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GESAMMELTE
ABHANDLUNGEN
VON
JACOB BERNAYS
HERAUSGEGEBEN VON H. ÜSENER
. /
ERSTER BAND
BERLIN 1885
VERLAG VON WILHELM HERTZ
(BESSEBSOHE BCOHHANDLCMO)
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UNIVERSITATS-BUOHDRUCKEREI VON CABL GEOROI IN BONN.
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Dass Jacob Bernays' kleine Schriften hier der Grelehrtenwelt
gesammelt vorgelegt werden, bedarf keiner Rechtfertigung. Die
vielen langjährigen Verehrer des Dahingegangenen und die jungen
Freunde, welche ihm dies Werk gewinnen möchte, werden dem gros-
sen Gelehrten, welcher zu der Sammlung die Anregung, und dem
treugesinnten Verleger, welcher derselben bereitwillig Folge gab,
Dank wissen. Die einzige Vereinigung des vielartigsten selbster-
rungenen Wissens, die ihm unter den Zeitgenossen eine hervorra-
ragende Sonderstellung gab, würde allein schon Bemays' Schriften
auf lange hin ihre Bedeutung sichern. Die grossen Forscher des
XVI und XVn Jahrhunderts, deren Werke er kannte wie kein an-
derer, auf die er uns hinzuweisen nicht ermüdete, leuchteten ihm vo-
ran. Eine lebendig vergegenwärtigende und in die Tiefe dringende An-
schauung des classischen Alterthums, nicht nur in seinem geistigen
sondern auch in seinem staatlichen Dasein^ getragen von einem un-
gemein feinen Sprach- und Stilgefühl; die genaueste, in täglichem
Verkehr genährte Kenntniss der religiösen Urkunden und älteren
Litteratur des jüdischen Volks ; eine in unserer Zeit nicht gewöhn-
liche Vertrautheit mit dem neuen Testament und den Vätern der
christlichen Kirche; ein ausgebreitetes Interesse für die grossen
Gestalten der neueren Geschichte und Litteratur Deutschlands, Eng-
lands, Frankreichs: das sind die stofflichen Voraussetzungen dieser
Schriften. Mehr als andere war Bemays in der Lage diese durch
ein überaus glückliches Gedächtniss vermittelten Elemente zu geisti-
ger Production zu verwerthen. Er lebte dahin wie ein Weiser des
Alterthums. Der ebenmässige Fluss des äusseren Daseins spiegelte
sich wider in einer fast nie gestörten Ruhe und Heiterkeit des
Gemüths. Die Treue, mit der er an Glaube und Gesetz seiner
Vater festhielt, hatte ihm früh geholfen auf die Ehren dieser Welt
zu verzichten. Er schien keine Forderung an das Leben zu ha-
ben, an das was die Menschen Leben nennen. Er hatte sich da-
von allmählich fast ganz zurückgezogen. Nicht um Einsidler zu
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IV Vorwort
werden : davor bewahrte iLn seine mittheilsame, liebenswürdig offene
Natnr. Sondern nm alle Lebenskraft in sieb zurückzuwenden und
das innere Basein zn erböben. Das einzige nnd eigentlicbe Bedürfhiss
seines Lebens war, mit den Grössten, die gedacht und geschaffen,
sich in Berührung zu setzen. Auch wissenschaftliche Thätigkeit
hatte für ihn nur so weit Werth und Eeiz, als sie diesem Bedürf-
nisB genüge that ; und schriftstellerische Versuche mussten sich dieses
Verkehrs würdig zeigen durch ein Gewand, das ihnen den Zutritt
zur besten Gesellschaft öffnete. Aus den Edelsteinen, die sein Spür-
sinn und Finderglück aus dem Schutt der Ueberlieferung hervor-
grub, liebte er und verstand es wie wenige, durch Schliff und
Fassung kleine Kunstwerke zu gestalten. Von seinen 'Heraclitea'
bis zu der Schrift über Phokion, die er gerade acht Tage vor der
tödtlichen Erkrankung noch die Freude hatte an seine Freunde zu
vertheilen*, hat er der Oeffentlichkeit keine Arbeit gegeben, die
nicht die gleiche durchgeistigte Eeife des Stoffs und der Form
zeigte. Mindestens ebensosehr wie die enthaltenen Ergebnisse und
Nach Weisungen ist es der Adel dieser Bildung und die Kunst der
Darstellung, welche Bemays' Schriften Werth und Dauer verleiht.
Die Pflichten eines Herausgebers zu übernehmen hat der Un-
terzeichnete sich gerne bereit finden lassen. Bernays* frühere Ab-
handlungen über Herakleitos und über das Aristotelische Capitel
von der Komödie hatten auf mich im Beginn meiner Universitäts-
studien einen so tiefen und bestimmenden Eindruck gemacht, dass
ich auf den Verfasser dieser Arbeiten lange mit dankbarer Verehrung
geblickt hatte, bevor er mir als College naher zugleich und femer
trat. Es war mir eine Freude, in der Bemühung um dies geistige
Vermächtniss ebensosehr dem Verstorbenen meine Dankbarkeit zu
bethätigen wie dem jüngeren Geschlecht zu Anregungen und För-
derungen, die mich einst beglückten, den Zugang zu erleichtem.
Die vorliegende Sammlung sollte alle nicht selbständig erschie-
nenen Schriften von J. Bemays vereinigen. Ausgeschlossen waren
nur solche, die von dem Verfasser selbst durch Neudruck zugäng-
licher gemacht waren, wie die Abhandlungen über Aristoteles' Theo-
rie des Drama, und solche die entweder nur ein vorübergehendes
1 Es war am Boss- und Bettag, 11 Mai 1881. Am Mittwoch darauf,
18 Mai, erkrankte er, seit dem 20. hoffnungslos ; der 26 Mai brachte sei-
nem Leben das frühe Ende, das er sich gewünscht, um vor einem grei-
senhaften Rückgang der Geisteskräfte bewahrt zu bleiben.
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Vorwort V
Interesse hatten, (wie das Beferat über Cureton's Palimpsest der
Dias Bhein. Mus. vm 470, eine Berichtigung der Hempel'schen
Lessingausgabe ebd. XXXTV 615 und die von Bemays selbst von
dem Neudruck ausgeschlossene Beplik an Spengel ebd. XV 606)
oder mehr Abdruck von Schriftstücken Anderer waren, wie die
beiden Programme der Bonner Universität von 1849 und 1850 und
der Aufsatz über Bentley's Briefwechsel Bhein. Mus. VIEE zu Anf. * :
doch ist auch hieraus, was der Aufbewahrung werth schien, wie-
derholt worden. Sonst ist nur Bemays' Erstlingsarbeit, die wäh-
rend der Universitätszeit verfasste Preisschrift De emmdatione Lu-
cretii Bh. Mus. Y 533, weil durch Lachmann antiquiert und dem
Specialforscher unschwer erreichbar, und eine rein bibliographische
Notiz über Scaliger's Claudianausgabe Bhein. Mus. XYIII 639, die
in einer neuen Bearbeitung des Buches über Scaliger ^ ihre geeig-
nete Stelle finden mag, zurückgeschoben worden. Die in der
Deutschen Bevue 1883 veröffentlichte Skizze über ^ Weltalter und
Weltreich zu wiederholen wurde ich durch unser Pressgesetz ver-
hindert. Was endlich die Anmerkungen zu Sanchuniathon (s. unten
8. XY und XXl) betrifft, so habe ich, obschon bisher die Nachfor-
schungen ergebnisslos blieben, die Hoffnung nicht aufgegeben, dass
sich die Beinschrift seiner kritischen und exegetischen Bearbeitung
jener Fragmente, welche Bemays an Herrn von Bunsen sandte und
dieser in EgypVs Place Yol. Y auszog, sich noch wiederfinden wird,
um dann, natürlich mit Benutzung neuer CoUationen, eine gesonderte
Veröffentlichung zu lohnen ^. Dafür konnten der Sammlung als be-
sonderer Schmuck die beiden grösseren Abhandlungen über den
unechten Phokylides, dessen Gedicht — wenigstens für solche die
es kennen — durch die unlängst bekannt gewordene * Unterweisung
^ Auch ein Beitrag zu den Monatsberichten der Berliner Akademie
1863 p. 647 'Ein ungedruckter Brief Jos. Scaligers' wurde aus dem obigen
Grande zurückgehalten; er wird an anderem Orte, sei es in einer neuen
Ausgabe des Scaliger sei es in einer Sammlung seiner Briefe, die wahrlich
zeitgemäsB wäre, besser aufgehoben sein.
^ Bemays hatte bereits, noch bevor der Druck des Phokion beendet
war, die Neubearbeitung des Soaliger als nächste Aufgabe ins Auge ge-
fasst und vorbereitet.
* In der angefügten Chronologischen Uebersicht über J. B/ sohrift-
stellerische Thätigkeit ist auf jedes der von der Sammlung ausgeschlosse-
nen Stücke durch einen Stern aufmerksam gemacht.
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VI Vorwort
der zwölf Apostel'^ ein erhöhtes Interesse gewinnt, nnd über die
Chronik des Sulpicius Severus einverleibt werden.
Durch letztwillige Verfügung hat J. Bernays die Handexem-
plare aller seiner Schriften und mit Ausnahme der Briefschaften seine
gesammte schriftliche Hinterlassenschaft^ der Eon. Universitätsbi-
bliothek zu Bonn zugewandt. Der Herausgeber war dadurch in die
günstige Lage versetzt, die manchmal recht erheblichen, selten ganz
fehlenden Nachträge und Bemerkungen des Verfassers verwerthen
zu können. Einfach und leicht war das freilich nicht. Nur in we-
nigen Ausnahmefällen hatte der Verfasser jenen Zusätzen eine fer-
tige Gestalt gegeben (wie z. B. der Anmerkung I 224 f.). Meist beste-
hen dieselben in blossen Hinweisungen, denen man nachgegangen
sein muss um ihre Absicht und den verbindenden Gedanken zu er-
mitteln; der Herausgeber muss daher auch bei den durch die Win-
kelklammern (^ — y als geistiges Eigenthum von J. Bernays bezeich-
neten Zusätze die Verantwortung meist für die Form, nicht selten
auch für die Verwerthung der Citate übernehmen. Manche der letz-
teren mussten unberücksichtigt bleiben, weil sie zum Inhalt der
B.^schen Erörterung in zu loser Beziehung standen und von B. mehr
zum Hausgebrauch als zur öffentlichen Verwendung bestimmt waren.
Ben Verweisungen nachzugehn und sie zu vervollständigen wäre
leichter gewesen, wenn sich die jetzt an den Bruder, Herrn Profes-
sor Dr. Michael Bemays in München übergegangene Privatbibliothek
des Verewigten noch hier befände. Bemays pflegte Notizen und
Anhaltspunkte zu Gombinationen auf den Bändern und besonders den
Vorsatzblättern seiner Bücher einzutragen, und solche Eintragungen
mussten oft Grundlage oder wesentliche Ergänzung zu dem in den
Papieren vorliegenden sein. Je mehr ich die liebenswürdige Gefäl-
1 Dieser unverhoffte Zuwachs der altkirchlichen Litteratnr bringt
auch zu dem B. i S. 274—276 gesammelten Stoffe eine bemerkenswerthe
Bestätigung; von den drei Grundlehren der Schrift lautet die dritte
irdvra bk 6aa iäy OcX/jaij? |lii?| xiveoeai öo(, xal od äX\\\i |uif| iroiei; vgl.
auch die Taufpredigt bei Caspari, Eirchenhistor. Anecdota i p. 197 et do-
cuit eo8 (lesus) ut adnuntiarent sttam resurrectumem per omnea geWtes . . .
et (praeciperent eis) ut recederent a vüiis diaboli ,..et quod sibi non ve-
lint, alii non faeiant. Ich knüpfe an diesen Nachtrag die Bitte in
Band i S. 194 Z. 2 v. u. die Zahl 1408 in 1480, und in B.ii S. 96 Anm. 16
die Gapitelangabe des Isidorus de vir» »tt. 2 in 16 zu verbessern.
* Ausserdem hat Bemays seine auserlesene Sammlung der Schriften
J. J. Soaliger's der genannten Bibliothek geschenkt.
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Vorwort vn
ligkeit des jetzigen Besitzers schätzen gelernt habe, desto weniger
konnte ich es über mich gewinnen ihn mit Anfragen zu behelligen,
die, einmal begonnen, kein Ende gefanden hätten.
Gregenüber den zahlreichen nngednickten Stücken des Nach-
lasses war dem Herausgeber die Bichtschnur gezogen dnrch die
Strenge, mit welcher der Verewigte selbst von seinen Arbeiten
volle Beife des Inhalts und der Form forderte. Bemays durfte im
Hinblick auf die Schnellfertigkeit Anderer sich rühmen, nichts zum
Druck gegeben zu haben, was er nicht eigenhändig wenigstens drei-
mal geschrieben. Nur was er in einer ihm selbst ungefähr genü-
genden Weise gestaltet hatte, wie es bei dem in den Abhandlungen
der Berliner Akademie von 1882 gedruckten Torso der Schrift über
[Philon] TTepl äq>8ap(T(a( K6(T^ou der Fall war, durfte Aufnahme
in diese Sammlung kleiner Schriften erhalten. Ein Zweifel konnte
nicht aufkommen hinsichtlich der Antrittsrede über Aristoteles' Po-
litik (Abb. XV). Auch das Probestück des Commentars zu Lucre-
tius (Abb. ZXV) liegt vor, wie es an die Clarendon Press nach Ox-
ford gesandt werden sollte. Bemays war die zweifelsohne sehr
lohnende Verpflichtung eingegangen, eine Ausgabe des Lucretius mit
kritischen Anmerkungen ^ und erklärendem Commentar, den er peri-
kopenweise in eine von historisch - kritischer Erörterung begleitete
üebersicht des Gedankengangs und in Erläuterung des Einzelnen
theilen wollte, zu liefern. Er war mit dieser Arbeit beschäftigt im
J. 1853, einer Zeit wo eine materielle Sicherung seiner Existenz ihm
wichtig sein musste'. Gleichwohl wurde er einer Arbeit, die ihn
zu knechten schien, bald überdrüssig, und keine Gegenvorstellungen
der Freunde vermochten ihn zu ihr zurückzurufen. Man hat erzählt,
dass einige Bogen schon gesetzt gewesen seien : in Wirklichkeit war
in die Officin noch kein Stück des Manuscripts gelangt, wie die
Nachforschungen J. Bywaters festgestellt haben und das Manuscript
selbst bestätigt. — = Unbedenklich glaubte ich auch denen, welche
^ Mehrfach kommen im Commentar Verweisungen auf die Variae
UeUane» Tor (z. B. zu i 884 am Ende; zu 256 und 276 habe ich sie im
Abdruck wegfallen lassen); vorgefunden hat sich eine Zusammenstellang die-
ser Art nur für die ersten Verse i 1—24 in Nr. 916 des Nachlasses.
' Die Fragmente der Tragiker werden bereits nach der im J. 1852
erschienenen Ribbeck'schen Sammlung angeführt, während auf Vahlen's
Ennius vom J. 1854 erst nachträglich am Rand mit Bleistift ein und das
andere Mal hingewiesen wird.
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vm Vorwort
Bemays' LeiBtangen für Herakleitos hochscliätzeiiy die Freude machen
zu dürfen, die vorläufige Fortsetzung der 'Heraklitisclien Studien'
(Nr. n) kennen zu lernend
Zweifelhafter war meine Berechtigung, die Entwürfe und Auf-
zeichnungen zu dem heahsichtigten Werke über £. Gribbon (Abh. XXXl)
aus den Papieren hervorzuziehen. Schon im Sommer 1853 hatte
sich B., wie ich einer Mittheilung seines oben genannten Bruders
entnehme, angelegentlich mit Gibbons Geschichtswerk beschäftigt,
das ihn vornehmlich durch seine kirchengeschichtlichen Bestandtheile
fesselte. Er hat auf dasselbe dann in der Breslauer Zeit eingehen-
des Studium gewendet, wie die zahlreichen von dort stammenden
Boctordiplome bezeugen, auf welche er seine Entwürfe schon damals
niederzuschreiben liebte. Die Absicht Gibbons historiographische
Kunst und Verdienste in einer besonderen Schrift zu würdigen, muss
frühe in ihm rege geworden sein. In den Jahren 1868 (s. n 241
A. 2 vgl. 242 Zeile 3), 1871 (Disposition, ebd. 206) und 1874 (206
A. 2) hat er Anläufe gemacht sie zu verwirklichen. Was bei dem
letzten, der zu einem völlig druokfertigen Entwurf der Einleitung
und eines Theils der Biographie führte, der Anlass gewesen dass B.
die Feder wieder hinlegte, ist mir nicht bekannt geworden ; aber ich
möchte vermuthen dass es dieselben schwarzsichtigen Anschauungen
von der Lage des deutschen Büchermarkts und den veränderten
Neigungen des gebildeteren Lesepublicums waren, welche ihn kurz vor-
her auch zu dem seltsamen Unternehmen bestimmt hatten, von seiner
üebersetzung der Aristotelischen Politik ' versuchsweise drei Bücher
erscheinen zu lassen. Keine andere Schrift hätte in dem Maasse wie
die über G. von der Vielseitigkeit seiner Interessen, von seiner Ver-
trautheit auch mit der modernen Litteratur und Geschichte, keine
80 sehr von Bemays' innerstem Wesen einen deutlichen Begriff ge-
ben können. Nun war das Werk innerlich so weit gefördert und
es hatte schon so viel von Bemays' Gedankenleben sich angesetzt,
dass es durch sorgliche Zusammenfassung des Vorhandenen möglich
wurde und darum auch Pflicht schien, denen wenigstens die für den
Verewigten regere Theilnahme hegen eine Vorstellung des beab-
1 Das nähere s. B. i S. 64 f. Anm. 2.
* Die üebersetzung der ganzen Politik hatte er langst fertig dalie-
gen; ich erinnere mich das im Sommer 1866 von ihm gehört zu haben.
Ungedruckt freilich liegt jetzt nur die üebersetzung des fünften Buchs
und die angefimgene des nr (c. 1—2 p. 1289 ^ 12) im Nachlass Nr. 891 vor.
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Vorwort ix
Bichtigten Werks zn geben. Und wenn es auch nur Bruchstück
und Rohstoff ist was vorgelegt werden kann, warum sollte nicht
einmal ein Blick in die Werkstätte eines Mannes wie Bernays ge-
stattet sein?
Doch ich gest-ehe, es war eine schiefe Ebene, auf die ich mich
mit dieser einen Hintansetzung meines Grundsatzes begeben hatte.
loh musste es empfinden, als ich anderen fragmentarischen Aufzeich-
nungen gegenüber mich nun entwafiPhet sah, den Bemerkungen über
die Schrift TTepi KÖ(T|Liou'(Misc. 3) und den schönen Worten über
Piaton (in Mise. 37). Ich habe sie beim Thorschluss einschlüpfen
lassen, man möge mir meine Schwäche verzeihen. Und verzeihlieh
war es wohl, wenn der Anblick dieser Trümmer eines reichen geisti-
gen Lebens, dieser verlassenen Werkstücke zu Gebäuden, wie sie
nur Bernays ausführen konnte, mich mit Wehmuth erfüllte.
Nutzen kann übrigens die Bausteine und fragmentarischen Be-
merkungen des Nachlasses nur wer gerade durch eigene Forschung
dazu vorbereitet ist auch den stummen Wink zu würdigen. Für
solche hat, denke ich, der Verewigte seine Hinterlassenschaft bereit
stellen wollen, als er sie unserer Universitätsbibliothek einverleibte ;
and der Vorsteher der letzteren, Herr Oberbibliothekar Professor
Dr. C. Schaarschmidt hat in liberaler Würdigung dieses Zweckes
mir bereitwilligst die Genehmigung dazu ertheilt, den Inhalt dieses
litterärischen Nachlasses durch eine summarische Uebersicht zu all-
gemeiner Eenntniss der Gelehrten zu bringen.
Ueber meine Herausgeberthätigkeit im Einzelnen zu reden
kommt nicht mir zu. Ich habe meine Zusätze durch eckige Klam-
mem [ — ] deutlich gemacht; in wie fem auch für die durch diese
Art Klammem < — > bezeichneten Zusätze des Verfassers die Verant-
wortung auf mir liegt, ist oben S. VI gesagt. Ueber Bernays' An-
sichten und Ergebnisse hatte ich ein Urtheil nicht zu äussem; mit
seltenen Ausnahmen habe ich auch auf die jüngere Litteratur keine
Rücksicht genommen. Ein stärkeres Eingreifen habe ich mir nur
bei der ersten Schrift, den Heraclitea erlaubt. In demselben Jahre
wie diese erschien auch der Band des Littr6^schen Hippokrates, der
den Büchern TTepl biaiTTi^ die bis dahin vermisste urkundliche Grund-
lage gab und die Wiener Handschrift gerechter zu beurtheilen ge-
stattete als es Bemays (s. Band I S. 4 Anm. 2) nach Mack's Anga-
ben vermochte. Es mussten daher, zumal mit Rücksicht auf die
geringe Verbreitung der Littr6'schen Ausgabe, die dort aus Hippo-
krates ausgehobenen Texte und die kritischen Anmerkungen dazu
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X Vorwort
nach bestem Ennessen vom Heransgeber gestaltet werden. Sonst
habe ich im Kleinen zu berichtigen gesncht, was ich vermochte und
ohne die Pietät zu verletzen durfte. Der Herausgeber nachgelasse-
ner Schriften bedarf discretionärer Vollmachten. Oder gibt es wirk-
lich Pedanten, denen die stillschweigende Berichtigung eines stehen
gebliebenen Schreibfehlers oder Versehens ein Verstoss gegen die
Urkundlichkeit ist?
Ein bequemes Eegister beizufügen schien mir eine Pflicht nicht
blos gegen den Leser und Benutzer; wenn mir ein Zweifel kam,
mochte ich lieber des Gruten zu viel thun als zu wenig. Bernays
nannte einmal in einem Briefe, dessen Conoept ich sah, den grossen
Sammelband der Cammentationes philologae in honorem Th. Momm-
seni scriptae einen ^cjklopischen Band\ 'Ja', verbessert er sich,
'cyklopisch ist noch zu viel gesagt, denn es fehlt sogar das 6ine
Auge des Cyklopen, nämlich ein Index \
H. Usener
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Beilage.
I CHRONOLOGISCHE UEBERSICHT
über Jacob Bernays' schriftstellerische Thätigkeit.
Die Titel selbständig erschienener Schriften sind gesperrt gedruckt.
Denjenigen Ao&ätzen, welche in diese Sammlang nicht aufgenommcD
werden konnten, ist ein Stern vorgesetzt.
1847
* Rheinisches Museum, Jahrg. Y 533 — 587 (640) De emendatione
Lacretii.
1848
Heraciitea. Particula I (diss. inaug.) Bonnae, formis C. Georgii.
2 Bl. und 38 S. 8 (hier Abh. l).
Rheinisches Hnsenm Jahrg. VI 137 Horatiannm (hier Mise. 17).
— 479 Ennianum, non Lncretiannm (hier Abh. XXVl).
1849
laoobi Bemaysii florileginm renascentis latinitatis. (Pro-
gramm der Bonner Universität zum Geburtstag des Königs
Friedrich Wilhelm IV) IV und 33 S. 4 (das Vorwort hier als
Mise. 28).
1850
Pentas versionum Homericarum I. Bernaysii studio coUeota.
(Programm der Bonner TJniyersität zum Geburtstag des Königs
Friedrich Wilhelm IV) IV und 28 S. 4 (das Vorwort hier als
Mise. 2§).
G. Schaarschmidt, Des Cartes und Spinoza. Bonn bei A. Marcus.
S. 195 Ueber Spinoza's hebräische Grammatik (hier Mise. 32).
Rheinisches Museum für Philologie herausg. von F. G. Welcker,
F. Ritschi, J. Bernays. Jahrg. VII mit
90 Heraklitische Studien (hier Abh. Il)
286 Aristoteles Politien (hier Abh. XVni)
306 Zu Stobaeus (hier Abh. IX)
464 Die KaraßdXXovTC^ des Protagoras (hier Abh. VU)
*510 Nachwort der Redaotion (über Schwanbeck).
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xn I Chronologische üebersicht
1852
T. Lucreti Cari de rerum natura libri sex, re^^pgnovit la-
cobus Bernays. Lipsiae sumptibus et typis B. G. Teubneri.
(Zur Bibliotheca Teubn.) XU und 198 S. 8.
Chr. Ch. J. Bunsen, Hippolytus and his age. London, vol. IV App.
p. I Epistola critica I. Bernaysii [ad Bunsenium] (hier Abh. XXIl).
1853
Eheinisches Museum f. Phil, herausg. von F. G. Welcker, F. Eitschl,
J. Bernays. Jahrg. VIII mit
1 Eichard Bentley's Briefwechsel (daraus Bruchstücke
hier Mise. 35)
159* Zu Lucretius (hier Abh. XXVIl)
280 Epicharmos und der AuHavöjuievo^ \öfo<; (hier Abh. Vi)
432 Zu Gorgias' '0Xu)üi7riKÖ? \6foq (hier Abh. vni).
* 470— 475 Palimpsestfragmente der Ilias (unterz. 'B. S'.)
*561 — 596 Ergänzung zu Aristoteles' Poetik (wieder abge-
druckt 1880 in: Zwei Abhandlungen über die Ari-
stot. Theorie des Drama S. 133 ff.).
Chr. C. J. Bunsen, Hippolytus und seine Zeit. Leipzig. Bd. II
619 Epistola critica, s. oben 1852.
1854
Eheinisches Museum f. Phil, herausg. von F. G. Welcker, F. Eitschl,
J. Bernays. Jahrg. IX mit
241 Neue Bruchstücke des Heraklit von Ephesns (hier
Abh. m).
Chr. C. J. Bunsen, Analecta Ante-Nicaena. London, vol. in mit
305 Epistola critica, s. oben unter 1852
337 Ad Heraclitea fragmenta adnotationes (hier Abh. iv).
1855
Joseph Justus Scaliger von J. B. Berlin, Verlag von Wilhelm
Hertz. 4 Bl., 316 S. und 3 unpaginirte Seiten Eegister^.
1856
Ueber das Phokylideische Gedicht, ein Beitrag zur helleni-
stischen Litteratur. Theodor Mommsen zugeeignet von J. B.
Berlin. Titelblatt, XXXVI S. und 4 Blätter 4 (hier als Abh. XIX).
^ Alle ferneren besonders herausgegebenen Schriften hat Bernays im
Verlag von W. Hertz in Berlin erscheinen lassen.
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über J. Bemays' Schriften xm
Rhein. Musenm, Jahrg. X 293 Ein Schreiben über Trogusfragmente
an Prof:* Ritschi (hier Mise. 24),
Literarisches Centralblatt für Dentsohland, heransg. yon F. Zamcke.
Nr. 26 (28. Juni)
S. 414 Anz. von Kirchhofs Plotinns t. I (hier Mise. 6)
415 „ „ Gr. WolflP's Porphyrius de philos. orac. (hier
Mise. 7).
1857
Grandzüge der yerlorenen Abhandlung des Aristoteles
über Wirkung der Tragödie von J. B. (Aus den Abhand-
lungen der Eist. phil. Gresellschaft in Breslau. I Band). Breslau,
Verlag von E. Trewendt. S. 133—202. Lex. 8 (wieder abge-
druckt 1880 in: Zwei Abhandlungen über die Arist. Theorie
des Drama S. 1—118).
Rhein. Museum, Jahrg. ZI 627 Zu Horatius, an Herrn Prof. Ritschi
(hier Mise. 15)
dass. Jahrg. xn 436 Verzeichnung der Wunder in den römischen
Annalen (hier Mise. 20)
464 Cicero über die Juden (hier Mise. 21)
630 Zu Horaz (hier Mise. 16).
1858
Chr. C. J. Bunsen, Gott in der Geschichte. Leipzig. Bd. lU mit
447 Grabschrift auf die bei Chaeronea Gefallenen (hier
Mise. 1).
1859
Rhein. Museum, Jahrg. XIY
321 Grabschrift usw., s. 1858.
* 367 — 377 Ein Brief an Leonhard Spengel über die tragische
Katharsis bei Aristoteles (wieder abgedruckt 1880 in:
Zwei Abhandlungen über die Aristot. Theorie des
Drama S. 119—132).
1860
Rheinisches Museum, Jahrg. XY
158 Herder und Hyginus (hier Mise. 25)
*163 — 165 Scaliger's Ausgabe des Claudianus
168 Zu Sallust (hier Mise. 23)
* 606—607 Zur Katharsis-Frage (Antwort an Spengel)
638 Zur vergleichenden Mythologie (hier Mise. 12).
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xiY I Ghronologiaohe üeberaicht
1861
lieber die Chronik des Sulpicins Seyerus, ein Beitrag zur
G^schiclite der classisclien nnd biblischen Stndien. Max Mueller
in Oxford zugeeignet von J. B. Berlin. 2 Bl. nnd 72 S. 4 (hier
als Abh. XXix) \
Bheinisches Mnseum, Jahrg. XVI
236 Ans dem Aristotelischen Dialog Endemos (hier Abh. Xl)
317 Zu Sallustius und Sulpicins Severus (hier Abh. XXX).
1862
Bheinisches Museum, Jahrg. XVn
159 Gebrauchsanweisung für Labbäus^ Glossen (hier Mise. 14)
304 Ein nabatäischer Schriftsteller (hier Mise. 9)
313 Horazens Bote an Augustus (hier Mise. 18).
1863
Die Dialoge des Aristoteles in ihrem Yerhältniss zu seinen
übrigen Werken von J. B. Berlin 1863. 2 Bl. und 175 S. 8.
Monatsberichte der Berliner Akademie der Wissenschaften 15. Jan.
p. 34 Ueber die Herstellung des Zusammenhanges in der unter
Philo's Namen gehenden Schrift irepl dcpOapaia^ KÖainou durch
Blätterversetzung (hier Abh. XXI)
* ebend. 17. Dec. p. 647 — 652 Ein ungedruckter Brief Joseph Sca-
liger^s, mitgetheilt und mit Bemerkungen begleitet von J. B.
Bheinisches Museum, Jahrg. Xym
148 Aus Aristoteles' Schrift irepl q)iXo<Toq)ia^ (hier Abh. Xin)
253 Anm. über den Herausgeber von Labbaeus' Glossarien
(hier Mise. 38)
320 Zum Carmen cid Messium (hier Mise. 19)
639 Joseph Scaliger's Gedichte (hier Mise. 31).
1864
Bheinisches Museum, Jahrg. XIX
293 Einige in Holland verschollene Bücher (hier Mise. 33)
296 Leibnitz und Sardanapal (hier Mise. 34)
471 Zu Hesyohius und Josephus (hier Mise. 13)
632 Zu Sanchuniathon (hier Mise. 5).
^ Eine vorläufige Mittheilung über ein wesentliches Ergebniss dieser
Schrift (hier u 159^181) war bei Bansen, Gott in der Geschichte m (1868)
p. 448 f. gemacht.
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fiber J. Bernayfl' Schriften' xv
Symbola philologomm Bonnensiam in honorem Frid. Ritsclielii col-
lecta. lipdae. faso. prior» p. 301 Zu Aristoteles nnd Clemens
(hier Abh. XIV).
1866
Theophrastos* Schrift über Frömmigkeit. Ein Beitrag zur
Beligionsgeschichte von J. B. Mit kritischen und erklärenden
Bemerkungen zn Porphyrios* Schrift über Enthaltsamkeit. Ber-
lin 1866. 2 Bl. nnd 195 S. 8.
Eheinisches Mnsenm Jahrg. y^T 300 Zu Theopompos (hier Mise. 2).
1867
Chr. Ch, J. Bnnsen, Egypfs Place in Universal History. London.
* Vol. V p. 797 — 846 (Bnnsen theilt in seinem Commentar zn
Sanchuniathon vielfach kritische und exegetische Bemerkungen
von J. B. mit; vgl. unten S. XXI Nr. 914).
1868
Bbeinisches Museum, Jahrg. XXTTT 375* Zu Anaxarchos und dem
Mechaniker Athenäos (hier Abh. X).
•(ohne Titel) Auserlesene Fragmente vorplatonischer Philosophen
(Xenophanes, Parmenides, Empedocles, Heraclitus, Democritus,
Anaxagoras), nach Mullach^s Text als Manuscript für Vorlesungen
gedruckt (Bonn, Georgi). 8 Seiten 8.
1869
Die He rakliti sehen Briefe. Ein Beitrag zur philosophischen
und religionsgeschichtlichen Litteratur von J. B. Berlin. 2 BL
und 159 S. 8.
Hermes herausg. von Emil Hübner, Band III
315 Zu Cicero De re p. (hier Mise. 22)
316 Zu Eunapios (hier Mise. 10).
1871
Monatsber. der Berl. Akademie, 16. Oct. p. 500 Ueber den unter
Apuleius' Werken stehenden hermetischen Dialog Asclepius (hier
Abh. XXm).
Hermes, Bd. V 301 Aristoteles und Simonides (hier Abh. XYl).
1872
Aristoteles' Politik, erstes, zweites und drittes Buch mit er-
klärenden Zusätzen ins Deutsche übertragen von J. B. Berlin.
4 Bl. und 216 S. 8.
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XYi I Chronologische üebenicht
Hermes, Bd. VI
118 AristoteleB über den Mittelstand (hier Abh. XVII)
250 'A|ißaKou|i (hier Mise. 8).
1874
Archaeologische Zeitung N. F. Band YII 99 Zu Pansanias (hier Mise. 4).
1875
Deutsche Bundschau herausg. von J. Bodenberg, Band II mit
54 Die Behandlung des römischen Staatsrechtes bis auf
Theodor Mommsen (hier Abh. XXXIl).
Hermes, Bd. IX 126 Zanas (hier Mise. 26).
1876
Die unter Philon's Werken stehende Schrift lieber die Unzer-
störbarkeit des Weltalls nach ihrer ursprünglichen An-
ordnung wiederhergestellt und ins Deutsche übertragen von J. B.
Berlin. (Abhandlungen der k. Akademie der Wissenschaften zu
B. 1876 Nr. 6) p. 209—278. 4.
Monatsber. der Berl. Akademie, 31. Jan. p. 55 Herennius* Metaphy-
sik und Longinos (hier Abh. XXIV)
— 30. Octob. p. 589 Philon's Hypothetika und die Verwünschungen
des Buzyges in Athen (hier Abh. XX).
Hermes, Bd. XI 129 Quellennachweise zu Politianus und G-eorgius
Valla (hier Mise. 30).
1877
Commentationes philologae in honorem Th. Mommseni scripserunt
amici. Berolini apud Weidmannes. 4. mit
563 Die Gottesfürchtigen bei Juvenal (hier Abb, XXVni).
Hermes, Bd. Xn 382 Eine yerschollene Beiske'sche Emendation und
das Edict des Theodorich (hier Mise. 27).
1878
Bheinisches Museum, Jahrg. XXXiii
138 Eine Vorhersagung Niebuhr's (hier Mise. 36)
232 Aristoteles' Elegie an Eudemos (hier Abh. XU).
1879
Lucian und die Eyniker yon J. B. Mit einer üebersetzung der
Schrift Lucian's Heber das Lebensende des Peregrinus. Berlin.
3 Bl, und 110 S. 8.
* Bheinisches Museum Jahrg. XXXIY 615 — 616 Timokles und Lessing.
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über J. Bemays' Schriften xvn
1880
- Zwei Abhandlungen über die Aristotelische Theorie des
Drama von J. B. (1. Gnindzüge der verlorenen Abhandlung
des Aristoteles über Wirkung der Tragödie. 2. Ergänzung zu
Aristoteles' Poetik). Berlin 1880. 4 Bl. und 187 S. 8.
1881
• Phokion und seine neueren Beurtheiler. Ein Beitrag zur
Greschichte der griechischen Philosophie und Politik von J. B.
Berlin. 2 BL und 139 S. 8.
1883
• Postum lieber die unter Philon's Werken stehende Schrift Ueber
die Unzerstörbarkeit des Weltalls. Von J. B. (Aus den Ab-
handl. der k. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin
vom J. 1882, Abb. m). 82 S. 4.
Deutsche Revue, herausg. von R. Fleischer. Jahrg. VIII Band I mit
* 68 — 74 Weltalter und Weltreich. Eine bisher nicht ver-
öffentlichte Abhandlung von J. B.
BenuiT** se«. Abhuidl.
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II VEKZEICHNISS
des an die k. Universitäts- Bibliothek zu Bonn
tibergegangenen
handschriftlichen Nachlasses von Jacob Bernays\
S Nr. 876 Kapsel mit Exemplaren von kleineren Schriften nnd
Aufsätzen (zusammen 62 Nummern).
877 Band von 35 Bl. 4. Zu Aeschylos' Eumeniden : Notizen zur
Einleitung für Vorlesungen und Anfang einer Uebersetzung.
878 Pappband 4. Abhandlung über Phokylides (2 Exemplare, das
zweite mit Bemerkungen Th. Mommsen's) und über Sulpicius
Severus, Correcturabzüge mit späteren Nachträgen.
879 Mappe mit 32 Blättern 4. Aufzeichnungen zu Vorlesungen über
vorsokratische Philosophen.
880 Mappe mit 257 Bl. Collectaneen zu Herakleitos [daraus mitge-
theilt Nr. n, 2 S. 64—73].
881 Handexemplar von : Die Heraklitischen Briefe 1869.
882 Mappe mit 256 Bl. fol. Entwurf zu vorgenannter Schrift.
883 Band von 192 Bl. fol. Druckmanuscript derselben Schrift.
884 Mappe mit 174 Bl. 4. Aufzeichnungen zu Vorlesungen über die
Greschichte der griech. Beredsamkeit, und deutsche Uebersetzung
Thukydideischer Eeden.
885 Mappe mit 30 Bl. 4. Aufzeichnungen zu Vorlesungen über
Ps. Xenophon's Schrift Vom Staat der Athener, nebst deutscher
Uebersetzung derselben.
886 Angefangenes Notizheft in 8., nur die ersten IV2 Seiten sind
mit Bleistift beschrieben.
1 Die Ordnung und Katalogisierung von J. Bemays' schriftstelleri-
scher Hinterlassenschaft wird der Sorgfalt des Herrn Bibliothekars Dr.
Rau verdankt, der mir freundlichst verstattete sein Verzeichniss für das
obige zu benutzen.
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u HandBchrifilicher Nachläse von J. Bernays xix
887 Mappe mit 284 Bl. AufzeiohDniigen zu Vorlesungen über Pla-
ton'a Gorgias, dentsche üebersetznng desselben nebst G. F. Her-
mann s Textansgabe.
888 Band von 166 Bl. 4. Deutsche Uebersetzung von Platon's
Staat, Buch I u. II, und ausgewählter Stellen aus Buch VI.
Yin. Z, nebst Einleitung.
889 Band von 39 BL foL 'Aristotelica*, Sammlungen zu den Ari-
stotelischen Fragmenten.
890 Mappe mit Aristotelischen Papieren :
1. Einleitung zu Aristoteles' Politik (in 2 Heften von 47 und
39 Bl. 4).
2. Entwurf zu Abh. XVH.
3. Entwurf zur Vorrede von *Zwei Abhandlungen über die
Arist. Theorie des Drama 1880*.
4. Kecensionen der üebersetznng von Aristot. Politik I — III.
5. Entwurf, Druokmanuscript und Correctarbogen von Abh. XII.
6. Collectaneen zu den Dialogen des Arist. nebst 5 Kecensio-
nen und 3 Briefen.
891 Mappe mit Aristotelischen Papieren :
1. Entwurf zur Rede De Aristotele etc, (hier Abh. xv).
2. Collectaneen über Aristoteles' Schriftstellerei. 24 Bl. 4.
3. Aufzeichnungen zu Vorlesungen über Aristoteles' Poetik
mit deutscher Uebersetzung. 114 Bl. 4.
4. Aufzeichnungen zu Vorles. über Arist. Nikomachische Ethik,
und deutsche Uebersetzung ausgewählter Capitel. 135 Bl. 4^.
5. Aufzeichnungen zu Vorlesungen über die politischen Lehren
griechischer Philosophen und über Aristoteles^ Politik,
Uebersetzung von Arist. Politik Buch lY 1 f. und Y nebst
kritischem Commentar. 238 Bl. 4. (s. oben S. YIIl).
6. Ueber [Arist.] it. KÖ(J|iOu 4 Bl. 4. (hier abgedruckt als Mise. 3).
892 Handexemplar des Buchs 'Aristoteles Politik, Buch I — III übers,
von J. B. 1872*.
893 Band von 299 Bl. 4. Druckmanuscript des vorbezeichneten Buchs.
894' und ^ zwei Handexemplare der 'Grundzüge der verlorenen Ab-
handlung des Aristoteles über die Wirkung der Tragödie 1857*.
895 Handexemplar der 'Zwei Abhandlungen über die Aristot. Theo-
rie des Drama. 1880*.
896 Handexemplar der 'Dialoge des Aristoteles. 1863' und von
' Theophrastos* Schrift über Frömmigkeit 1866' (zusammenge-
bunden) mit vielen hs.lichen Bemerkungen.
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XX II Handsofariftlicher Nachlass
897 Band von 10 Bl. fol. Oratio de Aristotele AtLenis peregrinante
et de libris eins politiciB (hier abgedruckt als Abb. XV).
898 Zweites (s. Nr. 896) Handexemplar von * Theophrastos' Sobrift
über Frömmigkeit 1866* und 'Die Dialoge des Aristoteles.
1863* mit wenigen Noten.
899 Becensionen des Bucbs 'Tbeopbrastos^ Schrift über Frömmigkeit*.
900 Handexemplar von 'Die unter Philon^s Werken stehende Schrift
über die Unzerstörbarkeit des Weltalls . . . wiederhergestellt und
ins Deutsche übertragen von J. B. *, nebst dem Aufsatz aus den
Monatsberichten der Berl. Akad. von 1863 und F. Bücheler's
Philonea.
901 Band von 176 Bl. 4. Druckmanuscript der vorgenannten Schrift.
902 Band von 295 Bl. 4. Entwurf und Sammlungen zu der Ab-
handlung *Ueber die unter Philon's Werken stehende Schrift
lieber die IJnzerstörbarkeit des Weltalls* (hiemach herausge-
geben in den Abhandlungen der Berl. Akademie 1882 Abb. III,
erschienen 1883).
903 Philonis opera omnia ed. stereot. Lips. 1858 t. VI mit CoUation
des Cod. Laurentianus X 20 zu TT. dcpOapaia^ KÖCTjuiou von H.
Hincky nebst Facsimile des cod. Laurentianus und Yaticanus,
sowie zwei Briefen von Prof. R. Förster.
904 Band von 38 Bl. fol. Druckmanuscript der in den Monatsber.
der Berl. Akademie 1876 erschienenen Abhandlung 'Philon's
Hypothetika* (hier Abb. XX).
905 Band von 98 Bl. 4. (viele leer). Auszüge aus Galenus De
Hippocratis et Piatonis dogmatis.
906 Band von 54 Bl. (viele leer) 4. Sammlungen aus und zu
Aelius Aristides; Anfang des Entwurfs zu einer Schrift 'Die
Reden des Aristides gegen Piaton * (hier mitgetheilt als Mise. 37).
907 Handexemplar des Buchs 'Lucian und die Kyniker. 1879* mit
Brief Bywater's und Antwort, sowie 2 losen Blättern.
908 Band von 189 Bl. 4. Entwurf und Papiere zu vorgenann-
tem Buch.
909 Band von 234 Bl. 4. Druckmanuscript desselben Buchs.
910 Mappe mit Entwürfen und Correcturbogen der Abhandlungen
über 'Herennius* Metaphysik und Longinos* (hier XXIV), 'Phi-
lon's Hypothetika* (hier XX) und 'Quellennachweise zu Politia-
nus und Georgius Valla* (hier Mise. 30).
911 Band von 19 Bl. fol. Druckmanuscript der Abhandlung 'He-
renniue' Metaphysik und Longinos* (hier Nr. XXIV).
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Yon J. Bemays xxi
912 Band von 28 Bl. (viele leer) 4. Samminngen zn Simplikios.
913 Band von 32 Bl. (die meisten leer) fol. Sammlungen zu An-
dronikoB TTepl iraOoiv.
914 Band von 70 Bl. 4. Concept des kritischen Commentars zu
den von Ensebios erhaltenen Fragmenten des Philon-San-
ehnniathon ; vom Vorwort dazu ist nur die erste Seite (f. 70)
erhalten. Die Eeinschrift wurde nebst dem berichtigten Text
und kritischem Apparat an Chr. C. J. Bunsen gesandt, der viele
Bemerkungen daraus seiner Bearbeitung dieser Beste in Egypfs
Place vol. y auszugsweise einverleibt hat.
915 Durchschossenes Exemplar des *Luoretius ed. A. Forbiger Lips.
1828' mit der CoUation der beiden codd. Yossiani und Bemer-
kungen.
916 Durchschossenes Handexemplar des 'Lucretius recogn. I. Ber-
naysius. Lips. 1852' mit Bemerkungen und einem Aufsatz über
Lucr. IV 1122 =r 1130 Lachm. (hier abgedruckt als Mise. 39).
917 Band von 49 Bl. 4. Commentarius in Lucreti librum I v. 1 —
689 (hier abgedruckt als Abh. XXV).
918 Band von 50 Bl. 4. Uebersetzung ausgewählter Stücke von
Lucretius Buch V.
919 Mappe mit 3 starken Convoluten auf Lucretius bezüglicher Pa-
piere.
920 Mappe mit 252 Bl. 4. Sammlungen und Entwürfe für Vorle-
sungen über Cicero's Briefe und JDe legibus.
921 Band von 105 Bl. 4. Aufzeichnungen und Sammlungen zu
Sallustius.
922 Band von 189 Bl. 4. Aufzeichnungen und Sammlungen zu
Suetonius.
923 Band von 28 Bl. 8. Druckmanuscript der in den Monatsber.
der Berl. Akademie 1871 erschienenen Abhandlung 'üeber den
hermetischen Dialog Asclepius' (hier Abh. XXIU).
924 Mappe mit 61 Bl. 4. Sammlungen zu Sulpicius Severus, nebst
zwei Becensionen.
925 Band mit 30 Bl. (viele leer) 4. Sammlungen über Theodorus
Priscianus und Marcellus Empiricus.
926 Band mit 64 Bl. 4. 'Schedae Vossianae', Auszüge aus grie-
chischen und lateinischen Handschriften der Lejdener Bibliothek.
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XXII II Handschriftlicher Nachlass
927 Mappe mit 129 Bl. 4. Collectanea zur griechischen und römi-
schen Geschichte.
928 und 929 Zwei Handexemplare des Buchs 'Phokion und seine
neueren Beurtheiler. 1881*.
930 Mappe mit dem Entwurf, Correcturhogen und CoUectaneen zu
vorstehendem Buch.
931 Band von 256 Bl. 4. Druckmanuscript desselben Buchs.
932 Mappe mit 187 Bl. (viele leer) 4. Sammlungen zur griechi-
schen und römischen Philosophie.
933 Band von 56 Bl. 4. Sammlungen zur Geschichte der griechi-
schen Historiographie.
934 Mappe mit 155 Bl. 4. Gonlectanea ad res mythicas et sacras
Delias (aus frühester Zeit).
935 Band von 136 Bl. 4. Aufzeichnungen zu Vorlesungen über die
Culturgeschichte der römischen Eaiserzeit.
936 Zwei Notizhefte von 93 und 94 Bl. 8. Entwurf des in der
Deutschen Kundschau 1875 erschienenen Aufsatzes *Die Be-
handlung des römischen Staatsrechtes bis auf Th. Mommsen'
(hier Nr. XXXII).
937 Correcturabzüge des Corpus Inscr. Lot. Vol. I p. 361 — 536.
938 Mappe mit Separatabzügen von 5 Aufsätzen (Mise. 36. 27. 26.
8. Abh. XXVin).
939 Mappe mit 190 Bl. 4. Diorthotica. Varia philologica.
940 Mappe mit 64 Bl. fol. Philologische Papiere aus Paris und
London.
941 Notizheft von 61 Bl. (viele leer) 8. Sammlungen zur Ge-
schichte der Philologie seit dem XVI Jahrh.
942 Notizheft von 58 Bl. 8. 'Zur Geschichte der Philologie'.
943 Mappe mit 85 Bl. (viele leer) 4. Sammlungen zur Geschichte
der Philologie.
944 Band mit 223 Bl. 4. Sammlungen zur Geschichte der Philo-
logie und Historiographie.
945 Band von 23 Bl. fol. Druckmanuscript des Aufsatzes * Quellen-
nachweise zu Politianus und Georgius Valla* (hier Mise. 30).
946 Band von 41 Bl. (viele leer) 4. Vorarbeiten zu einer Schrift
*Erasmus als Philolog und patristischer Kritiker'.
947 und 948 Zwei Handexemplare des 'Joseph Justus Scaliger von
J. B. 1855', mit zahlreichen Nachträgen und Bemerkungen.
949 Band von 216 (einzelne leer) und 3 losen Blättern 4. Samm-
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von J. Bemays xxm
lnngen, Anfzeioimnngen nnd Entwürfe zti einem Werke ' Edward
Gibbon's G-eschichtswerk. Ein Versuch zu seiner Würdigung
von J. B. * (daraus kier Abk. XXXl).
950 Band 8. Correcturbogen von Chr. C. J. Bunsen's 'Bibelwerk
Bd. I Abth. I: Die Bibel. Uebersetzung und Erklärung '. Tkeil I
p. 33 — 349. n p. 1 — 315. 433 — 467, mit zablreicken Verbes-
serungen und Bemerkungen von J. B.'s Hand.
951 Band von 27 Bl. 4^. Deutsche üebersetzung des Jeremias
(Cap. 1 — 5) mit Commentar (zu Cap. 1 — 4).
952 Mappe mit Judaioa, Hebraica, Versiones V. T.; Gollectanea zu
Josephus, den Kyranides, Origenes, Hieronymus u. a. Kirchen-
vätern. Abschrift von De nativiiate s. lohannis Baptistae sermo
incerto ifUerprete nach der zu 'Lyon* (vielmehr Amsterdam) 1687
fol. erschienenen lateinischen Ausgabe des lohannes Chrysosto-
mus t n p. 519—522.
953 Band von 20 BL 4. Deutsche Üebersetzung des Buchs Eusari.
954 Notizheft von 94 (viele leer) Bl. 8. Hebraica.
955 Mappe mit 127 Bl. 4. Vermischte Aufzeichnungen über Ewig-
keit der Welt. Weltalter und Weltreich (hieraus veröffentlicht
in der Deutschen Eevue herausg. von R. Fleischer, Jahrg. vni
Bd. I 68 — 74). Polyglottie und Monoglottie. Untergang des
Latein. Ueber das Wort Patriot. Eosmopolitismus im Al-
terthum. Metökie der griechischen Philosophen.
956 Band von 13 Bl. 4. 'Aphorismen über den gegenwärtigen
Zustand der griechisch-römischen Philologie in Deutschland.
July 49', dann Notizen aus Dahlmann's Geschichte Dänemarks,
aus Balzac u. A.
957 Notizheft von 95 Bl. (meist leer) 8. 'Conscientia*, Notizen zur
Geschichte ethischer Begriffe.
958 Band von 111 Bl. 4. Deutsche und lateinische Schulaufsätze.
959 Notizheft von 63 Bl. (meist leer) 8. 'Historisches Lesebuch.
Entwürfe. Vorlesungen \
960 Band von 140 Bl. 8. Journal der Arbeiten und Leetüren.
Hamburg 1842. 1842—43. August 1843. Bonn, Januar 1845.
August 1845.
961 Band von 60 BL 4. Leetüren. July 1847. April 1848. Dec.
48. April 49 bis 1861.
962 Notizheft von 37 Bl, 8. Leetüren 1863.
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XXIV II Handschriftlicher Nachläse von J. Bernays
963 Notizheft von 93 Bl. (meist leer) 8. Leetüren Februar 1877.
964 Band von 198 Bl. 8. Auszüge und Einfälle.
965 Zwei Notizhefte von 93 und 94 Bl. (viele leer) 8. Quaerenda
(auf den letzten Blättern des ersten Hefts : Scribenda) I 24 Octo-
ber 1875 — 2 März 1880. H 2 März 1880.
966 Notizheft von 91 Bl. (viele leer) 4. Sammlungen zur Zeitge-
schichte.
967 Heft von 45 Bl. 4. Protokoll der historisch -philosophischen
Gesellschaft in Breslau. Varia.
968 Mappe mit Briefentwürfen, einigen eigenen Dichtungen, Auszü-
gen, Einfällen, Uebersetzungen.
969 Notizheft von 139 Bl. 8. Bemerkungen und Auszüge ver-
mischten Inhalts.
970 Band von 81 Bl. fol. Anmeldebogen 1849—1881.
972 Separatabzüge der im Hermes erschienenen Aufsätze von J.
Brandis * Bedeutung der sieben Thore Thebens* (n 259), Gilde-
meister * Py thagorassprüche in Syrischer Ueberlieferung' (iV 81)
und Th. Mommsen 'Die pompeianischen Quittungstafeln' (xu
88) mit hs.lichen Bemerkungen von J. B.
973 Separatausgabe von Eitschl's Abhandlung 'Die Schriftstellerei
des M. Terentius Yarro' (Rhein. Mus. VI 481) mit hs.lichen Be-
merkungen von J. 6.
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INHALTSVERZEICHNISS '
Vorwort S.
Beilage :
I Chronologische Uebersicht über Jacob Bernays' schriftstel-
lerische Thatigkeit
II Yerzeichniss des an die k. Universitäts- Bibliothek za Bonn
übergegangenen handschriftlichen Nachlasses von J. Bemays
I Heraclitea. Particnla i. 1848
n Heraklitische Studien
1 Rhein. Museum vn. 1850
*2 Entwurf zur Fortsetzung
ni Neue Bruchstücke des Heraklit von Ephesus 1854
IV Ad Heraclitea fragmenta adnotationes 1854
V Anzeige von Bywater's Sammlung der Bruchstücke Heraklits
1877
VI Epicharmos und der aüEav6|Li€voq \6fo<; 1858
vn Die KaTaßdXXovre^ des Protagoras 1850
vm Zu Gorgias' '0Xu^1rlKÖq Xöto^ 1853
iz Der Eudaimoniker Anaxarchos 1850
X Zu Anaxarchos und dem Mechaniker Athenaeos 1868 . . .
XI Aus dem Aristotelischen Dialog Endemos 1861
xn Aristoteles' Elegie an Eudemos 1878
xin Aus Aristoteles' Schrift TTcpl qpiXocJoqpiac; 1863
XIV Zu Aristoteles und Clemens 1864
^v Oratio de Aristotele Athenis peregrinante et de libris eins
politicis 1866
XVI Aristoteles und Simonides 1871 ,
xvn Aristoteles über den Mittelstand 1872
xvm Aristoteles' Politien 1850
XIX üeber das Phokylideische Gedicht 1856
Text des Gedichts
XX Philon's Hypothetika und die Verwünschungen des Buzyges
in Athen 1876
1
37
64
74
102
106
109
117
121
123
128
130
141
148
151
165
177
179
187
192
254
262
1 Ein der Nummer vorgesetzter Stern bezeichnet dass die betr. Ab-
handlung hier zum ersten Male erscheint.
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^%y^ XXVI Inhaltsverzeichniss
^y^ ' XXI üeber die Herßtellung des Zufiammenhangs in der unter
N. Philon's Namen gehenden Schrift TTepl dq>Oapa(a^ KÖaiiiou
durch Blatterversetzung 1863 S. 283
XXII Ad Chr. C. I. Bunsenium [de Hippolyti refutatione haeresium]
epistola critica 1852 > 291
xxui Ueber den unter Apuleius' Werken stehenden hermetischen
Dialog Asclepius 1871 »327
XXIV Herennius^ Metaphysik und Longinos 1876 > 347
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I
HEEACLITEA.
PARTICVLA I.
Scripstt I et I ad Bummos in philosophia honores ab amplissimo |
philosophornm in academia rhenana ordine rite | impetrandos j
ana cum thematis | die xiv mensis martii a. cioiocccxLvm j
publice defendet | Iacobvs Bernays | Hamburgensis. || Adver-
sarioram partes 8U8cipient| Leopold vs Schmidt, ph. dr. |Anto-
Nivs LowiNSKi, seminarii philologici senior. | Otto Seemann,
ph. cand. || Bonnae | formis Caroli Georgii | a. CIOIOCCCXLVIII ||
praeceptori 8v0 | frroerico ■ ritschelio | d • d • l m |
Iacobvs • bernays | grati • animi • ergo ||
Schleiermacherus, incorruptus, quod in tali viro consen- 1
tanenm est, saorum opernm iudex, quid in commentatione saa
Heraclitea praeter alia maxime desideraverit, palam Omnibus
ipse proposait Nam cum fragmentoram colligendornm conatnm
primum statim evasisse perfectnm haudquaquam gloriatus sit
{Museum d. AUerthumswiss. i 321): tum quaestionem de fide
scriptorum, qui Heraclitea attulerunt, recentiorum a se extremis
tantnm, ut ainnt, digitis attingi potaisse ingenue professus est
(ibid. 533). lam hanc quaestionem gravem sane lateque paten-
tem* pradens nemo absolntnm iri existimaverit, donec manca
fragmentorum collectio in eam expleta erit perfectionem, quae
hodie peti potest ex fontibus partim nondum patentibus Schleier-
machero partim ab illo praetermissis. Inter hos autem fontes,
ad qnos, quamquam poterat, non accessit, unus scatet copiosissi-
mxkBy ex quo quod nihil hauserit ille, vehementer qnidem omnes
^ Traotabit eam secnnda huius disputationis particnla propediem in
Miueo philologico proditura [infra opusculum n].
B9TUMJB, ges. AblMndl. ^
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2 I Heraclitea
mirabuntur, qaoscumque nondam edocnit experientia, qualia in
laborioso fragmentoram conquireHdorum negotio vel cum accu-
rata diligentia haut caveat hnmana natura. Res vero baec est.
Edidit a. 1752 I. M. Gesnerus inter commentationes so-
cietatis Gottingensis 'De animabus Heracliti et Hippocratis ex
buins libro i. de diaeta disputationem', cuius primarium quidem
consilium in eo versatur, ut Leuwenboeckianam de spermatozois
doctrinam iam in Hippocratico illo libello contineri demonstret.
Per banc autem ocoasionem primum TTepl biaiTiig librum diligen-
tius perscrutatns Gesnerus, id quod summum est, inesse libro
illi Heracliteas sententias, et recte agnovit et exposuit proba-
2biliter. Quamquam in singulis, qua |tunc erat condicionebistoria
pbilosopbiae, aliena oninia venditavit pro Heracliteis, neque
quicquam videtur perspexisse de vera operis TTepl biai-niq natura.
Illam igitur Gesneri disputationem minime quidem ignoravit
Scbleiermacberus, quippe quam nominatim attulerit (p. 375) in
re secundariai nbi coniecturam aliquam, qua Gesnerus Diogenis
Laertii verba emendari opinatus erat, recte rufutavit. Neque
minus quae de unico, quo omnino usus est, Hippocratico loco
(irepl Tpo(pn^ VI 297 Cbart. ll 24 Ktibn.IX 116 Littrö) bböq&w)
Kdtuj ixir\ 1 profert p. 383 fr. 28 e Gesneri quamquam non nomi-
nati adnotatione 1. s. p. 72 sumpta esse, qui utriusque verba inter
se contulerit statim videbit. Verum rem primariam, refertum
esse primum TTepl biai-niq librum sententiis Heracliteis plurimis,
band paucis adeo, nisi omnia fallunt, ipsius Ephesii verbis, id
non solum non persecutus est Scbleiermacberus, sed tarn alto
^ (teslatur hoc fr. nunc Hippolytus contra hacr. ix 10 p. 282 Mül.,
vid. infra opusc. in). De ipsa sententia conferendus est Musonius Rufus
iK tCüv 'EmKT/jTou trepl q>iX(aq (Stob, floril. 108, 60) aperte heraclitissans :
ÖTiTomOTT] f| ToO KÖa^iouqpOai^ xal i^v xal Cari xal Carai (v.Heracl.
fr. 25 p. 374 Schi. 20 By w. Köa^oc; . . . i^v del xal dari Kai darai), Kai oöx otöv
T€ dXXuK; TtTV€a9ai tA YiTvö^cva f\ \b<; vOv ?xei. Kai öti toOtt]^ rf\<; rpoirfli;
Kai ^€TaßoXf)(; oCi ^6vov ol dvOptJiroi inereiX/icpaai Kai TdXXa Idba rd dirl
ff\<; dXXd Kai rd Octa (v. infra p. 9 v. 8) Kai vi?| AI* aOrd xd T^xrapa
öToixcta dvu) Kai költw Tp^irexai Kai |ui€TaßdXX€i. Kai yf^ t€ Öbujp xtvcrai
Kai öbuip d/|p, oÖTO(; hi irdXtv clq al8^pa ^CTaßdXXci. Kai ö aÖTÖc; rpö-
iroq Tf)^ |Li6TaßoXi)q dviu6€v KdTU). Qaae admodum raptim carp-
timque excerpta esse, vel iterata illa ort et xal indicant. Qaapropter
etiam Heracliti mentio videtur exstitisse in ezemplari, omissa esse per so-
lam excerptoris festinationem.
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I Heraclitea 3
oppressit silentio, ut omnes, qnos post illum Heraclitea attigisse
sciam, prorsus averteret a vestigiis illi» pridem monstratis per
Gesneniin. Dluc igitur ut reducam si qni in posterom de Hera-
elito agere sascipient, manum quasi ioieiam Heracliteis in pri-
mam TTepi biaini^ librum tamquam in com|muQe yariarum diver- 3
sarumque doctrinarum receptaculum derivatis. — Sed de ipsa
n€p\ biainiq operis natura breviter ea sunt praemittenda, quae
sine huius disputationis detrimento nequeunt omitti, possunt
autem explorari etiam seiuncta ab Hippocratici corporis crisi
uniyersa, perdifficili illa et perobscura.
Tres TTcpi biaiTT]^ libros integres ab uno eodemque scrip-
tore profectos non esse ex solo dicendi genere yario atque
discrepante unusquisqne intellegit, etiamsi a dissensione ipsarum
sententiarnm disceptanda sese abstineat. Itaque iam Galenus
cum secandum librum ex sua sententia non alienum esse ab
Uippocrate pronuutiet, ab aliis vero eriticis ascribi testetur ' vel
aequalibus Hippoeratis vel illo etiam antiquioribus medicis (irepl
TpocpÄv buväin. b' VI 306 Ch. vi 473 Kühn, irepi biaini^ öHixtv
UTTÖMV. a XI 14 sq. Ch. XV 455 K.), primum librum concedit dcpe-
oniK^vai irdjUTroXXa tt^^ ^iTnroKpdtou^ Tviäjut]?- Ulis v^ro diversi-
tatis indiciis occurrit ab altera parte unitatis cuiusdam species
consulto indueta. Nam cum libri tertii prooemium aperte ad
prooemium libri primi respiciat (irepi biairri^ t init. aKTirep juoi
Ktti Trpdxepov eipntai, l 707 K. vi 592 Littr6 coli. 629 init.
470 L.): tarn quae primi libri prooemio tractatum iri promit-
titar, nemo negabit per universos tres libros^ pertinere, qui in
' Solei qnidem hoc Galeni testimonium ad omnes tres libros referri,
non ad solam sccundum. Id vero ipsa Galeni verba refutant, si accurate
ea pensitaveris.
* Atque adeo per librum TTcpl dvuirviujv, quem TTcpl 6ia(TTi^ opori
annexum fuisse clausula demonstrat haec: eüpr^Tai |lioi 5(aiTa ib^ buvaröv
cOpdv AvepuJtrov iövra 5öv Totoi ecotoiv (u 16 K. vi 662 L.). Ibi eatenus
tantum agitur de somniis, quoad futuros morbos indicant (n 2 K. vi
642 L.). Id vero pertinet ad irp6 toO xd^veiv t6v dv6pu)iT0v irpobidTvwaiv,
quam uHimam disputationis partem constituit primi iT€pl biairr^q libri
prooemium (i 629 extr. K. vi 472 L.). [cf. infra p. 18, 1 et 20. idem iudi-
cium fuit Littrei 1. 1 p. 357 sq., cuius testimonio t. vi 040, 1 et 642, 9 con-
stat Tel in vulgatis libris principium huius libelli usque ad p. 3, 2 K. 642,
11 L. dfhe tertio ir. btaki^c; libro subiungi, tuncdemum titulum TTepl 4vu-
irvittiv interponi, alienum illum a cod. V.]
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4 I Heraditea
eis perlegendis non oblitns fuerit singalarum partium, in quas
c. 2 p. 627—630 K. 468—472 L. distribuitur de diaeta quaestio.
4 Per illam igitur manifestam diyersitatem, unitatem | simulatam eo
duci videmur, ut dicamus variaram aetatum yariommque scrip-
toram et integros libelios^ et libellorum particulas in unum
hoc corpus conglntinatas esse a medico aliqno, qui cum certum
qaendam ordinem, ad quem commode procederet de diaeta
qaaestiOy ipse sibi excogitasset, nndiqne ex aliorum operibus
coUigeret, quicquid ad singulos argumenti sui locos facere yide-
retur. Ut in hoc TTepl biairri^ opus idem cadat iudicium, quod
de alio Hippocratico libro, TTepi cpiicTioq dvepiimoü, fecit Galenus
(tt. (pöa. dvG. uTrd^v. a lll 94 Ch. XV 10 K.) : eöbrjXov oöv öti
TÖ ixkv öXov ßißXiov dx TToXXiöv bieaKeiiaaiai Kai auTKeixai. Neque
ipse consarcinator institutum suum prorsus celavit lectores. Post-
quam enim dixit a superioribus scriptoribus aliis alias de diaeta
quaestionis partes esse perstrictas, universam pertractatam a
nuUo, ita se hornm scriptorum libris usurum profitetur: ÖKÖaa
\ikv Top öpGoi^ UTTÖ Twv npÖTepov ctp^Tai, oux olöy t€ fiXXui^
KUj^ i\ik auTTP^M'avTa 6p0uj^ avTfP&^oLi 626, 8 (466 L.)*; ^Tui
^ Inde etiam illud explicatur, quod teste Galeno (ir. rpcxp. buv. 1. 1.)
secundus TTepl biaCni^ liber olim circumferebatur separatus a reliquis, tam-
quam opus in se absolutum.
* In Hippocrate paginarum numeris usus sum Kuehnianarum. Lec-
tiones autem etiam e ceteris editionibus tacitus ascivi, quae probabiliores
viderentur quam Kuehnianae sive potius Foesianae. Nam Kuehniana editio
nihil est nisi repetitio Foesianae a. 1657. £ libris manuscriptis usum ali-
quem habet solus Vindobonensis Mackii. Pertinet vero ad eorum genus
librorum, in quibus usurpandis non possis nimia cum cautione versari.
Etenim cum appareat descriptum illum esse ex exemplari et correctiore
quam reliqui libri et pleniore, non minus aperta insunt licentiosissimae
interpolationis documenta. Velut, quos infra p. 15 composuimus capitum
indices, ei omnes fere violentis mutationibus atque vel sie inepte ordini
verborum adaptantur. lUo igitur Vindobonensi (V) ita usus sum, ut ea
tantum afferrem, quae probarem. — Quod ad dialectum attinet, non nimis
quidem difficile fuisset, remota quae in hoc sane genere haud delectat
varietate, ad unam aliquam formam revocare omnia. Verum sicut facile
fieri potuit, ita factum esset temere in ea quidem condicione, qua etiam-
nunc est Hippocraticorum librorum et inferior quam dictitant critica et
superior. Retinuimus igitur tralaticiarum editionum 'dialectum' non
*\dba sed |uiiir<iöa. [Littreani exempli vol. vi Par. a. 1849 emissi paginas
adnotavit lectionemque adhibuit editor].
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I Heraolitea 6
Touv (&(TiT€p cIttov Toim ^ifev öpGOj^ elpiULievoiai | npoao|LioXoTri(Tui 6
627, 1 (468 L.). Qaibas id certe confitetur, transtniisse se in snum
opus sententias alioniiu, neqne vero excludit aliqnando etiam
ipsam orationis continuitatem se transscripsisse, ubi aut noluerit
aat nequiverit suis verbis dicere quod non suo invenerat ingenio.
Sic igitur versatus est in eis alienoram libroram partibus, qnae
recte sese habere ipsi videbantar. Quomodo vero egit cam eis,
qnae non recte? Hand reprobavit aperte, sed tacitas snam opi-
nionem snbstituit: 6aa bt }ii\ öpOuj^ eiprJKaaiv, dX^TX^v ixiv
Tttöxa biÖTi oöx oüTUDg Ixex oubfev nepava»* dEnTe^juevo^ bk xa-
6ÖTI boK^ei fioi 6pBwq ^x^iv ^KacTTov br)Xu)crui 8 ßouXojuai 626,
10 (466 L.); TÄ bt )LAf| dpGaig eipim^va briXuKTui ÖKOid Tivd dcTtiv
627, 2 (468 L.). Ergo ipse compilator certiores nos facit, tum
qnalia in opere suo coUecticio possimus invenire, tum quae ma-
xime cautio adhibenda sit indagandi negotio. Insunt enim libro-
ram particnlae antiqnissimorum, sed in unum acervum promiscue
coniectae, confusae, interpolatae.
Nos vero ceterorum pbilosophorum res repetundas aliis
committentes sola Heraolitea eruamus ex ea praecipue primi
libri parte, quae de universa hominis natura agit (630, 4—647, 4 K.
c. 3 — 24 p. 472—496 L.). Quem cum principem sui argumenti
locum dicat compilator (627, 6. L 468), tam is copiose tractat
nt non hominis solum sed omnium rerum naturam comprehendat.
*Et homo' inquit (630, 4. L 472) 'et cetera animantia constant
ex duobas, quae dissentiunt facultate, usu consentiunt (dirö buoTv
btaq)6potv iitvTf|v buvajuiv, aujucpöpoiv bk Tf|v XPfl<^*v), i.e. ex
igni et aqua, quae dum coniuncta sunt, et mutuo sibi et Omni-
bus aliis rebus tum procreandis tum sustentandis sufficiunt,
separata neque sibi neque aliis. utriusque autem vislea est, ut6
ignis omnia moveat, alat omnia aqua; vicissimque alterutrum et
superat et superatur, ita ut quoad licet (üb^ dvuaröv) et minimum
fiat et maximum. Gonsulto autem additur: ''quoad licet", nam
omnino (iravTeXu»^) superare potest neutrum. quippe si ignis
alicubi usque ad extremum aquae locum progressus est, ibi de-
ficiente ipsius alimento recedit alio, ubi alatur (tö jla^v TiOp ^TreH-
löv im TÖ laxarov toO öbato^, ^TriXeiTiei f| Tpocp^i* dTroTp^Trexai
ouv öOev liiWex Tpdq)eaOai). rursus si aqua ad extremum ignis lo-
cum pervenit, deficiente motu consistit. simnl ac vero consistit, de-
bilitatur(ÖK6TavbtaT^ ouk^ti ifKpajiq ^ativ), neque resistere potest
igni irrnenti, qui eam in alimentnm consumit. propterea igitur
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6 I Heraclitea
neatrum potest omnino snperare. sin autem aliqnando alter-
utrum vinceretur, nihil omnium rerum eam quam nunc habent
condicionem retineret. donec vero eam retinent, etiam illa, ignis
et aqua, semper exstabunt neqae alterutram neqne ambo defi-
eient* : el bd kot€ KpanieeiT] Kai ÖKÖxepov irpötepov, oubfev öv e\r\
TÄv vöv ^ÖVTUJV, dlafrep Ix^i vöv oötud bfe dxövruiv alei iaxai ra
auTtt (scr. TaOxa) Kai oöb^tepa (scr. oub^xepov) Kai oub' a^a
Haec iam satis apertam prae se ferunt eam Heraelitea
ratione affinitatem. Nam primum qnidem explicationem eon-
tinent plenam atqne distinetam illias sententiae, quam Aristo-
teles meteorol. B 2 p. 355* 5 Bekk. Heracliteam esse indi-
earit: tö uTpöv tiij trupl Tpoq>f|v elvai jiövov (coli. Theophrasto
de igne 4 vol. I 706 Sehn, tö napa täv iraXaiOüv XeTÖjuevov 6ti
Tpocpriv del lr\Te\ t6 nOp <et Aristotele de anima ll 4, 8 p.416* 9 sq.»
Porro quietem esse perniciei caussam prorsns ex mente eins
dictum, qui totam rerum naturam cinno comparavit, quippe qui
statim in singulas suas partes discedat atque corrumpatur, nisi
agitetur rutabulo*: Heraclitus apud Lucianura Vit. auct. H i<;
KüKe&va TTdvxa (TuveiX^eiai, <Chrysippu8 Plutarchi de Stoic. re-
pugn. 34 p. 1049' Marcus Anton, iv 27. vi 10. ix 39>, Theophr.
7 de vertig. 9 t. i 809 sq. Sehn, el bt | \xr\, Kaednep ' HpdKXeiTÖq
(pr\(S\j Kai 6 KUKCujv bücTTatai Kivouinevoq (scr. el b rj, Kaednep et
biiaraTat ^f| Ktvoüjiievoq). Denique dnorum principiorum, aquae
et ignis, aeternitas ea cum condicione afiirmatur, ut non prorsns
excludatur illud tempus, quo secundum Aristotelem phys. ausc.
r 5 p. 205» 3 et metaph. K 10 p. 1067» 4 SnavTa yiwtaQai
TTore irOp statuit Heraclitus. Contra, illud quoque non est dissi-
mnlandum,in hoc TTepl biaiTvic loco magis aequiparari igni aquam,
quam cum Heracliti doctrina conveniat, quamquam etiam ille
in ignis conversionibus primas partes dedit GaXdaai) (fr. 25 p. 374
sqq. Schi. 21 Byw.). Quapropter non ipsam Heracliteam doctrinam
hie tradi diximus sed affinem. Neque minus dicendi genus, in
quo raro invenias verba Heraclitea, qualia quidem sunt bidcpo-
pov et aü|Li90pov (v. supra p. 5), arguere videtur scriptorem
sui iuris potius quam totum ab aliena imitatione pendentem. —
Quae vero statim post illum locum sequuntur (631, 5 tö }iky odv
^ Inde originem daxit ea narratiuncala quae exstat apud Plutaroham
de garrul. 611^ (Schi. p. 486) et sohol. Victor, in II. K 149.
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I Heraclitea 7
Tiöp Ka\ TÖ ubuip, fiairep eXpryvai jnoi — 11 iv\ fäp iv vbaxx dirÖToO
irupoq h\p6y^ 474 L.) ita snnt comparata, nt ab eodem, qui sa-
periora scripsit, profecta non esse appareat. Primum enim eis-
dem fere verbis iteratar, quod iam supra (630, 7 c. 3 in.) ita ex-
plicatum est, nt nihil desideres, tum vero, cum snpra igni sola
movendi fieusnltas, aquae autem sola alendi tribuatnr, hie iam
exsistunt quattuor illa tralaticia OepjLiöv lr\p6y ipuxpöv ufpöv,
qaae simol indicant cur ab assuendo hoc panno sibi temperare
non potuerit consarcinator. Nam hie se prodit ipse verbis
uKTTTcp cTpriTai |ioi lepide sane fraudnlentis, qnorum ope eis, quae
non dixit sed transscripsit aliunde, suas annectit vel suae aeta-
tis opiniones (cf. 647, 5 K. 496 c. 25 L.). Istis igitnr omissis
priorem illum scriptorem iterum deprehendimus 631, 12 (c. 4
P.474L.):
*Ita cum se habeant' inquit Mgnis et aqua, in multa et
varia discedunt plantarum et animantinm (cmepjLidTUJv xai l\\>{jjy)
genera et aspectu et facultate discrepantia. quippe cum illa,
ignis et aqua, numquam ibidem consistant sed semper varient,
necessario etiam quae ab Ulis secernuntur fiunt dissimilia (fire
Tcip oöiroxe Kaxd Tujurd IcTTdjLieva | dXX' aUi dXXoioujLieva inl id 8
Ktti hA Td ', dv6)ioia ii dvdTKT]^ Yivetai Kai xd dird toutwv diro-
KptvÖM€va). Nil vero interit, neque exsistit quiequam quin etiam
antea fuerit, sed commiscendo et discernendo omnia yariantur.
Opinantur quidem mortales exsistere, quod incremento auctum
ex Orco in luminis oras procedit, interire yero, quod dispendiis
imminutum ex lumine in Orcum relabitur (vo^i2;€Tal bk urrö tOjv
dvOpomuiv TÖ jutv li "Aibou t<; cpdo^ aüEiiO^v T^v^aGai, xd b' Ik
Toö q>d€o^ dq "Aibfiv ineitüe^vra dTTÖXXuaGai). Maiorem enim fidem
habent oculis quam rationi, quamquam oculi ne de visibilibus
quidem idonei sunt iudices. Ego vero haec seeundum rationem
expono (öq>6aX|ioi(Ti ydp maTCuoiKTi juäXXov f|TVU)]Lii] oÖKiKavoi^
foOcri oubt Tiepl tujv öpeo^dvwv Kpivai, ifvj bi tdbc Tvoi^xr) iix]-
T^oiiai V: öq>6aXjLiotm bk bei mctevea^ax jiiaXXov f| tvui|liij(Tiv *
ivh bt rdbe tviüihj dEnT^oiiai omissis reliquis vulg.). Nam et
quae exsistere dicuntur et quae interire utraque vivunt, neque
quod vivit mori potest, cum extra rernm summam nihil sit quo
abeat mortuum, neque rursus, quod non est, potest exsistere,
^ (emendavit Corais sp. Stnrzium Empedocl. p. 476 et Mos. Ozon,
oonsp. p. 14)*
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8 I Heraclitea
cum nihil sit unde adveniat^ Sed omnia angescendo et decre-
scendo maxima fiunt minimaque qnoad licet'.
In bis cum nihil reperiatnr qnod ab Heraclitea doctrina
abborrere dicas, aliquae exstant et sententiae et vocabnla Ephesio
propria. Etenim quamvis alicubi proverbii istius' mentionem
fecerit, quo oculi anribus fideliores testes praedicantnr (Ö96aX|iot
Twv djTwv ÄKpiß^aiepoi juaprupe^ fr. 23 p. 365 Schi. 15 Byw.),
tarnen ocnlos ipsos non minus quam aures malos iudicavit testes,
ubi deest ratio (fr. 22 p. 364 Schi. 4 Byw.). Veram autem ra-
9tionem ab eo appellatam esse Tvuijiinv' te|stantur fr. 44 p. 477
^ (cf. Leibnitius systhme nouveau de la nature in Hecueä de div,
pihees (Amstelod. 1740) t. u p. 876 *je remarquai avec plaisir que l'an-
cien auteur du livre de la Didte qu*on attribue k Hippocrate avoit entrevu
quelqne chose de la veriie, lorsqa'il a dit en termes expr^, que les animaux
ne naissent et ne meurent point et que les choses qu'on croit oommencer
etpörirne fönt que paroitre et disparoitre'; cf. in eadem sylloge Leibnitii
ad ea quae Des Maizeaux 1. 8. p. 465 obiecerat responsionem p. 483).
* Herod. i 8 dnra t^p TUTX<iv€i dvOpifnroicJi iövra diriOTörcpa öqpeaX-
ILioiv, cf. Naekii opusc. i 70—72 ; (quo respicit etiam Thucyd. i 78, 2
Td irdvu TToXaid . . . djv dxoal indXXov Xötuiv ^dpTUp€^ f\ Ö^iciq tOöv dKou-
ao^tm)y. Geterum certa ratione nisum credas Hcraclitum illud de oculis
dixisse, si memineris Plutarchi Aquae et ignis conpar. 13 p. 958 ^ toO hi.
Trup6(; diraaa jli^v atoOridK;, otov t6 2u)tik6v ^vepTa2Io|Li^ou, |li€T€(Xt](P€v,
klaipiT\u<i hk ^ ö\|iiq, Atk; bhirävt] tiDv biA au[)^aT6(; k(mv ai(T8if]a€U)v, irupö^
£Sa|ui|Lia oGaa Kai ön Oeüjv TrfaTtv irapdoxTIKev, etsi hoc alterum argumen-
tum ex Piatone Tim. p. 47» petitum est. Cf. infra p. 30 et opusc. ra
p. 262).
' [Plnra de vocis tviOiht] usu antiquiore oonposita sunt in opu-
sculo m p. 255 sq.]. Hinc profecti et emendare et explicare poterimus
Biogenis Laertii verba haec (ix 12): tmirpdcpouai bk. aöxö ot |ui^v MoOcja^,
o\ bi TTcpl qpOacu)?, Ai6boTo^ bä 'Axpißdc; oldxia^a irpöc; ardO^iriv ßiou,
dXXoi fviOiLiiiv fjOaiv rpöirou K6a|uiov ^v6^ xiöv Eu^TrdvTU)v. Quorum
ultima unum tan tum continent Heraclitei libri indioem ab uno gramma-
tico inscriptum, quod ipsa Diogenis oratio demonstrat. Fuit autem, nisi
f aller, talis: TViü|nri, f\TOi xpöiro^ k6(7|uiou ^ö^ rdiv SujLurdvTwv, * Ratio, id
est vicissitudo ordinis, qui est unus omnibus*. k6(T^o^ elq tuiv Eu^1rdvTU)v
dicitur ad exemplum ipsius Heracliti (fr. 25 p. 874, 450 Sohl. 30 B.) k6-
(JlnovTÖv aÖTÖv dirdvTuiv, ubi KÖaiuio^ non est *mundus' sed *ordo': (idquod
iam Alexander Aphr. vidit ap. Simplicium in Arist. de caelo i 10 p. 487 ^
47 sq. Brand. 182^ 88 Karst.}. Reoentiores demum per errorem ad quae-
stiunculam de pluribus mundis Heraclitea verba traducentes, eum dixerunt
statuisse TrcTrepdaOai te tö irdv Kai £va elvai k6(7|uiov Diog. nc 8 (p. 892
Sohl.), (cf. Stoica eiusdem vn 140). Tpöiro? vero ot ipsum ex propria He-
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I Heraolitea 9
(19 Byw.) imamadai tviumtiv et fr. 66 p. 522 (96 B.) fjeo^; Tap
ivepunreiov iitv oök ix^x Tvu»^a^^ Oeiov hk Ix^i. Neque mi-
nus Heracliteam esse illam Orci et luminis Oppositionen! cum
fr. 70 p. 524 (127 B.) uiöröq bt "Mbr\<; xai Aiövuao<;, tum etiam
Inculentios probant ea, quae statim seqauntnr. lila cum propius
qnam reliqna ad ipsins Heracliti orajtionem accedere videantnr, lo
ascripsimns integra. Sunt antem haec (632, 10 K. 476 L.):
ÖTi b' öv biaXdtuJiiai TeveaGai f| dTioXdcTGai, tujv ttoXXiüv
eTveK€v ipmyem). Tauia bt EumnicrrecrGai kqi biaKpiveaOai
bTiXu». ix^x bk dbbe * xevtoOai Kai diroX^crOat tu)utö, HumiiTf^vai
KQi biaxpiGiivai tiüutö, auEriefivai Kai jueiiüGf^vai tuiütö [T€vd-
5 <T8ai Kai £ujLl^lTf1val tuiutö, dTToXecrGai jueiiuGnvai biaKpiGf)vai
TUJUTÖ], iKaaTov TTpöq irdvia Ka\ irdvTa iipd^ iKacTxov twutö,
Kai oubtv irdvTiüv tu)ut6 [6 vÖ|lao^ ydp xq cpöaei irepi toutwv
dvavTioq]. x^P^^ ^^ TTdvTa Kai Geia Kai dvGpiimiva dvu) Ka\
KdTUi d|i€ißö|üi€va • fm^pT] Ka\ eüq)pövTi im tö juItikkttov Ka\
10 dXdxicTTOV [dj^ Kai T^cTeXrivri tö jütriKicyTov Kai tö dXdxKTTOv]
TTupö^ £q)oboq Kai öbaTo^* f^Xioq dm tö juaKpÖTaTov Kai ßpaxii-
TOTOv. irdvTa TaÖTd Kai ou TauTd. cpdoq Zr\vx (Tköto? 'Aibq,
cpdo^ 'Aibq (TKÖToq Zr\v\, cpoiTqi Kai jucTaKiveiTai KeTva dibe
Kai Tdbe K€iae iräaav dipriv, irdcTav x^pnv, bianp^craö^eva
racliti oonsuetadine appellatur eiusdem legis per tot am rerum natnram pa-
tentis forma varia ; v. iafra p. 22 et cf. Sext. adv. math. vu 183 ubi £uv6q
Xdro^ nil aliud esse dicitur quam d5/|TTiaK toO xpötrou xflc; tiIiv irdvTUJv
biotKifiacui^. Aliorum de hoc indice Heraclitei libri opiniones et lasus
habes apud Schleierm. p. 411, 355 et Huebnerum in Diog. 1. s. — In
altere indice metrico band necessarium est Bnttmani oraO^öv pro ardO-
^iiv, cum *gubematio vitae ad regulam accurata* nihil habeat offensionis.
'Mnsas* autem qui Heracliti librum inscripserant fieri quidem potest ut
Piatonis Soph. 242« (MoOaai ' ldb€q) mcminerint, quod dicit Schleier-
machems p. 355. Neque vero id est *inepte' factum nequc inde 'novem*
partes Heraclitei libri efficiuntur. Pertinet enim ad antiquum Musarum
numerum ternarium (Paus, ix 29, 2. Yarro fr. p. 359 ed. Bip.) et ad tri-
pertitam Heraclitei libri divisionem (Diog. ix 5). Similiter Philolai über
inscriptus est Bdicxai, quas tres significari ad tres libri partes referendas
demonstravit Boeckhius ; (Aeschinis orationes tres XdpiTaq, epistulas MoOaa^
fuere qui dioerent teste Photio bibl. 61 p. 20« 6; novem. libros Musas
inscripserunt et Bio rhetor (Diog. L. it 58) et Aurelius Opillus (Suet.
gramm. 6), cf. Bnecheler ind. lect. Bonn. 1877 p. 7).
^ (oonidas Tvd»|üiiiv . sed of. opusculi ui 1. s. s. Ad vfOo^ cf. Empe-
docles y. 88 Stein, irapd b' v)eo^ ^KdOTi^).
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10 I Heraditea
15 Kcivd Te Ttt TÄvbe idbe xe td Kcfviüv. Ka\ xd ixky irpriacyoüCTi
oüK oTbacTiv, S bk ou np/jcraoucri boK^ouaiv elbdvai . xai xd jutv
öp^ouaiv ou TiviJbaKoucTiv, dXXd Kuig auxoiai irdvxa xivexai
bi' dvdTKT]v 6eiT]v Kai & ßoOXovxai Kai S jnfi ßouXovxai . q>oi-
xiiivxuiv b' dKciviüv d&be xujvb^ xe KcTae, aujuinicTTOii^viüv
20 irpdg dXXnXa, xf|v Treirpujjii^VTiv jüioipav ?Ka(Txov dKiiXtipoT Kai
im xö iLieCov Kai dm xö jueiov. q)8opT^ bt iraaiv dir' dXXrjXuiv,
xtp jüidZovi diTÖ xoO jLieiovo^ Kai xtp jueiovi dirö xoö jidCovoq.
aöHexai xö \x4lov dirö xoO dXdcTcrovo? Kai xö ^XacTcTov dirö
xoO liilovoq xd xe fiXXa irdvxa Kai ipux^ dvGpuiTrou Kai auj|ia
25 ÖKoTov f| ipux^ biaKOCTindexai.
1—10 cf. Parmcnides v. 50 sc^. Mull., quo de loco infra in opu-
Bculo n p. 116 dicitur | 1 f) V: xal tö vulg. xdiroX^aOai By water | 2 TaÖTd
scripsi: raOra edebant | bi Y: hi xal vulg, | 4 aöhrfif^yai k. |üi. t. V: om
vulg. I 6 ^€tu»Of)vat solum delet By water | 7 xal oöb^v ir. t. V: om.vulg.|
8 xu'pet scripsi of. p. 11: x^^pU ^ibri | 10 il)^ . . . dXdxicTTOV om. V |
11 scr. übaTOc; f|X(ip cf. p. 11 adn.2 | 12 irdvxa V: TrdXtv V vulg. | raOra
bis vulg. I 13 qpoiT^] cf. Cleanthes hymn. in lov. 12 sq. koiv6v Xö^ov 6<; bid
irdvTuiv q[>oiT^ |uiiTvO^€voq ^cxdXoiq luiiKpol^ T€ (p&eaax et infra 1. 18 | Kai
ILieraKivelTai om. V. sed cf. Heracl. fr. 38 p. 434 Schi. 78 Byw. [infra
p. 60] jiCTaiTcadvTa | 14 irdaav x*J^P1v V: om. vulg. | 15 t€ xd V: xaöxa
vulg. ö' aö xd Bern, x' aö xd By water | 15 et 16 xal xd V ut conieceram:
xai 6' a vulg. I 16 oö V: om. vulg. | 17 dXXd xux; Bywaler : dXX* öxux; V et
plcrique libri dXX' 6\i\u<; vulg. | 19 xc] xi V | 23 aOg€xat V: aöHdvcxai xal
vulg. I xal xö €X. d. x. }x. V: om. vulg. | 24 xd xe scripsi: xd hi libri ||
Sunt qnidem haec Heracliti yestigiis insignita manifestissimis,
llquamqnain interraiscentur additamenta quaedam aliena. | Nam
quae v. 4—6 uncis incliisiinus ut non negaverit Heraclitus, ta-
rnen ex ipsa eorum post ca quae antecessere eollocatione re-
centior apparet origo. Quis enim propositis primum iusolen-
tioribushis: eadem esse oriri atque interire, commisceri et discerni,
deinde ad solita ista et in hoc disputandi genere tritissima de-
scenderet: oriri idem esse quod augeri — namv. 5 post TevdaOai
inserendum auEnÖf^vai, quod luieiuiGfivai notioni respondeat — et
commisceri, interire vero idem quod imminui et discerni?
Quapropter ea addita puto ab eodem fortasse qui v. 7 quae-
dam de humanae opinionis et naturae diversitate infersit, ne '
illa quidem ab Heraclito aliena sed non ex ipsins more di-
cendi enuntiata ^ Quod facile concedet, qui comparayerit
qualibus verbis eadem sententia comprehenditnr infra p. 21
* (cf. C. F. Hermann De Piatone p. 301 adn. 166—8).
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I Heraditea 11
V. 8. Ipsum vero illnd: eadem esse oriri atqae interire, tarn
proprium est Heraclito tamqae late per aniversam eins rationem
pertinet, ut tale quid testimoniis confirniare non minus sit otio-
8um quam si 6böq Svuj Ka\ Kdrui v. 8—9 quemqnam peritum
snspiceris dubitaturum quin unice sit Heraclitea. Ea antem con-
yersio susum deorsum apertius quam alibi usquam v. 8 sq.
significatur, modo pro corrupto x^p'^^ ^* 8 scribas x^9^% Piatonis
memor Cratyl. 402» X^t^i ttou 'HpdKXeiTO^ öti iravia xw)p€TKai
oubiv jn^vei, <412d oubtv äXXo f| x^ipew).
Deinceps v. 9 — 12 mutua illa rerum omnium permutatio
exemplo aliquo explanatur non sine brevitate illa, quam amabat
Heraclitus 6 irdvia elirdiv kqI irdvra a\ri\(ya^K Dicuntur dies et
nox vicissim in maximum minimumque procedere, cuius vicissi-
tudinis caussam in altemante ignis vel aquae ad solem accessione
cemiy atque ex ea alternatione pendere utrum sol per longissi-
mnm an per brevissimum tempus luceat. lam vicissitudinis
illius mentionem faetam esse ab Heraclito, nnum tantum atque
id tenue exstat vestigium inter fragmenta adhuc coUecta, qnod
inest Plutarcbi verbis bis vit Gamilli c. 19: 'HpdicXeiTO^ ini-
TrXiiEev * HcTiöbifi jäq jutv (seil, fiju^pa^) dyaOd^ itoio\j|i^viü xd^ bk.
qniuXa^, di^ dTvooOvxi | q)u<Tiv fm^paq dirdcTTiq ^lav oöaav; v. Sohl. 12
p. 346; <^ipsa Heraeliti verba prodierunt in Hippolyto refut. ix
10 (infra opusc. ui p. 244». Addi potest alterum ex Senecae
epistulaxn? 'Heraclitus, cui cognomen aK0T€iv6v fecit orationis
obseuritas, unus dies inquit par omni e8t\ Cuius dicti explicatio
Stoica, quam ibidem affert Seneca : 'quia nox habet quod dies perdi-
dit' cum loco TTepl biaixii^, de quo agimus, apte conspirat. — Porro
solem ab aqua nutriri' secundum Heraclitum cum recentiorum
scriptorum testimoniis plurimis tum Aristotelis constat, qui etiam
solstitiorum caussam inde repetitam esse ab Heraclito significat
meteorol. B 2 p. 355» 1 bid toOt' (seil, öti Tp^cpexai rqj ÖTPV)
fvioi T^ cpaai Kai iroicicTOai xd^ xpoird^ auTÖv (seil, töv f^Xiov).
DU xdp dcl Tou^ auTOu? buvaaOai TÖirouq irapaaKeudZeiv aöiil» Tf|v
Tpo9iiv. Einsdem autem Aristotelis non minus quam codicis V
anctoritate t. 10 ibq xai t^ aeXrjvij xd jiii^KKTTOv Kai tö dXd-
XKTTov uncis segregavimus tamquam recentius additamentum'.
^ (qnod de Homere Apollonias Tyaneas dixisse fertnry. cf. David
proU. p. 191> 29 Brand.).
> Id solwii ex datiyo t4 acXifivq proficimos, quod oonfidentioB pro
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12 I Heraclitea
Quarnquam id vel sine alla auctoritate coUigi poterat ex ipsa
verborum et natura et collocatione. Mire enim dissonat parti-
cularain ib^ Kai prolixa perspicuitas ab obscura reliquae ora-
tionis brevitate, atque etiam mirabilms de luna agitur ante
solem. Aeeedit vero auctoritas Aristotelis, qai postquam Hera-
cliteae opiuioni: aquam esse solis alimentum, alia obiecit, äTonov
bk Kttl inquit (meteor. 1. s. * 18) tö jhövov q)povTi(Tai toO f|Xiou,
Tujv b' dXXujv ficTTpujv irapibeiv auTOu^ TfjV atüTiipiav toioutuüv
Ktti TÖ irXfieog Ktti TÖ juexeGo^ övtujv. Ergo de sole tantum egerat
Heraclitus, neglectis et luna et reliquis astris. Atqne ipse haius
neglectus caussam exponit fr. 31 p. 397 Schi.: f|Xiou |Lif| övto^,
?veKa Toiv fiXXuDV äcTTpuüv eöcppöviiv öv fJTOiiiev. Qaare quaecumqne
a recentioribns scriptoribas narrantur de certis qaibnsdam dva-
iseujLiiäaemv astro{rnm secundum Heraclitum alimentis, ea explo-
denda sunt omnia atpote commenta interpretam, qai defectum
ab Aristotele reprehensnm ex suo quisque ingenio sapplere stu-
duerant. Quodsi in hoc negotio in diversas abiere partes, in-
dignae sant eorum opiniones quae operose, sicat fecit Schleier-
macheras p. 403, examinentur. Neqae deest indiciam aliqaos
flpaKX€iTi2;ovTag pressius institisse magistri vestigiis. Etenim probl.
Arist. 23, 30 exstant haec usque adhac neglecta: (paai Ttveq tujv
flpaKX€lTl2IÖVTU)V Ik jHfev TOÖ 7T0Tl|LA0U (SCil. ÖbttTOg) HT]paiV0|Ll^V0ü
Ktti 7rT]Tvu|ii^vou XiOouq TiveaOai Kai Tnv <cf. Melissas Simplicii
ad Arist. de caelo p. 250^ 10 Karst, et Plato Timaei p. 49*^>,
dK bk Tf\q 0aXdTTT]q TÖv f^Xiov dva0u|iiäa0ai. Quae aperte commen-
14 tantur' in Heracliti fr. 25 p. 374 Schi. 21 B. : Tiupöq TpoTial | irpoi-
fiXto^ V. 11 conicimus tfjXiip legendum esso atqae coniangendam cum
* Atque melius quidcm, quam fecit Clemens Alex. Strom, v 14
p. 711 Pott., qui omnia ad Stoicorum rationem traduxit: ort |li^v dibtov
TÖV dg ä'n&ar\(; Tf[^ oöofa^ dibiuic; iroi6v KÖa^iov fjöci (seil. 'HpdKXeixo^),
q>av€pöv iroict Xtfwv oötui^* 'k6(T^ov t6v aÖTÖv dirdvTUJV oÖre Tiq Oci&v
oÖT€ dvepOÜTTwv diro(iia€v, dXX' f^v d€l Kai €(Ttiv Kai ^dTai irOp dciZ^uiv dirrö-
6^€vov iLi^Tpa Kai diToa߀wO|bievov ^iTpa\ öti hk. Kai t€vt]t6v Kai
(pQapTÖy cTvai iboT^driZcv, fniivOei xd duKpcpö^ieva • 'irupö^ Tpoiral irpui-
Tov edXaaaa, eaXdaoii^ hi tö ili^v f\}xiav ffi tö H fl^iau itpr\aTi\p\
6uvd|bi£i fip \t(e\, ÖTi irOp öirö toO öigikoOvto^ Xötou Kai eeoO Td oO^i-
iravxa bi* ddpo^ xp^ircTai €l<; Ciypöv tö \h^ avlppta Tf\<; öiaKoain/iacux;,
10 6 KaXet OdXaaaav, iK bi. toOtou aööi^ f^veTai ff\ Kai oöpavöc; Kai Td i^-
irept£XÖ|Li6va. ubi primum dico v. 2 pro di6(u)^ iroiöv scribendum esse Ibtui^
irotöv. significatur enim ea mundi forma, qualis est ante generationem
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I Heraolitea 13
Tov ÖdXaaaa, Bak&a(Tr\q bk tö ixky f^jUMTu tn» tö bk f[\x\av Txpr\aTi\p,
ita autem commentantur, ut solis tantum habeant rationem, dul-
cem vero aquam terrae formandae adhibeant, cum contra re-
centiores ^k vaindTuiv Ka\ Troramöv (v. Schi. p. 403) astra nutriri
tradiderint
Sed redeamns ad locum TTepi biaiTT)^. v. 12 iam apertius sibi
opponuntar 'Mbr]q et Zevq: cf.fr. 11 p. 334 (65B.)ZT]vd^oövo|ia,
fr. 31 p. 396(30 B.) oupoq alGpiou Aiög, p. 429 Trattciv töv 'HpaKXei-
Tou £k\(L — y. 15 antem progreditnr ad stultitiam hominam
exagitandam, qni cum ne ea quidem, quae ipsi faciunt, gcire
dicantur, neque quae vident, intellegere — excidit antem v. 17
altera ennntiati particnla: S bk ouk 6p^ou<Ji boKdoum TWuiaKeiv — ,
id, ut infra patebit, eam vim habet, quod quamvis artes cotidie
ab hominibns exercitae eisdem nitantur legibus, quibus universa
rernm natura, tarnen ne sie quidem admoniti communes illas
et post ^KirOpiuaiv bnius mundi. Eam autem formam a Stoicis appellatam
esse k6<T|uiov ihiux; iroiöv ipse Glemeus probat pauUo post : ol ^XXoxiMubTaTOi
•nJiv ZTuuiKiXnf boTMariZ^ouai ircpl... ic60|liou 6toiKna€U)^ Kai toO Ibiui^
iroioO Köa^ou et v 1 p. 649 Pott, oi ItiuikoI ... töv Ibiui^ iroi6v dva-
<nf|0€<i6ai boTMaTdouatv ; cf. Arius Didymus Eusebii praep. xv 16 [in Dielsii
Doxogr. p 464, 14] qui ^k Ttdar\(; rf)^ oOaiaq iroiöv nominat. Alibi etiam,
(▼eint ap. Sextum adv. matb. ix 11 et Diogen. L. vii 134), dicitur dtroioq
i. e. earum qualitatnm expers, quae insunt in boc mundo bioiKif](7£U)q sive
biaxocyLiiaew^ T^viyrii) xal (p6apT<p. (Cf. Kriscbe tbeologumenon p. 424 sq.).
— Ferro in verbis y. 8 birvd^ei yäp X^t^i interpretandis mira commisere
et alii et Schleiermacbems p. 378, cum appareat ita ea esse aocipienda:
*qiioad sententiam baec dicit Heraclitus'. nam appellationes ipsas Stoi-
cas, in quas transtulit Heraolitea, ne Clemens quidem putavit notas fuisse
Ephesio; cf. Sextus empiricus adv. matb. ix 6 6uvd|Li€i hi Kai oCtoc; ktX.
(vid. H. Stepbanus ad Sexti bypotyp. p. 203 sq. ed. Fabric, scbol. Tbucyd.
vni 76 extr. toOto birvd^ei toiöOtöv dOTi). - Denique cum hie omnia ad tra-
laticiam Stoioorum doctrinam sint conformata, vix mibi persuadeo recte
sese habere quod 6dXaaaa dicitur t6 uü^ arcip^ia rff^ btaKoa|Li/)a€oq. Con-
stat enim a Stoicis ita dictum esse non 6dXaaaav sed irOp, cf. Aristocles
Eusebii praep. xv 14 irpibTov nOp elvai KaBairepci ti arcip^a tiXiv &Trdv-
Tuiv Ixov ToO^ XÖTou^, Plut. Aquae et ignis oonpar. p. 956* otov air^pfbia
toOto (seil. TÖ irOp) il ^auToO irdvTa iroictv, (in primis De commun. not.
35 p. 1077 b TÖ nOp 6 air^p^a X^ouaiv €!vat), et ubicumque de aircp^a-
TiKOl^ XÖTOK Stoicorum agitur. Quapropter videntur illa verba in unioo
nostro Clementis codioe in alienum locum traiecta esse, atque sie legen-
dum V. 8 sq.: ön irOp, tö Uk; avip}xa rf^q biaKoajLiifiaeu)^, öirö toO öioikoOv-
To^ Tp^ireTOi 6l(; örpöv, 6 KoXct OdXaaaav ktX.
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14 I Heraditea
löleges agnoscant homines. | 'Verum' inquit v. 17 Welint nolint,
omnia eis finnt bi* dväTKriv Beiriv'. Qaae cnm sint ad mentem
Heracliti dicta, qui in perenni rerum flaxa mensuram quandani
immntabilem regnare putavit, tum etiam vocabulnm retinent, quo
hac in re usus est. Nam quamvis, ubi ornate loquitur, Aiktiv
appellet aeternam illam rerum gubernatricem necessitatera, ut ''HXio^
oöx uTrepß/jaeTai inexpa' €i bfe |Lir|, 'Epivue^ iiiiv AiKrj^ diriKOupoi^
d£€up/|aouai (fr. 30 p. 394 Scbl. 29 Byw. ap. Plut. de exil.
p. 604^)^, tarnen alibi ipsum dvdyKYi^ nomen ab eo usnrpatum
esse certa sunt vestigia, Plut. <de soll. anim. 7 p. 964« *E|Lnr€-
boKXfiq Ktti 'HpdKXeiTO^. .. TToXXdKiq 6bupd|uievoi xai Xoibopoövre^
Tfjv q)ü(yiv ibq dvdTKrjv Kai tt6X€|uiov oöaav), plac. phil. I 27
[p. 322 Diels] *HpdKX€iToq irdvTa xaG' €l|Liap|Li^VT]v, t^v bfe auTfjv
öirdpxeiv Kai dvdtKTiv, Theodoret. Graec. äff. cur. p. 87 Sylb. 236
Gaisf. dvdtKTiv Tfjv eliiiapiui^vTiv Kai oöto^ (seil.' HpdKXeiioO ^vö-
ILiacTev, cf. Sohl. p. 426. Ipsum vero €l|Liap|Li^vTi^ nomen quomodo
apud Heracliti sectatores et praecipue apud Stoicos in meram
icFati significationem abire potuerit, ante oculos|nobis ponit noster
TTepl biaiTii^ locus v. 20: jfjv Tr€TTpu)|Li^vr|v iiioTpav ^KacTTOv
^KTrXripoT. In extremis autem verbis v. 24 : xd t€ fiXXa irdvra
Kai \\fvxi\ dvGpwTTOU Kai a&^xa ökoTov f| ipux^ biaKO<T)i^€Tai com-
* (cf. dictum Pythagoreum ap. Hippolytum refut. hacr. vi 26 ^k
Tf^^ I6{a<; lÄv diro6nM4<^i M^ imarpifpov • ei hk ^i\, 'Epivöcq A{kii<; £ir{KOupo(
ae ^€T€X€l!i<TovTal).
* Idem fragmentum ab eodem Plutarcho De Iside 370 ^ sie affertur:
*'HXiov bi ^i\ öir€pßr|<T€a8ai toCi^ itpoaf|KOVTa^ 6pou<;" ei hk m^ 'f\djTTa<;
\iv)f A(kii( ^iriKoOpou^ ££€up/|a€iv. übi T^cCnra^ pro *Epiviia<; ortum vide-
tur ex annotatione lectoris cuiusdam qui Aegyptiaci syroboli fXfSiöOa v^Xt]
jXdJoaa 6a{|Liuiv a Plutarcho in eodem libello 878 ^ allati praeter rem me-
minerat. Quod et Buttmannus (apud Schi. 1. 1.) et Lobeckius Aglaoph.
1100 scribi voluerunt AOrraq, vel propterea aegre accipias, quod aeterni
ordinis tutrices haud satis apte eo ipso nomine appellantur, quoapertior,
quam in reliquis earundem dearum, inest notio furoris. — Qui necessi-
tatem dicunt 6a(^ova vocatam esse ab Heraclito nixi Celsi loco, qui apud
Origenem c. Gels, vi 12 p. 689 1^ ed. Ruaei ex Heraclito affert: dvfip vf|ino^
fiKou<T€ irp6<; 6a(|Liovo<; fixuiaircp iratq irp6^ dv6pö<; (fr. 67 p. 623 Schi.
97 Byw.), non minus errant, quam qui *genium tutelarem* illuc invexerunt.
Nam apparet pro ba(|Liovoq scribendum esse 6a/||üiovo<;, ut sibi opponantur
stupidus (v/|ino<;) et doctus (ba/muiv). Quamquam id Celsum ipsum fugit.
Origeni vero non licuisse vel non vacasse Heracliti libfum inspicere
etiam aliunde patet.
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I Heraolitea 15
pilatoris orationem agnosco singalas operis sui partes qnali-
cnmqae potait vincalo conectentis. Atque adeo fieri potest ut
Bob aüj^a ÖKoTov f) ipux^ öiaKoaii^eTai lateat index eorum quae
seqnnntar (cf. c. 10 init p. 638, 14), perperam in verboram con-
tinnitatem illatus. Qaod cum in hoc libello nullis corruptelis
non turbato aliqnotiens acciderit, in uno exemplo apertissimo
p. 639, 5 (486, 1 L.) Trepi ouk (scr. toO) dq)av^oq Kai q)av€poö
cf. c. 11 iib p. 640, 1 iam suspicatus est Gesnerus^ Non minus
Yero aperta sunt haec: c. 24 p. 646, 10 dmöeiHi^ (scr. diröbeiEiq)
Twv TToXXujv dqppoauvTi^, c. 12 p. 641, 3 qpücTiv dvGpuJTrou xaG'
olov [Ktti ßiov V] TttOra |Lii)i^eTai, c. 8 extr. p. 637, 2 biöri ou yi-
vuRTKoiKTiv ö Ti TToidouaiv cf. sopra p. 10, 15—17, ^c. 13 p. 488
L. (nbrjpou öpTava)^ Iam post biaaK€ur|v istam sequuntur haec
c.6p. 633, 16 (478 L.):
iaipnei bk i(; dvGpumov iii^pea iiiep^uüv öXa öXujv fxovra
[auTKpnaiv irupd^ Kai öbaxoq], rd iiifev Ximiöpeva xd bfe bu>-
cTovra, Kai xd ixkv Xainßdvovra TrXeTov iroi^ei, xd bfe bibdvxa
|i€Tov*. irpioumv dvOpujTroi £uXov, 8 jifev ?Xk€i 8 bk ibO^ei*,
5 TÖ b* auTÖ toOto iroi^ourn, jueTov bk iroi^ovre^ irXeTov noiiovai.
toioOtov (pikriq dvOpumuiv, tö lifev ibO^ei tö bk ?Xk€i, tö
\kiy bibuiai TÖ bk Xa)Lißdv€i ktX.
2 de glossemate dictum infra p. 16 1 6 [scrib. iroi^ouiTi (imelov), ^etov
hi Ys.] I 6 toioOtov Y cum aliis codd.: t6 b* aÖTÖ Kai vulg. ||
Quorum ut sententiae heraclitissant, ita exemplo illo ser-
ratorio nsnm esse Heraclitum etiam alinnde cognoscemus infra.
Qaod Yero ad jii^pea iiep^ujv attinet, quae v. 1 dicuntur in se con-
tinere 6Xa öXujv, nunc demum videmus quo spectaverit Aenesi-
demas apud Sextum adv. math. ix 337 a Schleiermachero prae-
termissus: 6 bk AlvriaibTumo^ Kaid 'HpdKXeiTOV Kai ?Tepöv (pr\a\
^ [deceptus est 6. lectione volgata, cf. infra p. 18].
' (Yide similes indices in libro TTepi t^x^^H^ t. vi p. 8adn. 15, p. 4
adn. 10, p. 6 adn. 13 Littr.).
* (imitari haec videtur Zosimns chemicus ap. Hoeferum llistoire
de la diemie (Par. 1842) t. i p. 499 sq. koI ird»^ (scr. Ka( iru)^ i\ «pööi^
MavOdvci bibövai xal XafLißdveiv ftiöoimv ö x<i^Kdv8pu)iT0(; xal Xa|üißdv€i i\
OrpöXiOo^ Mbuiai t6 fi^ToXXov kqI Xa|Lißdv€i i\ ßoTdyn, . 6i6oOaiv ol dar^pcq
Kai XaiLißdvouai Td &yQr\y öibwaiv ö oöpavö^ Kai Xajiißdvci i\ t^i biboOaiv
al ßpovrai Ik toO Tpoxiiovro^ irupö^*«).
* (cf. Aristoph. vesp. 693 Huve^vTC tö irpdTiiAa 60' övt€ iatroubdKaTov,
Kde' On; irpiovO' 6 \Uy ^k€1 6 b' dvT€v^bu)K€).
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16 I Heraolitea
TÖ liipoq ToO öXou Kai TttuTÖv. i\ jap oi(y{a xal ö\r\ iCTX Kai
ji^po^, &\r] iLifev Kard töv KÖaiiiov, li^po^ bfe Kaxä t^iv ToObe toO
Jiifjou q)uaiv. TÖ bl liöpiov Kai aörd X^T^Tai bixÄ^, Kai öjfe iilv ibq
biaq)^pov ToO Ibiu)^ voou|li^vou M^po^^i »^ci8d q>aaiv auTÖ fi^po^
l7|i^pou^ elvai, I KaOdirep bdKTuXov iiifev rfiq x^ipö^S oö^ bfe tt]^
K€<paXf^5, ÖTfe bfe u)^ |Lif| biacp^pov dXXd \ilpoq 8v toO ÖXou, KaOö
Tiv^^ (pam KOivÄ^ iLiöpiov (Fabr., iii^po^ libri) eTvai tö cxuMTrXii-
puüTiKÖv ToO öXou. Ubi simul in lacnlento videmus exemplo, quo
modo Heracliti aenigmata ad suum captnm coDformaverint com
reliqni interpretes tum Aenesidemus, ex quo, ut infra p. 27 si-
gnificabimns, Heraclitea sua hausit Sextus. Etiam inaio1*e cum
licentia noster biaOKeuaarrjq versatus est in hoc negotio. Nam
postquam in transscribendis antiquioris scriptoris verbis per
c. 6 p. 634 pergens ad cum pervenit locum, ubi ille, natura
animae accuratius explicata, haec dicit p. 635, 3 (480 L.)- ^^^
TOUTO dvGpiUTrou ^f^)xi\ ^v dvöpiwTnw aöHdvexai, dv dXXui bfe oubevi,
Kai TUJV äXXu)v 2!ij)U)v tujv peydXuiv dwrauTU)^' öaa hk fiXXu)^,
dir' dXXujv und ßtriq dTroKp(v€Tai, tum transscribendi operam
btaaK£uaaTr)^, cuins homo solus interest, ita interrumpit v. 5:
irepl iLifev oöv TUJV fiXXuiv CijiiJüv dd<Tu), quae vero de homine dicta
sint accuratius sese explicaturum promittit: Tr€pl bk dv6pu>TT0u
bTiXu)(Tu) [cf. p. 25]. Ita autem explicat, nt servatis quantum
licebat antiquioris scriptoris verbis ad suum consilium ea detor-
queat addendo levitcrque mutando. Sic prima eorum quae supra
p. 15 apposuimus iterat biacTKeuaaTyj^ c. 7 p. 635, 6:
da^pTTCi Toip i^ fivöpumov ipux^ Trupöq Kai öbaro^ HÜTKpncTiv
^Xouaa, fiioipaq bk (Ttüpaio^ dvOpuiirou. Tauia bk Kai OrjXea
Kai dpaeva Kai iroXXd Kai iravioTa rp^cpexai t€ Kai aöEetai
biaCjij Txji Ttepl dvOpumov.
2 )io(pa^ bi scripsi: ^otpav libri. cf. c. 26 p. 647, 4 (496 inf. L.)
1^ bi sfuxi^ ToO dvGpiOirou, i£laiT€p ^oi xal ctpiiTai, <r(fXKpr\aw ^xovaa
irup6( xal dbaroq, füi^pea bi dv6pi6irou | 2 6^ xal V: bä rd vulg. |3 Tp^-
<peTa{ TC V: Tp^q>€Tai. Tp^q)€Tai bi vulg. | 4 6ia(Tr) Trjitcp ävepu)iro<; V||.
Ex hac igitur explicatione etiam in locum antiquioris scriptoris
verba cniipcpiiaiv iwpöq Kai öbajo^ intrusa sunt. Quapropter
supra p. 15 uncis ea segregavimus, praesertim cum reliquae
18 orationis ordinem importnne turbent. fiidpea fiepdujv | autem vide-
* (Cf. DemetriuB de elocut. 2 rf^ X^^P^^ oö(rn<; ÖXou tivö^ ^i^prj aörf)^
ÖXa ÖXii<; iariv, oTov bdxTuXoi xal irf^xuö-
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I Heraditea 17
mns tradnci ad varios sexas hamanos, et quanto ocins fieri potest,
omnia dirigi ad principalem quem TT€pi biaini^ compilator per-
sequitur finem, nimirum ad ipsam öiairav rftv TT€pi töv fivdpumov.
Qaam explieandi viam etiam in reliqnis tennit egregius ille
hiaüK^vaai^q. Postqnam enim similitadinem illam a serrando
ligno repetitam, quam antiquior scriptor antiquo more apposuerat
abrapte sine comparandi particula (v. snpra p. 15 v. 3 sq.)» suo
more suisqne verbis iteravit p. 685 inf.: djairep o\ t^ktov€^ tö
SuXov irpiouai ktX., applicat eam non ad aniversam q>uaiv dv-
6pumou, quod fecerat antiquior scriptor (v. suprap. 15 v. 5), sed
quia est diaeteticus, toioCtov inqnit p. 636, 3 Tpoq>f) dv9pu)iTou.
Atque eodem modo, qui singula accnratius inter se conferre vo-
Inerit, reliqnam antiquioris scriptoris orationem inde a p. 634; 6
usqae ad p. 635, 2 (478, 15 — 480, 4 L.) pertinentem explicari seu
potius detorqueri videbit inde a. p. 635, 10 usque ad p. 636, 12
(480,11-482,5 L.).
Qoae vero inde a p. 636, 12 exstant, apparet quidem non
esse ab ipso compilatore exeogitata, sed utrum ex eodem deri-
yata sint fönte, ex quo superiora Heracliteam doctrinam sequentia,
id non decemo. Video enim eis inesse aperta Pythagoreae ra-
tionis vestigia. Velut p. 636, 12 x^P^v bfe dpeitiiavTa Kai Tuxövra
äpfioviti^ ÄpOii^ iXo\><yr](; auincpujviag xpei^, SuXXrjßbnv bieEiibv
biet iraa^uiv, Ciuei Ka\ aöEerai ToTmv aöroicxiv otai KaiirpöaOev.
Qnae quidem, ut nunc sunt corrupta, nuUam efficiunt sententiam,
nednm Pythagoream. Omissis autem aliorum corrigendi tenta-
mentis plurimis sed infructuosis omnibus, quin pro EuXXrjßbYiv
scribendum sit EuXXaßnv, pro buSiuüv vero bi* öEetuiv, neminem
pnto dubitaturum qui meminerit bi' öEeiujv idem significare quod
bia*TT^vT€ atque auXXaßi^v idem quod bid TecTcrdpuJv. lam hoc
facto tam significans exsistit ratio musica, ut eam nulli possis
ascribere nisi Pjthagoreo. Quamquam non nego utramque ra-
tionem, Heracliteam et Pythagoream, aliquando potuisse coniungi
per commune vinculum toxiaq Pythagoreae et irupd^ deiCiJiou
Heraclitei. Immo inde explicandum yidetur, | quod etiam Ari- 19
stoteles Hippasum Metapontinum componit cum Heraclito. Praeter
alios autem a medico utraque doctrina facile potuit coniungi,
quia et Pythflgoreorum et Heracliti physica multo magis quam
reliquomm philosophorum adhibebatur medicae arti excolendae^
^ De Pythagoreift id in vulgus notani est, (cf. Aelianus var. hist. ix
Bttrmyi, gas, AUumdl. 2
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18 I Heraditea
Verum nt ab ipso Heraclito masica illa confidenter quivis
abindicabit, ita quae usqae ad p. 638 de corporis homani con-
formatione ad similitadinem alioram libromm Hippocraticoram
exponantar, neqnaquam probari potest ex Heracliteo manasse
fönte. In oratione certe nusquam invenias voces Heracliteas,
qaales undique elucebant supra. Eas antem iteram deprehendi-
mus c. 10 p. 638, 14 (484 L.): 'Omnia' inquit *quae in corpore
sunt ipse sibi effinxit ignis per commutationem (Karä Tpöirov, y.
supra p. 8 sq., infra p. 21 v. 7) ad imitationem Totius (toO 8Xou),
parva magnis, magna parvis assimilans'. koiXiyiv |i^v Tf|v )i€Ti(rniv
. Eiflpi|i Kai ÖTpijj TafieTov, boOvai n&ax kqI Xaßeiv irapd irdvTUJv,
OaXdaari^ buva|iiv\ Zijiujv <TuvTpöq)UJV Tpoq)dv d<Tu)iq>öpu)v bfe
q>6op6v. Quae prorsus congruunt cum statione intermedia, quam in
naturae conversionibns BaXdaoq suae assignat Heraclitus. Per eam
20enim in | bhCb Kdru) omnia ex igne procedunt in varietatem, rur-
susque in öbijj dvuj recipiuntur in unitatem, ita ut revera 9dXaa<7a
'omnibus det et ab omnibus sumat' (v. Schi. p. 375). Neque
minus cum Heraclito consentiunt quae panllo post reperiuntur
639, 4 (484—6 L.): 'Ignis ea quae in corpore consnmnntur
augens secernit quaedam a Consistente illo, in quo cum omnia
contineantur, sua quidque sorte inde procedit in lucem". Karava-
XiaKov bfe Kttl aöEov (seil, tö iröp) OKibaOtv ubaroq XeirroO Km
iTupdq diTOiriaaTO i^epiou, dqpavtoq Kai cpavepoO, dird ToOEuvcani-
KÖToq dirÖKpiaiv, tv ^ q)€pö|i€va Trdvra iq tö cpavepöv dq>iKV^€Tai
?KOaTOV jioipq 1T€1TpUi ji^VlJ*.
22, reoteqae omnino oilivopov tiP|v irpatimaTcfav, seil, physioam, me-
dicinae Aristoteles dixit de respir, 21 p. 480^ 26). Quod vero ad Hera-
clitum attinet, idem cum ex universa eius doctrina potest coUigi, tum ex
disputationibus, quas cum medicis init et apud Diogenem Laertium et in
epistulis. Atque adeo anatomiae studiosum facit Heraclitum narratiun-
cula quaedam a loanne Siceliota in Walzii Rbett. vi 96 prodita: 'Hpd-
kXcito^ 6 q)uaiKÖq t6 Aiari 8r)pOjv dvar^^vci xard niko<; tö l^oy ipiurib-
^cvo<;, **Eitel Ixw (scr. iirel oök i.x\u) töv bibdaxovrd }X€ ti?|v qpOcTiv tCöv
6vTuiv* dircKpfvaTO. Quae omnia ut sint a sophistis in maius aucta atque
exornata, tamen vix credas sine ullo fundamento esse oonficta. Neque te-
mere fecisse videtur Plato quod in Convivio Heracliteae disciplinae peritum
inducit Eryximachum medicum.
^ cf. iTcpl £vuirv(uiv t. II 8 (vi 650 L.) &aa b* i<i GdXaaaav ((p^perai),
KOiX(ii(; voa/iiLiaTa (<Tima(v€i), p. 12 (666 L.) edXaaaa Tapaaao^^r) koi-
\ii\^ voOaov OTiiüiaivei.
' [dedi locum ex fide codicis Y, nisi quod irdvra (post q>€pö|yicva) a
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I Heraolitea 19
In qua toC SuveaniKÖro^ descriptione sicut UBUsquisqne
agnoscet illud quod recentiores rem suo vocabnlo notantes it€-
pi^Xov dicunt Heracliteam, ita qaae ab animali igni fit diTÖKpim^
diTÖ ToC EuvecTTTiKÖTO^, qua alitur homo, nil aliud est atque
drroppori, qaam ix toG irepi^xovTo^ ab homine attrahi secnndnm
Heraclitam et Plutarchus tradit et Sextns, v. Schi. p. 493. At-
qne omnino cum hie, aqua neglecta, solius ignis vi efficaci tri-
bnantar omnia, integriora quam alias remansisse videntur hoc
loco Heraclitea. Quapropter in eis qnoque quae statim sequun-
tnr, qaamvis nova accedant auribns, diligenter circumspiciendum,
qoaenam Heraclitea esse iure possimus negare. Gerte orationem,
ac praecipue quidem in fine, penitus imbutam esse coloreHera-
cliteo nemo diffitebitur. Sunt autem haec p. 639, 8 (486 L.):
iv bi TouTiu (seil. TW ÄTTORpivoii^viu) dTronficTaTO TÖ TTÖp irepiöbouq
rpiaaäq irepaivoulcraq irpö^ dXXrjXa^ Km eTauj Ka\ ££uj. 0*121
}ikv TTpö^ xd KoTXa täv uTpuJV, ae\f\yr]^ büva)iiv, a^ hk irpö^
Tf|v Ibjj ir€piq)opäv irpö^ xöv Trepi^xovra irdTOV, fiaxpujv bu-
5 vaiLiiv, a*i bk iiitoai Ka\ efou) kqi ßw irepaivoucrai tö Gepiiiö-
TttTOv Kai IcTxupöraTOV irOp, Sirep irdviuiv Kpax^ei bi^irov
^KacTTa Kaxd qpucTiv, dOiKxov Ka\ öi|i€i Kai i|iaua€i. tv xouxi{j
i|iux^, vöo^, q>pöviiai^, aöHnm^, Kivriai^, iiieiuxTi^, bidXXaEi^,
ÖTTVO^, iftpoii;' xoOxo Trdvxa bid iravxö^ Kußepv^, Kai xdbe
10 KQi dKCtvo, oub^KOxe dxp^iiilov.
1 t6 irOp Bemaysius: irupdq libri | 3 irpöq ti?|v V: i<; ti?|v vulg. |
4 imspopäy V | 6 Kpardei V : diriKpar^cTai vulg. | 7 fKaora V : diravra vulg. |
dOtrrov] fi^rixpov vulg., pro quo ä^^aoatoy multi proposuere; sed 'doiKxov
y, i. e. AOIKTON et udo addito puncto AGIKTON, interpretamentum vo-
cabuli ^^f auaxov* ut Bemaysio uidebatur | 8 Kivr\a\^ ficiuiai^ &idXXaHi<; om. V,
[exspecten mutato ordine imciuMTK; kCvtiök;] | 9 t^^pcv; V: ^TP^^Topöiq vulg.
Circuituum, quos in corpore conficere dicitur ignis ^, altera
Y omiflsum servavi. Bemaysius inmerito suspectabat et uerba ircpi oök
(sie volg. pro fjcpCou, B. uolebat ir€pl xoO) d<pav£o<; Kai q)av€poO ut in-
dicem ad p. 640 init. pertinentem, cf. supra p. 15, et OKibaaiy €6axo(
XcirroO xai in)p6^ quod ei 'interpretamentum videtur ab eodem fortasse
ad dirÖKpunv asoriptum, qui et supra p. 18 Hiipifi Kai ötp<^ addidit
ante xaMCtov et p. 639, 2 K. 484 L. öboro^ \ffuxpoO xal (rrpoO aOaxaoiv
invezit*.]
^ (similiter Cleanthes Didymi Arei (Stob. ecl. pbys. p. 163,21 Wachsm.,
Doxogr. p. 470, 15) i% ^6^ t€ irdvra yiveoQax xal £k irdvxuiv Sv oirpcpf-
vciJOai, Ö641 Kai (TU|Liq)(j[ivui^ bicSioOaiiq Tf)q ircpiöbou (vid. Preller bist. ph.
§ 408). Cf. kükXou^ Hfuxf)<; Platonicos Tim. c. 8 p. 34^ sq. Diog. L. ni 68).
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20 I Heraditea
mentio fit in hoc ipso TTepl biairri^ libro; v. infra p. 25. Prae-
terea in libro TTepl dvuTrviiwv, quem cum libro TTepl bidni^ ar-
tissime coniunctum esse probavimus supra p. 8 adn. 2, ita somniis
coniectandis adhibentur, ut pro eo, quod v. 5 tö depfiÖTaTov
Kai IcTxupÖTaTOv irOp appellatur, ponatur f\Xio^; v. t. n 4, 14 K.
644 L. ficTTpuJv Mfev oflv f| ßu) irepiobo^, f|X{ou bk f| }iicr\, (Jc-
XrivT)^ hk f) iTpö^ Ta KoiXa. Ubi alias in scriptis Hippocraticis
similis exstet doctrina equidem non invenio. Neque qnae re-
periuntur igneae vis descriptiones ullo modo cum hac libri TTepl
bmiTT]^ possunt comparari. Etenim vel eam, quae propins quam
reliquae accedere videtur (irepl aapKriüV i 425 K. vni 584 L.):
boK^et hi )Lioi 8 KaX^ofLiev Oepiiiöv äOdvaTÖv re eTvai kqI irdvra
vo^eiv Kttl 6pf^v Kai äKouetv Kai irdvTa eib^vai ^övra te Kai d(Tö)ieva,
et ipsam procul abesse facile concedet, qui intellexerit in TTepl
biainiq loco, de quo agimus, certum quoddam Heracliti decretum
uno quoque fere verbo contineri. Sic, ut a fine incipiamus,
V. 10 TTup oub^KOTe dxpeiiiZov prorsus respondet irupl deilijiuj fr.
25 Scbl. 20 Byw. Ut vero v. 9 Trdvra bid Travrd^ Kußepväv
Kai rdbe Kai dKeiva (v. supra p. 9 v. 18) dicitur ignis, ita paene
22eadem verba habes fr. 44 p. 477 | coli. p. 498 Schi 19 Byw.
Porro ex intimo Heracliteae disciplinae recessu illud est petitum,
quod V. 9 somni et vigilandi condicio necessitndine quadam
cum igne coniungitur, v. Schi. p. 516—521. Denique si opus
est testimoniis, 'animae, mentis, intellectus* (v. 8) originem ex
igne suo repetiisse Heraclitum, invenies locupletissima apud
Schi. p. 474-477.
Illam igitur ignis descriptionem si Heracliteam esse demon-
stravimus, etiam magis, si fieri potest, Ephesii speciem prae se
ferunt ea quae sequuntur c. 11 p. 639 1. ult. K. 486 L.M
ol bfe fivOpwTTOi ^K Tiöv qpavepöv rd äq>av^a aK^TrreaOai oök
dirtoravTai. T^xvqcn Tdp xP^öiievoi öinoiijaiv dvOpuüTrivi) (pü<Jei
oi) jiy/ibOKOvai. Oeiöv ydp vöo^ ibibaEe iiiiji^ecTOai td ^uju-
Tujv* TivuiaKOvra^ S iroi^ouai Kai oö TiviucTKOvra^ S |Lii|i^ov-
^ Quae omniap ad verbum qaidem, sed non semper recte translata
recepit Goethe in sententiamm coUectionem sab indice Aus Makariens
Archiv libro Meisters Wanderjahre annexam ed. 1829 vol. 28 p. 241—243,
quamqoam fontem ocoultavit, (sive ipse non amplius memoria tennit: vide
quae de farragine illa ad implendom volumen e variis schedis oorrasa
prodit Eckermann vol. n p. 348 sq.).
' (Cf. Cleanthes hymni in loy. y. 4 nbi scribendnm ^k aoO T^p T^o^
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I Heraolitea 21
5 Tai. irdvTa fäp Sfiioia, ävofioia ^övra * ' Ka\ av^xtpopa iravTa,
biäcpopadövra' biaXcTÖiiieva, ou biaX€TÖ|Li€va* tviwjitiv ^xovxa,
dTvaPjiova' urrevavxio^ ö Tpöiro^ dKdaTtüv, ö)ioXoT€Ö|Lievo^'
vö)Lioq Top KQi cpuai^, olai TrdvTa biairpTicyaöjieGa, oöx 6jiO-
XoT^cxai 6)ioXoT6Ö)Li€va' vÖ|liov jifev ävöpumoi ?9€(Tav auxol
10 ^unrroioiv oö TiviüOKOvrc^ irepi div ?9€(Tav, q)u(yiv bt iravTiüv
6€o\ bi€KÖ<T)iiiaav^ & iiiy ofiv fivOptüTroi bi^OecTav oub^Kore
Kaxä TuiÖTÖ Ix^i 0ÖT6 6p9d>q oöre |if| 6pOa>q* öca bk 9€0i
bi^OccTav aki 6p9uj^ ?X€i. Kai xa öp9ä Kai xd ixf\ öp9d xoaoO-
Tov biaq>^p€i. I
2 dvOpuiidvi]] cf. p. 24 adn. 2 | 6 sq. irdvra xai 6td<popa vulg. | 6 cf.
infra adn. 8 | 7 öirevavriov vulg. (iirevavrtot; C[»v Schuster | 8 bia'npi\aa6\i€va
valg., qua lectione deceptus Bern, reliqua temptabat | 9 ^^v V: t^P vulg.j
10 irdvTC^ vulg. I 11 ecö^ 6i€K6a|uir|aev V* | 12dK6aavulg. | 13 ?X€iKalTdöp-
6u»^ Kai xd pf| 6p6<I)q Bern., idem v. 12 post utrumque oÖxe interponen-
dam 6886 xd oonidebat. ||
In quibus primum v. 5 — 7 reperitur principalis illius Hera- 23
clitei decreti, iyöq <Juvbiaq>€po)i^vou, expositio et in sententiis et
in vocabulis consentiens cum eis fragmentis ubi apertius quam
alias traditur, fr. 33 Schi. 46 Byw. xö dvxi£ouv au)iq>^pov, fr. 37
p. 432 (59 Byw.) (Tuvdi|;€iaq oöXa Kai ouxl oöXa, (TU|iq)€pö|i€VOV
biaq>€pö)i€vov, Ouvqibov bi^bov^. Atque adeo v. 7, nbi omnia per
iOjJiiv 0Xou pipima Xaxövre^ poOvoi [eodem modo postea Bergkius ind.
Icct. Hai. 1861 p. m] ; Arist. meteor. iv 8 p. 881 ^ 6 iLiipcIrai x^p i^ x^xvn
Tf|v qyOaiv).
* (eadem Zeno Eleaticus sed aliorBum versa apud Plat. Phaedr.
p. 261' Td a^d dpoia xal dvöpoia, xal §v xai iroXXd, pdvovrd xe aC xal
q>ep6MCva}.
" (Cf. Diodorus exca Vatic. p. 23 [ix 26, 4 ed. Dind.] elvai x^p Tf|v
^^ 90<Tiv 6€o0 irodicnv, t6v b^ v6|liov dvGpctnrou G^aiv).
' Ex hoc loco pro v. 6 &taXex^M€va oö öiaXcTÖimcva scribat 6ia-
cibovra oö biacfbovxo, qui velit violenter agere. Equidem, quamvis multa
in mentem venerint, nondum quicquam inveni, quod vim habeat persua-
dendi. Goethe p. 242 vertit sprechend und stumm. Verum quo iure et
omnino et imprimis secundum Heraclitum (v. supra p. 8) v. 6 dioitur,
omnia esse xvudpil v Ixovra dxvuüpova (Goethe vernünftig und unvernünftig),
oerte non eodem iure dici potest omnia loqui et omnia esse muta. (bta-
irXcKÖpcva oö biairXcKöfAeva in epistula Geelins proposuit, et revera dvxcp-
irXoxri ita prodit apud Marcum Ant. vi 10 vn 50 ut Heraclitea vox videri
possit (an Epicurea? postea B. adscripsit rectius), et Zosimi loco supra
p. 15,8 indicato habes aupirX^KCOOai diroirX^Kecdai, aupirXoKf| diroirXox/).
Sed praestat verba serrare et interpretari 'discreta non discreta* conL
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22 I Herao]it«a
contrarium converti ad consensum bis dicitnr verbis: äirevav-
Tioq 6 TpöiToq ^KdaTUJv öiLioXoTeoMCvo^, babemus nnde ^vavTio-
Tpoin^v Heracliteam composnerint recentiores (Diog. L. (x 7,
Schi. p. 424) <eidemque 6|ioXoTiav cf. Diog. ix 8 extr.>.
Neque deest inter Heracliti fragmenta einsdem rationis
vestigium, qua v. 9—13 sibi opponuntur consaetudo ab homini-
bns profecta et natnrae lex, quam condiderant dei. Haec enim
exstant in scholio Iliadis A 4: auvTeXet äTravra ö deö^ irpö^ dp-
ILioviav Toiv öXujv oIkovo|liujv xd <Tu)iq)^povTa, öirep Km^HpdKXcixo^
X^T^t, ibq Tui jüi^v Oeip KaXd irdvra Kai dyaOa Ka\ biKaia, dvOpu)-
iToi hk & fi^v dbiKa uTreiXi^q>a(Tiv & hk biKaia. Ubi nemo in prio-
ribos tantum qnaerenda esse Heraclitea contra aperta ipsins
scholiastae verba fHp. X^t^i ib^) cum Schleiermachero p. 410
pronuntiabit, qui v. 9—13 contulerit.
Etiam alius reperitnr inter fragmenta Heraclitea locus us-
que adhuc obscurus, cui ex hoc TT€pi biaini^ loco lucem afFerri
posse conicio. Etenim in Piatonis Hippia maiore p. 289*, ubi
de natura pulchri agit, leguntur haec: dirvoeT^ öti tö toO 'Hpa-
24KX€iT0u €Ö ^x^i, (bq dpa iriOrJKUiv ö KdXXtaro^ | aicTxpöq dvOpu)-
ireiip T^vei auiiißdXXeiv, et paullo post: f\ oö Kai 'HpdKXeuoq raö-
TÖv TOÖTO X^T€i, 8v (Tu dTrdyij, öti dvöpumiwv 6 <Toq)i£)TaTO^ irpö^
9€Öv ttiOtiko^ q)av€iTai Kai aoq>iqi Kai KdXXei Kai toT^ dXXoiq irämv
(cf. Schi. p. 422, fr. 98 sq. Byw.). Quae non esse ipsa Heracliti
verba quivis videt etiam non admonitus. Ego vero ne sententiam
quidem esse Heracliteam concedo, neque secundum veram Ephesii
mentem hie a Piatone comparari hominis cum dei pulchritudinem.
Quod si cui audacius dictum videatur, is, quaeso, et universam
Platonicornm dialogorum naturam reputet, et quid alibi in Hera-
cliteis dictis sibi permiserit Plato e Convivio p. 187 • cognoscat.
Quin immo in ipsius Piatonis verbis bis: dvOptoTrwv ö aoqxl)-
TttTO^ satis apertam remansit Heracliteae sententiae indicium.
Nam quid tandem agit sapientia in pulchrorum corporum aesti-
matione? Quamqnam illud indicium oblitterare studuit Plato
addito Ka\ aotpiq. Ka\ KdXXei Ka\ toi^ dXXoi^ irdai. Quapropter
Heraclitus videtur solum hoc dixisse : sapientissimus homo ean-
dem habet rationem ad deum quam simia ad hominem; quod
Aristoph. Lysistr. 720 6iaX^ou(Tav ti?|v 6Trf|v Kar^aßov, Xenoph. oomment.
Soor. IV 6, 11 btoX^ovra^ xard t^vt] (tA irpdTKiOTa), Demosth. adv. Lept. 91
p. 484 extr. xcipovovelO' öfn^^ toCj^ öiaXdHovTO^ to{j^ ^vavriou^ (vöjiiou^), al.).
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I Heraolitea 28
Graece sie fortasse sonabat: dvOpidiruJV ö aoq>u>TaTO^ irpd^ Oeöv
ÖKikKTnep iriOnKoq irpö^ ävOpuüTTOV. Ulud dictum cum in sermoni-
bus tamqaam proverbium quoddam, sicut multa alia Heraclitea,
frequentaretar, e re nata ad suum qnisque consilium eo uteba-
tur parum carans veram ipsius auctoris meutern. Eaveroqualis
fiierit apparet ex loco TTepl biaini^ quem tractamus. Ibi enim
V. 2—4 dicuBtur homines artibus suis divina opera, quae quidem
sunt universae naturae leges, iuscii imitari, ita ut quamvis
sciant quid faciaut, tamen exemplar illud divinum non cogno-
scant, ad quod se semper instinctu quodam compulsi (Oedlv vöo^
dbiba£€ Y. 3) componunt. Talern sententiam haud indignam saue
Heracliti ingenio qui velit similitudine aliqua breviter compre-
hendere^ ecquam possit in venire aptiorem bac: Homo est simia
Dei»?
lam hie de artibus naturae imitatricibus locus longa artium
enumeratione probatur in libro irepl biainiq inde a p. 640, 15
usque ad p. 647, 3 (488, 2—496 L. c. 12—24). Eiusmodi quid
ab ipso Heraclito | factum esse colligi poterat e libro irepi kö-25
(Tfiou c. 5 ubi verbis bis: TauTÖ bfc toOto fjv Km tö irapot ti|>
aKOT€ivi]^ X€TÖ|i€vov ^HpaKXeiTiu* '(Juvdipeiaq ouXa Kai ouxi oöXa,
(rufiq)€pöji€VOV Kai bia(p€p6)i€VOV, (Tuvqibov Kai biqlbov ' Kai dK irdv-
Tuiv tv Kai tl iyöq irdvra*', satis copiosa praemittitur exemplo-
* <of. Marcus Anton, iv 16 ivxö^ blKa i^imepuiv 8€6<; a(rrol^ böEcK olt;
vOv ei)p(ov xal ir{eiiKo^^. [Platonem, opinor, expressit Plotinus enn. vi 3
(ir. 39, 63) p. 626 Bas. mO/iKuiv, qn\aiy^ 6 KdXXiOToq alaxp6<; ou^ßdXXeiv
' Ex vestigiis codicam Appulei de mundo p. 66, 83 Elm. [121, 24
Goldbacheri] apparet Appaleium scripsisse £S £v6q ^<; irdvra. Sedgravius
est qaod in altero loco Heracliteo libri ircpi K6a^ou Appuleiani Codices
praebent auxilinm. Etenim ir. k6<j. c 6 extr. p. 401* 10 leguntur haec:
irftv yäp IptrcTÖv ti?|v Tf|v (trXiiTtl Stob. ecl. ph. p. 46, 7 Wachsm.) v^füieTai,
^ 9iiatv 'HpdicXciTO^. Inde Schleiermacherus confecit fragmentum suum
S7 p. 422, in quo explicando ipse sibi non satisfecit. lam si totum TT. k6<t.
locnm accnrate perpenderis, illud Heracliti testimonium videbis neque ad
ea quae sequuntur neque ad ea quae praecedunt apte pertinere. Utro-
biqne enim agitur de uniiate ordinis per totam naturam patentis. Appulei
autem libnim de mundo p. 74, 41 [133, 16 Goldb.] si inspicis, in editio-
nibus quidem antiquis etiam ibi invenies inepta illa verba irdv yäp ^pire-
Töv ktX. tamquam Heraclitea allata. At vero ex libro ir. kö0. inseruerunt
ea editores Appuleiani ante Hildebrandinm omnes. Nam in codice Mar-
ciano Florentino a quo nisi in minutiis codex Paris, et Laurent, non discre-
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24 I Heraolitea
rum ex artibua samptornm collectio p. 396^ 11—19, qua demon-
stretur &)i6voia biä tujv dvavTiujv oö biet tujv 6|uioiu)v. Etiam
largiore mann dvavriÖTriTo^ documenta cnmniat Philo Quis rerum
divin, heres sü c. 43 1. 1 p. 502 Mang., anteqnam celebratnm illnd
Heracliti h/ tö i.1 d)iqpoTv tujv dvavTiuiv commemorat. Inde, inqnaai,
coUigi poterat etiam ab ipso Heraclito decretnm illnd expli-
catum esse exemplornm qnadam multitndine. Nam ubi andqni
scriptores alium qnendam scriptorem afferunt nominatim, vel
maiore cnm fiducia, qnam hoc fit apud hodiernos, potest conici
etiam finitima ex eodem scriptore hansta esse quodammodo.
26 Vernm | in hac qnidem caussa amplins non opus est coniectnris,
postqnam ex Armenia deperditorum Phiionianornm librornm ver-
sione apertnm prodiit testimoninm hoc (Qnaest. in Gen. ni 5
p. 178 Anch., t, vn p. 11 Rieht.): 'Heraclitus libros conscripsit
de natura a theologo nostro (Moyse) mutnatus sententias de
contrariis, additis immensis iisque laboriosis argumen-
tis'^ Ex hac igitur Heraclitei libri parte copiam istam simili-
tudinum translatam puto in librum irepi btairri^. Introdncuntur
autem hoc prooemio c. 12 p. 640, 14:
iffh hk briXdxTuj T^xva? qpavepa^ dvGpiwirou TraOrjjiaaiv
6|ioiaq tovaa^ Ka\ qpavepotoi Kai dqpavecTi.
Ubi compilatoris orationem persentisco atque indicium
licentiae quam sibi sumpsit in Heracliteis. Heraclitus enim non
solnm humanae sed universae naturae leges atque imprimis £v
auvbiacpepöfievGV spectavit, similitudines autem ita videtur appo-
suisse nt 'tertium comparationis' vel omnino omitteret vel bre-
vissime indicaret. Contra compilator medlcus diaeteticus quae-
cumque potuit ad solius dv9pa>Trou TraOrjiiiaTa* verbosa expli-
catione ita detorsit, ut etiam biaiTav (c. 17 p. 643, 6 K. 492 L.)
pant ezstant haeo: mensa TTaNTa eYePRerwMOSSaBRINaMePHeSSe-
TONOSSahYTI. übi latent fortasse talia : €l<; ditavTa bidpiruiv (vel bUiruiv)
K6<T|Lioq Kußepv^ ^e^€pta|ül^o^ £^ diravra. Ita autem apte sequitur et in
libro ir. k.: €t<; H Ct)v iroXuudvu^öq iaii ktX. et apud Appaleiam: 'Et cum
sit unus'.
^ Videtur in Grraeco exemplari exstitisse: irpoaOei^ irapabciTlLiaTa
dir€ipa Kai nepiepfa. — Si reputo per quot manus nobis tradita sint haec
Philoniana, vix videtur premi posse pluralis libros; quamquam potest re-
Bpicere ad tripertitam libri Heraclitei divisionem, v. supra p. 9 adn.
' Atque nunc ausim dioere etiam supra p. 20 v. 2 dvOpuiirlvi) in-
sertum esse a oompilatore.
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I Heraolitea 25
et iTiTpiK^v (c. 15 p. 642, 9 K 490 L.) inferret bn^uKTci suae.
Qnod Yocabnlam ei proprium esse in tali negotio snpra p. 5 et
16 vidimus. Ita factum est nt aliae similitudines loquaci one-
rentur interpretatione, aliae nndae adsint sine isto 6 fiiOdo^ bTiXoi.
Quae omnia hoc tempore possnmns significare tantum, plenam
demonstrationem quando licuerit praestaturi. lam nunc vero
noD possumus non indicare eas similitudines, quarum mentionem
fecimus per superioris. disputationis tenorem. Atqne | primum 27
qoidem exemplum a serrantibns repetitum (p. 15 v. 4) iterum
deprehendimus c. 16 p. 642 E. 490 L. Uli cum per contraria
(5 ^lv diO^ei, 8 bk SXk€i) idem perficiant, quasi ante ocnlos po-
nunt hf (Tuvbia(p€p6)i€vov Heracliteum. Antiqniorem scriptorem
heraclitissantem eo exemplo ad q>ij<Jtv dvOpiuiTou explicandam
Qsum fnisse, a compilatore autem diaetetico illatam esse Tpoq>f|v
dvOpumou patefecimns snpra p. 16. Hoc vero loco post qpuaiv
T€ dvOpibirou )ii)i^ovTai quaedam et de 7TV€U)üiaTi humano et de
aiToi^ addit eompilator.
Deinde circuitus, quos ignem in corpore humano perficere
dictum erat supra p. 19 sq., hie breviter commemorantur sie c. 19
(p. 644, 10 K. 492 sq. L.): TrXoK^eq äjovre^ kukXuj irX^KOuaiv,
Änö TTi^ dpxfl? €l^ T^iv dpx^v xeXeuT&cTi. tiüötö * irepioboq iv T(p
adl^aT^ 6kö8€v dpxexai, im toOto reXeuT^. Ubi circuitus mentiö
an Heraclitea sit in medio relinqno, circuli tamen similitudine
alicnbi usnm esse Heraclitum affirmo ex Porphyrie ad Iliad. Z 200:
£uv6v dpx^ Kai ir^pa^ iiA kukXou ircpicpepeia^ xard töv *Hpd-
kXcitov*. <Vid. Hippocrates TTcpi Tpocpf)^ 9 t. ix p. 102 L. dpx^
bk TtdvTuiv jiia Kai TcXeutf} TrdvTuiv fiia, Kai fj aörf) TeXcuxfi Kai
dpxni Alcmaeo Arist. probl. xvn 3 p. 916 • 34 tou^ dv0pumou^
biet TOUTO dTTÖXXuoOai, ÖTi o\) buvavrai jfjv dpxf|v iCb xdXei Trpoa-
d^iai (cf. Philippson TX. dvOp. p. 185, 2) ibique Arist. ei bx]
kukXo^ dori, ToO bk kukXou |lii^t€ dpxi?| inriTe t^Xo^ ktX.>.
lam bis duabus comparationibus addere liceat alteras duas,
quas Heracliteas esse certis constat testimoniis. Etenim con-
cordiam suam discordem exemplo a musica repetito probasse '
' [tuiötö Ermerins: toOto libri].
' Quem non esse AUegoriarum Uomericarum scriptorem, qaod post
Heyninm ad Iliad. t. vi p. 564 dixit Schaeferos in Greg. Ck>rinth. p. 170,
lonicnm Suvöv demonstrat. (Ineptit Mehler ad Heracliti alleg. p. 101 : qui
quod obiecit etiam apud Plotinum legi ionioe biö xal £uv6v tö (ppov^v,
id ipram Heracliteum esse statim p. 26 adn. 1 patebit}.
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26 I Heraclitea
Heraclitnm et aperte testificantur Ethica Eademia vn 1 p.l235*
27 (Schi. p. 434) : ou T^p Sv elvai dpiiioviav |Lif| övto^ öHoq xai
ßapto^ et signifieat liber irepl köcjihou p. 396*» 15 (cf. p. 23) jiou-
a\\d\ öie\(; &[xa Kai ßapei^ iiiaKpouq xe Kai ßpaxei^ <p6ÖTT0u^ |Lii5a<Ta
iv biaqpöpoi^ q>ujvaT^ juiiav dirdreXecTev dpjioviav, Philoque loco
priore p. 24 indicato: öiei^ Ka\ ßapeiq qpOÖTTOi.
Cam bis igitur conferenda sunt quae exstant TT. btair. c. 18
p. 643, 10 K. 492 L.:
jioucyiKfi^ öpTavov uirdpEai bei irptüTov dv ü^) brjXdMTei S ßou-
Xejai. dp|Liovir|^ auvrdEie^ Ik tujv aÖTUJv oux al auTai, ^k toO
28 6S^o^ I Kai ^K ToO ßap^o^, öv6|iaTi iiiv öjütoiwv, ^Oöfliip b^
oux öpoiujv. Td irXeTcrra bidq)opa fudXicTTa iv^xtpipei, rd bk
5 dXdxicTTa bidqpopa f^Kiara lv}iq>ipe\^. rd bk ö}ioia Trdvra
Troi/jaei ti^, ouk lyx T^pipi^** a\ TrXeTcTTai McraßoXai Kai iro-
Xueib^crraxai iiidXicrra t^pttoucti. |LidT€ipoi dipa CK^v&loxxnw
dvOpiuiroicTi biaq)öpiuv (TujLiq)6pujv iravTobaiTd SufKpivovre^, Ik
Ttüv auToiv ou Tauxd, ßpdiaiv Kai ttöctiv dvOptüirijj. ei hk
10 Trdvra öfioia iroifiaei, ouk fx^i T^pipiv. oöb' el Iv Tiji aörqj
Tidvia EüVTdHeiev, oiIk Sv i^ox öpOu)^. Kpoüexai xd KpouiLiaxa
tv ixovOiKXji Td iikv dvui Td hk kotu). yXujacTa )iouaiKf|v ^i-
)uid€TOi biaTivuMJKOuaa iikv tö tXuku Kai tö öHu tiöv ttpocTtti-
TTTÖVTWV Kai bidq)U)va koi Eujiq)U)va' KpoucTai bk tou^ q)9ÖT-
15 Tou^ fivu) Kai KdTU), Kai oöre Td fivu) Kdxuj Kpouö)i€va dp9ui^
2X€i oÖT€ Td KdTU) dvui. KaXu»^ b' fip|iO<T|i^VTi^ TXuiaoiiq ttj
aujiqKJüviij T^pipi^, dvapiiöcTTOu bk \\)m\.
^ Cf. fr. 86 p. 420 Schi. 47 Byw. &p|Liov{ii d<pavfi^ (pavepf)^ Kpe(00uiv.
Ad quae Heraclitea verba respicit fortasse Plotinus enn i 6 (tract. 1), 3
p. 53 Bas. ai bi &p^ov(al al ^v rat^ <puivat( ai dqpavetq Td<; q>av€pd^ iroif|-
aaaau Etiam alibi Heraclitea tacitus intermiscet suae orationi Plotinus;
velut enn. v 9 (tr. 6), ö p. 659 koI t6 *i|LiauTÖv £6l^:T1ad^1lv* dj<; §v
Td»v övTuiv, quae sunt verba fragmenti 73 p. 530 Schi. 80 Byw.; (enn.
VI 5 (tr. 22, 26) p. 668 b\ö xal *Huv6v t6 (ppovctv' ex fr. 91 Byw.
p. 478 Schi. (Stob. flor. 3, 84), cf. etiam Gildersleeve De Porphyrii stud.
Hom. p. 25; illnd *improbum dictum*, ut appellat Gasaubonns in Suet.
Tiber. 61 p. 408 *>, (fr. 43 Schi. 85 Byw.) v^Kue«; yäp Koirpiuiv iKßXnrdTcpoi
enn. v 1 (tr. 10), 2 p. 483), [et quod supra p. 23, 1 indicatum est. alia indi-
cavit By water p. 84. sed quod Kirchhoffius (Plot. ii 435) Heraclito tribuit
enn. in 6 (tr. 25), 12 p.314 vö|üi(|> Xpo\i\, xal Td dWa vö|üiqi Democriteum est]«
' Fortasse in hanc sententiam *varietatem delectare' dixerat Hera-
clitus vuxflc^i Tdp\|iiv clvm irfpljiax t€v^<y6ai (fr. 72 Byw., v. Schi. p. 617),
cf. Heraclitus Luciani Vit. auct. c. 14: Tdpt|iiq, dTCpHrCr).
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I Heraclitea 27
2 &p^ov(i)q y ut conieeerat Bemaysius: &p|üiov{r). vulg. | 8 xal ^kY:
^K valg. I «pGÖTTUiv V | 4 tA 6^ V: Kai rd vulg. | 6 rd V: €l vulg. | 6 €vi]
^Ti V I 8 dv6piinroi(n bc vulg. | (Tu^q)6puiv V: om. vulg. | 9 TaOxo V |
dv6ptOirt4i V dv6pi(nrufv vulg. | 9 cl-lO iroi/|a€i V: f^v-iroifiaq vulg. | 10 ti?) om.
vulg. I 14 Kai Tä bidcp. vulg. | xal Siü^qpajvaY: om. vulg. | 'fort. KpoO€i*
Bern. | bi Todq (pOö^TOu^ delebat Ermerins, To<iqq>8. By water | 16 T^iJtMTari^]
XOpiK Ennerins | rf^ au|yupuiv(r) V: xf^q 0U|üiq)U)v(r)<; vulg. ||
In qaibns masica ratio tot in partes ad Heraclitenm Iv
<Tuvbiaq>6p6)Lievov adhibetar, taleqae exstat dicendi genas, nt
procnl habenda sit qnaeyis Pythagoreae orginis suspicio. Quid
qnod in extremis v. 15 ad ipsani 6böv Svuj Kdrui band obscure
respicitnr?
Pergimns ad alteram similitadinem quam Heracliteam esse
certo diximus eomprobari testimonio. Sextus enim adv. ma-
them. vn 129 nbi somni et vigilandi naturam secundum Hera-
clitnm explicat sive sua seu potius Aejnesidemi oratione, in 29
somno dieit mentem nostram (ö iv fmTv voO^ separari a irepi^-
XovTi, com omnes sensunm meatus claudantur praeter unam
respirationem. Itaque dormientem carere ratione, cuius fons sit
TÖ nepi^xov. In vigilantibus vero cum mens per sensuum meatus
tamquam per fenestras prospiciat' prorsusque concrescat cum
irepiexovTi, rursus recuperari rationem. Deinde pergit sie: ßvirep
ouv TpöiTov ol fiv9paK€^ n\r\aiaaavTeg Ttp irupl kot' dXXoiwmv
(nenne Karä öjiciwcTiv?) bidTrupoi Tivovrai, x^picJO^vre^ bk (Tß^v-
vuvxai, ouTui Kai i\ dmEevuiOeicJa toT^ f||i€T^poi^ aibiiaöiv dird toO
nepi^XOVToq imoipa (v. supra p. 19) Kard [ikv töv x^^pi^MÖv axeböv
äXoTo^ Tivexai, Kard bk Tfjv bid tujv TrXeicTTUiv iröpuiv cruiicpucnv öjioio-
* § ISO ^ b' tfpr\yop6ai irdXiv 6id vSsv alcrOriTiKu^v irdpunf tfiairep ftid
Tivurv Oupibuiv 1TpoK0^fa( (d ^v 1^^1v voO^). Ergo hoc loco ipse Heraclitus sie
statnisse tradltur. Verum idem Sextus eodem libro § 849 haec habet:
(t?|v btdvoiav) ot ^kv Iktä^ toO ailijuaroq (elvai ^Xexov) ili<; Alvii<j(bimo<;
xard 'HpdKXciTov .... 360 ot bi aÖTiP|v €lvai xd^ ala6f|<TeK KaOdircp btd xivuiv
dirtiiv Ti&v alaOiixiipiuiv irpoKOirxouaav, fj^ axdaeu)^ f\pH Zxpdxuiv x€ 6 cpu-
aiKd^ Kai Alviia{bTi|Lioq. (Verum metaphorae sensum Tertullianus indicat
de an. 14 (Schi. p. 489) 'nam et ipsi (Strato et Aenesidemus et Heraclitus)
unitatem animae tnentur, quae in totum corpus diffusa et ubique ipsa,
velnt flatus in calamo per cavernas, ita per sensualia variis modis
emicet non tarn concisa quam dispensata*. igitur öira( sunt cavemae
calami (die lochet einer pfeife): Sextus, nee minus Philo fr. ir. Koa|Lioiroi(aq
t. Ti p. 226 Rioht., inperite confudit cum 6up{ai. Pertinet exemplum ad
unitatem animae demonstrandam).
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28 I Heraolitea
€ibf|^ Tif» 8\i\) KaOicTTaxai (cf. Schi. p. 519). His igitur similia qnam-
qaam aliorsum translata in libro irepl biaini^ primo reperiuntur,
sed in posteriore libri parte, qnam alioquin ex nostra dispu-
tatione exclusimas. Postquam enim satis prolixe exposait scrip-
tor et a mare et a femina varias secerni animas earumque
commixtione effingi fetum, opinionem saam comparatione cum
carbonibus instituta sie illustrat c. 29 p. 652, 3 K. 504 L. ei b^
Ti^ dmcTTdoi vpuxi?|V |Lif| Hu|i|ii(yt€(T9ai ipuxq, dtpopijiTi i(; övOpaxa^,
(}xi\) KCKauji^vou^ irpö^ KCKauM^vou^ TrpoaßdXXiov, IcTxupoüq irpö^
d(TÖ€vfe?, Tpo<pf|v auToTm biboii^* 6|iotov tö (Tüüina äirav irapeaxn-
KÖT€5, '^«i o\) bidbnXov <TÖ> ?T€pov ToO dx^pou, dXX' ^v ÖKoiip
au)|LiaTi Cumuptovrai, toioOtov bi\ tö Trdv forar ÖKOxav V dva-6
SOXikruKTi Tfjv öirdpxouaav Tpocprjv, biaKpivovxai | i(; tö dbriXov.
TUJÖTÖ Ka\ dv9punrivTi \\fvxi\ n&axe\ K
ünde colligitur Heraclitnm alicnbi vpux^v dvGpuüTrivriv cum
carbonibus comparasse, omisso, ut solebat, Hertio comparationis".
Id Aenesidemus sibi invenisse videbatur in animae cum irepi^-
XovTi necessitudine, scriptor antem irepi biainiq in commixtione
variarnm animarum, quas a mare feminaque coeuntibus secerni
putabat.
Sed relicta posteriore illa libri ircpi biairn? parte* redea-
mus ad finem snperioris loci Heracliteis similitudinibus cumulati.
Ipse enim finis ita est comparatus, ut vel solus possit certissime
demonstrare quot Heraclitea illuc comportaverit compilator. Est
vero talis c. 23 p. 645, 15 K. 494 L.
' in his V. 1 diriöT^oi dedit editor: diriarel V diriox^ci alii libri |
<yuv^l(rf€aeal V: irpoa|Li{<rr€cieai vulg. | cpüiaci V | d<popiJ)r| editor: dqpopOjv
Vdcppiüv vulg. I i<; V: iarW vulg.| 2 ^f^ K€Kau|Li^vouq£rinerins/fort.Kaio|Li^vou^'
Bern. | 3 Äirav irap€(TxilKÖTO<; V, corr. editor: irdvxc^ irapaox/löovxai vulg. |
4 6id6iiXov ?T€pov V bidbriXo^ €T€po^ vulg. | 0T€poO V | 5 6f| t6 irfliv V:
ditö irdvTuiv vulg. | 6 ötaxpiv^ovrai ci. editor | *8cr. feidbiiXov' Bern. |
7 TuiÖTÖ Ermerins: toOto libri. — Haud inutiliter cum hoc looo conferatur
irepi Tovfi<; c. 6 t. i 377 sq- K. vn 478 L., ubi seminum masculorum fe-
mininorumque commixtio explicatur exemplo cerae et adipis igne lique-
faotorum.
' Ex qua quaedam, quae non aliena videntur ab Heraclito, brevis-
sime hie indicare liceat: 647, 16 (498 L.) buvdaTai bk dvOpuiiroi ktX.; 654, 6
(506 inf. L.) xoXkö«; 6 MaXaK(6TaT0<; ktX. cf. c. 13 p. 641, 12 (488 L.) töv
aibiipov ircpiT/iKouai ktX. et Stoioos atque Aenesidemum, quos Heracliti
sectatores esse oonstat, apud Tertull. de an. c. 25.
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I Heraclitea 29
TpamüiaTtKfi Toiövbe* aximAruiv auvBem^', arwxexa dvBpwtrivii^
q>ujvi)^, buva^i^ xd irapoixöjLieva juvrmoveOaai, rd iroiTiT^a
bn^uKTai. [bi' itrzä axrwi&Twv f) tväcti^] TaOra trdvTa dv-
Gpumo^ biaTTpT)<T(T€Tai kqI 6 dmcTTdiiievo^ TpdMM«Ta kqI 6 jiifi
5 i7n<TTd^€V0^. bi' dirrd (TxnMdTuiv [kqI] al al<T6ri<T€i^dv9piU7ru)'
dKof| niöqHJUV, ön>i^ (pavepuiv, ^iv€? öb^fl5, T^uKTCTa f|bovfi?
Kai dnbiii^, (TTÖ^a biaX^KTOu, aOj\ia ipaucTio^, OepfiioO f| HluxpoO
TTveü^axo^ bUHoboi ßui Kai eiaw. bid toötidv dv6punroi(Ti
TVdMJl^ dTVUKTlTl. I
1 ouvO^aci«; V | (^)^r)la 9iuvftq dvOp. vnlg. | 5 al ala6f)a€iq V: i\ aXa^ax^
i\ vnlg. I dvOpdnrip Bywater: dvOpüdiruiv libri | 6 /^Ivcq Y: /^Iv vulg. | 7 vulgo sio
distingnitur Miai&aio^ Scp^oO f\ i|riixpoO, 1TV€0^aTO^: quod mutavi duotns
saperiore qaodam looo c. 10 p. 689, 2 K. 484 L. bUEoöov 1TV€0^aTog
tpuxpoO xal 6€p^o0 | 8 üoiu xai ßui vnlg. | 8 sq. yvilKTiq dv6p(lfirotaiv vulg. |
9 dTvuiaifi V at proposaerat Bern., dtuivlr) vnlg. ||
Litterarum exemplo, quod obversari videtur Philoni (locosi
snpra p. 24 indicato TPotMMOiTtKfi dTpamnaria), iternm probatur,
artes hmnanas sola naturae imitatione constare. Officiis enim
litterarum, quae praeteritorum memoria, agendorum indicio con-
tinentur, etiam illitteratus homo fungitur per recordandi et lo-
quendi facultatem naturalem. Seclusi autem v. 3 bt' ^tttoi axt]-
\iaT\jJV h v^üjoiq tamquam indicem eorum, quae inde a v. 5 se-
quuntur. Qui cum in verborum ordinem irrepsisset, etiam v. 5
Kai ante fi aXaQr\a\q in libris vulgatis progenuit. Nam frigidam
aliqnam comparationem inter Septem vocales — tot enim co-
gnoTerat lonicus — et Septem sensus hie institui, vel propterea
non crediderim quod consonantes non minus quam vocales sunt
atwiexa dvOpiuTrtVTi^ (pujvfi^. Ipsa vero 'septem^ sensnum enume-
ratio certe et in rebus et in verbis valde peculiaris^ est naturae,
qnamquam Heracliteam esse aliunde non possum demonstrare.
^ (cf. Demooritas Clementis ström, i 16 p. 867 Pott. Tpa^ipLixiDf ouv-
O^oio^ ^erd diro6^gio^).
* (Eandem fere partitionem sed pro consilio mutatam exhibet soriptor
libri Hippocratei TTcpl £ß6o^d6uiv c. 8 t. vni 688 ix 437 L. m 641 Ermer., alio
modo aeptenarium aensanm numerum ef&oit Clemens ström, vi 16 p. 81 4 Pott.,
etiam Celtae yn sensus namerare feruntnr cf. F. C. Meyer Celtisehe Völker^
t^aften (Berol. 1868) p. 83). alias qui velit enumerationes oomparare,
adeat Yalckenaerii diatrib. de Arist. c. 82 p. 98 sq., (de ooto animae par-
tibua secondum Stoicos cf. [Plut.] plac. iv 4, 2 p. 890 Diels, Varro de
1. 1. IX 80 p. 476 et quae adnotata sunt ad Philonem ir. d<pO. Kdo^o\J 266, 8
p. 73 sq.).
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80 I Heraditea
At vero quod v. 8 exstat, Bensnum scientiam esse ignorantiam
(b\a TOUTuiv dvBpumoKJi tvokti? dtviucTiTi), id non solnin cum
Heracliti de sensuum fide sententia convenit (v. sapra p. 8 et
Sext. adv. math. vn 126 Tf|v atoOricTiv . . . ämcTtov eTvai vevö-
^lK€v)^ sed adeo ipsias Heracliti esse verba probatar ex Luciani
Vit. auct. c. 14, ubi Heraclitas exclamat kqI (an twötö T^pipi^
dT6pi|i(ii, TVUJCTi^ dTVuJCTtii, quae simul emendationem nostram
confirmant.
Per illam vero sensaum vituperationem progreditar oratio
ad omnem hominam et scientiam et vitam acriter increpandam
c. 24 p. 646, 6—647, 3 (496 L.). Quod profecto a nuUo anti-
quorum philosophoram minus alienum est quam ab Heraclito,
qui pari contemptu eodemque fere conviciornm genere et philo-
sophos qui ante cum inclaruerant et commune vulgus est per-
secutus. Unde appellatur a Timone öxXoXoibopo^ (Diog. Laert.
IX 6), a Theodorida autem (Anth. Pal. vii 479, 6) GeTo^ uXa-
32KTiiTf|^ bi^|Liou...KüU)v*. lam cum Schi eiermacherus aliquot | coUe-
^ (simile fuit Democriti iudicium, cf. Sextus emp. adv. mathem.
vn 139).
' Yidetur etiam in re publica plebis oppngnator fuisse Heraclitus
e nobilissima optimatiam Ephesiorum familia oriundus. Nam ad gentem
ßaoiX^uiv, quae originem ab Androclo Ephesi conditore repetebat (v. Strab.
XIV p. 682 sq., (cf. Plin. n. h. xxxvi 95 *a singulis regibus'», pertinuisse
Heraolitum ooUigitur ex Antisthene apud Diog. ix 6 ^KXuiipf)(Tat (' HpdxXet-
Tov) T<^ d6€X9i]p Tffq ßamXelag. ünde hoc quoque apparet gentilium bo-
norum participem fuisse solum filium natu maximum, (cf. Arist. pol. v 6
p. 1805^ 8). — ExBtat inter nummos mnsei regia Daniae (v. catalog. Chr.
Rami p. i p. 234 n. 45) nummus talia: T. lOY. OYH.' MAEIMINOZ caput
laureatum: E0ECIQN HPAKAEITOZ vir barbatns largo pallio iudutns stans
dextra sublata et quasi ori admota, sinistra clavam*. Zoega autem qui
Bassi ril. p. i p. 186 adn. eundem nummum acouratius describit pro olava
dioit 'baculum nodosum*. (Aooedunt alii nummi Ephesii Philipp!, Diadume-
niani, Getae qui Heraclitum eodem modo repraesentent, cf. Schuster in
actis soc. Lips. t. ni p. 366 et in libello üeb. die portraits der gr. philosophen
p. 5). Ubi caveto ne Heraclitum putes pallio indui philosophorum et ba-
culum gestare cynioum. Immo insignibus ßaaiX€(a^ eum ornari patet ex
Strabone p. 633: koI in vOv ol Ik toOt^ou^ övofAd2;ovTai ßaaiX^<;, Ixov-
T^( Tiva^ Tl^d(, irpoeöplov t€ Iv &vSso\ kqI irop90pav ^irioimov
ToO ßaaiXtKoO T^ou^, oxdrwva dvrl OK/iirrpou. Fortasse ad eosdem gen-
tiles honores referendum, quod in foro Ephesio sepultum esse Heraclitum
narratur apud Diogenem. Neque minus in hominem nobili genere na-
tum illud quadrat quod Clemens nescio quali auctore prodit Strom, i 14
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I Heraclitea 81
gerit firagmenta, quae ad philosophornm insectationem spectant,
qaamqaam vel haec aliquantalum possant augeri: nnum tantam
appofiuit, quo vulgares homines contumeliose tradncnntur, neque
lUud ßine erroribus. Qnare liceat de eo exponere paallo ac-
coratins.
Est autem fr. 71 p. 526 Seh. (111 Byw.), quod ex 'inedito
Prodi in Aleibiadem commentario" sie aseripsit ille: 'OpOui^odv
Kai 6 Ttwaio^ 'HpdiKXeiTog dirocTKOpidCei xö TrXfieo^ ihq dvouv
Kai dXÖTMJTov. *Ti^ yäp aÖTuiv' <pii<Tiv "vöo^ f| ^9^11^1 öti ol troXXol
KOKoi, iXiTOi hk dtaOoi. TaCra \iky 'HpdKXetro^. Quibus addit
Schleiermaeheras, e postremis verbis coliigendum non esseetiam
5ti o\ TToXXoi ktX. tamquam Heraelitea afferri. Attamen hoc
ideo tantam ei in mentem ye|nire potait, qaia librnm unde Prodi 83
verba descripsit non satis diligenter inspexit. Descripsit enim,
qaamqaam non dixit, e Fabricii in Sextam adv. math. yii 127
p. 397 adnotatione, ubi inter f{ <ppf)v et 8t\ o\ troXXol inter-
ponantnr omissionis signa a Schleiermachero neglecta. Omisit
vero Fabrieius misere corrapta, quae sie apponere noluit, emen-
dare non potuit Ita rem sese habere apparuit, ex quo integrum
Prodi locum ediderunt Creuzerus ad Plotinum de pulchrit. p. 98
sq. Prodi comm. in Ale. p. 255 et Gousinus in Prodi opp. t. lu
p. 115, <ed. sec. p. 525^ Ibi enim exstant haec:
öpGuj^ oov Kai ö T^waTo^ 'HpdKXetxo^ dTro(TKopaKi2[€t tö
irXf)Go^ thq dvouv Kai dXÖTiCTTOV xi^ Tdp auTUJV, q)ii(Ti, vöo^
fj q>pi^v, bri^urv aiboC^ i^trtöujv t€ Kai btbacTKdXiij xp^tuiv
T€ öfLiiXiu oÖK elbÖTC^ ÖTi ol iToXXol KaKot, öXiTOt bk dtaOoi.
5 Taura jiifev 6 'HpdicXeiTO^.
2 airvSrv Parisiensis, duo Monacenses, Hamborgensis : omittit Leiden-
Bis et ut videtor Yaticanus | 8 [9pfrv baifmujv (vel. 6a(|yiiuv) Bergkius, ö/|-
^uiv deL Bywater] | ryniwv Monac. 2 | 8 6i6aaKdXu)v et d)i(Xu;v Creuzerus
ntrobique. ||
Quae cum sint e coniectura corrigenda, feliciter huic ne-
gotio aliunde advenit auxilium haud contemnendum '. Etenim
apud dementem ström, v 9 p. 682 Pott leguntur haec:
ertr. p. 854 Pott. 'HpdicXetTo^ . . . MeXaincö^av töv TOpavvov Sirctaev dtro-
e^oOoi Tf(v dpxf|v, (cf. ad epist. Heraol. p. 14). Qui Melanoomas idemesse
yideiar Ephesius tyrannus quem Snidas s. v. MinrtXrvaS appellat: Kui^fig.
' Quo cum non usus esset Werferus apud Creuzerum ad Plot. p. 99
talia temptavit: ri^ Tdp, <pn<^, v6o( f) 9P^v bi\\ii\i al6o0q ^irtOTfiruiv
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82 I HeraoliiM
alToOv'ldbe? ^oö(Tal biappi'ibiiv X^TOum tou^ fi^v iroXXou^
Ktti boiai<Ti(TÖ<pou^ brjmuv doiboTcTiv ?TT€<T6ai Kai vö^olm XP^€-
(TÖai elbÖTtt^ ÖTi TToXXol KttKoi, öXitoi bk äTttBoi. tou^ dpicTTOU^
bi TÖ kX^o^ ^€Tabia)K€iv alpeövxai tdp, (pricriv, ivavTia trdv-
5 Tujv o\ dpicTTOi kX^o^ d^vaov Svtitujv, o\ bk ttoXXoi KCKÖp^v-
Ttti ötriü^ KTlivea, [tacTTpl kqI alboloi^ kqI toT^ alcTxicTTOi^
Tuiv dv fjiiTv |i€Tpfi(yavT€5 Tf|v eöbaifioviav].
34 Ubi per 1db€^ fnoOcrai ad exemplar Piatonis (v. supra | p. 9 adn.)
significari Heraclitam qui nondam ex Prodi loco intellexerit,
videbit ex ipsius GlcmentlB altero ström, iv 7 p. 586 Pott * : *Hpa-
kXcito^ ?v dvTl trdvTiüv kX^o^ ftpcixo, toi^ bk iroXXoi^* irapa-
XiwpeTv 6^oXoT€T kqI Kopfj<T6ai oüx (ScTtrcp ktVivccti.
Tribas igitnr Ulis testimoniis coniunctis talem propono He-
racliti orationem: ti^ tdp aÖTwv v6oq f| q>priv; briM^^ dotboiai
(sive dotbaim) Inovzai Kai bibacTKdXiu xp^wvrai öjuiXui', ouk elööre^
ÖTi iToXXol KttKoi, öX(toi bk dTaBoi' alpdovTai xdp Sv dvxia irdv-
TUIV Ol äptCTTOt, kX^O^ ddvaOV BVTjTdlV, ol bk TToXXol KCKÖprivTai
ÖKUKTTrep KT^vea*.
In prioribas solias Prodi vestigia erant premenda. Nam
Clementis btapprjbiiv non idera valere quod auroXeSei et oratio
indireeta doeet et (pncxtv qnod v. 4 seqaitnr. Ex Prodi antem
alboö^ i^möujv vel Titrfajüv t€ et Clementis doiboTcTiv ?TT€<T8ai facile
erat vernm invenire. Neqne niinns in prompta est Prodi biba-
(jKdXifi xp€«öv T€ (i. e. xP^^Aivrm) 6^{XuJ ouk €ibÖT€^ magis ser-
vare ipsius Heracliti orationem quam Clementina vö^ol(n xp^^aOat
eibÖTQ^ partim manca partim liberius mutata. Denique ex
dvavTia irdvTUJv et tv dvri irdvruiv efficiendum esse £v dvxia
TrdvTujv, per oöx &(Ttt€P K-nfjvecn vero et ömxx; KT^vea quasi mann
nos duci ad lonicam formam ÖKuxTTrep, non magis est obscurum
T€ Kai 6i6aaKaXid)v xpci<I»v t€ ö^(X^l. Deinceps, xal inserto, a supe-
rioriboB tamquam aliud fragmentnm aeparavit ultima ort ol iroXXol ktX.
' Clementis looos primus indioavit Ritterus De phil. ion. p. 76. Neque
vero ille neque, quod soiam, alius aut emendavit aut cum Procli verbis
composuit.
' Scr. irapaxuipdhf öfioXot^ vel irapaxuipct xal 6|yioXoT^ [dein kcko-
pf)a6ai scribendum pro xal KopffaOai quivis videt].
• <cf. Herod. m 81 öfAlXou yäp Axpr]iov o06iv i<m dEuvenlrrcpov
006^ iißptaTÖTcpov).
* (Horum aliqua tamquam a ae inventa dedit Gobetus *Ep|yi. i 633,
cf. Mnemos. ix 437).
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I Heradiiea 38
quam qaae in priore loco Clementino post KTif)V€a sequuntar:
Tootpl cubatjLiovtav ab ipso Clemente esse adiecta, <8ub-
lata ex Demosth. or. de cor. 296 p. 234).
QnoB vero homines cavilletar acerba ista Heracliti oratio,
non potest controyersum esse, si auruiv, qaod seryavit Proclus,
emn Clementis boKii(Ji(T690u^ confertnr. Nimirum et qni sua
aetate et qui antea sapientiae laude floraerant, nimis | adhaere- 85
scere patabat Heraciitas vulgari bominnm opinioni, a qna sane
longissime recedit ipsias doctrina. Qaare inquit: 'Qualis istis
inest mens vel intellectns? Naenias vulgares seqnuntur et tam-
qoam magistra ntontur mnltitndine, ne illud quidem edocti,
multos esse malos, bonos pancos". Quod quidem commune erat
proYcrbinm profectum a Biante Prienensi (Diog. L. 1 88 o\ trXet-
(TToi Kaxöi cf. 87), quem, (quoniam motum (xiviicTiv) agnoscebat
cf. Sextns hypoi m 65 ady. math. x 45), reliquis philosophis
praeferebat Heraclitus (fr. 15 p. 346 Schi. 112 Byw. dv TTpirjvij
Bia^ tfiytTO 6 Tcurdiiiew, oiS TrXeiwv X6to^ f{ tuöv äXXuiv).
Quam Biantis sententiam ita persequitur Heraclitus, ut vulgus
pecudom ritu sese ingurgitare dicat, ab optimis vero unum ali-
quod reliqnis neglectis eligi: famam perennem mortalium (kX^o^
ddvaov OviiTuiv)^ In qua perennitatis cum mortalitate compo-
sitione sen potius oppositione irrisio inest satis aperta, quae
Inculenter indicat non ex ipsius Heracliti sententia famam tam-
quam summum bonum praedicari, quod quidem Clemens dicit
altero loco, sed ex opinione eorum, qui sunt optimi inter malos.
In Heraclitum igitur, qui sie de hominibus nniversis iu-
dicabat^ optime cadere dicimus quae exstant it. btair. c. 24 p. 646
' (cf. Empedodes y. 16 Stein. €(»b6Eoto -— dvOca T\\ifi^ iTpö(6vT)T<I»v
dv€X^<ieat>.
' Breviter indioamus alind qnoddam Heracliti dictum hnc pertinens,
neMÄo cor nsqne adhnc praetermissum (ap. Galenum dedignosc. pnlBibos 1 1
t vm p. 778 £. dXX&KardTÖv 'HpdxXeiTov €l( l^ol fiupiot et) inTheo-
dori Prodromi epistula edita a Lazero miscelL (Romae 1754) p. 20: ö clq
fi^iot, irap' 'HpaicXeiTqf, iäv dpiOTO^ Q. Cf. Symmach. ep. ix 116 (105Inr.)
'iodido tno et similinm oontentus esse deberem .... secundnm Heraclitnm
physicom, qni summam landis arbitrabatnr placere uni, si es^et optimus
qni probaret*. cf. Anth. Pal. tu 128, ubi Heraclitns haec loqnens inducitnr
cU ^^ol dvOpumo^ Tpic^Optoi* ol b* dvdpiO^ot
oöÖ€(c* tuOt' aöbu) Kai napd TT€pac96vi9.
(nnde Olympiodoms inPlatGorg. (ed. A.Iahn in lahnii annal. supplem.
Beratyi, ges. AlUiftndl« 3
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84 I Heraditea
sq. K. 496 L. £a etsi nil habent de quo nberius exponatur,
tarnen quin ascribam temperare mihi neqaeo. Nam qnod talia
libro diaetetico intermiscentur, id, si quid alind, nostram de
libri illins natura sententiam videtur confirmare. Sic antem se
habent illa:|
> TTaiboTptßiii Totövbe* bibdOKOucxt Trapavojii^etv Kard v6^ov,
dbiK^eiv biKalu)^, iEatraxav, KX^irreiv, dpirdCciv, ßidZecTBai rd
alaxicTia KdXXKTxa. 6 ^f| raOra iroi^wv xaKÖ^, 6 bfe Taöra
TTOi^uiv dtaBö^ [diröbeigi^ tuiv iroXXwv dcppocTövT)?]. Beujvrai
5 TaOxa Kai KpivoucTiv 2v' Ü dirdviuiv dTaOöv, joix; bk dXXouq
KQKOU^. TToXXol 9u)^d2[ou<Tlv, öXiTOi TivuicTKOurnv. el^ dtopfiv*
dX66vT€^ [dvOpwTTOi] Tttutd biaTTpfjacTovrar ÖaTraxaKTiv dv6pui-
iToi TTUjXdovT€^ Kttl d)V€ü^€vo^ 6 TrXeTaxa HaiiaTf\aaq^ oiSro^ 0ui-
li&l^Tax. trivovre^ Kai |ialvö^€vol* raörd biairpt^acTovrar xpd-
10 xo^^h TtaXaiouai, ^dxovTal, kX^tttouctiv, iSaTraxuicyiv et^ Ik irdv-
xiüv Kpivexai. uTroKpixiKf) iiaTTOX^^' elböxe^ X^TOumv dXXa Kai
<ppovdou<Tiv, ol auxol iai^tiovai Kai IH^novai Kai oöx ol aö-
xoi. fvi hl dvBpüjTriu dXXa jutv X^yciv dXXa b' dtrateiv, Kai
xöv auxöv jLifi eTvai xöv aöxöv, Kai xdx€ ^fcv fiXXriv xöx€ hk
.15 fiXXriv ix^Df Tvtüjunv.
1 irat6oTptßai rotov bib. vnlg. | 3 aXaxiara Kai KdXXtara Y KdAXiara
Kai aXaxiOTa vulg.: corr. Bern. | 4 dir6&€iEi^ — d9p. cf. p. 15 | 6 £v libri
iva vulg. I 6 kokiIk; Y | 6—8 cf. Bern, de epistulis Heracl. p. 76 | 7 dvepunrot
del. By water | 1 1 (Jiroxpixal Kai iHairdTai vulg. | clMxa^ d V itpö^ €(6ÖTa^
vulg.: oorr. editor | dXXd Y | 12 q>pov£ouaiv Sxepa vulg., non intellecta
particula Kai | klipvovai Kai cla^pirouat vulg. | xai oöx Y: oöx vulg. |
13 ivi Bern, post Zvingerum oonl. Plut. oonsol. 10 p. 244, 14 Heroh.: tv\
libri I b' liratetv editor: bi iroi^€iv vulg. bi dKolietv Y 6^ vo^etv ooni. Bern.|
14irox^ \itv dXXnv €x€iv fy{b\ir\v öxi 6^ äKkqy vulg. | 15 ^x^tv] \xi\ €x€iv Y:
num 8cr. Sx^iv Kai ^i\ Ix^iv? ||
t.xrv)p. 267 oöxu; toOv Kai 6 'HpdicXctxo^ ^€T€V €l^ ifioi dvxi noXXiöv, Kai
X^TUJ xoOxo Kai iropd TT€pa€9dvi;| düv. hino natum proverbium, of. Cicero
ep. ad. Att. xvi 11, 1 cl^ i^ioX fiOpioi ibique Yictorius, Plato Gorg. p. 490*,
dilatatum a Sositheo ap. Stob. flor. 51, 23 et Gleanthe Clementis AI. ström,
v 3 p. 655 Pott.). [Recepit Bywater. fr. 113].
' (cf. Gyri dictum ap. Herodotum i 153 xotoi Ion XfSipo^ Iv \iiisr}
xq iröXi diro6€Ö€T»i^O(;, k<; xöv auXX€TÖ^evol dXXnXou^ 6|liv0vx€<; IHairaxiöai^
' (cf. dictum ap. Diog. Laert. i 104 xoix; dOXirrd^ ^m^aCveoeai
dXX/|Xot<;>.
' (of. Gorgiae de tragoedia dictum ap. Plutarch. de glor. Ath. 5
p. 348«, fr. 21 p. 131 »> 15 Saupp.).
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I Heraclitea 36
Continuo bis coronidem saarn imponit compilator haud
illepide quidem: oötuj jiitv a\ T^xvai iracTai t^ dvBpuüTrivij q)ucT€i
dmKoivuiv^oumv. Deinceps aatem ad ea progreditar, qaae ad
hanc dispatationem nihil attinent. |
VITA. Natns sam Hamborgi, anno hnius saeonli vicesimo quarto, 87
patre sacroram Indaioorum aniistite Hambnrgensi, matre e gente Hanno-
verana Berend oriunda. Patre carissimo et Islero, viro de me optime me-
rito, dncibos litteranun elementis imbutas per quadrienninm loanneum et
gymnasiom academicum, qaae Hamburg! sunt, adii ibique praeter alios
Galmbergii, Krafbii, Muelleri, Petersen!, üllrichü et praeclara usus sum
disciplina et consuetudine iucundissima. Anno GIOIOGCCXLIV huius aca-
denuae civibns ascriptus per trienninm seminari! philologici exercitationibus
interfai lectionesqne aad!vi Brandisü, Dahlmanm, Freytag!!, R!tschelii,
WelckerL Quibus viris omnibus cum maximas qnas debeo agam gratias,
non posanni quin cum gratissimi animi significatione peculiari humanissi-
mam oommemorem benign!tatem, qua Brandisius Weickerusque me adiu-
verunt, et omnis generis beneficia, quibus me cumulavit Ritschelius, 6^ ^€
9(Xr)a' idacf t€ iranPip 6v naXba 91X^013. (II. I 481).
THEMATA 38
I Inter inferiorem, qaae dicitnr, criticam et philologiam eadem
intercedit ratio, qaae grammaticam inter et poesin.
II Gomelii Celsi encyciopaedia non inscripta erat 'de artibas'
sed'Cestns': <cf. Ritschelius opasc. phil. n 232 et ad
Planti Bacch. ed. n praef. p. yi>.
III Immerito vituperat Niebahrins Lucretiam, qaod Atticae
pestilentiae narrationem e Thacydide transscripserit, ne-
glectis Italicis pestilentiaram exemplis.
IV Qaae exstant apud Serviom in Aen. yni 646 e fabula ali-
qaa praetextata haasta sant, ^at Atellanarum vestigia in
Livi 1. xxin 36, 12 — c. 37 et xxv 18, 4—15 videre mihi
videor. Cf. C. A. Boettiger Opascc. (Dresd. 1837) p. 266 sq.).
V Plat. CratyL 389*: oubtv bei toOto dtvoeiv scribendam
est: drvuijLioveTv.
VI Anaxarch. apud Stobae. serm. 34, 16: o\) irapab^xovrai dv
dptiq Tvu»Milv scribendam est eueptiil^. Gf. Schleiermach.
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86 I Heraclitea
Heraclit. p.344, lacobs. lect. Stob. p. 71. <fiAl8iuD, videqnae
dixi mas. Bhen. vn 311 (opasc. ix)>.
VII Heracliti fr. 8 p. 331 Schi. [118 Byw.] boKCÖvrujv 6 boKi-
mirraxo^ T»vui(Tk€i <puXd(T(T€iv, Kai fii^vroi bbcii KaraX^iHieTai
i|i€ubuiv T^KTova^ Kai ^dpTupa^ Bcribendum est: TrXdaaeiv
[cf. infra p. 59, 2].
VIII Quae Casaubonus in Säet. Ner. 25 p. 557^ emargine codicis
Yiterbiensis profert, integra sunt Festi verba de lemniscis.
IX Nondum demonstratum est, Ennianos versus, qnos solus
profert Paullus Merula, ab ipso confictos esse.
X Quotquot adhuc prolatae sunt gnostiei laldabaoth etymo-
logiae, falsae sunt omnes. <cf. Buaeus ad Origen. c. Cels.
VI 30 t. I p. 653>.
XI Nemodum recte explicavit cur Simo magus appellatus sit
6 £<XT((i^. <cf. Eulogius Photii bibl. 230 p. 466 H. 285*Bekk.
Apud Numenium est Bcö^ iarJiX; Euseb. praep. ev. XI 17,
19 vel in Thedingae sylloge p. 61>.
' Nulinm antiquorum temporum monumentum periit, cnius
interitus nobis sit deplorandus'. Hamann ^in libello
Sokratische DenkwürdigkeUen^ Opp. ed. F. Botb t. u p. 18.
Cf. Niebuhr Meine Schriften u p. 244>.
XII { 'Tempus est sicut flumen, quo enatant leviora, solidiora
merguntnr'. Baco <de augmentis scient. lib. i p. 51 ed.
Lugd. B. 1652. Cf. L B. Vico De nostri temporis
stndiorum ratione inter Opera latina Yici i i p. 39 ed.
Mediol. 1835).
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II
HERAKLITISCHE STUDIEN.
Rheinisches Museum für Philologie, neue Folge,
vn Jahrgang (18&0) S. 90—116.
Schleiermachers Abhandlnng : 'Herakleitos der dnokle von 90
Ephesos* (Masenm der Alterthamswissenschaft von Wolf und
Buttmann i 315—533; Werke m Abtheilang n Band 1—146) >
18t seit 1807, dem Jahre ihres ersten Erscheinens, vielfach be-
natzt and gelobt, aber nnr in Einem wesentlichen Punkte be-
richtigt, in keinem dagegen ergänzt worden, obgleich Schleier-
macher selbst die Lücken seiner Leistung, deren er sich klar
bewasat war, mit dentlichen Worten bezeichnet hatte. Weit ent-
fernt von der 'Anmassang die Bruchstücke schon ganz voll-
ständig gesammelt zu haben' ist er vielmehr überzeugt 'noch
manche Nachlese übrig zu lassen für einen späteren Bearbeiter'
(S. 321) und die 'Untersuchung wer aus dem arsprttnglichen
Werk des Herakleitos selbst, wer aber nur aus abgeleiteten
Quellen geschöpft habe' konnte er ^allerdings nur so eben
anregen and einleiten' (S. 533). Nach diesen Seiten hin wurde
die Forschung seit Schleiermacher nicht weiter geführt. Der
von ihm znsammengebrachte Stoff genügte, um den räthselhaften
Ephesier als einen der speculativsten unter den vorplatonischen
Denkern in immer allgemeinera Kreisen erkennen zu lassen,
und besonders hat die neueste deutsche Philosophie das Haupt
des alten 'Dunklen' mit dem Strahlenschein ihrer Verehrung
geziert, da sie in manchem seiner Aussprüche eine willkommene
Vorahnung ihrer Sätze begrüssen konnte'. Aber auch diese
^ Ich citire nach den Seitenzahlen des Museums, welche in der
Sammlung der Werke am Bande bemerkt sind.
* *£& ist kein Satz des Heraklit, den ich nicht in meine Logik aof-
ge&ommen* Hegel Gesch. d. Philos. i 328.
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38 II HeraklitiBche Studien
Hochachtung für den alten Weisen, welche sich fast bei jeder
neuen Behandlung altgriecbischer Philosophie steigerte, ver-
91 mochte nicht zu frischer, weiter fördernder Arbeit | anzuregen.
Nach wie vor wurde der von Schleiermacher gesammelte Schatz
heraklitischer Sätze und Sprüche nur gelegentlich um wenige
goldene Wörtlein vermehrt, während die Scheidung der Schlacken
von dem Golde, die sichtende Prüfung der Berichte aus zweiter
Hand, gänzlich unterblieb. Gleichwohl hatte Schleiermacher
allerdings eine beträchtliche 'Nachlese von Bruchstücken übrig
gelassen' und diese zusammenzustellen wäre so lohnend ge-
wesen wie manche andere Fragmentenbemühung. Denn sollte
es auch misslingen, die aus dem Zusammenhang gerissenen
Sätze in den heraklitischen Gedankenbau an der rechten Stelle
einzufügen: so wird ihnen selbst dann noch der Werth in sich
geschlossener, nach den verschiedensten Seiten hin treffender
Sinnsprüche immer verbleibend
Vor Allem nun hat der volleren Erkenntniss heraklitischer
Lehre dies Schaden gebracht, dass Schleiermacher die Samm-
lung der hippokratischen Schriften unbenutzt Hess. Durch sein
unglückliches Uebersehen konnten auch die, welche später auf
seine Arbeit gestützt die Lehre des Heraklit darstellten, den
* Wie oft würde zur Verbrämung gemeinplätzl icher Gedanken z. B.
folgendes Wort gedient haben: 'der Esel möchte wohl lieber Bündel Futter
als Gold' [51 Byw.], wenn Schleiermacher es aus seinem nicht gerade abgelege-
nen Fundorte ans Licht gezogen hätte (Ethic. Nicom. K 6 p. 1176» 6: ^^pa
...tiHTOu tfiovi] Kai Kuvö<; xal dvOpiiiirou KaOdircp 'HpdicXeiTÖ«; q)ii(Tiv' 6vov
aOpiLiax* dv ^X^aOat iidXXov f^ xpxjadv flöiov x^p XpwcJoO Tpoq)i?| övok).
In welcher Verbindung aber ein so beziehungsreiches Wort von Heraklit
gebraucht worden, wer wird das bestimmen wollen bei dem weiten Gebiete
der verschiedensten Fragen des Wissens und des Lebens, welche dr in
seinem Buch umfasste, und noch mehr bei seiner, von Schleiermacher viel
zu wenig hervorgehobenen jedoch selbst in den Fragmenten noch stark
sich aussprechenden, politischen Tendenz? Will man es als eine Aeusse-
rung des Selbsttrostes auffassen über die Aufnahme, welche seiner neuen
Lehre bei der Masse der Menschen bevorstehe, und dann mit den Bruch-
stücken ähnlichen Inhalts 2—8 S. 329—332 in Verbindung bringen: so
käme es in seiner stolzen Derbheit dem fünften am nächsten S. 380 : *auoh
die Hunde bellen den an, den sie nicht kennen.' (Es gemahnt an die in
der Hippokratischen Schrift ir. öiatrii^ aufbewahrten Schmähungen, s. oben
p. 80-34).
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n Heraklitische Stadien 39
Zugang za jener reichen aber nur mit Vorsicht auszubeutenden
Fundgrube nicht mehr finden, obgleich, schon ßO Jahre vor
Schleiermacher, J. M. Gesner die auf hippokratische Schriften
hinleitenden Spüren deutlich genug aufgewiesen hatte. Diese
also yerschütteten Spuren abermals aufzudecken und für den
ergiebigsten Abschnitt des Mischwerks irepi biaini^ näher zu
yerfolgen, den auf solchem Wege gewonnenen | Ertrag mit den 92
Bonsther bekannten Theilen der beraklitischen Lehre in gegen-
seitig sich aufklärende Verbindung zu setzen -~ dies war die
Aufgabe der im vorigen Jahre erschienenen Schrift: Heraclitea.
Particula prima. Sollte sie auch nichts Anderes leisten als dass
fortan Niemand bei Behandlung des Heraklit die hippokratische
Sammlung unberücksichtigt lässt: so wäre damit schon der Weg
beschritten, der zur Abhülfe des einen von Schleiermacher an-
erkannten Hangels seiner Arbeit, der Unvollständigkeit des Ma-
terials, in einem der wichtigsten Punkte fahren müsste. Für
denselben Zweck der Herbeischaffung neuen Stoffes von nicht
minder wichtiger Seite her zu wirken, ist die Absicht dieser
Zeilen. Sie kann jedoch nicht erreicht werden bevor die Be-
rechtigung zu festem Auftreten durch eine Erörterung gewonnen
ist, welche sich auf die Frage von der Glaubwürdigkeit spä-
terer Berichterstatter einlassen und also hinüberstreifen muss in
das zweite von Schleiermacher eingestandener Maassen unge-
nügend bearbeitete Gebiet.
Kein Schriftsteller hat der Schleiermacherschen Sammlung
so viele und bedeutsame Beiträge geliefert als der in mosaik-
artiger Zusammenordnung von Citaten sich gefallende Plutarch,
trotz dem dass Schleiermacher bei Benutzung desselben eine
gewisse zaghafte Scheu nicht hat überwinden können. Sicher-
lich ist es ihm nicht entgangen, wie viel mehr eine etwas mu-
thigere Behandlung gerade dem Plutarch noch abgewinnen
müsse, der, selbst wo er nicht ausdrücklich citirt, so gern in
erborgten Worten und Gedanken einhergeht. Aber den nöthigen
Math anzuwenden verboten Schleiermachem zwei Rücksichten.
Zuvörderst diese allgemeine, welche fttr Beurtheilung und Be-
nutzung seiner ganzen bahnbrechenden Leistung maassgebend
ist, dass er durch Darstellung bloss des unzweifelhaft Hera-
klitischen eine Grundlage für weitere Forschung bieten wollte.
Es schien ihm daher gerathen, alles nicht ausdrücklich unter
dem Namen des Heraklit Ueberlieferte ganz aus dem Bereich
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40 n Heraklitisohe Studien
der Untersnchnng zu entfernen and auch etwaigen ächten nnd
brauchbaren Gehalt lieber aufsnopfem als durch Vermischung
von ausdrücklich Bezeugtem mit nur combinatorisch Ermitteltem
die Sicherheit seiner gesammten Ergebnisse in Frage zu stellen.
93 Zu dieser aligemeinen | Rücksicht nun kam in Betreff Plutarchs
noch eine auf diesen allein bezügliche. 'Man muss farchten\
sagt Schleierraacher S. 318, Tlutarchos habe einer unterge-
schobenen Schrift geglaubt, wodurch denn wieder unsicher wird,
ob nicht auch manche von ihm angeführte Stellen nur solchen
angehören . Bei dieser Ansicht von der Glaubwürdigkeit des
Plutarch ist es begreiflich, dass Schleiermacher ihn lieber zu
wenig als zu viel benutzen wollte; weniger begreiflich freilich,
wie er solche Ansicht aussprechen und somit einen guten, wo-
nicht den besten, Theil seiner ganzen Sammlung verdächtigen
konnte, ohne den Verdachtgrund genau zu untersuchen. Der
Verdacht aber stieg ihm auf, *als er bei Plutarch adv. Colot n
p. 1115 las, dass er eine Schrift des Herakleitos Zoroastres
überschrieben anführt' (S. 317) d. h. 'eine offenbar falsche'
(S. 348). Diesen Verdacht haben Nachfolger Schleiermaohers,
<wie Welcker, kl. Sehr, i 350>, weiter verbreitet, ebenfalls ohne
sich auf Prüfting des Grundes einzulassen. In neuester Zeit
dagegen hat man sogar nicht angestanden, jene von Schleier-
macher für untergeschoben erklärte Schrift Zoroastres als ein
äusseres Zeugniss fUr die Verbindung des Heraklit mit parsischer
Priesterlehre begierig zu verwenden (Zeitschrift f. d. Alterth. 1848
S. 228). Mag immerhin wer Lust und Kraft dazu fbhlt schon
jetzt es unternehmen die Frage 'ob irgend persische Weisheit
einigen Einfluss auf die Bildung der Lehre des Ephesiers ge-
habt' — mit diesen Worten giebt sie Schleiermacher (S. 532)
der Erledigung späterer Bearbeiter anheim — bejahend zu ent-
scheiden durch deutliches Aufzeigen der inneren Verwandt-
schaft beider Lehren. Bei solchem Bemühen wird vor allen
Dingen diese Schwierigkeit hinwegzuräumen sein : Nach unserer
bisherigen Eenntniss vom Parsismus rückt er den Zwiespalt
der physischen und moralischen Gegensätze in den hellsten
Vordergrund der Lehre sowohl wie des sie symbolisirenden
Cultus; die Einheit der Gegensätze verlegt er in das unbestimmte
Urwesen, aus dem sie emanireu; und die ErftUlung seiner escha-
tologischen Hoffnungen kann er nur erharren nach Vernichtung
des einen Gegensatzes. Hingegen ist es der wahre Angelpunkt
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n Heraklitische Stadien 41
heraklitischer Lehre, dass die ewigdanernden Gegensätze za der
VermrUiehiing ihrer wesenhaften Einheit in jedem Zeitmoment
hinstreben, gleieh|mäS8ig im Spiel der Naturgewalten wie auf 94
dem Gebiete des Guten und Bösen ^. So lange daher nicht
grftndlichere Erforschnng der Zendbttcher die bisher geltende
Ansicht vom Parsismns als fiBilsch nachweist: würde man, wenn,
flberaU eine Beziehung zwischen diesem und dem Heraklit vor-
handen, die Beziehung der tiefstgreifenden Opposition anzu-
' In dem Satze: 'das Gute and das Böse geht in dasselbe zn-
sammen nach Weise des Bogens and der Leier' (tö dTaOöv xal tö kqköv
1^ TOÖTÖv auvUvat 6(kt)v t6So\j xal Xüpa^ Sohl. S. 414) kann Niemand
'persischen Doalismas* wittern als wer die Hauptsache, nämlich das Prä-
dikat, das ouvi^oi, das Zosammengehen übersehen wollte. Darch das von
'Bogen und Leier* hergenommene Bild sacht Heraklit, hier and an an-
deren Stellen, den darch die Gregensätze der Einheit zastrebenden Prozess
zn yersinnlichen, bloss mit Rücksicht auf die äussere Form jener beiden
Instrumente. Bei dem skythisohen und altgriechischen^ Bogen wie bei der
Leier sind ja die beiden Enden (x^para) ausgeschweift und laufen dann
durch Krümmung nach Innen in dem Mittelstück zusammen. So gefasst
wird die Yergleichung mit dem Gang des Weltprozesses anschaulich und
die ZosammensteUung von Bogen und Leier, welche in jüngster Zeit so
viele Erklärungsversuche hervorgerufen hat, vollkommen verständlich. Sie
findet sich ebenfalls mit blosser Rücksicht auf die äussere Form in der von
(dem Tragiker Theognis gebrauchten) Metapher, ^s. Demetr. ir. kp\i, 85 und)
Aristot Rhet. V 11 p. 1412l> 86: i^ daid^ <pa)i£v, ^otI 9tdXn ''Apco^
Kdl röioy q>6p|AiYS dxop6o^ — Für die heraklitische Auffassung der
wesen h a f ten Einheit von Out und Böse mag hier auf einige von Schleier-
macher übersehene oder nicht richtig gewürdigte Belege aus meinen Heraclitea
hingewiesen werden, [Hippokr.] n. &iaiTT)( oben p. 21 Z. 11^18 und schol.
Hiad. A 4, oben p. 22. Von solchen und ähnlichen Sätzen des Heraklit
ist wohl Amelius, der Schüler des Plotinus (vgl. oben p. 26 Anm. 1), zu der
nur etwas anders gewendeten Behauptung fortgeschritten, welche sich in
einem Commentar des Johannes Philoponus zur Arithmetik des Nikomachus
erhalten hat, und woraus sie in abgerissener Form mitgetheilt worden von
Mai, Spieilegium Romannm t. n p. xx [jetzt in R. Hoche's Ausgabe i
p. 12] 'Ap^to^ [d^A€t Hoche, aber praef. widerrufen] 6^, oOk oTöa iröOcv
öp^ffiei^ Kai Tii^v xaKi&v \hia<^ [xal] X6tou( olerm irapd rift Ocip. Die
heraklitische Terminologie scheint noch deutlich durch in XötoC) auf den sich
mit ausdrücklicher Nennung des Heraklit und wortlicher Anführung aus
fr. 47 8. 482 Schi. 2 Byw. (X6to\j to06€ 46vto^ dei) Amelius auch sonst be-
zieht, in der Stelle bei Eusebins praepar. evang. xi 18 p. 460 •: xal
o(k(K dpa fiv 6 X6to^ koO' 6v dci övra rd x^vd^cva ^y^vcto, di^ dv xal
6 'H^KXcrro^ dEtUKretc ktX.
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42 n Heraklitische Stndien
erkennen haben. Mittlerweile aber wird man als äasBeres Zeug-
niss für derartige Beziehungen den Titel einer heraklitischen
Schrift Zoroastres femer nicht in Ansprach nehmen dürfen.
95 Denn jede Spar eines solchen Zengnisses verschwindet | gänzlich,
and eben so sparlos entweicht aach jeder Schein von Verdacht
gegen die Glaubwürdigkeit des Plutarch, sobald die Stelle, aaf
welcher beide beruhen sollen, näher angesehen, ja man darf ge-
trost sagen, sobald sie nur aufgeschlagen wird.
Sie findet sich in der Widerlegungsschrift des Platarch
gegen ein Buch des Epikureers Eolotes, welches unter dem
Titel 'Beweis dass man nach den Lehren der anderen Philo-
sophen nicht einmal leben kann' (n€pi toö 6ti Karä rä x&y SXXu>v
(ptXo(Tö<pu)v bÖTjuara obbk lt\y ?(Ttiv Plut. mor. p. 1107«) gegen
alle nicht epikureischen Philosophen gerichtet war. Bei Gelegen-
heit seiner Angriffe auf die platonische Ideenlehre hatte nun
Eolotes die Behauptung fallen lassen, jener Lehre des Piaton
'seien Aristoteles Xenokrates Theophrast und alle Peripa-
tetiker gefolgt'. Plutarch greift dies auf um daran des Ko-
lotes 'Sorgfalt und den Umfang seiner Kenntnisse zu prüfen'
und ruft ihm zu (1115»): 'In welcher Wüstenei hast du dich
aufgehalten als du dein Buch schriebst, dass du dort die Schriften
jener Männer nicht vorfandest und nicht in die Hand nehmen
konntest* 'ApKTxox^Xou^ xd ncpl oöpavoO kqI xd nepl ipuxfl?» ö^o-
<ppd(Trou bk xd irpö^ xoö^ q>u<TiKou^, 'HpaKXeixou bk xöv Zu)-
podaxpTiv, xd TTcpl xuiv iy "Aibou, xd trepl xäv (puaiKui^
dtropoufi^viüv, AiKttidpxou bk xd trepi Miuxfl?, dv ol? irpd^ xd
Kupiiwxaxa xal ixifiOTa xiDv cpu<TiKa»v ÖTTCvavxioujiievoi xd» TTXdxu)vi
Kttl jLiaxö^evoi biaxeXoOmv. Ka\ jiifiv xuiv dXXuiv trcpiiraXTi-
xiK&v 6 Kopucpaiöxaxo? Ixpdxwv kxX.
Im Verfolg erwähnt dann Platarch noch mit besonderer
Beziehung auf die Ideenlebre, von welcher ja Kolotes ausge-
gangen war, dass Aristoteles, weit entfernt sie anzunehmen,
vielmehr durch alle Gattungen seiner Schriften eine Polemik ge-
rade gegen diese Lehre des Piaton fortsetze 'auf mehr recht-
haberische als philosophische Weise, wie es Einigen scheinen
wollte' (1115<^).
Es leuchtet ein dass, dem ganzen sehr deutlichen Zusam-
menhang nach, mit den Worten um die es sich handelt: 'Hpa-
xXeixou bk xdv ZwpodcTxpTiv nur ein peripatetischer Philosoph
kann gemeint sein, und von einem solchen, sonst anbekannten
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n Heraklitische Stadien 43
Peripatetiker Herajkleitos wollte sie sehen Fabrieins (Biblio-96
theea Graeca n 626 ed. Harl.) verstanden wissen. Freilich ist
das ein Nothbehelf ; aber Schleiermacher hat ihn durch den
S. 318 erhobenen Einwand keineswegs unmöglich, und noch
viel weniger hat er ihn überflüssig gemacht durch seine Ansicht
von einer dem Ephesier untergeschobenen Schrift Zoroastres.
Denn soll wirklich die Lesart 'HpaKXcirou bestehen bleiben,
welche auch Wyttenbach noch nicht zu ändern wagte, und soll
sie obendrein von dem Ephesier verstanden werden: so wird
damit nicht nur dem Plutarch, welcher im Nachweis fremder
Ignoranz begriffen ist, der eigene unverzeihliche Schnitzer auf-
gebürdet, dass er den alten Heraklit zu den Peripatetikern zähle,
sondern man spricht dann auch ganz ohne Grund nur von Ei-
nem dem Ephesier untergeschobenen und von Plutarch auf Treu
und Glauben als acht benutzten Buch Zoroastres. Man musste,
um folgerichtig zu verfahren, auch noch die beiden anderen
Bücher tö irepl Tuh/ ^v "Aibou und tö trepl tüjv q>u(TtKU)^ dtropou-
li^vuiv in dieselbe Kategorie stellen, da sie ja Plutarch offenbar
alle drei zusammen Einem Schriftsteller zuschreibt. Aber ge-
rade dieser Umstand, dass die drei Schriften nothwendig Ei-
nem Autor angehören müssen, lässt den wahren Verfasser des
Zoroastres, um den es uns zu thun ist, unzweifelhaft ermitteln.
Der Zoroastres sowohl wie das an dritter Stelle genannte Buch
ir€p\ Tujv q>u(TiKui^ diropouM^vujv gehOrt demPontikerHeraklides,
dem bekannten Peripatetiker, ganz so sicher wie ihm das an
zweiter Stelle genannte irepl tujv tv "Aibou gehört, welches Dio-
genes Laertius (v 6, 87) in dem, übrigens nicht auf Vollständig-
keit angelegten, Verzeichniss von Schriften des Heraklides aus-
drOcklich aufführt. Das letztere Buch des Heraklides trepl
TU)v dv "Aibou, welches, nach hier nicht weiter auszuführenden
Gofflbinationen, über Scheintod handelte, wird von Plutarch selbst
noch an einer anderen Stelle ^ als ein heraklidisohes erwähnt.
' Fragm. I ircpl Mfuxfjc t v p. 699 ed. Wyttenb. Oxon. Diese Stelle
ist TOD den Sammlern der heraklidischen Fragmente (Ronlez : Annall. Lo-
▼aniens t vm part. n p. 21 ; Deswert, dissert. de Heraclide Pont. p. 81),
welche übrigens beide in der Schrift gegen den Kolotes *HpaKX€(6ou lesen,
nicht berücksichtigt worden. Sie lantet nach den sehr fehlerhaften Hand-
scfarifteny der Harlejanischen nnd der bei Dübner verglichenen Lanrentia-
nischen, so: t6 yiiv t^P i^^P^ T<Sfv iy 'Aiöou ßtßXCov (ßtßXCuna a Laurent.)
iinrpcupö^cvov, tv Cjt Tf)v hiuxi^v tQ o(io(qi irapuirdpxciv diro9a(v€Tat 6 \^
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44 n HeraklitiBche Studien
97 und dort als | Ornndgedanke des Bachs die Meinang angegeben,
dass die Seele ein vom Körper trennbares selbständiges Wesen
nicht sei, wodurch klar wird wie Platarch in der Widerlegung
des Eolotes diese Schrift des Peripatetikers ids entgegenstehend
der platonischen Lehre hervorheben durfte. — Welche philo-
sophischen Probleme Heraklides in der dritten Schrift umfasste,
kann beim Mangel anderer Aufschltlsse, wenigstens der deut-
liche Titel Trepl t&v 9uaiKuj^ dTropou^^vuiv im Allgemeinen
lehren. Ob ferner die Nachricht des Posidonius bei Strabo
(n c. 3, 5 p. 98, 100 Gas.): 'Heraklides Pontikus habe in einem
Dialog einen Mager auftreten lassen der zu Gelon gekommen,
mit dem Vorgeben Libyen umschifft zu haben', auf unsere
Schrift Zoroastres zurückgehe, wie angenommen worden S dies
wird sich, bis weitere Spuren entdeckt sind, eben so wenig ent-
scheiden lassen, als es zweifelhaft sein kann, dass ein so reicher
Stoff wie der Parsismus und sein Stifter einen gewandten und
vielseitigen Kopf wie Heraklides auf das weiteste Gebiet philo-
sophischer Erörterung ftlhren musste. Bekanntschaft mit per-
sischer Lehre aber darf uns bei dem Peripatetiker am wenig-
sten Wunder nehmen, da vorzugsweise diese Schule es war,
welche die durch Alexanders Zttge enger geknüpfte Verbindung
mit Persien zu Erforschung persischer Weisheit benutzte, dem
TÖ<;, ol )üi^v oOv öetvol t6 irapdirov *Hpaic\e(öou vo^(Zou(nv, ot bi irp6(
dvniTapcHaTurrtv TcrdxÖai (öuvTcrdxÖai ci. Dtibner) tiäv elpniüi^vujv kri-
poi<; iT€pl oöaia^ H'wx*!«;* oötu) T^TPam^^ov (odru) bk T^TPa^^^ov c. Wyt-
tenb. <ÖTi|i öf| T^TP- Dübner» dvTiKpu<; dvaipct Tf|v oöotav aÖTfJ?, ib^ toO
c\b\iaTO^ ?X0VT0^ bf aÖT(p tA^ clpimdva^ 6uvd|ui€i<; ird<Ta<;. Man wird frei-
lich nicht umhin können statt oi)v bcivol mit Wyttenbach zu setzen: oW
ctvat. Aber die Meinung 'Einiger*, dass die Schrift nicht von Heraklides
sei, darf uns um so weniger beirren, als ihr unmittelbar darauf die ent-
gegengesetzte Meinung 'Anderer' gegenübertritt, und die Behauptung der
Ersteren sich nicht auf üeberlieferung zu gründen, sondern nur durch
den Umstand scheint veranlasst zu sein, dass Heraklides in anderen
Schriften einer anderen Theorie von der Seele gefolgt war. Für diesen
Wechsel jedoch bringen die Vertreter der Aechtheit eine genügende Er-
klärung bei*, und selbst wenn man dieselbe verwerfen wollte, kann er bei
der Beweglichkeit des Heraklides und der Vielartigkeit seiner Schrift-
stellerei nicht im Mindesten befremden.
' Boulez 1. 1. p. 22. ^Die Angabe kann sich eben so gut auf TTcpl
Tu>v iv "Aibou beziehen, b. Weloker kl. Sehr, n &00).
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n HerakliÜBohe Stadien 45
Beispiel folgend, welches scbon der Gründer der Schale, Ari-
stoteles* gegeben hatte. |
Somit wäre denn in der fraglichen Stelle des Platarch der 98
Name des Pontikers "HpaKXcfbou durch Zeugnisse des Diogenes
and Platarchs selbst festgestellt, und über die Wahrscheinlich-
keit einer bloss auf Bachstabenähnliohkeit fassenden Conjectar'
hinaas znr voUkommnen Sicherheit erhoben. Dadurch fallen
nun anch die Folgerungen weg, welche bei flüchtiger Vernach-
lässigung des Zusammenhanges auf die frühere falsche Lesart
'HpaicX€iT0u gebaut wurden. Die Parsification des Heraklit ist
wenigstens um ein äusseres Anzeichen ärmer, den Verdächtigem
des Plutarch aber ist jeder Beweisgrund entzogen. Auf das
letztere Ergebniss kommt es uns hier vorzüglich an. Denn erst
^ S. Metaphys. N 4 p. 1091 1> 10 Bekk. und das Fragment ans dem
enten Buch irepl q>iXoao<p(a( bei Diogenes Laert. prooem. § 8. Das Morfi-
k6v, welches Diogenes knrz vorher ohne Verdacht als aristotelisch anführt,
setzt der Katalog des Anonymus unter die iti€u6€ir{Tpa(pa und Suidas (s. v.
*Avno8^^) nennt, neben Aristoteles, noch den Athener und den Rhodier Anti-
sthenes als solche, denen es zugeschrieben worden. Für die übrigen
Peripatetiker genüge die Hinweisung auf den Bericht des Eudemos bei
DamasduB, de primis principiis ed. Kopp. p. 884; Diog. Laert. prooem. 6
und auf die zusammenhängenderen Bestrebungen des Hermippus Plin.
h. n. XXX 2, 4.
* Ob ihn Dübner auf Grund von Handschriften oder Conjectur auf-
genommen lässt sich bei der Einrichtung seiner Ausgabe nicht ermitteln.
— Von den vielen Fällen, wo die Buchstabenähnlichkeit beider Namen
zu Yerwiming Anlass gegeben, möge ein erst in jüngster Zeit bekannt
gewordener hier berührt werden. In den von Gebet hinter Geel's Aus-
gabe der Phonissen mitgetheilten neuen Scholien zu Euripides heisst es zu
Alkest. 988: ö bi (puaixö^ 'HpaKXcibii^ ctvat 6vtu>^ <pr\c\ oaviöa^ rwä^ 'Op-
9^UK fp&upwv oÖTW^' 't6 hi ToO AiovOaou KarcaKCiiiaaTat ixd Tf)( Op^ktK
M ToO KoXoufi^ou AT)üiou, öirou bi\ nva^ bf öaviaiy ävaTpa<p&q €tva{ <pa<nv\
Cobet hat nun Runter Zustimmung von Bergk ind. lect. Hai. 1861/62
p. vm) das 'HpaicXe(5ii( der Handschrift in 'HpdicXeiTO^ geändert, was
wegen Inhalt und Stil des Citats, die beide möglichst unheraklitisch sind,
nur durch die Annahme sich vertheidigen liesse, dass der Scholiast aus
einer dem Ephesier untergeschobenen Schrift gesdiöpft habe. Eine solche
Annahme aber wird widerlegt durch die Abwesenheit jeder Spur ionischen
Dialekts in der offenbar wörtlichen Anführung. Man wird daher lieber
tpuoiKÖ^ ändern in TTovtikö^ und gewänne dann eine Notiz über Tempel-
tatiquitüeD, die sieh ähnlichen Fragmenten des Heraklides Pontious (Des-
wert p. 166) anschliessen würde.
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46 n Heraklitisohe Studien
jetzt, nachdem der Spnk einer untergeschobenen von Plntarch
für heraklitisch hingenommenen Schrift zn hoffentlich ewiger
99 Rahe gebracht worden ^ können wir, da | sonst kein Anlass zu
. Verdacht vorliegt, sicheren Muthes daran gehen aas platarchischen
Stellen den heraklitischen Gedankengehalt anszuscheiden.
Wir wenden uns zuerst zu der Trostschrift des Plutarch
an den Apollonius, also zu deijenigen Schrift, in welcher er
jenes Zusammenstttcken aus erborgten Sätzen und längeren
Stellen so auf die Spitze treibt, dass der Fortschritt des eigenen
Gedankenganges, falls solcher bei dem Gompilator' vorauszu-
setzen, sich den Blicken des Lesers entzieht — eine Gefahr des
Mosaikstils, welcher Plutarch in den Moralia viel seltener ent-
rinnt' als sein neuerer begeisterter Verehrer Montaigne, der ihn
an Fülle selbsteigener Gedanken weit überragt. Keine Schrift
des Plutarch aber bietet uns so sehr wie diese Trostschrift rei-
chen Ersatz filr solchen Mangel durch ausgewählte und umfang-
reiche Anführungen aus alten, für uns, wie es scheint, unwieder-
bringlich verlorenen Werken z. B. aus dem aristotelischen Dialog
Eudemns (p. 115^) und ans einer Schrift des Sophisten Prota-
goras (IIS^'); nirgends auch ist man mehr als hier berechtigt,
selbst da wo das Citat fehlt, auf die unselbständigste Ab-
hängigkeit von Anderen zu schliessen, sobald nur irgendwelche
Spur diess wahrscheinlich macht. Wyttenbach nun, der dieses
^ Die gelegentliche and sehr knrze Andeutung von Erische (For-
schungen S. 827 Not) hat diesen Erfolg nicht gehabt, wie das oben S. 40
Angefahrte hinlänglich beweist. Es musste daher hier der Erörterung
ein Umfang gegeben werden, wie ihn nicht sowohl die Schwierigkeit der
Sache verlangte, als ihre Wichtigkeit und die Verbreitung des eingerissenen
Irrthums.
' Als welchen er sich selbst darstellt im Schlusswort p. 121®: raOrd
(Tot ouvataxdiv, 'AiroXXUivtc <p(XTaT€, Kai auv6€l( ^€Td iToXXf)( imficXcCa^
dirctpTaadiüiiiv t6v irapafiu6nTiKÖv oot X6tov. Die axjvofwji] ist ihm aber
besser gelungen als die oOvOcoiq. (Vgl. auch die Schrift TT€pl eOeu^iaq
c. 1 p. 464' dv€Xc£dfi?)v irepl €ö6u)üi(a^ ix tSjv 6irofivimdTUiv div ^^auTi|i
iTeiTOiim^o<; frrtrfXövov).
' Wer dieses allgemeine Urtheil nicht unterschreiben möchte, kann
sich mit Wyttenbachs, durch kein äusseres Anzeichen unterstützter, Be-
hauptung helfen, dass Plutarch die Trostschrift in früher Jugend abge-
fasst habe. [Auf Benselers Bedenken gegen die Aechtheit wurde Bern, erst
später aufmerksam.]
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n Heraklitische Stadien 47
YerblUtiiiss sehr wohl erkannte, hat allenthalben, wo ein fremd-
artiger Hauch in Aasdmck oder Oedanken sich spüren lässt,
Benutzung einer Schrift des Akademikers Erautor 'über die
Tranei^ (itepl tt^vOcu^ angenommen, weil Platarch in unserer
Trostschrift jenes denselben Gegenstand behandelnde Bach des
Krantor mehrmals namentlich anführt und weil eine Erzählung
über einen Terinäer Elysios, welche Platarch (p. 109^) ohne Quel-
lenangabe mittheilt, von Cicero (Tasc. 1 48, 115) aas der Schrift
des Krantor entlehnt wird. Dass jedoch solche Thatsachen nicht
hinreichen um Alles einen fremden Ursprang verrathende einzig
aus jener Qaelle | abzuleiten, muss bei besonnener Erwägang lOO
Jedem einleuchten S und für eines der bedeutendsten Stücke,
welches als Krantors Eigenthum in Ansprach genommen wurde,
sind wir im Stande einen ganz anderen Ursprung nachzuweisen.
Nachdem Platarch für die Ansicht dass 'der Tod kein Uebel
sei' Belegstellen aus tragischen Dichtem beigebracht, fährt er
folgendennassen fort p. 106"^:
Ti TÄP TÖ xoXeTTÖv icn xal tö buaaviwv [kcI] dv t^ TeGvdvm;
Tä T&p Toö Oavdrou )iifi7roTe Kai Xiav ävTa fi)iTv auvffir\ Kai
au|iq>uä TrdXiv oök olb' öiru)^ buaaXrf) boKci eTvai, t{ t^P
Bauftaaröv, el tö tjutitöv T^TjiTiTai, el tö ttiktöv T^xriKrai, €i
5 TÖ Kauotdv K^Kairrai, el tö 9dapTÖv ^(pGapTai; itötc T^p tv
fljiiv auToT^ oÖK ionv 6 OdvaTO^; Kai § 9ii(Tiv ^HpdKXciTO^,
TauTÖ t' fvi Im Kai xeGviiKd^ Kai tö dTP^TOpi^ Kai tö Ka-
Ocööov Kai v^ov Kai pipaiöv xdbc t^P MerairccTövra iKCivd
iiSTx KÄKeiva irdXiv |i€TaTr€(TÖVTa TauTa. *Q^ Top ^k toO aö-
10 TOÖ iniXoO buvarai ti^ iiXättiuv Ztjja airncciv Kai TrdXiv ttXät-
T€iv Kai (TuTXetv Kai toOto Ev rrap' Sv iroicTv dbiaXeCTrruj^*
oÖTui Kai f| <p(Kf\q Ik rfl? ainfiq ij\r\q irdXai jifev tou^ trpo-
TÄvoü^ fljiaiv dv^<yx€V, efra (Tuvexei? aÖToi^* ifiwrice Tovq
^ Von den Vielen, die nach Wyttenbaob 6ber jene Schrift des Eran-
tor gehandelt, haben dies jedoch nur hervorgehoben Meier (Opusc. acad.
n 268), nnd noch bestimmter, Friedrich Kayser De Grantore Academioo
p. 86; beide aber ohne für die betreffenden Stellen anderweitige Quellen
ansngeben; (vgl. auch Welcker kl. Sehr, n 501 Anm.).
* (H. Saoppe vermuthete in einem Briefe an Bitschi und bei Preller,
ausgew. Aufs. p. 163, 7 cvfxiaca (outx^o^ g^ebt Preller irrthümlich an)
oÖTOö^ Ich kann das nicht billigen. Denn in der ganzen Apodosis wird
Ton dem Bilde der Thonbildnerei kein Qebraneh gemacht, und ouvcx^^
ist unentbehrlich als Gegenstück zu döioXeiirruiq Z. 11).
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48 n Heraklitisdie Studien
iraTdpa^, cTra f^ä^, cTt' äXXou^ dir' äXXoi^ dvaKUKXifi(T€i. Kol
15 6 Tf)^ T^v^aeui^ ttotq^ö^ oöto^ £vb€X€xu>^ jS^uiv oöiroTC onfi-
a€Tai, Kai irdXiv ti ivavTla^ aunp ö rf)^ 90opfi( clre 'Ax^-
puiv €!t€ Ku)kutöc KaXou^€vo( und täv itoiTiTiöv. *H irpumi
oOv alTia f| b€i£a(Ta f^Tv tö toC f|X(ou (pui^ f| aÖTf) Kai töv
Zoqpcpöv ''Atbiiv ätct- Kai ^r)iTOT€ ToOb€ eixtiiv ^ 6 irepl i\[ia^
20 df|p tv irap' Sv f|ft^pav Kai vÖKia ttowöv iiraTWTd? hjjf\q t€
Kai Oavdrou Kai örrvou Kai ^tP^TÖpaeui^.
Wer diese Stelle mit dem Vorhergehenden und dem Folgen-
den vergleicht, wird, wenn er nicht jede Spürkraft entbehrt,
101 darin | mit Wyttenbach > anbedingt ttbereinstimmen, dass 'Wörter,
Sätze nnd Verbindung derselben* von dem sonstigen Stil des
Plntarch in diesem Bache merklich abweichen. Die Folgeraog
aber^ za der dieses anleagbare Verhältniss benatzt wird, dass
nämlich 'die Stelle aas der Schrift des Krantor abgeschrieben*
sei, mass mit derselben Entschiedenheit bestritten werden, so-
bald man sich die philosophische Bichtang dieses Akademikers
nnd bevorzngten Lieblings von Cicero' vergegenwärtigt nnd
seine darch absichtliche Glätte der Form bezeichnete Schreib-
weise kennen gelernt hat aas den kleineren. Brachstttcken bei
Plntarch and aas der amfangreichen Mittheilang des Sextas
Empiricas (adv. math. xi 51—59). In beiden Beziehangen steht
ihm nnsere Stelle sehr fern. In Bücksicht des philosophischen
Gehalts: denn dieser deatet durchweg auf Benatzang vorplato-
nischer Physik, za der weder die Akademie zar Zeit des Kran-
^ T. VI p. 721 ed. Ox.: Haec deinoeps ita verbis, dictionibos, oom-
positione a reliquo hnios libelli stylo dififenmt, nt ex libro Grantoris de-
soripta oenseam.
' Aoad. pr. n 44,185: Xegimos omnes Crantoris, yeteris Academici,
de luotu ; est enim non magnus verum aureolos et, nt Tnberoni Panaetins
praecipit, ad verbnm edisoendus libellns*: Worte, in denen sich der behag-
liche Genuss ausdrückt, welchen Cicero beim Lesen des ihm gewiss sinnes-
verwandten Erantor empfand und denen wir vorgreifend eine eben so be-
zeichnende Aeusserung tiber die ihm unbequeme Fremdartigkeit des Hera-
klit zur Seite stellen, de nat. deor. m 14, 86: 'Heraditum . . ., quoniam quid
dioeret intellegi noluit, omittamus*. — Um die Behauptung Fried. Schneiders
(Ztschr. f. d. Alterth. 1886 S. 848), dass alle Gedanken unserer plutarchi-
schen Stelle sich im ersten Buch der Tusculanen wiederfänden, zu wider-
legen, braucht man nur auf das Capitel 88 hinzuweisen, welches Schneider
für sich anführt
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n HerakliÜBche Studien 49
tor, noch dieser ans eigenem Antriebe ^ sich hinneigte. In Bück-
sicht des Stils: denn unsere Steile föllt auf darch abspringen-
des Andeuten der Gedanken, dnrch eilige lockere Verbindung,
beides Eigenschaften die, nach allen Spuren zu schliessen, weder
dem Stil des Krantor mit Becht können zugeschrieben werden,
noch auch bei Plutarch sich da finden, wo er unbehindert sei-
nem eigenen Kopfe folgt. Hier | jedoch kann schon das öfter 102
wiederkehrende eher anknüpfende als verknüpfende Kai zu An-
fang neuer Sätze (S. 47 f. Z. 6, 14, 19) einen aufmerksamen Leser
darauf hinweisen, dass Plutarch bei seiner auvaTurni von Trost-
grttnden auf Quellen gerathen ist, deren er nicht ganz Meister
zu werden vermochte, und darum was fUr seinen Zweck passend
schien nur zusammenraffend mitgetheilt hat ohne rechte Aneig-
nung. Und was könnte uns nun bei dieser Lage der Sache
Triftiges entgegnet werden, wenn wir, selbst ohne weitere Be-
gründung, bloss auf die ausdrückliche Nennung des Heraklit im
Eingang (Z. 6) gestützt, die Behauptung aufstellten, auch das
unmittelbar Folgende sei ebenfalls aus heraklitischen Quellen
hergeleitet? Auf jeden Fall würde solcher Behauptung ungleich
mehr äusseres Becht zustehen, als der anderen, welche die ganze
Stelle auf Krantor zurückführt, dessen Name mehre Seiten im
Umkreis gar nicht genannt wird, und Nichts von Allem was die
Annahme krantor*schen Ursprungs widerräth, weder die Eigen-
thttmlichkeit des Inhalts noch die Art der Darstellung, würde
mit der Voraussetzung eines heraklitischen unvereinbar sein.
Wir brauchen uns jedoch nicht mit so allgemein gehaltener Be-
weisführung zu begnügen, sondern können Satz für Satz deut-
liche Zeichen heraklitischer Lehre verfolgen.
Nach den einleitenden Worten dass 'der Tod mit den
Menschen verwachsen sei' und der darauf begründeten Frage
*zn welcher Zeit ist der Tod nicht in uns?" findet sich Z. 6 die
Anführung des Heraklit, welche auch Schleiermacher veranlasste,
^ In welcher Weise Krantor die 'alte Philosophie* benutzte, zeigt
eine von Plutarch. oonsolat. p. 104 erhaltene Stelle: TOt!rToi<; (nämlich
dass alles Menschliche von Natur vergänglich sei) ^irofi^ux; xal ö Kpdv-
Tuip 1rapa^tl6o1Li^€vo<; tid rfl rdiv t^kvujv rcXeurq töv MiriroKX^a €pr\a{'
'raOra yäp irdaa i\ dpxa{a aßvf] 9tXoao9{a X^ci tc xal irapaKcXcOcrai *
div €l bf\ Ti dXXo fif| diroöcxöjuieea, tö t« iroXXaxiJ cTvai ipTOübr) xal bOaxo-
Xov TÖV ß(ov ÄTov dXiie^<;'. <Vgl. Welcker kl. Sehr. 11 511 f.).
BenuiTt, ges, AblumdL 4
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60 n Heraklitische Stadien
den nächsten Satz folgendermassen in seine Sammlang anfza-
nehmen S. 434 fr. 38: \a\ Ij qwimv 'HpdKXciTO? raÖTÖ t' fvi
(bis auf besseren Rath icrX) Zdiv xal TcGviiKd? Kai tö ifpr]-
Topö^ Ktti TÖ KoOcObov Kai v^ov Kai t^paiöv T<4b€ Top
^€TaTr€(T6vTa £K€ivd iari, KdKciva irdXiv neTairccTövra TaCra. *TJnd
wie Herakleitos sagt, dasselbige ist das lebende und das todte,
das wachende und das schlafende, das junge und alte". Denn
die noch folgenden Worte mögen wohl schon zu der Erklärung
des Plntarchos gehören, der^ wie er es besonders mit Leben und
Tod zu thnn hat und hernach ausführt dass die Natur ans
demselben Stoff nach dem Tode des Einen wieder einen andern
103 bereite, | das v^ov Kai v\90L\6vy wozu die Erklärung sich
nicht sonderlich schicken will, übersah'.
Auch im weiteren Verlauf seiner Darstellung lässt Schleier-
macher alles im Plutarch Folgende völlig unbenutzt. Dass nun
zu Anfang statt TauTÖ t' lv\ zu setzen sei: TaÖT(|i t' (v\ 'in
demselben ist', liegt auf der Hand und haben schon Andere be-
merkt; eben so klar ist wohl, dass auch in den von Schleier-
macher ausgezeichneten Worten nicht ganz unveränderte hera-
klitische Rede vorliegt, was Plutarchs ^ <pr\a\y^^ nicht wie bei
wörtlichen Anführungen: cpiiaiv, hinlänglich beweisen würde,
selbst wenn das Verwischen ionischer Form in dem ja auch
sonst verderbten toutö und das plötzliche Einschieben des Ar-
tikels vor ^TPnTopö^ und KadeObov den Abschreibern zur Last
fiele. Dem Gedanken nach sind jene Worte allerdings voll-
kommen heraklitisch. Um Nichts weniger jedoch ist es auch
das folgende von Schleiermacher zurückgewiesene: Tdbc T^p
^eTaireaövxa ^Ketvd iarx KÄKCiva trdXiv ^cTatrccTövra raOra,
'denn diese (Alter, Schlaf, Tod) sind umgewandelt jene (Jugend,
Wachen, Leben), und wiederum jene umgewandelt diese'; und
wenn hiermit ähnliche Aeusserungen zusammengehalten werden
aus der Schrift irepl biairric oben p. 9 Z. 13 ^€TaKiv€iTai K€iva
dib€ Kai Tdbe k€i(T€ iracTav fiptiv irdaav x^Plv biairpriacTö^cva
K£ivd T€ T& Tuivbe xdbc T€ TÄ Keivuiv, und daselbst 19
Z. 9 toOto (tö irOp) irdvTa bid Travrd^ Kußepv^ Kai rdbe koI
dKciva, oöb^KOTc dTpd^iZov, so ist es wohl gerechtfertigt, auch
in jenen kurz zusammenfassenden Demonstrativen bei Plutarch:
Tdb€, £K6iva engeren Anschluss an ächtheraklitische Bedeweise
» (falsch).
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n HeraklitiBche Stadien 51
ZU yerrnnthen. Sollte aber wirklich die 'Erklärang\ welche
jene Worte geben, sich weniger "sonderlich schicken' für das
Verhältniss zwischen Jagend nnd Alter als für das Verhältniss
zwischen Leben nnd Tod und zwischen Wachen und Schlaf:
dann wttrde man nicht allein schliessen müssen, dass die 'Er-
klärung' nur Yon Plntarch herrühre, sondern noch viel mehr,
dass die Erwähnung von | Jugend und Alter in solchem Zusam-104
menhang gar nicht heraklitisch sei. Denn eine andere Er-
klärung hätte Heraklit selbst nicht geben können, keinesfalls
eine kürzer gefasste, welche auf die drei fraglichen Paare von
Verhältnissen gleich treffende Anwendung fände. — Leben und
Tod sind, nach heraklitischer Auffassung, nur die nach den
Gegenseiten hingewendeten, innerlichst untrennbaren Aeusse-
rungen desselben Prozesses, der den ganzen Bereich des Wer-
dens beherrscht, mithin auch den Menschen umfasst. In dem
Menschen wirkt also die Kraft des Todes wie des Lebens in
jedem Augenblick seines Daseins. Die grösseren Abschnitte
aber und kräftigeren Aeusserungen des Lebens und Sterbens
wiederholen sich in kleineren Kreisen mit schwächerer Wirkung
durch den Wechsel von Wachen und Schlaf, Erscheinungen des
Einzellebens, die mit dem Gesammtleben der Natur zusammen-
Ungen durch den Umschwung der Tageszeiten, so wie dieser
wiederum in innigster Beziehung steht zu dem 'ewiglebenden
Feuer^ das in stetem Wechsel aufflammt und verlischt. Das
Eintreten von Leben oder Tod und von Wachen oder Schlaf ist
jedoch nur das sichtbar werdende Uebergewicht, welches je die
eine Kraft über ihren Gegensatz gewonnen und augenblicklich
wieder an diesen zu verlieren anfängt Wirksam vorhanden
sind . immer beide Kräfte zugleich, da ihr ewiges 'Streiten'
weder Sieg noch Unterdrückung einer von beiden auf die Dauer
zulässt. Hat nun Heraklit in dieser Weise fortwährendes Zu-
sammenwirken und gegenseitiges Umwandlen behauptet von
Leben und Tod wie von Wachen und Schlaf: so kann es nicht
auffallen und muss ebenso erklärt werden, wenn das Gleiche aus-
gesagt wird von Jugendkraft und Altem, den vorbereitenden
Kräften des Lebens und Todes. Aber — könnte man einwen-
den und dies hauptsächlich war wohl Schleiermachem anstössig
— zugegeben dass wie im Jüngling der Keim des Greisen liegt,
ebenso auch im Greisen, so lange er nicht ganz dem Tode ver-
fallen, immer noch Jugenkraft zurückbleibe; mag femer Hera-
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62 II Heraklitisohe Studien
klit dies in seiner Weise so ausgedrückt haben: Engend and
Alter ist in einem nnd demselben'; nnd mag man endlich, ohne
verkehrt zu reden, das Alter nennen dürfen eine Umwandlung
(^€TaiT€(TövTa) der Jagend; wie will man es dagegen recht-
106 fertigen dass die Jagend sei die | Umwandlang des Alters? Solcher
Einwand hat jedoch nur Statt, wenn das Leben des einzelnen Men-
schen als ein fUr sich abgeschlossenes gedacht wird; in keiner
Weise trifft er die Auffassung des Heraklit, welcher es vielmehr
im Zusammenhang will gedacht wissen mit dem Gesammtleben
der Gattung und im innigsten, abhängigsten Anschluss an die
wandelnden Kräfte des Alls ^ Und dies hebt auch der im Plu-
tarch folgende Satz mit entschiedenstem Nachdruck hervor:
*denn' — heisst es (Z. 9) — 'wie einer aus demselben Thon
Bilder formen kann und zerschmelzen, und dann wiederum
formen und zerschmelzen, und diess unaufhörlich thnn eines
nach dem andern: so hat auch die Natur aus demselben Stoffe
vor Zeiten unsre Vorväter heraufgebracht, dann hat sie in un-
mittelbarem Anschluss an jene unsre Väter erzeugt, dann uns, und
dann wird sie Andere nach Andern im Kreise herauffördem'.
Die ganze Satzbildung ist hier unheraklitisch und natür-
lich gehören auch (pvaiq in dieser Verbindung und uXi] späterer
Terminologie an. Aber das Oleichniss vom Thon in der Hand
des Töpfers' zeigt stark heraklitische Färbung, und die weitere
Anwendung, welche es wohl im Buch des Heraklit mag gefun-
den haben, kann die hier vorliegende auf den Zusammenhang
der Menschengeschlechter sicher nicht ausschliessen, zumal da
die Gliederung dieses Zusammenhanges in je durch Grossvater,
Sohn und Enkel gebildete Abschnitte, welche unsere plutarchi-
sche Stelle klar genug andeutet, auf bestimmte Sätze des Hera-
klit zurückgeht, deren früher bekannte Spuren jetzt noch durch
ein neu hinzugekommenes Zeugniss vermehrt werden aus der
nur armenisch erhaltenen Schrift Philo's quaest. in Gen. n § 5
extr. p. 82 Auch, t vi p. 310 Richter: *Triginta apprime na-
turale est; sicut enim in unitatis serie trinus est numerus ita in
denariis triginta, idque lunae cydus coUectio singulorum men-
sium plena delineatione. secundo componitur ex quatuor con-
* <Vgl. Arist. probl. xvn 3 p. 910» 26 t( KuiXiici Kai Tf|v t^vcoiv
Kai Tf|v diruüXciav täv <p6apT0jv TOiaöniv cTvai, djöTe irdXiv raOra (lies
TaörA) Tiv€a9ai Kai (p6€(pe<T6ai;)
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n Heraklitische Stadien 53
tinnatione nnitatis horum qaadrangulornm L IV. IX. XVI tri-
ginta constitaentibns. ünde non gratis ac frnstra Heraclitns
generationem id vocavit, cam diceret: ex homine in tricen-
nio potest avus haberi, qaoniam pnbertatem attingit qiiarto
et decimo aetatis anno quo Seminare potest, semen | aatem eins 106
inter annom confectnm iternm post annum {sie) qnindecim ge-
nerat similem sibi. ex bis antem nominibns avorum patrnm
filioram natomm, sicnt et matrum filiarnm filiaramqne prolibus
completa perficitnr generatio'^ Wörtliche AnfUbrang ist wohl
^ Von dieser philonischen Stelle gibt nur ein flüchtiges und verderbtes
Exeerpt Johannes Lydns de mens, m 10 p. 37 f. Bonn, (auch bei Gramer
Aneodot Paris, i p. 224) ohne Quellenangabe : öti ö X' dpiO^ö^ «puaiKUbrarö^
ionv. Ö T^ ^ iiovdöi Tpid<;, toOto iv ÖCKdat TpiaKovrd^, iircl xal d toO
^T)vö< kökJUk auv^<JTiiK€v iK Tcaadpuiv tiSiv dirö fiovd6o<; klfi<i TCTpaxtdvujv
a' b' 6' ig'* dOcv oök dir6 dKOiroO 'HpdKX£iT0<; jevcdv t6v jxf|vo KoXet.
Aas der Vergleichnng des Armenischen ergriebt sich, dass der Excerptor
erstlich fircira welches vor a\)vian]K€v stand in ^irc( verändert, umgestellt
and so die zweite Eigenschaft der Zahl dreissig durcheinander gewirrt hat
mit der ersten, wahrscheinlich weil er die Worte nicht verstand, welche
anf MTivö^ Kt>KXo^ folgten und dem Satztheil 'collectio singulorum mensium
plena delineatione* entsprachen. Sollten es vielleicht diese gewesen sein:
(nüXXoyo^ 6iX0n/|vu)v irXf|p€i ox^maTi? — Ferner fand er im Griechischen
'HpdicXctTO^ TCvcAv aÖTfjv KaXcl d. h. ti?|v TpiaKOvrdfta; er bezog es da-
gegen sinnlos auf das nSchstvorhergehende und setzte daher töv fif)va. —
Anf eigene Worte des Heraklit scheint auch Censorinus de die nat. 16
p. 42 ed. lahn sich zu beziehen: lioo (triginta annorum) tempus jeve&v
▼ocari Heräclitus auotor est, quia orbis aetatis in eo sit spatio: orbem
autem vocat (so Lachmann statt vocant) aetatis, dum natura humana a
sementi ad sementim revertitur' (griechisch etwa fj (pOoiq el<; airopdv
^irov^pX€Tat). — Die früher bekannten Spuren, dass Heraklit den Umfang
eines Geschlechts und die Altersstufen des einzelnen Menschen näher
bestimmt habe bieten nicht, wie das philonische Zeugniss und Censorinus,
wörtliche Anführung: Plut de defect. orac. p. 415^ . . . . €tti xpidKOVTO
irotoöat Ti?|v T€V€dv KaO' 'HpdxXeirov, iv ^ xp^'^^> T^vvCOvra irap^x^i töv il
touToO T€T€vii|üi^ov 6 T^vWioa^; plac. phil. v 23, 1 *HpdKX€iTO<; Kai ol
iTuitKol dpxeoOai toO< dvepiOirou^ rf)^ reXcidniTo^ irepl Tf|v öcur^pav ißöo-
^dbo, iicpi l^v ö 0iT€pfiaTtKÖ^ Ktv€tTai öppd<; .... t^cio^ oöv TÖTedvOpu)-
iro^. ir€pl bi n^v öcur^pav ^ß^o^dba fwoia T^vcTat xaXoO t€ kqI kokoO koI
Tft^ btbaoKoXia^ ain^y. Die Art wie hier der zweite Grund, Erkenntniss
von Gut und Böse, locker angeknüpft erscheint, könnte darauf führen,
dass er eher aaf die im Eingang ausdrücklieh genannten Stoiker zurück-
zuführen sei als anf Heraklit, dem er von Schleiermacher S. 421 und An-
deren zugetheilt wird; (darch das Zeugniss desPs. Galen o. 127 steht aber
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64 n Heraklitiscbe Stadien
nnr in dem gesperrt gedrnckten Theil zu Buchen, der im Grie-
chischen vielleicht so lautete: Ü dvOpiiiiTOu iv tphikovto€t(ij ton
irdiTTTov ^x^iv. <Dem Hippokrates schreibt Hippolytns refnt
p. 101, 94 Mill. den Satz zu: ^Trra ijfSjv trai^ Trarpö^ f{}x\Cv.
Littr^ (Hippocrate t. vm p. 627) kommt selbst darauf, dass
diese in unserer hippokratiscben Sammlung, auch in der Schrift
De septimanis vergeblich gesuchten Worte ursprünglich einem
andern als dem Hippokrates angehörten: fllr Heraklit passen sie
vollkommen).
Erhellt es nun aus diesen Erwägungen, dass die Ansicht
von wechselnder Zerstörung und Neubildung des Menschenge-
schlechts so wie das hierauf bezügliche Gleichniss in unserem
107 plutarchischen Satz | aus heraklitischer Quelle herfliesse : dann
zwingt die Stellung, welche nach Heraklit der Mensch gegen-
über der Gesammtheit aller Wesen einnimmt, zu der Folgerung,
was im Wandel der Menschheit als Gesetz hervortrete, müsse
die allgemeinste Geltung auch im ganzen Gebiete der Natur be-
währen. Den Menschen zu befassen unter das 'gemeinsame
Maass' -* dies ist nicht nur der Weg auf dem Heraklit die
Bäthsel zu lösen glaubt, welche der Mensch dem <p\)C\K6q als
solchem aufgiebt, es ist auch das Band, welches die heraklitiscbe
Physik aufs innigste verknüpft mit seiner Ethik, wie diese in
den Bruchstücken durch spärliche aber kräftige Umrisse vorge-
zeichnet ist und zu geschlossener Gestalt ausgeprägt wurde von
den Stoikern ^ Wird also von der Menschheit behauptet dass
fest, da88 er ursprünglich gar nicht zu dem vorherjrehenden, sondern zn
dem Bericht über die Ansicht des Aristoteles gehorte) [s. jetzt Diels
zu Doxogr. p. 485, 6. 7]. — Alle diese Spuren nun standen für Sohleier-
macher 'ganz einzeln*. Es, wird sich ihnen aber, abgesehen von dem
Zusammenhang, in welchen sie schon die plutarchische Stelle ruckt, noch
ein anderer, für den Ausbau des Systems nicht minder wichtiger, Platz
anweisen lassen [vgl. unten p. 66 f.].
^ Zu den Belegen, welche die Schleiermachersohe Sammlung hierfür
darbietet, kommt folgende bisher nicht ausgebeutete Zusammenstellung
heraklitischer Kernsprüche bei Marc. Anton, rv 46: del toO 'HpaicXeiTeiou
|bi£fivi)aeai, ÖTi ff\<; 6dvaro(; öbwp Tev^aOai, kuI {)5aT0<; edvoro^ äipa T€v^-
oOm, Kul d^po«; irOp, kuI £fiiraXtv. tA€\xvf\aQa\ bi kuI toö ^niXavOavo-
^^voti ij t\ ö5ö<; dycr kuI ort Cjt \i&X\<fra &ir)V€KtS)^ ö^tXoOoi Xöt%
T«Ji Td öXa öiotKoOvn, ToOrip bia<pdpovTai' Kai ot<; xae' ifm^pav kj-
KupoOoi tuOtu aÖToH H^va q>a{v€Tat' xal ort oi> bei dioircp ko-
eeObovTa^ iroulv kuI X^T€iv...,Kai örx oö 6€t iralba^ tok^wv d»v
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n Heraklitische Stadien 65
sie ^aus demselben Stoffe' geformt, aufgelöst, and wiederum
geformt werde ^eines um das andere': so ftlgt dies zu den
sehen sonst vorliande;nen > noch einen Beweis mehr, dass Hera- 108
klit dasselbe Gesetz wechselnder Neubildung und Zerstörung
auch für den ganzen KÖa^o^ aufstellte. Bekanntlich hat Schleier-
maeher dies nicht zugeben, und mit dialektischem Scharfsinn
die in Frage konmienden Zeugnisse theils als seien es unzu-
verlässige zurückweisen, theils zu Gunsten seiner Meinung deu-
ten wollen. Dass aber diese Meinung nicht die richtige sei,
bedarf hier um so weniger näherer Auseinandersetzung, als bloss
durch unbefangene Würdigung des schon Schleiermachem be-
kannten Materials die entgegengesetzte Ansicht sichergestellt
worden von Ritter und Brandis, worauf sie dann ohne Wider-
toOt* iOTX kotA i|iiX6v, KaOön iTap€iX/|<pa^€v. Der erste, physikalische, Satz
greift hinüber in die noch unentwirrte Frage von der Aufeinanderfolge
der Verwandlungen. Alle anderen Sätze dagegen haben ethische Bedeu-
tung, und unter ihnen trägt der erste dass *man immer wieder vergesse,
wohin der Weg führe* schon in 656^ deutlich heraklitischen Stempel. Der
zweite [98 Byw.] : 'das Gesetz mit dem sie am meisten ohne Unterlass verkeh-
ren, gegen dieses lehnen sie sich auf stimmt durchaus mit der Entwicke-
lung in der Schrift iT€pl biaCni^ dass die Menschen in allem ihrem Thun
und in jeglicher Kunst nur das Naturgesetz nachahmen und dieses dennoch
verkennen; s. oben p. 10 Z. 16 — 18, vgl. p. 18 f. Der dritte Satz: 'worauf sie
täglich stossen, das scheint ihnen fremd* ergänzt und berichtigt die Anfangs-
worte von fr. 2 (5 Byw.), welches Schleiermacher S. 329 nur nach der ver-
wirrenden Anführung des Clemens Alexandrinus mittheilt. Der vierte
Satz: 'man muss nicht handeln und reden wie im Schlaf* steht in Be-
ziehung zu dem Schluss von fr. 47 S. 482 (2 Byw.). Die letzten Worte endlich
werden wohl am passendsten mit Eorais so verbessert: oiß b€i \b^ rtaXha^
TOK^uiv, toOt* CoTi ktX. 'man muss nicht handeln und reden wie ein Kind
seiner Eltern' und enthalten, wie schon der erklärende Zusatz 'bloss wie
wir es überkommen' anzeigt, die Aufforderung von der Ueberlieferung
abzulassen und der neuen Lehre sich anzuschliessen.
' Die gonaueu Zahlangaben freilich, welche sich über das 'grosse
Jahr' des Heraklit nur bei sehr späten Sammlern und in verdächtiger
ZusammenstelluDg mit Linus finden (Plut pl. ph. n 82, Stob, eclog. phys.
p. 264 Heeren [p. 864 Diels], Gensor. de die nat. 18 p. 55 Jahn.) könnten leicht
keinen anderen Ursprung haben, als irgendwelche deutelnde Berechnung
vieUeicht stoischer Gommentatoren des Hesiod, welche auf die bei Plutarch
de oracul. def. 415 ^ erhaltenen hesiodischen Verse die heraklitische Be-
stimmung der Tcvcd anwandten. Als wahrscheinlich wenigstens muss diese
Yermuihung sich aufdrängen bei genauer Erwägung des do von Plu-
tarch (4160 Gesagten.
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56 n Heraklitisohe Studien
sprach in die neueren Darstellungen des Heraklit Übergegangen
ist. Diese itlr den Zusammenhang der Lehre bedeutungsvolle
Einsicht ist die einzige, welche seit Schleiermacher hinzuge-
wonnen wurde, und auf dieselbe sollten die Eingangsworte dieses
Aufsatzes hindeuten. Bisher ist sie jedoch noch nicht nutzbar
gemacht worden zur Aufhellung einzelner früher räthselhaft ge-
bliebener Aussprtlche, und indem wir das hier an einem Bei-
spiel unternehmen, glauben wir unsere am Faden der plutarchi-
schen Stelle hinlaufende Erörterung durch keine ungehörige
Abschweifung zu unterbrechen, da wir zum Verständniss eines
dem plutarchischen ganz ähnlichen Bildes fttr dieselbe Sache
geführt werden.
In seiner Versteigerung der Philosophen lässt Lucian (Vit
auct. 14) auch den Heraklit zum Verkauf ausbieten und, ohne
dass sich viel verzerrende Parodie hineinmischt, wird bei dieser
Gelegenheit dem Ephesier eine Auswahl seiner bezeichnendsten
und fremdartigsten Sätze in den Mund gelegt. Da spricht nun
Heraklit: 'Eines und dasselbe ist Lust Unlust, Wissen Unwissen,
Grosses Kleines, aufwärts abwärts wandelnd und sich vertäu-
109 sehend in der Weltzeit | Spiel' (dv t^ toO aluivo^ Traibi^)^
Ein Kauflustiger fällt mit der Frage ein: ti yäp 6 aldiv dari;
worauf Heraklit die Antwort giebt: irai^ iraCZujv, trcaaeuuiv,
auvbia9€p6^€vo^^. Von diesen drei Bezeichnungen des aluiv ist
die dritte vollkommen klar. Sie fasst das Zusammen- und
* In dem unmittelbar Vorhergehenden Kai lan tcjötö T^p\|ii( dxep-
\|i{il, Tvu'<Tt<; dTvuidii, )üi^a ^ixpöv, dvu) xdTiu irepixu^p^ovra xal d^etßöfieva
ist T^p\|ii(; dTcpifidi als hcraklitisch nachgewiesen oben p. 26 Anm. 2,
TvuKTK dTvuKTiii daselbst p. 30, x^^P^^^v als Bezeichnung von ööö^ dvu)
KdTU) daselbst p. 11, ^q Kuxetuva irdvTa (TuvciXdcTai p. 6. Im Folgenden
deutet der Kauflustige mit drexvuuq fäp i&aircp ö AoSCa^ odbtv diroaoupct^
auf fr. 10 S. 333 Schi. 11 Byw. d dvoE, oö tö jxavT€löv iOTX tö dv AcXqjoH
0ÖT6 X^€i oCt£ KpOiTT€i dXXd <xr)|bia{v€i, und den Heraklit selbst lässt Lucian
in den Worten ^t^ öd xdXo^at irden fißr^böv olfüiidZIciv seinen Ausspruch
über die Ephesier parodiren fr. 46 S. 480 Schi. 114 Byw. dSiov 'E<pc<^{oi^
i^ßri&öv dirdT^aadai irdot.
' Dass so, und nicht öia(p€p6^€vo<; zu schreiben sei, beweist das
Scholion: 5ta<p€pöfievo<;] <Tuvbia)uiax6^evo(, wie schon Hemsterhuys gesehen,
wenngleich er den heraklitischen Terminus eben so wenig erkannte als
der Scholiast. Dieser dachte an Stellen wie Herod. i 18: oi MiX^iinoi
Totai Xioiai töv irp6<; 'EpuOpaiouq 1r6\e^ov auvbtdvciKav.
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n Heraklitische Studien 57
Aliseinanderstreben in ein Wort und wird als heraklitisch ge-
währleistet durch Piatons Zeugniss (Soph. p. 242^): biacpepöfie-
vov dd £u^(p^p€Tai. Für die zweite : Treaaeuiüv findet sich aller-
dings kein wörtlicher Beleg in den jetzt bekannten Brachstücken ';
allein es liegt zu Tage, dass das gegenseitige Umwandlen der
Gegensätze und die wechselnde Stellnng, welche dadurch je der
eine zum andern einnimmt, mit dem Versetzen der Steine im
Brettspiel* verglichen wird. Nnr die Bedeutung des ersten
Bildes, dass derA^on 'ein spielendes Kind' sei, will sich nicht
sogleich ergeben, gerade weil es nach vielen Seiten hin schillert,
während man bei Heraklit freilich oft derbe aber immer den
ganzen Gegenstand und nnr diesen allein treffende Gleichnisse
zu finden gewohnt ist. Auch des Clemens' kurzes und obendrein
einer Bibelstelle tändelnd angepasstes Citat (Paedag. i 5 p. 111
Pott.) TOiauTTiv Tivd TiaiZciv iraibidv töv lauroO Aia 'HpdxXeiTO^
X^T^i gewährt keinen gentigenden Aufschluss. Es zeigt nur dass
Lucian den heraklitischen Terminus Zeu^ mit dem sicherlich
auch nicht | unheraklitischen aiuiv® vertauscht hat. Eher hätte lio
Proklus' Andeutung (in Timaeum p. 101 unt.)dXXoi b^xal töv bimi-
oupTÖv iv T^i Koa^oupT€lv TtaiZeiv elptiKaai, xaSdirep *Hpd-
KXeiTO^ auf die rechte Spur leiten können, wenn nicht Schleier-
macher in seiner oben berührten Meinung, wäre befangen ge-
wesen, und wenn die neueren Urheber verschiedener Erklärungen
den Worten des Proklus das gebührende Gewicht beigelegt
hätten. Legen wir ihnen aber dieses Gewicht bei, so besagen
sie, verbunden mit den andern Zeugnissen, dass Heraklit den
^ (Sowohl ireaacOuiv als iral^ iraüluiv bietet als Prädioat des alubv
das erst durch Hippolytus refut. haeres. iz 9 p. 281, 73 M. bekannt ge-
wordene Fragment (79 Byw.)).
' Enripid. Iph. Aul. 196 ircoauiv f|&ofi^vou(; \iop<pa'iai iroXu-
itXökok;; Phil, de vit, Moys. i p. 85 M. tOxh? T^P daTaejxiiTÖT€pov
oObiv dvui Kai Kdruj rd dvepidircia ireTTCuotiOT)^. Plut. de commun.
notit. p. 1068<* iT€TTi&v Mkt)v fteOpo Kdxel Td<; Koivd^ ^vvo(a( jicra-
» Diog. Laert. ix 8 von Heraklit: T€vva<j9a( t€ aÖTÖv (töv köo^ov)
^K irup6( Kai irdXtv ^KirupoOoOai ^vaXXdE töv aOjuiiTavTa aldiva. (Als Wort
Heraklits selbst ist der Ausdruck gewährleistet durch das oben Anm. 1
angefahrte Fragment. Sehr merkwürdig dass auch Aristoteles de caelo I
9 p. 279* 23 aiuüv s d€l div als ein övoMa bezeichnet das 9€(u)( £<p9eYKTai
^ö Tiifv dpxaiuiv. Wahrscheinlich hat er dort auch ein Auge auf Hera-
klit| wie 80 oft in jenem Werke).
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58 n Heraklitifche Stadien
Zeus in seiner weltbildenden Thätigkeit mit einem spie-
lenden Kinde verglichen» nnd halten wir das zusammen mit der
als heraklitisch beglanbigten Ansicht von abwechselndem Neu-
bilden und Zerstören der Welt, so brauchen wir, um in dem
Welten bauenden nnd zerstörenden Zeus ein spielendes Kind
nach heraklitischer, d. h. treffender, Bildersprache zu erkennen,
uns nur nach einem auch in Griechenland gewöhnlichen Kinder-
spiel umzusehen, welches in abwechselndem Bauen und Wieder-
zerstören sich ergeht. Ein solches Kinderspiel nun erscheint als
altherkömmlich in der Uias (0 361), wo von ApoUon gesagt wird:
£p€iiT€ bl T€ixo^ 'AxaiÄv
jScia jidX' di^ 8t€ ti^ i|id^aOov irdi? ötX^ OaXd(T(TTi^,
öot' itrei oöv iToi/jaij ddupiiaTa viim^ijaiv,
Si|i aÖTi^ (Tuv^x€ü€ iToaiv Kai xepaiv dOupuiv.
Hat man aus Plut. de Iside p. 370"^ (Schleierm. S. 408) erkannt,
wie Heraklit gerade bei seinen bildlichen Ausdrücken auf Homer
Bezug nimmt: so dtirfte femer diese Vermuthung nicht fttr zu
sehr gewagt gelten, Heraklit habe, in bewusstem Hinblick auf
jenes homerische Gleichniss vom Apoll, seinen weltbildenden
Zeus als ein Sandhäuser bauendes und zerstörendes Kind dar-
gestellt, wobei er natttrlich wenigstens nicht so kurz verfahren
konnte als unsere jetzigen offenbar durch viele Zwischenhände
gegangenen Notizen. Aber selbst wenn eine derartige Bezug-
nahme auf Homer Bedenken erregen sollte, wird sich keinesfalls
111 leugnen lassen, dass dem Heraklit auch | ohne fremden Anstoss
eben dieses Kinderspiel eher als irgend ein anderes zur Ver-
anschaulichung fUr das Thun seines Zeus in den Sinn kommen
musste; wie in der That spätere Schriftsteller bei ihrer Polemik
gegen die stoische, ganz auf heraklitischem Grunde fussende
Lehre von der iKmipujai^ allererst dieses 'Kinderspiel* erwäh-
nen, mit versteckterer Benutzung der homerischen Verse wie
Philon de incorrupt. mundi p. 500 M. 234, 4 B. ei b' ö^oio^ (ö KÖa)ioc,
nämlich jder nach einer ^KirOpouai^ neugebildete), ^aTaioirövo^ 6
t€Xv{tti^ oubfev KO\i\bfji vTiiriuiv iraibujv bmcpcpiuv, o1 iroXXdKt^
Trap' alTiaXoi^ ddupovTC^ l)ld)i^ou tc^XÖ90uc dvioraai' Kd-
treiO' u9aipoOvT€5 rai^ X^pcJ^ irdXiv ipeiirouaiv, oder mit
* So ist statt ötaviotAai zu Bchreiben nach der Parallelstelle de
mundo p. 615 M., wie dort auf Grund der hiesigen Stelle ^fd^^ou( zu be-
richtigen in i|id^fiou; (vgl. zu der angef. ps. phiL Schrift p. 48 und 67^.
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n Heraklitische Stadien 69
dentlicber Hinweisung anf Homer wie Plntarch de Et p. 393*
diorrdacic hi aiiToC (toO 'AiröXXuivoq) Kai jucTaßoXdq t\q nOp
d»pi^vTO^ iauTÖv fijLia irä(Ttv, (bq X^toucrtv, adOiq tc KaraOXißovTOC
dvraOOa xai KaraTcivovTOC * clg Tflv xal Q&Kaaaav Kai dv^inouq
Ka\ Lü^a Ka\ q>\rrd, xal Td beivd iraOfiiLiaTa oub' dKOueiv ömov* f|
Tov iroiTiTiKoO iraiböc iorax cpauXÖTCpoq, flv dKcivoq ?v xivi
l|la^de^l auvnecM^vq Kai biaxeojLi^vq irdXiv 69' dairroO naiCci
iraibid V, raÖTTj ircpi rd öXa xpwjiievoq del Kai töv köctiliov oök dvxa
TrXdxTUJV* €It' diToXXuiüv T€vö^€Vov, wo ttberdiess iraiZci naibidv
ganz den Worten des Clemens über Heraklit (S. 57) gleichlantet. |
So hätten wir denn in dem spielenden Kinde, das vom 112
Drang etwas zn thun getrieben seine Sandhänser einreisst um
sie wieder zn bauen, ein Bild erkannt fttr die abwechselnd
schaffende nnd vernichtende Thätigkeit des im Weltstoff wir-
kenden Weltprozesses. Nur dadurch, dass es nebenbei auch
jeden Schein von Teleologie ausschliesst^, ganz in Ueberein-
Stimmung mit der alten Physik überhaupt wie insbesondere mit
' Die in diesem ganzen Buch gar arg verderbten Handsohriftcn
haben: McraßoXA^ iiOp dq)i^vTO^ 4auT6v ä\ia airdiaiv \b<^ X^oumv aCe{^
T€ KaToeXißovTO^ ^vraOOa KoraTeivovroc. Daraus hat Wyttenbach mit Be-
nutzung früherer Yerbessemngsversuche gemacht: ^€TaßoXd^ irOp d<pi6rro^,
iauTÖv dvaairütivTO^ \b<^ Xtfovcw, aOOi^ re KaraeXißovro^ £vTa06a xal
xaTcrrcivovTO^. Die oben der Deutliofakeit wegen gleich in den Text ge-
setzten Yermuthungen beruhen auf der früheren Stelle in demselben Buche,
auf welche die hiesige deutlich genug zurückblickt, p. 888': ^craßoXctl^
^ouToO xp^}i€vo<i dXXore \iky eU t^P dvff)|i€ Tf|v (ptüaiv trdvTa ö\xoi\b-
aa^ «aatv ktX. Auch im Folgenden habe ich die Lesart der Hand*
sehriften xai dv^^ou^ xai Z^ xal rd öeivd iTa6/||üiaTa xal Z^wy xal <p\yvSjv
0Ö6' dxoöciv öaiov durch Umstellung und Auslassung verändert, ebenfalls
nach Anleitung jener früheren Stelle: Tf)( b' eU irvcOimaTa xai dbuip xal
Tilv xal äarpa xal <puTiX»v Ziiiiuy t€ yeviaei^ rpoirf)^ xtX.
* Hiemach ist eine andere Stelle desselben Plutarchischen Buchs,
in der Heraklit ausdrücklich genannt wird, zu verbessern p. 888 A: \b^
jap iK€(vi|v (Tf|v tA flXa biaxoaimoOaav dpx/|v) 9iiXdTT0uaav Ik im^v
^auTf)^ TÖV xöafiov ix bi toO x6a^oll irdXiv aö 4auTf|v diroreXetv irupö^ t*
dvTa^cißeoOai irdvra fpr\a\y ö *HpdKX€iTo< xal irOp dirdvrurv diairep xP^aoO
Xp^^aTa xal xP^IMdruiv %pvc6^ xtX. Statt des sinnlosen q)iiXdTTOiiaav, dem
anoh Wyttenbaohs Zusatz iauTf|v keinen rechten Sinn giebt, ist zu schrei-
ben: irXdrrouaav.
* Hierin, dass es nämlich *gegen die Annahme freiwaltender Vor-
sehung streite' hat man geglaubt den alleinigen Sinn des Bildes finden
SU müssen.
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60 u Heraklitische Studien
der des Heraklit, unterscheidet sich dieses Bild von dem an-
dern, das Plutarch, zn dem wir jetzt zurückkehren, uns in dem
Thonbildner nach heraklitischen Quellen ^ für dieselbe Sache
vorführt. Aber wie treffend auch eben dieses Gleichniss vom
Thonbildner auf einem andern (rebiete gebraucht wird, um das
Verhältniss der Menschheit darzustellen zu den unerforschlichen
Bathschlüssen des lebendigen, fürsehenden, seiner Zwecke sich
bewussten Gottes: von Heraklit kann es nicht zweifelhaft sein,
dass er dasselbe in Beziehung auf teleologische Fragen nur so
aufgefasst wissen wollte, wie etwa jener Philosoph des xvn Jahr-
hunderts, der alle Teleologie mit Hass und Spott verfolgte
gleichsam als einen Götzendienst, und doch seine Ansicht vom
Verhältniss der Menschheit zu seinem Gotte in keine bezeich-
nenderen Worte glaubte kleiden zu können als in diese : 'homi-
nes in potestate dei sunt sicut lutum in potestate figuli'.
Bestimmteren Aufschlnss darüber, in welcher näheren Ver-
bindung jenes Bild bei Heraklit gestanden, giebt Plutarch nicht.
In Worten, die das Zeichen der Eilfertigkeit an sich tragen,
springt er über zu einem andern wo möglich noch mehr hera-
klitischen Bilde, Z. 15: Tnd dieser (?) Strom des Werdens
113 ununterbrochen fliessend | wird nimmer stille stehen, und wie-
derum ihm entgegen der Strom der Vernichtung, Aeheron oder
Kokytos genannt von den Dichtem*.
Heraklits Wort: 'in denselben Fluss können wir nicht
zweimal steigen und seine ähnlichen Aussprüche vom Tluss
aller Dinge' werden seit Piaton, von Alten und Neueren so oft
als das eigenthümlichste Kennzeichen seiner Lehre angeftthrt,
dass ein Zweifel darüber, ob die ganze Färbung des plutarchi-
schen Satzes eine heraklitische sei, wohl bei Niemanden wird
aufsteigen können. Fraglicher dagegen ist es und wenigstens
durch sonstige Zeugnisse nicht erwiesen, ob Heraklit selbst, wie
hier in den plutarchischen Worten geschieht, einen Strom des
Werdens und einen Strom der Vernichtung einander gegen-
über gestellt habe, ob er nicht vielmehr denselben Fluss aller
^ Sollte vielleicht in seiner Polemik gegen die Herakliteer Piaton
Cratyl. p. 440 o mit den Worten irdvxa Oidirep K€pd)biia peX parodirend
auf dieses Gleichniss anspielen? (Vgl. Tertallian apolog. o. 47 p. 401
Haverk. '(deum) positum extra mundum Stoici (assenint), qui figulimodo
extrinsecus torqueat molem hanc*).
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II Heraklitische Studien 61
Dinge zugleich als den des Werdens nnd Vergehens, und zwar
mit nachdrücklicherer Hervorhehung der Vergänglichkeit, auf-
gefiisst hahe, jene Trennung aber nur auf einem Missverständ-
niss seiner antithetischen Bedeweise beruhe, in das Plutarch
oder Tielleicht auch dessen heraklitische Quelle verfallen. Ein
solches Missverständniss muss noch deshalb um so eher ver-
mnthet werden, als für den Strom des Werdens sich in dem
Satze des Plutarch ein bestimmter Terminus nicht findet, wäh-
rend es in keiner Weise unwahrscheinlich ist, dass die Bezeich-
nung des Stromes aller Dinge als Acheron von Heraklit selbst
ausgegangen sei. Tritt es doch noch in unseren Bruchstücken
deutlich heraus, mit welcher Vorliebe Heraklit seine philo-
sophischen Grundgedanken ip mythologische Namen hineinlegte;
und wie 6böc ävui und d6i2:ii;ov TrCp von ihm Zeu^ genannt wird,
ööö^ KäTui und das feuchte Prinzip im Gegensatz zum trocken
feurigen ' Aibiiq ', der £uvöq XoToq bald Aikt] bald 'Epivü?, ganz
in derselben Weise und auf jeden Fall eben so passend konnte
er seinen TroTajiiöq des in Vergänglichkeit yorüberrauschenden
Werdens wiederfinden im 'Ax^puiv 'Leidenstrom', zumal da seine
Neigung zu etymologischem Deuten • in der letzten Sylbe einen
Anklang an seine Theorie vom | Tliessen' sehen mochte, undiu
in den beiden ersten eine Anspielung auf seine trauernde An-
sicht vom ewigen 'Tode alles Sichtbaren' •.
Plutarch lässt auch dieses Bild vom Strome rasch wieder
fallen , und im folgenden Satze schimmert abermals hera-
klitische Farbe durch, viel verwischter freilich als im vorher-
gehenden, aber doch nicht bis zur völligen Unkenntlichkeit.
'Die erste Ursache — Z. 17 — also, welche uns der Sonnen
Licht gezeigt, dieselbe ftthrt auch den dunklen Hades heran'.
' Fr. 59 S. 607 Sohl. 73 Byw. dvfipÖKdrav imceuaGfl ätctgi 6irö iraibö^
dvfißou aqxxXXö^evo^, oök ^iratuiv ökij ßaivci öyp^v tVjv miuxi?|v ^X^wv, ver-
glichen mit fr. 70 S. 624 (127 Byw.) w(nö<; hi 'Mbr\^ xal Aiövu(Jo<;.
' Die in lächerliche Spielerei ausartende Etymologiensucht der Hera-
kliteer geisselt Piaton im Kratylus. Dass Anlässe zu solcher Ausartung im
Buch des Heraklit vorlagen, beweist noch jetzt fr. 66 S. 503 Schi. 66 Byw.,
welches mit Valckenaer (zu Eurip. Phoen. 1168) nach Eustath. in IL A p.
81, 6 zn schreiben ist: vSb oOv {bi Tzetzes in IL A 49 p. 809 Bachm.)
ßi^idvo^a^^^ ßio^ IpTov bi OdvaTO^ (vgl. Lobeck Aglaoph. 870).
• Etym. magn. s. v. *Ax^pu»v: ö tä dx«« A^wv <vgl. Likymnios fr. 2
bei Bergk P. L *. m p. 698 'Ax^ptuv dxea ßporotoi iropOiuictlEt, auch fr. 1>.
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62 n Herakliiisohe Studien
In jeder andern Verbindung würde einem Satz, so gefasst
wie dieser es ist, za grosse Ehre wiederfahren, wenn man da-
rauf bestehen wollte ihm einen anderen Ursprung als rein plu-
tarehischen zuzuschreiben. Nach Allem frühem jedoch und noch
mehr nach dem, was unmittelbar darauf eng mit ihm verknüpft
wird, dürfte wenigstens ein Versuch erlaubt sein, auch hier einen
altem Gehalt seiner späteren Hülle zu entkleiden. Da sei dann
die sehr junge 'erste Ursache' dem zurückgegeben, welcher sie
hier eingeschwärzt hat, im "Aibiiq werde der heralditische öbög
KäTui erkannt, dessen eigentlicher Gegensatz Zeviq hier dem ge-
wöhnlichem 'Sonnenlicht* hat Platz machen müssen, und end-
lich sei die Vermuthung gewagt, dass dieser ganze Satz von
der Ursache, welche zugleich Lebenslicht bringt und Todes-
dunkel, Nichts geringeres enthalte als eine allerdings sehr ge-
trübte Umschreibung etwa solcher heraklitischer Worte: Zeug
'Aiönq uiÖTÖq, welche trotz aller anscheinenden Kühnheit doch
nur eine Uebersetzung in mythologische Termini geben von
dem nachweislich heraklitischen Satz: öböq fivu) Kdrui jiiiii, so
wie dieser wiederum nur in nothwendiger Folgemng auf die
physikalische Seite des Systems den allgemeineren, mehr logi-
schen Satz anwendet: irdvra raörd Ka\ oä raörd^ |
^ S. oben p. 2 und 9 Z. 12. — Eine noch n&her liegende Folgerang
dieses Satses, welche sehr wahrscheinlich Heraklit selbst ausgesprochen,
lübnlich: ctvat koI \xi\ etvat tqOtöv xal oi) raöröv, greift schon Parme-
nides an in oftcitirten Versen, die jedoch in ihren dnrohans nicht ver-
steckten Seitenblicken auf heraklitische Lehre bis jetzt unverstanden ge-
blieben sind. Auch Mullach (Eleaticomm philos. fragm. Berlin 1846
p.181 f.) hat hievon Nichts geahnt Die Verse lauten (p. 114 ed. Mullach):
46 ainäp intiT* dir6 xflq (sa 66o0 6i2:/|aio^ ctprc vöt^a), l^v 6f| ßpo-
Tol elöÖTC^ oiihtv
irXdZovrm öiKpavor d^Tixaviii ydp tv aördiv
arifieaiy IGövci irXaTKTÖv vöov* öt bi (popoOvrat
KUXpol 6^UI^ TU<pXo{ T€ T€6?ltrÖT€^, dKplTQ 90Xa,
50 oU t6 it^eiv T€ Kol oök elvai xaÖTÖv vcvö^tiorai
Koö raÖTÖv, irdvTuiv bi iroXivrpotrö^ Ioti k^cuOo^.
'Zweiköpfig* (MKpovot V. 47) werden die Heraklit^r genannt wegen ihrer
antinomisohen S&tse wie, um nur auf das n&chstliegende zu deuten, ausser
dem Satz, den Parmenides selbst V. 50 berührt [vgl. oben p. 9 Z. 12],
noch el^dv t€ koI oi)K cliuidv fr. 72 S. 529 Schi. 81 Byw. <nur dies beach-
tete Steinhart meletem. Plotin. p. 57 und im Artikel 'Parmenides' inErsch'
und Grubers Encyklopaedie). Eine solche das eben Gesetzte gleich wie-
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n HerakliÜBohe Stadien 68
Wie gewagt immer dies Verfahren einen älteren Gedanken- 116
inhalt von späterer Einfassang zn befreien gerade in diesem
Beispiel anf den ersten Blick erscheinen mag, unberechtigt kann
es nicht genannt werden bei aufmerksamer Erwägung des fol-
genden Satzes, der sich auch in der Wortverbindung eng an
den Torhergehenden anschliesst und schon im Eingang durch
eine schüchterne Partikel (jiiifiTroTe Z. 19) seinen nichtplutarchischen
Ursprung verrilth: 'Und | ein Bild von diesem möchte wohl 116
sein die Luft um uns her eines um das andere Tag schaffend
und Nacht, Herbeiführungen von Leben und Tod, von Schlaf
und Wachen".
Ein Bild von welchem? Offenbar von dem Verhältniss,
welches der vorhergehende Satz geschildert hat, dass aus der-
der aufhebende AusdruckBweise geht nach Parmenides aus Bathlosigkeit
(dfiiixaviT) y. 47) hervor, und die Anh&nger der angegriffenen Lehre wer-
den "Nichts wissende' (elööre^ oi)biy V. 46) genannt, ähnlich wie Piaton
am Sehluss des Kratylus ausfuhrt, dass nach der heraklitischen Ansicht
vom ewigen Flusse keine Stetigkeit der Erkenntniss und also kein Wissen
möglich sei. In q)opoOvTai (Y. 48) wird wohl auf die Person der Hera-
kliteer ihr Sats irdvra <p^p€a9ai übertragen, welche Anspielung ebenfalls
Piaton in seiner Schilderung der Herakliteer nicht verschmäht hat: Theaetet.
p. 179« drexvid^, xard rä cut^P^V^V^ot^ 9^povTai. Den Ausspruch * Sein
und Nichtsein ist dasselbe und nicht dasselbe' hebt Parmenides v. 60 be-
sonders hervor, weil er an jener Stelle die verschiedenen Lehren vorzugs-
weise in Beziehung auf die Frage vom Sein durchmustert. Dass der Satz
in Inhalt und Form heraklitisch sei wird nach dem oben Gesagten eines
weiteren Beweises nicht bedürfen. Die Fassung desselben, wie sie Par-
menides wohl ganz treu erhalten hat, giebt überdies Anfschluss, warum
Aristoteles so vorsichtig spricht Metaphys. f 8 p. 1005 b 28: döOvaTov ydp
dvnvoOv ToCrrAv öiroXa|üißdv€tv ctvai kgI |üif| ctvai, xaedtrep xiv^q otovrai
Xdretv *HpdKXeiT0v. oi)K Ion ydp dvoTKatov ä tt^ X^ei raOra kuI öiroXa^i-
ßdvctv, <vgl. ebend. Top. 1010* 11 rtöv (paaKdvruiv V^paicXeiTtilciv). Diese
Tiv^( übersahen nämlich oder wollten übersehen den zweiten Theil der
Antinomie, das kqI oi) raördv. — Die allerdeutlichste Anspielung aber
oder, besser gesagt, einen ausdrücklich heraklitischen Terminus enthalten
die letzten Worte des Parmenides: irdvxuiv bk iraXivTpoirö^ korx Ki-
XcuOo^ in denen man die Coi^ectur irdvTui^ für trdvruiv, welche, so lange
die Anspielung nicht verstanden war, allerdings nöthig scheinen konnte,
femer nicht wird festhalten wollen. Die Worte sind mit oU in V. 60 zu
verbinden und dann zu übersetzen: *und denen der Pfad aller Dinge ein
umwendender ist' d. h. mit Heraklit (fr. 84 S. 418 Schi. 69 und 46 Byw.
Tgl. oben p. 22) sagen: iraXivrpoiro^ äp\x(Mr\ KÖa^ou.
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64 n Heraklitisohe Studien
selben Quelle das sonnige Lebenslicht und das Dunkel des Todes
herströme. Dieses Verhältniss, heisst es, werde vorgebildet durch
die Beziehung des Menschen zur umgebenden Luft, d. h. zu dem,
was in den Berichten über Heraklit tö TiepUxov genannt wird.
Bei Tage wo dieses irepi^xov vom Lebensprinzip des Teuers*
erfUUt und beherrscht, als ein feuriges den Menschen umfängt,
ist dieser eines mit dem ^Gemeinsamen' (Suvöv), also 'bei
Sinnen' (^jucppuiv), wach und lebendig. In der Nacht hingegen,
wo das Teuer' verlischt, reisst das Band, welches den Men-
schen mit dem 'Gemeinsamen' zusammenhält. Der Mensch
fällt dann sich selbst anheim, 'muss sich selbst ein Licht an-
zünden', sinkt in Schlaf, wird 'vergesslich' (XiiOaToO nnd todt
Zum Leben kann er nur wieder geweckt werden durch neue
Annäherung an das Feuer, 'wie verlöschende Kohlen, zu hell-
glühenden gelegt, wieder auflodern in gemeinsamer Flamme'.
Diese Ansicht über die Beziehung von Wachen und Schlaf
und von Leben und Tod des Menschen zu dem Trepi^xov steht
als heraklitisch fest auf dem unerschütterlichen Grunde eigener
Worte des Heraklit, von denen die bezeichnendsten im Vorigen
angedeutet wurden, wie auf dem gleich sichern Grunde unver-
dächtiger Berichtet Dieselbe Ansicht enthält in fast ungetrübter
Reinheit der eben übersetzte letzte Satz der plutarchischen
Stelle, und dieser wird somit auch am Schlüsse ein hera-
klitisches Siegel aufgedrückt von gleicher Unverkennbarkeit
und Untrüglichkeit wie im Eingang derselben die ausdrückliche
Nennung des Heraklit.
Eine ungleich reichere Menge heraklitischer Sätze, als wir
aus der compilatorischen Trostschrift ermitteln konnten, muss
ein Aufsatz Plutarchs enthalten haben, von dem uns jetzt nur
die kurze Inhaltsangabe vorliegt In dem verlorenen elften
Stück des neunten Buchs der Tischgespräche ftthrte nämlich
* Sohleierm. S. 516—621; oben p. 20 und 27 f.
* [Von der versprochenen Fortsetzang der 'Heraklitischen Studien*
hat sich in B.'s Papieren (ß 880) nur der obige nach der Einleitung ab>
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n Heraklitische Studien 65
Plntarch den Satz ans, dass 'wir nicht dieselben bleiben, da die
Substanz ewig fliesst' (irepl toO ^i\ Touq aurouq li^veiv fiinaq,
d€i TT^c ouoiaq t^ovat]^ p. 741®). Diese Frage nacli der be-
harrenden Identität der menschlichen Person inmitten des all-
gemeinen ewigen Wandels der Natur trifft nun einen Punkt, von
welchem aus die heraklitische Werdenslehre an verbreitete
Wahrnehmungen des gewöhnlichen Bewusstseins anknüpfen kann;
z. B. an die Geflihlsstimmnng, in welcher der vollendete Mann
ein ganz Anderer glaubt geworden zu sein, und den Knaben und
Jttngling nicht mehr in sich findet. Wiederum tritt aber gerade
nach dieser Seite hin die unbedingte Behauptung des ewigen
Werdens in scharfen Gegensatz zu der anderen, das Einzelleben
nnd die Gesellschaft der Menschen tragenden Ueberzeugung,
dass derselbe Mensch es sei, der früher ein Knabe gewesen
nnd jetzt ein Mann geworden. Mit geschickter Berechnung
hatte daher schon Epicharmus diese Frage herausgegriffen, um
in den entgegengesetzten Lösungen derselben, wie sie die unge-
milderten Seins- und Werdenslehren versuchten, das Verhältniss
der beraklitischen und eleatischen Lehre zu einander und beide
ftlr die populäre Sinnesweise darzustellen; eben weil hier die
Ergebnisse der strengen Specnlation den gewöhnlichen Menschen-
sinn ebenso freundlich wie feindlich berühren, und der Dichter
also für den anerkennenden Ernst und für den neckischen Hu-
mor, mit denen er jene Systeme behandelt, gleiche Empfänglich-
keit in den Gemüthem der Zuschauer voraussetzen durfte. Und
auch Plntarch, der in den Moralia immer darauf ausgeht die
alten philosophischen Systeme zu eigenem und fremdem Gebrauch
brechende Entwarf vorgefunden. Auch eine vorläufige Bleistift-Aufzeich-
nung fuhrt nur wenig weiter. Aber der wesentliche Inhalt dessen, was
B. zunächst geben wollte, liess sich hervorziehn aus einer lateinischen Aus-
arbeitung. Am 18 October 1848 hielt B. in dem CoUoquium zu seiner
Habilitation vor Vertretern der Facult&t einen Vortrag 'De scriptorum
qui fragmenta Heraclitea attulerunt auctoritate*, welcher nicht
nur den ausgearbeiteten Theil der * Herakli tischen Studien*, sondern auch
die denselben zugedachte Fortsetzung in nuce enthält. Er liegt in nicht
weniger als drei Entwürfen vor, die sich freilich nicht völlig decken;
offenbar ergänzte B. bei dem Vortrag den letzten maassgebenden Entwurf
durdi den mittleren, der den Titel Excursus trägt. Ich hielt es für
Pflicht, diesen zweiten Abschnitt der Oeffentlichkeit nicht vorzuenthalten,
wenn auch manches darin B. später nicht mehr vertreten haben wiirde].
Bemsys, gei. Abbuidl. ^
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66 n HeraklitiBohe Stadien
ZU popalarisiren, hat sieh nicht damit begnttgt, nur in jenem
jetzt verlorenen Abschnitt der Tischgespräche die Specnlation
des Heraklit von dieser populären Seite anzufassen. Noch ein
anderes Mal, in einer seiner künstlerisch vollendetsten Schriften,
'lieber die spät von der Gottheit gestraften Verbrechen' kommt er
c. 15 p. 559 auf den ewigen Wechsel im Einzelleben des Menschen
zu sprechen, und vergisst auch da nicht den Epicharmus sowie
den Heraklit und dessen Spruch zu erwähnen, dass man in den-
selben Fluss nicht zweimal steigen könne. Aber die ganze Anlage
jener Schrift gestattet nur eine flttchtige Bertthrung dieses Ge-
dankenganges, welche nicht geeignet ist unsere Kenntniss der
heraklitischen Lehre zu fördern. Bei weitem erspriesslicher
wird uns dagegen die eingehendere Besprechung desselben
Punktes in dem Dialog über das Delphische Ei.
Genuinum Heracliti librum tam diligenter tractavit Chae-
ronensis philosophus, utaliquando etiam, ubi et nomen reticuit
et verba mutavit, continuam tarnen Heraclitearum sententiarum
seriem in sua scripta transtulerit. quod luculenter ostendit ITepl
ToC El ToO ty AeXcpoTq dialogus. Ea Delphica littera cum ipse
Plutarchus quinarium numerum significari ita exponat, ut Pla-
tonicae seu Pythagoreae de numeris doctrinae physicam admi-
sceat Heracliti rationem, Ammonius salutandi quasi formulam
contineri dicit, qua homo deum appellet. Nam cum deus in
limine templi hominem salutet exhortando ^Nosce te ipsum',
ab homine resalutante 'Es' veram dei naturam brevissime sed
plene indicari. quippe solum deum esse, hominem ceteraque
omnia semper fieri. Hanc autem hominis rerumque praeter
deum omnium perpetuam mutationem, locum ut qui maxime
Heracliteum, disputatione satis copiosa persequitur Ammonius
p. 392^—393. in qua quod bis aperte antestatur Heraclitum,
inde band videtur colligendum esse reliqua nil ad Ephesium per-
tinere. contrarium enim demonstrat comparatio cum Heracliteis
fragmentis instituta. velut hominem semper variare Ammoniui^
inter alia hoc probat argumento p. 392^: oub' elq tö elvai irc-
paiv€t TÖ i|iTvö|üi€vov a\yn\q (i. e. Tf|q GviiTfJq oöcriaq) v^ jüib^Troxe
\f\yo,y |LiT]b' toxacrOai Tf|v T^vcmv, dXX' inö air^piiaToq dei ^€Ta-
ßäXXoucrav ^fißpuov noieiv, cTra ßp^<poc, äta naiba, fieipdKiov,
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n Heraklitische Studien 67
iq>€Efl^ veavi(TKOv, tlxa ävbpa, TrpeaßuTTiv, t^povxa, xdq irpoiTaq
cpOcipoucTav fevla^i^ xai f|XiKiaq xai^ ^7TiTiTV0|Li^vai?. dXX' fmetq
Iva (poßoü|Lie6a teXoiiw? Gdvaxov f(br] xoaourou^ xe0VTiKÖxe? xal
0W)(TKOvxe^. Eodem autem modo ab ipso Heraclito varios aeta-
tnm gradus adhibitos esse Bempiternae hominiB miitationi expli-
candae, e reliqaÜB qnibnsdam conicimus, qnae ex aetatum ennme-
ratione HeracÜtea ad nos pervenerunt, quamquam quem eae in
Ephesii libro obtinuissent locum non liquebat Schleiennachero
p. 421 ^ Ula igitur et si qnae similia exstabant in
Heracliteo libro de humanarum aetatnm gradibus pronuntiata,
eo consilio adposita esse, nt commnniB rernm omninm fluxns
etiam hominis exemplo demonstraretnr, satis certo conicere Tide-
mur ex Ammonii Plntarehei oratione. Neqne minns certo aliis
qnibnsdam Heracliteis de tempore dictis snnm assignamns locnm
eodem dnce Ammonio, qni panllo post e natnra temporis nnm-
qnam re vera praesentis sed semper ant praeteriti afit fntnri
argnmentnm repetit perpetnae ftviaex confirmandae. Praeter-
misemnt vero Heraclitea illa et Schleiermaeherns et reliqni
omnes, qnia snb alins scriptoris nomine nobis tradnntnr. Etenim
a Scythino iambographo Heraelitenm librnm numeris adstrictnm
esse ^sicnt a Lncretio Epicnrea), testatur Hieronymns ap. Diog.
L. IX 16; illam antem metricam paraphrasin rursns in pedestrem
orationem conversam esse, sicut factnm est in Babrio, patet ex
nnieo firagmento, qnod inter alia Heraclitea proponit Stobaeus
ecl. phys. 9,43 p. 264 Heereni, p. 108, 6 Wachsm.:
*Ek toö Zicu0ivou Tiepl (pücreui?. Xpövo^ toxiv öaxaxov Kai irpö-
xov irdvxiüv Kttl ix€\ dv dauxifi Trdvxa xai texiv el^ (al. elq) del
xal o^hc toxiv 6 Trapoixö|Lievo? dx xoO dövxo? auxifi dvavxinv
6bov Trapeujviaxt&v (sie libri)* xö t^p aöpiov f]|LiTv xifi fpTtp
5 xBiq dcrxiv xö b' dxöt^ aöpiov.
Qnae per tot manns translata etiamnnnc colore Heracliteo tincta
sunt, qnamqnam non vacant corrnptelis. id vero vix qaemqnam
fngere posse videtnr, post xal oöx foxiv 1. 3 distingnendum esse,
nt inde ab ö napoixöjLievoq novnm incipiat ennntiatnm. lam qnod
in priore illa parte, qnae non est nimis obscnra, tempns präe-
dicatnr irptuxov irdvxijüv, non dnbito qnin respexerit Aenesidemus,
nbi secnndam Heraclitnm dicit tempns idem esse atqne Trpwxov
cw\xa (Sext hypot. m 138 adv. math. x 216. 230). Simul vero
[Omiai qnae supra p. 62 sq. disputata sant sermone vemaoulo].
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68 n Heraklitische Studien
tempHs et esse semper et non esse cnm ävriG^aci ponitar prorsns
Heraclitea, qnae quam vim habeat, Incnlentissime explicat Am-
monins Plutarcheus p. 392'. Verum quae sequuntur in Scythini
locOy ut verba sint aperta, si quidem pro corrupto TrapewvtaTwv
scripseris Tiepaivei vel simile quid, tarnen sententiae rationem
nondum mihi contigit perspicere, ex qua dieatur: 'Tempus quod
praeteriit ex praesenti viam perfieit illi contrariam. nam nostmm
cras re vera est heri rursusque heri cras'*.
lam vero ex deverticulo in viam redeuntes Plutarchum dici-
mus Heracliteorum testem fidum atque locupletem, cuius aueto-
ritas longe praestat aliis recentioribus scriptoribus, quales sunt
loannes Stobaeus et ipse Clemens. De quibus pauea addere
iiceat. Atque in Stobaeo quidem apparet etiam sine suppo-
siticiorum libromm fraude facillime per soIos errores com-
pilatoris vel adeo librariorum fieri potuisse ut aliena nunc
prostent Heraclito adscripta. nam quäle tandem peccatorum
genns magis cadit in florilegiorum et coUectores et librarios
quam ut in similibus variorum dictis disponendis permutent
nomina'? Huic vero errorum fonti accessit et neglegentia
in Heracliti cum interpretum verbis permiscendis commissa
et fides subditiciis scriptis inconsiderate habita. His et simi-
libus caussis factum videtur ut immerito quaedam in col-
lectionibus Stobaei tribuerentur Heraclito, quae iam Schleier-
macberus recte tamquam aliena ab Ephesio repndiavit, quam-
^ A metris consalto abstinuimus in tanta verbornm perturbatione.
Qaae vero Plutarchus de Pyth. orac. p. 402* profert ex Scythino aliquo
X^ovTi ir€pl Ti\<i XOpa^, f^v ÖLp^öZerax Ziiv6^ €Ö€i6f|^ 'AtröXXuiv iröaav
dpxi^v Kai Tiko<; ouXXaßiiiv,
Ixci hi Xafiirpöv irXf^Krpov f\Kio\) 9do^,
ea anum senarium iambicam praestant integrum, alterque leni medela sie
restituitur
dpxi^v T€ irfiaav xal t^Xo^ ouXXaimßdvuiv.
Hie Scythinus Pluiarchi quamquam ambigitur utmm idem sit atque Hera-
cliteuB necne, tarnen dignum est memoratu, quod cum in lyrae harmonia
omnium rerum initium atque finem conprehendere dicitur Apollo, id non
nimis longe abest a celeberrima illa ^6^ auv6ia9€pojüi^oii cum k6pa^
Kol t6Eou &p\ioyiq. oonparatione Heraclitea, [de qua supra p. 41 adn.
dictum est].
^ [exemplum eins rei Bernaysius illud proposuerat quod mus. Rhen.
vn 306 sq. (opusc. ix) singillatim tractavitj.
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n Heraklitisohe Studien 69
qoam nimis anxie investigare solet qao taDdem pacto evenerit
at Heraclito ascriberentur. velut 'AvGpiüTroKTi Tiäai in^Teari ^\-
vuictkciv dauTou^ xal ouKppoveTv nemo dubitabit quin uon sint ab
Heraclito profecta, sed sive a posteriore aliquo scriptore, quae
est Schleiermacheri sententia p. 530, ad exemplar genuini dicti
Heraclitei ibilr]aa^r]v diieiüUTÖv conformata, sive per casum aliquem
in Stobaei codicibus cum Heracliti nomine coniuncta. Neque
minus recte aliam quandam sententiolam Heracliti nomine in
Stobaei libris insignitam: ZuKppoveiv (ip€-rf| ^efiavi], Kai aocpiii
äXTiG^a XeTeiv Kai TroieTv Kaxd (pü(Tiv iTtdiovra^ spuriam pronun-
tiavit Schleiermacherus (p.479), cum neque in orationis confor-
matione neque in ipsius sententiae natura illnd exstet fjGo^
*HpaKXeiT€iov, quod neque ubi adsit latere neque ubi desit non
desiderari possit. Alius eiusmodi locus intricatior est quam
qui breviter profligetur, hie (floril. 3, 81 fr. 17 p. 347 Schi.
18 Byw.): 'ÜKÖcruiv Xöyou^ fjKoucra oilbel^ dqpiKveTxai Iq toOto
dkXTe KiviüCTKeiv [f\ yoip öed^ f\ önpiov], 8ti aoqpöv i(STi ndvTUiv Ke-
Xuipi(TfA^vov. Haec 'certo genuina quamquam perobscura' dixit
Schleiermacherus, qui solam obscuritatem luculentum Heracliteae
originis testimonium habuisse yidetur. Verum multum sane ob-
scuritatis illius statim evanescit simul atque cognoyeris verba f|
xdp 6€Ö^ f\ Oripiov, quae sententiae continuitatem turbant, in op-
timis codicibus non in Tcrborum ordine sed in margine tantum
inveniri: quod cum ita dubitanter suspicatus sit Schleierm., ut
nil inde in interpretatione proficere änderet, nunc Qaisfordiana
editione certum fit. Kemotis igitur insiticiis Ulis yocabulis oratio
exsistit satis plana longeque distans ab Ephesii more: 'Quorum
cumque sermones audivi, nemo eo pervenit ut cognosceret tö
crocpöv esse ab omnibus discretum'. Verum quid est tö aoqpöv
illud quod TrdvTwv Kcxwpiajii^vov esse dicitur? Hie iam in yiam
nos ducit marginalis illa adnotatio, quam modo a rerborum or-
dine segregayimus f| y&p Qeöq f\ Oiipiov. quae qui ascripsit^
yidetur tö aocpöv ita accepisse ut significetur tö Geiov siye Geö^,
qui cum diceretur loco de quo agimus ndvTUiv K6xwpi(TjLi^vo(, in
mentem venit huius adnotationis scriptori locus notissimus Ari-
stotelis Politicon libri primi, ubi postquam hominem natura
sua esse l{\>ov ttoXitiköv pluribus exposuit Stagirita longae dispu-
tationi finem inponit his yerbis: ö bk jiifi buvdjiievo^ koivujvcTv f|
mbiv beöjLievo^ b\ auTdpK€iav oiib^v iiipoq iröXeuj^, &ax€ f\ Gn piov
fi Gcöq (p. 1253* 29). Huius igitur loci Aristotelici haud praeter rem
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70 n HerakliÜBclie Stadien
meminerat; qai in illa sententia tö aoqpöv, quod accipit pro Geov,
praedicari vidit 7T(4vtujv Kexiwpi(y|bi^vov i. e. ^r]bky beöjiievov koi-
vuivcTv bi' aäTdpK6iav. Atque potuit profecto imitator quidam
Heracliti proxime ad eias coDsnetadinem dicendi accessisse sibi
videri, si Gcöv diceret tö aocpöv, ad exemplar genaini loci He-
raclitei tv tö crocpöv jiioCvov X^T£<^^cti ouk dOdXet Ka\ IQikex Zr\yö^
oövojLia (fr. 11 Schi. 65 Byw.). Hanc igitur invenimus eclogae
Stobaeensis certam nt videtur interpretationem : 'Quorum cumque
sermones audivi, nemo eo pervenit ut cognosceret deum esse ab
Omnibus discretum' sive ut scholastico Tocabulo utar 'deum esse
extramundanum'. Quae si recte disputata sunt, nemo amplius
talia tribuat vetusto illi Heraclito, sed novicium scriptorem
Alexandrinae ut videtnr scholae agnoscat, qui snae aetatis opi-
niones sub magnifico Ephesii nomine protulit. Atque feliciter
accidit quod in fragmento ApoUonii Tyanensis ab Eusebio ser-
vato (praep. ev. iv 13, 1 p. 151^) dei definitio exstat eisdem
prorsus verbis concepta bis : Geif», öv bf| nparrov fqKXjiiev, M t€
dvTi <Kai> K€xujpia|üi^vi}j Tidvnjüv.
His igitur argumentis apparere opinor e suppositiciis libris
quaedam Heracliteorum suorum hausisseStobaeum^ Suppositos
autem esse Heraclito si quis ex sola ratiocinatione non accipiat,
epistulas illas reputet, quae etiamnunc circumferuntur in Diogenis
Laertii libris: quarum fraudem magis perspectam esse a de-
mente, Stobaeo, similibus quam fuit a Diogene, id cur existi-
memus nulla quidem adest caussa. Neque iure negaveris huius-
modi epistulas plures olim exstitisse quam nunc circumferuntur
et fortasse, si quis quaerendi operam subire velit, etiam hodie
inveniri posse. Unam certe praeter illas e codice Vaticano
nuper edidit Boissonade in adnotationibus in Eunapium p. 424 sqq.
Hamm autem epistularum natura ea est, ut ab Höracliteo quo-
dam dicto genuino profectae in posterioris aetatis verba et opi-
niones, maxime ludaicas sive Cbristianas illud convertant. Yt
hoc exemplo utar, in vulgarem deorum cultum Heractitum non
minus quam Xenophanem aliosque philosophos acriter inrectum
esse cum ex tota eins ratione coUigitur tum aperte testatur
fragmentum hoc: 'nisi Dionyso pompam ducunt et pudenda car-
^ Pronus eadem neglegentia Stobaeus ea quae ipse ex AristoteliB
epistulis manifesto spuriis protulit, alio loco nnde tamquam Aristotelia
dicta adpouit, v. Patritii discuBs. Peripat. p. 96.
