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GESETZT
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Geſammelte Dichtungen
von Chriſtian Wagner
Herausgegeben von Otto Güntter
Mit einem Bildnis und
einer Handſchriftprobe
Erſte,
für den Schwäbiſchen Schillerverein
beſtimmte Ausgabe
1918 / Verlegt von Strecker und Schröder in Stuttgart
A. g. XIII.
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Chriſtian Wagner
* Wagner wurde am 5. Auguſt 1835 in Warm—
bronn geboren, einem Dörfchen von fünfhundert Ein—
wohnern, drei Wegſtunden weſtlich von Stuttgart welt—
abgeſchieden zwiſchen bewaldeten Höhenzügen gelegen. Sein
Vater war Schreiner und betrieb neben dem Handwerk eine
kleine Landwirtſchaft. Es war der Wunſch der Mutter,
ihren Sohn, der das einzige Kind blieb, dem Stand ihres
Vaters, eines Lehrers, zuzuführen. So kam der Knabe,
nachdem er die Dorfſchule durchlaufen, 1850 in die Prä—
parandenanſtalt in Eßlingen. Die Eltern mußten jedoch
bald erkennen, daß die Koſten der Ausbildung über ihre
Kräfte gehen würden, und eine Erkrankung des Sohnes
bot ihnen nach kurzer Zeit einen gern ergriffenen Vorwand,
ihn wieder nach Hauſe zu nehmen. Er half nun wie zuvor
den ſchon betagten Eltern bei der Feldarbeit und wurde
Bauer.
Außer einigen Kenntniſſen in der Pflanzenkunde brachte
er keinen Gewinn heim von den ſechs Wochen in Eßlingen.
Ein Lehrbuch der Botanik, eine Weltgeſchichte und anderes,
von ſeinem alten Schulmeiſter und dem Pfarrer entlehnt,
halfen ihm, ſein Wiſſen zu erweitern. Auch ſonſt las der
junge Bauer, was ihm erreichbar war; aber was war in
einem armen Dorfe von damals an Büchern zu finden!
Hin und wieder fiel ihm eine Zeitſchrift in die Hände.
„Die einzige Quelle,“ ſchreibt er in einem Brief, „aus der
mir über meine ganze Jugendzeit literariſches Wiſſen ge—
floſſen, aus der ich den erſten Zug aus dem Becher der
Dichtung ſchöpfte, war ein Leſebuch für Realfchulen, das
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mir ein Lehrer geſchenkt hatte: Gedichte von Schiller, Goethe,
Ahland, Platen, Freiligrath, Müller, Kopiſch, Schwab.“
Später bezog er aus einer Stuttgarter Leihbibliothek einzelne
Bändchen von Heine, Geibel und Byron. Zum Leſen
kam er übrigens faſt nur im Winter, wenn die Feldgeſchäfte
ruhten. Im Sommer war es ſein höchſter Genuß, in allen
Freiſtunden, vor allem an den Sonntagnachmittagen, in
den Wäldern der Amgebung umherzuſchweifen und ſeinen
Gedanken nachzuhängen. Von den Vergnügungen ſeiner
Altersgenoſſen im Dorfe hielt er ſich abſeits, und der „Eigen⸗
brötler“, den ſie nicht verſtehen konnten, war ihnen vielfach
ein Gegenſtand des Spottes. Bitterer als ſolche Neckereien
empfand er, daß auch die Mädchen des Dorfes zu denen
er eine Neigung fühlte, dieſe nicht erwiderten und von dem
unanſehnlichen kleinen Manne nichts wiſſen wollten.
Doch kam er mit dreißig Jahren zu einer Frau, die
ihm aber ſchon im Herbſt 1870 durch den Tod entriſſen
wurde. Nachdem er ſich durch den kalten Winter 1870/71
mit ſeinen drei Stück Vieh allein durchgeholfen hatte —
die Eltern waren einige Jahre zuvor geſtorben —, gewann
er die Tochter einer Schweſter ſeines Vaters zur zweiten
Gattin. Im Beſitz dieſer verſtändigen und ſchönen Frau,
die in ſtädtiſchen Stellen ihren Blick erweitert hatte, fühlte
er ſich, nach feinen eigenen Worten, auf der Höhe menſch⸗
licher Glückſeligkeit. Als beſonderes Glück empfand er es
auch, daß er die Kinder aus dieſer Ehe, einen Sohn und
drei Töchter, behalten durfte, während die ſeiner erſten Frau
jedesmal im zarteſten Alter geſtorben waren. Einundzwanzig
Jahre beglückte ihn dieſer Bund; die letzten wurden mehr
und mehr umdüſtert durch ein ſchweres Leiden, das ſeine
Frau befallen hatte und dem ſie im Jahre 1892 erlag,
ein ſchwerer Schlag für Wagner, den er lange nicht ver-
wand. Den Haushalt führten ihm nun nacheinander die
Töchter, bis ſie ſich verheirateten, und zuletzt die verwitwete
älteſte Tochter und eine Enkelin.
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Dem fleißigen und ſparſamen Landwirt brachten feine
Felder und Wieſen in guten Jahrgängen genügend Brot—
korn, Kartoffeln und Gemüſe, auch das Futter für zwei
oder drei Kühe. Von den „vier notwendigen M“, wie
Wagner ſcherzend zu ſagen pflegte, Mehl, Milch, Moſt
und Mark, waren ſo die drei erſten meiſt vorhanden; nicht
ſo das vierte. Die Haupteinnahme des Jahres bildete der
Verkauf eines Rindes, wenn er nicht durch ein Unglück
ausfiel, und einzelne Erträgniſſe, die abgegeben werden
konnten. Das reichte oft nicht zu den notwendigen Aus—
gaben, und es mußte darauf geſehen werden, noch etwas
hinzuzuverdienen. Mehrere Jahre hindurch verdingte ſich
Wagner während des Herbſtes und Winters für Wald—
arbeiten, zur Zeit des Bahnbaus in der Nähe auch als
Erdarbeiter. Auch die Frau ſchuf ſich Einnahmen, und ſo
gelang es ihnen, Zieler abzuzahlen und weiteres Wiesland
zu erwerben, das mit Obſtbäumen bepflanzt wurde.
So verlief das Leben Wagners bis in ſein hohes Alter
hinein gleichmäßig als das eines ſchwäbiſchen Kleinbauern,
der in guten Jahren ſein karges Auskommen findet, in
ſchlechten aber dem Boden kaum den Lebensunterhalt ab—
zuringen vermag. Jahr für Jahr hat er ſeinen Acker beſtellt,
ſeine Wieſen gemäht, ſeine Kühe getränkt und gefüttert und
jede Verrichtung getan, die dem Landmann obliegt im
Wechſel der Jahreszeiten. Ein Bauer wie alle um ihn,
und doch ſo ganz anders als ſie. Wenn er hinter dem
Pfluge ſchritt oder den Garten umfchorte, dachte er wohl
auch an das, was die Arbeit verlangte, und daran, was
der Ertrag im Herbſte ſein werde. Aber hinter der hohen
Stirne bewegten ſich daneben Gedanken ganz anderer Art,
und mitunter hielt er inne in ſeinem Tun, um ſie, vielleicht
ſchon Vers geworden, feſtzuhalten. And wenn der Winter
kam und die Feldgeſchäfte ruhten, da ſaß er am Tiſch im
engen Stüblein, mitten unter der Anruhe der Kinder, und
arbeitete aus, was ihm den Sommer über geworden war.
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Jahrzehntelang ging jo in der Stille und wenigen nur
bekannt neben der bäuerlichen Arbeit ein anderes Leben und
Schaffen her.
Wagner ſah ſein „Fabulieren“ als Erbteil feiner Mutter
an, die ihm, dem empfänglichen Knaben, viel vorerzählt
habe. In den handſchriftlichen Aufzeichnungen über ſein
Leben gedenkt er auch einer Mitbewohnerin des elterlichen
Hauſes, der Witwe eines Holzhauers, die an den Winter⸗
abenden mit ihrer Kunkel zu ſeiner Mutter herunterzukommen
pflegte, um mit ihr zuſammen zu ſpinnen. Dabei wußte
ſie ſtets allerlei zu erzählen, von Sagen, die ſich an Ort⸗
lichkeiten der Amgebung knüpften, beſonders an den „Schloß⸗
berg“ und den „Mönchskeller“. Der junge Wagner ruhte
nicht, bis er die faſt verſchollenen Stätten im Walde auf⸗
gefunden hatte, und nahm ſich vor, einen Roman zu ſchreiben,
„etwa wie Hauffs „Lichtenſtein““, der dort feinen Ausgang
nehmen und ſeinen Abſchluß finden ſollte. So entſtand
1860, um dieſelbe Zeit wie ſeine erſten Gedichte, „Schloß
Glemseck, eine romantiſche Sage“, worin er einen ſchwä⸗
biſchen Ritter den letzten Hohenſtaufen nach Italien be⸗
gleiten, nach langer Gefangenſchaft zurückkehren und, da
die Geliebte in der Zwiſchenzeit den Schleier genommen,
fein Leben als Einſiedler in der Mönchsklinge beſchließen
läßt. Die im blühenden Stil ſchöner Rittergefchichten ge-
ſchriebene Erzählung blieb lange in der Schublade liegen.
Erſt 1877 fand ſie, nachdem mehrere Verſuche, ſie zum
Druck zu bringen, vergeblich geweſen waren, Aufnahme in
der ſonntäglichen Beilage des in der nahen Oberamtsſtadt
Leonberg erſcheinenden „Glems- und Filderboten“, in der
auch einzelne Gedichte Wagners ihren Erſtlingsdruck erlebten.
Durch das Bekanntwerden mit Schillers Dramen fühlte
ſich das junge Bäuerlein 1865 angeregt, ſich auch im Drama
zu verſuchen. Er ſchrieb ein Schauſpiel in fünf Akten,
„Abi⸗Melech“, deſſen Stoff er dem neunten Kapitel des
Buches der Richter entnahm. Das Stück, das ungedruckt
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geblieben iſt, zeigt eine gewiſſe Beherrſchung der wechſelnden
Versformen, aber eine Charakteriſierung der handelnden
Perſonen iſt kaum verſucht, und die locker aneinandergereihten
Szenen zeigen nur, wie wenig ihr Verfaſſer wußte, was
dramatiſche Geſtaltung iſt. Man verſteht vollkommen, daß
Feodor Wehl, der Leiter des Stuttgarter Hoftheaters, bei
dem er es ſpäter einreichte, ihm den Beſcheid zukommen
ließ, er habe es zwar noch nicht ganz geleſen, glaube aber
dennoch, daß es kaum zur Aufführung geeignet ſein werde.
Letzteres gilt auch von zwei kleineren, gleichfalls unveröffent⸗
lichten Verſuchen aus ſpäterer Zeit, in denen Wagner ſelbſt auf:
tritt und ſeine Empörung über die Quäler und Vernichter
des Lebendigen ſtärkſten Ausdruck findet, „Der Meiſter“
und „Die Raben des Sonntagskindes“.
Weit ſelbſtändiger als in ſeiner romantiſchen Erzählung
und ſeinem bibliſchen Schauſpiel erſcheint Wagner bald in
ſeiner lyriſchen Dichtung. Manche von den gedruckten
Gedichten, die man viel ſpäter entſtanden vermuten würde,
ſtehen ſchon in feinen Heften aus den ſechziger Jahren.
Eine zahlreiche Gruppe bilden in dieſen die „Lieder des
Leids“, zum Teil Sonette, die dem Schmerz über den
Verluſt der Eltern und ſeiner frühverſtorbenen Kinder be—
wegten Ausdruck geben. Die Vorſtellung ewiger Wieder—
kehr, die für Wagners Dichtung ſo bezeichnend werden
ſollte, findet ſich in ihnen noch nicht. Im Winter 1879/80
ſichtete er den Vorrat ſeiner Gedichte und ordnete die ihm
für den Druck geeignet erſcheinenden in dreißig dem Lauf
der Jahreszeiten entſprechende Sonntagsgänge, wobei er
Erzählendes und Erklärendes in Proſa beifügte. Dieſe
Sammlung liegt in einer Handſchrift vor, deren Vorrede,
vom Februar 1880, der im Druck erſchienenen entſpricht
und ſpäter nur um einige auf die Schonung des Lebendigen
bezügliche Stellen erweitert wurde. Bis es dem unbe⸗
kannten Landmann gelang, einen Verleger zu finden, wuchs
ihm Weiteres hinzu, ſo daß er im Winter 1883/84 den
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Stoff auf vierzig Sonntage verteilte. Im Mai 1884
wanderte er mit der Handſchrift in der Taſche nach Stutt⸗
gart. Bei der Verlagsbuchhandlung Greiner und Pfeiffer
fand er Gehör, und im März 1885, im fünfzigſten Lebens⸗
jahre des Dichters, erſchien „in Kommiſſion von Greiner
und Pfeiffer“ das Büchlein „Märchenerzähler, Brahmine
und Seher, von Chriſtian Wagner von Warmbronn“. Zu
dem Titel bemerkt er in den Aufzeichnungen aus ſeinem
Leben: „Wer, wie ich, als fingierter Brahmine, alles
Lebendige ſchonend und achtend, durch die Fluren wandelt,
dem erzählen Schmetterlinge, Vögel und Blumen gar viel
und mancherlei, und ſo er das ihm Erzählte wiedererzählt,
iſt er Erzähler. Aber ſie erzählen ihm auch Dinge, die
ferneliegend oder künftig ſind, und ſo wird er zum Seher.“
Das Büchlein fand freundliche Aufnahme. Schon 1887
erſchien es, um einen zweiten Teil vermehrt, in neuer Auf⸗
lage, diesmal unter dem Titel „Sonntagsgänge“); ein dritter
Teil, Balladen und Blumenlieder, reihte ſich 1890 an.
Der erſte Teil erlebte 1897 eine dritte Auflage.
Das Erſcheinen dieſer Dichtungen bedeutet eine Wen⸗
dung in Wagners Leben. Sein Name wurde bekannt,
zunächſt in Stuttgart und ſeinem Heimatland; aber auch
in Münchner, Frankfurter und Berliner Blättern erſchienen
anerkennende Beſprechungen der „Sonntagsgänge“, und im
„Daheim“, das ſein Bild brachte, erzählte Richard Weit-
brecht 1892 von dem Warmbronner Bäuerlein und ſeinem
Dichten. Hatte dieſes bisher in der Stille ſeines Dorfes
weltfern dahingelebt, ſo knüpften ſich nun Beziehungen zu
literariſchen Kreiſen.
In den drei Bändchen der „Sonntagsgänge“ iſt Wagners
dichteriſches Gebiet umriſſen, hat auch feine Gedanken- und
Phantaſiewelt in ihren Hauptzügen Ausprägung gefunden.
Ein gewiſſes Gefühl dafür war ihm nicht fremd: „So wie
ein Acker, der längere Zeit immer die gleiche Gewächsart
hervorgebracht hat, deren zuletzt müde wird und eine neue
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Anſaat begehrt, fo vollzog fich in meinem Innern als zwingende
Notwendigkeit die Anſaat eines anderen Gewächſes, als
Zwiſchenfrucht.“ Dieſe neue Saat fiel in ſeine Seele, als
er im Mai 1890 die Spuren einer römiſchen Niederlaſſung
beſichtigte, die in den Wäldern nördlich von Warmbronn
bloßgelegt worden war. Dürftige Reſte nur waren es,
was er da ſah, aber er war überwältigt von dem Geſehenen.
„Der Geiſt des Orts, wohl der Geiſt jener Zeit ſelber“,
ſagt er in den Aufzeichnungen aus ſeinem Leben, „nahm
in meinem Innern Wohnung, machte mich, den armen
Poeten, zu ſeinem Sklaven und drückte mir den Griffel in
die Hand.“ Er begann „Epiſche Bilder aus Hadrian“
niederzuſchreiben, ohne von dieſem Kaiſer zunächſt mehr zu
wiſſen, als was in jedem Abriß der Weltgeſchichte zu leſen
iſt; erſt während der Ausführung wurde er auf das Werk
von Ferdinand Gregorovius über Hadrian aufmerkſam ge—
macht. In merkwürdiger Klarheit ſtieg die antike Welt
vor ſeinem ſchönheitsdurſtigen Geifte auf. Man ſpürt, wie
der Dichter mit ganzer Seele in ſeinem Gegenſtand lebt,
und wenn die Dichtung als Ganzes auch unvollkommen
blieb, ſo finden ſich in ihr doch Stellen von leuchtender
Kraft. Große Schwierigkeit machte Wagner die Einkleidung
in Hexameter; ein anderes Versmaß konnte nach ſeiner
Auffaſſung nicht in Betracht kommen. Zunächſt bildete er
ſie deutſchen Muſtern nach, bis er aus einem ihm über⸗
laffenen Aufſatz über die Nachbildung des Hexameters im
Deutſchen einige Belehrung ziehen konnte. Was ihn zu
dieſem Verſe immer wieder hinzog, war „die unſagbare
Großheit, die in ihn hineingelegt werden kann“. Mit ſeiner
ganzen Zähigkeit, die ſich von einem ins Auge gefaßten
Ziel durch nichts abbringen ließ, rang er um den Beſitz
dieſes Versmaßes auch in einer Reihe von Idyllen, Mythen
und Epigrammen, die dann zuſammen mit „Hadrian“ und
einer Anzahl vermiſchter Gedichte 1893 in dem Bändchen
„Weihegeſchenke“ erſchienen.
Am dieſe Zeit faßte Wagner feine Gedanken über Welt
und Leben, vor allem das „Evangelium von der möglichſten
Schonung für alles Lebendige“, in einer Art von Lehr:
gebäude zuſammen, das 1894 unter dem Titel „Neuer
Glaube“ bei der Deutſchen Verlagsanſtalt in Stuttgart
erſchien. Am es nicht bei bloßen Aphorismen belaſſen zu
müſſen, wählte er die Form eines Katechismus mit Fragen
und Antworten, in welche Stellen aus den „Sonntagsgängen“
und neue Gedichte eingefügt ſind. Ein folgerichtig und wider⸗
ſpruchslos aufgebautes Syſtem darf man natürlich nicht er⸗
warten. Es iſt ein Dichter, der ſpricht und mit glutvoller
Seele für ſeine heiligſten Aberzeugungen wirbt.
1897 gab Wagner ein Bändchen „Neue Dichtungen“
heraus, urſprünglich bei Schröder und Co. in Heilbronn,
jetzt im Verlag von Strecker und Schröder in Stuttgart.
„Kaum eines meiner Büchlein“, ſagt er im Vorwort, „iſt
ſo aus meinem Innern heraus, ſo gleichſam mit meinem
Herzblut geſchrieben.“ In der Tat iſt dieſe Sammlung
von glühendem dichteriſchen Leben durchpulſt und bedeutet
in ihren beſten Gedichten, neben dem dritten Band der
„Sonntagsgänge“ und über dieſen hinaus, den Höhe—
punkt ſeines Schaffens. Während der erſte Teil, „Herbſt⸗
blumen“, ſeine Stoffe den verſchiedenſten Gebieten entnimmt,
gibt der zweite Teil, „Oswald und Klara“, in der Art
der „Sonntagsgänge“ in Wechſel von Proſa und gebun⸗
dener Rede gehalten, „ein Stück Ewigkeitsleben“. Oswald
und Klara ſind Wagner und ſeine 1892 geſtorbene Frau,
deren Gedächtnis die Dichtung gewidmet iſt, nach den Namen
der Heiligen ihrer Geburtstage. In großartigen Phantaſie⸗
bildern ſchaut der Dichter in das Gewoge kommenden und
ſchwindenden Lebens auf werdenden und vergehenden Welten,
das die beiden durch onen hindurch in wechſelnder Ge-
ſtaltung immer wieder zuſammenführt.
Erſt zwölf Jahre ſpäter kam es wieder zu einer Ge⸗
dichtſammlung, die unter dem Titel „Späte Garben“ bei
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Georg Müller in München erſchien. Sie brachte neue
Blumenlieder und Stimmungsbilder, eine als „Schickſals—
walten“ zuſammengefaßte Gruppe von Gedichten, und Bilder
aus der Heimat und aus Italien.
Von Freunden zur Verfügung geſtellte Mittel hatten
Wagner 1895 und 1896 Reiſen ermöglicht, von denen die
erſte ihn an die italieniſchen Seen, die zweite bis Genua
führte. Er hat nachher bedauert, dieſe Mittel nicht zu
einer einzigen verwendet zu haben und gleich bis Rom
durchgefahren zu fein. „Das würde ein ſtolzeres Bewußt—
ſein in mir erweckt haben als das Durchſtreifen der reizenden,
aber doch unbedeutenden Städtlein am Lago Maggiore und
an der Riviera. Aber es erging mir wie einem Landkind,
das zum erſtenmal in eine Großſtadt kommt und ſchon in
der erſten Straße an jedem Schaufenſter ſtehen bleibt, all
die Wunderdinge anſtaunend den eigentlichen Zweck der
Reife vergißt und dann plötzlich bemerkt, daß es ſchon
Abend und zum Heimgehen höchſte Zeit iſt. So war der
Bodenſee ſchon ein ſolches Schaufenſter für mich, mehr
noch der Vierwaldſtätter See und all das Geſchaute noch
überbietend der Lago Maggiore und der See von Lugano.“
Wagner iſt dann noch zweimal in Italien geweſen und bis
nach Pompeji gekommen, aber beidemal nicht zu ſeiner
vollen Befriedigung. Auf der erſten dieſer beiden Reiſen,
die er im Auguſt 1904 allein machte, fühlte er ſich bei
ſeinem Mangel an Sprachkenntniſſen und an Reiſeerfahrung
oft genug recht hilflos, worüber er mit gutem Humor zu
erzählen wußte. Im Frühjahr 1911 führte die Sehnſucht,
Rom näher kennen zu lernen, vor allem das Rom der
Cäſaren, den Fünfundſiebzigjährigen in Begleitung ſeiner
jüngſten Tochter als Teilnehmer einer Geſellſchaftsreiſe
nochmals nach Italien. Diesmal war es das allzu reich—
haltige Reiſeprogramm, was ihn nicht in gewünſchter
Weiſe zu beſchauendem Verweilen und vollem Auskoſten
des Geſehenen gelangen ließ. Die dichteriſchen Ergebniſſe
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dieſer Italienfahrten faßte er zuſammen in einem Bändchen
„Italien in Geſängen“, das zuerſt im Selbſtverlag und
1914 bei Strecker und Schröder in Stuttgart erſchien.
Ein Gegenſtück dazu ſollte das Büchlein „Aus der
Heimat“ bilden, in dem er 1913 ältere und neue Gedichte,
hauptſächlich Landſchaftsbilder, Geſchichtliches und Sagen⸗
haftes aus der Amgebung von Warmbronn, zu einem
„Schwabenbuch“ vereinigte. Die Mittel für den Druck dieſer
Sammlung, die er im Selbſtverlag herausgab und an ſeine
Beſucher abzugeben pflegte, wurden ihm durch die Vermitt⸗
lung des Schwäbiſchen Schillervereins zur Verfügung geſtellt.
1915 ließ er unter dem Titel „Eigenbrötler“ noch ein
Bändchen Proſa erſcheinen, humorvolle Bilder der Lebens-
verhältniſſe und der Menſchen in den „trotz aller Arm⸗
ſeligkeit ſo köſtlichen Tagen“ ſeiner Jugend. „Ich ſelbſt
habe“, ſchreibt er im Vorwort zu dieſen Geſchichten aus
dem alten Warmbronn, „die Zeiten der Not- und Hunger⸗
jahre im fünften und ſechſten Jahrzehnt des vergangenen
Jahrhunderts auf eigene Weiſe überwunden: bei der Feld-
arbeit auf den elterlichen Ackern, wobei mir von all den
Mühſeligkeiten und Nöten des kleinbäuerlichen Betriebs
nichts erſpart blieb, erzählte mir der heimatliche Boden
ſeine Geſchichte und jedes Blümchen ein Märlein, noch
mehr — eine Mythe, eine Legende. So entſtanden meine
dichteriſchen Schöpfungen.“
Sinnend und träumend ſchritt dieſes Sonntagskind, das
Stimmen vernahm, welche anderen unhörbar verklingen, ſeinen
Weg dahin, unverſtändlich den nüchtern harten Werftags-
menſchen um ihn. Gewohnt, die Natur nur unter dem Ges
ſichtspunkt des Nutzens zu betrachten, vermochte die bäuerliche
Umgebung in Wagners Verhalten den Tieren gegenüber
wie in ſeinem Verſemachen nichts als das Tun eines
Sonderlings und Toren zu erblicken. Hin und wieder
wurde ihm auch vorgerückt, daß er ſeine Zeit eigentlich beſſer
verwenden könnte. „Warum geht er jetzt im Winter nicht
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zum Dreſchen, wo er täglich zwölf bis fünfzehn Kreuzer
verdienen würde, und ſitzt im Hauſe herum, um Gedichte
zu ſchreiben? Wenn das mein Jakob täte!“ flüſterte ſeiner
Frau eine Nachbarin ein. „Ich bitte Sie, was hätte der
Jakob denn ſchreiben ſollen?“ ſchloß Wagner lachend, als
er wieder einmal auf dieſe Anfechtungen zu reden kam.
Der merkwürdigen Frage eines Pfarrvikars: „Aber wenn
jeder Bauer Gedichte machen wollte, was dann?“, konnte
er beruhigend entgegenhalten, vor dieſer Gefahr brauche
einem nicht bange zu ſein, es werde ſtets mehr Spatzen
geben als Lerchen.
Wagner fühlte ſich in ſeinem Dorfe vereinſamt, ja miß—
achtet, und die Unmöglichkeit, bei den Menſchen um ihn
irgendwelches Verſtehen zu finden, drückte ihn weit mehr
als die kärglichen Verhältniſſe, in denen er lebte. Am ſo
mehr war er, ſeitdem ſeine „Sonntagsgänge“ ihn in dem
nahen Stuttgart bekannt gemacht hatten, darauf bedacht,
dort in Beziehungen zu Perſönlichkeiten und Kreiſen zu
gelangen, bei denen er Verſtändnis für ſein Dichten und
ſeine Anſchauungen erwarten durfte. In ſeiner Welt—
unerfahrenheit und bei ſeiner geringen Menſchenkenntnis —
auch hierin war und blieb er ſtets ein Kind — wußte er
freilich nicht immer zu unterſcheiden zwiſchen ſolchen „Gön—
nern“, welche über ein gewiſſes überlegenes Intereſſe an
der Merkwürdigkeit eines dichtenden Bauern, den ſie im
Grunde doch nicht ernſt nahmen, nicht hinauskamen, und
denen, die das dichteriſche Gold in ſeinen Büchlein leuchten
ſahen. Eine Zeitlang führte ihn noch ein anderes häufiger
als ſonſt nach Stuttgart. Es drückte ihn mehr und mehr
der Gedanke, daß „das Gebiet um Warmbronn arg ab—
geleſen“ ſei und ihm nicht mehr viel Ausbeute gewähre.
In Wirklichkeit lag die Arſache eines gewiſſen Verſiegens
ſeiner Dichtung, von ſeinem Alter abgeſehen, vor allem
darin, daß er dem Kreis von Gedanken, der ſeine Welt
war, in allem Weſentlichen Ausdruck verliehen hatte, ſo
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daß neue Gedichte vielfach nur Variationen älterer, Wieder⸗
holungen von zum Teil ſchon beſſer Geſagtem wurden. Er
glaubte nun, in der Stadt, im täglichen Verkehr mit lite-
rariſchen Kreiſen werde er Anregungen anderer Art und
Fruchtbarkeit auf neuen Gebieten finden und trug ſich eine
Zeitlang ernſtlich mit dem Gedanken, nach Stuttgart über⸗
zuſiedeln. Dieſe Sehnſucht, zu neuen Stoffen zu gelangen,
war auch mit wirkſam in ſeinem Drang nach Italien. Aber
während ſeine flüchtigen Beſuche dort dem nach Großem
und Schönem ſich Sehnenden ein Quell der Erfriſchung
und ſeeliſcher Ausweitung wurden, hätte ihm ein dauernder
Aufenthalt in der Großſtadt niemals das gewähren können,
was er davon erhoffte. Wohlmeinender Rat legte ihm
nahe, daß die heimatliche Flur der beſte Boden für ihn
wie für ſein Dichten ſei, daß das, was gerade er der Welt
zu ſagen habe, ihm nur dort erwachſe. Er ließ den Ge—
danken der Aberſiedelung längere Zeit nicht fallen, wenn
er ſich auch der Einſicht nicht verſchloß, daß er ſich in der
Stadt ſtets nach ſeinem Häuschen und ſeinen Feldern zurück⸗
ſehnen würde. Schließlich meinte er ſelbſt, ein alter Baum
laſſe ſich nicht mehr verpflanzen. |
Wagner hätte in der Tat auch gar nicht anders leben
können, als er zu leben gewohnt war, in ſeinem eigenen
Haus und Garten, auf feinen Äckern und in feinen Wäldern.
Dort konnte man auch den anſprechendſten und zugleich
ſtärkſten Eindruck von ſeiner Perſönlichkeit gewinnen. In
dem niedrigen Bauernſtübchen oder in der ſelbſtgezimmerten
Laube des Obſtgartens fühlte man ſich bald von einer be-
haglichen Traulichkeit umſponnen. Schon ein Geſpräch über
Alltägliches und Zufälliges ließ erkennen, daß in dem zart⸗
gliedrigen Mann ein nicht gewöhnlicher Geiſt wohne. Fröh⸗
lich leuchteten die geſcheiten hellen blauen Augen über das ſpitze
Näschen herüber, wenn ihn während der Unterhaltung ſeine
Lieblingskatze umſchnurrte. Aber ſie konnten auch lodernd
hervorſprühen unter der mächtigen, ſchöngeformten Stirne,
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Et * 8 Deere *
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ſobald er auf eines ſeiner Lieblingsthemen zu reden kam
und die Entrüſtung über das, was nicht ſo ſein ſollte,
flammende Worte von ſeinen ſchmalen Lippen ſpringen ließ.
Ergreifend und rührend wirkte immer wieder der Gegenſatz
zwiſchen dem unſcheinbaren Mann in feiner armſeligen
Amwelt und dem, was von ihm ausging.
Ihm, der von äußerſter Anſpruchsloſigkeit war und für
ſich ſelbſt faſt nichts brauchte, genügte dieſe dürftige und
formloſe Häuslichkeit, die eben die in den kleinbäuerlichen
Verhältniſſen Schwabens übliche war, ſtädtiſchen Beſuchern
freilich, zumal in einer Zeit ungut aufgeſchwollenen Wohl—
lebens in allen Kreiſen, als ärmlich erſcheinen mußte. An
dieſen Dingen hätte er kaum etwas geändert, auch wenn
er über mehr Mittel verfügt hätte. Nur etwas freier, von
der ermüdenden Feldarbeit unabhängiger, hätte er ſich
gern bewegen mögen. Er war ſich auch wohl bewußt, daß
ihm, der feiner Aberzeugung vom Dafeinsrecht alles Lebenden
gemäß „jede Ausnützung des Lebendigen unterließ, die
ſchmerzlich empfunden wird“, nicht gegeben war, von Vieh
und Feld dieſelbe Ausbeute zu erzielen wie andere Landwirte
in ſeinen Verhältniſſen. Einen gewiſſen Ausgleich, der ihn
der Sorge für ſein Auskommen enthob, verdankte er mit
der Zeit ſeinem Dichten, wenigſtens mittelbar. Von der
Deutſchen Schillerſtiftung in Weimar erhielt er auf Antrag
ihres Verwaltungsratmitglieds Profeſſor Richard Weltrich
in München 1892 eine Ehrengabe und weiterhin dauernde
Jahresgaben. 1900 ſetzte ihm die Huld des Königs und
der Königin von Württemberg eine jährliche Penſion aus;
dazu kamen in den letzten Jahren Ehrengaben des Schwä—
biſchen Schillervereins, der ihn 1909 zu feinem Ehren—
mitglied ernannt hatte. Einen einmaligen Ehrenſold erhielt
er 1912 von dem Frauenbund zur Ehrung rheinländiſcher
Dichter.
Es fehlte auch ſonſt nicht an Anerkennung da und
dort, wenn auch feine Bücher immer nur einen kleinen Lefer-
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kreis hatten. Allmählich wurde fein Name auch außerhalb
Schwabens öfter genannt, beſonders ſeit Richard Weltrich
in ſeinem 1898 bei Strecker und Moſer (jetzt Strecker und
Schröder) in Stuttgart erſchienenen Buche „Chriſtian Wagner,
der Bauer und Dichter zu Warmbronn“, ihm eine liebevolle
und gründliche äſthetiſch⸗kritiſche und ſozialethiſche Studie ge-
widmet hatte, in der er Wagner als Dichter eingehend wür⸗
digte und zugleich ſeine Ideenwelt in den Zuſammenhang
der Entwicklung der Menſchheit zu echter Humanität ſtellte.
Der ſiebzigſte und fünfundſiebzigſte Geburtstag brachten
ihm Ehrungen mannigfacher Art aus der Nähe und der
Ferne. Waren unter denen, die bei dieſen Anläſſen und
auch ſonſt, beſonders an Sonntagen, zu dem ehrwürdigen
Alten von Warmbronn wanderten, auch viele, die nur vom
Hörenſagen etwas über ihn wußten, ſo durfte es ihn doch
mit Genugtuung erfüllen, wenn ſo ſeinen Warmbronner
Mitbürgern vor Augen geführt wurde, daß es mit ſeinem
Dichten doch etwas ſei, daß ſie einen in ihrer Mitte haben,
der in der Welt draußen etwas gelte, und er konnte mit
Befriedigung wahrnehmen, wie er dadurch in ihrer Schätzung
ſtieg. Auf ſeinen achtzigſten Geburtstag fand dies durch
die Ernennung zum Ehrenbürger ſeiner Heimatgemeinde
einen auch für dieſe ehrenvollen Ausdruck.
Bis dahin hatte er ſich außerordentlicher geiſtiger Friſche
und körperlicher Rüſtigkeit erfreuen dürfen. Noch in hohen
Jahren machte es ihm nichts aus, in der Morgenfrühe die
ſiebzehn Kilometer von Warmbronn nach Stuttgart zurüd-
zulegen, dort weite Gänge zu machen und abends raſchen
und elaſtiſchen Schrittes wieder über die Berge und durch
den nächtlichen Wald heimzuwandern. Erſt gegen ſein
achtzigſtes Lebensjahr machten ſich, ſtetig zunehmend, Ge⸗
brechlichkeiten des Alters geltend. Dazu kam, daß der Krieg
auf ihm, deſſen Lehre Friede und Freude geweſen, mit ganz
beſonderer Schwere laſtete. Langſam ſchwand der Lebens⸗
müde dahin. In der Morgenfrühe des 15. Februar 1918
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erloſch das niedergebrannte Flämmchen. Am Sonntag
darauf umſtanden ganz Warmbronn und viele von aus—
wärts Gekommene das Ehrengrab, das ihm unter einer
mächtigen Tanne auserſehen war. Nachrufe gaben der
Verehrung für den einzigen Mann herzlichen Ausdruck;
die Stadt Stuttgart und der Schwäbiſche Schillerverein
ließen Zeichen dankbarer Anerkennung niederlegen. Ein
eiſiger Wind trieb leichte Schneeflocken durch das Tal hin;
vom Weſten herüber dröhnte ununterbrochen der Donner
ſchwerer Geſchütze. —
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Man hat in Chriſtian Wagner meift nur einen Bauern
geſehen, der Gedichte ſchrieb, nicht den vollbürtigen Dichter,
der Bauer war. Man hat ihm die unglückliche, irreführende
Bezeichnung „Bauerndichter“ angeheftet und wohl gemeint,
ſchon ein übriges zu tun, wenn man ihn ein wenig heraus—
hob aus der Reihe der „Volksdichter“, die von Zeit zu
Zeit an die breite Offentlichkeit gezogen werden. Während
dieſe aber gewöhnlich nur Längſtgeſagtes in überkommenen
poetiſchen Formen wiederholen, iſt Wagners Dichtung durch—
aus eigenwüchſig; er hat ſeine eigenen Gedanken und ſein
eigenes Gepräge der Geſtaltung.
Der Zug zum Sinnieren und Grübeln, der Drang, an
das Weltgeheimnis zu rühren, der in der Heimat Schellings
und Hegels immer beſonders ſtark geweſen iſt und ſich nach
den verſchiedenſten Richtungen betätigt hat, war auch in
Chriſtian Wagner tief eingepflanzt. Als einen Geiſt, der
auf der Gottſchau war, hat er ſich ſelbſt bezeichnet. Wenn
er ſchauend und lauſchend durch Wald und Feld ſchritt,
ging ſein Sinnen auf das, was hinter dem Sichtbaren und
Greifbaren ſein muß, was in den Dingen lebt und webt.
Seine Dichtungen reden von dem, was er geſehen und was
ihm das Geſehene erſchloſſen hat. Alles Sein iſt ihm nur
Eines; nichts vergeht, es wandelt ſich nur. Dieſer „ewige
Wagner, Geſammelte Dichtungen 2
17
Formwechſel des allbefeelten Seins“, die Wiederkehr des
in anderer Geſtalt Geweſenen klingt durch feine ganze Dich-
tung. Aus dieſem Gefühl des Einsſeins erwächſt ihm der
Gedanke der Heiligkeit alles Lebens, die Ehrfurcht vor dem
Lebendigen. Er fühlt ſich aufs innigſte verwandt mit „den
Brüdern im ſtillen Buſch, in Luft und Waſſer“. In ſein
Ohr klingt das Seufzen der Kreatur, und er erkennt es als
feine Miſſion, für die Anerkennung ihres Rechtes einzu⸗
treten und den Krieg anzuſagen jeder herzloſen Ichlehre.
In irgendeiner populären Darſtellung lieſt er einmal, „daß
die Hindus, vor allem ihre Prieſter, die Brahminen, alles
Lebendige ſchonen“. Das iſt ihm eine willkommene Beſtärkung
in ſeiner Denkweiſe, in ſeinem Tun und Laſſen. Aber nur
das ihm Wahlverwandte nimmt er auf von dem, was aus
dem fernen Oſten zu ihm gedrungen iſt. Von ſonſtigen
vediſchen oder buddhiſtiſchen Anſchauungen und Lehren
trennt ihn ein anderer Zug, der nicht minder machtvoll in
ihm lebendig iſt, ſeine unbedingte Bejahung des Lebens, eine
wahrhaft dionyſiſche Daſeinsfreude. Einen Freudenglauben
will er verkünden, nicht Entſagung, nicht Weltflucht. Reiner
ſollen die Menſchen werden, liebevoller, aber damit auch
freudiger. Mehr Helle möchte er verbreiten auf dieſer Erde,
und ein Wegbereiter ſein für ein edleres, ſchönheitsfreudiges
Menſchentum. Eine Heimſtätte der Liebe, der Freude und
der Schönheit ſollen die Seelen der Menſchen werden und
damit die ganze Erde.
„Laſſet euch künden:
Es ſoll verſchwinden
Die Qual der Erde,
Daß Friede werde.“
Man mag über dieſe Glücksbotſchaft lächeln und wird in
unſeren Tagen weniger als je geneigt ſein, an ihre Erfüllung
zu glauben. In all den Jahrtauſenden ſeit Menſchen auf
18
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7 — r 482 *
der Erde wandeln, haben ſie nicht viel anderes zu tun ge—
wußt, als ſich gegenſeitig das Leben ſo ſauer wie möglich
zu machen. Auch in den Zeiten, da „Friede“ war. Der
Krieg iſt von dem gewöhnlichen Zuſtand unter den Menſchen
und Völkern doch nur dem Grad nach verſchieden, nur die
äußerſte Steigerung desſelben, im Guten wie im Schlimmen,
nicht etwas dem Weſen nach anderes. Wagner ſelbſt verbarg
ſich auch nicht, und dieſe Erfahrung iſt ihm immer das
quälendſte geweſen in ſeiner Weltbetrachtung, daß das
Niederträchtige das Mächtige ſein darf, daß der Selbſtſucht,
der Herzenshärtigkeit der Preis zufällt und nicht dem Guten,
dem Liebenden, dem Erbarmenden. Aber er ließ trotz alledem
nicht von ſeinem Glauben und Hoffen, und was uns als
ſchöner Traum eines Dichters erſcheint, war ihm ein Geſicht
des begnadeten Sehers.
Wagners Gedichtſammlungen haben nicht die Verbrei—
tung gefunden, die ſie ihrem Gehalt nach verdient hätten.
Die Arſache liegt zu einem erheblichen Teil in ihnen ſelbſt.
In den acht Bändchen ſind Gedichte von höchſter Schönheit
eingelagert zwiſchen gar manchem Mißlungenen oder Halb—
gelungenen, und es iſt nicht jedermanns Sache, aus taubem
Geſtein das edle herauszuſuchen. Aber auch in den Ge—
dichten, in denen voll herausgekommen iſt, was in des
Dichters Seele nach Ausdruck rang, ſtößt man da und dort
auf einen Knoten, der nicht gelöſt iſt, auf Anebenheiten
ſprachlicher Art. Es iſt wohlfeil und wohlweiſe, immer
nur auf derartiges hinzuweiſen und mitleidig auf den
„Bauerndichter“ herabzuſehen, der doch ſelbſt in einem nicht
bis zur letzten Vollendung gediehenen, aber von tiefinnerſtem
Erleben durchglühten Gedicht mehr gibt als mancher kunſt—
fertige Wortfüger in einem ganzen Band tadelloſer Verſe.
And mag er ſich das eine und andere Mal auch vergreifen
in der Wahl von Versmaß und Form, fo findet er doch
meiſt die dem Gegenſtand angemeſſene Einkleidung und über⸗
raſcht ſelbſt in ſchwächeren Gedichten oft genug durch Stellen
=
. 2 19
von wunderſamer ſchöpferiſcher Sprachkraft. Wer einmal
einen Hauch verſpürt hat von den ſeeliſchen Energien, die
in dieſem Manne wirkſam waren, wer erkannt hat, daß in
ihm die Urkräfte walten, die den wahren Dichter machen,
den werden einzelne Anbeholfenheiten in der Formgebung,
Härten, Naivitäten oder Wunderlichkeiten im Ausdruck nicht
beirren. Zum Teil hat ihn dieſe eine unrichtige Vorſtellung
von poetiſcher Freiheit nicht vermeiden und nachher, auch
wenn er darauf aufmerkſam gemacht worden war, nicht
verbeſſern laſſen. Nachträglich viel zu feilen war ohnehin
nicht ſeine Sache; ein Gedicht war und blieb meiſt ſo, wie
es ihm die Stunde gebracht hatte.
Will man Wagners Dichtung neue Leſer und Freunde
gewinnen, ſo genügt es nicht, auf ſeine Bücher hinzuweiſen,
die überdies zum Teil vergriffen ſind. Weitere Kreiſe zu
ihm hinzuführen vermag nur eine Ausleſe aus ſeinen
Werken, und der Gedanke an eine ſolche iſt ihm auch öfters
nahegelegt worden. 1906 erſchien unter dem Titel „Ein
Blumenſtrauß“ eine nicht von Wagner herrührende kleine
Auswahl von Blumenliedern aus ſeinen älteren Werken,
darunter nur wenige ſeiner reinſten Schöpfungen. Mehr
als doppelt ſoviel Gedichte brachte die Auswahl, die Her-
mann Heſſe 1912 für den Frauenbund zur Ehrung rhein⸗
ländiſcher Dichter beſorgte. Anter Beſchränkung auf das
rein Lyriſche ſind hier mit feinſtem Sinn eine Anzahl der
edelſten Blüten aus Wagners Dichtung herausgehoben.
Leider ſcheint das ſchöne Buch über den Kreis hinaus, für
den es zunächſt beſtimmt war, kaum Verbreitung gefunden
zu haben. Chriſtian Wagner iſt ſelbſt da, wo man Be—
kanntſchaft mit ihm ſollte vorausſetzen dürfen, immer noch
nur ein Name. Die Aufgabe, auf ihn hinzuweiſen, ſeine
Dichtung allgemein zugänglich zu machen, bleibt beſtehen.
Der Schwäbiſche Schillerverein hat ſich dieſer Aufgabe nicht
verſagt, als die Anregung der Verlagsbuchhandlung Strecker
und Schröder an ihn herantrat, durch ſeine Mithilfe eine
20
umfangreichere Ausgabe von Wagners Dichtungen zu er—
möglichen, die ein allſeitiges Bild ſeines Dichtens und
Denkens gewähren ſoll. So erſcheint die erſte Auflage
dieſer „Geſammelten Dichtungen“ als Vereinsgabe für die
Mitglieder des Schwäbiſchen Schillervereins.
Den Verlagsbuchhandlungen Greiner und Pfeiffer,
Deutſche Verlagsanſtalt in Stuttgart und Georg Müller
in München, bei welchen einzelne Werke Wagners er—
ſchienen ſind, ſprechen Verlag und Herausgeber für ihr
Entgegenkommen verbindlichſten Dank aus, wie auch Herrn
Bildhauer Profeſſor Adolf Fremd in Stuttgart, der ſeine
vortreffliche photographiſche Aufnahme freundlichſt für das
Titelbild zur Verfügung geſtellt hat.
Bei einer Ausgabe, die Wagners Dichtung weiteren
Kreiſen nahe bringen möchte, kann es ſich aus den dar—
gelegten Gründen nicht einfach um eine Vereinigung ſeiner
Gedichtbücher handeln. Auch würden bei einer ſolchen
Zuſammenfaſſung eine erhebliche Anzahl Gedichte wiederholt
erſcheinen, da Wagner ſie in mehrere ſeiner Sammlungen
aufgenommen hat. In jedem der Werke für ſich das
Schwächere auszumerzen und ſie ſo verkürzt wiederzugeben,
geht gleichfalls nicht an. Die Teile der einzelnen „Sonn—
tagsgänge“ find meiſt durch äußere wie innere Beziehungen
aneinandergeſchloſſen; ein Ausſcheiden würde dieſe Zu—
ſammenhänge zerreißen und nur verſtümmeltes Stückwerk
ergeben. Die vorliegende Ausgabe faßt daher das Beſte
aus Wagners Dichtungen und einiges für ſeine Denkweiſe
beſonders Bezeichnende in eigener Anordnung zuſammen.
Auf Gedichte allgemeinerer Art folgen Bilder und Bild—
chen, in welchen ſich die Eigenart der Naturanſchauung
und Naturandacht des Dichters ausſpricht, dem auch das
Kleinſte eine Welt iſt und jedes unſcheinbare Wald- und
Feldblümlein etwas zu ſagen hat. Sie leiten hinüber zu
den Blumenmärchen, den eigenſten und eigentümlichſten
Schöpfungen Wagners. An Balladenhaftes reihen ſich
21
PPC
mit Stimmung durchtränkte Landſchafts⸗ und Reiſebilder,
weiterhin Gedichte perſönlichen Inhalts, die der Klage um
geliebte Tote und dem ihn erfüllenden Gefühl der Be—
rufung zum Dichter und Seher Ausdruck verleihen, und
Dichtungen, in denen ſeine Anſchauung von Welt und
Leben niedergelegt if. Den Schluß bilden einige Ab⸗
ſchnitte aus den „Sonntagsgängen“, dem „Neuen Glauben“
und „Oswald und Klara“. — Der Terxtgeſtaltung find die
ſpäteſten Faſſungen zugrunde gelegt; Fehler der Drucke
find nach den Handſchriften berichtigt.
Eine Fülle von Formen und Tönen, ein Reichtum an
ſeeliſchem Leben und geiſtigem Gehalt iſt ausgebreitet in
dem Lebenswerk des merkwürdigen Mannes von Warm-
bronn, der wirklich „ein Schwabe im Winkel“ war. Muß
er das bleiben? Vielleicht iſt gerade dieſe harte und ſchwere
Zeit des Kampfes für unſer Daſein, den wir beſtehen
müſſen, dazu angetan, da und dort den Sinn zu öffnen
für eine ſolche Stimme aus den Tiefen deutſchen Weſens,
den und jenen erkennen zu laſſen, was für ein Geiſt es
war, der da in Geſtalt eines armen Bäuerleins ſeinen Gang
durchs Leben machte.
