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Full text of "Gesammelte Dichtungen. Hrsg. von Otto Güntter"

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GESETZT 


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verlegt von trecker 8 Schröder, Ötufigart 


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Geſammelte Dichtungen 
von Chriſtian Wagner 


Herausgegeben von Otto Güntter 


Mit einem Bildnis und 
einer Handſchriftprobe 


Erſte, 
für den Schwäbiſchen Schillerverein 
beſtimmte Ausgabe 


1918 / Verlegt von Strecker und Schröder in Stuttgart 


A. g. XIII. 


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Druck von Strecker und Schröder in 


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Chriſtian Wagner 


* Wagner wurde am 5. Auguſt 1835 in Warm— 
bronn geboren, einem Dörfchen von fünfhundert Ein— 
wohnern, drei Wegſtunden weſtlich von Stuttgart welt— 
abgeſchieden zwiſchen bewaldeten Höhenzügen gelegen. Sein 
Vater war Schreiner und betrieb neben dem Handwerk eine 
kleine Landwirtſchaft. Es war der Wunſch der Mutter, 
ihren Sohn, der das einzige Kind blieb, dem Stand ihres 
Vaters, eines Lehrers, zuzuführen. So kam der Knabe, 
nachdem er die Dorfſchule durchlaufen, 1850 in die Prä— 
parandenanſtalt in Eßlingen. Die Eltern mußten jedoch 
bald erkennen, daß die Koſten der Ausbildung über ihre 
Kräfte gehen würden, und eine Erkrankung des Sohnes 
bot ihnen nach kurzer Zeit einen gern ergriffenen Vorwand, 
ihn wieder nach Hauſe zu nehmen. Er half nun wie zuvor 
den ſchon betagten Eltern bei der Feldarbeit und wurde 
Bauer. 

Außer einigen Kenntniſſen in der Pflanzenkunde brachte 
er keinen Gewinn heim von den ſechs Wochen in Eßlingen. 
Ein Lehrbuch der Botanik, eine Weltgeſchichte und anderes, 
von ſeinem alten Schulmeiſter und dem Pfarrer entlehnt, 
halfen ihm, ſein Wiſſen zu erweitern. Auch ſonſt las der 
junge Bauer, was ihm erreichbar war; aber was war in 
einem armen Dorfe von damals an Büchern zu finden! 
Hin und wieder fiel ihm eine Zeitſchrift in die Hände. 
„Die einzige Quelle,“ ſchreibt er in einem Brief, „aus der 
mir über meine ganze Jugendzeit literariſches Wiſſen ge— 
floſſen, aus der ich den erſten Zug aus dem Becher der 
Dichtung ſchöpfte, war ein Leſebuch für Realfchulen, das 

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mir ein Lehrer geſchenkt hatte: Gedichte von Schiller, Goethe, 
Ahland, Platen, Freiligrath, Müller, Kopiſch, Schwab.“ 
Später bezog er aus einer Stuttgarter Leihbibliothek einzelne 
Bändchen von Heine, Geibel und Byron. Zum Leſen 
kam er übrigens faſt nur im Winter, wenn die Feldgeſchäfte 
ruhten. Im Sommer war es ſein höchſter Genuß, in allen 
Freiſtunden, vor allem an den Sonntagnachmittagen, in 
den Wäldern der Amgebung umherzuſchweifen und ſeinen 
Gedanken nachzuhängen. Von den Vergnügungen ſeiner 
Altersgenoſſen im Dorfe hielt er ſich abſeits, und der „Eigen⸗ 
brötler“, den ſie nicht verſtehen konnten, war ihnen vielfach 
ein Gegenſtand des Spottes. Bitterer als ſolche Neckereien 
empfand er, daß auch die Mädchen des Dorfes zu denen 
er eine Neigung fühlte, dieſe nicht erwiderten und von dem 
unanſehnlichen kleinen Manne nichts wiſſen wollten. 

Doch kam er mit dreißig Jahren zu einer Frau, die 
ihm aber ſchon im Herbſt 1870 durch den Tod entriſſen 
wurde. Nachdem er ſich durch den kalten Winter 1870/71 
mit ſeinen drei Stück Vieh allein durchgeholfen hatte — 
die Eltern waren einige Jahre zuvor geſtorben —, gewann 
er die Tochter einer Schweſter ſeines Vaters zur zweiten 
Gattin. Im Beſitz dieſer verſtändigen und ſchönen Frau, 
die in ſtädtiſchen Stellen ihren Blick erweitert hatte, fühlte 
er ſich, nach feinen eigenen Worten, auf der Höhe menſch⸗ 
licher Glückſeligkeit. Als beſonderes Glück empfand er es 
auch, daß er die Kinder aus dieſer Ehe, einen Sohn und 
drei Töchter, behalten durfte, während die ſeiner erſten Frau 
jedesmal im zarteſten Alter geſtorben waren. Einundzwanzig 
Jahre beglückte ihn dieſer Bund; die letzten wurden mehr 
und mehr umdüſtert durch ein ſchweres Leiden, das ſeine 
Frau befallen hatte und dem ſie im Jahre 1892 erlag, 
ein ſchwerer Schlag für Wagner, den er lange nicht ver- 
wand. Den Haushalt führten ihm nun nacheinander die 
Töchter, bis ſie ſich verheirateten, und zuletzt die verwitwete 
älteſte Tochter und eine Enkelin. 


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Dem fleißigen und ſparſamen Landwirt brachten feine 
Felder und Wieſen in guten Jahrgängen genügend Brot— 
korn, Kartoffeln und Gemüſe, auch das Futter für zwei 
oder drei Kühe. Von den „vier notwendigen M“, wie 
Wagner ſcherzend zu ſagen pflegte, Mehl, Milch, Moſt 
und Mark, waren ſo die drei erſten meiſt vorhanden; nicht 
ſo das vierte. Die Haupteinnahme des Jahres bildete der 
Verkauf eines Rindes, wenn er nicht durch ein Unglück 
ausfiel, und einzelne Erträgniſſe, die abgegeben werden 
konnten. Das reichte oft nicht zu den notwendigen Aus— 
gaben, und es mußte darauf geſehen werden, noch etwas 
hinzuzuverdienen. Mehrere Jahre hindurch verdingte ſich 
Wagner während des Herbſtes und Winters für Wald— 
arbeiten, zur Zeit des Bahnbaus in der Nähe auch als 
Erdarbeiter. Auch die Frau ſchuf ſich Einnahmen, und ſo 
gelang es ihnen, Zieler abzuzahlen und weiteres Wiesland 
zu erwerben, das mit Obſtbäumen bepflanzt wurde. 

So verlief das Leben Wagners bis in ſein hohes Alter 
hinein gleichmäßig als das eines ſchwäbiſchen Kleinbauern, 
der in guten Jahren ſein karges Auskommen findet, in 
ſchlechten aber dem Boden kaum den Lebensunterhalt ab— 
zuringen vermag. Jahr für Jahr hat er ſeinen Acker beſtellt, 
ſeine Wieſen gemäht, ſeine Kühe getränkt und gefüttert und 
jede Verrichtung getan, die dem Landmann obliegt im 
Wechſel der Jahreszeiten. Ein Bauer wie alle um ihn, 
und doch ſo ganz anders als ſie. Wenn er hinter dem 
Pfluge ſchritt oder den Garten umfchorte, dachte er wohl 
auch an das, was die Arbeit verlangte, und daran, was 
der Ertrag im Herbſte ſein werde. Aber hinter der hohen 


Stirne bewegten ſich daneben Gedanken ganz anderer Art, 


und mitunter hielt er inne in ſeinem Tun, um ſie, vielleicht 
ſchon Vers geworden, feſtzuhalten. And wenn der Winter 
kam und die Feldgeſchäfte ruhten, da ſaß er am Tiſch im 
engen Stüblein, mitten unter der Anruhe der Kinder, und 
arbeitete aus, was ihm den Sommer über geworden war. 


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Jahrzehntelang ging jo in der Stille und wenigen nur 
bekannt neben der bäuerlichen Arbeit ein anderes Leben und 
Schaffen her. 

Wagner ſah ſein „Fabulieren“ als Erbteil feiner Mutter 
an, die ihm, dem empfänglichen Knaben, viel vorerzählt 
habe. In den handſchriftlichen Aufzeichnungen über ſein 
Leben gedenkt er auch einer Mitbewohnerin des elterlichen 
Hauſes, der Witwe eines Holzhauers, die an den Winter⸗ 
abenden mit ihrer Kunkel zu ſeiner Mutter herunterzukommen 
pflegte, um mit ihr zuſammen zu ſpinnen. Dabei wußte 
ſie ſtets allerlei zu erzählen, von Sagen, die ſich an Ort⸗ 
lichkeiten der Amgebung knüpften, beſonders an den „Schloß⸗ 
berg“ und den „Mönchskeller“. Der junge Wagner ruhte 
nicht, bis er die faſt verſchollenen Stätten im Walde auf⸗ 
gefunden hatte, und nahm ſich vor, einen Roman zu ſchreiben, 
„etwa wie Hauffs „Lichtenſtein““, der dort feinen Ausgang 
nehmen und ſeinen Abſchluß finden ſollte. So entſtand 
1860, um dieſelbe Zeit wie ſeine erſten Gedichte, „Schloß 
Glemseck, eine romantiſche Sage“, worin er einen ſchwä⸗ 
biſchen Ritter den letzten Hohenſtaufen nach Italien be⸗ 
gleiten, nach langer Gefangenſchaft zurückkehren und, da 
die Geliebte in der Zwiſchenzeit den Schleier genommen, 


fein Leben als Einſiedler in der Mönchsklinge beſchließen 


läßt. Die im blühenden Stil ſchöner Rittergefchichten ge- 
ſchriebene Erzählung blieb lange in der Schublade liegen. 
Erſt 1877 fand ſie, nachdem mehrere Verſuche, ſie zum 
Druck zu bringen, vergeblich geweſen waren, Aufnahme in 
der ſonntäglichen Beilage des in der nahen Oberamtsſtadt 
Leonberg erſcheinenden „Glems- und Filderboten“, in der 
auch einzelne Gedichte Wagners ihren Erſtlingsdruck erlebten. 

Durch das Bekanntwerden mit Schillers Dramen fühlte 
ſich das junge Bäuerlein 1865 angeregt, ſich auch im Drama 
zu verſuchen. Er ſchrieb ein Schauſpiel in fünf Akten, 
„Abi⸗Melech“, deſſen Stoff er dem neunten Kapitel des 
Buches der Richter entnahm. Das Stück, das ungedruckt 


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geblieben iſt, zeigt eine gewiſſe Beherrſchung der wechſelnden 
Versformen, aber eine Charakteriſierung der handelnden 
Perſonen iſt kaum verſucht, und die locker aneinandergereihten 
Szenen zeigen nur, wie wenig ihr Verfaſſer wußte, was 
dramatiſche Geſtaltung iſt. Man verſteht vollkommen, daß 
Feodor Wehl, der Leiter des Stuttgarter Hoftheaters, bei 
dem er es ſpäter einreichte, ihm den Beſcheid zukommen 
ließ, er habe es zwar noch nicht ganz geleſen, glaube aber 
dennoch, daß es kaum zur Aufführung geeignet ſein werde. 
Letzteres gilt auch von zwei kleineren, gleichfalls unveröffent⸗ 
lichten Verſuchen aus ſpäterer Zeit, in denen Wagner ſelbſt auf: 
tritt und ſeine Empörung über die Quäler und Vernichter 
des Lebendigen ſtärkſten Ausdruck findet, „Der Meiſter“ 
und „Die Raben des Sonntagskindes“. 

