen eine Schwelle an. Im Jura vermittelte die Hessische
Senke die letzten Verbindungen zwischen dem siiddeutschen und dem
norddeutschen Meere und im Tertiar, speziell im Oligozan, schob sich
in ihr das Nordmeer wieder weit slidwarts vor. Das groBe undatorische
Senkungsfeld wird nun durch die schmalen hessischen Graben durch-
zogen, die undulatorischer Entstehung sind. Ein und derselbe orogene-
tische Vorgang hat einerseits die Senke in ihrer Gesamtheit aus einem
Rheinische Masse
Fig. 15. Schmale (undulatorische) »Schollengraben<c in einem weiten
(undatorischen) »Beckengraben«.
Becken undatorischer Entstehung zu einem groBen ))Beckengraben«
umgestaltet und anderseits, indem der flachgriindige Inhalt der Senke
nach dem dejektiven Typus ganz schwach gefaltet wurde, die schmalen
niederhessischen ))Schollengraben« innerhalb des )>Beckengrabens « ge-
schaffen. 3
... jL
5. Hebung und Senkung bei der Entstehung der Horste und Graben.
Die Begriffe Horst und Graben sind zunachst nur relativ zu verstehen;
die durch sie bezeichneten Gebilde sind gehoben oder gesunken gegen -
liber ihrer Nachbarschaft. Ob nun tatsachlich oder doch wenig-
stens in Beziehung auf den einzigen uns verfligbaren Pegel, namlich
den Spiegel des Ozeans, Hebung oder Senkung eingetreten sei, mag
noch kurz erortert werden. Was die Horste anlangt, so sind sie ja von
Suess durch Senkung ihrer Umgebung, von de Lapparent, van Wer-
vecke u. a. durch eigene Hebung erklart worden.
Die Horste und Graben undulatorischer und diejenigen undatorischer
Entstehung mussen wir scharf auseinander halten. " > . , t j
Undulationshorste (Schollenhorste) und Undulationsgraben (Schollen-
graben) entstehen unter eigener Aufwartsbewegung, und bei den Un¬
dulationsgraben liegt eben nur ein relatives Zuruckbleiben, vergleich“
bar in diesem Sinne dem Zuruckbleiben der Mulde gegeniiber dem Sattel
in einer unter orogenetischem Druck aufsteigenden Faltungszone, vor.
142
I. Aufsatze und Mitteilungen.
Die Undationshorste (Schwellenhorste) werden in der ersten und
langsten und bedeutungsvollsten Phase ihrer Geschichte (als Schwellen)
gehoben unter gleichzeitiger Senkung ihrer Umgebung: in der kurzen
zweiten Phase ihrer Umgestaltung zu »Horsten« scheinen sie ihr Xiveau
zum ozeanischen Spiegel einigermaBen beizubehalten1), wahrend die
angrenzendeh Senken, wenigstens in den Randzonen, aufsteigen, wenn
auch nicht so stark, daB ihre vorangegangene (sakulare) Senkung
wieder ausgeglichen wiirde.
Die Undationsgraben (Beckengraben) sinken in der ersten und
langsten Phase ihrer Entstehung (als Becken) ein, heben sich aber bei
der Umformung zu Beckengraben wenigstens in ihrer Randzone gegen-
iiber ihren Rahmen wieder um einen gewissen Betrag heraus. Ich
wies schon friiher einmal auf das zunachst etwas paradox klingende
Resultat hin2), daB unsere groBen Becken undatorischer Entstehung
zu »Graben« nicht durch einen Akt der Senkung gegeniiber- den groBen
Horsten geworden sind, sondern durch einen Akt der Hebung.
Douai, im Dezember 1916.
1) Jedenfalls ist ihre Hebung unbedeutend ini Vergleiche zu derjenigen der
angrenzenden Randzonen der Becken.
2) Saxonische » Faltung « , 1. c.
II. Besprechungen.
Die Geologie von Neuseeland.
Yon Otto Wilckens (StraBburg i. E.).
Literatur.
1. J. Park, The Geology of New Zealand, x4.ii Introduction to the Historical,
Structural and Economic Geology. 488 S., 145 Abb., 27 Taf., 1 geol. Karte. 1910.
2. P. Marshall, New Zealand and Adjacent Islands. Handbucli der regio-
nalen Geologie, herausgegeben von G. Steinmann und 0. Wilckens. 5. Heft
(Band VII, 1). 78 S., 18 Abb. 1911.
3. P. Marshall, Geology of New Zealand. 218 S., 112 Abb., 1 geol. Karte.
1912.
S-onst noch benutzte Literatur ist jeweils aufgefiihrt.
tlber Neuseeland gibt es eine leidlich umfangreiche geologisclie
Literatur1), auch bat das Land verhaltnismaBig frith eine geologische
Landesanstalt erhalten, die nacb einer langeren Unterbrechung in
neuerer Zeit wieder ins Leben gerufen ist und recbt hubsche Beschrei-
bungen ‘einzelner Gebiete veroffentlicht hat. Nunmehr sind aucb in
kurzen Zeitabstanden die drei obengenannten zusammenfassenden Dar-
stellungen der Geologie Neuseelands erscbienen. Nacb Anlage, Umfang
und Ausstattung sind sie sehr verscbieden und keine macbt die andere
entbebrlich. Was aus alien drei Bucher n deutlicb bervorleuchtet, das
ist die groBe Unsicberlieit, die noch immer in der Beantwortung vieler
Fragen der neuseelandischen Geologie berrscbt, namentlicb bezuglicb
der Stratigrapliie. Hieran ist teils der Mangel an Verst einer ungen, teils
das Fehlen der palaontologischen Bearbeitung derselben scbuld. Neu¬
seeland ist so reich an nutzbaren Lagerstatten, namentlich von Gold
und Koblen, daB sicb die einbeimiscben Geologen mit Yorliebe der
Untersucbung dieser Vorkommen zugewandt baben. Ein wissenschaft-
liches Werk wie das der Novara-Expedition ist nie wieder iiber Neusee¬
land erschienen, und die bildliche Darstellung der Versteinerungen in
Parks Buch ist meist nur eine Wiedergabe der Tafeln aus dem Novara-
Werk sowie der sebr einfachen Abbildungen Hectors aus dem Katalog
zur »Indian and Colonial Exhibition London 1886 «. Wie groB die Ver-
scbiedenheit zwiscben Parks und Marshalls Angaben iiber die Schicht-
folge sind, erkennt man leicbt aus der Gegenuberstellung beider:
B )>Die geologische Literatur iiber Neuseeland bis zum Jahre 1907, zusammen-
gestellt von 0. Wilckens. « N. Jalirb. f. M. G. P. 1909. II. 265 — 332 — und
»Additions to Wilckens’ catalogue up to 1910 cc in P. Marshall, New Zealand
and adjacent Islands (s. oben), S. 70 — 71.
144
II. Besprech ungen.
Park 1910
Marshall 1911 u. 1912
—
Archaikum
1 Cambrium
Manapouri-System -
1 Unt. Silur
1 Ob. Silur
—
Devon
Te Anau-System
Carbon
1 Perm
Hokonui-System
Trias
1 Jura
Amuri-System
Kreide
Karamea-System
Alttertiar
W anganui-System
Jungtertiar
Pleistocan
Diluvium
Recent
Alluvium
Manapouri-System
Aorere-System
/
Baton River-System
Maitai-System
Oamuru-System
Wanganui-System
Pleistocan
Recent
Die Unstimmigkeiten zwischen beiden Verfassern betreffen einmal
die Stellung groBer Schichtkomplexe, besonders die der Maitaisch.ich.ten,
die nach Park ein Teil des Te Anau-Systems nnd damit Carbon sind,
nach Marshall zuni Maitai-System nnd damit zn Trias-Jnra gehoren.
Sodann betreffen sie die Benennung der Systeme, indem nnr fiir das
Manapouri- nnd fiir das Wanganni- System von beiden Verfassern der-
selbe Name gewahlt wird, sonst aber hberall verschiedene, wobei aber
das Manapouri-System anch verschieden begrenzt wird. Die farbigen
geologischen Karten, die Park und Marshall (3) geben, bieten denn
anch ein sehr verschiedenes Bild; nnr in den grobsten Zhgen stimmen
sie iiberein. Folgende Gesteinsgruppen sind mit besonderer Farbe aus-
geschieden:
Marshall : Park :
Pleistocene and Recent
Wanganni (Pliocene)
Oamaru (Cainozoic)
Hokonni (Jurassic)
Maitai (Triassic)
Baton River (Silurian)
Aorere (Ordovician)
Metamorphic Schists
Manapouri (Archaean?)
Granite (Intrusive Post-Triassic?)
Rhyolite (Miocene and later)
Andesites, Basalts etc. (Miocene
and later)
Peridotites (Intrusive Post-Triassic)
Recent and Pleistocene
Pliocene to Upper Eocene
Upper Cretaceous
Permo-jurassic
Ordovician to Carboniferous
Cambrian
Basic and Semibasic V olcanic Rocks
Acidic Volcanic Rocks
Otto Wilckens — Die Geologie von Neuseeland.
145
Es muB erwahnt werden, daB die Unterscheidnng der Formationen
auf Marshalls Karten mit der in Marshalls Text nicht ganz uberein-
stimmt, insofern als Marshall an letzterer Stelle die metamorphen
Schiefer zu Trias- Jura zieht und den Jura nicht besonders als Hokonui
abtrennt. Es moge ferner gleich hier erwahnt werden, daB die beiden
Karten imYerlauf der geologischen Grenzen derartige Verschiedenheiten
zeigen, daB man es manchmal unbegreiflich finden muB. Einiges davon
sei hier aufgefiihrt: die Ausdehnung der Trias in der Kette der Nordinsel
sowie in der Coromandelhalbinsel, die Verbreitung der vulkanischen
Gesteine am Mt. Egmont, die Ausdehnung der Eruptivgesteine im
NW.-Sporn der Nordinsel und in der Gegend westlich von Oamaru. Das
sind Dinge, in denen eigentlich doch Obereinstimmung herrschen miiBte,
wenn nicht auf der einen oder der anderen Karte Fehler sind. DaB
die gebirgigen Teile der Siidinsel auf den beiden Karten ganz ver-
schiedene Bilder liefern, ist weniger ver Wunderlich. Wir kommen auf
diesen Punkt noch zuriick.
Die einheimischen neuseelandischen Geologen betonen gern, daB
man die Reihe der geologischen Formationen ihres Landes nicht in das
in Europa entstandene stratigraphische Schema einzwangen diirfe. Dem
kann man beistimmen, soweit nicht darin der Verzicht liegt, das Alter
der neuseelandischen Schichtgruppen auf das internationale Schema
der Formationen zu beziehen. Dies letztere ist selbstverstandlich un-
umganglich notig, wenn man sich iiber das Alter der neuseelandischen
Gesteine verstandigen und die Ereignisse in den einzelnen Perioden
der Erdgeschichte, soweit sie sich im westlichen Pazifik abgespielt haben,
mit denen in der ubrigen Welt vergleichen und verknlipfen will. Nicht
angangig ist es daher, wenn Oberkreide und Tertiar, wie Marshall
es tut, in einem einzigen ))Oamaru- System « vereinigt werden.
Hier wie bei einigen anderen Forma tionsbegrenzungen spielt die
Unterschatzung eine groBe Rolle, mit der die einheimischen neuseelan¬
dischen Geologen die Erosionsdiskordanzen behandeln. Es wird be-
hauptet, daB die Waipara- und die Oamaruschichten vollig konkor-
dant aufeinander ruhen. Nirgends sei eine Diskordanz zu beobachten.
Aber wenn auch eine Dislokationsdiskordanz nicht vorhanden ist,
so kommen doch in den erstgenannten Schichten typische Vertreter
der mesozoischen Tier welt, in den letztgenannten typische tertiare
Fossilien vor. Deshalb diirfen trotz der Lagerungsverhaltnisse die
beiden Komplexe nicht vereinigt werden; der eine ist Oberkreide, der
andere Alttertiar.
Nicht einverstanden sind wir ferner mit der Belegung von Unter-
abteilungen der Systeme mit den Namen der Systeme, z. B. Unterab-
teilung Te Anau-Serie des Te Anau- Systems.
146
II. Besprechungen.
I. Stratigraphie.
Das Bild, das sich aus den Buchern von Park nnd Marshall von
der neuseelandischen Stratigraphie ergibt, ist etwa folgendes:
Als alteste Gesteine der Insel gelten die Tiefengesteine des Mana-
pouri-Systems, die den siidwestlichen Teil der Siidinsel, das sogenannte
Fjordland, bis zum Te Anan-See sowie den siidlichen Teil der Stewart-
insel aufbauen, Diese Gesteine, die z. T. gneisartige Eigenschaften
haben, sind vorwiegend dioritisch. Der Dioritgneis fiihrt oft Granat,
enthalt manchmal Ampbibolitmassen. Sonst kommen nock Pyroxen-
grannlit und Granitgneis, ancb Marmor (am Caswell Sound und Hall’s
arm des Doubtful Sound) vor. An der Anita-Bay am Eingang des Milford
Sund findet sich eine Zone ultra basischer Gesteine (Dunit, Harzburgit).