Stuttgart, im Juli 1918.
Otto Güntter
22
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Vergangenheit und Zukunft bunt gemengt,
Die Gegenwart zuweilen eingeſprengt,
Der Nähe Bild ſowie der fernſten Zeiten,
Ein bunter Farbenſtreif der Ewigkeiten.
Freudenglaube
Antreiben aus des Lebens düſtrem Nord
Den Nachen laß an jeden Blumenbord!
Anſchwimmen auf des Lebens wirrer Flucht
Den Nachen laß an jeder Freudenbucht!
Anlanden auf des Lebens Wogenpfad
Den Nachen laß an jedes Lichtgeſtad!
Himmelsleiter
Wie du gezeigt einſt dem erwählten Knechte
In einer deiner Offenbarungsnächte
Die Himmelsleiter ſich zur Erde neigend
And deine Engel auf und nieder ſteigend,
So ſchaut noch heut der Leiter goldne Stufen
Der Auserwählte, den du haſt berufen;
Ihm ſteigen dran auf Sproſſen ſel'ger Lieder
Die Engelsboten heut noch auf und nieder.
Spätes Erwachen
So wie ein Menſch nach lärmendem Gelag
Noch ſpät zu Mitternacht nicht ſchlafen mag
And feine Ruh’ erſt findet knapp vor Tag,
26
And ſüß erſt ſchläft beim hellen Morgenſchein,
So reichte in die Jugend mir hinein
Verſäumter Schlaf von einem vorigen Sein.
O wüßt' ich doch, was mich nicht ſchlafen ließ!
Ob mich ein Gott vom Vacchanal verſtieß?
Ob ich betrunken kam vom Paradies?
Im Walde
Was iſt's, das gibt fo wunderbaren
Klang?
Wer iſt's, der ſingt ſolch himmliſchklaren
Sang?
Ich kenne nicht das Lied,
Doch durch mein Innres zieht
Der ferne Sang wohl einem Zauber gleich,
Er ſchmilzt die Seele, und das Herz wird weich.
Waldröslein
Als ich im Wald mich erging,
Noſengeſchling f
Sich mir an die Kleider hing. —
O ſchlängeſt auch du
Zu meiner Seele Ruh’
Am mich die Arme feſter,
Du Rofenfchweiter!
Die Geſchlechter
Kt dies nicht ein frevles Schickſalswalten,
Menſchtum in zwei Teile zu zerſpalten?
In zwei blut'ge Hälften zu zerreißen?
Eine Mann, die andre Weib zu heißen?
Beid' erfüllt von heißem Sehnſuchtsdrange,
Sich zu finden auf des Lebens Gange,
Ich dem Ich zur Opfergab' zu bringen? —
Ach, wie wenigen, wenigen mag's gelingen,
Ohne Loſung, Fährten oder Spuren
Sich zu finden auf des Lebens Fluren!
Sel'ge Kindheit, die nicht kennt die Wirren,
Nicht der Liebe grauſam töricht Irren!
Sel'ge Blume, die nichts weiß vom Fluche
Lebenslanger und vergebner Suche!
Liebeszauber
Ob fie mich will, iſt nimmermehr mir klar.
Was tut's, ich ſtreich' ſanft ſchmeichelnd ihr das Haar!
Ob ſie mich liebt, iſt nimmermehr mir kund.
Was tut's, ich küſſ' den purpurroten Mund.
Ob gegen mich Verwandtſchaft und Geſetz,
Was tut's, ſie iſt in meiner Liebe Netz;
Ich halte ſie in meiner Seele Bann,
Dem nimmermehr ſie ſich entwinden kann.
Konzertabend
Die Orden, die Sterne prunken
Im Lichterſchein,
Es fuhren die Götterfunken
Der Töne drein.
Ich habe in Andacht verſunken
Gedacht nur dein,
Mit glühenden Augen getrunken
Dein Bildnis ein.
28
Du
Da du getreten in mein Leben ein,
Da wich die Nacht dem hellen Morgenſchein;
Weit offen ſtand des Himmels feſtlich Tor,
Und eine Rofenlandfchaft ſtieg empor.
AAA
Es ſchwebt mir vor ein wundervoll Gedicht,
Ob ich es ſchreiben werde, weiß ich nicht.
Doch ſchreib' ich's nicht, iſt nicht es meine Schuld,
And ſchreib' ich es, verdank' ich's deiner Huld,
Die mir, vielleicht in unverdienter Gnad',
Kußblumen ſtreut auf meinen Dichterpfad,
In ſüßem Kelche ſel'ge Tröſtung bringt,
Daß mir mein letztes, großes Werk gelingt.
Abendgang
Weißt du, weißt du, was wir heute wollen?
Schöpfen laß uns aus dem Abervollen!
Ein fromme Pilgerfahrt uns planen
Nach den Wandelgängen der Platanen,
Dort beim Sitzen auf den Marmorbänken
Feſtlich dann des ſchönen Tags gedenken,
And beim Gang durch dieſe Duftreſeden
Sonſt von nichts als treuer Liebe reden!
Sonnenregen
Spannte nicht der Himmel wonneſelig
Aber uns ein Perlendach ſo mählich,
Wie zum Feſttag, als wir armverſchlungen
Wandelten durch grüne Niederungen?
And dann ſage: Fiel der Sonnenregen
Nieder nicht gerade unſertwegen?
Glitzten nicht von ſeinem Strahle trunken
Anſertwegen feine Demantfunken?
Kam des Himmels ſiebenfarbner Bogen
Anſertwegen nicht heraufgezogen?
And dann ſage: Wertete er minder
Als Geweihte uns, als Götterkinder,
Da er ſelig, wie im Finderglücke,
Vor uns aufzog ſeine goldne Brücke?
Im Park
Ein Träumender komm' ich des Wegs gegangen,
Phalänen ſich in meinem Haar verfangen.
Es leuchten fern aus dunkler Büſche Maſſen
Im Mondlicht weiß die Statuen, die blaſſen.
Mairoſe duftet. — Aus Syringenbäumen
Hebt ſich der Venus Bild. Sie ſcheint zu träumen.
Wo wär' ein Göttlicher, der ſie nicht kennte?
O ſteig herab von deinem Poſtamente!
22
Reich’ mir die Hand, daß wonneſelig heute
Zur Seite dir den Garten ich durchſchreite!
Dort glänzt der See gleich einem Inſelhafen,
Im den viel ſel'ge Griechengötter ſchlafen.
Eine Freundin
Eine Freundin wünſcht' ich, deren Fährten
Hin mich führten zu der Liebe Gärten,
Deren Myrten, deren Rofenlauben,
Smyrnafeigen und Falerner Trauben.
Eine Freundin, die beim Göttermahle
Gerne böt' und williglich die Schale
Mir, dem ſtolzen, hochgemuten Zecher;
Die ſich ſelber füllte voll den Becher
Dunklen Weines, frei und ohne Scheue,
Eine Freundin, eine götterfreie!
So wie damals
Wieder nach dem Ort, da wir geſeſſen,
Zu der Stätte, die mir unvergeſſen,
Kehrt' ich pilgernd. — So wie damals glänzte
Blau der Himmel, der den Wald durchlenzte.
Schön der Maitag. — So wie damals glitzten
Grüne Lichter, die den Wald durchblitzten.
Wo wir küßten uns und wo wir ſcherzten,
Schau die Blätter, dieſe zweigeherzten!
Iſt es nicht, als ſei'n dem Waldreviere
Angeflogen unſrer Liebe Schwüre?
Mein Stern
Ich hatte einſt meine Sterne
In meiner Nacht,
Die glänzten ſo nah und ſo ferne
In goldner Pracht.
Ich hatte einſt meine Sonne,
O ſchöner Tag,
An dem in himmliſcher Wonne
Die Welt mir lag!
Die Sonne ſank in der Ferne,
Eh ich's gedacht,
Wo bleiben die Sterne, die Sterne
In meiner Nacht?
Ein Stern mit feurigem Schweife
Blutig und leer
Geht noch in einſamer Streife
Irrend umher.
Siehſt du die blutige Leuchte
Dort in der Fern',
Die mir die Lichter verſcheuchte?
Das iſt mein Stern!
Im Frühling
Und treten mich an im Haine,
Schön ſilbrig im Frühlingsſcheine,
Windröslein mit mildem Grüßen,
So iſt mir immer, als müſſen
All meine durch Schuld verlornen,
Nun wieder durchs Lied gebornen,
Süßen, frommen
Glückstage auch wieder kommen.
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32
Am Roſenhag
Neid' ich doch in deinem Strahlenloſe,
Schöne dich, gebenedeite Rofe!
Mir hinunter ſind der Liebe Sterne;
Möchte erdenſelig doch ſo gerne 2.
Selbſt einmal in dieſen Junitagen
Rofenfreudig deine Fackel tragen,
Selbſt einmal in dieſen grünen Tennen
Roſenrot in mildem Licht verbrennen!
Gleichſtellung
Das Leben wechſelt, aber nicht das Sein;
Das Sein iſt ewig, und die Form iſt Schein.
Ob klein, ob groß, ob edel, ob gering,
Heut oben iſt, was unten war im Ring.
Und morgen unten, was heut oben war;
So iſt es heut, ſo iſt es immerdar.
Des Glückes Ernte nur für wenige reicht,
And doch will jeder, daß man aus ſie gleicht.
And gleicht man's aus, ſo klagt ein jeder Wicht,
Daß er betrogen ſei am Vollgewicht.
Nehmen und Geben
Für des Glückes freud'gen Sonnenſchein
Magſt du ſein als wie ein Edelſtein;
Für der Freude ſel'gen Wonneſtrahl
Magſt du ſein als wie ein Lichtopal.
ner
7 — 3
Nichts behalte von dem eignen Glück,
Siebenfältig ſtrahle es zurück;
Nichts behalte von dem eignen Glanz,
Siebenfältig ſtrahle aus ihn ganz!
Keines ſo arm
So arm iſt noch keines zur Welt gekommen,
Das Gott nicht hätt' bei der Hand genommen,
And zu ihm geſprochen: „Mein liebes Kind!“
And zu den andern, die mißgeſinnt:
„Laßt's nicht ſo verachtet am Wege ſtehen,
Bis wieder ich komme. Muß weiter gehen.“
So blaß und ſo häßlich ſind keine Mienen,
Die nicht der Ewigkeit Glanz beſchienen,
Zum Herzen geſprochen ſo mancherlei:
Es kommt auch dir noch ein Monat Mai!
Die Sonne wird ſcheinen! — Getroſt, ich ſage,
Es kommen auch dir noch Verklärungstage!
*
Es iſt kein Daſein ſo arm und geringe,
Das Träger nicht ſein kann gar hoher Dinge,
And trotzend der Welt und der Zeiten Lauf,
Mit Wenigem richtet ein Weltreich auf,
Das ſiegreich, obſchon auch von Stürmen umſchauert,
Die Erde umklammert und ewiglich dauert.
Glück, herrenloſes
Glück begehr' ich von Gott, doch herrenloſes und nicht ein
Andern gehöriges Glück. — Denn niemals möcht' ich ein
Glück, das
Andere koſtet Verzicht; — nur Glück aus dem Schoße
f der Gottheit,
Fernher kommend und ſchön, rotblumig gleich Oleander.
Wagner, Geſammelte Dichtungen 3 N
33
Nicht nach dem Glücke, das dir in Ausſicht ftehet, in naher,
Greife in gieriger Haſt. — Wahrhaftig, es könnte zurückgehn,
So wie der Wärter des Viehs, der beladen mit Futter
And von den Mäulern gedrängt nicht ab kann legen das Futter,
Nimmt alsbald es zurück und ergreifet den wuchtigen Stock erſt.
Wird ein Glück dir zuteil, fo betrachte es gleich wie geliehne
Summe verzinslicher Schuld. Mit Wohltun zahlſt du die
Zahleſt die Summe zuletzt ſelbſt ab in kleineren Naten.
Wer nicht das Schickſal kennt, der lern' es kennen:
Dem, der ſich ſelbſt nichts gönnt, wird's auch nichts gönnen.
34
Warnung
dem Trog naht
Abzahlung der Glücksſchuld
Zinſen,
Das Schickſal
Zähle nicht zu denen
Zähle nicht zu denen, die da ſinnen,
Wie des Nächſten Güter ſie gewinnen,
An ſich bringen deſſen Haus und Rinder,
And die beſte Habe ſeiner Kinder.
Zähle nicht zu denen, die dem Armen
Nehmen ſelbſt das Letzte ohn' Erbarmen;
Nehmen ſelbſt den Biſſen aus dem Munde,
Anbekümmert, ob er geht zugrunde. 2
Das gefeite Haus
Hauslaubroſetten auf dem Dache feien
Leutholdens Haus auf ſeinem Hof, dem freien.
Weinranken wohl, daneben Efeureben
Das alternde Gemäuer dicht umweben.
And Vordach, Stall mitſamt dem Ziehebronnen
Von Holderzweigen ſchattend iſt umſponnen.
And Mann und Weib und Kinder ſind am Mahle,
Zwei ſchwarze Katzen ſchlürfen aus der Schale.
Vom Birnbaum in dem Hofe plaudernd ſpähen
Neugierig nieder wohl ein Paar der Krähen.
Dazwiſchen tönt das lärmende Geflatter
Der Hühner und der Tauben aus dem Gatter;
Dazwiſchen noch das fröhliche Geſinge
Der Lerchen, Finken und der Ammerlinge.
Denn was da kam geflogen und geſchwommen,
Ward hier im Hofe gaſtlich aufgenommen;
Zur Winterzeit ſtand offen ſtets die Tenne,
Den Vöglein aus dem Wald, der Gans und Henne.
Doch als die Seuche durch das Dorf gewütet,
Von Engelswachen ward dies Haus behütet.
Am Fenſterſims da ſtanden beieinander
So waffenprächtig Nelk' und Oleander;
Und ein Gewoge war's von grünen Heeren,
Mit Schilden und mit Helmen und mit Speeren.
5 35
35
Ob auch der Tod gewandelt in den Gaffen,
Die heil'ge Wacht hat ihn nicht eingelaſſen.
Am Fenſterſims da ſtanden noch beiſammen,
Ihn abzuweiſen, ſel'ge Roſenflammen.
Mahnung
Halt die Mahnung feſt dir im Gemüte:
Niemals brich ein Weſen in der Blüte;
Brich es nicht in ſeinen Wonneträumen!
Wenn du's brechen mußt, ſo magſt du ſäumen,
Bis es alt und bis es morſch geworden;
Willſt du dann es brechen oder morden,
Wird es dir den Raub von kahlen Reiten
Eh'r verzeihn als den von Blütenäſten.
Land und Meer
Baue deine Wohnung, daß du ſchaueſt
Bei dem Sonnenaufgang übers Meer,
Daß dir werde deine Seele hehr,
Du an ſeiner Hoheit dich erbaueſt!
Baue deine Wohnung, daß du blickeſt
Bei dem Sonnenuntergang aufs Land,
Daß du an dem blumigen Gewand
Seiner holden Schönheit dich erquickeſt;
Daß dir Stärkung werde in der Frühe
And Erhebung bei dem Wellenſchlag,
Daß beim Schauen auf den Blumenhag
Du vergeſſeſt deine Tagesmühe! X
36
Heimſtätte der Seele
Jenem Königsſchloſſe, jenem reichen,
Mög' die Heimſtatt deiner Seele gleichen,
Wo ob edlen ſtolzen Marmorhallen
Eine Kuppel aufſtrebt, die kriſtallen;
Wo herein die goldne Sonnenhelle
Durch die Wölbung fällt in die Kapelle,
And das Heiligtum des Innern lichtet,
Wo ein Schönheitsbildnis aufgerichtet;
Wo ſie prangen ringsum an den Wänden,
Des Erbarmens liebliche Legenden;
Wandgemälde dir in allen Sälen
Deines Glaubens Heldentum erzählen;
Wo ringsum auf ungezählten Schalen
Goldne Früchte dir entgegenſtrahlen;
Ringsumher auf dieſen Marmortiſchen
Freudenkelche ſtehn dich zu erfriſchen.
Wo herauf aus deinen Schattengängen
Ewigkeiten mit den Wunderklängen
Nächteüber mit dir Antwort tauſchen,
Fremder Zonen Düfte dich berauſchen,
Hergeſchwärmt ſo, wie das Volk der Bienen,
Alle Wonnen kommen dir zu dienen;
Aufgeſchürzet deine Freuden alle
Dich umſtehn in deiner Königshalle.
Bitte
Einen Biſſen täglich zur Erhaltung
Meines Lebens gib mir, Weltverwaltung!
Einen Tropfen täglich zur Erquickung
Meiner Seele gib mir, güt'ge Schickung!
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Einen Tropfen täglich mir zur Stillung
Meines Durſtes, eine Wunſcherfüllung,
Einen Biſſen täglich zur Ernährung
Meiner Seele, eine Wunſchgewährung,
Sonſt erlieg' ich kläglich an Entbehrung!
1
|
Herbſtwieſe
Herbſtwieſe meiner Seele! Od und kahl
And ausgebrannt von heißer Tage Föhn.
Wie anders die, die ich geſchaut im Tal,
Von Herbſtzeitloſen prangend, roſenſchön!
N
al une ey”
Herbſtwieſe meiner Seele! Ohne Tau, | 3
Und deine Weidenbäume ohne Schlaf. |
Wie anders die, bei deren Noſenſchau |
Mich ſchmerzlicher die eigne Ode traf?
Nur eine
Ach, von den Blumen allen :
Sp wenig mir mehr gefallen, |
Nur eine,
Die Holde, Reine.
Wohl, daß ich ganz a
Zu meiner Nächte Glanz |
Die herrliche Nachtviole
Mir hole.
Vergeſſen
O ſtille Bucht,
Wo des Vergeſſens Frucht
Als Schlummertrank, als ſüße Königskoſt
Verlockend ſproßt!
ee
An die Nacht
Nicht nahſt du mir, als wollſt du mich bedienen,
Schön abendgoldig mit Verheißungsmienen,
So wie du rufſt den Säumigen zum Hafen
Der Friedensſtätte, da die Seinen ſchlafen,
So wie du rufſt den Liebenden zum Bette
Der Braut, daß er den Nacken ihr umkette,
Nicht wie du nahſt auf ſeidenweichen Sohlen
Den Orchistöchtern und den Nachtviolen, —
Nein, wie ein ſtumm Geſpenſt ſo grau und hager
Trittſt du herein und ſtellſt dich vor mein Lager,
And ob der traute Schlaf mir möcht' erſcheinen,
Du hältſt ihn fern mit deinen Spinnenbeinen,
And ob der Traum mir ließ ein Kleinod ſpenden,
Zu Truggold wird's in deinen Zauberhänden.
Aus dieſer Arme ſchaurigem Amfangen
Naff' ich empor mich bei des Morgens Prangen,
And freudig grüßt mein Aug' dich als Befreier
Aus dieſem Zaubernetze: Tag, du neuer!
An den Tag
Schon wieder zu banger Laſt
Sich ladet der Tag zu Gaſt.
Das Antlitz ſo klar und hell,
Was willſt du, Lügengeſell?
Mich kirren mit deines Lichts
Vielſagendem kargen Nichts?
Wann bin ich gewitzigt, hell,
Dich fortzuweiſen, Geſell?
Wann koöͤdert dein falſcher Strahl
Mein Auge zum letztenmal?
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40
Heide
Ningsum nichts als bleiche Heidebinſen,
Schwarze Tümpel, grüne Waſſerlinſen.
Einer Föhre halbgebrochne Aſte,
Auf zum Himmel ſtreckend kahle Refte.
Aber mir des Himmels grau Gewölbe,
Bachentlang ſo weidengrau die Felbe. —
Ach, wie kann in dieſen Nebeltalen
Erd' und Himmel mein Geſchick mir malen;
Gleich' ich ſelber doch in meinem Leide
Dieſem dürren Föhrenbaum der Heide!
Müdigkeit
Am Wege ſtand ein dürres Scheitermaß
Ganz überwuchert ſchon von Buſch und Gras,
Ganz jedem Froſt und Regen ausgeſetzt. —
Was ſuchſt du Beſſ'res, töricht Herz, anjetzt?
Biſt du nicht ſelbſt jetzund ein dürres Scheit,
Zurückgelegt für eine künft'ge Zeit?
Einſt und jetzt
Bleich ſteht das Feld und reif das Korn, das gelbe,
Ganz ſo wie einſt und doch nicht ganz dasſelbe.
Ganz ſo wie einſt Tal, Feld, des Weges Borden,
And doch und doch: Wie viel ſo fremd geworden?
Wie ſchön der Wald! Gott, wie bekannt mich ſchauen
Die Wieſen an, die Fluren und die Auen!
And doch und doch! Wie ganz mit andern Mienen,
Als hätt' ich nichts zu ſuchen mehr bei ihnen.
Wochenkalender
Montag erſt. — Entſetzlich! — Freudelos
Neu beginnen, wo die Woche ſchloß.
Dienstag erſt. — Entſetzlich! — Ohne Sinn
Spinnen neu des Lebens grau Geſpinn.
Mittwoch erſt. — Entſetzlich! — Ohne Ziel
Neu durchſpielen das durchſpielte Spiel.
Donnerstag. — Entſetzlich! — Ohne Gnad'
Neu durchmeſſen den durchmeßnen Pfad.
Freitag ſchon. — Entſetzlich! — Welch ein Tand!
Neu durchwaten den durchwat'nen Sand?
Samstag ſchon. — Entſetzlich! — Ohne Gruß
Ewig wandern um des Hügels Fuß.
Sonntag heut. — Entſetzlich! — Wieder neu
Segeln an dem Leuchtturm hier vorbei.
Angeſtilltes Sehnen
Tiefes Sehnen bei des Tages Laſt
Nach dem Abend und nach ſeinem Frieden;
Heißes Sehnen bei des Abends Raft
Nach dem Frieden, den er nicht beſchieden.
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42
Tiefes Sehnen in der Winternacht
Nach dem Frühlingstag und ſeinen Blüten;
Heißes Sehnen bei der Blütenpracht
Nach der Winternacht und ihrem Frieden.
Tiefes Sehnen ſtets, jahraus jahrein,
Ew'ges Dürſten und ein nie Gewähren;
Heißes Sehnen! Kann es anders ſein,
Mußt du nicht zuletzt das Herz verzehren?
Aufrichtung
Nun mein Flehen findet nicht Erhörung,
Bleibt mir übrig nur die Selbſtzerſtörung.
Alſo ſprach ich, an das Schickſal klagend,
Alſo ſprach ich, an mir ſelbſt verzagend;
Alſo ſprach ich, längs der Lichtung ſchweifend,
An dem See im Walde jetzo ſtreifend;
Alſo ſprach ich, als ein Schönheitsbildnis
Vor mir auftaucht aus der Tannenwildnis:
Schlanken Wuchſes, hochgewachſnen Leibes,
Eine ſtolze Prachtgeſtalt des Weibes.
Dunkle Flechten von dem Scheitel fallend,
Das gebräunte Angeſicht umwallend,
Stolze Hoheit auf der Stirne thronend,
Holder Liebreiz auf den Lippen wohnend,
Mit den Flammenaugen mich erkennend,
Süßen Tones mich beim Namen nennend:
„Nicht verlangend nach den Waſſern ſchaue!
Heimwärts kehre! Dem Geſchicke traue!
Kein Verſtecken an dem Nachtgeſtade!
Vorwärts ſchreite auf des Siegers Pfade!
Können Wolken dir dein Ziel verhüllen?
Deine Sendung eile zu erfüllen!
Vorwärts denn, — und ſollſt du untergehen,
Will ich tröſtend dir zur Seite ſtehen.“
Gewährung
„Verhülle, Nacht, was dieſer Tag getan!
Zerſtreue, Licht, das Leid, das ſie gebracht!“ —
Es ließ der Tag ſich ſchön und freundlich an,
And ſtill verſchwiegen ließ ſich an die Nacht.
„Beſtatte, Schnee, was dieſes Jahr uns nahm!
O heile, Lenz, was jüngſt uns widerfuhr!“ —
Mit weißen Tüchern friſch der Winter kam,
And über Nacht ward grün die weiße Flur.
Großer Feierabend
Es wird dereinſt auf Erden
Noch fein ein Ruhen:
Bei vollen Truhen
Sie ſchlafen werden.
Es wird dereinſt auf Erden
Noch ſein Genügen:
Aus vollen Zügen
Sie trinken werden.
Es wird dereinſt auf Erden
Noch ſein Gewähren:
In Königsehren
Sie thronen werden.
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Es wird dereinſt auf Erden
Nicht ſein mehr Hoffen:
Den Himmel offen
Sie ſchauen werden.
Meine Bitte
Zerbröckle, wenn ich tot bin, ſel'ges Licht,
Zu Werktagsſchlacken mir mein Weſen nicht!
Zu duft' gen Blumen in dem Lenzgefild
And zu der Roſen hohem Schönheitsbild
And zu der Lieder ſel'gen Melodien,
Schallwellen, die durch Menſchenſeelen ziehn
And ſie erheben in der Andacht Dom,
Wollſt du verwenden jedes Staubatom!
Schlummerfriſt
Lüft⸗ mir den Vorhang, daß ich möge künden
Das Schickſal derer in den Schattengründen,
Der Tauſende, die täglich ſcheu und bang
Die ſtillen Todespfade gehn entlang.
Sie finden Ruhe in den ſtillen Hallen
Vom mühevollen bangen Erdenwallen;
Doch weil auf Erden alles endlich iſt,
So muß auch enden ihre Schlummerfriſt,
Wohl keine Nacht iſt, die da ewig währet.
Wenn alles Alte längſt vergeſſen iſt,
In der Erinnrung alles ausgewiſcht,
All das PVergana..e völlig aufgezehret,
Dann kommt die Zeit, daß das, was übrig iſt,
Von Lenzgefühlen wunderſam durchfriſcht
Als neuer Keim ins Leben wiederkehret.
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Wiederbringung
Iſt dein Blick noch nie hindurchgedrungen?
Hat dein Ohr die Kunde nie erlauſcht,
Daß das Sein bei Alten wie bei Jungen
Stets und ewig nur die Hülle tauſcht?
Daß das Leben, das da ging verloren,
Daß das Schöne, das man trug hinaus,
Nur in andern Formen, andern Toren
Wieder eintritt in das Vaterhaus?
Daß die Wonnen, die dahingezogen,
Daß die Freuden, die vorbeigewallt,
Wohl vielleicht aufs neue angeflogen
Sei'n in Blumen und in Laubgeſtalt?
Darum nur ſollſt du es nicht erkennen,
Dein Verlornes, in dem bunten Spiel,
Daß du Alles mögſt das Deine nennen,
Statt des Wen'gen lieben künftig Viel.
Anemonen
Daß mir Tröſtung werde bei dem Gnadenſchein
Frommer Blumenaugen, wandl' ich durch den Hain.
Heimwehkrank und müde von des Lebens Laſt,
Dieſer Hochverklärten ſel'ger Glanz mich faßt,
Daß ich ſelbſt nun ſchaue, ſchön im Lenzgefild,
Hohen Zukunftsleibes ſtrahlendes Gebild.
Nicht des Menſchen Beſtes
Nicht des Menſchen Beſtes wird begraben,
Nur des müden Leibes ſchaler Reft
Schlummert in dem Grabe ſchwer und feſt,
Am ſich an der Ruhe ſatt zu laben.
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Gradüber am Feldrain ein Fremder ſaß
Karge Refte darf das Grab nur haben.
Aber wonniglich im Laubgeäſt
Wiegen in dem lauen Frühlingsweſt :
Sich die Teile, die ſich wegbegaben. ER
Angeſehen
Mein Liebchen verweilet im Grabe nicht;
Das Leben, es drängt ſich ans Tageslicht.
Doch als ich ſie ſuchte im grünen Grund,
Nicht war es, als würd' ihre Nähe mir kund.
And lange mit ſinnendem Auge mich maß;
Doch endlich da ſprach er: „Ei, wie doch ſind
Die Menſchen mit ſehenden Augen blind!
Nicht ſahſt du, o Blinder, wie drinnen im Wald,
In grünem Gewand ſie vorüber gewallt?
And drüben im Hag, wo die Noſe ſprießt,
Dein Lieb dich mit leuchtenden Augen gegrüßt?“
Tröſtungen
Iſt ein Liebes deinem Aug' entſchwunden,
Suche nimmer nach ihm Nacht und Tag;
Wenn du findeſt, was dich lieben mag,
Haſt du das Verlorne neu gefunden.
Was dir Liebe zubringt, iſt dein eigen,
Iſt dir Gatte, iſt dir Kind und Freund,
Wenn es auch in ſeiner Torheit meint,
Das Erkennungswort dir zu verſchweigen.
Klage doch fo troſtlos, Mutter, nimmer
Bei des Lieblings ſchmerzlichem Verluſt;
Sieh, ein andres Kind ſucht deine Bruſt,
Wein', o weine, Mutter, doch nicht immer!
Jede Blume will dein Auge tröſten,
5 Jede Opferſchale ſendet Duft;
Jede Blüte, die da deckt die Gruft,
Iſt ein Gruß von deinem Früherlöſten.
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Syringen
Faſt überirdiſch dünkt mich euer Grüßen,
Syringen ihr, mit eurem Duft, dem ſüßen.
Nach Geiſterweiſe weiß ich euch zu werten:
Ein Duftgeſang, er iſt mir's von Verklärten.
Gott, wie ich doch in dieſer blauen Kühle
Der Blumenwolke hier mich wohlig fühle!
| Süß heimlich ahnend, was hineinverwoben,
Wie fühl' ich mich ſo frei, ſo ſtolz gehoben!
Bin ich es ſelbſt, des einſtig Erdenweſen
Nun auch einmal zu ſolchem Glanz geneſen?
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Sind's meine Lieben, die, ach längſt begraben,
In dieſen Düften Fühlung mit mir haben?
Waldſee
Wie ſtill der See, wie ſchweigſam die erhellten
Mattblauen Waſſer hier, die leichtgewellten!
Doch aus dem Schilf des Ifers ſtolz gehoben,
Der Iris Kronen dort ſo goldgewoben.
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In dieſes Waldſees ſtillem Friedenshafen
Welch müdes Kind dereinſt iſt eingeſchlafen,
Daß dieſen Lippen hier, ſo wonniggolden,
Ein Kuß blieb ſtehen von der Liebesholden?
Dort eine Frage, deren Mund verwittert
Als ſel'ges Ja dem Licht entgegenzittert?
Daß dieſen Ufern hier und ſchwanken Schaften
Solch wunderſchöner ſüßer Traum blieb haften?
Auf das Grab eines Mädchens 4
Birke und Trauerweide |
Umfchatten beide i
Dein ſtilles Bette, 1
4
Als ob ein Englein hätte
Flügel geſpreitet, 5
Heut zur Geburtstagsfeier f
Lichtgrün fließende Schleier |
Drüber gebreitet.
Wunſchverkörperung |
Längſterloſchne Glut aus treuem Herzen
Leuchtet hier aus dieſen Königskerzen,
Leuchtet hier aus dieſen Roſenflammen. —
Ihre heißen Strahlen allzuſammen
Brünſtig auf als einſt'ge Wünſche lodern, |
Die verſäumten Freuden einzufodern. N
Zitronenfalter f
Du ſo ſchwebend über ſonnigen Hügeln
Falter hier mit den Zitronenflügeln,
Sag, ob du erkannt mich als Bekannten,
Vater, Gatten oder ſonſt Verwandten,
Daß du ſcheue Flamm' dich kannſt erdreiſten,
Magiſch dreimal um mich her zu geiſten?
Kommſt du her von höhern Regidnen,
Wo die Frommen, wo die Sel'gen wohnen,
Am verwandelt fo im Wald der Buchen
Mich und heil'ge Stätten aufzuſuchen?
Nachtkerzen
Aufgebunden drüben iſt der Haber,
Aber leuchtend ſo wie Kandelaber
Stehen Blumen hier, mit heil'gem Feuer
Zu erhellen dieſes Steingemäuer;
Stehen Blumen hier, in finſtern Nächten
Krieg zu führen mit den Dunkelmächten.
Als des Lichtgotts treue Prieſterinnen
Stehen ſie, die Leuchterträgerinnen,
Zu erhellen dieſe Dunkelpfade,
And daß keiner, keiner nehme Schade
Von den Schnittern allen, von den frommen
Garbenbindern, die vorüber kommen.
4 Am See
O ſeid gegrüßt, ihr Ströme und ihr Seen,
Kriſtallner Widerſchein der goldnen Höhen!
O ſeid gegrüßt, ihr Augenſpiegel klar,
Ihr blauen Erdenaugen wunderbar!
Ihr ſeid gemacht, den Himmel anzuſehen,
And nur der Erdenmenſch will nicht verſtehen
Der Mutteraugen ſel'gen Widerfchein,
And ſchaut ſo gern und ſchaut ſo gern hinein,
Kann nicht genug und kann nicht ſatt ſich ſchauen
An dieſen Augenſpiegeln, dieſen blauen.
Er ſchaut ſo gern der Mutter ins Geſicht
And kennet doch die Mutteraugen nicht,
Wagner, Geſammelte Dichtungen 4
Den Gottesfrieden, welcher drin ſich malt,
Den fernen Lichtglanz, der draus widerſtrahlt,
Die Tränenbächlein, die da rieſeln nieder 1
Durch dunkelgrüne Augenlider, 2
Die ftatt der Wimpern, zuckend ohne Raft, _ |
Von Schilf und Binſen ſchützend eingefaßt.
Blumen neben dem Krankenbette
Gartenwinden, ſtrahlig und geflammt,
Eingefaßt von blauem Seideſamt,
Braune Nelken, brechend aus der Hülle
Ihrer Kelche in der Düfte Fülle,
Ringelblumen ſo wie Flittergold,
Das die Juliſonne aufgerollt, f
Bohnenblüten, an des Zweigs Geſchwinge 1
Scharlachrote kleine Schmetterlinge, | ö
Gartenwicken, himmelblau beſchwingt,
Wie ein Falter, der zum Ather dringt,
Hehr und glanzvoll ſeine Flügel ſpaltet,
Wieder ſie zur Ruh' zuſammenfaltet,
Standen da vor mir in einem Glas,
Da ich krank in meinem Bette ſaß:
Mußte nicht friſch Leben ſich entfachen
Bei dem Segnen dieſer Blumenwachen?
Hyazinthen
Halbdurchſ cheinend wie Wachs und wie Bernstein ſteht
Hyazintha
Drüben am Fenſtergeſims, ſchmückend mein ödes Gemach.
Faſt wie ein künſtlich Gebild' erſchiene die himmliſche Blume,
Strömte nicht göttlichen Duft, hauchte nicht Seele ſie aus.
* *
*
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Süß v wie die e Träume der Maid vom entfernten Geliebten
ſind deine 5
Träum', Hyazintha, erzähl ewig ſie weiter der Welt!
Wie du getroffen ihn jüngſt zur Beſuchszeit, wie er verharrte
Schweigend — in glühendem Blick gab fein Verlangen
ſich kund. g
Roſen im Garten
Ihr Rofen in meinem Garten,
Ihr Roſen möget nicht warten
Auf eine trautere Stätte
Als mir am Herzen, — denn hätte
Jedes die Roſen des andern
’ Bei feinem Seligkeitswandern
In längſt entſchwundenen Tagen
Nicht ſchon am Herzen getragen?
Liederbuch der Gottheit
Die grüne Saat, die bunte Wieſenflur,
Ein Liederbuch der Gottheit iſt ſie nur.
Ein Liederbuch, wie man's dem Kinde ſchenkt,
Daß es des lieben Paten oft gedenkt.
Der Sonnenſchein auf dieſen Frühlingsaun
Als Goldſchnitt an dem Büchlein iſt zu ſchaun,
And aus den Blättern ragt der Blumen Zier,
Wie man dem Kind aus Bunt: und Goldpapier
Oft Zeichen legt ins Buch, damit es dann
Die er Lieder auf fich ſchlagen kann.
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Veilchengrüße
Veilchengrüße von der Weinbergmauer!
Alle Lenzgefühle wachen auf
And vereinen ſich in ihrem Lauf,
Aberſchütten mich als Wonneſchauer.
Veilchengrüße! Alle Jugendſagen,
Alle Kinderträume ſind erwacht,
Haben insgeſamt ſich aufgemacht.
Seligkeiten vor mich herzutragen.
Mädchenſpiele⸗
Sie haben dich mit Eichenlaub geſchmückt,
Mit freudigem Laut
Ein Krönlein dir aufs ſchwarze Haar gedrückt,
Wie einer Braut.
Von Wicken blau, Liguſter, wildem Mohn
Der Kronenreif,
| And niederhängend von der duftigen Kron'
Ein Eichlaubſchweif.
Weit klingt der Wald von ſüßer Lieder Reim
Aus Mädchenmund,
And ſingend ſo geleiten ſie dich heim,
Dich, Kunigund! f
Einer Jugendgeſpielin
Meiner andern Seele in der Ferne,
Meiner Hälfte, die einſt fuhr von hinnen,
Deren ich mich dunkel kann entſinnen,
Die ich wiederſehen möcht' ſo gerne,
Meiner Hälfte, die von gleichem Kerne,
Meine Lieder gelten und mein Minnen. —
Werden je dereinſt zuſammenrinnen
Sie, die Bahnen unſrer Doppelſterne?
Bleiben wohl der Einſtgetrennten Kreiſe
Ewig ſtets in gleicher Fernung ſtehn?
Nähern niemals ſich der beiden Gleiſe?
Ihre Einung, wird ſie nie geſchehn?
Oder wird nach Doppelſternenweiſe
Eins ins andre fallen und zergehn?
Am Fenſterbrett
Ob am Fenſterbrett wir Nelken ſtehn,
Friſche Luft und Morgentau zu ſaugen,
Oder braun und blaue Mädchenaugen
Durch die Scheiben auf die Gaſſe ſpähn —
Ob am Fenſterbrett wir Nelken blühn,
Voll entſtrömend unſre Duftgeſänge,
Oder ob der Spinnerinnen Klänge
Süß und klangvoll durch die Nacht verglühn —
Weſſen Geiſt als Wunderflocken auch
Ans verſtreute auf die Erdenhügel:
Flocken ſind wir von dem gleichen Flügel,
Stimmen ſind wir von dem gleichen Hauch.
Holderbaum
Was kündet dir von ihrem Baum Frau Holle?
Das reinſte Glück hängt an der Heimatſcholle.
Aus dieſem Baume ſprechen deine Ahnen,
Sie wollen dich zum Bleiben hier gemahnen.
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Dies Vaterhaus, von Holder überſponnen,
Wird bergen dir den reichſten Liebesbronnen.
Dies niedre Dach, verhängt von Blütendolden,
Gerät dir wohl zu einer Halle golden.
Denn nicht die Arbeit birgt ſich drin von heute,
Auch des Vergangnen ferne Siegesbeute.
Es hauſt ein Ahnherr drin, ein grauer Alter,
Es wohnen Geiſter drin als Hausverwalter.
Was das Geſchlecht zuſammen ſich gewoben,
Dir, ihrem Enkel, iſt es aufgehoben.
Röslein und Sternlein
Nur ein Röslein fand ich in dem Graſe
Auf dem Pfade durch den Wald gewunden,
Wie der Seher auf der Himmelsſtraße
Irgendeine Wunderwelt gefunden.
And doch biſt du Stern der Waldesgaſſen
Wie du Röslein in den Himmelsbreiten
Nur ein Einen und Zuſammenfaſſen
Angezählter Weltenſeligkeiten.
Aber ſchmerzhaft zuckt mir's nach dem Innern,
And das Herz will's mir zuſammenpreſſen,
Daß von beiden nur ein kurz Erinnern
Aberbleiben ſoll vor dem Vergeſſen.
Blumenevangelium
Wie der Weiſe in der Schrift
Grauer Tempeltrümmer,
Leſ' ich in der Waldestrift
And im Blumenflimmer
Längſtvergangnen Haß und Fluch,
Längſtvergangnes Lieben;
Alles in dem Blumenbuch
Sorgſam aufgeſchrieben.
Kehr' ich von dem Grabgefild,
Klagen und Beweinen,
Leſ' ich Worte tröſtlich mild,
Worte vom Vereinen.
Sel'ge Worte, rot wie Gold,
Stehn auf grünem Grunde,
Künden mir ſo wunderhold
Von erneutem Bunde.
Wenn vom Streit des Lebens matt
Oftmals ſtill ich ſtehe,
Erdenmüde, lebensſatt
Mich im Wald ergehe,
Schauen mich ſo tröſtend an
Freundliche Geſtirne,
Fragen, was man mir getan,
Und warum ich zürne?
And wohin er tritt, mein Fuß,
Auf der Flur, der weiten,
Hör' ich fernen Liebesgruß
Aus vergangnen Zeiten;
And wohin mein Auge fällt,
Seh' ich Fahnen ſchweben,
Grüne Botſchaft aller Welt
Von dem Schuldvergeben.
Alles ſtehet ahnend ſtill
Vor der neuen Lehre,
Was der Geiſt noch ſchaffen will
Zu des Schöpfers Ehre;
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Alles ſtehet ahnend ſtumm,
Alles will ſich freuen
Auf das Evangelium
In der Welt, der neuen.
Hyazinthe
Zwieſprache möcht' ich mit dir pflegen,
Du liebes, frommes Wunderkind,
Von deines Atems mildem Segen
Fühl' ich den Hauch ſo lieb und lind.
Doch ob der ſchöne Mund auch offen,
Schließt doch die Lippe ſich nicht zu;
Ich kann auf keine Antwort hoffen,
Ich müßt' ein Kind ſein ſo wie du.
Orchis
Waren's Blumen mit den wunderbaren,
Silberhellen kleinen Flügelpaaren,
Oder waren's, fragt’ ich, Blumenengel,
Hingeheftet an die Blütenſtengel?
Waren's Blumen, die beim Mondenſchimmer
Mir mit Duft erfüllt mein kleines Zimmer?
Oder hatten durch die Nacht geklungen
Traumhaft ſüße Aberlieferungen?
Huldigung
Sei gegrüßet jedes Schönheitsbild,
Das entgegentritt mir im Gefild,
Denn es ſchafft in meinem Innern Einung,
Wandelt die Gedanken oft ſo wild
In verklärte Schweftern himmliſch mild.
Drum iſt ewig meines Herzens Meinung:
Sei willkommen jede Lichterſcheinung!
Blüten
Jungfräulich weiße Blütenſterne,
Sich ihrer Reinheit ſtolz bewußt,
Wo zöge ſie nicht gar ſo gerne
Der Erdenſohn an ſeine Bruſt.
Geheimnisvoll erſchloſſ'ner Kelche
Jungfräulich ſüßer Liebesmund;
Der Lippe Beben tut jedwelche
Traumlichtung ihrer Seele kund.
Frage
Sage mir, ewiges Licht:
Iſt nicht
Jegliche Blüte
Eine zur Wiedererſcheinung gelangte urewige Mythe?
Jegliche Rofe
Eines verachteten Dornſtrauchs Apotheoſe?
Entſühnendes Grünen
Denn weil nun alles, was da grünet,
Iſt von dem Erdenfluch entſühnet,
So weint die Föhre Freudezähren
Ob des Erlöſers Wiederkehren,
Und jubelnd grüßen in dem Wald
Ihn tauſend Sänger alſobald.
Die grünen Blättlein auf der Halde,
Das Frühlingslaub im Birkenwalde
Verkünden dir auf Schritt und Tritt,
Daß die und jene Schuld ſei quitt;
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Und wenn im Sommer fie in fattern
Und üppigeren Farben flattern,
Iſt jedes Blatt an Quittungsſtatt
Ein durchgeſtrichnes Schuldbuchblatt.
Weißt du, warum im hohen Norden
An ſeinen felſigen Fjorden,
Auf ſeinen Bergen, ſeinen hehren,
Nur Tannen wachſen und nur Föhren?
Allwo der Sommer iſt ſo kurz
Als wie des Murmelbaches Sturz,
Da muß das ganze Jahr was grünen,
Daß ſtill nicht ſtehe das Entſühnen.
Blumen auf einem Wieſenpfad
Wondrer, ſtehe! Kennt dein harter Sinn
Kein Erbarmen mit den holden Kleinen?
Blicke tiefer in ihr Auge hin,
And die ihren blicken in die deinen.
And iſt nicht dein Fuß wie feſtgebannt,
Wenn ſich bittend ihre Häupter regen?
Wandrer, ſtehe! Dies iſt heil'ges Land!
Wandrer, kehre! Geh auf andern Wegen!
Im Tannwald
Anheimlich hört ſich an im Wald das Knarren
Der Tannen, die, von andern überhangen,
Hinauf zum grauen Abendhimmel ſtarren.
So ſtört in Nächten oft, in kummerbangen,
Der Schlafende den andern durch ein Schnarren
And ſeltſam Rufen, wirr im Traum begangen.
.
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Einſames Blümlein
Die ſchönen Blumen ſind abgemäht,
Ein einſam Blümlein noch drüben ſteht,
Es iſt eine Nelke,
Faſt welke.
Die Lieder blumen im Herzen fort. —
Ach freilich, es ſtehet noch eine dort,
Doch dieſe, ich kann's nicht faſſen,
Iſt im Erblaſſen.
Schmerzloſes Scheiden
Was wandelſt du, ſo oft die Blätter fallen,
So gern und freudig nach des Waldes Hallen,
Am ſüßen Troſt zu ſuchen in dem Haine,
Daß künftig dir das Sterben leichter ſcheine.
Sieh an der Blättlein ſonnigen Gebärden,
Daß ſüß es ſei zu ſcheiden von der Erden;
Am Blattabfallen und am Laubentwehen,
Wie leicht es doch ums Sterben ſei geſchehen.
Letzter Oktoberſtrahl
Letzter Oktoberſtrahl;
Weithin das Wieſental
Reifüberſponnen
Von Silberſonnen.
Alles ſo leer,
Nirgends ein Blümlein mehr,
Einzig die Lilienroſen
Der Herbſtzeitloſen.
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Regen im Walde
Tiefdunkler wird's im Wald und abendtrüber,
Der Himmel fpannt ſich wolkenſchwer ihm über.
An trüber Rinnfal dort, am Bach, dem raſchen,
Die Blümlein ſtehn ſo farblos und verwaſchen.
Auf engem Waldpfad, düſter und geſchloſſen,
Ein Dämmerfalter flattert auf verdroſſen.
Vorüber hier mit leiſem Flügelſchlage,
Ein großer Vogel huſcht ſo ſcheu und zage,
Weil ſchnöd von Licht und Sonnenſchein verlaſſen
Das Leben hier im Wald, dem regennaſſen.
Schmetterling und Spinne
Der Schmetterling, der auf dem Rofenblatt
So wonnig wiegt die Pfauenaugenflügel,
Iſt's nicht der Engel in der heil' gen Stadt
Am Gottesthrone und am Zionshügel?
Das Giftinſekt der Spinne, oft ſo leicht
Im Heiligtum der Nelken und Violen, a
Iſt's nicht der Satan, der ſo oftmals ſchleicht
Der heil' gen Gottesſtadt entlang verſtohlen?
Die Roſe
Was kein Aug' geſehen hat
And kein Ohr gehöret,
Von der ew'gen Gottesſtadt
Mich der Geiſt belehret:
An der Noſ' im kleinen
Sieheſt du der Engel Chor
Vor dem Herrn erſcheinen.
Dieſe Fäden, die ſo klar
Hier den Kern umgeben,
Sind der Seraphinen Schar,
Die den Thron umſchweben.