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Heraklitische Stadien 71
minibna praedicant, se püdendam flagitiam commisisse existimant.
idem vero est DioDjsns atque Hades, cui insanimit et festa
agant' (fr. 70 p. 524 Schi. 127 Byw.). lam cum bis conferas
qaomodo personatns Heraclitns epistnla qnarta extrema idolomm
caltores increpet: läy hk ixi\ tbpu6Q GeoO ßuJ^6q, ouk fort 6€6q,
im bk IbpuO^ ^f| 6€oC, 66Öq ICTxVy iSjcttc XiGoi Gcaiv ^dpTup€^;
^pra b€i jLiapTupeiv ola i^Xioq, wi axrv^ Kai fm^pa jiiapTupoOcnv,
«&pai auTiJ» ^dpTup€q, tfl öXt] KapiTO<popo(kTa jicipTuq, creX/ivii^ 6
KüicXo^y dKcivou £pTov, oiipdvio^ )üiapTup(a: quae omnia quivis
videbit nihU esse nisi paraphrasin paalmi illins [xyni] qui in-
cipit 'Caelom narrat gloriam dei'^
Ex eadem vero officina profectnm hoc videtur in idolo-
latriam conTicinm qnod non legitnr in snppositiciis epistnlis sed
apud dementem Alexandrinnmy a Schleiermachero cnm levi
qnadam suspicionis significatione inter fragmenta Heraclitea re-
latam (p. 496 sq., fr. 126 Byw.) xal ToTq äTdXjLiacrt tout^okti
€ÖxovTai, ÖKoTov et Ti^ Toiq böjLiouTi XecTxnveuoiTo, ubi böjLioim non
videtnr significare 'aedes^ sicnt vertit Schleiermachems, sed ' la-
pidum tabalata\ qood etiam Clemens innnit, qui continno addit
f\ TÄp ouxl TcpaTuAeiq o\ XiGouq TrpoaTpCTTÖjüievoi; (protr. 4 p. 44
Pott). Talem vero idolomm cum lapidibus comparationem quis
est quin videat proxime accedere ad locum illum leremiae 2, 27
Tiü £OXuj elirav öti TTaTiip ^ou €? au, kqI r(^ Xi6iju Zu tfivyni\a6i^
^6. Sylburgianam vero coniecturam si accipis et pro böjiioKTt
scribis bOKoTai, vel magis augetur ludaicae vel Christianae ori-
ginis suspicio ex epistula leremiae libro apocrypho Baruch ad-
nexa, ubi de idolis hoc exstat v. 20 e\a\ ^kv ddotrep boKÖq tuiv
Ik Tflc olKiac (cf. y. 55). Porro ad idem genus spuriorum dic-
tomm pertinere videtur, quod Epiphanius profert in Ancorato
c. 104 t. n p. 106 Pet. [i p. 206, 10 Dind.] 'HpdKXeiroq AItu-
irrioiq (ffr\Giy' Et Gcol elai, bid xi Gpnveixe aurou^; elbt tcG-
vriKacn, |LidTT|v GpT]V€iT€ auTouq*, a Schleiermachero vel consulto
reiectnm vel casn neglectum.
Talia autem cum invenerimusy sine temeritatis culpa etiam
illud addubitare videmur, quod a demente eiusque pedisequo
Theodoreto proditur (fr. 6 p. 331 Schi 7 Byw.) idv jn^ ÖiTniaGe
dvÄmiTTOv oÖK dSeuptiaerc dvcScpcuvriTov iöv Kai diropov, ubi ipse
1 [cf. Bemays, die Heraklitisehen Briefe p. 28 sq.].
' [err4vit Epiphanias^ Xenophaxus esse diotom molti testes sunt].
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72 n Heraklitische Studien
Clemens invitus fraudem aperait. satis enim ingenue ille dicit
ab Heraclito Trapa<ppa(y9fivai locnm lesaiae 7, 9 täv |Lif| Trioreü-
ar\T€. oubt jLifj cruvfiT€.
Sed iam snfiGciant haec exempla nt pro certo aeeipiatar
non satis diligenter Stobaeam, dementem reliqnosqne huius ge-
neris scriptores verum Heracliti librum fidaque de eins placitis
testimonia a spnriis snppositiciisque segregasse. Veram cer-
tarn qnandam normam regnlamque commanem ex qna nos ho-
die ea discemere possimus qnae inperite Uli confadernnt, ne-
que mihi eontigit invenire neque, ut res est, umqnam inveniri
posse existimo. Id solum restat nt postqnam cognoverimus
illos scriptores band cavisse a snppositiciomm Ubromm frau-
dibas, singula Heracliti dicta ab istis solis prodita ab omni
parte accurate ponderemus, antequam de eomm natura aut
Tera aut falsa certum faciamus iudicium. quo in negotio,
quod primo aspectu lubricum sane videtur multisque inpeditum
difßcultatibus, plnrimum certe adiuvamur proprietate illa singu-
lariy qua et oratio Heraclitea et eins cogitandi forma ita di-
stinguitur et quasi insignitur, ut eas si semel cognoveris, band
difficili opera possis ab alienis secernere, modo pariter absis a
credulitate superstitiosa quam a dubitandi temeritate. Nam in
hoc quoque negotio non minus a temeraria dubitatione imminere
periculum, uno liceat exemplo demonstrare, antequam finem huic
disputationi faciam. Est id quidem ex eodem genere dictorum
contra idololatriam, quorum aliqua spuria esse modo evicimus.
innotuit autem Schleiermachero ex solis Eliae Gretensis in Gre-
gorium Nazianzenum commentariis, ubi haec exstant*: 'tur-
piora sacrificia offerentes irridens Heraclitus ""Purgantur"' in-
quit, ''cum cruore poUuuntur, non secus ac si quis in lutum in-
gressus luto se abluaf' [fr. 130 Byw.]. Ex bis quamquam satis
clare elucere concedit Schleiermacherus p. 431 et dicendi et
cogitandi formam Heracliti propriam, tamen propter exiguam
' auctoritatem Eliae istius a dubitando sese non abstinuit. Iam
vero accedit testis quamquam ne ipse quidem locuples, Apol-
lonii Tyanensis epistula xxvn Kays. AffüiaTt ßuiiiouq jiiiatvoumv
\€p€iq, cTxa 6au^dZ;ouai nveq iiöSev a\ TiöXeiq dxuxoOaiv, öxav
^ fVerba grraeca ex ood. Yatioano Bywatems edidit p. 60: oO^ öia-
iraCZurv 'HpdKXeiTo^ KaGaipovrai bi^ fpr\aiy, atfuuxTt ^laivöimcvoi «ßaucp dv el
n^ €l<; TniXöv £^ßd^ miXCp dirovfZiotTo].
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n Heraklitische Stadien 78
fiCTOtXa buaGcTrjcruKnv. ai xf^^ äjnaOfa^. 'HpdKXeiTo^ fjv (roqxSq,
dXX' oub' ^Keivo^ *Eq)€a(ouq {rreiae ^f| TTiiXifi tttiXöv KaGaipecrGai.
Sed fnnditas omnem toUi dubitationem videbis, si cum hiBcon-
ianxerifl locnm qoendam Colnmellae (vm 4, 4), quem non
minus quam Apolloniannm Schi, neglexit: (ayes pulvere sicco)
'plnmam pinnasque emnndaDt, si modo credimus Ephesio Hera-
clitOy qui ait saes caeDO, cobortales aves pnlvere vel cinere la-
yari\ His tribns locis coniunctis apparet Heraclitum eos qui
Tictimaram sanguine purgari opinabantar, snnm similes dixisse,
qnae caeno se volutant nt emundentur, iniuria autem Eliae
Cretensis fidem a Schleiermachero in saspicioncm vocatam esse.
nia i^tnr si qnis amplius dubitet ab Heraclito Ephesio esse
dicta, tali sceptico nnllnm potest dari salubrius consilinm, nisi
nt 81 possit, discat credere^
' [Novissimum ennntiatuxn ex commentariolo antiquiore supplevi].
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J
m
NEUE BRUCHSTÜCKE DES HERAKLIT
VON EPHESÜS.
Hheinisches MoBeum fiir Philologie, neue Folge,
IX Jahrgang (1854) S. 241—269.
241 *Die Goldsucher graben viele Erde durch und finden wenig' ^
rief Heraklit den nach Weisheit begierigen Menschen zu, um sie
durch das beschämende Beispiel der Goldgierigen zur Ausdauer
im Forschen zu ermahnen. Es sei erlaubt mit demselben Zuruf
den geduldigen Muth des Lesers hier zu erbitten, wo er um hera-
klitisches Gold zu gewinnen ein Bergwerk befahren mnss, das
oft von Erdschutt verstopft und so sehr wie irgend ein anderes
mit umnebelnden Dünsten geschwängert ist. Und sollte der
Spruch in seiner alten Fassung nicht Muth genug einflössen, so
darf er auch, ohne Verletzung der Wahrheit, mit den Erfahrungen
jetziger Goldsucher in Einklaug gebracht werden. Wenn wir die
kleine Mühe des Suchens und die bei weitem grössere des Läu-
terns nicht scheuen, wird sich nicht *wenig' sondern viel Gold
gewinnen lassen.
Der Fundort selbst ist erst vor Kurzem zugänglich geworden,
seit dem Erscheinen der von Emmanuel Miller 1851 in Oxford
besorgten Ausgabe* der Philosophumena, über deren Verfasser
die einzige, durch Menas nach Paris gebrachte Handschrift keine
Auskunft giebt; der Herausgeber wies das Werk dem Eirchen-
schriftsteller Origenes zu und nannte dessen Namen auch auf
dem Titel, durchaus fehlgreifend, wie jetzt allgemein anerkannt
* Xpuadv ol biZfmcvoi Tflv iroXXfjv dpOacfouai xal cöpioKouai öXitov
(bei Clemens Stromat iv 2 p. 666 P.) Fr. 7 S. 881 Schleierm. SBywater.
' Ich citire diese Ausgabe nach Buch-, Seiten- und Zeilenzahl. Bei
dem hier abgedruckten Stück gebe ich nur die hier am Rande fort-
laufenden Zeilen an.
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m Neoe Brachstüoke des Heraklit von Ephesns 75
ist; nicht | bo aUgemein, aber doch einer überwiegenden Mehrzahl 242
gewichtiger Stimmen gilt Hippolytus, ein Bischof von Portus
Bomanus im dritten Jahrhundert, ftlr den Ver&sser, und so möge
er auch im Folgenden heissen.
Heraklitische Ausbeute nun gewähren fast allein das 9. und
10. Capitel des ix Buchs, welche in vollständigem und, wenn
auch vorläufig nur bis zur Lesbarkeit, verbessertem Abdruck hier
voranzuschicken unumgänglich wird bei der geringen Verbreitung
der Oxfordischen Ausgabe und dem überaus mangelhaften Zu-
stand, in welchem dort gerade jene, allerdings vorzüglich schwie-
rigen, Capitel vorliegen. Die abweichenden Lesarten der Hand-
schrift sind überall wo man sie aus Millers Angaben erkennen
kann, Millers Aenderungen im Text und Vorschläge in den Noten
nur da vermerkt, wo sie richtig scheinen oder auf Widerlegung
Anspruch haben.
*HpdKX€iT<K M^v oOv <pr\a\y clvai tö irftv biatpcröv dbtaipcTOv, T€vii-C.ix
TÖv dy^vriTOV, evr^TÖv dOdvaTOv, Xdrov, aluiva, iraT^pa ul6v, 0€dv 6{Kaiov.
OuK ipoO dXXd ToO XÖTOu dKouaavxo? öjiioXoTeTv (Toqpöv dcrriv, Iv
TidvTa elb^vai 6 'HpdxXciTÖ^ <pr\a\^ xal öti toOto oök Xaaai irdvrc^ oöfti
5 öMoXoToOaiv im\ii\i(p€Tai ibbi irw^* oä SuviacTi Skuj^ bia(pepö)LijEVov
iwvT^ öiLioXoT^ei • TTaXivTpono^ dpjiiovhi Skuj^ irep TÖiov Kai Xüpii^.
*On bi Xdro^ lOTiy del t6 iräv xal bid iravxö^ alOüvo^, oötuü^ X^€i' TOÖ
bt XÖTOu ToObe dövTo^ del dEiiveTOi Tivovrai fivGpumoi xai irpöaGev
f\ äKoOaai Kttl dKOucTavTc? tö nparrov tivom^vuiv T^p irdvrujv
lOxaTd TÖv XÖTOV TÖvbe direipOKTiv doiKa(Ti ireipuiiiievoi Kat dir^ujv
Ktti fpTuiv TOiouT^iüv, ÖKOia ivi) buiTeOjiai biaip^ujv xard cpiicTiv
Kat I (ppiZiUV Skui^ ix^l. "Ori bi iati iral^ t6 irdv xal bi' alübvo<; alubvio^ 248
ßoöiXcO^ TÄv öXiuv oöTuü<; X^rei ' aldiv irai? d(TTi iraiCujv, tt€TT€uujv '
Traibd^ f| ßacTiXtiCt]. "On b^ kOTw 6 uarVip irdvriDv tCöv tctovötuüv
16 T^vrrrö^ dtÄiiTO^ Kxiaiq br\\i\ovp^6<^ 4k€Ivou X^tovto^ dKoOo^€v ' TTÖXejiO^
irdvTuiv iiiy TTorf^p toxi, ndvnuv hk ßamXeu?, koI tou^ pfcv Qeovq
fi>€iE€ Tou^ bk dvGpairrout tou^ jiifev boüXou^ iitolriae toü? hk
dXcuO^pou^. "Oti bi iOTw dpjLiov(T| ökuj^ irep töHou
3 XÖTou] bdr^OTO^ II Sv] ^v oorrexit Milleras || 4 claam oorr. M. || 6 ö^o-
XoT^€tv oorr. M. || 7 alilivo^l div || 8 ToObc ^6vto(] toO 6^ovto^ || dSO-
vcToi] SeroC oorr. M. || 9 dKoOaavro^ corr. M. || Tlv6^€vov oorr. M. ||
10 diccipot clalv ^oiKaoi || 11 öirota corr. M. U ^l/|Y€u^at hxtpiw^ oorr.M.||
12 6nw^ oorr. M. || 15 t^vtitö^] tcvtitCltv || 18 ionv dp^ovCr) oontinuat
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76 in Neue Bruchstücke des Heraklit von Ephesus
Kai Xuptl^. ''Oti bi . . . d<pavf)^ ö döparoq ÄTvuKJToq dvepubiroK, ^v toO-
20tok X^€i- dpjLlOVill dqpavfl^ qpavepil? xpeiTTUJV iiraivet xal wpoeau-
li&lex irpd ToO fivujaKo^^vou tö ÄifvujaTov aÖToO kgI döparov Tf\<; buvd^iew^.
"Ori bi iaTiv öpaTÖ<; dv6piiiiroi<; koI oök dveSeiüpcTO^, 4v toötok X^yei '
Sawv öipi? dKof| pd0ii<yi?, raOra tf\x) irpoxiii^a) <pn<Jt» Tourdaxi xd
öpard xOtiv dopdTUJv, dird tüöv toioütuiv aOroO Xötujv
26KaTavo€tv p^fhiov tlr\mvi\vta\ <pr\a\y o\ ävGpuJTioi irpö^ -rfiv TVowTiv
TÜJV qpavepiöv TiapanXiiaiuj^ 'Ojii'ipip, 5^ dT^vexo tujv 'EXX^ivujv
(ToqHxirepo^ irdvrujv. ^EkcTvöv t€ t^p iraibe? qpGeipa^ KaxaKTei-
vovre? iiryn&vf\aav elirövre^' öaa etbojiiev Kai KateXdßojLiev, raOra
dTToXeiiro|i€V, öaa bk oöxe eiboiiev out' dXdßojiiev, taura qpepojiev.
30 OÖTW^ 'HpdKX€iTo^ ^v tOT) iioipq. TiOerai Kai n^i^ xd 4^<pavf) TOtq d<pavdaiv, C. x
übq £v Ti t6 4^q[)av^^ kqI tö dq>av^^ ö^oXotou^^vu)^ öirdpxov. Ti f&p; q>r\aiv
dpjLioviii dcpaWi? qpavepfl^ KpeiTTujv * kgI öaujv oipi^ dKof| judGiiai?
— TouT^aTi Td öpTova — TaÖTa <pr)alv tfü) iTpOTl)i^U) ' oö Td dqpavff
1rpoTl^/|0a^ ; ToiTapoOv oiybi (Tköto^ oijbi <püj<;, oOW irovTi|pöv o(jbä dta6öv244
35£T€p6v <primv clvai 6 ' HpdxXeiToq, dXXd Iv kqI tö aÖTÖ. *EinTi^^ toOv
*Hai6bqj 6ti fm^pav xal vüicTa olbcv i^^i^pa t^Pj <P^<^U kgI v(ig äanv ?v,
X^Tuw di6^ Towc' bibdcTKaXo? bk TrXeiaTiüv 'Hdobo? * toOtov dirtoTav-
Tai TrXeiOTa eib^vai, 5(ST\q fm^pTiv Kai eöcppöviiv ouk dTivujaKev '
foTl Tap ?V. Kai dyaOÄv Kai koköv • Ol fovv laTpol 9Tialv ö 'HpdxXci-
40TOC T^jLivovTC^ KalovTC^ irdvTij ßacTaviZovTe? KaKUj^ toü^ dppiwcTTOöv-
Ta^, iiraiT^ovTai jiti^^v dEioi jUKTeiLv Xajußdveiv irapa tu»v dppui-
(TTOuvTiüv, TaÖTa dpTaCöjLievoi Td dyaGd Kai Td? vöaovq. Kai eöeo
W, q)iiö(, Kai aTpeßXdv t6 aöxd 4aTi • Tvacpeiijj <pr\a\y bböq eöSeia Kai
(TKOXll^ — i\ ToO öpTdvou ToO koXou^^ou koxX(ou iv T(ft Tva<p£{tp iiepi-
45 aTpoq>f) €Ö6^a xal OKoXifi * dvu) t^P ^f^oO xal kOkXui irepi^XxcTai —
)lia tau ipr\a\ Kai f) auTifj ' xal tö dvu) xal tö Kdrui Iv iön Kai
TÖ aÖTÖ * bböq dvu) KdTUJ juiti Kai ibuTi^. Kai tö ^iiapöv (pr\a\ Kai tö
KaOapöv ?v Kai TaÖTÖv elvai, Kai tö itötijiov Kai tö diroTov ?v Kai tö aÖTÖ
elvar 6&\aaaa <pr\ahf öbuip KaGapifiTaTov Kai jiiapiÖTaTov, ixOöcTi
öO^tv irÖTijLiov Kai (TujTripiov, dvGpifnroi? bi fiiroTov Kai öX^Gpiov.
A^€i bi ö^oXoTOU^^uiq TÖ dOdvaTov elvai Ovr^TÖv Kai tö Ovtitöv dOdvaTOv bid
Tuiv ToioöTwv XöTUJv • 'AGdvaTOi GvTiToi, OviiTol dOdvaTOi &BvT€? töv
19 *'Oti bi] *In cod. post bi vocula verme exesa* M. || 22 dv ^ScupcTÖ^
Gorr. M. II 23 6aov oorr. M. || Td öpaTd continnat || 28 (scrib. Kai ^XdßoM€v)||
31 Ti] t{<; II 38 cöcppoot^vriv corr. M. jj 41 ^iraiTiiIivTai || dEiov || (moeCüv] cf.
Theognis 434 || 42 dyaOd ironice ut scriptor libelli de re publ. Athen. 1 § 9
extr.) II 43 Tvaq[)€(qj] Tpa<P^u)v et infra Tpo^pciip jj 44 koxX(ou ^cf. Pomponius
in Decuma fuUonis, Com. Hom. frr. ed. ii Ribbeckii p. 231 'et ubi insilui in
cocleatum eculeum, ibi tolutim tortor') || 45 ircpUx^Tai || 47 ^ia
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ni Nene Bruchstücke des Heraklit von Ephesas 77
£K€ivu)v Gdvaxov xöv hk dxeivuiv ßiov t€0v€ujt€?. A^t« b^ kgI aapKöi;
dvdaTaatv Taiiniq qpavcpd^ 4v fj TCTCvfmceo, Kai t6v Oedv olöc ratiTiiq tt)^
55 dvoordaeiu^ aTnov oötuk; X^t»«v- *Ev0ab€ dövta^ ^iravicTTacTOai Ka\
(piiXaKa^ fiveaGai ^Tcpti Coivtuüv xai vcKpuJV. Adrei ö^ kgI toO k6-
a^ou Kpioiv Kai irdvxuüv tOjv iv a<n^ bid in)p6^ Tfvcööai, | X^wv oöru)^ • 245
Td hl Trävxa olaKiZei xepauvö^ Toxnicri KarcuetSver Kcpauvdv tö irOp
Xiru'v TÖ alidviov. A^rei b^ Kai q>pövi^ov toOto elvai tö irOp Kai Tf\^
60 bioiKTiaeuiq tüjv ÖXurv atTiov KaXet bi ainö xpr\apioa<)vr\y Kai KÖpov xp^l"
a\xoc<jvr\ b4. kativ i^ biaK6ayLr\ci<i KaT* aÖTÖv, i^ bk ^Ktn3puj0i<; KÖpo^ • TTdvra
TÄp <pn<rt TÖ TTup direXJBöv Kpivei xai xaraXiiniCTai. *Ev bk Toöxqj ti^
Keq>aXa{(p irdvra ö^oO xöv Töiov voOv ^SdOexo, äfia bk Kai töv Tf)( NohtoO
alp^aeiuq öi' ÖXCtwv ^ir^öciEev oök övra XpiaroO dXXd 'HpaKX€{TOu ^a6riT/|v *
65 TÖV Ydp irotT^TÖv KÖaiiov aöxöv brmiouptöv xai ironiTf|v ^auToO fivöfievov
oöTui X^er *0 deöq i]\xipr\ eucppövT], X€iMU)v Qipoq^ ttöXcjlio? elp^ivri»
x6p05 \lix6q — Tdvavria äiravra- oöto<; ö voO<; — dXXoioCrai bk 8x0)^
TTCp ÖKÖTav aujüiiüiiTlri <euai|Lia> euuijuamv ' ÄvojüidCeTai xaB' f|bovf|V
ixd(TTOU. <t>av€pöv bk iräai toö^ dvof|Tou^ NotitoO öiaböxou^ xai Tflq
TOoip^a^m^ irpoötdTa^, cl Kai *HpaKX€(Tou Xdroi^ dv aÖTod^ |ui#| T^Tov^vai
dxpoaTd^, dXXd fe xd NoriTtl}» ööHavTa atpou^^vou^ dva<pav2>öv TaOTa ö|lio-
XoTCtv. A^ouai t^P oötuj^ * ?va Kai töv aÖTÖv Oeöv eTvoi irdvruüv örmioup-
Töv Kai iraT^pa, eööoKfjaavTa bk irecpiivdvai Totq dpxf|6€v öiKa(oi(; övTa
döpoTov • ÖT€ \ikv rdp oöx öpdTai fjv döpaTO^, dxiiipirroq bk öt€ >if| xu)p^-
75a6ai O^Xci, x^wpi^ö^ ö^ ötc x^pttTar oöru^ KaTd töv aöröv Xöyov dxpd-
ttjto^ Kai KpaTTiT6<;, dT^viiTO«; (Kai T€viitö<;>, dedvaTO<; Kai öviitö«;. TTiö^ oöx
'HpaKXci-Tou ot ToioOroi Ö€ixOi?|(JovTai fiaGriTai; pcf\ aörfl Tfl XkHi öiacpOdca^
^<piXo(j6qpT)a€v ö öK0T€iv6q; *'Oti bk Kai töv aöröv utöv eTvai Xdyci Kai ira-
T^pa obbel^ dTvo€l * Xk'xex bk oötuj? * *öt€ \ikv oöv fif| xeT^fiiTO ö iroTf|p
80 ÖixaCui^ iiOTfip irpoOTiTÖpeuTO, 6t€ bk iiöö6kti(T€ t^cöiv {^iro^i^tvai fcvvTiOel^
6 uiö^ I 4t^€to aÖTÖq ^auToO oöx ^T^pou'. Oötuü^ fäp Ö0K€t fiovapxiav 246
ouviaxÄv Iv Kai tö aÖTÖ «pdaKiuv Ciirdpxeiv irax^pa Kai ulöv KaXoO^cvov,
oöx fTepov kl kiipov dXX' aÖTÖv kl ^auToO, övö^aTi n^v iraT^pa Kai ulöv
KaXoO^€vov KaTd xp<^vuiv Tpoinf|v, ?va bk elvai toOtov töv 9avdvTO Kai
85 T^vcaiv ^x irapO^ou (mo^cCvavra Kai ^v dvOpubiroK dv6pu)TTov dvaaTpaq[)^vTa,
ulöv ^i^v lauTÖv Tot^ öpOtiaiv ö^oXoroOvra öid Tf|v tevoji^riv f^vcaiv, iia-
T^po bk cTvai Kai Tot^ x^poOmv \ii\ dircKpO^javTa. ToOtov iidOci EiiXou
irpoairorrdvra xai ^auTi:p tö 1Tve0^a irapaöövTO, diroOavövra xai ^f) diroOa-
55 ^vOo b' WvTi II 56 krepTi ZüIivtiüv] ^tcptiZövtiüv || 60 xaXcl^ || 64 kni-
öciSa y 65 iroiriTÖv] irpuiTOV jj 68 öirÖTav corr. M. || 00(u^a omissum jj
69 dvoif|TOtiO voTiToOq II 70 Xtfoi^ dv aOTOÖ?] X^yoioav ^airroO^ || 71 Td]
Tip II 73 v€ipr]Kkvai corr. M. || 76 Kai KpaTiiTÖq] dKpdTTiTO^ || Kai t^vtitö«;
Tf^ Tf^
omissum || 77 ^i\ aÖTfl Tfl X^Eei] Mf|Ö€ Xklex corr. M. || 79 fefivY\ro] flytiro
oorr. M. || 80 T€vr)06U oorr. M. || 85 dvaoTp€<p6fTa corr. M.
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78 in Neue Bruchstuoke des Heraklit von Ephesus
vövTO Kai ^auTÖv t^ xplnj ^^ipq. dvaan^aavra, töv ^v ^vr^eiiii Taqp^vra
90 Kai X&fxx} Tpiue^Ta Kai flXoK; KoraTraf ^vra, toOtov töv täv ÖXmv 6€dv Kai
irardpa cTvoi \^ei KX€Ofi^vTi<; Kai 6 toüjtou xop6^ 'HpaKXeCTCiov oköto^
^ir€iadTOVT€i iToXXot^.
Die Pflicht sich in Absicht nnd Geist des Schriftstellers
zn versetzen, welche den Durchforscher classischer Werke mit
allem Reiz des Vergnügens lockt, tritt bei diesem ekklesiasti-
. sehen Autor in anmuthloser Strenge, jedoch nur um so gebiete-
rischer an uns heran; ehe ihr genügt worden, kann auf der
schlüpfrigen Bahn, die wir betreten müssen, auch nicht ein
Schritt mit Sicherheit geschehen.
Die Absicht also, welche den Hippolytus zu Anführung
heraklitischer Sätze bestimmt und beim Auswählen derselben
leitet, ist eine polemische. £r behauptet und will den Beweis
schwarz auf weiss fähren, dass Noetus, ein Eetzerhaupt aus
Smyma, sein theologisches System in allen Stücken, die« von
der orthodoxen Lehre abweichen, dem Buche des Ephesiers
Heraklit entnommen habe, welchen Philosophen spätere Gram-
matiker *den dunklen' (ö (Tkot€iv6^) nannten; demnach sei Noe-
tus nicht XpKTToO )ia9iiTri^ sondern, wie es mit anzüglichem
Doppelsinn heisst (ix 280, 57), juaeiiTfi^ toO (TkotcivoO. Und noch
mehr liegt es dem Hippolytus am Herzen, die Anhänger des
Noetns, den Eleomenes, Zephyrinus und Kallistus aus dieser
247 'Schule der Finstemiss* hervorgehen zu lassen. Mit | Zephyrinus
und Kallistus nämlich war Hippolytus in die unsanfteste per-
sönliche Berührung gerathen ; sie hatten sich den Ball der Ver-
ketzerung gegenseitig zugeworfen (ix 285, 99, 1 ; 289, 2). So muss
denn die Geschichte der Philosophie es einer durch persönlichen
Hader geschärften, theologischen Polemik verdanken, dass die
Gitate aus Heraklit so reichlich gespendet werden, und die kri-
tische Behandlung derselben darf nie ausser Acht lassen, dass
bei ihrer Anführung die geradezu ausgesprochene oder leicht
erkennbare Absicht vorwaltet, in dem heraklitischen Satz die
Quelle einer heterodoxen Meinung der Noetianer nachzuweisen.
Der Geist aber, in welchem Hippolytus diesen polemischen
Nachweis zu geben versucht, ist der Geist einer theils buch-
stäbelnden, theils Consequenzen machenden Deutelei. Wenn
dasselbe Wort bei Heraklit und bei den Noetianern vorkommt,
so muss es bei beiden gleich auch dieselbe Bedeutung haben;
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m Neue Bmolutücke des Heraklit von Ephesns 79
WO dagegen ein ZasammentrefiPen völlig derselben Worte nicht
anfenzeigen ist, schafft sich die naive Schlauheit Bath entweder *
durch Unterschieben eines SynouTmum oder durch ein meistens
sehr unlogisches und immer sehr unheraklitisches Ergo. Damit
soll nicht gesagt sein dass die Behauptung, Noetus habe aus
Heraklit geschöpft, alles Orundes entbehre ; noch weniger braucht
hier verbürgt zu werden, dass Noetus den Heraklit anders, besser
oder schlechter, benutzte als Hippolytus solche Benutzung belegt
hat; diese Fragen verbleiben der Kirchengeschichte. Hier war
es nur nöthig, den Geist, in welchem Hippolytus nun einmal
die heraklitischen Worte aufgefasst hat, richtig zu bezeichnen
und danach das Stimmrecht zu begrenzen, welches ihm fttr
seine Auffassung zukommt. Es gebührt ihm weder eine ent-
scheidende noch auch eine mitzählende Stimme ; er hat nur eine
dreinredende; und je nach der offeneren oder versteckteren Ver-
wirrong, welche sie im Einzelnen anrichtet, darf man sie kurz
abweisen oder muss sich zu Entgegnungen verstehen.
Wer in dem Gesagten nicht durchaus den Eindruck wie-
derfinden sollte, welchen auch das flüöhtigste Ueberlesen des
Griechischen machen muss, der wird doch seine Zustimmung,
wenigstens in Betreff der polemischen Absichtlichkeit, nicht ver-
weigern dürfen nach | genauer Erwägung der einleitenden Worte 248
des Hippolytus (Z. 1): 'Heraklit sagt das All sei 1) theilbar
untheilbar, 2) geschaffen ungeschaffen, 3) sterblich unsterblich,
4) Wort, 5) ewige Zeit, 6) Vater Sohn, 7) richtender»' Gott'.
Denn allein schon aus dem was Hippolytus im weitem Verlauf
dieser Gapitel (Z. 72, 82) über die noetianische Lehre mittheilt,
erhellt klar, dass das 2., 3. und 6. Paar von verschlungenen Ge-
gensätzen als heraklitische Lehrstücke deshalb hervorgehoben
werden, weil die ungetrennte Einheit von Geschaffen-Ungeschaff-
nem, Sterblich-Unsterblichem, Vater-Sohn die Grundlage des
Koetianismus bildet. Und da, wie sich aus ix 289, 8 x 330, 51
ergiebt, den Noetianem zufolge auch Xöyo^ ganz gleich \j\ö^
and dieser gleich traTiip, also alle drei nur eines sind : so springt
nicht minder deutlich in die Augen warum das mit nar/jp und
ul6^ zusammenfallende All nun auch an 4. Stelle als Xöto^ er-
^ Man lasse vorläufig diese üebersetznng gelten. Sie wird sp&ter
gerechtfertigt [s. nnten Nr. iv. Ueberhanpt vgl. zum obigen epiH, er. ad
Bwmemmn p. xxzix ff.].
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80 m Neue Bruohst&oke des Heraklit von Ephesus
scheint. Weniger klar freilich liegt in der 1., 5. und 7. Nummer
. der Tabelle die Rücksicht auf den Noetianismus zu Tage; sie
wird sich erst weiterhin bestimmen lassen bei Behandlung der
heraklitischen Belegstellen; wie denn überhaupt zwischen der
Tabelle und den Citaten diese Wechselbeziehung stattfindet, dass
die Tabelle die Rubriken aufführt, nach welchen die Gitate aus-
gesucht und im Allgemeinen geordnet «ind, hinwieder die Gitate
benutzt werden können um die Bedeutung der einzelnen Rubriken
festzustellen und auch die Lücken zu ergänzen, durch welche,
wie gleich das erste Gitat ausweist, die Tabelle in unserer
Handschrift verstümmelt ist
I.
Dieses erste Gitat aus Heraklit ist im Godex folgender-
massen geschrieben (Z. 3): oök djiioO 6XK& toO bÖT^axo? dKou-
aavTaq 6jlioXot€iv (Tocpöv iCTxv dv irdvia cibdvai. Wie Jedermann
sieht dass tv mit Miller in Iv umzuschreiben ist, so bedarf es
auch für den Leserkreis, an den sich diese Blätter wenden,
keines Wortes darüber dass der alte Heraklit seine Lehre nie
und nimmer mit einem so späten Wort wie bÖTjua in der Bedeu-
tung * philosophischer Lehrsatz^ ist, am allerwenigsten aber mit
249 TÖ bÖTMa bezeichnen | konnte. Jeder, dem Heraklits Redeweise
auch nur aus den Schleiermacherschen Bruchstücken bekannt
geworden, muss verlangen dass hier, wo der Philosoph für sein
Princip im Gegensatz zu seiner Person Gehör fordert, jenes
Princip mit einem Worte benannt sei, das auch sonst als bedeu-
tungsvoller Terminus in seinem System vorkomme, während das
im Terminus Genannte gehört (äxouaavTa^) zu werden vermöge
ohne gewaltsame Verrenkung oder abplattende Vertilgung der
Metapher. Beiden Bedingungen ist völlig genügt durch die diplo-
matisch gewiss nicht verfängliche Aenderung von toO bÖTMaro^
in ToO XÖTou. Denn ö Xöto^, mit dem Artikel, ist stehende
und weitestgreifende Bezeichnung des heraklitischen Princips;
nichts wird so recht eigentlich gehört wie ö Xöto^; und nach-
dem einmal A in A übergegangen war, lag es den Abschreibern
eines ekklesiastischen Werks nahe aus dem Unwort öötou das
ihnen so geläufige bÖTMCtro^ zu machend
^ Auch sonst ist dem Abschreiber bdy^a zu unrechter Zeit in die
Feder gekommen iz 284,81: 6v [Zecpuptvov] ir€{6u)v hdyiiaai koX dirai-
ri\aea\y dircipim^aiq fifcv [KdXXiaro^] €l<; 6 ^ßoi3X€TO, övra öiüpoXfiitTrjv koI
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m Nene Brachstücke des Heraklit von Ephesus Bl
Von dieser sprachlich und sachlich geboteDen Besserung
ist dem französischen Herausgeber nichts beigefallen; dagegen
hat er eine andere Aenderungy £v irävra €Tvai statt des hand-
schriftlichen clb^vai, gleich in den Text gesetzt, die sprachlich
ohne allen Anlass, sachlich aufs strengste verboten, und dennoch
der Widerlegung sehr bedürftig ist, weil sie einen gar verführe-
rischen Schein erhält durch den Zusammenhang, in welchem
Hippolytus das heraklitische Citat anführt. Hippolytns nämlich
wollte offenbar mit den fraglichen Worten Heraklits dies be-
weisen : das All, von dem weiterhin | so viele, in der Tabelle 250
vorläufig verzeichnete Gegensätze ausgesagt werden, sei trotz-
dem nach Heraklit ein wesenhaft einiges. Erscheint doch die
ungespaltene, alle geschiedene Persönlichkeit ausschliessende We-
senseinheit von Vater, Sohn und der an diese sich knüpfenden
Gegensätze als der dogmatische Kern der ganzen noetianischen
Lehre wie sie Hippolytus darstellt; in wiederholenden Hinwei-
sungen gerade auf diesen noetianischen Einheitssatz kann er
(Z. 72; 82; ix 289, 8) sieh gar nicht genug thun; zweimal erzählt
er (IX 285, 3; 289, 5) dass der Noetianer Eallistus ihn, weil er
Vater und Sohn nicht für Eine Person wollte gelten lassen, einen
'Zweigöttrigen^ (5i6€oO gescholten, dass derselbe Kallistus es
ohne Scheu herausgesagt habe: 'ich werde Vater und Sohn
nicht zwei Götter nennen, sondern Einen' (ix 289, 18 ou t^p
dpui buo 6€ou^ TTttT^pa Kai ulöv, dXX' ^va). Sollte demnach überall
der Noetianismus aus Heraklit abgeleitet sein, so mnsste der
heraklitische Ursprung vornehmlich ftir diesen Einheitssatz dar-
gethan werden. Und darum hat auch wirklich Hippolytus an
«piXdfrrupov. Nach den letzten Worten, die den Zephyrinns als 'bestech-
lich nnd geldgierig' schildern, ist es wahrscheinlich dass Kallistus ihn
nicht durch 'Dogmen' (bÖTMaai) sondern, auf undogmatische Weise, durch
Geschenke, also bujpfmaai (oder, noch näher, 2>6^aai^ gewonnen habe.
— Femer lasst sich, wenn überhaupt Jemand, doch keinesfalls ein Geld-
gieriger durch 'Forderungen* (dirain^oeaiv) gewinnen. Hippolytus hat
wohl diravrfiacoiv d1T€lpT)^6fa^ geschrieben und unter 'verbotenen Begeg-
nungen* ein liebedienerisches, von Dienstleistungen und Darbringungen
unterstütztes Benehmen verstanden. Bekräftigt werden diese Vermuthungeu
durch IX 279, 29, wo es von demselben Zephyrinus heisst: xar* ^Kelvo
KatpoO Z€q>\)p(vou öt^irciv vo^{2:ovto^ tV)v ^KicXr|o{av, dv&p6^ IbiUirou xal
alaxpoK€p6oOq, t(|i K^p&€t 1Tpoaq>epo^^v^J irciOöficvo^ ouvcxiO-
p€t Tot^ icpooioOai, T<|i KXeo^^ci ^a6riTci!i€06ai.
Bemajs, ges. AbhAiUU. 6
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82 m Neue Bruchstücke des Heraklit von Ephesus
die Spitze seiner heraklitischen Citatensammlnng einen Satz ge-
stellt, in welchem Heraklit ^v und irävia in die innigste Verbin-
dung bringt ; ja, bei der alles Andere beherrschenden Bedeutung,
welche dieser Einheitsbegriff für die polemische Absicht des
Hippolytns hat, musste er ihm wohl auch in der einleitenden
Tabelle einen Platz, dann aber sicherlich den ersten, einräumen;
und bei dem so leicht möglichen Ausfall der zwei Buchstaben
darf die Vermuthung gewagt werden, dass der Anfang jener
Tabelle von Hippolytus so geschrieben war (Z. 1) : 'HpdKXciTo^
jLifev oöv ?v (pr\a\v elvai tö ttSv, biaipCTÖv ktX. Wohlgemerkt,
Hippolytus, wird vermuthet, habe das etwa geschrieben; er,
der Bischof von Portus Romanus, habe somit die Meinung 'Alles
sei Eines' für eine heraklitische ausgegeben in derselben Kate-
gorientafel, in welcher er, seinem polemischen Zweck zu Liebe,
dem alten Ephesier im Tempel der Artemis Kunde sogar vom
'Sohne' (uiöv Z. 2) zutraut. Wäre jedoch Millers Aenderung
richtig, die in Heraklits Worte elvai statt €lb^vai hineinbringt,
so hätte nicht bloss Hippolytus es sich zu sagen erlaubt ; Hera-
251 klit selber hätte es in der That gesagt: lv|7rdvTa elvai; so
deutlich! und das Zusammenfallen des noetianischen Haupt-
dogma^s mit einem heraklitischen Lehrsatz wäre bewiesen, so
unwiderleglich wie nur je in einer Disputation etwas bewiesen
worden.
Glttcklicherweise war Hippolytus zu ehrlich um in dem
heraklitischen Wort elb^vai die zwei Buchstaben be zu löschen,
auf deren An- oder Abwesenheit so viel für seine Polemik an-
kommt. Noch in unsrer Handschrift steht Iv irdvTa etö^vai,
'Eines weiss Alles'. Nur dies hat Heraklit geschrieben, und
nur dies hat er schreiben können, wenn er bleiben wollte was
er war, der grosse Lehrer der Bewegung, der Führer der Männer
des Werdens. Sobald er den Satz h/ TTdvxa elvai ausgesprochen
hätte, würde Heraklit aufgehört haben ein Herakliteer zu sein,
wäre er ein Eleate geworden, einer von denen, die eben mit
diesem Einssein aller Dinge, nach Piatons und Aristoteles'
Ausdruck, 'das All zum Stehen bringen' (aTaax&rax toO öXou)^
^ Die bekannte Stelle des Piaton sieht im Theätet 181»: iäy U ol
ToO ÖXou aTacidrai dXriO^aTcpa X^€iv boKiIiai ktX.; weniger bekannt
und auch in unsem aristotelischen Schriften nicht vorhanden sind die
aristotelischen Worte bei Sextus adv. mathem. z 46 ol irepl TTap^c-
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m Nene fimchstücke des Heraklit von EphesnB 83
Nun hätte freilich für uns Hippolytus auch nicht von fern
seine Thesis bewiesen; wir erkennen, dass die Sätze * Eines
ist Alles' und 'Eines weiss Alles' nicht dasselbe bedeuten;
wenn die Noetianer also auch das erstere behaupteten, Heraklit
aber nur das letztere sagte, so liegt für uns zwischen beiden
eine eben so weite Kluft wie zwischen den Eleaten und dem
Ephesier, Aber damit Hippolytus seine noetianischen Wider-
sacher in das 'heraklitische Dunkel' CHpaKXeitciov (Jköto^Z. 91)
Verstössen könne, damit er sein Recht | dazu auch für uns 252
erweise, deshalb dürften wir, sei es auch nur durch Streichung
zweier Buchstaben, 'Wissen' zu *Sein' machen? Liegt es denn
dem Hippolytus auf, für uns etwas zu erweisen? Für sich
und seinen Kreis aber mag er es ausreichend gefunden haben,
dass 'Eines' und 'Alles' in dem heraklitischen Satz eng ver-
knüpft erscheinen, um nun selbst zu folgern. Eines sei Alles
nach Heraklit, und auch seinen noetianischen Gegnern diese
Folgerung beizumessen.
Unbekümmert also wie Hippolytus seine Sache ausfechte
und je weniger ihm dieses Citat zum Siege verhilft, um so
dankbarer für die Mittheilung desselben darf man folgende
Schreibung der heraklitischen Worte als die richtige ansehen:
ouK iiiox) dXXd ToO Xöyou dKouaavra^ öjiioXoT^eiv (Tocpöv dariv,
£v nävra eib^vai 'Weise ist's, nicht auf mich sondern auf den
Logos hörend zu bekennen. Eines wisse Alles'.
Und jetzt erst kann die Lösung unsrer eigentlichen Auf-
gabe unternommen und der sehr hoch anzuschlagende Werth
des neugewonnenen Bruchstückes dargelegt werden.
Es beschreibt genau die Gränzlinie, welche den Heraklit
von den Eleaten trennt; und indem es auf bisher vereinzelte
yibrjy Kttl M^taaov oö^ ö 'Apiarox^ii^ öTaaiiliToq t€ Kai dq>ua{Kou^ k^kXti-
K€v. Die Feinheit des zweiten, bei Piaton nicht vorkommenden Tadelworts
d(p6<JtK0i hat Sextus (a. a. 0.) nicht in volles Licht gesetzt. Alle Philo-
sophen, welche Untersuchung über Natur («pOotO anstellen, und in die-
sem Sinne also auch die Eleaten, sind (puaiKot. Da jedoch der Grieche
bei 9601^ unmittelbar an q[)Ovai, an ein Wachsen und Werden denkt
(Arist Metaph. 4- ^ P* 1014 b 16 cßvav; \t(€Ta\ . . . . f) tOl)v ^uo^i^^wv
T^<Ti^ oTov €t Ti^ ^iT€KT€(va<; X^oi TÖ u [cpOoii;]), die Eleaten aber nur
ein Sein zugeben und alles Werden leugnen, so sind sie als Physiker
(<puatKo() zugleich Nicht-Physiker (dqpOaiKOi). Mit demselben Doppelsinn
•pielt ein Pythagoreer bei Sextus adv. mathem. z 250.
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84 in Nene Bruchstücke des Heraklit von Ephesna
and verdunkelte Andentangen ein verbindendes Licht wirft,
treten diese za Grandzügen einer Lehre von der wirkenden
Intelligenz znsammen.
Unter jenen Andeutungen nun ist die am meisten bekannte
und zugleich aufs schlimmste missverstandene bei Diogenes
Laertius ix 1 erhalten, leider in abhängiger Rede, also nicht
ganz wörtlich, und obendrein mit offenbaren Verderbnissen be-
haftet. Nachdem nämlich Heraklits berühmter Aussprach 'Viel-
wissen belehrt den Sinn nicht; sonst hätte es wohl den Hesio-
dos und den Pythagoras und dann auch den Xenophanes und
denHekataeos belehrt' in directerRede angeftlhrt worden, folgt
dort unmittelbar: eTvai yäp ?v tö (Tocpöv dirtoraaGai tvwmt|V f^xe
ol ^TKußepvrjaei* iravTa biet ttävtujv. Statt dieses Unverständ-
lichen empfahl Schleiermacher (S. 478), bis auf ein, von seinen
253 Nachfolgern seitdem nicht gefunldenes, 'Besseres*, die noch von
Cobet angenommene Schreibung ^re o?ti Ku߀pvfi(T€i, und
hiernach wagt er folgende, trotz aller logischen Behutsamkeit
ziemlich kühne, Uebersetzung der ganzen Stelle: 'Denn Eines
nur sei weise, zu verstehen die Einsicht, welche allein jegli-
chen geleiten kann durch Alles'. Also rrävTa soll alsSingalar
* jeglichen*, jeden Menschen, bedeuten. Warum nicht als Plural,
wie ein unbefangener Blick es zuerst auffassen muss, 'Alles, alle
Dinge*? Weil dann, wie ein Schleiermacher wohl fühlte, das
Futurum Ku߀pvfj(T6i, selbst in ein deutsches Hilfsverbum wie
'kann' gemildert, immer noch auf ganz unerträgliche Weise un-
logisch wäre, da 'Leitung aller Dinge durch Einsicht*, also
ein ewiges Weltgesetz, in einem Zusammenhang wie der vor-
liegende weder auf die Zukunft kann beschränkt sein, noch als
blosse Möglichkeit darf ausgesprochen werden. Lässt man nun
aber, um der Logik gerecht zu werden, irÄvTa mit Schleiermacher
für den Singular gelten, so wird nur 'jeglicher Mensch', nicht
'das All* von der fvib^x] geleitet; die Folgerung ist dann un-
abweislich, dass nun auch TvubMn nicht eine objectiv ausser dem
Menschen vorhandene, sondern nur subjectiv die von 'jeglichem
Menschen* errungene 'Einsicht* bezeichne; und von einer solchen
subjectiven Einsicht dann weiter auszusagen, dass sie den Men-
schen, welcher sie besitzt, 'durch Alles geleite' (oder richtiger
'leite*), wäre ein auf herakli tisch em Gebiet wenig empfehlens-
' Mit der Variante: Tviüfinv öt' ^tKu߀pvf)aai [vgl. Bywater p. 56,6].
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ni Nene BrnchBtücke des Heraklit von Ephesus 85
werther Gemeinplatz — lauter recht bedenkliche Folgen, aus
deren Schlingen Schleiermacher sich fttr seine Person, so gut
es gelingen will, zu retten sucht durch das schliessliche Zuge-
ständniss dass, 'wie man schon aus diriaTaaOai sieht, die fVib^xx]
nicht zu denken ist ohne ihren Inhalt, das allgemeine Gesetz'.
Die Sache aber ist durch diesen Gompromiss wo möglich noch
yerschlimmert. Muss nämlich, wozu allerdings diriaTOurOai^ nöthigt,
Tvui^ri als ein Objectives gefasst werden, so sind mit dieser Noth-
wendigkeit Schleiermacher's Schreibung und Uebersetzung des
Satztheils f\Te bis irävruiv unvereinbar, da sie bei schlichtem
Verständniss TvuiMn nur als ein | Subjectives vertragen, und alles 264
Objective erst in sie muss hineingezwängt werden durch eine,
sprachlich ungerechtfertigte, interpretatorische Glausel.
Greifen wir also dem Schaden an die Wurzel und befreien
uns von dem Futurum in Tvaijuiv f^xe ol dTKußcpvrjaei, welches
an all dem Uebel Schuld war. Die Annahme monströser Ver-
schmelzung eines Glossems mit dem glossirten Wort, auch bei
besser erhaltenen Texten nicht allzugewagt, verliert fttr einen
Text wie der des Diogenes Laertius noch immer ist, zumal in
altionischen Gitaten, jeden Schein von Ueberktihnheit; und wenn
ursprünglich geschrieben war: Tvil^junv ^t€ olaicttci Trdvra biet
irdvTU)v, so sieht jeder kundige und willige Leser, ohne dass es
ihm des Breiteren hergezählt werde, wie aus der Dittographie
die fraglichen Verderbnisse nach und nach entstanden. Noch
bei Suidas erscheint die Glosse, gerade so wie sie hier passt,
olaKi2:€i' Kußepvt^'; Heraklit gebraucht dasVerbum in dem von
Hippolytus neu gelieferten Bruchstück (Z. 58) : rd bk irdvra
olaKi2;€i K€pauv6^; und der Grammatiker Diodotos, welcher
das heraklitische Buch bearbeitete, mochte einen bei seinem
Autor häufiger vorkommenden Ausdruck verwenden zu der me-
trischen Aufschrift, mit der er seine Bearbeitung hat zieren
' Die auch bo noch von der Norm der späteren Prosa etwas ab-
weichende Nuance in ^ir{OTaoeai Tvub^iiv wird für Heraklit belegt durch
das neue Bruchstück bei Hippolytus Z. 37: bibdOKoXoq hi irXeCoTWv 'Haio-
bo<* toOtov iiriaTavTaiirXctaTaclö^vat. fieser Gebrauch von 4iT((rraa6ai
für ofcoeai erederej exisHmare ist häufig bei Herodot, i 122. m 66 (zwei-
mal), vm 88 Tf|v bi 5ia(peap€t0av imariaro (opinabantur) cTvat iToX€fi{riv).
' Hesychius : olcucCZcr ^XaOvci, bioiKct, Kußepvf.
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86 in Neue Bruchstücke des Heraklit von Ephesus
wollen: äKptß^^ oldKKTjia irpö^ (TT<i6)LiTiv ßiou ^ Gewinnt sonach
die ganze Stelle diese Gestalt: elvai fäp Iv tö (Toqpöv imaia-
<j9ai TvuijiTiv, f^T€ olttKiCei Tidvia h\& ttAvtujv, so braucht man,
um eigenthümlich heraklitische Gedanken zu gewahren, nur
streng nach dem griechischen Wortlaut zu übersetzen: 'Eines
sei das Weise, inne zu haben das Erkennen, welches Alles
durch Alles steuert'. Eine Intelligenz leitet das All im Spiel
seiner sich durchdringenden Gegensätze, lenkt Alles durch
Alles; diese Intelligenz zu erfassen ist allein Weisheit; alles
Einzelwissen, selbst ein so reiches wie das des Hesiod und der
anderen Genannten, ist unfruchtbare Vielwisserei.
Jetzt wird auch bestimmter als früher (Schleierm. S. 493)
sich angeben lassen, wie viel Heraklitisches Plutarch dem Satze
255 ein|geflochten hat, in welchem er die Würde des Lebendigen,
verglichen mit dem Leblosen, feiert (de Iside c. 77 p. 382 ^) :
' In dem Leblosen, und sei es Gold und Smaragd, wohnt die
Gottheit nicht; unwerther als Leichname ist alles, was des
Lebens baar und seiner Natur nach unfähig ist; dagegen das
lebendige, Licht schauende, eigenkräftige Bewegung und Kennt-
niss von Eigenem und Fremdem besitzende Wesen hat in vollen
Zügen eingesogen Ausströmung und Theil von dem das er-
kennt wie das All gesteuert wird, um mit Heraklit zu
reden* (f| bk l&aa Kai ßX^Tiouaa xai K\yff\(S€\))q dpx^v Ü a\nf]^
fXoucTa Ktti TViöcTiv oIkcIujv xal dXXotpiujv cpum^ djLiuaxl* foira-
^ Diogenes Laertius ix 12; 15; s. oben p. 8 f.
^ So schreibe ich statt der handschriftlichen Yulgata dXXuiaTc, von
den Zügen der Buchstaben (AAAQZTE AMYZTI) nur um ein sehr Geringes
mich entfernend. 'A^ucttI airdv oder IXkciv sind stehende Ausdrücke für
Mn vollen Zügen schlürfen*: Aelian. de nat. anim. vi 51 oi ydp toi tiJi
bi^llTMÄTi (rf^^ bi^jdboO irpoair€aövT€C ^Sdirrovrai xe el^ b{\^o<^ kqI irietv dva<pX^-
Tovrai Kai d^uaTi öirü&ai, kqI r&x^ara ^fjxvuvTOi; Clemens Alex. Paed,
n c. 2 p. 185 P. irpovoTiTdov . . . üb^ dbiaOTpöqxjj (vulgo : dbiaarpö^uj^)
Tt|) irpocuüiTip mctv iii\ öhr\v (rirdaavTa<; \ir\bi .... dfiuaTci SXkov-
Ta<;; (Kratinos fr. ine. cliv im Schol. zum Rhesos 419 (i 32, 9 Dind.) dXX'
oGv QeCjt oireioavT* d^ucriv [dfnuaTl Heimsoeth in seinem Handexemplar]
bd fnctv, vgl. G. Hermann opusc. v 189); Plutarch. Quaest. conv. in 3
p. 650 '> (aus dem Buch des Aristoteles ir€pl pLiBr\<^) : toi»? dOpouv Kttl diivcu-
ötI irivovTaq, öircp d^uOTtZeiv d)v6^aaav oi iroXaioi, f\Kiara ircpiiriirreiv
^d6a^. — Schleiermacher's dXXoOev, was er * unbedenklich' statt dXXuiOTC
in den Text setzt, wäre in diesem Zusammenhang ein nicht zu duldendes
Flickwort.
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ui Neue Bmcbstücke des Heraklit von Ephesus 87
K6V diroppofjv Kai jiioipav dx toO cppovoOvTO? Sttiu^ Kußep-
växai TÖ (Tujiirav, Ka9' 'HpdicXeiTov). — Es ist unläugbar,
Platareh meint die tviojliii oiaKi^IoucTa, das 'steuernde Erkennen",
von dem alles sonstige Erkennen ausströmt; nur hat er Hera-
klits kräftigen Ausdruck umgebogen, um ihn seinem Zeitalter
und sich näher zu bringen. Weil Tvu^Mn im spätem Griechisch
nicht mehr die absolut gefasste Intelligenz^ bedeutet, sondern
' Dass yviiifir) im alten Griechisch dies bedeute, ist oben p. 8, 9 nach-
gfewiesen und auch der dort (p. 9 Anm. 1) für das heraklitische Fragment 66
S. 522 Schi. 96 B. fl6o^ dvOpUiirciov oök Ix^i Tviiijia^, Octov bi ix^i noch
zweifelhaft gelassene Plural im Sinn von * Wahrheiten* wird belegt durch
(Theogrnis 60 oüre Kaxilrv -fvubfia^ €l2>ÖT€q oüre KaxiXiv und durch) die
Distichen des Ion Chius auf Pherekydes (bei Diogenes Laertius i 120;
Bergk P. L. fr. 4): 'Er, Pherekydes, mit Mannheit und ehrfürchtiger
Scheu geschmückt, führt auch als Dahingeschiedener ein heiteres Seelen-
leben, wenn anders Pythagoras, richtig Pythischredender genannt, der vor
allen Menschen Weise, Wahrheiten geschaut und durchdrungen hat* ö ^^v
f|vop^i] TC K€Kaa^^vo^ (^nach Odyssee uj 509» ^bi kqI al5ol Kai q>6(fievo^
Miuxfl TCpitvöv lx€\ ßioTov, ETircp TTueoföpiiq ^tO^xux;, 6 aoupöt; ir€pl
irdvTUiv *AvOp((>iru)v, YviOfnaq €%€ Kai ilipiaQev (wie bei Photius bibl. 184
p. 128 ^ 23 nach einer Bemerkung von Roeper Philol. 80, 576). Pytha-
goras wird mit Beziehung auf das *Se eleu leben* erwähnt, weil er vor-
nehmlich die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele verbreitete, (vgl.
Lobeck Aglaoph. 801); und ~ was bisher übersehen worden — M\iw<^
ist aufs engste mit TTuOaröpii^ zu verbinden. Es liegt darin eine Ausdeu-
tung des Namens des Philosophen, der gleichsam aus dem Geist und der
Wahrhaftigkeit des pythischen Gottes redet. Durch den Zusammenhang
bekommt also ivbiiiu^ den Sinn von ^1ruJvt!)^u)^, ohne dass man deshalb
die allgemeinere und gewöhnlichere Bedeutung 'wahrhaft, richtig' aufzu-
geben brauchte. (Auch Aristippos aus Eyrene hat auf diese üeberein-
stimmung des Namens und der Persönlichkeit hingewiesen nach Diog.
L. vin 21 (daraus Suidas v. TTueatöpa^ am Ende), TTuOaTÖpav aöröv övo-
juaoOf^ai ÖTi Tf|v dX/iOciav ^iTÖpeucv oöx firrov toO TTuOCou. Aehnlich
deutet Kerkidas fr. 2 bei Bergk P. L. ed. iv t. ii p. 514 den Namen des
Kynikers Diogenes aus: fj^ yäp dXaO^U)^ Aiot^vyi<; Zavö^ t'<^vo^ otipdviö^
TC kOujv). — Eine lehrreiche Sammlung älterer Beispiele für den Gebrauch
von tvtd^r) als 'Geisteskraft' im Gegensatz zu a\aQT\ai(i bietet Galen (in
Hippocr. de medici officina, t. xvm 2 p. 666 Kühn) zum Theil aus verlore-
nen Sehriften, und darunter folgendes Zerrüttete aus dem ersten Buch der
*AXr|6€ta des Antiphon : ^v t€ \6^\\» Taüra bi [ed. Basil. toO Tdbe] yvoO^
cU £v TC oü6^v aÖTCjt oOr^urv 6\^€\ Öp^ [Bas. Öp^v] fnaxpöniTa oöt^iv
TvtiiMi] fiTvubincci ö ^axpdniTa fVfyihaKwy. Dies lässt sich etwa so ent-
ziffern : ivi T€ Xöifip , rauTaöl voO^ ctacxai , f v t€ oöö^v aÜT(p • oÖrc oöv
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88 ui Nene Bruchstücke des Heraklit von Ephesus
266 nnr die von Jemandem gehegte Ansicht | und Gesinnung, greift
Plutarch zu einem participialen Abstractam (tö qppovoCv); and
während der alte Ephesier das Steuer unmittelbar der Intelli-
genz zuweist, also ein wirkendes Erkennen lehren will, kann
Plutarch, der Sohn einer späten Zeit, nur noch ein beschau-
liches Erkennen begreifen; er muss zwischen das Erkennen
und das Steuern die Partikel 'wie' (öttu)^) einschieben.
Und schon Heraklit selbst, da er seine, Wirken und Er-
kennen in eins sehende, Anschauung von der allein weisen und
allein Weisheit gebenden tvuijliii fttr die Menschen seiner Zeit
aussprechen wollte, suchte vergebens nach einer erschöpfenden
Bezeichnung in der Sprache umher ; auch der Name des höchsten
öi|i€i dp^ ^aKp6TT)Ta oörc Äv yy\b\ii} t^TviOokoi 6 \iaKp6vf\ra TiTviiwJKUiv.
Das heisst: *Um es in Einem Wort zn sagen, immer nur von diesen
vielen Einzeldingen wird die Vernunft wissen und ein Eins giebt es für
sie gar nicht; wer also Grösse (den einheitlichen Gesammtbegriff der
grossen Einzeldinge) kennt, der sieht Grösse weder mit Augen noch
möchte er sie wohl durch Geisteskraft erkennen*. Durch tifi t€ XÖTtp, tU
verbo dieam^ wird, wie so oft bei Piaton, die frühere, für uns verlo-
rene, Erörterung zusammengefasst, welche, wie aus dem Erhaltenen zu
schliessen, die Erkennbarkeit und demzufolge die Wirklichkeit der allge-
meinen Begriffe leugnete, wahrscheinlich auf Anlass einer Untersuchung
über Grösse und Kleinheit. Die Wendung des Ausdrucks erinnert an das
Wort des Eynikers Diogenes, welches er in einer Unterredung über die
Ideen dem Piaton soll entgegengerufen haben (Diog. Laert. vi 63) : tf\b,
(b TTXdTwv, Tpdir€2!av ju^v Kai Ki!fa6ov 6pti&, Tpaire216Tr)Ta hi xal KuaOöniTa
oöbafitl)^. — Dem Verfahren Sauppe's (Oratt. Attici vol. n p. 147 f.) mit der
Stelle aus Antiphon kann ich in keinem Puncto folgen ; (neue Versuche
hat derselbe in dem Goettinger Sommerprogramm 1867 De Antiphonte
sophista p. 10 gemacht. — Die Sammlung Galens lasst sich leicht vermehren :
Theognis 1171 fviliiuiiv, KOpvc, öcol OviiTotm ftiöoOoiv dpiOTOv dySpiOiroK*
TviOnn ireipara iravrö^ lx€i, vgl. 412. 686. 895, Aeschylos Prometh. 287
Tvt(»fiij OTOfiiujv ÄT€p 16ÖVUIV, Euripides Med. 230 6c' lar' ^jUMJUxa xai
fy\hptx)y ?X€i, Kritias fr. 2, 18 f. in Bergks P. L. ♦ n p. 281 TOiaörrj bi iröai^
adi)^aTi T* (Ixp^Xi^ioq Tvub^r) t€ KTfjaei tc, Eleanthes Hymnus an Zeus v. 34
bö<; hi Kupflaai fy\bm<^ ; Demokritos (fr. 14 Mull.) zu Anfang der TiroOfjKai
(nach Dionysios AI. bei Euseb. praep. ev. xrv 27, 6 p. 782 ») "AyOpumoi
t()xi\(^ etöwXov ^irXdoavTo irp6(pa0iv lö(ii^ dvoiii^* q>Oo€i t^P TVidfAn TbxQ
Hdx€Tai, Antiphon bei Stob. flor. 68, 87 z. E. (p. 137 Blass) «oixcTOi t6
veoryioiov atdprrwia Ik Tf\q Tvotifiiiiq. Daher im fünften Heraklitischen
Briefe (p. 48 Z. 12 meiner Ausgabe) vöao(; 'HpaKXelTOu ÄXiiKTcrai Tvtii^^,
s. daselbst p. 54).
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m Neue Bruohstücke des Heraklit von Ephesus 89
Griecbengottes wollte ihm nicht völlig genügen. Sein Ausraf :
Iv TÖ (Toq)öv jLioövov X^T€(y6ai ouk dG^Xei xai iQlXex Zx\vöq oövo)ia \
wie vieljdeatig er scheinen mag, wenn man alle grammatischen 257
Möglichkeiten aaf sich eindringen lässt ^ verstattet doch, sobald
auf die dargelegte Bedeutung der allein weisen r^m geachtet
wird, nur diesen Sinn : * Eines, das allein Weise, will und will
auch nicht mit des Zr\v Namen genannt^ werden'. In sich
aofhebender Antithese — eine Redeweise, die Heraklit liebte*
and zu der ihn sein auf dem Zusammenstreben der Gegensätze
ruhendes System führen musste — wird die Bezeichnung des
weisen Einen durch Zf)v, welcher Name absichtlich in einen
obliquen Casus gebracht ist wegen der Ungebräuchlichkeit des
Nominativs, zugleich gebilligt und verworfen. Gebilligt, insofern
1 So geschrieben [durch ein blosses Versehen war bei Bern, gedruckt
46^61 Kai oÖK 49.] bei Clemens Alexandrinus Strom, v 14 S. 718 der Po tter'-
schen Ausgrabe, S. 604 der Kölnischen, welche den Sylburg'schen Text ab-
druckt, und ganz ebenso auch in der von Sylburg selbst besorgten Ausgabe
vom Jahre 1592 p. 267, 38. Ich muss mir diese Umständlichkeit erlauben,
weil ich meine Schreibung und Erklärung des heraklitischen Fragments nicht
möchte geprüft sehen nach der in Deutschland fast allein verbreiteten
Klot zischen Ausgabe (Leipzig 1832). Bei Klotz nämlich ist der zweite
Theil der Antithese, die Worte xai ^OdXci, spurlos verschwunden, wohl nur
in Folge der Nachlässigkeit des Drucks, welche durch die ganze, angeb-
lich auf der Sylburgiana von 1592 fussende, Ausgabe bemerkbar ist. Das
hier zufällig sich darbietende Beispiel ist nur ein arges, noch immer keines
der ärgrsten. — Um jedoch die Worte xai dOdXei als heraklitisch zu beglau-
bigen, ist man nicht allein an unsere Ausgaben des Clemens gewiesen.
Eusebius (praep. evang. xm c. 13) schreibt den betreffenden Abschnitt aus
Clemens wörtlich ab und bei ihm (p. 681 ^) findet sich der heraklitische
Satz ganz so wie er oben gegeben ist. Aus einem Pariser Codex des Eu-
sebius habe ich auch, mit Gaisford, den lonismus in oÖvo^a aufgenommen.
^ Schleiermacher (S. 334, fr. 11), nachdem er erst die ganze Stelle
'ziemlich unverständlich' genannt, 'versteht' sie dann so: 'Das Eine Weise
allein will ausgesprochen nicht werden und doch auch werden, der Name
des Zeus'. Aber der blosse 'Name* dos Zeus kann doch wohl nicht das
Eine Weise sein; und 'allein', so gestellt wie hier, ist nicht von herakli-
tischem Helldunkel beleuchtet, sondern scheint eine 'schwarze Frucht der
Unklarheit', der iieKdrfKaprto^ 'Aadq>€ia, von welcher Empedokles spricht.
' X^eiv für 'nennen' in alter Sprache weisen die Lexika nach.
* fr. 3 (S. 330 Schi.) 7rap€6vTa<; dirctvai; fr. 10 Schi. 11 Byw. oöt€
Xtr€i oih£ Kp!)irr€i dXX& ormalvci; fr. 72 S. 529 Schi. 81 B. €l^^v t€ Kai
OÖK cT^ev und (s. oben p. 62 f. Anm.) elvat rainity xai oO TaOröv.
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90 XU Neue Bruchstücke des Heraklit von Ephesus
mit dem Klang Zr\vöq^ ein grieebisches Ohr allsogleich das
268 Wort lf\y/ (leben) vernimmt, wie denn aueh Piaton | imKratylas
(396*) diese jetzt freiiicb als falsch erkannte aber für die
Griechen so bestechende Etymologie gleichsam voraassetzt, als
bedürfe sie gar keiner Begründang ; and da dem Heraklit das
^ weise Eine* zngleich das Ewiglebendige (äeiCwov) und alles
Lebens Qaell ist, so darf er für dasselbe die Bezeichnung Zx\v
als eine annähernd richtige gelten lassen. Als eine völlig er-
schöpfende Benennung kann er sie jedoch nicht anerkennen, weil
die andere gleichsehr wesentliche Seite des Einen, eben das
Erkennen, die rvdijiir], das aocpöv, in ihr unberücksichtigt bleibt.
Dennoch hat Heraklit, nachdem er einmal diese Verwahrung
eingelegt, sich fttr sein höchstes Princip des höchsten und tref-
fendsten Namens bedient, den er finden konnte; das schaffende
und erhaltende 'Streiten' der Gegensätze heisst bei Heraklit
Zeus^; von dem Olympier entlehnt es die geweihten Namen
des Erzeugers und Regierers, des 'Allvaters und Allkönigs'';
* Wo keine etymologische Rücksicht obwaltet, gebraucht Heraklit
die alltägliche Form Aiö^ fr. 31 S. 396 Schi. 80 B. oi5po<; aiepiou Aiö^. — Wer
die obige Erklärung bloss deshalb als unheraklitisoh verwerfen wollte, weil
sie den Heraklit etymologisiren lässt, der sei auf Piatons Kratylos und
das oben p. 61 Anm. 2 Bemerkte verwiesen.
' Chrysipp schrieb im Sten Buch ircpi (pOaeui^ (bei Philodemus ir.
eöacß. p. 81, 27 Gomp.) : töv TT6X€hov Kai t6v Aia töv aöröv €Tvai, KaOd-
ircp Kai t6v 'HpdKXciTov X^eiv.
' Jetzt voUsländig bei Hippolytus Z. 16: 1r6X€^oq irdvTUiv ^^v iraTirip
^OTi, irdvTurv bi ßaaiXeü^. Früher (Schleierm. S. 408, 409) war nur das
Epitheton irar^ip zu belegen, und sogar in der Plutarchischen Stelle (de
Iside p. 370^) 'HpdxXeiTo^ ^^v y&p dvriKpu^ iröXe^ov övo|bid2[€t irardpa Kai
ßaoiX^a Kai K^piov irdvTUiv hielt Schleiermacher sich berechtigt ßaaiXcO^
und icbpxo^ als nicht von Heraklit herrührend zurückzuweisen. Die Yer-
gleichung mit dem Bruchstück bei Hippolytus bewährt nun den echt he-
raklitischen Ursprung von ßaoiXeO^, und um so weniger darf man densel-
ben für KOpio^ irdvTwv leugnen wollen. Ruft doch auch Pindar (Isthm.
IV 53) : Z€Ö^ ö irdvTwv KOpio<;. Somit wäre in Vater, König und Herr eine
Reihe göttlicher Eigenschaften des Erzeugers, Regierers und Besitzers
auf den TT6X€|bio^ übertragen, und die letzte Eigenschaft, die des Besitzers,
konnte in der heraklitischen Ethik gar leicht zu vorwiegender Bedeutung
gelangen. Dass 'wir Menschen eins der göttlichen Besitzstücke sind* ist
eine alte, noch vorplatonische Lehre, wie die Leser Piatons (Phaedon
p. 62 b /mft^ ToO^ dveptiiTTOiK ?v Tdfv KTimdTUiv Tot^ Ocol^ elvai Gesetze
X p. 902»> 906» Kritias 109 'J) wissen.
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m Neue Bmchstücke des Heraklit von Ephesas 91
and diesen Zeu^ TTöXejiio^ muss Heraklit dann in deutlichen,
jetzt verlorenen, Stellen mit der fviufiii haben zasammenfallen
lassen. Solches anzunehmen darf man sich nämlich berechtigt
halten, wenn man in dem philosophisch inbrünstigen Hynmus
des Stoikers Kleanthes an den Zeus (bei Stobäus Ecl. phys. i
2, 12) auf die durchgehende Benutzung heraklitischer Gedanken
und Termini achtet, welche auch dem oberflächlichsten Blick
entgegentreten ^ und bei | Kleanthes, einem gleichgesinnten Be- 259
arbeiter des heraklitischen Buches ^ nicht befremden dürfen.
Dort nun wird Zeus so angerufen (V. 32) :
äXXä Zeö irdvbujpe, KeXaiveqp^^, dpxiK^pauve
dvOpiuTiou^ fi^v* ßuou ÄTreipocTuvri^ dmö XuTpf]?,
f\v (Tu, Trdxep, aKibaaov ipuxfi^ ätto, bbq bk Kupncrai
TvuijLiT]^, fj mOvvoq (Tu Aikt]^ fi^ia Trdvxa Kußepvqi^.
'In Kraft des Erkennens (tvo^jhi) iriauvoO lenkt Zeus inVer*
ein mit der Aikii das Air. Die Aikii also — mit welcher Kleanthes,
nach Anleitung des Ephesiers ^, die strenge, Gränzen und Maass der
' Für den hiesigen Zweck mag folgendes genügen : Kleanthes V. 10
giebt dem Zeus als Werkzeug in die Hände d^(p/)icii, irupöevra, äexlibovra
KCpauvöv und lässt so den Blitz, das mythologische Attribut des Zeus,
durch den Beisatz 'ewiglebendig' (deilüüovra) hinüberspielen zu dem irOp
dcCripov des Heraklit (fr. 25 S. 874 Schi. 80 B.). * Zweischneidig' (d^<p/|KnO
wird femer der Blitz genannt in Einblick auf das in Gegensätzen wir-
kende heraklitische Princip. Und endlich würde das in die Mitte gestellte
Adjectiv 'feurig' (iTDpÖ€i^) gegen die beiden anderen so ausdrucksvollen
und gewählten als gar zu matt und gewöhnlich abstechen, wenn es ein
blosses epitheton ornans sein sollte; volles Gewicht erhält es erst durch
seine Beziehung auf das heraklitische irOp, für welches 'Feuer' der k€-
pauvö^ ein allerdings auch bei Heraklit vorkommendes (Hippolytus Z. 58),
jedoch, wie es scheint, untergeordnetes Synonymum ist. — Wo möglich
noch deutlicher ist in des Kleanthes V. 12 koivöv Xöyov, Y. 21 ^a irdvTUiv
XÖTOV, V. 24 e€0Ö K0iv6v vö^ov der heraklitische Euvö? Xöyo^ zu erkennen.
— Und in V. 26 i|i [koivi|) v6^ip] k€v ir€i6ö|bi€Voi adv vCp ßiov ^oOXöv fxoiev
drängt sich der wörtliche Anklang an Heraklit (S. 478 Schi., fr. 91 Byw.
Euv vöip X^TOvra^ laxupiZcaOai xp^ t«|j EuvCp TrdvTuiv) schon dem Gehör auf.
' Er verfasste tCöv 'HpaKXefrou il^rj^aex^ in vier Büchern (Diog.
Laert. vn 174).
* ^iv ergänzt Joseph Scaliger bei Stephanus poesis philos. p. 217.
* Fr. 80 S, 894 Schi., 29 B. "HXioi; oöx öircpß/iacrai n^rpa- cl bi m/|,
'EpivO€<; jiiv A(k»i<; iiriKoupoi iHvpi\ao\)au — Dieselbe Wendung, die wohl
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92 ni Nene Bruchstücke des Heraklit von Ephesus
Gegensätze hütende 'Zatheilerin* (Eljuapiii^vii) bezeichnet — ist
dem Zeus nur an die Seite gesetzt; die rvuijiiTi dagegen, so innig
als Sprache und Ton des Hymnus es dem dichtenden Kleanthes
erlaubten, mit dem Zeus verschmolzen; Heraklit, den keine sti-
260 listische Rttcksicht band und die Gedankenfolge dazu drän|gen
musste, wird die rvu^jnr] mit dem Zeus identificirt haben. Dieser
Schluss liegt nahe fttr jeden, der in solchen Dingen zu schliesssen
Muth hat.
Und in der That ist ein Rückschluss aus dem Kleanthes
nur nöthig, um Heraklits Gleichsetzung gerade dieser Termini
Zeu^ und rvuüjiiii zu erhärten; den zu Grund liegenden Gedan-
ken, dass Heraklit sein höchstes Princip als ein durch Intelli-
genz wirkendes fasste, gewährleistet jetzt ein geradeausredendes
Zeugniss bei Hippolytus (Z. 59 X^t€i hk ['HpciKXeiTo^] xai <ppö-
vijLiov toOto cTvai tö iiOp koi rfi^ bioiroicTeu)^ twv öXujv aTxiov),
das, wenngleich keine ganz wörtliche Anführung bietend, doch
aus derselben guten Quelle herfliesst, aus welcher Hippolytus
das viele Wörtliche schöpfte. Auf jeden Fall hat es in cppövi-
jLiov TÖ TTup mehr von heraklitischem Wortlaut bewahrt, als in
des Sextus Empirikus, sachlich auf dasselbe hinführendem, Be-
richt (adv. mathem. VII 127 äpicSKei fäp xii) 9U(TikiD ['HpaKXeixtp]
TÖ TiepUxov i\ix&q Xotiköv t€ öv Kai 9p€vfip€^) zu erkennen
ist. Denn von diesen Ausdrücken des Sextus ist nur das zweite
Adjectiv 9p€vf)p€^ heraklitisch gefärbt; das erste Adjectiv Xoti-
köv bedarf noch weiterer Bestätigung; und tö irepi^xov 'die
umgebende Atmosphäre' ist mit Sicherheit als spätes Gebilde
zu verwerfen. Hingegen wird dem hippolytischen 9pövi)iov als
altem und einfach gutem Wort seine Stelle neben dem etwas
geschmtickteren 9p€vfip€^ nicht dürfen bestritten werden, wäh-
rend TÖ TTup, die allbekannte Verkörperung des heraklitischen
Princips, jeder Anfechtung entrückt ist.
So sind wir denn von Zeus, dem mythologisch accommo-
dirten Terminus, hinweg zu dem selbständig heraklitischen
Teuer' (irOp) als dem Sitz des Erkennens (fvai^ii) geführt; und
bei der Entschiedenheit, mit welcher der alte Denker alle Folgen
seiner Principien zu durchmessen pflegt, bei der rücksichtslosen
nur aus Heraklit entlehnt sein kann, findet sich in der Vorschrift der spä-
teren Pythagorecr bei Hippolytus vi 182, 21 : ^k Tft<; I5(a<; 4äv dirobim^^
^1^ ivciaTpiqtov ei bi \ii\, 'EpivOe^ A(kii^ ^iriKoupoi oe jüieTeXeOoovTai.
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m Neue Bniohstüoke des Heraklit von Ephesus 93
Selbständigkeit, die ihn fttr seine Gedanken oft bis zum Anstössi-
gen fremdartige Aosdrtieke wählen lässt, darf man erwarten,
dass aus seiner Orundansicht von einer objectiv vorhandenen,
im Teuer" wirkenden, allein weisen Erkenntnisskraft eine Reihe
von Lehrsätzen über subjectiv menschliches Erkennen sich
entwickele, deren Paradoxie das Missver|ständnids herausfordern 261
mnsste. Viel des hieher Gehörigen, bei weitem nicht Alles, liefert
die Schleiermacher'sche Sammlung (S. 364 ff.), ohne es immer
unter den Gesichtspunct zu bringen, der hier gewonnen worden.
Von diesem Gesichtspunct aus trifft man jedoch bald auf
die Folge, dass subjectiv menschliches Erkennen, nur ein Inne-
werden der im 'Feuer' thronenden rvdijiir] und ein Aufgehen in
dieselbe, nun auch eine um so höhere Stufe der Wahrheit erstei-
gen mlisse, je mehr es sich dem Teuer' nähere, die voUe Wahr-
heit aber erst in diesem Teuer' selbst ergreifen könne.
Urkundlichen Nachweis, dass Heraklit diesen Folgesatz
wirklich ausgesprochen hat, giebt Lucretius an die Hand in
seiner, freilich gar unverständigen, Polemik gegen den Ephe-
sier, die deshalb auch von Schleiermacher und seinen Nachfol-
gern, denen sie wohl nicht unbekannt bleiben konnte, keiner
Benutzung, ja nicht einmal einer Erwähnung gewürdigt worden.
Aber bei ruhiger Zergliederung der ganzen heftigen Scheltrede
(Lncr. I 635—704) löst sich doch das echt Heraklitische, gegen
das der Römer anschreit, kenntlich genug ab von den verdrehen-
den Zusätzen, die er einschwärzt indem er den Heraklit als den
' Vorkämpfer' der Stoiker mit Lehrstücken dieser Schule belastet.
Dies erlaubt er sich nämlich in dem ersten grösseren Theil jener
Tirade (645—689), deutet es jedoch löblicher Weise dem Auf-
merkenden dadurch an, dass er in diesem Theil von seinem
Gegenpart als einem Plural redet (655 faciant, 657 cemunt, 665
credunt). In dem zweiten kleineren Absatz (690—704) hinge-
gen, wo er über eigenthümlich heraklitische Sätze sich Luft
machen will, legt er einen besondem Nachdruck auf den Singular
(692 hie idem, 693 ipse repugnat Et labefactat), und hier (696)
findet sich die Nachricht :
credit enim (Heraclitus) sensus ignem cognoscere vere,
cetera non credit,
was dem polternden Epikureer cum vanum tum ddirum scheint,
ans aber die erwünschte Beglaubigung darbietet, dass Heraklit
nur das Erkennen des 'Feuers' fttr ein wahres gelten Hess.
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94 m Neae Bruchstücke des Heraklit von Ephesus
Und nach diesem feststehenden Maassstab bemisst Heraklit
262 den I grösseren oder geringeren Werth der verschiedenen Sinnes-
organe als reiner oder trübender Mittel des Erkennens ; der
Gesichtssinn, der lauterste Augenzeuge des 'Feuers', ist ihm
werther als das Gehör; 'Augen sind genauere Zeugen als Ohren'
(d90aX|ioi Tojv ujTUJV dKpiß^axepoi fidpxupe^) *.
Beide jedoch, Auge wie Ohr, sind nur Zeugen ; ihr Bericht
muss von einer feuerreinen Seele vernommen werden, wenn er
zu Erkenntniss des ^Feuers' fUhren soll. Fttr Menschen mit
'besudelter Seele' wird des Auges wie des Ohres Zeugniss ein
gleich schwaches. Dieser Gedanke ist zu gewinnen aus dem
berühmten aber seit alter Zeit verderbten Bruchstück (22 S. 364
Schi. 4 B.), welches Sextus Empirikus (adv. math.ynl26) zuerst,
wie er sagt, wörtlich (xaTd X^Siv) so mittheilt: xaKoi jidprupe^
dvGpiiTTOKTiv dq)OaX|Lioi xal ütrra ßapßdpou^ V^X«? ^X<ivTUJV,
und dann umschreibend folgendermaassen wiedergiebt: 'dies
bedeutet, es sei nur barbarischen Seelen eigen den unvernünfti-
gen Sinnen zu trauen' (önep toov fjv t(\)' ßapßdpwv daxl ipuxuiv
Ttti^ dXÖTOi^ al(y0ri(r€(Ti TricTTeueiv). Man sieht aus dieser allzu
bequemen Umschreibung, der eilfertige Skeptiker hat über die
anstössige Incongruenz des Dativs dvGpuüTTOim neben dem Genitiv
dxövTwv hinweghüpfen wollen, war jedoch wenigstens verständig
genug um nicht, wie Schleiermacher und dessen Nachfolger thun,
mit ängstlicher Anklammerung an die Buchstaben und doch auch
wieder durch unstatthafte kleine Freiheiten folgendes herauszu-
pressen: 'Schlechte Zeugen sind den Menschen die Augen
und Ohren der mit rohen Seelen Begabten'. Denn was soll
in solcher Satzform der Dativ Men Menschen' bedeuten? Dass
auch bei den gewöhnlichen Menschen ein von 'rohen Seelen'
ausgehendes Zeugniss nicht viel gelte, wird Heraklit 'der gött-
liche Anbeller des Pöbels'' am allerwenigsten geglaubt und
gesagt haben; man wäre gezwungen, das Wort dvGpubiroKTi als
einen in alterthümlicher Rede nicht gar streng zu nehmenden
» Fr. 28 S. 366 Schi. (15 Byw.) bei Polyb. xn 27 oben p. 8. (Ohne
zureichenden Grund änderte nach Vorgang Wesselings C. Fr. Hermann zu
Luc. de consor. bist. p. 184, Leutsch in den Paroemiogr. ii p. 744 und
L. Dindorf Polyb. i p. xl f. *HpdKX€iTov mit Berufung auf Herod. i 8 in
'HpÖÖOTOV.)
* eeto^ öXaKTT|Tf|^ bi\\iov oben p. 30 f.
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m Nene Bruchstücke des Heraklit von Ephesus 96
Pleonasinns nnd als nicht vorbanden für den Gedanken anzu-
sehen, den Gedanken aber so zu fassen: 'schlechte Zeugen
sind I Augen und Ohren mit rohen Seelen Begabter'. Zu dieser 268
hermeneutischen Licenz wird sich jedoch kein Bedächtiger ent-
schliessen, nachdem er des Stobäus Anführung (Floril. iv 56 Kaxol
Twovrai dcpOaXjiOi Ka\ Axa d9pövujv dvGpumuJv \\fvx6Lq ßapßdpou^
£x<^vTUJv) mit der obigen, angeblich wörtlichen, des Sextus vergli-
chen und wahrgenommen hat wie früh schon durch Auslassung,
Einschiebung und Verschiebung die heraklitischen Worte misshan-
delt werden. — Sie leiden nun aber, ausser der bisher besproche-
nen grammatischen Incongruenz, noch an einer viel bedenklicheren
inneren Schwierigkeit. Mit ßapßdpou^ U'uxd^ dxövrwv freilich
können^ wenn überhaupt etwas, nur Inhaber 'roher Seelen'
gemeint sein, wie denn auch ohne viel Besinnen bisher über-
setzt worden, obgleich selbst so noch kein recht scharfer, des
Philosophen würdiger Begriff hervortreten will. Ist man denn
aber berechtigt, diese verunglimpfende Bedeutung des Wortes
'Barbar' bei Heraklit anzunehmen, der nicht später als um die
Zeit der Perserkriege kann geschrieben haben und der zu
Ephesus lebte? Die jetzt hinlänglich bekannte Entwickelungs-
geschichte des Worts lehrt doch deutlich genug, wie spät sich
jener ethisch schmähende Nebenbegriff an dasselbe geheftet,
wie sein schroffer, aus nationaler Ueberhebung hervorgegangener
Gebrauch nie, auch nicht zu der spätesten Zeit, von den echten
Philosophen befördert wurde ; und wenn er, als Heraklit schrieb,
noch nicht im übrigen Griechenland eingerissen war, so kann
sein erstes Aufkommen in keine ungünstigere Gegend verlegt
werden als gerade nach Ephesus, der so oft unter persischer
Herrschaft stehenden, von persischer Cultur und Weisheit so
vielseitig berührten Hauptstadt loniens.
Der von Sextus überlieferte Buchstabe ßapßdpou^ M^v^xd^
dxdvTujv genügt also nach keiner Seite, während eine wahrlich
geringe Abweichung von demselben ßopßdpou ipuxd^ ^xovroq,
zu folgendem, in Gehalt und Ausdruck gleich sehr herakliti-
schen, Satz fuhrt: 'Schlechte Zeugen sind den Menschen Augen
und. Ohren, wenn Schlamm die Seelen einnimmt', wo man nur
die 'schmutzigen Seelen' nicht gar zu metaphorisch verstehen
darf von einer bloss, sittlichen Unreinigkeit. Es ist vielmehr
die Verdunkelung des See|lenlichts und die Trübung der edleren 264
Sinne gemeint als Folgen des unmässigen niedern Sinnengenusses,
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96 m Nene Bruchstücke des Heraklit von Ephesas
durchweichen die Seele ihren feuerähnlichen von * Nässe* freien
Zustand einbttsst und von Stoffen überwältigt, die dem * Feuer'
und der * Vernunft^ entgegenstehen, zu einer ' nassen \ das Zeugniss
der Sinne nicht vernehmenden Seele herabsinkt; dem Gedanken
nach ähnlich wie Heraklit den Stumpfsinn des Trunkenen schil-
dert und erklärt (fr. 59 S. 507 Schi. 73 B.): *Der Mann, wenn er
trunken, wird von einem unbärtigen Knäblein geführt und wankt,
weiss nicht wohin er tritt, denn er hat eine nasse Seele'. Und
auch dasselbe Wort ßöpßopo^ fttr dieselbe Sache kehrt wieder in dem
bisher übersehenen Bruchstück [54 Byw.] bei Athenäus v p. 178':
bei TÖv xapUvTa ixiyze ßuTrav ixf\Te aüxineiv iif\Te ßopßöpijj x^i'-
peiv Kaff 'HpdKXeiTOv *. Der edle Mensch hat keine 'Freude
am Schlamm', wohl aber versinken darin 'die Vielen, welche
sich mästen wie Vieh' ^ dadurch ihre Seelen gleichsam ver-
schlammen und dann von ihren trüben Sinnen kein klares
Zeugniss über das * Feuer' empfangen können, nicht einmal vom
Auge, das seine natürliche Stelle auf der höchsten Sprosse der
Sinnenleiter bat.
(Eine Bestätigung bietet vielleicht Piaton im Staat vn 14
p. 533* Ka\ Tip ÖVTi ^v ßopßöpiij ßapßapiKiJi* xivi tö rfl^
' Nur die Worte ßopßöpip x^tp^iv sind heraklitisch. Die ganze Stelle
aber hat Athenaus aus einer verlorenen Schrift des Aristoteles entlehnt,
dessen Namen im unmittelbar vorhergehenden Satz genannt ist (dirpcir^^
yäp f^v, (pi^alv *ApiaT0TdXr|<;, flKCiv cU t6 ou^iröatov crtiv i6pt£iTt iroXXdi
Kai KOvtoprCp* bei ydp t6v xapieyna ktX.); man darf mit Sicherheit annehmen,
dass jene aristotelische Schrift keine andere gewesen als der lu^iroTtKÖ^
N6^o^, auf den Athenäus sich auch v p. 186 ^ bezieht. — (Andere Stellen
über £v ßopßöpqj, einen Mysterienausdruck s. bei Welcker, GötterL n 627).
" ol iToXXol KCKÖpiivrai ÖKUiairep KTf|V€a oben p. 82. — Den Gedan-
ken, dass Unmässigkeit in Speise und Trank von der Weisheit entferne,
drückt der Meliamben-Dichter Kerkidas in Versen aus, welche an die he-
raklitischen Sätze hinanstreifen, sie jedoch an Derbheit des Ausdrucks
noch überbieten: 'Wie sollte das Antlitz der Weisheit, und stände sie
noch so nahe, von Menschen erblickt werden, deren Herz [x^ap, cor, als
Sitz der Vernunft] vollgestopft ist mit Koth und schwer wegzuwaschender
Hefe ? ' iTü>^ K€v l6oi€v t&v lo(p(av irdXa^ ^OTOKutav | dvdpc^, (üv tö x^ap |
iroXiXi a^aaicrat xai öuacKviimu Tpuxö^; (Stob. Flor, iv 43). — Im letzten
Vers bin ich der Verbesserung Bentley's gefolgt statt des handschriftlichen
iraX<^ aiaaKTai xai 6uaeKv{irr qj Tpuy (, welches Meineke (Abhandl. d. Berl.
Akad. 1832 S. 96) nicht aufgeben wollte, (in seiner Ausgabe des Stobäus
jedoch jetzt aufgegeben hat).
' (Ist ßapßaptK«^ richtig?)
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m N«ae Bruchstücke des Heraklit von Ephesns 97
^^X^^ SjLilia KaTopujpuTM^vov i^p^iia SXkci xal ävdTCi fivu). Da
Tüb övTi immer auf ein Citat deutet ^ so ist es wohl möglich
dass Piaton, da er ja hier auch vom 'Ange' spricht, die Worte
des Heraklit im Sinne hat).
Wird nun in solchem Fall das Auge zugleich mit den an-
dern Sinnen von der angeborenen Würde herabgestossen durch
des Menjschen Thorheit, so kann es doch auch ohne mensch- 265
liches Verschulden seiner Kraft vom 'Feuer' zu zeugen verlustig
gehen, überträgt dann aber diese Kraft auf einen andern Sinn.
Wenn nämlich im periodischen Lauf des Weltendaseins der
Zeitpunkt eintritt, wo das Feuer, die alte Welt zerstörend, um
sie neu zu bilden, 'Alles', auch das ihm entgegenstehende Nasse,
'sichtet und verschlingt* (Trdvxa t^P tö irOp diieXeöv xpivei xal
KaTaXr)i|i€Tai Hippel. Z. 61), da vermag menschliches Augenlicht
nicht mehr durchzudringen zu den verzehrenden, rauchumhttUten
Gluthen. Nur mit der Hülle des Feuers, dem Rauch, in den
sich die verbrennenden Dinge auflösen, bleibt der Mensch in
Verbindung durch den Geruchssinn, und dieser übernimmt wäh-
rend der Weitenkrisis dieselbe Vermittelung zwischen dem er-
kennenden Menschen und dem Erkenntniss gewährenden Feuer,
welche im normalen Weltenleben vornehmlich dem Auge zuge-
wiesen ist. 'Wird Alles zu Bauch, dann erkennet die Nase'
war, wie Aristoteles (de sensu c. 5 p. 443 • 24) * berichtet, der
^ (üeber Ttp Övri s. unter andern Wyttenbach zu Piatons Phaedon
p. 166 f. 308).
■ hiö Kai 'HpdKXetTO^ oötui^ etpriKCv dj^ €l irdvra rä Övra koitvö^
t^oiTo ^lv€<; Äv 6taTVoUv [fr. 87 B.]. Dass hierin kein wörtlich treues Citat
vorliege, lehrt die Abwesenheit des lonismus und der nicht heraklitische
Ausdruck irdvra Td övra; daher verliert auch die hypothetische Fassung
el . . . . Y^otTO, welche dem Aristoteles für seinen dortigen Zweck be-
quemer war, jedes Gewicht^für die Ermittelung des heraklitischen Gedan-
kens. — Schleiermacher verwendet mehre Seiten (365—868) zu verschie-
denen Erklärungsversuchen, von denen keiner, wie es scheint, ihn selbst
befriedigt. Den Weg zu der richtigen Auffassung hatte er sich versperrt
durch seine schon früher (oben p. 66 f.) berührte L&ugnung der Ekpyrosis
bei Heraklit. Einen neuen Beweis, dass Heraklit sie gelehrt, würde
das fragliche Bruchstück nach der oben gegebenen Erklärung dar-
bieten, und gerade die wundersame Derbheit des Ausdrucks muss alle
verflüchtigenden Deutungen zurückweisen, denen die heraklitischen Worte
bei Hippolytus (Z. 62 Kpiv£l xal xaToXrivcTai) etwa noch unterliegen könnten.
B«nift7S, gM. Abhandl. 7
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98 m Neae Braohstüoke des Heraklit von Ephesos
in diesem Zusammenhang nur noch barocke, aber nicht mehr
räthselhafte Aussprach des Heraklit.
Nun ist jedoch, nach heraklitischer Lehre, das gemeinsame
Gesetz, welches sich im Wechsel grosser Perioden auf dem Ge-
biet des Weltganzen verwirklicht, zugleich das bestimmende Maass
fttr die kleineren Lebens- und Todesabschnitte der menschlichen
Einzelwesen. Geht sonach, während der Weltenbrand raucht,
die Vermittelung der Erkenntniss von dem Gesichtssinn Aber auf
266 den Geruchssinn, so | findet ein ähnlicher Bollentausch statt,
wenn in der 'Seele' des sterbenden Einzelmenschen das Feurig-
Lebendige von dem einströmenden Nassen tlberfluthet wird.
'Feucht zu werden ist der Tod der Seelen' S und das Nasse,
der Gegensatz des 'Zeus' benannten Feuers, ftthrt bei Heraklit
den entsprechenden Namen des 'Hades'', des Ortes und Gottes
der gestorbenen Seelen. Würde nun jedes Band zerrissen zwi-
schen den im Hades Weilenden und dem Feuer, so wären sie
nicht bloss gestorben ; sie wären auch vernichtet ; denn Sein ist
nur im 'Feuer' und durch dasselbe. Der Faden also, an dem
fttr die gestorbenen Seelen ihre Verbindung mit dem Feuer und
somit ihre Fortdauer hängt, wird im Hades wie während des
Weltensterbens durch den Geruchssinn angeknüpft, nachdem
das Augenlicht gebrochen. Umfangen von dem nassen Hades-
Element spüren die Seelen noch die Wirkung des Feuers auf das
Nasse in den sich entwickelnden Dünsten; 'die Seelen riechen
* Proclus in Timaeum p. 86 (Schi. 8.490): ^luxtöv täv vocptöv
Odvaroi; i}'xpfjiai t^v^öGai, (pr^alv 'HpdKXetTO^. Der hexametrische
Klang, auf den Sohleiermacher aufmerksam macht, verschwindet, wenn
man das von Proklos eingeschaltete tuTv voepOiiv ausscheidet. Ohne dieses
Anhängsel hat sich, was Schleiermacher'n entging, der heraklitische Satz
erhalten bei Julian (orat. v p. 166 Spanh.) : X^ycral toi Kai irp6^ 'HpaicXcC-
Tou ' M'vxQ^'i OdvoTo^ 6tpQ<^i fewiaBai und ferner am Rande des Baseler
Codex, aus dem in Jahn's Jahrbüchern (Supplementband xrv) der Com-
mentar des Olympiodor zu Piatons Gorgias abgedruckt worden ; die dortige
(p. 857) Randbemerkung lautet: t6v 'HpaxXciTOU ircpl Miux*1<; X6tov VuxflcJi
OdvaTO^ <)-Xpfjia\ f^yiaBai, Dagegen steht bei Olympiodor selbst ein
Einschiebsel, das sich jedoch eben so leicht wie das bei Proklos vorkom-
mende von dem heraklitischen Satz lostrennen lässt, p. 642 : oörw yoOv
Kai X^T€Tai ir€pl Tfli; v^x*!?' V^xfiöi ßpor^aii; GdvaTO^ ÖTPfl<r» t^v^-
oOai, wozu die Randbemerkung: t^ X6yov *HpaKX£{Tou (paaiv.
* S. oben p. 61 Anm. 1.
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m Neue Brachstüoke des Heraklit von Ephesus 99
im Hades' [fr. SSByw.] S und so bleibt das Teaer' Grund des
Seins auch für die Todten.
Bei diesem Ziele angekommen dürfen wir die durch alles
Bisherige sich hindurchziehende Lehre zusammenfassen und
den bei Hippolytus Überlieferten Satz, von welchem wir aus-
gingen, in seiner das Ganze abschliessenden Bedeutung hervor-
treten lassen.!
Das menschliche Erkennen hält gleichen Schritt mit dem 267
Verlauf des allgemeinen Weltprocesses, der auf jeder, auch auf
der untersten seiner Stufen sich in seiner Totalität darstellt und
dem Menschen vernehmbar bleibt, so lange der Mensch sich
keinem Einzel -Wähnen (oIt)(Ti^) hingiebt, sondern sich in die
Gesammt -Vernunft versenkt, welche den Weltenlauf steuert, und
zugleich der Weltenlauf selbst ist. Das Eine nämlich, welches
alle Gegensätze in sich trägt und aus sich wirkt, kennt alle
Gegensätze: £v irdvra olbev; im Erkennen fliessen die Gegen-
sätze zur Einheit zusammen ; Intelligenz als reines Wirken um-
&sst alle gegensätzlich geschiedenen Wirkungen.
So erscheint denn bei Heraklit die Gleichsetzung von
Wirken und Wissen und demnach ein lebendiges, bewegtes
Eins (tv Kivou^€vov), in bestimmtestem Widerstreit gegen die
Eleaten, welche, nachdem sie Sein und Wissen hatten zusam-
menfallen lassen, nur noch ein * stehendes Eins' (Iv iajdq) auf-
zustellen vermochten.
Und diese zwei Weisen, das Eins als stehendes oder be-
wegtes zu fassen, beherrschen die Geschichte des menschlichen
Denkens, des griechischen wie des nachgriechischen.
Piaton, der Jugenfreund der Herakliteer und dann durch
Vennittelung der sokratischen Dialektik den Eleaten zugeführt,
suchte mit dem logischen Satz des Widerspruchs * die Einheit der
Gegensätze abzuwehren, welche Heraklit physikalisch-specntativ
ausgesprochen hatte. Es war jedoch dem Piaton beschieden,
dass er auf der erhabensten Höhe seines Gedankenweges bei
dem speculativen Ergebniss gerade dieser heraklitischen Lehre
angelangen, und auf der gefährlichsten Stelle seines Systemgebäu-
' Plutarch De facie in orbe lunae c. 28 cxtr. p. 948 ^ xaXdx; 'Hpd-
xXctTCK ctirev 5x1 ol i|fuxal öa^a)VTat KaO' "Aiftviv. Schleiermacher (S. 867)
verzweifelte über den Sinn dieses Satzes za etwas Bestimmtem zn gelangen.
' Phaedon p. 102 d.
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100 m Neue Bruchstücke des Heraklit von Ephesus
des an die physikalische Seite wiederam gerade dieser herakli-
tischen Lehre sich anklammem masste. Piatons Auseinander-
setzung ttber das Werden und die Bewegung im Eins, wie sie
der Parmenides (p. 156) giebt, ist verklärter Heraklitismus, und
seine Materie im Timäus (p. 52 ®) ist, wenn man es sagen darf,
Heraklitismus aus Verzweifelung.
Aber noch weit über Piatons und die Zeit der blühenden
griechischen Philosophie hinaus treten auf den Gränzgebieten
268 der I Philosophie die Wirkungen jenes Widerstreits zwischen
Heraklit und den Eleaten deutlich hervor.
Als durch die hinsiechende alte Welt neue Beligion sich
Bahn gebrochen, um so unwiderstehlicher, je stolzer sie in selbst-
bewusster Jugendfrische jeden verhüllenden Gedankenschmuck
verschmäht hatte, wollten dennoch Viele, gemeiniglich Haeretiker
genannt, mit dem nackten Glauben sich nicht begnügen; um
ihn zu bekleiden, versuchten sie den Prophetenmantel mit dem
Philosophenmantel in eins zu weben. Die Weber waren oft
nicht geschickt; die Nähte des zusammengestückten Gewandes
waren meistens so sichtbar dass sie den Muthwillen heidnischer
Spötter erregen mussten, waren nie so dicht dass nicht die
schneidende Kälte heidnischer Dialektik hätte durchdringen
können. Dieses aber muss in jenen synkretistischen Bemühungen,
von welchen während der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrech-
nung die tiefsten Gemüther ergriffen und die stärksten Köpfe
eingenommen wurden, vor Anderem sich dem Blick des For-
schers über Geschichte der Philosophie aufdrängen: wie weit-
herzig man auch damals im Borgen und Yernutzen philosophi-
scher Sätze war, wie sehr unermüdlich man auch sonst — das
zeigt jetzt aufs lehrreichste die neuentdeckte Schrift des Hip-
polytus — den Rundgang durch die verschiedenartigsten Systeme
durchmachte, dennoch ist die Eine Hauptrichtang griechischer
Philosophie, die eleatische, ohne merklichen Einflnss sogar auf
die haeretischen Lehrgebäude geblieben. Einen eleatischen Hae-
retiker kennt die Geschichte nicht. Und dies darf nicht etwa
aus einer zeugungsunfähigen Schwäche des eleatischen Grund-
gedankens erklärt werden, der über die Gränzen Griechenlands
und die Zeiten seiner ersten Verkünder hinaus nicht hätte zu
wirken vermocht; hegt doch noch die neuere Philosophie in
ihrer innersten Mitte ein mächtig genug dastehendes System,
das auf lebenloses Denken und Ausdehnung gegründet, mit Recht
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m Nene Bmohstücke des Heraklit von Ephesos 101
flir einen Ausbau der eleatischen Seinslehre gilt. Aber es muss
zwischen dieser eleatischen Lehre und der durch noch so dttnnen
Faden an die Bibel gebundenen Häresie ein tiefinnerlicher Ge-
gensatz bestanden haben, dessen unüberwindliche Sprödigkeit
auch die Geschicktesten von jedem Versuch des Zusammenfügens
abschreckte. Und wahrlich, wer sich vom | Hauch des lebendig 269
wirkenden Gottes erftlllt glaubt, kann kein Yerständniss mit
denen eingehen, welche, wie die Eleaten, die OTaaxSnax tou
6Xou \ das All zum Eins erstarren lassen. Gleich sehr dagegen
fühlen sich Orthodoxe wie Heterodoxe zu Heraklit hingezogen;
ja, der Hartyr Justinus ' vergönnt ihm, dem Philosophen des
sechsten Jahrhunderts vor Christo, sogar die Beseeligung durch
das ^Wort'. Man erkannte, dass das heraklitische Princip kein
ruhend todtes, sondern ein bewegt lebendiges sei, dass die
Bewegung nicht von einem blinden Fatum fortgestossen werde,
sondern bewnsst dahinschreite ; denn *Eines weiss Alles' ''Ev
Trdvra olbev. <Der Gegensatz zu diesem wahren irdvra elb^vai
ist dasjenige ' Yielwissen', welches mit denselben Worten (ttXci-
(TTa €lb^vai) oben p. 76 Z. 38 dem Hesiod beigelegt ist mit Be-
zug auf TioXuiiaeiTi vöov ov bibdcTKCi fr. 13 S. 342 Schi. [16 Byw.],
wo ebenfalls Hesiod genannt wird. Hierin liegt zugleich eine
feste Gewähr für die Richtigkeit der Lesung elb^vai. Einen
noch deutlicheren Beweis giebt das Hippokratische Buch TTepl
(TapKuiv § 2 1. 1 425 E. vill 584 L. boK^ei hi jiioi 8 Oep^öv f^Tv
7rpo<yaTOT€U€Tai dOdvaTÖv t€ etvai Ka\ TrdvTa vo^eiv xal öpiiv xe
Ka\ äK0U€iv Kai irdvTa eib^vai dövra re xal ^adfieva).
^ S. oben S. 82 f.
* Apolog. I 46 p. 88 <' ol \i€rä Xöyov ßitbaavrc^ Xpianavol elai, kAv
dOcoi iyo^iaBr\aay, olov 4v *'EXXii(7i M^v IiuKpärri^ Kai 'HpdKX€iTo<; xal
ol öjüioiot a^ol^ kt\.
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IV
lACOBI BERNAYSII
AD
HERACLITEA FRAGMENTA
AB HIPPOLYTO IN BEFÜTATI0NI8 LIBBO NONO BEBYATA
ADNOTATIONES.
Analecta Ante-Nicaena. coli. Chr. C. J. Bansen. Lond. 1854 vol. m p. 837—841.
337 [Ad Analectorum Ante-Nic. a Bnnseno Lond. 1854 editoram
1. 1] P. 365 1. 3 [supra p. 75 v. 2] Ocöv biKaiov] *Deum iustum*
sive Denm indicii, i. e. qai nltimum indicinm exercet, quod ex
Heracliti fragmentis expiscari stadet Hippolytos infra p. 367 1. 26
[supra V. 56] : X^t€i bt Ka\ toO köcTjüiou xpicTiv xal tkävtiuv toiv ^v
aönji bid Ttupö^ TiveaOai. Solennis autem est apnd scriptores eccle-
siasticos haec OeoO öiKaiou significatio opponitarqne Oei^ äfaQ^i
' Clement! Deo' sive Deo clementiae. Velnt Clemens Alexandrinus
Strom. V 14, 131 p. 727 P. ex Iliadis 9 69 xpvaem Trarfip
driraivc idXavTa probaturus est, notum fuisse Homero öixaiov
6e6v, Menandram autem versu äTravra b' draeöv etvai töv Oeöv
notitiam 6eo0 dTaOoC prodidisse. Eodem modo Ptolemaeum,
vafrum istum muliercularum aucupem, Ulis Dei attributis uti me-
mini in epistola ad Floram, vide Grabii Spicileg. n 79 et 232
ed. pr. <cf. Irenaeus m 42 Paulus ep. ad Bom. 5, 7>. Coniectura
Wordsworthü *, qui pro bixaiov legi vult elxaTov, mihi videtur
elK^ sive temere proposita esse. Neque enim causam reperio
ullam, curHippolyto tantam amentiam imputemus ut 'fortuitum'
ab Heraclito dictum esse Deum deliret.
1. 4 [supra v. 4] Iv irdvra clb^vai] Godicis scripturam
eib^vai cum prior Millerus in etvai mutasset, errantem ducem
nil mali metuens secutus est Wordsworthius. Qua temeraria
^ [Chr. Wordsworth, St. Hippolytos and the Ghuroh of Borne in the
earlier part of the third Century. Lond. 1853].
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iv Ad Heraclitea fragmenta Hippolyti adnotationes 103
mutatione qnantam totins doctrinae Heracliteae ignorantiam
nterque ostenderit, patefactnm est in | dissertatione de navis frag- 388
mentis HeracUti Mnsei Rhenani volamini ix p. 231 inserta [sa-
pra p. 82]. Ibidem p. 248 [s. p. 80] exponitur cur pro codicis
bdriLiaToq legendnm Bit X6tou.
1. 12 [supral. 10] ÄTreipoicTiv teixam] Pro codicis ÄMipol
clcTiv scribendnm esse dTreipoicriv vidit Wordsworthius ; sed ut
probaret quam recte docnisset Aristoteles verum coUigi posse
etiam e faLsis, ad sententiam snam defendendam scripsit haec:
'Delet €i(Ti Miilerus, adstipulante, ut ait dem. Alex. Strom, v. 718,
sed ibi Kuxpoiq iovKaax Clemens, unde pro ATTEIPOI EIIIN iol-
KacTiv legere mallem ATTEIPOIZIN doiKacrr. Profecto egregia
ista logica meum captam excedit. Quia alibi in fragmento
prorsus discrepante ab eo de quo agimus exstat KW90iq doiKaai,
propierea scilicet in hoc fragmento legendum est äTreipoiaiv
doiKaai. Nescio ad quodnam crxfiiLia talis Syllogismus referatur.
Neque adeo verum est dixisse Millerum, dementem Strom, v. 718
adstipulari Omission! vocabuli eiai, sed simpliciter dixit Millerus,
' dementem recte omittere eiai', cum paullo ante per aliam occa-
sionem nnmerum paginae 716 Clementinae apposuisset. Eam
paginam si evolvisset Wordsworthius, statim errorem Milleri de-
prebendisset, ipse vero a mira ista conclusiuncula cavisset. Et-
enim affert quidem Clemens illo loco priorem huius Heraclitei
fragmenti particulam, sed ultra verba dKOuaavre^ id irpwTov non
progreditur, ita ut omissi additive eim post fimipoi ne possit qui-
dem ullum esse testimonium Clementis. Nimirum pro ^demente'
voluit Millerus vel certe debuit dicere scriptorem alium et qui-
dem Sextum Empiricum, a quo solo Heraditearum reliquiarum
ante inventum Hippolytum coUectores posteriorem huius frag-
menti particulam sumere potuerunt. lam apud Sextum adv.
mathem. vn 132 revera exstat fiTreipoi doiKaai, omisso eici;
verum quia constructio verbi doiK^vai cum nominativo dubitationi
obnoxia sit, sane praestat lonicam dativi formam äTreipoicTiv e
vestigiis Hippolyteae scripturae eruere. — Haec uberius quam
pro rei gravitate exposui ut virum, qui aliorum neglegentiam
paedagogico supercilio castigare suscepit, etiam in eis labi de-
monstrem, quae sine ulla ingenii ope per solam dKpi߀iav ad-
ministrari possnnt.
P. 367 1. 25 [supra v. 55] ivOdbc dövra^] Nuper codicis
scripturam £v6a V iövri refinxeram in £v6a bid Oeöv t€, liberiore
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104 IT Ad Heraclitea fragmenta Hippolyti adnotationes
nec tarnen veri dissimili coniectura. Supervenit Wordsworthius
et solam terminationem vocabuli ^övti in ^övra^ mutavit. Id quam-
qnam praestare alteri coniectnrae in tarn mutilo fragmento nemo
dixerit, tarnen quia verum esse potest, a Wordsworthio sumpsi,
ne me fastidiose omnia sua respuere criminetur. Sed fatalis
quaedam vis transversum agere videtur Wordsworthinm. Si
quando ei contingit ut proferat aliquid quod non falsum esse
889POSsit, I statim misellas veri scintillulas obruit erroribus gravis-
simis. Olim quidem Davus dixit Horatio AtU insanü homo
aut versus facü. At de Wordsworthio sine dilemmate dicendum
est, eum vix sani hominis culpam in se admisisse, cum hoc
loco versus faceret. Audiamus olorem canentem : 'Golor poeticus
esse videtur, ita ut fortasse versuum huiusmodi reliquias delite-
scere censeam:
— ?v9a V idvra^
ETiTCv dvicTracTGai cpöXaKd? t€ T€V^(T9ai ifepü
ZoüvTUJV Ka\ vcKpuiv'.
Si quis ita hospes est in litteris Graecis ut quam absurdum sit
hoc commentum suo marte non intellegat, is adeat Schleier-
macherum p. 349 de 'poesi' Heraclitea disputantem. Sed 'color
poeticus*, inquit, in isto fragmento esse videtur? Talem *colo-
rem' versuum indicium esse prius non concedam quam Words-
worthius genuinam lonicam orationem monstraverit, quae eo
'colore' mm imbuta sit. Porro, quo iure insulsum istud eIiT€v
tamquam fulcrum ruenti versui secundo applicuit? Sic si poetari
Wordsworthinm permittimus, propediem integrum Hippocratem
integrumque Herodotum in versus nobis transcribet, stans pede
in uno.
P. 368 l 8 [supra v. 62] iv bk toötiü t(^ KCcpaXaiip k. t. X.]
Animi caussa ioculares errores Wordsworthii perstringamus, simul-
que verum huius loci intellectum aperiamus, quem perperam di-
stinguendo obscuravit Millerus et pedisequo suo Kar' 6(p6aX^ulV
X^ev dxXtJv. Etenim Millerus distinctionem maiorem posuit post
££^6€To, 1. 9 [v. 63] ; quo facto necessitas exstitit ut intra fines
huius commatis : iv hk Tounp Tt|i KcqpaXaiu) iräVTa ö^oO töv tbiov
voOv ^g^6€To verba quaedam indagarentur quae ab Hippolyto
tamquam summa (xcqxiXaiov) doctrinae Heracliteae allata esse
possent. Talia cum repperisse sibi visus esset Millerus in iräyra
öjioO, haec vocabula citandi signis inclusit, quasi ab ipso Hera-
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lY Ad Heraclitea fragmenta Hippolyti adnotationes 105
clito profecta essent. Quam in hallncinationem fortasse inde
abreptus est qnod dictum illud in philosophornm scholis decan-
tatnm 6|io0 irdvia xp^j^aia fjv, voO? bk auxd biflpc xal bie-
k6(T^yi(T€V aninio ipsios obversabatar, dicti vero anctorem non
Heraclitam sed Anaxagoram esse vel nescivit vel non meminerat.
Utnt est, errantem Milleram et in distinguendo et in signis
citandi apponendis sequitur fidus Achates Wordsworthius, sed
proprium quendam prorsusqne mirabilem modnm excogitavit,
quo verba irAvTa 6|io0 Heracliteae originis specie induerei
Nempe sie vertit Anglice : Änd in this summary he propounded
his I atvn mind as all things collectively, i. e. et in hoc summario340
proposuit suam ipsius mentem tamquam omnes res cqniunctim.
Sane ubi ita vertis, horribile sacrilegae qpiXauria^ crimen im-
pingis Heraclito et ad tam gravem accusationem probandam
testimonia proferenda erant certiora, quam quae insunt in adno-
tatione Wordsworthiana hac: Upsum sibi sufficere et omnia per
se ipsum explorata habuisse iactitabat Ephesius teste Laertio
1X4: v^o^ £)v iq>a<TKe jirjb^v elb^vai, T^Xcto^ ji^vtoi t^vöjievo^
irdvra [dirvujK^vai, fiKOucT^ T€ oubevö? dXX' airröv l(pr\b\lr\aaaQax
Ka\ ^aOeiv irdvra] irap' ^auToC. Vide etiam Pbilosophumena
p. 10, 54 : aurd^ ji^v l(pa(TK€ irdvia elb^vai, xou^ bk SXXou^ dv-
OpiuiTOu^ oi)b4v^. Ut paulisper largiamur, reapse dixisse Hera-
clitum quae eum dicentem facit Diogenes Laertius, tamen longa
est via ab ea immodestia, qua quis omnia se seire gloriatur, ad
tantam insaniam, qua quis se vel mentem suam irdvra öjioO
esse imaginatur. At in Ulo ipso Diogenis loco afferendo rursus
dxpiaiav suam prodidit Wordsworthius. Neque enim irdvra
^auTÖv b}lf\(ya(yQa\ 'sese omnia suopte ingenio scrutatum esse',
scripsit Heraclitus, sed tbilr\(y&^'f\y i^wmöv (Plotin. ennead. v 9
(tract. v) c. 5 p. 559 Bas., Suidas s. v. TTocTroOfio^, Plut. adv. Colot.
c. 22: fr. SOByw.), i. e. in me ipsum .descendi meaeque naturae
leges perscrutando ad intellegendas universae rerum naturae
leges pervenire conatus s^m, aliter ac reliqui philosophi fecerunt,
qui in tumultuaria quadam iroXuKTropiqt sapientiam quaesiverunt.
Yeram hanc Heraclitei dicti mentem cum solito stupore suo per-
yerterunt recentiores Oraeculi qui philosophornm historias con-
sarcinarunt, horumque nebulonum scrinia compilat Diogenes ubi
auOdbetav Heracliti e nobili illa exclamatione probare studet.
Nugari autem Diogenem pridem significavit p. 530 Schleierma-
chems, einsque operam in Heracliteis fragmentis positam ut
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106 iv Ad Heraclitea fragmenta Hippolyti adnotationes
diligentiü8 quam adhno fecisse videtur in posterum perpendat vehe-
menter adhortandns est Wordsworthios. Sed &Xi^ bpu6^. Mitta-
rnnsWordsworthinm, totamqne Hippolyti locnm recte distinctom
leniterqne emendatum sie vertamos : In hoc andern summario (sc.
in loco illo, qni 1. 12 [s. 1. 66] seqaitar 6 Ocö^ fm^pn eöqppövr)
ktX.) universam sententiam stMm exposuü (Heraclitns) simulgue
paucis ostendU assedam haeresis Noetianaa non Christi sed Hera-
diu diseiptdum esse. Oreatum enim mundum ipsum qpificem sui
et creatorem esse dieit sie: ^Deus est dies, nox, hiems, aestaSy etc.^
TTdvTa öfüioö töv Tbiov voOv 1. 8 simpliciter accipiendum pro
^universam mentem snam', e solemni recentiorum scriptonun ip-
sinsque Hippolyti üsq qni öjioO addere amat ad augendam no-
84itionem vocabnli ttS?, 'velut p. 96, 70 !bu)|i€v ib^ toi KpunrÄ Kai
diröppiiTa Trdv|TU)v 6|ioO (TuvdTovre? oöxoi jiucmfipia tO&v iOvO&v
ktX., p. 111, 75 TÖ fäp övojia, cpricTt, toO irdira irdivTiüv 6|ioO
ian TÖV diroupaviiüv ktX., p. 165, 50 ctvai hk dv Tai? ti ^iZai?
TauTai? iracTav 6|ioO Tf|v dirdpavTov buva/iiv, p. 76, 76 oi)hi
6fio0 TÖ (TöjiTTov auTÖ elvai töv Gcöv dTrecpyjvavTO. Qnod 1.10
[Bupra V. 64] codicis mendnm iir^beiHa oorrexi in dtr^beiHc, et 1. 11
[fl. V. 65] TTOiTiTÖv KdcTjiov scripsi pro irpOüTov, ut ttoititöv etiroin-
Tf|v sibi respondeant, hae mutationes tarn necessariae tamqne
faciles cuivis perito lectori videbnntar, at de eis verbnm non
amplins addam. Si dissentit Wordworthius, explicet nobis An-
glicam versionem saam quae sordes oodicis religiöse recoqait.
ANZEIGE VON BYWATER'S SAMMLUNG
DER BRUCHSTÜCKE HERAKLITS.
Philosophisohe Monatshefte herausg. von C. Schaarschmidt
1877 Band vi S. 296-8.
(Heracliti Ephesii reliquiae. Kecensuit I. Bywater. Oxonii 1870.
xra, 90 S.80).
296 Je häufiger in neuerer Zeit der alte dunkle Herakleitos eine
modern philosophische Beleuchtung erfahren hat, um so dringen-
der empfanden die ernsten Forscher, welche die künstlichen
Lichteffecte nicht lieben und vor Allem mit eignen Augen sehen |
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y Anzeige von Bywater's Heraklit 107
wollen, das Bedttrfniss nach einer flbersichtlichen und nnge-
sehminkten Zusammenstellnng des gesammten auf Heraklit be-
züglichen urkundlichen Materials.
Auf das Erfreulichste wird jetzt diesem Bedürfniss genügt
durch die oben genannte Arbeit eines englischen Gelehrten,
welcher sich durch seine scharfsinnigen Entdeckungen über
Aristoteles' Protreptikos und ganz neuerlich auch über Aristo-
teles' Dialog von der Philosophie (im Journal of philology)
bereits den deutschen Bearbeitern der griechischen Philosophie
bekannt gemacht hat. Herr Bywater hat die Metl^ode der fVag-
mentensammlung, wie sie jetzt auf dem Oebiete der strengeren
classischen Philologie geübt wird, zum ersten Male für den
ganzen Vorrath heraklitischer Ueberreste durchgeführt. Er giebt
zunächst das, was sich mit Sicherheit als heraklitischer Wort-
laut ansprechen lässt, dann folgt bei jedem einzelnen Spruch
die Beihe der bezeugenden Schriftsteller, deren auf das hera-
klitische Citat bezügliche Worte unverkürzt mitgetheilt werden,
so dass man nun das Fragment, um einen bei archaeologischen
Nachgrabungen gebräuchlichen Ausdruck anzuwenden, gleichsam
in situ vor sich hat. Dabei wird die Spur des heraklitischen
Gedankens und Ausdrucks bis zu den j spätesten Ausläufern 297
der griechischen und lateinischen Litteratur verfolgt und gleich-
sam eine Geschichte seiner Nachwirkung gegeben. Endlich
wird, wo ein genügender Anlass vorliegt, an abgesonderter Stelle
eine gesichtete Auswahl der brauchbaren Varianten und der Ver-
muthungen neuerer Gelehrten mitgetheilt. Dieser auf die eigent-
lichen Fragmente ^bezügliche und in die drei erwähnten Unter-
abtheiliingen zerfallende Haupttheil des Buches sammelt vielen
bisher in Zeit- und Gelegenheitsschriften verstreuten und ver-
steckten Stoff zu einer geschlossenen Einheit und bietet, beson-
ders unter den Beispielen von späterer Benutzung heraklitischer
Sätze, manches hier zum ersten Male Bemerkte. In einem
bedeutsamen und mit Becht im Vorwort pag. vi hervorgehobenen
Falle war es Herrn Bywater auch vergönnt, den bisher ver-
missten griechischen Wortlaut eines heraklitischen Spruches an
das Licht zu ziehen. Aus manchen Spuren war bekannt, dass
Heraklit bei seinen Angriffen auf die Volksreligion auch die
blutigen Sühneceremonien verspottet und ungefähr gesagt habe:
'Wer mit Blut sich zu reinigen glaube, der mache es wie Einer,
welcher in Schmutz getreten habe und sich nun wiederum mit
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108 y Anzeige von Bywater's Heraklit
Schmutz abwaschen wolle'. Das zasammenhängende Satzgefüge
jedoch, in welchem Heraklit diesen derben Vergleich angestellt
hatte, lag nur in den Schollen des Elias Gretensis zu Gregor
von Nazianz vor, die noch immer bloss in einer lateinischen
Uebersetzung gedruckt sind. H. Bywater konnte nun das in
der vaticanischen Bibliothek befindliche griechische Original
einsehen lassen und theilt daraus als heraklitischen Wortlaut
Folgendes mit : KaOaipovrai hk afjiaTi ^lalv6^€vol, diKTiTep &v et
Ti? d? TTTjXdv inßa^ TnjXtf) diTOviZoiTo (Fragm. Gxxx p. 50). Dass
diese Wortfassung in allem Wesentlichen echt heraklitisch ist,
kann nicht bezweifelt werden; auch diTov(2;€iv, was vielleicht
Manchem auf den ersten Blick modern scheint, findet sich schon
in der Odyssee (ip 75).
Der Anhang, welcher eine Anzahl grösserer auf Heraklit
bezüglicher Schriftstücke zur bequemsten Benutzung zusammen-
stellt, bietet zunächst den Abschnitt des Diogenes Laertius über
Heraklit und theilt zu demselben die Lesarten bisher gar nicht |
298 oder ungenügend benutzter Handschriften mit. Es folgen die
Kapitel aus dem hippokratischen ersten Buch über die Diät, in
welchem bereits Job. Math. Gesner und neuerdings Jac. Bemays
die Spuren der Benutzung des heraklitischen Buchs aufgezeigt
haben. Femer sind hier die von den bisherigen Sammlern der
heraklitischen Fragmente nicht beachteten Verse des Teiers
Skythinos, welcher die Lehre des Heraklit in metrischer Fassung
darstellte, zum ersten Male mit den übrigen heraklitischen Besten
vereinigt. Den Beschluss macht ein vollständiger Abdruck der
sog. heraklitischen Briefe, hauptsächlich nach den Ausgaben
Westermann's und Jac. Bemays' ; von letzterem sind auch, wie
H. Bywater am Schluss der Vorrede hervorhebt, einige Beiträge
demselben mitgetheilt worden.
Die Brauchbarkeit der ganzen Sammlung, welche überall
den Stempel selbständiger Sachkunde und planmässiger Sorgfalt
trägt, wird wesentlich erhöht durch zwiefache Register, erstens
ein Verzeichniss aller benutzten Stellen der griechischen und
lateinischen Litteratur, zweitens ein Verzeichniss aller von He-
raklit gebrauchten Wörter.
Das Buch ist in der Oxforder Clarendon Press erschienen,
die Ausstattung also, wie kaum gesagt zu werden braucht, eine
dieser grossen Anstalt würdige. I(acob Bemays).
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VT
EPICHAKMOS UND DER
AYEANOMENOL AOTOZ
Rheinisches Museum for Philologie 1858 Jahrg. vm S. 280—288.
Eine bei Diogenes Laertios m 9—17 ausgezogene, aus 280
vier Bttchern bestehende Schrift, welche der sonst verschollene
Verfasser Alkimos einem eben so wenig bekannten Amyntas
gewidmet hatte, beschäftigte sich mit der Aufgabe, die Prä-
existenz der platonischen Lehre in den Werken des Dichters
Epicharmos nachzuweisen. Der Gegensatz zwischen dem ewig
seienden Geistigen (votitöv) und dem unablässig werdenden
Sinnlichen (aiaOriTÖv), dessen Versöhnung Piaton in den Ideen
findet, dieser Gegensatz, meint Alkimos» sei deutlich (dvaptoi^)
in folgenden epicharmischen Versen ausgesprochen:
A. *AXX' dei xol 0€ol irapfjcrav, öir^Xiirov b' oö irumoKa'
r&be b' del irdpecrO' öjioia biA t€ tOüv aörO&v dei.
B. dXXd X^T€Tai jidv xdo^ irpäxov feviaQax xöv Geiöv.
A. jüS)^ bi KO, |nf| "xov t' diTÖ rivo^, [xr\b4. t' öxi irpärov, jiöXoi ;
6 B. oÖK dp' l[io\e irpärov oöb^v; A, oibk jid Ala bcuiepov
Tujvb^ t' ^ djifc^ vöv (Lbe X^tomc^. dXXd rqib' dOpei*
al ttot' dpiGjiöv ti^ irepicTCTöv, al bk Xq ti?, dpxiov
TTOTO^Iiev Xq ipäcpov f\ xai xdv örrapxoicTäv Xoßeiv,
f\ boKcT Kd TOI T(Jx' u)ÖTÖ^ €l|i€V ; B. oÖK i\i\vxa Ka.
10 A oi)bi jidv oöb' al ttotI fi^Tpov iraxuaiov ttotO^jicv
X^ Ti^ ?T€pov jidKO^ 1^ TOI TTpöcTÖ' dövTO^ diroTajicTv,
?Ti x' örrdpxoi xfivo tö fi^xpov; B. ou tdp. A dibe vOv öpnl
Kai TÖ^ dvOpumw^ * ö \xkv tdp aöHcG', ö bi fa jidv <p9iv€i, 281
iy jiexaXXatql bk irdvre^ dvrl irdvxa xöv xpövoy.
16 8 bt jLiexaXXdaaei xaxd qpüaiv koöttok' iv xairxui fi^vei,
?X€pov eXx] Ka xöb' f(br] xoO irapeHccTTaKÖTO^ •
Kai XU bf| KdTib xö^^ dXXoi Kai vuv dXXoi xeX^Gojie?,
KauGi^ dXXoi KOÖTTOx' wurol Kaxxdv aöxdv aö Xötov,
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110 VI Epioharmos und der AOSavö^cvo^ Xöyo^
Nach dieser Schreibung der Worte* und Vertheilung der Sätze
unter die Sprechenden behauptet dieselbe Person A ewiges un-
veränderliches Dasein (V. 2 irdpecrO") von den Göttern und allem
ähnlichen Geistigen — denn dergleichen ist unter r&he V. 2 zu
verstehen, welches auf den nicht erhaltenen Theil des Gesprächs
zurückweist — ; läugnet im Gegensatz zu der populären Vor-
stellung (V. 8 X^T€Tai) für dieses geistige Gebiet den Zeitunter-
schied eines Früheren oder Späteren und verwirft überhaupt
jegliches Werden, wenn darunter ein Entstehen aus Nichts soll
verstanden sein (V. 6 (Lbe) ; wendet sich jedoch darauf zu einem
andern Gebiet, auf welchem die Veränderung und — da beides
dasselbe sei — auch das Werden ununterbrochene Herrschaft
ausübe. An den Beispielen der Zahl- und Maass-Grössen ' weist
A nämlich nach, dass Veränderung durch Zusetzen und Weg-
nehmen das Vermehrte und Verminderte zu einem Andern mache
(V. 7—12) und schliesst von hier aus weiter : da die Menschen
dem fortwährenden Wechsel des Zunehmen» und Abnehmens
unterworfen sind, so werden sie auch fortwährend Andere und
sind nie dieselben. Diese allgemeinen Sätze führen dann in
ihrer Anwendung auf die Sprechenden zu der Behauptung (V. 17):
'Also waren wir, du und ich, gestern Andere als heute'.
Ob Piaton wirklich seine Einsicht in den Unterschied des
{Geijstigen und Sinnlichen erst aus zweiter Hand, und gerade
von Epicharmos, empfangen musste, ob er sie nicht, wofern er
überall eines äusseren Anstosses bedurfte, eben so leicht und
rein aus erster Hand, aus seiner eigenen vergleichenden Eennt-
niss der eleatischen und ionischen Schulen, erlangen konnte —
mit solchen Einwürfen braucht man sich bei dem jetzigen Stand
der Forschung kaum noch gegen die weitergreifenden Folge-
' Es ist die von Cobet in den Text des Diogenes gesetzte, welcher
vor anderen Schreibungen, selbst wenn sie sich durch innere Güte gleich
sehr empfohlen, schon deshalb der Vorzug einzuräumen war, weil bei der
Einrichtung der Cobet'schen Ausgabe die Möglichkeit o£fen bleibt, dass auch
hier von den allgemein zugänglichen abweichende handschriftliche Les-
arten zu Grunde liegen. Nur in Y. 4 muss die Cobet'sche Schreibung:
irtü? b'; d^dxovöv x* dir' oötivo^ cT^cv ö,ti irpdTov fiöXoi (statt der
Yulgrata : dirö t(vo( \xr\bly 6,11) der oben aufgenommenen Verbesserung von
Gottfried Hermann (Philologus v 740, Opuscula vm p. 380) weichen.
' <Vgl. Plotinns enn. iv 7 (tract. 2), 5 p. 460 Bas. irdv itoaöv dq»ai-
p^aci t6 cTvai t6 irp6a6€v fjXXdSaTo^.
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VI EpioharmoB und der AöSovöjievo^ Xöyo^ 111
rangen des Alkimos zu verwahren, der in der Weise seiner offen-
bar späten Zeit Alles in Allem nnd vornehmlich in jedem Zu-
sammentreffen ein Plagiat findet. Er hat vielmehr auf unsere
Dankbarkeit Anspruch, da er allein uns ein epicharmisches
Bruchstück gerettet hat, das an Umfang keinem andern erhal-
tenen nachsteht, und mehr als irgend ein anderes rückwärts und
vorwärts in die Geschichte der griechischen Philosophie eingreift.
Rückwärts: Denn der zweite vom ewigen Werden han-
delnde Theil (V. 7—18) trägt so unverkennbare Spuren herakli-
tischer Lehre ^ dass er füglich zur Bestimmung der Zeit des
ephesischen Weisen und der Herausgabe seines Werks darf mit
benutzt werden. Da nämlich Epicharmos' Tod spätestens Ol. 79
anzusetzen ist', so muss geraume Zeit vorher das Werk des
Heraklit den Weg übers Meer nach Sicilien gefunden» und die
sicilische Gesellschaft in ihrer sprudelnden, alle geistigen Stoffe
aufnehmenden Gonversation beschäftigt haben. Auch unabhängig
von allen chronographischen Angaben über die 'Blüthe' des
Heraklit lässt sich also aus dieser epicharmischen Anspielung
der sichere Schluss ziehen, dass spätestens in der zweiten Hälfte
der 70ger Olympiaden das heraklitische Werk zu allgemeiner
Verbreitung gelangt war.
Aber auch für die spätere, nach-epicharmische Entwickelung
der Philosophie wird die vorliegende Stelle bedeutsam. Nicht
bloss Piaton, da er im Theaetetos (152 *) den Epicharmos in die
Schaar der Verfechter des ewigen Werdens einreiht, muss den
Gedankeninhalt des zweiten Theiles, immerhin zugleich mit an-
deren ähnlichen aber schwerlich deutlicheren Aeusserungen, im
Sinne haben. Auch die wörtliche Fassung und komische Ein-
kleidung, in weicher Epicharmos | den Gedankeninhalt darstellt, 288
wurde in den späteren Schulen maassgebend für die Behandlung
der ganzen grossen Frage vom Zunehmen und Abnehmen in
ihren Beziehungen zum Entstehen und Vergehen und zur behar-
renden Identität der Persönlicl^keit. Nach vereinzelten Versuchen
der älteren Sophisten hatten sich vorzüglich die eristischen Me-
gariker bemüht, alle tieferen dialektischen Probleme in veran-
schaulichende Exempel zu übersetzen, ein Bemühen, das die phi-
losophische Terminologie mit Eunstausdrücken wie Sorites u. ä.
> S. oben S. 60. 62 f. Anm.
' Leop. Schmidt, quaestiones Epioharmeae (Bonn 1846) p. 21.
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112 VI Epioharmos und der A0Sav6fi€vo( Xöto^
vermehrt, nnd der Philosophie in alten und neuen Zeiten vielen
unschädlichen Spott von Seiten derjenigen zugezogen hat, die
alles lästige Logische mit dem Spitznamen des Sophistischen
abzuwehren bequem finden. Das dialektische Exempel über
Vermehrung und Verminderung f&hrte nun den Namen AöSavö-
|i€vo^ X6to^, in welcher Verbindung, nach einer in diesen Ter-
minis durchstehenden Analogie ^ , SvOpujiTO^ zu auSavöficvo^
hinzugedacht und Xöyo^ als Apposition gefasst wird. In der
stoischen Schule, welche das Qebäude ihrer Physik auf der
Grundlage der heraklitischen Werdenslehre errichtete, musste
dieser AuSavöjievo^ Xöto^ eine um so grossere Bedeutung ge-
winnen, als seine Durchführung die physikalischen Annahmen
logisch zu rechtfertigen hatte. Und so verfasste denn auch
Chrysippos, der eigentliche Vollender des stoischen Systems,
eine besondere Schrift irepi AuHavo|n^vou, aus welcher Philon*
eine grössere, den Begriff der Vernichtung betreffende Stelle
284 wörtlich mittheilt, und Plutarch Man|ches mit geringer Verände-
rung der Gonstruction dem Aufsatz einverleibt hat, der Ver-
letzungen des gemeinen Menschenverstandes an den Stoikern
(iTcpi tOüv KOivwv dvvoiOüv TTpö^ Toö^ Ztwikou^) zu rächen mit
wenig Verständniss und viel Rhetorik unternimmt. Plutarch
^ Es genagt hier auf das unzweideutige Beispiel des 'EtkckuXu^^^vo^
hinzuweisen, der die Frage vom Unterschied des potentialen und actualen
Wissens behandelte. Diogenes Laertius vn 82 setzt ^TKCKoXu^^dvo^ und
ähnliche Termini mit Xöyo^ in die engste Verbindung : Kai diropot bi tiv^^
€lai XÖToi ^TK€KaXumui^voi xal btaXcAiiGÖTC^ Kai awplTai xal Kcparivat
Kai oönbe^, (am besten erklärt von Guiacius Ad Africanum tract v 1. 1
p. 1865 f. ed. Neapol. 1768). Das Exempel für den iTK€KaX\j)ui^6^o?, wel-
ches bei Diogenes von einer Lücke verschlungen ist, jedoch von Lukian
in der Philosophen -Versteigerung (Yitarum auct. c. 22) dem Chrysipp in
den Mund gelegt wird, beweist dagegen deutlich, dass nicht ein * verhüll-
ter Schluss* sondern ein 'Schluss von einem verhüllten Menschen* gemeint
ist: XpOaiiriTO^...TÖv b* aO 'EYK€KaXu^^^ov Kai irdvu GaujuuxaTÖv dKoOai}
Xdtov diTÖKpivai f&p ^oi* t6v iraT^pa .otaGa t6v acauroO; *kyopaaTi\^'
Na(. XpOa. t(oOv; fjv aoi irapaaTViaa^ tivA ^tk^koXu^^^vov fpuj^ai, el toÖtov
oToOa, t( q>f|a€K; 'Ayop. biiXabi^ dTvodv. XpOa. 'AXXA jai^v aörö^ oöto^ f|v
ö iraxfip ö aö^ • ißarc cl toOtov dTvoeH» bf{\o<; et t6v irardpa t6v aöv dTvoiöv.
' In der untergeschobenen Schrift ir. dqtGapaia^ KÖa^ou p. 501 Mang,
p. 286, 6 meiner Ausgabe [vgl. Ueber die unter Philon's Werken stehende
Schrift über die ünzerstörbarkeit des Weltalls (Abh. der Berl. Akad. 1882
Abh. m) S. 50. 68 f.].
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VI EpioharmoB und der AOHavöjuievo^ k&fo^ IIS
berichtet dort (p. 1083 *), Ghrysippos selbst habe bemerkt, dass
der XÖTO^ Trepl ai)ir\ae{x)q schon von Epicharmos aufgestellt
worden (6 toivuv trepi auHt^jcTcuj^ Xöto^ larX jifev dpxaio^ ' i^pOÜTT]-
xm tdp, Cb^ qpiicTi XpucTiTriro^, öir' 'Emxdpjiou), und dass
Ghrysippos* Reminiscenz auf keine andere epichannische Stelle ^
als auf die unsrige zurttckgehe, dies wird deutlich durch die
Form des Schlusses, wie sie Plutarch der chrysippischen Schrift
entnimmt :
6 pfev TÄp XÖTO? dTrXoO^ icTii %a\ xd Xl^miaxa (TuTX^poO-
<Tiv oöxoi (ol ZxwiKoi), xa^ jifev dv ji^pei irdcTa^ oucTia^ ßeiv
Ktti (p^p€(TOai, xd \iky ii auxdiv jieOieiaa^, xd bk iroOfev itriövxa
iTpo<Jbexofi^va^ • oT^ bfc irpöcTeiai xai direiaiv dpiOjnoi^ f| irXfi-
5 GecTi, xauxd (vulg. xaOxa) |if| biaji^veiv dXX' ?xepa T»v€(T9ai
xaT^ elpim^vai^ irpocTöboi^ ^SaXXaffiv xfi^ ou(Tia^ Xa/ißavoucni^ '
a6&\ae\q bk xal qtQiaexq oö xaxd biioiv örrö auvnOeia^ dxvcvi-
KflcTOai xd^ jiexaßoXd^ xauxa^ X^T^^^Öai, •^eviaexq bk xal <p9o-
pd^ pöXXov aöxd^ 6vo|id2[€(T6ai irpoo^KOV, öxi xoO KaOecTxurro^
10 €l^ {xepov iKßidZoucJiv kxX. |
Denn es wird hier Z. 7—9 Vermehrung und Verminderung dem 285
Entstehen und Vergehen gleichgesetzt ebenso wie es der Unter-
redner A bei Epicharmos V. 7 — 18 thut; der Beweis ftlr diese
Gleichsetzung wird hier Z. 4—6 wie dort V. 7—12 inductiv von
den Zahl- und Maass-Orössen hergeleitet ; auch im Wortausdruck
^ In Bemhardy'8 Grondriss der grieohischen Litteratur — einem
Werke, da8 ich nicht nennen, viel weniger in einer kleinen Einzelnheit
berichtigen kann, ohne des längst gehegten Dankes für vielfache Beleh-
rung mir bewnsst zu werden — wird n 898 'der Xöto^ aOHö^evo^' auf
folgende epichannische Verse bezogen : Athenae. n p. 86 «^ (fr. 99 Ahrens)
ix bk Ooiya^ n&ai^ ^t^cto. B. x<&pi€v, ü)^ y' ^M^v boxel. | A. ^k hi iT6<Tto(
KiSi|io^ ^K KiO^ou 6' tf4yeQ^ öav(a, | £k b* (lavia^ ^dxa t€ kqI bixa xal Ka-
TabCxo, I iK bk KaTa6(Ka^ nibai tc xal aq>aX6c xal la\xia. Hier ist jedoch
nur eine Klimax zu erkennen und auch Aristoteles hat nur diese
gefunden : ircpi l\\i. ftvia. A 18 p. 724 » 28 \b<; 'Eirixap^o^ iroict ti?|v
£iroixo56fiT)aiv, ^x Tff^ biaßoXf)^ i\ XotbopCa, ^x bk TaOni^ i\ ^dxn* ^gl*
Rhetor. A 7 p. 1366» 16 t6 auvriG^vai xal iiroixobo^etv i&airep *Eir{-
XopKio^. — Sollte das Versehen vielleicht daher entstanden sein, dass
AöSav6^evo( Xä^o^ mit der rhetorischen Figur der steigernden a<^r\a\(;
▼erwechselt worden ? S. den Artikel Epicharmos in der hallischen Ency-
klopadie S. 858 : 'Das Schaukeln des antithetischen Gedankens, die Lust
am Griphns - erklärt uns leicht, warum man ihn (den Epicharmos) zum
Erfinder der Figur des X6to^ ai)l6)uyo^ machte*.
Benuyi, gea. Abhuidl. ^
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114 Ti Epioharmos und der AöSav6fxcvo^ Xöyo^
erinnert Z. 9f. an V. 16; und endlich ist in beiden Fassungen
die Spitze des Schlusses gegen die Identität der menschlichen
Persönlichkeit gerichtet, was bei Epicharmus deutlich Y. 17 ge-
sagt wird, für die plutarchische, aus der chrysippischen Schrift
geschöpfte Stelle aber mit gleicher Oewissheit zu folgern ist aus
den bald darauf (1083 «) ausgeschriebenen Worten des Chrysippos,
welche die Lösung des Problems enthalten sollen: ^xacTTov
fljLiOüv bibujLiov Kai btqpuf) xai biTTÖv, d. h. aus beharrender Sub-
stanz (ouaia) und wandelnder Qualität (iroiöni^) bestehend. Dass
auf dieses Ziel, Läugnung der menschlichen identischen Per-
sönlichkeit, die ganze Behandlung des AuSavöjievo^ Xöto^ los-
steuerte, sagt Plutarch noch bestimmter De tranquillit. anim.
p. 473*: ol fifev T&P ^v xai^ (TxoXat^ T&q aöHi^cTei? dvmpoOv-
T€5, uj^ Tfj^ oucTia^ dvbcXexw? ßeoüoti?, Xöt^v i^oioOcTiv fijuBv ?Ka-
(TTOV äXXov dauTOÖKai SXXov und wir würden dasselbe ganz
vollständig bei ihm ausgeführt lesen, wenn von dem Uten Pro-
blem des ixten Buches der 'TTpoßXrj^ara (Tu^1T0(TlaKd mehr er-
halten wäre, als folgende Ueberschrift (m 2 p. 1038 Wytt.) : ircpl
Toö }xi\ Tou^ aÖTOu^ biafi^veiv f]}iäq dcl t?^? oöcrCa^ ^eoüon?.
Durch diese Combination erweist es sich als sicher, dass
Chrysippos unseren epicharmischen Scenentheil kannte und als
echt benutzte. Somit tritt an die Stelle der morschen, jeden-
falls indifferenten, Autorität des späten Alkimos die gewichtige
Beglaubigung des litterärisch gebildeten Stoikers, und Verdäch-
tiger des epicharmischen Fragments, welche Schmidt's auf me-
trischen Gründen fussende Beweisführung noch nicht von der
> Echtheit überzeugt hätte \ dürfen | fernerhin wenigstens den
Mangel äusserer Zeugnisse nicht für sich geltend machen.
Zu noch fruchtbareren Ergebnissen leitet jedoch der auf-
gewiesene Zusammenhang zwischen dem AöSav6)i€V0^ Xöto^ und
unserer epicharmischen Stelle, wenn mit den bisher besproche-
nen Angaben des Plutarch eine andere verbunden wird aus einer
seiner künstlerisch vollendetsten Schriften 'über die spät von
der Gottheit Bestraften^ (nepi xdiv inö xoO Geiou ßpab^u)? xifiui-
poufi^viüv). Er will dort das göttliche Gericht, welches einen
* Auf Dobree's verwerfendes ürtheil (Aristophanica p. 126) hat noch
kürzlich Gottfried Hermann (Philologns v 789, Opusc. vm p. 879) hinge-
wiesen, und mit ansichhaltender Vorsicht von Schmidt's Schrift gesprochen :
'L. y. Schmidtius metricis rationibus usus vindicare studuit Epicharmo'.
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VI Epicharmos und der A0Sav6|üicvo^ \6yo<; 116
vom Staat begangenen Frevel auch an den spätem Oeschlech-
tem straft, dadurch rechtfertigen, dass er den Staat als ein
einiges, im Verlauf der Zeit ununterbrochen fortdauerndes, per-
sönliches Wesen, also als ein fortgehend verantwortliches hin-
stellt. Wer dies läugnet, sagt er, und durch Zeitunterschiede
den Staat zu einem Andern, für das früher Geschehene Unver-
antwortlichen macht, der könnte eben so gut aus dem Einen
Einzelmenschen Viele machen, weil dieser, jetzt alt, früher jung
und noch früher ein Knabe war. Und um die Gegner noch
mehr auf das Ungereimte hinzudrängen setzt er hinzu (p. 559 ^) :
^aXXov bk öXuj^ raOid t€ toi^ 'ETiixapfieioi? foixev, Ü iLv 6
AöHav6|i€vo^ dv^qpu xoi^ (TocpwTTai^ Xöto^ • 6 fäp Xaßujv irdXai
TÖ XP^o^ vOv oÖK 6(peiX€i T€T0VU)^ ?T€po^ • 6 hk kXiiOcI^ tiA bei-
TTVOV tX^i^ äxXllTO^ f^KCl Tll|l€p0V ' fiXXo^ T^P iCTTl.
Unter den *EmxÄpfi€ia, aus denen *den Sophisten der Aö-
Eav6|i€vo^ XÖTO^ entspross', kann nach allem Bisherigen nur
unsere Stelle gemeint sein. Also müssen die bei Plutarch fol*
genden Worte, sollten sie auch nicht das ganze Sujet der be-
treffenden Komödie umfassen, doch jedenfalls den sachlichen
Inhalt der unserer Unterredung zunächst liegenden Scenen aus-
drücken. So erkennen wir denn in A einen bösen Schuldner,
der es besser als der aristophanische Strepsiades gelernt hat,
seinen Gläubiger B mit Philosophie abzuspeisen. Indem er die
heraklitische Lehre vom ewigen Werden, die ohne Unterschied
Götter wie Menschen in ihren Strudel zog, fUr die Götter nicht
annimmt, vielmehr diese in unerschüttertem Sein ewig dauern
lässt und also sein frommes Gewissen bestens verwahrt (V. 1) :
benutzt er dieselbe in ihren ungemilderten Gonse|quenzen, um die 287
Menschen jeden Augenblick zu anderen Personen umzuwandlen.
Der vordem von dir borgte, sagt A, der bin ich jetzt nicht mehr;
mag ich's auch gewesen sein, so bin ich doch mittlerweile ein
Anderer geworden; der geborgt hat, ist also nicht mehr vor-
handen und ich, der ich jetzt bin, schulde dir Nichts. Diese
Eröffnung mag A seinem Gläubiger B vor einer Mahlzeit ge-
macht haben, zu welcher dieser ihn den Tag vorher eingeladen,
und B hat sich dann, die andere Schneide des Arguments be-
natzend, dadurch gerächt, dass er die gestern erlassene Einla-
dung für den heutigen, unterdess zu einer anderen Person
gewordenen A nicht anerkennen wollte, und ihn als einen Ein-
dringling von der Mahlzeit fortjagte.
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116 VI Epioharmos und der A0Sav6fievo( X6t<k
An diesem lehrreichen nnd fast einzigen Beispiel tritt es
deutlich hervor, wie es der schlaue sicilische Dichter {vixfer iUe
Sundtis) ^ verstand, philosophischen Ernst mit neckischer Komik
zu verschmelzen. Zugleich ergiebt sich aber auch, in welchem
Sinne ihm die Erfindung des Aögav6^€vo^ Xöto^ zugeschrieben
wurde. Nämlich nicht in dem Sinne, als habe er die philoso-
phischen Sätze, auf welchen jener Xöto^ beruht, zuerst ausge-
sprochen ' denn das hatte vor ihm Heraklit gethan — , son-
dern weil er sie auf den Menschen und auf gewöhnliche Ver-
hältnisse des menschlichen Verkehrs in frappirender Weise an-
gewandt hat. In seinem Schuldner, der die Bezahlung weigert,
weil er seit der Zeit der contrahirten Schuld ein Anderer ge-
worden, war den auf Popularisirung der Dialektik ausgehenden
Philosophen ein willkommnes, gemein£su9sliches Exempel für die
Fragen über Vermehrung und Verminderung zu unmittelbarem
Gebrauch dargeboten. Es veranschaulichte für die Identität der
menschlichen Person dieselbe Schwierigkeit, welche allgemeiner,
für veränderte Dinge tlberhaupt, die in Athen seit Theseus'
Zeiten erhaltene Theoris augenfällig darstellte, jenes heilige
Staatsschiff, welches das theseische sein sollte, obgleich ihm bei
der stäten Ausbesserung endlich auch kein Splitter mehr aus der
theseischen Zeit geblieben war ; so Plutarch vit. Thesei c. 23 :
TÖ bk ttXoiov, tv \^ ... {irXeiKJe (9ii(T€\j^) xai ttäXiv iadjOri . . . &xp\
Toiv AniiTiTpCou ToO <l>aXiipduJ5 xpövu)v bi€<puXaTT0V o\ "AGrivaioi
288 Td jifev TraXaiöi tuiv 1 HuXu)v u<paipoOvT€^, äXXa bk. ijißÄXXovrc?
lOXUpd Kai (TU|17TT1TVUVT€^ OÖTU)^, 0&(TT€ Kttl TOT^ (piX0(T6(p0l^ cl^
TÖv AöHöjievov Xötov d^qpiboHoufievov TrapdbciTMa tö ttXoiov
elvai, TUIV fifev d)^ tö aüxö, tuiv bi i)q ou tö auxö bia/i^voi, Xc-
t6vtu)V, <und in der Schrift An seni res p. gerenda sii c. 6
p. 786' dwTirep t^P o\ Texvixai, ol^ dir^KCiio qppovriZeiv (Tijiov
elvai TÖ AiiXittKÖv irXoTov, dvri täv ttovoüvtujv EüXuüv ijißdX-
XovT€^ dXXa Kai (Tu|i7rr|TviJVT€^ dibiov ^k tu&v t6t€ xP^vdüv Kai
fiqpGapTov ibÖKOuv biaqpuXdxTeiv, oötu)^ ktX. Neuplatoniker be-
nutzten zur Veranschaulichung desselben Gedankens das Bild
eines Wagens, bei Hippolytos p. 21, 80 Mill. 567, 23 Diels uj(TiT€p
fifiaHa buvaiai dei bia/i^veiv ä<p0apTO^ Kaxd [xlpoq dmcTKeuaCo-
jLi^vr), K&v Td fi^pr) qpOeiprjTai ^Kdarore, auifj bk öXökXtjpo^ del
ji^vei, TouTOv TÖV Tpdrrov Kai 6 köcTjio^ Kaid fi^pn jifev del cpBci-
* Cicero ad Attic. 1 19, 8.
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VI Epioharmos und der A0Sav6^evo^ Xöto^ 117
pcTai, imcTKCuaZoji^vujv <bi) kqI dviavicTouin^viüv tuiv dqpaipou-
p^vuiv dibio^ |Li^v€t. Den Römern konnte der Satz anschaolich
werden durch die casa Romuli, vgl. Dionysios Halik. antiqu.
I 79 p. 205 ßeiskc und Scaliger zu Festus s. v. Navia p. XGIX, 1
(Ausg. von 1575) oder cvii, 8 (Ausg. von 1593). Aristoteles be-
rührt den Satz bei der Erörterung der Frage, in wie weit ein
Staat bei dem Wechsel der Individuen derselbe bleibe, mit deut-
lichem Hinblick auf den Heraklitischen Fluss der Dinge in der
Politik m 3 p. 1276 » 34 ff. Besonders merkwürdig ist die mit
voller Kenntniss der philosophischen Erörterungen vollzogene
juristische Verwendung dieses Xöto^ aöEavöjievo^ bei Alfenus
digesü. Y 1, 76 vgl. Hugo Grotiüs De iure belli et pacis n 9, 2 f.
p. 323 1 in Oronovs Ausg. von 1712. Aus der modernen philo-
sophischen Litteratur ist auf Leibnitz nouveaux essais n c. 27 § 4
und besonders auf Spinoza Ethik iv 39 sdid. zu verweisen 0.
vn
DIE KATABAAAONTEZ DES PROTAGORAS.
Rheinisches Museum für Philologie 1860 Jahrg. vn S. 464—468.
Weder in dem Verzeichniss Protagoreischer Schriften, welches 464
Diogenes Laertius ix 55 mittheilt, noch in den Zusammenstellun-
gen, welche die neuern Arbeiten über diesen ersten und tiefsten
Sophisten bieten, wird man KaraßdXXovrec als Titel einer Schrift
des Protagoras aufgeftlhrt finden. Erst Ludw. Eayser (im Rhein.
Museum vn p. 166) hat ihn hervorgezogen aus den Worten des
Sextus Empirikus adv. mathem. vn 60 : ^vapxöjievo^ toOv tüuv
KaraßaXXövTUJv dv€(piIivii(J€ * 'TTdvTiwv xpr\ix&T{x)v füi^Tpov icTiiv
fiv6pumo^ ktX.' Es bleibt noch die Bedeutung des Titels zu
bestimmen und danach der Schrift ihre Stelle in der Beihe der
Protagoreischen Werke anzuweisen.
' [Vgl. Bemays, üeber die unter Philon's Werken stehende Schrift
Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls S. 66 *>].
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J
118 vn Die KaTaß<JiXXovT€( des Protagoras
Dass XÖToi zu KaraßdXXovTc^ zu ergänzen sei, hat schon
Kayser aus Analogie der 'ATrorrupTttovre^ Xötoi des Diagoras
(Said. 8. y. Aiatöpa^) geschlossen. Noch näher liegen die
TirepßdXXovrec des Chalkedonischen Sophisten Thrasymachos,
welche Plutarch (Quaest. conv. l 2, 3 p. 616 *) erwähnt. Wie
diese 'überbietenden Reden ' wohl nach Art der altem Rhetoren
in erdichteten Musterbeispielen denjenigen Theil der Rhetorik
465behan|delt haben, welcher sich mit Vergrösserung und Verklei-
nerung (aöEn^^i^ Kai iLi€iuj(TiO beschäftigt: so kennen, dem Sprach-
gebrauch gemäss, unter KaraßdXXovre^ nur dialektisch wider-
legende, 'zu Falle bringende' Reden gemeint sein. Zum Be-
weise gentigt Euripides Bakch. 201 :
iraTpiou^ irapaboxd^ fi^ 6' 6fifiXiKa^ XPÖviji
KeKTrjpce', oubei^ adxa KaxaßaXci Xöto^
oub* €1 bi' fixpujv TÖ <T0(pdv eupHTai (ppevuiv
verglichen mit dem Witzwort desChiers Ariston bei Stobäus
(floril. Lxxxn 11) 'ApicTTujv fXetev doix^vai t#|v biaXcKxiKfjv
Tij» dv xai^ öboT? ivf\K(p • irpö^ oöbtv tap oub' dxcivov XP^^^^^MOV
övra KaraßdXXeiv toö^ ßabCZovra^, welcher Witz nur dann das
unentbehrliche Salzkörnchen nicht entbehrt, wenn KaraßdXXeiv
stehender Ausdruck für dialektisches Widerlegen ist.
KaTaßdXXovTC^ war also jder Titel einer dialektischen Schrift
des Protagoras. Da sie nach Sextus' Zeugniss mit dem Funda-
mentalsatz Protagoreischer Lehre begann: 'Aller Dinge Maass
ist der Mensch', so kann sie nicht von untergeordneter Bedeu-
tung gewesen sein, und das Stillschweigen über dieses Werk
bei allen Schriftstellern ausser Sextus wäre schwer erklärlich,
da doch die Erwähnung jenes Satzes, in welchem die kritische
Richtung der griechischen Philosophie ihren Ausdruck findet,
keineswegs selten ist (s. Frei quaestt Protag. p. 94 f.). Die
Allgemeinheit des Stillschweigens ist jedoch nur scheinbar. Denn
wenn Piaton im Theaetetos, wo er den Satz vom alles messenden
Menschen travestirt, ihn als den Anfang der 'AXrjOeia bezeich-
net (t#|v V dpx^v Toö XÖTOU TeOaOjiaKa öxi ouk elirev dpxöjic-
vo^ ifl^ 'AXriBeia^ öxi irdvTUJV xP^mdxwv jidxpov iOTW u^ f[
KuvoK^(paXo^ p. 161 ^), so nennt er offenbar, da Sextus denselben
Satz als den Anfang der KaxaßdXXovxe^ mittheilt, nur unter
einem andern Namen eben dieselbe Schrift wie Sextus. Platon's
Polemik gegen die protagoreische Lehre bezieht sich nun aber
in jenem ganzen Abschnitt des Theaetetos (p. 162 », 166 % 170 *)
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vn Die KaraßdXXovreq des Protagoras 119
anf diese Schrift, nnd dadnrch steigert sich die Meinung von
der Bedentung derselben, mithin auch die Verwanderang, sie in
dem Yerzeiehniss bei Diogenes, | das unverkennbar aus älterer 466
Quelle stammt (Frei p. 176), weder als 'AXrjGeia noch als Kaxa-
ßdXXovT€^ erwähnt zu finden.
Sehen wir die einzelnen Titel jenes Verzeichnisses darauf
an, welcher von ihnen wohl auf eine dialektische Erörterung
der Principien des Protagoras deuten könne. Eine Reihe ganz
specieller Titel : Tiepl TidXri?, irepl <piXoTi|üiia^, irepi dpexiöv, irepl
xfi^ iv dpxQ KaxacTTdcTeu)^ \ irepi tujv ouk öpGuj^ toT^ dvGpunroi^
irpacTCTo^^vuiv, irpocXTaicTiKÖ^, biKii urr^p |üii(T6oO ist eben durch
diese Specialität von vorn herein ausgeschlossen. Dass unter
ein Paar andern Titeln etwas allgemeinerer Art: t^xvii ^puTTi-
Ktüv, irepl TUiv |üia6ii|bidTU)v, irepi noXireia^ zusammenhängende
dialektische Ausführungen versteckt seien, wtlrde man nur dann
anzunehmen sich verstehen müssen, wenn gar kein deutlicher
sie bezeichnender Titel vorläge. Einen solchen finden wir aber
in *AvTiXoTiuiv buo, mit welchem das Verzeichniss schliesst. So
wie diese Schrift sich durch ihren Umfang, als eine 2 Btlcher
umfassende, von allen vorhergehenden lüiovoßißXia bestimmt schei-
det, eben so deutlich weist ihr Titel auf dialektischen Inhalt
jeden hin, der sich erinnert, was dvTiX^T^iv, dvriXoTiKoi und
ävTiXoTiKT) bei Piaton überhaupt und Soph. p. 232 ^ mit beson-
derer Rücksicht auf Protagoras bedeutet. Mit Recht ist diesen
'AvTiXotiai der andere Hauptsatz des Protagoras zugewiesen
^ Der Inhalt dieser Schrift läset sich, bei dem Mangel aller andern
Data, nnr ans den Worten des Titels ermittlen. Man hat dieselben über-
setzt 'über die ursprüngliche Beschaffenheit der Welt' wodurch ein kos-
mogonischer, oder 'über die erste Gestaltung gesellschaftlicher Ver-
hältnisse' (Frei p. 188), wodurch ein archäologisch - politischer Inhalt
angedeutet i^ure. Nach beiden Auffassungen wird der Titel undeutlich
durch das Fehlen der eigentlichen Beziehung: KÖaimou oder rdiv dvOptli-
iruiv. Ich vermuthe, dass die Schrift rhetorischen Inhalts gewesen und
KaTdotaaK der alte rhetorische Terminus für iTpoo(|uiiov sei, der auch in
der T^xvn des Korax vorkam, Syrian. in Hermog. (Walz. Rhett, iv p. 575) :
K6p(i£ ö TexvoTpd(po^ ti^ xfjq KaraaTdaewq öv6|iaTi K^xPH'^ai irpocima
ToO Xö^ou Tf|v KardaToatv KoXCthf. Zur grösseren Deutlichkeit ist iv dpxtl
hinsugefügt, wie Piaton Phaedr. p. 266 ^ : irpoo(|Atov — üi( b€i toO Xötou
Xiy^oQai iv dpxt|.
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120 vn Die KaraßdXXovre^ des Protagoras
worden: ^lieber jedes Ding sind zwei Behauptungen einander
467 entgegenstehend' \ and wie bedeutend an Umfang | und Oehalt
die Schrift gewesen, dies wenigstens lässt sich aus der Aeusserung
des Aristoxenos und Favorinns schliessen (Frei p. 187), Piatons
Politie habe fast ganz schon in den "AvriXoTiKd des Protagoras
gestanden.
. Sollen wir nun zwei Hauptschriften allgemein dialektischen
Inhalts neben einander bestehen lassen, einerseits die 'AXrjOeia
oder KaTaß(üXXovT€^, welche von Piaton und Sextus, anderer-
seits die 'AvTiXoTiai, welche, mit Auslassung der ersteren, in dem
Yerzeichniss bei Diogenes erwähnt wäre? Bei dem innigen
Zusammenhang der Protagoreischen Fundamentalsätze hätten
im Wesentlichen beide Schriften dasselbe enthalten mttssen, und
ein solches Sichselbstabschreiben wird man sich für eine Zeit
wie die protagoreische, die noch keineswegs mit Schreibseligkeit
behaftet war, nur widerstrebend gefallen lassen. Jeder solchen
Annahme sind wir aber überhoben, und befreien zugleich das
Yerzeichniss bei Diogenes von dem Vorwurf der Unvollständig-
keit, wenn wir die eine dialektische Hauptschrift, ftlr welche
zwei Titel 'AXl^Oeia und KaraßdXXovre^ ausdrücklich bezeugt
sind, nun auch als 'AvriXoTiKd unter einem dritten Titel wieder
erkennen, der nur mit dem eigentlichen Wort dasselbe benennt,
was KaraßdXXovTe^ etwas metaphorischer bezeichnet. Hiernach
hätte also Protagoras in dieser dreifach betitelten Hauptschrift
seine beiden Fundamentalsätze aufgestellt und dialektisch be-
gründet ^ So weit dieselben auf heraklitischen Sätzen beruhen,
^ Diog. Laert. ix 51 irpCt^roq l(pr\ 60 o Xöyou^ €Tvai irept iravrd^
iTpdTMOiTO^ dvTtK€i|Li^vou^ dXXf)Xoiq. Im Vorbeigehen sei hier bemerkt
und die Begründung^ einem andern Ort vorbehalten, dass dieser Satz von
den zwei Behauptungen über jedes Ding — wohl zu unterscheiden
von dem skeptischen Satz: 'Jeder Behauptung steht eine gleichkräftige
entgegen' (iravrl X6fm Xöyoq tooq dvriKeixai) — die heraklitische Lehre
von den Gegensätzen aus dem physischen Gebiet, für welches vorzüglich
sie als ^vovTioTpoTrf) von Heraklit durchgeführt worden, auf das logische
Gebiet als Lehre von den Antinomien überträgst. Für das gewöhnliche
Bewusstsein sind die beiden XÖYot der Antinomie nicht gleichberechtigt;
es nimmt den einen an, der ihm so Kpeimuv X6toc wird, und verwirft den
andern als flTTUi. Die Rhetorik des Protagoras soll nun dazu dienen, die
speculative Gleichberechtigung der beiden Glieder der Antinomie auch für
das gewöhnliche Bewusstsein nachzuweisen, töv f^rru) X6tov Kpeirrw iroietv.
3 [Vgl. Rhein. Museum xzni p. 161 f.]
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vm Za Gorgias' 'OXu|LiiriKÖ^ Xöro^ 121
konnten sie nicht ohne Berücksichtigang der entgegenstehenden
eleatischen Lehre durchgeführt werden, und so findet Protago-
ras' XÖTO^ rrepi toO övto^, in welchem nach Porphyrius (Enseb.
praep. X 3 p. 468^) | der ihn allein erwähnt, die Eleaten bestritten 468
worden, in nnserer Hauptschrift seine Stelle. Ob Porphyrius
durch die Benennung Trepl toO övto^ den drei Titeln des Werks
noch einen vierten hinzufügt (Frei p. 176), wird schwer zu ent-
scheiden sein, da er für seinen Zweck, Plagiate des Piaton aus
Protagoras nachzuweisen, leicht glauben konnte» den Abschnitt
des Hauptwerks, in welchem er seine Belege fand, näher an-
geben zu müssen.
VIII
zu GORGIAS' OAYMHIKOZ AOrOZ.
Rheinischea Maseum für Philologie 1868 Jahrgang vm S. 432 f.
Allen, die jttngst unter Gurt ins' kundiger Führung^ die 432
Gegend von Olympia durchwandert und sich in die Sonne und
den Staub der olympischen Spiele zurückversetzt haben, wird
es lieb und willkommen sein, wenn ich die älteste nähere Be-
ziehung auf jene Spiele, die sich in einer prosaischen Schrift
nachweisen lässt, aus ihrem bisherigen Versteck hervorziehe.
Sie stand in dem 'OXu|üimKÖ^ Xöto^ des Leontiners Gorgias,
wird aber noch in der neuesten Sauppe'schen (Oratt. Att. vol. ii
p. 129) Sammlung seiner Ueberbleibsel vermisst. Aufbewahrt
hat sie, mit Beimischung von Fremdartigem und nicht ohne
Yerderbniss, der Alexandriner Clemens Strom, i c. 11 § 51 p. 127,
29 Sylb. : xal tö äyibvxaiia flMtöv, Kaxd töv Aeovrtvov fopTiav, bu-
Ta»v bk dpcTujv beiTtti, TÖX^n? ^o\ acxpiaq^ töX^ii^ ^fev, tö Kivbu-
vov ÖTTOfüieivai, ao(pxa^ bk tö aTviTM« Tvwvai. 6 T<ip toi Xöto^
KttOdTiep TÖ KrjpuT^a tö 'OXuMTriacTi KaXeT ^kv töv ßouXö^evov
(TTecpavoT bk töv buvdjüievov. Dass die Stelle aus dem 'OXu^triKÖq
XÖTO^ genommen ist, wird durch tö w'ipuTlbia tö 'OXujünriacn
* Olympia, ein Vortrag von Ernst Gnrtius. Berlin, Hertz, 1852.
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122 vni Zu Gorgias' '0Xu|LiinK6<; X6to^
sicher, nnd auch die nrsprüngliche Wortfolge tritt deutlich her-
vor, wenn nur Alles wieder herausgelöst wird, was Clemens
dazwischen gepresst hat. Aber was soll tö atviTMa Tvuivai ?
Meinte etwa der gute Clemens oder sein noch besserer Abschrei-
ber, in Olympia sei auch ein Räthselspiel veranstaltet worden ?
488 Ich glaube das Wort fttr das | Räthsel, welches uns dieses un-
mögliche atviT^a vorlegt, gefunden zu haben. Gorgias schrieb
Tot alcTi^a TViBvai wie Homer IL 207 : toOXöv Kai tö T^xuKTai,
6t' fifTcXo^ aXai^a eib^. Hiernach lauten Gorgias' Worte von
Clemens' Einschiebseln befreit:
TÖ dijibviaiia birruiv bi\ dpeTujv beiTai, TÖX^n? kqI (To(p(a^,
TÖXfüiii^ |bi^v TÖv Kivbuvov öuo^eTvai, ao(piaq bk tol aTcxt^a
TvO&vai • TÖ TÄp KiipuTlbia KaXeT ^kv töv ßouXö^€VOv, (TT€q)avoi
bfe TÖV buvduevov. *Der Wettkampf erheischt zwiefache
Tugenden, Muth und Einsicht, Muth die Gefahr zu bestehen,
Einsicht das Schickliche zu erkennen. Denn das Herolds-
wort ruft zwar jeden, der kämpfen will, bekränzt aber nur
den, der kämpfen kann'.
Für die letzte Antithese töv ßouXöjievov — töv buvdjievov will
es nicht gelingen, eine den griechischen Worten nahe bleibende
Uebertragung zu finden, die zugleich die ganze Feinheit der
griechischen Wendung wiedergäbe. Wie bekannt hat sich ö
ßouXö^evo^, überhaupt und vorzüglich in der Heroldssprache,
zu der blossen Bedeutung 'männiglich. Jeder' abgeschliffen, und
wenn der olympische Herold töv ßouX6^€vov aufrief, so glaubte
man nur ^KacTTov zu vernehmen. Gorgias kehrt jedoch den zu
Grunde liegenden Begriff des Wollens hervor, um seine Anti-
these zuzuspitzen zwischen dem Wollenden und dem Könnenden.
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IX
DER EUDAIMONIKER ANAXARCHOS
(ZU STOBAEUS).
Rheinisches Maseum far Philologie 1860 Jahrg. vn S. 306— 811.
TToXu^aGiri Kdpra jüifev di<peX^€i, Kdpra bk ßXdTrrei töv fxovTa'806
diq)eX^ei iiiy töv beHiöv ävbpa, ßXdirrei bi töv ^r)ibiu)^ q)U)-
v€övTa Ttäv inot; kqI iv navti bri^qj. XP^ ^^ KaipoO ^i^Tpa
eib^vai, (Tcxpiii^ T^p oÖToq 5po^, o\ bk iiu) KaipoO ^f^cTiv
5 fnoucTiKfiv Tr€Trvu|i^vu)^ deicxuxTiv oö napab^xovTai dv dp-
Tiq TViöjbinv, alT€iv b' fxoucTi jiujpia^.
So geschrieben findet sich diese Stelle in den Gesnerschen
Aasgaben des Anthologikon des Stobäas am Schluss des 34ten
Titels ncpl toO euKaipiu^ X^TCiv. Es fehlt bei Oesner jede An-
gabe der Quelle, und wer daher nur diese Ausgaben einsehen
konnte, war, um den Verfasser zu ermitteln, allein auf die deut-
lichen Spuren ionischen Dialekts angewiesen. Oataker (zu An«
tonin. I 8) dachte nun an Demokrit oder Heraklit, und obgleich
der allbekannte und unbedingt das Vielwissen verwerfende Aus-
spruch des ephesischen Philosophen noXufiaOiii v6ov ou <pu€i
mit unseren nur den unzeitigen Gebrauch des Vielwissens ta-
dehiden Worten in Widersprach steht: so hat doch Schleier-
macher (Mus. d. Alterthw. v. Wolf und Buttm. i 344) dieselben als
wenigstens zweifelhafte unter den heraklitischen Bruchstttcken
aufgeführt Auf Demokrit rieth ausser Valckenaer (in einer Note
bei Gaisford Stob. vol. n p. 43) auch Jacobs (animadverss. in
Eurip. et Stob. p. 246), auf dessen Vermuthung J. Gonr. Orelli
(opuscc. sentent. i p. 102) unsere Stelle unter die demokriti-
schen Ueberreste versetzt hat, obgleich Jajcobs auch noch auf 807
den späten Eusebius, aus dem Stobäus so viel ionisch Geschrie-
benes mittheilt, verfallen war. Der wirkliche Verfasser war
jedoch schon in dem Lemma der Trincavellischen Ausgabe
'AvoEdpxou angegeben, und ebenderselbe wird nicht nur in dem
Pariser, von Gaisford A bezeichneten Codex genannt, sondera
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124 IX Der Eudaimoniker Anaxarchos
der erste Satz unserer Stelle wird auch von Serenus als Aus-
sprach des Anaxarchos dem obenberührten des Heraklit entge-
gengesetzt, Append. Stob, e ms. Florent. p. 46 : iK tujv lepivou '.
'HpdKXeiTO^ jüifev IX€T€ TroXujidiGeiav voOv ^i\ i^noxexv ' 'Avd£apxo^
bk TioXu^dGeiav Kdpta jüifev ibq)€X€iv, xdpxa bi ßXdTrreiv. Auf
diese völlig genügenden Zeugnisse hin hat denn auch Mullach
(Democriti fragm. p. 326) unsere Stelle aus der Reihe demokri-
tischer Sätze gestrichen, und man sieht nicht ein, wie Zeller
(Philos. d. 6r. erste Aufl. i S. 217 Note) dieselbe wieder als eine
vielleicht demokritische bei einer Vergleichung des Demokrit mit
Heraklit in Frage ziehen konnte.
Darf nun auch unsere Stelle, da sie von Anaxarchos her-
rührt und gerade keinen sehr eigenthümlichen Oedanken aus-
spricht, an sich nicht mehr als jede beliebige verderbte Stelle
jedes beliebigen Autors auf eingehende Behandlung Anspruch
machen : so gewinnt sie doch dadurch ein allgemeineres Inter-
esse, dass sie in seltener Anschaulichkeit einen Beleg bietet für
die kritische Regel, man dürfe bei tiefgehenden Verderbnissen,
zumal in Sammelwerken wie das des Stobäus, sicherer Hilfe
erwarten von kühn durchgreifender Behandlung des Oegebenen
als von behutsam schonender Vorsicht, welche jedes überlieferte
Tütelchen unterzubringen sich bemüht. In diesem Sinne ist die
Durchmusterung der verschiedenen Vermuthungen, mit denen
man sich vorzüglich an dem letzten, durch und durch zerrütteten
Theil der Anaxarchischen Sätze versucht hat, immer noch be-
lehrend, selbst wenn sie sammt und sonders urkundlich, wie es
glücklicherweise hier geschehen kann, als durchaus verfehlte
808 dürfen | abgewiesen werden. Zuvörderst nun hat Schleiermacher
statt o\ bl (Z. 4) bessern wollen: o^i bk, auf den ersten Blick,
obgleich der Pariser A bei Gaisford und danach der Gaisfordsche
Text e! bk o\ dafür bietet, eben so richtig als die andere Ver-
änderung von aiT€iv (Z. 6) in altiriv, welches letztere obendrein
durch den Pariser A bestätigt wird. An allem Uebrigen nahm
Schleiermacher keinen Anstoss, ausser an dem baaren Unsinn
^ Es sind die diTO|uivT)|uiov€0|LiaTa des Serenus gemeint, aus denen
Stobäus floril. XI 15 eine ähnliche Gegenüberstellung mittheilt: £k Td)v
Zep^ivou dYro|LivTi|uiov€u^dTwv* TTXdTuiv |li^v flöiOTov elvai tOöv dKouaiidTuiv
Tf|v dXf)6€tav €kvfe ' TToX^iiuiv bi iroXö flöiov roO dKoöetv tö Xdreiv elvai
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IX Der Eudaimoniker Anazarohos 125
(Z. 5) ou Tiapab^xovTai dv dpTiij TvuiMnv, welchen er glaubt ver-
stehen zu können, wenn er statt iv äpT^i] etwa schreiben dürfe
dv€pT€iij. Wie er jedoch ein solches dvepteiij hier verstanden habe,
lässt sich nicht sagen, da er es nicht übersetzt. — Jacobs (lectionn.
Stehens, p. 70, 71) will gleich das erste Wort noXuMaeiTi (Z. 1)
vertauschen mit ttoXu^ u 6 ( r). Denn erstlich sei im Folgenden (Z. 2)
nicht von Viel wissen sondern von 'focnndia' ((puiveOvra ttSv inoq)
die Rede und überdies passe das Viel sprechen besser zu der
Ueberschrift des ganzen Titels bei Stobäus: irepl toO eÖKaipui^
X ^ T € t V. Aber abgesehen dass diese Veränderung das Zeugniss des
Serenus gegen sich hat, trifft der zweite Grund nicht, weil ja
eben in den Worten qMuveCvra iräv Itto^ (Z. 2) hinlänglich dem
X^T^iv der Ueberschrift, so wie in xp^ KaipoO ixiipa eibdvai dem
euKaipui^ derselben genügt ist. Noch weniger stichhaltig ist der
erste Grund. Denn da das Vielwissen leicht das Vielreden ver-
anlasst, so kann Anaxarchos füglich das unzeitige Vielreden als
Beweis dafür anfuhren, dass Vielwissen dem Besitzer auch oft
Schaden bringe. Im Folgenden (Z. 4) hält sich Jacobs an das
el hk o\ des Pariser A und schreibt statt li\x) xaipoO, nach
J. Casp. Orelli's (opnscc. sent. i p. 511) Vorgang: ib}) xopoO;
femer will er Z. 5 statt oö irapab^xovrai iv dpii^ij Tvtf»|inv ändern :
DU Trap^xovrai iyapff\ dpurn^v 'non tamen conspicuam opem
präsent', welchem Vorschlag vom Standpunkt der blossen
Bnchstabenverwechselung aus, auf dem er sich offenbar halten
will, wenigstens der Mangel an Kühnheit nicht vorzuwerfen ist.
Jedoch das Wahre ist in einer noch ganz andern Weise kühn,
und wer eine solche Musterkarte der verschiedenartigsten Ver-
derbnisse, wie sie hier wirklich in den Raum weniger Zeilen
zusammengedrängt ist, ohne den Rückhalt eines sichern | Zeug- 309
nisses anzunehmen sich erlaubt hätte, der würde für lange Zeit
auf den Ruf kritischer Maasshaltung haben verzichten müssen.
Jenes Wahre findet sich aber in einer AnfUbrung des Clemens
Alexandrinus (Strom. 1 6 extr. p. 123 S. 837 F.), welche bisher nicht
zur Berichtigung der Fehler bei Stobäus benutzt worden: eO toOv
Ka\ 'AvdEapxo^ 6 etibaijüioyiKdq ^ iv x^b irepi ßacTiXeia^ Tpdq)€r
TToXu^aeeiii Kdpxa jüitv dbcpeX^ei xdipra bfe ßXdiTTei töv f xovxa •
dKpeX^ei M^v töv be&öv övra, ßXÄTrrei bi. töv ^r|*tu)^ qHuv^-
ovra Trdv Ino^ ki^v Travrl bi\ii\\i, XP^ bt KaipoO füi^Tpa elb^vai,
^ Ueber diesen Beinamen spricht Fabricins zu Sext. Emp. adv. math.
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126 IX Der Endaimoniker Anaxarcbos
ao<pir\q fäp oöto^ 6po^. öcxoi hk Kai OupijcTiv deiboucTiv,
f| fjv TTij n€7rvuji^viiv deibuxTiv oö TiG^^evoi ivcxoqpiij,
Nach der ganzen Art des Gitats, welches bei beiden, dem
Stobäas und Clemens, gleichen Anfang nnd gleichen Schlnss
hat, ist es wahrscheinlich, dass beide aus einem und demselben
älteren Sammelwerk schöpften; nur hat Clemens entweder eine
reinere Abschrift vor sich gehabt, oder sich sorgfältiger yor
eigenen Fehlern gehütet, wie er ja auch den Verfasser Anaxarchos
durch seinen eigentbümlichen Beinamen genauer als Alexanders
bekannten Begleiter bezeichnet (der als Abderite ebenso wie
Demokrit und Protagoras ionisch schrieb) und den Titel der
Schrift 'über das Eönigthum' beisetzt, welche wohl wie die
gleichbetitelte des Aristoteles an den Alexander gerichtet war.
Dieselbe Genauigkeit des Clemens tritt auch in allen übrigen
Puncten hervor, in denen er von Stobäus abweicht, ausser in
den beiden ersten, ziemlich geringfügigen, wo des Stobäus |
SiObeEidv ävbpa unbedingt dem beStöv övxa des Clemens vorzu-
ziehen ist, und das dorische ki^v der Elotzischen Ausgabe des
Clemens (vulgo k£v) das kqI dv des Stobäus nicht verdrängen
kann. Aber gleich die folgende Abweichung : öcxot hk kqi Oupij-
cnv deiboucTiv f\ fjv inj Tr€7tvu|idviiv deibujcxiv bedarf nur noch
kleiner Besserungen, nämlich fivTiep statt f\ flv wi\, und iriirvu-
M^vo, wie schon die Pottersche Ausgabe statt TreiTvufidvr)v der
Sylburg'schen und des Florentiner Codex giebt, um als das allein
richtige anerkannt zu werden und zugleich die Veranlassung
aller Irrthümer aufeudecken, welche diesen Satztheil bei Stobäus
folgendermaassen verunstalten : €i bk o\ (oder o\ bi) iiw xatpoO
^fJcTiv jütoucTiKfiY TreTTvu^dvu)^ dei(Tu)(Tiv (deicToucTiv A). Hier sind
erstlich zwei Wörter deiboucTiv flvTrep völlig ausgefallen, dagegen
vn 48. — Bei Plutaroh de Alex, virt 10 p. 831 « : öxi C AXÖovbpoO töv |li^
&p|LioviKdv 'AvdSapxov ivTi|Li6TaT0v Ttliv qpiXuiv ^v6|Lit2^€ ktX. ist wohl nicht,
wie Menagius za Diog. Laert. dc 60 wollte, &p|LioviKÖv ohne weiteres zu verändern
in €ÖbatfioviK6v, sondern eher eine durch Homoeotelenton entstandene Lücke
zu vermuthen, in welcher von Beziehungen des Musikers Aristoxenos zu
Alexander die Rede war, was jener Stelle, wo die Beziehungen Alexanders
zu den Philosophen seiner Zeit bis ins Einzelne verfolgt werden, voll-
kommen angemessen ist. Man denke sich die Lücke etwa so : t6v }xtv
&p|uiovtKÖv ['ApiaxöHcvov t6v bk 60bai|AoviK6v] *Avd5apxov 4v-
•nfmdraTOv ktX.
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IX Der Endaimoniker Anaxarohos 127
aas den zweien des Clemens xai Oiipijcxtv diese vier : iSui xaipoC
^fjcTiv |üiou(TiK/iv in schrittweise fortgehendem Verderbniss ge-
worden. Zuerst nämlich wurde in KAI6YPHIIN die ionische
Datiyform verkannt und PHIIN als besonderes Wort ßfjcnv ge-
schrieben, das übrigbleibende KAI6Y aber, mit Löschung des
Punctes in 6 und Einschiebnng eines P, in xaipoC verändert,
welcher Begriff wegen des vorhergehenden xp^ ^^ xaipoO iii-
Tpa elb^vai hier durfte erwartet werden ^ Nun hatte aber der
Genitiv xatpoO keine Beziehung, und um diese so herzustellen,
dass das vom Zusammenhang geforderte Verhältniss der Un-
zeitigkeit hervortrete, wurde Öu) vor KaipoO eingeschoben. End-
lich stand pf\0xVy das gewöhnlichen Redevortrag bezeichnet, mit
dem folgenden 'Singen' in Widerspruch; man suchte diesen zu
mildem durch ein zur Erklärung beigeschriebenes fioucTiKriv^
welches dann in den Text kam und wohl hauptsächlich zur
Verdrängung der unentbehrlichen, bei Clemens erhaltenen Wörter
dciboucTiv fiviTep beigetragen hat. Das allein richtige kqi Oupij-
(Tiv deibeiv 'auch den Thüren znsingen' ist nun aber nur eine
anschaulichere Wendung des vorhergebenden q)U)V€Tv irdv Itto^
xal dv iravrl b/j^qj, vielleicht mit Anspielung auf den | ausge-8ll
sperrten Liebhaber, der vor verschlossener Thttr sein irapaKXau-
(TtOupov ixiXo^ anstimmt.
Wo möglich noch klarer sieht man wie die fast völlig un-
verderbte Fassung des andern Satztheils bei Clemens ou tiO^^c-
voi iv <To<pii], TviIiMnv b* ^xoum Muipir)^ übergehen konnte in die
gänzlich unverständliche des Stobäus : ov Trapab^xovrat iy dprir)
TVWMiiv, altiriv (alxeiv) b' ix^vax jbiujpfii^. Die gewählte Verbin-
dung TiOd^evot iv wurde nämlich durch irapab^xovrai iv erklärt
und dann verdrängt; femer wurde das schon durch ao<pir\^
Tdp otho^ 5po^ sichergestellte ao^pirj bis zur Unkenntlichkeit in
dpTii) durch eine blosse Verschreibung verwandelt, die man aller-
dings nur darum fttr möglich halten kann weil sie wirklich ist.
Und endlich veranlasste noch das in dieser Verbindung nicht
gerade häufige TViliMnv das Glossem airiav, welches neben das
erklärte Wort in den Text sich einschlich.
Hiernach geht also aus den verbundenen Anflihmngen des
^ In ähnlicher Weise hat die Epitome des Clemens das ihr vorlie-
gende xal eOpijaiv verderbt in xal 6€o0 ^f^aiv, weil Ou abgetrennt als
Abbreviatur von 6€o0 gelesen wurde.
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128 IX Der Eadaimoniker Anaxarchos
Clemens und Stobäus folgende Schreibang der ganzen Anaxarchi-
gehen Stelle hervor:
7roXu^a0ir| Kdpxa ^fev dwpeX^ei, Kdpra bk ßXdTrrei töv Ixovra'
djqpeX^ei jitv töv beEiöv fivbpa, ßXdirrei hk töv ßn^biiw^ qpui-
veOvxa träv liioq Kai iv Travtl brJMip- XP^ bt xaipoO ixixpa
elb^vai' (Toqpiii^ Tdp oöto^ 8po^. öcxoi bk xal GupijcTiv deibou-
mv, flvrrep neirvu^^va deibuxTiv, oö xiO^^evoi iy acxplx) fv\bixr\y
IXOv<y** Mwiptil^.
* Vielwissen ntttzt wohl sehr, schadet aber auch sehr dem,
der es hat. Es ntttzt wohl dem klugen Mann, schadet aber
dem, welcher leichthin redet jedwedes Wort vor jedwedem Volk.
Man mnss aber das Maass der rechten Zeit kennen. Denn dies
ist das Wesen aller Kunst. Die jedoch welche auch den Thttren
zusingen, mögen sie immerhin Vernünftiges singen: nicht zu
den Künstlern gerechnet, haben sie den Rnf der Narrheit*.
X
zu ANAXARCHOS UND DEM MECHANIKER
ATHENAEOS.
Rheinisches Museum für Philologie 1868 Jahrg. xzm S. 875*— 876*.
376 In Gh. Wescher's durch gediegene Eleganz der typographi-
schen Ausstattung wie durch inneren Werth sich auszeichnenden
Ausgabe griechischer Kriegsschriftsteller ^ ist eine dort zuerst
benutzte, aus einem Athoskloster durch Minas nach Paris ge-
brachte Handschrift auch der nach litterärgeschichtlicher Seite
mehrfach interessanten Vorrede des Mechanikers Athenaeos an
vielen Stellen zu Oute gekommen. Mit einigen von jener Hand-
schrift dargebotenen Verbesserungen liest man jetzt p. 4, 7 Wesch.:
o\ bk TPa<POVT^^ Ti f\ TrapaTT^XXovT€^ f^Tv kqI ifi^ dKpeXeCag
etv€Ka boKoOvT€^ auTÖ TrpdxTeiv, oök äv cIkötw^ TroXuTpaqpoOvre^,
€!g oÖK dvaTKttioug Xötou^ KaTavaXicXKOucxi töv xP<5vov, öttuj^
^KcprivuicTi Tf|v dauTUJV TToXujüidGeiav TrapcKßdcrewv tdp ttXii-
pu)(TavT€^ dTroXeiTTOucTi td ßißXia* Kai TauTa tüüv dpxaiwv qpiXo-
* Oder, wenn man das 6' vor £xov<^ nicht ganz fallen lassen will,
vielleicht: b^Kovrai.
' Poliorodtique des Grecs, Paris 1867, 4.
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X Zu Anaxarchos 129
(Töqxwv KttXuj^ elpiiKÖTuiv tä toO KaipoO ji^Tpa beiv elb^vai
fhq uTTOtpxovTO^ öpou Tilq cpiXo(Toq)ia?. Da Wescher sonst auf
Ermittelang der in seinen Texten vorkommenden Gitate die ge-
bührende Sorgfalt verwendet, so | könnte sein Schweigen in 876
dem vorliegenden Falle leicht einen Sammler von Fragmenten
'alter Philosophen' verleiten, den Spruch unter die incerta in-
certorum zu versetzen. Es ist daher wohl gut zu bemerken,
dass trotz des Plurals dpxaiuiv q)iXo(Töcpu)v Athenaeos doch nur
den Einen Anaxarchos, den Eudaemoniker, den Begleiter des
Makedoners Alexander im Auge hat, ans dessen Schrift ' Ueber
Königthum' (TTepl ßacTiXeia^) der Alexandriner Clemens (Strom.
I 6 extr. p. 337 P.) und Stobäus (Florileg. 34, 19) folgende Sätze
anfahren: 7ToXuMa6iii xdpra iikv djq)€X^€i, KÖipra bt ßXdirret
TÖv Ixovza' uicpeX^ei ^tv töv beEiöv ävbpa, ßXdiTTei bi. töv {>r\x-
biiJjq q)U)V€0VTa Tiäv iiioq xai 4v Ttavrl bi^MUi' XP^ ^^ KaipoO
^^Tpa elb^vai* ao(plr\q yäp oöto^ 8po^. öcroi bi ktX., welche
oben S. 123 flf. behandelt worden sind. — In der byzantini-
schen Excerptensammlung des sogenannten Heron, welche zu-
erst bei Wescher vollständig veröflFentlicht ist, findet sich unter
anderen Auszügen aus Athenaeos auch unsere Stelle, jedoch in
verstümmelter Gestalt (p. 202, 8 Wesch.): xd toö xaipoö ^^rpa
bei elb^vai ibq örrdpxovro^ öpou. Mit glücklichem Tact hat Henri
Martin, welcher die einleitenden Abschnitte des Byzantiners als
Anhang zu seiner Abhandlung über den Alexandriner Heron ^
hatte abdrucken lassen, bei seiner vermuthimgsweisen Ergän-
zung des fehlenden Genetivs auf die übereinstimmende Lesart
unserer Handschriften des Athenaeos öpou Tf\q q)tXocTocpiag keine
Rücksicht genommen, sondern, von der Natur der Sache geleitet,
ohne dass ihm Anaxarchos als Urheber des Spruches bekannt
gewesen wäre, die in der Bologneser Handschrift des Byzanti-
ners an einen benachbarten unpassenden Ort (hinter OeTvat p. 201,
16 Wesch.) gerathenen Worte ifi^ cxocpia^ hieher gezogen und
also eben das vorgeschlagen, was, wie sich nun ergiebt, Anax-
archos wirklich geschrieben hat und doch wohl auch Athenaeos,
wie Martin ebenfalls mit Recht bemerkt, schreiben gewollt hat,
nämlich öpou Tf)^ (Toqpiag. Die Vertauschung von aoq>\a(; und
q>iXo(Toq)ia^ ist den Abschreibern nur zu geläufig (s. p. 72, 1 Wesch.).
* M^moirea presentes p. div. sav. k TAcad. des Inacriptions, Paria
1854 t. IV p. 454.
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XI
AUS DEM ARISTOTELISCHEN DIALOG
EUDEMOS.
Rheinisches Museum für Philologie 1861 Jahrg. xvi S. 236—246.
236 Wie Überall der bezeichnende Vorzug der Welcker'schen
^ Götterlehre' darin besteht dass sie, im Gegensatz zu dem
Lobeek'schen Nichts wie zu dem Creazer'schen Chaos, eine zu-
gleich besonnene und divinatorische Reconstraction der religiö-
sen Ideenwelt Griechenlands unternimmt auf der Grundlage
urkundlicher, nach der Zeitfolge geordneter Zeugnisse über das
Hervortreten der einzelnen Glaubensansichten : so hat sie (u 524)
auch bei Entwickelung der Unsterblichkeitslehre mit gebühren-
dem Nachdruck die Wichtigkeit des Zeugnisses hervorgehoben,
welches in dem umfänglichsten aller uns erhaltenen Bruchstücke
aus Aristoteles' Dialogen für das hohe Alter des griechischen
Glaubens an die Seligkeit der Todten vorliegt. Dieses allge-
meine Ergebniss der aristotelischen Stelle leuchtet klar genug
durch alle Trübungen der tiberlieferten Lesart, so dass Welcker
in jenem Werke, das mit der Enthaltsamkeit des gereiftesten
Forscheremstes alles nicht zum Hauptzweck Unentbehrliche
streng ausscheidet, die Prüfung der einzelnen Worte unterlassen
durfte. Aber Er gewiss vor Andern wird es billigen, wenn
endlich dieser köstliche Rest aristotelischer Kunstprosa, nach-
dem er so oft cilirt worden, auch einmal eingehend nach kri-
tischer Seite behandelt wird. Bisher hat meines Wissens dazu
Niemand den Versuch gemacht ausser Wyttenbach, dem sein
pflichtmässig fortlaufender Commentar zu Plutarch's Moralia
eine nicht eben erfolgreiche Beschäftigung mit dem Wortlaut
des aristotelischen Fragments aufnöthigte. Der einzige Fundort
desselben ist nämlich die Trostschrift an den Apollonius.
Nachdem dort aus des Akademikers Krantor's Schrift *von der
Trauer' die Ansicht vieler Weisen angeführt war, dass Mas Le-
ben eine Strafe und als Mensch geboren zu sein von vorn herein
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XI Aristoteles' Dialog Eudemos 131
das grÖBSte Missgeschick sei' (rt^uipiav eTvai töv ß(ov Kai äpx^v tö
T€V^(T6ai fivOpumov (Tu|i<popdv Tf|v jucticTttiv c. 27 p. 115**), wird
folgendes angeknüpft, das ich zunächst so hersetze wie es bei
Dübner lautet :|
ToOto bi <pr\a\y *Api(TTOT^Xii^ Kai töv leiXiivöv (TuXXii-237
q>6^VTa Tf^ Mibqi diro^/ivacTGai. BAtiov b' aöxd^ rd^ toO cpiXo-
(Töq>ou \lieiq irapaö^crGai ' cpricxl bk iv TUjEöbyjmii diriTpacpo^^vui
fi Tlepl ipuxfig TttUTl-
AiÖTTcp, (b KpÄTicTTe TtdvTUüv Kai ^aKapicTTare, Kai Tipd^ tuj
^aKopCou^ Kai eöbat^ova^ cTvat tou^ TereXeuTiiKÖTa^ voMi2;o^€v
(vulg. vop&iv), Kai TÖ iji€U(Ta(T9a( ti Kax' aöxuiv Kai tö ßXa-
(T<pim€Tv oöx Ö01OV, d)^ Kaxd ßeXxiöviüv, fiTOÜineGa, Kai Kpeix-
5 xöviwv fjbri T€TovdTUiv ' Kai xaOG* oöxiwq dpxaia Kai iraXaid
biaxeXei vevojüncTfi^va irap' fmiv, ujcxxe xö Trapdrrav oubel^ olbev
oöx€ xoO xpövov xf|v dpx^v oöxe xöv G^vxa irpÄxov, dXXd
xdv direipov aliöva xutxävoucti bid xAou^ oöxu) vevoMicXjLi^va '
irpö^ bfe bf| xoüxoi^ bid axö^aroq iv xoT^ dvGpdmoi^ 6p^^,
10 uig dK TToXXtöv ixtüv, [^k] * traXaiou xp^vou irepi^^pexai Gpu-
Xou^evov. Ti xoOx'; ?q)ii- KdKcTvo^ urroXaßiiiv 'Q^ dpa iii\
Tiv€(TGai jüi^v, ?q)iii dpKTxov ndvxiwv, xö bfe xeGvdvai xoO lf\v
l(STX Kpeixxov Kai ttoXXoT^ oötu) irapd xoO bai|iov(ou )i€)iap-
Tupiixai* xoOto ^ky iKeivxjj xiu Mibqi \lfovai brynov juexd Tf|v
15 Grjpav, d)^ IXaße xöv leiXiivöv, biepuixujvxi Kai TTuvGavo^i^vij),
x( TTOX^ iarx xö ßAxiov xoT^ dvGpi&rroi^ Kai x( xö irdvxuüv
alpexiöxaxov, xö iikv npOüxov oöbfev dG^Xeiv elireTv, dXXd (TiuiTtäv
dppi^xu)^' ine\bi\ bi iroxe jüiöXi^ iracTav ^rixav^v jurixaviü^evo^
Trpo<Jt]TdT€xo (pH'xiaaBai xi irpö^ auxöv, ouxuü^ dvaticaZö^evo^
20 elTreTv Aai^ovo^ iirmövou Kai xuxn? X«^€7Tf^^ dcprjiLiepov anlpixa^
x( ^€ ßidtecTGe X^t^iv, d ö^Tv dpeiov iLif| Tvu»vai ; ^ex' dtvoiaq
Tdp xÄv olKeiiüv KaKWV dXuiröxaxo^ 6 ßio?' dvGpiInroi? bfe
ird^TTav oÖK toxi Ttv^cxGai xö rrdvxiüv dpicrxov, oöbfe juexacxxctv
xfl^ xoO ßeXxicTxou (pva^wq' dpicrxov tdp ttScti Kai irdcTai^ xö
25 ^f| jeviaBax ' xö ^^vxoi jüiexd xoöxo Kai xö irpurrov xiöv dXXuüV
dvucTxöv, beuxepov bi^ xö T€vo|^4^vou^ diroGaveiv fix; xdxicrxa. 238
AflXov oöv d)^ oHox]^ Kpeixxovo^ xf)^ dv xtjj xeGvdvai biaTiüTfl?
fi xfl^ iy xifi lf\v ofjTwq direcpi^vaxo.
Ich beginne mit den einfachen Schreibfehlern.
' Diese Klammem bezeichnen bei Dübner (s. vol. i praef. p. 3) das
ohne handschriftliche Gewähr richtig oder unrichtig Eingefügte.
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182 XI Aristoteles' Dialog Eudemos
1.
Z. 17 könnte nur ein ganz Ungeübter sich bei awjn&y dp-
prJTUü^ befriedigen und täuschen lassen darch die Uebersetzung
'sprachlos schweigen'. Denn dppi^TUj^ heisst nimmermehr so
yiel wie dvaübu)^, sondern nie etwas Anderes als ' unaussprech-
lich, unsagbar'; dppi^xuj? cTiumäv ist daher im Griechischen eben
so unmöglich und lächerlich wie im Deutschen 'unaussprechlich
schweigen' sein würde. Durch Aenderung Eines Buchstabens
tritt dppdru)^ \ das freilich seltene Wort hervor, welches bei Piaton
Cratyl. 407 ^ tö cTKXripov re Kai d^etdcTTpocpov 6 bi\ fippaxov
KaXeitai und Rep. Vll 535 ^ sich erhalten hat, im Axiochos 365 •
TÖ fipparov dv (Toi ödpcro? von C. F. Hermann aus demselben
Schreibfehler dppriTov hergestellt und von Ruhnken zum Timaeus
s. V. besprochen ist; (TiwTTdv dppdru)^ ist so untadlig auf Grie-
chisch wie auf Deutsch 'starr schweigen'; und dass Aristoteles
in den Dialogen so gut wie Piaton die Rede durch alterthttm-
liche und poetisch gefärbte Wörter zu schmücken liebte, beweisen
dp€iov Z. 21 und das im Rheinischen Museum viu 585 Anm. 2
[Zwei Abhandl. über d. Arist. Theorie des Drama S. 170] er-
wähnte KUVTÖTttTOV.
2.
Wer sich Z. 19 begnügen will, blos den unmöglichen No-
minativ dvaTKaZo^Evog in den Accusativ dvaTKa2;6jLi€V0V zu ändern,
mit dem soll nicht weiter gerechtet werden. Aber es findet sich
wohl noch ausser mir Einer oder der Andere, der an dieser
Stelle, nachdem eben der 'Zwang' in der vollsten und stärksten
Weise durch iroTfe inöXi^ iracray ^rixavfjv |iiriXavii)^Ji€vo^ irpooiiTd-
T€T0 bezeichnet war, das ganze Wort dvaTKaCö^evo^, weil für
matt und überflüssig, auch für verdächtig hält und es gern ver-
tauscht sähe mit dvaKaTXd2!ovTa, dem ebenfalls aus Piaton be-
kannten, malerischen Wort für das laute Aufla|chen der Freude
239 oder des Hohnes K Nicht gerade zum Hohn, aber doch um sein
* [dppi^KTUJ^ Reiske und Madvig Advers. er. i 621].
* Euthydem. p. 300* ö KT/iamiroq, üjairep elii^Oei, ii^Ta ft&y\) dva-
xaxxdaaq (daraus lulianus Caess. p. 430, 8 Hertl. dvaxatx^i^^ci^ oöv 6 Zei-
\r\vö<i fii^a), Staat i p. 337 » xal 6<; dxoOaa^ dvcxdYxa^^^ T€ jiidXa aapbd-
viov xtX.
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XI Aristoteles' Dialog Eudemos 133
Staunen über die Ungereimtheit zu äussern, würde hier der sein
satyrartiges Wesen nicht verleugnende Silenos, welcher von
Menschen nach ihrem höchsten Gut gefragt wird, eine 'laute
Lache aufschlagen', weil er antworten muss: das Höchste, was
Ihr Armselige erreichen könnt, ist, so bald als möglich zu sterben.
3.
Z. 24 ergiebt äpicTTOv fäp eine völlige Umkehrung des
logisch richtigen Verhältnisses. Denn nicht weil ungeboren zu
bleiben für die Menschen das Zuträglichste ist, können sie an
dem Wesen des Besten nicht thcilnehmen, sondern weil sie an
dem Wesen des Besten nie und nimmer theilnehmen können, ist
es das Zuträglichste für sie, gar nicht geboren zu werden. Es
wird also statt einer begründenden eine folgernde Partikel ver-
langt, d. h. statt SpicTTov fäp ist zu schreiben SpicXTOv äpa.
Tiefer als die zweite Hälfte des Fragments durch diese
Schreibfehler ist die erste durch grössere und kleinere Ein-
schiebsel beschädigt worden. Das grösste Z. 8 tutx^voucti bid
T^Xou^ oÖTUi vevofiicT^ji^va verräth sich durch den Plural tutx«-
voüCTi neben dem Neutrum vevo^Jiicr^^va. Dergleichen darf nir-
gends, am allerwenigsten aber in den stilistische Schönheit
erstrebenden Dialogen, dem Aristoteles angesonnen werden ; und
es bedarf wohl nicht erst eines besonders scharfen Spürsinnes,
um bald zu merken dass dieses solöke Sätzchen nur mit unge-
schickter Variation das kurz vorher durch biareXei v€vo^lC^|ül^va
Z. 6 in richtigem Griechisch Gesagte wiederholt und von Jeman-
dem herrührt, der zu dem, allerdings verderbten, dXXot töv
ä7T€ipov aiüuva das Prädikat vermisste. — Ebenso wenig lässt
es sich rechtfertigen dass die eng zusammenschliessenden Be-
griffe ib? KttTd ßeXnövwy Kai Kpeirrövujv Z. 4 durch das wunder-
lich dazwischen gezwängte fiTOu^jieGa getrennt werden ; und auch
diese Wortwurzel an sich muss auffallen, da ja dem Aristoteles
hier Alles darauf ankommt, | die Achtung vor den Todten nicht 240
als Folge einer blossen ^Ansicht' (fiTcTcTGai), sondern als Aus-
fluss eines auf unvordenklicher Ueberlieferung und Sitte ruhen-
den * Glaubens' darzustellen, in welchem Falle voiiiCeiv (usurpare)
das eigentliche und deshalb auch vorher (Z. 2) wie nachher
(Z. 6) mit Vorbedacht von Aristoteles gebrauchte Wort ist. —
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134 XI Aristoteles' Dialog Eudemos
Endlich ist wohl kaum zu besorgen, dass besonnene Leser ge-
täuscht werden könnten durch das platte Kunststttckchen, welches
Wyttenbach(p. 767)1 sich aasgedacht hat, um die nahen Synonyma
liaKapiou^ Kai eubai|iova^ Z. 2 begrifflich so weit auseinander
zu halten, dass sie als zwei wesentlich verschiedene Bezeich-
nungen durch TTpd^ tuj — Kai (praeter quod — etiam) ohne
Verletzung der Logik zu vcrkntlpfen wären. Vielmehr muss
Jedem sein gesundes Gefühl sagen, dass eöbai|iova^ keinerlei
begriffliche Steigerung zu fnaKapiou^ ergiebt, und demnach irpo^
TiD iLiaKapiou^ Kai eubaifiiova^ eTvai . . . vo)Lii2[o)Li€V auf Griechisch
ganz so verkehrt ist wie auf Deutsch : ' wir halten sie ausser
für selig auch noch tHr glücklich'. |
241 Alle diese Missstände nun lassen sich sammt und sonders he-
ben und aus ihrem einheitlichen Anlass erklären, sobald der zwar
lang aber im Grunde doch einfach genug gesponnene Faden
^ Er sagt Folgendes : *ita comparari solent fxaxdpio^ et eObaC^uiv ut
totum et pars : Hippodamus Pythag. ap. Stob. Florileg. Tit. Gl p. 554 [cui 26
vol. lY p. 7, 23 Meineke] : & dvOpuiirCva €Öbai^ov(a auTK€q>aXaioOTai iiraivqi
re Kai fxaKapiafxifi * £ira(vqi fxdv t^i 4S dpcrd^, |üiaKapiafxi|i bi rCp it eÖTuxioi^-
Igitur mortui sunt eOba(fAOV€^, ideoque iis tribuendus et fxaKapia^6^ et
^traivo^ ; et vero £iraivo^ eam vim habet ut HieOoaaOal ti kqt' götuiv koI
t6 ßXaaq>im€iv oüx daiov sit: quae sunt Plutarchi (vielmehr Aristotelis)
hoc loco verba*. Als wenn jene synkretis tischen Verderber peripatetischer
Lehre, welche in Stobäus' Blumenlese als alte Pythagoreer dorisch stam-
meln, das Geringste bedeuteten gegenüber dem festen Sprachgebrauch der
guten Zeit und in offenem Widerspruch mit den eigenen unzweideutigen
Aeusserungen des Aristoteles zu Anfang der nikomachischen Ethik,
wo er den £iraivo^, welcher sich lediglich auf die dpcrfi richtet, scharf
sondert von fxaKapiOfxö^ und cöbai^oviafüiö^, diese beiden aber als begriff-
lich identisch zusammenfallen l'ässt: i 12 p. 1101l>22 tuiv dpCoTuiv (Per-
sonen) oÖK lOTiv £iraivo^ dXXd \x€\Z6v ti kqI ßdXriov, KaOdircp kqI q>a(veTat'
ToO^ Te Tdp 6€0i)( fxaKapCJ^ofxev Kai cüöaifxovdofiev xal tuiv dvbpuiv toO(
6ciOTdTou^ (so schreibe ich). öfAo(u)^ bi Kai (d. h. oi)K fOTiv firaivoO t<!iv
dTa6uiv (Genetiv des Neutrum). oöbcU T^P Tf|v €Obaifxov(av ^iraivet KaOdircp
t6 bCxaiov, dXX* iIj^ OciÖTcpöv ti Kai ßdXTiov fxaKap(Z€i ö |üiiv yäp
£iraivo( Tf)^ dpcTf^^; (vgl. auch Rhetor. i 9 p. 1S67 ^ 34 fxaKapiafx6^ bi Kai
€ÜöaifAovta^6^ aÖTot^ (inter se) fidv TaÖTd, toOtok ö* (iiralvip xal ^TKWMiip
seil.) oü TaÖTd). Die ganze dortige Auseinandersetzung des Aristoteles
über das Yerhältniss von €ÜbaifA0v(a und dpcTf) bietet eine philosophisch
tiefsinnige Parallele zu der poetischen Entwickelung derselben Grundge-
danken in Schillers Gedicht 'das Glück*, das ja auch, nicht mit einem
£iraivo^, sondern mit einem ^aKapiafüiö^ beginnt: 'Selig, welchen die
Götter, die gnädigen, vor der Geburt schon Liebten' u s. w.
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XI Aristoteles' Dialog Eudemos 135
blossgelegt wird, welcher die gesammte Wortfolge von Z. 1 bis
Z. 11 zu Einer grossen, durch Einschaltang leicht unterbrochenen
Periode verbindet. Solche Perioden, die ja auch von Piaton so
häufig angewendet und von allen dialogischen Schriftstellern mit
grösserem oder geringerem Erfolg versucht werden, lagen wohl
dem Cicero im Sinn, als er an den aristotelischen Gesprächen
das flumen aureum orationis pries; und dass das Lob klar und
gediegen dahinströmender Rede auch unserer Stelle gebührt,
dies wird am ktlrzesten sich darthun lassen, wenn bei abermali-
gem Hersetzen der griechischen Worte das Interpolirte durch
Klammem ausgesondert und der Verlauf der Periode durch
deutliche Interpunctionsmittel angegeben wird: Trpö^ iijj) |iaKa-
0iou€ Kttl €ubal|Liova^ elvai Touq TexeXcuTTiKÖTa^ voiiiiZciv Kai tö
MicucTaaOai ti Kar* auTuiv xai tö ßXa(T<pii|ieTv oux öcTiov ib^ Kaxd
ßeXTiövuiv [fiTOuiLieea] kqi Kpeirrövwv f{br\ t€TOVÖtu)V — xal
TttOO' oÖToi^ dpxaia Kai iraXaid biareXei V€V0|Lii(T)Li^va irap' flinTv
&(TT€ TÖ TTapdirav oubel^ olbev oötc toö xpövou Tf|v dpxnv oötc
TÖv eevTa TTpüjTOv fiXX' f| TÖv fiireipov aiaiva [TUTXavoucTi bid
TeXou^ oÖTU) v€Voma|Li^va] • — irpö^ bfe bf| toutoi^ bid OTÖiiaTO^
iw T0i€ dvGpübiTOi^ 6pqi€ ^? ktX.
Es leuchtet nun wohl ein, dass irpö^ bk bf| toutoi^ blos
den Anfang der Periode Trpö^ toi ^aKapiou^ .... yo}iile\v, nach-
dem die von Kai Ta06' bis zu direipov aioiva sich erstreckende
Parenthese dazwischen getreten war, durch das nach Parenthe-
sen gewöhnliche brj wieder aufnimmt; mithin bedarf man nicht
länger eines Verbum finitum für den ersten Theil der Periode
und ist also weder genöthigt, mit dem Interpolator, f)Tou^€6a
nach ßeXTiövoiv einzuschwärzen, da oux öcTiov ebenso gut wie
€ubai|iova^ eTvai von vo|ii2:€iv abhängt ; noch ist man befugt, mit
Wyttenbach's Commentar und mit Dtlbner, den gangbaren Infi-
nitiv vo^i2;eiv für das Präsens vo|ii2;o)Li€V aufzuopfern, mag das
letztere auch von den Handschriften ttberwiegend — und was
wiegen denn Hanschriften wie die Plutarchischen, wenn es sich
lediglich um Endungen handelt? — empfohlen | sein. Denn 242
lässt man das Präsens Trpö^ tui fnaKapiou^ Kai euba(|iova^ eTvai
Tou^ TCTcXcimiKÖTaq vo|Lii2:o|Li€v gelten, so ist der Satz bei vo)Lii-
2;o|iev geschlossen; npö^ muss nothwendig sein Correlat inner-
halb dieser engen Orenzen, noch vor vo|ii2:o|iev, finden ; Kai kann
demnach nur als Steigerung gefasst werden; und man ist un-
vermeidlich dahin getrieben, Wyttenbach*s Widersinn hinsichtlich
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136 XI Aristoteles' Dialog Eudemos
des begrifflichen Verhältnisses zwischen iiaKapiouq und eubaifiio-
vaq fUr baare aristotelische Mtlnze za nehmen. Dagegen bei
dem Infinitiv irpö^ tiö ^aKapiou^ kqi eubai^ova^ €ivai tou^ t€T€-
XeuTTiKÖTa^ voiiiCeiv bleibt der Satz nach voiiiZeiv •offen; irpö^
erhält sein richtiges Correlat im zweiten Theil der Periode
durch das Verbum finitum öpql^ ; und Kai vor €ubai|Liovaq dient
als einfaches 'und' zu folgender Verknüpfung der beiden Syno-
nyma: "ausser dem Glauben dass die Dahingeschiedenen selig
und glticklich sind' u. s. w.
Bis hieher konnten wir jedweder Buchstabenänderung ent-
rathen. Und die Aenderung nur Eines Buchstabens reicht hin
um uns schliesslich von dem ungrammatischen Wortgeschleppe
TUTX«vou<Ji bia T^Xou^ oötuü vevo|Lii(T|Li^va zu befreien, welche^
seinen Ursprung dem verderbten dXXd verdankt uncf dem nun-
mehr eingetretenen, von dem Interpolator so plump ausgefüllten
Mangel eines Gegensatzes. Wird jedoch dXXct geändert zu fiXX' f\,
so rundet sich Gedanke und Ausdruck mit aliBva auf das voll-
ständigste ab ; und in oub€i^ olbev töv G^vra ttpujtov äXX' f[ töv
fiireipov aliöva tritt die etwas gehobene und eben deshalb für
diesen Zusammenhang sehr wohl passende Wendung hervor:
'Niemand kennt einen anderen Stifter dieses Glaubens als den
unendlichen * Aeon^ 1
' Wer diese durchsichtige und kaum mehr als stilistische Personi-
ficatioD des *Aeon* in einem aristotelischen Dialog befremdlich finden wollte,
der sei auf die noch ganz anders ausgeprägte Hypostasirung desselben
*Aeon' in der streng wissenschaftlichen Schrift TTepl oöpavoO verwiesen.
Aristoteles hatte dort i 9 p. 279 ^ gesagt, dass das über der höchsten Sphäre
Befindliche jeder Wandelung entrückt sei und ein Leben schönster Voll-
kommenheit führe TÖV äiravra aliliva. An das letzte Wort anknüpfend fährt
er dann (» 22) fort : kqI y^p toOto TOÖvo|iia (nämlich alidv) 0€(u)<; ?q)e€TKTOi
trapd Tuiv dpxa(ujv. t6 T^p xdXoc; t6 ircpUxov t6v tt^c; ^Kdcrrou tiufi^ xp^^vov,
oG \ir\Qiy SSu) Kard qpOaiv, alujv ^KdOTOU K^KXiiTai. xard t6v aöröv 5^ X6-
xov Kai t6 toO iravTÖc; oOpavoO rdXo^ kqI t6 t6v irdvra xpövov Kai Tfjv
diTCipCav ircpi^xov t^Xo^ alidv iaxiv, dirö toO dcl clvai clXnqpdx; Tf|v ^iruivu-
[xiay, dOdvaro^ Kai Octoc;. Ö6ev xal toI^ dXXoiq ^Si^pTTiTai, Tot<; \xäy dxpiß^-
OTCpov ToX^ 5^ djiAaupÖTcpovj t6 €lval t€ Kai Zf^v. Der erhabene Klang
dieser griechischen Sätze lässt einem empfänglichen Leser kaum noch den
Muth, daran zu denken, dass die zu Grunde liegende Etymologie so falsch
ist wie die falscheste im platonischen Kratylos. Ich wage eine- deutsche
Uebertragung : 'dieses Wort Aeon ist aus dem Munde der alten Sprach-
bildner durch göttliche Eingebung hervorgegangen. Denn der die Zeit
eines jeden Einzellebens umfassende Bereich, über welchen naturgemäss
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XI Aristoteles' Dialog Eudemos 137
5.
Aber noch immer haben wir uns durch das Gestrüppe von 243
Glossemen nicht hindurchgewunden. Von Neuem hemmt es den
Schritt Z. 10 6pqi^ ib^ Ik ttoXXuiv ^tuiv Ik iraXaioö xpövou Ticpi-
q)^p€Tai. Dass hier dx ttoXXujv djiBv und iraXaioO xpovou, mit
oder ohne das zweite handschriftlich nnbeglaubigte dx, nicht
neben einander bestehen können, ist eben so unzweifelhaft wie
es unmöglich ist zu entscheiden, welches von Beiden, als Glos-
sem dem Glossirten^ weichen mtlsse. Das englische Witzwort
prayy which of you is the interpreter findet hier im umgekehr-
ten Sinne Anwendung, da beide Ausdrücke eine gleich grosse
Deutlichkeit und Alltäglichkeit besitzen und auch dem läppisch-
sten Byzantiner keine Handhabe zu einer 'Erklärung' gewähren
konnten. Man wäre gezwangen, an eine rein zufällige Ditto-
graphie zu denken, eröffnete nicht die Annahme einen Ausweg,
dass zwar nicht Eines das Andere, aber wohl beide zusammen
ein drittes in Prosa ungewöhnliehes Wort umschreibend am
Rande erklären sollten, welches sie jetzt bei ihrem Eindringen
in den Text ans demselben ausgestossen haben. Z. B., wenn
Aristoteles geschrieben hatte öpql^ u)^ TraXaicpaTÖv ti irepKpd-
perat, so wird es begreiflich, wie dieses homerische und auch
bei den übrigen Dichtern so wie hier von alten Orakel- und
Weisheitssprüchen vorkommende Wort^Anlass gab zu folgender
Randerklärung: iK ttoXXoiv ^tOüv, iraXaioO xP<^vou XeTÖ^evov. In
der That braucht man nur die grösseren modernen | Wörter- 244
bücher s. v. iraXaicpaTO^ nachzuschlagen, um ähnlich lautende
Umschreibungen alter Glossatoren nachgewiesen zu erhalten.
Und auch die Auslassung des zweiten Ik entspricht ganz der
üblichen glossatorischen Manier. Nachdem nämlich zuerst durch
Ik itoXXOuv dTUJv der Sinn auf die allereinfachste Weise ange-
geben worden, wird iraXaioO xP<^vou noch hinzugefügt, um
nichts hinausliegt, heisst in der gewöhnlichen Sprache Aeon eiues Jeden.
Gleicherweise ist nun auch der Bereich des Weltgebäudes und der die
gesammte Zeit und den unbegränzten Raum umfassende Bereich ein Aeon,
so benannt von dem Immer -Sein (dcl elvai), ein unvergänglicher und
göttlicher. Und von da aus schlingt sich durch die übrigen Wesen, hier
kenntlicher dort getrübter, das Sein und Leben*.
Hinsichtlich des oben vorgeschlagenen äk\* fi ist es vielleicht Man-
chem erwünscht, auf die Sammlung von Kehdantz (Demosthenes' philip-
pische Reden S. 181 zu Rede vu 7) aufmerksam gemacht zu werden.
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138 XI Aristoteles' Dialog Eudemos
auch eine etymologische Analyse des glossirten iraXaicpaTov
zu liefern.
Nach der Erkenntniss so mannigfacher Verunstaltungen,
welche das gesammte Bruchstück auf seinem weiten und wohl
sehr verschlungenen Wege von der Schreibtafel des Aristoteles
bis in die jetzigen plutarchischen Codices erlitt, wird es Nie-
manden überraschen dass nun schliesslich noch in Z. l (b xpä-
Ti<JT€ TidvTujv xai |LiaKapiaTaT€ (so bei DUbner, ungewiss ob nach
Handschriften oder durch Druckfehler statt ^aKapiaTÖTaxe des
gewöhnlichen Textes) ein Schaden zurückbleibt, dessen Heilang
unsere heutigen Mittel kaum hoffen lassen. Den Glauben an
die gangbare Lesart der Ausgaben auch bei denen zu erschüt-
tern, welche nicht von selbst aus der Ueberschwänglichkeit eines
solchen Vocativs Verdacht schöpfen, ist die von Wyttenbach ver-
zeichnete Variante Aiö nep6jax KpotTiaxa Kai inaKapicTTÖTaTa wohl
vollkommen ausreichend; aber schwerlich wird sie andere als
blos umherrathende Besserungsvorschläge anregen, so lange jed-
wede Nachricht über Scenerie und Personen dieses aristoteli-
schen Dialogs wie bisher vermisst wird. Denn dass ein Vocativ
hier stand, scheint zwar sicher. Aber ob blos Adjective oder
auch Eigennamen ? Und wenn letzteres, aus welcher verwirren-
den Fülle von Möglichkeiten hätte man dann zu wählen. Wie
sich daher durch keine Vermuthung die unter dem zweimaligen
iq>r] Z. 11, 12 gemeinten Personen bestimmen lassen, so wird es
auch gerathen sein, statt jenes, glücklicherweise auf die Con-
struction einfiusslosen, Vocativs eine Lücke zu bezeichnen in
der hier folgenden Wiederholung und Uebersetzung des Textes,
deren alleiniger Zweck ist, das früher einzeln Besprochene zu
bequemerer Uebersicht vereinigt vorzulegen: |
245 AtÖTTep Trpö^ TU) ^axa- Ausser dem Glauben . . . dass
piou^ Kai eubai|iova^ eTvai tou^ die dahingeschiedenen selig und
TCTeXeuTTiKÖTa^ voiiiCeiv * Kai tö glücklich und es Sünde sei Un-
ipeutJaaGai ti Kar' auTuiv Kai tö wahres oder Lästerliches von
ßXa<J<pTi|Li€Tv * oöx ötJiov, u)^ Kard ihnen zu reden, weil sie bereits
' (vo)ia{Z:o)ia€v schreibt H. Sauppe im Philologas xix 581).
' (Vgl. lexioon rhetor. Cantabr. p. 671, 7 Pors. biKr\ xaKiiTopCa^, ^dv tk
KaKdi<; eX-nr} xivA xuiv kotoixo|ii^vu)v .... TirepelÖTi^ bi iv tiJi kotA Auj-
poO^ou (Blass fr. 117 p. 83) xiXia^ }xiv 2!ii|yiioOaOai, iäv toO<; KOToixo|iidvou^,
(pr\ai, irevTaKoa(a^ 6* iäv xoO^ ZuivTa<;>.
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XI Aristoteles' Dialog Eudemos
139
ßeXTlÖVUJV Kttl KpeiTTÖVUJV ffiX]
T€Tov6tu)V — Kai TttOG' oötu)^
dpxaia Ktti TiaXaid biareXei v€-
vo|Liia|Li€va * Tiap' fiiiTv, &are tö
irapäirav ovbexq olbcv oöt€ toO
XPÖVOU Tf|V dpX^V OÖT€ TÖV G^VTa
TipdiTov fiXX' f{ TÖV fiireipov aiujva*
— irpd^ hl bf| TOUToi^ bid <Jt6-
MQToq ^v TOiq dv0pu)7roiq 6pqi^
u)^ TiaXaicpaTÖv n* TTepicp^pexai
OpuXoufiievov.
T( toOt'; l<pTi.
KdKeTvo^ uiToXaßiöv 'Qq dpa
|Llf| T€V^(T0ai |Ll^V, f<pil, dplCTTOV
TrdvTuiv, TÖ bk T€0vdvai toO lf\y
iCTl KPCITTOV. Kttl TTOXXoT^ OUTU)
irapd Toö l>ai|ioviou |i€|iapTupTi-
Tai' ToOtO ILlfev dK€lVlfl Ti|» Mib<ji
X^TOüCTi brjTTOu ^€Td Tfiv 9r|pav
ib^ IXaße TÖV ZeiXnvöv biepui-
TIÖVTI Kai TTUVOaVOILl^Vlü, Tl TTOT^
ia-zi TÖ ß^XTlOV 2 TOT^ dvGpoiTToi^
Kai Tl TÖ TTdVTlüV alpCTlWTaTOV,
TÖ ILltv TTpUlTOV Oubtv ^GdXciV
cIttcTv, dXXd miwiräv dppdTw^'
in einen reineren und höheren
Zustand übergegangen — und
dieser Olaube hat sich bei ans
ohne Unterbrechung aus so ho-
hem Alterthum behauptet, dass
schlechterdings Niemand den
Zeitpunct seines Entstehens oder
einen anderen Stifter desselben
kennt als den unendlichen Aeon
— ausser diesem Allen, siehst
du ja wie ein alter Wahrspruch
auf allen Gassen in der Leute
Mund umfaergetragen wird.
Welchen meinst du ? sagte er.
Dass — hub jener wieder an —
gar nicht geboren zu sein zwar
das Allerbeste, Sterben aber we-
nigstens dem Leben vorzuziehen
sei. Und Vielen ist dies so von
göttlicher Seite bezeugt worden.
Unter Anderm geht ja die Sage,
als jener vielberufene Midas den
Silenos, nachdem er lange auf
ihn Jagd gemacht, endlich gefan-
gen, habe er ihn ausgefragt und
zu wissen verlangt, was wohl fttr
die Menschen das Bessere und
was da« Allervorztlglichste sei.
Anfänglich habe der Silenos gar
nicht reden wollen, sondern star-
res Schweigen beobachtet. Als
inexbt] bi 7T0T€ liöXi^ irdaav ihn |endlichMidas durch Aufbie- 246
|LiilXavf|v Mnxavwiievo^ Trpoari- tung der äussersten Mittel dahin
TdT€TO <p9€Tia(reai ti npö^ | au- gebracht, den Mund gegen ihn zu
TÖV, ouTU)^ dvaKarxdCovTa el- öffnen, habe er unter lautem Auf-
neiv *Aal)Liovo^ dmTTÖvou Kai lachen so begonnen: 'Eintags-
* <Die Worte biarcXel y€yo\xxa\xiva tilgt Sauppe an dieser Stelle, um
sie nach t6v dircipov aldiva einzuschalten).
* ^Sauppe vermuthet öp^t^ ö xi ^k itoXAoO ircpiq>. Vorher ^v von
Sauppe getilgt, öv verm. Halm. — ß^XTiorov st. ß^\TiovHercher mitMeziriac).
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140
XI Aristoteles' Dialog Eudemos
Tuxn? * Xa^€7Tfiq d<pri|Li€pov
(TTT^piia, Ti |Li€ ßidZecTGe Xctciv,
S u|Liiv fipeiov |Lif| TVÄvai; |li€t'
ÄTVOia^ fOLQ TWV OlKeilüV KttKOIV
dXuTTÖTaTO^ 6 ßioq. dvGpiüTTOl^
bk TidiiTTav oÖK fcTTi T^v^aGai TÖ
TTdVTlüV fiplCTTOVOUbt |Ll€Ta(TX€Tv *
Tf|^ ToO ßeXxitJTOu (puaeu)^. fipi-
(TTOV dpa TTätJi Ktti TTdäai^ tö
|Lif| yeviaBax. tö ili^vtoi ibieid
TOOtO Kttl TÖ TTpiIlTOV TUlV dXXcDV
dvUCTTÖV, Ö€UT€pOVi>fe^ TÖ T€VO-
^evouq d7TO0av€iv ibq TdxicJTa'.
AfjXov ouv Ojq ovar\<; KpeiTTo-
voq jf\q iv Tijj) T€0vdvai ^laxujtfi^
f\ Tf\<; Iv Ttfl lx\V OUTUJq d7T€-
(pi^VttTO.
brat des mtthseligen Geistes und
der SchicksalsDOth, was thut ihr
mir Gewalt an^dass ich sage was
nicht zu erfahren ench dienli-
cher ist. Denn in Unkenntniss
des eignen Elends verstreicht
euer Leben am leidlosesten.
Wer einmal' ein Mensch ist, dem
kann überhaupt nicht das Alier-
vortrefflichste werden, und er
kann gar keinen Antheil haben
an dem Wesen des Besten. Das
Allervorztlglichste wäre also für
euch sammt und sonders, Män-
ner wie Weiber, gar nicht ge-
boren zu sein. Das Nächstbeste
jedoch, was unter dem Uebrigen
als das Erste sich empfiehlt, an
sich aber nur die zweite Stelle
einnimmt, ist: nachdem ihr ge-
boren worden, möglichst bald
zu sterben'.
Offenbar liegt nun diesen Aus-
sprüchen die Ansicht zu Grunde,
dass das Behagen im Tode ein
höheres sei als im Leben.
' Ich schreibe TOx»!^, weil es hier die unverkennbare Absicht ist,
dem Menschen ein Elternpaar in einer männlichen und in einer weibli-
chen Pcrsonification zu geben.
' (In dem von Diogenes Laert. iii 80 ff. erhaltenen Auszug aus
Aristoteles' Aiaip^aci^ TTXaTiuviKaC heisst es § 105 aörö t6 dTaOöv ixexv
\iiv oÖK £vbdx€Tai, fxcraaxetv 5^ aöroO ^vö^xerai; und ähnlich wird von
Aristoteles £th. Nie. i 13 p. 1102^ 13 f. zwischen dem Xöxov ixov und
XÖTOU incT^xov unterschieden).
' [Schreibe tö h^vtoi ^€TÄ toOto koI irpOürov tujv dvepuüiriu dvu-
öTuiv — . Don Artikel vor irpuirov hat Madvig Adv. i 622, öcOrcpov bi
derselbe und Horcher gestrichen, dvOpudTrip dvuOTuiv vermuthete schon
Reiske].
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XII
ARISTOTELES' ELEGIE AN EUDEMOS.
Rheinisches Museum für Philologie 1878 Band xxxm S. 282—287.
Aus einer Elegie, welche Aristoteles an seinen Freand, den 232
Kyprier Eudemos gerichtet hatte, sind ein Pentameter und drei
vollständige Distichen erhalten, welche zuletzt Bergk (poet. lyr.
p. 645 der dritten Ausg.) und Rose (im fünften Band der aka-
demischen Ausgabe des Aristoteles p. 1583 * 12) folgendermaassen
drucken Hessen:
dXGüüv b' i^ kXcivöv KcKpoTTiT]^ bdTreöov
eöaeß^iü^ aejLivfj^ cpiXiri^ Ibpuaaxo ßwindv
dvbpö^, 6v oöb' alveiv loTcTi KttKOicTi Qi}xi^'
ö^ |Li6vo^ f\ irpuiTO^ 6vT]TiÄv KttT^bciSev dvapTuiq
5 olK€iuj T€ ßiifj Kai )LieOöboiai Xötujv,
ibq dToGö^ T€ Kttl eubai^uiv S|ia xiverai dvrip'
ou vöv b' fcTTi XaßeTv oubevi jaOra ttot^.
Die sechs ersten Verse sind in der edlen Einfachheit ihres Aus-
drucks und in ihrer zwar straffen, aber doch auf den ersten
Blick deutlichen Gedankenverkntlpfung jedem Tadel entrückt;
sie besagen, der, von welchem der Dichtende spricht, sei ' in das
ruhmreiche Gefilde der Kekropsstadt ^ gekommen und habe dort
frommen Sinnes einen Altar hehrer Freundschaft errichtet zu
Ehren des Mannes ^ den nicht einmal zu loben den Schlechten
> (Vgl. Krinagoras Anth. Pal. xi 42, 3 KeKpoirCii^ imßrmcvoi).
" Wer für den doppelten Genetiv Belege bedarf, findet sie bei
Matthiä gr. Gr. §380. — Von der Errichtung eines 'Freundschaftaltars*
in Bezug auf bestimmte Personen bietet auch Tacitus ein freilich trauri-
ges Beispiel annal. iv74: *aram amicitiae effigiesque circum Caesaris
(Tiberii) et Seiani oensuere (senatores)'.
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142 xn Aristoteles' Elegie an Eudemos
gestattet ist, da er als Einziger oder doch als Erster unter den
Sterblichen augenfällig durch sein eigenes Leben and durch
wissenschaftliches Wort erwiesen hat, dass der Mensch nar
233 dann | glücklich werden kann, wenn er zugleich gut ist*. Wür-
den also die Schlechten durch ihr Lob eines solchen Mannes
dessen Lehre als wahr anerkennen, so würden sie sich selbst
das Urtheil sprechen und sich für Unglückselige erklären.
Je anstossloser bis hieher der Leser fortschreitet, um desto
störender wirkt das Hinderniss, welches ihm der letzte Vers ent-
gegenstellt. Nach der gangbaren Wortfassung, die aus der ein-
zigen Quelle, welche überhaupt den Vers darbietet, nämlich aus
Olympiodor's Commentar zu Platon*s Gorgias (JaWs Archiv 14,
395) geschöpft ist, lautet er:
oö vOv b' iöTi XaßcTv oöbcvl Tauia nori.
Diese Worte können schlechterdings nicht anders übersetzt wer-
den als: 'Jetzt jedoch kann keiner jemals diese Dinge erlangen',
und da raOra sich nur auf die Adjective dyaOö^ xe Kai eubai-
^oiv des unmittelbar vorhergehenden Verses beziehen kann, so
würde Aristoteles leugnen, dass zu seiner Zeit Jemand sittlich
gut sein und in Folge dessen glücklich werden könne. Die Un-
möglichkeit, dass Aristoteles so etwas gesagt habe, erst ausführ-
lich beweisen wollen, hiesse aller verständigen Leser spotten;
und selbt wenn ein schwärmerischer Anhänger der Theorie von
der Erbsünde dem Stagiriten dergleichen anzusinnen sich mit
Freuden bereit erklären sollte, so würde ihm noch immer die
formale Logik einen starken Widerstand leisten. Denn wenn
kein Mensch jetzt gut sein kann, so ist die Lehre jenes ge-
priesenen Weisen vom Znsammenfallen der sittlichen Güte und
der Glückseligkeit eine dermaassen unbrauchbare, dass sie und
ihr Urheber das gespendete Lob nicht verdienen.
Mit vollem Recht hat daher Zeller (Philos. der Griechen
11 2, 9 der zweiten Ausg.) bei seiner Mittheilung des gesammten
Bruchstücks zu dem letzten Verse in aller Kürze angemerkt:
'hier scheint der Text verdorben zu sein'. Das Verderbniss zu
beseitigen hat jedoch meines Wissens bisher Niemand unternom-
men. Der hier vorzulegende Heilungsversuch ging von der Em-
pfindung aus, dass das Zusammenfallen von sittlicher Güte und
Glückseligkeit, welches den Angelpunkt der ganzen Versreihe
bildet und im vorletzten Verse positiv durch Sjua T'vcrai aus-
gedrückt war, mit negativer Wendung in dem verderbten letzten
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xn Aristoteles' Elegie an Eudemos 148
Verse wiederkehren musste. Denn erst dnrch eine solche ne-
gative Behauptung, dass Gltlck von Tugend nicht zu trennen
sei, rundet sich der Beweis dafür vollständig ab, dass die
Schlechten jenen 'Mann nicht einmal loben dürfen', weil sie als
Schlechte nach seiner Lehre nicht glücklich sein können.
Schwer|lich wird man nun ein Wort finden, welches diesem Ge-234
danken so genügt und zugleich den verderbten Buchstaben
OYNYN so nahe bleibt wie MOYNAH. Dieses den deutlichen
Gegensatz zu fi|ia (v. 6) bezeichnende Adverbium jLiouväE (sin-
gillatim) war durch zweimaliges Vorkommen in der Odyssee'
für immer dem dichterischen Gebrauch zugänglich gemacht;
Aristoteles durfte es mit demselben Recht wie die dichterischen
Dativformen xaKoTcTi (v. 3), )Lie66boi(Ti (v. 5) anwenden und darauf
rechnen, dass die nicht eben häufige Wortform dennoch von
allen Griechen unmittelbar werde verstanden werden, ausser
von den Abschreibern des Olympiodor. Befreien wir also den
Pentameter von der Abschreibersünde, so erhält das letzte Di-
stichon folgende an sich klare und den Gedankengang der
früheren Verse einfach abschliessende Fassung:
d)^ dnröBö^ T€ Ktti €ubal|iujv fiiia Tiveroi dvfip,
|Liouvä£ b' iöTx XaßeTv oubevi TaOra ttot^.
'der Mensch wird nur glücklich, wenn er zugleich gut ist;
getrennt jedoch kann Keiner je diese Eigenschaften erwerben'.
Nicht so kurz wie dieses Wortverderbniss wird eine sach-
liche Frage behandelt werden können, von welcher das richtige
Verständniss der gesammten Versreibe abhängt. Der Weise,
dem der Altar errichtet ward, ist in unserem Bruchstück nicht
ausdrücklich mit seinem Eigennamen erwähnt; er soll schon
dadurch kenntlich genug sein, dass er als der erste Verkünder
der eudaemonistischen Ethik bezeichnet wird. Die späteren Grie-
chen nun, welche einiges aus diesen Versen mit den willkühr-
lichsten Zustutzungen (s. S. 144 Anm. l) anführen, und auch Olym-
piodor, dem wir die vollständigste und am wenigsten verderbte
Mittheilung verdanken, nehmen Alle einstimmig an, dass Piaton
* 6 871 fxouvdE 6pxi^aaa6ai, ittei aq>i(nv oö ti^ £pi2:€v, X 417 füiouvdS
KT€ivo^dvwv im Gegensatz zu ^vl KparcpQ {)a)iA(vi]. Auch Euphorion ge-
braacht das Wort vom Zweikampf : ÖTipivOdvre^ MouvdS (Meineke, analecta
Alexand. p. 90), und noch in Manetho's Apotelesmata findet es sich 6, 157
(p. 41 der kleinen Köchly'schen Ausgabe), [oö b(xa verm. Gomperz, Wie-
ner Studien n p. 1].
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144 XII Aristoteles' Elegie an Eudemos
gemeint sei; und obwohl nichts vermathen lässt, dass sie diese
Auffassung aus anderen als den auch uns vorliegenden Versen
geschöpft haben, so sind ihnen dennoch bis jetzt alle neueren
Behandler beigetreten. Allein bei näherer Erwägung erheben
sich gegen die Beziehung auf Piaton nicht wenige und nicht
leichte Bedenken, die wohl am übersichtlichsten unter folgende
drei Rubriken gebracht werden: |
235 Erstlich: dass die Errichtung des Altars {aeiivf\<; 4p\\xr\q
Ibpuaaro ßu))Liöv y. 2) wörtlich zu nehmen sei, leidet wohl keinen
Zweifel. Eine metaphorische Deutung wttrde nicht nur gegen
die sonst in diesen Distichen herrschende Einfachheit Verstössen,
sondern sich auch übel mit euaeß^u)^ (v. 2) vertragen, da dieses
Adverbium nur dann passend erscheinen kann, wenn von Er-
richtung eines wirklichen Altars zu Ehren eines Menschen die
Rede ist und nun hervorgehoben werden soll, dass dieser einem
Menschen gewidmete Gultus blos der Ausdruck einer ^hehren
Freundschaft* war und die fromme Ehrfurcht gegen die Gott-
heit nicht verletzte. Wer hat nun aber den Altar errichtet?
Die späteren Griechen, mit Ausnahme Olympiodors, der über
diesen Punkt sich nicht äussert, haben aus unseren Versen her-
ausgelesen, Aristoteles habe ihn errichtet; und sie gehen in
ihrer Willkttrlichkeit so weit, dass sie eben aus unseren Versen
sogar eine Inschrift^ zusammensetzen, mit welcher Aristoteles
den von ihm zu Ehren Platon's erbauten Altar versehen habe.
Zeller dagegen, dem wohl alle die Sachlage Erwägenden zu-
stimmen werden, hält den Kyprier Eudemos, welchem die Elegie
gewidmet ist, auch für den Erbauer des Altars, wobei es dahin-
gestellt bleiben mag, ob der Gebrauch der dritten Person Ibpu-
(TttTO (v. 2) sich in einer jetzt nicht mehr zu erkennenden Weise
durch den Gang des vollständigen Gedichts rechtfertigte, oder
ob, nach Bergk's Vorschlag, die dritte Person mit der zweiten
ibpuaao zu vertauschen sei. Nun ist aber der Kyprier Eudemos
* Bujfx6v (oder (Jt^köv) *ApiaTOT^\ii^ IbpOaaro TÖvÖe TTXdxwvoc;,
dv6p6^, 6v oW alvctv rolai xaKolcri e^|iii<;.
Man findet die näheren Angaben und einige nicht ergiebige Varianten in
Roso's grösserer Ausgabe der Fragmente des Aristoteles S. 601. (Jacobs
hat in der appendix epigr. n. 139 aus dem Fragment der Elegie unge-
höriger Weise ein Epigramm zurechtgezimmert, indem er den Hexameter
Bui^6v 'ApiaroT^Xii^ ktX. an Stelle von Y. 1 und 2 des Fragments setzte).
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xn Aristoteles' Elegie an Eudemos 145
im Jahr 354 v. Chr. bei Syrakus in einer Schlacht gefallen
(s. Dialoge des Aristoteles S.22, 143); Piaton überlebte ihn noch
sechs Jahre; wenn also Eudemos den Altar errichtet hat, so
muss er ihn dem lebenden Piaton errichtet haben. Daös jedoch
Piaton sich zum Gegenstand einer solchen überschwenglichen
Verehrung hergeliehen habe, kann nicht ftir wahrscheinlich gelten.
Gleichartige gut bezeugte Fälle ans dem Kreise der Philosophen
in jener oder früherer Zeit sind wohl nicht nachzuweisen; denn
die einmalige Anbetung, durch welche die Selinuntier dem Em-
pedokles ihre dankbare Bewunderung für die Befreiung von
einem verpestenden Sumpf ausgedrückt haben sollen \ ist weder
mit der | Errichtung eines Altars gleichartig, noch ist die Anek- 23G
dote hinlänglich bezeugt. Nur von verstorbenen Philosophen
würde es während der guten hellenischen Zeit glaubhaft sein,
dass auch ihnen, wie anderen grossen Todten, göttliche lUiren
erwiesen worden.
Zweitens: der gefeierte Urheber der eudaemonistischen
Ethik soll nicht blos durch 'wissenschaftliches Wort* diese seine
Lehre begründet, sondern sie auch durch *sein eigenes Leben*
(oiKeiiu T€ ßiuj V. 5) bewährt und zwar 'augenfällig' (dvapTUJ^
V. 4) bewährt haben. Nun mag man Alles, was den Misswollen-
den alter und neuer Zeit in Platon's Leben Anlass zur Verun-
glimpfung gegeben hat, noch so milde beurtheilen, mag z. B.
die Ausfälle Niebuhr's (kl. Schrift. 1, 470) gegen ihn für Aus-
geburten einer überreizten politischen Sittenrichterei ansehen,
jedenfalls müssen auch die eifrigsten Verehrer Platon's zugeben,
dass seinem 'Leben', insofern es, wie in unseren Versen ge-
schieht, von seiner wissenschaftlichen Thätigkeit gesondert wird,
eine exemplificative Bedeutung schon deshalb nicht beigelegt
werden kann, weil es in seinem Verlauf und in seinem Beschluss
gar zu wenig 'augenfilllig' war. Piaton liebte es weder wie
Sokrates sich den Blicken der Menge auszusetzen und auf Markt
und Strassen für die Philosophie zu werben, noch ward ihm
Gelegenheit, seine Lehre, so wie Sokrates, durch einen der
* Diogenes Laertius 8,70: xoü^ ZcXivouvtCou«; ^Hava(iTdvTa<; irpoö-
Kuvdv Kai irpoacOxcaOai KaOaircpcl öeijp. Wer die Stelle im Zusammen-
hang liest, wird alsbald erkennen, dass in ihr von dem lebenden und
nicht, wie Hermann (gottesd. Alterth. 12, 6) annimmt, von dem verstor-
benen Empedokles die Rede ist.
Beniayi, gern, Abb»nd]. 10
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146 xn Aristoteles' Elegie An Eudemos
spätesten Nachwelt nnvergesslicheii Märtyrertod za besiegeln;
sondern nach der Rtlckkehr von seinen Reisen führte er in der
Abgeschiedenheit der Akademie ein fast klösterliches Dasein,
und er entschlnmmerte sanft im höchsten Oreisenalter.
Aber wenn auch Jemand durch irgend ein Auskunftsmittel
sich mit diesen zwei Schwierigkeiten abzufinden im Stande seiil
sollte, so wird ihm noch ein
Drittes wohl keinem Beschwichtigungsversuch weichendes
Bedenken entgegentreten. Der Weise, zu dessen Ehre der Altar
errichtet worden, ist mit den deutlichsten, auch in prosaischer
Rede nicht deutlicher zu wählenden Worten als 'der Einzige
oder doch der Erste* (^övo^ f| iipdiTO^ v. 4) bezeichnet, welcher •
das Znsammenfallen von sittlicher Gtlte und Glückseligkeit ge-
lehrt habe. Wie schwer es nun auch in vielen Fällen sein mag,
237 das I eigenthümliche Gedankengut des nur mtlndlich lehrenden
Sokrates aus den Znthaten und Umbiegungen der sokratischen
Schulen herauszuerkennen, so kann doch über den hier in Frage
kommendi&n Punkt unter Kundigen kein Zweifel herrschen. Nie-
mand wohl wird den eigentlichen Kern der persönlichen Lehre
des Sokrates in etwas Anderem erkennen wollen als gerade
darin, dass er die drei Begriffe: Weise, Gut, Glückselig für ein
unum in trino erklärt hat; und die sokratischen Schulen ent-
wickeln sich aus Sokrates, indem sie von den drei Elementen
dieser einheitlichen Trias, welche Sokrates im Gleichgewicht
erhalten hatte, bald das eine bald das andere überwiegen lassen.
Wenn daher Aristoteles den Eigennamen des gemeinten Weisen
zu nennen unterlässt, weil er ihn kenntlich genug dadurch zu
machen glaubt, dass er ihn als den 'einzigen oder wenigstens
ersten* Lehrer der unzertrennlichen Verbindung von sittlicher
Güte und Glückseligkeit^ bezeichnet, so kann der gemeinte
Philosoph auch nur Sokrates, und nicht, wie bisher an-
genommen wurde, Piaton sein.
Sobald nun die Beziehung auf Sokrates ^ erkannt ist, wird
> Das dritte Element der sokratischen Trias, die Weisheit, konnte
Aristoteles hier nicht erwähnen, weil die Worte 6v oW alvctv xotoi Ka-
Koicri Qiixi<i (v. 8) den Ausgangspunkt der folgenden Versreihe bilden,
mithin in ihr nur der Gegensatz zu kukö^, nfimlich dyaOö^ in seiner
Verknüpfung mit €Ööa(^wv, einen passenden Platz fand.
^ Kaum braucht es wohl ausdrücklich gesagt zu werden, dass auch
das Yerhältniss des Eudemos als Genossen der Akademie zu Sokrates als
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xn Aristoteles' Elegie an Eudemos 147
ancb die Hindeutung auf dessen vorbildliches Leben (okeiiu ßiiu
y. 5) ebenso begreiflich, wie Eudemos' Errichtung eines altar-
förmigen Denkmals zu Ehren des todten Stifters der griechi-
schen Ethik alles AufiTällige verliert.
Es ist schwer abzusehen, auf welche Weise die obige Dar-
legung selbst durch eine unerwartete Auffindung der vollständi-
gen Elegie des Aristoteles hinsichtlich des wesentlichsten Punktes,
nämlich der Beziehung auf Sokrates, sollte erschüttert werden
können. Eeinenfalls jedoch wird man, so lange nur das in
allen seinen Theilen auf Sokrates hinweisende Bruchstück
vorliegt, aus demselben Schlüsse über das Verhältniss sei es
des Eudemos oder des Aristoteles zu Piaton ziehen dürfen, wie
dies bisher vielfach geschehen ist.
dem geistigen Ahnherrn dieser Schule füglich eine cr€)iAvf| q>iX(a (v. 2) ge-
nannt werden durfte. Auch in der jüngst zu Olympia gefundenen Inschrift
der Bildsäule, welche Eumolpos, der Enkel von des Sophisten Gorgias
Schwester, diesem seinem Grossonkel, doch schwerlich noch bei dessen
Lebzeiten errichtete, lautet der Schluss: elxöva Tr|vb' dv^OriKCV Aiaaüjv,
iraibeia^ xal (piX(a^ ^vcko (Archäol. Zeitung Jahrg. 35, 1677 S. 43; Kai-
bel epigr. gr. p. 534 n. 875 a).
Bonn, December 1877.
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xm
AUS AEISTOTELES' SCHKIFT
HEPI *IAOZO«DIAZ.
Hheinisches Museam für Philologie 1868 Jahrg. xvin S. 148 f.
An Herrn G.-R. Brandis.
148 In Ihrer Geschichte der Griechisch -Römischen Philosophie
(ll 2 S. 83) haben Sie, hochverehrter Freund, meiner vor vielen
Jahren mündlich mitgetheilten Bemerkung, dass der Katalog
aristotelischer Werke bei Diogenes Laertius (v 22) zu Anfang
eine ununterbrochene Reihe von Dialogen aufftlhre, für die
meisten in Frage kommenden Titel ohne Einschränkung beige-
stimmt, und für die dreibändige Schrift TTepl (ptXocTocpia^ we-
nigstens so weit, dass Sie die frtlher angenommene Identität
derselben mit TTepi t&tc(6o0 zurücktreten lassen vor der grösse-
ren 'Wahrscheinlichkeit', dass es eine * populär geschriebene*,
von TTcpl TdTctOoO verschiedene Schrift gewesen sei. Nach Ihrem
Vorgange hat dann Zeller (Philosophie der Griechen n 2 S. 59),
hauptsächlich auf Grund des stofflichen Inhaltes der ihm be-
kannten Bruchstücke, welche jedoch entweder nicht wörtlich
oder, wie die bei Cicero vorfindlichen, nicht griechisch über-
liefert sind, sich dahin geäussert, dass man *recht wohl an einen
Dialog denken könne*. Heute, da ich wieder auf diese Dinge
geführt werde, fällt mir ein von Ihnen und Zeller nicht benutztes
Bruchstück in die Hände, welches griechischen Wortlaut des
Aristoteles darbietet und geeignet scheint, die zugestandene
'Denkbarkeit' und 'Wahrscheinlichkeit* durch stilistische That-
Sachen zur Gewissheit zu erheben. Ich fand es in Ihrer Schrift
De perditis Aristotelis libris, durch welche Sie vor nun vierzig
Jahren den damals vernachlässigten aristotelischen Studien einen
bis auf den heutigen Tag so kräftig fortwirkenden Anstoss
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xm ArisioieleB irepi cptXoaocpiaq 149
gegeben haben. Dort (S. 47) theilen Sie ans dem leider noch
immer nngedmckten^ Commentar des Syrianos zur Metaphysik
xm9 p. 1086» 18 Folgendes mit: |
6ti Kai auTÖ^ [Aristoteles] öjioXoTeT \xr\Qkv elpriK^vai npö^ rdq 149
dKcivuiv [der Platoniker] xmo^iaeiq, iir]b' öXiuq TrapaKoXouGeiv
ToT<; elbriTiKoT^ dpiejucT^, eTnep ?T€poi tujv jLtaOriiLiaTiKUJV eTev,
jiapTupeT TOI dv tiij ß' tiöv TTepl xf^^ (piXocroipia^ fxovia
5 TOUTOV TÖV TpÖTTOV ficTTE cl fiXXo^ dplOjiÖ^ a\ Ib^ttl }xi\
^aOrmaTiKÖ^ bd, oubejuiav uepl aÄToO auvOeaiv ?xoi-
^€v. öv Ti^ Top Tujv T€ nXetaruiv fimSv avv\r\axv fiX-
Xov dpiO^öv. ujcTie Kai vOv [in der Metaphysik] ix; npö?
TOU^ TTOXXOU^ TOU^ OÖK clbÖxa^ äXXoV f\ TÖV ^ovabiKÖv dpiOjLiöv
10 TreTTOiTiTai loi)^ dX^TX^^?? Tf|^ hk rdiv Oeiujv dvbpwv biavoia^
oubfc Tf|v dpx^v d(priv|iaTO.
Das von Ihnen in der Note erwähnte sinnlose Latein des
Bagolinns (Square si alius numerus sunt ideae sed non mathema-
ticnSy nnllam de ipso compositionem habeamus, si quis ex pluri-
mia nostrum alium numerum cognos.cit*) zeigt dass dieser Ueber-
setzer die aristotelischen Worte (Z. 5—8) in derselben Verder-
bung gelesen hat, in welcher sie Ihnen vorlagen und in solchem
Znstande 'lückenhaft' erschienen. Gestatten Sie mir jedoch in
(njvOemv (Z. 6) ^inen Buchstaben zu streichen und ausserdem
nur noch die überall erlaubten Accent- und Interpunctionsän-
derungen' vorzunehmen, so gewinne ich folgenden lückenlosen
und fehlerfreien Zusammenhang : (!)(Tt€ ci dXXo^ dpiOjidc a\ Ibdai
\ii\ }iaQr\iiaTXKÖq bd, oöbejiiiav irepl auroO auveaiv ^xo^M^v fiv.
Ti^ tdp Tiüv T€ TrXdaTiüV fijiwv auvincTiv dXXov dpiO^öv; *Wenn
also die Ideen nicht mathematische sondern andersartige Zahl
sind, so können wir wohl keinerlei Verständniss von ihr haben.
Denn wer, wenigstens von den Meisten unter uns, versteht eine
andere Zahl?'
* [Jetzt vollständig heraasgegeben im fünften Band der von der
Berliner Akademie veranlassten Aristotelesausgabe, wo die fragliche Stelle
sich p. 922 » 10 findet].
' Diese Accent- und Interpunctionsanderungen macht, wie ich nach-
traglich sehe, auch Trendelenburg (Piatonis de ideis et numeris doctrina
p. 76), von dessen sonstiger Behandlung dieser Stelle ich in allen Punkten
abweichen muss. [Hergestellt war die Stelle schon von Brandis selbst in
der 1837 erschienenen Specialausgabe der *Scholia graeca in Aristotelis
Metapbysica* p. 322, 7—9].
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150 xm Arisioteles irepl q>iXoaoq>(a^
Ist di^se Schreibang die richtige, so braucht es Ihnen ge-
genüber nicht erst weitläufig ausgeführt zu werden, dass die
behagliche Fülle des Ausdrucks, mit welcher das Verbum (Tuvin-
mv im zweiten Satz dem Substantiv oiivecnv des ersten ange-
schlossen wird, dass ferner die fragende Satzform Ti^ t^p ktX.,
und dass vornehmlich die Wendung toiv T€ TrXeiarujv fmwv von
Aristoteles' Schreibweise in den streng wissenschaftlichen Wer-
ken eben so scharf absticht, als alle diese stilistischen Nuancen
vortrefflich zu einer dialogischen Form stimmen, welche sonach
ftlr die Schrift TTepl (p\\oao(p\aq von sprachlicher wie von sach-
licher Seite her als gesichert und als weiterer Beweis fUr jene
Bemerkung gelten darf, dass an der Spitze des Katalogs bei
Diogenes die dialogischen Schriften stehen.
Breslau, 16 November 1862.
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XIV
zu ARISTOTELES UND CLEMENS.
Symbola philologorum Bonnensium in honorem Fr. Ritschelii collecta
Lipsiae 1864 fasc. prior p. 301— S 12.
Das dritte Bach der Nikomachischen Ethik beginnt mit 303
einer Abhandlung über freiwilliges und unfreiwilliges Thun.
Nachdem im ersten Gapitel die Gewalt (ßia) als erste Ursache
des Unfreiwilligen besprochen und ihr BegriflF auf den physi-
schen Zwang beschränkt worden, wendet sich das zweite Gapitel
zu der andern Ursache^ dem aus Unwissenheit (äirvoia) ent-
springenden Irrthum. Aristoteles setzt hier auseinander dass
nicht durch eine das Allgemeine betreffende Unwissenheit,
welche Unrecht mit Recht, Schädliches mit Erspriesslichem ver-
wechselt, die That zu einer unfreiwilligen, also entschuldbaren,
werde ; eine solche Verdunkelung des Geistes und des sittlichen
Bewusstseins sei vielmehr die wahre Quelle aller schlechten
Thaten; sondern nur die specielle (Kaö' JKaaia) Unwissenheit,
in welcher sich der Handelnde hinsichtlich der einzelnen seine
That bedingenden Umstände befunden hat, giebt ihm ein Anrecht
auf milde Beurtheilung; error iuris, wie die römischen Juristen
sagen, entschuldigt nicht, sondern nur error facti. Diese facti-
sehen Irrthümer zählt Aristoteles sodann in folgender Katego-
rientafel auf: sie betreffen 1) das handelnde Subject; 2) den
Stoff der Handlung; 3) das Gebiet oder Object der Handlung;
4) das Mittel der Handlung, z.B. das Werkzeug; 5) die Absicht,
z. B. man thut etwas um Jemanden zu retten ; 6) die Modalität,
z. B. gelassenes oder heftiges Verfahren (ti^ . . . kqi li Kai Tiepi
Tl f| iy TlVl TTpOtTTCl, lvi0T€ bk Kttl TlVl, OIOV ÖpTOtVlU, Kttl ?V€Ka
rivo^, oTov (Tuinipia^, xai ttoi^, olov i^p^ina f{ (yq)6bpa p. Uli*
3—6). Die aufgeführten Kategorien sollen nun durch eine Reihe
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J
152 XIV Zu Aristoteles und Clemens
thatsächlicher Fälle erläutert werden, welche in Bekker's (p. 1111
6—18) Text folgende Gestalt hat:
&7ravTa jifev ouv laöTa oub€i^ öv ÄTVorjaeie }ii\ ^aivöjiievo^,
bnXov b' ibq oubfe TÖv TTpdTTOvra' ttw^ yap ^auTÖv T€; 8 bfe
TrpdxTei, dTVorjCTciev fiv ti?, oTov X^tovt^^ cpamv iKneaeiv
auTOÜq, i\ ouK elb^vai 8ti dTröppTixa fjv, Cbaiiep AlöX^Xo^ t&
5 ^u(TTiK<i, f{ beiHai ßouXöjiievo^ dcpeivai, ix; 6 töv KaiaTr^XTiiv.
olTiOein b' äv Ti^ Kai töv utöv noX^iiiiov eTvai ujcTTTep fi Me-
pÖTTTi, Kttl d(yq)aipuJ(T6ai tö XcXotxw'M^vov böpu, f\ töv X(6ov
Kiaanpiv eTvai ' xai dirl cyuiTTjpiqi naicra^ diroKTeivai äv * xal
beiHai ßouXöjuievo^, ujcTTrep ol dKpoxeipiCöjuievoi, TiaTdEeiev äv.
10 7r€pi irdvra bf| TaOxa tti^ dtvoiaq oöori^, dv ol^ f| npSfe^, 6
TOUTwv Ti dTVOi'iaa^ äkiüv boK€T ireTTpax^vai Kai jnaXicTTa dv
ToT^ KupiiüTdTOi^ ' KupiuixaTa b' elvai boK€i iv ol^ fi TrpäHi?
Kai o6 Sv€Ka. |
304 Man erkennt alsbald dass die Abfolge der Beispiele genau der
Ordnung der Kategorientafel entspricht. An der Spitze steht
Z. 1 eine Bemerkung über 1) das handelnde Subject. Jeder
seiner Sinne mächtige Mensch weiss ob er oder ein Anderer der
Thäter der fraglichen That ist ; diese erste Kategorie ward also
nur der formalen Vollständigkeit wegen mit aufgezählt; prak-
tisch ist sie* bedeutungslos. — Um so häufiger sind die Irr-
thümer, welche 2) den Stoff der Handlung betreflfen (Z. 2—5).
Man spricht in unbewachten Augenblicken, ohne zu bedenken
was man spricht, und sagt dann zur Entschuldigung, "es sei
Einem ' entfahren'. Oder, man verräth ein Geheimniss, gesteht
* Sie fehlt daher auch im fünften Buch, wo in der Abhandlung
über Gerechtigkeit die hiesige Auseinandersetzung kurz recapitulirt wird :
c. 10 p. 1135» 23 \if\x} h' ^KoOatov ju^v, Cbanep KalirpÖT€pov clptirai, 6 äv
Ti^ Tduv iqp* aÖTtp ÖVTUJV elöüb^ xal \xi) dTvoOöv Trpdmj ixi\T€. 6v ytiyze »Jj
|Li/|T€ oO ^v€Ka, wo uach Andeutung einer der besseren Handschriften wohl
lufiTC 6 (der Stoff der Handlung) vor oder nach fiif|T€ 6v einzufügen ist;
weiterhin 1135 ^ 12 lautet die einstimmige üeberlieferung : xd lu^v |üI€t'
dTvokx^ &|üiapTy|iuaTd Iotiv, öxav iuif|Te 6v |üif|T€ 6 |Lif|T€ Cji niyze oö 2v€Ka
Oir^aße irpdSr). An diesen beiden Stellen ist ferner zur Bezeichnung des
Gebiets und Objects der Handlung statt des deutlicheren und begrifflich
schärfereu Ausdrucks irepl t( fj iv xivi der kürzere einfache Accusativ öv
gewählt, trotzdem er sich in die Construction von irpdxxeiv nicht recht
fügen will.
^) Dass Z. 3 f. ^Kircoetv aOxol^, nicht das von Bekker beibehaltene
aöxoOg, das Richtige ist, hat schon Dionysius Lambinus gesehen. Auch
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xiY Zu Aristoteles und Clemens 163
daDD zwar dass man die gesprochenen Worte habe sprechen
wollen, behauptet jedoch, nicht gewnsst zu baben dass es ein
Geheimniss ^ sei, wie Aeschylos dies von den mystischen Dingen
sagte, als man ihn beschuldigte sie verrathen zu haben. Oder,
nicht bloss die Tragweite der Handlung ist dem Handeluden
Ycrborgen — sei es durch augenblickliche Unbedachtsamkeit,
wie in dem ersten, oder durch dauernde Unkenntniss, wie in
dem zweiten der erwähnten Fälle — , sondern die Handlung
selbst geschieht, obzwar materiell durch den Menschen veran-
lasst, doch gänzlich ohne sein Wissen und Wollen ; wie in dem
Falle, wo Jemand damit* beschäftigt war, den Bau | eines Ea-S05
Eustratios muss den Dativ vor sich gehabt haben. Seine Umschreibung
lantet (p. 40 »): otov, X^tovtö^ )üiou tliit^aiv |üioi toioOtov Mm«-
^ Zn dem Infinitiv Z. 4 oök €lödvat ort diröppv^ra fjv ist aus dem
Vorhergehenden X^TOVT^g q)aai zu wiederholen, und Aristoteles meint
also Leute, die durch gesprochene Worte ein Geheimniss verrathen.,
Dennoch lässt sich auf diesem Wege zu keiner Entscheidung über die
vielverhandelte Frage gelangen, ob in dem Wortinhalt oder nur in dem
Costüme aeschyleischer Dramen Entlehnungen aus den Mysterien erkannt
worden seien. Denn das Beispiel düoirep AloxOXo^ (^9n) '^^ inuariKd (oök
clbdvai) braucht nur im Allgemeinen das Nichtkennen der geheimnissvollen
Natur eines Gegenstandes erläutern zu sollen. Aber als eine allerdings
nnabweisliche Folge aus der Satzverbindung dieser aristotelischen Stelle
ergiebt es sich dass Aeschylos die mystischen Dinge überhaupt nicht ge-
kannt hat, also gar nicht eingeweiht gewesen ist.
' Zu Z. 6 ö t6v KaTairdXTTiv ist aus dem vorhergehenden cpaaiv
(Z. 8) das hier unentbehrliche l(pr\ zu entnehmen. Denn nur wenn die
Worte Z. 5 bctHai ßouXöjuevoq dqpelvat die von einem Angeklagten selbst
vorgebrachte Entschuldigung enthalten, lässt sich nach dem bekannten
grriechischen Sprachgebrauch der Nominativ beim Accusativ erklären. Ari-
stoteles spielt also hier auf einen bestimmten Griminalfall an, welcher, als
er seine ethische Vorlesung hielt, den Athenern noch frisch im Gedäoht-
iiiss war. — Trotz der grossen Fortschritte, welche die militärische Me-
chanik in der Diadochenzeit und bei den Römern gemacht hatte, war man
sechshundert Jahre nach Aristoteles noch nicht dahin gelangt, sich gegen
ahnliche Unfälle, wie der hier von ihm erwähnte, bei den Katapulten zu
sichern. Ammianus Maroellinus zeichnet in seiner Schilderung von Kaiser
Julians Belagerung der persischen Stadt Maozamalcha (Königsburg) fol-
genden Fall auf (24, 4, 28) : 'nostrae partis arohitectus, cuius nomen non
8upp«tit, post machinam scorpionis forte adsistens reverberato lapide,
quem artifex titubanter aptaverat fundae, obliso pectore supinatus pro-
fudit animam, disiecta compage membrorum adeo, ut ne signa quidem
totias corporis noscerentur'.
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154 XIV Zu Aristoteles and Clemens
tapalts einem Andern zu yerdentlichen ; er berührte dabei das
Triebwerk, und das unversehens fortgesehneilte Gesehoss tödtete
einen Nebenstehenden. — Zar Erlänterung des Irrthums welcher
3) d{is Object der Handlang betrifft, genügt dem Aristoteles
die Hinweisang aaf ein einziges, den griechischen Theater-
freunden und den Lesern von Lessings Dramaturgie (St. 36—50)
gleich wohlbekanntes Beispiel (Z. 6), nämlich auf die Glanz-
scene des euripideischen Dramas Kresphontes, in welcher Me-
rope an das Lager des fremden Jünglings tritt, welchen sie für
den Mörder ihres als Knabe von ihr getrennten Sohnes hält,
während es ihr Sohn selbst ist; sie kommt mit dem Vorsatz
ihn zu tödten, hat schon die Axt gegen den Schlafenden erho-
ben und wird an der Führung des tödtlichen Streiches nur durch
die eben noch rechtzeitige Dazwischenkunft eines alten Haus-
dieners gehindert, welcher während der Trennung den Verkehr
zwischen dem Sohne und der Mutter vermittelt hatte und diese
über ihren Irrthum aufklärt. — Die folgende Kategorie 4) des
Werkzeugs veranschaulichen dann wieder zwei Beispiele
Z. 7, 8; in dem ersten betrifft der Irrthum die formale Be-
schaffenheit des Werkzeugs: bei Fechtübungen meint Jemand
306 ein Rapier^ in Händen zu halten und | es stellt sich heraus
^ Ich gebrauche diesen Ausdruck um so unbedenklicher, als die
griechische Weise, Uebungswaffen durch Aufstecken eines Knopfes oder
Balles (acpoßpa) unschädlich zu machen, bei den modernen Stossrapieren
fortbesteht. Die eingehendere sachliche Erklärung der aristotelischen
Stelle wird man hier gern in Joseph Scaligers Worten lesen ; er hat sie in
der jetzt so schwer zu findenden Schrift gegeben, die er als Yvo Yilliomarus
gegen Robertus Titius richtete (5, 11 p. 102) : * Aristoteles: olnOcivi b* dv xiq
Kai TÖv uiöv iroX^^tov €Tvai ÜJOirep fj tA€p6wt\, kqI £oq>aipuia6ai t6 XcXot-
XUJ]udvov ööpu. Delenda vox ööpu. Quod autem nihil penitus in his vi-
deris [Titius hatte ^aq>aipu)fi^vov böpu für gleichbedeutend mit ocpaipoetb^^
erklärt], ego rem tibi auctorem dabo. Gampidoctores et exercitores, qui
iuventutem gladiis depugnare dooenti pila buxea aut ebumea et plurimum
alutacea mucrones gladiorum muniunt ne laedant. £ae pilae tam in Italia
quam hie in Gallia Botones [hottone, bouton] vocantur. Graeci ocpdlpav
dicunt. Clemens [in der später vollständig mitzutheil enden Stelle] : toO
böpaxo^ diroßaXövTOi; Ti\v aqpatpav. Polybio dicitur ^inoqpatpiov lib. x
[30, 8] : |Liaxatpo]uax€tv EuX{vai<; lOKUTWiLi^vaK M^t' liriOcpaipCujv ^axoCpai^.
Similiter hastarum Xötx<x^ praemuniebant, a quo vocabant ^ocpaipwfi^va^.
Ibidem Polybius : toö<; bi Tot<; ^OqpatpuJim^voK fpöötpoi^ dKovriZciv. Livius
[26, 51] ad verbum haec vertens dixit : praepilatisque misaüibus iaculaH
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XIV Zu Aristoteles und Clemens 155
dass es eine scharfe Waffe ist. Oder der Irrtham betrifft die
materiale ßeschaffenheit: es wirft Jemand mit einem Stein,
den er für lockeren Bimstein hielt, aber er erweist sich als ein
schwer schädigender Feldstein. — Wie nun in den bisherigen
vier Fällen die Reihenfolge der Beispiele genau zu den Num-
mern der Kategorientafel stimmte, so giebt sich auch das letzte
Beispiel Z. 9 — zu welchem wir mit vorläufiger üebergehung
des vorletzten uns wenden — sogleich zu erkennen als eine
Verdeutlichung der letzten Kategorie 6) der Modalität, des
gelassenen oder heftigen Verfahrens. Bei der Art des Ringens,
in welcher die Kampfregel nur den Gebrauch der Fingerspitzen,
also nur ein vergleichweise gelindes ^ (i^p^ina) Anfassen verstattet,
sunt. Ergo ^aq>atpu)]udvoi TP<^<^90t sunt praepilata missilia. . . . Ergo verba
Aristotelis ita verte : Etiam alias filium hostem existimaverit et cuspidem
praepilatam esse. Recte autem tö höpv expunximus, quia toO ööparoq tö
XeXoTXUJM^ov solet praepilari xal lacpaipdiaOat. Sic etiam apud Xenoph.
[de re equestri 8 § 10] lacpatptuju^va ^xujv dKÖvrta Kai böpu diaa^TUj^
ir€irpaT]uaT6U|uidvov, verte: missilia gestans et hastam utraque praepilata'.
Dass Scaligers Grund für die Streichung von böpu keineswegs zwingend
ist, braucht kaam hervorgehoben zu werden. Wie eben die Stellen des
Polybios und Xenophon beweisen, kann die gesammte Waffe ^(Tq>aipujfidvov
genannt werden, obgleich der Ball nur auf die Spitze gesteckt ward [vgl.
Aristonikos zu IL TT 810 la<paipuu)üi^voK ööpaai xpu'fi^vou<;, und nachher als
Gegensatz oök iitl |li€X^tti^]; und XeXoTXvufi^vov musste Aristoteles hinzu-
fügen, weil der Irrthum in der Verwechselung des scharfspitzigen mit dem
unschädlich gemachten Speer besteht.
^ Dass Z. 9 betSai ßouXöiüievo<; düaircp in dem hiesigen Zusanunen-
hang keinen Sinn giebt, kann keinem wachen Leser entgehen ; und eben
so deutlich liegt der Anlass des Verderbnisses zu Tage in dem Abgleiten
des Auges auf die früheren Worte Z. 5 belEai ßouXöjucvo^ dcpclvai. Turne-
bus (bei Lambinus) will in einigen Handschriften GlSai gefunden haben,
und Bekker verzeichnet allerdings öiHai aus einer seiner besseren Hand-
schriften M^, jedoch nicht für betSai in Z. 9 sondern in Z. 5. Der Ver-
stoss gegen den strengen Atticismus, welchen OtHat statt OtTctv ergeben
würde, lässt zwar diese Lesart noch nicht als eine für Aristoteles unmög-
liche erscheinen. Aber da das Verderbniss offenbar durch das zweimalige
ßouXÖMCvo^ herbeigeführt ist, so brauchen die Besserungsversuche hier so
wenig wie bei anderen Arten von Homoeoteleuton ängstlich an die Buch-
stabenzüge sich zu heften, und so gut wie OiEai könnte man ein anderes
dem Zusammenhange gemässeres Wort, etwa ni^aai, für das ursprüngliche
halten. — Wie wenig die Künstler des dKpox€ipia|Liö^ sich zuweilen auf
eine blosse 'Berührung* beschränkten, zeigt die Erzählung bei Pausanias
VI 4, 1, wo es von dem Sikyonier Sostratos heisst : liT{KXr)ai<; bä r\v dxpo-
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156 ziY Zu Aristoteles und Clemens
fährt Jemandem die Hand aus und er versetzt einen heftigen
((Tq)6bpa) Schlag. — Unzweifelhaft mnss nun auch das vorletzte
Beispiel Z. 8 Kai IttI auüTTipiqi naiaaq diroKTcivai &y sich auf die
vorletzte Kategorie 5) der Absicht beziehen, wie in ihm ja
wirklich das ^ort (Turriipia wiederkehrt, welches in der Kate-
gorientafel an der entsprechenden Stelle (oö IvcKa, otov (Jwtti-
pia^) gebraucht war. Aber wie soll man es sich denken, dass
Jemand, der 'zur Rettung schlägt*, wider seine Absicht tödtet?
Folgt paan dem natürlichen Zug der griechischen Wortverbin-
dung, so mttsste es der Geschlagene sein, dessen 'Rettung'
beabsichtigt wird. Jedoch, ward je Jemand durch Schläge
'gerettet*? Die plagosi Orbilii wtlrden freilich auf eine solche
Frage antworten: verwahrloste Knaben; und Obertus Gifanius,
dessen Gommentar sonst zu dem Besten gehört, was die herme-
neutische Litteratur für Aristoteles aufweist, hat sich wirklich
durch die Noth dahin drängen lassen, die fraglichen Worte fol-
gendermaassen zu umschreiben: 'si quem castigandi causa
et emeüdandi percussum interficias*. Heutzutage braucht man
schwerlich viel Worte darüber zu machen, däss höchstens im
ekklesiastischen, aber nimmermehr im antiken, also auch nicht
im aristotelischen Griechisch eine bloss sittliche 'Rettung'
807 durch I (TiiüTiipia schlechthin bezeichnet werden kann. Mit der
Rettung des Geschlagenen kommt man also nicht zum Ziele.
Und eben' so wenig würde gefördert, wollte man unter gewalt-
samer Verrenkung der Wortverbindung dnl (yujvf\piq. für iiA auj-
TTipiqi airoO, wie Aristoteles bei einer verwandten Gelegenheit*
schrieb, nehmen und den Schlagenden selbst für den zu
Rettenden halten. Denn ein Angegriffener, der sich seines
Lebens zu wehren hat und deshalb um sich schlägt, muss, wenn
er auch nicht die unmittelbare Absicht den Gegner zu tödten
XCpairn^ aöriji • Xa^ßav6lLi€vo^ yäp dxpiuv xoO dvTaTUiviZoji^vou xüiv X6ipiX»v
^xXa Kttl oö irp6T€pov dviei irplv f\ atöOoiTO diraTopcOaavTog. Mit der
Form des Beinamens dKpox€pa{TT)g statt dKpox€ipi(TTf|^ war wohl eine
witzelnde Anspielung auf das Ethnikon der Stadt Xcpaövriao^ beabsichtigt,
deren Namen im abkürzenden Yolksmunde schon vor der byzantinischen
Zeit Xepauüv gelautet haben mag.
^ p. 1110 & 9 nachdem von den IxßoXal Iv rot^ x^^M^^^^^ ^Ü^ Rede
war: dirX(£i<; fi^v fäp oöÖ€l^ diToßdXX€Tat ^kUüv, ^iri owTr\piq, b' aÖToO
Kai TiXiv Xotirdiv (der übrigen Passagiere auf dem gefährdeten Schifif)
diravTcg ol voOv ?xovt€^.
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. ziY Zu Aristoieles and Clemens 157
hegt, doch an die Möglichkeit eines solchen Ausganges denken,
ohne dass er darum von der Nothwehr abstehen kann. Es würde
demnach das Beispiel unbrauchbar werden zur Erläuterung des
den Zweck unbewusst verfehlenden Irrthums (äirvoia). Und
wollte man zu noch gezwungeneren Annahmen greifen und
sagen, der etwa von einem nahen Verwandten Angegriffene
war entschlossen unter allen Umständen nur leicht zu schlagen,
und wider seinen Vorsatz schlug er tödtlich, so würde dieses
Beispiel, da es sich jetzt ja bloss um den Unterschied des ge-
linden und heftigen Schiagens handelt, begrifflich identisch
werden mit dem folgenden, vom Ringen entlehnten, welches die
Kategorie der Modalität erläutern soll, und die Kategorie der
Absicht, welche doch Aristoteles ausdrücklich als eine der we-
sentlichsten (KupudraTtt Z. 12) hinstellt, wäre mit gar keinem
Beispiele versehen.
Wo alle Mittel und Künste der Erklärung so wenig ver-
fangen, ist die Vermuthung eines Textesschadens wohl udab-
weislich. Und in der That genügt die Streichung öines Buch-
stabens zur Beseitigung jeglichen Anstosses. Wird nämlich das
a aus 'nalaaq entfernt, so tritt in -niaaq der Aorist von 7ri7ri(TK€iv,
dem Factitivum von niveiv, zu Tage, welches bei Hippokrates *
als gewöhnliches Wort für das Eingeben von Heiltränken vor-
kommt und durch die hippokratischen Schriften gewiss lange
in ärztlichen Kreisen eingebürgert blieb, nachdem es aus der
Umgangssprache bereits verdrängt' war. Sonach redet Aristo*
* Erotianus p. 304 Franz [108, 12 Klein] TriniOKOvra, TroTttovxa;
Hesychius ittaat, iroTiaat. Die Belege aas Hippokrates finden sich bei
dem flüchtigsten Blättern haufenweise zusammen ; ich verzeichne hier aus
einer beliebig herausgegriffenen Partie der Schrift ircpl töitujv tiXiv kot'
dvOpumov die innerhalb dreier Van der Linden'schen Seiten (Vol. I p. 88S —
88B) vorkommenden: c. 33, 11 <pdp^aKOv iriirCöKOVTa (xpi^ läaem); c. 34,2
Cvöo6€v OcpjüiavTfipia cpdp^aKa iriirCaKOVTa biaOcp^aCveiv ; c. 88, 7 fjv }xi\
iraOiiTtti, <pdp^aKOV irlaai xo^HT^W; 9 ixr\b^ ?uj^ äv tö aüöfia OdXXri, iri-
ir(OK€tv q>dp|üiaKOV .... iirf|v bi l(Jxv6^ ij irnrlaKeiv; c. 39, 8 toOtov xp^
cpdpfiaKov irtoai. — Für den Gebrauch des Wortes im älteren Atticismus
zeugt die von den griechischen Grammatikern neben der pindarischen
(Isthm. 5, 74 iriaui a<p€ Aipxa^ äf^bv ßbwp) angeführte Stelle aus Eupolis*
Demoi Fr. 24 Mein.
* Zu Lukians Zeit war es bereits so ungebräuchlich, dass er es
seinem Lexiphanes in den Mund legen konnte : c. 20 oök otb' 8 Kai bpAaeji
M€, dl IiJtnroXi, cö t€ xal AuKtvo^, iriiri(JK0VT€<; toutouI toO q>ap|LidKou.
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158 XIV Zu Aristoteles and Clemens
teles in den Worten Kai dni awTiipiqi ixiaaq dTroKieivai fiv von
808 einem Arzt, der 'um den Kranken zn | retten ihm eine Arznei
eingegeben, ihn jedoch durch dieselbe getödtet hat'; und dieses
Beispiel flir einen die Absicht aus Unwissenheit verfehlenden
Irrthum lässt weder an logischer Richtigkeit noch leider auch
an Häufigkeit etwas zu wünschen übrig ^
Die Hoffnung ist wohl nicht zu ktthn, dass die vorgeschla-
gene Textesänderung sich schon durch die ihr zur Seite stehenden
inneren Gründe allen Verständigen hinlänglich empfohlen hat;
aber gerade hier, wo die Logik keiner weiteren Stütze zu be-
dürfen scheint, tritt der sonst für die aristotelischen Schriften
und besonders für die Ethik so seltene Fall ein, dass das im
Wege der Argumentation Erkannte auch durch äussere Zeug-
nisse beglaubigt wird ; und vielleicht erhält die an sich gering-
fügige Verbesserung eines einzelnen Wortes höheren Werth erst
durch diese urkundliche Bestätigung, welche der aristotelischen
Kritik eine Aussicht auf ähnliche Hilfe auch für andere Schä-
den eröffnet.
Sehen wir uns zunächst in der Scholiensammlung um,
welche unter dem Namen des Eustratios sonst mit Recht ver-
rufen ist, so findet sich zwar in der Aufzählung der aristoteli-
schen Beispiele das verderbte Traicraq als Lemma : p. 40 ^ Kai
im a{UfTr\Q\(f. iraicraq] toO tivo^ ?V€K€V TTapctbeiTjua. In dem Scho-
lion zur Kategorientafel jedoch, welches neben Beispielen von
des Scholiasten eigener Erfindung auch schon Hindeutungen auf
die späteren aristotelischen Beispiele enthält, heisst es p. 40 * :
"Ktti Tivi, oTov öpTotvqj" ' el 6 jiifev tocpaipiöcrOai iJi€to tö TrejiiTTÖjLie-
vov, TÖ bi f\v XeXoTXiw|Li^vov, i^ ix; Kiaaripiv ti^ ?ßaXX€ tö bk fjv
Xiöo^. TÖ bk. "tivo? ?v€K€v" oIov tl fiXXou \xiy ?v€Ka Troirjaei^
^ Auch die beiden anderen Bearbeitungen der Ethik nehmen ihre
Beispiele für das Verfehlen der Absicht von eingegebenen Tranken her.
In der Endemischen Bearbeitung heisst es p. 1225 ^ 4 : ön fi^v iröiua
(oTb€v), dXX' \b<^ qpiXrpov xal oTvov (^öwkg), t6 b* i^v kUüvciov; und in der
grossen Ethik wird mit schwerfälliger Breite Folgendes erzählt p. 1188^ Sl :
q>aai ttot^ riva x^valxa <p(XTpov tivI öoOvai in€lv, cTxa xöv dvOpuiirov diro-
Oavelv ÖTTÖ xoO q)(XTpou, Tf|v h' dvOpwirov Iv 'Apcdu irdxHJ diroq)UT€tv (wohl
q)UY€tv, ream factam esse; denn die 'Freisprechung' wird erst später er-
wähnt). oG irapoOaav ('als sie vordem dortigen Gericht erschienen war' )
öl' oöe^v dXXo äiiikuaav <^ öiön oök ^k irpovoiac;. €öujk€ |li^v t^p cpiXCcjt,
6i/mapTe hi toötou.
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xiv Zu Aristoteles und Clemens 159
t(^ Tl, äXXo bk dTTOß^ßTlKC boiT) fäp fiv Tiq (pdpjLiaKOV ib^
^TTl (JUITTlpiqi, TO hk dTr€KT€lV€ TÖV XaßÖVTtt, f\ T^jLlOl Tl? ÖV
ui^ Bepatreuuiv 6 bfe diroOdvoi. Wer bisher von der gewöhnlichen
Lesart iraiaa^ aasgehend dieses Scholion einer näheren Auf-
merksamkeit würdigte, mnsste meinen, dass das Beispiel der
tödtenden Arznei ebenso wie das der tödtenden chirurgischen
Operation aus des Scholiasten Kopf entsprungen sei; nachdem
jedoch ans Traiaa^ das ursprüngliche maa<; wiedergewonnen
worden, ist wohl die Annahme erlaubt, dass noch derScholiast
die richtige Lesart vor sich hatte, das zu seiner Zeit selten ge-
wordene rdaaq durch boOvai (pdpjiaKov umschrieb und nun die-
sem aus Aristoteles selbst, so gut wie das 'Rapier' und der
*Bimstein', entlehnten Beispiel veiiinglttckter Medizin zum Ueber-
flnss noch ein selbstjgemachtes Beispiel verungliickter Chirurgie 809
hinzufügte. In der That blickt auch sonst in dem 'Eustratios'
zum dritten Buch ein Stamm guter älterer Scholien aus dem spä-
teren Wust deutlich genug hervor; zu keinem der anderen Bücher
bietet die Sammlung so viele auserlesene Citate aus seltenen
und für uns verlorenen Werken; und es kann nicht Wunder
nehmen dass derjenige Grammatiker, welcher noch Epicharmos*
Herakles bei Pholos (p. 43 • = Fragm. 56 Ahrens), Euripides'
Alkmeon (p. 39 ^ = Fr. 70 Nauck) und des Pontikers Hera-
kleides Schrift über Homer (p. 40» vgl. 6. Hermann opusc. 2, 164)
benutzte, auch über bessere aristotelische Handschriften verfügte
als uns jetzt zu Gebot > stehen.
' Za der oben S. 162 Anm. 1 erwähnten Stelle des fünften Buches, wo
Aristoteles in der Abhandlung über Gerechtigkeit auf den Begriff des
Freiwilligen zurückkommt, recapitulirt der Scholiast die Auseinandersetzung
des dritten Buches in Worten, die nach seiner ausdrücklichen Angabe älte-
ren Scholien zum dritten Buch entstammen : p. 72 ^ ^irei kv tC|) TpiTip ßi-
ßXdy Tf)^ irapoOoii^ TrpaxiLiaTcia^ iicpl dxouaCou xal ^kou(J(ou €!pnK€v, oö XP^
1^^ irdXtv ^vraOea MV€(av iroiouiiidvou toO 'ApiaToxdXoix;, irovetv, dXX* Ik
TÄv ^K€tae T^Tpa^M^vuiv to1<; ilY\yr\Tal(; oxoXiuiv in awlo^i-
vujv tA €U oaq>if|V€iav xdüv irpOKCtfi^vuiv ouvreivovTa |li€T€V€tk€1v. xal öV|
toOto irotOiiLicv. Zur Erläuterung von oö €v€Ka findet sich nun dort Fol-
gendes: oö bi lv€Ka, t6 t^o^ oö x^P*^ ^irpoEcv olov, (LhiUKi n^ dpuiv rfl
kfMiliivi} (pdpjLiaxov du; cpiÄTpov, avyifir\ bi ytavfivai Tf|v Twvalxa dvrl toO
9tXnv' H &^6ujKev ib<; öttvwtiköv, dir^ßTi Oavclv t6v mövra lix; öirvilidai
('der zum Einschläfern getrunken hatte')' f\ xal xeifidvujv dv xilfi aÖTCp
Ktßunriqi xol dirvuinxCtiv 9ap^dxu}v xal biiXiiTT}p{u)v XaO^v xal boOvat t6
M)XnT/|piov d)^ 6irvuiTix6v. Also lauter Beispiele, die nur zur Erklärung
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160 ziv Zu Aristoteles und Clemens
Noch unzweideutiger und von höherem Werth, da es auf
die aristotelischen Exemplare der alexandrinischen Bibliotheken
zurückleitet, ist das dem Alexandriner Clemens abzugewinnende
Zeugniss. Er hatte am Schluss des 13ten Gapitels des 2ten Buchs
seiner Stromateis die leidenschaftlichen Handlungen als frei-
willige und deshalb strafbare (tä dKOÜaia Kpiverai) Widerspen-
stigkeit gegen die Vernunft definirt, und beginnt dann das Ute
Capitel mit folgender Erörterung über das unfreiwillige, welcher
zu bequemerer Uebersicht unsere aristotelische Stelle unter Be-
nutzung der vorgeschlagenen Aenderungen zur Seite treten mag: |
310 Aristoteles Clemens Strom. 2, 14 p. 166, 46 S.
tI^ ... Kai ri Ka\ trepl ti f\ dv tö toOv dKOiicTiov ou Kplvciai.
Tivi Tipdirei, dviOT€ hk Kai xivi, birröv hk toOto, tö juitv Tivöjuie-
olov 6pT(ivuJ, Kai ?v€Ka rivog, vov ^er' difvoia^ tö bt dvdtKij
otov (TiwTTipia^, Kai ttuj^, otov (s. oben S. 151)' iTrelTruü^fiv Kai
ö^pdjLia fj (Tcpöbpa. fiTTavTa jutv biKdaeia^ trepl tüjv Kard Touq6
ouv Tauxa oöbel^ Sv dirvoi'iaeie dKouaiouq ipöirou^ (schreibe :
jLi#l ^aivöjuievo^, bflXov b' ihq oibk toö^ toO dKOUdiou xpÖTiou^)
TÖVTTpdTTOvra' TTu»^ Tdp dauTÖv d^aptdveiv XeTOjiidviüv; f\ tdp
T€ ; 8 bt TTpdTT€i, dirvoi^cyeiev fiv aÖTÖv ti^ t^tvötictcv, ib^ KXeojid-
von iT{aa^ aber nicht von ira{aa<; passen. — Die Paraphrase der Ethik,
welche ihr erster Herausgeber, Daniel Heinsius, auf Grund eines späteren
Vermerks in der ihm vorliegenden Handschrift dem Rhodier Andronikos
beilegte, von dem sie gewiss nicht herrührt, und die in einer Pariser
Handschrift den Namen eines Heliodoros von Prusa tr> (s. Spengel
Abhandl. der Münchn. Akad. 3, 455 [und Y. Rose im Hermes 2, 212 f.]), zeigt
wenigstens, dass ihr Verfasser entweder iTa{aa<; nicht las oder nichts damit
anzufangen wusste. Seine Umschreibung der fraglichen Stelle des dritten
Buches lautet : xicrripiv töv X(9ov öiroXaßibv ^itI (TU)TYip{qt ir^^Mia^ dit^KXCi-
v€v. Er hat also das aristotelische ßoispiel, welches sich auf das * Werk-
zeug* bezieht, mit dem die 'Absicht' betreffenden vermengt; und zu er-
forschen, was er sich unter dem * Werfen eines Bimsteins zur Rettung'
gedacht haben mag, verlohnt schwerlich die Mühe. — Eben so unbrauch-
bar, wenn auch nicht ganz so plump wie dieses ir^^^iaq ist die von Bek-
ker zu ira((Ta<;' aus seiner Handschrift M^ verzeichnete Variante aireOaa^:
sie giebt sich auf den ersten Blick als eine unglückliche Conjectur zu er-
kennen und gehört zu den nicht wenigen Anzeichen, welche beweisen dass
der, wohl in der Weise der Itali gelehrte. Anfertiger dieser Handschrift
M^, obwohl er einer vergleichsweise recht guten Vorlage folgte, sich
doch eigenmächtige Aenderungen zur üebertünchung der für ihn unheil-
baren Schäden erlaubt hat.
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xrv Zu Aristoteles and Clemens
161
10 Ti^, oTov X^TovT^^cpamv iKneaexv
ainoiq (s. S. 152 Anm. 2) fj o^k
clb^vai 8ti diröppHTa fjv, (bcnep
AiOxOXo^ id liüCTTiKd, i^ bexiai
ßouXö^evo^ d<p€Tvai, fhq 6 töv
i6KaTair^XTiiv. olnOeir) b' fiv ti^
Kai TÖV utöv TToX^iiiov etvai,
ficnrep f| Mepöini, xal dacpaipd»-
aQai TÖ XeXoTX^M^vov böpu, i^
TÖV Xiöov Klamipiv €lvar Kai
20^Tri awTr]plq. trlaa^ dtroKTCi-
vai dv' Ka\ Oigai (s. S. 155 Anm.
1) ßouXö^evo^, fiairep o\ dKpo-
X€ipi2:ö^€voi, 7raTd£€i€v dv.
yn]q Ka\ 'Aödjiia^ o\ jiav^vTeq, fi lo
TÖ TTpäTjua 8 TTpdacTei, ibq Al-
axiiXo^ Td jLtucTTripia tiA (TKTivfi^
IHemibv dv 'Apeiu) irdTiu KpiGel^
oÖTU)^ (ans solchem Grande der
Unwissenheit) dcpeier) ImbeiEa^ 15
aUTÖV |Llf| JLI€|LIUT1|LI^V0V, f\ ÖTTCp
(schreibe f{ iv dniep) irpdTTCTai
dTVorjcraq Tiq, oKTTrep 6 töv dvTi-
iraXov dq)el^ Kai diroKTeiva^ ol-
KcTov dvTl ToO TroXejLilou * f\ tö dv 20
Tivi (schreibe tö tivi) TrpdfTeTai,
KttOdirep 6 Tai^ dacpaipui^dvai^
XÖTXC»^ TWMVoZöjuievo^ Kai diro-
KT€iva^ Tivd, ToO bdpaTO^ dno-
ßaXövTo? Tf|v acpaipav (vgLS.15425
Anm.) • i^ tö irapd tö ttu)^, uiq 6
dv (TTabitp diTOKTeiva^ töv dvra-
TUiVKTTriv ou ydp GavdTOU dXXd
viKii^ X&Qiv i^inwvtteTO • f^ TÖ oö
?V€Ka trpdTTCTai, otov 6 laTpö^so
bdbuiKev dvTiboTOv i&tui-
vf|v Kttl dTrdKT€iV€V, 6 bk ou
TOÜTOU X&PIV bdbU)K€V dXXd
ToO a&aax.
Oft genng ist diese Stelle des Clemens in ihrem auf Aesehy-
los bezflglichen Theil von den neueren Litterarhistorikern und
Forschern über die Mysterien citirt, aber immer, so weit sich
erkennen lässt, als ein dem aristotelischen coUaterales und von
demselben unabhängiges Zeugniss behandelt worden. Nach der
hiesigen Confrontirung beider Stellen in ihrer vollständigen Fas-
sung kann wohl fortan kein Zweifel mehr daran aufkommen
dass die clementinische, obgleich in ihr der Name Aristoteles
nicht genannt wird, doch nichts Anderes ist als eine bald kür-
zende bald zum Behuf der Erklärung erweiternde Wiederholung
der aristotelischen. Die Zahl der Kategorien und ihre ter-
minologische Benennung sind bei Clemens durchaus dieselben
wie bei Aristoteles. — Was ihre Reihenfolge anlangt, so hat
nur Clemens, gleichgiltig aus welcher Laune, die | 'Modalität' vor Sil
Bamayf, gm. Abhandl. XI
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162 xiY Za Aristoteles und Clemens
die 'Absicht' gestellt; in allem Uebrigen ergiebt sich auch hin-
sichtlich dieses Punktes völlige Gleichheit zwischen ihm und
Aristoteles, nachdem die Verschiebung der Präposition tv (Z. 20,
16) berichtigt worden, welche sich durch klare sprachliche An-
zeichen als einen blossen Abschreibefehler verräth, da auch ein
Clemens nimmermehr iv tivi schreibt, wenn er, wie doch das
Beispiel der 'Rapiere* (Z. 22—25) beweist, das 'Werkzeug' be-
zeichnen will. —Von den acht Beispielen des Aristoteles hat
Clemens nur fUnf sich angeeignet, wohl weil ihm zu seinem
Zwecke eines für jede der fttnf Kategorien ausreichend schien.
Von diesen fttnfen stimmen zwei — die Verwechselung des An-
gehörigen mit dem Feinde und die unabsichtliche Tödtung beim
Wettkampf (Clemens Z. 19 und 27) — zwar in ihrem sachlichen
Gehalt mit den aristotelischen (Z. 16 und 21 f.) ttberein; aber die
anschauliche Färbung, welche ihnen Aristoteles durch die Er-
wähnung der Merope und des dKpox€ipi(T^6q verleiht, hat Cle-
mens geopfert, wahrscheinlich weil ihm die für seine Leser
unentbehrlichen Angaben über den Gang des euripideischen
Dramas und die Regeln des Fingerringens zu weitläufig wurden.
In den drei übrigen Beispielen hingegen ist die Uebereinstim-
mung eine allseitige, sowohl auf den sachlichen Kern wie auf
die ausmalenden Einzelheiten sich erstreckende, nur dass bei
Clemens die Ausmalung voller erscheint, weil die scharfen und
feinen Striche des Aristoteles mit dem etwas dickeren Pinsel
eines, allerdings kundigen, Auslegers überzogen werden. Wo
Aristoteles kurzweg, ohne den Arzt und die Arznei ausdrücklich
zu nennen, iiA aiJJT^plq. niaaq dTTOKTCivai fiv (Z. 20) schrieb, hat
Clemens — denn dass Clemens in seinem aristotelischen Exem-
plar TTicTa^, nicht TiaicTaq, vorfand, braucht nach allem Vorange-
gangenen nur noch als Thatsache constatirt und nicht erst be-
sonders erwiesen zu werden — alle Factoren und Umstände
des fraglichen Vorgangs hergezählt Z. 30 : ö larpöq b^bu)K€v
dvriboTOV öti€iW|v Ka\ dTr^Kxeivev, 6 bk oö toutou x^piv b^buüKev
dXXd ToG (Twaai. Wo ferner Aristoteles mit knapper, die mo-
dernen Leser bis auf Joseph Scaliger (s. S. 154 Anm.) verwirrender
Kürze £(T(paipuJ(T6ai tö XcXotx^M^vov böpu (Z. 17) schrieb, sagt
Clemens es klar heraus dass von Fechtübungen (tujiivaCöiLievoq
Z. 23) die Rede ist und giebt mit dankenswerther ^ Deutlichkeit
^ In der That scheinen Scaligery obwohl er aaf das Gesammtver-
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XIV Zu Aristoteles und Clemens 163
den Änlass des Missgeschicks dahin an dass 'der aufgesteckte
Ball von der Uebungswaflfe abgesprungen sei' (toO böparo?
dTToßaXövTo^ T#iv (Tcpaipav Z. 24). Endlich kann man aus den
wenigen Worten des Aristoteles über Aeschylos bei genauer
Analyse (s. S.153 Anm.l) es zwar erkennen, dass der | angeklagte 812
Dichter *sich als einen Nichteingeweihten nachwies', aber schwer-
lich würden selbst antike Leser eine unnöthige Weitschweifigkeit
darin gefunden haben, wenn Aristoteles diesen Umstand eben
so bestimmt hervorgehoben hätte, wie es Clemens thut in den
Worten Z. 15 imbeiEaq aöxöv juif) jLie^urm^vov. Ausserdem hat
Clemens die Anschaulichkeit der Erzählung noch durch die Er-
wähnung des Areopags (Z. 13) erhöht; wie er auch bei der
Kategorie des handelnden Subjects die aristotelische (Z. 7) Be-
merkung, dass nur ein Wahnsinniger nicht wisse ob er selbst
oder ein Anderer die That thue, mit zwei wohlgewählten Bei-
spielen des durch Wahnsinn verlorenen Selbstbewusstseins ver-
sieht (Z. 9, 10), einem aus der mythischen Geschichte — Athamas,
der in der Raserei seinen eigenen Sohn an der Mauer zer-
schmettert (Ovid Metam. 4, 516) — und einem aus der wirklichen
Geschichte — der Spartanerkönig Kleomenes, der ebenfalls in
der Raserei sich selbst zerhackte (Herodot 6, 75 KaTaxopbcuiDv).
Dass nun Clemens alle diese erläuternden Zusätze zum
aristotelischen Text aus eigenem Nachdenken und eigener Ge-
lehrsamkeit geschöpft habe, wird zwar Niemand für unbedingt
unmöglich erklären wollen. Für wahrscheinlich kann man jedoch
eine solche Annahme nicht halten, wenn man erwägt, wie we-
nig den zusammenraffenden und zusammenstückenden Mosaik-
schriftstellern, in deren Klasse Clemens doch gehört, ein selb-
ständig verarbeitendes Eindringen in die von ihnen vernutzten
Autoren eigen zu sein pflegt. Besser dem sonstigen Wesen eines
Clemens und seinesgleichen entspricht sicherlich die Vermuthung,
dass er in den alexandrinischen Bibliotheken ein Exemplar der
hältniss der clementinischen Stelle zur aristotelischen nicht aufmerksam
ward, doch hauptsächlich Clemens' Worte zum richtigen Verständniss des
aristotelischen ^acpaipÄaeai geführt zu haben. Wie unklare Vorstellungen
über die antiken Rapiere auch bei denjenigen Zeitgenossen Scaligers
herrschten, welche die militärischen Antiquitäten zu ihrer Specialität ge-
wählt hatten, zeigt Justus Lipsius, der Saturnal. 2, 18 in einer Stelle des
Cassius Dio 71, 29 ^acpatpw^^va mö/ipia durch orbiculati glcidii wie-
derg^ebt, statt des richtigen praepikUi.