Weit ſelbſtändiger als in ſeiner romantiſchen Erzählung 
und ſeinem bibliſchen Schauſpiel erſcheint Wagner bald in 
ſeiner lyriſchen Dichtung. Manche von den gedruckten 
Gedichten, die man viel ſpäter entſtanden vermuten würde, 
ſtehen ſchon in feinen Heften aus den ſechziger Jahren. 
Eine zahlreiche Gruppe bilden in dieſen die „Lieder des 
Leids“, zum Teil Sonette, die dem Schmerz über den 
Verluſt der Eltern und ſeiner frühverſtorbenen Kinder be— 
wegten Ausdruck geben. Die Vorſtellung ewiger Wieder— 
kehr, die für Wagners Dichtung ſo bezeichnend werden 
ſollte, findet ſich in ihnen noch nicht. Im Winter 1879/80 
ſichtete er den Vorrat ſeiner Gedichte und ordnete die ihm 
für den Druck geeignet erſcheinenden in dreißig dem Lauf 
der Jahreszeiten entſprechende Sonntagsgänge, wobei er 
Erzählendes und Erklärendes in Proſa beifügte. Dieſe 
Sammlung liegt in einer Handſchrift vor, deren Vorrede, 
vom Februar 1880, der im Druck erſchienenen entſpricht 
und ſpäter nur um einige auf die Schonung des Lebendigen 
bezügliche Stellen erweitert wurde. Bis es dem unbe⸗ 
kannten Landmann gelang, einen Verleger zu finden, wuchs 
ihm Weiteres hinzu, ſo daß er im Winter 1883/84 den 


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Stoff auf vierzig Sonntage verteilte. Im Mai 1884 
wanderte er mit der Handſchrift in der Taſche nach Stutt⸗ 
gart. Bei der Verlagsbuchhandlung Greiner und Pfeiffer 
fand er Gehör, und im März 1885, im fünfzigſten Lebens⸗ 
jahre des Dichters, erſchien „in Kommiſſion von Greiner 
und Pfeiffer“ das Büchlein „Märchenerzähler, Brahmine 
und Seher, von Chriſtian Wagner von Warmbronn“. Zu 
dem Titel bemerkt er in den Aufzeichnungen aus ſeinem 
Leben: „Wer, wie ich, als fingierter Brahmine, alles 
Lebendige ſchonend und achtend, durch die Fluren wandelt, 
dem erzählen Schmetterlinge, Vögel und Blumen gar viel 
und mancherlei, und ſo er das ihm Erzählte wiedererzählt, 
iſt er Erzähler. Aber ſie erzählen ihm auch Dinge, die 
ferneliegend oder künftig ſind, und ſo wird er zum Seher.“ 
Das Büchlein fand freundliche Aufnahme. Schon 1887 
erſchien es, um einen zweiten Teil vermehrt, in neuer Auf⸗ 
lage, diesmal unter dem Titel „Sonntagsgänge“); ein dritter 
Teil, Balladen und Blumenlieder, reihte ſich 1890 an. 
Der erſte Teil erlebte 1897 eine dritte Auflage. 

Das Erſcheinen dieſer Dichtungen bedeutet eine Wen⸗ 


dung in Wagners Leben. Sein Name wurde bekannt, 


zunächſt in Stuttgart und ſeinem Heimatland; aber auch 
in Münchner, Frankfurter und Berliner Blättern erſchienen 
anerkennende Beſprechungen der „Sonntagsgänge“, und im 
„Daheim“, das ſein Bild brachte, erzählte Richard Weit- 
brecht 1892 von dem Warmbronner Bäuerlein und ſeinem 
Dichten. Hatte dieſes bisher in der Stille ſeines Dorfes 
weltfern dahingelebt, ſo knüpften ſich nun Beziehungen zu 
literariſchen Kreiſen. 

In den drei Bändchen der „Sonntagsgänge“ iſt Wagners 
dichteriſches Gebiet umriſſen, hat auch feine Gedanken- und 
Phantaſiewelt in ihren Hauptzügen Ausprägung gefunden. 
Ein gewiſſes Gefühl dafür war ihm nicht fremd: „So wie 
ein Acker, der längere Zeit immer die gleiche Gewächsart 
hervorgebracht hat, deren zuletzt müde wird und eine neue 


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Anſaat begehrt, fo vollzog fich in meinem Innern als zwingende 
Notwendigkeit die Anſaat eines anderen Gewächſes, als 
Zwiſchenfrucht.“ Dieſe neue Saat fiel in ſeine Seele, als 
er im Mai 1890 die Spuren einer römiſchen Niederlaſſung 
beſichtigte, die in den Wäldern nördlich von Warmbronn 
bloßgelegt worden war. Dürftige Reſte nur waren es, 
was er da ſah, aber er war überwältigt von dem Geſehenen. 
„Der Geiſt des Orts, wohl der Geiſt jener Zeit ſelber“, 

ſagt er in den Aufzeichnungen aus ſeinem Leben, „nahm 
in meinem Innern Wohnung, machte mich, den armen 
Poeten, zu ſeinem Sklaven und drückte mir den Griffel in 
die Hand.“ Er begann „Epiſche Bilder aus Hadrian“ 
niederzuſchreiben, ohne von dieſem Kaiſer zunächſt mehr zu 
wiſſen, als was in jedem Abriß der Weltgeſchichte zu leſen 
iſt; erſt während der Ausführung wurde er auf das Werk 
von Ferdinand Gregorovius über Hadrian aufmerkſam ge— 
macht. In merkwürdiger Klarheit ſtieg die antike Welt 
vor ſeinem ſchönheitsdurſtigen Geifte auf. Man ſpürt, wie 
der Dichter mit ganzer Seele in ſeinem Gegenſtand lebt, 
und wenn die Dichtung als Ganzes auch unvollkommen 
blieb, ſo finden ſich in ihr doch Stellen von leuchtender 
Kraft. Große Schwierigkeit machte Wagner die Einkleidung 
in Hexameter; ein anderes Versmaß konnte nach ſeiner 
Auffaſſung nicht in Betracht kommen. Zunächſt bildete er 
ſie deutſchen Muſtern nach, bis er aus einem ihm über⸗ 
laffenen Aufſatz über die Nachbildung des Hexameters im 
Deutſchen einige Belehrung ziehen konnte. Was ihn zu 
dieſem Verſe immer wieder hinzog, war „die unſagbare 
Großheit, die in ihn hineingelegt werden kann“. Mit ſeiner 
ganzen Zähigkeit, die ſich von einem ins Auge gefaßten 
Ziel durch nichts abbringen ließ, rang er um den Beſitz 
dieſes Versmaßes auch in einer Reihe von Idyllen, Mythen 
und Epigrammen, die dann zuſammen mit „Hadrian“ und 
einer Anzahl vermiſchter Gedichte 1893 in dem Bändchen 
„Weihegeſchenke“ erſchienen. 


Am dieſe Zeit faßte Wagner feine Gedanken über Welt 
und Leben, vor allem das „Evangelium von der möglichſten 
Schonung für alles Lebendige“, in einer Art von Lehr: 
gebäude zuſammen, das 1894 unter dem Titel „Neuer 
Glaube“ bei der Deutſchen Verlagsanſtalt in Stuttgart 
erſchien. Am es nicht bei bloßen Aphorismen belaſſen zu 
müſſen, wählte er die Form eines Katechismus mit Fragen 
und Antworten, in welche Stellen aus den „Sonntagsgängen“ 
und neue Gedichte eingefügt ſind. Ein folgerichtig und wider⸗ 
ſpruchslos aufgebautes Syſtem darf man natürlich nicht er⸗ 
warten. Es iſt ein Dichter, der ſpricht und mit glutvoller 
Seele für ſeine heiligſten Aberzeugungen wirbt. 

1897 gab Wagner ein Bändchen „Neue Dichtungen“ 
heraus, urſprünglich bei Schröder und Co. in Heilbronn, 
jetzt im Verlag von Strecker und Schröder in Stuttgart. 
„Kaum eines meiner Büchlein“, ſagt er im Vorwort, „iſt 
ſo aus meinem Innern heraus, ſo gleichſam mit meinem 
Herzblut geſchrieben.“ In der Tat iſt dieſe Sammlung 
von glühendem dichteriſchen Leben durchpulſt und bedeutet 
in ihren beſten Gedichten, neben dem dritten Band der 
„Sonntagsgänge“ und über dieſen hinaus, den Höhe— 
punkt ſeines Schaffens. Während der erſte Teil, „Herbſt⸗ 
blumen“, ſeine Stoffe den verſchiedenſten Gebieten entnimmt, 
gibt der zweite Teil, „Oswald und Klara“, in der Art 
der „Sonntagsgänge“ in Wechſel von Proſa und gebun⸗ 
dener Rede gehalten, „ein Stück Ewigkeitsleben“. Oswald 
und Klara ſind Wagner und ſeine 1892 geſtorbene Frau, 
deren Gedächtnis die Dichtung gewidmet iſt, nach den Namen 
der Heiligen ihrer Geburtstage. In großartigen Phantaſie⸗ 
bildern ſchaut der Dichter in das Gewoge kommenden und 
ſchwindenden Lebens auf werdenden und vergehenden Welten, 
das die beiden durch onen hindurch in wechſelnder Ge- 
ſtaltung immer wieder zuſammenführt. 

Erſt zwölf Jahre ſpäter kam es wieder zu einer Ge⸗ 
dichtſammlung, die unter dem Titel „Späte Garben“ bei 


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Georg Müller in München erſchien. Sie brachte neue 
Blumenlieder und Stimmungsbilder, eine als „Schickſals— 
walten“ zuſammengefaßte Gruppe von Gedichten, und Bilder 
aus der Heimat und aus Italien. 

Von Freunden zur Verfügung geſtellte Mittel hatten 
Wagner 1895 und 1896 Reiſen ermöglicht, von denen die 
erſte ihn an die italieniſchen Seen, die zweite bis Genua 
führte. Er hat nachher bedauert, dieſe Mittel nicht zu 
einer einzigen verwendet zu haben und gleich bis Rom 
durchgefahren zu fein. „Das würde ein ſtolzeres Bewußt— 
ſein in mir erweckt haben als das Durchſtreifen der reizenden, 
aber doch unbedeutenden Städtlein am Lago Maggiore und 
an der Riviera. Aber es erging mir wie einem Landkind, 
das zum erſtenmal in eine Großſtadt kommt und ſchon in 
der erſten Straße an jedem Schaufenſter ſtehen bleibt, all 
die Wunderdinge anſtaunend den eigentlichen Zweck der 
Reife vergißt und dann plötzlich bemerkt, daß es ſchon 
Abend und zum Heimgehen höchſte Zeit iſt. So war der 
Bodenſee ſchon ein ſolches Schaufenſter für mich, mehr 
noch der Vierwaldſtätter See und all das Geſchaute noch 
überbietend der Lago Maggiore und der See von Lugano.“ 
Wagner iſt dann noch zweimal in Italien geweſen und bis 
nach Pompeji gekommen, aber beidemal nicht zu ſeiner 
vollen Befriedigung. Auf der erſten dieſer beiden Reiſen, 
die er im Auguſt 1904 allein machte, fühlte er ſich bei 
ſeinem Mangel an Sprachkenntniſſen und an Reiſeerfahrung 
oft genug recht hilflos, worüber er mit gutem Humor zu 
erzählen wußte. Im Frühjahr 1911 führte die Sehnſucht, 
Rom näher kennen zu lernen, vor allem das Rom der 
Cäſaren, den Fünfundſiebzigjährigen in Begleitung ſeiner 
jüngſten Tochter als Teilnehmer einer Geſellſchaftsreiſe 
nochmals nach Italien. Diesmal war es das allzu reich— 
haltige Reiſeprogramm, was ihn nicht in gewünſchter 
Weiſe zu beſchauendem Verweilen und vollem Auskoſten 
des Geſehenen gelangen ließ. Die dichteriſchen Ergebniſſe 


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dieſer Italienfahrten faßte er zuſammen in einem Bändchen 
„Italien in Geſängen“, das zuerſt im Selbſtverlag und 
1914 bei Strecker und Schröder in Stuttgart erſchien. 