Das Gebiet dieser Manapourigesteine ist stark bewaldet, sebr ge-
birgig, auBerordentlich regenreicli, arm an Siedelungen und daher geo-
logisch sehr wenig erforsclit. Der Yerband mit den Nachbargesteinen
ist unbekannt, die groBe Verwerfung, die nacli Hutton das ganze Gebiet
gegen Osten begrenzen soil, nicht nachgewiesen. Die alteren Schatzungen
der Machtigkeit dieser Gesteine sind natiirlich unbrauchbar, da es sick
offenbar ganz vorwiegend um Gesteine eruptiven Ursprungs handelt.
Das Manapouri-System ist als Archaikum, Pracambrium und Cambrium
angesprocben worden. Die Altersbestimmung ist aber scbwierig, etwa
so wie bei unseren Schwarzwaldgneisen. j ' - j ,
Die alteste fossilfiihrende Formation von Neuseeland ist Enter -
silur mit Graptolitben. Es findet sicli im auBersten Siidwesten der Siid-
insel am Preservation Inlet und, besser bekannt, im auBersten Nord-
westen in der Provinz Nelson. Hier, in der Nahe des West-Wanganui-
Inlet, sind die Graptolithenschiefer (welcke Formen wie Bryograplus
Lapworthi Kuedem., Dichograptus octobrachiatus Hall, Didymograptus
extensus Hall, D. nitidus Hall, D. nanus Lapw., Goniograptus per-
flexilis Ruedem., G. geometricus Ruedem., Loganograptus logani Hall,
Phyllograptus anna Hall, Ph. typus Hall, Tetragraptus arnii Elles and
Wood, T. bigsbii Hall, T. quadribrachiatus Hall fiihren) mit Grau-
wacken und Quarziten verknlipft. Nack Osten folgen Sckiefer und in
diesen Sckiefern liegen weiBe und graue Mar more. Fossilien feklen. Das
in den Silurschichten steckende Granitmassiv der Gouland Downs (nord-
lickster Teil der Siidinsel) besitzt einen schonen Kontakthof mit Ckia-
stolitk- und Cordieritsckiefern. Marshall neiint die Gesteinsreike, in
der die Graptolithenschiefer liegen (Shake spear parallelisiert dieselben
mit den mittleren Skiddaw Slates Englands), das Aorere-System, Park
bezeichnet sie als Kakanui-Serie seines Manapouri-Systems.
Am Baton River, 64 km von der Fundstelle des graptolitkenfukrenden
Untersilurs entfernt und von diesem durch ein stark bewaldetes Berg-
land getrennt, finden sick in einem blaulichen tonigen Kalkstein Fossilien,
unter denen McKay u. a. folgende anfiikrt: *Calymene Blumenbachi,
*Homalonotus Knightii, *Murchisonia terebralis, Avicula lammoniensis,
Otto Wilckens
Die Geologie von Xeuseeland.
147
Pterinaea spinosa, Spirifer radiatus, * Rhynchonella Wilsoni, Strick-
landia lyrata , Atrypa reticularis, Strophomena corrugatella , Chonetes stria-
tella, zahlreiche Korallen. Die mit * bezeichneten Formen kommen
anch bei Reefton (Lokalitat »Lanky Gully «), 113 km weiter siidlich,
vor; auBerdem werden von hier Spirifer vespertilio und Homalonotus
expansus angegeben.
Die Scbichten vom Baton River und von Reefton werden von Park
als »Wangapeka Series « bezeichnet und mit Hutton ins Obersilur
gestellt, Marshall nennt sie »Baton River-System « ())Siluro-Devon«).
Ehe eine zuverlassige palaontologisclie Untersucbung der Fossilien vor-
liegt, muB ein Urteil fiber das genauere Alter dieser Yorkommen zu-
riickgestellt werden.
Nacb Marshall gibt es kein Carbon auf Neuseeland. Park dagegen
betracbtet als solcbes das )>Te Anau- System « mit den »Matai-« und
den »Te Anauschichten«. Es handelt sich bier um die Gesteine, die
in Otago beiderseitig den NW. — SO. streicbenden Sattel kristalliner
Scbiefer begleiten, von dem nocb die Rede sein wird (S. 148), und um
die, die in Collingwood (Nelson) das eben besprocbene Obersilur iiber-
lagern, sowie um die »Maitaischichten«, die langs der NW.-Seite der
Zone basischer Eruptivgesteine in Nelson binzieben. Der Name Maitai-
schicliten stammt von Hochstetter; Park selbst bat diese Gesteine
zwiscbenweilig wegen des angeblicben Vorkommens von Inoceramus in
den Jura gestellt. Wenn nicbt Maitai- und Te Anauscbicbten identiscb
sind, so sind sie nacb Park die obere und die untere Abteilung der Stein-
koblenformation. Selbstverstandlicb kann die sicbere Altersbestimmung
dieser Scbicbtkomplexe nicbt aus ibrem Verbande mit dem Liegenden
und dem Hangenden, sondern nur nacb ibrem Fossilinbalt erfolgen.
Nacb McKay kommen im )>Maitaikalk « der Wairoaschlucbt u. a.
Spirifer bisulcatus, Sp. glaber, Productus brachythaerus vor. Sind die
Bestimmungen ricbtig, so wiirde bier Carbon vorliegen. Marshall
halt die Maitaischichten der Sudlicben Alpen fiir mesozoisch. Die der
Umgebung des Peridotitzuges in Nelson sind es nacb neueren Unter-
sucbungen sicher1).
Auf vollig sicberem Boden befindet man sich eigentbch erst wieder
bei der Trias. Diese ist in Neuseeland durcb Fossilfunde einwandsfrei
festgestellt und spielt im gefalteten Gebirge beider Inseln eine wicbtige
Rolle. Die Versteiiierungen sind, abgeseben von den wenigen, die wir
durcb Zittels Darstellung im Novara-Werk kennen, nocb unbescbrieben.
So laBt sich nocb nicbt genau sagen, welche Stufen vertreten sind. Kalke
feblen ganz; die triadischen Sedimente sind Sands t eine, Scbiefer, Grau-
wacken und Konglomerate, letztere mancbmal mit vie! Gerollen eines
auf Neuseeland auf urspriingliclier Lagerstatte nicbt vorkommenden
Granites. Ein wicbtiges Fossil in der Trias der Kette der Nord- und
0 New Zealand Geological Survey Bulletin No. 12 (New Series).
148
II. Besprechungerj.
der Siidinsel, soweit die fossilarme Flyschfacies der Trias vorherrscht,
ist die Terebellina Me Kayi, eine Wurmschale. Bathee und Jawoesky
haben sie besebrieben1). Diese Versteinerung ermoglicht die Alters-
bestimmung dieser Gesteine sowie der isolierten Yorkommen gefalteter
Sedimente im westlich der Kette ( »Ruahinezug « E. Suess) gelegenen
Teil der Nordinsel, die friiher als palaozoisch bezeichnet wurden, wie es
auch im Antlitz der Erde (Bd. II, S. 181 — 187, Bd. Ill, 2, S. 359) ge-
sebieht. Beider fossilleer sind die machtigen Sandsteine, Grauwacken
und Scbiefer, die den Hauptteil der Siidlicben Alpen und ibre groBten
Bergriesen, wie z. B. den Mount Cook, aufbauen. Paek betraebtet sie
als Perm, weil sie unter der sicheren Trias liegen; aber es feblen die
Beweise fur diese Altersbestimmung. Maeshall stellt diese Gesteine
sowie das angebliebe Carbon der Siidlicben Alpen in sein »Maitai-System
( Trias- Jura )«, Paek nennt sie Aorangi-Serie und betraebtet sie als alteste
Abteilung seines Hokonui- Systems. Da die Gesteine des Buabinezuges
mit denen der Siidlicben Alpen Abnlichkeit baben, konnte man vielleicbt
das triadische Alter als wabrscheinlicb annebmen. Im » Antlitz der Erde«
sind sie palaozoiseb genannt, was mit Paeks Bestimmung gleichkame.
Sehr viel weiter auseinander als iiber diese Formation geben die
Meinungen iiber die Glimmer- und andern kristallinen Scbiefer, die das
Gebiet zwiseben Wakatipu- und Obau-See, Molyneux Bay und Kakanui-
Miindung2) aufbauen und die Zone der eben besproebenen sebiefrig-
sandigen Gesteine der Siidlicben Alpen teilen. Der Glimmerschiefer ist
in dieser Region das baufigste Gestein, in geringerer Verbreitung finden
sicb Cblorit-, Aktinolith-, Biotit- und Granatscbiefer. Auf Maeshalls (2)
Karte ersebeint diese Zone mit der Bezeicbnung ))inetamorpbe Scbiefer «
an der Ostkiiste der Siidinsel siidlieb von der Otago Peninsula, streiebt
breit durcb Otago in nordwestlicber Tticbtung, obne die Westkiiste zu
erreicben, biegt jenseits der Wasserscbeide unter ganz auBerordentbcber
Verscbmalerung nacb NO. um und erreiebt, naebdem sie als scbmale
Zone das Faltengebirge durcblaufen bat und einmal ganz unterbroeben
ist, an Ausdebnung wieder etwas gewacbsen am Pelorussund die Cook-
straBe. Wegen des Feblens aller Diskordanzen und wegen allmablicber
Dbergange betraebtet Maeshall diese kristallinen Schiefer als meta-
morpbe Trias und in (2) wird auf der geologiscben Karte der Siidinsel
(S. 54) die ganze Breite der Siidlicben Alpen als »metamorpb, wabr-
scbeinlicb Maitai« bezeichnet. Anders Paek. Die breite Scbieferzone
in Otago teilt er. Der mittlere Teil wird auf der Karte mit derselben
Farbe wie das Gneisland des Sudwestens angegeben und wie diese in die
C F. A. Bather, The Mount Torlesse Annelid. Geol. Mag. 1905. S. 532. —
E. Jaworsky, Die systematische und stratigraphisclie Stellung von Torlessia
Mackayi Bather (= Terebellina) von Neuseeland. Zentralbl. f. Min., Geol., Pal.
1915. S. 504— 512.
2) Nach Marshall (2, S. 17); aber weder auf Marshalls (3) noch auf Parks
Karte reicht die Zone ostlich bis an den Obausee heran, wobei allerdings zu beriick-
sichtigen ist, daB Park diese kristalline Zone noch zerlegt.
Otto Wilckens — Die Geologie von Neuseeland.
149
Maniototo-Serie des Manapouri-Systems gestellt. Diese Zone streicht
erst nordwestlich und biegt dann unter starker Verschmalerung in den
Siidlichen Alpen nach NO. um. Im Norden, vom Brunner-See ab, lauft
bei Park diese Zone aber nicht nordostlich zum Pelorus-Sund (wie bei
Marshall), sondern nordnordostlich zur Golden Bay. Die Gesteine in
dieser Gegend sind nach Marshalls Karte posttriadiscbe (?) Granite.
Solange diese Zone in Otago SO.-NW.-Streichen besitzt, wird sie nach
Park beiderseits von halbmetamorphen sandigen und tonigen Glimmer -
schiefern, schiefrigen Grauwacken, Phylliten und Quarziten der Kakanui-
Serie (Untersilur) begleitet. Wo die kristalline Zone sich verschmalert
und nach NO. umbiegt, wird die ostliche Kakanuizone plotzlich ab-
geschnitten, wahrend die westliche sich, mit Unterbrechungen, fort-
setzt. Das plotzliche Aufhoren dieser breiten Zone an einer Linie, die
quer iiber das Streichen verlauft und ihr Ersatz durch mesozoische
Schichten ist etwas unwahrscheinlich und bietet auf der PARKschen
Karte ein sehr auffallendes Bild. Die Gesteine in Nelson, die bei Mar -
shall als nordostlichste Auslaufer der kristallinen Zone betrachtet
werden, gehoren bei Park der vom Lake Brunner ab plotzlich wieder-
erscheinenden ostlichen altpalaozoischen Zone an. Wenn Parks Karte
richtig ware, so miiBte sein Permo- Jurassic der Kaikouras und der Siid-
lichen Alpen mit seiner langen NW.- und seiner kiirzeren SW.-Grenze
an einem riesigen Bruch gegen das altere Gebirge im NW. und SW.
abstoBen. Aber da von wird nichts erwahnt. Offenbar ist die Abtrennung
der einzelnen Formationen nicht richtig.
Die neuseelandischen Geologen sind bezuglich des Alters der meta-
morphen Schiefer von Otago und der Siidlichen Alpen zu sehr ver-
schiedenen Ergebnissen gelangt. Das Problem ist noch ungelost.
Jura ist in Neuseeland durch Fossilien belegt. Park rechnet zu
ihm die Putataka- und die Matauraschichten; erstere sind marin, letztere
reich an Pflanzenresten. Palaontologisch beschrieben sind nur die
wenigen Arten im Novara-Werk, nach denen Hauer und Zittel das
genauere Alter zu bestimmen nicht in der Lage waren. Diese Yersteine-
rungen stammen vom Kawhiahafen an der Westkiiste der Nordinsel
und von der nordlich da von gelegenen Mundung des Waikatoflusses.