And ſtatt deren Lobgeſang
Nimm der Düfte Lieder,
Gleich iſt ihrer Seelen Drang,
Nur nicht ihr Gefieder.
Sieh, und wie am Außenrand
Blätter roſenfarben:
Heil'ge ſind's vom Erdenland,
Die im Glauben ſtarben.
Die umſtehn den ſel'gen Kreis
Mit getroſtem Mute,
Eingetaucht die Kleider weiß
In des Lammes Blute.
Glaubensſymbole
Der Chriſtusglaube gleich der Noſe ſteht
In reiner, ſtiller Gottesmajeſtät.
Doch wer ſie ſcheut, die Dornen ſcharfer Pflicht,
Der nahe dieſer Wunderblume nicht.
O Tulpe, du! O du Kalifenbraut!
Im Kleid des Iſlam dich mein Auge ſchaut,
Voll wilder Glut und voll von Farbenpracht,
And märchenduftig wie die Mondesnacht.
15 Pilger, ſpricht er, ſchau empor!
61
Und der Brahmine fit am See und finnt, -
Schaut ſtundenlang, indes die Zeit verrinnt,
Der Lotosblume Gottesangeſicht
In ſüßen Träumen, und ergründet's nicht.
And Volk aus Zion, wie ſtellſt du dich dar?
O unvergänglich und unwandelbar,
And unverwelklich wie der bleiche Strauß
Der Immortellen auf des Grabes Haus.
Waldesglocken
Laſſet euch künden:
Es ſoll verſchwinden
Die Qual der Erde,
Daß Friede werde.
Was ſteht ihr da, ihr Glöcklein ohne Klang,
Den Eichenbüſchen und dem Weg entlang?
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Dem Weg entlang am duft'gen Waldesrand,
Taubſtummen Töchtern gleich im Kirchenſtand?
Wir läuteten vorzeiten ſpät und bald
Den Abend und den Morgen an im Wald,
Wir hatten einſt ein klangvoll feines Ohr,
Da kam der Menſch mit ſeiner Sorgen Chor;
Wir läuteten einſt über Berg und Tal,
Da brach der Menſch herein mit ſeiner Qual,
Da flehten wir vor Gottes Heiligtum:
Ach Gott im Himmel! Mach uns taub und ſtumm!
Mach Ohr und Zunge vorher nicht mehr frei,
Bis Friede wieder auf der Erde ſei.
62
So ſtehen wir und warten immerdar,
So ſtehen wir und warten Jahr für Jahr;
Auch halten wir die Himmelsfarbe treu,
And Jahr für Jahr wird unſer Glaube neu:
Daß wir zuſammenläuten im Verein,
Wenn einſt der Himmel wird auf Erden ſein.
Ein Sonntagskind muß läuten uns, und dann
Iſt abgewendet wohl von uns der Bann,
Dann läuten wir, wie einſt, ſo nah und fern
Den großen Sonntag an, den Tag des Herrn.
Zuviel
Zuviel der Grüße ſind's, die mir begegnen,
Der Blüten, die auf mich herniederregnen.
Zuviel der Rufe ſind's, die um mich ſchallen
Bei meinem Luſtgang durch die Waldeshallen.
Zuviel des Sanges iſt's, den zu erwidern
Ich nicht vermag in meinen Frühlingsliedern.
Zuviel der Strahlen ſind's, zuviel der Sonnen,
Der Wunderblumen und der Wunderbronnen;
Zuviel des Schönen, das ich nicht kann faſſen
And traurig nur muß wieder ſchwinden laſſen.
Armſelige Menſchenſprache
Armſel'ge Menſchenſprache! Hart, verdorrt,
Die für die vielen Düfte hat kein Wort,
Für die Gerüche all auf weiter Flur
Hat keinen Namen, keine Klangfigur.
63
Wie anders iſt's auf ſel'ger Sterne Bord,
Wo Sprache iſt der heil'ge Duftakkord,
Den Weſen all in dieſem Lichtazur
Das Wort nicht fehlt, das duftentfloſſ'ne nur.
Geweihete Nächte
Wenn iſt verglommen der Tag und leiſe mit ſchattenden
Schwingen
Niedergeſenkt ſich die Nacht, ſüß dunkelnd, erwachen der
Düfte
Geiſtlein in der Viol' und erfüllen mit Hymnen die Nacht⸗
luft;
Duftlied, ſel'ges, entſtrömt weißſchimmernder Orchis. Ge-
heim bleibt
Alltagsmenſchen ihr Sang wie Klügelnden. Hirten des
Felds nur,
Sonntagskindern allein, frommgläubigen, wird ſie, die Bot⸗
ſchaft.
Wirkung des Weins
Purpurne Gluten des Weins! Ihr einet die Geiſter. In
f Eintracht
Sitzen der Feind und der Freund traulich beim fröh⸗
lichen Mahl.
Purpurne Gluten des Weins! Ihr trennet die Geiſter.
Gemeines
Sondert als Schlacke ſich, rein fließet das edle Metall.
Bachnymphen
Dreie der Nymphen des Bachs, in Blumen verwandelt, —
wer kennte
Dich, o Gerania, nicht, dich Purpurmägdlein und Hild⸗
haar? —
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Niefen den Sänger dereinſt zum Richter: Welche die
Schönſte?
And er erkannte den Preis dem gefälligen, freundlichen
Hildhaar.
Dankbar lohnt ſie mit Duft, ſüßwonnigem, jeden der
Menſchen;
Weiß ſie doch nimmer den Mann, der einſt ſie bekrönte
als Nymphe.
Aber mir ſelber, der dir als Sänger in heiliger Vorzeit
Reichte den köſtlichen Preis, mir lebt noch fort in Er—
inn'rung
Kunde des früheren Seins, und Kunde des göttlichen
Amtes.
Aufblitzt, Schöne, dir nie, wenn Dank du haucheſt im
Duftlied,
Auch die Erinnerung des, der einſtmals reichte den Kranz dir?
Wer bemißt es
Anſcheinbare Geſtalt. Wer mag draus bemeſſen des Innern
Schönheitsentfaltung, des Geiſts Hochflug? — O ſieh, wie
der ſchwarzgrau
Häßlichen Zwiebel entſproßt ſchön göttlich ein Hyakinthos!
Jäterinnen im Garten
Jätende Frauen ich hatte im Garten, und ſiehe, ein
Spinnlein,
Mühſam Eier im Sack nachſchleppend, ängſtlich davonfloh.
Daß du nicht es zertrittſt, o Jäterin! — Biſt du doch ſelbſt
auch
Mutter, gerade wie dies mißachtete, häßliche Spinnlein.
Schon' es, daß nicht ein Gott auch ſelber zertrete ein
Kind dir!
Wagner, Geſammelte Dichtungen 5
65
Traurige Wandlung
Jige, du Prächtige! Dir alleinzig zuliebe entwandl' ich
Heute dem ſchattigen Heim, und lenke zur graſ'gen, zerfallnen
Weinbergmauer den Schritt. Denn heiliger als dort auf
Gräbern
Rofe mir ſprießet und Nelke, biſt du mir, Blume der
. ſchönſten
Jugenderinnerung, die verwachſen mit dir iſt. Verwachſen,
Ilge, wie ſelbſt du dem Hag wildſproſſender Kirſche. —
Hier will ich
Andacht halten mit mir. Zwieſprache pflegen mit meiner
Kindheit wieder, ich Greis. — Ha! Dort das Geftäffel
herauf ſeh'
Selbſt ich, wieder ein Kind, mich wandeln zur Seite der
Mutter.
Fröhlicher Knabe, der du nicht ahneſt die traurige Wand⸗
lung,
8 und laß dich beſchaun! Zu Tränen rührt mich dein
Anblick!
Mein Herbſt
Herbſt! Wann iſt er in mir? Freund, wiſſ' es: Wenn die
Erinn' rung
Ab iſt geſuchet, mein Geiſt darbt in der vollen Natur.
Schaufle das Grab mir ſodann, und ermahn' mich zum
eiligen Fortgehn,
Wenn mein Auge nicht mehr funkelt bei Schönheit und
Licht
Vergebliches Rückerinnern
Nordlandsbirken zu drei'n ſtehn dort auf ſumpfigem Heid⸗
land,
Nahe dem Afer des Sees. Am riſſigen Stamme der höchſten
66
rr . m A e.
Fr Lehn“ ich und lauſch' ich, und ſinn' verklungenen Stimmen
der Fernzeit
Dort aus der Ewigkeit nach. Denn bin ich nicht ſelber bei
vielem 5
Einſt ſchon geweſen und weckt melodiſches Blättergeſäuſel
Nicht die Erinnerung mir? — Ach freilich! Dunkel ent-
ſinn' ich
Mich der vergangenen Zeit, doch ſchwindelt das Hirn mir.
rr a Bi 5
R Sa
* 75 1 74 Y
| Verzichtend
Raff ich empor mich. Zu ſchwer, Allwdiſſender, iſt mir
der Faden. N
Lärche und Birke
Schweſterlich ſtehn ſie geſellt im Park dort, Lärche und
irke; f
Jene des hohen Gebirgs breitſchultrige Tochter, und dieſe
Höheren Wuchſes und ſchlank mit ſchneeweiß ſchimmerndem
Baumleib.
. Aber gemeinſam iſt wohl allbeiden des fließenden Haupt—
| haars
Niederhängend Geflecht, jungfräulich ewig und lenzfroh.
Tollkirſche
Wo ſie gerodet unlängſt den Hochwald — bleichende Wurzeln
Deuten die Stätten des Mords — da ſproſſen verlockend
nun ſchwarze
Glänzende Beeren hervor, einladend zu tödlichem Naſchen
Sie, die Mörder, ſodann, als Rächerin pflanzlichen Lebens.
Wahr und ewig gerecht Natur iſt: Tödlicher Wahnſinn
3 War's, zu tilgen den Wald. — Tollkirſche richtet die Tollheit.
5*
67
Mein Sang
Nicht an der Kanna berauſcht mein Geiſt ſich zu Liedern,
noch an des
Kaktus flammender Pracht, noch Palme des Südens. In
kleine
Veilchen dort im Geheg, Waldlilien und Anemonen
Webt die Erinnerung gern farbglühende Bilder der Einſtzeit.
Hier auf heiligem Grund einheimiſcher Fluren da wurzelt
Einzig die ſelige Kraft. — Nicht auswärts treibt ſie in
Blüten.
Chriſtröslein
Weißdorn, knorriger du, am Parktor, jeglicher Feſtzeit
8 9 du Blumen und Schmuck. Im Oſtern bietet das
Veilchen
Hier e Gruß. Zur Pfingſtzeit ſteheſt du ſelbſt wohl
Schön in roſiger Pracht. — Doch nüchterner werden die Tage,
Wochen und Monde des Jahrs, und ſchmucklos, wenn der
Advent dich
Antritt, ſteheſt du da. — Doch Weihnacht beut dir erneuten,
Lenzgleich ſchimmernden Schmuck. Chriſtröslein ſind es,
die einz' gen
Blühenden Sterne der Flur auf weithin verſchneietem Erdreich.
Friedvoll ſtehen ſie hier in beſchützender Zweige Amarmung.
Tannglöcklein
Vom Chriſtkindchen erbat Tannbäumlein ſich blühende
Zweige.
Biſt du nicht höher geſchätzt als alle die andern? So
ſprach das
Göttliche Kindlein. Jedoch weil lieber mir ſelbſt du als alle
Anderen Bäume im Wald, ſo mögen erſprießen in deinem
68
Schatten die Glöcklein des Tanns, Pflegſöhnlein, liebliche,
ſchöne! —
And es geſchah nach dem Wort: Tannglöcklein ſchmücket
den Tanngrund
Aber den Sommer, dem Baum ſo kürzend die Zeit der
Erwartung;
Denn wenn wiederum iſt Sonnwendnacht, ſtrahlt er im
Lichtglanz.
Schön, ſchöner, am ſchönſten
Schön wohl iſt es im Lenz, wenn weithin im ſonnigen Walde
Die Anemonen erblühn, noch ſchöner im Herbſt, wenn die Nelke
RNoſengewölke geſenkt ringsum auf Grasflur und Lichtung.
Aber die wonnigſte Zeit und Feſttagswoche des Jahres
Sit, wenn die Rofe erglüht am ſonnigen Rain und am Feldhag,
And wie ein Liebchen mich grüßt, großaugig, herüber vom
Waldſaum.
Wegfackeln
Grad' als flammte ein Buſch hellauf, und Rufe des Weltgeiſts
Tönten den Ather entlang, unhörbar anderen, aber
Mir vernehmlich erklang's vom feurigen Buſch her: Nicht lieb' ich
Steinerne Häuſer, o Menſch! Auf blühenden Fluren und unter
Grünenden Birken im Hain, und im Hochwaldſchatten der
Buchen
Ehr' inskünftig er mich. Du, künd' es den Sterblichen! Ziehe
Aus die Schuhe ſofort, denn hier iſt geheiligter Boden! —
Labkraut flammte am Dorn als feuriger Buſch mir. Am
f Weg dort
Strahlte der Leuchter der Nacht fünfarmig mit blendenden
Kerzen,
Auch ein Johanniskraut war' 8, Wegfackel ſomm' riger Nächte. —
Drunten im Tale doch lag in geruhigem Schlummer mein
Dörflein.
69
Ein ſeliges Bild
Tiefſchwarz hebt ſich der Wald dort drüben vom bleichen
Gefilde
Reifender Gerſte, des Korns und des Roggens rauchender
Halmflur,
Von der Luzerne Geländ, grünwogend längshin des Feldwegs.
Falter in ſchimmerndem Kleid entſchweben den bläulichen
Blüten,
Langſam, feierlich ſtumm, hinauf ſich ſehnend zum Ather.
„Ihr in Kleidern wie Schnee, und ledig der Schwere, o ſagt mir:
Seid Verklärete ihr, und tragt ihr der Sel'gen Gewandung?“
Frühherbſt
Ale nach Oſten den Blick, wie betende Pilger, ſo ſtehen
Wegwartblumen am Weg. — Nicht ſtör' aus ſeliger Andacht
Auf fie, Wanderer; laß neugieriges Fragen und Anſchaun!
Still geh' weiter des Wegs und dränge ſie ja nicht zur Antwort!
Heimat
Bietet die heimiſche Flur nicht genug mir der Reize, und
birget
Nicht die germaniſche Au, was Hellas dem griechiſchen
Sänger
Barg in den Tagen, da noch durchtränkt es von göttlichen
Mythen?
Kann ich bevölkern nicht ſelbſt mit tauſend bunten Geſtalten
Wälder und Auen, den Bach anfüllen mit Nymphen,
Najaden?
Redet die Blume, der Baum nicht alsbald, wenn ich fie
frage?
Iſt fie, die rieſelnde Glems, nicht Peneus, ſilberner, jetzt mir,
Dort das idylliſche Tal nicht auch ein idylliſches Tempe?
70
3
ö
7
4
|
Hebt ein Olympos, ein dicht von Eichen befchatteter, nicht ſich
Aber die Wipfel des Walds, Wohnſtätte des Wolken—
verſammlers?
Göttlich heimiſche Flur, nicht miſſ' ich Theſſaliens Gefilde!
Jugend im Alter
Wie auch ſpät noch im Herbſt um wetterzerfreſſenen Zaunpfahl
Windenblume ſich ſchlingt mit weißem Lilienkelche,
And das Geranium lugt aus halbentlaubtem Gehege,
So auch frage du nichts nach der Borke herbſtlicher Jahre,
Farbige Blüten dir web' auch ins entblätterte Alter.
Letzter Wunſch
Nun ich beendet mein Werk und beſungen im Liede das letzte
Blümlein, ſonnig verklärt Kampanulawieſe und Waldſaum,
. Feldrain, roſiges Hag und die Steilwand der Pulſatilla,
Sehnet mein Geiſt ſich zur Ruh’, und nichts ſonſt wünſch' ich,
| als ſelbſt mich
Anentwürdigt und rein hinüber zu retten ins ſchöne
Land der Gefreiten und nicht einbüßen die Krone des Siegers.
ü Auf der Steige
Sonntagabend iſt's, ſpät. — Nur hie und da noch ein
Lichtlein 2
Drinnen im Dorfe, und horch: Ruft nicht der Wächter ſein
Zehnuhr
Schon in den Gaſſen, den leer weithallenden? — Oben im
Eichwald
Aber der Steige ertönt ſüßſchmerzlich ein Lied noch. Des Dorfes
Jungfraun ſind es, die dort luſtwandeln am Arme des Jünglings
Nieder die Steige; und horch: Der Ziehharmonika ſüße
71
Schmelzende Töne, fo tief und langhingezogen, erfüllen
Weithin die tauige Nacht. — In bläulich ſilbernem Lichtglanz
Steht am Himmel der Mond und rings um ihn tauſend
der Sternlein.
Freundliches Dörflein
Freundliches Dörflein allhier am ſtrudelnden Bache, geſegnet
Biſt mit den Nelken du doch, den gefüllten. Jegliches Fenſter
Zeiget von Blumen ein Brett. Wo alſo das Schöne gehegt wird,
Fehlet der Segen auch nicht. And wahrlich, geſegnet mit ſchönen
Mägdlein biſt du, o Dorf. — Wo eins iſt, fehlt nicht das andre.
Auf dem Heimweg
Fort aus der Stadt, die hoch die Türme recket!
Schad' für das Silbertuch, das ſie umdecket!
Tief liegt der Schnee auf Pfad und Wegesfalten,
Doch keine Macht auf Erden ſoll mich halten!
Spießbürgerlich umfäht mich Erd' und Himmel,
Vom Markte her ein pöbelhaft Gewimmel.
Altvätriſch ſteif die Jungen gleich den Alten,
Beim ew'gen Gott: Es iſt nicht auszuhalten!
Kein Mädchen hier in voller Schönheit Prangen;
Hier iſt des Himmels Segen ausgegangen.
Der Birkenwald
Den Birkenwald in ſeiner Maienpracht |
Die böfen Menfchen haben umgebracht.
Den Birkenwald, der von der Steige Höhn
So freundlich auf das Dorf herabgeſehn, 5
72
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Den Birkenwald, in dem ſeit alter Zeit
Der Jüngling um die Jungfrau hat gefreit.
Der Birkenwald, von dem manch ſüßer Sang
Sonnabends in das Dorf herniederklang,
Der iſt nun nicht mehr. — Weidenröslein ſtehn
Als ſchmucke Bräutlein auf der Steige Höhn,
And was den Jüngling ſelig hier gemacht,
Hat ſich gewandelt nun in Rösleins Pracht.
Auf der Lichtung
Sommermittag auf dem Hochwald brütet,
Aber auf der Lichtung, treu behütet
Vom Geflechte dunkler Brombeerranken,
Wachen auf des Waldes Lichtgedanken.
Falter ſind es, die ſo farbenprächtig
Auf der Lichtung, ſonnig halb und nächtig,
Dieſe Brombeerblüten ſtill umbeben,
Purpurdiſteln geiſtergleich umſchweben.
Sagt mir an, ihr ſtillen Geiſterfalter
Auf der Lichtung: Wieviel Zeitenalter
Ihr im Banne laget bei den Toten,
Eh ihr wurdet ſolche Wunderboten?
Im Sommer
Auf roſigen Blütenähren
Da iſt ein wonnig Gewähren:
Buntſcheckige Falter nippen
An purpurnen Blumenlippen.
73
Wie anders bei Menſchen! Die müſſen
Stumm weiter und dürfen nicht grüßen,
Ob ihnen die Augen auch tauen
Beim traurigen Rückwärtsſchauen.
Dich, Wieſe
Dich, Wieſe, dich, Rain mit dem Noſenhag,
Dich lieb' ich immer bei Nacht und Tag!
Dich, Tannenwald aber, dich, Birkenhain,
Dich lieb' ich erſt bis ins Herz hinein!
Waldestöchter
Das ſind Waldestöchter, dieſe weißen
Feinen Leiber, die wir Birken heißen,
Mädchengleich in ſchlanke Form ſich zwängend,
Mädchenhaft die Flechten niederhängend.
Hört, was euch der Sänger wünſchen möchte,
Töchterſchar mit maiengrüner Flechte:
Wünſchen möcht' er, daß der Sommer nimmer
Bleichen möchte euren Maienſchimmer.
Das Blümlein Rührmichnichtan
Zum Walde wandl' ich, wo aus der Ruine
Der Klauſe ſprießt die wilde Balſamine.
Da grüßt mich fremd ein ſcheues, früchtegelbes
Rührmichnichtan aus Trümmern des Gewölbes.
Aus ihm heraus hör ich den Alten ſprechen:
„Rührt mich nicht an, Ihr Neuerer, ihr frechen!“
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„O rühret nicht an der Gelübde Feſſel!
Rührt uns nicht an!“ warnt dort die Waldesneſſel.
O ſtört uns nicht in. unſrer Totenhalle,
Laßt toben eure Welt hinab zum Falle!
Erſtanden nun als Blumen neu hienieden,
O ſtört uns nicht in unſrem Blumenfrieden!
Waldröslein
Das Eichenlaub glitzernd malen
Des Nachmittags Sonnenſtrahlen,
So wie verglaſete Ziegel
Oft glitzern im Mittagsſpiegel.
Lichtgrünes Dämmergefunkel a
Durchzittert des Waldes Dunkel, SE
Wie durch die Läden ins Zimmer
Hereinblitzt der Mittagsſchimmer.
Ein Meislein nur ſingt gar leiſe
Eintönig die alte Weiſe,
Wie in der Stube ſo ſtille
Großmutter lieſt die Poſtille.
Waldröslein ſtehen am Wege,
Wie Kinder auf Hauſes Stege,
Die ſitzen, ſpielen und lachen,
And müſſen das Haus bewachen,
Bis Vater kommt von den Reuten!,
i Beim Ave Maria:Läuten,
! Schwäbiſch: Baumäcker (Wagner).
75
76
Der gefällte Wald
Wo ſie den heil'gen Eichenwald gefällt,
Da ſtehen Stümpfe, ringsum Stock an Stock,
And Pilze ſind auf dem und jenem Block
Als irdne Tränenſchalen hingeſtellt.
And Tau und Regen füllt ſie ſpät und bald,
And wenn vorüber grimmes Wetter rollt,
Hier mehr als ſonſt des Donners Bannfluch grollt,
Hier mehr als ſonſt der Blitz durchzuckt den Wald.
Wie einen Kaiſer einſt ein altes Weib,
So hält geringes, unſcheinbares Moos
Mitleidig nun als Leichen in dem Schoß a
Der Wälderfürſten wunden Heldenleib.
Wie Sterbgeſtöhne tönt's aus dem Geäſt,
And da und dort ſchleicht einer ſtumm vorbei, i
And lauſcht des Regnens Trauermelodei, .
Und hört die Vöglein klagen aus dem Neſt.
Waldſilene
Grasſilenen, wo ich hin mich wende.
Klingt es nicht wie eine Mailegende,
Daß das Gras ſelbſt ſucht mit weißen Blüten
Seines Waldes Heiligtum zu hüten?
Mahnung iſt es, daß mit reinen Sinnen 1
Du betrachteſt dieſe Prieſterinnen 1
Weißgekleidet, daß nicht andre Liebe 3
Deiner Andacht hohe Inbrunſt trübe.
Mahnung iſt es, daß du nur mit Beten 8
Dieſes Waldes Tempel ſollſt betreten. 1
F777... I Aa RE le ĩᷣ / EEE Ze
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25 = i 74 n F ee Ra. Rt 1
VFC 0
Rofengärten
Nach den Roſengärten möcht' ich wallen,
Andachtsvoll in ihnen niederknien,
Lauſchen all den Roſenmelodien,
Die an meinem Geiſt vorüberhallen,
Lauſchen all den ſüßen Himmelsworten
Von den frommen Lippen der Madonnen,
Am geſättigt jo von Schönheitswonnen
Selig zu verlaſſen dieſe Pforten.
Victoria regia
Im Garten der Wilhelma in Cannſtatt
Aus des Südens Sonnenwelt, der heitern,
Laſſet heute, engen Blick zu weitern,
Her uns tragen auf des Wunſches Flügel,
Amazonas weite Waſſerſpiegel:
Auf die Lichtung fällt der Arwaldſchatten,
Auf die Fluten rings, die ſonnenſatten.
Mach ihn los, den Kahn, und faß ein Ruder,
Farbiger Genoſſe du und Bruder!
Nein, wir reiten auf der Blume Rücken,
Laß beſteigen uns die Roſenbrücken!
Sag, wann war es, daß auf gleicher Fähre
An wir legten an dem Palmenwehre?
And gelandet in den Ewigkeiten
Schon einmal an ſolchen Aferbreiten?
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78
—
Nilblume
Biſt der Lüfte Kind, als ob ein Knabe,
Dem des Himmels Düfte eingeſchenkt,
Blume dich mit ſeinem Duft getränkt,
Dich berührt mit ſeinem Engelsſtabe.
Biſt der Tiefe Kind, als ob ein naſſer
Perlenfiſcher mit dir aufgetaucht,
And von Muſchelſchimmer angehaucht
Dich heraufgeholt vom Grund der Waſſer.
Opuntia
Du Kaktus mit der aſchenfarbnen Hülle!
Wer ahnt in dir noch ſolche Wunderfülle?
Des Feuerherdes losgelaßne Gluten?
Der Purpurflammen Ineinanderfluten?
In dieſer ſtaub'gen Ode allerorten
Haſt du geöffnet deine Lavapforten,
Das Herzblut deines Innern auszugießen,
Das Blume wird bei ſeinem Aberfließen.
Winternacht
Kalt und ſtrahlend ſtehet Stern an Stern:
Fremde Augen und unſagbar fern;
Teilnahmslos und ohne Liebespflicht
Steht des Himmels Funkenangeſicht.
Schneien
Die Flur hat ſich die Augen trüb geweint;
Da ſtürmt die Wolkenſchweſter um die Ecke
And deckt ſie zu mit friſchgewaſchner Decke,
Stürmt wieder fort, da ſie ſie ſchlafend meint.
Dreien eee ere 5 AM 0 *
nd Mutter Sonne kommt und lacht und ſchilt:
Muß ich mein Kind ſo eingewickelt wiſſen?
4 And rückt hinweg von Decken und von Kiſſen,
5 In die der Wildfang es hat eingehüllt.
Ein Blumenſtrauß aus Florenz
1 Frohe Botſchaft, Blumengruß vom Lenze
3 Sendet mir das ſonnige Firenze.
| Grüße viel aus ſüdlich warmen Zonen
3 Rlichten aus mir dieſe Anemonen.
Sieh ſie an doch, Fromme: Wie ſie blauen
Tröſtlich her in dieſes Wintergrauen!
. Schau ſie an doch, Bleiche: Wie ſie leuchten
Mit den Strahlenhäuptern, mit den feuchten!
Ob die Botſchaft richtig wir verſtanden?
Auf, hinaus von dieſen Winterlanden!
1 Auf! Hinweg von dieſem Schneegetriebe
3 In das Land der Sonne und der Liebe!
Ob wir beide trotz der Jahre Wunden
Wieder neu und wieder voll geſunden.
Trüber Frühling
Noch liegt die Flur in ſtarrem Froſtverbande.
Tag ſchleicht an Tag in grauem Wartgewande
An ihrem Bett vorüber, um zu weinen,
Daß immer nicht der Frühling will erſcheinen,
Daß immer nicht der Lenz, der ſtrahlig holde,
Die bleichgewordne Wang' ihr übergolde.
79
Der Loſe ſucht für feines Kuſſes Strahlen
Nicht eine Braut mit dieſen Altersmalen;
Er liebt es nicht, zu ſcherzen und zu koſen
Mit dieſen Lippen, dieſen farbenloſen,
Nicht dieſen Sterbkranz, dieſen wintergrauen,
Nicht dieſes Leichenantlitz mag er ſchauen.
Warnung
Traue dem Winter noch nicht, vorwitziges Veilchen! O trau'
nicht,
Krokus, du Anemon', du Goldkind! Trau nicht, o Gelbſtern!
Denn noch gekleidet ſo warm in Pelzwerk ſteht Pulſatilla.
80
Seidelbaſt
Seh' ich's drüben in dem Hag, dem kahlen,
Leuchten nicht als wie von Roſenſtrahlen?
Rechts und links von edlem Schmuckgeſteine
Glitzern auf es in dem Winterhaine?
Sag, wem dankt er dieſe Wunderſpende?
Von dem Lenzgott künd' ich die Legende,
Wie er ließ aus lichter Wolkentüre
Niederfallen dieſe Edelſchnüre,
Anverhüllt von grünen Laubgardinen
Dieſe Paternoſter von Rubinen,
Für die Frömmſte, die in dieſen Buchen
Nach dem Oſterſtrauße würde ſuchen.
Primula veris
Jegliches Bächlein iſt Bach und geſchwollen von ſchmelzen—
dem Eiſe;
Kaum aus dem ſchmutzigen Weiß hebt ſich der bräun-
liche Grund
Offener Wieſe. — Gegrüßt, Lenzſchlüſſelchen, Primula veris!
Hoffnung erweckeſt du mir neu in verwinterter Bruſt.
Der Kuckuck
Ein Wegbereiter iſt's und ein Herald,
Der jährlich ruft ſein „Kuckuck!“ durch den Wald.
Und unerkannt, wie einſt Johannes auch
In Einſamkeit gelebt nach Seherbrauch,
In ſchlichtem Kleid, bei Hitze und bei Froſt,
Gering ſich nährend mit Prophetenkoſt,
And kinderlos und frei und ohne Heim,
Daß er vergeſſe nicht der Sendung Reim:
Der Lenz ift da! Vorbei des Winters Druck!
Der Lenz iſt da! Der Lenz iſt da! Kuckuck!
Der Lenz iſt da! Verſchwunden iſt die Qual.
Sieh, zehnfach hallt's das Echo durch das Tal,
And durch den Wald, der prangt im Feſttagsſchmuck,
Ruft's immer freud'ger wieder fein „Kuckuck!“
Und immer wieder hallt's wie Jubelſchrei:
Das Himmelreich iſt nah! O kommt herbei!
Das Himmelreich iſt nah, iſt aufgetan,
And ſelig abwärts neigt ſich meine Bahn.
Wagner, Geſammelte Dichtungen 6
81
Doch ging auch unter fie in Schmerz und Blut,
Iſt freudig doch und ſelig mir zumut:
Mit eignen Augen hab' ich doch geſehn
Den Friedensfürſten hier vorübergehn,
And an des Silberbachs bebüſchtem Lauf
Zwei weiße Tauben flattern vor ihm auf.
Die Störche
Mutter, die Störche find da! — So jubeln herein in die Stube
Heute die Kinder, es ſteht dampfend das Eſſen bereit.
Kaum ſie es achten; es iſt ein jegliches ſatt von der Botſchaft:
Da ſind die Störche! Hinab poltert's der Kirche nun zu.
Bohnenliedlein
Haft ſchon lang geſpielt, gehitzt!,
Mägdlein auf den Gaſſen,
Mit den Bohnen, blutgeritzt,
Magſt's nun bleiben laſſen!
Leg' ſie in die Erde ein!
Darfſt ſie ja nicht hüten.
Laß dem Frühlingsſonnenſchein,
Sie heraus zu brüten!
Mägdlein, leg' ſie freudig ein,
Dieſe Feuerbohnen!
Scharlachrote Vögelein
Werden es dir lohnen.
Scharlachrote Vögelein
Werden aus bald ſchlüpfen
And beim Sommerſonnenſchein
Auf die Ranken hüpfen.
1 Kinderſpiel: Bohnen auf eine Vertiefung zuſtoßen.
82
Ua
Drei Wieſenblumen
Dort auf dem Wieschen
Iſt Tanzplatz frei,
Und 's Gänſelieschen
Iſt auch dabei.
Wieſenbocksbärtchen
Schaut ſie ſo an:
Dem Schneidermärtchen
Iſt's angetan.
Die Dotterblume
Steht nebendrin; |
Der böſen Muhme 2
Iſt's nicht nach Sinn. a
Begegnungen
er iſt dem Sänger begegnet
Auf ſeinem Huldigungsgang,
Da er durchwandelt, geſegnet,
Die Fluren ſo wegentlang?
Die lichten Nelken, die trauten,
Grüßten aus jedem Geheg,
Als weiße Jungfrauen ſchauten
Wartend entlang ſie den Weg.
Des Schlehdorns wehrhafte Glieder
Standen ſo da als Spalier,
Und Kammerherrn hin und wieder
Mit goldnem Schlüſſel zur Zier.
And frohe lichtgrüne Fahnen
Hängten die Buchen heut aus,
And auf der Nachbarn Mahnen
Schmückte ſelbſt Eiche ihr Haus.
6*
83
84
Und Birken als friſche Maien,
Und Kuckuck als ein Herald,
And Falter als Hoflakaien
Begrüßten ihn vor dem Wald.
Waldgottesdienſt
Ihr ſchmucken Veilchen in dem Wald der Eichen,
Ihr Anemonenkinder all', ihr bleichen!
Ihr ſteht ſo ſtill in dieſen Kirchenbänken,
Euch in die heutige Predigt zu verſenken.
Du Tannwald droben mit dem Sängerchore
Auf ſteiler Höhe, wie auf der Empore,
Biſt mit den Säulenreihn, den ſilbergrauen,
Wie eine Rieſenorgel anzuſchauen.
And wenn die Winde durch die Wipfel ſauſen,
Vollſtimmig wuchtig die Choräle brauſen,
Dann ſchmettern durch des Baſſes dumpf Gedröhne
Der Amſel, Droſſel ſüße Flötentöne.
And wo die Kirchengänger ſtehn zu Haufen,
Die Gänge hier in eins zuſammenlaufen,
Da ragen hoch, vereint zu heil'gem Paare,
Zwei Eichenſtümpfe: Taufſtein mit Altare.
Vom Tannendickicht tönt's wie leiſes Beten:
Aus ſeiner Sakriſtei wird er jetzt treten,
Der Prieſter, wenn verklungen iſt das Karmen,
Mit Bibel und Gebetbuch in den Armen.
Schnee-, Mai: und Blauglöcklein
Schneeglöckchen drüben am Wieſenſaum,
Das läutet zum erſten, man hört es kaum.
Maiglöckchen drunten im Waldestal,
Das läutet dem Sommer zum andernmal.
Blauglöckchen droben am Bergesrain,
Das läutet den Sommer zuſammen ein.
Im Dreiklang von oben, von nah und fern:
Das iſt wahrhaftig der Tag des Herrn!
Blühender Kirſchbaum
Angezählte frohe Hochzeitsgäſte,
Groß' und kleine, einfach' und betreßte,
Herrn und Frauen, Edelfräulein, Ritter,
Angezählte Väter wohl und Mütter,
Angezählte Kinder, Großmatronen,
Jägerinnen viel und Amazonen,
Freche Dirnen wohl mit Ernſten, Frommen
Auf dem Edelhof zuſammenkommen.
Angezählte bräutlich ſchöne Zimmer,
Da und dort wohl mädchenhafter Flimmer,
Angezählte roſige Hochzeitsbetten
And daneben heimlich traute Stätten,
Rofenfarbig ausgeſchlagne Stübchen
Für die Harfnerinnen und Schönliebchen,
Ungezählte Schalen mit Getränken,
Angezählte Köche wohl und Schenken,
Angemeßner Raum zu freiem Walten
In dem Hochzeitshauſe iſt enthalten.
Angezähltes Kommen oder Gehen,
Abſchiednehmen, Kehren, Wiederſehen,
Eſſen, Trinken, Tanzen, Liebesgrüßen,
Liebgewordenes Amarmenmüſſen;
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86
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Fi 7 88 rg Aa
Angezähltes inniges Umfaffen,
Götterfreies Sichgewährenlaſſen;
Angezähltes Leid- und Selbſtvergeſſen
In dem luft'gen Saale — währenddeſſen
Angezählte ſelige Minuten
An dem Freudenheim vorüberfluten.
Maiblume
Muß nicht der Herr gewißlich wandeln gehn,
Gewißlich wandeln gehn in dieſen Tagen?
Ja oder wird vielleicht vorbeigetragen
Sein heil'ger Leib allhier mir ungeſehn?
Muß eine heil'ge Feſtzeit es nicht ſein,
Wo unſichtbar an allen Waldesenden
Chorknaben knien, Maiglöcklein in den Händen,
Im grünen Laubwerk ſeiner Säulenreihn?
Im Waldesdome wird jetzt nah und fern
In tauſend Sprachen, millionen Zungen
Ein tauſendſtimmiger Lobgeſang geſungen
Und ausgeſprochen oft der Nam’ des Herrn.
And tönt ein Gottesname durch den Dom,
So laſſen wir die Glöcklein hell erklingen!
And ſiehe nur, wie wir das Nauchfaß ſchwingen
Mit ſeines Weihrauchs lieblichſtem Arom.
Doch wenn der ſüße Wonnedienſt dahin
And anders wir nicht mehr zu leben wiſſen,
Sieh die damaſtnen grünen Ruhekiſſen,
Auf denen wir verſcheidend niederknien.
Syringenfonntag
O fiehft du nicht die Silberkelche hangen,
Das Pfingſtenwehen in ſich aufzufangen.
Wer dürſtet, komm; wer will, der möge nehmen,
Wo alle Lebenskelche überſtrömen.
So will ich Armer nimmermehr mich ſäumen
Zu nahen freudig deinen Blütenbäumen,
i Ob ich, Syringen, eure Sprach’ verſtehe,
ö Der Pfingſtenſegen auf mich niederwehe.
Kartoffelfelgen
Auf, die Hacke zur Hand und lockert die engenden Schollen!
Ankraut ſchaffet beiſeit'!! — Neugierig ſchaun der Kartoffeln
Bläßliche Triebe verſchämt herein in den ſonnigen Maitag;
So wie Kinder im Spalt der halbgeöffneten Türe
Schämig gucken umher, ob niemand ſie ſehe im Hemdlein.
Hochſommer am Bach
Verſiegt der Bach. — Die ſchlammgetrübten Tümpel
Amſtehn des Schilfrohrs leichtbeſchwingte Wimpel,
And ſilbriggrüne Fahne ſteht an Fahne,
Durchbrochen licht wie Bahrtuchs Filigrane.
Dort Weideriche mit den dunkelroten
Feſtblumen trauernd an dem Bach, dem toten,
Denn von dem niedern Ufer ſchaun die welken
Jüngſt abgemähten ſchönen Waſſernelken.
87
Libellen ſchillernd fahren hin darüber,
Das gelblichgrüne Waſſer brütet Fieber;
Denn nebenan dem heil'gen Sommer bleichen
Der abgeſägten Pappeln ſchlanke Leichen.
Hochſommer im Walde
Brombeeren, blühende, drauf ein Falter mit goldenen Flügeln,
Leopardig gefleckt, ſich wiegend im Glanze des Mittags,
So hochſommerlich ſtill und ſchweigend ruhet der Wald rings.
Nur ein Mücklein ſumſt, und drüben auf ſteiniger Straße
Raffelt ein Wagen. — Vorbei. — Nun wieder die brütende
Stille.
* *
*
Weithin gelbliches Meer von gebleicheten Gräſern, dazwiſchen
Nieder Geſträuch und Gebüſch als der Birken freundlicher
Anflug,
Blendend beſtrahlet vom Licht hochſommerlich glühenden
Mittags.
Dicht am Wege wie ganz zum Lieben und Träumen ein
Waldhaus.
Hier gilt Stunde nicht mehr, unhörbar gleitet die Zeit hin.
Schönheit unverletzlich
Auszuraufen im Korn das üppig wuchernde Unkraut,
Wandelt' der Flur ich entlang. Von fern ſchon ſah ich
erglänzen
Blau von Zyanen und tief purpurn vom Mohne das Saatfeld.
Zwar mich betrübend darob, doch wonniglich ſchwelgend im
Anſchaun
88
Dieſer unfäglichen Pracht ftand ich: Nicht ſtör' ich den
Frieden,
Flur, hochgöttliche, dir, ſtets ſei mir heilig die Schönheit!
Nimmer verletz' ich ſie, gerne vermiſſ' ich die fehlenden
Garben! —
Sprach's und kehrete heim, ſtillfreudig und göttlich gehoben.
| Spätfommer
Auf ſonniger Halde
Im Walde
Betonica glühet,
And Heide blühet.
Blauglöcklein auch
Dort im Liguſterſtrauch;
Doch ſchon da drüben am Weiher
Herbſtliche Schleier.
An den Gärten hin
Noſig glühn
Aus dem Grün
Pfirſiche, dort nickt die Traube
Purpurn aus dem Rebenlaube.
Lieblich winkt,
Golden blinkt
Dort die Birne, hier die Quitte
Aus des dunklen Laubes Mitte.
Dunkelblau
And vom Tau
Noch befeuchtet liegt die Pflaume
Hingeſtreut am Wieſenſaume.
89
Septembernachmittag
Schon iſt entflohen die Schwalbe dem häuslichen Dache,
und mühſam
Schleppt ſich der N hin ob dem entleereten
Feld
Sonnſchein füllet das Tal und die ſtoppligen Acker, doch
gelb ſchon
Schauet hinüber zur Höh' ſcholligen Hügels der Wald.
2 85 wie die Staren ſich ſammeln in | chwärzlichen Schwärmen —
O könnt' ich,
Selbſt auch beflügelt, entfliehn dieſer beengenden Welt!
Nach der Ernte
Nur ein Kartoffelfeld noch und einzelne Länder mit Rüben;
Dort ein Bauersmann, der auf ſtopplige Acker den Dung fährt
Totenopfer er bringt dem noch ungeborenen Leben. — |
Sieh, ſchon nahet der Pflug, und hinter ihm ſchreitet der
Sämann.
Kartoffelgraben
Von dem niedern Hügel, ſchwarzer Scholle
Dunklem Haus,
Die Kartoffel grabt, die heil' ge Knolle,
Freudig aus!
Zieht hinaus ins fleckige Gelände
Herbſtlich grau,
Wühlt ſie auf der Erdengeiſter Spende
N Gelb und blau!
Aus der engen Stube, finſtrer Kammer
Trautem Schoß,
Von der Mutterfinger letzter Klammer
Trennt ſie los!
90
Daß ihr Segen bei des Abends Mahle,
Dampfend friſch,
Mehlverſtreuend aus geſprungner Schale
Füll' den Tiſch!
Hausgärtlein im Spätherbſt
Dunkelrote Rüben, Kohl und Möhren
An des Gärtleins ausgetretnen Kehren.
Bohnenblätter, angewelkte Schoten,
Hier am Zaun dem Frühreif freigeboten.
Einzig noch die Aſter ſteht im Staate
Drüben in dem Tiefgrün der Salate.
Stolzer doch aus ſchwarzer Beete Krume
Hebt am Weglein ſich die Sonnenblume.
Schnurrend in des Schlafbehagens Wonne
Eine Katze liegt dort in der Sonne.
Neſſeln, Kletten rings in jeder Ecke,
Dort am Fenſter Balſaminenſtöcke.
Frommer Glanz von traulich ſtillen Wonnen
In das kleine Gärtlein iſt verſponnen.
Diſtelhäupter am Weg
So wie ſich Greiſe ergehn beim Sonnſchein, abends, ſo
ſtehen
Diſtelhäupter am Weg. Weit glänzt ihr ſilbernes Haupt⸗
haar.
Leicht mag ihnen der Tod wohl werden, wenn nächſtens
das große
Sterben beginnt in Wald, 5 Feldflur, Heide und Talgrund.
91
Gruß an Warmbronn
Us ift geerntet das Feld, nur einzig verſpäteter Haber
Steht da drüben, und doch: Wie warm, wie ſommerlich,
f ob auch
Gelb am Saume des Walds ſich überneigen die Birken.
And auf die Höhe der Heide da ſchauen von ferne die dunklen
Schwarzwaldberge herein, und ſilbrig glitzert ein Weiher.
Sei mir geſegnet, du Land des Sonnſcheins, freundliche
Heimat!
Ein müdes Blättlein
Vom Weidenbaume,
Als wie im Traume,
Ein müdes Blättlein zur Erde fiel,
So gern und willig, des Windes Spiel.
O könnte auch ich
Gleich williglich
Lenzſproſſender Wünſche mich ſo begeben,
Verzichten auf Minnen und Weiterleben!
Herbſtlied
Wenn die Blätter fallen
Von des Nordens Hauch,
Graue Nebel wallen
Aberm Weidenftrauch,
Iſt das müde Toſen
And die öde Flur
Meines freudeloſen
Herzens Abbild nur.
92
Wenn die Vögel fliehen
Heim ins ferne Land
Und in Scharen ziehen
Nach dem Meeresſtrand,
Möcht' ich auch enteilen
Dieſer kalten Welt,
Nimmer hier verweilen
In der Fremde Zelt.
Wenn die letzte Blüte
Matt ihr Köpfchen neigt,
And im Waldgebiete
Längſt ſchon alles ſchweigt,
Moöcht' ich faſt beneiden
Dich um deine Ruh!
Waldesblume, ſcheiden
Möcht' ich ſo wie du!
Trauriger Herbſt
Schön iſt die Leſe des Weins in ſonnigen Jahren, wo faſt die
Hügel erbeben vom Hall, die Dörfer vom Jauchzen, und
nächtlich
Selbſt der Himmel erſtrahlt von Raketen, Lichtmeteoren.
Doch, wenn die Rebe ſo kahl und erſtorben, das heilige Weinlaub
Welk, vertrocknet und matt fo traurig vom Stocke herabhängt,
Kenn' ich die Winzer nicht mehr in dieſen düſtern Geſtalten.
Ach, wie verſteh' ich ſo gut der Gaſſen nächtliches Schweigen.
Säumige
Es muß ſchon ſpät ſein, ſpät ſein in der Nacht,
Daß ſich die Spinnerinnen fortgemacht;
Die Knaben und die Mädchen und das Kind
Längſt in die Kammer ſchlafen gangen ſind.
93
Nur zwei der Kinder haben keinen Schlaf,
Sie ſpielen noch mit Schäfer und mit Schaf;
Doch Mutter löſcht das Licht, und ſo allein
Will keines mehr am Tiſch das Letzte ſein.
Die Spinnerinnen, die ſoeben fort,
Zeitloſen ſind es, die verwelkt, verdorrt;
Die Kinder, die vom Spiel nicht wollen gehn,
Sind Glockenblümchen, die am Hage ſtehn.
Herbſtzeitloſen
Wagengeraſſ el von fern und weithin die herbſtliche Waldung
Sonnenbeſchienen im Licht mild freundlichen Abends. Vom
Hofgut |
Leuchten herüber wie Gold, glutflüſſiges, feurig die Fenſter.
Doch wo drüben am Saume des tannenbeſchatteten Talgrunds
Herbſtzeitloſen erblühn, ſchön roſige, ſteh ich und ſchau ich
Stille getröſtet zurück, mich freuend, daß wieder ein Sommer
Durch iſt gelitten und ein trübſeliges Jahr iſt geſchwunden. —
Herbſtzeitloſe, wie labt, Troſtſpendende, ſtets mich dein Anblick!
Altweiberſommer
Herbſtzeitloſen verſtreut auf reifiger Wieſe. Am Bachrand
Weidenknoſpen geſchwellt ſchön purpurn zu baldigem Aufbruch.
Gänſelieschen dabei, wie harrend der flaumigen Herde
Aufmarſch. Alles zu früh bei dem noch reifigen Boden.
Winterſonne, wie fein betrügſt du dieſe Verwaiſten!
Allerſeelen
Der Seelentag am Allerſeelenfeſt
Zahlloſe Seelenfünklein fliegen läßt,
94
Als Sonnenfädlein hüllend Buſch und Hag,
Als Sonnenſtäublein hellend auf den Tag.
And von der Sonnenfädlein Glanzgeweb'
Kommt Allerſeelentages Lichtgeſchweb',
And von der Fünklein Milliardenſchar
Iſt Allerſeelentag ſo hell und klar.
Eine Weihnachtsviſion
Zur Weihnachtszeit
Tief wegverſchneit,
Durch Wald und Tann
Geht heim ein Mann.