Ein Gegenſtück dazu ſollte das Büchlein „Aus der 
Heimat“ bilden, in dem er 1913 ältere und neue Gedichte, 
hauptſächlich Landſchaftsbilder, Geſchichtliches und Sagen⸗ 
haftes aus der Amgebung von Warmbronn, zu einem 
„Schwabenbuch“ vereinigte. Die Mittel für den Druck dieſer 
Sammlung, die er im Selbſtverlag herausgab und an ſeine 
Beſucher abzugeben pflegte, wurden ihm durch die Vermitt⸗ 
lung des Schwäbiſchen Schillervereins zur Verfügung geſtellt. 

1915 ließ er unter dem Titel „Eigenbrötler“ noch ein 
Bändchen Proſa erſcheinen, humorvolle Bilder der Lebens- 
verhältniſſe und der Menſchen in den „trotz aller Arm⸗ 
ſeligkeit ſo köſtlichen Tagen“ ſeiner Jugend. „Ich ſelbſt 
habe“, ſchreibt er im Vorwort zu dieſen Geſchichten aus 
dem alten Warmbronn, „die Zeiten der Not- und Hunger⸗ 
jahre im fünften und ſechſten Jahrzehnt des vergangenen 
Jahrhunderts auf eigene Weiſe überwunden: bei der Feld- 
arbeit auf den elterlichen Ackern, wobei mir von all den 
Mühſeligkeiten und Nöten des kleinbäuerlichen Betriebs 
nichts erſpart blieb, erzählte mir der heimatliche Boden 
ſeine Geſchichte und jedes Blümchen ein Märlein, noch 
mehr — eine Mythe, eine Legende. So entſtanden meine 
dichteriſchen Schöpfungen.“ 

Sinnend und träumend ſchritt dieſes Sonntagskind, das 
Stimmen vernahm, welche anderen unhörbar verklingen, ſeinen 
Weg dahin, unverſtändlich den nüchtern harten Werftags- 
menſchen um ihn. Gewohnt, die Natur nur unter dem Ges 
ſichtspunkt des Nutzens zu betrachten, vermochte die bäuerliche 
Umgebung in Wagners Verhalten den Tieren gegenüber 
wie in ſeinem Verſemachen nichts als das Tun eines 
Sonderlings und Toren zu erblicken. Hin und wieder 
wurde ihm auch vorgerückt, daß er ſeine Zeit eigentlich beſſer 
verwenden könnte. „Warum geht er jetzt im Winter nicht 


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zum Dreſchen, wo er täglich zwölf bis fünfzehn Kreuzer 
verdienen würde, und ſitzt im Hauſe herum, um Gedichte 
zu ſchreiben? Wenn das mein Jakob täte!“ flüſterte ſeiner 
Frau eine Nachbarin ein. „Ich bitte Sie, was hätte der 
Jakob denn ſchreiben ſollen?“ ſchloß Wagner lachend, als 
er wieder einmal auf dieſe Anfechtungen zu reden kam. 
Der merkwürdigen Frage eines Pfarrvikars: „Aber wenn 
jeder Bauer Gedichte machen wollte, was dann?“, konnte 
er beruhigend entgegenhalten, vor dieſer Gefahr brauche 
einem nicht bange zu ſein, es werde ſtets mehr Spatzen 
geben als Lerchen. 

Wagner fühlte ſich in ſeinem Dorfe vereinſamt, ja miß— 
achtet, und die Unmöglichkeit, bei den Menſchen um ihn 
irgendwelches Verſtehen zu finden, drückte ihn weit mehr 
als die kärglichen Verhältniſſe, in denen er lebte. Am ſo 
mehr war er, ſeitdem ſeine „Sonntagsgänge“ ihn in dem 
nahen Stuttgart bekannt gemacht hatten, darauf bedacht, 
dort in Beziehungen zu Perſönlichkeiten und Kreiſen zu 
gelangen, bei denen er Verſtändnis für ſein Dichten und 
ſeine Anſchauungen erwarten durfte. In ſeiner Welt— 
unerfahrenheit und bei ſeiner geringen Menſchenkenntnis — 
auch hierin war und blieb er ſtets ein Kind — wußte er 
freilich nicht immer zu unterſcheiden zwiſchen ſolchen „Gön— 
nern“, welche über ein gewiſſes überlegenes Intereſſe an 
der Merkwürdigkeit eines dichtenden Bauern, den ſie im 
Grunde doch nicht ernſt nahmen, nicht hinauskamen, und 
denen, die das dichteriſche Gold in ſeinen Büchlein leuchten 
ſahen. Eine Zeitlang führte ihn noch ein anderes häufiger 
als ſonſt nach Stuttgart. Es drückte ihn mehr und mehr 
der Gedanke, daß „das Gebiet um Warmbronn arg ab— 
geleſen“ ſei und ihm nicht mehr viel Ausbeute gewähre. 
In Wirklichkeit lag die Arſache eines gewiſſen Verſiegens 
ſeiner Dichtung, von ſeinem Alter abgeſehen, vor allem 
darin, daß er dem Kreis von Gedanken, der ſeine Welt 
war, in allem Weſentlichen Ausdruck verliehen hatte, ſo 


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daß neue Gedichte vielfach nur Variationen älterer, Wieder⸗ 
holungen von zum Teil ſchon beſſer Geſagtem wurden. Er 
glaubte nun, in der Stadt, im täglichen Verkehr mit lite- 


rariſchen Kreiſen werde er Anregungen anderer Art und 


Fruchtbarkeit auf neuen Gebieten finden und trug ſich eine 
Zeitlang ernſtlich mit dem Gedanken, nach Stuttgart über⸗ 
zuſiedeln. Dieſe Sehnſucht, zu neuen Stoffen zu gelangen, 
war auch mit wirkſam in ſeinem Drang nach Italien. Aber 


während ſeine flüchtigen Beſuche dort dem nach Großem 


und Schönem ſich Sehnenden ein Quell der Erfriſchung 
und ſeeliſcher Ausweitung wurden, hätte ihm ein dauernder 
Aufenthalt in der Großſtadt niemals das gewähren können, 
was er davon erhoffte. Wohlmeinender Rat legte ihm 
nahe, daß die heimatliche Flur der beſte Boden für ihn 
wie für ſein Dichten ſei, daß das, was gerade er der Welt 
zu ſagen habe, ihm nur dort erwachſe. Er ließ den Ge— 
danken der Aberſiedelung längere Zeit nicht fallen, wenn 
er ſich auch der Einſicht nicht verſchloß, daß er ſich in der 
Stadt ſtets nach ſeinem Häuschen und ſeinen Feldern zurück⸗ 
ſehnen würde. Schließlich meinte er ſelbſt, ein alter Baum 
laſſe ſich nicht mehr verpflanzen. | 

Wagner hätte in der Tat auch gar nicht anders leben 
können, als er zu leben gewohnt war, in ſeinem eigenen 
Haus und Garten, auf feinen Äckern und in feinen Wäldern. 
Dort konnte man auch den anſprechendſten und zugleich 
ſtärkſten Eindruck von ſeiner Perſönlichkeit gewinnen. In 
dem niedrigen Bauernſtübchen oder in der ſelbſtgezimmerten 
Laube des Obſtgartens fühlte man ſich bald von einer be- 
haglichen Traulichkeit umſponnen. Schon ein Geſpräch über 
Alltägliches und Zufälliges ließ erkennen, daß in dem zart⸗ 
gliedrigen Mann ein nicht gewöhnlicher Geiſt wohne. Fröh⸗ 
lich leuchteten die geſcheiten hellen blauen Augen über das ſpitze 
Näschen herüber, wenn ihn während der Unterhaltung ſeine 
Lieblingskatze umſchnurrte. Aber ſie konnten auch lodernd 
hervorſprühen unter der mächtigen, ſchöngeformten Stirne, 


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Et * 8 Deere * 
— * 1 9 anne — 
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ſobald er auf eines ſeiner Lieblingsthemen zu reden kam 
und die Entrüſtung über das, was nicht ſo ſein ſollte, 
flammende Worte von ſeinen ſchmalen Lippen ſpringen ließ. 
Ergreifend und rührend wirkte immer wieder der Gegenſatz 
zwiſchen dem unſcheinbaren Mann in feiner armſeligen 
Amwelt und dem, was von ihm ausging. 

Ihm, der von äußerſter Anſpruchsloſigkeit war und für 
ſich ſelbſt faſt nichts brauchte, genügte dieſe dürftige und 
formloſe Häuslichkeit, die eben die in den kleinbäuerlichen 
Verhältniſſen Schwabens übliche war, ſtädtiſchen Beſuchern 
freilich, zumal in einer Zeit ungut aufgeſchwollenen Wohl— 
lebens in allen Kreiſen, als ärmlich erſcheinen mußte. An 
dieſen Dingen hätte er kaum etwas geändert, auch wenn 
er über mehr Mittel verfügt hätte. Nur etwas freier, von 
der ermüdenden Feldarbeit unabhängiger, hätte er ſich 
gern bewegen mögen. Er war ſich auch wohl bewußt, daß 
ihm, der feiner Aberzeugung vom Dafeinsrecht alles Lebenden 
gemäß „jede Ausnützung des Lebendigen unterließ, die 
ſchmerzlich empfunden wird“, nicht gegeben war, von Vieh 
und Feld dieſelbe Ausbeute zu erzielen wie andere Landwirte 
in ſeinen Verhältniſſen. Einen gewiſſen Ausgleich, der ihn 
der Sorge für ſein Auskommen enthob, verdankte er mit 
der Zeit ſeinem Dichten, wenigſtens mittelbar. Von der 
Deutſchen Schillerſtiftung in Weimar erhielt er auf Antrag 
ihres Verwaltungsratmitglieds Profeſſor Richard Weltrich 
in München 1892 eine Ehrengabe und weiterhin dauernde 
Jahresgaben. 1900 ſetzte ihm die Huld des Königs und 
der Königin von Württemberg eine jährliche Penſion aus; 
dazu kamen in den letzten Jahren Ehrengaben des Schwä— 
biſchen Schillervereins, der ihn 1909 zu feinem Ehren— 
mitglied ernannt hatte. Einen einmaligen Ehrenſold erhielt 
er 1912 von dem Frauenbund zur Ehrung rheinländiſcher 
Dichter. 