AuBerdem hat Hector Belemniten beschrieben. Fraser und Adams
fanden in den gefalteten Gesteinen der Hauraki-Halbinsel bei Manaia
nahe Coromandel Inoceramus Haasti und Belemniten1). Park rechnet
auch die Sandsteine und Grauwacken des Ruahinezuges wegen des V or-
kommens von Torlessia (= Terebellina) McKayi Bather sp. zum Jura;
wahrend wir sie lieber mit Jaworsky zur Trias stellen. Auf der Slidinsel
findet sich mariner Jura im Siiden in einer Zone, die an der Sudkiiste
von Fortrose bis zum Catlins River reicht und von hier nordwestlich
durch die Hokonui Hills streicht. Es sollen in diesem Gebiete verschiedene
1) C. Fraser and J. H. Adams, The Geology of the Coromandel Subdivision,
Hauraki, Auckland. N. Z. Geol. Surv. Bull. 4 (N. S.). 1907. S. 49 — 50.
150
II. Besprechungen.
Abteilungen des Jura unterscheidbar sein; aber dab bier die palaonto-
logiscbe Grundlage fehlt, siebt man daraus, dab unter den Yersteine-
rungen der einen Inoceramus labiatus Schl. angefiilirt wird. Die pflanzen-
reicben Mataurascbicbten schlieben nacb Park die jurassischen Ab-
lagerungen nacb oben ab. Sie fiibren Macrotaeniopteris lata Hector und
kommen nacb Park bei Kawhia, in den Clent Hills in Canterbury, in
den Hokonui Hills und an anderen Orten vor. An der Curiobay an der
Siidkuste der Sudinsel bei Waikawa liegt die rezente Meeresterrasse in
einer Schichtflache der jurassiscben Ablagerungen und aus dieser Schicht¬
flache ragen eine Menge verkieselter Baumstamme beraus (Marshall 3,
Fig. 103).
Die Oberkreide^ das sogenannte Amuri- System oder die Waipara-
scbicbten, liegen nacb den vorbandenen Angaben stets diskordant und
transgressiv, und sollen nacb Angabe der neuseelandiscben Geologen
nacb der Hauptfaltung des Gebirges abgelagert worden sein. An der
transgressiven Lagerung ist wobl nicbt zu zweifeln. Das Alter der
Schichten balte icb wenigstens zum Teil fur obersenonisch, und zwar
wegen des Yorkommens einer merkiviirdigen von Hector abgebildeten1)
Trigonia ))sulcata «, die der Trigonia Hanetiana der Quiriquinaschicbten
nabestebt2), der der Gattung Pugnellus abnlicben Conchothyra para¬
sitica Me Coy3), von Baculites 4) und der Rostellaria Waiparaensis 5),
welcb letztere, soweit man aus Hectors sebr rober Abbildung Schliisse
zieben darf, an die yon mir besebriebenen Formen AporrJiais gregciria
aus deni patagoniseben und Perissoptera NordensJcjoldi aus dem ant-
arktiseben Senon erinnert. An maneben Stellen finden sicb in den
Waiparascbicbten riesige Septarien, z. B. bei Moeraki, in denen Keste
von Meeressauriern ( Plesiosaurus , Mauisaurus, T aniwJiasaurus u. a.6)
gefunden sind. Fur einzelne Abteilungen der neuseelandiscben Ober-
kreide sind Namen wie »Saurierschicbten a, »Waipara-Grunsand((, » Amuri-
kalk«, »Weka Pass Stone « u. a. in Gebraucb.
Abgeseben yon dem Y orkommen auf der Westseite des Isthmus yon
Auckland feblt die Oberkreide der ganzen Westseite sowobl der Nord-
als aucb der Sudinsel. Die vollstandigste Entwicklung zeigt die For¬
mation am Amuri-Bluff (Ostkuste der Sudinsel nordlieb von Cbrist-
ebureb), auf der Kaikoura-Halbinsel (etwas weiter nordlieb) und im
nordlicben Auckland. Andere Y orkommen sind: in der Provinz Otago
an der Kiiste vom Clutba Biver bis zum Saddle Hill mit den an der Basis
der Formation liegenden Koblenflozen von Kaitangata und Tokomairiri
x) Park hat diese Abbildung in seinein Buck leider nicht wiedergegeben.
2) Vgl. 0. Wilckeks, Revision der Fauna der Quiriquinaschicbten. (N. Jabrb.
f. Min., Geol., Pal. Beil.-Bd. 18). S. 231, 280.
3) Park, Taf. V.
4) Park, Fig. 43, S. 87.
5) Park, S. 92, Fig. 47, 3.
6) Beschreibung derselben s. Hector, On the fossil Reptilia of Few Zealand.
Transactions and Proc. of the New Zealand Institute 6, S. 333 — 358. 5 Taf. 1874.
Oi to Wilckens — Die Ceologie von Xeuseeland.
151
und an der Kiiste zwischen Shag Point und Moeraki; in der Provinz
Canterbury Waipara, wo eine fast vollstandige Schichtfolge ausgebildet
ist, und das isoliert in 2000 FuB Hohe gelegene Vorkommen im Trelissic-
Becken. In der Provinz Marlborough baut die Kreide die Kiistenhugel
von der Kaikoura-Halbinsel bis zum Cap Campbell auf. In der Provinz
Wellington folgen einzelne Vorkommen der Ostkuste bis zur Hawkes
Bay1). Sehr verbreitet sind die Waiparaschichten auf dem NW.-Sporn
der Nordinsel. Ihnen gehoren die Kohlenlager von Whangarei an.
Das Alttertiar ruht an der Ostkuste von Neuseeland teils auf
Waiparaschichten, teils unmittelbar auf den mesozoischen oder alteren
Gesteinen, an der Westkiiste ausschlieBlich auf den beiden letzteren,
da dort die Kreide fehlt. Es sind Konglomerate, Schiefertone, Sand-
steine, auch Kohlenfloze. Der gesamte Schichtkomplex erreicht etwa
5100 FuB Machtigkeit. Merkwiirdigerweise wird ein Konglomerat von
300 FuB Machtigkeit an der Basis dieser Formation von manchen neu-
seelandischen Geologen als glazial angesehen. Beweise dafiir fehlen.
Die tieferen Schichten werden als Waimangaroaschichten abgetrennt.
Sie sind auf die Westkiiste der Provinz Nelson beschrankt. Die hohere
Abteilung, die Oamaruschickten, sind sehr verbreitet und bilden
heute einen allerdings vielfach unterbrochenen Rand um die Nord-
und die Slidinsel, wobei sie auf jener im Westen, auf dieser im Osten
vollstandiger erhalten sind. Sie steigen bis zu 3700 FuB Hohe ins Land
hinauf. Ihre Lagerung ist deutlich transgressiv. Wenn Marshall ver-
sichert, daB keine Diskordanz zu den Waiparaschichten nachweisbar
sei, wo diese das Liegende des Oamaru bilden, so ist das wohl moglich,
andert aber nichts an der Tatsache, daB Oberkreide und Tertiar durch
eine stratigraphische Liicke voneinander getrennt werden2).
Die Gesteine der Oamarustufe sind Griinsande, Kalksandsteine und
Mergel. Die tieferen Schichten fuhren Braunkohlen, die hoheren sind
marin und enthalten eine reiche Meeresfauna, die zum Teil bereits von
Zittel beschrieben ist. Man hat verschiedene Abteilungen unter-
schieden und es gibt sehr viele Lokalnamen flir gewisse Gesteine, nament-
lich fur die Kalke. Das Alter des Oamaru ist nach Park, der die Wai¬
mangaroaschichten als Eozan betrachtet, Miozan, nach Marshall Eozan.
Nach F. Chapman zeigt das Oamaru Beziehungen zum australischen
Miozan.
Erwahnenswert sind noch die Manuherikiaschichten, Ablagerungen
eines friiher zusammenhangenden Sees im Maniototo-, Manuherikia- und
Idatal (Otago), an der Basis Quarzsande mit marinen Oamarufossilien,
x) Diese Vorkommen sind auf Parks Karte, die im Gegensatz zu derjenigen
Marshalls (3) die Kreide besonders ansscheidet, niclit angegeben.
2) Ein naheliegendes Vergleichsbeispiel ist die Uberlagerung von senonen durch
tertiare Griinsande ohne deutiiche Diskordanz bei Algarrobo an der chilenischen
Kiiste, die durch Bruggen aufgeklart ist. Das Fehlen einer klaren Diskordanz
ist unwesentlich, der Fossilinhalt entscheidend.
152
II. Besprechungen.
dariiber Mergel mit Braunkohle, sandige Tone, Sandsteine und konglome-
ratische Sandsteine mit Blattern dikotyledoner Baume nnd Fisckresten.
Das Jungtertiar ist durch die pliozanen Wangannisckicliten ver-
treten. Nach Ablagernng des Oamaru muB eine allgemeine, wenn auch
nicht ganz gleichmaBige Hebung der neuseelandischen Inseln eingetreten
sein. Dann erlaubte eine neue Senkung dem Pliozanmeer den XTber-
tritt iiber das Land. Auf der Siidinsel spielt das Pliozan eine sehr unter-
geordnete Rolle1), auf der Nordinsel dagegen eine nicht unbedeutende2).
Auf letzterer steigen die Wanganuischichten in der Ruahinekette bis
zu 4000 FuB Hohe hinauf; es hat also eine sehr bedeutende Senkung
stattgefunden, und zwar allem Anscheine nach nur der Nord-, nicht aber
der Siidinsel. Die Gesteine der Wanganuischichten sind blaue, z. T.
sandige Tone, Sandsteine, Sande, Konglomerate, Kalke. Der Fossil-
reichtum ist in manchen Ablagerungen bedeutend.
Die Spuren der diluvialen Eiszeit sind auf Neuseeland deutlich.
Von der Nordinsel sind Tillite aus der Umgebung der Vulkane Ngau-
rohoe und Ruapehu beschrieben, jedoch ist ihre glaziale Natur be-
stritten worden. Auf der Siidinsel sind die glazialen Erscheinungen von
groBer Ausdehnung. Nach Huttons Vorgang verlegen manche neusee-
landische Geologen den Beginn der Vergletscherung ins jiingste Pliozan;
aber die dafiir angefiihrten Griinde sind nicht iiberzeugend. TJber Art
und Ausdehnung der Vereisung sind die Meinungen geteilt. Paek
nimmt an, daB eine Phase der Eiskappe einer Phase der Talverglet-
scherung vorangegangen sei. Nach Mabshall waren nur die hoher
gelegenen Teile der Siidinsel vergletschert gewesen. GroBe Moranen
liegen an den Ausgangen der Seen Wakatipu, Te Anau und Manapouri.
Bekannt ist das schone Glazialrelief des Fjordlandes im Siidwesten der
Siidinsel (Milfordsund!). Die Schmelzwasser der Gletscher schufen die
facherformigen Schotterebenen in Southland, Canterbury und Marl¬
borough. Die FluBterrassen auf der Siidinsel sprechen fiir wiederholte
Hebung des Landes. Nach Paek unterbrechen zwei oder mehr Inter-
glazialperioden kurze VorstoBe des Eises wahrend der Talvergletsche-
rung. LoB nimmt an der Ostkiiste der Siidinsel bedeutende Flachen
ein und wird bis 60 FuB machtig. Besonderes Interesse verdienen die
am Westrande der Canterbury ebene verbreiteten Torfmoore mit Moa-
knochen. Eins bei Hamilton lieferte die Reste von 400, eins bei Glen-
mark die von 1000 Vogeln. Eine Erklarung fiir dies Vorkommen fehlt.
Man nimmt an, daB die Moas von alteren Bewohnern Neuseelands, Vor-
gangern der Maori, ausgerottet sind.
Eruptivgesteine. Die Eruptivgesteine des auBersten Siidwestens
der Siidinsel sind bereits erwahnt. Ihr Alter ist unsicher, aber wahr-
1) Das auf Marshalls Karte (3) angegebene Pliozan in der Provinz Nelson
ist nach Parks Karte groBtenteils Posttertiar.
2) Marshalls Karte gibt im Gegensatz zu derjenigen Parks das Pliozan
gesondert an.
Otto Wilckens — Die Geologie von Neuseeland.