Es glänzt das Eis,
Der Schnee blinkt weiß,
Der Mond ſcheint hell
Auf freier Stell'.
Rings Hürden ſtehn,
And Schafe gehn
Im tiefen Schnee,
Wie ſonſt im Klee.
Kein Schäfer weit
Ringsum und breit,
Kein Hund dabei,
Kein Laut, kein Schrei.
And alle ſchaun
Ihn an, o Graun!
Amſtehn ihn dicht
Beim Mondenlicht.
96
Er betet leis
In ihrem Kreis,
Er betet warm:
Daß Gott erbarm!
And Wort für Wort
So tönt es fort,
Rings in der Rund
Von Mund zu Mund.
Ein Stimmlein ſpricht:
Verlaß uns nicht!
Du biſt es doch,
Der unſer Joch
Anjetzt zerbricht?
Der Heiland? — Nicht?
Den wir ſo lang
Erſehnt ſo bang?
Das letztemal
Im Eibental,
Als Weihnacht war
Vor tauſend Jahr.
„Daß Gott erbarm!“
Stöhnt auf der Schwarm,
„Er iſt es nicht!
Ums Haupt kein Licht!“
O weh! O weh!
Weint's von der Höh,
And wimmert's rund
Im Tannengrund.
In Wölklein klar
Zerfließt die Schar,
Löſt ſich in Duft.
Ein Stimmlein ruft:
„Fahr', Hoffen! Fahr'!
Nach tauſend Jahr'
Im Zederntal
Das nächſtemal!“
Wiederkehr
Aus dem tauſendjähr'gen Schlafe find fie endlich halb erwacht,
And ſie treten an das Gitter, wo der helle Morgen lacht:
Sagt, wer hält uns hier gefangen? eingeſchloſſen? ruft das Heer,
Nach der Heimat all wir wollen, ruft's von allen Seiten her.
And da ſieh, in ihre Mitte freundlich ernſt ein Alter tritt,
And er bringt an ſeiner Seite einen ſchönen Jüngling mit.
Meinem Schließer, ruft der Alte, meinem Schließer, daß
ihr's wißt,
Aber euch Gefangne alle meine Macht gegeben iſt.
Laß uns heim, jo ruft die Menge. — Töricht kindiſches
Begehr!
Nach der Heimat wollt ihr Armen? Eure Heimat iſt nicht mehr!
Nach der Heimat wollt ihr Toren? Eure Heimat kennt euch nicht!
Eure Zeit, ſie iſt vergangen, iſt verſchollen, iſt Gedicht!
Auf der Heimat Boden wandelt nun ein anderes Geſchlecht,
Anders in Geſtalt und Sitten, anders in Geſetz und Recht;
Würde ſo ich euch entlaſſen, wie ihr waret einſt, vorzeit,
Würd' es euch nur Kummer bringen, Schmerzen viel und
Herzeleid.
Wagner, Geſammelte Dichtungen Be.
97
Doch ich ehre eu'r Verlangen und den frommen Heimwehzug;
Nach der Heimat dürft ihr alle, das ſei euch für jetzt genug;
Meinem Schließer iſt's befohlen, daß bebändert und betreßt,
Schön und ſchmuck wie Königskinder nach der Heimat er
euch läßt.
Andre Kleider müßt ihr tragen, neue Kleider ſind beſtellt,
Die da taugen in das Leben, die da paſſen in die Welt:
Farb'ge Mützen, grüne Tücher, Kronen wohl auf manches
Haupt,
Nicht mehr Pelze, noch Gewänder, die von Moder ſind
beſtaubt.
And fo mögt ihr wiederkehren nach der einſt'gen Feuerſtatt,
Nach dem Hofe, nach dem Brunnen, da der Fuß ge⸗
wandelt hat,
Nach dem Felde, das vorzeiten einſt beackert euer Pflug,
Nach dem Walde, wo geraſtet ihr beim blut'gen Fehdezug.
And ſo mögt ihr wiederkehren, wartend an den Pfaden ſtehn,
Fromme Menſchenaugen grüßen, frommer Menſchen Gruß
verſtehn;
Nach den Fenſteraugen winkend klimmen an der Wand empor,
Neuer Zeiten Atem trinkend — Schließer Lenz, mach auf
das Tor!
Blühender Apfelbaum
O ſchau doch an des Wiedereinens Luſt:
Zehntauſend Kinder an der Mutter Bruſt.
Ein ganz Geſchlecht, das längſt im Tode lag,
Kommt nun zum Sonnenſchein und kommt zum Tag.
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Des Wiedereinens Seligkeit, ſie ruft
In dieſen Blumenſeelen wach den Duft.
Und dieſer Duft als Freudendank, als Lied
Tagüber ſüß an mir vorüberzieht.
Jäger und Jägerliebchen
Steht ein Waldhaus draußen,
Grüne Läden außen;
Am die Gitterſtäbe
Spinnt die Waldesrebe.
Einſt, vor vielen Jahren,
Oft beiſammen waren
Jägerſohn und Liebchen
In dem kleinen Stübchen.
Doch die Liebeswonnen
Waren ſchnell zerronnen:
Liebſter angeworben,
Liebchen leidverſtorben.
Nach der Lichtung freie
Kehren her die zweie.
Seht den Falter golden
Bei der Blumenholden!
Seine Lippen ſaugen
An den Blumenaugen
Einer Purpurdiſtel:
Jägerſohn und Chriſtel.
7*
99
100
Diterfamstag
ie die Frauen
Zions wohl dereinſt beim matten Grauen
Jenes Trauertags beiſammen ſtanden,
Worte nicht mehr, nur noch Tränen fanden,
So noch heute
Stehen, als in ferne Zeit verſtreute
Bleiche Zionstöchter, Anemonen
In des Nordens winterlichen Zonen.
Vom Gewimmel
Dichter Flocken iſt er trüb, der Himmel.
Traurig ſtehen ſie, die Köpfchen hängend
Und in Gruppen ſich zuſammendrängend.
Alſo einſam,
Zehn und zwölfe hier ſo leidgemeinſam,
Da und dort verſtreut auf grauer Ode,
Weiße Tüchlein aufgebunden jede,
Alſo trauernd,
Innerlich vor Froſt zuſammenſchauernd,
Stehn alljährlich ſie als Klagebildnis
In des winterlichen Waldes Wildnis.
Die wiedererſtandene Mutter
Es ſchlummert in kühlem Bette
Die Mutter mitſamt dem Kind;
Ein Steinkreuz zeiget die Stätte,
Da beide begraben ſind.
And rechts von den Gräberlagen
Ein bleichender Kinderſtrauß;
Fünf hat man vorangetragen
Der Mutter ins ſtille Haus.
Ein Roſenbuſch blühend ſtehet
Beim Steinkreuz an morſchem Stab;
Die tote Mutter, ſie gehet
Hervor wohl aus ihrem Grab:
Fünf Röslein ſind's, die entfalten
Sich hier an dem Roſenſtock;
Fünf Kindlein ſind's, die da halten
An Hand ſich und Mutterrock.
Sie hängen an ſich ſo feſte,
Das Erſte ſowie das Letzt',
And jedes wohl für das beſte
And für das liebſte ſich ſchätzt.
Das jüngſte doch, daß ihr's wiſſet,
Das iſt die Knoſpe ſo rot;
Die Mutter hat ſie geküſſet
Nicht lange vor ihrem Tod.
Eine Apotheoſe
Armes Mägdlein hier in Stall und Scheuer,
Aſchenbrödel bei dem Küchenfeuer,
Findling, Nickel, braunes Gänſehannchen,
Aufgezogen von dem Bachſuſannchen,
Neſſeln ſchneidend einſt am Gartenhage,
Alles tragend ohne Groll und Klage,
Schwebt befreit von bitt'rer Armut Feſſeln
Hier als Pfauenauge ob den Neſſeln.
Auf der Straße
Nimmer beſchmutzeſt du mehr dein Kleidlein, Anna, wie
ehmals,
Da es Verweiſe dir trug. — Doch heut noch liebſt du gefüllte
Waſſergeleiſe zum Spiel: Als ſchneeweiß ſchimmernder Falter
Sitzeſt und flügelſt du jetzt, wo fröhlich geſpielt du als Kind einſt.
101
Liguſter
Sage, was wareſt du doch, milchduftiger Strauch des Liguſters,
Einſt, da die Römer geherrſcht in den germaniſchen Gau'n?
„Ziegenhütende Maid und Bereiterin köſtlicher Käſe,
Siehe, den beſten hievon bracht' ich als Opfer dem Pan.
Ehrend gedachte er mein, mich wandelnd zum duftenden
| Strauche,
Lüſtern benagt mich, wie einſt, neckiſch das fröhliche Volk.
Aber dich ſelber, o Freund, wahrhaftig, ich kenn' dich! Du
wareſt 5
Bei des Amilius Schar, wider die Katten geſchickt!
Denkſt du des ſchwüligen Tags und der Kühlmilch ſpenden⸗
den Jungfrau,
Fröhlicher Krieger von einſt, denkſt du der Klelia noch?“
Blauſchiller am Wege
Ihr, o Geiſtlein der Luft, ihr irisbeflügelten, — Falter,
Goldblauſchillernde, ſagt, warum auf der ſtaubigen Straße
Stets dem Geleiſe ihr folgt, und hinſchwebt hinter dem
Fuhrwerk
Oder ihm eilet voraus, wie um zu erſpähen die Vorſpann,
Schweigſam, mitten im Wald bei glühendem Strahle des
Mittags?
Ihr, o Geiſtlein der Luft, ihr irisbeflügelten! Seid ihr
Seelen der Roffe, die einſt ſchwerüberladen und keuchend
Zogen die Wagen zur Stadt und faſt erlagen der Mühſal,
Falter geworden anjetzt, und freuend ſich ſeliger Wandlung?
Doch ſich erinnernd vielleicht, — wer weiß es? — früheren
Daſeins,
Nun ihn begehen den Weg nach williger Roſſe Gewöhnung,
Frei nach eigener Wahl und ohne die Peitſche des Fuhr⸗
manns?
102
Mythe vom Hildhaar
Nun drei Wochen gewiß vergebens geſucht ſie das Kind ſchon,
Ohne zu finden die Spur des ſchönen und lieblichen Mägd—
leins,
Oben ertrunken im Bach und weitergeſchwemmt von den
Wellen,
Wie zu vermuten, o Sohn, da weinte die zärtliche Mutter
Anabläſſig, jo lang, bis ſelbſt fie geworden zu Tränen. —
Wandrer am Bache! O ſchau: Hat nicht ſie gefunden ihr
Kind nun
Schöner, als jemals es war? — Anmutiger, als es geweſen
Selbſt in der Mühle daheim? Denn ſieh, o Wandrer: Der
Bach iſt
Selbſt ihm Mutter anjetzt, und ſchwätzt mit dem Mägd-
lein den ganzen
Vor⸗ und Nachmittag ſchon ohn' Stillſtand. Ja in der
Nacht ſelbſt
Plaudert in einem ſie fort, was jüngſt ſich begeben im
Dörflein,
Was ſie von Kunden gehört tagüber in Mühle und Mahlſtub!
Dann umfaſſet ſie's auch mitunter gar ſtürmiſch: „Mein
Mägdlein
Biſt du gewißlich, obſchon du Königin heißeſt der Wieſen.“
„Freilich, o Mutter, ich bin's, bin dein flachshaariges Mägd⸗
lein!
Weißt, ich recke mich, ob vielleicht ich über den Talgrund
Seh' aufragen das Dach und den Giebel von unſerer Mühle!“
Anemonen
Sag, woher kommen
Die ſchönen, die frommen,
Die Tauſend und aber Millionen
Weißgekleideter Anemonen?
103
104
„Wir find die Kindlein, die abgeſchieden
So frühe hienieden;
Nun wohnen wir oben,
Im Vaterhauſe da droben.“
Was tut ihr nun hier
Im Waldesrevier,
Ihr lieblichen Kleinen,
Beim Frühlingserſcheinen?
„Drum dürfen wir fort,
Jedes an ſeinen Heimatort;
Auf Oſtern, da wird Vakanz gegeben,
Drei Wochen lang welch ein Freudenleben!“
„And drum find wir hier
Im Waldesrevier
Alle weiß gekleidet. Mägdlein wie Söhnlein
Mit goldenen Krönlein.“
Märchen von der Nachtviole
und der Nachtigall
Himmliſche Geſänge
Schweben, wallen
Durch die Kloſterhallen
And die Gänge.
Zweier Schweſtern ſüß melodiſch feine
Silberreine
Stimmen ſind es aber doch vor allen,
Die ſo ſchallen.
Lauſchend warten
All die Blümlein in dem Kloſtergarten;
Horchend ſchweigen
All die Vöglein in des Baumes Zweigen.
Und wenn niemand wacht,
Zittert durch das Fenfter ihrer Selle
Ihr Geſang, der lieblich glockenhelle,
Durch die Nacht.
Rofenwangig ift die eine, mild,
Fromm und kindlich, kennt ſie keine Reize
Als des Glaubens ſel'ge Gnadenkreuze
And der heil'gen Mutter Gottes Bild.
Blaß und ſchmächtig, Leidenſchaft im Blick,
Kann die andre von der Welt nicht ſcheiden;
Hinter das verhangne Tor der Freuden
Schweift ihr Sehnen ſtets und ſtets zurück.
And ein Wunderbild von Marmorſtein
Stehet ſeitwärts an des Weges Ende;
Wundertätig nennt es die Legende,
Sünderinnen kehren bei ihm ein.
Zu ihm fleht das Schweſternpaar aufs neu:
Von des Leibes Banden uns entkleide!
Heil'ge Gottesmutter! rufen beide.
Mach die Seele von den Feſſeln frei! —
Was geſchehen, weiß ich dürftig ſo:
Daß an des Gebildes Anterſproſſen
Nachtviolen plötzlich aufgeſchoſſen
And die Nachtigall zum Wald entfloh.
Sieh die Schweſter roſenwangig, gern
Weilt ſie an der Gnadenorte Stufen;
Aber augenblicks hört fie das Rufen
Ihrer Schweſter aus der Waldesfern.
105
And fie fendet ſüßen Balſamduft
Antwort gebend ihrer Schweſter wieder;
Antwort heiſchend aus der Waldesluft
Sendet Schweſter ihre Liebeslieder.
Auf der Burgruine
In dem Neſte
Droben auf dem Fels ein Sänger! lag,
Eingekerkert dort ſchon Jahr und Tag
Auf der Feſte.
Aus dem Kerker
Brach er einſt bei mitternächt' ger Weil’,
Wollt' herab ſich laſſen an dem Seil
Von dem Erker.
Doch zerſchmettert
Fanden ihn die Wächter morgens ſchon;
's war im Spätherbſt, und der Buchen Kron'
Laubentblättert.
Aus den welken
Grauen Flechten, die ſein Blut benetzt,
Sind nun aufgeſproßt und blühen jetzt
Felſennelken.
Aus den Mooſen,
Aus den Steinen, die ſein Blut beſpritzt,
Sind nun aufgeſproßt und blühen itzt
Skabioſen.
Nikodemus Friſchlin auf Hohenurach, + 1590.
106
Augenſpiegel
Schweben um die Nelk' und Skabioſ',
Am die weiß’ und rote Waldesrof’
Auf dem Hügel.
Augenſpiegel
Schweben hier im blauen Freiheitsſaal,
Blut'ge Tröpflein, wie ein blut'ges Mal,
Auf dem Flügel.
Laß das Trauern!
Von des Leibes Banden ausgeſchirrt,
Seine Seele nun als Falter irrt
Ob den Mauern.
Wegewarten
Jhr blauen Sterne am Wege,
Am Ackerrand und Gehege,
Ihr Sternenblumen, ihr frommen,
Wo ſeid ihr doch hergekommen?
„Wir waren's, die einſt ſo wacker
Geſchnitten auch dieſen Acker;
Sind nun auf Seligkeits fahrten,
And heißen hier Wegewarten.
Doch ferne, wie Nebelfrühe,
Liegt einſtige Tagesmühe.
Nun ſag: Gab's jüngſt eine Ernte,
Die unſereins nicht beſternte?“
Ihr Schnitterinnen, geehret,
Zu Sternenblumen verkläret,
Sagt doch, wie ihr geheißen
In einſtigen Menſchenkreiſen?
107
„Den Namen vergaßen alle
Beim Schlafen in kühler Halle;
Das Beſte aber indeſſen,
Das haben wir nicht vergeſſen:
Zu unſern Schweſtern, den Uhren,
Getreulich wiederzukehren,
Zum Erntefelde, dem frommen,
Alljährlich wiederzukommen.
Was du ſo ſchaueſt als Blüte,
Lag längſt in unſrem Gemüte,
And Blumen wurden ſie wieder,
Was ſie geweſen, die Lieder.“
Mythe vom Diftelfalter!
Des Wucherers Seele im Faltergewand
Läßt ſehen ſich wieder, da, dort im Land.
Gott ſei uns gnädig! — Ihr lieben Leut',
Ich ſag' es nach Wahrheit: 's kommt teure Zeit.
Schon ſind geronnen
Herab von den Bergen die Hungerbronnen. —
Es war vor alters, da war einmal
Ein reicher Bauer in dieſem Tal,
Rings tobte im Lande des Hungers Qual.
Ob unerſchwinglich des Brotes Preis,
Er dachte immer: Wer weiß? — Wer weiß? —
Die Scheuern, die Kiſten und Käſten voll,
Das machte den Geizhals noch ärger toll.
Der Diſtelfalter zeigt ſich meiſt nur in kalten, regneriſchen,
unfruchtbaren Sommern und bedeutet, wenn er maſſenhaft auf:
tritt, Mißwachs und teure Zeit. (Wagner).
108
Soll los ich Schlagen? — Wie glänzend! — Doch,
Ich treibe die Preiſe wohl höher noch! —
Ein guter Jahrgang darüber kam,
Daß alles in Hülle und Fülle ſchwamm;
Der Geizhals ſich ſelber das Leben nahm.
Doch wenn der Weizen und Roggen dünn,
And Diſteln wuchern im Felde drin,
Der Rebſtock kahl und die Bäume leer,
Dann leidet's ihn nimmer im Grabe mehr.
Als Diſtelfalter ſo wohlbekannt
Er wegentlang ſchwebet im Flickengewand.
Warum wohl? — Warum wohl? — Ihr lieben Leut',
Er freut ſich ſo herzlich: 's kommt teure Zeit!
Schon ſind geronnen
Herab von den Bergen die Hungerbronnen.
Märchen von der Herbſtzeitloſe
Der Mann, der hatte acht Töchter,
Des Glücks war eben nicht viel;
Den alten Vater zum Wächter,
Da hatten ſie freies Spiel.
Sie ließen ihn bitten, den Kranken,
Von ſeiner Bettſtatt herfür,
Sie ließen ihn ſchelten und zanken,
And kicherten leis vor der Tür.
Dem Manne, dem ward's immer bänger
In ſeiner Krankheit: O mein!
Die Nächte, die werden ſtets länger,
Oh, laßt mich doch nicht ſo allein!
109
110
Nach einem Trunk ich oft ſchmachte. —
Doch, wenn er auch oftmals ſie ſah,
War, wenn er wieder erwachte,
Sicher nicht eine mehr da.
So ſah einſt beim Mondenſcheine
Er auf der Wieſe ſie dort;
Sie waren juſt nicht alleine,
Im Nachtkleid waren ſie fort.
Im Nachtkleid ſollt ihr auch bleiben
Bis an den Jüngſten Tag,
Gleich Metzen umher euch treiben! —
Den Vater rührte der Schlag.
Märchen von der Bachſtelze
Auf das Kleefeld ging ich heut,
Meinen Klee zu mähen;
Sah ein Vöglein allezeit
In den Mahden ſpähen.
Weiß wohl alles. — Bachſtelz ſing:
War dereinſt ein Mädchen,
War ein ſchlank und luſtig Ding
Aus dem nahen Städtchen;
War, wenn es zum Tanzen ging,
Flink auf meinen Söckchen;
Sauber an der Hüfte hing
Mir mein Kattunröckchen;
War als Jungmagd eingeſtellt
Bei dem Kaſparmichel,
Ging hinaus aufs Ackerfeld
Mit der Senſ' und Sichel;
Hatte einen Brief vom Schatz,
Den ich mir erkoren;
Aber hier auf dieſem Platz
Hab' ich ihn verloren.
And den andern Tag darauf
Kam das böſe Fieber,
Nahm mich aus dem Erdenlauf
In die Luft hinüber.
Hatte keine Ruhe mehr,
Ob des Nachbars Idchen
Nicht gefunden hinterher
Mir mein Liebesliedchen
And verkünde meine Lieb'
Frei und unbeſonnen,
Schwatze, was der Schatz mir ſchrieb,
Abends aus am Bronnen.
Heiſſa! Heiſſa! ſehe ſchon
Dort ein Briefpapierchen,
Und fürwahr nicht weit davon
Auch ein Noſaſchnürchen.
Märchen vom Kohlweißling
Altijungfer Weiß war Küchenmagd
Wohl manche lange Jahre,
Als treu und als geſchickt geſagt;
Nun liegt ſie auf der Bahre.
Doch vorher, eh's zum Sterben kam,
And ſie wollt' Abſchied nehmen,
Tat ihre Frau, ſie war halb lahm,
Sich zu ihr herbequemen.
111
112
Oh, klagt fie, wer wird künftig wohl
Die Speiſen mir bereiten?
Die Suppen, den Salat, den Kohl,
Grad wie zu Vaters Zeiten?
O wer wird meinen Braten dann
Die rechte Würze geben?
Wenn du mich haſt verlaſſen, kann
Ich wahrlich nicht mehr leben!
Ein Jammer war's und ein Geſchrei,
Da fielen zu die Lider. —
Die Seele aber wurde frei
And kam geflügelt wieder,
In weißer Schürze, die ſie ſtets
Den ganzen Tag getragen;
Nach dem Gemüſegarten geht's
An Vor- und Nachmittagen.
Nach Kohl und nach Salat fchaut fie,
Schlägt auf die Küchenſchürze;
Nach Lauch ſucht ſie, nach Sellerie
Zu Brüh⸗ und Bratenwürze.
Märchen von der Schmalzblume
Der alte Müller im Weidental,
Aber den Hügeln da drüben,
Hatte gewißlich nur ſchlechte Wahl
Unter den Töchtern, den ſieben.
Alle wohl ſind ſie von einem Schlag,
Schwatzhaft und lüſtern und eitel;
Standen vorm Spiegel den ganzen Tag
Und kämmten an ihrem Scheitel.
Der Alte hatte fo vollauf zu tun
In Scheuer und Mühle und Keller,
Durfte nicht raſten und durfte nicht ruhn,
Für Krüge ſorgen und Teller.
Da wurde er einesmal zornig dabei,
Nahm aus der Mühle den Hammer
And ſchlug ihnen den Spiegel entzwei
Da droben in ihrer Kammer.
Die Mädchen mochten untröſtlich ſein
And wollten vor Leid fait ſterben,
Doch endlich ſchickten ſie ſich darein
And teilten die Spiegelſcherben.
Jammernd klagte der Alte den Trug:
O wär er ganz doch geblieben!
Hatten an einem übergenug,
Nun haben ſie deren ſieben!
Einſt ging der Alte des Morgens früh
Hinauf in die obere Stube,
Suchte zuſammen die Scherben hie
Und warf fie allſamt in die Grube;
Lächelte ſtille und ſprach bei ſich:
Wartet nur, wartet nur, Affen!
Suchet die Scherben nur ewiglich,
Will euch vertreiben das Gaffen!
Nun hatte der Mühlbach ſtill ein klar
And ſpiegelhelles Gewäſſer,
Das nahmen die Mädchen alsbald wahr:
Ein Spiegel ſpiegle nicht beſſer;
Den gelben Strohhut mit breitem Rand,
Der Mai flog über die Hügel,
Grünſeidene Schirmlein in der Hand,
So ſtanden ſie vor dem Spiegel.
Wagner, Geſammelte Dichtungen 8
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Standen fo lange, beſchauten ſich
Wieder von oben bis unten;
Der Müller blickte ſo ärgerlich
Aus ſeiner Mühle da drunten.
Immer und immer ſah er hinan,
Als wie im Selbervergeſſen;
Da faßt ihn plötzlich des Mühlrads Zahn,
Am ihn zuſammenzupreſſen. —
Und geheſt du wandern am Mühlenhang,
Siehſt du die Töchter, die ſchlauen,
Auch heute wie einſtens ſtundenlang
Sich vor dem Spiegel beſchauen.
Am gelben Strohhut erkenneſt du leicht
Die Müllerstöchter vor andern,
Auch an den Schirmlein ſo mühlenfeucht
Vor denen, die talwärts wandern.
Märchen vom Gänſeblümchen
Auf einem Anger, menſchenleer,
Stand Balder einſt und ſah umher,
Wen er mit einer Botſchaft ſende.
Da ſtand nicht unfern am Gelände
Ein Gänſehirt in guter Ruh,
Blies in ſein Horn und ſang dazu,
And Gänſe, eine große Zahl,
Die waren weit zerſtreut im Tal.
Jung Balder winkte: „Komm herbei!“
Der Junge war nicht menſchenſcheu,
Barfuß und bloß, doch ohne Schrecken,
Stand trotzig er vorm ſtolzen Recken.
„Kennſt du des Rotmunds Wohnung dort
Im Eichengrund auf heil'gem Ort?“
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„Des Rotmunds Wohnung kenn' ich ſchon;
Mein Vater wohnt — —.“ „So recht, mein Sohn!
Bring dieſen Siegelring da ſchnelle
Dem Barden an der ſalzigen Quelle.“
Der Junge ſprach: „Das kann nicht ſein!
Ich laß die Herde nicht allein,
Daß ſie verlaufe ſich ins Weite,
Dem Marder und dem Fuchs zur Beute!“
Jung Balder ſinnt: „Du denkſt nicht ſchlecht,
Mein Junge, du haſt wahrlich recht!“
Jung Balder ſinnt: „Dein Horn gib her!“
Ein Ton wie eine Zaubermär
Bebt durch den Anger auf und nieder,
Verſchwunden iſt das Gänsgefieder.
And leiſe, als ob nichts geſchehn,
Gänsblümchen auf dem Anger ſtehn;
Strahläugig weiß, auf kurzem Stiel;
Ja wahrlich: Es ſind ihrer viel!
Der Junge iſt vor Schreck erſtarrt.
Nun fährt er Balder an ſo hart:
„Ha, Zaubrer! Schaff die Herde wieder!
Ich geh' zu holen meine Brüder!“
Doch Balder lächelt: „Blas ins Horn!“
Der Junge blies hinein im Zorn:
Die Herde war auf's neu erſchienen,
Zu weiden, wie zuvor, im Grünen.
Doch der begriff nun Balders Plan,
Ihn wandelt eine Luſt nun an,
Mit ſcharfen Stößen auf und nieder,
Zu zaubern Blümlein und Gefieder.
And als er ſich genug ergötzt,
Jung Balder lächelnd ſprach zuletzt:
8 *
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Nun geh hinauf, den Pfad dort oben,
Die Herde iſt gut aufgehoben!
Er ſchaut zurück, und Blümlein ſtehn
Talab, ſo weit die Augen ſehn.
Sie blühen früh, ſie blühen ſpät,
Vom Lenz an, bis der Schneewind geht,
Ja ſelbſt, wenn alles iſt erſtarrt,
Gänsblümchen noch des Hirten harrt;
Von dem hab' ich nichts mehr vernommen,
Mag ſein, daß er iſt umgekommen.
Märchen von den Veilchen
Es ſpielen Verſtecken
In Zäunen und Hecken
Die Mädchen am ſonnigen Frühlingsmittag;
Suche, wer mag!
Ein Weilchen, ein Weilchen.
Aber am Wieſenſaum
Unterm Kaſtanienbaum
Lagert die weltbekannte
Braune Zigeunerbande
Ein Weilchen, ein Weilchen.
And aus der Lücke des Zaunes
Tritt plötzlich ein braunes
Zigeunermädchen unter die friſchen |
Blauaugigen Mädchen in den Holundergebüſchen,
Mitten dazwiſchen.
Ein Weilchen, ein Weilchen.
Nur nicht ſo ſtutzig!
Nur nicht ſo trutzig!
Laßt's nicht ſo fühlen!
Was tut ihr ſpielen?
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Wir ſpielen Verſtecken
Hier in den Hecken
Ein Weilchen, ein Weilchen.
Was?
Schöner Spaß das,
Rutſchen im Gras,
Kleider zerſchlitzen
And an den Dornen ſich blutig ritzen!
Wiſſet ihr was,
Das iſt Freude,
Das Verſtecken im Federkleide;
Dem Sucher enthüpfen,
Dem Finder entſchlüpfen,
Die Lerchen fragen
Nach ihren Sagen.
Die Spiegelmeiſen
Nach ihren Weiſen,
And dort ſich miſchen
Inter die Amſeln in den Gebüſchen.
Ein Weilchen, ein Weilchen.
Wollt ihr das? — Sprecht!
Iſt euch das recht?
Ei! Das wollen wir! Ei! Ja, ja!
Die Geſpielen ſind all da.
Ein Weilchen, ein Weilchen.
Du trägſt ein weißes, du ein graues,
And du ein hell, du dunkelblaues,
And du ein ſcharlachrotes Kleid;
Sagt an, ſagt an, gebt mir Beſcheid,
In weſſen Vogels Federkleid
Euch dieſer Spaß am beſten freut?
Mich, mich als Meiſe.
„Weiſe, ſehr weiſe!“
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Und mich als Star.
„Wie treu und wie wahr!“
And mich als Taube.
„O welch ein Glaube!“
And mich als Fink.
„Wie friſch und wie flink!“
Wer will es verſuchen? Ich! Ich! O weh!
Seht ihr den Habicht dort in der Höh?
Er ſchießt herunter, er hat ſie, die Taube,
Das arme Täubchen, zum blutigen Naube!
Da ſteht es ſchlecht
Ams Vogelgeſchlecht;
Du machſt ja den Werber
Für Habicht und Sperber.
Gefehlt um ein Haar
Hätt' ich, 's iſt wahr;
Aber als Blümlein ſtehn,
Muß noch viel ſchöner gehn:
Verſtecken ſpielen,
Die Stirne kühlen
And 's Angeſicht,
And die Geſpielen
Erraten's nicht.
Eßt von dem Kuchen,
Wollt ihr's verſuchen? —
Nur nicht zu lange!
Du Närrin, du bange!
Ein Weilchen, ein Weilchen.
Ein Weilchen, ein Weilchen.
Thereſe, komm!
Da ſtehen die Veilchen
Beſcheiden und fromm!
Thereſe, komm!
Der Vater wird böſe;
Thereſe! Thereſe!
Der Wagen fährt weiter,
Fährt weiter und weiter,
Thereſe, komm!
Aus Weilchen und Weilchen
Da wurden die Veilchen;
Die lieblichen Kinder,
Sie ſind es als Veilchen nicht minder.
Märchen von der Türkenbundlilie
Verwüſtend ſtürmt durchs offne Land
Der Türken wildes Heer;
Die Dörfer ſtehen rings in Brand,
Die Fluren menſchenleer.
Da kommt aus einer Bergesſchlucht,
Die Zügel ſchlecht verhängt,
Ein Spahitrupp in heller Flucht
Vorm Aga angeſprengt.
Den Aga packt darob die Wut,
Der krumme Säbel blinkt
And Kopf um Kopf, beſpritzt mit Blut,
Vom Rumpf herunterſinkt.
Der Aga faßt des Speeres Schaft
And ſtößt ihn in die Erd',
Reißt einen Schweif mit Tigerkraft
Aus einem flücht' gen Pferd.
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And Kopf an Kopf befeſtigt er,
Samt Turban und ſamt Schopf,
Mit Noßhaarſchnüren lang und ſchwer,
Hoch an dem Lanzenknopf.
Zu Allahs letzter Hölle fahr',
Sei's Feigling! ſei's Giaur!
Sei Spahi, ſei es Janitſchar!
Fluch dem, der um ſie traur'!
Verwittert ſind wohl längſt und fort
Die Köpfe ſamt Geſicht;
Turbane hängen wohl noch dort,
An Schnüren feſt und dicht.
Narziſſenlegende
Gott grüß' euch, edle Narziſſen,
Euch Himmelsbräute ſo rein! ö
Gott grüß' dich, Sänger! ſollſt wiſſen
Nun dies Geheimnis allein:
Es ſchauten durchs Fenſtergitter
Einſt edler Jungfrauen drei,
And Templer und Johanniter
Die ritten am Schloß vorbei.
Sie ſchauten vom Schloß, zu hören
Den wandelnden Bittgeſang,
Zu lauſchen den Pilgerchören,
Dort Rhodus' Gaſſen entlang.
Die Glocke klang von den Türmen:
Wohl war's ein blutiger Tag,
An dem nach fünffachem Stürmen
Das Kreuz dem Halbmond erlag,
And knieend vor der Madonne,
Brevier und Kreuz in der Hand,
Wir Abſchied nahmen von Sonne,
Von Leben und Vaterland.
Wo betend, bedeckt von Wunden,
Wir fielen durchs Türkenſchwert.
Gottmutter hat uns gefunden
Des Märtyrerkrönleins wert.
Dies Märtyrerkrönlein miſſen,
Wär' mehr als Wunden und Tod;
Drum tragen wir als Narziſſen
Dies Krönlein ſo blutig rot.
Dies weiße Kleidlein entbehren,
Wär' wohl noch ſchwereres Leid;
Drum tragen mit Königsehren
Narziſſen wir dieſes Kleid.
Herbſtmythe!
Nicht vermag den Gatten mehr zu halten
Sie, das Weib mit dem gebleichten, alten,
Gelben Antlitz und gewelkten Arm.
Täglich ſieht ſie ihn im Feuerwagen
An dem Sommerhaus vorüberjagen,
Wo ſie weilt mit ihrem Kinderſchwarm.
Doch nicht Schelten mehr noch Zornergüſſe,
Auch nicht Bitten mehr noch Tränenflüſſe
Führen ihn zurück an ihre Bruſt;
Iſt's nicht, als ob die Natur ſich noch einmal ſchmücken,
ja ſchminken wollte wie eine verlaſſene Schöne, um den Ge—
liebten zu feſſeln? Aber ihre zuſammengerafften Reize haften
nicht lange, und bald ſteht ſie einſam und verlaſſen. (Wagner.)
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And fie ſchminkt fich ihre bleichen Wangen,
Ihren Gatten wieder einzufangen,
Wie die Heide ſchmückt ſich im Auguſt.
Beim Vorüberjagen ihn zu rufen,
And in Jugendſchöne auf den Stufen
Stehend warten will die Gattin ſtill;
Und er ſchauet ihrer Wangen Roſen,
And er kehret zu erneutem Koſen,
Freundlich fragend, was die Liebſte will.
Ja, es kehren wieder frohe Stunden
Zu den Gatten, die ſich neu gefunden;
Aber alt und launiſch wird das Weib.
Neue Reize ruft ſie, zu erfreuen,
Alte Künſte ruft ſie, zu erneuen
Jugendroſen auf Geſicht und Leib.
Heideröslein ſind's, die endlich bleichen. —
Eſpen, Buchen färbt ſie jetzt und Eichen
Mit der Schminke, die da geht zur Rüſt';
Darum dickrot iſt ſie aufgetragen,
And der Gatte beim Vorüberjagen
Merkt die Täuſchung jetzt und ihre Liſt.
And weil ihr die Jugendreize fehlen,
Schmückt mit Perlen ſie ſich und Juwelen
Arm und Nacken feſtlich und das Haar;
Des Liguſters achatgleiche Perlen,
Vogelbeeren an dem Hag der Erlen,
Schmuck von Edelſtein ſie ſtellen dar.
Doch vergebens iſt all ihr Bemühen,
Ob auch hochrot ihre Wangen glühen,
Sind ſie nur von ihrem Zorn ſo rot;
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And ſie ſchämt ſich nicht, auf allen Straßen
Ihren Zorn und Anmut auszuraſen,
Ja ſie raſt und weint ſich faſt zu tot.
Doch das Rafen all, es iſt vergebens. —
Einmal nur im Laufe ihres Lebens,
Am geliebten Allerſeelentag
Iſt er ſtürmiſch bei ihr eingebrochen,
Hat ein „Heilig“ über ſie geſprochen,
Da ſie ſtumm in ſeinen Armen lag.
Märchen von der Seeroſe
Zu der Jungfrau ſpricht der edle Freier:
„Mägdlein ſchön!
Täglich geh vorüber ich am Weiher,
Dich zu ſehn.
Sieh, o Mägdlein, ſieh, ich will dich freien!
Liebchen traut!
Meine Mutter, wie wird die ſich freuen
Ob der Braut!“
„Nun, mein Vater hält mich nicht geringe,
Bringt ſtets viel
Muſcheln, Perlen, goldne Fingerringe
Mir zum Spiel.“
„Sieh mein Schloß dort, jene ſtolze Feſte
Morgenklar,
Deines Winkes harrt dort die betreßte
Dienerſchar.“
„Ich beſitze auch ein Schloß zu eigen,
Reich an Zier;
Blau- und goldgeſchmückte Diener eh
Sich vor mir.“
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„Sieh, die Mutter hat der Betten viele,
Warm und weich.
Hat der Decken und geſtickten Pfühle
Fürften gleich.“
„Nun, auch mein Haus hat der Nuheſtätten
Manche, ſchau!
Doch die ſchönſten ſind die Schaukelbetten
Himmelblau.“
„Sieh, ein Brautkleid kauf' ich dir von Seide
Dicht und fein,
And die ſchönen Erkerzimmer beide
Sind dann dein.“
„Mein Gewand umgibt auch ein Gefunkel,
Glitzert nach;
And kriſtallen iſt mein dämmerdunkel
Schlafgemach.“
„Sieh, ich ſchwör' beim Kreuze und beim Schwerte,
Dich zu frei'n!
Meine liebe, treue Burgfrau werde,
Liebchen mein!“
„Meinem Vater muß ich's vorher ſagen
Heute gleich;
In drei Tagen komme anzufragen
An den Teich.
König iſt mein Vater, heißt der Große
Rings im Land;
Statt des Zepters eine Waſſerroſe
In der Hand.
Siehſt du dann am Aferrand mich figen
Hier im Grün,
Die Gewänder von Demanten blitzen,
Nimm mich hin!
Aber hörſt du ſchilfdurchklirrte Stimmen
Aus dem See,
Siehſt du Roſen auf dem Waſſer ſchwimmen —
Dann Ade!“
Roſenlegende
Herr Gottfried war's, der einſtmals ritt
Gen Hebron in die Schlacht;
Da reichte ihm ein Eremit
Der Rofe heil'ge Pracht.
Nimm hin, ſo ſprach der fromme Greis,
Auf dieſen Strauch da hing
Maria einſt die Windeln weiß,
Als ſie gen Hebron ging.
Nimm hin, ſo ſprach der fromme Mann
And reicht die Hand ihm dar,
Die Rofe hier als Talisman
In jeder Todsgefahr.
Herr Gottfried hielt die Nofe wert
And ihre heil'ge Macht;
Vergebens zückt nach ihm das Schwert
In mancher blut'gen Schlacht.
Vergebens ziſcht nach ihm der Pfeil,
Vergebens ſauſt der Speer;
Stets unverwundet, friſch und heil
Ritt er voran dem Heer.
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Nicht trennt ſich Bruſt und Talisman,
Kaum Ritter, Schwert und Roß. —
Herrn Gottfried kam ein Heimweh an
Nach ſeinem Wald und Schloß.
Herr Gottfried nach der Heimat fuhr,
Doch bei Melittas Turm
Die weite grüne Waſſerflur
Durchwühlte jäh der Sturm.
Das Schiff, vom Strudel wild erfaßt,
An allen Fugen kracht;
Herr Gottfried hißte an den Maſt
Der Rofe heil'ge Pracht.
Da legte ſich der Sturm, das Meer
Lag wie ein Kind im Schlaf.
Zu Genua ſchifft aus das Heer
Gottfried, der edle Graf.
Herr Gottfried ſaß daheim beim Wein,
Bei ihm der Meiſter Hild:
Steinmetz! Hau mir die Rofe fein
Wohl aus im Wappenſchild!
Herr Gottfried ſeine Noſe bot
Dem Abte Fridolin:
Seitdem ich aus Gefahr und Not,
Welkt meine Roſe hin.
So pflanzt ſie an auf Eurem Grund,
Wohledler Graf, habt acht,
Erneutes Grünen tut Euch kund
Der Noſe heil'ge Macht.
wurzelt auf er Rand
iſches bei dem Krug;
Abt Fridolin mit eigner Hand
Sie nach dem Garten trug.
Sie bebt empor, wie's ein vom Traum
Geſchüttelt Kind wohl macht;
And heut noch glänzt vom Waldesſaum
Der Roſe heil'ge Pracht. |
Birkenlegende
Sankt Nikolas, der Gottesmann,
Ein Kirchlein hat erbaut im Tann;
And ſeines Glöckleins heller Klang
Des Morgens klingt den Wald entlang. —
Doch drinnen in der Erde ſitzt
Der Höllenfürſt. — Der Funke ſpritzt,
And Knecht und Meiſter ſchürt und ſchürt.
Auf einmal der ein Klingeln ſpürt.
„Was geht da droben wieder vor?
Ein Klingeln ſpür' ich juſt im Ohr.“
Der Alte nach der Türe tritt. —
„He, Meiſter! nehmt die Schürſtang' mitte
„Was brauch' ich Schürftang’, Hafe du?
Reiß einen Baum aus, ſchlag mit zu!“
Der Knecht zurück zum Feuer trollt:
„Hätt' eine Schürſtang' er, ich wollt'.“
Der Meiſter geht, das Glöcklein klingt,
Ein ferner Sang vom Tann her dringt.
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Er fchreitet durch den Birkenwald
Und naht dem Kirchlein; alſobald,
Von Faſten und Gebet geſtärkt,
Hat ſchon der Klausner ihn bemerkt,
And in der Hand das Chriſtusbild
Tritt an er ſeinen Gegner wild:
„Du dieſen Ort verlaſſen wirſt!“
Der Klausner ruft's. — Der Höllenfürſt
Packt einen Stamm, doch augenblicks
Hält jener vor das Kruzifix.
Zur nächſten Birke rennt er fort;
Vor hält ihm der des Glaubens Hort.
Von einer er zur andern rennt,
Doch ſtets iſt da das Sakrament.
So rennt er hin von Stamm zu Stamm,
Doch immer iſt's derſelbe Damm;
And immer, immer muß er fliehn,
Kann keinen aus dem Boden ziehn,
Am dieſen Pfaffen in die Flucht
Zu ſchlagen mit des Stammes Wucht.
Zuletzt vor Arger, Zorn und Scham,
Er vor dem Klausner Reißaus nahm. —
Abzeichen von des Böſen Hand
Trägt nun die Birke rings im Land,
And von der Höllenfäuſte Ruß
Iſt jede Birke ſchwarz am Fuß.
Das Kartoffelgeiſtlein
Siehſt du es wandeln, als wär's ein Zwerg,
Das Geiſtlein auf dem Kartoffelberg®
Anheimlich gar iſt es, hat krumme Bein',
And wandelt abends beim Dämmerſchein.
„He, Geiſtlein! He, Geiſtlein! He, ſage mir,
Was wandelſt du auf dem Felde hier?“
„Muß wandeln, o Menſchlein! ſchon lange Zeit,
Obgleich ich's ſchon lange gebüßt und bereut.“
„Wahrhaftig! wahrhaftig! Du armer Tropf,
Trägſt unterm Arme ja einen Kopf,
And wankeſt und ſchwankeſt ſo hin und her,
Als ob du trügeſt am Kopf ſo ſchwer?“
„Ja freilich! ja freilich! Drum muß ich ſacht
An dieſen Köpfen gar tragen bei Nacht.“
„Wer biſt du? wer warſt du, da du gelebt,
Eh du als Geiſtlein herumgeſchwebt?“
„Ein Wirt“, der war ich, im Dorf da drin,
Auf meinen Namen mich nicht beſinn'.
And lange und lange, jahraus, jahrein,
Schenkt' meinen Gäſten ich fleißig ein.
Am Ende da trugen ſie mich hinaus —
Als ich erwachte, ha, welch ein Graus!
Da lagen die Köpfe von dem und dem
Auf einem Haufen, zuhand, bequem.
Der mit ſeinem Kartoffelſchnaps die Bauern zugrunde
richtete.
Wagner, Geſammelte Dichtungen 9
129
DIE N Te ER SET n
Doch hohl von innen, zerbrechlich baß;
And einer auf einem Stuhle ſaß:
„Die Köpfe hier haſt du all hohl gemacht,
Zerbrechlich nun find fie, drum trag' fie ſacht!l
Ein Jährlein jeden trägſt du nun,
And biſt du fertig, ſo magſt du ruhn!
Doch merk' dir's: Zerbrichſt du den Kopf des Wichts,
Eh's Jahr vorüber, ſo gilt es nichts!“
So trag' ich, ſo trag' ich und habe acht,
Daß von den Schädeln mir keiner zerkracht.
Zerbrochen hab' ich noch keinen nun;
Neun Köpfe noch hab' ich, dann darf ich ruhn.
Potztauſend! da liegt er! o weh, er klafft!
Nun hab' ich ein Jährlein umſonſt geſchafft.“
Hexenbeſen!
Schlag zwölfe, da ſchnitt ich mir einen Stock
And kaufte mir einen ſchwarzen Bock,
Den Stall zu ſchützen vor Satanstreiben,
Vor böſen Hexen und böſen Weiben.
Bei meinen Kühen das Euter leer,
Die Lieſel gab ihre Milch nicht mehr.
Die alte Arſchel ſei's, die ſie ſtehle,
Man ſah ſie melken an einer Zwehle.
And auf vom Bette ich hinter ihr drein,
's war Freitagabend, ſo Schlag halbneun.
An einer Birke — ſie war's geweſen —
Blieb oben hängen ihr Hexenbeſen.
Flechtenartiger Auswuchs an Tannen und Birken. (Wagner.)
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Zigeunervermächtnis!
In der guten alten Stadtvogtei
Saßen einſt Zigeunerinnen drei,
Heimatloſe, die hier durchgeflüchtet.
Draußen ſteht der Galgen aufgerichtet,
And der Stadtknecht tritt mit einem Fluch
In die Zelle mit des Rates Spruch:
Daß das peinliche Gericht in Sachen
Dieſer Heiden es wöll' billig machen,
Und, obſchon die Miſſetaten wert,
Daß geſühnt ſie würden mit dem Schwert,
Doch in Anbetracht der beiden Jungen,
Die getan nur, wie die Alten ſungen,
Böſen Blickes trieben Zauberei,
Als das ärgſte ihrer Laſter drei —
Ja, in Anbetracht von ihren Jahren
Gnädiglich und chriſtlich wöll' verfahren,
Sie begnadigen zum Strang — derweil
Mit Beding: ſo ihrer Seelen Heil
Sie beherzigend ſich taufen laſſen
Und des Glaubens heil'gen Anker faſſen.
„Laßt uns ſterben in des Irrtums Wahn!
Trunkner Stadtknecht, rühre uns nicht an!
Laßt uns ſterben ohne eure Taufe,
Nicht vom Regen kommen in die Traufe!
Richte aus, was unſre Lippe ſpricht:
Euer Gott, der iſt der unfre nicht!“
1 Draußen vor dem Dorfe beim Kaſtanienbaum brennen
Zigeunerfeuer. Die alte Zigeunermutter erzählt mir eine Ge—
ſchichte, und das Bilſenkraut, „das Todesweib mit der geäderten
Stirn und dem Verweſungshauch auf der Lippe“, erzählt mir
auch eine. And der Stechapfel dort auch. (Wagner.)