Es fehlte auch ſonſt nicht an Anerkennung da und 
dort, wenn auch feine Bücher immer nur einen kleinen Lefer- 


15 


kreis hatten. Allmählich wurde fein Name auch außerhalb 
Schwabens öfter genannt, beſonders ſeit Richard Weltrich 
in ſeinem 1898 bei Strecker und Moſer (jetzt Strecker und 
Schröder) in Stuttgart erſchienenen Buche „Chriſtian Wagner, 
der Bauer und Dichter zu Warmbronn“, ihm eine liebevolle 
und gründliche äſthetiſch⸗kritiſche und ſozialethiſche Studie ge- 
widmet hatte, in der er Wagner als Dichter eingehend wür⸗ 
digte und zugleich ſeine Ideenwelt in den Zuſammenhang 
der Entwicklung der Menſchheit zu echter Humanität ſtellte. 

Der ſiebzigſte und fünfundſiebzigſte Geburtstag brachten 
ihm Ehrungen mannigfacher Art aus der Nähe und der 
Ferne. Waren unter denen, die bei dieſen Anläſſen und 
auch ſonſt, beſonders an Sonntagen, zu dem ehrwürdigen 
Alten von Warmbronn wanderten, auch viele, die nur vom 
Hörenſagen etwas über ihn wußten, ſo durfte es ihn doch 
mit Genugtuung erfüllen, wenn ſo ſeinen Warmbronner 
Mitbürgern vor Augen geführt wurde, daß es mit ſeinem 
Dichten doch etwas ſei, daß ſie einen in ihrer Mitte haben, 
der in der Welt draußen etwas gelte, und er konnte mit 
Befriedigung wahrnehmen, wie er dadurch in ihrer Schätzung 
ſtieg. Auf ſeinen achtzigſten Geburtstag fand dies durch 
die Ernennung zum Ehrenbürger ſeiner Heimatgemeinde 
einen auch für dieſe ehrenvollen Ausdruck. 


Bis dahin hatte er ſich außerordentlicher geiſtiger Friſche 


und körperlicher Rüſtigkeit erfreuen dürfen. Noch in hohen 
Jahren machte es ihm nichts aus, in der Morgenfrühe die 
ſiebzehn Kilometer von Warmbronn nach Stuttgart zurüd- 
zulegen, dort weite Gänge zu machen und abends raſchen 
und elaſtiſchen Schrittes wieder über die Berge und durch 


den nächtlichen Wald heimzuwandern. Erſt gegen ſein 


achtzigſtes Lebensjahr machten ſich, ſtetig zunehmend, Ge⸗ 
brechlichkeiten des Alters geltend. Dazu kam, daß der Krieg 
auf ihm, deſſen Lehre Friede und Freude geweſen, mit ganz 
beſonderer Schwere laſtete. Langſam ſchwand der Lebens⸗ 
müde dahin. In der Morgenfrühe des 15. Februar 1918 


16 


rr 


erloſch das niedergebrannte Flämmchen. Am Sonntag 
darauf umſtanden ganz Warmbronn und viele von aus— 
wärts Gekommene das Ehrengrab, das ihm unter einer 
mächtigen Tanne auserſehen war. Nachrufe gaben der 
Verehrung für den einzigen Mann herzlichen Ausdruck; 
die Stadt Stuttgart und der Schwäbiſche Schillerverein 
ließen Zeichen dankbarer Anerkennung niederlegen. Ein 
eiſiger Wind trieb leichte Schneeflocken durch das Tal hin; 
vom Weſten herüber dröhnte ununterbrochen der Donner 
ſchwerer Geſchütze. — 
* **. 
* 

Man hat in Chriſtian Wagner meift nur einen Bauern 
geſehen, der Gedichte ſchrieb, nicht den vollbürtigen Dichter, 
der Bauer war. Man hat ihm die unglückliche, irreführende 
Bezeichnung „Bauerndichter“ angeheftet und wohl gemeint, 
ſchon ein übriges zu tun, wenn man ihn ein wenig heraus— 
hob aus der Reihe der „Volksdichter“, die von Zeit zu 
Zeit an die breite Offentlichkeit gezogen werden. Während 
dieſe aber gewöhnlich nur Längſtgeſagtes in überkommenen 
poetiſchen Formen wiederholen, iſt Wagners Dichtung durch— 
aus eigenwüchſig; er hat ſeine eigenen Gedanken und ſein 
eigenes Gepräge der Geſtaltung. 

Der Zug zum Sinnieren und Grübeln, der Drang, an 
das Weltgeheimnis zu rühren, der in der Heimat Schellings 
und Hegels immer beſonders ſtark geweſen iſt und ſich nach 
den verſchiedenſten Richtungen betätigt hat, war auch in 
Chriſtian Wagner tief eingepflanzt. Als einen Geiſt, der 
auf der Gottſchau war, hat er ſich ſelbſt bezeichnet. Wenn 
er ſchauend und lauſchend durch Wald und Feld ſchritt, 
ging ſein Sinnen auf das, was hinter dem Sichtbaren und 
Greifbaren ſein muß, was in den Dingen lebt und webt. 
Seine Dichtungen reden von dem, was er geſehen und was 
ihm das Geſehene erſchloſſen hat. Alles Sein iſt ihm nur 
Eines; nichts vergeht, es wandelt ſich nur. Dieſer „ewige 

Wagner, Geſammelte Dichtungen 2 

17 


Formwechſel des allbefeelten Seins“, die Wiederkehr des 
in anderer Geſtalt Geweſenen klingt durch feine ganze Dich- 
tung. Aus dieſem Gefühl des Einsſeins erwächſt ihm der 
Gedanke der Heiligkeit alles Lebens, die Ehrfurcht vor dem 
Lebendigen. Er fühlt ſich aufs innigſte verwandt mit „den 
Brüdern im ſtillen Buſch, in Luft und Waſſer“. In ſein 
Ohr klingt das Seufzen der Kreatur, und er erkennt es als 
feine Miſſion, für die Anerkennung ihres Rechtes einzu⸗ 
treten und den Krieg anzuſagen jeder herzloſen Ichlehre. 
In irgendeiner populären Darſtellung lieſt er einmal, „daß 
die Hindus, vor allem ihre Prieſter, die Brahminen, alles 
Lebendige ſchonen“. Das iſt ihm eine willkommene Beſtärkung 
in ſeiner Denkweiſe, in ſeinem Tun und Laſſen. Aber nur 
das ihm Wahlverwandte nimmt er auf von dem, was aus 
dem fernen Oſten zu ihm gedrungen iſt. Von ſonſtigen 
vediſchen oder buddhiſtiſchen Anſchauungen und Lehren 
trennt ihn ein anderer Zug, der nicht minder machtvoll in 
ihm lebendig iſt, ſeine unbedingte Bejahung des Lebens, eine 
wahrhaft dionyſiſche Daſeinsfreude. Einen Freudenglauben 
will er verkünden, nicht Entſagung, nicht Weltflucht. Reiner 
ſollen die Menſchen werden, liebevoller, aber damit auch 
freudiger. Mehr Helle möchte er verbreiten auf dieſer Erde, 
und ein Wegbereiter ſein für ein edleres, ſchönheitsfreudiges 
Menſchentum. Eine Heimſtätte der Liebe, der Freude und 
der Schönheit ſollen die Seelen der Menſchen werden und 
damit die ganze Erde. 


„Laſſet euch künden: 
Es ſoll verſchwinden 
Die Qual der Erde, 
Daß Friede werde.“ 


Man mag über dieſe Glücksbotſchaft lächeln und wird in 
unſeren Tagen weniger als je geneigt ſein, an ihre Erfüllung 
zu glauben. In all den Jahrtauſenden ſeit Menſchen auf 


18 


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7 — r 482 * 


der Erde wandeln, haben ſie nicht viel anderes zu tun ge— 
wußt, als ſich gegenſeitig das Leben ſo ſauer wie möglich 
zu machen. Auch in den Zeiten, da „Friede“ war. Der 
Krieg iſt von dem gewöhnlichen Zuſtand unter den Menſchen 
und Völkern doch nur dem Grad nach verſchieden, nur die 
äußerſte Steigerung desſelben, im Guten wie im Schlimmen, 
nicht etwas dem Weſen nach anderes. Wagner ſelbſt verbarg 
ſich auch nicht, und dieſe Erfahrung iſt ihm immer das 
quälendſte geweſen in ſeiner Weltbetrachtung, daß das 
Niederträchtige das Mächtige ſein darf, daß der Selbſtſucht, 
der Herzenshärtigkeit der Preis zufällt und nicht dem Guten, 
dem Liebenden, dem Erbarmenden. Aber er ließ trotz alledem 
nicht von ſeinem Glauben und Hoffen, und was uns als 
ſchöner Traum eines Dichters erſcheint, war ihm ein Geſicht 
des begnadeten Sehers. 

Wagners Gedichtſammlungen haben nicht die Verbrei— 
tung gefunden, die ſie ihrem Gehalt nach verdient hätten. 
Die Arſache liegt zu einem erheblichen Teil in ihnen ſelbſt. 
In den acht Bändchen ſind Gedichte von höchſter Schönheit 
eingelagert zwiſchen gar manchem Mißlungenen oder Halb— 
gelungenen, und es iſt nicht jedermanns Sache, aus taubem 
Geſtein das edle herauszuſuchen. Aber auch in den Ge— 
dichten, in denen voll herausgekommen iſt, was in des 
Dichters Seele nach Ausdruck rang, ſtößt man da und dort 
auf einen Knoten, der nicht gelöſt iſt, auf Anebenheiten 
ſprachlicher Art. Es iſt wohlfeil und wohlweiſe, immer 
nur auf derartiges hinzuweiſen und mitleidig auf den 
„Bauerndichter“ herabzuſehen, der doch ſelbſt in einem nicht 
bis zur letzten Vollendung gediehenen, aber von tiefinnerſtem 
Erleben durchglühten Gedicht mehr gibt als mancher kunſt— 
fertige Wortfüger in einem ganzen Band tadelloſer Verſe. 
And mag er ſich das eine und andere Mal auch vergreifen 
in der Wahl von Versmaß und Form, fo findet er doch 
meiſt die dem Gegenſtand angemeſſene Einkleidung und über⸗ 
raſcht ſelbſt in ſchwächeren Gedichten oft genug durch Stellen 

= 


. 2 19 


von wunderſamer ſchöpferiſcher Sprachkraft. Wer einmal 
einen Hauch verſpürt hat von den ſeeliſchen Energien, die 
in dieſem Manne wirkſam waren, wer erkannt hat, daß in 
ihm die Urkräfte walten, die den wahren Dichter machen, 
den werden einzelne Anbeholfenheiten in der Formgebung, 
Härten, Naivitäten oder Wunderlichkeiten im Ausdruck nicht 
beirren. Zum Teil hat ihn dieſe eine unrichtige Vorſtellung 
von poetiſcher Freiheit nicht vermeiden und nachher, auch 
wenn er darauf aufmerkſam gemacht worden war, nicht 
verbeſſern laſſen. Nachträglich viel zu feilen war ohnehin 
nicht ſeine Sache; ein Gedicht war und blieb meiſt ſo, wie 
es ihm die Stunde gebracht hatte. 