153
scheinlich hoch. Die Granitstocke des nordwestlicken Nelson sollen
ungefahr das Alter der Gebirgsfaltung haben (s. u.). Die ultrabasischen
Eruptiva der Dun Mountain-Zone scheinen postjurassiscbes Alter zu
besitzen, was mit Rucksicht auf das spatmesozoische Alter der Ophio-
lithe von Neukaledonien und vieler anderer Gebiete von besonderem
Interesse ist. Eine schone Schilderung des Dun Mountain (»brauner
Berg«), von dem der Dunit seinen Namen bat, gab schon Hochstetter
im Novara-Werk. Derselbe nahm aucb schon ein mesozoisches Alter des
Dunits an. Der ))Mineral belt«, wie der Dunit- und Serpentinzug genannt
wird, erstreckt sich von Stephens- und d’Urville-Eiland in der Cook-
straBe in siidwestlicher Richtung bis ans Wairautal.
wGriinsteintuf fe « sind in der karbonischen Te Anau-Serie (im Sinne
Parks) derartig weit verbreitet, daB sie geradezu als Leitgestein fur sie
betrachtet werden konnen. Auch in den Maitaischichten von Nelson
kommen solche griine oder grim und rot gefleckte Tuffe vor. AuBerdem
treten auch Melaphyrdecken auf. Das Alter des Hornblendegranits von
Mackays Bluff bei Nelson und der Diorite und Norite der Eglinton
County (Nelson) ist unbekannt.
GroBe Massen effusiver Gesteine bilden auf der Sudinsel die Banks-
und die Otagohalbinsel, die beide als schutzende Wogenbrecher dank
der Festigkeit ihrer Gesteine weit vor den ubrigen Kiistensaum ins Meer
vorspringen. Die Otagohalbinsel wird von Laven, Tuffen und Agglo-
meraten von Phonolith, Dolerit, Trachydolerit, Andesit, Basalt und
Basanit aufgebaut, dazu treten in Gangform Nephelinsyenit, Augit-
dolerit und Tinguait auf. Man kann zwei, durch einen langeren Zwischen-
zeitraum getrennte Eruptionsperioden untersclieiden. In der Zwischen-
zeit gelangten SiiBwasserbildungen zum Absatz. Die Eruptionen sind
j linger als Oamaru, alter als Pleistozan, also wohl pliozan.
Auch auf der Banks-Halbinsel lassen sich zwei Effusivperioden unter-
scheiden. Die altere forderte Rhyolithe, die jiingere basische Andesite
und Basalte. Die Rhyolithe sind wegen ihrer Yerwandtschaft mit den
granatfiihrenden Rhyolithen des Mt. Somers und der Malvern Hills von
Hutton und Speight in die Kreide gestellt (was wohl nicht richtig ist).
Die Krater der Hafen Lyttelton und Akaroa sind so wohlerhalten, daB
sie nicht sehr alt sein konnen.
Ein ahnliches Eruptionsgebiet wie die beiden eben besprochenen ist
die Haurakihalbinsel der Nordinsel. Auch hier erfolgten die Eruptionen
in zwei Perioden, die beide Andesite und Dacite lieferten. An den Erup-
tionszentren und in deren Umgebung sind die Andesite bis zu 1000 FuB
Tiefe propylitisiert und reich an goldfiihrenden Gangen. Das Alter der
Andesite der ersten ErguBperiode ist oamarutisch, also miozan, das der
zweiten wahrscheinlich pliozan.
Einer jiingeren Periode gehoren dann die Rhyolithe an, die nicht
nur an der Haurakihalbinsel die Andesite iiberlagern, sondern auch mit
ihren Laven, Tuffen und Agglomeraten das zentrale vulkanische Hoch-
Geologische Rundschau. VIII. 11
154
II. Besprechungen.
land der Nordinsel aufbauen, wo ihnen die j ungen Andesitkegel des
Ngaurohoe, Ruapehu, Tongariro usw. aufgesetzt sind. Auch die vor-
ziiglich frisch erhaltenen Basaltvulkane des Isthmus von Auckland sind
jugendlichen, wahrscheinlich pleistozanen oder noch jiingeren Alters.
Seitdem Vertreter der weiBen Rasse auf Neuseeland wohnen, hat kein
vulkanischer Ausbruch mit Lavaforderung me hr stattgef unden. Der
wegen der mit ihm verkniipften Bildung einer Spalte innerhalb eines
Zeitraumes von 3 — 4 Stunden vielgenannte Ausbruch des Tarawera
Juni 1886 forderte nur lockeres Material.
II. Bau.
Auf den geologischen Karten tritt deutlich hervor, daB der sudliehe
Teil der Ostkiiste der Slidinsel von Neuseeland ein Gebirge von im groBen
sattelformigem Bau quer abschneidet. Dies Gebirge besitzt eine zen-
trale Zone aus kristallinen Schiefern unbekannten Alters, die beider-
seits von Zonen jungerer Gesteine begleitet wird, deren Alter im all-
gemeinen ebenfalls nicht feststeht. An deren Flanken wiederum finden
sich noch jiingere Gesteine (Trias und Jura). Legen wir unserer Be-
trachtung zunachst Parks Karte zugrunde, so hat es tatsachlich den
Anschein, als ob dieser groBe »Otagosattel « sich mit einem SW. — NO.
streichenden Langsgebirge vereinigte, indem es sich diesem in einem
Bogen anschmiegt und mit ihm verschmilzt. Es sieht so aus, als trate
eine Vereinigung zweier groBer Battel im Streichen ein. Dieser Eindruck
wird dadurch hervorgerufen, daB die zentrale Zone des Otagosattels
nach Park aus denselben Gesteinen besteht wie das Gneisgebiet des
Fjordlandes. Im 2. Bande des »Antlitz der Erde« legt Suess besonderen
Nachdruck auf diesen Zusammentritt zweier selbstandiger Gebirge im
Siiden der Siidinsel.
Legen wir nun aber nicht Parks, sondern Marshalls Karte (3)
zugrunde, so besteht der Kern des Otagosattels aus anderen Gesteinen
als das Gneisgebiet des Fjordlandes und dieses erscheint dem anderen
Gebirge gegenuber wie ein Fremdkorper. Nach der iibereinstimmenden
Angabe der neuseelandischen Geologen besteht dies Gneisland ganz
vorwiegend aus Orthogneisen, namentlich dioritischen . Es konnte sich
also bei dieser Masse um einen Eruptivkorper in den Sudlichen Alpen
handeln, vergleichbar den Granodioriten der amerikanischen Kordillere,
oder etwa um ein altes Massiv, etwa wie das Mont Blanc-Massiv in den
Alpen, oder aber schlieBlick auch um alteres Gebirge, an das das jiingere
Faltengebirge der Siidinsel herantritt.
Suess sagt, daB im Siidteil der Siidinsel zwei aufeinander senkrecht
stehende Streichrichtungen und zwei selbstandige einseitige Ketten-
gebirge existierten. Will man das V orhandensein von zwei Gebirgen
anerkennen, so bleibt doch der symmetrische Bau des Otagosattels
auffallend und im Widerspruch gegen Einseitigkeit. Aber sollte wirklich
dies Gebirge in seiner ganzen Breite von 75 — 100 englischen Meilen den
155
Otto Wilckens — Die Geologic von Neuseeland.
Bau eines einfachen, symmetrisclien Sattels aufweisen? Das ist von vorn-
herein ganz unwahrscheinlich. Ebensowenig konnen die jiingeren Ge-
steine zwiscben Sattel und Gneisgebiet im Siidwesten eine einfache
Mulde darstellen.
Suess konnte weder im 2., noch im 3. Bande des »Antlitz der Erde«
ein klares Bild des neuseelandischen Gebirgsbaues zeichnen. Dafiir
feblen in weitem MaBe die Unterlagen. Anch Park und Marshall
sind hierzu nicbt imstande. Es fehlen noch zu sehr Einzeluntersuchungen.
Nach ))Antlitz der Erde«, Bd. 3, II, S. 561 mochte ich vermuten, daB
Suess spater das Gneisgebiet des Fjordlandes als Fremdkorper gegen-
iiber dem Faltengebirge betrachtet, weil er das siidliche Neuseeland
dem atlantischen Raume zuzahlt.
Fiir meine weitere Darstellung mochte ich einen Vergleich der all-
gemeinen Erscheinungsform des neuseelandischen Faltengebirges mit
dem der Alpen voranstellen :
Soweit erhalten, besitzt das neuseelandische Faltengebirge wie die
Alpen eine S-formige Gestalt, aber seine Haupterstreckung ist nicht
wie bei diesen W. — 0., sondern SW. — NO. Sein siidwestlicher Teil
beschreibt einen ahnlichen scharfen Bogen wie die Westalpen. Die
Innenseite des Gebirges ware die SO.-Seite. GroBe Abb ruche versenken
diese Innenseite, und die Eruptivmasse der Banks- und der Otago-
halbinsel haben eine Stellung auf der Innenseite, wie sie bei den groBen
Kettengebirgen so haufig ist. Yielfach werden auch fiir die AuBenseite
des Gebirges groBe Abbriiche angenommen, bedeutende Teile des Falten-
zuges sollen unter der Tasman-See liegen.
Der groBe siidwestliche Bogen des Gebirges drangt sich gegen das
zu einer alten Masse gehorende Gneismassiv des Fjordlandes, das nach
Alb. Heim1) einen ungeheuren massigen Klotz alter kristallinischer
korniger Tiefengesteine darstellt, in dem keine gefalteten Sediment-
gesteine, keine aufgerichteten Schichten vorkommen. Im Norden der
Siidinsel ist dem Faltengebirge die palaozoisch gefaltete Gebirgsmasse
der Tasmanberge usw. vorgelagert, wie die bohmische Masse den ost-
lichen Alpen. An der CookstraBe erfolgt teils eine oberflachliche, kurze
Unterbrechung des Gebirges (Kaikouras-Ruahinezug), teils einAbsinken
der Gebirgsachse fiir den breitesten Teil des Gebirges, so daB die auBeren
and mittleren Zonen auf der Nordinsel zunachst ganz unter tertiaren
Ablagerungen und vulkanischen Bildungen verschwinden. Erst weiter-
hin taucht das Gebirge in Bruchstiicken wieder auf.
Im ostlichen Teil der Nordinsel herrscht nordostliches, im nordwest-
lichen Teil nordliches bis nordwestliches Streichen in den vereinzelt
erhaltenen Faltengebirgsstlicken. Hier scheint sich ein Auseinander-
treten der Aste ahnlich demjenigen am Ostende der Alpen anzubahnen.
Nach Suess (Antlitz der Erde, Bd. 3, II, S. 359) gestaltet sich hier eine
x) Neuseeland. Neujahrsblatt, herausgeg. v. d. Nat. Ges. Zurich auf das Jahr
1905 (107. Stuck). S. 38.
11*
156
II, Besprechungen.
Virgation, die sich gegen NW. und W. off net und auf die mehrere Bogen
des westpazifischen Baues hinstreben. Wie am Ostende der Alpen so
erfolgt auch bier starker Abbruch.
i Die GroBenverhaltnisse sind beim neuseelandischen Faltengebirge
ungefahr dieselben wie bei den Alpen.
!, Es moge nun gepriift werden, wie weit sick unser Yergleicb durch
die bisber bekannt gewordenen Tatsacben des neuseelandischen Gebirgs-
baues stutzen laBt, und welcbe sicb ibm entgegenstellen.
Wenn friiber neuseelandiscbe Geologen die Siidlichen Alpen, d. b.
den besterbaltenen Teil des Faltengebirges von Neuseeland als Anti-
klinorium oder als Synklinorium bezeichnet haben, so ist darauf wobl
nicbt mehr Wert zu legen, als wenn man ebemals die Alpen als Gebirge
von einfacbem, symmetrischem Bau auffaBte. DaB der Otagosattel mit
seiner Riesenbreite unmoglicb ein einfacbes Gewolbe sein kann, wurde
schon gesagt.
Wenn, wie wir angenommen baben, die ostlicbe Seite des Gebirges
die Innenseite ist, so muB dasselbe aus 0S0. und SO., im Otagosattel
aus NO., gefaltet sein. Hochstetter1) zeicbnet in seinem Profit durcb
die Sudlicben Alpen nur annabernd aufrecbte Fatten. Dasselbe ist aber
ganz scbematisch gebalten. Alb. Heim2) nennt die Sudlicben Alpen
ein unsymmetrisches, einseitig gebautes Faltengebirge. »Auf der West-*
seite bebt es in hoben ersten Ketten an, gegen Osten werden die Fatten
allmablicb niedriger. « Welcbe Seite er fur die Innenseite bait, sagt
Heim nicbt. Nacb dem angefiihrten Satz mocbte man denken, daB
nacb seiner Ansicbt die Westseite die AuBenseite ist. Spater3) heiBt
es alter dings, die vulkaniscben Massen lagen am ostlicben Rande und
»im Vorlande«; aber ob damit wirklicb gesagt sein soil, die Ebenen
der Ostkuste seien das Vorland des Gebirges im tektoniscben Sinne,
erscbeint zweifelbaft.
Marshall (2, S. 38) scbreibt, die faltende Kraft habe in Otago
aus NO., in Canterbury, Marlborough und Nelson aus SO. gewirkt.