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164 xiv-Zu Aristoteles und Clemens
Ethik vorfand, in welchem der Commentar eines gaten älteren
Erklärers mit dem aristotelischen Text vereinigt war. Auch
lässt sich der Name eines solchen Erklärers angeben, dessen
Benntzang darch Clemens wenigstens mit den chronologischen
Verhältnissen vereinbar ist. Athenaeos (xv p. 673*) erwähnt
eines "Abpavro^ Arbeit TT€p\ tujv iv roiq 'HGikoi^ NiKOjiaxcioi^
'ApiaxoT^Xou^ KttG' toxopiav Kai X^Eiv JnTOUfidvuiv; bereits Gasan-
bonns (animadvers. in Ath. p. 951) hat in der sonst nicht nach-
weisbaren Namensform ''AbpavTo^ den wohlberufenen Aristote-
liker Adrastos erkannt; und wenn Adrastos Mie historischen
und sprachlichen Schwierigkeiten' der Ethik erörtert hat, so
wird wohl Clemens es bequemer gefanden haben einem so za-
verlässigen Ftlhrer za folgen als selbst viel za grttbeln.
Wie dem jedoch sei, mag Clemens bei seinen über den
aristotelischen Text hinausgehenden Zusätzen auf eigenen Füssen
stehen oder an fremde Stütze sich lehnen, jedenfalls hat die
hier angestellte Vergleichung ein gewichtiges, auf die aristoteli-
schen Handschriften spätestens des zweiten Jahrhunderts n. Ch.
zurückgehendes Zeugniss für die Richtigkeit der Lesart iriaa^
an das Licht gebracht und die Hoffiiung erweckt, dass auch in
anderen Fällen denjenigen aristotelischen Werken, bei welchen
uns wie bei der Ethik die Hilfe eines Alexander oder Simpli-
cius fehlt, einige Förderung sowohl für Kritik wie für Erklä-
rung des Textes erwachsen könne aus sorgfältiger Beachtung
nicht bloss der namentlichen Citate sondern auch der stillschwei-
genden Benutzung aristotelischer Sätze bei den späteren Schrift-
stellern.
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XV
ORATIO
DE ARISTOTELE ATHENIS PEßEGRlNANTE
ET DE LIBRIS ElUS POLITICIS
habita d. vn m. nov. a. oioiooooLXVi Bonnae
[ad auspicandum munus profesBoriam].
Legibus academicis satisfacturns, qnae ab eo qui ad pro-
fessoriam manus evehitur aditialem orationem postulant, constitai
dicendi argnmentnm ex Aristoteliarum litterarum penn depromere,
in qnibas et ipse inde a multis annis sedem studiorum meorum
coUocavi et band pancos inter yos, auditores s(ao) qCaisqne)
l(oco) h(onorandi), babitare scio. Utar autem sermonis genere
quam maxime potero simplici et ab ampollis oratoriis quam
longissime remoto. Nam cum ipse progrediente aetate simpli-
citatis praestantiam et in vita et in litteris magis in dies per-
spiciani) tum minime decet eum qui de Stagirita pbilosopbo,
viro non minus propter sobriam dicendi artem quam propter
alte cogitandi facultatem insigni, yerba facturus est, ambitiosis
rhetorum ornamentis luxuriare. Ambagibus igitur omissis peto
a vobis ut mihi per hanc horulam vacuas aequasque aures ac-
commodetis, dum paücis indicare studebo, quomodo ea quae de
Aristotelis vita nobis tradita sunt, ad accuratiorem intellectnm
eorum Aristoteliorum librorum qui de civitate agunt adbiberi
possint Magis enim ab hac parte quam ab ulla alia manca
etiamnuno est politicorum horum librorum enarratio, resederunt-
que adhuc reliquiae eins erroris inde a medli aevi tenebris pro-
pagati, quo universos Aristotelips libros tamquam biiircT^^ äTOi^MOi
veraeque philosophiae divinum aetemumque exemplar seorsim
ab ipsius philosophi eiusque aetatis historia intellegi posse
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166 XV Oratio de Aristotelis libris politicis
tristium scholasticaram nugarum artifices autamabant. Nihil
autcm ad libram poHtici argumenti rccte aestiinandum maioris
momenti est quam scriptoris Status qui dicitur civilis. Neque
enim humana natura vel in praestantissimis hominibus ita um-
quam ab ingenitis angustiis defectibusque suis liberatnr ut nihil
referaty utrum is qai de civitatis alicuius iustitutis iudicaturas
est, civis eius sit an peregrinus, utrum ipse ad gubernacula rei
publicae aliquando accesserit an semper inter privatae vitae
cancellos latuerit. lam quod ad gravissimum illud discrimen
attinet quod inter politicos umbratiles et in luce tumultuque
rerum versatos intercedit, vix cogitando fingi possit vitae decur-
sus qui magis quam is quem reapse Aristoteles peregit, idoneus
Sit ad utriusque condicionis et commoda coniungenda et vitanda
incommoda.
Gum^ in aula potentissimorum regum Macedonnm usque
ad mortem patris qui archiater regius erat educatus et postea
regii praeceptoris munere functus esset, nequaquam animus
eius rubiginem illam trahere poterat, quae otiosorum philo-
sophomm mentes obducere iudicandique aciem retundere se-
iet. Quo magis liberae Graecae civitates ad interitum verge-
bant, eo celerius Pella caput solius Macedoniae esse desiit et
quasi caput totius Graeciae facta est; illuc legati undique con-
fluebant; regis Macedonum eiusque amicorum nutu gravissimo-
rum negotiorum pondera et Athenis et Thebis ultro citroque
versabantur; qui igitur arcanis huius regni consiliis admotus
erat, is quasi ad clavum universae Graeciae sedebat. lam
Aristotelem constat non solum per longam annorum seriem
inter Macedoniae proceres versatum sed etiam artissimo amici-
tiae vinculo cum eo viro coniunctum fuisse, quo secundum ipsos
Philippum Alexandrumque nemo plus ad opum Macedonicarum
et fundamenta iacienda et imponendum fastigium manu consilio-
que contulit, Antipatrum dico loUae filium, eum cui Aristoteles,
ut ex tabulis supremae voluntatis hodieque exstantibus patet,
curam testamenti sui exsequendi demandavit. Ex intima neces-
situdine quae hos duos viros coniunxit uter eorum plures utili-
tatis fructus perceperit, difficile disceptaveris. Cum in unius
* [Ad sequentia cf. Bern. Phokion und seine neueren BeurtJieiler
(Berol. 1881) p. 40—42].
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XV Oratio de Aristotelie libris politicis 167
Antipatri manibas callidissiraorum consilioram fila omnia con-
iangercntur, quibus Macedonnm reges singulas Graeciae civitates
sensim sensimque irretiebant^ certissima via per amicum suain
rerum pnblicaram vicissitudines comperire poterat Aristoteles et,
ut peritas medicus, aegrotantis animainque agentis moribundae-
que Graeciae quasi venam tangere et suspiria numerare. Kursus
Antipater in difficilioribus et temporibus et negotiis, qualia haud
pauca per anfractuosum vitae suae eursum ei obvenerant, nbi
neque tralaticiae bellandi artes neque quotidiana reram eivilium
prudentia avertendis periculis sufficiebant, asciscere poterat altam
amici philosophi mentem, quae nullis perturbationibus offuscata
singulamm rerum abdita et perscrutabatur et indagabat. Atque
adeo si per huius horae iuiqua spatia lieeret, haud desperarem
fatarum esse ut vobis, prolatis argumentis, probarem eam civi-
tatis formam, quam post cladem Crannonensem, abolitis nimis
popularibus institutis, Antipater Athenis imposuit, delineatam et
commendatam esse in libris politicis Aristotelis. lam cum sie
necessitndo, quae ei cum Macedonum principibns intercessit,
rerum Qraecarum penetralia Aristoteli recluderet, ab altera parte
haud defuerunt occasiones Persici quoque imperii tum vires tum
imbecillitatem cognoscendi peculiaremque natnram orientalium
popnlornm introspiciendi. Etenim cum post mortem patrisPella
relicta Atameum Mysiae urbem migraret Aristoteles, statim
particeps factus est consiliorum Eubuli, qui in hac regione in-
termedia, qua nulla eligi poterat opportunior, parva sed solida
fnndamenta principatus iecerat, qui Philippi favore adintus a
ruentis Persici imperii spoliis in dies crescebat \ Eubulo mortuo
etiam magis quam antea rebus Atarnensibus immiscebatur Ari-
stoteles, cum familiaris eins Hermias, quem quam ardenti amore
complexus sit Carmen in eins mortem scriptum hodieqne exstans
testatnr, Eubulo successisset. In miserando huius amici interitu
perfidam crudelitatem quae fere semper solia orientalium regno-
1 [De Eabulo tyranno cf. Boeckhius opusca t. vi p. 187 sq. Aristo-
tolein constat mortuis parentibus Atarnei edacatum esse, cf. vita Marc
(v. infra p. 171, 1) p. 1 6p(pavö<; bk T€vö^€vo^ dvdTcrai irapd TTpoE^vip xif»
'Arapvel et vita Ammon. p. 398, 12 Westerm. : iam ibi credere par est
Aristotelem intimam illam cum Hermia Eubuli olim servo post successore
(cf. Boeckhius 1. c. 188 sqq.) amicitiam contraxisse. cetera Bemaysius ex
8ua addit coniectara].
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168 xv Oratio de Aristotelis libris politicis
rum commaculat, cxperiundo cognovit, qnamque profandnm vul-
nus inde animus eius conceperit indicat epigramma qnod statuae
amici inscripsit exsecratus Persarum arcitenentium regem qaod
impie almum fas deomm immortalium migrans talem virnm
occiderit:
TÖvbe ttot' oöx ba'ivjq napaßd^ jiaKÄpujv Gdfiiv dTvf|v
?KT€iv€v TTepcTuiv ToHoqpöpujv ßamXeü^i.
Atque in Universum per longam suam in orientalibns terris con-
versationem opinionem illam de indole Asiaticorum populorum
immutabilique eorum a Graecis discrepantia imbibisse videtur,
quam illustri loco quarti Politici libri exposuit, quaeque impe-
divit quominus umquam se abripi pateretur a vehementibus
Alexandri consiliis orientem cum occidente coagmentandi. Sic
igitur cum amicitiarum necessitudinumque suarum ope aditus
sibi patefecerit plurimos planissimosque ad summam rerum cum
Europaearum tum Asiaticarum certo experientiae ductu intelle-
gendam, constantissime tamen sibi cavit ab illecebris illis quae
tot viros primarios induxerunt ut nudam philosophi libertatem
cum splendida politici Servitute commutarent, neque umquam
ita ipsi rerum actui immersus fuit Aristoteles ut vel mentis se-
renitas partium studio obnubilaretur vel meditandi tranquillitas
negotiorum mole minutiisque interturbaretur ; atque inprimis eo
tempore quo hos de quibus agimus libros condidit ita negotiis
publicis partim interfuit partim ab eis remotus vivebat Aristo-
teles ut vix aptioribus verbis condicionem eius significare possi-
mus, quam quibus ipse cbori tragici naturam partesque descripsit:
fuit enim KTibeuif)^ ÖTipaKTo^ (problem. xix 48 p. 922 ^ 26), curio-
sus et Studiosus speculator neque tamen actor rerum. Id ut
promptius intellegatur atque facilius perspiciatur, quomodo huius
suae condicionis et in tacendo et in loquendo cautissime semper
rationem habuerit Aristoteles, agite, gravissima capita eorum
quae ad tempus quo scripti sunt hi libri politici pertinent,
delibemus. lam inter omnes constat postremo decennio vitae
Aristoteliae et hos et fere omnes hodie superstites eius libros
ortos esse, cum ipse relicta Macedonum aula Athenas repetivisset,
1 [servavit Diogenes Laertius v 6J.
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XV Oratio de Aristotelis libris politiois 169
ubi vivente Platone per viginti annos degerat. Mortno enim
Piatone ad Hermiam indeque ad Philippum se contulerat; at
cum eius discipnlns Alexander rernm potiretur, satius daxit sese
snbdacere regiac eins vehementiae, qaam ipse dadam optime
notam habnit, et cum semel dulcedinem Atticae yitae gustasset,
ad hanc urbem reversus est, quae tunc etiam magis quam Peri-
dea aetate metropolis Graecorum ingeniornm erat. Vivebat
autem Athenis solo peregrini i. e. fi€To(Kou iure usus, sieut cum
alii plurimi eius aetatis philosophi tum, ut unum e nobilissimis
nominemus, condiscipulus ipsius Xenocrates Ghalcedonius ; de
quo nota ista narratiuncula circumfertur, eum propter non solu-
tum peregrinorum vectigal servitutis periculum adiisse et futu-
rum fuisse ut sub Corona yenderetur, nisi Lycurgus orator pro
eo intercessisset Quod vero ad libertatem et loquendi et scri-
bendi cum de aliis tum inprimis de publicis civilibusque rebus
attinet, longe deterior erat peregrinorum quam civium condicio;
et cum philosophiae osores si civem Atticum velut Socratem
perdere vellent, lege agere legitimaeque accusationis ambagibus
uti deberent, facillimo negotio peregrini philosophi urbe pelle-
bantur, cum aut patronis (irpocTTdrai^) eorum tantus metus incu-
teretur ut patrocinium clientibus denegarent, aut peregrini ist!
tamquam publicae pacis turbatores morumye corruptores magi-
stratui deferrentur. Quam graviter vero antiqui cives et Graeci
et Romani immixtionem peregrinorum sive ^eroiKuiv in res publi-
cas suas tulerint, tum ex multis aliis documentis constat, tum
luculentissime patet ex praescripto quod de Panaetii nepl KaOr)-
KÖVTuiv libro in primum de officiis librum transtulit Cicero. Li-
ceat ipsum Giceronis locum afferre, cum et brevissimus sit et
fere ad yerbum Graeci scriptoris orationem exprimere videatur,
cuius yestigia in latina Giceronis versione persequi et iucundum
et fructuosum nimisque neglectum est ab interpretibns hodiernis.
Sic igitur exstat apud Giceronem c. 34, 125 : 'Peregrini autem
aigue incolae — Panaetius sine dubio e consueto Graeci ser-
monis niore scripserat Hvov xal ^eroiKOu — officium est, nihü
praeter suum negotium agere^ nihil de alio anquirere — persen-
tiscimus Graecam phrasin xd ^auioO Tipdixeiv, }ir\biv tujv dXXo-
Tpiujv irepicTKaireiv — minimeque esse in aliena re publica curio-
SU/m* — hie quoque perlucent Graeca Panaetii verba sie fere
sonantia : ^1lba^ui^ iv dXXorpiqi TröXei Trcpieptov eTvai. Ipsi autem
Aristoteli pericula cum condicione juteTOiKou coniuncta probe nota
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170 XV Oratio de AristoteÜB libris politicis
fuisse osteDcLit fragmentum epistulae ad Antipatrum datae, quod
flic se habet: tö 'AGrivijaiv dvbiaipißeiv dpT&be^S qaoram ver-
boruni vis miniine a vulgaribus intcrpretibus capitur, qiiia prae-
termittuDt id quod ex accurata lectione oratorum Atticoram
eruditioribus notam est, biaTpißciv proprie nsurpari de comrao-
ratione peregrini (^eioiKOu) in aliena urbe sive, ut udo yoca-
balo Graeco atar, de SeviTciqt. Dicit igitar Aristoteles non qui-
dem in Universum versari et degere Athenis sed peregrinari
Athenis per longius tempns — diuturnitatis enim significatio inest
in praepositione ty ad biarpißeiv adbibita — operosum et pericu-
losum esse, cum peregrinus nullis legum praesidiis saeptus
nuUisque cognationibus affinitatibusque nisus calumniis syco-
phantarum multo magis quam cives obnoxius sit. Atque re
Vera sub finem yitae suae, initio belli Lamiaei adeo aucta sunt
haec pericula, ut solum vertere et Ghaicida urbcm mnnitam
Maeedonicoque praesidio tutam recedere cogeretur Aristoteles,
lam cum peregrinitas tantam vim habeat ad condicionem Ari-
stotelis qualis Athenis fuerit recte aestimandam, antiqui critici
et historici, quorum oculis vivida rerum civiiium imago obversa-
batur, in diiudicandis difficilioribus quaestionibus, quae ad vitam
scholamquo Aristotelis pertinent, imprimis quaerere solebant,
quid peregrinum Athenis facere et omittere par vel verisimile
fuerit. Nuper demum hie yeterum eriticorum mos novo insigni-
que exemplo innotuit, postquam Cobeti beneficio Graecum exem-
plar scriptiunculae de vita Aristotelis, cuius olim versiones
tantum barbare latinae doctorum usui inservierant, e Marciana
bibliotheca erutnm est. Ibi Philochorus, notissimus Atthidis
scriptor, de aemnlatione Platonem inter et Aristotelem agit et
Aristoxenum impugnat, qui Aristotelem ingrati in Platonem animi
insimulaturus eum etiam vivo magistro Lycei scholam Academiae
opposnisse dixerat. Id refutatnrus Philochorus cum chronolo-
gicis calculis utitnr tum tamquam validissimum argumentum
1 [fr. 608 p. 595 in Y. Rosei Aristotele pscudepigrapho, cf. maxime
vita Marciana (v. infra p. 171, 1) p. 8 iiiei ö' oö {bk cod.) xd aöxd Ka-
efiKOVxa i^v itoXCtij kqI Hdvqj -rrepl Ti\y tiI»v *Aeiiva(uiv iröXiv,
^maT^XXiuv 'AvrnrdTpiu fp&<p£\' *TÖ "Aefivi^oi biarpCßciv (cf. Bern, de
Phocione p. 107 sq., ^v&taTp(ßeiv vita Ammonii) ipTüöbeq* ÖTXvn y^Q kit*
5TXV13 PlpdCKCi, cOkov ö' kn\ aÖKip* (Od. ii 120 sq.), ti^v 6ia5oxi?|v tiöv
auKocpavToOvTuiv alvirröncvoq].
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XV Oratio de Aristotelis libris politicis 171
hoc profert^: "neque simile veri est Aristotelem, quippe qui
peregriDUB esset, talia aadcre potuisse contra Platonem civem
Atticum'. Utinam yero recentiores Politicorum Aristoteliorum
interpretcs eodein quo Philochorus modo pecaliarem ad quam
Aristoteles Athenis peregrinans coactus erat cautionem semper
in enarrando ante oculos sibi proposuissent ; multos enim difficul-
tatum nodos hac via solvere, haud paucos locos obscuriores
dilucidare aliisque, qui donec eos in Universum scriptos putas
frigida quadam ieiunitate laborare videntnr, singulari consilio
detecto vividum verumque colorem inducere potuissent. Id ali-
quot exemplis demonstrare vel propterea mihi band denegabo,
quia sie vobis, carissimi commilitones, ostendere potero quam
latus Campus severiori pbilologicae interpretationis arti pateat
in scriptis philosophi a pluribus quam vellemus pbiloiogis etiam
hodie fere derelicti. Atque primum quidem huc facit dissimili-
tudo quae inter Platonem et Aristotelem cernitur, ubicumque
de universa Attica democratia deque singulis eins institntis
iudicant. Nam cum Plato generosi civis Attici iTappT](T(av paene
usque ad abusum usurpet et in leges quae fundamenta totius
civitatis erant et in clarissimos superiorum aetatium cives^
qui a partibus populi steterant, mordacissima acerbitate et aper-
tissimis verbis invehatur: Aristoteles, cuius animus haud minus
alienus erat ab Attica demagogia et ochlocratia, longe aliter
versatur in enuntianda sententia sua. Per integres octo politi-
cos libros bis tantum ipsum nomen Attici populi, oi 'AOr)vaToi,
atque septiens tantum nomen urbis Athenarum ponitur, idque
semper fit in rebus secundariis ubi neque laudi neque vituperio
locus est. Cumque, ut omnes norunt, Spartae atque adeo Car-
thaginis instituta legesque et uberius explicet et dedita opera
ad examen revocet, nusquam in toto opere civitatis formam
qualis Athenis obtinebat sub uno conspectu conprehendit, quam-
1 [Vita Aristotelis graece nunc primum edita a Leon. Robbe (Lugd.
Bat 1861) p. 3 oÖK dpa dvripKoftö^iiaev ^Apiaxor^Xiiq axoX#|v (TTAdruivi) rö
AOkciov, lO^ 'ApiCTÖEcvo^ irpOüTO^ ^(TUKoq>dvTr|(Te koI 'ApiaxcCbii^ (or. 46 t. n
p. 324 sq. Dind. ; *AptaTOKXf)<; versio latina) Oarepov /iKoXoOOriacv, ^^XP^ ('^c)
TcXcuTfJq auvf^v TTXdxuivi odru) <t>iXöxopo^ laxopcl, kuI ön o(jbi cUöq
fiv'ApiaTOT^Xii E^vov övTtt toOto ÖOvaaBaiiroutv KaTdTTXdTui-
vo^ iroXiTOU TUTX<ivovToq Kttl ^iya buva^^vou 6id XaßpCav koI Tijiö-
e€ov ToO<; 'AOfivijai aTpaTrYfY\aaYra(i kuI Kaxd t^vo<; ainCj) irpoa/iKovTa^].
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172 XV Oratio de Aristotelis libris politicis
quam singnlas eius partes accaratissima diligentia enm per-
scrntatum esse e reliqnüs amplae collectionis deperditae, quae
TToXiTCiai inscribebatur, perspicimns. In opere enim illo collecti-
cio, cuius interitnm Ingemus, nnda descriptio atque expositio
sufficiebat; at in äuperstite opere theoretico non solum expo-
nenda sed examinanda et disceptanda erat Attica civitatis forma
idque cum peregrinus sine offensione facere nequiret, satins
duxit Aristoteles omittere quod rite et pro dignitate operis
facere non licebat. Uno tantum loco Aristotelici operis quäle
nobis in manuscriptis codicibns traditur, ne ibi qnidem de re-
centiore civitatis forma qnalis Aristotelis aetate vigebat, sed
de prisca Solonis legumlatione brevis quaedam disputatio insti-
tuitur. Id vero fit in duodecimo et ultimo secundi libri capite,
quod alienum esse ab Aristotele pridem omnes qui in censum
veniunt critici pronuntiarunt, quibus in secnnda oeconomiae
politicae editione Bocckhius quoque adstipulatnr ^ Argumenta
vero originis non Aristotelicae usque adbuc prolata partim pe-
tuntur e natura rerum isto in capite commemoratarum, quae
gravLssimis dubitationibus obnoxiae sunt, partim ex ordine
universi Aristotelici operis, quem caput istud miserum in mo-
dum turbat. Ex eis autem quae nos hie exposuimus validis-
simum argumentum voOeia^ boc accedit, quod aperta vitu-
peratio Atticae democratiae, qualis in isto capite reperitur, nimis
longe recedit a reliquo operis colore et a cautione quam pru-
dens Aristoteles alias nusquam missam fecit. Gonsulto dixi
apertam vituperationem a more Aristotelis abhorrere. Nam
tecte quidem Attica instituta multis locis et tanguntur et rei-
ciuntur; immo quaecumque de variis democratiae generibns at-
que imprimis de ultimo genere quod TeXcuraiav bni^OKpaTiav
vocat^ regulae et praecepta proponuntur, quamquam primo aspectu
universalia videntur, tamen ubi accuratius ea ponderaveris, facile
senties solas Athenas respici vitiaque quaedam propria Atticae
civitatis notari. Id ut exquisitiore aliqno exemplo patescat,
liceat ante quam finem dicendi faciam, longiorem eiusmodi lo-
cum, in quo Athenae ne semel quidem nominantur at semper
respiciuntur, per singula eundo persequi. Beperitur is locus in
^ [Die StaatslMUshaltung der Athener t. i p. 828 a, 646 c].
a [Polit. IV 6 p. 1293» 1. 14 p. 1298» Sl. v 10 p. 1312 ^ 36. vi 6
p. 1820 »17].
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XV Oratio de Aristotelis libris politiois 178
libro qni olim sextus nunc septimns numerari solet [c. 5], agit-
qae de yariis rationibos democratiam moderatiorem atque eo ipso
diatnrniorem reddendi. Talern moderationem, inqnit [p. 1320 * 4],
hodierni demagogi (oi vCv bn^aTuiToi) minime pracstant. Ubinam
locoram hi hodierni demagogi qnaerendi sint, palam quidem non
dicitur, at Athenienses significari vel inde saspiceris, qnod Ari-
stotelis aetate in nnlla alia notabiliore civitate demagogorum
licentia ita grassabatnr, nt operae pretium fnerit in libro philo-
sophico mentionem eornm faeere. Atque confirmatur haec snspicio,
nbi in sequentibus praeter cetera id in horum demagogorum con«
siliis vitnperare videmns Aristotelem, qnod plebi gratificaturi lo-
cupletinm bona publicent ope iudiciorum (xapilö^cvoi toT(
brJMoi^ iroXX&brmeuoum bid tuiv biKaarripiujv). Nam peculiaris
facies Atticae democratiae in eo cernitur quod cum in reliquis
Graecis civitatibns non minus quam Romae leges agrariae no-
vaeque tabnlae sive nt Graece dicitur t^^ dvabaa^ö^ Kai xP^u^v
äiroKOird perpetuo a plebe efflagitarentur continuique tumultus
et seditiones ex hac populari postulatione orerentur, Athenis
contra inde a Solonis temporibus ne a yiolentissimis quidem
demagogis tales leges proponebantur, quia partim per liturgiarum
institutionem, imprimis autem per iudiciorum formam ubertatem-
que sycophantarum qualis Athenis fuit longe securiore et faciliore
via eam bonorum exaequationem assequi licebat, ad quam leges
agrariae spectabant Etenim dum singulos locupletes ex ordine
arripiebant demagogi et sycophantae, variisque praetextis cri-
minibus condemnabant, maximam legum agrariarum difficultatem
elndebant quae in eo sita erat quod harum legum minis universo
possessorum ordini communis metus incutiebatur coniunctimque
demagogis resistendi imponebatur necessitas. lam remedium
quod contra talem iudiciorum abusum commendat Aristoteles
operae pretium est pancis attingere, quia et ipsum quasi colore
Attico et Qraeco imbutum est luculentoque exemplo docere po-
testy non omnia consilia quae popularibus suis Aristoteles dabat
aliis temporibus nostrisque hominibns apta esse. Dicit igitur^:
ne amplius demagogorum interesse possit, multos locupletes
iudiciis circumrenire, instituendum esse a legum latore ut bona
damnatomm non in aerarium publicum sed in sacrum tem-
1 [p. 1820 » 6 biö bd irpö^ TaOra dvTiirpdrrciv toö<; Kiibo|ui4vouq Tfjq
iroXiTcCo^ vo^oe€ToOvTa<; ^iibiv cTvai bfifiöatov täv KarabiKaZo-
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174 XV Oratio de Aristotelis libris politicis
plornm fiscum redigantnr; ita enim, cum sacram pecuniam in
profanos rei publicae usus erogari fas non sit, demagogos et
sycophantas a falsiä divitum civiara accnsationibns destituros.
Profecto tale consilium commendabile videri poterat inter Ätbe-
nienses et in Universum inter Graecos, inter qnos numquam
sacerdotum ordo a reliquis civibus segregatus exstabat; atverbi
gratia in Aegypto, in India, in Europa qnalis medio aevo fnit
et ubicnmque etiam hodie sacerdotum ordo in formam sodali-
tatis a reliquo populo seiunctae constituitur, sane verendum est
ne remedium istud ab Aristotele propositum pemiciosius evadat
morbo. Ab Atticis vero politicis aliud quiddam idque gravissi-
mum Aristotelis consilio opponi poterat, scilicet hac via non
solum demagogorum rapinas removeri sed nervös ipsos rei
publicae succidi, cum exhausto publice aerario nil restaret unde
singulis civibns tum tenuioribus tum locupletibus argentum pro
obeundis comitiis et iudiciis, ^KKXiicTiaaTiKoO et biKacTTiKoC nomine
inde a Periclis aetate constitutum solvi posset. Hoc igitur in-
commodum anteversurus Aristoteles ne nunc qnidem Athenas
nomine appellat, sed ita disputationis momenta temperat, ut
cnivis rerum gnaro comitiorum Atticorum moderatores eorumque
malas artes quasi digito monstret Primum enim dicit^ dierum
comitialium iudicialiumque numerum nunc praeter necessitatem
magnum minuendum esse, eaque imminutio quomodo et ad
levanda onera aerarii et ad melius tractanda negotia publica
profutura sit uberius exponit. Deinde vero vulnus Atticae ad-
ministrationis maxime mortiferum tangcns pergit in hunc mo-
dum^: multarum civitatium aeraria quam vis vectigalibus aliisque
^^vu)v Kai (pepö^€vov ((pepo^dvujv Parisinus et interpres lat, q)cpövTU)v
volgo) irpdq TÖ Koivöv, dXX' icpöv ol ^ky yäp dftiKoOvrcq o()bky fl-rrov
eüXa߀iq ßcTovrai (ZinuiiiixTovTai fäp ö|lio(uj^), ö b* öxXo? flTXOV KaraHiii-
(ptctrai TÄv Kpivo|Lidvuiv, X/|iiiea6ai nr]bäy \xik\\jjy]
1 [p. 1320» 11 ^Ti bi Tdq T»vo^i^vaq 6imoa(a^ öiKaq tb^ öXiTCaxa^ öet
iroi€tv ]Li€TdXoK ^in2:ii|Li(oi<; xoOq cIk^ tpa<po^^vou<; KiüXuovra^ 17 ^irel
b* al TcXeuralat bimoKpaT(ai iroXudvepujiroi rd clai Kai x<iX€itöv ^KKXiiaid-
l€iy &^iaBo\)<;, toOto b* ßirou irpdaobot |ui#| Tu^x^ivoutriv oCaat iroX^jniov xot^
Yvujp(|LioK (diTÖ T€ ydp ei(Tq>opd^ Kai bimeOacuj^ dvaTKalov ylveaeai Kai
6iKa(yTr]p{uiv cpaOXwv, d troXXdq i\br] 6imoKpaT{a^ dv^Tpc^pcv) • öirou n^v
oöv irpöaoboi ji»^ Tuyx^ivouaiv oöaai, bet iroietv ^KKXiia(a^ öX(Ta<; Kai
biKaarfipta ttoXXujv h^v 6X(tcik b* i^^^pai^ i<tX.]
2 [p. 1320 »29 ÖTTou ö* €l(Tl npdaoboiy ni\ iroictv 6 vOv ol bri^OTw^Tol
iroioOaiv • Td ydp irepiövra v^jiiouaiv • Xa^ßdvouai bk ä^a Kai irdXiv b^ovxai
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XV Oratio de Aristotelis libris politicis 176
reditibus abandent, tarnen semper vacua esse, qnia demagogi
subveniendum tennioribus et pauperibus civibus proclamantes,
annaa residaa per viseerationes, congiaria, frumenti aliarumque
rernm distribntiones consumant Tale vero auxilium paaperam,
inqnit, est pertusam vas Danaidam. Vir vere popularis omnes
nervös ingenii eo intendere debet, non ut pauperes cives alat
sed ut provideat ne paaperes fiant cives ^. Varias deinde pan-
pertatis exstirpandae vias proponit, quae fortasse in minori-
bas civitatibas, qnales nbiqne fere respieit Aristoteles, melias
saccessnrae erant quam in hodiernis imperiis. Denique dis-
pntationem ad nmbilicnm perdacens iterum quasi sigillo Attico
eam insignivit haec proferens : donec illa abolendae paupertatis
consilia effectum habaerint, curandam quidem esse ut consueto
more publicae functiones obeantur, et si exhausto aerario ar-
gentum ecclesiasticum et dicasticum deficiat, iniustis illis aecu-
sationibns ad aerarium conplendum excogitatis longe praestare
ut palam et aperte tributum divitibus civibus imponatur, ea
tarnen condicione ut interim dum tributum hoc solvant, vanae
inutilesque liturgiae eis remittantur^. Nusquam enim morbus
ille, quo fere omnes antiquae civitates laborabant, quod cives
ad sumptus publicos suppeditandos nihil certa ac recta via
contribuebant, in plura et funestiora prorupit mala quam Athenis,
nbi certorum reditunm defectus liturgiarum onere singulis divi-
tibus civibus imposito compensabatur ; neque ullam occasionem
praetermittit Aristoteles quin in hunc divitum spoliandorum mo-
dum invehatur. Duobns aliis horum politicorum locis (v 5
p. 1305» 4—7. 8 p. 1309 » 14—19) inculcat liturgias quales a
locupletioribus civibus alicubi i. e. Athenis postulentur nil esse
nisi subrepticiam quandam bonorum publicandorum viam, atque
adeo in dialogo qnodam deperdito, cnius mentionem facit Cicero,
acerbissimis verbis communem Graecorum opinionem insectatus
est, qui pecuniarum in talia munera effnsionem tamquam liberali-
tatis et magnanimitatis documentum laudibus efferre solebant^.
Td»v aÖTiöv d Tcrpim^vo^ T^p irOo^ kajXy i\ TOiaOTii ßo/|G€ia
Totq diröpoiq].
1 [p. 1320*32 dXXd bei töv dXTi6tiü(; ötimotiköv öpdv öiruji; tö
irXf^o^ \ii\ Xiov diropov ij|]-
• [1. 8. p. 1320^2 4v bi toOti}! irpÄ^ xd^ dvatKaCa^ auvöbou^ xoO^
€(rir6pou( claq>^p€iv t6v ^laGöv, dcpicfi^vou^ täv fiaxaluiv XcixoupTi^v].
* [Arist. fr. 78 p. 104 Ros. apnd Ciceronem de officiis n 16, 56 sq.].
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176 ZV Oratio de Aristotolis libris politicis
lam pertractato hoc loco habetis, carissimi commilitones,
unum exemplam e maltis, quo modo agDita ratione, quam Ari-
stoteles Atticae civitatis etiam non nomiDatae habnerit, vera
ipsins mens indagetur. Scitis antem interpretandi artis, qnae
omnium philologicaram disciplinarnm et difficillima et fructno-
sissima est, cardinem in eo versari, nt quae primo aspecta ge-
neralia et communia et propterea qaasi p^lHda et languida
videbantur, adbibita bistorica doctrina propria fiant et singularia
et propterea qaasi vivida.
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XVI
ARISTOTELES UND SIMONIDES.
Hermes, Zeitschrift für classische Philologie herausg. von E. Hübner,
Berlin 1871, Band v S. 301 f.
Die Worte, in denen Aristoteles das negative Zeugniss der 301
Geschichte gegen die Gütergemeinschaft des platonischen Staates
anruft, lauten in allen Ausgaben Polit. ii 5 p. 1264 * 1 : bei bi
\xr\bk toOto auTÖ dTvoeiv 8ti xpn irpocy^x^iv toi TroXXif» XP^viü
Kai ToT^ TToXXoT^ ?T€(nv, iv ol(; ouK Sv fXaGev el raOra KaXuK;
cTxcv. Obgleich auch einem minder strengen Schriftsteller, als
es Aristoteles ist, nicht zugetraut werden könnte, dass er zu
'der langen Zeit' noch die lediglich dasselbe auf hßgrifflich
stumpfere Weise besagenden 'vielen Jahre* gefügt habe, so
Hessen sich doch alle Herausgeber die Verbindung tijj itoXXijj
Xpövui Ktti Toi^ TToXXoT^ fieaiv gefallen, trotzdem selbst der dürf-
tige kritische Apparat, welcher bis jetzt für die aristotelische
Politik vorhanden ist, einen Anhalt zur Besserung des Fehlers
darbot Schneider hat schon angemerkt, dass Leonardus Are-
tinus in seiner Uebersetzung nicht iTcmv, sondern ^Oeaiv aus-
drückt ; die von Schneider nicht mitgetheilten lateinischen Worte
des Aretinus lauten in einer Leipziger Originalausgabe vom
Jahre 1502, welche ein Freund auf der k. Bibliothek zu Berlin
eingesehen hat : neque id sand ignorandum est quod oportet ad
longum temptis ac longas consuetudines inspicere an rede se
haheant\ wie angenügend sie den Sinn des aristotelischen Satzes
wiedergeben, so rechtfertigen sie doch Schneiders Bückschluss
auf ein von Aretinus gelesenes fGecTiv. Von fGemv aber gelangt
man mitteis eines hinzugefügten v zu dem vollkommen in den
vorliegenden Zusammenhang passenden Wort fOvcaiv: der Ver-
lauf der Geschichte in der vergangenen langen Zeit bei
den vielen staatlich geeinten Völkern zeugt gegen die plato-
nischen Theorien.
Die an sich geringfügige Beseitigung eines solchen Schreib-
fehlers hätte einer besonderen Besprechung nicht würdig ge-
schienen, wenn | ihr nicht eine auf indirectem Wege hinzutre- 302
Bemays, ges. Abliandl. ]2
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178 XYi Aristoteles und Simonides
tende Bestätigung einiges Interesse verliehe. Es bedarf keines
allzu geschärften Geftihls für die gute wissenschaftliche und
speciell aristotelische Prosa um zu empfinden, dass die Wendung
TipocTexeiv tiL TioXXq) XP^vuj sich ein wenig über das gewöhn-
liche Niveau des Ausdrucks erhebt; und auch wer selbst dieser
Empfindung nicht zugänglich sein sollte, kann doch ihre Berech-
tigung nicHt leugnen wollen, sobald er an den Spruch des
Dichters Simonides aus Keos (fr. 193 Bergk) erinnert wird,
welchen Plutarch an zwei Orten erwähnt: de Iside c. 23 ökvuj
b^, fif| toOto (die euhemeristische Deutung der aegyptischen My-
thologeme) fj rd dKiviiTa KiveTv Kai noXeiieTv ou tiöitoXXijj
Xpövuj, KttTd ZifiiüvibTiv, fiövov, TToXXoT^ b' dvGpuiTTuiv ?ev€(Ti
Kai T^veai Kaiöxoi^ uirö xfi^ irpö^ xou^ Geou^ toütou^ öaiöniTO^
ktX. Vit. Thes. c. 10 ol McTapöGev (TuTTpaqpei^ öfiöae t^ (px\\xn
ßabttovre^ Kai rqj ttoXXoi xpövt[j, Kard ZijLiuüvibTiv, TroXejioOv-
T€^ OÖT€ Ößpi(TTf|V OÖT€ XijcTrtiv T^TOV^vai TOV ZK€ipuJvd 9a(Tiv.
Wie nun durch die erste plutarchische Anführung sich die Bes-
serung fOvcmv statt freaiv in der aristotelischen Reminiscenz
bewährt, so zeigt wiederum die aristotelische Stelle, dass die
simonideischen Worte bei Plutarch nicht, wie die bisherigen
Fragmentensammler, wohl wegen des zweiten plutarchischen
Gitats, meinten, schon bei t(^ iroXXqj xP<^vui abbrechen, sondern
sich noch auf den Satztheil ttoXXoi^ b' dvOpuiTruiv ^Oveai er-
strecken, der ja übrigens auch durch den etwas gehobenen Aus-
druck dvOpuÜTTuiv fOvT] seinen nicht prosaischen Ursprung ver-
räth \ — Nicht unwahrscheinlich ist es, dass in demselben Lied,
welches des weltklugen Dichters Warnung vor dem 'Krieg mit
der langen Zeit und den vielen Völkern* enthielt, auch 'der Zeit
die höchste Weisheit' zugeschrieben war, worauf ebenfalls, ohne
ausdrückliche Nennung des Simonides (fr. 19 Bergk), als auf
einen allbekannten Spruch, Aristoteles anderswo anspielt, Phys.
IV 13 p. 222 ^ 17 o\ jifev (TocpuiTaTOV ^Xetov (töv xpövov), ö bk
TTuGaTÖpeio^ TTdpwv djuaG^araTOV ktX. Dass unter o\ fifev Simo-
nides gemeint ist, lehrt Simplicius (p. 393 * 20 Brandis, 1 1 p. 754,
10 Diels), der es aus Eudemos' Bearbeitung der aristotelischen
Physik lernte.
* (Dagegen spricht sich Vahlen aus, Zeitschr. f. österr. Gymnasien
1870 Bd. XXI p. 829).
Bonn, Sept. 1870.
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XVII
ARISTOTELES
ÜBER DEN MITTELSTAND.
Hermes heraasg. von E. Hübner, Berlin 1872, Band vi S. 118 — 124.
Madvig, dem unsere Wissenschaft so manches Muster roe- 118
thodischer Kritik verdankt, hat sich in seinen neulich erschie-
nenen adversaria crüica herbeigelassen, Beispiele sporadischer
Kritik an einigen aristotelischen Schriften aufzustellen. Während
seine ciceronischen und livianischen Arbeiten aus umfassender
Kenntniss und zusammenhängender Würdigung der handschrift-
lichen Ueberlieferung so wie aus inniger Vertrautheit mit der
Eigenart des behandelten Schriftstellers hervorgegangen sind,
verzichtet er in den einleitenden Wor|ten ^ zu seinen aristoteli- 119
sehen Beiträgen ausdrücklich auf den Anspruch, eine hinläng-
liche Bekanntschaft mit der 'harten und holperichten Redeweise*
des Philosophen und praktische Erfahrung im Gebrauch der
aristotelischen Handschriften zu besitzen. Eine so freimüthige
Selbstkritik entwaffnet jede fremde ; und nur um an den der
Zeit nach jüngsten und dem wissenschaftlichen Ansehen nach
bedeutendsten Vorgänger anzuknüpfen, gehe ich von Madvig's
Bemerkungen aus, indem ich den folgenden Versuch über eine
der schwierigeren Stellen der aristotelischen Politik zur Prü-
fung vorlege. Da die Behandlung der Stelle von der richtigen
Bückbeziehung eines Pronomen abhängt, so wird es zur Deut-
lichkeit erforderlich, die umgebenden Sätze vollständig mitzn-
theilen.
^ P. 462: neque a sertnonis Ariatotelii duri et soHebroH cognitione
codieumve uau mihi ad criHcam fcuititandam satia inatructua videhar.
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180
xvu Aristoteles über den Mittelstand
Aristoteles will im elften Gapitel des nach der einen
Bttcherzählung vierten, nach der anderen sechsten Buches
die Vorzüge des Mittelstandes darlegen. Rückblickend anf die
Lehren der Ethik, welche die Tagend als die richtige Mitte
erweisen, spricht er es ans, dass wie hiemach für den Einzelnen,
so auch für den Staat der mittlere Lebenszustand der beste sei.
Zur näheren Begründung fährt er dann fort (p. 1295 ^ 1) :
dv diTiicTai^ bf) raiq iröXe- In allen Staaten giebt es drei
a\viaTiTp\a\iipr\Tf\(;ii6\e{jjqy Klassen der Staatsmitglieder:
ol fifev eÖTiopoi <y<pöbpa, 0*1
bk fiiTopoi (Tqpöbpa, o\ hk Tpl-
5 Toi o\ |i^<yoi TouTiuv. direi
Tolvuv ö^oXoTelTal tö iii-
XpiOV äpiCTTOV Kttl TÖ fi^CTOV,
qpavepöv öti Kai tujv euTuxTi-
liiiTUJv f) KTflcTi^ f) lilax] ßeX-
10 TlCTTTl TtAvTWV ^(jicTTTl T^P
TOI X6t4) iT€i9apxeTv, vniQ-
KttXov bk, f\ wepioxupov f\
u7T€p€UT€vf) i^ uirepTTXoücTiov,
f\ idvavTia toutoi^, utt^ptttuj-
15 xov f\ Ö7repa(T0€vfi xal (Tqpö-
bpa ÄTi^ov xctXeiTÖv rtjj Xötv
120 dKoXouGeiv yivovTai lyoip di
lii.y ußpicTTai Kai lieTaXonö-
VTipoi liäXXov, o^i bfc KaKoöp-
20 TOI Kai ^lKpo1T6vTlpol Xiav •
TUJV b' dblKTlIidTUJV Td |ifev
Tiverai bi' ößpiv td bk, bid
KaKOupTiav. ?Ti b' f^KicrG'
ouToi (puXapxoöai Kai ßou-
25 XapxoOcTiv raOra b' d|i<p6-
repa ßXaßepd xaT^ iröXecnv.
irpö^ bk TOUTOi^ o\ ixkv dv
ÖTiepoxai^ euTuxTiMdxuJV 8v-
T€^, iaxuoq Kttl itXoutou Kai
sehr Reiche, sehr Arme, und
eine dritte Klasse, welche zwi-
schen den beiden ersteren in der
Mitte steht. Da nun das Maass-
volle und Mittlere als das Beste
anerkannt wird, so leuchtet es
ein, dass auch in Bezug auf den
Besitz der Glücksgüter der mitt-
lere Besitzstand der allerbeste
ist; denn bei ihm stellt sich
am leichtesten Botmässigkeit ^
unter die Vernunft ein; für einen
überaus schönen Menschen hin-
gegen oder überaus starken oder
höchst adelichen oder überaus
reichen, und wiederum für einen
überaus armen oder körperlich |
überaus verkümmerten oder
gänzlich verachteten wird es
schwierig, der Vernunft zu fol-
gen; denn die ersteren werden
zu übermüthigen Frevlern und
zu Bösewichtern mehr im Gros-
sen, die letzteren zu Spitzbuben
und zu Bösewichtern im ganz
Kleinen; Uebermuth und Spitz-
büberei sind aber die beiden
Quellen der Verbrechen Da-
zu kommt noch, dass einerseits
diejenigen, welche die Glücks-
güter, Stärke, Keichthum,Freun-
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XYii Aristoteles über den Mittelstand
181
desanhang und was dem ähDiich,
in überscbwänglicbem Maasse
besitzen, weder gewillt noch
fähig sind zu gehorchen — sie
bringen dies schon als Knaben
gleich vom Hause mit; denn
weil sie so üppig aufwachsen,
können sie nicht einmal in den
Schulen sich an Gehorsam ge-
wöhnen — , andererseits sind
diejenigen, aufweiche ein über-
mässiger Mangel jener Güter
drückt, gar zu sehr unterwürfig;
80 sind denn diese letzteren nicht
fähig zu gebieten, sondern nur
einem Sclavenregiment zu ge-
horchen; die ersteren sind zu
gehorchen keinerlei Regiment
fähig, und zu gebieten nur als
Inhaber eines Herrenthums; dar-
aus entsteht also ein Staat von
Sclaven und Herren, aber nicht
von Freien; and die einen sind
von Neid, die anderen von Ver-
achtung erfüllt, Stimmungen, die
80 weit als möglich von Ein-
tracht und staatlicher Gemein-
schaft abstehen. |
In Betreff der unübersetzt gelassenen Zeilen 23—26 äussert 121
Madvig p. 466 Folgendes: '?ti b' f^KicrB' outoi (piXapxoOm kuI
ßouXapxoOcnv raOra b' d|iq)ÖT€pa ßXaßepd rai^ iröXecnv. Mire
homines genere, divitiis^ viribus excellentes minime qpiXapxeiv di-
cuntur, neque minus mire, inutile reip. esse, homines imperandi
et magisiratuum gerendorum cupidos non esse. Etiam minus ad
reipublicae utilitatem pertinet, tales homines senatus principatum
tenere; id atäem in inscriptionibus, apte ad compositionis formam,
ßouXapxeiv significcU. Pro cpiXapxoOcn non dubito quin Aristoteles
cpiXepTOÖcn posuerit; alterum quid fuerit non reperio\ Madvig
30 (piXwV Kttl TUIV äXXuJV TUIV
ToioÜTUJv, äpxecTGai oöt€ ßoii-
XoVTttl OÖT€ dTTlCTTaVTai (Kttl
toOt' €u8uq oTkoGcv uirdpxei
TraicTiv oöcTiv bid fäp Tf|v
35 Tpu<pf|v oub* dv TÖiq bibacTKa-
Xeioi^ fipxecTGai auvriOeq au-
TOTq), Ot bfe KaO' U7T€pß0Xf|V
tv dvbeioi TouTUJV xaireivoi
Xiav • djcTG' o1 |ifev dpxeiv ouk
40 dmcnavTai dXX' fipxeaGai bou-
XiKf|v dpxnv, di b' fipxecTGai
fxfev ovib€)üiiav dpx^iv^ dpxeiv
bfe b€(TTroTiKf|v dpx^V Tive-
tai oöv Kai bouXuJv kqI beairo-
45 Toiv TTÖXi^, dXX' oÖK dXeuG^-
PU)V, Kttl TUJV \ilv (pGovouv-
Tujv TWY bt KaTaqppovoüvTUJV '
S TiXeTcTTOV dir^x^i q)iX(aq Kai
Koiviuviaq TroXiTiKfjq.
1 80 statt oOb€|Lti^ (ipx4-
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182 xvu AriBtoteles über den Mittelstand
hat also, wie es offener oder versteckter auch die früheren Er-
klärer und Uebersetzer (mit Ausnahme von Eoraes) thaten,
ouToi auf die den Schluss der vorigen Periode beherrschenden
Subjecte (Z. 11—16) d. h. auf die Extreme des Glücks und
Elends bezogen; und nachdem er diesen Weg betreten, gerieth
er so allseitig in das Unwegsame, dass er in eingestandener
Rathlosigkeit inne hielt. Aber wenn jene Beziehung von oGtoi
richtig wäre, so würde ja im Verlauf des ganzen Abschnittes
von Z. 11 bis Z. 43 stets dasselbe Subject vorwalten, und es
wäre nicht abzusehen, weshalb eben jene Extreme, welche schon
Z. 11—16 ausführlich erwähnt waren, mit kaum minderer Aus-
führlichkeit Z. 27 ff. abermals erwähnt werden. Eine solche
Wiederholung kann nur durch einen inzwischen eingetretenen
Subjectswechsel veranlasst sein, und oijTOi ist demnach nicht
auf die Extreme sondern auf die Z. 5 genannten und Z. 9 durch
f| KTflmq f) iiiar\ bezeichneten \ilaoi zu beziehen, deren hoher
staatlicher Werth dargelegt werden soll und auf die also Aristo-
teles, als er mit In Z. 23 den zweiten Vorzug des Mittelstandes
aufzuzeichnen begann, als auf den leitenden Hauptbegriff der
ganzen Auseinandersetzung zurückblickte. Viele aristotelische
Schriften und ganz besonders die Politik sind eben deshalb
schwierig und machen den Eindruck eines dtmts et salebrosus
sermo, weil sie von dem Leser verlangen, dass er den inneren
Oedankenwegen des Philosophen, der viel mehr fttr sich selbst
als fttr Andere schreibt, auch da zu folgen wisse, wo die stilisti-
schen Wegweiser nicht so zahlreich wie in anderen künstlerisch
• ausgearbeiteten Werken der griechischen Prosa vor dem Fehl-
gehen warnen. — Einen ferneren Anhalt zur Erledigung der
Stelle gewährt d^<pÖT€pa Z. 25; es zeigt dass mit den vorher-
gehenden Wörtern, welche jetzt in der Gestalt von cpuXapxoOcTi
Kai ßouXapxoCcTiv vorliegen, nicht zwei verwandte, sondern iwei
gegensätzliche oder doch wesentlich verschiedene Begriffe beab-
122 sichtigt waren ; denn nur alsdann | konnte Aristoteles sagen,
dass 'das Eine so sehr wie das Andere' schädlich sei. Schon
dieser Grund nöthigt zur Annahme eines Verderbnisses in den
überlieferten Wörtern <puXapxoO(Ti Kai ßouXapxoOmv, da weder
ihre sonst gebräuchlichen noch die nach Maassgabe ihrer com-
ponirenden Bestandtheile etwa neu zu ersinnenden Bedeutungen
auf einen so weiten begrifflichen Abstand oder Gegensatz fuhren,
wie ihn djicpÖTepa verlangt. Ich bin nun davon ausgegangen,
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XYii Aristoteles über den Mittelstand 183
dass ßouXapxoCmv nicht zwar, wie Schneider meinte <^and selbst
Koraes für möglich hielt), so viel wie cyTroubapxoömv besagen
soll, aber wohl ans cTTroubapxoOcTiv durch Abschreiberversehen
entstanden ist ; das A ward fUr ein A angesehen und dann das
Unwort (TiTOuXapxeTv zu dem doch wenigstens griechischen ßou-
Xapxeiv geändert*. Zu diesem (TTTOuöapxeiv, welches die ganz
übliche, von Aristophanes zu einem scherzhaften Patronymikon
((TTroubapxibTi^ Acharn. 595 Meineke) verwendete, und auch von
Aristoteles sonst (Polit. v (viii) 5 p. 1305 * 31) gebrauchte Bezeich-
nung fllr ' Aemterjagd' ist, wäre nun ein weit abstechender Begriff
oder ein Gegensatz aus dem nebenstehenden Wort zu gewinnen.
Dessen am zuverlässigsten überlieferte Form ist nicht cptXap-
XcOcTi, wie man nach Madvigs Anführung glauben könnte, son-
dern Bekker hat cpuXapxoGcTi in seinem Text ohne eine Variante
anzugeben, und Göttling notirt nur aus zwei Pariser Handschrif-
ten ein von zweiter Hand über u geschriebenes i; für die qui-
dam libri scripti, aus welchen Victorius das auch von ihm ver-
worfene (piXapxoOm erwähnt, ist die Möglichkeit, dass sie es
ebenfalls nur von zweiter Hand gehabt, nicht ausgeschlossen^.
Von q>uXapxoO(Ti aber gelangt man mittels Aenderung ^ines
Buchstabens zu (puTapxoCcTi, einem nach Analogie von cpuTobi-
K€iv, cpuTOiiaxeTv regelrecht gebildeten Wort für 'Aemterscheu';
es ist sonst bisher nicht nachgewiesen; aber selbst wenn es
überhaupt unnachweisbar sein sollte, würde uns dies nicht irren
dürfen. Aristoteles schränkt seine Freiheit neuer Wörterbildung
keineswegs auf das Gebiet der philosophischen Terminologie
ein, sondern überall wo er zu einem sprachlebendigen Wort eine
eben so kurze Bezeiclinung des gegensätzlichen Begriffs zu haben
wünscht und in dem gemeingültigen Sprachschatz nicht findet,
schafft er sich im Wege der Neubildung was er braucht; Kenner
1 (Koraes hätte diese Vermathung, auf die er in den Noten gerieth,
festhalten sollen; in seinem Text hat er q)iXapxoO(n und streicht xal ßou-
XapxoOai).
^ ^Andere Angaben über seine Handschriften macht Susemihl in
Fleckeisens Jahrbüchern von 1871 Bd. lOS, 790 und in seiner kritischen
Ausgabe der Politik p. 418. Danach wird (puXopxoOoi durch die Hand-
schrift des Demetrios Chalkondylas (P^) und die editio princeps des Aldus
bezeugt, andere Hss. haben es nur als Correctur; mit der Uebersetzung
des Moerbeka {amant principes et mlunt esse prindpes) stimmen alle übri-
gen Zeugen in <piXapxoOai zusammen).
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184 xvu Aristoteles über den Mittelstand
des Aristoteles bedürfen dafür nicht erst der Belege; Femer-
stebende seien anf ein nicht weit von nnserer Stelle zu findendes
Beispiel verwiesen, wo Aristoteles das Princip der Arbeitstheilung,
die oiKeiOTipaTta, wie Piaton sagte, folgendennaassen erwähnt
123(15 p. 1299 * 38) : ß^Xxiov ?Ka<yT0v | ?pTOV TUTX<iv€i rfiq dm/ieXeiaq
^ovo7^paTIiOlTOu(JT^^ i^ TroXuiTpaTM«Tovi<yTiq. 'Jedes Geschäft gelingt
besser, wenn die Verrichtung eine einthätige als wenn sie eine
vielthätige ist'. Wie dort nach dem Stempel des gangbaren
iToXuTipdTMUJV das sonst nicht nachgewiesene Wort jbiovoTTpaTMUJv
geprägt ist, so tritt hier dem hergebrachten (Tiroubapxeiv ein
neugeschaffenes <puTapx€Tv gegenüber. Die ganze Stelle wäre
demnach zu schreiben : Itx b' ^kictG' oötoi qputapxoOcTi Km ctttou-
bapxoOmv TaOra V d^q)6T€pa ßXaßepd raiq iroXecTiv und etwa
so zu übersetzen : ' Zweitens besteht ein Vorzug des Mittelstandes
darin, dass bei ihm sich am wenigsten Aemterscheu und Aem-
terjagd findet ; von diesen aber ist die eine so staatsverderblich
wie die andere*.
Für den Fall, dass auch dem so gestalteten Text gegenüber
noch Jemand den Madvig'schen Ausruf wiederholen und es wun-
derlich finden sollte zu sagen inutile reip. esse, homines imperandi
et magistrcUuufn gerendorum cupidos tum esse, sei an die Zustände
des demokratischen und demagogischen Athen erinnert, welche
der dort lehrende Aristoteles nie aus den Augen verliert, wenn-
gleich er als Nichtbürger aus Gründen der Vorsicht nur selten aus-
drücklich auf sie hinweist. Gar manche Spuren führen darauf,
dass hinsichtlich der gewöhnlichen, nicht militärischen Aemter
die athenischen Verhältnisse den jetzigen amerikanischen nicht
unähnlich waren; Viele der besonneneren und höher gebildeten
Bürger überliessen dem Schwärm der Stellenjäger gern das
Feld^; Männer wie Sokrates und Piaton enthielten sich grund-
sätzlich jeder ernsteren Betheiligung an den athenischen Staats-
geschäften; und schon früher, seitdem durch Perikles Athen
unwiderruflich in die Bahnen der Demokratie gelenkt war, mö-
gen, wie Ernst Curtius in seiner Schilderung dieser Zeit (Gr.
Gesch. II S. 377 dritte Aufl.) ausführt, viele der alten und vor-
nehmeren Geschlechter sich von der praktischen Politik in miss-
muthiger Unlust zurückgezogen haben; des thukydideischen
* (Vgl. Euripides Ion 598 öaoi bi xpY\aTo\ 6uvd|üi€vo( t* elvai aocpol
aiTuim Koö air€t!»5ouaiv elq tä lrpdY^aTa kt\.).
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xvn Aristoteles über den Mittelstand 186
Perikles spitze Ausfälle gegen die 'ruhigen Bürger* (dirpATMo-
v€q II 40 und 63) sind wohl hauptsächlich gegen diese Classe
gerichtet, die er gewiss gern mit der neuen Richtung versöhnt
und zur staatlichen Mitarbeit herangezogen hätte. Den späteren,
von Perikles' Höhe rasch herabsinkenden Führern der Demo-
kratie war hingegen ein solches freiwilliges Zurücktreten ihrer
natürlichen Gegner begreiflicherweise nicht unerwünscht; wäh-
rend daher in anderen, zur Aristokratie neigenden Staaten die
Ablehnung der Aemter seitens der Vornehmen durch gesetzliche
Vorlkehrungen, die auch Aristoteles weiterhin in unserem * Buche 124
berührt, verhindert war, Hess das demokratische Athen in dieser
Beziehung das persönliche Belieben unbeschränkt; Niemand, wie
Demosthenes^ rühmt, ward zur Theilnahme an den öffentlichen
Geschäften * weder aufgefordert noch gezwungen'. Die hierdurch
in Athen entstandene Lage hatte dem Aristoteles das Musterbild
geliefert zu der, in einem früheren Kapitel (6 p. 1293 * 1) un-
seres Buchs geschilderten, letzten Entwickelungsstufe der Demo-
kratie, welche alle Bürger zur Theilnahme an den Staatsgeschäf-
ten berechtigt, und den auf den täglichen Erwerb angewiesenen
Besitzlosen Sold zahlt, damit sie 'Müsse' für politische Thätig-
keit gewinnen. ' Und — fährt dort (Z. 6) Aristoteles bitter fort —
*eine solche besitzlose Menge hat am meisten Müsse ^; denn die
Verwaltung ihres eigenen Vermögens hindert sie gar nicht, wohl
aber werden die Reichen dadurch gehindert, weshalb diese sich
auch vielfach der Theilnahme an der Volksversammlung und
den Gerichten entziehen; die Folge davon ist, dass die besitz-
lose Menge die entscheidende Macht im Staat wird und nicht
1 13 p. 1297 » 19 ircpl bi rdq <ipx^^ (^ falq iroXiTciai^ aocpilovzai
irp6^ t6v Af^^ov) TÖ Tot^ ^i^v £xouai dimma |üif| 4E€tvai ^Hö^vu(Tea^ xolq 6'
diTÖpoi^ ^Hclvai. (Auch Piaton hebt in seiner Schilderung der Demokratie,
die er nach dem Vorbild Athens, wie dies zu seiner Zeit war, entwirft,
als Uebelstand hervor: |Ltr)6€^(av dvdTKTiv elvai dpX€iv . . . |üiti6' dv ^^
Ikovö^ dpx€iv Bepubl. vni p. 667 «. lieber die römischen Verhältnisse s.
Mommsen, Staatsrecht i S. 403 der ersten Ausg.).
^ or. de falsa leg. § 99 p. 373 oCib^va rd KOivd irpdrreiv ö^€i^
KcXeOere oöö* dvatKdZcTe.
' Kai ixdXxara hi axoXdCei t6 toioOtov irXfJOo^* oö y^P ^MiroötCei
aÖToO^ o<}biy i\ tuiv 16(ujv ^m|i^€ia, xoOq bi irXouaiouq d^iroftiJei, ü&axc
iToXXdKi^ oö KoivuivoOai TfJ^ ^KKXnaiaq o(>bi xoO biKdZiciv' biö yCvcTai tö
Tttiv diröpuiv irXf^eoc; Kupiov xf^^ iroXixciaq, dXX' oöx ol vö^ol.
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186 xvn Arietoteies über den Mittelstand
die Oesetze'. Eben so wenig nun wie in Betreff der Volks-
versammlungen und Schwurgerichte, konnte es dem Aristoteles
in Betreff der Aemter verborgen bleiben, dass die politische
Lauheit der höheren Klassen dem Staat die besten Kräfte ent-
ziehe und ihn der schrankenlosesten Demokratie überliefere;
er erklärt daher die 'Aemterscheu' für eben so schädlich wie
die 'Aemterjagd' und sieht einen Vorzug des Mittelstandes darin,
dass dieser sich weder in ausschliesslicher Hingabe an grosse
Privatinteressen oder in vornehmer Zurückhaltung vor dem Amt
versteckt, noch in dem Streben aus der Niedrigkeit emporzu-
kommen, an das Amt sich heranzudrängen braucht.
Bonn, April 1871.
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xvm
ARISTOTELES' POLITIEN.
Rheinisches Musenm für Philologie 1860 Jahrg. vn S. 286—291.
Die Politien des Aristoteles werden in dem Verzeichniss der 286
Schriften desselben bei Diogenes Laertius v 27 unter folgendem
Titel aufgeführt: iroXiTeiai iröXeuiv buoTv beoiicraiv ^HriKovra Kai
dKttTÖv Kttl iblcf, brmoKpaTiKai, öXiTapxiKai, dpicTTOKpaTiKal Kai
TupawiKai. Wenigstens in der Zahl 158 stimmt hiermit die sonst
offenbar flüchtige und verderbte Fassung bei dem Anonymus
(Westermann. Vitar. Script. p.404, 69): iroXireia^ it6X€ujv lbiiJüTi|-
KUüV KalbTiiiOKpaTiKuiv Kai öXiyapxiKUüv pVTi\ Fast ein ganzes287
Hundert Staaten mehr nennt unser Text der Vita des Ammonius,
bei gelegentlicher Erwähnung der Politien (Westermann, p. 401,
83): i\ii\ei Kai auvaiöeucrev ('ApicyTOT^Xriq) aurijp ('AXeHdvbpijj) Kai
law Tujv BpaxM<ivu)v fvG' fcTTTicTe xdq ave iroXiicia^, wo statt
des unpassenden forricTe zu schreiben ist IcTTÖpricTe, nach An-
leitung der alten lateinischen Uebersetzung : ^composuit histortam
ducentarum et quinquaginta politiarum', die zugleich durch ihre
Abweichung in der Zahlangabe das öve' unseres griechischen
Textes unsicher machte Nur 13 Staaten mehr als Diogenes
1 260 wie die lateinische Uebersetzung hat auch der Armenier
David, welcher den Ammonius, oder dieselbe Quelle wie dieser benutzt,
schol. in Aristot. ed. Brand, p. 24 » 84 .... al TToXiTClai S^ laxöpiiaev
kK ToO iToXXiP)v Y^v iTcpicXOdv d^a 'AXeEdvbptp ßacTiXet, Sc; ^k6^6ujk€ KaT&
(JTOixctov 5taKoa(aq ir€VTif|KOVTa oöaaq tÖv dpiO^öv. Ebenso Prolegg.
in Porphyr, ibid. p. 9 »» 26 TeTPOMM^ai ^^ ci^TiJ» €lai Kai TToXiTCtai öiaxö-
aiai ir€VTr|KOVTa töv dple^öv, ö^ auveTpdniaTo ^k toO iroXXi?|v yf^v irepicX-
Oetv ouv 'AX€Hdv^p^) ti^ ßaaiXel. Dagegen scheint Philoponus eine Zahl wie
die im griechischen Text des Ammonius zu meinen ibid. p. 36 ^ 19 : TTo-
XtTctai d^q>l rdq v' xal biaxodac; oOaai.
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J
188 XYin Aristoteles' Politien
und der Anonymus bietet das arabische Verzeichniss \ nämlich
171. Will man nun weder hier noch im Ammonius blossen
Schreibfehler annehmen, so lassen sich für die Vermehrung
allerlei gleich mögliche Anlässe denken. Es könnte die Samm-
lung später von fremder Hand Zusätze erhalten haben, und
288 wirklich unterscheidet Simplicius^ zwi|schen ächten und unäch-
ten Politien. Es könnte auch die aristotelische Schrift vö^ijia
ßapßapiKci von irgend Jemandem mit den Politien vereinigt sein,
und dafür dürfte man sich auf das im arabischen Titel zweimal
wiederkehrende nationes et urbes (fOvr] xal iröXeiq) sowie auch
auf den Umstand berufen wollen, dass nur Berichte über nicht-
griechische Völkerschaften, welche sich neben denen über grie-
chische Staaten in dem Werke vorfanden, Anlass zu der Er-
dichtung geben konnten, Aristoteles habe, als er Alexander auf
dessen orientalischen Zttgen begleitete, den Stoff zu den Politien
gesammelt. Auf keinen Fall können aber diese Möglichkeiten
die bei Diogenes obendrein nicht in Zeichen sondern in ausge-
schriebenen Worten überlieferte Zahl 158 fUr die acht aristote-
lischen Politien verdächtigen, zumal da eine genauere Betracb-
^ Die arabischen Worte stehen bei Wenrich De auctorum graecorum
versionibus et commentariis syriacis, arabicis etc., Lipsiae 1842, p. 156. Sie
lauten in wörtlicher Uebersetzung : Liber cuius Signum (titulus) regimen
urbium, et dicitur iroXiTcCa ( Uh f^ j »j), memorat in eo regimen nationum
et urbium complurium, et numerus nationum et urbium quas memorat
ccntum et unum et septuaginta. Freier zusammenziehend Wenrich : De
civitatum regimine, iroMreia, liber I, in quo de complurium populorum
atque civitatum regimine tractatur, quarum numerus CLXXi. Den Worten
liber I entspricht im Arabischen nichts ausdrücklich. Noch mehr verlässt
den arabischen Text Casiri (s. Arist. oper. ed. Buhle vol. i p. 42) : De rei-
publicae regimine liber I, Politia dictus, ubi complures uominantur urbes
et nationes regendae, numero videlicet CLXXi.
« in Categ. f. 4, Schol. Arist. ed. Brandis. p. 27 « 38 : 6ti . . . oOk
daecvcCqi \6fo\) tö ä(5aq>i<^ aöxoO (toO 'ApiaxoT^ouc;) toIc; auTTP^iMMO^^iv
dir€T^v€TO .... bf^Xov Kai il O&v ^v ot<; IßouXfiOii aaqtiaraTa ibibalev üi? iy
Tolq M£T€iJ[ipoi<; Kai To1<; ToiriKolc; Kai xatq yvY\aiai<; aöToO TToXiTciaK,
direp hxä TÖ Koivötcpov tCöv OewpinitdTwv aa9^aT€pov dwaTTt^oi oOvoibe.
TÖ bi öOvaaBai (Taq>tXi^ clirctv brikol indXiaTa ö tuiv 'EiriaxoXuiv oötoO
XapaKTf)p ktX. wo iToXiTcfaK schon darum nicht mit Ideler (praefat. in
Meteor, p. xii Anm. 40j in imaTo\aX<i zu ändern ist, weil Simplicius von
den Briefen erst im folgenden Satz als von einer bisher nicht erwähnten
Schriftgattung redet.
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xvm AriBtoteles' Politien 189
tang dieses ganzen Titels bei .Diogenes das sichere Ergebniss
liefert, dass er, wonicht von Aristoteles selbst^ doch von Jeman-
dem herrühre, der eine genaue Kenntniss des Aristotelischen
Werks besass, und Inhalt und Anordnung desselben in diesem
Titel mit gedrängter Kttrze angedeutet hat. Freilich scheinen
diesem Lob der gedrängten Kttrze die Worte xal ibiq, zu wider-
sprechen, wenigstens wie sie gewöhnlich durch et singiUc^im
übersetzt werden. Denn zugegeben, dass sie dies heissen können
und synonym sind mit den aristotelischen Ausdrücken x^ipi^
oder KaG' ^KacTTov, so geht doch hier kein allgemein zusammen-
fassender Begriff voraus, der eine Scheidung in Einzelnes ver-
langte oder auch nur zuliesse. Suchen wir also mit Hilfe der
erhaltenen Bruchstücke der Politien die Worte xal Ibiqi in ihrer
scharfen Bedeutung aufzufassen.
Aus zwei Bruchstücken geht deutlich hervor, dass Aristoteles
in den Politien sich nicht auf die Verfassungen einzelner Städte
beschränkt, sondern auch die Föderativ- und Centralverfassungen
als solche abgesondert behandelt habe. Erstlich wird eine Ab-
theilung der Politien unter der Aufschrift xoivfi 'ApKcibuJV ito-
Xtreta angeführt von Uarpokration s. v. Mupioi iy MeyaXi] TiöXei:
. . . bieiXeKTtti bk, irepi autujv Kai 'ApicTTOT^Xriq dv tQ koivQ *Ap|-
Kdbu)v 7ToXiT€i(j( dpxö|i6vo^ ToO ßißX(ou, und zweitens nennt derselbe 289
Harpokration eine Koivfi ecTtaXujv iroXixeia s. v. xexpapxia:
. . . 'ApicTTOT^XTiq hk iv Tfji Kowfji 06TTaXaiv TToXiTeiqi iiii 'AXeiia
ToO TTuppou biijpficTGal cpricnv iq b' iioipa^ Tf|v 0€TTaXiav. Solchen
Koival iToXiTcTai treten nun die Sonderverfassungen einzelner
Staaten, welche nicht oder insofern sie nicht zu einem Bunde
gehören, als Xbxai TroXireTai zur Seite und die Worte Kai Ibiqi
in dem Titel bei Diogenes sind demnach, der Anordnung des
Werkes gemäss, folgendermaassen zu verbessern und zu ergän-
zen: TToXiTeiai iTÖXeuJV buoTv öeoucraiv ÖrJKOvra Kai ^Karöv koi-
vai Kai Tbiai, btmoKpaTiKal ktX. Durch welches ungeschickte
Hissverständniss hieraus bei dem Anonymus TroXireiai tt6X6ujv
IbiwTiKuJv Kai bTijiOKpaTiKUJv Kai dpKTTOKpaTiKuiv geworden, ver-
lohnt nicht die Mühe näher zu bestimmen. So viel ist gewiss,
dass Fabricius' (Biblioth. Graec. iii p. 400 ed. Harl.), Vorschlag
für ibiwTiKUJv zu schreiben: Ibiujq TvpavviKiüv, weder an sich
genügend noch in Uebereinstimmung ist mit der Stellung der
Tyrannis im System der aristotelischen Politik. Es träte näm-
lich dann die Tyrannis an die Spitze der übrigen Verfassungen,
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190 XYin Aristoteles' Politien
während sie in dem Titel bei Diogenes die letzte Stelle ein-
nimmt, d. h. dieselbe, an der sie auch Aristoteles in der Politik,
unter ausdrücklicher Begründung^ dieses Verfahrens, immer
abhandelt. — Ebenso lehrt die Vergleichung mit der aristoteli-
schen Politik, dass die Aufeinanderfolge der drei Verfassungen,
Demokratie, Oligarchie, Aristokratie nicht aufs Gerathewohl in
dem Titel bei Diogenes gewählt ist, sondern ihren Orund in der
Anordnung der Politien mag gefunden haben. Denn im fünften
Buch der Politik, also in demjenigen, das sich mehr als alle
übrigen desselben Werks auf die vorbereitende Arbeit der Po-
litien stützt, befolgt Aristoteles, wo er die Umwälzungen der
290 Verfassungen (jüieTaßoXai TioXiTetwv) im Einzelnen ^ | behandelt,
deutlich dieselbe Ordnung, indem er zuerst im 5ten Gapitel die
Demokratie bespricht, dann im 6ten die Oligarchie und im 7ten
die Aristokratie. Wird sich nun auch dieser Eintheilungsgrund
nach den Verfassungsarten in der angegebenen Reihenfolge im-
merhin bei einem so weitschichtigen und mannigfaltigen Stoffe
mit andern sei es über- oder untergeordneten Theilungsprinzipien
gekreuzt haben ^: so darf man ihn doch wohl nicht, wie bisher
geschehen, bei der Anordnung der Ueberreste der Politien ganz
ausser Acht lassen. — Setzen wir die Vergleichung unseres
Titels bei Diogenes mit dem in der Politik dargestellten System
weiter fort. Dass die von Aristoteles im eigentlichen Sinne so
genannte iroXireia in unserm Titel nicht erscheint, darf nicht
auffallen, weil sie eben das in der Wirklichkeit nie erreichte
Ideal darstellt. Eben so wenig konnte unter den iroXireiai
TTÖXeujv das Eönigthum als eine besondere Verfassungsart ge-
nannt werden. Das despotische Eönigthnm findet sich nur bei
* Polit. A 8 p. 1293 b 27 TcXeuTottov hi ircpl Tupaw(6o^ eöXotöv kOTX
iToi/iaaaOai ^veiav biä tö iraaCifv fixiaTa rauxiiv cTvai iroXixciav.
8 p. 1304 ^ 19 KttB' ^Kaarov eXbo<i iroXiT€(a^. -— Von der Abhand-
lung über die a\UTr\pia iroXireiiöv liegt uns in c. 8— 10 desselben fünften
Buchs der Politik nur der allgemeine Theil vor, obgleich sich beweisen
lässt, dass Aristoteles diese Frage so gut wie die entsprechende von den
^eroßoXaC auch je nach den einzelnen Verfassungen (x^ptO '^ erörtern
vorhatte.
" Alphabetische Aufzählung wird wohl innerhalb der zu derselben
Abtheilung gehörigen Staaten nicht verschmäht worden sein, und in dieser
Beschränkung kann dann auch das xard OTOixctov des David (s. oben
S. 187 Note 1) seine Oeltung behalten.
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XVIII Aristoteles' Politien 191
den barbarischen fOvTi; das patriarchalische war mit den heroi-
schen Zeiten verschwanden ; das dictatorische (ai(Tu^vTlT6la) fällt
mit der Tyrannis zusammen, und endlich 'das gesetzlich be-
schränkte Eönigthnm, wie das lakedämonische, bildet keine
besondere Verfassnngsart, da es sowohl innerhalb Demokratie
als Aristokratie bestehen kann'^. Aber allerdings sind rupawtq
nnd iroXiT6ia dem Aristoteles so unvereinbare Widersprüche,
dass er nie von iroXiTeiai TupawiKaf, wie es in dem Titel bei
Diogenes geschieht, auf einer Linie neben TroXireTai bimoKpati-
xal, öXiTapxtKaV dpi<TTOKpaTiKa( reden konnte. Vielleicht hat dies
jedoch auch der Abfasser unseres Titels nicht gewollt, sondern
die vielen Ausführungen, welche sich, wie noch aus den Frag-
menten ersichtlich, über Tyrannen in den Politien vorfanden,
zusammengefasst unter der Bezeichnung TupawiKd, was dann,
in TupawiKtti verderbt, iroXiTeiai Tupav|viKai ergab, eine Verbin- 291
düng zweier Wörter welche, um mit Hirabeau zu reden, hurlent
d^effroi de se vair accouples.
1 Polit r 14 p. 1285 b 20 und c. 16 p. 1287 » 8 : ö n^v t^P kotä
vöjLiov Xex6^£vo<; ßaatXeOq oök ^axiv ctöoc . . . iroXiT€(a^.
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XIX
ÜEBER DAS PHOKYLIDEISCHE GEDICHT
Ein Beitrag zar hellenistischen Litteratur.
Theodor Mommsen zugeeignet von Jacob Bernays.
Berlin 1856. Verlag von Willielm Hertz. (4»)
erschienen zunächst als: Jahresbericht des jüdisch -theologischen Seminars
„Fraenckelscher Stiftung". Breslau, am Gedächtniastage des Stifters, dem
27. Januar 1656.
I Die zweihundert und etliche griechische Hexameter, welche
zuerst im Jahre 1495 unter dem Namen des Phokylides und mit
dem Titel * Mahngedicht' (iToiTiiLia vouOexiKÖv) gedruckt wurden,
haben seitdem den Wechsel der Gunst und Ungunst in vollstem
Maasse erfahren. Während des sechszehnten Jahrhunderts waren
sie von Gross und Klein gekannt als ein Gegenstand früher
Knabenlectttrc, und sie hatten damals auch, im Guten wie im
Schlimmen, das Schicksal der Schulbücher. Die Ausgaben
drängten sich in rascher Folge, und die Gelehrten, zumal wenn
sie einer Schule vorstanden, wetteiferten in möglichst wörtlichen
Uebersetzungen, möglichst breiten Paraphrasen und möglichst
unkritischen Gommentaren. In der That kamen diese unter dem
klangvollen Namen des alten milesischen Gnomikers auftreten-
den Verse den pädagogischen Bedürfnissen gerade des sechs-
zehnten Jahrhunderts aufs Erwünschteste entgegen. Die Richtung
der Zeit ging recht ernstlich dahin, die Jugenderziehung auf eine
Vereinigung biblischer Glaubens- und Sittenlehre mit classischer
Reinheit der Form zu gründen; und der Hangel an Büchern,
welche nach diesen beiden Seiten den praktischen Anforderungen
genügten, musste überall sehr drückend empfunden werden, nir-
gends aber drückender als im Gebiete griechischer Poesie. In
der Noth war man auf den Theognis verfallen, den schon seine
altgriechischen Landsleute für die Zwecke der Knabenschule
zubereitet hatten. Aber die Scheere des antiken Grammatisten
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XDL Ueber das PhokylideiBche Gedicht 198
hatte doch noch gar Manches verschont, was in die Klassen-
zimmer des sechszehnten Jahrhunderts nicht passen wollte. Ein
inbrünstiges Heidenthnm, eine unbektimmerte Sinnlichkeit und
ein manchmal bis zur Wuth gesteigerter politischer Parteihass
waren, trotz aller Znstutznng, unzertrennlich verwebt geblieben
mit den Sinn- und Sittensprttchen des dorischen Aristokraten.
Auch der naivste Schulmeister und der gläubigste Knabe musste
doch einipal daran irre werden, ob z. B. in dem wilden Par-
teiruf 'dass man dem windigen Demos den Fuss auf den Nacken
setzen, mit scharfem Stachel auf ihn einhauen und ein schweres
Joch ihm aufhalsen solle' (Theogn. 847) denn wirklich nichts An-
deres enthalten sei als ein wohl zu beherzigender Oemeinspruch
über seuerüas, wie am Rande der Schulausgaben bemerkt zu
werden pflegte. Durchaus war — einsichtige Schulmänner konn-
ten sich das nicht lange verhehlen — die theognideische Spruch-
sammlüng von zu sehr eigen|thttmlich hellenischem Gehalt, alsn
dass man sie guten Huthes zu einem unverfänglichen Muster
bloss fUr hellenische Form hätte verwenden dürfen. Viel ge-
eigneter zu solchem Gebrauch mussten die phokjrlideischen Verse
erscheinen. Konnten sie sich auch an sprachlicher Schönheit
mit dem Theognis nicht messen, so waren sie doch keineswegs
unkünstlerisch zu nennen; ihre Moral hingegen war fasslich,
geradeaus gebietend und — was zu besonderer Empfehlung
gereichte — übereinstimmend mit biblischen Lehren. Aus dieser
Uebereinstimmung aber Verdacht zu schöpfen an der classischen
Herkunft der Verse und an ihrer Abfassung durch einen um die
sechszigste Olympiade lebenden Griechen, war man damals, 4m
sechszehnten Jahrhundert, noch weit entfernt. Je häufigere und
vernehmlichere Anklänge an die Bibel bemerkt wurden, desto
herzlicher freute man sich, in dem unbefangenen Glauben, hier
abermals einen hellen Beweis zu gewinnen, dass das unver-
fälschte Zengniss der Natur aus dem Munde der edlem Heiden
im Wesentlichen gleichlaute dem göttlichen Gnadenwort der Bibel.
Urtheil ist ja diejenige geistige Fähigkeit, welche in ganzen Zeit-
altem wie im Einzelmenschen am spätesten zur Reife kommt ^ ;
bis zu Ende des sechszehnten Jahrhunderts glaubte das grosse
* (fj tS)v \6f\jyv Kptmq iroXXflq kari ireipa^ TcXcuralov liriT^wiina
Schrift ir. O^rouq 6, 1 : von Wyttenbach der Bibliotheca critica von 1779
Tol. I pars IV als Motto vorgesetzt).
BeroMjM, gen. Abh»ndl. ^^
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194 XIX Üeber das Phokylideische Gedicht
Gelehrtenpublicum schlecht und recht an die Echtheit der Ribylli-
nischen Orakelsammlung; die alte 'Weltmutter', wie die Sibylle
bei gläubigen Heiden ^ hiess, sollte als Schwiegertochter Noah's
ein Unterkommen in der Arche gefunden, solchergestalt vorsind-
fluthliche Ueberlieferungen gerettet und diese dann unter den
Heiden verbreitet haben. Ein Oelehrtengeschlecht, das sich mit
dergleichen trug, konnte keinen Anstoss nehmen an noch so
wörtlichem Zusammentreffen des Phokylides mit Moses; ja ein
sehr verdienter Schulmann jenes Geschlechts, Michael Neander
aus Sorau, vermuthet sogar, dass die biblischen Anklänge im
Phokylides auf den Einfluss eben der Sibylle zurückzuführen
seien.
Inmitten so glücklicher Einfalt ward zuerst gegen Ablauf
des sechszehnten Jahrhunderts von dem wackem Friedrich
Sylburg ein schüchternes Wort der Vernunft gewagt. Er stützt
sich vorzüglich auf die Wahrnehmung, dass die kurzen Bruch-
stücke, welche Athenaeus aus dem Phokylides anfuhrt, doch von
einem ganz andern Hauche der Classicität belebt seien, als jene
lange Hexameterreihe. 'Zudem verrathe Vieles in diesen Hexa-
metern eher jüdische und christliche als heidnische Weisheit.
Freilich* — gesteht er — *so gut wie Pythagoras, der ja be-
kanntlich von den Hebräern lernte, könne wohl auch Phokylides
zu den Füssen eines hebräischen Meisters gesessen haben. Aber
ob nicht dennoch' — fragt er leise — 'einige Vorschriften von
Juden und Christen dem ursprünglichen Gedieht einverleibt wor-
den, um die Brauchbarkeit desselben für die Jugend zu erhöhen?'
Man sieht, auch ein so verständiger Mann, der im Besitz aller
für die Sache entscheidenden Data war, vermochte sich doch zu
keiner kühneren Vermuthung als zu der von einigen Einschieb-
seln zu erheben ; und auch hier wieder, wie in der Geschichte
so vieler anderen kritischen Fragen, zeigt es sich deutlich, dass
von der Kenntniss der Prämissen noch ein sehr weiter Schritt
ist zur Erkenntniss der Consequenzen.
Für die phokylideischen Verse diesen Schritt zu thun hat
Joseph Scaliger einen beachtenswerthen Versuch gemacht in
einer kleinen Abhandlung, die er als Anmerkung zum Eusebius
(N. 1408) im Jahr 1606 veröffentlichte. 'Das ganze Versstück'
in — sagt er — 'weise in allen | Theilen auf einen entweder helle-
1 Rutilius Namat. ii 60.
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XIX lieber das Phokylideische Gedicht 195
Distisch jüdischen, oder, was wahrscheinlicher sei, auf einen
christlichen Verfasser ; z. B. entlehne es zwei recht individuell
mosaische Gebote, nicht den Muttervogel zugleich mit den Küch-
lein aus dem Nest zu nehmen (V. 84) und kein Aas oder von
wilden Thieren Zerrissenes zu geniessen (V. 139, 147), fast wört-
lich aus dem Deuteronomium, Exodus und Leviticus; ferner
enthalte es eine klare und ausführliche Einschärfung des Dogma's
von der leiblichen Auferstehung der Todten; endlich sei die
Phraseologie christlich gefärbt. Hiernach müsse es nun aber sehr
auffallen, dass dieses Gedicht bei keinem christlichen Schrift-
steller erwähnt werde, nicht einmal bei Clemens und Eusebius,
die sich doch auf das Sammlen solcher hellenistischen Erzeug-
nisse so emsig verlegt haben. Ob es denn wohl schon zur Zeit
des Eusebius vorhanden gewesen ? Ob es etwa* — vermuthet er
in flüchtigem Hinblick auf die unzuverlässige Fassung des gangba-
ren Titels TToiTiiia vcuOexiKÖv — Von dem Naumachius herrühre,
dessen ebenfalls christliches ''Mahngedicht" über Jungfräulich-
keit in einzelnen grösseren Resten beiStobaeus vorliegt? Lern-
begierige Jünglinge' — schliesst er — 'mögen alles dieses ge-
nauer erwägen und das Gedicht im Einzelnen durchforschen;
einem fleissigen Bearbeiter gebe es noch viel Stoff; und die
Mühe werde nicht an einen unwürdigen Gegenstand verschwendet
sein, da in der ganzen altem christlichen^ Poesie Nichts
* Die Worte lauten lateinisch: Nequevero puto tiüitis v et er um Carmen
exstare quod cum Poesi huius Phocylidis {st modo id ei nomen fuit) aut elegantia
aut nüore aut cultu verhorum conferri possit. Bernhardy (Gr. Litt, n 360)
hat *in Scaligers Aensserungen nichts so auffallend gefunden als diesen
mächtigen Lobspruch', offenbar weil er unter Scaligers veterum die ganze
altclassische Litteratur eingeschlossen glaubte. Aber Joseph Scaliger,
der seinen eigenen Vater Julius so derb anlässt, weil dieser des Musacus
Hero über den Homer setzt, der sollte selbst sich weit grösseren Unge-
schmacks schuldig machen und einem noch so schmucken Phokylides den
ersten Platz in der ganzen griechischen Dichterreihe geben ! Das ist nicht
'auffallend', sondern es ist undenkbar. Man wird jedoch weder Undenk-
bares, noch auch nur Auffallendes in jenen Worten finden, sobald man
sich erinnert, dass Scaliger und überhaupt die Scribenten des sechszehnten
Jahrhunderts oft, wo der Zusammenhang vor Zweideutigkeit schützt, vetercs
schlechthin für das bloss christliche Alterthum gebrauchen, z. B. Sca-
ligerana l (s. v. mendacia)\ Putaverunt vetercs se posse regnum Bei pro-
vehere mendaeiis et fäUia miracuUs, in quo gramter errarunt, womit zu
vergleichen die jeden Zweifel hebende, gleichartige Aeusserung in epp.
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196 XIX üeber das Phokylideische Gedicht
diesem phokylideischen Gedicht an gewähltem Schmuck und
Glanz der Sprache gleichkomme'.
Diese Aufforderung Scaligers zu weiterführender Prüfung
seiner Ansichten und Vermuthungen ist bisher erfolglos geblie-
ben, hauptsächlich wohl deshalb, weil die, von ihm jedenfalls
unwiderleglich festgestellte, allgemeine Thatsache der nichtclas-
sischen Herkunft der Verse das Interesse an denselben bei den
Philologen gänzlich erstickte. Da der unbekannte Verfasser
unter keinen Umständen noch für einen Anbeter des ApoUon gel-
ten konnte, so schien es sehr gleichgiltig, ob man ihn schliess-
lich für einen Bischof oder für einen Rabbi anzusprechen habe.
Hatte man doch nach und nach verzichten müssen und im acht-
zehnten Jahrhundert vielleicht nicht ungern verzichtet auf die
enge Vereinigung classisch-philologischer und geschichtlich-theo-
logischer Studien, welche Scaliger und der ihm nahestehende
IV Gelehrtenkreis erstrebte und erreichte; auch | für die Schul-
lectüre hatte man immer entschiedener die paraenetisch-morali-
schen Gesichtspuncte des sechszehnten Jahrhunderts fallen lassen,
und lieber die echten Classiker, unbeirrt durch ihren noch so
ausgeprägten Ethnicismus, schon der zartesten Jugend in die
Hand gegeben; der Phokylides also, welcher fortan weder als
Classiker noch als Schulautor die Mühe verlohnte, ward von
Seiten der Philologen einer Vergessenheit überliefert, aus welcher
ihn auch die Fachtheologen nicht befreiten, obgleich er diese
doch hätte anziehen sollen durch seine von Scaliger behauptete
Ghristlichkeit. In der That aber mögen wohl die spürkräftige-
ren Theologen, wenn sie je einmal auf die fast verschollenen
Verse stiessen, bald gemerkt haben, wie bedenklich es um die
Christlichkeit eines so wenig christologischen Schriftstückes
p. 304 : Adeo verhum Bei inefficax esse censuerurU ut regnum Christi sine
mendaciis pramoveri passe diffiderent Ferner SeaUgerana u (s. v. Age de
Christ): 8i sequamur v et er es, Christus natus erit ante loannem und (s. v.
Jean): Les Aneiens tiennent que Saint Jean a esU ameni ä Borne et que
läü a este hrusU dans de Vhuüe : at certum est nutnquam transivisse mare.
— Dass nun der Phokylides anter den älteren christlichen Yersificatoren
nicht seines Gleichen habe, mag ein wahrer oder unwahrer Lobspruch sein ;
ein * mächtiger' ist es sicherlich nicht. Wohl aber ist 'mächtig' und falsch
zugleich, was der Wirrkopf Caspar Barth, mit ungeschickter Nachsprecherei
sagt (Advers. xxvi 9) : Dimnum PhocyKdis poema cuUu orationiSf numero-
rum aptitudine nuÜi optimorum vatum coneedere arhitrar.
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XIX üeber das Phokylideische Gedicht 197
bestellt sei. Und auch wer der empfindlichen dogmatischen
Wage sich nicht bedient^ darf doch von rein kritischer Seite her
es höchst wundersam finden, dass Scaliger, nachdem er selbst
die Alternative zwischen einem hellenistischen Jaden und einem
Christen gestellt hatte, für den Christen entscheiden konnte,
ohne sich auch nur mit ^inem Wort auf An- oder Abwesenheit
eines der confessionell trennenden Lehrstücke zu berufen. Liest
man Scaligers Auseinandersetzung in der Form, welche sie in
der zweiten Ausgabe des Eusebius erhalten hat, so sucht man
vergebens nach einem Schlüssel fttr solch räthselhaftes Verfahren.
Dasselbe wird jedoch sehr begreiflich, sobald man die erste
Ausgabe zu Rathe zieht. Dort * ftthrt er unter anderen offen-
baren Entlehnungen aus dem Pentateuch auch den 140. Vers des
Phokylides an: kttivo? Kf|v dxOpoio ir^aij Ka6' 6bdv a\)v(.-xeipe
'Fällt deines Feindes Lastthier auf dem Wege, so hilf es
aufrichten'. Diese Vorschrift sei — sagt er — herflbergenommen
aus Deuter.xxni: 'Du sollst es nicht mitansehen, wie deines
Bruders Esel oder Ochs auf der Strasse daniedergefallen ist,
dess sollst du nicht unbekümmert sein, sondern du sollst mit
ihm zusammen sie wieder in die Höhe bringen'. Statt nun —
fährt Scaliger fort — dieses menschenfreundliche Gebot mit dem
Pentateuch bloss auf 'des Bruders' Thier zu beschränken, dehne
es ja der Phokylides auch auf den 'Feind' aus; das sei eine
Frucht der christlichen Lehre von der Feindesliebe; mithin habe
man in dem Verfasser eher einen Christen als einen Juden zu
erkennen. In der zweiten Ausgabe des Eusebius ist diese ganze
Schlussfolgerung spurlos verschwunden, wohl weil Scaliger selbst
nachträglich ihre Ünhaltbarkeit einsah ; nur hätte er dann auch
seine, allein auf diesem Argument fussende, Behauptung von der
Christlichkeit des Verfassers zurücknehmen sollen, und vielleicht
hätte er das wirklich gethan, wäre die zweite Ausgabe des Eu-
sebius noch bei seinen Lebzeiten veröffentlicht worden. Wie
dem jedoch sei, jedenfalls giebt das Aufstellen jenes Arguments
einen schlagenden Beweis, dass auch seine Bibelfestigkeit, wie
die der meisten anderen Gelehrten des sechszehnten und späterer
^ p. 89» Sed accipe et tllud ex xxn 4: Deuteranomii KTfJvo^ b* f^v
Ix^poto itiai} kqG* öhby ouv^eipov. In quo non ludaeum sed Christianum
agnoscOy quum addidit ix'^po'io, ut caussa non sit cur ludaeum potius quam
Ckrigtianum putemus.
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198 XIX Ueber das Phokylideische Gedicht
Jahrhunderte, sich nicht bis zu einer lebendigen und sichern
Kenntniss des Pentateuchs erstreckte. Denn sonst hätte er nim-
mermehr die vom * Bruder' redende Stelle des Deuteronomiums
als alleinige Quelle des phokylideischen Verses ansehen können,
sondern er hätte sich alsbald erinnern mtlssen, dass es Exod.
xxiTi 5 auch heisst: 'Wenn du deines Feindes Esel dar-
niedergestreckt siehst unter seiner Last, wolltest du dann säu-
men, ihm aufzuhelfen? Mit ihm (dem Feinde) zusammen hilf|
vihm hurtig auf; oder wie die nicht ganz getreue Uebersetzung
der Septuaginta lautet: ddv bk Tbij? tö uttoWtiov toO dxOpoO
(ToO TreTTTUJKÖ? und töv tö^ov auToO, ovi napeXeOaij auTÖ dXXd
cjuvapeiq aÖTÖ ^ei' auioö, wo die Varianten der alexandrini-
sehen Handschrift dTcpei? und (JuvetepeT? des Cyrillus (deador.
VIII p. 269 B ed. Auh.) mit dem Schlusswort des phokylidei-
schen Verses (ouv^T^tpe) übereinkommen. Wenigstens in diesem
Falle erscheint also die 'Feindesliebe' als echt mosaisch, und
der Phokylides, welcher sie lehrt, braucht sie nicht ausserhalb
des alten Testaments gelernt zu haben.
Die Berichtigung dieses Scaligerschen Versehens durfte
gleich hier im Eingang unternommen werden, weil sie nur zu
neuer Bestätigung seiner für uns wesentlichsten Entdeckung
geführt hat, dass der Phokylides oft Aussprüche des alten Te-
staments fast wörtlich wiedergebe. Eine Beobachtung solcher
Art, deren maassgebender Einfluss auch auf die einfachste Wort-
kritik von vom herein klar ist, hätte — sollte man meinen —
in den neueren Oesammtausgaben der griechischen Gnomiker
und Lyriker, aus welchen der von Alters her dort eingebürgerte
Phokylides nicht zu verdrängen war, doch wohl müssen fest-
gehalten und ausgebildet werden. Aber nicht einmal was Sca-
liger schon im Einzelnen hiertUr geleistet hatte, ist benutzt
worden, weder von Brunck, der mit seinen sporadischen Va-
rianten und seinem dilettantischen Herausputzen von Aeusser-
lichkeiten sich um den Phokylides nur ein sehr geringes Ver-
dienst erworben hat, noch auch von Bergk, dem der gebührende
Dank für Herbeischaffung eines reichen handschriftlichen Mate-
rials nicht entstehen kann, der jedoch zu einer abschliessenden
Textesbearbeitung durch besondere Vorliebe, wie es scheint, sich
nicht aufgefordert fühlte, und durch den Plan seiner Sammlung
nicht gerade gezwungen war. Es wird daher im Folgenden die
Verbesserung des Textes oft hineingreifen müssen in die Erör-
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XIX Ueber das Fhokylideiscbe Gedicht 199
terung der Fragen höherer Kritik nach dem Verhältniss des
Verfassers zu der Bibel and der classischen Litteratur der
Griechen, nach der Absicht, welche er mit diesem Gedicht
verfolgt, and nach der Zeit, in welcher er es geschrieben hat.
Je deatlicher sich bei noch so flüchtiger Bekanntschaft mit
dem phokylideischen Gedicht dessen Abhängigkeit von dem
alten Testament durchgehends kundgiebt, um desto grösseres
Befremden mttssen einzelne Redewendungen erregen, welche ge-
rade gegen den allerobersten biblischen Glaubenspunct, gegen
die Lehre von der Einheit Gottes, Verstössen, indem sie von
'Göttern' in heidnischer Mehrzahl sprechen. Freilich bilden der-
gleichen Stellen eine sehr unbeträchtliche Minderheit gegen die
weit überwiegende Anzahl solcher, in denen entweder ausdrück-
lich von 'Einem Gott' geredet, oder der Glauben an denselben
stillschweigend vorausgesetzt, oder auch das Dasein einzelner
heidnischer Götter, z. B. des Eros, geradezu geleugnet wird^
Aber eben weil sie so schreiend gegen die Färbung alles Uebri-
gen abstechen, wird durch Besprechung dieser polytheistischen
1 V. 8 Bcdv Ttfia; 11 ai Ocd^ |yi€T^iT€iTa bxK&aati; 17 Beö^ äjyißpo-
To^; 29 div TOI lbwK€ Oeö^; 64 €l^ Ocöq (Gott allein) iarx oo<pö^; 106 OeoO
Xpf|aK; 112 \|iuxiXiv bi Beö? ßaaiXeOei; 193 oö fäp 'Epui^ Ocd? k<sru —
(Steuchus Eugubinns De perenni phÜosophia stellt in o. 2 die naobhomeri-
sehen Poeten zusammen, welche instinctu naturaU von Gott im Singular
gesprochen haben ; ein Pendant zu Tertullianus De testimonio animaen
Den Schluss macht Phokylides mit V. 8, 11, 29, 106, 112. — Dies Buch
des Bischofs von Kisamos (auf Kandia), von dem mir die Baseler Ausgabe
(1542. A^) vorliegt, verdient eine ausbeutende Durchsicht wegen der hand-
schriftlichen, zum Theil noch nicht gedruckten neuplatonischen 'Werke,
welche er in l&ngeren griechischen Citaten für seinen Zweck benutzt.
Dieser geht dahin, dem damals herrschenden, von Plethon und Marsilius
Ficinus gestifteten und durch Cosimo de Medici beförderten Neuplatonis-
mus eine christkatholisohe Richtung zu geben, und das Buch reiht sich
den leider in so grosser Menge vorhandenen Beweisstücken an, welche die
traurige Wahrheit feststellen, dass eine beträchtliche Gelehrsamkeit und
eine unverächtliche schriftstellerische Gewandtheit sich in demselben Men-
schen zusammenfinden können mit einer von wirklichem Blödsinn wenig
verschiedenen Kritiklosigkeit. Es ist Papst Paul m, dem Bestätiger des
Jesuitenordens, gewidmet).
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200 XIX üeber das Pbokylideische Gedicht
Abnormitäten am sichersten die Normalstellnng des Verfassers
VI zwischen I Biblischem und Classischem bestimmt, und zugleich
die Beschaffenheit des gangbaren Textes nach kritischer Seite
in unzweideutigen Proben dargelegt werden können.
Die erste Erwähnung von 'Göttern* findet sich in folgen-
dem Verspaar V. 97 :
}ir\bk ii&vf]v dirl TTÖp KttOiaa? iiivuGoi? 9iXov fJTop.
li^Tpa bfc T6UX6 Oeoiar tö t^p ii^Tpov faiiv fipicrrov,
dessen Schwierigkeit jedoch, wie man bald erkennt, nicht bloss
auf dem Götterplural beruht. Denn es will sich nicht sogleich
ein bestimmter Sinn ergeben für die Ermahnung des ersten
Verses 'nicht sein eigenes Herz zu mindern, indem man beim
Feuer sitze'. Durch paraphrastische Kunstgriffe haben freilich
die altern Bearbeiter unseres Gedichts diesen Worten irgend
einen an sich erträglichen Verstand unterzulegen versucht: aber
auch der willkflrlichsten Umschreibung^ misslingt es, den er-
schlichenen Sinn des ersten Verses dann mit der Vorschrift des
zweiten *den Göttern Maasse zu bereiten* in die logische Verbin-
dung zu bringen, in welche der Verfasser beide Theile durch
die Partikel bi hat setzen wollen. Und, von der gegenseitigen
Verbindung abgesehen, was soll wiederum diese Vorschrift des
zweiten Verses ^^xpa reOxe OeoTcJi bedeuten? Mag man sich
durch alle hermeneutischen Windungen hindurchkrttmmen, es ist
doch nicht zu erwarten, dass die unklare Fassung dieses Sätz-
chens bei Jemandem einen schicklicheren Einfall errege, als
derjenige ist, auf welchen der oben erwähnte, treuherzige
Michael Neander gerieth. Er meint, Phokylides gebe hier die-
selbe Lehre wie der als Sokrates' Lieblingsspruch berühmte ^
hesiodische Vers Op. 334 käö buva^iv V fpbeiv l^p' deavaroKTi
^ Besonders ergötzlich ist die Umschreibung des Veit Amerbaoh :
prohibetur maeror et tristitiaf quae facit etiam homines segnes et negligentes
suarum verum; inde est qitod dicit *ubi consederis ad ignem\ Hoc enim
otiosi fadunt, in hieme praesertim ; unde vülgo apud nos (d. h. in Deutsch-
land) dicunt: sedet ad fornacem et assat nuda. (Der Faullenzer sitzt am
Ofen und brät Aepfel). (Zu irpö^ irOp vgl. Xenophanes bei Athen, ii p. 54^
itäp irupl xp^ TOioOra X^reiv x^t^i^vo^ ^v löpri, Aristophanes Frieden 1131
iTpd<; irt)p bt^XKUiv |uieT* dvbpuiv ^raipufv q){Xuiv, Piaton Rep. iv p. 420 « ^iri-
Ö^Eia irp6<; tö TrOp 6ia7r(vovTd<; re Kai eöu)xou|ui^vou^, s. Reiske zu Constant.
Porphyrog. t. ii p. 399 der Bonner Ausg.),
2 (s. Xenoph. Memorab. i 3, 3. nr 3, 16>.
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XIX lieber das Phokylideisfjhe Gedicht 201
0€oT(Ti, also eine Warnung vor unbedachtem Aufwand bei Cultus-
bandlungen und überhaupt vor Uebertreibung in Religionsdingen.
Ist jedoch dieser Gedanke aus dem phokylideischen Wortlaut
li^Tpa bk TeOx€ Geotoi zu gewinnen ? Die vermeintliche Parallele
des hesiodischen Verses macht erst recht anschaulich, wie sehr
das unmöglich ist Denn zu geschweigen, dass ^^rpa so abso-
lut, ohne einen Genetiv wie etwa lepijjv, nicht dem für jene Er-
klärung verlangten Adjectiv gleichgelten kann : so durfte freilich
der hesiodische Spruch vorschreiben, 'den Göttern nach Vermö-
gen (K&b bviva^iv) darzubringen', weil diese Wendung beide
Extreme, das verschwenderische Zuviel und das karge Zuwenig,
gleiclierweise ausschliesst, und weil nun einmal, wie Aristoteles^
erläutert, der Fromme seine Darbringungen nicht nach der un-
erreichbaren Hoheit der Götter, sondern nur nach der Beschränkt-
heit menschlicher Mittel bemessen kann. Hingegen würde selbst
das Adjectiv ^^rpia, wenn es bei Phokylides wirklich stände,
oder wenn man es, mit Streichung des ohnehin so lästigen b^,
hineinsetzen wollte, immer noch die ganze Vorschrift lahm und
einseitig lassen, da ^drpia, wie unser ^massig' und das lateini-
sche modestus, moderattiSf einem griechischen Ohr unvermeidlich
die Vorstellung des Zurückbleibens hinter dem vollen Vermögen
erweckt Auch der götterfQrchtigste Heide kann wohl ermahnen,
man solle in den göttlichen Dingen das richtige Maass, das
überall das Beste ist, | einhalten ; wenn er jedoch verstattet, oder vn
gar empfiehlt, den Göttern Massiges darzubringen, so ist er
eben nur ein sehr massiger Heide.
Alle diese Schwierigkeiten nun, die Unklarheit jedes ein-
zelnen Verses ftlr sich und der Mangel einer Innern Beziehung
1 Ethie, Nicom. vm extr, p. 1163 ^ 15: tö Kax' dEiov oök Jaxiv tv
iröai, Koedirep Iv rat^ trpö^ toCk; Oeoii^ Tijial^ xal toO^ tovel^' oi)b€\<;
Yop dv iroT€ Tf|v dE(av diroboiTi, eU ÖOvajiiv bk 6 OepaireOuiv ^meiKi^q
elvm boK&. ^Vgl. Xenophon Anab. in 2, 9 auveireOEaaOai bi xal rot^ dXXoi^
Ocol^ eOa€iv Kard bOva^iv, Epiktet enchir. 81, 5 airdvbeiv bi xal Ouciv
. . . tTpoa/|X€i . . . |Liii6^ fXiaxpMx; ni\bi öirdp bi^va^tv. Dass der Aus-
druck auf eine alte Formel zurückgebt, zeigt Piaton Kratyl. 425 ^ tö Xeröiiie-
vov xard 60va|Liiv bd\a€i i^fiid^ trepl aÖTUJv irporiLiaTcOeaeai, Terentius Andr.
IV 5, 10 'sie ttt quimua, atunt, quando ut vcHumus tum licet% auch das zu
Theopbrastos' Schrift üb. d. Frömmigkeit p. 168 besprochene Gesetz des
Drakon (bei Porphyr, de abstin iv 22) : der öffentliche Gült hat seinen
dnrch das Herkommen festgestellten Aufwand, der Einzelne ehrt die Götter
'nach Vermögen *y
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202 XIX üeber das Phokylideische Gedicht
beider auf einander trotz ihrer äussern Verbindung durch bi, sind
mit Einem Schlage gehoben, sobald gerade jenes Gott er wort
6E0IZI mit dem diplomatisch nicht zu weit abliegenden rOOiZI
(TÖoicri) vertauscht wird. Dann erweist sich sogleich der erste Vers
als eine Abmahnung von dem trauernden Hinsitzen an der Feuer-
stätte des Leichenbegängnisses: ein solches Brüten über den
unvnederbringlichen Verlust sei ein vergebliches Abhärmen und
Mindern der eignen Kraft. Vielmehr solle man — befiehlt, nun
ganz richtig mit bi anknüpfend, der zweite: Vers — 'den Seuf-
zern Maasse setzen', denn überall, auch in der noch so sehr
berechtigten Trauer, ist Maass das Beste; ähnlich wie es bei
Sirach (38, 18) heisst: "Lass dich trösten in deinem Leid, denn
vom Kummer geht der Tod aus, und Herzenstraurigkeit knickt
die Kraft*.
Sollte diese Auffassung und Verbesserung des Verspaares
noch einer Bestätigung bedürfen, so wird sie hinlänglich da-
durch gegeben, dass nun auch der sonst mangelnde Uebergang
zu dem unmittelbar folgenden Abschnitt (V. 99 — 108) in der
ungezwungensten Weise hergestellt ist. Denn ganz natürlich
schliesst sich an jene Warnung vor ausschweifender Trauer eine
Aufforderung zu pflichtmässigem Verhalten gegen die Todten,
wie sie dieser Abschnitt enthält. Derselbe verlangt gleich hier
nähere Beachtung, weil er ebenfalls nach der gangbaren Lesart
Götter' in heidnischer Vielzahl erwähnt. Sehen wir jedoch zu-
vörderst auf den Gehalt seiner einzelnen Verse, soweit sie, un-
abhängig von der Götterfrage, Aufscbluss über die religiöse
Stellung unseres Verfassers gewähren.
Zu allgemeingiltig, um als unterscheidendes Kennzeichen
dienen zu können, ist freilich das an der Spitze stehende Gebot
(V. 99) 'unbestatteten Leichnamen ihr Erdentheil zu geben' (taTav
dm^oipäcTGai^ diapxÜTOi^ vcKuecTcTiv) — ein bei Hellenen und
^ BemerkenBwerth ist, dass das Wort ^irijüioipacrem sich ausser bei
Philon nur noch in den Versen des Moschion (bei Stobaeus eclog. phys, i
8, 38 p. 101, 8 Wachsm.) vorfindet und dort ganz in derselben Verbindung
wie hier beim Phokylides. Moschion schildert den Fortschritt menschlicher
Gesittung: kolk ToOöe Totiq Oavövrac; ü}pia€v vöjüio^ TO^ßoi«; KaXOirretv xd-
irijüioipdaBai köviv. — Meineke, der (Ber. d. Berliner Akad 1855,
p. 111) das Zeitalter des Moschion vor Alexander 'etwa um Ol. 102* an-
setzt, leugnet doch nicht, dass sein Stil schon an den alexandrinischen
hinanstreife (p. 110).
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XIX Ueber das Phokylideisohe Gedicht 203
Jaden wie bei allen nicht wilden Völkern gleich heilig geachte-
tes nnd Fremde so gnt wie Angehörige verpflichtendes Gesetz \
— Ebensowenig verlässt die nächstfolgende Verpönung des Auf-
grabens bestatteter Leichen (V. 100, 101) den Kreis der allge-
meinsten Völkersitte. — Aber die dann gegebene Vorschrift {V. 101
bis 108) weicht, wenn nicht in ihrem Inhalt, so doch in ihrer
Begründung merklich von Allem ab, was man bei einem nicht
auf biblischem Boden stehenden Schriftsteller erwarten durfte.
Sie widerräth, *das Gefttge des menschlichen Leibes zu zertren-
nen*, mit anderen Worten, das Seciren der Leichname. Und
aus welchem Grande? *weil (V. 103) wir hoffen, es werden die
Reste der Dahingeschiedenen wohl aus der Erde wieder an das
Licht kommen'. Also ein offenes Bekenntniss des Dogma's von
der leiblichen Auferstehung der Todten, wie es innerhalb der
heidnischen Religionen niemals ist ausgebildet worden. — Noch
unverkennbarer tritt biblischer Gedankengang, | ja recht eigent- vm
lieh biblische Redeweise in den Sprüchen hervor, welchen wir,
nach einem Halbvers (V. 104), der ftlr jetzt bei Seite bleiben
muss, dann weiter (V. 105, 106) begegnen. ' Die Seelen näm-
lich' — heisst es — 'dauern unversehrt in den Dahingeschie-
denen. Denn der Geist ist ein Darlehn Gottes an die Sterb-
lichen und sein Ebenbild' (irveOiia ydp iari 6€o0 xpf\a\<; OviiToTai
Kai ekuiv), wo einerseits in 'Ebenbild' der wahrhaft biblische
Terminus 2 klar zu Tage liegt, und andererseits die allerdings
auch bei Ethnikem vorkommende Vergleichung des Lebens mit
einem nur leihweisen Besitz doch eine der ethnischen durchaus
entgegengesetzte Anwendung erhält. Denn wenn classische Pro-
saiker und Dichter diesen Vergleich anstellen, wie z. B. Lucre-
tius ^ in dem schon von Scaliger herangezogenen Verse (iii 969)
Vitaque mancipio ntdli datur, amnibus usUf so wollen sie damit
immer die Unsicherheit und Vergänglichkeit des menschli-
* Vgl. die Erklärer zu Hör. Carm, i 28, 86 und die jüdischen Bestim-
mungen über ni:£^ n23.
2 Genes, i 26 'no\i\aw^€v dvOpuiirov kot' ciKÖva /jineT^pav. v 1 xar*
ciKÖva 0€oO £iro(iia€v aöröv (töv *Aöd|i).
' Eine Sammlung ähnlicher Stellen aus Griechen und Römern geben
Wyttenbach zu Plut, com, adApoü, 106', Davis zu Cic. Tusc, i 39. <Ga-
taker zu Marc. Antonin. xii 27 oCib^v Ibiov o()b€vö(;. Vgl. Philon n p. 266
Mang. Tufüivö^ ^iv Y<Äp, ea\))üid(Ji6, i^XOcq, tw|uivö<; irdXiv diriij^, töv n€xai,i)
Xpövov f€via€w<; koI eavdrou irapd toO eeoO xp^f^^^v Xa^ibv),
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204 XIX Ueber das Phokylideische Gedicht
eben Daseins versinolichen, da die ^Natar' jeden Angenblick
das dem Einzelnen auf unbestimmte Frist geliebene Leben zu-
rückfordern könne. Der phokylideiscbe Spruch hingegen fasst
den 'Geist' als ein göttliches Darlehn, um daraus vielmehr
dessen Ewigkeit abzuleiten. Da der Mensch ihn nicht als
Eigenthum, sondern nur als Lehn besitzt, so ist der Geist auch
unabhängig von dem Bestehen oder Vergehen seines zeitweiligen
menschlichen Inhabers ; er filllt bei dessen Tode zurück an den
rechten Eigenthümer, an Gott; und ist ewig, wie dieser ewig
ist. — Die beiden nun folgenden Schlussverse (V. 107, 108) :
'Denn den Leib haben wir von Erde, und zu Erde wieder ge-
löst sind wir Staub, der Aether aber hat den Geist aufgenom-
men' gehören dann wieder zu dem geistigen Gemeingut aller
edleren Völker ^ ; und wir dürfen uns nun, nachdem der ganze
Abschnitt durchmustert worden, zurückwenden zu der Prüfung
des oben übergangenen Halbverses 104: ÖTricTui bk Oeoi TeX^Oov-
Tai (o\ äiToixö^evoi), welcher, wie er jetzt geschrieben steht,
von 'den Dahingegangenen' sagt, dass 'sie hinterher Götter wer-
den'. Sonach stossen wir hier auf eine umfassende Apotheose aller
gestorbenen Menschen, auf eine bis ins Ungeheure vermehrte
Göttermenge, die nicht bloss in den schneidendsten Widerspruch
tritt zu der monotheistischen Strenge des so nahe folgenden
Verses 106 irveO^a f&p iarx OeoO X9^^K^ sondern die auch
innerhalb des götterreichsten Polytheismus nie ist erhört wor-
den. Wohl wurden zur Zeit des verfallenden Römerthums die
verstorbenen Kaiser im Staatskalender mit dem Titel 'Götter'
aufgeführt; aber diese Blasphemie ist doch immer ein unan-
tastbares Regale der wenigen Monarchen geblieben und ward
nie zu einem allgemeinen Menschenrecht aller 'Dahingegangenen'
ausgedehnt, wie es in dem phokylideischen Satz geschieht. Wohl
hat ferner das reinere und ältere Heidenthum den Glauben ge-
1 Euripides Suppl.hSl kdaax^ i\bi\ tfl KoXucpef^voi v€KpoO^- *'Oe€v 6'
?Ka(JTov i<; TÖ q)di^ (Porson) dq){K€To, 'EvraOe' direXO^Iv, itv€0|uui |li^v irp6^
alB^po, T6 aOJ|uia b' ci^ ff\y fast gleichlautend mit Phokylides. Eine reiche
Auswahl ähnlicher Stellen findet man bei Yalckenaer diatr. Euripid, p. 55
(und aus späterer Zeit bei G. WolflF zu Porphyr, de philosophia ex oracidü
haurienda p. 179, V.71 der cartnina aurea ^aaeai dedvaTO(; Oeö^ djyißpoTo^,
oOk^ti Svtitö^ ist nicht zu vergleichen, weil es nur von dem einzelnen Ge-
rechten gilt). — Koheleth xn 7 Kai ImaTp^Hii] 6 xoO? ^"^^ '^'^ T*|v ib? f^v,
Kai TÖ irv€0|uia ^inaTp^i|;i3 irpö^ t6v ecöv, 6^ ^buiKCv aÖTÖ.
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XIX Ueber das Phokylideische Gedicht 205
hegt, dass alle Mitglieder des 'goldenen' Oeschlechts, nachdem
ihre Leiber von der Erde bedeckt worden,, in götterähnlicher
Macht über den Menschen der gesunkenen Geschlechter walten ;
aber ihre Würde ist doch nur eine götterähnliche; sie sind
nicht Götter, sondern 'hehre Dämo|nen' (baijuioveq dtvoi Hesiodix
Op. 122) ; ihr Aufenthalt ist nicht der himmlische Göttersitz,
sondern die Erde (^mxöövioi). Mithin ist auch diese Erhebung
einer bevorzugten Menschengattung zu dem Rang der Dämo-
nen noch unendlich weit verschieden von einer massenhaften
Versetzung aller sterbenden Menschen in den Götterstand;
und der phokylideische Halbvers, welcher eine solche fratzen-
hafte Menschenvergötterung ausspricht, ist nicht blos 'unchrist-
lich', wie Bernhardy (Gr. Litt, n 360) sagt, und unjüdisch, wie
sich von selbst versteht, sondern er ist ebensowohl ungriechisch
und unrbmisch.
Bei einer so allseitigen innem Unmöglichkeit des Gedan-
kens, wie sie hier an das Licht kam, wäre die Annahme eines
äussern Verderbnisses der Lesart auch dann noch unvermeidlich,
wenn die Verbesserung eine viel grössere Kühnheit verlangte,
als im vorliegenden Falle zur Entfernung jedes Anstosses hin-
reicht. Es braucht nur, mit Aenderung ^ines Buchstabens, v^oi
an die Stelle des unmöglichen Oeoi gesetzt, und statt des adver-
sativen bi der Vulgata aus einer der bessern Handschriften das
verknüpfende re entnommen zu werden, um in dem dann so
lautenden Halbvers : öiriauj Te v^ot TeX^Oovrat einen klaren Satz
zu gewinnen, der mit dem monotheistischen Ton des ganzen
Gedichts keinen Missklang macht und aus den unmittelbar vor-
hergehenden Worten wie von selbst hervorspringt. Es war vorher
gesagt (V. 103): 'Wir hoflfen, dass die Reste der Dahingegangenen
wieder an das Licht zurückkehren', und hieran schliesst sich eng
der Folgesatz, welcher den zu neuem Leben Erwachenden eine
abermalige Jugend verheisst: 'Und sie, die Dahingegangenen,
werden wiederum^ j^ng'.
So haben denn die 'Götter* an den beiden Stellen, wo sie
unter ihrem unverhüllten Namen Oeoi auftraten, näherer Prüfung
nicht Stand halten können; umschreibende Bezeichnungen aber
wie *Uraniden' und * Seelige*, deren derb polytheistischer Sinn
bei heidnischen Classikem unbestritten ist, hat unser Verfasser,
* öiriaui rursm.
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206 XIX üeber das PhokylideiBche Gedicht
obgleich er sich ihrer bedient, doch 80 fein und mit so offenbarer
Absicht umgebogen» dass dadurch sein monotheistischer Stand-
punct nicht fraglich, sondern nur noch deutlicher wird.
Zunächst erscheinen die 'Uraniden' am Schluss einer län-
geren ethischen Ermahnung, welche, wohl auf aristotelische
Anregung, das Mittelmaass empfiehlt und Uebertreibung nach
beiden Seiten verbietet bei Zorn, Eifer, Ktthnheit, Liebe, Wohl-
wollen, bei den niedem sinnlichen Begierden und beim Sprechen
(V. 59— 69)^ Darauf wird in ausführlicherem Vortrage (V.70— 75)
^ Das für Kritik und Erklärung dieses Abschnittes Bemerkenswerthe
sei, da es unsem Hauptzweck nicht unmittelbar berührt, hier kurz zu-
sammengestellt.
y. 69 Sarw KOivd rt&Qt] ist so viel wie das aristotelische [lica, nach
dem spätem Sprachgebrauch, der alles bürgerlich Massige, alles was nicht
ncptTTÖv ist, KOivöv nennt. Deutlich wird hier dieser Sinn bewährt durch
den Gegensatz pir\hiv \xtfa \xr\b^ Oir^poirXov. Oben freilich in dem schönen,
wahrscheinlich von einem altem Gnomiker stammenden Verse 27 KOivd
itderi irdvTuiv* ö ß(oq rpoxd? (s. Lobeck Aglaoph. 905»)* daraxo^ fiXßoQ
hat dieselbe Wortverbindung einen ganz andern Sinn. TTdOT) sind dort
nicht wie hier * Leidenschaften*, sondern 'Leiden*; diese treffen alle Men-
schen ohne Unterschied (KOivd irdvruiv); denn *das Leben dreht sich wie
ein Rad; unbeständig ist die Wohlfahrt*.
V. 60 ist statt oÖK dtaeöv TrX€ovd2[ov ?(pu OviiTolaiv 6v€iap zu schrei-
ben o<)b\ Denn der Zusammenhang und die Stellung der Negation zeigen
diesen Sinn an: *Nicht einmal beim Guten gereicht (Jebermaass den
Sterblichen zum Frommen*.
y. 63 ist 6u|ui6^ ()iT€pxö|ui6vo^ (oder ^iTCpxö|ui€voO fütavlTiv 6Xod<ppova
T€iix€i zn bessern in (TiT€pxö|ui€vo^. 'Jähes Aufbrausen bewirkt sinnverstörte
Wuth*. — Das Schluss wort reOxei braucht nicht mit Bergk in t(kt€i einer
schlechteren Wiener Handschrift geändert zu werden.
y. 64 bpx^ 6' iariv ÖpeEt«;, ()iT€pßa(vouaa bi lutf^vK nach Aristoteles
Ehet. n c. 2 init, larw bi\ öpyi^ öpeEt^ .... Tt|uiuip{a^; de anima i 1
p. 403^ 29 öpirt t( iarvf 6 bioXcKTiKÖ^ öptoaiTO dv öpeEiv dvriXuTnfiacu«;.
Nur hat der Phokylides das unentbehrliche Relatum weggelassen, wahr-
scheinlich aus versificatorischer Noth. Wie sein Vers jetzt da steht, kann
ein nachsichtiger Leser ihm etwa folgenden Sinn entlocken: 'Zorn ist an
sich eine Begierde wie jede andre ; geht er ins Uebermaass, so wird er
Groll*. (Vgl. Epikur bei Seneca epist. 18, 14 inmodica ira gignit insaniam,
Horatius epist. i 2, 62 ira furor brevis est),
V. 66 Zf\\o^ Td>v ^aOXiXiv dyaeö^ <paijXuiv b* dtÖTiXo^ ist ein treff-
licher, von Bergk benutzter, Gewinn aus dem guten Wiener Codex. Die
wundersame Lesart des Mutinensis {mipofKpt; kann ich mir nur erklären
als ein Glossem zu d{6r)Xoq, welches falsch gegriffen, wurde ans den
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XIX üeber das Pbokylideische Gedicht 207
vor I Neid gewarnt: 'Wolle den Mitmenschen ihr Wohlergehen x
nicht neiden, auf dass dn dir nicht selbst einen Schandfleck
anhängest^. Neidlos unter einander leben auch dieUraniden\
Darf man hier dem ersten Klang des Wortes trauen und unter
Uraniden die olympische Götterfamilie verstehen? Deren ein-
zelne Mitglieder mögen gegen einander nioht gerade in Neid
entbrannt sein; aber aus nicht viel besseren Grilnden geriethen
sie doch auch unter sich oft in Zwietracht ; und allesammt soll-
ten sie dem Menschengeschlecht gegentlber nach der heidnischen,
von Plato mit so tiefer Entrüstung^ bekämpften Ansicht, den
haufenweise von Grammatikern gegebenen Erklärungen dieses homerischen
Wortes (Buttmann, Lexil. i 251), während des Yaticanus bi vovr\p6<i als
Glossem wenigstens erträglich ist. In fortschreitendem Verderbniss ent-
standen dann ans imipo'XKO^ durch blosse Abschreibersünden die andern
Lesarten {nroepTÖ^, öiroepTifi?, öiroupYÖQ. Die Fassung aber, in welcher
die Sibyllinen diesen Vers geben: q>aOXu)v bi fe q>aOXo^i ist nicht als
Variante anzusehen, sondern nur als flüchtige Aushülfe des Sibyllisten, der
das ursprüngliche d(6r]Xo( in seiner gut homerischen Bedeutung Verderb-
lich' nicht verstand. Der Phokylides gebraucht es in demselben Sinne
noch Y. 198 ipw<; .... irdOog dtÖTiXov ÄirdvTwv. — Gerade weil hier
glücklidierweise das Besultat unter allen Umständen sicher steht, habe
ich die buntscheckigen Varianten besprochen, um kundigen und prüfenden
Lesern an einem klaren Beispiel zu zeigen, wie sehr die handschriftliche
Ueberlieferung unseres Gedichts eine kühnere als die allein auf Buchsta-
bentausch gestützte Conjecturalkritik verlangt, welche ich denn auch ein-
tretenden Falles anzuwenden mich nicht gescheut habe.
Endlich ergiebt Bergks Besserung von Y. 68 VjbO^ äfay dq>pu)v
(statt ätav6q>pu)v, drawöippujv) KtKX/iaxeTai iy iroXt/)Tai^ *der allzu Milde
bekommt bei den Leuten den Namen eines Thoren' ein abermaliges Zu-
sammentreffen mit Aristoteles Ethic. Nicom. iv 11 p. 11 26^ 4 ol )üif|
öpTt2^ö|Li€voi ^q)' ot^ b€i i^XiOioi 6oKoOaiv cTvai.
1 Mf) <p8ovdot( dtaBtlfv ^rdpot^ ^i\ |yiiXi|uiov äv&y^^i) lese ich. Das
gangbare Activum dvd\|ii]( könnte nur heissen 'Hänge Anderen keinen
Schandfleck an ', würde also eine neue Yorschrift ergeben und die Yerbin-
dung mit dem Folgenden stören, wo wiederum nur vom Neide die Rede ist.
« <P1. Tim. 29 « dtaeö^ i^v, dtoecp bi oöbelq ircpl oöbevö^ oöbdiroTC
^TlrfTveTOi <p8övo^ Phaedr. 247 » qpOövo^ T^p Kui Sciou xopoO laraToi. Ari-
stoteles behandelt diese Ansicht mit philosophischer Ironie: wenn wirklich
die Götter etwas beneiden, so könne das nur die Metaphysik sein, Metaph.
A 2 p. 982 ^ 82 f . — Dass selbst christliche Schriftsteller, wie die beiden
Gregore von Nazianz und von Nyssa, sich von der im griechischen Den-
ken und Sprechen eingewurzelten Sitte, menschliches Leid dem *Neid*
höhererer Bft&chte zuzuschreiben, nicht haben losmachen können, erregt
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208 XIX Ueber das Phokylideische Gedicht
unbarmherzigsten Neid empfinden. Jedoch unser Verfasser klärt
Alles in schönster Weise auf durch den gleich folgenden epexe-
getischen Vers (71): *Nicht neidet der Mond die viel mächtige-
ren Strahlen der Sonne' ^ Mit 'Uraniden' meinte er also nicht
das in den Theogonien verzeichnete Geschlecht des Uranos, son-
dern die Himmelsschaar der grossen und kleinen Gestirne. Und
ganz streng vermeidet die weitere, zu dichterischem Schwung sich
hebende Ausführung jede anthropomorphische Färbung (V.72— 75):
'Gegen die Himmelshöhe fühlt die Erde nicht Neid, obgleich sie
in der Tiefe ruht; die Ströme beneiden nicht die Meere, son-
dern ewig halten sie Eintracht^. Denn wäre Streit unter den
Seeligen (ei fäp fpi^ ^aKdpeaaiv ivfiv)^, wanken mttsste
dann das Firmament'. Mond und Sonne, Erde und Himmel,
Ströme und Meere — diese sind also die 'seeligen' Mächte, deren
neid- und streitlose Eintracht den Bestand der Welt sichert ; und
je unzweifelhafter eine solche Schilderung" der 'Seeligen' und
der 'Uraniden' einen bewussten Gegensatz macht gegen die
unter sich hadernden und die Menschen neidenden Bewohner
des Olymps, um so weniger kann der Monotheismus des |
XI Verfassers durch sein dichterisches Seeligsprechen der Natur-
mächte irgendwelche Beeinträchtigung erleiden.
das Befremden des treuherzigen Casaubonus, za Gregors von Nyssa episi.
ad Eustathiam p. 81—88 (Par. 1606)>.
1 <Nach Euripides Phoen. 643 vuktö^ t' dq)€TT^? ßX^q>apov i\\io\) T€
q)d>( "laoy fabiZex t6v ^vtaöatov to^kXov Koöö^Tepov aöTiXiv q)eövov ^x^i
viKii;|uieyov^.
ä (Wie wenig * Eintracht* nach heidnischem Volksglauben ein Attri-
but der Götter und wie sehr alle derartige Veredlung des Volksbegriffs
bloss auf Rechnung späterer philosophirender Dichter zu schreiben sei,
zeigt der merkwürdige Einspruch des Verfassers der Schrift ad Herennium
n 25 gegen Euripides' Verse im Kresphontes. Er spricht von unlogischer
Beweisführung: vitiosum est, cum quid pro eo sumitur, quod inter omfds
constetf quod etiam nunc in eontroversia est, hoc modo
*eho tu, dt quibus est potestas motus superum atque inferum,
pacem inter sese concUiant, conferunt concordiam :
nam ita pro suo iure hoc exemph utentem Oresphontem Ennius (trag. 168
Vahlen) induxit, quasi iam satis certis rationibus ita esse demonstrasset.
Cicero de im>ent i 49, 91 hat dasselbe Beispiel für dieselbe Sache benutzt,
aber es dem Leser überlassen, die unfromme Epikrisis selbst anzustellen).
^ lvf)v mit Bergk für das handschriftliche är\v.
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XUL Üeber das Phokylideische Gedicht 209
Sollte jedoch ein misstrauischer Leser hier falsch verstehen
wollen, so darf man ihn nur auf eine andere Stelle verweisen,
wo abermals die 'Seeligen' in ofiFenstem Widerstreit zu der ge-
läufigen Auffassung von den Olympiern auftreten, und wo zu-
gleich ein schlagendes Beispiel vorliegt von der fast parodirenden
Weise unseres Verfassers, Lehnsätze aus der heidnisch-classischen
Litteratur seiner eigenen Beligionsmoinung anzupassen.
In jenem grösseren Abschnitt nämlich, weitaus dem besten
des ganzen Gedichts, wo die Würde der Arbeit gefeiert wird
(V. 153— 174), ist der Vers (162) zu lesen: 'Sonder Mühe, mit
leichtem Wurf, gelingt den Menschen keinerlei Werk' (oöb^v
äv€u KajüidTou irdXei dvbpdcTiv eöneT^^ ?pYov) — ein Spruch, der
in einer Sammlung von Branchiden- Orakeln^ gestanden haben
soll, und mit dessen Alterthum wenigstens Gehalt und Ausdruck
wohl verträglich sind. Um so bezeichnender klingt dann aber
der ausspinnende Zusatz unseres Verfassers (V. 163) : 'Ja nicht
einmal den Seeligen selbst gelingt ihr Werk mühelos. Arbeit
macht die Tugend gross' (oub' auxoi^ jüiaKäpecrar irövo? b*
dp€Tf|v jüi^Y* öqpdXXei). Also nicht blos sterblichen Menschen, wie
das Orakel spricht, ist Arbeit auferlegt; auch die 'Seeligen'
stehen unter dem Weltgesetz, welches Nichts umsonst und Alles
um Arbeit gewährt. Welche 'Seeligen' sind das? Etwa die
Olympier, die leichthin lebenden, die ^eia Idjovjeq? Wohl
Verkaufen sie', nach dem berühmten Spruch des Epicharmos^,
'den Menschen alle Güter nur um Arbeit', sie selbst aber leben
ohne Sorge und Mühe ewig dahin in dem ruhigen Genuss ihrer
Ambrosia und ihres Nektars. Welche arbeitenden 'Seeligen'
kann demnach hier der Verfasser meinen ? Keine anderen, als
die er oben (V. 75) im Sinn hatte, die grossen Naturmächte,
die er im Vergleich zu den kümmerlichen und kummervollen
Menschen wohl 'seelig' nennt, weil Nichts ihre sichere Stärke
anfechten kann, die er aber doch, mit dem Psalmisten (104, 4.
1 Schol in Herrn. Ehet. v 441 Walz, d iv MiXifrrqj Ocöi; {<pr\a\vy oö6^
dv€U ktX. — Vgl. Find. Pyth. xii 28 €l hi tk; öXßo<; iv dvOpiOiroiaiv,
fiv€u xa^drou oO (patverai.
8 Fr. 120 Ahr. bei Xenopbon Mem. n 1, 20 tiijv ttövuiv irwXoOvn
irdvra TÖr^&Q* Äfilv toI Ocod 'In Gottes grossem Krame sind alle
Waaren um Arbeit und Fleiss feil', wie eine Ueberseizung in Lehmann's
Florilegium (Lessing xi 684 L.) lautet.
Bemayi, ges. Ablwiidl. ^^
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210 XIX üeber das Phokylideische Gedicht
148, 8), als arbeitende Dienerinnen des Gottes fasst, dessen
Willen sie vollstrecken.
An diese Rectification des Orakelspruches reiht sich pas-
send ein Beispiel von Inversion, welche zwar nicht die hellenische
Götterlehre selbst, sondern ihr Grenzgebiet, die Moral, berührt,
diese aber gerade in dem Mittelpnnct hellenischen Wesens, dem
Qnell seiner Vorzüge und seiner Mängel. Denn nichts wohl
unterscheidet den überall heimischen, die Meere mit seinen An-
Siedlungen nmsänmenden Hellenen so sehr von den andern Völ-
kern wie seine unerschöpfliche Schmiegsamkeit und Dehnbarkeit.
In jedes Klima weiss er sich zu schicken, mit jedem Barbaren
sich zu benehmen, jede Sitte sich anzueignen. Von dem schlauen
Heroen Odysseus bis auf Themistokles und Perikles, wo die
Versatilität noch durch staatsmännische Haltung gemässigt wird,
und weiter hinab bis auf Alkibiades, wo sie schon in bedenk-
licher Steigerung erscheint, konnte kein Grieche, der auf seine
Landsleute nachhaltig wirken wollte, diese Nationaleigenschaft
xn entbehren ; | wer sie in ungewöhnlicher Weise an den Tag legte,
fand Gehör fUr seine Pläne und Verzeihung für seine Vergehen ;
und grosse Gemttther, nur um so ehrwürdiger, weil sie ihnen
nicht gegeben war, Gemttther wie Demosthenes, verzehrten sich
in vergeblichem Ringen gegen eine ungleichartige Umgebung.
Der Gegensatz der Stämme begründet in dieser Beziehung nur
einen graduellen, keinen wesentlichen Unterschied ; bei den be-
gabteren Spartanern, einem Pausanias, Brasidas, Lysandros und
Agesilaos, bricht im Bösen wie im Guten die angeborne Viel-
förmigkeit durch den auferlegten Zwang uniformirender Gesetze,
welchen die Athener gleich von Anbeginn verschmähten. Auch
griff der Hellene, sobald er sich selbst zum Gegenstand des
Nachdenkens machte, diesen Gharakterzug als sein wesenhaftes
Kennzeichen heraus; Odysseus wird verherrlicht als der Viel-
gewandte' (TToXurpoiToq), während äTpoTr(a, das Unvermögen sich
zu drehen und zu wenden, für das Widerspiel von aocpia gilt;
und schon die früheste gnomische Poesie ermahnte zu diesem
Einen, was dem Griechen vor Allem unentbehrlich schien, in
einem Bilde, das dann für die späteren Zeitalter durch alle
Dichtgattungen stehend geblieben ist. Ein griechischer Schiffer
mag es wohl zuerst aufgefasst haben, als er, sinnend bei ruhi-
gem Meer, an Korallenriffen vorüberfuhr und dem Treiben der
noch nicht verkalkten Polypen zuschaute. Am heimathlichen
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xiz Ueber das Phokylideische Gedicht 211
Herde erzählte er dann von dem vielflissigen Thier, welches
seine Nahrung sich dadurch schaffe, dass es, auf einem Meeres-
felsen regungslos liegend, die Farbe des Felsens annehme und
nun die heranschwimmenden Fischlein, welche nur Fels zu sehen
glauben, mit seinen Fühlern erbeute \ Seit der Zeit ward das
geschickte^ die Farbe nach dem Ort wechselnde Thier zu dem
beliebtesten Musterbild hellenischer Lebensklugheit. In einem
alten Lehrgedicht giebt ein Bejahrter, wohl ein Pädagog, seinem
Zögling Ämphilochos Regeln auf die Beise mit: 'Kind', sagt er,
*hab' mir nur ja Polypenverstand, und passe dich denen an, in
deren Gau du kommst'^; und ftir immer eingepflanzt in helleni-
sche Sinnes- und Bedeweise ward Bild und Gehalt des Bildes
durch den frtlh von griechischen Knaben auswendig gelernten
Spruch des Theognis (V. 215): 'Erwirb dir die Art des viel-
gewundenen Polypen, der dem Blick so erscheint wie der Fels,
auf dem er haust ^. Jetzt verfolge diesen Weg, ein andermal
1 Plinius H. N. ix 29. Aelian V. H. 1 1. (Eine reiche Sammlung bei
y. Rose JrisL pseudepigr. p. 862 f.).
2) Bei Athen, vn 317 » TTouXiiiroööc fAOi, t^kvov, It^uv vöov, *A|Liq){Xox*
ffpw^, Tolöiv ^(pap|Liö2[€iv, rdw k€v Kaxä &f)|üiov XKr\a\ [s. Welcker, ep. Cy-
clu8 n 652, 4 Bergk comoed. Att. ant. p. 219 f.]. Vorher und nachher
(p. 816—818) giebt Athenaus eine Sammlung von Parallelstellen aus Dich-
tem der verschiedensten Gattungen. (Früh schon haben die Griechen das
Thnn und Lassen der Polypen beobachtet und zu dichterischem Gebrauch
verwendet; es tritt das bereits in der Schilderung des Winters in Hesiods
Werken und Tagen (524) hervor, wo der Winterbehaglichkeit eines Mäd-
chens im Hause wohlhabender Eltern die Wintemoth des Polypen gegen-
übergestellt wird).
' (TTouXtSirou öpirtv Taxe itoXuwXökou, 6^ irorl irdx^i],
Tfl TrpOÖO|UllX/|0ir|, TOtO^ Iftclv ((pdVT).
Wie sehr dieses Distichon in Aller Munde war, sieht man aus Philostratos'
Leben der Sophisten i 5, wo von einem aegyptischen Philostratos die
Rede ist, einem Hofphilosophen der Kleopatra, jener Frau 'welche auch
in ihren wissenschaftlichen Bestrebungen die Üeppigkeit nicht lassen
konnte' (i^ xal ainö tö <piXoXoT€iv Tpuq)y|v cTx^v) : desshalb hätten die
Leute auf ihn folgendes parodische Distichon gemacht
ndvaocpov bpfi\v 1<JX€ OiXoaTpdxou, 6<; KXcoirdrpqi
vOv irpoöo^iX^öa? to1o<; I6€tv ititparau
Welches Original parodirt wurde, brauchte dem griechischen Leser nicht
erst ausdrücklich gesagt zu werden. Zugleich kann man aus dieser Pa-
rodie ersehen dass ^qpdvr), wie jetzt im Theognis ohne V&riante gelesen
wird, nur ein Glossem ist für die Form tr^cpaTai), [für die Stobaeus einen
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212 XIX üeber das Phokylideische Gedicht
nimm andere Farbe an. Wahrlich, Klugheit ist stärker als Un-
wandelbarkeit'. Gegen diese Gmndmaxime der hellenischen
Praxis erklärt sich nun unser Gedicht aufs Entschiedenste, un-
ter ausdrücklicher Erwähnung jenes Polypenbildes und gewiss
im Hinblick eben auf den angeführten Spruch des Theognis.
Die phokylideischen Verse (48—50) lauten: 'Birg in deinem
Herzen keine anderen Gedanken als du aussprichst, und nicht,
wie der felserwachsene Polyp, wechsele nach dem Ort. Son-
dem schlicht sei gegen Alle und sprich wie dir's zu Muthe ist".
In der That war jenes hellenische Polypenwesen im Lauf der
Jahrhunderte bei einem argen Ziele angelangt. Ueber all dem
Drehen und Wenden war die eigene Charakterfestigkeit, ja der
Glaube an die Möglichkeit derselben bei Andern gänzlich ver-
loren gegangen; Polybios muss hoch und heilig betheuem, er
xmlüge wirklich nicht, das bei seinen griechischen | Zeitgenossen
Unerhörte und fftr sie daher schwer Glaubliche^ sei dennoch
wahr, es gebe in Rom wirklich noch Männer, die uneigennützi-
ger Handlungen im Privatleben fähig und als öffentliche Beamte
über Unterschleif erhaben seien. Nachdem es dahin gekommen
war, durfte es nicht unnütz erscheinen, die Hellenen zu ermah-
nen, dass sie ihr vielbelobtes Polypenmuster nun endlich auf-
geben möchten; und nur um so erklärlicher wäre eine solche
Ermahnung im Munde unseres Phokylides, wenn es sich ergeben
sollte, dass er selbst kein Hellene gewesen, sondern demjenigen
Volke angehört habe, dessen Tugenden und Fehler nicht aus
der farbenwechselnden Versatilität, sondern aus der entgegen-
stehenden Eigenschaft, aus der zähen Unbeugsamkeit entsprin-
gen — demjenigen Volke, an welchem von jeher seine Propheten
das unlenksame Wesen beklagen mussten, das aber dafür auch,
als Volk wenigstens, durch Jahrtausende seine Charakterfestig-
keit behauptet hat^.
Beleg aufbewahrt hat in dem untergeschobenen Ionisch der Periktione
flor, 85, 19 p. 184 Gaisf. Katdx] oöxl MiKpA ird<paTai, vgl. Kayser z. d. St. p. 168].
1 Polyb. xxxn 8, vi 66 Bekk. (vgl. Cicero p. Flacco 4, 9 testimoma-
rum rdigianem et fidem numquam ista (Chraecä) natio coluit totiwque huiusce
rei quae sit vis, quae auctoritas, quod pondtiSy ignorant. unde iüud est 'da
mihi testimonium mtauum*? num Oäüorumj num Hispafwrum putatur?
totum ütud Qraecorwn esi\ auch Juvenal sat, 13, 62).
^ (Goethe sagt in seiner Weise (Abhandl. zum Di van, Mahmud von
Gasna; Ww. 1829 Band vi 44) °Die jüdische Beligion wird immer einen
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XIX Ueber das Phokylideische Gedioht 218
Die bisher besprochenen Entlehnungen ans der classischen
Litteratar wurden bedeutsam für die Gesinnungen unseres Ver-
fassers durch die Umprägung, die er mit ihnen vorgenommen,
oder durch den Einspruch, den er gegen sie erhoben hat. Es
ist schliesslich noch eine Herttbemahme zu erwähnen, die nicht
minder aufschlussreich gerade dadurch wird, dass er sie keiner
wesentlichen Veränderung bedürftig fand.
Theognis (V. 105) hatte in seiner aristokratisch heftigen
Sprechweise, welche den nicht adlichen Mann ohne Weiteres
einen Wicht und einen Schlechten nennt, die Lehre gegeben:
*Wer den Wichten Gutes thut, dessen Bechnung auf Dank ist
gänzlich vergebens; es ist ebenso als wollest du die graue
Meerestiefe besäen. Wenn du das Meer besäest, wirst du nimmer
wogende Aehren mähen, und wenn du den Schlechten Gutes
thust, wirst du nimmer Gutes dagegen erhalten'. Und wörtlich
tibereinstimmend heisst es in dem phokylideischen Gedicht
(V. 152)^: 'Thue dem Schlechten nicht wohl, es ist als wollest
du im Meere säen'. Mag nun immerhin der ^Schlechte' bei
Theognis einen Niedriggeborenen, dagegen einen sittlich Schlech-
ten bei dem Phokylides bedeuten, und mag dieser sonach an
demselben Missverständniss Theil bekommen ^, von welchem seit
dem Verschwinden der aristokratischen Geschlechter -Verfassung
sich die meisten Griechen selbst^ und die neueren Gelehrten
gewissen starren Eigensinn, dabei aber auch freien Klugsinn und leben-
dige Thätigkeit verbreiten'), [bezeichnender in Wilh. Meisters Wanderjahren
Buch n c. 2, Ww. xxii 20].
1 Auf das Fehlen des Verses in einer einzigen, obendrein zur schlech-
teren Art gehörigen Handschrift, dem Barocoianus, wird man hier so
wenig wie bei V. 168, wo auch der bessere Mutinensis mit dem Baroc-
cianus in der Auslassung zusammentrifft, irgendwelches Gewicht legen
wollen, wenn man den, zum Ueberspringen verführenden, abgerissenen
Ton des Gedichts erwägt und die Thatsache, dass Bergk allein aus dem
ersten Vindobonensis sieben ganze Verse aufnehmen musste, von denen in
allen sechs übrigen Handschriften, den Mutinensis einbegriffen, keine Spur
erhalten war. Diese neu hinzugekommenen Verse sind 116, 117, 144, 145,
146, 156, 218.
^ Ebenso wendet Phokylides V. 201 nach moralischer Seite, was bei
Theognis V. 188 über Missheirathen mit Kaxoi in politischem Sinn gesagt
ist. — Dagegen istPhokyl. V. 92 = Theogn. V. 115 ohne Veränderung des
Sinnes und, mit Ausschluss der Partikeln, in ganz gleichen Worten.
' (Aristot. Etb. Nie. ix 9 p. 1170» 11 t^voito 6' dv xal äaKr\ai<; tk;
Tfl^ dpcTf^^ iK ToO avtfiv ToU dTaöotq, KaBdircp kcI Gdotvi^ <pr\axv}.
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214 xiz üeber das Phokylideische Gedicht
bis anf Welcker nicht frei erhalten haben: ein solches histo-
risches Versehen — und unserm Verfasser, der ja den Theognis
nicht commentiren, sondern nur nutzen will; ist es doch kaum
als Versehen anzurechnen — trägt nichts aus ftlr den Punkt der
praktischen Morallehre, auf welchen es hier ankommt. Dafttr
ist allein dies entscheidend, dass Beide, der den Zeus und die
XIV Olympier anrufende Megarer und unser an biblische | Gottes-
einheit glaubender Phokylides, es offen heraussagen, man solle
an die Schlechten nicht unnütze Gutmttthigkeit verschwenden,
sondern sich auf Eriegsfuss gegen sie setzen ; Beide, der um
die sechszigste Olympiade lebende Hellene und unser später
Hellenist, wagen es in die Moraltheorie das aufzunehmen,
was zu allen Zeiten die Praxis aller thatkräftigen Menschen
gewesen ist ; und es entsteht nun die Frage, ob unser Verfasser
das wohl hätte wagen können, wenn er sich selbst an die Lehren
der Bergpredigt gebunden, oder für Leser, die ihnen huldigten,
geschrieben hätte ?^
^ <Au8 der Fülle von Zeugnissen für die Lehre von Feindeshass
und Freondesliebe (eine Sammlung giebt Welcker kl. Sehr, n 483 Anm.,
Nachweise über neuere Litteratur G. Fr. Hermann Staatsalt. 185, 6 und 9, 5)
genügt es hinzuweisen auf Arohilochos fr. 65 Bergk Sv V lirfaTafiai fi^a
I t6v Kaxu)^ |Li€ bpil^vra beivol^ dvraineCßcaOai KaKol^, Pindar Pyth. n 83
(piXov etT] (piXcTv, itotI V 4x6pöv dr* ^x^pö^ ^div XOkoio 6(Kav öiro0eOao|Liai
dXX' fiXXoTC irardwv öbot^ aKoXiat^, wo Boeckh eine christliche Verwahrung
einlegt, Euripides /r. 1077Nauck ^x^P^v kukOj«; bpdv dv&p6<; ^iToöiLiai fi^po<;; aus
der Anthologie Stellen bei Jacobs zum dd. epigr. p. 144. Eyros' Wunsch war
ToaoOxov xpövov lf\v lare. viKiJjy] Kai toü^ eO Kai to()5 KaKiXi^ iroioOvro^ dXcHö-
|ui€vo<; (Anab. I 9, 11), in seiner selbstverfassten Grabschrift fasste Sulla sein
Lob in der Behauptung zusammen ib^ oötc tuiv (pikiuv ti^ aüröv eCi iroiuiv
o(iTC TUIV ix'^piSiv KaKdi^ ()ir€p€ßdX€To (Plutarch Süll 38), und noch Bismarck
antwortet Gortschakoff *ich sage auch unumwunden, dass ich ein guter
Freund mit Freunden und ein guter Feind mit Feinden bin* (Köln. 2ieit.
1878 Sept. 10, Bl. n). Erst der Platonische Sokrates scheidet sich von der
volksthümlichen Moral, während Xenophon Memorab. n 6, 85 ebenso wie
der Ausspruch bei Aristoteles rhet. n 23 p. 1398 » 25 ihn zum Vertreter
derselben macht. Nicht beirren darf uns die Aeusserung des Aristoteles
rhet, I 9, wo er die verschiedenen Arten des sittlich Rühmlichen aufzählt
p. 1367 « 20 Kul t6 to{)^ Ix^po0<; Tl^u)p€t(TGal Kai \xi\ KaTaXXdTTeaOai (ko-
Xöv ^OTi)' TÖ T£ fäfi dvTairo&i&6vai Mkoiov, t6 bi btKaiov KaXöv, Kai dv-
bp€(ou TÖ \ii\ yjTTdöeai. Als Genesius Sepulveda, ein eifriger Aristoteliker
des XVI. Jahrhunderts das Anrecht der heidnischen Philosophen und ins-
besondere des Aristoteles auf die himmlische Seeligkeit verfechten wollte,
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XIX üeber das Phokylideische Gedicht 216
So hat nnB denn der Fortschritt der Untersnehung über
das Verhältniss unseres Gedichts znm classischen Alterthnm
hinaDgeführt an die Prüfung seiner Stellung zum Ghristenthum.
Gegen das Heidenthum trat der Verfasser in offeneren oder
stilleren Gegensatz überall, wo sich dasselbe von den alttesta-
menüichen Grundbegriffen sondert. Steht er ebenso dem Ghristen-
thum entgegen? Oder steht er auf dessen Seite? Oder kennt
er es gar nicht? Oder endlich, um alle Möglichkeiten zu er-
schöpfen, kennt er es und ignorirt er es nur?
n.
Der letzte Fall nun, absichtliches Ignoriren bei vorhandener
Eenntniss, ist für ein griechisch abgefasstes Schriftstttck mo-
ralisch religiösen Inhalts von vom herein so unwahrscheinlich,
dass man zu einer solchen Annahme sich nur dann zwingen
lassen dürfte, wenn äussere Zeugnisse der unumstössliehsten Art
die Entstehung des Gedichts auf eine Zeit nach der Mitte des
zweiten Jahrhunderts n. G. herabrückten. Von dergleichen Zeug-
nissen verlautet jedoch nicht das Mindeste. Und hinsichtlich
der ganzen Zeit vor der Mitte des zweiten Jahrhunderts muss
der kritischen Untersuchung die Möglichkeit des Ignorirens
gleichgelten dem einfachen Nichtkennen. Denn für einen vor
150 n. G. lebenden Schriftsteller ist aus der damaligen Lage
der religiösen Dinge Unkenntniss der christlichen Lehre ganz
ebenso begreiflich wie Kenntniss derselben ; und nur unkritische
Grübelei kann ein schlaues Nichtwissenwollen da voraussetzen
wo das schlichte Nichtwissen so natürlich ist. Von den vier
an sich möglichen, für unsern Zweck aber auf drei hinauslau-
fenden Fällen ist also zuvörderst die Vorfrage zu erörtern, ob
unser Ver£Etöser überhaupt Eenntniss der christlichen Lehre be-
kunde. Erst wenn die Antwort hierauf bejahend ausfällt,
können die weiteren Möglichkeiten zur Verhandlung kommen.
hielt ihm ein Franciscaner haapts&chlioh jene Stelle über die Rache an
Feinden entgegen (s. SepvHvedae epistt. l. VII ep. 91. 98 p. 256. 267 in den
Opp. ed. Col. Agripp. 1602). Der Franciscaner wuBste nicht und Sepal-
yeda, wie man aas seiner Antwort sieht, erinnerte sich nicht, dass die
Rhetorik absichtlich den populären Standpunkt (fvboEov) einhält und über
Aristoteles' eigene Ansicht keinen Aufschluss giebt; s. Phokion und seine
neueren Beurtheiler p. 124 f.).
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216 XIX üeber das Phokylideische Gedicht
Es mnss nan aber diese Vorfrage unbedingt verneint
werden. In dem ganzen Gedicht findet sich keine einzige, die
Prüfung aushaltende Beziehung auf das neue Testament; nir-
gends ist eigenthtlmlich christliche Redeweise zu entdecken^;
XV vergebens wird man nach christlichen Ein|flttssen auf die Moral
forschen; und ebenso vergeblich ist das Suchen nach Spuren
irgend eines der concreten christologischen Lehrstücke, wie
sie in den Zeiten vor Fixirung der christlichen Urkunden weit
mehr noch als die Moral von Freund und Feind gepredigt oder
angegriffen wurden.
Diese Behauptungen, welche sich als negative einer directen
Beweisführung entziehen, dürfen getrost und in ihrem vollen
Umfang dem Urtheil jedes unbefangenen und aufmerksamen
Lesers anheimgegeben werden. Und das müsste wahrlich ein
sehr unaufmerksamer oder ein kläglich befangener Leser sein,
der durch V. 129 xfjg GeoirveucTTOu (Toqpiriq Xöto^ iajiv api-
(Tto^, wo man allerdings neutestamentliche Terminologie und
christliches Dogma heraushört, länger als einen Augenblick
stutzig würde. Wer um dieses ^inen Verses willen dem ganzen
Gedicht einen christlichen Ursprung beilegen wollte, dessen
Kritik würde nicht einmal hinanreichen an die des weiland
^ (Die Meinung, dass der falsche Phokylides ein Christ gewesen,
spricht schon Salmasius aus de caesarie p. 552 Phoc. non iUe antiquus —
sed cUter Christianus qui irapaivdoei^ perpetuo carmine scripsit und Hadrianus
lunius de coma hinter seinen Animadversa (Rotterd. 1708) p. 502 Phoc., cuius
versus plane aurei divinum mereque christianutn pectus spirant, beide unter
Anführung vonV. 212). Es bedarf kaum der Erwähnung, dass Scaliger unge-
nau spricht, wenn er zu Eus. n. 1480 die biblische Phrase KpCvciv irpöawTTov
eine ^christliche' nennt. Der Phokylides gebraucht sie V. 10 in dem Ab-
schnitt, der von der Unparteilichkeit desBichters handelt, und ganz in demsel-
ben Zusammenhang steht sie Deuteron. 1 17 oök kTiiyvibor^ irpöaunrov dv Kpioei.
Scaligers Worte lauten : lUttd vero plane ex medio sermonis Christiani petitum
db(KU)^ ILi^l Kplve irpöaujiTov. Nam Scriptura tö irpöoiwirov dvrl XoifiKoO öcpiaTa-
{Lidvou et soli eeclesiastiei patres usurpant, non veteres poetae pagani, und sie
bieten einen kleinen Ersatz für jene Ungenau igkeit, indem sie durch die Art
des Gitirens die richtige Interpunction des fraglichen Verses andeuten. Er
ist nämlich nicht zu schreiben, wie er bei Bergk steht, \jLi\ ^(11113^ ireviiiv dhi-
KUJ^' iLi^i Kplve irpöomiTov, sondern \ki\ GX{i|ii]^ irevdiv dbCxux; ibif) Kptvc irpöö-
WITOV. Ueber 6X{i|iir)^ braucht man für Leser der Septuaginta nicht viel
Worte zu machen. Auch V. 19, wo von einer andern Art Bedrückung der Ar-
men, dem Vorenthalten des Lohnes, die Bede ist, heisst es: \ii\ OXlße irdv^Ta.
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XIX üeber das Phokylideische Gedicht 217
Doctors der Theologie und Rectors des Gymnasiums zu Danzig
Heim Ver Po ortend welcher in einem Beitrag zu Hartes' Aus-
gabe von Fabricius' griechischer Bibliothek (i 721) sonst manches
Verkehrte^ aber ttber diesen Vers doch das Richtige gesagt hat ;
nur hat er es in so unklarer und durch keinerlei Begründung
unterstützter Form gesagt, dass die neueren Herausgeber unseres
Gedichts keinen Gebrauch davon gemacht haben. Suchen wir
daher das Urtheil über diesen in seiner Art so vereinzelten Vers
festzustellen durch einen Blick auf seine, auch sonst einer nähern
Betrachtung wohl würdige, Umgebung.
Der betreffende Abschnitt (V. 122—131), welchen straffe
Gedankenverbindung vortheilhaft vor so manchen andern Theilen
des Gedichts auszeichnet, beginnt mit einer Warnung vor hoch-
fahrenden Beden (V. 122): 'Wolle nicht in Grossprecherei dich
aufblasen und so in Wahnwitz gerathen. Fein vernünftiger Rede
sei beflissen (eueiririv dcrxeTv), die Allen gar sehr frommt'. Diese
Ermahnung fuhrt dann in ungezwungenem Fortschritt zu einer
Darlegung dessen, was das göttliche Geschenk der Sprache,
oder — wie unser griechisch schreibender Verfasser mit jener
tiefen, selbst in deutschem Ausdruck nicht wiederzugebenden
Bedeutsamkeit sagen kann — das Geschenk der sprechenden
Vernunft (Xötoq) dem Menschen gewähre, in Vergleich mit der
Ausstattung der übrigen lebendigen Geschöpfe. 'Wahrlich* —
heisst es (V. 124) — 'an Vernunft und Sprache hat der Mensch
eine Schutzwaffe schärfer als Eisen. Jedwedem Geschöpf hat
Gott eine Schutzwaffe verliehen, den Vögeln ihr luftwandelndes
Wesen, den Rossen SchnellfUssigkeit, Stärke den Löwen; den
Stieren sind von Natur Hörner gewachsen^. Den Bienen gab
1 <^Mo8heim hatte ihn dem Freiherm von Münchhausen zum Pro-
fessor Primarius der Theologie für Göttingen vorgeschlagen, s. Kössler,
Gründung der Universität Göttingen p. 192).
3 Die sinnlose üeberlieferung raOpoi^ h* qötoxi^toi^ Kcpdcaaiv kann
mit viel geringeren Aenderungen als Sylburgs Vorschlag Tatüpo«; h* aO-
TÖxuTov K^pa? ^OTiv und Bergks TaOpoi 6' aöxctX^oi Kcpdeaai erfordern,
viel sicherer verbessert werden. Man braucht bloss in Kcpdcaaiv die Plu-
ralform K^pa, mit langem, hier durch rechtmässigen Hiatus verkürztem d
und iOTlv zu erkennen, dann nur noch das handschriftlich gleich gut, wo
nicht besser, beglaubigte aÖTox^TU)^ in aÖTO(pOTW^ umzuschreiben, und
man erhält raOpoi^ 6' aörocptÜTOx; K^pa karW, was den in der Üebersetzung
ausgedrückten einfachen Sinn ergiebt. (Aehnlich 0. Keller, Gesch. der
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218 XIX üeber das Phokylideische Gedicht
Gott den Stachel als eiDgeborne Wehr, den Menschen aber Sprache
und Vernunft zu fester Burg. Tüchtiger als der starke ist der
kluge Mann^ Klugheit ist die Lenkerin auf den Feldern, in
den Städten, auf dem Schiffe'^. Also eine wohldurchgeftlhrte
x^ Parallele zwischen den körperlichen | Schutzmitteln der Thiere
und der menschliehen Geistesbegabnng, wohldurchgeftthrt, weil
von allen höheren Zwecken der Vernunft geschwiegen und nur
ihre das irdische Leben der Menschen schützende und lenkende
Kraft hervorgehoben wird. Eben aber diesen Punct der Ver-
gleichung verrückt auf das Ungeschickteste der fragliche christ-
liche Vers. Er zwängt sich ein gerade in die Gedankenfuge,
wo von dem Satz aus, welcher die Vernunft als 'feste Burg der
Menschen' hinstellt (V. 128 Xötov b' ipv^' dv6puiiroi(Tiv), der
Schluss gemacht wird (V. 130), dass Klugheit der Leibesstärke
überlegen sei ; und diese Fuge sprengt er auseinander, indem
er, gar abstechend von dem anmuthig dichterischen Klang der
umgebenden Verse, im schrillen Ton der Symbolschriften sagt:
'Der Logos der inspirirten^ Weisheit ist der beste* (Vers 129).
Mag das an seinem Ort noch so richtig sein, was soll es aber
hier bedeuten? Hier sollen ja nicht die verschiedenen Arten
von Logos gegen einander gewogen, sondern die menschliche
Vernunft soll als geistige Waffe des an Körperkraft hinter vielen
Thieren zurückbleibenden Menschen gleichgestellt werden den
Vertheidigungsmitteln auch der allerstärksten Thiere. Und femer,
wie reimt sich diese apodiktische Verherrlichung 'des Logos der
inspirirten Weisheit' zu dem Schlussvers (131), welcher, alles
Frühere zusammenfassend, nur von der Klugheit ((Toqptri) redet,
die der Bauer auf dem Felde, der Bürger auf dem Markt und
der Matrose auf dem Schiffe^ besitzt. Mit diesen Älltagsdingen
grieoh. Fabel (in Fleokeisens Jahrb. Sapplementb. rv) p. 407 ai}rox<n\u^
Kdpar' kariv),
^ ß^Tepo^ dXKf)cvTO^ £q)u 0€00(piO}xivo^ <iv/|p, nach Eoheletb dl 16
dTOÖf) ao(p{a <mip 60va|uiiv.
^ (Ganz ähnlich äussert sich über \6fo^ Isokrates im Nikokles or. 3
§ 5 f., vgl. Lactantius inst vn 4, 18 f.).
' Kein Kundiger wird leugnen, dass das unclassische, ^nicht, wie
mir Ewald (bibl. Jahrb. ix 229) unterschiebt, 'erst christliche* ) Compositum
OcöirvEuaro«; eben solche Dissonanz im Griechischen verursacht wie die ge-
wählte Uebersetzung im Deutschen.
^ (Titinius in Bibbecks Com. V. 127 p. 151^ sapientia gubemator na-
vem targuet, haut vdlentiay.
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XIX üeber das Phokylideische Gedicht 219
hat doch wohl die 'Inspiration* nichts zu schaffen. Welcher
Unberufene hat sie also hier am unrechten Orte eingeschwärzt?
Die Antwort ist leicht gefunden \ Ein byzantinischer Leser
hat es gethan, welcher Anstoss nahm eben an jener weltlichen
Bedeutung von Xöto^, die der VerÜEtöser unseres Gedichts für
seine Parallele festhalten musste. Der Sohn der orthodoxen
Kirche aber, der über den 'dreimal heiligen Logos" so viel
lehren und streiten hörte, wollte ihn nicht zum' Gebrauch der
Bauern und Matrosen entweiht sehen ; ohne Rücksicht auf den
Zusammenhang schrieb er seine dogmatische Verwahrung an
den Band, welche dann durch hergebrachte Abschreibersünde in
den Text gelangte, und sich bis auf den heutigen Tag in allen
gedruckten Ausgaben behauptet hat.
Aber zu noch gar manchen christlichen Interpolationen hat
sich im Lauf der Zeit der eine oder der andere fronmie Leser
unseres Gedichts veranlasst gesehen, die, obgleich sie nicht wie
jener Logosvers überall ungehinderte Aufnahme fanden, doch
hier besprochen zu werden verdienen, weil das Geschlecht der
Brunck, das sich durch dergleichen täuschen lässt, ja noch
nicht ausgestorben ist, weil sie ferner sich zum Theil auf die
interessantesten dogmatischen Schlagwörter beziehen, und weil
sie endlich zu sicherer Verbesserung einiger bisher schlimm ver-
derbter Verse Gelegenheit geben.
Gleich in einem der ersten Abschnitte, nachdem der Ver-
fasser richterliche Gerechtigkeit in verschiedenen Geboten ein-
geschärft, schliesslich ermahnt hat, 'kein falsches Zeugniss gelten
zu lassen, sondern das Gerechte zu erkennen' (V. 12), und wo
er zu den Pflichten der Gerechtigkeit in | Handel und Wandel xvii
übergeht, dass (V. 14) 'der Kaufmann unter allen Umständen
das richtige Maass messen müsse, dass es aber schön sei, noch
etwas darüber als Zugabe zu messen'^ — hier nun inmitten
1 Herr Ver Porten hatte sie folgendermassen hervorgestammelt : lUa
certe carrectio serUentiaef quam legimus, Xötiv rationif v, 121 commemaratOj
apponitur 6 Tfi<; GcoitvcOotou oocpCa^ Xöro«;, alii niH Christiano tribui vix
polest. Neque tarnen prapter ea totum Carmen homitU Christiano adseriben-
dum mdetur,
3 Man sieht schwer ein, wie Bergk darauf verfallen konnte, das in
den Handschriften deutlich vorliegende iiidTpa vdjuiciv rä bkaia, koXöv b*
M|ui€Tpov AirdvTUJv umzuwandeln in die weder an sich gut ausgedrückte,
noch irgendwie an diesen Ort hinpassende Sentenz koXöv bi ti pLiTpov
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220 zix üeber das Phokylideische Gedicht
dieser jaristischen and handelspolizeilichen Vorschriften ist der
Vers zu lesen: irapOeviriv rripeiv, iricTTiv b' dir\ irScTi cpuXdcyaeiv.
Das kann nichts Anderes heissen als: 'Wahre die Jungfräulich-
keit, und Treu und Glauben hüte alle Wege'. Wie, in aller
Welt, ist die 'Wahrung der Jungfräulichkeit' hieher unter die
Bichter und Kaufleute verschlagen worden? und wie hat man
sie bisher so nachsichtig hier dulden können, zumal da sie noch
an einem andern Orte des Gedichts, und dort ganz am richtigen
Platze, nämlich bei Gelegenheit der Kindererziehung (V. 215),
erwähnt wird? Wenn es nur wenigstens möglich wäre, nap-
Oeviriv für ein Adjectiv auszugeben und mit mcTTtv zu verbin-
den! Es wäre das noch immer kein ganz reiner Geschmack,
von irapOevifiv rripeiv mcTTiv, von 'Bewahrung der Treue in jung-
fräulicher Keuschheit' zu reden, wo es sich um gewöhnliche kauf-
männische Bedlichkeit handelt; jedoch von einem späteren Ver-
sificator mttsste man sich die Gespreiztheit einer solchen Phrase
schon gefallen lassen. Allein es kann TiapOevtriv hier nimmer-
mehr ein Adjectiv sein; die durch das Metrum geschtttzte Par-
tikel b' verbietet es ; der ganze Bau der beiden Yerstheile spricht
dagegen ; und es bleibt also die 'Jungfräulichkeit' als Substantiv
in ihrem vollen Widersinn bestehen so lange bis napOevtriv durch
ein sinngemässes Wort ersetzt ist.
Zum Glück lässt sich ein solches Wort herstellen mit Aen*
derung öines Buchstabens und mit derjenigen Sicherheit das
Richtige getroffen zu haben, welche in dergleichen Fällen aus
dem blossen Geftlhle entspringt. Nicht irapOeviriv, sondern nap-
Oe(Ttriv TTipeiv hat der Verfasser geschrieben, die dem Hexameter
anbequemte Form von irapaOecria, welches so viel bedeutet wie
irapaKaTaGriKTi, jedes im Yertrauenswege bei Jemandem hinter-
legte Gut, das lateinische deposüum und das hebräische rnpo,
das die Septuaginta richtig durch TiapaOi^KT] {Levit. v 21) und
&irdvTiuv. Die * Krämerzugabe', ^iri^crpov, wird durch den aufgewiesenen
Zusammenhang unweigerlich verlangt. Aber das Schlusswort äirdvTuiv ist
allerdings matt. Ich glaube, es steckt ^iravrXdv darin, und der ganze
Yers lautete ursprünglich : ixirpa vd|üi€iv rä bCxaia, koXöv b' ^itt^cTpov
diravrXcIv (nach Hesiods Werken 350 eO &* öiro&oOvai aÖTi?i t«|i M^xpip, xal
Xidiov, at K€ WvTiai). 'Hinzuschöpfen* sagt der Verfasser, weil er hier vom
Messen des Flüssigen redet; im folgenden Vers (16) araQixöy ^i\ xpoOeiv
spricht er vom Wägen des Festen. — Dass der ganze Passus sich auf
Levit XIX 86, Deuteron, xxv 14 bezieht, sieht jeder Bibelleser.
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xrx üeber das Phokylideische Gedicht 221
TrapaKaTaGrJKTi {Exod, xxn 8) wiedergebeo. Unser Gedicht erlässt
sonach mit TrapGeairiv rripeTv^ eine Warnung vor Veruntreuung
anvertrauten Gutes, welche den folgenden Sätzen über Redlich-
keit im Messen und Wägen ganz gleichartig ist.
Je weniger nun diese Herstellung des ersten Verstheils,
welche im Verlauf der Untersuchung noch von anderer Seite
eine Bestätigung in völlig zwingender Weise erhalten wird, irgend
einem Zweifel unterliegen kann, um desto klarer wird es auch,
dass der zweite Verstheil mcTTiv b' im \ iräm cpuXdacTeiv mitxvra
TTi(TTi5 durchaus nur Treu und Glauben im menschlichen Ver-
kehr meint, keineswegs aber 'den Glauben' im dogmatischen
Verstände, weder im alt- noch im neutestamentlichen. Einem
byzantinischen Leser jedoch, besonders nachdem er durch den
alten Fehler irapOeviriv an die Nonnenklöster erinnert worden,
wollte es nimmer in den Sinn, dass manq auch noch etwas
anderes bedeuten könne ^ als den 'rechtfertigenden Glauben^ den
fruchtbaren Keim endloser theologischer Gontroverse; und sei
es nun, dass ihm dieser Terminus iriartq nicht genug specifisch
christlich, oder dass er ihm allzusehr paulinisch und augusti-
nisch erschien, er wollte es nicht Wort haben, dass man • 'den
Glauben in alle Wege hüten solle'; die 'Liebe' schien ihm
unzweideutiger; statt iriaTiv schrieb er also äT<i^ilv b' iiA tiaai
9uXd(T(T€tv, was neckischer Weise gerade so gut in das Versme-
trum als schlecht in den mercantilen Zusammenhang passt. Denn
^ Ein Epigramm des Dioskorides Anth. Pal. vn 87 Itot einen Schau-
spieler oder Choragen auf Sophokles' Grabe sagen : -niinßo^ Ö6' iar% ifiv-
epunrc, lo(poKXdo^, 8v irapA Mouadöv 'Ip^iv irapOeafiiv Upd? d»v (n&m-
lich dem Dionysos geweiht) ^Xaxov. Auch dort giebt diö Handschrift
sinnlos irape€v{iiv. Die jetzt im Text stehende Verbesserung rührt von
ßrunck her, — Dass xripelv irapaKoraOfiKTiv die eigentlich griechische
Verbindung ist, weiss jeder Kundige. Zum üeberfluss stehe hier der Satz
aus Isokr. ad Deman. 22 p. 6 Steph. fidXXov rVipei Tä<; tiBv X^tiuv ^ rd^ Tilrv
Xpr\ii6iT\uy irapaKaTa0f|Ka<;.
* Unser Verfasser gebraucht das Wort noch einmal von Treue in
der Freundschaft, V. 218: aTipf€ q)(Xou<; fixpw 0avdTou, iriöxi^ T^p
d|ui€(vurv. (Ist die jetzt gangbare Lesart bei Strabon i p. 19 Gas. oO yäp
öxXov t€ "fwaiKurv kuI iravTÖ? x^^o^ou uX/iOcu^ irtafaye^y Xöth» öuvaTÖv
(ptXoaö(pi|i Kai irpoOKaXdaaaOai irpö^ eboi^my Kai öai6niTa Kai irtartv,
dXXd bei Kai h\ä beiaibaijuiovia«; unverfölscht? Ist sie es, so muss man
iHoTi^ das durch den Zusammenhang eine religiöse Färbung erhalt, von
der treuen Wahrung des Eidschwurs verstehen, fidea iuris turandi).
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222 XIX üeber das Phokylideisohe Gedicht
mit Liebespredigt ist noch nie etwas bei den Krämern ausge-
richtet worden; gegen diese muss, selbst wer sonst tlberall mit
der Macht des Wortes dnrchzadringen glaubt, doch, wo nicht
zum Schwert, so wenigsens zu einer 'Geissei aus Stricken' (<J6h.
ev. n 15) greifen. Allein Brunck war im Stande, diese Schwierig-
keiten zu verwinden ; ihm ist die byzantinische &-i&m\f obgleich
sie sich nur in zwei der schlechteren Handschriften hat ein-
drängen können, nicht blos würdig in den Text gesetzt zu wer-
den, sondern sie gilt ihm auch für einen Beweis, dass das ganze
Gedicht von einem Christen herrühre. So weit man merken
kann, ist auch nach Brunck Niemand auf die dargelegten inne-
ren Gründe für die nichtdogmatische Bedeutung von Tdariq und
für die Lächerlichkeit von 6r(6Lm\ aufmerksam geworden; und
lediglich dem äussern Umstände, dass die besseren Blandschriften
und die Gesnerschen Zusätze zu Stobaens {Florü. xi 5) Ttianv
bewahrt haben, muss es verdankt werden, dass die Bruncksche
dtdin) aus dem Text des phokylideischen Gedichts jetzt entfernt ist.
In dem Text einer andern Schrift jedoch, welche ebenfalls
unsem Vers enthält, wird gerade die besonnene Kritik sowohl
an dem offenbaren Fehler TiapOcviriv als an der nicht minder
offenbaren Interpolation dtaTniv festhalten müssen. Ich meine
den Text der sibyllinischen Orakelsammlung.
In diesem Behälter nämlich, in welchem seit dem Anfang
des zweiten Jahrhunderts vor Gh. fast ein Jahrtausend hindurch
reiche Zuflüsse aus den fadesten Gewässern der Predigermoral
wie aus den lebendigen Strömungen der individuellsten Yölker-
geschichte und Poesie zusammenrannen, ward auch ein beträcht-
licher Theil des phokylideischen Gedichts, im Wesentlichen mit
Bewahrung der Versfolge (V. 5—79 ind.) aufgenommen. Es
mag dies nicht lange vor dem Abschluss der ganzen Samm-
lung geschehen sein ; die ältere Glasse der sibyllinischen Hand-
schriften kennt die Einschaltung noch nicht, und es ist längst
bemerkt worden, dass bei Wegfall derselben ein recht guter
Zusammenhang hervortritt zwischen Sibyll. n 55 und 149 \ den
beiden Versen, welche jetzt durch das phokylideische Stück aus-
einander gehalten werden. Allein schon dem Snidas muss das
Einschiebsel vorgelegen haben ; wo er von dem phokylideischen
1 Ich citire nach der Ausgabe von Alexandre, [in deren 1856 erschie-
nenem Schlussband n 2 p. 401 ff. dasVerhältniss der Sibyll. zu Phokyl. er-
örtert wurde].
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XIX Ueber das Phokylideiscbe Gedicht' 223
Gedicht {s, v. \ (l>ujKuXibYiq) spricht, sagt er 'es sei aus den Sibyl- zix
linen gestohlen', eine Umkehrnng des wahren Sachverhältnisses,
die für Snidas' Zeit, wo man an das Uralter der Sibyllinen
glaubte, eben so begreiflich als es jetzt tiberflüssig ist, sie zu
widerlegen.
Jener sibyllinische Gento nun bietet in der Beihe der übri-
gen auch unsem Vers {Sibyll. ii 65) mit dem, wie sich nun er-
giebt, recht alten Fehler TrapOeviriv, welchen Herausgeber der
Sibyllinen nicht bessern dürfen, weil sie ja nicht ermitteln sollen,
was der phokylideische Verfasser geschrieben, sondern hinneh-
men müssen, was der sibyllinische Stoppler abgeschrieben hat.
Und noch viel weniger darf die dort vorfindliche Interpolation
dt^Tniv ansgestossen werden, da sie sehr wahrscheinlich ihren
Ursprung gerade dem Sibyllisten verdankt^. Denn auch sonst
hat dieser an der phokylideischen Ueberliefernng mancherlei
geändert, in der unverkennbaren Absicht, sie seinem eignen,
aus dem neuen Testament fliessenden, Lehrbegriff anzunähern'.
Es sind diese sibyllinischen Bedaktionskünste schon dadurch,
dass sie überhaupt nöthig schienen, wohl geeignet, rückwärts
auf die Stellung des phokylideischen Ver&ssers einiges Licht
zu werfen, und desshalb sei auf die hauptsächlichsten, welche
ausser der &-i&m\ vorkommen — sie bestehen in einer Auslas-
sung und in zwei Zusätzen — hier kurz hingewiesen.
Während der Sibyllist sich sonst eher zu matten Vermeh-
rungen als zu Kürzung des phokylideischen Versbestandes ge-
neigt zeigt, fehlt bei ihm das oben (S. 207) besprochene Stück,
welches von dem Neid handelt, die Erwähnung der 'Uraniden'
1 Der phokylideische Vaticanos, welcher drdiniv am Rande hat, giebt
auch allein im phokylideischen Text nach Y. 81 einen Sibyllistenvers, den
Bergk nicht erst hätte aufnehmen und dann in Klammem schliessen, son-
dern gar nicht aus dem Variantendunkel hervorziehen sollen.
^ Bemhardy (Gr. Litt, ii 861) hat sich durch den Umstand, dass
einige Theile der Sibyllinensammlung, vorzüglich das fünfte £uch, jüdi-
schen Ursprungs sind, zu dem falschen Schluss verleiten lassen: 'einen
jüdischen Verfasser des phokylideischen Gedichts bezeuge die äussere That-
saohe, dass 93 Verse in den Sibyllinen stehen'. Diejenige Partie der Sibyl-
linen, wo das phokylideische Stück eingeflickt wird, nämlich der Anfang
des zweiten Buchs, ist augenscheinlich christlich. Man höre nur n 45
Aipfö^ fäp Xpiarö^ ro^noi^ rä biKaxa ßpaßcOaci Kai 6ok{|uiou^ 0Tdt)i€i,
oördp B^juia imdpTuai biiiaci ktX.
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224 XIX üeber das Phokylideische Gedicht
und 'Seeligen* enthält und sich auf sechs Verse (Phokyl. 70— 75)
beläuft. Der Sibyllist (ii 143, 144) giebt dafür zwei, selbstge-
machte oder aus einem byzantinischen Versebuche entnommene,
Zeilen, die freilich auch mit dem Neid beginnen, aber noch
eine Fülle anderer böser Eigenschaften in ihren engen Raum
zusammendrängen: Mf| 96ov€p6^, ^f) diriaTO^ iara, \ii\ Xoibopo^
ta9i, tAr\hk xaxoTvii^ujv, }if\ ipeubaTidiTTi^ d^^xpiiTO^. Man geht
wohl nicht fehl, wenn man den Anlass zu diesem Verfahren eben
in der Erwähnung der 'Uraniden' und 'Seeligen' sucht; dem
spätem Gläubigen mussten diese Benennungen als lästerliche
Paganismen erscheinen; und da der ganze Gedankengang der
phokylideischen Ermahnung an denselben fortschreitet, so war
mit blosser Ausmerzung der zwei anstössigen Wörter nicht zu
helfen; das Stück in allen seinen Theilen musste weggelassen
werden. — Noch viel bezeichnender aber als diese Auslassung
ist der Zusatz von sechs Versen, welchen nach Phokyl. 30 der
Sibyllist (n 91 — 96) einfügt. Er beschliesst eine Reihe ethischer
Gemeinplätze folgendermassen : ^rib^ 9P^va^ ßXdTrreiv otvu) ^nb'
fi^€Tpa (sie) iriveiv. Al^a bk fifi 9aT€eiv, €lbujXo0uTUJV b'
dir^X€<^^<^i- Hier springt die Benutzung der Apostelgeschichte
(xv 29 äTilx^aQai €lbujXo0iiTUJV xal rf^axo^ ktX.) eben so deut-
lich in die Augen wie der Weg, welcher die Gedanken des
XX Sibyllisten dorthin führte. | Da er nämlich in dem einen Verse
auf diätetische Mässigung im Trinken gerathen war, so fand
er es schicklich, auch die zwei Speise verböte, des Blutes und
der Götzenopfer, anzuknüpfen, von deren ^Last' (ßdpo^) selbst
die Heidenchristen zu befreien das erste Apostelconcil zu Jeru-
salem sich nicht berechtigt hielt, und deren Beobachtung beson-
ders in der morgenländischen Kirche bis in sehr späte Zeiten
fortgedauert hat^. Dies aber kümmerte den Sibyllisten dabei
^ ^Zur Zeit der ChriBtenverfolgungeii im n. und m. Jahrhundert
gehörten zu den Geräthschaften eines Tribunals, vor dem Christen abge-
urtheilt wurden, ausser dem tragbaren Altar und dem Weihrauchkästchen
(foculus et acerra), mit welchen die Inculpaien Kaiser- oder Götterbildern
opfern sollten, auch noch Blutwürste, welche man ihnen zum Essen reichte.
Wer sie ausschlug, gab sich dadurch als einen Christen zu erkennen und
ward ein Märtyrer. Tertullian bezeugt es apöloget c. 9 inter tempiamenta
Christianorum botulos etiam cruore distentos admovetiSf vgl. Minuc. 80, 6
tantumque ab humano sanguine caoemus ut nee edtUium peoorum [in cibis]
sanguinem noverimus (sind die eingeklammerten Worte nicht Glossem zu
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xtx lieber das Phokylideiscbe Gedicht 226
wenig — und konnte ihn auch nicht wohl kümmern, weil er
gewiss von der wahren Absicht des phokylideischen Gedichts
nichts erkannt hatte — dass die Einflechtnng des Blntverbots
gegen die, gleich darzulegenden, Prinzipien verstösst, welche
der phokylideische Verfasser bei der Auswahl seines Stoffes be-
folgt, während andrerseits die blosse Nennung des Wortes cTbu)-
Xov, 'Götze', in dem Compositum €ibujX66uT0V eine formelle Rück-
sicht aus den Augen setzt, an welche der Phokylides sich streng
gebunden hat. Der Sibyllist freilich hat sich desselben Wortes
eTbujXov auch noch an einer andern Stelle nicht enthalten können,
in dem Zusatz nämlich, welchen er dem achten phokylideischen
Vers TTpujxa 9€Öv ri^ia, ^cx^TreiTa bk aexo Tovfla^ voraufschicken
zu müssen glaubte, weil er die 'Ehre Gottes' nicht erwähnen
mochte ohne der Götzen zu Unehren zu gedenken. Sein Zusatz
{Sibyü. TL 59) lautet: fAT\bk ^diriv eTbwXa (T^ßou' töv b' 0961107
aiel TTpuJTa Oeöv Tifia ktX., wo die grammatische Verknüpfung
zwar regelrecht ist, aber die stilistisch nun unerträgliche Stel-
lung von Ttpuira allzu ungeschickt das Anhängsel verräth. Der
phokylideische Verfasser hingegen lässt weder hier den Gegen-
satz zwischen Gott und Götzen laut werden, der ihm gewiss
edüUum'^), Wenn auch später die Praxis der Gemeinde in diesem Punkt
sich sehr lockerte, so blieb doch das gesetzliche Verbot in voller Kraft
bestehen. Man sieht es besonders deutlich aus einem Aotenstüok des
'philosophischen' Kaisers Leo vi. Dieser Schüler des Patriarchen Photios
und Vater des in dem Porphyrsaal geborenen Constantinus hat eine jetzt
in die Ausgaben des Corpus iuris aufgenommene Sammlung^ von 118 seiner
zwischen 887 und 911 n. Chr. erlassenen Gesetze angelegt. Das 68. ist
gegen Genuss der Blutwürste gerichtet, welche nicht minder von den
Aposteln, *den Herolden der Gnade (irapä t£iv Kr\p<)K\uy rf)^ xdpno^) als
von dem Gesetzgeber Moses' verpönt seien. Der Kaiser will eine solche
Todsünde (ÄToO '^icht dulden. Wer dergleichen Würste zu eignem Ver-
brauch verfertigt oder sie verkauft oder kauft, dessen Vermögen soll ein-
gezogen, er selbst mit Leibesstrafen belegt und dann zum Schimpf bis auf
die Haut geschoren (iv XP^^ Koupeiq^ dTtjuaaeffvat) in ewige Verbannung
geschickt werden. Femer sollen die Stadtbehörden, unter deren Verwal-
tung das Verbrechen vorgekommen, eine Busse von zehn Pfund Gold erle-
gen. Die letztere Bestimmung giebt freilich der kaiserlichen Blutscheu
einen etwas finanziellen Anstrich. Noch im xm. Jahrh. schilt der Verse-
schmied Philes (p. 46 Wemsd.) die Lateiner jniapoTpiiiKrac irvtKTOcpdtou^
iyi^vbaovi), ~ Weitere Nachweisungen findet man bei Grotius zu ad,
ap. XV 20; er hätte nichts dawider, wenn die Kirche das Blutverbot
apostciorum et onHguitaHs reverentia in usum revocare velit
JkmukjM, ges. Abtawdl. 15
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226 tix Ueber das I^hokylideische Gedicht
eben so gut wie dem Sibyllisten im Sinn und auf der Zange
gelegen hat, noch hat er sonst im ganzen Verlauf seines Gedichts
anf die griechisch-römischen Gottheiten anders als in jenen vor-
sichtigen Anspielungen Bezug genommen, welche in dem ersten
Abschnitt dieser Untersuchung erläutert wurden. Trotzdem hat
er sich als entschiedener Monotheist erwiesen ; ebensowenig kann
seine, durch die Vergleichung der Sibyllinen nur um so klarer
hervortretende, Unbekanntschaft mit der christlichen Lehre und
dem neuen Testament bezweifelt werden; er muss also wohl
ein Jude gewesen sein ; als solcher hätte er doch aber das beste
Recht und vollen Beruf gehabt, die ^Götzen* zu schelten. Und
dennoch thut er es nicht.
III.
Zur Lösung dieses Räthsels muss die allgemeine Thatsache
der Benutzung des alten Testaments näher begränzt werden durch
Ermittlung der Grundsätze, welche den Phokylides bewogen
haben, gerade diese alttestamentlichen Gebote auszulesen und
so viele andere zu tibergehen. Wahrscheinlich würde das längst
geschehen und damit das eigentliche Wesen unseres Gedichts
aufgeschlossen sein, wenn die Bearbeitung desselben, welche des
Hugo Grotius Freund, der Rabbi Menasseh ben Israel^ unter-
nommen hatte, wäre vollendet und zum Druck befördert worden.
Diejenigen namhafteren Gelehrten jedoch, welche später den
XXI jüdischen Ursprung des Ge|dichts behauptet haben, nämlich der
Paradoxenjäger Isaak Vossius und der besonnene Bleek^ haben
eben nur gelegentlich in möglichst kurzen Worten behauptet,
sich aber nicht eingelassen auf eine ins Einzelne gehende Con-
frontirung des Pentateuchs, die gewiss den Kern von Rabbi
^ Yoirede zu ConcUiador Vol. ii, wo er seine Werke aufzählt : Escreoi
despues notas en Phocilides Poeta Oriego, que agora se imprtme; sie sind
nicht erschienen.
^ Ib. Vossius, de oraeulis SibyJUnis c. 5 Leiden 1680 p. 46 Lond. 1685
p. 287 Idem (nämlich das unreine nicht unverhüllt im Sonnenlicht liegen zu
lassen) prorsus habet vetustissimus scriptor ludaeus, ctdus gnomae 8ub Pho-
cylidis nomine legtmtur. Er meint Phokyl. V. 100. — Bleek, über die
Sibyllinen, in Schleiermach, theol. Zeitschr. i 185 : 'es folgen jetzt (im
zweiten sibyllinischen Buch) 93 Verse, die fast wörtlich aus dem NouOeTi-
k6v des Pseudo- Phokylides, dessen erster Verfasser mir ein alexandriniscber
Jude zu sein scheint, herübergenommen sind'.
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XIX Ueber das Phokylideiscbe Gedicht 227
Menasseh's Arbeit gebildet hat. Das Ergebniss einer solchen
Yergleichung kann, unbeschadet der Sicherheit und zn beträcht-
licher Abkürzung des Beweisverfahrens, hier gleich an die Spitze
treten :
Aufgenommen hat der Phokylides solcherlei Gesetze des
Pentateuchs, welche in Beziehung stehen zu der Moral des Pri-
vatlebens oder des öffentlichen nach seinen nicht die jttdische
Nationalität bertthrenden Seiten, also Gesetze derjenigen Gattung,
welche die jüdischen Gelehrten Yerstandes-Gesetze
(ni'^^DTO D^:z'J2, ü^o^wz biKaidi^ara) zu nennen pflegen, weil ihre
Zweckmässigkeit auch dem Verstände einleuchtet. Zu diesen
hat er noch einige wenige an das Rituelle streifende Gebote
gefügt, denen leicht eine moralische Bedeutung untergelegt wer-
den kann und die nicht allzu schroff von den Sitten der nicht-
jüdischen Völker abweichen.
Ausgeschlossen dagegen hat er Alles, was mit dem Son-
derwesen der jüdischen Nationalität zusammenhängt ; femer alles
Rituelle, das sich nicht mit dem Verstände abfindet, also die
sogenannten Gehorsams-Gesetze (n*)'^:973« n*):i:», ü'^pn
^VToXai); endlich hat er von den vielen den Götzendienst ver-
pönenden Gesetzen des Pentateuchs kein einziges in ausdrück-
lichen Worten aufzunehmen für gut befunden, sondern sich
begnügt, seine Morallehre in einem, nun auch überall durch-
klingenden, monotheistischen Ton vorzutragen.
Die zur Bewährung dieser Sätze unumgängliche Durch-
musterung des ganzen Gedichts wird bei den meisten morali-
schen Geboten durch kurze Angabe der betreffenden Stellen des
alten Testaments ihrem Zwecke genügen; etwas längeres Ver-
weilen werden die dem Rituellen sich nähernden Vorschriften
erfordern; die Mühe dieser Quellennachweisung aber wird sich
auch noch dadurch belohnen, dass nun für viele Abschnitte,
welche von den bisherigen Bearbeitern als planlos zusammen-
gewürfelt sind behandelt und misshandelt worden, entweder die
innere Einheit gleichartiger Bestandtheile hervortreten oder ein
äusserer Anlass zur Zusammenordnung sich darbieten wird in
der Reihenfolge, welche die alttestamentlichen Quellen dem Ver-
fasser an die Hand gaben.
Das Gedicht beginnt mit einer Auswahl aus dem Dekalog
(V. 3—7); sie enthält das Verbot des Ehebruchs und der Unzucht
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ä2ä jux Üeber das I^hokylideiscbe Gedicht
(V. 3), des Mordes (V. 4), des Diebstahls (V. 5), des Gelüstens
nach fremdem Gut (V. 6), des falschen Zeugnisses ^ (V. 7). Dass
diese fünf zu den Yerstandes-Geboten gehören, die Auswahl also
XXII in dem, was sie giebt, den aufgestellten Prinzipien nach|kommt,
ist eben so klar, wie nur durch jene Prinzipien die Weglassnng
der Sabbatfeier und des Götzenverbots begreiflich wird. Die zwei
dekalogischen Gebote jedoch, welche den Eid und die Eltem-
verehrung betreffen und die gewiss im vollsten Sinne ebenfalls
flir Verstandes -Gebote gelten müssen, sind nicht überhaupt weg-
gelassen, sondern nur für den folgenden Abschnitt (V. 8 — 41)
verspart worden, und auch diess geschah nicht ohne einen be-
stimmt nachweisbaren äusseren Anlass. — Nach der Ausbeutung
des Dekalogs hat sich nämlich der Verfasser zu jenem Theil
des Leviticus gewendet, welcher in neuen wie in alten Zeiten
mit Recht für das Gegenstück des Dekalogs angesehen wird,
ich meine das 19. Capitel. Eben in der Verehrung der Eltern
nächst Gott, welche an diesen beiden hervorragenden Orten des
Pentateuchs geboten wird, ist die Verbindung zwischen ihnen
am deutlichsten bezeichnet. Es bildet daher dieses Gebot den
Anfang des phokylideischen Abschnitts (V. 8), wie es auch im
Leviticus xix 3 gleich voransteht. — Alsdann folgen Vorschriften
über richterliche Gerechtigkeit (V. 9—12), entlehnt aus Leviticus
XIX 15. — Und darauf erscheint der oben (S. 220) besprochene
Vers (13), in welchem, wie der Leser sich erinnert, statt der
bisherigen 'Bewahrung der Jungfräulichkeit' (irapGeviTiv) die
treue Verwahrung deponirten Gutes (irapOeainv) schon aus inne-
ren Gründen entdeckt werden konnte. Diese inneren Gründe
erhalten nun hier, wo sich das 19. Leviticus -Capitel als Fund-
grube und Leitfaden des phokylideischen Abschnitts erweist,
eine für den Kritiker nur um so zwingendere Bestätigung, je äus-
serlicherer Art sie ist. Von 'Jungfräulichkeit* ist in dem Le-
viticus nichts zu lesen; wohl aber heisst es dort xix 11: 'Ihr
sollt Einer dem Andern nichts ableugnen und euch nicht be-
lügen", und der Phokylides hat nun, dem hebräischen Sprach-
^ Bemhardy (Gr. Litt, n 861) nennt die 'fünf Verse des Prooemiums
ungehörig*, gewiss nur deshalb, weil ihm die Zusammenstellung so ver-
schiedener und so specieller Dinge besonders für den Anfang des Gedichts
nicht zu passen schien. Die Beziehung auf den Dekalog lässt alles Auf-
fallende verschwinden.
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zix üeber das Phokylideische Gedicht 229
gebrauch wie der jüdischen Tradition gemäss, das Ablengnen
vorzüglich auf Ableugnen eines Depositums bezogen. — Eben-
falls nach Anleitung von Leviticus xix 35, 36 wird falsches
Maass und Gewicht verboten in den schon oben (S. 219, 2) be-
sprochenen Versen (14, 15). — Und in diesen Zusammenhang
richterlicher und kaufmännischer Dinge, in welchen ja Eid und
Meineid so recht heimisch sind, werden nun auch (V. 16, 17) die
vom Dekalog her rückständigen Bestimmungen über das Schwö-
ren verwebt \ wiederum nach Anleitung von Leviticus xix 12,
wo sie wiederholt berührt sind ; und mit dem Zusatz Men Mein-
eidigen hasst Gott' (ipeübopKOv (TTUf^ei 9€Ö^ ktX. V. 17) um-
schreibt der Phokylides wohl nur die Worte 'Ich bin der Herr'
im Leviticusverse, welche er demnach richtig als strafandrohende
Sanctionsformel aufgefasst hätte. — Für den nächsten Vers (18)
(TTT^p^aTa ^f\ KX^TTieiv, lirapäai^o^ öctti^ ^Xrixai will sich kein
Anhalt im Leviticus^ darbieten, aber auch hiervon abgesehen
lässt sich mit den Worten, wie sie überliefert sind, kein passen-
der Sinn verbinden. Man begreift schwer, weshalb gerade die
'Entwendung von Sämereien' vor andern Arten von Diebstahl
ausgezeichnet wird, und noch weniger begreiflich ist es, weshalb
bei solchem, doch ziemlich einfachem. Vergehen das einfache
Verbot nicht ausreichen soll, sondern der üebertreter noch ver-
I flucht werden musste, wie im Schlusstheil des Verses geschieht, xxin
Es darf daher vermuthet werden, dass der Verfasser T^p^aTa
Mn kX^tttciv geschrieben und das heimliche Verrücken oder Ent-
fernen der Marksteine gemeint habe, ein Verbrechen, das aller-
dings durch die Verwirrung des allgemeinen Besitzstandes, welche
^ Die bisherige, sachlioh und metrisch unmögliche, Schreibung von
V. 16 ^Tlb' ^iriopK/|ari^ ^/^T' dyvdi^ MH'^c ^kovt( ist zu bessern in ^f|T'
€lKa1o^. Vgl. Exod. XX 7 oö Xifmii) tö 6vo^a Kupiou toO OeoO aou eU
€lKf), nach der alexandrinischen Lesart. Sonach bezeichnet der Phokyli-
des die hauptsächlichen Arten des unerlaubten Schwörens: erstlich das
Schwören ohne sichere Eenntniss von dem Beschworenen (drviii^); dann
den eitlen Schwur (clKato^) über einen notorischen, keiner Betheuernng
bedürftigen Punkt, z. B. nach dem rabbinischen Exempel den Schwur, dass
eine Marmorsäule eine Marmorsäule sei ; endlich den bewnsst lügnerischen
Schwur (Hf€ObopKov).
* <Mf| 01r^p^a dcpavÜIciv bei Philon (Euseb. praep. ev. viii 7, 7 p. S59»)
geht entweder auf das Aussetzen der Kinder (s. p. 243, 1) oder auf Onanie
Das dort folgende ^f| t^nMCi 6ouXoOv scheint oorrupt).
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230 ZDL üeber das PhokylideiBche Gedicht
es anrichtet, eben so flnchwttrdig, als der Verpönnng mittels
abschreckenden Flnches wohl bedürftig ist, weil es so leicht
and so still vollfUhrt werden kann. In der That setzt es anch
das Denteronominm (xxvii 17 dTrixardparo^ ö ^CTanOel^ dpia
ToO TrXncTiov) unter die auf der Versammlung am Ebal und Ga-
rizim zu verfluchenden Missethaten ; und von daher hat es also
der Phokylides seinen Vorschriften über Mein und Dein einge-
schaltet, die sonst vornehmlich aus dem Leviticus-Capitel ge-
schöpft sind. — Dorthin führt denn auch gleich wieder V. 19
zurück, der nach Leviticus xix 13 jeden Aufschub in Auszahlung
des Taglohns verbietet. — Eben der Leviticus leitet zu richtigem
Lesen und Verstehen des bisher unklaren Verses (20): y^uicrcnj
voOv ^x^^ev* KpuTTTÖv Xöfov ty (ppcalv icrxtiv. Gottfried Hermann
glaubte ihn aufzuhellen^ indem er die sprichwörtliche Redensart,
welche inAeschylos' Agamemnon (V. 36) der Wächter gebraucht,
hier anbrachte und fXdjaari ßoOv ix^iiev schrieb: 'Habe einen
Ochsen auf der Zunge' d. h. schweige. Dadurch entsteht nun
aber eine in Tautologie verfallende Gleichheit des ersten und
zweiten Verstheils ; femer stimmt jenes dem derben althellenischen
Volkswitz entsprossene Sprichwort keineswegs zu dem gehalte-
nen Ton unseres Mahngedichts ; und endlich wird durch solche
Aenderung die eigentliche Schwierigkeit des Verses nicht geho-
ben, ja nicht einmal berührt. Denn diese besteht vorzüglich
darin, dass die allgemeine Klugheitsregel, "das Wort in der Brust
zu bergen', theils nicht concret genug ist, um in die hiesige,
sonst von lauter recht substantiellen Vorschriften erfüllte Umge-
bung zu passen, theils in so uneingeschränkter Fassung hart
anstösst gegen die oben (S. 212) besprochene Ermahnung zur
Offenheit, welche der Phokylides V. 48—50 mit so eindringlicher
Schärfe erlässt. Dagegen ist der Einklang mit dieser späteren
Ermahnung hergestellt, wenn, unter Belassung des ersten Vers-
theiles in seiner überlieferten Form, der zweite mit leichten
Aenderungen so umgeschrieben wird: kpütttujv Xötov tv <pp€a\v
Iipij, wo dann der ganze Vers dies besagt: 'Habe deine Sinnes-
meinung auf der Zunge ; hältst du das Wort in der Brust ver-
steckt, so schadest du nur\ eine freilich auf den ersten Blick
auch nicht sehr concrete Anweisung, von welcher jedoch jetzt,
nachdem die durchgehende Beziehung auf das Leviticus-Capitel
sich bewährt hat, wohl behauptet werden darf, dass der Pho-
kylides hiermit das Gebot in Leviticus xix 17 hat ausdrücken
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XIX üeber das Phokylideische Gedicht 231
wollen: 'Hasse deinen Bruder nicht in deinem Herzen, offene
Vorwürfe mache deinem Nächsten, nnd trage ihm die Schald nicht
nach'. — Nicht minder lässt sich fUr den nächsten, ebenso all-
gemein klingenden Vers (21), dessen Sinn, trotz der schadhaften
Ueberlieferung ^, unzweifelhaft ist: ^Thue selbst nicht Unrecht,
lass aber auch nicht zu, dass Andere es thun', ein bestimmter
Anlass nachweisen in Leviticus XIX 16 (oök tmavfiorji icp' af^ari
ToO irXricTiov (Tou) : 'Du sollst nicht mtlssig stehen bei | deines xxiv
Nächsten Blut', welches Gesetz nach der traditionell jüdischen
Auffassung^ den unbetheiligten Zuschauer eines Verbrechens oder
eines Unrechts zur Rettung des Angegriffenen und zum Schutz
des Beeinträchtigten verpflichtet, sei es durch handgreifliche
Hilfeleistung oder durch Zeugenhilfe vor Gericht. — Weiter
wird dann durch die im Leviticus -Capitel (xix 9, 10) gegebenen
Gebote Aber Zurttcklassung der Feldenden und Nachlese für
die Armen der Phokylides darauf geftihrt, die Pflicht des Almo-
sens in ausführlicher Rede (V. 22—30) ans Herz zu legen, unter
Benutzung einiger der vielen an anderen Orten des Pentateuchs
vorfindlichen ähnlichen Bestimmungen^. —■ Ebenso reiht er an
das Gebot des Leviticus xix 14, den Blinden den Weg nicht zu
erschweren (Phokyl. V. 24 xucpXöv 6briTei), die Aufforderung, dem
Obdachlosen Unterkunft zu geben (Phokyl. V. 24 äaieTov el^
oTkov b^£ai), wörtlich nach Jesaias (Lvm 7 tttujxou^ dcTT^fou^
eicTa-fe ei^ töv oTköv (Tou); und ohne dass im alten Testament
hierzu ein bestimmter Anlass vorliegt, hebt er für das öffentliche
Mitleiden eine einzelne Klasse von Ungltlcklichen heraus, die
Schiffbrüchigen (V. 25 vauiiTOu^ oTKreipov), deren Anzahl bei der
geringen Ausbildung der SchiffEahrt im Alterthum ungleich grösser
und deren Lage zunächst durch den Mangel einer geordneten
1 Die Yulgata lautet : ^/|T' dbix^v de^Xoi^, \ii\T' oOv dbiKoOvra idarji^.
Wesentliche Varianten sind nicht vorhanden. Bergk hat, am wenigstens
den Hiatus wegzuschaffen dbiKoCvra^ in den Text gesetzt und sagt in der
Note : Mdiu8 sane scripsisset ^/|T' dbiKctv dO^ij^ ainö^ |li/|t' dXXov kdax}^.
Anderes zu erdenken verlohnt nicht die Mühe, da Sicheres zu finden die
Natur des Yerderbnisses schwerlich gestattet. Wahrscheinlich hat n&mlich
das zum zweiten Verstheil glossematisch wiederholte dbiKClv das nöthige
dXXov und noch ein anderes Wort verdrängt.
* n^by pinujb •'Nttn la*«««? D'ny ib yv)^ dn» r^^"^» ß^'^D'^ö
^yi m h:f T)303?n tib 'aw
8 Phokyl. V. 26 = Levit. xxv 36; PhokyLV. 28, 29 = Deuter, xv 11, 14.
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232 XIX üeber das Phokylideische Gedicht
Strandpolizei, dann aber auch durch den Mangel eines geord-
neten Armenwesens unter den classischen so gut wie den nicht-
classischen Völkern bei Weitem elender war als zu unsern Zei-
ten. — Die ganze Ansprache über Mildthätigkeit beschliesst
(Y. 30) der Bath, 'das Leben als ein gesellschaftliches und in
sdlen Stücken einträchtiges zu führen"; und dieser allgemeine
Satz wird dann (V. 31—41) nach drei Richtungen auf hervor-
stechende Lebensverhältnisse angewendet. — Zuerst auf das
Recht des Waffengebrauchs (V. 31—34) : Nicht zum Mord, nur
zur Abwehr^ soll das Schwert umgegürtet werden; glücklich
wer den Gebrauch desselben, den erlaubten wie den unerlaubten,
ganz unterlassen kann; denn auch des Feindes Blut besudelt
die tödtfende Hand. — Zweitens (V. 35—38) werden Feldnach-
barn, die sich ja so leicht entzweien und schaden kOnnen, zur
Eintracht ermahnt, dass sie des Nachbars Frucht auf dem Halme
in keiner Weise beschädigen (= Exod. xxii 5 ; Deuteron, xxiii 26)
und keine Uebergriffe über den gegenseitigen Feldrain sich er-
lauben sollen (= Deuteron, xix 14). — Endlich führen die
Beziehungen zwischen Zugewanderten und Einheimischen, der
fruchtbarste Boden aller bürgerlichen Zwietracht im Alterthum,
wieder zurück zu dem Leviticus-Gapitel, der bisherigen Haupt-
qnelle des Verfassers, und er schaltet hier mit den biblischen
Worten in einer Weise, die den Einfluss der oben (S. 227) auf-
gestellten Prinzipien recht augenfällig macht. Im Leviticus
nämlich heisst es (xix 33) : 'Wenn ein Fremdling sich unter
euch ansiedelt, so sollt ihr ihn nicht placken. Wie ein Ein-
heimischer aus eurer Mitte soll euch der Fremde gelten, der
bei euch wohnt, und du sollst ihn lieben wie dich selbst : denn
ihr wart auch Fremde in Aegyptenland\ Den sachlichen Inhalt
^ V. 31 Tö SCcpo^ djLKpißoXoO |Lif| irpö^ cpövov dXX' k^ ä^uvav. In
den guten Mutinensis hat sich daroh Correctur die grewiss christianisirende
Interpolation ^ir' äYaX^a eingeschlichen. Der fromme Urheber derselben
konnte sich eher befreunden mit einer Empfehlung des Stutzerdegens —
denn darauf würde doch ^ir' dtoXiLia hinauslaufen — als mit einem Ver-
stoss gegen den Spruch: wer das Schwert sieht, wird durch das Schwert
umkommen. — (Dass Scheu vor dem allerdings in der guten Zeit der
Sprache unerhörten und zuerst bei Philon vorkommenden Substantiv ä^uva
(Lobeck zu Phryn. p. 23) nicht den Aenderungsversuch hervorgerufen habe,
lehrt y. 77, wo dasselbe Substantiv in dem Mutinensis so wie in den an-
deren Handschriften geduldet ist. Bei meiner aus andern Gründen ge-
wählten Schreibung dieses Verses fällt es freilich fort).
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zix üeber das Phokylideisohe Gedicht 233
dieser mosaischen Vorschrift, vollständige | politische Gleichheit xxv
zwischen Alt- und Neahttrgern, und zum Theil auch ihren wört-
lichen Aasdruck nimmt nun der Phokylides unverändert her-
über ; er sagt (Y. 39) : 'Gleichgeehrt (öfiÖTifioi) seien die Zuzügler
unter den Bürgern' ; die Begründung aus der jüdischen Volks-
gesehichte aber, wie sie Moses mit der Hinweisung auf Aegypten
gab, verallgemeinert er zu folgender das ganze Menschengeschlecht
einschliessenden Moral (V. 40, 41): *Denn wir Alle haben un-
stätes Leben in der Fremde ^ zu befahren. Nicht bietet Heimath-
land den Menschen einen festen Boden'. Wie nun diese Um-
deutung zeigt, mit welchem Bedacht unser Verfasser allem jüdisch
Nationalen ans dem Wege geht, so müssen auch hier, wo seine
Benutzung des Leviticus-Capitels ihr Ende findet, die Auslas-
sungen angemerkt werden, zu welchen er durch den Plan seiner
Arbeit geführt ward. Abermals hat er, wie beim Dekalog, die
Sabbatfeier unerwähnt gelassen, obgleich das Leviticus-Capitel
* Dass irdvT€^ fäp Ecvin^ ireipii)^€ea TfJ^ iroXuirXdTKXou, und nicht
das gangbare irevCr)^, das Richtige sei, lehrt der Zusammenhang wie das
Beiwort iroXuirXdtKTou und bezeugen auch die Sibyllinen. — Man muss
sich wundern, dass einem in der Bibel so bewanderten Manne wie J. A.
Fabricius die angeführte Stelle des Leviticus entfallen und er nun für
seine Ansicht, der Phokylides sei ein Heide gewesen, folgenden Beweis
beibringen konnte (Biblioth, Chraec, i721Harl.) : tum facüe miM per8U<iserim
a ludaeo scriptum iOTwaav 6)i6ti^o\ kwi\k\}h€^ iy iroXi/|TaK. Ein altclassi-
scher Grundsatz ist es doch sicherlich nicht, weder dass dOToC und S^voi
noch dass eives Bomani und Latini gleichberechtigt seien. — Richtig er-
kannt ist die Beziehung auf den Leviticus von Ulrich Andreas Rohde
de veterum poetarum sapientia gnomicaf Hanniae 1800, 8. Ein Abschnitt
dieses in Deutschland wenig verbreiteten Buches beschäftigt sich mit dem
Phokylides (p. 300—311), und p. 301 versucht der Verfasser alttestament-
liche Parallelen tabellarisch zu verzeichnen. Er hat jedoch viel zu oft an
die gnomischen und viel zu selten an die legislatorischen Bücher des alten
Testaments sich erinnert. Als Probe seiner Wortkritik mag dienen, dass
er y. 189, den im Wesentlichen schon Scaliger erledigt hatte, so übersetzt :
Ne cibum eapias ad mensfwram iumenti mortaliSj und diese, das Men-
schengeschlecht vom Todesstachel befreiende, (Jebersetzung dann paralleli-
sirt mit Sirach xxxi 19 : 'Iss wie ein Mensch was dir vorgesetzt ist'. Seine
gutmüthige Sachkritik aber charakterisirt sich hinlänglich durch seine
Neigung, den Phokylides für einen Christen zu halten, hauptsächlich damit
die *frau8\ unter einem altclassischen Namen sich versteckt zu haben,
nicht einem Juden aufgebürdet und so nova in gentia miseriam iniuria
(p. 808) gehäuft werde.
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284 xn üeber das Phokylideische Gedicht
sie zweimal (xix 3, 30) einschärft; ebenso schweigt er gänzlich
von den Opfergesetzen (Levit xix 4—9); nnd während gerade
dieses Leviticns-Capitel mit besonders kräftigem nnd wieder-
holtem Nachdmck den Götzendienst in seiner Wnrzel nnd seinen
Verzweigungen verfolgt (xix 4, 27, 28, 31) , hat der Phokylides
von all diesen directen Verpönungen keine einzige sich ange-
eignet, sondern nur den entsprechenden Abschnitt seines Gedichts
eröffnet mit der freilich gewichtigen aber doch immer indirecten
Warnnng, 'Gott die Ehre zu geben* (V. 8). — Auf die bisher
Überblickte Reihe specieller alttestamentlicher Gebote folgt nun,
ohne überleitende Wendung, eine Spruchsammlung allgemein
ethischer Art (V. 42 — 82), geordnet nach den Haupttugenden,
wie sie in den Philosophenschulen benannt und behandelt zu
werden pflegten \ Die für Gesinnung und Absicht des Verfassers
bedeutsamen Theile sind bereits oben (S. 206 ff.) besprochen;
und wir können uns hier gleich zu V. 83 ff. wenden, wo die
Spuren des alten Testaments wieder tiefer und dichter einge-
drückt &ind. Denn es ist unverkennbar, dass V. 83 'Sei nie ein
harter Gläubiger^ dem armen Manne' nur wiedergiebt, was im
Exodus xxn 24 gesagt ist: 'Wenn du unter meinem Volke dem
Armen, deinem Nächsten, Geld leihst, so benimm dich gegen
ihn nicht als Gläubiger"; und hieran wird dann folgendes Gebot
XXVI gereiht (V. 84) : 'Niemand nehme die Nest|vögel alle zugleich
aus; die Mutter sollst du vorher fortlassen ^ die Jungen magst
1 Auch hier freilich fehlt es nicht an einzelnen Reminiscenzen
aus dem alten Testamente ; z. B. sind Y. 58, 54 aus Jerem. ix 23 f. und
Sirach i 8 entnommen.
^ (lieber XP^^^'ni^ spricht ein Scholion zu Aristoph. nub, 240 [das
zwar im Ray. und Yen. fehlt aber bei Suidas 8. v, yipi\arr\^ wenigstens
zum Theil vorkommt] 0u)kuX{5ti^ ^v jli^v toI^ aöxoO iroi/maai kotA Tf|v
auvnOciav ToOq xp^uKpciX^To^ xpi\a'ra<^ KoXel, X^uiv oöru»^* *Xpfi<mi^ kokoO
£|ül^€val dvöpöq <P€Ot€, |üif| oi t' dvi/iacie 5ibo{)^ irapd Kaipöv diratr^uiv*'
iy ^Kcivip fi^vToi dvTl toO 5ov€iaTf|^ Xa|üißdv€Tat* *^Tl5^^roT6 XP^^ni^ '^^'
Kpd^ T^vij dvbpl ir^virn*. Diese Worte scheinen aus einer Nachweisung der
Unechtheit unseres Phokylides zu stammen, denn nur so lässt sich die
Wendung dv ^Kcivip im^vroi erklären; sie müssen aus einer Zeit stammen,
da der echte Phokylides noch erhalten war, also aus keiner sehr späten).
' Ich lese payripa V ^KirpoXiir^q, ouv^x^? aavrCjt 6^ vcoaaouq statt
¥v' lxVi<^ Aller Handschriften und aÖTOÜ^ hi vcoaaoO^ des Yaticanus. Die
Yulgata irdXi rrjabc vcooooO^ mit welcher die übrigen Handschriften
übereinkommen, ist wohl nur das leicht entstellte Glossem KoXt?tc, welches
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XIX üeber das Phokylideische Gedicht 286
da dann fttr dich zurückbehalten', dessen Uebereinstimmung
mit Denteronomium xxiT 6 eine fast wörtliche ist. Aehnliches
findet sich bei den classischen Völkern weder als formnlirtes
Gesetz noch als stehende Sitte ; und es tritt also hier zum ersten
Mai der Fall ein, dass der Phokylides Satzangen aafnimmt,
welche den eigenthttmlich jüdischen Stempel tragen. Freilich
durfte er hoffen, dass gerade diese Satzung auch den Nichtjuden
anmuthen oder doch wenigstens nicht abstossen werde, da sie
als Zeugniss von zartem Mitgefühl für das Thier erscheinen und
die Beobachtung derselben nur geringe Ungelegenheit verur-
sachen kann. Ein weitergehendes mosaisches Verbot hingegen,
Von Rind und Schaaf nicht Mutter und Junges an demselben
Tage zu schlachten' (Levitic. 22, 28)^, das doch leicht unter den
gleichen Gesichtspunkt der auch dem Thier gegönnten Milde
konnte gebracht werden, hat der Phokylides dennoch nicht fttr
seine Zwecke brauchbar gefunden, eben weil es bei seinem
vielfältigeren Eingreifen in die Verkehrsverhältnisse nicht so
sicher wie das nur Vögel betreffende Gegenstück auf willige
Annahme rechnen durfte. Und so bietet denn gleich das erste
Beispiel eines rituell gefärbten Gebots einen vollständigen Beleg
zu den Grundsätzen, welche als die leitenden für dieses Gebiet
sowohl hinsichtlich der Aufnahme als des Uebergehens oben
(S. 227) bezeichnet sind. — Von V. 86—131 erstreckt sich dann
wieder eine Reihe meistens schon (oben S. 200 ff.) besprochener,
ethischer Ermahnungen, deren jede einzelne in ihrem besonderen
Umkreise wohl zusammenschliesst^, aber entweder gar nicht
zu ^KirpoXimgc aus dem vorhergehenden Verse wiederholt war. ^eber
die Erwähnung dieses Gesetzes bei Porphyr, de abst. rv 14 p. 175, 28 Nanck
8. Theophr. Sehr. üb. d. Frömmigk. p. 168. Der wahre Sinn desselben
ist, dass dem Vogel seine Mutterliebe, die ihn wegzufliegen hindert, nicht
zum Verderben gereichen soll; darum wird nur die Mutter weggeschickt).
1 (Im Targum Jonathan wird wirklich dieser Gesichtspunkt aus-
drücklich hervorgehoben, vgl. Jerusohalmi Megilta 4, 10 Berachot 5, 8
p. 38 b Frankel, und Derenbourg Essai sur Vhistaire de la Fakstine 1, 864.
Clemens ström, u 18, 98 p. 478 Pott, hat durch ein Missverstandniss, für
das nicht einmal in dem Septuaginta-Text, wenigstens nicht in dem unsri-
gen, ein Anhalt zu finden ist, dies Gebot so gedeutet, als verbiete es das
Schlachten trachtigen Viehs (dvriKpu^ yoOv kuI öoa tiDv 2I4)uiv KU090p€l 6
v6|iio^ oÖK ^inTp^ir€i dxpiq dv diror^Kij a<paxi^ioQ<ii))'
3 V. 87 ^T)b^ 6iKTiv hiK&ai)^ iTpiv äL}»i(^ fiOeov dKoOoi;!^ welchen Bergk
aus einer nicht näher bekannten Brunokschen und einer zu den schlechte-
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236 ziz üeber das PhokylideiBche Gedicht
oder nur sehr lose mit den benachbarten Gliedern der Beihe
verknüpft ist. — Erst bei Y. 132 macht sich abermals der Ein-
flass von gesetzgebenden Stücken des Pentateuchs bemerklich
and liegt zagleich ein neues Beispiel vor von dem behutsamen
xxvu Ausbiegen unseres Yerfaslsers überall, wo er mit dem Götzen-
dienst zusammenstösst. Für diese Eernsünde gegen den Geist
des Judenthums wird nämlich die allgemeine gesellschaftliche
Pflicht, zur Bestrafung des Verbrechens mitzuwirken, noch be-
sonders mit ganz unerbittlicher, keinerlei Ausnahme gestattender
Schärfe ausgesprochen in Deuteronomium xm7: *Will dich
dein leiblicher Bruder, dein Sohn, deine Tochter, dein liebes
rea gehörenden Wiener Handschrifi aufgenommen hat, anterbricht diesen
innern Zusammenhang, der sonst Y. 86—90 folgendermaasen verbindet:
' Man solle keine ungebildeten Richter bestellen, denn nur der Weise ver-
möge die Weisheit des Gresetzes zu beurtheilen*. Der Umstand, den Bergk
seltsamer Weise zu Gunsten der Echtheit des Verses anführt, dass es
nämlich ein vielcitirter classischer Denkspruch sei, konnte nur um so eher
einen Leser darauf bringen, dieses oft gehörte griechische auditUur et al-^
tera pars hier, wo von Richtern die Rede ist, an den Rand zu schreiben.
— In Anschluss an die oben S. 200 ff. besprochenen Verse 97—106 über
Trauer, Seciren, Auferstehen giebt V. 109—115 eine Beschreibung des
Todtenreichs unter Beibehaltung des heidnischen Namens "Ai&n^ dessen
mythologische Bedeutung schon in der classisch griechischen Sprache sich
verflüchtigt hatte, und den daher auch die Septuaginta nicht vermieden.
Diese kurze Nekyia, welche den schönen Spruch (V. 112) enthält 'Leichen
sind sie Alle in gleicherweise, über die Seelen aber ist Gott König', wird
von echt biblischem Geiste getragen. Keine Spur weder von homerischen
noch von dante'schen Marterkammem ; bloss die Gleichheit Aller vor dem
Tode und das Verschwinden jedes irdischen Unterschiedes wird hervorge-
hoben, nach dem Vorbild von EUob lu 17 — 20. — Die aus der ersten
Wiener Handschrift neu hinzukommenden Verse 116, 117 sind nicht, mit
Bergk, dem Abschnitt über den Tod als Epilog anzureihen ; da würden
sie sehr matt nachschleppen ; sondern sie bilden die Einleitung zu dem
folgenden Abschnitt über Mässigung in Freud und Leid. Bergk ward irre
geführt durch den Fehler in V. 117 daKoirö^ kaxx ßporOJv OdvaTo^, tö
bk ^^XXov dbn^ov, weicher in Kd^aT0^ zu bessern ist. Man braucht bloss
zu übersetzen, um die Richtigkeit sowohl dieser Ck)rrectur als der ange-
gebenen Verbindung zu beweisen: * Niemand weiss, was Morgen und was
die nächste Stunde bringt. Mit unsicherm Ziel mühen sich die Sterblichen ;
dunkel ist die Zukunft. Lass also vom Schlimmen dich nicht nieder-
drücken, und nicht zu hoch jauchze auf in der Freude. Oft im Leben
kam dem Zuversichtlichen ungeahnter Jammer, und gleich plötzlich kam
den Bedrückten Lösung vom Uebel*.
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txx Üeber das Phokylideisohe Gedicht 237
Weib, dein Basenfreund zum Götzendienst verleiten, so sollst
dn kein Auge zudrücken, den VerfUhrer nicht schonen, die Sache
nicht zudecken". Dies giebt nun der Phokylides so wieder
(V. 132, 133) : 'Gottlos ist es, den frevelnden Mann vor Ueber-
ftlhrung zu schützen. Offenbaren ^ soll man den Uebelthäter und
abwehren'. Man sieht, er lässt es weder an nachdrücklicher
Fassung der Vorschrift noch an Strenge in der Bezeichnung des
Sünders ermangeln, der mit einem der stärksten im Griechischen
vorhandenen Ausdrücke äTdaOaXo^ dvi^p genannt wird; und
nicht minder hat er in V. 134 'Denn oft sterben zugleich mit
den Bösen die, welche ihnen nahe und zur Seite sind' das Motiv
gefährlicher Ansteckung benutzt, das bei der Gattung von Frevel,
gegen welche das mosaische Gesetz sich richtet, auch die rück-
sichtsloseste Strenge rechtfertigt. Aber von diesem Frevel selbst,
welchen der Pentateuch dem Verführer so in den Mund legt :
'Komm, lass uns fremden Göttern dienen', und dann erklärend
ausdehnt auf 'alle Götter der umwohnenden Völker, fernen wie
nahen, von einem Ende der Erde zum andern* — hiervon hat
der Phokylides nicht die leiseste Andeutung zu geben gewagt;
auch bei diesem, das Verhüllen verbietenden, Gesetz ist er sei-
nem Vertuschungsgrundsatz treu geblieben und hat es von dem
jüdisch religiösen Boden hinweg in das Gebiet der allgemeinen
Griminaljustiz gezogen. — Nachdem er hierzu sich verstanden,
konnte er ihm nun auch das eigentliche Hehlen im niedrig civil-
rechtlichen Sinne des Wortes anreihen, wie er V. 135, 136 thut.
— Hierauf folgt dann, nach einer kurzen ethischen Ermahnung
über den Werth besonnenen Eintheilens und richtigen Bemessens
des Anfanges und Endes', jenes schon oben (S. 197) berührte
* (X»x öaiov KptLhrrciv töv dTdoOoXov äv6p' dv^CTKTOv, *AXXd XP^
KOKÖepTov diroTpoirdaaeai dvdtKig lautet die Yalgata. Aber das letzte
Wort dvdTKi) ist neben xp^ »ehr entbehrlich und an dieser Versstelle, wo
ein so schweres Gewicht darauf fällt, fast nicht zu ertragen. Ich ändere es
in ^vapyff, was einen passenden Gegensatz zu dv^€TKTOV giebt. — Bergks
Vorschlag, dirorpumöoeai statt dirorpoirdaoeai, setze ich in den Text.
3 Diese Ermahnung besteht aus Y. 137, wo imoCpa^ zu schreiben ist,
138, 143, 144, und schreitet so fort : *In allen Dingen sieh auf richtiges
EintheileB. Spare zu Anfang, damit du am Ende nicht darbest Gleich
im Anfang schlage das Uebel danieder und heile das Geschwür. Von
kleinen Funken entzündet sich der unermessliche Wald*. — Von V. 138 bis
161 ist in den Handschriften und Ausgaben die Versfolge arg verwirrt.
Einen Hauptpunkt, dass nämlich V. 147 nach 189 gehöre, hattd sobon
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238 xn Ueber das Phokylideisobe Oedicbt
Gebot, auch dem Feinde beim Aufrichten seines Lastthieres be-
httlflieh zu sein, nach Exodus xxin 5 und Deuteronomium xxn 4.
— Aus demselben Capitel des Deuteronomiums ist auch die in
V. 141, 142 gegebene, der vorhergehenden gleichartige, Vorschrift
entlehnt. Diese Gleichartigkeit wird man freilich nicht erkennen
können in der Bergk'schen Lesung von V. 141, welche aus der
sehr abweichenden Ueberlieferung Folgendes gewinnt: TrXatö-
^levov bk ßpoTÖv Ktti dXrjiuiova ^r\ ttot' ^X^t^ij?. Wählt man hier
fUr IX^TX^iv noch so willig die in den Zusammenhang am leich-
testen sich fügende Bedeutung, so können doch diese griechi-
xxvni sehen Worte nur heissen : 'Dem umher|irrenden und schweifenden
Manne rücke aber nie sein Unglück vor', nehmen sich also
recht seltsam ans in ihrer durch die Partikel bi so hervorgeho-
benen Verknüpfung mit der unmittelbar vorhergehenden, das
Lastthi'er betreffenden, Vorschrift. Noch ungeschickter aber
stellt sich ihr Verhältniss zu dem folgenden Vers 142 'Besser
ist es, statt des Feindes einen wohlwollenden Freund sich zu
schaffen'. Denn es ist doch wahrlich eine sehr lieblose, mit
der sonstigen Milde dieser Vorschriften keineswegs verträgliche
Voraussetzung, in dem 'umherirrenden Mann' nun gleich einen
Feind zu vermuthen. Dagegen schliesst sich dieser Rath des
Verses 142, den Feind durch Zuvorkommenheit in einen Freund
zu verwandeln, passend an die Vorschrift des V. 140, des Fein-
des Lastthier aufzurichten, und es ist von vornherein wahr-
scheinlich, dass nnn gleichfalls der mittlere Vers 141 eine ähn-
liehe Dienstleistung empfehle. Deutlich führt auch darauf die,
freilich zum Theil ganz sinnlos zerrüttete, Lesart der bessern
Handschriften n\al6ixevdy t€ ßpoxöv Kai dXiTpoiTOv oöttot' dXuEei^,
wenn man sie mit Deuteronomium xxn 1—3 zusammenhält.
Dort wird geboten, Schaaf oder Rind, das sich von der Heerde
verlaufen (iiXavui^eva iv rfl 6bijj), dem Besitzer wieder zuzu-
führen; wenn derselbe nicht gleich zu erreichen oder zu ermit-
teln ist, das Thier inzwischen ihm aufzubewahren; 'nimmer
— heisst es schliesslich streng befehlend — - darfst du dich dem
entziehen* (oö buWjoij örrepibeTv) — eine Schärfe des Ausdrucks,
Scaliger erledigt, aber kein Herausgeber hat von seiner Verbesserung Ge-
brauch gemacht. Die richtige Aafeinanderfolge des ganzen Stückes brancht
für denkende Leser nur angegeben und nicht erst bewiesen zu werden :
137, 138, 143, 144, 140—142, 145, 139, 147—151, 146, 152.
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XIX Üeber das Pbokylideische Öedioht 239
die bei diesem Gebot um so zweckmässiger ist, je leichter der
ÜDlnstige sich stellen kann, als bemerke er das verirrte Thier
gar nicht. Dieselbe nachdrtlckliche Warnung zeigt sich nun in
den Schlussworten des phokylideischen Verses oöttot* dXüSEiq;
das sicher stehende Anfangswort irXaZöiiievov weist ebenfalls auf
das dort im Deuteronomium erwähnte Umherirren (TiXavuijuieva);
ohne Weiteres springt es dann in die Augen, dass das zweite
Wort des Verses ßporöv durch Streichung ^ines Buchstabens in
ßoTÖv, d.h. der 'Sterbliche* in das * Weidevieh' zu verwandeln
ist ; und sonach darf man wohl, ohne desshalb fttr eine Verbes-
serung der mittlem, den Sinn des Ganzen kaum noch wesentlich
bedingenden Worte ^ einstehen zu wollen, doch mit ziemlicher
Sicherheit behaupten, dass der Phokylides hier nicht vom 'um-
herirrenden Manne*, sondern nach Anleitung des Deuteronomiums
von 'verlaufenen Schaafen' gesprochen habe. — Kein so ver-
wickelter kritischer Prozess ist erforderlich, um den Sinn und
die mosaische Quelle der nächsten vier Verse (145, 139, 147, 148)
aufzufinden. Der erste (145) empfiehlt, allgemein einleitend,
sich des Genusses alles Geschändeten und Besudelten zu ent-
halten (tujv XwßTiTujiv dTr^x€cy6ai) ; und diese Vorschrift wird so-
dann angewandt erstlich auf das Fleisch gefallenen Viehes (V. 139
KTfjvouq BviiToTo); man solle 'solche Speise sich nicht auf dem
Markte zuwiegen lassen '2. Und zweitens (V. 147, 148) solle man
das Fleisch 'des von Raubthieren angefressenen Viehes (Oripö-
ßopov Kpiaq) nicht verschmausen, sondern es den schnellflissigen
Hunden preisgeben'. Beide Bestimmungen sind in fast unver-
ändertem Wortlaut entnommen aus Deuteronomium xiv 21 iroiv
6viiai)LiaTov ou qxÜTeaOeund Exodus xxu31 Kp^aq OripidXuiTOv
ouK IbeaQe' r^ kuvi diroppiipaTe auxö, wie | schon von Scaliger xxix
^ Bis auf Besseres mag folgender Einfall erw&hnt werden : irXa2^6-
^cv6v T€ Pot6v KOT* dTapiTiTÄv oÖiroT* dXOEei^ wo dann 1rXaZ6^evov
xaT' dTapiTiTÖv nur in poetischem Ansdruck dasselbe sagt, was der Zu-
satz irXav(i»^eva tv T^öbCp bei den Septuaginta für das einfache hebräische
D^ms bedeuten soll. Denn das Thier giebt sich dann deutlich als ein
▼erirrtes zu erkennen, wenn es ohne Aufsicht auf dem *Fusswege' um-
herläuft.
' Statt KaT& ri^Tpov lese ich bis auf Besseres kot^ Xirpav, ^wobei
freilich dem Yersificator die regelwidrige Verkürzung von XiTpöv angeson-
nen wird. y. 109 \ii\iyr\a* ort evT)TÖ<; {pirdpxcK ist schon von Naeke Choerü.
p. 233 bemerkt. Vielleicht ist jedoch fn^rpov für 'Gewicht* gebraucht).
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240 zix üeber das Phokylideische Gedicht
gesehen, aber nach ihm wieder übersehen worden \ Nun haben
freilich diese zwei Speiseverbote, so uneingeschränkt wie sie
der Phokylides nach dem Pentateucb aufstellt, nie bei einem
andern als dem jüdischen Volke dauernde Beobachtung gefun-
den; aber auch hier wieder bot die griechisch-römische und die
allgemeine Völkersitte doch Anhaltspunkte genug dar. Spuren
eines gewissen Absehens vor Allem von verendetem Vieh Her-
rührendem (K€V^ßp€ia) finden sich vielfach bei den Glassikem ; in
einer römischen PriesterregeP war es sogar verboten, Schuhe
und Sohlen aus der Haut gefallenen Viehes zu tragen, 'weil
— heisst es — Alles, was natürlichen Todes verendet, etwas
Unheimliches an sich hat'. Und dass man sich dessen enthalten
solle, worin schon die Klauen eines Raubthiers gewühlt haben,
durfte der Phokylides um so unbedenklicher zumuthen, je sel-
tener derartige Fälle in Frage kommen und je mehr ein feineres
menschliches Gefühl auch ohne ausdrückliches Qebot von selbst
vor solcher Tischgemeinschaft mit den Carnivoren sich sträubt.
^ Was sich wohl der von Bergk nachträglich angeführte Nauck da-
bei gedacht haben mag, als er Fhokyl. 147 statt 6iip6ßopov baiOT) Kp^a^
conjicirte e/)pciov? Dass Oiipößopov unantastbar und nur eine dem Vers
bequeme Variation von OtipidXwrov der Septuaginta ist, wird nun wohl
einleuchten, ('haedus ereptus lupo' (XuKoairdc) wünscht sich Alfius zum
Mahle (Hör. epod, 2, 60), vgl. Martialis x 48 haedus ihhumani raptus ab
ore lupi. Das Fleisch solcher XuKÖßpuira galt für besonders zart nach
Plutarch quaest, cono. n 9 p. 642 1>).
3 Festns p. 161 * 3 Muell. Mortuae pecudis corio calceos aut soleas
fieri flaminieis nefcu habetur, sed aut oeeisae cdiogui aut immolatae, quo-
niam sua morte exstineta omnia funesta sunt, ^dasselbe bei Servius z.
Aeneis rv 518 s. Kopp zu Marcianus Gap. n 116 ; vgl. Varro de h h vn 84
p. 562 in aiiquot sacris ae saceüis scriptum habemus *ne quid scorteum ad-
hibeatuT* ideo ne mortidnum quid adsit, Ovidins fast, i 629 scortea non
iBi fas est inferre saeeüo Ne violent puros exanimata focos; s. Lobeck
Aglaoph. 245. Die späteren Pythagoreer kleideten sich nicht einmal in
Wolle, s. Philostr. vit. Apoü, i 8 p. 10 Xivou iaQf\Ta d^iriaxtxai irapaiTTj-
od^€vo^ Ti^v dirö tuiv 2^i)iujv und vi 11 p. 241 KaOapip aih^arx irdvrujv ^aOimd-
Tuiv Öir6aa Ovnaeiöiwv l<rxK€iTa\}. — bm bnaD inanb On« ^353'» »b
.h:^, *i^ V^'^K nsnon in den apostolischen Kanones (Art. 62 p. 9
Bruns p. 26 ßunsen) wird Degfradation darauf gesetzt, wenn ein * Bischof,
Presbyter oder sonst einer ans der Priester- Matrikel OiipidXurrov f\ Qyr\a\-
^atov esse*.
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XIX Ueber das Phokylideische Gedicht 241
Dieser ethische oder ästhetische Gesichtspunkt wird denn auch
noch zum Schlnss hervorgehoben. Man solle, heisst es, der-
gleichen Abhnb (Xeiviiava) von der Tafel der Raubthiere den
Hunden geben, 'denn nur Thiere essen, was Thiere übrig lassen'
(ÖTipdiv ÄTTo 1 8flp€q Jbovrai V. 148). — Dasselbe Capitel des
Exodus, auf welches das Verbot 'angefressenen Fleisches' ihn
geführt hatte, gab dem Phokylides auch die gleich folgende Ver-
pönung der Zaubertränke und alles magischen Unwesens an die
Hand (V. 149 cpäpiiaKa |uif| letjxeiv, juiaTiKdiv ßißXwv* &niyieaQax
== Etod, xxn 18 cpapinaKouq ou irepiiroiricyeTe) — ein Verbot,
dessen Durchführung unter Griechen und Römern zwar durch-
aus nicht leicht sein mochte, das aber doch mit den Grundbe-
griffen des Polytheismus nicht geradezu unverträglich ist und
das daher auch ohne Accomodation oder moralische Hülle nackt
hingestellt wird. — In eben derselben Gegend des Exodus (xxn 16)
findet sich endlich das Verbot des Menschenraubes, welches der
Phokylides in derjenigen Form aufaimmt, in der es zu allen
Zeiten und im Alterthum besonders seit dem Aufkommen der
Römerherrschaft die häufigste Anwendung fand (V. 50) : 'Zarte
Kindlein (vriTTiäxo^? draXoüq) raffe nicht fort mit gewaltthäti-
ger Hand'. — Abgeschlossen wird dann die Sttndentabelle durch
ein Paar ethische Sprüche, dass man sich vor Streit, bösem
Leumund und böser Gesellschaft hüten solle (V. 151, 146, 152).
— Von hier an verliert jedoch das Gedicht seinen bisherigen
mehr oder minder aphoristischen Ton und in streng gegliederter
Reihenfolge, die freilich der Gegenstand selbst deutlich genug
vorzeichnet, wird auf das Familienleben nach seinen ver-
schiedenen Seiten eingegangen. , Zur Einleitung dienen die zum
Theil schon | früher (S. 209) berührten Verse (153—174) über
denWerth der Arbeit, als Grundlage eines unabhängigen Daseins.
Ueberall klingen hier ausgewählte biblische Sprüche zusammen
mit Gnomen von echt dassischer Einfachheit ^ Gleich der erste
1 Ich sehe keinen Grund, die nicht so naohdrucksvolle Lesart zweier,
keineswegs allein guter Handschriften Qf\p€<; 6' dirö 6iipö^ ^bovrai mit
Bergk aufzunehmen. Unter allen Umständen aber ist dir6 temporal (post)
zu fassen.
3 Sollte ß(ßXwv nicht verschrieben sein für ein allgemeineres Wort,
wie etwa X^ipwv?
^ Besondere Auszeichnung verdient der ans dem Yaticanus bei Bergk
hinzugekommene Y. 155 ; nur ist er an seinen rechten Ort, nämlich vor
BemayB, ges. Abbandl. ^g
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242 zix lieber das Phokylideische Gedicht
Vers 153 erinnert an Psalm cxxin 2, und die Schilderung der
Ameisenthätigkeit, welche den Menschen als Master vorgehalten
wird, lässt ihr Vorbild in Praverb. vi 6—9 und xxx 25 deutlich
erkennen^. — In das auf männliche Arbeit gegründete Haus
tritt das Weib ; und so reibt denn auch der Phokylides an seine
Aufforderung zur Arbeit erstlich eine Abmahnung von der im
spätem Alterthum so sehr um sich greifenden Ehelosigkeit
(V. 175, 176), und zweitens (V. 177—198) eine Auswahl der
biblischen Bestimmungen über die geschlechtlichen Verhältnisse,
zugleich mit einigen Strafreden gegen solche Laster, zu deren
ausdrücklicher Verfolgung die mosaische Gesetzgebung in der
jüdischen Sitte keinen Anlass fand, die aber bei den übrigen
Völkern, classischen wie nichtclassischen, nur zu offenkundig im
Schwange gingen (V. 177, 191). Hinsichtlich der Benutzung der
Bibel ist hervorzuheben, dass bei den verbotenen Graden der
Verfasser seine gewohnte Zurückhaltung in übermässig zaghafter
Weise an den Tag legt Obgleich er offenbar aus dem acht-
zehnten Capitel des Leviticus schöpft, so hat er aus der dortigen
vielgliedrigen Reihe doch nur vier Fälle herausgehoben; die
Verbindung mit Stiefmutter, Schwester, Kebsweibem des Vaters,
gleichzeitige Verbindung mit zwei Schwestern (V. 179—182, 194).
In Betreff classischer Unsitte aber ist die Aufmerksamkeit vor-
züglich zu lenken auf V. 184, wo das Aussetzen der Kinder, das
bei den Juden nie eingerissen war, in so gelassenem Tone er-
V. 158 zu stellen, mit welchem er sich zu folgender Sentenz verknüpft:
* Kunst nährt die Männer, die Faulen beisst der Hunger. Hat Jemand
keine Kunst gelernt, so grabe er mit der Karst'. Bei aKdirroiTo öiK^q
möge man nicht bloss an die Stelle im Evangelium (Luc. xvi 3) denken,
sondern auch an Aristoph. Ät^v. 1432, wo auf die vorwurfsvolle Frage
veaviag div auKoqpavrct^ to(i^ S^vou^ der Sykophant sich so rechtfertigt :
t{ t^p trd6u); axdtrTCiv fäp oök iniara^ai. Vom Margites hiess es in
dem gleichnamigen Gedicht (Arist. Ethic. Nicom. vi c. 7 inü,): töv 6'
oÖT* dp ffKairxfipa öcol Qiaav oöx' dporf^pa Oör* ÖXKw^ n ffoq)öv.-
1 Prov. xxx 25 *Die Ameisen sind ein schwaches Volk, dennoch
schaffen sie im Sommer ihre Speise*: Phokyl. 169, 170 dx Qipeo<; irorl
X€t)ia ßopi^v aq[)€T^piiv ouvdTovre^ "'Arpuror 9OX0V ö* ÖXitov TcX^Oei
iToXOjioxOov. Die Wendung q>OXov b' ÖXCtov lässt über die Nachahmung
des Hebräischen wohl keinen Zweifel; der Gedanke an sich ist freilich
gnomisches Gemeingut : Parvtda . . . magni formiea laboris Ore trahtt quod"
cumque poteH atque addit acervo Quem struit, haud ignara ac non incauta
futuri (Hör. sat 1 1, 33). Heindorf hat dort auch den Phokylides angeführt.
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zix Ueber das Phokylideisohe Gedicht 243
wähnt wird, dass der Verfasser nur die griechisch-römische
Welt im Auge gehabt haben kann, wie sie ungescheut und bis
zu Valentiniaus Zeit durch keinerlei Strafgesetz gehemmt jene
Art des Eandermordes übte \ — Zu dieser Besprechung der mit
der Ehe zusammenhängenden Verbrechen bilden den Epilog
(V. 199—206) einige ethische Sprüche über Glattenliebe, gegen
Geld-Heirathen, endlich ein wohlmeinender Rath gegen das
Ehelichen mehrerer Frauen (V. 205), dessen halbneckische Wen-
dung' deutlich zeigt, dass die gesetzliche Statthaftigkeit der
1 (Vgl. Philon de leg, speeiai. 20 t. ii 818 Mang, biä ra<m\(^ Tf)<
irpootdSciu^ Kai iTCpöv ti ^jictJ^ov diratopcOcrai, ßp€q[>uiv £k6€(Tic, 6 irap&
iroXXol^ rCtiv dXXuiv ^OvCtiv fvcxa Tf{<; 9uaiKf)c dirav6punr(a^ X€ip6r\^^ äai-
ßilfjia t^ov€v, Minuciufl 30, 2 t)08 enim video procreatos ßioe nunc feris
et anibus exponere^ nunc adstranguUUos (?) misero mortis genere didere, Apo-
kalypse des Petrus bei Clemens AI. p. 1000 Pott, ir p. 46 Klotz (Grabe
Spicil. I p. 74). Seneca de ira i Ib liberoSy si debües monstrosique editi
sunt, mergimua; dass arme Lente ihre Kinder aussetzen, nimmt Plutarch
in Schutz de amare proUs 6 p. 497 ^, [dass auch Wohlhabende, seibat Reiche
das gleiche thaten, bezeugt Musonius bei Stob. flor. 84, 21]. Die Sitte
wurde sogar wissenschaftlichen Interessen förderlich: die Cadaver ausge-
setzter Kinder sind, weil niemand für ihre Bestattung sorgte, früh zu ana-
tomischen Sectionen verwendet worden (s. Galen, t. n p. 386 Kühn, Sprengel-
Rosenbaum Gesch. d. Medicin i p. 197). Ueber die Geltung der Sitte in
Rom s. Dionys. Hai. n 16 ; bei Germanicus' Tod partus coniugum exposUi
(Suet. CoiUg, 6). Solche ausgesetzte aber von andern aufgezogene Kinder
waren die Grammatiker M. Antonius Gnipho und C. Melissus (Suet. de
gramm, 7 und 21), vgl. über die Opeirroi den Briefwechsel zwischen Plinius
und Traianus 66. 66 p. 249 f. Keil. Ueberhaupt vgl. I. Lipsius epist. ad Beigas
Cent. I ep. 86, Cuiacius observ, 16, 36 ParatiHa in eodieem 8, 61 p. 303 Fabrot.,
G. F. Gudius, Paganus Christianorum laudator Lips, 1731 p. 284 £f. Byn-
kershoek de iure oceidendij vendendi et exponendi liberos apud veteres Eth
manos {Opuscüla p. 146), Zimmern Gesch. des röm. Privatrechts i 2, 619.
Die einzige Ausnahme in Griechenland machten die Thebaner (Aelian v. h,
n 7), aber das Verbot war erst durch Fhilolaos eingeführt (Arist. polit.
n 12 p. 1274 b 3). Bei fremden Völkern wurde es als auffallend bemerkt
und hervorgehoben, wenn bei ihnen Kinderaussetzung unstatthaft war : so
bei den Juden (Tacitus hist. v 6 Diodor XL fr. 8, 8 Dind.) und Aegyptem
(Diod. I 80, 3). — Uebrigens ergiebt sich aus K^duschin fol. 78 b, wo die
Bestimmungen über *»D1Dfit sehr ausgebildet sind, dass die Unsitte später
auch unter den Juden eingerissen war).
« <Vgl. den Orakelspruch bei Herodot i 67 xal irflji' M irfman
Kdrai, bei Aelian v. h, m 43 xal iTf)fta bö^oi^ iv\ irfmari ßaivei, Sopho-
kles Antig. 696 mfmara — in\ rH\nao\ irlirrovra).
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244 XIX Üeber das Phokylideisclie Gedicht
Polygamie vorausgesetzt wird, was ja übrigens schon die Ans-
wahl der verbotenen Qrade erschliessen liess. — Nach Erledi-
gung des Verhältnisses zwischen Mann und Weib wendet sich
das Qedicht (V. 207 — 217) zu den Beziehungen zwischen Eltern
und Kindern. Die pädagogischen Regeln betreffen fast aus-
schliesslich die Fernhaltung alles dessen, was die Keuschheit
beider Geschlechter gefährden konnte in jener schwtLlen, alles
XXXI Unreine ausbrütenden Atmo|sphäre des sinkenden Heidenthnms,
auf welche der Verfasser Form und Inhalt dieser Regeln be-
rechnet hat. Nur ^ine Bestimmung weist nach anderer Richtung
und bezeichnet abermals recht schlagend die Doppelstellung des
Gedichts zu der griechisch-römischen Gesellschaft und der Bibel.
Züchtigung eines ungerathenen Sohnes — heisst es nämlich
V. 207—209 — solle der Vater der Mutter überlassen oder den
altern Familiengliedern oder den Gemeindeältesten; er selbst
soll von seinem väterlichen Züchtigungsrecht keinen Gebrauch
machen. Es ist wohl nicht zu viel vermuthet, dass diese alles
Strafen des Vaters widerrathende, uns übertrieben erscheinende
Milde zur Zeit und in den Augen des Verfassers sich empfahl
als ein Gegengewicht zu der harten väterlichen Gewalt nach
römischer Gesetzgebung^; während andrerseits die 'Gemeinde-
ältesten', welchen im äussersten Falle die Züchtigung zusteht,
und die mit glücklich zutreffendem homerischem Wort brnmoT^-
povxeq genannt werden, unwillkürlich erinnern an die 'i^yn '':pT,
die T€pouala ToO töttou, vor welche, nach Deuteronomium xxi
19, der unverbesserliche Sohn von den Eltern zur Aburtheilung
gebracht werden soll. — Nachdem so die gegenseitigen Pflichten
der Hauptglieder des Hauses ihre Erörterung gefunden haben,
werden die weiteren um das Haus sich bildenden Kreise der
Freunde und Seitenverwandten kurz berührt (V. 218—222). Bis
^ (Den Griechen blieb die Bömisohe patria potestas immer fremd-
artig. Vgl. SextuB £mp. hypot. in 211 ot t€ *Pu))ia(u)v vo|üio6^Tai to(i^
iratba^ <iTrox€tp(ou^ (in manu) Kai 5oOXou( rdiv irar^puiv KeXeOouaiv cTvai,
Kai Tf^goöff(a<; tiBv iraibuiv ni\ KupteOeiv toö^ iratöa<; dXXA toOc irax^pag,
iw<; äv ^X€u6€p(aq ol tral5€<; tOxumti Kaxd toO<; dpYUpu)vif|TOug (emancipatio
filii)' irap' ^T^pot( bi \b<; xupavviKÖv toOto ^Kß^ßXiiTai. In der sogenannten
legatio ad Gaium, die sicherlich nicht von Philon, aber gewiss auch nicht
später als das Phokylideische Gedicht abgefasst ist, heisst es o. 5 (ii p. 550
Mang.) if\ yäp uloO iravT€Xf|<; kloxjoia KaxA toO^ täv Tuj^aiujv vdnou<; dvd-
K€iTai irarpC).
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XIX lieber das Phokylideische Gedicht 245
in den Tod dauernde Liebe soll den Freunden, den Verwandten
soll Freundschaft gewidmet werden, Jttngere aber sollen, auch
wo keine Bande der Freundschaft oder des Blutes geknüpft
sind, das Alter als solches achten; 'Scheu tragen vor grauem
Haupt soll blühende Jugend, vor Greisen vom Sitz aufstehen,
in allen Ehrendingen ihnen weichen' (aibeTcTBm 7roXiOKpOT(üq>ou^,
elK€iv bk T^pouaiv "Ebpriq kqI t^pAiüv Trdvnuv T€ve^ 9aX^8ov-
laqi (V. 220, 221), fast wörtlich nach Leviticus xix 32 dirö
iTpo<^umou TToXioO Öavacynficn) kuI xijuiricyeiq ttpöctiüttov irpetTßu-
T^pou. 'In jedem Alten — heisst es zum Schluss V. 222 — soll
der Jüngling den Altersgenossen seines Vaters ehren* 2. — Von
den freien Haupt- und Nebengliedem des Hauses wird alsdann
zu dem dienenden Qesinde übergegangen (223—227), und die
Art, wie das Verhalten des Herrn hier geregelt ist, beweist ein
ungemildertes Fortbestehen der Sklaverei zur Zeit des Verfassers.
Die nothwendige Leibesnahrung soll den Sklaven nicht verkürzt
werden (V. 223), was die antiken Pflanzer nur zu oft sich er-
laubten^; keine übermässige, zurVerzweifelung treibende Arbeits-
last soll ihnen auferlegt werden, sondern eine so bemessene,
dass eine gute Gesinnung Air den Herrn dabei bestehen könne
(V. 224). Ferner wird das Brandmarken der Sklaven untersagt
^ So schreibe ich statt der, von Bergk als verzweifelt belassenen,
Vulgata T€V€q 6' dTdXavxov, welche nur verbunden werden kann mit dem
folgenden Vers 222 irp^aßuv 6fjiif)XiKa trarpö^ laai<; Tiiuatai t^paipc, der dann
an onertraglicher Tautolog^ie leiden würde. Meine Auffassung dieses Verses
ist wohl durch die Uebersetzung hinlänglich gerechtfertigt. ^Oder ist etwa
irdvTUiv, T€v€fl 5' dirdXa^vov TTp^aßuv {aetate debilem) zu schreiben?)
2 (Vgl. Philon de parent col 6 p. 18 Mai (v 55 Richter) TCKjiiipuii-
caiTo h* dv Ti<; Ti\y irp6<; tov^<; eöa^ßeiav oö luövov ^k xOtiv €lpii)i^vu)v,
dXXd Kai Ik tujv irpö^ roOq fiXiKa<; ^kcIvwv diroxY)<; (scr. ^k Tf)q . . .
irpoaoxflc?)* * T^p irpeaß^TTiv Kai irpeaßilmba oi)hiy y^ci irpoa/|KovTa^
alboO^icvo«; ioxKi irux; 0tro)ii)iWiaK€a6ai traTpö^ t€ Kai ^Tirpög).
8 Servorum ventres modio casHgat iniquo luvenalis xiv 126. (Vgl.
Petronius c. 57 mginti ventres (Sklaven) pcueo et canem, beiSeneca epist.
17, 4 Fädle est paseere paucos ventres et bene institutos et nihü cdiud
desiderantes quam impleri bleibt es zweifelhaft ob an Sklaven gedacht ist.
Das übliche Maass ergiebt sich aus Seneca ep, 80, 7 servus est, quinque
modios (monatlich, s. Gato r. r. 56) accipit et quinque denarios, in der
Rede des Macer aus Sallusts Historien werden § 19 die quini modii der
lex frumentaria (s. Mommsen R. G. m^ 23) den alimenta carceris gleich-
gesteUt).
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246 zn Ueber das Phokylideische Gedicht
(V. 225 (TTiTMaxa |if| TP<4viJÖj was gar nicht immer als Strafe
fttr Vergehen, sondern bei verhärteten Sklavenbesitzern anch zu
blosser Kennzeichnung^ ihres Menschenvorraths üblich war.
Schliesslich werden Dritte vor nnbernfener Einmischung in das
Verhältniss zwischen Herrn und Diener gewarnt (V. 226) nach
xxxn JPro\verb. XXX 10 ; und zuletzt wird noch der Herr selbst aufge-
fordert, die gute Gesinnung eines Sklaven durch ehrendes Ver-
trauen zu belohnen und zu kraftigen (V. 227)*. — Nachdem nun
* (Von dem Schicksal der gefangenen Athener in Sicilien berichtet
Plutarch Nie, 29 koX toOtou«; dx; oIk^tq^ dtrtbXouv ariloyn^t; tinrov (d. h. das
Syrakusische Wappen) el^ t6 ^^TUl1rov; die Staatssklaven heissen bei Xe-
nophon de veetig. 4, 21 dv6pdtro6a a£<pr\^aa^iva tC^ ÖTiiioaiip cnmdvrpqi) ;
Diodor xxxiv 2, 27 p. 94 Dind. erzählt von den Gutsbesitzern in Sicilien
zur Zeit der Sklavenkriege : ToOg ^^v tr^baK 6€(T^€0e1v, toOc ^^ '^^^ ßapO-
TT^ai Tdiv {pTUJv KOTairovetv, irdvra^ 6i xot^ (iir€piiq[>dvoK X^Ptt^xfipai
Kax^axiZov, [oder 2, 1 p. 86 (olK^xaiO dycXiiWv diraxOctaiv £060^ x«-
paxxf^pa ^iT^ßaXXov xal axiT^dq xot<; oiiiiiaaiv] und dann abermals
2, 86 p. 97, wo das unmenschliche Treiben eines Damophilos geschildert ist :
dTopd2:u;v yäp oIxexiDv irXfiÖog ößpioxiKux; aöxotq iTpo(T€q[>^p€xo, ari^pLaöi
aihi\po\) xopdxxuiv xd aiü^axa kxX. <Maccab. m 2, 29 xapdoa€aBa\ hxä
m)p6<; k<; x6 (T(D|üia irapaafm(|j ZiiovOaou xiaaoqpOXX^i vgl. Lobeck Aglaoph.
658 und Solanus zu Lukians Peregrin. 28. Besonders bei entlaufenen
Sklaven war das Einbrennen von Stigmata üblich, s. Cuiacius obaerwOt.
vn 18. Nicht anders machten es die Perser mit Kriegsgefangenen : inustis
barbarorum litterarum notis Curtius v 6, 6. Auch den römischen Recruten
wurden Stigmata an der Handwurzel eingebrannt, s. Lipsius de miUtia 1 9
p. 45. Selbst bei der Aufnahme in Mysterien oder in Secten wie die der
Earpokratianer war es üblich Male einzubrennen (s. Heraldus zu Amob.
in 6 p. 196). Beiche Stellensammlung gibt Lipsius J^Jectan 15 p. 804 Grotius
zur Apokal. 18, 16 und Mascov Gesch. der Deutschen Buch xiv § 27 Anm.
18 p. 211, Groebel de stigmatismo vetertm in den Miscdl. Lips, z 79.
Sp&ter hat man den Sklaven Zeichen angehängt, Metalltafelchen (s. GB.
de Rossi, bullett. di archeol. crist. 1874 p. 41 ff.), auch xapriöia (Philon
de manareh. i 8 t. n p. 221 Mang.)).
^ DieVulgata lautet: Xdfjißavc xai ßouXf|v irapd oUdxou €0 q>povdov-
xo^, und Bergk hat auf Grund einer Variante irap' den Hiatus so weg-
schaffen wollen: xal ßoOX€u^a irap' oIk^xou. Versteht man sich aber
einmal zu einem Tausch zwischen ßouXfjv und ßotiXcu^a, so ist es keine
viel grössere Kühnheit, einen solchen Tausch auch zwischen oIk^xou und
60OX0U zu vermuthen. Man kann dann dem Verse einen etwas epischeren
Klang geben : Xd^ißave xal ßouXf|v irapd öoOXou ^üq>pov^ovxo<; und in dem
üebersehen der Dihaerese den Anlass erkennen, weshalb unwissende Ab-
schreiber zur Ausfüllung der Füssezahl das silbenreichere oIk^xou selbst
auf Gefahr des Hiatus unterschoben.
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zn Ueber das Phokylideische Gedicht 247
80 das Familienleben in seinen wichtigsten Entwickelungen über-
blickt isty schliesst das ganze Gedicht^ mit zwei epilogischen
Versen, welche für den Verstehenden verständlich genug den
leitenden Grundgedanken andeuten, wie er in die oben (S. 227)
aufgestellten Prinzipien sich auseinanderlegt und durch die nun
zu Ende geführte Prüfung des Einzelnen so augenscheinlich ist
bewährt worden. Diese Schlussverse (V. 229, 230) sagen näm-
lich: 'Das sind die Weihen der Gerechtigkeit (raOra bixaio-
ouvriq fbiucTTfipia) ; lebet Ihr solches, dann möget Ihr ein gutes
Dasein vollbringen bis an die Schwelle des Alters'^. Hier kann
^ y. 228 6yv€{ii H'^x^^ '^o^ aib^arö^ €iax xaOapiüioi, der jetzt zusam-
manhanglos am SchlusB unmittelbar vor dem Epilog steht, stand wohl
ursprünglich am Rande von der Hand eines Lesers, welcher mit diesem
seinem Lieblingsspruch leeren Baum ausfüllte, und ward dann, eben weil
er sich in der Nahe nirgends einfügen wollte, an das Ende gesetzt. Dass
er zu y. 149 gehört habe und von dort hieher versprengt sei, ist nicht
unmöglich, aber der grossen Entfernung wegen doch gar nicht wahrscheinlich.
^ Diesen Schlussversen nachgestümpert sind zwei Zeilen, welche Bergk
als den vom yerfasser herrührenden Anfang des Gedichts hat drucken
lassen und als y. 1 und 2 zählt. Sie stottern folgendermaassen : ToOTa
hiKr\^ 6air}ai 6€o0 ßouXcO|yuiTa q>a(v€i 0uikuX(6ii^ dv5pOt)v 6 aoqx/jTaroc ÖXßta
b<X»pa. Um nur die Möglichkeit einer äusserlioh grammatischen yerbin-
dung anzubahnen, muss 6{kii^ als Dativ 5(Kq<; gelesen werden, wodurch
aber die stilistische Incongruenz der ganzen Wendung keineswegs beseitigt
ist. Und dass der pseudonyme Phokylides sich selbst *den Weisesten der
Manner* nennen sollte, ist so über die Maassen läppisch, dass es auch bei
der krassesten mittelalterlichen Fälschung nur dann glaublich erscheinen
könnte, wenn jeder Weg zu einer andern Auffassung abgeschnitten wäre.
Hier aber ist durchaus keinerlei Grund vorhanden, dem yerfasser selbst ein
so thörichtes yorhalten zugleich und eigenhändiges Abreissen seiner Maske
zuzuschreiben. Denn der Umstand, welcher Bergk zu seinem yerfahren
verleitet hat, nämlich das Fehlen des Trennungsstriches oder Spatiums in
einigen Handschriften, kann doch wahrlich nichts beweisen gegen die
deutlichen innem Anzeichen, welche diese Zeilen zu einem anpreisenden
* Epigramm* byzantinischer Abschreiber stempeln, dergleichen in unzähligen
Beispielen jeder Kundige kennt. Als solche iTixoi ci^ töv 0ujkuX(6tiv
sind die Zeilen auch gedruckt in den Baseler Scriptores ChMfnid (1521)
und in dem Amerbachschen Abdruck, zusammen mit folgenden 'Jamben*,
die hier wiederholt werden mögen, ihrer jetzigen Seltenheit wegen, und
weil sie zeigen, weshalb in byzantinischen Zeiten das phokylideische Ge-
dicht Anklang fand : 'O <t>ujKuX(6ii? cöirpeirf^ lY\aa<^ ßiov *Q^ xpxaTO\i<iaTr\<;^
Ui^ dirö<JToXo<; \iiya<;, *Q<; dKpoaxfic Tdiv eeoö Ocama^druiv Kai ^uaTcrfuirö^
Tdiv dpioTwv npaKT^wv EöttTTcXiKÄi; xaOra XoXei kcI Tpdq[>ci E0xpn<7Ta
TuirxdvovTa ToU iv TCf» ßiip.
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248 XIX Ueber das Phokylideische Gedicht
nun unmöglieh 'Gerechtigkeit' (biKaioauvii) in jenem gesteigerten
Sinne der 'Rechtfertigung' gemeint sein, in welchem sie als
Tochter oder Schwester des Glaubens, als Keim oder Frucht
der Gnade die neutestamentliche Welt durchdringt und spaltet
Denn unser Verfasser hat im ganzen Verlauf seines Gedichts
eine völlige Unbekanntschaft mit dem neuen Testament gezeigt,
und würde auch gerade in diesem Epilog eine arge, bei einmal
vorhandener Bekanntschaft nicht leicht denkbare, Verkennung
des neutestamentlichen Wesens an den Tag legen, wenn er sich
anmaasste, seine Reihe von Vorschriften, in der doch weder
der 'Glaube' noch die 'Gnade' einen Platz gefunden hat, ftlr
* Rechtfertigung' oder gar für 'Mysterien der Rechtfertigung'
auszugeben; und ganz unerklärlich wäre es dann, dass er den
in so gesteigertem Sinn 'Gerechtfertigten' nicht einen jenseitigen
xxxm und höhern Lohn verheisst als | 'gutes Leben bis an die Schwelle
des Alters ^ Es muss also mit biKmocTtivri bescheiden und ein-
fach bloss die bürgerlich sittliche Gerechtigkeit gemeint und
von Jeder dogmatischen oder ritualen Frömmigkeit Abstand ge-
nommen sein. Wäre der Verfasser auf solcherlei Frömmigkeit
ausgegangen, so hätte er ja seinem Verse leicht diese Wendung
geben können: raOr' oCv eöcreßiriq^ fnucTTripia. Er begnügt sich
jedoch mit biKaioaövr] und zeigt dadurch, dass er seine Arbeit
ftir nichts Anderes hielt und auch ftlr nichts Anderes wollte ge"
halten wissen, als ftir das, was sie ist : für eine zwar aus bibli-
schen Quellen geschöpfte, aber jedes positiv biblischen Elements
entkleidete Anleitung zu sittlichem Leben.
IV.
Diese aus den einzelnen Bestandtheilen hervorleuchtende
und zuletzt noch vomVerÜEuiser selbst angedeutete Beschaffenheit
unseres Gedichts gewährt nun auch, zusammengehalten mit der
nicht minder unbestreitbaren Abwesenheit jeder neutestament-
lichen Spur, den einzigen sichern Boden, auf welchem sich alle
* Aristobulos (bei Euseb. JVo^p. xm 12 p. 666 *), wo er das jüdische
Gesetzbuch nach seinen Hauptseiten bezeichnen will, sagt : Vj toO vöfjiou
KaTa(TK€uf| traaa toO Ka6' it^^jid^ ircpl eöaeßeia«; Tdraicrai koI biKatoaOv?)^
Kttl dTKpaxcia^ koI täv Xoiitiöv dtae<Iiv t«&v xarA dXif)6etav. Weder 'Fröm-
migkeit' noch 'Gerechtigkeit' allein schien ihm ausreichend ; er setzte
also beides.
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XIX Ueber das Phokylideische Gedicht 249
Vermuthungen über die Zeit der Abfassung bewegen müssen.
Bevor das alte Testament der griechisch redenden Welt zugäng-
lich geworden, also vor den ersten üebersetzungsversuchen unter
Ptolemäns Philadelphus, konnte schwerlich eine solche biblisch
moralische Anthologie entstehen, und die Mitte des dritten Jahr-
hunderts vor Chr. wäre denmach als die äusserste mögliche Grenze
rückwärts anzusehen. Legt man jedoch an diese allerweiteste
Möglichkeit den Maasstab der Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf
die betreffenden geschichtlichen Verhältnisse, so wird man sich
nicht geneigt fühlen, über die Zeiten des Ptolemäns Philometor,
also über die Mitte des zweiten Jahrhunderts vor Chr.,
hinaufzusteigen, wo erst die hellenistische Bibel ihre Wirkungen
allgemeiner zu äussern beginnt. Von da an erstreckt sich dann
freilich der unserm Gedicht offenstehende Raum bis hinab in
die Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Chr., d. h. bis zu der
Zeit, wo das Ghristenthum als nicht zu ignorirende Macht da-
steht. Aber auch hier wieder wird das Mögliche durch das
Wahrscheinliche eingeschränkt, wenn man den jüdischen Ur-
sprung des Gedichts für erwiesen hält und nun die Geschicke
in Erwägung zieht, welche während der ersten anderthalb Jahr-
hunderte nach Chr. die jüdische Nation betroffen haben. Nach
der Zerstörung des zweiten Tempels musste für eine geraume
Weile der bei den Juden nie allzu heftige Missionar -Eifer unter
der Wucht des ungeheuren Verhängnisses gänzlich erlöschen ;
auf keinen Fall ist es glaublich, dass er sich damals auf litte-
rarischem Felde versucht habe; die des Griechischen mächtigen
Juden hatten Arbeit genug an der apologetischen Schriftstellerei,
welche ihnen durch das neue Verhältniss zu den römischen
Herren und die Verleumdungen judenfeindlicher Litteraten ge-
boten war; welche Aufforderung hätte ein Jude damals finden
können zu einer so angriftweisen moralischen Ermahnung, wie
sie unser Gedicht an die heidnische Welt richtet? Verbietet
also zunächst das Fehlen jeder neutestamentlichen Spur über |
150 n. Chr. hinabzusteigen (s. oben S. 215f.), so zwingt dannzzxiv
femer das deutliche Absehen auf Besserung der Heiden hinter
70 n. Chr. zurück ^ Mithin bilden die zwei Jahrhunderte von
der Regierung des Philometor bis auf die des Nero
^ (Für frühe Ansetzung spricht auch das oben S. 234, 2 besprochene
Ariatophanesscholion).
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250 zix Ueber das Phokylideische (Gedicht
den Bereich, welcher für die Abfassung des Gedichts mit Wahr-
scheinlickeit sich abstecken lässt.
Auf diese Periode weist aach die litterärgeschichtliche
Analogie. Denn in jene zwei Jahrhunderte fällt die eigentliche
Blüthezeit des pseudepigraphischen Handwerks, welches freilich
mit seinen ersten Ansätzen bis zu Onomakritos, dem priester-
lichen Staatsdiener des Pisistratus, hinaufreicht und mit seinen
letzten weltgeschichtlichen Ausläufern, den falschen Decretalen,
bis tief in das Mittelalter sich hineinzieht. Aber was vorher
und nachher nur yereinzelt und vorsichtig und fast immer um
eines wichtigen Zweckes willen unternommen wurde, das hatte
sich während jener zwei Jahrhunderte durch ein Zusammen-
treffen der verschiedenartigsten Umstände zu einer beliebten
schriftstellerischen Form ausgebildet; Heiden, Juden und Christen
haben sich derselben bedient, der eine mit grösserer, der andere
mit geringerer Gewandtheit, alle aber ohne den leisesten Scrupel
zu empfinden ; es schien dies ein blosses Versteckspiel, bei dem
man weder sich selbst noch Andern als wirklicher Fälscher vor-
kam. Für den jüdischen Pseudepigraphen- Kreis hat Valckenaer's
Forschung den Peripatetiker Aristobulos als einen der bedeutend-
sten Vertreter erkennen lassen; und diesem aristotelisch-jüdischen
Hofgelehrten des Philometor wäre also als Genosse oder Nach-
folger der ebenfalls, wie sich ergeben hat (oben S. 206, 1 u. s.),
im Aristoteles wohlbelesene Jude anzureihen, welcher für seinen
Vortrag biblischer Moral den althellenischen Namen des Pho-
kylides erborgte. Gerade dieses und keines andern Gnomikers
Namen ward wohl nur deshalb gewählt, weil verbindungsloses
Nebeneinanderstellen der Sprüche als bezeichnende Eigenthüm-
lichkeit des phokylideischen Stils anerkannt war^ und der
1 Dio Chrys. n 79 R. (d <t>uiKuX(6iiq) dorlv oö töv luaKpdv nva Kai
0uv€X»1 iro(ii<yiv clpövTuiv .... dXXA kotä b<JO Kai xpia lwf\ aöxiji Kai
<^PX^v V) iroiiiaic; Kai ir^pa^ Xajjißdvci. (Wie blosse Stilübung zum Fälschen
fähren konnte, lässt sich den Bekenntnissen des Synesios am Schlüsse seines
Dion entnehmen). — Welchen Sachtitel der Hellenist gewählt habe, lässt
sich wohl jetzt nicht mit Sicherheit entscheiden. TTapaiv^aei^ und yvCt^^ai,
zwischen welchen Suidas die Wahl freistellt, sind beide gleich möglich.
K€q[>dXaia, ebenfalls von Suidas erwähnt, und iroiiiMa vou6€tik6v der ecUtio
princeps tragen das byzantinische Siegel. Nur die dritte Wiener Hand-
schrift, keine der besten, welcher jedoch Bergk hier folgt, hat den an sich
freiMch zweckmässigsten, weil alterthümlichsten Titel 0uiKuXi5ou fy^tifuau
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zn Ueber das Phokylideische Gedicht 251
Hellenist nnn aus der Noth, welche ihn so oft in den aphori-
stischen Ton hineintrieb, die Tagend, nicht ans der Rolle zu
fallen, machen konnte.
Aehnliche Wahrscheinlichkeitsgrtinde, wie sie ftlr diese
Zeitbestimmung sprechen, lassen als den Ort der Abfassung
Aegypten und dann bestimmter Alexandria vermuthen, die Me-
tropole zugleich der damaligen Qelehrsamkeit und der helleni-
stischen Juden. In eine ägyptische Umgebung würde am besten
das scharfe Verbot des Secirens (oben S. 203) passen, zu welchem
innerhalb der alten Welt wohl kein anderes Land so vielfache
Anlässe darbot wie das Mutterland der Mumien und der Ana-
tomie. Und femer konnte noch am ehesten in Aegypten ein
Jude sich zu jenem für unser Gedicht so bezeichnenden Ueber-
gehen jeder ausdrücklichen Verpönung des Qötzendienstes ge-
mttssigt glauben, da einerseits dort inniger als in den übrigen
heidnischen Län|dem die ausgearbeitetste Idololatrie mit allen xxxv
Lebensverhältnissen verwachsen war, und andrerseits die Be-
ziehungen der jüdischen Schützlinge Alexanders des Grossen zu
ihren altägyptischen Mitbürgern und zu dem königlichen Hofe
sich unter den Ptolemäern zuweilen ziemlich friedlich anliessen;
nicht durch bilderstürmerischen Eifer zu verletzen, konnte dem
Hellenisten als zeitgemässe und, bei der übrigens unverhüllten
Kundgebung seines eignen Monotheismus, auch als erlaubte Vor-
sicht^ erscheinen. Jedoch welcherlei Gründe immer dem Ver-
fitsser selbst seine schönthu&nde Aengstlichkeit in ein milderes
Licht rücken mochten, sie ganz zu entschuldigen, geschweige zu
Der gate Mutinensis dagegen griebt die offenbar byzantinische Aufschrift:
0iuKuX(öou <piXoa6<pou Ttoir\öi<; (Ijq>^Xi|Lio<;. Bei dieser Lage der Sache ist
mir die allgemeinste Bezeichnung 0uiKuX(6€ta als die beste erschienen.
^ (Haben doch dergleichen Bücksiohten den Josephus zu einer
schamlosen Verdrehung von Exoä. zxn 28 (b^pnnb &nbfi() verleitet.
Während man den Juden vorzuwerfen pflegte dass sie eine — wiePlinius
n. h. xin 46 sagt — gens eontumdia numinum insignis seien, soll jenes
mosaische Gebot, nach des Josephus Vorgeben, Verspottung und Lästerung
der von andern Völkern verehrten Götter untersagen, weil sie nun einmal
den Namen 'Gott' führen (ircpl toO h/|T€ x^cudZeiv ^/|T€ ßXaaq[>iiMClv toü^
voKit2:oM4vou^ e€oö^ irap* ^T^poK dvnKpuq Vjutv ö vomoO^tti«; diT€(piiK€v aini\<i
^€Ka vpoarjffopia^ toO 6€o0 gegen Apion n 33). Demnach umschreibt er
auch antiq. iv 8, 10, wo er einen Abriss der mosaischen Gesetzgebung giebt,
jenen Exodusvers folgendermaassen : ßXa<T9rme(TW mh^^U 0€oOc oO^ iröXci^
dXXai vo^(2;ouaiv).
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252 XIX Ueber das Phokylideiscbe Gedicht
billigen ist nach sittlicher wie nach religiöser Seite unmöglich.
Hier kommt ihm aach keineswegs der Umstand zu Statten, mit
dem er sonst sein Fallenlassen aller nicht bloss moralischen
mosaischen Gesetze sogar vor jüdischem Urtheil rechtfertigen
könnte. Dafür nämlich könnte er mit Fug geltend machen, dass
er ja nicht an Juden, sondern an Heiden seine Mahnrede richte,
und an Heiden wiederum nicht in der Absicht, sie zum Juden-
thum zu bekehren, sondern um ihnen diejenige Qattung von jü-
dischen Gesetzen ans Herz zu legen, welche nach der jüdischen
Auffassung alle, auch die nichtjüdischen, Menschen verbindet,
d. h. die sogenannten Noachidengebote. In der That werden
Kenner des jüdischen Gesetzes, wenn sie die oben (S. 227 ff.)
besprochenen einzelnen Bestandtheile des Gedichts überblicken,
sich bald überzeugen, dass es Nichts enthält, was nicht von selbst
fiele oder leicht gezogen werden kann in das Gebiet jener Noachi-
dengebote und der gleich allgemein gültigen * verwandten Gesetze.
Und auch des Hebräischen unkundige Leser brauchen diese Be-
hauptung nicht bloss auf Treu und Glauben sich gefallen zu
lassen, da das Material zur Prüfung ihnen in bequemstem latei-
nischem Gewände dargeboten ist durch John Seidenes, eben die
Noachidengebote behandelndes, Werk 'Vom Natur- und Völker-
recht nach der Lehre der Hebräer' (de iure naturali et gentium
iuxta disdplinam Hebraeorum) — ein würdiges Denkmal der
Ehrfurcht vor dem alten Testament, von welcher Englands beste
Männer zur Zeit ihres Freiheitskampfes sich durchdrungen hatten.
Aber je mehr dieser noachidische Gesichtspunkt den Phokylides
berechtigte, von den nur für Juden gegebenen Ritualgesetzen
abzusehen, um so strenger lag es ihm dann ob, die Verpönung
der Idololatrie, welche auch unter den Noachidengeboten eine
der hervorragendsten Stellen einnimmt^, nachdrücklich zu be-
tonen. Dass er dies, aus welchen Erwägungen immer, dennoch
unterliess, gereicht eben so wenig seinem religiösen Muthe zur
Ehre, als es sich der Verbreitung seiner Verse in den nächsten
rra^nn Ö'»t3-1D ]na ©•» ba« mbi^a l'^n. Von den zwei Geboten über
Vögelnester und evr)ai|üialov ist oben (S. 235, 240) dargelegt, weshalb der Ver-
fasser sie aufnehmen konnte, ohne von seinem Plane allzusehr abzuschweifen.
2 S. Seiden in dem angeführten Werk l n, c. 1.
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tm üeber das Phokylideische Gedicht 263
Jahrhunderten nach deren Abfassung förderlich erwiesen hat
Denn zu jenem allgemeinen Schweigen der Kirchenschriftsteller
von unserm Qedicht, welches für Scaliger so aufFällig war, dass
er deshalb sich den Verfasser als möglicherweise erst nach
Eusebins lebend denken konnte (s. oben S. 195), hat wohl nichts
so sehr beigetragen, wie eben das Verwischen alles eigenthtlm-
lich Jüdischen und das Vermeiden jedes offenen Angriffs auf das
Heidenthum. Dadurch hat das Gedicht für den nicht gerade
forschenden Leser eine indifferente Farblosigkeit bekommen,
welche gewiss im wohl|berechneten Plane des Verfassers lag,xzxvi
die aber einen Clemens und Eusebins nicht zum Excerpiren
reizen konnte. Dieser so wie aller altern Eirchenschriftsteller
vornehmstes Augenmerk bei ihrer Blumenlese auf dem Felde
hellenistisch -pseudepigraphischer Litteratur ist gerichtet entwe-
der auf vermeintliche Spuren von rein jüdischen Satzungen und
von Eenntniss jüdischer Begebenheiten innerhalb des Heiden-
thums, wie sie z. B. die Orphika des Aristobulos bezüglich
Abrahams und des Sabbat enthalten, oder auf Gapuzinerpredig-
ten gegen den heidnischen Cultus, wie sie in den pseudo-sopho-
kleischen Versen^ vorliegen, oder endlich auf christologische
vcUicinia post eventum^ mit denen die Sibyllinen- Orakel so ver-
schwenderisch sind. Von all diesen Dingen, welche sonst den
Clemens und Eusebins locken, bot ihnen das phokylideische
Gedicht Nichts dar ; und auch unter der Voraussetzung, dass sie
es gelesen, begreift man daher leicht, dass sie es nicht aus-
schrieben, so wie hinwieder die Voraussetzung, dass sie es nicht
gelesen, noch keineswegs zu der Folgerung zwingt, dass sie es
der Zeitverhältnisse wegen nicht hätten lesen können, da sie
nach einem für ihre Zwecke so wenig versprechenden Schrift-
chen sich nicht allzu eifrig umzuthun brauchten. Eben dieselbe
schillernde Zwitterhaftigkeit aber, welche es als Belegstück für
rein ekklesiastische Zwecke in den ersten Jahrhunderten n. Chr.
unbrauchbar machte, musste in der Folgezeit, als das Heiden-
thum gänzlich unterdrückt und dennoch der Jugendunterricht
nach wie vor auf die heidnische Litteratur angewiesen war, dem
phokylideischen Gedicht einen Ehrenplatz in den byzantinischen
Schulbibliotheken verschaffen. Ganz so wie später den Huma-
nisten des sechszehnten Jahrhunderts musste den byzantinischen
1 BeDtley Opp. p. 462 f., 529.
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254 XIX Üeber das Phokylideische Gedicht
Grammatikern and Pädagogen von Anfang an die biblische Moral
in classischer Form ans der Feder eines alten Milesiers hoch
willkommen sein als eine theilweise Erlösung von dem pein-
lichen Dilemma, entweder schlechtes Griechisch oder heidnische
Sitten mit der Jagend za tractiren. Jedoch aach aaf jene zeit-
weilige Schalcelebrität unseres Gedichts ist nun bereits seit
mehren Jahrhunderten abermals eine beinahe vollständige Ver-
gessenheit gefolgt; und so spiegelt denn die Geschichte dieses
kleinen jüdisch -hellenistischen Products das Schicksal wieder,
welchem die gesammte jüdisch -hellenistische und jede ihr ähn-
liche Schriftstellerei verdientermaassen unterliegt, das Schicksal
nämlich, keinen nachhaltigen Einfluss üben zu können auf das
geistige Leben der Völker, das sich in kräftigen Gegensätzen
umschwingt und alle Versuche, das Goncrete durch Gompromiss
oder Abstraction zu verflachen, verächtlich zur Seite schiebt.
0Q KYA I AE lA
3 Mfire Ta^oKXon^eiv, juiiit' Spcreva Kuirpiv öpiveiv.
\if\Te böXouq ^dirreiv, juifiO* ai^ari x^ipa |uiia(v€iv.
5 juifj TrXouTeTv db(KUjq, dXX' Ü baiwv ßioreiieiv.
dpKeicrOai napcoOm kqI dXXoxpiujv Anix^aOax.
x^evbea |uif| ßdJeiv, rd b' dTT)TU|uia Tidvi' dTOpeuciv.
TTpujTa Oeöv rljüia, jüteT^neiTa hk aeio Tovfiaq.
Trdvra biKaia v^jüieiv, ^iib^ Kpicriv iq X&piv ^Xk€.
10 )üif| OXCijiijq TTCViTiv dbiKUjq |uif| KpTve TTpöcrwirov*
i^v au KaKoiq biKdcTijq, ak Oedq ^er^TreiTa biKdacrei.
fiapTupliiv i|ieubfi (peirreiv, rd blxaia ßpaßeueiv.
Ich verzeichne hier die Lesarten des Bergk'schen Textes in Poetae
Lyrici Graed^ editio altera Lipsiae 1853, p. 361—373 und die Seiten
der Abhandlung, wo meine Abweichungen von demselben besprochen sind
[oder erklärende Bemerkungen gemacht werden; in letzterem Fall geht
der Seitenangabe ein 'vgl.* voraus]. Ueber den Titel s. p. 250, 1.
y. 1, 2 TaOra hiwr]^ dain^ai 9€o0 ßouX£0)LiaTa 9a{vei <l>uiKuX{br)^ dv-
bpuiv ö ao9i6TaTO<; ÖXßia böipo p. 247, 2 | 3—41 vgl. p. 227—234 | 8 vgl.
p. 225 I 10 /!»(Hfi3<; p. 216, 1 |
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XIX üeber das Phokylideiscke Gedicht 255
TtapOeaiTiv iripeiv, Trianv b' im ixäai (puXdcrcreiv.
lüi^Tpa vi}xe\v rä biKaia, kqXöv b' ^m^expov ^TravrXeiv.
15 (TiaO^öv )üif| Kpoüeiv irepöCurov, dXX' toov ?Xk€iv.
juiTib' diriopKiiaijq ix'f\T' difvdjq \x'f\T' eiKttioq*
i|i€ubopKov OTv-fiei Oeö^ fi^ßpoxoq öctk; ö^öacnj.
T^Pfiara ^f| KX^irreiv ^^Tap4(yl^oq öcrxiq IXiirai.
juncrOöv ^oxöri(TavTl bibou* }xi\ OXTßc TT^VTixa.
20 TXixKTcrij voOv ixi}xev' kpütttujv Xötov ^v cppcalv tnir|.
iml^T' dbiKcTv dO^Xoiq, juiiit' oöv dbiKoOvraq ^dcnjq.
TTTUJXiD eöGu bibou, juiiib' aöpiov ^XO^jicv etTnjq.
TTXripdiaaq a^o x€ip' fXcov xP^Covri Trapdaxöu.
ä(TT€TOV elq oTkov b^Hai xai xuqpXöv 6bfiY€i.
25 vauTiYOuq otKxcipov, iiieX ttXöo^ ^crxlv fibiiXoq.
Xeipa TTcaövxi bibou* (Toktov b' dircpicTxaxov fivbpa'
Koivd ndOii ndvxujv 6 ßloq Tpoxöq* ficrxaxoq öXßoq.
ttXoOxov fx^v af|v x^tpa Ttevryveiovaw öpeHov
Obv xoi fbwKe Oeöq, xouxwv xp^^ouai Tiapdtrxou.
30 £(Txui KOivö^ &7Taq 6 ßioq Kai 6^6q>pova irdvxa.
31 xö Ei<poq djjwpißaXoO |uif| Trpöq <pövov dXX' i(; fijüiuvav.
33 e!9€ bfe jjif| XP^Coiq jüt^jx' fKvojüia ^tlX€ biKaiwq*
i^v Tdp dTTOKxdvijq ^X^pöv, oio X€ipa maiv€iq.
35 dTpoO T€ixov^ovxo^ dnöaxco jiti^' öp' ^Ticpßqq.
Tidvxujv im^xpov äpicrxov, öncpßacriai b' dXcTcivai.
Xpn<^öq övfj(Ti^6q d<Txi, (piXo^ b' dbiKtJV dvövnxoq.
jiTib^ xiv' auHöjjievov Kapiröv Xwßifiaij dpoupriq.
faxujcTav b' 6^öxl^ol ditiiXubeq dv iroXiiixaiq"
40 Tidvxcq Tdp EeviTiq TreipiL^eOa xflq TroXunXdTKXOu'
XuipTi b' oö XI ß^ßaiov ^xei Ti^bov dvOpiünoKTiv.
'H qpiXoxpTmoaüvTi }xi\Tr\p kqköxtixo^ äirioriq.
Xpuaöq de! böXoq IotX xal dpTupoq dvOpumoiaiv.
Xpua^, KttKoiv dpxnT^i ßio<p9öpe, udvxa xctX^irxwv,
45 eiOe <T€ fifi OvnxoTcTi Tcv^cxOai iifj^ia noOeivöv.
(TeO Ydp ?KTixi ^dxal xe XerjXaaiai xe (pövoi x€,
dxOpd bk x^Kva TOveOaiv, dbeXcpeioi xe auvaijüioi^.
13 Trapecvirjv p. 220 f. 223. 228 | iriaxiv vgl. p. 221 f. | 14 koXöv bi n
la^Tpov ÄirdvTUiv p. 219, 2 | 16 drvdx; |li/|T€ ^kovt( p. 229, 1 | 17 vgl. p. 229 |
18 aitippLara p. 229 f. | 20 Kpuirröv Xötov £v qppcaiv lax€tv p. 230 |
21 p. 231, 1 I 24 vgl. p. 231 | 26 und 28 f. vgl. p. 231, 3 | 32 [a\\ia bi jLif|
«poT^eiv clöuiXoOOxuiv äitix^aeai] p. 223, 1. 224 f. | 35 und 38 vgl. p. 232 |
39 vgl. p. 232 f. I 40 ttevCti^ p. 233, 1 |
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256 Xtx Ueber das Phokylideische Gedicht
juiTib' ?T€pov K€Ü9oiq Kpabiij vöov fiXX' dTopeiiwV
}xr\h\ djq irexpoipufi? ttoXuttou?, Kaxä x^^ipov djüidßou'
50 TTäcriv b' dTiXöoq TaOi, td b' Ik Hiuxfiq dtöpcuc.
öCtk; ^KUJV dbiK€i, KQKÖq dvfjp* d b' Ott' dvdTKn?,
oÖK ipiix) TÖ TÄoq" ßouXfi b' cuOüveO' ^Kdaxou.
jjif| TciupoO (Toqplij imrJT' dXK^ \xf\T* inX ttXoutiij'
elq Oeöq dcTTi (Toqpö^, buvaxöq 9' S^a Kai iroXüoXßo^.
55 ixr\bl 7Tapoixojji^voi(yi KaKOi? xpüxou xedv f\iiap'
ouK fri Tdp biivaiai tö tctut^^vov eTvai Stuktov.
|uif| irpoTTecyriq dq X^ipa, x«^'vou b' ÖTPiov fipiiv
TToXXdKi tdp TTXfiHaq d^Kiuv <p6vov ileiiXeooey.
"EcTTUJ KOivd TidOri* \xr\bkv jm^T« ^ilb' ött^pottXov
60 oub' dTaOov TiXeovdJov fqpu Ovt]toi(Tiv öveiap*
f| TToXXfj hk Tpu<pf| npö^ äaiiivov^ ?Xk€t' fpuiraq*
uniauxeT b' 6 ttoXu^ ttXoOto^ xal ^^ ößpiv deEei.
Oujuid^ airepxöjjievoq fiaviiiv öXoöqppova xeüxci.
öpT^i b' dativ öpeEiq, unepßaivoucra bfe juifiviq.
65 JfiXoq Toiv ^crOXaiv dyaOö^, qpauXwv b' dibnXoq.
TÖXjjia KttKUJV öXorj- ji^t« b' ujipeXei daOXd noveövra.
(Te^vöq fpiüq dperflq* 6 bfe Kuirpiboq aTcrxoq öqp^XXci.
f|buq fixav fiqppiüv KiKXrjcrKeTai dv noXiiiTaiq,
lüi^Tpuj fbciv, jui^Tpiu bfe TTieTv Kttl ^u9oXoT€U€iv.
70 fifj q)9ovtoiq dYa9ujv ^Tdpoiq, |uif| mö^ov dvdifiij*
äq)9ovoi Oöpavlbai kqI dv dXXfjXoiq T€X^9ouaiv.
ox) q)9ov^€i jjifivT] TToXü KpeiacrocTiv fjXiou autai?'
oö xÖu)v oöpavioiq uiiiui^acTi v^p9€V ^oOcra*
oö TTora^ol TreXdtecraiv dei b' ö^övoiav ^x^vaiy
75 €l tdp fpiq jjiaKdpecycTiv ^vfiv, ouk dv nöXo^ iav[\.
(TiuqppocruvTiv dcTKeiv, alcJxpwv b' fpTU)v dir^x^cföai.
|uif| fjiijjioO KaKÖTT]Ta, biKij b' dnaXdHou djiüvu)V
TTei9dj }xlv Tdp öveiap, fpi^ b' fpiv dvTiq)UT€Ü€i.
|uif| Tricrxeuc TdxKTTa irplv dtpeK^wq ir^pa^ öifiei.
80 viKÖv eö fpbovra^ iiti nXcövecrcri Ka9rJK€i.
49 vgl. p. 210-212 I 53 f. vgl. p. 234, 1 | 57 irpoir€Tf|^ | 59 vgl.
p. 206, 1 I 60 oW] oÖK p. 206, 1 | 63 öir€pxöfi€VO<; .... tiktci p. 206, 1 1
64 vgl. p. 206, 1 I 65 vgl. p. 206 f. Anm. | 68 ärav ä9pu)v p. 207 Anm. |
70 dvdi|;i3^ p. 207, 1 | 70—76 vgl. p. 224 | 71 und 75 vgl. p. 207 f. | 77 AIkij
6' dtröXEi^iov (dirdXciiiiov vulg,) dfiuvav, vgl. Hom. Od. p 364 diraXcHiFiaciv
KttKÖTHTO^ I
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XIX Üeber das Phokylideische Gedicht 267
KttXöv HeivKciv Tax^iwq Xiraiai xpaTTÄaiq,
f\ TiXeiataiq OaXiaicri ßpabuvouaaiq irapa xaipöv.
jiTib^ Ti^ öpviOaq KaXif^^ &}xa Tidvia^ dX^crOw
85 fiTiT^pa b' ^KTTpoXmijq, <yuv^XTI? (TauTtjj bfe veocraouq.
86 jjinö^iTOT€ Kplveiv dbarjjuiovaq fivbpaq ^dcTij?*
88 Tf|v (ToqpiTiv (To<pöq lOövei, x^xva? b' 6^ÖT€XV05•
ou x^pei |ui€T<iXTiv bibax^v dblbaKToq dKOurj*
90 ou tdp bf| vo^ouCt' ol ^1^b^7^0T' daOXd ^aOövTeq.
jiT]bt TpaireJoKÖpouq KÖXaKaq Troieiaeai ixalpou^*
TToXXoi tdp TTÖcrio^ Kai ßpiIxTiöq elcriv ^xaTpoi,
Kttipöv eomcOovreq, dirfiv Kop^aacrOai fx^^aiv
dxOö^evoi V öXiTOKTi KuneXXoiq Trdvreq ÄTiXiicyToi.
95 \af^ }xf\ martvc TroXuTpoTTÖg dcrxiv 8jjiiXoq'
Xaöq xoi Kttl öbujp Kttl irOp dKaxd^x^xa Tidvxa.
}xr\bi fidxTiv ^TTi m)p KaGlaaq jiivueoiq qpiXov fjxop*
fji^xpa bfe xeOx€ T^oicrr xö ^dp )üi^xpov ^axiv dpiaxov.
faiav dmiüioipäcyOai dxapxüxoiq vcKuecrcTi.
100 }xi\ xu^ßov qpOijji^vuJV dvopuEqq, juiTib' dO^axa
beiEijq i^eXiuj, Kai bai]iövtov x<^^ov öpcr^q.
ou KaXöv dp|ioviT]v dvaXu^jüiev dvOpiÜTToio'
Kai xdxa b' Ik fair\^ i\TX\Lo}xev iq qpdoq dXGeiv
Xeiijiav' dnoixo^^vuiv ömcriw x€ v^oi xeX^Oovxai.
105 i|iuxal tdp juiijjivouaiv dK^ipioi ^v qpOi^^voicriv.
TTveujuia f&p iCTx OeoO XPfl^^^^ OvnToTai Kai cIkuiv
a6j}xa Ydp ^K ToiTl? fx^l^^v Käneixa irpöq aö Tflv
Xu6^€Voi KÖvi^ ia\xi\' df|p b' dvd irvcO^a b^bCKxai.
ttXouxou )üif| q)€ibou* ^^jmvncT' öxi OvT]xdq im&pxexq.
110 ouK ?(yx' eiq *'Aibriv ÖXßov Kai xp^^öt' fiTccrOai.
Koivd jm^XaGpa böjuiujv alil)via Kai iraxplq "Aibiiq.
ndvxeq foov v€ku€^* m^uxuiv bk Oedq ßaaiXeuci.
83 vgl. p. 234, 2 I 85 dKirpoXiiroK; tv' ixr}(; aO xf)ob€ v€ooooö<; p. 284, 3|
87 iir\bi biKi\v biK&ar}<; irpiv dMqpui fuiOeov dKoOoi}^ p. 235, 2 | 91 öXitotai
KUir^XXoK Nauck für öUyoK; xal TroXXot<; | 92 vgl. p. 213, 2 | 97 iid irOp
vgl. p. 200, 1 I 98 ecotoi p. 200 f. | 99 vgl. p. 202, 1 | 100 (\ir\b' de^axo
5e(Ei3q ^eX{i|) vgl. Paulus sentent, i 21, 4 *quL corpus — sepulturae tradi-
tum . . . nudaverit et solis radiis ostenderit, piaculum committit* mit
Mommsen, Staatsrecht n p. 69, 3) | 103 vgl. p. 203 | 104 bk Ocoi p. 204 f.|
106 vgl. p. 203 f. I 107 f. vgl. p. 204, 1 | 109 öri Ovirröq vgl. p. 239, 2 |
110—115 vgl. p. 236 Anm. |
BeniAjrfl, gea, Abhandl. 17
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258 XIX Ueber das Phokylideische Gedicht
HUVÖ^ X^poq &TTam, 7T€Vn<Tl T€ Kttl ßacTiXeöcTiv.
ou TToXuv fivOpiüTroi MjLiev xpovov, dXX' ^ttI xaipöv
115 ijiuxiri b' dOävaxo^ Kai ä'fi\[Hjjq Ifji biä naviöq.
Oöb€\q Yivu)(TK€i Ti jiCTaüpiov f{ Ti ^€8* ujpav
äcTKOiröq iüTX ßpoTiSv KdjiaToq, tö hk }xi\\o\ äbiiXov.
}xi\Te KttKoTq fixöou, jultit' oöv InaTciXXeo x^Pf^fl-
TToXXÄKiq tv ßiÖTijj Ktti GapcraX^oicTiv äiricrTOV
120 m]\ia, Ktti dxOoji^voiai KaKoO Xüaiq fiXuOev aTqpvnq.
Kttipiö XaTp€U€lV, jUlTlb' dvTiTTv^eiv dv^jjioKTiv.
Mf| ^€TaXriTOpii;i qpuaujv <pp^va XucTcTiuOeiTiq.
€U€7TiTiv dOKcTv, f^ Tiq jidXa Tidviaq övti<T€i.
öttXov toi Xöto^ dvbpi T0)üiu)Tep6v ian aibrjpou.
125 ÖttXov dKdcTTiu vei^e Oeöq* qpucTiv i^€p6q)OiTOV
öpvicriv, TTiüXoiq TaxuTfjT', dXxfjv bk Xdoucriv
Tttupoiq b' auToqpiJTUjq K^pa dcTiiv* K^vrpa ^cXicTcrai^,
128 fjjiqpuTOV äXxap, fbujK€, Xötov b' fpu^i' dvOpOüiroiaiv.
130 ß^Xtepoq dXKticvTO^ fqpu (yecToqpicyjji^voq dvrip.
dtpouq Kai TTÖXia^ ao(pxr\ kqI viia Kußepvqi.
Oöx 8<Tiov Kpuirreiv töv dtdcTGaXov fivbp' dv^XetKTOv,
dXXd xp'l KttKÖepTOV djTOTpujTräcyeai dvappi*
TToXXdKi auv9Wi(TK0U(Ti KttKoi^ o\ (Tu^TTapcövre^.
135 qpujpujv \xi\ blBf} KXom^rjv dbiKüüv TrapaO/JKiiv *
djLKpÖTcpoi kXuj7T€^, Ktti 6 begd^cvo^ Ktti ö kX^hiq^.
Moipaq ji&ax v^jiciv iaÖTX]^ V dv näcriv äpicrtov.
138 dpxöjuievo^ qpeibou Tidviiuv, }xi\ T^pji' dmbeuij*
143 dpxöfjievov tö koköv KÖTireiv, ?XKoq t' dK^cTacrOai*
144 ii öXiTOU (Tmvefipoq dO^cTqpaToq aiGerai öXt].
140 Krfjvoq Ki^v ^xÖpoTo Tr^cnj koO' 6böv auv^TCipe,
141 TrXaJöjuievöv t€ ßoTÖv Kar' dTapmTÖv oöttot* dXuHei^*
142 ß^xepov dvr' ^x^poTo tuxciv <p(Xou eöjiev^ovToq.
145 'ETKpattq fJTop fx^iv, tiöv XujßiiTaiv b' ÖLTcixeaQav
139 juifj KTTivou^ GvTiToio ßopf|v Ktttd Xirpav ?Xiiar
117 Gdvaro^ p. 236 Anm. | 118 <X<Äp^^ bei den guten Dichtern
immer nur für 'Schlachtenlust*; die hiesige Stelle bildet die einzige Aus-
nahme; aber 'Freude' x^pd gieng nicht in den Vers) | 122 — 131 vgl.
p. 217 f. I 127 b' aÖToxuToi<; KCpdcaaiv p. 217,2 | 129 xf^^ bä eeoTTvcOarou
ao(pir]<i X6to^ iarly dpiaxo^ p. 216—219 | 131 vgl. p. 218, 4 | 132—134
vgl. p. 236 f. I 133 dTTOxpoirdaaeai dvdtKij p. 237, 1 | 137 juiotpa^ p. 237, 2 |
138—151 p. 237, 2 | 140 vgl. p. 197 f. 238 | 141 irXaZÖMCVov hk ßpox6v
Kai dXfmova \ir\ irox' ^X^x^ij^ p. 238 f. | 139 vgl. p. 239, 2 |
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XIX üeber das Phokylideische Gedicht 259
147 \xr\hl Ti Oripößopov baioij Kp^a^, äpyittocTiv bk
148 Xe(i|iava Xeme Kuaiv 6tipujv Stto Ofjpeq ftovtai.
149 qpdpjuiaKa )üif| xetixciv* jmaTiKWV ßißXwv dmixec^ax,
150 vniTidxouq äTaXoOq jüif) |üidpi|iir|^ x^^P^ ßiai(;i.
151 q)€OT€ bixoaracriiiv kqI fpiv iroX^^ou TrpoaiövTO?.
146 qpeOre Kairf|v q)ii|univ, qpeÖY' dvOpumouq dOe^icrioug.
152 jif| KttKÖv €Ö fpEijq' aneipeiv toov im' iv\ ttövtiw.
153 'EptdCeu, ^oxOwv ibg Ö Ibiwv ßioxetiijq*
154 Tidq Tdp dcpTÖq dvf|p hbei KXoirimjuv dirö X€ipuJV.
156 }xr]b^ dXXou irapd baixöq Äoiq <TKußdXi(Tjjia TpairÄri^,
157 dXX' dirö toiv Ibiiuv ßiorov bidtoiq dvußpicTxuig.