Will man Wagners Dichtung neue Leſer und Freunde 
gewinnen, ſo genügt es nicht, auf ſeine Bücher hinzuweiſen, 
die überdies zum Teil vergriffen ſind. Weitere Kreiſe zu 
ihm hinzuführen vermag nur eine Ausleſe aus ſeinen 
Werken, und der Gedanke an eine ſolche iſt ihm auch öfters 
nahegelegt worden. 1906 erſchien unter dem Titel „Ein 
Blumenſtrauß“ eine nicht von Wagner herrührende kleine 
Auswahl von Blumenliedern aus ſeinen älteren Werken, 
darunter nur wenige ſeiner reinſten Schöpfungen. Mehr 
als doppelt ſoviel Gedichte brachte die Auswahl, die Her- 
mann Heſſe 1912 für den Frauenbund zur Ehrung rhein⸗ 
ländiſcher Dichter beſorgte. Anter Beſchränkung auf das 
rein Lyriſche ſind hier mit feinſtem Sinn eine Anzahl der 
edelſten Blüten aus Wagners Dichtung herausgehoben. 
Leider ſcheint das ſchöne Buch über den Kreis hinaus, für 
den es zunächſt beſtimmt war, kaum Verbreitung gefunden 
zu haben. Chriſtian Wagner iſt ſelbſt da, wo man Be— 
kanntſchaft mit ihm ſollte vorausſetzen dürfen, immer noch 
nur ein Name. Die Aufgabe, auf ihn hinzuweiſen, ſeine 
Dichtung allgemein zugänglich zu machen, bleibt beſtehen. 
Der Schwäbiſche Schillerverein hat ſich dieſer Aufgabe nicht 
verſagt, als die Anregung der Verlagsbuchhandlung Strecker 
und Schröder an ihn herantrat, durch ſeine Mithilfe eine 


20 


umfangreichere Ausgabe von Wagners Dichtungen zu er— 
möglichen, die ein allſeitiges Bild ſeines Dichtens und 
Denkens gewähren ſoll. So erſcheint die erſte Auflage 
dieſer „Geſammelten Dichtungen“ als Vereinsgabe für die 
Mitglieder des Schwäbiſchen Schillervereins. 

Den Verlagsbuchhandlungen Greiner und Pfeiffer, 
Deutſche Verlagsanſtalt in Stuttgart und Georg Müller 
in München, bei welchen einzelne Werke Wagners er— 
ſchienen ſind, ſprechen Verlag und Herausgeber für ihr 
Entgegenkommen verbindlichſten Dank aus, wie auch Herrn 
Bildhauer Profeſſor Adolf Fremd in Stuttgart, der ſeine 
vortreffliche photographiſche Aufnahme freundlichſt für das 
Titelbild zur Verfügung geſtellt hat. 

Bei einer Ausgabe, die Wagners Dichtung weiteren 
Kreiſen nahe bringen möchte, kann es ſich aus den dar— 
gelegten Gründen nicht einfach um eine Vereinigung ſeiner 
Gedichtbücher handeln. Auch würden bei einer ſolchen 
Zuſammenfaſſung eine erhebliche Anzahl Gedichte wiederholt 
erſcheinen, da Wagner ſie in mehrere ſeiner Sammlungen 
aufgenommen hat. In jedem der Werke für ſich das 
Schwächere auszumerzen und ſie ſo verkürzt wiederzugeben, 
geht gleichfalls nicht an. Die Teile der einzelnen „Sonn— 
tagsgänge“ find meiſt durch äußere wie innere Beziehungen 
aneinandergeſchloſſen; ein Ausſcheiden würde dieſe Zu— 
ſammenhänge zerreißen und nur verſtümmeltes Stückwerk 
ergeben. Die vorliegende Ausgabe faßt daher das Beſte 
aus Wagners Dichtungen und einiges für ſeine Denkweiſe 
beſonders Bezeichnende in eigener Anordnung zuſammen. 
Auf Gedichte allgemeinerer Art folgen Bilder und Bild— 
chen, in welchen ſich die Eigenart der Naturanſchauung 
und Naturandacht des Dichters ausſpricht, dem auch das 
Kleinſte eine Welt iſt und jedes unſcheinbare Wald- und 
Feldblümlein etwas zu ſagen hat. Sie leiten hinüber zu 
den Blumenmärchen, den eigenſten und eigentümlichſten 
Schöpfungen Wagners. An Balladenhaftes reihen ſich 


21 


PPC 


mit Stimmung durchtränkte Landſchafts⸗ und Reiſebilder, 
weiterhin Gedichte perſönlichen Inhalts, die der Klage um 
geliebte Tote und dem ihn erfüllenden Gefühl der Be— 
rufung zum Dichter und Seher Ausdruck verleihen, und 
Dichtungen, in denen ſeine Anſchauung von Welt und 
Leben niedergelegt if. Den Schluß bilden einige Ab⸗ 
ſchnitte aus den „Sonntagsgängen“, dem „Neuen Glauben“ 
und „Oswald und Klara“. — Der Terxtgeſtaltung find die 
ſpäteſten Faſſungen zugrunde gelegt; Fehler der Drucke 
find nach den Handſchriften berichtigt. 

Eine Fülle von Formen und Tönen, ein Reichtum an 
ſeeliſchem Leben und geiſtigem Gehalt iſt ausgebreitet in 
dem Lebenswerk des merkwürdigen Mannes von Warm- 
bronn, der wirklich „ein Schwabe im Winkel“ war. Muß 
er das bleiben? Vielleicht iſt gerade dieſe harte und ſchwere 
Zeit des Kampfes für unſer Daſein, den wir beſtehen 
müſſen, dazu angetan, da und dort den Sinn zu öffnen 
für eine ſolche Stimme aus den Tiefen deutſchen Weſens, 
den und jenen erkennen zu laſſen, was für ein Geiſt es 
war, der da in Geſtalt eines armen Bäuerleins ſeinen Gang 
durchs Leben machte. 


Stuttgart, im Juli 1918. 
Otto Güntter 


22 


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Feb, . e, 
be. ee. 


Vergangenheit und Zukunft bunt gemengt, 
Die Gegenwart zuweilen eingeſprengt, 
Der Nähe Bild ſowie der fernſten Zeiten, 
Ein bunter Farbenſtreif der Ewigkeiten. 


Freudenglaube 


Antreiben aus des Lebens düſtrem Nord 
Den Nachen laß an jeden Blumenbord! 
Anſchwimmen auf des Lebens wirrer Flucht 
Den Nachen laß an jeder Freudenbucht! 
Anlanden auf des Lebens Wogenpfad 

Den Nachen laß an jedes Lichtgeſtad! 


Himmelsleiter 


Wie du gezeigt einſt dem erwählten Knechte 
In einer deiner Offenbarungsnächte 

Die Himmelsleiter ſich zur Erde neigend 

And deine Engel auf und nieder ſteigend, 
So ſchaut noch heut der Leiter goldne Stufen 
Der Auserwählte, den du haſt berufen; 

Ihm ſteigen dran auf Sproſſen ſel'ger Lieder 
Die Engelsboten heut noch auf und nieder. 


Spätes Erwachen 


So wie ein Menſch nach lärmendem Gelag 
Noch ſpät zu Mitternacht nicht ſchlafen mag 
And feine Ruh’ erſt findet knapp vor Tag, 


26 


And ſüß erſt ſchläft beim hellen Morgenſchein, 
So reichte in die Jugend mir hinein 
Verſäumter Schlaf von einem vorigen Sein. 


O wüßt' ich doch, was mich nicht ſchlafen ließ! 


Ob mich ein Gott vom Vacchanal verſtieß? 
Ob ich betrunken kam vom Paradies? 


Im Walde 


Was iſt's, das gibt fo wunderbaren 


Klang? 
Wer iſt's, der ſingt ſolch himmliſchklaren 
Sang? 
Ich kenne nicht das Lied, 
Doch durch mein Innres zieht 
Der ferne Sang wohl einem Zauber gleich, 
Er ſchmilzt die Seele, und das Herz wird weich. 


Waldröslein 


Als ich im Wald mich erging, 
Noſengeſchling f 
Sich mir an die Kleider hing. — 

O ſchlängeſt auch du 

Zu meiner Seele Ruh’ 

Am mich die Arme feſter, 

Du Rofenfchweiter! 


Die Geſchlechter 


Kt dies nicht ein frevles Schickſalswalten, 
Menſchtum in zwei Teile zu zerſpalten? 


In zwei blut'ge Hälften zu zerreißen? 
Eine Mann, die andre Weib zu heißen? 


Beid' erfüllt von heißem Sehnſuchtsdrange, 
Sich zu finden auf des Lebens Gange, 


Ich dem Ich zur Opfergab' zu bringen? — 
Ach, wie wenigen, wenigen mag's gelingen, 


Ohne Loſung, Fährten oder Spuren 
Sich zu finden auf des Lebens Fluren! 


Sel'ge Kindheit, die nicht kennt die Wirren, 
Nicht der Liebe grauſam töricht Irren! 


Sel'ge Blume, die nichts weiß vom Fluche 
Lebenslanger und vergebner Suche! 


Liebeszauber 


Ob fie mich will, iſt nimmermehr mir klar. 
Was tut's, ich ſtreich' ſanft ſchmeichelnd ihr das Haar! 
Ob ſie mich liebt, iſt nimmermehr mir kund. 
Was tut's, ich küſſ' den purpurroten Mund. 
Ob gegen mich Verwandtſchaft und Geſetz, 
Was tut's, ſie iſt in meiner Liebe Netz; 

Ich halte ſie in meiner Seele Bann, 
Dem nimmermehr ſie ſich entwinden kann. 


Konzertabend 


Die Orden, die Sterne prunken 
Im Lichterſchein, 

Es fuhren die Götterfunken 
Der Töne drein. 


Ich habe in Andacht verſunken 
Gedacht nur dein, 

Mit glühenden Augen getrunken 
Dein Bildnis ein. 


28 


Du 
Da du getreten in mein Leben ein, 
Da wich die Nacht dem hellen Morgenſchein; 


Weit offen ſtand des Himmels feſtlich Tor, 
Und eine Rofenlandfchaft ſtieg empor. 


AAA 


Es ſchwebt mir vor ein wundervoll Gedicht, 
Ob ich es ſchreiben werde, weiß ich nicht. 


Doch ſchreib' ich's nicht, iſt nicht es meine Schuld, 
And ſchreib' ich es, verdank' ich's deiner Huld, 


Die mir, vielleicht in unverdienter Gnad', 
Kußblumen ſtreut auf meinen Dichterpfad, 


In ſüßem Kelche ſel'ge Tröſtung bringt, 
Daß mir mein letztes, großes Werk gelingt. 


Abendgang 


Weißt du, weißt du, was wir heute wollen? 
Schöpfen laß uns aus dem Abervollen! 


Ein fromme Pilgerfahrt uns planen 
Nach den Wandelgängen der Platanen, 


Dort beim Sitzen auf den Marmorbänken 
Feſtlich dann des ſchönen Tags gedenken, 


And beim Gang durch dieſe Duftreſeden 
Sonſt von nichts als treuer Liebe reden! 


Sonnenregen 


Spannte nicht der Himmel wonneſelig 
Aber uns ein Perlendach ſo mählich, 


Wie zum Feſttag, als wir armverſchlungen 


Wandelten durch grüne Niederungen? 


And dann ſage: Fiel der Sonnenregen 
Nieder nicht gerade unſertwegen? 


Glitzten nicht von ſeinem Strahle trunken 


Anſertwegen feine Demantfunken? 


Kam des Himmels ſiebenfarbner Bogen 


Anſertwegen nicht heraufgezogen? 


And dann ſage: Wertete er minder 
Als Geweihte uns, als Götterkinder, 


Da er ſelig, wie im Finderglücke, 
Vor uns aufzog ſeine goldne Brücke? 


Im Park 


Ein Träumender komm' ich des Wegs gegangen, 


Phalänen ſich in meinem Haar verfangen. 


Es leuchten fern aus dunkler Büſche Maſſen 
Im Mondlicht weiß die Statuen, die blaſſen. 