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„Mutter! Mutter! wär'n wir bei den lieben
Leuten an der Maros doch geblieben,
Unter Paſcha Vater Selims Schutze,
Der dem böſen Chriſtenvolk zum Trutze
In dem türmereichen Ofen ſitzet
And das weite Angarland beſchützet —
Statt hieher in dieſes Land zu kommen,
Zu den Chriſtenleuten, zu den frommen,
Wo das ſchöne Gaſtrecht iſt erkaltet,
Wo nur Habſucht und nur Argliſt waltet.“
„Euren Vater hofft' ich hier zu finden,
Mich aufs neue mit ihm zu verbinden.
In der Nähe iſt er, wir erfuhren
Ehegeſtern erſt von ſeinen Spuren.“ —
Traurig Wiedernahen in den Ketten!
Könnt' uns nur der liebe Vater retten!
Drauf die Alte aus zerlumpter Hülle
Langt hervor ein kleines Säckchen ſtille,
And ſie teilt den Samen in drei Teile:
„Nehmet! nehmet! jetzo noch in Eile
Meines Zaubers mächtige Beſchwörung:
Flehet, flehet, Töchter! um Erhörung:
Jeder Fluch, den ein Zigeuner fand,
Der dahingehetzt von Land zu Land
Seit des Arahns, König Meliks, Zeiten,
Möge hier in dieſe Körner gleiten!
All Verwünſchung in des Böſen Namen
Derer, derer, die ums Leben kamen
Durch das Henkerſchwert und durch den Strick,
Jedes Röcheln, jeder Sterbeblick
Sei hineingehaucht in dieſen Samen!
Ein und fünfmal! drei und ſiebmal! Amen!“ —
are
And als ob von Glocken voll der Himmel,
Tönt die ganze Stadt von dem Gebimmel,
And die Menge draußen lärmt und ſchreit,
Doch die dreie machen ſich bereit.
Schmücket euch zu eurem Todesgange!
Auf die bräunlich ſchöne Roſenwange
Spiele nieder eurer Flechten Dunkel,
Falle lichtvoll eures Aug's Gefunkel!
Laßt die Doppelſchnur der Blutkorallen
Auf den edlen Nacken niederfallen!
Laßt die Brüſte heben hoch das Mieder,
Halbverhüllet laßt die vollen Glieder!
Werft das Seidentuch von fernen Triften
Leichtgeſchlungen um die ſchlanken Hüften!
Aus den Augen wiſcht die feige Träne,
Lächelt freudig, zeigt die Perlenzähne!
Leget an die goldnen Ohrgehänge,
Daß ihr ſterbet im Triumphgepränge!
Nach der Richtſtatt draußen auf dem Anger,
Wo der Galgen ſtehet und der Pranger,
Geht, geleitet von der lauten Menge,
Jetzt der Zug durch eines Feldwegs Enge.
Still und leiſe laſſen ſie entgleiten
Todeskörner an des Weges Seiten,
And die Alte murmelt noch den Segen
Ihnen nach auf den betauten Wegen:
„Mutter Erde, wollſt die Körnlein ſegnen!
Vater Himmel, huldvoll ſie beregnen!
Mutter Mondlicht, wollſt die Pflänzlein hüten!
Vater Sonnſchein, aus den Samen brüten!
Daß er reife, unzählbar ſich mehre,
Daß er werde wie der Sand am Meere,
Daß dies böſe Chriſtenland im ſtillen
Anzählbare Todeskeime füllen,
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Daß ein Taumelwahn dies Volk erfaſſe,
And der Schrecken vor dem Graun erblaſſe! —
Auf die Augen, auf! ſchaut nach den Karren,
Die am Wolkenſaum dort unſrer harren,
Farbige Tücher drüber ausgeſpannt,
Farbige Tücher aus dem Morgenland!
Hergeſprengt von blauer Himmelsheide,
Jetzt die Roſſe kommen von der Weide,
Mit der Peitſche der Zigeunerhirt,
And die Roffe werden angeſchirrt. —
Vater! Fuhrmann! Lieber Fuhrmann, halte!
Träger Henker! Deines Amtes walte!
Aus den Rofenzelten, glanzbeſonnt,
Drunten an des Oſtens Horizont
Treten unſre Brüder nun mit Geigen,
Machen jetzo, eh zu Roß ſie ſteigen,
Ihren Schweſtern noch die Brautmuſik. —
Wanda! Meta! hebet auf den Blick!
Aus den Augen wiſcht die feigen Tränen!
Schaut! die Roſſe ſchütteln ſelbſt die Mähnen,
Ihre Hufe ſtampfen ſtolz den Takt!
Wilder, ſchriller Geig' und Zimbel hackt!
Wilder, rafcher raſt des Tanzes Welle —
Mit dem Bräutigam tanzt ſich's freudig ſchnelle!
Tänzer, halte! ſieh, es kommt die Braut!“ —
And erſtickt iſt ihrer Stimme Laut. —
Im weiten Kreiſe ringsherum
Behaglich gafft das Publikum,
Hat am Spektakel ſich ergetzt,
And grinſend nun die Zähne wetzt
Sich mancher tapfre Bürgersmann,
Der alles klein verdauen kann,
134
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r lan hun m in ln nn San ann nn
Wie's ziemet einem Antertan
In dieſer Stadt ſo lobeſan.
Und einer hält eine Rede fromm:
Das Reich Gottes bald zu uns komm'!
Wir danken ſehre
Dir, Gott und Herre,
Daß du gegeben der Chriſtenheit
In dieſer letzten und böſen Zeit
So fromme und chriſtliche Obrigkeit,
Und tragen Reue und Herzeleid,
Daß auch in uns noch das Böſe kräftig,
And daß der Satan auch heut geſchäftig,
Zu ſtreuen in frommes Chriſtenblut
Sündhaft Mitleid mit dieſer Heidenbrut.
Auch bitten ſehre
Wir dich, Gott Herre!
Du wollſt uns bewahren
Vor teuren Jahren,
Vor Seuchen und vor der Türken Heer,
And was der Sekten Argliſt mehr,
Vor Feuer und vor Waſſersnot
And einem böſen und ſchnellen Tod!
And der Stadtknecht tritt hervor: „Beliebt's
Eu'r Geſtrengen?“ — Und der Vogt: „Was gibt's?“
„Drüben bei den Felben und den Karren
Hat das Volk ſchon geſtern einen Narren
Aufgefangen, der es frech gewagt,
Nach Zigeunerinnen hat gefragt.“
„Was dünket Euch, Herr Abt? Wir hängen ihn,
Es geht gerade ſo in einem hin;
Was wollen mit dem Narren wir uns plagen?“
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Vom Schlaf auffahrend deſſen Wangen glühn:
„Gott! machen einem diefe Heiden Mühn! —
Hab' zu des Vogtes Arteil nichts zu ſagen.“
Die Waſſerfrau
In dem Schatten dunkler Trauerföhren
Ruht ein See.
Mädchen ſteht hier, nicht mehr heimzukehren,
Klagt ſein Weh:
„Meine Mutter hat man heut begraben,
Bin allein;
Niemand will die Waiſe um ſich haben,
Nennt mich ſein!“
And da glänzt es von zwei weißen Armen,
Rauſcht herfür:
„Will ſich niemand deiner hier erbarmen?
Komm zu mir!
Kammern ſind hier, eine Ruheſtätte
Auch für dich,
And das ſchöne dunkelblaue Bette
Schüttle ich.
Viele ruhn hier, frei von jedem Kummer,
Frei von Not;
Kühlend ſind die Fluten, ſanft der Schlummer,
Süß der Tod.
Nach der Heimat kannſt du nimmer wieder —
Komm, mein Kind,
Gib die Hand her, ſchließ die Augenlider,
's geht geſchwind!“
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Blumenrache
Ach, umſonſt war all des Jünglings Hoffen,
And umſonſt war all ſein Liebeswerben,
Von der Täuſchung, die ihn hat betroffen,
Iſt nur eine Rettung ihm, das Sterben.
Wohl gedenkt er, wie er manche Jahre
Nach dem trauten Hauſe durfte wandern;
Morgen ſteht die Braut vor dem Altare,
Aber mit dem Glücklichern, dem andern.
Durch die Haine und die Wälder irrend
Sieht er rote Frühlingsblumen ſproſſen;
Süßer Düfte voll, doch ſinnverwirrend
Sind des Lorbeers roſige Genoſſen !.
And er bricht ſich einen Strauß der roten
Duft'gen Blumen, um als Abſchiedsſegen
Stumme Gabe durch verſchwieg'nen Boten
Ihr, der Liebſten, auf den Tiſch zu legen.
Nacht iſt es, und todesſchweres Bangen
Legt ſich auf die Schläferin im Zimmer,
Kaum noch dämmert in ihr Brautverlangen;
Morgen iſt es, und ſie ſchläft noch immer.
Schwere Düfte ſchweben wie Geſpenſter
In dem kleinen Stübchen auf und nieder,
And die Schweſtern reißen auf die Fenſter,
Doch die ſchöne Braut erwacht nicht wieder.
Seidelbaſt.
137
138
Der Ilgenbrunnen
Mitten in der Ilgen blauer Fülle,
Und verborgen in der Waldnacht Hülle,
Wenig nur beſchienen von der Sonnen,
Liegt ein ſtiller abgrundtiefer Bronnen.
Wer will wiſſen, wie er ausgeſehen
Einſt als Kind, mag nach dem Brunnen gehen.
Ging einſt einer nach dem Brunnen wallen,
Einen Stein ließ er hinunterfallen
In des Brunnens unterirdiſche Grube.
And es hob ſich aus der Waſſerſtube,
And ein roſig Kind ſtieg aus der Tiefe,
And es war, als ob's den Namen riefe.
And es ſtreckt die Händlein nach dem Alten,
Und dem iſt, als ſei er feſtgehalten.
And es faßt ihn Wehmut und Entzücken,
And des Kindes Blick will ihn berücken.
And das Antlitz ſcheint ihn einzuladen,
In dem Brunnen ſich mit ihm zu baden.
And ihm iſt, als könnt' er voll geſunden
In dem Brunnen erſt von ſeinen Wunden.
And ihm iſt, als ob er ſelig ſchliefe
Bei dem holden Kindlein in der Tiefe.
And ſo iſt er kindheitſelig, trunken
Mit dem Kindlein in der Flut verſunken.
| Im Erlengrunde
Nacht iſt's, ſtill, kein Vogel will ſich regen,
Leiſe rauſcht's jetzt her von all den Wegen,
Durch den Wald herab her von der Straße, 8
Durch das Tal herauf am Bach, im Graſe.
Sammeln ſich dort auf der freien Stelle,
In der Waldſchlucht bei der Fackel Helle.
Dort erkennen die zerſtreuten Glieder
An dem Bruderkuß die Glaubensbrüder.
And ein Knecht des Herrn, dem Schwert entronnen,
Hat voll Andacht ein Gebet begonnen:
Trachtet nach der Aberwinder Lohne,
Schauet dort im Himmel eure Krone.
Auf dem Baumſtumpf ſteht ein Kelch ſamt Schale,
Kommt herbei, herbei zu ſeinem Mahle!
Eßt das Brot, er gab für euch ſein Leben!
Trinkt ſein Blut, für euch im Tod gegeben!
Laut und lauter ſingt die Schar der Brüder
Todesmutig eins der Glaubenslieder.
And der Prieſter ſpricht zum Schluß den Segen, |
Jedes nimmt noch einen Kuß entgegen.
Schritte rauſchen um die Mittnachtſtunde
Durch die Wege längs dem Erlengrunde.
139
Der Zwerg in der Mühlſtube
Die Nacht iſt kalt, doch in der Stube drinnen
Rings um den Ofen iſt's ſo warm und licht;
Der Müller ſchläft, und ſeine Töchter ſpinnen,
Drei Mädchen ſchlank mit freundlichem Geſicht.
„Was klopft am Laden? Horch! Was trippelt außen?
Geh, Dorchen, geh und laß ihn flink herein!
Sei artig, Kind, der Zwerg ſteht wieder draußen,
Er bringt dir Gold, Granaten, Edelſtein.“
„O Mutter, ſtill! Mir grauet vor dem Zwerge!
Er iſt zwar reich, doch aber auch ſo alt
Wie ſeine Höhle drüben in dem Berge;
Ich mag ihn nicht, die häßliche Geſtalt!“
„Doch weißt du, Kind, daß, wenn du nicht erraten,
Was er dir aufgab jüngſt, du ſein dann biſt?
Er freut ſich des, neckt dich, klopft an den Laden:
Gelt! Wenn du wüßteſt, wie mein Name iſt?“
And draußen lärmt's und tanzt und ſingt ganz leiſe:
„Hei! Wenn mein Schätzle wüßte — wüßte — daß,
Hei! Wenn es wüßte — daß — ich — Erdmann heiße,
Wie würd' es lachen! Heil Das wär' ein Spaß!“
And huſcht hinein, und flugs an ihre Seite,
Packt Gold, Granaten, Edelſteine aus,
Iſt reich, ſo reich in ſeiner Freude heute,
And fordert ſcherzend den Verlobungsſchmaus.
„Was du mir aufgabſt jüngſt, hab' ich erraten,
And Erdmanns Weibchen werd' ich niemals ſein!“ —
Da weint der Zwerg: „Ich hab' mich ſelbſt verraten,
Behüt dich Gott, mein liebes Mägdelein!“
140
N
Tr a a rt
Z
And in der Ferne hört man leiſe Klage.
Jetzt mauert er der Höhle Eingang zu,
Verſchließt ſich drin und lebt noch heutzutage
Im Schoß des Bergs in ungeſtörter Ruh'.
Sichelwetzen
Die Schnitter ſitzen beim Veſpertrunk,
Die Schnitter und Mägde des alten Funk.
Die Altmagd ſchenket die Becher ein.
Der Acker muß heut noch geſchnitten ſein!
Die Jungmagd bringet der Sicheln drei,
Sie trillert ein luſtiges Lied dabei.
„Wer wetzt die Sicheln, wer iſt der Mann?
Der Jungknecht, der Konrad, der lügen kann?“!
„Ich will dir wetzen die Sichel ſcharf,
Wenn ich, Kathrine, dich küſſen darf.“
„Dein Sichelwetzen wär' gar nicht ſchlecht,
Nur klingt es immer wie „Veſperknecht'.
Doch will ich wahrhaftig keinen Mann,
Der nichts als Wetzen und Veſpern kann.“
„So wetze doch du mir, du herber Schatz,
Ich gehe, beim Wetter, ſonſt nicht vom Platz!“
Sie nimmt die Sichel. — Was gilt die Wett'!
Es klingt nur immer: „Ich will dich net!“
Der Altknecht nimmt die Pfeife vom Mund:
Dein Wetzen, es klingt ja wie „Lumpenhund“.
Volksmeinung: Wer nicht lügen kann, kann auch nicht
wetzen. (Wagner.) 8
141
Die Schnitter lachen den Altknecht aus;
Da kommt ſoeben der Sohn vom Haus.
Er kann noch hören das Wortgefecht,
Kathrinchens Wetzen: „Der iſt der Recht'!“
Die Müllersbraut
Wohin, o Mädchen, im Sonntagsgewand?
„Zu meinem Müller im Oberland!
Zu ſeiner Mühle, da ſtehet mein Sinn,
Da werde ich die Frau Müllerin!“
Was aber willſt in der Mühle du tun?
Das Klappern der Räder läßt dich nicht ruhn,
Das Klappern, das Klappern wird machen dich taub,
Geſichtlein und Härlein wird decken der Staub.
„And würde ich taub und würde ich blind, f
Wohl einerlei all die Dinge mir ſind: a
Der dicke Müller, der iſt mein Schatz,
An ſeiner Seite iſt nun mein Platz!“
c
Die ſchöne Sonnenwirtin
Du Sonnenwirtin, du ſchöne!
Wohl nehme ich Platz am Tiſch, g
Doch nimmermehr, daß ich fröne
Dem Hunger nach Brot und Fiſch!
Du Sonnenwirtin, du hehre!
Wohl kehre ich bei dir ein,
Doch nimmer, weil ich begehre
Von deinem ſchwarzroten Wein!
142
Du Sonne mit deinem Blinken!
Nichts will ich, Herrliche! Nichts!
Vergönne mir nur zu trinken
Die Strahlen deines Geſichts!
Sind deine Blicke als Funken
Gefallen ins Blut mir hinein,
Iſt mir's, als hätt' ich getrunken
Den allerfeurigſten Wein.
Feinau
Von einem Eden möcht' ich heut erzählen,
Das mich der Herr mit Augen ſehen ließ:
Ein kleines Tal, wo Rebenland und Wieſ'
And Blumentag und Waldnacht ſich vermählen.
Im Wechſelton von Hecken, Rebenpfählen,
Von grünen Wieſen, buntem Weinbergskies;
Im Wald verſteckt, als wollt' dies Paradies
Der Herr der Welt dem Aug' der Welt verhehlen.
Der Wandrer geht auf ſeinem Pfad im Walde
Bewundernd hin. Sein trunknes Auge ruht
Auf Tal und Wald und Blütenmeer der Halde.
Da ſchmettern aus des Waldes grüner Hut,
Kuckuck! Kuckuck! zwei ſel'ge Lenzheralde,
Als ob ſie ſagen wollten: Hier iſt's gut!
Steinegg
„Dies Schloß gehör' inskünftig der Gemeine!“
Ein Bote bracht' den fürſtlichen Erlaß
Dem Gemmingen, der auf der Steinegg ſaß,
Da ſchlug er auf den Tiſch: „Noch iſt es reine!
143
Auf, Knechte, auf! Macht flugs euch auf die Beine!
Ab, Ziegel ab von jeglichem Gelaß!
Erſäuft den Turm! Er werd' zum Regenfaß,
Die Tore brecht, und rüttelt los die Steine!
Dies Haus vermach' ich Eule, Fledermaus!
Den Hof vermach' ich Eiche, Dorn und Flieder,
Die Hallen, Gänge jedem Wettergraus!
Ich überliefr' es jedem Mißgefieder,
Eh mir ein frecher Schneider ſchaut heraus,
Ein Bürſtenbinder oder Seifenſieder!“
Glemseck
Wie anders mir erſcheinſt du, Werk der Kelten,
Als, eingefaßt von Sümpfen und von Nohr,
Einſt reckenhaft dein Ringwall ſtieg empor,
And wild und kühn die Auerhörner gellten.
Wo Feuer brannten unter Laubgezelten,
Der Bären Brüllen ſich im Wald verlor,
Aus Dorn und Schilf das Elen brach hervor,
And in den Schluchten rings die Wölfe bellten.
Anheimlich düſter iſt noch heut dein Frieden:
Das Opferkraut, das ſcharfe, deckt den Rain,
Von Noſſen wie von Stieren ſtreng gemieden.
Tollkirſche lehnt ſich an den Opferſtein,
And wo es traf, das Schlachtbeil des Druiden,
Hüllt nun der Boden moderhaft Gebein.
144
Liebeneck
Ob Sonnſchein auch auf allen Bergeswarten,
Geſpenſtertürme darf er nicht erheitern.
Schwer eingepreßt ſucht ſich der Blick zu weitern,
And prallt zurück an dem Geſtein, dem harten.
Geſpenſterhaft klagt's aus des Turmes Scharten:
Was frohe Hoffnung wär', ſieh' hie zerſcheitern;
Hie wär' der Ort, den Satan gar zu läutern,
Hier iſt nichts mehr vom Leben zu erwarten!
Aufragt er kühn mit ſchwarzen Mauerzacken,
Als ſei erbaut er von der Hölle Schlacken;
Anſäglich traurig ſteht im Hof die Eſche.
Rück ſchauſt du ſcheu, ob hinterrücks die Bracken,
Die tückiſch lauern drüben in der Breſche,
Nicht zähnefletſchend im Genick dich packen.
Rieth
Welch Kleinod doch in nächſter Heimatweite,
Dies weltentrückte, zauberſchöne Tal,
Die Mühle hie, der Linde grünend Mal,
Der klare, friſche Strudelbach zur Seite!
Das kleine Dörflein hier, das hingeſtreute!
Dort an des alten Schloſſes Steinportal
Ein ſchwarzgekleidet adelig Gemahl,
Dem Pilgersmanne gebend das Geleite.
Geſpenſtig auf zwei runde Türme ſtreben,
Ein Wappenbild hebt ernſt ſich vom Geſtein,
And Galerien laufen hin daneben.
Wagner, Geſammelte Dichtungen 10
145
—
In einer kleinen Schenke kehr' ich ein:
Rings ſteil Geſtäffel, dran Silvanerreben,
Denn dieſes Tales Loſung iſt der Wein.
Gabrielsbrunnen
In kühlem Grund Kühbrunnens klare Tränke,
Ein Bienenſtand mit Honig und mit Wachs,
Der Hang darüber himmelblau von Flachs,
Wollblume rings ums ſonnige Geſenke.
Dort ausgehau'ner Stufen ſchmale Bänke.
Zu ſteiler Höhe, ausgehöhlt vom Dachs,
Klimmt auf ein Mönch mit Spaten und mit Sax,
Fangeiſen, Armbruſt blank am Wehrgehenke.
Vergebens mehr ſiehſt du dich um nach ihnen.
Wohl manch Jahrhundert ſtumpfte hie den Zahn:
Nicht ſchwärmen ums Gehänge mehr die Bienen;
Nicht ſchmückt ein blaues Flachsfeld mehr den Plan.
Wehmütig ſtimmt der wilden Balſaminen
Weltſcheuer Anruf: „Rühre uns nicht an!“
Germanengräber
Langgeſtreckt, ſo wie ſich's mag geziemen
Heldenleibern, die die Lieder rühmen,
Liegen eure Grabeshügel alle
In der grünen ſchattigen Totenhalle.
Aber aus den Gräbern dieſer Mannen
Sproßt empor der Heldenleib der Tannen,
Schmetterlinge ſchweben auf wie Träume;
Wieſengold ſchmückt eure Hügelſäume,
146
ET ANNE . —— 8
1 + *
Daß es wohl als Römermünze deute
Euren Anteil an der Siegesbeute;
And des Habichts Aufſchrei möge künden
Euren Schlachtruf hier in dieſen Gründen.
Caſtrum in Mainhardt
Fernher kam ich zu ſchaun die Amwallung des römiſchen
Lagers,
Wenig erſchau' ich hievon, friedlich erſcheinet der Ort.
Obſtbaumwieſe, Gehöft, Kohlgarten bedecken die Stätte,
Wo die Kohorten gewohnt, wo das Prätorium ſtand.
Ringsum dichtes Geſträuch längshin auf der Höh' der
Amwallung,
And die Silene entſproßt blühendem Dornengeheg.
Aber die Geiſter von einſt noch weilen ſie drüber, und
blut'ge
Schaurige Bilder enthüllt ſchauet der geiſtige Blick:
Vor dem Prätorium ſtehn blondſchopfig gefeſſelte Katten,
Sieh, wie der Liktor ſo ſtreng waltet mit Bündel
und Beil.
Oſtwärts Tubagetön längshin des entwaldeten Limes,
And der Centurio fliegt hin mit berittener Schar.
Mars, der Gewaffnete, ſteht auf ſteinernem Sockel am
Torweg,
Links ein beflügelter Gott zeigt die beflügelte Zeit.
er. Zr DEM
ut
F
Baiersbronner Tal
Notſcheckige Kühe und Rinder
zZ Weiden auf all den Höhn,
12 And ſpielend als Hütekinder
Mägdlein daneben gehn.
10 *
147
148
Der Weideglöcklein Geklingel
Ertönet von jedem Rain,
Ein wolkiges Rauchgeringel
Entwallet den Feuerlein.
Es ziehet hinauf zur Halde,
Wo neben dem Trümmergraus
So friedlich am Tannenwalde
Herſchimmert Scheuer und Haus.
And Häuſer, Höfe und Weiler
Hinein in die fernſte Bucht,
Von fern ein glimmender Meiler
In finſterer Tannenſchlucht.
Albvereinslied
O kommt herbei von Oſt und Norden,
Schaut unſrer Berge hehren Kranz,
Die Alb mit ihren Felſenborden,
Beleuchtet von der Sonne Glanz.
Von Wollenherden fromm beweidet
Würzreiche Hügel ſanft und mild,
Von Buchenwäldern überkleidet
Berglehnen, weiße, ſteil und wild.
Doch was dich noch am ſchönſten ſchmücket,
Dich, Land der Heimat, Schwabenalb,
Was jedes Wand'rers Aug' entzücket,
Sind deine Burgen allenthalb:
Aufragen ſie im Glanz der Sonnen
Hoch oben in der Lüfte Blau,
Von Efeuranken überſponnen
Zerfall'ner Türme Mauergrau.
Im Süden fern grüßt mich die Höhe
Der heiligen Dreifaltigkeit;
Zwei Berge, wenn ich nordwärts gehe,
Den alten Göttern einſt geweiht:
Du Berg der Roffe, Berg der Farren,
Mit den Genoſſen ſchlecht und recht,
Wie lang ſchon mögt ihr niederſtarren
Auf dieſes menſchliche Geſchlecht?
And geh' ich wandern, geh' zu häufen
Mein Lob zu einem Wanderpſalm,
So grüßt von fern mich auch der Neuffen
And Hohenurach und Achalm.
Vom Lautertale grüßt herüber
Von luft'ger Höhe mich die Teck,
Und über Wälder nebeltrüber
Winkt Helfenſtein und Stauffeneck.
Im Norden ſeh' ich einſam ragen
Den Staufen auf im Witwenkleid,
Den Rechberg auch und möchte klagen
Ob der vergang'nen Herrlichkeit.
Doch fern im Süden, dir, mein Zollern
Mit deinem ſtolzen Fürſtenſchloß,
Weih' ich dies Lied mit einem vollern
Anklingen auf den Kaiſerſproß!
Doch klagen nicht noch bang betrauern
Laßt uns des Schönen irdiſch Los,
Von Felſennelken glühn die Mauern,
Am mooſ'ge Trümmer rankt die Noſ'.
Nicht klagen laßt uns der Ruinen,
Nicht neiden deren einſt'gen Glanz,
Nein, freuen uns, daß nun ſie dienen
Zum Schmucke unſres Schwabenlands.
149
150
Spaniſche Weinſtube
Ach, für meines Lebenstiſches
Od Getreib in Stall und Scheuer
Wünſcht' ich einmal mir ein friſches
Ritterliches Abenteuer.
And „Alonſo Pedro Vega“
Stand an einer Wand zu leſen;
Eine ſpaniſche Bodega —
War noch niemals drin geweſen.
Schmachtend ſchaut' ich nach Lenora,
Die mir füllen ſollt' den Becher.
Gott! Wo iſt doch die Sennora
Mit Mantilla und mit Fächer?
Was ich ſah, war gar nicht ſpaniſch:
Eine Magd mit Sommerſproſſen,
Hochgeſchoſſen, blond germaniſch,
Reichte mir den Wein verdroſſen.
And umher auf ſteifen Stühlen,
Voll Grandezza und Bedeutung
Masken ohne menſchlich Fühlen,
Las ein jedes in der Zeitung.
Von der Bank rafft' ich mein Bündel,
Zu entfliehen dem Gelaſſe;
„Heillos ſpaniſches Geſindel!“
Rief ich draußen auf der Gaſſe.
Rheinfall bei Schaffhauſen
Welch Donnerſauſen
And Wogenbrauſen,
Sich überſtürzen,
Mit Schaum ſich ſchürzen!
CCC i GE ae
* * * 7 [4 — 15 . * K
*
Sind's Fohlen mit ihren Müttern,
Die, bange vor Sturmgewittern,
Bei rollenden Donnerſtimmen
Den Strom durchſchwimmen?
Die Mähnen, die weißen Mähnen
So ſturmwild flattern;
Dort übereinander ſich lehnen
Die Müdern, die Altersmattern.
Die Hengſte mit ſtarken Hufen
Sich breite Stufen
Ins Waſſer ſchlagen
And weiter jagen.
Noch kündet donnernd Gewieher
Viel tauſend der gleichen Flieher,
And tauſend der grauen Stuten
Tief unten ſtromabwärts fluten.
Luzern
Abend iſt's, und all die Blumen ſchlafen
Düfteſtreuend an Lucernas Hafen.
Nächtlich gürten ſeines Afers Säume
Thujaſträuche und Kaſtanienbäume.
Da auf einmal: Welch ein Lichtgefunkel
In der Seeflut grünem Waſſerdunkel?
Jede Leuchte auf des Bergs Terraſſe,
Jedes Lichtlein drüben in der Gaſſe
Spinnt ſich über, bildet Feuerwege,
Wird zur Brücke, wird zum Wellenſtege. —
151
Mählich ſchwindend, dämm'riger und blaffer
Langſam ſo verzitternd überm Waſſer.
Näher treten an die Schattenrieſen,
Dich, Lucerna, in den Arm zu ſchließen.
Auf dem Rigi
Schön iſt's, wandeln bei der Tale Qualmen
Auf den ſtillen, taubeſprengten Almen,
Wo von Felſenwänden, kahlen, bloßen,
Her dir winken dunkle Alpenroſen,
Ringsumher die hohen Eiſeszinken
Silberhell zu dir herüberblinken,
Enziane mit dem dunkelſatten
Tiefblau dich begrüßen auf den Matten,
And Geläut' von braunen Weidekühen
Niederklingt von den betauten Flühen.
Frühlingsanfang im Tal des Teſſin
Ein Kind des Schnees, ſo weiß, ſo waſſergrün,
Durch felſige Tore wälzt ſich der Teffin.
Steinblock an Steinblock. — Wie das ſchäumt und ziſcht!
Das iſt nicht Waſſer mehr, das iſt nur Giſcht.
Felswände ſteil, gewaltig, wolkenhoch,
Durch ſie geſprengt der Eiſenſtraße Joch.
Ein Dörflein dort. — Ach, zehn der Häuschen bloß,
Steinmauern kalt, ſo grau, ſo fenſterlos.
Und doch und doch: Ein Gärtlein treu gepflegt,
Ein Wieſenfleck vom Steinwall eingehegt;
152
5
And fieh und ſieh: Ein Kirchlein liebetraut
Dort an den rieſigen Felsblock angebaut.
Du Giornico! Noch hängt die Rebe braun
An deiner Gärten leichtem Lattenzaun,
Noch kündet mir den Frühlingsanfang nicht
Am Wegſaum dort ein Blumenangeſicht.
Ein Kind iſt's, das ihn kündet mir am Tor:
„Gib mir die Veilchen, Lina!“ — „Si Signor!“
Maroggia
(am Luganer See)
Ich weiß ein Friedenheim, ich kenn' ein Eden;
Von ſeinen Seligkeiten laßt mich reden.
Ein Tälchen iſt's, vor Stürmen rings geborgen,
Als ob's hier gäbe keine Erdenſorgen.
Ein Wäldchen iſt's zu ſüßem Liebeskoſen;
Als rote Küſſe glühn die Pfirfichrofen.
Die Seeflut ſpielt mit ihren Aferkieſeln,
Du möchteſt ſchlafen ein bei dieſem Rieſeln.
Maroggia! Wohl iſt's ein wonnig Karmen,
Was dich umfängt mit ſeinen Flutenarmen!
Die Primel blüht in grüner Gärten Weiten,
Auf blauer Seeflut ſanft die Kähne gleiten.
Wenn jemals könnt' ein wundes Herz geſunden,
An dieſen Afern wär' der Strand gefunden.
„ 153
Lugano
O hoffe nicht, aus dieſer Zauberſchüſſel
154
Zu naſchen Früchte, ſo dir fehlt der Schlüſſel,
Auf dir zu ſchließen ihrer Wunderzonen
Liebreiz und Glanz auf Gaſſen und Balkonen,
Wo abends ſtets von ſeidenen Gardinen
Geſang dich grüßt und Klang der Mandolinen,
Bildſchöne Frau'n an dir vorübergleiten. —
O ſchau nicht um nach dieſen Herrlichkeiten!
Nicht ungeſtraft magſt du Lugano ſchauen,
Dein Auge weide an der Flut, der blauen!
An feinen Rofen, Myrten, Loniceren,
An feinen Bergen, feinen wunderhehren!
Du biſt zu ernſt für dieſes Freudehaſchen,
Zu ungeſchickt, aus dieſem Kelch zu naſchen.
Ins Tal der Sel'gen kamſt du zu genießen,
Doch hungrig kehrſt du aus den Paradieſen!
Monte Salvatore bei Lugano
Tritt an, o Pilgrim, willſt du dich entladen
Viel deiner Sünden auf dem Berg der Gnaden,
Durch ſchmaler Gaſſen enggewölbte Tore
Aufwärts den Pfad zum Monte Salvatore.
Ein Bild des Heilands ſteht am Weg da drüben;
Auf, beug dein Knie, in Andacht dich zu üben!
Schau um! Schau um! Wie weich die Waſſer fließen,
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Des Heilands Berg ſich innig anzuſchließen!
Schau um! Schau um! Wie ſanft die Aferlehne,
Als ſuchte ſie wie einſtens Magdalene
Mit Roſenöl und Balſam allenthalben
Den nackten Fuß des Heilands einzuſalben!
Auf ragt ſein Haupt, von mildem Licht umfloſſen;
Die Stadt da unten, reuig hingegoſſen,
Als Sünderin liegt zu des Heilands Füßen,
Mit weichen Lippen weinend ſie zu küſſen.
Italia
Italia, ſo überreich an Gnaden!
Wie ſehnt' ich mich nach deinem ſel'gen Strand,
And pilgernd zog ich in das heil'ge Land,
An jedem Born der Schönheit mich zu baden.
Der Dom zu Mailand
Auf ragt der Dom in ſeiner Marmorpracht,
Wie für die ganze Chriſtenheit gemacht.
Du trittſt hinein: Wie kühl, wie feierlich!
Dies Gotteshaus iſt eine Welt für ſich.
Das Domgewölb' ein irdiſcher Himmel faſt,
In dem die Gottheit ſelber wohnt zu Gaſt.
Am Hochaltar der Kerzen flimmernd Gold,
Die Jungfrau mit dem Jeſuskindlein hold.
155
Betſtühle hier, dort bleicher Lichterſchein
Auf der Altäre ſamtbehang'nem Schrein.
Glasſcheiben bunt in Blumenteppichs Pracht,
Sie halten treulich ihre Fenſterwacht,
Daß nimmermehr die Schau der Außenwelt
Der Beter reine Andacht hier vergällt.
Nach dem Gewölb', dem dunklen Baldachin,
In frommem Duft die Weihrauchwolken zieh'n,
Als ob auf ihnen ſanft der Lieder Chor
Zu all den Sel'gen Gottes flög' empor.
An der Riviera
Gott! Welch Tülle von Licht hernieder mir flutet! Savonas
Strahlender Himmel ſo blau wie ſein kriſtallenes Meer!
Nimmer das ſchüchterne Blaß der Blumen der Heimat,
| die fromme
Waldanemone nicht mehr findet der ſuchende Blick.
Anders geartet ſind hier die Töne, die Farben, und voller,
Leuchtender, glühender ſpricht Erde und Himmel mich an.
Im Hafen von Genua
Stolz vom Geſtade des Meers, o Genua, prächtiges,
ſteigſt du |
An zu den Höhen, die rings weithin umſäumet dein
Golf. — —
Barken ruderten her mit Kiſten, Fäſſern und Säcken;
Aufzunehmen die Fracht, knarreten Seile und Kran. —
Dann mich wendend zurück zur Geſellſchaft: Drunten im
Saale
Saßen die andern beim Mahl, plauderten dieſes und das.
156
n
t
— ee We iin
8 m — 1
r
Da der Stattliche hier, der ift ein Kaufmann aus Smyrna,
Jener Gebräunete dort kommt vom numidiſchen Strand;
Ich, der Schmächtige, nur vertrete das kleine Europa,
Aſien, Afrika ſie mit der gedrungnen Statur.
Eine Bellis perennis
(Gänſeblümchen, in einem Garten bei Genua)
Ei Gretchen! Ei! — Wann biſt du hergekommen?
Sie haben dich doch freundlich aufgenommen?
Doch nein! Ach nein! Mir ahnt von trüben Sachen,
Das Weinen ſteht dir näher als das Lachen.
„Die ſtolzen Schweſtern woll'n ſich meiner ſchämen,
Die wollen mir mein Kleidchen übelnehmen,
Das Kleidchen, das die Mutter noch geſponnen
And noch gebleicht am Wiesplatz hinterm Bronnen.“
Dem Vater gib, o Gretchen, hievon Kunde!
„Nein, Nachbar! Seht: Stiefmutter ſteht im Bunde.“
So ſchreib' ich ſelbſt ihm, wie mit trüben Mienen
Wehmütig lächelnd mir ſein Kind erſchienen.
Am Strande von Pegli
Ich ſah dich, Meer, in deiner ſonnigen Pracht,
Wie du als holde Schöne mir gelacht.
Ich ſah dich, Meer, in deiner Wogen Braus;
Ich ſah dich ziehen deine Stirne kraus.
Ich ſah dir wallen all das Blut im Leib,
Ich ſah dich, Meer, als wutentbranntes Weib,
Das launentoll in ſtolzem Herrſcherſchritt
Ein Spielzeug wirft zu Boden und zertritt.
157
PFF er
er ER — 8 —
55 EI
Tal des Arno
Es zieht ſich aufwärts zwiſchen Rebenwänden,
Es zieht ſich ſtundenlang und will nicht enden.
Schön eingehegt zu grünen Rebenlauben
Hier im Toskanerland das Feld der Trauben.
Fortrankend ſich an Mauern, an beſonnten,
An Maulbeerbäumen, weißen Häuſerfronten.
Ein kleiner Hain Oliven dort dazwiſchen,
Ein kahler Hang mit Ziſtusroſenbüſchen.
Ein Gartenſtreif mit Sellerie und Bohnen,
Am Boden ſchwer die Goldfrucht der Melonen.
Amſponnen Mauern, Villen und Tavernen
Von Klematis mit blauen Blütenſternen.
So zieht ſich's aufwärts zwiſchen Rebenwänden,
So zieht ſich's ſtundenlang und will nicht enden.
Am Tiber
Aus kiesgefülltem Bette kommt der Tiber
Wie hitzverſchlafen vom Gebirg herüber.
And leerer Bäche ſteinerfüllte Rinnen
Ziehn zahllos nieder von den Apenninen.
Als hingewürgter Völker rieſ'ge Särge,
So grollen nieder die Sabinerberge.
Nur hie und da an einer Felſenklippe
Ein ausgebrannt und abgewelkt Geſtrüppe.
Hie filbergraue, großgehörnte Rinder,
Halbnackte braune, ſchöne Hütekinder;
158
| Dort von der Via Appia durchzogen
Aufragend fern der Aquädukte Bogen.
Die Weide ganz von Sonnenglut gerötet —
So liegt das Land verlaſſen und verödet.
Tempel der Veſta in Rom
3 Deine Gottheit hat die Zeit vertrieben,
1 Nur das heilige Feuer iſt geblieben.
Be Mit dem feſten Mauerguß zum Grunde
* Steht der Veſta einſtige Tempelrunde.
9 Ob entſchwunden auch die Prieſterinnen,
| Nicht erlofchen ift die Lohe drinnen.
. Auf ſie alle, die da ſchönheitstrunken,
2 Sprühen nieder neue Feuerfunken.
4 IJIſt doch all das Göttliche und Hohe
1 Ein verirrter Funke dieſer Lohe.
Sankt Pauls Taverne in Rom
(Apoſtelgeſchichte 28, 16)
Doch der Hauptmann daſelbſt erlaubete Paulo zu gehen
cher den Jüngern umher und zu predigen. — Aber ein
Kriegsknecht
| War zur Seite ihm ſtets ſo täglich, daß er nicht fliehe.
Ind jo kam er oft her in das Haus des Kornelius Rufus,
Trank und ſpeiſete dort. — And als ich germaniſcher
5 Fremdling
Sing zu ſuchen in Rom nach einer Taverne, da führte
mdlich ſein Geiſt mich hieher. — And ſiehe, ja ſiehe:
| Das war ja |
159
Pauli einftig Quartier, und nach ihm benennet die Gaſſe
So wie die Schenke daſelbſt. — And auch die germaniſche
Sklavin,
Sommerſproſſig und blond, war da noch, die er bekehrte;
Freilich, nimmer ſie ſelbſt, doch Arurenkelin jener,
Stand und wartete auf und reinigte fleißig den Boden. —
And ſo ſaß ich am Wein, ſaß lange, lange und immer
Aus mir denkend den Brief, den hier er an Brüder ge-
ſchrieben.
In Pompeji
Nicht bei Mondſchein, nicht bei Tages Blaſſen
Bin gewandert ich durch ſeine Gaſſen;
Nicht gehindert von der Menge Lärmen,
Bin gewandelt ich durch ſeine Thermen.
Hoch am Mittag hab' ich ſie beſchritten,
And der Widerhall von meinen Tritten
Durch die Totenſtadt, ſo ganz verlaſſen,
Pflanzte fort ſich durch die ſtillen Gaſſen:
Auf des Pflaſters ſchwarzen Lavablöcken
Schlug er an wie auf metallne Becken,
Sprang dann über nach der Cella Kannen,
Nach der Thermen weiten Badewannen,
Erſt verklingend fern auf der Tribüne,
Des Theaters menſchenleerer Bühne;
Bis kein Laut mehr dieſe Stille ſtörte,
Selber ich den eignen Herzſchlag hörte,
Als an Jupiters geborſtner Säule
Voll mich trafen ſeine Sonnenpfeile.
160
Amphitheater in Pompeji
O ſieh, o ſieh: Den mordbefleckten Boden
Hat überſponnen ganz die weiße Winde,
Als wolle fie hinweg die Blutſaat roden. ,
Gelungen iſt dem frommen Ackerkinde
Es zu entſündigen, das Feld der Toten,
Mit feiner Ranken weißer Prieſterbinde.
* *
*
Von der alten Säulen Architraven,
Von der Mauern ungezählten Ritzen,
Alle, alle, die ſich hier einſt trafen,
Kommen her zu ihren alten Sitzen.
Zu Lazerten, die vorüberblitzen,
Sind verwandelt Freie nun und Sklaven;
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*
Goldiggrün die kleinen Köpfchen glitzen,
Bis ſie neu zu Menſchen ſich geſchlafen.
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Gräberſtraße in Pompeji
Wo weltentrückt an alt Pompejis Tor
Am grauen Stuck und kahle Lavamauern
Geſpenſtig ſtumm noch ernſte Pinien trauern
Als letzte Zeugen von der Toten Chor,
Mit ihren letzten Arnen noch davor — 5
Da läßt es dich, den Wandelnden, erfchauern;
Rück ſchauſt du ſcheu, ob keine Schatten lauern
In Saal und Zimmer aus der Nacht hervor. —
Es laſſen's ahnen all die vielen Niſchen,
Es laſſen's ahnen dunkel die Zypreſſen, |
Das Leid, das viele Leid. — Wer will's ermeſſen!
Wagner, Geſammelte Dichtungen 11
161
Wer könnte doch in ſich hinein es preſſen
Beim Trauermahl an dieſen Opfertiſchen
Das Schluchzen all, das viele Augenwiſchen!
* *
*
Vejus, ſieh: An deinem Wiegenfeſte
Bringen wir des Liebesmahles Refte,
Süße Trauben, einen Apfelkuchen,
Eine Torte, die du magſt verſuchen,
Eine Birne, eine Honigflade
Her zu dir in deine Totenlade.
Wollen ſitzend hier auf dieſen Bänken
Anſers lieben Vejus noch gedenken.
Wollen ſpähen, ob nicht deine Stele
Durch ein kleines Nicken ſich empfehle,
And ſo heimlich aus dem Aſchenkruge
Nicht hervor ein kleines Köpfchen luge?
Im Garten des Albergo del Sole in Pompeji
162
Tod und Leben nahe hier beiſammen,
Aſchenurnen neben Noſenflammen;
Jeder Morgen iſt ein Blumenbringer,
Jeder Blick ſtreift einen Totenzwinger.
Und den Trümmerreſt von Architraven
Aberdecken ſiegreich der Agaven
Bläulichgrüne rieſige Roſetten.
Auf dem Boden nackte Amoretten,
— ¹ ¹¹ũ̃·¹i¹iĩ 7
Tonfiguren, Statuettentrümmer.
And ich frag' mich: Ob nicht auch im Zimmer,
Wo ich Fremdling geſtern übernachtet,
Eine Aſchenurne eingeſchachtet,
Da im Traum ein Weib mit Kahn und Ruder
Mich willkommen hieß als ihren Bruder?
Heiligtum der ſtädtiſchen Laren
Ein Altar mit Früchten und mit Broten. —
Statuen auf dem Moſaikboden
Heben flehend ihre Marmorhände,
Daß die Gottheit Freudiges nur ſende.
Daß kein Anglück möge niederfahren,
Stemmen ſich die Arme dieſer Laren.“
Oben offen; Halle ohne Decke,
Daß die Bitthand ſich gen Himmel recke.
Die Tauben auf dem Markusplatz
O ſieh ſie doch, Venedigs Taubenſchar,
Anflattern traut beim Schlag des Campanile,
Wo Futter iſt geſtreuet für ſo viele,
Frei von des Menſchen Tücke und Gefahr.
Ab von den Dächern ſenkt ſich Paar um Paar
Zum Markusplatz und ſeiner Marmordiele,
Zu reichem Mahl und ſüßem Liebesſpiele,
Behütet vor dem Habicht und dem Aar.
Wer ſtreute erſtmals dieſe Friedensſaat
Hier auf den harten Boden der Galeeren?
Venedigs Adel war es, der Senat.
1
163
Er tat's, um ſchöne Gaſtlichkeit zu ehren,
And Land und Meer. Der Stürme Gott, er tat
Sein möglichſtes, um Unglück abzuwehren.
CL . a
Erinnerung an Lugano
Od düſter auch der trübumzogne Himmel,
Die Luft erfüllt von ſchneeigem Gewimmel,
Ich, rückverfolgend einſt'ger Freude Fährten,
Finde mich heute in Luganos Gärten.
Wie ſtill der See, an deſſen Rebenborden
Kaum brandet an ein rauher Wind aus Norden.
Viel ſtolze Villen auf den Aferhügeln
In blauer Seeflut klar ſich widerſpiegeln.
Der rohen Steinbank, wo ich einſt geſeſſen,
Auch der Taverne nimmer ſei vergeſſen.
Ob winterlich noch heut die Reben bräunen
An deren Mauern, deren Lattenzäunen?
Ob vor des Hauſes ſchmalen Fenſterſcharten
Die Signorinas ſich ergehn im Garten?
Am Berg hinauf im Laub, dem wintergrauen,
Schon Anemonen blühn, die himmelblauen?
Ich weiß es nicht. — Mir g'nügt, auf fernem Poſten
Vergangner Tage Honigreſt zu koſten.
Beim Feſt der Mädchen
O falle nicht der Freude in den Zügel;
Vom Honig naſche, den zurück ſie läßt!
Kein Stachel bleibe für des Alters Reſt!
O werde jung, und hebe auf die Flügel!
164
Laß nur der Jugend ihre Freudentänze!
Laß freuen ſich, was ſich zu freu'n vermag;
Dem Alter gönne neue Lebenslenze!
Ja, ſchaffe ſelbſt dir einen NRoſenhag!
An ſeine Dorne häng' Sonettenkränze
Mit ſel'ger Inſchrift: „Koſte aus den Tag!“
Feſtjungfrauen
Nicht zu kennen du begehr' mit Namen,
Die ſo ſchneeweiß heut zuſammenkamen,
Mit den Rofen, mit den Efeukränzen,
Prangend in der Jugend ſel'gen Lenzen.
Mit den Schleifen, mit den Purpurbinden,
Ob Brunhilden ſie, ob Siegelinden?
Wie entſchwebend dieſer Erdenkrume
Mit der Fahne ſtolzem Heiligtume.
Jener auch, die mit Walkürenmiene
Dort die Stufen aufſteigt zur Tribüne.