155 T^xvil TOI rp^cpei dvbpa^, dcptöv V Ti|iaTO \iix6q'
158 €l b^ Tiq Ol) b€bdTlK€ T^XVnV, (JKdTTrOlTO blK^XXlJ.
fern ßioq nav fpTOV, diri|v juioxOeTv ^O^XijcTOa.
160 vauTiXog €l 7TXa)€iv fO^Xeiq, eupeia OdXaacTa*
el hk T€ti7T0v{t]V ji€9^7T€iv, jjiaKpai toi dpoupai.
oubfev äv€u KttjuidTou TT^Xci dvbpdcTiv eÖTreife^ fpTOv,
oub' auTOiq jüiaKdp€(T(Tr növo^ b' dp€Tf|v ji^t' öcp^XXei.
jiöp|uinK€q, "faxK]^ ^uxdrouq TrpoXcXonrÖTC? oIkou^,
165 fpxovrai ßiörou Kexpiiii^voi, öttttöt' dpoupai
xyjia K€ipd^6vai KapTTUJV TiX/jOiuaiv dXujd^*
o\ b' axnoi TTupoio veoTpißfe^ äx^oq lxo\>0\v^
f[ KpiOtJV a\e\ bk qp^piuv q)op^ovTa biuixei,
Ik Bipeo^ ttotI x^ijia ßopf|v acpex^priv (TuvdTOVTeg,
170 fixpuTor <pOXov b' öXiTOv xeX^Oei iroXüjioxOov.
Kdjuivei b' i^cpocpoixi^ dpi<Txo7TÖvoq x€ ixikxaaa
f\ TiiTpr\(; KolXriq xaxd xiipa^öv f[ bovdxcaaiv
f\ bpudg d)YUTin? Kttxd KOiXdbaq JvboOi ai^ßXuJV
aixi\vea\ jiupiöxpiixa xax' ÖTTca Kiipobo)üioOaa.
175 Mf| juieivijq dtaiio?, }xi\ ttuü^ vu)vu|uivo5 ö\r\a\'
böq XI qpücTei Katixöq, x^xe b' fjumaXiv, u)q dXoxeuOiiq.
|uif| 7rpoaTu)T€uaijq dXoxov, aio x^xva ^laiviuv*
ou TÄp xixxei naTbaq öjjiolouq jioixixd X^xxpa.
jirixpuifiq )üif| i|iaO€ xd beüxepa X^xxpa Tovfioq*
147 f. vgl. p. 239 f. I 147 enpößopov vgl. p. 240, 1 | 148 efjpc^ h'
dir6 eTip6q p. 241, 1 | 149 vgl. p. 241 | ßCßXufv p. 241, 2 | 150 ßia(u)(; |
151 (iroXd^oü irpooiövxo? wie Thukyd. n 36, 3 ^mövxa iröX€MOv> | 152 vgl.
p. 213 f. I 155 f. p. 241, 3 | 162 f. vgl. p. 209 | 173 KOiXdboq | 174 ärfca
Ruhnken für dvOca |
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260 XIX Üeber das Phokylideische Gedicht
180 \ir\Tlpa b' S}q Tijjia Tf|v \xr\Tlpoq Txvia ßäaav.
182 }xr\b' iiii TraXXaKicriv Tiaxpö^ Xex^ecrcTi junTein?-
181 iir\hi KacTiTVtiTTiq iq dTröxpoirov dX9e^€v euvriv
194 iix\hi KacTiTvrJTuav dXöxujv ItA b^jivia ßaiveiv.
183 juiTibfe T^vfi (pGcipoi ßp^qpoq fjjißpuov fvboOi faarpöq,
|uiT]bfe TCKoOaa kuctIv ^iipr) kqI t^M^'^v ?Xa)pa.
185 }xr\b' iiii afji dXöxtu ^t^ümovi X^ipa ßdXriai.
jiTib' au TiaiboTÖvov t^^veiv qpücTiv fipaeva Koupou.
juiTib' dXÖTOK l\Sjoxai ßariipiov tq X^xo? ^XOeiv*
juiTlb' ößpiCe T^vaiKtt^ ^tt' alcTxuvroT^ Xex^eacriv.
juifj napaßfi^ euvd^ qpuaeuj^ iq KÜTipiv fiOeajuiov
190 o\)V auToTq OTjpecTcri auveüabov fipcreveq euvai.
}xr\hi Ti GriXOrepai X^xo? dvbpwv }x\}i(\aa\wo.
juiTib' i^ fpujxa TwvaiKÖ^ diiaq ^eu(Tr|^ dKdOeKxoq.
193 oö Ydp "Epuj^ Geöq toti, TidOo^ b' dibT]Xov dirdvrujv.
195 (TT^pTe Tcfjv dXoxov xi tdp fibuxepov kqi fipeiov,
f{ öxav dvbpi Tuvf| qppov^n <piXa Tnpaoq fixpi^i
Kai TTÖcTiq fj dXöxuJ, W^' ^MTidcnj fivbixa veiKoq;
|uiT]b^ xi^ djuivi^axeuxa ßiij Koupijai juiiTein-
juiilbfe Y^vaiKa KaKTjv troXuxpiijbiaxov okab' fiT€<yOar
200 XaxpciicJei^ dXöxuJ Xutpfl X<ip^v eWcKa qpepvn^.
^nnovq euTevda^ biJf^jjieOa Y^iapöxa^ xe
xaupouq öifiixevovxa^, dxdp (TKuXdKWV Travatpf^aq*
TTifiai b' oÖK dTaOf|v ^pibaivo^€V fiqpvo^ dXövxeq,
oubfe T^vfi KaKÖv fivbp' diravaivexai dcpveöv övxa.
205 )Xf]bl TdjüiuJ tdjbiov dXXov 5toi? ^^^h ^i^l^axi Tifijia.
}xr\h' dji<p\ Kxedvujv (Tuvo^aiiiocyiv ei^ ?piv fXOij^.
TTaicriv jif| xaX^^aive xeoi^ dXX' nmo^ eXr\<;'
f|v hi XI Tiai^ dXixq, kujXu^xu) ul^a iii\rr\p,
t\ Kai TTpeaßüxaxoi T^vcfjq f{ br\ixofipovreq.
210 juifj jifev dir' fipcTevi Tiaibi xp^qpeiv nXcKa^iiiba x«ittiv
^f| KOpuqpfjv ttX^Ei]^ juifie' &|ji^axa XoHd Kopujißujv
äp(T€(Tiv ouK inioxKe ko^Sv, xKxbai bk Y^vaiHiv.
TTaiböq b* €Ö^öp<pou qppoupeiv vcoxiimov &pr\v'
TToXXol Ydp XiKTcTtjai npöq fipaeva fiiHiv fptjxoq.
188 xuvalK' aioxwvnipot^ ^ir^eoaiv | 194 habe ich nach 181 gestellt |
200 XuTpfl^ I 201 vgl. p. 213, 2 | 202 (iravorfpciouq Porson Advers, p. 306
der engl. Ausg.) | 203 äipvo^ 4Xövt€(;] d9pov^ovT€q | 205 vgl. p. 243,2 | iiri|
208 f. vgl. p. 244 I 208 dXina ac koXou^tiu |
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XIX Ueber das Phokylideische Gedicht 261
215 TiapGeviKTiv bi (pvXaaae ttoXukXcicttoi^ 9aX4jioi(Tiv
}xr\bl )uiiv äxP* ta^juv Tipö b6|jiu)v ö<p8fj)uiev t&Crjq'
KdXXo^ bu(TTr|pTiTOv fqpu Tiaibiüv TOK^e(T(Tiv.
Zt^PTC q)iXouq ^XP*? OavAxou, TricTTiq t^P Ajüieiviuv.
(TuTTtv^aiv qpiXÖTTiTa v^jütoi«; bair\y 0' 6^6voiav.
220 albeiaOai TroXiOKpoxdcpouq, cTkciv hk T^pouaiv
gbpil? Kai TepÄuDV ttAvtu)v TCveQ OaXeOovra^.
irpeaßuv 6ji/jXiKa iraxpö^ \aaxq Ti|jiaT<Ti flpaxpe.
raaxpöq dqpeiXöji€vov bacrjjidv irap^xou OepdTTOuaiv.
boiiXifi xaKTÄ v^jioiq, iva xoi KaxaOumo^ eft].
225 (TxiTjüiaxa }xi\ Tpdiiiijq, ^Trovcibßwv Oepdirovxa.
boöXov \ii\ ßXAijiriq xi, KaiaiYop^ujv irap' fivaKXi.
Xdjuißave Kai ßouXfjv Tiapd bouXou dücppov^ovxo^.
[dTV€iT] Miuxfl?, ou auijuiaxöq elci KaOap^oi].
TaOxa biKaiocTuvn? MucTxfipia, xoTa ßieOvxeq
230 2ujf|V ^KxeX^oix' dtaOfiv ji^xp* irtpao? ouboO.
221 T€V€tl b' drdXavTOv p. 245, 1 | 222 vgl. p. 245, 2 | 223 vgl.
p. 245, 3 I 225 vgl. p. 246, 1 | 227 irapÄ oIk^tou eO ippov^ovroq p. 246, 2 |
228 p. 247, 1 I <oö statt toO mündlich am 4. Oct. 1879 mir von Bergk
mitgetheilte Conjectur [vielmehr hs.liche Lesung] im Simie des epidauri-
schen Epigramms, s. Theophr. Schrift üb. Frömmigkeit p. 176 f.) | 229 f.
vgl. p. 247 f.
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XX
PHILON'S HYPOTHETIKA
UND
DIE VERWÜNSCHUNGEN DES BUZYGES
IN ATHEN.
Monatsberichte der Egl. Akademie der Wissenschaften za Berlin
von 1876, October p. 589--609.
589 Eusebios leitet die Mittheilang der Bruchstücke aas einer
verlorenen Schrift des Philon, welche das sechste und sie-
bente Gapitel des achten Buches seiner "evangelischen Vor-
schule* fttUen, mit folgenden Worten ein (p. 355*» Viger.): Tipurra
bfe 8fi<Tuj 0iXu)voq TÄ nepl rfi^ dir' AItutttou Tropciaq täv 'loubaiujv,
f\y TTeiroCiivTai MwcT^wq fiTOujji^vou, dirö toO 7rpd)T0u (TuTTpdjbiiuia-
Toqdbv dTT^TpOMiev TttoGctikiöv, fvGaTÖvÖTifep loubaiwv, db^iTpdq
KaniTÖpou^ auTwv, iroioü^evo^ Xötov raOid cpriaiv. Der Verfasser
des bisher einzigen Gommentars zu dem Werke des Eusebios,
der in philologischen Kreisen durch seine Arbeit über die grie-
chischen Sprachidiome bekannte Franciscus Vigerus, ward
durch den Titel TiroOcTiKd in Verlegenheit gesetzt, und er sucht
sich aus derselben durch ein Auskunftsmittel zu retten, das für
einen vorwärts eilenden Gommentarschreiber verzeihlich sein
mag. Statt sich umzusehen, ob nicht TiroOeriKd auch sonst
noch als Titel einer bestimmten S^hriftengattung vorkomme,
begnügt er sich mit einer vermnthungsweisen Erklärung, wie
sie aus der ersten besten Bedeutung des vieldeutigen Verbums
urroTiOecrOai entsponnen werden kann; er sagt 'si ex praesenti
fragmento coniecturam ducere liceat, id ei placuisse nomen vi-
detur, quod hoc in opere xaO' ÖTiöOecriv ut plurimum disputaret
ac frequenter dilemmate proposito, alterutrius partis optionem
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XX Pbilon'8 Hypothetika 263
daret, sie tarnen ut ex atraque postmodam Ka9' uiröOemv inge-
niöse tractata saam in rem argumenta dnceret". Dieser Versach,
den Titel TTToGeTiKot zu erklären, ist während der zwei seit
Vigerus verflossenen Jahrhunderte, meines Wissens, durch keinen
anderen ersetzt worden; noch Ewald wiederholt im Wesentli-
chen Vigerus' Worte, nur mit dem Unterschiede, dass er apo-
diktisch hinstellt, was Vigerus bescheiden als eine blos 'aus
dem vorliegenden Bruchstück geschöpfte Vermuthung' vorgetra-
gen hatte. Ewald's Aeusserungen lauten (Gesch. des Volkes
Israel 6^ 304): Thilon kleidete die Beweisführung in Ver-
muthungen ein, als müsse man sojgar nach blossem Muthmaassen 590
und zweifelndem Forschen die eigenthümlichen Ansichten und
Sitten der Judäer itir die besten halten. So überschrieb er
dieses Buch ''Muthmassliches über die Judäer". — Wie ist es nun
aber thatsächlich mit diesen 'hypothetischen' Einkleidungen be-
wandt? In dem zweiten, das jüdische Gesetz besprechenden
Abschnitt, welcher Eusebios' siebentes Gapitel füllt und doppelt
so gross wie der erste ist, finden sie sich gar nicht; und in
dem ersten Abschnitt, welcher in dem kurzen sechsten Gapitel
des Eusebios vorliegt, sind dilemmatische und 'muthmassliche'
Wendungen nur zweimal anzutreffen. Philon behandelt dort den
Auszug aus Aegy pten und die Eroberung Palästina's ; beide Er-
eignisse sollen, 'den Widersachern der Juden gegenüber', deren
Bekämpfung er, nach Eusebios' eben (S. 262) angefllhrten Wor-
ten, unternimmt, in ihr wahres und damit zugleich in ein den
Juden günstiges Licht gesetzt werden. Zunächst will er die
Schmähsüchtigen zurückweisen, welche Moses, den Leiter des
Auszuges aus Aegypten, einen Hexenmeister und pfiffigen Be-
schwätzer (töti? Kai K^pKUJui XÖTwv) gescholten hatten. Philons
Verfahren hierbei ist nicht geschickt, weil er allzu offen von der,
freilich den meisten Apologeten eigenen, Voraussetzung ausgeht,
dass die Angreifer nicht bibelfest sind. Als wenn die Bibel
nicht deutlich und häufig genug von den Auflehnungen der aus
Aegypten Befreiten gegen ihren grossen Führer berichtete, wagt
Philon zu behaupten, dass der lange Zug durch die Wüste trotz
aller Beschwerden und Gefahren in stets unerschüttertem Ge-
horsam des Volks gegen Moses verlaufen sei. Und aus dieser
Behauptung weiter folgernd, richtet er dilemmatische Fragen an
den Gegner : |
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264
XX Philon'fl Hypothetika
591 Was beliebt dir nun ? Sollen wir
sagen, Moses habe solche Rede-
kunst oder Redegewalt oder sol-
. che Einsicht besessen, dass er
so unzähliger nnd grosser, mit
allgemeinem Untergang drohen-
der Fährllchkeiten Herr werden
konnte? oder aber die ihm Un-
tergebenen seien nicht rohen und
widerspänstigen, sondern füg-
samen und besonnen die Zu-
kunft erwägenden Sinnes gewe-
sen? oder jene seien allerdings
schlecht gewesen, Gott aber habe
ihreWiderspänstigkeiten ausge-
glichen und gleichsam als Len-
ker ihrer Gegenwart undZuknnft
eingegriffen? Welche von diesen
Annahmen immer dir richtig
scheinen mag, jede muss offen-
bar allen Betheiligten Lob, Ehre
und Bewunderung eintragen.
KaiToi Ti ßouXei; cpui^ev dKeivifj
TlVOt €lvai TOCTaÜTTlV TexvTiv f^
beivÖTTiTtt XÖTuiv f| (rtvecriv, ib^
TUJV TOaOÜTU)V Ka\ TOIOÜTUJV dlÖ-
TTUJV Ka\ TTpöq dXeOpov &TravTo^
dTÖVTwv ^TTiKparciv; fj äpa (so
statt Totp) Täq qpuaeiq vjjv utt'
aÖTÖv dv9piI)TTUJV oök djmaO&q
oOb^ bucTKÖXujq dXX' €ÖTr€i9uiq
Kttl ToO im^XXovTO^ ouK dirpovorj-
Tiuq fX€w; ftxouTOuq jifev dbq juid-
XtaTa KQKou^ elvai, töv bi. Oeöv
läq bucTKoXia^ aÖTUJV 7Tpa0v€iv
Kttl ToO TrapövTO^ Kai toö jli^XXov-
Toq dlcTirep ^TTiötaTeTv; öirep tdp
aoi jidXiaTa av ^k toutujv dXii-
Otq elvai böHij, irpö^ ^naivou
Ka\ Tijuifi^ Kai CrjXou nepi auTujv
<Tu^7^dvTUJV toxiiciv cpaivcxai
(p. 356'» Viger.)
In ähnlichen Doppelfragen behandelt dann Philon noch die Ein-
nahme Palästinas. Er will dem ' höhnenden Spötter gegenüber
nicht die in den heiligen Urkunden O^pal dvatpaqpai) aufbe-
wahrte geschichtliche Ueberlieferung geltend machen, sondern
sich auf die Erörterung der allgemeinen Wahrscheinlichkeit be-
schränken. Er ruft demnach dem Gegner zu p. 356 ^ :
Welche von beiden Annahmen
ziehst du vor? Sollen wir uns
die in Palästina Eindringenden,
trotz der in der Wüste erdulde-
ten äussersten Noth, zahlreich,
kräftig und gerüstet genug den-
ken, um im Wege der Gewalt
das Land erobern und die ver-
einigten Syrer und Phöniker, |
592 welche ihre Heimath vertheidig-
ten, bei^iegen zu können? Oder
TTÖrepov Tdp irore ßoiiXei; tijj
TrXfiOei TUüV (Tuj^dTuiv ?ti nepiöv-
Ta^, Kainep €lq teXo^ KeKaKui-
H^vouq, 8^^lq b' laxwovra^, Kai
xd öirXa iv x^pcxW fxovra^,
eTta Katd Kpdro? dXcTv Tf|v x^-
pav, Ziipouq T€ 6|io0 Kai 0oi-
viKaq iv auTTJ tt| £k€ivujv t4
jmaxojui^vdu^ viKoivra^ ; f| xoug |
ixlv &no\i}xo\)q Kai dvdvbpouq
cTvai Kai TravreXui^ öXi^ou^ utto-
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XX Philon's Hypothetika 265
sollen wir sie uns als ankriege- Oui^eOa kqi tujv eiq TiöXeiiov
risch und schwächlich, in sehr ee- ^ - > ' zv^
rmger Anzahl und ohne Kriegs-
geräth denken und glauben, die öfe tuxcTv napct toutoi^ Kai Tf|v
alten Einwohner Palästinas hat- ^^ ^aßeiv irap* ^kövtujv, fireita
ten in einem Gefühl von Ehr-
furcht ihnen freiwillig das Land ^' ^^Ö^« OÖK €l? MttKpdv TÖV
abgetreten, in welchem sie dann t€ vewv okoboMflaai kqI täXXa
alsbald den Tempel erbauten und , , ,^
die übrigen gottesdienstlichen '^« ^ua^ßeiav xal aTi<TT€iav kq-
Einrichtungen trafen? TaairjcracrOai ;
In dem ersten Falle würde Ihre Tapferkeit, in dem zweiten, wie
Philon dann weiter ausführt, ihre auch den Feinden Achtung
abnöthigende Frömmigkeit Anerkennung verdienen.
Der Leser kann nun selbst urtheilen, von welcher Art die
'Hypothesen' sind, welche angeblich dem ganzen philonischen
Werk, aus dessen 'erstem Buch' (dnö toO irpiÖTou (JuTTP<iw^otToq
oben S. 262) Eusebios schöpft, das mithin mindestens zwei Bü-
cher umfasst haben muss, den Titel ^YTToOeriKd verliehen haben
sollen. Es sind alltägliche stilistische Formen, wie sie sich bei
jeder etwas lebhafteren Polemik ungesucht einfinden ; ihr zwei-
maliges Vorkommen in den ungefähr sieben Octavseiten einneh-
menden Auszügen des Eusebios berechtigt nicht zu weiteren
Schlüssen auf die gesammte Einkleidung des philonischen Werks;
und sie als Anhalt für die Erklärung des Titels zu verwenden
konnten nur diejenigen sich verleiten lassen, deren Kenntniss
des Griechischen nicht ausreichte, um für TiroOeTiKd eine an-
dere Bedeutung als 'Hypothesen' in dem jetzt gangbaren Sinn
aufzufinden.
Nach einer solchen, für den vorliegenden Fall passenden,
braucht man jedoch nicht lange zu suchen. Wie jedes vollstän-
digere Wörterbuch ausweist, bedeutet urroTiOecTOat, von Homer
an durch alle Zeitalter der griechischen Sprache hindurch ' Rath
an die Hand geben' und das von diesem urroTidecrOat gebildete
Substantiv uTToOrJKii diente ebenfalls von früher bis in die spä-
teste Zeit zur Bezeichnung der Schriften, die sei es in dichteri-
scher oder gewöhnlicher Rede Rathschläge über sittliche Führung
im Allgemei|nen oder Anweisung für das Verhalten in bestimm- 593
ten Lebenslagen ertheilten. In der hesiodischen Schriftensamm-
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266 XX Philon'8 Hypothetika
lang befand sieb ein paränetisebes Gedicbt, in welebem der
Kentaar Cbiron seinem Zögling Acbilleus gute Lebren gab,
unter dem Titel Xeipujvoq urroOfiKai (Marckscbeffers Hesiodi
fragm. p. 175); Solons Selbstermabnungen, aus denen so herr-
liche Reste erhalten sind, beissen TnoGiiKai ei? iauxöv (Dioge-
nes Laertius i 61); und in der isokratischen Schrift an den
Nikokles (§ 3) wird die ältere gnomische Dichtung überhaupt
Tuiv TToiTiTiüv u7T0Öf]Kai dj? XP^I 2fjv genannt. Auch Demokritos*
moralische Abhandlungen treten unter der Benennung TiTo9f)Kai
auf (Dionysios beiEusebios praep. evang.xiv 27,5 p.782* Viger.);
und noch unter Galenos' Werken finden sich ärztliche Verhal-
tung'sregeln für einen unglücklichen Knaben mit der Aufschrift
Ttu dTTiXTiTTTiu TTttibi u7ro9TiKTi (t. XI p. 357 Kübu). Aus dieser
bereits in der Litteratur eingebürgerten Bedeutung von uTroOrJKr)
entwickelte sich nun zunächst in der akademischen und stoischen
Philosophenschule uiroOeTiKÖ? \6joq zu einer festen terminologi-
schen Bezeichnung für die philosophischen Vorträge, welche nicht
die ethischen Fragen theoretisch behandelten, sondern die ethi-
schen Theorien in praktische Vorschriften zu unmittelbarer An-
wendung umsetzten. Wie weit oder wie eng der Kreis für den
uTToOeTiKÖq \6foq zu ziehen sei, welche über- oder untergeordnete
Stellung er im Verhältniss zu anderen Haupttheilen des vollstän-
dig ausgearbeiteten Systems einnehmen solle, darüber bestanden
unter den Mitgliedern der genannten Schulen Meinungsverschie-
denheiten, welche dann auch zu grösseren oder geringeren Ab-
weichungen bei scharfer Abzirkelung einer Definition desselben
führen. Jedoch über die Richtigkeit der eben angegebenen
Grundbedeutung von \jiTo6€TtKÖ^ \6foq innerhalb der akademi-
schen und stoischen so wie überhaupt der späteren Ethik ^ kann
kein Zweifel obwalten.
Zum Beleg genügt die Verweisung auf zwei Grundrisse
einer systematischen Eintheilnng der Ethik, welche Stobaens im
siebten Gapitel seiner ethischen Sammlung aufbewahrt hat.
594 Der eine ist | entworfen von dem Lehrer und Freund Cicero's,
dem Begründer der sogenannten vierten Akademie (SextusiZ^o^yp.
1 Dass in der stoischen wie in jeder anderen Logik C^itoOctikoI Xötoi
'hypothetische Schlüsse' bedeuten, soll natürlich nicht geleugnet und
braucht kaum bewiesen zu werden. Eine Beihe sie behandelnder Bücher
des Chrysippos ist bei Diogenes Laertius vii 196 verzeichnet.
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XX Philon's Hypothetika 267
I 220), Philon von Larisa. Er sucht einen Vergleich zwischen
dem Verfahren des Arztes und des Sittenlehrers durchzuführen
und gelangt auf diesem Wege zu einer Gliederung des ethischen
Vortrags in sechs Haupttheile. An die Spitze tritt der in zwei
Unterabtheilungen zerfallende ttpotpctttikö^ Xöto^. 'Denn wie
es Au%abe des Arztes ist, erstlich den Kranken für sein Heil-
verfahren zu gewinnen und dann die UnStatthaftigkeit der von
Anderen gemachten Vorschläge darzuthun, so muss auch der
TTpoTpcimKÖg XÖTO^, welcher zur Tugend anspornen soll, einerseits
das Wohlthätige derselben aufeeigen, andererseits die Leugner,
Ankläger und sonstigen Verkleinerer der Philosophie widerlegen'
(ton T«P 6 TTpOTpeirriKd^ 6 TTapopjiuiv tili Tf|V dperriv toutou b'
8 jifev imbciKVirrai tö jieTaXujipeXfeq aöifl?, 8 bfe Tovq dvacJKeu-
dCovraq f[ KairiYopouvTaq fj ttuj? fiXXujq KQKOTiOiJoji^vouq Tf|v <pi-
XocToqpiav direX^rxei Stobaeus ecl eth. 7, 2 p. 40, 6 Wachsmuth).
Und den Schluss der sechsgliedrigen Reihe bildet eben der
äiroGcTiKÖ^ XÖToq, dessen Bestimmung ist, 'allen denen, welche
wegen Zeitmangels den weitläufigen theoretischen Auseinander-
setzungen (bieEobiKd TrXdTTi) nicht folgen können, in abgekürzter
Form die zu sicherem und richtigem Handeln in den verschiede-
nen Lebenslagen dienlichen Rathschläge zu geben' (dTreicreveKT^ov
TÖv ÖTToOexiKÖv XÖTov, br ou Td^ TTpöq Tf|v dcrqpdXeiav Ktti Tf|v
ipOöniTa if\% iKdarou xpn<y€ujq öiroO/JKa^ ^v diriTO^aiq SoucTiv
p. 41, 23 Wachsm.).
Der zweite Grundriss rührt von Eudoros, einem Zeitge-
nossen Strabons her, der zwar Akademiker heisst, aber wie die
meisten späteren Akademiker eklektisch zu Werke ging und in
diesem Eintheilungsversuch sich sehr eng der Stoa anschliesst,
deren Definitionen er meist unverändert aufnimmt. Er zerlegt
das Gebiet der Ethik in drei Haupttheile, insofern bei derselben
*die Erkenntaiss, die Willensrichtung, das Handeln' in Betracht
kommt (GeuipTiTiKÖv \ öpjjIti|tiköv, ttpcktiköv p. 42, 23 Wachsm.). 595
1 Diese Dreitheilung der Ethik findet sich in manchmal etwas
schwerfalliger üebersetzung aus dem Griechischen bei Seneca ep. 89, 14
'moralem (philosophiae) partem ... in tria dividi placuit, ut prima esset
inspeotio suum cuiqne distribuens et aestimans quanto quidqne dignum
Sit (dies ist ein nicht eben gelungener Versuch, den griechischen Ausdruck
Oeuipia t^ xae* ^Kaarov dg(a^ bei Stobaeus p. 42, 14 Wachsm. wiederzu-
geben) . . . secunda de actionibus, tertia de impetu. primum
enim est, ut quanti quidque sit iudices. secundum, ut impetum ad iila
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268 XX Philon's Hypothetika
Innerhalb der vielen Unterabtheilungen, in welche sich diese
Trichotomie verzweigt, wechselt nun nach den verschiedenen
Ansichten die Stellung des irpoTpeTTTiKÖ^ Xöto^ und sein Ver-
hältniss zum uTToOexiKÖ^. Das eine Mal wird der irpoTpeTTriKÖ^
dem ersten, die theoretische Erkenntniss behandelnden Haupt-
theil eingeordnet^ indem von der, jenem ersten Haupttheil zuge-
gewiesenen, Darstellung der Tugenden gesagt wird, sie sei eine
allgemeine und eine besondere; die besondere bespreche die
vier Cardinal- und die übrigen Tugenden; die allgemeine sei
das npoTpcTTTiKÖv; denn hier solle nur Tugend und Laster über-
haupt vorstellig gemacht ^ werden. Die Einfügung des TipoTpeTm-
KÖ^ in den ersten theoretischen Haupttheil war jedoch bestritten.
Denn, wie Eudoros weiterhin berichtet, setzten andere Philoso-
phen den TTpoTpeiTTiKÖ^ in die nächste Verbindung mit dem utto-
GcTiKÖq, der begreiflicherweise dem dritten, das Handeln erör-
ternden, Haupttheil zufällt. *Die erste Unterabtheilung dieses
dritten praktischen Theiles soll dem Menschen gewisse Hand-
lungen nahe legen, und dies ist die Aufgabe des öttoOctikö^
und auch des TipoTpeiTTiKÖ^, den Einige hierher rücken, während
die zweite Unterabtheilung von gewissen Handlungen entfremden
und abmahnen soll in einem, mit wechselnder Terminologie, von
Einigen irapa^udiiTiKÖq, von Anderen TraOoXoTiKÖ^ genannten
596 Vortrage '2. -- Wie wesentlich der in | diesen Angaben hinlänglich
capias ordinatum temperatumque. tertium, ut inter impetam tuom actio-
nemque conveniat". Die Natur der Sache, die Vergleichung mit Eudoros
und die bei Seneoa selbst folgende Begründung lehrt deutlich, dass die
von Fickert und Haase aus den Handschriften aufgenommene Zählung
secunda de tietionibtis tertia de itnpetu verkehrt, und die bereits in den
älteren Ausgaben gemachte Aenderung secunda de impetu, terUa de actio-
nibtta richtig ist.
1 Der gangbare Text des Stobaeus lautet freilich noch in Meineke's
Ausgabe p. 16, 31 : toO |li^ ircpl dp€TU)v t6 h^v koivöv, t6 b' tftiov koiv6v
\iky otov iT€pl 6iKaioai!iviiq) iiEpi dvbpcia^, auiqppoauvr)^, 9pov/|aeu)(, tiXiv
öXXuw Ibiov hi TÖ TTpoTpcTTTiKÖv TOÖTO T^p elq t6 fiövui^ ivbeiSaoeai Ti?|v
dp€Ti?|v Kai Tf|v KOKiav. Der obigen Uebersetzung liegt die wohl von
selbst einleuchtende, [jetzt von Wachsmuth p. 43, 11 anerkannte] Aende-
rung tbiov \iiv olov Tr€pl 6iKaio(n!rvr)( und koivöv bi tö irpOTpeimKÖv zu
Grunde.
2 P. 44, 12 Wachsm. : ö ixt)f irepl täv oIk€ioOvtu)v irpö^ Tiva^ irpdEci^
öiaipctrai etq t€ t6v (iitoOctiköv küI t6v irpoTpeirriKÖv * Cvioi t^P ^^^ toO-
Tov (nämlich töv irpoTpEirriKÖv) öirö TÖvöe (nämlich t6v irepl rf^ irpdScuiq
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XX Philon's Hypothetika 269
geschilderte tÖTroOeiiKd^ X6to^ für die spätere stoische Ethik
geworden war, erkennt man daraus, dass unter den Abweichun-
gen, welche Zenon's Schüler, der Chier Ariston, von dem schul-
mässigen System sich gestattete, seine Beseitigung des die
einzelnen Handlungen vorschreibenden uTToOeiiKÖ^ X6to? von
den Berichterstattern mit voraüglichem Nachdruck hervorgehoben
wird. Solche Einzel Vorschriften, meinte Ariston, der auch in
der Ethik das Hauptgewicht auf die theoretische Erkenntniss
legte, seien nicht Sache des Philosophen, sondern der Ammen
und I Hofmeister ; der Philosoph habe seine Aufgabe erfüllt 597
und zugleich eine alle Einzelheiten umfassende Lebensregel mit-
getheilt, wenn er das richtige theoretische Wissen von Gut und
XÖTOv) TdTTOuaiv. ö bi ircpl tOüv diroTpeirövriuv KaXclrai trapajLiuOriTiKÖ^,
6^ KaXoO^€v6^ iöTX irp6^ iviiuv traOoXoTiKÖ^. Der iTapa]Liu6r|TiKÖ(;, welcher
in der Bedeutung von 'Trostschrift' allbekannt und in unserer plutarchi*
seilen Sammlung durch zwei Proben vertreten ist, gelangt innerhalb der
stoischen Schule zu der hier Von £udoros angegebenen weiteren Bedeu-
tung vermittelst der stoischen, auch von Eudoros befolgten Definition von
irdOo^ als einer 'übermässigen Willensregung* (öp^iP) irXcovdJouaa p. 44, Ö
Wachsm.). Indem nun der beschwichtigende Zuspruch des irapa^u6r|TtKÖ(
diese ungeregelte Aufwallung des leidenschaftlichen Willens zur regelrech-
ten Haltung zurückführt, kann er die 'Abmahnung* von jeder sittlich
tadelnswerthen Handlung in seinen Bereich ziehen. Hiemach ist es auch
begreiflich, wie iraSoXoTiKÖ^ ein von einigen vorgezogenes Synonymum zu
trapa|Liu6r)TiK6^ sein konnte. — Seneca berichtet epist 95, 65 'Posidonius
non tan tum praeceptionem . . . scd etiam suasionem et consolationem
et exhortationem necessariam iudicat'. Da Poseidonios offenbar trapa^u-
Otitikö^ in der weiteren, von Eudoros erörterten Bedeutung gebraucht, so
ist Senecas Uebersetzung consolaiio nicht zutreffend. Eher würde dissuasio,
entsprechend dem dTTOxp^irciv des Eudoros, brauchbar sein. — Nur mit
Hilfe der von Eudoros gegebenen terminologischen Erläuterungen lässt
sich das einleitende Capitel zu dem TTaibatuJtö^ des Alexandriners Clemens
wirklich verstehen, indem man nämlich erkennt, dass Clemens auf seinen
christlichen Xöyo^, als auf die wahre Philosophie, die in den Philosophen-
schulen üblichen und mit festen Termini bezeichneten Xöyoi überträgt;
Als kleine Probe genüge folgender Satz, der für seinen TTaibayuJYÖi; die
Würde des philosophischen (itroOcTiKÖ^ und trapa^uOriTiKÖ^ in Anspruch
nimmt: trpd^uüv t€ Äitaaü»v ö X6to^ imaxaTCt ö öiroOcTtKÖ^, jdöd
irdOT] ö irapa|LiueT|TiK6^ lörm, ct^ iliv ird^ ö aÖTÖ? oöto^ Xöto^ ty^^
ouvrpöcpou Kai KoaiiitKf^q ouvTiOcia^ ^EaptrdJIwv tAv dvOpumov, cl^ hk t^jv
^ovÖTpotrov Tf^q ei^ Ocöv iriorcw^ aumipiav irai&atu)T*Jöv. Und bald darauf :
viivl h^ (in der vorliegenden Schrift) OepaircuTiKÖ^ re div xai öitoOctikö^
fifia d^qKU ktX.
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270 XX Philon's Hypothetika
Böse bei seinen Schülern zur Ueberzeugang gebracht habe^.
598 Eine derartige wisisenschaftliche Vornehmheit blieb jedoch anch
in den früheren Perioden der stoischen Schule immer vereinzelt;
und je weiter besonders in der römischen Zeit die stoische Spe-
culation von der praktischen Sittenpredigt zurückgedrängt wurde,
mit desto grösserem Eifer musste von den stoischen Tugend-
lehrem und Tugendschwätzern der uTroOeiiKÖ^ Xöto^ gepflegt
* Für die Art, wie Seneca seine griechischen Quellen benutzt, ist es
lehrreich, seine Berichte über Ariston mit einem bei Sextus Empiricus
erhaltenen zusammenzustellen :
Sextus (idv, matheni, vn 12 Seneca epist 89, 13
'ApiJTUJv bä ö Xto^ oö fiövov, Ariston Chius non tantum superva-
ih^ (paaiy itapijTCiTO Tf\y t€ cuas esse dixit naturalem et rationa-
q)uaiKy|v Kai XoTiKf)v Ocwpiav lem(partemphilosophiae),sedetiam
biä t6 dvu)q)€X^(; xal trp6^ xa- contrarias (=trp6^KaKoOSextu8Z.4.)
5 KoO Tot^ q)iXoaoq)oOaiv öirdp- moralem quoque, quam solam reli- 5
Xeiv, dXXA Kai toO ^GikoO tö- querat,circumcidit.nameumlocum,
trou(; Ttvd^ (Xu^trepUtpcKP^v, Ka- qui monitiones continet, sustulit et
ediT€p TÖv T€ trapatvcTiKÖv Kai paedagogi esse dixit non philosophi.
TÖv öiroOcTiKÖv TÖTTOV toOtou^ cptstM, 1 £am partem philoso-
10 fäp cU tItOo^ Kol iraidatui- phiae, quae dat propria cuique per- 10
Yod^ irlinreiv (= Seneca epist. sonae praecepta nee in Universum
94, 9 'haec paedagogus puero, conponit hominem ... quidam solam
haec avia nepoti praecipit' receperunt... Sed Ariston Stoicus e
hat Tf|6o^ statt T{T6a<; über- contrario hanc partem levem exi-
15 setzt), dpK€lv bi irp6<; t6 iiia- stimat et quae non descendat in 15
Kap(u)(; ßu&vat t6v olKCioOvra pectus usque. ad illam habentem
\iky irp6^ dpCT^iv Xötov, diraX- praecepta plurimum ait proficere
XorpioOvra bä Kaxla^ ktX. ipsa decreta philosophiae Constitu-
tion emque summi boni etc.
Man sieht nun deutlich, dass bei Seneca sowohl die Umschreibung Z. 6
locum qui monitiones continet wie der schwerfällige Ausdruck Z. 16 partem
iüam habentem praecepta nur aus der Schwierigkeit entstanden sind, für
die griechischen Termini t6v irapaiv€TiK6v Kai {ftroOcTiKÖv (Sextus Z. 8)
gleich kurze lateinische zu finden. Zeller's (Philosophie der Griechen iv^
51, 1) Vorschlage, bei Seneca Z. 16 statt ad ülam habentem praecepta zu
schreiben ad vitam beatam, kann ich daher nicht folgen. — In den Schluss-
worten bei Sextus ist wohl der unentbehrliche deutlichere Hinweis darauf,
dass der gemeinte Xöto^ Z. 17 ein dtrianmoviKÖ^ oder OewpriTiKÖ^ sei (Se-
neca Z. 18 ipsa decreta philosophiae) durch Kürzung der Vorlage ausge-
fallen. Denn nur von solchen wissenschaftlichen Lehren konnte nach
Aristons Ansicht (s. Galenus de dogmat. Hippocr. v 5 und vn 2 vol. v
p. 468, 595 Kühn) gesagt werden, dass sie irpo^ t6 {uiaKapiu}^ ßiitivat genügen.
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XX. Philon^s Hypothetika 271
and desto gebräuchlicher mnsste dadurch auch ausserhalb des
engeren Schulkreises für Vorträge und Schriften praktisch mo-
ralischen Inhaltes diese Betitelung werden. So empfiehlt denn
auch der Stoiker Musonius Rufns, dessen von den Soldaten
Vespasians verhöhnte unzeitige Friedenspredigt Tacitus hist. 3, 81
schildert, in einem Vortrage *tiber die beste Ausrüstung tles
Greisenalters', dass der zu philosophischer Selbstthätigkeit un-
fähige aber für das Gute empfängliche Greis die ötto06tiko1 Xötoi
der berufsmässigen Philosophen anhöre (outo^ Sv eö ttoioiti lr\T6jv
XÖTUJV dxoueiv uTToBexiKUJv irapd tujv TieTTOirm^vwv ?pTOV eib^vm
Tiva ^fcv ßXaßepd, Tiva bk d)(pl\x^a dvOpüÜTToi^ bei Stobaeus floril.
cxvil 8 p. 89, 19 Mein.) ; unter den verlorenen Schriften des
Plutarch nennt das Verzeichniss des Lamprias (bei Fabricius
biblioth. gr. 5, 164 Hartes) N. 148 einen uTToGeiiKÖ^, f\ Tiepl dpxfl? ;
und den die spartanische Gemeinde zur Eintracht ermahnenden
Brief des korinthischen Bischöfe Dionysios bezeichnet Eusebios
in seiner Kirchengeschichte iv 23, 2 als elpi^vri? xe kqI dvuwTeuj^
\JTTO0€TIK/J.
Wenden wir uns nun, mit diesen Daten versehen, zu der
philonischen Schrift zurück, deren gi*össtes Bruchstück aus einem
Abriss der mosaischen Gesetzgebung herrührt, so kann es wohl
nicht länger zweifelhaft sein, in welchem Sinne für sie der Titel
*Yiro9€TiKd, oder, was eben so möglich, TtroGeTiKOi, mit Bezug
auf XÖTOi, gewählt ward. Wie ein Jahrhundert später der Alexan-
driner Clemens im Dienst der christlichen Lehre einen TTpoTpeim-
KÖ^ schrieb und seinen TTaibatuJTÖ^ ausdrücklich ftlr einen xmo-
0€tik6^ erklärt (s. oben S. 269 Anm. a. E.), so hat auch Philon
für seine Darlegung und Empfehlung der jüdischen Lebensvor-
schriften den seinen Zeitgenossen aus der philosophischen Litte-
ratur geläufigen Titel benutzt. Und wenn er in diese ütro0€TiKol
XÖTOi eine Zurückweisung der Angriffe auf das Judenthum-aufnahm
(ib^ Trpö^ KttTiiYÖpou^ I TToiou^evo^ Xötov, Eusebios oben S. 262), 599
so liegt darin keine allzu kühne Grenzenerweiterung der in dem
Titel angekündigten Schriftengattung. Denn wie nahe sich auch
in der philosophischen Ethik mit dem lirroGeTiKÖ^ der irpoTpeTTTi-
KÖq XÖToq berührt, haben die oben (S. 268) gegebenen Nachwei-
sungen deutlich gemacht, und 'Widerlegung der Ankläger' (kqt-
ilTopoövra^ dTreX^TX^w oben S. 267) ist ja ein hauptsächlicher
Bestandtheil des philosophischen irpoTpeimKÖq. Den Schwer-
punct seiner Arbeit wird jedoch Philon, wie schon die erhaltenen
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272 XX Philon's Hypothetika
Bruchstücke erkennen lassen, in die eigentlichen örroOfiKai ver-
legt haben, d. h. in die Besprechung solcher jüdischer Gebote',
deren Befolgung er auch einem nicbtjüdischen Leserkreis, an
den sich die Schrift unverkennbar wendet, 'anrathen' konnte.
Wie geschickt oder wie ungenügend hierbei die Scheidung der
allgemein sittlichen von den eigenartig nationalen Elementen
des mosaischen Gesetzes im Verlauf des vollständigen Werks
vollzogen war, darüber kann freilich aus Bruchstücken nicht
mit Sicherheit geschlossen werden; dass jedoch eine solche
Scheidung in Philon*s Absicht lag und er nur die auch für
NichtJuden passenden Gebote hervorheben wollte, darf^us der
Erwägung des natürlichen Sachverhältnisses und, da nicht ab-
zusehen ist, was einen Eusebios bewogen haben sollte bei seinem
Excerpiren das specifisch Jüdische zu meiden, auch aus der
BeschaflFenheit der Bruchstücke gefolgert werden. Diese ent-
halten nämlich, ausser der Erwähnung des in siebenjähriger
Periode wiederkehrenden Brachjahrs, dessen Nutzen für den
Ackerbau betont wird, und einer ausführlichen Schilderung der
zu Philon's Zeit seit lange den NichtJuden nicht mehr befremd-
lichen Sabbatfeier, durchaus nur solche Gebote, die in keiner
Beziehung zu den nationalen Schranken stehen und von selbst
unter einen allgemein juristischen oder moralischen Gesichts-
punct fallen. So wird im Gegensatz zu den Verschleppungen
und Winkelzügen des griechischen Gerichtsverfahrens die bün-
dige Strenge der mosaischen Criminaljustiz gepriesen; bei der
peinlichen Gewissenhaftigkeit im Einhalten und Lösen von Ge-
lübden und Weihungen wird länger verweilt ; und in sehr grosser
Anzahl werden die gesetzlichen Bestimmungen aufgeführt, welche
die Reinheit des Familienlebens, die Nächstenliebe und die Mild-
thätigkeit befördern sollen. Dieser letztere Abschnitt erhält ein
besonderes Interesse dadurch, dass Philon in einleitenden Worten
als Quelle für seine Aufzählung 'sowohl die ungeschriebenen
600 Sitten und Volksgebräuche | wie das geschriebene Gesetz* be-
zeichnet ^ Und in der That zeigen gleich die zwei an der
Spitze stehenden Verbote : & jxq TiaOeTv dxöaipei, }xi\ iroieTv auiöv
und S ixi\ KaT^0riK€v, ^r\b' dvaipetoGai eine freiere Behandlung
des mosaischen Wortlauts. Das zweite, welches verbietet, 'für
* 6aa Kai iitl dtpdcpwv ^Gtliv Kai vo^i^ujv Kdv toK vö/iok; (so statt
vo^{)Lioi(;) aÖTol^ p. 358 ^ Viger.
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XX Philon's Hypothetika 273
sich aufzuheben, was man nicht hingelegt hat*, flihrt zwar auch
Josephus in seinem der Schrift gegen Apion einverleibten Ab-
riss des jüdischen Gesetzes wiederholt an (ii 27 p. 255, 22 Bekker
5 fif] KttT^OTiK^ Ti^/ouK dvaipT^acTai und 30 p. 256,29 kSv ucp^-
XilTai Ti^ dXXÖTpiov, kSv 8 ixi\ Kai^ÖTiKev dveXriiai ktX.); in so
kurzer Fassung enthält es jedoch der Pentateuch nicht; sondern
man hat nur die ausführlichere Bestimmung des Deuteronomium
(22, 1—3) über die Aufbewahrung gefundener Sachen, bis der
Eigenthttmer sich meldet, in jener dem ältesten hellenischen
Recht angehörenden Formel zusammengefasst. Dieselbe wird in
der freilich sehr vorsichtig zu benutzenden Sammelei des Dio-
genes Laertius (l 57 S ^i\ IQov, ixi\ dvAij) auf die solonische
Gesetzgebung zurückgeführt; aber auch Piaton, der seine Ab-
stammung von Solon herleitete und gern den Adel seines Ge-
schlechts in Erinnerung bringt, scheint den solonischen Ursprung
anzudeuten, indem er das von ihm selbst eingeschärfte Verbot
der Aneignung gefundener Sachen verknüpft mit 'dem schönsten
und einfachsten Gesetz, das ein wahrlich adelicher Mann erlas-
sen habe: was du nicht hingelegt hast, hebe auch nicht auf
(KdXXi(TTO^ v6|üiu)V Kai dTrXoücTTaToq Kai oubajifi dtcwoO^ dvbpö^
vo|üio9^TTi|t4a, 8^ etTTCv *'A jiif| Kai^Oou, jiif| dv^Xij leg. XI 913 ^), Von
Athen aus verbreitete sich dann das Gesetz nach anderen grie-
chischen Städten. Aelianus fand es als ein stagiritisches erwähnt
(Var, hist, iil 46 ZTafcipiTujv vöjlio^ outo^ Kai TrävTij 'EXXrivi-
KÖq' 8 jLif) KttT^Gou, (pr]a\^ fifi Xdfißave); wahrscheinlich hatte
Aristoteles, als sein Einfluss auf die makedonischen Herrscher
den Wiederaufbau seiner zerstörten Vaterstadt erwirkt hatte und
er dem neuen Stagira Gesetze gab (Plutarch adv, Colot c. 32),
den solonischen Kernspruch in das von ihm entworfene Rechts-
buch aufgenommen. Und in die hellenisirten Nachbarländer
Palästina^s führt eine andere Notiz bei Aelianus, welche es als
einen Vorzug der Einwohner von Byblos rühmt, dass sie es nicht
für einen Fund sondern für ein Unrecht halten, aufzuheben was
man nicht hingelegt habe {Var, hist. iv 1 BiißXioq dvi^p iv 6biu
TrepiTuxibv oöbtv Obv )ki\ Kar^GcTO dvaipeiiar oö | tdp fiT^iTai tö 601
ToioÖTOV eöpTiiia dXXd dbiKruiia). Trotzdem hiernach die rein-
hellenische Herkunft der Formel ausser Frage steht, darf Phi-
lon's und Josephus' Versetzung derselben unter die jüdischen
Gebote doch nicht lediglich für gelehrten Prunk und Willkühr
angesehen werden. Denn dass gerade dieser althellenische Spruch
Bernayg, ges. Abliandl. 18
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274 XX Philon's Hypothetika
auch in jüdisch hellenistischen Kreisen eingebürgert war, kann
sein Vorkommen in der Parabel des Lucasevangeliums (19, 21
aTp€iq ö ouK fGriKtt^) lehren, und Philon hatte ja ausdrücklich
angekündigt, dass er neben dem mosaischen Buchstaben auch
die 'ungeschriebenen', im Volke lebendigen Gebote berücksich-
tigen wolle. — Noch sicherer lässt sich die Benutzung des 'un-
geschriebenen' Gesetzes für den Spruch nachweisen, welchem
Philon gewiss mit sehr bewusster Absicht den ersten Platz in
seiner Sammlung gegeben hat, & tk; iraGeTv dxOaipei, ixi\ rrotciv
auTÖv: ^Was man zu leiden hasst, soll mau auch nicht einem
Anderen thun'. Hier zwingt schon der Ausdruck TiaOeTv dxöaipei,
welcher im Griechischen ebenso ungelenk ist wie 'hasst' in der
deutschen Uebersetzung, zur Abweisung jedes Gedankens an
eine unveränderte Herübernahme aus dem Schatz hellenischer
602 Gnomen ^ ; und auch Philon, der eine recht | gute griechische
1 In untadeligem Griechisch findet sich gegen das Ende der isokra-
tischen Schrift *Nikokle8 oder die Kyprier* folgender Satz: ö irdaxovrc?
öq)' Mpiuv öpYttcaGe, TaOra toO^ dXXou^ [ii\ iroi€tT€ (§61). Gibbon, der
nichts versänmt um die Theologen mit oder ohne Fug zu ärgern, sagt in
der 36. Anmerkung zu seinem 54. Capitel im Hinblick auf Matthäus 7, 12 :
*Calvin violated (bei der Verfolgung des Servet) the golden rule of doing
as he would be done by; a rule, which I read in a moral treatise of
Isocrates (in Nicocle) four hundred years before the publication of the
gospel : & ird<JXOVT€^ ktX.' Im Zustand eines abgerissenen Citats mögen
freilich die isokratischen Worte den Schein erwecken, als drückten sie
dieselbe weitumfassende 'goldene Regel' aus, welche Philon in negativer
und das Evangelium in positiver Wendung aufstellt. Wer jedoch die iso-
kratische Schrift im Zusammenhang gelesen und erkannt hat, dass sio
nichts anderes sein soll und auch nichts anderes ist als eine im Geist
monarchischer Polizei und im Namen des Königs abgefasste Anweisung an
die kyprischen Beamten und ünterthanen, der wird nimmermehr glauben,
dass der schale Isokrates jenen Satz in vollem Bewusstsein seiner allgemein
ethischen Tragweite niedergeschrieben habe. Wäre dies der Fall gewesen,
so hätte unmöglich in den übrigen Theilen der Schrift das königliche *Ich'
und *Wir' als der eigentliche Maasstab der Unterthanenmoral so unge-
scheut hingestellt werden können. Hat man diesen die ganze Schrift
durchziehenden monarchischen Grundgedanken ins Auge gefasst, so wird
man wohl zugeben, dass der von Gibbon zu seiner Neckerei benutzte Satz
im Sinn des Isokrates nicht viel mehr bedeutet als die Regel, welche er nicht
lange vorher den König in unverhülltem monarchischem Selbstbewusstsein
den Beamten geben lässt: 'Behandelt Andere so, wie ihr wollt dass ich
euch behandle*, toioOtou^ elvai XPA ^^P^ toO^ dXXou^ otöv irep Ipil ircpl
(»ima^ dHioöTC YtTvcoOai (§ 49).
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XX Philon's Hypothetika 275
Feder führt, kann sich diesen stilistischen Verstoss nur gestattet
haben, weil er es, wie billig, scheute, von einem fest im Volks-
bewusstsein haftenden Satz die ursprüngliche orientalische Sprach-
färbung aus Rücksichten auf griechische Eleganz abzustreifen.
Das aramäische Original nämlich na^n Hh '7iani) •^ao ^b^^i ent-
hält ein Wort, welches allerdings in buchstäblicher üebersetzung
*verhasst' ergiebt, im lebendigen Sprachgebrauch jedoch alles
Unangenehme umfasst. Mit einigermaassen sicherer Datirung
lässt sich jener aramäische Satz im ersten Jahrhundert v. Gh.
als ein Spruch Hillels nachweisen. Jeder in der nachbiblischen
jüdischen Litteratur nicht gänzlich Unbewanderte kennt die Er-
zählung von dem Heiden, der um die Rabbinen mit der grossen
Anzahl der jüdischen Gebote zu necken, sich zum Uebertritt in
das Judenthum unter der Bedingung bereit erklärte, dass die
Unterweisung im 'ganzen jüdischen Gesetz nicht länger dauere,
als er auf 6inem Fusse zu stehen vermöge'^. Von einem jäh-
zornigen Rabbi barsch abgewiesen, kam er zu dem milden Hillel.
Dieser Hess sich auf die Bedingung ein, und ertheilte den Un-
terricht in folgenden kurzen Worten: 'Was dir zuwider ist, das
thue auch deinem Nebenmenschen nicht. Dies ist das "ganze
jüdische Gesetz", alles Uebrige ist nur die weitere Ausführung;
die magst du später lernen' (Talmud Babyl. Sabbat 31 »). Aus-
serdem findet sich der aramäische Satz noch in der nicht sicher
zu datirenden, sogenannten jonathanischen Paraphrase zu dem Ge-
bot des Leviticus 19, 18 'Liebe deinen Nächsten wie dich selbst',
wie er ja wirklich nur in einer concreteren und gemeinverständ-
lichen Form jenes Gebot ausdrücken soll, das eben so wie
von Hillel auch von Rabbi Akiba, dem grossen Führer des jüdi-
schen Aufstandes unter Hadrian, fllr | ein fundamentales Gesetz, 603
rrnina bna tbD, erklärt wird (Sifra zu Levitic. 19, 18. Vgl. Matth.
22, 36, 39 dvToXfi M€TaXn iv tim vÖ|üiuj; Römerbrief 13, 9 iv toutuj
Ttü XÖTiü dvaKeqpaXaioöiai; Galaterbr. 5, 14 ö ttu^ v6|üio^ ^v ^vi
Xötqj TTeirXfipujTai). In griechischer Uebertragung ist der Spruch
auf reinjüdischem Gebiet ausser bei Philon nur noch nachweis-
bar in dem Buche Tobit, das in seiner ursprünglichen, freilich
später vielfach überarbeiteten, Redaction keinenfalls tiefer als
gegen das Ende des ersten christlichen Jahrhunderts hinabzu-
rücken ist. Dort findet sich unter den Lehren, die Tobit seinem
^ Vgl. Horaz Satir. i 4, 10 atana pede in uno.
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276 XX Philon's Hypothetika
Sohne vor der Abreise nach Medien giebt (4, 15), ö ^i(Se\<;, m-
bevi TTOi/jOi]^, wie die gangbaren^ griechischen Handschriften
bieten, während der Alexandriner Clemens (Strom, n p. 503
Potter) 5 jniaeiq, äXXiu oö Tioii^aei^ citirt; noch greller als in
dem philonischen rraOeiv ^x^aipei blickt hier in ixiaeiq das aramäi-
sche "^30 durch. Von dem Buche Tobit aus hat sich dann der
Spruch in der ekklesiastischen Litteratur verbreitet; in lateini-
scher Form ist er unlängst auf einer älteren christlichen Inschrift
entdeckt worden : scriptum est, quod tibi fieri non vis^ alio (so)
nc feceris, Rossi bullettino di archeol. crist. 1874 p. 137; zu Cy-
prianus' Zeit galt er für so bedeutsam, dass lateinische Bibel-
tibersetzungen ihn in der Fassung quaecumque voUs fieri r^on
vfdtis, älii ne feceritis (Cyprianus ad Quirin. 3, 119 vol. l p. 184
Hartel) dem apostolischen Schreiben an die Heidenchristen von
Antiochia anfügten, welches die unerlässlichen Gebote zusam-
menfassen sollte (Apostelgesch. 15, 29). Auch auf den Kaiser
Alexander Severus, der, wie sein Biograph meldet, diesen Spruch
604 von Juden ^ oder Christen vernommen hatte, | machte seine weit-
tragende Einfachheit einen so tiefen Eindruck, dass er fortan bei
öffentlichen Bestrafungen den Herold ausrufen Hess quod tibi
fieri non vis, altert ne feceris und diese Worte auch als Inschrift
in seinem Palast und an Staatsgebäuden anzubringen befahl.
Nicht zu so eingehender Erörterung wie die zwei ersten
veranlassen die übrigen von Philon aufgezählten Gesetze. Nach
einem umfassenden Verbot jeglicher Entwendung fremden Guts
erwähnt er die Pflicht, nicht bloss, der allgemeinen Völkersitte
gemäss, Feuer und Wasser nicht zu versagen, sondern auch, wie
es die bei den Juden als Religionssache angesehene Armenpflege
verlange, 'den Armen und Gebrechlichen, welche Nahrung hei-
1 Im codex Sinaitious fehlt in diesem vierten Capitel die ganze Vers-
reihe von 7—18.
^ Vita Alexandri Severi c. 51 *quod a quibusdam sive ladaeis sive
Christianis audierat et tenebat'. Casaubonus, der sich der Stelle aus Tobit
nicht erinnerte, macht hierzu eine untriftige Anmerkung, welche Hugo
Grotius, ohne den Casaubonus zu nennen, folgendermaassen berichtigt
(zu Matthäus 7, 12) : *Non frustra autem adiicit historicus "aut a ludaeis",
nam et illis in ore fuit hoc dictum 8 (iiiaet^ fir]5€vl iroi/jacic; ut patet Tob. rv*.
Philons Erwähnung des Spruches hat auch Hugo Grotius übersehen; aber
der so leicht nichts der Art übersehende grosse englische Gelehrte und Staats-
mann John Seiden hat sie beachtet (de iure not. et gentium 7^12 g. A.).
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XX Philon's Hypothetika 277
sehen, diese in Ehrfarcht gegen Gott darzureichen' (|üif| irupö^
beiiG^VTi qpGoveiv, ixi\ vdfiaxa ubdiiuv dtroKXeieiv, dXXd Kai tttujxoi^
Kai TTTipoiq rpocpfiv ^paviJoum rrpö^ töv 0€Öv euatu»? dv^x^iv
p. 358 ^ Viger.). Es folgen die Bestimmungen ttber Todtenbe-
stattung (|Lif| Tacpfl? vexpöv Üeipfexv, dXXd Kai rft? aöioT^ öaov
T€ el^ Tf|v öaiav — dicis causa — npoaemßdXXeiv) und Schonung
der Grabstätten; dass dem jüdischen Gesetz die Schuldhaft un-
bekannt sei, wird hervorgehoben (|Lif| becTfid, jiif| Kaxöv ixr\bkv
irXeov Tuj dv dvdtKai^ 7Tpo(T€7Tiq)dp€iv), und im Gegensatz zu den
geschlechtlichen Ausschreitungen, welche bei anderen Nationen
im Schwange gingen, wird die jüdische Strenge durch gehäufte
Anführung vieler dieses Gebiet betreffender Gesetze dargethan.
Den Schluss des gesammten Abschnittes bilden die Verpönung
falschen Maasses und Gewichtes nach Leviticus 19, 36 und das
wohl an Leviticus 19, 16 anknüpfende feine Sittengebot, 'nicht
die Geheimnisse früherer Freunde nach eingetretener Feindschaft
zu verrathen* (jifi cpiXwv diröppriTa dv Ix^pq. cpaiveiv). Und darauf
folgt, gleichsam als epiphonematischer Abschluss, der fragende
Ausruf: troi brj, irpö^ toö 0€oO, fmiv xd BouWtia dxeiva, der auf
einen abgelegenen Theil des attischen Religionswesens hinweist
und es wohl verdient, näher erläutert und verwerthet zu werden.
Sehr spärlich und nur in Schriften später Zeit sind die
Nachrichten erhalten, aus denen die bisherigen Behandler der
attischen Gnltusgebräuche es erfahren haben, dass bei einer
Pflugfeier an einem, ungewiss an welchem. Demeterfeste (s. C.
F. Hermann, gottesd. Altertb. 56, 28) ein Mitglied des Geschlech-
tes der Buzygen, dessen Stammheros zuerst den Stier vor den
Pflug spannte, eine Beihe | feierlicher Verwünschungen gegen 605
gewisse Gattungen von Vergehen aussprach. Die ergiebigste
unter diesen Nachrichten, welche zuerst von Valckenaer und
Scbweighäuser (zu Herodot 7, 231) gesammelt und seitdem nicht
vermehrt^ wurden, findet sich in einer Sprichwörtersammlung
^ Ich meine, vermehrt durch solche Stellen, welche den Buzyges
ansdrücklich nennen. Dass der von Aelianus Var. Hist. v 14 erwähnte
attische Brauch, den Pflugstier nicht zu tödten, durch eine buzygische
Verwünschung sanctionirt gewesen, ist eine Vermuthung Otto Jahn's (Giove
Polieo in Atene p. 6, 4 des Separatabdrucks aus Memarie ddP instituto
vol. n), die nichts Unwahrscheinliches, aber auch nichts Zwingendes hat —
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278 XX Philon's Hypothetika
schwankenden aber sicherlich späten Datums. Dort wird die
Bezeichnung Bou2;uTr)q für einen das Fluchen liebenden Menschen
folgendermaassen erklärt: 'Der Buzyges in Athen, welcher den
heiligen Brauch des Pflügens vollzieht, spricht viele andere Ver-
wünschungen aus und insbesondere auch gegen die, welche im
gewöhnlichen Lebensverkehr Wasser oder Feuer versagen, oder
Verirrten nicht den Weg weisen* (ö tdp BouWTn? 'A9rivij(Tiv 6
TÖv lepöv fipoTOV ^iTiTeXujv äXXa t€ TroXXd dpfixai Ka\ toT^ jiif|
KoivtüvoOai KttTci TÖV ßiov öbaxoq f\ TTupöq f\ |üif| uTTocpaivouaiv
6böv TrXavtüii^voiq Paroemiogr. l p. 388). Für die Verwünschung
aller drei hier besonders hervorgehobener Fälle der Inhumanität
sind collaterale Zeugnisse aus viel früherer Zeit vorhanden, die
jedoch den Buzyges nicht ausdrücklich nennen. Der Dichter
der neueren Komödie Diphilos Hess in seinem 'Schmarotzer*
(TTapdmToO den Vertreter dieser Titelrolle in Bezug auf die
Hinderung eines Hochzeitsschmauses sagen: 'Weisst du nicht,
wie es in den Fluchformeln heisst: Sofern Jemand den Weg
nicht richtig zeigt, oder nicht Feuer anzünden lässt, oder das
Wasser verdirbt, oder — ein Diner hindert' (divoei^ iv xaT^
dpai^ "0 Ti toxiv, e! xi^ }xi\ cppdaei' öp6d)^ öböv "H TiOp dvaiiaei'
fj biaqpGeipei' öbwp "H beiTTvieiv ^^XXovxa KiwXuaai xivd bei
Athenaeus vi p. 238'). Die * öflFentlichen Verwünschungen zu
Athen* gegen verweigerte Angabe des Weges waren auch er-
wähnt in den griechischen Quellen, nach welchen Cicero die Gon-
troverse zwischen den Stoikern Antipater und Diogenes darstellt
606 über die Pflicht des Verkäufers, die Fehler | der zum Kauf gestell-
ten Sache anzuzeigen, de offic. m 13, 54 'quid est enim aliud
erranti viam non monstrare, quod Athenis execrationibus publi-
cis^ sanctum est, si hoc non est emptorem pati ruere et per errorem'
Ohne auf Vermebrung des Materials aaszugehon, hat zuletzt, meines Wis-
sens, M. Haupt im Hermes 5, 36 [opttsc. ni 505 f.] die buzygischen Verwün-
schungen besproohen.
^ Valckenaer hat den Einfall hingeworfen, statt puhlicis seiBuzygis
zu schreiben. Execrationes pMicae ist jedoch ein durchaus untadliger Aus-
druck und auch Diphilos nennt nur dpai schlechthin. Zur Empfehlung von
Yalckenaer's Gonjectur beruft sich Haupt auf Ausonius epist 22, 47 Tul-
lianum Buzygen. Sollte dort auch wirklich l'ülUanum unverderbt und die
Erklärung 'der von Cicero erwähnte* richtig sein, so folgt daraus noch
nicht, dass Ausonius gerade auf diese Stelle der Schrift de officiis ange-
spielt habe. In den vielen uns entzogenen und dem Ausonius noch zu-
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XX Philon's Hypothetika 279
in maximam fraudem incurrere'. — Auf ein anderes, von dem
Sprichwörtersammler nicht berührtes Gebiet der Humanität fahrt
das Scholion zu dem 255. Verse in Sophokles' Antigonc, wo von
der eilfertigen Bedeckung des Leichnams des | Polyneikes mit 607
einer dttnnen Staublage die Rede ist. Seine längere Besprechung
einer solchen nur der Form genügenden (vöjiiou x^ip^v dids causa)
Bestattungsart beschliesst der Scholiast mit den Worten: *Es
heisst auch, dass der Buzyges zu Athen Diejenigen verwünschte,
welche einen unbestatteten Leichnam liegen lassen (Xöto^ b' öti
Bovlvv]^ 'AGi^vijcJi KttTTipdaaTO toT^ Ttepiopiuaiv Äiaqpov (yuJ^a).
Dass endlich der Buzyges ausser solchen groben Vergehen gegen
die Menschlichkeit auch eine feinere Verletzung der Moral mit
seinem Fluche belegt habe, lässt sich aus einer zwar nur gele-
gentlichen Anspielung des Alexandriners Clemens doch mit
hinreichender Sicherheit entnehmen. Derselbe hatte auf den
Widerspruch hingewiesen, in welchem die eigene Praxis vieler
griechischer Philosophen zn ihren theoretischen Lehren über die
Ehe stehe, und fährt dann fort : ' Sie alle müssen demnach dem
gänglichen Theilen der ciceronischen Scbriftensammlung lassen sich Anlässe
genug zur Erwähnung des Buzyges denken. Z. B. in einer Schilderung
des Uebergangs vom rohen zum gesitteten Leben, die füglich in jetzt ver-
lorenen Partien der Schrift de repüblica oder de legibus gestanden haben
kann, mochte die Bede auf den ersten Benutzer des Pflugstiers gekommen
sein. — IsaacYossius ist zwar keine Persönlichkeit, zu deren Bitter
man sich gern aufwirft; aber man widersteht nicht leicht dem Antriebe,
Sinn in das scheinbar völlig Sinnlose zu bringen, wenn dies in der Kürze
geschehen kann. Die in den jetzt gangbaren Ausgaben des Ausonius vor-
liegende Lesung Bulianum Buzygen statt Tüllianum hat nämlich Isaac
Vossius verschuldet, dessen Worte Tollius ohne nähere Angabe mittheilt.
Haupt sagt darüber : * TuUianum Isaacus Vossius in Bulianum mutandum
esse censuit a Bulia, ut dicit, civitate Attica; somniasse videtur*. In der
That giebt es weder in Attika noch sonstwo einen Ort Bulia. Aber Geographie
war gerade Isaac Vossius' starke Seite, und dass er einen nicht vorhan-
denen Ortsnamen blos * erträumt* haben sollte, ist ihm, wie verkehrt er
gelegentlich sein mag, doch schwerlich anzusinnen. Vielmehr ging es ihm
wohl wie manchem Anderen, und in seiner Handschrift war das kleine t
von dem kleinen l nicht leicht zu unterscheiden. Er hatte nicht ein un-
auffindbares Bulia, sondern Butia Boureia, den Demos der attischen Phyle
Oeneis im Sinn, aus welchem die Butaden stammen (s. Harpokration u. d.
W. BouTd&r)0' Und die an sich ganz plausible Verknüpfung des Buzyges
mit den Butaden führte ihn dahin, Butianum auch dem Ausonius zuzu-
muthen.
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280 XX Philon's Hypothetika
Bazygischen Fluche verfallen, welche Anderen das zu than
rathen, was sie fUr sich selbst als unzuträglich erkennen, oder
umgekehrt Anderen von dem abrathen, was sie für sich selbst
erstreben' (ouk &v oöv dKcpÜTOiev xfiv BouWtiov dpdv öaoi ixi\
boKi)Lid2;ovT€^ (T(pi(Ti (T\j|üiq)^p€iv Tivd ^T^poi^ TaOra irapaxcXeuovTai
TTOieTv, f\ aij TOÖfiTiaXiv Strom, n p. 503 Potter). Wie frei hier
Clemens mit dem Wortlaut der Fluchformel geschaltet haben
mag, so muss man doch annehmen, dass er 'den Buzygiscben
Fluch' nicht blos als einen allgemeinen sprichwörtlichen Aus-
druck^ gebrauche, sondern auf eine ihm bekannt gewordene
bestimmte Verwünschung des Buzyges hindeute, welche gegen
den untreuen Rathgeber gerichtet war. Denn erstlich fügt Cle-
mens, wie es ja seine Art ist, keine schöne Blüthe der helleni-
schen Ethik vorzuzeigen ohne ausdrücklich zu sagen, dass sie
608 eben so schön und noch schöner im biblischen Garten | wachse,
unmittelbar darauf folgendes hinzu: Dies hat die heilige Schrift
kurz ausgedrückt in den Worten: 'was du hassest, thue keinem
Andern* (toOto ßpax^u)^ f) Tpacpri bebriXuiKev eipiiKuia "0 ^icrei^,
dXXuj oö TTOi/|(y€i^). Eine solche Anführung des gleichartigen
Tobitverses (s. oben S. 276) hat nur dann einen genügenden
Sinn, wenn der Inhalt des vorhergehenden Satzes nicht Clemens'
eigenes sondern fremdes Gut ist. Und zweitens wird auch bei
Cicero das Gebot 'treuen Rath den Rathsuchenden zu geben'
in die engste Verbingung gebracht mit zwei anderen, uns bereits
als buzygisch bekannten, den Mitgebrauch des Wassers nicht zu
versagen und Feuer nicht zu verweigern, de offic, i 16, 52 'illa
communia 'non prohibere aqua profluente (fif) vd|üiaTa ubdrujv
dtroKXeieiv Philon oben S, 277), pati ab igne ignem capere si
qui velit, consilium fidele deliberanti dare\ Dass Cicero hier
seiner griechischen Vorlage wörtlich und allzu wörtlich folgt,
zeigt die etwas weitläufige Wendung *pati ab igne ignem capere
* Haupt scheint dies gemeint zu haben. Denn während er in den
übrigen Fällen die verwünschten Handlungen erwähnt, begnügt er sich,
von der Stelle des Clemens zu sagen : ut proverbium Tf|v BouJliitctov dpdv
dicit Clemens. — Sylburg, zu dessen Zeit die oben S. 278 angeführte
Sprichwörtersammlung noch nicht gedruckt war, hat seinen sonst so trefi-
lichen Index zum Clemens durch folgende Thorheit verunziert: 'Bou^öifio^
dpd, quae scilicet maledictum pronuntiat eum, qui bovem cum asino ad
aratrum adiunxerit*. Er bezog also den Ausdruck des Clemens auf das
Verbot des Deuteronomium 22, 10.
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XX Philon's Hypothetika 281
si qui velit\ welche auch ältere Erklärer, z. B. den wackeren
Hieronymus Wolf, zu wunderlichen Missverständnissen verleitet
hat; im Griechischen stand offenbar irOp dvaüeiv tiu ßouXojn^vin,
gemäss dem bekannten Sprachgebrauch von ö ßouXöfievoq für
* Jeder' quilibet
Alle diese Nachrichten nun, aus wie späten Quellen sie
uns zufliessen mögen, stimmen innerlich sehr wohl zusammen.
Man erkennt, dass an einem Feste, welches die Einführung des
Ackerbaues, der Grundlage menschlicher Gesittung feierte, diese
Gesittung unter eine übermenschliche Sanctiou gestellt werden
sollte. Solche Vergehen gegen die menschliche Gemeinschaft,
welche die gewöhnliche Justiz schwer fassen und* gar nicht
verhüten kann — und von dieser Art sind alle in den erwähn-
ten dpai verpönten Begehungen und Unterlassungen — werden
der göttlichen Justiz überantwortet und mit öffentlichem Fluche
belegt. Wie fest nun auch die Alterthümlichkeit eines solchen,
das antike Gepräge tragenden Ritus aus inneren Gründen sich
bewährt, so erwünscht ist es doch für die Forschung, über die
bisher vernommenen sehr jungen Zeugen, von denen überdies
der einzige sicher datirbare, nämlich der Alexandriner Clemens,
nicht eigentlich ein Zeugniss abgiebt, sondern nur anspielt,
einige Schritte hinauf zu einem chronologisch brauchbaren An-
haltspunkt zu gelangen. Und diesen Dienst leistet, indem er
zugleich die sonst bekannten Angaben indirect bestätigt, der
von den bisherigen Forschern nicht beachtete | Ausruf des Philon, 609
von dem wir ausgegangen sind. In einer Auswahl jüdischer
Gebote der Humanität und Moral erwähnt er ausdrücklich drei
von den vier anderweitig als buzygisch bezeugten: die freie
Mittheilung von Wasser und Feuer (oben S. 277), die Pflicht,
auch fremde Todten zu bestatten (oben S. 277), das Verbot einem
Andern zu thun, was man selbst nicht erleiden möchte (oben
S. 274 f.), welches auch Clemens, wie vorhin (oben S. 280) bemerkt
wurde, der buzygischen Verwünschung des untreuen Rathgebers
an die Seite stellt. Aber zu diesen Bethätigungen der allge-
meinen Menschenpflicht tritt, weit über sie hinausgehend, inner-
halb des jüdischen Sittengesetzes eine ßeihe anderer das Fami-
lienleben nach seinen verschiedenen Seiten ordnender und das
menschliche Elend mildernder Gesetze, und im Hinblick hierauf
hält Philon sich berechtigt, seinen Gegnern, die wohl um die
Moral der Griechen auf Kosten der jüdischen zu preisen, mit
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282 XX Philon's Hypothetika
den buzygischen Verwttnschangen geprunkt hatten, die Frage
zaznrafen: 'Wo bleiben, um des Himmels willen, im Vergleich
mit diesen jüdischen Moralgeboten jene buzygischen ?' troT bn,
TTpö^ Toö 0€oO, f^Tv id BouCuYia dKcTva; Unmöglich wäre es
nicht, dass die gegnerischen Bemerkungen, welche Philon zu-
rückweist, in Schriften aus einer früheren Zeit als die seinige
sich vorfanden ; man würde dann einen noch etwas höher hinauf
liegenden chronologischen Anhaltspunct gewinnen. Aber selbst
wenn Philon's Gegner seine Zeitgenossen waren, ist es bei der
Spärlichkeit der sonstigen Nachrichten ein nicht zu verschmähen-
der Zuwachs, dass wir aus jenem kurzen Sätzchen Philon's
lernen, wie verbreitet zu Anfang des ersten Jahrhunderts nach
Ch. die Kunde von den 'buzygischen Flüchen' war, durch welche
der attische Staat seinem Demetercult das scharfe Siegel einer
civiiisatorischen Einrichtung aufdrückte. Schon um dieses öinen
Ertrages willen hätten die doch auch sonst mannigfach lehrrei-
chen Bruchstücke der philonischen Hypothetika wohl hinlänglich
die Hervorhebung verdient, welche ihnen nach langer Vernach-
lässigung hier zu Theil geworden ist.
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XXI
ÜEBER
DIE HEESTELLUNG DES ZUSAMMENHANGES
IN DEE ÜNTEE PHILON'S NAMEN GEHENDEN
SCHEIFT
HEPI AOeAPZIAZ KOZMOY
DUECH BLÄTTEEVEESETZUNG\
Monatsberichte der kön. Akademie der Wissenschaften zu Berlin
1863 (15. Jan.) S. 34-40.
Jeder, der die Geschichte der griechischen Philosophie aus 34
den Quellen erforscht, ist wohl einmal auf die Schrift *Von der
Unvergänglichkeit der Welt' (de incorrtq)tibilitcUe mundi) geftlhrt
worden, welche in der Maugey'schen Ausgabe des Philon S. 487—
516 des zweiten Bandes einnimmt. Oass sie in verstümmeltem
oder unvollendetem Zustande sich befindet, hat schon J. A. Fa-
bricins aus den jetzigen Schlussworten ^ ersehen; und dass sie
^ [Obwohl der Aufsatz grösstentheils von Bern, dem Vorwort seiner
Ausgabe der ps. philonischen Schrift (Abh. der Berl. Akad. 1876) p. 211 ff.
einverleibt worden ist, durfte er doch um seiner Bedeutung willen unver-
kürzte Aufnahme in die vorliegende Sammlung fordern. Braniss bezeich-
nete in einem dankenden Billet den Aufsatz als einen glänzenden Beweis,
*wie viel wichtiger und ergiebiger in der Kritik das ouTKplveiv ist als das
öiaKp(v€iv*].
^ Sie lauten p. 616 ä ju^v oOv irepl dqpOapaia^ toO KÖajLiou irapeiX^i-
q)a^€v, eXpYyvax kotö. bOva^iv* xä^ bk irp6^ ^Kaaxov ivavTicüaci^ iv xot^
^iretxa 5iiXunrdov. [Vgl. die unten p. 284, 4 bezeichnete Abhandlung p. 35 f.
und die Ausgabe der Schrift p. 217, wo jedoch das vermeintliche Zeugniss
der Vaticanischen Handschrift in Wegfall kommt: Herr Dr. E. Seh war tz
hat sich angesichts der Handschrift überzeugt, dass die am Rande stehende
Angabe Xö(to() a' lediglich der Beihenfolge der Bücher in der Handschrift
gilt, dem nächsten Tractat ist Xö(yoO ß' u. s. w. beigeschrieben.]
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284 XXI Blättervenetzang in Philon ir. äq>8. KÖa^ou
nicht von Philon herrührt, wissen die Kenner * dieses Schrift-
stellers; Nichtkenner desselben werden sich leicht davon über-
zeugen, wenn man sie auch nur auf p. 493 hinweist, wo von der
Erde gesagt ist: KatapGeTcTa^ yotp f| TTOtamliv dvaxucreaiv, ujanep
cpacTiv AiTUTTTOV, f\ toi? iTr\a\o\q ö^ßpol(S töv ^k Tf\q qpopd?
Kd^aTOv inraviCTai Km xaXäiai. So von Hörensagen konnte über
die Ueberschwemmungen des Nil unmöglich Jemand reden, der,
wie Philon, inAegyptcn lebte ä. Für den wesentlichsten Nutzen
der Schrift ist jedoch die Frage nach dem Autor von vergleichs-
weise geringer Erheblichkeit; denn das gewählte Thema wird
nicht in selbständig eindringender systematischer Weise behandelt,
sondern von einem nicht allzu schlimm neuplatonischen Stand-
punct ans werden die einschlagenden Lehren der früheren Philoso-
35 phen überblickt^, und | die auserlesensten wörtlichen Mittheilungen
aus ihren jetzt verlorenen Werken gemacht. Eines der grösseren
Bruchstücke des Theophrastos, von dem vielseitigsten, auch
* S. Frankel, Alexandrinische Schriftforschung p. 33. (Dass die
Schrift nicht von Philon herrührt, hat schon Caspar Barth erkannt und
zu Zacharias Mytilenaeus de opificio mundi p. 323 Boisson. mit den Worten
angedeutet *qui Philo inscribitur*. — Guilelmus Budaeus hat den [früher,
schon durch Aldus 1497 bekannt gewordenen] Auszug de 7nundo zugleich
mit der gleichnamigen aristotelischen Schrift lateinisch übersetzt; mir
liegt die Uebersetzung in der Sammlung des Simon Grynaeus De Mundo
Basil. ap. loann. Valderum 1533. 8 vor; in der Dedication an lacobus
Tusanus sagt Budaeus * Philo — quisquis hie fuit qui librum De mundo
scripsit, nam inclitum illum Philonem, qui Platonem facundia aequavisse
dicitur, nequaquam eum fuisse mihi persuadeo — disserendo de mundo
deque eius interitu aut aeternitate constituendo (Festsetzungen machend)
non tam hebraicae philosophiae alumnus mea quidem sententia quam
Graecorum assectator esse viderique meditatus est*).
2 So verbessert Mangey in einer Note KaBapQeüoa der früheren Aus-
gaben, [und so hat Bern, in seiner Ausgabe der Schrift p. 242, 1 drucken
lassen, als Particip von Kardpöeiv]. Dergleichen unzweifelhafte Correcturen
werde ich von nun an aus den Mangey'schen Noten stillschweigend in den
Text versetzen.
^ (Vgl. meine Bemerkung zu obiger Stelle der Schrift, an dem
Anm. 4 bezeichneten Orte S. 70).
* [Die für Richtung und Zeit des Verfassers entscheidenden Mo-
mente, wie sie Bernays in seiner Abhandlung 'lieber die unter Philon's
Werken stehende Schrift über die Unzerstörbarkeit des Welltalls* (Abh.
der Berl. Akad. 1883) au verschiedenen Orten hervorgehoben hat, sind in
dem Regplster zu derselben S. 80 übersichtlich zusammengefasst].
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XXI Blätterversetzung in Philon tt. d<p6. KÖa^ou 286
Geologie und Paläontologie berührenden Interesse, wird allein
dieser Schrift (S. 510 = fr. 30 Wimmer) verdankt; von dem sonst
selten begegnenden Peripatetiker Kritolaos werden hier (S. 492)
zusammenhängende Schlussreihen geliefert ; und da der Verfasser
den ununterbrochenen Bestand der Welt hauptsächlich gegen die
Lehre von den periodischen Weltbränden verficht, so fallen die
Angaben über Begründung und Geschichte dieses von der Stoa
dem Hcraklit entlehnten Dogmas besonders reichlich aus. Unter
Anderem wird berichtet, dass eine spätere Generation von Stoi-
kern, namentlich Boethos, Panätios, Diogenes der Babylonier,
die Ekpyrosis aufgegeben hätten; und Prell er hat die bezüg-
liche Stelle, ihrer historischen Wichtigkeit wegen, in seine hi-
Ftoria phüosophiae (§ 428 ed. sec. = § 406 ed. pr.) aufgenommen.
Sie lautet bei Mangey S. 497 :
BÖTiGoq ToOv Ktti TTocTibaivioq (sie) Kai TTavaiTio^, fivbpe^ ^v
ToTq ZtujikoT^ bÖTjuacTiv IcTxuKÖTeq, &t€ GeöXiiTrroi, idq dKirupiu-
(Teiq KQi 7raXiTT€vecTia^ KaTaXmövTe^, irpö^ Geiöiepov b6T^a tö
Tfl? dqpOapcTia^ toO köcTjliou iraviö? TiuTOjLiöXiicTav, A^t^tqi bfe
5 Kai AioT^vii^ fiviKa v^o? fjv auvemTpaipdiievo? Katd tö rrav-
xeXt^ ToT^ fvboOev.
Bei Preller ist in beiden Ausgaben, ungewiss ob aus Versehen
oder Conjectur, Z. 5 c^uTTpav|id^evo^ an die Stelle von cTuv€Tri-
Tpav|id|Li€vo? getreten; und während Mangey Z. 6 durch zwei
Sternchen nach Toiq fvboGev eine Lücke bezeichnet, bemerkt
Preller zu Z. 4 A^tctoi bfe koi Aiot^vti^ in einer kritischen Note :
Scilicet auTO^oXfic^al rrpö^ bötjua tö Tf|q d9Gap(Tiaq köcTjliou.
Ita non opus est lacuna^ quae indicatur in editionibus post f vbo-
Gev, deest in codicibus, und sagt dann zur Erklärung: In iis
quae de Diogene Babylonio adiiduntur o\ fvboGev sunt Stoid in-
terioris admissionis^. Sensus: Diogenes dum iuvenis erat anti-
quiores Stoicos sequebatur, deinde ad Boethi placita ddcdus est.
Vorläufig einmal zugegeben, dass die von Prell er für ToTq fv-
boG€v gewählte, nicht nachgewiesene und wohl auch nicht nach-
weisbare Bedeutung Statt habe, so wird doch schwerlich | Jemand, 36
der die volle, fast üppige Schreibweise, welche in dieser Schrift
herrscht, kennen gelernt hat, sich zur Annahme einer so ver-
schränkten und unvollständigen Satzbildung verstehen, bei welcher
der entsprechende Gegensatz zu f^viKa vioq fjv in empfindlicher
1 <Daß wäre also gesagt wie interiores aulici bei Suetonius Calig. 19).
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286 XXI ßlätterversetzung in Philon ir. dq>6. KÖafxou
Weise mangeln würde ; und selbst wenn man sich dazu verstände,
würde die Lücke noch immer klaffen. Denn der unmittelbar fol-
gende, von Prelier nicht beachtete Satz
^Treibfi Toivuv^ uir' oubevö? tujv ^ktö^ (p9apTlCTÖ^€vo^ ^belxöii
6 KÖCTjLiOi;, Till ^1^btv fHuj KttTaXeXeiqpGai Trdvruj^, oub' uttö tivo?
Tüjv dv auToi, bid Tf|v TrpoemXoTicTGeTcyav diröbeiSiv, Ka6' f^v tö
dXiüTÖv Tf| ^T^pcji TU)v alTiujv Kai Tf|v ^T^pav direcpuKei b^x^cxGai
zieht eine weitere Folgerung (toivuv Z. 1) aus einem eben ge-
lieferten Beweis (irpoeTTiXoTicTöeicrav diröbei^iv Z. 3), welcher fest-
stellte, dass alles was einer äusseren, auch einer inneren Ursache
des Verderbens unterliegt. Aber weder von einem solchen Beweis
noch überhaupt von innerer und äusserer Ursache des Verderbens
ist in der nächsten Umgebung eine Spur zu entdecken.
Was von den Lücken der Wissenschaft im Allgemeinen gilt,
dass man sie erst dann vollständig erkennt, nachdem sie aus-
gefüllt worden, sollte für Textesschäden, welche die Logik so
deutlich wie den gegenwärtigen anzeigt, eigentlich nicht gelten.
Jedoch ein argumentum ad hominem hat immer sein Gutes, und
um ein solches in diesem Falle zu erhalten, braucht man nicht
die Entdeckung einer vollständigeren Handschrift abzuwarten;
eine nur nicht gar zu flüchtige Durchmusterung aller Theile der
Schrift, wie sie jetzt vorliegt, führt schon zum Ziele. |
37 Vom Anfang S. 487 liest man bis S. 492, ohne durch Un-
terbrechungen der Construction oder des Gedankenganges gestört
zu werden. Bei S. 492 angelangt, befindet man sich innerhalb
einer Untersuchung, welche von den zwei möglichen Ursachen
des Verderbens, der inneren und der äussern, handelt und, nach-
dem für das Weltgebäude die UnStatthaftigkeit einer äusseren
nachgewiesen worden, sich zur Besprechung der inneren wendet:
1 Bei Mangey stehen zwischen Toivuv und dir' oö6€v6<; folgende die
Construction des Satzes unterbrechende Wörter : fj aOvraEK; äT€ ^A1^b€v6q
6iroX€i<pe^vTo^ ^^pou<; ili^ ßiaaGf^vai. In der Mediccischen Handschrift und
in dem Auszüge de mundo S. 611 fehlen sie. Ihren Ursprung erkennt
man leicht, wenn man sich erinnert, dass auf der vorhergehenden Mangey-
Bchen Seite 496 Folgendes zu lesen ist : iremit^vai t€ t^P (t6v KÖa^ov) kl
ÖXujv ruiv aTOiX€(uiv di<; äT€ jiiibevöq (iiroX£iq)ö^vTO(; koI direXeu6epid-
ZovToq li^pouq ßiaöGf^vai. Diese verkehrte Stellung der Partikeln diq
äT€ veranlasste einen alten Leser die 'richtige Construction* (i^ a^jvralic,
{vgl. Lehrs, Pindarscholien p. 40)>) am Rande zu bemerken, und die Rand-
bemerkung wurde dann auf die folgende Seite dahin verschlagen, wo sie
jetzt in einigen Handschriften steht.
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XXI Blätterversetzung in Philon ir. dq)6. KÖafxou 287
Kai \ir\v o\)hl öit6 tivo^ alxiaq biaXuOrjcreTai (ö köcTjlio?) tujv
^VTÖ^ auToO. TTporrov )ii^v, ^ireibi?) toO öXou tö ji^poq xai fiieilov
fcTTai Ktti KparaiÖTcpov, äirep dcrriv dxoTnJüTaTOV* ö t«P köcT)iio?
dVimepßXrJTU) Kpdiei xP^M^vo^ äfei ra irdvia ji^pn irpö? iniibe-
5 vö? auTUJV dtTÖjLievo?' fireiTa, biöri birrujv oöcruiv qpGopä^ altiujv,
Tfi<; )xi,v iwöq, Tf]<; bfe ^KTÖ?, a -rfiv ^T^pav oTd t€ (so statt
oTetai) uiTO)ii^veiv, bcKTiKd Kai rflq ^T^paq iaiX irdvru)^' cnniieTov
h4. ' ßoO<; Kai '{tttto^ Kai fivGpujTroq Kai xa rrapauXricna Zijja biÖTi
7T^9UK6V dvaipeicTGai uttö cTibripou, Kai vöctuj TeXeuTrjcrei. XaXe-
10 TTÖv T<ip> ^aXXov bk dbuvatov eupeiv 8 Tf|v votjttiv* ßiüGev
aliiav 7r€9UKÖ^ u^To^^velv tf)^ 9Gopä^ fibcKTOv foxai * * *
uTTOCTTiivai KaG' dauxöv, f|viKa köcTjlio? oök fjv tö Tdp |li#|
uTrdpxov oi)bi Kiveixai, bidcTTTma bi, KOCTjuiKfi^ Kivi^creuj^ dbeixGii
6 XP<^vo^ ujv.
Hinter fibcKTOV fcTiai (Z. 11), wo Mangey eine Ltlcke bezeichnet,
reisst der Faden ab. Denn erstlich ist der mit XaXcTröv tdp
Z. 9 beginnende Satz, welcher sagen will: *man könne kein
Ding linden, das einer von aussen kommenden Ursache des
Verderbens unterliege und doch jeder von innen her wirkenden
entrückt sei', unvollständig durch das Fehlen eines der ^£iuGev
altia (Z. 10) entsprechenden Begriffes, d. h. durch das Fehlen
von Tflq JvboGev hinter dbeKTov foxai. Und zweitens bildet die
nächstfolgende Wörterreihe Z. 12 uiTOCTTfivai KaG' dauTÖv fjviKa
K6a\xo<; ouk fjv einen Nachsatz, der seinen Vordersatz eingebüsst
hat und nicht mehr auf äussere und innere Ursache des Verder-
bens, sondern auf das Verhältniss zwischen Zeit und Welt sich
bezieht. |
Von dieser ersten Unterbrechung auf S. 492 schreitet man 38
dann ohne Hinderniss durch fünf Mangey'sche Seiten fort bis
zu S. 497, wo der oben (S. 285) mitgetheilte Bericht über die ab-
trünnigen Stoiker sich findet und ein zusammenhanglos dastehen-
der Satz mit direibi?) toivuv utt' oubevö^ tujv ^ktö^ 9Gapr)(T6fLi€vo^
^beixGii 6 K6cT^oq beginnt und von innerer und äusserer Ursache
des Verderbens handelt.
Von S. 497 an ist dann wieder durch fünf Mangey'sche
Seiten ebener Weg bis zu S. 502. In der Mitte von S. 502
* Statt des unmöglichen voitn?|v schlägt Mangey kiviit/|v vor. Bis
etwas Besseres gefunden wird, nehme ich an, dass voiTn?|v aus Wiederho-
lung der unmittelbar vorhergehenden Buchstaben 8 ti^v entstanden ist.
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288 XXI Blätterversetzung in Philon ir. d<pO. KÖa^ou
beginnt eine Auseinandersetzung ilber das Verhältniss zwischen
W^elt und Zeit. Zunächst wird gesagt, dass schon die Definition
der Zeit, als des Maasses der Weltbewegung, die unzertrennliche
Verbindung Beider darthue. Darauf heisst es in Bezug auf die
Undenkbarkeit der Welt ohne Zeit :
irdvTujv hk dTOTTiuTaTov uTTOvoeTv 8ti fjv 7roT€ KÖa/Lioq* fjviKa
ouK fjv xpdvoq, ävapxog t«P ^ai dteXeuxiiToq f) toutou (näm-
lich ToO xpövou) qpuai^' direl xai auTct raÖTa, tö fjv, tö ttotc,
TÖ fjviKa^ xpövov CTuveiicpaivei. Toutiü bi äköXouGov tö \ir\bk
5 xpövov TOI bÖTlnaTi Tfl? dKirupübcTeiüg öipfe Tf\(; fjXiKia^ dvboidcrag
^TTicTxeTv ou fäp veÖTTiTo? dXXd rnpwg rd c^e^vd xai TrepijidxnTa
bubeiv ktX.
Bis Z. 4 ist, wie man sieht, Alles in trefflichster Ordnung.
In Z. 4 TouTiu bk dKÖXouGov beginnt das Chaos. Jedoch da wo
Mangey eine Lücke bezeichnet, nämlich nach dKTrupiücTeui^ Z. 5,
ist der Sitz des Uebels nicht. Denn, nehmen wir die Unter-
brechung vor Till bÖTMOTi Z. 5 an, so erhalten wir aus einer Un-
tersuchung über Welt und Zeit in den Worten toutw bk dKÖXou-
Gov TÖ jniib^ xP<^vov einen nachsatzlosen Vordersatz, der, mit dem
auf S. 492 befindlichen vordersatzlosen Nachsatz ähnlichen Inhalts
zusammengefügt, folgende auch nicht durch das Fehlen einer
Silbe gestörte Periode ergiebt :
39 [S. 502] TOUTU) bi dKÖXouGov tö | \xr]bk xpövov [S. 492] uirocTTfivai
KttG' ^auTöv f^viKtt KÖcTjLioq oÖK fjv, TÖ tdp \ir\ uTidpxov oubfe Kl-
veiTai, bidcTTima bk KOCTjLiiKfi^ Kivrjaeu)^ dbeixGii ö XP^vo? ujv.
*Von diesem Satz (dass Welt nicht ohne Zeit bestanden) ist
5 eine Folge, dass auch die Zeit nicht für sich bestanden habe
als .die Welt noch nicht war. Denn' u. s. w.
Wird nun die Reihe der fUnf Seiten von ÖTTOCTTiivai S. 492
bis S. 497, wo in dem Bericht über die Stoiker eine Verwirrung
sich kund giebt, hinter \xr(bi. xP^vov gerückt, so ergänzt sich
der auf S. 492 bei fibcKTOV fcJTai abbrechende Satz, in welchem
die Erwähnung einer inneren Ursache des Verderbens vermisst
ward, von selbst in folgender Weise:
1 Bei Mangey steht: f\y iroT€ XP^^'^o? i\yiKa oök t^v K6a^o^. Der
Stcllentausch zwischen den Wörtern Xp6vo(^ und KÖ(T^oq, welchen ich vor-
gfonommen habe, wird durch die folgenden Sätze so gebieterisch gefordert,
dass er wohl keiner weiteren Begründung bedarf.
8 Das heisst die eben in dem die Ewigkeit der Zeit leugnenden Satz
fjv iroT€ K6a^oq i^viKa oök i^v xp^^voq gebrauchten Wörter.
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XXI Blätterversetzung in Philon ir. dipG. xöaiuiou 289
[S. 492] XaXcTTÖv T<ip? MÖXXov bk dbiivatov eupeiv, 8 Tf|v ßiu-
0€V aiTiav TrecpuKÖq u7to)ii^V€iv tfig qpGopä^, äbeKTOv JcTiai [S. 497]
KttTO TÖ TravreXfeq TX]q fvboGev. *E7r€ibf| toivuv utt' oubevöq tujv
iKiöq 99apiicT6|Lievoq ^beixön 6 k6<T|lio^, Ttu )xr\hiy/ ßuj xaraXe-
5 XeiqpGai, oub' öttö Tivoq tujv ^v auTiu (nämlich (p9apT)CT6|Li€vo^
dbeixOn 'so ist zugleich erwiesen, dass er auch nicht durch
etwas in ihm Befindliches vernichtet wird'), biet Tf|v TTpoeiri-
XoTKTOeicrav diröbeiEiv, xaG' f^v tö dXujTÖv rij Ix^pqt tujv alTiujv
Kai Tf|v ^T^pav ^TreqpuKCi b^x^^Töai.
Wir können also die von Preller zu Stoici interioris admissionis
gedeuteten Wörter toi^ JvboGev (Z. 3) unter Aenderung von Tcliq
in TT]? — der einzigen Buchstabenänderung ^ welche in Folge
der Blätterversetzung nöthig wird — dazu verwenden um die
unentbehrliche *von innen her wirkende Ursache des Verderbens'
zu gewinnen, welche der ßuiGev aWa Tf]<; qpGopä^ (Z. 1) auch in
der Adverbialbildung auf das Oenaueste entspricht Und zugleich
erhält das früher ohne Ober- und Untersatz dastehende Schluss-
glied *EiT€ibfi Toivuv ktX. (Z. 3) jetzt seine volle syllogistische
Richtigkeit. Der Bericht über den Stoiker Diogenes aber, in
welchem Preller keine Lücke, sondern lieber gewaltsame El-
lipsen annehmen wollte, rundet sich zu folgender Periode, welche
den Oegensatz zwischen der stoisch frommen Jugendzeit und dem
in Ketzerei verfallenden Alter des Mannes klar ausspricht : •
[S. 497] X^TCTtti bk Kai AioT^vri^, f|viKa vioq fjv cruvemTpaipd-
^evo? [S. 502] Till bÖTMaTi Tf|^ dK7Tupiucreu)(s, öipfe rf\<; f|XiK{a?
ivboidcraq Imüxeiv ou tdp veoTTjToq dXXd ff\?^^ Td cr€|Livd Kai
7r€pi|LidxTiTa biibeiv ktX.
*Auch Diogenes, obgleich er, als er | jung war, das Dogma vom 40
Weltbrande mitunterschrieben ^ hatte, soll in vorgerückten Le-
^ Auch diese kleine Aenderung ist jetzt urkundlich bestätigt. In
der Medioeischen Handschrift findet sich vor ^vboOcv die übliche Abkür-
zung für Tf\^, wie [das in den Abhandl. der Berl. Akad. 1876 p. 214
mitgetbeilte] Facsimile ausweist. In der Vaticanischen Handschrift des
Philon Nr. 381, welche für die zweitbeste unter den bekannten pliiloni-
schen gilt, ist Tf\<; vor ^vboecv mit vollen Buchstaben ausgeschrieben, wie
die Durchzeichnung bezeugt, welche ich nebst einigen anderen Angaben
über diese Handschrift der Güte des Hrn. Bichard Förster, Professor an
der Bostocker Universität, verdanke. Zusatz aus dem Jahre 1876.
^ Diese Bedeutung von iizvfp&ip^aQax mit dem Dativ belegen die
Lexika hinlänglich. (Eine reiche Beispielsammlung giebt Beiske zu Di-
Bernsys, ges. Abhandl. 19
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290 XXI Blätterversetzung in Philon ir. dq)6. K6a^ou
bensjahren zweifelhaft geworden sein und innegehalten haben.
Und in der That ist es nicht Sache der Jngend sondern des Alters,
die hohen and vielbestrittenen Fragen zn durchschauen u. s. w.
Aus allem diesem ergiebt sich, dass ein zukünftiger Her-
ausgeber folgende Ordnung der Seiten zur Geltung bringen muss :
492 bis fibcKTOv fcrrai, 497 von Katd tö TTavreXfe? an, 498, 499,
500, 501, 502 bis mbk xpövov, 492 von ÖTTOCTTfivai an, 493, 494,
495, 496, 497 bis (TuvemTpaipdiLievo?, 502 von Tip bÖTjuaxi ifi?
dKTTupiücreu)? an, 503, 504 u. s. w. \
Die Leser dieser fär Geschichte der Philosophie so ergie-
bigen Schrift werden dann zwar noch das Fehlen des in den
Schlussworten ^ verheissenen zweiten Theiles zu beklagen haben,
innerhalb des vorliegenden Theiles aber durch keine Unter-
brechung des Zusammenhanges gestört werden.
narchuB p. 21 f. {Oratorea graeei t. iv); vgl. auch Philon De ebrietctte c. 49
t. I p. 388 M. öirÖTe auvciritpdqpeaeai naiv ib<; dX^ö^aiv iboUy.
* Von Allem, was auf den versetzten Seiten 492—497 steht, findet
sich in dem Auszuge de mundOy (den Ewald, Gesch. des Volks Israel vi^
p. 277 mit unbegreiflichem Versehen für das Original hält), keine Spur.
Es war also wohl dieses Stück aus einigen Handschriften ausgefallen, wurde
an besonderer Stelle nachgetragen, und dann unrichtig eingefügt. (Aehn-
liche Blattversetzungen sind vorgekommen in Tacitus histor. in 5 — 9 wo.
Picfaena die Ordnung hergestellt, bei Athenaeus iv p. 177^— 182 « vgl. Ca-
saubonus animadverss. p. 813 und Cobet in der Mnemosyne novavn p. 296,
in Lukians enoomium Demosthenis c. 29 s. J. M. Gesner bei Reitz t. m
p. 511 n. 79, in Novatianus de trinüate vgl. Schoenemann Biblioth. patrum
lat. I p. 138 f.).
2 S. 516 (oben p. 283, 2). <Auch von Philon's Schrift ircpl \iiQr\<^
ist das erste Buch verloren gegangen, s. V. Kose Aristo t. pseudepigr.
p. 116>.
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XXII
Ad Chr. Carolvm L Bvnsenivm
[de hippolyti refvtatione haeresivm]
epistola critica.
Chr. Ch. J. Bansen, Hippolytus and his age. London 1852 vol. iv
Append. p. i—xlvi i).
m
CAROLO BVNSENIO S. P. D. lACOBVS BERNAYSIVS. 621
HosPiTALiA tecta Tua relicturus circumspicere coepi, quo-
nam modo et Tibi gratnm animum meum probarem et consueta-
dinis nostrae quasi monnmentnm aliquod, quantamvis exiguum
et cadncam, erigerem. Opportune statim sese obtulit menti meae
über ille Philosophumenon secundum codicem e Graecia Parisios
allatam nnperrime Oxonii editus. lato in codice cum incognita
qnaedam Heracliti Ephesii fragmenta contineri ante aliquot annos
Parisiis versatus comperissem, per varias, quas Tibi coram nar-
ravi, canssas reliquias illas pbilosophi inter eos, qui ante Piatonis
aetatem floruerunt, facile prineipis in mcum usnm convertere
non licnit. Oxoniensis igitur editionis rumor simnl atqne in-
Germaniam allatus est, omni, quo potui, modo efficere studui,
nt libri istius exemplum cito nanciscerer. Neqne vero tarda
bibliopolarum vehicula ardenti desiderio meo respondebant, iam-
^ [Wiederholt in der deutschen Bearbeitung : Hippolytus und seine
Zeit (Leipzig 1852—3) Bd. n p. 619 — 657, aber nicht in der zweiten eng-
lischen Ausgabe Lond. 1854 2 tom., dafür zum dritten Male in : Analecta
Ante-Nicaena. coUegit recensuit illustravit Chr. C. I. Bunsen. Vol. ni (Lon-
dim 1854) p. 805->336. Die römischen Ziffern am Rande sind die Seiten-
zahlen der ersten englischen Ausgabe des Bunsenschen Hippolytus, die
arabischen beziehen sich auf die deutsche Ausgabe. desselben Werks.]
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292 xxn Epistola critica ad Bunsenium
qae ardorem philosophico aliquo £in(pu)vt^|iiaTi restingaere coepe-
ram, cum ecce Tu, qua es erga me benignitate atque benevo-
lentia, et Graecum librum mihi transmittis et opus Tuum addis
de illo libro conscriptum. Id cum, aliis in quibus versarer stu-
diis relictis omnibus, diligenter perlegerem, primum funditus a
Te falsam istam opinionem everti videbam, ex qua Origenem
Philosophumenon scriptorem esse Francogallus editor et in in-
dice et in praefatione libri asseverare haud dubitavit. Deinde
ivab Hippo|lyto Portus Romani saeculo m episcopo conditos esse
Philosophumenon libros tam simplicibus validisque argumentis
eyincis, ut omnes Tibi adstipulaturos esse confidendum sit, qui-
cumque veritatis et capaces sint et tenaces, illamque, ubi semel
eam cognoverint, candide atque animose sine meticulosa dubi-
622 tandi significatione profiteri didicerint. Denique nubem | quaestio-
num difficultatumque, quae ex libro Hippolyteo tamquam ex
Pandorae pyxide proYolant, lumine eruditionis atque sagaeitatis
Tuae coUustras, plurimaque, quae prorsus nova atque inaudita
nunc primum in hominum notitiam perveniunt, cum vetustis
diuque cognitis ita coniungis, ut altemis nova vetustis et novis
vetusta lucem afferant. Neque in enucleandis digerendisque
rebus opera tua constitit; verum etiam ad verba scriptoris sin-
gula multifariam corrupta haud raro accessisti, eaque vel feli-
citer divinando correxisti vel ex arte tractando viam, qua futurus
corrector insisteret, monstrasti atque complanasti. Hoc igitur
praeclaro exemplo Tuo excitatus Tuisque laboribus adiutus equi-
dem aliqua eorum, quae ad emendsuida verba Hippolytea pertinere
videntur, in has pagellas conieci. Quo in negotio ita versatus
sum, ut memor praecepti Salomoniani |iif| jüteraGi)^ 6pia aiüjvia
intra criticae philologiae fines me continerem neque in theologiae
vel haeresiologiae campum evagarer, nisi ubi id propter naturam
verborum, de quibus agendum esset, non possem non facere.
Ac primum quidem ut de condicione vel mala vel bona
unici illius codicis Parisini, quem Oxoniensis editio expressit,
certa quadam via iudicium fieri posset, optimum visum est, eo
uti adinmento, quod auspicatissime ipsa Hippolytei operis con-
formatio suppeditat, quamquam Millerus cum magno editionis
suae detrimento fere nihil inde profecit. Cernitur autem illud
in ea ratione, qua deciraus liber cum novem reliquis continetur.
Etenim ultimo illo libro id agit scriptor üt, antequam suam |
vipsius doctrinam lectoribus proponat, breviter in eorum memo-
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xxn Epistola critica ad Bunsenium 293
riam et philosophorum et haereticonun placita revoeet, qaae per
novem priores libros uberius exposita sint. Quod consiliom
8uum ipse initio libri deeimi his verbis profitetar p. 311, 24
Zu^irepiXaßövre? toIvuv tci rrdviiuv tOüv irap' "EXXiicri aoq>6jv
bÖT^axa iv liaaapci ßißXioiq, xd bi. loTq alpeaidpxai? <b€boKii-
^evaV ^v TT^vre, vOv töv rrepl dXriGeia^ Xötov ^v iv\^ ^mbei£o-
^ Recte supplevit Millerns.
^ ^v 4v{] cod. ^va, quod non cum Millero in 4vl mutandum sed dis-
iunctim sie scribendum est: iy a, vel plenis litteris iv ivi. Etiam alibi
ex numerorum siglls menda orta sunt velut, quod perspexit Millerus,
p. 318, 24 KaOdirep oi iroXXol ÄirXd X^tovreq clvai rä bi riaaapa oroixcla
Kai TÖ irOp &itXoOv clvai vevo|i(Kaaiv, ubi importunum istud bi irrepsit ex
siglo quaterni numeri h', a quo ne in heroico quidem versu abstinuit co-
diciß noßtri librariuß p. 313, 71 hi tOöv irdvrurv /!»i2^di^aTa irpiörov dKOuc.
Alio vero in loco non minus ineptum hi non ex siglo numeri quaterni sed
ex vocabulo denarii numeri mutilato, blKa, originem duxit. Exstat is
quidem locus in libro decimo capite de Monoimo Arabe p. 326, 30 "Orav
oöv, (pr\aij p&fiboy \iyr} Mwöof^q aTp€q>o^dvT)v cU Attuirrov, rä irden xara-
\if£i t6v KÖoiLiov ToO tOtira dXX1lTopou^^vuJ^, odbi irXeiövwv bi iraOuLiv
^axnM<&'^i<7^v- I^i ^^ quidem recte egit Millerus, quod huic enuntiato emen-
dando locum TrapdXXnXov e libro octavo adhibuit hunc p. 271, 83 "Orav
oöv, q)iia(, pdfibov \tp} Muiüaf^t; öTpcqpoiui^v iTOiKiXu)(; €l^ t4 irdST) t4 Kaxd
Ti^v AItuittov, ÖTivo, qpiiöiv, i<n\ rf^q KTiö€W(; dXXiiT<^pou aO|ißoXa, oök
6^ irXeiova irdGr) twv bdiöCKa ax^^arHex r^v pdfibov ktX. Unde id sane
apparet, in loco libri deoimi pro töv köoiliov scribendum esse cum Millero
ToO KÖoiiou atque irXeiövwv mutandum in irXeiova tC&v. Idem vero
Millerus cam etiam pro b^iraOOLiv ex libro octavo substituit öctibexa
iraOtZrv, poenarum quibus Aegyptii afflicti sunt aut nullum aut falsum cal-
culum sese iniisse prodit. Neque enim Tu, qui habitas in Bibliis, ignoras
decem poenas Aegyptiorum in Exodo enumerari, non duodecim, idque
optime oonvenit cum Monoimi doctrina, quae fere tota denario numero
nititur. Quapropter in libro decimo pro bä iraBdiv scribendum est biKa
iraeu^v, octavi vero libri 6(66€Ka corrigendum in biKa, Atque haec
quidem breviter dicta sunto de mendis, quae ex numerorum siglis mana-
runt. Non minus breviter- simile corruptelarum genus attingam, quod
posteriorem capitis de lustino partem p. 154—168 obscuram reddidit (cf.
Yalckenaerii adn. er. in Nov. test. p. 366). Ibi enim quater ouvo^ quod
est compendium scripturae vocabuli o(»pav6^ usitatissimum, cum avo^, non
magis raro vocabuli dvepwiroq compendio, permutatur: p. 154, 78 rö irvcOfxa
Tdp |iou ^v6d6€Tai cl^ roix^ oCipavoOq scribendum dv6p(j[)iro\)^;p. 155, 21
dpxi^v xaKuiv ^iToiiiae rijp ^TV€0^aTlToO irarpö^ toO iv Tot^ oöpavot^ scriben-
dum Tvjt ^vTot^ dv6p(j[iiT0iq; p.l55, 32tva6idTtXiviTpoq)n'"^ dKOÖoi} röirvcO-
^aTÖ iv To1<; oOpavotc; scribendum dv9piJ(nroiq; p. 158,1 oOk dv ^köXoZc t6
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294 XXII Epistola critica ad Bunsenium
^^^j)iiev, dvaK€(pa|Xaioujüievoi I TTpüJTOV TÖi irdcTi beboKrijueva.
Omnino autem diversa excerpendi ratione in prioribus quattuor
VII et qainque postelrioribas libris utitur Hippolytus. Natu quod ad
624 quattuor istos | priores ^ attinet, quorum ad nos nil pervenit nisi
primus über, qui Origeoianorum operum corpori per errorem
insertus erat, et particula quarti, a qua noster codex incipit:
horum in libvo decimo nuUa exstat, quae quidem iure sie appei-
iTV€0|LAa TÖ ^v Totq oöpavolq scribendum dvOpiJbiTOK. Etenim in quat-
tuor Ulis locis agitur de spiritu, quem ho mini inspiravit Elohim secunduni
lustiui sententiam. Quod cum ex universa eins doctrina colligitur, tum
in primis per cum locum demonstratur, quem infra scripei : p. 152, 20 töv
äveptJTrov oöv ^itoiTiaav (cod. i-noi^a^) (70^ßoXov xf^^ ^vöniroq aOrOjv xal
£C»vo(a<; Kttl KaraTiBevTai Tä(; ^auTuiv &uvd|iei(; €l<; aÖTÖv (cod. ^auTÖv,
correxit Millerus), 'Eb^|Li |ui^v T^jv M^uxriv? 'EXu)€lji hi rö TrvcO^a. Huiu»
rei aliquid in eo solo loco, quem secundum posui, p. 155, 21, intcllexit
editor. Consulto autem dixi, aliquid tantum eum iutellcxisse. Nam ibi,
admisso äyOpdiiroK;, necossario toG mutandum esse in Tip, id quidem eum
fugit. Aliorsum vero dotorquetur idem vocabuli oOpavö(; compendium
in particula capitis de Docetis libri octavi, quam loco libri decimi irapaX-
\f\\\\i usus persanabo»
VIII p. 264, 2 X p. 324, 92
*0 bi aldjv oÖTO^ 6 Tpixoq Toix; *0 t^P (scr. bi) TpCxo^ aldiv, ö
xapaKxf^paq ßX^iruiv irdvxa(; dOpöuiq ^auxöv xpnrXaaidaaq, öptöv xoCk; xa-
xoö^ 4auxoO €l^ xö (>TroK€(^€vov pttKxf^paq aöxoO irdvxaq Kaxaairui-
KdXUJaKÖX0^KaX€lXTimLldV0U<;,Xl?|VX€ ^idvOUq Clq xö KdxU) (TKÖXOq, OÖK
6 bOvaiLiiv xoO CKÖTOV^ OÖK drvouiv dTvotJv xViv X€ XOO (JKÖXOU^ b£lVÖ- 6
Kai xö d(7<paX^(; xoO <pwxöq Ö^o0 xiixa Kai xi^v xoO <pu)xö(; d<p€Xö-
Kal Ö(peovov, OÖK etaaev ittX ttoXö xrixa, ^iroiiiaev oupavöv koI
xouq <puix€ivoö<; x<xp<iKxffpaq dvu)- in^aov ir/iHag bicxtt'pi^Tcv dvain^oov
Oev öirö xoO oköxou(; Kdxu) Kaxa- xoO ököxou^ Kai dvafidöov xoO
10 a-rraaef^vai * dXXd tdp öir^xaHc xoi(; (pujxög. lo
altiüai. Ix€p£(j[i(7a(; oi5v KdxwOev
*Kal biexiOpiaev dvd lui^aov xoO
öKÖxou^ Kai dvd ^iaov xoO qpurröq'.
Quae si inter se contuleris, vel me non monente, videbis in libro
vni 6 sie scribendum esse x/jv x€ öövajiiv xoO aKÖxoug oök dtvouiv Kai xö
dqpcX^^ (simplicitatetn) xoO <pujxö^, versu autem 11 sie dXXd ydp öirdxaEe
xotq aluiai ajepiw^a oöpavoO KdxwGev, "sed aeontbus inferne substruxit
finnamentum ca€li\
1 Quos ipse Hippolytus Philosophumenon nomine designare et a re-
liquis quinque secernere videtur lib. ix p. 280, 52 dXX' el Kai irpöxepov
€KK€ixai öq)' fimiiv kw xo1(; <l>iXoao<pou|üi^voiq fj b6ta *HpaKX€{xou, quod
respicit ad lib. i p. 10. [Primi tantum libri titulus fuisse videbatur Diel-
sio Doxograph. p. 144].
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xxn Epistola critica ad Bunseuium 295
lari possit, dvaxeqpaXaiuxTi^. Neque enim tali nomine digna est
iciuna isla pbilosophoram, quoram plaeita in libro primo co-
piose exposita erant, ennmeratio, praesertim cum neque ipsius
Hippolyti neque eorum scriptorum verbis comprehensa sit, a
quibns singnla primi libri capita repetita videntur, sed paene
tota ex aliquo Sexti Empirici loeo descripta. Itaqne si quis
verbis initio libri deeimi positis, quae modo asci:ipsi, inductus
speraverit, posse per dvaK€9aXaiujcTiv, quae ibi promittatur, ar-
gumenta certe deperditorum secundi et tertii librornm recuperari,
is pagellis 311 — 314 vel semel perlustratis vanam spem suam
fuisse perspiciet. Nullus igitur fruetus, qui ad quattuor priores
libros pertineat, cum ex decimo percipiatur, tarn varium et
multiplicem usum habet decimus ille | über cum ad emendandos vni
tum ad supplendos quinque posteriores, in quibus ^Xeyxo^ tuüv
aiptoeujv continetur^ libros, ut minime verear pronuntiare, illum,
si diligenter atque ex arte pertractetur, vice alterius codicis,
eiusque et plenioris et casti|gatioris, band uno loco fungi625
posse. Id vero ne cupidius dixisse videar, age aliqua libri de-
eimi capita cum capitibus quinque posteriorum librornm com-
ponamus et per singula eundo utraque persequamur. Unde id
spero effectum iri, ut cum mendosa codicis nostri natura lucu-
lentis ipsius Hippolyti testimoniis patefiat, tum vero etiam ubi
Hippolyti auxilium nos destituat libertas quaedam sapienter au-
dendi benigne ab omnibus concedatur, quicumque et harum rerum
periti sint neque aciem mentis suae obtuderint ignavia iudicandi.
Initium autem facimus a capitibus de Ophitis sive Naas-
senis qui utrobique, et in quinto et in decimo libro, agmen hae-
reticorum ducunt. Ea capita primum siglis A et B notata ascri-
bam sicut edita sunt a Millero, singulis eorum verbis sie e
regione positis ut quae ex quinto in decimum librum abierint
in oculos incurrat. Quod ut etiam apertius reddatur, ea verba,
quae utrique capiti communia sunt, in libro quinto distinctis
litteris exprimenda curabo. Deinde quae utroque in loco mu-
tanda sint brevissime in marginibus significabo, atque harum
denique mutationum caussas e re nata vel uberius vel brevius
exponam.
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XXII Epistola critica ad Bunsenium
(Hb. V p. 95, 42)
OÖTOi TÜJV äXXiüV dirdv-
TlUV ^TTttpä TÖV aUTUJV Xö-
IX TOV Tl)llU)(TlV ävOpUJITOV
KOI u\öv dvGpiuTrou. "Euti
5 bfe fiv6pUJ7rO? OUTO^ (ipcT€VÖ-
6tiXu(S, KaXeiTtti bi. 'A|b<i-
)iia? TTttp' auTOi?* ö^vol bi.
eiq auTÖv feföy/aax ttoXXoi
Kttl TTOIKIXOI.
10 p. 95,50 AiaipoOcTi öfe au-
TÖv, dj^ fripuöviiv, TpiXTi.
"EcTTi Tctp TOUTOu, qpacri,
TÖ )iifev voepöv, TÖ bi. ipu-
XiKOV, TÖ bk xo'iKOV Ka\
iB vojLiiZoucTiv eTvai xfiv tvu»-
cTiv auToö dpxnv toO bu-
vacrGai tvoivai töv0€6v...|
626 TauTa bk iravta, cpn^i, Tct
voepct KOI v|iuxiKd Kttl xoi-
20 KCl ^KaiexibpriOe xai Kat-
<(fiX0ev eiq} ?va ävGpujTTOv
ö^oO 'Itjctoöv TÖV iK tnq Ma-
pia^ TeTtVTiM^vov xai dXd-
Xouv, qpTjCTiv, 6)iio0 Kard tö
25 auTÖ o\ Tp€Tq oÖTOi fivGpuj-
TTOi diTÖ TU)v Ibiujv ouctiOjv
Toxq löioi? ^Kaaroq. "EcTti tdp
Tiuv öXujv Tpia fivr\ Kar'
auToviq, dtreXiKÖv, ipuxi-
80 KÖv, xoi»^6v Kttl TpeT? Ik-
xXiiaiai, dTTeXiKrj, ipuxi-
Kri,xoiKr|* övöjiaTa bfeau-
TaT? dKXeKTfi, ^KXnTiKfi,
alxMdXuiTO?. TaOia daxiv
B
(Hb. X p. 314, 99)
NaacrcTiivoi clvGpujTTov Ka-
XOÖCTI TflV TTpÜJTnV TUJV ÖXlUV
dpxnv, TÖV auTÖv Kttl uiöv dv-
GpU)7T0U* TOUTOV bc
Tpixfl biaipoO(Jiv. "EcTTi ^ev s
Ydp auToO, qpacri, tö )iiev voe-
pÖV, TÖ bk V|iUXlKÖV, TÖ bk %0\'
KÖv. KaXoöcTi bk auTÖv 'Abd-
jLiav, Kttl vo)iiiZoucri ttiv *e\q
auTÖv eTvai tvujctiv dpxnv toö lo
buvacTGai TvOJvai Geöv. Kai
TttÖTa TidvTtt Td I voepd Kai Td
MiUXiKd Kai Td xdxKa Kcx^pn-
K^vai eiq TÖV 'lr](Toöv Ka\ öjioO
bi' auToö XeXaXiiKevai Täq TpeT^ 15
oucTiaq Toig Tpicri T^veai toO
^TravTÖq, OÖTUJ apaCKOvax Tpi-
Y€vfi, dtTeXiKÖv, MiuxiKOV, xoi-
KÖv • Kai Tpeiq eivai dKKXTicTia(s,
dTT€XiKr|v, v|iuxiKr)V, xoMv 20
övö^aTa bk axnax<; dKXeKTrj,
KXiiTri, alxMdXujTO?. TauTa
dcTTl Td KaT' amovq KecpdXaia,
ib? dv öXiTiV ^^Ti KaTaXaßeTv.
TaÖTd qpaai irapabebiüKevai 25
TÖV 'IdKUjßOV TÖV db€X9ÖV TOO
Kupiou TTJ Mapid)iivij KaTaipeu-
böjLievoi d|Ll(pOTdpU)V.
1 irapA TÖV aÖTüöv Xötov] TraT^pa t<^ aÖTi?) Xöth*.
3 KaT€xi)bpn<J€] Cod. Kai ix\hpr\0€. Scrib. Kcxu^pn^c.
8 KXr]TiKf]] K\r]Tf\, * eU aöröv] Sententia postulat aÖToO.
^ iravTÖg. ToOtou (pdcJKouai rpia T^vr).
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XXII Epistola critica ad Bunsenium 297
dnö TToXXiüV irdvu Xötwv toi
36 KeqpäXaia, & qpiiaiirapab€|-
biüKevai Mapidju^ij töv x
NdKUjßov Toö Kupiou töv
db€X9Öv. *'lv' oöv \xr\Te Ma-
pidjLi^iiq in KaTttipeubujVTai
40 ol dcreßeiq juriTe NaKuißou ktX.
lam primnm videamus quid in A corrigi potaerit adhibito
B. Statim ab initio A 1 — 4 sicut scripta sunt in codice Outoi
TUJV ctXXujv dTrdvTiüv irapa töv auTiuv Xötov TimlicTiv dvOpiuiTov
Kai uiöv dvGpüJTTOu sententiam efficiunt nullani. Millerus autem
cum haec annotaret 'Lege vel outoi irpö tujv fiXXujv vel infra
iTpoTi^oKTiv^ decimam librum, qui est mos ipsius, neglexit. Nos
vero coUato B 1 fivGpujTTov KaXoöcTi ttjv TTpuiTiiv tujv öXujv dpxnv
TÖV auTÖv Ktti ulöv dvGpiwTTOu id agi videmus, ut Ophitae nul-
lum discrimen inter Hominem et Filium hominis fecisse dican-
tar. Qnod e codicis scriptura nescio an non commodius eruatur
quam sie Outoi tuiv dXXujv dTrdvTUJV iraT^pa tuj auTijj Xöt^V
TijLiaKyiv dvGpiüiTov Ktti uiöv dvGpoiTTOu : 'Hi tamquam reliquarum \
omnium rerum patreni eodem in loco honoris habent Hominem et 627
Filium hominis'. Si cui vero locutio tCj auTiu Xötijj Tijiäv elegantior
videbiturquam quae inHippolytenm genus dicendi quadret, is adeat
p. 281, 94 ouTUjg 'HpdxXeiTO^ iv laij inoipcji TiGcTai xai T\\iq. la
i\iq>ayn\ Toiq dqpav^criv. — Levioris momenti ea est mutatio quae
ut in A 20 fiat suademus. Nam cum B 13 exstet K€xujpr)K^vai,
in A 20 scriptum fuisse K€XU)priK6 idqne in codicis scripturam
KOI dxu»pilcT€ (Kaix^pTj^O abiisse, veri est similins, quam quod
posuit Millerus KOTex{bQr\ae. Denique kXiitikii quod A 33 legitur
cum activam signiiicationem habeat, ineptum esse apparet. Verum
est kXtiti^, quod B 22 integrum reperitur. Neque est quod ad
confirmandam hanc mutationem Te ego recordari iubeam verbo-
rum Matth. XX 16 ttoXXoi f&p elcTi kXtitoi, öXitoi bfe dKXeKToi. |
Haec igitur sunt in quibus A per B emendatur, non con-xi
tcmnenda quidem sed tamen pauciora, quam quae in reliquis
capitibus inventuri sumus. Pergimus ad B per A emendandum.
Quod eo coniidentius persequi licet, quo certius ex comparatione
duorum capitum cum universorum tum imprimis clausularum
(A 34 — 40, B 22 — 28) Tibi mecum iam constare existimo, non
aliunde quam ex ipso A excerptum esse B. Atque hoc excer-
pendi negotio satis festinanter defunctus esse Hippolytus videtur.
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xxij Epistola critica ad Bunseuium
Ncque enini excogitare possuiii, qnanam alia via absurdum istud
dq auTÖv in B 9 Kai vo^xilovOi rfiv eiq auTÖv elvai TV&cTiv
dpxnv Toö büvacTGai Tvujvai Geöv, loco eius quod et senteotia
flagitat et cxstat A 15 eivai Tf|v tvujctiv auToO irrepserit, nisi per
7Tap6pa)iia quoddam ipsius Hippolyti, cuius oculi in A 8 ö^voi
bfeeiq auTÖv T€TÖva(Ji aberraverint. In hanc autem regioneni
ideo dclatus est, quod verba haec KaXoöcTi bi, auTÖv 'Abdjüiav
(B 8) post tripertitam liominiB divisionem (B 5) posnit, cum in
A alium eumque simpliciorem ordinem secutns esset, a nomine
(A 6) ad divisionem (A 10) transeundo. Alter vero error, qui
B 17 inconcinna haec outu) qpdcTKOucyi Tpitevf^ peperit, non
ipsi Hippolyto sed librario imputandus est. Ea enim ex A 27
TcTTi Tcip Toiv öXujv Tpia T^vri apparet leuiter mutando sie esse
corrigenda Toutou qpdcTKOucTi ipia t^vt] . . . . xai xpei^ eivai
eKKXfjcriaq: 'Huit$s (i. e. toO iraviöq) tria dicunt esse genera\
lam absolutis quae de Opliitis agunt capitibus, eodem modo I
628pcrtractemus*capita, quae et in quinto et in decimo libro con-
tinuo sequuntur. Sunt autem de Peratis.
A
(Hb. V p. 123)
^'EcTTi Yoöv Kai ^T^pa riq TTe-
paTiKTJ , 1 iLv TToXXoTg ?Teaiv |
I eXaBev f] Kaxd XpicTTOu bucT9T]-
^iia* iLv vOv €1^ qpavepöv dx^iv
5 ibole Td dnöppriTa fnuaT^ipia.
OÖTOl (pdCTKOUCTl TÖV KO-
(TjLiovervailvaTpiXTibiTjpTi-
)ll€V0V. "ECTTI bfe TTl^ TplX^I
biaip^cTeiü^ TTop' auTOiq
10 TÖ ^tv ^v M^po^ oiov )iiia
T\q dpXT^, KaBdirep ttht^
^eTdXt] elq direipou^ tw
XÖTtW T^TjöflVai TOjLld^ bu-
VajldVTl. 'H hk TTpÜUTIl T0)llf|
iB Kai TTpocrexecTT^pa kot'
auTOiiq dariTpid^Kai Ka-
B
(lib. X p. 315)
0\ bk TTepäTai, *Ab€)iin? 6
KapucTTioq Kai Eucppdiri^ ö |
TTepaTiKÖ^, XetoucTiv ?va eivai
KÖcT^ov Tivd, oÖTUj^ KaXoOv-
Te^ TOÖTOV, TplX^ biripT])ll^V0V. 6
''EcTTi bfe ^Tpixfi? biaiptoeiuq
TTap' auToT^ tö )iifev ?v ^^po^,
olov f^ )iiia dpxii, KaBdirep TnrtT)
)ii€TdXTi elq direipou^ T0)iid^ tuj
XÖTUJ T)iiTiefivai buva^^vTj. 'H lo
bfe TTpiuTTi T0)iif] Kai TTpocTexe-
cTT^pa kot' auToü^ doxiv f]
tpid^ Kai KaXeiTai dtaGöv t^-
Xeiov, ^dT€9oq iraxpiKÖv. Tö
bfe beuT€pov inepo^ ifj? xpidbo^ 15
olovei buvd^€U)v ^dTreipuiv ti
^ Inter TTcpariKi^ et div aliqua interciderunt.
2 bi Tf^<; Tpixf^ MilleruB.
3 direipov.
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xxn Epistola critica ad Bunseninm
299
XeiTtti äyadöv T^Xeiov,
jiieTfcöO^ TTttTplKÖV' TÖ be
beuTcpov Tfi^ Tpidboq au-
a> Tiwv M^po^ otovei buvd-
jiieiuv fiireipöv ti TrXfjBo^
ii ^auTUüV T^T^vim^vov' tö
TpiTOV iblKÖV. Kai lOTX TÖ
[Xky TTpUlTOV dT^VVTlTOV,
26 Ö7T€p iaiXv dTttBÖV TÖ bfe
beuTcpov dTOtOöv auTOTe-
Ve^' TÖ TplTOV T€VVr]TÖV
öGev biapprjbriv X^TO^^i
Tp€i^eeou^,Tpei^ XÖTOu^,
30 TpeT^ voö^, TpeT^ dv0pu)l-
TTOu^. 'EKd|<JT4i Tdp M^pei
Toö KÖcT|Liou, Tf\<; biaip^-
creu)^ biaKCKpi^i^vT]^, bi-
böaai Kai Seou^ Ka\ Xö-
86 Touq Kai voOq Kai dv-
BpiüTTOuq Kai Td Xomd.
*'Avu)0ev bfe diTÖ Tfi^ dyev-
VTi<Jia^ Kai ^T^pö Tfi^ ToO
KÖcTjüiou TOjiifi^, KaOeaTTi-
4A KÖTO^ XOITTÖV TOO k6<J|iI0U
dir! (JuvTeXeia, KaTeXrjXu-
Gdvai bi' akia^ S^ öcJTepov
dpoOfiev i\ TOi^ 'Hpüübou
Xpövoi^ Tpicpufl Tiva Kai
45 Tpl(yu)|iiov Kai Tpibiiva^iov
fivOpuüTTOv, KaXoujLievov
XpiCJTÖV, dlTÖ TUJV TpiUJV
^XovTa ToO KÖcTjüiou ^epu)v
iv dauTtp TrdvTa Td <Jut-
50 KpijLiaTa Kai Td^ buvdjiiei^.
Kai toOto etvai, q)ii^ii tö
TrXfiGo^* TplTOV IblKÖV Kai faTi
TÖ lifev TTpuiTOV ^dTevvriTov
o9ev biappribiiv Xefoucyi TpeT^
©eoii^, TpeT^ X6tou(;, TpeTi; «o
voöq, TpeT^ dvOpu)TTOU(;. ^Eko-
OTixi fäp ^lepei ToO köcTjüiou,
Tfiq biaipecTeuj^ biaK€Kpi|üid-
vriq, biböacTi Kai 0€ou^ Kai
XÖTOu«; Kai dvGpiÜTiou^ Kai Td 25
XoiTid. "AvuiGev b^ dirö Tf\q
&yeyvY\a\a<; Kai T\\q toö K6(y^ou
irpiwTTi^ TOjiifi^, im auvrreXeiqt
XoiTTÖV TOÖ KÖCTlLlOU Ka0eaTT|-
KÖTO^, KaTcXriXuG^vai im Toiq so
'Hpiübou I xpovoi^ Tpicpufi Tiva 629
fiviGpujTTOV Kai Tpi<Ju)jiaTov Kai
Tpibuvajiov, KaXou^evov Xpi-
CTTÖV, dlTÖ TU)V Tpiiöv ^x^VTa
TOÖ k6ü[X0V ^6pu}V iw aUTtÖ 85
TidvTa Td *ToO Koafiou (Jut-
KpijiiaTa Kai Td^ buvd^€l^. Kai
ToÖTo elvai GeXoucTi tö elpT]-
pdvOV* ''Ev ifl KaTOlKCl TTttV TÖ
irXripuüjia Tn^ Geöttito^ ^{Tu)- 40
jiiaTi'. KaTevexGf|vai bfe dirö
TUJV u7repKei|ii^vu)v köctjiuüv buo,
TOÖ Te d^ewriTou Kai toö au-
TOT€wr|TOu, el^ toötov töv kö-
aiLiov, iv (\) ia}xkv fmei^, ® irav- 45
ToTa buvdjLieujv airepiiiaTa. KaT-
eXriXuG^vai bk töv XpicJTÖv
fiviüGev dnö dTewncTia^, iva
bid Tfjq KaTaßdaeu)^ auToö
TidvTa <Ju)Gr| Td Tpix^ b\Vipr\' 50
[xiva. "A jLitv Tdp, (prjCTiv,
* aÖTiIiv T€T€vii^dvujv. ^ irpö xf^q] irpuÜTii<;.
' dT^vvTiTOv] adde öircp iarlv dyaeöv t6 bi beOrcpov dtaGdv aöro-
T€vd<;- t6 TpiTOV Y€wnTÖv.
* ToO KÖaiiou delenda. * (TvjjjiiaTiKiXi^
^ iravTo(u)v.
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300 XXII Epistola critica ad Bunsenium
XeYÖMtvov *TTav tö uXri- foiiv fivu)0€v KaxevriveTM^va,
puj^a €ubÖKTi<J€ KaioiKfiaai i.v dveXeucreTai bV auioO, xa bfe
auTiu (Tu)^aTlKl&5, Ktti n&öa ^TTißouXeuaavia idiq Kaxevii-
65 iOTiV iv auTtp f| Gcötii^', Tii^ vcTM^voi^ ^dcpiei eiKf] xai kg- 66
oÖTU) biijprm^viiq Tpidbo^. XacxG^via d7T07T^^7T€Tai. Aue
Kaieviiv^XÖai lydp (pii<Jiv bfe dvai fx^pT] xd aiwZö^eva
dlTÖ XU)V U7T€pK€lM^VU)V X^T€l, xd U7T€pKei^€Va, dTiaX-
KÖcT|Liu)v buo, xoO xe dyev- Xat^vxa xfi^ cpOopäq* xö bk
60 vrjxouKaixoO auxcT^voO^, xpixov diröXXuaOai, 5v kö<J|lIov 6o
XIV €1^ xoOxov xöv I KÖcTMOv, iv ^ibiov KttXeT. TaOxa Kai o\ TTe-
dj ^<J|Lifev fmei^, TTavxoiuiv pdxai. —
630 buvd|Li€u)v (TTT^piiiaxa. Ti^ bl daxiv 6 xpöiro^ | xfl^ Kaxaßd-
(Jeiw^ auxujv, öcrxepov dpoO|Li€v. KaxeXriXuG^vai oöv cpriai
65 xöv Xpiaxöv fivu)9€v dTTÖ xiiq dTevvTi<Jiaq, Vva bid xfi^
Kaxaßdaeu)^ auxoO irdvxa (JuüO^ xd xpixtl biqprm^va.
Td ^fev Tdp, (pii<Jiv, fivuiOev xaxevnveTlLi^va Kdxiw dve-
Xeucrexai bi' auxoO, xd bk dTTißouXeüaavxa xoi^ xax-
€viiV€T^^voiq fivujGev *d(pi€i, xal KoXaaG^vxa dTioX^-
70 TCTtti. Toöxö dtfxi, (priai, xö elpim^vov 'Ou ydp fjXGev 6 ulö^
xoO dvGpu)7T0u el^ xöv köctjiIOv, dTToXtoai xöv KÖa/iiov, dXX' \va
ctujG^ 6 KÖ<J^o^ bi' auxoO'. KöcTjiov, q)r|<ji, KaXeT xd^ büo inoipa^
xd^ iiTTepKeijLieva^, xrjv xe dT^wiixov kqI xf|v auxoT^vviixov.
"Oxav bi. X^TiJi <pr|(y(v, 'iva lii] (Tuv xiu kö<J|liiju KaxaKpiGuj|Liev'
80 f] rpaq)r|, xf)v xpixov jLioipav \ifei '^xoö köcTjuiou xoO tbiKoO.
Tf)v iLifev Tdp xpixTiv bei q)Gapfjvai, f\v KaXeT kö<J|liov, xd^
bfe biio xfj^ (pGopdq diraXXaTnvai xd^ üirepReiiLi^va^. |
1 T^p] hi. 2 (iq)ig^ £(,jfj j^ßi] ö<pio€i&f^. * IbiKÖv.
* dcpiei xai] öcptoeiöf). ^ töv KÖafiov töv ibixöv.
XV Lacunosa esse verba A 1 ''Eaxi toOv Kai ^x^pa xi^ TTepa-
xiKf| iBv neminem fugere potest, cum pronomen iLv quo referatur
nihil habeat. Ncque id non intellexit Millerus, qui haec anno-
tavit: Tost TTepaxiKri fortasse desunt quaedam*. Nos vero de-
cimo libro nixi non solum aliqua ibi intercidisse sine dubitandi
modestia pronuntiavimus, sed etiam qualia ea fuerint intellegimus.
ß3l Nimirum ipsi illi antesignani Peraticorum, quorum | mentio fit
B 1, 'Ab^iLui? (sive, ut p. 34, 18 appellatur, 'AKeiußri^ ^) 6 Kapü-
1 Ex p. 127, 11 Eö<pp(iTTi<; ö TTepaxiKÖc; kqI K^Xßn<; ö Kapö(JTio<;
nova huius nominis forma prodire non videtur. Nam cum in minuscula
scriptura X et |li vix dignoscantur, KdXßn<; et 'AKe)ißf)q eodem spectant.
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XXII Epistola critica ad Bunsenium BOl
(JTio^ Kttl EöcppdiTi^ 6 TTepaTiKÖ^ etiam A 1 post TTepaTiK/i for-
tasse talibus verbis commeinorati erant: f\^ dipxr\yo\ yeyövaaxy/
*Ab^^Ti^ ktX.; certe hi sunt ad quos pronomen Jiv respicit.
Quod ad reliquas mutationes attinet, quas in A faciendas
esse in margine significavimus, tres proximae tarn siraplices et
manifestae sunt, vix ut defensione egeant. Nam A 22 scriben-
dam esse buvd|Li€u)v fiireipöv xi uXriGo^ ii auT&v tct^viim^viüv,
'infiniia mtdtitudo potentiarum ex se ipsis genitarum^ probatur
per A 26, ubi seeunda Trinitatis pars appellatur äxoiOöv aOro-
Y€V^5. Porro A 37 dirö if]^ dT^vvTicrla^ kqi irpö ttj^ toO kö-
<J|Liou Toyif\q corruptum esse e ttpoitti^ ostenditur per B28 dirö
Tfi^ dTewTi<Jia^ Kai xfl^ toO kö<J|l10u Trpü&xii^ TOjiifi^. Denique
A 57 KarevTiv^x^^i 'X&9 a sententiarum conexu respuitar. Nulla
enim exponitur canssa eoram, quae ante dicta erant, sed affe-
runtur nova. Corrigendum esse t^p in bi qui per se non per-
spexerit, per B 41 docebitur, ubi exstat KaievexOrivai bt
Proximam vero ab bis mntationem, quae quidem ad A 69
et B 55 pertinet, eo uberiore disputatione probandam esse ar-
bitror, quo magis codicis scriptura primo aspectu ab omni offen-
sione vaeua videri potest. Etenim quae in codice leguntur,
quaeque nil mutans neque monens exjhibuit Millerus A 67 xd xvi
fxfev t6p, (pncTiv, fivuiOev KaievriveTM^va xdiu) dveXetkrerai bi' au-
ToO, xd bfe dmßouXeucravTa toT? KaieviiveTM^voi^ fivwGev dcpiei,
Kai KoXacrO^vra diroX^t^Tai, haec igitur verba et singula Graeca
sunt et ita inter se conectuntur, ut leetorem vel editorem, qui aliud
agat, speeie quadam periodi deeipere possint. Qui vero hoe egerit,
ut probabilem aliquam sententiam in eis deprehendat, is, opinor,
primum id mirabitur, quo tandem pacto Christus dimittere (dcpiet)
dici possit eadem rd dmßouXeuaavra, quae statim post poenis af-
fecta abUgantur (KoXaaO^vra diroX^T^Tai); deinde haud patienter
feret, id dtrißouXeOaavxa cum dq)i€i coniuneta loco aceusativi fungi,
nominativi autem vicem praestare, ubi ad diroX^t^'^cxi referantur ;
denique quae tan|dem sint rd ^TtißouXeuaavTa illa, de quibus neque 632
post quicquam profertur neque antea, iure suo mirabundus quaeret.
lam si exitum ex bis difficultatibus quaerentes ad B 51 confu-
gimus, vel in maiores incidere videmur, cum haec ibi reperian-
tur: '^A iLifev T^p, cpriaiv, toiiv dvuiOev KaT€VTiv€T|Li^va dveXeuaeiai
bi' auToO, Td bfe dmßouXeiiaavTa toT^ KarevriveTlLi^voiq dcpiei
cUf) Kai KoXacrB^vra dTroTT^^TTeTal. Ubi nil discrepat ab A, nisi
quod pro elegantiore vocabulo dnoX^T^Tai usitatins ponitur diro-
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302 XXTi Epistola critica ad Bunsenium
TT^jLiTreTai, et post dcptei additur elKf), quo additamento efficitar
ut Christus non solum 'dimittere' dicatur rd KoXaaO^VTa sed
adeo 'temere dimittere'. Verum enim vero in ipso illo ekf], quod
dici nequit quam sit absonum, satis aperta latent vestigia veri.
Nam si continua scriptura exaraveris AOIEIEIKH, facile videbis
qnomodo in istas litteras abire potuerit id quod ab Hippolyto
et in quinto et in decimo libro scriptum esse mihi persuasi
OOIOEIAH öqpioeibfl. Hoc restituto, Kai quod B 55 post cIkh
exstat delebitur, quippe quod ex kti ortum sit. Totum vero
enuntiatum sicut A 69 conformatur id ^kv ydp . . . fivuiOev xaie-
VTiveTM^va Kdiw dveXeOaetai bC auToO, id bk ^TTißouXeuaixvTa
XVII ToT^ KaT€VT)V€TMevoi5 fivujGev öq)io€ibf\ | KoXacTG^vra dTToX^T^rai
iam est vertendum sie : Ea enim quae mpeme delata sunt (iscen-
dent per illum {Christum), serpentina autem, quae supeme ddatis
insidiata sunt, poenis affecta ablegantur. Neque profecto in ob-
scuro positum est, quem locum et 6 öcpiq et id ö(pioeibf| in Pe-
raticorum obtineant doctrina, quae artissime cum Ophitarum
haeresi coniungitur. Etenim 6 öcpt^ secundum Peratas est, quod
discimus ex Hippolyto p. 133, 80, 6 dXnOivö^ öcpi^ 6 T^Xeio^ sive,
ut p. 133, 93 dicitur, 6 KaOoXiKÖ^ öcpi?, 6 aocpöq rfl^ Eöa^ Xöto^,
atque adeo (p. 135, 61) 6 ulö^, 6 Xöto^, 6 öqpi^. Huius genuini
öcpeui^ sunt dvT(^l^ol ttoXXoi, 8<joi ui(p9Ti<Tav iv xfl ^pnMH' toT^
u\oT^ 'lapaf|X bdKvovie^ (p. 134, 11), atque hae falsae serpentes,
quae genuinam illam aemulantur, cum recte appellari possint
xd öqpioeibfj, tum cur 'superne delatis insidiari' dicantur, inde
explicatur, quod ipsae sunt -Geoi inq yevlaei)j<; (p. 133, 87) sive
Oeoi xfl^ d7TU)Xeiaq (p. 133, 91). Verum haec de hac re satis
dicta sunto.
Quod praeterea in A emendetur, nil restat nisi v. 80 xf)v
xpixTiv iLioTpav Xctci xoO köcjjliou xoO IbiKoO. Haec enim scriptura
si recte sese habet, ipse kÖ(Tjlio^ ibiKÖq tribus partibus constare
dicitur. At vero cum ex tota Peraticorum ratione apparet, tum |
633 supra A 23 data opera exponitur, tertiam partem universi k6<J|liou
tripertiti esse KÖajiiov IbiKÖv, sive (p. 130, 17) xöv Ka6' fifidq kö<J|l10V.
Quicum ut locus, de quo agimus, consentiat, scribendus est sie :
xf|v xpixTiv fioipav X^tei, xöv KÖajiov xöv IbiKÖv.
Iam exhausto A deducimur ad B. Ibi primum recte egisse
Millerum B 6 toxi bk xpixn^ biaiptoeu)^ in toxi bk xr\q xpixtl
biaiptoeu)^ mutando, ostenditur per A 8. Minus bene idem
Millerus rem gessisse in eo videtur, quod B 8 pro olov f| fiia
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xxu Epistola critica ad Bunsenium 303
dpxn proposuit o\ovei inia dpxn- Quo quid lucremur, cxcogitare
neqneo. Immo per articulum f), quem consulto hie posuisse
videtur Hippolytus, sicut non magis temere exstat A 11 otov
^la Ti^ Äpx^^i commone|fecit lectorem, liiav dpxnv pro eo acci-xvm
piendum esse, quod vulgo dicitur 'terminus teclmicus'. Etenim
^la dpxi^ in hoc scriptorum genere, ad quod Hippolytus pertinet,
sie frequentatur ut non unum principium sed u nie um omnium
rerum principium (^6vTlv dpxnvjüjv 8Xu)v) significet. Quod recte
dictum esse Te non fugit, qui illa vocabula sie usurpata cum
passim alibi legeris, tum in fragmentis Rhodonianis, quae ex
Eusebio exscripsit Routhius Relliqq. sacr. i p. 439, 40 ed. sec.
Totus igitur Hippolyti locus sie distinguendus est atque ver-
tendus: *'E<jti bi. Tf\q Tpixtl biaiptoeuj^ tö ^kv Iv fi^poq olov f)
^{a dpx^, KaBdtTrep tttit^ iiieTaXii e\q direlpou^ Toind^ Ttu XÖTtp
T|Liii8f|vai buvaiLi^vTi. Unitas tripertüae divisionis est quasi unicum
principium, quod tamquam fons magnus in innumerabilia segmenta
cogitando secari polest, Ubi consulto Unitas posui pro eo quod
Graece est tö Sv fi^po^. Ea enim quae statim sequuntur (B 11 =
A 14) si accurate pensitaveris, non de una parte hie agi videbis
sed de Toto. Atque adeo suspicor, Totum illud ab ipsis Peratis
nequaquam appellatum esse tö ^v M^po^, sed tö ""Ev, cui vel
Hippolytus, vel is, ex quo ipse pendet, scriptor, perperam de
suo addiderit M^po^. Paullo post B 16 buvdfieujv direipwv ti
TiXfiOo^ nemo non mutaverit in id, quod A 21 legitur, ÄTreipöv
Ti 7rXf|6o^. Neque minus apertum est post B 18 Kai laix tö jifev
TTpc&Tov dtewTiTOv haud pauca excidisse. Nusquam enim quic-
quam reperitur quo vel \ki\ vel npÄTov possit referri. Lacunae
supplementum hoc Kai icix tö \A\ TrpuiTov dy^wriTov öirep
dcTTlv dTCiööv TÖ bfe beuT€pov dtaOöv auTOtev^^* tö TpiTOv t€V-
VTiTÖv ööev biappi^briv ktX. praebet A 23 — 27, simulque aperit
hanc quoque lacunam sicut tot alias, quibus cum quivis scriptus |
Über, tum vero imprimis hie Hippolytei operis codex Parisi-634
nus ^ affligitur, ex uberrimo hemoeoteleuton fönte manasse. |
^ Aliud exemplum non minus luculentum in capitibus de Sethianis
inveniemus. Praeterea hie duo ascribere liceat, quorum unum exstat in
capitibus de Basilide:
lib. vn p. 233, 80 lib. x p. 320, 84
Ta\3TTi<; Tflq ulÖTTiTo^ xf^^ Tpixfl TaiiTii<; Tf^^ ulöxriTo^ Tpixfl 6ii3pri-
biijpTm^vri^ TÖ \xbf Ti i^v X€irroji€- ji^vn<; tö \i^ ti t^v Xeirrojicp^q,
p^q, TÖ hk. diTOKaOdpöcui^ b€6^€vov. TÖ 6^ iraxujicpd^, tö hk. dTroKa-
edp<J€UI^ Ö€6jl€V0V.
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304 xxn Episiola critica ad Bunseniura
XIX Reliqua quae in B mutanda esse significavi, talia sunt, nt
coram Te de eis verba facere supervacaneum, paene dixerim,
ineptum videatur^ Quapropter bis omissis aliud qaiddam bre-
viter perstringam, quo quasi manu ducit comparatio decimum
inter et reliquos libros instituta. Eteniro versum Coloss. n 9
quo Peratae suam doctrinam stabil ire conantur, allatnm vides
A 52 sie: Träv tö 7TXi^p^JJ^a eubÖKiicre KaioiKfiaai dv auTuj cTu)|iia-
TiK&q Kttl Tiaad iCTiv iv auttu n Beöiii^. Quod discrepat quidem
a vulgata scriptura quae haec est: öti ^v autili KaioiKei irSv tö
7rXripu)|Lia Tf\^ Gcöttito^ auiiiiaTiKa»^, proxime vero accedit ad eam.
huius versiculi lectionem, quam ex Origene ascripsit Lachmannus
in editione maiore el^ 5v eöbÖKTicrev äirav tö TrXrjpui^a xfj^ Geöni-
To^ KttToiKflcTai <Juj|LiaTiKuj^. Exsultabuut hoc patefacto, quicum-
XX que Origenem Philosophumenon | scriptorem esse vel dixerunt
vel, ut fert humana natura semel dictorum tenax, etiam in po-
sterum dicturi sunt, et fortasse si a nobis moniti totum opus,
Ibi verba tö bk iraxu|i€pd^, quae in septimo libro propter Xeirroiicp^q
interciderunt, integra praestat decimus liber. Contrarium accidit in capi-
tibus de Simone:
üb. VI p. 165, 50 lib. x p. 319, 37
eTvai bk iy tqI^ ?E p\la\<^ raOrai^ elvai bi iy ratq II tiiZa\<^ ö|lioO
iröaav d|ioO Tf]v dirdpavTcv bO- tV|v dirdpavrov Wvaiiiiv eTvai <pr\o\
va|Liiv &uvd)iei oök dvcptcW- töv ^ariliTa, ardvra, arr\a6^€vov.
^'HvTiva dTT^pavTov 6\3va)itv
(pr\a\ TÖV ^ariöTa, (adde (JTdvra),
aTT](JÖ|Ll€VOV.
Ubi restituit sextus liber quae simile homoeoteleuton decimo eripnit:
öuvd)i€t oÖK ^vcpyetqt* flvriva dir^pavTov bOvafiiv ante cTvai <pr\ai inserenda.
* Video nunc quidem totum hoc libri decimi de Peratis caput tran-
scriptum esse a Theodoreto Haeret. fabb. compendii i 17 omissis vel im-
mutatis paucissimis. Neque vero quicquam invenio in Theodoreto, quod
ad Hippolyteorum verborum emendationem faciat. Nam partim vel im-
mutavit Theodoretus vel omisit ea ipsa, quae vitiosa sunt in Parisino
Hippolyti codice ; velut mendosa verba haec (de quibus dictum est supra
p. 301 sq.) & iLi^v ydp, (piidv, ^cttiv dvujOcv KarevriveTli^va dvcXcOaerat öi*
aÖToO, Td bk ^irißouXeuaavxa Totq KarevTiveTH^OK; d<pi€i elxf^ Kai xoXa-
dO^vra dTroird|Lnr€Tai, reddidit Theodoretus sie t4 |li^v dvuiOev KaT€viiv€T|i^ci
^iraveXOetv dvw TrapaaK€ud(rei, xd bi to\3toi^ ^irißouXeOcjavTa Trapaöuüaci
KoXdact. Contra alii quidam loci manifesto corrupti prorsus ita leguntur
apud Theodoretum sicut exstant in Parisino codice. Ad quod genns per-
tinent lacunosa illa verba, de quibus dixi p. 303 extr. AdditamentwH
indiei p. XLVsq, {656 sq, editionis german,) auhieetum.
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xxn Epistola critica ad Bunsenium 305
ratione biblicorum locorum habita, denuo pervolatayerint, in capat
de MoDoimo Arabe p. 270, 55 devenient ibique eundem locum
iteram deprehendent Origenia|nae lectioni quam vulgatae pro- 635
piorem: ttäv tö uXripiüiiia rjubÖKTicre KaioiKflaai iiA töv möv toO
äv9pu)7Tou (Tuü^aTiKUü^. Verum caveant, ne praepostere exsultent.
Nam ab altera parte stat decimns liber, in quo versus, de quo
agimus, prorsus ita scriptus exstat sicut vulgo circumfertur
B 39 £v ^ KttTOiKCi Tiäv TÖ irXyipuifia Tfjq Gcöttito^ cxiIijiaTi, ubi
corrigendum esse (Tu))iiaTiKd)^ vidit Millerus neque quisquam non
yiderit. lam quid de hac discrepantia statuendnm esse dieamus?
Equidem ita censeo: Cum in libro quinto et oetavo capita de
Peratis et de Monoimo conscriberet Hippolytus, horum ipsorum
libris vel aliquo, qui inde hauserat, scriptore ita usus est, ut
eorum vestigia persequeretur. Itaque biblicos locos eo ascripsit
modo quo eos allatos invenit, i. e. sicut legebantur in ecclesiis
Orientis, ubi Peratae et Monoimus floruerunt et vero etiam Ori-
genes. Quo factum est, ut in illa operis Hippolytei parte €Ö-
bÖKTiae, quod vulgo Coloss. 1 19 legitur, etiam Coloss. ll 9 adsit.
Contra cum decimum librum festinanter e reliquis libris excer-
peret Hippolytus, talem varietatem nil referre ratus, eam ascripsit
lectionem, quam et ipse a puero edidicerat et suae regionis ho-
mines usurpabant, i. e. qualis legebatur in ecclesiis Occidentis.
Quae si recte disputata sunt, tantum abest, ut opinioni de Ori-
gene Philosophumenon scriptore opitulentur, ut eam redarguant
via quadam inopinata. Simul autem eo valent, ut multiplex
Lachmannianae operae utilitas, quam utinam theologi tandem
aliquando ut par est agnoscant, novo argumento illustretur. Ea
enim editione recte adhibita, de quovis libro controverso facil-
lime diiudicari potest, utrnm ad Orientem | an ad Occidentem xxi
pertineat, modo insit aliquis ex eis Bibliornm locis, quorum
Orientalis lectio diifert ab occidentali. Velut, cum Hippolytum
in libro decimo occidentali lectione usum esse videamus, inde
cumulus accedit argumentationi Tuae, qua cum episcopum Ära-
biae non fuisse demonstrasti.
Absolutis igitur bis, quae erant de Peratis, capitibus, per-
gimus ad proxima, quae sunt de Sethianis. Ea cum inter cor-
ruptissimas totius operis partes numeranda sint, sane feliciter
accidit, quod liber decimus in hoc capite dTTiTOjLiriv exhibet solito
copiosiorem. |
B^mmj», ges. Abluukdl, 20
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306
xxu Epistola critioa ad Bansenium
636 A
(lib. V p. 138, 34)
^bcüjiiev oöv Ti X^TOuaiv o\
IiGiavoi^ TouToi^ boxei
Tiöv öXuiv elvai xpeT^ dp-
Xct^ 7Tepia)pi<J|Li^va^. i^ä-
5 cTTTiv bk tOjv dpxwv direipou^
f X€iv buvd|Li€i^. ^AuvdiLiei^ bi'
auTÄv XeTÖvTiüv \oy\lioQ\k) 6
dKOÜCüV TOÖTO auTou^ X^T^iV
*TTäv 8 Ti vorjaei dmvoei^ fi
10 Kai TTapaXeiTrei^ ^i\ vonO^v,
toOto ^Kdaxij Twv dpxtüv
7T^q)UK€ T€v^cT6ai uj^ dv dv-
GpiüTTivq vpuxiä irdcra f|Ti<J-
oOv bibacTKOjii^vii T^xvn'
16 olovet, (pncTi, »TevrjcrcTai
xxn toOto I TÖ Tiaibiov aöXii-
Ti\q dTXPOVicrav auXriT^,
f\ T€UiM^Tpn? TCiu^^Tpq,
YpajiifiaTiKtli Tpa^MaTiKÖ^, t^-
so KTiwv T^KTOVi, Kai TaT<; fiX-
Xai^ ÖLn&öaxq T^xvaiq ^t-
Yu^ Tivö|i€VOV 6|Lioiu)q (yu|i-
ßriaexai. Ai bt täv dp-
Xa»v, qpiicyiv, oüdiai cpA^
«Kai axÖTo^' TOüTuiv bi
iaXXW iv li^CTt}! ^TV€Ö^a dK€-
paiov* TÖ bk 7rv€ö|Lia tö
TCTQTM^vov iy \iiaijj toO
(TKÖTOU^, ÖTTCp dCTTl KaTU),
80 Kai ToO qpiwTÖ^, ÖTrep dativ
dviü, ouK fcTTi TTveOiLia ibq
fiv€|io^ f\ pmi] f| XeiTTri ti^
aöpa voiiBflvai buvajii^vii,
B
(lib. X p. 316, 49)
ToT^ bk ZiGiavoi^ boKcT, &tx
Tujv 8Xu)v elcxl xpeT^ dpxal
7T€piU)pl<J|Ll^Vai. 'EKdcJTTl bk.
T&v dpxÄv TT^cpuKC *bi3vaa9ai
T€v^<T0ai, üi^ dv dvOptüTrivij 5
ifiuxiä 7rd<Ja ^ti^ oöv bibacTKO-
[xivr\ T^x^n *^o\ov€i T^voiTo
Tiaibiov ouXtit^ TtvdcrOai aö-
XeTv, f| T^uifi^Tpq T€U)|ieTp€iv
fj Tivi T^xviJ 6|ioiui^. At | 10
bk Tiüv dpx&v, cpacriv, oöcxiai
elcTl (püj^ Kai (Jköto^. Toutuiv
b€ icTTlV dv fidCTtU TTVCOfia dK^-
paiov TÖ bk TTveOfia tö TCTaTM^-
vov iy iLidcrifi toO (Jkötou^, ÖTcep ib
^cttI KdTU), Kai ToO qpujTÖ^,
oTTcp iaiiy fivuj, X^touctiv, ouk
fcTTi TTveOiLia fix; dveino^ fj ^ini\
f[ XeTTTTJ T15 aöpa vo?]0fivai
buvajidvr], dXX' olovci ti^ öaiii] 90
liupou f\ 9u|Liid|LiaT05 ^k (Tuv-
^ ZriOiavoi scribendum ubique.
^ AOvarat 6i aöxÄv X€t6vtu>v XoT{2:€(T9ai.
' T€v/|(J€Tai] Cod. T^vTirai. Scr. t^voito.
* 60vaa6ai delendum.
* oTov el iTf^<i yiyovTo iraibCov aöAi^Tq bövaaOai aöXetv.
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xxn Epistola critica ad Bunseniam
307
dXX' o\ov€l ^upou Tl^
S5 öa^fi f\ 9u^i(i)iia|T0^ dx
CTUV8^<J€lü^ KaT€<JK€U-
acTfi^vou, XeTTxfi biobcu-
ouiTa buva^t^ dveirtvorj-
Tip TIVI Kai KpciTTOVl f|
40 XÖTiü £<TTiv dHemeiv euuibiqi.
'EttcI bf) fivui d<TT\ TÖ (pu)^
Kai Kdrui <Td> (Tköto^ xal
TOUTiüv d)^ fqpr|V toioOtov
TpÖTTOV Bv |i^<TOV TÖ TTVCÖ^a,
46 ^TÖ q>G><; TT^qpuKe, KaGdircp
*bifi Ti^ f\Xio^|fivu)e€V *dX-
Xd^irei ei<; tö uiroKeiMe-
vov (TKÖTO^* dvÄTiaXiv bfe
f| TOO 1TV€U)LAaT0^ €Ulübla
60 ^hia}iiar\ fxowaav xdHiv
dKT€iv€Tai Ka\ cpeperai
iravTax^, ii>^ iix\ tiöv dv
TTupl Bu^iaiLidTiwv Tf|v euui-
biav TTavrax^ <p€po|i^vnv
66 dTT€Tva>Kaji€ V. ^ToiauTTi^bfe
oöcTT]^ Ti^^ buvd|i€ai^ toiv
•clpim^viov xpixÄ^, TOO
iTV€Ü|iaT05 Ka\ toO qpiWTÖ^
6|Lioö fi buvaiLii^ dcTTiv iv
eo Till <TKÖT€l TU) KdiiüBev
auToiv T€TaT|i^vi|i. Tö bfe
(TKÖTO^ ÖblOp d<TTl Cpoße-
pöv, €l^ 8 KaT^<J7racTTai
Ka\ |i€T€V/iV€KTai CU Tf|V
m TOiauTTiv cpücriv iieiä toö
TTveufiaTO^ TÖ qpd»^. Tö bfe
O^creu)^ KaTa(TK€ua2;o]Lidvou |
■^Xeirrf]^, biobcucraaa buvaiLii^ 637
dveTnvorJTui tivI Kai KpeiTTovi
XÖTOU cpopqi eöiwbia^. 'Ettci n
Toivuv töT\y fiviü TÖ (puj^ Ka\
KdTUI TÖ (TKÖTO^ Kai TOUTUJV
\il(yov TÖ TTveOiLia, tö bfe qpui^
®dKTi^ f|XlOU fivU)0€V 'dKXdlLl-
TIOUCTa eiq TÖ Ö7rOK€i|Ll€VOV (TKÖ- 90
TO^, f| bfe TOÖ lTV€U|LiaTO^ €Ölü-
bla <pdp€Tai iiiar]y ixovaa
TdEiv Kai dHiKveiTai ul»<T7T€p f|
TuJv 0u||iia|LAdTiüv öcr^fi iiA Tij; xxra
TTupi qpdpcTai^ Toiavni^ ^^ oö- 86
01]^ TfJ^ buvd^eiü^ Ttüv biqpTi-
fldvUlV TplXÄ^, TOÖ TTveu^aTO^
Kai TOÖ q)U)TÖ^ b\xo\) iOTi KdTU)
fl bUVaiil^ dV TOI <JKÖT€l Tl^ UTTO-
TeTttTfldVijl, TÖ bfe (TKÖTO^ ublUp 40
elvai qpacTi cpoßepöv, el^ 5 KaTC-
anaaiax <Kai) fi€Tevi*iv€KTai
el^ ToiauTTiv qpuaiv jiCTd toö
ITVeUjüiaTO^ TÖ <pÄ^. 0pÖVl|LlOV
OUV TÖ (TKÖTO^ ÖV 46
Kai YivoKJKOV 8ti öv dnapO^
1 TÖ qwö^] Cod. t6 bi <piti^ recte.
* b/| Ti^ flXio^] Cod. 6/| TK y|X(ou. Sor. dKxU V|X(ou.
■ ^XXdfiiTCi] Cod. ^XdjiiTCiv recte.
* btaii^aYl ?xowaav] )xiar\y Ixovaa MilleruB.
* Distingue: litv(v\JjKa\i£y' TOiaÖTii^.
^ clprifi^vuiv] bt^pim^vuiv.
' XciTT^i biobcOouaa. ^ <piö^ Ui^ dicxic;. » iXXdMirouaa.
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808
XXII Epistola critica ad Bunsenium
CTKÖTO^ d(JUV€TOV OÖK fcTTlV
dXXd cppöviinov iravTeXai^*
638 Kai I oTbev öxi öv dirapG^
70 TÖ qpÄq dnÖ TOÖ CTKÖTOUq,
jii^vei TÖ (Jköto^ fpimov,
dcpav^^, dXa^7T^q, dbuva-
^ov, dirpaKTOV, dcTBev^^.
Aiö Tidaij qppovrjcTei Kai
xxivTB <Tuv^<J€i ßidZiexai | Kard-
Xeiv cl^ ^auTÖ Tf)v Xain-
TTiiböva Ka\ i<j7Tiv6fipa
TOO (piDiöq jiieTd Tf\q TOO
7TV€ii|iiaToq euujbia^ Kai
80 TOUTiüv fcJTiv IbcTv ifl^ q)u-
(Teu)^ elKÖva Kaxd irpöcTujTTOV
dv0pii)Trou,KÖpiiv öqpQaXjioO,
<TKOT€lvf|V ^K TÄV UTTOKCl-
fl^VlüV ubdllUV, 7T€CpU)Tl-
36 <T|LI^VT1V 7TV€U|LiaTl. 'Q^ OUV
dvTiTToieiTai tö (Jköto^
Tfiq XaiLATnibövoq, Iva fxKI töv
(TTTivefipa bouXeiiovra Kai ßX^-
mj, oÖTU)^ dviiTTOieiTai tö q)a»q
8S Kai TÖ 1TV€0|Lia TTi^ buvd|ii€u)<;
Tf]q ^auTÄv Kai (JTreubouaiv
dpai Kai dvaKOjmicTacyGai Tipöq
^dauTdq xäq jüiejüiiTM^va^ au-
TOIV bUVd|Ll€iq el^ TÖ U7T0K€i-
90 fievov ubiüp (TKOTeivöv Kai cpo-
ßepov. TTdaai biaibuvdjLiei^
Tiwv Tpiüüv dpx&v oöaai KaT'
dpi0|Liöv dneipdKi^ fiireipoi
elmv ^KdcJTTi KaTd Tf|v oucriav
95 T^iv dauTTJ^ <ppövi|Lioi, vocpai,
dvapi8|L«iT0i TÖ 7tXf|6o5. Opövi-
^01 hk oOaai Kai voepai ^irei-
dir' airroO tö <pa>^, fx^vei tö
(Tköto^ fprmov, dcpav^^, dXa^-
TT^^ , dbu|va|Liov , dirpaKTov,
dcrOev^^, »TÖbe TTdaij auv^crei bo
Kai <ppoWi<T€i ßidtcTai KaT^x^w
€.\q iamö Tf|v Xa|Li7niböva Kai
TÖv (JTrivOfjpa ToO cpiwTÖ^ |i€Td
Tf\<; ToO 7rv€U|LiaTo^ €uiüb(a^.
EiKÖva I S5
TOUTOU TaUTTlV Tia-
peicrdTOucTi X^TOvreq, &anep i\
KÖpT] TOÖ *Ö(p6aX^oO UTTOKCl-
IlI^vujv ubdTiwv <Jkot€iW| <pai-
V6Tai, cpujTiZeTai bk öttö toö go
TrveujLiaTo^, oötcü^ dvTiTToieiTai
TÖ (Tköto^ toO TTveüfiaTO^, ix^i
bi Tiap' ^auTtD irdaa^ Td^ bu-
vd|i€i^ ßouXojii^va^ d(pi(JTa(T8ai
Ka\ dvi^vai. ElcJi bk auTai gr
dTTCipdKi^ dneipoi, ii iLv Td
TrdvTa ^KUKXouTai Kai T'veTai
^7n|LiiTvu|ii^vujv biKTiv (JcppaTi-
biwv. ''QcTTrep 70
^ Kai TÖV airivGf^pcu
• Tö6€] Cod. TCp bL
2 ^auxd.
Scribo oCfxu) bi\.
^ 698aXfioO 0ir6 öiroKCtfidvuiv.
* KUKXoOrai] rviroOrai.
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XXII Epistola critica ad Bunsenium
309
T&p (TqppaTi? ^TTiKoiviuvricracTa
KTlpifl TÖV TU7T0V dTTOdlCTeV ttU-
Tr| Tiap' ia\)Tiji ^ti^ ouv ili^vou-
aa, oÖTU)^ Kai al buvd|Li€i^ im-
Koivuüvrjaaaai xd irdvia dnep- 76
TdZovTai yivr\ Zibiwv fiireipa.
FeTOv^vai
bdv M^vuMTi Ktti' aöxd^, f|CTuxd-
Zoum 7Tä<Tar ddv bfe TtXTjaidcrij
100 buvajLii^ bUVd)LA€l, f| I dvo|Lioiö-
TTi^ Tf\q TtapaO^crciü^ ^pTdZe-
Tai KlvTi<Jiv| Tiva xal dv^pTCiav
&TXÖ Tf\q KlVrjaeiJJ^ |Ll€)LAOp<pU)-
M^VTIV Ktttd Tf|V <JUVbpO|ilf|V
105 Ti)^ TrapaGecreui? tuiv auveX-
Gouaojv buvdjbieiüv. rivexai
Tdp Tüüv buvd|i€u)v f| <Tuv-
bpOjilf) ^Otovei Tl^ TUTTO^
aqppatTbo^ Kaxd <Tuvbpo|Lif]v
110 ^dTTÖ TiXtiTfl? TrapaTiXiicTiiJüq
TTpÖ^ TÖV ^KTUTTOÖVXa Tttq dvtt-
q)epo^^va5 ouaia^. 'Ettci oöv
fiireipoi iLifev kut' dpiOiLiöv t&v
Tpiuiv dpxiöv a\ buvd^ei^, dx
116 bfe Tuüv dTTcipuJV buvd^elüv
direipot (Juvbpo^ai, dvaTKaiiwq
TCTÖvacTiv direipiuv CTcppaTi-
bu)v eköve^. Auiai oöv claiv
a\ elKÖve^ al täv biacpöpiuv
120 Ztüiüv Ib^ai. Rtov€v oöv dK
TTplüTT]^ TÄV TpiUJV dpX^V
'cTuvbpoMfi^ ^€TdXTl^ |i€-
TdXri Ti^ Ibda, acppayU
oöpavoO Kai yf]q. IxflMa
1» bt fxoucTiv 6 oupavö^ Kai
f| TTi MnTpcy TTapaTTXricnov
TÖV öficpaXöv dxoucTij ^i-
(TOV, Kai €l, (pTl<Tiv, ÖTTÖÖlfllV
dTaT€iv BdXei ti^ tö axfifia
180 TOÖTO, ?TKUOV ILllfiTpaV ÖTTOIOU
ßouXexai Zijiou tcxvikä^ dpeu-
VTiudru), Kai €Öpii<J€i tö ^ktu-
TTiü^a ToO oöpavoO Kai tti? ipl? |
Kai TÜÜV dv liiaw TtdvTiuv dira-
1 olovci] otov et. a ^^ö irXnTfl^] diroirXdoij.
« <Juv6po^f^^ M€T<ÄXii^ jieTdXn ti<; ibia (J9pat!6o<;.
* oöpavoO Kai t*!^.
639
OÖV dirö TfJ^ TipuH
T115 <JUVbp0^fl5 TUJV TpilÖV
dpxiöv M€TdXT)^ (TqppaTibo^
Ibdav, *oupavöv Kai yf\y elboq so
Ixoudav TTapanX^cTiov imiTpqi
öjiicpaXöv dxouoij liiaov, Oötiw^
zzvi
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310
xxn Episiola critica ad Bunsenium
186 paXXdKTCÜ^ UTTOK€ifl€VOV T^-
Tov€ bfe oupavoO Ka\ ff\q tö
640 axf\^OL toioö|tov, otovei Mt^Tpcy
^TTapaTrXricnov. KaTdxfivTrpdj-
Tiiv (yuvbpo|Lif)v iy auitü fiecTtu
140 Tiö oupaviü Ktti T^ tQ T^TÖva-
cTiv ÄTreipoi buvd^eujv auvbpo-
jiiai. Kai ^KdcTTH (Juvbpo^i^
ouK äXXo Ti €ipTd<TaTO xai
dHeTUTTuicTev f| acppoTibct
146 oupavoÖKaiTfl^TrapaTrXf^-
(Tiov finipcji.** El^ bfe Touinv
TTäaav ^f| urrö töv oöpavöv dv
Toi^ biacpöpoi^ lt\>o\<; ^dtrei-
pia Kax^oirapTai Kai Kaxa-
160 fl€^^pi(TTai ^€Td TOO CpiDTÖ^
fl ToO TrveujLiaTo^ fivU)0€V €U-
lübia. r^Yovev oöv Ik. toO
öbato^ TtpioTÖTOVo^ dpx^ five-
^oq (Tcpobpö^ Kai Xdßpo^ Kai
1B6 naar]q Tev^creiu^ aixio^. Bpa-
(Tjüiöv Ydp Tiva d^TTOiiIiv xoi^
öbacTiv diTÖ TÄv ubdiiüv biCTci-
p€l KUjiiaTa' fl bfe TUJV KUfldTUiV
T^vecTi^, o\ovei ti^ oöaa * öp|if|
160 ^T^Ofiova T^TOv^vai töv fiv|-
xxvii Bpumov f| TÖV ßoöv, örrörav
UTTÖ ix\q ToO irveujuaTO^ öpinf)^
^ öpiurjcTacya direiTilTai. 'Eirdv
hk TOOtO tö ÖTtÖ TOÖ dv^fiou
165 KUfia ^K ToO öbaTO^ dT^pBfev
Kai dTKiifiova dpxaadfievov Tf|v
b€ Kai Td^ XoiTid^ ^ktuttuktci^
TÄv irdvTiov dKT6TUTrw<T8ai
«&<J7T€p oupavöv Kai Tflv MHTpqi ss
7Tapa7rXii<T(ou^. *Ek
bfe Tou öbaTO^ T€TOv^-
vai cpaal ttpujtötovov dpx^v
®dve|iio<p0öpov Kai Xdßpov Kai
Trdöti^ T€v^<J€iJü^ "^dTTtiov, 90
ßpacJfiöv Tiva Kai KlvncTiv dp-
TaZÖ|LA€VOV Ttp KÖCTmW ^K TfJ^
TÄv ubdTUJV Kivr|<J€ai^. ®ToO-
Tov bk dTTiTcXciv etbo^ CTUpi-
T^aTi öcpeu)^ TTapa7rX^<Tiov, | 95
(pdpiüv öGev fjv 6 cpopujv 6 kö-
(J^o^ 7tpö^T^V€<Jiv öpiLiql ÖpTTJ-
<Ja^ ibq ILii^Tpa Kai dvTeOGev
O^XoucTi (TuvicTTaaGai Tf|v toiv 100
öXiüv T^vecTiv. TouTOv bk el-
vai TTveOfia dve^ov X^toucti
1 Distinguendum et scribendum sie: irapairXf)aiov kotö. Tf)v irpdmiv
<Juv6po^/)v. *Ev ö' aö tiJi ^iav^ toO oöpavoO xal TfJ^ t^^ ktX.
1» [Omisit h. 1. Bernaysius verba *Ev aörfl bi. ävitpvaay ix ruiv
dircfpuiv a(ppafib\jjy bia(p6pu)v ICüvjjv dirctpa TrXf)6ii].
^ if\] T^v. ^ diTCiptav.
* öpimf) |i/|Tpaq ^fK^Mvwv t^ovev toO dvOptitfirou fl toO voO, öirÖTav ktX.
® 6pTiP|(Ta(ra. ® dvcjiov aq>obpöv Millerus. ' dTfctov] aTxiov.
® ToOtov b^ dirl T^ciov elbo^ aOpiiart öq>€iu^ irapairXificJtov ^op<pui-
ef)vai, 6 d<popuiv ö k6(T)lio^ ktX.
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xxn Epistola critica ad Bunsenium 311
q)ucnvT^vvTma 0?]Xeia^^€l-
X?]cpö^ dv dauTilü I Kai ixoy tö 6^1
Karecyrrapfx^vov cpÄ^ fiviwGev
170 M€Td TfJ^ Toö TTveufiaxo? €U-
uibia^, TOUT^cTTi voOv fl€|iOp-
(puifxdvov dv Toi^ biacpöpoi^ eT-
b€<Tiv, ö iOTi Ti\exo^&eö(;ii i^Xeiov Seöv ^k tt]^ täv i»bd-
dT€Wt^TOU (pu)TÖ^ äviwOev kqi tiwv kqi tti^ toO iTV€U|iaTO^
176 TTveüfittTO^ KareviiveTM^vo^ el^ euuibia^ xai cpiuTÖ^ XafiTnibö- k*
dvBpajmvTiv <pu(Tiv uKTTrep el^ voq T^TOv^vai, Kai etvai t^v-
vaöv (popqi q)U(T€u)^ Kai dvd- vima GiiXeiaq voOv töv fivuiBev
^ou Kiv/j^aTi, T€WTiBei^ ii (TTTivGfipa Kdriu dvaine^iTM^-
öbaTO^, 2(JUTK€Kpumiidvo5 Kai vov, ''aijw toi^ 7r€pi (TUTKpi-
180 Kaia^e^iTM^vo^ idiq (Tui|iacTiv toi^ (TiO^aro^ (TTieübciv Kai no
olovel 'dXdXuiv T^vofx^viov q)€iiT€iv, ^KcpuTÖvra iropeue-
^TtdpxovKalqpui^ToöaKÖTouq, <j9ai Kai Tf|v XiicTiv oöx eupi-
dlTÖ TÄV CTlüjildTlWV '^(jTreÖ- <JK€IV bld Tf|V dv TOl^ öbacTi
bov Xu8f)vai Kai ^f| buvd- biaw. Aiö
185 |i€VO^ Tf|V XUCTIV €Up€lV
KalTf|v bißobovdauTou' Kaia-
\xiiiiKza\ Tdp cnnvOTJp ti^ dXd-
XMTTO^ dir
$<T^a dviuOev d
190 VO^ biKTlV dv TÖ . . . . I . . . . dßÖa Ik Tf](; TWV Ubd|- 116 XXVIII
® XuairfKpiToi^ TToXXdiv. 'Qq, tiwv ^iHewq Kaxd töv ifiaX^jj-
q)i1<Tiv, dv T& vpaXfiifi \iyei' böv, ib^^Xetouar 'TTdaa oöv
'nä(Ja oöv qppovxl^ Kai f| cppovil^ xoO fivuj qpuiTÖ^
dirifxdXeia xoO q)UJTÖ? fi- toiiv, öttiü^ ^u(riiTai töv Kdxui
196 vuiBev d<Txi\ TTuj^ Kai (XmvOflpa dirö xoö Kdxu) ira- m
xiva xpÖTTOv; dirö xoO 9a- xp6^* dvdfiou djrcTeipovxo^
• €iX/|9i9 frv ^auTi|i, Kar^x^t '»'^ ktX. * auTKexpifi^vo^.
• dXdXuiv] äXa^ vSty. * öirdpxuiv. * aireObuiv.
• Distinguendum et scribendum sie : [ircJpicruTKpiTOi^ * [öbd-
xuiv] TToXXiXiv' Ui^, 9iia(v, iv tiJ» \|faX|i<^ X^yci. TTäaa oOv <ppovxU Kai itn-
^^Xeia ToO 9UIt6^ dvuiOdv iaxi, ird)^ Kai xiva xpdirov dirö toO Oavdxou xoO
irovr)poO xal OKoxeivoO axbiiaro^ diroXuGeir) ö voO^, dirö ktX.
' ai}y Tol^ ir€ptauTKp(xoi^ <JiO)uiaxo^ aircOöctv ^K9€i!rreiv Kai iKipv-
yövxa kxX.
^ Distinguendum sie : X^rouat. TTdaa oOv kxX., citandi signis ante irdaa
et po8t iraxpö^ deletis.
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312 xxn Epistola critica ad Bunsenium
vdxou ToO TtovilPoO Kai
<TKOT€IVOO (JÜÜ^aTO^ dlTO-
XuOei^ 6 voO^ ditö toO
642200 TtatpÖ^ TOO KdTUj|0€V, 8
ia T\y 6 dve^o^ ^v ßpöiLiq! ßpacr^ov Kai xdpaxov Kai
Kai rapdxtü dTieTcipa^ iauiif» voöv TTOirjaavro^ ouk
KuiLAaia Kai Tcvvrjaaq voöv övra^^auroO^daKOiKTivlbövra
T^Xeiov ulöv ^auToö ouk ö vxa
aoK !biov dauTOÖ Kai' oucTiav.
"AviüBev Tdp fjv dKil^ dirö
Toö TeXeiou qpiwTÖ^ ^Keivou iy
Tib ^cTKoXiilp Kai q)o߀piu Kai
TTiKpiu Kai jutapui ubaTi K6Kpa-
810 TTm^vovÖTrepdcJTlTrveö^acpu)-
Tcivöv dTTicpepöiLievov ^Tidviü
TOÖ *q)ajT65' direl oöv
. . . Tmdxiwv KÜ|LiaTa
. . . biacpöpoi^ T €<Ji
«16 MrjTpa Ti^ Kaie-
(TTiap^ev ujqim 7Tdv|-
XXIX Tujv Tiüv Cibuüv ^9eu)p€iTai.
'0 bk fiv€|io^ Xdßpo^ öjiioö
Kai (poßepö^ (pepö^evö^ iaxx
920 Tui (TupfiaTi 6(p€i irapa-
TTXri<Ti.o5 ^irrepiüTÖ^' dnö
TOÖ dv^JlOU, TOUT^TlV dlTÖ
TOÖ öcpeiü^ f| dpx^ Tf\<; Ttvvri-
(Jeuj^ TÖv eipl^^^vov TpÖTrov
m T^TOve, TidvTUüV 6|lioö Tf|v
dpx^v Tfjq Y^vv^iaecü^ elXiicpö-
TU)V. *E7T€l oöv KaTeiXT]7tTai
TÖ (puj^ Kai TÖ 7rveö|ia el^ Tf)v
dKdOapTov, (pricTi, Kai TroXuTrrj-
«80 Mova ^l^Tpav dTaKTov d^ <^v 6
öcpi^ el(J€px6|Lievoq, 6 five^o^
1 (TKoXt(|i] OKoriiii. ^ q)VjJT6^] öbaro^.
9 Distingue: Oeuipctrai, ö 6^ ktX.
* irrepuiTip Millerus.
* auToO, 6 (pd(TKOU0iv (bövra ktX.
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xxu Epistola critica ad Bunsenium
313
TOO (JKÖTOU^, 6 TTplüTOTOVO^
TUJV öbdTiüv, T€vvqi töv fiv-
epiüTTOv, Kai fiXXo ovbiv elbo^
SS6 oÖTC ä-ianq. oöre tviwpiZei fi
dKdOapTO^ MnTpct' öfioiioee K
ouv 6 fivuiOev toö cpiwTÖq
T^|X€io^ XÖTO^ T(?» enpiui
TiD 3<p€i iel<J€X9ujv el^
240 TT^v dKdGapTOV firiTpav,
ilanaTr\aa<; auTf|v toO Biipiou
Tiü ö^oiiOfiaxi, iva Xüaq xd
beajiid xd TtepiKei^eva
xuj xeXeitü vot xt^ Ttvviu-
245 M^viü iv dKaOapcTiqt iLinxpa^
UTTÖ XOO ^TTpUiXOXÖKOU ÖbttXOq,
ö<p€ w^, dv^iiOü, Bripiou. A ö x n,!
(pncTiv, dcTxiv fi ®xoö bou-
Xou ^opcpfi, Kttl auxTi fi d-
8sn vdTKT] xoö KttxeXöeiv xöv Xö-
Tov xoö eeoO i.<; fi^xpav Tiap-
B^vou.
xöv xeXeiov Xötov xoö fivioBev | iss
(purrö^ auxöv dTro^opcpwcTavxa 643
eibei öcpeu)^ K€xu)pTiK^vai *dv
^i^xpcji, iva xöv voöv ^kcTvov
xöv ^K xoö (puixö^ (JTtivBflpa
dvaXaßeiv buviiG^. Kaixoöxo m
eTvai xö eipnMevov * ' ''O^ iv \
fiopcpij 0€oö U7Tdpxu)v oux dp-
TiaTiLiöv fiTil<Jcxxo xö etvai icTa
eetD, dXX' ^auxöv dK^vuKTe
^op<pf|v bouXou Xaßuiv'. Kai
xauxTiv etvai xf|v iLiopcpfiv o\
KaKobaijiove^ B^Xoudi Kai iro-
Xurrriiiiove^ ZiBiavoi. Taöxa
jiifev oöv Kai oöxoi X^TOuUiv.
XXX
185
1 elaeXeüjv] elaf^XOev.
3 irpujTOTÖKOu öbaro^] irpuiTorÖKOu toO öbaxoq.
B xoO boOXou fiopcpri ex ep. ad Philipp, n 7.
i^ |Lif|Tpav.
Vides quam largnm certarum emendationam proventam
baec capita attnlerint. Quas si omnes, singalarnm rationespro-
ferendo, persequi vellemus, tarn ampli scribendi essent comroen-
tarii, ut huius epistolae caDcelli eos non caperent. Quare satius
videtur, de eis solis locis disputare, in quibus plus quam in reli-
quis auxilii e B redundavit in A. Incipiam antem ab A 41 — 61.
Enm locum si relegeris, sicut editus est a Millero, nallum, opi-
nor, invenies, qai vel ab indulgentissimo leetore ferri queat,
sententiaram conexum. Id vero accidit minore librarii culpa
quam Milien, qai quidem primuni quae sana exstant in codice
tamquam vitiosa mutavit, deinde quae vitiosa sunt pro sanis
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XXXI
314 xxu Epistola critica ad Bunseniam
accepit, deniqae perperam diBtinguendo ^ effecit, at distrahantur
continuanda, continuentar autem quae sunt disiungenda. |
g.^ Etenim, quod ad primum attinet, cum A 45 codex habeat
TÖ bk <pd»^, delevit Millerus particulam, qaae et B 28^ exstat
et omnino necessaria est ad veram periodi conformationem. Eodem
pertinet quod A 46 dXXd)iiT€iv, quae est codicis scriptara, pendere a
iT€q)UK€ A 45 non vidit, in eiusqae locam de sao saffecit dXXdji-
iT€i. Qaos in errores propterea ineidit, quia non detexit verum
yitii latibulum, quod est A 46. Ibi cum codex praebeat br| ti^
f)Xiou, iterum Millerus ^Xiou, quod sanum est, mntavit in ^Xio(,
intactum autem reliquit bi\ ti( (AHTII), quod corruptum esse ex
äKTi5(AKTII) 08tenditB29 to bk cpo»? dKxl? f|Xiou. Plane eo-
dem modo egit cum A57 tuiv eiprun^viuv Tpixui^. Betinuit enim
eipriii^viuv, quod secundum B 36 corrigendum est in biigpr)-
|i^vu)v, pro Tpixui^ vero, quod non erat soUicitandum, fortasse
legendum esse dixit rpiuiv dpxwv. Porro qui decimum librum
^ Eodem modo qaae alibi in hoc de Sethianis capite peccavit, no-
tavirnos in margiue A 138, 191 B 117. His unum praeterea exemplum
addam, ubi recia distinguendi ratione in venia loous obscarissimus et vi-
tio8U8 fit planissimus. Exstat is quidem in capite de Valentine p. 186, 51 :
*EiT€l bi T€wv)TÖ^ i^v 6 voO(; Kai i^ dXf|9cia Kai oOk cTxc töv (tö recte coni.
Millerus) irarpiKÖv t^Xciov, n?|v dT€vvT|<j(av, oök^ti tcXcCi}! dpiG^tf» 6 Xöto?
Kai f\ tiui\ bol&Covai töv ^aurOuv irax^pa t6v voOv. *AXXd tdp dvare-
Xcl, ÖUiöCKa tdp aiUivtuv trpo9^pou0iv ö X6t0(; Kai i^ Z\ui\ T(p vot Kai tQ
dXv)9e{<)i. Quae mecum sie restituas : oök^ti TeXctqi d,p\Q\i^ 6 Xöyo^ Kai /j
lKui\ bol6lovü\ t6v ^auTuüv trax^pa, töv voOv, dXXd jAp dreXel. Adi&CKa
Tdp aiu»va(; iTpo(T9dpou0iv 6 Xöto«; ktX. Non amplius perfecta nttmero
patrem sutttn, Mentem, Verhum et Vita glorificant sed imperfecta. Nam
duadedm mundos offerunt etc, Quibuscum conferas p. 186, 37 xal irpoaq)^-
pouaiv aOrCp t^X€iov dpiGfuöv, aldiva^ b^Ka.
' Ubi pro TÖ bi 9i£i^ dKTl(; i^Xtou scribendum est tö bk 91X1^ d)^
dKTl^ i^X{ou. Similis error p. 178, 6 peperit absurda haec : 1Tpo€K6f|(To^al
vOv xiva toxlv & TTueatöpa^ ö IdMio^ Mcxd rf^ {i|uivou^^ii^ irapd toU
"EXXiiai T^<; 9iXo(Toq>€t. Ibi finis vocabuli *'EXXiiai absorbuit initium eins
vocabuli quod sequi oportet, i. e. (TiT^t^- Quo respioit Hippolytus ad no-
tissimum illud Pythagoreorum silentium, ^x€^u9(av. — Idem vocabulum
üvxi\, cuius haud parvae partes sunt in Yalentinianorum doctrina, bis
oblitteratum est in eo libri sexti capite, quod illam doctrinam explicat
p. 188, 13 T\vi<i bk (Tuvuirdpx€iv tCJ) iraxpl cl«; xflv et p. 197, 72 toötok
ircpiTUxtbv OöoXcvttvo^ <mtaTi\aaTo t6v irdvxwv ßaoiXda, 6v lq>Ti\ TTXdruiv,
oÖTo^ irar^pa koI ßuOöv Kai irdai tflv xuöv ÖXuiv aliOvuiv: utroque enim
loco et pro cU T^v et pro ird0t yf^v scribendum est 0iinf)v.
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xxn £pi8tola critica ad Bunsenium 315
consaluisset, non dabitasset utrum in A 50 f| toO TrveujiaTo^
euuibia bia|i^(Tii ?xow<y«v idHiv per errorem iteratae essent lit-
terae bia e fine vocabuli euuibia an scribendum esset biä ^lo^q^
sed prius | re vera factum | esse ex B 32 fj bfc toO 7TV€U)LiaT0^ ^45
eöiubia qp^pcTai iLi^anv ?xow^<* ^dHiv intellexisset. Denique, com-
parato B, neqaaquam eum fagere poterat, totuni locum finibus
circuniscribi periodi unias, cuius protasis usqae ad A 55 dire-
TVuiKajiev extenderetnr, apodosis autem ineiperet a Toiauni^-. Bis
igitur, quae vel librarias comniisit velMillerus, amotis omnibus,
planam habemus periodam haue: direl bf) ävuj ioii tö (pwq Ka\
KdxUI TÖ (JKÖTO^ Kttl TOUTWV, ib^ äfpxyv TOIOÖTOV TpÖlTOV 8v, )Ll^(TOV
TÖ 7TV€Ö|ia, 7Ö bk <pai^ TT^<pUK€, KttOdlTep dKXl^ f|XlOU, dXXdjiTTeiv
€1^ TÖ uTTOK€iM€vov (Tköto^, dvdiTaXiv hk i\ ToO TTveuiLiaTO^ eiiuibia
^iar\v ^xouaa TdHiv dKT€iV€Tai koi <p^p€Tai iravTax^, ib^ iiA tuiv
dv TTupi Gu)Liia)LidTiuv Tf|v eöiübiav iravTaxfl <pepo|i^vTiv dTrervibKa-
\iev' TOiauTTi? bt oöcTTi^ Tf\q buvdjieui^ tüjv bnjpnii^viuv Tpixd»^,
Toö Trv€Ü)LiaTO^ Kai toO qpuiTÖ^ ö^oO f| biiva)Lii^ dcTTiv dv töj ctkötci
Tijj KdTui0ev auTuiv TCTaTM^viu. lam cum mpra sü lumen et infra
tenebraej medius autem inter haec talis Spiritus, qualem dixij lumen
autem Ha natura sua comparatum sü utj tamquam radius soliSy
iUucescat subiacentes tenebras, rursus vero Spiritus fragrantia
medium locum obtinens pertineat et feratur in omnes regiones^
sicut suffimentorum igni crematorum fragrantiam in omnes re-
giones ferri cognovimus: talis igitur cum sit indoles trium par-
tiumy vires Spiritus luminisque una sunt in tenebriSj quae ipsis
suppositae sunt.
Decimi igitur libri beneficio contigit, ut componerentur
huins quidem loci turbae omnes. Sane non tanta neque tarnen
multo sunt minora, quae idem Über praestat in altero loeo, qui
nuUi conruptelarum generi non est obnoxius. Pertinet autem ab
A 158 usque ad A 227. Ibi primum enuntiatnm sie editum vides
A 158: f| bk Tiöv KU|idTiuv T^vecTiq, olovel tiq oöcra 6p|i#|, dT^u-
)Liova T€TOvdvai töv dvOpumov f\ töv ßoOv, öirÖTav tjrrö tt]^
ToG iTV€ÜjiaTO^ öpjifi^ öpjirjaaaa direifriTai. In quo redintegrando
certa distinguens ab incertis, primum dico certissimum esse, sub
stupido isto ßoOv| latere divinum voGv, de quo agitur A ITl.xxxm
Neque raagis dubium esse videtur quin öpjmrjaacTa corrigendum
sit in öpTn^^aaa, quo utitur B 97 ö KÖaiiio^ irpö^ T^vecTiv 6p^qi
öpTn<^a^ tb? ILiriTpa. Hoc autem reposito, sequitur necessario,
)iif)Tpav alicubi inter ea quae antecedant collocatum per lacunam
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316 xxn £pi8tola critica ad BunBenium
excidisse. Tria haec certa esge mihi quidem videntar; quae
praeterea reqairantar, ex multis, qaae possnnt afferri non in-
646 epta, eligenda sant maxime probabilia. Quae Tu | iudicabis
utrum assecutas sim scribendo sie f) hk tujv KU|idTuiv T^veai^,
olovei Ti^ oöaa bp\xi\ |ii^Tpaq, ^tkuiliujv t^tovcv toO dvOpunrou
f\ ToO voO, ÖTTÖTttV UTTÖ Tii^ TTveu^aTO^ öp)Lifi^ dpTn<ya(Ta direlfilTai.
Undarum autem ortus^ quasi Impetus quidam uteri, gravidus (actus
est Homine vd Mente, quando Spiritus impetu tumens id appetehat
Sequilar A 163 — 186 longus verborum cursus partieipiis in infi-
nitam propalsas neque usquam consistens. Pausam igitar ali-
quam ut naneiseeremur, eiX^cpö^ A 167, quod in codiee sie ex-
ö
stat eiXncpiu^, mutavi in €iXii<pi], ibique finem protaseos statui;
deinde ut apodosis quoque haberet quo niteretur, ex Kai l%oy
A 168 effeei kot^x^i- Qua via ad talem pervenimus, quae in-
. telligi certe potest, periodi formam A 163 — 171 'Eirdv bt toöto
rd UTTÖ ToO dv^iiou KÖjia Ik toö öbaxo^ dT^pOfcv koI ^TKuiiova
dpTacTd|ievov Tf|v <pü(Tiv T^wima GtiXeia^ elX/i<piJ» ^v teuxqj xar-
^X€i TÖ KaTeanapiLi^vov qpdi? dvujGev |i€Td xfiq toO irveuinaTO^
€uu)bia(, TOÜTecTTi voOv ktX. Cum vero haec unda a verUo ex
aquis excUata, quae naturam suam gravidam reddidit, fetum fe-
minae concipiatf retinet in se lumen supeme simul cum Spiritus
fragrantia disseminatumj hoc est Mentem etc. lam in reliqua
periodi parte NoO^ ille deseribitur aecuratius diciturque A 179
auTKCKpu^^^vo^ Kai KaTa^e^lT|i€VO^ toi? aul^a(Tlv olovei dXdXuiv
Tevo)Li^vujv uTidpxov Kai (pwq xoO (Tkötou?. Ibi (yuTKeKpu)Li)Li^vo?
eodem modo eorruptum est ex (Tutkci^im^vo? quo supra p. 124,
XXXIV 30 biaK€Kpu)Li|nevTi? factum ex biaK€Kpi)Li^VTi?. Deinde 'sub dXd-
Xuiv T€VO|Li^vuiv quid lateat nescit' Millerus. Ego, quod prae-
fiseine dixerim, scire mihi videor. Latet enim &\aq tuiv t^vo-
^^vuJV sal omnium quae sunt \ qua similitudine Mens illa supeme
delata omnia snstentare signiiicatur. Prorsns eodem modo Va-
lentiniani, secnndum Irenaeum Adv. haer. 1 6, 1 dixerunt tö irveu-
jiaTiKÖv etvai tö dXa? Kai tö q)ai? toOköctiliou. Neque cuiquam non
in mentem vener it Matth. v 13 \)\xe\<; iare xö &\aq'vf\q yf{q et quae
in Novo Testamente reperiuntur similia. Hac igitar coniectura
* Quod ad T€vo|li^vwv attinet, conferas p. 185, 5 xal irdvxujv TfJ^ t^-
v^0€UJ^ aWa Tdiv tcvo^i^vujv, p. 183, 69 binnioupTÖv bi cTvai tOuv X€To-
lui^vuiv wdvTUJV, scrib. ycvo^^vwv.
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zxn Epistola critica ad Bunsenium 817
aliisque quibusdam mutationibus necessarüs in verborum ordi-
nem receptis, ultima totias periodi pars evadit talis A 179:
xeXeioq I 0€6^ auTKeKpi^^vo? Kai KaraiLiejLiiTM^vo? xoT^ aai-647
jiacTiv, obvel äXa^ tuiv t€vo|li^vu)v öirdpxiwv xai q)Ä? toö ctkö-
Tou^, dird TÄv auj^&Twy anevbujv XuGfivai kqi jli^ buvdjuevo^ t^v
XucTiv €Öp€Tv Kttl Tf|v bißobov IttUToO. Perfectus Deus
eonfusus et commixtus cum corporibus, quasi sal omnium rerum
existens et lux tenebrarum, ex corporibus exsölvi studenSt neque
solutioneni et exUum reperire valefis.
Haec pro virili parte perfecimus auxilio libri decimi adiuti
fere nullo. Id praesens demnm et salutiferuni adest inde a
posteriori parte eins enuntiati, quod iam codicis nostri librarius
in exemplari sao vel dif&cile lectu invenit vel dilaceratum lacunis.
Neque yerOi quod in quibusdam recte fecit, omnes lacunas signa-
yit interstitiis vaeuis. Unde factum est ut continua legantur
haec A 191 ... . XumjTKpiToi? ttoXXujv. 'Q^, (pncJiv, dv xijj ipaXjinJi
X^T€i* 'TTäaa oöv q)povTlq Kai dmiLiAeia toö (panöq ävuiG^v iOTx*.
TTui^ Kol Tiva TpÖTTOv; dird toO Oavdxou toO ttovtipoö Kai (Tko-
xeivoö OibixaToq diroXuGel^ 6 voO? ktX. In quibus paene | totxxxv
ineptiae insunt, quot vocabula. Nam primnm qnidem verba illa
iräcra oöv qppovxi^ Ka\ dTriju^Xeia xoO qpujxd? fivujO^v toxi, quae ex
psalmo scilicet afferuntur, nullam continent sententiam in se ab-
solutam, cum non addatur id, quo tendat *cura et sollicitudo
luminis*. Deinde neque in Davidicis Psalmis exstant neque ex
Sethianorum psalmo aliquo deprompta esse possunt. Id enim
si verum esset, non ib^, (pr\aiv, iv xiu ipaX^ip X^T€i scripsisset
Hippolytus, sed vel addidisset nomen eins, qui psalmum condi-
derit, vel plurali numero X^youcn usus esset, sicut fecit supra,
nbi Naassenorum affeft psalmum p. 122, 76 ipaXjLiö^ auxoT^
toxebiacTxai ouxu)^. Postremo quid interrogetur per verba wSi)q
Ka\ xiva xpöirov nequaquam apparet, neque magis intellegitur,
quo tandem pacto tali quaestioni respondeatur per verba pro-
xima. Tot igitur tantasque adesse in hoc loco difficultates, qui-
vis, opinor, perspiciet, qui divino rationis munere recte uti di-
dicerit. Promptam vero et probabilem earum solutionem vereor
ut vel sagacissimus inventurus sit, nisi uitatur adminiculo, quod
fauste subministrat B 115 biö dßöa ^k xfi( xd»v öbdxujv ^ixieixx;
Kaxd xöv ipaXjLHjjbdv ibq X^toucti. TTäaa oöv fj cppovxi^ xoO dvui
q)UJXÖ5 dcTxiv, ömjjq ^umixai xöv xdxuj (TnivOflpa dird xoO Kdxu)
iraxpö^ KxX. Inde iam certiores reddimur excidisse A 191 ante
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818 xxn Epistola critica ad Bunsenium
uj^, <pTi(Tiv, £v Ti^ ipaXiiifi X^T€i locum aliqaem Davidicornm Psal-
648 morum, in quo de clamore ex | aquis sublato ageretur. Talis
autem locus reperitur Psalm. 29, 3 q)üüvf| Kupiou ivA njjv ubdruiv,
ö 0€Ö^ Tf\q h6b\q dßpövxricTe, Küpio^ iii\ ubdruiv ttoXXuiv, eius-
que reliquiae servatae sant in ttoXXwv quod legitnr A 191
^vid. etiam p. 110,33). Atqae illam Psalniorum versam, quippe
in quo ipse Kupio^ clamorem tolleret, a Sethianis acocptam esse
de ipsornm Q^tjjt TeXeiqi (A 173), veri yidetar esse similius, quam
alios qnosdam in quibus, velat Psalm. 93, 4, clamor quidem tol-
litur, verum non a Deo. Hac igitur via eo perveni ut in mar-
xxxvigine sie haec legenda et distinjguenda esse annotarem ad A 191:
^ [7r€]pi(TuTKpiT0i^ .... '[ubdruiv] ttoXXuiv' di?, qiTicTiv, dv rqj
i|iaX)i(p \if€\. Quo facto nuUa amplius adest caussa cur citandi
signis includantur proxima. Quae quidem in unius gyrum pe-
riodi sie compellenda sunt, ut ex A 198 diroXuOeiq recuperetur
id quod vocabulo ^ucrnrat B 119 respondeat Hoc iam fit facil-
lime sie: u&aa oöv q)povri^ Kai dm)Li^X€ia rou q)uirdq fivuiO^v
ton, TTui^ Kttl riva rpöirov dirö rou Oavdrou rou iroviipou Kai
(TKoreivoO auiMaro^ diroXuOeir) 6 voG^. Omnis igitur cura et
soüicüudo supemi luminis est, qua via et rcUione ab improbi et
obscuri corporis fnorte solvatur Mens.
PauUo post A 210 öirep darl 7rv€U)Lia qpuireivöv dmqiepöiiievov
dirdvui rou <puir6q vitiosum esse, in oculos incurrit. Nequaquam
enim cum lumine commisceri lumen dictum erat sed cum (Tko-
riui^ Kai q)o߀p(|f Kai iTiKp(|i Kai jniapif) ubari A 208. Neque dubi-
tari potesty quin pro dirdvui rou q)uir6^ sufficiendum sit dirdvui
rou ubaro^, cum appareat Sethianos respicere ad Genes, i 2
Kai iTveuMa 0€oO direcp^pero dirdvui rou ubaroq. Quae sta-
tim sequuntur miserum in modum lacuilosa, coniungi videntnr
vinculo periodi unius, cuius apodosis incipit ab A 221 dirö rou
dvdjiou. Quare nihil mutavi nisi A 221 irrepuirö^ in Trr€puir({i,
quamquam Millerus, qui talem periodi formam vel non int^llexit
vel non probavit, post Tirepuiriij fulcrum orationis inseruit di(.
Huiusmodi rationibus ductus istas, quae copiosiorem dispu-
tationem postulare videbantur, institui mutationes in A. Non
* Sic scribendam esse pro \u(Jutkp(tok, quod exstat apud Mille-
rom, ooUigo ex B 109 oöv Tot<; ircpiourKpiroK;.
^ Codex 0x0X14», quod cum aqua coniungi non potest. Scripsi aKorivji
secundum A 90 Obuip okotcivöv xal q>o߀pöv.
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xxn Epistola critica ad Bansenimn 319
panciora quidem neque minora movenda erant in B. Ea vero
tarn manifesta sunt fere omnia, nt et Tui et niei otii prodigus |
videar, si sm|gnlaram caussas prolixe explicare velim. Qaare de ^^y^
solo B 3 breviter dicam, qnippe ubi et vitii origo magis quam
in reliqnis delitescat et variae pateant emendandi viae. Ex qui-
bus eam quae videbatur siniplicissima esse ingressns primnra
qnideni perspexi, vel ipsum Hippolytum excerpendi festinatione
abreptum, vel librarium neglegentem, utrumque autem homoeo-
telento deeeptum ab A 5 ^Kdcrniv bk toiv dpxoiv transilnisse ad
A 11 ^Kdoti) Twv dpxufv Tr^q)UK€. Quo factum est ut omitteren-
tnr media interque ea periret subiectum Träv ö,ti ktX. A9, quod
pertineret ad iT^q)UK€. Deinde buvacrOat ab initio ascriptum emen-
dandi caussa ad alterum T^v^aOai, quod exstat B 8, per errorem
insertum est ante prius T^v^aOai B 5. Quapropter B 4 buvacrOat
delendnm esse, contra B 8 T^v^crOai mutandum in buvacrOai, quod
pendeat a ir^cpuKc B 4, significavi in margine. Praeterea ut tenor
aliquis orationi constet, olovei B 7 disiunxi ita nt fieret oTov ei
et ^TTvi? ante t^voito B 7 ascivi ex A 21 ^th^? Tivö|i€Vov^
lam postquam tria capitura paria, quae quidem erant de
NaasseniS; Peratis, Sethianis, pertractavimus, satis, opinor, pa-
tefactum est, quod initio huius epistolae dixi, a übro decimo
afferri multis reliquorum librorum locis mutilatis et vitiosis an-
xilinm fere idem quod a codice integriore exspectari possit.
Tam prospernm adiumentnm ut futurus aliquis editor ad capi-
tum paria, quae restant, et velit adhibere et possit, Tu, scio,
mecum vehementer optabis. Tali igitur viro boc negotium, quod
nos inchoavimus, omni ex parte perficiendum committentes» coroni-
dis loco bis pagellis pauca quaedam addamus de quibusdam Hera-
cliti Ephesii fragmentis, quae in Hippolyteo libro reperiuntur.
Ordinem Hippolytei operis si sequimur, primo loco Hera-
clitea verba talia reperimus, quae fieri potuit ut | esse Heracliteazxxvm
ignoraverit ipse Hippolytus. Inveniuntur autem in excerptis ex
aliquo Naassenorum libro, quem qui scripsit Eleusiniorum my-
steriorum ceremonias secundum Naassenorum placita explicare
conatus est p. 115, 4 Toöto, q>r\alv^ iaxlv 8 X^touctiv ol xariup-
'XXaCSlii'VOl VJJV *EX€lKTlviuiV Xd jilKTTl^pia* *0€jilTÖV* hl iOTl Td|
^ Milleri annotationem ad 816, 52 (sb B 7) non intellego, cum taceat
de otovei t^voito.
' Sic Millerus pro eo qaod in codice est 6d^iov.
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320 xxn Epistola critica ad Bunsenium
650|iiKpd )Li€jiUTi)Li^vou^ avQxq rd |i€TdXa jiiueTaOai. Möpoi fäp |i€i-
Zove^ fxeCZovaq liioipa^ XaTX<ivouai*. MiKpä, cpncTiv, iax\
Td ^ucTiVipia Td Tf\q TTepcTecpövri? Kdrui Taut' daii, (pncTi,
xd iLiiKpd jiuaTi^pia rd rfl^ aapKiKf\q Tcv^aeuj^, S inunO^vre? oi
fiv0pu)7roi iLiiKpd TraiiaaaOai 6q)€iXou(n kqI inueTaOai rd |H€TdXa xd
diTOupdvia. 0\ fäp Toix; ^KeT, cpriai, Xaxövxe^ ^löpovq <^\xülovix<;
?v0aV lueKovaq juioipa^ XajußdvoucTiv. Cuius Joci ratio, quam
quoad potni significavi distingaendo, haeo est, ut scriptor Naas-
senus commentetur in alicuins de Eleasiniis mysteriis scriptoris
verba ea, quae citandi signis inclusi. Itaque vocabulum Oejiiixöv
(v. 2) reddit per öcpeiXoucrt (v. 7) et quid xd liiKpd Kai xd ineToXa
secundum Naassenos signifieent aperire studet cireumscribendo
et addendo. In ultimis autem istius de mysteriis scriptoris
verbis, quae baec sunt: jLiöpoi fäp iieilove^ ^eiZova^ jLioipa^
XaTX<iivou(Ti, Ephesii philosophi orationem adesse, fortasse ne
Naassenus quidem scriptor magis perspexit quam Hippolytus.
Nos vero totidem litteris ea tamquam Heraclitea allata videmns
a Tbeodoreto et demente Alexandrino, unde in Schleiermacheria-
nam Heracliteorum fragmentorum collectionem abiere, fr. 54
(Opp. philos. vol. n p. 124), [101 Bywateri], Frequentabatur
autem hoc dictum in sermonibus hominum, sicut mnlta alia
Heraclitea acuta quadam brevitate insignia, atque sie pauUatim,
quod fieri solet in proverbiis, in significationem conversum est
aliquantnm discrepantem a vera ipsius auctoris mente. Quam
XXXIX cum Schleiermachero Theodoreti loco nixus eam fuisse | arbitror,
ut hominibus in bello occisis honores et praemia eo maiora tribui,
quo maiores labores et pericula subiissent, apto quodam magni
sui operis loco diceret Heraclitus.
Proximum ab hoc fragmentum, iam nomine Heracliti ascripto,
in Hippolyteum opus ex Peratico aliquo scriptore translatum est,
qui in aqua principium mortis contineri, quae quidem est Pera-
ticorum opinio, etiam ex Graecis poetis et philosophis demon-
strare susceperat p. 132, 60 : Oö )liövov bk xoOxo, cpnaiv, o\ ttoiti-
xal X^TOucTiv, dXX' fibr\ Kai o\ aocpuixaxoi xüüv ^EXXtjvujv, «Lv iori
Kai 'HpdKXeixo^, 'etq' X^t^iv 'ipuxfl^ el Tdp Odvaxo^ öbujp t€V^-
(TOar. Sic quidem haec distribuit Millerus, praeterea 'pro €i
ydp legendum esse exr\ dv' in annotatione pronuntians. Gui nemo,
* Haec [nisi quod ^vOdöe scriptum oportuit] vel similia per homoe*
oteleuion excidiase apparet.
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XXII Epistola critica ad Bunsenium 321
puto, obtemperabit, qai Schleiermacheri librum iDJspexerit. Ibi 651
enim cum fragmentum 49 p. 117 [68 Byw.] sie perscribatur
ipuxqc^i Odvaxoq öbuüp T^veaGai, öbaxi bk Odvaxo^ Tflv T€-
v^aöar dK Tfl? öe öbuDp Tiveiai, il vbajoq bk i|iuxr), statim quivis
intelleget totum Hippolyti locum distinguendo et corrigendo ad-
ministrandum esse ita: Ou )liövov bk toOto, (pr\aiv^ o\ iroiiiTai
X^TOw<^*v dXX' i\br\ Kai o\ (yoq)U)TaTOi täv ^EXXrjviwv, iLv iori Kai
'HpdKXeiTO^ €1^, X^TiJDV 'ipuxqc^* T^P Odvaxo^ öbujp fevloQax*.
Haec igitur fragmenta per occasiones oblatas interserantur
operi Hippolyteo. Verum etiam dedita opera locos Heracliteos
larga manu effudit Uippolytus in libro nono, ubi Noeti doctrinam
ex Heraclitea pbilosophia prodiisse probaturus est [quem locum
habes supra p. 75 — 78]. In quo demonstrando ita versatur, ut
disputationi suae quasi tabulam quandam praemittat earum no-
tionum theologicarum, quarum maximum est in Noeti baeresi
momentum, easque ipsas iam in Heracliti opere inveniri ostendat
singulos huius locos afiferendo^ Ergo in eligendis Heracliteis
certo quodam consilio ducebatur Hippolytus. Id si semper ante
oculos nostros posuerimus, cum per labyrinthnm variorum erro-
rum, quos in interpretandis vel potius detorquendis Heracliteis
comjmisit Hippolytus, licebit penetrare, tum nonnulla certescri-xL
bendi menda tollere poterimus, quibus Ephesii dicta satis per se
obscnra etiam crassioribus tenebris involvit librarii neglegentia.
Verba autem Hippolyti, quibus tabula illa, quam diximus, con-
tinetur, sie sese habent p. 280, 58 [supra p. 75, 1] "HpdKXeiTo^
jifcv oöv q)Tiaiv elvai tö ttciv (1) biaipexöv dbiaipexov, (2)Te-
V11TÖV dT^VT]Tov, (3) evT]TÖv dödvaxov, (4) Xötov, (5) aiuiva,
(6) Tiarepa ulöv, (7) Geöv blKaiov. Continuo locos quosdam
Heracliti p. 280, 60—65 [supra 75, 3 — 6] ascribit, in quibus cum
doctrina de discorde concordia tradatur, ita eos accipit Hippo-
lytus quasi Omne (tö ttSv) et posse dividi dicant et non posse.
Unde coniirmare vult illud contrariarum notionum par, quod in
tabula posuit primo loco, biaipeTÖv dbiaip€T0v. Deinde Xötov
esse TÖ Tidv secundum Heraclitum, quod quarto loco exstat in
tabula, expiscatur ex nobili illo totius Heraclitei operis exordio,
quod habes apud Schleiermacherum fr. 47 p. 111 [2 Byw.] Xö-
Tou ToObe dövToq dei dEüv€Toi yivovTai dvGpujTroi ktX. Hucusque
1 [Disseruit Bern, de hac re Bupra p. 78 sq.]
Beriuiys, ges, Abhandl.
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322 XXII Epistola critica ad Bunsenium
negotium, quod sibi peragendum proposuerat, facile successit
Hippolyto. Verum sexto tabulae loco etiam ui6v dictum esse ab
Heraclito tö ttSv affirmaverat. Cuiusmodi quid quia totum
652 Ephesii librum perscrutatus inda|gare nequivit, cum astuta qua-
dam simplicitate ad yocabulum aliquod confugit, quod vocabulo
v\6q cognatum esset, nimirum ad iraiq. Hac via deprebendit
verba commodissima, ex quibus eadem opera iraiba sive u\6v
appellatum esse tö iräv probaret, tum vero etiam aii&va, quod
quidem dixerat quinto tabulae loco. Itaque p. 281, 72 [s. 75, 12]
scripsit haec "Oxi hi ia-vi naxq t6 irav xal bf alÄvo^ aliwvio?
ßaaiXeu^ tujv öXujv, oötu)^ Xi'xev *Alu)v TiaT? iOTx iraiCtüv,
TT€TT€uu)V TTttibö^ f) ßacTiXtitn' [79 By w.]. Horum Heracliteorum
verborum qualis vera esset sententia, olim copiosius aperui (supra
p. 56 sqq.). Pertinent enim ad doctrinam de mundis continuo
xLi et creatis et deletis, quam | tradidit Heraclitus similitudine repe-
tita a pueris, qni quae modo ex harena aedificarunt aedificia
statim diruunt.
Proxima edita vides a Millero sie p. 281, 74 [s. 75, 14]
*'Oti bi daxiv 6 [ttöXcilio^] Trarfip Trdvrujv TÜav t^TOVÖtujv tcvti-
TIÖV, d*f^VT]T05 KTlCTl^ bT])LllOUpTÖ^ , dK€lV0U X^TOVTO^ dK0UU)jUl€V
^TTöXejLio^ irdvTUJV \xkv Trax/jp, irdvxujv hi. ßaaiXeuq' [44Byw.]. Ubi
inter ö et iraxrjp inseruit Millerus iröXejiio^, quia quod esset Hip-
polyti in aflferendo hoc fragmento consilium haud intellexit. Neque
enim quidquam curabat Hippolytus, quo loco in Heraclitea doc-
trina esset 6 ttöX€jlio^ ; verum hoc agebat, ut id quod ulöv dictum
esse modo sese probasse opinaretur simul Trax^pa nominari ab
Heraclito monstraret, atque sie Noeti placitum p. 284, 58 [supra
p. 77 V. 78] xdv auxöv xAöv eTvai Kai irax^pa Heracliteum, non
Christianum esse argueret. Wem autem Noetus^ cum irax^pa
et ulöv T^vvTiTÖv simul et dT^vnxov esse dixisset, etiam hoc ex
eisdem Heracliteis verbis extundere aggressus est, ut promisso
staret quod secundo tabulae loco dedisset. Unde totum locum
iam perspicimus conformandum esse sie: "Oxi hl daxiv 6 iraxfip
1 P. 284, 54 [s. 77 v. 75] sie scriptum exstat in codice : Oötuj(; kotA
x6v aÖTÖv Xöyov dKpdxriToq dKpdxrixo^, dxivrixo^, dGdvaxo^ koI Ov^xö^.
Ibi Millerus alterum dxpdxnxo^ delevit, quamquam in promptu est totum
locum et corrigendum et supplendum esse sie : oöxu)^ xaxd xöv aöx6v Xö-
Tov dKpdxiixo«; Kai Kpaxnxöq, dT^vT|xoq (koI Y€vtixö<;>, dOdvaxo^ Kai
evTjxö^ seil, i^v ö 0eö(;.
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xxu Epistola critica ad Bunsenium B23
TrdvTUJV TUJV TCTOVÖTUJv TCwriTÖ^ ät^vtito^, kticti^ briMioupTÖq,
^Kcivou XcTOVTO^ dKouuDjLiev* 'TTöXejLio^ iravTiüv |nfcv Traxrip dcTii,
ttAvtujv hk ßaaiXeu^'. Qui vero pater sit omnium rerum, et crea-
tum esse et non creatum^ \ creaturam simül esse et crecUorem, ex 663
ipso audiamus dicente sie : Bellum omnium pater estj omnium
rex. Nimirum cum Heraclitus id velit, ut omnia e hello, hoc
est, e contrariis nasci dicantar, sie hoc detorquet Hippolytus,
at contraria quaevis Patri ab Heraclito tribui inde probet;
eodem igitur iure creatum dici posse Patrem quo non crea-
tum, I creaturam quo creatorem. Haec si recte disputata sunt^xLii
etiam kt((Ti^ bnjiiioupTÖq, quod in Kila^ixx; biijiioupTÖ^ mutari
voluit Millerus, non soUicitandum esse yidemus. Continent enim
haec verba alteram contrariorum iuxta positorum par, quod
priori TCVvnTd^ dT^vriTO? respondet.
Minores admovendae erant machinae ut Ovtitöv et dOdva-
Tov idem esse secundum Heraclitum appareret, quod tertio tabu-
lae löco positum erat. Id enim facile deducitur ex fragmento
Schleiermacheriano 51 p. 122 [67 Byw.] 0€ol GvtitoI fivOpujTroi
dedvaroi Cujvt€? töv dKcivuJV Gdvaxov OvfiaKOvre^ Tf|v dKcCvuJv
2:u)rjv, quod paueis mutatis ascribit Hippolytus p. 282, 22 [8.76, 51]
\i-xei hk öjioXoTOUjLi^vw? xö dedvatov etvai 6vtit6v Kai id Ovtitöv
dBdvaxov bid tüjv toioutuüv Xötwv 'A0dvaTOi 0vt]toi, OvtitoI d6d-
vaxoi, ZüjvTe^ xdv dKcivwv Gdvaxov, x6v hk dKcivwv ßiov xeOveurre^.
Restabat quod ultimo loco tabulae positum erat, agnosci
ab Heraclito 0€Öv biKaiov 'Deum iustum', h. e. qui ultimum de
universa rerum natura iudicium agat, <[yide supra p. 102 et Ne-
andri librum de Gnosticis p. 287). In quo comprobando ordinem
eschatologiae Christianae tenuit Hippolytus, atque primum qui-
dem mortuorum resurrectionem ab Heraclito tradi dicit p. 282, 25
[s. 77, 53] A^T€i bk Kai aapKÖq dvdcrxacTiv xauxri? cpavepS^
i\ 1} T€T€vri|Li€0a, Kai xdv 0€dv oTbe xaüxri^ xfj? dvacrxdcreui^
aixiov, oöxu)^ X^TWV '"EvOa b' dövxi ^TravicTxacTGai Kai q)üXaKa^
TiveaGai ^TcpxiZövxwv Kai veKpujv'. Ibi dTcpxiZövxuJv voca-
balum est nuUum. Cuius loco quid scripserint et Heraclitus et
Hippolytus obscurum esse amplius non potest, ubi semel in
priori vocabuli parte agnoveris antiquum illud adverbium dT€pxi,
cuius duo tantum praeter hoc mihi quidem innotuere exerapla^
(Apud Homerum kypr\xopTi legitur K 182).
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324 XXII Epistola critica ad Bunsenium
Quorum unum exstat Sopbocl. Antig. 400 in oratione vigilis de
se suisque sociis, qui invicem sese ad diiigentiam adhortabantur,
narrantis haec
KaOrijLieO' fiKpuJv ^k irdTuiv uTriive)Lioi,
6(Tji#|v dir' auToO )Lif| ßdXoi TreqpeuTÖTe^, |
xLiii dteprl Kivuiv fivbp' dv#|p dmppöOoi^
KttKOicTiv, e! Tiq ToOb' dq)€tbri(Toi ttövou. |
G54 Alterum invenitur Rhesl v. 525 in Hectoris oratione
ujiä^ bk ßdvxa^ xpr\ TTpoxaivl xdHeuJv
qppoupeiv dTepxi.
Ubi ^T^pxi quod ab dTcipu) duetum significat Vigilanter' prorsus
eodem modo coniungi vides cum qppoupeiv, quo apponitur ad
q)uXaKa^ T^veaGai in Heracliteo fragmento. lam hoc adverbio ex
priori parte enucleato, per lenissimam mutationem ex altera
parte dTepxiCövxuiv efficitur Zuivxwv vivöf-wm, qui respondeant
mortuis iuxta positis in Kai veKpujv. Denique vitiosa supersunt
prima fragmenti verba fvöo b' dövxi. In quibus emendandis
ducem Hippolytum ipsum sequimur, qui cum Heracliteum locum
eo consilio afferat, ut Deum resurrectionis auctorem ab Epbesio
philosopho agnosci inde ostendat, aliquid de Deo ibi legerit
neccBse est Itaque totum fragmentum sie scribendum esse
existimamus: fvOa bid 0eöv xe diraviaxacrGai kqI qpiiXaKaq fxve-
aOai dT€pxi Iwvjmv^ Kai veKpujv. IbiDei ope adstare et vigi-
lanter custodes fieri vivorum et mortuorum, Huius frustuli [fr. 123
Byw.] quaenam vera sit ex Heracliti voluntate sententia yix
poterit certo dici, donec integra, unde abscissum est, oratio in
iucem prodierit alicunde. Interim non absimile videtur esse veri,
respexisse Heraclitum ad vetustam opinionem de aureae aetatis
hominibus post mortem bonorum daemonum loco habitis ^ cuius
opinionis vestigia exstant in Hesiodiis ''EpTOi^ v. 107
* (cf. Sophocles Antigonae v. 851 oÖx' ^v ßporoiaiv oöt' bf vcKpotaiv
M^ToiKO^, oö 2[üj0iv oö Oovoöaiv).
2 ^Plutarchus adv. Coloten c. 30 p. 1124 « quod dicit baCfnovaq ^x^iv
ToO ßiou cpOXaxa^, veri non est dissimile eum ex ipso Heraclito sumpsisse,
quem una cum Parmenide Socrate Piatone ut auctorem brevi ante memo-
ravit. Politiae Platonicae 90\aK€^ eidem sunt qui ba{)Liov€^ in Politico
p. 271 d. Cf. Eurip. Alcest. 1002 aöxa ttot^ irpoöOav' dvbpö<;, NOv ö' iarl
lidKaipa ba(^uiv. Yide quae dicta sunt De Heracliti epist. p. 38).
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xxn £pi8tola critica ad Bunscnium 325
aÜTotp ^TTeibf) TOÖTO T€voq (xpucreov) Kaxct taia KdXuipev,
0*1 ixk\ baifioveq ctTVOi ^ttixöövioi KaX^ovxai
e(y0Xoi, äXe^iKaKOi, cpuXaKC^ öviitüüv dvöpunTUDV,
TiXouTobÖTar Kai toöto T^'pa? ßaaiXrjiov faxov.
Hippolytum vero, ubi yocabulaoi ^TraviaTacreai in|Hera-xLiv
cliteo libro oflTenderit, statim de Cliristiana dvaardaei vcKpAv^
cogitasse, non est quod magnopere miremur, praesertim cum vel
maiore violentia ntatur in Ultimi iudicii doctrina ex Heraclito
eruenda sie quidem p. 283, 29 [s. 77, 56] Mfex bfc Kai toO kö-
ajiou KpicTiv Kai irdvTwv täv dv aöxqj bid irupd^ T^vecTGai, X^t^wv
oÖTui^* *Td bfe Trdvra oloKiZiei Kcpauvö^* tout^ctti KaT€u6iiver Ke-
pauvöv xd TTÖp X^Tw^v rö alüaviov [28 By w.]. Quod si per se speeta-
veris, sane non poterit dici errasse, qui oiaKi2Ieiv voluerit interpre-
tari per KaTeuGuveiv. Etenim KaTeuOOveiv potest quidem non minus
quam oiaKiZeiv signi|ficare 'äirigere' atque reapse hoc vult He- 655
raclitus, fulmen igneum, quod est TiOp &eil[\)ov, omniuni rerum
principium, gubernare atque dirigere omnia. Verum haec signi-
iicatio nequaquam eo ducebat quo pergebat Hippolytus. Qua-
propter ascivit alteram, ex qua KareuOiiveiv idem valet quod
'pravum rectum facere, corrigere*, atque sie eo pervenit ut
ex verbis Heracliteis banc exsculperet sententiam: "Fulmen
omnia corrigit' i. e. iudicat, punit.
lam pertractatis notiouibus, quibus tabula illa constat, Om-
nibus, praestitisse videmur quod nobis propositum fuit. Satis
enim apparuit, qua ratione Heraclitea tractaverit Hippolytus. Id
* (Ceterum Graecis quoque illa äydaiaai^ v€Kpu»v, etsi ultra spem,
tarnen non fuit extra cogitationem. Cf. Homerus IL 56 Tptlicq {ncYOiXfi-
Topc^, oö(; TTCp €iT€q)vov, Aötk; dva(JTf|0ovTai öir6 2[6q>ou i^jepöevro^
Q 551 o{>bi \ny dvarfiacK; (lamentando) ibid. 756 dv^0TV)a€v bi {iiiv oöö'
iB^ (Achilles Patroclum plangendo) Aeschylus Eumen. 647 dvöpö^ b' iirci-
ödv at^i* ävaait&ar} kövk "AiraE öavövro«;, oö ti^ Iot* öydaraai^ Agam. 1361
öua^rjxavOti Aötoiöi t6v Oavövx* dviaxdvai irdXiv Sophocles Electrae 137
dXX* oöToi TÖv t' ^H *Piiba itotkoCvou Xt^iva«; irax^p' dvCTdaeK oöt€ ydoic;
oÖT€ Xixataiv Herodotus iii 62 el ^i^v vuv ol T€ev€uiT€(; dvcar^aat Xenopho
Cy neg. 1, 6 *AaKXT|Tri6^ bk \ie\Z6y\uv fruxcv, dviardvai n^v t€9v€iIito(; De-
mosthenes in Boeotum or. xxxix § 31 p. 1003, 25 cl ae 6 irarfip d£iUi0ei€v
dvaaxd«; f| in^veiv ktX. Itaque Aristoteles de anima i 8, 6 p. 406*» 4
opinionem aliquam de animae natura prolatam hoc refutare argumento
potuit : toOtiji b* liroiT* dv xö dviaraaGoi xd xeOveOJxa xdrv 2;i(ju;v).
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326 XXII Episiola critica ad Bunsenium
auteni non alienum visum est, quod hoc loco exponeretur, cnm
aliqaantuluin conferat ad recte cognoscendum Hippolyti inge-
nium, cuias iinaginem artifici manu in libro Tuo delineasti.
Reliqua vero, quae de bis ceterisqae fragmentis Heracliteis et
plura dici possnnt et graviora, cum magis ad Heraclitum per-
tineant quam ad Hippolytum, aptiorem locum propediem inve-
nient alibi. Interim ut baec, qualiacumque sunt, benevole acci-
pias mibique et meis studiis favere pergas etiam atque etiam
rogo. Vale.
Scripsi Londini d. XXVI sept. mdcCCLI.
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XXIII
UEBEE DEN UNTEE APULEIUS' WEEKEN
STEHENDEN HEEMETISCHEN DIALOG
ASCLEPIÜS.
Monatsberichte der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin
1871 (16. October) S. 500—519.
Die hermetischen Schriften, welche auf das fünfzehnte und 500
sechzehnte Jahrhundert einen so starken Reiz ausübten und da-
mals sich der Anpreisung und Bearbeitung von Männern wie
Marsilius Ficinus und Franciscus Patritius erfreuten, sind seit-
dem einer geringschätzigen Vernachlässigung verfallen, und erst
in allerjüngster Zeit beginnt man in Frankreich, zunächst wohl
unter dem Einfluss der ägyptologischen Studien \ sie wieder der
Beachtung zu würdigen. Eine ursprünglich in der Revue des
deux mondes (1866 vol. 62 p. 870) erschienene Arbeit Louis M6-
nard's, die mit schriftstellerischem Geschick die Ergiebigkeit
jener fast verschollenen Litteraturgattung für Religions- und Cul-
turgeschichte dem grösseren Publicum darlegte, ist dann als Ein-
leitung zu einer französischen Uebertragung der griechisch oder
lateinisch erhaltenen hermetischen Stücke verwendet worden, von
welcher eine zweite Auflage aus dem Jahr 1867 vorliegt. In
Deutschland konnte Parthey 's verdienstliche Ausgabe des Poeman-
der die erloschene Theilnahme nicht wieder erwecken und so-
gar bei der Darstellung der späteren griechischen Philosophie,
mit der die hermetischen Schriften in deutlichem Zusammenhang
stehen, erwähnt sie Zeller (y^ 200, 5) nur, um in nachdrücklichster
Kürze ihre völlige Unbrauchbarkeit für die Geschichte der Phi-
losophie zu behaupten und ein näheres Eingehen auf ihren In-
1 (Aegyptisches in den Hermetica bespricht P. Pierret in den M§-
langes d'arch^ologie egyptienne et assyrienne 1872 1. 1 p. 112).
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328 xxni Apuleius' Dialog Asclepius
halt abzulehnen. Unter dieser Ungunst, welche auf der gesamm-
ten hermetischen Schriftstellerei seit so langer Zeit lastet, hat
begreiflicherweise auch die lateinische Bearbeitung des Dialogs
Asclepius zu leiden gehabt Obgleich sie ein Unterkommen
in den älteren wie in der jüngsten Ausgabe von Apuleius' Werken
fand und dadurch innerhalb des Gesichtskreises der Philologen
blieb, ist dennoch für die Säuberung des arg verwahrlosten
Textes fast nichts und ftlr die Erledigung der auf die Schrift
bezüglichen littcrärgeschichtlichen Fragen nur sehr wenig ge-
schehen. Unter den Textesschäden, die ein aufmerksamer Leser
auch ohne neue handschriftliche Hilfe hätte bessern können, sei
beispielsweise einer aus dem einleitenden Capitcl hervorgehoben,
wo durch das Verschwinden öines Buchstaben die Auffassung der {
501 dialogischen Scenerie getrübt wird. Dass nämlich die Unterre-
dung in dem AUerheiligsten eines Tempels zwischen vier Per-
sonen stattfinde, wird am Schlüsse des Capitels ausdrücklich ge-
sagt (p. 77 Elm.): 'sanctoque illo (jenes Heiligthum) quattuor
virorum religione et divina dei completo praesentia'. Mit Namen
eingeführt waren vorher jedoch nur drei: 1) der den Lehrvortrag
haltende Hermes Trismegistus; 2) der die Rolle des fragenden
Zuhörers übernehmende Asclepius und 3) ein schweigender Zu-
hörer Ammon. Der andere schweigende Zuhörer, welcher erst
die Vierzahl voll macht, würde namenlos bleiben nach der bis-
herigen Gestalt der ihn betreffenden Sätzchen: 'tu vero, o As-
clepi, — sagt Hermes — procede pauUulum, atque qui intersit
evoca. Quo ingresso, Asclepius etiam Ammonem Interesse
suggessit. Trismegistus ait, nulla invidia Ammonem probibet a
nobis*. Im Verlauf des Gesprächs redet jedoch einmal bei be-
sonders feierlichem Anlass Hermes seine drei Zuhörer namentlich
an, c. 32 p. 96 Wos, o Tati et Asclepi et Ammon' und in der
Schlussscene, wo nach beendetem Lehrvortrag ein gemeinsames
Gebet gesprochen und die Gelegenheit benutzt wird um jede
Begleitung des Gebets mit sachlichem Opfer, sogar den Weih-
rauch, für verwerflich zu erklären, findet sich folgendes, c. 41
p. 101 'iam ergo dicentibus precationem, Asclepius ait submissa
voce: Tati, suggeramus patri, iusserit ut ture addito et pig-
mentis (im Griechischen stand wohl dpu))Lia(yiv) ^ precem dicamus
* (Vgl. MacrobiuB Saturn, i praef. 8 *qui odora pigmenta conficiunt*,
OlympiodoroB zu Piatons Gorgias (in Jahns Archiv für Philol. Bd. xiv)
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xxiii Apuleius' Dialog Asclepiiis 329
deo. qaera Trismegistiis audiens atqne commotus ait: melius,
melius ominare (im Griechischen stand wohl eucprunei), Asclepi,
hoc enim sacrilegis simile est, cum deum rogcs tus ceteraque
incendere'. Hiernach ist es deutlich, dass der dritte Zuhörer
neben Asclepius und Amnion kein Anderer ist als der jedem Be-
nutzer des Stobäus durch dessen reichliche Auszüge dK twv irpö^
Tdr bekannte Tat, der in den hermetischen Schriften vielgenannte
Sohn des Hermes. Mithin leidet es keinen Zweifel, dass die Na-
menlosigkeit des dritten Zuhörers in der Einleitungsscene nur
durch Schreibfehler entstanden und dort statt 'atque qui inter-
sit evoca* zu bessern ist Tatqiie. Zugleicli liegt hier wieder
ein Beispiel vor, dass unter dem Schutz eines Verderbnisses das
anderswo verdunkelte Richtige gerettet worden. Der Vocativ
Tati, der jetzt c. 32 und 41 zu lesen ist, kam den erst an den latei-
nischen Tatius denkenden Abschreibern in die Feder; der grie-
chische Verfasser nicht nur, sondern auch der Uebersetzer wollte
den ägyp|tischen Tat, ebenso wie Piaton (Phädros 274 *') und 502
Cicero (deor. nat. in 22, 56) den Theuth, als Indeclinabile be-
handeln K
Weitergreifende Ergebnisse jedoch, als die Hinwegräumung
solcher einzelner Anstösse im tiberlicferten Text zu gewähren
vermag, dürften aus einer zusammenhängenden Erörterung des
24. bis 26. Capitels der Schrift sich gewinnen lassen. Dort wird,
nachdem Hermes eine Rechtfertigung der Idololatrie versucht
und eine Verschmelzung göttlicher Kräfte mit dem stofflichen Be-
stände der Bildsäulen behauptet hatte, das Erlöschen dieser Art
von Götterverehrung zunächst für Aegypten vorausgesagt und
daran eine Verkündigung des Untergangs der bestehenden Welt
geknüpft. Da der lateinische Uebersetzer nicht Gewandtheit ge-
nug besass, um überall ein beim ersten Lesen fassliches Latein
herzustellen, so kann es auch dem Geübtesten nicht unwillkommen
sein, wenn hier eine deutsche Uebertragung jenes Abschnittes
p. 117 ö iLi^v loTpö^ diTirdTTei, ö b^ irinuevxdpioq (iriiiicvTdpioq richtig
Bekkcr Anecd. gr. p. 1411) biOKOvet rä irpö<; xfjv xpc^civ cÖTpeiriCiuv ; Haaso
zu Gregorius Turon. de cursu stellarum p. 34 und Lessing, sämmtl. Schriften
DE p. 242 Lachm. (ix 237 Maltz.). Auch der jüdische Familienname Pimentel
kommt wohl daher).
* Auch bei Stobaeus florü, 11, 23 wechselt in einem Bruchstück ^k
Twv Trp6^ Tdr die Vocativform Tdric mit der richtigen TdT, welche schon
Meineke (vol. i p. xxii) überall herzustellen gerathen hat.
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330 XXIII Apuleius' Dialog Asclepius
vorgelegt wird, welche in mehreren Fällen sich auf vermuthungs-
weise Rückübersetzung des missverständlichen Latein in das
verlorene Griechisch stützen musste und nur bei öinem grösseren
Satz auf ein zufällig erhaltenes Bruchstück der griechischen Ur-
schrift zurückgreifen konnte. {
503 'Du weisst doch, Asklepios, dass Aegypten ein Abbild des
Himmels oder, um richtiger zu reden, eine üebersiedelung und
Niederfahrt der ganzen himmlischen Waltung und Thätigkeit ist;
ja, um noch richtiger zu reden, unser Vaterland ist der Tempel
des gesammten Weltalls. Und dennoch, da ein Vorherwissen von
Allem den Einsichtigen ziemt, so darf euch folgendes nicht ver-
borgen bleiben: eintreten wird eine Zeit, wo es den Anschein
gewinnt, als hätte Aegypten vergeblich mit frommem Sinn in
emsigem Dienst das Göttliche gehegt, wo alle heilige Verehrung
der Götter erfolglos und verfehlt sein wird. Denn die Gottheit
wird zurück in den Himmel sich begeben, Aegypten wird ver-
lassen und das Land, welches der Sitz der Götterdienste war,
wird der Anwesenheit göttlicher Mächte beraubt und auf sich
selbst angewiesen sein. Denn da Fremdlinge die Gegend und
das Land anfüllen, so wird nicht bloss Vernachlässigung der
Götterdienste eintreten, sondeni, was noch härter ist, durch
An ignoras, o Asclepi, quod Aegyptus imago sit caeli c. 24
aut, quod verius est, translatio aut descensio omnium
quae gubernantur atque excrcentur in caelo? et si di-
cendum est verius, terra nostra mundi totius est tem-
5 plum. et tamen, quoniam praescire cuncta prudentes
decet, istud vos ignorare fas non est: futurum tempus
est cum appareat Aegyptus incassum pia mente divini-
tatem sedula religione servasse, et omnis deorum sancta
veneratio in irritum casura frustrabitur. e terris enim
10 est ad caelum recursura divinitas linqueturque Aegyp-
tus, terraque, sedes religionum quae fuit, viduata nu-
minum praesentia destituetur. alienigenis enim regionem
istam terramgue complenübuSj non solum neglectus reli-
Ich verzeichne hier meine Abweichungen von Hildebrand's kleinerer
Ausgabe des Apuleius (Lipsiae 1843) : 8 deorum statt eoruw.
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XXIII Apuleius' Dialog Asclepiuä 331
angebliche Gesetze wird unter Strafandrohung ein Verbot gegen
Religion, Frömmigkeit und Gottesverehrung ergehen. Dann wird
dieses geweihte Land, die Stätte | der Heiligthümer und Tempel, 504
dicht mit Gräbern und Leichen angefüllt sein. Aegypten,
Aegypten, von deinen Götterdiensten werden nur Gerüchte sich
erhalten und auch diese werden deinen kommenden Geschlech-
tern unglaublich dünken, nur Worte werden sich erhalten auf
den Steinen, die von deinen frommen Thaten erzählen, und be-
wohnen wird Aegypten der Skythe oder Inder oder sonst einer
aus dem benachbarten Barbarenland. Denn die Gottheit wird
in den Himmel zurückkehren, schutzlos werden die Menschen
allesammt sterben, und so wird Aegypten, von Gott und Men-
schen verlassen, zur Einöde werden. Zu dir aber wende ich
mich, allerheiligster Strom, und verkünde dir die Zukunft: durch
Sturzbäche von Blut bis an die Ufer angeschwollen wirst du über-
treten, deine göttlichen Wogen wird das Blut nicht blos trüben
sondern gänzlich verderben, weit grösser als der Lebenden wird
der Begrabenen Zahl sein, und wer übrig bleibt, den wird man
gionum sed, quod est durins, quasi de legibus a religione
15 pietate cultuque divino statuetur praescripta poena prohi-
hitio, Tunc terra ista sanctissima, sedes delubrorum
atque templorum, sepulcrorum erit mortuorumque ple-
nissima. o Aegypte, Aegypte, religionum tuarum solae
supererunt fabulae haeque incredibiles posteris tuis so-
20 laque supererunt verba lapidibus incisa tua pia facta
narrantibus et inhabit^bit Aegyptum Scythes aut Indus
aut aliquis talis e vicina barbaria. Divinitas enim re-
petet caelum, deserti homines toti morientur atque ita
Aegyptus deo et homine viduata deseretur. te vero
25 appello, sanctissimum flumen, tibique futura praedico:
torrenti sanguine plenus adusque ripas erumpes undae-
que divinae non solum polluentur sanguine sed totae
corrumpentur, et vivis multo maior erit numerus sepul-
tomm, superstes vero qui foret, linguä sola cognosce-
19 Ihoeque nach Hildebrand's erster Wolfenbüttler Handschrift statt
aeque, 19 tuis nach der zweiten Wolfenbüttler Handschrift statt suis.
22 e vieina statt id est vicina (in der zweiten Wolfenbüttler Hand-
schrift fehlt id est). 28 corrumpentur statt rumpentur; sepultorum nach
Handschriften statt septUerarum,
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332 XXIII Apuleius' Dialog Asclepius
nur an der Sprache als Aegyptier erkennen, in seinem Thnn wird
er als Fremder erscheinen. — Wesshalb weinst du, AsklepiosV
505 Mehr | als dieses und viel ärgeres wird Aegypten selbst erleiden
und von schlimmeren Uebeln tiberschwemmt werden; das hei-
lige und vormals der Gottheit ergebenste Land, welches zur Be-
lohnung für seinen Gottesdienst die einzige Einkehr der Götter
auf Erden war, die Schule der Heiligkeit und Frömmigkeit,
wird ein Beispiel der allergrausamsten Behandlung werden. Zu
jener Zeit wird dem Missmuth der Menschen die Welt weder
der Bewunderung noch der Anbetung würdig erscheinen. Die-
sem All, dem guten, über welches hinaus ein besseres weder
war noch ist noch je wird erschaut werden können, steht Gefahr
bevor; schwer wird es auf den Menschen lasten; und man wird
daher geringschätzen und nicht länger lieben dieses Weltall,
Gottes unveränderliches Werk, den Prachtbau des aus vielförmi-
ger Mannigfaltigkeit der Gestalten zusammengesetzten Guten, das
Kunstgebilde des göttlichen Willens, der neidlos seinem Werk
beisteht, das zur Einheit verbundene GefUge aller Dinge, die
30 tur Aegyptius, actibus vero videbitur alienus. -— Quid c. 25
fles, Asclepi? et his aniplius multoque deterius ipsa
Aegyptus suadebitur imbueturque peioribus malis, quac
sancta et quondam divinitatis amantissima, deorum in
terra suae religionis merito sola deductio, sanctitatis et
35 pietatis magistra, erit maximae crudelitatis exemplum.
et tunc taedio hominum non admirandus videbitur mun-
dus nee adorandus. hoc totum bonum, quo melius nee
fuit nee est nee erit quod videri possit, periclitabitur
eritque grave hominibus, ac per hoc contemnetur nee
40 diligetur totus hie mundus, opus dei immutabile, glo-
riosa constructio boni multiformi iroaginum varietate
compositi, machina voluntatis dei suo operi absque in-
vidia sufFragantis, in unum omnium, quae venerari lau-
32 suadebitur] Im Griechischen stand wohl ireiacTai als Futurum
von irdaxui; der Uebersetzer sah es für das Futurum von ir€(0o|Liai an.
34 deductio] Im Griechischen stand wohl KaTaxuiipri, welches der
Uebersetzer sylbenmässig wiedergab, weil ihm die hier nothwendige Bedeu-
tung deversorium, hospitium (s. Piaton, Phaedros 230^) nicht gegenwärtig war.
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xxiii Apuleius' Dialog Asclepius 333
von denen, welche sie erblicken, Ehrfurcht, Lob und endlich
Liebe verdienen. Denn Dunkel wird dem Licht | vorgezogen und 506
der Tod für erspriesslicher als das Leben gehalten werden;
Niemand wird zum Himmel aufblicken; der Fromme wird für
wahnsinnig und der Unfromme für klug, der Wüthende für tapfer,
und der schlimmste Bösewicht für bieder gelten. Denn die Seele
und Alles an ihr, wodurch sie von Geburt unsterblich ist, oder,
wie ich euch früher [Cap. 22] darlegte, die Unsterblichkeit zu
erlangen hoffen darl', wird nicht nur verlacht sondern für nich-
tig gehalten werden. Aber glaubt mir, auch Todesgefahr wird
gegen den verhängt werden, der sich der Religion des Geistes
hingiebt. Neue Rechte werden eingeführt werden, neues Gesetz ;
nichts heiliges, nichts gottesfürchtiges, nichts des Himmels und der
Himmlischen würdiges wird gehört noch im Geiste geglaubt wer-
den. Eine schmerzliche Trennung der Götter von den Menschen
tritt ein ; nur die bösen Engel bleiben da, die unter die Mensch-
heit sich mengen und die Elenden zu allen Missethaten mit ge-
waltsamer Hand antreiben, zu Krieg, zu Raub, zu Hinterlist, zu
dari amari denique a videntibus debent, multiformis
45 adunata congestio. nam et tenebrae praeponentur lu-
mini et mors vita utilior iudicabitur, nemo suspiciet
caelum, religiosus pro insano, irreligiosus putabitur pru-
dens, furiosus fortis, pro bono habebitur pessimus.
anima enim et omnia circum eam, quibus aut immor-
50 talis nata est aut immortalitatem se consecuturam esse
praesumit, secundum quod vobis exposui, non solum ri-
sui sed etiam putabitur vanitas. sed mihi credite, et ca-
pitale periculum constiiuelur in eum qui se mentis reli-
ffioni dederit, nova constituentur iura, lex nova, nihil
55 sanctum, nihil religiosum nee caelo nee caelestibus di-
gnum audietur aut mente credetur. fit deorum ab ho-
minibus dolenda secessio, soli nocentes angeli remanent,
qui humanitate commixti ad omnia audaciae mala mi-
seros manu iniecta compellunt, in bella, in rapinas, in
60 fraudes et in omnia quae sunt animarum naturae con-
57 nocentes angeli] Lactantius institut. n 15, 7 Maemonas Trismegi-
st US dxT^^ou^ irovnpoO^ appellat*.
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334 XXIII Apuleius' Dialog ARclepius
Allem, was dem Wesen der Seele feiodlich ist. Alsdann wird die
Erde nicht fest und das Meer nicht schiffbar bleiben, der Himmel |
Ö07 wird nicht für die Sternenbahnen und der Lauf der Gestirne
nicht am Himmel gesichert sein, jede göttliche Stimme wird in
erzwungenem Schweigen verstummen, die Erdfrüchte werden ver-
derben und die Erde unfruchtbar sein, selbst die Luft wird in
trüber Stockung siechen. In dieser und ähnlicher Weise wird
das Greisenalter der Welt kommen, in Gottlosigkeit, Unordnung
und Störung des Ebenmasses auf allen Gebieten des Guten. Wenn
dies eingetreten ist, Asklepios, dann wirft der Herr und Vater
traria. tunc nee terra constabit nee innavigabitur mare
nee caelum astrorum cursibus nee siderum cursus con-
stabit in caelo, omnis vox divina necessaria taciturni-
tate mutescet, fructus terrae corrumpentur nee fecunda
65 tellus erit et aer ipse maesto torpore languescet. haec c. 26
et talis senectus veniet mundi, irreligio, inordinatio,
irrationabilitas bonorum omnium. cum haec cuncta con-
tigerint, o Asclepi, tunc ille dominus et pater deus
66 inordinatio, irrationabilitas] Im Griechischen stand wohl äraUcia,
d(yu|Li|Li€Tpia. 67 cum haec cuncta] Lactantius institut vn 18, 3 * Hermes
in eo libro, qui Xöto^ T^Xeio^ inscribitur, post enumerationera malorum, de
quibus diximus, subiecit haec: ^irdv bi] raOra (bbe T^vrixai, (b 'AcTKXiiirU,
TÖT€ ö xOpio^ Kai irarVip xal Beö<; xal toO irpiiiTou xal dvö^ eeoO bimioup-
irö<; ^TTißX^niaq Toi^ ir€vo|Li^voi<; koI Tf|v ^auToO ßoOXrimv, toOt' larx tö difa-
0ÖV, (so statt Tf| dauToO ßouXr|(J€i toI^ toioOtok t6 dira6öv, vgl. C. L.
Struve opuscula 1, 157) dvrepctaaq t^ äraSiq. xal dvaKoXead^cvo^ Tf|v
irXdvnv Kol Tf)v KOKiav ^KKa9npa(;, Tifl iii^v öbaxi iroXXCü KaTOKXOaa^ (so mit
Patritius, Nova philosophia, Venetiis 1593, pars sec. p. 51 *, statt KaraXü-
aaO, irti ^^ i^P^ öEurdrij) öiaxaOaaq, dvioxe bi iroXdiiioi^ xal Xoi^oK ^k-
irUaaq fj^aTCv ^ttI tö dpxatov xal diroxaT^axTiae t6v dauToO xöa^ov'.
68 detis primipotens et unius guhernator dei lasse ich unverändert, da
die Abweichung von dem griechischen eeöq xal toO irpcÜTOu xal dv6^ OeoC
bi^ioupTÖ^ absichtlich scheint. Auch in einer früheren ähnlichen Stelle
c. 8 z. A. p. 80 giebt der Uebersetzer hunc fecit ex se primum et a se
secundum statt der bei Lactantius instit. 4, 6 erhaltenen griechischen Worte
toOtov ^iro(ii(T€ irpOüTov xal iiiövov xal ^va. In der hermetischen Termino-
logie bedeutet der von Gott dem Vater gezeugte 'erste und eine Gott'
den Kosmos. Vgl. Poemander p. 65, 3 u. 76, 10 Parthey : 6 x6a|Lio^ ul6?
ToO 6€o0, und die Schlussworte des platonischen Timäus 6 xöa^o^ . . .
ec6^ ala6T|TÖq . . . eU oOpavö^ Öbe ^ovotcvfi^ d&v.
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XXIII Apuleius' Dialog Asclepius 335
und Gott, der Schöpfer des ersten und einen Gottes, einen Blick
auf I diese Vorgänge, stemmt seinen Willen, d. h. seine Güte, ge- 008
gen die Unordnung, bringt die Verirrung wieder ins Geleise und
kehrt das Böse aus, indem er es theils mit mächtigen Fluthen
wegschwemmt, theils mit dem verzehrendsten Feuer verbrennt,
auch wohl durch Krieg und Pest es austreibt, und alsdann führt
er seine Welt in ihren alten Zustand zurück und stellt sie wieder
her, damit sowohl die Welt wieder der Anbetung und Bewunde-
rung werth erscheine, wie auch Gott, der Schöpfer und Wieder-
hersteller eines so grossen Werks, von den dereinstigen Menschen
in steten Lobgesängen und Huldigungen gepriesen werde. Dies
ist die Wiedergeburt der Welt, die Erneuerung alles Guten, die
in festem Zeitumlauf erfolgende, heiligste und hehrste Wieder-
herstellung der Natur selbst, welche anfangslos ewig ist und war.
primipotens et unius gubernator dei intuens in mores
70 factaque, voluntate sua, quae est dei benignitas, vitiis
resistens et corruptelae omnium, errorem revocans, ma-
lignitatem omnem vel illuvione diluens vel igne consu-
mens vel morbis pestilentibus iisque per diversa loca
dispersis finiens, ad antiquam faciem mundum revoca-
75 bit, ut et mundus ipse adorandus videatur atque mi-
randus et tanti operis eflfector et restitutor deus ab ho-
minibus, qui tunc erunt, frequentibus laudum praeconiis
benedictionibusque celebretur. haec enim mundi geni-
tura, cunctarum reformatio rerum bonarum et naturae
80 ipsius sanctissima et religiosissima restitutio per coactum
temporis cursum, quae est et fuit sine initio sempiterna.
69 intuens in mores factaque nach Handschriften statt in mores
factaque voluntaria. 71 corruptelae nach Handschriften statt corruptela.
78 genitura] Im Griechischen stand wohl 7raXiYT£V€a(a.
In den letzten Sätzen tritt es klar hervor, dass die ganze 599
Ausführung auf der Lehre von periodischer Zerstörung und Er-
neuerung der Welt fusst, welche einen wesentlichen Bestandtheil
des stoischen Systems ausmacht. Sogar der stoische Terminus ^
^ Aus den zahlreichen Belegen wähle ich die aus stoischen Quellen
geschöpfte Stelle des Nemesios de natura hominis c. 38 (p. 309 Matth'äi),
weil sie auf engem Räume den Terminus so oft wiederholt: ol lTU)tKo(
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336 xxiu Apuleius' Dialog Asclepius
für die ' Wiederbringung aller Dinge* dTTOKaTOKTTam^ kommt in
dem Bruchstück des griechischen Originals zum Vorschein (s. zu
Z. 67); und wenngleich die ältere Stoa als Zerstörungsmittel nur
den Weltbrand (dKKÜpuxTig) kennt, so fehlt es doch nicht au Mit-
gliedern der Schule, welche, wie unser Verfasser (Z. 72), ausser
von dem Flammenausbruch auch noch von Sündfluthen das
Weltende erwarten i. Nur verlegen die rein stoischen Dar-
stellungen den Schwerpunkt der Lehre in die Unverbrüchlich-
keit des periodisch wirksamen Naturgesetzes, während unser
Verfasser mit diesem nothwendigen periodischen Verlauf, den er
ausdrücklich anerkennt (Z. 80 per coactum temporis cursum),
noch ein Eingreifen des göttlichen Willens zu verbinden weiss,
510 welcher als identisch mit der göttlichen Güte I (Z. 70) das einge-
rissene Böse auszutilgen und die Welt in ihren ursprünglichen
unverküramerten Zustand zurückzuführen beschliesst. Wahr-
scheinlich folgt er dabei dem Vorbild des platonischen Dialogs
Politikos (p. 273 % wo in dem Mythos von den Weltperioden
ebenfalls der um sein Gebilde sorgende Weltbildner das losge-
lassene Steuer von Neuem ergreift, um Alles wieder ins Gleiche
q>aaiy diroKoeiaTaiLi^vou^ toij(; irXdvriTaq eic^ tö aöxö armetov xard t€
lif^Koq Kai TrXdTo<;, IvQa xViv dpxi^v ^KoaToi; 9\v öre tö upiXiTov ö KÖajuoq
auv^axTi, Iv jiriTalt; xp^^vuüv irepiöboi^ ^KirOpiuaiv xal q>6opdv tCöv övtujv
direpYdJeaeai xal rrdXiv ^H örrapXTlq elq raÖTÖ töv KÖajLiov diroKaeiaraaeai
Kai iiöaav iröXiv xal K\h^r\v xal d^pöv ö|lio(iu^ diroKaetaraaear
Ifiveaeai b^ Ti\v diroKaTdaraaiv toO iravTÖ^ oöx ÄiraH dXXA noXXdKiq,
ILiäXXov bi £{<; ärreipov xal dTeXeux/iTiuq xd aCjxd diTOKa6{(TTa(T6ai <vgl.
Origenes gegen Celsus iv 67 p. 214 f. Iloeschel) .... xal öid TaOTTjv tV)v
diroKaTdaraaiv, q>aai xiveq, toO(; XpiöTiavoO«; Tf|v dvdaxaaiv q)avTd2€aeai,
iroXü irXavT)0^vT€^" el^ diraE ydp xd Tf\(; dvaaTdaeiu(; xal oii xaxd irepiobov
^aecrOai xd toO Xpiaxoö boHdZei Xötioi- Zu den von Nemesios bekämpften
Tiv^^ gehörte wohl Porphyrios in seiner von Nemesios auch sonst (c. 3
p. 139) berührten Schrift xaxd XpiOTiavuiv, und zur Unterstützung seiner
Parallele berief sich Porphyrios wahrscheinlich auf Apostelgesch. 3, 21
dxpi xp<^vujv diroKaTa(JTd(J€U)(; irdvTuiv. — Dieselbe terminologische
Bedeutung wie diroxaTdaxaaK; hat bei den Stoikern das oben S. 335 Z. 78
für genüura vorauszusetzende Wort TraXiTT^veoia. Es genügt die Verwei-
sung auf Marcus Aurelius xi 1 tV)v irepiobixfiv noXiYTtvcoiav tüjv ÖXwv
ljLiir€piXa|Lißdv€i. Vgl. Matthäus 19, 28 Iv ifl naXiifireveöicji.
1 Seneca natur. quaest. in 28, 7 'quandoque placuere res novae mundo,
sie in nos mare emittitur desuper, ut fervor ignisque cum aliud genus
exitii placuit'.
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xxm Apaleius' Dialog Asclepius 837
ZU bringen, was in der Welt während der Zeit ihres gottverlas-
senen Eigenwillens ans den Fugen gerathen war. Diese den
Stoikern und Piaton entlehnten kosmologischen Vorstellungen ver-
knüpft nun unser Verfasser in eigenthtlmlicher Weise mit den
grossen Epochen der Religionsgeschichte und dem Untergang des
Polytheismus. Wie es die Scenerie der hermetischen Schriften
erfordert, wird dabei Aegypten in den Vordergrund gertlckt; dem
heiligen Nilstrom wird verkündet, dass er statt mit segenspen-
denden Fluthen einst mit Blutwogen der hingemordeten Aegyp-
tier das Land überschwemmen werde (Z. 26); nach dem Aus-
sterben der einheimischen Frommen werden unfromme Ausländer
den geweihten Boden bewohnen (Z. 21 u. 12); und von dem ägyp-
tischen Religionswesen werden nur die Hieroglyphen auf den
Steindenkmälern (Z. 20) ein Andenken bewahren. Der bei wei-
tem grössere Theil dieser Prophezeiungen lässt nun zwar wegen
seiner unbestimmten Allgemeinheit keine geschichtliche Verwer- >
thung zu; an einigen Stellen jedoch gewinnt der Ton des Pro-
pheten eine solche Festigkeit und wird das vorausgesagte Er-
eigniss so scharf umgrenzt, dass man sich berechtigt halten darf,
in dem angeblichen Verkünder des Zukünftigen einen Erzähler
des bereits Geschehenen zu erkennen. Schon Augustinus, der
bei Besprechung mehrerer wörtlich von ihm angeführter Stellen
unserer Uebersetzung dem Hermes seine Prophetenmaske in gu-
tem Glauben oder aus guten Gründen belässt, hat es doch ge-
merkt und herausgesagt, dass in den Worten Z. 16 'tunc terra
ista sanctissima, sedes delubrorum atque templorum, sepulcro-
rum erit mortuorumque plenissima' die christlichen Martyrer-
gräber den heidnischen Tempeln gegenübergestellt werden^. —
Ebenso einleuchtend | ist es, dass die unmittelbar vorhergehenden 511
Worte Z. 14 'quasi de legibus a religione pietate cultuque di-
vino statuetur praescripta poena prohibitio' sich auf bereits
publicirte Gesetze der christlichen Kaiser beziehen, welche un-
ter Strafsanction den heidnischen Gultus verpönt hatten. An
dieser Auffassung kann das in der lateinischen Uebersetzung
* de civitate dei vin 26 p. 363, 21 Dombart (n. Ausg.): *hoc videtur
(Hermes) dolere quod memoriae (= ^ivifmara Grabdenkmäler) martyrum
nostrorum templis eorum delubrisque succederent, ut videlicet qui haec
legunt animo a nobis averso atque perverso putent a paganis cultos f aisse
deos in templis, a nobis autem coli mortuos in sepulcris*.
BemajB, ges. Abbandl. 22
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338 xxin Apuleius' Dialog Asclepius
vor de legibus stehende quasi nicht irre machen; denn dass der
Prophet wirkliche Gesetze im Auge hat, ergiebt sich aus prae-
scripta poena; wahrscheinlich stand hier im griechischen Ori-
ginal die ironische Partikel bfjGev, welche auf die Nullität sol-
cher Gesetze vom heidnischen Standpunkte aus hindeuten sollte;
und da auch quasi im guten Latein ironisch gebraucht wird, so
ist die Uebersetzung nicht eben tadelnswerth, obwohl nimirum
oder scilicet sicherer vor Missverständniss geschützt hätte. Au-
gustinus, der diese Stelle nur dem Sinn, nicht dem Wortlaut nach
anführen will, lässt daher das blos nüancirende quasi fort und
giebt den Inhalt so wieder (civit. dei vill 24 p. 359, 24 Dombart):
*dolet (Hermes) venturum esse tempus (= oben S. 330 Z. 6 fu-
turum tempus est), quo haec omnia deorum figmenta ab homi-
nibus instituta etiam legibus iubeantur auferri'. — Endlich
wird noch in klaren Worten die Art der Strafe bezeichnet, welche
den Anhängern des Polytheismus droht; es ist keine geringere
als Todesstrafe: Z. 52 ^sed mihi credite, et capitale periculum
constituetur in cum qui se mentis religioni dederit'.
Fände nun die kritische Erwägung keine anderen Anhalts-
punkte als in der Ueberlieferung des lateinischen Textes und
Augustinus' Citaten aus demselben gegeben sind, so würde
schwerlich mit Erfolg die Meinung bekämpft werden können,
dass die zwei von Heidenverfolgung redenden Stellen (Z. 12 u. 52),
welche sich als vaticinia post eventum verrathen, integrirende
Bestandtheile der ursprünglichen hermetischen Schrift bilden,
demnach die gesammte Schrift zu einer Zeit abgefasst worden,
als die höchste gesetzgebende Gewalt des römischen Reichs den
heidnischen Götterdienst mit Todesstrafe belegt hatte. Dies ge-
schah aber nicht früher als unter der Regierung des Constantius
um die Mitte des vierten Jahrhunderts '. Denn alle Maassnah-
512 men, durch welche Constantin] im späteren Lebensalter das Heiden-
thum bedrängte, blieben immer nur vereinzelter und versteckter
Art; sie waren gegen Culte gerichtet, deren sittliche Anstössig-
keit von der Wohlthat religiöser Toleranz sich selbst auszuschlies-
sen scheinen konnte; oder sie trugen den Stempel financieller
Erpressung zu Gunsten des Schatzes und der kaiserlichen Um-
1 Gibbon's (Cap. 21 Anra. 163 ff.) Erörterung erschöpft alles Wesent-
liche und macht die Verweisung auf neuere Geschichtswerke entbehrlich.
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xxin Apuleius* Dialog Asclepius B39
gebuDg; und selbst diejenigen Schriftsteller, welche wie Orosius ^
den Stifter des christlichen Kaiserhauses gern mit dem Ruhm
eines Vertilgers des Götzendienstes bekleiden wollen, daher seine
einzelnen heidenfeindlichen Schritte zu verallgemeinem und ihnen
eine möglichst grosse gesetzliche Tragweite beizulegen streben,
bekennen doch nachdrücklich, dass die bezüglichen Befehle Nie-
mandem an Leib und Leben gegangen seien (citra ullam homi-
num caedem). Erst das im Theodosianischen Codex (xvi 10, 4
= cod. lust. 1 11, 1) aufbewahrte Gesetz des Gonstantius ans dem
Jahre 346 oder 353, welches die Schliessung aller heidnischen
Tempel und die Abstellung jeglicher Art von heidnischem Opfer
verfügt, schwingt gegen die Zuwiderhandelnden das * rächende
Schwert* (gladius ultor) und eröffnet die lange Reihe undurch-
führbarer und deshalb so oft wiederholter kaiserlicher Erlasse,
von denen Augustinus ^ sagt, dass sie unter allgemeiner Billigung
sogar der Häretiker die Todesstrafe (capitale supplicium) gegen
die heidnische * Ruchlosigkeit* aussprechen und in denen dann
unser Hermetiker auf seinem Standpuncte eine tödtliche Bedro-
hung (Z. 52 capitale periculum) aller Anhänger der ' Religion des
Geistes* sehen konnte.
Diese scheinbar gesicherte chronologische Datirung, welche
unseren Dialog zu einem Erzeugniss der im eigentlichen Sinn
' byzantinischen* Zeit (Zeller v^ 200, 5) macht und ihn frühestens in|
die Mitte des vierten Jahrhunderts versetzt, wird nun aber auf 513
das Bedenklichste dadurch erschüttert, dass ihn bereits Lactan-
tius in seinen 'Anfangsgründen der Gotteslehre* (divinae institu-
tiones) benutzt. Ausser dem oben (S. 334 zu Z. 67) vorgelegten
theilt er noch ein anderes Stück ^ in dem ursprünglichen grie-
chischen Wortlaut mit, der beidemal in allem Wesentlichen zu
* VII 28 p. 540 (und der den Orosius ausschreibende Valesische Ano-
nymus § 34) 'primus Constantinus iusto ordine et pio vicem vertit; edicto
siquidem statuit citra ullam hominum caedem paganorum templa claudi'.
2 In dem 93. (48.) an Vincentius als Vertreter der Donatisten gerich-
teten Brief § 10 ^quis nostrum, quis vestrum non laudat leges ab impe-
ratoribus datas adversus sacrificia paganorum? et certe longe ibi poena
severior constituta est. illius quippe impietatis capitale supplicium est;
de vobis (Donatisten) autem corripiendis atque coercendis habita ratio est
quo potius admoneremini ab errore discedere quam pro scelere puniremini'.
3 instit. IV 6, 4 = Asclep. c. 8 p. 80 Elm. (33, 16—24 Goldb.) * domi-
nus et omnium conformator .... divinitatis partem suae*.
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340 xxm Apulelus' Dialog Asclepius
unserer lateinischen Uebersetzung stimmt; diese Uebersetzung
aber, welche zu Augustinus' Zeit schon gangbar war, kennt Lac-
tantius noch nicht ^; denn in seinem an Pentadins gerichteten
Auszug aus den Institutionen, wo er sich grundsätzlich der grie-
chischen Gitate enthält, giebt er das in den Institutionen iv 6
griechisch angeführte Stück lateinisch in einer von unserer Ueber-
setzung abweichenden und lesbareren Fassung, die wohl von ihm
selbst herrührt^. Beiläufig gesagt, tritt hierdurch zu der inneren
Unmöglichkeit^, dass ein stilistischer Künstler mit gelehrter
Bildung wie Apuleius der Urheber unserer holperichten und zu-
weilen schnitzerhaften (s. oben S. 332 zu Z. 32 u. 34) Ueber-
setzung sei, noch ein äusseres Anzeichen, da Lactantius eine
durch Apuleius' Namen empfohlene Arbeit schwerlich unbenutzt
gelassen hätte. Als Titel der Schrift nennt Lactantius weder
den jetzt üblichen Asclepius noch die in einigen apuleianischen
514 Handschriften^ anzutreffenden weitläufigeren | Fassungen, sondern
^ Irrthümlich heisst es in der neuen Ausgabe der Pauly'schen Real-
encyclopädie (Artikel Appuleias S. 1851) dass * schon Lactant. Instit. vn 18
unsere lateinisohe Bearbeitung kenne*. Dort führt Lactantius nur das
oben S. 334 Z. 67 mitgetheilte Griechisch an.
3 Die einleitenden Worte lauten epitom. c. 42 'Trismegisti verba
de Graecis conversa subieci'. Augustinus dagegen, der die Uebersetzung
als eine nicht von ihm selbst herrührende bezeichnen will, sagt civii, dei
yin23 p. 355, 5 Dombart: *huius Aegyptii verba, sicut in nostram lin-
guam interpretata sunt, ponam*. — Lactantius' Autorschaft der Epitome
halte ich für unbestreitbar.
B Hildebrand (vol. i p. liii) leugnet diese schon von den Gelehrten
des sechzehnten Jahrhunderts eingesehene Unmöglichkeit.
* Hildebrand giebt n p. 334 aus seiner ersten Wolfenbüttler Hand-
schrift eine griechische Subscription in facsimilirten Buchstabenformen,
ohne eine Entzifferung zu versuchen. Da die Entstellung viel geringer
ist als sie meistens bei griechischen Wörtern in lateinischen Handschriften
vorzukommen pflegt, so darf die folgende Lesung für vollkommen gesichert
gelten: 'EpjioO rpxa^efiOTov ß(ßXo^ icpd irp6^ 'AaxXn^i^v 7rpoa<pu)viie€taa
explicit. Die Form, welche das ä von Icpd in dem Facsimile hat, findet sich
aus derselben Wolfenbüttler Handschrift auch c. 17 (p. 297 Hildeb.) für das
Wort 4&n^ angemerkt. Die Bezeichnung ßCßXo^ icpd ist für hermetische
Bücher herkömmlich ; s. das Lemma zu Stobaeus eclog. phys. 49 (41), 44
p. 385 Wachsmuth 'Epixod TpxaixeyiaTOv Ik Tf\<^ i€pä<; ßißXou xfji; iiiiKaXou-
\iiyr\<; K6pii<; KÖaixox) und in dem so überschriebenen Stück redet Hermes seine
eigenen Bücher an (p. 387, 17) : di Icpal ßißXoi. (Eine ßtßXoi; icpd koXouili^vii
"Ajißpii^ nennt Horapollon hierogl. i 38). — Der griechischen Betitelung in
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xxin Apuleius' Dialog Asclepius 341
er leitet die beiden grösseren griechischen Gitate jedes Mal mit
den Worten ein: 'Hermes in eo libro qui Xöto^ t^Xcio? inscri-
bitur'. Und dass dies in der That die unterscheidende Bezeich-
nung unseres Dialogs innerhalb der wohl recht langen, an Askle-
pios gerichteten Reihe hermetischer Bücher war, ergiebt sich
aus dem nennten Sttlck der Sammlung, welcher man jetzt den
irreführenden Gesammttitel Poemander beizulegen pflegt, obwohl
nur das erste Sttlck zu dieser Personification des selbstherrlichen
Geistes als Hirt der Menschen (iyuj eijui ö TTol^dvbp1lc, ö tti^
auGevTia? voO? p. 2, 2 Parthey) in Beziehung steht und die übri-
gen Stücke anderen hermetischen Schriftenreihen angehören. Das
neunte Stück nun, welches von Denken und Empfinden handelt,
beginnt (p. 60,5): xQl^, iZ» 'A^kKtitti^, töv t^Xciov dnob^buJKa
XÖTOV, vOv hk dvaTKaiov f)To0^al dKÖXouGov dKciviu xal töv Tiepi
aiaQi\aevj^ Xötov bieHeXGeiv; in der Asklepiosreihe folgte^ also
jenes neunte Stück auf den uns beschäftigenden Dialog, welcher
die von Lactantius richtig angegebene Sonderaufschrift X6to^
T^Xeio^^ deshalb trug, weil er, wie es | in der Einleitung heisst, 615
der Wolfenbuttler Handschrift entspriclit theilweise die lateinische in einer
Leydener, welche unserem Dialog in Scaliger's und Elmenhorst's Ausgaben
des Apuleius vorgesetzt ist: Hermetis Trismegisti de natura deorum ad
Asclepium adlocuta (= Trpoa<pu)vii0€laa).
^ Diese Aufeinanderfolge hat schon Hermann Conring (de Herme-
tioa medicina p. 46 der zweiten Ausgabe von 1669) erkannt.
' Als Xöifo^ T^€to^ wird unser Dialog auch citirt in der vormals
dem Augustinus beigelegten Schrift Adversus quinque haereses c 3 ; ihre
Unechtheit ist jedoch schon von Erasmus erkannt und von den Benedicti-
nern anerkannt worden, welche sie in den Anhang ihres 8. Bandes ver-
wiesen haben. Alle dort vorkommenden Citate aus hermetischen Büchern
finden sich auch bei Lactantius instit. rv 6 u. 7, aus dem allein sie jener
falsche Augustinus kennen gelernt und daher den von Lactantius gebrauchten
Titel XÖTO^ t^Xcio^ herübergenoromen zu haben scheint. So weit Lactantius'
Epitome c. 42 eine lateinische üebersetznng bot, schliesst er sich dieser in
der Hauptsache an ; für das wenige Uebrige hat er das Latein wohl selbst
gefertigt; und X6to< t^cio<; dollmetscht er verbum perfectum^ um mit
dem Anklang an verbum im theologischen Sinn spielen zu können. Der
echte Augustinus, welcher in der civitM dei so vieles aus unserem Dialog
anführt, erwähnt nie einen Sachtitel, sondern redet immer nur von Her-
mes oder Aegyptius. (Ein Bruchstück aus einem Xöyo^ t^Xeio^ des Her-
mes, worin Pyriphlegethon und Tartarus vorkommt, hat Lydus de mensibns
p. 114, 12 Bonn, aufbewahrt). — Auch in einer anderen hermetischen
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842 xxin Apuleius' Dialog Asclepius
^göttlicher ist als alle früher von Hermes gehaltenen oder ihm
von der Gottheit eingegebenen Reden* ('merito omnium antea a
nobis factorum vel nobis divino namine inspiratoram [sermonum]
videatur esse religiosa pietate divinior' c. 1 p. 76 Elm.).
Hat sonach Laetantins bei Abfassung seiner Institutionen
unsere Schrift als eine unter hermetischer Autorität bereits ver-
breitete für seine theologischen Zwecke benutzt, um die Heiden
mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, so entsteht die Frage, ob
es glaublich sei, dass vor Lactantius oder selbst gleichzeitig mit
ihm eine über den heidnischen Cultus gesetzlich verhängte To-
desstrafe mit solcher Bestimmtheit, wie es der Hermes Z. 53
thut, habe erwähnt werden können? Und diese Frage muss wohl
von Jedem verneint werden, der die einschlagenden geschicht-
lichen Verhältnisse prüft und keine Geneigtheit besitzt, den Her-
mes flir einen wirklichen Propheten zu halten. Obgleich weder
das Geburts- noch das Todesjahr des Lactantius bekannt ist, so
steht es doch fest, dass er sich im 'höchsten Greisenalter* {ex-
trema seneciute Hieron. vir. illustr. 80) befand, als ihm Constan-
516 tin den Unterricht seines | unglücklichen Erstgebornen, des Crispus,
übertrug. Die Hinrichtung des Crispus fällt aber in das Jahr
326, und der hochbetagte Lehrer kann demnach den Schtller
nicht lange genug überlebt haben, um auch nur die spätere Re-
gierungszeit Constantins zu erreichen, in welcher der Unterzeich-
ner des Mailänder Toleranzedicts zu feindseligem, wenn auch
unblutigem Auftreten gegen das Heidenthum fortschritt. Und als
Lactantius seine Institutionen herausgab, ja noch später, als er
auf das umfassendere Werk den kurzen Auszug folgen Hess,
stellten die religiösen und politischen Verhältnisse eine blutige
Verfolgung der Heiden durch die Christen so wenig in Aussicht,
dass er vielmehr ganze Abschnitte beider Bearbeitungen^ mit
Schriftenclasse, welche nicht dem Hermes Trismegistos sondern dem Askle-
pios die Rolle des Lehrers und einem Könige die des Lernenden zutheilte,
gab es ein Buch mit der Aufschrift \6yo^ t^Xcio^. Lactantius nennt es neben
den Schriften des Trismegistos instit, 2, 15 a. £. : *quid sit autcm eOadßeia
alio loco his verbis testatur (Hermes) dicens : Vj ydp eöa^ßcia Tvuia(^ iaxi
ToO 6€o0 (= Poemander p. 62, 8). Asclepius quoque, auditor eius, eandem
scntentiam latius explicavit in illo sermone perfecto, quem scripsit
ad regem'. Drei g^rössere Stücke aus diesen Schriften des Asklepios an
den König Ammon liegen in Tumebus' und Patritius' Sammlungen vor.
1 Z. ß. instit. v 9 fif. epitom. 52 fif.
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xxm Apuleius' Dialog AsclepiuB 343
den bittersten Klagen über die noch gegenwärtige gransame
Verfolgung der Christen durch die Heiden anfüllt, gegen die
Verfügungen der Behörden die Grundsätze allgemeiner Religions-
freiheit 1 geltend macht und zum Schutz seiner christlichen Glau-
bensgenossen keine andere als die göttliche Gerechtigkeit an-
zurufen weiss (inst. V 23). Die Abfassungszeit der Institutionen
lässt sich also nicht tiefer als die letzte Christenverfolgung herab-
rUcken, und nach dem heftigen Ton der darin enthaltenen Klagen
scheinen diese durch die letzte dauernde und allgemeine ^ Christen-
verfolgung hervorgerufen zu sein, d. h. durch die 303 beginnende
und 312 endende ^ Aber selbst wenn man mit TiUemont^ die
Schilderung des Lactantius als rhetorische nicht genau nehmen
und ihren geschichtlichen Anlass in der kurzen Bedrückung
finden will, welche die Christen in einigen östlichen | Beichslän- 517
dem von Licinius erfuhren, als dieser seinen zweiten Krieg gegen
Constantin vorbereitete (Euseb. bist. eccl. x 8) : so werden durch
ein solches Zugeständuiss nur wenige Jahre gewonnen, denn als-
dann bildet das Jahr 321 die späteste mögliche Grenze. Und
da selbst diese späteste Grenze immer noch viel zu früh fällt
für den hermetischen Hinweis ^ auf ein gesetzliches Verbot oder
gar auf Bestrafung des heidnischen Cultus mit dem Tode, so
* instit. V 19, 12 'religio cogi non potest ; verbis potius quam verberi-
bu8 res agenda est, ut sit voluntas *. — Epit. 54,1 'religio sola est, in qua
lib^rtas domicilium collocavit. res est enim praeter ceteras voluntaria,
nee imponi cuiquam necessitas potest ut colat quod non vult. potest all-
quis forsitan simulare, non potest velle'. (Vgl. Tertullianus Ad Scapulam
c. 2 *nec rcligionis est cogere religionem*, Cassiodorius Senator Var. ii 27
'religioncm imperare non possumus' und ebend. x 26, Petrus Gregorius
Toletanus de republica xii 4, 11 p. 721, Geffken Staat und Kirche p. 97).
2 instit. VI 17,6 'spectatae sunt spectanturque adhuc per orbem
poenae cultorum Dei, in quibus excruciandis nova et inusitata tormenta
exeogitata sunt*. Ebert (Berichte der sächs. Gesellsch. 1870 S. 131) setzt
die Abfassung der Institutionen zwischen 307 und 310.
8 <So schon Gibbon eh. 20 n. 1>.
^ MSmoires, note 4 sur Lactancc, t. vi 1 p. 468 der Octavausgabe :
'il faut se souvenir quo c'est non un historien qui parle, mais un orateur'.
^ Menard (Hermds Trism^giste p. Ciii) scheint die Tragweite dieses
Hinweises nicht richtig ermessen und die den Lactantius betreffenden
chronologischen Data sich nicht vergegenwärtigt zu haben, wenn er alle
von Heidenverfolgung redende Stellen für ursprüngliche Bestandtheile un-
serer Schrift hält und diese dennoch in die Zeit Constantins verlegt.
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344 XXIII Apuleius* Dialog Asclepius
wird mau zu der Annahme genöthigt, das» die hieraaf bezüg-
lichen Stellen sich um die Zeit, als Lactantius den \6foq liXeioq
las, noch nicht in demselben befanden, sie vieiraehr die Frucht
einer späteren interpolatorischen Thätigkeit sind, welche, ähnlich
wie es bei den Sibyllenorakeln geschah, auch den hermetischen
Propheten mit der allmählichen Entwickelung der geschichtli-
chen Ereignisse wollte Schritt halten lassen.
Nachdem so aus sachlichen Gründen das Vorhandensein
von EinSchiebungen erkannt worden, darf wohl auch der Versuch,
nach stilistischen Spuren ihren Umfang abzugrenzen, nicht länger
abgewiesen werden durch etwaige Berufung auf die unbekümmert
um streng^ logische Folge dahinströmende prophetische Bede.
Denn leugnen lassen sich die stilistischen Unebenheiten keines-
wegs, welche gerade an den beiden, geschichtliche Bedenken
erregenden Stellen den aufmerkenden Leser stören. In der ersten
Stelle wird, nachdem die Bückkehr der Aegypten verlassenden
Götter in den Himmel verkündet worden, die Anfüllung des Lan-
des mit Fremdlingen (Z. 12 alienigenis regionem istam terram-
quc complentibus) geschildert, und doch wird bald darauf, als
sei von dem Eindringen Fremder noch nicht die Bede gewesen,
die Ansiedelung von Skythen und Indern (Z. 21) auf ägyptischem
Boden zum Gegenstand einer neuen Prophezeiung gemacht. Die
Vermuthung ist daher wohl gestattet, dass dieser erste, eine
Heidenverfolgung erwähnende Satz Z. 12 'alienigenis enim re-
gionem istam terramque complentibus quasi de legibus
518 a religione pietate cultuque | divino statuetur praescripta poena
prohibitio' nach der Absicht dessen, der ihn an den Band schrieb,
seinen Platz hinter Z. 22 'vicina barbaria* finden sollte, wo er
in den Zusammenhang sich einordnen würde als weitere Aus-
führung, wie in Folge des Einströmens der neuen barbarischen
Bevölkerung das Andenken an die alte Beligion nur noch in den
Hieroglyphen fortdauern könne. — Auch der zweite, deutlich
von Todesstrafe redende Satz Z. 52 'sed mihi credite, et capi-
tale periculum constituetur in eum qui se mentis religioni de-
derit*, der an seinem jetzigen Ort begrifflich unverbunden dasteht,
scheint anderswohin bestimmt gewesen zu sein; vielleicht wollte
ihn der Interpolator hinter * mente credetur* Z. 56 unterbringen,
wo er eine begriffliche Steigerung ergeben würde von der Ein-
führung neuen Bechtes (nova constituentur iura Z. 54) und neuen
Glaubens zu blutiger Verfolgung der früher geltenden. Das ge-
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xxin Apuleius' Dialog Asclepius 345
genseitige Verhältniss dieser zwei Einschiebungen spricht aber
gegen die Annahme ihrer Gleichzeitigkeit. Denn es wäre nicht
abznsehen, weshalb der Interpolator, wenn ihm schon die Ver-
hängung der Todesstrafe (capitalc periciilum Z. 52) bekannt ge-
wesen, sich in der ersten Stelle begnügt haben sollte, blos im
Allgemeinen von Strafandrohung (Z. 15 praescripta poena) zu
reden. Möglicherweise stammt daher die erste Stelle Z. 12 *alie-
nigenis — prohibitio' (Z. 16) aus der späteren Begierungszeit
des nur unblutige Verbote erlassenden Constantin, dessen Ein-
schreiten gegen die angeblich *androgynen' Nilpriester (Euseb.
vita Constant. iv 25) den Unmuth eines ägyptischen Lesers der
hermetischen Schriften erregen mochte. Die zweite Stelle Z. 52
'sed mihi credite — dederit' (Z. 54) dagegen ist ein Stossseuf-
zer über die blutigen Gesetze, die mit Constantius beginnen,
und kann eben so gut unter diesem wie unter einem der fol-
genden, vor der Abfassung von Augustinus' Gottesstaat (413 —
426) regierenden Kaiser in den ursprünglichen, von Lactantius
gelesenen Text des Xöto^ x^Xeio^ eingedrungen sein.
Nach Ausscheidung dieser zwei späteren Zusätze bleibt
weder in den übrigen Theilen unseres Dialogs noch in dem die
religiösen Verhältnisse berührenden Abschnitt etwas zurück, was
nicht seit den ersten Jahrzehenden des dritten Jahrhunderts n.
Ch. von einem neuplatonischen Anhänger des Polytheismus nie-
dergeschrieben sein könnte. Selbst der Seitenblick auf die
Martyrergräber (Z. 17), dessen Anzüglichkeit Augustinus empfand
(s. oben Anm. | S. 337), konnte damals schon hinlänglich veran- 519
lasst werden durch die fromme Sorgfalt, welche die Buhestätten
der in den früheren Verfolgungen aufgetretenen Blutzeugen mit
besonderer Weihe umgab. Und was den allgemeinen Gang der
grossen religiösen Umwälzung anlangt, so Hess sich seit den
Fortschritten des Christenthums unter der syrisch-africanischen
Kaiserdynastie das schliessliche Unterliegen des Polytheismus
auch ohne übermenschliche Prophetengabe voraussehen und in
solchen Zügen zeichnen, wie sie nach Entfernung der später
aufgetragenen criminalrechtlichen Farben in unserer religions-
geschichtlichen Skizze hervortreten. Gerade die Begabteren des
neuplatonischen Kreises mochten, je unermüdlicher sie bestrebt
waren, den wankenden Glauben der alten Welt philosophisch zu
stützen, um so weniger sich der Ahnung erwehren können, dass
sie eine verlorene Sache vertraten. Einem solchen Vorgefühl
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346 xxm Apuleius' Dialog Asclepius
entsprang die prophetische Schilderung unseres Hermetikers, die
mit seltener Schärfe den Angelpnnct des Streites zwischen den
beiden Beligionsarten hervorhebt: die anbetungsvolle Liebe zur
Aussenwelt auf Seiten des Polytheismus (Z. 43 f.) und die welt-
verschmähende Flucht in das üeberweltliche auf Seiten seiner
Besieger (Z. 36 'taedio hominum non admirandus videbitur mun-
dus nee adorandus', Z. 39 'contemnetur nee diligetur totus hie
mundus'). Zu offenem Reden über diesen Punct konnte der
Hermetiker sich um so mehr aufgelegt fühlen, da ihm nun die
Entwickelung seiner eschatologischen Lehre ein leichtes Mittel
bot, Alles doch wieder zu Gunsten des Polytheismus zu wenden.
Denn die eingetretene Weltverschmähung ist ihm nur eine ebenso
unvermeidliche wie vorübergehende Folge der nach dem gesetz-
lichen Verlauf des kosmischen Lebens nothwendigen aber blos
zeitweiligen Weltverschlechterung ; wenn die mit gleicher Noth-
wendigkeit bevorstehende Periode der kosmischen Wiedergeburt
herangekommen sein wird, dann, hofft er, wird auch das Weltall
in seinem erneuerten Glänze die Bewunderung und Anbetung der
zum Weltcultus zurückkehrenden Menschheit wieder erwecken
(Z. 75 'mundus ipse adorandus atque mirandus^).
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XXIV
HERENNIUS' METAPHYSIK UND LONGINOS
Monateberichte der kÖn. Akademie der Wissenschaften zu Berlin
1876 (31. Jan.) S. 55-63.
In der dernLonginos beigelegten Schrift *Vom Erhabenen' 55
wird gegen den Schiuss ein Freund der Demokratie redend ein-
geführt, welcher die geistige Erstorbenheit zur Zeit des römi-
schen Kaiserthums und besonders das Versiegen der höheren
Beredsamkeit für eine nothwendige Folge des Despotismus er-
klärt. Unter Anderem heisst es dort in dem jener Schrift eigenen
kühn metaphorischen Stil: 'Von uns Söhnen der jetzigen Zeit
darf man wohl sagen, dass wir von Kindheit an zu einer gesetz-
mässigen Sclaverei angeleint werden; eingeschnürt sind wir
geradezu in den Windeln ihrer Sitten und Gebräuche von der
Zeit des bildsamen Jugendsinnes an, und nie haben wir den
schönsten und zur Beredsamkeit begeisterndsten Trank — ich
meine die Freiheit — gekostet. Daher entwickeln wir uns auch
zu nichts Anderem als zu schwunghaften Schmeichlern. Alle
übrigen Fähigkeiten kommen wohl auch bei Sclaven vor; aber
zum Redner bringt es der Sclave nie; denn alsbald bricht das
scheue, gleichsam eingesperrte und von der fortwährenden Scla-
vengewohnheit zerbläute Wesen hervor': o\ bi. vOv doiKajuiev, fq)Ti,
TTaibojiaeeT^ eTvai bouXeia^ biKaia^, toT^ auxfi^ WecTi xai dTiiTTi-
bcujLiacTiv ii diraXaiv fxi q)povTi|LidTUJv luiövov ouk | ^vecTTrapTavuj- 56
jLievoi Kai ateucTToi KaXXicTTou xai TovijLiujTdTou Xötujv vd|uiaTog —
Tif)v dXeuGepiav, fcpri, X^t^j —, biöirep oubfev 6ti |uif| KÖXaKc^ U-
ßaivofiev |Li€TaXo9ueT<;. bid toOto rd^ \ii.v öXXa^ Keig xal €i^ ol-
K^Ttt^ TTinteiv f(pacTK€V, boOXov bfe jurib^va TiveaGm ^nropa- evQi)q
Tdp dvaCei tö dnappricTiacTTOV Ka\ olov Ificppoupov, \mö auvnOeia?
dei K6KovbuXi<yjLi^vov (c. 44 § 3—4).
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348 XXIV Herennius' Metaphysik und Longinos
Zu dieser Stelle des Longinos macht David Rahnken fol-
gende Bemerkung (S. 484 der Ausgabe des Longinos von Weiskc):
'mirura ni hunc Longini iocura ob oculos habuerit Herennius
comnientario inedito in Aristotelis Metapbysica: ouOau-
^acJTÖv, 61 7T€q)opTi|i^vo^ Kai ixifa^ ßx^o^» ^ötuv Kai vöjliijdv täv
ÖTTUiCToöv €lcTT]TM^vujv (XKXefig boöXo^ dir' auTiöv Itx cTTrapTdvujv un-
aKOueiv uj^ Sv becTTroTUJV f| lupdvvujv ^KjLiaOiLv, KaxaKeKOvbuXi-
a^lvo^ Tfjv vpuxriv Kai jut^T« koi veaviKÖv ppövr^a XaßcTv |if| bu-
vdjuevo^ majevei toT^ rrapaboGeTcTiv äiroS Kai töv voöv idaa(;
dTujLivacTTOv dbiepeuvrjToi^ koI dveSexdcTTOi? cTuv^cTccTi t€ Kaidp-
vrjcyecTi xP^Tai. Potuit tarnen uterque communem aliquem fontem
secutus esse*. Toup (bei Weiske das.) begnügt sich, statt cTuv-
^cTecJi den, wie sich zeigen wird, richtigen Vorschlag cTuvaiv^crecTi
zu machen; ttber die Anstösse in den ersten Worten der Stelle
schweigt er.
Die Schrift des Herennius ist seit dem Jahre 1837 voll-
ständig gedruckt im neunten Band von Mai's classici auctores \
wo sie auf dem Titel als ' Herennii commentarius ad metapby-
sica Aristotelis* figurirt und in der Vorrede p. vil als 'Herennii
philosophi perdoctus et peracutus ad Aristotelis metapbysica com-
mentarius^ angepriesen wird. Zu der Betitelung 'Commentar zu
Aristoteles' Metapkysik' wurden Ruhnken und Mai durch
ein Missverständniss der in ihren Handschriften befindlichen Auf-
schrift 'Epevviou 9iXocTö(pou ilr\v\(y^<^ €i^ xd fiexd xd (pucTiKd ver-
leitet, welches bei Ruhnken, der nur gelegentlich eine einzelne
Stelle verwendet, nicht allzu sehr auffallen kann, bei Mai hin-
gegen, dem Herausgeber der ganzen Schrift, sich in der That
nur dann begreifen lässt, wenn er, obwohl Herausgeber, die
^ [Prof. Dr. F. Hipler, Subregens in Braunsberg, der sich eingehen-
der mit Herennius beschäftigt hatte, (s. die Oesterreichiscbe Vierteljahrs-
schrift für katholische Theologie 1869 Bd. viii S. 161—196), machte Ber-
nays in einem Briefe vom 26. Apr. 1876 die überraschende Mittheilung,
dass 'die Metaphysik des Herennius schon im xvi. Jahrhundert gedruckt
war, mit einer lateinischen Uebersetzung von Simon Simonides begleitet.
Das Exemplar der Krakauer Universitätsbibliothek, das ich mir hierher
kommen Hess, war leider ohne Titel und Ende, und ich habe nicht er-
fahren können, ob noch irgendwo ein anderes Exemplar davon existirt.
Es enthält 160 Seiten in 4^ und ist nach Vermuthung polnischer Biblio-
graphen ungefähr 1596 in Samo6<5 gedruckt*. Bernays versuchte vergeb-
lich diese Nachricht zu verificieren.]
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XXIV Herennius* Metaphysik und Longinos 349
herausgegebene Schrift gar nicht im Zusammenhang gelesen hat K
Denn sie steht in durchjaus keiner näheren Beziehung zu dem 57
grossen aristotelischen Werke, sondern will, wie die einleitenden
Worte (p. 513 Mai) beweisen, nichts Anderes sein und ist auch,
wie die Ausfühining zeigt, nichts Anderes als ein Compendium
der Metaphysik, meist vom neuplatonischen Standpunkt aus.
Dieses Sachverhältniss , welches keinem wirklichen Leser ent-
gehen kann, ist auch den beiden Gelehrten, welche vor Mai,
ohne dass dieser von ihren Bemühungen Eenntniss nahm ^, sich
eingehender mit dem Herennius befassten, deutlich geworden.
Lucas Holstenius, der sich mit dem Plan einer Herausgabe
dieses wie so vieler anderer Neuplatoniker trug, nennt in einem
Briefe an Peirescius vom 9. Juli 1631 die Schrift des Herennius
Mnsigne compendium Platonicae theologiae' (Holstenii epistol. ed.
Boissonade, Paris 1817, p. 228 vergl p. 236); und Jos. Kopp
sagt in der kurzen Besprechung, welche er in seiner Ausgabe
des Damascius (Frankfurt am Main 1826) unserer Schrift widmet:
'non est commentarius, utex inscriptione aliquis suspicari possit,
in Aristotelis Metaphysica, sed potius compilatio ex variis seri-
orum interpretum, maxime Platonicorum, etiam Damascii com-
mentariis in aliquem satis inconcinne ordinem redacta' (p. 13 —
14). Diese von Kopp noch vollständiger als von Holstenius
erkannte compilatorische Beschaffenheit der Herennischen Schrift^
1 Raggiero Bonghi geht in seiner italienischen Bearbeitung von
Aristoteles' Metaphysik (Torino 1854) sogar noch weiter, und in einer Note
über Herennius, die er p. Lxxxi hinzufügt (*per isfogarmi un poco col
Cardinal Hajo*), will er dem Cardinal nicht einmal die Leetüre der ari-
stotelischen Metaphysik zutrauen : * non puö essere piü chiaro di quello
che a prima vista risulta a chi si sia, che il Majo non ha letta nd l'ope-
ricciuola che ha fatta copiare su' manoscritti e fatta leggere al Proto di
Stamperia, nd, molto meno, la Metafisica d'Aristotile*.
2 (Jn einer Note zu Leo Allatius de Philonibus in der Nova bibl.
patrum vi 2 p. 66 erwähnt Mai nachträglich den Holstenius).
8 [Auf die Anfrage Hiplers (s. S. 348 Anm. 1), der in Damaskios
den Compilator vermuthete, erwiderte Bernays (nach dem erhaltenen Con-
cept): 'Eine auf Anlass Ihres freundlichen Briefes wiederholte Prüfung
lässt mir nicht den mindesten Zweifel darüber, dass Herennius, wie er
ganze Seiten aus Philon und Alexander Aphrodisiensis excerpirend ab-
schreibt, es ebenso mit Damascius gemacht hat. Einen unzweideutigen
Beweis liefert ausser Anderm dafür die Art wie Citate und Nebenbemer-
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350 XXIV Herennius' Metaphysik und LoDginos
hat ihn bewogen, aus drei Miinchener Handschriften (p. 23) grosse
Stücke aus Uerennius, welche sich mit Damascius berühren, in
die Anhänge (p. 391—405) und Anmerkungen (von p. 13 an)
seiner Ausgabe des Damascius aufzunehmen ^ und mit dem Text
des letzteren zu vergleichen ; er hat dadurch ein höchst brauch-
bares Material zur Berichtigung vieler Partien des Mai^schen
Druckes geliefert. In gleicher Weise lässt sich fllr die von Kopp
nicht berücksichtigte Partie des Herennius, aus welcher Kuhnken
58 sein Citat entnommen | hat, und für dieses Citat selbst ein sicheres
Mittel der Textesberichtigung gewinnen, nachdem der von Heren-
nius nicht genannte Schriftsteller, welchen er in diesem Theil
seines Gento excerpirend abschreibt, aufgefunden worden. Diese
Auffindung war mir bereits gelungen, als ich bei gelegentlichem
Aufschlagen von Wyttenbach's bibliotheca critica auf dessen dor-
tige (pars tertia, 1778 p. 32—52) Recension von Toup's Ausgabe
des Longinos gerieth und in derselben (p. 51) auf folgenden,
offenbar von Ruhnken selbst veranlassten Nachtrag zu seiner
Note über Herennius: 'tö — urrö cTuvriOeia^ dei K€KOvbuXi<y|ui€vov
(s. oben S. 347) : Exquisitum verbum, cuius mira est ad sensum
efficacia, ex eodem fönte derivasse videtur Longinus ac Philo
ludaeus de Temulent. p. 269 B (der Pariser Ausgabe) : cuius lo-
cum transscripsit totum Herennius, ineditus Aristotelis interpres
(dieser Irrthum wird also wiederholt); quod Ruhnkenius vidit,
posteaquam suas cum Toupio communicasset animadversiones '.
Man begreift leicht, dass diese übermässig wortkarge und an
einem wenig betretenen Ort versteckte Angabe den späteren
Herausgebern des Longinos, welche Ruhnken's ursprüngliche
Worte ohne weitere Bemerkung wiedergeben, unbekannt geblie-
ben ist^; und da die seit Ruhnken veränderten Ansichten über
kungen, welche bei Damascius offenbar als ursprüngliche Bestandtheile der
Darstellung vorliegen, von dem excerpierenden Herennius ausgelassen werden,
z. B. Daraasc. c. 61 p. 170 Kopp die Erwähnung der Xöria und p. 171 die Er-
wähnung der q)iXö(To(poi und des lamblichos irepl GeOüv (vgl. Her. p. 580 f.) etc.*]
* Nach diesen Kopp'schen Mitthoilungen hat, bevor die Mai'sche
Publication bekannt wurde, der geistvolle Kenner der griechischen Philoso-
phie Felix Ravaisson in Egger's Duodezausgabe des Longinos (Parisiis
1837 p. 140) die falsche Betitelung Ruhnkens * commentarius in Aristotelis
Metaphysica* kurz berichtigt: *imo Comment. de metaphysica '.
2 (Sie ist auch Osaim in der Hallischen Literaturzeitung 1841 Er-
gänzungsbl. p, 562 f. und Albert Jahn in Jahns Archiv 1844 Bd. x p. 165 ff.
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xxiv Herennius' Metaphysik und Longinos 351
das Zeitalter der Schrift Vom Erhabenen so wie Mai's Veröflfent-
lichung des vollständigen Herennins der Sache ein vermehrtes
Interesse verleihen, so schien es nicht überflüssig, sie in einge-
henderer Weise, alsRuhnken es gethan, und nach ihrem gan-
zen, weit über die wenigen Zeilen seines Citats hin ausgreifenden
Umfang zur Sprache zu bringen.