Mairoſe duftet. — Aus Syringenbäumen 


Hebt ſich der Venus Bild. Sie ſcheint zu träumen. 


Wo wär' ein Göttlicher, der ſie nicht kennte? 


O ſteig herab von deinem Poſtamente! 


22 


Reich’ mir die Hand, daß wonneſelig heute 
Zur Seite dir den Garten ich durchſchreite! 


Dort glänzt der See gleich einem Inſelhafen, 
Im den viel ſel'ge Griechengötter ſchlafen. 
Eine Freundin 


Eine Freundin wünſcht' ich, deren Fährten 
Hin mich führten zu der Liebe Gärten, 


Deren Myrten, deren Rofenlauben, 
Smyrnafeigen und Falerner Trauben. 


Eine Freundin, die beim Göttermahle 
Gerne böt' und williglich die Schale 


Mir, dem ſtolzen, hochgemuten Zecher; 
Die ſich ſelber füllte voll den Becher 


Dunklen Weines, frei und ohne Scheue, 
Eine Freundin, eine götterfreie! 
So wie damals 


Wieder nach dem Ort, da wir geſeſſen, 
Zu der Stätte, die mir unvergeſſen, 


Kehrt' ich pilgernd. — So wie damals glänzte 
Blau der Himmel, der den Wald durchlenzte. 


Schön der Maitag. — So wie damals glitzten 
Grüne Lichter, die den Wald durchblitzten. 


Wo wir küßten uns und wo wir ſcherzten, 
Schau die Blätter, dieſe zweigeherzten! 


Iſt es nicht, als ſei'n dem Waldreviere 
Angeflogen unſrer Liebe Schwüre? 


Mein Stern 


Ich hatte einſt meine Sterne 
In meiner Nacht, 

Die glänzten ſo nah und ſo ferne 
In goldner Pracht. 


Ich hatte einſt meine Sonne, 
O ſchöner Tag, 

An dem in himmliſcher Wonne 
Die Welt mir lag! 


Die Sonne ſank in der Ferne, 
Eh ich's gedacht, 

Wo bleiben die Sterne, die Sterne 
In meiner Nacht? 


Ein Stern mit feurigem Schweife 
Blutig und leer 

Geht noch in einſamer Streife 
Irrend umher. 


Siehſt du die blutige Leuchte 
Dort in der Fern', 

Die mir die Lichter verſcheuchte? 
Das iſt mein Stern! 


Im Frühling 


Und treten mich an im Haine, 
Schön ſilbrig im Frühlingsſcheine, 
Windröslein mit mildem Grüßen, 
So iſt mir immer, als müſſen 
All meine durch Schuld verlornen, 
Nun wieder durchs Lied gebornen, 
Süßen, frommen 

Glückstage auch wieder kommen. 


31 


32 


Am Roſenhag 


Neid' ich doch in deinem Strahlenloſe, 
Schöne dich, gebenedeite Rofe! 


Mir hinunter ſind der Liebe Sterne; 
Möchte erdenſelig doch ſo gerne 2. 


Selbſt einmal in dieſen Junitagen 
Rofenfreudig deine Fackel tragen, 


Selbſt einmal in dieſen grünen Tennen 
Roſenrot in mildem Licht verbrennen! 


Gleichſtellung 


Das Leben wechſelt, aber nicht das Sein; 
Das Sein iſt ewig, und die Form iſt Schein. 


Ob klein, ob groß, ob edel, ob gering, 
Heut oben iſt, was unten war im Ring. 


Und morgen unten, was heut oben war; 
So iſt es heut, ſo iſt es immerdar. 


Des Glückes Ernte nur für wenige reicht, 
And doch will jeder, daß man aus ſie gleicht. 


And gleicht man's aus, ſo klagt ein jeder Wicht, 
Daß er betrogen ſei am Vollgewicht. 


Nehmen und Geben 


Für des Glückes freud'gen Sonnenſchein 
Magſt du ſein als wie ein Edelſtein; 
Für der Freude ſel'gen Wonneſtrahl 
Magſt du ſein als wie ein Lichtopal. 


ner 
7 — 3 


Nichts behalte von dem eignen Glück, 
Siebenfältig ſtrahle es zurück; 

Nichts behalte von dem eignen Glanz, 
Siebenfältig ſtrahle aus ihn ganz! 


Keines ſo arm 


So arm iſt noch keines zur Welt gekommen, 
Das Gott nicht hätt' bei der Hand genommen, 
And zu ihm geſprochen: „Mein liebes Kind!“ 
And zu den andern, die mißgeſinnt: 

„Laßt's nicht ſo verachtet am Wege ſtehen, 
Bis wieder ich komme. Muß weiter gehen.“ 


So blaß und ſo häßlich ſind keine Mienen, 
Die nicht der Ewigkeit Glanz beſchienen, 

Zum Herzen geſprochen ſo mancherlei: 

Es kommt auch dir noch ein Monat Mai! 
Die Sonne wird ſcheinen! — Getroſt, ich ſage, 
Es kommen auch dir noch Verklärungstage! 


* 


Es iſt kein Daſein ſo arm und geringe, 

Das Träger nicht ſein kann gar hoher Dinge, 

And trotzend der Welt und der Zeiten Lauf, 

Mit Wenigem richtet ein Weltreich auf, 

Das ſiegreich, obſchon auch von Stürmen umſchauert, 
Die Erde umklammert und ewiglich dauert. 


Glück, herrenloſes 


Glück begehr' ich von Gott, doch herrenloſes und nicht ein 
Andern gehöriges Glück. — Denn niemals möcht' ich ein 
Glück, das 
Andere koſtet Verzicht; — nur Glück aus dem Schoße 

f der Gottheit, 
Fernher kommend und ſchön, rotblumig gleich Oleander. 
Wagner, Geſammelte Dichtungen 3 N 
33 


Nicht nach dem Glücke, das dir in Ausſicht ftehet, in naher, 
Greife in gieriger Haſt. — Wahrhaftig, es könnte zurückgehn, 
So wie der Wärter des Viehs, der beladen mit Futter 


And von den Mäulern gedrängt nicht ab kann legen das Futter, 
Nimmt alsbald es zurück und ergreifet den wuchtigen Stock erſt. 


Wird ein Glück dir zuteil, fo betrachte es gleich wie geliehne 
Summe verzinslicher Schuld. Mit Wohltun zahlſt du die 


Zahleſt die Summe zuletzt ſelbſt ab in kleineren Naten. 


Wer nicht das Schickſal kennt, der lern' es kennen: 
Dem, der ſich ſelbſt nichts gönnt, wird's auch nichts gönnen. 


34 


Warnung 


dem Trog naht 


Abzahlung der Glücksſchuld 


Zinſen, 


Das Schickſal 


Zähle nicht zu denen 


Zähle nicht zu denen, die da ſinnen, 
Wie des Nächſten Güter ſie gewinnen, 
An ſich bringen deſſen Haus und Rinder, 
And die beſte Habe ſeiner Kinder. 


Zähle nicht zu denen, die dem Armen 
Nehmen ſelbſt das Letzte ohn' Erbarmen; 
Nehmen ſelbſt den Biſſen aus dem Munde, 
Anbekümmert, ob er geht zugrunde. 2 


Das gefeite Haus 


Hauslaubroſetten auf dem Dache feien 
Leutholdens Haus auf ſeinem Hof, dem freien. 


Weinranken wohl, daneben Efeureben 
Das alternde Gemäuer dicht umweben. 


And Vordach, Stall mitſamt dem Ziehebronnen 
Von Holderzweigen ſchattend iſt umſponnen. 


And Mann und Weib und Kinder ſind am Mahle, 
Zwei ſchwarze Katzen ſchlürfen aus der Schale. 


Vom Birnbaum in dem Hofe plaudernd ſpähen 
Neugierig nieder wohl ein Paar der Krähen. 


Dazwiſchen tönt das lärmende Geflatter 
Der Hühner und der Tauben aus dem Gatter; 


Dazwiſchen noch das fröhliche Geſinge 
Der Lerchen, Finken und der Ammerlinge. 


Denn was da kam geflogen und geſchwommen, 
Ward hier im Hofe gaſtlich aufgenommen; 


Zur Winterzeit ſtand offen ſtets die Tenne, 
Den Vöglein aus dem Wald, der Gans und Henne. 


Doch als die Seuche durch das Dorf gewütet, 
Von Engelswachen ward dies Haus behütet. 


Am Fenſterſims da ſtanden beieinander 
So waffenprächtig Nelk' und Oleander; 


Und ein Gewoge war's von grünen Heeren, 
Mit Schilden und mit Helmen und mit Speeren. 
5 35 
35 


Ob auch der Tod gewandelt in den Gaffen, 
Die heil'ge Wacht hat ihn nicht eingelaſſen. 


Am Fenſterſims da ſtanden noch beiſammen, 
Ihn abzuweiſen, ſel'ge Roſenflammen. 


Mahnung 


Halt die Mahnung feſt dir im Gemüte: 
Niemals brich ein Weſen in der Blüte; 

Brich es nicht in ſeinen Wonneträumen! 
Wenn du's brechen mußt, ſo magſt du ſäumen, 
Bis es alt und bis es morſch geworden; 
Willſt du dann es brechen oder morden, 

Wird es dir den Raub von kahlen Reiten 
Eh'r verzeihn als den von Blütenäſten. 


Land und Meer 


Baue deine Wohnung, daß du ſchaueſt 
Bei dem Sonnenaufgang übers Meer, 
Daß dir werde deine Seele hehr, 

Du an ſeiner Hoheit dich erbaueſt! 


Baue deine Wohnung, daß du blickeſt 
Bei dem Sonnenuntergang aufs Land, 
Daß du an dem blumigen Gewand 

Seiner holden Schönheit dich erquickeſt; 


Daß dir Stärkung werde in der Frühe 
And Erhebung bei dem Wellenſchlag, 
Daß beim Schauen auf den Blumenhag 


Du vergeſſeſt deine Tagesmühe! X 


36 


Heimſtätte der Seele 


Jenem Königsſchloſſe, jenem reichen, 
Mög' die Heimſtatt deiner Seele gleichen, 
Wo ob edlen ſtolzen Marmorhallen 
Eine Kuppel aufſtrebt, die kriſtallen; 


Wo herein die goldne Sonnenhelle 
Durch die Wölbung fällt in die Kapelle, 
And das Heiligtum des Innern lichtet, 
Wo ein Schönheitsbildnis aufgerichtet; 


Wo ſie prangen ringsum an den Wänden, 
Des Erbarmens liebliche Legenden; 
Wandgemälde dir in allen Sälen 

Deines Glaubens Heldentum erzählen; 


Wo ringsum auf ungezählten Schalen 
Goldne Früchte dir entgegenſtrahlen; 
Ringsumher auf dieſen Marmortiſchen 
Freudenkelche ſtehn dich zu erfriſchen. 


Wo herauf aus deinen Schattengängen 
Ewigkeiten mit den Wunderklängen 
Nächteüber mit dir Antwort tauſchen, 
Fremder Zonen Düfte dich berauſchen, 


Hergeſchwärmt ſo, wie das Volk der Bienen, 
Alle Wonnen kommen dir zu dienen; 
Aufgeſchürzet deine Freuden alle 

Dich umſtehn in deiner Königshalle. 


Bitte 


Einen Biſſen täglich zur Erhaltung 
Meines Lebens gib mir, Weltverwaltung! 


Einen Tropfen täglich zur Erquickung 
Meiner Seele gib mir, güt'ge Schickung! 