In der Tat betrachtet er die ostlicbe Seite des Gebirges als die Innen¬
seite. Wenn die Sudlicben Alpen einen einseitigen Bau baben, so heiBt
_ es bei Marshall an anderer Stelle (3, S. 134), so sind sie wobl gegen
ein Vorland gefaltet, das jetzt unter der Tasmansee liegt. Nacb Mar¬
shall liegen die Scbicbten der Westflanke des Otagosattels im auBersten
Siiden, in der Nahe der Gneismasse des Fjordlandes, zwischen Waikawa
und Fortrose horizontal. Marshall betrachtet diese flacbe Lagerung
als ein Anzeicben fiir das Ausklingen der Faltung (3, S. 133). Erst
nordlicb des Catlins River ist die Faltung starker und nordlicb des
1) Reise der Novara. Geolog. Teil. I. S. 199.
2) Am angefiihrten Orte S. 34.
3) S. 35. — Man darf nicht vergessen, daB Heims Schrift nicht eigentlich
eine wissenschaftliche Abhandlung sein soil. Nicht alle ihre Angaben sind zu-
verlassig, so die, daB es keine Kreide auf Neuseeland gabe.
Otto Wilckins — Die Geologie von Neuseeland.
157
Taieritlusses beginnt der Metamorphismus der Gesteine. In dem groBen
Gebiete metamorpher Gesteine, das den Kern des sogenannten Otago-
sattels bildet, liegen die Schichten ebenfalls vielfach horizontal1). Von
besonderem Interesse sind die Angaben Morgans2) iiber das Gebiet
von Mikonui (Westland) und den Ban der Sudlichen Alpen etwa in
43° s. Br. Wenn das Gebirge einseitig gebant ist, so muB hier der Druck
aus SO. gegen NW. gewirkt haben. Das Fallen der Faltenschenkel ist
vorwiegend sudostlich. Auch ein Profil, das Bell und Fraser3) etwas
weiter nordlich dnrch die Sudlichen Alpen gelegt haben, zeigt siidost-
liches Fallen der Schiefer der Griffith Range.
Suess (Antlitz der Erde 3, II, S. 340) nennt das NNO. streichende
Gebirge der Sudinsel (also die Sudlichen Alpen) gegen OSO. gefaltet.
Nach seiner Ansicht ist also die westliche Seite die Innenseite.
Nach J. Park streichen die Gneise des Fjordlandes als zentrale
Zone mit einzelnen Unterbrechungen weiter durch das neuseelandische
Hochgebirge bis in die Provinz Nelson und stellen die starkstgehobenen
Teile, das tektonische Ruckgrat der Kette, dar, wenn sie auch west-
warts von der Linie der groBten Erhebungen des Gebirges bleiben. Von
der siidwestlichsten Spitze von Neuseeland bis zum Doubtful Inlet ist
nach seiner Angabe (1, S. 16) das Streichen S. — N., weiterhin dann
SW. — NO. Nordlich des Mount Aspiring, d. h. also etwa des nord-
lichen Endpunktes der Gneismasse des Fjordlandes ist das Fallen der
Schiefer und der diese uberlagernden jungeren Schichtgesteine ostlich,
so daB die Sudlichen Alpen nur den ostlichen Flugel eines groBen Sattels
darstellen, dessen Westschenkel entweder abgetragen ist oder im Pazifik
(Tasmansee) versenkt liegt. Der Otagosattel ist nach Park an der Ost-
kliste der Sudinsel flach; im Streichen gegen NW. verengert er sich und
ist dann tiefer, namlich bis auf die kristallinen Schiefer, erodiert. t)ber
die Reziehungen des Otagosattels zum Sattel der Hauptkette macht
Park keine Angaben. In dem Gebirge zwischen Nord-Otago und den
Spencerbergen in Nelson sind die Sandsteine, Grauwacken und Schiefer,
die das Hauptbaumaterial des Hochgebirges bilden, in SW. — NO.
streichende und nach SO. uberliegende Falten gelegt oder sogar durch
Obersehiebungsflachen zerrissen. Mit dieser allgemeinen Angabe steht
die Schilderung Morgans (s. oben !) im Widerspruch. In der Mt. Cook-
und der Malte Brun-Kette kann der Faltenbau an den Bergeshangen
mit bloBem Auge verfolgt werden. Durch vier Abbildungen gibt Park
davon eine gute Vorstellung (1, Fig. 21 — 24). Man sieht an diesen
D J. Park, The Geology of the Area covered by the Alexandra Sheet, Central
Otago Division. New Zealand Geological Survey No. 2 (New Series). [Profiltafel.
1906.
2) P. G. Morgan, The Geology of the Mikonui Subdivision, North Westland.
New Zealand Geological Survey. Bull. No. 6 (N. S.). S. 30 — 44. 1908.
3) J. M. Bell and C. Eraser, The Geology of the Hokitika Sheet, North
Westland Quadrangle. New Zealand Geological Survey. Bull. No. 1 (N.S.). 2. Profil¬
tafel, oberes Profil. 1906.
158
II. Besprechungen.
natiirkcken Scknitten teils steilgestellte, unter sekr kokem Winkel nack
NW. einfallende Sckickten, teils nack SO. uberliegende Falten, teils
nack NW. einfallende Aufsckiebungsflacken. Am Mt. Haast aber und
am Mt. Haidinger senken sick nack NNW. uberliegende Falten ins Tas-
mantal kinab.
Es ist sckwer, aus diesen zum Teil widerspreckenden Angaben ein
klares Bild zu gewinnen. Maeshall und Mokgan sprecken sick klar
fur einen Sckub von der ostlicken Seite des Gebirges aus, Suess nimmt
an, daB der Zusammensckub von Westen her erfolgt sei. Paeks Dar-
stellung laBt sick in versckiedenem Sinne deuten.
Es sckeinen mir keinerlei Griinde vorzuliegen, die eine vollige Ab-
trennung der Kaikouras, die im nordostlicksten Teil der Siidinsel, in der
Provinz Marlborougk, liegen, recktfertigen wiirden. Man weiB wenig
fiber ihre Zusammensetzung, aber die Gesteine sckeinen dieselben zu
sein wie in den Slidlicken Alpen. Sie sind nur ein "Teil des groBen neu-
seelandiscken Faltengebirges. In ikrem Bau bemerkenswert sind mekrere
groBe tTbersckiebungsflacken, an denen nack Mac Kay Trias fiber
Miozan gesckoben ist. (Das Profil sieke bei Maeshall [3], S. 126, Fig. 81.)
In diesem Eintreten des Tertiars in den Bau steken sie aber nickt allein.
Es ist unbestritten, daB die Fortsetzung des Kaikouras j enseits der
CookstraBe der Ruakinezug ist. Mit diesem Namen kat Suess denjenigen
Teil des neuseelandiscken Faltengebirges belegt, der den ostlicken Teil
der Nordinsel mit SSW. — NNO.-Streicken durckziekt. Geograpkisck
kat dieser Gebirgsteil keine einkeitlicke Bezeicknung, sondern tragt
mekrere Namen (Tararua-, Ruakine-, Kaimanawa-Mountains). t)ber
seine Tektonik macken Paek und Maeshall wenig Angaben. Das
Streicken lauft parallel der Gebirgserstreckung, die Sckickten steken
mekr oder weniger steil. In dem Profil von Hectoe (Maeshall 3,
S. 135, Fig. 89) fallt die Trias nack 0S0.
Westlick des groBen vulkaniscken Plateaus der Nordinsel und der
diesem aufgesetzten j ungen Vulkane tritt das Faltengebirge nur in
einzelnen Bruckstiicken aus seiner tjberdeckung mit tertiaren und
pleistozanen Ablagerungen und vulkaniscken Bildungen an die Ober-
flacke. In dem langen Nordwestsporn der Nordinsel treten sie vielfack
auf. Die Erstreckung dieses Sporns entsprickt, wie sckon Suess ker-
vorkebt, in keiner Weise dem inneren Bau der Falten. Das Gebirge
ist also j enseits der CookstraBe in seinen auBeren (westlicken) Ketten
auBerordentlick stark zerstiickelt und auf groBe Strecken versenkt.
Dies Verkalten erinnert an das der Alpen an ikrem Ostende. Es wurde
sckon erwaknt, daB Suess eine Virgation zu erkennen glaubt. Die vor-
kandenen Einzeluntersuckungen1) zeigen aber, daB das Streicken in
den erkaltenen Faltenstlicken in der nordwestlicken Nordinsel nickt
nur einfack S. — N. oder SSO. — NNW. oder SO. — NW. gericlrtet ist.
1) J. M. Bell and E. de C. Clarke, The Geology of the Whangaroa Subdivision,
Hokianga Division. New Zealand Geol. Survey Bull. No. 8 (N. S.). 1909. S. 42.
Otto Wilckens — Die Geologie von Neuseeland.
159
Immerhin schlieBen die bisher bekannten Tatsacben die Moglichkeit
des Vorbandenseins dieser Virgation nicht ganz aus.
Die oben geauBerte Vermutnng, daB im auBersten Norden der Siid-
insel gewissermaBen abnlich wie die vergleicbsweise zwar viel groBere
bohmische Masse vor den ostlicben Alpen die palaozoisch gefaltete Masse
der Tasmanberge vor dem neuseelandischen Kettengebirge liege, steht
einstweilen noch auf scbwacher Grundlage. Das Alter der Faltung in
dem genannten Gebirgsteil stebt nocb nicbt fest. Ans Maeshalls Dar-
stellung (2, S. 57 — 58) und Maeshalls Karte (3) gewinne icb den Ein-
druck, daB es sich bei den Tasman- und den Pikikiruna-Mountains
(sowie vielleicht aucb noch den Marine-, Lyell- und Paparoa-Mts.1))
um eine Gebirgsmasse handelt, deren Entstehung alter ist als das groBe
Faltengebirge Neuseelands. Abgesehen von dem jungen Deckgebirge
aus Oamaruschichten, kennt man das Alter der Scbicbtgesteine in
diesem Gebirgsteil nur beim Untersilur. Die ubrigen Sedimente sind
zum Teil metamorph und wahrscheinlicb alter als das Untersilur, zum
Teil junger als dieses, aber wahrscheinlicb noch altpalaozoisch. Granite
und andere Eruptiva sind ziemlicb verbreitet. Das Streicben der Fatten
ist in den Whakamarama Mts., dem nordlicbsten Abschnitt der Tasman¬
berge, NNW. zu W., weiter siidlich etwas westlicber, an der Vereinigung
der Tasman- und Pikikirunakette NW. zu NNW. Neuere Kartierungen
sind in dem Gebiete sudlicb der Golden Bay ( »Parapara-Subdivision«)
ausgefubrt2). Bells W. — O.-Profil durch diese Gegend vom Aorere- zum
Takakatal, das bei Maeshall (2, S. 12, Fig. 5) teilweise wiedergegeben
ist, zeigt nacb Westen iiberliegende Falten. Nach den Karten ist das
Streicben in den palaozoiscben Gesteinen zwar sebr mannigfaltig im
einzelnen, aber nordliches und nordwestlicbes herrscht vor. Dieses von
dem des Hauptfaltengebirges so stark abweicbende Streicben im Yerein
mit dem teilweisen Aufbau aus dem anscbeinend in den ganzen Siid-
liclien Alpen fehlenden Untersilur drangt zu der Annabme, daB bier
ein selbstandiger alterer Gebirgskorper vorhanden ist.
Die meisten neuseelandischen Geologen, aucb Paek und Maeshall,
betracbten die Kreidezeit, und zwar namentlicb die altere, als die Periode
der Hauptgebirgsbildung fiir Neuseeland. Die Jurascbichten sollen
die jilngsten sein, die in die komplizierte, starke Faltung eintreten.
Als Beweis wird aucb angefiibrt, daB die Oberkreide und das Tertiar
im allgemeinen eine randliche Lage zum Gebirge einnehmen, meist flacli
liegen oder gegen die Kiiste einfallen und nur ausnahmsweise starke
Faltung oder Uberscbiebung aufweisen. Nur im Ber gland von Otago
0 Vgl. die Karte bei Marshall (2), Fig. 1.
2) J. M. Bell, E. J. H. Webb, E. de C. Clarke, The Geology of the Parapara
Subdivision, Karamea, Nelson. New Zealand Geological Survey Bull. No. 3 (N. S.).
— Bells Bericht liber die westlich und sudwestiich an das Paraparagebiet an-
schlieBende »Heaphy-Subdivision« (Second Annual Report of the Geological
Survey Department, 1908, S. 7 — 9) laBt nur erkennen, daB die geologischen Yer-
haltnisse hier ahnlich sind. Das gleiche gilt von der »Mount Radiant Subdivision «.
160
II. Besprechungen.
zwischen Mt. Aspiring und Wakatipusee, in der Ben Neviskette in Nelson,
ferner in den Kaikouras sind tertiare Sedimente von starker Faltung
oder Oberschiebung ergriffen. DaB auck Stimmen nicht feblen, die die
Faltung der neuseelandischen Kette in eine jungere Periode setzen, wird
nock zu erwaknen sein.