Es findet sich jenes Citat im dritten Kapitel des Herennius
auf der 522. Mai'schen Seite gegen das Ende einer Darlegung
der später zu bekämpfenden neuakademischen Lehre von der
Unsicherheit alles menschlichen Wissens und der daraus folgen-
den Noth wendigkeit, sich jeder bestimmten Behauptung zu ent-
halten (dTTOxn). Zur Unterstützung dieser Lehre wird das gang-
bare, aus Lucretius (iv 385—475), Ci cero's akademischen Büchern
und Sextus Empiricus bekannte Beweismaterial beigebracht : die
täuschende Unzulänglichkeit der sinnlichen Wahrnehmung, die
Wandelbarkeit der ethischen Begriffe und ästhetischen Urtheile
je nach der wechselnden Erziehung in den verschiedenen Län-
dern und Zeiten. Der Vortrag bewegt sich in einem belebten
und geschmückten Griechisch, das über die eigenen Mittel eines
späten Gompilators weit hinaus | geht, und es treten diese sti- 59
listischen Eigenschaften ununterbrochen hervor von der Mitte der
518. Mai'schen Seite an, wo die Darlegung mit dem Satze ttoXü
CTKOTO^ Toiv ÖVTUJV, KQi <yiu|uidTUJV KQi TTpaTMOiTUJV, KaxaKexujuevov
ouK dqi f)|uiujv (schreibe fjjuiä?) Tfjv ^Kdaiou 9UCTIV ibeTv beginnt,
bis gegen das Ende der 523. Mai'schen Seite, wo sie schliesst
mit dem Satze xai irepi auiOüv (füge hinzu toutujv) iui^vtoi Kai
ßiujv biaq)opdg (schreibe biacpopä^) Kai xeXujv, irpö? S^ (schreibe
&) xpn Tag TTpdSeig dvacp^pecrOai, Kai juiupiiuv fiXXujv, öaa t€ i\ Xo-
TiKf| Kai i^6iKf| Kai pucTiKf] irpaTjütaxeia rrepi^x^i, TCTÖvacTi cTK^vpeig
djutüÖTiToi, (Lv &XQ\ ToO TTapövTog oube^ia irapd TiäcTi TÖiq aKeiXTi-
KoTg <yujLi7T€9dvTiTai (schreibe cTu|Li7niq)ujvT]Tai).
Dieses ganze Stück nun ist entlehnt aus der Schrift Philon's
*Uber Trunkenheit'^ (irepl jii^Ot]^), wo es im ersten Bande der
Mangey'schen Ausgabe die Seiten 383 Zeile 1 bis 388 Zeile 12
(bes. p. 173) entgangen, welche übrigens beide, jeder auf eigene Hand,
Herennius' Abhängigkeit von Philon erkannt haben).
1 Bonghi (s. S. 349 Anm. 1) sagt von dieser Partie des Herennius :
*non dubito chi avesse piü terapo o dottrina o miglior occasione di me
non troverebbe la fönte in Sesto Empirico e in Cicerone*.
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352 XXIV Herennius' Metaphysik und Longinos
einnimmt. Nar selten gestattet sich Herennius Kürzungen seiner
Vorlage nnd noch seltener bringt er in dem Aufgenommenen
leichte stilistische Äenderungen an ; durchschnittlich zeigt er sich
als einfacher und treuer Abschreiber. Zur Bezeichnung seines
Verfahrens genügt es die von Ruhnken citirte Stelle, für welche
der Mai'sche Text, abgesehen von dem bei Mai vorhandenen
Fehler KaxaKeKopbuXicTjLievog, keine Variante bietet, mit Philons
Worten zu vergleichen :
Herennius p. 522 Mai Philon l p. 387 Mangey
Kai ou eaujutacTTÖv el ne- dtuj bfe ou Te0au|uiaKa ei <yu|ui7T€-
9opTi|ui€Vo^ KQi jLi^Tci^öxXo^, (popTm^vog Kai }i\fä(; (so Tur-
iQdjv Kai vöjiuiv tujv öttujctoOv nebus ; Mangey's juexa^ ist
eicTTiTji^vujv dKXefj^ bouXo^, dir' Druckfehler) 6x\o^ dOujv Kai
5 auTÜJV fxi (TTrapTdvujv unaKOii- vöjliijdv toiv öttujctouv cicttit- 5
€iv ui^ Sv becTTTOTUJV f| Tupdv- fi^vujv dKXefi^ boOXo? dir' au-
vujv dK^aOiJüv, KaTaK€KOvbuXi- t&v fri cTTiapTdvujv ÜTiaKOueiv
ajn^vo^TTiv vpuxriv Kai ixifa Kai fix; Sv becTTroTdiv f\ tupdvvujv
veaviKÖ v q)pövTijLia Xaßeiv ixf\ bu- dKjLiaOd) v, KaxaKeKOvbuXicTfi^-
10 vd|ui€vog 7ri<yT€u€i Toi^ Tia- vo^ Tf|v M'uxfiv Kai ixifa Kai lo
paboOeTcTiv SiraE Kai töv veaviKÖv q)p6vTijLia Xaßeiv |if|
voöv iftaaq dTiijuvacTTov dbi- buvd^evog Triaieuei toi^ &nal
€p€uvr|T0i^ Kai dveEetdaTOi^ napaboOeTai Kai töv voOv ddcra^
avy/iaeai t€ Kai dpvrjaecTi dTÜjLivaaTov dbiepeuvfJToi^ Kai
XpfjTai. I dveHexdcTToi^ cTuvaiv^crecTi te is
Kai dpvriaem xp^tci». |
60 Man sieht, absichtlich geändert hat Herennius nur das einleitende
Satzglied ^tuj bk ou Te0au|LiaKa Philon's (Zeile 1); diese für ihn,
der ja später die Skeptiker bekämpfen will, allzu persönliche
Wendung vertauschte Herennius mit der allgemeineren Kai ou
Gau^acJTÖv (Zeile 1). In allen übrigen Abweichungen liegt ent-
weder nur ein für den Sinn gleichgiltiger Stellentausch der Wör-
ter vor (xoTg napaboGeicTiv diraH Zeile 10) oder ein blosses Ab-
schreiberversehen, sei es von Herennius selbst oder von den
Anfertigern der Ruhnken'schen und Mai'schen Handschriften ver-
schuldet; statt des sinnlosen TT£q)opT])üi^vog (Z. 1) gewinnt man aus
Philon das auch von Piaton (Phädros 253 ®) für 'zusammenge-
würfelt' gebrauchte cTu^7T€q)opTi|i^vog; an die Stelle des matten
fi^Ta? öxXo^ (Zeile 2) tritt der in den Zusammenhang passende
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xxrv Herennins* Metaphysik und Longinos 353
'gemischte Haufen' Mira? öxXo^; und Toup's Besserung cruvai-
v^aecTi für cTuv^creai (Z. 14) erhält eine urkundliche Bestätigung ^
Hiernach erweist sich nun die erste Vermuthung Buhnken's,
dass der herennischc Satz, welcher jetzt zu einem philonischen
geworden ist, die Worte des Longinos nachahme, als unhaltbar
selbst für diejenigen, welche nicht mehr, wie Ruhnken es noch
unbedenklich that, den Lehrer der Zenobia im dritten Jahrhun-
dert n. Chr. für den Verfasser der Schrift Vom Erhabnen an-
sehen. Denn man mag das Zeitalter desselben noch so hoch
hinaufrficken wollen, jedenfalls schreibt er, wie eben aus seinem
Schlusskapitel erhellt, zu einer Zeit, wo das despotische Kaiser-
regiment mit allen dasselbe begleitenden geistigen Verkümme-
rungen seit einer langen | Vergangenheit unheilbar eingewurzelt 61
war, und unmöglich kann man daher den Longinos früher als
Fhilon, den Zeitgenossen des Caligula, ansetzen. Dass umgekehrt
Longinos von Fhilon abhänge, ist zwar nicht unmöglich, und eine
gewisse Bekanntschaft mit jüdischen Schriften zeigt Longinos
(c. 9 § 9) durch sein freilich ungenaues, aber eben deshalb nur
um so mehr dem Verdacht späterer Einschiebung entrücktes Ci-
tat 2 aus dem ersten Kapitel der | Genesis ; jedoch bei der iso- 62
1 Das in diesen Beispielen hervortretende Verhältnise, dass Mai's Ab-
druck des Herennius durch unsere Ausgaben des Fhilon berichtigt wird,
herrscht in weit überwiegendem Maasse durch das ganze Stück. In eini-
gen Fällen jedoch tritt auch das umgekehrte Verhältniss ein, dass unsere
bekanntlich sehr mangelhaften Ausgaben des Philon kleine Besserungen
durch Herennius erfahren. Z. B. ist p. 386 Z. 15 Mangey statt &itXQ^
elXiKpivet^ nicht, wie Mangey vorschlägt, &iTXd<; Kai €lXiKpiv€l<; zu ändern,
sondern das bei Herennius p. 521, 9 Mai erhaltene &itXi£)<; elXiKpivet^ zu
schreiben. — S. 386 Z. 35 Mangey hat statt des störenden dKCt auch He-
rennius, wie die von Mangey erwähnte, jedoch nicht verwerthete me-
diceische Handschrift, ^KCtvo, was nur in dKCtva umgeschrieben zu werden
braucht, um jeden Anstoss zu entfernen.
^ Wenn Ruhnken in seiner Anmerkung zu dieser Stelle des Longi-
nos (p. 276 Weiske) mit dem anonymen 'vir longe doctissimus', der sie für
eingeschoben halte, wirklich Yalckenaer gemeint hat, wie Spengel (specimen
cmendationum in Tacitum, München 1862 p. 8) vermuthet und früher
schon Wyttenbach (bibliotheca critica, pars tertia 1778 p. 35) behauptet
hatte, so muss Yalckenaer an dieser vielleicht einmal im Gespräch hinge-
worfenen Ansicht bei genauerer Erwägung nicht festgehalten haben. Denn
in der aus seiner reifsten Zeit stammenden, nach seinem Tode veröffent-
lichten diatribe de Aristobulo p. 66 f. benutzt Yalckenaer diese Stelle des
Bemftys, ges. Abhandl. 23
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354 XXIV Herennius* Metaphysik und Longinos
lirten litterarischen Stellung Philon's ist es äusserst unwahr-
scheinlich, dass ein klassisch geschulter Stilkttnstler wie Longinos
ihn auch nur gelesen, geschweige zu stilistischen Zwecken be-
nutzt habe. Triftiger hingegen scheint Ruhnken's zweite, von
ihm nicht weiter ausgeführte Vermuthung, und allerdings mag
Beiden, dem Philon wie dem Longinos, ein gemeinschaftliches
Vorbild vorgeschwebt haben in einer neuakademischen Invective
gegen das ungeprüfte, zu haltlosen Behauptungen verleitende
Herkommen (cTuvrieeia s. Zeller nacharistot. Philos. 1 458, 1)S
Longinos und fügt hinzu: 'quod insigne nobis testimonium non libenter
eripi paterer levissima suspicione literatoris Fr. Porti'. In der That müsste
doch die angebliche Interpolation zu Ehren der Bibel von einem Juden
oder Christen ausgegangen sein, und ein solcher würde wohl nicht, wie es
hier geschieht, neben yevtoew qpOö^, Kai tfiyeTO auch die nirgends in der
Bibel vorkommenden Worte feviaQxu yA» Kai ifiveTO als eine Stelle aus
der Genesis citirt haben. — Bei dieser Gelegenheit sei wieder daran erin-
nert dass die Worte, mit denen Longinos sein Citat einfuhrt, 6 tOjv Mou-
öaiujv eeofioe^TT]^, oCix 6 ruxibv dv/|p, ^ireibf) rfjv toO SeCou biiva-
fiiv Kaxä Tfjv dHiav ixdjpr\ae, xdE^qpiivev, eöSO^^v t^ eloßoXfl TP^iV««;
TU)v vöjLiujv *€tiT€v 6 6€6<;' (pr\ai. t{; feviaQw qpili^, Kai ^t^vcto" T^vdoGu) ff\,
Kai ^T^V€TO fast gleichlauten folgendem Satz aus Josephus' Vorrede zu
seinen Alterthümem § 3 p. 5, 21 Bekker : to^k; dvT€uSo|Li^vou^ TOt(; ßißXioi^
irapaKaXui tV)v Tvot^^iiv Oeip irpoaav^x^iv Kai boKijidJeiv töv i^ii^Tepov
vofioe^Tiiv €l Tf|v T€ qpuaiv aÖToO äliwq KaT€v6iia€ Kai xq 6u-
vd|ui€i irp€iroOaa<; del Tä<; irpdEcK dv^OiiKC. Diese für die chrono-
logische Controverse über Longinos nicht unwichtige Zusammenstellung
findet sich bereits, freilich neben vielem Unnützen, bei Tollius p. 63 ; die
neueren Herausgeber haben sie nicht beachtet. — Die in demselben neunten
Kapitel vorkommende, lebensmüde und zugleich die populäre Mythologie
bespöttelnde Aeusserung des Longinos über das Elend der nie 'den Hafen
des Todes' erreichenden homerischen Unsterblichen ("OjUTipoq T<ip MO* ^o-
K€l irapabiboO«; TpaOjuaTa Ocuiv, ardoei^ Ti|Liujp(a<; bdKpua öeoiiid irdGii
ird^qpupra, tou^ |h^v ^ttI tiöv MXiaKuiv dvOpubirou^ öoov ^irl rfji buvd|Li£i
d€oi)(; ireiToiiiK^vai, toik; OeoCx; bi dvOpcüiroui;. dXX' ^mtv fiiv öuaöaifjio-
voOaiv diTÖKCiTai XijLif|v KaKdiv 6 Bdvaro^, tOöv Oeiöv ö' oö rfiv
q)Oaiv dXXd ti?|v dxuxfav kitoir\aev aliOviov p. 21, 5 Jahn) findet
eine ebenfalls bemerkenswerthe Parallele in den entsetzlichen, die ganze
Oede jener Zeit wiederspiegelnden Worten des älteren Plinius bist. nat. n 27
'imperfectae vero in homine naturae praecipua solacia, ne deum quidem
posse omnia, namque nee sibi potest mortem conscisoere, si velit, quod
homini dedit Optimum in tantis vitae poenis* etc., (vgl. Lucanus vi 724
*extremum oui mortis munus inique Eripitur, non posse mori*^.
1 (Chrysippos schrieb Kaxd r?^ a\)vi]Qda<; irpd<; MnTp66ujpov, TTepl
Tf|^ auviiOeta^ irpö^ ropYiiririöriv nach Diogenes Laert. vii 198. Ueber das
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XXIV Herennius' Metaphysik und Longinos 355
welche sich wiederum ihrerseits anlehnte an die heftigen Aus-
brüche gegen die knechtende Gewalt der herkömmlichen Ethik,
welche Piaton in seinem Dialog Gorgias dem sophistischen und
macchiavellistischen Staatsmann Kallikles in den Mund legt. Be-
sonders die Wendungen dOuJV xal v6|uiujv tüüv öttiüctoöv eicniTM^viuv
dKXef]^ boOXo^ dir' auTuiv in aTrapTavuJv uiraKoueiv ib^ Sv b€-
aiTOTUJV f| Tupdvvuiv dK|uiaeuiv bei Philon (oben S. 352, Z. 3) und
ToT^ Tfjg bouXeiag fGecTi Kai dmiTibeuiuiacTiv d£ dnaXujv in qppovii-
^idiiüv liövov ouK dvecJTrapTavuifi^voi bei Longinos (oben S. 347)
scheinen, unter Auftragung der in der späteren Rhetorik üblichen
grelleren Farben, nachgebildet dem Schelten des Kallikles : tou^
ßeXiicTToug xai dppuüjuevecTTdTou^ f)|uiOüv auxiüv ^k ve'iuv Xajißdvov-
T€^ KaiabouXou^eOa X^jovie^ ibg tö icTov XPH ^X^iv xal
TOÖTÖ ian TÖ xaXöv xal tö bixaiov (Gorg. p. 483*^); und auch
Philons Ausdruck (oben S. 352 Z. 9) judya xai veavixöv qppovrma
Xaßelv \xr\ buvdjievo^ * erinnert an die in dieser Rede des Kalli-
kles vorkommenden Worte dXeuOepov bl xai }xifa xai veavixöv
|LiT]be7t0T€ (pO^T^aaOai (p. 485 % wo veavixöv, statt des handschrift-
lichen kavöv, nach einer von Heindorf ohne Berücksichtigung
des Philon gemachten und nun sich durch diesen bewährenden
Vermuthung bereits von C. F. Hermann in den platonischen Text
gesetzt ist. <^Und so vermuthete Anklänge an Piatons Theaetet
p. 173* in der Schrift vom Erhabnen c. 44, 4 schon Ruhnken zu
Longin p. 483, s. Heindorf zum Theaetet a. a. 0.). |
Die obige Auseinandersetzung möge genügen, um die wenig 63
beachtete Compilation des Herennius, in welcher die Namen der
ausgebeuteten Autoren planmässig unterdrückt werden, der Auf-
merksamkeit der Forscher zu empfehlen als ein nutzbares Hilfs-
mittel bei der Textesbehandlung mancher gedruckter und doch
wohl auch noch ungedruckter griechischer philosophischer Schrif-
ten. Auch die zukünftigen Veranstalter einer vollständigen ari-
stotelischen Scholiensammlung werden, obgleich die Betitelung
* commentarius in Aristotelis Metaphysica' eine irrthümliche ist,
Verhältniss der Neuakademiker zu diesen Chrysippeischen Schriften 8.
Plutarch De Stoicorum repugnantiis c. 10 p. 1036 c).
1 (Philons Quelle ist vielmehr Demosthcnes or. Olynth, iii 32 p. 37
Reiske ^gti ö' oOö^itotc, olfjiai, ixi'fa xal veavixöv q)p6vii|Lia Xaßetv
jLiiKpd Kai qpaOXa iTpdTTOVTa<; und bis auf die Anordnung der Kola wört-
lich übereinstimmend in der Rede it. (TuvrdHcu)^ 25 p. 173 R.).
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356 XXIV Herennius* Metaphysik und Longinos
den Herennius nicht ganz ohne Nutzen im Auge behalten. Denn
aus des Aphrodisiensers Alexander Schriften zur Erklärung
des Aristoteles hat er nachweislich Einiges entlehnt, mag er sie
nun in ihrer vollständigen Gestalt vor sich gehabt haben oder
in der anthologischen Auswahl, welche als quaestiones naturales
et morales (qpucTiKai xai i^OiKai dTropiai Kai Xucreig) zuletzt von
Leonhard Spengel (München 1842) herausgegeben ist. Zur
Ergänzung von Kopp's (p. 14) hierauf bezüglichem, nicht hinläng-
lich bestimmtem Hinweis sei bemerkt, dass der erste und zweite
Paragraph von Herennius' viertem Kapitel (p. 525 — 527 Mai)
entnommen sind aus Alexanders Commentar zu Aristoteles' Me-
taphysik p. 659, 6—661, 2 Bonitz (= quaestiones p. 11, 11—15, 5
Spengel), während der dritte Paragraph (p. 527, 528 Mai) mit
quaest. p. 78, 18— p. 80, 15 übereinkommt.
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J"
GESAMMELTE
ABHANDLUNGEN
VON
JACOB BERNAYS
HERAUSGEGEBEN VON H. USENER
ZWEITER BAND
BERLIN 1885
VERLAG VON WILHELM HERTZ
(BE88EB8GSE BtrCHHANDLÜNa)
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UNIVERSITlTS - BUGHDBUOKEBEI VON CARL OEOBOI Dt BONN.
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INHALTSVERZEICHNISS '
*xxv Commentarius in Lucreti librum i [1853] ^ S. 1
xxYi Ennianum, non Lucretianum 1848 > 68
XXVII Zu Luoretius 1853 »69
xxvin Die Gottesfürchtige» bei Juvenal 1877 »71
XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus 1861 » 81
Litterarische Zustande Aquitaniens und Lebensverhält-
nisse des Severus » 81
Priscillianisten » 87
Stellung des Severus zur geistlichen und weltlichen
Macht S. 112, 117
Stil der Chronik S. 129
üebertragung mosaischer Gesetze in die römische
Bechtssprache » 132
Behandlung des biblischen Stoffes »151
Chronologisches > 155
Benutzung nichtbiblischer Schriftsteller »157
Zerstörung Jerusalems » 159
Seleukiden »181
Typologisches » 185
Schicksale der Chronik » 191
Anhang, üeber Titel, Handschriften und Ausgaben »196
XXX Zu Sallustius und Sulpicius Severus 1861 » 201
♦xxxi Edward Gibbon's Gesohichtswerk »206
1 Gibbon's Leben bis 1776 »212
!• Chronologie des Werks »216
2 Gibbon als Kirchenhistoriker » 228
8 G. als politischer Historiker » 235
4 G. als Culturhistoriker »240
5 G. als historiographischer Künstler »241
xxxn Die Behandlung des römischen Staatsrechts bis auf Theo-
dor Mommsen 1875 » 255
MISCELLEN
1 Grabschrift auf die bei Chaeronea Gefallenen (Dem. de cor.
289) 1868 »276
2 Zu Theopompos 1866 »277
1 Ein der Nummer vorgesetzter Stern bezeichnet dass die betr. Ab-
handlung hier zum ersten Male erscheint.
' Die Yerszählung des Lucretius ist nach der Lachmann'schen Aus-
gabe durchgeführt.
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iv InhaltsvdrzeiolmiBs
*3 üeber die AlBohlioh dem Aristoteles beigelegte Schrift TTcpl
Kööfüiou S. 278
4 Zn PaoBanias 1874 »282
5 Zn Sanchuniathon 1864 »283
6 Anzeige von A. Eirchhoff's Plotinns 1856 »286
7 Anzeige von G. Wolflfs Porphyrius 1856 »286
8 Ambakum 1872 »289
9 Ein nabat&ischer Schriftsteller 1862 »291
10 Zu Eunapios 1869 »298
11 Zn Himerios Rede yi6 »294
12 Zur vergleichenden Mythologie 1860 »294
18 Za HesychiuB and Josephus 1864 »296
14 Gebrauchsanweisang für Labbäus' Glossen 1862 » 299
15 Zu Horatius [Od. i 12] 1857 »300
16 Zu Horaz [Od. n 1, 21] 1857 »302
17 Horatianum 1848 »303
18 Horazens Bote an Augustus 1862 » 304
19 Zum Carmen ad Messium 1863 » 806
20 Verzeichnung der Wunder in den römischen Annalen 1857 . » 307
21 Cicero über die Juden 1857 »309
22 Zu Cicero de re publica 1869 »310
23 Zu SaUustius [lug, 41, 7] 1860 »311
24 Ein Schreiben über Trogusfragmente an Prof. Bitschi 1856 . » 311
25 Herder und Hyginus 1860 »316
26 Zanes 1875 »321
27 Eine verschollene Reiske'sche Emendation und das Edict des
Theodorich 1877 »822
28 Vorwort zu Fhrüegium renaacentis laUnUatis 1849 » 325
29 Vorwort zu Pentas versianum Homericarum 1850 » 827
30 Quellennachweise zu Politianus und Georgius Valla 1876 . . » 330
1 Anthusa »381
2 Archimedes > 336
31 Joseph Scaliger's Gedichte 1863 »340
32 Ueber Spinoza's hebräische Grammatik 1850 » 342
33 Einige in Holland verschollene Bücher 1864 » 850
34 Leibnitz und Sardanapal 1864 . . , »854
85 Aus Richard Bentley's Briefwechsel 1853 > 356
36 Vorhersagung Niebuhr's 1878 »860
Nachtraglich
*87 Die Beden des Aristides gegen Piaton » 362
38 Der Herausgeber von Labbaeus' Glossarien 1863 > 865
*89 Zu Lucretius iv 1130 (1853) »865
Register »868
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XXV
COMMENTARIVS
IN LVCRETI LIBRVM I.
'Hoc per me licet stomachum moveat morosis
qui aliis volnnt quasi baialis uti et oommentariis
absolutiBsimis praeferunt lectionum farraginem
ex qua futtiles expiscentur coniecturas*.
BoEGKH praef. in G. I. Gr. i p. zy.
Vers. 1—49 Carmen de rerum natura orsuras poeta Ve-
nerem inyoeat, quippe qnae, ut ipse dicit y. 21, rerum naturam
gubemet. Veneris enim nomen et ab aliis et a Lncretio, nbi
merum philosophnm agit (i 228 iv 1052 sqq.), ita usurpatur ut
generandi propagandique Yim significet. Huius numinis potentiam
per omnium animantinm genera patentem describit usqne ad
Y. 24, proficiens fortasse ex talibus graecornm poetaram locis,
quales leguntur hymn. in Vener. 1—6 Eurip. Hippel. 447. Deinde
Yero qnamYis alioqui popnlaris religionis fabnlas reiciat Lucre-
tios, tamen in hoe exordio qnod poetieis eoloribus penitas im-
butnm est, fabulis indulget atque a Venere, qualis a popularibus
ipsius colebatur, Aeneae matre Martisque amata, petit ut Ro-
manis, genti Aeneadarum, paeem ab amatore Marte coneiliet,
quo magis et ipse poeta faciendo et Memmias audiendo carmini
Yaeare possint (y. 29—43). Sane ubi Epicuream doctrinam ex-
plieat Lueretias longe remoYet deos a rebus hnmanis seeundnm
Epicuri decreta, qui providentiam negavit deosque neque habere
negotia neque facessere statuit. Verum isto philosophico decreto
impediri se poeta non patitur, quo minus ubi poetice loquendum
Sit, linguae poetieae i e. mythologicae obsequatur, sicut etiam
in sexto libro ex eommuni poetarum consuetudine calUdam Mu-
sam CaUiopen inYOcat y. 93. Libertatem illam poetieam quocum-
que potuit modo excusaYit Porphyrie in Horat. epist. 1 20, 1
BemayB, ges. Abbftndl. U. X
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2 XXV Commentarius in Lucreti librum l
receptum est et prindpia et fines in oninihus libris ntdlius legis
formula contineri, unde sie Lucretius incipit primum EpicurecLe
sectae librum. Neque tarnen defuit iam antiquitus cavillans
qiiidam lector, qui talem poetae inconstantiam criminaretur. Ita-
qae hnic Yeneris inyocationi opposuit in margine eos ipsos libri
secundi versus 646 — 651 (= i 44 — 49), in quibus apertissime
deoTum providentiam negat Lucretius. Isti autem versus per
librariorum errorem in verborum ordinem inlati interruperant
continuitatem carminis, donee eiciendos esse Marullus, Isaacus
Vossius (apud Preigerum in v. 57), ßentleius intellexerunt.
1. 2 Obversabatur fortasse Lucretii animo ea Yeneris in-
voeatio quam in primo annalium libro posuerat Ennius (v. 53
Yahleni) te sale nata precor Venus et genetrix patrt nostri,
Ut me de eaelo visas, cognata, parumper (Nonius p. 378 y.pa-
rumper). Aperte autem ad hos Lucretianos versus respieiunt
Ovidius trist, ii 261 sumpservt ^Aenectdum genetrix' (i. e. Lu-
cretii librum qui sie incipit) ubi prima: requiret, Aeneadum
genetrix unde sit alma Venus et Ausonius epigr. 33 Orta scdo^
suseqpta solo, patre edita eaelo Aeneadum genetrix hie habito
alma Venus, genetrix Yenus eadem quae victrix, cf. Momm-
senus CIL i p. 397 inf. ALMA irÖTvia, ut vi 750 Palladis tem-
plum almae, non prorsus tarnen oblitterata alendi significatione,
quae Yeneris numini fecundanti aptissima est quamque solam
huic vocabulo Lucretius alibi tribuit, ii 390 liquor almt4S
aquarum V 230 älmae ntdricis blanda atque infracta loguella.
Paulus Festi alma: sancta sive putehra, vel alens ab alendo
scilicet. 2 — 4 CAELi . . . concelebras Yenus omnia loca,
quae subter sidera meantia caeli iacent, animantibus celebria
ac frequentia reddit, v 1166 sq. delid>ra deum . . . festis cogit
eelebrare diebus. CAELi labentia Signa expressit Ovidius
fast, m 113 non Uli (Romani antiqui) cado labentia signa
tenebant Sed sua quae magnum perdere crimen erat. FRVGI-
ferentis frugiferas. Pleniorem participii formam alibi haud
facile usquam reperias; similiter aeditui vi 1275 dicuntur
aedUuentes. 5 exortvm partu editum, ii 545 unde ea pro-
gigni possit corwepta. 7 daedala tellvs hie et infra 228
artificiosa terra dicitur graeco vocabulo (baibdXeo^), quod iam
Ennius usurpaverat; Paulus Festi daedalam a variäate rerum
artificiorumque dictam esse apud Lucretium terram, apud En-
nium (p. 177, xxi Yahl.) Minervam (dpTAvnv), apud Virgüium
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XXV Commentarius in Lucreti libram I 3
(Aen. VII 282) Oircen facile est intelligere, cum graece baibdX-
Xeiv significet variare. Verum quarnquam aliquando fieri potest
ut ars variationem postalet, tarnen solam artificii notionem in
vocabulo daedalus inesse ostendunt reliqui loci Lucretiani ii
505 Phoebea daedala carmina iv 549 verborum daedala lin-
gua V 234 naiura daedala rerum 1451 daedala signa polire.
7 SVMMITTIT svAvis FLORES producit, effert. summUtere
enim est dvldvai, ab inferiore loco in altiorera emittere, ut 1 193
laetißcos negueat fetus mbmittere telltis 1033 summissa gens
animantum. 10 NAM quia veris tempore animalia Venerem
certis repetunt diebus (Verg. georg. ii 329), Venus illo tempore
terram invisere fingitur totusque veris ornatus, florum suavitas,
tranquillum mare, caeli splendor eo spectare ut festive et hi-
lariter excipiatur dea adveniens. eodem eonsilio dicit v 737
it Ver et Venus, species verna aspectus vernalis, iv 134
mundi speciem violare serenam. 11 resebata reclusa, nam
hieme quasi obserata et occlusa est. genitabilis favoni
Zephyri ad genituram ef&ciendam apti, cf. Plinius n. h. xvi 93
hie (Fayonius) est genitalis Spiritus mundi. statim ab initio
veris vil idus februarias spirare ineipit (Columella xi 2 Pli-
nius 1. s.) eamque ob rem infra v 737 veris praenuntius ze-
phyrus dicitur. 13 significant cantu. initvm etcrobov,
dea quasi intrat in aves ; Ovidius fast, iv 92 illa (Venus) tenet
nullo regna minora deo luraque dal caelo terrae natalibus un-
dis Perque sms initus continet otnne genus. 18 DOMOS
AVIVM Silvas, infra 256 frondiferasque novis avibus canere un-
dique Silvas. 19 incvtiens . . . amorem infra 924 incussit
suavem mi in pectus amorem, 20 generatim Kard fivr\,
SAECLA genera, ut fere (vid. infra 202) semper apud Lucre-
tium. 22 DIAS aerias, Paulus ex Festo dium : quod sub
caelo est extra tectum. LVMINIS ORAS regiones. praeiverat
Lucretio, qui haue locutionem saepissime (infra 170, 179 n 577,
617 alibi) usurpat, Ennius ann. 118 V. (apud Giceronem de re
p. I 41) Romule, Romule die tu produxisti nos intra lu-
minis oras et 178 quis potis ingentis oras evolvere belliy quem
versum Servius servavit ad Verg. Aen. ix 529 et mecum in-
gentis oras evolvite belli, 25 pangere infra 933 obscura de
re tarn lucida pango carmina, 26 memmiadae apte G. Mem-
mium, de quo dixit Mommsenus Geschichte des röm. Münz-
wesens 1860 p, 597 et copiose vir doctus Grenzboten 1869
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XXV Commentarius in Lucreti librum i
ann. xxvm, 2 vol. ii p. 129 sqq., patrouymice forma graeca
appellat, quia Memmius est gentile nomen, nt m 1034 Scipia-
das dicitur Africanus maior. 26, 27 qvem tv dea . . . rebvs
egregie Mommsenas 1. s. p. 599 cum Borghesio {oeuvres cotnpl.
1 1 p. 150) intellexit ea re illustrari, quod Veneris imago a
Gapidine coronatae in Memmioram nammis conspicitar ut in-
signe eins familiae. omnibvs ornatvm eebvs ut Cicero
ep. ad fam. xni 77, 2 M, Bolanum virum bonum et fortem et
Omnibus rebus omatum xu 21 (7. Anicius. . . vir omnibus rebus
omatus. 29 moeneba militiai eadem quae infra 32 beüi
moeneraj munera, negotia. 32 mavors armipotens Verg.
Aen. 1X717 hie Mars armipotens animum viresgue LatinisAd-
didit. 35 ITA sie in gremio Veneris iacens. svspigiens
sursum aspiciens in Veneris faciera ; n 1039 suspicere in codi
digncUur lucida templa. tebeti cebyice sie in gremio Ve-
neris REPOSITA at eam commode aspiciat. 36 pascit in
TE yisvs cupide tao aspectu explet oculos eosque voluptate
affieit; n 419 colores . . . oculos qui pascere possunt; sie Graeci
^(TTiav TTjv ÖHiiv et L xoii^ öqpGaXfioiJ^. INHIANS ore pa-
tente, utestvill74, propter aviditatem aspiciendi. 37 SPI-
RITVS Martis, qui cervice in gremio Veneris reposita resapinas
iaeety ex ore Veneris pendet. — Expressit totum hunc locum
inde a versu 33 Byron Childe Harold iv 51. 38—40 Tu
diya, cireumfusa et inclinata corpore tuo sancto super hunc
recubantem, ex ore tuo blanda verba effunde. 39 loqvel-
LAS ut V 230 almae nutricis blanda loquella. 40 INCLVTA
nobilis, clara, sicut graecum kXutö^ et de deis et de homini-
bus dicitur; Ennius ann. 147 V. (Non. p. 51, 14) olim de caelo
laevom dedit inclutu' (luppiter) Signum, Lucretius Epicurum
sie appellat m 10, Memmium ii 1080 y 8. 41 KOS Lucre-
tius ipse. AGERE HOC quale nostrum bei der Sache sein, ge-
sammelt sein, i. e. de rerum natura scribere, IV 969 nos agere
hoc autem et naturam quaerere rerum. PATRIAI TEMPORE
IKIQVO turbidis rei publicae temporibus, qualia fere semper
fuerunt inde a natali Lucretii anno Varroniano 655 M. Antonio
A. Postumio Albino cos. usque ad annum 699 Pompeio Crasso ll
COS., quo mortuus est. 42 memmt eins, qui fuerat Mem-
mianae gentis auctor, CLARA propago sive suboles dicitur
C. Memmius. hunc, cum ad rem p. iam accesserit, publicae saluti
in tali rerum condicione deesse non posse dicit Lucretius. —
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XXV Commentarius in Lucreti librum i 5
V. 50 — 61 Adloquitur C. Memmium petitque ab eo iit ani-
mum attendat ad Carmen buuid, cuius argumentum breviter in-
dicat. In hac autem adlocutione id ferendum non est quod, si
Vera est versieuli 50 scriptura quam scholiasta Veronensis Ver-
gilii georg. iil 3 p. 78, 35 K. suppeditavit, repente transit poeta
ab invocatione Veneris ad alloquendum Memmium, ne nomine
quidem huius appellato. Neque magis ferri potest quod, cum
nihildum Memmio dixerit, incipit y. 50 a verbis quod superest
i. e. ceterum. Quapropter statuimus intercidisse in nostris codi-
cibus aliquot versus a Lucretio post v. 43 positos, in quibus
primum poeta ab invocanda dea ad patronum appellandum se
converteret, deinde Memmii laudes persequeretur, antequam bis
vinculo vocabulorum quod superest adiungeret proxima. Facile
autem tales versus, qui post v. 43 scripti erant, extrudi potu-
erunt cum in nostrorum librorum continuitatem post eundem v. 43
inferrentur isti versus libri ii 646 — 651, quos ab initio margini
ascriptos fuisse supra diximus.
50 VACVAS AVEis otiosas; Plautus Casinae prologo v. 29
aures vacivae si sunt, animum advortite Trinummi prol. 11 date
vacivas auris dum eloquor, Horatius epist. 1 16, 26 his verUs
vacuas permulceat auris, animvm sagacem soUertem, n 840
IV 912. 51 VERAM HATIONEM doctrinam, avarriyia Epicuri:
III 14 ratio tua (Epicuri) coepit vociferari naturam rerum V 335
natura haec rerum rcUioque repertast nuper. 53 DONA car-
mina quae quasi munera apto ordine disposita amico offe-
runtur, ili 420 pergam disponere carmina. 54 SVMMA CAELl
DEORVMQVE RATIO TCt fldTlCTTa TÄV TT€pl TÖV OÖpttVÖV Kai
ToOq 6€o0^, II 178 ex ipsis caeli rationibus ausim Confirmare,
55 PANDAM aperiam, explicabo, ut v. 126 rerum naturam ex-
pandere. rervm primordia sunt aTOixeia, dpxoti tojv övtu)v,
atomi sive individua corpora, ex quibus (undebQ) natura (ficpOaiq)
omnes res profert äuget nutrit et in quae primordia {quove 57)
eadem natura rursum resolvit (&vaXu€t) omnia quae perimun-
tur. 58 QVAE primordia. materiem öXtiv, quo vocabulo
saepissime utitur poeta ad atomos significandas. genitalia
CORPORA non nisi ter in toto carmine (167 ii 62, 548) appel-
lantur atomi. rebvs dativus offensioni est, sive eum cum
genitcdia corpora sive cum ratione coniungi vis. neque maior
audacia videtur etiam hoc loco genetivura rerum scribere, qui
casus reperitur ll 548 corpora unius genitalia rei, quam geni-
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6 xxY Commentarius in Lucrcti libram i
tcdia Corpora rebus sie defendere, ut explices corpora quae
sunt rebtis genitdlia, 59 SEMINA cTiT^pjLiaTa non rarins quam
fnateries appellantur atomi. 59 reddvnda in ratione in
rerum natura explicanda, in philosophando. 60 vsvrpare
nominare; Cicero de off. ii 11, 39 C, Laelius is gut Sapiens
usurpatur, 61 CORPORA PRIMA TTpÄTa (Tiifiaxa appellan-
tur atomi infra v. 171, 510, 538 et passim alibi.
V. 62 — 79 Cum ante Epicurum veras rerum naturalinm
caussas ignorarent homines, omnia ad deos referebant hisque
deis, dominis superbis (n 1091) et acribus (v 87), tamquam servi
snbiecti erant. Postquam autem Epicuri beneficio homines cer-
tas naturae leges cognoverunt quae liberae sponte sua et deis
expertes (ii 1091 sq.) per omnes res patent, nunc vicissim ho-
mines subiecerunt sibi religionem.
63, 64 Fingitur Religio quasi Medusa qnaedam horribilem
faciem e caeli partibns protendens et desuper imminens atque
inpendens hominibus, qui metu et formidine prostrati in terra
iacent. Fieri autem potest ut Lucretias, qui aeque atque ce-
teri an(iqui poetae et latini et graeci aliquando etyma voca-
bulorum (ut l 932 religionis, vi 382 indigitamentorum) respieit,
etiam hie consulto elegerit vocabula svper instans v. 65,
quibus in mentes lectorum revoearet superstitionem, explica-
tione quantumvis absona indicatam, cf. Servius in Aen. viii 187
'superstitio est superstantium rerum i. e. caelestium et divina-
rum, quae super nos staut, inanis et superfluus timor', Cicero
de divin. n 72, 149 superstitio instat et urguet 66 GRAivs
HOMO idem qui lll 3 est Graiae gentis decus Epicurus, quem
in toto carmine nusquam proprio nomine appellat venerabun-
dus discipulus nisi semel m 1042, ubi sine graviore incom-
modo id vitari non potuit. mortalis ocvlos tendere
CONTRA quamvis mortalis esset Epicurus, tarnen divinam Re-
ligionem rectis neque coniventibus oculis aspicere ausus est,
Verg. Aen. v 508 paritergue oculos telumgue ietendü, vid. Bent-
leius in Hör. ep. 1 1, 28. 68 fana devm quae in toto ter-
rarum orbi (v 74) exstructa sunt ab hominibus, universae erga
deos reverentiae documenta. fvlmina . . . minitanti mvr-
mvre CAELVM cf. V 1218 sq. cui non animus formidine divom
Contrdhitur: cui non correpunt menibra pavore^ Fulminis hör-
ribüi cum plaga torrida tellus Contremit et magnum percurrunt
murmura caelum? cf. Horat. carm. i 34. 69 compressit
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XXV Commentarius in Luoreti librum i 7
coercuit audacem. 70 inrität irritavit, ut v 396 superüt vi
587 disturbat. ARTA . . . PORTARVM CLAVSTRA seras et pes-
sulos arte obditos portis, intra quas ante Epicurum quasi
obserata et occlusa tenebatur natvra; Vergilius Aen. vii 185
inter spolia quae in postibus regiae Pici pendebant aumerat
portarum ingeniia clauMra. 71 primvs, nam qui ante Epi-
carum fuerunt philosophi nihil profecisse videbantur Epicureo;
eodem modo lll 1 sq. Epicurus dieitar primus e tenebris lutnen
clartim extollere potuisse. 73 longe extra flammantia
MOENIA MVNDI extra aetheris regiones, quae hunc mun-
dum quasi moenia circumdant et ignibus siderum flammant.
74 OMNE hic et saepissime alibi (infra 956 ii 305, 1108)
idem est quod summa, universitas rernm, tö iräv, quod secun-
dum Epieureos äireipov, immensvm, infinitum patet (l 957)
et praeter hunc mundum alios innumerabiles in se continet
(II 1044 sqq.). MENTE animoqve vi|i Kai XörtfJ, lll 142 hic
ergo mens animusquest. 75 vnde refert nobis Victor
recte Lambinus ^\efert boe loco sie accipiendum ut apud Ver-
gilium Aen. iv 93 egregiam vero laudem et spolia ampla refertis
pro reportare, ut sit translatio a re militari". Spolia antem
quae victor Epicurus ex illa Omnis peragratione refert sunt
communes naturae leges sive ut infra 586 appellantur foedera
fKxturai, quibus sancitum est quid possit creari, quid non
possit, denique quo modo uni cuique rei creatae potestas
data sit certis finibus circumscripta et terminvs i. e. lapis
terminalis tam alte depacttis (ll 1087) et defixus, ut ALTE
haerens sit et moveri nequeat. Iteravit poeta hos versus
76 sq. ubi legum naturalium inmutabilitatem significare voluit
infra 595 sq. V 89 sq. vi 65 sq. 78 RELIGIO pedibvs ho-
minum svbiecta vicissim, cum ante Epicurum humana vita
iaceret oppressa gravi sub religione (62 sq.). 79 OBTERITVR
KaTairaTeiTai, proculcatur cf. v 1234 sq.
V. 80 — 101 Ne Memmius rationem Epicuream, quae po-
pulari religioni adversetur, impiam existimet, demonstrare cona-
tur poeta, saepius quam per philosophiam factum esse per
religionem ut ruptis naturalis intcr bomines necessitudinis atque
pietatis vincuiis vere impia facinora committerentur. Velut Aga-
memno Galchantis vatis monitu filiam suam natu maximam
Iphigeniam mactari iussit, ut soluto quod rex Dianae fecerat
voto, se pulcherrimum quod in regno suo natum esset sacrifica-
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8 XX Y Commentarius in Lucreti librum i
tarum, deae ira placaretar et Graeca classis, quae adverso vento
Aalide detinebatur, in Troadem navigare posset. Tarn taetrum
igitur facinus (Cicero Tusc. in 25, 94) religionis iassu perpetra-
tum est.
80 IN ms REBVS hie et saepissime alibi (velut infra 370,
1052 II 184, 216, 308, 581) transeundi formula est. 81 impia
TE RATIONIS INIBE ELEMENTA te inbui radimentis inpiis
doetrinae philosophieae, V 119 qui ratione sua disturbent tnoe-
nia mundi, 82 indvgredi antiquiore forma praepositionis
hie et iv 342, 367 utitur, recentiore iv 887 inque gredi. Simi-
liter secandam metri commoditatem eas verbi impedire formas
quae in hexametrum non quadrant repetit ab antiquiore con-
suetudine indupediri iv 70, indupedüa infra 240 n 102, 459 :
ubi vero per metricas rationes licet, communem suae aetatis
formam asarpat inque peditus iv 1149 inque pedita iv 562
inque pediri iii 484 inque peditur Vi 394. Imperator cum
nullo modo hexametro includi posset, iv 967 dixit induperato-
res, V 1227 induperatorem. QVOD CONTRA e contrario, Cicero
Lael. 24, 90 peccasse enim se non anguntur; ohiurgari molesie
ferunt : quod contra oportebat delicto dolere, correctione gauderc
Cat. m. 23, 84 proficiscar ... ad Catonem meum . . . cuius a me
corpus est crematum, quod contra decuit ab illo meum. ILLA
RELIGIO pronomen contemptim additur, ut iv 181 parvus ut est
cycni melior canor, ille gruum quam clamor. 83 sci^LEROSA
cf. Cicero Lael. 8, 27 ea caritate quae est inter ncUos et parentes,
quae dirimi nisi detestabili sc eiere non polest 84 QVO
PACTO quemadmodnm, sicut, vide infra 912. triviai vir-
GiNis Diana cur appellata sit Trivia se ipsum ignomsse va-
rias explicationes temptando prodit Varro 1. 1. vil 16 p. 301.
85 IPHIANASSAI eruditionem affectando in errorem lapsus
esse videtur.Lucretius. Certe inter eos qui bodie supersunt
antiquos scriptores reperitur nullus, quo auctore Iphianassae
nomine dicatur ea Agamemnonis filia quam uno ore omnes
Iphigeniam appellant. Sane Agamemno apud Homerum Iliad.ix
145 tres sibi domi filias esse dicit Chrysothemin Laodicen
Iphianassam barumque unam nuptum daturus est Achilli. Ve-
rum cum Agamemno illa loquatur nono post obsessam Troiam
anno, Iphianassa nequit eadem esse atque Iphigenia, quam
Troiam profecturus Aulide pater mactaverat. Ac re vera post
sacrificium Iphigeniae superstitem fecit Iphianassam Sophocles
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XXV Gommeniarius in Lucreti librum i 9
Electrae v. 158, ubi schoHasta auctorem tOüv KuTipioJV testatur
qaattaor Agamemnonis filias novisse (cf. Welckerus Cycli epici
t II p. 517) ; totidem vero Homerus qnoqnc novisse putandus
est. Sed hoc non curaverunt ei grararaatici quos duces Lucre-
tius sequi videtur, quorumque opinionem scholia D Iliadis 1x144
tradunt. Qai cum ab Enripide liberrimo antiqaarum fabula-
rum novatore tres appellari viderent in Oreste v. 23 Clytem-
nestrae filias Ghrysothemin Electram Ipbigeniam, tres illas
Euripideas cum Homericis tribus conciliaturi Iphigeniam Eu-
ripideam eandem esse statuebant atque Iphianassam Homeri-
cam, sicut reapse Laodice Homeri etiam a Sophocle appellatur
Electra. tvrpaevnt sangvine foedarunt, inquinarunt; En-
nius in Andromacha (trag. v. 125 V.) apud Ciceroncm Tusc. iil
19, 45 lovis aram sanguine turpari, 86 PRIMA VIRORVM
Primarii viri, graeco loquendi genere, secundum quod Herodo-
tns VI 100 dicit Al<TxivTi^ 6 NöGuivo^ iOjy ti&v 'EpcTpi^ujv xa
TTpUJTa IX 78 iv TtU (TTpaTOTTebUJ TlüV AlTlVTlTeOJV fjV Ad|Ll7TU)V 6
TTuGeu) AItivtit^ojv xd Trpwxa. 87 SIMVL ac sacrificii appa-
ratus ( — 91) Iphigenia animadvertit, obmutescens metu in
terram cecidit (92). infvla vclamenta e lana facta, quae
bostiarum mactandarum capitibus circnmdantur (Varro 1. 1. vn
24 p. 310). Ista infula ita data i. e. posita erat CIRCVM comam
Iphigeniae virginalcm in niodum ornatam, ut laciniae pariter
ex utraque parte in genas dcpenderent. 90 hvnc propter
pone, iuxta bunc Agamemnonem. Hac significationei>rop^6r post
vocabulnm quod ex eo pendet conlocare Lucretius solet, infra
316 n 353 IV 1024, 1026 v 623 vi 549. ferrvm sensit Iphige-
nia cultrnm sacrificalem a ministris sacroruro abscondi, ne ipsa
eins aspectu terreretur. 92 terram petivit in terram de-
voluta est: Verg. Aen. iil 93 summissi petimus terram. GENI-
BVS SVMMI88A flexis genibus, iv 953 popliteßque cubanti . . .
summittuniur, 93 in tau tempore in tali calamitate.
94 PRINCEPS prima, v 9 gwi princeps viiae rationefn invenit.
Apud Euripidem Iphig. Aul. 1220 Agamemnonis animum Iphi-
genia verbis his commovere studet : Tipiixti a* iKdXeaa irax^pa
Kai crö Tiaib' i.^L 95 svblata virvm manibvs pudoris
virginalis ratione habita nulla, de bumo in quam ceciderat
Bublata est virgo manibus virorum ; eiusmodi ne quid fiat de-
dita opera Iphigenia petit apud Euripidem 1. s. 1559 jiifi ipauOY)
xi^ *ApT€iuiv i^oO, item Macaria virgo in eiusdem Euripidis
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10 XXV Commentarius in Luoreti librum i
Heraclidis 565 xpfjile ixr\ |li' iv dpaeviwv, | dXX' ^v x^vaiKÄv
XepCTlV dKTrV€Ö(Tai ßiov. 96 sollemni more sacrorvm pkk-
FECTO absoluto sacro ritu nuptiarum, quas cum Achille in-
eandas simulans Agamemno filiam ana cum matre Aulideru
venire iusserat. 97 claro comitari hymenaeo domuiii
deduüi cum nuptiali carmine clara voce cantato. 98 inceste
Dou caste^ contra fas; Livius l 45, 6 antistes Romantis . , . .
Sabinum ita adloquitur: 'quidnam tu hospes pararas ?' inquit
'inceste sacrificium Dianae facere? quin tu ante vivo perfun-
deris flumine?' 99 CONCIDERET cf. II 352 ante deum vi-
tulus delubra decora Turicremas propter mactatus concidit aras.
MACTATV substantivum a nemine, qnod sciam, usurpatum
praeter Lucretium, vid. vi 759. 100 EXITVS e portu Aulidis.
FELIX FAVSTVSQVE respicit formulam quam Romani rebus
agendis praefabantur (Cic. de divin. I 45, 102) *qnod bonum
FAVSTVM FELIX fortunatumquc sit'.
V. 102 — 135 Praevidet fore ut Memmius, quamvis tot sce-
lerum caussam fuisse rcligiouem modo demonstratum sit, tamen
a philosophica ratione se avertat perterritus formidine earnm
rerum, quas de inferis comminiscantur sacerdotes. His enim
quae sunt de animae post mortem condicione opinionibus im-
primis niti religionis vim in homines vulgares, quippe qui ani-
mae naturam non cognoverint neque e variis quae de eins ortu
atque interitu prolatae sunt sententiis veram eligere possint. Velut
ipse Eunius inter diversas sententias fluctuat, modo animarum
migrationem ffjieT€jLii|iiJXU}<Tiv) statuens, modo simulacra quaedam
in Orcum pervenire faciens. Tanta igitur cum sit de animae
natura ignoratio, huiusque quaestionis exploratio cum tantum
momentum habeat ad religionum commenta explodenda et ad
pbilosophicam rationem stabiliendam, praeter cetera id sibi cu-
randum esse dicit poeta, ui animae mentisque originem doceat
et eas visiones explicet unde post mortem superesse animas sibi
persuaserint homines. ütrumque autem, quod hoc loco promittit,
praestitit Lucretius partim libro tertio, in cuius argumento cardo
totius operis Lucretiani vertitur, partim in particula quarti libri.
Totus enim tertius liber animae naturam docet, et visiones ex-
plicantur secundum Epicuream de imaginibus doctrinam 1. IV
754—764.
102 TVTEMET tu Mcmmi ipse (cf. iv915), nedum reliqui
homines te inferiores. lAM Qvovis tempore statim in omni
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* xxY Commentarius in Lucreti librum i 11
occasione. desciscere qvaekeb a nobis philosopkis, ra-
tionem philosophicam deserere studebis. VICTVS terrilo-
QVis Dicris VATVM 8ub vatam (fidvieiq) appellatione hie
et infra 109 coniprehendit prophetaB sacerdotes poetas mytho-
logicos, omnes deniqae popularis religionis propugnatores.
104 QVIPPE ETENIM Dcc Diiruni est etiam te, Memnii, istis
vatum terriculis vinci, nam 'quam mnlta somnia fingere tibi
iam possunt' vates! somnia aateni sive nngas easdeni dielt
de inferis opiniones, quas tamquara ineptas fabulas inridet
Cicero or. pro Cluentio 61, 171. 105 vertere pervertere.
106 FORTVNASQVE TVAS OMNiö totam felicitateui tuaui, v
1179 fortunisqtie ideo longe praestarc pu^ahant, TIMORE earnm
reram quae post mortem fiitarae sint. Nam nt lil 38 dicit,
metiis Ächeruntis funditas humanam vifam iurhat ab imo.
106 MERITO hie et iv 160 vi 210 idem est quod iure, rei
coDvenienter. Dicit igitur L. non mirandum esse quod ista de
inferis somnia totam vitam perturbent et homines vatibus
obnoxios faciant, immo hoc rei convcnienter fieri, nam cet.
110 RESTANDi rcsistendi. 111 qvoniam sccundum vatum
commenta aeternas poenas timendvmst, aiujviou^ Ti|Liujpia^
qpoßiiT^ov dcTTiv : qua structura L. utitur infra 138 muUa novis
verbis praesertim cum sit agendum 381 aut igitur motu pri-
vandumst corpora quaeque II 492 addendum partis alias erit
III 626 quinquCj ut opinor, eam faciundumst sensibus auctam
391 tisque adeo prius est in nobis multa ciendum iv 777 mul-
taque nobis clarandumst. In eo autem quod totius vitae per-
turbationem ex aeternarum post mortem poenarum timore
oriri dicit L., magistrum sequitur Epicurum qui in epistula
ad Herodotum data apud Diogenem Laertium x 81 scripsit
haec: ^kcivo bei Karavoeiv öti xdpaxo^ 6 KupiiixaTo^ xaT^ dv-
GpuiTiivaiq M'wxaiq TiTverai .... iy ti|i aliiiviöv xi beivdv
Kai TipOCTbOKäV KQl Ö7T07TT€IJ€IV KaXOt XOll^ |ülu60U^. 113 NATA
SIT certo quodam tempore ante quod non extiterit anima.
NaJtum igitur hoc loco idem est quod alibi nativum tcvtixöv
opponiturque aeterno dibiuj; atque hanc sententiam, nativam
esse animam, suam fecit Epicurus eiusque argumenta Lucre-
tius proponit tertio libro indeav. 417 Nunc age nativos
animantü>us et mortalis Esse animos animasque leves. Con-
traria sententia Pythagoreorum est et Platonicorum, animas
semper etiam extra corpora humana extitisse et animantibus
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12 xxv Commentarius in Lucreti librum i
NASCENTIBVS extrinsecus insinvari. Hanc sententiam op-
pngnat Lucr. m 722. 114 De interita animae tria qiiac-
ruDtur, utrum una cum corpore pereat, quod dicunt Epicurus
et Lucretius, an secundum volgi opinionem in Orcum veniat,
an deniqae animarum hnmanarum in corpora bestiarum mi-
gratio cum Pythagoreis et Ennio statuenda sit. morte
DIKEMPTA per mortem dissoluta in partes suas, quae sunt
atomi. 115 visat adeat. lacvnas KciXui^ata, cavernas.
116 DIVINITVS GeöGev, divino iussu; eo ipso vocabulo in re
cognata Ennius usus est apud Varronem 1. 1. v 59 p. 64 ova
parire sölet genu pinnis condccoratum^ Non animam et post inde
venu divinitu' pullis Ipsa anima. 117 ENNIVS Pythagoream
doctrinam de migratione animarum tetigerat Ennius in exordio
annaliura, illucque pertinere videntur illi versus quos modo
e Varrone ascripsi. Etenim Carmen suum orsurus narravit
Ennius (vid. fr. v — XV p. 4 sq. Vabl.) sibi aliquando In Heli-
cone monte dormienti (Propert. ui 3, 1 sq. cl. 6) visum esse
Homerum adesse podam (fr. vii) ; aperuit somnianti Ennio Ho-
merus animam suam transivisse in pavonem atque e pavone
in Ennii corpus venisse (fr. xiv cf. Persius sat. VI 10 sq. Horat.
epist. u 1, 50), idque ut explicaret, animae naturam Homerus
Ennianus altius repetivit et ^ere^ipuxufCTeu)^ doctrinam ex-
posuit (infra 126 rcrum naturam expandere dictis), 118 DE-
TVLiT ex monte Helicone descendens secum tulit perenni
FRONDE CORONAM, lauream scmper viridem. Ex eis autem
quae ad v. 117 adnotavimus, veri videtur simiilimum esse,
Lucretium respicere ad versus quosdam Ennianos in illo an-
nalium exordio positos, quibus narraverit Ennius sibi, cum in
Helicone recubaret, lauream traditam esse, poeticae facultatis
insigne. Similiter Hesiodo gregem sub Heliconis radice pa-
scenti bdqpvriq dpiGriX^oq ö2ov dant Musae cf. Theogon. 30.
119 PER GENTIS ITALAS HOMINVM dva (pOXa dvGpOJTTWV
ItaXiKtt, Ennius (p. 153 V.) Ambracia (Nonii p. 88, 1) esse per
gentes cluebat omnium miserrumtis. CLARA CLVERET dicere-
tur, audiretur, clara fama ferretur, ut Plautus Pseuduli n 1, 16
(590 R.) magna me facinora decet efficere, quae post clara diu
mihi clueant. 120 ETSI praeterea tamen perstringit En-
nium, quod varias de mortuorum fatis sententias miscuerit.
Nam quamvis Pythagoream animarum in bestias migrationem
statuerit Ennius, TA^fEN praeter hanc opinionem etiam volga-
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XXV Commentarius in Lucreti librum i 13
rem Acherontis et Orei fabalam in Carmen 8uum admisit. At-
que fecit id qaidem ita ut non aperte sibi ipse contradiceret ;
neque enim animam ipsam in Orcum ablegavit, sed umbram
qaandam sive (secandam Hom. X 602 etbiuXov) simulacrum.
AGHERVSIA TEMPLA regiones Acherontis, Orcum. Usarpavit
Ennius hanc locutionem, praeter annaliam locum qnem Lucr.
respicit, etiam in Andromachae versu (tr. 107 V.) Ächerusia
templa cUta Orei scdvete infera. Lucretius bis eam posait ubi
non pendet ab Ennio ui 25 et 86. 121 vebsibys edens
cf. lY 180 = 909 suavidicis potvus quam muitis versibus edam.
122 QYO NEQYE PERMANEANT ad quae Ächerusia templa non
perdurent animae corporave; utraque enim evanescunt ante-
quam in Orcum pervenire possint; Ovidins art. am. n 119 lam
molire animum qui duret et adstrue formae^ Bolus ad extremes
permanet iüe rogos. 123 SIMYLACRA MODIS PALLENTIA
MiKis Imitator Vergilius georg. i 477 et simulacra modis pal-
lentia miris Visa sub obscurum noctis Aen. 1 354 ora modis at-
tollens pcdlida miris. Alterum Vergilianum locum cum Lucre-
tiano solo conponit Macrobius Saturn. Yl 1, 49; unde coUigitur
Ennium simpliciter dixisse pallere simulacra, id vero miris
modis fieri subridens addidit Lucretius. 124 sempeb flo-
RENTis deiGaXoO?. 125 speciem figuram. laceimas ef-
FYNDERE SALSAS Eunius in Cresphonte (tr. 168 V. cf. Bent-
leius in Cic. Tusc. 1 16)' neque miserae lavere lacrimis salsis
sanguinemj Lucretius ipse infra 920 lacrimis salsis umectent
ora genasque, Deplorat autem Homerus ex inferis excitatns
miseram mortuorum condicionem, sicut ipse inOdyssea lacri-
mantes et lamentantes fecit Agamemnonis (X 391) adeoque
Achillis (X 472) umbras. 127 qyapropter ita cum igno-
retUT natura animae (112), praeter reliquas philosophicas quae-
stiones inprimis (130) animae vera natura tenenda est, ut
religionibus obsistere (109) possimus. — syperis de rebys ad
verbum vertit graecum Trepl täv M^Tewpujv, quam locutionem
plenius explicat Y 84 = yi 60 rebus in Ulis Quae supera caput
aetheriis cemuntur in oris. Pertinent autem hae quaestiones
cum ad reliquas res quae in a^re fiunt tum praecipue ad cursus
SOLis lynaeqye investigandos ; quorum caussae rationesque si
ignorantur, in antiquas homines referuntur relligiones (y 86 =
YI 62). OERANTYR adminlstrcutur, fiant. 130 in terris
res terrestres opponuntur aeriis sive superis. 131 AKIMA
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14 xxv Commentarius in Lucreti librum i
semper apud Lucretium est vis vitalis Miuxn, animvs vis ratio-
nalis XoTO^ cf. m 94 animum dico mentem quam saepe vocamus.
ANiMi NATVRA autem hoc loco et iv 121 est Xöyou oucria.
132 Videndam hoc qaoque est, quaenam sit lila res qaae cum
antea obviam facta sit nobis vigilantibus, terrificet mentes
nostras apparens nobis morbo febricaloso affectis vel alto
somno sepultis. Nam, ut iv 33 sq. 759 apertius dicit, quae in
somnis terrificant mentes, eadem sunt atque illa quae vigilan-
tibus obviam fiunt: ntraqne sant eibuüXa iila Epicarea, de
qaibus agitar in libro quarto. 135 mobte obita iteratur
bic versus integer, nisi quod quorum locum mntavit, iv 734
quorum morte obita teUus amplectitur ossa. Inde Vergilins
Aen. X 641 dixit morte obita qudlis fama est volitare figuraSj
ubi Servius: obita: sumpta suscepta completa, ut obire mu-
nu8 dicitur. Alibi mtdti mortem obeunt dixit Lucretius IV
1020, letum obire ui 1079 y 1420, denique simpliciter obire
pro mori m 1045.
V. 136 — 145 Pergit in alloquendo Memmio profiteturque
se probe scire quam difficile sit doctrinam graece ab Epicuro
traditam latino carmine conplecti, cum latinae linguae in philo-
sophicis terminis effingendis inopia, quam iterum queritur infra
831 et m 260, minime possit exaequare graecam hoc in genere
copiam. Eiusmodi excusationem co minus omittere Lucr. po-
tuit quo magis prae Graecis cognoverat Latinas litteras contemnl
a compiuribuB istius aetatis Romanis et ab" ipso Memmio, de quo
quidem haec iudicat Cicero Bruti 70, 247 C. Memmius L. f, per-
fectus lüteris sed graecis, fastidiosus sane laiinarum. Lncretianas
de patrii sermonis egestate (infra 832 et m 260) querelas repe-
tivit ipsis Lucretii verbis usus Plinius in epistula iv 18 ad Anto-
ninum data: epigrammata tua graeca,..latine aemülari et ea^rimere
temptavij in deterius tarnen, accidü hoc primum imbeciUitate in-
genii mei, deinde inopia ac potius^ ut Lucretius ait, 'egestate
patrii 8ermonis\ Idem exemplis probare vult Seneca ep. LVIII
init. Quanta verborum nobis paupertas^ immo egestas sit, numquam
magis quam hodiemo die intellexi; müle res inciderunty cum forte
de Piatone loqueremur, quae nomina desiderarent nee haberent . . .
damnabis angustias Romanos, si scieris unam syllabam esse quam
mutare non possim. Quae sit haec quaeris? tö öv. Contra tales
vituperatores defensor latinae linguae exstitit Cicero, magis qui-
dem patrii sermonis amori quam veritati obsecutus, ubi de fin.
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XXV CommentariuB in Lucreti librum i 15
I 3, 10 scribit ita sentio et sa^e disseruij latinam linguam non
modo non inopem^ tU vtdgo putarent, sed locupletiorem etiam esse
quam graecam. Circumspectias et ad veritatem accommodatius
idcm de eadem re in tertio de oratore libro L. Grassum dispu-
tantem fecit ita ut non iam eandem esse dieeret latinae atque
graecae linguae copiam, sed reddi posse, si necessariae caidam
condicioni satis fiat, e. 24, 95 pcUitur et lingua nostra et natura
rerum veterem illam exceüentemque prudentiam Graecorum ad
nostrum usum moremque transferri, sed hominibus opus est erudi-
tiSj qui adhuc in hoc quidem gener e nostri nulli fuerunt; sin quando
exstüerinif etiam Graecis erunt anteponendi.
136 NEC M£ ANIMI FALLIT at infra 922 nee me animi fallit
quam sint obscura V 97 nee me animi fallit quam res nova
miraque menti AccidcU. reperta €Öprj^aTa, inventa ; eodem
Yocabalo infra 732 Empedoclis decreta philosophica significat,
ipsius Epicuri vi 7. 136 inlvstrare clara et aperta red-
dere. 138 NOVis vebbis vocabulis inusitatis, nove fictis;
Horatins art. poet. 52 et nova fictaque nuper habebunt verba
fidem, ubi vide locos a Bentleio allatos. agendvm tractandam,
dicendum, vide sapra 111. 139 £G£8TATEM summam pe-
narlam significare et foi-tias vocabalam esse quam inopiam
loci modo ex Seneca Plinioqae adscripti probant. rervm
philosophicaram, qaae verbis significandae sunt, inter Latinos
homines novitatem, insolentiam. 140 tva virtvs et tua
SPERATA VOLVPTAS excellentia tua et voluptas, quam te ex
opere meo percepturum esse spero; Cicero ep. ad fam. Ii9,l
Primum tibi, ut debeOj gratulor laetorque cum praesenii, tum
etiam sperata tua dignitate ad Qnintum fr. l 1 c. 15, 43 simul
etiam illtid cogita, nos non de reliqua et sperata gloria iam
läborare, sed departa dimicare. 141 qvemvis me SVFFERRE
LABOREM SVAVIS AMICITIAE vcl laboriosissimum iucnndae ami-
citiae officium subire, lll 999 atque in eo semper durum suf-
ferre laborem V 1272 nee poterat pariter durum sufferre laborem.
144 PRAEPANDERE LVMINA ut V 657 Motuta per oras
Aetheris auroram differt et lumina pandü, Homerus li. P 371
Tr^TTTttTo b' aÖT^i 'HeXiou öEeia. 145 RES PENITVS OCCVL-
TAS CONVISERE res alte abditas, reconditas perscrutari, per-
lustrare, ii 357 omnia convisens oculis loca.
V. 146 — 158 A religionis igitur timore, cui Memminm una
cum ceteris hominibus obnoxium esse supra 102 — 8 dixit, nulla
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16 XXV Commentarius in Lucreti librum i
alia via liberari licet nisi per physiologiam Epicareaiu. Inde
autem quod non propter se ipsam appetendam esse dixit nata-
rae Cognitionen! sed ut eins ope terrores religionum dispelleren-
tur, discipalum agnoscimas Epicuri, qui qnidem inter 'primarias
sententias' (Kupia^ böiaq) hanc posuit apad Diog. Laert. x 142
El ixr\Qlv i\\xaq a\ irepl tujv M^Teuipiüv önouiiai i^vi&x^ouv xai a\
7rep\ GavdTou, fxr| noxe Ttpö^ fifxä? icrx . . . ., ouk Sv Tipocrebcö^eGa
(pucTioXoTioi^ : ' si nallam nobis molestiam saspiciones facerent de
rebus caelestibus {superis de rebus dixit Lacretias supra 127) et
de morte, ne forte ea ad nos pertineat^ .... non indigeremas
natarae ratione'. Eodem pertinet atqae vel magis ad Lacretii
locam illuBtrandum facit eiusdem Epicuri sententia proxime se-
quens Ouk ?iv tö qpoßou^evov Xueiv ürr^p tüjv Kupiu)TdTU)v \ii\ kqt-
cibÖTa liq i] toO ai^xiravTO^ qpticTi? dXX' unoirreuö^evöv xi tüjv
KttTci Tou? M^Gou^' &aT' OUK fjv äv€u cpuaioXoTio? dKcpaiou^ Td?
f)bovd^ dTToXaMßdveiv: 'non liceret expellere metum de gravissi-
mis rebnS; nisi pemosses qualis sit Totius natura sed suspectares
aliquid eorum quae secundum fabulas creduntur; qnare sine
naturae ratione non liceret voluptates percipere sinceras'. lUam
Epicuri qpumoXoTiav iam explicaturus Lucretius incipit v. 150 ab
eo decreto, quod graecis verbis Epicurus in epistula ad Hero-
dotum data sie expressit oubfev T^vexai ^k toO \xi\ övro? (Diog.
Laert. x 38). Hoc homines quia non perspexere, deos asciscunt
ubicumque ipsi caussas rerum Ignorant, deosque omnipotentes
etiam ex nihilo quaevis creare posse existimant, unde in religio-
nis terrores incidunt. Contra ubi iactum erit istud fundamen-
tum, nihil ex nihilo ne per deos quidem creari posse, huic fun-
damento superstrui poterit rationalis omnium rerum per caussas
suas cognitio.
146 sq. TENEBRis rcspondcnt RADii SOLIS, eosdemque so-
lares radios, ad tebrorem propulsandum respiciens, poeta
per translationem appellat tela. 148 natvbae species
(piicT€uj^ Oeujpia. ratio phüosophia, vid. supra 51. Hos
tres versus 146 — ^8 integros praeter hunc locum ter posuit Lu-
cretius II 59 III 91 VI 39. 149 cvivs (monosyllabon hie et IV
1089) rationis initium inde incipiat, quod numquam quidquam
e nihilo fit ne per divinam quidem potentiam. 150 Divi-
NITVS supra 116. 151 qvippe nam. ITA beiKTiKiS?, sie ut
ante oculos nostros positum est et supra v. 102 sqq. exposi-
tum. FORMIDO deorum et religionis. continet coercet.
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xxy Gommentarius in Lucreti librum i 17
152 TVENTVR aspiciunt. 153 opervm factorum. vtoere
perspicere inteilegere. 154 rentyr opinantnr, admixta falsi-
tatis significatione, infra 714 de phiiosophis qni quattuor ele-
menta falso stataunt dicit qui quattuor ex rehus posse omnia
rentur procrescere. Versus 153 sq. integri iterantur vi 90 sq.
155 QVAS OB RES quamobrem, quare. 156 QVOD SEQVI-
MVR quod persequiinnr, qnaerimus, in qaod tendimus, v 529
plurisgue seguor disponere causas vi 808 argenti venas aurique
secuntur. 157 vnde qveat res qvaeqve creari e qua
materia res quaeque produci, oriri possit. 158 QVO qvae-
QVE MODO FIANT qua ratione omnia rerum creatarum opera
gerantur.
V. 159—214 Nihil fieri ex nihilo cum Epicurus in epi-
stnla ad Herodotum 1. s. § 38 breviter sie probet: oub^v Tiverai
iK ToO iii\ dvTo?* Träv TÄp ^K TravTÖ? ^Twei' öv (TTrepjLidTUJv fe
ovbkv Tipoabeö^evov, sex argumenta cumulat Lucretius, quae
cuneta sie procedunt ut demonstretur adversari huic opinioni
manifestas rerum omnium proprietates, eas autem optime expli-
cari, si quamque rem e certa sna materia fieri statuamns. Et
primum quidem argumentum, quod pertinet usque ad v. 173,
nihil est nisi amplificatio verborum Epicuri quae modo adpo-
suiraus, ita quidem instituta ut ^k Trdvrujv ad solum locum*
trahatur unde res oriantur. Dicit igitur Lucretius: Si e nihilo
fieri quidquam posset, quidvis e quovis loco oriri videremus.
Atqui manifestum est uni cuique rei certum locum attributum
esse e quo solo oriatur. Ergo e nihilo fit nihil. Sin vero cer-
tis primordiis i. e. atomis omnia fieri putamus, facile explicatur
cur e certo loco res quaeque oriatur: nimirum inde oritur, ubi
certa cuiusque rei primordia Insunt.
159 DE NIHILO ... EX OMNIBVS consulto variat praeposi-
tionem; nam nihil de nulla materia (180. 191. 205) fieri pro-
baturus est inde, quod tum omnia ex omnibus rebus prodire
deberent. 160 NASGl partu edi sive, ut ipse infra 170 apertius
et plenius dicit, enasci atque in luminis oras exire. NIL se-
hine E6ERET nequaquam omni generi opus esset certa mate-
ria, ut Epicurus snpra aTrep^dTUiv t€ oubfev Trpocrbeöpevov;
Lncr. n 650 natura deum , , .nü indiga nostri m 44 nee pro-
8um quicquam nostrae raiionis egere. 161 primvm ttpuitov
M^v, omissis reliquis enumerandi particulis. 164 ingerto
PARTV promiscue ferae mansuetas pecudes et mansuetae feras
Bernays, ges. Abhandl. U. 2
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16 XXV Commentarius in Lucreti librum t
parerent, quo fieret ut ferae aeque ac mausaetae tarn in agris
cultis quam in desertis solitudinibus inyenirentnr. tenebent
KaT^Xoi€v. 165 CONSTARE arbores non constanter eosdem
fructas ferre solerent; infra 588 nee commutatur quicquanif
quin omnia constent. 166 alterum hemisticbium Vergilius
sustulit georg. II 109 nee vero terrae ferre omnes omnia
possunt. 167 QVIPPE nam. VBi cum. genitalu COR-
PORA vide supra 58. 168 QVi quo modo. MATER sie per
translationem appellat locum e quo res quaeque partu editur;
similiter ii 707 sq. omnia quando Seminihtis eertis certa gene-
triee ereata. CONSISTERE constanter permanere. 169 AT
NVNC at secundum id quod verum est, nimirum secundum
Epicuri doctrinam. seminibvs certis atomis (vide supra 59)
certa figura praeditis« 170 ORAS in lvminis vide supra 22.
171 MATERIES . . . CORPORA PRIMA utraque appellatione sig-
nificantur atomi, vide supra 58 et 61. 172 HAC RE prop-
terea. GiGNi partu edi. 173 secreta facvltas oiKcia
bOvajLxi^; propria quaedam et a reliquis diversa vis certas
quasdam atomos continendi et res talibus atomis constantes
producendi.
V. 174 — 191 Absolute argumento quod ad locum na-
scendi spectabat, proxima duo argumenta repetit a tempore et
nascendi ( — 183) et Crescendi ( — 191). Herum prius, quod ad
nascendi tempus pertinet, sie procedit: Si e confluxu atomo-
rum res fieri putamus, apparet cur varia plantarum frugumque
genera non nisi statis fixisque anni temporibus e terra oriantur.
Nimirum certae atomi suum quaeque tempus confluendo idoneum
expectant. At vero si res e nihilo fierent, nil obstaret quomi-
nus ordo mutaretur et autumnalia frugum genera verno tempore
exorirentur, verni flores autumno.
174 CALORE aestate. 175 fvndi produci, infra 351
creseunt arbusta et fetus in tempore fundunt v 823 terra . . .
animäl prope eerto tempore fudit Omne 917 tempore quo pri-
mum tellus animdlia fudit, AVTVMNO SVADENTE inpulsu,
vi autumnalis temporis; similiter dicit vi 1282 muitaquc.pau-
pertas horrida suasit aut V 672 in certo dentes cadere imperat
aetas Tempore, Vergilius Aen. ii 9 suade^Uque cadenüa sidera
somnos ix 340 suadet enim vesana fames. 177 patefit re-
cluditur, apparet. 178 tempestates dbpai. adsvnt üa-
vent. VIVIDA vegeta, fecunda; Ovid. fast. lli 238 vividaque
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X3LV Commentarius in Lucreti librum t 19
in ienero palmite gemma turnet, 179 tvto ab iniquis tem-
pestatibus, Verg. georg. ii 332 inque novos soles audent se ger^
fnina tuto credere. RES teneras molles, quippe quae modo
natae sint, in 447 nam velut infirtno pueri teneroque vagantur
Corpore. LVMINIS ORAS vide supra 22. 180 svbito inopinato.
EXORERENTVR non quadraret in hexametrum exorirentuTj sie
II 507 exoreretur. 181 incerto spatio incerto tempore,
infra 234 quodsi in eo spatio atque ante acta aäate fuere n 78
inque hrevi spatio mutantur saecla animantum iv 1285 et 1287
longo in spatio V 827 mulier spatio defessa vetusto. AUENIS
non suis, ita nt quae nunc autumno proveniant verno tempore
oriantur, verna autem aatumno. 182 qvippe vbi nvlla
FORENT PRIMORDIA &T€ bi\ OÖb€|LllULlV OUCTUIV dpXÄV dlÖjitüV.
GENITALI CONCILIO TÖvifio? auYKpKTi?, talis coagmentatio
atomorum qualis apU est ad res gignendas. Per totam autem
Carmen concilium dicit Lucretius artissimam illam atomorum
coniunctionem quam aiJTKpiaiv appellavit Epicurus, cui oppo-
nitur discidium bi&Kp\a\z l 484 n 120.
V. 184— -191 Tertium argumentum a Crescendi tempore
repetitur sie: Si res e nulla materia existerent, multo magis
sine materiae accessione crescerent exstantes. Tum vero rebus
ad crescendum haudquaquam opus esset certo temporis spatio.
Atqui tale spatium ad crescendum requiri manifeste videmus.
Goncludimus ergo non posse res fieri e nihilo. — Contra si e
certarum atomorum coagmentatione res fieri putamus, incrementa
quoque rerum fieri putandum est per alias eiusdem generis ato-
mos quae ad iam coagmentatas accedunt. Paulatim vero acce-
dunt hae atomi, quare non subito sed certo temporis spatio au-
gentur res.
184 AVGENBis .... 185 coiTYM ad augmenta rerum non
opus esset temporis spatio, quod e nostra sententia sane ne-
cessarium est, nimirum ut in eo coeant atomi sive semina nova
cum atomis pridem cohaerentibus. Anticipando enim poeta
statim in refutandis adversariis suam ipsius sententiam signifi-
cat. Prorsns similis est et quod ad anticipationem et quod
ad vocabula foret usus attinet locus qui infra legitur 219 sq.
188 QVANDO quando quidem. 189 pavlatim crescvnt
quo modo, nimirum paulatim, consentaneum est crescere ea,
quae certis atomis sive certo semine accedente crescunt.
190 RESQYE GENVS SERVANT per accessioncs atomorum non
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120 XXV Commentarias in Lucreti librum t
immutatar genus sive natura rerum crescentiam, sed res cre-
scens conservat idem genus in quo inde a primo ortu erat
Unde cognosci potest, atomos accedentes, quae iucrementum
rei efficiunt, eiusdem formae esse atque eas atomos, quibns ab
initio res creata constabat, sive omnem rem de sya propria
MATERIA et GRANPESCERE augeri, crescere et ALI. Eandem
quaestionem de atomis aecedentibusuberiastractatn700 — 717
ibique 709 leguntur haec : erecUa Conservare genas crescentia
passe videmus.
V. 192—198 Quartum argumentum repetitur a certae ma-
teriae accessione, quam necessariam esse videmus, ut ex rebus
pridem creatis novae res producantur. Velut nisi vemus imber
terram irrigat, haud proveniunt plantae frugesve; nisi homo eibo
yescitur, alium hominem generare nequit, immo ne ipse quidem
suam vitam sustentare potest. Quare cum res iam creatae alias
res producere nequeant sine novae materiae accessione, multo
minus ipsae primitus res sine uUa materia sive e nihilo creari
potuerunt. — Qnod vero ad atomorum doctrinam spectat, inde
quod per imbrem plantae et fruges e terra exoriantur, coUigere
licet inesse in imbre atomos quasdam eiusdem generis cuius sunt
atomi plantarnm frngumque. Item cuinsque rei alimentum aliquas
atomos habet cum ista re communes, quamvis tota res et totum
alimentum multum inter se discrepent. Sicnt vocabula quantum-
vis varia sint, tamen aliquas litteras communes habere possunt.
192 CERTis IMBRIBVS ANNi imbrcs qui certis anni tempo-
ribus fiunt. 193 fetvs hie et infra 209 sunt fruges plantae-
que, cpirrd. — svbmittere producere, vide supra 7. — 194
secreta cibo sive, ut ipse infra 1038 dicit, privata cibo NA-
TVRA animantvm: hic et infra 1088 significat totum genus re-
rum naturalium quod animantes {l^a) complectitur. Eadem
significatione dixit infra 1083 gens animantum ll 1063 generis-
que animantum^ infra 227 animoLe genus. 195 yitamque
suam TVERi conservare. 196 VT : his consideratis adduceris
ut putes potius multa corpora sive atomos communia esse
multis rebus, quam ut putes rem ullam creari posse sine PRIN-
ClPllS dpxms, corporibus primis, atomis. 197 VT VERBIS
ELEMENTA YiDEMYS sicut multis vocabuHs casdcm litteras
communes esse videmus. Uberius persequitur hanc atomorum
litterarumque similitudinem II 688—699, quaestionesqne quae
ad cibum (Tpocprjv) pertinent tangit n 879 iv 633.
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XXV Gommentarias in Lucreti librum i 21
V. 199 — 207 Quintum argamentum a definitis fixisqae
reram qaalitatibus repetitar. Si o nihilo fierent omnia, homines
qaoque e nihilo fierent Tum vero nihil obstaret qaominus ho-
minum proprietates natura mutaret et aliquando homines pro-
dueeret tanta corporis proceritate insignes ut pedibus medium
mare incolumes transire, porro taniis manuum viribus instructos
ut magnos montes manibus divellere possent, denique tam vi-
vaces ut longe ultra consuetum humanae aetatis terminum vi-
vendo progrederentur. Tales autem homines numquam exstiterunt.
Nam quae de Gigantibus, Oto et Ephialte, Gyclopibus, aliis mirae
magnitudinis mirarumque virium hominibus narrantnr, ea omnia
EpicureuB Lucretius hoc loco reicit tacitus neque minus confi-
denter quam dedita opere Gentauros et Ghimaeras explodit y
878—924. Qnare cum certarum legum finibus circumscripta sit
et hominis et cuiusque rei creatae potestas, explicandae sunt
fixae illae atque statutae rerum creatarnm leges per certas pro-
prietates eins materiae, unde res quaeque creatur. Ergo e certa
materia res creantur neque finnt e nihilo.
199 TANTOS tanta corporis magnitudine praeditos. PA-
RABE compararC) producere, xaTacTKeudZieiV) infra 551 si nüllam
finem natura parasset Frangendis rebus 1008 ipsa modum porro
sUn rerum summa parare Ne possü. 200 pedibus tielol
PEB VADA per ipsos nndarum fluctus, per medium mare
transeuntes, non littus legentes. Vada enim hoc loco non sunt
brevia maris sed altnm mare, ut apud Horatium carm. i 3, 24
non tangenda rotes transiliunt vada. 201 tranbibe ^qualis
fingitnr Polyphemns a Vergilio Aen. m 664 graditurque per
aequor lam medium necdum fluctus latera ardua tinxit* Lam-
BINYS. Eiusmodi Gigantenm maris transgressum iterum de-
scribit Lucretius v 913, ubi negat umqnam hominem tanto
membrorum esse impete natum, Trans maria aüa pedum nisus
ut ponere posset. diyellere montis quod facit qnidem
Polyphemns apud Homerom i 481 f)K€ b' änoppirjSa^ Kopucpfjv
6p€oc )Li€T<iXoio. Eandem manuum vim per exaggerationem
adeo maiorem significat Lucretius loco cognato v 915 et ma-
nibus totum drcuim se vertere cadum. 202 VITAIIA saecla
saecula aetatis humanae, ut m 948 omnia si pergas vivendo
vincere saecla 1090 lic^ quotvis vivendo condere saecla. His
tribns locis saedum solam temporis significationem admittit,
cum alias gener is significatio obtineat, vide supra 20. 203
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22 XXV Gommentarius in Lucreti librum i
KEDDITA data, attribnta; infra 577 si ntdlast frangendis reddita
finis corporibus II 64 qmegpie sit ollis reddita mobilüas et pas-
Bim ; in Verg. Aen. Ill 333 regnorum reddita cessit Fars Helena
Servius adnotavit 'reddita more veteri pro data accipiendnm,
BE ergo abundat. Ennins in annalibas [59 V.] ut lUa reddita
nuptum\ 204 E QVA constat qvid possit oriri e qua
materia quid oriri possit certum definitumque est; m 794 quod
quoniam nostrQ quoque constat corpore certum iv 1078 nee con-
stat quid primum oculis manibusque fruantur.
V. 208 — 214 Sextum argumentum minus late patet quam
quinque priora, ideoque postremum positum esse videtur quasi
coroUarii loco. Spectat enim ad solam agriculturam atque ad
plantarum frugumque atomos. Has atomos in terrae solo con-
tineri antequam ipsae plantae frugesque prodeant, conclndit
poeta ex utiiitate arationis et repastinationis, quibus nihil aliud
efSci putat nisi ut plantarum frugumque atomi antea in terrae
solo dispersae atque abditae in unum locnm cogantur et in lu-
cem protrudantur. Oriuntur igitur plantae frugesque non e ni-
hilo sed ex atomis certis.
209 MANIBVS manuum labori. FETVS fruges, vide supra
193. 210 VIDELICET videre licet. 211 qvae nos pecvn-
DA8 mutatis duobus prioribus vocabulis hie versiculus et pro-
ximus integer iterantur v 210, 211. 212 CIMVS AD ORTVS
ciemus, elicimus ut exoriantur. 213 si nylla primordia
rerum, atomi forent.
V. 215 — 264 Postquam probavit e nihilo fieri nihil, sed
ex atomorum coagmentatione creari omnia, alteram poeta aggre-
ditur argumentationem, qua ostendere conatur, quaecumque mori
et interire dicantur, dissoluto tantum atomorum nexu in suas
quaeque atomos abire, has autem atomos permanere aeternas,
nihil igitur penitus perimi sive ad nihilum reduci. Id ut
pervinceret, tria argumenta iusta ratiocinandi forma instruxit
(217—249) hisque addidit quartum (250—264) laxiere vinculo
astrictum. Priora autem tria, aeque atque ea argumenta quibus
nihil fieri e nihilo supra 159 — 214 ostensum est, cuncta sie for-
mantur ut appareat manifestas rerum vel exstantium vel pereun-
tium naturas explicari nequaquam posse, si quidquam penitus
perimi statuas, optime vero omnium difficultatum rationem reddi,
si mortem atque interitum ad meram aetemarum atomorum disso-
lutionem revocemus. Ac primum quidem argumentum (217—224)
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xxy Commentarios in Lucreti librum i 23
repetitnr a spatio teniporis, quod ad rei cuiusqne interi-
tum requiri videmus. Hoc spatium non esset necessariam, si
pereinptio fieret cunctis partibus ad nihilam redactis. Talis enim
peremptio non minus fieri posset subito quam pauUatim. Neque
enim intellegitar quare peremptricium virium efiicacitas per tem-
poris spatium extendatur. Videremus igitur res prorsus exstinc-
tas subito ex oculis nostris evanescere, nullis reliquiis supersti-
tibus. Contra si mors atque interitus sola aeternarum atomorum
dissolutione constat neque exstant omnino peremptrices vires
sed dissolutrices tantum, apparet talem mechanice dissolvendi
operam non absolvi nisi sensim ac pedetemptim; ideoque nil
repente evaneseit sed paullatim omnia.
215 IK SYA CORPORA in atomos suas, quibus quidque con-
stat. 217 E CVNCTIS PARTIBVS öXu)?. 219, 220 Neque
enim ad peremptionem attinebat talem adesse vim, cnius effi-
cacia in dissolvendo cernatur, vide supra 185. partibvs
atomis conexis £iys rei disgidivm bidKpimv (vide supra 182)
PARERE afferre posset NEXVS exsolvere dcpd^ ^kXüciv.
221 QVOD NVNC vOv bi, at secundum Epicuream doctrinam,
vide supra 82 quod contra. 222 OBnx ut infra 247 oheat^
obviam venit. diverberET significat duos primarios disso-
lutionis modos, quorum unus extrinsecus fit per ICTVM sive
plagam ttXtitiiv quae rem divellit, alter intrinsecus, vi disso-
lutrice in ipsam rem per inania i. e. porös vacuos (356) pe-
netrante atque deinde rem dissolvente. Apertius hos duos
modos distinxit infra 528 haec (solida corpora, atomi) neqtie
dissolvi plagis extrinsecus icta Possunt nee porro penitus pene-
trata retexi v 351 guaecumque manent aeterna necessust Aut,
quia sunt solido cum corpore, respuere ictus Nee penetrare pati
sibi quiequam quod queat artas Dissodare intus partes. 224 Nul-
lius rei exitium animadverti leges naturae patiuntur vel per-
mittnnt (264).
V. 225 — 237 Secundum argumentum ex ipsa rerum ob-
viarum praesentia aetemitatem atomorum concludit indeque
probari vult interitum nil esse nisi dissolutionem. Quod quidem
brevissime adumbravit Epicurus in epistula ad Herodotum data
ap. Diog. L. X 39 el dcpGeipeto tö dcpaviJö^ievov €l? tö \Jii\ öv,
ndvra dv diroXiIiXci xd TrpdTMaxa, ouk övtwv cl? d bieXuexo : 'Si
id quod e conspectu amovetur penitus ad nihilum redigeretur,
omnes res periissent, cum nulla essent (corpora) in quae res
Digiti
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24 XXV GonunentariuB in Lucreti librum i
dissolverentur'. Plenior Lucretii ratiocinatio sie institaitur: Si
rebus pereuntibas omnis quoque materies rernm eoosumeretur,
iam pridem, cum per tot saeculorum praeteritoram multitudinem
eiasmodi consumptio facta esset, ipsa mundi materies defecisset
neque quicquam restaret, nnde res, quas ante ocalos positas vi-
demus, animantes, maria, ignea sidernm corpora, reficerentar.
Quodsi semper per saecula praeterita materies praesto fuit, qua
singalae res reficerentar, concedere debes illam materiem im-
mortalem atque aeternam esse, qnippe quae per infinitam prae-
teritam aetatem permanserit. Omnes igitur res, qaotlibet sunt,
ad nihilum redigi nequeunt ; singulae enim quaeque constant ex
aetema illa materie.
225 VETVSTATE AMOVET AETA8 tempus amovet res quae
yetustae ac seniles factae sunt, vi 553 gUha vetustate e
terra provolvitur ingens. Consulto autem amovendi voca-
bulo usus est, quod graeco d(pavi2:eiv (yide Epicuri verba
modo allata) respondet, ut materiae consumptionem excluderet
et res non nisi e conspectu semoveri significaret. 226 pe-
EEMIT perimit (v 216 stsbiti peremunt inibris), ad nihilum re-
digit. 227 Yi^DE e quanam materia. anbiale genvs
totum animantium genus, yide supra 194. genebatbc xaTd
T^vn, vide supra 20. 228 eeddvcit et reddvctvm ut iv
992 redducufU v 1337 reddueere. VENVS vide supra ad 1—49.
DAEDALA TELLVS vide supra 7. 230 E quanam materia
fontes marini et flumina extrinsecus in mare exeuntia aquam
subministrant mari? INGENYEI F0KTE8 enim sunt fontes
indigenae, in ipso maris fundo scatentes, quos vi 613 signifi-
cat, ubi postquam flumina in mare exeuntia et imbres enume-
ravit sie pergit adde suos fontes^ et n 590 unde mare immen-
sum volventes frigora fontes Ädsidue renovetU. Fontes autem
exstare maris vetusta fuit opinio Graecorum et poetarum, ut
Hesiodi Theog. 282 Pindari fr. 30, 2 Bergk., et philosophorum,
quos Aristoteles inpugnat meteorol. n 1 p. 353 » 34 ol \xlv ouv
dpxaioi Kai biarplßovTe? irepl rd^ GeoXoTia? TTOioOmv aurfl^ {Tf\q
OaXdirri^) nryf&q 354 • 32 öti ixiv oöv oöxe iniTd? olöv x' etvai
TTi^ OaXdTTTi^ ktX. Iam huic ingentuie sive nativae aquae —
auGiTevfe^ vd^a dixit Dionysius Halicarnassensis antiquit. Rom.
1 15 — Lucretius adventiciam aquam opponit ab externis
fluminibns in mare devectam. 231 LABGE syppeditant infra
1031 rfficit td largis avidum mare fluminis undis Integrent
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zxv Gommentarius in Lucreti libmm i 25
amnes v 233 quando omnibus omnia large TeUus ipsa parit.
VNDE AETHEB SIDERA PASGIT 6 quanam materia caelam side-
ribas ignem sappeditat, quo sastentantur ? Aluntar enim sidera
secundam Lucretium ignibus nndecumque in caelum confluen-
tibas (cf. V 597 sq.); infra 1090 et solis ftammam per caeli
caertUa pasci v 525 flarnmea per eadum pascentis corpora pas-
sim. 233 A£TAS ANTE ACTA tempus praeteritam. Ä^s
autem tempus dicitar rerum in tempore exstantium ratione
habita, fiXiKia; dies est tempus per se speetatum, XP<^vo^.
CONSVMPSE consumpsisse ut v 1159 protraxe. 234 spatio
tempore, vide supra 181. fvebe corpora E qyibys haec
rerum universitas (tö ttSv) redintegrata constat. 236 Aetema
natura praedita sunt corpora illa res redintegrantia. cebte
nimirum, briXovÖTi. 237 Singula quaeque igitur nequeunt in
nibilum redigi.
V. 238 — 249 Tertium argumentum ad similitudinem primi
(217—224) conformatur. lUud enim cum eo nitatur quod tem-
poris quo res pereant yel brevioris vel longioris discrimen
explieari nequeat, si ipsam materiem perimi statuas, similiter
hoc tertium argumentum versatur in discrimine virium vel
fortiorum yel imbecilliorum quae singulas res pessumdant. Nam
si exstare vires peremptrices putaveris, nullam excogitare po-
teris caussam, cur magis peremptrix haec sit vis quam illa; de-
beret igitur quaevis res per quamvis yim perimi. Contra si
atomorum doctrinam accipis negasque uUas exstare vires per-
emptrices sed dissolutrices tantum admittis, facile ratio redditur,
cur aliae res nisi per fortiorem vim non dissolvantur, aliae etiam
per imbecilliorem. Nimirum varius est in variis rebus aetema-
rum atomorum nexus. Laxior igitur nexus per imbecilliorem
vim dissolvitur, artior requirit fortiorem. Ergo interitus rerum
ad solam dissolutionem atomorum redit, neque ulla res ad nibi-
lum redigitur.
238 EADEM VIS quaelibet vis. VOLGO passim, promiscue,
nuUo discrimine, n 215 cadit in terras vis flarnmea volgo Verg.
ecl. lY 25 Ässyrium volgo nascetur amonmm. 239 CONFI-
ceret penitns perimeret, bidqpOeipev fiv: n 1002 nee sie in-
teremit mors res, ut materiai Corpora confidat, sed coetum
dissupat oUis. teneret res, contineret, auveixe: ii 529 cor-
puscida materiai Ex infinito summam rerum usque tenere.
240 Ipsa materies, sive atomi, in variis rebus vel artiore vel
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26 zxv Commentarius in Lucreti librum i
laxiore vinculo inter se conectitur. indvpedita vide supra
82. 241 Ne ictus quidem necessarias esset, sed vel lenissi-
mus TAarvs canssa esset safficiens ad reram interitom. leti
interitus, ut V 373 haud igitur leti praedusa est ianua cado.
242, 3 quippe cum secundum adversariorum opinionem nnlla
exstarent corpnscala aeterno corpore sive aeternitate praedita,
qaorum corposcaloram contextum vis quaeqae obvenieiis dis-
solvere deberet, ut res periret. QVIPPE VBi vide supra 182.
244 AT NVNC secundum Epicuri doctrinam. 246 DVM do-
nec obeat vis satis yalida ad conexum cuiusque rei periturae
dissolvendum. SATIS ACRIS REPEETA ut vi 5 virum cum tcii
corde repertum. 247 pro textvra secundum rationem tex-
turae vel artioris vel laxioris. 249 DISCIDIO vide supra 182.
V. 250 — 264 Dlsputationem claudit rerum pereuntium na-
scentiumque vices ita describendo, ut appareat ad novae rei
materiam accedere quicquid de vetustae rei materia decedat,
nuUam igitur materiae particulam penitus consumi sed mutato
pristino loco aliorsum converti quicquid periisse videatur. Sic
imbris guttae a terra absorptae videntur quidem periisse, sed
re Vera in plantas arbores fruges convertuntur. Hae porro
fruges amoventur quidem, dum eis homines ceteraeque animantes
vescuntur; at illarum alimento incrementa capiunt homines ani-
mantesque (supra 192 — 8). Omnia igitur pereundo servaniur, ut
acute dixit TertuUianus apologet c. 48, neque quicquam redit
ad nihilum. — lam quo magis in hac atomorum metamorphosi
describenda poeta strictae ratiocinationis vineula excussit, eo
liberius poetico ingenio suo indulsit neque tarnen eins opes ita
hoc loco exhausit, quin n 991 — 1009 prorsus idem argumentum
alio neque minus splendido omatu instruere valeret Utrobique
autem ad philosophiae suae usum accommodat (vide supra 1—49)
sacrum illud Caeli Terraeque coniugium (Upöv T<i^ov), cuius tot
gravissimae partes sunt in Graecorum et mythis et mysteriis.
In eo autem depingendo cum primarii poetae Graeci certatim
elaboraverint, praeter ceteros operae pretium est ut cum Lucretio
conparentur Aeschylus et Euripides, quorum fragmenta iuxta
ponuntur ab Athenaeo xni p. 600 \ Ibi primum longior locus
ex Oedipo Euripidea [fr. 890 Nauckii] depromptus (vid. Valcke-
narii diatr. in Euripidis fragm. c. Vi p. 51) finitur sie: £pqi ^^v
öfxßpou Tai', ÖTav Hnpov nibov "ÄKapTtov auxm?> voxibo^ dvbeuj^
Ixq ' 'Epqi b' 6 aeixvö(; Oupavö^ 7rXiipouM€vo? "O^ißpou iteaeTv i<;
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xxv Gommentarius in Lucreti libram i 27
faiav 'AqppobiTii^ öuo. "Orav be au^^iixOfiTov iq rauröv buo,
OuoucTiv fmiv Trdvra KdKxp^tpoua' ä^a, "Oöev ßpöxeiov Zij tc Kai
GdXXei T^vo^. deinde pergit Athenaeus sie: Kai 6 ae^vÖTaro^ V
Maxv\o<; dv rai^ Aavaiaiv (fr, 45 Hermanni 43 N.) aurfjv irapaTei
Tf|v 'AqppobiTiiv X^ToiwTav 'Epqi \xkv &Vf6<; Oupavö^ Tp&aai
XG6va, ''Epuj^ bk faiav XajJißdvci tdliou Tuxeiv "O^ßpo^ b' dir'
eövdevTo^ OöpavoO ueaibv ''EKuae faiav f\ bk xiKTexai ßporoT^
MrjXuJV xe ßoaKd^ Kai ßiov AimriTpioV Aevbp&Ti^ dipa b' Ik vo-
tKovto^ Td^ou T Aeiö^ dari * Tiövb' drib irapaiTio^. Neque minus
huc pertinet clausula fragmenti e cantico Ghrysippi Euripideae
infra ad n 991 ascribendi [fr. 836 Nauck.] evrjaKei b' oibkv täv
TiTVo^dvujv biaKpivöjaevov b' äXXo irpö^ fiXXtp [vide quae Ber-
naysius adnotavit ad Philon. it. d(p8ap(Tia^ köcTjugu p. 63] jLiop(pf|v
Ibiav dirdbeiHev.
251 IN GREMIVM Verg. georg. n 325 tum pater omnipotens
fecundis ifhbrü}us Aether Goniugis in gremium laetae descen-
dU et omnes Magnus alit, magno commixtus corpore^ fetus.
253 CRESCVNT IFSAE arbores dum longiores fiunt simulque
onerantur fructibus. Gave autem ne ipsae hoc loco ita acci-
pias ut idem sit quod sponte sua ; id enim pugnaret cum nni-
versa Lucretii sententia, secundum quam non sponte sua sed
atomorum per imbres accessione arbores crescunt fructusque
proveniunt. ipsae igitur hoc loco fortioris demonstrationis vice
fungitur idemque est quod ülae ipsae, vide n 886 quid id est,
animum quod percutit, ipsum Quod movet et v 1009. fetvqve
vide supra 193. 255 hing ope frugum, quae in alimentum
consumuntur. 256 NOYIS nuper natis. canere resonare.
257 FESSAE . . . PIKGVI fatigati onere pinguedinis, adipis
suae, ut Vergilius dixit georg. m 124 denso distendere pin-
gui. 259 vbeeibvs — distentis tam plenis ut turgescant,
Verg. ecl. iv 21 ipsae lade domum referent distenta capdlae
JJbera Horat. serm. 1 1, HO quodque cdiena capeUa gerat dt-
stentius über. 260 abtybys infibmis membris teneris,
nondum robustis, m 447 inßrmo pueri teneroque vagantur
Gorpore, 260 LAScrvA aKipiiöaa. 261 lagte mebo quasi
vino inebriantur. mentes noyellas mentes iuveniles,
Ovidius art. am. 1 118 tdque fugit visos agna noveUa lupos.
262 QVAE GVMQVE VIDENTVB pcrire. 263 QVANDO siqui-
dem. ALID EX ALIO ii dXXrjXuüv; aliud ex ciio cum non qua-
dret in hexametrum, hie et infra 1115 v 1305, 1456 antiqniore
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28 xxv GommentariuB in Lucreti librum i
forma uiitar. 264 patityb vide sapra 224. nisi mobte
sive interitu alias rei adiavetar Datara in alia re nova pro-
creanda.
V. 265 — 328 Cum nihil e nihilo fieri nihilque in nihilnm
reverti ea via probaverit Lncretius ut per singula argumenta
non magis adversariomm opinio refutaretnr quam atomomm doc-
trina stabiliretur, in eo ipso ut exstare atomos ostenderet haad
longins immorandnm sibi esse ratus statim transit poeta ad eam
difficnltatem removendam, qua praecipue Memmium ceterosque
lectores impeditum iri putat, quo minus atomos, quales ipse dicit,
exstare credant Etenim cum vires quascumque oculis cemi
non posse facile yel alienissimus a reconditiore philosophia ad-
mittat, tamen corpora ut omnem oculorum aciem effugere
credant aegerrime homines adducuntur. Indiyidua autem cor-
pora Epicureae doctrinae nemo umquam oculis usurpavit, neque
posse oculis usurpari ipse Epicurus professus est, qui quidem
apud Diog. L. x 44 concedit oöb^TTore äTOjUO^ i&cpGii a\aBr\ae\ et
ib. 56 önMx; fiv t^voito bpaii] öto^o^, ouk fötiv dTrivoflcyai at-
que secundum Plutarchum personatum Plac. philos. i 3, 25 ato-
mos dixit adjixaja Xöinv ^^ujpTiTd i. e. corpora quae non nisi
mentis acie conspici possunt, sive ut Lucretius hanc graecam
locntionem latinam fecit v 149, quae animi mente videntur. Quare
demonstrare Lucretius conatur, praeter atomos, quae sunt rerum
primordia, etiam inter genitas res reperiri multas, quae primo
quidem aspectu vires esse videntur, reapse autem sunt corpora
invisibilia (265 — 270). lam primum exemplum suppeditat venti
vis, quae secundum vulgarem opinionem longe remota est a
corporea natura. Verum cum ventus eadem quae amnis abun-
dans efficiat et amnis natura manifeste corporea sit, ex effectuum
similitudine similitudinem caussarum concludi vult poeta et ven-
tum aeque ätque amnem corporibus constare quantumvis invisi-
bilibus (271 — 297). — Argumentum huius Lucretiani loci Servius
in georg. rv 219 sie exposuit: 'Ut autem hoc (i.e. apes partem
habere divinitatis) exemplis i. e. rebus similibus comprobaret,
Lucretinm secutus est (Vergilius): qui dicit {an docet?) eaquae
inter (nonne per?) se probare non possumus, a similibus com-
probanda ; ventum namque docet esse corporalem, non quod cum
.teuere vel cernere possumus, sed quod eins similis atque aquae
effectus est, quam corporalem esse manifestum est'.
268 QVOD propterea quod. 269 Audi, quae corpora
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XXY Commentarius in Lncreti librum i 29
praeter atomos, quae sunt primordia rerum, tibi ipsi, Memmi,
qui nondum doctrinae nostrae assentiris, inter res genitas ex-
stare quidem neque tarnen oculis cemi posse credenda sint.
270 IN REBVS genitis, quae opponuntur rerum primordiis
(268). 271 PRINCIPIO primam, cui respondet tum porro
V. 298. 272 RVIT proruit, protrudit, evertit ; vide infra 289,
292 et VI 726 cum mare permotum ventis ruit itUus harenam.
DIFFERT disiicit disBupat, vi 690 hngeque faviUam differt.
274 STEBNIT constemit, conspergit campos quos percurrit,
n 626 aere atque argenio stemunt Her omne viarum. MON-
TISQYE SYPREMOS samma montiam cacnmina quae silyis ob-
sita sunt 276 minaci myrmyre cf. vi 196 venti . . . magno
indignantur murmure clausi Nubibus^ in caveisque ferarum
mare minantuTy Nunc hinc nunc fflinc fremitus per nubiia
mütuntj qui locus irapäXXnXo^ coniecturam ventus pro eo
quod in codicibns est pontus extra omnem controversiam po-
nit 277 CAECA invisibilia. 280 flwnt feruntur illa
Corpora invisibilia ventornm. Consnlto auteni fluendi vocabnlo
ntitnr, ut conparationi cum amni statim instituendae quasi
praelndat. propagant late edunt. 281 et cym coniun-
gendum cum versn proximo snperiore sie: non älia ratione
fiuunl quam cum fertur, cf. Y 1082 volucres . . . longe alias alio
iaciunt in tempore voceSj Et cum de victu certant. mollis
AQYAE NATYRA aqua quae secundum indolem snam mobilis at-
que Yolubilis est et tantillo momine flutat (m 189). 282 fly-
BONE ABYNDANTI ^CU^ttTl TlXTmjJlUpoOvTl. LARGI8 IMBRIBY8
ubi multi imbres cecidere, torrentes (xei^appoi) de montibns
deflnentes conplentur, hique in amnem exeuntes cum augent
atque abundare faciunt. 283 magnys decyrsys aqyai
ut Y 268 magnus decursus aquarum 946 moniibus e magnis de-
cursus aquai Yl 609 tantus decursus aquarum. 286 MAGNO
TYRBiDYS IMBRI AMNIS color amnis alias pellucidus imbrium
per torrentes delatorum influxu turbatur atque obscuratur.
287 MOLIBYS pontium. 288 dat sonity magno stra-
GEM cum magno fragore dirumpit atque prosternit pontes.
289 SAXA a pontibus dirnptis avulsa asportat secum amnis et
provolvit sub undis. ryynt qyae quae saxa proruunt (vide
supra 272) quicquid obyiam stat undis. 294 portant secum
per aerem, lY 448 per caelum cum venti nubila portant Yi 190
nübüa portabunt venti transversa per auras. 296 FACns ET
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dO xxy Commentarius in Lucreti librum i
MOBIBYS effectu et efficiendi modis, Tpöiroi^. aemyla pa-
rilia, similia. 297 invenivntvr deprehenduntur. aperto
visibili.
V. 298 — 304 Secundum exemplam invisibilium corporum
a sensibng olfaciendi tangendi audiendi repetitar, qai quidem
sensus secundam vulgarem opinionem ad vires quasdam refe-
runtur sive hominis sentientis sive rei sensnm efficientis. At cum
sensuum sedes, nares cutis aures, in sentiendi actu percellantur,
ergo etiam tangantur, tangere antem nil possit nisi corpus, se-
quitur nequaquam per nndas vires sed per corpora invisibilia
sensus excitari. lam e variis quae sensus afficiunt rebus cor-
porea quaedam effluvia emitti, quae in sensuum sedes penetrent,
Epicnrus in epistula ad Herodotum breviter dixit ap. Diog. Laert.
X 53 T?|v d(yju?|v vojAKTT^ov djcTirep Kai t#|v &Koi\v oök äv ttotc
irdOo^ oöötv ipyaaaaQai, el iii\ ötkoi tiv^^ f\(Sav ättö toO TrpÄt-
jLiaTO^ dTTOcpepöjaevoi a\)\x\xeTpo\ npö^ tö toOto tö alaOiiTripiov
Kivetv : 'credendum est odoratum non magis quam auditum uUnm
efficere posse affectum, nisi essent volubilia quaedam corpuscula
quae e re sensum efficiente emitterentur apta ad hanc sensus
sedem commovendam*. Uberius eandem sensuum doctrinam ex-
ponit Lucretius de auditu agens rv 523 — ^614, de gustatu 615 —
670, de olfactu 673 — 705. Neque minus ipse visus ad imaginem
quandam corpoream a re visa emissam refertur rv 42—109.
300 AESTVS TTvitn. TVIMVR cemimus; Festus p. 355^ 1
Mnell. 'Tuor video, tueor defendo . . . sed iani promiscue
utuntur'. Lucretius autem tut cum sola videndi significatione
posuit, ttieri et cum videndi et cum defendendi (supra 195,
v 74, 1408) significatione. 301 vsvkpajeie ocvlis videndo
animadvertere, iv 975 destiterunt ea sensilms usurpare. 303
8ENSV8 IMPELLERE scusuum scdcs commovcre, quod Epicurus
loco modo ascripto dixit tö alaGTiTrjpiov KiveTv. Sin vero 8EN-
svs ita accipis ut sit aXaQr\a\q, tota corruit argumentatio. Co-
actus autem est Lucretius uno sensus vocabulo et aiaOriTripiov
reddere et aiaOiiaiv, quia vocabulum latinum, quod graeco
alaOri-nfipiov respondeat, probum exstat nullum ; sensorium enim
scholasticorum inventum est. Aptissime huius de quo agimus
loci brevitatem supplet iv 524 audäur sonus et vox omniSj in
auris Insinaata suo pepülere tibi corpore sensum. Corpoream
vocem quoque enim constare fatendumst Et sonitum^ quoniam
possunt impeüere sensus. 304 Haud accurate de hoc versa
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XXV Commentarius in Lucreti Hbrum t dl
Gellius disputat noct. Alt. v 15, 3 * corpus est quod aut effi-
ciens est aut patiens; id graece definitur tö firoi ttoioOv f{
irdaxov. quam definitionem significare volens Lucretius poeta
ita scripsit: Tangers enim aut tangi nisi corpus nuUa potest
re8\ Graeca enim definitio, quam a Lucret io significatam
esse opinatur, tantum abest ut cum Epicurea doctriua congruat,
ut propria sit Stoicorum (v. Plut. plac. phil. rv 20, 3 Diogen. L.
vn 56). Lucretiana autem verba si graeca definitione con-
plecti vis, sie reddas necesse est: tö dTTTÖ/üievov Kai äTrröv
(TiJü|Lid dari. Neque minus neglegenter Gellius in eo versatns
est, quod disiunctivam particulam aut in Lucretianum versum
invexit. Nam non omne quidem efficiens patitur, attamen
omne tangens tangitur; tangere enim non quit quod tangi non
licet ipsum aperte dixit Lucretius y 152. Recte particulam et
servarunt verumque tactum (dcpi^v) a Lucretio dici intellexe-
runt Seneca epist. 106, 8 'Numquid est dubium an id quo quid
tangi potest corpus sit? Tangere enim et tangi nisi corpus
nulla potest res, ut ait Lucretius' et Tertullianus adv. Mar-
cionem rv 8 'necesse habeo iam de substantia eins (Christi)
corporali praefinire, quod non possit phantasma credi, qui
contactum et quidem violentia plenum detentus et captus et
ad praecipitium usque protractus (Luc. ev. rv 29 sq.) admiserit.
nam etsi per medios evasit, sed ante iam vim expertus et
postea dimissus, scilicet soluto, uti adsolet, tumultu vel etiam
irrupto, non tamen per caliginem eluso, quae nulli omnino
tactui succidisset, si fuisset. Tangere enim et tangi nisi cor-
pus nulla potest res etiam saeculari sapientia digna sen-
tentia est'.
V. 305 — 310 Cum priora duo exempla adhiberi nequiverint
nisi antea ipsa corporura praesentia contra vulgares opiniones
demonstrata, reliqua exempla ita comparata sunt, ut de verorum
corporum vel accessu vel recessu ne inter dqpiXocroqpuJTdTOu^
quidem, ubi semel eos monueris, ulla oriri possit dubitatio.
Relicta igitur argumentandi via ad descriptiones convertitur
poeta, ac primo quidem loco exemplum ponit corporum occulte
et accedentium et recedentium. Cum umidae finnt vestes
in maris littore positae, nemo dubitat quin particulae aquae in
vestes penetrarint; rnrsus ubi eaedem vestes solis radiis siccan-
tur, omnes confiteantur necesse est particulas istas e vestibus
extrusas esse. Atqui nemo umqnam has aquae particulas vel
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32 XXV Commentarius in Lucreti libnim i
decedere ad vestes vel recedere vidit oculis. Eodem igitnr
modo atomi qnoque corpora esse possant, quamvis oculis cerni
nequeant.
305 FLVCTIFEAGO Ku^aToaTei, quo frangitur aestus maris
(vi 144). 306 WESCVNT uvida, umida fiunt, cum concipiunt
umoris adhaesum Vi 472. eaedem hoc loco solo et quidem
biauXXdßu)^ dixit Lucretius. dispansae consulto verbum va-
riat poeta. Nam ubi umorem, qui e mari sarsam fertar, in
vestem penetrare vis, st4spendenda est vestis, ut totam eius
latas adhaesai amoris pateat ; contra ubi vestis ab omni parte
radiis solis exponenda est, in planitie quadam expiicabis eam
atque dispandes. Aegre igitur dispandendi vocabulo careremus.
Aactoritas autem Gellii, qui noct Att. xv 15 non pansum sed
passum et in compositis pessum dictum esse testatur, si contra
codicum scripturam sequenda est, praestat profecto a Lucretio
hie ut III 988 dispessae scriptum putari quam eiecto dispan-
dendi vocabulo legere cum Nonio eaedem candenti sole sere-
scutU. Fortasse deceptus est Nonius interpretamento quodam
ad serescufU ascripto. Hoc enim rarissimum vocabulum, quod
ipse Nonius a sereno ducit p. 175,4 'Sere seit positum pro sie-
ccUur, quod serenitas sicca sit', facile fieri potuit ut ab antiquo
aliquo gramraatico explicaretur per candent. IN sole in lo-
co aprico, rv 364 umbra videtur item nobis in sole moveri.
307 persederit clab^buKe, penitus per omnes partes pene-
trarit, Vi 1126 pestüitas . . . fruges persidit in ipsas. 308 AESTV
calore.
V. 311 — 321 Cum superiore exemplo corporum invisibilium,
quae per certas quasdam caussas et advehnntur ad res et ave-
huntur, coniungit exempla plurima rerum sine ulla graviore
caussa per solum temporis tractum usu imminutarum. In bis
videmus quidem facta m imminutionem, verum dum fit immi-
nutio oculos nostros fallit. Atqui nemo negaverit, ubi materialis
rei cuinsdam ambitus inminutus sit, corpuscula de ista re de-
cessisse. Haec igitur quae seimus decessisse corpora neqne
tamen decedere videmus oculis, invisibilium atomorum doctri-
nam commendant.
311 SOLIS REDEVNTIBVS ANNIS TrepnrXojüi^vujv ^viauTfiv,
V 931 muUaque per caelum solis volventia lustra. 312 SVBTER
ab inferiore parte qua carnem digiti tangit. tenvatve
deteritur, Ovidins art am. ni 91 conterüur ferrum, silices
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XXV Commentarius in Lncreti librum i 38
tenuantur ab ttsu. IN DIGITO . . . habendo dum habes, gestas
annlum in digito, biet tö qp^peiv; sie IV 1068 ulcus enim vive-
seit et inveterascit alendo bid tö rpdcpeiv. 313 STILICIDI
CASVS aquae guttatim de tectis decidentes (iv 1286 sq.); stili-
cidium cadere seu eassitare saepias dixit Paulas Digestt. vm
2, 20. 314 OCCVLTE ita ut detrimenta singula oculos fugiant
315 STRATA viARVM SAXEA viae saxis constratae, IV 415
gut lapides inter sistit per strata viarum, VI 332 penetrat per
rara viarum. lAM detrita CONSPICIMVS cum iam detrita
sunt, sed non dum deteruntur. 316 portas propter ad
portas urbium positae (vide supra 90) deorum statuae aeneae
OSTENDVNT ADTENVARI MANV8 DEXTRAS bTlXoOai KttTaTplßc-
\xiya(; rd^ beHid^, infra 589 volacres ut in ordine cunctae Osten-
dant maculas generalis corpore inesse, 365 plus esse sibi de-
ciarat inanis, 318 SALVTANTVM et, sicut in salutando fieri
solet, dextras statnarum prensantium. Statuae aeneae tactu
attritae exemplum accommodatissimum Havercampus protulit
e Ciceronis Verr. iv 43, 94 'Herculis templum est apud Agrigen-
tinos . . . . ibi est ex aere simulacrum ipsius Herculis, quo non
facile quiequam dixerim me vidisse pulchrius . . . usque eo, iu-
dices, ut rictum eins ac mentum paullo sit attritius, quod in
precibus et gratulationibus non solum id venerari verum etiam
osculari solent'. 319 Haec omnia igitur amittere corpuscula
atque imminui perspicimus, quippe quorum detrimenta oculis
appareant. 320, 21 sed leges naturae hominibus inviderunt
atque denegarunt potestatem videndi qnae quoque temporis
momento corpora a rebus istis decedant. praeclvsit
SPATIVM VIDENDI ut infra 975 quorum utrumque tibi effugium
praecludit,
V. 322 — 328 Postremo loco invisibilium corporum exemplum
sumit a natnralibus cuiusque rei creseentis incrementis decreseen-
tisque decrementis. Gorporalis enim magnitudo cum in re cre-
scente augeatur, in decrescente imminuatur, apparet corpuscula rei
accedere et decedere, quae tamen singula nemo umquam oculis
vidit. Saxa autem salso aquae marinae viro peresa (326) huic
exemplorum seriei Lucretius intulit, quia magis similia sunt
rebus naturali via decrescentibns quam rebus usu detritis, quales
supra 311 — 321 attulerat
322 QVAECVMQVE corpuscula tempus (vide supra 233) na-
tnraeque leges rebus crescentibus addunt, nuUa oculorum acies
Bernays, ges. Abhandl. II. 3
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34 ZXY Commentarius in Lucreti librum i
quantumvis contenta cernere potest. 323 moderatim ^e-
Tpiuj^, sensim ac pedetemptim. 325 N£C PORRO cernere
possis quid corpuscalorum in quovis temporis momento amit-
. tant et qaaecumqne res vetustate marceseunt et saxa mari
impendentia, quae allnentibus undis exeduntnr et cavantnr.
326 MARK IMPENDENT veteres itnpendere cum accusativo
dixisse Diomedes tradit p. 320, 4 Keilii; Lucilius [v. 1092
Lachm.] apud Festum p. 160 *9 ut quae res me impendet agcUur.
YESCO Paulus e Festo p. 368, 14 'Lucretius vescum dixit
edacem' adposito hoc ipso versu. SALE aqua marina, lY 438
nam qmecumgue supra rarem scdis edita pars est Renwrum.
328 per invisibilia corpora Natura mundnm administrat,
bioiKcT, cf. II 242 motus per quos natura gerat res.
V. 329 — 369 Arto vinculo cum prioribus doctrinam vacui
ita coniungit, ut quamvis etiam ubi videri nequeant adesse cor-
pora demonstraverit, tarnen in ipsis adeo corporalibus rebus
vacua interstitia reperiri dicat. Id ut probet, tria argumenta
proponit, quae omnia de yacuo rebus genitis admixto agunt, non
tarnen de inani, quod per se tamquam commune rerum omnium
receptaculum spectatur: quamquam eiusmodi inane per se ex-
stare facile ex admixto rebus vacuo sequitur, et aperte Lucre-
tius hanc receptaculi notionem inani tribuit alibi (infra 1018,
1103, 1108 II 65, 83, 105). Ac pfimum quidem argumentum a
motu repetitum (335 — 345) idem est, quo antiquitus inde a Leu-
cippo (cf. Aristot de gener. et corr. I 8 p. 325 * 4. 27) omnes Vacui
propuguatores utebantur, quodque a Democrito Epicuri in phy-
sicis duce sie formabatur, ut est apud Aristotelem phys. iv 6
p. 213^ 5 ouK fiv boKeiv etvai Kivriaiv, ei \xi\ eXr\ k€vöv* tö t^P
TiXfipe^ dbuvarov elvm bilaaQai ti. el bk biieTax xai torai bOo
^v TaÜTqj, dvb^xoiT' Sv Kai ÖTToaaoOv clvai &jaa CibyLaia' Tf|v
Toip biacpopdv, b\' f\v oök fiv e\r\ tö XexO^v, oök foiiv clueTv. el bk
toOto dvb^x^iai, Kai tö ^iKpÖTaxov bSexai tö ixifiajov' uoXXd
Tdp mKpd iOTi TÖ jU^Tct. &0t' el iroXXd foa dvb^x^Tai dv raörqj
etvai, Kai rroXXd dviaa: 'non esset motus, nisi esset vacuum.
unum enim plenum aliud plenum intus recipere nequit. quodsi
posset recipere, etiam quotcumque corpora in eodem esse possent.
neque enim iustam distinctionem afferre licet, cur hoc non fiat
atqui si hoc fit, potest etiam minimum recipere maximum, qnippe
cum ipsum magnum e multis parvis constet. quare si multa
aequalia simul sunt in eodem, fieri potest ut etiam multa in-
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XXY Commentarius in Lucreti libram i 35
aequalia simul sint in eodem. id vero absurdum est; ergo est
vacuum'. Subtiliorem haue demonstrandi viam quamvis fieri
possit ut in deperditis physicis libris Epicurus secutus sit, certe
m epistula ad Herodotum scripta satis babuit haec dixisse (Diog.
L. X 40) : €l lifj i^v 8 kcvöv Ka\ x^pav Kai dvacpf^ qpucTiv övo|i<iCo-
)Li€v, oÖK Sv eTxe xa (XiwjaaTa öttou fjv oubfe bi' ou dKiveiio, KaOd-
rrep cpaivexai KivoOjaeva. Ubi dvaq)?|^ cpuai^ intactili^ natura
(Lucr. infra 437 v 358) appellatur vacuum, quatenus opponitur
corpori tactili (supra 304» infra 434), k€vöv inane quatenus vacat
corporibus, x^P« spatium (infra 426, 955, 1074) quatenus res
motu per ipsum transeunt ; vide Sextum Emp. adv. mathem. x 2
Kara töv 'EiriKOupov ifl^ dvacpoO^ KaXou/üi^vii^ cpuaeuj^ tö ^^v ti
6vo\x&leTax kcvöv, tö bfe tötto^ (locus Lucr. infra 426, 955, 1074),
TÖ hk x^9^y jacTaXa/üißavojJi^vujv bk (ye ?) KttTd biatpöpou^ dTTißoXd^
Twv övojjidTUJv ('alternatis quidem nominibus secundum varias
applicationes'), direiTrep i] airrfj qpuai^ ^PIMO? M^v KaOeaTTiKuia
TravTÖ^ (yu)|iaTO^ kcvöv TrpoaaTOpeucTai, KaTaXajAßavo/üi^vTi bk
('occupata') xmo a\b\xaToq tötto^ KaXciTai, xw)pouvTUJV bfe bi' au-
'n\<; (yu)ndTU)v x^pct TivcTai. KOivd»^ ja^vtoi cpucTi^ dvaq)?|^
eTpTiTai Trapd ti5j ^EmKOupiu bid tö ^(TTepficTöai Ti\<; KaTd dvTißaaiv
^<P^^ Cgeneratim autem intactilis natura appellatur apud Epi-
curum, quia privatur obveniendi et tangendi facultate'); eaedem
distinctiones reperiuntur apud Plut. plac. philos. i 20. — lam
Lucretius in hoc argumento proferendo neque tarn explicate ver-
satus est quam Democritns neque tarn breviter quam Epicurus,
sed id potissimum spectavit, ut statim ab initio sese muniret
contra eos adversarios, quos dedita opera reppulit infra 370 — 383.
Dicit enim soliditatem et resistendi vim ita per totum cor-
pus pertinere, ut in ipso corpore cedendi facultas relinqua-
tur nulla. Nisi igitur corporalibus rebus natura quaedam ad-
mixta esset, cui cedendi facultas aeque propria esset ac re-
sistendi facultas propria est corpori, nil extaret unde movendi
initium res caperent. Atqui corporales res inter se locum mn-
tare videmus. Ergo cedens aliqua natura — talis autem natura
est inane — commixta est in rebus cum corporali natura.
329 VNDIQVE... STIPATA constipata, plena ab omni parte,
vacJTd. 330 EST in rebvs inane in singulis rebus repe-
riuptur inania spatia. Haud improbabile est haec ipsa Lu-
cretii verba, quae ad physicam doctrinam spectant, ethice
conversa esse a Persio in acerbam istam exclamationem qua
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36 XXV Commentarius in Lucreti librum i
primam satiram orditur curas hofninum^ o quantum est in
rebus inane. Gerte Lucretius obyersabatur Persio etiam
alibi, sat. lil 83 Aegroti veteris (Epicuri) meditantes somnia^
gigni De nihilo nihil^ in nihilum nil posse reverti^ quae gpectant
ad Locretianos versus i 150, 216, 265. 334 qvapropter
inde a Bentleio intellectum est non esse hunc versum scriptum
a Lucretio, in quo neque quapropter quidquam habet quo apte
referatur neque locus intactus Lucretiano dieendi mori consen-
taneum est. Nam, ut supra vidimus, inane Kevöv vel locus
TOTTO^ seorsim dicitur vel intactile dvaq)^^, coniunctim vero,
sient hoc loco fit, locus intactus^ quod graece esset tötto^
dva(pr)^, nusquam dicitur. Verba autem quae in nostris codi-
cibus versiculi numeris astricta sunt, olim soluta oratione
scripta esse ac pertinuisse videntur ad titulum, qui etiam nunc
in Gottorpiensi codice et oblongo extra versunm ordinem scri-
bitur post y. 334 de inani ; ita ut integer titulus ab initio
conceptus fuerit bis verbis 'De inani, qua propter locus sit,
intactum (437 v 358) inane vacansque (444)'. Tali titulo recte
comprehenduntur versus 329 — 369, quippe in quibus rationes
Lucretius afferat, propter quas esse inane credendum sit.
Eiusmodi autem relativam loquendi formam amavit horum
titulorum auctor: post iv 114 qvam parva sint animalia
(seil, exponit poeta), post v 323 qvare nativa omnia dicat,
post V 350 QVARE AETERNITAS ESSE POSSIT ctc. Denique de
turbis quae in nostris codicibus inde ortae sunt quod vel
tituli pro versibus vel versus pro titulis scribebantur, vide
varias lectiones infra 419, 705 m 672 v 572. 335 qvod si
NON ESSET inane. 336 officivm qvod corporis exstat,
OFFICERE ATQVE OBSTARE dvTiTUTTiav poeta siguificat, resi-
stendi vim, quae qualitas corpori ita adhaeret ut divelli ne-
queat; quapropter dxu)pi(TTOv (Tu/üißeßTiKÖ^ cTui^aTO^ ab Epicureis
dicta est cf. Sext. Emp. adv. mathem. x 221. In omni igitur
tempore haec inseparabilis resistendi qualitas omnibus
rebus inhaereret, si res e sola corporea natura constarent.
officium autem corporis hie et infra 362 dielt indolem et vim
penitus insitam. 339 principivm cedendi . . . daret ini-
tium eT^euiq, idem quod infra 383 dicitur initus primus fno-
vendi. Eadem locutione utitur n 261 his rebu>s sua cuique
voluntas Principium dat. Cedendi (eT^eu)^) autem facnltatem
aeque propriam esse inani atque corpori facultatem obstandi
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xxv Commentarius in Lucreti librum i 37
(dvTiTUTriav) secundnin Epicureos Sextas 1. 8. exponit. 340
SVBLIMAQVE hac vetustiore vocabuli forma uno hoc loco uti-
tur Lucretius. 343 sollicito motv non solum kivticti^
TomKrj Dulla esset, sed ne ea quidem kivticti^ qnae ad ortum
rcrum (t^vcctiv) necessaria est. Apte autem kivtictiv TOTriKfiv
latine poeta reddidit soUicitum motum, nam 'solicitare' inquit
Paulus ex Festo p. 350, 4 'est solo citare, id est ex suo
loco movere, solum autem quin significet locum quis dubi-
tet'. PRrvATA CARERENT cum privota idem sit quod se-
creta atque adeo de malis dicatur apud Lucretium ll 649
privata dolore omni^ privota periclis lll 905 privatus dolori-
bus aegriSj indigentiae notio ubi requiritur proprio vocabulo
euuntiauda est, quod hie fit per carerent
V. 346 — 357 Postquam a motu profectus inesse inane in
ipsis rebus solidis in Universum ratiocinandi ope probavit,
nunc secundum argumentum repetit ab exemplis rerum vel
magis vel minus solidarum, velut saxorum animantium arborum
parietum ossium, per quae penetrare videmus aquam cibum
imbrem vocem frigus. Hae res penetrantes cum partim etiam
secundum communem hominum opinionem partim secundum
Epicuri doctrinam (velut vox et frigus, vide supra 300 sq.) sint
corporeae, per alias corporeas res transire nequirent, nisi in
rebus quantumvis ad aspectum solidis vacua spatia inessent, per
quae transeundi via pateret. Eadem fereexempla repetit Lucretius
in iibro sexto 942—958 ibique aperte hunc de quo agimus primi
libri locum allegat 937 quod in primo quoque carmine claret,
346 res quantumvis solidae videantur, tamen raro corpore
praeditas esse licet perspicias hing i. e. ex eis quae sequun-
tur, vide supra 149. 350 in corpvs omne cf. vi 946 di-
ditur in venas cibus omnis, äuget alitqtie Corporis extremas
quoque partis unguiculosgue. FETVS vide supra 193. 352
CIBYS arbnstorum est sucus et imber, qui a terra absorptus
per radices sursum in cacumina penetrat (supra 250 — 4). Si-
militer dixit infra 1092 nee prorsum arboribus sumnios fron-
descere ramos Posse, nisi a terris paulatim cuique cibatum * .
Imbrem et sucum ab agricolis ctbum plantarum vocatos esse
probant Varro de re r. l 23, 2 reciius enim in tenuiore terra (se-
runtur) ea quae non mülto indigent suco . . ,, in pingui rectius
quae cibi sunt maioris et Plinius nat. bist, xvii 12 arbores
fetu exinanitas et foliorum quoque amissione languidas naturale
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88 xxY Commentarius in Lucreti librum i
est avide esurire (sc. hieme), cibus atäem earum imber, Etiam
Graecos agricolas Treivfiv id Xdxava dixisse testatur Theophra-
gtu8 bist, plant, vil 5, 2 [eosdemque ireivfiv Tfjv Tflv ibid. vni
6, 2]. IN TOTAS haec codicam scriptara aliter vindicari ne-
qnit, nisi generis permatationem indulsisse sibi Lucretiam dicas,
quasi superiore versa non arhusta scripsisset sed arhores. Si-
mile talis iicentiae exemplum in Lucretiano qnidem carmine
inveni nuUuip. 354 saepta muros et parietes, iv 699 per
saxea saepta . . . vox volgo sanitusgue feruntury vi 951 per dis-
saepta domorutn saxea voces pervoUtant clavsa DOMORVM
domos foribus obductis clansas, sient supra 315 strata viarum.
Libro quarto 596 conloquium clausis foribus qui fiat uberius
explicat. 356 QVOD Nisi inania sint ei bk iii\ eXr\ K€vd,
supra 180 quod si de nilo fierent, 234 quod si in eo spatio.
INANIA vacua spatia, ut supra 223 penetret per inania.
QYA CORPORA qua tandem via transire possent corpora ista
modo dicta (aqua cibus yox), id qnomodo fieret, nullo pacto
intellegeres. Ad valerent cum antiquitus interpretamentnm
possent ascriptum esset, turbae illae bis versibus inlatae sunt
quas variae lectiones produnt.
V. 358 — 369 Tertium argumentum est epagogicum. Nam
discrimen ponderis adesse videmus in rebus aeque magnis, velut
laneo glomere et globulo plumbeo. Id aliter explicari non posse,
nisi in plumbo reperiri dicas plus corporeae materiae; quae cum
naturae suae vi deorsum feratur, rem cui plures eins particulae
insunt, magis premit deorsum, i. e. pondus rei äuget. Contra
lanae glomus pluribus interstitiis vaeuis distinctum cum minus
solidae materiae habeat, inane autem natura sua ponderis ex-
pers Sit, non aeque deorsum fertur, sive minoris ponderis est.
Ergo per res eiusdem magnitudinis, varii autem ponderis de-
monstratur inane admixtum esse corporeis rebus. — Coniunxerat
iam Democritus Inanis doctrinam cum quaestione de pondere
rerum, verum non eo modo, quo hie utitur Lucretius et Epicu-
rum quoque usum esse simile veri est. Neque enim esse inane
probavit Democritus per ponderis discrimen, sed inane aliunde
demonstratum adhibuit ponderis varietati explicandae. Quam
Democriti sententiam et brevissime et diligentissime Aristoteles
de caelo rv 2 exposuit, nbi primum de corporibus simplicibus
sive atomis dicit, maiora quaeque esse graviora, deinde sie
pergit p. 309 • 2 tujv bk (Tuvö^twv, ^TreibriTTep ou qpaivcTai toötov
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XXV Commentarius in Lncreti librum i 39
fx^iv ?KaaTov TÖv rpöirov, dXXd iroWd ßapOiepa öpoijaev dXdTTU)
TÖv ÖTKOV ÖVTO, Kaödirep ipiou x«Xk6v, liepov tö airiov oiovxai
TC Kai X^TOucTiv fvioi* tö tdp K€VOv ^jaTrepiXajißavöjaevov KOucpiCeiv
[id <yu))LiaTa] cpacrl Kai iroieTv Icttiv öt€ td ^eiZuj Koucpörepa, uXeT-
ov Tdp ?X€iv Kevöv. bid toOto tdp Kai töv ötkov etvai \xeilix}
auTKei^eva iroXXdKi^ ii fowv (TrepeÄv f| Kai dXaxTÖvuiv. öXuj^ bk
Kai TTavrd^ atriov eTvai toO KoucpoT^pou tö TrXeiov dvuTrdpxeiv
Kcvöv: 'compositas vero res {condlio quae constant principiorum
dicit Lncretius infra 484) cum non omnes ita se habere appa-
reat, sed multas graviores esse videamus quamvis molis sint
minoris, velut aeris particala gravior est quam lanae glomus,
caussam huius rei aliam et statuunt et proferant quidam (De-
moeriteos significari patet ex Aristot. de gener. i 8 p. 326 * 9
et Theophr. de sensu § 61). etenim per vaeuum intus inclusum
leyitatem effici aiunt, unde interdum fieri ut maiora sint leviora;
qnippe plus vacui habere, atqne propter id ipsum saepe res
qaae totidem vel adeo paucioribus corpusculis solidis constent,
tarnen crassioris esse molis. et in Universum cuiusvis maioris
levitatis caussam esse quod plus insit vacui'. Gontinuo istam
Democriteorum definitionem Aristoteles vituperat ut mancam.
Neque enim simpliciter dici posse 'quiequid plus vacui habet,
levius est'. Nam tum sequeretar, permagnum auri globum,
quippe in quo plura interstitia vacua reperiantur, leviorem esse
quam parvam particnlam ignis, quamvis per se et rarissimus et
levissimus sit ignis. Plene igitur dicendum esse sie: 'quicquid
plus vacui habet, minus autem solidi, est levius'. — Haue Ari-
stotelis exceptionem cavit Lucretius magistrnm suum Epicurum
procul dubio secutus. Neqae enim quaecumque plus inanis
habeanty leviora esse dicit sed aeque magna (364).
359 FIGVRA hie et V 577 ötkiw sive, ut alibi (v 571) Lu-
cretius, ßo. 361 TANTVMDEM PENDERE PAR EST TOaoUTOV
gXKeiv 7tpoanK€i. 362 corporis officivmst vide supra 336.
PREMERE OMNIA DEORSYM ergo glomus lanae libram aeque
deorsum trahere sive tantundem pendere debebat ac plumbum.
363 NATVRA INANIS cpOai^ ToO KevoO ; Plutarchus adv. Colo-
tem 11 p. 1112' K€vo0 cpticnv auTÖ tö kcvöv .... övojadZieiv
('EiT(KOupo^) etuiOe, quod facit in epist. ad Herodotum ap. Diog.
Laert. x 44 f^ t€ tdp toO kcvoO qpum^ ktX. manet KaOicTTa-
Tai, neque sursum neque deorsum fertur. 364 videtvr
ante oculos (infra 998 m 185), cpaivcTai. 367 dedicat de-
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40 xxY Gommentarius in Lucreti libram i
clarat, palam prodit; Attius in Alphesiboea (v. 78 Ribbeckii)
At vereor cum te esse Alcmaonis fratrem factis dedicat, Lucretius
infra 422, iii 208 (iv 638?). mvlto vacvvm minvs intvs
HABERE cum de aeqiie magnis agat Lucretius, ad definiendi
snbtilitatem sufficiebat dixisse: gravius plas corporis habere,
sicut 364 levius plus Inanis habere satis babuit dicere omisso
corpore. Vacui autem mentionem hoc loco praeter logicam
necessitatem facere voluit poeta, ut definitioDem coDiangeret
cum conclusione (368 — 9), quae est de inani. 368, 9 Id igi-
tur quod proprio vocabulo inane appellare solemus (supra 60)
quodque ratiocinando probare studemus, reapse admixtum est
rebus solidis. qvod QVAERIMVS supra 156 quod sequimur.
V. 370 — 383 Absoluta argumentorum serie primarium ar-
gumentum, quod a motu repetiverat (335 — 345), defendit ab im-
pugnatione eorum philosophorum qui inane esse negant. Hi enim
motum fieri obiciunt, ubi aliae res solidae cum aliis loca per-
mutent, quamvis omnia plena remaneant. Velnt pisces in mari
pleno moventur, cedente quidem aqua piscibus, statim vero suc-
cedente in eum locum quem pisces reliquerunt. Quo modo bre-
yiter illud argumentum a motu sumptum Aristoteles refellit phys.
IV 7 p. 214 * 26 oubc^ia b' dvaTKTi, ei kivticti^ (Kaxct töttov) toriv,
elvai Kevöv...ä^a T^p ^vbexexai xmeixivm dXXrjXoi^, oubevö^ övto^
biaaTrjiiaxo^ X^Pi^^ToO Trapa rd ad)iiaxa rd KivoO^eva, Kai toöto
bflXov Ktti ^v xaT^ Tujv (Tuvex^v bivai^, uKTTrep Kai iv xaT^ tujv
uTP^v: 'nequaquam necessarium est, si motus exstat, exstare
inane. fieri enim potest ut corpora invicem sibi simul cedant,
nuUo interstitio vacuo per se remanente praeter ipsa quae mo-
yentur corpora. atque id apertum est in turbinibus cum solido-
rum tum fluidorum corporum'. Verum hoc turbinis exemplum
facile eludi poterat a propugnatoribns Inanis. Neque enim cadit
nisi in id movendi genus, ubi res mota semper intra eiusdem loci
fines continetur. Quapropter id ipsnm piscium exemplum, quod
spectat Lucretius, prolatum est a Stratone Lampsaceno, Theo-
phrasti auditore, Epicuri aequali et adversario, cf. Simplicius in
Ar. phys. f. 154 ^ Aid. i p. 659, 22 Diels. tö toO Ixpaiuivo^ trapa-
bexf\xa . . . ddv ei^ dtreiöv ti^ TreTrXripujja^vov libaxo^ ^iiicpiba i\X'
ßaXu)v Kaxaaxp^vpT) xö dTT^iov ^m (yxö^ia dire'xujv xfiv ?Kpoiav, n
MiTicpi^ dm xö (Ixö/üia xoO dTT^iou cpdpexai dvxijmeOKJxanevou xoO
öbaxo^ el^ xöv xfjq vpficpou xöttov. xö bfe aüxö Kai dm x&v vtixo-
ILidvujv (Ju^ßaivci Kai IxOüo^ Kai ouxivo^oöv: 'Stratonis exemplum:
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xxY Commentarias in Lucreti librum i 41
. . . si quis in vasculum aqnae plennni calculam inicit, deinde
efflaxu aquae prohibito vasculum sistit in orificium, calculus
versus orificiuin vasculi fertur, succedente aqua in locura cjil-
culi. idem evenit in natantibus, sive piscc sive quovis alio
corpore \ Eiusmodi autem adversariorum argumentis obviam ire
Lucretius re vera cogebatur (371). Nam praeter cetera per-
mutatio locornm opponi solebat eis qui inane esse statuebant,
velut Cicero Democriteum compellari fecit ab araicis sie Academ.
pr. II 40, 125 Tune — inane qukquam putes esse, cum Ha com-
pleta et conferta sint omnia ut et quod motwatur corporum cedat
et qua quodque cesserii^ aliud illico subsequatur? In quo refu-
tando Lucretius eo nititur Epicuri decreto, quod supra (339)
breviter tetigimus, cedendi (exleixx;) facultate privatum esse quic-
quid corporeum sit neque quicquam cedere nisi inane. lam etsi,
dum pisces natant, omnia ad oculorum visum plena remanent,
tarnen quia aqua piscibus cedit, cedendi autem initium oriri ne-
quit nisi ab inani, sequitur inane admixtum esse aquae.
370 IN His REBVS vide supra 80. dedvcere vero dTid-
T€iv dtTTÖ Tfi^ dXii6€ia(;. 371 QVIDAM philosophi Inanis op-
pugnatores. fingvnt vero coutrarium, infra 842 consimüi
fingit (Anaxagoras) ratione, 847 iinbecilla nimis primordia fingit,
1083 non minia corpora fingunt In hiediwn niti. PRaecvr-
rere antevertere TTpoaTravräv. 372 sqvaäiigeris nitenti-
BVS piscibus protrudentibus, infra 1058 omnia sursum nitier,
LATICES nude positi sunt aqua; ubi alia liquida significan-
tur, nomen apponitur ut infra 941 iii 192 v 15. 373 liqvi-
DAS VIA8 vPTpct K^XeuOa. QVIA pisces POST se (ÖTricrOev) va-
cua spatia relinqnant, in quae confluendo succedere possint
undae, quae piscibus cesserunt. 379 CONCEDERE uTreHi^vai.
381 PRIVANDVMST vide supra 111. 383 INITVM PRIMVM
MOVENDI TTpiüTTiv dpx^v ToO KiveT(T0ai. Initium cum non qua-
dret in hexametrum, hie et II 269 iii 271 antiquiore forma
inüus utitur.
V. 384 — 397 Finem de inani disputandi facturus argumen-
tum profert specie experimenti indutum. Ubi confligunt duo
corpora plana, eliditur quicquid medium interfuit, deinde cum
haec corpora rursus in diversas dissiliunt partes, in medio per
quantumvis breve tempus inane fiat necesse est; nam a^r in
intermedium corporum locum non eodem temporis puncto sed
sensim confluit (385 — 390). lam adversarii Inanis opponunt
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42 XXV GommentariuB in Lucreti librum i
(391 8q.), ubi corpora concnrrant, neqaaquam elidi a^ra sed
condenseri atque ipsum a^ra, postqaam satis virium per conden-
sationem collegerit, efficere ut corpora dissiliant; nusquam igitur
fieri inane. Quam adversarioram explicationem primum quidein
simpliciter negando reicit Lncretius. Per corporum, inquit 395,
collisionem aSr baud potest condensari. Deinde vero callide ex
adversariorum opinione noYum elicit argumentum ad stabilien-
dum inane. Etiamsi largiamur, ait 396 sq., condensari a^ra in
coUisione corporum, ipsa tarnen condensatio cogitari nequit, nisi
rem condensatam interstinctam esse existimemus spatiis vacnis
in quae particulae corporeae rei contrahuntur. Atque re yera a
condensatione iustum Inanis argumentum repeti Graeci quidam
philosophi voluerunt, quos dicit Aristoteles phys. iv 6 p. 213 * 15
b€iKvuou(Jiv 6ti iari ti kcvöv, öti qpaivexai fvia (Juviövra Kai m-
Xou)Li€va . . . ib^ eiq xa dvövra Kevd (Juviövro^ toO 7tukvou)li^vou
(Tüj^aTo^: 'inane esse probant inde quod apparet corpora quae-
dam in se coire et constipari . . ., quasi condensatum corpus
coeat in vacua quae ipsi insunt spatia'. Quod argumentum
deinde breviter sie amovet Arist. ibid. 7 p. 214^ 32 dvb^x^Tai
bi. Kai TTUKVoOaGai ixt\ el<; tö Kevöv, dXXd bid tö rd dvövxa ^k-
irupriviZeiv olov öbaxo^ auvGXißo^^vou töv dvövra d^pa : 'potest
yero etiam condensatio fieri non in vacuum, sed quia quae in-
erant corpora quasi enucleantur, velut dum cogitur aqua expri-
mitur qui inerat aör'. — Consulto autem hoc conlisorum cor-
porum exemplum seiunctim a superioribus tribus argumentis
(335 — 369) quasi corollarii loco posuisse videtur Lucretius. Ne-
que enim tam late patet ut, quod probari voluit, omnibus re-
bus admixtum esse inane, inde rite concludatur. Praeterea sensit
fortasse, nudam eiusmodi negationem, qualem admisit v. 395,
minus aptam esse ad persuadendum.
384 DE CONCVRSV postquam concurrerunt. lata plana
(öjLiaXd) corpora sint necesse est, ut quicquid intersit materiae
elidatur. 385 CITA Kivcujueva, il 85 nam cum cita saepe
Obvia conflixere^ fit ut diversa repente Dissiliant nempe
necesse est aSr occupet omne spatium inane, quod fit inter
corpora dissilientia. 387 ae'r porro quamvis in inane con-
fluat, cum aurae (irvoai) per motum corporum concitatae un-
dique accelerent confluxum afe'ris. 388 VNO TEMPORE uno
temporis puncto, vide snpra 327. 389 primvm qvemqve
LOCVM TÖV dei irpwTov TÖTTov. 390 ille aßr. omnu loca.
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XXV Commentarius in Lucreti librum i 43
393 NAM tum cnm dissiliunt corpora, spatium intermedium
fit vacaum, quod ante non fnit vacuum, idemque yacuum
spatium rursus repletur per confluentem aßra. 395 tali
RATiONE ubi Corpora concurrunt et dissiliunt. 397 ipse aSr
TRAHEEE, corripi sive coire in se et partes suas conducere in
nnum locum. trahere hie et vi 1190 intransitive positum,
active m 533 ipsam (animam) se posse per artus Inirorsum
trahere et partis conducere in unum vi 967 (ignis) coria et
camem trahit et conducit in unum. Gondensationem sine
inani cogitari non posse iterat infra 655.
V. 398—417 Affirmat poeta, multa praeterea argumenta
in promptu esse ad inane demonstrandum; ea vero Memmium,
ubi semel rectam quaerendi viam ingressus sit, sponte sua fa-
eile intelleeturum esse. Atque profecto in satis angustum gyrum
Graecorum, qui Inane esse dixerunt, philosophorum disputatio-
nem latius evagantem Lucretius compulit. Hi enim iustum ar-
gumentum, quod per se eonstaret, formare eonabantur a rebus per
alimenta crescentibus (diTÖ xf)^ auHrjaeuj^, cf. Aristot. phys. iv 6
p. 213** 19): quippe alimenta esse corporea, duo autem corpora
in eodem loco comprebendi non posse, reperiri igitur Inane in
re crescente. Quo toto argumento paueis versiculis Lucretius
defungitur inter exempla rerum penetrantium supra 350 — ^353
positis. Neque minus immorabantur Graeci argumento äirö tt)^
7TUKvu)(7€uj^. sumpto, quod quam breviter in transcursu tetigerit
Lucretius, modo (396 sq.) vidimus. Dcnique argumentum ab at-
tractione lapidis magnetis repetitum (dirö tt]^ öXk/)^ Simplic. in
Phys. f. 153 ^, t. I p. 652, 21 Diels.) hoc loco ne commemoravit
quidem, quamquam Inanis doctrinam plurimum facere ad lapi-
dis magnetis naturam explicandam prolixe exponit in libro
sexto 936—958.
398 MVLTA CAVSANDO TTOXXd 7Tp0(paCTl^:ö^€V0?. MORERIS
tergiverseris. 399 in rebvs inane admixtum rebus solidis
inane, vid. supra 330 et 369. 401 fidem corradere con-
ciliare argumenta undique comportando. Apte autem corra-
dendi vocabnlo notat anxiam illam diligentiam quae vel mi-
nima quaeque exhauriat diligentiam, a qua ipse poeta alienus
est. 402 ANIMO SAGACi vide supra 50. sagaces cum impri-
mis canes indagatores (Paulus ex Festo p. 320, 5) dicantur, hoc
epitheton quasi praeludit comparationi, quae cum canibus ve-
naticis statim instituitur. 403 tyte tu tua sponte sine meo
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44 XXV Commentarius in Lucreti librum i
aiixilio. 404 montivagae ferai Onpö^ öpemXaweoq, u 597
montivago generi ferarum 1081 montivagum genus ferarum.
405 NARIBVS odorando, cf. vi 765 nar^us dlipedes ut cervi
saepe putantur Dimere de latebris serpentia saecla ferarum.
INTECTAS FRONDE QVIETES CUbilia (KOlTtt?) froüdibus in-
stratis tecta et abscondita. 407 alid vide supra 263.
408 CAECAS LATEBRAS INSINYARE OMNES in huius, quae est
de Inani, quaestionis partes obscuras penetrare; insiniMre
(ela^pTT€iv) intransitive ponitur, ut v 73 et quibtis ille modis
divom metus insinuarit Pectora, 409 VERVM tö dXtiO^^, vide
supra 370. 410 QVOD si pigraveris ei b' 6kvoi^; Attius
Epigonis v. 294 Ribb. (apud Nonium p. 153, 32) FcUeor, sed
cur propter te haec pigrein aut huitis dubitem parcere Capüi.
RECESSERis AB RE proposita, alicnus fueris ab Epieureis
de Inani decretis. 411 de plano promittere sine amba-
gibus protinus profiteri. De piano verbum iuris est, quod
primum quidem usurpatur in legum tabulis publice ita affi-
gendis, ut comniode legi possint a praetereuntibus, dum in
piano solo stant; id soUemuL formula dicitur in legalibus in-
scriptionibus proscrihere palam^ unde de piano rede legi possit,
vide Cuiacii Observatt. vii 30. Inde transfertur ad oninia,
quae palam proposita facilem habent intellectum, velut Scneca
dieit Katural, qnaest. I 4 nos Interim temptemus alias probatio-
nes, quae de piano legi possint. Verum is huius formulae usus
in Lucretii de quo agimus locum non cadit. Neque enim le-
git de piano Lucretius sed promittit. Asciscenda igitur est
altera significatio, e qua niinoris momenti caussae de piano
decernuntur, non e superiore tribunali; vid. Ulpianus Dig. l
4, 1 quodcumque igitur imperator per epistulam et sübscriptio-
nem statuit vel cognoscens decrevit vel de piano interlocutus
est vel edicto praecepity legem esse consiat, idem ibid. XXXVII
1, 3, 8 si causa cognita bonorum possessio detur^ non alibi da-
bitur quam pro tribunali^ quia neque decretum de piano inter-
poni neque cau^a cognita bonorum ]}OS8essio alibi quam pro
tribunali dari potest, Paulus Dig. XLVIII 18, 18, 10 custodiae
non solum pro tribunali sed et de piano audiri possutU atque
damnari, cf. Keller Actionen p. 11. Unde quae sine pompae
formularumve ambagibus celeriter absolvere possis, de piano
fieri dicuntur. 412 sq. lingua suavis de divite pectore meo
amnes haustos e largis fontibus fundet tarn diu, ut verear eqs.
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XXV Commentarius in Lucreti librum i 45
LARGis HAVSTOS E FONTiBVS derivatos e fontibus copiose
fluentibus. Significat libros Epicuri, a quibus ipse Lucretius
argumenta saa mutnatur. Largum fontem luminis solem dicit
V 281, largifluum fontem V 598. amnes (ßeü^aTa Xötwv)
FVNDET ut Verg. Aen. vii 792 cadataque amnem fundens pater
Inachus uma. 415 viTAi clavstra resolvat vita in cor-
pore valido continetur et eoercetur (iii 396) quasi subpessu-
lis arte obduetis; ubi per senectutem vis vitalis deficit, quasi
relaxantur, resolvuntur, labant (vi 1153) pessuli.
V. 417 — 448 Postquam Memmium ad gnaviter suo marte
philosophandum adhortatus est, in viam rediens poeta doctrinam
Epicuri exponere pergit atque e superioribus disputationibus re-
petit, duo esse rerum principia, quae per se constent, sive, ut
in scbolis loquuntur, duas esse substantias: corpus, quod quidem
per se constare universus omnium hominum sensus indicat, et
Inane, sine quo motus quem fieri videmus corporum cogitari ne-
quit. Prorsus eodem modo Epicurus primum irepl qpuaeu)^ li-
brum exorsus Plutarcho teste adv. Colot. c. 11 p. 1112 « conl. c. 13
p. 1114* dixit fi TÜJV ÖVTUJV qpucTi^ <Ja)^aTd iari Kai Kevöv et in
epistula ad Herodotum data apud Diog. L. x 39 tö Tiäv iati
(Jüj)Lia* TOI jLifev fäp (legendum videtur tö iräv dcTTi (JüjjLiaTa Kai
Kevöv Tä \xkw fäp) cTujjuaTa ihq fcJTiv, auTf) i\ aTaGT^cTi^ im ttoiv-
Tujv jLiapTupeT, Ka9' f\v dvaTKaiov tö äbT^Xov tiij XoTi<Jm|» T€K)Liai-
peaGai. el t«P M^ (leg. el bk \xr\) fjv 8 Kevöv Kai x^P^v Kai
dvaqpfj 9uaiv övo)Lid2[o)Liev, ouk Sv eixe Td au))LiaTa, önou fjv ovhk
bi' oö dKiveiTO, KaGdTTep 9aiveTai Kivou)Lieva. Quam Epicuri ora-
tionem fere ad verbum latinam fecit Lucretius 420 — 429, ut ex
singulomm comparatione patebit. Praeter istas autem duas sub-
stantias tertiam reperiri nuliam probari vult Lucretius demon-
stratione duplici (430--448). Ac prior quidem demonstratio
(430 — 439) bipertita omnium, quae cogitari possunt, substantia-
rum divisione sive dilemmate nititur sie: quaecumqne cogitari po-
test substantia aut tactilis est aut intaciilis; si tactilis est tertia,
quam addi vis, substantia, nova non erit sed referetur ad cor-
pus; sin vero est intactilis, non magis nova est sed pridem
comprehensa sub Inani. Deinceps altera demonstratio (440 —
448) tripertitae divisionis sive trilemmatis ope formatur sie:
quaecumque cogitari potest substantia aut agit aut patitur aut
loci vicem praestat iam si tertia, quam addi vis, substantia
vel agit vel patitur, ad corpus recidit ; neque enim quicquam
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46 XXV Commentarius in Lucreti libnim i
nisi corpus polest agere pative. sin vero loci vicem praestat,
idem est quod Inane. ergo praeter corpus et luane tertia Bub-
stantia est nuUa. Similiter Epicurum a substantiamm facnltati-
bus, quae cogitari possent, profectum esse, ut tertiam praeter
corpus et Inane substantiam non reperiri demonstraret, etiam
nunc intellegere licet e brevissimis verbis epistulae ad Herodo-
tum dätae apud Diog. L. x 40 Trapä bfe Taöxa (seil. aüüinaTa Kai
K€vöv) ouöfev dTTivoiiöfivai büvaTai oöxe TrepiXTiirToi^ oöxe dvaXÖTO)^
ToT<; nepiXTiTTTOi^ ib? rd kqö' öXa^ qpiicTei^ Xa)LißavöjLi€va xai jiifi ui^
Tot TOÜTUJv aujLiTTTiuiLiaTa f\ cTu)Li߀ßiiK6Ta \€x6\x€va 'praeter haec
(corpora et Inane) autem nihil cogitari potest neque consueta
percipiendi via neque ratione siraili eins viae qua percipiontur
ea, quae tamquam integrae naturae reapse apprehenduntur, non
appellantur tantum tamquam eventa vel coniuncta (vide Lucr.
infra449sq.) istarum naturarum'. Eundem locum cum teste
ibid. Diogene Epicurus uberius persecutns sit in primo, quarto
decimo, quinto decimo Trepl cßvoeijjq libris et in epitoma maiore,
ex bis fontibus pleniorem argumentationem suam Lucretins de-
rivasse videtur.
419 OMNis, VT EST, NATVRA f] ToO TTavTÖ? qp^cTi^, quae
eadem est atque t6 ttSv essentiae ratione habita; cf. Plutar-
chus adv. Colot. c. 11 p. 1112' tö irciv TravTÖ^ 9uaiv dvo-
\x&leiv etujOev 'EmKOupo^. OMNis enim nequaquam tamquam
nominativus cum natura coniungi potest: quo facto prorsus
contra rationem de una quavis natura sive re diceretnr, quod
ad universam tantum rerum naturam spectat. Sed Omnis ge-
netivus est ab Omne (tö Tidv, vide supra 74) declinatus. Id ut
animadverteret lector, addidit Lucretins td est, sicut eodem
consilio scripsit infra 523 Omne, quod est, spatium vacuum con-
staret inane, 958 Omne, quod est, igitur nulla regione viarum
FinitumsL PER SE (KaO' dauTf)v) DVABVS CONSTITIT IN
REBVS constat, ut in superioribus disputationibus apparuit.
Perfectum tempus posuit poeta, quia coeptum pertexit (418).
420 INANE, IN QVO HAEC COrpora SITA SVNT KCVÖV, ÖTTOU
ICTx rd aüjjLiaTa, ut ait Epicurus (supra p. 45). 421 qva
MOVENTVR bi* oi5 KiveiTtti, Epicurus. DIVERSA in diversas
regiones. 422 CORPVS per se esse commvnis sensvs
DEDICAT (vide supra 367) Td cTiLiiiaTa ib^ faiiv, aöxfi f) atoOn-
(71^ im TtdvTUJv ^apTup€l Epicurus. Sensum enim communem
dicit Lucretins perceptionem sensualem (aiaGiicTiv) omnibus
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XXV Commentarius in Lucreti librum i 47
hominibus communeni, cui deinde (425 et 448) opponit animi
rationem (XoticT)liöv). 423 nisi sensui prima Fides firma
tribnatur, nil de rebus insensilibus ratiociDando statui potest.
Sensuum fides hie et IV 505 prima dicitur, quia ipsa fanda-
mento alieno non indiget sicut ratiocinatio, cuius fides a sen-
snali perceptione pendet secundum Epicurnm. 424 animi
ratione confirmare quiequam de occnltis rebus refe-
rentes ad sensum Kard Tf|v aiaGiiaiv dvaTKaiov tö dbiiXov
TtSj XoTicTjLitjj TeK)Liaip€CT9ai Epicurus. 426 Locvs AC spativm
vide supra p. 35. 429 ID QVOD iam svpera (335—345)
tibi Integer versus iteratur iv 672 et, nisi quod ibi solita
forma supra exstat, infra 531. 430 praeterea nil est
praeter baec, corpus et Inane, nil est : Trapd TaCra oub^v Epi-
curus. QVOD possis dicere . . . ESSE significanter ponitur
essßj per se exstare. 431 seivnctvm ab omni corpore
SECRETYMQVE AB INANI nam quaccumque praeter corpus et
Inane esse dicuntur, hamm duarum rerum vel coniuncta
vel eventa (449 sq.) sunt neque per se exstant. 432 qvod
QYASI qnod ita comparatum sit, ut singillatim numerari et
tamquam (quasi) tertia natura dnabus istis addi debeat.
433 qualecumque erit, id quod tertiam naturam dicere vis,
debebit per se esse aliquid (elvai ti xaG' ^auTÖ), non accidentis
loco fungi. 434 tactvs, nam tariere et langt nisi corpus
nulla potest res (supra 304). 435 sq. dym sit modo re
Vera sit, numerum eins substantiae, quae est Corpus, augebit
angmento vel magno vel denique (f\ xal) parvo. 436 SVM-
MAMQVE corporis SEQVETVR, cum reliquis corporalibus rebus
ita compntabitur, ut ex omnibus una summa fiat. 437 nylla
DE PARTE oöbajLiöGev. 439 yacyym qyod inane Epicurus
1. 8. apud Diog. L. X 67 xaS' iaurd ouk fan vonaai tö daui-
^aTov TTXf|v iiA Toö K€voO. 440 FACIET noufjaei. 441 fvngi
(ndaxeiv) ipsym debebit, dum aliae res agunt. Pro Graeco
iTd(TX6iv etiam alibi fungi dicit Lucretins et quidem cum ac-
cusativo in 734 et mala muUa animus contagüms fungitur eius
(corporis) 801 fungi mutua 168 pariter fungi cum corpore ani-
mum V 358 neque ab ictu fungitur hilum, 443 facere et
FYNGI SINE CORPORE NYLLA POTEST RES cf. Epicuri Verba
1. 8. ouOtv Sv ibuvaxo (fi m/ux^) iroieiv oöie irdcxeiv, el fjv
ToiauTTi i. e. d(Tu)^aTo^. 444 praebere locym nisi inane
YACANSQYE Epicurus ibidem tö kcvöv oöre iroif^dai oöxe
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XXV Commentarius in Lucreti librum i
TraOeTv buvaiai, dXXd kivtictiv jiiövov bi' dauxoO toT^ (Tu)^a(Tl
Trap^XCTtti. 446 — 448 praeter Inane et corpora nulla na-
tura neque sensilis neque rationalis (oöie alaGiiTÖ^ oöt€ \6f\\>
OeiüpiiTÖ^) restare potest in numero rernm verarum, per sc
exstantium. ratione animi vide supra 422. apisci adi-
pisei consequi apprehendere.
V. 449—458 Quae praeter corpus et Inane in sermone
hominum quasi res usurpantur, non per se exstant, sed vel
aeternae et inseparabiles qualitates vel fortuita accidentia sunt
duarum istarum substantiarum, corporis et Inanis. Atque aeter-
nas quidem qualitates ipse Epicurus (TufiißeßriKÖTa appellavit
(v. supra p. 46) vel dibia TrapaKoXouGoOvia, posteriores vero Epi-
curei, velut Demetrius Laco apud Sextum Empir. adv. mathem.
X 219, ambiguitatis evitandae caussa plenius dixerunt dx^P^^'^^^
(TufLißeßiiKÖTa, hosque secutus est Lucretius vocabulum coniunctum
(451) eligendo. Fortuita autem accidentia Epicurus eiusque
asseclae uno ore appellant (Ju)Li7rTiJü)LiaTa, Lucretius eventa (458). —
lam consultissimum fuerit longiorem Epicuri locum, quem con-
eise latinum fecit Lucretius, emendatum hie adscribere, ut com-
mode institui possit latinorum cum graecis comparatio. Sic
igitur loquitur Epicurus in epistula ad Herodotum data apud
Diog. Laert. x 68—71
xd ax^wiaia Kai rd xp{b\xaTa
Ktti Td |Li€Te0ri xai rd ßdpea
Kai 8aa dXXa KaniTopeTTai
ToO CiijixaToq ibaavel cTu^ße-
6 ßtiKOTtt f| Trädiv f| ToT^ 6pa-
ToT^ Kai Kard Tf|v ataGT^cTiv
auTfjv TVUidToT?, oö0' Ob^ KaG'
4auTd? elcTi qpu(T€i? boHaar^ov,
. . . dXX' ihq TÖ 6Xov (Jai)Lia
10 KaOoXou ^fev iK toutwv dTrdv-
TU)v Tf|v dauToO qpümv fxov
dibiov ... Kai diTißoXdg jiifev
f Xovra Ibia^ Trdvra TaOra iaii
Kai biaXrm;€i<;, (Ju)LiTrapaKoXou-
16 GoOvTO^ bfe ToO dGpöou Kai
oubajLiQ dmoaxilo^ilwov^ dXXd
Kaxd Tf|v dOpöav fvvoiav toö
(JiJL))LiaT0^ KaTTiTopiav(leg.Trpoa-
Figurae vero et colores et
magnitudines, et si quae alia de
corpore praedicantur, putanda
sunt coniuncta corporis, siye
omnium corporum sivevisibilinm
et per solum sensum sensilium,
neque putanda sunt naturae
quae per se exstent ... sed ita,
ut totum corpus ex bis Omni-
bus coniunctim suam naturam
habeat aeternam . . . Atque con-
iuncta haec omnia quidem suam
quidque et perceptionem ha-
bent et notionem, semper tamen
Toto coniitante neque usquam
segregato sed suam Corporis ap-
pellationem nacto secundum no-
tionem coniuncta ilia omnia
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XXV Commentarius in Lucreti librum i
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TiTopiav) elXnqpÖTO^. Kai ^fjv
20 Kai TOT^ (JUJ)Lia(Jl (yU)LlTri7TT€l
iroXXdKiq Kai ouk dibiöv ti
TtapaKoXouOeiv oöt' dv Toig
dopdioi^ Kai oÖK dau))LiaTa.
djcTT€ bfi Kaxd Tf|v irXeicTTTiv
25 (pOpdV TOUTljJ Tip ÖVÖ)LiaTl XPW-
^evoi qpavepöv 7toioöjli€v rd
(TUlLlTrTlWjLiaTa 0ÖT€ Tf)V TOO
öXou qpuaiv fx^iv, 8 (JuXXa-
ßövTe^ Kard tö dOpöov cTÜJjLia
80 TrpocTaTopeuo)Liev oöre ifjv tujv
dibiuiv TrapaKoXouOouvTUJV, «Lv
dv€u (7ui)Lia ou buvaxöv voei-
aOai. Kax' dTTißoXd^ b' dv Ti-
va^ , TTapaKoXouOoövTO? toö
36 dOpöou ^KacTia TrpocTaTopeu-
Qe\r\ (scrib. KaTTiTop^Geiii ; dein-
ceps excideruntquaedam, for-
tassetalia oök del), dXV ÖTebrj-
iroxe ?KaaTa (Tu)LißaivovTa Oeuj-
40 peirai ouk dibiiüv tüjv gv\x-
TTTUJILldTUJV TiapaKoXouGoO VTUJ V.
Ka\ oÜK iHKaiiov Ik toO övToq
rauTTiv Tf)v dvdpT€iav, öti ouk
fX€i Tfjv ToO öXou qpiiaiv 8
46 (ju)Lißaiv€i (leg. oök ix^xy -rfiv
TOÖ ÖXou qpiicTiv au)Lißa(vei), 8
bf) Kai adijLia TrpocraTopeOo^ev,
oubfe ifjv TUJV dibiiüv napaKO-
XouOouvTUJV oub' aö Ka0* auTd
60 uqpecJTdvai vo)lii(Jt^ov. oub^Tdp
TouTO biavoT^T^ov (leg. biavoTi-
TÖv) oöt' im TOUTiüv out' im
TWVdlblUJV aU)Ll߀ßnKÖTUJV,dXX',
ÖTiepKai qpaiveTai, au)Li7TTU))LiaTa
66 TtdvTa (adde Ttepi) Td au))LiaTa
vojLiiaT^ov Kai oök dibiov (leg.
dibia) TtapaKoXouOouvTa oöb'
aö qpuaetü? Ka9' ^auTd Tdy^a
Beraay«, ges. Abhandl. n.
simul comprehendentem. Verum
evenit saepe, ut quiddam non
aeteraum coraitetur corpora, ne-
que id fit in invisibilibus cor-
poribus, neque incorporeum est
id quod comitatur. Itaque prae-
yalentem consaetudinem in usur-
pando hoc vocabulo secati aperi-
mus : eventa neque naturam ha-
bere Totius, quod una compre-
hendentes vocamus Corpus, ne-
que naturam qualitatum semper
comitantium, sine quibus corpus
cogitari nequit. Sed eventa sin-
gula de comitante Toto secun-
dum perceptiones quasdam prae-
dicari licet, haud quidem sem-
per sed quandocumque singula
evenire percipimus; neque enim
eventa semper comitantur.
Neque ista evento-
rum evidentia e numero eorum,
quae sunt, expellenda est prop-
terea, quod ita comparantur,
ut neque naturam habeant To-
tius, quod Corpus vocamus, ne-
que naturam semper comitan-
tium ; rursus haud putanda sunt
per se subsistere eventa. Per
se enim subsistendi facultas ne-
que in eventis neque in semper
coniunctis cogitari potest. Ve-
rum, quod sensu apertum est,
omnia eventa putanda sunt circa
corpora evenire, non vero sem-
per comitari neque rursus locum
naturae per se subsistentls obti-
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50 XXV Commentarius in Lucreti librum i
^XovTa, äXX' 8v rpÖTTOv aurf) nere, sed quo modo sensus sua
60 fi aicT0TicTi^ Tf|v IbiÖTTiTtt TToieT, spoate propriam eorum indolem
OeujpeiTai. aperit, ita cognoscuntar.
449 CLVENT (vide supra 119) in sermone hominum usur-
pata audiuntur, neqae enim re vera per se sunt. 450 att
HORVM EVENTA horum, quod in omnibus et codicibus et edi-
tionibas legitur, cum spectare neqaeat nisi ad coniuncta, si
recte legeretur, sequeretur eventa circa coniuncta evenire ; id
quod alienissimnm est cum a mente Epicuri (1. 20 sq.) tum a
Lucretii verbis proximis (457), ubi eventa ad natnram sive
substantiam ipsam referuntur. Quare scribendum est harum
seil, duarum rerum. 451 nvsqvam (in nuUam partem, ou-
bafiir) Epicurus 1. 16) seiungi et segregari potest, äxuipiCTov.
SINE PERNICIALI DisciDio segregatio sive discidium con-
iunctae qualitatis a substantia non fit nisi cum interitu, per-
nicie substantiae, cf. Ili 326 nee sine pernicie divelU posse vi-
dentur. 454 TACTV8 CORPORIBVS CVNCTIS INTACTVS INANI
haec yerba a Lucretio scripta non esse primum inde apparet,
quod dativi corporibus cunctis et inani abhorrent a genetivis
superioris versiculi (453) saxi, ignis, aquae; deinde nominati-
vus intactus (ävdcpeta) alienus est ab usu linguae latinae, qnae
(quod docuit Lachmannus ad h. 1.) talium compositorum non
nisi ablativum casum admittit. Finxit autem interpolator hunc
yersum, quia mentionem primariarum qualitatum, quibus secun-
dum Epicureos (435, 437) Corpus et Inane praedita esse no-
verat, in hac enumeratione omitti non debuisse putabat. In qua
re ionge aberravit a consilio Lucretii. Neque enim id hoc
loco agit poeta, ut plenam qualitatum tabulam e doctrinae
Epicureae ratione proponat, sed ut quae in vulgari opinione
et loquendi consuetudine {eluent 449) rerum locum obtinent,
velut pondus calor liquor servitium paupertas, per se non ex-
stare doceat. Atqui tactum primariam omnium qualitatem
corporum esse philosophorum est sententia, non vulgi opinio,
et multo etiam minus intactile Inane novit vulgus. 458 vo-
CARE SöLiTi SVMV8 nos philosophi Epicurei; vide supra 59
vocare . . . stiemiis. yt par est ut consentaneum est secundum
probatam vocabuli eventum significationem, KaTot ifjv TiXelarnv
qpopdv TOUTifj Tii!i 6vö)LiaTi xp^^€vol ut ait Epicurus supra 1. 24,
cf. Epicurus apud Diog. Laert. X 67 tö d(Tu)^aTov \ifw xard
Tf|v TiXeicTTTiv ömXiav xoO övö)LiaT0^.
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XXY Commentarias in Lucreti librum i 51
V. 459 — 403 Secus ac Stoici, qui discrimine tempus inter
et motam relicto nullo utrumque per se percipi stataerant (vide
Sextam Empir. adv. math. z 227), Epicarus naturam temporis
substantialem esse negavit. Qnod Epicurenm decretum, quia
gravius visum est Lucretio, quam ut coninnctorum evento-
rnmque exemplis insereretnr, seorsum is quidem agit de tem-
poris natura; verum fatendum est minus diligenter eum Epicuri
sententiam expressisse. Hoc enim solum Lucretius dicit, quid
non Sit tempus; praetermittit, quid sit secundum Epicurum,
utrum ad coniuncta pertineat an ad eventa; atqui istis duo-
bus generibus omnia praeter Corpus et Inane comprehendi modo
doeuit. Ipse autem Epicurus neque (TujiißeßiiKd^ (coniunctum)
neque <Tu^7TTUJ^a (evetUum) sed (Ju^1TTU)|Lla au^1TTUJ^ATU)v tempus
esse dixit teste Demetrio Lacone apud Sextum Emp. adv. math.
X 219. Quo quid significetur, exponit epistula ad Herodotum
data ap. Diog. L. X 73 toOt' oök dmoheiE^ax; irpocbeixai dXX'
dTTiXoTicyjioO, 6ti xaig i]\xlpai<; kqi xaT^ vuEl (JujLl7^X^K0^ev Kai toi^
TOUTUJV jLi^peaiv, ibaauTUj^ bk Kai roTg irdGeai xal rai^ ÄTraGeiai^
Kai Kivr|(T€(Ji Kai arddediv tbiöv ti (Tu^7TTUJ^a, nepl raOra irAXiv
aÖTÖ toOto dvvooOvTe^ Ka0' 8 xp6wow övo^AJofiev: *hoc nulla
amplius demonstratione sed sola animadversione indiget, quod
cum diebus, noctibus horumque partibus, porro cum affectuum et
praesentia et absentia, denique cum motibus et ^pladda quiete
(Lucr. 463) proprium quoddam eventum conectimus, circa illa
eventa rursus id ipsum eventum mente concipientes, quod
respicientes vocabulo temporis utimur'.
459 REBVS AB iPSis sine ulla alius substantiae ope ad-
venticia. Magis autem ad mentem Epicuri dixisset Lucretius
sie: ab eventis rerum apprehendit {consequitur 460) sensus
(fj atoOTicTi^) varias temporis partes. 460 transaC5TVM qvid
8IT IN A£VO significat praeteritum tempus, tö irapiuxim^vov.
461 QYAE RES INSTET significat praesens tempus, tö iveardq ;
auctor adHerennium u5 initio arffumenium dividUur in tempara
tria^ praeteritum insians consequens. QVlD PORRO deinde
SEQVATVR significat futurum sive consequens tempus, tö ^^XXov.
V. 464 — 482 Ne per usum verbi esse, qui in volgari ser-
mone obtinet, errores irrepant, monet poeta substantialem huius
verbi vim secernendam esse ab auxiliari. Ubi dicimus 'Tro-
ianos subactos esse", praeteritum eventum significamus, non
vero substantialem et praesentem, qualis indicaturubi dicimus
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52 XXY Commentarios in Lucreti librum i
'corpus sive materiam esse', 'Inane sive locnm esse'. Atque
etiam si temporis praeteriti praesentisve discrimen omittis, tarnen
hae res apud Troiam gestae eventa sunt. Etenim (471 — 477)
Troianorum subactio per se cogitari nequit sed pendet a snb-
stantiis corporis et loci. — Non absimilis de Yocabulornm usa
admonitio reperitur ii 655—660, talesque cautiones eo minus
supervacaneas esse dnxit Lucretins, quo magis a reformanda
secundum snam doctrinam lingua volgari Epicurei alieni erant;
qua in re Epicurus magister praeiyerat, qui de temporis natura
disputans ad Herodotum scribit ap. Diog. L. X 72 oö biaX^KTOug
ib^ ßeXriou^ lieTdkr\inlov dXX' aurai^ xaT^ uTrapxouaai^ Kax' au-
ToO (toO dvepTTJMttTO^ toO xP^vou) xpr\aTio}/: 'nova dicendi ge-
nera non sunt adsciscenda quasi meliora sed ipsis consuetis
utendum est in temporis yi enuntianda'.
464 TYNDARIDEM omatiore vocabulo dicit Helenam Tynda-
reo gnatam (Attins y. 609 Bibb.) sicut supra 85 Iphiatiassam
appellayit Iphigeniam. 465 CVM dicvnt esse consulto
a subacias quam potuit longissime seiunxit yerbum esse, ut
yerbi substantialis speciem indneret. yloendymst cayendum
est, ne forte nos cogant fateri haec omnia per se (KaO' daurä)
esse. 467 saecla genera, vide supra 21. 469 namqve
ALIVD SAEGLis sqq. Dico res Troianas eyenta fuisse huma-
norum generum praeteritorum, nam quaeyis res gesta eyenisse
dici poterit yel generibus hominum (saeclis) yel, omissa homi-
num ratione, ipsis terris {regionibtis). Terris quod in codici-
bus y. 469 exstat pro saeclis y interpretandi canssa ab initio
adscriptum ad regionibtis e yerborum ordine expulit Lucretia-
num yocabulum. 473—475 Ignis amoris accendit belli flam-
mam. Sic duae metaphorae, quarum utraque seorsim nimis
trita est, splendidiores fiunt coniunctae. alexandri Varro
1. 1. vn 82 p. 360 Apud Ennium 'Quapropter Parim pastores
nunc Alexandrum vocanf [38 Ribb. 74 Vahl.] . . . appeüatum in
Graecia . . , ab eo, quod defensor esset hominum, 8VB pectore
QLISCENS IGNIS X^TTTOV b' aÖTlKtt X9^ ^lOp Ö7^abebpö^aK€v
Sappho, tenuis sub artus flamma demanat Gatullus 51, 8.
475 CLARA appellantur gertamina belli, quia cum flamma
accensa comparantur, cf. v 295 clarae coruscis fulguribus taedae
VI 163 ciaras scintillas dissipcU ignis. 476 nec CLAM tro-
lANIS (Kpucpa TUIV TpUlUJV) DVRATEVS EQWS INFLAMMASSET
PERGAMA Plautus Bacchid. iv 9, 12 (936 Ritschi.) dixerat equos
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xxY Commentarius in Lucreti librum i 53
quem misere Ächivi ligneum: pro latino vocabalo Ugnetis Ho-
mericum (Od. 9 492 tTnrou KÖ(J^ov fieicTov Aoupar^ou, töv
'Eireid^ lno\r\aev cTuv 'AGrjvij) posuit Lucretius tragicis latinis
fortasse praeeuntibus; Paulus e Festo p. 82, 12 Epet4S nornen
cuiusdam fahri, qui equum dureum fedt partv. . . noctvrno
GRAiVGENARVM Ennius in Alexandro v. 60 Ribb. 97 V. (Macrob.
Saturn, vi 2, 25) Nam maximo soitu superabit gravidus armatis
equuSy qui suo partu ardua perdat Pergama, 481 SED MAGIS
(hie et infra 612) dXXd ^äXXov, sed potius.
V. 483—502 Stabilita Corporis et Inanis natura substantiali
docet duo reperiri genera corporum, simplicia et composita. Ac
simplicia quidera indivisibilia esse, immutabilia, solida, ex eis-
que enm composita omnia constent, ipsa simplicia corpora (STo^a)
merito dici rerum principia (dpxal). Item Epicurus Diogenis
Laert. X 40 tujv (TuJ^dTUJV rd \xiy/ daxi cuTKplaei?, xd b' ii iLv
a\ (TuTKpi(J€i^ ireTTOiTivTai* TaOxa bi dcrxiv fixo)Lia Ka\ djuexdßXrixa . . .
xd^ dpxd^ dxö)Liou^ dvaTKaiov elvai (TiüjLidxiJüv qpuaei^: 'necessa-
rium est indivisibiles corporum naturas esse principia rerum ^
(de cpuaei^ vide supra 363, 419). lam quo studiosius pauUo
supra (329 — 397) inculcaverat Lucretius admixta esse inania
spatia rebus ad aspectum solidissimis, eo minus sperare potuit
fore, ut exstare corpora perfecte solida facile persuaderetur
Memmio. Gandide igitur nt agat, confitetur hoc quidem Epi-
curi de solidis atomis decretum minime consentire cum consue-
tis bominum notionibus atque adeo ipse iterum cumulat exempla
(partim supra 346—355 allata partim vi 942 — 958 repetita) re-
rum, quae quantumvis soiidae yideantur, tarnen a certis quibus-
dam viribus penetrentur dissolvanturque (489 — 497). Attamen
si minus sensuum evidentia (aiaOricTi^), certe ratio (498 XotkJmö^)
cogit, ut concedamus exstare etiam corpora re vera solida. Id
paucis versibus (499) sese probaturum dicit; qui versus perti-
nent inde a 503 usque ad 519.
484 CONCILIO vide supra 183. 486 stingvere exstin-
guere perimere, vide infra 666 n 828 iv 1098. nam cum res
compositae cunctae vincantur a viribus dissolutricibu8> ea demum
simplicia primordia solido corpore suo vincunt quamcumque
vim dissolutricem. 488 in rebvs in rerum natura, item
infra 497. 489 per saepta vide supra 354. 490 ferrvm
candescit ergo solidum non est ferrum, cum penetrare per
ipsum videamus vim ignis : vi 952 vaposque Ignis, qui ferri
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54 xxv Gommentarias in Lucreti librum i
quogue vim penetrare suevit. 491 saxa calefacta vehementi
calore dissiliunt. vapore calore, ut semper apud Lucretiiim.
492 AESTV calore, vide supra 300. 494 — 496 calorem et
frigus per argentum penetrare inde apparet, quod nos utriim-
que, et calorem et frigus, sentimas cum secundum conviviorum
ritum argentea pocula manu tenemns, ubi in pocula infundun-
tur liquida vel calida vel frigida. 494 FRIGVS penetrale
penetrandi facultate praeditum, infra 535 nee peneträlem ignem
II 382 fulmineus multo penetralior ignis. Vergilius georg.
I 93 dixit penetrabile frigus Aen. X 481 penetrabile telum,
495 MANV RETINENTES ut U 25 lampados igniferas manibus
retinentia dextris, 496 SENSIMVS perfectum dopicTTw^ posi-
tum sicut IV 37 excierunt limpharvm rore cf. infra 771
roremque liquoris. SVPERNE fpaq^xKiS)^ depingit pincemam
latices desuper infundentem. Brevius totum hunc locum ite*
rat VI 948 frigus calidumque vaporem sentimus transire per
aurum Atque per argentum^ cum pocula plena tenemus.
V. 503 — 510 Tres sunt qualitates, quibus atomos praeditas
esse inde a v. 503 usque ad 564 Lucretius probaturus est, soli-
ditas aeternitas simplicitas. Harum qualitatum argumenta quamvis
artissime inter se conectantur neque cavere potuerit Lucretius
quin alia in alia abirent, tarnen certa voluntate singula distin-
guendi ductum esse poetam ex universo ordine apparet, idque
perspexisse haud paullum facit ad singula accuratius intellegenda.
Dicimus igitur disputationem de soliditate atomorum duobus
argumentis primariis absolvi 503 — 519, deinde aeternitateni
atomorum demonstrari item duobus argumentis 520 — 550, deni-
que de simplici täte atomorum agi 551 — 564. Et prius quidem
argumentum soliditatem atomorum consectariam facit e substan-
tiali natura Corporis et Inanis, quam poeta supra (419 — 448) de-
monstraverat. Etenim si Corpus et Inane utrumque per se constat,
prorsus disiunctum est alterum ab altero. Atqui Inane unicum
est principium raritatis moUitieique. Ergo Corpus, quod ab Inani
disiunctum est, rarum vel moUe esse nequit, h. e. Corpus est soll-
dum. Atomi autem cum corpora prima (510) sint veramque Corpo-
ris naturam incolnmem praestent, et ipsae solidae esse debent.
506 SIBI PER SE auTf|v Ka0' dauxriv. 507 qvacvmqve ubi-
cumque. 508 ea ibi. tenet se exstat. 509 vacwm dicitur
INANE, qnatenus vacat corporibus; additur epitbeton vacuum
ut magis in oculos incurrat Corporis et Inanis discrimen.
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XXV Gommentarius in Lacreti librum i 55
V. 511 — 519 Prius argumentum cum ad atomos per se ex-
stantes pertinuerit, hoc' secundum argumentum spectat ad atomos
in rebus sensibilibus sive genitis (511) obvias. Hae res genitae,
in quibus inane contineri supra (329 — 399) probatum est, corpo-
rales partes suas solidas habent. Inane enim intus cohiberi ne-
quit nisi ab eo quod expers est Inanis, i. e. a soUdo. lam inde
quod etiam in genitis rebus vere solida corpora adsunt, apparet
cur haec corpora salva et aeterna permanere possint (519), quam-
vis ipsa res genita dissolvatur. Einsmodi autem atomorum ae-
ternitatem nuUo adhnc iusto argumento stabiliverat poeta; ita-
que quasi praeludens demonstrationi aeternitatis, quae continuo
seqnitur (520), satis habuit significasse quo pacto aeternitas apta
esset e soiiditate. Quare v. 519 dixit posse materiam aeternam
esse, non, quod argumento rite concluso dixisset, debere.
512 GIRCVM TT^piE, circum inania spatia quae sunt in re
genita. 515 id QVOD cohibet tö cruv^xov. 516 mate-
RIAI CONCILIVM atomorum coagmentatio, coetus, öXiiq (JÜTKpi-
(Ji^. 517 INANE VERVM Inane purum (sicut ipse dicit infra
658); vide infra 690 nequeüllam Rem veram in numero rerum
canstare nisi ignem, 519 cetera omnes res genitae.
V. 520 — 539 Ad aeternitatem atomorum ostendendam
transiens prius argumentum repetit a soiiditate ipsarum. Quae
etsi iam satis comprobata erat per superiorem disputationem,
tamen denuo eam et commodiore quidem ratione ita demonstrat,
ut omissa ipsins soliditatis conclusione peculiari ad solam aeter-
nitatem stabiliendam sibi viam muniat. Procedit autem argu-
mentatio sie: Rerum summam (tö näv) neque prorsus plenam
neque prorsus yacuam esse videmus; igitnr alternatio est pleni
et yacui, plenumque distinetur interstitiis vacuis, rursusque va-
cnum spatium interspargitur corporibus plenis. Ista autem cor-
pora nequirent disterminare Inane, nisi ipsa omnino expertia
essent Inanis. Atqui nullus dissolvendi modus cogitari potest
sine Inani. Ergo corpora plena, Inanis expertia dissolvi peri-
reque nequeunt, i. e. aeterna sunt. — Gommodiorem dixi banc
aeternitatis per novnm soliditatis argumentum probationem,
quippe quae a summa rerum proficiscatur atque ad univer-
salem ducat de omnibns atomis conclusionem. Contra e so-
liditatis argumento eo, quod v. 511 — 519 continetur, aeternitas
earum tantum atomorum colligi potuisset, quae in rebus ge-
nitis (511) obviae sunt. Alterum vero soliditatis argumentum
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56 XXV Gommentarius in Lucreti librum i
(503 — 510) nimis pendet a decretis aliunde asciscendis, porro
XoTiKOüTepov est remotiusque a captu sensunm, quam quo Epi-
cnrenm credas libenter usnrnm fuisse in gravissimo aeternaram
atomoTum placito comprobando.
521 OMNE (tö TTdv, vide supra 74) foret SOLrovM, quod
falsum esse supra 329— -345 apparuit. 523 omne qvod est
iterum significat tö irdv; addidit autem quod est^ ne omne
tamqaam adiectivum coniungeretur cum spatium^ vide supra
419 et infra 958. 524 — 527 quoniam igitur id quod est
Corpus alternatim distinetum Inani — eiusmodi autem est
Omne — neque prorsus plenum neque prorsus yacuum exstat,
ergo Corpora certa sunt quae possint etc. De alternantibus in
Omni (Tip TiavTi) corpore inanique uberius disputat infra 1008.
525 NAVITER plenvm, egregie plenum, prorsus plenum. 527
quae spatium inane interstinguere pössint solido corpore sive
atomo. Atomum autem dixit plenum Epicnrum secutus, qui apud
Diog. L. X 41 dTOjLia definivit n\r\pr\ Tfjv qpOcTiv övTa. 528 PLAGIS
vide supra 222. extrinsecvs ßwOev, cui opponitur peni-
TVS fvboOev. 529 retexi dvaXuecrGai, texturam (vide supra
247) particularum resolvi, cf. V 267 radiis retexens (mare)
aetherius sol Matius apud Ciceronem ep. ad fam. Xi 28, 5 me
ipse retexam, 531 pavlo ante id est versibus 518, 519;
integer versiculus adfuit supra 429. 532 CONLIDI (JuvGXä-
crOat, comprimi, ut est apud Ovidium art. am. iii 221 anulus
ut fiat, primo conliditur aurum. 533 findi in bina dif-
findi. 534 capere elabix^aQai. manabile frigvs quod
permanat (supra 355). 535 penetralem vide supra 494.
536 QVO MAGIS — TAM MAGI8 sic semper apud Lucretium,
non quam magis tarn magis, vide [il 197] iv 1089 v 452, 483
VI 460 [cf. 100]. 537 HIS REBVS eis dissolvendi modis, qui
inde a versu 532 enumerantur.
V. 540 — 550 Secundum argumentum aeternitatem concludit
ex ipsa praesentia rerum, quas exstare videmus. Etenim si in
dissolutione rerum etiam materies periret, pridem deficiente
materie omnes res ad nibilum redactae eaeque quae nunc ad-
sunt res e nihilo factae essent. Atqui supra (159 — 264) demon-
stratum est nil ad nibilum revocari neque quicquam fieri e nibilo.
Ergo materies rerum per longissimum praeteriti temporis spatium
non periit, immortalia igitur sunt et aeterna materiei corpora
sive atomi. — Recordabitur autem diligens lector, prorsus simili
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xxY Commentarius in Lucreti libruxn i 57
yia supra 221 — 237 eara ipsam probatam esse de nihilo in Di-
hilum redennte propositiouem, qua hoc aeternarum atomorum
argumentum niti profitetur poeta. Totara vero quae fuit de ato-
morum aeternitate disputationem talibus versibus (548 — 550)
claudit, qui ad proxime sequentera demonstrationem simplici-
tatis yiam sternant, sicut idem supra 517 sq. fecit in soliditate
et aeternitate conectendis. Nimirum omissis paulisper argu-
mentis nude pronuntiat haec priraordia, quippe quae aeterna
esse modo apparuerit, etiam dbiaipeTa (simplicia) esse debere,
simplicitatem enim et aeternitatem alterara ex altera penderc.
546 QVO DIS80LVI QVAEQVE POSSINT in quae primordia
dissolvi possint omnia ; supra 55 primordia . . . qtw . . . natura
perempia resolvat, svpremo tempore ubi supremum terapus
sive mors et dissolutio rei advenit, cf. m 595 et quasi supremo
languescere tempore voltus, ii 1002 nee sie interemit mors res,
ut materiai Corpora conficiat, 547 svbpeditet suppetat,
II 1138 unde queat tantum suboriri ac subpeditare. 549 pee
AEVOM b\^ aiüüvoq, semper, infra 583, 952.
V. 551 — 564 Simplicitatis seu indivisibilitatis atomorum
argumentum repetit a certo Crescendi tempore, quod unlcuique
rei attributum esse videmus. Etenim si rerum primordia aeque
atque ipsae res frangi potuissent, pridera fracta essent cuncta.
lam etiamsi naturae vim tantam tribuamus ut adeo funditus
perempta reparare possit, tamen ubique legem illam pervalere
cernimus, ut multo plus temporis requiratur ad reparandum
quam ad destruendum. Igitur cum destructio per totum tamque
infinitum praeteriti temporis spatium pertinuerit, reparatio non,
sicut nunc fieri videmus, intra certi temporis fines absolvi po-
tuisset. Ergo dicendum est ipsa primordia rerum non amplius
frangi sed simplicia et indivisibilia permanere in dissolutione
rerum, et haec individua primordia sive Sto^oi cum nonnisi
certo tempore indigeant ad novas res denuo conflandas, intra
certum quoque tempus reparari videmus omnia.
551 EINEM NATVRA PARAS8ET FRANGENDIS REBVS termi-
num constituisset natura, ultra quem res non amplius frange-
rentnr. 552» 553 corpora materiae, sive atomi (ii 1002), cum
totum praeteritum tempus ea frangeret, usque eo redacta forent
ut nil etc. 555 CONCEptvm ex illis compositum ex illis
corporibus. symma sie pro eo quod in codicibus legitur
summum coniecit Lachmannns explicatque ita: 'summa hoc
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68 xxv Gommentarius in Lucreti libram i
est universo viveDdi acta, aetatis pervadere finiSy per omne
yitae spatium vadere: fines enim locam finibus designatum
dici nemo ignorat'. Qaod etsi a Lueretio profectum esse
non putamus, retinemus tarnen donec melius quid invenietur.
557 — 560 quapropter id reliquo tempore numquam reparari
posset, quod longa et infinita did adas per omne praeteritum
tempus usque ad hoc tempus fregisset. Consulto antem et
adiectiva et quaecumque temporis vocabula conquiri possent
cumulavit poeta, ut infinitae longitndinis notionem inculcaret.
LONGA INFINITA dcTuvb^TUj^, sicut supra 523 spatium vacuum
consiaret inane. diei aetas dies pro temporis spatio usur-
pavit etiam supra 233; in coniungendis autem aetas diei vo-
cabulis praeivit Lueretio Ennius (401 V.) apud Gellium noct.
att. IX 14 Q, Ennim in sexto decimo annali dies scripsit pro
diei in hoc versu 'postremo longinqua dies confecerit aetas*.
560 RELICVO quattuor syllabis pronuntiari voluit Lucretius
hie et m 648 iv 976, quibus solis locis totius carminis hoc
adiectivum reperitur. Vide Bentleium ad Phaedrum i 31, 13.
563 et simul certa temporis spatia crescendis rebus consti-
tuta esse pro variis rerum generibus varia.
V. 565 — 576 Exhaustis argumentis, quibus praecipuas ato-
morum qualitates recta via probaverat, duo additamentornm loco
(565 huc accedit täi) afifert coroUaria indirecta, quorum prius
soliditatem, alterum (577 — 583) simplicitatem sie commendat ut
contraria i. e. mollities et fragilitas accipi non posse ostendan-
tur. Etenim quod ad soliditatem attinet, videmus inter res ge-
nitas reperiri multas, quae molles sint et rarae, velut a6ra
aquam humum ignem. Hae res quomodo molles fiant, cum
atomi sint solidae, facili opera inde explicatur, quod in rebus
genitis atomi solidae coniunguntur cum Inani, mollitiei et rari-
tatis principio. At vero si atomos non solidas sed molles esse
statuis, nil sane est quod res e moUibus atomis factas et ipsas
molles esse miremur; attamen tum nulla patet via, qua tot du-
rarum solidarumque rerum, velut saxi et ferri, origo explanetur.
Quippe sublata atomorum soliditate duritiei principium restat
nullum. Ergo qnia cum solidis atomis etiam rerum mollities
optime conciliari potest, moUibus autem atomis durae res pror-
sus repugnant, dicendum est atomos esse solidas.
566 CVM CONSTANT quaudo constant. possint tamen
omnes res, quae molles sunt, explicari (reddi 566) possint,
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xxY Commentarius in Lucreti librum i 59
quomodo moUes fiant et qua molliendi vi singula quaeque
moUiantnr. REDDI breviter dictum pro rationem reddi (572),
expediri, sicut ii 178 sq. (=Vl96sq.) hoc tarnen ex ipsis caeli
rationibiis atmm üonfirmare aliusque ex rebus reddere muUis,
572 NAM in UDiversa euim rerum natura prorsus nuUum
reperietur principium, initium fundandi et durandi, unde du-
rities saxorum et ferri manare possit. 573 principivm fvn-
DAMENTI ut supra 339 principium cedendi; cf. V 925 At genus
hutnanum multo fuit illud in arvis Durius, ut decuit, tellus
quod dura creasset, Et waioribus et solidis magis ossibus
intus Fundaium. 575 per QVORVM primordiorum magis
eondensatam constipationem (TruKvoT^pav av\im\r\ai}/) omnes
res dnrescere et artiore cohaesione particularum validiores
fieri possunt. 576 artari infra 610 quae minimis stipata
cohixercnt partibus arte vi 1010 elementis Indupedita suis arte
conexa cohaeret välidi ferri natura,
V. 577 — 583 Simplicitatem atomorum item indirecte inde
commendat, quod ipsa consentanea est, fragilitas autem repugnat
materiae aeternitati supra 540 — 7 eomprobatae. Etenim si fran-
gendi vis nulla atomos destruere potest, per quamlibet infinitnm
aetemumque tempus incolumis remansit rerum materies, novae-
que, quas nunc adesse videmus, res habuerunt unde orirentur.
Contra si fragiles sunt atomi, pridem fractae essent per tam
longum praeteriti temporis spatium omnisque evanuissct materies
reparandis rebus necessaria.
578 TAMEN EX AETERNO TEMPORE ii dlbiou XPÖVOU 8jL4U)^
Kai vOv uTrdpxeiv bei (yiüjuaTd Tiva, quantumvis aeternum sit
tempus praeteritum, tarnen etiam nunc superesse debent Cor-
pora materiae ad res procreandas, cf. m 553 sed tarnen in
parva lincuntur tempore tabi. qvaedam . . . CORPORA ita
comparata ut merito de ipsis dici possit {clueant cf. supra 119),
nuUidum pereundi periculo ea abnoxia fuisse. 581 AT si,
ut adversarii opinantur, corpora materiae (atomi) fragilitate
praedita sunt, tum discrepat, i. e. judxeTai, haud consenta-
neum est, ea potuisse per aeternum tempus durare.
V. 584 — ^598 Atomos in varia genera distributas horumque
generum constantem et immutabilem naturam esse (ä^6TdßXTlTa
dTo^a dixit Epicurus apud Diogenem L. x 41) concludit e certis
rerum genitarum generibus, quae indolem suam extemumque
habitum per omni um saeculorum seriem conservant Neque
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60 xxY Gommentarius in Lucreti libram i
enim explicari posse quo pacto hae rerum classes tarn con-
8tantibQS legibus aliae ab aliis discernantur, nisi certa quoqne
et immutabilia fignrarum discrimina in primordiis inveniantnr,
unde res quaeque compositae sunt. Dedita opera varias rerum
classes ad varias atomorum figuras refert ll 333 — 477.
588 nee quicquam ita commutatur, ut non omnia sibi con-
stent, constanter eadem maneant ; supra 165 nee fructus idem
arboribus eonstare solerent^ Sed mutarentur. 589 VAKIAE
VOLVCRES aves variegatis plumis insignes, TroiKiXÖTTTepoi, ut ii
145, 344 IV 1007 v 801, 1078 Vergilius Aen. iv 525 pictaeque
volueres, m ordine cvnctae i(f>eif\<; näaai, ut iv 973 dies
mtdtos ex ordine v 418 ea; ordine ponam. 590 MACVLAS
GENERALES maculas universo generi communes. 591 habere
debent corpus immutabilis materiae i. e. ex immutabili mate-
rie constans. 594 qvid possit 596 haerens ad-
fuerunt supra 75. 597 saecla i. e. progenies secundum
generis indolem repraesentat parentvm naturam etc. 598 MO-
TVS movendi modos, eundi rependi volandi.
V. 599 — 614 Atomos Minima (rd ^XdxicTTa) esse neque ul-
tra atomos progredi secandi facultatem, tribus argumentis (599 —
634) ita probat, ut e duobus prioribus novas soliditatis aeterni-
tatis simplicitatis demonstrationes (609, 612, 627) eliciat. lam
etsi apertum est novas istas illarum qnalitatnm supra abunde
comprobatarum demonstrationes non aeqne cordi esse Lucretio
ac refutationem mathematicorum philosophorumque fere omuinm,
qui in infinitnm secari posse corpora statueruut {ovbk yoip elg
äireipov Tf|v Tojiriv TUfxaveiv Epicurus Diogenis L. X 43 cf. 56,
omnino finem non esse secandis corporibm faciunt Lucretius infra
746), tamen disposuit argumenta secundum artiorem laxioremve
necessitudinem, quae inter ipsa et eam atomorum qualitatem in-
tercedit, unde ceterae, de quibus adhuc disputavit, maxime pen-
dent. Primum igitur locum ei argumento assignavit, a quo ad
soliditatem reditus patet facillimus. Primum autem hoc argu-
mentum magis adumbravit poeta quam plene expressit reticuit-
que praemissa quaedam, quae e versibus infra positis (749 mm
videamus id extrenmm cuiusque cacumen Esse quod ad sensus
nostros minimum esse videtur; Conicere ut possis ex hoCf quae
cernere non quis Extremum quod habentj minimum consistere pror-
sum) huc retrahenda sunt, ut tolerabilis e Lucretii mente argu-
mentatio evadat haec: In rebus visibilibus extremus cuiusque
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XXV Commentarius in Lucreti librum i 61
rei apex Minimum est ad ocalos nostros. Atqui cum integra
atomus propter parvitatem suam cerni nequeat, extremi apices
huius invisibilis atomi multo magis debent Minima esse, et
profecto ita prorsus Minima ut per se eos constare nequeas co-
gitare. Ex eiusmodi autem minimis apicibus, qnae nisi tam-
quam partes alius rei cogitari nequeunt, integra atomus com-
posita est. Ipsa igitur atomus seeari nequit in apices, quippe qui
per se constare non possint. Ergo solida et simplex est atomus.
— Hodie quidem inter Epicuri reliquias nuUa usquam reperitur
argumentatio, quae huic Lucretianae ab omni parte respondeat.
Attamen nequaquam improbaturum fuisse Graecum magistrum,
quod Latinus discipulus Minimum invisibile e visibili Mi-
nimo colligere conatus est, etiam nunc patet ex ipsius verbis
apud Diog. Laert. x 58 rfl dvaXoTiqi (toO iv t^ aicyerjCTei ^Xa-
XicTTOu) vomcTT^ov Kttl TÖ ^v Tr| dTÖjLiuj dKaxicTTOV KexpflcTöai : 'pu-
tandum est Minimum in atomo constare secundum analogiam
Minimi sensibilis'. Igitur etiam subtiiissimam faanc quaestionem
dirigi voluit ad normam doctrinae suae principalem Kaia Tf)v
aicyeTicTiv dvaTKaiov tö äbriXov XoTicrjLiijj TeKjLxaipeaGai (vide supra
p. 45 et adn. ad v. 423).
599 CACVMEN hie et 749 nipaq (Epic. apud Diog. x59).
600 corpus QVOD nostri cernere sensvs iam neqvevnt
est atomus, quam sub nuUos sensns cadere sed mentis tantum
oculis cerni seu Xötiu OeujpriTÖv esse supra p. 28 probavimus.
601 iD extremum cacumen. 602 minima constat natvra
habet naturam Minimi. 604 primaqve et vna .... siMi-
les ex ordine (vide supra 589) partes Epicurus Diogenis
L. X 58 iEf\q OeuüpoO^ev laOra ättö toO irpuiTou Karapxö^evoi.
Extremum cacumen numeratur pro una parte et cum ordinem
reliquarum ducat est prima, 611 non ex vllorvm CON-
VENTV CONCILUTA OU TlVlüV (TUVÖblü (yUTKpiO^VTa. 612 SED
MAGIS sed potius, vide supra 481. 614 natvra ttpoctuüito-
TTOiTiTiKuj^ ut infra 629. reservans semina rebvs nam nisi
solidae et aeternae atomi sint, nil erit unde res reparentur
(supra 540 — 550); Epicurus apud Diog. X 56 Tf|v eiq äireipov
TO\xi\y . . . dvaipcT^ov, iva ^f\ iravTa dcrOevfl Troiw^iev Kai . . .
eiq TÖ jifi öv dvaTKaJuijLxeOa rd ßvia OXißovieq KaTavaXicTKeiv.
V. 615 — 627 Secundum Minimi argumentum eos ad absur-
dum ducere conatur, qui infinitam sectionem tuentur. Quippe
prorsus tolii magnitudiuis parvitatisque discrimen, si quidvis in
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62 xxv CommentariuB in Lucreti librum i
infinitas partes dividi possit, quidvis igitur habeatqaoqae in-
finitas partes. Tunc enim oronia aeque iDfinita essent, et cum
infinitum non sit mains infiDito, omnia aeque magna essent
Ergo magnitadinis et parvitatis discrimen, qnod sensibas nostris
pereipimus, cogit nt corpora quaedam exstare concedamas, quae
in partes dividi amplius non possint, sive quae Minima sint; ho-
rumque corporum quo plura yel pauciora re continentnr, eo
maior vei minor res est. Igitur baec corpora minima sunt pri-
mordia rerum, quae cum in partes per se constantes dividi ne-
queant (625), solida et propterea aetema esse apparet. Huius
argumenti, quod longius pertexuit Lucretius, ut commodum ad
soliditatem transitum pararet, stamina prima inveniuntur in ver*
bis Epicuri apud Diogenem L. z 56 sq. ou Ö€T vo^iJIeiv £v t<]u
i)p\<y\iiyn\> (Tlü^aTl direipou^ ötkou? elvai oubfc yap 8Xui^
^Treibdv &nai T\q eTinj öti fiireipoi öt^oi ?v tivi uTräpxoucJiv . . .
ton voficTai ttiü^ t' fiv Trejrepacy^^vov toOt' cTti tö ji^tcOo^: ^No-
lito putare in finito corpore iufinita corpuscula inesse; neqne
enim, ubi semel dixeris infinita alicubi corpuscula esse, intellegi
potest quo tandem pacto ista magnitudo finita sit'. Quam difli-
cultatem quomodo per distinctiones tum inter Infinitum nume-
rale et infinitam extensionem tum inter Infinitum actu et Infini-
tum potentia institutas propugnatores infinitae sectionis removere
studuerint, ex Aristotelis Physicae auscultationis libro tertio et
sexto cognoscitur.
617 QViPPE VBi vide supra 182. 618 NEC RES praefiniet
VLLA neque quidquam certum finem, terminum ponet partitioni.
619 quid igitur intererit inter rem maximam et minimam?
Pro erit antiquiorem formam ESCIT metri ratio commendavit.
620 NIL ERIT VT DiSTET oubfev bittcp^peiv (Tufiß^icyeTai. FVN-
DITVS OMNIS SVMMA KOjLxibQ äirav TÖ TOV, VI 679 nü sifU ad
summam summai totius omnetn. 623 id credere posse ani-
mum, quoniam vera ratio negat quasi clara voce clamans.
625 ESSE EA QVAE UTrdpXClV Tiva fi. NVLLIS PARTIBV8
i. e. nuUis eiusmodi partibus, quae a Toto revulsae per se
constare possint, vide supra 601— 606. 626 minima natvra
vide supra 602. qvae qvoniam exstant, id qnoque fatendum
tibi est, aeterna illa esse et solida.
628—634 Ultimo loco profert argumentum, quod omissa
soliditatis conclusione acquiescit in sola Minimi natura atomis
inde vindicanda, quod ad tantam rerum genitarum varietatem
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xxv Commentarius in Lacreti librum i 63
prodacendam minus aptae essent atomi, nisi ipsae quam maxime
Minima essent. Etenim cum atomorum ahitu aut aditu mtUatoque
positionis ordine (677) varietas rerum efficiatur, apparet eo plures
res creari posse, quo magis parva sint primordia rerum itaque
etiam magis variis modis coneeti possint. lam natura, fecunda
rerum mater, suam ipsa procreandi potestatem imminueret, si
intra partiendi facultatem subsisteret taliaque primordia relin-
qui pateretur, quae ulteriorem partitionem possent quidem snbire
neque tarnen eam reapse subirent. Ergo putandum est omnem
partiendi dividendique facultatem exhauriri a Natura rerum et
creatice et dissolutrice, eaque quae post extremam rerum ge-
nitarum dissolutionem etiam nunc supersunt primordia re vera
Minima esse neque amplius posse dividi. Artificiose autem in
hoc argumento proponendo, quod quasi a prudentia Naturae
repetitur, prosopopoeia utitur poeta (629).
629 COGERE CONSVESSET dedita opera elegit verba, quae
consilium et voluntatem indicant, ut significantior fieret proso-
popoeia. RERVM NATVRA CREATRIX Ut U 1117 V 1362; cf.
supra 168. 630 eadem Natura, quae et resolvit et re-
parat res. 631 avcta praedita, cf. iii 630 animas sensibus
aucias v 1177 tanfis viribus auetos. 632 genitalis materies
ad generandum apta, öXri tövi^o^, vide supra 182.
V. 635 — 644 Absoluta disputatione, qua stans promisso
(499 sq.) naturam atomorum docuit easque vera cunctarum rerum
primordia esse probayit, iam perstricturus est discrepantes prin-
cipum philosophorum Graecorum de principüs (dpxai^) rerum
sententias (635 — 920). Quod ita instituit, ut varia ista principia
exigat ad notionem, quam de necessariis Principii qualitatibus
informaverat disciplina Epicurea. Et primum quidem nobilissi-
mum arripit Ephesium philosophum Heraclitum eiusque decre-
tum, prodire omnia ex igne et in ignem redire, acriter impugnat
(635 — 704), non tam ipsi infensus Heraclito quam asseclis illius
Stoicis, qui in physica toti fere ab Heraclito pendebant perpe-
tuamque simultatem cum Epicureis exercebant et inter Graecos et
inter Latinos. Unde ne a conviciis quidem in Stoicos istos
Ephesii philosophi sectatores iaciendis abstinuit Lucretius (639
inanes 641 stolidi) atque adeo ipsum Heraclitum invidia aspersit,
cui orationis obscuritatem (639), propter quam 6 (Tkotcivö^ a po-
sterioribus Heraclitus appellabatnr, exprobrat ut affectatam et
ad fallendum compositam. Neque mnltum sibi laborandum esse
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64 XXV Commentarius in Lucreti librum i
duxit Lucretias, ut veram erneret significationem ignis Heraclitei,
sed satis habuit cum volgo Stoicorum igDem istum ita accipere,
quasi materiale omnium rerum principium (dpxnv uXiKrjv) igneum
esse Heraclitus voluisset. Similiter cum Heraclito et Stoicis
Academicus agit Cotta apud Ciceronem de nat. deor. m 14, 35
Balbum Stoicum alloquens omnia vestri (Stoici), Balbe, solent ad
igneam vitn referre HeracUtum^ tä opinor, sequentes, quem ipsum
non omnes interpretantur uno modo; qui quoniam quid diceret
intellegi noluüy omittamus. vos autem ita dicitis eqs. Itaque qnae-
cumque usque ad v. 689 profernntur, magis ad Stoicos spectant
quam ad Heraclitum, ideoque plurali numero utitur Lucretias
V. 655 faciant 657 cefjiunt 665 credunt [vide supra 1 1 p. 93].
635 QVAPROPTER quaudo quidem atomis veram rerum ma-
teriem eonstare demonstratum est. Hie et proximus versus
iterantur infra 705 sq. 638 QVORVM Stoicorum DVX Hera-
clitus proelia cum reliqnis philosophis primus committere
coepit. Vergilius georg. iv 314 prima leves ineunt si quando
proelia Parthi. 639 magis clarus inter vanos levesque Grae-
cos, quales sunt Stoici, quam iuter sobrios et graves, quales sunt
Epicurei. 640 qvamde antiqua forma pro quam, vide Festum
8. V. p. 261, 4. 642 SVB verbis inversis coutortis, a simplici
dicendi consnetudine deflexis, cf. Enripides Androm. 448 ^Xiicrd
Koubfev \y\\k(; dXXd iräv ir^piE, Terentius Heaut. n 3, 131 (372
Fi.) inversa verha.
V. 645 — 664 Primo loco obicit Heraclito et Stoicis vices
condensationis rarefactionisque, qnarum ope ipsi multitudinem
rerum ex unico principio igneo derivari velint, nequaquam suf-
ficere ad explicandam tantam rerum varietatem, si quidem vera
ignis natura incolumis remaneat inter raritatis densitatisque vi*
cissitudines. Etenim quotlibet modis condensaveris rarefecerisve
particulas ignis, nihil amplius effeceris, quam ut gradatum acrio-
ris leniorisve caloris discrimen exsistat, neque umquam ad gene-
rale discrimen pervenies, quäle requiritur, ubi tot rerum varia
genera ex uno igne deducenda sunt. — Atque Heraclitus qui-
dem secundum Stoicos ipsius interpretes teste Diogene Laert.
IX 8 statuit TTup elvai cTTOixeTov, Kai irupöq d^oißf|v rd Trdvro,
dpaiiicTei Kttl TTUKvuicyei yivö^eva TruKvou^ievov fdp tö irOp
^£uTpaiV€CT6ai (JuvicTTd^evöv le Tivecreai öbwp, iniTVu^evov bfe tö
öbuüp ei^ Tflv ipdirecTGai; similiterque Chrysippus in tertio Trepi
9U(yeuiq libro apud Plutarchum de Stoic. rep. c. 41 p. 1053* rerum
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xxv Commentarias in Lacreti librum t 65
ex igne originem descripsit : f| hi. irupoq jLxeiaßoX/j dem ToiauTT] *
öl' &ipoq e\q öbuüp Tp^Trerai käk toutou tA? \)q>iOTa\x4.yn\q dfip
dva6u^iäTai. XeTTTuvoju^vou hk xoO äipoq 6 al6f|p irepi^x^Tai
kukXijj, o\ b' dcTT^peq dx OaXdcTOYi? MCtoi toö fjXiou dvdirrovTai. —
Neque satis est Lucretio, quod condensationem et rarefactionem
haud idoneas esse varietatis creatrices ostendit, sed protinns
instat adversariis ne istam quidem yitiosam yarietatis expli-
candae viani inire permittens, dnmmodo ipsi sibi constare yelint.
Qnippe rarefactionem et condensationem fieri non posse sine
Inani rebus admixto (yide supra 396 sq.). Atqui eins modi Inane
reiciunt Stoici. Circnmspecte autem non quodcumque Inane sed
id solummodoi quod rebus admiscetur, a Stoicis reiici dicit
(655 admixtum rebus inane 658 in relms inane 660 exempto rebus
inani), cum probe noyerit Inane extra mundum yacare non minus
secundnm Stoicos quam secundum Epicureos. Quod testatur
is, a quo Stoicae doctrinae compendium mutuatus est Diogenes
Laertius vii 140 ßuj0ev (toO köctjlaou) irepiKexu^dvov elvai tö kcvöv
ÄTTcipov, öirep daiöfittTOV elvai. dacüjuaTov bk tö olov xar^x^^Oai
\mö (TuJ^dTU)v ou KaT€XÖjLxevov* dv bk T^^ kö<Jjlxiü \ir\bkv etvai k€-
vöv, dXX' f)VU)(T6ai auTÖv: * extra mundum circumfusum esse Inane
immensnm, idque esse incorporeum. Incorporeum enim esse, quod
possit quidem a corporibus occupari neque tamen occupetur:
intra mundum yero nulium esse Inane sed continua unitate con-
stare mundum'. cf. librum de incorruptibiiitate mundi t. n p. 507
Mang. [p. 258, 5 ed. Bern.] 8 jlxoi bOKoOai koI ol ZtujikoI Trpoibö-
|üi€voi K€vdv fiireipov iKiöq toO KÖcTjaou xq) Xötiu KaTaXmeTv ktX.
648 81 PARTES IGNIS yarietatis creandae caussa condensatae
et rarefactae eandem naturam retinerent, quam totus insuper
ignis habet. 649 SVPEE ut m 900 nee tibi earum lam desi-
derium rerum super insidet una. 650 CONDycns coactis,
contractis, yide supra 897. 651 dissupaüs cum in hexa-
metrum non magis quadraret quam reliquae quadrisyllabae
huius yerbi formae, hoc loco tmeseos beneficio utitur, per to-
tum autem reliquum Carmen solam trisyllabam formam dis-
supat ante yocalem admisit. 653 talibys in caysis si
eins modi tantum caussas yarietatis ponis, quales sunt con-
densatio et rarefactio. yariantia yocabulum nusquam in
latinis litterarum monumentis nisi hie et iii 818 obyium finxisse
yidetur Lucretius pro varietate, quod yersus respuit. 655 id
QVOQYE praeterea, porro. 656 relinqyi dixit, quia secun-
Bernayt, ges. Abhandl. II. 5
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66 Txy Commentarius in Lucreti librum t
dum propriam naturam suam rarus est ignis (m 235). 657 —
659 sed quia Stoici vident, si Inane admisceri rebus fatean-
tur, mnita snae doctrinae prorsus contraria inde secutura esse,
et quia volgaribns opinionibus obuoxii induci nequennt, nt
yere inania spatia in corporeis rebus relinquant, yeritatem
amittunt, dum metnunt arduum stabiliendi Inanis laborem.
657 OONTRARIA AMVSSIM dvavTitt Kai' l0u ; amussim enim est
idem quod adamussimj examussim teste Paulo ex Feste p. 6, 9
* amussim regulariter, tractum a regula, ad quam aliquid ex-
aequatur, quae amussis dicitur' [cf. infra p. 70]. 659 abdva
VIAI et VERA VIAI pro arduam, veram viam dixit ut supra 315
strcUa viarum, 660 NEC RVRSVM CERNVNT toOto b' dvA-
iraXiv oux öpwcTiv; respicit hoc cemunt ad illud cemutU quod
adfuit 657. 661 omnia denseri quia nisi Inane esset» om-
nis materies stipcUa quiesset (345). VNVM OORPVS ita conti-
nuum et stipatum, nt nequeat quicquam a se celeriter emit-
tere, sicut exempli gratia ab ipso igne, qui rerum principinm
est secundum Stoicos, emitti videmus lucis et caloris corpora
(II 389 V 490). Ex sola igitur ignis natura Inane colligere
debebant Stoici. 665 VT videas unde vides; n 269 in348.
V. 665—689 Usque adhuc cumStoicos secundum eam hy-
pothesin impugnasset, e qua ignes condensati rarefactique na-
turam igneam retinerent incolumem (648 sq.), nunc ad alteram
hypothesin convertitur, e qua ignes ad rerum varietatem procre-
andam adhibiti igneam naturam amitterent. Qua in dispntatione
primum extorquet ab adversariis confessionem hanc, non omnino
sed quadamtenus igneam naturam deponi ab ignibus, qui in va-
rias res abeant; nam si penitus periret ignea vis, omnes res creatae
simul ad nihilum redigerentur, cum Principii (tt)^ 6pxfl?) vir-
tus ea Sit, ut solum Principinm yere exsistat, cum reliquae res
solius Principii ope yitam suam tueantur ; pereunte igitur Princi-
pio ~ perit autem, ubi funditus mntat naturam suam (670 sq.) —
simul omnes res pereunt. Quare fatendum est in rebus ex igne cre-
atis semper remanere igneum aliquid incolume nullique mutationi
obnoxium, quod faciat ut exstent res, yarietatem autem rerum
inde efficiat quod yariis modis et absit adsitye et coUocetur in
concilio rerum. — lam ad has angustias cum Lucretius Stoicos
redegerit secundum ipsorum argumentatus sententiam, inde a y.
680 primariam Stoicorum propositionem, ignem esse Principium,
eyertere studet. Etenim si incolume illud, quod in Omnibus re-
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XXV Commentarias in Lucreti librum i 67
bus adest, per solam paucitatem, multitudinem, collocationem
saam yarias rerum naturas creare debet, neque igneum neqne
nlla sensibili qualitate praeditum esse potest, qaippe quae qaa-
litas in omnes res creatas abiret neqne esset, unde res veram
naturarum varietatem naneiscerentur. Ergo vernra Principinm
et reliquarum rerum et vero etiam ipsius ignis constat corpori-
bns, quae cniusvis sensibilis qnalitatis expertia suut et per so-
lam paacitatem, multitudinem, collocationem procreare possunt
et ignem et varias ceterarum rerum naturas, vel, ut breviter di-
camns, vera rerum primordia sunt atomi.
665 POTESSE pote esse, buvardv elvai, cf. ii 225 quod si
forte aliquis credit graviora potesse Corpora . . . incidere n 1010
neve putes residere potesse, 666 exstingui ignes corporisque
sui naturam mutare, nbi particulae ignis ad varias res forman-
das coeunt. stingvi vide supra 486. in coetv ^v t^ cruTKpi-
(T6i, ut infra 1017 dispuka suo de coetu materiai Copia 1026,
1048. 667 si Stoici a statuenda exstinctione ignis nulla ex
parte abstinent, si talem exstinctionem fieri sine ulla restric-
tione affirmant; facere ut supra 655 sifaciant admixtum re-
bus inane, reparcent cf. n 680 religione animf4m turpi con-
tingere parcat. 670 sq. His versibus quasi soUemni for-
mula utitur poeta ubicumque indolis mutatio (cpucrcux; imeTaßoXrj)
aequiparanda est interitui rei, infra 792 sq. ii 753 sq. m 519
sq. MORS intcritus, vide supra 264. 672 svperare super-
esse, praesto esse, suppetere, ut supra 579. Ollis illis re-
bus, quaecumque creatUur (669). Vetustam pronominis formam
passim in extremis, in mediis versibus bis iv 177 y 1390 po-
suit Lucretius. 678 oonvertvnt Corpora creatarum re-
rum SESE. 679 NON ESSE HAEC CORPORA RERVM ((JTOlXeia)
ignea natura praedita. 680 qyaedam corpnscula seiungi, de-
cedere a re creata, abire illinc et adiungi alii rei. 681 ALIO
dXXoxö<J€. 683 OMNIMODIS KttTOt TTdvTa Tpöirov, ignis foret,
quicquid crearent corpora rerum (679). 685 (= n 1021)
ORDO idHi^ POSITVRA ö^cTi^ FIGVRAE axTi^aTa, cf. Aristot. Me-
taphys. A 4 p. 985 * 13 oötoi laq biacpopä^ aliia^ xdiv äXXuiV
elvai cpacTiv laura^ im^vroi ipeT^ elvai X^to^cti, Cxf\^ii t€ kqI
Td£iv Kttl e^aiv.
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XXVI
ENNIANVM, NON LVORETIANVM.
Rheinisches Museum für Philologie 1848 Jahrg. vi S. 479 f.
479 Primus Paulus Merula inter Ennianorum annalium frag-
menta p. vn posuit haec verba [Vahleni v. 582 sq.] :
quei folmine claro
Omnia per sonitus arces ,
quae, ex Petri Danielis Servio exscripta, a losepho Scaligero
sibi transmissa testatur p. ccxxxn. Ea cum Hochius (de En-
nianor. annal. fragm. a P. Merula auctis p. 28) ueqne apud Serv.
in Aen. i 35, ubi Spangenbergius, p. 30 exstare dixerat, neque
alibi usquam posset invenire, suspectam qnodammodo babuit
Merulae fidem. Verum in Aen. i 31 et in Lioni editione (vol. i
p. 13) et in Servii Cassellani part. iii p. 11 ed. Bergk. leguntur
haec: ArcebcU] prohibebat, Significat autem et continet [sie
Cass. Aliquando sign, et cont, Lion.] Ennius: qui fulmine dato
omnia per sonüt^ arcet. — Neque a solo Servio proditur secundi
versus particula, quae iam pridem in iustam mensuram suppleta
fuisset aliunde, nisi humanae imbeeillitati in fragmentis coili-
gendis ad indices confugiendum esset. In Vergilii enim Bac. Yi
31 (vol. II p. 355 Lion.) haec annotat Probus : Plane trinam esse
mundi originem et Lucretias confitetur dicens : Principio maria ac
terras cadumque tuere^ Quorum naturam triplicem, tria Corpora
texta; Et alio loco: Omnia personitus arcet terram mare
caelum. Prior locus reperitur Lucr. v 92, 93 cum discrepantia
aliqua, quam nunc non persequimur^ Alterum vero, quem in
Cari carmine frustra quaesiveris, caveto ne, sicut alios quosdam
versiculos a solis grammaticis subministratos, in lacunam ali-
quam nostrorum Lucretianorum librorum infarcias^. Nam a
1 [Discrepantia illa evanuit in Keilii exemplo p. 20, 23].
3 Quamquam hoc ut fieret, suasit ille, qui de Lucretiana critica
satis dKp(TU)^ nnper scripsit in Schneidewini Philologe vol. ii p. 39 [et
Lachmannus quoque ad Lucret. iv 126 p. 221 sq. fragmento locum in car-
mine Lucretiano adsignavit].
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XXVI £Diiianum, non Lucretianum 69
Probo quidem eum tamqaam Lucretianum non afferri ipsius
verba demonstrant {et Lucretius — et alio loco\ esse autem
Enniauum iaiu apparuit ex Servio. Probi igitur alio loco vel
ita est emendandum, ut Ennii memoria substituatur, vel ita in-
terpretandum, ut alium locum alius scriptoris ex grammaticorum
consuetudine significari dicas. Ennianum vero fragmentum ex
coniunctis Servii Probique testimoniis plenius iam sie prodit : ] 480
gut fulmine claro
Omnia per sanitus (personitans ?) arcet terram, mare^ caelum.
Arcet enim in arces tacito mntasse videtur Merula, quia bis
verbis lovem appeUari voluit, sicut etiam in illo fragmento,
quod hnic de quo agimus proxime praeposuit, pro Macrobii
(Satt. VI 1) scriptura versat scripsit versas.
XXVII
zu LUCRETIUS.
Rheinisches Maseum für Philologie 1853 Jahrg. vin S. 159 * f.
Unmittelbar vor dem Schluss dieses Heftes trifft die er- 159*
schfitternde Kunde vom Tode Lach man n^s ein. Die Trauer
um den Verlust, den die deutsche Wissenschaft erleidet, muss so
tief und allgemein empfunden werden, dass daneben nur solche
persönlicher gefärbte Empfindungen sich geltend machen dürfen,
welche, aufis innigste mit dem Alle durchdringenden Schmerz
verwandt, von persönlicher Seite her das allgemeine Gefllhl
widerspiegeln. Einer solchen aus Persönlichem und Allgemei-
nem gemischten Traner wird sich Keiner von den Vielen er-
wehren können, welche in die Ergebnisse seiner jtlngsten, an
den Lucretius ankntlpfenden Leistung einzudringen und dieselben
weiter zu verfolgen suchen, und diese Art der Trauer ist es auch,
die mich in diesem Augenblick beherrscht, da ich die folgende
Bemerkung niederschreiben muss, ohne über sie vorher, wie ich
es mit ihr und andern ähnlichen vorhatte, erst das Urtheil des
dahingeschiedenen Meisters einholen zu können. — Die Zahl
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70 xxvn Zu Lucretius
der verderbten lucretianischen Verse ist keine geringe, in denen
selbst Lachmann sich begnfigen mnsste, an die Stelle des tiber-
lieferten Unmöglichen ein nicht Unmögliches zu setzen. In die
Reihe solcher bis auf weiteres wenigstens lesbar gemachten Verse
gehört auch der 657te des ersten Baches. Sein Schlusswort muss
160* schon in dem Quellenbuch unserer | Handschriften unleserlich ge-
wesen sein. Denn diejenige Leydener Handschrift, welche bei
Lachmann Quadratus heisst, gibt eine Sylbe zu wenig:
8ed quia mtdta sibi cemunt conirarxamu
und die andere, Ohlongus bezeichnete^ liefert zwar die ausser-
liehe Vollzähligkeit der Sylben :
8ed quia muUa s^ cemunt coniraria mufe
aber auch nichts weiter, da mufe oder musae an dieser Stelle
nur sinnlose Buchstaben sind, deren Züge erst die Ermittelung
des passenden, sinnvollen Wortes beleben muss. Lachmann
glaubte in jenen Ztlgen otdesse zu erkennen, da 'AD nicht weit
abliege von M' — eine Vermuthung und eiue Begründung, die
keinen mit seiner Weise Vertrauten zweifelhaft lassen, er werde
beide aufzugeben sich beeilt haben, sobald etwas Besseres vor-
gebracht worden. Ein Besseres aber und, wenn ich mich nicht
täusche, das Gute und Richtige ist:
Sed quia muUa sibi cemunt contraria amussim,
dessen Spuren in den Ztlgen der handschriftlichen Lesart sa
deutlich vorliegen, dass man, um das vollständige Wort vor sich
zu haben, fast nichts anderes zu thun braucht, als das a für
den Anfang von amussim aus dem a am Schlüsse von contraria
wiederzugewinnen \ Dass amussim so gut und in derselben Be-
deutung wie die volleren Bildungen adamussim examussim im
Gebrauch war, lehrt Paulus aus Festus (p. 6 Müll): 'Amussim,
regulariter, tractum a regula, ad quam aliquid exaequatur, quae
amussis dicitur. quidam amussim esse dicunt non tacite, quod
muttire interdum dicitur loqui". Vielleicht darf man in der läp-
pischen Etymologie der quidam eine Andeutung daftlr finden
dass amussim sich im Sprachgebrauch zu einer weiteren Bedeu-
tung abgeschlifFen hatte, etwa wie unser deutsches Adverbium
'gerade'. Auf jeden Fall ist, auch nach der richtigen Herlei-
tung, contraria amussim eine ganz so gute Verbindung wie unser
'gerade entgegengesetzt".
1 [Vgl. Ritschi Opusc. phüol n p. 272].
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xxvm
DIE GOTTESFÜRCHTIGEN BEI JUVENAL.
Commentationes philologae in honorem Theodori Mommseni scripserunt
amici. Berolini apad Weidmannos MDOOOLxxvn (4) p. 568—669.
Unter den wissenschaftlichen Verdiensten des Freundes, zu 563
dessen Begrüssung bei seinem Eintritt in die siebente Lebens-
dekade die vorliegende Sammlung veranstaltet wird, leuchtet in
eigenthtlmlichem Glanz die Verkntlpfung der Epigraphik mit den
übrigen philologischen Disciplinen. Bedeutende Männer vor ihm
haben eine solche Gegenseitigkeit zwischen den schriftlichen und
inschriftlichen Urkunden einzuleiten gestrebt; die Nothwendig-
keit derselben allen ernsten Arbeitern zu fortan unverlierbarem
Bewusstsein zu bringen, ist erst der das Grösste bewältigenden
Arbeitskraft und der das Kleinste verwerthenden Methode Theodor
Mommsen's gelungen. So wird denn auch, trotz seiner Kleinheit,
das folgende Beispiel, wie eine allbekannte Stelle eines Classikers
durch Benutzung einer Inschrift eine lebendigere Färbung erhält,
in diesem Bande einen Platz finden dfirfen. Es kann zugleich
als neuer Beleg dafür dienen, dass die einsichtigeren Philologen
zu Ende des sechzehnten und zu Anfang des siebzehnten Jahr-
hunderts bereits manches für die Erklärung der Schriftsteller
Brauchbare aus den Inschriften entnommen hatten, was bei dem
später eingetretenen Sinken der classischen Studien wieder
vergessen worden und daher für die heute unter den Philologen
gangbaren Gommentare verschollen ist.
Die vierzehnte Satire Juvenals, aus welcher der öfter
erwähnte als befolgte Gemeinspruch maxima debetur jguero reve-
rentia (V. 47) stammt, schärft mit besonderer Beziehung auf die
Verdorbenheit des kaiserlichen Rom eine pädagogische Wahrheit
ein, die für alle Zeiten gültig bleibt. Die Trägheit und sittliche
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72 xxYin Die Gottesfürchtigen bei Jnvenal
Haltangslosigkeit der Eltern, welche sich im eigenen Hanse
keinen Zwang auferlegen mögen, sacht die Pflichten der sitt-
lichen Erziehung vom Hause auf die Schule und die Lehrer
abzuwälzen. Aber man mag den Knaben 'mit tausend Lehrern
zur Rechten umgeben und mit tausend zur Linken' (V. 12), diese
ganze Schaar ist wirkungslos gegen das 'häusliche Beispier
{exempla domestica V. 32) der Eltern. Mit Ausnahme der sehr
Wenigen, die durch besondere Gunst der Natur gegen jede sitt-
564 liehe Ansteckung | gefeit sind, oder, wie der Dichter es ausdrückt,
deren Herz Prometheus aus besserem Thon gebildet hat (V. 35),
werden die Uebrigen das böse, den Kindern von den Eltern
gegebene Beispiel als Erwachsene nicht nur nachahmen, sondern
noch überbieten. Diese allgemeine Regel erläutern einzelne mit
satirischer Derbheit ausgemalte Schilderungen. Es werden zu-
nächst die Spielwuth (V. 4), die Feinschmeckerei (V. 7), die
Grausamkeit gegen das Hausgesinde (V. 15—24), die Unkeusch-
heit (V. 25—30), die Bauwuth (V. 86—95) dargestellt, wie sie
meistens in gesteigertem Maasse auf die zweite Generation fort-
erben. In ähnlicher Weise wird dann der Abfall von der alt-
römischen Lebenssitte und die Hinneigung zu ausländischen
Culten behandelt, eine Art der ünterwühlung des römischen
Staats, über deren Bedrohlichkeit zur Zeit Juvenal's, d. h. wäh-
rend und nach der Regierung des flavischen Kaiserhauses, für
nachdenkende Römer keine Täuschung mehr möglich war. Um
das fortschreitende Umsichgreifen dessen, was die Römer super^
stitio nannten, zu veranschaulichen, konnte nach der damaligen
Lage der religiösen Dinge kein anderer Cultus gewählt werden
als der jüdische und juden-christliche. Denn was Rutilius Na-
matianus ^ drei Jahrhunderte später, als bereits christliche Kaiser
das Reich regierten, offen heraus sagt, dass es für die Erhal-
^ I 895 atque utinam numquam ludaea subaeta fuisaet
Pompei beüis %m2)€rii8qiAe Titi.
latitts excisae pesHs contagia serpunt,
victoresque sttos natio victa premit.
Schon der Philosoph Seneca hatte in einer verlorenen Schrift de super-
stüioney aus welcher Augustinus eiv. dei yi 11 Auszüge mittheilt, seine
Klagen über die Verbreitung der jüdischen Sitte per omnes tarn terras mit
dem Stossseufzer beschlossen victi vtctoribus leges dederunt — eine bemer-
kenswerthe Analogie zu dem horazischen Graecia capta ferum victorem
cepit {epist. u 1, 156).
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xxYin Die Gottesfiirchtigen bei Juvenal 73
tung der römischen Herrschaft besser gewesen wäre, wenn man
Judäa nicht niedergeworfen hätte, weil die Ansteckung der
'ausgerotteten Seuche* sich nur um so weiter verbreitet habe —
das mussten auch schon die tieferblickenden Unterthanen der
flavischen Eaiserdynastie wahrnehmen. Nennt doch der unter
Domitianus schreibende Zeitgenosse JuvenaPs Quintilianus das
eben erst zu Boden geworfene jOdische Volk mit einem der
stärksten Ausdrücke, die ihm die lateinische Sprache darbot,
pemiciosam ceteria gentem (m 7, 21). Ein solches aus schlimmer
Ahnung und tiefem Hass gemischtes GefQhl färbt auch JuvenaFs
Schilderung der römischen Familie, in welcher die jüdische Sitte
und Lehre ihre steigende Macht äussert Er führt einen Vater
vor, der zwar im Uebrigen Römer bleibt, sich jedoch gemüssigt
glaubt, den Sabbat zu beobachten und dem Genuss des Schweine-
fleisches zu entsagen; der Sohn, der ein solches Beispiel von
früh auf vor sich gesehen hat, geht weiter; er wird ein voll-
ständiger Jude, verachtet die römischen Gesetze und erkennt
nur die mosaischen an:
96 quidam sortiti metuentem sabbata patrem
. nil praeter ntibes et codi numen adorantj
nee distare putatU humana came suUlarnj
qua pater abstinuit; mox et praeputia ponunt. |
100 Romanas autem soliti contemnere leges ^^
Judaicum ediscunt et servant ac metuunt ius,
tradidä arcano quodcumque volumine Moses u. s. w.
In diesen Versen muss das zweimal (96, 101) gebrauchte
Wort metuere, obwohl es das rasche Lesen nicht geradezu stört,
doch bei näherer Betrachtung als so abweichend von dem ge-
wöhnlichen Zug der lateinischen Rede erscheinen, dass man sich
der Vermuthung nicht erwehren kann, es habe den Dichter eine
besondere Absicht bei der Wahl und wiederholten Anwendung
eben dieses Wortes geleitet In der That fühlt sich der gute
Ruperti, immer noch der einzige Neuere, der einen ^fortlaufenden
Gommentar' (Göttingen 1803) zu Jnvenal geliefert hat, durch
das zweimalige metuere zu einigem Hin- und Herreden veran-
lasst. Zuerst ist er geneigt, mettientem sabbata (V. 96) einfach
für religiöse colentem et observantem zu nehmen; schliesslich
meint er jedoch eine Hindeutung auf das beschwerliche, nach
irriger römischer Vorstellung am Sabbat beobachtete Fasten
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74 zxYiu Die Gottesfürchtigen bei Juyenal
erkennen zu sollen. Zu mäuunt ius (V. 101) gibt er die Um-
schreibung religiöse observant imprimis ob metum poenarumj bei
der es nnr um so deutlicher hervortritt, dass Juvenal, der ja
unmittelbar vorher servant gebraucht hatte, mit dem begrifflich
gleichbedeutenden mäuunt noch einen bestimmten Hinv^eis be-
zweckt. Von welcher Art dieser sei, lehrt eine vormals in Pola
befindliche Inschrift, welche bereits in den frühesten Sammlungen
lateinischer Inschriften, freilich mehr oder minder nachlässig,
veröffentlicht wurde. Nach Mommsens, auf Grund der erreichbar
besten Abschriften vorgenommener Feststellung lautet sie fol-
gendermassen {corpus inscriptionum laiinarutn vol. y 1 n. 88 p. 18):
AVR • ßOTEB • ET • AVK
STEPHANVS • AVE
ßOTERIAE • MATRI • PIEN
TISSIMAE • RELIGIONI
6 IVDEICAE • METVENTI
F. P. 1.
Z. 4 ist religioni durch Schuld des Abfassers oder Abschreibers
fehlerhaft statt religionis gesetzt.
Aus dem Wortlaut der Inschrift erhellt erstlich, dass Äu-
relia Soteria nicht Jüdin von Geburt war, sondern nur der 'jü-
dischen Religion* anhing; zweitens, dass das Adjectiv metuens
zur ehrenden Bezeichnung ihrer jüdischen 'Gottesfurcht' dienen
soll. Hiessen nun bei der jüdischen Bevölkerung Italiens die
ihr sich anschliessenden Römer und Griechen metumtes^ so er-
kennt man die Anspielung, welche Juvenal beabsichtigte, indem
er seiner Schilderung der judaisirenden römischen Familie zwei-
mal das Wort metuere einflocht.
Unter den Bearbeitern Juvenals ist, meines Wissens, Ni-
colaus Rigaltius der Einzige, welcher die Inschrift, freilich
566 ohne auch nur ein Wort der Erläuterung | hinzuzufügen, zu V. 101
metuunt ius hingeschrieben hat. Seine im Jahr 1616 zu Paris
erschienene Ausgabe ist jetzt selten geworden ^ und da er kei-
^ ßii posuerunt
3 In der Samxnelausgabe des Henninius (Ultrajecti 1685) sind die
Anmerkungen des Rigaltius zwar wieder abgedruckt, aber nicht den Worten
des juvenalischen Textes angeschlossen, sondern gegen das Ende des star-
ken Quartbandes (p. 699—708) unter dem Wust der übrigen Anhänge
vergraben.
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xxym Die Gottesfurchtigen bei Juyenal 75
nen fortlanfenden Gommentar bietet, sondern seine am Schlnss
des Bändchens angeftigten, nur zwanzig Duodezseiten einneh-
menden Anzeichnnngen sich fast gänzlich auf die Anführnng
schlagender Parallelstellen beschränken, so ward seine Arbeit
überhaupt und insbesondere sein Hervorziehen der Inschrift von
den spätem Herausgebern des Jnvenal und auch sonst in dem
engeren philologischen Kreise nicht beachtet. Ein Mann wie
John Seiden freilich, dem nichts dergleichen entgeht, hat bei
seiner Besprechung der Sabbatfeier sowohl die Inschrift wie die
Stellen des Juvenal erwähnt (de iure naturali et gentium 3 c. 18
g. A.); aber auch er begnügt sich, die Thatsaehe, dass meiuentes
zur Bezeichnung judaisirender Römer dient, einfach zu consta-
tiren, fügt sie jedoch nicht in den weiteren religionsgeschicht-
lichen Zusammenhang ein, durch welchen die bisher vereinzelt
dastehende Inschrift erst ihre Bewährung erhält. Eine dem la-
teinischen meiuentes entsprechende griechische Bezeichnung ist
zwar ungefähr ein Jahrhundert nach Seiden zuerst von Salomon
Deyling (observationes sacrae, parsi c.38 p.462 der dritten Ausg.)
zum Gegenstand einer Erörterung gemacht worden, auf welche
dann Hermann Samuel Reimarus in dem Wolfenbüttler Frag-
ment *Von Duldung der Deisten' (15, 97 der Hempelschen Les-
singausgabe) nachdrücklich hingewiesen und dadurch die Auf-
merksamkeit der exegetischen Theologen auf die bezüglichen
Punkte rege erhalten hat, ohne dass jedoch die bisherigen ge-
legentlichen Besprechungen eine einheitliche Zusammenfassung
des hauptsächlichen Materials, zumal itlr die Jünger der classi-
schen Philologie entbehrlich gemacht hätten.
Schon im zweiten Buch der Könige wird der Ausdruck
'den Ewigen flirchten' angewendet, um eine gewisse Beziehung
zur jüdischen Religion, ohne vollständige Zugehörigkeit und
ohne jüdische Abstammung anzuzeigen. Es wird dort im sieb-
zehnten Kapitel^ erzählt, dass die Mischbevölkerung, welche
der assyrische König (Esarhaddon s. Esra 4, 2) an die Stelle der
vertriebenen Israeliten nach Samaria verpflanzt hatte, zwar in
Folge von beängstigenden Landplagen die Unterweisung eines
israelitischen Priesters in dem richtigen Gottesdienst annahm,
^ Auf die grossen Schwierigkeiten, welche die Redaction dieses Ka-
pitels in seiner Gesammtheit darbietet, braucht hier nicht eingegangen su
werden, da sie den in Frage stehenden einzelnen Punkt nicht berühren.
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76 xxvm Die Gotiesfnrchtigen bei Juvenal
aber daneben den Götzendienst ihrer Heimath beibehielt. Die-
ses Zwitterverhältniss wird V. 33 mit folgenden Worten bezeich-
net: 'den Ewigen fürchteten sie (hapt jereim) xmA ihren Göttern
dienten sie* (vgl. V. 41). — Derselbe Ausdruck kehrt in ähn-
lichem Sinn mehrere Mal in den Psalmen wieder, wo die zum
Gottesdienst versammelte Menge nach ihren verschiedenen Klas-
sen gesondert wird. Nachdem das Haus Israel, das priesterliche
Haus Aaron, die Leviten genannt, mithin alle durch ihre Geburt |
567 dem Judenthume angehörenden Klassen erschöpft sind, werden
dann noch, und immer an letzter Stelle Mie den Ewigen Fflrcb-
tenden' (Jire adcnai 115, 11; 118, 4; 135, 20) erwähnt, unter de-
nen also nur die nicht als Juden Geborenen und dennoch der
jüdischen Religion sich Anschliessenden {nUwim Jes. 56, 6 ; Ester
9, 27) gemeint sein können.
Ein griechisches Aequivalent des hebräischen Ausdrucks
findet sich zunächst bei Josephus. Im vierzehnten Buch der
Alterthümer berichtet er über die Plünderung des jerusalemiti-
schen Tempelschatzes durch Crassus auf dessen mit der Schlacht
bei Karrhä endenden Partherzuge. Damit die auf zehntausend
Goldtalente angegebene Summe des Raubes nicht übertrieben
erscheine, ffigt er dann Folgendes hinzu (c. 7 § 2 p. 220, 3 Bek-
ker) : 0au|yid(Tij hi. jüwibei^ €l xocToOroq fjv TrXoOxoq ^v i^ fmcx^pui
l€pi]&, TrdvTwv tO&v Kaxd Tf|v oIkoujüi^viiv 'loubaiujv Kai (T€ßo|i^-
VU)V TÖV GeÖV, ?Tl hk Kttl TUJV diTÖ Tf{^*A(Tiaq Kttl Tflq EuplÖTOl^
el^ auTÖ (Tu|i(p€pövTU)v Ik ttoXXujv ndvu xp<iva)v. Von den drei
hier aufgezählten Klassen umfasst die erste die geborenen
Juden sowohl in Palästina wie in der Diaspora, *die Juden auf
dem ganzen Erdkreise*; die dritte, durch li\ "btTKai von* den
übrigen gesonderte Klasse bezeichnet ^die^ Asiaten und Europäer \
welche, ohne zur jüdischen Religion in ein näheres Verhältniss
zu treten, auf gelegentlichen Anlass den berühmten Tempel mit
Spenden bedachten^; und die zwischen beiden Stehenden (Teßö-
|i€voi TÖV Oeöv können eben nur die Anhänger^des Judenthums
von nichtjüdischer Abstammung sein. — Dieselbe von Josephus
gewählte und dem besseren griechischen Sprachgebrauch ange-
^ Auch Tacitns erwähnt die regehnässigen Tempelsteuern (tribtUa)
der eigentlichen Proselyten und die gelegentlichen Spenden {stipes) histor.Y
5 peasimus quisque'spretis religionibus patriis tributa et stipes iüuc ocmgere-
bani; unde auctae ludaeorum res, (Ueber sHpes s. Mommsen ephem. epigr.
m 106 f.).
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TXrai Die Gottesfurchtigen bei Juvenal 77
messene Aasdnicksweise dient in der Apostelgeschichte zur
Bezeichnung der religiösen Stellung der Purpurkrämerin Lydia
((T€ßo|idvT] TÖv 6e6v 16, 14); aber auch mit Weglassung des Gottes-
namens erscheint dort zu öfteren Malen (Teßöjievoi schlechthin
als ein üblicher, keiner weiteren Erläuterung bedürftiger Ter-
minus ftir nicht als Juden geborene Judengenossen: 17, 4 tiv^c
ii auTifiv (d. h. tujv *loubaia)v) . . . tujv t€ (yeßo|i|^va)v Kai/ 'EXXtj-
vuiv 7rXfi0oq iToXü; 17, 17 loiq 'loubaioi^ Kai toi^ a€ßo|i6^oi^;
vgl. 13, 43. Neben dieser die Gottes v er eh rang ausdrückenden
Benennung^ gebraucht jedoch die Apostelgeschichte auch eine
Uebertragung, welche das hebräische jerüm eben so wörtlich
wiedergibt, wie dies durch das lateinische metuentes geschieht
In der Synagoge zu Antiochia in Pisidien redet Paulus die Ver-
sammlung mit deutlicher Scheidung der Klassen an * Israeliti-
sche Männer und GottesfUrchtige, höret': dvbpe^ IcrpatiXTrai Kai
ol cpoßoufievoi I TÖV Oeöv dKotoare 13, 16 ; und mit noch bestimm- 5G8
terer Hervorhebung des Unterachiedes der Abstammung heisst
es im weiteren Verlauf derselben Ansprache: * Söhne vom Ge-
schlecht Abrahams und unter euch wohnende Gottesftlrchtige' :
ulol T ^vou^ 'Aßpaa^ Kai ol iv u|iTv ' cpoßoufievoi xöv öeöv 13, 26.
Da die Weglassang des Gottesnamens bei q)oßou|ievoi misslich
wäre, weil q)o߀i(T6ai nicht schon an sich so wie cT^ßecrOai die
Beziehung auf ein höheres Wesen enthält, so wird, wenn die
Phrase gekürzt werden soll, statt q)oßou)yi6voi ein ebenfalls Vor-
sicht und Furcht ausdrückendes, also dem hebräischen jerSim
^ So nach Lachmanns Ausgabe.
' Ein höhnischer Hinblick auf die hier erörterte Bedeutung von
0€ßö^€vo^ TÖV Ocöv findet sich in der Inschrift, welche das neuerdings auf
dem Palatin entdeckte 'Spottcrucifix* (s. die so betitelte Ausgabe von
F.X. Kraus, Freiburg 1872) begleitet: AAEHAMENOZ ZEBETE (= o^ßcTai)
6E0N. Hat man diese Beziehung erkannt, so braucht man nicht länger,
wie dies bei der bisher geltenden Erklärung *Alexamenos betet seinen
Gott an* (s. Kraus S. 2 und 8) allerdings geschehen müsste, das Fehlen einer
näheren Bestimmung zu Gcöv, wie etwa aöroO, anzunehmen. Vielmehr
wird Alezamenos schon durch a^ßcrai Ocöv schlechthin als ein metuens
0€ß6^€vo^ TÖV 6€Öv, d. h. als ein von der römischen Religion zum Juden-
christenthum Abgefallener bezeichnet.
® *Ev (i^tv soU das hebräische betochechem (unter euch) wiedergebeUf
welches regelmässig zur Bezeichnung der Proselytenstellung dient: Exod.
12, 49; Levit. 16, 29; 17, 12; 18, 26; ähnlich wie im Griechischen olxOiv^f
den Metöken bezeichnet, s. Böckh Staatsh. 2, 261.
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78 xxvm Die GottesfürchtigeD bei Juvenal
nahe bleibendes Adjectivam gewählt, welches von jenem stilisti-
schem Anstoss frei ist nnd auch im classischen Griechisch die
strenge Gewissenhaftigkeit des Lebenswandels bezeichnet, näm-
lich €uXa߀ic (Apostelgesch. 2, 5; 8, 2).
Nachdem so die dem meiaentes analogen Ausdrücke der
althebräischen Sprache und des hellenistischen Idioms nachge-
wiesen worden, mag noch auf die nachbiblische jüdische Litte-
ratur eingegangen werden, nicht blos der Vollständigkeit wegen,
sondern weil die in derselben übliche Benennung der fnetttentes
zur richtigen Auffassung der juvenalischen Verse auch in anderer
Hinsicht beiträgt. Keinem mit den nachbiblischen jüdischen
Schriften nur einigermassen Bekannten ist die Thatsache fremd,
dass in ihnen, wie im jüdischen Leben überhaupt, die unver-
hüllte Nennung des Gottesnamens mit der äussersten Strenge
gemieden wird. Ausser in feierlichen Gebeten und sonstigen
rituellen Formeln wird der Gottesname stets durch die verschie-
denartigsten Surrogate ersetzt. Ein solches von Alters her am
meisten gebrauchtes Surrogat ist * Himmel*, schamajim, statt Gott.
Das Himmelreich, die ßacTiXeia tuiv oöpavuiv, malchut schamßjim^
ist bekanntlich nichts anderes als das Gottesreich. Wenn der
Täufer spricht: 'ein Mensch kann nichts nehmen, es werde ihm
denn gegeben vom HimmeT (^dv \ki\ fi beboji^vov auTui ^k
ToC^ oöpavoG Joh. 3, 27), so meint er 'von Gott*. Demgemäss
wird nun auch der gottesfllrchtige Judengenosse, der jere ado-
nai der Bibel, in der nachbiblischen Sprechweise ein Men Himmel
Fürchtender', jeri schamajimK Aus den vorhandenen Belegen mö-
gen folgende genügen. Eine der ältesten talmudischen Schriften,
mechilta, bespricht (zu Exodus 22, 20) die nach Klassen geson-
derte Aufzählung von Frommen bei Jesaias 44, 5. Zur näheren
Bestimmung deijenigen Klasse, von der es beim Propheten heisst,
*sie werde den Namen Israel gebrauchen', wird nun in mechüta
die Erläuterung gegeben: ^das sind die den Himmel Fürchten-
den', jir6 schamajim, eben weil die dem Judenthum sich erst
Anschliessenden nur dem Namen nach, aber nicht von Geburt
Israeliten sind. — Nach der Erzählung des Midrasch zu Den-
teronomium (Debarim Rabba c. 2 = Jalkut Psalm. 47, 10) weiss
ein römischer Senator, der heimlich dem Judenthum anhing,
1 Vgl. traot. babyl. berachot 58 * am Ende : min sehemßja manu U,
a <Vgl. Geiger, Schriften 4, 287).
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XXVTU Die Gottesfurcht igen bei Juvenal 79
eine drohende Judenverfolgung mit Aufopferung seines Lebens
zu yerhindem. Um die Hinneigung dieses Senators zum Juden-
thum zu bezeichnen, wird er ein den Himmel Fürchtender, jere
schamajim, genannt \ \
Dieser im jüdischen Sprechen überhaupt eingebürgerte 6e- 569
brauch vom 'Himraer, wie ihn besonders deutlich der Ausdruck
'Himmelfttrchtende' statt ' Gottesfürchtige' zeigt, hat nun den
Anlass dazu gegeben, dass, gleich anderen römischen Schrift-
stellern 2, auch Juvenal, da wo er die Leugnung der römischen
Götter den judaisirenden Römern vorwerfen will, von ihnen
sagt, 'sie beten nichts anderes an als Wolken und Himmels-
gottheit*
97 nü praeter nubes et codi numen adcrant.
Die * Wolken* kommen als satirischer Drücker hinzu, um das
Unbestimmte einer solchen Himmelsgottheit gegenüber den scharf-
umrissenen Göttergestalten der römisch -griechischen Mythologie
hervortreten zu lassen, ähnlich wie die Sokratiker bei Aristo-
phanes, nachdem sie alle übrigen Götter beseitigt haben, ihr
Gebet an die 'Wolken* richten. Schon diese Hinzufügung von
nubes kann lehren, dass die Behauptung einer idololatrischen
Himmelsverehrung nicht in Juvenal's Absicht lag. In der That
war zu seiner Zeit auch den Misswollenden ein Missverständniss
in dieser Hinsicht nicht mehr möglich. Dies beweist Tacitus,
der ja sonst über jüdische Dinge Verkehrtes und Gehässiges in
^ Eine andere Belegstelle hat Jellinek, Bet hamidrasch, 5 p. XLVi
behandelt.
^ Die Stellen sind von Seiden (de iure naturali et gentium 11 c. 1)
erwähnt, der auch schon zur Erklärung auf den Sprachgebrauch von
schamajim kurz hingewiesen hat. Sein Fingerzeig hat jedoch bei den
Sp&teren nicht die gebührende Beachtung gefunden. — Wie sehr auch
ausserhalb des engeren jüdischen Kreises die wahre Bedeutung der *Him-
melfürchtenden* bekannt war, zeigt in bemerkenswerther Weise die be-
rühmte Cambridger Beza-Handschrift der Evangelien und Apostelgeschichte
(Bezae codex Cantabrigiensis ed. Scrivener 1864). Dort werden nämlich
die 0€ßö)i€voi der Apostelgeschichte zweimal (17,4; 13,50) durch cadico-
lae wiedergegeben. — Dass auch die eadicolae der römischen Rechts-
bücher {cod. Theodos. xvi 8 ; cod. Itut. 1 9) in diesen Zusammenhang ge-
hören, hat schon Joseph Scaliger (Catdleeta Vergüii p. 886 der ersten,
76 der zweiten Ausgabe und) am Schlnss seines denehus trthaeresii
Nicolai Serarii (Franekerae 1606 p. 271) ausgesprochen.
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80 zzvni Die Oottesfurchtigen bei Juvenal
grosser Menge zu Markte bringt, aber doch die Reinheit des
jüdischen Gottesbegriffes in feierlichen nnd wahrheitsgetreuen
Worten anerkennt: ludaei tnente sola unumque numen inteUe-
gunt; profanaSj qui deum itnagines mortälibus materiis in species
hamimim efßngcmt; surnmum iUud et aeternwn neque imitäbäe
neque interüurum {hist. Y 5).
[Einen weiteren inschriftlicheren Beleg zu dem oben S. 74
angezogenen liefert der stadtrOmische Stein in der ephemeris
epigr. iv p. 291 n. 838
a£milio va
Ientieq ro
mano metv
cnti q • an- xv
MES • in • DIE xxm
Dagegen wird es gerathen sein die gleichfalls aus Rom
stammende Aufschrift eines Marmoraltärchens im corpus inscr.
lat. VI l n. 390 p. 73 domini metuens \ I{ovi) 0(pütno) M{axiino)
l{ubens) m(erito) | s(icr{um) als zu zweifelhaft von der vorstehend
behandelten Frage ganz ferne zu halten].
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XXIX
ÜEBER
DIE CHEONIK DES SÜLPICIÜS SEVERUS,
ein Beitrag zur Geschichte der classischen und biblischen
Stadien.
Max Mueller in Oxford zugeeignet.
Berlin 1861, Verlag von Wilhelm Hertz. 4^. — Erschienen zunächst als:
Jahresbericht des jüdisch -theologischen Seminars zu Breslau,
zum 27. Januar 1861.
Unter den zahlreichen schriftstellerischen Unternehmungen, l
welche in lateinischer Sprache zur Verbreitung der Bibel und
zur Förderung biblischer Studien während des vierten und fünf-
ten Jahrhunderts ausgeführt \irurden, gebührt der, einen Abriss
biblischer und nachbiblischer Geschichte enthaltenden, Chronik^
des Aquitaners Sulpicius Severus zwar keine der ersten Stellen,
aber sie hat doch auf eine grössere Theilnahme Anspruch, als
ihr schon seit lange geschenkt zu werden pflegt. Die zwei Büch-
lein, aus welchen sie besteht, können weder mit den massen-
haften Leistungen des Hieronymus in Uebersetzung und Erklä-
rung sich messen; noch zeigen sie in ihrer schlichten Erzäh-
Inngsform eine Spur von jener himmelerstrebenden historischen
Architektonik, durch welche der * Gottesstaat' des Augustinus
immer imponirt hat; ja selbst die ambrosianischen Homilien und
^ Die Rechtfertigung dieses Titels und die zum Verständniss der
folgenden Noten unentbehrlichen Nachweise über Handschriften und Aus-
gaben enthält der Anhang. [Von den Bemerkungen über die Kritik des
Textes sind durch G. Halm's 1866 erschienene, die Wiener Sammlung der
lateinischen Kirchenvater eröffnende, Ausgabe des Sulpicius nicht wenige
theils überflüssig theils hinfallig geworden. Der Herausgeber, da er eine
eingreifendere Umgestaltung sich nicht gestatten durfte, muss sich be-
gnügen den Leser an dieser Stelle auf Halm's Ausgabe hinzuweisen].
Bemays, ges. Abhandl. II. ß
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82 XXIX Üeber die Chronik des Sulpicius Severas
Postillen mttssen wegen der persönlichen Stellung ihres Verfas-
sers — des Mailänder Bischofs, vor welchem Kaiser Theodosius
sich beugte — die Aufmerksamkeit in ganz anderer Weise an-
ziehen als Schriften eines Mannes wie Severus, der nie zn ein-
greifender öffentlicher Thätigkeit gelangt ist. Aber in wie man-
nigfacher Rücksicht dieses Werkchen hinter andern Erzeugnissen
der gleichzeitigen Litteratur zurückstehen mag, so wird es doch
für die Betrachtung des Ganges, welchen die classischen und
biblischen Studien während jener Epoche des erlöschenden Hei-
denthums einschlugen, in hohem Maasse lehrreich, weil aus ihm,
trotz seines geringen Umfanges, deutlicher als aus anderen weit-
schichtigeren Werken sowohl die litterärischen Bedürfnisse sich
erkennen lassen, welche man neben den religiösen damals noch
empfand, als die Mittel zu ihrer Befriedigung, über welche man
noch verfügte. Und in der That muss Severus, schon nach dem
Wenigen, was über seine Lebensverhältnisse bekannt ist, als
vorzüglich befähigt erscheinen zu einem geschichtlichen Vor-
trage, welcher den eindringlichen Ton eines überzeugten Ver-
kündigers biblischer Wahrheit anschlägt und dabei den Ansprü-
chen auf classische Form, so weit dieselben von der damaligen
lateinischen Lesewelt gestellt wurden, mit der gewandten Sicher-
2 heit I eines aus der besten Schule hervorgegangenen Rhetors zu
genügen versteht. In seinem Geburtslande Aquitanien waren
damals, im theodosianischen Zeitalter, die öffentlichen Bildungs-
anstalten zu einem Flore gediehen, welcher, da in der Haupt-
stadt Rom die Studien eine immer einseitigere Richtung auf die
juristische Praxis genommen hatten, in keinem Theil der latei-
nisch redenden Römerwelt übertroffen wurde; was schon während
der Regierung des flavischen Kaiserhauses von dem narbonen-
sischen Gallien^ gesagt werden konnte, dass Land und Leute
* Die oben übersetzten und oft citirten Worte des Plimus n. /^. m 31
lanten : Narhonensis provincia . . . agrorum cultu, virarum morumque digno'
Hone, ampUtudine apum nuUi prövindarum postferenda, breviUrque Itdlia
verius quam provincia. Nicht so oft citirt ist folgende Schilderung der Blüte
Aquitaniens im fünften Jahrhundert bei Salvianus de gvbernatione Dei (ver-
öffentlicht zwischen 439 u. 451, wie Gibbon c 35 n. 77 nachweist) vn 2, 8
p. 85, 17 Halm Nemini dubium est Aquiianos ae Novempopulos meduüam fere
omniumGaUiarum et tiber totius fecunditatis hdbui88e,nec solutn fecunditatis sed
quaepraeponi inierdtim fecundüati scient, iucunditatis pulchritudinis wlupia"
tis, Ädeo iüie omnia admodum regio aut irUertexta vineis out flortdenta praüa
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severus 83
den Eindruck machten als wäre man in Italien und nicht in
einer Provinz, das galt jetzt von dem gesammten Verbände der
sieben südlichen gallischen Provinzen zwischen den Alpen und
der Loire; die Romanisirung war dort so vollständig, dass die
Bewohner den gallischen Namen zu führen aufhörten, mit welchem
sie, zum Unterschied von ihrem eignen Römerthum, nur die in
der Cultur zurückgebliebenen nördlichen Provinzen belegten.
Mit dem lebhaftesten Eifer übte sich Jung und Alt in latei-
nischem Vers- und Prosaschreiben, und die grammatischen Stu-
dien traten zurück vor der Lust an selbständigem Hervorbringen.
Gallischer Rhetor wurde ein Ehrenname; sogar für die Besetzung
des rhetorischen Lehrstuhls in der Hauptstadt Rom wurden nicht
selten Männer dieser transalpinischen Herkunft^ gewählt; die
aut distincta culturis aut consita pomia aut amoenata lucts auf inrigua
fontUms aut interfusa fluminibus aut crinita messibus fuit, itt vere posses-
sores ac domini terrae iüius non tarn soli istiua portionem quam paradisi
imaginem possedisse videantur. — Die Verhandlung über Septem und quin-
que provindae (vgl. die Inschriften hei Henzen zu Orelli n. 6471. 6910) im
Gegensatz zu den übrigen gallischen Provinzen hat Böcking zur Not,
dignit, occid. c. 21 p. 471 erschöpfend zusammengefasst, und für den un-
terschied zwischen Gäüi und Äquitani giebt Sirmond zu Sidonius carm. 17
Y. 14 p. 152 f. die Belege.
^ Z. B. Attius Patera, dessen bajocassische Herkunft Ausonius be-
singt {Prof €88. 4, 7) und von dem Hieronymus' Chronik z. J. 337 anmerkt
Patera rhetor Eomae ghriosissime docet. — Die Städte, in welchen der
Bnrdigalenser Minervius ein rhetorisches Lehramt bekleidet hat, nennt
folgender Pentameter des Ausonius (i 4) : Constantinopolis, Eoma^ dehine
patria. — Ihnen darf man auch wohl den Severus Sanctus Endelechius
anschliessen, den Verfasser jenes durch die Eleganz seiner Verse wie durch
die Naiv etat der darin auftretenden bäuerlichen Convertiten gleichsehr
lesenswerthen Gedichts, welches jetzt den Titel de mortibus boum führt,
(zuletzt abgedruckt bei Riese anth, tat. i n. 893). Denn dass Endelechius
im J. 395 seinen rhetorischen Hörsaal zu Rom in foro Martis hatte, bezeugt
die von 0. Jahn (Berichte d. sächs. Ges. 1851 p. 332) erläuterte Subscription
der apuleianischen Handschriften; dass jenes Gedicht in Südfrankreich
verfasst worden, zeigt die sechste Strophe, welche die Seuche zunächst von
den Beigen her in des Dichters Land eindringen lässt, wie denn auch die
Jugendfreundschaft des Paulinus für Severus Sanctus zu seiner aquitani-
schen Abkunft gut stimmen würde; dass aber Endelechius mit Severus
Sanctus identisch und er der Verfasser jenes Gedichts ist, darf man getrost
der Ueberschrift bei Pithöus glauben. Wernsdorfs (P. X. M. n 53) Behaup-
tung, welche noch Jahn erwähnt ohne sie zurückzuweisen, dass die den
Severus mit Endelechius identificirende Ueberschrift von Pithöus selbst
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84 xxiz Üeber die Chronik des Snlpicius Severus
einzige Fonn, In welcher die politische Beredsamkeit sich noch
äussern durfte, die Prunkrede zu Ehren der Kaiser bei ofB-
ciellen Anlässen, war, wie die traurig interessante Sammlung
der Panegyriker zeigt, meistens von solchen gallischen Rhetoren
in Beschlag genommen. Freilich machen sie in dem 'gallischen
Kothurn* (Gaüicanus cothumt^ Hieron. ep. 58 p. 326^ Vall.) zuwei-
len etwas gewaltsame Luftsprttnge; ihr ^gallischer Redefluss' |
3 {Gällicana facundia Symmach. ep, IX 88) leidet, öfter als uns jetzt
auch für einen Panegyricus billig scheint, an öder Gedanken-
dürre; aber um ihre vergleichsweisen Vorzüge gerecht zu wür-
digen muss man sich des in Gedanken und Ausdruck gleichsehr
widerwärtigen Schwulstes erinnern, von welchem Africa, die
einzige ausser Gallien noch litterärisch thätige Provinz, nie sich
hat befreien können, eben weil die africanischen Redner und
nach Ungewisser Vermuthung abgefasst sei, zeigt sich als grandlos, sobald
man einen Blick auf die Sammlung wirft, in welcher Pithöus das Gedicht
zuerst veröffentlichte: Veterum aliquot Oaüicie Theologorum scripta Par.
1586. 4. Dort ist das Gedicht in dem vorgesetzten Inhaltsverzeichniss der
ganzen Sammlung, also da wo eine freigew&hlte Fassung mit der Treue
eines Herausgebers vereinbar ist, in folgender Weise aufgeführt : Seoeri
Bhetoris et poetae Christiani Carmen Bucölicum, und gerade diese offenbar
von Pithöus selbst herrührende Fassung sagt, wie man sieht, nichts von
Endelechius. Dagegen p. 144, wo das Gedicht abgedruckt wird, lautet die
Ueberschrift : Indpit Carmen Severi Sancti, Id Est, Endeleichi Bhetoris de
mortibus boum. So wenig glaublich es nun ist, dass Pithöus, statt des
eben erst von ihm selbst gebrauchten, tadellosen Carmen Bucolicum, noch
nachträglich die keinenfalls geschmackvolle Betitelung de mortibus boum
ersonnen habe, und so unverkennbar andererseits Incipit das Zeichen sei-
nes handschriftlichen Ursprungs an der Stirn trägt, so gewiss sind auch die
in Frage stehenden Worte Id Est Endeleichi Ehetoris buchstäblich treu
nach der Handschrift wiedergegeben, dergestalt buchstäblich, dass nicht
einmal der augenfällige Fehler in der Vocalisirung gebessert wurde. Pithöus
hätte auf eigene Hand den Namen nur aus Paulinus' Briefen oder aus der
apulejanischen Subscription entnehmen können, und an beiden Orten ist
er Endelechius geschrieben, eine griechische Bildung, die zwar nicht ge-
rade classisch, aber doch denkbar ist ; wogegen das undenkbare Endeleichos
eben in seiner Yerderbung die Gewähr seiner handschriftlichen Herkunft
trägt. Der Abfasser des Titels, welcher der Zeit des Autors nahe genug
leben mochte, wusste es durch zuverlässige Tradition, dass der als christ-
licher Dichter bekannte Severus Sanctus derselbe sei, welcher als Rhetor
unter dem Namen EndeHechius sich berühmt gemacht hatte; und diese
Identität hat er auf dem einfachsten Wege, durch id est, ausgedrückt.
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XXIX Ueber die Chronik des Sulpidus Severus 85
Schriftsteller in gesellschaftlichen Zuständen lebten, die von rö-
mischer Bildung nur sehr schwächlich angehaucht waren. Der
Glaubenssatz aller stilistischen Barbarei, dass man sich tätto-
wiren müsse um schön zu sein, hat unter africanischem Himmel
immer seine Herrschaft behauptet, während an den Ufern der
Garonne wenigstens das Streben nach richtiger und edler Ein-
fachheit allmählich sich einstellte, und auch, wie z. B. Rutilius
Namatianus beweist, mit nicht viel schlechterem Erfolg als an
den Ufern des Tiberstromes gekrönt ward. Seinen Höhepunkt
erreichte dieser litterärische Aufschwung Galliens um die Zeit
des Ausonius, dem ja auch die anschaulichste Schilderung des-
selben verdankt wird; und so wenig es gelingen will, die Jahres-
zahl für Geburt oder Tod des Severus festzustellen, so kann
doch, da er jünger als sein Freund Paulinus von Nola (geb. 353)
war und da er in den ersten Jahren ^ des fünften Jahrhunderts
die Chronik abfasste, seine Erziehung nur in die zweite Hälfte
des vierten, also eben in jene Blütezeit gallischer Rhetorik, ver-
legt werden. Dass er als Sachwalter thätig und berühmt ge-
* Paulinus ep. 5 § 5 p. 22 Mur. nennt im Vergleich mit sich den
Severus aetate florentior, — Gestellt ist die Chronik auf das erste Gonsulat
des Stilicho = 400, wie Severus selbst sagt n 9, 7 omne tanpus in SHlu
conem consülem direxi <und ii 27, 5 a quo tempore wque in Stiliconem
cansülem: die Bezeichnung dieses Jahres 400 durch Sinen Gonsul stimmt
zu den inschriftlichen Ermittelungen Rossi's inscrr, Christ, i p. xxxn und
208 f.). Dass sie jedoch in diesem Jahre noch nicht herausgegeben wurde,
zeigen die Stellen über den jüdischen Aufstand unter Hadrianus (n 81, 3)
und über die Reise der Helena nach Jerusalem (n 33, 4—35), wo die wört-
lichen Entlehnungen aus dem elften, erst 403 an Severus geschriebenen
Brief des Paulinus bereits von Muratori und De Prato bemerkt sind.
Unbemerkt ist es jedoch bisher geblieben, dass beide Stellen allerdings
von Severus selbst, aber erst nachträglich, nachdem die umgebenden Par-
tien völlig ausgearbeitet waren, eingeschoben sind. Die in solchen Fällen
selten 4iusbleibenden Unebenheiten der Verbindung geben auch hier einem
aufmerksamen Leser Anfang und Ende des Nachtrags zu erkennen. In der
ersten Stelle folgten die jetzt durch den Nachtrag ungefüge gewordenen
Worte Quarta 8ub Adriano persecutio (n 31, 6) ursprünglich auf saeviri in
tos ultra Detuit (ii 31, 2). In der zweiten Stelle schlössen sich die Worte
sed longe atrocius periculum cunctis ecclesiis illa pace generatum (ii 35, 1)
unmittelbar an quae superest ultima crit (n 33, 3) und illa pace, dessen
Beziehung jetzt durch die dazwischentretenden Gapitel verdunkelt ist^
blickte ursprünglich zurück auf Exinde tranquiUis rebus pace perfruimur
(11 33, 3).
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86 XXIX lieber die Chronik des Sulpicins Severus
wesen, erfahren wir aus einem Briefe des Paulinas (5 § 5 Murat);
und die deutlichsten Spuren seiner näheren Kenntniss des rö-
mischen Rechts werden uns in der Chronik entgegentreten. Aus
demselben Briefe des Paulinus geht hervor, dass Severus eine
4 reiche | Heirath in eine consularische Familie gethan hatte und
nach dem frühen Tode der Frau sich im Besitz eines ansehn-
lichen Vermögens befand. Eben jedoch als seine weltliche Stel-
lung eine allseitig glänzende geworden, fasste er den plötzlichen
Entschluss, 'der Lockung der Welt und ihrer Last' (mundi Jm-
ius illecebras et saeculi (mera\ V. Mart, 25) sich zu entziehen.
Mönchische Lebensweise begann damals im Abendlande sich zu
verbreiten; Severus widmete sich ihr, und trat später auch in
den geistlichen Stand über, ohne jedoch eine höhere Würde als
die eines Presbyter zu erlangen. Sein Vater missbilligte den
Schritt und brach deshalb mit dem Sohne; dieser fand gemUth-
lichen Ersatz an der sorgenden Theilnahme seiner vornehmen
Schwiegermutter Bassula und geistliche Stärkung in dem ver-
trauten Umgang mit dem Pannonier Martinus, der als Bischof
von Tours und wunderthätiger Heiliger zu so hoher mittelalter-
licher Celebrität gelangt ist. Vorzüglich des Martinus bewegli-
ches Zureden und dessen Hinweisung auf das von dem Gonsu-
laren Paulinus gegebene, in der Bewunderung der religiösen
Kreise noch frische Beispiel einer ähnlichen Sinnes- und Lebens-
änderung hatten den Severus vermocht, das Forum und den
Reichthum mit Einsamkeit und Armuth zu vertauschen; dem
Führer, der ihn auf diese Bahn gewiesen hatte, schloss sich Se-
verus während seines ganzen ferneren Lebens mit unbegrenzter
Hingebung an ; und so hat denn die Parteistellung des Martinus
zu den politischen und kirchlichen Wirren seiner Zeit auch den
Schriften des Severus eine bestimmte Farbe verliehen, welche
die uns beschäftigende Chronik in ihrem nachbiblischen Theil
unverhüllt zur Schau trägt, und sogar bei Erzählung der bib-
lischen Geschichte, überall wo Gelegenheit sich bietet, durch-
schimmern lässt. Auch hier also kann, wie bei allen nicht gänz-
lich vom Leben abgetrennten Büchern, ein lebendiges Verständniss
erst dann entstehen, wenn mit der richtigen Würdigung des laut
ausgesprochenen Zwecks der Einblick in die stilleren Nebenab-
sichten sich verbindet; und es wird daher erforderlich, im An-
schluss an die wenigen Nachrichten über die Person des Severus,
die gleichzeitigen Staats- und kirchengeschichtlichen Vorgänge
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xznc üeber die Chronik des Sulpicius Severus 87
ins Ange zu fassen, an welchen sein geistlicher Führer Martinas
durch thätiges Eingreifen nnd er selbst durch Ausspendung von
Lob nnd Tadel sich betheiligt hat Der Nothwendigheit dieses
Hintiberstreifens in die allgemeine Geschichte kann um so leich-
ter nachgegeben werden, als es mit unserer Aufgabe, den Gehalt
der Severischen Chronik darzulegen, uns stets in der engsten
Verbindung erhält. Denn fttr die zur Sprache kommenden Er-
eignisse ist Severus längst als der bestunterrichtete und yoU-
ständigste Zeuge anerkannt ^, obgleich immer noch nicht mit der
gebührenden Sorgfalt befragt worden.
Erst in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts, als
jene Sectenbildungen , welche man unter dem Namen Gnosti-
cismus zusammenzufassen pflegt, im Morgenlande schon ihre
volle Kraft | entfaltet hatten und bereits zu erlöschen anfingen, 5
ward eine Abzweigung derselben nach dem, vorher nur vom
Arianismus berührten aber sonst sectenfreien, westlichen Europa
verpflanzt, zunächst von Africa aus nach dem am wenigsten
europäischen Lande Europa's, nach Spanien. Besonders die süd-
lichen Gegenden der Halbinsel, welche die römische Provinz
Baetica bildeten, boten der vom Orient® hereindringenden Schwär-
^ Gibbon (eh. 27 Note 51) ertheilt dem Severus wegen der Naoh-
richten über die Priscillianisten einen seiner seltenen Lobsprüche 'a correct
and original ioriter\ Doch scheint er den Originalbericht näher zu prüfen
sich nicht die nöthige Müsse genommen zu haben. Sonst hätte er wohl
nicht den in neuerer Zeit gewöhnlichen Irrthum zu Terbreiten mitgeholfen,
dass die Priscillianisten von dem weltlichen Richter auf eine Anklage wegen
matter of faith zum Tode verurtheilt worden und sie das erste nachweis-
bare Opfer einer Art von holy office gewesen seien. — Von den drei Ab-
schnitten des Severus, die als alleinige Quelle fast alles Thatsächlichen
in der folgenden Darstellung hier ein für alle Mal citirt seien, giebt
Chron, n c. 46— 51 einen zusammenhängenden, verhältnissmässig objectiven
Bericht des äusseren geschichtlichen Verlaufs, Vit. Hart. c. 20 und Dial,
m c. 11—13 liefern einzelne persönliche Züge und weisen auf die inneren
Triebfedern hin. Das Wenige, was aus andern Schriftstellern hinzukommt,
wird als solches besonders vermerkt.
* Die betreffende Stelle Chr. n 46, 1 giebt der, gerade in diesem
Abschnitt an guten Lesarten reiche, Vaticanus in folgender Fassung : tum
primum infamia iüa Onosticorum haeresis intra Hispaniaa deprehema, su-
perstitio exitiabiliSf areanis occuUata secretis. Origo istius malt Oriena ac
Äegyptua, Statt der letzten drei Worte las man seit Flacius orima ah
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88 XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severiu
merei einen eben so empfänglichen Boden, als sie früher und
später eine leichte Beute der über die Meerenge getragenen pu-
nischen und maurischen Waffen geworden sind. Die gesellschaft-
lichen Kreise, in denen die Secte sich festsetzte und während
der ganzen Zeit ihres Bestehens ihren Schwerpunkt fand, sind
gleich durch die ersten Anhänger bezeichnet, welche der ägyp-
tische Gnostiker Marcus unterwies; es waren ein classisch ge-
bildeter Rhetor, Elpidius, und eine adliche Dame, Agape ^,
Beide Vorzüge des Adels und der Bildung vereinigten sich auf
glänzende Weise in der Persönlichkeit des Priscillianus, des
Schülers dieses ersten Jüngerpaares. Durch ihn gewann die
Secte festen Halt, und nach ihm nannte und nennt man sie Pris-
cillianisten. Ueber ihren dogmatischen ^ Lehren ruht jetzt das
Dunkel, welches fast immer geistige Bewegungen, wenn sie nur
von gegnerischer Seite beschrieben sind, einer sichern Kunde
entzieht; deutlicher treten die äussern Merkmale hervor, wie sie
in der Lebensweise der Secte sich ausprägten. Ein asketischer
Zug ist unverkennbar; auch Gegner gestehen dem Priscillianus
AegypHis, Wenn die sich selbst empfehlende Lesung des Yaticanus noch
weiterer Gewähr bedarf, so liegt eine zwingende in dem, weder von den
Herausgebern des Tacitos noch von denen des Severus bemerkten, Um-
stände, dass Severus hier wörtlich die schmähende Aeusserung des Tacitos
über das Ghristenthum nachbildet, Annal. xv 44 repressaqtie in praesens
exitiahilis superstitio i'ursum erumpehat, non modo per ludaeanij
originem eius malt, sed per urhem etiam. Severus gebraucht also
nach Tacitus' Vorgänge origo mali in localem Sinne, 'ursprünglicher
Sitz des üebels'; und eben dieser etwas ungewöhnliche Gebranch hat die
Verderbung bei Flacius veranlasst.
®* (Ueber diese Art von Frauennamen s. Perizonius dissertatt. p.556).
"^ Für diese meinen Zweck nicht unmittelbar berührenden dogmati-
schen Fragen genügt die Verweisung auf Lübkert {Consistorii superioris
BegW'Holsatici Assessor) De Haeresi Prisciüianistarum ex fonUbus denuo
eoUatis, Hauniw Idibus Maiis mdogoxl. 8 und auf Mandernach (Priester
der Diöcese Trier) Geschichte des Priszillianismus. Ein Versuch. Trier
1851. 8. Der Letztere hat oder nimmt von dem Ersteren keine Eenntniss,
und ich finde es ausreichend, fernerhin nur Lübkert zu erwähnen. Für
die historischen und juristischen Fragen sah ich mich genöthigt, die Un-
tersuchung von neuem anzustellen ; zu welchen Abweichungen von Lübkert
sie geführt hat, zeigt am leichtesten eine Vergleichung seines Schluss-
capitels {An reoera PrisciUianistcie propter errores haereticos capitis damnati
sint, welche Frage er bejaht) mit der hiesigen Darstellung. (Vgl. auch
de Vries dissert de Prisciüianistis 1746. 4.).
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicias Severue 89
ZU, dass er Fasten und Nachtwachen ttber das gewöhnliche Maass
ttbte, dass er bei grossem Reichthnm dem Erwerben abhold und
streng im Geniessen war {praedives opibus, habendi minime cu-
piduSy utendi parcissimas). Noch verständlicher redet die That-
sache, dass, nachdem die Secte in geistlichen Bann und welt-
liche Acht gethan worden, ein gehäuftes Fasten (certare ieiunm)
hinreichte, um auch die sonst bestberufenen Mönche dem Verdacht
des Priscillianismus auszusetzen; sogar an Martinus konnten,
trotz seines hohen bischöfllichen Ansehens, Feinde sich mit der-
artigen Angriffen wagen, und es geschieht der Reinheit seiner
Motive wohl kein Abbruch, wenn man, auf die klare Andeutung
seines Schfllers Severns (Chron. ii 50, 3 Did. m | 11, 5) hin, 6
eben in jener äussern Aehnlichkeit zwischen der von ihm selbst
gepflegten mönchischen Askese und der priscillianistischen einen
mitwirkenden Grund sieht für seine Bekämpfung allzu strenger
Maassregeln gegen die neue Secte ; er musste fllrchten, die Geg-
ner des damals im Occident noch nicht festgewurzelten Mönch-
thums würden unter dem Deckmantel der Ketzerverfolgung dessen
Verbreitung hindern. Nicht minder unverkennbar als dieser as-
ketische Zug zeigt sich bei den Priscillianisten eine Hinneigung
zu classischer Bildung. Wie schon Elpidius, der erste Schüler
des Marcus, ein Rhetor war, so wirkte auch Priscillianus haupt-
sächlich durch eine *auf umfassender LectUre ruhende Gelehr-
samkeit und eine mit schlagfertiger Disputirkunst verbundene
Wohlredenheit' {facundus, multa ledione eruditus, disserendi ac
disputandi promptissimus); der Tadel, den selbst mildgesinnte
Gegner wie Severus gegen ihn aussprechen, trifft vorzüglich
seinen 'aufgeblasenen Stolz auf profanes Wissen ^ Auch von
Latronianus, einem andern Haupte der Secte, erwähnt Hiero-
nymus classisch gehaltene Dichterwerke mit dem überschwäng-
lichen Lobe^ *er sei den Alten an die Seite zu setzen'. So
^ De viris %ü. c. 122 vir vaJde eruditus et in metrieo opere veteribus
comparandua, — Die Gerüchte über die virgilischen Hexameter mag, wer
Last dazu empfindet, bei demselben Hieronymos ep. 133 Vol. i p. 1029
Yall. nachlesen; den Hexameter über den Meineid hatte Augustinus von
gewesenen Mitgliedern der Secte gehört (s. ep. ad Ceretium 253 der alten
Zählimg, p. 962 Reinh.) ; man findet die Stellen bei Lübkert p. 44 aus-
geschrieben, und daselbst steht auch p. 40—50 für diejenigen, die derglei-
chen noch erst bedürfen, ein ausführlicher Nachweis, dass die crimina
libidinum et mendaeii amnibus argumentis carent. —
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90 XXIX lieber die Chronik des Sulpicius Sevenis
hervorstechend war diese Vorliebe für die classische Litteratnr,
dass verläumderische, jedenfalls unbewiesene, Aasstreuungen
über die Vorgänge in den Conventikeln der Priscillianisten durch
Beimischung dieses Kömchens zutreffender Aehnlichkeit geniess-
bar und gangbar gemacht wurden; man Hess die nächtlicher
Weile Versammelten nicht bloss die zügellosesten Ausschwei-
fungen begehen y sondern es hiess auch, sie sängen dazu die
herrlichen Verse, in welchen Virgils Georgica die Frühlingshoch-
zeit zwischen Himmel und Erde feiern ^V Nicht von so auser-
lesener Bosheit, aber eben so bezeichnend ist die Art wie die zu
jeder Ausflucht greifende Geheimthuerei der Priscillianisten zu-
rückgeführt wird auf eine Regel in hexametrischer Fassung:
'Leiste nur Eid, Meineid; das Geheimniss verrath aber nimmer'
(Iura, periura, secretum prodere noli). Und einen schlagenderen
Beweis als alles Uebrige liefert auch hier wiederum wie bei
dem gehäuften Fasten die verbreitete Meinung, dass ein ver-
kappter Priscillianist an vielem Lesen zu erkennen sei, und so-
nach Mönche, wenn sie eifrige Leser waren, schwer sich der
Verdächtigung erwehren konnten. Hat man von der oben ge-
schilderten litterärischen Stimmung und Regsamkeit Aquitaniens
das richtige Bild gefasst, so begreift man, welch mächtigen
Vorschub eine solche Vereinigung alter Litteratur und neuer
Religion dem Priscillianismus leisten musste, sobald er die für
alle Culturverhältnisse damals kaum vorhandene Pyrenäengrenze
überschritt und in das südliche Erankreich eindrang. Rhetoren
und schöngeistige Frauen ®, die damals wie immer auf französij-
8» (Verg. georg, n 325 ; vgl. Leibnitz Nouv. essais in 6, 23).
^ Mülieres novarum rerum eupidae, fluxa fide et ad omnia eurioso
ingenio sagt Severus Chron. n 46, 6 mit geschickter Verwendung eines
Ausdruckes des Sallust, der natürlich nichts von fides in ekklesiastischem
Sinn weiss, sondern von König Bocchus sagt, er habe sich gesträubt, sein
dem Jugurtha gegebenes Treuwort zu brechen ne fluxa fide ttsus popu-
larium animos avorteret {lug. 111 vgl. mit Tac. Hist. ii 75). — Das be-
wegte Leben des Delphidius hat Joseph Scaliger in einem Capitel seiner
Lectiones Ausonianae (i 10) geschildert und den Späteren keine Nachlese
übrig gelassen. Denn die einzige Stelle, die ihm entgangen war, nämlich
llieron. ep. ad Hedybiam 120 p. 818 Yall., hat er zu Eusebios N. 2352
selbst nachgetragen. Man ersieht aus ihr, dass die fromme Hedybia,
welche dem Hieronymus so ausgewählte biblische Fragen vorlegt, zu dieser
Druidenfamilic gehörte, Delphidius selbst aber, qui omnes Gaüias prosa
versuque 8W> ülusiravit ingenio, nie von der scientia legis Bei erleuchtet
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severus 91
Bchera Boden eine grosse Rolle spielten, strömten auch dort der 7
Secte zu; vornehmlich genannt wird eine Wittwe des Druiden-
abkömmlings Delphidins, der als gefeierter Redner vor Kaiser
lulianus aufgetreten war und als Dichter schon in früher Jugend,
<wie Florus und Valerius Pudens (s. Ritschi opusc. in 735 f.)>,
sich den capitolinischen Eichenkranz durch einen Hymnus auf
Zeus verdient hatte ; sie hiess Euchrotia und hat das Schicksal
des Priscillianus im Tode getheilt, wie sie ihn im Leben mit
ihrer Tochter Procula begleitet hatte. Auch noch eine andere
im Rhetorenkreise heimische Frau, Urbica mit Namen, hat für
ihre Anhänglichkeit an Priscillianus zu Bordeaux in einem gegen
sie erregten Volksauflauf den grässlichen Tod der Steinigung
erlitten. Im Jahre 380, als man durch SyuodalbeschlUsse die
Verbreitung der Secte hemmen wollte, hatte dieselbe bereits in
Aquitanien eben so festen Fuss gefasst ^^ wie in Baetica, wo sie
wurde. Auch sonst belehrt dieser Brief des Hieronymus recht vielseitig
über den hohen Ruhm der gallischen Rhetorik, die auch in seinen Zusätzen
zu Eusebios' Chronik mit besonderer Vorliebe berücksichtigt wird. Als
Beispiel stehe hier die Anzeichnung zum J. 337 über eine Rhetorentochter :
Nazarii rhctoris filia ('Eunomia* nach Pithoeusu. Pontacus> in eloquentia
patri coaequatur. (Eine Sammlung von Notizen über gallische Rhetorik
giebt zu patrotischem und panegyrischem Zweck Petrus Pithoeus in der
Vorrede zu den Quintilianischen Declamationen). — Ueber die Urbica
sagt Prosper's Chronik zum J. 385 (p. 156 Rösler) : Burdigalae quaedam
Priscüliani discipula nomine Urbica ob impietatis pertinticiam per seditio-
nem vulgi lapidibus exstincta est. Da Ort, Zeit und sachliche Analogie
dafür sprechen, habe ich kein Bedenken getragen, zwischen dieser Urbica
und dem von Ausonius (prof. 21) gepriesenen griechichen Dichter und
Grammatiker Urbicus in Burdigala einen verwandtschaftlichen Zusammen-
hang anzunehmen.
lö Philastrius, Bischof von Brixia, Verfasser des ältesten lateinischen
Verzeichnisses von Häresien (gest. um 388), welcher die Priscillianisten
noch gar nicht unter diesem Namen kennt, sondern blos als Abart der
Manichäer bezeichnet, weiss doch schon, dass sie gleichsehr in Südfrank-
reich wie in Spanien verbreitet sind; der Schluss seines die Manichäer
behandelnden 61. Abschnittes lautet: ut latrones iam sub figura confessionis
christianae miUtorum animas mendacio ac pecudiali turpitudine non desi-
nunt captivare, qui et in Hispania et quinque provineiis latere dicun-
tur müUosque hoc quotidie faUacia captivare. J. A. Fabricins in seiner
Note zu dieser Stelle bürdet dem Philastrius eine unbegreifliche Tautologie
auf, indem er quinque pravinciis auf die Eiutheilung Spaniens in fünf
Provinzen bezieht. Er hätte sich aus Gothofredus zu Cod, Theod. xvi 10, 15
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92 XXIX lieber die Chronik des Sulpicius Severus
zuerst aufgekommen war i^*; es ward daher die Synode nach
einer nordspanischen Stadt, nach Saragossa, ausgeschrieben,
damit die gleichsehr betheiligten aquitanischen Bischöfe, welche
auch der Einladung Folge geleistet haben, sich auf halbem Wege
mit den bätischen zusammenfänden. Hier beschränkte man sich
auf das geistliche Strafmittel der Excommunicatiou, welche im
Contumacialwege verhängt wurde über Priscillianus, seinen Leh-
rer Elpidius und tlber zwei zu ihnen haltende bätische Bischöfe,
Instantius und Salvianus. Eben diese zwei Bischöfe lassen sich
aber durch den Spruch der Synode so wenig einschüchtern,
dass sie den bis dahin im Laienstande verbliebenen Priscillianus
jetzt, nachdem er verurtheilt worden, auf einen Bischofstuhl in
Lusitania (Abila) erheben, dadurch die Macht der Secte auch im
Westen Spaniens befestigen und der gewichtigen Persönlichkeit
des Priscillianus Sitz und Stimme in etwaigen künftigen Synoden
sichern. Die Gegner müssen gefürchtet haben, im 'synodalen
Majoritätskampfe schliesslich den Kürzeren zu ziehen; wenigstens
greifen sie von nun an zu weltlichen Mitteln. Dem Bischof |
8 von Merida^^ Idacius, der, unterstützt von einem andern fast
belehren können, dass Südfrankreich, dessen Haupttheil Aquit-anien aus-
machte, gegen Ende des vierten Jahrhunderts die Benennung quinque
provinciae führte. Sollte es dafür nach allem von Gothofredus Beige-
brachten und nach der oben (Anm. 2) erwähnten Böcking'schen Forschung
noch eines Beweises bedürfen, so würde man ihn aus Philastrius selbst
führen können. Denn der 84. Abschnitt, welcher noch einmal die Priscillia-
nisten unter dem von ihrer Askese hergenommenen Namen Abstinentes
bespricht, sagt gleich zu Anfang: Sunt in GcUHis et Hispaniis et Äqui-
tania veluti Abstinentes qui et Gnosticorum et Manichaeorum particulam
pernidosissimam aeqtte sequuntur. — Lübkert p. 51 hat sich von Fabricius
irre führen lassen
10» (Gams, Eirchengeschichte von Spanien ii 367 Anm. 3, vgl. Rein-
kens, Martin von Tours p. 151, sieht Lusitanien als den ursprünglichen
Sitz an).
11 Nach der Lesung des Vatioanus Chron. ii 46, 8 Emeritae sc^eer-
dotem. Statt dessen steht bei Flacius emeritae aetatis sacerdatem. Der
Urheber dieser Interpolation wusste demnach nichts von Augnsta Emerita
und schob dafür einen alten *emeritirten* Priester unter — eine Ignoranz
und eine Lächerlichkeit, die man dem keineswegs ungelehrten Flaciua
selbst nicht zutrauen kann und also aus der Hildesheimer Handschrift
herleiten muss. Mithin genügt schon dieses eine Beispiel von Abweichung,
um die Yermuthung der Identität des Vaticanus und Hildesianus umzu-
stossen (siehe den Anhang). ~ Der Genosse des Bischofs von Merida heisst
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lieber die Chronik des Sulpicius Severas 93
gleichnamigen Bisehof Ithaeius, den Prisciilianismus allzu heftig,
wie Severus meint, verfolgte, gelingt es von dem damaligen
weströmischen Kaiser Gratianus ein Rescript ^ zu erwirken, vor
dessen scharfen Bestimmungen Priscillianus und die Seinigen
sich für den Augenblick zurückziehen, ohne es auf eine öffent-
liche Gerichtsverhandlung ankommen zu lassen. Aber darum
hatte die Secte den Kampf noch nicht aufgegeben. Ihre Häupter,
Priscillianus an der Spitze, machen sich nach Rom auf den Weg
und benutzen die Durchreise durch Aquitanien um ihren dort
schon vorhandenen Anhang durch den Eindruck ihres persönlichen
Erscheinens zu vermehren. Am leichtesten gelingt es ihnen mit
den Einwohnern der Stadt Euse ^^ in Gascogne, in deren Nähe
übereinstimmend im Vaticanus and bei Flacius Sosaübensia epücopus 47, 8.
Aber da es bisher nicht gelingen wollte, diesen Ortsnamen mit Sicherheit
auf einen sonst bekannten zurückzuführen, so hilft er wenig gegen die,
jetzt nicht blos in Sachsen unvermeidliche, Verwechselung zwischen den
beiden, nur durch hartes und weiches d unterschiedenen Idacius. Severus
hatte der Verwirrung vorbeugen können durch Anwendung des Cognomen
Ularus^ das nach Isidorus {de viris iU. 2) einer dieser Bekämpfer des
Prisciilianismus geführt hat. Aber seine Feder mag sich gesträubt haben,
auch nur den Namen * Herrlich' einem der Männer zu geben, die er beide
mit so schwarzen Farben schildert. Von dem einen sagt er u 46, 9 8ine
modo et ultra qwim oportuit .... lacessens facem . . . nMcenti ineendio sttb-
didit und von dem andern gar folgendes n 50, 2 Ithacium nihil pensi, nihü
sancti habuisse (= Sallust lugurth, 41 extr.) definio. Fuit enim audcLX, lo-
qucus^ impudens, sumptuosua^ ventri et gulae plurimum impertiens. Auch
hätte Clarus zu einer noch peinlicheren Verwechselung Anlass geben kön-
nen, da ein damals in Gallien berühmter Presbyter, ein von Severus hoch-
verehrter Schüler des Martinus (Vit. Mari. 23), diesen Namen trug.
^ Ghron. ii 47, 6 rescriptum, quo universi haeretici excedere non eccU-
siis tantum aut urbibtis sed extra omnes terrae propelli iubd>antur. Nach
Gothofredus zu Cod, Theod, xvi 2, 35 soll extra omnes terrae soviel bedeu-
ten wie extra centesimum lapidem der betreffenden Stadt. Seine etwas
verwickelte Beweisführung muss man bei ihm selber einsehen und prüfen;
letzteres kann hier um so weniger geschehen als sie in die weitverzweigte
Streitfrage über die suburbicarischen Provinzen eingreift.
^^ Chron, n 48, 2 maximeque Elusanam plebem sane tum bonam et
religiont etudentem pravis praedicationibus pervertere. Diese V^endung und
besonders tum liefert den deutlichen Beweis, dass Severus die Elusanische
Gemeinde zu verschiedenen Zeiten aus eigener Anschauung kannte. — De
Prato (Vol. I p. LVii) weist als andere wechselnde Aufenthaltsorte des Se-
verus Tolosa und Elusio in der narbonensischen Provinz nach; die hiesige
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94 XXIX lieber die Chronik des Sulpicius Severas
Severus lebte — ein Umstand, den wir im Auge behalten müssen,
da er Anfscblüsse über Anlage und Absicht der Severischen
Chronik gewähren kann. In Italien angekommen wollen sie nicht
sogleich das Beispiel der Gegner durch Anrufung der weltlichen
Macht nachahmen, sondern sie versuchen zuerst, die höchsten
geistlichen Wtlrdenträger Italiens, den als Gönner des Hierony-
mus bekannten römischen Bischof Damasus und den mailändi-
schen Ambrosius, von dem Ungrund der gegen sie erhobenen
Beschuldigungen zu überzeugen. Da ihnen jedoch an den ThUren
dieser beiden Kirchenfllrsten der Einlass verweigert wird^*,
wissen auch sie sich die Thore des kaiserlichen Palastes mittels
des goldenen Schlüssels zu öffnen, der besonders am Hofe des
Gratianus unwiderstehlich war. Priscillianus wendete sein eignes
grosses Vermögen und die ihm zur Verfügung stehenden ßeich-
9thümer seiner Anhänger im | Dienste der Secte auf 7 ein bei dem
kaiserlichen Minister Macedonius und dem spanischen Proconsul
Volventius wohl angebrachtes Douceur hat die Wirkung, dass
die früheren, dem Priscillianus feindlichen kaiserlichen Erlasse
cassirt werden, dass Priscillianus und seine Genossen ihre zeit-
weilig aufgegebenen Bisthümer unbelästigt wieder einnehmen,
dass sie nun ihrerseits ihren Verfolger Ithacius in die Flucht
nach Gallien treiben. Dessen dort bei dem gallischen Präfecten
Stelle hat er nicht berücksichtigt. — lieber JSlusa hat Joseph Scaliger
opusc. p. 99 ed, Francof. gehandelt.
^^ Chron, n 48, 1 Bomam profecti ut apttd Damasum urhis ea tem-
pestate episcopum obiccta purgarent .... ne in conspectum quidem eins cul-
missi sunt Es scheint als hätte der Chronograph Idacius zum J. 886 (p. 159
Rösler) diese Worte vor sich gehabt, was angemerkt zu werden verdient,
weil Benutzung der Severischen Chronik bei den Spätem nur selten nach-
weisbar ist. — Macedonius war magister offictorum d. h., wie Niebuhr
{Corp. Byz. i p. xxi) das in der Person dieses Beamten vereinigte Aemter-
gewimmel modern umschreibt, er war * Minister der auswärtigen Angele-
genheiten, Hofmarschall, Ceremonienroeister, Generalpostmeister und Direc-
tor der Gewehrfabriken*. — Die Fragen über das spanische Proconsulat
und Vicariat hat (nach dem Vorgang von Berterius iriOavOjv i 5 in Otto's
thesaurus iv 825) Gothofredus zu Cod. Theod. ix 1, 14 mit Rücksicht auf
die prisciilianistischen Vorgänge erörtert. Ich führe den Gothofredus so
oft als möglich an, weil kein Herausgeber der Chronik sein unerschöpf-
lich reiches Werk benutzt hat. Der vir doctuSy den er zurechtweist, ist
Sigonius zu unserer Stelle 11 49, 3. Böcking hat Not, dign. occ. c. 20 die
Darstellung des Gothofredus mit Nachträgen und Berichtigungen versehen.