38 


Einen Tropfen täglich mir zur Stillung 
Meines Durſtes, eine Wunſcherfüllung, 


Einen Biſſen täglich zur Ernährung 
Meiner Seele, eine Wunſchgewährung, 
Sonſt erlieg' ich kläglich an Entbehrung! 


1 
| 


Herbſtwieſe 
Herbſtwieſe meiner Seele! Od und kahl 
And ausgebrannt von heißer Tage Föhn. 
Wie anders die, die ich geſchaut im Tal, 
Von Herbſtzeitloſen prangend, roſenſchön! 


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Herbſtwieſe meiner Seele! Ohne Tau, | 3 
Und deine Weidenbäume ohne Schlaf. | 
Wie anders die, bei deren Noſenſchau | 
Mich ſchmerzlicher die eigne Ode traf? 


Nur eine 


Ach, von den Blumen allen : 
Sp wenig mir mehr gefallen, | 
Nur eine, 

Die Holde, Reine. 


Wohl, daß ich ganz a 
Zu meiner Nächte Glanz | 
Die herrliche Nachtviole 
Mir hole. 


Vergeſſen 


O ſtille Bucht, 

Wo des Vergeſſens Frucht 

Als Schlummertrank, als ſüße Königskoſt 
Verlockend ſproßt! 


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An die Nacht 


Nicht nahſt du mir, als wollſt du mich bedienen, 
Schön abendgoldig mit Verheißungsmienen, 

So wie du rufſt den Säumigen zum Hafen 

Der Friedensſtätte, da die Seinen ſchlafen, 

So wie du rufſt den Liebenden zum Bette 

Der Braut, daß er den Nacken ihr umkette, 
Nicht wie du nahſt auf ſeidenweichen Sohlen 
Den Orchistöchtern und den Nachtviolen, — 
Nein, wie ein ſtumm Geſpenſt ſo grau und hager 
Trittſt du herein und ſtellſt dich vor mein Lager, 
And ob der traute Schlaf mir möcht' erſcheinen, 
Du hältſt ihn fern mit deinen Spinnenbeinen, 
And ob der Traum mir ließ ein Kleinod ſpenden, 
Zu Truggold wird's in deinen Zauberhänden. 
Aus dieſer Arme ſchaurigem Amfangen 

Naff' ich empor mich bei des Morgens Prangen, 
And freudig grüßt mein Aug' dich als Befreier 
Aus dieſem Zaubernetze: Tag, du neuer! 


An den Tag 


Schon wieder zu banger Laſt 
Sich ladet der Tag zu Gaſt. 


Das Antlitz ſo klar und hell, 
Was willſt du, Lügengeſell? 


Mich kirren mit deines Lichts 
Vielſagendem kargen Nichts? 
Wann bin ich gewitzigt, hell, 
Dich fortzuweiſen, Geſell? 


Wann koöͤdert dein falſcher Strahl 
Mein Auge zum letztenmal? 


39 


40 


Heide 


Ningsum nichts als bleiche Heidebinſen, 
Schwarze Tümpel, grüne Waſſerlinſen. 


Einer Föhre halbgebrochne Aſte, 
Auf zum Himmel ſtreckend kahle Refte. 


Aber mir des Himmels grau Gewölbe, 
Bachentlang ſo weidengrau die Felbe. — 


Ach, wie kann in dieſen Nebeltalen 
Erd' und Himmel mein Geſchick mir malen; 


Gleich' ich ſelber doch in meinem Leide 
Dieſem dürren Föhrenbaum der Heide! 


Müdigkeit 


Am Wege ſtand ein dürres Scheitermaß 
Ganz überwuchert ſchon von Buſch und Gras, 


Ganz jedem Froſt und Regen ausgeſetzt. — 
Was ſuchſt du Beſſ'res, töricht Herz, anjetzt? 


Biſt du nicht ſelbſt jetzund ein dürres Scheit, 
Zurückgelegt für eine künft'ge Zeit? 


Einſt und jetzt 


Bleich ſteht das Feld und reif das Korn, das gelbe, 
Ganz ſo wie einſt und doch nicht ganz dasſelbe. 


Ganz ſo wie einſt Tal, Feld, des Weges Borden, 
And doch und doch: Wie viel ſo fremd geworden? 


Wie ſchön der Wald! Gott, wie bekannt mich ſchauen 
Die Wieſen an, die Fluren und die Auen! 


And doch und doch! Wie ganz mit andern Mienen, 
Als hätt' ich nichts zu ſuchen mehr bei ihnen. 


Wochenkalender 


Montag erſt. — Entſetzlich! — Freudelos 
Neu beginnen, wo die Woche ſchloß. 


Dienstag erſt. — Entſetzlich! — Ohne Sinn 
Spinnen neu des Lebens grau Geſpinn. 


Mittwoch erſt. — Entſetzlich! — Ohne Ziel 
Neu durchſpielen das durchſpielte Spiel. 


Donnerstag. — Entſetzlich! — Ohne Gnad' 
Neu durchmeſſen den durchmeßnen Pfad. 


Freitag ſchon. — Entſetzlich! — Welch ein Tand! 
Neu durchwaten den durchwat'nen Sand? 


Samstag ſchon. — Entſetzlich! — Ohne Gruß 
Ewig wandern um des Hügels Fuß. 


Sonntag heut. — Entſetzlich! — Wieder neu 
Segeln an dem Leuchtturm hier vorbei. 


Angeſtilltes Sehnen 


Tiefes Sehnen bei des Tages Laſt 

Nach dem Abend und nach ſeinem Frieden; 
Heißes Sehnen bei des Abends Raft 

Nach dem Frieden, den er nicht beſchieden. 


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42 


Tiefes Sehnen in der Winternacht 

Nach dem Frühlingstag und ſeinen Blüten; 
Heißes Sehnen bei der Blütenpracht 

Nach der Winternacht und ihrem Frieden. 


Tiefes Sehnen ſtets, jahraus jahrein, 
Ew'ges Dürſten und ein nie Gewähren; 
Heißes Sehnen! Kann es anders ſein, 
Mußt du nicht zuletzt das Herz verzehren? 


Aufrichtung 


Nun mein Flehen findet nicht Erhörung, 
Bleibt mir übrig nur die Selbſtzerſtörung. 


Alſo ſprach ich, an das Schickſal klagend, 
Alſo ſprach ich, an mir ſelbſt verzagend; 


Alſo ſprach ich, längs der Lichtung ſchweifend, 
An dem See im Walde jetzo ſtreifend; 


Alſo ſprach ich, als ein Schönheitsbildnis 
Vor mir auftaucht aus der Tannenwildnis: 


Schlanken Wuchſes, hochgewachſnen Leibes, 
Eine ſtolze Prachtgeſtalt des Weibes. 


Dunkle Flechten von dem Scheitel fallend, 
Das gebräunte Angeſicht umwallend, 


Stolze Hoheit auf der Stirne thronend, 
Holder Liebreiz auf den Lippen wohnend, 


Mit den Flammenaugen mich erkennend, 
Süßen Tones mich beim Namen nennend: 


„Nicht verlangend nach den Waſſern ſchaue! 
Heimwärts kehre! Dem Geſchicke traue! 


Kein Verſtecken an dem Nachtgeſtade! 
Vorwärts ſchreite auf des Siegers Pfade! 


Können Wolken dir dein Ziel verhüllen? 
Deine Sendung eile zu erfüllen! 


Vorwärts denn, — und ſollſt du untergehen, 
Will ich tröſtend dir zur Seite ſtehen.“ 


Gewährung 


„Verhülle, Nacht, was dieſer Tag getan! 
Zerſtreue, Licht, das Leid, das ſie gebracht!“ — 
Es ließ der Tag ſich ſchön und freundlich an, 
And ſtill verſchwiegen ließ ſich an die Nacht. 


„Beſtatte, Schnee, was dieſes Jahr uns nahm! 
O heile, Lenz, was jüngſt uns widerfuhr!“ — 
Mit weißen Tüchern friſch der Winter kam, 

And über Nacht ward grün die weiße Flur. 


Großer Feierabend 


Es wird dereinſt auf Erden 
Noch fein ein Ruhen: 

Bei vollen Truhen 

Sie ſchlafen werden. 


Es wird dereinſt auf Erden 
Noch ſein Genügen: 

Aus vollen Zügen 

Sie trinken werden. 


Es wird dereinſt auf Erden 
Noch ſein Gewähren: 

In Königsehren 

Sie thronen werden. 


43 


44 


Es wird dereinſt auf Erden 
Nicht ſein mehr Hoffen: 
Den Himmel offen 

Sie ſchauen werden. 


Meine Bitte 


Zerbröckle, wenn ich tot bin, ſel'ges Licht, 
Zu Werktagsſchlacken mir mein Weſen nicht! 
Zu duft' gen Blumen in dem Lenzgefild 

And zu der Roſen hohem Schönheitsbild 
And zu der Lieder ſel'gen Melodien, 
Schallwellen, die durch Menſchenſeelen ziehn 
And ſie erheben in der Andacht Dom, 
Wollſt du verwenden jedes Staubatom! 


Schlummerfriſt 


Lüft⸗ mir den Vorhang, daß ich möge künden 
Das Schickſal derer in den Schattengründen, 
Der Tauſende, die täglich ſcheu und bang 
Die ſtillen Todespfade gehn entlang. 

Sie finden Ruhe in den ſtillen Hallen 

Vom mühevollen bangen Erdenwallen; 

Doch weil auf Erden alles endlich iſt, 

So muß auch enden ihre Schlummerfriſt, 
Wohl keine Nacht iſt, die da ewig währet. 


Wenn alles Alte längſt vergeſſen iſt, 

In der Erinnrung alles ausgewiſcht, 

All das PVergana..e völlig aufgezehret, 

Dann kommt die Zeit, daß das, was übrig iſt, 
Von Lenzgefühlen wunderſam durchfriſcht 

Als neuer Keim ins Leben wiederkehret. 


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Wiederbringung 


Iſt dein Blick noch nie hindurchgedrungen? 
Hat dein Ohr die Kunde nie erlauſcht, 
Daß das Sein bei Alten wie bei Jungen 
Stets und ewig nur die Hülle tauſcht? 


Daß das Leben, das da ging verloren, 
Daß das Schöne, das man trug hinaus, 
Nur in andern Formen, andern Toren 
Wieder eintritt in das Vaterhaus? 


Daß die Wonnen, die dahingezogen, 
Daß die Freuden, die vorbeigewallt, 
Wohl vielleicht aufs neue angeflogen 
Sei'n in Blumen und in Laubgeſtalt? 


Darum nur ſollſt du es nicht erkennen, 
Dein Verlornes, in dem bunten Spiel, 
Daß du Alles mögſt das Deine nennen, 
Statt des Wen'gen lieben künftig Viel. 


Anemonen 


Daß mir Tröſtung werde bei dem Gnadenſchein 
Frommer Blumenaugen, wandl' ich durch den Hain. 


Heimwehkrank und müde von des Lebens Laſt, 
Dieſer Hochverklärten ſel'ger Glanz mich faßt, 


Daß ich ſelbſt nun ſchaue, ſchön im Lenzgefild, 
Hohen Zukunftsleibes ſtrahlendes Gebild. 


Nicht des Menſchen Beſtes 


Nicht des Menſchen Beſtes wird begraben, 
Nur des müden Leibes ſchaler Reft 
Schlummert in dem Grabe ſchwer und feſt, 
Am ſich an der Ruhe ſatt zu laben. 