Als Beispiel fur groBe Dislokationen im Gebirge, die j linger sind als
die Oamaruformation, moge die sogenannte Moonlight- Oberschiebung
dienen. Sie ist naelr dem Moonlight Creek benannt, dessen Tal sie
uberquert. Sie besteht aus einer steil westwarts fallenden Aufschiebungs-
flache in Kakanui-Schiefern (Altpalaozoikum?), in die eine 14 bis 150 FuB
machtige Masse von fossilfiihrendem Sandstein und Konglomerat vom
Alter der Oamaruformation eingeklemmt ist. Diese Einklernmung be-
ginnt amNordufer desW. — 0. gerichteten. mittlerenArmes desWakatipu-
sees und streickt etwa 25 Meilen weit in nordnordostlicker Bichtung
fast geradlinig liber Berg und Tal bis in die ostlichen Flanken des Mount
Aurum. Im Fallen ist diese gangartige Platte 3600 FuB tief aufge-
scklossen. Im Hangenden der Moonlight-Gberschiebung liegt unmitt el -
bar westlick von ikrem Ausstrick amWakatiousee eine 1500 FuB machtige
tertiare Einfaltung in den Kakanuischiefern, die im Streicken zweimal
recktwinklig geknickt ist.
Mac Kay hat diese bemerkenswerten tektonischen Einschaltungen
von Tertiar mitten im alten Gebirge 1880 entdeckt; Park hat sie genau
untersuckt. Diese groBe Dislokation ist j unger als die Oamaruformation
und beweist, daB starke gebirgsbildende Bewegungen in Otago noch
in j lingerer tertiarer Zeit eingetreten sind, mitten im neuseelandischen
Faltengebirge, dessen Faltenwurf allerdings trotzdem alter sein kann
als diese Uberschiebung. Vielleickt kandelt es sick bei den erwaknten
Gbersckiebungen in den Kaikouras um ahnliche Erscheinungen wie
die Moonlight- Gbersckiebung. Das westliche Einfallen dieser Dislo-
kationsflachen stimmt scklecht zu unserer Annakme, daB die Innen-
seite des Gebirges im Osten liegt.
' Die Ubersckiebung tertiarer Sckickten durck Trias in Nelson am
Gebirgsrande (Park, Fig. 16 und 18) laBt sick vielleickt mit der
Aufsckiebung des Harzes iiber die jiingeren Sckickten an seinem
Nordrande vergleicken.
Die von Marshall erwaknte starke Faltung im Tertiar der Puketoi
Hills (siidostliche Nordinsel) ist vielleickt von Bedeutung fiir die Da-
tier ung der gebirgsbildenden Yorgange.
Das Hockgebirge von Neuseeland ist vielfack zum Gebiet der meso-
zoischen Geosynklinalen und zu den tertiaren Kettengebirgen gerecknet.
P. G. Morgan1) nimrnt zwar eine starke Faltung am Ende der Jurazeit
an, anderseits sprickt er aber auck vom Ende der Kreide- oder Beginn
der Tertiarzeit als Zeit der fruheren Stadien der alpinen Faltung.
1) The Geology of the Mikonui Subdivision, North Westland, N. Z. Geol.
Surv. Bull. 6 (N. S.). 1908. S. 30 und 34.
Otto Wilckens — Die Geologie von Neuseeland.
161
In diese letztgenannte Periode verlegt Morgan vermutungsweise das
Empordringen der Granite auf der Westseite der Sudlichen Alpen im
nordlichen Westland. Dies fiilirt uns anf einen anderen Vergleicli. Wir
haben das neuseelandische Gebirge nach Gestalt, GroBenverhaltnissen,
Abbrucherscbeinungen nsw. mit den Alpen verglichen; aber es liegt viel-
leicht nocb naher, die siidamerikanische Kordillere dazu heranzuziehen.
Wir wissen noch niclits, was darauf hindenten konnte, daB die neusee-
landischen Alpen aus Oberschiebungsdecken aufgebant sind oder daB die
Zone kristalliner Schiefer im Otagosattel sicb der Zone der lepontiniscben
Gneise gleichsetzen lieBe oder daB ilire mancbmal flache Lagernng
einen Aufbau aus liegenden Falten andeutet. Wir kennen aber ander-
seits aucb noch wenig Vergleichspunkte mit dem amerikanischen Ketten-
gebirge. Morgan bringt die Granite auf der Westseite der Sudlichen
Alpen in Westland in Beziehung zu einer TJberschiebungsflache, langs
welcher der ostliche Teil des Gebirges liber den westlichen hinaufbewegt
ist, und nimmt an, daB ihr Empordringen mit der Gebirgsbildung in
engem Zusammenhang steht. Zum Vergleich zieht er die Stock e an der
Grenzlinie der Dinariden heran. Die Granite sind Biotitgranit und
Hornblendebiotitgranit. Die einzige Analyse, die mitgeteilt wird, ist
anscheinend von unfrischem Material und weist einen viel hoheren
Kieselsauregehalt als die Granodiorite der Kordillere auf.
Die Kreideformation liegt in der patagonischen und antarktischen
Kordillere wie auf Neuseeland randlich zur gefalteten und von Granit-
stocken intrudierten Gebirgsmasse. Die Dbereinstimmung der neu-
seelandischen Oberkreide mit der patagonischen und antarktischen
scheint bedeutend zu sein.
Der siidwestliche Bogen des neuseelandischen Faltengebirges (der
sogenannte Otagosattel) erscheint an der Ostkuste der Siidinsel jah
abgeschnitten. Dies Ende ist nicht natiirlich, sondern beruht wohl
zweifellos auf einem Abbruch. Die Fortsetzung des Gebirges
kann nur in einer Bichtung gesucht werden, in der auf die
Kordillere des Gr ahamlandes, die »Antarktanden«. Die Unter-
brechung zwischen beiden ist groB; aber die hier geauBerte Ansicht
steht im Einklang mit dem gegenwartigen Stande unserer Kenntnisse.
Das atlantische und das pazifische Gebiet haben, wie Suess schon her-
vorhebt, beide Anted am antarktischen Landgebiet. Die hier vorgeschla-
gene Verbindung Neuseeland — Grahamland laBt den pazifischen Ozean
auch im Siiden durch ein Faltengebirge umrandet erscheinen. Fast
ganz Antarktika muB dann dem atlantischen Raume zugehoren.
III. Geologischer Unterricht.
Verzeichnis der geologischen Vorlesungen an den
deutschen Hochschulen im Sommersemester 1917.
Abkiirzungen: Geol. = Geologie; g. = geologisch; Pal. = Palaontologie ; p. = palaontologisch ;
Petr. = Petrograpliie ; petr. = petrographisch ; tib. = tlbungen; Anl. = Anleitung zu selb-
standigen Arbeiten; Coll. = Colloquium; Exk. = Exkursionen. — Die Zahlen geben die Zahl
der Stunden in derWoche an.
1. Universitaten.
A. Deutschland.
Berlin: Hennig: Geol. Deutsch-
lands mit Exk. 2, Pal. I: Wirbellose 2,
Die fossile Reptilienwelt 1; Haar-
mann : Wirtschaftsgeol. Deutschlands
2; Liebisch: Anl. (Petr.); Tann-
hauser: Petr. 2, petr. Ub., petr. Exk.
Bonn: Steinmann: Regionale Geol.
II. Geol. von Europa, mit Exk. 4,
Fossile Pflanzen 1, Die g. Grundlagen
der Abstammungslehre I, Ub., Anl.,
Coll.; Brauns: Anl. (Petr.), Ausfluge
in Vulkangebiete der Eifel und des
Niederrheins; Pohlig: Allgemeine Geol.
(Erdgeschichte) mit Demonstrationen
und Ausfliigen 3, Abstammungsgesetz
und Erdgeschichte, mit Demonstra¬
tionen, nach seinem gleichnamigen Leit-
faden 2, Lichtbildervortrage als Ein-
fiihrung in die Geol. 1, Erdgeschicht-
liche Spaziergange; Wanner: Fossile
Wirbeltiere (Reptilien und Saugetiere)
2, Technische Geol. 1; Tilmann: Geol.
von Rheinland und Westfalen, mit
Exk. 1.
Breslau: Frech: Erdgeschichte (hi-
storische Geol.) mit Exk. 4, Technische
Geol. mit besonderer Beriicksichtigung
der Erzlagerstatten, mit Exk. 2, An¬
leitung zu g. und agronomisch-karto-
graphischen Aufnahmen im Gelande,
Ub., Anl.; Frech, Sachs, Dyhren-
furth, Meyer: Coll.; Sachs: Die Mine-
ralschatze der Erde: Salze, Kohlen,
Erze, Edelsteine 1; Meyer: G. Landes-
kunde von Schlesien, mit Lichtbildern
und Exk. 1/2, Verstandnis und Auf-
nahme g. Karten und Profile 1 j 2, g. Ub.
fur Anf anger (besonders fiir Geogra¬
ph en) mit Lichtbildern und Exk. 2;
Beutell: Mineralogie und Petr, der
Erzlagerstatten mit Exk. 2.
Erlangen: Lenk: Allgemeine Geol.
mit repetitorischen Besprechungen 5,
Anl. (Petr.), Exk.; Lenku. Krumbeck:
Anl. (Geol.), Ub. in der makroskopischen
Gesteinsbestimmung; Krumbeck: Hi-
storische Geol. 2, Geol. und Morphologie
von Nordbayern mit Fachausflugen 1,
p. Ub., Anl. (stratigraphisch-p. Arb.).
Frankfurt a. M. : Boeke: Die wich-
tigsten (Mineralgruppen und) Gesteine
4, petr. Ub., Anl. (Petr.); Drever-
mann: Allgemeine Geol. 4, Einfulirung
in die Kenntnis der Versteinerungen 2,
Das rheinische Schiefergebirge 1, Anl.,
Coll.
Freiburg i. B. : Deecke: Erdge¬
schichte mit Exk. 5, Ub., Anl.; De-
ninger : Pal. der Wirbellosen 3;
Wepfer: Geol. von Europa 2; Neu¬
mann: Meereskunde und Morphologie
der festen Erdoberflache 4; Soellner:
Anleitung zu petr. Untersuchungen im
Gelande.
GieBen: Kaiser: petr. Ub., Anl.;
Kaiser und Meyer: Anleitung zu g.-
petr. Beobaclitungen im Gelande, Exk. ;
Meyer: G. Bodenkunde (mit bes. Be-
riicksichtigung g.-agronomischer Kar¬
tell) 2, Nutzbare Lagerstatten Deutsch¬
lands 1.
Gottingen: Stille : Allgemeine Geol.
4, Geol. von Mittel- und Nordwest-
deutschland mit Exk. 2, praktische Ub.
III. Geologischer Unterricht.
163
in g. Beobachtungen unci Aufnahmen;
Stille und Wedekind: An].; Wede¬
kind: Pal. der wirbellosen Tiere mit bes.
Beriicksichtigung der Biostratigraphie3 ;
Salfeld: Die Juraformation mit Ub. 2;
Freudenberg : Die Urmenschen der al-
teren Steinzeit; ihre Abstammung, ihre
Lebensweise und Kiinste 2; Wagner:
Allgemeine physikalische Geographie 4;
Wiechert: Geophysik (Erdbeben, Erd-
korper, Erdmagnetismus) 4.
Greifswald: Jaekel: Historische
Geol. 2, Pal. II (Wirbellose und Leit-
fossilien) 2, Ub., Anl., Exk. ; Milch:
Anl. (Petr.); Philipp: Geol. des nord-
deutschen Flachlandes mit Exk. 2;
Klinghardt: Jura und Kreide 3.
Halle: Walther : Gescbichte der Erde
und des Lebens 4, Anleitung zum Stu-
dium der Schausammlungen, Ub., Anl.;
Walther und Scupin: Anfangsgriinde
der Geol., mit Exk. 2; Scupin: Grand -
lagen der Palaogeographie 1, Gesteins-
kundliche Ub. 3.
Heidelberg: Salomon: GeolJauBere
Dynamik) 5, G. Geschichte der Heidel-
berger Gegend mit Exk. 1, Ub., Anl.;
Wulfing: Petr, mit Exk. 2, Anl. (Petr.).
Jena: Linck: Allgemeine Geol. 4,
Anl. (Petr, und allgemeine Geol.);
y. Seidlitz: Regionale Geol. II Europa
2, G. Aufbau Thiiringens mit Exk. 1,
Ub., Anl. (Geol. und Pal.).
Kiel: Wust: Allgemeine Pal. (Pal.
und Abstammungslehre) 2, Einfuhrung
in die Geol. von Norddeutschiand und
Sudskandinavien fiir Vorgeschrittenere
mit Exk., Ub., Anl.
Konigsberg: Andre e: Formations-
lehre als Grundlage der Erdgeschi elite
und Palaogeographie 4, Pal. nebst
Palaobiologie der niederen Wirbello¬
sen 2, Der Aufbau Europas 1, Ub.,
Anl., Exk. Bergeat: Gesteinskunde 4,
Die metallischen Bodenschatze Deutsch-
lands 1.
Leipzig: Felix (als Vertreter von
Kossmat) : Einfuhrung in die Pal., unter
besonderer Beriicksichtigung der wirbel¬
losen Tiere 2; Pietzsch (als Vertreter
von Kossmat): Exk.; Niggli (als Ver¬
treter von Rinne): Gesteinskunde 6;
petr. Ub., Anl. (Petr.); Bergt: Che-
mische Petr. Sachsens 1, Erzlagerstatten
1, Felix: p. Ub., Reinisch: petr. Ar-
beiten im Felde 2.