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zziz lieber die Chronik des SulpiciuB Severus 95
Gregorius angezettelte Umtriebe wissen sie mit Hilfe ihres in-
zvnschen dai*ch neue Gaben angefrischten Gönners Macedonius
zu vereiteln.
So war denn der Bann, welchen die Synode zu Saragossa
ausgesprochen hatte, unwirksam gemacht, und die ganze Ange-
legenheit nicht über das Stadium kirchlichen Haders, und hö-
fischer, bald ftlr die eine bald fttr die andere Partei erfolgreicher
Ränke hinausgeftlhrt worden ; zu einer auch vor dem weltlichen
Tribunal rechtskräftigen und praktisch durchfuhrbaren Entschei-
dung war man nicht gelangt. Gar bald sollte jedoch auch dieses
erreicht werden durch gewandte Benutzung der grossen politi-
schen Bewegungen, welche mit dem Aufstand der von Maximus
geführten britannischen Legionen begonnen, in ihrem weiteren
Verlauf den Sturz und Tod des jungen Kaisers Gratianus her-
beigeführt, und in ihrem schliesslichen Ergebniss die gesammte
west- und oströmische Welt zum letzten Mal der Herrschaft eines
Einzigen, des Theodosius, unterworfen haben. Maximus, ein
Spanier von Geburt und daher der Einwirkung spanischer Bi-
schöfe um so zugänglicher, war sich nach seinem leichten Siege
über Gratianus wohl bewusst, dass er nun erst den eigentlichen
E[ampf mit Theodosius, dem von Gratianus auf den Thron des
Orients gehobenen ersten Feldherrn seiner Zeit, zu bestehen
haben werde. Hatte doch hauptsächlich Eifersucht auf diese
Erhebung seines früheren Waffengefährten und Landsmannes den
Maximus an die Spitze der Aufständischen geführt. Theodosius
nun aber hatte gleich nach seinem Regierungsantritt dem Klerus
die festesten Bürgschaften seines Glaubenseifers durch Maassre-
geln gegen die Arianer gegeben; und die politische Rücksicht,
welche zu allen Zeiten Usurpatoren mit einer mächtigen Geist-
lichkeit schön thun heisst, so lange sie noch nicht fest auf ihren
Thronen sitzen, ward daher für Maximus ein Gebot der Noth-
wendigkeit; er hätte einen gar zu schlimmen Stand gehabt, wenn
er dem rechtmässigen und rechtgläubigen Kaiser Theodosius
gegenüber nicht bloss als ein Thronräuber, sondern auch noch
als Beschützer von Ketzern dagestanden hätte. Diese an sich
schon den Priscillianisten so ungünstigen Verhältnisse wurden
für sie noch dadurch verschlimmert, dass die Beamten der eben
durch Maximus gestürzten gratianischen Regierung mit ihnen im
Bunde gewesen waren. Ihr Verfolger Ithacius dagegen, der von
seinem spanischen Bisthum flüchtig zu Trier, der gallischen
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96 zzix Ueber die Chronik des Sulpicins Seyems
Hauptstadt, sich aufhielt, sah seine ktthnsten Hofifhungen erflillt
10 Gleich bei | dem ersten Gerücht von dem Aufistand des Maximns
hatte er erkannt, welche Aussichten ihm dieses Ereigniss eröfihe,
und um die Dinge reifen zu lassen hatte er sich einstweilen zu
abwartender Unthätigkeit entschlossen ^^ Kaum aber war Ma-
ximus als Sieger in den Pallast zu Trier eingezogen, so rich-
tete Ithacius an ihn eine Eingabe, die unter gehässigen Anklagen
(preces plenae invidiae et criminum) gegen die Priscillianisten
um Einleitung einer Untersuchung bat. Maximus nimmt ohne
Verzug die Sache in seine Hand, und erlässt an die obersten
Beamten Galliens und Spaniens den Befehl, daflir zu sorgen,
dass alle in die Angelegenheit Verwickelten sich vor einer in
Bordeaux abzuhaltenden Synode einfinden. Die blosse Wahl
gerade dieser aquitanischen Stadt, der einzigen welche, auf Be-
trieb ihres Bischofs Delphinus, bei der früheren Durchreise des
Priscillianus ihm ihre Thore verschlossen hatte, musste ihn schon
einen schlimmen Ausgang ahnen lassen; und als nun vollends
einer seiner bedeutendsten Genossen, der spanische Bischof In-
stantius, dessen Sache die Synode zuerst vornahm, zu Verlust
seiner bischöflichen Würde verurtheilt worden, weigert sich Pris-
cillianus, der Synode Rede zu stehen und stellt es seinen An-
klägern anheim, ihn vor dem weltlichen Gericht zu verfolgen.
Schon daraus, dass Priscillianus überhaupt diesen Weg wählen
konnte, ergiebt sich, dass die gegen ihn erhobene Anklage nicht
auf eine rein kirchliche Sache, d. h. auf eine Frage des Dogma's
oder des sittlichen Anstandes {causa fidei vd marum) beschränkt
war; denn alsdann hätte die Entscheidung ausschliesslich der
Synode zugestanden und Verlegung vor ein weltliches Gericht
wäre unmöglich gewesen. Sondern es müssen schon hier
vor der Synode Elagepunkte vorgebracht worden sein, die juri-
disch einen Griminalfall begründen ^^; alsdann hatte die geist-
ig Chiron, n 49, 5 Ithacius statuit licet rebus dubiis nom' imperataris
adoentum expedare; interim sibi nihil agitandum. Diese Worte ent-
halten eine versteckte aber unleugbare Nachahmung des Sallust; lug. 89
extr, heisst es von dem Gonsul Albinus, der die Mannszucht im Heere
gelockert fand, ex copia rerum statuit sibi nihil agitandunu Inte-
rim Bomae etc.
i<} Isidorus de viris iü, 2 belehrt über den Inhalt einer in Ang^riff
übergehenden Yertheidigungsschrift des Idacius, deren Bezug auf diese
Verhandlungen unverkennbar ist: Idacius, Hispaniarum episeopus, cogno-
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xxa. Ueber die Chronik des Sulpicius Severus 97
liehe Behörde nur Bchiedsriehterliche Gewalt, die selbstverständ-
lieh erlischt, sobald 6iner der beiden Theile seine Einwilligung
versagt. Weshalb nun Priscillianus, obgleich die Ungunst des
Maximus ihm nicht zweifelhaft sein konnte, dennoch es vorzog
das weltliche Gericht anzurufen, von dem er eintretenden Falles
viel härtere Strafen gewärtigen musste als von dem geistlichen
Schiedsgericht, das an ein durch Privatwillkür zu übernehmen-
des Strafobject gebunden war — auf diese Frage lassen sich
mancherlei Antworten geben. Vor allen Dingen wollte er Zeit
gewinnen; bei der Unsicherheit der damaligen politischen Lage
konnte eine | neue Wendung ihm Hilfe bringen; er mag auchii
nicht verzweifelt haben, am Hofe des Usurpators, dessen Geld-
noth und Geldgier offenkundig waren, durch dieselben Mittel
zu wirken, die ihm am Hofe des Gratianus genützt hatten ; end-
lich durfte er die Hoffnung hegen, die ihn ja auch nicht gänz-
lich getäuscht hat, dass aus Standesinteresse die Geistlichkeit
es bedenklich finden werde, gegen einen Standesgenossen vor
einem weltlichen Gericht zu klagen. Aus nicht minder begreif-
lichen Gründen mögen wiederum die Gegner des Priscillianus
ihm gerne vor das kaiserliche Tribunal gefolgt sein. Gerade das
beschränkte Strafmaass, welches ein geistliches Urtheil nicht über-
schreiten konnte, Hess sie leicht auf dasselbe verzichten; sie
hofften auch vor dem weltlichen Richter zu siegen, und konnten
mento et eloquio Claras (vgl. Anm. 11) scripsit quendam librum sub apoh-
getici speeie, in quo deteatanda H'iscüliani dogmata et mdUficiorum etus
artes libidinumque eins probra demonstrat, ostendens Mareum quendam Mem-
phitieum, magicae ariis scienUssimum, discipülum fuisse Mania et Prisciüiani
magistrum. Hier sind die im Text erwähnten drei Arten von Elage-
ponkten mit erwünschtester Deutlichkeit geschieden ; in deteatanda dogmata
ist die causa fidei bezeichnet; libidinum probra enthalten eine causa mo"
rum\ malefidorum artes aber begründen, wie sich weiterhin herausstellen
wird, die causa publica. Und damit dieses Griminalverbrechen nicht auf
die Person des Priscillianus beschränkt, sondern der gesammten Secte ge-
meinsam und wesentlich erscheine, wird es auf den ersten Stifter der
Secte, auf den Aegypter Marcus, zurückgeführt. — Was ich im Text über
die je nach den Gegenständen der Klage verschiedene Befugniss des geist-
lichen Gerichts sage, ist aus Bethmann-Holiweg, Civilprocess § 12, und
aus brieflicher Mittheilung Theodor Mommsen's entnommen. Dafür, dass
das geistliche Schiedsgericht, unter den für jedes Schiedsgericht geltenden
Beschränkungen, auch statt Criminalprozess eintreten konnte, beruft sich
Mommsen auf die Novelle Yalentinians in de episcopali iudido {tit 34 Hänel).
Bemsys, gcs. Abhandl. n. 7
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98 XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severas
dann die Vernichtung der Seete mit viel handgreiflicheren Mit-
teln betreiben. Solche auf Erreichung des augenblicklichen
Zweckes gerichtete Erwägungen waren stärker als jene allge-
meineren, die Stellung ihres Standes zur weltlichen Macht be*
treflfenden Bedenken; die Synode bricht ihr eigenes Verfahren
ab ohne ein Urtheil zu fällen, und zwei aus ihrer Mitte, Itha-
cius und Idacius, die bisherigen Hauptgegner des Priscillianus,
folgen ihm als Ankläger an den kaiserlichen Hof nach Trier.
Von diesem Zeitpunkt an (384) beginnt nun die Spaltung
unter den rechtgläubigen Bischöfen selbst, welche bis in das
fünfte Jahrhundert fortdauerte, und deren Spuren der Chronik
des Severus aller Orten eingedrückt sind. Martinus nämlich
und mit ihm übereinstimmend Severus missbilligten das Be-
nehmen der Synode als eine Charakterlosigkeit (inconstafUid);
man hätte — meinten sie — trotz des Priscillianus Weigerung,
das geistliche Gericht anzuerkennen, dennoch ein Urtheil fallen
und sich innerhalb der geistlichen Strafmittel halten sollen; es
wäre der Sache völlig Genüge geschehen, wenn man die Pris-
cillianisten für Ketzer erklärt und aus der kirchlichen Gemein-
schaft gestossen hätte ; höchstens hätte man auf Perhorrescirung
der einzelnen Mitglieder der Synode eingehen dürfen, dann aber
das Erkenntniss anderen neu zu berufenden Bischöfen vorbehal-
ten müssen; gar nicht zu rechtfertigen sei es, dass man eine Sache
solcher Art an den Kaiser bringe ^'^. Zunächst machte Martinas
diese Auffassung dem Ankläger Ithacius gegenüber geltend und
^^ Aus den vielen hierauf bezüglichen Stellen des Severus wähle ich
zur Mittheilung folgende bündige: Chron, ii 49, 9 Prisciüianus verOj ne
aft episcopis audiretur^ ad principem provocavit ; pcrmissumque id nostrarum
inconstantia (dieser Tadel wird wiederholt Vit, Hart, c. 20, 1 und unten
Anm. 33); quia (De Prato conjicirt unnöthig qui) aut sententiam in refra-
gantem ferre debuerant, aut si (so der Vaticanus statt sibi des Flacius) ipsi
suspecti Thabebanttir äUis episcopis audientiam reseroare, non causam impc-
ratori de tarn manifestis criminibus permittere. Man braucht diese Worte
nicht einmal aufmerksam sondern nur überhaupt zu lesen, um einzusehen,
dass eine Appellation im gewöhnlichen Sinne, d. h. von einem Urtheil der
unteren Instanz an die höhere, hier nicht vorliegt. Die Synode kam gar
nicht zum Urtheil (ne ab episcopis audiretur), und refragantem sagt deutlich,
dass es sich um Einspruch gegen die Zuständigkeit der Synode handelt
Welche Verwirrung aus der Verwechselung dieser Recusation mit einer
Appellation entstehen muss, denkt sich Jeder von selbst.
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XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus 99
forderte ihu auf, von der Anklage zarückzutreten. Als er hier
vergeblich sich bemühte, wandte er sich an den Usurpator selbst.
Dieser hatte von Anbeginn dem Martinus eine Verehrung be-
zeigt, die wenigstens äusserlich um so höher sich steigerte, je
weiter der Freimuth dieses einen Bischofs von der höfischen
Unterwürfigkeit der übrigen sich entfernte. Martinus hat es ge-
wagt, die erste Einladung zur kaiserlichen Tafel auszuschlagen
mit dem Bemerken, er könne nicht Brod brechen mit einem
Manne, der dem einen Kaiser, dem Gratianus, das Leben, dem
andern, I Valentinianus dem Zweiten, den Thron geraubt habe. 12
Worauf Maximus ihm demüthig und im Wesentlichen wahrheits-
getreu vorstellte, dass er weit mehr das Werkzeug der britanni-
schen Legionen gewesen sei als ihr Führer, dass er wenigstens
ausserhalb der Schlacht kein Blut vergossen habe; endlich bat
er den frommen Mann, in der wunderbaren Grösse und Plötz-
lichkeit seines mit so geringen Mitteln erreichten Erfolgs den
Finger Gottes zu erkennen ^^. Mit noch demüthigerem Bezeigen
1^ Vit, Mart. c. 20, 3 Maximus se tum aponte aumpsiase Imperium
(affirmavit) sed impositam sibi a militibus divino nutu regni nectssitcAem
armis defendisse, et non alienam ob eo dei völuntatem videri, penes quem
tarn incredibÜi eventu victoria fuiaset, nüllumque ex adversariis nin in ade
occubuisse. Diesen Inhalt des Geeprächs konnte Severus auf dem zuver-
lässigsten Wege, durch Martinus selbst, erfahren. Dass Maximus sich für
einen *8peciellen* Schützling Gottes hielt oder gehalten wissen wollte,
zeigt auch der Eingang zu seinem an den römischen Bischof Siricins ge-
gerichteten Brief (in Coustant's Epistolae Boman, pontificum i p. 640)
quo maius circa me et speciale iudicium divinitatis experior, hoc me con-
fiteor curam (fidei catliölicae) habere maiorem: qui videlicet adimperiumab
ipso statim salutari fönte conscenderim (d. h. er hatte es, wie Theodosius,
zweckmässig gefunden, nicht als Kaiser aufzutreten, bevor er die Taufe
empfangen ; Christ konnte er deshalb doch , nach bekannter damaliger
Sitte, schon lange vorher gewesen sein) et cui in Omnibus semper conatibus
atque successibus Deus fautor adfuerit. Die Aechtheit dieses Briefes ist ausser
Zweifel ; auch er erwähnt p. 641 ^ die nur in dieser Zeit nachweisbare Ein-
theilung Frankreichs in GaiUae et quinque provineiae (s. oben Anm. 10.) —
Eben so sicher kann, was Severus den Maximus über seine Scheu vor
Blutvergiessen in der ersten Zeit seiner Regierung sagen lässt, anders-
woher erhärtet werden. Pacatus muss nach Art der Panegyriker in seiner
Lobrede auf Theodosius natürlich dem von diesem besiegten Maximus
möglichst viel Böses nachsagen. Hinsichtlich seiner Grausamkeit weiss er
jedoch nichts vorzubringen als folgendes c. 28 Quod si eui iUe {Maximus)
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100 XXIX Üeber die Chronik des Sulpicius Sevenis
hatte die Kaiserin um die gute Meinung des Martinus sich be-
worben und, nach Frauenart, die bösen Ahnungen, welche die
unerwartete Erhebung auf eine so schwindelnde Höhe ihr er-
regte, durch einen Akt selbstgewählter Erniedrigung zu be-
schwichtigen gesucht ^^*; sie hat einmal mit eigner Hand dem
Martinus Speisen bereitet und bei der Mahlzeit ihm als Magd
aufgewartet. In so vertrauten Beziehungen zu dem kaiserlichen
Ehepaar ward es dem Martinus leicht, während seiner Anwesen-
heit in Trier die Eröffnung der von ihm missbilligten gerichtli-
chen Procedur gegen die Priscillianisten zu hintertreiben, und
vor seiner Abreise dem Maximus das Versprechen zu entlocken,
dass man den Angeklagten keinenfalls an das Leben gehen werde.
Der Usurpator versprach, und hielt nicht; Martinus war
eben nur ein einzelner Bischof und die Politik des Maximus
wollte sich die Unterstützung der bischöflichen Majorität sichern.
Diese aber bestürmte ihn, dass er der Sache ihren criminalrecht-
liehen Lauf lasse. Er entschloss sich endlich dazu, um so be-
reitwilliger, als die Formulirung der Klage ihm Aussicht auf
umfassende Confiscationen eröffnete, deren sein leerer Schatz für
den drohenden Krieg mit Theodosius gar sehr bedurfte ^•.
pro ceteria sceleribus suis minus crudelis fuisse videtur, vestrum t», vestrum,
Vdllio triumphalis et trabeate MerobaudeSf recordetur interitumj quorum
aüer .... vita sese abdicare compulsus est, altert manibus satellüum Bri-
tannorum gula domi fracta , , . . ut scüicet mdluisse vir ferri amantissimus
videretur Iczqueo perire quam gladio, üebersetzt man dies aus der Sprache
des Panegyricus in die Sprache der Geschichte, so erkennt man, dass die
genannten zwei Heerführer des Gratianus, welche als Beispiele von Maxi-
mus' Grausamkeit allein aufzutreiben waren, nicht von diesem hingerichtet
wurden, sondern nach ihrer Niederlage sich selbst entleibt haben. (Ueber
die Chronologie von Maximus' Regierung und Merobaudes' drittes Consülat
8. GB. de Rossi inscr. Christanae urbis Bomae 1. 1 p. 162).
18a (Vgl. Gibbon eh. xx n. 84).
1® Deutlich und milde spricht darüber Severus Diai. in 11 extr.
Fertur enim üle vir (Maximus) mvltis bonisque artibus (so, statt der un-
möglichen Vulgata actibus, schreibe ich mit einer Handschrift und auf
Grund einer offenbar nachgeahmten Stelle des Sallust lug, 28, 5) praeditus
adversus avaritiam parum consuluisscy nisi regni necessitatej quippe exhausto
a superioribus principibus ret publicae aerario, paene semper in expectatüme
atque procinctu bellorum eivilium constüutus facile excusabitur quibuslibet
occasiontbus subsidia imperio paravisse (von artibus an ist hier stillschwei-
gend eine Reihe handschriftlicher Lesarten benutzt, welche bei De Prato
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XXIX Ueber die Chronik des Sulpicias Severus 101
Sobald nämlich die Angelegenheit aus dem Sitzungssaal
der Synode vor die Schranken des weltlichen Tribunals verlegt
wurde, mussten die Klagepunkte, welche das Dogma und die]
Kirchenzucbt betrafen, aufgegeben werden, und die Klage ward 13
formal auf ein Griminalverbrechen gestellt, das nach dem da-
maligen Stand der römischen Gesetzgebung vollkommen hin-
reichte, um nicht blos auf Priscillianus selbst, sondern auch auf
seine entferntesten Anhänger die schwersten Strafen an Leib
und Gut herabzuziehen und die Vernichtung der gesammten
Secte durch richterliche Gewalt zu ermöglichen. Schon die äl-
tere Kaiserzeit hatte, anknüpfend an das sullanische Gesetz über
Mord und Giftmischerei {Ad legem Corneliam de sicariis et vene-
ficiis, Big, 48, 8), eine Reihe von Strafbestimmungen ausgebildet
gegen Zauberkünste, Nativi tätstellen und ähnlichen Unfug, der
bei der geringen Pflege der Naturwissenschaften und bei der stets
wachsenden Religionsverwirrung immer üppiger aufwucherte. Ge-
wiss haben die über ihre Zeit nicht erhabenen Gesetzgeber und
Beamten zum Theil sich von dem ehrlichen Wahnglauben an die
Gefährlichkeit dieser Dinge leiten lassen, und mit so durchschau-
ender Verachtung wie der geistvolle Tyrier Ulpianus^o mögen
in den Noten versteckt sind). — Pacatus c. 26 schildert die 'Räuberhöhle'
{non imperatoris domicilhmi sed latronis receptaculum) des Maximus mit
Benutzung von Cic. Phil iii 4, 10 ; v 4, 11, aber doch auch mit manchen
originalen Zügen. Dass er die von Severus anerkannten mildernden Um-
stände gelten lasse, darf man von dem Panegyriker des Theodosius nicht
verlangen.
^ (Von seiner Verachtung sympathetischer und magischer Curen zeugt
die Stelle der Digesten L 13, 1,3 »i incantavit, st inprecatus est, si, ut vül-
gari verho impostorum utar, exorcizavU, non sunt ista medicinae genera,
tametsi sint qui hos sibi profuisse cum praedicatione affirment). Man kann
die Mischung von Betrug und üeberzeugung, welche sich in jedem Char-
latan vollzieht, nicht kürzer und richtiger bezeichnen, als Ulpianus es
gethan hat in folgenden Worten : inttrdictum est mathematicorum caüida
impostura et ohstinata persuasione; sie sind in die CoUatio xv 2, 1 aufge-
nommen aus dem siebenten Buch von Ulpianus' Schrift de officio procon-
stdis, (vgl. Cuiacius observatt. x 34). Den Verlust dieses siebenten Buches
muss man auch in historischem Interesse auf das Höchste beklagen, denn
in demselben waren alle auf Religionsverfolgung bezüglichen Bescripte der
Kaiser gesammelt (Lactant. Inst, v 11 extr. Domiiius de officio proconsulis
libro septimo rescripta principum ncfaria coUegit, ut doceret quibus poenis
affici oportcret cos, qui se cuUorcs Dei confitercntur), <Rudorff hat in den
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102 XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Sevenis
nur sehr Wenige auf die 'Abgeschmacktheiten' {ineptiae) geblickt
haben; noch gewisser aber ist, dass früh und spät sowohl Pri-
vatleute — man denke an die Klage gegen Apuleius, der wir
seine vortreffliche Vertheidigungsrede verdanken — als Kaiser
und kaiserliche Behörden die Dehnbarkeit der Vorstellungen
über Zauberei dazu benutzten, um in äusserlicher Form Rech-
tens Jemand, dem sonst nicht beizukommen war, bei Seite zu
schaffen. Am deutlichsten und schauerlichsten waren unter der
Regierung des Valens und Valentinianus i, ein Jahrzehend vor dem
Priscillianistenstreit (370), diese an die Majestätsgesetze erinnern-
den und in sie auch vielfach übergehenden Gesetze über Magie
zu politischen und flscalischen Zwecken in massenhaften Ver-
folgungen missbraucht worden, gleichzeitig in Rom und in An-
tiochia. Im Orient besonders hatte man damals auf solchem
Wege eine schonungslose Reaction durchgeführt gegen die von
Kaiser Julianus bevorzugten neuplatonischen Philosophen, deren
thaumaturgisches Gaukelwesen sie allerdings dem Buchstaben
dieser Gesetze unterwarf; und Hand in Hand mit den Hinrich-
tungen waren die Verbrennungen der philosophischen Bibliotheken
gegangen, nicht allein auf amtlich angezündetem Holzstoss, nach-
dem man die Bücher für magische, also verbotene erklärt hatte ;
auch Privatleute suchten sich aus eigenem Antriebe eines so ge-
fUhrlichen Besitzes zu entledigen, da die volle Schärfe der Ge-
setze das blosse Lernen der Magie eben so unerbittlich traf wie
das Lehren und Ueben ; Bewohner eines Hauses, in welchem ein
verdächtig aussehendes Pergament verwahrt wurde, fühlten sich
keinen Augenblick sicher vor der Zunge des Angebers und dem
14 Schwert des | Henkers ^\ Während dieser Verfolgungen waren
Abhandl. der Berliner Akademie von 1865 p. 284 ff. die erhaltenen Reste
des wichtigen Werks zusammengestellt ; die auf die strafrechtliche Verfol-
gung der Christen bezüglichen sind von E. Le Blant, Sur les bases juri-
diques des poursuites dirigies contre les martyrs in den Comptes rendus de
VAcad, des inscrr, 1866 p. 358—373 verwerthet. Ein kaput eines solchen
Gesetzes, welches nicht lange nach Ulpians Tode unter Valerianus gegen
die Christen erlassen wurde, hat Scaliger zu Eusebius n. 2270 aus Cyprians
Briefen (ad Successum ep. 80) ausgezogen).
^ Die obige Schilderung beruht zum Theil wörtlich auf Ammian.
xxvm 1; XXIX 1 u. 2 und auf Zosim. iv 13 — 16. Heyne in einer Anmer-
kung zu Zosimus (p. 385 Bonn.) wundert sich mit Recht, dass weder Gib-
bon noch sonst Jemand die culturgeschichtlichen Folgen hervorgehoben
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XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus 103
alle Lücken, welche die frühere Gesetzgebung noch gelassen
hatte, auf legislatorischem ^a Wege oder durch eine schlau er-
gänzende Praxis ausgefüllt worden, und die legale Maschine
hatte die fürchterlichste Leichtigkeit der Handhabung erreicht;
die Kunst, sie gegen ganze Klassen der Gesellschaft in Bewe-
gung zu setzen, stand, von jenen Zeiten des Valens und Valen-
tinianus her, noch im frischesten Andenken, als man sie gegen
Priscillianus nnd die Seinigen spielen liess. In der That, nach-
dem einmal ein römischer Beamte die Anklage auf mälefidum^^
— dies war die gangbare Bezeichnung für jeglichen Unfug ver-
botener Künste — angenommen hatte, liess der damalige Crimi-
nalcodcx den 'Unglücklichen*, wie Martinus in seiner Fürbitte
die Priscillianisten nannte, keine Hoffnung mehr. Priscillianus
konnte nicht leugnen, dass er die sogenannten zoroastrischen und
andere magischen Bücher eifrig studire^. Waren doch Schriften
hat, welche diese Hexenprocesse durch die Verbrennung der Bibliotheken
(vgl. Paulus rec, sent v 28, 18) nach sich zogen. Auch Bernhardy's
(Gr. L. I 1553) Darstellung bedarf noch dieser Ergänzung. — Was alles
damals zum Todesverbrechen wurde, zeigt auf recht entsetzliche Weise ein
von Ammianus (xxviii 1, 26) erzählter Fall. Lollianus, der noch unmün-
dige Sohn eines Expräfecten Lampadius, wird auf Grund dessen hinge-
richtet, dass er ein magisches Buch (codiccm noxiarum artium vgl. Cod.
Theod. XVI 5, 34 extr.) abgeschrieben. (Vgl. auch Tyrwhitt in Hermanns
Orphica p. lvi).
22 Zur Zeit des ülpianus war es noch controvers ob Anderes als
öffentliches üeben und Lehren der Magie strafbar sei (Cöllat, xv 2, 2); ein
Gesetz des Valens jedoch, aus der Zeit der hier fraglichen Verfolgungen,
macht jedwede Berührung mit magischen Dingen {in cohibito errore — näml.
mathematicorum — versari) zum Capital verbrechen, neqiie enim culpa dis-
similis est prohibita discere quam docere ; Cod. Theod, ix 16, 8 = Cod. lust.
IX 18, 8. Vgl. unten Anm. 24.
28 De maleficia et mathematicis et ceteris similibus lautet die üeber-
schrift von Cod. Tlieod. ix 16 und übereinstimmend Cod. lust. ix 18. —
Schon Tacitus Annal. n 69 und Apuleius Äpolog.l p. 273 extr.'EXm. ge-
brauchten das Wort in diesem Sinn, und Augustinus Civ. vin 19 sagt hin-
sichtlich der römischen Gesetzgebung über Magie: an forte isias leges
Christiani instituerunt, quibus artes magieae puniuntur? secundum quem
alium sensum nisi quod haec maleficia generi humano perniciosa esse non
dubium est? Vgl. oben Anm. 16.
2* Um diese juristische Katastrophe vorzubereiten, hatte Severus
gleich das Portrait, welches er in sallustischer Manier von Priscillianus bei
seinem ersten Auftreten liefert, mit folgendem Zuge versehen, Chron. u
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104 XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus
dieser Gattung die Fundgrube, ans welcher fast alle späteren
gnostischen Sectenhäupter sich mit astrologischen und physiolo-
gischen Analogien für ihre Dogmen versahen; und besonders
Priscillianus, der eine sinnbildliche Bedeutsamkeit des mensch-
lichen Körpers lehrte und die einzelnen Glieder desselben den
einzelnen Theilen des Himmelsgebäudes entsprechen Hess, konnte
für solche Beziehung zwischen Mikro- und Makrokosmus die
brauchbarsten Vorarbeiten in jener magischen Litteratur finden.
Nicht minder offenkundig war es, und musste daher auch von
Priscillianus im peinlichen Verhör eingestanden werden, dass
er nächtliche Gebetsversammlungen abgehalten habe ; und gerade
diese waren erst vor Kurzem durch ein von Valentinianus i er-
lassenes Gesetz ^^ ausdrücklich in den Kreis der als magisch
15 verbotenen | üebungen gezogen und verpönt worden. Auch wenn
der prätorische Präfect Galliens, Euodius, welcher die Unter-
suchung führte, von milderer Sinnesart gewesen wäre als man
ihn schildert, hätte er, nachdem in zweimaliger Verhandlung
diese Thatsachen ermittelt und von den Beklagten zugegeben
waren, so verfahren müssen wie er verfahren ist; er erklärte
den Priscillianus und seine Genossen für schuldig des maleficiumy
46, 5 : quin ei magicas artes ab adolescentia eutn exercuisse creditum est. Auch
Hieronymus hebt gerade diesen Punkt bei gelegentlicher Erwähnung des
Priscillianus («p. 133 p. 1032 Vall.) besonders hervor; er nennt ihn Zu-
roastris magi studiosissimum et ex mago e/piscopum. Vgl. oben Anm. 16.
— Die auf den menschlichen Körper angewandte astrologische Symbolik
ist eines der wenigen Stücke der priscillianischen Lehre, welche selbst
unsere spärlichen und trüben Quellen (Lübkert p. 83) sicher erkennen
lassen ; Augustinus (de haeres. 70) sagt darüber : astruunt etiam fatcdtbus
steüis homines colltgatos ipsumque corpus nostrtim secundum duodeeim signa
caeli esse compositum .... constituentes in capüe arietem, taurum in cer-
vice etc. Beichliche Parallelen (zu dieser ^€Xoe€(r{a, wie der astronomische
Terminus lautet) aus der paganischen Litteratur sind (bei Fabricius zu
Sextus adv. math. v 21 p. 341 und) in Lobeck's Aglaophamus p. 921 auf-
gehäuft.
25 Ne quis deinceps nocturnis temporibus aut nefarias preces aut
magicos appar<itus aut sacrißcia funesta celebrare conetur, Cod. Theod. ix
16, 7, wozu schon Gothofredus die einschlagende, für die spätere Geschichte
der griechischen Mysterien wichtige Stelle des Zosimus iv 3 verglichen
hat, (vgl Welcker Götterl. u 568. Eine ganz ähnliche Verhandlung über
das Verbot der sacra nocturna s. bei Cicero de leg. ii 14, 36 mit Davi-
sius* Note).
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severus 105
dessen sie bezichtigt waren^^ nahm sie in Gewahrsam und,
ohne selbst das Strafmaass zu bestimmen, sandte er die Acten
^ Chron. u 50, 8 Is (so der Vaticanus statt qid', gemeint ist Euo-
dius) PriseiUianum gemino iudicio (schon von Sigonius richtig auf die com-
perendinatio bezogen) auditum convictumque maleficii, nee diffitentem öbsce-
nis 8€ sttiduiase doctrinis, nocturttos etiam turpium feminarum egisse conven-
tu8, nudumque orare solitumy nocentem pronuntiavit Da diese vielfach
missverstandenen Worte die Grundlage meiner gesammten Darstellung des
Prozesses bilden, so muss ich sie im Einzelnen besprechen. Dass maleficii
hier in technisch juristischem Sinne (s. oben Anm. 23) zu verstehen sei,
hat mit der nöthigen Bestimmtheit nur Gothofredus gelegentlich (zu Cod»
Theod, IX 1, 14) ausgesprochen; die Herausgeber des Severus und die Ver-
fasser von Kirchengeschichten schweigen entweder, oder sagen Unrichtiges,
oder, was bei klaren Dingen fast eben so schlimm ist, sie sagen das
Richtige in unsicherem Ton. Ist nun aber Priscillianus des mit verbote-
nen Künsten getriebenen Unfugs 'überwiesen* worden, so war auch die
Anklage auf diesen Unfug gestellt und alles Weitere der hiesigen Darstel-
lung folgt dann von selbst. — Dass ferner unter den dbscenae dactrtnae,
zu deren 'Studium* sich Priscillianus bekennt, nicht * Obscönitaten ' im
jetzt gewöhnlichen Sinne zu verstehen sind, hätten die Verfasser von Kir-
chengeschichten, unter denen Neander (i 813 der Stereotypausg.) in einen
ganz absonderlichen Irrthum geräth, schon aus doctrinae ersehen können.
Das Richtige, dass nämlich dbscenae doctrinae nur eine verabscheuende
Bezeichnung für artes tnagicae ist, hat bereits der sonst bei der Priscil-
lianistensache etwas einsilbige De Prato erkannt und ganz passend auf
Stellen verwiesen wie Ammian. Marc, xrv 1, 2 adfcctati regni vel artiurh
nefandarum calumnias insoniibus adfigehant; vgl. oben Anm. 21 codicem
noxiarum artium. Das Adjectiv obscenus nämlich, welches von jeher im
guten Latein nicht blos das Schmutzige sondern alles Abscheuliche und
Widerwärtige — man denke an obscerMC aves in der Auguralsprache —
bezeichnete, kommt eben auch bei Severus und seinen Zeitgenossen in
dieser allgemeinen Bedeutung vor (Claud. beÜ. Get. 306, Barth zu Rutil.
Namat. i 387, und Arnob. adv. gent. i 59 exir.). — Was noctumi conventus^
die Priscillianus ebenfalls eingestand, für juristische Folgen haben, ist aus
Anm. 25 klar. Die tiirpea feminae (das Adjectiv ist, wie kaum gesagt zu
werden braucht, ein Zusatz des Severus zu dem Bekenntniss des Priscil-
lianus) und nudum orare solitum sind juristisch irrelevant; man wird ihm
dergleichen nur abgefragt haben, um ihn verhasst zu machen. Dass
Frauen den Gebets Versammlungen beiwohnten, versteht sich von selbst,
und nudum orare mag mit der von Priscillianus gelehrten symbolischen
Bedeutsamkeit der menschlichen Gestalt zusammenhängen, s. oben Anm. 24.
— Schliesslich sei noch dem alten, wackern Walch die Ehre gegeben, da
seine 'Historie der Kezereien*, allein unter allen von mir eingesehenen
Büchern, der Erkenntniss des wahren Sachverhältnisses wenigstens nahe
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106 XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus
an den Kaiser, wie es in dergleichen Fällen, bei denen ohnehin
Appellation erwartet werden musste, damals stehende Sitte ^"^ war.
Maximus, uneingedenk seines dem Martinas gegebeneu Ver-
16 Sprechens, verordnet, | dass auf Capitalstrafe gegen Priscillianus
und seine Genossen zu erkennen sei; und es blieb nur noch
übrig, in einer Schlussverhandlung das hierauf lautende Urtheil
zu verkünden.
gekommen ist. Z. B. heisat es dort iii 478 f. *Man sezet hier immer vor-
aus dass der Kezer als Kezer hingerichtet worden, welches historisch un-
erwiesen ist. Es ist aus der gnugsam erwiesenen Historie klar, dass die
ürsach des Todesurtheils in den lasterhaften Handlungen gesezet worden,
welches die Frage so verändert, dass wir nicht einmal mit Grund sagen
können, die Hinrichtung des Priscillians und seiner Freunde sey das erste
Beispiel dass Kezer als Kezer hingerichtet worden ; vielmehr glauben wir
dass bei allen Verabscheuungswürdigen der ganzen Handlung doch Maxi-
mus kein so gefährlich Beispiel gegeben als andere' u. s. w. Diese sach-
gemässe Auffassung konnte jedoch Walch nicht mit den nöthigen Einzel-
beweisen versehen, weil ihm das juristische Detail unklar geblieben ist.
Wie er hier von * lasterhaften Handlungen * redet, so meint er kurz vorher,
die Priscillianiston hätten *die bürgerliche Ruhe' in Gefahr gebracht; ja,
selbst für die Worte concictum maleficii ist er nicht zu sicherem Verständ-
niss gelangt; einmal (S. 439) übersetzt er sie derb und richtig, man habe
den Priscillianus * überzeuget, er sey ein Hexenmeister'; ein anderes Mal
(S. 399) durchaus falsch, *er wurde seiner Missethaten überführet*. Wie
Lübkert (s. oben Anm. 7), der Walch^s Ansicht ganzlich verwirft, die Worte
des Severus verstanden, lässt sich aus seiner Schrift nicht ersehen, da er
die bedenkliche Manier befolgt, die gutlateinischen Sätze des Severus, den
er überdies nur aus Vorstius' Ausgabe kennt, in sein eigenes minder gutes
Latein wörtlich und ohne Zuthat einzuflechten, so dass er den Bericht
desselben zwar treu abgeschrieben aber in keinem Punkte verarbeitet hat.
27 So sagt Ammianus xxix 1, 38 von den Prozessen unter Valens
Imperator cognüorum constütationi respondens sub uno proloquio cimctos
iubd occidü Wie durchstehend die Sitte war, zeigt besonders deutlich
eine Verordnung von Valentinianus i (God, Theod. ix 16, 10), dass, wenn
ein Senator maleficiorum angeklagt ist und der Stadtpräfect nicht entschei-
den mag, eine blosse Anfrage beim Kaiser, welche demnach bei nichtsena-
torischen Personen das Gewöhnliche war, nicht genüge, sondern der An-
geklagte an den kaiserlichen Hof zu transportiren sei. — Sigonius' Note
zu der betreffenden Stelle des Severus Chron. u 50 gesta ad palatium de-
lata (so der Vaticanus statt gestis ad pal. delatis); censuü imperator Pri'
scillianinn sociosqitc eius capite (so der Vaticanus statt capitis) damnari
oportere zeigt dass ihm das gerichtliche Verfahren unter den Kaisem we-
niger geläufig war als das republicanische.
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severus 107
Als die Sache diesem blutigen Ende zueilte, fand es selbst
Itbacius mit seiner bischöflichen Stellung unverträglich, auch
noch im letzten Termin förmlich als Ankläger wie bisher zu
fungiren; er tritt zurück und ein Mitglied'^ des fiscalischen Ad-
* Chron. n 51 init. Ceterum Ithacius mdens quam itmdiosum sibi
apud episcopos foret, 8% accusator (so der Vaticanus statt acctisato) ctiavi
postremia rerwn eapüälium iudiciis astiiisset — etemm iterari iudicium ne-
cesse erat — subtrahit se cognitioni, frustra callidus (so schreibe ich zum
Theil nach De Prato's Vorgange statt frustra, calido des Flacius), iam
scrlere perfecta, At tum per Maximum accusator apfonitur Patricius qui-
dam fisd patronus. Das letzte Sätzchen würde für Rechtsgeschichte recht
wichtig sein, wenn wirklich die Spur von Staatsanklage darin läge, welche
kein Geringerer als Gothofredus darin findet. Er sagt im Paratitlon zu
Cod. Theod. x 15, wo er die Functionen der advocati fisci (s. jetzt Fried-
länder, Sittengeschichte Roms i^ p. 244, 4) aufzählt und sonst nur solche
anzugeben weiss, die sich auf fiscale Geschäfte im eigentlichen Sinn be-
ziehen, schliesslich folgendes : hi quoqu€ deficiente alio accusatore accusatores
reis apponebantur, ut ex Severo Sulpicio l. ii sacrae historiae discere est.
Also eine andere Beweisstelle stand auch seiner beispiellosen Belesenheit
nicht zu Gebot; die hiesige des Severus aber legt fast mit jedem Worte
Verwahrung ein gegen solche Verallgemeinerung eines speciellen Falles.
Erstlich hätte Severus unmöglich *ein gewisser (quidam) Patricius* sagen
können, wenn der Fiscaladvocat als solcher von Amtswegen geklagt hätte
Zweitens heisst apponere accusatorem nicht 'einen Ankläger in ordnungs-
mässigem Wege bestellen*, sondern es ist soviel wie subornare, subdere
accusatorem] dies zeigt deutlich Cic. Verr. v 41, 108 apponitur eis tarnen
accusator Narvius Turpio quidam (welche Stelle auch hinsichtlich des qui-
dam schlagend und möglicherweise von Severus nachgeahmt ist), act. sec.ilO,
27 calumniatores ( Verres) ex sinu suo apposnit (cbend. 1 29, 74. n 8, 22. iv
19, 40 vgl. de off, in 15, 61 non inlicitatorem venditor, non qui contra se
liceatur emptor apponety. Drittens würde es bei ordnungsmässiger Be-
stellung nicht haben heissen können per Maximum, sondern es hätte heissen
müssen a Maximo] man sagt iudex datus a praetore aber nicht per prae-
torem. Patricius klagt also nicht als Beamter, sondern er klagt als Privat-
mann ; er ist kein bestellter, sondern ein vorgeschobener Ankläger, einer
der accusatores subditicii (vgl. Tacitus Agric. 4, 2 ann. iv 59), deren Verwen-
dung seitens der späteren Kaiser bei Ammianus xiv 1, 5 deutlich bezeichnet
ist : ut saUem spccie tenus crimina praescriptis legum committercntur. Jede
andere Person hätte eben so gut wie ein Fiscaladvocat von Maximus vor-
geschoben werden können, und dass der Patricius gerade Fiscaladvocat
war, erwähnt Severus nur um der Sache die (gehässige) fiscalische Fär-
bung zu geben, welche ich auch meinem Text auf Grund von Anm. 19
verliehen habe. (Wie früh die patroni fisci Gegenstand des öffentlichen
Absehens geworden waren, zeigt der von Aurelius Victor Caes, 33, 31 erzählte
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108 XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severus
vocatencollegiums , welches dem BUreau des prätorischen Prä-
fecten angeschlossen war, muss auf Geheiss des Maximus die
von dem Bischöfe fallen gelassene Anklage aufnehmen. Der
Fiscaladvocat fühlt sich in seinem Element, denn auf Füllung
des Fiscus war ja seitens der weltlichen Behörde das Absehen
hauptsächlich gerichtet, und er bringt es unschwer dahin*®, dass
Priscillianus nebst vieren seiner vornehmsten Anhänger, darunter
die Rhetorcnwittwe Euchrotia, mit dem Schwerte hingerichtet
und sogar der schon von der Synode zu Bordeaux seines Bis-
thums entsetzte Instantius von Neuem wegen maleficium in An-
spruch genommen und zu Deportation nach den Scillyfelsen an
17 der südwestlichen englischen | Küste verurtheilt wird. Nachdem
in diesem ersten Prozess die Frage principiell entschieden war,
konnte ohne Schwierigkeit mit ferneren Prozessen gegen die
Priscillianisten als malefici vorgegangen werden. Aus Aquitanien
wird noch von zwei Hinrichtungen und einer Deportation nach
den Scillyfelsen ausdrücklich berichtet; nur bei Beklagten nie-
deren Standes, zumal wenn sie aus freien Stücken gegen an-
gebliche Mitschuldige zeugten, begnügte man sich mit zeitwei-
liger Verbannung in das Innere des eigentlich sogenannten
Galliens (s. oben Anm. 2). Was in Aquitanien so leicht von
Statten ging^^, konnte noch leichter auf Spanien, das Heimath-
Vorgang, wo die Volkswuth nach Gallienus' Tödtung ausbricht und patrono
fisci in curiam perduci (nach Analogie von redux gleich perducto^) effassos
oculos pependisse satis constat). — Wer die Verhältnisse im Einzelnen sich
klar machen will, wird den Bücktritt des ursprünglichen Klägers Ithacius,
ohne dass die Klage abolirt oder er wegen Tergiversation bestraft worden,
nur mit Hilfe von Dig, xlviii 16, 13 qui permissu Imperatoris ab accnsa-
tione destitit, impufdtus est erklären können. Dass Maximus diese Erlaub-
niss gegeben, durfte Severus als eine für den sachlichen Verlauf unwesent-
liche Formalität unerwähnt lassen; (das Motiv zu dem Schritt war das
Urtheil der Kirche über thätige Betheiligung an Blutgerichten, vgl. dar-
über Hugo Grotius de iure belli ii 20, 15 f. p. 514 ed. Gronov 1712).
^ Dafür, dass die Schlussverhandlung von Maximus selbst geleitet
worden, finde ich bei Severus keine Andeutung und Prosper's Worte zum
J. 385 Priscinianm atiditm Treveris ab Euodio praefecto praetorio gladio
addictus est sagen das Gegentheil. Rosler (chronica medii aeoi p. 156)
will den Prosper berichtigen, verwechselt aber das Rescript des Maximus
(oben Anm. 27) mit der Verkündigung des Strafurtheils, die aus dem Munde
des Euodius erfolgte.
^ Auf diese späteren Prozesse, welche wohl während der ganzen
Regierungszeit des Maximus fortgedauert haben, bezieht sich der Schluss
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XXIX Üeber die Chronik des Sulpicius Severua 109
land der Secte, aasgedehnt werden; und Maxiiuus hatte schon
den Befehl erlassen, dass Beamte aus seiner Kanzlei mit unbe-
schränkter Vollmacht sich dorthin begeben sollten, um auf Pris-
cillianisten zu fahnden und Todesstrafen nebst Confiscationen
über sie zu verhängen.
Inzwischen hatte Martinus seiner Entrüstung über das Ver-
fahren des Ithacius und der mit ihm verbundenen Mehrzahl der
Bischöfe immer offeneren Ausdruck gegeben; und beistimmend
äusserte sich nicht bloss Ambrosius von Mailand, sondern es
erhob sich auch eine geringe Minderzahl gallischer Bischöfe,
ein sonst unbekannter Theognostus an ihrer Spitze, so nachdrück-
lich gegen die vorgekommene Verletzung des bischöflichen Cha-
rakters, dass Ithacius es nöthig fand, sich von einer zu Trier
am Hofe des Maximus versammelten Synode eine Indemnitäts-
erklärung geben zu lassen. Aber weder diese Erklärung noch
die Vorstellungen des Maximus, dass ja Alles ®^ in 'hergebrachter
criminalrechtlicher Form' vor sich gegangen und die Feindse-
ligkeit der Bischöfe von keinem Einfluss auf das Endergebniss
gewesen sei, konnten den Martinus wankend machen. Wenn er
auch nicht den Ithacius und seine Verbündeten förmlich excom-
seines oben (Anm. 18) erwähnten Briefes an Siricius. — Die nach Spanien
beorderten Beamten nennt Severua Dial. in 11, 4 tribunos summa potestate
armatos und § 9 tribuni cum iure gladiorum. Man versteht darunter ge-
wöhnlich 'Kriegsbedienten*, wie der gute Walch in 407 übersetzt; ich
glaube aber mit Yalesius zu Ammian, xix 12, 5 dass es tribuni nan mili-
tares sed notarii gewesen sind, (vgl. E. Hübner, Jahrbücher d. Vereins v.
Alterthumsfreunden im Rheinl. 1866 Heft 39 p. 8. Hieronymus chron, a. 375
multi monachorum Nitriae per tribunos et müites caesi, bei der von Wachs-
muth Khein. Mus. 28, 583 besprochenen Verfolgung).
^^ IHahg. in 12, 3 luiereticos iure damnatos more iudiciorum publico-
rum potius quam' insectationibus sacerdotum. Da iudicium puftKcMW bekannt-
lich 'Criminalprozess* bedeutet, so enthalten diese Worte des Maximus
einen abermaligen Beweis dafür dass die Priscillianisten als malefici ange-
klagt und vernrtheilt worden. Lübkert legt eine seltsame Probe von seiner
Kenntniss der juristischen Ausdrücke ab, wenn er sich p. 116 gerade auf
diesen Satz beruft um gegen Walch zu erweisen causam Priscillianistarum
et fuisse et remansisse mere ecclesiasticam. — Dass mit haereticos in Severus'
Worten nur die Personen und nicht der juridische Charakter der Priscil-
lianisten bezeichnet ist, zeigt der Zusammenhang auf das Deutlichste, und
wer sich nicht erinnert was iure und more iudiciorum technisch besagen,
mag es aus Brissonins' Buch de formtäis lernen.
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110 XXDC Ueber die Chronik des Sulpicius Severus
municirte, wozu Theognostus sich entschlossen hatte, so mied er
doch thatsächlich jede Gommunication mit ihnen; und nur Ein-
mal, als Maximus die Rücknahme der für Spanien erlassenen
Blutbefehle zum Preise bot, konnte er den Martinus bewegen,
ein*e geistliche Handlung, die Ordination des Bischofs Felix von
Trier, in Gemeinschaft mit der ithacianischcn Partei vorzunehmen.
Auch über diese einmalige Nachgiebigkeit empfand jedoch Mar-
tinus später die pcinigendsten Scrupel, und, was den Mann und
die Zeit bezeichnet, in Folge der Gewissenstrübung glaubte er
eine Abnahme seiner wunderthätigen Kräfte zu verspüren. 'Wäh-
rend der sechzehn Jahre, die er noch lebte — sagt Severus
Dial. III 13 extr. — besuchte er keine Synode und hielt sich
entfernt von jeder bischöflichen Zusammenkunft'. 1
18 Und zahlreich genug mögen die grossen und kleinen Ver-
sammlungen gewesen sein innerhalb dieses sechzehnjährigen
Zeitraums, der uns von der Hinrichtung des Priscillianus (385)
bis an das Ende des vierten Jahrhunderts und zugleich an den
Schluss der Severischen Chronik (s. oben Anm. 4) führt. Zu-
nächst verlangten noch die Priscillianisten eine ununterbrochene
Beaufsichtigung. Denn auch diese Secte erfuhr die belebende
und stärkende Kraft des Martyrerbluts. Nach Priscillianus' Tode
gelangte sie vollends zur Blüte; ihren Stifter verehrte sie als
einen illr die Wahrheit gestorbenen Heiligen und ihr unverbrüch-
lichster Schwur war bei seinem Namen. Bis tlber die Mitte des
sechsten Jahrhunderts hinaus lässt sich ihr Bestehen verfolgen;
und noch im Jahre 563 fand die Synode von Braga (Bracara
Augusta in Callaecia) es nöthig, priscillianistische Lehren und
Gebräuche mit dem Anathema zu belegen. Noch häufigere Sy-
noden aber als dieser äussere Kampf mag der innere Zwist unter
den Bischöfen veranlasst haben. Martinus' Sinnesgenossen blieben
zwar immer in der Minderzahl; als jedoch Maximus bei Aquileia
Thron und Leben verloren hatte (388), wurden sie stark genug
um den nun seines kaiserlichen Scbutzherrn beraubten Ithacius
der bischöflichen Würde zu entsetzen und so wenigstens den
6inen, der öffentlich und förmlich als Ankläger aufgetreten war,
für die ganze Partei, in deren Auftrag er gehandelt hatte, büssen^
*^ Die verderbte Stelle des Severus, für welche auch der Vaticanus
keinerlei Hilfe bietet, folgt unmittelbar auf die Angaben über die verschie-
dene Bestrafung der Priscillianisten und lautet Chron. ii 51, 5 hoc fere
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XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus 111
ZU lassen. Die Zerrüttung des kirchlichen Lebens in Folge aller
dieser Vorgänge schildert der Scblussatz von Severus' Chronik
mit einer bittern Derbheit, die deutlich an sein stilistisches
Master Sallust erinnert: 'Unter den Rechtgläubigen entbrannte
der Hader zu einem dauernden Krieg, der nun schon fllnfzehn
Jahre in garstigem Zank geführt worden ist und durch kein
Mittel bat zur Ruhe gebracht werden können. Gerade in diesem
Augenblick, wo man in Folge des Zwistes unter den Bischöfen
übenall nichts als Unfug und Verwirrung erblickt, wo sie durch
ihren Hass oder ihre Gunst, durch Feigheit und Charakterlosig-
keit, durch Neid und Rottenwesen, durch Willkür und Habgier,
durch Hofifahrt und träge Schlafsucht Alles haben in Verfall ge-
rathen lassen, jetzt ist es dahin gekommen dass die Mehrzahl
mit wahnsinnigen Entwürfen und parteisüchtiger Hartnäckigkeit
gegen eine das Gute wollende Minderzahl kämpft; und während
dessen wird der Gemeinde Gottes und jedem einzelnen Frommen
mit Schmach begegnet und mit Hohn'^^.
modo homines, licet (dieses Wort fehlt in der Vulgata) Itice indignissimi
pessimo exempJo (Traecedens* Vell. Paterc, ii 47, 4; 114,3) necati aut ex-
iliis mtütati ; qiwd inüio iure ittdiciorum (s. Anm. 31) et egregio pttblico
(aus Tacitus AnncU. in 70 (vgl. Liv. ii 1, 3 pessimo publico; auchBentley zu
Horat. sat, i 6, 18 add, bedient sich der taciteischen Floskel)) defenaum
postea Ithadtis in iurgiis solitus ad postremum conmctus in eos retor-
quebat quorum id mandato et conailiis effecerat; solus tarnen omnium episco-
patu detrusus. Statt der drei Worte in iurgiis solitiis schreibe ich iurgiis
soüicitatus und übersetze nun den ganzen Satz von qttod initio an : 'Dieses
schlimme Praecedens ward anfänglich mit Berufung auf den herkömmli-
chen Gerichtsgebrauch und das allgemeine Wohl vertheidigt; später bekam
Ithacius deshalb Händel, und als er schliesslich seines Unrechtes überführt
worden, schob er die Schuld auf diejenigen zurück, in deren Auftrag und
Rath er gehandelt hatte*. Dass iurgiis nach damaligem Sprachgebrauch
leichtere Prozesse bedeute, hat bereits Sigonius gesehen, mit dessen solutus
statt solitus ich jedoch nichts anzufangen weiss.
^ At (so De Prato statt ae) inter nostros perpetuum discordiarum
beUum exarserat, quod iam per quindecim annos foedis dissensionibus agi-
tatum nuüo modo sopiri poterat Et nunc cum maxime discordiis episco-
porum turbari ac (so De Prato statt aut) misceri omnia cemerentur (= Sali.
Cat 2 mutari ac misceri omnia cerneres) cunctaque per eos odio aut gratia,
metUy inconstantia (s. oben Anm. 17), invidia, f actione, libidine^ avaritia, ar-
rogantia, somno (dieses bei Flacius und im Vaticanus vorhandene Wort
fehlt in den meisten Ausgaben durch blosse Nachlässigkeit), desidia essent
depravata, postremo plures adversum paueos bene consulentes insanis con-
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112 XXIX Uebfr die Chronik des Sulpicius Severus
Man begreift leicht, dass ein Schriftsteller, der indem er
die Feder niederlegt noch zu einem solchen Ausbruch des hef-
tigsten Unmuths sich hinreissen lässt, denselben im Verlauf seiner |
19 Arbeit höchstens zttgeln aber nicht gänzlich ersticken kann, zu-
mal wenn er sich einen so beziehungsreichen Stoff gewählt hat,
wie ihn die biblische Geschichte bietet. Und so hat es denn
Severus beim Erzählen der biblischen Ereignisse auch nicht an
Seitenblicken fehlen lassen, die von dem aquitanischen Leser
des fünften Jahrhunderts in ihrer Anzüglichkeit unmittelbar ver-
standen wurden, und auch uns, nachdem wir die damals Aqni-
tanien beschäftigenden Fragen und Vorgänge uns vergegenwärtigt
haben, nicht länger undeutlich bleiben können. Der folgende
Versuch, diese Beziehungen an ausgewählten Beispielen nachzu-
weisen, leitet in leichtem Fortschritt zugleich auf die Besprechung
der sonstigen hervorstechendsten EigenthUmlichkeiten der Seve-
rischen Schrift, indem zuerst die Stellung des Severus ge-
genüber der geistlichen und weltlichen Macht bezeich-
net wird, und dann die planmässige Rücksicht zu Tage tritt,
welche er auf die in seiner nächsten Umgebung mächtig fort-
bestehende Priscillianistensecte genommen hat sowohl bei der
stilistischen Form der Chronik wie bei der Auswahl
und sachlichen Behandlung ihres biblischen Stoffes. Vor
solcher Beleuchtung durch die Zeitereignisse schwindet dann
von selbst der abstossende Schein einer müssigen Stilttbung,
welcher vornehmlich auf den ersten Theilen der Chronik bisher
gelastet und wohl hauptsächlich ihre Vernachlässigung seitens
der Fachtheologen wie seitens der Historiker und Philologen
herbeigeführt hat.
An die Spitze tritt füglich ein Beispiel leiser Nttancirung
der geschichtlichen Thatsachen, welches von besonderem Inter-
süiis et pertinacibus studiis certabant; inter haec plebs Dei et optimus
unuaquisque (so der Yaticanus statt quisque) probro atque ludiMo habdM-
tut (= Sali. lug, 34 populus Ivdibrio habitus und Cat. 12 paupertas probro
haberi). Die Imperfecta sind hier in der bekannten Weise des classischen
Briefstils gebraucht. Der Schriftsteller versetzt sich aus dem bestimmt
angegebenen Datum seines Schreibens, d. h. aus dem Jahr 400 (iam per
quindecim annos), in die für ihn zukünftige Zeit des Lesers. Die falschen
Conjecturen, welche durch Missverstehen dieser Imperfecta hervorgerufen
sind, übergehe ich. — Gerade im Jahr 400 wurde eine Synode zu Toledo
in der Priscillianistensache abgehalten.
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severus 113
esse darum ist, weil die Erkenutniss der beabsichtigten Anspielung
auch für Wortkritik entscheidend wird. Severus hatte seine Dar-
stellung der Geschicke des jüdischen Volkes bis an den Wende-
punkt geführt, wo der letzte König aus der vorbabylonischen
Zeit, jener eben so unglückliche wie schwache Sedekias, von
welchem eine alte jüdische Todtenklage ^^ sagt, dass er 'die He-
fen aller früheren Jahrhunderte habe ausschlürfen müssen', einen
Aufstand gegen seinen babylonischen Lehnsherrn unternimmt
und die laute, Unheil verkündende Missbilligung des Propheten
Jeremias erfährt. Von den verschiedenen Verhaftungen, durch
welche man des Propheten Stimme zu dämpfen suchte, liefert
Severus eine im Thatsächlichen bis zur Ungenauigkeit kurze
Schilderung; um so ausführlicher verweilt er bei den Charak-
teren und 6esin|nungen der betheiligten Personen. Der König, 20
von des Propheten Unschuld überzeugt, habe ihn gern gänzlich
aus der Haft befreien wollen, sei aber machtlos gewesen * ge-
genüber den jüdischen Fürsten, die von jeher den Brauch ge-
habt, alle Guten zu bedrücken' (obsistentibus ludaeorum princi-
pibus, quibus iam inde a principio moris fuerat bonos premere^
Chron, I 54, 3). Schon dieser Ausfall, dem im biblischen Texte
nichts entspricht und der bei dem seltenen Auftreten der Fürsten
in der jüdischen Geschichte ungerechtfertigt ist, verräth deutlich,
dass das vorliegende Ereigniss herbe Neb^gedanken bei dem
Erzähler aufregt. Aber fürs Erste bleibt doch wenigstens die
Richtung, nach welcher der Hieb geführt ist, in Uebereinstim-
mung mit der Bibel, die hier d-'h^ö (principcs) als Widersacher
des Propheten nennt. Severus fährt dann fort zu erzählen, wie
dieselben Fürsten es dem Könige abgedrungen, dass der Pro-
phet aus dem leichteren Gewahrsam entfernt und in eine tiefe,
unsaubere, mit tödtlicher Pestluft angefüllte Grube geworfen ward,
damit er unter mannigfaltigen Qualen sein Leben aushauche ^,
.'n'D 's ,ö<3i Dbi3^ -^iD ,N"»"»nn ]')nbiDi N"»"»ia«3
85 I 54, 4 üsdem (principibus) cogentibus in lacum immensi profundi
caenoque ac sordibtis atqiie ex eo exitiabili foetore horridum demiams est,
ut ne simplici quidem morte exspiraret; nach S&ll.Hist. i fr. 35 Kritz (vgl.
üsener's schol. Luc. ii 173) qui per »ingulos artm exspiraret (von der Er-
mordung des Marius Gratidianus, wonach auch Seneca de ira in 18, 1
paulaUm et per singuhs artus Uweravit (Sulla den M.) und Florus n 9
Bemays. ges. Abhandl. n Q
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114 XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Sevenis
Und nun brechen die Nebengedanken plötzlich hervor; die eben
noch principes hiessen, verwandeln sich in sacerdotes, und der
folgende Satz lautet, wiederum mit einer über den biblischen
Text hinausgreifenden Zuthat: 'Aber der König, wenngleich ruch-
los, war doch noch beträchtlich milder als die Priester und
befahl dass man den Propheten aus der Grube hervorziehe und
in das frühere Gewahrsam zurückführe' (Sed rex, licet impius,
(üiquanto tarnen sacerdotibus mitior educi prophetam de lacu
et carceris cnstodiae reddi iuhet). Die nichts ahnenden Heraus-
geber des Severus suchen diesen unerwarteten Personenwechsel
durch hermeneutische Winkelzüge zu vertuschen; am gröbsten
und ehrlichsten verfährt der Berliner Rector Vorstius (s. den An-
hang), der kurzweg sagt, statt sacerdotibus sei 'ohne Zweifel*
zu lesen prindpibus. Uns hingegen zeigt der ganze Ton dieses
Abschnittes dass Severus hier von Erinnerungen an die priscilli-
anistischen Vorfälle beherrscht wird, in denen Maximus sich
zwar schlimm, aber, nach Severus' Urtheil, immer noch nicht so
schlimm wie die ithacianischen Bischöfe^ benommen hatte; und
nachdem er einmal solcher Nutzanwendungen auf die Gegen-
wart sich nicht zu entschlagen vermochte, konnte es ihm leicht
begegnen, dass er die Verhältnisse des vierten Jahrhunderts,
welches in keinem anderen Adel als in dem kirchenfürstlichen
eine auch Kaiser und Könige zwingende Macht erblickte, auf
die altjüdische Geschichte übertrug, und nun die principes mit
den sacerdotes zusammenfallen Hess.
Jedoch nicht bloss in solcher tendenziösen Wendung des
Vortrages äussert er seinen Unwillen; er hat es sich auch ge-
stattet, den sonst rasch dahineilenden Erzählerschritt durch län*
gere Einschaltungen zu hemmen, sobald er flir Invective gegen
die Bischöfe einen passenden Anlass fand. An der Thatsache,
dass bei Vertheilung des palästinensischen Bodens unter die jü-
p. 90, 24 Jahn ut per singula membra moreretiir, und Hist, in fr, 29 Kr.
bei Servius in georg. rn 482 ne simplici quidem morte moriebanttir, vgl. Se-
neca de benef, vu 19, 8 non contentus simplici morte dislorquet,) Suet. Caes,
74 Philemonem fwn gravius qtuim simplici morte puniit und Curt. viii 7
(24), 5 ne simplici quidem morte defunctus est,
^ Severus und seine Zeitgenossen gebraueben sacerdos und episeopus
als gleichbedeutend. Man kann fast keine Seite in den späteren Theilen
der Chronik lesen ohne Belege dafür zu finden. Zum üeberfluss sei auf
die Stelle in Anra. 11 verwiesen.
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xxDt Ueber die Chronik des Sulpicius Severus 115
dischen Stämme den Leviten keine eigene Mark angewiesen ward,
*kann er nicht schweigend vorübergehen, sondern er möchte sie
den Dienern der Kirchen nachdrücklich zur Beachtung empfehlen' |
{equidem hoc exemplum non tacitus praetetierim legendumque mi- 21
nistris ecclesiarum lihenter ingesserim l 23, 5). Und er thut dies
in einer Scheltrede ^"^ gegen die verschiedenen Erwerbszweige
der Geistlichen, die mit sallustischen Kraftwörtern gespickt und
so ausgedehnt ist dass ihre Länge durch eine ebenfalls dem Sal-
lust entlehnte Formel entschuldigt werden muss. Nach derselben
Seite gerichtet, aber weniger scheltend und daher sachlich er-
giebiger ist eine andere Abschweifung in dem, von Gibbon (eh. 21
n. 76) nach Verdienst als 'sehr elegant' belobten, Bericht über
die Synode von Rimini, welche der arianisch gesinnte Kaiser
Constantius im J. 359 veranstaltete. Der Kaiser hatte befohlen,
dass den vierhundert und etlichen Bischöfen, deren Anwesen-
heit zum Theil erzwungen*® werden musste, Diäten aus fiscali-
^■^ A. a. 0. etenim praecepti huiits non solum immemorea sed eUam ignari
mihi mdentur : tanta hoc tempore animos eorum habendi cupido veluti tabes
incessit (= Sali. lug, 32 tanta vis avarüiae in animos eorum veluti tabes in-
vaserat) ; inhiant possessionibus (Grundbesitz), praedia excolunt (als Pächter),
auro incubant (= Verg. Georg, ii 507 defossoque ineubat auro), emunt ven-
duntqucj quaestui per omnia Student, At si qtd meJioris propositi videntur
neque possidentes neque negotiantes, quod est mtUto turpius, sedentes munera
exspectant (erinnert an die Worte des Gaius Gracchus über die schweigen-
den Redner, bei Gellius N, Ä. xi 10, 4 f.), atque omne vitae decus mercede cor-
ruptum habent, dum quasi vendlem praeferunt sanditatem. Sed longiw
quam volui egressus sum, dum me temporum nostrorum piget taedetque. Ad
inceptum redeo (= Sali. lug. 4 verum ego liberius aUiusque processi, dum me
civitatis morum piget taedetque; nunc ad inceptum redeo).
® II 41, 2 missis per lUgricumy Italiam, Africam, Hispanias ma-
gistri (so der Yaticanus statt magistris) officialibus acciti aiä macti qua-
dringenti et a^iqiuinto ampliua (s, Gothofredus zu Philostorgius iv 10 p. 221)
occidcntäles episcopi Ariminum convenire (so der Yaticanus statt convenere)j
quibus Omnibus annonas et ceUaria dari (so Sigonius statt dare) Imperator
praeceperat. Statt des übereinstimmend bei Flacius und im Yaticanus vor-
iindlichen aut macti ist in den interpolirten Ausgaben, mit einer über das
gewöhnliche Maass hinausgehenden Unverschämtheit, numeratique oder
gar noch verkehrter numerative gesetzt, das auch bei Yorstius steht. Si-
gonius schrieb macti um in coacti, dem Sinn nach gewiss richtig, aber
ohne diplomatische Probabilität. Petrus Faber (Semestr. m 12) setzte den
Sinn aus den Augen um den Schriftzügen nahe zu bleiben, und schrieb
inacti. De Prato weiss sich nicht zu helfen und behält das sinnlose macti
im Text. Man genügt wohl allen Anforderungen, wenn man sich erinnert
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116 XXIX lieber die Chronik des Sulpicius Severus
sehen Mitteln verabreicht werden sollten. Diese Gewährung
wurde jedoch als eine verfängliche von den nichtarianischen,
französischen und britannischen Bischöfen zurückgewiesen; sie
wollten lieber auf eigene Kosten leben als sich in eine wenn
auch nur zeitweilige Abhängigkeit von der Staatskasse begeben.
Nur drei britannische Bischöfe besassen nicht Vermögen genug
um den theuren Aufenthalt in der von Fremden überfüllten Stadt
zu bestreiten; es sollte für sie durch gemeinsame Beiträge ihrer
Amtsbrüder gesorgt werden ; aber da sie nun doch einmal frem-
der Hilfe bedurften, zogen jene drei Briten, obgleich sie so we-
nig wie die übrigen arianisch waren, es vor, die kaiserlichen
Diäten anzunehmen, 'weil sie es für würdevoller hielten, wfenn
sie dem Fiscus als wenn sie Einzelnen beschwerlich fielen' (sanc"
Uns putantes fiscum gravare quam singulos). In verkleinertem
Maasstabe regt dieser Fall die vielverhandelte Frage an, ob es
mit der Würde der Kirche sich vertrage, dass ihre Diener in
dasselbe Verhältniss wie andere öffentliche Beamte zur Staats-
kasse treten, und diese principielle Seite der Sache veranlasst auch
den Severus zu einer Unterbrechung des historischen Berichts durch
beurtheilende Bemerkungen. Er habe vernommen — beginnt er
(ll 41, 4) — , dass ein aquitanischer Bischof Gavidius, wenn ihn
das Gespräch auf die Synode von Rimini geführt, von dem Be|-
22 nehmen jener drei Briten fast in vorwurfsvollem Tone zu reden
pflegte. ' Ich selbst jedoch — fährt dann Severus ^® fort — neige
(s. Lachmann zu Lucretius i 657), dass in der Majuskelschrift M mit ÄD
fast zusammenfällt, und hiernach acdti aut macti bessert in acciti aut
(ulaeti. — üeber annonae et cellaria hat mit Bezug auf unsere Stelle Go-
thofredus zu Cod. Theod. i 10, 3 gehandelt und dort auch schon die jetzt
durch den Vaticanus bestätigte Besserung magistri gemacht.
^ Die in ihrem letzten Theil verderbte Stelle lautet in allem We-
sentlichen übereinstimmend bei Flacius und im Vaticanus sed lange cditer
senserim, laudique attribuOy episcopos (so der Vaticanus statt episcopis) tarn
pauperes fuisse u^ nihü proprium haberent neque ab alüs potiits quam fisco
sumerent, tibi neminem gi'avahant, ita in utriusque egregium exemplum. De
reliquis nihü memoria dignum traditur. Sed redeo ad ordinem. Die unver-
ständlichen Worte ita in utrittsque egregium exemplum überzeugend zu
bessern ist weder dem Sigonius noch den übrigen Herausgebern gelungen,
und man wird wohl der Annahme einer Lücke nicht entrathen können;
sie scheint nach gravabant zu beginnen und ausser Anderem auch ein
Wort wie voluisse verschlungen zu haben, welches sich auf sum&re bezog;
denn das jetzt dastehende sumerent ist logisch unmöglich.
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XXIX lieber die Chronik des Sulpicius Severus 117
mich zu einer sehr verschiedenen Auffassung und rechne es jenen
Dreien zum Lobe, dass sie, obwohl Bischöfe, doch zu arm waren
um über eigenes Vermögen verfügen zu können und dass sie,
statt von Anderen, lieber etwas vom Fiscus nehmen wollten, wo-
bei sie Niemandem beschwerlich fielen*. Dieses dreien Bischöfen
wegen ihrer Armuth gespendete Lob giebt, da es einen nur zu
verständlichen Tadel der übrigen nicht armen einschliesst, den
besten Aufschi uss über den BegriflF, den Severus von bischöflicher
Würde und Tugend sich gebildet hatte. Schon der Besitz an
sich, gleichviel auf welche Art er erworben ward, missfällt ihm
an einem Bischof; wie sein Lehrer Martinus die asketische Ent-
sagung auch auf dem episkopalen Thronos fortsetzte, so, wünschte
Severus, möchten alle Bischöfe leben ; ehe er sie in die verwelt-
lichende Berührung mit eigenem Geld und Gut bringt, will er
lieber, obgleich er übrigens die klericale Unabhängigkeit auf das
Eifrigste vei-ficht (s. oben Anm. 17), bei unabweislichem Geldbe-
dürfniss ans dem Fiscus schöpfen, sollte derselbe auch zufällig
unter arianischer Verwaltung stehen. Eine derartige Ansicht ist
gewiss von der weltkundigen Mehrzahl der damaligen gallischen
Geistlichkeit als unpraktische Mönchseinfalt belächelt und besei-
tigt worden; Niemand wird ihr jedoch Geringschätzung des
geistlichen Amts vorwerfen dürfen, für welches vielmehr, hier
wie überall, Severus sich von der tiefsten Verehrung erfüllt zeigt.
Nur gegen Würdenträger, deren Auftreten seinem eigenen Begriff
von der Hoheit ihrer Würde nicht zu entsprechen schien, erhebt
sich sein Zorn.
Nicht so streng jedoch scheidet er das Amt von dem Beamten,
wenn er über weltliche Herrscher sich auszusprechen hat. Bei der
nahen und durch die kirchlichen Wirren stets frisch erhaltenen
Erinnerung an das Verfahren der Kaiser Gratianus und Maximus
in der Priscillianistensache muss man es allerdings natürlich
finden, dass er Uebergriffe jüdischer Könige in das priesterliche
Gebiet immer mit einer warnenden Hervorhebung der daraus
entstandenen Folgen begleitet. Liegen diese in der biblischen
Erzählung selbst schon abschreckend genug zu Tage, wie bei
dem König Usiah {Paralip, II 26, 16), der während er am Altar
das Rauchfass schwang vom Aussatz befallen ward, so begnügt
sich Severus mit treuer Wiedergabe, und findet es höchstens noch
nöthig in einem hinzugethanen Sätzchen ausdrücklich zu sagen,
dass der König 'sich Unerlaubtes angemaasst habe' (illicita prae-
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118 XXIX lieber die Chronik des Sulpicius Severus
sumens i 47, 4). Dagegen bei einem andern Fall, wo Saul ohne
Samuels Ankunft abzuwarten die Opfer darbringt (Sam. i 13),
gestattet er sich seinem Zwecke zu Liebe schon einige Freiheiten
mehr. Die auch dort gegebene Belehrung, dass der König 'in
unerlaubter Anmaassung gehandelt habe' {ülicita praesumptione
I 33, 4), sollte durch den Nachweis härterer Strafen verstärkt
werden, als sie dem Severus" zu liegen schienen in der zUrnenden
23 Rede I Samuels und in dem blos für eine ferne Zukunft ange-
drohten Thronverlust, auf welche die Bibel sich beschränkt;
augenblicklich und handgreiflich, durch politisches und militä-
risches Missgeschick sollte der König büssen, welcher den Pries-
ter — denn einen solchen sieht Severus (i 32, 1) in dem Leviten
Samuel — verletzt hatte. Ohne dass die leiseste Andeutung
dafür im Wortlaut oder Gang der biblischen Erzählung zu finden
ist, lässt daher Severus das ganze, gegen die Philister zu Felde
liegende israelitische Heer 'in Folge des königlichen Vergehens
von Furcht ergriflFen werden {ex peccato regis mettis omncm exer-
citum pervaserat l 33, 5), so dass trotz der Nähe des feindlichen
Lagers Niemand eine Schlacht wagen mochte'. Freilich kommt
dann nachträglich noch der in der Bibel für das Hinausschieben
der Schlacht allein angegebene Grund zur Sprache, der WaflFen-
mangel nämlich, welcher im israelitischen Heere herrschte, weil
die siegreichen Philister beim letzten Friedensvertrage die Ein-
stellung aller Eisenarbeiten erzwungen hatten. Aber dieses ma-
terielle Verhältniss wird in der Darstellung des Severus zu einem
blossen Nebengrund herabgedrückt; als eigentlichen Quell der
Verzagtheit hebt er abermals die 'Entmannung ^^ der Gemüther*
*ö I 33, 6 nam praeter imhecülitatem animorum, qui cUienum a se
Dominum delicto regia arbitrabantur, in maxima ferramentorum inopin ex^r-
citus erat adeo ut praeter Satü et lonatham ßlum eim nemo gladium aut
lanceam habuisse tradatur, Nam ÄUophyli (das von den Septuaginta ent-
lehnte Wort für Philister), superiore (so längst verbessert statt superiores)
beÜo Victor es, cotis (das Wort cotis füge ich hinzu nach Sam. i 13, 20)
usum Hebraeis ademerant, neque cuiquam conficiendi teli bellici aut rustici
ferramenti potestas fuerat. — Jetzt, nachdem Niebuhr die Nachricht bei
Plinius N. JET. xxxiv § 139 über die den Römern von Porsenna auferleg-
ten ähnlichen Vertragsbestimmungen geschichtlich verwerthet hat, muss
jedem Philologen, der diese Stelle im Severus oder in der Bibel liest, die
Parallele beifallen. Die plinianische Notiz war Niebuhr'n anfänglich bei
seinen Studien entgangen; er verdankte ihre Kenntniss zunächst dem Mi-
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severus 119
hervor, welche aus dem Glauben entsprang, dass 'Gott zur Strafe
für die Sünde des Königs sich von ihnen abgewendet habe*. —
Noch grösserer Freiheiten aber und einer weit kühneren Sprache
als bei solchen Eingriffen jüdischer Könige in geistliche Rechte
bedient sich Severus überall, wo er heidnische Könige auf An-
maassung göttlicher Ehren betreffen kann. Mit sichtlicher Vor-
liebe sucht er dergleichen Blasphemien aus den biblischen Er-
zählungen herauszudeuten, um Gelegenheit zu derben Anspielungen
auf die ähnlichen Ausschreitungen der römischen Kaiser zu ge-
winnen. Wem König Nebukadnezar das goldene Standbild in
der Ebene Dura errichtet habe, sagt der biblische Text (Dan. 3)
nicht deutlich; dem Severus gilt es für ausgemacht, dass der König,
*hoffärtig geworden durch sein Glück, sich selbst eine colossale
goldene Statue gesetzt und sie als ein heiliges Bild durch Ado-
ration zu verehren befohlen habe' {statuam sibi auream immensae
magnitudinis posuit adorarique eam tU sacram effigicm praecepit
II 5, 1 (vgl. Lipsius electa ii c. 6» ; allgemein habe man, da * Krie-
cherei alle Gemüther verdorben' {depravatis adulatione omnium
animi8)j gewetteifert, dem königlichen Befehle nachzukommen;
nur die drei jüdischen Männer hätten sich des lästerlichen Dien-
stes (profano officio) geweigert, wohl wissend, dass eine solche
Verehrung Gott allein gebühre; sie hätten lieber den | Flammen- 24
tod sterben als die befohlene Todsünde begehen (piaculum com-
mittere) wollen. Um den Eindruck zu ermessen, welchen die so
gewendete und durch solche Schlaglichter beleuchtete Erzählung
cali {Itdlia avanti il dominio dei Bomani 1810 t. iii p. 62), fand sie dann
schon bei Beaufort ausgebeutet, wie er R. G. 1. Ausg. i 352 erzählt, und
hat diesem Franzosen das Verdienst der Entdeckung schliesslich (letzte
Ausg. I Anm. 1216J zugeschrieben. Es wird daher von Interesse sein zu erfah-
ren, dass bereits ein Jahrhundert vor Beaufort der immer noch mehr geprie-
sene als gelesene Hugo Grotius die Nachricht bei Plinius herausgefun-
den und nach ihrer geschichtlichen Bedeutung gewürdigt hatte in folgen-
der Anmerkung eben zu dem fraglichen Verse des Buches Samuel ; Caverant
cnim Philistiim ne forte facerent Hcbraei gladium aut lanceam] Extorto
foedcrcy cui non dissimilis lex qtMtn Porsena in focdere cum Bomanis po-
suit, ne ferro nisi in agricuUura uterentur, Tacent id Historici ttt puden-
dum victori postca gentium populo ; at Plinius ingenue fatetur Ztftroxxxiv 14.
(Zu der gleichen Maassregel sah sich später auch Theoderich in Italien ver-
anlasst B. anon. Valesii 83 ut nüllus Bomanus arma usque ad cultdlum ute-
retur vetuit).
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120 XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Sevenis
auf die gleichzeitigen Leser des Severus machen musste*^ braucht
man sich nur zu erinnern, dass damals und noch eine geraume
Weile später bei jeder grösseren öffentlichen Feier den Statuen
und Portraits (labrata) der römischen Kaiser die hier zur Aus-
geburt der Kriecherei und zu lästerlicher Todsünde gestempelte
Adoration geleistet ward, von den Beamten als unweigerliche
Amtspflicht, und von Privatleuten als Beweis der Loyalität, der
ohne übles Aufsehen nicht unterbleiben konnte. Erst im Jahre
425, also mehr als zwanzig Jahre nach der Abfassung der Se-
verischen Chronik, hat Kaiser Theodosius li in einem eigens
erlassenen Gesetz auf die Verehrung seiner Statuen durch Ado-
ration verzichtet, und gerade im Jahr 403, d. h. in dem Jahre da Se-
verus seine Chronik beendigte (s. oben Anm. 4), diente des Johannes
Chrysostomus Predigt gegen die Verehrung einer neugeweihten Sta-
tue der Kaiserin Eudoxia seinen Widersachern zum Vorwand, um
ihn als Hochverräther in die zweite Verbannung zu senden, aus wel-
cher er nicht heimgekehrt ist. — Recht als sollte auch des flüchtig-
sten Lesers Blick auf diese, wie eben des Chrysostomus Beispiel
zeigt, unter Umständen so gefährlichen Dinge geheftet werden.
*i Wie unvermeidlich die Nutzanwendung auf die kaiserlichen Sta-
tuen war, zeigt Hieronymus, der ebenfalls (vgl. Tosefot zu TV. Pesachim
53 ^ (und Äboda sara 3 »)) den babylonischen König sein eigenes Bild zur
Adoration aufstellen lasst und dann zu Dan. in 18 (Vol. v p. 638 Vall.)
sagt : sive stattuim, ut SymmachuSy sive imaginem aurearn^ ut ceteri transtu-
leruntj völuerimus legere^ cültores Dei eam adorare nmi debent. Ergo iudi-
ces et principes sa^ctdi, qui Imperatorum statuas adorant et imagines, hoc
se facere intellegant quod tres pueri facere nolentes placuerunt Deo, Aber
wie zahm klingen diese Umschweife 'sie thun Etwas durch dessen Unter-
lassung die drei Männer gottgefällig waren' im Vergleich mit der unge-
scheuten Derbheit des Severus. Hieronymus hielt sich, als er den Com-
mentar zu Daniel verfasste, schon lauge im suetus regibus Oriens (wie
Tacitus histor, iv 17 sagt) auf. — Das Gesetz des Theodosius n steht Cod.
Theod, XV 4, zu welchem, und noch an zwei andern Orten (Cod. Theod.
vni 11, 5; Philostorg. ii 18), Gothofredus den Cultus der kaiserlichen Statuen
und Bilder erörtert hat. — Die Belege für das den Chrysostomus angehende
Factum giebt Tillemont hist, des Emp. v 470 f. {Arcade a. 403 p. 915 der
Octavausg.) — Weshalb ich den lateinischen Ausdruck Adoration bei-
behalten musste, braucht kundigen Lesern nicht erst gesagt zu werden.
(Aus allem Angeführten erhellt wie wenig Rossi (inscript. Christ, i p. x\
zu folgendem schönfärbendem Ausdruck berechtigt ist : Äugustorum imagi-
nibiis saeculis quarto et quinto cultus impensus, civiU tarnen instituto^ nuUa
divini honoris et religiosi ritus significatione').
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XXIX lieber die Chronik des Sulpiciua Severus 121
r'
hat Severus bald darauf, ebenfalls in der Analyse des Buches
Daniel, eine abermalige Gelegenheit zu Angriffen auf die ver-
götterten Weltherrscher mit noch weiterer Abweichung von dem
biblischen Buchstaben sich gcschaflFen und mit noch rücksichts-
loserem Freimuth benutzt. Die medischen Hofleute, erzählt die
Bibel, wollten des Daniel regelmässige Morgen- und Abendan-
dacht zu seinem Verderben ausbeuten, und erzwingen von König
Darius ein Gesetz, dass 'wer in den nächsten dreissig Tagen
von welchem Gotte oder Menschen es sei etwas erbitte ausser
von dem Könige, in die Löwengrube geworfen werde' {Dan, C, 7).
Diese negative Bestimmung verwandelt nun Severus ^^ erstlich
in die positive, dass 'für die nächsten dreissig Tage dem Könige
göttliche Ehren zu erweisen seien', und während nach der bib-
lischen Erzählung Darius eher widerwillig den ohne sein Zu-
thun gefassten Beschluss der Räthe bloss unterschreibt, sagt
Severus : 'Den durch Schmeichelei verdorbenen Darius dafür zu
gewinnen, konnte nicht schwer fallen, bei der Thorheit aller
Könige, die Göttliches flir sich ansprechen' {stuUitia regum otn-
nium gut sihi divina vindicant). \ Unter den früheren römischen 25
Imperatoren hätten freilich auch Ausdrücke von so allumfassender
Ehrenrührigkeit immer noch durchschlüpfen können, wenn sie
SLuf reges bezogen waren. Denn alsdann brauchte man die Kaiser
nicht nothwendig mitzumeinen, da diese sich des königlichen
Namens noch von der Vertreibung der Tarquinier her erwehrten
und ihn ihren Clienten, den orientalischen Kleinkönigen, oder
dem barbarischen Grosskönig der Parther überliessen — ein
ähnliches Verhältniss, wie es nach der Völkerwanderung wiederum
bestand, als der griechische Kaiser den Titel imperator oder den
von früh an gleichwiegenden ßaaiXeu^ fllr sich allein in Anspruch
nahm, die gothischen und fränkischen Könige dagegen, ja sogar
die deutschen Kaiser in lateinischer sowohl wie in griechischer
Schrift nur reges und ^nfeg^^ nannte. Zwischen diesen beiden
*2 II 7, 1 regem depravatum adtdatione compellunt ttt sibi diebus
proximis triginta divini honorcs darentur neque cuiqtmm liceret deutn (so De
Prato statt dominum) nisi regem prccari. Die Construction von compeUere
ist ein wenig frei, wie auch ii 36, 4 Imperatorcm eo usque compelltmty ut
Athanasius cxulatum adGalUas mütcrctur; (ahnlich verkürzte Constructionen
merkt Schoemann zu Cic. de nat. deor. i 9, 21 an). Mit der Relation von
siH nimmt es Severus ebenfalls nicht genau.
^ Diese Regel des byzantinischen Kanzleistils bespricht mit redseli-
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122 XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus
Perioden liegt jedoch das Zeitalter des Severus, d. h. die zweite
Hälfte des vierten und der Anfang des ilinften Jabrbandorts,
gerade in der Mitte. Die Sassaniden und die anderen orienta-
lischen Könige waren seit der Gründang Gonstantinopels und
der Spaltung des Reichs dem Gesichtskreis des Abendlandes
gänzlich entrückt; die Germanen und die übrigen Stämme der
Völkerwanderung hatten noch keine Staaten auf römischem Boden
gegründet; man kannte im gebildeten Europa keine anderen
Herrscher als die römischen ; diese hatten seit Constantinus
sogar das äussere Abzeichen des Königthums, die weisse Kopf-
binde, in ihren Ornat aufgenommen; und wenngleich sie amtlich
noch immer den Titel Imperator führten, so fehlte doch ftlr den
täglichen Verkehr des Sprechens und Schreibens jeder Anlass
zu einer Unterscheidung jenes viersilbigen Wortes von dem be-
quemeren, einsilbigen ßex. Severus überlässt es daher auch,
wenn er Kaiser seiner Zeit, z. B. Constantius, Valentinianus i,
ger Heftigkeit der Geschichtschreiber der Comnenen Cinnamus v 7 p. 218 B.
unter Beziehung auf sein Vorbild Prokopius, der bell Goth, i 1 p. 10 B.
zuerst das Verhältniss der beiden Titel bei Gelegenheit Theoderichs des
Grossen erwähnt. Andere Nachweisungen für die byzantinische Zeit giebt
am vollständigsten Reiske zu Const. Porphyr, vol. ii p. 813. — Die sehr weni-
gen Stellen, in welchen rex von älteren römischen Kaisern vorzukommen
scheinen könnte, hat Markland zu Statins Silv. iv 1, 46 auf überzeugende
Weise erledigt. (Aber unzweifelhaft ist der Gebrauch bei Martialis spectac.
2, 3 invidiosa feri radiabant atria regis von der domus Neronis^ Lactant.
inst. IV 7, 6 mtnc Eomanü indumentum purpurae tnsigne est regiae di-
gnitatis assumptae (vgl. Mommsen, Staatsrecht i 349, 2); TertuUians Ge-
brauch von reges für imperatores bespricht Gothofredus ad nationes i 10
p. 106 ; 8. Mommsen a. 0. u 2 p. 724, 3 und ausführlicher in der zweiten
Ausgabe 741, 1. Ueber den Gebrauch von dominus handelt Lipsius zu Tac.
ann. ii 87 exe. P>. — Dass regina für Kaiserin früher in festen Gebrauch
kam als rcx für Kaiser, ist durch Lindenbrog zu AmmianujB xv 2, 8 p. 31
<^Bchon Plinius n. h, xxix 21 (adulterium) Valentis in qua dictum est re-
ginay, erwiesen und auch für Severus Dial. ii 6 zu beachten. — Die am
Hofe Ludwigs xiv so oft missbrauchten Verse des Claudianus (Jons. Stil.
113 Fallitur egregio quisquis sub principe credit Servitium; numquam libcr-
tas gratior exstat Quam sub rege pio sind im Jahr 400, also gleichzeitig
mit Severus' Chronik geschrieben. In moderne Sprachen übersetzt klingen
sie matt, weil die Antithese zwischen pius und rex nur dem römischen Ohr
vernehmbar wird, welchem sie in einem officiellen Gedicht, wie dies clau-
dianische ist, nicht unmittelbar geboten werden konnte; daher ebnet sich
der Dichter den Weg durch egregius princeps im ersten Verse.
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Sevcrus 123
Maximus, zu erwähnen hat, darchans dem Belieben seiner Fe-
der ob sie imperatores heissen sollen oder reges; manchmal** tritt
der Wechsel in zwei nahe auf einander folgenden, ja sogar in
einem und demselben Satze ein. Ihm also war die Ausflucht
benommen, dass er in stultitia regum omnium die Inhaber des
römischen Thrones nicht einschliesse ; und nachdem es sich ein-
mal herausgestellt hat dass fUr seinen und seiner Zeit Sprach-
gebrauch die Scheidewand zwischen Kaiser und König gefallen
war, 80 erhalten auch diejenigen | Sätze eine bedenkliche Trag- 26
weite, in welchen er sich über das Königthum als solches im
Gegensatz zu einer nichtköniglichen Verfassung äussert. Er be-
nutzt dazu die Einsetzung des Königs Saul, wie sie das achte
Capitel des ersten Buches Samuel schildert, jenes Capitel, (auf
das im Mittelalter der Pabst die Arragonier aufmerksam gemacht
haben soll, als sie sich einen König setzen wollten**"^ und) das
im siebzehnten Jahrhundert und noch gegen Ende des achtzehn-
ten während der amerikanischen Revolution so oft zu biblischer
Verbrämung der politischen Gontroverse hat dienen müssen. Se-
verus schaltet hier noch ungebundener als in den vorhin erwähn-
^ Von Constantius heisst es ii 38, 6 in einem und demselben Satze
paucis qui circa regem erant metu trepidis, imperaiore anxioj primua (Va-
lais) nuntiat Jhostes fugere, — Von Valentinianus i handelt die heitißre
Geschichte Dial. ii 5 und da steht § 8 unter anderem zu lesen: donec
regiam seUam ignis operiret ipsumque regem ea parte corporis qua sedebat
adflaret incendium. — Für Maximus bieten Chron. n 50 und Diah ni 11
Beispiele in Fülle von rex neben imperator. Die stilistische Nuance ist
ungefähr wie zwischen *der König* und *Se. Majestät'. — Dafür dass der
Gebrauch nicht dem Severas eigenthümlich sondern bei den gleichzeitigen
Schriftstellern durchstehend ist, genügt die Verweisung auf Ballerini zu
Zenonis serm, p. 12 ed. Aug. — <Gar bezeichnend ist dafür das patrioti-
sche Lob, welches Orosius gelegentlich der 'unbelohnt* gebliebenen Er-
mordung des Sertorius seinem Geburtsland Spanien spendet y 23 et quam-
vis nuüo tunc praemio patraverint Komanam securitatem, tarnen fortis fide
ac viribus semper Uispania^ cum optimos invictissimosque reges rei pu-
blic ae dederit, nulhim umquam tyrannorum ab initio usquc in kodier-
num diem de se editum misit vd in se extrinsecus incurrentem vivum
potentemve dimisit. Wie viel unerträgliches für ein römisches Ohr iu
diesen Zeilen! Beges werden der 'Republik' geschickt; und die früher
gleichbedeutenden Worte reges und tyranni sollen eine schroffe Antithese
ergeben. Gemeint sind natürlich unter den * Königen' vorzüglich Trajan,
Hadrian und Theodosius).
**» <s. Spinoza tracdat. polit. c. 7 § 3a Bd. n p. 361 f. Paulus).
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124 XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus
ten Beispielen mit dem biblischen Bnchstaben; nur den Gesammt-
eindriick, den er empfangen, giebt er in kurzen, schneidenden
Sätzen wieder, die von dem 'Wahnwitz' des königsüchtigen und
seines Gottes überdrüssigen Volks, von dem Abstand zwischen
'Knechtschaft' und 'Freiheit* in Ausdrücken reden, welche der
grellsten Phraseologie des republicanischen Roms entlehnt sind
und daher passender im lateinischen Original als in einer noth-
wendig abschwächenden Uebersetzung mitgetheilt werden: ho-
stili metu rernoto — beginnt er i 32, 3, ohne zu beachten dass
die von den Philistern drohende Gefahr keineswegs dauernd be-
seitigt und ein Krieg mit den Ammonitern im Anzug war — ,
secundis tranquillisque rebus, corruptis consiliis^ more vulgi, cui
praesentia fastidio, insueta desidcrio sunt^ regium nonien cunctis
fere liberis gentibus semper invisum populus desiderabctt planegtie
insigni*^ exemplo amentiae praeoptabat libertateni servitio mutare,
Igitur frequentes Samuclem circufnsistunt, ut^ quia tarn ipse senu-
isset, regem eis constitueret. At ille placide sdlubri oratione ab
insana voluntate deforquere plebem, dominationem regiam et su-
pcrba imperia exponer e^ libertatem extoUere, servitutem detestari,
postremo divinam eis iram deiiuntiare, si qtiidem kotnines mente
corrupti Dcum regem habeiites regem sibi ex hominibtis flagitarent,
His atqiie aliis istiu^modi frustra dictis cum populus in sentcfüia
perseveraret ^ Dominum considit. Qui permotus vccordia insanae
gentis nihil adversum se petentibus negandum respondit. Wie er-
freut warMilton, als er ein so hitziges republicanisches Glau-
** So schreibe ich statt des verderbten planeque non sine exemplo,
— Die classische Bedeutung von dominatio regia et superba imperia
(Tupavviq ßaaiXiKVi Kai iißpiariKä iiriTaT^ciTa) tritt klar heraus in der offen-
bar dem Severus vorschwebenden Stelle des Sallust Cat 6 übt regium im-
perium . . . in superbiam dominationemque se convcrtit. — Die Verhandlung,
welche zwischen Sigonius und seinem Censor (s. den Anhang) über diese
Stelle geführt wurde, ist für die Geschichte der politischen Meinungen im
sechzehnten Jahrhundert nicht ohne Interesse. — Gar verhängnissvoll tritt
auch der Einfluss des samuelischcn Capitels auf staatsrechtliche Theorien
hervor in Wandalin's Buch Iuris rcgii . . . solutissimi . . luculcnter a^erti
Liber primus. De Iure regis Israelitici a Samuele L. i c. viii descripto,
Ilavniae 1663, welches für das dänische Staatsrecht, wie dasselbe durch
die lex regia von 1660 sich fixirte, classisch geworden ist. Einen aus-
führlichen Abriss dieser Schrift zu geben hat Spittler nicht verschmäht,
zu Ende seiner 'Geschichte der dänischen Revolution im Jahr 1660* p. 269 f.
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XXIX Üeber die Chronik des Sulpicius Severus 125
bensbekenntDis8 bei einem alten Kircbenscbriftsteller fand; er
hat den Worten des Severus einen hervorragenden Platz in seiner
'Vertheidigungsschrift*® fllr das englische Volk' angewiesen, weil
sie, wie er sagt, die allgemeine Ansicht der alten Patres über
jenes biblische Capitel wiedergeben. Aber der grosse Dichter
würde wohl in arge Verlegenheit gekommen sein, wenn ihn seine
politischen Gegner gedrängt hätten, 'die Vielen* namhaft zu
machen, als deren Vertreter der Eine Severus gelten soll. Viel-
mehr nimmt Severus | sowohl in seinem Urtheil über Monarchie 27
wie in der ungemessenen Heftigkeit, mit der er es ausspricht,
eine Sonderstellung ein, die nur durch ein Zusammentreffen der
ungewöhnlichsten Zeit-, Ort- und Personenverhältnisse erklärlich
wird. Nur während der Regierung eines Minderjährigen wie
Honorius war, der an dem Vandalen Stilicho nicht seinen Mini-
ster oder Vormund sondern seinen Hausmeier hatte, nur in einer
Provinz wie Gallien, die von jeher nach Selbständigkeit strebend
erst vor Kurzem zweimal, unter Maximus und Arbogastus, ihre
Heere über die Alpen gegen Italien gesandt hatte, nur in einem
Jahrhundert wie das ftinfte, dessen erstes Jahrzehend schon die
Einnahme der römischen Hauptstadt durch Alarich sab, konnte
die Geringschätzung, welcher der römische Monarch und die rö-
mische Monarchie seit lange verfallen waren, sich in solchen
AngriflFen gegen Monarchie überhaupt Luft machen, wie Severus
sie ungestraft gewagt hat. Entsprungen aber war diese Schwä-
chung der Autorität aus der immer deutlicher hervortretenden
Unfähigkeit des römischen Kaiserthums, seiner politischen Auf-
gabe zu genügen. Denn das römische Kaiserthum war allerdings
der Friede. Aus dem Bedürihiss inneren Friedens war es nach
*<^ c. 2 p. 60 der Londoner Ausg. von 1651: Sic (dass ÜDUJ^, Sam. i 8,
11, ratio tyrannica bedeute) etiam patres antiqui hunc locum exposuerunt;
unu8 mihi erit muUorum instar, Sulpitius Severus, Hieronymi aequalis
eigne charus, et Äugustini iudicio vir dodrina et sapientia poUens. Is in
histaria sacra etc. Dass Severus dem Hieronymus *theuer* war, schliesst
Miiton aus der Erwähnung im Commentar zu Ezechiel (c. 36 Vol. v p. 422«
Vall.) : Severus noster. In Betreff des Augustinus jedoch hat er sich durch
die den älteren Ausgaben des Severus vorgesetzten Testimania irre leiten
lassen. Dort wird nämlich aus dem längst als spätes Machwerk erkannten
Brief de laudihus Hieronymi (s. Hier, opp- Vol. xi 1 p. 443» Vall.) jener den
Seveinis angehende Lobspruch als von Augustinus herrührend aufgeführt.
In den echten Schriften des Augrustinus wird Severus nicht genannt.
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126 XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus
den Bürgerkriegen eutstanden, und die Sicherung des äusseren
Friedens gegen die barbarischen Stämme war das Entgeld, wel-
ches die civilisirten Völker unabweisbar forderten für alle Opfer
an Gut und Blut und Freiheit, die sie der römischen Herrschaft
gebracht hatten und fort und fort brachten. Unter den langen
Regierungen der Julier und Aurelier war nun auch die *Maje-
Btät des römischen Friedens' (Romanae pacis maiestas Plin. H, N.
xxvn § 3) gleichbedeutend geworden mit der Majestät des rö-
mischen Reichs, und dieses ungestörte Friedeusgeiühl hatte der
Vorstellung von der unerschütterlichen Ewigkeit der römischen
Macht diejenige Stärke verliehen, ohne welche die 'Stadt' nim-
mer über den Erdkreis hätte ihre Gewalt erstrecken können.
Als aber der Friede nach beiden Seiten dauernd gefährdet er-
schien, als stets von Neuem aufstehende Kronprätendenten die
Reihe der Bürgerkriege wieder eröffneten, als ferner nach der
Gründung von Constantinopel das seit den Tagen von Zama
und Pydna nicht erlebte Schauspiel wieder gegeben war von
einem politischen Antagonismus zwischen zwei souveränen Gross-
staaten innerhalb der civilisirten Welt, und als zu diesem allem
hinzutretend das immer lautere Getöse der nordischen Völker-
wogen die Gemüther der Provinzialen verstörte — da schwand
mit dem Genuss des römischen Friedens auch der Glaube an
Rom und seine Ewigkeit, — und mit dem Glauben schwand die
Furcht wie die Achtung. Selbst dichterisch gestimmte Nach-
zügler des Heidenthums, wie Rutilius Namatianus (i 137), wagten
es nicht länger, die altgeweihte Formel von der 'Ewigkeit Roms****
im Sinne einer unerschütterten Dauer zu gebrauchen, sondern
wollten sich darunter die Kraft der Weltstadt denken, aus dem
Tode einst wieder zum Leben zu erstehen. Die Bibelleser aber
schlugen das Buch Daniel auf und meinten, die * ewige Roma'
sei dort anschaulich geschildert in dem Koloss mit den thönernen
Füssen, und von dem Felsen sei bereits der * Stein' gebrochen,
an dessen Stoss der Wunderbau so vieler Jahrhunderte zerschellen
werde. Und unter Allen, welche sich in jenen Tagen die Traum-
28 gesiebte des babylonischen Königs {Dan, 2) zu deuten | versuchten.
*®* (Vgl. Broukhusiuß zu Tibullua ii 6, 23 p. 264; Ausonius epigr,
in fastos 1, 1 und 2, 3 p. 91. 92 Toll., viele Stellen aus Ammianus bei
Castalio zu Rutilius Namat. ii 55 in Almeloveens Ausg. p. 88, s. Linden-
brog zu Amm. xiv 6, 1 p. 12^.
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XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus 127
hat sie wohl Niemand auf das römische Imperium mit solcher
Kühnheit*"^ in öffentlicher Schrift angewandt und dabei einen so
sichern Blick für die eben hervorgehobenen politischen Haupt-
momente bewährt, wie Severus in folgenden, wegen ihrer ge-
schichtlichen Bedeutsamkeit wörtlich mitzutheilenden Sätzen :
' Die eisernen Schenkel sind das vierte Reich (Dan. 2, 40) ; da-
runter giebt das römische sich zu erkennen, bei weitem das
stärkste im Vergleich zu allen vorangegangenen Herrschaften. Die
Füsse jedoch, welche theils eisern, theils thönern sind (Dan, 2, 41),
geben die Vorbedeutung von einer derartigen Theilung der rö-
mischen Herrschaft, dass sie nie wieder eins werden könne; und dies
hat sich gleichfalls erfüllt. Wird doch der römische Staat schon
nicht länger von äinem Kaiser, sondern sogar von mehr als
zweien regiert, und zwar von solchen, die fortwährend sich be-
kämpfen, sei es mit Waffen oder mit Politik. Endlich wenn
die Thonscherben und das Eisen unter einander gemischt werden,
ohne dass je die Stoffe sich verbinden {Dan. 2, 43), so sind da-
mit die Mischungen des Menschengeschlechts bei fortdauernder
Abneigung gegen einander angedeutet. Ist es doch offenkundig,
dass der römische Boden von ausländischen Stämmen entweder,
nachdem sie zum Kriege sich erhoben, besetzt, oder, nachdem
sie in einem Scheinfrieden sich unterworfen haben, ihnen Uber-
*' Dass Verkündigungen des Untergangs von einer schwachen Re-
gierung strenger beaufsichtigt und geahndet werden als von einer starken,
liegt in der Natur der Sache und lässt sich gerade für unsere Danielstelle
durch ein gleichzeitiges Beispiel erweisen. In Hieronymus' Commentar
findet sich zu Dan. 2, 40 folgendes (v p. 634 Vall.) : Reffnum autem quar-
tuiUy quod perspicue pertinet ad Bomanos, ferrum est, quod comminuü et
domai omnia, Sed pedes eins et digiti ex parte ferrei et ex parte
sunt fktües, quod hoc tempore manifestissime comprobatur. SictU enim in
principio nihil Bomano imperio fortius et durius fuit, ita in fine rerum
nihil imbecUlius, quando et in beÜis civiUbus et adversum diversas nationes
äliarum gentium barhararum indigemus auxilio. Diese Worte sind, wie
Yallarsi ebend. p. xii nachweist, im Jahr 407, also vier Jahre nach der
Severischen Chronik und noch bei Lebzeiten des Stilicho, geschrieben.
Kurz und vorsichtig, wie sie besonders neben denen des Severus erscheinen
müssen, konnten sie dennoch von den Widersachern des Hieronymus zu
Denuntiationen benutzt werden, deren schlimme Folgen nur durch den
bald darauf eingetretenen Sturz des Stilicho verhindert wurden. Hierony-
mus erzählt dies selbst in der Vorrede zum elften Buch seines Jesaias-
Commentars.
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128 xxsx Ueber die Chronik des Salpicius Severus
wiesen worden, und sehen wir doch, wie barbarische Völker
in unseren Heeren, Städten und Landschaften mit uns yermisebt
leben, ohne dass sie darum in unsere Sitten sich fügen **^. |
^ Ghron. n 3, 5 crura ferrea imperium quartum, idque Bomanum
inteUegitHr, omnibus ante regnis välidissimum (der Ablativ wie bei Arno'
biua adü. gent. n 48 omni vero verissimum est ccrtoque certissimum) ; pedes
vero partim ferrei partim fictiles dividendum esse Romanum regnum ita ut
numquam inter se coeat praefigurant ; qiiod acque impletum est, siquidem
tarn non ab uno imperatore sed etiam a pluribtis setnperque inter se armis
aut studiis dissentientibus res Eomana administretur (so der Vaticanus statt
administratur)» Denique quod commiscentur (so schreibe ich statt denique
commisceri) testum atque ferrum numquam inter se coeunte materia (so
schreibe ich statt coeuntein materiam), commixtiones humani generis futurae
a se invicem dissidentes significantur ; siquidem Bomanum solum ab exteris
gentibus aut rebellibus occupatum aut dcdentibus se per pacis speciem (so
Sigonius statt dedentibus semper pacis specie) traditum constet (so der Va-
ticanus statt constat), exercitibusque nostris, urbibus atque provineiis per-
niixtas barbaras nationes et praecipw luda^os inter nos degere nee tarnen
in mores nostros transire videamus (dieser freilich unclassiache Conjunctiv
steht hier übereinstimmend bei Flacius und im Vaticanus, weshalb ich ihn
auch in den früheren Fällen vom Vaticanus angenommen habe ; vgl. Anm.
58). — Die Worte des letzten Satzes et praedpue ludaeos habe ich aus
der Uebersetzung fortgelassen, weil sie verderbt sind und ohne Kühnheit
nicht verbessert werden können. Verderbt sind sie; denn erstlich waren
die Juden seit vielen Jahrhunderten über das römische Reich hin verbreitet
und Severus selbst hat dies ii 30, 8 bei Gelegenheit der Zerstörung Jeru-
salems durch Titus hervorgehoben; eine * Vermischung* mit ihnen im
fünften Jahrhundert konnte also unmöglich den Untergang des römischen
Reichs in nahe Aussicht stellen. Zweitens legt Severus, wie auch Hiero-
nymus (s. Anm. 47), offenbar das meiste Gewicht auf das Eindringen der
Fremden in die römischen Heere, und darüber ist hinsichtlich der Juden
für Severus' Zeit nichts bekannt, was von dem früher üeblichen verschie-
den wäre und als Zeichen der Zukunft hätte auffallen können ; das Gesetz
des Honorius vom Jahr 418 {Cod. Theod, xvi 8, 24) lässt sogar das jüdi-
sche Element im römischen Heer auch für den Anfang des Jahrhunderts
nicht allzu bedeutend erscheinen. Diese Schwierigkeit hat auch Sigonius
gefühlt. Zu ihrer Erledigung weiss er jedoch nichts vorzubringen als
folgendes : In exercitu Honorii contra Gothas ducem ludaeum fuisse prodi-
tum est Wo er dies gefunden, sagt Sigonius nicht. Bis ich eines Bessern
belehrt werde, muss ich daher glauben, dass Sigonius sich durch den Na-
men des römischen Reiterführers in der Osterschlacht bei Pollentia (403)
hat täuschen lassen. Dieser General hiess allerdings Saul, wenigstens
wird er bei Orosius vn 87 so genannt, aber darum war er doch ein —
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XXIX lieber die Chronik des Sulpicius Severus 129
Jeder Leser dieser Worte wird erkennen dass Severus, 29
obgleich er der Welt abgesagt hatte, doch nicht blos zu einsied-
lerischer Andachtsübung das Studium der Bibel betrieb, sondern
sich dabei den Blick offen und die Theilnahme warm erhielt fllr
die grossen Bewegungen der Geschichte wie tür die kleinen
Streitigkeiten der Bischöfe. Mag er auch, um seine unmittelbare
Gegenwart in dem Gottesbuch sich spiegeln zu lassen, den Spie-
gel bisweilen etwas naiv für diesen augenblicklichen Bedarf zu-
rechtrücken — daran wollen wir uns nicht ärgern, da wir ja
die Urschrift der Bibel zu unverfUlschbarem Erbtheil besitzen
und ihren wahren Sinn nicht von ihm und seinesgleichen zu
lernen brauchen. Wir danken es ihm vielmehr dass er in eine
Zeit, welche so wenige geschichtliche Nachrichten im Zusammen-
hang hinterlassen hat, uns durch sein indirectes Verfahren hie
und da Einblicke eröffnet, wie sie aus den angeführten Beispielen
gewonnen werden konnten. Ohne dass dieselben weiter gehäuft
werden, haben sie wohl auch dem mit Severus sonsther nicht
Alane und Heide. Die letztere Eigenschaft legt ihm Orosiua ausdrücklich
bei und die erstere ergiebt sich aus Claudianus bell. Get 583 <vgl. Zosi-
mos iv 57, wie denn auch ein Skythenkönig ZaOXioq bei Herodot iv 76 f.
vorkommt). — Alles nun aber was auf die Juden nicht passt, passt vor-
trefflioh auf die Gothen, sowohl was ihre Verbreitung in römischen Län-
dern anlangt als ihr Eindringen in die ersten Stellen des römischen Hee-
res ; ihre Ansiedelung in Thrakien datirt erst aus der Zeit des Theodosius
und seitdem war aucli ihr Antheil an den Offizierstellen immer, und be-
sonders unter Stilicho's Regiment, sehr bedeutend. Ich glaube daher,
dass Severus wirklich et praecipue Gothas geschrieben hatte; dies in lu-
daeos zu verderben, (lag nahe, wenn Guthos vorlag, wie GiUhicus statt
Gothicus inschriftlich bezeugt ist C. I. L. in 1 n, 352 ^6 p. 66 imp, Caes,
Coristantinus Maximus Guth{icus)f und es) fühlten sich die Abschreiber
(dazu) vielleicht durch des Severus Bemerkung über die unvereinbare
Verschiedenheit der Sitten veranlasst. Dass jedoch auch die Gothen unter
römischer Oberherrlichkeit die heimathliche Sitte bewahrten und ihren
eigenen Rechtsbrauch hatten, weiss jeder Geschichtskundige, und wie böse
Befürchtungen diese Sonderstellung erweckte, zeigt recht deutlich die mit
Severus' Chronik gleichzeitige Rede des Synesius ircpl ßaaiXciaq. — Noch
an einem andern Orte der Chronik haben die Abschreiber den ihnen ge-
läufigen Judcnnamen eingeschwärzt. Bei Flacius und im Vaticanus heisst
es übereinstimmend 11 7, 1 exagUati in ludaea. Das richtige exagitati in-
vidia hat bereits Giselinus erkannt. Welch unberechenbarer Misshandlung
die Eigennamen überhaupt in unserer Chronik unterlagen, wird unten in
der Umgebung von Anm. 83 hervortreten.
BeriMys, ges. Abhandl. II. 9
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130 xxix üeber die Chronik des Sulpicius Severus
vertrauten Leser die Ueberzeugung verschafft, dass ein gewisser
Hauch lebendiger Wirklichkeit, wie man ihn in Erläuterungs-
schriften zur Bibel nicht gar häufig spürt, die einzelnen Ab-
schnitte dieser Chronik durchzieht; und es muss danach die
Frage sich aufdrängen, ob eine Schritt, die im Besondern mit
solcher Vorliebe auf die Zeitverhältnisse eingeht, nicht auch in
ihrer gesammten Anlage, so weit diese eine eigenthümliche ist,
durch Rücksichten auf die nächste zeitliche und Ertliche Umge-
bung des Schriftstellers bedingt wurde? Die EigenthUmlichkeiten
aber, welche dieses Werk mit keinem andern innerhalb der ek-
klesiastischen Litteratur theilt, sind
erstlich die absichtliche Nachbildung des classischen hi-
storischen Stils; und
zweitens die Hervorhebung des rein geschichtlichen Be-
standtheil8 des alten Testaments, unter ZurUckdrängung des
prophetischen Bcstandtheils, mit sehr spärlichen Hindeutungen
typischer und dogmatischer Art, und unter gänzlicher Ausschlies-
sung der neutestamentlichen Ereignisse.
Was nun zuvörderst den classischen Stil angeht, welcher
dem Severus aus Joseph Scaliger's Munde den Lobspruch des'lau-
aotersten unter den ekklesiastischen SohnüsteWern' (Ecclesiasticorum
purissimus scriptor^ Emend. temp. p, XXIV ed, tert) eingetragen hat,
so merkt man freilich bald, dass ihm die römische Sprache nicht
mehr in so freiem Ergüsse aus der Feder fliesst, wie sie unter den
Prosaikern wohl zum letzten Mal bei Lactantius erfreut, zur Ent-
schädigung für dessen bedauerliche Gedankenarmuth, und wie
sie in gebundener Rede noch ein Jahrhundert später bei einem
Zeitgenossen des Severus, bei dem Alexandriner Claudianus, sich
vereint findet mit dem Glanz einer griechischen Phantasie. Auf
solche eigenkräftige Fülle des guten Ausdrucks darf man bei
Severus nicht rechnen. Seine Classicität ist eine abgelauschte;
zwar recht fein abgelauscht, denn er hat seinen Vorbildern nicht
die Schlagwörter nachgesprochen, sondern ihre leiseren Eigen-
heiten sich zu merken versucht. Aber bei nur einiger Bekannt-
schaft mit den classischen Geschichtschreibern liest man doch
fast keine Seite der Chronik ohne wahrzunehmen dass er hier
diesen und dort jenen behorcht hat. Zugleich wird man jedoch
eine kunstverständige Auswahl des ftir seinen Zweck Brauch-
baren erkennen. An das archaistische Lexikon des Sallustius
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XXIX lieber die Chronik des Sulpicius Severus 131
hat er sich nicht gewagt, dagegen will er sich von ihm die
rasche Schwenkung in den Uebergängen, das straff über die
Sache gespannte Wort gern aneignen; ebenso hat er vor der
schallenden Rhetorik and der üppigen Malerei des Tacitus sich
gehütet, während er das Einflechten kurzer psychologischer Winke
in die ErzHhlung ihm abzulernen strebt Manchmal hat er auch
für die Bildung eiliger Uebergehungstbrmeln, deren er bei seiner
compendienartigen Arbeit so oft bedurfte, den Vorrath des geist-
reichen Compendiumschreibers Velleius*^ benutzt. Alle diese
zuweilen recht wörtlichen Herttbernahmen sind jedoch in einheit*
liehen Fluss gebracht, wie ja auch die genannten Classiker im
Wesentlichen einer und derselben stilistischen Schule angehören ;
und man würde sehr irren, wollte man den Severus in äine Reihe
stellen mit den eigentlichen Scribenten der Reminiscenz, z. B. mit
Sidonius oder den meisten Neulateinern. Er ist weit entfernt
von jeglicher Buntscheckigkeit, und gänzlich frei von dem noch
schlimmeren und noch häufigeren T^ebrechen der aus fremdem
*ö Zu den Singularitäten, an welchen die Textesgeschichte des Vel-
leius so reich ist, gehört bekanntlich auch diese, dass vor Priscian sein
Werk weder von Grammatikern noch sonst erwähnt wird. Die Entleh-
nungen des Severus aus ihm erhalten daher ein ungewöhnliches Interesse
weil sie den Beweis liefern, dass der scheinbar verschollene Autor von
den gallischen Schulen des vierten Jahrhunderts in den Kreis ihrer Lee-
türe gezogen war. Unverkennbar ist die Benutzung in folgenden Bei-
spielen : Chron, i 45, 8 (von den Wundern des Elisäus) quae omnia notiora
sunt quam ut stilo (so derVaticanus statt ut nostro atylo des Flacius) egeant
Ä Vell. n 43, 4 (von den früheren Thaten Julius Cäsars) quo notiora sunt
minus egent stUo. — Chron, n 32, 6 quas (martyrum passiones) conectendas
(s. Anm. 59) non putavi, ne modum operis excederem ; i 20, 1 nos enim
suscepti operis modum custodientes sölam fUstoriam perseqtdmur; ii 27, 3
attingere non ausuSy ne quid forma praecisi operis rerum dignitatibus demi-
nueret = Vell. ii 52, 3 non redpit enarranda hie scripturae modus ; ii 66, 3
cogit enim excedere propositi formam operis ] i 16, 1 cum haec particu^a
operis veliU formam propositi exeesserit. — Chron. n 26, 5 (von Pompeius)
mctoT omnium gentium quas adierat = Vell. ii 40, 2 (ebenfalls von Pompeius,
<für den diese Schmeichelrede früh zu einer Art von stehendem Epitheton
geworden war, wie Cicero in Pis. 7, 16 Cfi. Pompeio omnium gentium victore
zeigt» Victor omnium quas adierat gentium und 107, 3 (von Cäsar) victor
omnium gentium locorumque quos adierat Die meisten Entlehnungen dieser
Art hat Ruhnken zum Velleins angemerkt; den Herausgebern des Severus
sind sie entgangen. (Auch Nachahmung des Velleius durch Lucanus hat
Ruhnken nachgewiesen zu n 19 extr, p. 132).
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132 XXIX lieber die Clironik des Snlpicius Severus
Munde Redenden, dass die erborgte Phrase den eigenen Gedanken
knechte oder verzerre. Er sagt nie weniger und nie mehr als
er sagen will; und es ist sehr fraglich ob die gleichzeitigen Le-
ser, welche weder mit unseren philologischen Hilfsmitteln ver-
sehen noch zu mikroskopischer Imitationenjagd aufgelegt waren,
überhaupt mehr von Nachahmung spüren konnten als sie der Ab-
sicht des Severus gemäss spüren sollten. Es sollte die biblische
Geschichte in der Sprache der anerkanntesten römischen Historiker
31 vorgetragen und demnach musste der Leser in | eine sallustische und
taciteische Atmosphäre versetzt werden. Diesen Zweck hat Se-
verus vollkommen erreicht, indem er, die verwandten stilistischen
Elemente jener Autoren geschickt verschmelzend, eine allgemeine
Erinnerung an sie hervorrief, welche immer auf bestimmte Gründe
zurückzuttlhreu auch dem gedächtnisskräftigsten Phrasenforscher
schwer werden möchte. Eine solche mühselige Nachweisung aller
den Glassikern nachgebildeten oder wörtlich entnommenen Stellen
würde einen entsprechenden Nutzen nur im Anschluss an einen
vollständigen Textesabdruck gewähren können; es muss daher
an diesem Ort bei dem schon nicht Wenigen sein Bewenden haben,
was der Art zu gelegentlichem Vermerk sich dargeboten hat^
und noch ferner darbieten wird. Statt durch ein Register abge-
rissener Phrasen sei lieber von des Severus Kunst, die Bibel nicht
blos lateinisch sondern römisch zu machen, eine mehr zusammen-
hängende Vorstellung gegeben durch vollständige Mittheilung
eines grösseren, in sich abgerundeten und daher von der Umge-
bung leicht loszulösenden Stückes, das auch nach sachlicher Seite
einer näheren Betrachtung wohl würdig ist.
Während nämlich Severus die jüdische Sacralgesetzgebung
(sacerdotalia instituta i 20, 1), wie sie der Leviticus enthält, gänz-
lich bei Seite lässt als unwesentlich flir die 'Geschichte', den
eigentlichen Gegenstand seines Werkes, widmet er der Civil- und
Griminalgesetzgebung eine ernstere Aufmerksamkeit als die mei-
sten nichtjüdischen Bibelleser und Erklärer auf die betreffenden
^ Die schon jetzt in so grosser Anzahl nachweisbaren Entlehnungen
aus Sallust würden sich gewiss als noch viel beträchtlicher herausstellen,
wenn dessen Hauptwerk, die Historien, vollständig erhalten wäre. Denn
dass diese damals in Gallien einen wichtigen Theil der Schullectüre aus-
machten, bezeugt Ausonius Idylh iv {protrepL) 62. — Inzwischen vgl. für
Sallust Anm. 9, 15, 19, 33, 85, 37, 45, 59, [unten Abhandl. xxx] und für
Tacitus Anm. 6, 32, 70.
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severus 133
Abschnitte von Exodus zu wenden pflegen. Sei es nun dass ihn
dabei die Einsiebt in die Wechselwirkung zwischen den recht-
lichen Zuständen und den geschichtlichen Begebenheiten geleitet
hat, oder dass er als römischer Jurist und vormaliger Advocat
(s. oben S. 85 f.) sich gar zu sehr verletzt fühlte durch das Kauder-
welsch, welches diesen Theil des Pentateuchs in der alten latei-
nischen Bibelübersetzung eben so arg verunstaltete wie bei den
Septuaginta und sogar noch bei dem wörtlich dollmetschenden
Hieronymus — jedenfalls hat er mit ernster Absicht und mit
nicht geringem Erfolg sich der Mühe unterzogen, die mosaischen
vermögensrechtlichen und strafrechtlichen Bestimmungen in die
elegante Kunstsprache des römischen Forums zu übertragen, und
in dieser nur einem Fachjuristen erreichbaren Form hat er sie
seiner Chronik einverleibt. Er bewährt dadurch seine vereinigte
Kenntniss der Bibel und des römischen Bechts zwar nicht in
einer für unseren jetzigen zufälligen Bedarf eben so nützlichen,
aber doch in einer ungleich anmuthigeren Weise als jener Un-
bekannte, welcher in der Collatio legum Mosaicarum et Roma'
narum eine den jetzigen Rechtsgelehrten hocherwünschte, me-
chanische Zusammenstellung geliefert hat von barbarisch zuge-
richteten Bibelversen mit vorjustinianischer Jurisprudenz. Auch
hier jedoch hat sich Severus durch das oifenbare Streben nach
gewähltem Ausdruck nicht zu Verstössen gegen die sachliche
Angemessenheit, wie dieselbe zu seiner Zeit begriffen wurde,
verleiten lassen. Den Dekalog ^^, welcher als besonders gehei-
ligte Formel unantastbar schien, hat er mit den üblichen Fehlern
gegen | den lateinischen Sprachgebrauch Oott in den Mund ge- 82
legt (i 17, 7); weder hat er non mit dem Futurum in ne mit dem
Conjunctiv oder in eine andere regelrecht verbietende Wendung
umgeschrieben, noch hat er sich in non concupisces guicquam
proximi tui der sprachwidrigen wörtlichen üebersetzung des im
Griechischen untadligen toO TiXiiaiov enthalten. Sobald er aber
von dem Dekalog zu den specielleren Gesetzen (i 18, 2) übergeht,
stimmt er auch die ferner durch keinen Missklang gestörte Re-
deweise des römischen Rechts an. Damit diese in ihrer Rein-
heit durch den Contrast klarer hervortrete und um die nöthigen
^^ Die Zählung ist die bei allen ekklesiastischen Schriftstellern bis
auf Augustinus übliche, nach welcher non erunt tibi dei alieni als erstes,
non fades tibi idolum als zweites Gebot gerechnet wird.
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134
XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus
Bemerkungen bequemer anknüpfen zu können, ist in folgender
Tabelle den Worten des Severus die Uebersetzung des Hiero-
nymns zur Seite gestellt, obzwar dieselbe für den Pentateuch
erst 404, also nach der Severischen Chronik, vollendet wurde
(s. Vallarsi Vol. Xl 1 p. 128) ; bemerkenswerthe Abweichungen der
Septuaginta, mithin auch der dem Severus vorliegenden alten
lateinischen Uebersetzung, sind unten verzeichnet.
Severus i c. 18
Edicta autem Bei ad
Moysen^istiusmodi sunt:
§ 1 Hebraeus puer pecu-
nia emptus sex annis
serviet, post haec liber
erit : sponte autem per-
manenti in Servitute au-
ris foroMtur.
§ 2 Qui hominein occide-
rit, capite poenas tuet;
qui imprudens, rite exul
erit.
Exodus XXI nach Hieronjmus
F. 2 Si emeris servum Hebraeum, sex
annis serviet tibt, in sepiimo egredietur
liber gratis.
5 Quodsi dixerit servus, düigo dominum
meum et uxorem ac liberos, non egrediar
Über, offeret eum dominus diis et ajy-
plicäbUur ad ostium et postes perfora-
bitque aurem eius subtda^ et erit ei
servm in saectdum.
y, 12 Qui percusserit hominem völens
occidere, morte moHatur, 13 Qui au-
tem non est insidicUus, sed deus iUum
tradidit in manus eius, constituam tibi
locum quo fugere debeat.
F. 15 Qui percusserit pafrem suum et
matrem, morte moriatur. 17 Qui male-
dixerüpatrisuo et matri, morte moriatur.
§3 Qui patrem matremve
pulsaverit conviciumque
(sehr, convidumve) eis
dixerit, capitali suppli-
cio affidtor.
§ 4 SiquisHebraeumsub-
reptumvendiderity morti
dabitur.
§ 5 Si quis servum pro-
prium servamve percus-
serit exque eo ictu obie-
rit, reus in iudicio fiet.
Exod. XXI 15 ''0^ TÜTTTCi TTttT^pa aÜToO f| jiiiT^pa auroO
GavdTiu GavaTouaGu). 16 ö KaKoXoTÄv uaTcpa auTOÖ f\ lutriT^pa
auToO TeXeuTTiaei GavAiiu.
17 ddv kX^^iij Tig Tiva tujv u\uiv IcJpanX ktX.
F. 16 Qui furatus fuerit hominem et von-
diderit eum, conmctus noxae morte mo-
riatur.
F. 20 Qui percusserit servum suum vel
andUam virga et mortuus fuerit in ma-
nibus eitiSy criminis reus erit.
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XXIX Uebcr die Chronik des Sulpicius Severus
135
Severus i c. 18
§ 6 Si quis partum non de-
fomiatum mulieri cxcus-
se\rU necida-
bitur.
§ 7 Si quis servo ocülum aut
dentem exiorsent,servus
vindida liberabitur.
Exodus XXI nach Hieronymus
V, 22 Si rixati fuerint viri et percusserit
quis midierem praegnantem et ahortivum
quidem fe\cerit sed ipsa vixerity suhia- 33
cehit damno quanium expäierit maritus
mulieris et arhitri iudicarint, 23 Sin
autcm mors eius fuerit subsecuta, red-
det animam pro anima.
F. 26 8i percusserit quispiam oculum servi
sui aut anciUae et luscos cos fecerit,
dimittet eos liberos pro octdo quem eruit;
27 dentem quoque si excusserit servo vd
ancillae suae, simüiter eos dimittet liberos.
V, 28 Si bos cornu peiierit virum aui
midierem et mortui fuerint, lapidibus
obruetur 29 Quodsi bos cornupeta
fuerit ab heri et nudius tertius et con-
testati sunt dominum eius nee recluserit
eum occiderifque virum aut mulierem,
bos lapidibus obruetur et dominum illius
occident, 30 Quod si pretium ei fuerit
impositum, däbit pro anima stia quic-
quid fuerit postulatus, 32 Si servum
ancillamque invaserit, triginta siclos ar-
genii ddbit domino, bos vero lapidibus
opprimetur,
F. 88 Si quis aperuerit cisternam et fo-
derit et non operuerit eam cecideritque
bos vel asinus in eam, 34 dominus
cisternae reddet pretium iumentorum,
quod atäem mortuum est, ipsius erit.
§ 8 Taurus si honiinem oc-
ciderity lapidabitur; si
dominus sciens bestiae
Vitium non consuluerit,
et ipse lapidabitur, aut
pretio se redimat, in
quantum accusator po-
poscerit, Si servum tau-
rus occidei'it, in triginta
drachmis (seh r. didrach-
mis) pecunia domino
numerabitur. .
§ 9 Si quis dcfossum lacum
non cooperuerit pecus-
que in lacum ceciderit,
pretium pccudis domino
ddbit.
§ \0 Si taunts alterius tau- V. 35 Si bos alienus bovem alter ius vul-
22 'Eav be |idxu)VTai büo övbpe^ Kai TraidEuxTiv T^vaiKa dv
TacTipi Ixovaav xai iliXBr] tö Tiaibiov auTf\^ \ii\ dEeiKovKJjievov,
dTTiCriiiiov CrmiujöiicTeTar kuGöti Sv dirißdXij 6 dvi?|p Tf\q Y^vaiKÖg,
biixTei ^€Td dHiu))iaTog.
23 ddv bk dHeiKOVKJji^vov fj, biüCTei \\fvxi\v dvTi uiuxn^.
32 ddv bk naxba Kepaiicrij 6 laupo^ f\ TiaibicTKiiv, dptupiou
TpidKOVTtt bibpaxM« bd)(T€i Tip Kupiiu auTÄv xai ö laOpo^ Xiöo-
ßoXr|9il<TeTai.
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136
XXIX Ueber die Chronik des Solpicius Severus
Exodus xxn nach Hieronymus
neraverU et üle mortuus fuerit, vendent
bovetn vivum et dividenf preiium, cada-
ver atäem mortui inier se disperiient.
36 Si atäem sciehat quod hos cornupcta
esset ab heri et nudius tertius et non cu-
stodivU cum dominus sutis, reddet hovem
pro bove et cadaver integrum accipiei.
V.37 8i quis furatus fuerit hovem aut
ovem et occiderit vel vendiderit, quinque
boves pro uno bove resdtuet et quafiuor
oves pro una ove. \ C, XXII F. 3 Si in-
ventum fuerit apud eum quod furatus
est vivens, sive hos sive asinus sive ovis,
duplum restifmt.
V, 1 Sieffringens für domum sive suffodiens
fuerit inventu^ et accepio wdnere mor-
tuus fuerit, percussor non erit reus san-
guinis. 2 Quodsi orto sde hoc fccerit,
homicidium perpetravit et ipse morietur.
V. 4 Si lacserü quispiam agrum vel vi-
neam et dimiserit iumenium suum ui
depascatur aliena, quicquid ojytimum
hahuerit in agro suo vel in vinea pro
damni aestimatione restituet
F. 6 Si quis commendaverit amico pecu-
niam aut vas in custodiam et ah eo qui
susceperat furto ahlata fuerinty si inve-
nitur für, duplum reddet. 7 Si tatet
für, dominus domus applicahUur ad deos
et iuräbit quod non extendcrit manum
in rem proximi sui. 9 Si quis com-
mendaverit proximo suo asinumt bovem,
ovem et omne iumenium ad custodiam
12 si comestum a bestia, proferat
ad eum quod occisum est et non restituet.
XXII 1 däv hi Ti^ KX^ipij jiöcTxov f| TTpößaTOv Kai crcpdiEri f|
dnoöuJTai, Tr^vie jiöaxou^ diroTicTei dvT\ tou jiöcTxou Kai T^cTCTapa
TtpößaTa dvTi toö irpoßdTOu.
4 ^dv bfe^KaraXeicpe^ Kai eupeO^ ^v Tfj xeipi auToO tö KXemia
diTÖ T€ övou 2ujg irpoßdTou 2IiüVTa, öiirXd aurd dTTOTicJei.
Severus i c. 18
rum occiderit, pccus ve-
num dabiturpretiumque
domini partientur, per-
emptum etiam divident.
Quodsi dominus Vitium
tauri sciens non consu-
luerity taurum dahit.
§ 11 Si quisvitulum subri-
puerit, quinque restituet;
si ovemsubripuerit,qua\-
34 drupli poena erit ; si viva
penes abactorefn pccora
reperientur, dupla re-
stituet.
§ 12 Noctumum furem oc-
cidi licet, diurnum non
licet.
§ 13 Äi cuius pecora alte-
rius sota depaverint,
domint4s pecoris eversa
restituet
§ 14 Si depositumperierit,
is penes quem depositum
fuit iurabit nihil se dolo
egisse. Für inventus du-
plum dabit. Gommenda-
tumpecus a bestia inter-
ceptum non restituetur.
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xxTX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus
137
Severus l c. 18
§ \b Si quis vir ginein non-
dum dcsponsafam cor-
ruperit, dotahitimcUüin
et ita eam uaoretn acci-
pieL Si pafer puellae
nuptias rccusaverit^ do-
fem rctptor dabit.
§ 16 Si quis se liecudi mi-
scuerit, morti dahitur.
§17 Sacrißcans idolis i)C'
reaL
§ 18 Viduam et orphaninn
non premendos; paupe-
rein dehitorem non per-
U7'grndum; nee vsuram
iwscendam ; vc\stimen-
tiim paiqoeris pro in-
gnore non accipiendinn
§ 19 PrineijJempopuli non
increpandum.
§20 Frimogcniia ovinia
Donmio offennda.
•§21 Carncmafera eaptam
non edendam,
§ 22 Goifiones in testimo-
niuni falsum aut in qua-
cumque malitia (sehr.
quamcumque malitiam)
non esse faciendas,
[Inimici peciis errans
non p^'oeterihis sed rc-
Exodus XXII nach Hieronymus
F. 15 Si scdvjrerii q?iis virginem necdum
des])07isafam dormierifqnc cum cn, dnta-
hit eam et Jinbchif enm n.rorem. 16 SI
pater virginis dnre nolucrit, rcddd pccu-
nlam iiu:tn modum dofis, quam virgincs
arcipcre consucrunt.
V, 18 Qiii roicril cum iumcntOy mortc
mm'iatur.
V. 19 Qui immolat diis, occidetur, prae-
tcrquam Domino soli,
V. 21 Viduac et pupillo non nocehiiis.
24 Si pecuniam mufuam dcderis po-
pido mco panperi qui hahifat tecum,
non urgehis emn quasi exactor, ncc
nsuris opprimes. 25 Si pigniis a | pro- 35
ximo t'uo acccpcris vestimcntum, ante
solis occasum rcddcs ei.
V. 27 principi populi tui non ma-
ledices.
V. 28 . . . priniogenitum füiorum iuorum
dahis mihi; 29 de hohus quoque ei ovi-
hus similiier facies,
F. 30 . . • carncm, quac a hcsfiis fuerit
prargusfatüy non comedctis.
C. XXIII F. 1 . . . nee iungcs manum tuam .
td pro impio dicas falsum lestimonium.
2 Non seqneris tui'ham ad faeiendum
malum.
VA Si ocrurrvris hovi inimici tui autasino
erranii, reduc ad eum, 5 Si videris asi-
XXII 31 Kpea<; 0Tipi<iXu)Tov ouk IbecrOe.
XXIII 1 ou (TUTKaTa0r|(Tr| jieid tou dbiKou T^v€(T6ai |idpTU<;
äbtKog.
2 Ouk fcrij imerd nXeiöviuv im KaKiqi.
4 ^dv bk (yuvavTrjcrri^ Ttu ßot tou dxOpou crou f\ tui utto-
CuTitu auTOu 7TXavu))ui€V0i^, dTTocTTpe'vpa^ dTrobuicrei^ auT^i.
5 ddv be Tbij^ tö uttoCutiov tou ^xöpoö (Tou ireTTTuiKÖi^ uttö
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138
XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus
Severus i c. 18
duces. Si animäl ini-
mici sticcubuisse oneri
inveneriSy erigere debe-
bisJnnocentefn et iustum
non occides. Non it^ti-
ficabis impium pro mu-
neribus.~\
§23 Munera i%on acd-
pienda.
§ 24 Adrenam benigne ha-
bendum.
§ 25 Sex diebus opus fa-
ciendum, sabbato requi-
escmdum.
§ 26 Fructus septimi anni
non metendos sed pau-
peribus et egenis{^(i\i\\
pauperibus gentis) rc-
linquendos.
Exodus XXII nach Hieronymus
num odientis ie iacere stib onere^ non
pertransibis sed sublevdbis cum eo. 7 ...
insontem et iustum non occides, quia
aversor impium.
V. 8 Nee accipies munera . . .
F. 9 Peregrino mdestus non eris,
F. 12 Sex diebus operäberis, septima die
cessäbis.
F. 10 Sex annis semindbls terram tuam
et congregdbis fruges eius; 11 anno
autem scptimo dimittes eam ei requi-
escere facies, tä conndant pauperes po-
pull tui et quicquid reliquum fuerit edant
bestiae agri.
TÖv T^^MOV auToö, ou TrapeXeucTr) auTÖ dXXd (Tuvapei^ auTO ^€T'
auTOu. 7 . . . . dSÄov xai ^iKaiov ouk dTroKT€V€i^ Kai ou
biKaiüJcreig töv dcreßf) ?v€Kev biupiüv.
Wer die Paragraphen des Severus in einem Zuge tiberliest,
. wird von der Sorgfalt der bisherigen Herausgeber keine günstige
Meinung fassen können, wenn er erfährt dass Keiner unter ihnen
Anstoss genommen hat an den zwischen § 22 und 23 befindlichen
Sätzen, welche der hiesige Abdruck durch Klammern als einge-
36 schobene bezeichnet. Dass sie es sind, beweist allein schon | die
Unterbrechung der gerundivischen Construction, welche mit § 18
beginnt und bis an das Ende des ganzen Stückes festgehalten
wird; nur in den fraglichen Sätzen erscheint das ungrammatische
non mit dem Futurum, welches hier keinerlei mildernde Umstände
wie beim Dekalog (oben S. 133) entschuldigen. Denn gerade um
die Verletzung des lateinischen Ohres durch ein solches non
praeteribis, non occides, non iustificabis zu vermeiden, hat Seve-
rus unmittelbar vorher und unmittelbar nachher diejenigen Ge-
setze welche, wie diese jetzt die Construction unterbrechenden,
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severus 139
keine Strafbestimmung enthalten, also nicht nothwendig in Vor-
der- und Nachsatz gegliedert zu werden brauchen, recht absicht-
lich und recht geschickt gerundivisch gewendet ^^*. Auf welchem
Wege das Einschiebsel entstanden ist, lehrt ein Blick auf die
Septuaginta. Wie dort V. 5 das allgemeinere uttoCutiov statt des
speciellen nion des hebräischen Textes und asinus des Hiero-
nymus gesetzt ist, so findet sich hier anitnal. Während Hiero-
nymus den Wechsel des Hebräischen zwischen ^a•'^e und ^^«aiö
mittels des freilich unclassischen odicntis nachzubilden versucht,
setzen die Septuaginta beidemal ^x^poO und ebenso das Ein-
schiebsel beidemal inimici. Endlich giebt no7i msiißcalis inipium
pro muneribtis Buchstab für Buchstab den von Hieronymus ver-
miedenen Fehler der Septuaginta wieder, welcher sich aus der
Verderbung von sm^ p''ij:w\ wVr in p"«!:»::! Nb herleitet. Mit der
einzigen Ausnahme dass statt ßoö^ r| iittoCutiov (V. 4) zusammen-
fassend ^^ pect4S geseigt ist, liegt also hier eine nach den Septua-
*ift (Wie es auch Cypriauus thut, Testim. iii 12 (t. i p. 125, 18 Kar-
tei) Non iurandum, und vielfach sonst).
^2 Wahrscheinlich sind die drei Worte Inimiei pecm errans ein Rest
der kurzen Fassung, welche Severus diesem Gebote gegeben hatte, etwa
in folgender Weise : Inimiei pecus errans reducendum. Als die am Rande
nachgetragene wörtliche Uebersetzung in den Text drang, ward reducen-
dum in reduccs umgeschrieben und zugleich wurden die Worte non prae-
teribis sed von ihrem richtigen Platz vor erigere dahin verschlagen wo sie
jetzt stehen. — Dass die Itala für das griechische dBuiov (V. 7) innocen-
teni, nicht wie Hieronymus insonteni hatte, zeigt auch die Anführung bei
Cyprianus testim, adv. lud, ii 14, welche bei Sabatier {BÜtliorum sacrorum
latinae versiones antiquae seu vetus Italiea. Paris 1751) i p. 181 fehlt, obwohl
er den Vers übereinstimmend aus Lucifer Calarttanus mittheilt ; V. 4 f. hat
er in wechselnder Fassung aus verschiedenen Schriftstellern verzeichnet;
auf das hiesige Einschiebsel ist er nicht aufmerksam geworden. — Ausser
an dieser Stelle findet sich ein wörtliches Citat aus der Bibel nur noch
Einmal in der ganzen Chronik und zwar abermals in einer ofienbaren
Interpolation. Nachdem nämlich u 29, 5 von Nero gesagt war incertum
an ipse aibi mortem eonsciverit; certe corpus illius non repertum (vor Halm
ilUus interemptum) wird folgendes angeflickt: unde creditur, etiamsi se gla-
dio ipse transfixerity curato vulnere eius servatus, secundum ülud quod de
eo scriptum est (Apokalyps. 18, 8): *Et (Flacius ut) plaga mortis eius cu-
rata est% sub saecuU fine mittefidus ut mysterium iniqttitatis exereeat (Zu
diesen Sagen über Nero's Wiederkehr ist die höchst merkwürdige Stelle
des Dion Chrysost. or. xxi 9 f. p. 504 Reiske zu vergleichen). [Ist auch
der Widerspruch zwischen curato vidnere seroatus und dem Vorhergehcn-
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140 XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Sevcrus
ginta gefertigte wörtliche üebersetzung vor, und eben diese
Wörtlichkeit enthält einen Beweis mehr dafür dass wir es nicht
mit Severus selbst zu thun haben, der sonst immer der Ver-
ständlichkeit oder der Grammatik durch Kürzung oder Aende-
rung zu Hilfe kommt. Andererseits gewährt die Wörtlichkeit
auch einen kleinen Ersatz für die Störung, welche die Interpo-
lation verursacht, und eine Andeutung über die Zeit ihres Urhe-
bers. Er muss vor Verbreitung der Vulgata gelebt haben; und
da die Kenntniss der vor Hieronymus umlaufenden Uebersetzungen
zuweilen einen nützlichen Anhalt für Kritik ekklesiastischer
Schriften bietet, so wird man dem frühen Leser des Severus
nicht allzusehr zürnen, welcher mit Nachträgen aus einer solchen
üebersetzung den Rand seines Exemplars der Chronik verse-
hen hatte.
Nach Ausscheidung dieser Marginalien bleibt nun, abgesehen
von Wörtern wie idola (§ 17) und sabbatum (§ 25), deren tech-
nische Natur sie unentbehrlich macht, in dem ganzen Stücke
37 nichts I zurück, dessen sich die Feder eines Gaius oder Ulpianus
hätte schämen dürfen. Ueberall zeigt sich die bündige Klarheit
der Satzbildung, welche den geschulten Juristen Roms ohne merk-
lichen Unterschied der Zeiten eigen war, und das scharfe GetÜhl
für die Tragweite der einzelnen Wörter, welches unzertrennlich
ist von der Schärfe der Begriffe. Von dem letzteren Vorzug giebt
gleich das zweite Wort in § 1 ein deutliches Beispiel. Den 'he-
bräischen Knecht' der biblischen Urschrift nennt Hieronymus,
wie man sieht, servum Hebraeiim; dass die Itala ebenso lautete,
bezeugt ^^ Augustinus; Severus dagegen sagt Hebräern puer.
den durch genauere Kenntniss der hs.licben Ueberlieferung non repertum
statt intertmptum gehoben, so bleibt der Gegensatz zwischen dem Conces-
sivsatz ctiamsi usf. mit incertttm an fpse]^ und schon das obligate sectm-
dinn illud quod muss flir Jeden, der sich in den Stil der Chronik hinein-
gelesen hat, ein hinlänglicher Beweis der Interpolation sein. Vgl. Auni. 64
und 84. (Aber beachtenswerth bleibt der Zusatz, von welcher Hand er
auch herrühren mag; denn er zeigt dass die Deutung des Thieres der
Apokalypse auf Nero, welche man für eine Errungenschaft der mo-
dernsten Kritik zu halten pflegt, sehr früh in ekklesiaetischen Kreisen
verbreitet war).
^^ Sabatier vcrlct/.t seinen in der Vorrede (ip. xiiif.) aufgestellten
richtigen Grundsat/., da'^s Augustinus der gewichtigste Zeuge für die Itala
sei, indem er die augustinischen Citate fiir stn'&nm Hehraeum blos in den
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XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus 141
Dazu kann ihm Tiaiba *EßpaTov der Septuaginta nicht den allei-
nigen Anlass gegeben haben; denn überall sonst (§ 5, 7, 8), wo
bei den Septuaginta ebenfalls TraT^ im Sinne von bouXog steht,
hat Severus nichts desto weniger servtis gebraucht; ein Verfahren,
das seinen Herausgebern räthselhaft geblieben ist. Es klärt sich
jedoch leicht auf durch die ErwHguug dass für den Juristen servus
den servilen Stand bedeutet. An allen übrigen Stellen (§ 5, 7, 8),
wo von einem kanaanitischcn Sclaven die Rede ist, hat daher
Severus auch wirklich servus gesagt. Den hebräischen Knecht
dagegen, dessen Dienstbarkeit nach Ablauf von sechs Jahren
ohne Manumission von selbst erlischt, servus zu nennen, wäre
ein juristischer Widersinn gewesen. Denn einen servus auf Zeit
giebt es nicht. Severus wählt daher in puer ein Wort, welches
die dienende Stellung bezeichnet ohne nothwendig den Sclaven-
stand einzuschliessen. — Eine ähnliche Rücksicht hat ihn § 5
das von Hieronymus gebrauchte Wort ancHluy welches auf den
ersten Blick sogar sprachgemässer scheint, vermeiden lassen.
Denn obwohl im gewöhnlichen Verkehr ancilla aus der ursprüng-
lichen Bedeutung 'Dienerin* in die von 'Sciavin' übergegangen war
und auch juristische Erläuterungsschriften sich dieses Gebrauches
nicht enthielten, so war er doch in den strengen Gesetzstil, den
Severus hier nachbildet, nicht eingedrungen; im aquilischen Ge-
setz heisst es nicht qui servutn ancillamve aiienum alienamve
sondern qui servum servamve etc. {Big, IX 2, 2), und ebenso spricht
der Prätor {Big, xi 3, 1 pr,), — Recht unbarmherzig erscheint
diese juristische Strenge der Wortbegrenzung in § 15. Die virgo
wird dort nur im ersten Satzgliede geduldet; nachdem aber das
Verbum corrupcrü hinzugetreten, kann Severus nicht einmal zum
Gebrauch des Pronomen sich entschliessen, wie es doch das hebräi-
sche Original hat und wie Hieronymus sagt dotdbit eam und die
Septuaginta qpepviei auTrjv, sondern er greift schon hier zu einem
neuen Substantiv, welches im guten Sprachgebrauch zwischen
Noten erwähnt, als Text der Itala aber folgenden abgerissenen Vordersatz
aufführt aus * Ambro», in Ps, US t. i 991*: Si emeris puerutn Hebraeum et
servierit tibi annis sex^ trotzdero schon et servierit zeigt dass Ambrosius
hier nicht wörtlich citiren wollte. Der mailander Bischof, welcher einst im
eonsilium des prätorischen Präfecten fungirt hatte und so gut wie Severus
juristische Bildung besass, wird aus demselben Grunde wie dieser sich des
servus Hebraeus enthalten haben.
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142 XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus
virgo und uxor die Mitte hält, und sagt e2oto2»tY^u622am, während
Hieronymua sogar noch im zweiten Satz von pater virginis
spricht. — Neben solcher Abgemessenheit in der Verwendung
des allgemeinen Sprachguts sind die Paragraphen des Severus
auch vielfältig mit Entlehnungen aus dem fachmässigen juristi-
schen Formelschatz geschmückt, und bei der Bedeutung, welche
selbst dem geringsten Rest vorjustinianischer Rechtssprache zu-
kommt, ist eine nach dieser Seite blickende Durchmusterung des
ganzen Stückes um so mehr geboten, als erst hierdurch die,
nicht immer glückliche aber immer bedächtige, Sorgfalt in ihr |
38 volles Licht tritt, mit welcher Severus den biblischen StoflF ver-
arbeitet hat. — Die Bestimmung über Todschlag § 2 setzt ihn
zom ersten Mal in den Fall, für die in diesem Abschnitt so oft
wiederkehrende Strafsanction, welche auf Hebräisch nachdrück-
lich n70T» m73 und in dem Jargon der lateinischen Bibel Überset-
zungen sprachwidrig morte moriatur lautet, ein classisches Aequi-
valent zu suchen. Er wählt hier eine feierliche Wendung capite
poenas luat, deren sich auch Tacitus^^* bedient, während in den
justinianischen Quellen die kürzere und einfachere capite punia-
tur vorherrscht; am nächsten der severischen Formel kommt bei
Menander Digest XLix 16,6,4 exploratores gut secreta nuntiave-
runt hostibus . . . capitis poenas luunt^ wo jedoch schon der Gene-
tiv den lebendigeren Ablativ verdrängt hat. Auch ohne poenas
scheint capite luere nicht gar häufig sich zu finden; ^r das ju-
stinianische Corpus wird es aus Saturninus Dig, XLvm 19, IG, 4
verzeichnet. Dass es jedoch den älteren Gesetzen bekannt war, lehrt
Paulus aus Festus s. v. everriator, wo p. 78, 1 von dem Erben, der
die Pflicht seinen Erblasser zu bestatten versäumt, gesagt wird
suo capite Itnit. Auch Livius (IX 5, 5) erwähnt bei Angabe der Be-
stimmungen des Caudinischen Vertrags nach alten Quellen sex-
centi equites^ qui capite luerent, si pacto non staretur. — Später-
hin gebraucht Severus abwechselnd bald die Wendung capitali
supplicio afficitor (§ 3), welcher schon der Imperativ einen le-
gislatorischen Klang verleiht, bald morti dabitur (§ 4, 16) oder
neci dabitur (§ 6). Die zwei letzteren werden sich schwerlich
M« Tacitus ann. xn 54 xni 35, <vgl. Seneca episU 95, 31 quae dam
commissa capite luerenty ea quia päludati fecere laudamuSf wo Haase
unnöthiger Weise liierentur schreibt. Sallustius sagt Lig, 69 IkirpiUus . . .
capite poenas solvit, ebenfalls von einem Militärverbrechen).
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severus 143
als juristische Formeln uachwelscu lassen; doch bietet der be-
kannte Leichenbitterruf Ollus Quiris leto datus est (Festus s. r.
Quirites, Varro h l, vii 42) eine alte Analogie ; morti dare ist
bei Lucretius nicht selten, und neci dare gebraucht noch Vergi-
lius ein paar Mal. — Von grösserer sachlicher Bedeutung als
diese nur der Eleganz dienende Abwechselung ist die Art wie
Severus § 3 die zwei biblischen Gebote Über Vergreifen an den
Eltern in äines zusamnienfasst und auf ein bestimmtes Gebiet
des römischen Rechts versetzt. Die Zusammenfassung war ihm
nahe gelegt durch die Umstellung, welche schon die Septuaginta
mit dem hebräischen Original vorgenommen hatten, welches jene
zwei auf die Eltern bezüglichen Gesetze bekanntlich durch das
Gesetz über Menschenraub auseinander hält. Severus geht nun
aber noch einige Schritte weiter; statt tutttci, das wahrschein-
lich in der Itala, ebenso wie bei Hieronymus, durch pcrcusseiit,
und statt kukoKotäv, das nachweislich durch maledixcrit wieder-
gegeben war, setzt ex puUaverit conviciumve eis dixerit d. h. die
stehenden Ausdrtlcke des römischen Rechts fdr die zwei gewöhn-
lichsten Arten der einfachen Injurie, mit denen man sogar die
Injurie überhaupt zu definiren^ meinen konnte. Durch pulsare
bezeichnet die Kechtssprache in solchem Zusammenhange das
blosse Stossen oder schmerzlose Schlagen, welches in dem sul-
lanischen Gesetz {Dig. xlyii 10, 5) ausdrücklich unterschieden
war von verberare, dem Peitschen oder schmerzenden Schlagen;
conviciiim hält in juristischer Bedeutung die Mitte zwischen ma-
ledictum in weiterem und mdledictum in engerem Sinn; es ist
nicht das blosse Schirapfen und auch nicht das eigentliche Ver-
fluchen, sondern das laute und öffentliche Schmähen. Indem
also Severus die in der Bibel verhängte Todesstrafe auf denje-
nigen bezieht, qui patrem matremve pulsaverit conviciumve eis
dixerit, bezieht er sie auf den einfachen Injurianten der Eltern — |
eine Strenge, die der jüdischen Auslegung, welche Verwundung 39
und Verfluchung unter Aussprechung des Gottesnamens fordert,
ebenso widerspricht wie dem späteren römischen Recht, welches
jede gegen Eltern geübte Injurie wohl als 'schwere Injurie'
{atrox iniuria, Dig, XLVll 10, 7, 8) behandelt, aber nicht mit Capi-
talstrafe belegt. Dagegen erinnert diese Strenge an das alte
^ Äd Herennium n 26, 41 Fahae {definitiones) sunt huiusmodi : si
quis dicat iniuriam esse nuUam nisi quae ex piUscUione atU convicio constet.
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144 XXIX lieber die Chronik des Sulpicius Severus
Königsgesetz ^^, welches den Sohn sacrirte der den Vater ge-
schlagen hatte (F'cstus s. v. plorarc)\ und da sonst meistens der
Sacrirung im älteren Rec ht die (Japitalstrafe im späteren ent-
spricht, so ist CS nicht unni()glich, dass eben diese Analogie mit
der alten lex regia den Severus zu der besprochenen Aufifassong
der biblischen Gesetze bestimmte. — Wie gern er auf der-
gleichen Analogien hinweist, zeigt § 12, wo die alterthlimlich
ausmalenden zwei Bibelverse auf die sieben Worte nocttirnnm
furetn occidi licet, diurntim non licet reducirt sind, deren blosser
Klang bei jedem römischen Juristen die Erinnerung erwecken
musste, welche den oben erwähnten Vergleicber des mosaischen
und römischen Rechts (vii 1,1) zu folgender Apostrophe veran-
lasst hat: 'Wenn die zwölf Tafeln den Dieb bei Nacht in alle
Wege, bei Tage nur dann wenn er mit Waffen sich wehrt, todt-
schlagen heissen, so wisset, ihr Rechtsgelehrten, dass Moses
längst schon das Gleiche verordnet hatte' {Quodsi dtiodecim ta-
bidae nocturnum furein [quoquomodo, ditirnmn] autem si se telo
defenderit interfici iubent, scitoie, iurisconsulti^ quia Moyses prius
hoc statuit). Denn in dieser kurzen Antithese von für nocturnus
und ditirnus war man seit Cicero (pro Mil. 3) gewohnt, das von den
Decemvirn anders (Macroh. Sat. i 4, 19) und voller stilisirte Gesetz,
der Bequemlichkeit wegen, zu citiren. — Auch der vorherge-
hende § 11, welcher ohne an die Abfolge der Bibelverse sich
zu binden, die auf Viehdiebstahl bezüglichen Gesetze vereinigt,
enthält in den Worten si viva penes abactorem pecora reperientur
eine Rcminiscenz an das römische Recht, für welche jener Ver-
gleicher einen besonderen Abschnitt seiner Sammlung {Tit. XL)
aufwendet, die aber Severus mit feiner Kürze andeutet blos
durch die über den Bibcltext hinausgehende Nennung des tech-
nischen Wortes ahactor und durch gewandte Benutzung des ihm
von den Septuaginta überernstimmend mit dem hebräischen Ori-
ginal ip^^r) dargebotenen Plurals COüvxa. Den gewerbmässigen
^ Auch ausserhalb des Kreises juristischer Forscher musste diese
lex regia in Andenken erhalten werden durch Vergilius, der Aen. vi 609
besondere Höllenstrafen denjenigen zuerkennt qitibus Pulsatusve imrens atit
fram innexa clienti. Denn wie der zweite Halbvers deutlich auf die von
den zwölf Tafeln gegen den Verletzer der Patronatspflicht ausgesprochene
Sacrirung sich bezieht, so liegt auch dem erston Halbvers eine Anspielung
nicht, wie manche Ausleger meinen, auf platonische Stellen sondern auf
jenes Gestitz der römischen Urzeit zu Grunde.
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XXIX lieber die Chronik des Sulpicius Severus 145
Viehdieb {abactor) nämlich verfolgt das römische Recht mit
schwereren Strafen als den gewöhnlichen Dieb, und bemisst die
Gewerbmässigkeit nach der Anzahl der weggetriebenen Vieh-
stücke. Wer 6iuc Ziege wegtreibt wird als für behandelt ; wer
zehn Ziegen wegtreibt, ist ein abactor und wird unter Umstän-
den sogar mit dem Tode bestraft (Gollat xi 3 Dig, XLVII 14, 3).
Deshalb kann Severus erst bei 'mehreren ViehstUcken* (pecora)
den Terminus abactor anwenden um die mosaische Bestimmung
des blossen duplum in stillen Gegensatz zu der römischen Strenge
treten zu lassen ; und indem er für diesen Theil des Gesetzes es
hervorhebt, dass die Viehstücke sich bei dem abactor noch 'le-
bendig vorfinden' (viva reperientur\ deutet er zugleich an, dass
die beiden vorhergehenden Strafen des Fünf- und Vierfachen fllr
Diebstahl 6ines Rindes und 6ines Schaafes nicht auf solchen
Fall berechnet | sind, sondern nur dann Statt finden, wenn das 40
Thier entweder nicht mehr am Leben, oder nicht mehr bei dem
Diebe zu finden ist, d. h. entweder, wie der biblische Text lautet,
geschlachtet oder verkauft worden; quinque restituet musste Se-
verus in gewöhnlicher Sprache neben dem juristischen quadrupli
poena erit sagen, weil das römische Recht eine Strafe des Fünf-
fachen nicht kennt und demnach die Reihe der entsprechenden
Wortbildungen bei quadruplum abbricht. — Eine nicht minder
hervorstechende juristische Zuthat zu dem biblischen Text bietet
§ 7, wo der eines Zahnes oder Auges beraubte Sclave, welchen
der Herr frei lassen soll, vindicta liberabitur. Es ist verwunder-
lich dass ein in den römischen Rechtsantiquitäten so bewanderter
Mann wie Sigonius dem Severus vorwerfen konnte, er habe durch
Hinzutilgung von vindicta die Sache 'dunkler' gemacht. Nach
dem justinianischen Recht freilich, welches diese Art der Frei-
lassung blos äusserlich als Erklärung vor dem Magistrat von den
übrigen Art^n unterscheidet, wäre nicht abzusehen warum Se-
verus an dieser Stelle vorzugsweise die vindicta genannt hat.
Erinnert man sich jedoch dass im alten Recht die vindicta eine
eigentliche vindicatio war, bei welcher ein Dritter die Freiheit
des Sclaven in Anspruch nahm, der Herr dagegen sein Eigen-
thumsrecht behauptete und schliesslich der Magistrat zu Gunsten
der Freiheit entschied, so wird man es als eine geschickte Ue-
bcrtragung loben müssen, dass Severus hier, wo das biblische
Gesetz den Herrn des misshandelten Sclaven zur Freilassung
zwingt, jene ihm in ihrer ursprünglichen Bedeutung noch be-
Benwyi, ges. Abhandl. n. 10
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146 ixix Üeber die Chronik des Sulpicius Severufi
kannte Form der unfreiwilligen Manumission gewählt hat. —
Endlich mag noch hervorgehoben werden dass § 22 die zwei be-
treffenden Bibelverse y mit einem den Kennern des hebräischen
Textes deutlichen, jedoch dem mittelbar oder unmittelbar von
den Septuaginta abhängigen Severus leicht zu verzeihenden Irr-
thum, zusammengezogen sind in eine und dieselbe Bestimmung
über Verabredungen zu Missbrauch der Rechtsformen oder son-
stige Complote. Dass in coitiones facere wiederum der technisch
juristische Ausdruck ftlr derartige Vergehen gewählt worden,
zeigt die Vergleichung solcher Stellen wie Cic. p, Plancio 22, 53,
wo coitio facta von Wahlcomploten, und Coli, vin 7; 2 Dig. XLvn
13, 2 wo coire ad und coire in von Verabredungen zu falschem
Zeugniss und falscher Anklage vorkommt. — Ueberblickt man
nun wie, ausser in diesen augenfälligeren Wörtern und Formeln,
auch noch in den leiseren syntaktischen Wendungen (§ 8 in
quantum § 14 w penes quem = Dig. xvi 3, 29) überall das juri-
stische Idiom mit kunstfertiger Sicherheit gewahrt ist, so wird
man dem Severus, trotz der mancherlei Verstösse gegen den
Sinn des ihm unzugänglichen hebräischen Originals, die Aner-
kennung nicht versagen, dass er seine nächste stilistische Auf-
gabe recht meisterlich gelöst hat, und dass seine freie Ueber-
tragung in die Steinsprache römischer Gesetze einen der ehernen
Sprache Mosis viel verwandteren Gesammteindruck macht als
man ihn bei den wörtlichen DoUmetschungen sowohl der älteren
wie der neueren Zeit empfinden kann. Mit Zuversicht durfte
Severus hoffen, dass nun für einen grossen Theil seiner Leser
diese scheinbar so dürre Partie des Pentateuchs durch die von
selbst sich aufdrängenden Parallelen mit dem römischen Recht
wenigstens eben so anziehend geworden sei wie die historisch
belebteren Abschnitte. Denn das Publicum, welches er zunächst
befriedigen wollte, war das aquitanische, bei welchem er die
gleiche, auf viel Rhetorik und etwas Jurisprudenz ruhende Bil-
dung voraussetzen konnte, die er selbst empfangen hatte. Und
in der Beschaffenheit dieses Publicums, in seinen Ansprüchen
und Bedürfnissen liegen die Anlässe zu der gesammten stilisti-
41 sehen Arbeit des Severus, von welcher das eben | durchmusterte®*
^ Die nöthigsten Angaben über die vorgenommenen kleineren Wort-
besserungen seien hier in aller Kürze zosammengefasst. — § 3 hat con-
viciumvet das sich selbst rechtfertigt, schon De Prato vorgeschlagen, wie
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XXIX Uelier die Chronik des Sulpicius Severus 147
Stück eine Probe gegeben hat. Im Kreise der Redekünstler
und Sachwalter, welche den Kern der gebildeten Stände Aqui-
taniens ausmachten, war die Bibel bisher nicht blos ungelegen
geblieben, sondern sie war fllr dieselben auch wirklich unles-
bar. Je ausschliesslicher die Jugenderziehung eine formal litte-
rärische ward, je weniger man im späteren Leben die Form
mit gediegenem Gehalt des Denkens und Handelns zu erfüllen
vermochte, und je unfähiger man selbst auf formalem Gebiete
sich fühlte, das Ueberlieferte durch eigene Erfindung zu mehren,
desto wählerischer und einseitiger wurde der litterärische Ge-
schmack, desto herrischer wollte er vor allen Dingen seinen
formalen Anforderungen genügt sehen, ehe er sich auch nur bis
aoch § 22 in quamcumque malitiam, und § 8 didrachmis auf Grund der
Septuaginta, welche bekanntlich den vier attische Drachmen geltenden
Schekel auf die alexandrinische Währung reducirten (s. J. Brandis, Münz-
wesen p. 96, 1). — § 5 ist in vor iudicio aus der Vaticanischen Handschrift
hinzugekommen. — § 6 mag sich jeder, der es der Mühe werth hält, die
unverkennbare und von fast allen Herausgebern anerkannte Lücke beliebig
ausfüllen mit Benutzung der bei Sabatier verzeichneten Itala oder nach
Anleitung des Griechischen, welchem Severus sich auch darin anschliesst,
dass er für dHciKoviain^vov defomiatum setzt im Sinn von formatum (Ruhn-
ken zu Rutil, n 6 p. 90 (vgl. Cincius bei Festus 8. v. rodus p. 265, 17 Müll.
omnis fere materia non deformata rudis appeüatur, bei Hyginus poeU astron.
II 27 dreimal)). Ich fühle mich nicht gedrungen, bei dieser widerwärtigen
und wohl nur aus schlimmer Absicht entsprungenen Verderbung der hebräi-
schen Urschrift durch die Septuaginta länger zu verweilen, zumal da
Hieronymus das Richtige in sein Recht eingesetzt hat. (Die argen juri-
stischen Schlüsse, welche aus der falschen Uebersetzung der Septuaginta
gezogen wurden, bespricht Cuiacius ohserv. xix 9). — § 26 sticht die
synonymische Fülle paiiperibus et egenis, welche überall auffallen würde,
gegen den sonst so knappen Stil dieses Abschnittes gar zu sehr ab und
findet im Bibeltext keinen Anhalt. Mein Vorschlag pauperibiis gentis ent-
spricht dem pauperes populi tut {^729 '^S'^afi«) des Hieronymus, wofür die
bei Sabatier aus Augustinus angeführte Itala paupeies gentis tuae hatte. —
Zur Charakteristik von De Prato's Kritik sei schliesslich noch bemerkt,
dass er § 8 und § 10 conBiduerit beidemal mit grosser Unbefangenheit
ändern will in reduserit Er hatte also kein Gefühl dafür, wie trefflich
conmlere mit dem Sinn von ' Maassregeln ergreifen* in jedes gute Latein
und besonders in ein juristisches passt. Ueberhaupt 8chein^ er von der
juristischen Färbung des ganzen Stücks nichts gemerkt zu haben, so wenig
wie seine Vorgänger, ausser Sigonius, der sie nicht übersehen haben kann,
aber nur bei v^indicta sich in der angegebenen Weise darüber geäussert hat.
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148 XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severus
zur Kenntnissnahme mit einem neuen Stoffe einlassen mochte.
Um die Ueberwindung zu begreifen, welche Leuten dieser Bil-
dungsstufe der Entschluss kosten musste, ein Capitel der Septua-
ginta oder der Itala zu endigen, braucht man die Vorstellungs-
kraft nicht einmal so weit zurlickzuspannen , wie es der jüngst
vertorbene Historiker Englands " gethan hat, der sich die Frage
vorlegt, welche stutzende Miene wohl die in Maecenas' und Pol-
lio's Abendzirkeln versammelten Meister der lateinischen Zunge
gemacht haben wttrden, wenn plötzlich die Cherubim et Seraphim^
die im ambrosianischen Lobgesang incessabüi voce proclamant
Sanctus, ihr Ohr getroffen hätten. Vielleicht dass ein Vergilius
und Horatius, gerade weil sie mit ihrer Sprache und ihren Stil-
formen noch als wahre Herren und Meister umgingen, nachsich-
tiger über einen Solökismus oder eine im Hebräischen kräftige,
aber im Lateinischen wunderliche Metapher hinweggelesen hät-
ten, sobald nur einmal der Inhalt der Bibel ihnen nahe gebracht
worden. Aber die Litteraten und Gebildeten des vierten und
fünften Jahrhunderts waren die Unterthanen einer eingelernten
Grammatik, die Sclaven einer überkommenen Stilistik; mit dem
besten Willen konnten sie nicht mehr die nöthige Freiheit des
Sinnes erringen, um den Geist da zu achten, wo eine fremd-
42 artige oder gar regelwidrige Form | ihren Geschmack verletzte.
Selbst der junge Augustinus , der Sohn einer gläubigen Mutter,
fand, nachdem bereits Cicero's Hortensius seine schlummernden
Kräfte geweckt hatte und Lust zur Bibel in ihm sich regte,
dennoch an ihr kein dauerndes Gefallen, weil sie ihm 'jedes
Vergleichs mit der Stattlichkeit des Marcus Tullius ( Tuüiana
dignitas^ Confess, lil 5) unwürdig schien'. Und nicht nur er-
götzlich sondern auch recht lehrreich für die ganze damalige
Stimmung der gebildeten Kreise ist die Schilderung, welche
Hieronymus, in dem bekannten halb ernsten, halb scherzenden
Bericht über seine ciceronische Geisselung^"^*, von seinem
^■^ It is curiaus to considerj how those great masters of the Latin
tongue, who used to sup loith Maecenas and Pollio, tomdd have been per-
pkxed hy ' Tibi Cherubim et Seraphim incessabili voce proclamant Sanctu^y
SanctuSf Sanctm Dominus Bens Sabaoth" or by 'Ideo cum Angdis et Ärch-
angeiis, cum thronis et dominationibus\ Macaulay history of England,
eh. 14, Vol. V 141 der Leipziger Ausgabe.
"a Hieron. epist. 22 t. i p. 115 Vallare., <vgl. Gibbon eh. 36 n. 79. Eine
ganz ähnliche Geisselang im Traume erzählt Eusebios hist, eccl. v 28, 12.)
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XXIX Ueber dio Chronik des Sulpicius Severus 149
eigenen Znstande entwirft, wie er nach einer in inbrünsti-
ger Andacht durchwachten Nacht früh Morgens die Komö-
dien des Plautus zur Hand nimmt, dann wieder in sich geht,
die Propheten zu lesen versucht, aber sich abgestossen fühlt
durch den vernachlässigten Ausdruck {sermo horrebat incuUus),
Wenn dies den ernsteren Naturen widerfuhr, was mussten nun
erst Menschen wie z. B. Ausonius empfinden, der gewiss nicht
eine Ausnahme sondern eher das Musterbild der aquitanischen
Gesellschaft darstellt. Dass dieser Lehrer des frommen, zuerst
den heidnischen Ornat des Pontifex Maximus ablegenden Kaisers
Gratianus^*^^ der christlichen Gemeinde angehörte, steht für alle
Besonnenen längst ausser Zweifel; ebenso unzweifelhaft aber
beweisen seine Schriften dass er die Bibel nicht anders als von
Hörensagen gekannt hat. Er und die aquitanischen 'Professoren',
welche er besingt, hätten um ihres Glaubens willen wohl jede
andre Noth und Schmach lieber gelitten als die Noth, solche
Solökismen lesen, und die Schmach, solche Barbarismen in die
Feder oder den Mund nehmen zu müssen, wie sie jeder Vers
der Itala oder der Septuaginta enthält. Und eben weil für diese
Kreise die Bibel so gut wie nicht vorhanden war, fand die
Schwärmerei bei ihnen einen so leichten Eingang. Für alle
ähnlichen litterärischen und religiösen Zustände gilt ja der Zu-
sammenhang von Ursache und Folge, welchen Augustinus an-
deutet, indem er, unmittelbar nach dem Bekenntniss seiner vor-
maligen Abneigung gegen die Bibel, zu beichten fortfährt: 'so
fiel ich denn {incidi itaque , Conf, iii 6 init) in die Hände der
Manichäer\ Was aber die Manichäer für Africa, waren für
Aquitanien die Priscillianisten. Wie mächtig diese dort zu Se-
verus' Zeit und in seiner nächsten Nähe fortbestanden, welch
wirksames Mittel der Propaganda sie bei der litterärischen
Stimmung Aquitaniens an ihrer classischen Bildung besassen,
ist oben (S. 89 und 93 f.) dargelegt worden ; und je ernstlicher Se-
verus das blutige Einschreiten gegen sie missbiiligte, desto mehr
musste er sich aufgefordert fühlen, sie mit den Waffen der Feder
auf ihrem eigenen Felde zu bekämpfen. Er wählte eine un-
verfängliche und zugleich das Uebel tief an der Wurzel fassende
Art des Angriffs, indem er es versuchte, den einfachen, that-
sächlichen Inhalt der biblischen Schriften als lesbares Geschichts-
^■^b (Ausführlich darüber Seiden de synedriis i 10 p. 183 f. Amsterd.) .
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150 XXIX ücber die Chronik des Sulpicius Severus
buch den Rhetoren und gebildeten Frauen, unter welchen der
Priscillianismus den zahlreichsten Anhang gefunden hatte, in die
Hände zu spielen. Weil es für solche Leser keinen anderen
historischen Stil gab als den durch Sallustius und Tacitus fixir-
ten, deshalb sucht Severus diesen classischen Vorbildern mög-
lichst nahe zu bleiben, und während er in anderen, für die be-
reits Glaubensfesten bestimmten Schriften geringschätzig von der
'Beredsamkeit' spricht und sich dessen rühmt, dass er über
Solökismen^® nicht erröthe, hat er in der Chronik alle Mittel
^ In dem Brief an Desiderius, welcher die Einleitung zu der Vita
Martini bildet, sagt Severus : bona venia id a lectorxbus postuldbis, ut res
potius quam verha perpendant et aequo animo ferant si aures eorum vitiosus
forsitan sermo perculerit, quia regnum Bei non in eloquentia sed in fide
eonstat, Meminerint etiatiiy sälutem saeculo non ab oratoribus — cum uti-
qtte, si utile fuisset^ id quoque Dominus praestare potuisset — sed a
piscatoribus praedicatam (nach der Lesart des veronesischen Capitularco-
dex). Ego enim cum primum animum ad scribendum appuli (also den Te-
renz nachzuahmen kann er selbst in der Fischersprache sich nicht versa-
gen), quia nefas putarem tanti viri (des Marti nus) latere virtutes, apud me
ipse decidi ut soloecismis non erübescerem, — Dass es auch in der Chronik,
trotz der erstrebten Eleganz, nicht an Zeichen der sinkenden Sprache
mangelt, wird Niemand überraschen. Z. B. ist dissimuHare geradezu für
neglegere gebraucht ii 1, 4 n€ dissimulatum imperium regis und i 13, 3 nee
dissimulari cruentum imperium licebat. Vgl. in dem vortrefflich geschrie-
benen Brief des Pelagius an Demetrias c. 3 extr. (Hieron. ed. Vallars.
Vol. XI 2 p. 5) Et improbissimi hominum dum dissimulant id ipsttm bene
administrare quod facti sunt, aliter se factos fuisse malunt, (häufig bei Ve-
getius, s. Lang's Index). — Ebenso überschreitet der Gebrauch von cur
statt propterea quod weit die für die gute Sprache geltenden Grenzen in
folgenden Sätzen : i 38, 6 veniam a Beo petefis (Bavid) cur in id animos
extiüisset ii 15, 8 Half) fernes ... ira accensus cur ex peccato potissimum
ludaeorum pendere illius victona putaretur. Dasselbe, auch dem Sidonius
(und Gregor von Tours (s. Haase zu dessen über de cursu stellarum p. 48))
geläufige, cur bietet die Vaticanische Handschrift noch an zwei anderen
Stellen i 35, 5 Saul Äbimelech sacerdotem interemit cur Bavid recepissct
und I 44, 6 spreto Michaea propheta et in vincüla coniecto cur ei exitiabi-
lern fort pugnam denuntiasset, wo Flacius beidemal quod hat; (bei Euan-
tius in Ter. p. 6, 15 Reifferscheid ist es von Schopen in cum geändert. —
In gleicher Weise findet sich bei Flacius siquidem mit dem Conjunctiv nur
einmal n 5, 7 ; der Vaticanus bezeugt es, ausser in der oben Anm. 48 be-
handelten Stelle, auch noch i 7, 4 siquidem . . . ageret. — Andererseits ge-
währt der Vaticanus, statt der tadelhaften Wortbildung i 16, 5 gladali
cdbedine erat, die gute plautinische Form albitudine, wie er auch in i 9, 3
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XXIX Ueber die Chronik des SulpiciuB Severae 151
aufgeboten, um | den Rhetoren durch die That zu beweisen, dass 43
man von biblischen Dingen auch in einer anderen, als in der
Fischersprache' schreiben könne. Dieser Beweis durfte, da es
ein factischer sein sollte, nicht erst unter ausdrücklicher An-
ktlndigung angetreten werden; jedes Reden dartlber hätte sogar
als Herausforderung der Kritik erscheinen und die Wirkung be-
einträchtigen müssen; und daher hat Severus gänzlich geschwie-
gen von dieser ersten der zwei oben (S. 130) bezeichneten Eigen-
thümlichkeiten seines Werkes, welche in der stilistischen
Form liegt.
Um so bestimmter hat er selbst auf die andere Eigenthüm-
lichkeit, welche durch die stoffliche Auswahl bedingt ist,
in der Einleitung hingewiesen, die hier unverkürzt folgt, weil
sie nicht allzu lang ist und einen passenden Leitfaden für den
weiteren Fortschritt unserer Untersuchung darbietet. 'Ich habe
es unternommen — sagt er^® — die in der heiligen Schrift über-
lieferte Geschichte von dem Weltbeginn an kurz zusammenzu-
drängen und unter genauen Zeitangaben bis auf die Gegenwart
herab in grossen Umrissen zu erzählen, weil dies von mir Viele
ernstlich forderten, welche die göttlichen Dinge im Wege eines
zeitsparenden Lesens kennen zu lernen sich beeilen wollten.
Ihrem Verlangen nachgebend habe ich keine Mühe gescheut,
um den in so sehr vielen Bänden verzeichneten Inhalt in zwei
Büchlein einzuschliessen , habe aber bei diesem Streben nach
Kürze dennoch von Begebenheiten fast nichts unterdrückt. Nach-
Bachel desperata iam partitudine loseph edidit eine ebenfalls plautinische
Form bewahrt, welche bei Flacius durch die Interpolation desperato iam
partu verwischt ist. Eine ebenso unberechtigte Interpolation i 48, 6 eibo
potuque abstinere iubentur verdrängt bei Flacius die gewählte, im Vaticanus
erhaltene Wendung eibo potuqw ahstinentur, (vgl. Gesners lexieon rusHeum
hinter den scrr. r. r. unter dem Worte).
^ Bes a mundi exordio saeris litteris editaa brevüer constringere et
eum disHnctione temporum tisque ad nostram memoriam carpiim (= Sallust.
Cat, 4} dieere aggressus «um, mviltie id a me et studiose (so der Vaticanus
statt me studiose des Flacius) efflagitantibus, qui divina oompendiosa leetione
cognoscere properabant (= Sallust. Cot, 7 conspiei .... properabaJt), Q^omm
ego volunbatem secutus non peperci labori meo, quin ea qtuu permuUia volu-
minibiM perscripta conUnebantur duobue Ubeüis conduderem, ita brevitati
studene ut paene nihil gestis subduxerim, Visum autem mifU est non absur-
dum, cum usque ad Christi crucem Apostolorumque actus per sacram JUsto-
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152 XXIX Ueber die Chronik des Sulpicias Severus
dem ich so die heilige Geschichte bis zu den Evangelien und
der Apostelgeschichte durchlaufen, schien es mir nicht un-
passend, auch die späteren Begebenheiten anzjikntlpfen : die
Zerstörung Jerusalems, die Bedrängnisse der christlichen Ge-
meinde, die dann folgenden Zeiten des Friedens und dann
wiederum die allgemeine Verwirrung durch Gefahren im Iniem
der Kirche. Uebrigens trage ich kein Bedenken zu gestehen,
dass ich, wo mein Plan es erforderte, zu genauer Zeitangabe
und zu Fortführung der geschichtlichen Reihenfolge auch heid-
nische Geschichtschreiber benutzt und aus ihnen entnommen
habe was zur Vervollständigung der Kunde mangelte, damit
44 zugleich die üngelelirten unterrichtet | und die Gebildeten tiber-
wiesen werden. Jedoch was die geordneten Auszüge aus den
heiligen Büchern angeht, möchte ich denen nicht meinen Beifall
geben, welche dieselben so lesen wollen, dass sie allein danach
greifen, und die Quellen, aus denen sie abgeleitet worden, un-
beachtet lassen. Man möge vielmehr mit den Quellen sich ver-
traut machen, und dann das dort Gelesene hier von Neuem sich
vergegenwärtigen. Denn die Geheimnisse der göttlichen Dinge
lassen vollständig sich nur aus den Quellen selbst schöpfen'.
Vergleichen wir diese Ankündigungen mit dem im Werk
Geleisteten, so darf es zunächst dahingestellt bleiben ob die
'Vielen*, durch deren ernstliches Fordern Severus sich zu seiner
Arbeit bewegen lässt, leibhaftige Personen waren, oder ob sie
zu den Personificationen gehören, mit welchen die Schriftsteller
aller Zeiten, gleichsam wie mit einer mythologischen Maschinerie,
riam cucurrissem, etiam post gesta conectere (so Vat., convertere Flacius) : ex-
cidium Hierosolymae vexationesque popüli Christiani et mox pads tempora
ae rursutn ecclesiarum intestinis perictdis turbata omnia Ux^urus (dieses,
wie die Construction zeigt, verderbte Wort überzeugend zu bessern ist
bisher nicht gelungen). Ceterum iÜud non pigebit fateri, me, sicubi ratio
exegit, ad distinguenda tempora continuandamque seriem usum esse histori-
eis ethnicis atque ex his qiiae ad supplementum cognitionis deerant t<sur-
passe, tU et imperitos docerem et Utteratos convincerem. Verum tarnen ea qiwe
de sacris voluminibus breviata digessimus non ita legentibus avctor accesserim
(s. Anm. 60) ut, praetermissis his unde derivata (so derVaticanus statt prae-
temiissis iüis unde haec derivata des Flacius) sunJt, appetantur ; nisi cum iüa
quis famüiariter noverit, hie recognoscat quae i&t legerit. Etenim universa
divinarum rerum mysteria non nisi ex ipsis fonObus hauriri queunt Nunc
initium narrandi faciam (= Sallust. Cat, 4 extr.).
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XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus 153
ihre Vorreden zu beleben pflegen. Auch in dem letzteren, wabr-
scheinlicheren Falle ergiebt sich was allein zu erfahren uns
wichtig sein kann, dass Severus zu seinem Unlernehmen be-
stimmt wurde vorzüglich durch das Bedilrfniss solcher Leser,
welche die Bibel noch nicht kannten, sondern erst kennen lernen
wollten, aber nicht Zeit und Lust fanden, sich durch die vielen
Bände der wörtlichen Uebersetzung hindurchzuarbeiten. Er muss
sogar furchten dass diese Art von Lesern, nachdem sie in den
Besitz eines Compendiums gekommen, die bändereichen Quellen
gar nicht zur Hand nehmen. Hiergegen verwahrt er zwar sein
frommes Gewissen in dem etwas gewundenen Schlusssatz; er
kann einer solchen, die Quellen verdrängenden Benutzung des
Auszugs nicht 'Beifall ^^ geben'; erwünscht vielmehr dass man
seine Arbeit nicht als ausschliessliches Mittel des Kennenlernens
{cognoscere)j wie jene 'Vielen' wollten, sondern neben den Quellen
zur Wiederholung (recognoscere) gebrauche. Jedoch hat er keiner-
lei Vorkehrung getroffen, die Erfüllung dieses Wunsches zu er-
zwingen. Was er überhaupt erzählt, ist nun auch in sich ab-
gerundet, setzt, um verstanden und genutzt zu werden, weder
eine vorherige Bekanntschaft mit der Bibel voraus, noch | lässt45
es einen Stachel zurück, der einen nicht sonst schon bibelfreund-
lichen Leser auf dieselbe hindrängen müsste. Wo er aber, unter
Verweisung auf die ausführlicheren Quellen, etwas tibergeht, da
macht er von der Beschaffenheit des Ausgelassenen solche An-
gaben und giebt seinen citirenden Worten eine solche Schatti-
rnng, dass sie den gewöhnlichen Leser eher abschrecken als
einladen müssen, das Gitat zu verificiren. Z. B. die Stammtafel
der Nachkommen Esau's (Gen. 36) hat er in sein * knappes Werk'
nicht aufnehmen mögen; 'wem besonders daran liegt' [si quü
^ Dass auetor in den eben (Anm. 59) mitgetheilten Worten legen'
tihua auetor accesserim nicht die gewöhnliche Bedeutung 'Rathgeber, An-
stifter' habe, lehrt accesserim, welches nur das nachtragliche Hinzutreten
eines Gutheissenden bezeichnen kann, etwa wie in den publicis tischen und
juristischen Redensarten patres auetor es fieri und tutorem auetor etn fieri
für Ratificiren und Einstimmen gesagt wird, nach Paulus' (Dig. xxvi 8, 3)
Erläuterung : probare quod agitur, hoc est auetorem fieri. — Einen Beweis
für die Verbreitung der Leetüre des Severus im sechszebnten Jahrhundert
giebt das Wiederkehren dieser eigeuthümlichen Wendung bei Petrus Daniel
in der Vorrede zu seinem Servius (Rh. Mus. xiv 535 letzte Zeile): quo fit
ut non facile legentibus auetor accesserit etc.
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154 XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severus
studiosior erit i 10, 4), der möge sich an die Quellen halten. Die
Gebote über den Bau der Stiftshütte (Exod. 25—31) lässt er
fort, weil sie ihm *gar weitläufig' (prolixa admodum i 19, 3) er-
schienen sind. Dass der ganze Leviticus übergangen wird als
* angefüllt mit Priesterregeln und unergiebig für die Geschichte*,
ist schon oben (S. 132) berührt worden. Aber auch auf die ge-
schichtlich so wichtige Ueberlieferung von den Städten der Ur-
zeit (Gen, 10) hat er 'keine Lust näher einzugehen' {nominatim
persequi animus non fuit i 4, 3); das Verzeichniss der kanaaniti-
schen Könige {los. 12) wird 'im Streben nach Kürze' {dum bre-
vitati studemus i 23, 4) mit zwei Worten abgethan ; ja, sogar die
geaammte Chronologie der Könige des Zehnstämmereichs hat er
als * überflüssig' {superflua i 47, 2) ausgeschieden. Wie nun diese
Beispiele darthun, dass die Beziehungen zwischen dem Auszuge
und der Quelle keineswegs innige sind, so zeigen sie anderer-
seits, welch beträchtliche Einschränkung das Vorgeben der Ein-
leitung bedarf, es sei trotz der angestrebten Kürze *fast keine
Begebenheit' unerwähnt geblieben. Von denjenigen Begeben-
heiten freilich, welche die Bibel selbst mit erschöpfender Aus-
führlichkeit erzählt und die sich daher ohne Mühe nacherzählen
Hessen, mag wohl keine fehlen; und Geschichten wie die von
Esther und Judith sind sogar mit unverhältnissmässiger Breite
(II 12— 16) behandelt, gewiss nur deshalb, weil sie für den
leichten Erzählerton einen so dankbaren Stoff abgeben; überall
jedoch wo der wahre Geschichtsforscher sich gerade durch die
karg andeutende Kürze der Bibel zum Ergründen und Ver^veilen
gereizt findet, verdoppelt Severus seinen Excerptorenschritt und
eilt auch an 'Begebenheiten' vorüber. Er wollte eben kein
forschendes Geschichtswerk, sondern ein geschichtliches Lese-
buch liefern, und hatte die im alten Aquitanien wohl ebenso fest
wie im modernen Frankreich eingebürgerte Kunst gelernt, das
Lesebuch nun auch lesbar vorzüglich dadurch zu machen, dass
Alles ferngehalten wird, was das Behagen stören, zu anstrengen-
der Theilnahme an einer Einzelforschung nöthigen, oder sonst
eine merkliche Unterbrechung der einmal angeregten Grund-
stimmung herbeiführen könnte. Sicherlich liegt in diesem Stre-
ben, den bequemen Ton des Lesebuchs festzuhalten, auch der
hauptsächlichste, wenngleich nicht der alleinige, Anlass zu der
beim ersten Blick so sehr auffallenden Aussonderung der neu-
testamentlichen Bücher. Severus sagt es selbst {n27, 3): 'Den
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severus 155
Inhalt der Evangelien nnd der Apostelgeschichte habe er zu
bertlhren nicht gewagt, damit der Würde dieser Dinge darch
die knappe Form seiner Arbeit kein Abbruch geschehe' (ne quid
forma praedsi operis rerum dignitatibus deminuerei). Mit anderen
Worten: Eine auf ' Begebenheiten' beschränkte Auswahl und eine
schlichte Erzählung wären beim Neuen Testament unthunlich
gewesen; das Dogma hätte nothwendig die Geschichte über-
tönen müssen; um einfacher Geschichtserzähler bleiben zu können,
biegt daher Severus ehrfurchtsvoll aus nicht blos vor den Evan-
gelien sondern auch vor der an ^Begebenheiten' doch so reichen
Apostelgeschichte.
Ausser durch dieses Ablehnen des Dogmatischen will Se-
verus, wie die Einleitung ferner hervorhebt, seinem Werke noch
durch zwei positive Mittel das rein historische Gepräge ver-
leihen, I indem er erstlich die erzählten Ereignisse mit fort- 46
laufenden chronologischen Daten versieht, und indem er
zweitens nichtbiblische Nachrichten zur Ergänzung der
biblischen verwendet.
Mit der Chronologie hat er es recht ernstlich genommen
und schwierigere Punkte derselben auch in Episoden besprochen,
die zwar nicht so häufig und aui^edehnt sind, dass der leichte
Pluss der Erzählung wesentlich gehindert würde, aber doch oft
genug eintreten, um des Verfassers Neigung für solche Unter-
suchungen zu bekunden. Ausser den bezüglichen Angaben der
Bibel selbst, benutzt und citirt er vornehmlich die Chronik des
Eusebios, die schon seit dem Jahre 380 in der lateinischen
Uebersetzung des Hieronymus (vgl. Vallarsi XI 1 p. 66) verbreitet
war, und die er, da an seiner Kenntniss des Griechischen zu
zweifeln kein Grund ist, gewiss auch im Original studirt hat®<^;
er hatte sich mehrere Exemplare derselben verschafft, um die
Fehler der Abschreiber besonders in den Zahlen controliren zu
können (ii 9, 8), wie er denn solche Zahlenfehler auch in den
ihm vorliegenden Handschriften der griechischen und lateinischen
Bibel mit berechtigtem Freisinn annimmt und die schlimme, nur
zu sehr eingetroffene Ahnung nicht unterdrücken kann, dass eine
ähnliche Verwahrlosung seitens der Abschreiber den vielen so
*** (Noch Sidonius ApolIinariB sagt ep, vni 6 p. 224 Sinnond Var-
ronem loghistoricum, sicut poposceras, et Eusebium chronographum
misi (tibi)).
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156 XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus
mühsam ausgerechneten Jahreszahlen in seinem eigenen Werke
bevorstehe®^. Aber auch entlegenere chronologische Hilfsmittel
hat er neben den eusebianischen zu Rath gezogen. Unter den
'vielen Büchern die er nachgeschlagen' (dum multa evolverem ii
5, 7) erwähnt er als vorzüglich ergiebig ein anonymes Verzeich-
niss der Regierungsjahre babylonischer Könige®^*, und die zum
Theil recht erlesenen Angaben, welche er demselben entnimmt,
haben längst die Aufmerksamkeit der neueren Chronologen er-
regt®2. gQ stark wirkte auch auf ihn der wundersame Reiz
^^ Bei der grossen Seltenheit solcher kritischen Aeasserungen in der
ekklesiastischen Litterat ur wird man die fraglichen Worte des Severus
hier gern vollständig lesen. Nach seinen eigenen Rechnungen hatte sich
ihm das Intervall zwischen dem Auszug aus Aegypten und dem Beginn
des salomonischen Tempelbaues auf 588 Jahre gestellt, während er in
seinen Handschriften der Septuaginta, wie auch wir in den unsrigen.
Eeg. I 6, 1 die Summe von 440 Jahren, statt 480 der hebräischen Urschrift,
angegeben fand. Hierüber spricht er nun folgendermaassen (i 40, 1) :
quarto fere itnperii anno pn'mum fundamentum {templi Salomon) ieeit, a
profectione Hebraeorum ex Aegypto anno fere octavo et octogesimo et quin-
gentesimo. Licet libro Regnorum tertio ccccxl fuisse refcrantur^ qtwd ne-
quaquam conve7iü; siquidem per seriem superius comprehensam faciUus fue-
rit, ut minus fortassis annorum quam ampUus annotarim, Sed non dubito
lihrariorum potius neglegentia^ praesertim tot tarn saecvlis intercedentibus,
veritatem fuisse eorruptam quam ut propheta erraverit; sicut in hoc ipso
nostro opiiscüh futurum credimus ut descrihentium incuria quae non incu-
riose a nobis sunt digesta vitientur.
®i» <Naoh A. V. Gutschmid (Fleckeisens Jahrb. 87, 713) rührte es
von einem christlichen Autor her, der die Regierungsjahre der einzelnen
Perserkönige nach der obligaten 70jährigcn babylonischen Gefangenschaft
zurecht macht).
® Ich bf'gnüge mich mit der Verweisung auf Clinton fast. Hellen.
p. 335 ed. Krug., wie ich auch im Uebrigeu ein näheres £ingehen auf die
chronologischen Resultate des Severischen Werkes absichtlich vermeide, da
sie für die litterärgeschichtliche Charakteristik desselben unwesentlich sind
und mit Nutzen nur im Zusammenhang einer systematischen Darstellung
der gesammteu biblischen Chronologie behandelt werden können. (Eini-
ges davon berührt Gutschmid a. a. 0. 712 — 714). — Von der praktischen
Anwendung, welche Severus seinen chronologischen Studien gab, zeugt die
Nachricht des Aldhelmus (opera ed. Giles p. 86), dass zu seiner Zeit (639 —
709) der alte Paschalcyclus von 84 Jahren, welcher sich auf den britischen
Inseln so lange behauptet hat, dort iuxta Sulpicii Severi regulam im Ge-
brauch war. Eine weitere Verhandlung über diese Notiz findet man bei
Van der Hagen Animadv. in Prosperi chronicon p. 343 f.
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XXIX ücber die Chronik des Sulpicius Severus 157
chronologischer Forschung, welche von jeher nur die Draussen-
stehenden abgestossen, die Eingetretenen aber bezaubert und
leider oft verzaubert hat, dass, als diese Studien ihn beschäftig-
ten, er sogar in die Briefe an seine Freunde chronologische
Probleme und Bitten um deren Auflösung einstreute. Die ver-
legene Antwort des Paulinus von Nola (ep. 28, 5 p. 174 Mur.) auf
eine solche chronologische Zumuthung ist uds noch erhalten und
sie lässt deutlich erkennen, dass Severus' Vorliebe für syn- |
chronistische Verbindung der biblischen mit der allgemeinen Ge- *7
schichte auf wenig Theilnahme bei seinen Zeitgenossen im Abend-
lande ausserhalb Aquitanien rechnen durfte. Paulinus, der ge-
wesene Consul, gesteht, dass auch in jenen früheren Jahren, da
er noch mit profaner Litteratur sich abgegeben, er doch immer
den Historikern ausgewichen sei {etiam in tempore veteri quo
videbar — s. Anm. 71 — legere neclegenda ab historicis scriptoribus
peregrincUtis sum); er habe also seine Unfähigkeit zur Beant-
wortung der vorgelegten Fragen alsbald einsehen müssen und
mit denselben nichts Besseres anzufangen gewusst als sie an
den Rufinus nach Aquileia zu senden; dieser sei der einzige
Mann in ganz Italien, welcher in so gelehrten Nöthen vielleicht
helfen könne.
Ob Rufinus den gehegten Erwartungen entsprochen, er-
fahren wir nicht. Aber eine zuverlässigere Hilfe als sie dieser
keineswegs durch Forschung hervorragende Mann gewähren
konnte, fand Severus sicherlich auch für den chronologischen
Theil seiner Arbeit an seinem eigenen Studium der ^heid-
nischen' Autoren, von welchem er sich, der Einleitung zu-
folge, einen so vielfachen Nutzen versprach. Wenn er — heisst
es (oben S. 152) — zur Herstellung einer ununterbrochenen Kette
von Epochen und Begebenheiten auch ausserbiblische Schriften
gebrauche, so sollen dadurch die von classischem Wissen Un-
berührten belehrt {imperitos docerem), aber zugleich sollen auch
durch das Ineinandergreifen der ausserbiblischen und der bib-
lischen Berichte die Gebildeten tiberführt werden (lüteratos con-
vincerem); das Gewicht so unabhängiger Zeugen, wie es die
'heidnischen' Historiker sind, soll den Glauben an die Geschicht-
lichkeit der Bibel bei den 'Gebildeten' verstärken. Mithin zeigt
sich hier abermals von stofflicher Seite dasselbe was die Be-
trachtung der stilistischen Form der Chronik ergeben hat, dass
nämlich Severus nicht blos auf die schon Gläubigen sein Ab-
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158 xxix tJeber die Chronik des Sulpicius SeverUfl
sehen richtet, sondern vornehmlich auf solche, die es erst wer-
den sollen ; nur fUr ein Publicum, dem die classische Geschicht-
schrei bung vertraut, die Bibel aber fremd war oder nicht ohne
Weiteres als wahre Geschichte galt, konnte die Verknüpfung
des Neuen mit dem Altbekannten nöthig erscheinen um die
Wahrhaftigkeit der Bibel zu erhärten; und nur seitens solcher
Leser konnte Severus einen auf das Schweigen der classischen
Schriftsteller gestützten Einwand gegen biblische Erzählungen
voraussehen, wie er ihn , freilich an sehr übel gewähltem Orte,
nämlich bei der Analyse des apokryphen Buches Judith, zu ent-
kräften ö^ sucht. Hingegen für die Glaubensstarken von der Art
des ebenerwähnten Paulinus war das Schweigen der 'profanen'
Scribenten eben so gleichgiltig wie ihr Reden, wenn es sich um
biblische Dinge handelte; Männer dieser Richtung mussten sogar
48 ein gewisses Unbehagen empfinden bei einem Durchein|ander-
sprechen menschlicher und göttlicher Zeugen; und aus Rück-
sicht wiederum für diese andere Classe von Lesern beschränkt
sich Severus darauf, ein für alle Mal in der Einleitung die Aus-
beutung 'heidnischer' Autoren, gleichsam als liege darin etwas
Verfängliches, zu 'gestehen* {non pigebit fateri), während er
namentliche Anführung derselben bei den einzelnen Thatsachen
auf das Strengste vermeidet. Nur ein einziges Mal erscheint in
^ Nachdem er ein sehr beachtenswerthes Verzeichniss persischer
Könige nach 'weltlichen' Schriftstellern (s. Clinton a. a. 0.) gegeben, um
seine Vermuthung zu begründen dass der Nabuchodonosor im Buche Judith
mit König Ochus identisch sei, fahrt er folgendermaassen fort n 14, 7 :
Ceterum ülud nemini mir um esse oportebit quod scriptores saecularium litte-
rarum nihil ex his (auf die Judith bezüglichen), qitae sacris völuminibus
scripta suntj attigeruntj Dei spiritu praevalente, ut intaminata (s. Bentley
zu Hör. Od. in 2, 18) ab ore coirupto et falsis vera miscente intra siiu tan-
tum mysteria contineretur historiay quac separata a mundi negotiis et sacris
tantum vocibus proferenda permisceri cum aliis velut aequali sorte non de-
buit, Etenim erat indignissimum ut alia agentibus aut alia guaerentibus
haec quoque cum reliquis miscerentur. Halt man diese Aeusserung mit der
Einleitung zusammen, so Hesse sich die Ansicht des Severus über das
Yerhältniss zwischen Bibel und classischer Historiographie dahin formuli-
ren, dass er sie wie zwei Parallellinien dachte, die sich weder decken
noch kreuzen, sondern neben einander laufen nach verschiedenen Ziel-
punkten [alia qiMerentihus). Das Reden der Classiker kann daher ein
collaterales Zeugniss für, ihr Schweigen keinen Einwand gegen die Bibel
ergeben.
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XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus 169
unserem jetzigen Text der Chronik der Name eines ClaÄsikers,
der des Vergilius; aber die betreflfenden Worte ^ sind bereits
von Sigonius aus anderen Gründen als eingeschobene erkannt
worden; überall sonst werden die nichtbiblischen Quellen ent-
weder ganz in der Stille benutzt; oder es werden nur in Bausch
und Bogen * weltliche Geschichtschreiber' und 'weltliche Bücher*
{saectdaria scripta, mundidles historici II 14, 4; 7) genannt.
Durch diese Gitatenscheu ist nun freilich der wissenschaft-
liche Gebrauch der nichtbiblischen, für den jetzigen Leser werth-
YoUsten Bestandtheile der Chronik sehr erschwert; man wird
für jede einzelne Nachricht erst den ungenannten Gewährsmann
ermitteln müssen; und die grössere oder geringere Wahrschein-
lichkeit, die dabei sich erreichen lässt, wird den Grad von Vor-
sicht oder Zuversicht zu bestimmen haben, mit welcher man das
Dargebotene aufnehmen darf. Dass jedoch bei derartigen Com-
binationen die Wahrscheinlichkeit fast bis zur Gewissheit sich
steigern kann, mag hier an dem Beispiele wenigstens ^iner
Nachricht gezeigt werden, die uns jetzt allein durch Severus
überliefert und wichtig genug ist, um eine möglichst erschöpfende
Besprechung aller in Betracht kommenden Umstände zu recht-
fertigen.
Die Verheerung Jerusalems und seines Tempels tritt zwar
mit der Verheerung Korinth's und Karthago's zu einer Reihe
von drei Blut- und Feuerspuren zusammen, welche den Fort-
schritt der römischen Herrschaft in den drei besiegten Welt-
^ Die Erzählang vom Bei za Babel beginnt ii 8, 3 : erat ea tem-
pestate apad Babylonioa Beli antiquissitni regia, cuitis etiam VergiUus me-
minit, ex aere simulacrum, wozu Sigonius bemerkt : non videtur VirgüiiM
eundem Belum Bahylonium intelHgere, cum de Tyriis loquena dixit : Genüor
tum Beim opimam Vastabat Oyprum (Aen, i 621). Qttare vcreor ut haec
verha 'cuius etiam Virgilitis meminif afficta sint ab alio aliqm parum hi-
stortarum peritOt et temer e deinde ex m argine in textum irrepserint. Auf
die Maxime des Severus, Classiker nicht namentlich zu citiren, scheint
Sigonius nicht aufmerksam geworden zu sein, da er sonst wohl seine
Ausmerzung der Marginalie auch auf diesen Grund gestützt hätte. —
Dass frühe Leser der Chronik sich mit Nachtragen von Ci taten am Rande
beschäftigten, zeigt noch ii 40, 5, wo die Worte ut sanctus Hüarius in
epistolis refert ebenfalls schon von Sigonius, wegen des gegen Severus'
Gebrauch verstossenden sanctus, ausgeschieden sind. Vgl. Anm. 62.
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160 XXIX üeber die Chronik des Sulpicias Severus
theilen bezeichnen, aber die Beweggründe zu dieser Vemichtungs-
politik lassen sieb bei der africanischen und griechischen Gross-
stadt viel leichter erkennen als bei der judäischen. Abgesehen
von allen Eingebungen des Nationalhasses und der Handels-
eifersucbt bietet schon die militärische Organisation der römi-
schen Republik eine hinlängliche Erklärung, weshalb auf Befehl
des römischen Senats der feine Scipio eben so wenig wie der
rauhe Mummius sich damit begnügen durfte, die eroberte Stadt
blos einzunehmen und dann zu schonen. Festungen und Sammel-
plätze von solcher Bedeutung wie Korinth und Karthago konn-
ten nur durch starj^e Besatzungen auf die Dauer behauptet wer-
den; und da die römische Republik ein stehendes Heer nicht
besass, musste der aristokratischen Bequemlichkeit des Senats
die Beschaffung der nöthigen Garnisonen sehr schwierig, und
seiner aristokratischen LTnerbittlichkeit musste es sehr einfach
erscheinen, zu zerstören, was ohne Ungelegenheit sich nicht |
49 besitzen liess^*. Aber als Jerusalem fiel, war das römische
Kaiserthum und sein unzertrennlicher Begleiter, das stehende
Heer, bereits ein ganzes Jahrhundert alt; man sieht nicht ein,
warum das unterworfene Jerusalem und die Burg Antonia nicht
eben so gut mit den erforderlichen Legionen hätten besetzt werden
^* (Von den Motiven der römischen Politik macht Cicero kein Hehl
or. de lege agr. ii 32, 87 (vgl. i 2, 5. 6, 19 ii 19, 51) und de off, 1 11, 35 m 11,46.
Aber de not, deor. in 38, 91 wird er aus Schamgefühl unverschämt und lässt
die Schuld der Zerstörung auf diejenigen schieben, welche den Römern
den Anlass zum Kriege gegeben hatten ; er lässt dort den Cotta sagen Cri-
tolaus (der achäische Feldherr) evcrtit Corinthum, Karthaginem Hasdru-
hol: hi duo iUos oculos arae mariümae effoderunt Als ein Abschreckungs-
mittel stellt die Zerstörung jener Städte und Numantia's Diodoros dar in
Parallele mit der Zertörung Olynths durch Philippos, xzxii 4 vgl. Valcke-
naer or. de Phüippo p. 246 Anm. 28. — Im zweiten punischen Krieg d. h.
in der guten Zeit der Republik, die schon im dritten punischen Krieg
anfing eine schlechte zu werden, hatte man den abtrünnigen Staat
Capua vernichtet {corpus nuUum cimtatis Liv. xxvi 16), aber die Stadt
hatte man erhalten, und Livius spendet dieser Schonung ausdrückliches
Lob, gewiss in stillem Hinblick auf das verschiedene Verfahren in den
ähnlichen späteren Fällen : non saevitum incendiis ruinisque in tecta innoxia
(vgl. unten die Worte des Titus bei Josephus S. 162) murosqWy s. auch
Cicero de l. agr. n 32, 88 und Grotius de iure beut iii 12, 2 p. 792 (Gronov.
1712). — In späterer Zeit hatte das einzige Beispiel von Schonung einer
Grosstadt Sulla als Eroberer Athens gegeben).
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XXIX tJeber die Chronik des Sulpicius Severus l6l
können wie das unterworfene Alexandria •*** und die Insel Pha-
ros, warum die flavischen Kaiser, welche mit den Grossthaten
der Julier ihre eigenen Leistungen im britannischen Westen und
im palästinensischen Osten so gern vergleichen Hessen, es nicht
vorgezogen haben, statt eines rauchenden Trümmerhaufens die
Zierde und das Bollwerk einer herrlichen und festen Stadt, wie
der Orient nur wenige aufwies ^^ dem Reiche zuzubringen, dessen
Thron sie bestiegen. Wirklich müssen auch späterhin, als die
kriegerische Hitze abgekühlt und die Herrschaft der ersten Fla-
vier sowie der Ruf ihrer Milde befestigt war, solche Fragen der
ruhig urtheilenden Welt sich aufgedrängt haben; und die Ant-
wort, welche Titus entweder selbst gab oder gern gegeben hörte,
liegt uns in seines dienten Josephus Beschreibung des jüdischen
Krieges noch jetzt vor. Der aufmerksame Leser dieses Buches
findet, bei aller Zuverlässigkeit desselben im Grossen und Gan-
zen, sich doch oft daran erinnert dass es die Gensur des Titus
passirt hat; der Kaiser schrieb mit höchsteigener Hand den Be-
fehl zu seiner Veröffentlichung {losephi Vit. 65); und besonders
bei der Darstellung der Katastrophe von Jerusalem muss man
sich zu kritischer Vorsicht gemahnt fühlen durch einen unver-
kennbaren Ton berechnender Absichtlichkeit; man erhält den
Eindruck als wenn hier nicht eine Thatsache erzählt sondern
eine Thesis vertheidigt werden soll. Josephus schärft es be-
kanntlich seinen Lesern wiederholt ein, dass die Römer auf Be-
fehl des Titus Alles aufgeboten hätten um die Stadt und vornehm-
lich den Tempel zu retten; die verzweifelten Juden selbst hätten
mit dem Anzünden der Tempelhallen den Anfang gemacht
(Bell, yi 2, 9); und die schliessliche Verwüstung sei durch ein
brennendes Scheit herbeigeführt worden, welches ein römischer
Soldat beim letzten Sturmangriff ungeheissen durch ein Fenster
in das Innere des Tempels geworfen; die Lohe sei dann gleich
•*^ <Td 6Ö0 M Ty\<; •AX€Hov6p€(a<; rdT^ara Josephus h. lud, iv 10, 5>.
^ Plinius JV. H. v § 70 zählt unter den zehn judäischen Toparchien
auf Orinen, in qua fuere Hierosolyma, longe clariasima urbium Orientis^
tum ludaeae modo. Das Perfectum fttere, dessen nachdrückliche, an fut-
tnus TroeSy ftdt lUum (Aen. n 325) erinnernde Bedeutung Scaliger zu Eu-
sehios N, 2140 bespricht, soll gewiss ein stilles Compliment für den Zer-
störer Titus enthalten, dem ja Plinius sein Werk gewidmet hat. Daraus
erklärt sich dann auch der maasslose Superlativ longe clarissima urbium
Orientis, (wie auch Renan Les Svangilea (1877) p. 17, 5 urtheilt).
Beniftyi, ges. Ablumdl. n. 11
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162 XXIX lieber die Chronik des Sulpicius SeyeruB
mächtig emporgeschlagen ; Titas' Befehle zum Löschen seien im
Lärm der Schlacht überhört worden; und die später von ihm
selbst geleiteten Löscbversnche seien erfolglos geblieben {BeU.
VI 4, 5)<^^\ So möglich dies Alles klingt, so auffallend muss es
erscheinen, dass in der Verwirrung des Sturmes, die gerade Jo-
sephus als überaus entsetzlich schildert, dergleichen Einzelheiten
mit solcher Genauigkeit bemerkt werden konnten; man wird da-
her, gemäss den sonst geltenden Regeln historischer Kritik, auch
hier die Thatsächlichkeit alles seiner Natur nach schwer auszu-
mittelnden Details auf sich beruhen lassen, wird in der Erzäh-
lung des JosephuB nur eine von Titus approbirte Version erkennen,
und statt viel zu forschen, auf welche Art während des Sturmes
der Feuerbrand geworfen worden, wird man die Frage zurück-
verlegen in die Zeit vor dem Sturm und wird zu erfahren suchen,
welchen Beschluss der römische Kriegsrath, der eine Entschei-
dung über diesen Punkt doch nicht umgehen konnte, gefasst hatte,
ob die Anordnung des letzten Sturmes von der Absicht geleitet
50 war, den Tempel möglichst zu schonen oder | ihn unter allen
Umständen zu zerstören. Auch über diese Vorfrage giebt nun
Josephus freilich eine Auskunft, welche zu der Rolle passt, die
er den Titus durchweg spielen lässt. Drei Ansichten, erzählt er
(Bell, VI 4, 3), seien im Kriegsrath vorgebracht worden. Eine
Partei habe auf absichtliche Zerstörung des Tempels unter allen
Umständen gedrungen; denn so lange er aufrecht stehe, werde
das Rebeiliren kein Ende nehmen, da das Heiligthum für die
Juden von überall her einen Sammelplatz abgebe (|uif| fäp äv
iroT€ 'loubaiouq iraucraaGai veuüiepiCovia^, toO vaoO jii^vovToq, ^qp'
8v ol iravTaxöGev (JuXX^Tovrai). Eine andere Partei habe sich
gescheut, ein religiösen Zwecken gewidmetes Gebäude geraden
Weges zu zerstören und habe den Tempel schonen wollen, falls
er von den Juden geräumt werde; sollten sie ihn jedoch ver-
theidigen, so höre er auf ein Tempel zu sein und dürfe wie ein
Gasten behandelt werden (qppoupiov f&p^ ouk^ti vaöv etvai); die
Schuld der Zerstörung falle dann denen zur Last, welche
^* (Sehr verschieden sind die scheinbar ahnlichen Loschyersnche
des LucuUus zur Rettung von Amisus (Flut. Luc. 19). Der ganze Charak-
ter dieses bedeutendsten aller Sullaner, welcher von seinem Führer hat
nur die guten Seiten angenommen hatte, lässt sowohl seine Verabscheuung
von Mummius' Roheit wie sein Bestreben Sulla auch in dem Beispiel der
Schonung Athens nachzueifern als aufrichtig erscheinen^.
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XXIX Üeber die Chronik des Sulpicius Severus 163
sie durch ihre Hartnäckigkeit unvermeidlich gemacht hätten.
Aber diesen zwei Ansichten gegenüber habe Titas, und da drei
von sechs Stimmftihrem der Versammlung ihm beigetreten, habe
die Majorität sich entschieden für Schonung des Gebäudes, selbst
wenn die Juden eine militärische Position daraus machen sollten;
denn man kämpfe gegen Männer und nicht gegen leblose Mauern;
die Zerstörung eines solchen Oebäudes sei ein Verlust lediglich
fttr die Römer; durch die Erhaltung desselben werde ihrem
Reiche eine Zierde gewahrt. Diesem Ausgange des Eriegsraths
zufolge will nun Josephus in dem dennoch eingetretenen Tempel-
brande ein von Titus tief beklagtes Werk des Zufalls oder viel-
mehr der göttlichen Fügung erkannt wissen; der Legionär,
welcher 'ungeheissen' die zündende Fackel schleudert, soll von
einem * überirdischen Drange' (bal^ov{l^i öp^ifl vi 4, 5) getrieben
sein. Da man nicht gewohnt und meistens auch nicht im Stande
ist, über Einzelheiten der Belagerung von Jerusalem anderswo-
her als aus dem Buche des Josephus sich zu belehren, so kann
es nicht befremden, dass seine Darstellung jetzt die allein gang-
bare geworden ist, nach welcher nun Titus im Lager vor Jeru-
salem eben so liebenswürdig und milde, ja fast sentimental {Bell.
v 12, 4) erscheint, wie dieser ' Liebling des Menschengeschlechts'
(Sueton Tit. 1) später auf dem römischen Thron sich benommen
haben soll und in dem Drama des Racine sich benimmt®^^. Irre
an dieser Sentimentalität muss man freilich werden, wenn man
in dem von jeher wenig gelesenen Argonauten-Gedicht des Vale-
rius Flaccus eine Schilderung von Titas an der Spitze der Je-
rusalem stürmenden Legionen findet, die zu dem gewöhnlichen
Charakter römischer Generale besser stimmt als das von Jo-
sephus entworfene Bild. Nun steht aber die Poesie jenes be-
gabten Dichters zu dem flavischen Kaiserhause in eben so naher
Beziehung wie die Historiographie des Josephus; denn nicht
blos gewidmet ist das Gedicht dem Vespasianus; auch bei der
Wahl des Stoffes hat die Absicht vorgewaltet, das glänzende
Verdienst des Vespasianus um die Sicherung der römischen
Herrschaft in Britannien und die Eröffnung der oceanischen
Schiffahrt*® in dem mythischen Spiegelbilde des durch die Argo
**» (Philostratos vit ÄpoU. vi 29, wo Titus die Ehrenbezeugungen
ablehnt und sich blos als 'Handlanger des göttlichen Zornes* angesehen
wissen will, schreibt wohl nur dem Josephus nach).
^ Diese Beziehung hebt der Dichter selbst hervor in der einleitenden
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164 zxix lieber die Chronik des Sulpicius Severus
51 eröffneten Pontos zu yerherr{Iichen. Demgemäss sagen denn
auch die einleitenden Verse von jedem der drei Flavier so viel
Gutes, als ein gewandter Dichter sagen konnte®^; am meisten
von Vespasianus, der damals den Thron inne hatte und dessen
Laufbahn Stoff genug auch für aufrichtiges Lob gewährte; am
wenigsten von Domitianus, der damals dem Throne fern stand
und ausser thörichten Streichen nur noch Gedichte gemacht
hatte; um daher diesen Prinzen nicht mit gänzlichem Still-
schweigen zu übergehen, hilft sich Yalerius durch eine Hin-
deutung eben auf seine versificatorischen Launen, indem er ihm
als würdigsten Gegenstand seines Gesanges die Thaten seines
Bruders Titus empfiehlt. Und da heisst es nun (i 13), Domitia-
nus möge den Titus schildern,
geschwärzt von Jerusalems Schlachtstaub,
Wie er den Brandpfeil schleudert und wüthet auf jeglicher
Zinne
Anrede an Yespasianns, welche zugleich einen Seitenblick auf die erloschene
Dynastie der Julier und die erfolglose Expedition ihres Ahnherrn enthält
(i 7) : Tiiquef o, pelagi cui maior (als der Argonauten) aperti Fama, CdU-
doniu8 postquam ttm carhasa vexit Oceamis (s. Tacit. Agric. 13. 17), Phry-
gios pritis indignatus Iiilos, Unter diesem Gesichtspunkt gewinnen auch
solche Stellen des Gedichts, wie 1 169 (pelagus quatUos aperimits in usus,
(vgl. Silius Italiens in 597 von Yespasian pater ignotam donabit vineere
Thtdeii Inque Caledonios primus trahet agmina lucos)) und besonders Ju-
piters Verkündigung des die datistra maris erschliessenden Römerreichs
(i 557) eine grössere Lebendigkeit. — Eine ähnliche Opportunität, wie sie
Valerius in ausdrücklichen Worten seinem Werke zu verschaffen sucht,
lassen Zeit- und Ortsverhältnisse auch bei der früheren Bearbeitung der-
selben Argonautensage durch Varro Atacinus vermuthen. Denn wie das
heüufn Sequanicum dieses lieblichen gallischen Dichters schon in dem Titel
seine Beziehung zu den Kriegen des von den Sequanern herbeigerufenen
Ariovist anzeigt, so sind dessen Argonautika, die einzigen, welche die rö-
mische Litteratur ausser den valerianischen kennt, wohl auch durch die
gleichzeitigen britannischen Unteraebmungen Julius Cäsars angeregt wor-
den. — Ein Seevolk, wie die Griechen waren, hatte zu allen Zeiten ein
geneigtes Ohr für Seeabenteuer; bei den Römern, welche mit der 'heiligen
Salzfluth' sich nie recht haben befreunden können, musste das Interesse
für nautische Stoffe erst durch besondere Zeitereignisse geweckt werden.
^* <Zur Vergleichung bietet sich Silius Italiens, der ra 600 von
Yespasian sagt palmiferamque senex beUo domitabit Idutnen, darauf 605
von Titus hie fera gentis Beüa Palaeatinae primo delebit in aevo und dann
607—629 eine lange Verherrlichung Domitians folgen lässt).
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severas 165
{Solymo nigrantem ptdvere fratrem
Spargententque faces et in omni turre furentem).
Dergleichen Wendungen eines höfischen Dichters bedeuten
nichts, und bedeuten viel. Nichts, wenn sie als directe Zeug-
nisse für das wirklich Oeschehene dienen sollen; viel, wenn es
genügt zu erfahren was am Hofe gern gehört wurde. Im hie-
sigen Falle darf man mit Sicherheit annehmen, dass zur Zeit,
als Valerius Flaccus diese Verse schrieb, d. h. in den ersten
Jahren nach dem jüdischen Krieg, die Schuld des Brandes von
Jerusalem noch nicht auf einen unbotmässigen Legionär ge-
schoben war, sondern Verehrer des Kaiserhauses, ohne Anstoss
zu befürchten, dem Titus ein Verdienst daraus machen und so-
gar den Brandpfeil diesem Fürsten selbst in die Hand geben
durften ^^ Allein in noch ganz anders auffallender Weise als
durch diese zwar lebhafte, aber doch allgemeine und kurze An-
deutung des Dichters wird dem Josephus widersprochen durch
die ruhige und bestimmte Erzählung, welche sich bei Severus
vorfindet; sie befasst sich nicht mit den verworrenen Zufällig-
keiten der tobenden Schlacht, sondern beschränkt sich auf den
Kern der Frage, ftthrt uns in das FeWherrnzelt des Titus, und
berichtet über den Verlauf des letzten Kriegsraths in folgenden •''
Worten (ii 30, 6):
^Es wird erzählt, Titus habe vorher einen Kriegsrath be-
rufen und berathschlagt, ob er ein solches Bauwerk wie der
Tempel sei zerstören solle. Einige nämlich meinten, man dürfe
ein geweihtes Gotteshaus, das alles Menschen werk überstrahle,
nicht vernichten, da seine Erhaltung zu einem Zeugniss römischer
Milde, seine Verwüstung zu einem unauslöschlichen Makel der
^^ (Dass Titus den Ruf eigenhändiger Betheiligung an der nie-
drigsten Kriegsarheit für verträglich mit seiner Feldherrnwürde hielt,
zeigt auch die wohl aus dem Schlachtbulletin von Jerusalem stammende
Notiz bei Suetonius Tit 5 novissima Hierosolymorum oppugnatione duode-
dm propugnatores totidem sagittarum confedt ictibus. Josephus schweigt
von diesen Schiessübungen seines Helden. Auch bei Dio Cassius LXVI 6, 2
zwingt Titus persönlich die von religiöser Scheu ergriffenen Soldaten in
den Tempel einzudringen : oö }ii\y koX itapa%pf\^a h\ä tö 6€iai6ai)iovf^aai
icihpa}ioy (i(; töv vcdiv ol *Puj|üiatoi), dXX' 6\^i itotc toO T(tou acpäc; Kara-
vaTKdaavToc; claw 'ttpo€X\bpr\(say. Vgl. Derenbourg essai sur Vhistoire et
la giographie de la Paiestine p. 289).
^ Den lateinischen Text s. unten S. 174 f.
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166 XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severus
Grausamkeit gereichen müsse. Andere dagegen und Titus selbst
stimmten dahin, gerade den Tempel mtlsse man yornehmlich zer-
stören, damit der Juden und der Christen Glaube vollständiger
ausgerottet werde. Denn diese Glaubensarten, obzwar einander
52 gegenüberstehend, | seien doch von denselben Urhebern ausge-
gangen; die Christen seien aus den Juden entstanden; sei erst
die Wurzel fortgeschafft, so werde auch der Stamm leicht zu
Grunde gehen. Solcherweise ward, nachdem auf göttlichen Wink
alle Gemüther sich entflammt hatten, der Tempel zerstört im
dreihundert ein und dreissigsten Jahre vor dem jetzt laufenden'.
Der Gegensatz dieser Darstellung zu dem oben (S. 162) mit-
getheilten Bericht des Josephus über den Kriegsrath und zu dem
milden Benehmen, das er dem Titus durchgängig zuschreibt,
konnte den Auslegern des Severus nicht entgehen, aber sie su-
chen so rasch als möglich über den kitzlichen Punkt hinwegzu-
kommen. Der gelehrteste unter ihnen, Carolns Sigonius, bedient
sich folgender Ausflucht: credo hoc ex ingenio suo expressisse
Sulpicium, welche, gleichwie mancherlei andere Seltsamkeiten
dieses Commentars, aus den eigenthümlichen Umständen seiner
Entstehung (s. den Anhang) zu erklären ist. Das credo nämlich
bedeutet hier, wie so oft, dass Sigonius das nicht glaubt, was
er sagt. Und in der That wäre eine viel grössere Glaubens-
und eine viel geringere Urtheilskraft als Sigonius besass dazu
erforderlich um im Ernste zu meinen, Severus habe dies Alles
*ans seinem Kopfe ersonnen". Denn abgesehen einmal von allen
in der Wortfassung enthaltenen Gegenbeweisen, hätte eine so
umständliche Lüge in so bedeutungsvoller Sache doch einem
Zwecke und zwar, nach dem ganzen Charakter des Severus zu
schliessen, nothwcndig einem christlich frommen Zwecke zu Liebe
erdichtet sein müssen. Aber dergleichen Zwecke werden durch
die herkömmliche josephische Erzählung, welche den Untergang
des Tempels wider Willen der Römer im Wege des Zufalls, d. h.
einer besonderen göttlichen Fügung, eintreten lässt, sehr gut er-
reicht, wie die vielen Predigten ^^ hierüber aus alter und neuer
Zeit beweisen ; die Darstellung des Severus dient solchen Zwecken
sehr schlecht, indem sie das Ereigniss in den Bereich mensch-
^ Mit vorzüglichem Effect weiss Bossuet die inspiration divine des
fackelschleudernden liCgionars zu verwenden in den reflexions particiUihres
sur le cMtiment des Juifa (Histoire universelle^ seconde partie § 8).
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicias Severus 167
lieber Absicht ziebt and in der scbliegglicben Zerstörung blos
eine AnsfUbrang des von Anbeginn im Kriegsratb gefassten Be-
scblusses seben will. Sogar dem Severus selbst war diese durcb
seinen Beriebt bewirkte Vermenschlicbung des gesammten Vor-
ganges so deutlicb und so unlieb dass er, um das Eingreifen
Gottes nicht gänzlich zu missen, den Beifall, welchen die übrigen
Mitglieder des Kriegsraths dem für die Zerstörung stimmenden
Titus zollen, von einer auf ^göttlichen Wink' entstandenen Ent-
flammung der Gemüther herleitet. Und ferner, was hätte einen
Kirchenschriftsteller des fünften Jahrhunderts bewegen können,
dem Titus, einem wegen seiner Tugenden allgemein gefeierten
Kaiser, einen solchen, sonsther nicht bekannten, Christenhass
anzudichten wie er in diesem Berichte hervortritt? Dass die
frommen Fictionen die entgegengesetzte Richtung einschlugen
und sogar dem Tiberius eine Hinneigung zum Christenthum bei-
legten, lehrt ein Blick auf die neutestamentlichen Apokryphen
(Fabricius' cod. pseud, i 214). Kurz, die Annahme einer Erdich-
tung seitens des Severus hält auch vor der oberflächlichsten Prü-
fung nicht Stich ; und der einzige methodische Weg, das Problem
des Widerspruchs zwischen Josephus und Severus zu lösen, ist
derjenige, welchen der neueste Herausgeber, Hieronymus de Prato,
bereits betreten hat, freilich ohne das Ziel mit Festigkeit zu
verfolgen. Dieser Priester des Oratoriums sagt ehrlich | und ein- 53
fach, 'es sei deutlich dass Severus den Josephus nicht zu Rath^®
gezogen habe; die Quelle jedoch, aus der diese dem Josephus
widersprechenden Nachrichten ihm zugeflossen, sei bisher nicht
ermittelt*.
Versuchen wir also die Quelle zu entdecken. Dass Seve-
rus unter den 'heidnischen* Schriftstellern, aus denen geschöpft zu
haben er in der Einleitung * gesteht*, vorzüglich den Tacitus ftir
die einschlagenden Theile der römischen Kaisergeschichte aus-
* Apparet sane Sevcrum non constduisae Hbros losephi de hello lu-
daico .... sed unde haec losepho contraria habuerit adhuc incertum. Auch
sonst findet sich bei Severus keine Spur von directer Benutzung des Jo-
sephus, dessen Nachrichten er nur dann kennt, wenn sie ihm durch Ver-
mittelung der eusebianischen Chronik dargeboten waren. Die alte lateinische
Uebersetzung des Josephus, deren Ursprung noch immer so dunkel ist, mag
erst nach dem J. 403 sich verbreitet haben, und für das Nichtvorhanden-
sein des griechischen Originals in Gallien bedarf es unter den damaligen
litterärischen Verhältnissen keiner besonderen Erklärung.
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168 XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus
gebeutet *faat, setzen die folgenden Zusammenstellungen ausser
Zweifel, und sie lehren zugleich dass er sich nicht mit blosser
Wiedergabe des geschichtlichen Inhalts begnügt, sondern sich
möglichst eng auch den taciteischen Worten anschliesst. Die
Schandthaten Nero's, des Ersten der *die Christen verfolgte''® wie
stets jeder Böse die Guten' mag er nicht weitläufig beschreiben;
nur in der Kürze will er sagen, derselbe sei nach Verübung der
scheusslichsten und grausamsten Dinge endlich dahin gelangt,
dase er seine Mutter umbrachte und dass er
Severus Chron, ii 28, 2 Tacitus Annal xv 37
post etiam Pythagorae cuidam in ... uni ex iüo contaminatorum
modum solemnium coniugiorum grege (nomen Pythagorae fuit)
nuberet; inditumque imperatori in modum solemnium coniugio-
flammeumy dos et geniälis torus rum denupsisset. Inditum impe-
et faces nupiiales, cuncta deni- ratori flammeum, missi auspices^
quCy quae vel in fetninis non sine dos et geniälis torus et faces
verecundia conspiciuntur, spec- nuptiales, cuncta denique spec-
tata. tata, qüae etiam in femina nox
operif^^^.
Unleugbar ist die Herübernahme eine wörtliche, aber sie
ist darum doch keine mechanisch abschreibende, da aus den
zwei merklicheren Abweichungen deutlich die Absicht hervor-
blickt. Tacitus' Worte missi auspices wurden fortgelassen, weil
Severus die zum Verständniss deraelben nöthigen antiquarischen
Kenntnisse bei seinen Lesern nicht voraussetzen mochte; und
"^ Auch dieser folgendermaassen lautende Satz Hie primus Ch§i8tia»
num nomen tollere aggressw est: quippe semper inimica virtutibus vitia
sunt et optimi quique ah improbis quasi exprobrantes aspiciuntur euthält in
seinen drei letzten Worten eine zwar nur stilistische Entlehnung aus Ta-
citus, der Annal. xiv 62 auf Anlass des von Nero bei der Ermordung seiner
Mutter gebrauchten und dann in Ungnade gefallenen Anicetus sagt ma--
lorum facinorum ministri quasi exprobantes aspiciuntur. — Dass damals in
Gallien nicht blos Historiker wie Severus sondern auch Redner ganze Sätze
des Tacitus fast unverändert sich aneigneten, zeigt Eumenius, der Päneg. ix
c. 9 die Länge der Tage in Britannien mit Tacitus' Worten erklärt, wie
bereits Lipsius zu Tac. Agric. 12 bemerkt hat.
'^Ä (Vgl. Dion Chrys. or, xxi 6 f. p. 503 Reiske, und betreffs. der be-
obachteten Förmlichkeiten luveualis sat, n 119 f., Mercier zu Aristaen.
I ep, 6 p. 332 Boisson.).
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xxnt Ueber die Chronik des Sulpicins Severue 169
weil das verhüllte qucie etiam in femina nox operit immer noch
zu nackt schien, ward es mit einer dichteren Verhüllung ver-
tauscht.
In ganz ähnlicher Weise liegen Berichte und Worte des
Tacitus dem nächstfolgenden Capitel des Severus zu Grunde,
welches den Brand Roms erzählt und die auf diesen Anlass ver-
übten Grausamkeiten gegen die Christen : |
Severus Chron. ii 29, 1—3 Tacitus Annal XV 54
Sed opinio omnium invi- c.40 videbaturqueNero
diam incendii in Principem re- condendae urbis novae
torquebat credebaturque Impera- gloriam quaerere. c. 44 sed non
tor gloriam innovandae urbis ope humana, non largitionibus
quaesisse. Neque ulla re Nero principis aut deum placamentis
rfficiebat quin ab eo iussum in- decedebat infamia, quin iussum
cendium puiareiur, Igitur vertu incendium crederetur. Ergo ab-
invidiam in Christianos actaeque olendo rumort Nero subdidü reos
in innoxios crudelissimae quae- et quaesitissimis poenis affedt,
stioneSf quin et novae mortes ex- quos per flagitia invisos vulgus
cogitatae, ut ferarum tergis con- Christianos appellabat . . . Et per-
tecti laniätu canum interirent euntibus addita ludibria^ ut fe-
Multi crudbus affixi aut flamma rarum tergis conteäi laniatu ca-
usti. Plerique in id reservati ut num interirent aut crucihus affixi
cum defecisset dies in usum noc- aut flammandi atque ubi defecis-
tumi luminis urerentur. set dies in usum noctumi lumi-
nis urerentur'^^K
Auch hier zeigt sich wörtliche Herübemahme als die Re-
gel, und für jede grössere oder kleinere Aenderung ist der Grund
unschwer einzusehen, sogar weshalb gleich zu Anfang videbatur
des Tacitus in credebatur geändert wurde : nämlich deshalb, weil
videri ohne Dativ bei Severus und seinen Zeitgenossen die Be-
deutung 'scheinen' (boKCiv) zu verlieren anfängt, und vorwiegend
für 'erscheinen' (cemi, qpaivccJBai) gebraucht wird, um eine offen-
kundige Thatsache*^^, aber nicht einen Verdacht wie er hier
'^ (Vgl. Vergilius Äen. vn 13 urit odoratatn nocturna in lumina
eedrumy.
"^ S. die ohen S. 157 angeführten Worte des Paalinns and die reiche
Sammlung in Gothofredus' glossarium nomicutn zum theodosianischen Codex
8. V. videri. — Unter den vielen Stellen des Severus ist besonders beweisend
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170 XXIX Ueber die Chronik des Sulpiciua SeveruB
vorliegt, zu bezeichnen. — Innovandae urbis tritt an die Stelle
von condendae urbis fwvae, weil diese letztere Wendung ausser-
halb des taeiteischen Zusammenhanges leicht so missverstanden
werden konnte als handle es sich um Gründung einer anderen
Stadt in anderer Gegend. — Aus gleicher Ursache muss man
mit dem matten neque ulla re vorlieb nehmen statt der taeitei-
schen Aufzählung non ope humana etc., weil diese nur die frü-
heren von Scverus aasgelassenen Abschnitte des Tacitas recapitulirt,
und daher ohne dieselben undeutlich sein würde. — Das prägnante
iussum incendium des Tacitus war für Severus eben zu prägnant;
er hat es also durch ab eo erläutert und gedämpft; und am Schluss
des Sätzchens hat er crederetur^ weil diese Wortwurzel jetzt zu
bald nach dem kurz vorher gebrauchten credebatur wiedergekehrt
wäre, mit putaretur vertauscht. — Die folgenden Abweichungen
sind wohl nur aus dem Bestreben hervorgegangen, den vollen
Ton der taeiteischen Sprache bis zum Einklang mit der sonsti-
gen anspruchslosen Bedeweise des Severas herabzustimmen ; und
per flagitia invisos musste ohnehin aus sachlichen Gründen in
das gerade Gegentheil innoxios umgeschrieben werden. — Gegen
Ende des Ganzen kann dann wieder eine fast vollständige Wört-
lichkeit beobachtet werden. Nur musste Severus, da seine Hand-
schrift des Tacitus schon an denselben oder an ähnlichen Fehlern
litt wie die unsrigen, sich Auflösung der Satztheile und Ein-
Schiebung stützender Wörtchen gestatten, um eine deutliche
Erzählung liefern zu können. Das ursprünglich von Tacitus "^^
für diesen Gebrauch Chron. i 7, 4, wo Abraham seinem Knecht Elieser be-
fiehlt, für Isaac eine Frau zu wählen ex ea tarnen tribu atque terra de qua
ipse oriundus videbatur. Vgl. Anm. 75.
"^ Die von neueren Herausgebern in den Text gesetzte Conjectur
flammatif statt des unmöglichen fiammandi, lässt die wesentlichste Schwie-
rigkeit unberührt, welche in dem doppelten aut liegt und in der dadurch
bewirkten Isolirung der Worte crucibus affixi von der vorhergehenden und
folgenden Todesart. Denn die Kreuzigung an sich, obgleich sie nach rö-
mischen Begriffen beschimpfend ist, enthält doch, zumal da die Gemarter-
ten schwerlich römische Bürger waren, nicht einen solchen 'Hohn*, dass
Tacitus sie auf gleiche Linie hätte stellen dürfen mit dem Todthetzen nach
vorherigem Einnähen in Thierfelle und mit dem Verbrennen als Beleuch-
tungsmaterial. Da das unsicher tastende Verfahren des Severus zeigt dass
die Stelle sehr früh in Unordnung gerathen war, so sei mit der in solchen
Fällen gestatteten Kühnheit folgende Schreibung vorgeschlagen : aut cru-
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severus 171
Geschriebene aus der verjwirrten handschriftlichen Ueberlieferung 55
in überzeugender Weise wiederherzustellen ist bis auf den heu-
tigen Tag nicht gelungen.
Diese Beispiele erweisen also, dass Severus aus den An-
nalen des Tacitus diejenigen Nachrichten über die neronische
Regierung fast wörtlich ausgezogen hat, welche in Beziehung
stehen zu den Christenvertblgungen, einem mit besonderer Aus-
führlichkeit behandeltem und in der Einleitung (s. oben S. 152)
hervorgehobenem Gegenstande des nachbiblischen Theiles seiner
Chronik. Um denselben Autor nun auch auszubeuten für die
mit der Geschichte der Fiavier zusammenhängende Zerstörung
cibus affixi et flamma di[v€x]ati übi defecisset dies in usum w>ctumi luimi-
nis urerentur^ (Pontanus zu Macrob. sat. vn 7 vermutbete flamma usti,
aliqui tibi). Nacbdem in divexati, für welches Severus das einfacbere
aber neben urerentur unbrauchbare usti setzt, die Buchstaben vex unleser-
lich geworden, hat man di zu flamma gezogen und daraus flammandi ge-
macht ; ati ward dann zu atq. Hiernach wäre zu übersetzen : 'oder sie
wurden an Kreuze genagelt und mit Feuer gequält bis sie endlich, nach-
dem der Tag gewichen, zur Erleuchtung des nächtlichen Dunkels ver-
brannt wurden*. Es werden also nur zwei verhöhnende Todesarten ge-
schildert, erstlich das Einnähen in Thierfelle und zweitens das Verbrennen,
zu welchem erucibus affixi nur die Vorbereitung enthält ; deutlich ergiebt
sich dies aus dem Brief der Smyrnäischen Gemeinde über den Feuertod
des Märtyrers Polykarpos c. 13 : etiBduj^ oöv oötCD (TToXuKdpirij)) ir€pi€Ti-
ecTo t4 irpö^ Tf]v irupdv i^p^oa^^va öpTava, lüieXXövTuiv 6^ oötuiv Kai
iTpoaiiXoOv aÖTÖv €Tir€V 'd(p€T^ |ui€ oötwc;. ö T^p 6oO(; juioi öiro|ui€lvai tö
irOp öubaci koI x^pU Tf^c; ö^€T^pa^ ^k täv f^Xwv dacpoXcCac; dOKOXTw^
('ohne dass mein Körper durch die Nägel zerrissen wird' nach der Lesung
bei Eusebios H. E. iv 15, 31) ^irijuclvai tQ irup^*. Ol hi oö Kae/|Xui(Ta v ^dv,
^öiiaav 6^ aÖTÖv. Feuerqualen, wie sie Tacitus beschreibt, kamen noch
während der Christenverfolgung unter Diocletian zur Anwendung. In der
Schrift De mortibua persecut, c. 13 heisst es von Einem, der das kaiserliche
Edict herabgerissen hatte <8. Gibbon eh, 16 Anm. 154 und die daselbst
angeführte Stelle des TiIlemont> non modo extortus sed etiam legitime
coctus (vgl. Seneca de benef. vn 19, 8 nee urit aolum perüuros sed exco-
quit) cum admirabüi patientia postremo exustus est ; und eine weitläufigere
Schilderung derselben Martern findet sieb c. 21 : Dignitatem non habenti-
bus poena ignis fuit. Id exitii primo adver stts Christianos permisertU
{Maximianus)^ datis legibus ut post tormenta damnati lentis ignibus ure-
rentur. Qui cum deligati fuissent, subdebatur primo pedibus lenis flamma
(vgl. Tacitus) tamdiu donee Collum solorum <vgl. Davisius zu Cic. Tusc.
V 32 und Niebuhr zu Fronto p. 143) contractum igni ab ossibus reveUeretur,
Deinde etc.
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172 XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus
Jerusalems, deren Schilderung ebenfalls in der Einleitung ver-
sprochen wird, brauchte Severus nicht einmal nach einem an-
deren Werke zu greifen, da bekanntlich schon im vierten Jahr-
hundert die taciteischen Annalen und Historien zu 6inem Corpus
von dreissig Büchern vereinigt waren. Wir freilich suchen jetzt
in dem erhaltenen Rest der Historien vergebens nach dem 'To-
destage der berufenen Stadt*, dessen Beschreibung Tacitus zu
Anfang des fUnften Buches verheisst (c. 2 famosae urbis supre-
mum diem tradituri sumus). Nur den Beginn der Belagerung
Jerusalems finden wir erzählt (c. 13); die Abschnitte, welche den
Sturm und die Zerstörung enthielten, sind uns durch das Miss-
geschick entrissen, welches die zweite Hälfte des fünften und
alle übrigen Bücher der Historien betroffen hat. Dass jedoch
als Severus schrieb die Historien noch nicht die jetzige Verstüm-
melung erlitten hatten, bezeugt sein Zeitgenosge Orosius'^^ der
unter namentlicher Erwähnung des Tacitus grössere Stellen wört-
lich mittheilt über Ereignisse, welche in die spätere Regierung
des Vespasianns und in die des Domitianus fallen, mithin nur
in dem jetzt verlorenen Theil der Historien besprochen sein
konnten. Von allen Seiten her sammeln sich also die Anzeichen,
welche dem taciteischen Ursprung des Severischen Berichts über
56 den Kriegsrath einen so | hohen Grad äusserer Wahrscheinlich-
keit verschaffen, dass dieselbe nur durch einen zwingenden
Nachweis innerer Unmöglichkeit entkräftet werden könnte. Aber
die Prüfung sowohl des geschichtlichen Gehalts wie der Wort-
fassung dient nur dazu, die Wahrscheinlichkeit noch höher zu
steigern. Zuvörderst der Widerspruch gegen Josephus kann für
die Annahme dass wir Tacitus vor uns haben nicht anders als
empfehlend sein. Tacitus hat es verschmäht, aus den josephi-
schen Schriften sich da zu belehren wo er aus ihnen etwas hätte
lernen können ''^»^ und hat lieber mit hochmüthiger Unwissenheit
über die ältere jüdische Geschichte und über die jüdischen Ge-
setze die abenteuerlichsten Verkehrtheiten in prächtiger Sprache
zu Markte gebracht; wie viel weniger wird der Römer um den
Juden sich da gekümmert haben wo es galt, römische Kriegs-
^3 Die Stellen si^d in den älteren Ausgaben des Tacitus unter den Te-
gtimonia und bei Ritter (Cambridge 1848) 1. 1 prol p. xxxn f. ausgeschrieben.
78 a ^asB Tacitus den Josepbus nicht gekannt, meint auch Nissen
Rhein. Mus. xxvi 542).
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3LXIX Üeber die Chronik des Sulpicius Severus 173
plane und Vorgänge im römischen Kriegsrath zu erkunden.
Ueber solche Dinge mussten einem Manne von Tacitus' gesell-
schaftlicher Stellang neben den veröffentlichten Schriften auch
noch geheime Aufzeichnungen und mündliche Nachrichten der
zuverlässigsten Art zu Gebote stehen, bei deren Verarbeitung er,
da er erst nach Beseitigung des Domitianus die Feder ergriff, an
keine von allen den Rücksichten gebunden war, welche das unter
Censur der Flavier erschienene Werk ihres jüdischen Clienten
beherrschen. Noch jetzt sind wir im Stande, wenigstens den
Namen eines sicherlich von Tacitus befragten Zeugen zu ent-
decken, und schon mit Hilfe des blossen Namens den hohen
Werth seines Zeugnisses gerade in der vorliegenden Sache zu
ermessen. Der unter den Antoninen schreibende Minucius"^^ Fe-
lix erwähnt ein von jüdischen Dingen handelndes Buch eines
Antonius Julianus. Von dem Buche ist bisher keine weitere
Spur gefunden worden. Aber des Verfassers Name drängt die
unabweisbare Vermuthung auf, welcher sogar der keineswegs
conjecturensüchtige Tillemont sich nicht erwehren konnte, dass
dieser Julianus identisch ist mit dem Procurator von Judäa
Marcus Antonius Julianus, welchen Josephus {Bell, vi 4, 3) als
eines der sechs Mitglieder des Kriegsraths aufführt und für Zer-
störung des Tempels stimmen lässt. Dass Tacitus die Schrift
eines so hochgestellten römischen Augenzeugen unbeachtet ge-
lassen, wäre eben so befremdlich wie seine Vernachlässigung
des Josephus natürlich ist; und demnach könnten wir, wenn
diese Gombinationen sich bewähren, die Quelle des Severischen
Berichts noch über Tacitus hinaus bis vor die Mauern des be-
lagerten Jerusalem verfolgen ''*•. — Wie sehr ferner Tacitus vor
anderen classischen Historikern es liebt, bei Verhandlungen im
''^ Octav. c. 33 lässt er den Christen Octavius sagen, Glück oder
Unglück der Juden sei nach göttlichen Gesetzen als Belohnung für ihre
Frömmigkeit oder Strafe für ihre Sünden eingetreten ; zum Beweise :
Scripta eorum relege, vel si Bomanis magis gaudes, ut transeatnua veter es,
Flavii losepi vel Antonii Ivliani de ludaeia require. Josephus wird wohl,
weil er nicht blos hebräisch geschrieben und weil er das römische Bürger-
recht erhalten hatte (Vita c. 76), zu den Eomani gerechnet. — Tillemont
spricht über den Julianus JUst des Empereurs i p. 588 (1021 der Octavausg.).
74a (Vgl. L^on Renier Sur les officiers qui assistbrent au conseü de
guerre tenu par litus avant de livrer Vassaut au tempU de Jerusalem in
den Mimoires de Vacad, des inscrr. t. zxvi 1 p. 269 ff.).
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174 ZXEX Ueber die Chronik des Sulpidns Severns
Eriegsrath am Vorabend entscheidender Ereignisse länger zu
verweilen, und mit welcher Kunst er die Begründung der ver-
schiedenen Meinungen benutzt, um den tieferen Zusammenhang
der militärischen und politischen Verhältnisse darzulegen, müssen
Leser, welche für historiographische Composition ein Auge haben,
besonders in den Historien (u 32, 82 m 2) bemerken, weil dieses
Werk viel dichter als die Annalen mit kriegerischen Begeben-
heiten angefüllt ist. Der Kriegsrath vor Jerusalem bot nun dem
Tacitus eine bequeme Gelegenheit zur Aeusserung seines Juden-
hasses und zur Entwickelung seiner Ansicht von der Oefährlich-
keit des Christenthums für den römischen Staat; Alles was er
57 darüber in Ueberjeinstimmung mit den meisten römischen Grossen
dachte, brauchte hier nicht erst wie in den Annalen (xv 44) epi-
sodisch eingeschoben zu werden, sondern Hess sich unmittelbar
zur Beleuchtung des vorgeschlagenen Kriegsverfahrens verwen-
den und. war daher wohl noch viel härter und ausführlicher
gesagt als es der excerpirende Severus abzuschreiben für gut
fand, der ja auch oben (S. 170) per flagitia invisos ohne Weiteres
in innoxios änderte. — Was endlich die sprachliche Beschaffen-
heit dieser Severischen Stelle betrifft, so trägt sie wenigstens
eben so viel taciteische Farbe wie die zwei anderen (oben S. 168,
169), bei welchen die Entlehnung urkundlich nachweisbar und
längst allgemein anerkannt ist. Dies wird sich am leichtesten
darthun lassen, wenn wir vermuthungsweise auch hier dem Se-
verischen Text eine Fassung gegenüberstellen, die, fern von der
Vermessenheit verbürgen zu wollen was Tacitus geschrieben
hat, nur anschaulich machen soll, wie wenige und von welcher
Art diejenigen Severischen Worte sind, welche Tacitus nicht
geschrieben haben kann.
Severus Chron. il 30, 6
Fertur Titas adhibito consi- . . . Titus adhibito cansüio de-
lio prius deliberasse an templum liberavit an templum tanti ope-
ianti operis everteret. Etenim ris everteret. Etenim {Gaio et
nannuUis videbatur'^^, aedem so- Oaio) videbatur, aedem saera-
'* Videbatur brauchte hier nicht vermieden zu werden, weil der neben-
stehende Dativ vor der oben (Anm. 71) erwähnten Zweideutigkeit schützt. —
Weiterhin ist wohl auch bei Severus statt quo plenius zu schreiben quo penitus,
ein von ihm mit Vorliebe gebrauchtes Wort (i 15, 1 ; ii 37, 1 und 2), von wel-
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XXIX lieber die Chronik des Sulpicins Severns 175
cratam ultra omnia mortalia ü- tarn (inter omnes mortales nobi-
lusirem non opartere deleri^ quae lern) non oportere deleri, quae
servata modestiae Romanae testi- servata modestiae Romanae testi-
monium, diruta perennem cru- monium^ diruta perennem cru-
delitatis notatn praeberet. At delitatis noiam praeberet Ät
contra alii et Titus ipse everten- contra {Oaius et Gaius) et Ti-
dum templum imprimis censebant, tus ipse evertendum templum im-
qtw plenius ludaeorum et Christi' primis censebant, quo penitus
anorum religio toUeretur, Quippe ludaeorum et Christianorum (su-
hos religioneSj licet contrarias perstitio) toller etur. Quippe kas
sibijiisdem tarnen auctoribus pro- (superstitiones)^ licet contrarias
fectas; Christianos ex ludaeis sibi, iisdem tarnen auctoribus
exstitisse; radice sublata'^^^ stir- profectas; Christianos ex ludaeis
pem facile peritnram. Ita Bei exstitisse; radice sublata stirpem
nutu accensis omnium animis facile perituram,
templum dirutum^ abhinc annos
trecentos triginta et unum.
Man übersieht nun mit Einern Blick dass die wenigen Aen-
derungen alle entweder durch das Ghristenthum des Severus
oder durch die compendiöse Anlage und sonstige Eigenthttmlich-
keit seiner Chronik veranlasst sind. In die letztere Kategorie
fällt gleich zu Anfang das Wort fertur^ welches statt des nament-
lichen Gitats gewählt wurde, weil, wie oben (S. 158) ausgeführt
ist, Severus es sich zum Gesetz macht, die einzelnen von ihm
benutzten classischen Autoren nicht mit Namen zu nennen.
Während daher in Schriften, die von solcher Gitatenscheu frei
sind, fertur nur ein unbestimmtes Gerücht andeuten würde, weist
es hier, wie in den meisten Gompendien, vielmehr auf einen
bestimmten Gewährsmann. Allbekannte und unbestreitbare That-
sachen durfte Severus aus eigenem Munde erzählen; bei einer
Nachricht dagegen, welche so versteckte Dinge | wie einen 58
Kriegsrath berührt, schien ihm Berufung auf fremde Erzählung
nöthig, eben um eine Unterstellung des Ersinnens, wie Sigonius
sie gewagt hat, von vornherein auszuschliessen. Tacitus hat
natürlich, nachdem er einmal auf den Gang der Debatte im
chem er sogar den alterthümlichen Gomparativ anwendet i 35, 9 David qui
penitius [vielmehr pensius nach dem Vat.] ingenium tnali spectatum haberet.
"^^ (radix stiUtüiae nennt aach Rntilius Namat. i 389 das Juden-
thum, wo Caspar Barth richtig siüUüia auf das Ghristenthum bezogen hat).
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176 xzix üeber die Chronik des Sulpidos Severns
Eriegsrath sich eingelassen, darüber nicht gerttchtweise sondern,
wie in den oben (S. 174) angegebenen ähnlichen Fällen, anter
eigener Verantwortung berichtet. Ebenso gewiss ist es und durch
dieselbe Analogie empfohlen dass Tacitns die verschiedenen
Meinungen von bestimmten und namentlich bezeichneten Käthen
vortragen Hess, wie es ja auch Josephus {Bell. TL 4, 3) thut: nur
müssen die Personen bei Tacitus anders als bei Josephus ver-
theilt gewesen sein, da das Ergebniss der Berathung ein ent-
gegengesetztes ist. Severus übergeht nach Excerptorenart die
untergeordneten Namen : Titus allein scheint ihm einer ausdrück-
lichen Erwähnung würdig, die Änderen treten zurück als non-
nuUi und alii. — Aus religiösen Oründen mussten alsdann die
von Tacitus, wie von jedem Classiker in solchem Falle ge-
brauchten Wörter superstitio und superstitiones den kirchlich
unclassischen religio und rdigiones weichen; und in ähnlichen
Rücksichten ist wohl auch der Ursprung der tiberschwänglichen
Phrase ultra omnia mortalia illustrem zu suchen, von der es
kaum gesagt zu werden braucht, dass sie weder über die Lip-
pen eines römischen Oenerals noch aus der Feder eines römi-
schen Schriftstellers je gekommen ist. Da sie aber nicht blos
dem Sinn nach uberschwänglich , sondern auch im Ausdruck
etwas geschraubt erscheint, so darf man sie vielleicht entstan-
den denken aus umbiegender Vei-wendung solcher Worte wie
die beispielsweise vorgeschlagenen inter omnes mortales nobilem.
Diese wollen im guten Latein ''^ nicht so gar viel besagen, wenig-
stens nicht mehr als zu deutsch 'bei allen Leuten bekannt': und
weil dies Severus nicht ehrerbietig genug fand, mag er es ge-
ändert haben. — Hiermit sind nun die nichttaciteischen Bestand-
theile erschöpft; alles Uebrige hat entweder taciteischen Klang
oder doch keinen untaciteischen. Templum ianti operis'^'^ ist
'• Man denke an Stellen wie Sali. lug. 28 wo Jugurtha seine Ge-
sandten beauftragt omnes mortales pecunia aggrediantur. (üeber den un-
terschied von mortales und homines s. die Bemerkungen Fronto's anlässlich
einer Stelle des Claudius Quadrigarius bei Gellius xiii 29 (2d)).
'' Da Orosius die vollständigen Historien benutzte (s. S. 172), so
darf man wohl in dem ähnlichen Gebrauch von opus und in seinen übri-
gen ungewöhnlich gewählten Worten vn 9 Quod (templum) postquam in
potestatem redactum opere atque antiquitate suspexit, diu ddiberavit utrum
tamquam ineitamentum hostium incenderet an in testimonium vietoriae re-
servaret Anklänge an Tacitus vermuthen ; sie haben sich bereits Mömer^n
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XXIX Üeber die Chronik des Salpicius Severus 177
recht gewählt; nicht minder erinnert modestia Rontana im Sinn
von moderatio an den Lobsprnch, welchen Tacitus Ännal. i 9
der augusteischen Regierung ertheilen lässt, ius apud dveSj fno-
destiam apud socios; nndaedem sacrcUam ist so ntlancirt wie es
im Munde eines Römers auf den vorliegenden Fall passt. Denn
ein provinziales, ohne Autorität des römischen Volkes geweihtes
Heiligthnm ist zwar nicht sacrum, kann jedoch pro sacro be-
handelt werden (Gaius Inst, ii 7) ; und dass einzelne römische
Kriegsmänner das Göttliche an einem jüdischen Gotteshause zu
achten rathen*^^, | ist bei der Weitsinnigkeit, welche fUr die 69
orientalischen Gülte seit lange gehegt wurde, eben so wenig
auffallend wie es z. B. die dem Tempel der Himmelskönigin zu
Karthago verliehenen Corporationsrechte sind (Ulpianus fr. 22, 6).
Sacrare aedem für consecrare findet sich bei Tacitus auch An-
ncd, II 49, während Severus sonst von dem jüdischen Tempel
nicht sacrata sondern das gewöhnliche sacra aedes (il 10, 1) ge-
braucht. — Endlich ist quippe fllr nam innerhalb eines Referats
fremder Meinungen in abhängiger Rede echt taciteisch (z. B. Än-
nal I 79 Eist, u 66); in der Severischen Chronik ist es ausser
an diesem Orte wohl nicht nachzuweisen; und auch in directer
Rede scheint es nur in Stellen von taciteischem Golorit (s. Anm. 70)
vorzukommen.
[de Orosii vita p. 155) aufgedrängt, obschon derselbe eine Vergleichung
mit Severus nicht anstellt. Dass Orosius auf die ihm bei Tacitus vorlie-
genden Motive der Zerstörung nicht näher eingeht, erklärt sich aus seiner
entschiedenen und mit dem Plan seiner Schrift eng zusammenhängenden
Tendenz, die früheren Kaiser als Christenfreunde darzustellen ; er hat das
Christenthum des Tiberius recht behaglich ausstaffirt (vii 4) und lässt
Hadrians Verbot Jerusalem zu betreten nur Juden und nicht Christen
treffen (vii 13 Chriatiam's tantum civitate permissa, worüber Scaliger zu
Eusebios N, 2150 kurz und bündig urtheilt quod vanissimum). — Zu beach-
ten ist ausserdem, dass auch Orosius nichts von der 'zufälligen* Verbren-
nung des Tempels weiss, sondern mit dürren Worten sngt : Titus Impera-
tor ab exercitu pronuntiatus templum in Hierosolymis incendit ac diruit
'^ Als Pompeius die Schätze des von ihm eroberten jüdischen Tem-
pels unangetastet liess, wollte Cicero diese Enthaltsamkeit nur aus der
Furcht vor Verläumdung wegen Unterschleifs, aber nicht aus der Achtung
vor dem Tempelgut als solchem erklärt wissen, pro Flacco 28 § 68 : non
enim credo religionem et ludaeorum et TufsHum impedimento praestantissimo
imperatori sed pudorem fuisse. Was Cicero * nicht glauben* mag, war of-
fenbar von den Anklägern des Flaccus behauptet worden und war wohl
auch die allgemein verbreitete Meinung.
Bernays, geB. Abhandl. H 12
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17d XXIX lieber die Chronik des Sulpicius Sevems
Darf nun nach diesem Allem Tacitns statt Severns als Zeuge
mit Josephus confrontirt werden, so gewinnt, wenn wir die bis-
her zerstreut hervorgetretenen Umstände vereinigt überblicken,
das historische Problem folgende Gestalt:
Ueber einen römischen Kriegsrath liegen zwei Berichte
vor, welche den Inhalt der zur Verhandlung gekommenen An-
sichten ohne wesentliche Abweichung angeben, sich aber schnur-
stracks widersprechen in den Angaben über die Vertreter dieser
Ansichten und über den endgiltig gefassten Beschluss. Der
eine Bericht, nach welchem Cäsar ''^^ Titus die Schonung des
jüdischen Tempels befürwortet und durchgesetzt hätte, die trotz-
dem eingetretene Verwüstung aus einem Zufall entstanden wäre,
ward unter Titus' Augen von seinem ergebenen Schützling Jo-
sephus zu einer Zert redigirt als der Kaiser für einen milden
Charakter galt und gelten wollte. Der andere Bericht ward
verfasst, als nicht blos Titus gestorben sondern auch seine Dy-
nastie erloschen war^^^; er lässt den Zufall aus dem Spiele und
sieht in der schliesslichen Zerstörung die Ausführung eines Be-
schlusses, welchen Titus als Leiter des Kriegsraths aus gewich-
tigen Gründen der inneren Reichspolitik empfohlen hatte. Der
Urheber dieses anderen Berichts ist Tacitus, d. h. ein Geschicht-
schreiber, der nach Zeitverhältnissen und gesellschaftlicher Stel-
lung in der Lage war, über die Vorgänge im Kriegsrath sich
mittelbar oder unmittelbar von unabhängigen Mitgliedern des
römischen Generalstabes unterrichten zu lassen. — Man darf wohl
wie der alte Scaurus'^^** fragen: 'Wem glaubt Ihr, Quiriten?'
Glaubt man nun aber hinsichtlich der Katastrophe dem
durch Severus aufbewahrten Bericht des Tacitus, so müssen
auch hinsichtlich der Aufforderungen zum Frieden und zur Er-
gebung, welche nach Josephus' Erzählung {Bell, v 9, 2; vi 2, 3;
VI 6, 2) während der Belagerung die Römer an die Juden zu
"^^ <üeber die Titulatur des Titus s. Mommsen in Hubers Numism.
Zeitschr. 1872 Jahrg. m p. 458 ff.>.
'^^ (Dieser chronologrische Grund für die Wahrhaftigkeit wird von
Tacitus selbst betont bei Gelegenheit des Heilwunders Yespasians in Ale-
xandria hist. lY 81 tUrumque qui interfuere nunc quoque memorant^ post-
quam ntUlum mendacio pretium).
'^^ Asoonius zu Cic. pro Scauro p. 20, Ö Kiessl., ^Valerius Maximus
m 7, 8 Quintilianus v 12, 10. 13, 65; von Bentley angewandt in den Pha-
laridea p. xii und lu der Works of B. Bentiey Vol. i, 1836).
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Xxrx Ueber die Chronik des Sulpiciüs Severuft I7d
richten nicht mttde wurden, schwere Bedenken aufsteigen, wenn
man bei Severus das gerade Gegentheil gesagt findet, dass näm-
lich die Belagerten ^ weder zu einem friedlichen Abkommen noch
zur Uebergabe zugelassen worden' und daher eine Hungersnoth
ausgebrochen sei, welche nun noch düsterer als bei Josephus
in einer Weise geschildert wird, die unwillkürlich "^^ an Tacitus'
Pinsel erinnert Gewiss spricht hier die Analogie des römischen |
Eriegsbrauchs gegen die von Josephus gepriesene Milde; die 60
früheren Kaiser so wenig wie der republicanische Senat pflegten
Rebellen zum Pacisciren aufzufordern; und es wäre für die Fla-
vier wahrlich ein glanzloser Regierungsantritt geworden, wenn
sie statt Münzen mit der Trauergestalt der ^gefangenen Judaea'
schlagen zu können, von Jerusalem hätten abziehen müssen wie
Mancinus von Numantia. Ist daher wirklich Josephus so oft wie
er angiebt als Parlamentär an die Belagerten abgesandt worden,
so mag das zu augenblicklichen strategischen Zwecken geschehen,
und die angebotenen Bedingungen werden der Art gewesen sein,
"^ n 30, 8 Interea Ittdciei öbsidione cZaim, quia nnUa neque pacis ne-
que deditionis eopia dabaiur, ad extremum fame interibant passimque tfiae
oppleri cadaveribt*8 coepere^ victo tarn officio humandi ; quin omnia nefanda
esca (s. Rhein. Mus. xvi 319, unten p. 204 f.) super ausi (diese vortreflFliche
Lesart des Yaticanus ist, weil man das dem Ablativ nachgesetzte super
nicht verstand, bei Flacius durch die sinnlose Interpolation nefanda insu-
per ausi verdrängt) ne humanis quidem corporibus pepercerunt, nisi quae
eitumodi aUmentis tabes praeripuerat. Bei dieser Stelle konnte sogar De
Prato den Gedanken an Tacitus nicht unterdrücken. Seine Anmerkung
zu den Worten neque pacis neque deditionis macht auf den Widerspruch
gegen Josephus aufmerksam und schliesst folgendermaassen : Verum haec
et älia quae infra iraduntur cum losephi historia minus congruentia hie
fortasse hausit ex Taciti Eist, libro v. quem nos extrema sui parte mutiUi-
tum habemuSj in qua Hierosölymorum supremum diem se traditurum initio
profitetur. Die Worte alia quae infra traduntur beziehen sich in De Prato's
Sinn nur auf das Verzehren der Leichname, welches, wie er in einer spä-
teren Anmerkung hervorhebt, bei Josephus Bell, vi 7, 3 nicht als einge-
tretene Thatsache, sondern nur als eine drohende, jedoch durch die bal-
dige Einnahme der Stadt verhinderte Möglichkeit erwähnt wird um durch
eine Hyperbel die Wildheit der Zeloten zu schildern. — Es ist recht be-
zeichnend für den kritischen Kleinmuth des guten De Prato, dass er die
hier gewonnene Einsicht über die Quelle des Severus nicht auch auf den
Bericht hinsichtlich der Tempelzerstorung auszudehnen wagte, dessen Ur-
sprung er in den oben Anm. 69 mitgetheilten Worten schlechthin für
* ungewiss' erklärt.
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180 XXIX tJeber die Chronik des Sulpicius SeveruB
dass man ihre Zurückweisung von yornherein voraussah; oder
auch, man war entschlossen, sich eintretenden Falles über die-
selben eben so hinwegzusetzen wie Vespasianus sein den Ge-
fangenen von Taricheä gegebenes Wort mit einer treulosen Härte
gebrochen hat, welche selbst Josephus nicht zu bemänteln ver-
mag und daher möglichst rasch erzählt (Bell, m 10, 10). Tacitus
nun aber und der ihm folgende Severus hatten keine Aufforde-
rung, die Gutmüthigkeit der flavischen Dynastie herauszustreichen;
sie lassen daher die Friedensanträge als unwesentliche ausser
Acht und geben den leitenden Gedanken der römischen Krieg-
führung dahin an, dass ein friedlicher Ausgang unmöglich ge-
worden und vernichtende Unterwerfung das alleinige Ziel war,
welches in vorwiegender Rücksicht auf die religiösen und socialen
Bewegungen im Innern des gesammten Reiches man von Anfang
an sich gesteckt hatte ^^. Dieser allgemeinen Rücksicht, welche
flir Pompeius, den ersten römischen Eroberer Jerusalems, bei
der damaligen Ungefährlichkeit der jüdischen Diaspora noch
nicht bestanden hatte, glaubten die Flavier den persönlichen
Ruhm und Vortheil opfern zu müssen, der aus der Schonung
und dem Besitz einer Stadt wie Jerusalem ihnen erwachsen
wäre. .Denn auch die stärkste Besatzung hätte die Ruhe nur
im nächsten Umkreise zu sichern vermocht; aber da über Italien
und die meisten Provinzen hin Juden wie Christen verbreitet
waren und beide, wie man meinte, in Jerusalem ihre religiöse
'Wurzer ehrten, so fürchtete man, das blosse Dasein der Tempel-
stadt und des Tempels werde wie eine Sturmfahne unaufhör-
lichen Aufruhrs wirken. Um die Provinzen vor Ruhestörungen
zu bewahren verhängte daher das Kaiserthum, trotz der ver-
änderten militärischen Verhältnisse, über Jerusalem dasselbe
Schicksal, welches Karthago und Korinth von der Republik |
61 erfahren hatten. Unbekannt war dieser Gesichtspunkt auch dem
Josephus nicht; das zeigen die Worte, welche er seine Mino-
rität im Kriegsrath sprechen lässt, 'man werde von allen Orten
^ Darauf heziehen eich die 'finsteren Befehle* (aKUÖpioird TrapoT-
T^X^ara), welche beim Beginn des Feldzuges von Vespasianus empfangen
zu haben Titus selbst bekennt in seiner Eede bei Josephus Bell, vi 6, 2,
die sich von den übrigen rhetorischen Einlagen dieses Werks durch ihren
geschäftsmässigen Ton merklich unterscheidet und gewiss nicht in allen
Theilen fingirt ist.
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zxix Ueber die Chronik des Sulpicius Sevcrus 181
her sich am den Tempel schaaren' (oben S. 162). Aber das an-
schaaliehe Verständniss dieser kurzen Andentang und die Er-
kenntniss gewonnen za haben, dass nicht die Minorität sondern
die von Titus geleitete Majorität jenen Gesichtspunkt gefasst
und demgemäss die Zerstörung angeordnet hat — dies ist ein
Ertrag, den die Geschichtskunde nicht dem Josephus sondern
jetzt allein der Chronik des Severus und ihrer auf classische
Historiker wie Tacitus^^ zurückgreifenden Anlage verdanken
muss.
Nicht minder lohnend als die Aufspürung der Severischen
Quelle für die römische Kaisergeschichte, aber viel verwickelter
und für den hiesigen Zweck allzu weitläufig würde eine Unter-
suchung ausfallen, die sich in ähnlicher Weise auf eine andere
Reihe nichtbiblischer, die Seleukidenherrscher betreffender,
Angaben der Chronik richten wollte. Bei der Trümmerhaftig-
keit unserer Ueberlieferung über die an sich schon so wirre
^1 Mit der sorgfältigen Benutzung des Tacitus bei ausführlich er-
zählten und dem Hauptzweck der Chronik so wesentlichen Dingen, wie
Christenverfolgung und Zerstörung Jerusalems, verträgt es sich ganz wohl
dass bei Nebendingen, die Severus nur kurz und flüchtig berührt, ihm
nun auch Flüchtigkeiten begegnen, welche zeigen, dass er weder den Ta-
citus noch überhaupt eine Quellenschrift eigens nachgeschlagen, sondern
sich auf sein trügendes Gedächtniss verlassen hat. Z. B. heisst es n 30, 3,
'Vitellius habe sich selbst umgebracht* {cum se VitelUtts interfecisset), was
bereits Scaliger zu Eusebios p. 198 ed. see. rügt. Von Otho dagegen war
kurz vorher ii 30, 2 gesagt, 'derselbe sei umgebracht worden' {Otkotie in-
terfecto), Severus hat also die Todesarten dieser zwei kurzlebigen Kaiser
vertauscht. — Eben so unrichtig heisst es ii 30, 2 von Yespasianus tU mos
est, diademate capiti imposiio, ab exercitu Imperator consalutatus, worüber
Lipsius zii Tacitus Eist, ii 80 bemerkt: palam illa falsa. Nee mos eius
aevi diadema tulit, nee Flavius per somnium usurpavit. Der zweite Theil
dieser Rüge ist etwas zu allgemein gefasst. Denn von dem Flavier Titus
wird allerdings bei Suetonius c. 6 folgendes berichtet : nata suspicio est,
quasi desciscere a patre Orientisque regnum sibi vindicare temptasset; quam
suspicionem auxit, postquam Alexandriam petens in eonseerando apud
Mempkim bove Apide diadema gestavit, de more quidem rüuqtte priscae re-
ligionis; sed non deerant qui sequius interpretarentur, und die dunkle Er-
innerung an solche Stellen mag den Severus zu seinem Irrthum verführt
haben. Aber unter allen Umständen bleibt es ein arger Anachronismus,
wenn Severus die 'Sitte* seiner eigenen, nachdiocletianisühen (s. oben S. 122)
Zeit auf die flavische überträgt.
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182 XXIX Ueber die Chronik de« Sulpicius Severus
Diadochenzeit könnte es nur der yollständigsteni auch das Kleinste
nicht verschmähenden Sammlang und Vergleichung aller sonst
erhaltenen Nachrichten vielleicht gelingen, die Quellen zu ent-
decken, aus welchen die chronologischen Ansätze und thatsäch-
lichen Berichte des Severus geflossen sind. DaftLr jedoch dass
es jedenfalls alte und gute Quellen waren, kann auch in der
Kürze ein Anzeichen beigebracht werden, dessen Besprechung
zugleich auf den Zustand des gangbaren Textes nach kritischer
Seite ein helles Licht werfen wird.
Die Analyse der Makkabäerbttcher ist es, welche den Se-
verus veranlasst, die Reihenfolge der syrischen Könige von
Alexander dem Grossen bis auf Antiochos Epiphanes zu ver-
zeichnen. Nachdem der zweite Antiochos, *der Gott\ erwähnt
worden, fährt der Text der bisherigen Ausgaben folgendermaassen
fort (n 19, 3): Fost hunc Seleueus filius cognomine Callinicus annos
unum et viginti (regnavit). Item Seleueus ßius Caüiniei annos
tres. Hoc defuncto Antiochus frater Callinici Asiam et Syriam
tenuit annos Septem et triginta. Hie est Antiochus, adversus quem
Scipio Africani frater bellavit^ quo hello victus et imperii parte
muttaius est. Der letzte, auf Antiochos den Grossen bezügliche
Theil dieser Stelle ist zwiefach verderbt, durch eine oflFenlie-
62 gende Interpolation und | durch eine dicht übertünchte. Die erste
Interpolation liegt offen, weil sie zu einem auffallenden sachli-
chen Fehler geftthrt hat. Jeder Oeschichtskundige weiss, dass
Antiochos der Grosse nicht der Bruder sondern der Sohn des
Kallinikos war; in brüderlichem Verwandtschaftsgrad stand er
zu seinem unmittelbaren Vorgänger Seleukos, welcher jetzt durch
den bei Severus nicht erwähnten und, wie es scheint, auch nicht
officiellen Beinamen Keraunos von den gleichnamigen Königen
unterschieden zu werden pflegt. Ein so handgreifliches Versehen
konnte nicht leicht Jemandem begegnen, der ernstlich wie Seve-
rus auf die seleukidische Chronologie sich eingelassen hatte, und
man ist um so weniger berechtigt es diesem selbst aufzubürden,
als die Entstehung der jetzigen Lesart sich aus einem der alier-
gewöhnlichsten handschriftlichen Vorkommnisse auf das Leichteste
erklärt. Severus hatte blos geschrieben: Hoc {Sdeuco) defundo
Antiochus frater Asiam et Syriam tenuit, 'Nach dessen Tode hatte
sein Bruder Antiochus Asien und Syrien inne' d. h. der Bruder
des eben als verstorben bezeichneten Reichsvorgängers Seleukos
Keraunos; ähnlich wie Severus auch vorher post hunc Sdeucus
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XXIX Ueber die Chronik des Sulpicias Severus 183
fiUus cognomine Callinicus schreibt und es dem Leser überlässt,
den aus der Reihenfolge von selbst sich ergebenden Genetiv,
nämlich fUius Antiochi Thei, zn ergänzen. Ein Abschreiber oder
Leser vermochte jedoch diese einfache Operation bei den Worten
Antiochus frater nicht richtig auszuführen und fügte zu ihnen den
falschen Genetiv Cällinieij der ihm von Seleucus filius Callinici
her noch im Sinne lag. Im Wesentlichen hat diesen Hergang
der Sache bereits der neueste Herausgeber De Prato^ er-
kannt, wie er denn auch sonst zuweilen das Wahre trifft in
Dingen, auf die seinen Menschenverstand anzuwenden er sich
berechtigt hält und bei denen man mit dem unbewaffneten Men-
schenverstände ohne Beihilfe kritischer Technik ausreicht. Dass
er jedoch mit diesem letzteren Erforderniss eines Herausgebers
sehr mangelhaft ausgerüstet war, zeigt die Art, wie er sich bei
der zweiten Verderbung benimmt, welche in adversus quem Scipio
Africani frater bellavit versteckt ist. Diese Worte sind so frei
von jedem sachlichen oder sprachlichen Anstoss, dass Niemand
an ihrer Ursprünglichkeit hätte zweifeln können, wenn nicht
nach De Prato's eigenem Zeugniss die einzige jetzt vorhandene
Handschrift statt jenes glatten Sätzchens folgende zum Theil
sinnlose aber eben deshalb verheissungsvolle Lesung darböte:
adversum quem ut susdpio Asiana gens bellavit. De Prato schickt
sich an, aus diesen Buchstaben etwas 'herauszuklauben' (ex^cuZ-
pere\ fördert jedoch nichts anderes zu Tage als adversus quem
Scipio Asiaticus bellavit^ wobei, wie man sieht, das 'Klauben'
nicht gerade sorgfältig betrieben ist. Denn dass Asiaticus je zu
den unverständlichen Schriftzügen Asiana gens entstellt worden
sei, hat nicht den leisesten Anflug von Wahrscheinlichkeit, und
die Buchstaben ut su bleiben gänzlich unverwendet. Hingegen
kann allen Anforderungen diplomatischer Probabilität genügt
werden, wenn man sich erinnert, dass der Beinamen, welchen
Lucius, der geringe Bruder des grossen Publius Scipio von dem
Siege über Antiochus davontrug, ursprünglich nicht die einfach
lateinische Form Asiaticus hatte, sondern mit seltsamer Gräci-
sirung Asiagenes lautete ; wonach nun aus den Zügen der Hand-
^ Clinton, welcher fast. Hellen, in 314 den stränge error dem Se-
verus selbst beimisst, hat wie die Meisten, welche in neuerer Zeit die
Chronik gelegentlich nachschlagen, die De Prato'sche Ausgabe nicht ein-
gesehen.
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184 XXIX lieber die Chronik des Sulpicius SeveruB
Schrift adversum quem ut suscipio Asiana gens bellavit folgende
Fassung adversum quem Lucius Scipio Asiagenes beUavit von
selbst hervorspringt, welche durch die verschollene Namensform
63 zugleich die | Gewähr ihrer eigenen Echtheit giebt und die Auf-
klärung über die bisher gangbare, erst jetzt nach ihrem vollen
Unwerthe zu würdigende Interpolation cidversus quem Scipio Afn-
cani frater beUavit, Verschollen aber ist die Form Asiagenes in
ganz ungewöhnlichem Maasse; aus der gesammten lateinischen
und griechischen Litteratur haben die vereinten Bemühungen
mehrerer Kenner nur vier Belegstellen, ausser der jetzt hinzu-
tretenden Severischen, sammeln können; eine bei Diodoros
XXXIV — ^v 33, 1 Dind., eine zweite bei LiviusXXXiX 44, eine dritte
bei Sidonius Carm. vii 80 sind von J. F. Gronovius Observ. iv
c. 25 besprochen; die vierte bei Eutropius rv 4^^^ weist Theodor
Mommsen nach. Dazu kommt dann noch die Scipioneninschrift im
(7. L L. I n. 36, auf welcher die wunderlich gräcisirende Form in
noch wunderlicherer®^ Weise zu Asiagenus latinisirt ist, und end-
^» (Hier hat Harte! jetzt nach der ersten Hand der Fuldaer Hand-
schrift Asiagenus in den Text gesetzt).
^ Begreiflich ist übrigens die Verlegenheit der Gelehrten, welche
bei Festsetzung des Ehrennamens für den 'Scipio von Asien' gewiss zu
Rath gezogen wurden. Die scheinbar nächstliegende Form Äsianu^ war
unbrauchbar ; diese hätte statt einer Ehre einen eben solchen Schimpf
ergeben wie wenn man den Publius Scipio nicht Africanus genannt hätte
sondern -4/cr; <man sehe die Antithese bei Apuleius apol. 66 p. 77, 13
Kriig. Aemiliano^ non huic Afro, sed iüi Africano). Denn Asiantis ist das
stehende Ethnikon für einen geborenen Asiaten, diese Ehrentitel aber
sollen unmittelbar von dem Namen des eroberten Landes gebildet und
zugleich auf eine in das Ohr fallende Weise von dem herkömmlichen Na-
men der Eingeborenen unterschieden sein, wie z. B. Achaicus Africanus
Creticus Delmaticus Oermanicus Macedonicus Numidicus von Aehaia Afriea
Greta Delmatia Germania Macedonia Numidia gebildet und von Achaeus
Afer Cres Delmata Oermantis Macedo Numida unterschieden sind. In der
Noth griff man daher zu dem griechischen *AaiaT€vf|<; (über dieses und
die ähnlichen Bildungen Thebagenes (Varro bei Nonius p. 172) ZupniT€v^<; s.
Valckenaer und Wesseling zu Herodot vn 140; TTuXriTCvdac dveptbirou^ der
homer. Hymnus auf den Pyth. Apollon 246 (424)), und als Asiagenes, beson-
ders wohl wegen der griechischen Endung, Anstoss gab, suchte man sich
theils durch die grobe Latinisirung Asiagenus zu helfen, theils verstand man
sich zu AsiaticuSy welches nun zwar von Asianus deutlich genug abklingt,
aber aus der Analogie der übrigen Ehrennamen in so fern heraustritt, als
es nicht von Asia sondern von Asiates gebildet ist.
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severus 185
lieh eine ebenfalls schon von Gronovins angefahrte Münze mit
i. SCIP, ASIAG,y welche Mommsens Münzwerk S. 575 verzeich-
net. An den zahlreichen übrigen Stellen, in denen der antio-
chische Krieg und jener Scipio erwähnt wird, erscheint der
Ehrenname immer in der Form Asiaticus, nnd auch die Fasten
kennen nur diese. Wenn daher das ältere und seltene Asiagenes
bei Severus wieder auftaucht, so erweckt dies eine recht gün-
stige Vorstellung von dem Werthe der Quellen, welchen er seine
Angabe über die Seleukiden entnommen hat^^^.
Jedoch wie reichen oder dürftigen Ertrag dieses und die
anderen nichtbiblischen Stücke der Chronik dem jetzigen Ge-
schichtsforscher bieten mögen — unabhängig von dem heutigen,
theilweise durch zufällige Umstände bedingten Nutzen der ein-
zelnen Nachrichten ist der Einfluss, welchen diese Partien in
ihrer Gesammtheit schon durch ihr blosses Vorhandensein auf
die Physiognomie des Severischen Werkes gewinnen. Denn da
sie nicht, wie es z. B. in der eusebianischen Chronik geschieht,
nur tabellarisch neben die biblischen Thatsachen gestellt sondern
zu einer einheitlichen Erzählung mit denselben verwoben sind,
so wirken sie auf den Ton des Erzählers wie auf die Stimmung
des Lesers, und tragen recht wesentlich dazu bei, dem Ganzen
jene concret geschichtliche Lebendigkeit zu verleihen, welche
gleich weit entfernt ist von allegorischer Verflüchtigung wie von
dogmatischer Verknöcherung. Vor diesen beiden Abwegen, welche
den Behandlern der biblischen Schriften so gefährlich zu werden
pflegen, hat Severus sich streng gehütet. Alles Dogmatische, auf
das er überhaupt sich einlässt, bleibt den späteren, kirchenge-
schichtlichen Abschnitten vorbehalten, wo es zum Verständniss
der Erzählung unentbehrlich ist und dennoch meistens sehr kurz
abgethan wird ; die Lehre der Arianer z. B. findet sich n 35, 3
in einer Fasjsung angegeben, die selbst zu formuliren Severus 64
sich nicht einmal die Mühe genommen sondern wörtlich, wie De
Prato nachweist, aus Hilarius abgeschrieben hat. Dagegen der
eigentliche Kern des Werks, die alttestamentliche Geschichte,
bleibt von dogmatischen oder allegorischen Zwischenreden frei,
ausser an drei Stellen, die jedoch Ausnahmen von deijenigen
^^^ (Dass Alexander Balas (s. Josephus antiq. xni 4, 8 Strabon xvi
p. 751 Soaliger in Euseb, 1867) ein adulescens Bhodi edueatus gewesen,
berichtet allein Severus ii 24, 1).
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186 xxiz Ueber die Chronik des Sulpioius SeveruB
Art bilden, welche die Regel bestätigen. Die erste dieser Ab-
normitäten bezieht sich aaf die vorsindfluthliche Zeit. 'Von
Lamech — sagt Severus i 2, 4 — werde in der Bibel {Gen, 4, 23)
berichtet, dass er einen Jüngling erschlagen habe; der Name
des Erschlagenen werde jedoch nicht mitgetheilt; Einsichtige
halten daftlr, dass dies ein zukünftiges Mysterium vorbedeute'
{quod quidetn futuro mysterio fuisse praeniissum a prudentihus
aestimatur). Das hier verborgene Geheimniss aufzudecken haben
die theologischen Ausleger des Severus vergeblich sich ange-
strengt, und wir am allerwenigsten fühlen Beruf oder Neigung
den Schleier zu lüften, da für unseren Zweck der Nachweis ge-
nügt dass die geschichtliche Haltung der Chronik durch dieses
beiläufige 'Mysterium' eher ins Licht gesetzt als verdunkelt
wird. Denn erstlich ist es als eine blosse Muthmaassung, fUr
welche Severus überdies die Verantwortung Anderen zuschiebt,
von dem Thatbestande scharf gesondert; und zweitens berührt
er gar nicht den erzählten Vorgang, der vielmehr in seiner
Wirklichkeit unangetastet bleibt, sondern Severus versucht nur,
der Namenlosigkeit des Erschlagenen, d. h. einem formalen Um-
stände der biblischen Darstellung, eine gewisse Bedeutung un-
terzulegen. — Eben so wohl verträglich mit dem Grundton der
Chronik ist die zweite Ausnahme. 'Dem Abram und seinem
Weibe — heisst es l 6, 2 — seien durch Hinzufügung je 6ines
Buchstabens die Namen verändert worden; fortan werde er
Abraam genannt statt Abram, sie aber Sara statt Sarai. Das
nicht leere Geheimniss dieser Sache auseinanderzusetzen gehört
nicht in das vorliegende Werk ' (cuius quidem rei non inane my-
sterium non est huius operis expanere). Hier ist also ausdrücklich
der Charakter der Chronik als unvereinbar mit Enthüllung von
Geheimnissen hingestellt; die blosse Voraussetzung eines Geheim-
nisses aber an diesem Orte, wo es sich nicht um ein thatsäch-
liches Ereigniss sondern um eine Namensverwandlung handelt,
darf wohl zu der verzeihlichsten, jedenfalls zu der unschäd-
lichsten Gattung von Mysteriensucht gerechnet werden. — An-
ders freilich verhält es sich mit der dritten Ausnahme, zu deren
Erledigung ein näheres Eingehen auf die Worte des Severus
unvermeidlich ist. 'Jabin, ein kanaanitischer König — erzählt
er 1 24, 5 — habe zwanzig Jahre hindurch die drückendste Zwing-
herrschaft über die Hebräer ausgeübt', danec pristinum Debbora
mulier statum reddidit Adeo nihil spei in eorum ducibus erat tU
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XXIX Ueber die Chronik des SnlpioiuB Severas 187
mtdiebri auxüio defenderentur. Quamquam haec in typum Ecclesiae
forma praeniissa sit, cuius aua:ilio captivüas est depulsa. Sub hac
duce vel iudice XL annis Hehraei fuerunt. Da hätten wir nun
die Typik in ihrer schlimmsten Ausartung. Nicht Nebenumstände
der Erzählung, wie bei Lamech und Abraham, werden ausge-
deutet, sondern eine geschichtliche Persönlichkeit, die in ihrem
Leben und ihren Thaten so scharf umrissen vor uns steht, wie
irgend eine andere grosse Frau der alten oder neuen Zeit, wird
zu einem Gedankending aufgelöst; Debora wird zur 'Kirche' ge-
macht, blos weil beide das Glück oder das Unglück haben, weib-
lichen Geschlechts zu sein. Sehen wir jedoch das Sätzchen
quamquam haec in typum Ecclesiae forma praemissa sit, cuius
auxilio captivitas est depulsa genauer an, so werden wir auch
von Seiten der Sprache und der logischen Verbindung durch
arge Unleidlichkeiten verletzt. Zunächst ermangelt captivitas der
nöthigen Beziehung. In einem Zusammenhang wie der hiesige,
wo die politische | Bedrückung zu einer geistigen Knechtschaft 65
umgedeutet werden soll, muss das geistige Moment klar bezeich-
net werden; Hinzufllgung eines Genetivs zu captivitas ist uner-
lässlich, mag man nun für peccati sich entscheiden, das De Prato
vorschlägt, oder, mit Vorstius, das derbere diaboli wählen. Recht
anstössig ist ferner die verschrobene Stellung von forma. Und
durchaus unlösbar ist der begriffliche Widerspruch, in welchen das
fragliche Sätzchen zu dem unmittelbar vorhergehenden tritt Denn
der Anlass zu einer Allegorie liegt ja lediglich darin dass De-
bora, obzwar ein Weib, dennoch den Krieg leitete. Hätte nun
Severus dieses Verhältniss allegorisch vernutzen wollen, so hätte
er es nicht erst in einfacher und dem Sinn der Bibel {lud. 4, 9)
gemässer Weise geschichtlich verwerthen dürfen, was er doch
thut indem er sagt *Das Vertrauen auf die Feldherren war so
sehr geschwunden, dass man weiblichen Beistandes zur Verthei-
digung bedurfte'. Dadurch dass dies in berichtendem Tone er-
zählt worden, ist gegen jede Allegorie ein Riegel vorgeschoben;
und wenn nun trotzdem eine solche sich einfindet, so bleibt nur
die Annahme übrig dass sie, wie so manches Andere (s. Anm. 52),
vom Rande her eingedrungen ist. Eben die geschichtliche Ein-
fachheit der Severischen Auffassung war einem Leser, der aus
des Ambrosins, Augustinus^ und gewiss noch aus vielen anderen
^ De Prato hat die Stellen ausgeschrieben. — Auf eine ähnliche
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188 XXIX lieber die Clironik des Sulpicius Sevcrus
Schriften das Weib Debora als Bild der Kirche kennen gelernt
hatte, allzu trocken erschienen; er hatte deshalb den Worten
des Severus eine auf jenen ' Typus' hinzielende Randbemerkung
in flüchtiger Fassung gegenübergestellt, welche dann bei ihrer
Versetzung in den Text durch die in solchen Fällen gewöhnliche
Verwirrung den unumgänglichen Genetiv zu captivitas einbüsste.
Nach Aussonderung der Marginalie tritt nun auch die enge Ver-
bindung zwischen ut muliebri atixilio defenderentur und dem de-
monstrativen Pronomen Sub hoc dwe wieder in ungetrübter ür-
sprünglichkeit hervor.
Sonach geschieht es nicht drei-, sondern in der ganzen
Chronik nur zweimal, dass Severus die geschichtliche Klarheit
mit mysteriösem Dunkel — nicht wirklich vertauscht, sondern
nur zu vertauschen Miene macht. Denn selbst in jenen zwei
nach Wegfall der symbolischen Debora zurückbleibenden, auf
Lamech und Abraham bezüglichen Stellen wird ja das Myste-
rium nicht dem Anblick ausgesetzt; es wird blos auf den Vor-
hang gedeutet, hinter welchem ein Mysterium verborgen sein
soll; und Stellen, deren Zahl so klein, deren Umfang so gering
und deren Ton so leise ist, können nicht störend sondern höch-
stens als bestätigender Gontrast wirken auf den sonst nach allen
Seiten sich bewährenden geschichtlichen Gesammtcharakter des
Werks. Aber um so lehrreichere Winke enthalten selbst diese
wenigen und behutsamen Stellen fllr die Charakteristik des Ver-
fassers. Die allegorisirende Doppelsichtigkeit gehört zu den-
jenigen Affectionen des geistigen Auges, bei welchen auch die
spärlichsten und gelindesten äusseren Symptome auf das inner-
liche Vorhandensein des Uebels in seiner vollen Stärke schliessen
lassen; und in Severus' Falle verrathen die Symptome eigentlich
nur das, was nach der ganzen Richtung des damaligen Zeit-
alters, selbst ohne jedwedes Wahrzeichen, vorausgesetzt werden
66 durfte. Die besten Köpfe und | die umfassendsten Gelehrten des
Jahrhunderts waren von dem Allegorientaumel befallen: alle
typische InterpolatioQ muss wohl zurückgeführt werden was Gregor von
Tours Hist. Franc, i c. 7 hinsichtlich der Opferung Isaacs erwähnt : hoc
vero holocaustum {victimae commutatae) in monte Calvariae, quo Dominus
crucifixus est, öblatum fuisse Severus narrat in Chronica. An der betref-
fenden Stelle unserer Chronik i 7, 2 findet sich weder eine Spur von diesen
Worten nooh das leiseste Anzeichen einer Lücke.
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3LXIX lieber die Chronik des Salpicius Severuii 189
seine Dialektik konnte den Angustinns, all sein philologisches
Wissen konnte den Hieronymus nicht schützen; sollte Severns
allein von der allgemeinen Ansteckung frei geblieben sein, so
hätte er eine Selbständigkeit und Gesundheit des Sinnes be-
sitzen müssen, die nach einem Blick auf seine Lebensbeschrei-
bung des Martinus und auf seine Briefe Niemand ihm beilegen
wird. Wenn er in diesen mit der Chronik fast gleichzeitigen
Producten^* über die Offenbarung Gottes in der Natur hinaus-
strebt und mit unersättlicher Begierde nach grossen und kleinen
Wundern hascht, so wird er schwerlich bei der Offenbarung
Gottes in der Schrift stets sich an dem ungekünstelten Schrift-
sinn haben genügen lassen. Alles führt vielmehr darauf, dass
er flir seinen eigenen Bedarf und in der Stille seiner Meditationen
nicht blos bei Lamech und Abraham, sondern bei noch gar man-
chen anderen Personen und Ereignissen des alten Testaments
in bunte Typik sich versenkt, an luftigen Allegorien sich erbaut
habe; und wenn die Chronik hiervon nur die angegebenen
höchst schüchternen Spuren aufzeigt, so darf ftlr eine solche
Enthaltsamkeit, da sie dem damaligen Zeitalter fremd und dem
Severus, nach allem sonst über ihn Bekanntem, nicht natürlich
ist, der erklärende Anlass nur in den besonderen, für die Chro-
nik geltenden, schriftstellerischen Motiven gesucht werden.
Dieselben geben auch befriedigenden Aufschluss, sobald
man die Rücksichten erwägt, welche sein nächster Leserkreis,
das von Priscillianisten wimmelnde Aquitanien, dem Severus
auferlegte. Jene Secte hatte nämlich zu der Bibel als Quelle
der Dogmen eine eigenthümliche Stellung sich gewählt. Wäh-
rend die älteren Secten und auch noch die gleichzeitigen Mani-
chäer, um ihre Lehrgebäude auf die biblischen Urkunden grün-
den zu können, vor der Verwerfung ganzer Reihen von kanonischen
Büchern vorzüglich des alten, aber auch des neuen Testaments
nicht zurückschreckten, enthielten sich die Priscillianisten, denen
daran lag möglichst lange im Rirchenverbande zu bleiben, eines
so gewaltsamen Verfahrens, durch welches das Schisma alsbald
zu öffentlichem Ausbruch hätte kommen müssen. Sie bekannten
^ Wer eich zur Leetüre derselben nicht entschliessen kann — und
leicht wird der Entschluss wohl nur sehr Wenigen werden — , mag den
in ihnen herrschenden Geist aus Gibbon's kurzen und strengen, aber ge-
rechten Worten eh. 27 n. 60 kennen lernen.
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190 zxtK Üeber die Chronik des Sulpicius Severus
sich vielmehr zu allen kanonischen Büchern ohne Aasnahme.
Aber trotz dieser Gemeinschaft der Urkunden wahrten sie ihren
Sonderglauben mittels schrankenloser Anwendung der Interpre-
tationsweise, in welcher Kirchenlehrer wie Origenes ihnen voran-
gegangen waren. Zur Zeit als der Priscillianismus in Spanien
und Aquitanien aufkam, d. h. in der zweiten Hälfte des vierten
Jahrhunderts, war die Bewunderung für jenen alexandrinischen
Meister allegorischer Bibelauslegung noch eine ungetheilte; die
wirksamen Bewegungen gegen sein System beginnen erst zu
Anfang des fünften Jahrhunderts gleichzeitig mit der Abfassung
der Severischen Chronik. Die Führer der Priscillianisten durf-
ten also, wenn sie die Bibel allegorisch deuteten, auf eine all-
gemein anerkannte und allgemein nachgeahmte Autorität sich
berufen; und da es im Wesen der allegorischen Manier liegt,
dass sie unmethodisch ist und die Grenzen ihrer Anwendung
sich nicht bestimmen lassen, so war die Secte trotz ihres Fest-
haltens an den alten kanonischen Büchern doch unbehindert in
67 ihren dogmatischen Neubildungen, welche | mit etwas Phantasie
und etwas Sophistik auf jenem allegorischen Wege so leicht
in den überlieferten Buchstaben hineingegaukelt werden konn-
ten 8^. Besonders das alte Testament mit der Fülle seiner Ge-
stalten und der Mannigfaltigkeit seiner Begebenheiten bot dem
allegorisch-typischen Schattenspiel eine bequeme Unterlage; und
wenn man erfährt ®** dass z. B. die zwölf Söhne des Erzvaters
Jacob nach priscillianistischer Lehre Typen von Seelenkräften
sein sollen, so wird man durch diese Probe eine Vorstellung von
dem Uebrigen gewinnen und nach weiteren Einzelheiten nicht
begierig sein. Hierdurch war also dem Severus in seiner nach-
^ Zum Belege genügen folgende Stellen aus Augustinus, de haere-
8xbu8 c. 70 hoc versutiores (Priscülianistae) etiam ManichiieiSj q^uod nihü
scripturarum canonicarum repudiant, simul cum apocryphis legentes omnia
et in autoritatem sumentes, sed in suos sensus düegorieando vertentes quic-
quid in sanctis libris est quod eorum evertat errarem ; und im Wesentlichen
gleichlautend epist 237 (= 253) ad Ceretium § 3 : Prisdüianistae vero ae-
eipiunt omnia et canonica et apocrypha simul, sed qwiecumque quae contra
eos sunt in suae perversitatis sensus aliquando callida et astutay aiiquando
ridiciäa et hebeti expositione pervertunt. Im Uebrigen gilt auch für diesen
Punkt die obige (Anm. 7) allgemeine Verweisung auf Lübkert's Schrift.
^» <8. Orosius consult, ad August in. § 2 bei Mandernach in der oben
Anm. 7 angeführten Schrift p. 10 Anm. 1).
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XXIX üeber die Chronik des Salpicius Severus 191
8ten Umgebung die Yerfänglichkeit der Typik und Allegorie
auf die abschreckendste Weise vor Augen gestellt; er musste
fühlen dass, wenn er von dieser Manier vor dem damaligen
aquitanischen Publicum öffentlichen Gebrauch zu orthodoxem
Zwecke mache, er gegen ihre priscillianistische Verwendung
wehrlos werde ; denn war einmal zugegeben^ dass Allegorie den
wahren Sinn der Bibel aufschliesse, so ward es Gegenstand einer
misslichen Disputation, welche Art von Allegorie ein Schlüssel
und welche ein Dietrich sei. Severus hat es daher vorgezogen,
unter Aufopferung auch der rechtgläubigen Typen und Allego-
rien, denen er ohne Zweifel ergeben war, sich einer rein that-
sächlichen Darstellung zu befleissigen.
Mithin ergiebt es sich, dass in noch unmittelbarerer Be-
ziehung als bisher zu erkennen war, die Verbreitung der pris-
cillianistischen Secte in Aquitanien raaassgebend auf die
eigenartige Beschaffenheit unserer Chronik eingewirkt hat.
Oben (S. 149 und 154) durften wir den Anlass zu dem gesammten
Plan des Severus in dem Bestreben finden, mit den Priscillia-
nisten auf dem von ihnen beherrschten Gebiet classisch-litterä-
rischer Fertigkeit zu wetteifern und ihrem Einfluss auf die rhe-
torischen Kreise ein Gegengewicht dadurch zu schaffen, dass die
Bibel im Gewände einer anziehenden, von allem Solöken und
Fremdartigen freien historischen Schrift den Verehrern des Sal-
lustius und Tacitus dargeboten werde; und allerdings musste
schon diese Absicht dem Severus den Vorsatz eingeben, auf den
Boden der geschichtlichen Wirklichkeit sich zu stellen. Aber
schwerlich würde er den allgemeinen Vorsatz mit solcher Strenge
im Einzelnen durchgeführt haben, wären nicht alle typologischen
und allegorischen Regungen erstickt worden durch die Furcht,
sich auf derselben Fährte mit den Priscillianisteu betreffen zu
lassen, und durch die Noth wendigkeit, ihrer schlauen Hand-
habung jener Auslegungsart zur Begründung einer heterodoxen
Dogmatik nach Kräften entgegenzuarbeiten.
Ob nun die nächste Wirkung der Chronik auf das Aqui-
tanien des fünften Jahrhunderts diesen Absichten des Severus
entsprochen, ob ihr durch classische Sprache gewürzter biblischer
Inhalt den Rhetoren gemundet, ihr geschichtlicher Ernst dem
priscillianistischen Allegorienspiel gesteuert habe, muss bei un-
serer mangelhaften Kunde über die Zustände dieser Zeit dahin-
gestellt bleiben. Um so deutlicher aber lässt es sich wahr-
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192 zxix üeher die Chronik des Sulpicius Severus
68D6bmen, wie sehr in den folgenden Jahrhunderten | der nach
jenen zwei Seiten des classischen Stils und der historischen
Haltung ausgeprägte Charakter des Werks entscheidend gewor-
den ist für seine zwischen völliger Vernachlässigung und gün-
stigster Aufnahme wechselnden Schicksale. Die litterärische
Blüte Aquitaniens, auf welche die Chronik in Form und Inhalt
berechnet gewesen, ward noch bei Lebzeiten des Severus für
immer geknickt durch den Einfall der Völkerhorden, welche mit
Radagaisus nach Italien aufgebrochen waren, dort vor Floreoz
von Stilicho unter Verlust ihres Führers zersprengt wurden und
nun (im J. 406) Gallien überfluteten, das Land nicht blos durch
.Streifzüge verwüsteten sondern zu dauerndem Besitz einnahmen
und in unaufhaltsamer Folge andere Völkerschwärme nach sich
zogen. Von diesem Zeitpunkt an zeigen alle litterärischen Er-
zeugnisse Galliens eine merkliche Entartung des Geschmacks;
vielleicht die einzige Ausnahme bildet das treflflich stilisirte Ge-
denkbuch {Commonitorium) des Vincentius Lirinensis, dessen Er-
ziehung jedoch wahrscheinlich noch in die Zeit vor der Barbaren-
flut fällt. Aber schon der gegen die Mitte des tlttnften Jahr-
hunderts schreibende Salvianus (s. Anm. 2) und vollends der
dem Ablauf desselben nahe Sidonius haben gerade das einge-
büsst was die frühere Epoche und den unter ihrem Einflüsse
stehenden Severus auszeichnet, die Reinheit nämlich und An-
gemessenheit des Ausdrucks, welche, wie sie späte Früchte der
vollständigen Romanisirung Südgalliens gewesen waren, nun
auch nach dem Eindringen der barbarischen Elemente am ehe-
sten verschwinden mussten. Man könnte die damalige Lage
wohl in etwas weniger barocken aber schwerlich iu anschau-
licheren Bildern malen als es der eben erwähnte Sidonius thut,
indem er einen ihn um ein Hochzeitscarmen bittenden Freund
fragt, woher ihm denn die Dichterstimmung kommen solle, ihm,
der den Gesang eines burgundiscben, Buttergeruch statt Salben-
dufts aus seinen Haaren ausströmenden Nimmersatt als ergebener
Unterthan zu loben gezwungen sei; wie die Muse sich noch um
die sechs Füsse des Hexameters kümmern solle, seitdem sie
vor sieben Fuss hohen Barbarengestalten sich bücken müsse ^'^.