Bringen her ſie längſtentſchwundne Kunde?
Kommen ſie von Wodans Tafelrunde?
Wallen her ſie, mattgewordnen Helden
Göttervaters Ausſpruch zu vermelden?
Wein und Brot
Nur Wein und Brot ſei künftig meine Speiſe.
Geſättigt von des Brotes heil'ger Kraft,
Schreit' mutig fort ich auf des Lebens Reiſe;
165
te
Gekräftigt von des Weines Feuerfaft
Erring' ich mir des Lebens höchſte Preiſe
And fühl' mich groß in meiner Prieſterſchaft.
Seliger Traum
Lieblingsgerüche der längſt entſchlafenen Mutter, der Nelk' und
Nachtviol' köſtlicher Duft, durchſtrömten das ärmliche Stübchen,
And ich gedachte, wie ſie geliebt einſt die duftigen Blumen.
Siehe, da trat ſie mir ſelbſt voll aus dem Rahmen des Bildes
Jetzt im Traume. O nimm mit mich! So fleht' ich. Du
kommſt ja
Einzig zu Boten mich doch? Satt bin ich des Lebens, der
Erde!
Liebreich, aber doch ſtumm erſt ſchüttelnd das Haupt nun
begann ſie:
„Nicht ſo verzaglichen Muts! Zu höheren Ehren gelangſt du,
Sohn, einſt. Wiſſe es: Nicht entziehe dich göttlichem
15 Auftrag!
Hoffe und harre der Zeit!“ Hin ſchwand ſie, die Selige
Süßer
Duftete dort aus dem Glas am Fenſtergeſims die Viole.
Meine Träume
Wach' ich nicht freudig auf in meinem Leide,
Wenn ich genoſſen ſüße Oſterfreude?
Ja, ſüß iſt's, ſüß, zu ſchaun im Dämmerlichte
Des Wiederſehens holde Traumgeſichte.
Kann ich noch zweifeln, daß die Lichtgeſtalten
Von meiner Sehnſucht Kunde neu erhalten,
Da ich allnächtlich auf des Traumes Brücke
Bald Vater und bald Mutter neu erblicke?
166
a Mutter ei
5. Slätenbufe; der Rofen dort am Ra; n,
Beſtrahlt vom milden goldnen Abendſchein,
Nehm' ich, o Mutter, ſtets in ſondre Hut,
Weil deine Augen oft auf ihm geruht.
Mir iſt, wenn er im Sommermond erblüht,
Als ſei'n die Mutteraugen aufgeglüht;
Ein Wiederſehn, ein halbes, feir' ich hier,
Ein Wiederſchaun der Augen iſt er mir.
Meines Hauſes Kapelle
Ob, wie manch ernſt', manch liebliche Legende
Erzählen mir der Kammer niedre Wände;
Drum wähl' ich dich, du liebe Schlummerſtelle,
O Kammer, dich zu meiner Hauskapelle!
Wachskerzen freilich ſieht das Aug' hier keine;
Du wirſt erhellt vom milden Abendſcheine,
Der Betaltar an dieſer heil'gen Stätte
Iſt meiner Mutter einſtiges Sterbebette.
Totenfeier
Auf, heran zu dieſem Mutterfeiern!
Kinder, kommt!
Tun wir, was uns ſelber, was der teuern
Toten frommt! |
Ihr Geburtstag iſt. Nach frommer Sitte
Schön und wahr
Bitten wir fie her in unſrer Mitte
Kleine Schar. j
167
168
Ihren Seſſel rücket an die Stelle,
Wo er ſtand,
Ehe noch des Auges klare Helle
Ihr entſchwand;
Bringt ihr Leibgericht und ihren Teller
Füllet friſch!
Stellt ihr Glas mit goldnem Muskateller
Auf den Tiſch!
Alſo ſtehet, alle Sinne ſchärfend
Wie auf Wacht,
Heil'ger Sehnſucht Wollen unterwerfend
Grab und Nacht.
Wie das Taubenweibchen zwingt des Taubers
Ruf zum Tann,
So herein ſie zwinge unſres Zaubers
Mächt' ger Bann!
Ach, noch immer nicht iſt ſie erſchienen!
Gehn wir nicht,
Eh' gelabt wir uns an ihrer Mienen
Sel'gem Licht!
Ach, noch immer nicht ſind wir durchgeiſtert
So in Kraft,
Daß vom Grab empor, das wir bemeiſtert,
Sie ſich rafft.
Drum ſo ſtehet, feſt und ohne Wanken
Vollbewußt,
Dulde keines anderen Gedanken
In der Bruſt
Als den einen, ſie hereinzufodern
In den Kreis,
Laßt der Sehnſucht heil'ge Flammen lodern
Voll und heiß!
Nicht der Ladung ſolcher Gottbefehle
Fürder kann
Widerſtreben die entfloh'ne Seele
Mehr ſodann:
Ohne Widerſtand und ohne Wollen,
Ohne Wahl,
Taucht ſie plötzlich, blauer Luft entquollen
Auf im Saal.
Mutter! Mutter! tönt's von unſern Lippen
In der Rund',
An dem Glaſe ſehen wir noch nippen
Ihren Mund;
Wiederſehens⸗Wonnen auf uns gießend,
Heiß und kalt,
Ehe ſie in leichte Luft zerfließend
Ans entwallt.
Mutterſegnen
Bringt dich nicht vom fernen Nachtgeſtade,
Mutter, her des Sohnes Sehnſuchtszug?
Kannſt erſcheinen im Vorüberflug
Nicht du mir auf deinem Lieblingspfade?
Sonnenſchein liegt auf dem Waldgehege,
And der Mittag zittert auf dem Rain;
Himmelblau entfaltet iſt der Lein
Dicht daneben an dem Ackerwege.
And ein Schmetterling ſchwebt hin und wieder
In der Iris blauem Farbenſtrahl,
Auf und ab den Pfad wohl ſiebenmal
An dem ſtillen Waller auf und nieder.
169
Irisblauer Falter, dein Begegnen
Iſt ſo ſeltſam mir, ſo wunderſam:
War's ein Geiſt, der mir entgegen kam?
Flog vorüber was wie Mutterſegnen?
Am Abend des Hochzeitstages
Die Myrte duftet ſüß in deinen Haaren.
Die Hochzeitsgäſte ſind hinweggefahren;
Im Saale flimmt der Kerzen bleicher Schein —
Endlich allein!
Komm! Laſſe zärtlich deine Hand mich drücken,
Vertraulich laß uns nah und näher rücken,
Bis Mund an Atem, Hauch an Lippe ſteht —
Eliſabeth!
Heiligſprechung des Weibes
Als du mich zum Liebſten einſt erkoren,
Ging mein Weſen wohl in dir verloren;
Als ich dich zu meiner Braut gewonnen,
War mein Alles nur in dich zerronnen.
And ſo war all unſer Liebesweben
Ein Empfangen nur und Wiedergeben,
Anſer Werben all und unſer Minnen
Ein Verlieren nur und Neugewinnen.
. *
*
Komm' als Prieſter ich zu dir gegangen,
Haſt du Wein und Brot von mir empfangen,
Kannſt du's wandeln in erneutes Leben,
Ihm im voraus ſeine Schuld vergeben.
170
Laß mir Priefter nur die Tat des Handelns;
Heil'genbild! Dir bleibe die des Wandelns;
Laß mich Prieſter meines Amts gewähren,
Offenbaren ſei deins und Verklären.
Apotheoſe
# Armes, unglückliches Weib! In der Jugend bedrückte
3 dich Not ſchon,
Dann aufreibender Dienſt bei den Fremden. — So e
= heran du;
Freundlich lächelte dir mitunter das Leben ein Weilchen. —
And wie ein roſiger Tag Waldnächten entſteiget, erblühte
Wange, Lippe und Mund aus dunkelgewelletem Haar dir.
Damals warb ich um dich, Vielholde, gewann dich zum Weibe,
Glücklich ob deinem Beſitz, Hochherrliche, Liebliche. — Aber
Krankheit ſuchte dich heim, unheilbar, allen zum Unglück.
Nicht daß Not du gehabt, noch Mühſal mehr als die
3 andern.
Ach, das Verhängnis umfing dich mit trauriger Irrung;
von Irrung
Weiter zu Irrung, zuletzt aufhörend, endend im Irrſinn.
Welk und zerblättert und bleich, ſo liegſt du. — Aber
3 gewiß nicht
Ruhmlos ſankſt du dahin, o Röslein! — Siehe, ich Sänger
Füge dem Liede dich ein, dir gebend unſterbliches Leben.
Salvaiterbergle bei Warmbronn.
Auch einer iſt's, der Monti Salvatore,
Du ſiehſt ihn dort in ſeinem Herbſtesflore:
Nicht Kreuzlein krönt, nicht Kirchlein, noch Kapelle
Die ges der Heid’ auf niedrer Hügelwelle.
171
—
2328
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Doch heitrer Abend ſchmückt als ein Vergolder
Halbwelkes Gras und Nelk' und Buſchwacholder.
And wenn im Mai des Tannbaums Kerzen glimmen,
Von Blum' zu Blume ſchwärmen hin die Immen,
And überm Walde hehr die Glocken klingen,
In ferne Zeit möcht' ich zurück mich ſchwingen,
Wo eine Heil'ge, wandelnd mir zur Seite,
Mit frommen Tritten neu die Stätte weihte.
Vom Hügel hoch ein Kirchlein ſeh' ich ſchimmern,
Die Kuppel ſtolz in goldnem Lichte flimmern,
Von Tann und Föhren rings den Berg gelichtet,
Wo meine Andacht ſich zum Bild verdichtet.
Rückblick
So zog mich oft ein namenlos Verlangen
Nach Romas Strand, nach Hellas’ Säulenhallen,
Als Pilger hin ins heil'ge Land zu wallen,
And da zu wandeln, wo Er iſt gegangen.
Doch ſchmerzlich fühlt' ich, daß ich war gefangen,
Gehalten, ach! von bitt'rer Armut Krallen;
Entmutigt ließ ich meine Flügel fallen,
Und eine Träne rann von meinen Wangen.
Doch ſeit der Tod die Liebſte mir entriſſen,
Verlangt mich nimmer nach entfernter Flur,
Wie leicht kann ich den einſt'gen Wunſch nun miſſen!
Der lieben Heimat heil'ge Fluren nur
Möcht' ich umarmen nun, den Boden küſſen,
Wo eingedrückt ſich ihrer Füße Spur.
172
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Suchen
Auf Pfaden ſtill, von Buchengrün umwallt,
Ging ſinnend ich zu horchen in dem Wald,
Ob von den Stimmen all, ſo ſüß, ſo bang,
Mich keine mahn' an ihrer Stimme Klang?
Ob von den Flüſtertönen hier und dort |
Mich keiner mahn' an einftiges Liebeswort ?
Ob nicht den Wipfeln, dem Gebüſch entweht,
Was Seeliſches Verſtändnis mir verrät?
O würd' es mir in einer Flieg' Geſumm! —
Ach, keine Tröſtung! Alles fremd und ſtumm!
O würd' es mir in eines Vogels Lied,
Das ſüßbewußte Nähe mir verriet',
Von ihr, die einſt als Liebſte und als Kind
Gewandelt hier auf dieſem Pfad ſo lind.
Auf heiligen Pfaden
Wekhmütig ſtimmt mich Pilgernden der Wald:
Er noch ſo friſch, und ſie gewelkt ſo bald.
Notröslein ihr im ſchattigen Eichenhag: =
Hinunter iſt des Liebens ſeliger Tag!
Erdbeeren ihr im mooſigen Föhrengrund:
Gott, modert nicht im Grab ihr ſüßer Mund?
Ihr Blümlein all ſo weiß, ſo blau, ſo rot!
Wie mögt ihr blühen, da die Liebſte tot?
* *
*
173
174
| Ale Teile, die von mir ſich trennen,
Dort umſchweben jene Blumenſonne,
Schmerzlich nur, daß ewig bleibt verhüllet
|
=
Würde Sünder mir die hohe Gnade
Einer Segnung auf geweihtem Pfade,
Könnt' ich Armer mir von ihren Tritten
Eine fromme Segensſpur erbitten —
Ging ich wandeln, ob von Wieſenbächen;
Leiſe mir Vergißmeinnichte ſprechen?
And dann weiter, ob von ſtillen Gründen
Weiße Roſen mir Vergebung künden?
Wiedereinung
Ein Beſtreben, einen Wunſch nur kennen:
Sich aufs neue wieder nun zu einen
Mit der Hingeſchiednen, mit der Reinen.
Daß gefunden ſich, daß ſich getroffen
Die Atome wieder, darf ich hoffen.
Daß vielleicht im Falter ſie in Wonne,
Daß vielleicht nur meinem Aug' verhehlet
Sie als Waldesvöglein ſich vermählet,
Daß vielleicht in jenem Laubgeranke
Sich geeinet ihr und mein Gedanke.
Jeglich Schauen, das die Sehnſucht ſtillet.
Traurig wohl, daß ewig uns verſchloſſen
Bleibt Erkennen unfrer Ichgenoſſen.
Br. er
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Mi kaum voran, ſo zehn der Tritte, ſchritt
3 Ein Mägdlein vor mir in des Weges Mitt’,
Ein Büſchlein Reiſig tragend auf dem Kopf:
Gott, wie bekannt der Gang, der ſchöne Zopf!
Sie iſt es nicht und könnte doch es ſein. —
„Gott grüße dich, du liebes Mägdelein!“
Biſt du entſtiegen neu des Grabes Grund,
Am neu zu tragen deinen Reiſigbund,
Den du getragen einſt als armes Kind
Die Pfade hier ſo buchenſchattig, lind,
Eh du geworden dann mein ſüßes Weib? —
Ihr Mieder iſt's, ihr Rock, ihr ſchlanker Leib,
Die Stimme iſt's, der Gang und das Geſicht. —
Du könnteſt ſein es, und du biſt es nicht.
Du biſt es nicht, und könnteſt doch es fein, —
„Gott grüße dich, du liebes Mägdelein!“
Leiſe Boten
„Dieſe ſchwarzen Berglein auf den Beeten,
Sage mir, o Vater, was ſie ſind?“
„Angern ſeh die Berglein ich, mein Kind;
Maulwurfshügel ſind es, Sargpropheten.
Gleichen ſie doch nur des Grabes Riegeln;
Nie ſeit ich den Garten hier erwarb,
Als im Jahre, da mein Vater ſtarb,
War er voll von dieſen ſchwarzen Hügeln.“
175
„Sieh den Falter, Vater, mit den weißen
Rändern um das Schwarz dort an dem Beet!“
„Trauermantel du! Auch du Prophet!“
Leichenſäger! wie du wirſt geheißen.
Ach, vor Augen iſt mir's ſtets und immer:
Als dein Brüderlein hinaus man trug,
Da umflog er deſſen Leichenzug
And die Bahre vor dem Totenzimmer.“
„Wächſt die Blume lang ſchon in dem Garten?
Vater, ſieh, die Blüte dort am Zaun?“
„Totenblume! Läßt auch du dich ſchaun?
Heil'ge Toten! Wollt ihr nicht mehr warten?
Dieſe Blume, dieſe düſtergelbe,
Sah ich nie als nur an jenem Tag,
Da einſt ſterbend deine Mutter lag,
O mein Sohn, gewiß, ſie iſt's, dieſelbe!
Reicht ſie nicht mitſamt den lieben andern
Ihre Totenhand mir aus der Gruft?
Ahn und Brüderlein und Mutter ruft;
Küſſe mich, mein Sohn, denn ich muß wandern!“
Nachruf
Du auch gingeſt von mir. — Du, nicht die geringſte von
meinen
Freundinnen rings in der Welt, du ſchöne getigerte Katze!
Nimmer umſchwärmſt du mich mehr ſanft ſchmeichelnd, mit
weichem Geſpinne.
Aber im Garten, wo ſtets du neben mir wandelteſt, ſchaufl' ich
Heut, am an des Bes Begräbniſſes, Samstag vor
Oſtern,
Tränend ein Gräblein dir, und um die erſtarreten Zitzen
176
Bert’ ich die Kinderlein weich, die jüngſt du wohl krank
ſchon geboren.
Sſpinn', ja, fpinne dich aus, bis neu wir wieder in andrem
Seein uns treffen, vielleicht du wieder mir gehend zur Seite,
Oder mir ſitzend im Schoß. — Einſtweilen heft' ich die
Inſchrift
N Dir aufs Gräblein: O ſeht! Viel hat mich Milly geliebet!
Geburtsweihe
Nun du wieder kameſt nach der frommen
Süßen Naſt,
Sei willkommen uns, o ſei willkommen,
Kleiner Gaſt!
Glück und Segen mögen dich geleiten
Um und an,
Noch haſt du den Blick in ferne Weiten
Nicht getan.
Hier die Brote, dort des heil'gen Weines
Fromm Getränk:
Laßt uns feiern heut der Gottheit reines
Weihgeſchenk,
And indem dein Bettlein wir umwandern
Schritt für Schritt,
Bring' ein jedes von uns einen andern
Wunſch dir mit! —
Ja und Amen denn! — Zum Schluß des Ganzen
| Nicht vergeht
Auch ein kleines Bäumlein ihm zu pflanzen
Heut zum Feſt.
Am das Bettlein eine Blättergarbe
Walle kühn,
Daß dem Auge ewig heil'ge Farbe
Sei das Grün!
Wagner, Geſammelte Dichtungen 12
177
Mein Jugendbild i
Nirgends, nirgends auf der weiten Flur
Find' ich von mir ſelber eine Spur.
Wäre doch mein einſtig Jugendbild
Irgendwo zu finden im Gefild!
Wallfahrtgehen wollt' ich nach dem Bild,
Wie ein Pilger nach dem Heilsgefild;
Wallfahrtgehen wollt' ich auf der Spur
Nach der Kindheit Paradieſesflur.
Auf einem Spaziergang
Wohl ſchön iſt es, auf dieſes Weinbergs Stufen
Die Seligkeit des Kindes wachzurufen,
Auf dieſen Nainen, dieſen Raſenbänken
In ferne Jugendzeit ſich zu verſenken.
Doch will mir Greiſen heut nicht mehr genügen
Das einſt genoſſ'ne Glück auf ſolchen Zügen.
Wie Vorwurf klingt es, wenn ich tadelnd ſage:
Nicht mahnt ihr mich an meine Siegestage,
An Armut nur und deren Niedrigkeiten.
Wie ſucht mein Blick daran vorbeizugleiten!
Nur der Triumphe leuchtende Standarten
Mag ſchaun ich noch auf meinen Wegesfahrten.
Noch weiter zurück
War auf Rückflucht nach der Jugend Pfaden,
Einzig folgend der Erinnrung Faden.
Heil'ge Stätten wieder aufzuſuchen,
Schritt ich pilgernd durch den Wald der Buchen.
178
Sinnend abwärts 01. I or Kelche
Friſchen Immergrüns — o, fragt' ich, welche
| Wonneſtunde mögen rück ſie künden?
Magſt ſie ſuchen in der Kindheit Gründen.
Nein, viel weiter, weiter noch zurücke
Führt der Rückflucht blumenblaue Brücke.
Weiter rückwärts werd' ich ſuchen müſſen,
Wo der Faden für mich abgeriſſen.
Wiederverkörperung
E De war ich einſt? Von wem ward mir dies hohe
3 Geiſtleben und der heil'gen Dichtung Lohe? — a
2 Wes Erbe bin ich? Wer als neugeboren Br
Trat wieder in mich aus des Grabes Toren?
. And wer wird künftig, wenn dereinſt ich ſterbe,
Als neues Ich wohl ſein mein Geiſteserbe?
We in der Fernzeit, wenn das Grab mich ſchattet,
Erſtehn, mit meinen Liedern ausgeſtattet?
Warmbronn
O nicht von fernen, längſtvergangnen Tagen
Kommt dir dein Name, trauter Heimatort,
Wohl nimmer war ein warmer Bronn ja dort,
So weit ſie reichen rückwärts deine Sagen.
Warum denn Warmbronn aber, wirſt du fragen?
Sein Name iſt wohl ein Verheißungswort,
Prophetiſch, ſtets und ſtets prophetiſch fort
Der endlichen Erfüllung zugetragen.
*
179 5
Klage
Gern ſpricht die Welt von ſüßem Minnelohn
Beim Sohn der Lieder. — Ich weiß nichts davon:
Der blöde Ackerknecht, der drüben pflügt,
Der Schacherjude, der ein Kind betrügt,
Der Hausknecht, der die ſchmutz' ge Schwelle fegt,
Der Schlächterburſche, der ein Schwein dort wägt,
Das Schneiderlein, das tief dort bücket ſich,
Sie haben mehr davon gehabt als ich.
Dichter und Muſe
Und willſt du Sold von mir und willſt du Lohn,
So biſt du Liebling nicht und nicht mehr Sohn,
So biſt du Söldling nur, ſo biſt du Knecht,
So lohn' ich dich nach Brauch und Herrenrecht.
„And ſteht es fo, jo will ich lieber nicht,“
So ſprach beſchämt ich in dem Traumgeſicht,
„Sold oder Löhnung, nur den einz' gen Lohn,
Daß ich dein Liebling bleiben darf und Sohn.“
Hoher Flug
Wohin, wohin auf dieſem Sternenfluge?
Ich weiß es nicht, muß folgen meinem Zuge,
Der ſtolz und kühn, vergleichbar Königsaaren,
Hoch nach dem Himmel mit mir aufgefahren.
Schon ſchweb' ich hoch ob dunklen Rieſentannen,
Wohl kann ich noch zum Flug die Flügel ſpannen,
Doch der Gedanke plötzlich mich umſchattet:
Was willſt du tun, wenn deine Kraft ermattet?
180
Zur Erde kehren, der du dich entſchwungen?
Nein, nimmermehr! Doch wenn ſich losgerungen
Die letzte Kraft zum letzten Flügelſchlage,
Barmherziger! Dann kürze meine Tage!
Im Staub der Erde laß mich nicht verenden,
Woll' lieber gnädig deine Blitze ſenden!
Zum Geburtstag
Deine Huldigung, Tag! — Ich brauch' ſie zur inneren
Stärkung,
Wunderzeichen ſogar, ich brauch' fie! — So auf dem Fußpfad,
Der an Geheg' und Gezäun dort hinter den Scheunen ins
Feld führt, |
Rief ich verzagend es aus. — Doch fiehe: Aus morſchem
a Gezäun mich
Wieſenkönigin grüßt und blaue Geraniumblüte.
Deine Huldigung, Tag? — Nicht haſt du den Sänger
vergeſſen. |
Göttlichkeit
Aber der Jugend Gebrechen empor rafft auf ſich das Alter
Erſt zu göttlichem Flug. — O ſieh: Was gehet den Hohen
An das Staketengezäun der irdiſchen Jahre? Wie töricht
Käme dem Wandrer es vor, der, wenn er entzückt und be—
3 wundernd
Schwärmte ſo gartenentlang, zu zählen die Latten des Zauns
8 nun?
* *
181
Ja, für den Reſt meiner Zeit geſtatt' ich mir eigens die Freiheit,
Wahr, aufrichtig zu ſein bis zur Schroffheit. Edlen und freien
Stolz zu hegen als Greis und hohes Bewußtſein. Zu ſtreifen
Ab das Bettlergewand, das ſo kalt und ſchweißig mir anklebt.
* *
5 *
Anterzuzwingen den Gott, nein, ſagen wir kühner die Weltmacht
Auch dem eigenen Selbſt und dem eigenen Wollen, das wäre
Erſt der rechte Triumph. And dennoch: So himmelverwegen,
Satanvermeſſen erklingt dies Wort aus des Sterblichen Mund
auch,
Sieh, unmöglich iſt's nicht. Denn ſo du nur ſelber, o Menſch, dir
Treu zu bleiben vermagſt und zu glauben an eigene, höchſte
Gottheit, machſt du die Welt dir dienſtbar dem eigenen Willen.
Aufrichtung
Einzuſtehen gewillt für das Recht des Lebendigen wider
Satzung barbariſcher Zeit erfleht' ich der Göttlichen Beiſtand,
Anbewußt wendend hinauf zum beſternten Himmel das Antlitz.
Gott! Was erſchaut' ich! Fürwahr, ein hohes und herr⸗
liches Zeichen!
Grade zu Häupten mir ſtand in lateiniſcher Letter des eignen
Namens erſtrahlend Gebild in Sternſchrift. Grade zu Häupten
Flammte das ewige W der erhabenen Kaſſiopeia,
Flammte das ewige W des geringen und eigenen Namens. —
Heiß durch die Adern mir rann die Gewißheit göttlichen
Beiſtands.
Mein Gewerbe
a Gewerbes ich ſei? — Goldmacher. — Geringe
Metalle
Wandl' ich in köſtliches Gold, und eine Tinktur, die beſitz' ich,
Koſtbar wie keine: Gering Vorkommnis täglichen Lebens
Wandle in Liedgold ich um durch wenige Tropfen des Geiſtes.
182
*
Be
Aus meinem Leben
8% ein Gebilde von Licht hernieder mir fteige, erhofft’ ich
Törichter ſtetig. Es ſtieg glänzend hernieder, doch nicht
Mir, dem Poeten. Ein Schwarm des Geſindels nahm es in
Anſpruch;
Während der Göttliche darbt, feiert der Pöbel ſein Feſt.
* 0 *
*
3 Zweimal Jugend mir ward, doch miſchte ein tückiſch Verhängnis
Bitternde Kräuter dem Kelch weiniger Tage mir zu:
Wermut düſteren Sinns, mir verbitternd die Jahre der Jugend,
Wermut des reifigen Haars, bitternd das Jünglingsgemüt.
Mein Heimatort
Wan ward mir Geburtsort, Heim kaum. — Geiſtig
vereinſamt,
Sucht ich in Liedern mir Troſt und Erhebung. Freudig be⸗
ſang ich
Halmflur, Wieſe und Wald und den Berghang. — Nun er
zu End', mein
Liedſang, fehlt mir der Trost und erſchreckend geht es hinab⸗
wärts.
Trauriger Wechſel
Ei da jung ich noch war, da umwand ich die Erde
mit meinen
Blumengewinden des Reims, freudig dem Innern ent⸗
ſproßt.
Den da der Schnee mich bedeckt, ſind's einzig des Di⸗
ſtichons kalte
E Eiſeskriſtalle, die noch zeuget das froftige Sein.
183
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Grab des Barden |
Unter Eichen allein begrabt mich, Söhne und Enkel,
Einen Hügel mir häuft um eine dahinten im Hofe,
Wählt die höchſte heraus, vielleicht daß dann im Gewitter
Stolz mir widmet der Blitz den Nachruf, wie es geziemet
Mir, dem Erben und Sohn der altgermanifchen Erde.
Weißdorn hege mein Grab mit Brombeerranke und Rofe,
Andurchdringlich für heut, für morgen, ſpäteſte Zeit noch,
Daß nicht entweihet es werd' vom Fußtritt ſchleichender
Knechte. i
Am Abend des Lebens
Ja, laßt mich klagen meine eig' ne Klag',
Die eig'ne Klag' des ausgebrannten Lichts,
Die eig'ne Klag', daß ich nicht mehr vermag
Lichtwellen neu zu werfen in den Tag,
Lichtſonnen neu zu ſtreuen in das Nichts.
Wiederverjüngung
Einſam wandelt durch den Wald ein Alter,
Am ihn ſchweben blau und goldne Falter.
Einſtiger Träume himmliſches Verjüngen
Schaut er hier in dieſen Schmetterlingen.
Einſtiger Jugend ſelige Gedanken
Grüßen ihn aus dieſen Roſenranken.
Einſtiger Kindheit unſchuldvolle Wonnen
Winken ihm aus dieſen Blumenſonnen.
Seines Eignen freudiger Auferſtehung
Schaut er zu von ſeiner Menſcherhöhung.
And ihn ſelber als geſchloßne Haltung
Grüßt ſein Einſt als Auseinanderfaltung.
184
Dichtererfahrung
Gaſtfreund! Der allein
Mag noch glücklich ſein,
Hat von Schickſals Gunſt noch was zu ſagen,
Der, wie's auch gegrollt,
Sich hat ausgetollt
In des Lebens ſeligen Jugendtagen.
Anglückſelig wird,
Wer ſich wegverirrt
Von den Weidegründen niedren Lebens;
Wer die Wahrheit ſucht,
Iſt vom Glück verflucht,
Zwiefach iſt's der Menſch des hohen Strebens.
Schon am Eingang hier
Spricht ein Greis zu dir:
Deine Jugendlocken mögen fallen!
Silbern ſei dein Haupt!
Greiſen nur erlaubt
Iſt der Zugang nach den Götterhallen!
In der Niſchen Spind'
Goldne Schätze ſind,
Schlanke Pfeiler auf zur Wölbung ſtreben;
And vergönnet iſt
Dir zu jeder Friſt
Mitzunehmen ſeliges Schönheitsleben.
Doch zurückgekehrt
Dir ein Schauer fährt
Durch die Sinne hin und durch die Glieder:
Ach! Dein Jugendmut
And der Wangen Glut
Iſt dahin, dahin, und kehrt nicht wieder!
185
186
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5 2 3 e
War es ſchöner doch,
Da du trugſt das Joch
Niedrer Knechtſchaft noch auf blumiger Weide?
Nützet nun des Lichts .
Wetterleuchtend Nichts
König dich auf nächtiger Bergesheide?
Die Errungenſchaft
Hoher Geiſteskraft
And der Seele freudiges Schönheiten
Wenn die Tage ſich
Stumm und fürchterlich
Herbſtlich grau durch deine Jahre ſpinnen?
Ewiger Schönheit Pracht,
Die du mitgebracht
Von den Götterhallen, wird ſie frommen?
Wenn vom Leben dir
Jeder Freude Zier
Grauſam iſt aus deiner Zeit genommen?
Lied der Bitterkeit
Sie fragten nach meiner Beſtallung.
Das brachte mein Blut in Wallung:
„Ich werde den Gott euch künden
Auf Fluren und Wieſengründen!
Das Recht des Lebens euch lehren
And ewiges Wiederkehren!
Ich werde die Naben ſcheuchen —
Erwartet kein anderes Zeichen!“
2 0 hinter dir die Heimat, die dich quäl
And nicht den Geiſt begreift, der dich beseelt
Laß hinter dir die Arbeit, die dich bückt,
And deine Frone, die dich niederdrückt!
Laß hinter dir das Dorf, drin du geweilt,
Das nichts mit dir als Irdiſches geteilt!
Laß hinter dir das alles! rufet ſtets
Der Geiſt in mir, und in die Welt mich weht's.
* *
*
Ein ſel'ger Geiſt war es, der mir befahl,
Hinauszuwerfen aus der Welt die Qual.
Den Freudenglauben trag' ich in die Welt,
Dem Lieb' und Schönheit ſtrahlend zugeſellt.
Ein Feuerſtrom durchflutet all mein Mark,
And wie ein Götterſohn fühl' ich mich ſtark.
Kann ich noch zweifeln, daß ich dieſe Erd'
Im Siegesfluge nicht erobern werd'?
* *
*
Wer war es, der mich Armen in der Haft
Des kleinen Dörfleins rüſtete mit Kraft,
Diurchleuchtete mein ſchattendunkel Nichts?
D eine Gabe war's des ew'gen Lichts!
. Das meine klein' und meine große Welt
Mit ſeinen Roſenſtrahlen mir erhellt,
And Gegenwart und Zukunft machet klar
And das Vergangene mir offenbar.
Ich hatt’ nicht Wiſſenſchaft, ich hatt’ nicht Kunſt,
Mir wurde beides durch der Götter Gunſt,
And Königen und Fürſten ſteh' ich gleich,
Doch in der Zukunft ſchlummert noch mein Reich.
* *
*
Kurz iſt die Zeit, und kurz auch ſelbſt ein Jahr
Für einen Geiſt, der auf der Gottſchau war,
Der Welt und Zeit und Endlichem entrückt,
Vor überirdiſcher Schönheit ſteht entzückt.
Tief unter ihm als ſel'ge Waller drehn
Die Sterne ſich, die auf und nieder gehn.
Hoch über ihm als Nebelwolkenflaum
Amſchiffen ihn im Kreiſe Zeit und Raum.
Ein ſel'ger Brennpunkt liegt dem Aug' enthüllt,
Wo aller Mißklang ſich im Einklang ſtillt.
Melodiſch klingt ſeit Ewigkeiten fort
Weltklang als Einklang hin, geeinigt dort.
Parſen |
Wenn die Augen wir geſchloſſen, wir der Erde reinſte Gäſte,
Parſenbrüder, Lichtgenoſſen, bringt uns hin zur heil'gen Feſte!
Legt uns, legt uns Haupt und Füße ſo nach Weſt und ſo 3
nach Diten, 7
Daß der ſel'ge Tag uns grüße, frei das ew'ge Licht wir koſten! ®
Nicht in Höhlen, nicht in Klüften, nicht in kühler Erde Gräbern, 4 4
Nicht in Särgen tief in Grüften betten ein fich fromme Gebern.
188
Ob des Gitters roſt'gen Maſchen bloß die Bruſt und nackt
5 die Glieder,
Legt uns, legt uns friſchgewaſchen auf dem Turm des Schwei—
2 gens nieder |
Daß von fern uns ſchon erblicken die beflügelten Beſtatter,
Daß die Erd' nicht mög' uns drücken, legt uns hin aufs off'ne
5 Gatter!
Sieh, ſie nah'n ſchon mit Gekreiſche, ſie, der Vögel dunkle
3 Scharen,
Um mit Fleiſch von unſrem Fleifche auf das Meer hinaus-
1 zufahren,
: Um mit Blut von unſrem Blute farbenprächtig aufzuglimmen,
Am mit Gut von unſrem Gute längs der Küſte hin zu
1 ſchwimmen. —
Reinen Vögeln übergeben ihren Leib die Sonnenbrüder,
Daß ein frommes Pilgerleben bring' der nächſte Tag ſchon
. wieder!
Wiederverkörperung
Nicht zugrunde geht, was du verloren;
An dich tritt es, friſch und neugeboren.
All dein Wünſchen, Flehn und all dein Beten
Siehſt erfüllt du vor dich hingetreten.
Deine Träume, ausgeatmet, thronen
Blau und golden nun als Blumenkronen.
Deine Wünſche, ausgehaucht, bekleiden
Blumenmaidlein auf den Bergesheiden.
All dein Sehnen ſchmerzvoll im Gemüte
Wird zum Vogelſang und wird zur Blüte.
189
190
Lenzesfreudig ſteht dein einſtig Hoffen
Tauſendknoſpig der Erfüllung offen,
And zur Seite, weithin, unermeſſen,
Grüßt dich alles, was du haſt beſeſſen.
Erinnerungen hinter der Erinnerung
Strahlt nicht auf mitunter, ſo zu Zeiten,
Kunde her von unſern Ewigkeiten?
So urplötzlich und ſo blitzesſchnelle
Wie die blanke Spieglung einer Welle?
Wie die ferne Spieglung eines bunten
Kleinen Scherbchens an dem Kehricht drunten?
Wie die raſche Spieglung einer blinden
Fenſterſcheibe am Gehöft dahinten?
Die metallne Spieglung einer blanken
Pflugſchar drüben an der Wieſe Schranken?
Augenblicks mit Licht dich übergießend,
Augenblicklich in ein Nichts zerfließend?
Oswald an Klara
Gott, wie oft im Lauf der Ewigkeiten
Mögen wir die Lüfte noch durchgleiten,
Bald als ſchlichte, fromme Wallfahrtsgänger,
Bald als hehre, gottgeweihte Sänger.
Heute arm in grauem Hausgewande,
Morgen reich in goldnem Farbenbrande,
Schweifend, ſchwebend über Fels und Klippe. —
Hier gereiht der ſtolzen Schwanenſippe,
3 x Dort geſchuppt im Kleid der Schmetterlinge,
Mit dem Goldſaum, mit der Pfauenſchwinge.
Heute fern auf heil'gem Oſtlandsboden
Aberſchauend Tempel und Pagoden,
Morgen neu in Weſtlands Geißblattlauben
Liebeſtammelnd im Gewand der Tauben.
So von Süd nach Nord, von Weſt nach Oſten,
Möglichſt viele Seligkeit zu koſten!
Schmetterlingspuppen
Nicht wie ſonſt in dumpfe Grabesbaue,
Nein, gehängt an ſchlanke Seidentaue,
Weich umſpielt von ſüßen Blumendüften,
Frei ſich wiegend in den ſanften Lüften,
Schlummern ſie in ihren Grabeslinnen,
Dieſe Schläfer, dieſe Schläferinnen,
Bis erwachend frei im Morgenſcheine
Sie entfliehn im Glanz der Edelſteine.
Chryſaliden
And an den Zweigen, den Aſten, den Kopf tief unten,
Hängen zu tauſend, tauſend, die glänzend bunten
Chryſaliden
Im Werdefrieden —
Bis der ſchön bläuliche Tag
Leuchtet über die Berge
And am Euphorbienhag
Sbpprenget der Puppen Särge.
191
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Deren
.
Die Gezelte ſeliger Weſen an dem kriſtallenen
Strome der Vollendung
An den Waſſerbrunnen und im Schatten,
Auf dem Teppich bunter Wiefenmatten,
Wie hienieden wohl beim Frühlingslichte
An den Waſſern die Vergißmeinnichte,
Lagern ſie, die himmelblauen Zelte;
Keine Hitze trifft ſie, keine Kälte,
Die dem Staubesmühſal neu entronnen,
Wohnen an den Lebenswaſſerbronnen.
An dem Strome, dem kriſtallnen, friſchen,
Den mit Freudentrank beſetzten Tiſchen
Goldbeſäumter Zelte, ſo wie Sterne
Hingeſät in blaue Himmelsferne.
Aus ſeligen Welten
Was hat ſo ſüß, ſo gottvoll mich durchdrungen,
Geworfen wortlos mich zum Grund der Füße?
Wes Töne ſind's, die lichtfern hergeklungen?
Nicht Flöten ſind es, nicht metallne Zungen;
Nicht denkbar wär' es, daß ſo heiligſüße
Gottlaute je ſich Engelsmund entrungen.
Das iſt nicht Sang von müden Menſchenlungen;
Der Himmel ſind es, ſind der Sel'gen Grüße,
Von einem großen Weltenchor geſungen.
Duft und Töne
Von der Sprache
Auf der Sterne
Weiten Gründen
192
Will ich ſch
Will ich ferne
Botſchaft künden.
Nicht in Worten
Hart und ſpröͤde,
3 Ohne Schöne,
BR. 5 In Akkorden
3 Klingt die Rede
Ihrer Söhne.
Hoch in vollen
Süßen Tönen
Auf und nieder, 3
Wogt ihr Wollen 3
And ihr Sehnen 3
Hin und wider. DE"
Hin in lauten
Harfenklängen
Abwärts ſchwebend,
Her in trauten
Duftgeſängen
Antwort gebend.
And ſo fragend
And ſo bringend
Kehren wieder
1 Antwortſagend
ne. Frageſingend
5 Duft und Lieder.
Mondbildung
* Feuerkugeln, einzeln und in Scharen,
r Blitzgeſchwinde kommen angefahren.
; Wagner, Geſammelte Dichtungen 13
191
Feuerwolken kommen angeſchwommen;
Vom zerriſſ'nen Ringgewölbe kommen
Angeſegelt mit dem Flammenwimpel
Meteore, in die Waſſertümpel
Löcher ſchlagend, daß dem Sumpfgemiſche
Siedend aufſteigt kochendes Geziſche.
Löcher ſchlagend, daß die Länderſcheiben
Steil ſich auf zum Wallgebirge treiben.
Ringsumher auf allen Bergeslehnen
Meilenweite, tiefe Krater gähnen,
Wo dereinſt in fernen Werdetagen
Weltentrümmer donnernd eingeſchlagen.
Weltenbrand
Wieder iſt aus ihrer Bahn geſtoßen
Eine Welt von einem Namenloſen.
Vor dem Anprall voll in Donnerchören
Wird der ganze Luftkreis ſich empören,
Werden ringsum, weithin, allerwegen
Die Orkane Berge niederfegen,
Werden Funken, werden Meteore,
Sengend wie ein Feuerwerk im Rohre,
Auf die Wälder, auf die Marmorhallen,
Auf des Feldes Früchte niederfallen,
Wird das Waſſer in des Meeres Gründen
Sich zu einem Flammenſee entzünden.
wg d das Erz in der RR Stollen
Als geſchmolzen flüſſig niederrollen.
Aus den Dämpfen, weiß und purpurfarben,
Blau und goldgrün, werden Feuergarben;
Flammenzungen werden Feuerfäulen
Aberhundert, abertauſend Meilen
Hochaufſchlagend in des Himmels Gründen
Weithin dieſen Weltenbrand verkünden.
Orillingsſonnen
Doppelſonnen, Monde, Drillingsſterne 1
Seh' ich drüben in entlegner Ferne. 2
Welch ein Lichtglanz! Gott, das laß ich Rn 8
Drei der Sonnen ſcheinen dieſen Welten;
Drei der ſel'gen Eimer ſind's, die ſteigen
Auf- und abwärts in der Sternwelt Reigen.
Blau der eine gleich der Himmelsſchale,
Die ſich wölbt ob dunklem Erdentale.
Rot der andre gleich dem Purpurweine,
Wenn er blinkt beim freudigen Lichterſcheine.
Gelb der dritte gleich dem ſonnigen Lichte,
Eigner Sonne goldnem Angeſichte.
Drei, ja drei der ſonnigen Majeſtäten — —
Selig, ſelig, ſelig die Planeten,
Die die Nacht nicht, nur auf weiten Runden
Einzig kennen blau, gelb, rote Stunden;
Die in hohem Aberſchwang von Wonnen
Sich erfreun an drei'n der Himmelsſonnen. .
13° 25
195
Sternuntergang
Wieder iſt aus ihrer Bahn geſtoßen
Eine Welt von einem Namenloſen,
Wieder ſie von ihren Lebeweſen
Rein gefegt mit einem Flammenbeſen.
Sieh, der Anprall drängt ſie zur Spirale,
Wieder geht's mit einer Welt zu Tale,
Wieder geht's in lichterfüllter Kläre
Hin den Weg zur Sonnenatmoſphäre.
Die Sonne
Stolze Jungfrau, ſtrahlend ſchön, doch ſpröde:
Einmal ſtehſt du einem Mann noch Rede!
Einmal, einmal wirſt du ſein bezwungen,
And vom Schlackengürtel ſein umrungen.
Wenn der eiſige Weltenraum als Freier
Abgeriſſen deinen Strahlenſchleier.
Oftmals noch entfliehſt du ſeinem Minnen;
Einmal, einmal wirſt du nicht entrinnen!
Einmal, einmal in des Raums Revieren
Deine ſtolze Jungfrauſchaft verlieren.
Atherfahrt
O ſchäme dich, zu klagen über Hunger!
Biſt eben immer noch ein Erdenlunger.
Vor tauſend Jahren aßen wir zu Morgen,
Auf tauſend Jahre ſind wir noch geborgen.
Gelüſtet dich's, ein Sternlein aufzuknacken?
196
Den hungrigen Kometen dort zu packen, |
Der dort ftatt feinem nächtig tollen Schwärmen
Auch beſſer tät’, fich feinen Leib zu wärmen?
Er ſtreift ſoeben an mit der Laterne,
Am Jupiter, in kurzer Meilenferne.
Der ſteht wohl da wie eine Weltenſcheuer,
Doch iſt's in ſeiner Nähe nicht geheuer.
Es flattern um das alternde Gehäuſe
Planetlein wohl, als wären's Fledermäuſe.
Anfern davon ein Meteorenraſſeln,
Wie Maienkäfer von den Bäumen praffeln;
And ſeine Monde treten aus den Bärnen!:
Roßknechte ſind's mit ihren Stallaternen,
Noßknechte vier, die nach den Roffen ſchauen,
And ſie noch füttern vor dem Morgengrauen.
Neuſchöpfung
In die ewige Ruhe, ewige Stille
Trat als Geiſt hinein ein Götterwille,
And, beſeelt von einem mächtigen Wollen,
Kam die tote Maſſe in ein Nollen.
Immer weiter dehnten ſich die Kreiſe,
Stets und wieder füllten ſich die Gleiſe;
Anabwendbar nach des Strudels Mitten
Neue Maſſen kamen nachgeglitten.
Immer wilder fluteten die Wogen,
In den Strudel mit hineingezogen;
Immer raſender aus fernern Gaſſen
Jagten nach dem Strudel ſie die Maſſen,
Barn (ſchwäbiſch): Bodenraum einer Scheuer. (Wagner.)
197
Bis zuletzt aus dieſer Maſſen Treiben,
Grimmig wildem Aneinanderreiben
Trat das erſte Licht als ein Gefunkel,
Trat der erſte Funke in das Dunkel.
Schöpfungszeitalter
Der Brahmine über die große ſchaffende und zerſtörende Kraft,
Brahma und Schiwa genannt, aber Ausfluß einer und der⸗
198
ſelben Quelle:
Zwiefältig iſt des ew'gen Brahmas Wirken
In ſeiner Welt unendlichen Bezirken;
Zwiefältig, wie der Jahreszeiten Kräfte, i
So wechſeln Brahm und Schiwa im Geſchäfte,
Sich gegenſeitig fördernd und ergänzend,
Feindſelig nicht einander ſich begrenzend;
Nicht wie der Brite, der zu Schiff gekommen,
Der unſer Eigentum uns hat genommen,
Der nun als Herrſcher unter uns verweilet,
Voll frevler Willkür ſeinen Gott geteilet,
Haarſcharf geſpalten fein geeintes Weſen
In einen guten Teil und einen böſen. —
So wie an hoher Britenſchiffe Borden
Die Nadel zeigt nach Süden und nach Norden,
Die Pole bald ſich meiden und ſich fliehen
And bald ſich ſuchen, um ſich anzuziehen, a
So iſt Brahms Wirken bald ein Trennen, Haſſen,
And bald ein Einen und Zuſammenfaſſen.
So wirkteſt du von Anbeginn, als bleiern
Ein Dunſtmeer lag auf unterird'ſchen Feuern,
Als nach dem Dämmerſcheine ew'ger Nächte
Zum erſtenmal die Alge und die Flechte
Als Lebeweſen die umwogte Klippe
Des Urmeers überzogen und die Rippe
Des erſten Landes. Nachmals Myriaden
Korallentiere an den Felsgeſtaden
Der Inſelmeere klebten; nah und ferne
Seenelken, Tulpen, rieſ'ge Lilienſterne,
Buntſchillernd, farbenprächtig. — Schachtelhalme
Hochſtämmig, rieſenäſtig mit der Palme
Die ſumpfigen Ufer ſchattend überdeckten;
Da griffſt du zu, und deine Arme ſtreckten
Die Riefenfauft, zu wecken in den Tiefen
Unheimliche Geſtalten, die da ſchliefen,
Zu gräßlicher Zerſtörung: Waſſergüſſe
Wie Meer auf Meer gegoſſen; Lavaflüſſe
Mit donnerndem Getös. Vulkane huben
Erdteile auf wie Schollen und begruben
Die erſte Welt. — — m rohe Lebensmaſſen
Zu höherem Gehalt zuſammenfaſſen
And reinigen zu können, hinzuführen
In ſachtem Lauf zu Brahmas Lichtrevieren,
War dies geſchehn. — Da trat aus der Umhüllung
Des Erdenſchoßes in erhöhter Füllung:
Der Saurier vorweltliche Koloſſe,
Das Heer der Fiſche und das Reich der Floſſe,
Der Meeresmuſcheln bunter Farbenſchimmer,
Im glitzernden Gewoge, vom Geflimmer
Der Palmenkronen lichtgrün überbreitet
Eiland an Eiland. — Aber fürder ſchreitet
Stets Brahma fort. Mit ſchwerem Fußtritt wieder
Trat Schiwa ſie zermalmend vor ſich nieder;
Zu Baſalthügeln Särgen gleich geſtaltet,
Legt er der Kreide weiß geſtickt, gefaltet,
Einhüllend Leichentuch. — Geläutert, reiner
In ſeinen Lebenstrieben, höher, feiner
In Formen und Geſtalt, trat neues Leben
Auf die verlaſſ'ne Welt. Der Säugetiere
Geadelt Volk. Die ſchönen Waldreviere
199
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3 7
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Erfüllte ringsum fröhliches Gewimmel,
Zum erſtenmal hob ſich zum blauen Himmel
Des Vogels Flug. An Arten reich gegliedert,
Akaziengleich die Blätter ſchön gefiedert,
Zahlloſe Wipfel. — Gab es Paradieſe
Auf Erden jemals wohl, ſo waren's dieſe.