Marburg: Kayser: Allgemeine Geol.
4, Geol. von Hessen mit Exk. 1, Ub.,
Anl. ; Weigel: Petrographie 2, Die Ent-
stehung der Erzlagerstatten 1; Cloos:
Geol. von Mitteleuropa und dem Balkan
2, Praktische Einfuhrung in die Geol. 2 ;
ScHULTZE-Jena: Morphologie der Ercl-
oberflache 4.
Miinchen: Rothpletz: Geol. mit
Exk. 4, Geol. d. Alpen mit Exk. 1 ;
Rothpletz und Broili: Ub., Anl..
Exk.; Weinschenk: Lagerstattenlehre
II: Erzlagerstatten 2, Ub. im Bestim-
men von Gesteinen mit Exk. 4, Anl.
(Petr.); Stromer von Reichenbach:
Pal. der Wirbeltiere I. Einleitung und
Fische I, Pal. der Wirbeltiere IV.
Saugetiere 1, Pal. und Deszendenztheo-
rie 1; Broili: Pal. der Wirbeltiere
II — IV: Organisation, Systematik und
Stammesgeschichte der Amphibien,
Reptilien und Vogel 1, Einfuhrung in
die Stratigraphie (Formationskunde) 2;
Dacque : Biologie der palaozoischen und
mesozoischen Wirbellosen 1, Palaogeo¬
graphie III. Teil: Palaoklimatologie 1;
Leuchs: Geol. von Agypten 1, Prak¬
tische Geol. 1; Boden: Geol. der deut-
schen Mittelgebirge 1.
Munster: Busz: Einleitung in die
Petr. 2, petr. Ub., Anl. (Petr. ) ; Wegnre ;
Geol. von Deutschland, Exk. ; Mei-
nardus: Meereskunde 3.
Rostock: Geinitz: Ub., Exk.
StraBburg: Wilckens: Erdge-
schichte (Formationskunde) 4, Anl. ;
Bucking: petr. Exk.; Kessler: Die
nutzbaren Ablagerungen Deutschlands
2, Geol. Siidwestdeutschlands 2, Repe-
titorium der Stratigraphie 2.
"Tubingen: Pompeckj: Geol. und
Bodengestaltung Wiirttembergs mit
Exk. 4, Pal. (Wirbeltiere), Ub., Anl.;
Nacken: Gesteinskunde mit Exk. 4,
Die wichtigsten Erze und ihre Lager-
statten 3, petr. Ub. ; v. Huene : Ge¬
schichte der Meere 1; Lang: Aussprache
iiber palaoklimatische Fragen 1, Die
Sedimente, ihre Bildung und Diagenese
2; Schmidt: Der Mensch der Eiszeit 2,
Einfuhrung in die vorgeschichtliche
Archaologie und Ausgrabungstechnik
mit Exk. 2, prahistor. Ub. ; Schmidt
164
III. Geologischer Unterricht.
und Soergel: Diluvial-g., p. und pra-
historische Ub. mitExk. ; Soergel: Die
fossilen Lamelli branch iaten 2.
Wurzburg: Beckenkamp: Geol. mit
Exk. 4, petr. Ub.
B. Osterreich.
Graz: Hilber: Geol. Mittelsteier-
marks 2, Stratigraphie und Pal. Steier-
marks 2, Ub., Exk.; Hilber und
Heritsch: Anl. ; Scharizer: Anl.
(Petr.).
Innsbruck: Blaas: Gesteinsbildung
und Umbildung3, Demonstrationen und
Coll. 2; Cathrein: Anl. (Petr.).
Prag: Wahner: Grundzlige der
Geol. II. Tell (Zur Einfiihrung, bes. f.
Geographen) 4, Ub., Anl., Exk.; Pe-
likan: Gesteinskunde II. Teil 3, petr.
Ub. 2, Ausfliige zum Studium der Ge-
steine in der Natur, Anl.; Krasser:
Grundzlige der Phytopalaontologie 2;
Machatschek: Gletscherkunde 1.
Wien: Suess: Grundzlige des g.
Baues von Europa 5, Exk. ; Diener:
Die Entfaltung des Tierreichs im Laufe
der Erdgescliichte 5, Anl. ; Abel: Die
fossilen Uberreste als biologische Doku-
mente 5; Doelter: Die Erze und ihre
Lagerstatten 3, Petrogenetische Fragen
2; Diener und Arthaber: p. Ub. ;
Artraber: Uber Bivalven 2; Schaffer:
Geschiclite des Wiener Beckens mit
Exk. 5; Hoernes: Prahistorische Topo-
graphie Europas 3, prahistorische Ub.
C. Schweiz.
Basel: Schmidt: (Gesteinsbildende
Mineralien und) Gesteine 4, Exk. ;
Schmidt und Buxtorf: Anl.; Bux-
torf: Geol. 3, Exk.
Bern: Hugi: Petr. II 2, petr. Ub.,
petr. Exk.; Hugi und Arbenz: Mine-
ralogisch-g. Ref erierabend ; Arbenz :
Geol. der Schweiz 2, Erdgeschichte
(Formationskun.de) 2, Einfiihrung in die
Pal. der Wirbellosen (Leitfossilien) 1,
XJb. , Exk.; Nussbaum: Formenkunde
der Schweiz 1.
Zurich: Schardt: Geol. der Schweiz
2, Geol. der Gebirge 2, Ub., Anl., Exk.;
Grubenmann: Gesteinslelire 3, Werden
und Wandel der Gesteine 1, makrosko-
pisches Gesteinsbestimmen 1, Ub.
(Petr.), Anl. (Petr.); Rollier: Petre-
faktenkunde mit Ub. : Cephalopoden 2,
Stratigraphie der Juraformation 2;
Wehrli: Physische Geographie II:
Morphologie der Erdoberflache 3; de
Quervain: Gletscherkunde mit Exk. 1 ;
Hescheler: Pal. 'der Wirbeltiere exkl.
Saugetiere 2.
2. Technische Hcchschulen.
A. Deutschland.
Aachen: Dannenberg: Erdge¬
schichte, Element e der Mineralode
und Geol., Ub. ; Klockmann: Petr.,
Ub. (Petr.), Anl. (Petr.).
Berlin: Hirschwald: Allgemeine
Geol. 2, Ub. ; Tannhauser: Die Priifung
der natlirlichen Bausteine auf ihre me-
chanischen Eigenschaften und auf ihre
Wetterbestandigkeit 1. — Abteilung fur
Bergbau: Rauff: Allgemeine Geologie
3, Pal. 3, p. Ub. 1; Gothan: Paliio-
botanik 2, palaobotanische Ub., Anl.
(Palaobotanik).
Breslau: Beutell: Mineral ogie und
Petr, der Erzlageistatten; Sachs: Die
Bodenscliatze Schlesiens: Erze, Kohlen,
nutzbare Gesteine.
Danzig: Stremme; Geol. 3, Ub., Anl.
Darmstadt: —
Dresden: —
H annover: Erdmannsdorffer:
Grundzlige der Geol. 4; Hoyer: Prak-
tische Geol. II. 2, Geol. des nordwest-
lichen Deutschlands 1; Sceondorf:
Technisch wichtige Mineralien und Ge¬
steine Deutschlands 2, Einfiihrung in
das Verstandnis und die praktische
Verwertung g. Karte und Profile 1.
Stuttgart: Sauer: Geol. 4, Petrogr.
Untersuchungsmethoden 2, Ub., Anl.,
Exk.
L a n d w i r t s c h a f 1 1. H o c h s c h u 1 e n.
Berlin: Fliegel: Geol. von Xord-
deutschland 1, Vorkommen, Besckaffen-
heit und Aufsuchung des unterirdischen
Wassers 1, Exk.; Schucht: G.-agrono-
mische Bodenaufnahme 1, praktische
Bodenuntersuchungen im Felde.
Hohenheim: Plieninger: Geol..
II. Teil 4, Ub., Exk.
Poppelsdorf : Brauns: Geognosie
2, Exk.
Weihenstephan : FAsch: Geol.
* ^
*
IV. Bucher- und Zeitschriftenschau.
165
Die Forstakade mien Eberswalde,
Miinden, Tharandt sind wahrend des
Krieges geschlossen. Die F. Eisenach
ist dauernd aufgehoben.
* *
Bergakade mien.
Claus tal: Geschlossen.
Freiberg: Beck: Geol.,Lagerstatten-
iehre, Versteinerungslehre, Geol. von
Sachsen, Ub.
*
Kolonialinstitut Hamburg: Gu-
rich: Die wichtigsten nutzbaren Mine-
rale und Gest'eine 2; Gurich und Wy-
sogorski: Ub. im g. und agronomischen
Kartieren; Wysogorski: Einfiihrung in
die Geol. 1.
Akademie Posen: —
Polytechniku m Cothen: Foehr:
Geol. 1, g. Ub., g. Seminar, Exk.
B. Osterreich.
Briinn: Rzehak: Geol. 4, Exk.
Graz: Tornquist: G. Formation s-
und Gebirgskunde 3, Exk. ; Mohr :
Geol. der feuerfesten Materialien 1.
Prag: Redlich: Geol. II 4, Ub., Exk.
* *
*
MontanistischeHochschuleLeo-
ben: Granigg: Petr. 2; Schmidt: Geol.
6, Pal. 2, Lagerstattenlehre 3.
IV. Bucher- und Zeitschriftenschau.
Jahresberi elite und Mitteiluugen des Oberrheinischen
geologischen Vereins.
Neue Folge. Bd. VI. Jahrgang 1916/17. Heft 2. Mit 2 Tafeln und 3 Ab-
bildungen im Text. Ausgegeben im Marz 1917. Preis fur Nichtmitglieder M 1.80.
In Kommission bei der E. Schweizerbartschen Verlagsbuchhandlung (Nagel 3
& Dr. Sproesser). Stuttgart 1917?
Das Heft enthalt folgende Arbeiten:
Brauhatjser, M., Beitrage zur Kenntnis des Rhatsandsteins im Schonbuch
zwischen Stuttgart und Tubingen. (Vorlaufige Mitteilung.)
Ruger, L., Uber das Auftreten von Asphalt im Quarzporphyr von Dossenheim.
Haberle, D., Uber das Vorkommen karrenahnlicher Gebilde im Buntsand-
stein. Mit einer Abbildung im Text und zwei Tafeln.
Buri, Th., Uber Verlauf und Gliederung der Nacheiszeit und liber Hangetaler
im mittleren und im anstoBenden siidlichen Schwarzwalde. Mit einer
Skizze und einer Abbildung im Text.
K. Sapper, Katalog der geschichtlichen
Vulkanausbriiche. Schriften der wis-
senschaftlichen Gesellschaft in StraB-
burg. 27. Heft, StraBburg 1917, bei
Karl J. Triibner. Lex. -8°, X. u.
353 S. Broschiert 24 M.
Es ist sehr dankenswert, daB sich
gerade Sapper der schwierigen und
langwierigen Aufgabe unterzogen hat,
ein moglichst vollstandiges Verzeichnis
der geschichtlichen Vulkanausbriiche zu
verfassen. Denn er gehort nicht bloB
zu den besten Kennern des Vulkanis-
mus, sondern er hat auch eine unge-
wohnlich groBe Zahl von Vulkanen be-
sucht und untersucht. Freilich hebt
auch er selbst hervor, daB seine Liste
zwar moglichst vollstandig, aber nichts
weniger als wirklich vollstandig ist.
Die Griinde dieses Mangels erortert er
eingehend in seiner Einleitung.
In der eigentlichen Darstellung wer-
den die Vulkanausbriiche sehr ver-
niinftigerweise geographisch und nicht
chronologisch nach ihrem Zeitpunkt
beschrieben. Sehr wertvoll sind die
noch liber 50 Seiten umfassenden kriti-
schen SchluBbemerkungen. Darin wer-
166
IV. Bucher- und Zeitschriftenschau.
den besprochen: Der Begriff des Vul-
kans und der des Ausbruchs, die vulka-
nische Tatigkeit zu Wasser und zu
Lande, der Wert der Ausbruchssta-
tistik, das Verhalten der Einzelvulkane
im Laufe der Zeit, akustische, ther-
mische, seismische TatigkeitsauBerun-
gen, Ausbruchserscheinungen und Wir-
kungen, Menschenverluste infolge vul-
kanischer Ausbrliche, die Zahl der in
gesckichtlicher Zeit als tatig nach-
gewiesenen Vulkane, ihre Anordnungs-
dichte, Tiitigkeitsfrequenz, Art der For-
derung, Forderleistung und die bekann-
ten Riesenausbruche. Ein ausfiihr-
liches Orts- und Sachregister erhoht den
Wert des selir willkommenen und wich-
tigen Buches. Sal.
Einfuhrung in die Markscheidekunst
von L. Mesttrop. Berlin 1916, J.
Springer. II. Aufl. M 6.80.