^ Carm. xii Quid me, etsi valeam, parare Carmen \ Fescenninicolae
iübes Diones \ inter crinigeras situm catervas \ et Germanica verba sustinen-
tetn, I laudantem tetrico subinde vultu \ quod Burgundio cantat esculentus \
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XXIX Üeber die Chronik des Sulpicius Severus 193
Je unwiederbringlicher in der Noth dieser Zeiten das Gefühl
für gewählte Einfachheit der Sprache den Wenigen, die zum
Btlcherlesen Lust und Müsse fanden, abhanden kam, und je un-
rettbarer die noch wenigeren Bücherschreiber der geckenhaften
Ziererei verfielen, in welcher schon das unverächtliche Talent
eben jenes Sidonius gänzlich zu Grunde ging, desto mehr musste
die schmucklose Correctheit der Severischen Chronik ihr die
Beachtung entziehen. Und als nun gar die Schatten des eigent-
lichen Mittelalters sich verlängerten, als in der Nacht, welche
tlber die europäischen Länder sich lagerte, das Licht der Mensch-
heit — der geschichtliche Sinn — völlig erlosch, und mit dem
Erlöschen des geschichtlichen Sinnes das Studium der Bibel
von dem Nebel der phantastischsten Allegorien immer dichter
umhüllt, von dem Gewebe der scholastischen Dogmatik immer
künstlicher umsponnen wurde, da musste eine Behandlung der
Bibel, welche, wie die Severische, das alte Testament einerseits
mit der * heidnischen* Geschichte verknüpft, andererseits durch
ihr Verzichten auf Typik und Allegorie die Brücke zwischen
altem und neuem Testament abzubrechen | drohte, den Leitern 69
der klösterlichen Bibliotheken und Handschriftenfabriken reiz-
los, wo nicht gar gefährlich erscheinen. Viel fesselnder und
erbaulicher musste auf jenes in Wundersucht versunkene Ge-
schlecht die andere Reihe Severischer Arbeiten wirken, welche
das Leben des Martinus mit dem Nimbus grotesker Mirakel ver-
zieren; und diese Schriftstücke wurden denn auch in den Mar-
tins- und in allen, wie immer benannten, Klöstern mit einer
Emsigkeit vervielfältigt, unter deren Früchten noch jetzt die
Manuscriptensch ranke jeder grösseren Bibliothek zu seufzen ha-
ben. Um die Chronik dagegen kümmerte man sich so wenig,
dass ihre Erhaltung, bevor dieselbe in der zweiten Hälfte des
sechszehnten Jahrhunderts durch den Druck gesichert worden,
an den dünnen Fäden blos zweier Handschriften hing, zu welchen
die sorgfältigste Nachforschung bisher keine dritte ^^ hat fügen
infundens acido eamam butyro ? \ vis äicam tibi qwd poema frangat 9 | ex
hoc barbarids abacta plectris \ spertdt senipedem stüum Thalia \ ex quo
septipedes videt patranos (vgl. Gasaubonus zu Sueton. Tiber. 68).
^ Die bibliographischen Belege für das hier und in der Folge Ge-
sagte giebt theils der Anhang, theils Schoenemann bibliotheca pcUrum lati-
nortm n 866—410.
Bernayi, ges. Abhandl. II. ^^
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194 txtx. (Jeber die Chronik des Sulpicius Severod
können. Aber das sechszehnte Jahrhundert war nun anch ganz
in der Stimmung, um die Chronik nach ihren positiven wie ne-
gativen Vorztigen zu würdigen und als einen köstlichen, für
seine Bedürfnisse gleichsam geschaffenen Fund mit Jubel zu
begrüssen. Die Entwickelung der Neuzeit hatte die europäischen
Menschen aus der legendarischen Ämmenstube in die stählende
Luft historischer Forschung hinausgeführt; zugleich mit der Be-
festigung des geschichtlichen Sinnes war das Gefühl für sprach-
liche Reinheit und Richtigkeit wieder geschärft worden; eifrig
war man, zuerst in Deutschland und nach deutschem Vorgang
in den übrigen Ländern, bemüht, die an den humanistischen
Studien erstarkte Methode einer gesunden Auffassung des ge-
schriebenen Worts nun auch auf diejenige Schrift anzuwenden,
welche als die heilige verehrt wird; und nicht minder eifrig
strebte man, die klar erkannte Ueberlieferung der heiligen Schrift
mit der, endlich wieder in den Schulen gelehrten, allgemeinen
Menschengeschichte in Verbindung zu setzen. Nichts konnte
daher den leitenden Männern des sechszehnten Jahrhunderts,
zumal für den Jugendunterricht, erwünschter kommen als ein
Gompendium biblischer Geschichte gleich dem Severischen, ab-
gefasst in einem Latein, das nicht erst, wie so manches andere
ekklesiastische, auf Grund seines religiösen Inhalts einen gram-
matischen Freibrief zu verlangen brauchte, vielfältig hinweisend
auf den Zusammenhang der biblischen mit der ausserbiblischen
Welt, und jeglicher dogmatischen Sehlussfolgerung so streng
entsagend, dass die zwei grossen Religionsparteien, welche mit
der Heftigkeit des noch frischen Streites damals sich befehdeten,
beide gleich unbedenklich dieses Büchlein als ein rein thatsäch-
liches und daher neutrales in ihre Schulen einführen durften.
Auf Geheiss eines römischen Gardinais hat Carolus Sigonius
für die italienischen Schulen den besten unter allen vorhandenen
Commentaren der Chronik ausgearbeitet, und in den protestan-
tischen Niederlanden haben "kraft Beschlusses der General-
staaten zum Gebrauch der holländischen und friesischen Schulen*
die Elzevire einen Textesabdruck ^^ besorgt, mit dessen gedie-
^ Da er einen eigenthümlichen kritischen Werth nicht besitzt, so
musste er im Anhang unerwähnt bleiben. Der Titel lautet : Suipiti Severi
Historia Sacra Cantinuata Ex Johannis Sleydani libro De Quatuor aunmis
Imperiü: Edüa in usum Schölarum Hoüandicarum et West-Friaicarum:
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XXIX lieber die Chronik des Sulpicius Sevenid 195
gener Schönheit neuere Schulausgaben vergeblich wetteifern.
Bis zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts hat die Chronik
sich die so errungene Geltung in dem französischen, deutschen
und niederländischen Unterricht zu bewahren | gewusst. Erst 70
durch Bossuet's ^allgemeine Geschichte', welche ebenfalls die
nichtbiblische um die biblische Geschichte gruppirt, aber viel
glänzendere stilistische und viel schreiendere dogmatische Far-
ben aufträgt, ist das Severische Werk dem Gebrauch und dem Ge-
sichtskreis der französischen Schulmänner s®* entfremdet worden;
und dasselbe Ergebniss ward für die germanischen Länder
herbeigeftlhrt durch die Trennung der classischen von den bib-
lischen Studien, welche im achtzehnten Jahrhundert immer
schroffer sich ausbildete, und durch die veränderten Gesichts-
punkte, nach welchen die SchuUectüre von der autonom gewor-
denen classischen Philologie geregelt wird. Seit dem Jahre 1711,
in welchem noch ein Leipziger Buchhändler es der Mühe werth
fand, auf die Trägheit der Jugend durch Zurichtung der Chro-
nik ad modum Minellii zu speculiren, ist nach und nach das
Andenken an das einst so beliebte Schulbuch bei den Jttngeren
völlig und bei den Aelteren fast vöUig erloschen. Um so we-
niger behindert durch die Befangenheit, welche einem richtigen
Urtheil ttber Schulautoren im Wege zu sein pflegt, konnte der
vorstehende Versuch das Mangelhafte wie das Gute der Chro-
nik bezeichnen und ihren zwar bescheidenen aber doch bedeut-
samen Platz bestimmen in der Reihe derjenigen Schriften, welche
hervorgerufen sind durch die grosse, dem Menschengeschlecht
aufgegebene Arbeit, die Bibel mit der griechisch-römischen Bil-
dung zu vereinen.
Ex Decreto lUustrium ac Potentium i>. D. Ordinum HoUandiae et West-
Frisiae, Lugäuni Batavorum^ Ex Officina Bonaventurae et Äbrähami
Eleevir, Äeademiae Typograph. oio lo cxxvi. 8. 271 S.
®^» [Und doch war, noch bevor Bern, das Obige schrieb, ein Ver-
sach gemacht worden die Schriften des Sulpicius den französischen Schulen
wieder zuzuführen. Kein Geringerer als Fr. Dübner war es der eine edition
classique 1851 von der Historia saera, 1869 vom über de vita h, Martini
nebst den Dialogen und den Briefstellen über Martinus herstellte].
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Anhang.
Ueber Titel, Handschriften und Ausgaben der Chronik.
(S. Anm. 1.)
Die einfache und bequem kurze Bezeichnung 'Chronik* 71
kennt schon der von Severus nur durch einen fünfzigjährigen
Zeitraum getrennte Gennadius de viris ilL 19: Severus presbtfter
cognomento Stdpicitis, Aquitanicae provinciae .... composuit et
Chronica. Auch Gregor von Tours und die übrigen Scribenten
des Mittelalters, deren Zeugnisse De Prato (Vol. i p. xxxix) ge-
sammelt hat, erwähnen nur diesen Titel, und die Vaticanische
Handschrift, die einzige jetzt nachweisbare, beginnt Jncipü Pro-
logus Sulpicii Severi in Chronica quae ipse fecit ah exordio mundi
usque ad tempus suum, und hat am Schluss des ersten Buches
folgende Subscription: Explicit Sacrorum Chronicorum liber pri-
mtis: incipit liber secundus. Lege feliciter. — Die bisher gangbare
Betitelung Historia Sacra^ wie die Worte in den jüngeren, oder
Sacra Historia, wie sie in den älteren Ausgaben geordnet sind,
hat selbst De Prato, obgleich er im Besitz aller eben erwähnten
Thatsachen war, noch nicht aufzugeben gewagt; ihre Gewähr
liegt jedoch lediglich in dem Titelblatt der editio princeps^ wel-
ches hier vollständig folgt, weil weder De Prato in Verona noch
Schönemann (Bibliotheca patrutn il p. 410) in GOttingen diese
Ausgabe auftreiben konnte: Sulpitii Severi Sacrae Historiae a
Mundi exordio ad sua usque tempora deductae^ libri II nunc pri-
mum in lucem editi. Jtefn aliae quaedam Historicae appendices^
lectu dignissimae. Äccessit rerutn et verborum copiosus index
(von einem Index war in den zwei mir vorgekpmmenen Exem-
plaren keine Spur zu finden). Basileae, Per loannem Oporinum
192 S. Octav. Der durch seine Theilnahme an den Magdeburger
Genturien und durch sein Auftreten gegen Melanchthon bekannte
Herausgeber Matthias Flacius Illyricus bezeichnet sich unter
dem an Nicolaus Batevilius Princeps OUcensis et Poiaiinus Vü-
nensis, <den Beschützer der Socinianer, s. Gillet, Crato u 226 und
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XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Severua 197
Haase's Programm zu 1862/3 p. 19, 1> gerichteten und prima
Mail 1556 datirten Widmnngsschreiben nur mit den Anfangs-
buchstaben M, F. Ueber die Handschrift, welche er benutzte,
findet sich keine andere Angabe als die in folgenden Worten
des Widmungsschreibens enthaltene: Tuae igitur Celsäudini, Prin-
ceps iUustrissimey libdlum hunc . . , , ex quadam celeberrimae Sa-
xonum civitatis Hildesiae bibliotheca erutum editumque
addico dedicoque. In dem ganzen Büchlein wird keine einzige
Variante angemerkt, und alle kritische Zuthat beschränkt sich auf
Bezeichnung einiger der offenbarsten Ltlcken und Verderbnisse
durch Sternchen. Mit diesem unbekümmerten Verfahren steht es
nun ganz im Einklang dass Flacius, da die Hildesheimer Hand-
schrift, wie nach Allem anzunehmen ist, ihm nur den Namen
des Verfassers aber nicht den Titel der Schrift darbot, sich seine
Sacra historia a mundi exordio usque ad sua tempora zusammen
gelesen hat aus folgenden Sätzen der Severischen Einleitung:
res a mundi exordio sacris litteris editas .... usque ad no-
stram memoriam carptim dicere aggressus sum, und: visum au-
tem mihi est non absurdum, cum per sacram historiam
cucurrissem, etiam post gesta coneciere (s. Anm. 59); excidium
Hierosölymae, vexationesque populi Christiani etc. Gerade dieser
letzte Satz liefert jedoch, indem er zwischen der 'heiligen, d, h.
biblischen, Geschichte' und dem 'später Geschehenen' (post gesta)
so scharf scheidet, den deutlichsten Beweis dass Severus seine
gesammte, beide Theile umfassende Schrift nicht Sacra Histo-
ria genannt wissen will; wie er denn diese Bezeichnung überall
wo er sie gebraucht (i 36, 5; n 5, 6 und 7; 14, 3) dem bib-
lischen Text im Gegensatz zu nichtbiblischen Geschichtsschrei-
bern und Chronologen vorbehält. — Ein ähnlicher Grund macht
es aber auch unwahrscheinlich, dass Severus selbst den Titel
Chronik für seine Schrift gewählt habe. Er ftihrt mehrere Male
(l, 36, 6; 42, 1; 46, 5; n, 5, 7; 6, 1) die eusebianische Chronik
ohne nähere Unterscheidung schlechthin als Chronica an, was er,
wenn seinem eigenen Werk dieselbe Aufschrift gegeben war, um
Missverständnissen zu entgehen gewiss vermieden hätte. Es wird
sich daher wohl Jedem, der die eben mitgetheilten Worte der
Einleitung erwägt, die Annahme empfehlen, dass Severus selbst
in der Betitelung so gut wie in dem Stil seines Werks classi-
schen Vorbildern sich angeschlossen und nach Analogie von Titi
Livi ab urbe condita Zi&n, Gomdi Taciti ab excessu Divi Augusti
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198 XXIX üeber die Chronik des Sulpicius Sevenis
die Aufschrift folgendermassen abgefasst hatte: Amundiexordio
libri IL Äehnlich wie bei Livius und Tacitus fand man auch bei Se-
verus einen solchen Titel für das Gitiren unhandlich, und bereits zu
72 Gennadius' Zeit | war er durch die an sich untadelige Benennung
'Chronik* verdrängt worden, welche ich, da A mundi exordio für den
deutschen Ausdruck unfUgsam ist, gern beibehalten habe. — Ich
knüpfe hier an, was sonst über die Schicksale des Textes wissens-
werth und zur Beurtheilung meiner Arbeit dienlich ist. Die
Hildesheimer Handschrift ist seit Flacius verschollen; auch meine
vielfältigen, bereitwilligst von Freunden unterstützten Bemühungen
haben zu keiner Spur ihres Verbleibs geführt. Eine andere
Handschrift zu benutzen war unter den folgenden Herausgebern
nur dem letzten, dem mehrerwähnten De Prato, vergönnt, wel-
chem sein Onkel Comes Abbas Turnus aus Rom eine, wie es
scheint, genaue Vergleichung sandte von einem Vaticanischen
Pergamentcodex nutn. 825 signatus, charactere mitiori et rotundo
(volgo stampatello) exarcduSj qui dedmo fere saeculo ab eiusrei
perüis scriptus credUur (Vol. n p. xxxiv). Eine Durcharbeitung
der Varianten führt zu dem Ergebniss dass diese Vaticanische
Handschrift demselben Archetypon entstammt wie die Hildes-
heimer, mit der sie alle Lücken theilt ; im Uebrigen sind jedoch
die meistens brauchbaren Abweichungen so zahlreich und viel-
artig dass eine Identität mit der Hildesheimer, ?rie sie De Prato
vermuthet, auch bei Voraussetzung arger Flüchtigkeit des Flacius
immer noch unglaublich bleibt (s. oben Anm. 11)^. — Ausgaben
der Chronik wurden in den ersten achtzehn Jahren nach Flacius
zu Paris, Rom und Cöln veranstaltet mit den willkürlichsten
Aenderungen (s. oben Anm. 38) und unter Verschweigung von
Flacius' Namen. Erst der niederländische Arzt Victor G i se-
it nus, der durch seine Arbeit am Prudentius und seinen
Briefwechsel mit Justus Lipsius auch bei den Philologen in
Andenken steht, ist in seiner, Antwerpen 1574 erschienenen,
Ausgabe aller Schriften des Severus für die Chronik wieder
^ [Mit genauerer Eenntniss der römischen Handschrift hat C. Halm,
Sitzungsber. der Münchener Akademie 1865 t. n 2 p. 37 ff. vgl. praef. Sulp.
V f. erwiesen, dass eben diese auch die Quelle der ersten Ausgabe war.
Man muss sich gegenwärtig halten mit welcher Willkür in der Zeit des
Flacius Texte zurecht gestutzt wurden; als Beispiel mag der Abdiastezt
des Wolfgang Lazius dienen, vgl. M. Bonnet Acta Thomae p. xix].
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XXIX Ueber die Chronik des Sulpicius Severus 199
mit Bewusstseia auf die Basler Ausgabe als auf die einzige
damals vorhandene Grundlage zurückgegangen, obschon er
oder sein Setzer mit schlimmer, sowohl de Prato wie Schöne-
mann irreführender Nachlässigkeit durchweg den Codex des
Flacius Herdesianus nennt statt Hädesianus. — Sieben Jahre nach
Giselinus hatCarolus Sigonius die Chronik für die italienischen
Schulen bearbeitet, und seine Ausgabe (Bologna 1581, nachge-
druckt Hanau 1602), in welcher sich des Mannes allbekannte
Gelehrsamkeit und philologische Uebung nicht verleugnen, ist
sowohl für Erklärung wie für Conjecturalkritik bis jetzt die ein-
zige nennenswerthe Leistung geblieben; dass sie von Bernhardy
(R L. G.^ S. 805) nicht genannt wird, kann wohl nur Zufall sein.
Freilich muss man bei den mannigfachen Berührungspunkten
mit ekklesiastischen Dingen es immer im Sinn behalten, dass
Sigonius seine Arbeit zunächst auf das nachtridentinische Italien
berechnete und dass er sie einem Cardinal {Gabrieli Pälaeoto
8, B. E, Presb. Card, et Bononiae Episcopo) gewidmet hat, in
dessen Auftrage sie unternommen wurde. Unter solchen Um-
ständen ist es nur peinlich aber nicht auflfallend, dass auch Si-
gonius weder die Basler Ausgabe noch den Namen des Flacius
nennt; denn dieser Name steht unter den auetores primae classis
d. h. den Schriftstellern, deren sämmtliche Werke verboten sind,
auf dem index librorum proMbitorum. Alle angewandte Vorsicht
konnte jedoch den Sigonius nicht vor Anfechtungen schützen;
dieser Commentar zu Severus gab so wie seine anderen die
Bibel berührenden Schriften Anlass zu anonymen censurae, wel-
che, nach de Prato's (Vol. n p. xxv) Vermuthung, von dem Je-
suiten Antonius Fossevinus herrührten. Sie scheinen einer Be-
hörde, wohl der Congregation des Index, vorgelegen zu haben,
wenigstens sah sich Sigonius genöthigt, handschriftlich auf die
einzelnen Ausstellungen zu erwiedern (s. oben Anm. 45). Die
betreffenden, für die Geschichte der untergehenden italienischen
Philologie lehrreichen Actenstttcke sind erst durch Philippus
Argelatus in seiner Gesammtausgabe von Sigonius' Werken (Mai-
land 1737) VI p. 1139—72 veröflfentlicht worden. — Ich habe
regelmässige Rücksicht genommen auf die Vaticanische Hand-
schrift, auf den Text des Flacius, auf die wenigen Bemerkungen
des Giselinus und auf Sigonius; nur bei besonderem Anlass
durften die sonst vorhandenen Ausgaben zur Erwähnung kom-
men. Unter diesen hat die kritisch werthlose (s. oben S. 114)
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200 XXIX. Ueber die Chronik des Salpicins Severas
von dem Kector des Berliner JoachimsthaliBchen Gymnasiums Job.'
Vor st ins besorgte Gesammtansgabe in verschiedenen Abdrtlcken
(Berlin 1668, Leipzig 1703, 1709) jetzt die meiste Verbreitung
erlangt. Nach ihrer Eintheilung habe ich die Capitel und Para-
graphen citirt, da dieselben bei Flacius und Sigonius nicht nu-
merirt sind. — Die neueste, durch fremdartige Beigaben zu zwei
Quartbänden angeschwellte Ausgabe aller Schriften des Seyerus,
welche Hieronymus De Prato, Priester des Oratoriums, zu Ve-
rona 1741 — 54 besorgte, ist in Deutschland nicht leicht zu finden
und mir nur durch die Liberalität der Göttinger Bibliotheksver-
waltung zugänglich geworden; (ein weitläufiges Referat tlber
dieselbe findet sich in den von JOcher als Fortsetzung der
Acta Eruditorum herausgegebenen Zuverlässigen Nachrichten
Jahrg. 1756 p. 81 und 393, es ist von J. J. Reiske abgefasst, wie
dieser selbst angiebt in seinem Leben p. 56). Ftlr die übrigen
Schriften des Severus hat ihr die Handschrift der Veronesischen
Capitularbibliothek einen höheren Werth verliehen als sie ihn
fttr die Chronik ansprechen darf. Hier beschränkt sich ihr
Nutzen auf die in den Noten verzeichneten, jedoch nur zum
allergeringsten Theil ftlr den Text verwendeten Lesarten des
Vaticanus. -— Der Abdruck bei Gallandi {Bihlioth. patr. vni)
giebt den De Prato'schen Text wieder; aber bei dem gänzlichen
Mangel an Noten erfährt man nicht was De Prato's Conjectur
und was Lesart des Vaticanus ist.
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XXX
zu SALLUSTIUS UND SÜLPICIUS SEVEEUS.
Rheinisches Museum für Philologie 1861 Jahrg. xvi S. 817—320.
In der Schrift 'lieber die Chronik des Sulpicius Severus'ai?
[hier N. xxix] Hess die dort gebotene Begrenzung des Stoffes,
wie flir andere Nebenbemerkungen, so auch für die folgenden
keinen Baum, welche, hier abgesondert mitgetheilt, vielleicht
sicherer als dort dazu beitragen werden, dass dem in neuerer
Zeit vernachlässigten Severus wieder einige Aufmerksamkeit sei-
tens der philologischen Forscher sich zuwende.
1.
Die zweite Hälfte des Bibelverses Sam. i 13, 6, welcher
die Noth und die verschiedenartigen Zuflnchtsörter der Kinder
Israel während des Heranzuges eines übermächtigen Fhili-
sterheeres schildert, lautet bei den Septuaginta xai ^Kpußt]
6 Xaö^ iv Toi^ (TTTTiXaioi^ Kai iv laT^ judvbpai^ Kai iv rai^ irdtpai^
Kai iv TOi^ ßöOpoi^ Kai Iv toT^ Xäkkoi^, und bei Hieronymus
absconderunt se in speluncis et in abditis, in petris quoque, et in
antris et in cistemis. Die entsprechende Stelle des Severus
Chron. i 33, 5 hat in der ersten Ausgabe und in der jetzt einzig
vorhandenen vaticanischen Handschrift folgende Oestalt: neqae
cuiqaam exeundi in proelium animm: plures lachrymas et lote-
bras petiverant. Zur Besserung von lachrymas^ das selbst unter
den Herausgebern des Severus Niemand zu erklären wagte, ob-
schon sonst Manche von ihnen in der Erklärungskunst alles
Mögliche und Unmögliche leisten, ist bisher kein anderer Vor-
schlag gemacht worden als es mit lacunas oder locus zu vertau-
schen, weil XdKKo^, das Schlusswort des Verses bei den Sep-
tuaginta, in Labbäus' Glossen durch lacuna, lacus^ cistema wie-
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202 xxz Zu Sallustius und Sulpicius Severus
dergegeben werde. Je weniger jedoch der Bibeltext tlber den
Sinn, welchen Severus ausdrücken wollte, einen Zweifel lässt,
desto strenger wird man hier für die Emendation, die als ge-
lungen gelten soll, möglichst grosse diplomatische Probabilität
fordern müssen; und man wird daher an eine Verwechselung
zwischen lachrymas und lactmas oder lacuSj die anzunehmen doch
keine so sehr einfache Sache ist, nicht länger denken wollen,
wenn sich ein Wort darbietet, das, gleichbedeutend mit lacunas,
auf leichterem Wege als dieses in lachrymas übergehen konnte.
Ein solches Wort findet sich aber in dem horazischen Vers
I^t. 1 13, 10 virünis tderis per clivos, flumina^ lamas und in
Paulus' Glosse aus Festus lacuna, aquae coUectio, a lacu deri-
vaiur, quam alii lamam, alii Itistrum dicunt.
Ein Wort, das Horaz in den Episteln ohne besondere
Nuance gebraucht, kann nicht so überaus selten gewesen sein,
dass man zu glauben gezwungen wäre, ein Schriftsteller wie
318 Severus, dessen Mutjtersprache Latein war und dem der ganze
litterärische Vorrath des vierten Jahrhunderts n. Ch. zur Ver-
fügung stand, habe es nicht anders als in bewusster Nachahmung
jener horazischen oder sonst einer bestimmten Stelle anwenden
können. Aus den Texten der uns vollständig erhaltenen Autoren
ist es aber bis jetzt allerdings nur in dem einzigen horazischen
Verse nachgewiesen; Niemand wird sich daher wundern dass
es mittelalterlichen Abschreibern nicht mehr bekannt war und
sie nun in dem von Severus so geschriebenen Satz: plures lamas
et laiebras petiverant die fUr sie unverständlichen Buchstaben
lamas als Abbreviatur von lacrimas lasen; so wie umgekehrt
bei Servius zur Aen. n 173, nach Vahlen's {Ennian, rdiq. p. 178
n. XXX) richtiger Vermuthung, das dort sinnlose lamis mit lacrir
mis zu vertauschen ist.
Hiermit wäre nun alles Erforderliche erledigt, wenn in der
Stelle des Severus lamas gar kein oder ein anderes begleiten-
des Wort neben sich hätte. Da es aber in Verbindung gerade
mit laiebras auftritt, so wird wohl Jeder, der aus der oben an-
geführten Schrift die bis auf die kleinsten Einzelheiten sich er-
streckende Abhängigkeit des Severus von seinen stilistischen
Mustern kennen lernen will, dieselbe auch hier zu finden ge-
neigt sein, sobald er folgenden Vers aus Ennius' Annalen (557
Vahl) vergleicht: sävarum saltus^ laiebras lamasque lutosas.
Dem Ennius empfahl sich diese Verbindung durch die nun ein-
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XXX Zu Sallustius und Sulpicius Severns 203
tretende Allitteration dreier mit l beginnender Wörter; und für
unmöglich darf man es nicht erklären, dass Severus auch ein-
mal unmittelbar aus Ennius geschöpft habe; wahrscheinlicher
jedoch ist, dass er von Sallustius, welcher ihm weitaus das
Meiste hat darleihen müssen, auch hier geborgt hat, und dass
also in einer jetzt nicht weiter nachweisbaren Stelle der Salin-
stischen Historien das alterthümlich zusammenklingende Wörter-
paar lamae et latebrae nach Ennius' Vorgang gebraucht war.
(Schon Ruhnken zum Rutilius p. 97 hat bemerkt dass Sallustius
lug. 14, 17 quo accedam aut quos appdlem aus Ennius' trag. 114
Vahlen 77 Ribbeck qm accedam? quo applicem? entlehnt hat).
Priscianus theilt XIY 40 (S. 45 Hertz) ein grösseres Stück
aus des Censorinus Schrift 'von den Accenten' mit, um den
Unterschied zwischen Präposition nnd Adverbium festzustellen.
Es beginnt folgendermaassen: ^ super' praepositio apud Virgüium
in I (Aen. l 750): MuUa super Priamo rogitans, super Hectore
multa. Sallustius vero in historiis adverUum hoc protulit: ubi
multa nefanda (einige Handschriften nefandae) casu super
ausi atque passL Priscianus ist abweichender Ansicht und
wirft ein: sed mihi videtur Sallustius quoque loco praepositionis
hoc praepostere protülisse. Der in praepostere ausgesprochene
Tadel begreift sich leicht; Priscianus hatte kurz vorher die Re-
gel entwickelt dass Wörter, die auch Adverbien sein könjnen, 819
den Nomina voran gestellt werden, wenn sie als Präpositionen
gelten sollen, und hier bei Sallustius glaubt er sich gezwungen,
ein dem Nomen nachgestelltes super dennoch als Präposition
zu fassen. Aber wie nun Priscianus, und wie seinerseits Cen-
sorinus die Sallustischen Worte verstanden habe, und wie die-
selben tiberhaupt zu verstehen seien, will sich keineswegs so
leicht ergeben. Die von Kritz {fr, ine. 28) vorgebrachte Erklä-
rung 'casu super* est 'praeter ea quae casu accidehant^ — und
eine bessere wird schwerlich aus der vorliegenden Lesart zu
gewinnen sein — lässt nach Seiten der Grammatik wie des
Gedankens Missliches genug übrig. Und darf man dem Censo-
rinus, der im weiteren Verlauf des ziemlich langen von Pris-
cianus mitgetheilten Stückes seine Beispiele ganz vernünftig
wählt, und an dessen Identität mit dem Verfasser des trefflichen
Büchleins de die natali zu zweifeln ja kein Grund vorhanden
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204 xzx Zu Sallastias und Sulpicius Severus
ist, den Unsinn zutrauen, dass er insuper muUa nefanda ausi
cctöu construirte, wie er doch musste wenn er super als Ädver-
bium fasste, und sonach den Sallustius das in jedem erdenk-
lichen Zusammenhange Unmögliche, weil logisch Widersinnige,
sagen liess: 'Ueberdies wagten sie viel Abscheuliches zu-
fällig'?
Die Antworten auf alle diese Fragen bieten sich dar, wenn
man in der Chronik des Severus n 30, 3 auf folgende Schilde-
rung der Hungersnoth in Jerusalem während der Belagerung
durch die Römer trifft: omnia nefanda esca super^ ausi ne
humanis quidem corpanbtis pepercerunt, \
320 Es bedarf nun wohl nicht vielen Redens, um der Ueber-
zeugung Eingang zu verschaffen, dass auch Sallustius geschrie-
^ So, statt der bisher gangbaren Interpolation iMfanda itmiper ausi,
lautet die Stelle in der vaticanischen Handschrift, wie schon oben S. 179
Anm. 79 angegeben worden. — Die ebendaselbst aus sachlichen Gründen
erwiesene Ansicht, dass Severus das Thatsächliche seines Berichtes über
die Belagerung Jerusalems aus dem verlorenen Theil von Tacitus' fünftem
Buch der Historien entnommen habe, wird, wie wohl kaum gesagt zu
werden braucht, durch die hier hervortretende Einflechtung einer stili-
stischen Wendung aus Sallustius nicht erschüttert, zumal da ja die Mög-
lichkeit offen gelassen ist dass nefanda esca super ausi, wie so manche
andere Phrase, gleichmässig bei Tacitus und Sallustius vorkam. Solche
bewusste oder unbewusste Uebereinstimmung in ganzen Wörterreihen zwi-
schen Tacitus und dem von ihm als rerum Bomanarum florentissimus au-
ctor gepriesenen Sallustius sind bereits seit Lipsius bemerkt zu Tacitus
annal lu 21 sorH dudos fusti necat, welche Umschreibung des Decimirens
buchstäblich ebenso in Sali, hist, iv fr. 27 p. 331 Kr. sich vorfindet ; Ta-
citus annal. m 46 neque oeuUs negue auribus saus competebant, hist. m 73
non lingua, non auribus competere = Sali. hist. i fr. 88 p. 111 Er. ne-
que animo neque auribus aut lingua competere; Tacitus annal. zn 63 vi«
piscium immensa Pontum erumpens = Sali. hist. m /r. 53 p. 233 Kr. ex
Ponto vis piscium erupit (beides in einer Schilderung von Byzanz); Taci-
tus Agric. 36 exterriti sine rectoribus equi = Sali. hist. i fr. 98 p. 116 Kr.
equi sine rectore exterriti ; (annal. rv 20 hunc ego Lepidum . . . graoem et
sapientem virum fuisse comperior = Sali. lug. A6j 1 Meteüum . . . magnum
et sapientem virum fuisse comperior). Alle diese Parallelen werden von
den uns erhaltenen, verhältnissmässig so wenigen Trümmern der sallusti-
schen Historien dargeboten; und sie geben einen Maassstab für den Zu-
wachs, den sie erfahren würden, wenn das sallus tische Werk uns vollstän-
dig vorläge. — Dass super in seinen nicht localen Bedeutungen dem Tacitus
sehr geläufig ist, lehrt ein Blick auf den Freinsheim'sohen Index.
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XXX Zu Sallustius und Sulpicius Severus 205
ben hatte übt mtdta nefanda esca super aasi atque passij nnd
daraus casu super geworden ist blos durch falsches Heraufziehen
der Buchstaben su und den dann natürlichen Abfall der Buch-
staben es, von denen sich das e noch in nefandae einiger Pris-
cianischen Handschriften erhalten haben mag. Gensorinus hat
demnach, der obigen Regel zu Liebe, esca (ßptücrei) als selb-
ständigen Ablativ gefasst und ubi insuper multa nefanda ausi
atque passi esca construirt, was zwar hart aber doch nicht logisch
unmöglich ist; während Priscianus lieber dem Sallustius einen
* Verstoss' gegen jene Regel beimisst, um, dem einfachen Sinn
gemäss, super als nachgestellte Präposition fassen und ubi multa
nefanda au^ atque passi super esca (direibf) iroXXd diröpprira ircpl
Tf|v ßpiöcTiv dröXiiiicyav xal firaGov) verbinden zu können.
Nachdem nun esca wiedergewonnen worden, steigert sich
auch die Wahrscheinlichkeit der bereits von Kritz geäusserten
Vermuthung dass dieses ohne Bnchzahl Überlieferte Fragment
der Historien an folgendes aus dem dritten Buch angeführte,
fr. 7 p. 206 Kr. parte consumpta, rdicua cadaverum ad diuturni-
tatem usus saUerent anzureihen und beide auf die Belagerung
von Calaguris im sertorianischen Kriege zu beziehen seien, von
welcher es bei Orosius V 23 mit Anwendung und möglicherweise
mit Entlehnung des eben dem Sallustius wiedergegebenen Wortes
heisst: Calagurim Afranius iugi ohsidione confectam atque ad in-
fames escas miseranda inopia coactam delevü.
<Und noch etwas anderes ergiebt sich. Man vergleiche
die Worte des Thukydides von den belagerten Potidaiaten ii 70
fiXXa T€ TToXXa direTCT^vTiTo aörööi f{br\ ßpifacTcuj^ ir^pi dvar-
Kttia^, Ktti Tiv€^ Ka\ dXXfiXujv 4t^t€uvto, und man wird nicht
zweifeln, dass Sallustius auch hier den Thukydides nachge-
ahmt hat).
Breslau, December 1860.
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XXXI
EDWARD GIBBON'S GESCHICHTSWERK
Ein Versuch zu seiner Würdigung.
. (Neuer Entwurf 1871.)
Verhältniss der Mit- und Nachwelt zu Gibbon. Adam Smith's Brief.
Wenck's Uebersetzung. Lessing. Lang. Hugo. Niebuhr. Schel-
ling. Mit dem Aufkommen der Romantik wird die Anerkennung
scheu. Gentz. Nur Löbell stellt ihn als historisches Muster dar^
Erstes Capitel. Chronologie des Werks und daran das Nöthigste aus
dem Leben angeknüpft. Die Einsicht dass man eigentlich drei
Werke vor sich hat ist am unentbehrlichsten für die Betrachtung
Gibbon^s als
Zweites Capitel. Kirchenhistoriker. Das 15. und 16. Capitel das
schwächste weil das früheste; steht zurück hinter den ähnlichen
Versuchen von Lessing und Voltaire. Aus der vindieation geht
hervor wie beschränkt damals noch seine patristische Leetüre war.
Das beste Bd. 2 und 3. Vernachlässigung der Kirchenverfassung.
• Stellung zum 18. Jahrhundert. Proben : weltliche Macht des Pabsies,
Folgen der Reformation.
Drittes Capitel. Politischer Historiker. Sein Mangel an Kritik in
der älteren Geschichte. Niedere Kritik. Vergleich mit Schlosser.
Bekämpft Sparta gegen Mably.
Viertes Capitel. Culturhistoriker. Verhältniss zu Voltaire und Ro-
bertson. Proben.
Fünftes Capitel. Historiographischer Künstler. Conception, Gmp-
pirung, Vogelperspective. Erzählerkunst. Innuendo, Verhältniss
der Noten zum Text 2.
1 [Am Rande sind noch die Namen Person Herder Tocqueville an-
gemerkt].
3 [Die folgende, für den Druck berechnete Ausführung der Einlei-
tung und eines Theiles des ersten Capitels, nach einem etwas veränderten
Plane, ist im Jahre 1874 niedergeschrieben].
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Itxzi Edward Gibbon's (rescbichtswerk 207
Als Edward Gibbon im Lauf des Jahres 1788 die letzte
aus drei Quartbänden bestehende Hälfte seiner 'Geschichte des
Sinkens und Falls des römischen Reichs' seinen Freunden zu-
gesendet hatte, empfing er am Schlnss des Jahrs folgenden Brief:
Edinburg den 10. December 1788.
Mein theurer Freund,
Ich muss zehntausend Mal um Entschuldigung bitten,
dass ich nicht längst Ihnen meinen besten Dank für das
höchst angenehme Geschenk gesagt habe, welches Sie mir mit
den drei letzten Bänden Ihrer Geschichte gemacht haben. Ich
finde keine Worte für meine Freude über die Wahrnehmung,
dass nach dem einstimmigen Urtheil aller Männer von Geschmack
und Gelehrsamkeit dieses Werk Ihnen den allerobersten Platz
in der gesammten litterärischen Zunft des jetzigen Europa
verleiht^. Ich verbleibe stets, mein theurer Freund, herzlichst
der Ihrige Adam Smith.
Die einstimmige Anerkennung der höher gebildeten eng-
lischen Kreise, welcher der philosophische Begründer der Natio-
nalökonomie mit so gewichtiger Einfachheit Ausdruck giebt, fand
früh ihren Wiederhall in Deutschland. Lessing, der damals
mit ganzer Seele den theologischen Befreiungskampf fahrte, war
bald nach der Herausgabe des ersten Bandes (1776) auf die neue
Erscheinung aufmerksam geworden, welche das Lager der eng-
lischen Rechtgläubigen mit Lärm und Entsetzen erfüllte. Elise
Reimarus' schreibt am 8. Januar 1779 an Hennings: 'Kennen
Sie ein Buch Gibbon's Roman Empire ? Es ist von einem Selbst-
denker geschrieben, und soll viel Gutes, besonders in Anschauung
der Ausbreitung der christlichen Religion enthalten. Lessing
hat uns zuerst davon gesagt'. Bereits in demselben Jahre 1779,
also geraume Zeit vor dem Erscheinen des zweiten Quartbandes
begann der in wohlverdientem Ruf stehende Leipziger Geschichts-
professor F. A.W.Wenck eine deutsche Uebertragung des ersten*,
1 U sets you at the very head of the whole lüerary tribe at present
existing in Ewrope : Gibbon's MisceUaneous works i p. 688 der Quartaus-
gabe, London 1796.
^ Wattenbach, Zu Lessing'B Andenken, im Neaen Lansitzischen Ma-
gazin Bd. 88 p. 215 (Separatabdruck S. 28).
' Nur der erste Theil dieser * Leipzig in der Weygandsohen Buch-
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208 XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk
welcher er durch Berichtigungen der in diesem frühesten Ab-
schnitt des Werks manchmal anzutreffenden Jugendlichkeiten
Gibbon's auch fllr die Kenner der Urschrift dauernden Werth
verliehen hat. Noch wirksamer ward Gibbon's Ruhm in Deutsch-
land durch den Göttinger Professor der Rechtswissenschaft Hugo
verbreitet. Dieser in seinen jüngeren Jahren geistreiche, und
im Alter durch seinen pedantischen Sarkasmus berufene Mitbe-
gründer der historischen Rechtsschule fand es der Mühe werth,
gerade weil Gibbon *kein Collegium über die Institutionen ge-
hört hat und kein Rechtsgelehrter ist", dessen vier und vierzig-
stes Gapitel als besonderes Büchlein unter dem Titel' Historische
Uebersicht des römischen Rechts' in einer deutschen Bearbeitung
(Göttingen 1789) herauszugebend Mit den strengen Gelehrten
wetteiferten die weiteren Kreise der damals in Deutschland sich
mehrenden Freunde englischer Litteratur in der Vorliebe für
Gibbon. Der Ritter von Lang^ erzählt, dass er in den achtziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts *auf dem Rasen eines Hofgar-
tens hingestreckt, die Wohllaute Gibbon's in sich aufgenommen*
und an ihnen sich im Englischen vervollkommnet habe; und in
ähnlicher Weise sucht Schillers würdiger Freund Körner', der
sich an einer Uebersetzung Gibbon's versuchte, den Dichter durch
den Historiker dem Studium der englischen Sprache zuzuführen.
Alle solche Anerkenntnisse von Pflegern der ernsten und Ver-
ehrern der schönen Wissenschaften werden jedoch weit überbo-
ten durch die feierliche Art, mit welcher Barthold Georg Nie-
buhr vor dem englischen Geschichtschreiber die fasces senkt.
In der Vorrede zur ersten Ausgabe seiner Römischen Geschichte
(1811) äussert er sich über den Gesammtplan seines Unterneh-
mens dahin, dass er da aufzuhören beabsichtige, 'wo Gibbon's
Geschichte beginnt, welche eine neue Bearbeitung zuverlässig
sehr entbehrlich und verwegen macht' ^
handlang' erschienenen uebersetzung ist vonWenck besorgt; er umfasst die
sieben ersten Gapitel Gibbon's. Die späteren von [Prof. Schreiter und] Ande-
ren verfertigten Theile [1788—1793] sind gewöhnliches Uebersetzerfabrikat.
^ (Noch voller äussert sich die Anerkennung für G.'s juristisches
Capitel bei Ihering, Geist des röm. Rechts B. i Einl. §4 N. 20 p. 56«>.
^ Memoiren i p. 97.
8 Briefwechsel mit Schiller n p. 29, 63, 80.
^ Band i p. vm, Ausgabe in einem Bande (Berlin 1853) p. ix.
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XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk 209
Aber um dieselbe Zeit als Niebahr diese fast demttthigen
Worte niederschrieb, hatte sich unter napoleonischem Druck die
deutsche Romantik entwickelt. Ihrer GefUhlsschwelgerei kqnnte
der kalte historische Verstand des französirten Engländers nicht
zusagen; der gemessene Menuetschritt, mit welchem er sich auf
dem geschichtlichen Boden bewegt, stach zu sehr gegen den
orgiastischen Taumel ab, durch welchen die Mitglieder jener
regellosen Schule alle Regel zu ersetzen meinten; und Gibbon's
Verhalten zu den positiven Religionen musste der romantischen
Glaubenslust um so teuflischer erscheinen, je kühler sein Hohn
war und je behutsamer er sich von der offenen Frivolität der
Franzosen fem hielt. Aus dieser nach und nach in Deutschland
zur Herrschaft gelangenden Stimmung war schon Schellings
schiefes UrtheiP über Gibbon hervorgegangen. Indem er zu-
giebt, dass ' das Werk die umfassende Conception und die ganze
Macht des grossen Wendepunktes der neueren Zeit für sich hat\
glaubt er doch sagen zu dürfen dass der Verfasser ^ nur Redner,
nicht Geschichtschreiber ist'. Ganz andere Eindrücke jedoch
als sie hier der junge romantische Philosoph, gewiss als Wort-
führer einer stets wachsenden Schaar von Anhängern aussprach,
empfing von Gibbon ein anderer langjähriger aber nie seine
Selbständigkeit opfernder Waffengenosse der Romantiker, der-
jenige Mann, dem bis jetzt noch Niemand unter den politischen
Schriftstellern Deutschlands den ersten Platz streitig gemacht
hat und der zu den erfahrensten, wenn auch gescholtensten
Staatsmännern seiner Zeit gehörte. Als Friedrich Gentz im
Jahr 1826 durch die diplomatischen Drangsale, welche ihm und
seinem Vorgesetzten Metternich der Griechenaufstand bereitete,
sich über byzantinische Fragen näher zu unterrichten geuöthigt
war, gerieth er auf das achtundvierzigste Capitel Gibbon's, das
die Reihenfolge der griechischen Kaiser von der Mitte des sie-
benten bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts in rascher Ue-
berschau vorführt. Der Eindruck, den dieses Meisterstück con-
densirter Erzählung auf den gereiften Politiker machte, war so
stark, dass er, wie eine Eintragung in seinem 'Journal der Ar-
beiten und Leetüren* zum 27. Juni 1826^ besagt, 'den Entschluss
fasste, Gibbon zunächst zu seiner Hauptlectüre zu machen'. Der
^ Vorlesungen über das akademische Stadium (1803 n. 1818) S. 226.
3 Schriften, herausgegeben von Schlesier Bd. v 8. 232.
Beraaya, ges. Abhandl. II. j^
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210 zxzi Edward Gibbon's Geschichtswerk
Entsehluss ward treulich durchgeführt Zum 4. Juli findet sieb
die Einzeichnnng: ^Ich las das erste Capitel von Gibbon. Wie
gan^ anders als vor etwa 30 Jahren, wo ich zur ersten Lectttre
dieses grossen Werkes schritt'. Und zwei Tage darauf, 6. Juli :
* Ich setzte die Lectttre des Gibbon nun ernsthaft fort Ein son-
derbar angenehmes GefUhl, nach so mancher ephemeren Schrei*
berei wieder einmal auf einen classiscben Schriflsteller, auf ein
gediegenes und vollendetes Werk zu stossen'. Während der
nächsten anderthalb Jahre blieb Gibbon sein vorwiegendes Stu-
dium und häufen sich die bewundernden Ausrufungen in seinem
Journal; sie schliessen mit folgendem Vermerk: '11 — 13 Novem-
ber 1827. In diesen Tagen las ich gleichzeitig im Daru (Ge-
schichte von Venedig) und im Gibbon, und suchte hauptsächlich
die letzte Periode der Geschichte des griechischen Kaiserthums
mir von Neuem gegenwärtig zu machen und meine Excerpte zu
vervollständigen. Gibbon reizte und absorbirte mich aber so
sehr, dass ich den grössten Theil des 11. und 12. [Octav-]Ban-
des durchging'. Auf ähnliche Weise mögen noch gar manche
fromme Söhne der romantischen Epoche an dem Werk des un-
romantischsten aller Geschichtschreiber im stillen Kämmerlein
sich belehrt und ergötzt haben. Lauter Anerkennung in öffent-
licher Schrift begegnet man jedoch aus jener Zeit nur selten,
und immer wird alsdann ein reichlicher Zuguss exorcisirenden
Weihwassers in den Becher des Lobes gemischt Seit dem end-
gültigen Erlöschen der Romantik, für das wohl als rundes Da-
tum das Jahr 1848 gewählt werden darf, hat sich zwar die all-
gemeine Stimmung Deutschlands wie dem achtzehnten Jahrhun-
dert überhaupt, so auch den Grundanschauungen Gibbons wieder
genähert; aber gelesen wird er noch immer verhältnissmässig
wenig. Das jüngere Gelehrtengeschlecht, das durch mancherlei
Ursachen zu verfrühten eigenen Hervorbringungen atomistischer
Art angestachelt wird, hat meist die Neigung verloren, sich mit
unbefangener Hingabe in die zeitraubende, zusammenhängende
Leetüre umfänglicher Werke der Vergangenheit zu versenken;
den praktischen Politikern lässt der durh Eisenbahn und Tele-
graph immer reissender anschwellende Strom der Geschäfte nicht
mehr die Müsse, welche der vergleichsweise behagliche Estafet-
tenverkehr der österreichischen Kanzlei öinem Gentz noch zu-
weilen verstattete ; und für das grosse Lesepublicum der Gebil-
deten mag der leidenschaftlose, nie das Gemüth erwärmende
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XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk 211
Ton Gibbons nicht eben einladend sein. Trotzdem darf man
getrost voraussagen, dass keine Prosasebrift des achtzehnten
Jahrhunderts sich so dauerhaft erweisen wird wie dieses die
Eigenschaften eines Lesebuchs und eines Nachschlagebuchs ver-
einigende, Staatengeschichte und Kirchengeschichte von zwölf
Jahrhunderten der westlichen und östlichen Völker gleichmässig
darstellende Werk des ungläubigen Engländers. Bei dem in-
zwischen unaufhörlich angewachsenen Stoff ist es nicht zu er-
warten, dass je wieder von einem historiographischen Talent,
das Gibbon ebenbürtig wäre, ein so colossaler Plan auch nur
gefasst werde; und wohl für immer wird sowohl der angehende
oder zurückgetretene Staatsmann, wie auch der ausgereifte Ge-
lehrte, nachdem ihm die kindliche Lust am monographischen
Mttckenseigen verraucht ist, auf Gibbons Werk als auf das ein-
zige angewiesen bleiben, an dessen Hand er den grossen ge-
schichtlichen Heerweg, der aus der antiken in die moderne Zeit
führt, unter ^näherer Betrachtung der fruchtbaren Einzelheiten
und steter Wahrung des einheitlichen Zusammenhangs durch-
schreiten kann. Die Ueberzeugung von dieser nach menschli-
chem Absehen für alle Zukunft feststehenden Unersetzlichkeit
der Gibbon'schen Gesammtleistung, hat zu dem folgenden Ver-
such geführt, sie eingehender als es bisher sowohl in England
wie in Deutschland geschehen ist, nach ihren Vorzügen und
Mängeln zu würdigen.
Als Vorbedingung zu einer solchen Würdigung des Werks
ist zwar, hier wie überall, die Eenntniss von dem Lebenswege
des Verfassers unentbehrlich, aber in je kürzerem Ueberblick
sie mitgetheilt wird, desto besser wird dem Zweck genügt sein.
Gibbon war kein grosser Mensch, der unabhängig von seinem
Buche für die Nachwelt noch etwas bedeuten könnte^; sein Buch
1 [Derselbe Gedanke findet sich in den vorläufigen Aufzeichnungen
in verschiedenen Fassungen mehrfach vor :] Wie jene Französin von La-
fontaine sagte : &est un fahlier^ so war auch Gibbon ein Strauch an dem
Geschichtschreibung wuchs. Ein grosser Mensch war er nicht. Mit * ist
es ebenso. — Schiller hat in der Ankündigung zur Thalia gesagt: *Den
Schriftsteller überhüpft die Nachwelt, der nicht grösser ist als seine Werke',
und Goedeke (Biogr. Schillers p. 304) erklärt das für einen wahren Aus*
Spruch. Bei Dichtern mag es so sein ; dass es bei Historikern nicht immer
so ist, beweisen eben Gibbon und *. —
[Und an einer anderen Stelle:] Gibbon ist kein grosser Mensch^
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212 zxxi Edward Gibbon's G^schichtswerk
war ihm nicht nur eine Lebensarbeit, sondern es war auch seine
einzige Lebensfmcht; und wie das gesammte Dasein der Biene
darauf berechnet ist, dass sie ihren Honig bereite und, wo es
nöthig wird, ihren Stachel fühlen lasse, so war Gibbons ganze
Lebensentwickelung durch die Verkettung der Umstände und
durch eigene Wahl darauf angelegt, den grossen geschichtlichen
Zellenbau ^ aufzuführen und Viele, die sich ihm nahen, mit ein-
dringenden Stichen zu verwunden. Es brauchen daher aus seiner
authentischen Selbstschilderung ^, welche er nach Vollendung
seines Werks gleichsam als chronologisches Ursprungszeugniss
desselben entwarf, nur diejenigen Hauptpunkte herausgehoben
zu werden, welche geeignet sind, die Etappen auf seinem
historiographischen Entwickelungsgange scharf zu bezeichnen
und den für eine gerechte Würdigung wesentlichen (xesichts-
punkt festzustellen, dass die jetzt als ^in Werk vorliegenden
sechs Quartbände thatsächlich zu einer Reihe von drei aus ver-
schiedenen Zeiten stammenden und unter verschiedenen Lebens-
bedingungen abgefassten Werken auseinander treten.
I
Gibbon's Leben bis zur Herausgabe des ersten Bandes
1737—1776.
Edward Gibbon stammte aus einer protestantischen Familie
der Grafschaft Kent, deren Mitglieder seit langer Zeit dem Kanf-
mannsstande angehörten. Sein gleichnamiger Grossvater ward
im Jahr 1716 einer der dreiunddreissig Directoren jener auf
tollkühnes Börsenspiel gegründeten SUdseegesellschaft, mit deren
denn er versteht nicht angemessen von sich selber zu reden. Er hat in
dieser Beziehung und auch in vielen anderen grosse Aehnlichkeit mit
Aug. Wilh. Schlegel. — Das Werk ist bei Gibbon grösser als der Meister.
1 <Als wenn er sich selbst dieser Analogie bewusst wäre, hat er in
seiner Geschichte eine Anmerkung (eh. 52 n. 52), die man in einem histo-
rischen Werk nicht erwartet, über die geometrische Structur der Bienen-
zelle gemacht).
2 [Sie erschien in den oben p. 207 Anm. 1 genauer angeführten MiseelL
works I p. 1—185]. Ich citire sie nach der Seitenzahl des auf dem Continent
am weitesten verbreiteten Baudry'schen Abdrucks von The life of Edward
Gibbon with selections from his correspondence and iHiistrations by H. H.
Mütnan. Paris 1840.
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XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk 213
Zusammenbruch im Jahr 1720 und dem daraus folgenden Un-
heil auch England gleichsam den Zoll für seinen Eintritt in die
Verhältnisse eines modernen Grossstaates entrichtet hat. Der
alte Edward Gibbon ward nebst einigen seiner Genossen für die
wohl nicht geringe Schuld der Direction und für die jedenfalls
grössere Thorheit des spielsüchtigen Publicums zum Sühnopfer
ausersehen. Er ward in Verhaft genommen und von seinem gan-
zen eidlich auf 106543 Pfund Sterling fünf Schilling sechs Pence
angegebenen Vermögen wurden ihm nur zehntausend Pfund ge-
lassen. Mit diesem Rest wusste er jedoch als gewiegter Börsen-
mann die erlittene schwere Einbusse wieder gut zu machen und
bei seinem Tode im Jahr 1736 hatte sein grossentheils in Grund-
besitz angelegtes Vermögen bereits wieder die frühere hohe Ziffer
beinahe erreicht. Noch bei Lebzeiten des Grossvaters im Jahr
1734 gelangte der ebenfalls den Vornamen Edward führende
Vater des Geschichtschreibers in das Parlament, und betheiligte
sich als Mitglied der Opposition an der 'siebenjährigen Jagd',
welche den grössten der kleinen Politiker, Sir Robert Walpole,
von dem Ministersitz weghetzte, auf dem er während einund-
zwanzig Jahren fast wie ein unumschränkter König gethront
hatte. Im Jahr nach dem Tode des Gross vaters am 27. April
1737 alten Stils (9. Mai neuen St.) ward der Geschichtschreiber
zu Putney in der Grafschaft Surrey geboren als erstes Kind;
sechs nachfolgende Geschwister starben alle in früher Kind-
heit. Für den einzigen Sohn eines angesehenen englischen
Hauses konnten die äusseren Mittel zu einer sorgfältigen Er-
ziehung nicht fehlen; aber Kränklichkeit des Knaben führte
zu Unterbrechung des Schulbesuchs, wie sie auch den zum Er-
satz gewählten Privatunterricht beeinträchtigte; und als diese
körperlichen Hindernisse überwunden waren, beging der Vater
den argen Missgriff, den noch nicht ganz fünfzehnjährigen Sohn
trotz seiner durchaus mangelhaften Vorbildung auf die Oxforder
Universität zu schicken. Die Folgen eines so unbedachten
Schrittes blieben nicht aus und wurden bestimmend für den
ganzen ferneren Entwickelungsgang Gibbon's, den sie aus dem
regelmässigen englischen Geleise ablenkten, ohne dass man sie
in ihrem letzten Ergebniss für seine Ausbildung zum Historiker
bedauern müsste. Da ihn nämlich seine Unreife zu methodischen
Studien unfähig machte, so setzte er in dem Oxforder Magda-
lenencollegium die ungeordnete und, wie er später klagte, un-
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214 XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk
beaufsichtigte Leserei fort, an welche er sich während seiner
Kinderjahre gewöhnt hatte; er war von einer unverheiratheten
Tante, die bei ihm Mutterstelle vertrat, früh zu religiösen Dis-
putirübungen angeleitet worden; und er benutzte nun die aka-
demische Freiheit, um sich in Controversschriften zu vertiefen.
Sein junger Kopf vermochte der beredten Dialektik, mit welcher
Bossuet den Protestantismus bekämpft, nicht zu widerstehen;
und um, nach Art der Jugend, seine frische Ueberzeugung gleich
zur That zu machen, Hess er sich als Sechszehnjähriger bei
einem Ausfluge nach London am 8. Juni 1753 von einem dorti-
gen Jesuiten Baker der römisch-katholischen Kirche einverlei-
ben. Mit dem Eifer eines jugendlichen Neophyten benachrichtigte
er von dem gethanen Schritt seinen Vater in einem ausführlichen,
mit confessioneller Polemik angefüllten Briefe, der, wie er später
einem Freunde erzählte, die 'feierliche Selbstgefälligkeit eines
Märtyrers' an sich trug. Der beim Empfang eines solchen
Briefes bestürzte Vater klagte sein Leid allzu laut; nachdem
der Uebertritt bekannt geworden, war für den Convertiten der
fernere Aufenthalt an der Oxforder Universität unmöglich; und
vierzehn Monate nach seinem Eintritt musste er sie für immer
verlassen. Auf Zureden von Freunden, die einen gründlichen
Luftwechsel anriethen, entschloss sich der Vater einen neuen
Anlauf sowohl zur allgemeinen wie zur religiösen Erziehung
des Sohnes ausserhalb Englands zu versuchen; er schickte ihn
nach Lausanne unter die Aufsicht und in das Haus eines refor-
mirten Geistlichen Pavilliard. Das pädagogische Geschick dieses
Mannes wusste dem bisher vernachlässigten Zögling, indem er
ihn zu regelmässiger Thätigkeit anhielt, zugleich das Gefühl
der Selbständigkeit einzuflössen; nach anderthalb Jahren, die
er in der veränderten Atmosphäre zugebracht, meinte Gibbon,
es sei eine unbeeinflusste Wirkung seiner eigenen, durch logische
Studien erstarkten Vernunft, dass allmählich 'die einzelnen Glau-
bensartikel der römischen Lehre wie ein Traum verschwanden*;
Weihnachten 1754 nahm er *mit voller Ueberzeugung^ das Abend-
mahl in der reformirten Kirche zu Lausanne. Von da an hören
seine religiösen Gemüthsbewegungen auf; der Pendel, der nach
beiden Seiten ausgeschweift hatte, kam bald zum Stillstand der
Indifferenz; aber man darf doch behaupten, dass diese Erfah-
rungen, welche er in jungen Jahren auf dem religiösen Gebiet
an sich selbst gemacht hatte, von nicht geringem Einfluss auf
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XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk 215
sein Werk gewesen sind; ihre stille Nachwirkung zeigt sich in
seiner sonst bei Laienschriftstellern des achtzehnten Jahrhunderts
so selten anzutreffenden Vorliebe fbr das dogmatische Detail der
Kirchengeschichte; eine Vertiefung in das Labyrinth der Trini-
tätslehre, wie sie z. B. das 21. Gapitel Gibbon's aufweist, muthet
sich nur die nach Erhitzung abgekühlte, nicht die von Haus aus
kalte Indifferenz zu. Von eben so grosser Bedeutung wie tllr
seine religiöse ward dieser fbnQährige Jugendaufenthalt in der
französischen Schweiz für seine gesellschaftliche Stellung und
die gesammte Ausbildung seiner Persönlichkeit. Er verlernte
gerade während der empfänglichsten Lebenszeit, zwischen dem
sechszehnten und einundzwanzigsten Jahre, fast seine englische
Muttersprache '; er sprach und schrieb nicht nur, sondern er
dachte auch französisch; unwillkürlich nahm er die festländi-
schen Sitten an, deren auch im neunzehnten Jahrhundert so
merklicher Unterschied von den englischen im achtzehnten noch
viel ungemilderter war. Das spätere Verweilen in England
während seines reiferen Alters konnte die einmal eingeschlagene
Richtung um so weniger verändern, als es häufig durch längere
Reisen auf dem Festlande unterbrochen und schliesslich mit
einer dauernden Uebersiedelung nach Lausanne vertauscht wurde.
Und so hat denn sein jugendlicher Confessionstausch, indem er
seine Verpflanzung in eine französische Umgebung veranlasste,
dazu beigetragen, dass er zu einem Manne erwuchs, der zugleich
Engländer und Festländer war, oder, wie er es selbst^ einmal
ausdrückt, ^die Erfahrung ohne die Vorurtheile eines Engländers
besass'. Für seinen historiographischen Beruf ist diese Doppel-
stellung unstreitig von eingreifender und in der Hauptsache
wohlthätiger Wirkung gewesen. Die englische Seite seines
Wesens versah ihn mit dem politischen Sinn und der lebendi-
gen politischen Anschauung, welche im achtzehnten Jahrhundert,
wo vor dem Ausbruch der französischen Revolution ausserhalb
Englands kein öffentliches Leben bestand, eben nur England zu
gewähren vermochte; seine continentale Bildung wiederum, die
vor dem Erstehen Goethe's nur eine französische sein konnte,
bewahrte ihn vor der insularen Enge des Blicks, die sich auch
bei seinen grössten rein englischen Zeitgenossen verspüren lässt
1 [S. unten p. 222 Anm. 1].
« [Life p. 191 Milm.].
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216 zzxi £dward Gibbon's Geschichtswerk
Freilich hat er mit der Einseitigkeit des Engländers anch viel
von der markigen englischen Energie verloren; und andererseits
besitzt er zu viel praktische Besonnenheit, als dass sein Kosmo-
politismus je in der abstracten Hitze eines französischen Philo-
sophen erglühen könnte; die Mischung englischer und continen-
taler Elemente, die seine Eigenthttmlichkeit ausmacht, hat eine
unverkennbare Lauheit des Charakters hervorgebracht, welche
es auch wohl hauptsächlich bewirkte, dass er trotz der günstig-
sten Gelegenheiten sich nie zu einer dauernden Betheiligung an
den englischen Staatsgeschäften entschliessen konnte; aber eben
aus jener Eigenthttmlichkeit fliesst auch das universale Verstand-
niss und das unerschtttterte Gleichgewicht des Urtheils, auf
welchen nicht am wenigsten die internationale Verbreitung und
die von wechselnden Zeitstimmungen unabhängige Dauerhaftig-
keit seines Werks beruhend
P
Chronologie des Werks und daran das Nöthigste aus
dem Leben angeknüpft. Die Einsicht dass man eigent-
lich drei Werke vor sich hat.
* Den wohlerwogenen Titel des Gibbonschen Werks Decline
and Fcdlj 'Niedergang und Untergang' hatte Du Gange in den
ersten Worten seiner Vorrede zu Zonaras vorgebildet: Romani
imperii universo pame orbi olim daminantis causas inclinatio-
nis atque ruinae ob octdos propanit. —
Die einzelnen Bände des Gibbon sind so gut verschiedene
Bücher wie die Dekaden des Livius. —
Erst im Winter 1774/5 trat Gibbon ins Parlament. Der
I. Band erfuhr also noch nicht den Einfluss dieser praktischen
Schule. —
Die Entwickelung Gibbon's vollzog sich unter dem Einfluss
seiner Arbeit.
^ [Die folgenden fragmentarischen Aufzeichnungen und Notizen
konnten nach Maassgabe des Dispositionsentwurfs vom J. 1871 (s. oben
p. 206) in eine Ordnung gebracht werden, welche dem Plane des Verfassers
ungefähr gerecht wird. Solche Fragmente» für deren Form der Herausgeber
allein die Verantwortung tragt, sind durch einen Stern gekennzeichnet].
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zzxi Edward Gibbon's GeschichUwerk 217
Der Plan wurde gefasst am 17 October 1764 in Rom
(Life p. 115),
Der erste Band erschien 1776 am 15 Februar (Miscelll
498) in demselben Jahr, in welchem Hume starb (Jfcfi5C. I 508),
gleichzeitig mit Adam Smith's Wecdth of Nations: beide in Stra-
han's Verlag, s. darüber den Brief Hume's Miscell l 501.
Der zweite und dritte Band wurde 1781 im Februar
{Miscell. I 550) herausgegeben.
Die genaueren Daten für die 3 letzten Bände gibt Milman
Life p. 190:
Der IV Band warde vom l März 1782 bis Juni 1784
. ;, V , , „ Juli 1784 . IMai 1786
;, VI „ , „ 18 Mai 1786 „ 27 Juni 1787
geschrieben. Der Druck dieser drei Bände dauerte neun Monate
{Miscell, I 673); durch eine gemeinsame Vorrede (dat. Downing-
Street 1 Mai 1788) eingeleitet erschienen sie 1788.
Die Arbeit hatte also vierundzwanzig, die Publication zwölf
Jahre (s. auch die Vorrede zu Band IV der Quartausgabe) er-
fordert.
Die ersten drei Bände wurden in England geschrieben,
wo G. von 1758 — 1783 zusammenhängend lebte. Im September
1783 siedelt er nach Lausanne über. Am 8 Aug. 1787 finden
wir ihn zu London im Adelphi-Hotel {Mise. l 675), am 30 Juli
1788 wieder in Lausanne {Mise. 1 189).
'Freude an dem Wüstlingswesen liederlicher Rou6s', die
Fr. Chr. Schlosser an Gibbon tadelte (nach Gervinus, Schlosser
1861 S. 21), tritt nur in den drei letzten Quartbänden hervor,
wie schon Porson^ unterschieden, und dann ist bei G. überhaupt
das Werk unabhängig vom Verfasser. — Dass er seiner mit Ta-
citus' Worten {Germ. 12) ausgesprochenen Maxime scdera ostendi
oportety^ abscondi flagitia (eh. 44 n. 192) untreu geworden, wirft
ihm Milman bei Gelegenheit der Theodora (eh. 40 n. 26) mit
Recht vor [in seiner Ausgabe von G.'s IRstory, Baudry's Ab-
druck Vol. V p. 38].
^ [Gemeint ist die Stelle in Porson^B Letters to Mr. ArcMeacon
Travis Lond. 1790 p. xxx f., auch bei Milman, Life p. 204. Gibbon ver-
theidigt sich gegen den Vorwurf ebd. 193].
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218 xxzi Edward Gibbon's Geschichiswerk
Ein merkwürdiger Dankbrief von Sir William Jones für
eine fnentio honordbilis im zweiten oder dritten Quartband steht
in den MiscelL i 553. Da er vom 30 Juni 1781 rührt, so kann
er auf die Erwähnung in eh. 52 not. 71 sich so wenig beziehen
wie auf die in eh. 44 n. 144, da diese Theile erst 1788 erschienen;
er muss den Worten in eh. 26 not. 20 the public must lament that
Mr. Jones hos suspended the pursuit of ariental leaming^ einer
Stelle des iiten Quartbands gelten.
Vorarbeiter. Es liegt eine wahre Ironie des Schicksals
darin, dass Gibbon die Bausteine zu seiner antichristlichen Veste
aus der Hand des frommen Tillemont empfing. —
Auf Sebastian le Nain de Tillemont passt wirklich 'Seelig
die Armen im Geist*. Dass er schreiben konnte, wenn er
wollte, sieht man aus seinem Avertissenient^^ das die euKoXia des
siecle du grand monarque hat. Ebenfalls giebt er deutlich zu
erkennen, dass er einen Begriff von höherer Geschichte als die
seinige hatte. Er habe erst sein Werk Memoires, dann Anncdes
betiteln wollen, endlich le titre cT Histoire Va empörte comme celui
dont on est le moins oblige de rendre raison (p. Xl). Seine Ein-
falt hat manchmal einen ironischen Zug, unwillkürlich, wie bei
dem Klosterbruder in Lessing's Nathan. Am Schluss des Aver-
tissement sagt er, sein Zweck sei la verite des faits gewesen.
Cette verite n'est pas assurement la plus importante, surtout quand
eile ne regarde que des payens^ tels que sont presque tous ceux
dont on parlera dans les trois premiers volutnes. Elle a nean-
moins son täilite pour ceux qui savent profUer de tout: et si totU
ce qu'on peut dire des payens est peu important, il n'est pas peu
important d'aimer la verite jusque dans les plus petites choses
(p. XII). -
Im Ganzen macht Tillemont den Eindruck eines Anacho-
reten von Mutterleibe an, der er ja auch wirklich war. —
Gibbon beginnt seine Darstellung der Begebenheiten wo
^ Vor der Histoire des Empereurs, die in 6 Quartbänden Paris 1690
(1720) erschien. Die Mhnoires pour servir ä VHstoire eccUsiastique erschienen
Par. 1693 flf. in 16 Bänden 4^ ; über die Ausgaben des Werks s. Fabricius
hibl gr, xii p. 185 der ersten Ausg. üeber Tillemont (1637—1698) vgl.
Sainte-Beuve Port Boyal 1. iv eh. 5 Vol. iv p. 6 - 41 der dritten Ausgrabe.
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XXXI Edward Gibbon*8 Geschiclitswerk 219
Tacitus aufhört 1, Tillemont mit der Schlacht bei Actium^. Die
Erörterungen der Zustände greifen bei Gibbon immer wenig-
stens bis auf Augustus zurtlck. —
Tillemont betreibt die profane Geschichte nur subsidiarisch,
wie er selbst gleich zu Anfang seines Ävertissement bekennt [s.
auch Anm. 2]. — Gibbon bemerkt eh. 15 n. 70 The leamed M.
de Tillemont never dismisses a virtuous emperor tvithout pronoun-
cing his damnation, — -
lieber seine Benutzung Tillemonts spricht sich Gibbon aus
bei Milman Life p. 144: *J applied the collections of Tillemont,
whose inimitdble accuracy älmost assutnes the character of genius,
to fix and arrange within my reach the loose and scattered atoms
of historical %nformation\ —
Ausser Tillemont sind noch besonders Jacobus Gothofredus
und Du Gange als Vorarbeiter Gibbon's zu nennen; Muratori
(s. Gibbon*s eigenen Index s. v.) fUr die zweite Hälfte. Von den
Brüdern Valesius besitzt der um die griechischen Kirchenhisto-
riker verdiente Henricus formale Feinheit, weil er allein wirk-
lich Griechisch weiss; der Hadrianus ist ein Taps, wie er am
Petronius bewiesen. Der einzige von dem G. auch in der histo-
rischen Architektur etwas lernen konnte, war eben Gothofredus,
auf den auch seine Darlegung der Wechselbeziehung zwischen
Geschichte und Jurisprudenz zurückgeht. Die übrigen waren
Kärrner. [Muratori und Gothofredus hebt G. hervor Life p. 144]. —
Du Gange (geb. 18 Dec. 1610, gest. 23 Oct. 1688) war bei den
Jesuiten in Amiens erzogen. Daher erklärt sich seine grässliche
Lobpreisung Ludwigs des xiv wegen der Dragonaden in der
Dedication des Chronicon paschale. — Vgl. über ihn den Brief
von Baluze an Renaudot in der Bonner Ausg. des Chron. pasch.
II p. 67 ff. und L6on Feugftre Ettide sur la vie et les ouvrages de
Du Cange Par. 1852.
Du Cange's familiae Byzantinae hat Gibbon nachgeahmt
in der Digression on the famüy of Courtenay am Schluss von
eh. 61. —
1 vgl. Gibbon eh. 88 n. 2 to abridge Tacitus tcouHd indeed he pre-
sumptuous.
^ weil, wie es in dem Ävertissement p. ix heisst, Auguste a queHque
(part ä Vhistoire de VEglise) par VSdit qui fit aller la sainte Vierge ä Beth-
Uenit et &e8t luy d'ailUurs qui a Stabli la numarchie Eomaine en VStat
qu^üle entre dans Vhistoire de VEglise.
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220 zxxi Edward Gibbon's Geschichtswerk
* Arbeitsweise. Während der erste Band des Werks
gedruckt wurde, schreibt 6. an Sheffield um die Besorgniss des
Freunds, dass Abschluss und Druck des Werks tibereilt werden
könnte, zu zerstreuen: The head is now printing: true, hui it
was wrüten last year and the year hefore. The first chapter has
been composed de nouveau three times; the secand ttvice, and
dl the others have undergone reviews, corrections etc. (Brief vom
1. Aug. 1775 Mise. I 493). —
* Oibbon's Bibliothek bestand im J. 1783, wie er in
einem Brief an Deyverdun vom 24. Juni (Mise, i 585) angiebt,
aus 5 — 6000 Bänden, flir die schon lange der Raum knapp ge-
worden war; le fonds est de la meilleure compagnie greaque, la-
tine, italienne, frangoise et angloise, et les auteurs les moins chers
ä Vhomme de goüt^ des ecelesiastiqueSy des BysantinSj des orten-
tauXj sont les plus necessaires ä Vhistorien de la decadence et de
la chute. Bei der Uebersiedelung nach Lausanne musste er sich
auf das Nothwendigste beschränken, schon der enormen Transport-
kosten wegen (le del n^a pas votdu faire de la Suisse un pays
maritime), Les hons auteurs classiques, la bibliothegue des nati-
ons darf er gewiss sein tiberall zu finden. Er Hess einen grossen
Theil in Lord Sheffield'» Haus in Downing Street zurtick. Gleich-
wohl bestand seine Bibliothek zu Lausanne im Jan. 1785 (Mise.
I 647) aus more than two thousand volumes^ the choice of a ehosefi
library. —
Dass Gibbon kein Deutsch verstand, ergiebt sich aus eh. 57
n. 67 und Life by Milman p. 194. In dem Brief an Langer vor den
Antiquities of the house of Brunswick (er ist auch in dem offen-
bar von Langer selbst abgefassten Aufsatz 'Einige Nachrichten
von Gibbon' im * Neuen Göttingischen historischen Magazin' von
Meiners und Spittler 1794 Bd. m p. 625 mitgetheilt) sagt er von
sich : il ignore la langue et il ne s'est jamais applique ä Vhistoire de
VÄllemagne (Mise. li 635). —
Im J. 1770 veröffentlichte Gibbon anonym die Critical ob-
servations on the design of the sixth Book of the Aeneid (-^ Mis-
cell u 497 — 525) gegen Warburton's Hypothese von den eleusini-
schen Mysterien (vgl. Life p. 141—143), schon ganz im Stil des
DecHnCj auch was die Noten angeht. Heyne hat in seinem Vir-
gilius zu Buch Vi, Exe. x (t. ii p. 1023 Wagner) und XV (p. 1043 W.)
dieser Erstlingsschrift warme Anerkennung gezollt. — ,
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XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk 221
Gibbon erlebte die Junins- Briefe in London, und welchen
Eindruck sie auf ihn gemacht haben zeigt der Brief an Shef-
field vom Dec. 1772 (Misceü. I 467) : ' You have seen (he last Ju-
niusP He calls on the distant legions to march to the Capitol and
free us frotn the tyranny of the Praetorian guards*. Haben sie
nicht auch auf seinen Stil gewirkt? —
In die Jahre 1790 und 91, also später als der letzte Band
der Geschichte, fällt die Abhandlung On the position of the me-
fidional line and inquiry into the supposed circumnavigation of
Africa by the Äncients {MiscelL m 482 — ^504). Sie gehört zu dem
Reifsten was aus seiner Feder geflossen ist.
Gibbon's späterer Vorschlag zu einer Sammlung der scrip-
tores rerum Brittanicarum ist schon in dem Geschichtswerk eh. 38
n. 1 angedeutet. Die Adress {Mise, ii 707—717), durch welche
er den Plan empfahl, 1794 geschrieben (vgl. Mise. ii713), nimmt
denn auch Bezug auf jene Note (a. a. 0. 713). Als Vorbild wies
er auf Bouquet's noble coUection; zum Herausgeber schlug er
John Pinkerton ^ vor, von dem er zugleich (p. 714 f.) eine meister-
hafte Charakteristik giebt.
Die Note im Anfang dieser Adress, wo er Cicero not, deor.
II 34, 88 guis in illa barharia dubitet quin ea (Posidonii) sphaera sit
perfecta ratione übersetzt the naked Briten who might have mis-
taJcen the sphere of Archimedes for a rational creature enthält
wahrscheinlich einen argen Schnitzer. Er sagt jedoch nur
I allude to a passage of Cicero,
In dieser Adr, p. 718 wird die französische Revolution
folgen dermassen bezeichnet: the historians of France had only
attained to the twelfth Century and the thirteenth volunie, when
a generale deluge overwhdmed the country and its ancient in-
habitants. Er hat sie also als ein der Völkerwanderung ähn-
liches, die Racen verschiebendes Ereigniss anfgefasst.
Gibbon's Persönlichkeit schildert Leopold v. Stolberg
in einem Brief von 1791 (bei Hennes, Friedrich Leopold Graf
zu Stolberg und Hei-zog Peter von Oldenburg, Mainz 1870 p. 445):
^Gibbon habe ich in einer Gesellschaft in Lausanne gesehen; Ver-
stand sieht man ihm gleich an, aber er hat die Miene eines
^ Er hiess Pinkerton (s. BosweU'B Johnson viii 332) und nicht
Pükington, wie im Index Vol. n p. 724 gedruckt ist.
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222 xxzi Edward Gibbon^s GescbichUwerk
Weitmanns, der es sein will, der Eitelkeit hat und viel schwatzt
wie ein französischer Abb6 ; er ist sehr hässlich und sehr feist'.
[Freundlichere Beurtheilung hatte er bei der Pariser Gesellschaft
gefunden, Life p. 173],
Nie wohl hat ein Engländer sein insularisches Wesen so
abgestreift, wie der als Katholik jung nach Lausanne gesandte
Sohn des Citykaufmanns. Sogar von seiner Sprache sagte Per-
son, man könne einem Schüler das Umschreiben einer Gibbon*-
sehen Seite in wirkliches Englisch als nützliches Exercitium
aufgeben 1. [Vgl. oben S. 215, und Cap. v S. 251]. —
* Sein Lebensgang macht es begreiflich, dass eigentlicher
Patriotismus sich nicht bei ihm entwickelt hatte. I never was
a very warm Patriot^ and I grow every day a cüisen of the world,
schreibt er im März 1785 (Mise. l 649), und in einem Briefe von
1787 bezeichnet er sich as a eitieen of the world^ a eharader to
which I am every day rising or sinking {Mise. I 669 f.). —
G. hat gerade während der grossen Eklipse von Englands
Sonne (1770 — 1790) gearbeitet. Daher seine Geringschätzung
Englands dem Gontinent gegenüber. —
* Während der Arbeit am ersten Bande des Geschichtswerks,
im J. 1774 wurde er Mitglied des Parlaments, für den Flecken
Lymington in Hampshire {Mise, l 614). Schon 1760, in einem
Brief an den Vater, hatte er in richtigerer Selbsterkenntniss,
sich als ungeeignet für die parlamentarische Thätigkeit bezeich-
net {Mise. I 418, Life p. 157); und als er gleichwohl der Lockung
nachgab, Hess ihm sein Freund Deyverdun keinen Zweifel an
seiner Missbilligung des Schritts {Mise, i 576). Der Erfolg gab
dem Freunde recht. Man lese Gibbon's spätere Aeusserung
Mise. I 620, und besonders sein eignes Bekenntniss in dem Brief
an Deyverdun yon 17S^ Mise. l 588; hier, auf französisch, spricht
er offener: Vennui des affaires et la honte de la dependanee^.
G. wollte commissioner of the exdse werden mit 1000 «£
Einkommen, und dann wäre er wahrscheinlich in London ge-
1 [Th. Kidd, Tracts and miscellaneoua criticisms of JB. Porson p. XLVi :
B. P. was wont to remark that U tooüld he a good exercise for a sekoolboy
to translate occctsionally a page of Qibbon into Engliah. Vgl. aach Por-
son's Letters to Mr. Ärchd. Trai)is p. xxix f.].
^ [Im Life p. 171 vgl. 187 gibt G. eine vollständigere, durchaus of-
fenherzige Andeutung der Motive die ihn bestimmten England zu verlassen].
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XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk 223
blieben; s. Mise, i 647 und 634 (nach dem Fall der Goalition
geschrieben).
Innerlich fühlte er sich aber doch verletzt, dass man sich
so wenig Mühe gegeben ihn in England festzuhalten {Mise, i 619).
Vermögensverhältnisse. Der eigentliche Grund seiner
Emigration war ein rein pecuniärer, wie auch Macauly WiUiam
Pitt p. 82 der Leipz. Ausg. bemerkt: The greatest historian of
the age, forced hy poverty to leave his country compUted his im-
mortal work an the shores of lake Leman K —
In England rechnete er 1000 bis 1100 ^ als jährlichen
Verbrauch, in Lausanne 600—700 45 {Mise. l 648). —
* Als 6. den Entschluss fasste nach Lausanne überzusiedeln,
konnte er seinem Freund Deyverdun schreiben (24 Juni 1783
Mise. i587): une deeonßture angloise laisse eneore une fortune
fort decente au pays de Vaud^ et pour vous dire quelque ehose de
plus precis, je dSpenserois sans peine et sans inconvenient cinq ou
six cens Louis.
Bei dem schliesslichen Arrangement seiner Geldverhältnisse
im März 1785 stellte sich sein Vermögen noch geringer heraus
als er erwartet hatte {Mise. l 646).
Aber am 18. Mai 1791 schreibt er: I%e disposäl of Beriton
and the death of my aunt Hester, who hos left tne her estate in
SusseXj makes me very easy in my worldly affairs (Mise. 1 690). —
Das Honorar für die drei letzten Bände rechnet er 4000 45
(Mise. I 648), so viel wie er für die ersten bekommen (Brief an
Cadeil Mise, i 666 vgl. 669 und besonders 671), also zusammen
6 bis 8000 4?. —
Im Januar 1784 hielt G. noch die Freneh funds as solid
as our oum (die englischen) und legte 30,000 livres darin an
{Mise. I 625). Kiebuhr brauchte sich also vor ihm hinsichtlich
seiner politischen Voraussicht nicht zu schämen.
Zweites Gapitel.
Die Einsicht, dass man eigentlich drei Werke vor sich
hat, ist am unentbehrlichsten für die Betrachtung Gib-
bon's als Eirchenhistoriker. Das xv und xvi Gapitel
* [G. schreibt an Deyverdun 20. Mai 1783 Mise i 671 : mon grand
pere a fait sa fortune^ mon ptre Va mangie avec un peu trop d^appeHty et
je jauia acUMemerU du fruU ou plutöt du reste de l^ra travaux].
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224 xxzi Edward Gibbon's Geschichtswerk
das schwächste, weil das früheste; steht zurück hinter
den ähnlichen Versuchen von Lessing und Voltaire.
Aus der Vindkation [Mise, ii 551 flf.] geht hervor, wie
beschränkt damals noch seine patristische Leetüre war.
Das Beste Band u und m. Vernachlässigung der Kir-
chenverfassung. Stellung zum xvm Jahrhundert. Proben:
Weltliche Macht des Pabstes, Folgen der Reformation.
Der erste Theil eh. 1—16 hat einen geblähteren Stil und
zeigt viel weniger reifes Urtheil als die folgenden. Z. B. die
kindische Phrase eh. 3 zwischen note 43 und 44 history is indeed
Utile more than the register of crimes, follies andmisfortunes of the
mankind (wozu Wenck p. 162 eine hübsche Bemerkung macht);
eh. 10 not. 11 die Pragmatisirung Odin's und die Identificirung
von As-hurg und As-ofj welche er ^nach zwölf Jahren' eh. 71
n. 20 selbst verspottet und zurücknimmt; die ernste Miene, mit
der er eine Parallele zwischen Komulus und Aurelian anstellt
eh. 12 (mit der Ahnung von some intermixture of fable bei der röm.
Königsgeschichte, ebend. n 3), vgl. dazu3fi5C. ii p. 464 über Beau-
fort. Dahin gehören auch die principles of human nature^ hve of
pleasure und love of action (eh. 15 nach not. 87), und die verun-
glückte Conjectur über die Homonymie in Galilaeans eh. 16 n. 41.
Wie weit ist der Weg von diesen Albernheiten zu der Tiefe,
die sich z. B. in folgender Reflexion über die durch die Kreuz-
züge verbreitete Reliquienverdummung ausspricht: The active
spirit of the Laiins preyed on the vitals of their reason and rdi-
gion (die rüstige Thatenlust zehrte den Lebenssaft ihrer Vernunft
und Religion auf) ; and if the ninth and tenth centuries were the
Umes of darknessy the thirtemth and fourteenth were the age of
ahsurdity and fable (eh. 61, nach n. 67).
Mit Gibbon's fünf Ursachen der Verbreitung des Christen-
thums die er zu Anfang von eh. 15 namhaft macht, vergleiche
man die ebenfalls fünf Ursachen in der zuerst 1785 in der Keh-
ler Gesamrotausgabe gedruckten, also von Gibbon nicht gekann-
ten Schrift Voltaire's Histoire de Vetablissement du Christianisme
eh. xni {Oeuvres ed. Beuchot Vol. L p. 468 £) : 1) Freiheits-
geflihl durch die christliche Lehre geweckt 2) Reichthum der
Christen 3) Vereinigungsireiheit 4) systematische Dogmatik, die
keine heidnische Religion gehabt habe {une des plus fortes
raisons) 5) anziehende Einfachheit des Cultus in Folge des
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^xxi Edward Gibbon^s Geschichtswerk ^^5
Wegfalls der blutigen Opfer. Dass diese Aufzählung von Grün-
den eine weit tiefere Kenntniss sowohl der Natur des Menschen
als der Natur des Ghristenthums verräth denn die Gibbon'sche,
liegt auf der Hand. —
Wie sehr Gibbon's zwei Capitel in der Luft des xvni Jahr-
hunderts gelegen, sieht man aus Lessing's Aufsatz im Naehlass
'Von der Art und Weise der Fortpflanzung und Ausbreitung
der christlichen Religion' (sämmtl. Schrr. herausg. von Lachmann
XI 64 — 81). Derselbe stammt offenbar aus Lessing's letzter Zeit,
aber bevor er Gibbon kannte, also nach Elisens Brief (s. oben
S. 207 Anm. 2) vor J. 1779.
Die Vergleichung mit Gibbon ist im Detail anzustellen.
Disciplina arcani p. 67 f. — Kühner als irgend etwas im Gibbon
ist die Parallelisirung mit dem Bacchanalienschwindel p. 76.
Der Dialog des Proselytenmachers ^ p. 76 f. eines seiner grössten
Meisterstücke. —
Das Buch von Dr. Watson in Cambridge (now Bishop of
Llandaff) gegen die zwei religiösen Capitel, das unter dem
Titel An Apölogy for Chrisüanity 1776 erschien, scheint lesens-
werth. Ein Billetwechsel darüber Mise. 1 510 f., und einschreiben
Watson's ebend. 537 als Dank für die Behandlung in der Vin-
dication (Mise, n 600).
Zweiter und dritter Quartband. Ein Jahr vor der
Herausgabe dieser zwei Bände hatte Gibbon zu London im Juni
1780 den Tumult erlebt, den der später öffentlich zum Juden-
thum übergetretene^ Lord George Gordon gegen die Katholiken-
Emancipation erregte. Gibbon spricht davon Mise. l 546 und 547.
Eine Beschreibung dieses Gordon not aus Johnson's Feder bei
Boswell vn 326 f. ; Dickens schildert die Vorgänge im Bamaby
Rudge^ der Fortsetzung von Meister Humphrey's Gloek. —-
Nicht unwesentlich für die Haltung dieser Bände ist es
wohl, dass Gibbon in den Jahren 1779—1782 Lord of Trade war,
also auch ministerielle Rücksichten zu nehmen hatte (vgl. den
Brief an Deyverdun Mise. l 571 f., das deutlichste über seine
Politik). —
^ [Bernays gebraucht statt dieses Worts das hebräische maasit d. b.
Verlocker, Verführer].
3 8. Borke's Betrachtungen über die französische Bevolation in F.
V. Gentz' Werken i p. 152.
Bernays, ges. Abhandl. II. 15
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226 XXXI Sdward Oibbon^s Geschichtswerk
W. Robertson schreibt nach dem Empfang des 2. und 3.
Quartbands (12. Mai 1781 Mise, i 552): I cannot conclude without
approving of the caution toith tvhich the new volumes are voriUen;
1 hope ü ioill exempt you from the illiberal abuse the first volume
drew upan you. —
Die Behandlung des Christenthums ist in der zweiten Hälfte
eine sehr verschieden nuancirte.
Das 47. Capitel ist ein Gomplement zum 15. und 16. Es
ist in Lausanne geschrieben. Dann aus der Lausanner Zeit
noch das 54. Capitel über die Paulicianer Reformation und der
Anfang von eh. 49 über die Bilder.
Theologisches Interesse. Jßsc. l 455— 464 findet sich
eine Antwort von Bishop Hurd auf einen verlorenen, wie es
scheint, sehr ausführlichen Brief Gibbon's zur Bestreitung der
Authenticität des Buches Daniel, und ein Bruchstück von G.^s
Replik, datirt Aug. 1772. —
Gibbon hat sich vielleicht zu viel mit den Dogmen und
zu wenig mit dem Entwickelungsgang der Kirchenverfassung
und des kanonischen Rechts befasst, obgleich diese doch recht
eigentlich in die historische Provinz fallen. Hätte er die
Arbeiten Walch's, welche an Urkundlichkeit und Fülle die
Tiilemonf sehen übertreffen, oder gar die Spittler'schen, welche
die lautere historische Quintessenz darbieten, im Original
lesen können, so wäre das wohl anders geworden. Aber er
konnte kein Deutsch (s. oben S. 220), übersetzt waren und sind
diese Werke nicht, und es nützte ihm also nichts, dass er einen
so treuen Sammler wie Walch und einen ihm so ebenbürtigen
Künstler wie Spittler zu Zeitgenossen hatte.
Was er selbst über connexion of church and State in den
einleitenden Worten zu eh. 49 seines Werkes sagt, hätte ihn
veranlassen können bei der Geschichte der Kirche jenen Dingen
verschärfte Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Tillemont hatte grundsätzlich die Verfassungsfragen zurück-
treten lassen, s. die Vorrede zum ersten Theil der Memaires p. s.
ä Vhist. eccles, p. x (XVT der Octavausgabe). —
In seinem Leben (p. 163 Milm.) beklagt G. dass er dived^
perhaps too deeply, into the mud of the Arian controversy. OflTen-
bar hat ihn, etwa in der Weise wie Lessing, die Theologie wäh-
rend der Arbeit angezogen und bei der Darstellung der ver-
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xzxi Edward Gibbon's Geschicht-swerk 227
schiedenen christologischen Systeme eh. 21 n. 20 — 28, 47 — 54 wird
ihm der Hohn etwas schwer. Auch die Anerkennung des Atha-
nasins hängt mit diesem aus der Arbeit gewonnenen Interesse
für den Gegenstand zusammen.
So wenig wie Gibbon gehöre ich einer der christlichen
Religionsgenossenschaften an. Wenn dieser Umstand mir ein
Anrecht auf die Voraussetzung wissenschaftlicher UnbeÜEingen-
heit des Urtheils giebt, so erschwert er mir andererseits den
Versuch mich in die Empfindung derer hineinzuversetzen, welche
Gibbon als Lästerer verdammen. Es fügt sich daher glücklich,
dass ich meine Meinung nicht mit meinen eigenen Worten zu
sagen brauche sondern mich der Aeusserung eines Mannes an-
schliessen darf, dem selbst seine Steifstgläubigen Gegner zuge-
stehen dass er wenigstens in der Empfindung ein Christ gewe-
sen, und welchen alle nicht steifgläubigen als einen der edelsten
und vollsten Christen aller Zeiten verehren. Der weimarische
Superintendent J. G. Herder Hess bald nach dem Bekanntwerden
Gibbon's in Deutschland ^ folgendes drucken [in dem 1791 er-
schienenen iv Theile der Ideen zur Philosophie der Geschichte
der Menschheit p. 105 :
'Mit theilnehmender Freude können wir hier den dritten classi-
Bchen Geschichtschreiber der Englander nennen, der mit Hume und Ro-
bertson wetteifert und den zweiten vielleicht übertrifft, Gibbon's history
of the decline and faU of the Boman empire. Ein ausgearbeitetes Meister-
werk, dem es indessen doch, vielleicht aus einem Fehler der Materie, an
jenem hinreissenden Interesse zu fehlen scheint, das z. B. die historischen
Schriften Hamens einflössen. Das Geschrei aber, das man in England
gegen dies gelehrte, wirklich philosophische Werk erhoben hat, als ob
es dem Christenthum feind sei, scheint mir unbillig: denn Gibbon
urtheilt über das Christenthum, wie über andere Gegeostande
seiner Geschichte, sehr milde*]. —
Geschichtlich von einer Religion reden kann man nur dann,
wenn sie nicht da ist. In der zweiten Hälfte des XYin Jahr-
hunderts war das dogmatische Christenthum zwar nicht unter-
1 [Erst 1788 wurde die von Wenck (oben S. 207 Anm. 3) begonnene
UebersetzuDg wieder aufgenommen und nun ununterbrochen fortgesetzt.
Die Wiener üebersetzung erschien 1790—92. Für grössere Verbreitung
des anstössigen Abschnitts aus dem ersten Quartband sorgte wohl die
Schrift '£dw. Gibbon, Ausbreitung des Christenthums aus natürlichen
Ursachen, aus dem Englischen' Hamburg 1788].
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ä28 XXXI Edward Oibbon^s Gesciiichtswerk
gegangen, aber es hatte eine totale Eklipse erfahren fttr alle
die Kreise, in denen Bücher etwas bedeuteten. Die wenigen
Gläubigen unter den Gebildeten wurden von der Überwiegenden
Mehrzahl, an deren Spitze Männer wie Hume und Kant, wie
Lessing und Goethe und ganz besonders auch Schiller standen,
für Leute angesehen, die nicht einen Glauben haben oder auch
nur eine Meinung, sondern was man auf Englisch a crotchet
nennt und auf deutsch eine Grille.
Hierdurch getäuscht hielt G. das Ghristenthum für todt und
der Geschichte anheimgefallen. Er schrieb nicht gegen sondern
über dasselbe, ohne entstellende Heftigkeit aber auch ohne die
geringste Schonung; so unpassibel, und demnach für die empfin-
denden Frommen so teuflisch grausam, wie er über die Byzan-
tinische Kaiserwirthschaft und über das weltliche Pabstthum ge-
schrieben hat. Dass er nicht, wie Voltaire, verletzen wollte,
sagt er deutlich (Life p. 164 Milm.): 'had I helieved that the
majority of English readers were so fondly attached even to the
name and shadow of Christianity , I might perhaps have
softened the two invidious chapters'^.
Von dem Ausschweifen nach den beiden Extremen in Sachen
der Religion während seiner früheren Jugend hatte G. den Vor-
theil für die historische Objectivität, dass, als die Periode der
dogmatischen Indifferenz fttr ihn eintrat, er religiös kundig
war ohne religiös befangen zusein [s. oben S. 214 f.]. Die In-
differenten von Haus aus sind und bleiben meistens auch Igno-
ranten. Man erträgt die Last der patristischen Studien nicht,
wenn sie nicht Gemüthssache wenigstens einmal gewesen sind. —
So lange die höheren und mittleren Stände politisch be-
schäftigt sind, kann keine dogmatische Religion aufkommen.
Denn die beschäftigten Gebildeten wollen von der Religion,
wenn sie überhaupt an sie denken, nur Ceremonien, so gut wie
die ungebildeten Classen. Erst wenn das politische Leben er-
stirbt oder sich in eine Oligarchie oder gar despotische Monarchie
zusammenzieht, fühlen die gebildeten Classen, weil sie nichts
Anspannendes zu thun haben, das Bedürfniss den philosophischen
Wahrheitstrieb religiös zum dogmenbildenden zu steigern. Daher
^ Ueber Gibbon's Stellung zum ChristeDthum vgl. auch Quaterly
Bemew 1877 avr, p. 410. Bei Milman Life p. 135 sehe man wie Suard
Q.*B Haas gegen das C bristen thum erklärte.
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XXXI Edward Gibbon^s Geschichtswerk 229
konnte das Ghristenthum erst in der Kaiserzeit aufkommen, und
daher geht die Entwickelung des Protestantismus in Deutschland
parallel mit der Entwickelung der Territorialhoheit aus dem
Schwinden der ständischen Verfassungen. —
Gibbon's Stellung zu Priestley [vgl. eh. liv n. 42, Life p. 165
und Mise, i 564 f. oder Life p. 175 f.] entspricht ungefähr der
Stellung Lessings zu den Rationalisten. —
Von Gibbon kann man wie Spittler (Kirchengeschichte
p. 368, V Periode § 42 am Ende) von Sarpi sagen : Wunden die
so geschlagen wurden heilen nie mehr. —
Gibbon theilt mit den antiken Classikern das Schicksal
dass er sich wenn auch nicht in usum Delphini, so doch in usutn
piorum hat kastriren lassen müssen. —
Wenn man Gibbon's Verdienst ermessen will, muss man
einen Abschnitt in Tillemont vergleichen. —
Gibbon's sneer^ ist wohl zum Theil aus unbewusster und
natürlicher Opposition gegen die Trappistenfrömmigkeit seines
Vorgängers Tillemont entstanden, die sich sogar in den Capitel-
überschriften äussert. —
Wenn man das 15te und 16te Capitel abrechnet, ist der sneer
gegen das Ghristenthum unentbehrlich als Salz zur Würze des
Stoffes. Man denke sich dieses byzantinische oder mittelalter-
liche Ghristenthum die sechs Quartbände hindurch mit Salbung
oder auch nur mit allgemeiner Ehrfurcht behandelt. Nur Theo-
logen könnten das aushalten. —
Ueber einen Spötter mag man sich ärgern, aber man hört
ihm zu; bei einem Prediger schlafen Fromme wie Ungläubige
bald ein. ~
Ohne Gibbon's Spott würde das Werk nicht so universal
haben sein können. Es ist aber der Spott oder eigentlich die
Kühle der Indifferenz, nicht der Spott der Ignoranz wie bei
Voltaire. d^aOia bleibt immer wie zu Sokrates' Zeit die grösste
Sünde. —
Paley's Antwort (in Milman's Vorrede zu seiner Ausgabe
der History, Vol. i p. xv ed. Baudry, vgl. Boswell's Johnson rv
p. 212), als man ihn aufforderte Gibbon zu widerlegen, ^toho
* [Bemays gebraacht diesen Ausdruck im Hinblick auf einen Vers
Byron's über Gibbon sapping a solemn creed with solemn sneer in ChUde
Harold Gesang m Str. 107].
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280 XXXI Edward Gibbon's Oeschichtswerk
can reftUe a sneer?' ist richtiger als Paley selbst vielleicht
wollte. Denn das Einzige, was überhaupt zur 'Refutation^ auffor-
dert, ist der sneer, die höhnische Intonation in der Erzählung
der Facta. Die Facta selbst sind richtig und unwiderleglich.
Sogar Milman in seiner Vorrede erkennt dies an.
Und eine noch prägnantere Anerkennung findet sich bei
dem früheren tractarian^ jetzt katholischen Newman {On the deve-
lopmerU of Christian doctrine p. 5 nach dem Citat bei Buckle
Histary of civilisatian eh. vi not. 38 Bd. 1 1 p. 308 der deutschen
Ueber Setzung): 'Es ist eine traurige Wahrheit, aber der haupt-
sächlichste, vielleicht der einzige englische Schriftsteller, der
einen Anspruch darauf hat, ftlr einen Kirchenhistoriker zu gel-
ten, ist der Ketzer Gibbon".
Geschichtlicher Sinn im xyin Jahrhundert. Auf
keinem Gebiet ist das neunzehnte so sehr über das achtzehnte
Jahrhundert, hauptsächlich in Folge der durch Kant eingeleite-
ten philosophischen Bewegung, hinausgegangen wie auf dem
der Geschichte. Und doch ist Gibbon, der eigenste Sohn des
18ten, erst im Licht des 19ten Jahrhunderts an den hohen Ort
gestellt worden, der ihm gebührt. —
Ueber die Abneigung des xvin Jahrhunderts gegen Ge-
schichte s. Mill dissertations vol. I p. 426 und Pattison Tenden-
ces of rdigions thought in England (1688—1750) in den Essays
and reviews p. 268. —
Bezeichnend für die unvollkommene Entwickelung des hi-
storischen Sinnes noch im dritten Decennium des xvm Jahrhd.
ist die, übrigens wie Alles aus dieser Feder mit berauschender
Beredsamkeit geschriebene Introduction des Duc de St. Simon
zu seinen Memoiren. Sie enthält eine weitläufige Widerlegung
des religiösen ^scrupule\ dass das Lesen der Geschichte, weil
sie die Schwächen der Menschen aufdecke, mit der charite ehre-
tienne unvereinbar sei. War er Jansenist? — Er stand mit
Rancö und La Trappe in Verbindung. —
Mit Kant's Antinomien ist die Schwäche des xviu Jahrhun-
derts überwunden, und mit Jacobi's Verachtung des Verstandes
im Vergleich zur Vernunft beginnt die Schwäche des xixten.
Die Schwäche des xvin. war die Benrtheilung des Specu-
lativen und geschichtlich Lebendigen nach logischem Maasstabe.
Die des Xix. der Missbrauch des Speculativen zum Aufstutzen
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XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk 231
des Verlebten und der Mangel an praktischem Math, der eine
fixe, also eine einseitige Ueberzengung voraussetzt. Die Ueber-
zeugung ist im xix Jahrhundert bei den Besseren eine flüs-
sige, und bei den Geringeren eine fluctuirende.
Durch die Antinomien ist der 'verständig disjunctive'
(s. Strauss, Reimarus p. 278) Charakter des xvm Jahrhunderts
durchbrochen, die Allmacht des Entweder-Oder beschränkt, der
bisher unangetastete Leibnitz-Wolfsche Widerspruch- und Ein-
stimmungssatz vom Thron der Philosophie gestossen, statt des
Entweder-Oder heisst es jetzt Beides und Keins vonBeidem. —
Gibbon ist durch seine geschichtliche Empirie, die ihm
durch seine englische Abstammung erleichtert wird, vor den
Fehlem des xviii und durch seinen Mangel an Speculation vor
den Fehlem des xix Jahrhunderts bewahrt geblieben. —
Was Gibbon mehr als alles Andere von seinen Zeitgenossen
unterscheidet, ist sein Wissen. —
Am Schluss des xvili Jahrhunderts hatten die praktischen
Leute viel 'Hoffnung', die sich in der französischen Revolution
entlud und verzehrte. Die theoretischen hatten zwar wenig po-
sitiven 'Glauben' religiöser oder philosophischer Art, aber sie
hatten doch die negative Zuversicht dass das bisher Geglaubte
närrisch sei, a helief that ihere com he no bdief, wie die schroffe
Formel Hume's lautet, der überhaupt der eigentliche Formelprä-
ger des XVIII Jahrhunderts ist. Auf dieser Zuversicht beraht
ihr Muth im historischen Urtheilen und Darstellen; freilich geht
dann aus derselben auch die Leichtfertigkeit bei denen hervor,
die nicht Gibbon's Lust an der Detailforschung besitzen. Aber
im neunzehnten Jahrhundert ist mit jener Zuversicht auch dieser
Muth verloren gegangen, und man flüchtet sich überall, wo die
Religion die Geschichte färbt, in eine farblose Objectivität.
Der Vorzug für die Darstellung, welchen der Glaube, einen
sicheren Maasstab des historischen Urtheils zu besitzen, ge-
währt, tritt besonders in der Schilderung Gonstantin's hervor,
zumal in der Dissertation über das Labarum -Wunder (eh. XX
von n. 28 an).
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232 XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk
Einige Proben mögen die vorstehenden Andeutungen ver-
anschauUchen, vorab die durch ihren 'feierlichen Hohn' (s. oben
S. 229 Anm. 1) und die kaltverachtende Unparteilichkeit bemer-
kenswerthe Auslassung über die
Weltliche Macht des Pabstes
(eh. 70 von n. 93 an).
Das weltliche Reich der Geistlichkeit muss die Entrüstung des
Christen, des Denkers und des Vaterlandsfreundes in gleicher Weise erre-
gen, und die Majestät welche über dem Boden Roms schwebt, die Erin-
nerung an seine Consuln und Triumphe mag wohl die Empfindung seiner
Knechtschaft bitterer und die Schmach schwerer machen. Wagen wir
jedoch unbefangen die Vorzüge und Mängel des geistlichen Regiments ab,
so kann man es in seiner jetzigen Verfassung rühmen als ein mildes, ge-
setztes, ruhiges System, welches den Gefahren einer minderjährigen Re-
gierung, den Ausschreitungen junger Herrscher, dem Aufwand der üep-
pigkeit und dem Elend des Krieges entrückt ist. Aber diese Vortheile
werden überwogen durch eine häufige fast alle sieben Jahre wiederkehrende
Wahl des Herrschers, der selten aus dem Lande gebürtig ist, und durch
die Regierang eines jungen Sechzigers in der Neige seines Lebens und
seiner Fähigkeiten, der keine Hoffnung hat seine Unternehmungen zu be-
endigen und keine Kinder, die sie fortsetzen könnten. Der siegreiche
Bewerber wird aus der Kirche, ja sogar aus dem Kloster genommen, hat
also eine Erziehung genossen und eine Lebensweise geführt, die auf das
schroffste der Vernunft, der Menschlichkeit, der Freiheit entgegensteht
In den Banden eines knechtischen Dogma's hat er sich gewöhnt, das
Ungereimte eben weil es ungereimt ist zu glauben, Ehrfurcht zu haben
vor allem Verächtlichen, und dagegen alles gering zu schätzen, was die
Achtung vernunftbegabter Wesen verdient, Irrthum als Verbrechen zu
strafen, hinwieder Kasteiung und Ehelosigkeit als die ersten aller Tugenden
zu belohnen; die Kalenderheiligen höher zu stellen als die Helden Roms
und die Weisen Athens, und das Messbuch und Crucifix für nützlichere
Geräthe anzusehen als den Pflug und den Webstuhl. Wohl mag er in
dem Amt eines Nuntius oder in dem Rang eines Cardinais sich Menschen-
kenntniss erwerben, aber die ursprüngliche Färbung bleibt immer seinem
Charakter und Auftreten eingeätzt ; wohl mag ihn Studium und Erfahrung
das Oeheimniss seines Berufs argwöhnen lassen, aber der priest^rlicbe
Virtuose wird immer selbst etwas von der Bigotterie einsaugen die er
Andern einflÖsst.
2. Ueber das Chalkedonische Concil
(eh. 47 n. 66—67).
Im Namen des vierten allgemeinen Concils ward Jesus der Christ
in einer Person jedoch in (nicht aus) zwei Naturen der katholischen Welt
verkündigt; eine unsichtbare Linie ward gezogen zwischen der Irrlehre
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XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk 233
des ApoUinaris und der Glaabens Wahrheit des heiligen Cyrillus ; und von
der Meisterhand des theologischen Künstlers ward eine Brücke, so schmal
und scharf wie ein Scheermesser, als Weg zum Paradies über den Abgrund
gespannt. Während zehn Jahrhunderten der Blindheit und der Knecht-
schaft empfing Europa seine religiösen Ansichten von dem Orakel auf
dem Yatican ; und auch in das Glaubensbekenntniss der Reformatoren,
welche sich von der Oberherrschaft des römischen Pontifex lossagten,
ward dieselbe Lehre, welche nun schon der Rost des Alterthums überzo-
gen hatte, ohne Widerrede aufgenommen. Noch immer triumphirt die
Synode von Chalkedon in den protestantischen Kirchen, aber auch die
frömmsten Christen der jetzigen Zeit sind über das was sie selbst von
den Geheimnissen der Fleischwerdung glauben, entweder unwissend oder
unbekümmert.
3. Nachtheile und Yortheile der Reformation
(eh. 54 von Note 31 an).
Die Kämpfe WicklcfT's in England uud Hussens in Böhmen waren
verfrüht und unwirksam, aber mit Dankbarkeit nennt man die Namen
Zwingli*s, Luther^s und Calvin's als der Befreier von Nationen.
Ein Philosoph, der das Maass ihres Verdienstes und den Werth ihrer
Religionsverbesserung abschätzen will, wird bedächtig fragen, von welchen
gegen oder über die Vernunft gehenden Glaubensartikeln sie die Christen
befreit haben ; denn eine solche Befreiung ist, insofern sie sich mit der
Wahrheit und Gottesfurcht verträgt, ohne Zweifel eine Wohlthat Bei
unbefangener Prüfung müssen wir uns eher von der Zaghaftigkeit unserer
ersten Reformatoren befremdet als durch ihre Kühnheit geärgert fühlen.
Mit den Juden verstanden sie sich dazu an alle hebräische Bücher der
Schrift zu glauben und sie sammt allen ihren Wundern zu vertreten von
dem Garten Eden an bis zu den Gesichten Daniels; und wie die Katho-
liken, waren sie nun den Juden gegenüber genöthigt, rechtfertigende
Gründe für die Beseitigung eines göttlichen Gesetzes ausfindig zu machen.
In den grossen Geheimnissen der Dreieinigkeit und Fleischwerdung waren
die Reformatoren streng orthodox, unbedenklich nahmen sie die theologi-
schen Aussprüche der vier oder sechs ersten Concilien an und mit dem
athanasischen Glaubensbekenntniss verhängten sie ewige Verdammniss über
alle die der katholischen Lehre nicht folgten. Die Transsubstantiation, die
unsichtbare Verwandlung von Brod und Wein in Leib und Blut Christi,
ist ein Dogma das die Macht der Logik und des Witzes herausfordern muss;
aber statt das Zeugniss ihrer Sinne, ihres Sehens, Fühlens, Schmeckens zu
befragen, verstrickten sich die ersten Protestanten in ihren Gewissens-
z weifein und die Worte Jesu bei Einsetzung des Sacraments jagten ihnen
Furcht ein. Luther behauptete eine körperliche, Calvin eine reale Gegen-
wart im Abendmahl, und die Meinung Zwingli's dass es blos eine geistige
Gemeinschaft, ein blosses Gedenkzeichen sei, hat nur langsam in den re-
formirten Kirchen die Oberhand gewonnen. Aber hier ward der Verlust
des einen Geheimnisses reichlich aufgewogen durch die erstaunlichen
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234 XXXI Edward Gibbon's Gescfaiöhtowerk
Lehren von der ErbBÜnde, der Erlösung, dem Gbiuben, der Gnade und
Yorherbestimmung, welche aus den Briefen Pauli ausgepresst wurden.
Allerdings waren diese spitzfindigen Fragen durch Kirchenväter und Scho-
lastiker vorbereitet worden ; aber ihre schliessliche Ausbildung und volks-
thüm liehe Verwendung darf man den ersten Keformatoren zuschreiben,
welche sie als unbedingrte und wesentliche Voraussetzungen des Seelenheils
einschärften. Bis hieher sinkt die Wagschale mit der Last übernatürli-
chen Glaubens zu Ungunsten der Protestanten; und mancher nüchterne
Christ möchte wohl eher zugeben, dass eine Oblate Gott, als dass Gott
ein grausamer und launenhafter Tyrann sei.
Dennoch sind die Verdienste Luther's und seiner Nebenbuhler ge-
diegen und bedeutsam; und auch der Philosoph muss seine Verpflichtungen
gegen diese unerschrockenen Schwärmer anerkennen.
L Ihr Arm hat den ganzen hoch aufgethürmten Bau des Aberglau-
bens, von dem Missbrauch der Ablasszettel an bis zu der Fürbitte der Jung-
frau Maria, dem Erdboden gleich gemacht. Tausende beiderlei Geschlechts,
welche Klostergelübde gethan hatten, wurden der Freiheit und Arbeit des
geselligen Lebens wiedergegeben. Eine abgestufte Rangliste von Heiligen
und Engeln, von unvollkommenen und untergeordneten Götterwesen, wur-
den ihrer weltlichen Bedeutung entkleidet und auf den Genuss ihrer himm-
lischen Seeligkeit beschränkt ; ihre Bilder und Reliquien wurden aus den
Kirchen verbannt und die Leichtgläubigkeit des Volks ward nicht länger
mit täglich wiederholten Wundem und Erscheinungen genährt. An die
Stelle eines dem Heidenthum nachgeahmten Cultus trat derjenige Gottes-
dienst, der für den Menschen der würdigste und für die Gottheit der am
wenigsten unwürdige ist: ein rein geistiger in Gebet und Danksagung.
Zu erwägen bleibt nur, ob eine so erhabene Einfachheit mit volksthümli-
cher Religionsübung sich vertrage; ob bei Abwesenheit aller sichtbaren
Gegenstände der Verehrung die Massen nicht entweder zu Schwärmerei
entflammt oder in Schlaffheit und Gleichgültigkeit versinken werden.
U. Es ward die Kette der Autorität gesprengt, welche den Glaubens-
eifrigen hindert zu denken wie er gern möchte und den Geknechteten zu
sprechen wie er denkt ; die Päbste, Kirchenväter und Concilien waren nun
nicht länger die obersten und unfehlbaren Richter der Welt ; und jedem
Christen ward gelehrt, kein anderes Gesetz als die Schrift und keinen an-
deren Ausleger als sein eigenes Gewissen anzuerkennen. Diese Freiheit
war jedoch mehr die Folge, als die Absicht der Reformation. Die refor-
matorischen Oppositionsmänner waren begierig den Platz der Tyrannen,
welche sie entthront hatten, einzunehmen. Sie zwangen mit gleicher Strenge
ihre Glaubensartikel und Bekenntnissschriften auf : sie verfochten das Recht
der Obrigkeit die Ketzer mit dem Tode zu bestrafen. Die fromme oder
persönliche Gereiztheit Calvin's verurtheilte in Servet die Schuld seiner
eigenen Auflehnung; und der Eifer Cranmer's hatte den Holzstoss in
Smithfield, welcher ihn später selbst verzehrte, för die Wiedertäufer an-
gezündet. Die angeborene Art des Tigers blieb dieselbe; aber allgemach
ward er doch seiner Zähne und Tatzen beraubt. Der römische Oberprie-
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XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk 235
ster hatte ein geistliches and weltliches Königreich besessen; die protestan-
tischen Lehrer waren Leute geringen Ranges ohne Einkünfte und Gerichts-
barkeit. Die Entscheidungen jenes Oberpriesters waren durch das Alter
der katholischen Kirche geweiht; die Beweisführungen und Streitigkeiten
der protestantischen Geistlichen wurden dem Volke vorgelegt und von
ihrer Berufung auf das freie Urtheil der Einzelnen machte der Forscher-
trieb und die Schwärmerei über ihre Wünsche hinaus Gebrauch. Seit den
Tagen Luther's und Calvin's vollzieht sich eine stille Reformation im
Schooss der reformirten Kirchen ; viel Unkraut des Yorurtheils ward aas-
gejätet und Erasmus'^ Schüler verbreiteten einen Geist der Freiheit und
Mässigung. Die Gewissensfreiheit ist als allgemeine Wohlthat und unver-
äusserliches Recht gefordert worden ; die freien Regierungen Hollands und
Englands führten die Toleranz in die Praxis ein und die kargen Zuge-
ständnisse der Gesetze sind durch die Einsicht und Menschlichkeit der
veränderten Zeitrichtung erweitert worden. Indem der Menschengeist
seine Kraft übte, lernte er den Umfang derselben kennen ; und die Worte
und Schattenbilder, welche das Kind unterhielten, können die Vernunft
des Mannes nicht mehr befriedigen. Ueber die Folianten der Controvers-
schriften zieht die Spinne ihr Gewebe; die Lehre einer protestantischen
Kirche liegt weit ab von dem Wissen und Glauben ihrer einzelnen Glie-
der; und die Formulare der Orthodoxie, die Glaubensartikel werden von
den Geistlichen der Neuzeit mit einem Seufzer oder einem Lächeln unter-
schrieben.
^ Man kann Erasmus als den Vater der vernünftigen Theologie
ansehen. Nach einem Schlummer von 100 Jahren ward sie wieder erweckt
in Holland durch die Arminianer Grotius, Limborch und Glericus.
Drittes Capitel.
Q. als politischer Historiker.
Sein Mangel an Kritik in der älteren Geschichte.
Niedere Kritik. Vergleich mit Schlosser^. Bekämpft
Sparta gegen Mably.
Einen grossen Vorsprang hat die moderne Zeit vor der
alten dadurch dass sie eine alte Geschichte hat. —
Es ist völlig unwahr was Buckle hist of eivüiscUion i c. 13
(I 2 p. 277 der deutschen Uebersetzung) sagt, dass bis auf Vol-
taire 'die wenigen wirklichen Schriftsteller über Geschichte vor-
^ [Was von Vergleichung Gibbon's mit Schlosser handschriftlich
vorliegt, ist als Bestandtheil des v. Capitels gedacht und daher dorthin
gestellt, S. 249 f.].
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236 xxKi Edward Gibbon's Geschichtswerk
nehmlich der alten Geschichte' sich gewidmet hätten. Wohlweis-
lich macht er zu dieser Behauptung gegen seine Gewohnheit
keine Note. Vor Goeffeteau und Rollin ist überhaupt keine alte
Geschichte geschrieben worden. Vgl. den [im folgenden] ange-
fahrten Brief Humc's an Robertson. —
Rollin hat zuerst die alte Geschichte mit Erzählergabe fllr
kleine und erwachsene Kinder erzählt. Sein Erfolg ermunterte
Andere, und am 8. Febr. 1759 schreibt Hume an Robertson:
you must not he idle. . . . May I venture to suggest to you theAn-
cient history, partiaUarly that of Greece. I thifikj RoUin^s suo-
cess might encourage you, nor need you he in tJie least intimidaied
hy his merit That author hos no other merit hut a certain fad-
lity and stoeetness of narration, htd Jms loaded his work tvith fifty
puerilities (bei D. Stewart Life of Robertson App. note C in
Colleded Works of D. StewaH Vol. x p. 217.) —
Die grösste Schwierigkeit eines solchen Unternehmens, dass
man nämlich in grossen Partien dieser Geschichte keine andere
Wahl hat als die alten Autoren zu übersetzen, hat Hume bereits
erkannt, in einem Brief an Robertson bei Stewart sect. ii p. 131 . —
Gibbon's Werk ist das erste bedeutendere, das überhaupt
über alte Geschichte verfasst worden. —
Gibbon's grosser Blick zeigt sich besonders darin, dass er,
anders als Montesquieu, die Disparilität der römischen republi-
canischen Volksgeschichte und der kaiserlichen Weltgeschichte
erkannt und danach seineu Stoff begrenzt hat. —
Höhere Kritik. Ricardus Coronensis eh. 1 not. 11.
G. hält die anonymi oratio de Constantino für alt, eh. 18
n. 26, vgl. Manso's Leben Gonstantins p. 65 Anm. c,
Timur's Commentarien eh. 65 n. 4.
Hält Guntherus Ligurinus für einen Originalautor eh. 69
n. 20, was sich jetzt bewährt.
instinctu divinitatis = nutu lovis 0. M, eh. 20 n. 43.
Ueber die Zeit des Curtius eh. 7 n. 46.
Unechtheit der Briefe an Sapor über die Gefangenschaft
Valerians eh. 10 n. 151.
Ueber das Datum von Lactantius' Institutiones eh. 20 n. 1
[s. oben i S. 343].
Ueber den Autor de inortihus persecutorum eh. 20 n. 40.
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txxi Edward Gibbon's Geschichtswerk 237
Ueber Tollins* 'Fälschung' eines Pendant zum Labarum-
Traum eh. 20 n. 42,
Hat zuerst den anonymm Vaiesii ernst ausgebeutet.
Juvenals xvi Satire erklärt er für unächt eh. 5 n. 64.
Schnitzer bei seditiosum eh. 44 n. 80.
Identificirt den Historiker und Grammatiker Herodianus
eh. 5 n. 69, was F. A. Wolf praef. Herod. p. XXXV rügt —
Auch Gibbon so gut wie Adam Smith scheint nicht gewusst
zu haben, dass die leges lAciniae sich nur auf den ager ptAli-
cus bezogen, eh. 44 nach n. 138 a Statute which confined the richest
citvsen to the measure of five hundred iugera [vgl. unten S. 263].
Gibbon selbst hatte vor, eine Charakteristik seiner Quellen,
die alten Autoren eingeschlossen, zu geben. Siehe seine Vor-
rede zu der zweiten Hälfte^ und die daselbst erwähnte Billigung
des Planes von Robertson in seiner Vorrede zur Geschichte von
Amerika, der jedoch seinem Werk nur ein trockenes Titelver-
zeichniss vorgesetzt hat.
Dies erwies sich als unausführbar, weil es zu einer Litte-
raturgeschichte angeschwollen wäre. Hätte er sich auf die
Hilfsmittel beschränkt, so würde er den Leser zu sehr haben
in die Karten gucken lassen. Wir wollen aber in die Karten
gucken. —
Seine letzte Arbeit Antiquities of the House of Brunsundc
hat er durch eine Charakteristik Leibnitzens und Muratori's ein-
1 Ö. auch den Brief an seinen Verleger Cadeil vom 17 Nov. 1790,
worin er demselben einen siebenten Quartband als Supplement anbietet, der
enthalten soll *1) a series of fragments, disquisitions, digressions etc. more
or less connected with the principal subject ; 2) several tables of geography,
chronology, coins, weights and measures etc., maps; 8) a critical review
of all the authors whom I have used and quoted* (Miscellaneoits
tDorka 1 686). Dazu eine Note von Lord Sheffield : * Mr. Gibbon soon be-
came tired of his plan and expressed a wish, it had not been mentioned.
He said his History was a critical review of the authors he had used*.
Diese für die drei ersten Bände ganz unpassende und für die drei letzten
nicht ganz passende Ausflucht hat also der gute Mann für Ernst ge-
nommen. Der wahre Grund war, dass der Buchhändler eine saure Miene
zu dem Vorschlage gemacht hatte, dass er diesen Supplementband ebenso
honoriren sollte wie jeden der früheren d. li. mit 1000 Pfd. Dies ergiebt
sich aus dem oben S. 223 über das Honorar Bemerkten und aus der Yer-
gleichung von Mise, i 687 und 688.
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23Ö XXXI Edward Gibbon'e Geschichtswerk
geleitet^. Aber da er keine philosophische Tiefe hatte and da
die Anndles imperii damals noch nicht gedruckt waren, hat er
Leibnitz natürlich nicht mit dem richtigen Maass messen können.
Die paar Sätze über Leibnitz in der Adress über das Project der
Scriptores rerutn Britannicarum (Miscell. II 712) sind würdiger:
'öfter wresüing with Newton and Clark in the sublime regions
of geometry and metaphysics he catdd descend upon earth to
examine the uncotUh characters and barbarous Latin of a ehro-
nicle or charter \
G/s Vorliebe für philologische Untersuchung zeigt sich in
den Briefen an Breitinger und J. M. Gesner, welche er als
Zwanzigjähriger geschrieben hat. Die lateinische Antwort des
damals 67jährigen Gesner (Mise. 1 364 ff.) ist höchst liebenswürdig.
Sogenannte niedere Kritik scheint ihm nie gelungen zu
sein. Er scheint das selbst gefühlt zu haben, wenn er eh. 10
n. 77 sagt though indeed, for different reasonSj it is alike difficuU
to correct the text of the best and of the worst tvriters.
Man sehe eh. 19 n. 42 über displicuisse bei Ammianus. Am
deutlichsten tritt dies hervor, wo er Actenstücke aus den Scrip-
toxes historiae Augustae wörtlich übersetzt, z. B. eh. 11 n. 12 wo
er militantes auslässt; eh. 10 n. 166 wo er Casaubonus' einleuch-
tende Emendation übersieht und den Schluss des Briefes ver-
kürzt; eh. 11 n. 83 wo er der Vulgata (a dvic crown) statt dem
Palatinus folgt; eh. 11 n. 7 wo er die Worte ganz willkürlich
ändert.
Das grosse französische Bruchstück eines Briefes, in welchem
ein fingirter Schwede einen Waadtländer zur Revolution auffor-
dert und die Gebrechen der Berner Aristokratie schildert, Mn
the early handwriting of Mr. Gibbon' (ilfiÄC. i 388— 413), ist
offenbar nicht von Gibbon geschrieben, sondern nur abgeschrie-
ben. Ein solches natürliches Französisch stand ihm nicht zu
Gebot. Es war wohl ein als Manuscript cursirendes Pamphlet,
dergleichen Rousseau in den Gonfessions erwähnt, und Gibbon
^ MisceU, I p. 638—640 und ausserdem p. 652. [Uehrigens sprach
G. schon im Geschichtswerk eh. 61 n. 67 von the great Leibnitz^ a masier
of the history of the middle age,]
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&XXI Edward Gibbon's Geschichtswerk 2d9
mag der Guriosität wegen sich eine Copie zu machen ange-
fangen haben. Als blosses Stil-Exercitiam ist es viel za ernst
nnd als Ausdruck von Gibbon's Gesinnung viel zu revolutionär.
Rousseau könnte es wohl verfasst haben. —
lieber seine Staatsschrift gegen Mr. de Vergennes während
des amerikanischen Krieges {Reponse ä Vexpose de la cour de
France, Mise, n 531 flf.) soll (nach Saturday review 23 Nov. 1861
p. 542) von Montague Bernard ttvo lectures on the present Ame-
rican ivar, Lond. 1861 gesprochen sein. —
In den lAfes of Lord Ghancelors by John Lord Campbell
findet sich eh. 172 vol. vi p. 225 [vol. vm p. 121 der Ausg. von
1857] ein sonst nicht gedruckter Brief Gibbon's an Lord Lough-
borough (Wedderburn) über d. h. gegen die französische Re-
volution vom 23 Febr. 1793.
Gibbon sagt in seiner Autobiographie von dem Geschichts-
werky dass es geschrieben sei toith the hnowledge and wühout the
prejudices of an Englishman (s. oben S. 215 A. 2). Gibbon war
kein Schotte oder Irländer. Hume ist in der 'Geschichte* nicht
blos 'Philosoph' im Sinn des XYUI Jahrhunderts, sondern hat
wenigstens schottische Antipathien gegen die Engländer; schot-
tische Sympathien scheint er nicht zu haben. —
Wie wenig Gibbon innerlich mit den phüasophes des xvili
Jahrhunderts gemein hat, sieht man aus seinem nie beigelegten
Zwist mit dem entschiedensten und auf historischem Gebiet un-
streitig bedeutendsten Vertreter dieser Secte, dem Abb6 de Mably.
Ihre gegenseitige Abneigung befestigte sich in Folge eines Tisch-
gesprächs zu Paris, wo Mably die republicanische Verfassungs-
form als die einzig richtige und Sparta als den Musterstaat hin-
stellte, Gibbon dagegen die Monarchie vertrat und mit überlegener,
den sauren Abbö vor seinen französischen Verehrern beschämen-
der Geschichtskunde Sparta wie es war schilderte (s. die Be-
schreibung der Scene bei Milman, Life p. 163). — In welcher
Verbindung Mably's und seines Gleichen Verherrlichung Sparta's
mit der Politik St. Just's und der Terroristen stand, hat Benja-
min Constant Esprit de conquete p. 117 ff. vortrefflich entwickelte
Mably ist der einzige, der auch von Gibbon's Geschicht-
schreibung abschätzig spricht, s. die Stelle bei Milman a. a. 0.
^ [Vgl. Bernays, Phokion und seine neueren Beurtheiler p. 16 ff.].
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240 XXXI Edward Gibbon*B Geschichtswerk
Vierteff Capitel.
Gibbon als Calturhistoriker.
Verhältniss zu Voltaire und Robertson.
Proben: Seidenbau [eh. XL von n. 61 bis 77 und eh. Lm
von n. 19 bis 27], Folgen der Kreuzzüge [eh. LXI von
n. 62 ab] , die General Observaüons on tke fall of the
Roman Empire in the West am Schluss des dritten
Quartbands [nach eh. xxzvm].
Gibbon stellt die Vereinigung von Staats- Kirchen- Rechts-
Geschichte dar. Das Nationalökonomische und Litterärische ist
noch dürftig, aber er ist der erste der die area der Geschichte
in der gehörigen Weite abgesteckt hat.
Das culturgeschichtliche Element hatte zuerst Voltaire her-
vorgekehrt, dann Robertson in dem Präliminarbuch zu seinem
Charles F, und bald darauf Hume und Smith. In diesem Sinne
nennt sie alle drei auch Gibbon selbst eh. 61 n. 69 zusammen.
Aber Voltaire ist ungelehrt, Robertson ist ein Pastor, Hume ist
zu abstract psychologisch, und Smith ist einseitig (oder, wie
Buckle n p. 422 d. Uebers. richtig darstellt, bewusst ^zwiespältig'
in seinen Ausgangspunkten : Moral sentiments auf Deduetion aus
sympathy, Weaith of nations auf Deduetion aus interest gegründet).
Robertson lesen selbst die Engländer schon lange nicht
mehr^; Hume — ich meine seine Geschichte, denn seine essays
waren nie für die Engländer sondern für die Philosophen ge-
schrieben, welche denn wohl auch immer fortfahren werden ihnen
die bisherige unverwandte Aufmerksamkeit zu schenken — lesen
die Engländer zwar noch, jedoch eingestandener Maassen nur des
unerreichten Stils wegen; über seine historiographische Un-
tauglichkeit ftlr die Jetztlebenden herrscht jenseits des Ganais
dieselbe Meinung wie auf dem Gontinent, wo man ihn gar nicht
mehr liest. Gibbon dagegen, welchen noch Spittler Hume'n nach-
setzte, gewinnt mit jedem Jahrzehnt mehr Boden. —
Will man sich den ungeheuren Abstand zwischen Robert-
son und Gibbon veranschaulichen, so vergleiche man die Be-
^ Buckle behandelt ihn wieder mit Achtung.
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XXXI Edward Gibbon^s Geschichtswerk 241
trachtuQgen Beider über die Wirkungen der Kreuzzüge, die Hi-
Story of Charles V i aect. 1 n. 1 p. 18 flf. mit Gibbon eh. 61 n. 63—
70. Auch Guizot's Resum^ {Cours d'histoire moderne gSnerale^ 1828
legon 8 p. 15) bleibt weit hinter Gibbon's ehrlicher Schärfe zu-
rück. Guizot wagt nicht wie Gibbon zu sagen: the final progress
of idolatry flotoed from the baneful fountain of the holy war, —
Gibbon^s ^Philosophie' ist blos regulativ, nicht constitutiy.
Am deutlichsten zeigt sich's in seinem li\v[\\ia über den Unter-
gang der Civilisation, am Schluss von eh. 38. —
Voltaire's essay sur les moeurs et Vesprit des nations^ hat
alle Fehler und alle Vorzüge der weiblichen Gonversation. Fried-
rich der Gr. wollte zuletzt nichts mehr von der Emilie hören. —
Gibbon war Jurist von Fach. Sonst hätte er auch nicht
das 44. Capitel schreiben können [vgl. oben S. 208]. —
Der Schluss von eh. 10 not. 168 — 183 ist bezeichnend für
G.'s Kunst, die spärlichsten Andeutungen culturgeschichtlich aus-
zubeuten. Die richtige Darstellung des bellum servile beruht
auf 6iner Zeile in der vita GalUeni c. 4.
Warum erwähnt er aber nicht dass Gallienus eine Marco-
mannentochter Pipa [Pipara nach scr. hist. Äug,] zur coniux
[vielmehr Concubine] gehabt bat (Aurelius Victor Caes. 33, 6
epit 33, 1 scrr, hist. Äug.^ v. Salonini c. 3) ? —
Die Darstellung der Lehre Platon's eh. 21 n. 11—12 zeigt
dass G. den Piaton nie ordentlich gelesen und das neuplatoni-
sche System für die geheime Lehre Platon's {the secret doctri-
nes which were cautiously whispered in the gardens of the Aca-
demy) gehalten hat.
Fünftes Capitel.
G. als historiographischer Künstler.
Conception, Gruppirung, Vogelperspective. Erzähler-
kunst Innuendo, Verhältniss der Noten zum Text.
Conception 2. Eduard Gibbon's Geschichte des Nieder-
und Untergangs des römischen Reichs war das erste bedeutende
1 [Er war für Emilie de Breteuil, verheirathete Marquise du Chk-
telet geschrieben].
3 [Die folgende anvollendete Darstellang aus dem J. 1868 sollte of-
fenbar, nach einem älteren Plane, eine Einleitung zum Ganzen werden ;
B«nui7fl, get. Abhaadl. II. ^^
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242 zxxi Edward 6ibbon*8 Geschichtswerk
Werk über alte Geschichte, welches die moderne Litteratur her-
vorgebracht hat, und mag es auch nicht unübertrefflich sein, so
ist es doch in den seit seiner Vollendung yerflossenen achtzig
Jahren unübertroffen geblieben; Niebuhr stand sogar nicht an, eine
neue Bearbeitung des grossen von Gibbon umspannten Zeitraums
für * zuverlässig sehr entbehrlich und verwegen' zu erklären^,
lieber die 'Entbehrlichkeit' hat nun freilich das Urtheil der
Kundigen, seitdem Niebuhr in der Vorrede zur ersten Auflage
seiner römischen Geschichte (1811) diese Aeusserung gethan hat,
sich ändern müssen. Man entbehrt und wünscht jetzt allerdings
ein Werk, das die inzwischen gewonnenen Ergebnisse der For-
schung in Staats- Rechts- und Religionsgeschichte der abend-
ländischen und besonders der morgenländischen Völker der alten
und besonders der mittleren Zeit auf ähnliche Weise abschlies-
send zu einem historischen Gesammtbilde vereinige, wie das
Gibbon'sche Werk für seine Zeit abschliessend gewesen ist
Aber so gewiss ein neuer mit den Mitteln des neunzehnten Jahr-
hunderts ausgerüsteter Gibbon nicht als eine ^entbehrliche' Er-
scheinung würde gering geachtet werden, so gewiss bleibt, bis
dieser Ersehnte hervortritt, der alte Gibbon des achtzehnten
Jahrhunderts unentbehrlich nicht blos für den gebildeten Freund
sondern auch für den gelehrten Forscher der Geschichte. Denn
der Nutzen und die Dauerhaftigkeit der Gibbon'schen Leistung
wird weit weniger bedingt durch die, jetzigen Ansprüchen nicht
mehr völlig genügende, Sammlung und Behandlung der Einzel-
heiten als durch den historischen Tiefblick, welcher die Auswahl
und Begrenzung des Stoffes bestimmt, und durch den histori-
schen [Jeberblick, welcher bei der Anordnung desselben gewal-
tet hat.
sie konnte an obige Stelle gesetzt werden nm veranschaulichen za helfen,
was Bemays über Gibbon's Conception entwickeln wollte. Am Schloss
konnte ein vorläufiger, mehrfach wörtlich übereinstimmender kürzerer Ent-
wurf zur Ergänzung herangezogen werden, mit Auslassung natürlich der
zwei mit dem vorherigen gleichlautenden Stellen].
^ (Vgl. Niebuhr's Vorträge über röm. Geschichte herausg. von
Isler 8, 284 *Die Nachrichten über Aurelian lassen sich wohl aneinander-
reihen, bilden aber keine Geschichte; die sicheren Denkmäler in dieser
Zeit bilden die Münzen, mit diesen sind aber die Angaben in unseren
elenden Historikern nicht zu vereinigen. Gibbon hat geleistet was mög-
lich war, sein Werk wird nie übertroflFen werden').
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XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk 243
Man braucht nur den urkundlichen Bestand der allgemei-
nen Geschichtsüberlieferung sich zu vergegenwärtigen, um einzu-
sehen welche Gewähr der nachhaltigsten Wirkung schon in der
blossen Conception des Gibbon'schen Werks liegt. Von den
Perserkriegen bis zum Erlöschen der africanisch-syrischen Kai-
serdynastie kann der Forscher Jahrhunderte der wissbaren und
zusammenhängenden Geschichte an der Hand grossentheils gleich-
zeitiger Quellenschriftsteller durchmessen, da mit meistens nur
zufälligen und die Ueberschau nicht hindernden Unterbrechungen,
eine Kette sich fortsetzt von Herodot bis auf Dio Cassius. Bald
nachdem Herodot's liebliche Erzählung uns verlassen, finden wir
uns in Gesellschaft des strengen Thukydides; und nicht lange
hat die nüchterne Wahrheit des Thukydides zu belehren aufge-
hört, so erhebt die leidenschaftliche Wahrheit des Demosthenes
ihr« erschütternde Stimme; über Alexander's Thaten, welche des
grossen Redners Worte übertäuben, liegt in Arrian's Buch ein
Obersichtlicher Inbegriff dessen vor, was die am wenigsten durch
die ausserordentlichen Ereignisse geblendeten Begleiter gesehen
und berichtet hatten; und wie die Geschichte der Nachfolger
Alexander's in die römische einmündet, so lernen wir sie auch in
ihren wesentlichen Grundzügen durch das reizlose aber desshalb
nur um so umfassender belehrende Werk des Polybius kennen, mit
dessen Beginn zugleich die bis dahin ganz oder halb mythische
Kunde von Rom wahr und wissbar zu werden anfängt. Die Dekaden,
in denen Livius nicht mehr neben oder vielmehr hinter Poly-
bius hergeht und des Römers Darstellung einen selbständigen
Werth erhalten würde, sind freilich noch immer verloren so gut
wie die Historien des Sallust; aber ihr Einfluss ist trotzdem für
uns wirksam durch die zahlreiche Clientel kleiner und kleinster
Scribenten, welche sich in den Jahrhunderten des sinkenden
Alterthums um Livius gesammelt und wenigstens den unentbehr-
lichsten thatsächlichen Stoff in historiographischer Grnppirung
so gerettet hat, dass man auf dieser schmalen und schwanken-
den Brücke die Kluft von dem dritten punischen Kriege bis zu
Cicero's und Gaesar's Zeitalter überschreiten kann ohne in die
Leere zu versinken. Der nächstfolgende Zeitraum bis zur Ein-
setzung des Kaiserthums schliesst sich uns dann durch die Ci-
ceronische Briefsammlung in einer Allseitigkeit und Durchsicli-
tigkeit auf wie kaum eine andere Epoche der gesammten Hen-
schengeschichte; und über die drei ersten Jahrhunderte des
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244 XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk
Kaiserthums, die Herrschaft der Jnlier, Flayier, Anrelier und
Syro-Africaner werden wir ununterbrochen unterrichtet durch
die kleinen Lebensbilder Sueton's, durch die grossen historischen
Gemälde des Tacitus, vor allem aber durch des Dio Cassios
griechisches Werk, welches an viele Vorzüge des Polybius er-
innert und mehr als irgend ein lateinisches Buch über den Kern
der Kaisergeschichte, über die Administration aufklärt. Aber wo
Dio aufhört, d. h. mit dem Schluss der syro-africanischen Dyna-
stie, da hört auch jeglicher Zusammenhang der geschichtlichen
Tradition auf; sie zerstiebt von da an in atomenhafte Notizen,
nicht blos für uns und in Folge zufälliger Bücherverluste,
sondern wesentlich in Folge des Erlöschens des historiogra-
phischen Sinnes , und dieses Erlöschen hängt wiederum eng
zusammen mit der inneren Umwandlung der historiographischen
Aufgaben. Allerdings ist es blos Zufall dass von Ammianus'
Werk, das mit Nerva's Regierung begann, äusserlich also als
Fortsetzung von Tacitus erscheinen und dienen konnte, die drei-
zehn ersten Bücher uns nicht vorliegen; aber die unverhältniss-
mässige Ausführlichkeit, mit welcher in den erhaltenen 18 Bü-
chern nur der fttnfundzwanzigjährige Zeitraum von 353—378
und innerhalb desselben vorzugsweise die achtjährige Wirksam-
keit Julian's behandelt wird, liefert allein schon den Beweis,
dass wir in dem verlorenen Theil, selbst wenn er uns einmal
wieder vergönnt werden sollte, die Geschichte der 257 Jahre von
Nerva bis Gallus nicht in der Weise erzählt finden würden wie
wir es wünschen müssen K In der That, so grosse Anerkennung
uns durch seine geschäftsmässige Verständigkeit und seine nicht
einmal erstrebte sondern aus Theilnahmlosigkeit von selbst ent-
springende^ religiöse Unparteilichkeit Ammianus abnöthigt, so
kann man es doch schon aus diesen Vorzügen [ermessen], dass
er nicht im Stande gewesen ist den historiographischen Proble-
men, wie sie die Regierungen Diocietian's und Gonstantin's bie-
ten, gerecht zu werden. Der niedere Offizier, der sich als Grieche
in die mühselige Geschmacklosigkeit des damals in Rom übli-
chen declamatorischen Vorlesungsstils hineinarbeitete, besass we-
der Zartsinn genug um die letzten Athemzüge der hinsterbenden
alten Welt zu belauschen, noch besass er die nöthige Weite
1 Gibbon eh. 26 n. 118 'a superficial epitome of 257 years' .
* ders. eh. 23 vor n. 83 *carele88 of theological diapuUs".
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XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk 245
und Schärfe des Blicks um durch die Staubwolken hindurch»
welche die zu Synoden fahrenden Bischöfe auf alien Landstras-
sen, wie er klagte erregten, eine würdigende Einsicht in die
neue Religionsform und ihre politischen Wirkungen zu gewinnen.
Trotz aller dieser Mängel bleibt jedoch Ammianus, der die gu-
ten Einflüsse von Julian's Wiederbelebungsversuch der alten
Welt erfuhr ohne sich in dessen neuplatonische Schwärmerei zu
vertiefen, für lange der allerletzte Schriftsteller, der die irdischen
Dinge in einer an die antike Unbefangenheit wenigstens erin-
nernden Weise mit menschlichem Scharfblick, unbeirrt durch den
dogmatischen Himmel aufzufassen und darzulegen versteht. Nach
ihm fängt gerade für die edleren und fähigeren Köpfe die Hi-
storiographie an äusserlich und innerlich unmöglich zu werden.
Die despotische Geheimthuerei und der despotische Druck ent-
zog ihnen einerseits den zuverlässigen geschichtlichen Stoff und
erstickte das wahrheitsgetreue Wort; andrerseits ward das le-
bendige Interesse an den Dingen dieser Welt der hinfälligen
Sünde zurückgedrängt durch die Sehnsucht nach der ausserir-
dischen Ewigkeit ; und das politische Sehvermögen ward ver-
wirrt, da die Objecte zugleich in religiösen und in politischen
Farben schillerten. Nur wo es sich um den Gegensatz zwischen
Barbaren und HeUeno-Romanen handelt, können sich die bessern
Köpfe noch zuweilen zurechtfinden, weil hier durch den Unter-
schied zwischen Civilisation und roher Naturkraft feste Grenz-
marken des Urtheils gegeben waren; Priscus weiss seine Ge-
sandschaft bei Attila mit einer des Xenophon nicht unwürdigen
Klarheit und Anschaulichkeit zu erzählen; und der ermüdete
Leser des Prokopios und Agathias athmet auf, wenn er von
der dumpfen Leere byzantinischer Intriguen und Controversen
zu den knochigen Riesengestalten der Gothen oder den feuri-
gen Rossen der Araber und Perser sich wenden kann.
[ÄU8 einem vorlät^gen Entwurf^]. Das Erlöschen der histo-
riographischen Fähigkeit seit Diocletian hängt mit dem Aufkom-
men des Christenthums zusammen. Die Objecte wurden schwe-
rer auffassbar, weil sie schillerten zwischen religiösen und po-
1 Ammianas xxi 16, 18 (übersetzt von Gibbon oh. 21 n. 91).
^ [üeber das folgende Fragment s. oben S. 242 Anm.].
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246 XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk
litischen [Farben] Und als gar diese Gleichgültigkeit gegen
das tägliche Dasein sich zur Wundersncht gesteigert hatte, da
ging das Unterscheidungsvermögen zwischen Möglichem und Un-
möglichem verloren, d. h. das historische Auge erblindete
Erst in der Epoche des endenden Mittelalters, nachdem das
Pabstthum eine politische Macht geworden und damit das Dogma
seine berückende Macht für die edleren Gemüther verloren, und
bevor die Reformationszeit die Politik mit dogmatischen Gon-
troversen verflochten hatte, bildete sich der staatsmännische Stand
zu derjenigen religiösen Indifferenz, weiche die politischen Ver-
hältnisse als gediegene, gesetzmässige und der Auffassung wür-
dige Wirklichkeit erkennt; und in den Ländern, wo neben Han-
del und Industrie ein grosses Städteleben sich entwickelt hatte,
in Burgund und Italien, stehen zuerst wieder die Männer auf,
die einen Platz neben Herodot und Thukydides ansprechen dür-
fen, Philipp von Comines und Machiavelli. In der Zwischenzeit
fehlt es nicht an Kenntniss und Ueberlieferung der Facta, aber
das Auge fehlt sie unter 6inem Gesichtspunkt zusammenzu-
fassen. —
Gibbon ist der Einzige, der mit einem dem Umfange nach
grossen, auf mühsamer gelehrter Forschung ruhenden und stili-
stisch gefeilten Geschichtswerk zu Ende gekommen ist K
Thukydides, Niebuhr und Macaulay sind nicht fertig ge-
worden. Herodot, Tacitus^ Comines, Macchiavelli können, von
allem Uebrigen abgesehen, schon des Umfanges ihrer Werke
wegen nicht in Vergleich kommen. Polybius und Guicciardini
sind stilistisch nicht gefeilt. Livius hat es mit der Forschung
nicht ernst genommen.
Die beiden Franzosen Thuanus und Thiers, die Stil haben
und auch den Dingen auf den Grund sehen wollen und im
äusseren Umfang ihrer Leistung es Gibbon zuvorthun, waren
1 In Saturday Beview vom 8 Nov. 1862 p. 659 findet sich ein gater
Artikel (The acaciaa of Lausanne) über das Verhältniss gprosser und vollen-
deter Geschichtswerke zu kleinen oder fragmentarischen. Als Ausgangs-
punkt dient die Schilderung Gibbon^s von seinen Empfindungen bei Vollen-
dung seines Werks (Life p. 190).
^ Die SO Bücher der Annalen und Historien des Tacitus machen
etwa einen halben Gibbon ohne Noten.
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xzxi Edward Gibbon's Geschichtswerk 247
doch durch die Natur ihres Stoffes und die seltene Gunst ihrer
Lebensstellung der mtlhsamen gelehrten Forschung überhoben.
Thuanus bekam von den Staatsmännern seiner Zeit die Memoi-
ren, welche er nur stilistisch zu überarbeiten brauchte, und Thiers
hatte fast sein gesammtes vor ihm unbenutztes Material in den
französischen Staatsarchiven, auf das bequemste zubereitet, zur
Verfügung. —
Gibbon's Augenmaass für historische Aufgaben zeigt sich z. B.
eh. 39 n. 24 in seinem Tadel Montesquieu's : M, had fortned the
plan of a history of Theodoric, tvhich at a distance might ap-
pear a rieh and interesting stdjecL —
Ich glaube, Franklin hat sich einmal den Spass gemacht,
herzurechnen welche Vorbedingungen und Vorbereitungen nöthig
sind, ehe ein Stück Brod zu Stande kommt. Nicht so spasshaft,
aber viel nützlicher ist es zu erkunden welche Leistungen voran-
gegangen sein müssen, ehe ein gutes Werk über alte Geschichte
möglich ist. —
Die alte Geschichte kann nur reflectirend erzählt wer-
den, weil man fast nirgends das zu voller Erzählung nöthige
Detail mit Sicherheit gewinnen kann^. Die neue mnss vor
allen Dingen erzählend erzählt werden. —
Alte und neue oder mittlere Geschichte setzen eine sehr
verschiedene Begabung voraus. Bis jetzt ist es noch Nieman-
dem gelungen, auf beiden Gebieten Lorbeeren zu ernten. Spitt-
ler's Abhandlung über den Eusebios ist so unbedeutend wie
Ranke's Vorträge über Dionysios von Halikarnass, und Gibbon's
Äntiquities of the house of Brunswick erwecken nur die Freude,
dass er nicht länger seine Zeit an dergleichen vergeudet hat. —
Mit dem Fortschritt der historiographischen Kunst vermin-
dert sich die Menge der erzählten Begebenheiten. Herodot
erzählt mehr als Thukydides. —
In der Kunst gedrängte und klare Ueberblicke zu geben
hat Niemand G.'s 48tes Capitel übertroffen [vgl. oben S. 209]. —
Gibbon fasst die Dinge aus solcher Vogelperspective, dass
in den meisten Fällen die spätere Detailforschung sehr wenig
hinzugefügt hat, was er nach seinem Plan auch nur hätte er-
zählen können; und das was er erzählt hat, ist so aus dem
^ vgl. Gibbon eh. 48 p. 2 ed. Lips. *iho8e generai pictures which
eompose the use and ornament of a remote history*.
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248 XXXI Edward Gibbon's Oeschichtswerk
danerbaren and jedem richtigen Blick gleich von vorn herein
sicheren Theil des geschichtlichen Stoffs genommen, dass es
dnrch die Kritik der Quellen auch dann nicht wesentlich ver-
ändert wird, wenn Gibbon sich einen unzuverlässigen Ftthrer
gewählt hat. Man sehe in Bezug auf die Darstellung der Kreuz-
Züge in eh. 58 und 59 ein Urtheil in Saturday remew 30 Not.
1861 p. 561. —
Gibbon leitet sein xxvi Gapitel, das erste, welches die
Völkerwanderung bespricht, mit einer Schilderung der grossen
Erdbeben im J. 365 ein, und erst die Reflexion Ober den
Zusammenhang der elementaren mit den geschichtlichen Um-
wälzungen bildet die Brücke zu seinem eigentlichen Gegen-
stande*. —
Die Legenden benutzt Oibbon, wie Lei bnitz Jacob Böhme's
Ueberschwänglichkeiten, zu stilistischen Zwecken, um seine Re-
flexionen zu versinnlichen*. Wie vortrefflich hat er die Legende
von den sieben Schläfern am Schlnss des 33. Capitels angebracht,
um den Abstand der Zeiten zu messen'. Den Photios jedoch,
den er not. 43 citirt, muss er nicht nachgeschlagen haben. Denn
sonst hätte er es sich gewiss nicht versagt die naive Freude
des Patriarchen hervorzuheben, dass das Wunder gerade zur
rechten Zeit gekommen um die damals von dem Bischof von
Aegae Tbeodoros angezweifelte Auferstehung der Todten durch
ein argumentum ad hominem zu erhärten (Bibl. cod. 253 p. 468 *
17 Bekker). Beiläufig ist zu bemerken, dass also die sieben
christlichen Epimenidesse so gut wie der eine heidnische nur
die Unsterblichkeit der Seele symbolisiren sollen.
G. beweist eine grosse Kunst das Entlegenste in die Gegen-
wart hineinznleiten, nicht durch pedantische Inm*endo'^ sondern
durch Nachweisung der Filiation. So läuft am Schluss von
eh. 61 die Genealogie in Betrachtungen tiber den Stand der da-
maligen englischen peerage aus, eh. 61 n. 50 — 54 die von Balduin
dem zweiten auf die Domenkrone gemachte Anleihe in das Wun-
der von Palais Royal.
^ In demselben Gapitel findet sich eine culturgeschichtliche Betrach-
tung über den Zustand der Hirtenvölker.
^ Aehnlich am Schluss von c. 85 die zwölf säcularischen Geier.
^ Goethe's Gedicht 'Siebenschläfer* im Divan (xn Chuld Nameh) hat
den geschichtlichen Gesichtspunkt verfehlt.
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zxxi Edward Gibbon's Geschichtswerk 249
*Er selbst räamt in der Behandlnngsweise des geschicht-
lichen Stoffs dem degree of connexian with (he Roman world and
the present age Einfluss ein (Einleitung zu eh. 48 p. 6 der Leipz.
Ansg.); ebeodort sagt er von den Russen: so important in their
present greatness.
Das 34te Gapitel von Attila und Theodosius n. gehört in
seiner Einfachheit zu den kunstvollsten. Hier hatte er an den
Fragmenten des Priscus gute Materialien, und man sieht hier,
wie er das gute zu gebrauchen versteht. Die Mordanschläge
des Vigilius gegen Attila sind scharfsinnig ernirt und trefflich
benutzt um die Darstellung, die in Gefahr war, blos sitten-
schildernd zu werden, historisch spannend zu machen. —
Gh. 26 zwischen n. 95 und 96 macht O. die Zumuthung an
den Leser, dass er eine Anspielung verstehen solle, die sich auf
ein 17 Seiten vorher erwähntes Apophthegma zurttckbezieht:
the treaty which their sagaciotis leader had taciüy stiptdcUed wüh
the fortifications of great and populous cities blickt zurück auf
not. 75 pacem sibi esse cum parietibus.
Wo Gibbon eingehend erzählt und Noten hinzufügt, war
er für seine Zeit so erschöpfend, dass kein Vernünftiger, wie
Niebuhr [s. oben S. 208] richtig sagt, so verwegen war ihm
nachzuerzählen. Die einzige wirkliche Ergänzung, welche in
der damaligen philologischen und historiographischen Epoche
geliefert wurde, nämlich Schlosser's 1812, gleichzeitig mit jener
Aeusserung Niebuhr's, erschienene 'Geschichte der bilderstür-
menden Kaiser' bezieht sich auf das XLVin Gapitel, das einzige,
das keine Noten hat und nach seiner ausgesprochenen Absicht
nur ein eilender Ueberblick (a rapid abstraet p. 5 der Leipz.
Ansg.) sein soll.
[Um die Ueberlegenheit der Gibbon'schen Darstellungs-
kunst auch diesem Geschichtschreiber gegenüber anschaulich zu
machen, sei hier ans beiden ein kurzer Abschnitt, die Erzählung
von Theophilus' Verehelichung, herausgehoben]:
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250
XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk
Gibbon oh. 48
(p. 37 Leipz. Aasg.).
Die Russen, welche dengröss-
ten Theil ihrer Staats- und Kir-
chenverfassung von den Griechen
entlehnt haben, hielten bis zum
vorigen Jahrhundert bei Ver-
heirathung des Zaren an einer
seltsamen Sitte fest. Sie brach-
ten zusammen nicht %war die
Jungfrauen aller Stände und
aller Provinzen — dieser Ein-
fall wäre zu eitel und roman-
tisch -— , sondern die Töchter
der vornehmsten Adlichen, wel-
che nun im Palast der Wahl
ihres Fürsten gewärtig sein
mussten. Ein ähnlicher Weg,
wird berichtet, sei bei der Ver-
ehelichung des Theophilus beliebt
worden. Mit einem goldenen
Apfel in der Hand schritt er
langsam zwischen zwei Reihen
wetteifernder Schönheiten da-
hin. Sein Auge ward festge-
halten durch die Reize der Tka-
sia; und in der Verlegenheit
einer ersten Eröffnung konnte
der Prinz keine andere Bemer-
kung vorbringen als dass in
dieser Welt Frauen die Ursache
von vielem Bösen gewesen. *ünd
sicherlich, Sire' antwortete sie
schnippisch, * sind sie ebenso der
Anlass zu vielem Guten gewe-
sen*. Das unzeitige Haschen
nach Witz missfiel dem kaiser-
lichen Freier; unwillig wandte
er sich ab; Ikasia suchte ihre
Demüthigung in einem Kloster
zu verstecken; und das beschei-
dene Schweigen der Theodora
ward mit dem goldnen Apfel
belohnt.
Schlosser, Geschichte
der bilderstiirmenden Kaiser p. 470.
Seine (des Theophilus) Stiefmutter
Euphrosyne .... versammelte in ihrem
Palaste in einem Zimmer, das man die
Perle nannte, die schönsten und vornehm-
sten jungen Mädchen, und forderte ihren
Stiefsohn, den sie in die Gesellschaft
führte, auf, einer derselben, die er zu
seiner Gemahlin erwählt, den goldnen
Apfel, welchen sie ihm brachte, zu rei-
chen. Vor Allen zog die Schönheit der
vielbelesenen und unterrichteten Ikasia
den Blick des Theophilus auf sich, er
blieb vor ihr stehen, und brach in den
Ausruf aus, der freilich ein sonderbares
Compliment enthielt: * Ist doch alles Uebel
durch ein Weib in die Welt gekommen*.
Ikasia sah sich schon al^ Kaiserin an,
und würde es geworden sein, wenn sie
dem Kitzel ihren Geist zu zeigen hätte
widerstehen können, sie erwiderte aber
schnell, erröthend: 'Aber durch ein Weib
(d. h. die Maria) wird sie noch täglich
gerettet'. Der Kaiser war alt genug,
um keine jener Weiber zur Genossin zu
wünschen, die auf jede Frage eine witzige
Antwort wissen, und in der Gesellschaft
angebetet und geschmeichelt, im Hause
und unter den einfachen Freunden der
stillen Tugend furchtbare Schlangen sind,
die mit lachendem Munde ein Gift sprützen,
das um so tödlicher ist, je weniger man
es als solches erkennt; er wandte sich
von ihr und wählte die sanfte, fromme,
häusliche Theodora, die erst auf dem
Throne, wo man sie vergötterte, verdor-
ben ward. Ikasia ging in ein Kloster,
das sie sich selbst erbaute, und ward in
der griechischen Kirche als Gelehrte und
Dichterin geistlicher Gedichte hochbe-
rühmt.
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XXXI Edward Gibbon's Geschieh tswerk 251
Wer wird nicht die nackte Erzählung Gibbon's mit dem
einleitenden Hinweis auf die Verbindung zwischen Moskau und
Byzanz und der vorübergleitenden Erinnerung an Ahasver [s. Buch
Esther 2, 3] weit vorziehen den verbrämenden Reflexionen Schlos-
ser's über die *Gift sprützenden' Blaustrümpfe und seiner ein-
geklammerten Erklärung 'd. h. Maria*.
Uebrigens ist, selbst wenn in den Quellen f\)yf\ stehen
sollte, was ich erst verificiren muss , wenigstens in der Anrede
des Kaisers der Plural unentbehrlich für eine moderne Er-
zählung.
Stil. G. schreibt ein universales Englisch, welches nur
aus englischen Redeth eilen aber nicht aus englischen Redens-
arten besteht, ein logisches aber kein idiomatisches Englisch.
Darauf bezieht sich Porson's Vorwurf [oben S. 222 Anm. 1].
Wie sehr ihm durch sein Jugendleben unter Franzosen seine
Muttersprache abhanden gekommen war, soll nach Sheffield's
Note Mise, i 416 besonders der Brief vom J. 1756 {Mise, 1 414 f.)
beweisen. —
In Marsh's Leäures on the english language ist nach grossen
Proben der bedeutendsten Autoren das Verhältniss der sächsi-
schen zu den romanischen Wörtern auf Procentsätze reducirt.
Gibbon hat am meisten romanische Bestandtheile von der gan-
zen Liste, die Saiurday Review 2 Nov. 1861 p. 464 abgedruckt
ist. Er hat nämlich nur 70 % Sächsisch, während z. B. die Bi-
bel zwischen 90 und 96 hat. Als Probe war eh. 7 genommen. —
In D. Stewarts Life of Robertson (Appendix Note H) ist
ein Brief von Burke an Murphy, den Uebersetzer des Tacitus,
mitgetheilt, wo er ohne ihn zu nennen Gibbon's Stil mit dem
Robertson'schen vergleicht und dem ersteren ein feigned manner
of falsetto, as the musidans call sometMng of the same sort in
singing beilegt.
Sein Stil ist epigrammatisch, aber es sind monumentale,
nicht witzelnde Epigramme; die Spitze liegt meistens nur in der
Kürze und in dem Verschweigen des Unwichtigen. —
Gibbon's medaillenprägender Stil passt eben nur fttr Uni-
versalgeschichte, wo die Masse der Facta concentrirt vorgetragen
und exemplicativ beurtheilt werden soll. Er war aber schliess-
lich Sclave dieses Stils geworden und konnte ihn auch in den
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252 • XXXI Edward Gibbon's Geschichtswerk .
monographischen AntiqtMties of the house of Brunswick^ aus wel-
chen Byron seine Parisina genommen hat, nicht ablegen. Da
wird er nun pompös, also lächerlich. Z. B. die Reflexionen
(ii 661) über das Mönchthum des Markgrafen von Ligurien Ot-
bert i: ^ Pride and ambition are the vices of the worldy humility
is the first virtue of a monk* usw. Als Epilog zu einem welt-
geschichtlichen Factum, etwa CarFs v Niederlegung der Krone
wäre es stattlich genug gesagt; in Beziehung auf diesen obscuren
mittelalterlichen Degen ist es das Epitaphium eines Rhetors auf
dem Grabe einer Maus.
Für die Fixirung seiner litterärischen Stellung war es sehr
t^rderlich, dass er zu keiner zweiten Bearbeitung kam. Aber
selbst wenn er zu einer solchen gelangt wäre, wtlrde er höch-
stens auf die Noten sie erstreckt haben. Im Text grössere
Partien zu ändern musste ihn die gefugte Composition und der
balancirte Stil der einzelnen Sätze hindern. Hier Hess sich
kein Steinchen verrücken ohne dass gleich die ganze Mauer in
Schwanken gerieth.
Noten zum Text. Ein Beispiel von der lehrreichen
Fülle Gibbon'scher Noten gibt eh. 14 not. 10 über den Geburts*
ort Constantin's , verglichen mit der mageren Behandlung des-
selben Gegenstands bei Manso, Constantin S. 10 Anm. n. —
* Viele Noten, besonders in der zweiten Trias von Qnart-
bänden, geben Charakteristiken; der Index weist solche nach
unter Herbelot, Mariana, Mosheim, Muratori, Petavius. —
^Persönliches gibt Gibbon in den Noten seines Werks,
aber nur in den drei letzten Bänden, nachdem er der Unsterb-
lichkeit seines Werks versichert war. Das bezeichnendste ist
eh. 52 not. 50 über die Zahl seiner glücklichen Stunden.
[Schlussbetrachtungen]
Das Beste bisher über Gibbon gesagte findet sich in
LoebelTs Aufsatz 'lieber die Epochen der Geschichtschreibung
und ihr Verhältniss zur Poesie' in Raumer's historischem Taschen-
buch 1841, neue Folge ii p. 360 ff.
Die Bemerkungen über Gibbon, zu denen AI. de Tocqne-
ville durch die Leetüre von G.'s Autobiographie veranlasst wurde
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XXXI Edward Gibbon^s Oeschichtswerk 253
(Brief von 1859, Oeuvres et carrespondance inedites Par. 1861 1. li
p. 480), sind ein Beweis, wie Yollständig anch den besseren
Franzosen der Maasstab fttr gelehrte Arbeiten abbanden gekom-
men ist.
[Danach kann ein Ausspruch Napoleon's nicht überraschen].
De Pradt AnAassade de Varsovie p. 17 erzählt: 'Tacite a fait
des romans — disait Napolöon ä M. de Jacobi, dans son voyage
ä Aix la Chapelle en 1804—, Gibbons (sio) est un claban-
deur; Macchiarel est le seul livre, qu*on puisse lire*.
Adam Ferguson's History of the progress and terminatian
of Üie Roman Bepuhlic soll, wie schon der Titel zeigt, Gibbon
rückwärts yervoUständigen. Das Buch ist 1783 erschienen,
aber der Plan war schon 1776 gefasst, wie ein Brief Tom 18
April d. J. {Mise, i 502) beweist. In einem Brief an Gibbon
nach dem Erscheinen des ersten Bandes (19 März 1776) be-
kennt Ferguson, dass er eine solche Leistung eigentlich nicht
Ton G. erwartet habe, und sagt dann : / receive your instruction
and study your model with great deference (Miscell. 1 499).
Auch auf Gibbon passt was Cicero im Brutus 75, 262 von
Caesar's Commentarien sagt, sanos guidem homines a scribendo
deterruü (so Hirtius im Vorwort zu bellum Oall. Buch vni ut
praerepta non praehita facultas scriptoribus videatur). Kein
sanus wird nach ihm diese Partie im Zusammenhang zu erzählen
wagen. Das hat auch Niebuhr gefühlt (s. oben S. 208 und 242).
Die Deutschen behaupten in falschem Dünkel, sie verstän-
den den Shakespere besser als die Engländer. Mit grösserem
Rechte könnten sie sagen dass ein Deutscher den Gibbon besser
verstehen kann als ein Engländer. —
Um Gibbon würdigen zu können muss man Einsicht in
die deutschen Nothstände und continentale Bildung haben. —
Die Engländer sind schon darum keine nachfühlenden
Leser des Gibbon, weil er den dedine and fall beschreibt und
die Engländer noch aufsteigen und gesund sind. Ein Starker
und Gesunder kann sich aber nicht in den Zustand des Kranken
und Schwachen versetzen.
Wer sich über die historische Fatalität der orientalischen
Wirren aufklären will, der kann kein besseres Licht wünschen,
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254 XXXI Edward Gibbon^s Gescfaichtswerk
als diese mit der Eroberang Constantinopels endende Geschiebte
jedem Unbefangenen anztlndet [s. oben tlber Gentz S. 209].
Wie sehr Gibbon dem xix Jahrhundert wahlverwandt ist,
sieht man aus Byron's Begeisterung für ihn^ —
Der geschichtliche Zug, der Byron vor der Wildheit schützt,
ist wesentlich gibbonisch ^. Keinen Schriftsteller citirt er so oft
wie Gibbon. Den Stoff zur Parisina hat er aus den annals cf
the house of Brunsunck entlehnt, und die unwürdige Ode to Na-
poleon Bonaparte welche er ihm bei seiner Abfahrt nach Elba
nachsandte, trägt als unwürdiges und nur durch den wüthenden
Patriotismus eines Engländers erklärliches Motto die Worte
Gibbon's über einen der nächsten Vorgänger des Bomulus Augu-
stulus, den Kaiser Nepos (eh. 36 n. 116). Nur hat Byron statt
he protracted Ms life ahout five years, welche Zahl schliesslich
der Wahrheit so grauenhaft nahe gekommen ist, a feto years
gesetzt; und wo bei Gibbon steht tili he was assassinated at
Salona, setzte Byron 1814 hinter tili einen in die damals noch
dunkle Zukunft weisenden Gedankenstrich. —
Gibbon, Lessing und Kant sind die drei Männer des acht-
zehnten Jahrhunderts, welche unvergänglich sein werden.
^ Man sehe besonders die beiden Strophen in ChUd Harald canto m,
105 und 107.
^ [Byron hatte schon in seiner Jugend eine ungewöhnlich ausge-
breitete historische Leetüre. In den NoHces of the life of Lord Byron
(vor den Works of L. B., hy Th. Moore Lond. 1832) wird Vol. i p. 140 f.
eine aus dem 19ten Lebensjahre des Dichters stammende lange Liste der
von ihm bereits gelesenen {pemsed) Geschichtswerke mitgetheilt].
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XXXII
DIE BEHANDLUNG
DES RÖMISCHEN STAATSRECHTES
BIS AUF THEODOR MOMMSEN'.
Deutsche Rnndschau herausg. von Jul. Rodenberg,
Band n (1875 Januar) S. 54—68.
Heinrich Heine, dem es so wenig wie seinem grösseren 54
dichterischen Verwandten Byron an geschichtlicher Kenntniss
und geschichtlichem Blicke fehlte, hat einmal^ die Römer der
republicanischen Zeit 'Mischlinge von roher Raubsncht nnd fei-
nem Adyocatensinn\ eine "casuistische Soldatesca' genannt Es
liegt in dieser kurzen und ungezognen Hyperbel mehr Wahrheit,
als in vielen weitläufigen und wohlerzogenen Geschichtswerken
über Rom zu finden ist. Denn in der That ist das Ineinander
von Gericht und Gefecht, die Doppelschneide der juristischen Lo-
gik und des Eriegsschwertes ein wesentlicher Zug des Römer-
thums; ja man darf sagen, dass er im Verein mit der nicht
minder wesentlichen und ebenfalls juristisch gefärbten Götter-
angst das römische Wesen erschöpft. Eine volle und lebendige
Einsicht in die Wechselwirkung dieser drei Elemente zu ge-
winnen nnd 80 die Grundlagen der die alte Welt umfassenden,
mächtig in die neue Zeit hereinragenden, im eigentlichen Sinne
des Wortes ökumenischen Geschichte Roms aufzudecken, ist ein
von bedeutenden Geistern in unserm Jahrhundert eifriger als
zu irgend einer frühem Zeit begonnenes Streben. Am wei-
^ (Der Aufsatz soll in der spanischen Rivista Europea übersetzt
sein). [Die Anmerkungen, mit Ausnahme von S. 262 Anm. 1, sind erst bei
diesem Abdruck hinzugefügt nach den Andeutungen des Handexemplars].
2 Sämmtl. Werke ra 171.
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256 XXXII Die Behandlung d. Rom. Staatsrechtes bis auf Th. Mommsen
testen vom Ziele entfernt ist bis jetzt dieses Streben geblieben
in Bezag aaf das, was die Römer ihre ^göttlichen Dinge' nannten,
nud wir auch nach dem Wenigen, was wir von diesem tröben
Cultns wissen, vollkommen berechtigt sind als eine der bäa-
rischesten Formen des Polytheismus zu bezeichnen. Wie eine
solche Superstition mit juristischer Logik, d. h. mit einer die
Principien nicht weiter untersuchenden Folgerichtigkeit, zu einem
alle Theile nicht nur des Privat- sondern auch des Staatslebens
einfangenden Netze ausgesponnen wurde, wie in den Maschen
dieses Netzes die priesterlichen Politiker selbst, die es gespon-
nen, lange Jahrhunderte hindurch, bevor griechische Freigeisterei
die höheren Stände durchdrang, in trauriger Redlichkeit ver-
strickt bleiben konnten, wie im Einzelnen das unvermeidliche
Abkommen zwischen den Geboten der politischen oder militäri-
schen Nothwendigkeit und den Satzungen der in die Schlacht
wie in die Volksversammlung eingreifenden Sacral-Disciplin ge-
troffen wurde — kurz, über alle Fragen, welche die systema-
tische Ausbildung der römischen Religion, ihre Herrschaft über
die Gemüther, ihre Einwirkung auf die praktische Staatsleitung
66 betreffen, sind seit Niebuhr ebensowenig wie vor ihm wahrhaft
befriedigende Aufschlüsse gewonnen worden. Aber auch die
durch und seit Niebuhr beträchtlich vermehrten Mittel zur Be-
leuchtung der rechtlichen Seite des römischen Staatslebens
wurden lange Zeit hindurch nicht in fruchtbarer Weise verwen-
det, und es entstand in unserm Jahrhundert kein Werk, welches
eine Gesammtanschauung von dem römischen Staatsrecht und
einen Einblick in das Getriebe der constitutionellen Maschinerie
auch nur den Philologen, geschweige dem weiteren Kreis aller
historisch Gebildeten vermittelt hätte. Niebuhr's Werk in seiner
endgiltigen Gestalt war dazu aus vielen sachlichen Gründen
und zum Theil auch wegen der schriftstellerischen Eigenthüm-
lichkeit des Mannes nicht geeignet. Dass es diesem grossen
Forscher im mündlichen Vortrage nicht an didaktischem Talent
gefehlt hat, beweisen einige, in engem Anschluss an seine Ber-
liner Vorlesungen entstandene Abschnitte der ersten Ausgabe
seines Werks, und beweisen noch deutlicher die vielen aus nach-
geschriebenen Heften veröffentlichten Bonner Vorlesungen. Aber
sobald er die Rüstung des Schriftstellers anlegt, hemmt sie das
freie Spiel seiner Kräfte. Er will mit der höchsten Gewissen-
haftigkeit jeden einzelnen Punkt stets in allen seinen Beziehan-
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XXXII Die Behandlung d. röm. Staatsrechtes bis anf Th. Mommsen 257
gen zu allen anderen Einzelheiten nnd zum Ganzen erscheinen
lassen; allein er vermag dies nicht nach den unverbrüchlichen
Gesetzen der schriftstellerischen Perspective auszufahren; statt
die Dinge auseinander zu legen, schiebt er sie ineinander. Auch
diejenigen Partieen seines Werks, welche Rechtsinstitute und
Rechtsfragen im Zusammenhang behandeln wollen, gentigen da-
her dem Zwecke klarer und vollständiger Belehrung nicht; sie
gewähren kein staatsrechtliches Bild, sondern nur einzelne, oft
recht scharfe, zuweilen sehr durcheinander laufende Striche zu
einem Bilde. Jedoch auch wenn Niebuhr die Gabe lichtvoller
Darstellung in höherm Grade besessen hätte und eine Herab-
führung seines Werkes bis auf die späteren, aus reichlicher
fliessenden Quellen bekannten Epochen ihm vergönnt gewesen
wäre, bleibt es sehr fraglich, ob er, da er es doch auf eine Ge-
schichte der Ereignisse mit abgesehen hatte, und ob überhaupt
Jemand im Rahmen eines Geschichtswerkes den Anforderungen der
staatsrechtlichen Systematik hätte in vollem Maassegerecht werden
können. Denn wie weit auch die moderne Historiographie ihr
Gebiet abzustecken, wie viele Nebendisciplinen sie in sich auf-
zunehmen berechtigt sein und wie gern man sich eine Vertau-
schung der streng chronologischen Herzählung mit zusammen-
fassender Gruppirung gefallen lassen möge, eine gewisse Wahrung
der zeitlichen Abfolge und eine gewisse Einheitlichkeit des Er-
zählertons bleibt unerlässliche Bedingung jedes Geschichtswerkes.
Und eben dieser Bedingung, durch deren Verletzung das Ge-
schichtswerk in einen Kramladen verwandelt würde, widerstrebt
bei Behandlung des Staatsrechtes sowol die Natur des Gegen-
standes, wie die Beschaffenheit der Quellen. Um das wahre
Wesen einer staatlichen organischen Institution zu begreifen und
begreiflich zu machen, muss sie in der individuellen Eigenthüm-
lichkeit, welche sich durch alle geschichtlichen Wandlungen be-
hauptet, erfasst und in ununterbrochener Folge dargestellt werden;
eine zerstückelte, durch das Dazwischentreten andersartigen
Stoffes abgelenkte Betrachtung wird, wie gross man auch die
chronologischen Intervalle wählen mag, den Gesammteindruck
empfindlich stören. Femer kann es, um den | in der Institution 56
verkörperten Rechtsbegriff ganz zu erschöpfen, nicht hinreichen,
dass man nur diejenigen Fälle seiner Anwendung in Betracht
zieht, von denen in unserer, durch so klaffende Lücken zerris-
senen Ueberlieferung deutliche Erwähnung geschieht. Neben
Bemftya, gea. Abhandl. II X7
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258 xxxn Die Behandlung d. röm. Staatsrechtes bis anf Tb. MomnMen
der bezengten Wirklichkeit wird auch die in dem Begriffe eot-
haltene rechtliche Möglichkeit, die oft nur wegen der Mangel-
haftigkeit unserer Mittel die geschichtliche Beglaubigung ent-
behren mag, zur Verhandlung kommen müssen. Und daran
wiederum fliesst ein mit dem geschichtlichen Ton unvereiabares
Erforderniss der Darstellung. Die casuistische Debatte ist wie
bei der Behandlung der praktischen Moral und des Privatrechts,
so auch bei der Behandlung des Staatsrechts unvermeidlich. Die
volle Tragweite jeder Institution kann nur in ihrem Zusammen-
gehen und Zusammenstossen mit anderen Institutionen ermessen
werden, und eine Darlegung des Staatsrechts muss sich auch in
abwägender Erörterung des Für und Wider auf die vernünftiger
Weise denkbaren CoUisionsfälle einlassen, für welche unsere lücken-
hafte geschichtliche Tradition zu&llig keinen Beleg darbietet
Aus allen diesen Gründen wird dem freilich jetzt sehr
stark gewordenen Aufsaugungstrieb der Geschichtschreibnng
vor dem römischen Staatsrecht im Interesse der Sache ein Halt
geboten werden müssen. Die Geschichtschreiber mögen immer-
hin die stetigen Zustände ebenso sorgsam wie die bewegten
Ereignisse und die handelnden Menschen beachten, auf dem
Markt und vor der Gerichtsbühne ebenso gern wie im Kriegs-
lager und auf dem Schlachtfelde verweilen, sie werden doch
nie im Stande sein, über den staatsrechtlichen Hintergrund des
römischen Lebens die zur vollen und sicheren Erkenntniss nöthige
Helle zu verbreiten; eine gesonderte, systematische Darstellung
des römischen Staatsrechtes wird zu allen Zeiten eine unent-
behrliche Ergänzung der römischen Geschichtschreibung sein.
Freilich muss wie das Leben so auch die Wissenschaft
sich oft lange Zeiträume hindurch bescheiden, das Unentbehr-
liche dennoch zu missen. Nachdem während fast vier Jahr-
hunderten seit dem Anbrechen der modernen Wissenschaft Rom
und alles Römische ein Feld der Arbeit und ein Stoff des Nach-
denkens fUr Philologen, Juristen und Staatsmänner gewesen ist,
beginnt erst jetzt Theodor Mommsen dem Mangel eines syste-
matischen Staatsrechts abzuhelfen. Aber wenn er auch durch
den Erfolg seiner Leistung allein steht, so fehlt es ihm doch in
der Wahl der Aufgabe nicht gänzlich an Vorgängern. Allerdings
verdienen diesen Ehrentitel keineswegs die zahllosen Verfertiger
von mageren Octavbänden oder ungeschlachten Folianten und
Quartanten, welche in älterer Zeit neben anderen auch die so-
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xxxn Die Behandlung d. röm. Staatsrechtes bis anf Th. Mommsen 259
genannten 'staatlichen Antiquitäten' zu Hanf getragen haben.
Denn diesem ganzen Geschlecht pflegt es nicht nnr an jaristi-
schen Begriffen, sondern überhaupt an Begriffen zu mangeln;
man musste zufrieden sein, wenn die Veranstalter jener Samm-
lungen nur ihren Lastträgerberuf treulich erfüllten und den her-
beigeschleppten Stoff, wo nicht in einer bequemen Ordnung, so
doch in keiner gar zu trostlosen Verwirrung vorlegten, damit
er doch allenfalls als Nomenclatur und zu gelegentlicher Aus-
hilfe bei Erläuterung der Classiker brauchbar bleibe. Aber es
lassen sich doch aus den verflossenen vier Jahrhunderten wenig-
stens zwei Männer — ein Italiener | des sechszehnten und ein 57
Franzose des achtzehnten Jahrhunderts — nennen, welche sich
über den Tross der Antiquitätenschreiber weit erhoben und die
Richtung einschlugen, in welcher Mommsen uns jetzt zum Ziele
führt. Nachdem die italienischen Philologen und Antiquare ein
Jahrhundert hindurch in begeistertem Stolze auf ihre Ahnen,
der freilich eine unbefangene Kritik erschwerte, die Scherben
des römischen Weltreichs aufgelesen und nothdürffcig geleimt
hatten, nachdem die Schriftsteller ans Licht gezogen und so gut
es gehen wollte, zurechtgemacht, die Inschriften copirt und auch
gefälscht worden, unternahm es der Modenese Carolus Sigonius
den angesammelten, noch sehr der Sichtung ermangelnden Stoff
staatsrechtlich zu verarbeiten. Dass er den staatsrechtlichen
Gesichtspunkt festhalten wollte, zeigt die ganze Anlage und
schon der Titel seines Hauptwerks *Vom alten Recht der Römi-
schen Bürger'. An die Spitze tritt eine Definition des römischen
Vollbürgers als eines 'Bewohners von Rom's Stadt oder Feld,
der zu einer Tribus gehört und Zutritt zu den Ehrenämtern hat',
und indem die in der Definition eingeschlossenen Begriffe aus-
einandergelegt werden, gliedert sich nach den so entstehenden
Einschnitten das gesammte staatsrechtliche Material. Eine grosse
Uebersichtlichkeit, eine Bündigkeit, die mit einer den Philologen
ungewöhnlichen Strenge der Verlockung zu Excursen und Epi-
soden widersteht, und ein ernstes Bestreben, den vielartigen
Stoff unter die Herrschaft von Begriffen zu bringen, verdienen
die höchste Anerkennung. Aber einerseits war Sigonius kein
geschulter Jurist, und er zeigt auch kein juristisches Verständ-
niss, sondern mehr einen im Rubriciren und Gliedern geschick-
ten, gleichsam scholastischen Verstand. Andrerseits war er weder
praktischer Staatsmann, noch fand um die Mitte des seohszehn-
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260 xxxn Die Behandlung d. rom. Staatsrechtes bis auf Tb. Mommaen
ten Jahrhunderts in Italien ein Professor leicht die Mittel, auch
nnr soviel politischen Sinn in sich zu wecken und zu erhalten,
als fttr eine lebendige Auffassung des alterthttmlichen Staats-
lebens nOthig ist. Man vermisst daher bei Sigonius die Nei-
gung sich in publicistische Probleme zu vertiefen und die
Fähigkeit das politische Ineinandergreifen der Institutionen zu
veranschaulichen. Trotz solcher Mängel bezeichnet seine Lei-
stung einen Höhepunkt, tlber den die Wissenschaft während der
zwei folgenden Jahrhunderte in keinem europäischen Lande
hinaus gelangte. Die grosse französische Juristenschule, deren
Blüthe etwa gleichzeitig mit Sigonius begann, wandte sich mit
Vorliebe dem Privatrecht zu; Deutschland war vom Ende des
sechszehnten bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts durch
das theologische Gezanke, welches dem dreissigjährigen Kriege
voranging, durch das blutige Entsetzen dieser drei Jahrzehnte
selbst und durch ihre fast hundertjährigen Nachwehen fUr die
höhere Alterthumsforschung brach gelegt; den Engländern hat
ihre eigenartige heimische Rechtsentwickelung das Interesse für
die römische Jurisprudenz abgestumpft und in ihrem starken
politischen Selbstgeftihl haben sie auch nie, wie es die continen-
talen Völker so lange thaten, vor dem römischen Staat, als dem
Inbegriff politischer Weisheit, diejenige Ehrfurcht empfunden,
welche sie zu der mühevollen Ergründung des römischen Staats-
rechts hätte anspornen können-; die holländische Philologie end-
lich blieb seit Scaliger an die Texte der Schriftsteller ange-
kettet und hat fast auf keinem Gebiet an dem systematischen
Aufbau der geschichtlichen Disciplinen theilgenommen. Um die
58 Mitte des achtzehnten Jahrhunderts jedoch, | als die europäischen
Hauptstaaten eine im Wesentlichen feste Gliederung erlangt zu
haben und ihr Gegeneinanderstreben innerhalb bestimmter, auch
dem Laien berechenbarer Grenzen verlaufen zu mtlssen schien,
da verbreitete sich, unterstützt von dem erleichterten Verkehr
und der dadurch zu immer grösserer Ausdehnung erwachsenden
politischen Tagesschriftstellerei, eine lebhafte Theilnahme zu-
nächst für den Gang der äusseren politischen Ereignisse weit
über die engeren Kreise der Staatsdiener und Staatsmänner
hinaus bis in die Hänser aller nicht in ihrer Buhe erstarrten
Bürger und in die Studirzimmer aller nicht gänzlich verstaubter
Gelehrten. Gar bald verband sich mit dieser zuerst mehr den
Schlachtenerfolgen und den Diplomatenkünsten zugekehrten po*
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xzxii Die Behandlnng d. röm. Staaterechtes bis auf Th. Mommsen 261
litiscben Schaulust die tiefere Aufregung, von welcher die Ver-
handlung ttber die Grundfragen der inneren politischen Verfas-
sung immer begleitet ist. Montesquieu hatte durch die glänzende
und nachdrucksvolle Art, mit welcher er jene Fragen in der da-
maligen Universalsprache der Gebildeten aufwarf und zu lösen
versuchte, gleichsam das Blut aller Völker des europäischen
Continents politisch entzündet. Gern hatte er, an die noch überall
verbreiteten humanistischen Kenntnisse anknüpfend, den politi-
schen Erörterungen seines Hauptwerks eine gelehrte Weihe ge-
geben durch zahlreiche Hinblicke auf die römische Verfassnngs-
geschichte, wie er ja auch seine publicistische Thätigkeit eröffnet
hatte mit einem unter 'Betrachtungen über die Grösse und den
Verfall der Bömer' verhüllten aber darum nicht minder wuchti-
gen Angriff auf die absolute Monarchie. Wenn nun in einer
von derartigen Einflüssen beherrschten Zeit ein heller Kopf sich
ernstlich der Erforschung des römischen Alterthums ergab, so
konnte es nicht fehlen, dass vorwiegend die staatsrechtliche Seite
desselben ihn fesselte und er den alten Stoff einem von den
früheren Behandlern nicht besessenen Maasstab des Urtheils
unterwerfen, Antworten auf früher nicht gestellte Fragen ihm
entlocken wollte, welche seine politisch erregte Gegenwart ihm
auf die Zunge legte. Ein solcher heller Kopf war der in Hol-
land ansässige Franzose Louis de Beaufort. Sein Andenken
ruht jetzt in Deutschland, und wohl auch in Frankreich, fast
nur auf seiner zuerst 1738 und vor einigen Jahren zum dritten
Mal [s. S. 262, 2] gedruckten Schrift "lieber die Ungewissheit der
fünf ersten Jahrhunderte der römischen Geschichte'. Die hier voll-
zogene kritische Auflösung der römischen Legende sichert ihm den
Ehrenplatz unter den Vorgängern Niebuhr's, dem er, nach dessen
eigenem Geständniss, für einige wichtige Partien, z. B. für die
Geschichte des Porsenna, nichts Wesentliches zu than übrig ge-
lassen hatte. Die negative Kritik seiner Jugendzeit ergänzte
nun Beaufort fast dreissig Jahre später in der Vollreife seiner
Kraft durch eine positive, sehr umfänglich angelegte und schon
deshalb jetzt wenig verbreitete Darstellung des römischen Staats-
wesens. Da das gewählte grosse Quartformat viel Raum für
den Titel gewährte, so hat ihn der Verfasser fast zu einer In-
haltsangabe ausgedehnt, und beinahe genügt es, den unverkürz-
ten Wortlaut desselben mitzutheilen , um die staatsrechtlichen
Gesichtspunkte, unter welchen die Arbeit entstand, und den Ein-
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262 zxxii Die Behandlung d. röm. Staatsrechtes bis auf Th. Mommsen
fluss, den die damalige politische Erregung auf dieselbe getibt
59 hat, deutlich zu bezeichnen. Der TiteP | lautet: 'Der römische
Freistaat oder allgemeiner Abriss der Verfassung Roms, worin
behandelt werden die verschiedenen Triebfedern dieser Verfas-
sung und der Einfluss der Religion auf dieselbe; die Souverä-
nität des Volkes und die Art, wie es dieselbe ausübte; die
Machtvollkommenheit des Senats und der Beamten; die Rechts-
pflege; die Vorrechte des römischen Bürgers und die verschie-
denen Rechtsstellungen der Unterthanen dieses weiten Reiches'.
Eine auf selbständiger Quellenforschung ruhende Beherrschung
des damals zugänglichen historischen und antiquarischen Stoffes,
Aufgewecktheit und gesundes Urtheil, eine Darstellung, welche
zwischen Weitläufigkeit und anspruchsvoller Eürae eine behag-
liche Mitte einzuhalten weiss, ein geschicktes Hin- und Her-
wenden des Gegenstandes, damit alle Seiten desselben an^s Licht
kommen, und ein Hervorheben der politischen Momente neben
wohlthuender Enthaltsamkeit von politischer Phrase zeichnen
dieses in der französischen Litteratur nicht übertroffene Werk
aus. Wenn auch etwas spitz ausgedrückt, so ist doch in der
Sache das Lob nicht unverdient, welches ein jetziger Franzose^
seinem Landsmanne spendet, dass Beaufort es verstanden habe,
wichtige Dinge einfach vorzutragen und umwälzend zu wirken,
ohne sich als Schicksalsbote zu spreizen {gui fait une revolution
Sans se croire une mission). In der That ist der Abstand zwi-
schen Beaufort und allen frühem Behandlern römischer Dinge
ein überaus grosser. Er hat zuerst von dem Ständekanipfe und
seinem Einfluss auf den Entwickelungsgang der Verfassung eine
in den Hauptsachen dem Richtigen zustrebende Vorstellung sich
gebildet, die noch Montesquieu gänzlich fehlte; er darfauch hier,
wenigstens mit ebenso grossem Rechte wie in Bezug auf die
Kritik der Legende, den Ruhm eines Vorläufers von Niebubr
ansprechen. Ebenso hat auf anderen verdunkelten und verwirr-
ten Gebieten sein heller Blick Ordnung und Licht zu schaffen
begonnen. Aber freilich ist sein Blick nur hell, und wenn er
^ La RSpublique Bomainfj ou plan gineral de Vancien gouvemement
de Borne etc. A la Haye 1766, 2 Bde. 4. (Eine deutsche Uebersetzung
erschien Danzig 1775, 4 Bde. 8).
^ H. Taine bei Blot im Vorwort zu dessen (der dritten) Ausgabe von
Beaufort 's Schrift De Vincertitude (Paris 1866) p. v.
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xxxTi Die Behandlung d. röm. Staatsrechtes bis auf Th. Mommsen 263
auch nicht blos die Oberfläche streift, so dringt er doch nicht
weit genug unter dieselbe. Es fehlt ihm der Tiefblick und die
brütende Meditation, welche die Vorbedingung jeder reifen
wissenschaftlichen Geburt ist. Nur zu oft fehlt ihm auch die
Ausdauer, welche die richtig eingeschlagene Fährte bis zum
Ziele verfolgt Ein Beispiel von allgemeinerem Interesse mag
diesen Vorwurf in der Etlrze begründen.
Ueber die Tragweite der Ackergesetze, welche zu allen
Zeiten in der römischen Republik Aufregung verursachten und
mit welchen die Gracchen die römische Revolution eröffnet ha-
ben, war seit dem fünfzehnten Jahrhundert der schwere IiTthum
eingewurzelt, dass es dabei sich um eine communistische Gleich-
theilung alles Grundbesitzes gehandelt habe. Philologen, Si-
gonius an der Spitze, wetteiferten in der Verbreitung dieses
Irrthums mit grossen Publicisten wie Montesquieu S grossen
Nationalökonomen wie Adam Smith ^ und grossen Geschicht-
schreibern wie Edward Gibbon ^ Der gelehrte Schnitzer drang
aus den Büchern in die Pamphlete und in das Getümmel der
praktischen Politik; die communistische Richtung der französi-
schen Schreckenszeit bemächtigte sich gern eines mit dem Nim-
bus Rom^s umgebenen Schlagwortes; loi agraire ward in das
Phrasenmagazin der Rednerbühne aufgenommen und die Gracchen
nebst ihrer Mutter als eine Familie von gleicbmacherischen Volks-
erlösern in den| revolutionären Olymp versetzt. Die geschieht- 60
liehen Berichte über die wirklichen Ackergesetze hätten an sich zu
dem Irrthnm keinen Anlass geben können; besonders in den grie-
chisch abgefassten^ ist es deutlich gesagt, dass die Ackergesetze
nicht jedwedes Grundeigenthum betrafen, sondern nur ein Maximal-
maass für die Ueberlassung der Staatsdomänen festsetzen wollten.
Aber in die Legende über die Königszeit hatte sich auch die Erzäh-
lung eingeschlichen, dass Romulus bei Gründung des Staates jedem
Bürger ein gleiches Ackerloos von zwei Juchert angewiesen habe.
Es sollte dadurch wohl nur nach üblicher Legendenunsitte das
Durchschnittsmaass der römischen Landhufe von einem Einzel-
1 Considirations 8ur les causes de la grandeur des Romains et de
hur dicadence, eh. 3, vgl. Niebuhr Röm. Gesch. if^ 148 f.
3 book IV eh. 7 of colotdes (part. i) p. 228.
^ Decline and fall of the Eoman empire eh. xliv not. 138 (oben S. 237).
* Appian bell eiv, 1 8. Hugo, Rechtsgeschichte p. 271 [333 f. Ausg. v. 1826].
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264 XXXII Die Behandlung d. rom. Staatsreohtes bis auf Th. Mommsen
Vorgang hergeleitet werden, der Bodann mit bequemer Analogie
der yielberafenen Bodentheilung des spartanischen Gesetzgebers
nachgebildet warde. So lange nnn die Legende für wahrhafte
Geschichte galt, d. h. bis auf Beaufort, lag die Versuchung nahe,
die Ackergesetze mit jener Bodenvertheilnng des Romnlus zu
verknüpfen und die Gracchen för eben solche Wiederhersteller
der römischen Urverfassung anzusehen, wie es das romantische
Königspaar Sparta's, Agis und Kleomenes, für die lykurgische
Verfassung zu werden den unglücklichen Versuch gemacht hat
Beaufort jedoch, der Zerstörer der gesammten Königslegende,
hätte, sollte man meinen, auch über die Ackergesetze zu voller
Klarheit kommen müssen. Wirklich hütet er sich, bei ihrer Be-
sprechung über ihr erstes geschichtliches Erscheinen, das lici-
nische Gesetz, hinauszugehen; deutlicher als die früheren Be-
handler erkennt er den Anlass zu diesen und den folgenden
ähnlichen Maassnahmen in der missbräuchlichen Aneignung der
Staatsdomänen seitens der Vornehmen; aber wie richtig er auch
den Ursprung dieser Gesetze erfasste, so konnte er doch in Be-
treff ihrer Tragweite sich nicht von dem alten Wahne losmachen ;
auch er erstreckt sie auf jede Art von Grundeigenthum \ und
es blieb dem Göttinger Philologen Heyne und Niebuhr vorbe-
halten, das Trugbild einer nivellirenden loi agraire aus der
römischen Geschichte für immer zu verscheuchen.
Das durch dieses Beispiel veranschaulichte, manchmal fast
flatterhaft zu nennende Abspringen von dem auf seinem Wege
liegenden Richtigen hängt bei Beaufort zusammen mit dem
Mangel einer genügenden juristischen Schulung, welche seiner
Unstätigkeit wohl einen heilsamen Zügel hätte anlegen müssen.
Es theilen mit Beaufort diesen Mangel, ohne immer so schlimme
Folgen davon zu erdulden, die meisten von den vielen Deutschen
und wenigen Engländern, welche seit Niebuhr von. philologi-
schen Studien ausgehend, sich der Behandlung einzelner Theile
des römischen Verfassungsrechtes in den verschiedensten schrift-
stellerischen Formen zugewandt haben. Ein aufmerkender Leser
spürt daher nur zu bald, dass sie den juristischen Elementen
der Aufgabe in geschicktem Ausweichen oder ungeschicktem
1 S. Bd. I p. 240 poaaider plus de cinq cena arpens de terres, 241 en
bomant leiura posscsaions ä une certaine quantiti de terres — en acquirafU
des terres ä prix d'argentf vgl. ii p. 416 f.
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XXXII Die Behandlung d. röm. Staatsrechtes bis auf Th. Momlnsen 265
Rttckendrehen sich za entziehen Buchen. Die yerhältnissmässig
wenigen Fachjnristen wiederum, welche auf das ihnen so nahe
liegende Gebiet übertraten, standen entweder dem philologischen
Material nicht mit der nöthigen kritischen Selbständigkeit and
hermeneutischen Sicherheit gegenüber; oder wo in glänzender
Ausnahme auch diese unerlässliche Bedingung des Gelingens
hinreichend erfttllt ist, hält die geschichtliche I^gik der juristi-
schen nicht immer das Gleichgewicht und die vorzüglich dem
Juristen drohende Gefahr, dass der Feinsinn sich aus dem Con-
creten in das Subtile verliere, wird nicht immer vermieden.
Fast alle | diese Arbeiter haben auch nur einzelne Bausteine 61
behauen, höchstens einzelne Pfeiler des Gebäudes aufgerichtet;
das Gebäude selbst nach einem umfassenden Plan in allen
seinen Theilen aufzuführen, ist jetzt Theodor Mommsen be-
schäftigt. Von seinem auf drei Bände berechneten ^römischen
Staatsrecht' ist die Hälfte vollendet; sie beweist thatsächlich,
was denen, die Mommsen's Laufbahn verfolgt haben, nicht erst
bewiesen zu werden brauchte, dass in ihm alle für die Lösung
der Aufgabe erforderliche Eigenschaften zu einer sich gegen-
seitig stützenden und beaufeichtigenden Vereinigung zusammen-
treten, für welche die vierhundertjährige Geschichte der Alter-
thumsforschung bisher kein Beispiel aufzuweisen hatte. Seine
philologische Rüstung ist für alle in Betracht kommenden Theile
der lateinischen, schriftlichen und inschritltlichen Litteratur eine
in vollem Schmucke auserlesener Gelehrsamkeit strahlende und
wird von einer ebenso scharfen wie besonnenen Kritik vor je-
dem Flecken der Unklarheit bewahrt; es ist vor ihm nie ein
Jurist ein solcher Philologe gewesen. Seine juristische Bildung
ist bewährt durch eine vieljährige Lehrthätigkeit und durch die
Herausgabe der bedeutendsten rechtlichen Quellenbücher, für
deren Texte er die kritische Grundlage gelegt oder befestigt
hat; es ist vor ihm nie ein Philologe ein solcher Jurist gewesen.
Frisch erhalten aber und flir hohe Ziele ergiebig gemacht wird
die staunenerregende Menge vielartigen Wissens durch ein war-
mes Gefllhl und ein in mannigfacher Erfahrung gereiftes Ver-
ständniss für alles mit dem Staatswesen Zusammenhängende,
dergleichen die deutschen Gelehrten früherer Zeit, mochten es
Juristen oder Philologen sein, nur dann bei sich auszubilden im
Stande waren, wenn sie, wie Niebuhr, sich dauernd dem hohem
praktischen Staatsdienst widmeten und sich damit die Möglich-
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266 xxxn Die Behandlung d. röm. Staatsrechtes bis auf Th. Mommsen
keit verschlossen, Werke solchen Umfanges, wie wir sie Mommsen
verdanken, zu vollenden. Die vorliegende Leistung nun, in
welcher alle diese Gaben und Kräfte vielleicht ebenmässiger
und ungehemmter als in früheren, weit über Deutschlands Gren-
zen hinaus wirksamen deutschen Schriften Mommsen's zur Ent-
faltung kommen, wird zwar wegen der Natur des Stoffes und
der durch dieselbe bedingten Behandlung nur im Kreise der-
jenigen Gebildeten Verbreitung finden können, welche einige
Kenntniss der lateinischen Sprache und einiges Wissen von
römischen Dingen besitzen, oder bei sich aufzufrischen vermö-
gen. Aber alle, die diesem doch immer noch recht weiten
Kreise angehören, dürfen getrost zur Leetüre eingeladen wer-
den; der Zugang ist durch keinen der ärgerlichen Schlagbäume
erschwert, welche von so manchen gelehrten Büchern Jeden fern-
halten, den nicht die engsten Zunftintercssen zwingen, das uni-
pferchte Gebiet zu betreten. In dem aller Polemik entsagenden
Text herrscht eine Darstellung, welche der juristischen Genauig-
keit zu genügen und dabei geschmeidig zu bleiben versteht;
obwohl sie sich selbst auf Schritt und Tritt durch die Quellen-
belege in den Anmerkungen controUirt, so hat sie doch ihre
innere Selbständigkeit und ein elastisches Schreiten bewahrt;
man spürt hier nichts von dem gebrochenen, gleichsam eine
Sträflingskette nachschleppenden Gang, welcher die Bücher, die
zur einen Hälfte aus Text, zur anderen aus Anmerkungen be-
stehen müssen, so oft zu entstellen pflegt. In den Anmerkun-
gen werden die Beweisstellen aus der originalen lateinischen
und griechischen Litteratur unverkürzt mitgetheilt und dabei
62 ohne viel Aufwand an Worten die neueste handschriftliche i For-
schung und die nützlichen Gonjecturen mit dem sichern Tact
eines vielerfahrnen Meisters benutzt; es ist so eine staatsrecht-
liche Quellensammlung entstanden, die in solcher Reichlichkeit
und Reinheit sonst nirgends zu finden ist. Hingegen ist darauf
verzichtet, das Atomengestöber der neuern Dissertationen, Pro-
gramme, Artikel und wie die gelehrten Nothschriftchen sonst
heissen, mit bibliographischer Peinlichkeit zu verzeichnen ; jeder
Einsichtige wird sich überzeugen, dass das Auswerfen dieses
Ballastes keinen Schaden verursacht hat, und wird es Mommsen
danken, dass er sich und seine Leser auf so einfache und ener-
gische Weise von einer Behinderung befreit, durch welche eine
fruchtbare gelehrte Thätigkeit in Deutschland von Jahr zu Jahr
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XXXII Die Behandlung d. röm. Staatsrechtes bis auf Th. Mommsen 267
mehr erschwert nnd der Kreis der Theilnehmenden in immer
bedenklicherer Weise verengert wird.
So darf denn das Werk nach Anlage and Ausführung für
ein meisterliches erklärt werden und für einen bisher vermiss-
ten und nun wohl auf längere Zeit vorhaltenden Abschluss der
Forschung über römisches Staatswesen, welche in Deutschland
vor sechzig Jahren mit Niebuhr begann. Auf das Hervortreten
eines Buches von so ungewöhnlichem Werth auch diejenigen
hinzuweisen, welche nicht durch ihren fachmässigen Beruf zur
Kenntnissnahme von demselben verpflichtet sind, und im Allge-
meinen seine Vorzüge und sein Verhältniss zu ähnlichen Ver-
suchen zu bezeichnen, war der Zweck dieser Zeilen; sie müssen,
um die Grenzen eines Aufsatzes nicht ungebührlieh zu über-
schreiten, es sich versagen, eine vollständige Durchmusterung
auch nur des Hauptinhaltes anzustellen oder gar eine Einzel-
prüfung vorzunehmen, bei der dann nothwendig manche Vor-
behalte gemacht und abweichende Ansichten geäussert werden
müssten, zu deren Begründung streng fachmässige, also mit der
Haltung dieser Blätter unvereinbare Mittel unvermeidlich wären.
Aber wohl erscheint es auch ohne Anwendung solcher Mittel
ausführbar, einige Probestücke allgemeinerer Art vorzulegen,
die vielleicht am passendsten den einleitenden Abschnitten des
ersten Bandes entnommen werden.
Der erste Band ist gleichsam der Metaphysik des Staats-
rechtes gewidmet. Er will die Grundbegriffe entwickeln, welche
für die staatliche Gewalt, insofern sie zeitweiligen Inhabern
übertragen wird, nach römischem Recht gelten. Da der überall
eingreifende Eiufluss der römischen Religion sich vornehmlich
darin äussert, dass eine solche Uebertragnng staatlicher Gewalt,
sowie jeder wichtigere Staatsact nur stattfinden darf, nachdem
vorher mittels der Auspicien, d. h. Beolmchtung von Ilimmels-
zeichen, Vögelflug u. dergl. die Billigung der Götter eingeholt
worden, so muss an die Spitze der Lehre von der Amtsgewalt
die Lehre von der staatsrechtlichen Bedeutung der Auspicien
treten. Es werden die bei den verschiedenen Anlässen üblichen
verschiedenen Formen der Götterbefragung erörtert, so weit die
keineswegs reichlichen Nachrichten einen Anhalt gewähren; die
Hühnerzeichen z. B., bei denen die Götter durch die gierig
fressenden und dabei Futter aus dem Schnabel fallen lassenden
Hühner ihr Ja ausdrücken, ergaben eine rasche Entscheidung
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268 XXXII Die Behandlung d. röm. Staatsrechtes bis auf Th. Mommsen
und erleichterten ein den Hühnern ohne allzu auffälligen Betrog
nachhelfendes Eingreifen der Befrager; sie kommen daher im
Kriegslager zur Anwendung, wogegen bei den mehr Zeit lassen-
den politischen Handlungen, also auch bei der Uebertragung
63 der Amtsgewalt, durch die { Himmelszeichen des Blitzes oder
Donners, in den älteren Epochen auch durch den Flug und die
Stimmen der Vögel Einwilligung oder Versagung der Götter er-
mittelt wurde. Obwohl hier nur die rechtlichen Folgen des uns
fremdartigen und widerwärtigen Wahnglaubens näher in Betracht
zu ziehen waren, so muss doch die Darstellung zuweilen auch
das superstitiöse Unwesen selbst streifen, ohne dass es gelingt,
das Dunkel, welches, wie schon im Eingange dieses Aufsatzes
bemerkt wurde, noch immer und vielleicht für immer auf die-
sem ganzen Gebiete lastet, einigermassen aufzuklären. Dass dem
so ist, weiss gewiss Niemand besser als Mommsen selbst, und
er gab gleich an der Schwelle einen Beweis der wissenschaft-
lichen Pflichtstrenge, mit welcher er die von dem Gegenstand
gebotene systematische Abfolge innehält, indem er sein Werk
mit demjenigen Abschnitte eröffnete, der am wenigsten unter
allen eine volle Befriedigung gewähren kann. Nachdem er so,
weil es sein musste, in die Wolken gestiegen war und den Ad-
lern und Spechten Gesellschaft geleistet hatte, fasst er festen
Fuss auf der Erde. Es werden die fUr Bürger und Soldaten
verschiedenen Acte besprochen, durch welche nach dem Antritt
des von der Gottheit zugelassenen Beamten die römische Bürger-
gemeinde oder die Armee sich ausdrücklich verpflichtete, ihm
innerhalb der zuständigen Grenzen seines Amtes zu gehorchen.
Von Seiten der Bürgergemeinde geschah dies mittels eines Ge-
setzes, bei dessen Erlass nur in der ältesten Zeit die Bürger-
schaft selbst zugegen, später durch dreissig Lictoren, welche
die alte Eintheilung der Gemeinde in dreissig Gurien vorstellten,
vertreten war. Die Armee verpflichtete sich zum Gehorsam
durch einen Fahneneid, der mit grosser Bestimmtheit auf die
Person des Commandirenden gestellt war. Die Grenzen aber,
innerhalb welcher die übernommene Verpflichtung galt, waren
während der ganzen Dauer der Republik für die in der Stadt
bleibende Gemeinde und für die ausgerückte Armee auf das
tiefste dadurch verschieden, dass stets im Bereich der Stadt in
voller Kraft blieben und ausserhalb der Stadt ihre Kraft ganz
oder theilweise verloren drei Principien, welche ftlr alle auf die
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xxxn Die Behandlung d. rom. Staatsrechtes bis auf Th. Mommsen 269
regelmässige Amtsgewalt bezüglichen staatsrechtlichen Fragen
maassgebend sind: erstlich die Oberherrlichkeit der Bflrger-
gemeinde, kraft welcher ihre Entscheidung gegen den Spruch
des Beamten angerufen werden kann; zweitens die Besetzung
jedes regelmässigen Amtes durch eine Mehrzahl von Personen,
die sich als Amtsgenossen gleich stehen, von denen Jeder ein
Inhaber der Vollgewalt des Amtes ist und durch sein Einschrei-
ten die geschehene Amtshandlung des Genossen in ihren Wir-
kungen hemmen kann ; drittens die gesetzliche, meistens jähr-
liche Frist des Amtes, welches mit dem festgesetzten Tage von
selbst erlischt. Mommsen hat zur terminologischen Bezeichnung
dieser drei principiellen Verhältnisse die Wörter Souveränität
der Oemeinde, Collegialität und Annuität der Beamten gewählt.
Man wird diese oder ähnliche Benennungen zwar auch bei frühe-
ren Behandlern gelegentlich antreffen und die durch sie ausge-
drückten Verhältnisse können Niemanden, der von römischen
Dingen die mindeste Kunde hat, gänzlich unbekannt geblieben
sein; aber sie als die Wurzelbegriffe erkannt und blossgelegt
zu haben, ans welchen eine weitverzweigte Fülle von Einzel-
bestimmungen sich über den gesammten Umkreis des Aemter-
wesens verbreitet, in diese früher mehr oder minder unverbun-
denen und verwirrten Einzelheiten durch | Verknüpfung derselben 64
mit jenen drei Principien strengen Znsammenhang und sinnvolle
Klarheit gebracht zu haben, ist ein Verdienst Mommsen's, des-
sen Bedeutsamkeit man um so dankbarer würdigen lernt, je
mehr sich die Darstellung nach Erläuterung der allgemeinen
Grundsätze dem Detail zuwendet. So werden z. B. die prakti-
schen Folgen dargelegt, welche die Souveränität der Gemeinde
und ihr daraus entspringendes Begnadigungsrecht für die Cri-
minalgerichtsbarkeit der höchsten Beamten herbeiführt. Da
nämlich in allen Fällen, wo der erste Richter auf Todesstrafe,
körperliche Züchtigung oder eine grössere Geldbusse gegen einen
römischen Bürger erkannt hatte, die Berufung an die Gemeinde
(Provocation) statthaft war und meistens auch stattfand, so schien
es mit der Würde des obersten Beamten unvereinbar, dass der
von diesem selbst gefällte Spruch der Möglichkeit einer Cassa-
tion ausgesetzt werde; es traten daher andere, minder hohe
Beamte zur Wahrnehmung der gewöhnlichen peinlichen Gerichts-
barkeit in erster Instanz ein, und die mit dem consularischen
Amt wesentlich verknüpfte richterliche Gewalt über Leben und
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270 xxxn Die Behandlung d. rem. Staatsrechtes bis auf Th. Mommsen
Tod wird innerhalb der Stadt, weil hier Provocation galt, im
gewöhnlichen Lauf der Dinge latent, um nur in ausserordent-
lichen Zeitläuften, wenn die Provocation vorjlbergehend ausser
Kraft gesetzt worden, wieder in voller directer Wirksamkeit her-
vorzutreten. Ausserhalb der Stadt hingegen, wo nie Provocation
giltig war, übt der Feldherr oder Provinzverwalter die Gewalt
über Leben und Tod, mit der er rechtlich bekleidet ist, auch
factisch stets in eigener Person ans. — Aehnliche tiefgreifende
Unterschiede treten in Betreff der CoUegialität und ihrer Folgen
hervor. Ein Nebeneinanderwirken gleichberechtigter Oberbe-
fehlshaber hat freilich, wie Mommsen nachweist, lange Zeit
hindurch auch für das ausserstädtische kriegerische Gommando
principiell bestanden und um dieser Vielköpfigkeit ihren militä-
rischen Widersinn einigermaassen zu benehmen, ward entweder
ein Tag um Tag wechselnder Turnus im Oberbefehl eingeführt,
dergleichen ja auch für Athen aus der Geschichte der Schlacht
von Marathon ^ bekannt ist, oder es wurden nach einer Verein-
barung der Gommandirenden unter Oberaufsicht des Senats die
militärischen Geschäfte unter ihnen ein für allemal dergestalt
vertheilt, dass Jedem ein besonderer Truppenkörper und ein
eigenes Operationsgebiet zufiel. Hingegen hat die rechtliche
Folge der CoUegialität, die Befugniss jedes Amtsgenossen durch
sein Einschreiten die bereits geschehene Amtshandlung des an-
deren in ihren Wirkungen zu hemmen, für die ausserstädtische
Amtsführung nie gegolten, begreiflicherweise nicht für den Rriegs-
befehl und thatsächlich nicht für die Provinzverwaltung, während
auf den innerstädtischen Amtsgebieten jenem coUegialischen Ein-
schreiten der weiteste Spielraum gelassen war. Die früheren
Behandler hatten diesem Punkt nur eine gelegentliehe und
dürftige Besprechung angedeihen lassen; es darf abermals als
ein sehr wesentliches Verdienst bezeichnet werden, dass Momm-
sen ihn in den Vordergrund gerückt hat, wo ihm nun eine helle
und für die modernen politischen Ansichten manchmal überra-
schende Beleuchtung zu Theil wird. Der bezügliche Abschnitt,
welcher neben dem coUegialischen Einschreiten auch alle ver-
* Herodot vi 110. Noch in neuerer Zeit ist ein solcher Wechsel des
Oberbefehls vorgekommen: *at the commencement of the campaign of
Blenheim Malboroagh and the Margrave of Baden commanded on al-
ternate days* (Qnaterly Review 1876 avr. p. 460).
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xzxn Dia Bdutndlnng d. röm. Staatsrechtes bis auf Th. Mommsen 271
wandten Verhältnisse umfasst, trägt die Aufschrift 'Magistrati-
sches Verbietnngsrecht nnd magistratische Intercession'. Unter
Verbietungsrecht wird hier die Befugniss verstanden, einen erst
beabsichtigten öffentlichen Act zn | untersagen; sie steht nur 65
dem höhereu Beamten gegenüber dem niederen zu, kann freilich
bis zur Lähmung der gesammten Amtsthätigkeit des niederen
ausgedehnt werden, ist jedoch für ihre praktische Durchführung
fast gänzlich auf das SubordinationsgefUhl desselben angewie-
sen; will der niedere Beamte eine ihm rechtlich zustehende
Amtshandlung trotz der Untersagung des höheren dennoch voll-
ziehen, so bleibt der Act giltig und der Vollzieher verfällt we-
nigstens keiner Strafe an Leib und Leben. Unter Intercession
dagegen wird das Einschreiten gegen eine bereits geschehene
Amtshandlung verstanden; es kann sowohl von dem Träger
höherer Amtsgewalt, wie von dem mit gleicher Gewalt Beklei-
deten, also vornehmlich dem Gollegen, ausgehen; durch die
Intercession wird der von ihr betroffene Act rechtlich nichtig,
und der Beamte, der sich ihr nicht fttgt, setzt sich in gewissen
Fällen einer Strafe an Leib und Leben aus. Da in der Zeit
des ausgebildeten Volkstribunats die Intercession vornehmlich von
den Tribunen ausging, deren eigentliche Amtsthätigkeit ja darin
bestand, dass sie auf Anrufung des sich beschwert Olaubenden,
diesem ihre Hilfe gewährten und gegen den magistratischen Act
einschritten, so hatten die neueren Schriftsteller ihr Augenmerk
fast nur auf die tribunicische Intercession gerichtet und darüber
die collegialische aus dem Gesicht verloren. Mommsen hat die
letztere aus ihrer Vernachlässigung hervorgezogen und die sehr
weiten Grenzen, in welchen sie Anwendung fand, abgesteckt.
Nach seinen Ermittelungen können Gollegen gegeneinander inter-
cediren auf administrativem Gebiet, im Civil- und Griminalpro-
zess, während die Intercession gegen Senatsbeschlüsse früh, und
noch früher die gegen Anträge an die Gemeinde ausschliesslich
den Tribunen überlassen blieb. •— Endlich begründet auch das
letzte der drei oben bezeichneten Principien, die Amtsfrist, sehr
scharfe Unterschiede zwischen der innerstädtischen und ausser-
städtischen Amtsführung. Innerhalb der Stadt erlischt das Amt
mit dem Ablauf der Frist; über den vorher bestimmten Tag
hinaus ist keinerlei Amtsthätigkeit gestattet; und zur Verlänge-
rung der Amtsfrist giebt es kein verfassungsmässiges Mittel.
Der ausserstädtische Beamte hingegen ist bis zum persönlichen
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272 xxxn Die Behandlung d. röm. Staatsrechtes bis auf Th. Mommsen
Eintreffen seines Nachfolgers zu jeder Amtshandlang befugt;
will er vor dem Erscheinen desselben seinen Amtsbezirk verlas-
sen, so ist er zur Bestellung eines Vertreters verpflichtet; die
Verlängerung der Aratsfrist, die innerhalb der Stadt unmöglich
ist, wird nach und nach für das ausserstädtische Oebiet her-
kömmlich; ursprünglich erforderte die Verlängerung einen Volks-
beschluss, später genügte die Entscheidung des Senats, dass der
Beamte bis zu einer neugesetzten Frist seine Functionen fort-
fUhrCy die ganz dieselben wie zur ursprünglichen Amtszeit blieben;
nur der Titel des Beamten erfährt eine leichte Aenderung; der
Consul wird Proconsul.
Diesem Versuch, einige Ergebnisse der Mommsen'schen Er-
örterungen kurz zusammenzuÜEissen, mag eine Bemerkung ange-
fUgt werden, welche vielleicht zum Beleg dessen dienen kann,
was im Eingang dieses Aufsatzes über den Nutzen einer von der
Oeschichtschreibnng gesonderten Behandlung des römischen
Staatsrechtes gesagt wurde.
Es ist eine in neuerer Zeit oft ausgesprochene Wahrheit,
dass für das römische Weltreich der Uebergang zur Monarchie
66 unvermeidlich geworden, weil | die Republik es nur zu einer
Stadtverfassung, nicht zu einer Reichsverfassung gebracht habe.
Dass ohne vollständiges Ergreifen dieser Wahrheit ein tieferes
Verständniss der römischen Geschichte unmöglich ist, wird kein
Kundiger leugnen; aber es darf bezweifelt werden, ob wir bereits
ein Geschichtswerk besitzen oder je zu erhalten hoffen dürfen, in
welchem die eng städtische, fttr ein Reich ungenügende Beschaffen-
heit der republicanischen Constitution Rom's, selbst wenn sie dem
Verfasser vollkommen deutlich geworden und er seiner Einsicht
noch so häufig wiederholten Ausdruck giebt, auch für den Leser mit
der wttnschenswerthen Anschaulichkeit hervortrete. Eben weil die
Stadt eine das Reich erdrückende Bedeutung hat, kann ein Ge-
schichtswerk , da es doch die in Rom verlaufenden, von Rom
ausgehenden und auf Rom zurückwirkenden Ereignisse in erster
Reihe darstellen muss, den Leser nicht vollständig vor der Ge-
fahr schützen, dass sein Blick von dem Glanz der Macht, der
die sieben Hügel umgiebt, allzu fest angezogen werde und sich
dem Nothstand der draussen liegenden Welt allzu selten zu-
wende. Bei einer ruhigen, durch das spannende geschichtliehe
Drama nicht gestörten Betrachtung der staatsrechtlichen Grund-
sätze muss hingegen das Verhältniss, welches zwischen der Stadt
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xxxn Die Behandlung d. rÖm. Staatsrechtes bis auf Th. Mommsen 273
Korn und dem römischen Reich in der Wirklichkeit bestand,
sich mit unauslöschlichen Ztlgen dem Betrachter einprägen. Er-
wägt man auch nur die eben hervorgehobenen Unterschiede des
innerstädtischen und ausserstädtischen Amtes, so erkennt man
alsbald, dass die festesten Bollwerke der Freiheit, die wirksam-
sten Schranken der Willkür, Provocation, Intercession und Amts-
frist, nur in der Stadt und fOr die Stadt errichtet waren, während
die Welt ausserhalb der Stadtgrenzen ihr Heil oder Unheil fast
allein von den Tugenden oder Lastern der Gewalthaber zu er-
warten hatte. Ein ftlr allemal muss es dem Leser klar werden,
dass hier nicht das Verhältniss einer Hauptstadt in unserm
jetzigen Sinne obwaltet; denn eine Hauptstadt, mag sie in noch
so bedenklicher Weise wachsen und die Lebenssäfte des Staates
an sich ziehen, bleibt doch immer ein Theil des Staatsorganis-
mus und die wesentlichen Grundsätze der Verfassung gelten für
die Glieder wie ftlr das Haupt. Zwischen der Stadt Rom und
dem Erdkreis war jedoch das Verhältniss etwa folgendes. Man
denke sich eine Zwingburg, so gewaltig, dass der lähmende
Schrecken, den sie verbreitet, unermessliche Länderstrecken in
stummer Unterwürfigkeit zu halten vermag; die Besatzung der
furchtbaren Citadelie besteht aus militärisch geschulten Advo-
caten, von denen jeder weiss, wessen er sich von dem Anderen
eintretenden Falles zu versehen hat; sie ersinnen ein System ge-
genseitiger Beaufeicbtigung und wohl ineinander greifender Bürg-
schaften gegen gewaltthätige Ausschreitungen und gerathen dabei
auf so energische Mittel, dass im gewöhnlichen Laufe der Dinge
schon die drohende Möglichkeit ihrer Anwendung genügt, um leid-
liche Ordnung zu sichern, die wirkliche Anwendung nur in seltenen
Fällen nöthig, dann aber auch für den Gang der gemeinschaftli-
chen Angelegenheiten höchst gefährlich werden kann; aller solcher
starken Schutzmittel dürfen sich aber nur die Mitglieder der Be-
satzung unter und gegen einander bedienen ; fUr die Ländermasse
ausserhalb der Citadelie besteht ein rechtlicher oder rechtloser
Zustand, welcher sich mit dem jetzigen Belagerungszustande
vergleichen Hesse, wenn dieser nicht wesentlich ein ausnahms-
weiser wäre; ungefähr das, was jetzt während eines Belagerungs-
zustandes als I zeitweilige Ausnahme gilt, galt aber für die rö- 67
mische Welt ausserhalb Roma als dauernde rechtliche Regel.
Zum Schluss sei noch mit kurzen Worten darauf hinge-
deutet, wie . der fundamentale Unterschied zwischen dem inner-
B«nift7t, gM. Abbandl. II. 18
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274 zzzu Dio Bebandlang d. rom. Staatsrechtes bis auf Th. Mommaen
and ausserstädtischen Amt auch in den amtlichen Abzeichen
einen augenfälligen Ansdrack erhält. Mommsen bringt diesen
Punkt znr Sprache in einem zugleich auf alles Aehnliche einge-
henden Abschnitte, welcher 'Insignien und Ehrenrechte der Ma-
gistrate' überschrieben ist und ebenso sehr durch Neuheit der Be-
handlung fesseln wie durch Fttlle der Belehrung zu Dank yerpflich-
ten muss. Die Dinge, welche hier in Betracht kommen, haben
freilich, eben weil sie auf äusserlichem Wege sich erledigen zu
lassen schienen, ftir die älteren Antiquitätenschreiber von jeher
eine besondere Anziehungskraft besessen ; jene emsigen Sammler
verdoppelten ihren Fleiss und durchstöberten die entlegensten
Winkel nach der kleinsten Notiz, welche auf die Lictoren, die
purpurverbrämte Toga, den elfenbeinernen Amtsstuhl und dergl.
sich bezog; aber sie brachten es meistens nicht weiter, als bis
zur Aufspürung von Nachrichten, die sie geistig zu durchdringen
nicht im Stande waren und nun mit handwerksmässiger Trocken-
heit herleierten oder mit der hohlen Feierlichkeit eines Ceremo-
nienmeisters verkündeten. Mommsen hat alle diese Costflmfragen
und Uniformsangelegenheiten gleichsam wissenschaftlich geadelt,
indem er überall die staatsrechtliche Symbolik aufdeckt, welche
den äusserlichen Abzeichen zu Grunde liegt. Der erwähnte Un-
terschied nun zwischen dem städtischen und ausserstädtischen
Amt prägt sich symbolisch aus in der Beschaffenheit der den
höheren Beamten bei ihrem öffentlichen Erscheinen vorangetra-
genen Fasces, d. h. einer nach dem Range des Beamten wech-
selnden Zahl von Buthenbündeln, die mittels eines rothen Rie-
mens geknüpft, von dem Träger an einem Griff mit der linken
Hand gefasst und auf die linke Schulter genommen wurden.
Bald befindet sich in dem Ruthenbündel ein Beil, bald fehlt das-
selbe, was darauf zurückgeht, dass in den Fasces als Straf-
werkzeugen die Grenzen der dem Beamten zustehenden richter-
lichen Strafgewalt ausgedrückt werden sollen. Die volle Gewalt
über Leben und Tod bezeichnen die mit dem Beil versehenen
Fasces, und die wesenhafte Bedeutung des Beils zeigt sich auch
darin, dass, wenn zwei zur Führung von Fasces berechtigte
Beamte ungleichen Ranges sich begegnen, der niedere bei Be-
grüssung des höheren gehalten ist, die Beile aus den Fasces zu
nehmend In dem römischen Stadtbezirk nun, wo die Sonverä-
1 Mommsen, Staatsr. i 800, 1.
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xxxn Die Behandlung d. röm. Staatsrechtes bis auf Th. Mommsen 275
nität der Gemeinde in dem Bernfangsrecht verwirklicht war,
befanden sich alle, auch die höchsten regelmässigen Beaniten,
deren Sprach der Provocation anterlag, stets in der Gegenwart
jener über ihnen stehenden soaveränen Macht, and ihre Unter-
ordnang anter dieselbe bekandet sich darin, dass sogar die Gon-
saln innerhalb der Stadt Fasces ohne Beile fUhren. Aasserhalb
der Stadt jedoch, wo keine Provocation galt, also die Gewalt
über Leben and Tod keine Schranke fand, fehlt das Beil in
den Fasces nie; der rOmischen Welt ausserhalb der Stadt war
die eiserne Macht, der sie sich zu beugen hatte, stets durch
das schreckende Blinken des Todeswerkzeuges versinnlicht^, und
Plutarch^, wo er seine griechischen Landsleute vor jeder nutz-
losen Unbotmässigkeit gegen einen römischen | Befehl warnen
will, kann sich begnügen, unter Anwendung einer Dichterzeile "
daran zu erinnern, über wie viele solcher griechischer Freiheits-
lustigen schon gekommen sei
'des kopfabtrennenden Beiles grause Zuchtgewalt'. 68
Doch genug der Einzelproben, die aus einem systematisch
zusammenhängenden Werke herausgelöst werden mussten. Es
ist damit immer eine missliche Sache, die nur zu leicht gemahnt
an die in den griechischen Kinderbüchern^ erzählte Eulenspie-
gelei des Kumaners, der ein Haus verkaufen wollte und einen
aus der Mauer geschlagenen Stein als Probe des Hauses vor-
wies. Ganz so schlimm mag es freilich mit den hier vorgeleg-
ten Proben nicht stehen; es ist wenigstens der Versuch gemacht
worden, sie unter einen einheitlichen Gesichtspunkt zu bringen
und von dem Hause eine Haupttreppe zu zeigen. Möge der
Versuch seinen Zweck nicht verfehlen und recht Viele veranlassen,
das von Mommsen aufgeführte Gebäude in allen seinen Theilen
kennen und nach seiner Stattlichkeit und Nützlichkeit würdigen
zu lernen.
^ Die jüdischen Prätendenten wurden mit dem Beile hingerichtet,
s. Josephus beü. lud. i 9, 2 p. 86i 27 und i 18, 8 p. 69, 17 Bekker; mit
demselben werden einem Behabilitirten die Ketten durchgehauen, Josephus
ebend. iv 10, 7 p. 356, 6.
* Praecepta rei publ ger, c. 17 p. 813'.
^ fragm. trag, adesp. 340 p. 703 Nauck.
« Philogelos n. 156 p. 35 £berh. (p. 275 und 299 Boisson.).
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MISCELLEN
1. Qrabschrift auf die bei Ghäronea Oefallenen
(Demosthenes de Corona 289 p. 322).
Chr. C. J. Bunsen, Gott in der Geschichte Band ni (Leipz. 1858) p. 447 f.,
auch Rheinisches Museum 1859 Jahrg. xiv p. 321 f.
447 In dem letzten Distichon hat schon Bergk in der zwei-
ten Ausgabe der Poetae Lyrici p. 504 allen Anstoss entfernt
durch folgende Interpunction : Mtib^v dfiapTeiv dcrri Ocuüv kqi
irdvra KaropGoOv, 'Ev ßiOT^ lioipav b'oöri (puT€iv f Trope v. *Nie
zu fehlen und Alles zu glücklichem Ende zu führen steht den
Göttern zu; im Menschenleben aber dem Geschick zu entrinnen,
kann Nichts (keinerlei Macht) gewähren*. Dem Wort ßioxri in-
härirt die Bedeutung Menschenleben so wesentlich, dass es,
auch ohne iiepöiruiv (welches keine Construction ergiebt) jedem
griechischen Ohr in seinem Gegensatze zu 6€ujv vollkommen
deutlich, dagegen in Beziehung auf deoiv, in welcher es ja nach
der gewöhnlichen Interpunction stände, ganz unerträglich sein
müsste.
Das zweite Distichon jedoch ist zu Anfang arg zerrüttet
Dass man hier mit kleinen Mittelchen nicht auskommt, haben
alle die tüchtigen Männer gefühlt, deren Vorschläge bei Bergk
zu finden sind. Bergk selbst erklärt die Stelle fUr locum non-
dum persancUum und bietet, zweifelnd und verzweifelnd, Folgen-
des an: ^aiö^evoi b^ äperf)^ icrobaiiiovo^. Etwas Kühnheit muss
ich mir also auch erlauben. Ich also schreibe dpvu^evoi b' dp€-
Tf|v bixa baijLiovo?, und übersetze:
Götterverlassene Tugend erwählten sie, mochten ihr Leben
Retten nicht; Hades' Recht sollt' ihnen reichen den Preis.
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2. Zu Theopompos 277
Der Gedanke würde an den Vers des Lncan erinnern:
Victrix causa Diis placuit sed victa Catoni, Zuv baifiovi heisst
cum Dis * unter göttlicher Gunst', vgl. Homer Ilias A 792; bix«
baijLiovo^, oder (wie es bei iambischen Dichtern stehen würde)
bai|iovo? bixa ist sine Dis, — Nun bekommt auch koivöv ßpaßn
seine scharfe Bedeutung. Von einem biKaarr)^ und ßpaßeu^ ge-
sagt, zeigt nämlich koivö^ im Griechischen, wie aequus im La-
teinischen die Unparteilichkeit an, wie die Wörterbücher nach-
weisen. Die Götter in der Schlacht waren für Philipp parteiisch;
die Athener wählen also den Hades als unparteiischen Richter.
Dass Kai mit bixa, hier wie so oft, zu vertauschen sei, hat
schon Jacobs gesehen. Die homerische Wendung dpvu|i€vo^
T^v T€ M^uxriv usw. hat Jeder aus dem Anfange der Odyssee
im Gedächtniss. —
Das Epigramm würde also hiernach folgendermaassen zu
lesen sein:
Oft)€ TTÄTpa^ ?v€Ka <J(p€T^pa? e\q bfipiv fO€VTO
ÖTrXa, Ktti AvtittAXujv ößpiv ATrecTK^bacrav
dpv\i|i€voi b'Aperfiv bixa bai^ovo^ ouk dadujcrav
ij/uxd?, dXX' 'Aibnv koivöv fOevxo ßpaßfl, |
oöv€K€v *EXXyjvuiv, ib? \xi\ Ivföy aöx€Vi Qivre^ 448
bouXocJuvTi^ (JTUT€pdv dji<piq fx^<^iv ößpiv
Taia hi TTaxpi? ixex köXttoi? t&v nXeiara Ka^övruiv
(TÄ^a, direi OvtitoT? ^k Aid? f\be Kpim?.
\xr]bk\ d|iapT€iv daxl Geaiv xai Trdvra KaxopOoOv,
dv ßiOT^ ^oipav b'oÖTi cputeiv firopcv.
2. Zu Theopompos.
Rhein. Maseum f. Philologie 1866 Jahrg. xzi p. 300 f.
Bei Behandlung von * Theophrastos' Schrift Ueber Frtomig- 800
keif, Berlin, 1866 (S. 69, 173 ff.) konnte jüngst in dem theopom-
pischen Fragment 283 Muell. (= Porphyr, de abstin. n 16) ge-
gen Ruhnken, welcher es dem Theophrastos beilegen wollte,
und gegen Carl Müller, welcher es, obwohl zweifelnd (fragm.
hist. 1 p. LXXiii 326, 332), als Rest einer besonderen theopompi-
sehen Schrift TTepl cöcxeßeia? aufgeführt hat, eine der vielen
Episoden über Frömmigkeit nachgewiesen werden, welche Theo-
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278 Miscellen
pompös, nach der Angabc des Halikarnasseosers Dionysios, in
301 seinem geschichtlichen Hauptwerk aDge|bracht hatte Ein Mittel
jedoch za genauerer Bezeichnung der Stelle, wo die Episode
eingeflochten war, wollte sich damals nicht entdecken lassen.
Es hat sich jetzt dargeboten bei zumUigem Blättern in Ammo-
nios' Synonymik (p. 73 Välck.). Dort wird, nach Aufzählung
anderer Bedeutungen von lepä, auch erwähnt, Theopompos habe
in seinem sechsundzwanzigsten Buche das Wort für hölzerne
Götterbilder gebraucht: Upd xd £öava, d)^ GeÖTTO^iro^ dv
€Iko<tt4 £kti]. Nun heisst es in dem fraglichen Fragment von
einem arkadischen Kleinstädter Klearchos (S. 66 Z. 202 des an-
gef. Buches über Theophr.) xaT^ vou^riviai^ (TxecpaYOÖvTa xd qpai-
bpuvovxa xdv 'Ep^fjv xai xf|v 'EkAxt^v Kai xd Xomd xäv lepujv,
& bf) xoö? TrpoTÖvou^ KaxaXmeTv. Dass lepd hier, dem deutlichen
Znsammenhang gemäss, nothwendig in der nicht gewöhnlichen
Bedeutung von 'Götterbildern' zu fassen sei, ward bereits ange-
merkt (a. a. 0. S. 175); und das Zeugniss des Ammonios berech-
tigt demnach wohl, das Fragment; welches lepd in diesem Sinne
darbietet, dem sechsundzwanzigsten Buche des theopompischen
Geschichtswerks zuzuweisen. Laut einem andern mit derselben
Buchzahl versehenen Fragment (178Müll.=Athen. vip.260*»), hatte
Theopompos in diesem Theil seines Werks von der Ueppigkeit
der Thessaler geredet; er mag die Gelegenheit benutzt haben,
um die thessalische Prunksucht beim Opfern und den Opferanf-
wand überhaupt in ähnlicher Weise, wie es Theophrastos thut,
zu tadeln, und so auf die Anekdote geführt worden sein, in
welcher der einfache Gottesdienst des arkadischen Kleinstädters
von dem delphischen Orakel für gottgefälliger als die Hekatom-
ben des reichen Asiaten erklärt wird.
Januar 1866.
3. Ueber die fälschlich dem Aristoteles beigelegte
Schrift TTepl köcj^ou.
Fragment im Nachlasse des Verfassers.
Die Dedicationsepistel kann unmöglich in der Absicht ver-
fasst sein um Aristoteles Alexander den Grossen anreden
zu lassen. Wie in solchem Falle ein Fälscher verfährt, zeigt die
der falschen Rhetorik vorgesetzte Epistel, worin Aristoteles' ein-
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3. Ueber die Schrift TTepl K6a\iov 279
schlagende Schriften erwähnt und Alexanders Hellenen and
Barbaren überragende Stellung betont wird. Hier dagegen wird
von Aristoteles ttber sich durchaus nichts gesagt und von Ale-
xander nur fl) 'AX^£avbp€ zu Anfang und fjTc^övwv £vti dpi(TTifj
am Schluss. Unmöglich konnte aber ein der griechischen Sti-
listik mächtiger Scribent den makedonischen Kronprinzen oder
König oder gar den vergötterten Beherrscher Asiens und Europa's
so anreden wollen. 'Htciiuiv als Titulatur einer Classe, unter
der einer der Beste sein kann, ist überhaupt auf dem Gebiet
des selbständigen Griechenthums nicht anwendbar^. Erst unter
der Kömerherrschaft wird es stehende Bezeichnung für die prae-
sides provinciarum. So im neuen Testament Ev. Matth. 27, 2
TTovTii}j TTiXdiTijj rqj f|T€|iÖYi Luc. 3, 1 fjTCjioveuovxo^ TTovriou TTi-
XÄTOU Tfl^ ^loubaia^ [und 2, 2 fjte^oveuovTO^ Tfl? Zupla^ Kupivou
wozu vgl] Perizonius dissertatt VII p. 356 ff. [Besonders dem
praefeäus Aegypii steht diese Titulatur zu: Gn. Vergilius Gapito
praef. vom J. 49 n. Chr., Ti. Claudius Balbillus seit 56, TL lu-
lius Alexander vom J. 68 führen in gleichzeitigen Urkunden
{CIG 4956 Z. 2; 4699, 7; 4957, 1) den Titel ^TCMidv; und wäh-
rend schon das Steuerdecret des Ti. lulius Alexander {CIO 4957,
28) daneben die Benennung firapxoi kennt und Inschriften von
der Zeit Traian's bis auf Commodus die Formel firapxo^ Aitü-
itTOu anwenden, begegnet später von neuem ein fite^div Primianus
im J. 194, CIO 4863 vgl. Letronne Beeherches p. 8. ä rhistaire
de Vilgypte p. 264, und ähnlich f|T€(^ov€)0ovTO^ <t>X. TmavoC
CIO 4701 vom J. 166]. Auch die Worte Philon*s de spec. legibus
5 t. II p. 274 Mang. Tä tüjv €ÖT€vujv xal di^ dX^Ou»^ flTc^övujv
£pTa haben diese Geltung, denn der Zusatz di^ dXiidu)^ bezweckt
immer Ausdeutung eines Terminus *im wahren Sinne des Wortes*,
vgl. Wyttenbach zu Piatons Phaedon p. 156 f.
Unter den römischen höheren Beamten vor Apuleius wird
wohl keiner aufzufinden sein, der Alexander angere/let wer-
^ Jedoch wird auch Philippos zum if^c^idv gegen die Perser er^
nannt, if^c^div im6 tiIiv *EXX/|vuiv KaOeaTO^ivo^ Diodor xvi 91, 1 ; ebenso
Alexander; in deren Nachahmung Demetrios Poliorketes fJTC^div dvt)To-
peOOT) Tf)< 'EXXdbo^ d)< irpdrcpov ol ircpl OUiitirov Kai 'AXäavbpov (Plut
▼. Bern. 26). [Osann, Beitrage zur gr. und röm. Litteraturg. i p. 245 Anm.
80 hatte unter Zustimmung von Welcker Rhein. Mus. 1886 Jahrg. iy p. 449
/jirctiidv für 'Lehrer und Schnlhaupt' genommen].
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280 Miscellen
den konnte als Aqt procurator ludaeae [46—48 n. Chr.] und pme-
fectus Aepypti [seit 67 n. Chr.] Tiberias Inlius Alexander,
[der Sohn des reichen Alabarchen Alexandros in Alexandria und
Neffe des Schriftstellers Philon] \ Dessen Beziehungen zu Ale-
xandreia, der Metropole des philosophischen Eclecticismus stim-
men gut zu der stoisch-peripatetischen eaneUiatio, welche der
Verfasser versucht. Und es wird noch sicherer als es schon ans
inneren Gründen war, dass die Schrift in das erste Jahrhundert
nach Christus gehört.
Zwei von Osann bei Zeller Gesch. d. gr. Philos. iv ^ p.558, 6
und 559, 1 f. hingeworfene Vermnthungen bewähren sich also:
dass keine absichtliche Unterschiebung vorliege^ und dass der
Alexander ein anderer als der Grosse sei.
Zeller's Behauptung (iv^ 559, 2), dass bei der Stelle tlber
den Perserkönig c. 6 p. 398* 10— **6 der Verfasser das Perser-
reich als noch bestehend angesehen wissen wolle, ist untriftig.
Die Durchführung des Praeteritum (398» 11 IcrropeiTO »13 biCK€-
KÖcTiiTiTo und ÄpuTo 18 djxOpwTO 19 bi€K€KÖcr^TivTO 24 KaOeorrj-
K€(Tav 29 bi€iXr|(p€(Tav 32 fjv) weist auf das Gegen theil. Und ol
Trap' fjiiTv äpxovT€? ^ 12, auf welche Zeller vielleicht hinweisen
will, sind die irdischen Herrscher im Gegensatz gegen den
himmlischen. Seine fernere Behauptung, dass der Verf. jede be-
stimmte Anspielung aaf Nacharistotelisches sorgfältig vermieden
habe, ist ebenfalls unhaltbar; denn die Erwähnung von Mono-
graphien über den Ossa, über Nysa und die korykische Höhle
p. 391 ^ 21 bezieht sich sicherlich auf nacharistotelische Schriften.
Nur durch die Alexander betreffende Homonymität ist die
Schrift unter die aristotelischen gerathen ^
Ravaisson sur la metaphysique cPAristote t. ll p. 238 und 357
will das Buch dem Juden Aristobulos zuschreiben, setzt es also
um die Mitte des zweiten Jahrhunderts vor Christus. Und nocb
1 [Näheres über ihn gibt Rudorff im Rhein. Mus. 1828 Jahrg. n p. 155 f.
und Joh. Franz im CIG ni p. 311 und 1178, vgl. Mommsen im Hermes 19, 645].
^ Spengel in seiner Heidelberger Habilitationsschrift (1842) De Aristo
libro X hist. anim, p. 9 Anm. 11 *autorem ne imitari quidem Arisiotelem
voluisse certum est*.
^ So auch Welcker in seinem Rhein. Mus. 1836 Jahrg. iv p. 449.
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8. Ueber die Schrift TTcpl köö^iou 281
ein Jahrhundert weiter wollte Val. Rose zurückgehen, de Aristo-
telis librorum ordine et auctoritate p. 97 ff. Seine, schon von Zeller
IV 2 569, 2 zurückgewiesenen, geographischen Beweise sind alle
untriftig, da sie auch beweisen würden, dass Äpuleius im
zweiten Jahrhundert vor Chr. geschrieben habe.
[Nachdem die durch Buecheler mitgetheilten nachgelassenen Bemer-
kungen Th. Bergks der Frage nach Verfasser und Adressat der pseud-
aristotelischen Schrift TTcpi K6a\io\) erneutes Interesse verliehen haben
(8. Rhein. Museum 1882 Bd. 37, 50 ff. und ebend. 294 ff.), durfte die vor-
stehende Aufzeichnung von Bemays' Hand nicht um ihrer Unfertigkeit
willen zurückgehalten werden. Um so weniger, als die Stützen der Bergk'-
sehen Combination hinfällig sind. Bergk entnahm aus Johannes Stobaeus,
dass (trotz Äpuleius) der alte Titel TTepl toO iravT6<; gewesen, und da
er ein Werk unter gleichem Titel und von gleichem Inhalt bei Simplikios
als Schrift des 'Peripatetikers* Nikolaos von Damaskos angeführt sah, so
schien ihm der Beweis erbracht, dass das heute TTcpi KÖOfiou benannte
Buch von Nikolaos' Hand herrühre. Jedoch bei Stobaeus gehören die ent-
scheidenden Worte ircpl toO iravTÖ^ nicht zum Buchtitel sondern bilden
die Capitelüberschrift : davon kann jetzt, nachdem durch Wachsmuth der
Tbatbestand der Ueberlieferung im Einzelnen wie im Ganzen vorgelegt
ist, jeder sich leicht überzeugen (s. Wachsmuth zu Stob. ecl. i p. 255, 9
u. Stud. z. d. gr. Floril. p. 76); der Titel, den Bergk lediglich aus dem Lemma
der Canter'schen Ausgabe abgeleitet hatte, wird durch die Farnesische
Handschrift nicht bestätigt, abgewiesen durch Photios' Capitelverzeichniss.
Und selbst wenn dem nicht also wäre, würde das vermeintliche Zeug-
niss des Simplikios unverwendbar bleiben. Simplikios kämpft in der
Einleitung seines Commentars zu Ar. de caelo gegen Alexanders Be-
hauptung, dass Aristoteles in dem Werke TTepl otipavoO vom KÖa^o^
handle. Er zeigt, wie wenig der Inhalt des Werks dazu berechtige
den engeren Begriff oöpav6^ dem umfassenderen gleichzustellen, und be-
merkt, Aristoteles' Lehre vom Kosmos ziehe sich durch alle seine die
Natur betreffonden Pragmatien: *und so hat denn auch* schliesst er da-
ran an ^ * Nikolaos der Peripatetiker, wenn ich auf mein Oedächtniss ver-
trauen darf» unter der Aufschrift TTcpi toO iravrö^ alles was das Weltall
in sich begreift rubrikenweise abgehandelt*. Simplikios, oder vielmehr
1 [Simpl. a. a. 0. p. 4^ 9 der holländischen Ausgabe (p. 469* 6 in
Brandis' Scholiensammlung) dfi^Xei xal NiKÖXao^ ö ir€piiraTT|TiK6<;, et ti
11^11 vimat, TTepl ToO iravrö^ ^iriTpd\|ia<; irepl irdvrujv tuiv £v rifi KÖOfuiq)
kqt' (so Karsten und schon Roeper lect. Äbtdph. p. 38) eXbi] iroielrat t6v
Xdrov],
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282 Misoellen
PorphyrioB \ will hiermit den berühmten 'Exegeten* durch eine ältere
Autorität der Schule schlagen. Nicht bloa insofern als bei Nikolaos die
Congruenz zwischen Titel und Inhalt auf die für Aristoteles anzunehmende
Incongruenz ein grelles Licht wirft. Bekanntlich hat Nikolaos von Ari-
stoteles' Lehre in engstem Anschluss an dessen Schriften, Buch für Buch,
eine übersichtlich zusammenfassende Darstellung gegeben 3, unter demGe-
sammttitel TTcpl Tf|^ 'ApiOTor^Xou^ q>iXoaoq>(a^, wie sie derselbe Simplikios
in demselben Commentar nennt p. 178 ^ 41 ; einer der verschiedenen, mit
Sondertiteln versehenen Abschnitte dieses Werks muss die hier herange-
zogene Schrift TTepl toO iravröq gewesen sein. Simplikios' Argumenta-
tion hat nur dann Sinn und Wirkung, wenn sie besagt : wäre Alezanders
Auslegung richtig, so hätte auch Nikolaos für seinen Abschnitt TTcpl toO
iravTÖq das Material in Aristoteles' Büchern TTepl oOpavoO finden müssen,
während er doch, dem eben gesagten entsprechend, thatsächlich aus
sämmt liehen naturwissenschaftlichen Schriften des Arist. seine Uebersicht
vom Weltall zusammenstellen musste. Wer diesen Zusammenhang ruhig
erwägt und von Nikolaos' Werk sich ein Bild aus den erhaltenen Resten
und Zeugnissen gemacht hat, wird davor behütet sein die Worte des Sim-
plikios in irgend einen Zusammenhang mit dem pseudaristotelischen Trac-
tat zu bringen. — Und schliesslich, sollte es blos subjective Empfindung
sein, wenn mir die Praedicierung des Adressaten övn /jtcmövwv dplorqi
p. 391 ^ 6 fürBemays' Ansicht den Ausschlag zu geben scheint? Wer die
philosophische Schrift einem Sprossen des jüdischen Fürstenhauses oder
dem Sohne der Kleopatra widmen wollte, musste, auch zugegeben dass
er ihn /JYe^Uiv (gleich princeps, vgl. Mommsen, Staatsrecht n 2 p. 738 f.)
anreden konnte, doch eine andere Motivierung wählen. Der Herausgeber.']
4. Zu Pausanias.
Archaeologische Zeitung herausg. von E. Curtius und R. Schone 1874
N. F. Band vn (mit der Jahreszahl 1876) p. 99 ".
Piccolomini hat in der Rivista di füologia ll 159 unter an-
deren planndeischen Excerpten das folgende mitgetheilt:
Tuiv iirrd TiXavtiTiuv rä xP^M^iTa twv t€ |Li€TdXXuiv Kai xivuiv
dve^ujv dvaXoToOm toT^ xip^ixxxav Kpövo^ jitv inoXüßbijj (ttber-
1 [Wenigstens im Commentar zur Physik verdankt Simplikios seine
Angaben über Nikolaos ausgesprochenermaassen dem Porphyrios, s. t. i
p. 149, 18. 151, 24 Diels].
3 [Man findet darüber das nöthige bei Meyer zu Nikolaos Dam. de
planiia p. zvm ff., und mit Zusammenstellung der Fragmente bei Theoph.
Roeper leetianea Ähulpharag. (Danzig 1844) p. 85 ff.].
' [Als Anhang von R. Eekul6'8 Aufsatz über den Zeus TaUeyrand
erschienen].
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4. Zu Paosanias 283
geschrieben dvo^) Ka\ uaKivOw, Zeu^ (ttbergeschr. d€TÖ^) bk dp-
Tupi{) Kai Kpiviü, "Apn? (ttbergeschr. Xuko^) cTibripij|) Kai % *'HXio?
(ttbergeschr. X^uv) xp^^^'H* ^al Tropqpupö ^öbiu, ^AqppoblTTi (ttber-
geschr. 7repi<TT€pd) Kaaairipuf Kai dvaxaXXibi, 'Ep^n? (ttbergeschr.
bpdKiuv) x«^Kdi Kai ipuOpobdvtü (ttbergeschr. f\ dvemuvri), leXifivn
(ttbergeschr. ßoOO bi ädXqj Kai vapKiacru). Dass die interlinearen
Wörter so in der Handschrift della mano del corrätore stehen,
giebt der Herausgeber Piccolomini an. Ob diese Zasammen-
ordnung von Metallen, Blamen und Thieren mit den planetari-
schen Göttern bereits sonstwo veröffentlicht ist, mag, als fttr den
vorliegenden Zweck nicht wesentlich, vorläufig dahingestellt blei-
ben. Die Vertheilung der Metalle und Blumen stimmt zu der
von Lobeck (Aglaophamus p. 936) und Brandis (im Hermes 2, 266)
nicht berttcksichtigten, welche sich in Gonstantinus Manasses*
metrischer Ghronik vorfindet; dort lautet der auf Kpivov bezttg-
liche Vers 124
d)? Kpivov ?Xa|LnT€v 6 Zcu?, "Apx]^ Kaedncp tov.
Diese Spuren einer Beziehung des Kpivov auf Zeus sind
wohl nicht ausser Acht zu lassen bei Beurtheilung der Angabe
des Pausanias (v 11, 1) dass auf dem Mantel des olympischen
Zeus liS^bid T€ Kai tüjv dvOdiv xd Kplva dcTrlv i|Li7r€7roni|Li^va,
Man wird fortan weder die diplomatisch bestechende Gonjectur
Preller's i^pivd statt Kpiva, noch die neuerdings von Wieseler
(Göttinger Nachrichten 1873 S. 365) vorgeschlagene zu billigen
geneigt sein, sondern man wird den freilich nach Pausanias' Art
etwas gespreizten, aber sprachlich doch nicht incorrecten parti-
tiven Genetiv tu)v dv6u»v, in seinem Gegensatz zu Zifibia, neben
Td Kpiva erträglich finden, und wird sich bescheiden mttssen zu
glauben, dass Phidias in der That das Gewand des höchsten
Griechengottes mit denjenigen Blumen geschmttckt hat, die ' we-
der arbeiten noch spinnen und doch schöner bekleidet sind als
Salomo in aller seiner Herrlichkeit' (Matth. 6, 28).
5. Zu Sanchuniathon. Fttr Orientalisten und Mythologen.
Rheinisches Masenm für Philologie 1864 Jahrg. zix p. 632 f.
In Dozy's eben erschienenem Buche 'Die Israeliten zu 682
Mekka' (Leipzig, Engelmann 1864) findet sich S. 33 Folgendes:
'Auch bei den Israeliten in der Wttste, die nach dem Zeug-
niss Ezechiels Gap. 20 stets den Götzen dienten, wurde Baal
als höchster Gott angesehen. Das Volk war nach ihm ge-
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284 Miscellen
nannt, denn Israel war einer der Namen des Satnrns'
(Sanchoniathon p. 42 ed. Orell) u. s. w.
Also ist es aaeb Dozy nicht erspart geblieben, seinen geachteten
Namen der langen Leporello- Liste von Gelehrten anzureihen,
deren kritische Tagend durch den unvorsichtigen Oebrauch von
Orelli's Abdruck der bei Eusebios erhaltenen Sanchuniatboni-
sehen Fragmente zu Falle gebracht worden ist. Die Vorsicht
nämlich gebietet, dass, wenn man auch das Orelli'sche Bflchlein
wegen seiner Notensammlung zur Hand nimmt und vielleicht
wegen seiner leider allzu starken Verbreitung und um der Kürze
willen auch den Text glaubt nach seinen Seitenzahlen citiren
zu müssen, man doch von den Worten dieses Orelli'schen, blos
den Viger'schen wiedergebenden, Textes nicht eher Gebrauch
mache, als bis man sie nach der Gaisford'schen Ausgabe von
Eusebios' praeparatio evangelica controlirt hat. Und nirgends
rächt die Vernachlässigung jener überall unentbehrlichen Vorsicht
sich empfindlicher als bei der fraglichen, angeblich den 'Saturn*
mit dem Namen 'Israel' belegenden Stelle. Dieselbe lautet frei-
lich bei Orelli p. 42 Kpövo^ toivuv, 6v o\ OoiviKe? 1(Tpa^X
7rpo(TaTopۆou(Ji ktX., aber seit vielen Jahren ist in der Gaisford'-
schen Ausgabe des Eusebios praep. evang. 1 10, 44 p. 90 auf Grund
der besten Handschriften Folgendes zu lesen: 6v o\ OoiviKe^
*HXov TipocTaTopeuoucTi, was alsbald jeder der semitischen Spra-
chen Kundige auf den gewöhnlichen Gottesnamen El (b-^^) zu-
rückführt, der auch an anderen Stellen (p. 28 und 34 Or., p. 80
und 84 Gsf.) mit Kronos identificirt wird. Gaisford hätte übri-
633gen8 sich noch enger der handschriftlichen Ueberlieferung | an-
schliessen und nicht ^HXov mit der griechischen Endung, sondern
die nackte semitische Form '^HX in den Text setzen sollen; denn
sie findet sich in der anerkannt besten Handschrift, dem Porj-
sinus A und , nur mit falschem Spiritus asper ^HX, auch in der
zweitbesten, dem Ven€tt4S H. Wie das richtige *HX dieser guten
Handschriften in den schlechten Handschriften und den aus den-
selben geflossenen älteren Ausgaben zu dem absurden 'lapanX
verunstaltet worden, erkennt jeder an das Lesen griechischer
Handschriften Gewöhnte auf den ersten Blick ; nX war mit dem
zur Bezeichnung der Eigennamen dienenden horizontalen Strich-
lein versehen und wurde dann von den ekklesiastischen Abschrei-
bern des Eusebios mit dem ihnen geläufigen Gompendium \r\k
= laparjX verwechselt.
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5. Zu Sanchuniathon 285
Da die Liste der Gelehrten, welche vor und Dach dem Er-
scheinen der Gaisford'schen Ausgabe aas dem vermeintlichen
Kronos-Israel die haarsträubendsten mythologischen und theolo-
gischen Folgerangen gezogen haben, über alles Erwarten lang
und mit den glänzendsten Namen bedeckt ist, so sei gegenüber
der bedanerlichen hier auch noch die tröstliche Thatsache ver-
merkt, dass doch wenigstens zwei kritische Köpfe ersten Ranges
nicht erst die Gaisford'sche Ausgabe und deren handschriftlichen
Apparat abzuwarten brauchten, um sich vor einer so schlimmen
Täuschung zu hüten. Bereits im XYii Jahrhundert hat Hugo
Grotius (zu Matthäus 5, 31 und zu Deuteronom. 18, 8) ohne hand-
schriftliche Hülfe den El aus dem * Israel' herauserkannt; und
ein Gleiches ist, unabhängig von Grotius, im xvill Jahrhundert
dem grossen Philologen gelungen, welcher an derselben Leydener
Universität wirkte, der Dozy jetzt angehört, ich meine Ludwig
Caspar Valckenaer (diatribe de Aristobtdo p. 15).
10. August 1864.
6. Anzeige von Plotini opera recognovit Adolphus Eirchhoff
Vol. I (Leipz. 1856 Teubner).
Zarncke's liiterarisches Centralblatt 1856 Nr. 26 p. 414 f.
Eine Ausgabe, welche die ungeschlachten und unerschwing- 414
liehen Greuzer'schen drei Quartbände flir den Handgebrauch zu
ersetzen beginnt. Wegen der besonnenen, hauptsächlich auf
Ausscheidung von Glossemen gerichteten, Kritik werden ihr
solche Leser, die sich nicht durch eine lateinische Uebersetzung
leiten und verleiten zu lassen brauchen, auch vor dem inzwischen
erschienenen Didot'schen Abdruck den Vorzug geben. Ob es
jedoch gerathen war, gerade in einer Handausgabe, die doch
wesentlich auch dem Nachschlagen dienen soll, die in den bis-
herigen Ausgaben herrschende Enneaden- Ordnung des Porphy-
rios mit der chronologischen zu vertauschen, muss sehr bezwei-
felt werden. Die hieraus entstehende Unbequemlichkeit kann
durch vergleichende Tabellen, wie sie der Herausgeber verspricht,
nur in geringem Maasse ver{ mindert werden, während eben die- 415
selben Tabellen, wäre die bisherige Folge im Texte beibehalten
worden, für alle Zwecke, die man bei chronologischer Anord-
nung verfolgt, ausgereicht hätten. Doch wollen wir hierüber
nicht weiter rechten, da der Fortschritt, von Creuzer aus ge-
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286 Misoellen
messcD, jedenfalls auch in Hinsicht der Bequemlichkeit, ein sehr
beträchtlicher ist. Wir wollen lieber diejenigen Philologen, denen
es noch nicht Princip geworden, sich im 'engen Zirkeltanz zq
drehen, wie'^ etc., hierdurch aaffordern, dass sie sich die er-
leichterte Zng'änglichkeit dieses Antors als Antrieb zu näherer
Kenntnissnahme von demselben dienen lassen. Ein ausgewachse-
ner Philolog, der von Piaton das gewöhnliche Maass kennt und
von Aristoteles etwas mehr als das gewöhnliche, bitterkleine
Maass, wird die Lecttlre dieses letzten Meisters griechischen
Denkens, dem immer ein körniger und oft ein hinreissend
schöner Ausdruck zu Gebote steht, ohne viel Schwierigkeit be*
werkstelligen. Und wenn Dieser oder Jener vielleicht dennoch
etwas grössere Mtlhe zu bestehen haben möchte, so wird er sich
wohl hinlänglich belohnt erachten, sollte er auch in dem 'alten
Mystiker', wie ihn Goethe (Briefe an Zelter l 190) nennt, nichts
Anderes entdecken als das griechische Original von: 'War' nicht
das Auge sonnenhaft', Ennead, i 6, 9 p. 12 Eirchh. ou t^P &v
rcdmore eTbev öqpOaXjyiö^ HXiov f]Xi0€ibf|^ \ii\ t€T€vt]|li^vo?, ovbk tö
KoXöv Sv tboi i|;ux^ M^ KaXf| T^voji^vii *.
7. Anzeige von Porphyrii de phüosophia ex oraculis haurienda
librarum rdiquiae ed. Gust. Woljf Berlin 1856.
Zamcke*s Literarisches Centralblatt 1856 Nr. 26 p. 415 f.
415 Es wäre nun wohl an der Zeit, einmal eine unbefangene
Schilderung der Verdienste und der Mängel des schlauen Syrers
Malchus (Porphyrios) zu entwerfen, die freilich nicht Jedermanns
Sache sein mag. Wundersam paart sich in diesem yielgeschol-
tenen und wenig gekannten Bekämpfer des Ghristenthums der
Ernst kritischer Forschung und eine reine Empfänglichkeit f&r
das Speculative mit dem weiten Gewissen und der gewandten
Manipulation des religiös-philosophischen Taschenspielers. Von
ihm stammt das Meiste, was des Hieronymus* Commentar zum
Daniel Branchbares enthält; von ihm gehen die ersten bedeuten-
deren Ansätze zur Kritik der Evangelien aus; seine historischen
und chronologischen Leistungen kennt und schätzt Jeder, der
sich mit Eusebios' Chronik vertraut gemacht hat; und welcher
1 MephiBtopheles in Anerbachs Keller (Faust i Theil V. 1808).
' den Gedanken hat Plotinos dem Piaton (Staat Yi p. 508 ^) entlehnt.
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7. Anzeige von Wolff's Porphyrios. 287
Freund der Philosophie fühlte sich ihm nicht tief verpflichtet
für die treue und yerständige Arbeit, durch welche er uns die
Schriften des Plotinos erhalten hat? Derselbe Mann aber ist
wiederum im Stande feierlichst Hekate-Orakel zu glauben, und,
wo nicht gänzlich zu fabriciren, so doch mit schöpferischer
Freiheit zu* redigiren, ist im Stande die Dämonologie in ein
System zu bringen, das er dann praktisch durch Geisterbannen
bethätigt; ja er konnte es sogar ttber sich gewinnen, die Lebens-
geschichte seines grossen Lehrers Plotinos, aus dessen Schriften
eine geistige und sittliche Erhabenheit über die wttste Wnnder-
sucht seiner Zeit unverkennbar hervorleuchtet, durch thaumatur-
gischen Nimbus zu verunzieren. Mit sicherem Blicke das Bild
eines so doppelartigen Mannes wie Porphyrios aufzufassen und
es ungeschminkt, aber auch un verzerrt, wiederzugeben — dazu
war wohl Derjenige am Wenigsten geeignet und gesonnen, der
bisher allein den Versuch gemacht hat, der Hamburger Lucas
Holstenius nämlich, welcher vom Protestantismus zum Katholi-
cismus übertrat, und um die Mitte des 30jährigen Krieges mit
der Schrift de vita et scriptis Porphyrü seine römische Laufbahn
begann, die in dem Bibliothecariat der Yaticana ihr Ziel ge-
funden hat Es ist also die zusammenfassende Würdigung des
Porphyrios bisher eine unerledigte Aufgabe geblieben, die für
den Geschichtschreiber der Kirche und den Geschichtschreiber
der Philosophie einen nicht minderen Beiz als für den Philo-
logen haben muss. Zur Lösung derselben trägt die vorliegende,
sorgfältig gearbeitete Schrift allerlei recht brauchbares Material
zusammen. Gap. i Vüa Porphyrü giebt freilich , wie schon die
geringe Seitenzahl (S. 7 — 13) anzeigt, keine auf Charakteristik
angelegte Darstellung, dergleichen eben als wünschenswerth be-
zeichnet worden, sondern beschränkt sich auf die wichtigsten
Notizen über äussere Lebensumstände. — Cap. ii Quaedam de
librorum Porphyrii tempore, mit besonders eingehender Behand-
lung der den Homer betreflfenden Schriften und abermaliger Er-
örterung der in jüngster Zeit so vielbesprochenen Frage über
Porphyrios' Autorschaft der sogenannten Plutarchischen Vita
Homeri (B c. 5 dieser Vita sind die Worte oö XP^ airiäaGat |
TÖv troniiViv, Tiapövra bt )Lii)Li€T(T6at nicht mit dem Verf. S. 24416
in napöv T(jib€ zu ändern, sondern unter Wiederholung von irotii-
TTiv so zu verbessern: airiaaGai töv TTOnrnfjv ttoitit^v t^P
dvra b€t |ii|i€i(T6ai). — Cap. m über die Eintheilung der 'Orakel-
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288 MiBoellen
Philosophie' in drei Bücher nach der Trias: Götter, Dämonen,
Heroen. — Cap. iv (S. 43—68) verzeichnet die vorporphyrischen
Orakelsammlangen von den ältesten Zeiten an und behält, ebenso
wie die beiden folgenden, yon nichthexametrischen Orakeln
handelnden Capitel, seinen vollen Werth, auch unabhängig von
der gutmttthigen Absicht, welcher es hier dienen soll. Es soll
nämlich beweisen, dass Porphyrios nicht absolut ein Fälscher
habe sein müssen, sondern ans älteren Quellen habe schöpfen
können. (Plut. dePyth, orac. c. 19 p. 403® wird wohl in ^AXupiou
nicht mit dem Verf. S. 53 ein Logograph zu suchen, sondern ^upiou^
zu verbessern und auf xP^^^V^ovq zu beziehen sein. AA bekannt-
lich = M). — Cap. VII de oraculorum Porphyni fide behauptet
sodann, Porphyrios habe die Orakel nicht selbst gefälscht, son-
dern sich von anderen aufbinden lassen; er sei ein ^wahrheits-
liebender' aber leichtgläubiger Mann gewesen. Eine solche
Vertheidigung von Porphyrios' Redlichkeit auf Kosten seines
kritischen Verstandes nimmt sich freilich wunderlich genug aus
neben seinem eigenen, die 'Orakelphilosophie' einleitenden, Ge-
ständniss (S. 109), wo der Schlaue bei den Göttern betheuert,
er habe die vom Orakel verkündeten Gedanken(vorj|iaTa)treu
wiedergegeben, ohne dazu oder davon zu thun, jedoch habe er
' hie und da ein verfehltes Wort verbessert oder mit einem deut-
licheren vertauscht, auch lückenhafte Verse ausgefüllt, endlich
Unzweckmässiges durchstrichen; und hierbei — fügt er mit hiero-
phantischer Unverschämtheit hinzu — habe er sich weniger ge-
scheut vor der Strafe, welche auf Eingriffe in das Heilige steht,
als vor den üblen Folgen, welche eine unverbesserte Mittheilung
der Orakel für den frommen Glauben an die Götter gehabt hätte \
Hiernach wird man dem Verf. wohl eher da beistimmen, wo er
die hier ausgesprochene allgemeine Behauptung von der * Wahr-
heitsliebe' des Porphyrios so einschränkt: veritafis Porphyrms
suo modo erat studiosissimus (S. 37) und diesem Modus wird
man eine grosse Aehnlichkeit mit dem (Txf||ia Zi|iU)vib€iov^ zuzu-
schreiben nicht umhin können. Was ferner die übermässige
^Leichtgläubigkeit' des Porphyrios angeht, so führt der Verf.
S. 100 unter anderen, eben so wenig beweiskräftigen, Beispielen
auch folgendes ganz Ungehörige an: genuinum esse credehat
Sanchuniathonis Ubrum, quem ab Herefinio Phüone fictum esse
* (fies Simonides, der den üranius gefälscht hat).
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Mlaoellen 289
Movers de Fhoenidbus I p, 125 — 129 demonstravü. Movers selbst
mnss inzwischen, nach dem Artikel Phönizier in der Hall. Ency-
clopädie zu schliessen, seine Mhere Meinung sehr modificiert
haben, und darüber, dass Philo alte phOnizische Quellen benutzte,
konnte weder an sich und kann am allerwenigsten jetzt , nach-
dem die Ewald'schen Untersuchungen vorliegen, ein Zweifel ob-
walten. — Cap. vni de codidbus giebt Auskunft über die Hand-
schriften von Eusebios^ praeparatio evangelica^ die fast alle
vorhandenen Reste der 'Orakelphilosophie' enthält und dann
noch über eine Florentinische und eine Neapolitanische Hand-
schrift, welche der Verf. für die bisher nur aus Steuchus Eugu*
binus bekannten, theils porphyrischen, thcils namenlosen Orakel
benutzt hat. Das Nichtporphyrische aus diesen Handschriften
ist in Oractdorum appendix S. 231 — 240 abgesondert behandelt,
und mag, da es in die ältere kirchliche Litteratur einschlägt,
der Beachtung der Theologen empfohlen sein. — Endlich neh-
men die Reste der 'Orakelphilosophie* S. 109 — 186 ein, von
welchem Räume etwa die Hälfte auf Noten zu rechnen ist. Diese
ergehen sich mit lehrreicher Behaglichkeit, welche der Verf.
nicht erst durch einen Epilogus S. 240 hätte zu entschuldigen
brauchen, in allerlei durch den Text mehr veranlassten als er-
forderten Ausfllhrungen über sacrale und theurgische Antiqui-
täten. Aehnliche Sammlungen sind noch ausserdem in einer
Reihe von Additamenta (S. 187—229) niedergelegt.
8. 'AMBAKOYM.
Hermes beräusg. von £. Hübner 1872 Band vi p. 250—252.
Porphyrios nimmt in seinen Lebensabriss des Pythagoras 250
(c. 27 p. 24, 22—28 Nauck) die Erzählung auf, dass jener wun-
derthätige Philosoph an einem und demselben Tage seine Jünger
in Metapontum und in Tauromenium besucht habe, obgleich die
Entfernung zwischen beiden Städten viele Tagereisen zu Lande
und zu Wasser betrage. Diese Legende, welche bei Lesern im
Zeitalter der Eisenbahnen nur Betrach|tungen über die Wandel- 251
barkeit des Wunderbegriflfs erregen kann, veranlasste einen
Frommen früherer Jahrhunderte, der den Heiden ein solches po-
stalisches Wunder nicht gönnte, zu der Randbemerkung, welche
aus der Oxforder Handschrift des Porphyrios zuerst im Hermes
5, 367 folgendermaassen veröffentlicht wurde: 'oiibi €l ö äjißa-
BeniAji, 09I. Ablundl. n. 19
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290 Misoellen
K0i5|Li (sie) fiv'. Zu dem 'sie* lag jedoch kein Grund vor, ausser
wenn auf den bedeutungslosen Umstand hingewiesen werden
sollte, dass trotz der fortlaufenden Bede der Schreiber der Ox-
forder Handschrift den Acutus nicht in den Gravis verwandelt
hat. Im Uebrigen ist 'A^ßaKouji die in der griechischen Bibel
und daher auch bei den griechischen Eirchenschriftstellem ein-
gebürgerte Namensform ftlr den Propheten Habakuk. Mag nun
das ^ am Schlnss des Wortes durch fehlerhaftes Lesen des he-
bräischen Namens oder durch die freilich nur in der Minuskel-
schrift leichte Verwechselung der griechischen Buchstaben k und
jir (s. Bast comment. palaeogr. p. 721 ) entstanden sein, jedenfalls
setzte sich die Form 'A|ißaKou)Li sehr frtlh fest; schon Hierony-
mus^ kennt und verwirft sie; und ein von Suidas^ ausgeschrie-
bener Unbekannter, dessen ganzer Vorrath semitischer Vocabeln
aus den wenigen aramäischen Wörtern und Sätzchen bestanden
zu haben scheint, welche im Neuen Testament, mit griechischer
Uebersetznng versehen, vorkommen, entspinnt sogar aus der
Silbe Kouji eine lächerliche Etymologie. — In dem kanonischen
Btlchlein des Propheten Habakuk sucht man nun freilich vergeb-
lich nach einem Seitenstück zu der pythagoreischen Eilfahrt;
aber wohl findet sich ein solches in dem apokryphen Anhang
zu Daniel, welcher in der deutschen Bibel die Aufschrift 'Vom
Drachen zu Babel' führt. Die bezügliche Stelle lautet nach dem
Text des Theodotion, welcher ftlr Daniel und dessen Anhänge
der kirchlich recipirte ist (v. 33—36): Kai fjv 'A^ßaKoiiiLi 6 npo-
qpTJTii? iv TiJ 1oubal(|i Kai aÖTÖ^ f\i(iTi<y€V Si|;€)Lia Kai ivd9pu!|iev fip-
252T0U5 el? I (TKdqpriv Kai iiropeucTo el^ tö Tiebiov dTrev^TKai xoiq Be-
pKTraT^. Kai cTircv 6 fitreXo? Kuplou jf^ 'A^ßaKOujyi' *A7r^v€TK€ xd
äpi(TT0v 8 ixexq ei? BaßuXuiva t(j^ AavifjX €\q töv XdKKOv tiöv
* Prol. comment. i in Habacuc (vol. vi p. 587 Yallars.) primum
8eire nos convenü corrupte apud Graecos et Latinos nomen Ambacum pro-
phetae legi^qui apud Hebraeos dicitur Abaeuc, (Bei Pradentius Oo^^em. 4, 59
hat der Puteaneus Ambacum s. Heinsius Note p. 7 nnd addenda p. 145).
2 p. 11 Bernbardy 'AßßaxoO^' irarfip ^T^paeui?* t6 ja^ t^P AßßÄ
(ni|uia{v€i irar^p [ep. Rom. 8, 15], t6 bk. koO^ £Tcp<n^ ^^ Kai irapd T(p Bciqi
eOaTTcXiqi [Marc. 5, 41]- ToXiOd, koO|ui, fjxouv i\ irott? ^x^tpou. Ö6€v bfiXoy
6n bid tCEiv 60o ^xP<i''^^ov t6 *AßßaKoO|ui. Mit Vernacblässigang der
orthographischen Ermahnung wegen des doppelten ß findet sich dieselbe
Etymologie in den onamastica sacra p. 200, 14 Lagarde 'A^ßaxoO^ iraxf|p
b^ipa^M}^ nnd p. 173, 66 'A^ßaKo{)|ui iran^p 4x€(puiv.
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8. *A|yißaKoO^ 291
XeövTiuv. Kai elTiev 'A)LißaKOU)i' Küpie, BaßuXujva oöx idipwca Kai
TÖv XdKKOV oö TiviOcTKU). KaWTieXdtßeTO 6 SttcXo? Kupiou rfi?
Kopuq)f\5^ aÖToO Kai ßacTTdcra? xfl? KÖ^n^ ttJ? KcqpaXf)^ aöxoO
^9tik€v auTÖv €i^ BaßuXd»va trc&yiu toC XdKKOu, iv t(^ ^oUIifi toO
TTV€Ü^aTO^ auToC. An diesen apokryphen Habakuk fühlte sich
also der Abfasser des Oxforder Scholion erinnert und schrieb
an den Rand des Porphyrios, dass Pytbagoras, 'nicht einmal
wenn er Habakuk gewesen' {ovbk ei 6 'A^ßaKOUjyi t\v) und von
einem Engel, wie Luther fibersetzt, 'beim Schopf gefasst' worden
wäre, die Strecke zwischen Metapontum und Tauromenium an
öinem Tage hätte zurücklegen können.
9. Ein nabatäischer Schriftsteller.
Rheinisches Museum 1862 Jahrg. xvu S. 304 f.
Ammonios' Commentar zu der aristotelischen Schrift neplsoi
Ipjiiiveiac sucht zwischen den Behauptungen eines lediglich na-
türlichen (qpuaei) oder lediglich conventioneilen (Stoei) Ursprungs
der Wörter zu vermitteln, und nachdem er das natürliche Ele-
ment der Sprache in sein Recht gegen die schroffen Leugner
desselben eingesetzt hat, fährt er, gegen die Widersacher des
Conventionellen Elements sich kehrend, folgendermaassen fort
(schcl. in Aristot ed. Brandts p. 103^ 21):
inA bfe Irepoi tö 9^(T€i tujv 6vo|Li(iTUJV dEopiZeiv dirixeipouaiv,
ilKTTrep 6 TTaTpaTo? bou? fipeio^, xa? eöx^? f^Tv Kai xä? dpd?
7rapaq)^povT€^, iy al? xa dvö|Liaxa f^mwv X€TÖ)i€va f\ d)q>€XoO(Tiv
1 Deutlich ist hier die vergröbernde Nachbildung von Ezechiel 8, 8
Kai U^T€tv€v ö|üio(u)^a x^iP^ ^al dv^Xaß^ mc xf)^ Kopucpft^ ^ou xal
dv^aß^ |üi€ irv€0|uia dvd M^aov xft<; t^^ xal dvd M^aov xoO oöpovoO Kai
f^xvxi M€ €(( lepouaoXfm iv öpdaci OcoO. Die Vergröberung liegt da-
rin, dass, wie schon Hieronymus (Vorrede zur Uebersetzung des Daniel
vol. IX p. 1364 Vall.) von einem Rabbinen bedeutet worden, der Verfasser
des Apokryphen zu einem wirklichen Vorgang macht was Ezechiel aus-
drücklich durch ö^oCuiMa x^ip^^ und ^v 6pd<J€t 8€o0 ('in einem göttli-
chen Gesicht* Luther) als eine unwirkliche Erscheinung während des pro-
phetischen Schauens bezeichnet. Geschickter, weil den prophetischen Schleier
nicht zerreissend, scheint, soweit das Fragment ein Urtheil gestattet, die
Nachbildung eben jener Stelle des Ezechiel im Hebräer -Evangelium, wo
Christus spricht: dpxi Ika^i M€ i\ \ki\Ti\p |uiou, xö driov irvcOMO, bi fitijl
xi&v xpixiliv Mou Kai dW)V€TK^ ^€ cU xö öpo^ xö )xt^a TaßUip (Fabric. ood,
apoer, N. T. i 368 = Hilgenfeld Nov, Test, extra eanonem 4, 16 und 24).
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292 Misoellen
ivapTU)^ Tou^ dvo|LiaZo|i^vou5 f\ ßXdirrouai, Kairoi rfl^ (TuvOriKfi^
6 dvOpifmuJV |Lilv elKÖTU)^ irpö? dvOpunrou? Ttvo|Li^vii^, dvepiiTnuv
bl Tipd^ e€OÜ? oubfe iLi^XP^^ imvola^ öqpiaTaaOai buva^^vT)^
{ixyrioy Kai Trpö? toutou^ öti Xotikou^ fijiä? Kai aöroKivTJTOuq
ÖTTCxrrfiaavTe? ol Oeol ttoXXwv Tipd^euiv Kupiou? cIkötui^ kct-
laTT\aav ktX. —
Wie abstossend auch in dieser Bernfang auf 'augenschein-
lichen' (^vapTUi^ Z. 4) Nutzen und Schaden der Gebet- und Fluch-
formeln und in dem Heranziehen derselben zur Lösung des
sprachphilosophischen Problems der neuplatonische Wahnwitz
hervortritt, so ist doch das Griechisch, in welchem er sich äus-
sert, verständlich und erträglich, mit Ausnahme der zwei auf
305 TTaTpaTo? folgenden Wörter (Z. 2) b o ü ? d p € i o ^ ^. Diese | bleiben
unenträthselt, bis man sich der hesychischen Glosse Aouadpiiv
TÖv Aiövuaov, NaßaTaToi ktX. oder einer andern aus der nicht
eben grossen Anzahl von Stellen erinnert, welche über die ara-
bische Gottheit Dusares seit Seiden (de diis Syris sytU, u c. 4)
von den Mythologen^ gesammelt sind. Nun ordnen sich aber
alsbald die sinnlos in zwei Wörter auseinander gerissenen Buch-
staben bou^ ap€io^ ohne die geringste Aenderung von selbst zu
dem Eigennamen Aoucrdpeio^ zusammen, der von Aouadpr)^ eben
so untadlig gebildet ist wie AtovOmo^ von Aiövuao^. Und der
wiedergefundene Personenname kann dann weiter zur Berichti-
gung des Ethnikon TTarpaio^ benutzt und wiederum seinerseits
^ In der ersten Ausgabe des Ammonios ( Venet Aid, 1503 fol.) sind
auf der mit dem Custodenzeicben B " versehenen Seite diese Worte so :
hoi)^ Apeioq gedruckt, ohne Spiritus und Accent bei A. In der zweiten
Ausgabe (td, Fdidanua Venet. 1545. 8) sind fol 32 • Spiritus und Aocent
in "Apcioq hinzugekommen.
> Wetzstein (Hauran und die Trachonen S. 112, 113) giebt Nachwei-
sungen für die arabische Litteratur. (Die zuerst von F. Oehler aus der Mar-
cianischen Handschrift hervorgezogene Ergänzung von Epiphanios haer, Li
enthält folgende Angabe : dv TT^Tp<;i Tfl iröXci (iiiiTpöiToXi^ hi kan xfi^ 'Apa-
ß(aO . • • 'ApaßiKfl bioX^KTifj iSu^voOoi rfjv irapO^ov, koXoÖvtc^ aÖTf|v *Apa-
ßiaxi Xaa^oO tout^oti K6pr\y eW oöv irapO^vov, kqI töv ^E aÖTf|^ T^TCv-
vim^ov Aouadpiiv rour^aTiv ^ovoT€vft toO 6€<tit6tou (Philol. xvi 355,
Epiph. ed. Dindorf t. n p. 483, 30). Nach Ewald Götting. Gel. Anz. 1863
p. 428 ist Dhu-88harä 'der Herr des Gebirgs' südlich von Petra, welches
noch heute tissharät heisst. Man vgl. Krehl, Religion der vorislamischen
Araber p. 48 ff. und J. H. Mordtmann in der Zeitschrift der deutschen
morgenländischen Gesellschaft xxix p. 99—106).
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9. Ein nabatäiflcher Schriftsteller 293
durch das berichtigte Ethnikon bewährt werden. TTarpaio^ näm-
lich erweckt zunächst den Gedanken an das achäische Paträ,
aber sogleich auch das Bedenken, dass von Paträ das Ethnikon
regelrecht nicht auf — o^ sondern auf — evq gebildet wird. Tritt
nun die Unwahrscheinlichkeit hinzu dass ein Peloponnesier einen
so ausgeprägt arabischen Namen, wie es Aova&pexoq ist, geführt
habe, so wird wohl Niemandsich dagegen sträuben, aus TTa-
Tpaio^, durch Aenderung des a in €, TTeTpato^ zu gewinnen, d.h.
das regelmässige Ethnikon yon TT^rpa NaßaTaiuJV, wie Strabon
p. 767 und 776 Gas., zum Unterschied von gleichnamigen Oertem,
dasjenige Petra bezeichnet, nach welchem das peträische Ara-
bien benannt wird. Einen an den Gontroversen der griechischen
Philosophen theilnehmenden Schriftsteller aus der arabischen
Felsenstadt hervorgehen zu sehen darf nicht Wunder nehmen,
da die ansehnliche, auch Bömer einschliessende, Fremdennie-
derlassung in Petra, welche nach Reiseberichten eines der stoi-
schen Athenodore (s. K. Keil im Rhein. Mus. xvii S. 76) bereits
Strabon p. 779 Gas. erwähnt, früh neben dem Handels- auch den
geistigen Verkehr der verschiedenen Nationen dort befördern
musste. <Die rivalisirenden Rhetoren Kallinikos und Genethlios
waren beide aus Petra; sie lebten unter Oallienus, s. Suidas s. w.
Der philosophische Arzt Gesios, Schüler des Juden Domnos, zur
Zeit des Kaisers Zeno stammte ebendaher, s. Suidas unter riaxo^y.
Breslau, Januar 1862.
10. Zu Eunapios (p. 80 ed. Bonn.).
Hermes heraasg. von £. Htibner 1862 Band m p. 816.
Meineke (vgl. Hermes n S. 403) ist es wie vor ihm Nie- 816
buhr entgangen, dass Eunapios' Theateranekdote auch bei Philo-
Stratos in der vita ApoUonii y 9 erzählt und dort nach Sevilla
verlegt wird. Hiernach ist aus den verderbten Worten bei Eu-
napios TiapcXOeTv el? Taüxiiv |Li€T<iXTiv ttöXiv zu gewinnen: iq
''IcTTraXiv. Die Präposition ward wohl wegen ihres Gleichlauts
mit der Anfangssilbe des Stadtnamens der Hauptanlass zu dem
Verderbniss. Welche Berechtigung die von Eayser in den Text
des Philostratos gesetzte Form ''iTioXa habe, weiss ich nicht i.
1 [Keine; Hispäl xmäHispäUs sind die allein bezeugten Formen des
80 vielfach vorkommenden Namens. E, Hübner.]
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294 MisoeUen
11. Zu Himerios
Rede vi 6 XÖTOuq aurdv CEpjLiiav 'ApicTTox^Xii?) i&\aKr\(y€ kqi dpc-
Tf|v iE£7raÜ)€u<T€ Kai iXeTeii}! töv OdXafiov iiöviji xuiv tvu>-
pijLllUV ^KÖ<T|LIT1(T€V.)
[Eichholtz bemerkt in Aug. Boeckh's Ges. kleinen Schriften
Bd. VI p. 210]:
210 Herr Professor Bernays hat die Güte gehabt, dem Heraas-
geber über die S. 199 Anm. erwähnte bisher nngedrackte Ver-
besserung iXeteli}) TÖV eXabiav iliövov tujv Tvuip(|Liujv ^KÖa^iT)-
(T€V statt des von Himerios Ueberlieferten Ik. töv OdXa^ov
)iöv(|) T. T- i* folgende Mittheilung zugehen zu lassen:
cr^- 1 X- u • X j- A j eAAAMON . , ,
Diplomatisch ist die Aenderung qaaXian g®"^^; sie be-
trifft eigentlich nur die Buchstaben ]iö; bei Suidas s. w. ^Epjiia^
und 'ApkttotAtic wird Hermias ausdrücklich OXabia^ genannt
(o\5to? KaiToi eXabia? fiiv ktX.); man befreit sich auf diese Weise
von dem Epithalamium, mit dem auch Boeckh nicht fertig ward,
und kann nun dXcTeiif) auf das bei Diogenes Laert v 6 erhal-
tene Epigramm beziehen'.
12. Zur vergleichenden Mythologie.
RheiniBches Museam 1860 Jahrg. zv S. 688 f.
688 Ein Gelehrter, dessen wohlbegrttndeten Buf Sünden der
Eilfertigkeit nicht erschüttern können, hat jüngst [1860] in den
Fleckeisen'schen Jahrbüchern für Philologie eine Abhandlung
über die Geburt der Athene veröffentlicht, in welcher die
Meinung, dass Ambrosia und Nektar nach der ursprünglichen
mythologischen Vorstellung eines und dasselbe und zwar Honig
bedeuten, unter Anderm auch durch folgende (lxxxi 384) Sätze
erwiesen werden soll:
^Eine Erinnerung daran dass Ambrosia oder Nektar Honig
war, ist vielleicht auch noch bei Ibykos zu erkennen, wenn
er sagt, Ambrosia sei zehnmal so süss als Honig, und alte
Grammatiker» wie aus Hesychios erhellt, erklärten
Ambrosia geradezu durch fudwa: denn der Honig, den
die Götter geniessen, ist doch kein gewöhnlicher von Bienen
gesammelter, sondern ist Honigthau, der aus der Luft herab-
filllt (d€pö)i€Xi) oder von Bäumen trieft'.
Also, auf Grund einer hesychischen Glosse wird behauptet, alte
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18. Zar vergleiGhenden Mythologie 296
Grammatiker hätten die Ambrosia der Olympier identificirt
mit — der Kost der Kinder Israel in der Wttste.
Ich mag nun nicht erst viel fragen, bei welchen * alten',
nicht ekklesiastischen Schriftstellern denn überhaupt das Wort
jyidwa für ^Honigthau' vorkomme, and ob nicht die wenigen
Stellen, in denen es ausserhalb der ekklesiastischen Litteratur
sich findet, vielmehr auf die Bedeutung 'Körnchen' und vor-
nehmlich* Weihrauchkörnchen' fuhren; ich mag ferner nicht ver-
suehen, den Grad von Eile oder von Befangenheit zu bestimmen,
der erforderlich ist, um, wenn man in dem hesychischen, be-
kanntlich mit glossae sacrae^ angefüllten, Glossarium das Wort
jLidvva antrifift, nicht alsbald auf biblisches Gebiet sich versetzt
zu fbUen; sondern ich will nur die betreffende hesychische
Glosse hier ausschreiben und durch den ausfuhrlichen Nachweis
ihrer schon bei Alberti s. v. dfüißpiZeiv, jedoch allzu kurz, wie
der Erfolg zeigt, angedeuteten Beziehung weiteren Missbrauch
verhüten.
Die Glosse also lautet nach Schmidts Ausgabe des Hesy-
chius: d)Lißpo(T(a' Oeia, 6au)ia(Tia Tpoq>i^, 1^ fudwa und sie be-
zieht sich auf das apokryphe Buch , welches in Luther's Bibel
'die Weisheit Salomons an die Tyrannen' betitelt ist, gewöhn-
lich aber I schlechthin ^die Sapienz' genannt wird. Der vor- 689
letzte Vers dieser Sapienz (xix20) enthält, wie jeder Besitzer
einer griechischen Bibel sich leicht überzeugt, die der hesychi-
schen Glosse zu Grunde liegenden Worte ä^ßpoaia Tpoqp/j in der
Bedeutung nicht des neuentdeckten olympischen, sondern des
wohlbekannten israelitischen Manna. Der alexandrinische Ver-
fasser jenes gedankenreichsten aller apokryphen Bücher schil-
dert dort nämlich den Auszug der Kinder Israel aus Aegypten
und sagt, bei diesem Ereigniss haben die Elemente auf gött-
liches Machtgebot ihre gewöhnlichen Wirkungen geändert. Als
Beispiel dafür hebt er besonders die Feuersäule hervor. Diese
habe, obgleich leuchtend wie Feuer, dennoch weder die von ihr
umgebenen Menschen und Thiere versengt, noch sei an ihr das
^ Unter diesem Titel hat J. Gh. G. Emesti die biblischen Glossen
ans Hesy chius in einem Leipzig 1785 erschienenen Ootavband gesammelt.
Die hier zur Sprache kommende hat er jedoch, trotz der Alberti'sohen
Andentnng, übersehen and anch in der neuesten Aasgabe des Hesyohios
vermisst man die Quellenangabe.
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29^ MiBcellen
Manna zerschmolzen, obschon docfa nach Nameri XI 7 (zufolge
der griechischen Uebersetzung) das Manna 'wie Eis aussah' (xal
TÖ dboq aÖToO elboq KpucTxdXXou) und, nach Exodus XVI 21, 'vor
den Strahlen der Sonne zerging' (f)viKa bk bieOdpfLiatvev ö i^Xio^
ijr\K€To). Alles dies ist, gemäss der andeutenden Schreibart des
Alexandriners, zusammengefasst in jenen ^inen Vers Sqpient. ttx
20 <t>XÖT€^ dvdTraXiv eöqpOdpxuv Cijiuv ouk ^fiidpavav adpxa^
^|Ll7r€pi7TaT0UVTUJV, OÜb' ?TT1K0V (vulg. OUbfe TTIKTÖV) eÖlTlKTOV KpV-
(TTaXXoeib^^ T^vo^ dMßpoaia^ Tpoqpf)^, welchen Luther .'m
Wesentlichen richtig folgendermaassen übersetzt: ' Wiederum die
Flammen verzehrten nicht das Fleisch der sterblichen Thiere,
so darunter gingen, und zerschmelzten nicht die unsterbliche
Speise, die doch wie ein Eis leichtlich zerschmolz*. — 'Unsterb-
liche Speise', d^ßpoaia Tpoq>r), nennt der Verfasser das Manna
nach Anleitung von Psalm LXXVin 24 f., wo dasselbe 'Himmels-
brod', 'Brod der Engel' (fipro^ oupavoö, fipio? dxT^Xujv) heisst,
welche Psalmenstellen er nicht lange vorher Sapient. xvi 20 wört-
lich angeftlhrt hatte.
Hiernach wird man also nicht anstehen, in der hesychischen
Glosse auch das Wort Tpoq>r) als herrührend aus der glossirten
Stelle durch den Druck hervorzuheben, und vielleicht entschliesst
man sich ausserdem, obgleich diess nicht gerade unumgänglich
ist, f\ vor iLidvva entweder zu streichen als wiederholt aus Tpoipfj,
oder es zu vervollständigen zu fJToi, dem bekannten 'nämlich*
der Lexikographen. Die Glosse gewänne dann folgende Gestalt:
djLißpoata, 6€ta, Oau^a(Tia Tpoqpl^' fJTOi judwa. Die Olympier
aber, welche den ^inen Tantalus nicht lange an ihrer Tafel dul-
deten, wären von der Tischgenossenschaft der sechsmalhundert-
tansend Juden in der Wüste glücklich befreit.
29. Juli 1860.
13. Zu Hesychius und Josephus.
Rheinisches Museum 1864 Jahrg. xix S. 471—473.
471 Zwischen äaenroy und dadpiov steht in der Marcianischen
Handschrift des Hesychius eine Glosse, die Musurus, sicherlich
nur weil er sie nicht zu entziffern vermochte, durchstrichen bat
und die daher, wie alles von Musurus durchstrichene , in der
472 nach jener Handschrift | veranstalteten aldinischen Ausgabe ver-
misst wird, also auch in der Alberti'schen, welche so gut wie
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18. Zu Hesychius und Josephus 297
alle früheren Ausgaben von der Aldina abhängt. Erst Schow
hat die verschollene Glosse hervorgezogen und nach seinen An-
gaben hat sie der neueste Herausgeber, Moritz Schmidt, dem
Text (l p. 297) einverleibt in folgender bloss die Züge der Band-
schrift wiedergebenden und auf Lesbarkeit verzichtenden Gestalt:
_ i
d(Tap6d, V IT 'louba mit der Note: Delevit Musurtis; vö|Lii(7|Lia
napa "loubatoi^ coniecit Schowvus; neque displicent haec Stickelio
nostrOj cum ^^n^y sit decima pars sc. drachmae, idem ergo
quod d(7(7äpiv. Wohlweislich hat der Herausgeber sich gehütet,
für seine eigene Person Gefallen an der Schow'schen Lesung
zu bezeigen. Denn obgleich das Gompendium N. in der byzan-
tinischen Zeit für NoO|li)üio^ oder N6|Lii(7|Lia üblich war, so kann
doch die vorgebrachte Deutung des Wortes 'AaapOd nach sach-
licher Seite nicht befriedigen. Allerdings heisst »n-)i?y* Zehntel'
und eine jüdische S^hnermttnze könnte so benannt worden sein;
dass jedoch ein so benanntes Münznominal je existirt habe,
ist nicht nachgewiesen und wohl auch nicht nachweisbar; und
selbst wenn die Existenz sich belegen Hesse, so müsste noch
immer, da die glossae sacrae im Hesychius durchschnittlich aus
noch jetzt zugänglichen Schriften entnommen sind, zu vollstän-
diger Erledigung der Glosse die Stelle in einer griechischen
biblischen oder ekklesiastischen Schrift aufgezeigt werden, welche
die angebliche Zehnermünze unter jenem hebräischen Namen
'A(Tap6d erwähnte. Diesem wesentlichsten Erfordemiss, den Fund-
ort der Glosse zu ermitteln, wird nun aber genügt und zugleich
_ i
wird man ftir die Erklärung der Buchstaben v n Moüba auf ein
ganz anderes als das numismatische Gebiet geführt, wenn man
sich erinnert, dass bei Josephus, wo er die jüdischen Hauptfeste
beschreibt, folgendes zu lesen ist Äntiquit in 10, 6: 4ßbö|LiTi^ b'
4ßbo|Lidbo^ biaT€T€VTi|Li^vTi^ |Li€Td TauTTiv (das am 16. Nisan dar-
gebrachte Gerstenopfer) Tf|v Gucriav — aOrai b' elalv a\ tüjv ^ß-
bo|uidbu)v f]iiipa\ TeaaapdKovra Kd iwte — t^ ircvrriKocyTQ, f^v
*Eßpaioi 'AdapOd KaXoCmv — cniMaivei bk toOto irevr^Kocyrtiv — ,
iTpocrdTOudi Tip 8€«|> fipTov ktX. Dass das aramäische Wort
««nx?^ , welches dem hebräischen nyzy^ entspricht, an sich Test*
überhaupt bedeutet, aber schon in der frühesten nachbiblischen
Litteratur Kar' Hox^iv zur Bezeichnung des Tfingstfestes' vor-
kommt, ist von Bernard (bei Havereamp) zur Josephnsstelle aus-
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298 13. Zu Hesyohiiu nnd Josepbiu
fahrlich nachgewiesen und auch in Winer's Reallexikon (n. d.
W. Pfingsten n p. 244 der 3. Ausg.) berührt. An beiden Orten
fehlen die einschlagenden Aeusserungen Joseph Scaliger's, weiche
man hier gerne lesen wird, da sie einem Irrthum yorbengen,
zu welchem die Fassung von Josephus' Worten einen des He-
bräischen Unkundigen leicht verführen kann. Scaliger sagt (de
473 emend, temp. p. 645 f. ed. Col All) : \ nyzy proprie ad verbum est
iopvf], Notio verbi toO etpeiv est septis cohercere et circuanscri-
here. Idem verbum ~)^9 designai^ unde nn^y, qtu>d eo tempore
ab opere faciendo mantis abstineant atU se intra septa templi cO'
hibeant, tä ait David Kimhi (Wörterbuch u. d. W. nxy) ,..In hoc
vero Canone (eine hebräische Ealenderregel, die Scaliger dort
erläutert) est Pentecoste. Et sane veteres ludaei eo nomine nihil
aliud intelligebant quam TTevTiiKOCTTriv. losephtis libro lU cap. X
T^ iT€VTiiKO(yT^, f^v *Eßpaioi AZAPTA (so) KaXoöai, (nmaivei bk
toOto TTevTTiKocnTiv. n-j:p_., vd, ut ipse vüU^ ^^•^?, ^ quidem
TT€VTT}KO<TTi^, sed non ideo etymon est irevT^KOcTTTi. In der That
dürfen die Worte (niinalvci hi toöto TTevniKocy'rfiv, wenn man sie
dem Josephus und nicht einem unwissenden Interpolator za-
schreiben will, nur übersetzt werden ^Asartha bedeutet das
Pfingstfest', aber nimmermehr 'Asartha bedeutet den fünfzigsten
Tag'. Denn fi«*^")^?, fttr ein Zahlwort zu halten, würde eine Igno-
ranz im Hebräischen verrathen, wie man sie wohl in den Ety-
mologien des Alexandriners Philon antrifft, jedoch dem in Sprache
und Wissen seines Volks wohlunterrichteten Priester Josephus
nicht beimessen darf.
Hiernach ist es deutlich, dass die hesychische Glosse jenen
Worten des Josephus entstammt und den Buchstaben v nach
seinem gewöhnlichen Zahlenwerth zur Bezeichnung von Trevrrj-
Kovra anwendet. Der Abfasser der Glosse schrieb: *A(Tapeä,
vcTTyj (d. h. 7r€VTiiK0(JTi^) napä loubaioi^; die Buchstaben (Tttj oder
eine ihnen entsprechende compendiöse Bezeichnung der Ordinal-
zahl ward dann von späteren Abschreibern ausgelassen, oder
was bei der zuweilen» wie geklagt wird, gar derben Durch-
streichungsmanier des Musurus wohl denkbar wäre, Ton Schow
übersehen.
Mai 1864.
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MisoeUen 299
14. Gebraachsanweisnng fttr Labb&us' Glossen.
Bheinisches Museum 1862 Jahrg. xvn S. 159 f.
In den ^Kritischen Studien za Ennias', die Bergk jüngst 159
[1861] in den Fleckeisen'scben Jahrbflchern (liXXXm495) veröfifent-
licbt bat, ist anter Andenn Folgendes zu lesen (S. 503): 'it4bare
statt iuhar : s. Gloss. Labb, 268 iubare, auiffi f)Xiou, womit auch das
grieeb. Glossar 41 wie gewöbnlicb stimmt: aÖT^ f)Xiou, itibare;
nm so weniger ist daran zn ändern, man darf weder iubar nocb
ancb auttl ^Xiou schreiben '. Also, der Gleicblaut beider Glossen
soll die Form iubare, da nun zwei Zeugen fttr dieselbe auftre-
ten, gegen jede Aenderung siebern. — Jedocb mebr auf die in-
nere Wabrscbeinlicbkeit der durcb so manche Analogien em-
pfohlenen Form iubarBj nicht aber auf ihre äussere Bewährung
durch zweier Zeugen Mund würde Bergk sich berufen, und
zugleich wttrde fttr die 'gewöhnliche' Uebereinstimmung zwischen
Labbäus' lateinisch -griechischem und griecbisch-{lateinischem 160
Glossar eine sehr natürliche Erklärung sich ihm dargeboten
haben, wenn er die Einrichtung, von Labbäus* Sammlung aus
dem Vorbericht ihres Herausgebers hätte kennen lernen wollen.