Doch fürderſchreitend auf der Weſen Leiter,
Die aufhört bei Vollkommenheit, war weiter
Für Ihn kein zögernd Rückſchaun. — Schiwa türmte
Gewitter auf; die Hagelwolke ſtürmte
Mit klirrendem Getös vom hundertfachen
Gedonner übertönt und vom Zerkrachen
Zahlloſer Wälder. — — Lange ſchlief die weiße
And unter hundertjähr'gem Glletſchereiſe
Erſtarrte Winterwelt in öder Stille,
Bis wieder Glanz und wieder Lebensfülle
Ihr neu entſproßten. — — Wären's Läſterungen
Von Brahm zu ſagen, daß Ihm's erſt gelungen
Nach ernſtem Sinnen, große Lebensmengen
Verdichtigend in ein Gefäß zu drängen
And den geringen Wertgehalt der Seelen
In hohe Gotteswerte umzuzählen,
So mög' er es vergeben dem Brahminen,
Der ſelber ſich als ſolcher Wert erſchienen.
And wenn ſie alle, bis in die Atome,
Sind abgewaſchen in dem heil' gen Strome,
Von allem Schmutz der Erdenwelt gereinigt,
Mit Brahma ſelbſt aufs innigſte vereinigt
In einem ſeiner lichten Himmel droben,
Dann iſt der Pole Spannung aufgehoben.
200
Aus der legten Zeit
Zerſtreute Hütten an dem öden Strand,
Ein Streifchen Gerſte, etwas Gartenland,
And Nadelwälder auf den ſteilen Hängen,
Die finſter auf das Dörflein niederhängen;
And drüberhin an Bergesheiden hart
Ein Gletſcherfeld, das weiß herüberſtarrt,
Mit Hörnern, Zacken, wildzerrißnen Zinken,
Weitſtrahlend bei der Mittagsſonne Blinken.
Ein Tropenbild aus letzter, ferner Zeit! —
Nicht prächtig, lieblich, nicht in Herrlichkeit,
Wie es erſcheint noch in der Jetztzeit Tagen,
Dem Fremden an den Wunderſtrand verſchlagen;
Nicht ſchön und ſonnig wie ein Segensort,
Mit ſchlanken Palmen an dem Aferport,
Mit Riefenbäumen, deren Purpurblüten
Goldblau' und grüne Wundervögel hüten;
Nein, wie ein Aferbild vom öden Nord,
Wo Möwen flattern über dem Fjord,
And Tannenwälder ſtarren von der Küſte
Auf eine einſam ſtille Inſelwüſte. —
Die Qual der Erde war's, die einſt gebar
Den Winterkönig. — Lang allein ſie war
Mit ihrem Sohne in den Säulenhallen
Der alten Nordpolheimat blaukriſtallen.
So manchmal kam zu dem geringen Troß
Ein Flüchtling her, bald Knecht und bald Genoß,
Im Waffenſpiel bald den Palaſt umſchweifend,
Gelegentlich manchmal die Grenze ſtreifend.
Das war die Zeit, da noch ein Segensland
Die Erde war. Doch ach, der Segen ſchwand,
Als bei der Menſchenherrſchaft grauſem Morden
Gen Norden zogen der Erſchlagnen Horden,
201
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202
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Zu nehmen dort den Flüchtlingsaufenthalt.
Wie ward zum erſtenmal die Luft ſo kalt!
Ein blutiges Geiſterlicht am Horizonte
Als Nordlicht zeigte des Palaſtes Fronte,
Des Nacheheeres ew'ge Eisbaſtei,
Mit der Beſatzung herb und ſtolz und frei.
Krieg war von jetzt an. — So wie Meergeflügel
Nach Süden hinzieht über Tal und Hügel,
So dieſe Nacheſchwärme unverwandt,
Eroberten ſich ſüdgelegnes Land.
Stets immer neu verſtärkten ihre Flüge
Von nah und ferne der Erſchlagnen Züge;
Erloſchne Racheluſt ward mit Bedacht
Von neuen Scharen wieder angefacht,
Die immer friſch des Feindes Macht vermehrten,
Alljährlich neuen Rachezug begehrten.
And mit den Nacheſcharen alſogleich
Stets dehnte weiter ſich des Winters Reich;
Zurücke traten erſt die Buchenwälder,
Zurücke traten die Getreidefelder,
Zurücke trat auf ſeiner jähen Flucht
Der Weinſtock in die ſturmgeſchützte Bucht;
Zurücke vor dem Anſturm wich allmählich
Baum, Staude, Vogel, Säugetier unzählig. —
Wo war die Sonn' auf Erden, die noch ſtand
Dem Feind gehalten hätte? Ach, ſie ſchwand!
Die Sonne, die die Pole könnt' erwarmen,
Die Liebe ſchwand, und mit ihr das Erbarmen.
Es war der Haß, dem einſt zum Opfer fiel
Die große Flüchtlingsſchar im Polaſyl;
Es war das Glauben und es war das Wähnen,
Denn meerflutartig floſſen Blut und Tränen;
Es war die Selbſtſucht,
die das Wintereis
Das zu erzählen dir der Seher ſchuldet,
Genug, er zeigt dir, ſchreitend nach der Mitte,
Des Nordpolwinters Welterob'rungsſchritte.
Dämonen
Geſpenſterhafter Schwarm, der nie gelärmt, 1
Doch unſichtbar die Menſchenwelt umſchwärmt Be...
Gleich Mückenſchwärmen bei Gewitternebel,
Dämonen ſeid ihr oder Geiſterpöbel.
Die Seelen ſind es, die dereinſt in Qual
Geſchieden ſind vom grünen Erdenſaal, „
Die mit Gewalt der Leiblichkeit entriſſen 0
And ſchmerzlich ihren Erdenleib vermiſſen. 4
Doch bis das Ol der Seele ausgebrannt, Sn
Sind fie als Boten hin und her geſandt, Er
Allgegenwärtig mit Allwiſſenskunde, Be.
Mit Elementen in geheimem Bunde,
Hier Menſchenſeelen flüchtig zugeſeelt,
Mit Winden und mit Wogen dort vermählt,
Als hundertarm'ge Diener der Geſchicke,
Voll Eigenrache und voll Eigentücke,
Doch Erdenaugen ewiglich verhehlt.
Wohl zeigt ſich meiſt ihr Walten nur im kleinen,
Dir deine Lieblingswünſche zu verneinen.
Du triffſt ſo ſicher, was du nicht geſollt,
And ſelten das, was du mit Fleiß gewollt;
Zu hören glaubſt du, ohne rückzublicken,
Gar oft das Spottgelächter hinterm Rücken.
204
Der Windſtoß, der da auslöſcht dir dein Licht,
Der Topf, der deiner Hand entglitſcht und bricht,
Die tauſendfachen Kleinigkeiten alle,
And manche boshaft angelegte Falle,
In die der Menſch auf dieſer Erdenwelt
In ſeiner Blindheit tauſendfältig fällt.
Im Frohgefühl des Glücks, in ſel'gen Schauern,
Da ſind es die, die tückiſch dich belauern;
Ein unbedachtſam Wort, ein Windeswehn,
And alſobald iſt's um dein Glück geſchehn.
Auch ſchenkt der Herr, der Gott im Himmel droben,
Oft Tage ihnen, um ſich auszutoben:
Der Wirbelwind, der, brauſend hergeſtürmt,
Zur Feuersbrunſt den Funken aufgetürmt,
Die Brunſt habt ihr ſelbſteigen nicht gemacht,
Doch hunderthändig ſchürend angefacht.
Doch neidiſch ſind ſie allem edlen Streben,
Gehäſſig denen, die ſich ihm ergeben,
Mit tauſend Krallen halten ſie ihn feſt,
Bis aller Mut und alle Kraft ihn läßt.
Ein Schwarm ſitzt ihm beſtändig auf dem Nacken,
Auf allen ſeinen Tritten ihn zu placken,
Bis überwunden ſchmählich und beſiegt N 13
Er auf der Walſtatt ſeiner Träume liegt. =
Karfreitagsgedanken
Des Schickſals Walten, taub iſt es und blind, {
Ein wildgeword'nes ſcheues Weiderind.
Ein Büffel iſt's, der graſt auf grüner Heid'
And leuchten ſieht von fern ein rotes Kleid:
Ein Edler naht in ſeinem Königsſchmuck,
Dem Büffel dünkt er wirrer Heideſpuk.
Die Hörner ſenkt er und erhebt den Schweif,
Sein Auge faßt den Purpur und den Reif.
Er ſtürzt heran, durchbohrt ihn mit dem Horn,
And tritt ihn unter ſich in ſeinem Zorn. —
Karfreitag heut'! — O unglückſel'ger Tag,
An dem ein Gott des Hornes Stoß erlag!
Letzter Kampf
Von einem Kampfe, der noch nie geruht,
Von einem Kampfe zwiſchen Bös und Gut,
Von einer letzten großen Niederlage
Hör' ich erzählen eine Menſchenſage.
Doch iſt's der Kampf von Recht und Anrecht nicht,
Der Kampf nur zwiſchen Finſternis und Licht
Iſt's, den ſie führen am Entſcheidungstage,
Wo jeder Teil, bewußt von ſeinem Recht,
Führt ungezählte Scharen ins Gefecht.
Ja, wär's der Kampf um Gut und Bös es nur,
Der kleine Krieg auf dieſer Erdenflur,
Wo kinderleicht das Scheiden und das Wägen,
Wohl wäre längſt das Böſe unterlegen.
Der große Krieg entzweit die Kreatur;
Die ſcheue Frage bebt durch die Natur,
Warum den Fluch und jenen trifft der Segen,
Den Glück, den Anglück auf den Lebenswegen?
Willſt du dies wiſſen, frag die Nacht,
Wer ſie ſo ſchnöd ums Licht gebracht,
Am ihren Anteil fie betrogen,
Zur Lügnerin ſie noch gelogen?
8 205
1
Der Tag hat es getan, die Macht,
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Ob mir verhängt die Aberacht
Samt allen, die ich aufgezogen,
Mit denen Freundſchaft ich gepflogen.
Er hab's getan; er ſagt: mit Recht,
Weil ich ſo häßlich und ſo ſchlecht.
Wohl bin ich ſchlecht, doch erſt ſeit dann,
Da ich in Acht bin und im Bann.
Gehaßt bin ich ohn' Anterlaß,
Weil ich ſo häßlich und ſo blaß.
Wohl bin ich blaß, doch wär' ich mächtig,
Wie könnt' ich ſein ſo farbenprächtig!
Wie mannigfaltig es auch ſei,
Das Leben, wie ſich's mög' geſtalten,
Das Los, es iſt nur zweierlei:
Ob ſich ein Weſen könn' entfalten
Von allen Feſſeln ledig, frei,
Ob als Ballaſt die Armut ſcheu
Vom Aufſchwung es zurückgehalten.
Sie fordern alle gleiches Recht
And nennen ihren Streit gerecht
And treten grimmig ohne Wanken
Mit ihrem Feinde in die Schranken.
Vermeide die Entſcheidungsſchlacht,
Spricht zu dem zweitgebornen Sohne
Die Mutter auf dem Weltenthrone:
Gönn' deiner ältern Schweſter Nacht
Auch eine Zeitlang Herrſchermacht,
Gönn' eine Zeitlang ihr die Krone,
Will ſehn, ob ſie es beſſer macht.
206
Die Tag e der Vollendung
Wann kommt der Freiheit Tag, das Morgenrot
Der beſſern Zeiten, wo der Herrſcher Tritte
Verklungen ſind, wo kein Tyrann mehr droht,
Noch Schweiß erpreßt dem Armen in der Hütte?
Wann kommt der Freiheit Tag, wo kein Tyrann
In Feſſeln legt der Denker kühnen Meiſter?
Wann kommt die Zeit? Wann bricht einmal der Bann,
Der wie ein Alp darniederhält die Geiſter?
* *
*
Wann kommt der Friede, wo kein Schmerzensruf
Des Blutenden mehr ächzt vom Schlachtgefilde,
Noch Sterbende mehr ſtampft der RNoſſe Huf,
Noch Speere raſſeln auf die Eiſenſchilde?
Wann kommt die Zeit, wo Feuerrohr und Schwert
Verſchwinden werden aus der Menſchheit Dienſten?
Wo jedes Kriegsroß wird zum Ackerpferd?
Groß jeder Geiſt nur in des Friedens Künſten?
*
*
*
Es ſank die Nacht herab, ich lag und fehlief,
Als eine Stimme ſprach, ſo ernſt, ſo milde:
„Steh auf und komm!“ — Ich folgt' ihm, der mich rief
Hinaus ins Feld, hinaus ins Saatgefilde.
Aus tauſend Stimmen klang es nach, es war
Als ob die Erde freudig drüber bebe,
Ein ferner Harfenklang, als ob die Schar
Der Weihnachtsboten nochmals niederſchwebe:
„Ich will es, daß dies Sehnen werd' geſtillt,
Dies Sehnen der Natur. Du ſollſt es ſehen,
Wie ſich das große Weltenjahr erfüllt,
And was zur Zeit der Reife ſoll geſchehen.“
2
Wann kommt der Hirte?
Wann wird er kommen, der neue Hirt,
Der die Völker eint zum Bunde? —
Wenn der Lindenbaum wieder grünen wird,
Der einſt verdorret im Grunde;
Dann wird er kommen, der Friedensheld,
Von armer Hütte, geringem Feld.
* **
*
Der Hirt ift da, wenn dieſes Baches Gang
Melodiſch klingt wie der Erlöſten Sang,
And all die Waſſer freudig heimwärts ziehn
Zum Ozean mit ſel'gen Melodien.
Buch des Schickſals
Die Geſetze der Geſchicke
Zu entziffern, zu enthüllen,
Wend' ich meine Seherblicke
Nach dem Schickſalsbuch, dem ſtillen.
And die Schrift konnt' ich vergleichen —
Strenge war ſie, derb gediehen —
Den bekannten Notenzeichen
Von der Lieder Melodien.
And der Schlüſſel war daneben,
Zum Verſtändnis für das Ganze,
Das Jahrtauſend, das gegeben
Die Muſik zu dieſem Tanze.
And in einem von den Blättern
Klang's ſo klagend und ſo ſüße,
And bald war's wie Ruhmesſchmettern,
And bald war's wie Liebesgrüße.
208
Und im andern war ein luftig
Gaſſenliedchen hingeſchrieben,
Oft gemein und oft auch duftig,
Hüpfend hier und hüpfend drüben.
And verzeichnet war im dritten
Eine trockne Alltagsweiſe,
Wie mit langſam ſteifen Schritten
Ochſen treten das Geleiſe.
Doch harmoniſch, Freund, o merke,
Waren all die Liederſtücke;
Meiſterſtücke, Meiſterwerke
In der Eingeweihten Blicke:
Was da werden muß und kommen,
Kannſt du wiſſen nach dem Fluſſe;
Haſt den Anfang du vernommen,
Tönt das Lied ſelbſt fort zum Schluſſe.
Und den Rhythmus hörſt du ſtrömen,
And die Töne hörſt du ſchlagen,
And du kannſt daraus entnehmen
End' und Ziel von deinen Tagen.
Die Akkorde kehren wieder,
Die Akkorde, Wunderranken
Am die vollen Lebensglieder
An dem großen Hauptgedanken.
Sieh, und wie am Tongeflechte
Lang der letzte Ton getragen,
Wird der Letzte vom Geſchlechte
Meiſt nur ſterben hoch an Tagen,
Wagner, Geſammelte Dichtungen 14
209
210
Und fo wie im Reich der Töne
Anfang oftmals gleich dem Ende:
Arahn und Arenkelſöhne
Gleich in der Jahrtauſendwende.
Was da komme, was ſich ſchicke,
Iſt dem Einklang nur entfloſſen,
And ſo iſt dem Seherblicke
Nimmer dieſes Buch verſchloſſen.
Kampftüchtig
Kampftüchtig ſei das künftige Geſchlecht,
Wehrhaftig ſei es für das Weltgefecht!
Front mach' es rechts und Front nach links und vorn,
Nicht werfe es die Waffe in das Korn!
Straff, jeder Nerv geſpannt zum Widerſtand,
Zum Vußerſten entſchloſſen, feſt die Hand,
Für hohe Ziele Ungeheures wagend,
Mißliebige Sterne ſelbſt herunterſchlagend!
Gottes Söhne
Doch gabſt du auch dem Menſchen zu dem niedern
Ameiſenfleiße einen Born von Liedern,
Daß er ſich labe bei dem Klang der Flöte,
Mit ſeiner Arbeit nicht den Geiſt ertöte.
Wohl hat, indes die pöbelhaften Mengen
Am Eingangstor ſich ſtoßen und ſich drängen,
Abſeits ein Haufe tändelnd gar verweilet,
Ein Einzelner Jahrtauſende durcheilet,
And ſtehet auf des Paßwegs Bergeshöhe,
Daß er die ſchönen Tale überſehe,
Die Bruſt geweitet und das Auge trunken
Aufs reiche Stromland drunten hingeſunken. —
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O heilig biſt du! Seid ihr! Tretet näher,
Ihr Dichter, ihr Propheten und ihr Seher,
Entdecker, Träger meiner Gottgedanken,
Der rohen Menſchheit niedre Erdenſchranken
Sind nicht für euch! — Nicht Bogen und nicht Netze,
Nicht Kaufmannstiſch, nicht Bücher der Geſetze,
Nicht Säge noch der Hammer; nur des Denkens
Gottebenbürt'ge Arbeit, des Verſenkens
In mein erhaben heilig Geiſtesweſen,
Zu dem ich meine Söhne nur erleſen.
O laßt ſie nur, die Erdenknechte, trachten
Nach Gold, nach Reichtum, nach den Erdenprachten,
Laßt ſie zuſammenhäufen, laßt ſie ſcharren,
Belächelt ſie als Toren und als Narren!
Gönnt ihnen allen ihr verzweifelt Rennen,
Gönnt ihnen ihre Speicher, ihre Tennen,
Gönnt ihnen ihre Schlöſſer, ihre Tempel,
Sie tragen ſämtlich der Vernichtung Stempel!
Ihr ſeid zu groß, um mit der Erde Großen
Die Edelſteine Gottes zu zerſtoßen;
Ihr ſeid zu groß, um mit der Erde Kleinen
Den Erdenſtaub noch kleinlich zu zerfeinen;
Ihr ſeid zu groß zum Herrſchen und zum Dienen,
Seid meine Söhne, Prieſter und Brahminen.
Der Brahmine
Wenn der Brahmine wandelt durchs Gefild,
So grüßen ihn ſo freundlich und ſo mild,
In innigem Verſtändnis nah und ferne
Zahlloſer Blumen fromme Augenſterne;
Nicht vorwurfsvoll, ſo wie ſie andre fragen,
Warum ſie nicht die ihren aufgeſchlagen,
14*
211
212
Die freundlichen Geſchwiſter nicht erkannt,
Die doch mit ihnen innig ſind verwandt.
Es grüßen ihn halb ſchüchtern und halb traut
Die Blumenglocken mit verwandtem Laut,
Die abertauſend Blütenfalter alle,
Wenn ſie ihn ſehen wandeln durch die Halle;
Das Halmgeſinde, das am Wege ſprießt,
Sich vor ihm ehrfurchtsvoll verbeugt und grüßt.
Die Tauben, die am Zweige feſtgebannt,
Die Fittiche zum Fluge ausgeſpannt,
Die roſigweißen Blütenvögel eben,
Sie möchten auf ſein Haupt herniederſchweben.
Die Blumenkelche, grüßen ſie ihn nicht
Mit mädchenhaftem, ſchüchternem Geſicht?
Sie möchten wohl zum Liebſten ihn gewinnen,
Doch ihn durchzieht ein wunderſam Beſinnen.
Ihm iſt, als hätt' in längſt entſchwundner Zeit,
Rückwärts, von jeder Rückerinnrung weit,
In tauſende Atome noch zerſplittert
Sein Tauſendſtel als Blumenblatt gezittert,
Sein Tauſendſtel getragen ehedem
Auch ſolches prächtige Sternendiadem,
Den Schmeichellüften wonniglich gelauſcht
And fromme Huldigungen eingetauſcht.
Wenn der Brahmine wandelt durch die Flur,
So freut ſich drüber jede Kreatur,
And alle Weſen, Alte ſo wie Jungen,
Sie bringen dar ihm ihre Huldigungen:
Es hüpft um ihn die liebliche Gazelle
Mit ihren Mädchenaugen klar und helle;
Die Rinderherden an des Hügels Seiten,
Sie kommen eilends, um ihn zu begleiten;
Es ringelt ſich die gift'ge Schlange loſe
An ſeinem Hals empor, daß ſie ihn koſe;
Es kommen ſchnurrend mit den Pantherflecken
Die großen Katzen, ſeine Hand zu lecken;
Der mütterliche Vogel in den Zweigen,
Er lockt und ruft, die Jungen ihm zu zeigen.
So, wo er wandelt und wohin er tritt, |
Bringt er den Frieden und den Gegen mit.
Lied des Brahminen
Willſt du zählen zu den Erdenreinen,
Den Brahminen, die im Licht ſich einen,
Zu den Auserwählten, mußt du lieben
And dich täglich im Erbarmen üben.
Heilig iſt der Leib und was lebendig,
Sei dein Wahlſpruch immer und beſtändig;
Vor dem heil'gen Leib ſollſt du dich ſcheuen,
An des Leibes Kunſtwerk dich erfreuen.
Pflanzen ſollſt du, die zerrauft, zertreten,
Sorgſam in die Erde wieder betten;
Findeſt du am Weg ein hilflos Weſen,
Nimm's in Pflege, bis es iſt geneſen.
Werden Tiere dir am Weg begegnen,
Auf die Hände hebe, ſie zu ſegnen;
Speiſe ſollſt du immer bei dir haben,
Schmachtende und Hungernde zu laben.
Keine Mühe ſollſt du jemals ſcheuen,
Vögel und Gefangne zu befreien;
Keine Koſten, auf den Markt zu wandeln,
Junge zu den Müttern rückzuhandeln.
Willſt du zählen zu den Erdenfrommen,
Pflanze Bäume, dies iſt Gott willkommen,
Auf die Berge, daß von grüner Höhe
Ein Entſühnungshauch herniederwehe.
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Wird ein Kindlein dir geboren, pflanze
Einen Baum dafür; in ſeinem Glanze
Weile gerne. Wenn er blüht und grünet,
Denke freudig, daß dein Kind entſühnet.
Nicht die Blumen breche oder knicke;
Bleibe, ſtehe, labe deine Blicke
An den Jungfraun, deren Wonneleben
Ach ſo bald wird in das Nichts verſchweben.
Bleibe ferne von den Mordgeſellen,
Die die heil'gen Schattenbäume fällen
And ſich ſelbſt und ihren Kindeskindern
Troſtverachtend die Entſühnung mindern.
Bleibe ferne weg von allen denen,
Die der Satzung und dem Rechte frönen
And, erfüllt von deren taubem Grimme,
Nimmer achten der Erbarmung Stimme.
Doch nicht immer ſollſt du duldend ſchweigen,
Gegen Mörder ſollſt du mutig zeugen;
Mit der Wahrheit ſcharfen Hagelwettern
Schloßenartig ſie zuſammenſchmettern.
Haſt du alles dieſes treu gehalten
Jahrelang in deinem Lebenswalten,
Darfſt du friſch und darfſt du freudig wagen,
Des Entfühnten grünes Kleid zu tragen.
And es wird von heut auf deinem Gange
Weder Tiger, Panther oder Schlange
Dich verwunden, weder Mittagsbrennen,
Weder Hagel dich verletzen können.
Lägeſt du auch fieberkrank und hager,
Stände ſelbſt der Tod vor deinem Lager,
Weichen muß er, bis du endlich ſelber,
Altersſchwach und immer altersgelber,
Matt und erdenmüde, Botenvögel
Läſſeſt ſteigen mit dem Schwanenſegel,
Die da heiſchen für den Lebensmüden
Todesfrieden. — And wenn du geſchieden,
Werden Jünger kommen, werden Scheiter
Um die Leiche ſchichten froh und heiter,
Werden ſprechen bei dem Sprühn der Funken:
In das Lichtmeer iſt er jetzt verſunken.
Oswalds Vermächtnis
Laß mich dir die Zukunftstempel zeigen,
Wo der Menſchheit nachgeborne Söhne
Williglich und ſelig ſich verneigen
Vor dem Zukunftsgott in ſeiner Schöne.
Wohl genug iſt's, daß die Menſchheit grauſend
Marterwege wandelte Jahrtauſend;
Zeit nun iſt's, daß ſie, befreit von Sorgen,
Jietzund feire Auferſtehungsmorgen.
Zeit iſt's, daß das Nachtgeſtirn verglühe.
Lerchen ſchmettern in der Morgenfrühe,
3 3 Und der junge Tag mit freud’gen Schlägen
Cilt der Sonne und dem Glanz entgegen.
So auch du, mein Sohn. — Nicht gilt's zu liegen,
Mach dich auf, den Weltkreis zu beſiegen,
Von des Geiſtes freud'gem Flügelſchlagen
Mohr und mehr zum Licht emporgetragen.
3
% Pe ee
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215
216
Daß im Fluge du nicht mögſt ermatten,
Magſt du kreiſen ob der Schönheit Matten,
Niederſchwebend von dem Flug nach Oſten
Jede Freude, die dir rein iſt, koſten.
Dein iſt alles, all und jede Wonne,
Wenn ſie aufgeht dir als eigne Sonne,
„Jeder Tag, vom Licht emporgetragen,
Wenn er aufgeht dir als eignes Tagen.
Dein iſt alles, all der Blumen Blühen,
Wenn hervor ſie aus dir ſelber glühen,
All die Roſenknoſpen auf der Erden,
Wenn fie Rofen in dir ſelber werden.
Dein iſt alles, all der Lieder Singen,
Wenn heraus ſie aus dir ſelber klingen;
Jeder Schlag der ſel'gen Philomele,
Wenn er hallt aus deiner eignen Seele.
Dein iſt alles, was ob Tal und Hügeln
Lichtvoll ſich in dir mag widerſpiegeln,
Dein die Himmel ſelbſt und ſelbſt die Sterne,
Wenn du Glanz haſt für den Glanz der Ferne.
Biſt du adlergleich heraufgekommen,
Alles Schöne in dich aufgenommen,
Göttertrank gekoſtet ſo im Fluge
Auf dem Sieges- und Erobrungszuge,
Liegt das Vorurteil, das Wahnbefangen
Zu den Füßen dir als kriegsgefangen,
Stehſt du faſt als wie ein Weltenmeiſter,
In der Hand den Feldherrnſtab der Geiſter.
Ewigkeitsauge
Glorreich und glänzend ſchwebt ein Pfauenauge über
dem Neſſelgeſtrüpp wie eine himmliſch verklärte, frei⸗—
gewordene Pſyche. Mit dem Ewigkeitsauge, dem Gottheits—
ſtempel, und den zum Bilde gewordenen Geiſtesgedanken
auf ihrem Flügel tragend: /
Ich bin das Sehende und bin das Wiſſende. Ich bin
im Tag, ich bin in der Morgenröte und bin in der Nacht.
Ich kenne kein Geſtern und ewig mein iſt das Heute.
Legende von dem Schlaf- oder Satansapfel
Als Gott der Herr die Rofe erfchaffen hatte, ärgerte
ſich der Satan ob ihrer Schönheit und Lieblichkeit der—
geſtalt, daß, wo er eine ſah, er ſie zerblätterte und abriß.
And einſtmals traf ihn der Herr darüber und rief ihn an:
Schlingel!l Was macht du da? — Dun ſiehſt es ja! knurrte
der Satan trotzig. — Aber du ſollſt es nicht, Bube, denn
du kannſt auch keine machen! — Nicht? Nicht machen?
Ha! Das kann ich auch! Das iſt keine große Kunſt! —
So mache eine! — Da raufte der Satan ein wenig Wolle
aaus einem Lammſchafe, das ein altes Weib am Feldhag
hütete. Es war ihm zwar etwas ängſtlich zumute, ob
6 er auch mit ſeinem Prahlen beſtehen werde, aber das alte
boshafte Weib hatte alles gehört und blinzte dem Satan
beifällig und aufmunternd zu, als ob ſie ſagen wollte: So
recht! Recht! Zeige es ihm! — And der Satan machte
aus dem Händchen voll Wolle — ſie war ein wenig blutig
von ſeinen ſcharfen Nägeln — ein Etwas, das einer Rofe
ähnlich ſah. Das betrachtete der Herr lächelnd und fragte:
217
Riecht deine Roſe auch? Da ſtand der Satan beſchämt
und ſtotterte: Nein! — And was iſt in deiner Noſe
drinnen? — And der Herr machte eine auf, und es waren
Würmer darinnen. And der Satan ſchlich ſich weg und
das alte Weib auch und wollte durch die Lücke des Zauns
in den Garten ſchlüpfen, aber ſie blieb mit ihrem un⸗
gekämmten ſtruppigen Haarbuſche in dem Haggeſtrüppe
hängen und ließ ihre Schlafhaube dahinten.
Aber der Herr machte Dornen an die Roſe, und das
alte boshafte Weib, die Frau Zaunwiede, verurteilte er,
auf ewige Zeiten als Schlafhaube aus dem Zaungeheg
ſchauen zu müſſen. And die Noſe des Satans ließ er
auch wachſen zum ewigen Gedächtnis.
Mythe vom Schwalbenſchwanz
| Die Dorfgaſſe ſtehet verlaffen, und einſam plätſchert
der Brunnen. Denn es iſt Erntezeit und jung und alt
auf dem Felde. Nur der ſchöne Schwalbenſchwanz um⸗
flattert die waſſergefüllten Fahrgeleiſe in der Nähe des
Brunnens und immer und immer wieder den Brunnen
ſelbſt. Warum wohl? O wiſſe: Er iſt das Wirtstöchterlein
dort vom Eckhauſe, das ſich hier Rüben wuſch, ſüße gelbe
Rüben zum Naſchen, zuerſt in der Rinne und dann im
tiefen eichenen Brunnentrog, bis es kopfüber hineinfiel und
ertrank. |
Felde, auch ſeine Mutter, die ihm erſt vor einigen Tagen
ſein flottes neumodiſches Sommerkleidlein mit langen Schößen
hatte machen laſſen, zum Arger für die andere Wirtin, die
auch ein Töchterlein hatte, das aber nicht halb ſo hübſch #
war als das ihrige. — Und darum ift auch der ſchöne
Schmetterling mit den langen Schößen, die die Nähterin 1
nicht hatte lang genug machen können, allemal um die
Erntezeit bald hier an dem Brunnen und bald dort an den
Gelberübenbeeten des Gartens zu ſehen. ;
218
Der Hirſchkäfer
. Es war einmal eine große Verſammlung der Hirſche
ausgeſchrieben, und fie kamen zuſammen im Walde, der
jetzt die „Hirſchplatte“ heißt. And der Hirſchkäfer, auch
. un genannt, machte ſich auch zu der Verſamm—
lung; denn er rechnete ſich auch zu den Hirſchen. Aber
dieſe achteten ſeiner nicht, ſondern liefen hin und her und
Zertraten ihn. —
1 Merke: Menge dich nicht unter die Gewaltige und
= unter die Großen!
Eigentum
4 Es iſt nicht alles ganz dein, was du dein nenneſt; es
iſt eigentlich gar nichts ganz dein als die Wertſachen in
3 C deiner Bruſt, in dem feuerfeſten und diebesſicheren Kaſſen⸗
* d deiner Seele. — Deine Gärten, Acker und Wieſen
haſt du erkauft und bezahlt; aber was du nicht erkauft und
bezahlt haſt, das iſt der Tau und der Regen, der deine
Gemwächſe tränkt, das iſt die Luft und der freudige Sonnen⸗
ſchein. — Darum ſiehe: Nicht ganz dein iſt deine Ernte.
Siehe, der Herr der Erde, der Luft, des Regens und
Sonnenſcheins hat dir mitunter arme Menſchenkinder, auch
Tiere, mitunter Schwachſinnige und Anmündige, auch Her—
> bergölofe — ich möchte ſagen — ins Ausgedinge gegeben
mit der gewiß nicht zu ſchwer drückenden Bedingung, ſie
ein wenig zu dulden. — Ja, es find geringe Ausdinger,
3 die von deinen Seldfrüchten naſchen, Feldhühner, Wald:
vögel und Tauben, ja noch geringere: Sperlinge und
Mäuſe, Maulwürfe und Maikäfer; — aber glaube ja
nicht, daß dieſelben ihrem Schöpfer auch ſo gering erſcheinen
wie dir. — Du wüteſt mit Gift, mit Feuerrohr und
Schlinge unter dieſen letztgenannten kleinen naſchenden Aus»
dingern. Siehe wohl zu, daß dich dieſelben nicht ver-
3 219
*
“u
klagen! Hüte dich, daß dir dein Lehensherr die verliehenen
Nutznießungen nicht nehme — die Nutznießungen des
Regens und Sonnenſcheins, die Nutznießungen der fröh-
lichen Geſundheit und des Gedeihens. — And ſiehe wohl
zu, daß deine Religion nicht in deiner Zahlungsfähigkeit
beſtehe!
Schonung des Lebendigen
Ich möchte eine größere Wertſchätzung des Lebens
einführen, nicht gleich der Menſchenſchätzung nach Mark
oder Gulden, ſondern nach ſeinem eigentlichen, unbezahb-
baren Lebenswert. Ich möchte eine Gemeinde gründen,
deren Acker und Wieſen Domänen des Zukunftsreiches
wären, wie es meine wenigen jetzt ſchon ſind. Eine Frei⸗
ſtätte gründen, wo das Gnadenbrot äßen in deinem Hauſe
bis an ihr Ende die Geſpielen deiner Kinder, das Kätzchen
und der Hund, ſowie die gute Nährmutter derſelben, die
milchgebende Kuh, und die eierlegende Henne. — Wo der
Markſtein ſtünde gegen die Härte, den Eigennutz und den
Andank der Menſchen.
* *
*
Auch die Tierwelt wartet auf ihren Heiland, ja ſelbſt
die Pflanzenwelt und die ganze Natur. Sehnſuchtsvoll
und zitternd harren fie ſchon ſeit Jahrtauſenden auf ihren
Erlöſer. Auf einen Heiland, der ihre natürlichen Rechte
voll anerkennt und zu voller allgemeiner Anerkennung zu
bringen vermag. Aber wann wird der kommen? — And
welcher Wegbereiter wird fein Johannes fein? Frage nicht!
Ich und du, und der und jener, und jeder volle Menſch 3 |
iſt hiezu berufen, und wer dieſer hohen heiligen Berufung
nicht folgt, hat dafür Verantwortung und Sünde. — And 3 4
dir und mir, und jeglichem gilt die Mahnung:
220
So lang du ihre Freiheit nicht gepredigt,
Biſt du auch deines Auftrags nicht entledigt,
Erſt wenn du ſie haſt aller Welt verkündigt,
Biſt du vollkommen in dir ſelbſt entſündigt.
* *
*
O gräßlicher Irrtum der Menſchen, zu wähnen, daß
die Tierwelt nur um ihretwegen da ſei und folglich rück—
ſichtslos verbraucht werden dürfe. Jedes Weſen iſt vor
allem nur da, um ſich feines Daſeins zu freuen. — Über:
lege wohl, ehe du ein Todesurteil ſprichſt, ob du keinen,
gar keinen anderen Ausweg finden kannſt. Denn ob du
dem betreffenden Weſen auch ſeine Nahrung gereicht haſt,
ändert an deinem Rechte wenig. Nimmſt du ihm dafür
ſein Leben, ſo haſt du ihm doch mehr genommen als ge—
geben, und dein Geben war nur wie das Geben des
Wucherers, um zehn gegen fünf zu bekommen. And ſo du
ſchonſt, wirſt du finden, daß die Mächte, die Glück und
Wehe verhängen, ſchonender, nachſichtiger und barmherziger
auch mit dir verfahren werden.
Ja, vornehmlich du, der du Vater oder Mutter biſt,
der du verwundbarer biſt denn das Ei ohne Schale, be—
ſtrebe dich zwiefach mehr barmherzig zu ſein, ſo du willſt,
daß auch deinen Kindern Barmherzigkeit widerfahre. Reize
die Mächte nicht, die du nicht kennſt, und ſo du nicht
barmherzig ſein kannſt aus Liebe, ſei es um deines Vor—
teils willen. Ja, deines Vorteils wegen! Liebe und Er—
barmung iſt die einzige Münze, mit welcher du den Tribut
deines Lebens bezahlen kannſt. Zahle, auf daß dir das
Schickſal, der große Exekutor, nicht auspfände! Auf daß
es dir nicht nehme, was du ungern gibſt und ſchwer ver—
miſſeſt! Zahle, und wo nicht freiwillig, ſo zahle aus
Furcht! — And ſo du ein Weſen nicht ſchätzen kannſt
ſeiner Geſtalt wegen, ſo ſchätze es um der Liebe willen,
221
die feine Mutter daran gewendet, oder um der Liebe willen,
welche es ſelbſt zu ſpenden fähig geweſen.
O laß doch der armen, liebebedürftigen Tierwelt etwas
abfallen von deiner Liebe! Dem Kätzchen, das ſeine Pfötchen
auf deine Schulter legt und um Liebe bettelt. Dem Hunde,
der freudig an dir emporſpringt, und dem ein freundlich
geſprochenes Wort Labſal iſt. Der Kuh im Stalle, die
dich treuherzig anblickt, deine Hände leckt und ihren Hals
darbietet, um ſich von dir krauen zu laſſen. Der Henne,
der dein Ruf Tiſchgebet und deren Piepen Dankſagung iſt.
Hat dir dein Herz dies Rätfel nie erſchloſſen,
Daß Kinder fliehn da, wo wird Blut vergoſſen,
Daß ſie den Quell nicht können rieſeln ſehn?
Sie fliehen, weil ein Frevel iſt geſchehn,
Sie trauern um das Leben, das entſchwunden,
Sie zittern, daß ein Anhold losgebunden;
Sie fliehen von der Stätte, wo es qualmt,
Daß Gottes Wetter ſie nicht mit zermalmt,
Sie eilen fort, damit der Erde Schlund
Sie nicht verſchlinge ſamt dem blut'gen Grund.
Das Kind iſt wahr. — Sein Seherauge ſieht
Die Wahrheit, die dem Alter meiſt entflieht,
Es hat die Weisheit, die vom Himmel ſtammt,
Iſt weiſer als die Weiſen insgeſamt;
Iſt ein Kriſtall, in dem das ew'ge Licht
Sich nimmermehr in falſchem Glanze bricht.
Die Sünde, die dem unſchuldvollen Kinde
Todſünde ſcheinet, die iſt Todesſünde,
Todſünde auf der Erde weit und breit,
Todſünde heute wie in Ewigkeit.
Flieh, Mörder, flieh! Flieh fort nach ferner Flur,
Ein Unhold immer bleibt auf deiner Spur.
222
Flieh, Mörder, flieh! Flieh fernhin übers Meer!
Ein Anhold immer ſetzt dir hinterher. |
Dem Lebensſtrom, jo kunſtreich eingedämmt,
Haſt frevelnd du die Schleuſen aufgezogen,
Daß, überflutend, die empörten Wogen
Den Anbewohner mit dahingeſchwemmt,
Ob er ſich gleich verzweiflungsvoll geſtemmt,
Sich angeklammert an die Brückenbogen,
An Aferweiden ſich noch feſtgeklebt,
Verzweiflungsvoll gerungen und gebebt;
Ins große Meer hat's ihn hinabgezogen,
Ans unbewohnte Eiland hinbetrogen.
Ob du auch wollteſt, kannſt du doch nicht mehr
Meerüber bringen den Verlornen her.
Kein Ruder wohl die wilde Brandung zwingt,
Kein Nachen wohl ihn wieder heimwärts bringt,
Kein Schiffer iſt, der je gelandet an
An dieſem Eiland in dem Ozean.
O blut'ge Lache! Schwarzgeronnener See!
Ein jeder Tropfen ächzt ein banges Weh.
Daß dieſer Blutteich doch ſo eigen flimmt?
So purpurprächtig und ſo grauſig glimmt?
So ſeltſam ſchimmernd in den Augen gleißt?
Ich will dir ſagen, wenn du es nicht weißt:
Dies Aufgeleuchte in dem kleinen Teich
Iſt das Geleuchte von dem Drachenlaich,
Das Phosphorleuchten zahlenloſer Eier;
Brutſtätte iſt der unbekannte Weiher
Für Angeſchöpfe und für Angeheuer.
And Brutſtatt iſt und bleibt ſtets dieſer See
Für allen Schmerz und alles Erdenweh.
223
Brutſtatt der Seuchen ift er, ſamt der Peſt,
Samt der Vampire, die im Finſtern ſchweben,
An ihre Opfer angeſaugt ſo feſt;
Brutſtatt des Siechtums, das ſo manches Leben
Hat eingefangen in fein Räuberneſt
Mit ſpinnenartig feinen Netzgeweben,
Das früher nicht, als bis ſie ausgepreßt,
Die tote Fliege wieder fahren läßt.
Ein Abgrund, voll von Höllenqualm und Pein,
Von einem einz'gen Schlachtgefild allein
Voll überſprudelnd heißer Todesquellen,
Voll banger Echos, die dazwiſchen gellen,
Wär' überg'nug um eine eigne Welt,
Ja das geſamte weite Sternenzelt
Mit allen ſeinen Himmeln zu durchhöllen.
Rächer zerſtörten Lebens
Grauſame Menſchen ſind abergläubiſch, das heißt ſie
haben Dämonenfurcht, aber auch alle Arſache hiezu, denn
ſie haben wirklich zu fürchten. Mit jeder Leiblichkeit, die
ſie ſchonungslos vernichtet, haben fie einen Anhold mehr
losgebunden, der ihnen Schritt für Schritt, in tauſend⸗
facher, täglich veränderter Geſtalt auf der Ferſe folgt und
deſſen Krallen ſie ſchließlich unrettbar verfallen. Nicht
unſere Kultur, welche meiſt nur ein ſchimmernder Lack über
die innere Noheit der Seele ift, kann dieſe Dämonenfurcht
beſeitigen, ſondern allein die Kultur, die in dem Grund⸗
ſatze gipfelt, nie und nirgends Qual zu ſchaffen. Denn
ohne Qual gibt es keinen Anhold.
Qual iſt Zerſetzung. Qual ſchafft wieder Qual,
„Nicht einmal, zehnmal, ſondern tauſendmal,
Gleich Ankrautſaat vom Wirbelwind bei Nacht
Amhergeſtreuet und vertauſendfacht.
224
Qual ift Zerſetzung, und der Haß, der trennt;
Wär' nicht der Liebe bindend Element
So allgewaltig, längſt wär' alle Welt
Von Qual zerfreſſen und zu Stein vergällt.
Die Abrechnung
Erſt Wägung,
Dann Prägung.
Ich will dir ſagen, was da geſchehen wird, wenn die
Abrechnung kommt: Du haſt ein großes, unſagbar großes
Erbteil zu fordern, und deſſen Herausgabe wird dir gewiß
nicht verweigert werden. Allein, ehe du erben kannſt,
müſſen vorher deine Schulden bezahlt ſein. Auch vielleicht
noch Schulden deines Vaters, Großvaters und Argroß—
vaters, die auf deinem Anweſen haften. — And es werden
vorgeladen werden alle, die etwas an dich zu fordern haben:
von der Spinne an, die du einmal zertreten, und von der
Maus an, die in deiner Falle Hunger geſtorben iſt, bis
zur Droſſel in deinem Käfig, die du zwar gepflegt, aber
desungeachtet um ihren Lebensfrühling gebracht haſt. Von
deiner Mutter an, der du durch Eigenſinn eine gute Stunde
verkümmert, bis zu deinem Kinde, dem du durch mürriſches
Weſen eine Freude verdorben haft. — —
Doch wohl dir bei alledem, wenn nicht noch gewich—
tigere Gläubiger gegen dich auftreten! Das Erbteil iſt groß
und kann manchen Abzug ertragen. Doch wie? Wenn
du einer Wuchererzunft oder gar einer Mörderzunft an-
gehöreſt? Wenn du deinen Opfern ihr ganzes Leben ver-
güten mußt? Wehe dir! Das erfordert ſchon große Summen,
und das Leid der Hinterbliebenen mußt du auch noch be—
zahlen. — Dann ſteigt die Summe des Abzugs ins An—
geheure, und ſollte auch noch etwas für dich übrig bleiben,
ſo iſt's gewiß nicht viel. And du geheſt leer aus bei der
Erbſchaft des reichen Vaters, und was wird dein Los ſein?
Wagner, Geſammelte Dichtungen 15
8 ; 225
Eines Bettler Los. And das Los deiner Nachkommen?
Ebenfalls das Los der Bettler. Denn es wird wenig
überbleiben von ihnen, und was überbleibt, wird in Schmach
und in Armut enden. — — And die Maus, die einmal
in deiner Falle Hunger geſtorben iſt, wird vielleicht ein⸗
mal — natürlich in anderer Geſtalt — deinen Nachkommen
ein Almoſen ſpenden und wird reicher ſein denn ſie. —
Aber was wird geſchehen mit denen, deren Schulden das
Erbteil überſteigen? weit überſteigen? Die bezahlt vor⸗
läufig der Fiskus, genannt Ewigkeit, und alle etwaigen
Erbſchaften des Glückes, wie ſie beinahe ſicher ſind, werden
nun von demſelben vorweg genommen. — And ein ſolches
Geſchlecht kann ſich erſt nach Ewigkeiten wieder empor
arbeiten.
Die Ernte des Glücks
Hüte dich, daß du keinen Halm knickeſt noch aus⸗
raufeſt auf dem ohnehin jo dünn geſäeten und überdem
noch von Unkraut überwucherten Freudenacker der Erde!
Denn ſeine magere Ernte muß für ſo viele reichen. Manche
reißen einen großen Teil dieſer Ernte an ſich, aber das
heißt das Glück aus der Ewigkeit heraufholen, das Erb⸗
teil, das nach langen Friſten und in kleinen Summen fällig
war, auf einmal erpreſſen. Da haſt du es! ſagt ihr Vor⸗
mund und wendet ihnen den Rücken.
Geraubte Kinder
Iſt ein Liebes deinem Aug entſchwunden,
Suche nimmer nach ihm Nacht und Tag!
Wenn du findeſt, was dich lieben mag,
Haft du das Verlorne neu gefunden!.
Un es war eine Zeit großer Verfolgung, wie einer
Glaubensverfolgung, und man nahm da und dort Eltern
ihre Kinder weg und tat ſie in Anſtalten, um ſie in an⸗
1 S. 46.
226
derem Glauben, anderen Sitten und ſelbſt in anderer Sprache
zu unterrichten.