Dieses handliche Buch ist vier Jahre
nach dem ersten Erscheinen in einer
2. Auflage erschienen ; sie enthalt gegen-
iiber der ersten zwar keine wesentlichen
Anderungen, aber die unnotigen Frernd-
worter sind tunlichst durch deutsche
Ausdriicke ersetzt. St.
James Park, A Textbook of Geology.
For use in Mining Schools, Colleges
and Secondary Schools. London 1914.
698 S. 70 Taf.
Die Anordnung des Stoffes in diesem
von einem neuseelandischen Geologen
geschriebenen Lehrbuch der Geologie
ist so gewahlt, daB zuerst die Denu¬
dation, Erosion, Gletscher- und Meeres-
wirkung, dann die epirogenetischen und
orogenetisclien Bewegungen besprochen
werden. Erst liiernach kommen die Ab-
schnitte liber die Zusammensetzung der
festen Erdkruste, Schichtgesteine, Vul¬
kane und Massengesteine. Wir diirfen
in dieser Gruppierung des Stoffes wohl
amerikanischen EinfluB sehen, auf den
auch die Auswahl der geologischen
Landschaftsbilder schlieBen laBt, die
meist amerikanischen Veroffentlichun-
gen entlehnt sind. Einen groBen Pan m
nimmt die Formationskunde ein. Sehr
anerkennenswert ist, daB der Verf. der
morphogenetischen und praktischen
Geologie besondere Abschnitte gewid-
met hat; auch eine kleine Anweisung
zu Feldaufnahmen findet sich. Wer er-
wartet, neuseelandische Verhaltnisse in
reichem MaBe bei den Beispielen fur
geologische Vorgange usw. herangezogen
zu finden, sieht sich enttauscht. Die
Abbildungen sind ungleichwertig. Xe-
ben sehr schonen Tafeln finden sich ur-
alte Holzschnitte wie z.B. derjenige auf
S. 63 vom Her de glace. Die Bilder der
Versteinerungen sind z. T. etwas zu
wenig fein ausgefuhrt, die Rekonstruk-
tionen von Ichthyo- und Plesiosaurus
auf Tafel 39 sind vollig veraltet. Im
Text ist mir aufgefallen, daB vom deut-
schen Zechstein zwar das Stein-, aber
nicht das Kalisalz erwahnt wird (S. 370).
StaBfurt heiBt dort falschlich StraBfurt.
S. 375 wird Trematosaurus Bronni T.
Brauni genannt, S. 379 wird Trachy-
ceras immer Trachvoceras geschrieben,
S. 400 wird die Einteilung des Jura in
schwarzen, braunen und weiBen nur fur
XW. -Deutschland angegeben. S. 147
ist Stjess Suwess genannt und merk-
wiirdigerweise die Bezeichnung »va-
riscisches Gebirge« auf die Alpen, Kar-
pathen und Pyrenaen angewandt. In
der Tektonik sind die Bruche sehr aus-
fiihrlich behandelt; aber die ganze al¬
pine Tektonik kommt zu kurz. Dafiir
bietet das Werk wieder anderes, und es
ist immer lehrreich, an der Hand eines
Lehrbuches zu verfolgen, wie sich das
geologische Wissen in der Auffassung
eines auslandischen, im besonderen
eines nichteuropaischen Fachmannes
darstellt. Wcks.
Geologische Karte von PreuBen und
benachbarten Bundesstaaten, lierausg.
v. d. PreuB. geol. Landesanstait. Lief.
212 (1915). Bl. Marburg, bearbeitet
von E. Kayser, Bl. Xiederwalgern, be¬
arbeitet von W. Paeckelmann.
Die Lieferung behandelt die land-
schaftlich besonders reizvolle und geo-
logisch recht mannigfaltige LTmgegend
von Marburg, deren westliclier Teil dem
Rheinischen Schiefergebirge mit seinen
stark gefalteten Schiefern und Grau-
wacken des Obersilurs, Devons und
Karbons angehort, wahrend ostwarts
mit Beginn des hessischen Berglandes
sich auf diese palaozoischen Sedimente
IV. Bucher- und Zeitschriftenschau.
167
diskordant die Sandsteine und Breccien
des Oberen Zechsteins und weiterhin die
Schichten des mehrere hundert Meter
machtigen Buntsandsteins auflagern,
die im Gegensatz zu den ersteren meist
tafelformig liegen. Hart am Ostrande
der Blatter bildet sich infolge eines be-
deutenderen tektonisclien Abbruchs in
SN.-Richtung ein Niederungsgebiet —
als Auslaufer der groBeren »liessischen
Senke « — heraus, das von braunkohlen-
flihrenden Sanden und Tonen des Oligo-
zans und Miozans, sowie von quartaren
Ablagerungen, hauptsachlich LoB, er-
fiillt ist. Im airBersten Siidosten des
Kartengebietes steigt das Tertiar vom
Talgrunde aus allmahlich zum vulka-
nischen Massiv des Vogelberges an, der
mit seinem nordwestlichen Auslaufer,
deni Leidenhofer Kopf, noch eben in das
Gebiet hineinreicht und sich aus meh-
reren Basaltlaven nacheinander er-
folgter Ergiisse zusammensetzt. Im
iibrigen sind von Eruptivgesteinen noch
die bekannten Basaltkuppen des Stem-
pels und des Frauenberges zu nennen,
die, zunachst von Tertiarschollen unter-
lagert, dem Buntsandsteinplateau auf-
gesetzt sind und selbstandige Durch-
briiche darstellen.
Im Bereiche des palaozoischen Schie-
fergebirges treten neben Briichen auch
Uberschiebungen und in der unmittelba-
ren Umgebung von Marburg eine ganze
Anzahl Verwerf ungen auf, die hier die
Auflosung der Buntsandsteintafel in
eine Reilie von Einzelbergen zur Folge
haben, die nicht unwesentlich zur
Schonheit der Marburger Landschaft
beitragen. Auch noch an vielen anderen
Stellen zeigt sich ein solcher EinfluB
der Tektonik auf die Gelandegestaltung,
indem die Ausbildung mancher Tal-
sbrecken und Talbiegungen, wie z. B.
bei der Stadt Marburg selbst, durch
Spriinge bedingt erscheint, auf denen
die Elusion verhaltnismaBig leicht ein-
setzen konnte.
Das Alter derVerwerf ungen schwankt
innerhalb weiter Grenzen. Die Storun-
gen und Uberschiebungen des palao¬
zoischen Gebirges stehen z. T. sicher
in unmittelbarem Zusammenhange mit
seiner karbonischen Faltung, z. T. sind
sie, soweit sie iiber das Schiefergebirge
hinaus auch noch in den angrenzenden
Zechstein und Buntsandstein hinein-
setzen, sowie die iibrigen das Buntsand-
steingebirge dislozierenden Stor ungen
von jiingerem, vor- bzw. nacholigoza-
nem Alter. Die die hessische Senke er-
zeugenden Verwerf ungen sollen in ihrem
groBeren AusmaB erst nach Ablage-
rung des Tertiars entstanden sein. Als
noch j iinger, namlich quartar, werden
die die einzelnen Buntsandsteinkuppen
der Marburger Umgebung trennenden
Spriinge angenommen.
Im AnschluB an die jungtertiaren
Krustenbewegungen kam es zur all-
mahlichen Herausbildung des lieutigen
Lahntals und seiner Nebentaler, und
zwar wechselten dabei wiederholt Pe-
rioden der Erosion und Perioden der
Aufschiittung miteinander ab, wie die
in verschiedenen Hohenlagen hinter-
biiebenen Terrassenschotter, die Reste
alter Talboden, anzeigen. Es werden
auf den Blattern in Ubereinstimmung
mit denjenigen des Rheintals ’iner der-
artige Diluvialterrassen unterschieden.
Dazu kommen noch hoch (auf dem
alten Marburger Exerzierplatz 160 m
iiber der Talaue) gelegene FluBschotter,
die als Ablagerungen einer jedenfalls
pliozanen Lahn anzusehen sind.
(Nach einem Referat der PreuB.
Geol. Landesanstalt. )
V. Geologische Vereinigung.
Bericht iiber die Hauptyersammlung der Geologischen
Tereinigung in Frankfurt a. M. am 6. Januar 1917.
Der Vorsitzende begriifite die zahlreich versammelten Mitglieder, unter denen
viele Feldgraue zu sehen waren, und teilte mit, daB 9 Mitglieder gestorben
(davon 5 fur das Vaterland gefallen) sind, zu deren Ehren sich die Anwesenden
von ihren Sitzen erboben. Es sind:
Bergingenieur Carl BAUR-Miinchen, Kommerzienrat Leo ELLiNGER-Frank-
furt a. M., Dr. Richard Lachmann - Breslau, cand. geol. Hugo Lieber-
Marburg a. Lahn, Dr. Roman LucERNA-Briinn, Dr. NiETHAMMER-Borneo,
Prof. Dr. REGEL-Wiirzburg, Frl. Anna REiss-Mannheim und Hauptmann
VoRWERG-Warmbrunn,
Ausgetreten sind 8, neu eingetreten 22 Mitglieder, so daB trotz des Krieges
die Vereinigung weiter wachst.
Es fanden folgende Vortrage statt:
Herr H. Stille - Gottingen iiber injektive Faltung und damit zusammen-
kangende Erscheinungen. Diskussion: G. Steinmann.
Herr H. Brouwer -Delft iiber geologische Forsckungen in den Molukken.
Diskussion: K. Deninger, H. Stille.
Herr E. Haarmann- Berlin iiber einen praktischen, amerikanischen KompaB.
Herr R. E. Liesegang - Frankfurt a. M. iiber ein neues Verfaliren zur Klarung
von Trinkwasser.
Herr G. Steinmann - Bonn iiber den Ersatz der Bogenlampe durck Halbwatt-
lampe zu Projektionszwecken.
Herr N. Tilmann - Bomi iiber die Verbreitung eruptiver Gesteine in der
Trias der Siidalpen.
Herr H. Meyer -GieBen iiber die Verbreitung der Alkali- und Alkali -Kalk-
gesteine in Deutschland. Diskussion H. Stille, E. Kayser, G. Stein¬
mann und Redner.
Herr W. von Seidlitz- Jena iiber die Grenze zwischen Ost- und Westalpen.
Diskussion: H. Meyer.
Herr G. Steinmann - Bonn iiber neuere Fortsckritte der Alpenforschung.
Diskussion: von Seidlitz, Redner.
Herr F. RiNNE-Leipzig iiber Sammelkristallisation.
Am Abend vereinigten sich die meisten Teilnekmer zu zwanglosem Bei-
sammensein im Ratskeller.
Am 5. Januar ging der Versammlung eine ausgiebige Besprechung der im
Felde tatigen Geologen unter dem Vorsitz von H. PniLipp-Greifswald voraus.
8 NOV. 1917
Auszug aus den Satzungen der „6eologischen Yereinignng".
§ 3. Mitgliedschaft.
Die Anmeldung %ur Mitgliedschaft erfolgt an de/n Kassenfuhrer*. Das
Eintrittsgeld betragt 5 M., der Jahresbeitrag 10 M. fiir Personen
sowobl wie fiir Institute, Bibliotheken usw. Die lebenslangliche Mit-
glieds'chaft einer Person kann durch einmalige Zablung von 250 M.
erworben werden. Wer eine einmalige Zablung von 1000 M. leistet,
wird als Stifter gefiihrt. Alle Mitglieder erbalten die ,,Geologische
Rundschau" (8 Hefte zu 4 — 5 Bogen im Jabre) unentgeltlich und porto-
frei zugestellt.
Der Jahresbeitrag ist bis Ende Januar an den Kassenfuhrer* einzuzahlen ,
andernfalls wird er durch Postauftrag erhoben. Yerweigerung der Zah-
lung bedeutet Austritt aus der Yereinigung und zieht Einstellung der
Zusendung der Zeitscbrift nacb sicb.
Der Yorstand:
Vorsitzender: E. Kayser (Marburg)
Stellvertret. Yorsitzender: G. Giirich (Hamburg)
» * F. J. Becke (Wien)
> * L. v. Loczy (Budapest)
> > Ch. Schuchert (New Haven)
Schriftfuhrer : Fr. Drevermann (Frankfurt a. M. , Senckenbergi-
sches Museum, Victoria -Allee 7)
Stellvertret. Schriftfuhrer: R. Liesegang (Frankfurt a. M.)
Schriftleiter G. Steinmann (Bonn, Poppelsdorfer Allee 98)
» W. Salomon (Heidelberg)
» O. Wilckens (StraCburg i. E.)
* Kassenfuhrer: Frau R. Drevermann (Frankfurt a. M.-Eschersheim,
Haberlinstr. 53).
Die fruheren Jahrgdnge der Geologischen Kundschau ,
auBer den Jalirgdngen 1915116 , konnen von den Mitgliedern
der Geologischen Vereinigung durch den Kassenfuhrer
zum Preise von Jl 10. — bezogen werden.
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des Stoffes wirkt das Buch anziehend fiir alle, die sich .mit Geologie beschaftigen oder be-
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