Um Jüngere vor ähnlicher üebereilung zu bewahren, seien hier
die einschlagenden Worte Ducange's mitgetheilt; sie stehen auf
der ersten Seite des dritten unpaginirten Blattes der Pariser
Ausgabe von 1679 und lauten: Ita porro ille (Labbaeus) in eo
(opere) condendo versatus est, ut non modo ab Henrico Stephano
edita Glossaria simul contulerity sed et vocabüla quae in Onoma-
stico LaiinO'Oraeco et in Sylloge illa, cuit^ meminimtis, a Vulca-
nio publicatis (exstant), in eadem vocabülorum Serie admiscuerit^
hac observata indicationis ratione^ ut voceSy quae in LcUino-Oraeeo
Ohssario ex Latino-Gh-aecOj ac vicissim quae in Graeco-Latino
ex Graeco-Latino Henrici Stephani desumptae essent, nullo cha-
ractere designarentur: e contra vero, quae in Latino-Graeco ex
Grraeco-Latino exscriberentur, littera C denotarentur, qua Cyrüli
nomine inscriptum Glossarium innuitur: vicissim quae in Graeco-
Latino ex LcdinO'Graeco, littera P, qua Philoxeni nomen intdligi
datur; quae porro in utroque Glossario describuntur ex Excerptis^
littera E, quae ex Onomastico, littera 0, quae denique ex laudata
Sylloge, littera S denotarentur. Hierdurch wird also ausdrücklich
bezeugt, was freilich auch ohne Zeugniss der Augenschein jeden
Aufmerkenden lehren müsste: dass ganz dieselben Quellen und
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300 Miscellen
gaDz derselbe Stoff in Labbäus' griechiseb-lateinischem Glossar
vorliegen, wie in dem lateinisch-griechischen; der Unterschied
beschränkt sich lediglich auf das Voranstehen des lateinischen
oder des griechischen Schlagwortes; und da nun in Labbäus'
lateinisch-griechischem Glossar die Glosse iubare, auiffi f)Xiou mit
einem C yersehen ist, in dem griechisch-lateinischen dagegen
ohne Vermerk erscheint, so ergiebt sich, wenn man Ducange^s
Erklärung der Buchstabenbezeichnung auf den vorliegenden Fall
anwendet, dass nicht zwei Glossare, sondern nur das 6ine grie«
chisch-lateinische Glossar des Gyrillus als Autorität fbr itibc^e
in Betracht kommt. Es ergiebt sich femer, dass nicht ein sel-
tenes iubare durch auiffi f)Xiou erklärt, sondern das gewöhnliche
a\)fi\ fjXiou durch iubare übersetzt worden — ein Umstand, der
für die Frage nach dem Alter der Form iubare doch nicht ohne
Gewicht ist \
October 1861. * * *
15. Zu Horatius. An Herrn Professor Ritschi.
Rheinisohes Museum 1857 Jahrg. zi S. 627 f.
627 Bitte, theuerster Freund, tragen sie doch Einem, der ge-
rade nichts Wichtigeres zu thun hat, gelegentlich auf, in dem-
jenigen Gelass Ihres Bibliotheksgebäudes, wo 'rd Käpq)ii xal rä
cppÜTava' Horazischer Commentare und der (popurög Horazi-
scher Programme untergebracht sind, danach zu forschen, ob
Jemand es schon hat drucken lassen, dass die zwölfte Ode
des ersten Buches (Quem virum atä heroa) an poetischer
Lebendigkeit ungemein gewinnt, wenn man sie als Rede und
Gegenrede zwischen Horaz und Klio vertheilt Die drei ersten
Strophen enthalten dann nicht eine blosse Anrufung, sondern
eine fragende Anrede an die persönlich gegenwärtig gedachte
Klio. Und von der vierten Strophe {Quid prius dicam) bis zum
Schluss erstreckt sich der antwortende Gesang der Muse. Wie
viel feiner und wirksamer so manches Einzelne durch diese Auf-
fassung wird, fühlt wohl von selbst ein jeder Ftlhlende leicht
heraus. Als besondere Bestätigung mag jedoch hervorgehoben
1 (Auch in der Fortsetzung der * Kritischen Studien zu Ennias'
kehrt die Doppelgängerei eines Labbäischen Glossars noch ein paarmal
wieder, S. 628. 625. Zusate der Bedaction).
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16. Zu Horatins 801
werden, dass die Air Bentley und, so weit ich weiss auch für
alle übrigen bisherigen Erklärer unlösbaren Schwierigkeiten des
13. Verses Quidprias dicam solitis parentis laudibus mit öinem
Schlage verschwinden, sobald die Worte nicht dem Horaz, son-
dern der Elio in den Mund gelegt sind. Denn wenn die Muse
von ihrem parens spricht, so kann man an Niemand anders als
an Zeus denken, und die laudes lovis bilden ja in der That den
^gewöhnlichen' Gegenstand der Musengesänge, denn
Zflva Beujv irar^p' f[hk kui dvbpuiv
dpxö|ui€vai 8' ufiveOcTi Bcal XrJTOuai t' doibf)^,
"OcTCTov ktX. (Theog. 47). —
Aber allerdings, unverträglich ist mit dieser Auffassung
der 39. Vers. Die Muse kann nicht sagen gratus insigni rrfe-
ram camena. Ist jedoch gratus, wenn es nach der gangbaren
Ansicht, Horaz sagt, etwa untadlig? Hat schon Jemand den
Vorwurf kahler Leerheit beseitigt, den Peerlkamp diesem flicken-
den Epitheton macht? Und hat überhaupt schon Jemand den
historischen Wirrwarr in den beiden Strophen V. 37 — 44 so zu-
recht gelegt oder gerechtfertigt, dass man sie auch nur als Er-
zeugnisB einer unglücklichen Stunde des Dichters hinnehmen
könnte? |
Wer mir — und darf ich nicht sagen? wer uns — zugiebt, 628
dass alle übrigen Theile der Ode durch den vorgeschlagenen Per-
sonenwechsel gewinnen^ der kann sich durch das Masculinum
gratus in jenen problematischen Strophen nicht lange irren lassen.
Er muss vielmehr darin einen Verstoss gegen den sonstigen Bau
des Gedichts erkennen, also einen schlagenden Beweis, der zu
den verdächtigenden, von Peerlkamp aufgewiesenen Anzeichen
hinzutritt, um das Verdammungsurteil gegen diese Strophen un-
widerruflich zu machen.
Wie weit die Interpolation reiche, ob, wie Peerlkamp for-
dert, auch die neunte Strophe (V. 33 — 36) und sogar die mir
sehr schön scheinende zwölfte (V. 45—48) fallen müsse, oder ob
es genüge, auf V. 36 nobile letum gleich V. 45 crescit occulto,
folgen zu lassen, ob ferner etwa von Horazens Hand zwischen
V. 36 und 45 eine oder mehrere Strophen standen, die jetzt von
der Interpolation verdrängt sind — diese Frage muss ich den
Anfttllern des oben erwähnten Bibliotheksgelasses zu möglichst
endgiltiger Erledigung anheimgeben, da es mir hierfür jetzt an
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802 Mitoellen
Zeit und auf diesem Blatte, dem ich Ihre freundliche Aufnahme
gern durch seine Kürze sichern möchte, auch an Raum fehlt ^.
Breslau, 19. Januar 1857.
16. Zu Horaz (Ode n 1).
RheiDisches Museum 1657 Jahrg. xn p. 630, auch in F. RitsobPs
Opuscuia phüol m 614 f.
[Ritschl's Antwort auf vorstehendes Schreiben — den Anfang derselben
findet der Leser unten in der Anmerkung — hatte sich zu einer Analyse
der Horazischen Ode an Pollio (n 1) erweitert, die er im Winter 1856 — 57
im philol. Seminar eingehend hatte behandeln lassen. Es war ihm dabei
unausweichlich erschienen in Y. 21 Peerlkamp's mdare statt audire anzu-
erkennen, obwohl er Bernays' Bedenken voraussah, wie die Schlussworte
zeigen : * Schütteln Sie aber etwa den Kopf über die (urma Hncta eruort-
dtM und das sudare iam video duces^ so habe ich darauf für jetzt nichts
weiter zu sagen, als dass ich mir nach vielfältiger, gewissenhafter, in
jahrelangen Zwischenräumen wiederholter üeberlegung eben nicht anders
zu helfen weiss, und dass mir auch kein Anderer — so weit sich Andere
überhaupt haben vernehmen lassen — hat anders helfen können. Oder
können Sie es?' Ritschi hatte sich nicht geirrt in seiner Annahme, bei
Bern, auf Widerstand zu stossen. Bemays' briefliche Entgegnung fand
öffentliche Beantwortung durch Ritschi Rhein. Mus. xu 457 f. (opusc. m
611 f.), deren Anfang und Schluss ich hersetze, weil sie den Inhalt dea
B.'schen Briefs recapituliren : *Dass das Peerlkampische sttdare bei Horaz
n 1, 21 als Yerbum keineswegs durch die Beispiele von sudor geschützt
werde, ist sehr wahr, und dass der Römer ein sudare im edeln Stil eben
so wenig vertragen habe wie der Deutsche neben dem * Seh weiss der Edeln*
auch * schwitzende Feldherm *, könnte sehr wahr sein, müsste es aber nur,
wenn sich die Sprachen nothwendig deckten*; zum Schluss: 'Das wäre
wohl allenfalls genug, um ein Sudare magnos iam video ducea als eine des
Horaz ganz und gar nicht unwürdige Ausdrucksweise zu rechtfertigen und
die überzarten Bedenken des Skeptikers zu beschwichtigen, von dem Sie
Meldung thtm ; aber freilich ist es nicht genug, um die Co^jectur des
^ ('Zu meiner Schande muss ich gestehen in dieser 6uabid£o6o<; iro-
Xu|i^peia (wobei Sie nicht nothwendig an Galen ischen Sprachgebrauch za
denken brauchen) auch nicht so zu Hause zu sein, um die wichtige Priori-
tätsfrage zu entscheiden. Ich denke, wir lassen es ruhig darauf ankommen,
ob sich einer um die irpurreta meldet, und trösten uns im ungünstigsten
Falle mit der Gewissheit, dass der tiefeingefressene Rost des Schulvor-
urtheils von der intacten üeber lieferung Horazischer Poesie nicht oft und
scharf genug mit Feile und Scheidewasser angegriffen werden kann .....*
Friedr, Bitsehl).
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16. Zu Horaz 808
HoUändischen Kritikers gegen eine gleich gute andere oder eine noch
probablere aufrecht zu halten. Ihnen ist, wie Sie mir in diesem Juni
[1857] schreiben, der Gedanke ^n Anteire tnagnos iam video duces gekom-
men, in dem Sinne *dem Heere vorausschreiten' : und darum wird es für
Sie ein besonderes Interesse haben zu erfahren, dass mir im Mai ganz
denselben Gedanken ein lieber alter Freund mittheilte* . . . Die Replik auf
diese Entgegnung Ritschl's ist der folgende kleine Aufsatz].
Man braucht nicht so zimperlich zu sein wie englische
Ladies, welche die Nase rttmpfen wenn Jemand to transpire
aach nur im Sinne ^bekannt werden' gebraucht, um dennoch
durch Rh. Mus. xn 458 nicht überzeugt zu werden. Denn das
Anstössige liegt in dem Verbum sudare neben video, Dass
Einem das Schwitzen so recht eigentlich yor Augen gestellt sei,
will dem Geschmack des Unterfertigten nicht eingehen, und dass
ein so wortwählender Odendichter wie Horaz gesagt habe: 'ich
sehe grosse Feldherm schwitzen' erklärt er nicht eher zu
glauben — als bis — er es sehe. Die Beispiele von sanguine su-
dare treffen nicht ganz, weil hier durch sanguine die ganze Phra-
se eine metaphorische Milderung erfährt. Die Stelle aus Statins
ttber Hylas ist schwerlich beweisend für den OdenstiP; sie er-
zählt; und wenn man einmal dies erzählen will, wird man es
auch im Deutschen nicht anders sagen. Labore Cyclopum suda-
tum thoracem ist eben kyklopisch. Wenn aber Glaudianus sagt
sudatas vomere messes, so ist dies so unnatürlich schief, oder
wenn er gar sudata marito fünda sich erlaubt, so ist dies so un-
reinlich gesagt, dass man hier, wie auch sonst, daran erinnert
wird, dass er in Alexandria geboren und Latein nicht seine
Muttersprache war. Horaz würde dergleichen zusammengestellt
haben mit
Furius hibemas cana nive conspud Alpes,
*Der Skeptiker'.
17. Horatianum.
Rheinisches Museum 1848 Jahrg. vi S. 187 f.
In novis quaestionibus Horatianis suis Eirchnerus ex codice 137
Gothano 2^ noto&ttem, ut ait, neque ab ullo adhuc proditam car-
1 'Verwesen' ist an sich ja ein unverfängliches Wort. Und doch
wird keiner das Lachen unterdrücken können, wenn Klopstock in der be-
kannten Ode singt :
'Wenn von der Radikin fem der redliche Gramer yerwea't*.
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804 lÜBoellen
minis saecularis Horatiani inscriptionem protulit haue (p. 24):
Incipit Carmen seculare qaod patri | meo et matri
meae cantaveratn ad chorum pnerorum puellaramque
ad Apollinem et Dianatn proseutice tetracolos. Ad ha-
iusque normam eandem inscriptionem minus plene ex codice Men-
teliano a Gudio sie exscriptam: Incip. Sclare. carm. qd. pa-
tri. ne. cantaver. ad chorum puellaramque ita constitait
(p. 45): Incipit saeculare earmen qaod patri meo canta-
ver am. Unde coUegit haec (p. 24): Hdec ipsa a Vettio Agario
ptUo fuisse addita, unde si non cdia Horatii cannina, at saltem
Carmen saeculare üla aetate etiam decantari solüum^ si non Ulis
quibus olim compositum esset^ od suis certe ac propriis modis coüi"
gitur. Quo invento postea (p. 65) utitur, abi tetrastropham car-
minum compositionem inde explicat qaod Horatias ea ad lyram
cantari volnerit. — lam novo exemplo intellegimas ex leviusculo
scribendi mendo uberem graviorum errorum segetem pallalare.
Neque enim ipse Eircbnerus, postquam semel indicatum erit,
negaverit sab patri meo et matri meae latere patrimi et
matrimi. Significatur aatem ab eo, qui proximis ab HorcUio
saeculis (v. Eirchn. p. 66) inscriptiones singulorum carminnm
confecit, virgines illas quas dicit Horatius carm. saec. v. 6 ledas
puerosque castos tales fuisse quibus patres et matres adhue vi-
verent (v. Paul. Diac. s. v. matrimes\ sive, ut est in oracnlo
Sibyllino de ludis saecularibas edito (apud Zosimum n c. 6
V. 22), oT^ d|Li(piBaXf|^ (.tx (pvT\r\. Corrigenda igitur est tota illa
inscriptio sie: Incipit Carmen saeculare qnod patrimi
et matrimi pueri puellaeque cantaverunt ad choranoi
ad Apollinem e. q. s. vel, quaecumque alia verborum confor-
matio placebit, modo ne quid de Vettio Agorio sexto post Cb.
saeculo earmen saeculare cantante inferatur.
18. Horazens Bote an Augustus.
Rheinisches Museum 1862 Jahrg^. xvii S. 313—315.
313 'Hat je ein Mensch Schwarz-Erd geheissen'? — Durch
diese kindlich einfache Frage ist jüngst David Friedrich Stranss
zu dem einleuchtenden Ergebniss gelangt, dass Melanchthon in der
That nicht 'Schwarz-Erd' sondern Seh warzer t (wie Graue rt,
Weissert u. a.) geheissen habe und nur behufs klangvollerer
Gräcisirung das Suffix — ert, als wäre es Erd', durch Chthon
übersetzt worden sei.
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Miscellen 805
Eine ähnliche Frage haben mit sehr unähnlichem Erfolg
die Herausgeber der suetonischen Biographie des Iloraz sich
vorgelegt, als sie den Anfang eines der dort citirten BriefiErag-
mente des Augustns an Horaz in den alten, meist aus dem 10.
Jahrhundert stammenden, Handschriften so geschrieben fanden:
Pertulit ad me Onysius libellum tuum. Hat je ein Mensch Ony-
sius geheissen? Und flugs nannten ihn Nannius und Muretus
Dionysius. Ihnen sind bis in die neueste Zeit alle Herausgeber
sowohl des Suetonius wie des Horaz gefolgt; nur in diesem Mu-
seum VI 441 wurde noch von Jemandem Onesimas vorgeschlagen.
Es ist schwer zu sagen, ob das kritische Gefühl durch die diplo-
matische Wohlfeilheit der Aenderung mehr von Dionysius abge-
schreckt wird, oder von Onesimus durch dessen | diplomatische 314
Bedenklichkeit; für keinen von beiden Namen bietet sich ein An-
halt dar in dem Kreis horazischer Freunde und Hausgenossen,
aus dem doch so viele Mitglieder bekannt sind; und unter diesen
Umständen haben die zwei allerjüngsten Herausgeber des Sue-
tonius (Roth S. 298, 14; Reifferscheid S. 47, 7) gewiss wohlgethan,
dass sie den handschriftlichen Onysius unangetastet, wenngleich
unerledigt, in den Text gesetzt haben.
Aber nun kehrt die frühere Frage zurück: hat je ein Mensch
Onysius geheissen? — Beantworten wir sie durch die Gegenfrage:
Müssen alle Menschen so heissen wie sie Einmal genannt werden?
In den ciceronischen Briefen z. B. wird wiederholt Jemand Sam-
psiceramus genannt, der, wie man Lesern dieser Zeitschrift nicht
erst nachzuweisen braucht, Cn. Pompeius Magnus hiess. Sollte
es etwa mit dem Namen des Boten, welcher dem Augustus einen
Band horazischer Werke überbrachte, eine ähnliche Bewandniss
haben und unter Onysius jener Vinius gemeint sein, welchem Ho-
raz in der dreizehnten Epistel des ersten Buchs Verhaltungsre-
geln giebt, wie er die ihm anvertrauten Gedichte dem Fürsten
nur in gelegener Stunde zu überreichen und sich bei diesem
delicaten Geschäft vor jeder 'Eselei' zu hüten habe, die sein
Asinae patemum cognomen (V. 8) in lachenerregende Erinnerung
bringen könnte? Kam diese Epistel, wie doch wohl anzunehmen
ist, zugleich mit der Odensammlung, auf welche sie sich bezieht,
in Augustus Hände, so stimmt es zu dem sonstigen witzelnden
Ton der augusteischen Briefe an Horaz, dass der Imperator auf
Horazens Spiel mit dem Namen des Boten einging und nun
seinerseits iür den Vinius Asina einen griechischen Namen 'Ovu-
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806 Muoelleii
otoc erfand, ans welchem dvog eben so unverkennbar hervor-
blickt, wie ihm der nahe Anklang an Aiovumog einen Schein
onomatologiscber Geläufigkeit verleiht ^ Dass der Imperator sich
griechischer Würzmittel fllr seinen Briefstil gern und bis znm
Uebermaass bediente, zeigt der weitere Verlauf dieses Brnchstttcks
und fast jedes der übrigen von Suetonius angeführten.
Wenn von der augusteischen Briefsammlung, die noch Pe-
trarca in Händen gehabt hat, einmal mehr als jetzt vorliegt ent-
deckt werden sollte, so kann vielleicht diese Beziehung des
Onysius auf den Vinius der Episteln ein Interesse für die Chro-
nologie der horazischen Werke gewinnen, und es verlohnt sich
daher wohl der Mühe, noch ein Wort gegen den etwaigen Ein-
wand zu sagen dass Augustus ja von dem Onysius einen libellum
empfangen, Horaz dagegen durch den Vinius ItbeUos (V. 4) und
Volumina (V. 2) geschickt habe. Wer so die Ein- und Vielzahl
pressen wollte, der sei auf den weiteren Inhalt des augusteischen
Briefes verwiesen, in welchem über den geringen Umfang der
horazischen libelli geklagt und gescherzt wird (vereri autem mihi
videris ne maiares libdli tui sint quam ipse es), Augustus konnte
815 also, um die kleine Quantität der horazischen Sendung! zu be-
zeichnen, wohl in den Eingangsworten des Briefes die drei Bü-
cher der Oden, um die es sich handelt und die in der Hanpt*-
schen Ausgabe trotz der reichlichen Spatien kaum 120 Duodez-
Seiten einnehmen, zu einem libellus singularisiren, obgleich Horaz,
gemäss dem Tone seiner Epistel (V. 6 gravis sarcina) sie pln-
ralisirt hatte.
Januar 1862.
19. Zum Carmen ad Messium.
Rheinisches Museum 1863 Jahrg. zvm p. 320.
[Ritschi hatte im Rhein. Mus. xvin 138 ff. (opusce, m 802 ff.) Yer-
besserungsvorschläge zum Carmen de ßguris verBffentlicht, und dabei S. 140
in Y. 83 folgendes Zwiegespräch hergestellt
*Caedet me': 'tolera*. *nex imminef: 'emorere, inquam'].
820 Sollte nicht in den oben S. 140 behandelten Spuren der
Handschrift ne si minor emorere vielmehr dieses liegen:
* (Und es war nicht einmal erfunden, dies 'Ovüaio^. Ans einer
neuentdeckten spanischen Inschrift weist E. Hühner den Namen eines
Freigelassenen Onysianus nach in dem ArchSoL Anzeiger 1865 p. 86 f., s.
jetst CIL II n. 3286 p. 446).
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19. Zum eannm ad Mesimm 807
Ä, Caedd me. B. tolera. A. vel st moriarf
B. morere^ ingucan.
d. h. *8oII ich mich prügeln lassen, auch wenn ich an den Prtl-
geln sterben werde?' Nachdem einmal das dreisilbige tnariar
zu minor verderbt worden, ward zur Gewinnung der fehlenden
Silbe emarere geschrieben.
20. Verzeichnung der Wunder in den römischen
Annalen.
Rheinisobes Museum 1857 Jahrg. zn S. 486—438.
Des Julius Obsequens Wunderbttchlein trägt in der Aldi- 486
nischen Ausgabe, welche jetzt die Stelle der verschollenen Hand-
schriften vertreten muss, folgenden Titel: lulii Obsequentis ab
anno urhis conditae quingentesimo quinto prodigiorum liber tm-
perfectus. Durch das letzte, offenbar von Aldus oder einem Ab-
schreiber herrührende Wort hat Jahn sieb, wie billig, nicht ab-
halten lassen, den ganzen ttbrigen Theil des Titels als echte
und ursprüngliche Ueberlieferung anzuerkennen, und eben so
richtig hat Mommsen (Livii periochae ed. lohn p. xx) das Da-
tum 505 d. St. daraus erklärt dass Obsequens in einem uns ver-
lorenen Buche des Livius es ausdrücklich gesagt fiand, erst mit
jenem Jahre habe die regelmässige und amtliche Aufzeichnung
der Wunder begonnen. Wie unantastbar nun, blos auf das
äussere Zeugniss hin, jene Jahreszahl für jeden Besonnenen
feststehen muss, so kann es doch für die Schwachen nicht über-
flüssig und Niemandem unangenehm sein, wenn ihr auch eine,
bisher noch nicht versuchte, innere Bewährung aus geschichtli-
chen Thatsachen zu Theil wird. — In das varronische Jahr 505,
P. Claudio Pidchro L. lunio PüUo Coss,, fällt die Feier der so-
genannten dritten, thatsächlich, wie Roth (in diesem Museum
vm 372) nachgewiesen hat, ersten Säcularspiele. Gerade Li-
vius, I also der Autor welchen Obsequens excerpirt, wird von 487
Censorinus (c. 17 p. 47, 7 ed. lahn) als Zeuge dafür genannt
Beängstigende Wundererscheinungen hatten sich gehäuft in je-
nem Jahr 505, dem sechszehnten des ersten punischen Krieges,
welches durch die Vernichtung der römischen Flotte bei Dre-
pana so verhängnissvoll ward; namentlich wird berichtet (s. Roth
a. a. 0.) dass der Blitz in die Mauer Roms eine Lücke riss.
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808 20. Wunder der römischen Annalen
Die beklommeDen Gemttther suchten nach einer beruhigeDden
Erklärung der Schreckenszeichen; und sie bot sich dar in der
etruskischen Lehre, dass die Scheide zweier Saecula, welche dem
Menschen verborgen sei, von den Göttern durch mahnende Wan-
der angekündigt werde (Censorinus, wohl aus Varro, c. 17 p. 44,
12 portenta müti divinitas^ quibus admonerentur homines unum
qiAodque saeculum esse finitum). Hiemach durfte man, sobald das
wunderreicbe Jahr als ein säcularisches erkannt und gefeiert
worden, die Bestimmung der ungewöhnlich grossen Wundermenge
als erfüllt ansehen und die bösen Ahnungen konnten sich be-
schwichtigen. Demgemäss ward, nach genommener Einsicht in
die heiligen BQcher, verordnet dass eine vor Zeiten auf dem
Tarentumfelde zur Versöhnung des Dis und der Proserpina ab-
gehaltene Feier in periodisch wiederkehrende Säcularspiele am-
zuschafifen und als solche in diesem Jahre zu begehen sei. —
Hat also erst das wunderreiche Jahr 505 der etruskischen, von
Wunderbeobachtung unzertrennlichen Säculartheorie feste Gel-
tung im öffentlichen römischen Gultus verschafft, so tritt damit
in schönsten Zusammenhang, dass erst von diesem Jahre an die
Pontifices sich veranlasst sahen, den Wandern eine stehende
Rubrik in ihren Annalen einzuräumen, und dass Livius dies
irgendwo in der zweiten Dekade, wahrscheinlich dem 19. Bnche
klar genug gesagt hat, um selbst von einem Obsequens die Be-
folgung dieses Fingerzeigs beim Anlegen seiner Excerpte zn er-
zwingen. Zugleich begreift man nun auch, weshalb in der er-
sten Dekade des Livius die Wunder verhältnissmässig so überaus
dünn gesäet sind, und wo möglich noch bestimmter als früher
weiss man, was von den etwa zehn oder zwölfen, welche sich
dort dennoch finden, zu halten sei. Nicht einmal Ehrenberg,
der sonst dergleichen zu naturwissenschaftlichen Zwecken so
nützlich I verwendet, kann fortan von dem Fleischregen im 10.
Capitel des m Buches Gebrauch machen ; unter den Historikern
und Philologen aber müssen die 'redenden Menschen', welche
sich kein Iota vom Livius wollen rauben lassen, für die redende
Kuh in eben jenem Capitel des Hl Buches noch ritterlicher
kämpfen als sie bisher gethan.
Breslau. ^
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MiBcellen 809
21. Cicero ttber die Jaden.
Rheinificbes Maseam 1857 Jalirg. xii S. 464—466.
Die Schlussworte von Cicero's vielbesprochenem Ausfall 464
gegen das jüdische Volk {pro Flacco c. 28 § 69) lauten in den
späten und geringen Handschriften, welchen dieser Theil der
Flaceiana entstammt, folgendermaassen : Siantihtis Hierosolymis
pacatisgue Itidaeis tarnen istorum religio sacrorum a splendare hu-
iu8 imperiij graviiate nominis nostri^ maicrum instÜutis abhorre-
bat: nunc vero hoc magiSj quod illa gern quid de nostro imperio
sentiret oatendit armiSj quam cara dis immortalibus esset docuit
quod est victa, quod elocata^ quod servata. Aach die neueste
Bearbeitung Baiters hat sich begnügt, blos an servata, dessen
Unmöglichkeit freilich schon der äusserlichsten Betrachtung des
Zusammenhangs nicht entgehen kann, herum zu bessern und es,
nach dem Vorgang Anderer, in serva zu ändern. Aber bei ei-
niger Erwägung der betreffenden geschichtlichen Verhältnisse
muss die Unmöglichkeit von elocata ganz ebenso zwingend her-
vortreten. Nicht von Pompeins, dessen Einzug in Jerusalem
(691 a. u. = 63 a. C7.) hier besprochen wird, sondern erst acht-
nndsechszig Jahre später von Augustus (759 a. u. = 6 p. C.)
ward Judaea | zur römischen Provinz gemacht; bevor dies gesche-465
hen war, konnte natürlich von keinem 'Verpachten' der Einkünfte
seitens der römischen Finanzverwaltung die Rede sein; und
weder vorher noch nachher konnte, selbst wenn von Verpachten
der Einkünfte mit Recht geredet ward, nun auch gleich das
'Volk' (gens), wie hier geschieht, ein 'verpachtetes' genannt
werden. Nach dem bereits von Grävius Gesagten bedarf es
hierüber weiter keines Wortes für die in historischen Dingen
Urtheilsfähigen ; vor einem sprachkundigen Forum aber haben
die in manchen Wörterbüchern erwähnten 'Einige*, welche, um
jener Schwierigkeit zu entgehen, eine nie erhörte Bedeutung
'aus der Heimath versetzen' für elocare ersannen, nicht
einmal auf Widerlegung Anspruch ; und endlich muss jedes,
durch Praxis etwas geschärfte, kritische Gefühl von vom herein
spüren dass in Fällen wie der vorliegende die blosse Buchstaben-
manipulation nicht zum Ziele führt. Der Schaden liegt tiefer.
Cicero schloss seine Periode mit den Worten: quam cara dis
immortaiibus essä^ docuit quod est victa. Er verbindet den echt
römischen Hochmnth, welcher die Unterwürfigkeit aller andern
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810 21. Cioero über die Jndea
Völker wie von Bechtswegen fordert, mit einem echt heidnischen
Argamentiren aus dem Erfolg, und sagt : ^ Was diese Nation von
unserer Reichsherrlichkeit hält, hat sie dadurch gezeigt, dass
sie die Waffen erhob, und wie theuer sie den unsterblichen Göt-
tern ist, kann man daraus erkennen dass sie besiegt worden'.
Der Hohn der letzten Worte richtet seinen eigentlichen Stachel
gegen die Voraussetzung dass die ceremoniöse jüdische Fröm-
migkeit durch ganz Yorzttglich augenfälligen göttlichen Schutz
belohnt werde — eine Voraussetzung die seit der Zeit des Ma-
rius, wo der jüdische und andre orientalische Gülte immer tiefer
in die römische Gesellschaft eindrangen, gewiss von vielen Rö-
mern und von noch mehr Römerinnen gehegt wurde. Und die-
ser Hohn war es nun auch, was einen Juden — oder wie bei
der Gemeinschaft der religiösen Interessen, welche in den ersten
Jahrhunderten zwischen Juden und Christen dem Heidenthnme
gegenüber bestand, mit gleicher Wahrscheinlichkeit vermnthet
werden darf — einen Christen veranlasste, den ciceronischen
Worten eine parodirende Randbemerkung gegenüber zu stellen.
^6 Es ward darin der Unterschied | zwischen dem heidnischen Göt-
terhaufen (Dt) und dem einigen biblischen Gott (Deus) hervor-
gekehrt, und dem Pochen auf die gegen Judaea siegreichen Le-
gionen ward ein Paroli geboten durch Hinweisung auf die ge-
schichtlich wunderbare^ Erhaltung^ (servata) des jüdischen Volks.
Cicero hatte gehöhnt: *die Besiegung dieser Nation zeigt, wie
theuer sie den Göttern ist*, quam cara dis immortalibus
easet^ dacuU quod est victa. Und der Jude oder der Christ sagte
dagegen: 'wie theuer sie Gott ist, zeigt ihre Erhaltung*, quam
Deo cara, quod servata. Bei einer in den Text gerathenen
Randbemerkung und bei der häufigen Abbreviirung der Parti-
keln quam und quod braucht die Annahme dass quoddocata ent-
standen sei aus quamdeoeara nicht erst als eine kühne gerecht-
fertigt zu werden.
Breslau.
22. Zu Cicero De re publica.
Hermes herausg. von E. Hübner 1869 Band m 815 f.
816 In dem zweiten Ciceronischen Buch vom Staat lässt noch
die neueste Halm'sche Ausgabe den Africanus u 29, 51 p. 807, 30
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Misoellen 811
sagen: i^MKrt prima sü haec forma et species et origo tyranni,
inventa nobis in ea re publica^ quam auspicato Bomülus eondi-
deritj non in üla quam, ut perscripsit Plato, sibi ipse Socrates
peripatetieo lUo in sermone depinxerit Dass ein sokratisch-
platonischer Dialog nimmermehr von Cicero ein 'peripatetischer',
d. h. aristotelischer, genannt werden konnte, braucht wohl nur
gesagt und nicht weiter bewiesen zu werden. In dem Palimpsest
erkannten die verschiedenen Vergleicher folgende Zuge: PERI-
PEATETO. Darin liegt tripertito. Bekanntlich sind die Dia-
loge Politeia, Timaeos, Eritias nicht erst Ton späteren Gramma-
tikern, sondern von Piaton selbst zu einer Trilogie | verbunden dl6
und sollen in der That nur ein einziges, Mn drei Theile zer-
fallendes Gespräch ' bilden.
Bonn.
23. Zu Sallust.
Bheiniflches Musenm 1860 Jahrg. zv S. 168.
Hat es schon Jemand gesagt dass lugurih. 41 § 7 penes 168
eosdem aerarium^ pravineiaey magistraJtuSj gloriae triumphique
erant^ wo gloriae^ selbst wenn man gegen den Plural nichts sa-
gen will, doch als Abstractum unter so vielen concreten Dingen
störend wird, zu schreiben ist loreae? lieber laurea in ihrer
Beziehung auf einen siegreichen Feldherm und in ihrem Unter-
schiede von triumphus bedarf es wohl nicht erst vieler Worte.
24. Ein Schreiben ttber Trogusfragmente an Prot
Bitschl.
Rheinisohes Mnseam 1866 Jahrg. z S. 298—298.
Theuerster Freund.
Durch wunderliches Zusammentreffen fügte es sich, dass 293
im vorigen Winter, da Sie eben die Talimpsestblätter zu Cicero
de fato^ mit zweckmässigen Aetzmitteln behandelt hatten \ mir
ein Bekannter die Bielowski'schen Fragmenta Trogi P(>mpeii zur
Durchsicht gab. Nur das grössere Stück, fr. SO p. 27, zog meine
1 [Rhein. Museum xz 469 ff. as 0pu9C, nx 674 ff.].
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812 Misoellen
Aufmerksamkeit auf etwas längere Zeit an; es sollte unFeränder-
ten Wortlaut des Trogus darbieten; und als ich das Büchlein,
dessen Besitz ich keineswegs begehrte, meinem Bekannten wie-
der zustellte, trug ich jenes Stück, um der Guriosität willen, auf
ein leeres Vorsetzblatt meines Justin ein, Hess die Aendernngen
welche der Herausgeber gleich in den Text aufgenommen un-
beachtet, unterstrich Einiges das mir besonders aufgefallen war,
und fügte ein Paar kurze Bemerkungen hinzu. Hier lesen Sie
was ich damals notirte:
'Trogtis Pompeius de hello Gothorum: Etsi michi hnge io-
eundius fuisset Italiae fdicüatem quam elades referre^ tarnen
quia tempora sie ttderunty sequemur et nos fortunae mutabili-
totem Oothorumque invasianis describemus dolorosam pro-
294 B feeto manum sed pro cognitione ülorum \ temporum neces-
sariam. Neque enim Xenophontem Atheniensem summo ingenio
virum cum obsidionem et famem ac diruta moenia Athenarum
descripsity non dolentem id fecisse reor; scripsit tarnen, quia
utüe ptdabcU illarum verum memoriam non deperire, Neque
10 Livius noster cum urbem a GaUis captam et incendiis con-
ßagratam refert, minorem meretur laudem quam cum Pauli
Aemüii triumphum ülum praeclarum de Macedonibus out Publii
Africani victorias enarrat. Historiae quippe est tam prospe^
ras quam adver sas res monimentis literarum mandare; üaque
16 optanda quidem meliora, scribenda vero quaecunque contigerunt,
Givitates in Italia omatissimae magnis opibus mägnaque
auctoritate viguerunt hactenus hodieque vigent^ quarum
gloria et Imperium longe lateque extenditur. Taceo morum
elegantiam humanitatemque praecipuam ac bonarum artium
ao disciplinas in quibus parens scilicet et alumna incompara-
bilis Italia reperitur, Sed commendationis aliud fiat tempus. —
Seltsam dass Trogus, dessen Grossvater ein vocontischer Gallier
gewesen, so von dem Gallischen Brande spricht, wie hier Z. 10
geschieht. Ferner seltsam, dass Trogus, der, wie jeder aufmerk-
same Leser auch noch aus dem Justin erkennt, gar nicht so
überaus innige Sympathien für Italien und Rom gehegt, viel-
mehr einem gewissen Provincial- Patriotismus gehuldigt hat, nun
plötzlich ein so weinerliches Präludium anstimmt, weil er von
den elades Italiae (Z. 2) erzählen soll. Endlich seltsam, dass
der Trogus aus dem augusteischen Zeitalter, wo Italien doch
wenigstens von ELleinstaaterei nichts zu leiden hatte, einen Plu-
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23. üeber Trogusfragmente 919
ral civitates in Itdia kennt, die alle nicht blos grosse Macht
and grosse Autorität sondern sogar Imperium haben quod
lange lateque extenditur (Z. 18). Welche civitas ausser Rom hatte
denn damals ein imperium? Doch dieser Plural ist nur selt-
sam für einen Zeitgenossen des August; durchaus natürlich ist
er für einen Italiener des fünfzehnten Jahrhunderts, dem Veneldig, 295
Florenz u. s. w. die Berechtigung geben den einzelnen civitcdes
seines Vaterlandes imperium zuzuschreiben. So wird denn wohl
auch Gothorum der Handschrift beidemal (Z. 1, 4) richtig, die
Bielowski'sche Aenderung Getarum falsch und das Ganze nichts
Anderes sein als ein Stückchen Einleitung zu einer modernen
Geschichte der Gothen-EinfäUe in Italien. Eine Geschichte dieses
Inhaltes hat — \
Doch ich unterbreche das Abschreiben, und will Ihnen lieber
erst sagen was mich jetzt wieder auf diese Dinge führt. Ich hatte
gestern etwas in Bd. LXX 1 der Jahrbücher für Philologie und Pä-
dagogik zu suchen und gerieth nebenher auf die dortige Bespre-
chung des Trogusbüchleins. Der Verfasser derselben [F. Osann],
ein auf vielen Gebieten bewanderter und auch in den Schriften der
älteren italienischen Philologen bekanntlich wohlbelesener Mann,
meint von dem fraglichen Stück 'es sei anzunehmen dass wir
hier die Worte des Schriftstellers (Trogus) in ziemlich originaler
Fassung vor uns haben' S. 62, schreibt dann Alles hin wie es
bei Bielowski steht, unter Beibehaltung der zweimaligen Aende-
rung Getarum, und bemerkt: 'Von weiteren Betrachtungen, zu
welchen diese inhaltreiche Stelle Veranlassung geben könnte,
absehend, will Ref. nur hervorheben, was der Hr. Hg. mit Wahr-
scheinlichkeit annimmt, dass unter der erwähnten Invasion der
Geten diejenige gemeint sei, welche zur Zeit der Schlacht bei
Actium stattfand und dass als Trogus schrieb, Livius sein Werk
bis zu diesem Ereigniss noch nicht vollendet oder wenigstens
nicht veröffentlicht hatte'.
Damit nun weiteres Unheil verhütet und nicht etwa Tro-
gus gar aufgeführt werde als ein Zeuge in der grossen ethno-
graphischen Frage über Geten und Gothen, habe ich mich heute
Morgen auf der Bibliothek nach der Schrift des Leonardus
Aretinus de hello Italico adver sus .Gothos umgesehen. Ich
fand sie am Schluss folgender Sammlung: Zosimi Comitis et Ex-
advocati Fisci Historiae novae lihri VI numquam hactenus edüi:
Quibus addiiae sunt historiae Procopii Caesariensis , Ägathiae
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814 MiMeUen
Mtfrrinaei, lamandis Alani, Zosimi libros lo. Leundaius primus
a& 86 repertos de Graecis Latinos fecit, AgcUhtam redmtegravU^
296 ceteros \ recensuü. Adiecitnus et Leonardi Aretini rerum Goihicor
rum commentarios de Graecis exscriptos. BasUeae ex ofßcina
Petri Pernae {s. a.).
In diesem Folianten p. 637 ist gedruckt zu lesen :
Leonardi Aretini in Libros De Bella Itdlico adverstis Crotkos^
Prooemium.
Etsi lange iucundius mihi fuisset, Italiae felicitatem, quam dades
referre: tarnen quia tempara sie ttUerunt, sequemur et nas fortunae
mutabilitatem Gathorumque invasianem et bellum qua Italia toia
paene eversa fuit^ in his libris describemuSj dolarosam pra^
feda materiam sed pro cogniiione iUorum temparum neeessa-
riam. Da könnten wir nun gleich beim ersten Satz dem Fälscher
des Trogusfragments httbsch in die Karten gucken, wofern wir
nämlich einen Fälscher vor uns haben. Die Worte des Aretinos
et bellum .., in his libris y welche auch ftlr den blödsichtigsten
Leser allzu verrätherisch gewesen wären, wurden ttberspruDgeo,
und statt des sinnlosen Gothorum invasianis .... manum (Z. 5),
wie Bielowski druckt, geschrieben: Gathorum invasionem descri-
bemuSy dolarosam prafecta materiam; Bielowski hat wohl nur
das Gompendium falsch aufgelöst — Im Folgenden steht bei
Aretinus dolenter statt dolentem (Z. 8); urbem Ramam statt
urbem, was ein Fälscher (Z. 10) aus handgreiflichem Grunde vor-
ziehen musste; und nach contigerunt (Z. 15) heisst es bei Are-
tinus: Me certe haec ipsa scribentem^ quanquam multapra singu^
lari amore mea erga patriam conturbant: tarnen iüa ratio
eonsalatur quad etsi res tunc maxime adversas lUüia perpessa
fuit; ad extremum tarnen super atrix extemarum gentium^ nostram
adusque aetatem terra marique potentissima remansit civitates-
que in ea arnatissimae magnis apibus magnaque aucto-
ritate viguerunt hactenus hodieque vigent; quarum glo-
ria et imperium lange lateque extenditur (= Z. 16 — 18):
%it non tam ingemiscendum sU pro his quae tunc acciderunt qua$i^
laetandum. Geu Herculem magni läbores cdebratiorem fecere
quam si numquam tam periculase laborasset. Dann folgt Taeeo
297 marum elegantiam etc, ganz so wie im Trogusfragment Z. 1 18 — 21,
nur dass Aretinus simul hat statt scilicet Z. 20 und fuerit statt
fiat. Auch hier liegt wohl unrichtiges Lesen der Gompendia zu
Grunde; fälschende Absicht vermag ich nicht zu entdecken. Ja,
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24. üeber Trognsfragmente 815
yielleioht ist ein solcher böser Wille auch in den erwähnten
Auslassungen, wo man ihn allerdings entdecken könnte, doch
nicht anzunehmen, sondern die betreffenden Worte des Areti-
nus wurden übergangen aus irgend welcher fllr uns gleichgilti-
gen Excerptorenlaune. Der Miscellancodex nämlich, aus welchem
das Trogusfragment stammt, enthält, nach Bielowski*s (p. 64) An-
gabe, auch Auszüge aus namentlich angeführten Neulateinem;
und so könnte gar wohl die Ueberschrift Tragus Pampeitis, statt
Leonardus Äräintis^ de hello Gothorum nicht von Fälscherlist ge-
schmiedet, sondern lediglich aus einer Verwirrung der Lemmata
entstanden sein, wie sie im Stobäus und in jedem derartigen
Sammelwerk so oft vorkommt.
Wenn Sie, tbeuerster Freund, von diesen Zeilen weiteren
Gebrauch machen, so lassen Sie doch auch Bielowski's einund-
dreissigstes Fragment hier ausschreiben^. Ich habe, wie gesagt,
das Büchlein nicht mehr zur Disposition, lese nun aber bei Osann
(S. 62), dass 'er auf die in dem Fragment vorkommende Form
permaximus aufmerksam machen will, wodurch diese bisher
dürftig belglaubigte Wortcomposition einige Stütze erhalten 298
würde ^ Also wohl keine andere 'Stütze' als die des Aretinus,
1 Es lautet also : DÜigerUia siqtUdem viri esty patricie suae originem
et pragre$8um^ et qttaecumque ülae per superiora tempora eontigerunt, non
ignorare* Habet praetereahistoriae eognitio voluptatem permaximamf cum
amnes narrcUa seire coneupiaeant, et utüitatem plarimam per exempla simi-
lium coeptarym atque exituum^ muUarumque rervm instrucÜKmem : qua senes
adokecentibua sapientioree existimantur, quum plura eonspexerint in oito,
et non ex suis tantum, verum etiatn ex dlienis pericuUe catUioree effeeti^
melius iudieant meUoraque eonsüia assumunt. Opes vero atque imperia
maximorum regum^ potentisaimorum popubrum, qui usque adeo facüiter
corruiBse Ugunt, hiy quam stultum sit, inteUigunt pro tUie euperbire ac glo-
rtari, quae nemo exploratum habere potest usque ad vesperam esse duratura.
Baque et sapientioree et modentioree nos hietoria effecit. Cod. me, Bibh
Oseol. Nr. 601, ibid. (nämlich f. 66 v.). Damit stimmt das Prooemium
des Aretinus Silbe für Silbe äberein bis auf die uachsteheuden Varianten,
deren Eenntniss dem polnischen Trogus- Erneuerer zu einigen nicht Übeln
Conjecturen oder richtigem Lesungen verholfen h&tte : iÜi für ülae — eoii-
tigerint — ignorare — voluptatem animi permaximam, welchen Superlativ
nun also wohl das nächste Attetarium lexieorum lat. zu registriren nicht
verfehlen wird — natura für narrata — multarum rerum — quoniam
plura — eonepexerunt — potentissimorumque — leguntur — superbire quae
— veeperas -^ Ita et ^ effiät, F. R.
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816 Misoellen
welcher im Verlauf jenes Prooemiums von dem Nutzen der Gre-
schichte spricht: Habet praeterea historiae cognüio voluptatem
animi pertnaximam, quum omnes natura scire concupiscant, ei
iäüüatem plurimatn per exempla simüium coeptorum atque eoA-
tuum etc. In Anschluss an diesen Glassiker und zur Rechtferti-
gung, dass ich Sie mit dergleichen behellige, erlaube ich mir
zu sagen:
Habet quidem huius historiae cognitio voluptatem animi
perminimam, quum omnes eiusmodi nugatores miserandi potius
sint quam ridendi, at utüitatem plurimam per exempla simüium
coeptorum atque exituum.
Breslau 14. Dec. 1854.
25. Herder und Hyginus.
Rheinisches Museum 1860 Jahrg. xv S. 158—163. 168.
168 Dass der Stoflf zu dem Herder'schen Gedicht das Kind
der Sorge aus der 220. Fabel des 'Hyginus entlehnt ist, habe
ich für mein Theil erst gestern bei gelegentlichem Nachschlagen
159 des Hyginus { gelernt. Ob Andere es seit längerer Zeit wissen
und wohl auch schon haben drucken lassen, vermag ich jetzt
nicht zu ermitteln^. Aber selbst wer die Thatsache jener Ent-
lehnung kennen sollte, wird doch eine, schwerlich schon ange-
stellte, Vergleichung mit dem lateinischen Original nicht ungern
sehen. Das Gedicht erschien zuerst in der dritten Sammlung
der 'Zerstreuten Blätter' (Gotha 1787, S. 7); von da ging es mit
zwei kleinen, von Herder in der 2. Ausg. (1798) vorgenommenen
Besserungen in die 'sämmtlichen Werke* über (Litt. u. Kunst
m 15); und dann ist es in gerechter Würdigung seiner Vorzüge
von den Veranstaltern deutscher Blumenlesen, unter andern auch
von Karl Gödeke (Elf Bücher deutscher Dichtung i 706), aus der
Masse der immer mehr verschallenden Herder'schen Verse aus-
gehoben und in Andenken erhalten worden. Ein wiederholter
Abdruck ist hier, wegen der Vergleichung mit der lateinischen
Quelle, unvermeidlich und wird wohl auch Niemandem lästig sein.
1 Götzinger und wer sonst nachgeschlagen worden, wissen nichts
davon.
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25. Herder und Hyginus 817
Einst sass am murmelnden Strome 'Wohlan, sprach Jupiter, wartet,
Die Sorge nieder und sann: Dort kommt ein Entscheider, Sa-
Da bildet im Traum der Gedanken turn*. 20
Ihr Finger ein leimeme. Bild. ^^^^ ^^^^j^. .j^^^^ ^^ ^j^ ,
6 'Was hast du, sinnende Göttinn?* So wilPs das hohe Geschick.
Spricht Zevs, der eben ihr naht. Du, der das Leben ihm schenkte,
*Ein Bild von Thone gebildet, Nimm, wenn es stirbet, den Geist.
Beleb's, ich bitte dich, Gott.' rv rr n n v •
' ' Du, Tellus, seine Gebeme, 26
'Wohlan denn! lebe! —Es lebet! Denn mehr gehöret dir nicht.
10 Und mein sey dieses Geschöpf!'— Dir, seiner Mutter, o Sorge,
Dagegen redet die Sorge : Wird es im Leben geschenkt.
'Nein, lass es, lass es mir, Herr! ^ . ^ , ,
Du wirst, so lang' es nur athmet,
Mein Finger hat es gebildet'. -- Es nie verlassen, dein Kind. so
'Und ich gab Leben dem Thon* dj^ ähnlich wird es von Tage
15 Sprach Jupiter. Als sie so sprachen, Zu Tage sich mühen in's Grab'.
Da trat auch Tellus hinan. c . • , ,0 ,. • ^ i,..„ .
Des Schicksals Spruch ist erfüllet
'Mein isVs; sie hat mir genommen ündMensch heisst dieses Geschöpf,
Von meinem Schooßse das Kind', im Leben gehört es der Sorge, 86
Der Erd' im Sterben und Gott.
Abweichungen der ersten Ausgabe in den Zerstr. Bl. :
V. 9 Wohlan ! ich will es ! — Es lebet !
Doch mein
19 wartet] harret
Die aDgegebene Nummer des Hyginns ist Cura überschrie-
ben und der gangbare Text, welcher bei dem gänzlichen Mangel
von Handschriften seit dem ersten Herausgeber Micyllus (Basel
1535) keine wesentliche Veränderung erfahren hat, folgt hier
so wie ihn Muncker | {Mythogr, 2a^. i 285) giebt. Die Worte, 160
bei denen man anstOsst, zeichne ich durch den Druck aus, da-
mit sie das erste Lesen nicht weiter stören.
Ouira cum guendam fluvium transirety vidit cretosum Itdam:
susitdit cogüabunda, et coepit fingere hominem. Dum delibe-
rat secum, quidnam fecissety intervenit lovis: rogat eum Oura
iU ei daret spiritum. quod facüe ab love impetravit. gut (soll
6 heissen cui) cum veUet Oura nomen suum imponere^ lavis pro-
Mbuit suumque nomen ei dandum esse dixit. Dum de nomine
Oura et levis disceptarent, surrexit et Tellur, suumque nomen
ei imponi debere dicebaty quandoquidem corpus suum praebuis-
set. Sumpserunt Saiurnum iudicem. quibus Satumus secus
10 videtur iudicasse: Tu levis, quoniam spiritum dedistiy cor-
pus recipito : Oura quoniam prima eum finxit, quam diu vixe-
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818 Misoellen
u rü, cura eum possideat. sed gwmiam de nomine eüts eontro-
versia est, Homo vocetur, quoniam ex humo viddur esse f actus.
Man sieht, Herder hat keinerlei sachliche Znthat nöthig
gefanden; nur die deutsch nicht nachzubildende Etymologie am
SchluBS (Z. 13 hämo ex humo) hat er auch aus ästhetischen Orttn-
den fortlassen und demnach den Götterstreit Über den Namen
in einen Streit um den Besitz des neuen Oeschöpfi9 verwandeln
müssen; was um so leichter geschehen konnte, da ja auch bei
Hyginus der Urtheilsspruch des Saturnus in seinem Haupttheil
die verschiedenen Anrechte auf den Besitz regelt und die coniro-
versia de nomine (Z. 12) bloss nachträglich bertthrt. Wo sonst
bei Herder Abweichungen von dem Lateinischen hervortreten,
sind es allerdings Verbesserangen, jedoch nicht eben von dich-
terisch umschaffender Art, sondern eher Emendationen unseres
fehlerhaften Textes, zu denen Herder, ohne dass er tieshalb mit
ihnen den Rand seines Hyginusexemplars geziert zu haben braucht,
durch die Nothwendigkeit sein Gedicht abzurunden gedrängt
wurde, die aber auch ein kritischer Herausgeber selbst für eine
Hyginische Prosa als unumgänglich wird anerkennen müssen.
So heisst es in dem bisherigen Text gleich zu Anfang Z. 2 coe-
pit fingere hominem. Herder dagegen verspart den Aufschlass,
dass das neue Geschöpf der Mensch sei, bis an das Ende (V. 34)
und lässt zunächst nur ein ' leimernes (im gemeinen Lieben, wie
Adelung sagt, für lehmern es) Bild', 'ein Bild vonThone' (V.
4, 7) entstehen. Niemand wird leugnen, dass gerade in der hy-
ginischen Fassung, welche die Götter über den Namen streiten
lässt, die Nennung des Namens hotno an dieser Stelle über alte
logische Gebühr proleptisch ist, oder — um derber und richti-
ger zu reden — so plump mit der Thür in's Haus fällt wie man
es auch dem ungeschicktesten Erzähler nicht zutrauen kann.
Wird hominmn gestrichen, so bekommt fingere dasselbe Object,
welches das danebenstehende stisttUit hat, nämlich cretosum lu-
161 ^ton, und nun erst erhält auch das | folgende Sätzchen dum de-
liberat secum quidnam fecisset seine sonst nicht vorhandene Rich-
tigkeit. Denn wenn die Cura schon von vornherein anfing * einen
Menschen' zu bilden, so kann sie nicht veranlasst sein, hinter-
drein noch darüber nachzusinnen quidnam fecisset.
Der zweite Fall einer Abweichung des Deutschen vom La-
teinischen findet sich Z. 9 quibus Saturnus secus iudicasse vi-
detur^ welche Worte nur besagen können, Saturnus habe 'ver-
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25. Herder und Hyginns 819
kehrt' geartheilt Da dies dem Qang der Erzählung zuwider
läuft, nach welchem vielmehr den Ansprüchen aller Streitenden
genttgt werden soll, so hat Herder diese störenden Worte weg-
gelassen und dafür zu Anfang des Bichterspruches das Sätzchen
'habet es Alle' (V. 21) eingefügt, eben um des Satumus Streben
nach Unparteilichkeit hervorzuheben. Denselben unentbehrlichen
Begriff der Unparteilichkeit ergeben aber auch die lateinischen
Buchstaben ScUumus secus^ sobald man $ zu Anfang von secus
streicht als wiederholt aus dem Schluss von Satumus, und dann
in ecu8 die zugleich früh- und spätlateiniscbe Schreibung von
aequus erkennt.
Endlich lässt unser lateinischer Text Z. 10 den Satumus
die Forderung der Tellus völlig übersehen und andrerseits den
Jupiter mit folgendem Unsinn anreden: *du, Jupiter, weil du
den Geist gegeben, sollst den Körper zurücknehmen'. Herder
hat, von der Natur der Sache geleitet, beide Verkehrtheiten ver-
mieden (V. 24—27), und es unterliegt keinem Zweifel, dass unser
hyginischer Text an einer durch Homöoteleuton entstandenen
Lücke leidet, die etwa so auszufüllen ist: Tu lovis quoniatn spi-
riium dedisti, (jcum martuus erit, spiritum recipüo; tUj TeUus,
quoniam corpus dedisti\ cotpus recipüo.
So viel, und wohl schon zu viel, über das Verhältniss des
Herder'schen Gedichts zu seiner lateinischen Quelle. Und nun
noch ein Weniges über den Ursprung dieser Quelle selbst.
Denselben aus der Feder und dem Kopfe eines mittelalter-
lichen Mönches herzuleiten und das ganze hyginische Stück für
eine ^ frostige Möncherei ^ (frigidus monachismus) zu erklären wird
kein Besonnener sich durch die Gründe bestimmen lassen, welche
Reinesius (vor. led. p. 372), der Vertreter dieser Meinung, vor-
bringt Er legt Gewicht auf den Widerspruch zu den Verbrei-
teten Mythen der Heiden über Menschenscböpfung'; als wenn
nicht aus allen und besonders den späteren Zeiten des Alter-
thums Beispiele in Menge zur Hand wären, dass Dichter und
Philosophen ihre Gedanken nach Bedarf und Neigung des Augen-
blicks ohne Rücksicht auf die übliche Mythologie allegorisch
einzukleiden sich erlaubt haben. Sprache und Stil aber sind in
diesem Stück nicht schlechter als anderswo im Hyginus; und
affectirte Archaismen, wie die hier viermal (Z. 3, 5, 7, 10) als No-
minativ und Vocativ vorkommende Form loniSy gehören nicht
zu den Klosterunarten, so wenig wie der gutlateinische Gebrauch
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320 Miscellen
162 voD cretosum (Z. 1) fttr | argillosum zu den Elostertugenden ge-
hört. Die Etymologie am Schluss {homo ex humo Z. 13) ist frei-
lich schlecht; aber schlechte Etymologien gab und giebt es be-
kanntlich auch wo es keine Klöster giebt, und gerade die hier
in Frage stehende hat schon Quintilian i 6, 34 verspottet.
Eine andere Folgerung jedoch lässt sich allerdings ans
dieser Etymologie ziehen. Die schon von Scaliger (zu Eusebios
p. 10 ed, sec.) und nach ihm von Andern ausgesprochene Ansicht,
dass die hyginischen Fabeln ans dem Griechischen übersetzt
seien, findet, wie beachten swerth sie auch für andere Theile der
Sammlung ist, doch auf unser Stück keine Anwendung. Es
giebt im Griechischen kein Wort ftlr 'Mensch', welches an 'Erden-
sohn' erinnert; es konnte also auf dem Boden der griechischen
Sprache die Allegorie nicht in einer Bedaction bearbeitet wer-
den, welche, so wie die hyginische es thut, Alles auf eine solche
Etymologie zuspitzt.
Aber so gewiss diese hyginische Bedaction von Anbeginn
lateinisch war, so gewiss, darf man behaupten, ist die Allego-
rie selbst von einem griechisch Bedenden erdacht worden.
Denn ihr Keim und Alles was sie von Beiz hat liegt in der ein-
leitenden Situation, wo eine sinnende {cogitabunda Z. 2) Göttin
sich dem Zug, oder wie Herder (V. 3) es schöner sagt, dem
'Traum der Gedanken' überlässt und nach der Weise träume-
risch Sinnender die Finger an dem Nächstliegenden, hier an
einer feuchten Tonmasse, zwecklos beschäftigt, aus welchem
Fingerspiel dann zum Erstaunen der Göttin selbst das Menschen-
gebilde hervorgeht. Lateinisch nun heisst die Göttin (Mra und
auch Herder konnte sie deutsch nicht anders als 'Sorge' nennen.
Aber so gut es alsdann auch passt, dass der Mensch Zeit seines
Lebens sich nicht von curae und Sorgen frei machen kann, so
wenig erweckt die auf bestimmte Gegenstände gerichtete latei-
nische atra Cura (Hör. Cann, m 1, 40) und die deutsche harte
Sorge jene lieblich zarte Vorstellung des schweifenden Sinnens,
bei welchem man unbewusst die Finger regt. Eine solche Ver-
schmelzung des blos nachdenklichen 'Sinnens' und der 'Sorge'
bietet nur die griechische Opovri^ dar, die auch z. B. in den
Versen des Philiskos auf den Bedner Lysias (Bergk Poet Lyr.
p. 502 ed. sec) personificirt als Musentochter angerufen wird:
KaXXiÖTHi? öurarep, TroXut^Tope <|)povTi, <und als Frauenname in
der Ilias P 40 (Mutter des Euphorbos), als Männername in der
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Miscellen 321
Odyssee t 282 (Steuermann des Menelaos) vorkommt). Man
darf also wohl annehmen, dass eine spätere griechische AUe-^
gorie den Menschen nnter den spielenden Fingern der sinnen-
den 0povTi^, gleichsam des weiblichen Gegenbildes zu dem
Denker TTpojiiiÖeu^^ | hervorgehen und bei einem Streit der Götter 168
um den Besitz des neuen Geschöpfs es der Herrschaft der qppov-
Tibe? während seines Lebens zusprechen Hess. Dem griechischen
Original, welches die lateinische Redaction durch etymologische
Beimischung vergröberte, hat sich dann Herder wieder genähert,
und so gut er es in deutscher, kein gleichwiegendes Wort fllr
<|)povTi^ bietender Sprache vermochte, hat er das sinnende
Element an der Göttin hervorgehoben durch die Ausmalung in
der ersten Strophe, auf welcher ja auch die Wirkung des ganzen
Gedichts hauptsächlich beruht.
Nachtrag. Das hier besprochene Verhältniss ist aller- 168
dings, wie ich erst jetzt erfahre, auch dem jüngsten Herausgeber
des Hygin, B. Bunte, nicht entgangen, dessen darauf bezügliche
Note: Expressit hanc fabulam Godofredns Herderus in carmine
quod inscrüntur 'Das Kind der Sorge' zugleich das einzige Brauch-
bare ist, was er zu dieser Fabel überhaupt beibringt.
26. Zanes.
Hermes herausg. von E. Hübner 1875 Band ix S. 127 f.
Die Worte in denen Macrobius Saturn, iii 7, 5— 8 im Anschluss 127
an Trebatius die condicio eorum hominum, quos leges sacros esse
certis dis iubent bespricht, enthalten folgendes bisher, meines
Wissens, ungelöste Räthsel : § 6 anitnas vero sacratorum haminum,
quos eanas Oraed voeant, dis debitas aestimabant. Die hand-
schriftlich allein beglaubigte Lesung aanas ist in der neuesten
Ausgabe mit dem ominösen Kreuz versehen, und wo möglich
noch ominösere Aenderungsversuche, die dort in den Noten und
anderswo mitgetheilt sind, bessern an dem vermeintlichen Ab-
1 Unmittelbar aus TTpofbiiiOeO^ lässt sich die Allegorie nicht ableiten,
da man weder von TTpo|Lir)0€0^ noch von irpo)biif)0€ia sagen kann, dass sie
den Menschen während seines Lebens beherrschen. Reinesius, der an ein
griechisches Original nicht dachte, sieht doch in der Gura als Menschen-
bildnerin eine aüusio ad ftomen Promethei, quod eonsiUum, providentiam
et curam significet^ welche aüusio er freilich mit Hecht inepta nennt.
Bernays, ges. AbhAndl. n 21
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322 Miflcelien
128 schreiberfehler aanas \ herum. Man wird jedoch die unzweifel-
haft vorliegende Verwirrung auf andere als der Abschreiber
Schuld zurückzufahren geneigt sein, wenn man, mit der Stelle
des Macrobius im Gedächtniss, den Bericht des Pausanias liest
über die Bildsäulen des Zeus, welche zu Olympia von den Straf-
geldern errichtet waren, die den gegen die Kampfesregel sün-
digenden Athleten auferlegt worden. Die Worte des Pausanias
lauten v 21, 2 p. 400 der kleinen Schubart'schen Ausgabe: Tipo^
bk xq KpnTTibi dtöiXliaTa Aiög dvdKeitai xa^Kd. Taöxa ^iroirieTi
)ifev dnö xP^I^<iTUJV dmßXnÖeicTTig dOXTitai^ 2n|iia^ ijßpi<Ja<Jiv iq
TÖv djÄva, KaXoOvxai bk und xtuv dnixujpiujv ZSve^. Eine
ähnliche Notiz mag in den Vorlagen des Macrobius erwähnt und
die der sacralen Analogie wohl entsprechende Bemerkung hin-
zugefügt gewesen sein, dass die das Kamptgesetz übertretenden
Athleten angesehen wurden als sacrirt dem Zeiig ''OpKto^, bei
dessen Bildsäule sie die Beobachtung jenes Gesetzes mit dem
feierlichsten Eidschwur (dirl Kdtrpou T0)iiuiv Paus, v 24, 9 p. 411)
gelobt hatten, dass sie demnach diesem Zeus mit ihrem Vermö-
gen verfallen seien und dasselbe als sacrirtes Gut, lepd 2:imia
— eine ausdrücklich von Pausanias vi 6, 6 p. 435 gebrauchte
Bezeichnung — zur Errichtung von Zdve^ verwendet wurde.
Hieraus ist dann bei Macrobius durch Eilfertigkeit und Fehl-
schlüsse, die bei Gompilatoren seines Gelichters näher zu ver-
folgen nicht die Mühe lohnt, die Verkehrtheit sacratorum homi-
nunif guos aanas Graeci vocant^ entstanden.
Bonn.
27. Eine verschollene Beiske'sche Emendation und
das Edict des Theodorich.
Hermes herausg. von E. Hübner 1877 Band xn S. 882—384
255 Auch in dieser Zeitschrift ist jüngst (xi 455) bei Folge-
rungen aus den Worten des Anonymus Valesianus über die
Schablone, welche König Theodorich beim Unterschreiben be-
nutzte, die einleuchtende Emendation nicht beachtet worden,
welche Johann Jacob Reiske, freilich an einem jetzt nicht allzu
oft betretenen Ort, nämlich in seinem grossen Commentar zu
dem Geremonienbnch des Gonstantinus Porphyrogenitus p. 444
und 853 der Bonner Ausgabe niedergelegt hat. Die zu Reiske's
Zeit gangbaren Abdrücke jenes Anonymus boten die bezüglichen
Worte (§ 79) in folgender Fassung:
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27. VerBchollene Reiske'sche Emendation 323
Igüur rex Theodoficus illüeratus erat et sie ohruto sensuy ut
in decem annos regni sui quatuor literas Sid>scriptionis edicti
sui discere nullatenus potuisset. De qua re laminam auream
iussit interrasüem fierit quatuor literas regia habentem Theod.
6 ut si std>scribere voluisset^ posita lamina super chartam per
eam penna duceret (Reiske schreibt p. 444 duceretur nach dem
Vorgang Muratori^g Antiq. Ital. n 305) et subscriptio eius tan-
tum videretur.
Reiske stellt nun diesen Bericht mit dem ähnlichen des
Prokopios über den Kaiser Justinus zusammen. Dieser Herrscher,
erzählt Prokopios (Anecd. p. 28 Aleman. — p. 44 Dindorf), sei
dL^&Qr\Toq TpctjiiidTUJV dTrdvxuiV kqi, tö bf| \€TÖ|i€Vov, dvaXcpdßt]-
Tog gewesen, und um seine Unterschrift zu erhalten, hätten die
Hofleute folgendes Mittel ersonnen : |
HuXiu elpTa(T)i^vi!J ßpaxei iTKoXdvpavTe^ jiopcpriv Tiva t P cm M 6-254
Tujv T€TTdpujv, äuep dvatvuüvai tq Aaxivuiv qpwv^
biivatai, Tpotcpiba xe ßaqpfl ßdn;avT€^, ^ ßamXei^ TP<i<P€iv eiii)-
öaaiv, ivexeipiJovTO tif) ßamXei Tourip (wohl tauTTiv mit Reiske
5 zu lesen). Ka\ tö EuXov, ouirep djLAvr|(T8Tiv, tuj ßißXii^i ivö^jievoi
(Reiske's iniO^iievoi ist wohl unentbehrlich), Xaß6)i€voi t€ T(\q
ßamX^ui^ X^ipög TTcpifiTOV infev Huv rrj xpa^ibi iq täv TexTdpwv
Tpamidxuiv TÖv TUTTOV, iq Trdca^ T€ xd^ toO HuXou aÖTf|v
TTepieXiEavxeg ivxojiAdg oöxuü bf| dirnXXdaaovxo, xoiaOxa ßa<Ji-
10 X^u)g Tpdjijiaxa cp^povxeg.
Die Worte des Prokopios Z. 2 TpaMMdxwv xexxdpwv, dTrep
dvatviüvai xq Aaxivwv (pu)v^ biivaxai sind von Alemannus, des-
sen Uebersetzung (formam quatuor Uterarum, quae legi latine
possent) in der Bonner Ausgabe unverändert vorliegt, gänzlich
missverstanden. Wie jeder wirkliche Kenner des Griechischen,
so musste auch Reiske einsehen, dass buvaxai hier im Sinn von
cniiiaivei gebraucht, mithin die Stelle folgendermaassen zu über-
setzen sei : 'Auf einem geglätteten Holztäfelchen schnitt man die
Form von vier Buchstaben ein, welche in der lateinischen Spra-
che bedeuten, er, der Kaiser, habe gelesen'. Das gemeinte vier-
bnchstabige Wort kann also kein anderes sein als Legi.
Auf Grund dieser bereits von Valesius erwähnten, aber von
ihm ebenso wie von Alemannus missverstandenen und daher nicht
verwertheten Angabe des Prokopios verbesserte nun Reiske den
ihm vorliegenden Text des Anonymus Valesianus durch zwie-
fache Aenderung. Erstlich strich er Z. 4 Theod., was, abge-
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824 Miscellen
sehen von Prokopios, schon deshalb nicht richtig sein könne,
weil Theod. in lateinischer Schrift ja nicht quaiuor litteras ergebe,
sondern fünf. Zweitens schlug er vor statt regis Z. 4, ent-
sprechend der Angabe des Prokopios, LEGI zu schreiben.
Die erste dieser Aendernngen hat inzwischen eine ganz
sichere urkundliche Bestätigung erfahren. Schon Zangemeister's
Mittheilungen (Rhein. Mus. 30, 313) lehrten, dass Theod. in der
palatinischen Handschrift nicht vorhanden und wohl von Ha-
drianus Valesius eingeschwärzt ist, und da es auch in der älte-
sten Handschrift, der Meermannischen, sich nicht findet, so hat
es, wie billig, Gardthausen aus seinem Text des Anonymus
entfernt. |
255 Aber auch für Reiske's zweite Aenderung, fttr die Vertau-
schung von regis mit LEGI, bietet die Meermannische Hand-
schrift einen fast eben so sicheren Anhalt. Gardthausen giebt
nämlich an, dass von regis, welchen er im Text beibehält, das
s in der Meermannischen Handschrift über der Zeile geschrieben
sei und r auf Rasur stehe. Es leidet also wohl keinen Zweifel,
dass in der Meermannischen Handschrift von erster Hand
wirklich das von Reiske durch glückliche Combination gefun-
dene und fortan in den Text aufzunehmende LEGI geschrie-
ben war.
Aus der obigen Darlegung folgt ferner, dass das uns er-
haltene Edict des Theodorich, für dessen Text man leider jetzt
bei dem Verlust aller Handschriften lediglich auf die Ausgabe
des Pithöus angewiesen ist, ursprünglich mit LEGI als könig-
licher Unterschrift schloss. Denn in den Worten des Anonymus
Z. 2 in decem annos regnisuiquattwrliterassubscriptionisedieii
sui discere r^tdlcUenus potuisset hat, wie schon Ritter (Vorrede zum
zweiten Band des theodos.. Codex p. 5) einsah, sowohl der auf
§ 60 {edictum suum^ quod eis constituü) zurückweisende Singu-
lar edicti sui, wie die Hervorhebung von gerade zehn aus den
mindestens dreissig Regierungsjahren (§ 58) nur dann einen ge-
nügenden Sinn, wenn die gesammte Notiz sich auf eben jenes
bekannte Edict bezieht, dessen Publication von der Quelle, wel-
cher der Anonymus folgt, in das Jahr der Decennalienfeier des
Theodorich gesetzt war \ Der in neuerer Zeit viel verhandelten
^ Glöden's (das römische Recht im ostgothischen Reich 1843 p- 12)
Einreden gegen Ritter's Aufifassung der Worte des Anonymus werden wohl
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27. Verschollene Reiftke'Bohe Emendation 325
Frage ttber die sachliche Richtigkeit einer solchen Datirung soll
hier, wo uns nur die Worte des Anonymus beschäftigen, nicht
präjudicirt werden.
Bonn.
28. Vorwort zu FLORILEGIVM RENASCENTIS LATINITATIS
Programm der Bomier Universität zur Geburtstagsfeier
König Friedrich Wilhelm des rv 15. Oot. 1849.
Nimis nunc neglegi solita renascentium litterarum monu-m
menta illa, quibus rerivescentis in Italorum terris humanitatis
et igniculi excitati et latius diflFasa lux est, cum parem utilitati
iucunditatem non philologis tantum, cum quorum disciplina pro-
ximo illa vinculo continentur, sed eruditionis elegantiaeque stu-
diosis quibuslibet afferant, non indigere excusatione videbitur,
qui publici instituti beneficio ad eorum et saeculorum et viro-
rum memoriam instaurandam utatur, a quibus ipse hodiemus
artium litterarumque splendor tamquam a radicibus suis repeti-
tur. Quorum monumentorum quoniam et varietas magna est et
ex parte non mediocris raritas, pauca quaedam esse praefanda
videmus, quibus singulorum Florilegii nostri capitum et digni-
tas, quae recipiendi caussa fuit, significetur et fontes aperiantur.
I. Dantis epistula'ad Florentinos iterata est ex ^Epi-
stoie di Dante AUighieri edite ed inedite per cura di Älessandro
Torri* (DeUe prose e poesie liriche di Dante AUighieri^ vol. v)
p. 36—42. Est ea e novem epistolis in codice Palatino 1729
servatis altera, nee ante Torrium -nee quod sciamus post eum
edita. Vide huius praefat. § 11. Dicendi genus quamquam in
yerborum delectu satis barbarum, cum concinnandae orationis
enuntiationumque apte conformandarum haud exiguam curam
testetur, commode binc, a quibus initiis ad quantam elegantiam
aetas illa progressa sit, perspici putamus. Praeterea lectu non
keinem Philologen stichhaltig erscheinen. Die Gedankenverbindung zwi-
schen den Sätzen des Anonymus ist folgende: Für die Unterschrift des
bei der Decennalienfeier erlassenen E^icts liess Theodorich die Schablone
anfertigen, damit er fortan, so oft er zu unterschreiben hätte, von ihr
Gebrauch machen könne. — Für diese Gedankenverbindung ipacht es we-
nig Unterschied, ob man Z. 6 das einfachere ut ei oder mit Gardthansen
nach dem Palatinns das versohriUkktere utuU H liest.
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326 Miscellen
indigna sunt, quae de Imperio Romano nberius in libro de
monarchia a se disputata paucis in hac epistula Dantes com-
plectitur. Annotatinnculas aspersimus eo fere solo consilio ut
scriptorum cum sacronim tarn non sacroram testimonia, quae
respexit Dantes, indicaremus.
II. Francisci Petrarchae ad Nicolanm Laarentii
{vtdgo Cola dl Rienzi) Tribunum Populamqne Romannm
de capessenda libertate hortatoriam repetiimus e 'Fran-
cisci Petrarchae Operihus Basileae per Sebastianum Henricpetri
a. MDLXXXl' editis, ubi vol. i p. 535 legitur: ita quidem ut et
interpunctionem sermonis et genus omne orthographicum et
ivaperta operarum menda| tacito corrigeremus, de aliis mutatio-
nibus religiöse admoneremus. Ceterum huius quidem yirtutes
epistulae adeo tamquam ineurrunt in oculos, ut commendatione
non egeant. Notabilia tarnen praeter cetera illa sunt quae de
monumentis antiquitatis Romanae barbara libidine procerum
Romanorum extinctis Petrarcha memoriae prodidit.
III. Eiusdem ad Carolum iv Imperatorem Roma-
• num epistulam de falsitate privilegii Austriam ab Im-
perio eximentis indidem sumpsimus e vol. ii p. 955 sq. (Be-
rum senilium XV ep. 5.) Eam exemplo esse voluimus eriticae
artis, quam dicere superiorem solent, tarn probabili via ac ratione
a Petrarcha exercitatae, nihil ut desideretur: quamquam faten-
dum est in tali illam argumento versari, de quo non fuit difücile
recte iudicare ; <^cf. Fabricius bibl. lat. 1 10 1. 1 p. 273 ed. Ernest.
et Wattenbach Archiv für Kunde österr. OeschichtsqueUen 1852
t. VIII p. 96). Praeterea digna sunt quae a philologis cognoscan-
tur Ciceronis testimonia ex epistulis ad Atticum, quas a Petrarcha
primum in lucem protractas constat, allata: quae mireris vel
Orellium virum in paucis litteratum fagisse.
IV. Hermolai Barbari Veneti et loannis Pici Mi-
randulae epistulae tres, quae extant in Politiani Epistulis
lib. IX 3, 4, 5. Expressimus ex "^Angeli Politiani Operibus^ Par-
rhisiis in aedibtcs lodoci Badii Ascensii Mense Maio a. MDXiV
vulgatis, quorum in vol. i leguntur a fol. LV a ad LX 6. Consului-
mus praeterea 'Opera loannis Pici Mirandulae: impressit Indu-
stritis Joannes Prüs Civis Argentinus: anno saltäis MCGCCCIIII die
vero XV MarciV: ubi Pici ad Hermolaum epistula occupat fol.
Lxxxxm a sq. Eis epistolis cum illud quaeratur, quodnam scri-
bendi genus commentariis philosophicis aptum sit> tum sehola-
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28. Vorwort zu Florüegium renasc. IsLtinitatis 327
sticorum in eo genere consnetado in ntramque partem indicatur,
et in Hermolai qaidem epistula altera tanto sermonam lepore
tantaque irridendi acerbitate, quae epistolas obscurorum virorum
faeile in mentem revocent. Operae autem pretium fieri visum
est cum Pici tum Hermolai memoria redintegrata: quorum illius
nominatio magis quam notio frequentatur, huins vero singularis
praestantia nee nota satis est nee nominata. <Leibnitins libelli
De stilo phiiosophico § 23 de illis epistnlis haec adnotat: 'Ex-
stant epistolae amoebaeae loannis Pici Mirandnlae et Hermolai
Barbari, quorum hie acerrime in scholasticos invehitnr, ille mol-
lire eornm yitia ac tegere magis quam defendere non improba-
bili pietate conatur. Tanti fecit eas epistolas Philippus Melanch-
thon, ut addita dispositione edi in Germania curaverit'. Etiam
responsionem Hermolai nomine ad Pici epistulam Melanchthon
conscripsit; vid. 'Epistolae selectiores aliquot Philippi Melanch-
thonis editae a Caspare Peucero*, Witebergae 1565 p. 216. Alte-
ram igitur Hermolai epistulam [p. 23—28 huius programmatis]
tum cum hanc responsionem fingeret Melanchthon non cognovit
Fatendum sane Hermolaum ipsum longe meliorem suae caussae
patronura exstitisse quam Melanchthonem).
V. Angeli Politiani ad lacobum Ant'iquarium epi-
stulam, quae est libri lY 2, addidimus ex editionis Parisinae
fol. XXI b sqq. : qua morbus et mors Laurentii Medicei digno
utriusque virtute stilo describitur. <Eam haud sine fructu com*
parabis cum Lenauii poetae in poemate Savonarolae praedara
narratione>.
29. Vorwort zu PENTAS VERSIONVM HOMERICARVM
UCOBI BERNAYSII STVDIO COLLECTA.
Programm der Bonner Universität zur Geburtstagsfeier
König Friedrich Wilhelm des TV 15. Oct. 1850.
Cum plerisque placuisse, quod anno proximo superiore ex- ra
secuti sumus, consilium comperissemus: quo quidem aseveriori-
bus litteris legentium animos avocatos in floridioribus locis ern-
ditionis detinebamus : simile genus quoddam visum est redeunte
hac commentandi opportunitate colere. Quae igitur Homeri
latine versi inde a renatis in Italia litteris exempla
composuimus, eornm primum, si temporis rationem habemus,
locum illud obtinet quod litteris mandavit
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828 Miflcellen
I. Leontia8 Pilatns Galabria oriundus, magnificentiorem
patriam Thessaliam simalans: cui Homeri Graecaeqae lingnae
Dotitiam Petrarcha senex exigaam, aliquanto pleniorem Boccatius
acceptam referebat. In horum enim viroram asum Leontius et
Iliadem et Odysseam ad verbnm latinas fecit: cuius versionis
quae in Italis bibliothecis latent exempla enumeravit Baldellias
"Vüa di Giovanni Boccacä" (Florent. 1806) p. 264, exhibens si-
mul e codice Abbatiae Florentinae anam illam Iliadis parti-
cnlam, qua preces Lycaonis ad Achillem factae eontinentar
vv. 74—98. Eam hie repetendam putavimus, ut docnmento sit,
qualis illa aetate vel inter Graeculos fuerit genuinae lingnae
Graecae primariorumque seriptornm ignoratio. Monstrnosi enim
snnt, qnos in paaculis istis versicnlis interpres errores eommi- *
sit plurimos, nullns autem risn dignior, quam qnod pro TTrjba-
aov aiTvf\eaaav posuit v. 14 Pidasum^ EpioscansK
IL Sequitur Lauten tii Vallae interpretatio non ad ver-
bum quidem facta, at ita ad elegantem pedestris sermonis
ieiunitatem exaeta, omnes fere nt exstinguerentur Homericornm
Inminnm igniculi. Qnod iudieium iure factum esse yel ex po-
steriore parte (inde a v. 597} Iliadis A apparet: quae cum in
simplici narratione versaretur, consulto eam elegimus, ne ab
exemplaris sublimitate nimis longe abborreret imitationis hnmi-
litas. <Gf. ipsius Vallae ad lo. Anrispam verba in Epistolis
mundi procerum (Argentinae 1593, 8) p. 349 Teram ad te prae-
terea sedecim Iliadis libros a me prosa oratione traductos, quos
nisi iudicio tuo subiiciam, in manus aliorum tradere non audeo'.
Translationis Leontianae conpilatae crimen a versione sua defen-
dit in Invectivis in Barptol. Facium 1. iv C Lucubrationes aliquot
Laurentii Vallae, Lugd. 1532) p. 764. C£ I. Vahlenus in Laur.
Vallae Opusculis in p. 74 sqq. == Sitzungsher. der Wiener Aka-
demie 1869 t. LXi p. 370 sqq.). Prima editio Iliadis Vallanae
Brixiensis a. 1474 cum in promptu non esset, usi sumus ea quae
* (Friderioo Haasio debetur quod duornm virorum, qui inter primos
Homero latine vertendo operam dedere, memoria reauscitata est : Manuelis
Chrysolorae 'Graeci Leontio illo paullo doctioris, qui Odysseam transtalit
saeculi xiv extremis fere annis, cuius translationis ex codice mscr. suo
specimen Haasius dedit in Misoellaneorum philolog. 1. iv (ind. lect Vratisl.
hib. 1862) cap. 1 ; et Francisci Aretini, secundum cuius versionem Theodo-
rus Gaza in Aeliani Tacticorum interpretatione * carmina Homeri quae Aelia-
nus huio inseruit operi " proposuit cf. ind. lect. Vratisl. hib. 1860 p. 20).
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29. Vorwort zu Pentas versionum Homer, 329
sie inscribitar: Homeri \ poäarutn principis | cum Hiadis tum
Odysseae \ libri XLVIII Laurentio Valien, et \ Raphaele Volate"
rano interpr, \ His recens accessere \ Ausanii po'etae in singtdos
libros argumenta \ Item ßaTpaxo^uo^axia, id est, ranarum \ et mu-
rium puffna, Aldo \ Ma, Ro. interpr ete \ Item Deorumhymni XXXII
lodoco Velareo \ Verbrokano. interpr. hactenus neque \ versi neque
unquam impressi. \ Item Homeri vita per Dionem Philo- \ sophum,
eodem interpräe. \ 1628. \ Prodiit ea, si recte coniicimus, Basileae:
Dam quod nobis exemplum praesto fnit, schedis extremis caret.
III. Imbecilla ista conamina excipit eximiam hoc in genere
opas Angeli Politiani, Hiadis secundi (exclaso tarnen navium
catalogo) et tertii libri versio heroieis versibus astricta. <cf. Vah-
lenus 1. 8. p. 79 vel Sitzungsher. LXi p. 375>. Eos libros naper
una cum qnarto et quinto e codicibas Vaticanis erutos vola-
mini n Spici|legii Romani, quod Romae prodiit a. 1839, inseruitiv
Angelus Maius. Ad quam Maianam collectionem cum propter
insignem caritatem paucissimis nostratinm hominum aditus pa-
teat, haud incommodnm visum est hnius quidem versionis ali-
quante maiorem partem, quam in reliquis factum est, cum ha-
rum rerum curiosis communicare. Virtntem autem Politianei
operis non immerito sie aestimare yidebimur, ut admirabilem
eins praestantiam esse dicamus, ubi elegantissimi versus soli per
se cursim perlegantur, sed tamen admirationis plurimum evane-
scere sentiamus, simul atque illi singillatim cum Graeco exem-
plari comparentur. (Sensisse id Erasmus videtur, qui in prae-
fatione in Euripidiam Hecubam latinam ab ipso factam (ap. Aldum
1507) 'Plures' inquit 'Homero manus sunt admoliti, inter quos
etiam Politianus ipse sibi non satis fecit').
Transmontanis Politiani elegantiis duorum cismontanorum
partim rusticitatem partim simplicitatem subiecimus. Ac primum
quidem
lY. Eobani Hessi interpretationem prioris Iliadis B par-
tis inxta Politiani opus ita coUocandam curayimus, ut, quoad
eius fieri potuit, facillime utriusque comparatio institueretur. Vsi
sumus Basileensi editione a. 1540. — Deinde vero
V. e commentariis Hugonis Grotii in vetus testamentum
scriptis (Erlangae 1756) frustula quaedam Homericorum locorum
expiscati sumus. Qua in re cum id spectavimus, ut animos
philologorum ad amplum illum reconditae elegantisque eruditio-
nis thesanrum adverteremus, tum cupide haue oecasionem arri-
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330 Misoellen
pnimus, qaa tanti viri memoriam redintegraremos: qni qaidem
cum in augendis illastrandisque litteris tarn in re publica ge-
renda cum ingenii acie animi altitudinem morumqne candorem
tarn felici temperamento consociavit, nemo ut per ea quae inse-
cuta sunt saecula inter Germanicae quidem stirpis populos exti-
terit qui illum superaret, unus fortasse qui aequaret: caius no-
men eloqueremur, nisi verendum esset ne ita ininria fieri legentium
sagacitati yideretur.
Appendicis loco yetustam versionem yernaculam Iliadis
E 297—430, versibus quales ölim Fauni canebant alligatam, pro-
posuimus e libro sie inscripto: Utas Homeri. \ Das ist: \ Homeri,
dess walten, fürtreffUchen Griechi- \ sehen Poeten, XXIV. Bücher: \
Von dem gewaltigen \ Krieg der Griechen j wieder die Trojaner \
auch langwierigen Belagerung vnd Zerstörung der Kö- \ niglichen
Stadt Troja. \ Dessgleichen die 12, Bücher AeneidoSj dess Hochr]
berühmbtesten Lateinischen Poeten Puhlii Vtrgüii Maro- \ nis^ von
den Geschichten und gewaltigen Thaten des \ Trojanischen Heiden
AeneaCy so er nach der Zerstörung \ der Stadt Troia ausgestanden^
vnd vollführt. \ In artliche Teutsche Reimen gebracht, von weüand
Magistro \ Johann Sprengen, Keys. Notario, Teutschen Poeten, vnd \
Bürgern eu Augspur g'^. \ Jetzt zum andemmal in offnem Truck
pübliciert vnd verfertigt. \ M.DC.XXX. \ Getruckt zu Franckfurt
am Mayn, in Verlegung \ Gottfried Tampachs. \ Quos yersiculos
singularis gratiae plenos non dubitamus quin ingenitae huie ge*
neri illecebrae satis commendaturae sint.
30. Quellennachweise zu Politianus und
Georgius Valla.
Hermes herausg. von E. Hübner 1876 Band xi S. 129—138.
129 Dass die bedeutenderen italienischen Philologen gegen Ende
des fünfzehnten Jahrhunderts griechische Schriften benutzten,
welche noch mehrere Jahrhunderte nach ihnen ungedruckt blie-
ben, ist zwar den Kennern bewusst ; aber auch sie werden die
im Allgemeinen bekannte Sache nicht ungern mit einigen neuen
Beispielen belegt sehen, welche auch wegen des Inhalts der so
1 <Vide de eo F. A. Wolfinm Vermischte Schriften und AufsäUe
(Hai. 1802) p. 343).
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30. Quellennacliweis zu Politianus 831
lange nur durch die abgeleitete italienische Quelle zugänglichen
Nachrichten Interesse erregen können.
1. Anthusa.
Mancher mit unserer antiquarischen Ueberlieferung vertraute
Philologe, dem das in seiner Art anmuthige Buch des römischen
Gefährten Goethe's 'AN0OYZA oder Roms AlterthUraer. Ein
Buch fllr die Menschheit. Die heiligen Gebräuche der Römer.
Von Kart Philipp Moritz. Beriin 1791' in die Hände fiel, mag
sich gefragt haben, wie der zur Aufschrift gewählte und am
Schluss des Buches mit einer sinnigen Wendung ^ besprochene
angebliche | Geheimname Roms dem wackeren Manne bekannt 130
geworden. Als Name von Constantins Neu-Rom konnte man
freilich 'AvOoOaa seit dem sechszehnten Jahrhundert in griechi-
schen Büchern gedruckt lesen; für Alt-Rom jedoch ist er bis
jetzt nur nachgewiesen und wohl auch nur nachweisbar bei Jo-
hannes Lydus in den erst drei Jahre nach dem Erscheinen des
Buchs von Moritz zum ersten Mal von Schow veröffentlichten
Auszügen aus seinem Werk TTepi ^rivuüv ; und dass der treffliche
Moritz seine Augen nie mit griechischen Handschriften verdorben
hat, braucht wohl nicht ausdrücklich bewiesen zu werden.
Wendet man sich nun zu der Fundgrube, aus der Dilettanten
wie er im achtzehnten Jahrhundert ihre nicht aus den gangbar-
sten Classikern zu schöpfende antiquarische Gelehrsamkeit mit-
telbar oder unmittelbar bezogen, nämlich zu Johann Albert Fa-
bricius' Ubliographia antiquaria, so wird freilich das Räthsel, in
so fem es Moritz oder die zwischen Fabricius und ihm etwa
vorauszusetzenden Mittelsmänner angeht, vollständig gelöst. Man
findet dort im zweiten Paragraphen des sechsten Kapitels (p. 149
^ S. 408 'Das alte Rom hatte ausser seinem üblichen, noch einige
geheime Namen, unter denen man es dem besondem Schulz der Gottheit
empfahl, wenn etwa der eigentliche Name, einmal entweiht, den Göttern
missfällig werden sollte. Einer von jenen geheimen Namen hiess AN90TZA
die Blühende. — Die Herrlichkeit des alten Roms ist nun verwelkt, und
die Zeit hat über seine grossen Schicksale langst ihre Furche hingezogen.
— Aber aus Schutt und Asche drängte sich dennoch einmal wieder auf
eben diesem Fleck eine zarte Blüthe, die Blüthe der Kunst empor. Unter
ihrem jugendlichen Glänze und ihrem frischen Dufte erheben sich nun die
majestätischen Trümmer der Vergangenheit, wie ein Grabhügel, den ein
Veilchen schmückt*.
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382 Miscellen
der ersten, p. 215 der dritten Ansgabe) folgendes : Triplex urbis
aetemae .... notnen fuisse proditur^ unum hoc pervidgatunty Bonui^
quod toties diximtiSj aUerumj quod arcanum fuit, unde si credimus
Angelo Polüiano Lib. I ep. 2, Ämaryllida suam^ quae Amorem
significcU proprie^ in Bucolicum Carmen Poeta detorsü Edog. I
V, 30 'Postquam nos AmarylUs habet, Gälatea reliquü\ Tertium
sacrificiis deditum (so), de quo vocabulum impositum FloralibuSj
quod 'AvOoöaav Graece Philelphus interpretatur, Laune Floren-
tem vel aptius Floram fortasse dixeris. Moritz, der keinen An-
sprach aaf gelehrte Forschung macht, kann es nun nicht weiter
verargt werden, dass er das Thatsächliche der Nachricht auf
Treu und Glauben annahm und den hübschen Namen Anthusa
in den Nutzen seines schmucken 'Buchs für die Menschheit'
verwendete, ohne sich viel um Politianus und dessen vermeint-
lichen Gewährsmann Philelphus zu kümmern. Schlimmer schon
ist es, dass der seiner Zeit in einem gewissen Ruf der Gelehr-
samkeit stehende dänische Bischof Munter, dessen Abhandlung
de occulto urbis Romae nomine wohl auch jetzt noch in dem ob-
ligaten Gitatenschwarm der Handbücher manchmal mitgeschleppt
wird, den Fabricius, ohne ihn zu nennen und ohne seine Anga-
ben zu verificiren, ausschreibt und nun, da 'Philelphus', wie
bei Fabricius sich gedruckt findet, allerdings nur den Gedanken
131 an Franciscus | Philelphus, den bekannten älteren Zeitgenossen
des Politianus erwecken kann, unbedenklich jenen Vornamen
hinzufügt in folgenden Worten (antiquarische Abhandlungen
1816 S. 38): sunt quoque qui Floram, Floreniem, Florentiam, vd
Graeco vocäbulo 'AvOoOdav dictam opinentur (Romam), Fr an-
ciscum Philelphum, quoad graecum nomen, secuti. Wer jedoch
etwas mehr philologische Personenkenntniss, als man bei Munter
voraussetzen darf, sich erworben hat, der muss darüber stutzen,
dass ein Forscher ersten Ranges, wie es Politianus anerkannter
Maassen ist, in einer solchen, dasAlterthum betreffenden Sache
auf einen Zeitgenossen, zumal auf einen in jeder Beziehung so
tief unter ihm stehenden wie Franciscus Philelphus, als auf eine
ausreichende Autorität sich sollte berufen haben. In der That
verschwindet auch Philelphus vom Schauplatz, sobald man den
von Fabricius benutzten zweiten Brief in Politianus' Briefsamm-
lung aufschlägt. Es ist eine an seinen Zögling Petrus Mediei
gerichtete Abhandlung in Briefform über die Entstehung von
Florenz und Fiesole. In knapper und klarer Fassung werden
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30. Quellennachweis zn Politianus 333
die einschläglichen Nachrichten aus den abgelegensten hand-
schriftlichen Qaellen vereinigt; sogar die Erwähnung der Nymphe
Phaesyle in dem hesiodischen Bruchstttck (181 Marckscheflfel) bei
dem Scholiasten zu Aratos ist nicht ttbersehen. Nachdem Poli-
tianus nun aus der mediceischen Handschrift der Agrimensoren ^
die Nachricht über die Grttndung der Colonie Florentia durch
die Triumvirn, welche wir jetzt in Lachmann's Ausgabe der gro-
matici p. 213, 6 lesen, fast wörtlich ausgezogen hat, fährt er fort:
JExplorata origine, causam quoque nominis indagemus. Triplex
Romae urbi fuisse nomen proditur: unum hoc, guod dianmas,
pervülgatum; alterum, quod arcanum fuit, unde Amaryllida
suam^ quae amorem proprie significaty in Bucolicwn Carmen
6 poeta detorsit; tertium sacrificiis debitum, de quo vocabulum
Floralihus impositum, quod Anthusam Graece Philadelphus
interpretatur^ homo doctus a quo haec accepimus. Hoc tu La-
une vel Floreniem vertas, vel aptius Floram foriasse^ aut Flo-
rentiam. Sdmus autem populi Romani colonias quasi efßgies
10 parvas eius et \ simulacra fuisse. Constat etiam Florentiam 1 82
conditam ad Romae imaginem, quod, ut aiia praeteream, no-
men quoque adhuc Capitolii et regionum quarundam testifica-
tur, Idem atUem fuisse Änthusae vocabulum Gonstantini urbi
impositum, quae nova Roma diceretur, tam Philadelphus
16 idemj quam etiam doäissimus Eustathius^ tradiderunt. Inde
igitur productum nomen, unde urbs quoque ipsa producta.
Die zahlreichen Ausgaben der Briefe und Werke des Po-
litianus, welche ich, von dem ältesten ausgehend, zu dem vor-
liegenden Zwecke eingesehen habe, bieten alle sowohl Z. 6 wie
Z. 14 Philadelphus ohne Abweichung. Allerdings mögen die
wenigsten Leser und Presscorrectoren sich bei diesem Namen
etwas Vernünftiges haben denken können, wie denn wirklich
1 Quod ego apud lulium Frontinuni reperio eeleberrimum scriptorem,
qui Nervae aetate floruitj in lihro De agrorum menawris, quem tu librum
domi häbes, Petre Medices, vetustissimum. Es ist -wohl die von Bandini
cod, lat vol, II p. 47 beschriebene Handschrift plut. 29 cod. 32 gemeint.
2 Zq Dionysius Periegetes V. 803 p. 253 Bernhardy : övo^aaef^vai H
TroT€ aÖTÖ (BuZdvTiov) Kai 'Avriuviav, ?uu^ ircpif^v Icßf^po^ Kai 6 ^k€(vou
irat^ 'AvTuiVivo^ (vgl. Hesychins Milesias orig, Constant p. 72 und 238
Orelli)- irapd bä toO >i€TdXou KuuvaTavrivou KAiiOf^vai aÖTÖ 'AveoOaav
(lOTopclTai).
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384 Miscellen
der von Bayle mit einem besonderen Artikel bedachte Francis-
GUS Sylvias aus Amiens (Ambianas), welcher Politianos' Briefe
mit einem mir aus Ascensins' Ausgabe vom Jahr 1519 be-
kannten Gommentar versah, zu ' Philadel phus* anmerkt: Phüa-
delphus dictus est Ptolemaeus secundus. Zu solchem Aberwitz war
nun freilich ein Gelehrter wie Johann Albert Fabricius auch bei
compilatorischem Eilschritt nicht fähig. Aber da ein passender
Schriftsteller Thiladelphus' ihm nicht bekannt war und Politi-
anus' Ausdruck Z. 7 hämo docttis a quo haec accepimus die Be-
ziehung auf einen Zeitgenossen nicht geradezu ausschloss, so
hielt Fabricius Philadelphus für einen Druckfehler, den er nun,
gegen seine sonstige löbliche Gewohnheit, nicht einmal anmerken
zu müssen, sondern stillschweigend zu Phildphus ändern zu
dürfen glaubte. Jetzt, nachdem die Auszüge aus der Kalender-
erklärung des Johannes Lydus gedruckt vorliegen, erkennt man,
dass Politianus dessen Angaben fast wörtlich tibersetzt. Die
auf Alt-Rom beztigliche Stelle des Lydus findet sich in der Be-
sprechung des Grtindungstages Roms, der Parilien, xq npö bc-
Ka^iidq KaXavbiüv Maiwv (21. April) und lautet p. 98 Schow =
p. 85, 9 Bekker :
övöjLiaTa hk T^ TTÖXei rpia, reXecTTiKÖv lepaxiKÖv ttoXitikov, xe-
XeaxiKÖv \Av olovel "Epw^, djcjxe irdvxa^ fpwxi Geiuj Trepi xf|v
133 TTÖXiv Kaxex€(T9ai ' biö | xai * *A^apuXXiba xfjv iröXiv 6 ttoitixti^
alviTMOixujbujq ßouKoXidCujv KaXei* lepaxiKÖv bfe OXiöpa, olovei
5 dvGoOaa, ö9ev^ Kaxä xauxriv f) xiüv dvGeaxiipiwv 4opxn' iroXi-
XIKÖV hk 'Puj^jia.
^ Servius zu Virgils Eclog. 1, 5 resonare doces Ämaryüida süvas]
male . . quidam dUegoriam volunt : Tu Carmen de whe Roma componis cele-
hrandum amnibus gentibtis ; zu I, 30 postquam nos AmaryUis habet, Oalatea
reLiquW] aüegorice hoc dicit : Postqimm relicta Mantua, Botnam me conttdu
Nam Galateam Mantuam vult esse, Eomam AmaryUida. Leibnitz verwen-
det diesen angeblichen Namen Roms in seinem von Trendelenburg (histo-
rische Beiträge 3, 35) veröffentlichten Brief über die Universalsprache :
quemadmodum olim quae in terris Roma, in coelo AmaryUis appeUabatur,
8% Etrusds flaminibus credimus, ita salvo ipsius linguae universalis gemo,
imo ita ferente eius natura, alio viügus, dlio sapientes nomine easdem res
saepe censdmnt.
^ Die in der Bekker'schen Ausgabe unverändert abgedruckte Roether'-
sehe Uebersetzung giebt diese Worte so wieder: unde hoc die FloraUum
feriae. Da Lydus an dieser Stelle vom 21. April handelt, so kann sich
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80. Quellennachweis zu Politianus d35
Die auch auf Constantinopel beztiglichcD, abgerissenen Worte
stehen am Schluss des Monats April und stammen wahrschein-
lich aus einer längeren, von den Epitomatoren ausgelassenen
Erörterung über die Floralien (28 April — 3. Mai); sie lauten
p. 99 Schow = p. 86 Bekker: 'Piü|liti OXiöpa Kai f| KoüvaiavTi-
vouTToXi^* fJTouv dvOoOaa. Eine dritte Erwähnung findet sich
dann noch bei Gelegenheit der vier Parteien des Circus (p. 72
Schow = 65 Bekker); die Grünen, ßlpibeq olovel dvOripoi, sollen
eingeführt sein el^ Tf|v xfiq 'Pii^ri^ tim/jv OXujpav bk auxfiv
(bvö^oCov, uiaTrep fmeiq 'AvGoödav, p. 73 Schow = p. 66, 7
Bekker.
Hiemach steht es ausser Zweifel, dass bei Politianus mit
Philadelphus Niemand anders gemeint ist als eben der Lyder
Johannes. Dieser stammte, wie er selbst (de magistr. 3, 26 p. 218,
22 Bekker) angiebt, aus Philadelpheia in Lydien, und in der
barberinischen Handschrift, aus welcher, nach Hase's Meinung
(p. XXIV Bekker), alle übrigen sich ableiten, ist daher der grös-
sere Auszug der Ealenderschrift, nach Schows ausdrücklicher
Angabe (p. vii und p. 1), betitelt: *Ek tiDv toO 'Iwdvvou toO
OiXabeXcp^ujq^ | Politianus wählte nun, da der Name Johan-i84
nes wegen seiner Häufigkeit aufhört bezeichnend zu sein, die
Benennung nach der Geburtsstadt und wollte Philadelpheus
schreiben ; unter seiner abirrenden Feder oder unter den Händen
der Drucker ward daraus Philadelphus.
Man darf demnach die Benutzung des Lydus TTepl Mrivuüv,
welche Hase (p. xxvi Bekker) in der philologischen Litteratur
nicht höher als bis zu Salmasius, also in das siebzehnte Jahr-
hundert hinauf verfolgen konnte, vielmehr schon in das die Wis-
senschaften wiederherstellende fünfzehnte Jahrhundert verlegen
und bei sonst nicht zu verificirenden Angaben der älteren italie-
nischen Philologen auch an die Möglichkeit denken, dass sie
ans Lydus entnommen seien. Dieses litterärgeschichtliche Er-
gebniss möge hier genügen. Auf die von Politianus dem Lydns
hoc die nur auf dieses Datum beziehen; die Floralien aber beginnen erst
am 28. April. Politianus hat richtig hier nur die Namensableitung der
Floralien von Flora gefunden und xard raOniv auf OXOüpa bezogen.
^ Leider charakterisirt sich die Ausgabe des Lydus im Bonner Cor-
pus gleich an der Schwelle dadurch, dass sie diesen handschriftlichen Titel
spurlos verschwinden lässt und dafür ^k tuiv ircpl fiiivuiv setzt.
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336 Misoellen
entlehnten heiligen oder geheimen Namen von Alt- und Nea-Rom
näher einzugehen, liegt keine AuflForderung vor. Was die Rö-
mer öffentlich als ihre Religion trieben, ist uns zam grössten
Theil noch immer ein unerschlossenes Geheimniss, zn welchem
der Schlüssel vielleicht nie gefanden wird ; um wie viel weniger
wird man hoffen dürfen, in das einzudringen was sie, seiner
Wichtigkeit oder seiner Nichtigkeit wegen, der Oeffentlichkeit
entzogen. Solchen Dingen gegenüber hat man seine Pflicht er-
füllt, wenn man die erreichbaren Nachrichten einfach registrirt.
Und so sei denn zur Vervollständigung des Registers, so weit
es Neu-Rom angeht, noch bemerkt, dass dessen Name 'AvGoucra,
ausser in den von Politianus erwähnten Stellen des Lydus und
Eustathios (s. oben S. 333 A. 2) noch zu finden ist in dem Artikel
ZuKtti des Stephanus Byzantius, möglicherweise in Folge einer,
auch von Meineke vermutheten, späteren Einschiebung, für welche
jedoch die blosse Abgerissenheit der Notiz bei einem von den
Epitomatoren so arg misshandelten Text noch keinen sicheren
Beweis abgiebt. Die Worte, in denen 'AvGoOaa nicht geradezu
für einen heiligen, sondern für einen schmückenden Namen er-
klärt wird, lauten: f| ttöXi^ aÖTTi Trapd tö tcwikOü? dvBeiv 'Av-
GoOaa.
2. Archimedes.
Die unvergessliche Todesstunde des im Sinnen über seinen
in den Sand gezeichneten geometrischen Figuren von dem rö-
mischen Soldaten niedergehauenen Archimedes, des Mannes, den
185 Silius I (xiv 342), gleichsam zur Sühne für die Rohheit seines
Volksgenossen, mit den schönen Versen ehrt
ingenio facile ante älios teUuris älumnos,
ntidtis opum, sed cui caelum terraeque paterent,
ist oft genug von griechischen wie lateinischen Schriftstellern
geschildert und der Zuruf des grossen Denkers an den wilden
Eriegsmann ist in lateinischer Fassung ^ zu einem vielgebrauchten
^ So wie man ihn jetzt gewöhnlich citiren hört : noU turbttre eircftias
meos findet er sich nur in den Lesestücken der Schulbücher, z. B. den
narratiunculae hinter der Bröder' sehen Grammatik (p. 67 n. 44 der 14. Aus-
gabe), aber bei keinem alten Schriftsteller. Diese Fassung ist entstanden
aus der Lesart der älteren Ausgaben des Valerius Maximus vin 7 ext. 7
protracto mambus ptUvere, "noiV inquit * obsecro, istum dretdum distwrbare*.
Bereits Pighius hat jedoch circtilum, das gar keine handschriftliche Gewahr
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30. Quellennachweis zu G. Valla 337
'geflügelten Wort' geworden. Johann Albert Fabricius (bibl graeca
II 544 der ersten = iv 172 der Harless'schen Ausgabe) hat mit
seiner gewöhnlichen Sorgfalt die bezüglichen Stellen der alten
Litteratur gesammelt and beschliesst die Sammlung mit folgenden
Worten : tniliti irrtimpmti dictum ab Ärchimede xav K€q)aXdv, Ka\
jif) xdv TpotjiMdv, ut ex veterum äliquo tradit Georgius Valla üb, I
de rebus expefendis et fugiendis c. 6. Georgius Valla ist der aus
Piacenza gebürtige Gelehrte (Placentinus), der als Benutzer einer
noch nicht wieder aufgefundenen Handschrift alter Scholien zu
Juyenal jedem Philologen bekannt ist und dessen lateinische
Uebersetzung der Probleme des Alexander von Aphrodisias für
einen grossen Theil dieser Sammlung so lange das erst in neue-
ster Zeit von Bussemaker und Usener veröffentlichte griechische
Original vertreten musste. Das von Fabricius citirte Werk mit
dem aus der aristotelischen Terminologie (a\p€Td Kai q)€UKTd)
entlehnten Titel de rebus expetendis et fugiendis ist eine Ency-
clopädie, in welcher die Mathematik und Medicin besonders aus-
führlich behandelt sind ; sie ward nach Georgius' Valla Tode in
nicht ganz ausgearbeitetem Zustande von dem Sohne Johannes
Petrus im Jahr 1501 bei Aldus zum Druck befördert; und die
seitdem nicht wieder gedruckten zwei starken Foliobände, welche
sogar Tiraboschi \ wie er klagt, entbehren musste, mögen | jetzt 136
wohl nur auf grösseren Bibliotheken zu finden sein. Um den
Quellennachweis überzeugend fahren zu können, ist es daher
erforderlich, bei der Mittheilung der von Fabricius erwähnten
Stelle auf die vorhergehenden Sätze zurückzugreifen. Valla re-
det im sechsten Gapitel des ersten Buchs von der Bedeutung
der Mathematik. Nachdem er die Mythen von Echo und Pan,
von Endymion und Prometheus in euhemeristischer Weise und
im Anschluss an ^ Alexander', d. h. den Aphrodisienser {problem»
I 134), auf die Entdecker und Ausbildner der mit der Mathe-
matik zusammenhängenden Wissenschaften gedeutet hat, fährt
er fort:
haec eo tendunt omnia ut minus miremur^ quae memoravimus
poetas conßnxisse et ob hoc mathematicas statim esse cogno-
hat, gesti'ichen und istum richtig auf ptdvis bezogen ; für das unverständ-
liche protracto ist nach Anleitung der Epitoroe des Paris, welche proiecto
bietet, von Yahlen protecto vermuthet und von Halm in den Text gesetzt.
1 6, 3 p. 1047 (Firenze 1809).
Bemftys, ges. Abhftndl. II. 22
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338 Miscellen
scendas in ipso disciplinarum vestibtdo, tum quia acuere inge-
nia receptum sit, tum quod certissimae sint sölae^ ut non in-
6 iuria Marinus Prodi discipulus dixerit: 'o utinam sint cunäae
ut mathetnaticae disciplinae^ ^ quaSj inquit Plato^ si anima $ün
nostra vendicaritj inconctissas ac immobäes habebimus. Quae
solerti perceptae diligentia quantam animae invehant dacrita-
tem ac securitatem, aperuit Archimedes, qui obsidentibus Bo-
10 manis Syracusas nunquam de fuga sibi cogitandum quicquom
putaverit^ quin dum geometrica quaedam ctttefitius inspicerä
(füge hinzu : et) admoneretur, quando imn hostis urbem tenerä,
quali sese subducere posset effugio^ respondit interritus darice
nie quidem: xdv KeqpaXav xai jn^i Tpamudv. Sunt etiam qui
15 tradantj ne captam quidem patriam sensisse, dum in pulvere
quaedam describeret.
Das letzte, mit Sunt etiam (Z. 14) beginnende Sätzchen ist fast
wörtlich aus Cicero de finib. v 19, 50 entlehnt; für den dorischen
Ausruf jedoch vermochte Fabricius in der ihm zugänglichen ge-
druckten Litteratur die Quelle nicht aufzufinden, und da der
sonst bei Italienern jener Epoche nur zu oft gerechtfertigte Ve^
dacht quellenlosen Ersinnens hier nach der ganzen Lage der
Sache nicht statthaft erschien, so verzeichnete er die Angabe
als ex veterum aliquo stammend. Wie richtig sein Verfahren
war, zeigt sich jetzt, nachdem die griechischen Prolegomena
eines Ungenannten zu Porphyrios' Einleitung von Brandis in
seiner aristotelischen Scholiensammlung (p. 6*22— -9^34) theil-
weise, und 'fast vollständig' nach einer anderen Handschrift von
Gramer (Änecd. Paris. 4, 389—433) veröflfentlicht worden. Dort
137 findet sich ein kleiner von | der Bedeutung der Mathematik han-
delnder Abschnitt, in welchem der sonst wohl nicht vorkommende
Spruch des Marinos, das platonische Citat und der Ausruf des
Archimedes genau in derselben Reihenfolge wie bei Valla (Z. 5,
6, 14) vorgeführt werden. Valla hatte sich sehr ernstlieh mit
dem griechischen Original der aristotelischen Werke befasst;
seine Uebersetzung der grossen Ethik ist sogar noch in der aka-
demischen Ausgabe des Aristoteles (3, 589) beibehalten; in den
Handschriften, auf welche man damals für Arbeiten über den
griechischen Aristoteles fast ausschliesslich angewiesen war,
konnten ihm leicht jene erst in unserem Jahrhundert gedruck-
ten Prolegomena begegnen. Der Abschnitt derselben, welchen
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30. Quellennachweis zu G. Yalla 339
er in den eben mitgetheilten Sätzen zum Theil wörtlich wieder-
giebt, lautet (p. 8^22 Brandis = p. 420, 3 Gramer):
diTopouai bl Tiveq ÖTi €1 Trdvra ^avGdvojLiev xai xd düXa Kai rd
fvuXa Ka\ xd jn^aa, bid ti jn^i irdvia KaXeTxai )ia9ri|LiaTa, dXXd
jLiöva xd lilaa iacpeiepiaaTo tö koivöv övo/ia; Kai X^toucti xoO-
Tou alxia? biio, ^iav \x^v 8xi ^xo^^i ^d jnaOriMaxa xö dpapö^
5XÜÜV dTTobeiHeujv • xaOxa fäp |ulav9dvo^€v dKpißujq, xd bfe dXXa
€lKd2o|Li€V luiäXXov f\ |Liav9dvo|ui€V bid Kai 6 (piXöaoq)o^ MapTvoq
?q)Ti 'eiOe Trdvxa |uia9rmaxa f^v*. beux^pav hk öxi xaöxa f^b^uj^
^av9dvo|ui€v, irdcJxovxe^ xö xa»v AiüxocpdTiüV ' TeuddjLievoi t^P
auxüjv ou 9Ao|i€V auxojv dTToaxfjvai, dXX' ^x<^^€9a aüxiüv ibq
loXuJxoö. f) qpTial Kai TTXdxuJv oöxujq* S ydp Sv iKOvaa f) ipuxri
Xdßij, bucT^KViTTxa Kai djuexdaxaxa qpiXei Tiv€(T9ai, ujdTrep xou-
vavxiov, qpTicTi, Hiuxfiq ßiaiov oub^v f^^ovov |uid9Ti|uia. Kai 'Apxi-
}xf\bTi](; b€ TTOxe ßapßdpujv ^mdxdvxujv xaT? ZupaKOucTaiq oök
fq)UT€ 9€u)pii)id XI Teiü^expiKÖv KaxaTpdq)U)V, dXX' IcßX] ' xdv k€-
i5q)aXdv Kai \xr\ xdv TpaM^ov' xoOx' fdxi irapd xf|v Keq)aXf|v Kai
\ii\ Tiapd xfjv TPaMM^v.
Die Bezeichnung }xiaa (Z. 2, 3) für die zwischen der im-
materiellen Theologie und der materiellen Physik in der Mitte
liegende, weil die Form von der Materie abstrahirende, Mathe-
matik rechtfertigt der Verfasser in einer früheren, an Aristoteles
(s. Bonitz zur Metaphysik 1026 * 6) anknüpfenden Auseinander-
setzung^, I welcher Valla ebenfalls in der ersten Hälfte des uns 138
beschäftigenden Capitels Einiges entnommen hat. — Z. 11 steht
statt der oben befolgten, aus cod. Paris, reg. 1977 herstammen-
den Brandis'schen Lesart ujairep xouvavxiov, q)r](Ti, bei Cramer
aus cod. Goislin. 387: oKTTrep ydp xouvavxiov q)a(Tiv und darauf
1 Sie fehlt bei Brandis. Ihre Schlussworte haben bei Cramer p. 419, 35
folgende unverständliche Fassung : oötui xdp q)oai koI ol TTuGaTÖpcioi,
axd|Lia, Kai ßd^cv, dvrl toO koS' ^Koarov axf^iio, ßae^iöv dvificv ^trl Geo-
XoTiav, Kard fi^po<; ^v vtii Xa|LißdvovT€^ xd irdvxij düXa. Valla bietet dafür fol-
gendes : anteqiiam ad theologicam vim possimus ascedere (schreibe ascendere)^
decenimdum, ttt Pythagorici inquiunty ad schama et bama, hoc est figuram
gradumqiie. Hiernach ist Cramer's Text folgendermaassen zu bessern :
'axö|ua Kai ßd^ia* dvrl toO* koO' fKaarov axf\^a ßa6|Li6v dvi^ev itii 060-
Xoxiav KxX. Der pythagoreische Spruch axdi^a koI ßdjuia wird dahin er-
läutert, dass er 'soviel bedeute wie (dvxl toO) : mit jeder mathematischen
P'igur steigen wir eine Stufe zur Theologie hinan'.
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340 Miscellen
sind die Worte ipuxfj? ßiaiov oubfev fmnovov \iaBr\ixa in Fonn
eines, wunderlich hypermetrischen, Trimeters gedruckt Die
Richtigkeit der Brandis'schen Lesart wird zweifellos, sobald man
weiss, dass die Worte ßiaiov oibkv ^^^ovov \iaQr\\ia buchstäblich
entnommen sind ans Platon's Staat vii p. 536®, wo sie gleichfalls
in einer Erörterung über den Jugendunterricht vorkommen; statt
des Genetivs ipuxn? steht im platonischen Text der mit ^li^ovov
zu verbindende Dativ ipuxq hi ßiaiov ktX. — Dem anderen pla-
tonischen Citat Z. 10 a Tap äv ^KoOaa . . . . cpiXeT TiveaBai hat
der Anonymus absichtlich oder durch Gedächtnissfehler eine fttr
seinen Zweck passende Gestalt gegeben; bei Piaton lautet die
gemeinte Stelle Rep. ll p. 378® & äv ttiXikoöto^ a>v Xdßij iv
Taiq böHai^ bud^KViirrd t€ koi djueTadTaxa cpiXei T^TveaBai, und
der dortige Zusammenhang erfordert die Hervorhebung des
Jugendalters (tiiXikoöto? ujv) ebenso nothwendig, wie er die Be-
tonung der Freiwilligkeit (^Kouda) verbietet. — Auch die Ver-
wendung der Sage von den Lotosessem Z. 8 scheint in Erinne-
rung an Piaton (Rep. vui p. 560 *') erfolgt zu sein. — Zu errathen,
weshalb der Anonymus bei seinem Umsetzen der dorischen in
die gewöhnlichen Formen zweimal Z. 15 und 16 irapd hinzufügt,
ist eben so schwierig, wie es unnütz ist. — Wenn Z. 13 statt der
Römer ßdpßapoi genannt sind, so ist das wohl nicht aas helle-
nischem Stolz des Byzantiners zu erklären, sondern in seiner
oflfenbar viel älteren Vorlage mag ein allgemeines Wort, etwa
iroX^jLXioi, gestanden haben, und da ihm nicht beifiel,- dass es
sich hier um die Römer handle, so hat er die barbarische That
eben auch 'Barbaren' zugeschrieben.
31. Joseph Scaliger's Gedichte.
Rheinisches Museum 1863 Jahrg. xvin p. 639 f.
639 Der eben erscheinende Abdruck der Gedichte Joseph Sca-
liger's* wird von allen Freunden jenes philologischen Heros als
ein willkommnes Surrogat für die schon zu F. A. Wolfs Zeit
(s. Bernays, Scaliger S. 18) schwer erreichbare Scriver'sche Aus-
gabe dankbar entgegengenommen werden. Der anonyme Cor-
1 losephi ScaJigeri Poemata Omnia Ex Museio Petri Scriveriu Edi-
tio Altera. Berolini, Verlag von A. Bath (Mittleres Sortimentsbucbband-
lung). 1864. 412 S. 8.
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81. Jos. Scaliger's Gedichte 341
rector, welcher sich auf dem Schlussblatt in wenigen lateinischen
Sätzen vernehmen lässt, scheint seine nächste Aufgabe, einen
correcten Druck herzustellen, gewissenhaft erfüllt zu haben; auch
hat er durch Verificirung der Citate nach den jetzt gangbaren
Ausgaben und durch Verwerthung der meisten* gelegentlichen
Bemerkungen von Bernays ftlr die Bequemlichkeit des Lesers
zu sorgen versucht. Schade jedoch, dass der Verleger, dessen
hoffentlich nicht unbelohnt bleibende Opferwilligkeit durch das
Unternehmen selbst bezeugt ist, sich nicht entschlossen hat, noch
ein Paar Dnickseiten mehr aufzuwenden und die zwei Dedica-
tionsschreiben des Scriverius ebenfalls wieder abzudrucken; das
erste an die Curatoren der Leidener Universität gerichtete vertritt
durch seine Angaben über Scriverius' Verfahren die Stelle einer
Vorrede; aus den Schlussworten desselben ^ ersieht man z. B.,
dass Scriverius eine Anzahl von Epijgrammen, welche ihm band- 640
schriftlich vorlagen und die also vielleicht noch aufzufinden sind,
ihrer Heftigkeit wegen unterdrückt hat. Noch mehr aber ist zu
bedauern, dass Verleger und Corrector sich nicht mit einem der
Litterärgeschichte des xvi Jahrhunderts Kundigen in Verbindung
gesetzt haben ; durch kleine erklärende Zusätze, die wenig oder
gar keinen Raumaufwand erfordert hätten, würde manches jetzt
schwer verständliche Stück klar und geniessbar geworden sein.
Z. B. ist S. 25 mit der Ueberschrift In quendam Folgendes zu
lesen :
nie, novo qui te signavit nomine primus,
Unde Pyraethonis dat tibi nomen equiP
Sive equus in sensu spectetur, sive Pyraethon,
Conveniens non est ille vel ille tibi.
Qu um totus sis nox, quinam potes esse Pyraethon?
Quumque asinus, quis te iure vocarit equum?
Da man sich in den Gelehrtenlexika vergeblich nach einem Ge-
lehrten und in den mythologischen Lexika ebenso vergeblich
* üebersehen ist unter Andenn, dass Bernays S. 127 den Druckfehler
latnb, gnom, i 15 (= S. 111 des neuen Abdrucks) lahante pariete nach
Scaliger's eigener Angabe (epistt. p. 680) in lahantem parietem berichtigt.
^ p. 13 erant quaedam alia epigrammata et poematia, sed quae aut
leviuscula et {ut modo innueham) amica vi extorta, aut acerbiora et scripta
fere cum calore et maiore velhcmentia an indignatione ? Quae considto pre-
mimus : non fcunle, me quidem volente, reiectia seris ae clathris in publicum
proruptura.
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B42 Misoellen
nach einem Pferde mit Namen TTupaiOujv umsieht, so mnss für
die meisten jetzigen Leser das ganze Epigramm dunkel und un-
erfreulich bleiben. Es wäre mit 6ineni Schlage aufgehellt worden
durch den Zusatz FeuarderUium zu dem quendam der üeberschrift
Dieser als Herausgeber des Irenäus bekannte französische Bar-
füssermönch hatte keine Gelegenheit zu Wuthausbrtichen gegen
die Calvinisten vorübergehen lassen; und der zu Epigrammen
herausfordernde Name des Eiferers veranlasste Scaliger, die
Namen zweier Sonnenrosse bei Ovid (Met ii 153 Pyrois . , . . et
Aethon Solls equi) in 6inen Pyraethon zu verschmelzen, welcher
nun die buchstäblich genaue Uebersetzung von feu ardent und
zugleich die Möglichkeit ergiebt, dem Träger dieses Namens zu
sagen, er sei kein Lichtross, sondern ein — Nachtesel ^ — Auch
Bayle macht in der ersten Note zu seinem Artikel Feuardent
onomatologische Bemerkungen über ihn ; des Scaliger'schen Epi-
gramms hat er sich jedoch nicht erinnert. B.
32. Ueber Spinoza's hebräische Grammatik.
C. Schaarschmidt, Des Cartes und Spinoza, urkundliche Darstellung der
Philosophie Beider. Bonn 1850. 8. S. 195—204.
195 Spinoza mag früh darauf geführt worden sein, selbständig
über hebräische Grammatik nachzudenken, die bei den portu-
giesischen Juden einen Haupttheil des Jugendunterrichts aus-
machte. Das siebente Capitel des tracfatus theologico-poUticuSj
welches die Bibel allein aus ihr erklärt wissen will, verlangt
als nothwendige Vorbedingung zu einer solchen Erklärungsweise
die Abfassung einer Geschichte der Bibel, deren erster und
wesentlichster Abschnitt eine Geschichte | der hebräischen
Sprache enthalten müsse ^. Wie der Herausgeber seiner nach-
gelassenen Werke berichtet^, trug er sich lange mit dem nicht
^ Mit anders gewendeter Anspielung hat Scaliger in den Noteu zum
Eusebios (p. 112, 200 ed. pr. = p, 121, 219 ed. scc), wo er den Feuarden-
tius wegen der Ausgabe des Irenäus züchtigt, ihn unter Verschweigung
des französischen Namens Tartareus Pyriphlegethon genannt.
2 § 15 Historia scripturae cantinere debet naturam et praprietates
linguae^ qua libri scripturae scripti fuerunt. — Certum est historiam
linguae Hebraicae prae omnibus necessariam esse. Vgl. § 50.
3 p. 265 T. III ed. Bruder, welcher der Eintheilung in Capitel die in
§§ hinzugefügt hat: In animo semper habuit Hebraeam grammaticam
more geometrico demonstratam luci exponere.
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32. üeber Spinoza's hebräische Grammatik 843
zur Ausfllhrung gekommenen Vorhaben, eine hebräische Gram-
matik nach mathematischer Methode auszuarbeiten. Das uns
vorliegende, unvollendete^ compendium grammatices linguae he-
hraeae entstand — wie ebenfalls der Herausgeber angiebt^ —
auf Veranlassung von Freunden Spinoza's, die ihn um einen
Leitfaden zum Unterricht im Hebräischen angingen. Diese
Freunde redet er im Verlauf des Werks mehrmals persönlich in
einer Weise an \ welche darauf deutet, dass er die Schrift in
dieser Form nicht zur VeröflFentlichung bestimmte. Er fügt sich
ihrem praktischen Bedttrfniss darin, dass er der hergebrachten
Anordnung des Stoffes folgt, soweit es ihm seine Grundansicht
irgend erlaubt; und weil die Freunde schon mit der Grammatik
anderer Sprachen vertraut waren, findet er es — was wir nur
bedauern können — nicht nöthig, sich über das der hebräischen
Grammatik mit denen anderer Sprachen Gemeinsame näher aus-
zulassend
Die äusseren veranlassenden Umstände sind also Ursache, |
dass wir in dem Compendium die spinozistische Ansicht über 19G
das Wesen von Sprache überhaupt und über die-Eigenthümlich-
keit des Hebräischen nicht in adaequater, wissenschaftlicher
Form vorgetragen finden. Aber auch durch die nachgiebigere
Darstellung blickt noch erkennbar genug der strenge, das Viele
in die Einheit sammelnde Systematiker; ja noch mehr, man
gewahrt bald, dass in dem Compendium dem gegebenen Sprach-
stoflF der Stempel desjenigen Systems aufgeprägt wird, welches
in der Ethik entwickelt ist.
Spinoza hat selbst wiederholt und nachdrücklich den Grund-
gedanken hervorgehoben, aus welchem alle ihm eigenthümlichen
^ Der etymologische Theil ist vollendet bis auf die Adverbia, Par-
tikeln, Interjectionen, und die (vi 3, 12, 17, 18) versprochene Tabelle der
Nominalformen. Dass er der Syntax eine eingehende Behandlung zuge-
dacht hatte, geht aus den syntaktischen Bemerkungen hervor, die unter
Verweisung auf einen besondern Abschnitt über die Sjmtax im etymolo-
gischen Theil gelegentlich vorkommen ix 14, 22; x 11; xn 10; xvi 11;
XVI 2. 5.
2 p. 276.
3 IX 30 Vo8 monere volo. xvii 5 videbitis infra. xxxi 22 haec vo-
bis longe clariora fort credo.
* XIII 2 Quia üs tantum, qui in älm Unguis versati sunt, scribOy mitto
hie explicare, quid tempus et quid modus sit.
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344 MiBcellen
Ausichten über den Bau der hebräischen Sprache entspringen,
und in dem zugleich der Einfluss des Systems der Ethik unver-
kennbar zu Tage tritt. Wie in der Ethik die 6ine Substanz in
ihren Attributa und Modi Alles ist, so kennt Spinoza in der
hebräischen Grammatik keine Vielheit verschiedener, gleichbe-
rechtigter ßedetheile, sondern nur öinen, das Nomen ^ Nomen
ist jedes Wort, welches ein vom Verstand aufgefasstes Etwas
bezeichnet. Ein solches Etwas ist aber entweder ein Ding,
Attribut, Modus, Beziehung eines Dinges, oder eine Handlung,
Modus und Beziehung einer Handlung *. Hiernach ergeben sich
folgende Bestandtheile der Sprache:
198 I. Das Dingwort (nomen m), Substantiv, zerfallend in | Eigen-
namen und Appellativum, und das stellvertretende Pro-
nomen,
n. Das Attributwort, Adjectiv.
III. Das dingliche Moduswort ^ Particip.
IV. Das dingliche Beziehungswort (nomen rdativum), Präpo-
sition.
V. Das Handlungswort (nomen actionis), Infinitiv*.
VI. Das den Modus und die Beziehung der Handlung bezeich-
nende Wort, Adverbium.
Dass alle diese Wörter Nomina seien, soll nichts anderes
heissen, als dass sie alle die Eigenthümlichkeiten des Nomen
haben, Genus, Plural, Bection, Artikel, Declination, so-
1 V I Omnes hebraeae voees, exeeptis tantum interiecHonibtis et eon-
iunctiowibua et una aut altera partictda, vim et proprietates nominis habent.
Yui 30 Ceterum hie iterum atque iterum vos monere volo, ut ea, qttae cap. 5
dicta sunt de nomine, animo perpendatis. Nam nemo magno cum fructu
hanc linguam edlere poterity nisi id, quod ibi diximus rede pereipiat, quod
scüicet tarn verba quam partieipiay quam praepositiones, quam deniqtie ad-
verbia pura puta apud Hebraeos sint nomina,
3 y 3 Per nomen intelligo vocem, qua äliquidy qttod sub inteüectum
cadit significamus vel indicamus, Quum autem quae sub inteUectum cadunt
sint vel res rerumque attributa, modi et relationes vel actione s, actiomim-
que modi et relationes, hinc nominum genera facüe coüigimus.
3 xxxni 1 Participia adiectiva sunt, quae actionem vel omne qtwd
verbo signifkari solet tanguam rei affectionem vel modum cum rela-
tione ad tempus exprimunt.
^ V 5 Hoc apprime notandum, quod modus quem infinUivum Latini
vocant, apud Hebraeos purum putum nomen sit, qui propterea infinitivus
nee praesens nee praeteritum nee absolute uüum tempus agnoscit.
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32. üeber Spinoza's hebräische Grammatik 345
weit die Natur des durch die jedesmalige Art des Nomen be-
zeichneten Etwas es erlaubt. Sonach kann Genus nur bei No-
mina von Dingen eintreten, die geschlechtlich verschieden sind^,
also bei Substantiv und Pronomen, ferner bei den auf die Ding-
wörter bezogenen Adjectiva und Participia^, endlich bei den,
von Spinoza als Adjectiva des Subjects aufgefassten 8, Verbal-
formen des Präteritum, Futurum, Imperativ, die durch Suffixe
und Präfixe das Genus bezeichnen. |
Von der Pluralisation sind ausgeschlossen die Eigen- 199
namen, Infinitive und Adverbien. 'Denn jedes einzelne Indivi-
duum hat seinen Eigennamen für sich, so wie auch jede ein-
zelne Handlung ; . und daher kommt es, dass die Eigennamen,
der Infinitiv (Handlungswort) und die Adverbien, weil sie gleich-
sam die Adjective der Bandlungen sind und mit ihnen in der
Zahl congruiren müssen, nur im Singular gebraucht werden'*.
Dagegen werden alle übrigen Arten des Nomen pluralisirt, die
Appellativa, Pronomina, Adjectiva, Participia, die als Adjectiva
des Subjects geltenden Präterita, Futura und Imperativa, und
endlich, worauf Spinoza als auf eine von ihm zuerst erkannte
Wahrheit vorzügliches Gewicht legt, auch die Präpositionen. In
BetrefiF der Präpositionen weist er zuvörderst aus den vorliegen-
den Quellen die sprachliche Thatsache nach^, dass sie sowohl
im Status dbsdltdus als im Status constructus pluralisirt werden,
und sucht dann diese Thatsache, welche 'Vielen ungereimt er-
1 VII 1 N(minay''^quibu8 mares significantur, vel res, quae ad mares
pertinent, mascidina sunt, haec autem, quibus feminae vd res quae ad fe-
minas pertinent, feminina.
2 vm 7 terminationes femininae proprie sunt adiectivorum et parti-
cipiorum, nimirum quia unum idemque nomen adiectivum attributum est,
quod iam ad marem iam ad feminam refertur ideoque unumquodque duabus
terminationibus indiget quod in substantivis hcum non habet Vgl. vn 10.
3 xm 6 Patet infinitivarum farmulas esse veluti adiectiva substanti-
vata, sed quando tempore et persona determinantur, veluti adiectiva esse quae
cum suo nominativo tanquam cum substantivo convenire debent genere nu-
mero et casu. Vgl. ebendas. 8, 17. xiv 6.
^ y 7 unumquodque individuum suum sibi tantum habet nomen pro-
prium ut et unaquaeque actio, atque hinc fit, ut nomen sujbstantivum pro-
prium, ut et infinitivus et adverbia, quia quasi adiectiva actianum sunt,
quibtiscitm debcant numcro convenire, non nisi singtdari numero exprimantur.
" IX 15. X 5, 6.
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846 Miscellen
scheinen möchte' ^, begrifflich zu erklären. Man könnte nämlich
einwenden: ^da ja die Präpositionen als noniina rekUiva die
Beziehung eines Dinges zu einem andern Dinge bezeichnen, Be-
ziehungen aber keine Arten sind, die mehrere Individuen unter
sich befassen, so dürften sie eben so wenig als die Eigennamen
pluralisirt werden'. Darauf wird geantwortet: 'Im plnralisirten
Status ahsöluius des Plurals bezeichnet die Präposition nicht die
Beziehung eines Dinges zu einem andern Dinge, sondern die
Beziehungen an sich gedacht, Raum oder Zeit in Beziehung zu
200 einem Dinge 2. Im stattis construdus aber bedeutet der | Plural,
dass die Beziehung eines Dinges zu einem andern Dinge vielmal
gedacht oder verstärkt ausgedrückt werden soll ' \ — Die Ad-
verbia dagegen, obgleich sie auch Nomina sind, werden nicht
pluralisirt. Denn der bei den Präpositionen den Plural des
Status absol. rechtfertigende Grund, das Auffassen der Beziehung
an sich, fällt bei den Adverbien weg, da sie ja die modi acHonis
bezeichnen, also nur in Beziehung auf die Handlung gedacht
werden können*. Damit wäre jedoch noch nicht der andere.
bei den Präpositionen den Plural rechtfertigende Grund, der
verstärkte Ausdruck, ausgeschlossen. Werden ja im Lateinischen
z. B. die Adverbia verstärkt, benigne perbenigne. Aber wenn
das auch die Lateiner thun, den Hebräern scheint es ungereimt.
1x2 Quod pluraleni habeant numerum multis forsan absurdum vide-
bitur. Sed quidni, quum revera sint nomina ? At dices relationes non esse
spedes qiuie plura individua sub se habent, adeoque hoc cum nomine proprio
commune habere quod careant plurali,
^ X 3 Praepositiones in statu absoluto nihil sunt quam ipsae relatio-
nes abstracte conceptae sive expressae, sed tum non tarn relationem^ quam
locum vel tempus cum relatione ad aliquam rem exprimunt.
° X 5 Ipsae etiam praepositiones in statu regiminis, hoc est, quaienus
rclationes indicant, tarn in singulari, quam in plurali decUnantur, quod fit,
qtiia vel relatio muUoties concipi vel qtda intcnsius exprimi dä>et,
^ X 9 Nee possunt {adverbia) sicut praepositiones abstracte coneipij ut
per se notum est; et quamvis Latini etiam adverbia saepe intendant tä
perbenigne, multo mane etc., adeoque hac de causa etiam deberent apnd
Hebracos in plurali numcro, ut praepositiones solent, exprimi, hoc tcanen
Hebraeis absurdum videretur. Nam praepositiones, quia relationes indicant,
possunt, ut nomina substantiva, attributa habere, sive intensius exprimi. At
adverbia, quia actionis modi sunt, adiectiva quasi verborum sunt. Eadcm
igitur intendere nihil aliud esset quam attributorum attribtfta excogitare sive
adiectivis adiectiva addere.
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32. üeber Spinoza's hebräische Grammatik. 347
Und mit Recht. Denn die Präpositionen, die Beziehungen be-
zeichnen, sind Substantiva, mithin kann auf sie das Attribut
des Starkseins bezogen, können sie verstärkt werden; die Ad-
verbia dagegen, welche nur modi adionis bezeichnen, sind
gleichsam die Adjectiva der Verba; wollte man ihnen das
Attribut des Starkseins geben, sie verstärken, so hiesse das
nichts anderes, als einem Attribut ein Attribut geben, ein Ad-
jectiv auf ein Adjectiv beziehen. Viel passender bezeichnen
daher die Hebräer den verstärkten modus adionis vermittelst
ihrer Verbalbildung. |
Rection findet bei allen Arten des Nomen Statt. Eine 201
jede Sache kann entweder für sich {absolute)\ oder, eindring-
licher und deutlicher, in Beziehung auf Anderes bezeichnet wer-
den. In dem Satze 'Die Welt ist gross' steht 'Welt' im Status
ahsolutits, 'die Welt Gottes ist gross' im Status relativus^ der
auch Status regiminis genannt wird. Die grammatische Form
dieser relativen Bezeichnung hat sich ursprünglich für die Infi-
nitive (nomina adionis) und die, Handlungen als AflFectionen der
Dinge darstellenden, Participien ausgebildet, weil Handlungen
schwer ohne Beziehung auf den Handelnden oder Leidenden
deutlich gemacht werden, weshalb auch diese Arten des Nomen
selten im Status absolutus vorkommen, während die Substantive
ursprünglich und vorzüglich dazu dienen, die Dinge für sich,
nicht beziehungsweise zu bezeichnen, wie ja die Eigennamen
nie im Status regiminis stehen ^. Die Belege, dass, mit Ausnahme
der Eigennamen, alle Arten des Nomen, und vorzüglich die
Präpositionen, als nomina relativa^ in den Status regiminis ge-
setzt werden, enthält eine Tabelle ^ in welcher wir nur Beispiele
^ vni 1 Ees vel absolute signifieantur vel ad äliaa relatae, ut clarius
et expressitis indicentur, Ex. gr, mundus est magnus, mundus in aUUu
absoluta significatur; at mundus Bei est magnus, tum mundus est in
statu relativo, quo efficadus exprimitur vd clarius indicatur, atque hie Sta-
tus regiminis vocatur,
^ vui 8 Variationes, qiMS in statu regiminis nomina patiuntury ori-
ginem ducunt a mutationihus infinitivorum et participiorum, — ebend. 9 Ädde
quod primus et praedpuus nominis substantivi usus sit res absolute, non
autem relative indicare. Hoc enim nominibus propriis repugnat, quatque
adeo numqiiam in statu regiminis reperiuntur; at acti^mes vix dbsque rela-
tione agentis vd patientis eocplicantur, et ideo rarius in statu absoluto re-
periuntur.
8 IX 22.
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848 Misoellen
für den Status regiminis der Verbalformen des Präteritum, Fu-
turum und Imperativ vermissen, die ja als Adjectiva des Sab-
jects aufgefasst werden sollen i.
Der Artikel dient dazu, ein Individuum oder mehrere als
202 bestimmte und bekannte aus der Menge der unbestimmten | und
unbekannten hervorzuheben ^. Einerseits kann er also nur bei
den Arten des Nomen eintreten, bei welchen eine Vielheit denk-
bar und also ein Plural möglich ist d. h. bei Appellativen, Par-
ticipien und Adjectiven. (Ueber das Nichtvorkommen des Artikels
bei den Verbalformen des Praeteritum, Futurum und Imperativ,
die ja als Adjective gelten sollen, erklärt sich Spinoza nicht)
Die vom Plural ausgeschlossenen Eigennamen, Infinitive und Ad-
verbien haben daher auch einen Artikel. Andrerseits aber kann
auch von den eine Pluralisation zulassenden Nomina keines den
Artikel bekommen, das im stcttus regiminis steht. Denn der
Artikel soll den durch das Wort bezeichneten Gegenstand als
klar und bekannt darstellen, der Status regim, aber zeigt an,
dass der Gegenstand erst noch durch einen andern erklärt und
bestimmt werden solle. Also können auch die Präpositionen in
ihrer gewöhnlichen Bedeutung, wenn sie die Beziehung eines
Dinges zu einem andern Dinge, nicht die Beziehung an sich
bezeichnen, wo sie dann immer im stattis regiminis stehen, kei-
nen Artikel bekommen, obgleich sie pluralisirt werden.
Die Declination wird im Hebräischen nicht durch SutBxe
gebildet, sondern durch Vorsetzung gewisser Praepositionen, die,
obgleich sie als Nomina alle grammatisch den Genitiv regieren
müssen, doch durch ihre begriffliche Bedeutung alle Casus be-
zeichnen, ungefähr wie im Griechischen der Genitiv den Ablativ
1 S. oben p. 345 Anm. 3.
^ IX 1 Nomine appeUativo vd Individuum unum vel plura vaga, vd
unum aut plura certa et nota signifkare volumus etc, cbend. 3 Usus isiius
(articali) tantum locum habere potest in appellativiSj adiectivis et participUs,
at non in propriis neque in infinitivis neque denique in adverbiia, quia his
nufiquam nisi rem singtUaremf non autem jjlura eiusdem generis signifiea'
mu8, et quod ad relativa attinet ca nunquam absolute sed solo regimine in-
dicantur. Nam et hoc apprime . . . notandum eatj quod nunquam nomini, quando
genitivum regit, praefigatur. ebend. 12 Praepositiones vix in statu abso-
luto concipi posstmt et ideo cum arlictüo nunquam dedinantur; nam arti-
cuius plerumque rem iam explicatam et notam supponit, regimen autem rem
per genitivum explicandam et determinandam h, e. rem nondum notam.
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32. üeber Spinoza's hebräische Grammatik 349
ersetzte Dass diese Art der Delclination bei allen Arten des 203
Nomen angewendet werde, wird in Tabellen belegt, in welchen
wir abermals Beispiele für die Declination der Verbalformen
vermissen ^.
Hiermit sei denn das in den verschiedenen Theilen der
Schrift Zerstreute um den einen mit dem System der Ethik zu-
sammenhängenden Grundgedanken so versammelt, dass auch
einem der hebräischen Sprache nicht Mächtigen die Uebersicht
leicht werden wird. Der ins Einzelne gehende Nachweis, in
wiefern die aufgestellte Theorie aus den Spracherscheinungen
entwickelt sei, oder diese Erscheinungen erst in die Theorie
gepresst worden, hätte 8i<;h jedoch an einen des Hebräischen
kundigen Leserkreis ^ zu wenden und würde also in dem An-
hang zu diesem Buche nicht am Orte sein. |
Nur dies sei also hier in aller Kürze bemerkt: erstens, 204
dass kein des Hebräischen Kundiger sich gegen die Einsicht
^ IX 4 Quia nomina omnia apitd Hebr. indeclinabilia sunt, exprimun-
tur casus plerumque sola praepositionum quarundam significcUione. Dico
significatione. Nam praepositiones...genüivum {nomina enim sunt) revera
regtmt Sed siciU apud Graecos praeposttiones ablativi genUwum regunt et
sola earum significatione genitivus locuin obtinet ablativi, sie apud Hebr.
omnes genitivum regunt et sola earum significatione gcnitivtM locum reliqiuh
rum casuum obtinet.
2 IX 7-21.
^ In einer auf solche Leser berechneten Würdigung müssten dann
auch viele für den damaligen Stand der Forschung überraschend helle
Blicke hervorgehoben werden, die sich auf den allgemeinen wie auf den
speciellen Theil der Grammatik richten; z. B. der über die Grammatik
seiner Zeit ausgesprochene Tadel vn 2 plures sunt qui scripturae, at nul-
lus qui litiguae Ilebraeae grammaticam scripsit, vgl. xvii 9 und xv 2 Nescio
an crediderint finem scripturae esse linguam, non res docere. Nur hat Sp.
sich nicht genau vor dem entgegengesetzten Extrem gehütet und jede
noch so vereinzelte Erscheinung unter Anwendung einer unbeschränkten
Analogie zur. Regel verallgemeinert (vin 5; x 4; viii 11, 16; xrv 3), ob-
gleich er wiederum es nachdrücklich ausspricht, dass sich in der Bibel
verschiedene Dialekte fänden (ii 15; vm 4). Seine Lehre von dem Wan-
del der Vocale (vi) verdient eine aufmerksame Prüfung, und wenn er
auch in Betreff der Accente einen etwas vornehmen Ton annimmt {earum
minutias pharisaeis et otiosis masorethis relinquo iv 4), so hat er doch den
Einfluss derselben auf die Wortbildung gebührend anerkannt und mit der
ihm eignen Klarheit dargestellt.
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350 Miscellen
yerschliessen wird, dass die Praepositionen im Hebräischen als
Nomina behandelt werden. Keiner wird aber das Verfahren des
Spinoza billigen können bei dem künstlichen Eliminiren des
Verbum aus der Zahl der Redetheile und der AuflFassung der
Formen des Praeteritum, Futurum und Imperativ als Adjectiva
des Subjects, trotzdem dass die Nominalrection, Artikel ond De-
clination sich gar nicht bei ihnen finden, Genus und Plaral
aber in ganz anderer Weise als bei den Adjectiven bei ihnen
bezeichnet werden. Grade in der hebräischen Sprache, für die
selbst Spinoza anerkennen muss, dass alle Substantiven aus Yer*
baiformen gebildet werden \ muss ein solches Verfahren als eine
Gewaltthat erscheinen, zu welcher sich nur der Philosoph ent-
schliessen kann, der in der Welt seines Systems kein in Bewe-
gung begriffenes Werden findet und deshalb ihm auch in der
Sprache eine ausgebildete Bezeichnung nicht zugestehen mag.
Und endlich erklärt sich das Hinstellen des Particips als eines
besondern ßedetheils neben dem Adjectiv wiederum grade in
der hebräischen Sprache, wo die Identität beider so sehr in die
Augen springt, nur aus dem Schema des philosophischen Systems,
welches Attribut und Modus scheidet und für letzteren nun ein
besonderes Fach in der Sprache bereiten muss. Die Thatsache
des Ineinanderfliessens beider hat auch Spinoza nicht geleugnet;
er erklärt jedoch die Participialbedeutung für die ursprüngliche
und die adjectivische für eine degeneratio\ ähnlich wie er die
verschiedenen Gonjugationen einen allen Sprachen gemeinsamen
* Fehler' 3 nennt.
33. Einige in Holland verschollene Bücher.
Rheinisches Museum 1864 Jahrg. xix S. 293—296.
293 In Fleckeisen's Jahrbüchern Bd. 87 S. 716—727 ist aus den
Schriften der Amsterdamer Akademie der Wissenschaften vom
J. 1863 (Abtheilung für Litteratur N. 7) eine Ucbersetzung des
Berichts raitgetheilt, welchen eine auf des würdigen Bake An-
1 vin 8 nam omnia nomina hehraica (ut omnibus huitts linguae peritis
noium) ex verborum farmtüis formantur,
* xxxm 8 und 9.
^ xin 13 non omnia infinitiva (quod Vitium omnibus Unguis commune
e8i) eodem modo coniugantur.
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33. Einige in Holland verschollene Bücher 351
trag von jener Akademie niedergesetzte, aus drei Gelehrten be-
stehende Commission erstattet hat 'ttber den wissenschaftlichen
Werth und das Wünschenswerthe einer Ausgabe von des Tho-
mas Reinesius Eponymologicum auf der königlichen Biblio-
thek im Haag'. Die Commission entscheidet sich für jetzt
gegen die Herausgabe, aus einigen Gründen, die sich hören
lassen, und aus folgendem Grunde, der sich nur anstaunen lässt
(S. 724):
Und hierzu kommt noch, dass man nicht selten Dinge an-
trifft, die man vergebens an der Stelle sucht, auf die ver-
wiesen wird. Dazu gehört unter Anderm die Bemerkung
zu Anfang babam, bavam Laiini tnammam appellant Vetus
interpres TvvaiK€iu)v Moschidis Tpoq)6v vertit mammam. Wohin
dies gehört, ist uns unbekannt geblieben. Ebenso wird bei
• einer ttbrigens merkwürdigen Erklärung von AgilKus Isidorus
citiert, bei dem irgendwo vorkommen soll gellonem bat^calem,
was jedoch, soweit wir wissen , in den Origines jenes Autors
nicht gefunden wird.
Den armen Reinesius, der seinen Kopf mit der abgelegensten
Gelehrsamkeit fast bis zur Verwirrung angefüllt hatte, wird es
im Grabe bitter schmerzen, dass Männer über ihn zu Gericht
sitzen, die, wenn er den Isidorus citiert, eben nur an die Ori-
gines denken. Auch wir in Deutschland fröhnen nicht länger
der Kraut- und Rüben-Polyhistorie des Reinesius'schen Zeitalters;
aber so sehr haben wir uns doch die jedem Philologen nöthige
und anständige Bücherkenntniss nicht abhanden | kommen lassen, 294
dass nicht auch ein ordentlicher philologischer Seminarist, wenn er
gellonem baucalem aus ^Isidorus' zu verificiren hat, zunächst, statt
zu den Origines, vielmehr zu dem Glossarium des Isidorus sich
wenden würde. Es ist in die Glossensammlung des Yulcanius
aufgenommen ; und dort p. 670 l, 38 steht deutlich zu lesen, frei-
lich nicht gellonem baucalem, aber wohl Baucatem, gellonem,
Reinesius hat der Berichtigung dieses Isidorischen Glossariums
das ganze 14. Capitel des ii Buches seiner Variae lectiones ge-
widmet, und die fragliche Glosse bespricht er das. p. 241 folgender-
maassen: Baucatem, gellonem. Emendo Baucalem; est ex Ita-
lico Bocale [er meint boccale, Pokal]; ex eodem Graeculorum
BauKdXiov, BauKaXi^ t. e, patera et vas generatim, Gello, gillo
e Graeco T^aXov. Nach dieser evident richtigen und schon von
Joseph Scaliger (zu Properz v 3, 37 p. 282 ed. sec.) vorgenom-
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352 Miscellen
menen Aenderung hat Reinesius also auch in dem handschrift-
lichen Eponymologieum die Glosse angeführt.
Nicht minder als der philologische Polyhistor Reinesias
über dies Isidorische Stücklein der Commission würde der ge-
lehrte Arzt Reinesias sich darüber verwundert haben, dass ge-
rade in Holland, demjenigen Lande, das wie in früheren Jahr-
hunderten so noch heutigen Tages mehr Aerzte mit classisch
litterärischer Bildung als die meisten übrigen Länder aufweist,
ein Triumvirat von Gelehrten den Worten vetus interpres ip^vai-
K€iu)v Moschidis Tpo9dv vertu mammam rathlos gegenübersteht.
Freilich, Moschidis ist verschrieben oder, was glaublicher scheint,
verlesen Itir Moschionis. Aber dies muss auf den ersten Blick
Jeder erkennen, der nur einmal von Moschion, dem Abfasser
des * ältesten Hebammenkatechismus' (s. Choulant, Handbuch der
Bücherkunde für die ältere Medizin S. 94) gehört hat. Das lu-
den gynäkologischen Sammlungen und in zwei von Choulant
a. a. 0. verzeichneten Sonderausgaben griechisch veröffentlichte
Büchlein des Moschion führt denselben Titel wie das neuerdings
durch Dietz bekannt gewordene Werk des Soranus, von welchem
Moschion nur eine popularisirende Bearbeitung giebt, nämlich
irepi TuvaiKeiujv iraGwv, und wird auch für den nichtmedicinischen
Philologen dadurch interessant, dass der vorliegende griechische
Text offenbar aus dem Lateinischen und zwar von einem mit
vollständiger Kenntniss beider Sprachen nicht ausgerüsteten
Manne übersetzt ist. Conrad Gesner, dessen Bemerkungen in
der ersten von Caspar Wolf nach Gesner's Tode besorgten Aus-
gabe (Basel 1566, 4) p.51 — 57 einnehmen, hatte ausser der griechi-
schen auch noch eine lateinische Bearbeitung handschriftlich^
1 Eine grosse Anzahl von Capiteln des lateinischen Moschion hat
aus der von Gesner benutzten Handschrift Caspar Wolf aufgenommen in
seine harmonia gynaeciarum sive de morbis muliebribus liber coüeetus dt-
gestusgue ex Cleopatra, ex Moschionis latino veteri interprete, ex
libro matricis dicto et Theodori Prisciani lihro tertio ad Scdvianumy qui
gynaecia inscribitur, welche in allen von Choulant S. 419 verzeichneten gy-
näkologischen Sammlungen zu finden ist. Aber, wie schon der Titel an-
zeigt, ist hier fremder Stoff eingemengt und der 'Harmonie' zulieb die
ursprüngliche Reihenfolge der moschionischen Capitel aufgelöst, so dass
für kritische Zwecke dieser Abdruck wenig fördert. — Ob aus dem Brüs-
seler Codex des lateinischen Moschion, welchen Daremberg in seinem
Rapport sur une mission medico-Utt^aire en Äüemagne, 1845 p. 31 be-
spricht, bereits etwas veröffentlicht worden, habe ich nicht ermitteln können.
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88. Einige in Holland verschollene Bücher 858
vor sich, welche er zur Berichtigung I des griechischen Textes 295
benutzte und aus der er unter den Ohservata gmedam ordine
literarum folgendes mittheilt (p. 56): Tpoqpö^ f|, Mafnma, Latinus
ifUerpres, also eben das, was Reinesius citirt und was die Gom-
mission in eine so wundersame Verlegenheit versetzt hat. Auf
der nächsten Seite 57 kommt Gesner noch einmal ausführlicher
auf den Hnterpres^ in folgenden Worten zurück, die hier unver-
kürzt stehen mögen, da sie bei dem jetzt erwachten Interesse
für die Sprachformen auch der sinkenden Latinitat vielleicht
einen Leser dieser Zeitschrift zu weiterer Forschung anregen:
Interpres Latinum vetttö Mammam ponit pro nutrice, didam pro
mamma {forte a Graeco titGti, quod est nutrix, titGö^ vero et
titGiov, mammaj fiacTTÖ^), membranum rö (d. h. als Neutrum) pro
memhrana. Frigdor ö, pro frigiditaSt fervura pro fervor. Dive-
ocum pro TiXdTiov. Naticcte pro nates, — Quaedam eiusmodi in
hoc libro (in dem griechischen Text) occurruntj ut ex Ungua La-
tina ab aliquo Graecae linguae non satis perito translaia m Grae-
cam videri possint; c. 133 ubi Graece GepiiÖTT]^, id estj cäliditas
legitur, tn translatione est callus, et quidem mditis ut videtur;
cap. 138 TTapexöfJievä eiax, adhibenda sunt; et Xdfjiveia lamina;
(ityria iöTX pro eipniai^. |
^ Die sprachlichen Eigenthümlichkeiten des lateinischen Moschion
hatten auch Joseph Scaliger's Aufmerksamkeit erregt. Als die Brüder
Lahbaei auf seine Anregung ihre Glossensammlnng anlegten, schickte er
ihnen eine Auslese bemerkenswerther Wörter, welche jedoch in der von
Ducange zum Druck beförderten Bedaction (s. oben S. 299 und unten
S. 365) der Labbaeus'schen Arbeit keine Verwendung gefunden hat und
daher hier wiederholt werden möge. Scaliger schreibt an die Labbaei,
März 1608 [epistt, p. 689) : Ego ex veteri Latino Moschionis interprete haec
vobis selegi: lioi<i fervura, y^\}Xp&n\<; frigdor [vgl. die oben ausge-
hobene Stelle Gesner's], irdviov linteum [s. Moschion c. 55], (Lpiov
peniciUum [c. 129], <p<)Or\ longao [c. 3], x^pioy calla [c. 6], irXdTia
latera [c. 11], dpOpa testiculi [c. 11], iröpot orificia [c. 11], ÖxilMa
gestatio [c. 12], 6iaKivf)aai gestari [c. 32], yXouto( naticae [s. die obige
Stelle Gesner 's], l[}xfp\)oy pecu 8 [c. 33], ttpoacpaxioi pultes [c. 86], t6 ^Oiro^
egonium [c. 67J, jurirpa 6^vbpov autor arbor [c. 78], Tiipi6Uiv noctua
[c. 82 lautet das Griechische nach Berichtigung eines unerheblichen Druck-
fehlers : Tuiv TTipibövurv tC&v (JUYK€Kau^dvwv f\ Twv vuKT€p(bwv uud dazu
führt Gesner aus dem Lateinischen an : vespertiliones combustas et noctvas ;
also wollte Scaliger wohl niptbiOv vespertilio schreiben], TaK€pöv tabidum
[c. 87], xauKaXoeibf) öarä patellae [c. 91], ^aa6ö^ dida [c. 95], i\ Tpo(p6^
Beraays, gen. Abhandl. n. 23
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S64 Misoellen
296 Das Verhältniss der griechischen Bearbeitung des Hoschion,
sei es zu einer älteren lateinischen Uebersetzung oder za dem
lateinischen Original, hat den Reinesins in dem nngedruckt ge-
bliebenen Theil seiner Variae Lectiones beschäftigt, wie die aach
von J. A. Fabricius Bibl. Gr, xu p. 705 ed. pr. ansgehobenen
Worte eines Briefes an Daum (cp. 51 p, 137) beweisen. Dem
heutigen Philologen liegen in dem aldinischen Simplicius De
caelo und in dem sogenannten Aristoteles De plarUis ähnliche
Fälle von Rückübersetzungen ins Griechische aus lateinischen
Uebersetzungen vor, und mit Hilfe dieser Analogien lassen sich
die für den Moschion in Betracht kommenden Fragen jetzt viel-
leicht sicherer lösen als zu Reinesins' Zeit. ♦ * »
34. Leibnitz und Sardanapal.
Rheinisches Museum 1864 Jahrg. zix S. 296 f.
296 Herrn Onno Klopp hat sich die Gelegenheit geboten seinen
Namen in erfreulicherer Weise als bisher durch folgende Publi-
cation bekannt zu machen: 'Die Werke von Leibnitz gemäss
seinem handschriftlichen Nachlasse in der Königlichen Biblio-
thek zu Hannover. Durch die Munificenz Seiner Majestät des
Königs von Hannover ermöglichte Ausgabe von Onno Klopp.
Erste Beihe. Historisch - politische und staatswissenschaftliche
Schriften. Erster Band. Mit einem Stahlstich des Portraits von
Leibnitz nach Bemigeroth. Hannover, KJindworth's Verlag 1864*.
(LH u. XXXVI u. 399 SS. gr. Oct.) Der in diesem Titel angekün-
digte Stahlstich trägt als Unterschrift die Hexameter
Haec habui quae scivi, et laetas recta peregi:
Quaeque relicta iacent, mentem tarnen acta sequuntur^
zu denen Herr Onno Klopp S. XLV des Vorworts bemerkt: * Zur
Erläuterung der Unterschrift mögen folgende eigene Worte von
mamma, dcTKuXTa spondae [c. 104], OTaq)uXiP| öficpaKCvii uva lupina
[c. 58; 121], f) |uf)Tpa locaiurae [c. 126], Tptx<i)6Ti^ floceosus [c. 126], ^xit
lanae [c. 126], biaxtvelv sella vel hasterna gestari [c. 126], KarciUvi
*cydo* [o. 126, die Sternchen sollen einen Abschreiberfehler anzeigen].
Quaedam exstant in editis. Sed haec non negligenda. Die letzten Sätzchen
bedeuten, dass einige der bei Moschion yorkommenden seltenen Worter
bereits in die damals veröffentlichten Glossarien aufgenommen seien,
diese von Scaliger ausgezogenen Wörter jedoch nicht. Eine Handschrifl
des lateinischen Moschion hat ScaHger nicht benutzt; Alles was er an-
führt findet sich an den in Klammem angegebenen Stellen bei Gesner.
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84. Leibnitz und Sardanapal 355
Leibnitz dienen. Als ihm nämlich der englische Gesandte Da-
venant am 19 August 1706 den Entwurf einer Grabschrift zu-
sandte, erwiderte Leibnitz: er für sich würde die folgenden
Worte wählen: Haec habui quae scivi u. s. w. Car je suis dans
les principes cTune souveraine \ raison entierement conformes ä ce 297
beau dicton de VEcrüure^: opera eorum sequuntur eos. Bien
ne se perd suivant ma philosophie, et non seulement toutes les
substances simples (telles que les ames) se conservent necessaire-
ment, mais qui plus est^ toutes les actions demeurent dans la na-
iure, quelques passageres qu'elles paroissent ä nos yeux, et les pre-
cidentes entrent dans la composition des suivante8\
Es soll Herrn Onno Klopp nicht weiter verargt werden,
dass er hiermit alles zur 'Erläuterung' Dienliche beigebracht zu
haben glaubt. Ebenso wenig darf er es aber den Philologen,
welche er am Schluss seines Vorworts (S. Ln) apostrophirt, ver-
übeln, wenn sie die Erläuterung für unvollständig in einem recht
wesentlichen Punkte halten, so lange es nicht erkannt und dem
Leser gesagt wird, dass Leibnitz in dieser philosophischen Grab-
schrift ein Gegenstück liefern wollte zu der bekannten lüder-
lichen Grabschrift des Sardanapal und dass er seinen Versen
die Ciceronische üebersetzung Tusc. V 35, 101
Haec habui quae edi quaeque exsaturata liUdo
Hausit; at illa iacent multa et praedara relicta
zu Grunde gelegt hat. Nähere Angaben über dieses Epigramm
sind bei Näke, Chörilus S. 196 flf. und Bernays, Dialoge des Ari-
stoteles S. 160 zu finden; man ersieht aus denselben, dass die
Worte iacefit relicta, welche Leibnitz zu einem optimistischen
Trost über seine vielen 'liegen gebliebenen' Unternehmungen
verwendet, aus der erhaltenen griechischen Fassung ra hk TioXXd
Ka\ ÖXßia irdvra X^Xuvrai nicht zu belegen und auf eine Cicero
vorliegende Lesart X^XeiTirai zurückzuführen sind. •
1 Herr Klopp scheint auf sehr bibelfeste Leser zu rechnen, da er
den Fandort dieses beau dicton anzugeben unterlässt. Es steht in der
Apokalypse 14, 13, lautet auf Griechisch rd T^p ^pya aÜTuüv dKoXouOel
f^er' aÖTÜJv und in der Vulgata opera enim ülorum sequuntur iUos. Dem
Kenner Leibnitzens ist das Hineintragen eines seiner tiefsten philosophi-
schen Sätze in diesen Vers ein neuer Beweis seiner auch sonst ausge-
sprochenen Verehrung für die 'Offenbarung Johannis'.
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356 MiBcellen
35. Aas Richard Bentley's Briefwechsel.
Rheinisches Museum 1853 Jahrg. vm S. 1—24 1.
2 1. Homerstudien. Ueber keine philologische Frage
wünschte F. A. Wolf {Prolegg. p. cxvi) so sehr Bentley's Mei-
nung näher ermittelt zu sehen, wie über die homerische. Nur
einmal, und obendrein an einem für Philologen ziemlich abge-
legenen Ort seiner Schriften ^ hatte sich Bentley über dieselbe
so kurz wie entschieden dahin geäussert, dass 'Homer^s anzu-
sammenhängende Lieder erst zur Zeit des Pisistratus, ungefähr
3 500 Jahre später, zur Gestalt eines epischen | Gedichts vereinigt
worden'. Wie diese Ansicht sich bei ihm entwickelte und wie
sie auf seine kritische Behandlung der homerischen Gedichte
zurückwirkte, darüber haben jedoch die früheren Mittheilungen
aus seinem Nachlass keinen Aufschluss gegeben und auch in
den von Wordsworth zuerst veröflfentlichten Briefen sucht man
vergebens nach irgend einer hierauf bezüglichen Andeutung. Um
so verheissungsvoUer klingt dagegen eine Anmerkung des Heraus-
gebers zu einem Briefe Thomas Bentley's (NeflFen Richard's), in
welchem von der nach Manilius und dem Neuen Testament an
die Reihe kommenden Bearbeitung des Homer gelegentlicli die
Rede ist. Die Anmerkung (ii p. 820) lautet übersetzt:
' Bentley's auf eine Ausgabe des Homer bezüglichen Vorbereitungen
waren bekanntlich zur Zeit seines Todes weit vorgeschritten. Man sieht
den Beweis davon in seinem Exemplar der Poetae graeci fol. 1566, in
welchem er die Iliade, Odyssee, die Hymnen an Apollo, Mercnr, Venus
und Bacchus durchgearbeitet und das Digamma überall, wo es erfor-
derlich schien, hergestellt hat. Weitere Bemerkungen Bentley's
über das Digamma und Anmerkungen über die sechs ersten
Bücher der Ilias sind in einem handschriftlichen Quartband enthalten,
welcher zugleich mit den erwähnten Poetae graeci in der Bibliothek von
Trinity College aufbewahrt wird und B. 17. 17 bezeichnet ist. Daselbst
befindet sich auch ein früher Bentley gehörendes Manuscript der Ilias,
welches dessen Neffe Dr. B. Bentley dem College schenkte. Der erste
dieser 3 Bände wurde durch das College an Heyne behufs dessen Ausgabe
gesandt, die zwei andern aber bekam er nicht zu Gesicht. Es ist sehr
1 [Aus dem obigen Aufsatze, der wesentlich den Zweck verfolgte,
auf die damals in Deutschland noch wenig bekannte Correspondance of
Bichard Bentley London 1842 (2 Bde) aufmerksam zu machen, schienen
wenigstens die beiden Stellen über Bentley's Homerica und über seine
hebräischen Studien eine Wiederholung zu rechtfertigen].
2 [Die Anmerkung folgt unten S. 357 f.].
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36. Aus Riohard Bentley's Briefwechsel 357
zu wünschen, dass Bentley's Verbesserungen zur Odyssee und den Hymnen
mögen veröflfentlicht und die zur Ilias, welche entweder noch gar nicht
erschienen oder doch in Heyne's Commentar fast begraben liegen, be-
sonders gedruckt werden'.
Welcher Philologe wird nicht von Herzen in diesen Wunsch
einstimmen und wie leicht könnte einer der vielen in England
lebenden oder reisenden Gelehrten sich Verdienst und Dank er-
werben, wenn er grössere Proben aus diesen Papieren zur all-
gemeinen Kenntniss brächte. Sollten auch die 'Bemerkungen
über das Digamma' nichts enthalten, was früher bekannt ge-
macht selbst F. A. Wolf hätte verhindern müssen, diese glän-
zende Entdeckung mit dem Namen senile ludibrium ingenii Bent-
leiani (Analekt. i 62) zu belegen, so werden doch die von Heyne
nicht gesehenen 'Anmer|kungen zu den sechs ersten Büchern der 4
Ilias' einen Ertrag liefern, der immer noch ergiebig genug bleibt,
selbst wenn Wolfs Ahnung, dass Homer den Verbesserungen
Bentley's weniger hätte zu verdanken gehabt als Horaz und die
Komiker {Prolegg, p. cxvi), sich bestätigen sollte. Und auf
keinen Fall steht der bisherige Text der Odyssee und der Hym-
nen, auch abgesehen von allen Fragen höherer Kritik, in
so makelloser Reinheit vor uns da, dass wir der säubernden
Hand selbst eines alternden Bentley entrathen könnten. —
Anm. In der gegen des Deisten Collins discourse offree-thin- 16
hing gerichteten, zuerst 1713 erschienenen Streitschrift: Bemarks
upon a late discourse of free-thinking in a Ictter to F{rancis) H(are)
D,D. by Phileleutherus Lipsiensis {Dyce^ works of Richard Bent-
ley Vol. III p. 288—474). Aus der Homer betreffenden Stelle
{§ 7) hat Wolf prolegg, p. CXV nur wenige Sätze englisch mit-
getheilt und sich dafür, dass sie Bentley^s wohlerwogene, durch
kein polemisches Motiv bestochene Ansicht enthalten, auf den
Zusammenhang berufen. Man wird sie daher hier nicht ungern
vollständig und übersetzt lesen:
*üm Homers universelles Wissen a priori zu beweisen sagt unser
Autor (Collins): Er bestimmte sein Gedicht für die Ewigkeit
zum Vergnügen und zur Belehrung der Menschheit. Vor-
trefflich ! Ewigkeit und Menschheit! Nichts geringeres als alle
Zeitalter und alle Völker hatte der Dichter im Auge ! Obgleich unser
Autor betheuert, täglich de quolibet ente zu denken (§ 6), so erlaube
ich mir doch Homer auszunehmen ; denn über Homer und seine Ge-
schichte scheint er nie gedacht zu haben. Ich gebe mein Wort darauf,
der gute Homer» in jenen Verhältnissen und frühen Zeiten, hatte nie
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358 Miscellen
80 hochfliegeride Gedanken. Er schrieb eine Reihe von Liedern nnd
Rhapsodien, um sie selbst für geringen Lohn und gute Kost an Festen
und anderen lustigen Tagen zu singen ; die Ilias machte er für die
Männer, und die Odyssee für das andere Geschlecht. Diese unzusam-
menhängenden Lieder wurden nicht eher als zu Pisistratns' Zeit'
(diese 3 Worte hat Wolf auffallender Weise ausgelassen), * ungefähr 500
Jahre später zur Gestalt eines epischen Gedichts vereinigt. Auch ist
kein Wort im Homer, das für sein Werk Unsterblichkeit ahne oder ver-
spreche, wie wir dergleichen bei spätem Dichtern finden, bei Virgil,
Horaz, Ovid, Lucan und Statins. Er dachte zu jener Zeit ebensowenig,
dass seine Gedichte unsterblich sein würden, als unsere Freiden-
ker jetzt es von ihren Seelen glauben, und der Beweis für beides
wird nur a parte post durch den Erfolg, aber nicht durch die Erwar-
tung gegeben werden können'.
Wie bedeutsam auch der Wink auf Pisistratns sein mag, so Ter-
räth doch die ganze Stelle mit ihrer 'guten Kost^ nnd "für die
Frauen gemachten Odyssee* eine Auflfassungsweise, die unwill-
kürlich an Leibnitzens (deutsche Schriften, Guhraueru S. 480)
Aeusserung erinnert: 'Ich halte dafür dass Homerus die Götter
17 und Helden lächerlich vorgestellt, weil er nicht wie | Virgilius
für einen Augustum etwas Majestätisches, sondern für den grie-
chischen Pöbel, dem er seine Aufsätze vorgelesen, was Lustiges
machen wollen. Inzwischen zeigt er an vielen Orten seinen
grossen Geist und schwingt sich hoch, wenn er wiir. — Auf die
Gefahr hin diese Anmerkung zu unförmlicher Länge auszudeh-
nen, sei die Bentley'sche theologische Streitschrift, welche die-
selbe veranlasst hat, eingehender Beachtung auch der Philologen
noch besonders empfohlen. Sie pflegt in neuerer Zeit auch da
nicht berücksichtigt zu werden, wo es sich um Erörterung von
Ansichten handelt, die Bentley anderswo nur andeutet, hier aber
aus ihren Gründen entwickelt. Z. B. muss freilich Jedem, der
nur ^Opascc. p. 33, 59, 372* vor Augen hat und dort die platoni-
schen Briefe ^wiederholt als acht bezeichnet' sieht, eine solche
Gläubigkeit gerade bei Bentley, dem Entlarver der Brieffalscher,
'seltsam genug' vorkommen. In unserer Streitschrift fttllt eine
ausführliche Vertheidigung der Aechtheit jener Briefe die ganze
letzte Hälfte des § 46. Ausserdem seien hier noch hervorge-
hoben die Andeutung über die Zeit der Herausgabe der einzel-
nen Bücher des Martial (§ 31 extr.)] die aufhellenden Bemer-
kungen über die Composition der ciceronianischen Dialoge (§ 49)
und die Eigenthümlichkeit der Tusculanen (§ 53); die Charakter-
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35. Aus Richard Bentley's Briefwechsel 359
Schilderungen des älteren Cato (§ 52) und Varro (§ 51); ferner,
gelegentliche Conjecturen wie z. B. § 47 für den Anfang des
Aristotelischen Hymnus (Bergks poet. lyr, p. 664^) folgende Schrei-
bung gebilligt : 'Aperd TroXujiiOxöe, |Rv€i ßpoTeiqil Grjpajüia KdXXicTTOv
ßiuj, ktX. und § 50 für aaßßaTKyjnoü? (Plut. de superst p. 166*) nach
eingehender Besprechung der ganzen Stelle ßaTmcTiüiou^ geschrie-
ben wird. — An der bisherigen Vernachlässigung dieser so reich-
haltigen Schrift mag wohl vorzüglich F. A. Wolfs gar zu sehr in all-
gemeinen Worten dahineilende Erwähnung (Analekt.i S. 36) Schuld
sein. Die deutsche Uebersetzung von F. E. Bainbach (Halle 1745),
welche Wolf * auch jetzt noch lesbar' nennt, kann höchstens nur
in dem Sinne wie die oben kurz charakterisirte Lennep^sche
Aushülfe auf dieses Beiwort Anspruch machen. Brauchbar zu
philologischen Zwecken ist sie durchaus nicht; schon darum
nicht, weil sie die oben erwähnten Aristotelischen Verse S. 489
so wiedergiebt: Apera TroXujüioxOe | fevei ßporeiif) | ©iipajüia KaXXi-
(TTov ßeiifil wo, abgesehen von aller sonstigen Naivetät, gerade
die Hauptsache (ßiu) = ßiou) unkenntlich gemacht ist. Ueber-
dies belastet sie das Bentley'sche Buch mit einer fingerdicken
unpaginirten Vorrede, mit sehr entbehrlichen Anmerkungen, mit
432 Seiten rein theologischen Zusätzen, und bringt es ttber|hauptl8
dahin, das Scheidewasser Bentley'scher kaustischer Polemik durch
allerlei paraphrastischen Zuguss zu einem gewöhnlichen apologe-
tischen Predigtwasser abzuschwächen. Eine genügendere deutsche
Bearbeitung der Schrift ist daher gleich sehr im Interesse der
Philologen wie der Theologen zu wünschen.
2. Hebräische Studien. Ueber seine hebräischen Jugend- 20
Studien hat sich Bentley selbst geäussert in dem gegen Middle-
ton's Angriff gerichteten Anhang zu den proposäls for printing
a neu? edition of the greek Testament and St Hieroms latin Ver-
sion, Der angebliche Freund Bentley's I. E., in welcher durch-
sichtigen Verhüllung man gleich beim Erscheinen des bis zur
persönlichsten Grobheit derben Pamphlets R/chard B-Bntley er-
kannte, erzählt dort {Vol in p. 528 Dyce):
*Icb hatte die Ehre eine Art von Hexapla, einen dicken Quartband,
zu sehen, welche unser Master (Bentley) vor seinem 24ten Jahr ange-
legt und eigenhändig geschrieben hat ; in der ersten Golumne steht
nach alphabetischer Ordnung jedes Wort der hebräischen Bibel, in fünf
andern alle verschiedenen Üebersetzungen dieser Worte im Chaldäischen,
Syrischen, der lateinischen Vulgata, Septuaginta, Aquila, Symmachus
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360 Miscellen
und Theodotion, die in der ganzen Bibel vorkommen. Diese Arbeit
machte er zu seinem eigenen Gebrauch, um das Hebräische nicht von
den späten Rabbinen, sondern aus den alten Uebersetzungen zu lernen,
als er, mit Ausnahme des Arabischen, Persischen, Aethiopischen, die
ganze Polyglotte durchlas. Und ich sah auch einen andern Quartband
mit Varianten und Emendationen zum hebräischen Text aus diesen
Uebersetzungen, welcher, obgleich in so unreifem Alter geschrieben, ak
zweiter Theil der berühmten critica sacra des Capellus dienen kann'.
36. Eine Vorhersagung Niebuhr's.
Rheinisches Museum 1878 Jahrg. xxxni S. 138 f.
138 Niebuhr gehört zu den seltenen Kritikern, die nicht nur
das Falsche zu entlarven, sondern auch an das noch halbver-
schleierte Wahre zu glauben und auf seine gänzliche Enthüllung
zu hofifen verstehen. Der Einsender dieser Zeilen weiss aus
Mittheilungen der nächsten Freunde und Schüler Niebuhr's, dass
er gleich beim ersten Auftreten ChampoUion^s, als der Zweifel-
süchtigen in Deutschland noch viele waren, sich fbr die Entzif-
ferungsmethode des grossen Franzosen erklärt hat und von der
Fruchtbarkeit ihrer Ergebnisse überzeugt war. So hat er auch
auf das Bestimmteste die nahe bevorstehende Entdeckung der
Schätze Ninivehs und die Entzifferung der assyrischen Keilschrift
öffentlich im Jahre 1829 verkündet, also zu einer Zeit, als ausser
ihm wohl niemand in Deutschland die Möglichkeit solcher Funde
ins Auge gefasst hatte, und auf Grund von dürftigen Angaben,
welche bei den meisten seiner damaligen Leser wohl nur ein
ungläubiges Achselzucken hervorgerufen haben mögen; er jedoch
schenkte ihnen Glauben, weil ihm eine instinctive Empfindung
für das Wahre beiwohnte und weil er im Umgange mit seinem
Vater, dem grossen orientalischen Reisenden, von früher Jagend
an den Sinn iUr die eigenartigen monumentalen Leistungen der
altasiatischen Grossstaaten geschärft hatte. Jene bemerkens-
werthe Vorhersagung über Niniveh findet sich in einem kurzen
Nachwort, welches Niebuhr als Herausgeber des Uheinischen
Museums einem Aufsatze K. 0. Müller's über 'Sandon und Sar-
danapar anzufügen und darin zu äussern veranlasst war, dass
'an Golossen, welche orientalische Sieger darstellten, an dem
würklichen Daseyn derer des Sesostris' ein Zweifel nicht gestattet
sei. Leider hat Marcus Niebuhr, als er den zweiten Band der
kleinen Schriften seines Vaters zusammenstellte, dieses Nachwort
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36. Eine Vorhersagung Niebuhr's 361
sowie einige andere im Rheinischen Museum veröffentlichte klei-
nere Stücke (z. B. den äusserst charakteristischen Bericht über
den Fortgang der Bonner Ausgabe der Byzantiner Bd. i S. 359) *
nicht wiederholt, und da jetzt auch Philologen die kleineren Ar-
beiten Niebuhr's eben nur in den * kleinen Schriften' zu suchen
pflegen, so droht dem von diesen Ausgeschlossenen eine gänz-
liche Vergessenheit. Auch von jener so glänzend erfüllten Pro-
phezeiung mag zwar der eine und andere assyriologische Spe-
cialist ^ jetzt noch eine zufällige Kunde haben; dem Gesichtskreis
der meisten Philologen ist sie schon entrückt; | und mancher 139
Verehrer Niebuhr's wird dankbar dafür sein, dass sie ihm hier
wieder vorgelegt wird. Die folgende Mittheilung ist eine wört-
liche bis auf eine einzige Auslassung, welche durch Punkte be-
zeichnet ist; sie betrifft einen kleinen, politisch gefärbten und
zwar grell gefärbten Satz, welcher damals einem so eifrigen
Philhellenen, wie Niebuhr es war (S. Rom. Gesch. i 344), leicht
entschlüpfen konnte, dessen Auffrischung gerade in dem jetzigen
Augenblick er aber schwerlich gewünscht hätte. Er hätte sie
um so weniger wünschen können, als die Voraussetzung, welche
einen solchen Ausbruch seiner Türkenfeindschaft veranlasste,
durch die Thatsachen widerlegt ist. Niebuhr meinte nämlich,
dass erst nach Beseitigung der Türkenherrschaft Ausgrabungen
in jenen Gegenden möglich seien, während doch der englische
Entdecker Ninivehs durch das Bestehen der türkischen Regierung
in seinem Unternehmen keineswegs gehindert worden ist. In
dieser Hinsicht theilt also diese Niebuhr'sche das Schicksal, dem
die meisten Prophezeiungen, auch wenn sie wahr werden, nicht
zu entgehen pflegen^; mit den Nebenumständen darf man es
nicht genau nehmen; die Hauptsache ist wohl selten so vollstän-
dig wie in diesem Falle eingetroffen.
Die Niebuhr'schen Worte lauten (Rheinisches Museum flir
Philologie, Geschichte und griechische Philosophie. Herausge-
geben von Niebuhr und Brandis. 3. Jahrgang. Bonn 1829 Seite 41):
1 (Ferner Rhein. Mus. 1827 Jahrg. i S. 357-9 'Erklärung als Her-
ausgeber* und Jahrg. ii (1828) S. 17 Anm. der Zusatz zu Jacobs' Lectio-
ne8 Venttsinae über Horat. epist i 12, 21 trucidasy.
^ (H. Geizer hat die Worte zum Motto seines Aufsatzes 'Das Zeit-
alter des Gyges* Rhein. Mus. 30, 230 gewählt).
^ (Vgl. Eurip. Iphig. Aul. 967 6<; öXif dX^efl, ttoXXA U x^evbf] \if€\\
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362 Misoellen
' Dass ZU Ninive unter den angeheuren Schattbaofen Colosse
begraben sind, erfahr ich zu Rom von einem unirten chaldäisehen
Geistlichen, dessen Dorf auf der Stätte der Stadt liegt. Als er
Knabe war, hatte der Zufall ein solches Bild zum Tbeil ans
Licht gebracht: wo denn die Türken das sichtbar gewordene
alsbald zerschlugen^. Ninive wird das Pompeji Mittelasiens
werden: eine nnermessliche, und noch unberührte Fundgrube
für unsre Nachkommen, denen ein Ghampollion für die assyri-
sche Schrift nicht fehlen wird: ~ hoffentlich schon für nnsre
Kinder Bereitet den Weg, die Ihr es vermögt, durch Ver-
ständniss der Zendsprache, zur Entzifferung auch der assyrischen
Keilschrift!'
Nachträglich.
37. Die Reden des Aristides gegen Piaton,
ein Beitrag zur Litteraturgeschichte 2.
FragmoDte aus dem Nachläse.
In keiner seiner Schriften hat wohl Piaton sich so feierlich
und rücksichtslos wie in dem 'Gorgias' betitelten Gespräch
von der politischen Vergangenheit seiner Vaterstadt losgesagt.
Indem er von der wahren Staatskunst die Sorge für die Seele'
verlangt, welche ihm die hellenische Religion zu versäumen
schien, legt er an die Gründer und Vollender der attischen Macht
einen Maasstab, unter welchem sie alle ohne Unterschied der
Partei und des Charakters, der verschlagene Soldat Miltiades
wie der weitblickende Staatsmann Themistokles, der couservative
Kimou wie der demokratische Perikles^ gleich schlecht beste-
hen und ihre Erfolge gleich verderblich erscheinen müssen. Den
Zeitgenossen Platon's, zu welchen noch ein vernehmlicher Nach-
hall der Parteikämpfe drang, unter denen jene Politiker sich
1 Es ist derselbe Vorgang gemeint, den Layard, Niniveh and iU
remains 2. ed. 1849 i p. xxiv berührt.
2 [Die ursprüngliche Form des Titels war : * üeber eine Schmäh-
schrift gegen die Christen aus dem Zeitalter der Antonine. Ein Beitrag
zur Kirchengeschichte ' ] .
3 Siehe PI. Georg, p. 464^ 513 d.
* Nur bedingtes Lob wird dem Aristeides im Gorg. p. 526 ^ gespen-
det. Im Wesentlichen wird er nur als redlicher Verwalter anerkannt, aber
nicht als seelsorgender Staatsmann.
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37. Die Reden des Aristides gegen Piaton 363
ihren Einflass errungen hatten, mochte eine ungünstige Benr-
theilung ihrer Personen und ihres Wirkens nicht allzu befremd-
lich vorkommen; und wenn auch der Angriff Platon's weit über
die gewöhnlichen Parteiprogramme hinausging und nicht blos
gegen die attischen Staatsmänner sondern gegen den antiken
Staat überhaupt sich richtete, so war doch weder das persön-
liche Ansehen Platon's damals so befestigt noch die Bedeutung
der Philosophie im allgemeinen so anerkannt, dass man sich
nicht leicht mit einem Achselzucken darüber hinweggeholfen hätte,
wenn dem Manne aus dem beschaulichen Hain des Akademos
die Männer der Rednerbühne klein erscheinen, weil er sie mit
einem ethisch-idealen Maasse misst, das für sie unanwendbar ist;
die Griechen also, welche im vierten Jahrhundert vor Chr. den
Dialog Gorgias lasen, fühlten sich wenig geärgert und gar
nicht in ihren Ueberzeugungen gestört, wenn Piaton den Perikles
und Kimon mit Vorwürfen überhäufte, die im Wesentlichen da-
rauf hinauslaufen dass sie Politiker und nicht Religionsstifter
gewesen. Anders stellte sich jedoch die Sache für die Leser
des Dialogs Gorgias im zweiten Jahrhundert nach Chr. Einer-
seits erschien im Gegensatz zu der politischen Erstorbenheit des
römischen Kaiserreichs das lebhatte Treiben der griechischen Re-
publiken als ein glücklicher Zustand, und sehnsüchtig verweilte
die Erinnerung der filr mundtodt erklärten Menschheit bei den
redegewaltigen Leitern der athenischen Volksversammlung; dass
'die Demokratie ^ die Amme alles geistig Grossen und Schönen
sei', war schon während der Herrschaft der flavischen Kaiser
in den Kreisen der litterärischen und philosophischen Opposi-
tionsmänner zum Glaubenssatz geworden. Andererseits hatte
sich der Name Platon's immer unzertrennlicher mit der Vor-
stellung einer unantastbaren philosophischen Hoheit verknüpft.
Durch den Zauber der künstlerischen Darstellung war von
Platon's Werkpn jede Spur der harten wissenschaftlichen Arbeit
hinweggetilgt; wie ein deicht lebender' Gott ^ schien er im Reich
der Geister zu walten ; die Kühnheit seiner Metaphysik und die
Erhabenheit seiner Moral bot, indem sie dem Denken und Le-
ben einen idealen Rückhalt gewährte, Ersatz für den bereits
* Schrift TTcpl ötpou? 44, 2 i^ binnoxpaTia tiIiv jmexdXiuv &yaQi\ tiötivö^.
^ Cicero de nat. deor. ii 12, 32 audiamtis enim Platonem quasi quen-
dam deum phÜosophorum.
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864 87. Die Reden des Aristides gegen Piaton
verschallenden Homer und die noch nicht geöffnete Bibel; ohne
Unterschied der Secten erkannten die Philosophen in ihm ihren
gemeinsamen Vater.
Den Fürsten der hellenischen Denker, einen der glorreich-
sten Namen Athens, die Helden des attischen Bema samnit and
sonders verkleinern und verwerten zu hören — dies verletzte
die Philosophen der römischen Kaiserzeit und vor allem die
Piaton iker.
Die Neuplatoniker konnten die revolutionäre Richtung Pla-
ton's nicht fortsetzen; sie benutzten die platonischen Gedanken
zur romantischen Aufstutzung eben der verlebten Religionsfor-
men, welche Piaton bekämpft.
Die dogmatisch strengen Christen stützten ihre Verwerfung
der heidnischen Vorzeit ^ auf Piaton.
Aristides hat wahrscheinlich einen ähnlichen christlichen
Verhöhner der heidnischen Grössen vor sich wie Tatian.
Aristides^ spricht im Eingang seiner Rede auf Sarapis
(n. viii) von den Hymnen der Dichter auf die Götter und fordert
dass auch die prosaische Rede dieser Aufgabe sich nicht ent-
ziehe (t. I p. 83 f. Dind.). Das hängt mit dem Bedürfnis« der Pre-
digt zusammen, welches die damalige heidnische Welt empfand.
Vorstufen waren gegeben in der Predigt stoischer Moral
Hier drängt es zur Predigt neuplatonischer Theologie.
In dem Platonischen Gorgias wird durch den Satz dbi-
KeTcTBai ßeXriov f| dbiKeiv die christliche Moral vorbereitet und
von diesem Satz aus die politische Heldenzeit Griechenlands
beurtheilt und verurtheilt. Es ist also ganz consequent dass der
XÖTO^ urrtp tüjv Texrdpujv, der eben die griechische Nationalität
gegen den christlich-philosophischen Kosmopolitismus verthei-
digen soll, mit einem solchen Ausfall gegen die Heidenchristen
(Seneca de superstitione) schliesst.
^ [Im Manuscript steht mit Abkürzung : der heid. Vorz., ich bin
nicht sicher richtig ergänzt zu haben].
3 [Dies Fragment ist nach abgerissenen Andeutungen geformt].
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Miscellen 365
38. Der Herausgeber Ton Labbaeus' Glossarien.
Rheinisches Museum 1863 Jahrg. xvin p. 253 Anm.
Wenn ich oben S. 299 für den typographuSy dem die Vor-
rede zu Labbaeus' Glossarien in den Mund gelegt wird, ohne
Weiteres den Namen des Du Gange substituirte, so beruht dies
zunächst auf der Angabe des Menagius in Fabricius' bibl, Gr,
X p. 61 ed, pr,y wo der Haupttheil jener praefatio typographi mit
Noten von Fabricius abgedruckt ist ; es ergiebt sich femer aus
dem Verzeichniss von Du Cange's Werken hinter seiner Ausgabe
des chronicon paschdle vol. ii p. 71 der Bonner Ausg.; und auch
ohne diese Zeugnisse könnte es Niemandem zweifelhaft sein, der
die Art erwägt, wie auf der dritten Seite jener Vorrede Du
Gange's Glossarium mediae et infimae LcUinitcUis erwähnt ist.
39. Zu Lucretius iv 11301.
An diese einleuchtende Verbesserung, welche ich in den
Teubnerischen Abdruck des Lucrez aufgenommen habe, sei die
Besprechung des dort unerledigt gelassenen Verses iv 1130 ge-
knüpft. Lucrez schildert die Verschwendung in welche sich
* Liebende' {amantes) stürzen:
et bene parta patrum fiunt anademata, mitrae,
interdum in pallam atque alidensia Ciaque vertunt.
Lachmann, aaf den jede weitere Bemühung um Lucrez zunächst
zurücksieht, hat statt alidensia, welches die Handschriften ohne
Abweichung bieten, alidensia, eine griechische Bildung (dXi-
beuaia) in den Text gesetzt. Ich sage mit Vorbedacht: eine
griechische Bildung. Denn ein griechisches Wort darf man
es nicht nennen, da, wie Lachmann selbst eingesteht, ein solches
Compositum weder aus einem griechischen noch aus einem la-
^ [Der folgende Aufsatz, der in einer zum Druck bestimmten Rein-
schrift vorliegt, sollte im vin Jahrgang des Rheinischen Museums unmit-
telbar an das jetzt den Schluss bildende Lucretianum (zu vi 427) von
H. A. Koch sich anreihen, und wurde zurückgelegt, weil er in jenem Band
nicht mehr Aufnahme fand. Man wird ihn gerne lesen, wenn auch Bemays'
Ansicht inzwischen von J. Jessen Quaestiones Lucretianae Goett. Dissert.
1868 p. 10 — 15 mit ausführlicherer Begründung vorweggenommen ist].
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d66 Miscellen
teinischen Schriftsteller kann belegt werden, es also möglicher,
um nicht zu sagen wahrscheinlicher Weise anch gar kein grie-
chisches Wort war, am allerwenigsten ein so gebräuchliches dass
Lucrez es in einer allgemeinen Schilderung in dieselbe Reihe
hätte setzen dürfen mit so allbekannten wie anademcUaf mürae,
palla, Cia (= Cod).
Hieraus allein schon ist klar, dass Lachmann das Ziel ver-
fehlt hat. Aber damit sind wir der Verpflichtung noch nicht
überhoben seinen Weg zu prüfen; bei einem Manne solcher
Art bedeutet der Weg oft mehr als das Ziel. Folgen wir also
den Schritten seines Weges, soweit er sie andeuten wollte.
Des Pelisserius sachlich unverfängliche Vermuthung at Me-
litensia verwirft er, 'nam in Lucretio tantum a litterarum duc-
tibus recedere non licet in propriis vel Graecis, ut atque ali-
densia mutetur in ac Melitensia\ Ueber die Beweiskraft diesem
in so gesetzgebender Allgemeinheit gefassten Ausspruchs braucht
hier um so weniger gerechtet zu werden, da die gleich vorzu-
schlagende Schreibung an Annehmbarkeit nur gewinnen kann,
je unerschütterlicher die fides der Abschreiber gerade ' in Eigen-
namen' dastehen sollte. — Lachmann fährt fort: 'itaque quoniam
neque Älidensia neque Midensia noti cuiusquam oppidi similitn-
dinem referunt (nam Milesia pedum lex respuit), temptemus le-
nissime atque ALIDEUSIA'. Von Midensia kann natürlich nicht
die Rede sein; Lachmann ist darauf nur verfallen, weil er in
seinem ganzen Commentar entweder stillschweigend wie hier,
oder ausdrücklich wie zu i 657 (s. oben p. 70) AL und AD den
Schriftzügen nach ftlr gleichgeltend nimmt mit M. Aber auch
Älidensia, d. h. eben das von den Handschriften dargebotene,
soll nicht einmal Aehnlichkeit mit dem Namen irgend einer be-
kannten Stadt zeigen? Ist dem wirklich so?
Ich zweifele nicht, wenn älidensia in solchem Zusammen-
hange, wie hier bei Lucrez, unter Gegenständen weiblichen
Kleiderprunks in einer älteren prosaischen oder nicht hexame-
trischen Schrift vorkäme, würde jeder Kundige und vor Anderen
ein Lachmann an die Byssos-Zeuge aus Elis gedacht haben,
die zum Weiberputz dienten und im buchstäblichsten Sinne des
Worts mit Gold aufgewogen wurden^. Und gerade dies, dass
1 Plinius n. h. xix 20 proximua (a lino principatus) hyssino^ mtAu-
fwn maxime ddiciis circa Elim in Äehaia genito, quaterrUa denariis seri-
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39. Zu Lucretias 367
sie nicht Elidensia, wie die später bei Gellius yorkommende
Form lautet, sondern AUdensia genannt würden, müsste der hand-
schriftlichen Ueberlieferung den sichersten Schutz gewähren.
Denn die altlateinische Form für Elis und die Derivata war
eben Alis, wie Jedermann weiss der die üaptivi des Plautus
gelesen K
Nun hat jedoch bei Plautus und muss freilich der Natur
der Sache nach Alis ftlr ^HXi^ zunächst langes a haben, im lu-
cretianischen Verse stände dagegen atque AUdensia mit kurzem a.
Aber alles Uebrige trifft so auf ein Haar zu. Einen sach-
lich mehr hierher gehörigen Luxusartikel als die elischen Zeuge
wird man wohl nicht ausdenken können; an der handschrift-
lichen Ueberlieferung braucht auch nicht ein Strichlein geändert
zu werden ; nur diese einzige, allerdings nicht so gleich vorweg-
zunehmende Voraussetzung musste gemacht werden, dass bei einem
Eigennamen, der nur mit kurzem Vocal, anders aber, wie wohl
zu beachten ^ gar nicht in den Hexameter sich fügte, Lucrez
eine solche Verkürzung sei es auf eigene Hand gewagt oder aus
der bei einem Fremdwort schwankenden Aussprache des gewöhn-
lichen Verkehrs entnommen habe.
Bei dieser Lage der Sache und bei den Analogien, welche
in den Lachmann'schen Sammlungen p. 36 und 37 aufgehäuft
sind, würde ich, für mein Theil, vor einem Älidensia nicht zu-
rückschenen. Es jedoch ohne die angewandte nota in den Text
zu setzen, musste als ein unangenehmen Missverständnissen aus-
gesetztes Verfahren erscheinen; in dem auf engen Raum ange-
wiesenen Vorwort hätte es immer nur besprochen, nicht gerecht-
fertigt werden können, wie es ja auch hier noch nicht gerechtfertigt
sondern unter Darlegung des dafür Sprechenden der Prüfung an-
heimgegeben worden.
püla eins permutata quondam ut auri reperio. Alle weiteren Nachweisangen
macht E. Gnrtius Peloponnes ii p. 11 and 95, 10 entbehrlich.
1 Vgl. Plaut, capt IV 2, 100 (880 Fleck.) ä captivom illum Midensem.
3 Ich hebe dies hervor, damit mir Lachmann's *nam Milesia pedum
lex respuit* nicht entgegengehalten werde.
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REGISTER
Die Seiten des ersten Bandes werden ohne vorgesetzte Ordnangs-
zahl angegeben, die des zweiten sind durch ein n gekennzeichnet. Inner-
halb eines Artikels gilt die einmal gesetzte Ordnungszahl fort, bis die an-
dere eintritt.
Äbactor n 144 f.
Ablativ der Vergleichung beim Su-
perlativ n 128 A. 48
abstineri n 151 A. 58
Actensendung an den Kaiser u 105 f.
A. 27
Adoration des Bildes des Kaisers
n 120 A. 41
Adrastos, Erklärer des Aristot. 164
advocatus fisei u 107 A. 28
Aegypten, praefecti n 279
Aegyptische Plagen 293 A. 2
Aenesidemos 16 f. 27. 28,2. 67
Aeschylos nicht eingeweiht in die
Eleusinischen Mysterien 153 A. 1.
Mysterienprocess 153, 1. 163
Agam. 36 : 230
aetas und dies n 25 (v. 233). diei
aetas n 58 (557)
per aevom n 57 (v. 549)
Afife, Gleichniss Ileraklits 22 f.
Africa, lateinischer Stil u 84 f.
Agathias n 245
Akademiker, eifern gegen die <Tuvr|"
eeia 354 f. 355 Anm.
Akiba, Rabbi 275
albitudo n 150 A. 58
AldhelmuB n 156 A. 62
Alexander Aphrod. von Herennins
ausgeschrieben 366 Probleme n
337
Alexander der Grosse 168. 169
Alexander Balas n 185 A. 83 «
Alexander, Ti. Julius n 280
Alexander Severus 276
Alfenus 117
alid u 27 (v. 262)
Alidensia n 365 f.
Alkibiades 210
Alkimos TOtiv irpö^ 'AjiuvTav 6 109.
110 f. 114
Allegorische Auslegung n 185 — 191,
bes. 188
almus n 2 (v. 2)
Altersstufen bei Heraklit 63 A. 1.
66 f.
Amaryllis Vergil's n 332. 334 A. 1
Ambrosia u 294 f.
Ambrosius von Mailand n 81 f. 94.
109. 141 A. 53
Amelios, Neuplatoniker 41 A. 1
Ammianus Marcellinus ii 244 f.
Ammonios' Leben des Aristoteles
verb. 187 Commentar zu Arist.
IT. lp)Li. n 291 f.
Synonymik p. 73 Valck.: n 278
Amphilochos 211 A. 2
Amtsgewalt, römische n 267 — 272.
274 f. Dauer 271 f.
amussim ii 70. 66 (v. 657)
Amyntas 109
Anatomie s. Sectionen
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369
Anaxagoras 106
Anaxarchos 124 ff. 129. 85 Th. Yi
6 £Übal^ovlK6^ 125 A. 1 Begleiter
Alexanders des Gr. 126 TTepl ßa-
(nX£(a< 126 über Nachtheile des
Vielwissens 12a 128
aneilla ii 141
Andronikos von Rhodos nicht Ver-
fasser der Paraphrase der Nik.£th.
160 Anm.
Angelus s. Politianus
Ankläger, vorgeschobene n 107 A.28
anima und animus n 18 f. (v. 131)
animi n 15 (186)
Annalen, römische n 807 f.
Anonyme Verfasser s. earmen, Schrift
anonymtut Vakaii n 287
§ 79 verb. n 823 f.
Anthologien s. Florilegien
Antipatros' Verh'altniss zu Aristoteles
166 f. 170 A. 1
Antiphon, fr. der 'AXfiBeia verb.
87 f. Anm.
Apokalypse des Johannes, ihre Be-
ziehung auf Nero schon im Alter-
thum erkannt ii 189 f. A. 52 von
Leibnitz geschätzt 855 A. 1
14, 13 : n 355 A. 1
ApoUonios von Tyana 11 A. 1. 70. 72
Apostelooncil zu Jerusalem 224 apo-
stolische Eanones s. Canon
Apotheose von Menschen 204 f. von
älteren Philosophen? 145
apponere accusatorem ii 107 A. 28
Apuleius wegen Magie belangt n 102
de mundo verb. 23 A. 2 unterge-
schobene Uebersetzung des Dialogs
Asclepius 828 ff.
Aquitanien unter der Benennung
quinque (Septem) prooineiae n 91
A. 10. 83 A. 2. 99 A. 18 Romani-
sirung und Blüthe 82 f. A. 2 Lit-
terarische Blüthe 82—85. 146 f.
Verfall 192 f. aquitanische Rhe-
toren nach Rom berufen 88 A. 3
Archimedes' letztes Wort n 836—840
Benimji, gca. Abbjuidl. n.
Fr. Aretinus übersetzt Homer n 328
A. 1
Leon. Aretinus 177 de heüo Ootho-
rum n 318—816
Argonautensage bei den Römern ii
168 f. A. 66
Aristides, Rhetor n 362 ff.
Aristippos von Kyrene 87 A. 1
Aristobulos 248 A. 1. 250. 258
Ariston der Chier 118. 269 f. 270 A. 1
Aristophanes' Wolken n 79
Vögel 1482 erkl. i 242 Anm.
Aristoteles: VitaMarciana 170 f.
Aufenthalt in Atameus 167 f. Ver*
hältniss zu Piaton 144 Ausbil-
dung seiner staatsmännischen Ein-
sicht 166—168 Gesetzgeber von
Stagira 278 neugebildete Worte
183 f. Stü der Dialoge 182. 188.
185. 150 kennt persische Weis-
heit 45 A. 1 nimmt Bezug auf He-
raklit im Werke ircpl oöpavoO 57
A. 3 Missverständniss des The-
ognis 213 A. 3
über Feindeshass 214 f. Anm.
über das Unfreiwillige 151 ff. über
die beharrende Identität des Staats
117 über den Mittelstand 180.
185 f.
stillschweigende Benutzung bei
Späteren für Exegese und Kritik
ausgiebig 164
Dichtungen auf Hermias n 294
Elegie an Eudemos 141 ff.
gefälschtes Epigramm auf Piaton
144
Paean an die Tugend n 859
(nJ^1roTlKÖ^ vö^o^ 96 A. 1
Brief an Antipatros 170 A. 1
Dialog Eudemos 180 ff.
„ ircpl <piXoao<p(a^ 148 f.
„ MajiKÖ^ 45 A. 1
fragm. ircpl \iiQr]<i 86 A. 2
Aiaip^acK TTXaTwviKai 140 A. 2
fragm. bei Sextus ado, math,
X 46 : 82 f. A.
24
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370
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(Aristoteles)
Phys. IV 6 p. 218 * 15 erkl. ii 42
213 b 5 erkl. n 34
iv7 p.2U»26:n40
214i>32 n42
De caelo i 9 erkl. 57 A. 8. 186
A. 1
IT 2 p. 809 » 2 : n 38 f.
De sensa 5 p. 448 » 24 : 97 A. 2
Metaph. T 8 p. 1006 ^ 28 erkl. 68
Anm.
Ethica Nicom. Handschrift M^
160 Anm.
Paraphrase des sog. Androni-
kos 160 Anm. Scholien 159
I 12 verb. 134 A. 1
ni 2 erkl. u. verb. 161—164
V 10p.ll35a23verb.l52A.l
IX 9 erkl. 213 A. 2
Politik 165 ff. Abfassungszeit
168 f. vorsichtige Zurückhal-
tung in der Bezugnahme auf
athenische Verhaltnisse 171 —
175. 184 offner Tadel dersel-
ben durchweg vermieden 171 f.
die Abhandlung über die au)-
Tiip(a iroXiT€iO[iv (v 8—10) ist
unvollständig erhalten 190 A.2
n 5 p. 1264 »1 verb. 177 f.
II 12 unecht : 172
IV (VI) 11 p. 1295 b 1—24 verb.
180-186
VI (vn) 5 p. 1320 • 4— *> 4 erkl.
172—175
— p. 1320 »8 verb. 173 A.l
Politien 172. 187—191 Anord-
nung 190
Rhetorik I 9 p. 1367 »20 erkl.
214 A. 1
Problem, xvn 8 verb. 52 A. 1
Magna Mar. i 16 p. 1188 ^ 81
verb. 158 A. 1
TTcpl K6a^ou 23 f. ii 278—282
Aristoxenos in Beziehung zu Ale-
zander dem Gr. 126 Anm. über
Aristoteles 170. 171 A. 1
Arrianos n 243
Artikel zur Hervorhebung von Kunst-
ausdrücken 803
Asiagenes und Asiagenus n 184 f.
A. 83
Asklepios beigelegte Schriften von
der Art der hermetischen 842 A.
Astrologie s. mcUhematici. Besdehnng
des Zodiacus auf den menschlichen
Leib (^€Xo6€da) n 104 A. 24. 105
A. 26 unten. Symbolik der Plane-
ten n 282 f.
Atameus in Mysien 167
ÄteUanae 35 Th. iv
Athen: Verfassung nach der Schlacht
von Krannon (322) 167 Aemter-
jagd und Aemterscheu 184 f. iro-
Xurpoiria 210 für Fremde nicht
ungefährlicher Aufenthalt 169 f.
Aristoteles vermeidet offenen Tadel
171 f. s. Gerichtswesen, Leiturgie,
Metöken
Athenaeos, Mechaniker 128 f.
auctor n 153 A. 60
auctus II 63 (v. 631)
Auferstehung der Todten 203. 823 f.
eine den Griechen nicht unbekamite
Vorstellung 825 A. 1
Augen zuverlässiger als Ohren nach
Heraklit imd griech. Sprichwort
8 A. 2. 94
Augustinus 337. 339. A. 2. 840 A.2.
341 A. 1 II 81. 103 A. 28. 148 f.
Schrift adversus quinque haereses
unecht i 841 A. 2
Äugustus' Brief an Horatins n 305 f.
Aurelius Victor Caes. 88,81 : u 107 f.
A. 28
aures s. vacuae
Ausonius' Stellung zu Christeinthum
und Bibel u 149 «pi^. 22,48 verb.
I 278 f.
Anspielen n 267 f.
Aussetzung neugeborener Kinder 248
A. 1
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871
J. Bake n 861 f.
Herrn. Barbams n 826 f.
G. Barth 196 Anm. 284 A. 1
hauedlis n 851
Bayle n 842
L. de Beaufort n 261—264
Beil zur YoUziehang der Todesstrafe
n 276
B. Bentley's Bemarka upon a lote
diacourse of free-thinking n 857 ff.
Ansichten und Arbeiten über Homer
856 ff. hebräische Studien 359 f.
Th. Bergk 198. 218 A.1 ii 294 f. 299
J. Bemays: Lebensabriss 85 Habi-
tationscoUoquium 65 Anm. Schrif-
ten ZI Nachlass yi.xYin Beiträge
zu Bywater's Heraklit 108 liebt
die Einfachheit 166 SteUung zum
Ghristenthum n 227
G. Bemhardy 118 A. 1. 195 A. 1
205. 228 A. 2. 228 A. 1
Blas von Priene hochgeschätzt von
Heraklit 88
Bibel: Septuaginta n 189 f. vorhie-
ronymianischeÜebersetzungn 188.
189 f. (Anm. 52. 58) Sprache der
iat. Uebersetzungen und deren Wir-
kung auf die Gebildeten des Alter-
thums II 148 f.
Samuel l 8 : ii 128—125
. I 18,6 : n 201 f.
Könige n 17, 88 erkl. n 75 f.
Ezechiel 8, 8 : n 291 Anm.
Weisheit Salomons : n 295 f.
Daniel 2,40 f. auf Rom gedeutet
n 127 f. A. 47. 48
Vom Drachen zu Babel n 290 f.
291 Anm.
s. Pentateuch, Genesis, Deka-
log, Psalmen, Tobit, Neues
Testament, Apokalypse
Bielowski n 811 ff.
Bismarck 214 A. 1
Blattversetzung in Handschriften 290
A. 1 im [Philon] ir. dq>6. KÖtf^ou
286 ff.
Bleek 226 A.2
Blutgerichte n 108 A. 28
Blutwürste 224 A. 1.
Bogen und Leier, heraklitisches
Gleichniss 41 A. 1
R. Bonghi 849 A. 1. 851 A. 1
Bossuet n 166 A. 68. 195
Branchiden-Orakel 209
Chr. Brandis 148
Brandmarken der Sklaven, Soldaten
usw. 246 A. 1
Braniss 288 A. 1
Bröder's Schulgrammatik n 886
Brunck 198. 219. 222
Buchstaben, heraklit. Gleichniss 29
Büchertitel, gewählte 9 Anm.
Bücherverbrennung n 102 A. 21
Buckle n 285 f. 240
Guil. Budaeus 284 A. 1
Ghr.G.J.Bunsen 291 f. 298 A.2. 826
Bunte n 821
Bürgerrecht s. Metoken. Behandlung
der Zugewanderten nach mosai-
schem Gesetz 282 f.
Burgunder n 192 A. 87
Burke n 251
Buzyge zu Athen 277 ff.
Byblier 278
Byron n 4 (v. 87). 254. 229 Anm.
J. Bywater 106 f.
Byzantiner: Sohullectüre 258 f. Bn-
chertitel250A.l Niebuhr's Samm-
lung der byz. Historiker n 861
cadicohe n 79 A.2
earfnen de figuris ad Messkm verb.
n 806 f.
Gaesar's commetüarü n 258
Canon apostol 62 : 240 A. 2
capUe (poenas) luere n 142
Gapua n 160 A. 64»
casa Bamuli 117
Is. Gasaubonus 208 Anm. 276 A. 2
Gelsus' Encyklopaedie 85 Th. n
Gensorinos ii 208. 807. 808
Ghaamn, arab. Göttin ii 292 A. 2
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372
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Chatelet, Marquise du n 241 A. 1
Christen thum vor und nach 160 p.
Chr. 215. 249 ohne Spur in dem
Ps. Phokylides 215 ff. Ursachen
der Verbreitung des Chr. n224f.
als geschichtliches Object li 227 f.
245. 246 Verfolgung und Martern
171 A. 72 s. Dogmenbildung, Spei-
severbote
Chrysippos über auvf|6€ia 854 A. 1
TTepl qpOacuj^ y 90 A. 2 TTcpl
aCiEavoiLi^vou 112—114
Man. Chrysoloras' Uebersetzung der
Odyssee n 328 A. 1
cüms von Pflanzen ii 37 f. (v. 352)
Cicero's ürtheil über Heraklit 48
A. 2 über die lateinische Sprache
n 14 f. über die römische Poli-
tik gegenüber Weltstädten ii 160
A. 64* seine Briefe ii 243 Ueber-
setzung von Sardanapals Grab-
schrift 355 Bentley über ihn 358
or, pro Flacco 28,68 : n 177 A.78
28,69 verb.ii809f.
de offic. I 16,52 erkl. i 280 f.
in 13,55 erkl. 278 A. 1
de re p. ii 29,51 verb. n 311
Claudianus n 130
cans. StUie. 113 f. : n 122 A. 43
claustra partarum n 7 (v. 70)
Clemens Alezandr. : Arbeitsweise 163
worauf er bei der Leetüre achtet
253 benutzt dieselbe Quelle wie
Stobaeus, doch sorgfältiger 126
missversteht den Pentateuch 235
A. 1 hat verdächtige Heraklit-
fragmente 7 1 f. sein Exemplar der
Nikom. Ethik 163 f. sein Nutzen
für Kritik und Erklärung dieses
Werks 164. 158 setzt den Paeda-
gogos den Traditionen der Philo-
sophenschulen entgegen 269 Anm.
271 Ausgaben 89 A. 1
verb. 12 A. 1. 32. 86 A. 2 erkl.
279 f.
Strom, u 3 p. 166,46 S. aus Aristo-
teles' Nik. Ethik abgeleitet 160
—164
Clinton n 183 A. 82
duere u 12 (zu v. 119). 50 (v. 449)
coetus aOTKpiai? n 67 (v. 666)
coitio und eoire n 146
Caüatio legutn Mosaicarum et Bo-
manarum n 138. 144
Collins n 357
Phil, von Comines n 246
compeüere n 121 A. 42
Compilatorenweise 24
concüium n 19 (v. 182). 55 (v. 516)
conficere n 25 (v. 239)
coniuneia n 48 vgl. 46. 47 (v. 431)
Conjunctiv nach siquidem n 128
A. 48
cordidere n 56 (v. 532)
Constantinopel 'Av6oO0a genannt n
333 A. 2. 835. 336
Constantinus des Or. und Constan-
tius' Maassregeln gegen das Hei-
denthum 338 f.
constare n 18 (zu v. 165). 22 (v.204).
60 (v. 588)
Construction der Worte von alten
Lesern angemerkt 286 A. 1
conaulere n 147 A. 56
conüidum ii 143
Fr. Creuzer 130. ii 285
cur für propterea quod n 150 A. 58
Cura n 320
E. Curtius 121
Cyprianus testim. ad Quirinum
n 14 : n 139 A. 52
m 12 : n 139 A.51>
m 119 : I 276
Cyrillus' Olossen n 299
daedalus n 2f.
Damaskios in Herennius' Metaphysik
ausgeschrieben 349 f.
Dante u 325
dare morti, letOy neei n 142 f.
de piano ii 44 (v. 411)
De Pradt n 258
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873
De Prato n 200. 147 A. 66. 167.179
A. 79
dedicare n 89 (v. 367)
deformare n 147 A. 56
Dekalog 227 f. n 138
Delphidius, Rhetor n 90 A. 9. 91
Delphinus, Bischof von Bordeaux
II 96
Deinokritos' 6iro6ffKai 266 ein irrig
ihm zngetheiltes Fragment 123 f.
Beweise für den leeren Raum n
34. 38 f.
Demosthenes 210 von Philon nach-
geahmt 356 A. 1
de cor. 289 p. 322 verb. n 276 f.
296 p. 324 : I 33
Deportation n 108
Sal. Deyling n 75
Diadem ii 122. 181 A. 81
Diagoras' •AiroirupriZovrc? 118
Dickens n 225
Diebstahl bei Tag und bei Nacht
n 144 von Vieh n 146
dies 8. aetas
Dio Cassius n 244
Diodotos, Grammatiker, Herausgeber
von Heraklits Werk 8 A. 3. 85 f.
Diogenes der Kyniker, Ausdeutung
des Namens 87 A. 1
Diogenes von Babylon, Stoiker 285. 289
Diogenes Laertius, Teztbeschaffen-
heit 85 Cobet's Ausgabe 110 A.l
V 27 verb. 189
vn 140 erkl. n 65
X s. Epikuros
Dionysoscult von Heraklit verspottet
71
Diphilos 278
dispeseum n 82 (v. 806)
dissimülare n 160 A. 58
Dogmenbildung n 228 f.
donUnua n 122 A. 48
Dozy n 283 f.
Du Gange n 219. 216 Herausgeber
von Labbaeus' Glossarien n 353
A. 1. 866
F. Dübner 45 A. 2. 131. 188. n 196
A.89»
durateue n 52 f. (v. 476)
Dusareios aus Petra n 291 f.
Dusares arab. Gott n 292 A. 2
eaedem bei Lucretius n 32 (v. 306)
egestaa n 15 (v. 139)
Ehe 8. himmlische Ehe
Ehrenberg n 308
Ehrennamen römischer Imperatoren
n 184 A. 83
Eigennamen verderbt ii 129 Anm.
in gr. Handschrr. gekennzeichnet
284
eingebrannte Zeichen s. Brandmarken
Eisengeräthe s. Wafifen
Ekpyrosis 285 s. Weltbrand
El n 284
Eleaten 82. 99—101
Eleusinische Mysterien 319 f.
Elias Gretensis zu Gregorios Naz.
72 f. 108
Elische Byssos-zeuge n 366 f.
Elusa (h. Euse) in der Gascogne
n 93 £ A. 13
Elzevir'sche Ausgabe des Sulpicius
Severus n 194 f.
Emerita in Spanien n 92 A. 11
Empedokles gottlich verehrt 145 A. 1
Endelechius s. Severus Sanctus
England n 253
Ennius 36 Th. ix nachgeahmt von
Lucretius s. Lucretius, von Sal-
lustius n 202 f .
annake, Prooemium n 12 f.
fr. IX ebendas. zu v. 118. 123
V. 582f. : n 68f.
Eobanus Hess s. Hess
Epicharmos, Eunstweise seiner Ko-
mik 115 f. 65 berücksichtigt He-
raklits Lehre 111 über Wandel oder
beharrende Identität der Persön-
lichkeit und veränderlicher Dinge
65 f. HO fif. ist dem Piaton be-
kannt 111
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874
Bogister
(Epicharmos)
fr. 94 Ahr. 109 ff. 114 A. 1
99 : 113 A. 1
120 : 209 A. 2
Epidaurisches Epigramm 261 (za
V. 228)
Epikuroa' Lehre von den Qualitäten
der Atome n 54 ff. vom leeren
Raum 84 f. 88 f. von Bewegung
40 f. von der Zeit 51 schliesst
sich an den gewöhnlichen Sprach-
gebrauch an 52. 50 (v. 458) be-
rückBichtigt stülschweigend Ein-
wendungen des Aristoteles 39 von
Lucretius nur einmal bei Namen
genannt 6 (v. 66)
bei Diog. Laert. x
38 erkl. n 17
89 erkl. n 23 f. verb. 45
40 erkl. n 85. 46. 53
43 erkl. ii 60
53 — n 30
56 f. n62
58 erkl. n 61 (v. 604)
67 erkl. n 47 (v. 439. 444 f.)
50 (v. 458)
68—71 erkl. und verb. n 48 f.
70 erkl. n 50 (v. 458)
72 — n 52
73 — n 51
Epimenides, der griechische und die
christlichen n 248
Epiphanios verwechselt Heraklit und
Xenophanes 71 A. 2 über arab.
Oötter n 292 A. 2
episeopus s. aacerdoa
Erasmus n 329
J. Ch. G. Emesti n 295 A. 1
et cum n 29 (v. 281)
Eubulos, Tyrann von Atameus 167
Euchrotia n 91. 108
EudemoB von Eypros 141. 144 f.
Eudoros, Akademiker 267 f.
Eumenius, Panegyriker n 168 A. 70
EunapioB hist. p.80 verb. u 293
Euodius n 104. 108 A. 29
Euripides' Bakchen 201 f. erkL 118
Eresphontes 154. 208 A. 2
Eusebios bei Stobaeus 123
Eusebios Pamph., Richtung seiner Ez-
cerpte 253 Chronik n 155 Hand-
schriften n 284
praep. eo, i 10, 44 p. 40« verb.
n284
vm 6,4 p. 356 1> verb. i 264
vra 7,6 p. 358« verb. 272 AI
s. Philon's Hypoth., Sanchu-
niathon
Eustratios 158 f.
wenta n 48 vgl. 46. 47 (v. 431). 50
(v. 450. 458). 51
Ewald 218 A. 8. 268. 290 A. 1. u
289. 292 A. 2
Exegese, Aufgaben 165 f. 171. 176.
n 86f. (vgl. 112). 180 s. allegor.
Auslegung
exemf^wn PraeoedenzftJl n 111 A.83
Exodus 21—28 : n 133 ff.
exira omntB terra« n 93 A. 12
J. A. Fabricius 233 A. 1. n 91 A. 10
hihUoiheca ixniiqwma n 331 £ 384
&fU. graeca 337 f.
facert von Hypothesen u 67 (v. 667)
Fälschungen, litterarische 250
fasces n 274 f.
Feindeshass und FeindesUebe 214
A. 1
Feindesliebe 197 f. s. Feindeshass
A. Ferguson n 253
fertvir n 175
Festus 36 Th. vin
fetw n 20 (v. 193)
Feuardent n 842
Feuertod der Christen n 171 A. 72
Mars. FicinuB 827
ixgwra n 89 (v. 859)
ßum TL 39 (v. 859)
iingere n 41 (v. 871)
Fingerringen als Eampfspiel 155
Fiscaladvocaten n 107 A. 28
M. Fladus Illyricus n 196 f.
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Begister
876
Florentia n 888
Florilegien, Unsicherheit der Quellen-
angaben 68. n 815
Fluss des Werdens und Vergehens
bei Heraklit 60 f.
R. Förster 289 A. 1
Franklin n 247
Freilassung n 145
Freundsohaftsaltar 141 A. 2. 144
fwfkfere n 18 (v. 175).
fungi itd(TX€iv n 47 (v. 441)
furtum n 144
Futurum mit non als Form des Ver-
bots n 188
Gaisford n 284
Galenos t. xvni 2 p. 656 : 87 f. Anm.
GaUicana faeundia n 88 f.
Gallien nach Selbständigkeit stre-
bend n 125 s. Aquitanien
Gallienus' Concubine n 241
Gehorsamsgesetze der Juden 227
Gellius noct. AU. v 15, 8 : ii 81
XT 15 : n 32
geOo n 851
H. Geizer n 861 A. 2
Gemeindealteste 244
Generation nach Heraklit 52 — 54
Genesis 1, 1 : 818
1, 8 : 858 A. 1
Genetiv, doppelter 141 paaiitivua n 9
(v.86). 88(^15). 88(854). 66(669)
gmitdlM n5(v.58). 19(182). 68(682)
Fr. Gentz n 209
Gerechtigkeit, bürgerlich sittliche
247 f.
Gericht, geistliches und weltliches
u 96— 98 Anm. 16. 101 Gerichts-
wesen in Athen i 178 f. s. Aoten-
sendung, Ankläger, Blutgerichte,
Bücherverbrennung, Kaiser, Magie
Gerundium und Gerundivum n 189
A. 61» mit Accusativ n 11 (v. 111)
im Ablativ n 83 (v. 812)
Geschichte des Alterthums n 285 f.
247 ihre antiken Darsteller 248 f.
Verschiedene Forderungen der al-
ten und neueren an den Darsteller
247. Geschichtschreibung 242 ff.
geschichtlicher Sinn n 198. 194.
280 f. geschichtliche Darstellung
der Religion 227 f.
Gesetze s. Juden
Conr. Gesner n 852 f.
J. M. Gesner 2. 89. 108. n 288
E. Gibbon n 206—2541)
sein Grossvater i 212 f. Vater 218
Leben 212 ff. öffentliche Thätig-
keit 222. 225 Vermögensverhält-
nisse 228 Persönlichkeit 221 Ar-
beitsweise und Bibliothek 220 ün-
kenntniss des Deutschen 220 eng-
lischem Wesen entfremdet 215 f.
222 Verhältniss zum Christenthum
214 f. 224—281 bes. 228 zur Phi-
losophie 280 f. 289 Sprache 222
und Stil 251 f. sneer 229
Geschichtswerk 207—210. 216 ff.
Titel 216 Unterschied der
Theile 216. 217. 224 f. Vor-
arbeiter 218 f. historiographi-
sche Kunst 241—252 seine
Noten 252 Wirkung und Ur-
theüe207f. 227. 252f. Ueber-
setzungen 207 f. 227 A. 1 Pro-
ben 282 f. 250. Einzelnes da-
raus berücksichtigt l 274 A. 1.
1 888 A. 1. n 87 A. 5. 189 A. 85
andere Schriften 220 f. 287.252
Autobiographie 212 A. 2
V. Giselinus n 198
Glaubensfreiheit s. Religionsfreiheit
Glöden n 824 A. 1
Glosseme 187. n 50 (v. 454). 52
(v. 469)
Gnostiker s. Haeretiker, Kaassener,
Noetos, Ophiten, Peraten
Lord G. Gordon n 225
Gorgias' *OXuninKd<; Xöro^ 121 f.
1) In diesem Artikel sind alle Seiten-
sahlen, denen Baadsahl nicht Torgemerkt
iit, vom Bweiten Band zu Tonteben.
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376
Register
Goethe 20 A. 1. 21 A. 8 Gedieht
'Siebenschläfer* n 248 A.8 über
die Juden i 212 A. 2 G. und
Plotinos n 286
Gothen im römischen Heere n 129
Anm.
Gottes Nennung umgangen n 78
Götter, Eintracht 208 A. 2 s. Apo-
theose, Neid. Begrüssung der Göt-
terbilder II 38 (v. 318) Götzen-
dienst nach mosaischem Gesetz i
236 f. durch Gonstantius gesetz-
lich aufgehoben i 338 f.
J. Gothofredus n 94 A. 14. 104 A.25.
105 A. 26. 107 A. 28. 219
Gratianus, Kaiser n 93 f.
Gregoriufl Turon. histar. Franc, i7:
n 188 A. 84
Griechen s. Hellenen
H. Grotius 226 Anm. 276 A.2. n 119
A.40. 285 übersetzt Stellen des
Homer 329
Guicciardini u 246
Guizot n 241
Gut und bös bei Heraklit 22. 41
A. 1
F. Haase n 328 A. 1
Habakuk n 290 f.
Haeretiker, Verhältniss zur Herakli-
tischen und Eleatischen Lehre 100 f.
G. Halm n 81 A. 1. 198 Anm.
M. Haupt 278 Anm. 280 A. 1
Hebräische Grammatik Spinoza's n
342—350 hebr. Studien Bentley's
359 f.
Hedybia n 90 A. 9
Hegel 37 A. 2
H. Heine n 255
Heliodoros von Prusa 160 Anm.
Hellenen, Nationaleigenschafb der
Schmiegsamkeit (ircXurpoirfa) 210
—212, die Folge war verminderte
Zuverlässigkeit 212 A. 1
Herakleides Pontikos 43 ff. berück-
sichtigt Tempelalterthümer 45 A.2
Schrift Zoroastres 42 f. 44 TTepl
Toiv ^v *'Ai6ou 44 f.
Herakleitos von Ephesos : Lebens-
verhältnisse 30 A. 2 Beziehungen
zur Medicin 18 Anm. Titel seines
Werks 8 A. 8 Zeit der Abfassung
und Veröffentlichung 96. 111 Dun-
kelheit 83. 78 antithetische Rede-
weise 89 A. 4 Verwendung my-
thologischer Begriffe 61. 88 ff . 98
Neigung zu etymologischem Deu-
ten 61 A. 2. 90 A. 1 politische
Tendenz derselben 88 A. 1. 30 A.2
Schmähungen über das Volk 30
—84 Urtheile über Philosophen
(Bias) 83 über Hesiodos 11. 101
86
Lehre 5— 101 demParsismusrat-
gegengesetzt 40 f. Lehre von der
wirkenden Intelligenz 84 — 93 vom
Verhältniss des subjeotiven mensch-
lichenErkennens zur objectiven In-
telligenz 93 — 99 von den menschl.
Sinnen 8 f. 94. 97 f. grosses Jahr
65 A. 1 lässt Mond und Sterne
unberücksichtigt 12 über Dämo-
nen 324 A. 2 über die mensch-
lichen Künste 13. 23 f. über Viel-
wisserei 84. 101. 128 f. über den
Ruhm 88
bekämpft von Parmenides 62 A. 1
von Epikur und Lucretius 93. n
68—67 dem Epicharmos bekannt
111 Verhältniss Piatons zu Her.
99 f. der christlichen Kirchen-
lehrer 100 f.
Glaubwürdigkeit der 2jeugen far
Lehre und Fragmente 72 vgl.
Plutarch, Glemens AI., Johannes
Stob, bedeutsame Aussprüche als
Sprichwörter verwendet und ver-
dreht 22 f. 820 willkürlich um-
gedeutet von Hippolytos 321 — 825
untergeschobene Briefe 70 f. ein
irrig ihm zugeschriebenes Bruch-
stück 128
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Register
377
exegetisch
und kritisch behan-
fragm. 91 : 26 A. 1 (vgl. 54). 91
delt werden die
A.1
fragm, 2
(ed.Bywater):41A.l.
93 : 55 Anm.
55AnTn. 97A.2. 821f.
94 : 55 Anm.
4
: 8. 94 f.
96 : 9
5
: 55 Anm.
98 f. : 22f.
7
: 71 f.
101 : 320
8
: 74
111 : 31 f.
11
: 56 A. 1
112 : 33
15
: 8. 94 A. 1
113 : 33 A.2
16
: 123
114 : 56 A. 1
18
; 69f.
118 : 36 Th. vn
19
: 8 f. 84-88
123 : 323 f.
20
: 2 A. 1. 8 A. 3
126 : 71
21
: 6. 12 f.
127 : 9. 61 A.1. 70 f.
25
: 54 A. 1
130 : 72f. 107 f.
26
: 97 (A. 2)
Herakleitos Verf. der Allegorien 26
28
: 325
A.2
29
: 14. 20. 91 A. 4
Herder : Gedicht 'das Kind der Sorge*
80
: 12. 13. 20. 90. 91
n 316-321 über Gibbon 227
A. 1
Herennius des Nenplatonikers *EHfi-
87
: 97 A. 2
KnaK eU tA |li€tA rd (puoixd eine
88
: 98 f.
Schrift über Metaphysik, nicht
44
: 822f.
Gommentar 348 f. 350 A. l Ang.
45
: 41 A. 1. 63 Anm.
Mai's Ausgabe 348 Auszüge in
46
: 21
Kopp's Damaskios 350 Druck des
47
: 26 A. 1
XYI Jahrhunderts? 848 A. 1 der
51
: 38 A. 1
Verf. compiliert den Alexander
54
: 96 A. 1
Aphr. 356 Damaskios 349 A. 3
55
: 23 A. 1
Philon 351 flf.
56
: 41 A. 1
Gf. Hermann 230
59
: 21. 23. 41 A. 1. 63
Hermes Trismegistos 826 ff. tepai
Anm.
ßißXoi 340 A.4 X6to<; t^€io<; 341
61
(schol. n. A 4) : 22
Poimandres und die angeschlosse-
65
: 70. 88—92
nen Schriften 341 eine Gruppe
66
. 61 A.2
hermetischer Schriften fuhrt den
67
323
Asklepios als Lehrer ein 342 Anm.
68
: 98 A.I. 820 f.
Ausdruck fürKÖa^o^ 834 (zu Z. 68)
69
: 2. 18. 27
Studium der hermetischen Litte-
72
26 A.2
ratur 326 f.
78
: 61 A. 1. 96
ÄMÜepiua 326 ff. verfasst von
79
: 57 A. 1. 822
einem Neuplatoniker des XU Jahrh.
80
26 A. 1. 105
345 f. Titel 340 ff. schweigende
81
62 A.l
Zuhörer des Dialogs sind Tat und
84
. 6
Ammon 328 f. griechische Bruch-
85
26 A.1
stücke bei LactantiuB 389; die la-
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378
Register
teinische üebenetzung ist dem
ApuleiuB fremd 340 vgl. 329 Lac-
tantios kennt sie noch nicht 340,
jedoch Angastinns 337. 340 A. 2
Text und deutsche üebersetzung
von c. 23—26 s. 330—336, erör-
tert 335 ff. Textyerderbni88e328f.
Interpolation von Prophezeiungen
ex eventu 338 ff.
0.1.32.41 verb. 328 f.
Hermias von Atameus 167 f. n 294
Herodotos n 243. 247
Heronische Excerpte 129
HesiodoB von Herakleitos gescholten
11 von den Stoikern commentiert
55 A. 1
£ob. Hess, Uebersetzer der nias n329
Hesychioa: zur Textgeschichte n
296 f. ghssae sacrae 295 Glosse
aus Josephus 297 f.
Heyne n 102 A. 21. 220. 264
Hieronymus n 125 A. 46. 127 A. 47.
291 A. 1 Yerhaltniss zur dassi-
schen Litteratur 148 f. verkehrt
mit Rabbinern 291 A. 1 üeber-
setzung des Pentateuch 184. 133
Chronik des Eusebios ii 155
in Dan. n 40 : n 127 A. 47
m 18 : n 120 A. 41
G. F. Hildebrand 340 A. 3. 4
Hülel, Rabbi 275
Himerios or, 6, 6 verb. n 294
•Himmel* statt *Gott' n 78
Himmlische Ehe u 26 f. 90 A. 8»
F. Hipler 348 A. 1. 849 A. 3
Hippasos von Metapont 17
Hippokrates bei Hippolytos 54
itepl TOvfl< 28 A. 1
ircpl hiaiTi)(; i : 2—35 vgl. ix.38f.
108 Handschriften 4 A. 2 Zu-
sammensetzung 4 f. Verfahren
des Compilators 5. 7. 10. 16 f.
19 Anm. 24 f. Urtheile alter Kri-
tiker 3 Analyse des herakliti-
schen Abschnitts i c. 3—24 :
8 — 35 späterer Abschnitte 28
iT€pl 4ß^o^d6u)v 29 A. 2
irepl ^vuirviuiv = ir. öiaiTT)^ iv :
3 A. 2 vgl. 18 A. 1. 20
iT€pl 0apKd)v 20. 101
irepl Tpoq>f)^ 2
ir€pl <pOaio^ dvOpiOirou 4
Hippolytos' Widerlegung der Hae-
resien 74 f. 78 f. 292 ff. Streit mit
den Noetianem 78. 81 *Philo80-
phumena* Specialtitel von Bach
I— IV : 294 A.l Buch x gibt ei-
nen vom Verf. selbst eilfertig ge-
machten Auszug aus Buch v— ix :
295. 297. 805. 319, der ab^ fnr
die Verbesserung dieser Bücher
sehr nützlich sich erweist 292. 295.
319 als Recapitulation von 6. i
wird eine anderwärts entlehnte
Uebersicht gegeben 295 erlaubt
sich willkürliche Deutung hers-
klitischer Worte 821— 325 benutzt
den occidentalischen Text des N.T.
304 f. wird compiliert von Theo-
doretoB 804 A. 1
verbessert und erklärt werden
V p. 95, 42-67 ed. Miller :
295—297
115,4—116,20 : 819f.
123,16—125,60 : 298-
305
127, 11 : 300, 1
182,62 : 820 f.
138, 34—148, 64 : 806-
818
154,78
155, 21. 82 !
158, 1 : 298 f. AnnL
VI p. 165, 58 : 304 Anm.
178, 8 : 314 A. 2
183, 69 : 316 A. 1
186, 54 : 314 A. 1
lll'lli :314A.a
197, 72 S
vn p. 283, 81 : 803 A. 1
vm p. 264, 2—10 : 294 Anm.
271,87 : 293 A. 2
I : 298 A.2
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Begiflter
379
(Hipp.) IX p. 280, 52 : 294 A. 1
280,58—284,76 : 75 ff.
102—106. 821—325
281, 74 : 822 f.
288,58 : 828 f.
284, 54 : 822 A. 1
284, 81 : 80 f. Anm.
X p. 311-814 : 295
311,24—27 : 298
318,71 : 293 A. 2
814,99-15 : 297 f.
815,16-316,48 : 298—
305
316,45 : 801 f. 304 A. 1
316,49—318,20 : 306—
319
318, 24 : 293 A. 2
319, 38 : 304 Anm.
324, 92 : 294 Anm.
326, 30 : 293 A. 2
Hispalis n 293
Hispania, Yicariat und Proconsulat
n 94 A. 14
L. Holstenius 349. n 287
Homeros von Herakleitos angezo-
gen 58 üebersetznngon ii 827 f.
Bentley's Ansichten nnd Arbeiten
357 f.
Ilias I 145 : n 8f.
361 : I 58
homo Etymologie n 820
Horatins conti, i 12 : n 800f.
n 1,21 : II 302 f.
carm. saec. üeberschrift n
804
epod. 2, 60 : I 240 A. 1
epist, I 18 erkl. n 305 f.
I 18, 10 : n 202
n 1, 156 : ii 72 A. 1
Hngo 11 208
Humanisten, Latinitat n 325 f. Ho-
merübersetznng 827 f.
Home n 231. 236. 289. 240
Hyginns fab. 220 erkl. und verb. u
316-321 Scaliger's Ansicht über
Hygins fabb, 320
laldabaoth 36 Th. x
Idacius nnd Ithaoius n 98 A. 11. 96 f.
Identität s. Persönlichkeit
iOe verächtlich n 8 (v. 82)
impendeo transitiv n 34 (v. 326)
imperator und rex n 121 f. A. 43 f.
8. Ehrennamen
Imperfectum ii 112 A. 33
indutw n 4 (y. 40)
ineonstantia n 98 mit Anm. 17
Index librorum prohtbitarum n 199
indu- n 8 (v.82)
ingentM8 n 24 (v. 280)
Inhaltsangaben in den Text gedrun-
gen bei Hippokrates 15 vgl. 29. 34
Z. 4 bei Lucretius n 36 (v. 834)
iniius n 3 (v. 13), für imUwn 41
(v. 383) vgl. 36 (v. 339)
insinuare n 44 (v. 407)
instare n 51 (v. 461)
intactus n 36 (v. 334)
Intelligenz, die wirkende, bei Hera-
kleitos 84 ff.
Intercession n 271
interiar 286 A. 1
Interpolationen im Hermes Trism.
888—345 in Sulpidus Severus n
188—140. 189 A. 52. 159 A. 64.
187 f. s. unter Lucretius
Interpretation s. allegorische Aus-
legung, Exegese
incersa verba n 64 (v. 642)
Ion Chius fr. 4 über Pythagoras 87
A. 1
Iphianassaundiphigeneia n 8 f.(v.85)
ipse n 27 (v. 258)
Isidorus von Sevilla n 96 f. A. 16
das isid. Glossarium 851
Isokrates' Rede ra 'Nikokles oder
die Kyprier* 274 A. 1
Ithaoius 8. Idacius
F. H. Jacobi n 230
F. Jacobs 128. 125. 144 A 1
Jahr, grosses, des Herakleitos 55
A. 1
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880
Regster
Jerusalem, Belagerung und Zerstö-
rung u 159—181
Johannes Chrysostomos n 120 vgl.
A.41
Johannes Lydus 63 A. 1. n 834 —
336. 381 aus Philadelphia 335
schon von A. Politianus benutzt
335 Bonner Ausgabe 385 A. 1
Johannes Stobaeus benutzt unterge-
schobene Schriften 70 in Bezug
auf Herakleitos nicht zuverlässig
68—70 Verderbnisse 124 ff. vgl.
Lemmata
€cL phys, p. 25 f. Wachsm. : 91
eth. p. 40-44 W. : 266 ff.
p. 43,11 W. verb. 268
A. 1
florü, IV 43 : 96 A. 2
— 56 : 95
XI 23 : 329 A. 1
xxxiv 19 : 123 ff.
Lxzxn 11 : 118
Johnson ii 225
W. Jones n 218
Josephus verdreht Bibelworte 251
A. 1 Darstellung des jüdischen
Kriegs und der Zerstörung Jeru-
salems beeinflusst n 161 — 163 von
Tacitus nicht gekannt oder nicht
beachtet n 172 auch von Sulpi-
cius Sev. nicht direct benutzt 167
A.69 alte lateinische üebersetzung
167 A. 69
Ärchaeol praef. 3 : i 354 Anm.
in 10, 6 ; n 297 f.
XIV 7, 2 erkl. n 76
lovis für luppUer n 319
Mare n 299 f.
Judaea n 309
judaisierende Heiden n 73 ff.
Juden unversöhnliche Gegner des
Götzendienstes 236 f. 252 vermei-
den den Namen Gk)ttes unverhüllt
zu gebrauchen n 78 ihre zähe Un-
beugsamkeit i 212 Hauptarten ih-
rer Gesetze i 227.252 Verbot der
Eanderaussetzung 242. 243 A. 1
Ihre Geschicke 249 in Alexan-
dreia251 inRomu72f. 310 Juden
im römischen Heere n 128 A. 48
Wirkung der Niederwerfung Ju-
daea's 72 f. Urtheil Goethe's i 212
A. 2 des Seneca n 72 A. 1 Quiii-
tilians 73 des Tacitus 79 f.
Julianus, Antonius n 173 A. 74
Julius Obsequens n 807 fl
Junius-Briefe n 221
Juristen n 265 juristische Discus-
sion 257 f. Schulung 264
Justinus, Kaiser n 328
Justinus martyr über Herakleitos 101
Juvenalis : Ausgaben des Rigaltios
und Henninius u 74
sat. xrv : n 71f.
— 96. 101 : n 71—80
- 97 : II 79
Kaiser Borns: Cultus ihrer Statuen
und Bilder u 120 A. 41 Betheili-
gung bei der B^chtspflege 105 f.
A. 27. 108 A. 29 VerfaU des Kai-
serthums 125 f.
Kallistos, Noetianer 78. 81
I. Kant u 280. 254
Katapulten, Unfälle beim Schiessen
153 A. 2
L. Kayser 117
Kerkidas Dichter von Meliamben 87
A. 1. 96 A. 2
Kinderausge8etzt24dA.l geraubt241
Kirchenseckel 174
A. Kirchhoff n 285 f.
Kirchner n 304
Klage zurückgezogen 108 A. 28
Kleanthes 19 A. 1 Hymnus an Zeos
91 f. verb. 20 A. 2 Benutzung he-
raklitischer Gedanken und Aus-
drücke 91 A. 1 Gommentar zu He-
rakleitos 91 A.2
Kleomenes, Noetianer 78
0. Klopp Herausgeber von Leibnitz
n 354 f.
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Begaster
381
R. Klotz als Herausgeber des Cle-
mens AI. 89 A. 1. 126
Knabe s. spielender Knabe
Kohlen, beraklitisches Gleichniss für
die Seele 28. 64
Kolotes der Epikureer 42
Korax 119 A. 1
Chr. Gf. Kömer n 208
Krantor ir. irdv6ou^ 48 f. 47. 131
Kratinos /r. ine. 154 verb. 86 A. 2
Kreis, Gleichniss Heraklits 25
Kritik 35 Th. i Regeln 124 höhere
Kr. 326
Kritolaos der Peripatetiker 286
Labbaeos' Glossensammlung : Ein-
richtung n 299 Herausgeber 365.
353 A. 1
labrata n 120
C. Lachmann n 69. 365 f. Ausgabe
des N. T. I 306
Lactantius' Lebensverhältnisse 342 f.
Stil n 130 Abfassungszeit und Ver-
anlassung der institutiones divincie
1 343 Echtheit der epitame 340 A. 2
vgl. 341 A. 2. 343 A. 1 die un-
ter seinem Namen gehende Schrift
de mortibus persecut n 173 A. 72
vgl. Hermes Trism.
lamae n 202
V. Lang, Ritter n 208
Langer n 220
largus n 24 unten l fons 45 (v.412)
latex u 41 (v. 372)
Laurentius Yalla s. Yalla
W. Lazius II 198 Anm.
Leben ein Lehen 203 A. 1 Leben
und Tod bei Herakleitos 51. 7.
10. 60 f. 63 f.
Lebensüberdruss bei Schriftstellern
des I Jahrh. n. Chr. 354 Anm.
Legi Subscriptionsformel ii 323 f.
Leibnitz 8 A. 1. 117. n 237 f. 248. 338
A. 1 Entwurf einer Grabschrift
" 354 f. Verehrung für die Apoka-
lypse 856 A. 1 über Homer 358
Leiturgie in Athen 175
Lemmata in Excerptensammlungen
verwechselt n 315
Leo VI sapiens 225 Anm.
LeonarduB s. Aretinus
Leontius s. Pilatus
Lessing u 207. 225. 226 unten. 254
Leviticus c. 19 : 228 ff.
lex regia n 144 A. 55
Livius n 243. 246. 307. 308.
Lobeck's Aglaophamus 130. u 283
Loebell n 252
Longinos früher als Verfasser der
Schrift TTcpl ü\(iou^ betrachtet 353
s. Schrift ircpl {{^lou^
Lübkert n 88 A. 7. 106 A. 26. 109
A. 31
Lucretius: seine Quellen Epikuri-
scher Physiologie n 46. 46,48 un-
genügende Wiedergabe der Epi-
kurischen Lehre n 61. 60 f. Ver-
kürzung der griechischen Vorlage
43 irrt in Auslegung des Ho-
mer 8 f. (v. 85) Polemik gegen
Heraklit und die Stoiker (i 635—
704) I 93. n 63—67 Urtheil über
die lateinische Sprache u 14 f. An-
ticipation in der Beweisführung
19 (v. 184) Vorbereitung des fol-
genden (irpooiKovoiLiia) 29 (v. 280).
43 (v. 402). 55. 57. 62 Rückver-
weisung 37. 56 (v.581) u. ö.
Wiederholungen von Versen 7
(v.76). 13(12L127). 16 (148). 22
(211). 47(429). 59(566). 64(635).
67 (670. 685). Anakoluth? n 88
(v. 352) verschmäht nicht mytho-
logische Einkleidung ] f. 26 f. [sieh
Lucretius' eigene Aeusserung u
656—660] vgl. Metapher, Proso-
popoeie
Abhängigkeit von Ennius n 2
(v.lf.). 3(v.22). 12(119). 13(120.
126). 58 (557)
Nachgeahmt vonVergilius n 18
(V. 166). 27(251). 64(494) von
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882
Register
OvidiuB n2(v.2). 3(13) vonPer-
sioB n 36 f. (v. 330)
der Rubricator n 36 (v. 334) s.
Inhaltsangaben
I 1— 689commentiert n 1— 67
635—704 : I 93. n 68 f.
667 : n 70
m 969 : I 203
TV 1130 : n 366f.
V 92 f. : n 68
149 erkl. n 28
Lucullas II 162 A.66»
Ludwig XIV : n 122 A. 43
luere büssen n 142
Lukianos vit auct, 14 : 56
22 : 112 A. 1
Lydus 8. Johannes Lydus
de Mably, abbe n 239
Macaulay n 148 A. 67. 223. 246
Macedonius mag. off. n 94 f.
Machiavelli n 246. 263
Macrobius 8at. in 7,6 erkl. n321 f.
N. Madvig's Kritik des Aristoteles
179. 181 f.
Magie u.a. strafrechtlich verfolgt n
101—108. 97 Anm., vgl. i 241
planmässige Verfolgung im J. 370
II 102 A. 21
magis : quo magis — tarn magis n 56
(v. 536). aed magis ii 53 (481)
magister officiorum n 94 A. 14
mäkdietum n 143
malefidum n 103 A. 28. 105 A. 26.
109 A. 31. 97A. 16
Manna n 294 f.
Marcus Aurelius Antoninus 23 A. 1.
64A.1
Marius Gratidianus n 113 A. 36
H. Martin 129
Martinus von Tours n 86. 89 Ver-
halten in der Sache des Priscil-
lianus 98— 100. 109 f. Geltung bei
Mazimus 99 f.
mathmaHei n 101 A. 20. 103 A. 22.
23
Maximus der Usurpator n 95 f. 99 f.
106— 1 10 halt sich fiir einen Schütz-
ling Gottes 99 A. 18 vermeintliche
Grausamkeit 99 f. A. 18. fiscali-
sehe Confiscationen 100 f. A. 19
Schreiben an Siricius 99 A. 18. 108
A.30
Maximus Planudes s. Planudes
Medicin bei Pythagoreem und He-
rakliteern 17 A. 1
Meer s. Quellen
Megariker 111 f.
Melanchthon's Name n 304 Schrei-
ben unter dem Namen des Her^
molaus Barbarus 327
Melankomas Tyrann von Ephesos
31 Anm.
G. MemmiuB n 3f.
memoriae 337 A. 1
L. Mönard 327. 343 A. 5
Menasseh ben Israel 226
Menschen* Besitzstüoke der €k>ttheit *
90 A. 3
merito n 11 (v. 106)
Merula, Paulus 36 Th. ix. n 68
Metapher n 52 (v. 473 f. 476) Besee-
lung n 18 (168. 175). 87 (352 eäms)
Metoeken 169 f.
metuentes n 73—80
Micali n 119 Anm.
Mikrokosmos u 104
£. Miller als Herausgeber des Hip-
polytos 292. 293 A. 2. 297. 302 d.O.
313 f.
Milton n 124 f. A. 46
Minervius ii 88 A. 3
Minucius Felix 30, 6 verb. 224 A. 1
33,4 erkl. u 178 A.74
Th. Mommsen u 71 rom. Staatsrechi
255-275, bes. 265 ff.
Monoimos 293 A. 2 Bibeldtate 305
Montesquieu n 261. 263 A. 1
E. Ph. Moritz ii 331 f.
mors s. simpUei m.
mortaies n 176 A. 76
Mosohion, der Dichter 202 A. 1
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Register
Moschion'fl Hebammenbach n 852 f.
Munter n 332
Muratori n 219
MuBonios 2 A. 1. 271
Mosurus n 296 f.
Mysterien n 104 A. 26 s. Eleusin. M.
Mythologie n 294 s. Herakleitos,
Luoretius
Naassener 296—298. 819 f.
Nabatäische Schriftsteller u 293
Nachahmung classischer Muster n
180 f. 8. Lucretius, Sallustius, Sul-
picius Severus, Tacitus
nächtlicher Gultus n 104 A. 26
Kamen auf -T€vii<; n 184 A. 83. s.
Ehrennamen
Napoleon n 258. 254
Naturgesetz des Herakleitos 54 f.
Mich. Neander 194. 200
Neid der Götter 207 f. Anm. 2
Nemesios c. 88 erkl. 886 Anm.
Nero, Kaiser : Vermahlung mit Py-
thagorasn 168 Brand Roms 169 f.
Beziehung der Apokalypse auf ihn
140 A. 52 Tod und Wiederkehr
139 A. 52
Neuplatoniker im Kampfe gegen das
Ghristenthum 345 f. Verhältniss
zu Piaton u 364 Theurgie 287. 292
Bild des Wagens i 116 f. Hand-
schriftliches angeführt von Steu-
chus 199 A. 1
Newman n 280
Niebuhr 86 Th. m. 145. n 118 f. A.
40. 208. 242. 251. 258. 256 f. Be-
handlung staatsrechtlicher Fragen
n 256 f. Ergänzung der kleinen
Schriften 860 f. politische Voraus-
sicht 228 Vorhersag^ung über Ni-
nive 361 f.
Nikolaos von Damaskos n 281 f.
Noachidengebote 262
Noetos 78—80. 81. 321 f.
Nonius n 82
mxiae artes n 103 A. 21
obire u 14 (v. 185), für obmam venire
28 (v. 222)
obscenus n 105 A. 26
Obsequens, Julius n 807 f.
Odysseus 210
officium n 86 (▼. 836)
ÖÜU8 bei Lucretius n 67 (v. 672)
Olympiodoros* Commentar zu Pla-
ton's Gorgias 88 A. 2. 98 A. 1.
142 f. 828 A. 1
Olympische Spiele 121
omne n 7 (y. 74). 46 (419). 56 (521.
528)
Onysianus n 806 A. 1
Onysius n 805f.
Gphiten s. Naassener
Orakel der Branchiden 209 bei Por-
phyrios n 288 s. Sibyllin. Orakel
arae n 8 (v. 22)
ordo n 60 (v. 689)
Orelli's Ausgabe des Sanchuniathon
n284
Origenes' Text des N. T. 804 f. nicht
Verfasser der Philosophumena 292.
804 f.
Orosius 889 benutzt noch den gan-
zen Tacitus n 172 A. 78
V 28 : n 128 A. 44. 205
vn9 : n 176 f. A. 77
— 13 : n 177 A. 77
F. Osann n 279 A. 1. 813. 316
Ovidius s. Lucretius
Pacatus paneg. u 99 f. A. 18 benutzt
Cicero 101 A. 19
Paley n 229
Panaetios bei Cicero de off. i 84, 125
erkl 169
panegyriei n 84 pan, Constantino ix
(vn Bahr.) c. 9 : 168 A. 70
parare n 21 (v. 199)
pareere mit Infinitiv n 67 (v. 667)
Parmenides' Polemik gegen Heraklei-
tos 62 f. Anm.
V. 46-61 erkl. 62 A. 1
ParsismuB den Peripatetikem be-
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884
Register
kannt 44. 45 A. 1 Verhaltniss zur
Heraklitischen Lehre 40 f.
partitudo n 151 A. 58
Patera, Rhetor n 83 A. 3
patria potesttu 244 A. 1
Fr. Patritius 827
Paulinus von Nola n 85. 88 A. 3. 157
Paosanias Y 11, 1 erkl. n 283
y 21,2 : n 822
Pavilliard ii 214
Pelagius n 150 A. 58
Pella 166
penes u 146
penetraUs n 54 (v. 494)
Pentateuch 227 ff. den Philologen
wenig bekannt 197 f. s. Dekalog,
Exodus, Genesis, Leviticus
Peraten 298 ff. die Stifter der Secte
800 f. Lehre von der Schlange
802 vom Wasser als Princip des
Todes 820 f. ihr £v 303 Bibelci-
tate 305
Perfectum aoristisch n 54 (v. 496)
praesentisch 161 A. 65
Persius kennt und benutzt den Lu-
cretius n 35 f.
Persönlichkeit, beharrende Identität
oder Wandel? 65 f. 111 ff.
Petra in Arabien u 293
Fr. Petrarcha n 326
Phidias' Zeus n 283
PhilastriuB ii 91 A. 10
Philelphus n 332 f.
Philes 225 Anm.
Philochoros vertheidigt den Aristo-
teles 170 f.
Philologie unserer Zeit n 210. 211.
266 unten
Philon de ehrielaU 290 A. 2
„ „ p. 388—388 M. von
HerenniuB abgeschrie-
ben 351 ff., aus Her.
verbessert 853 A. 1
Benutzung des Demo-
sthenes 855 A. 1 Ue-
bereinstimmung mit
der Schrifl ir. C^iou^
353 ff.
de parent. eoi. 6 verb. 245
A.2
quaestt in Oenesm m 5 : 24
quisrerumdmn^'heresmt : 24
Hypothetika 262—282 bes.
271-277. 281 f.
fr. bei Euseb. pr, er. vm 7, 7 :
229 A.2
legaHo ad Caium 244 A. 1
ir. dq^Sapda^ K6a^ou 58. 112
A.2 ünechtheit und An-
lage der Schrift 283 f. Ver-
lust eines zweiten Theils
283 A. 2. 290 A. 2 Blatt-
versetzung 288—290 ein
Auszug daraus De mumdo
284 A. 1. 290 A. 1
p. 228, 2 (Ausg. V. Bemays)
: 287 A. 1
228, 8 : 286 f. 289 A. 1
238,8 : 287 f. 288 A. 1
— 9 : 288 A. 2
242, 1 : 284
248, 11 : 285 f. 287. 289
— 14 : 289 A.2
Philon von Byblos n 288 f.
Philon von Larisa 266 f.
Philostratus viU soph. i 5 : 211 A. 3
Philoxenus* Glossen n 299
Phokylides, des echten Spruche
250 A. 1
das untergeschobene ' Mahngedicht'
192 — 261 als unecht schon im Al-
terthum von den echten Sprüchen
unterschieden? 234 A. 2 der Yer£
ist nicht Christ 196 ff., kennt nicht
einmal die christliche Lehre 216
ff. kennt und nennt nur einen
Gott 199-209, aber hat nicht den
Muth den Götzendienst offen zu ver-
werfen 225 f. 284. 286 f. 252 f.
sein Zweck und Verfahren bei Be-
nutzung des Pentateuch 227 Zeit
der Abfassung 249 Ort 251 Be-
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Regster
385
nutzung des Aristoteles 206 A. 1.
207 Anm., des Theognis 212. 218
f. 213 A. 2 Auslassung von Ver-
sen in den Handschrr. 218 A. 1
Text 264—261 (als Register über
die besprochenen Stellen dienen
die Verweisungen unter dem Text)
Photios II 248
Picus Mirandula ii 326 f.
pigmenta 328 A. 1
Leont. Pilatus' Homerübersetzung n
828
Pimentel , jüdischer Familienname
829 Anm.
J. Pinkerton n 221
Pipa oder Pipara u 241
P. Pithoeus 11 83 f. A. 3. 91 A. 9
plaga s. 'n\r\fi\
Planeten s. Astrologie
Planudes' Excerpte n 282 f.
planum s. de piano
P 1 a t o n : zurückgezogenesLeben 146 f.
Adelstolz 273 über Feindesliebe
214 A. 1 die <pOXaK€( und bai^o-
v€^ 824 A. 2 herbe Beurtheilung
der athenischen Verfassung und
Staatsmänner 171. n 362 f. freie
Benutzung Heralditischer Sprüche
i 22 Stellung zu Heraklit und den
Eleaten 99 f. 82 A. 1 Polemik
gegen Protagoras' 'AX/)6€ia 118 f.
vermeintliche Abhängigkeit von
Epicharmos 109. 110 f. betrachtet
Epich. als Herakliteer 111 sein
Eryximachos im Symposion 18
Anm. Wirkung und Geltung in
späterer Zeit ll 868 f. Gibbon
über Piaton n 241
Gesetze xi p. 913^ erkl. i 278
Gorgias n 862 f. 864
p. 485« verb. i 366
Kratylos 389« verb. 86 Th. v
4260 erkl. 201 A. 1
4400 erkl. 60 A. 1
Politikos p. 278d : 886 f.
Sophistes p. 242« erkl. 57 oben
Bemays* ges. Abhftndl. II.
Staat vn 14 p. 633^ erkl. 96 f.
Citate aus dem Staat ii 840
Theaetetos i 82 A. 1. 118
p. 179« erkl. 68 Anm.
Briefe als echt vertheidigt von
Bentley n 868
Platoniker s. Neuplatoniker
Plinius über Selbstmord 864 Anm.
n. A. Y 70 erkl. ii 161 A. 66
xxxiv 189 : n 118 f. A. 40
Plotinos II 286 f. verwendet Herakli-
tische Sprüche i 26 A. 1
Plutarchos: Zweck der Moraiia
66 f. Mosaikarbeit 39. 46 f. A. 2
zuverlässiger Zeuge über Hera-
kleitos 89 ff. 66 f.
cansol ad ÄpoJIonium 46—64.
130 ff.
de Äkx. ffirt. 10 verb. 126 Anm.
de laide 77 p. 382b : 86—88
de El DdpMco 66 f. verb. 69
de Pythiae orac. 19 verb. n 288
de sera numinis vindicta i 66.
114 f.
Tischgespräche (all) 64 f. 114
de camm, not adv. Stoicos 112 f.
adv. Colotm 14 : 42 ff.
80 erkl. 824 A. 2
fr. de anima verb. und erkl. 48
A. 1
verlorener 'YttoOctikö^ 271
8. Schrift de vita Homeri
Ang. Politianus ii 327 übersetzt die
Blas 329 benutzt den Joh. Lydus
882 ff. Schreiben an Petrus Me-
dici 832 f.
Polybios u 243. 246.
Polygamie 248 f.
Polyp als Bild lebenskluger Schmieg-
samkeit 210 f.
Cn. Pompeius n 131 A. 49. 177 A. 78
Pomponius' fr. der Deeuma füUonis
76 (zu Z. 44)
Porphyrios n 286 ff. über Plagiate
Platon's I 119
de abstin. n 16 erkl. n 278
26
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Register
zur Ilias = 200 : l 25 A. 2
Kard Xpiariavuiv 836 Anm.
Leben des Pythagoras n 289 f.
R. Porson li 217 A. 1. 222 A. 1. 251
portare davontragen n 29 (v. 294)
Poseidonios 269 Anm.
praefeeti Aegypti n 279
practextatae 85 Th. iv
Predigt bei griech. Philosophen ii 864
Preller 285 f. 289
priesterliche Observanz zu Rom 240
A. 2
Priestley n 229
Priscianus (xiv 40) il 208 f.
Priscillianisten n 87—110. 149 her-
vorstechende Züge der Secte As-
kese 88 f. und classische Bildung
89 f. Betheiligung der Frauen 88.
90 f. Ausgangspunkt der Bewegung
91 f. A. 10». 87 f. Anerkennung der
heil. Schriften 190 A.86 Missbrauch
allegorischer Auslegung 189 f. A.
86. 86»
Priscillianus n 88—108
Priscus n 245. 249
privatus n 37 (v. 348)
Probus zu Verg. ecl 6, 31 : ii 68
Prodigien s. Wunder
Proklos 81 f.
Prokopios n 122 A. 48. 245
anecd, p. 40 verb. ii 323
Prolegomena zu Porphyrios s. Schrift
propter n 9 (v. 90)
Prosopopoeie ii 68 (oben und v. 629 f.).
61 (v. 614)
Protagoras : Schriften -Yerzeichniss
117.119 KaTaß(i\AovT€<;oder'AXf|-
Seia 117—121 Beziehung zu He-
rakleitos 120 A. 1
provinciae s. Aquitanien
Psalm 29, 3 : 818
78, 24 f. : n 296
pseudepigraphische Thätigkeit 250
Ptolemaeos, Gnostiker 102
publicus : egregium (und peasimum)
publicum n 111 A. 82
pueOa II 141 f.
puer und servua n 140 f.
pülsare n 148
Pyraethon n 841 f.
Pythagoras : Ausdeutung des Namens
87 A. 1 Wunder n 289
Pythagoreer 17. 92 Anm. 240 A. 2
ihr Schweigen 814 A. 2 Spruch
II 339 A. 1 untergeschobene Frag-
mente bei Stob, i 134 A. 1
Qualitäten bei Epikur n 48
qiMsi 888
Quellen des Meers nach altgriech.
Vorstellung n 24 (v. 280)
qtUnque provinciae s. Aquitanien
Quintilianus über die Juden n 73
quippe für nam n 177
quo magis s. magia
quod contra n 8 (v. 82) quod (nt)«t
38 (v. 356) quod nunc 23 (221)
F. E. Rambach n 359
Randbemerkungen, polemische, in
den Text gedrungen n 2. 310
Ranke n 247
Rapiere im Alterthum 154 A. 1. 162 f.
Anm.
ratio II 5 (v. 61). 6 (59). 8 (81)
Ravaisson 350 A. 1. II 280
Rechtssätze, alte hellenische 272 f.
276 f. 280
reddere n 22 (v. 203) für rationem
reddere 59 (v. 666)
referre n 7 (v. 76)
regina n 122 A. 43
Reimarus, H. S. n 75 Elise R. u
207
Th. Reinesius n 851—854 Epony-
mologicum 351 variae Uctiones
319. 821 Anm. 851, nngedruckter
Theil 854
J. J. Reiske ii 200. 322 f.
rdicuu8 n 58 (v. 560)
reUgio n 176 Einfluss auf das romi-
sche Staatswesen 267 f. 255 f. 386
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387
Religionsfreiheit von Lactantius
u. A. gefordert i 343 A. 1
reor ii 17 (v. 154)
reperta iil6 (v. 136)
retexere n 56 (v. 529)
rex Sprachgebrauch n 121—123 A.
43 f. 8. lex regia
rhetorische Studien in Africa n 84 f.
in Aquitanien 82—85
N. Rigaltius ii 74.
W. Robertson ii 226. 236. 237. 240
H. A. Rohde 233 A. 1
Rollin n 236
Rom's Ewigkeit ii 126 A. 46 &. ge-
heime Benennung 331 ff. Verhält-
niss der Stadt zum Reich 272 f.
pax Romana 125 f. Elemente des
Römerthums 266 f. Verfahren mit
Weltstädten 160 A. 64». s. Amts-
gewalt, Kaiser, Mommsen, religio^
Säcularfeier, Wunder
Romantiker n 209. 210 vgl. 230 f.
RomuluB 8. casa
G. B. de Rossi ii 120 A. 41
Rousseau n 238 f.
Rückübersetzungen aus dem Latei-
nischen ins Griech. ii 354
ruere transitiv ii 29 (v. 272)
Ruhm, Heraklit's Urtheil 83
D. Ruhnken 348. 360 f. 855
Ruperti n 73
Rutilius Namat. i 389 erkl. n 175
A. 75 a
Sabatier ii 189 A. 52. 140 A. 63
sacerdos gleich episcopua n 114 A. 36
sacrum, sacrare aedem n 177
aaeeula bei Lucretius ii 21 (v. 202)
Säcularfeier in Rom n 307 f.
Sägen, Gleichniss Heraklit's 15 A. 4.
17. 25
saepta ii 88 (v. 854)
sagax u 48 (v. 402)
duc de Saint-Simon n 280
Sallustius n 130 f. 182 A. 60 ahmt
Thukydides 205 und Ennius nach
202 f. nachgeahmt von Tacitus
204 Anm., und Sulpicius Severus
8. daselbst
histor. m fr. 7 Kritz : n 205
fr. ine. 28 Kr. : n203f.
lug, 41, 7 verb. n 811
Salvianus n 82 A. 2. 192
*Salz der Erde* 816
Sanchuniathon u 288 f. über Kronos
283 f. vgl. Vorwort S. v
Sardanapal u 355
Saul, Alane iil28f. A. 48
H. Sauppe 47 A. 2. 88 Anm.
Jos. Scaliger 194—198. 216 A. 1. ii 79
A. 2. 90 A.9. 102 A.20. 177 A.77.
298 zweite Ausgabe des Thesaurw
temporum i 197 Gedichte n 340 f.
über Hyginus 320 über die La-
tinitat des Moschion 353 f. A. 1
züchtigt den Barfüssermönch Feu-
ardent 341 f.
B. Villiomanis
Jul. C. Scaliger 195 A. 1
Scaurus n 178 A. 78©
Schauspielkunst 84 A. 8
Schelling n 209
Schiffbrüchige 231 f.
Schiller 134 A. 1. n 211 Anm. 228
Schlaf und Wachen 20. 27. 50 f. 64
Schlange in der Lehre der Peraten
802
A. W. Schlegel n 212 Anm.
Schleiermacher 1. 87 f. 39 f. u. ö.
F. Gh. Schlosser n 217. 249 f.
Schlussformen der Megariker und
Stoiker Ulf.
Leop. Schmidt 114
M. Schmidt n 297
Fr. Schneider 48 A. 2
Schol. zu Aristoph. nüb. 240 : 284
A.2. 249 A. 1
zu Arist. E. N, iii : Werth der-
selben 159
Eurip. Alk. 988 verb. 45 A. 2
lUad. A 4 erkl. 22
Schow n 297. 831. 886
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Schrift TTcpl KÖa^ou 23 f. n 278—282
TTcpl 0t|iou^ frähestens unter Ca-
ligula verfasst 858 der Verf.
kennt und citiert ungenau die
Genesis 858 f. A. 2 hat wört-
liche Uebereinstimmungen mit
Philon 858 f. mit JoBephus854
Anm.; lebensmüde 854 Anm.
idealisiert die Demokratie n
863 A. 1
de vita Homeri c. 5 verb. n 287
Prolegomena zu Porphyr, quiri'
que voee8 n 888 f.
SchuUectüre 192. 258. n 194 f.
E. Schwartz 288 A. 2
Schwarzert n 804
Schwören beschränkt durch das mo-
saische Gesetz 229 A. 1
L. Scipio Äsiagenes oder Äsiaücua
u 188 f.
scriptores historiaeÄugustae 276 A. 2.
n 288. 241
Sectionen, anatomische 208. 251.
248 A. 1
Sedekias n 113
Seele mit Kohle verglichen 28, Theile
derselben 29 A. 2 die Sinnesorgane
gleichsam ihre ötrai 27 A. 1
J. Seiden 252. 276 A.2. n 75. 79 A.2
Seleukiden n 181—185
Seneca über die Juden n 72 A. 1
ept«t. 69, 18 erkl. i 270 A. 1
— 14 verb. 267 A. 1
94, 1{ ,,
270 A. 1
95, 65 erkl. 269 Anm.
sensus (sensorium) n 80 (v. 808). 5.
communis 46 (v.422)
Septuaginta s. Bibel
Sepulveda 214 f. Anm.
sequi n 17 (v. 156)
Serenus' dirofiiviiibioveO^aTa 124
serescere u 82 (v. 806)
Servius in Äen. u 178 : n 202
m^eor^. iv219 : n 28
servus n 140 f.
Sethianer 806 ff.
Severus Sanctus Endelechius n 83 C.
A. 8
Sextus Empiricus kennt Herakleitos
durch Vermittlung des Aeneside-
mos 16. 27
ado. maih, vu 12 erkl. 270 A. 1
X 2 erörtert n 35
Shakespere n 258
Shekel, Währung n 147 A. 56
si s. siqmdem
Sibyllinische Orakel 194. 258
n 55—149 : 222 ff.
Sicilien zu Epicharmos' Zeit 111
Sidonius ApoUinaris n 192 f.
Siebentheilung 29 A. 2
C. Sigonius De iure antiquo doium
Born, n 259 f. erkl. Ausgabe des
Sulpioius Sev. 194. 199. 94 A. 14.
106 A. 27. 124 A. 45. 145. 159
A.64. 166
Silius Italiens n 164 A. 66. 66*
xrv 842 : n 386
Simon magus 86 Th. xi
Simon Simonides 848 A. 1
Simonides von Eeos fr. 19 und 183
Bergk : 178
Simonides der Fälscher n 288
simpUci morte n 114 A. 85
Simplikios benutzt Porphyrios n 282
A. 1
in Ärist, categ, f. 4 : i 188 A.2
in Ar, deeado p.4^9 erkl.n28l£.
Sinneswahmehmungen trügerisch
nach Herakleitos 8. 80
siquidem mit Gonjunctiv n 128 A.48.
150 A. 58
Sklaven, Ernährung 245 A. 3 ge-
kennzeichnet durch Brandmarken
oder angehängte Täflein 246 A. 1
s. Freilassung, servus
Skythinos, lambograph 67 f. 108
Ad. Smith n 207. 217. 287. 240
Sokrates 148—146 Trias ethisdier
Grundbegriffe 146 Lieblingssprach
200 A. 2 über Feindeshass 214 A. 1
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389
solis radii s. Sonne
soüicitua u 37 (v. 843)
Solonisches Gesetz 278
solum Sohle des Fasses n 171 A. 72
Sonne darf nicht auf Beerdigtes
blicken 257 (zu v. 100}
Soranos n 852
Spartaner 210. n 239
spatium von der Zeit n 19 (v. 181)
Speiseverbote , jüdische , von den
alten Christen festgehalten 224
Fleisch gefallenen oder von Baub-
thieren verletzten Viehes 239 f.
spielender Knabe, Gleichniss Hera-
klits 56-59
Spinoza 117 hebräische Grammatik
n 342-350
Spittler n 124 A. 45. 226. 229. 240.
247
Spottcrncifix n 77 A. 2
J. Spreng n 880
Staatsrecht, römisches : Aufgabe und
Darstellungsform ii 256 f. 272 s.
Beaufort, Mommsen, Sigonius
Statuen s. Götterbilder
Stephanos Byz. v. luxai n 336
Steuchus Eugubinus 199 A. 1. n 289
Stigmata 246 A. l
Stilioho's Stellung n 125 Consulat
85 A. 4
sHlicidium mit caderey casus verbun-
den n 33 (v. 318)
stüus II 131 A. 49
sHnffuere n 58 (v. 486)
stipes n 76 A. 1
Stoiker: Lehre von der Wandlung
des Urstoffs n 64 f. von Weltbrand
und Weltperioden i 285. 836 vom
leeren Raum n 65 acht Theile der
Seele i 29 A. 2 Xöto«; irapa^uGirn-
k6< und irdOii l 269 Anm. 6iro8€-
TiKÖ«; XÖTo<; 266 f. 269 f. Hesiod-
exegese 55 A. 1 von Lucretius
(Epikur) bekämpft 98. n 63—67
Leop. V. Stolberg n 221
Strabon i p. 19 erkl. 221 A. 2
Straten von Lampsakos n 40 f.
Substantivierung von omne durch
Beisatz von ut est, quod e^ n 46
(v. 419). 56 (528)
sudare n 302 f.
Suetonius Tit. 5 : n 165 A. 66^
vita HoratU erkL ii 305 f.
Sühnungsgebriiuche von Herakleitos
verspottet 72 f.
Suidas 222 f. n 290 A. 2
Sulpicius Severus Lebensverhält-
nisse II 85 f.
die Chronik n 81— 200 Abfas-
sungszeit und nachträgliche Ein-
schaltungen 85 A. 4 Titel 196—
198 Geschichte des Werks 193—
200, es ist benutzt von Tdacius
94 A. 14 Interpolationen 138—
140. 139 A. 52. 159 A. 84. 187f.
Bemühung um Chronologie
155—157 gibt Bibelstellen nicht
wörtlich nach einer lat. Ueber-
setzung 140 nennt nicht seine
profanen Autoren 158 f. A. 64.
175 benutzt Tacitus als Quelle
167 ff. Flüchtigkeiten 181 A.81.
Nachahmung classischer Mu-
ster 180— 132. 150; desSallustius
90 A. 9. 98 A.n. 96 A. 15. 100
A. 19. 103 A. 24. Ulf. A. 33.
118 A. 35. 115 A. 37. 124 A. 45.
151 f. A. 59. 202 f. 204, desVel-
leius 131 A. 49, des Tacitus 88
A. 6. 168 A. 70, des Yergilius
115A.37. Soloekismen 150 A. 58
behandelte SteUen: in Band u
I
1,1-6 :
151—165. 157
6,2/
186
7,2
188 A. 84
9,3
150f, A.58
17,7
: 133
18, 2—9
133-146 A. 56
20,1
131 A. 49
23, 5-7
115 A. 37
24,5 :
186-188
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890
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(Sulp.S.) 82, 8-
-6
: 123 ff. 124 A. 46
88,6
: 118 A. 40. 201 f.
40,1-
-2
: 156 A. 61
45,3
: 131 A. 49
47,4
: 117 unten
48,5
: 151 A. 58
54,4
: 113 A. 35
II 3,5-
-6
: 128 A.48
5,1
119
7,1
121 f. A. 42. 129
A.48
8,8
159 A. 64
9,7
85 A. 4
14,7-
-8
158 A. 63
26,5
: 131 A. 49
27,8
: 154 f. 181 A. 49
- 5
85 A. 4
28,2
168
— 3
: 168 A. 70
29,1-
8
169 f.
— 5
139 A. 52
30, 2 f
181 A. 81
- 3
179 A. 79. 204 f.
- 6-
8 ,
165-167. 172—
178 (Text 174 f.)
82,6
131 A. 49
83,4-
35
. 85 A. 4
40,5
159 A. 64
41,2
115 A. 88
— 4
116f.A.39
46,1
87A.6
— 5
103 f. A. 24
- 6
90 A. 9
— 8
92 A. 11
47,6
93 A. 12
48,1
94A.14
~ 2
93A.13
49,5
96A.15
— 9
98 A. 17
50,2
93A. 11
— 8
105 A. 26
51,1
107 A. 28
— 5
110 f. A. 32
— 8—10:
111 A. 33
die übrigen Schriften 150. 189
A. 15
dial. m 11, 4. 9 erkl. n 109
A.80
11 extr. verb. 100 A. 19
12, 8 : 109 A. 31
vUa Martini ly 8—6 : 150 A.58
20, 3 : 99 A. 18
Paschalcyclus 156 A. 62
super u 203 f.
superare u 67 (v. 672)
Superlativ s. Ablativ
superstitio n 6 (v. 63 f.). 72. 176
suppeditare neutral n 67 (v. 647)
supremum tempus n 67 (v. 646)
F. Sylburg 194. 280 A. 1
Fr. Sylvius n 334
Symbolschriften 218
Tacitus n 131. 244. 246. 253 seine
Ermittelungen 173 kennt den Jo-
sephus nicht 172 f. Kunstmittd
174 Nachahmung des Sallust 204
Anm. üeberlieferung der Histo-
rien 172. Benutzt von Sulpidiu
Severus 167 f. von gallischen Pa-
negyrikem 168 A. 70. Ergänzung
der Historien aus Sulpicius gewon-
nen 174 ff. Angaben über die Ja-
den 79 f. 76 A. 1. 172 stilistische
Nachahmung s. Sulpicius Sev.
ann. xv 44 verb. n 170 f. A. 72
Tage bei Herakleitos 11
H. Taine li 262
tarn magia ii 56 (v. 536)
Tat in den hermetischen Schriften
328 f.
Taufe n 99 A. 18
Teleologie den alten griech. Physi-
kern fremd 59 f.
tenere auv^x^w n 25 (v. 239)
Terentius ^ndr.proL 1 : n 150 A. 58
IV 5,10 erkl. i 201 A.1
Heaut. n 3, 131 erkl. n 64
(v. 642)
Tertullianus adv, Marc, iv 8 : n 81
Neues Testament: Lachmanns Aus-
gabe 305
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R^iflter
891
(Neues Testament)
ev. Matth. 5, 13 : 316
19,28 : 336 Anm.
20, 16 : 297
22,86 : 275
ev. Luc. 19, 21 : 274
ev. loh. 3, 27 : n 78
Apostelgesch. 2, 5. 8, 2 : n 78
3, 21 : 1 836 Anm.
13, 16. 26 ua.: n77
15,29 : 1 224. 276
Römerbrief 18, 9 J
Galaterbr. 6, 14 P ^
Philipperbr. 2, 7 : 813 (Z. 248)
Kolosserbr. 2,9 : 304 f.
Hebräer-Evangelium n 29 1 Anm.
8. Apokalypse
Textverderbnisse 124. 127; durch Ver-
wechselung von Buchstaben, k und
|Li II 290 äl ad m n 866 bf)Tt<;
aus dKxt^ I 8.14, öpindv und 6pTÖv,
ßoOq und voO^ 315 anderes 816
A. 1. 818 A. 2. n 129 Anm.; von
Abkürzungen oöpavö^ und oOv l
294 Anm. oder dvBpwiro^ 293 A. 2
MapafiX und "MX n 284; durch fal-
sche Beziehung von Zahlzeichen
I 293 A. 2; Wortversetzung i 129;
falsche Interpunction 814 A. 1;
Wiederholung des Endbuchstabens
n 319; unterlassene Wiederholung
gleicher Silbe i 814 A. 2 oder ver-
kehrte Wiederholung 315 oben;
Auslassung durch Homoeoteleuton
803 A. 1. n 319 Vgl. Blattver-
setzung, Construction, Eigenna-
men, Glosseme, Inhaltsangaben,
Interpolationen, Lemmata, Rand-
bemerkungen, loh. Stobäus
Thebaner 248 A. 1
Theodoretos 71 benutzt den Hippo-
lytos 804 A. 1
Theodorich n 322 ff.
Theodoridas über Herakleitos 30. 94
Theodosius ii 95
Theognis' Gnomensammlung 192 f.
V. 105-108 erkl. 213
216 verb. 211 A. 3
s. Phokylides
Theognis der Tragiker 41 A. 1
Theophrastos 284 f. mit Theopompos
verwechselt vgl. n 277 f.
IT. IX(ttw)v verb. i 6
Theopompos, Fragment n 277 f.
Thierfelle nach priesterlicher Obser-
vanz 240 A. 2
Thiers ii 246 f.
Thierschutz im mosaischen Gesetz
234 f.
Thon s. Töpfer
Thrasymachos' TircpßdXXovrc^ 118
Thuanus u 246 f.
Thukydides n 248. 246. 247 von
Sallustius benutzt 205
Tiberius angeblich christenfreundlich
II 167. 177 A. 77
TiUemont n 218 f. 226. 229 .
Titus, Kaiser ii 161 ff. Titulatur 178
A. 78* greift im Kampf selbst zu
165 A. 66^
Tmesis n 8 (v. 82). 63 (651)
Buch Tobit 275 f. 280
A. de Tocqueville n 252 f.
Tod s. Leben
Todte gesetzlich geschützt gegen fal-
sche Nachrede 188 A. 2 als Dä-
monen und Hüter der Menschen
324 A. 2 8. Auferstehung
Töpfer, heraklit. Gleichniss 52. 60
trähere ii 43 (v. 397)
A. Trendelenburg 149 A. 2
tribuni (notarii) n 109 A. 30
Trogus Pompeius n 312 vermeint-
liche Fragmente 311—816
tueri und tut u 30 (v. 300)
Türkenherrschaft u 861
Typik n 187 ff.
Ueberlieferung der classischen Lit-
teratur 36 Th. xn
Ulpianus' Werk de officio proconstdis
IT 101 f. seine Aufklärung ebend.
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392
Register
ürbica ii 91 A. 9
usurpare n 6 (v. 60). 30 (301)
ut II 66 (v. 665). mit verkürzter Con-
struction 121 A. 42
vacuae aures n 6 (v. 50)
vada n 21 (v. 200)
L. G. Valckenaer 353 A. 2. u 285
Valena n 102. 103 A. 22
YalentinianuB n 102. 104 A. 25. 106
A.27
Yalentinianer 314 A. 2. 316
Valerius Flaccufl n 163—165, A. 66
ValeriuB Maximas vni 7 ext 7 :
II 336 f. A. 1
Yalesius, Hadrianas und Henricus
1X219
G. Valla De rebus expetendis et fu-
gendis ii 337 benutzt griechische
Inedita 338 f.
Laur. Valla's Homerübersetzung n
328
mpor n 64 (v. 491)
varius n 60 (v. 589)
Varro Atacinus ii 164 A. 66
Velleius Paterculus, Spuren seiner
Benutzung n 131 A. 49
ventres Sklaven 245 A. 3
verberare n 143
Verbot im Lateinischen n 138 f.
Verderbnisse bei Stobaeus 124. 126 f.
B. Textverderbnisse
Ver Porten 217 A. 1. 219 A. 1
Vergilius Äen. vi 609 erkl. n 144
A.55
georg, u 325 : n 90 A. 8»
vgl. Lucretiusy Sulpicius Severus
Versbedürfniss, Einfluss auf die Wahl
von Worten und Formen n 8 (v.82).
19 (v. 180). 27 (263). 41 (383).
62 (619). 65 (653. 651). 367
Verstandesgeset^e der Juden 227
Verwandlungen des Feuers bei He-
rakleitos 55 Anm.
Verwünschungen des Buzygen zu
Athen 277-282
veteres bei Scaliger auch Yom christ-
lichen Alterthum 195 A. 1.
videri u 169 A. 71. 174 A. 75
Vielwissen getadelt von Anaxarchos
124 ff., von Herakleitos 84. 86.
101. 123 f.
F. Vigerus 262
Villiomarus, Yvo 154 A. 1
Vincentius Lirinensis n 192
vindicta n 145
Vinius Asina n 305 f.
Vita Aristotelis Marciana 170, verb.
171 A. 1
volgo n 25 (v. 238)
Voltaire betreibt Gulturgeschichte n
240 der easay sur les moeurseic
241 über Ausbreitung des Chri-
stenthums 224
J. Vorstius nll4. 199 f.
Is. Vossius 226 A. 2. 279 Anm.
Wachen s. Schlaf
Waffen und Eisengenlthe verboten
n 118 f. A. 40
Walch n 105 f. A. 26. 226
Wandalin ul24A.45
Watson n 225
Welcker's Götterlehre 130 Theognis
214
Weltbrand bei Herakleitos 97 f. bei
den Stoikern 285. Weltende nach
einzelnen Stoikern auch durch
Wasserfluth bewirkt 336 A. 1.
Weltperioden bei Herakleitos 54 ff.
98, den Stoikern 386
F. A. W. Wenck n 208
Ch. Wescher 128
Wissen s. Vielwissen. Einzelwissen
86. 99
C. Wolf n 352 f.
F. A. Wolf n 367
G. Wolff ii286f.
Chr. Wordsworth zurechtgewiesen
102—106
Wunder in den röm. Annalen ir 307 f.
D. Wyttenbach 46 f. 180. 184
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893
Zahlen a. Siebentheilung; dreissig :
52 f.
Zahlzeichen s. Textverderbnisse
E. Zeller 327
ZeDon der £leate 21 A. 1
ZephyrinoB, Noetianer 78. 81 Anm.
Zeus des Pheidias n 283
Zodiacus s. Astrologie
Zoroastrische Sohriften n 103. 104
A.24
Zosimos der Alchymist 15 A. 8. 21
A. 8
Züchtigung der Kinder 244.
dyaed ironisch 76 (zu Z. 42)
dyaOoC und Kaxoi bei Theognis 213 f.
dTdirn 221 f. 223 A. l
dTvuiadi Heraklitisch 30
ddZifiov Herakl. 90. 91 A. 1
ai durch € wiedergegeben u 77 A. 2
&ihr\\o<i 206 f. Anm.
*Mbr\<i bei Herakleitos 13 vgl. 7. 61
A. 1. 62. 98
"AibTi^ abgeschwächt 236 Anm.
atoBnaK; n 30 (v. 303). 46 (422)
ataijLio^ 122
ald»v bei Herakl. 57 A. 1. 3 bei Ari-
stoteles 57 A. 8. 186 A. 1
dKpox€ipi2l€a6ai 155 A. 1
'AKpox€pa(TT|q 156 Anm.
dXa^ 316
ÄXV fi 187 Anm.
'A^ßaKo^M n 289 f.
d^uva 232 A. 1
ä^LVOTi und d^uariZciv 86 A. 2
d^q>y)K1lq der Blitz bei Eleanthes 91
A. 1
dvdTKii bei Herakl. 14
dvT€MirX0K/| 21 A. 8
dvaKaTX<Ä2[«v 132 A. 1
dvdaraax^ und dvaaxflvai 825 A. 1
*Av6o0aa angeblich Geheimname
Roms n 831 ff.
dvTiXoTiKd^ 119
dvTiTuiria II 86 (v. 885 f.)
dirdvniaK 81 Anm.
diTOio^ die Materie im Stadium der
iKwbp\uai<i (Stoa) 18 Anm.
diTOKaTdoraai^ 885 A. 1
'AiroiruprUovTcq des Diagoras 118
dpai B. YerwünsohuDgen
dpMOviri bei Herakl. 26
dpparo^ 132
dppf)Tui^ 132
^v dpxq 119 A. 1
daaped ii 297 f.
daT€TO^ 231
drpoirCa 210
a(iHav6|Li£vo<; Xöyo^ 112 ff. erklärt 112
A.1
aair\avi 118 A. 1
dq>avÜ^€iv amovere u 24 (v. 225)
dq>0aiKOi Eleaten 88 Anm.
*Ax^puiv 61 A. 8
BdKxai als Büchertitel 9 Anm.
ßdpßapoq Geschichte des Worts 95
für Römer ii 340
ßaaiXeO^ bei Herakl. 90 A. 3 für Im-
perator n 121 A. 43
ßioTf] 11276
ßdpßopo^ bei Herakl. 95—97 Myste-
rienausdruck 96 A. 1
ö ßouXö|Li€vo<; 122
BouTcCa attischer Demos 279 Anm.
Tcved bei Herakl. 53 A. 1
Td T€vö^€va 816 A. 1
fviiinii Vernunft und Yernunfturtheil
7. 8 f. (84 f.) 87 f. Anm., absolute
Intelligenz bei Heraklit 85 ff., bei
Kleanthes 91 f. *Ruf' 127 f.
bafmwv Herakl. 14 A. 2
bai^uiv bei Herakl. 14 A. 2 oxjy bai-
Ibiovi und hixa ^a{^ovo4; n 276 f.
bi] nach Parenthese 185
&f)e€v 888
25*
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894
Bester
AriXiaxöv irXotov 116
&il^<&<^at Phrase dei Compilators von
[Hippokr.] ircpl &ia{Tr|^ 26
btdKpiaig discidium ii 19 (v. 182)
6iaX^€iv 21 A. 3
öiaxpißciv 170
biOeog 81
bixaio^ e€Öq 'richtender* Gott 79.
101. 823
ftiKaioaOvii 247 f.
biKmid^ara 227
AiKTi bei Herakl. 14. 61. 91 A. 4
bCxpavoi Herakliteer bei Parmenidea
62 A. 1
h&f\xa corrupt 80 f. Anm.
66pu 8. 4a<patpuiMdvov und XcXotxui-
fl^VOV
öuvd^€l XdY€iv /dem Sinne nach* 13
Anm. KaT& (cl^, Oir^p) ÖOvqmiv
sprichwörtlich 201 A. 1
ÖOvaaeai 'bedeuten* n 323
€ für öi II 77 A. 2
iyefyri 323 f.
^XK€KaXu^^^voq, SchluBsform 112 A. 1
cTbe Kai ^Ed^aeev 87 A. 1
etöujXov 'Götze* 225
eIkOIo^ 229 A. 1
cixibv biblischer Terminus 203 A. 2
€l|biap^dvr) der Stoiker 91 f.
elStq n 36 (7. 339)
€t^ i\xo\ fiOpioi Heraklit und Sprich-
wort 33 A. 2
^KTrOpuiatq 97 A. 2 s. Weltbrand
^v ÖMtv 11 77 A. 3
^vavTioTpoiT^ Herakl. 22. 120. A. 1
lv&iaTp{߀iv 170
£vToXa( 227
£iratvoq im Gegensatz zu ^aKapl<T^ö^
134 A. 1
4iravTX€tv 220 Anm.
?irapxo<; 11 279
^inTpdq>€aeai 289 A. 2
^1T(|Ll€Tp0V 219 A. 2
^iTi^oipdoeai 202 A. 1
^niaraaOax eredere 85 A. 1
lirotKob4S^T)(n< rhetorische Steigenmg
113 A. 1
'EptvCk^ bei Pythagoreem und He-
rakleitos 14 A. 1. 61
^(JtUi? 36 Th. XI
^aq>aipuifi^vov böpv 154 f. Anm. 162 f.
iröfiujq 87 A. 1
€ö6a{^uiv €ÖöallUlovla^6^ und ^axdpio^
^axapia^öi; synonym 134 A. 1
€ÖXaß/|^ n 77 f.
Zdve^ II 322
Z€0(; bei Heraklit 13. 57 f. 61. 62.
89—92. Znvö^ 89 f. Aiö^ 90 A. 1
ViT€taeai 133
f|T€|in6v n 279
fleoq 9 A. 1
/m€t<; : irap' Vjjutv 'auf Erden* n 280
'MpaicXeiöiig und 'HpdicXciTo^ yerwech-
selt 42 ff. 45 A. 2
/|paKX€tTÜ:ovT€< 12 f.
fjTTuiv XÖT04; 120 A. 1
edXaaaa bei Herakl. 18. 6
ecöiTveuOTo«; 216. 218 A. 3
Geöq ftixaioq b. ö{Kato^. 8. iardni 36
Th. XI
Bewpi^ 116
enpößopo^ 289. 240 A. 1
eX(߀iv 216 A. 1
OpciTToi 243 A. 1
60pi](nv d€(6€iv 127
ibiq, 189
iöiKÖ<; 302
I6iw<; iroiöv der Stoiker 22 f. A. 1
iepd Götterbilder 11 278
i£p6<; yd^o^ n 26 f. 90 A. 8*
KQKot B. dyaOot
KaraßdXXetv von dialektischer Wider-
legung 118
KaraxuiTi^ 332 (zu Z. 34)
KaraKOvöuXtiiciv 850
KardaroaK für irpooifuov 119 A. 1
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395
KOTCueOvciv 325
K^ap 96 A. 2
KcKpoidn 141 A. 1
Kcv^ßpeia 240
K\r\r6<i 297
KOivö^ 206 A. 1. n 277 k. XAto^ und
v6|uio<; bei Kleanthes l 91 A. 1 Kot-
vf| iToXiTcia 189
Köajio«; bei Heraklit 8 A. 8 vgl. Her-
mes Trism.
KOxXia? 76 (zu Z. 44)
kp€{ttujv Xöto^ 120 A. 1
Kpiveiv B. irp6ou)iTov
KpCvov n 288
KTf^ara GeiXfv (die Menschen) 90 A. 3
KUKcUiv Herakl. 6. 56 A. 1
KOpio^ bei Herakl. 90 A. 8
X^fciv 'nennen' 89 A. 8
X€XoTXU)|bi^ov 66pu 154 f. Anm.
XoTiKÖv 92
XoTWJMÖ? n 47 (v. 422)
XÖTO<; 217 f. 218 A. 2 bei Heraklit
41 A. 1. 80 flrruiv und KpctTTUiv
XAt<K 120 A. 1 bei der Benen-
nung Yon Schlussformen 112 zu
ergänzen bei Buchtiteln der So-
phisten 118 XÖT141 6€U)pTiTd bei
Epikur n 28
XuKÖßpuira und Xuxooird^ 240 A. 1
MdKapc^ bei Phokylides (v. 75) 205
—209
liaKdptoi; und ^aKapta^6c s. €06a(MUiv
lutcXoecda n 104 A. 24
fi^pca fuiep^uiv Herakl. 15 f.
\iiaa n 339
^€T^€lV 140 A. 2
^^TOlKOt 169 f.
\iia dpx/| 303
^otpa 14
fULOvoirpoTTMaTClv Aristotelische Wort-
bildung 184
MOuvdE 143 A. 1
MoOaai als Buchtitel 9 Anm. Mdöc«;
32
vojLiireiv 133
t6 HuveaniKÖg Herakl. 19
Huv6v 25 A. 2. 26 A. 1. 64 vgl. 54
Euvö<; Xöyo«; 61. 91 A. 1
6b6<i bei Herakl. 55 Anm.
oiaidreiv 85. 325
o\r\ai<i 99
ÖMiXo«; 32 A. 3
6|LioXoiria bei Herakl. 22
öjioO zur Verstärkung von irdvrc^
106
T<|i övTi bei Citaten 97 A. 1
öira{ Löcher der Pfeife, bei Herakl.
27 A. 1
Oöpavibat bei Phokylides (v. 71) 205
—208
oöpav6^ und dvOpumo^ verwechselt
293 f. Anm. in oOv verderbt 294
Anm.
irden bei Phokylides 206 A. 1
iTaXa((paTOv 137 f.
iroXiTTCvcda 836 Anm.
iToXivTpoiro^ Herakl. 63 Anm.
iropaefiKii und iTapaKaTa6/|icn 220 f.
irapGevin 220. 223. 228
irapBcoCn 220 f. 221 A. 1. 228 f.
irarfip bei Herakl. 90 A. 3
ir€ivf)v von Pflanzen und Erde 11 37
(v. 852)
iT€irpu)fidvii ^otpa 14
ir^pa«; eacumen n 61 (v. 599)
Tö irepUxov 19. 64. 92
ir€p(o6oi des Feuers bei Heraklit 19 f.
25 bei den Stoikern 19 A. 1
ireaociieiv, ircaaot 57
viq>ara\ 211 A. 3
irf^fia Ird irfman 243 A. 2
iriOriKO^ bei Herakl. 22. 23 A. 1
m^evrdpioi; unser 'Materialist* 329
Anm.
miriOKCtv (ttiaai) vom Eingeben der
Arznei 157 A. 1. 2
ir(0TK 221
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396
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irXnTi^ bei Epikur n 28 (v. 222)
iröXe^o«; imidv oder irpooiUiv 259 (zu
V. 151)
ITöXe^o^ Heraklits 90 A. 2. 91
iroXiTcia 8. Koivö^
iroXOTpoiro^ 210
TTpoMnöcO^ n 321
irp6au)irov Kp(v€iv 216 A. 1
irOp : iräp irupi und iip6? irOp 200
A. 1
irupöcK b. Kleanthes 91 A. 1
MT€^ II 121 f. A.48
acßÖMCvoi (t6v Bcöv) ii 76 f. 79 A. 2
liTi^ der Valentinianer 314 A. 2
aKdirrciv 242 Anm.
aoq>(a und q>iXoao(p{a vertauscht 129
aoq>6v bei Herakl. 89 f.
air^pina ist den Stoikern das Feuer
13 Anm.
airou&apx€tv 183
aTaaiiXirai toO ÖXou Eleaten 82 A. 1
oriUxy 246 A. 1
aOtKptaiq eoetus u 67 (v. 666) eonci-
Uum 19 (v. 182)
auMßeßnKÖTa ii 48 f.
au^1r€q>opTl^^o^ 352
au)Ll1TTUl^aTa n 48 f. 51
auv&iaq>€pö^€vo^ Herakl. 56 f. A. 2
ouv€inTP<&<p€aeai 289 A. 2
ouv/iOcia 354 A. 1
oOvtoCk 286 A. 1
OU)p(TT|? 111. 112 A. 1
nip^v 221 A. 1
TiOcaOai hf — 127
TifLidv, Redensarten 297
TpöiTO? bei Herakl. 8 f. A. 3. 18. 22
TOxn 140 A. 1
TircpßdXXovTcgdesThrasymachos 118
(FiroecTiKd 262 ff. {Firo8€TtK6<; Xöroq
266—272
(uroOfiKfi 265 f.
6iroT{0€aeai 265
9^p€a6at bei Herakl. 63 Anm.
q>iX(a 147 Anm.
q>iXoaoq>{a s. ao<p{a
q>oßoO^€voi TÖv Ocöv ii 77
<poiTdv 10 (zu Z. 13)
q>pevf)p€q und 9p6vijLiov bei HeraU.
92
iDpovri«; ii 320 f.
ipxTfapx^y Neubildung 163
9umKo( 83 Anm.
<^<)ai^ von q>Ovat 83 Anm.; peri-
phrastisch bei Epikur n 39 (v. 363).
46 (v. 419). 53
XdpiT€^ als Büchertitel 9 Anm.
Xdp^T^ 258 (zu V. 118)
XcpaUiv verkürzte Form von Xcp-
aövTiaoq 156 Anm.
Xpi\a'n\<i 234 A. 2
Xwpelv bei Herakl. 11. 56 A. 1
\l}(; dXnOOiq II 279.
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in Berli».
T 1, nimt Droysen. Vierte "" »
S, übersetzt von Job. fcrust. i^ j-
rtasre. 1884. Geb. 6 M. „hinein Verbältnias
eodor. Das antike Buchwesen ,nse|™^ ^^^ Theoknt.
?J/x^SIen'^;,^nt•<lfe^P;rvif.^n^.isVrn,•iscbenReie.e.
81. Geh. 6 M. Op=aininelte Reden
, Ernst. Alterthum und Gegenwart. Gesamte.
id Vorträge. _ ^, r. rr ikjr
Band I. 3. Aufl. 1882. Geh. 7 M.
Band II. 1882. Geh. 7 M. . - , - i,^r, Fic-
., Hans. Athen uiad der Westen vor der sici lischen i.x
3dition. 1882. Geh. 1 M. 60 Pf. . ^ i R-^mPr in
Emanuel. Clasaisches Liederbuch. Griechen und Romer in
Butscher Nachbildung. Vierte Auflage. Geh. b iVl. . ^
A. Noctium Atticarum libri XX ex ^^«^ «? ^^ V^^o^^ ^"^^
pparatu critico Martini Hertz. Volumen prius lö^ö. i^ei .
M. (Vol. il. unter der Presse.) ^
^ Herman. Goethe. Vorlesunpren , g^ehalten an der Universität
u Berlin. 3. Auflag-e. Geh. 6 M.
, Uerman. Leben Mi ch elan grelos. 2 Bde. 5. Aufl. Geh
M.
Martin. Karl Lachmann. Eine Bioerraphie. 1851- Geh. 6 M-
;o Pf.
hriftsteller und Publikum in Rom. Ein Vortrag im wiss.
herein zu Berlin am 22. Januar 1858. Geh. 80 Pf-
Panl. Gedichte, Dritte aus dem „Skizzenbuch" und den „Versen
Lus Italien" vermehrte Auüage. 1884. Geh, ö !M.
r, E. Grundriss zu Vorlesuniren über die ufriechische
jyutax. 1883. Geh. 3 M.
loff, A. Die homerische Odyssee. Zweite umg-earbeitet^ Anf-
üge von „Die homerische Odyssee und ihre Entstehung" und f»l>i^
^ompositon der Odyssee". Geh. 12 M.
^if?*^^^**"' ^I>euLt8chland8 G es chi ch t s q uel 1 en im Mittel-
hunLrf^'J' ^^"^ Mitte des 13. bis zum Ende des 14. Jahr-
2 umlarbouiT f^^^^l^^«« an W. Wattenbachs Werk. 2 Bände.
-5. urngeai beitete AuHage.. Geh. 13 M.
vr^h\l'mFi'r^^2^^'^?^'^ ^^^ Geschichte des Erkenntniss-
^iesit^iV'^stl^Glt^ Oemokx-it, Epikur und
Geh^'lo'M^^^"^"^^^^* ^^^^ Leben, seine Lehre, seine Gemeinde. 18ÖI.
Idt, Leopold. Di#* tt-*!.-! j
Geh. 15 M. -t^tiiik der alten Griechen. 2 Bände. 1S82.
I9 Adolf. Gesamxn l^^
tur alter und nen^V y Aj^^sätze zur klassischen Litera-
mbach, W De t ^, ^'^' ^^®^- ^^*^- '^ M.
alter ^.^^ ^^^ Mit^e h!?"^!! <^eschi ch t s c^ u e U e n im Mittel-
Banden. 5. umgearbeUefo 1 'l,'''^''^^^^'''^^" Jahrhunderts. In-'
^ rbeitete Auflage. (Unter a^r^ Presse.)
"""^''"""-"— --^-^ von ca.. o...,, ,.
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In Borixi.
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