And eine Mutter, die ihr liebes, geraubtes Kind nicht
1 | vergeſſen konnte, machte ſich auf den Weg, dasſelbige zu
ſuchen. And da ſie in die Stadt kam, da die Kinder
untergebracht waren, und dieſelbigen ſah, ſchien es ihr, als
ol ſie faſt fröhlicher wären als früher zu Haufe, auch
meiſt ſchöner gekleidet, aber ganz nach ausländiſchem Schnitte,
auch von ganz anderen Sitten und Manieren und ganz
fremder Sprache. And fo kam es, daß fie ganz irre wurde
und ſich fragte: Wie werde ich mein Kind finden unter
der Menge? And nach langem Suchen und Vergebens—
fragen traf ſie einen alten Mann, den einzigen, der ihre
Sprache verſtand, und erzählte ihm ihr Anliegen. And
der alte Mann ſprach alſo: O du gutes einfältiges Weib!
Das wundert mich gar nicht, daß du dein Kind nicht ge—
funden haſt, im Gegenteil: Zum Todwundern wäre es,
wenn du es gefunden hätteſt. Hier iſt das Mädchen, denn
ich weiß ganz gewiß, daß alle hier untergebracht find, und
eben fo gewiß, daß alle noch leben. — Möglich, daß du
ihr ſchon begegnet biſt. Aber, was willſt du eigentlich
hier tun, wenn du das Unmögliche begehreſt? — Unter-
halten kannſt du dich nicht mehr mit ihr, auch wenn du
ſie wirklich erkennteſt. Auch kannſt du nirgends nach ihr
fragen, da ihr und jedem anderen ein anderer Name ge—
geben worden und der alte vergeſſen iſt. — Darum rate
ich dir: Bleibe noch einige Tage hier und betrachte dir
die Kinder und erfreue dich ihres Anblicks, ihrer holden
Schönheit, ihres Jugendſchmuckes, ihrer Fröhlichkeit und
ihrer Kraftfülle und denke: Mein Kind iſt auch darunter. —
And fo du ihm willſt Gutes tun, jo tue es an dem nächſten
beſten, denn du kannſt nicht wiſſen, ob es nicht das deinige
itt. And fo du eines ſieheſt, holder, ſchöner, fröhlicher und
. kräftiger als die anderen, ſo magſt du denken: Dies it
das meinige.
3 185
227
Darum nur ſollſt du es nicht erkennen,
Dein Verlornes, in dem bunten Spiel,
2 0 du alles mögſt das Deine nennen,
Statt des Wenigen lieben künftig viel!.
And da ſie auf dem Heimweg war, flog ihr eine Klette
ins Haar, und darum mußte ſie fort und fort und immer
und immer wieder die Worte des Alten wiederholen, da
er geſagt hatte: Dein Kind iſt auch darunter. — And auf
den Wieſen da drüben blühten die Blumen, die Lerchen
jubelten neben ihr drinnen im Felde, im Walde rauſchten
die Wipfel, und die Lippen des Weibes murmelten un⸗
bewußt wieder und wieder: Dein Kind iſt auch darunter! —
And die Schmetterlinge ſchwärmten auf von dem Fahr⸗
geleiſe der Straße, und die Lippen des Weibes murmelten:
Dein Kind iſt auch — — — darunter, wollte ſie ſagen,
aber ein gewaltiger Donner, wie eine Stimme vom Himmel,
vollendete und beſtätigte die Rede des Weibes und brüllte,
daß der Erdboden zitterte: Drunter! — Drunter! —
Darunter! —
And da ſie ihren Hof betrat, flog ein wunderſchöner
Schmetterling ihr entgegen, in einem ſchwarzen Samt⸗
kleidchen mit weißer Einfaſſung, und himmelblauem Hals⸗
tuche, einem Waiſenmädchen gleich, wie um fie beim Ein-
tritt in ihre Wohnſtätte zu begrüßen.
Du weißt es gar nicht, welche nahe Hand
Dich oftmals ſegnet; |
Du weißt es gar nicht, wie oft iſt verwandt,
Was dir begegnet.
Du ſtarrſt es an, als ob's ein Fremdes ſei;
Auf einmal grüßt dich's als ein Bruder treu.
1 S. 45.
228
Freitod
Was gibt dem Leben erſt die rechte Weihe?
Das Sterben iſt's, das ſelbſtgewählte, freie.
Der Vorſatz ſtolz, ſich von dem Stoppelweiden—
Auftrieb der Herden einmal auszuſcheiden.
Das Hürdentor der Freiheit mit dem bloßen
And unbeſchützten Fuße aufzuſtoßen.
Schlafmüt'ge Daſeinsluſt in blödem Herzen
Durch friſches Handeln kräftig auszumerzen.
Freitod! — Wer hat zuerſtmals dich erfunden?
Ein Götterſohn, ins Sklavenjoch gebunden,
Der, als ihn holten des Tyrannen Boten,
Die Ketten ſchlug ins Antlitz dem Deſpoten.
O Gedanke voll ſtolzen Troſtes, o Troſtestroſt, wenn
du denken kannſt, daß die Tür deines Kerkers nicht ver—
ſchloſſen, ſondern nur angelehnt iſt und deiner etwaigen
Flucht nur unbedeutende Hinderniſſe im Wege ſtehen. —
Aber dennoch bedenke wohl! Bedenke, ob die Kraft:
anſtrengung, welche notwendig iſt, das ſchwere Kerkertor auf—
zuſtoßen, nicht auch imſtande wäre, deine widrigen Ver⸗
hältniſſe zu zerſprengen. Bedenke, ob du keine Pflichten
gegen liebe Angehörige haſt. — Bedenke ferner, wie viele
Jahrmillionen ſich die Atome deines Leibes, gebunden an
Fels und Stein, an Wind und Wellen, geſehnt haben,
dereinſtmals zu ſolcher Gottähnlichkeit zu gelangen. Be—
denke, wie manche Jahrtauſende ſich das Geringwertige des
Lebens, zerſtreut und zerflattert, nach ſolcher Zuſammen⸗
faſſung und ſolchem Wertgehalte eines Erlöſerleibes ge—
4 ſehnt, und ſiehe wohl zu, ob deinen Atomen zum zweiten⸗
mal ſolche glorreiche Wiederkehr geſtattet, zum zweiten⸗
229
mal ſolche Menſchwerdung vergönnt werden wird. — Und
glaubſt du, fragt dich der Brahmine, daß du bei deiner
Wiederkehr nicht auch wieder Mühen haben werdeſt? Nur 5
wieder andere Mühen:
Von Seligkeiten träumſt du nach dem harten
And mühevollen Leben und Getos;
Die Mühen, die du haſt in dieſem Garten,
Mitſamt den Freuden wirſt du ſie nur los.
Wohl andre Freuden werden dich erwarten,
Doch andre Mühen werden ſein dein Los,
Bis mehr und mehr das von dir ausgeſchieden,
Was deinem Weſen mindern kann den Frieden.
Ewige Wandlung
Jeder Herzſchlag bröckelt ein Stück deines Weſens
von dir ab, und jeder Atemzug baut wieder daran auf.
Du biſt nimmer ganz derſelbe, der du geſtern, und gar
nicht mehr derſelbe, der du vor Jahren warſt. — And die
abgebröckelten Stücke deines Leibes, wo ſind ſie nun? Kannſt
du es wiſſen?
Kannſt du wiſſen, ob von deinem Hauche
Nicht Atome find am Rofenftrauche?
Ob die Wonnen, die dahingezogen,
Nicht als Röslein wieder angeflogen?
Ob dein einſtig Kindesatemholen
Dich nicht grüßt im Duft der Nachtviolen?
Seligkeitswanderungen
Iſt es nicht, als ob es eine doppelte Rückerinnerung
gäbe? Eine Rückerinnerung noch weit hinter der Rüd-
erinnerung? Eine Seligkeitserinnerung früheren Seins und
Wonnegenießens? — And warum follte es dieſe Selig 7
230
keiitserinnerungen nicht geben? Sind wir denn nicht alle
ſchon von Ewigkeiten her dageweſen, ja bei jo vielem
daubeigeweſen, nur nicht in gegenwärtiger Form? —
Ei Doch nicht abgegrenzt auf unſere Erde allein ift das
Werden und das Vergehen all ihres Lebendigen. Denn
ſoo ſie erſtarrt iſt einſt, und zerbröckelt einſt, und zerſtäubt
einſt, ſo iſt dennoch alles noch da, und nicht das Kleinſte
von ihr verloren. And die Bröcklein und Stäublein bilden
im Laufe der Jahrmillionen, mit anderen zuſammengeſellt,
wieder andere Welten, und das Werden und Vergehen
beginnt von neuem oder iſt ſchon da. — And wer kann
es wiſſen, welches Maß von Seligkeit, welches Verklärt⸗
werden dieſer im Erdenleib Geſtorbenen, nun Auferſtandenen
wartet?
Tauſend Male werd ich ſchlafen gehen,
Wandrer ich, ſo müd und lebensſatt;
Tauſend Male werd ich auferſtehen,
Ich Verklärter, in der ſel'gen Stadt.
Tauſend Male werde ich noch trinken,
Wandrer ich, aus des Vergeſſens Strom;
Tauſend Male werd' ich niederſinken,
Ich Verklärter, in dem ſel'gen Dom.
Tauſend Male werd' ich von der Erden
Abſchied nehmen durch das finſtre Tor;
Tauſend Male werd' ich ſelig werden,
Ich Verklärter, in dem ſel'gen Chor.
Zukunftsformen
Schaue an die kleinen Blütenfalter des Hains und
der Heide, ſiehe an den Goldregen und die Akazie, und
du erblickſt in ihren buntfarbigen Schmetterlingsblumen die
beſchwingte leichtlebige Zukunftswelt.
231
Denn wohl ziehet ſchon lange ein leiſes Ahnen durch
das nimmerraſtende madengleiche Menſchengeſchlecht, ein
unbefriedigtes Sehnen und ein edles Neiden beim Anſchauen
der ſich aufſchwingenden Sänger, der ſchwebenden Wander⸗
vögel und der eilenden Segler; allein nur bei wenigen
tritt das Bewußtſein dieſes Mißverhältniſſes deutlich zu⸗
tage, und unter Zehntauſenden empfindet kaum einer
ſchmerzlich die mangelnden Schwingen ſeines Madenleibes
bei den Schmetterlingsgedanken ſeiner Seele. :
Aber es wird kommen die Zeit des Aufſchwungs, eines
Aufſchwungs mit ſchneeweißen Taubenſchwingen und farben⸗
ſchuppigen Schmetterlingsflügeln, eines Aufſchwungs gleich
dem des Falters zum Blütenbaume, und dem des Adlers
zur Atherhöhe, eines Aufſchwungs voll jubelnder Akkorde
gleich den Akkorden der Waldesſänger und den Dichter:
klängen der Lerchen, eines Aufſchwungs voll ſtummer Wonne,
wie das leiſe Schweben des Schwans und das wonneſatte
Irren des Falters. — Aber im Sinne aller derer, die den
Mangel ihres Madenleibes ſchmerzlich empfinden, ſpricht g
ein fernes unbekanntes Lied von dem Brahminen:
Doch eines iſt, was ihn allein beengt,
And eines iſt, was er allein begehret:
Abwerfen möcht' er, was den Geiſt beſchweret,
Was ihm als Bleigewicht am Gürtel hängt.
Er ſieht der Flotten braune Mattenſegel
Hinſchweben nach dem perlenreichen Meer,
And hoch darüber, fern von Süden her,
Zahlloſe Scharen frommer Wandervögel.
Den Adler ſieht er kreiſen, und es ſchwirrt
Die heil'ge Taubenſchar um die Pagode;
In ſatter Wonne, wonnig bis zum Tode,
Der Schmetterling die blaue Luft durchirrt.
232
Und er, er muß am Boden feſte kleben,
Der Made gleich, indeſſen geiſtverjüngt,
Im Zukunftsglanze ſchimmernd und beſchwingt,
Zahlloſe Falter durch den Ather ſchweben.
Der edle Renner, Menſchengeiſt genannt,
Iſt minder als die Motte ſelbſt geflügelt,
Es hält den Renner allzu ſtreng gezügelt
Des ungeformten Zwergen ſteife Hand.
Doch wenn einmal das ungeſtümſte Sehnen
Den Zukunftsmenſchen ganz und voll erfaßt,
Jahrtauſende getragen er die Laſt
Des Madenleibes und der Geiſtestränen:
Dann baut den Leib im weitern Zeitenlauf
Die Seele anders, baut ihn ohne Mängel,
And wie der Falter von dem Blumenſtengel,
So ſchwebt der Erde Jüngſtgeborner auf.
Aus „Oswald und Klara“
Landung auf einer unfertigen Welt
Es war ein trübes und mattes Licht, das auf dieſe
Waſſerwelt herabfiel, kaum etwas heller als gewöhnlicher
Sternſchein. Gerade vor mir, in unendliche Ferne ſich
verlierend und mit dem Horizont ſich vermiſchend, lag
eine mächtige Tangwieſe. — Angeheuer hoch wie ein rieſiger
Wald ragte Geflecht an Geflecht mit wirren, ineinander
verſtrickten Armen, gipfellos wie ein vom Sturm geknickter
Hain. Jede Nanke, jedes Blatt in zarteſtem Rot, im
matteſten Grün, im lichteſten Blau, durchſcheinend wie
Gallerte. Das ſeichte Meer ſelbſt phosphoreſzierend in
grünlichem Glanz. — Leuchtende Weſen tauchten darin
auf gleich Raketen. — Sieh, all dieſe Wefen find felbft-
leuchtend, ſprach mein Begleiter. Da fie des Lichts ent-
233
behren müſſen, ward ihnen das Vermögen, ſich ſelbſt leuch⸗
tend zu machen, um fo ſich und ihre Umgebung zu erhellen.
Schau her, welch unermeßbare Menge dieſer Scheinwerfer!
Lichtfackeln, Lichtfunken und Lichtkugeln tauchten ringsum
auf. Viele derſelben blau oder weiß wie elektriſches Licht.
Man konnte den ganzen Organismus dieſer Weſen durch⸗
ſchauen, ſo zart und durchſichtig war der Leib. Lebendigen
Sternſchnuppen gleich ſchienen ſie nach Art fliegender Fiſche
über das Waſſer hinzuſchießen. Aber bei all dem keine
freudige Welt. Nirgends ein fröhlicher Laut, nirgends
Muſik. Kein Laut, als gurgelndes Geräuſch des Waſſers
oder Klatſchen des Tangs auf der grünen Fläche des
dunklen Meeres.
Eine dichte Wolke verhüllte auf einmal das matte Licht
des größeren Sterns, der als ferne Sonne einen helleren
Strahl herabgeworfen hatte. Auf einmal entbrach der⸗
ſelben eine rieſige Feuergarbe. Angezählte Meteore durch⸗
ziſchten den Luftkreis, und praſſelnd fiel ein Steinregen
nieder auf das ſo träge Meer und deſſen noch trägere
Tange. Schon nach wenigen Minuten waren dieſelben
niedergeſchlagen wie ein Kornfeld der Erde von einem
Schloßengewitter. — Das iſt hier eine gewöhnliche, faſt
tägliche Erſcheinung, ſagte mein Begleiter, und dieſer Tang⸗ 1
wald da wird in unglaublich kurzer Zeit wieder nach⸗
gewachſen ſein, um dann freilich wieder und wieder das
gleiche Schickſal zu erleiden. Denn, es iſt noch heiß hier,
heiß von nahem Feuer auf dieſem Boden. — So, wie
ein Löſchtrog, in den der Schmied glühendes Eiſen taucht,
ziſchte auf das Waſſer, kochte auf das Meer, und Dampf,
wallender Dampf, wie aus einem ungeheuren Keſſel, ver⸗
hüllte jegliche, ſelbſt kleinſte Helle.
Immer ſchwärzer wurde das Dunkel, alſo daß ich meinen
Begleiter nicht mehr zu erkennen vermochte. Doch dieſer bse
gann nun ſelbſt: Die ihrer ferneren Sonne zugewendete
Seite dieſer Welt haft du nun geſehen; nun kannſt du, of
234 5 5
du willſt, auch die ihrer näheren Sonne zugewendete ſehen. —
Blitzſchnell fuhren wir hin, wo über den Rand des Hori—
zontes, je näher wir kamen, immer herrlicher eine Strahlen—
krone aufſchoß. — Wir ſtanden am Rande: Der Wider—
ſchein eines ungeheuren, wohl den vierten Teil des Himmels
einnehmenden Glutofens brandete uns entgegen. Ja, da
lag in unheimlicher Nähe eine in rotglühendem Fluſſe an
Schlackengürteln anbrandende, ziſchende, noch unfertige Welt.
— Aber auch auf der wir jetzt ſtanden, war nichts als
kahles Geſtein und verglaſte, wie Silber glänzende Ströme. —
Hier wie dort iſt kein Leben zu finden, ſagte mein Be—
gleiter, denn von allem abgeſehen: Furchtbar ſind die
Stürme, die hier noch zeitweilig hauſen.
Doch will mich bedünken, daß auch du und deine Klara
in einem ähnlichen Tangwald — Gott, wie tauſende Male
vielleicht — ſchon gelebt hätten.
Der Komet
„Heda draußen! Wer iſt's?“ — „Ach, Herr Meiſter,
Nichts für ungut. Bin ein hergereiſter
Fremder Burſche.“ — „Welchen Zeichens?“ —
„Feuerwerker. Bitte, Reichen S'
. N Kleine Zehrung.“ — „Nichts da! Frommen
Soll dein Werk mir, Burſche! Sei willkommen!
Arbeit hab' ich!“ — „Welche?“ — „Feuerwerker!
Mach in Flammen aufgehn all die Kerker!“
Du ſollſt einige dieſer Kerker ſehen, ſprach ſehr ernſt
mein Begleiter. — Wille: Wie es kranke Weſen gibt,
gibt es auch kranke Welten. Planeten oder Monde, denen
das In-Flammen-Aufgehen geradezu Wohltat zu nennen
iſt. — Es ſind ſolche, auf denen die Materie über den Geiſt,
235
Gewalt über das Recht, Gemeinheit über das Edle und
Häßlichkeit über das Schöne entſcheidenden Sieg und dauernde
Herrſchaft davongetragen haben. — — Komm mit, ſo
will ich dir einige zeigen!
Es war eine ausgedehnte Sumpflandſchaft, wohin mich
mein Begleiter führte. So weit das Auge reichte, war
nichts als rauhes, binſenartiges Gewächs, Schilfe und
Schachtelhalme. Aus den zahlloſen Lachen von gelbem,
ſchmutzigem Waſſer tauchten empor ungeſchlachte Köpfe
geſchildeter und geſchuppter Angetüme ähnlich den Alliga⸗
toren. — „Sieh da, die Herren dieſer Welt! — Nachdem
ſie ihre Mitgeſchöpfe ſamt und ſonders verſchlungen haben,
ſind ſie allein noch übrig. — Doch die Zeit iſt nahe, daß
ſie in ihren Sümpfen geſotten werden. — — Doch, komm
mit! Du ſollſt noch ſchlimmere Zuſtände ſehen!“ —
Weiter ging's auf eine andere Welt. Ich erſtaunte über
die ungeheure Menge kegelförmiger Hügel und das weite,
ebene, ſchachbrettartig abgeteilte Land. „In dieſen Bauen
wohnt eine Art von rieſigen Ameiſen, die die ganze Ober⸗
fläche ihres Planeten einzig und allein für ihre Sonder⸗
zwecke eingerichtet haben. Wohl ſind noch einige andere
Geſchöpfe da, aber ihr Los iſt ein ſehr trauriges, da ſie
für ihre Herren ſchwere Frondienſte tun müſſen und zum
ſchuldigen Dank von ihnen aufgezehrt werden, obſchon fie
unendlich mehr wert ſind als ihre Bedrücker. — — Aber
die Zeit iſt nicht ferne, wo der große Raub in den ge⸗
füllten Tennen in Rauch aufgehen wird.“
Weiter ging's auf eine andere Welt, diesmal ähnlich
der unſrigen. Ich verſpürte Blutgeruch und Rauch des
Feuers. „Sie werden wieder ein großes Morden unter⸗
einander gehabt haben und Freudenfeuer anzünden. — —
Es wird ein weit größeres Feuer werden, das der Komet
dort, der Vagabund, mit ſeiner brennenden Lunte bei ihnen
anzünden wird!“
236
ccc er
Wieder ein Stück Ewigkeitsleben
1 So wie wir ſitzen beiſammen zu dreien oder zu vier,
So find wir geſeſſen vor Zeiten unzählige Male ſchon hier,
So werden wir ſitzen in Zukunft wohl noch unzählige Mal',
And iſt es nicht unten auf Erden, iſt's droben im Sternen—
ſaal.“
Ja, wir ſaßen zuſammen zu dreien oder zu vier, aber
wir waren keine Menſchen mehr. Doch menſchenähnlich,
etwa ſo, wie man ſich ſelige Götter vorſtellt. Auch waren
wir in der Tat Selige und ergingen uns in einem ſchönen
luftigen Saale mit blauer Decke, beſäet mit ſilbernen Sternen.
Ja, wir tranken auch etwas, das ein alter Grieche wohl
Nektar genannt haben würde. Ein duftiges Getränk, das
friſch vom Baum hinweg in den gleichen Kannen herein—
getragen wurde, in denen es gewachſen. Aus jedem Blatt—
winkel hingen ihrer zwei oder drei herunter. Dieſer Baum
hatte purpurrote, jener blau- oder goldfarbne. Ebenſo war
auch der Nektar in denſelben. — — Ja, wir ſprachen und
tranken und erzählten uns mancherlei. Mehrere der Gäſte,
worunter auch Klara, waren bei der abendlichen Kühle in
den Garten hinausgegangen. Plötzlich rief ſie mich hinaus.
Tiefbewegt zeigte ſie nach der Erde. Wunderbar deuchte
mich's, daß ich ſo ſcharfe Augen hatte. Anzählige Welt—
körper funkelten näher oder ferner, aber da war keiner, auf
dem ich nicht — irdiſch geſprochen — jedes Räuplein am
Zweig, jeden Sperling auf dem Aſt hätte ſehen können.
Sieh dort! Das iſt die Erde, und dort, dort zwiſchen
den zwei Wäldchen unſer Heimatort! — Ja, ich ſah es
ganz deutlich: Es war ein ſchöner Morgen im März, der
Wald noch kahl, aber die Felder ſchon ziemlich abgetrocknet,
manche ſchon friſch beackert. Auf dem Fußpfad, der über
die Wieſen in das Dorf hineinführt, ſchritt ein junger
Mann, — ich, ich ſelbſt als glücklicher Bräutigam. —
Ja, das war das kleine Haus des Schwiegervaters dicht
237
am Bache. — Dann nach einer Weile kam aus demfelben
heraus ein ländlicher Hochzeitszug. Voran eine Schar von
Kindern, dann die Schweſtern der Braut, dann ſie, ſie
felber. — Gott, wie ſchön fie war! — Ja, ich trug den
Tuchrock, den mir der Schneider Grob gemacht hatte. An
meiner Seite ſie, die ſüße, unvergleichliche Klara. — Dann
kamen die Brüder der Braut und ſonſt Verwandte. Der
Zug bewegte ſich nach der Kirche. — Warten wir, bis er
wieder herauskommt, ſagte Klara. Endlich kam er heraus
und bewegte ſich nach ländlicher Sitte langſam gaſſeent⸗
lang, zum Gaſthaus zur Traube. Gott, das waren wir
ſelbſt in früherer Geſtalt, und das war ſie! — — Lange
ſahen wir einander an und konnten vor Aberwallung der
Gefühle kein Wort ſprechen. Sie drückte mir ſtumm die
Hand und ſagte erklärend: „Jeglich Geſchehnis im Welt⸗
raum iſt nach Tauſenden von Jahren noch wahrzunehmen,
und zwar immer hinaus in weitere Ferne, wenn auch der
Schauplatz, auf dem es ſich abgeſpielt, längſt nicht mehr
iſt. — Es traf ſich gut, daß bei dem beſtehenden Abſtand
von der Erde das Lichtbild von ihr oſzillierend gerade heute
dies Geſchehnis zeigte.“
Noch einmal ſchauten wir hinauf, aber wir ſahen nichts
mehr. „Es wird die Zeit ſein, da wir uns im Tanzſaale
aufhielten“, ſagte Klara.
Wie wohl uns iſt! Wahrhaftig: Anſer heutiger Wirt
hat recht: 5
„Dieſes Abermaß von Lebenswonnen
Hätteſt du, der armen Erde Kind,
Arm an Sinnen, fühllos, taub und blind,
Nicht in Träumen Himmeln angeſonnen!“
238
Er. Auf Piave "fein, von Buchen
5 Anfänge der Gedichte
Seite
1 iſt's, und all die 8080 8 2
iſt erntet das Feld re -
Ach. für meines Lebenstifches .
umſonſt war all des Sine.
lings Hoffen 137
Ach, von den Blumen allen. . 38
Alle nach Oſten den Blick . 70
Alle — die von mir ſich trennen 174
Als urn un zum 10 0 en OR
erkor
Als ich 15 Wald mie
Altjungfer Weiß war
Am ege ſtand
der affe
erging 26
chenmagd 111
ein dürres io
An den Wa erbrunnen und im
Schatten
Antreiben aus des Lebens dü-
ftrem Nord 25
Armes Mägdlein hier in Stad
und Scheuer . 101
Armes, unglückliches Weib 171
2 8 geMenſchenſprachel Hart,
erdorrt
Aue in iſt's, der Monti Sal- 5
vato
Auf das Kleefeld ging i ich heut 110
Auf, die Hacke zur Hand 87
Auf einem Anger, menſchenleer 114
Aufgebunden drüben iſt der Haber 49
. heran zu e Mutter:
grün umwallt 173
Auf ragt ein Dom in feiner Mar-
morpra t * * “ * * * * *
Auf rofigen Blütenähren 73
Auf ſonniger Halde 89
Aus Lende endjähr' gen Schlafe 97
Aus des Südens Sonnenwelt,
der heitern 77
Aus kies efüutem Bette toni Kinn
der Tiber x
Auszuraufen im Korn =
+ * * * * 8 *
Baue deine Wohnung, daß du
. ſchaueſt. 5
Seite
Bietet die heimiſche Flur. . 70
Birke und . „
Biſt der Lüfte K 78
Bleich Br das Feid und reif
das Kor
Bringt dich niche vom fernen
Nachtgeſtade 169
3 btübende, drauf
ein Falter g 88
28
Das Eichenlaub glitzernd malen 75
Das Leben wechſelt, aber nicht
Sem ee
nd Waldestöchter, dieſe
weißen. 74
Daß ein Gebilde von Licht her⸗
nieder mir fteige . . . 183
Daß mir Tröſtung werde bei
dem Gnadenſchein . 45
Deine Gottheit . 55 Zeit v ver⸗
trieben 159
Deine Sulbigung, d 5 . 181
Den Birkenwald in f weh Maien-
pracht
Den Vlütenbufc der Rof en dort
am Rain . 167
Denn weil nun alles, "was da
grünet 7
Der alte Müller im Weidental 112.
Der e gleich der
Roje ſteht. 61
Der Hirt iſt da, wenn dieſes
Baches Gang 208
Der Mann, dert hatte acht Töchter 109
Der Schmetterling, der auf ee
Roſenblatt
Der Seelentag am Allerfeelenfeſt
Des Schickſals Walten, taub i
es und blind.
83 Wucherers Seele im Falter
wand.
Olch, „ Wiefe, dich, Rain mit dem
Rofenbag 4247 sm Au
Die Flur hat ſich die Augen trüb
geben EU ER
wo. du gefreten in mein Leben
239
Seite
Die Geſetze der Geſchicke . . 208
Die grüne Saat, die bunte
Wiejenflur . . 51
Die Myrte duftet ſüß in deinen
Haaren 170
Die Nacht iſt kalt, doch in der
Stube drinnen 3
Die Orden, die Sterne prunken 27
8 5 ſitzen beim Veſper⸗ a
2 1 Blumen ſind ab⸗ er
Dleſe RS Berglein auf
den Beeten . 175
Diefes Abermaß von Lebens-
wonnen
Dies Shlop 9 gehör inskünftig!
der Gemeine
Doch der Hauptmann daſelbſt
Doch erg iſt, was ihn ee 1225
bee
Doch gab du auch dem Menſchen
zu dem niedern.
Doppetfonnen, Monde, Drillings-
R 1 . 195
Dort auf dem Wieschen 3 83
Dreie der Nymphen des Bachs 64
Du auch gingeſt von mir 176
Du es mit der af chenfarbnen
H
Dunkelrote Rüben, Kohl und
Möhren 5
Du Sonnenwirtin, du ſchöne . 142
Du fo ſchwebend über de
dee 8 9 iche id
u we e gar ni t, we he
nahe Hand 228
Ei, Gretchen! 5 55 — Wann biſt
bu hergekomm 15
Ein Altar mit Früchten und mit
roten 163
Eine reundin wünſcht' ic d eren
Fährten 30
. Biſſen täglich zur Er hal-
n
Ein Kind des Schnees, ſo weiß,
jo waſſergrün . 1852
Einſam wandelt durch den Wald
ein Alter . 184
Ein ſel'ger Seift war es, der mir
befahl 187
efa
Einſt, da jung ich noch war. 183
Ein Träumender komm' ich des
Wegs gegangen
Ein Wegbereiter s und ein
Herald . 81
240
a Seite
Einzuſtehen gewillt für das . N
des Lebendigen 3 5 182
ge 4 70 Bi Dafein fo arın und
es muß ion v ſpät ſein, ſpät fein
n
Es 4 die Fache herab, ich lag
und ſchlief.
Es ſchlummert in kühlem Bette 100
Es ſchwebt mir vor ein wunder⸗
voll Gedicht. a ar
Es ſpielen Verſtecken „
Es wird dereinſt auf Erden 43
Es zieht ſich aufwärts zwiſchen
Rebenwänden . . 158
aſt überirdiſch dünkt mich euer
F A 3 ſch ch 5
en AN
. tam ich zu ſchaun 1
euerkugeln, einzeln und in
Scharen
Fort aus der Stadt, die hoch
die Türme recket ’
dect Dart Dörflein allhier 3
rohe Botſchaft, Blumengruß
m Lenze.
Für Des Glückes freud den Son.
nenſchein
Gartenwinden, ſtrahlig und ge⸗
flammt 333
Gaſtfreund! Der allein 185
Gern ſpricht die Welt von füßem
Minnelohn . 180
Gefpenfterbafter Schwarm, der
nie gelärm 203
Glück begehr' rich von Gott, doch
herrenloſe 8
Gott grüß' euch, edle Narziß en 120
Gott! Welche Fülle von Licht
hernieder mir flutet
Gott, wie oft im Lauf der Ewig⸗
keiten . 1%
nn als fiammte ein Buſch
hellauf 69
Scasfltenen, wo ic bin mich
wende 76
Halbdurchſcheinend wie N
und wie Bernftein . 50
Halt die Watte feſt dir im
3 8 36
Haſt ſchon lan ‚geriet, gebiet 8
Hat dir dein Herz dies
nie erſchloſſen 22
Hauslaubroſetten auf dem Dache 35
Heda draußen! Wer iſt's 5
Seite
Herbſt! Wann iſt er in mir. 66
Herbſtwieſe meiner Seele. 38
figer W̃
Herr . ed war's, der elnſt.
mal
Himmliſche Geſänge >
5 für den Reſt meiner Zeit
Herbſtzeit au verſtreut auf rei⸗ 0
1
an mich klagen meine “a
Zätende Frauen ich hatte im 8
Garten .
ch hatte einſt meine Sterne
ah dich, Meer, in deiner
une
Ich weiß
ein Ede
deen Bächlein if Dach
31
racht
Frledenbeim, ich i
81
ei Königsſchloſſe, jenem 5
r, o Geiſtlein der Lu
5 Rofen in meinem
ch *
r blauen Sterne am Wege
arten
107
102
51
vie 1 * 3 80 dem 5
{ rg rh ache E
ge, du Pr 3 8
Eu dem one
führen
66
. 106
n dem Schatten dunkler Trauer 7
n die ewige Ruhe, ewige Stille 197
5 der guten alten Stadtvogtei 131
n kühlem Grund Kühbrunnens
klare Tränke
Iſt Br Si noch nie hindurch⸗
SR dies dies nicht ein frevles Schick⸗
alswalten 26
0 Au Liebes deinem Aug’ ent»
wunden 46 226
Jug ſo überreich an Gnaden 155
ungfräulich weiße Blütenſterne
Kalt — 2 er ſtehet Stern
.
57
ge ſei das künftige ER
“Se chlecht
Kannſt du wiſſen, ob von deinem
Hauche
B nie Prieſter ich zu dir !
sun ie ie 3eit, und kurz aud 2
ſt ein Jah
2 8 ſo wie ſich's mag
ednaertof ne Stut aus treuem
Herzen 4
* *
Wagner, 3 8
146
Seite
0 euch künden
Vault dir die Heimat, die 75
206 Ach dir die Zukunfestempei \
zeigen
Letter Oktoberſtrahl
Lieblingsgerüche der längſt ent- ;
5 enen Mutter.
Lüft' mir den Vorhang, daß ch
möge künden
Meiner andernSeele in der Ferne
Mein Liebchen een im
Grabe nicht
Mir kaum voran, "fo zehn der
Tritte, ſchritt
Mitten in der Ilgen blauer Füue
Montag erſt. — Entſetzlich! —
Muß nicht der Herr gerwiptich
wandeln gehn R
Mutter, die Störche ſind da 5
Nach den Roſengärten möcht'
Gn
Nacht iſt's, ſtill, kein Vogel will
Nn ee
Neid' ich doch in deinem Strah⸗
lenloſe .
Nicht an der Kanna berauſcht
mein Geiſt
Nicht bei Mondſchein, nicht bei
Tages Blaſſen
Nicht des Menſchen Beſtes wird
begraben .
Nicht nach dem Glücke, das dir
in Ausſicht ſtehet
Nicht nahſt du mir, als wollſt
du mich bedienen
2 5 den Gatten mehr
u hal
Nicht — o onſt in dumpfe Grabes⸗
Go ee
Nicht zugrunde geht, was du
verloren
Nicht zu kennen du begeht” mit Kr
Namen.
Nimmer beſchmutzeſt du mehr
dein Kleidlein . .
Nirgends,
weiten Flur
Noch liegt die Flur in ſtarrem
Sroftverbande .
WEN zu drern ſrebn
o 4
Nun drei Wochen gewiß
Nun du wieder fameft .
Nun ich beendet mein Werk
16
3 auf der
62
Seite
Nun e Flehen findet 55
Erhöru 42
Nur ein Kartoffelfeld noch 90
Nur ein Röslein fand ich in dem
Graſe
Nur Wein und Brot fei künftig
meine Speiſe
Ob am Fenſterbrett wir Nelken
obe auch der trübumzogne 55
5 je ich will iſt nimmermehr
Ob Sonnſchein auch auf allen 225
Bergeswarten . 5
O falle nicht der Freude in den 1
gel
odofe nit, aus dieſer Zauber-
ſchü 154
8 Bie manch ernſt', manch
liebliche Legende 167
O kommt herbei von Oſt und
Norden. 148
O nicht von fernen, längſtver⸗
gangnen Tage 179
O 1 dich, wi klagen über
Hunge 196
O aan doc an des Wieder⸗
einens Bun
2; eid geg ßt, ihr Ströme und
r See
oft, Sieh: Den mordbefledten 2
O ſieh fie do 5 Venedigs Tau⸗
be ie ie 0. 163
O 5 du nicht die Sitberteiche
O eile Bucht V
Purpurne Gluten des Weins 64
Qual ift Zerſetzng 224
Ringsum 1 8 ER 9 9
—— 85 5
Rofig glühn. 89
Rolſcheckige Kühe und Rinder . 147
Sage mir, ewiges Licht 57
Sage, was wareſt du doch . . 102
Sag, woher kommen 103
Sankt Nikolas, der Gottesmann 127
Schlag S da u ich mir
einen Stod 130
Schneeglöckchen drüben! am Wie⸗
a 84
242
Seite
Schön ift die Leſe des Weins. 93
Schon iſt entflohen die Schwalbe 90
Schön iſt's, wandeln bei VER EHER
Qualmen . . 182
eu. wohl ift es im Lenz . 69
Schon wieder zu banger La ſt Pe
en ſtehn fie geſellt 25
Park 67
80
56
Seh’ ich Fi Neat in dem Hag
. e jedes Schönheits⸗
· * * * * 0 * * * * —
Sie fragten nach meiner Be⸗
tallung.. e os
Sie haben dich mit Eichenlaub
geſchmücſkſk.
Siehſt du es wandeln, als wär's
ein Zwerg . 129
So arm iſt noch teines zur Welt
gekommen.
So ag du ihre Freiheit nicht
gepredigt 3
Sommermittag auf dem Hoch-
wald brütet 73
Sonntagabend iſt's, ſpät A 71
So wie ein Menſch nach lärmen-
dem Gelag 25
So wie 50 Sreife ergehn beim
Sonnſchein 2
So wie wir ſitzen beiſammen 237
So zog mich oft ein namenlos
Verlangen Bi vi
Na ge nicht der Himmel wonne⸗
Siehe ein Waldhaus drauf en . 99
Stolze ne „ſtrahlend ſchön,
doch ſprö 196
Stolz vom Geſtade des Meers 156
Strahlt nicht auf mitunter . . 190
Süß wie die Träume der Maid 51
Saufend Male werd ich ſchlafen 5
gehen
Size wird. s im Wald und
abendfrüber . 60
Siehe Een bei des Tages Saft 41
Tie ne hebt ſich der Wald 8
dor AR
Tod und Leben nahe hier bei.
ſammen 162
Traue dem Winter noch nicht. 80
Tritt an, o Pilgrim, Bes du
dich entladen „
über der Jugend Gebrechen a
mpor
And an den Zweigen, den Aſten 191
And treten mich an im Haine 31
Zi
—
Seite
2 N du Sold von mir und
u Lo 180
hn
e Me fe frohe Hochzeits äſte
Anhe 5 lich hört ſich an im Wald
8 Knarren.
Anſcheinbare Geſtalt. Wer mag
draus bemeſſen
Anter Eichen allein be sgrabt mich
Anterzuzwingen den EN
8 von der Wein⸗
bergmaue
Be eb: An) deinem Wiegen.
eee und Zutunft bunt
C
Bo ag Nacht, was dieſer Tag
getan
Vert — der Bach. „die ſchlamm⸗
getrübten Tümpel
1 | ſtlrmt durchs offne
an
zes Shrijttinpepen erbat.
Vom Weidenbaume
Von dem niedern Hügel / ſchwar⸗
zer Scholle
Von der alten Säulen Architraven
Von der Sprache.
85
58
65
184
182
92
90
161
192
Von einem Eden möcht' ich heut 5
erzählen
95 einem Kampfe, der noch
Von ea träumſt du.
205
. 230
Wach’ ich ven freudig u in 85
meinem Leid -
Wagengera el von fern
Wandrer, ſtehe! ennt dein
harter Sinn
94
58
Wann kommt der Freiheit Tag, 205
das Morgenrot.
Wann kommt der
kein Schmerzensruf
Wann wird er kommen, der NEE
riede, wo _
.
War auf Rückflucht nach der es
Jugend Jahren
Waren's Blumen mit den wun-
derbaren .
8 ward mir Geburts- .
Was dies dem Leben erſt die
rechte W
. hat ſo a ſo gottvoll mich!
urchdrunge
Was iſt's, das gibt ſo wände.
baren Klang
Seite
Was kein a geſehen hat 60
Was ee dir von ihrem Baum
Frau Holl 53
Was ſteht ihr da, ihr Stöcklein
ohne Klang 62
Was e du, ſo oft die
Blätter fall 59
Wehmütig ſtimmt mich Pügern-
den der Wald 173
Weißdorn, knorriger DW 68
Weißt du, weißt du, was wir
heute wollen 28
Weithin gelbliches Meer von e.
bleicheten Gräjern. . . 88
Welch Donnerſauſen 150
Welches Gewerbes ich fei. . . 182
Welch Kleinod doch in nächſter
Heimatweite . 145
Wenn der Brahmine wandelt
durchs Gefild 211
Wenn die Augen wir geſchloſſen 188
Wenn die Blätter fallen 92
Wenn iſt verglommen der Tag 64
Wer iſt dem Sänger begegnet. 83
Wer nicht das Schickſal kennt 34
Wer war es, der mich Armen in
der Haft 187
Wer war ich einſt? Von wem
ward mir dies hohe 79
Wie anders mir erſcheinſt du,
Werk der Kelten P . 144
Wie auch ſpät noch im Herbit . 71
Wieder iſt aus ihrer 57885 a
ſtoßen 194 196
Wieder nach dem Ort, da wir
gejefien. . 30
Wie der Weiſe in der Schrift 8
Wie die Frauen Zions. 100
Wie du gezeigt einſt dem er⸗
wählten Knechte 25
Wie ſtill der See, wie ſchweigfam
die erhellten . 47
Willſt me zählen zu den rden⸗ “an
reine
Wird er Glück dir zuteil
i 34
Wohin, 5 ‚im Sonntags- 2
gewan
Wohin, wohin auf dieſem Ster-
nenfluge
Wohl genug iſt's, daß die Denfh- ,
beit grauſend
Wohl
Weinbergs Stufen
Wo ſie 3 heil'gen Eichenwald
gefä
Wo fie gerodet unlangſt den
Hochwald
16*
chön iſt es, auf diefes
178
243
Seite
Wo weltentrückt an alt Pompejis
T
Würde Sünder mir die hohe
— DR TE
8 99 76 zu 3 die da
gerbräche, wenn ich tot bin,
ſel'ges Licht
Berne Sütten. an dem oden 301
244
Zu d ungfrau ſp 5
u der richt
edle 4 8 128
Zum Walde Wa ic, wo aus
der Ruine 4 Er
u regnen
uviel der Grüße ſind's, 8, die mir
ee rn 5 2
IS end mir ward 183
w ie des ew’gen Brah⸗
mas
e möge in mit dir
ENTER
Verlag von Strecker und Schröder in Stuttgart
Chriſtian Wagner: |
Herbſtblumen — Oswald und Klara
Neue Dichtungen Ein Stück Ewigkeitsleben
Gebunden M 4,—
„Gerade dieſe Sammlung enthält eine Reihe der reifſten und abgerundetſten
Dichtungen Wagners. Es hat ſeinen eigenen Reiz. ſich in das Bändchen zu
vertiefen, in dem er fein Sinnen und Fühlen vor uns ausbreitet. Stets von
neuem entdeckt man da wieder reizvolle Blumen und duftige Blüten, die ſich
beim erſten Durchblättern hinter Blättern und Ranken verſteckt hatten.“
(„Neckarzeitung“, Heilbronn.)
Italien in Geſängen seumden 120
Der Dichter hat hier Eindrücke ſeiner italieniſchen Reiſe niedergelegt. Von
Lugano bis hinunter nach Pompeji und Capri hat er Italien durchwandert und
bietet uns nun dieſe von den Farben und Düften der italieniſchen Landſchaft,
von der friſchen Briſe des ewig blauen Meeres durchhauchten Verſe, die von
reifſter harmoniſcher Künſtlerſchaft zeugen.
i N 1 Kleine Geſchichten aus meiner Jugend⸗
Eigenb rötler zeit. 4. Auflage. Gebunden M 2,40
„Ein liebevoller Künder ſchwäbiſcher Eigentümlichkeit iſt der alte Dichter
N Chriſtian Wagner, der für alle Sonderbarkeiten und Originalitäten ſeiner Heimat
ein ſcharfes Auge beſitzt und ſie in ſicheren Strichen wiederzugeben weiß. In ſeinem
Büchlein Eigenbrötler führt er uns eine eigenartige Galerie von ſchrullenhaften
Köpfen vor, bei denen auch der Humor zu ſeinem Rechte kommt.“ (Kölniſche Zeitung.)
10 Der Bauer und Dichter zu
Chriſtian Wagner Warmbronn. Eine äſthetiſch⸗
kritiſche und ſozial⸗ethiſche Studie von Richard Weltrich.
Mit dem Bilde des Dichters in Lichtdruck nach dem Gemälde von
Emilie Weißer. Preis geheftet M7, —, ſchön gebunden M 9,—
Der bekannte Schillerbiograph zeichnet in dieſem Buche in ſicheren Linien
die Geiſtesart des Dichters, bringt die erſten genaueren biographiſchen Angaben,
prüft unter ſtrenger Anwendung äſthetiſch⸗kritiſcher Maßſtäbe die Werke und
weift den in ihnen ausgeſprochenen bedeutſamen ethifch-fozialen Beſtrebungen
ihre Rolle im Zuſammenhang unſerer Kulturentwicklung an. Die Darſtellung
iſt eindringlich und feſſelnd, die Sprache voll inneren Lebens.
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Verlag von Strecker und Schröder in Stuttgart
Dreizehn aus Schwaben / Fröhliche Geſchichten ſchwäbiſcher Er⸗
zähler. Herausgegeben von Hermann Miſſenharter. 7. und
8. Tauſend. Geheftet M 3,50, gebunden M 5,—.
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Mit Schattenriſſen von Dora Brandenburg⸗Polſter. Ein⸗
geleitet und herausgegeben von Auguſt Lämmle. Geb. M3,—.
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Vergangenheit. Geheftet M5, —, gebunden M 6,50,
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Deutſches Legendenbüchlein. Gebunden M 1,80.
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Geheftet M5, —, gebunden M 6,50.
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Dorfroman. Geheftet M 6, —, gebunden M 7,50. N
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M 3,—, gebunden M 4,50.
Wilhelm Schuſſen / Johann Jakob Schäufeles philoſophiſche
ckuckseier. 3. und 4. Auflage. Geh. M3,—, geb. M 4,50.
Wilhelm Schuſſen / Der verliebte Emerit. Roman. 3. Auf⸗
lage. Geheftet M3, —, gebunden M 4,50.
Wilhelm Schuſſen / Haus Mollenkopf. Eine Erzählung. Ge⸗
heftet M 3,—, gebunden M 4,50.
Wilhelm Schuſſen / Höſchele der Finkler und andere heitere Erzäh⸗
lungen. 4.— 7. Tauſend. Geheftet M 3,50, gebunden M5,—.
Wilhelm Schuſſen / Der Rote Berg. Roman. Geheftet M 3,50,
gebunden M 5,.—.
Wilhelm Schuſſen / Heimwärts. Gedichte. Gebunden M 3,—.
Martin Vollmer / Auf einſamen Wegen. Gedichte. Mit Feder⸗
zeichnungen von Profeſſor Felix Schuſter. Gebunden M 2, 20.
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Eine vornehme Anthologie, ein Haus⸗ und
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Das ſchwäbiſche Liederbuch
Eine Auswahl aus der klaſſiſchen
ſchwäbiſchen Lyrik
Hans Heinrich Ehrler
300 Seiten. Gebunden M 6,—
Das Beſte aus dem lyriſchen Gut der Schwaben hat der
Herausgeber mit feinſinniger Wahl geſammelt und zu einem
ſtattlichen Band vereinigt. So iſt „Das ſchwäbiſche Liederbuch“ ein
organiſches für ſich geworden, ein reiches und entdeckungsfrohes
Buch, das ſeine Schöpfer preiſt. Jeder hat darin genügend
Raum, um ſich behaglich zu dehnen; jeder ehrt die anderen, wie
die anderen ihn ehren. Altbekannte herrliche Stücke leſen ſich
hier neu wie am erſten Tag, und Vergeſſenes hebt ſich in ſtillem
Glanz hervor. Schiller, Waiblinger, Hölderlin, Kerner, Uhland,
Pfizer, Mörike, Fr. Th. Viſcher, J. G. Viſcher.
Allen Deutſchen gehört das Buch als edelſtes Gut zu eigen.
Überall, wo die vertrauten Laute unſerer Mutterſprache ertönen,
wird man die Gabe mit freundlichem Sinn empfangen, iſt doch
hier das Feld, wo mancher herrliche Samen für den großen
deutſchen Liedergarten gezüchtet worden iſt.
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BE ER >,
Wagner, Christian
Gesammelte Dichtungen
W28A17 1., für den Schwäbischen
Schillerverein bestimmte
Ausg.
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