45 


46 


Gradüber am Feldrain ein Fremder ſaß 


Karge Refte darf das Grab nur haben. 
Aber wonniglich im Laubgeäſt 

Wiegen in dem lauen Frühlingsweſt : 
Sich die Teile, die ſich wegbegaben. ER 


Angeſehen 


Mein Liebchen verweilet im Grabe nicht; 
Das Leben, es drängt ſich ans Tageslicht. 


Doch als ich ſie ſuchte im grünen Grund, 
Nicht war es, als würd' ihre Nähe mir kund. 


And lange mit ſinnendem Auge mich maß; 


Doch endlich da ſprach er: „Ei, wie doch ſind 
Die Menſchen mit ſehenden Augen blind! 


Nicht ſahſt du, o Blinder, wie drinnen im Wald, 
In grünem Gewand ſie vorüber gewallt? 


And drüben im Hag, wo die Noſe ſprießt, 
Dein Lieb dich mit leuchtenden Augen gegrüßt?“ 


Tröſtungen 


Iſt ein Liebes deinem Aug' entſchwunden, 
Suche nimmer nach ihm Nacht und Tag; 
Wenn du findeſt, was dich lieben mag, 
Haſt du das Verlorne neu gefunden. 


Was dir Liebe zubringt, iſt dein eigen, 
Iſt dir Gatte, iſt dir Kind und Freund, 
Wenn es auch in ſeiner Torheit meint, 
Das Erkennungswort dir zu verſchweigen. 


Klage doch fo troſtlos, Mutter, nimmer 
Bei des Lieblings ſchmerzlichem Verluſt; 
Sieh, ein andres Kind ſucht deine Bruſt, 
Wein', o weine, Mutter, doch nicht immer! 


Jede Blume will dein Auge tröſten, 

5 Jede Opferſchale ſendet Duft; 

Jede Blüte, die da deckt die Gruft, 
Iſt ein Gruß von deinem Früherlöſten. 


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Syringen 
Faſt überirdiſch dünkt mich euer Grüßen, 
Syringen ihr, mit eurem Duft, dem ſüßen. 


Nach Geiſterweiſe weiß ich euch zu werten: 
Ein Duftgeſang, er iſt mir's von Verklärten. 


Gott, wie ich doch in dieſer blauen Kühle 
Der Blumenwolke hier mich wohlig fühle! 


| Süß heimlich ahnend, was hineinverwoben, 
Wie fühl' ich mich ſo frei, ſo ſtolz gehoben! 


Bin ich es ſelbſt, des einſtig Erdenweſen 
Nun auch einmal zu ſolchem Glanz geneſen? 


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Sind's meine Lieben, die, ach längſt begraben, 
In dieſen Düften Fühlung mit mir haben? 


Waldſee 


Wie ſtill der See, wie ſchweigſam die erhellten 
Mattblauen Waſſer hier, die leichtgewellten! 


Doch aus dem Schilf des Ifers ſtolz gehoben, 
Der Iris Kronen dort ſo goldgewoben. 


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In dieſes Waldſees ſtillem Friedenshafen 
Welch müdes Kind dereinſt iſt eingeſchlafen, 


Daß dieſen Lippen hier, ſo wonniggolden, 
Ein Kuß blieb ſtehen von der Liebesholden? 
Dort eine Frage, deren Mund verwittert 
Als ſel'ges Ja dem Licht entgegenzittert? 


Daß dieſen Ufern hier und ſchwanken Schaften 
Solch wunderſchöner ſüßer Traum blieb haften? 


Auf das Grab eines Mädchens 4 
Birke und Trauerweide | 
Umfchatten beide i 
Dein ſtilles Bette, 1 

4 


Als ob ein Englein hätte 
Flügel geſpreitet, 5 
Heut zur Geburtstagsfeier f 
Lichtgrün fließende Schleier | 
Drüber gebreitet. 


Wunſchverkörperung | 


Längſterloſchne Glut aus treuem Herzen 

Leuchtet hier aus dieſen Königskerzen, 

Leuchtet hier aus dieſen Roſenflammen. — 

Ihre heißen Strahlen allzuſammen 

Brünſtig auf als einſt'ge Wünſche lodern, | 
Die verſäumten Freuden einzufodern. N 


Zitronenfalter f 


Du ſo ſchwebend über ſonnigen Hügeln 
Falter hier mit den Zitronenflügeln, 
Sag, ob du erkannt mich als Bekannten, 
Vater, Gatten oder ſonſt Verwandten, 


Daß du ſcheue Flamm' dich kannſt erdreiſten, 
Magiſch dreimal um mich her zu geiſten? 
Kommſt du her von höhern Regidnen, 

Wo die Frommen, wo die Sel'gen wohnen, 
Am verwandelt fo im Wald der Buchen 
Mich und heil'ge Stätten aufzuſuchen? 


Nachtkerzen 


Aufgebunden drüben iſt der Haber, 
Aber leuchtend ſo wie Kandelaber 
Stehen Blumen hier, mit heil'gem Feuer 
Zu erhellen dieſes Steingemäuer; 

Stehen Blumen hier, in finſtern Nächten 
Krieg zu führen mit den Dunkelmächten. 
Als des Lichtgotts treue Prieſterinnen 
Stehen ſie, die Leuchterträgerinnen, 

Zu erhellen dieſe Dunkelpfade, 

And daß keiner, keiner nehme Schade 
Von den Schnittern allen, von den frommen 
Garbenbindern, die vorüber kommen. 


4 Am See 
O ſeid gegrüßt, ihr Ströme und ihr Seen, 
Kriſtallner Widerſchein der goldnen Höhen! 
O ſeid gegrüßt, ihr Augenſpiegel klar, 
Ihr blauen Erdenaugen wunderbar! 
Ihr ſeid gemacht, den Himmel anzuſehen, 
And nur der Erdenmenſch will nicht verſtehen 
Der Mutteraugen ſel'gen Widerfchein, 
And ſchaut ſo gern und ſchaut ſo gern hinein, 
Kann nicht genug und kann nicht ſatt ſich ſchauen 
An dieſen Augenſpiegeln, dieſen blauen. 
Er ſchaut ſo gern der Mutter ins Geſicht 
And kennet doch die Mutteraugen nicht, 
Wagner, Geſammelte Dichtungen 4 


Den Gottesfrieden, welcher drin ſich malt, 
Den fernen Lichtglanz, der draus widerſtrahlt, 
Die Tränenbächlein, die da rieſeln nieder 1 


Durch dunkelgrüne Augenlider, 2 
Die ftatt der Wimpern, zuckend ohne Raft, _ | 
Von Schilf und Binſen ſchützend eingefaßt. 


Blumen neben dem Krankenbette 


Gartenwinden, ſtrahlig und geflammt, 
Eingefaßt von blauem Seideſamt, 
Braune Nelken, brechend aus der Hülle 
Ihrer Kelche in der Düfte Fülle, 


Ringelblumen ſo wie Flittergold, 
Das die Juliſonne aufgerollt, f 
Bohnenblüten, an des Zweigs Geſchwinge 1 
Scharlachrote kleine Schmetterlinge, | ö 


Gartenwicken, himmelblau beſchwingt, 
Wie ein Falter, der zum Ather dringt, 
Hehr und glanzvoll ſeine Flügel ſpaltet, 
Wieder ſie zur Ruh' zuſammenfaltet, 


Standen da vor mir in einem Glas, 
Da ich krank in meinem Bette ſaß: 
Mußte nicht friſch Leben ſich entfachen 
Bei dem Segnen dieſer Blumenwachen? 


Hyazinthen 
Halbdurchſ cheinend wie Wachs und wie Bernstein ſteht 
Hyazintha 
Drüben am Fenſtergeſims, ſchmückend mein ödes Gemach. 
Faſt wie ein künſtlich Gebild' erſchiene die himmliſche Blume, 
Strömte nicht göttlichen Duft, hauchte nicht Seele ſie aus. 
* * 


* 


50 


Süß v wie die e Träume der Maid vom entfernten Geliebten 
ſind deine 5 

Träum', Hyazintha, erzähl ewig ſie weiter der Welt! 
Wie du getroffen ihn jüngſt zur Beſuchszeit, wie er verharrte 
Schweigend — in glühendem Blick gab fein Verlangen 
ſich kund. g 


Roſen im Garten 


Ihr Rofen in meinem Garten, 
Ihr Roſen möget nicht warten 
Auf eine trautere Stätte 
Als mir am Herzen, — denn hätte 
Jedes die Roſen des andern 

’ Bei feinem Seligkeitswandern 
In längſt entſchwundenen Tagen 
Nicht ſchon am Herzen getragen? 


Liederbuch der Gottheit 


Die grüne Saat, die bunte Wieſenflur, 
Ein Liederbuch der Gottheit iſt ſie nur. 


Ein Liederbuch, wie man's dem Kinde ſchenkt, 
Daß es des lieben Paten oft gedenkt. 


Der Sonnenſchein auf dieſen Frühlingsaun 
Als Goldſchnitt an dem Büchlein iſt zu ſchaun, 


And aus den Blättern ragt der Blumen Zier, 
Wie man dem Kind aus Bunt: und Goldpapier 


Oft Zeichen legt ins Buch, damit es dann 
Die er Lieder auf fich ſchlagen kann. 
ar 

51 


52 


Veilchengrüße 


Veilchengrüße von der Weinbergmauer! 
Alle Lenzgefühle wachen auf 

And vereinen ſich in ihrem Lauf, 
Aberſchütten mich als Wonneſchauer. 


Veilchengrüße! Alle Jugendſagen, 
Alle Kinderträume ſind erwacht, 
Haben insgeſamt ſich aufgemacht. 
Seligkeiten vor mich herzutragen. 


Mädchenſpiele⸗ 


Sie haben dich mit Eichenlaub geſchmückt, 
Mit freudigem Laut 

Ein Krönlein dir aufs ſchwarze Haar gedrückt, 
Wie einer Braut. 


Von Wicken blau, Liguſter, wildem Mohn 
Der Kronenreif, 


| And niederhängend von der duftigen Kron' 


Ein Eichlaubſchweif. 


Weit klingt der Wald von ſüßer Lieder Reim 
Aus Mädchenmund, 

And ſingend ſo geleiten ſie dich heim, 
Dich, Kunigund! f 


Einer Jugendgeſpielin 


Meiner andern Seele in der Ferne, 
Meiner Hälfte, die einſt fuhr von hinnen, 
Deren ich mich dunkel kann entſinnen, 
Die ich wiederſehen möcht' ſo gerne, 


Meiner Hälfte, die von gleichem Kerne, 
Meine Lieder gelten und mein Minnen. — 
Werden je dereinſt zuſammenrinnen 

Sie, die Bahnen unſrer Doppelſterne? 


Bleiben wohl der Einſtgetrennten Kreiſe 
Ewig ſtets in gleicher Fernung ſtehn? 
Nähern niemals ſich der beiden Gleiſe? 


Ihre Einung, wird ſie nie geſchehn? 
Oder wird nach Doppelſternenweiſe 
Eins ins andre fallen und zergehn? 


Am Fenſterbrett 


Ob am Fenſterbrett wir Nelken ſtehn, 
Friſche Luft und Morgentau zu ſaugen, 
Oder braun und blaue Mädchenaugen 
Durch die Scheiben auf die Gaſſe ſpähn — 


Ob am Fenſterbrett wir Nelken blühn, 

Voll entſtrömend unſre Duftgeſänge, 

Oder ob der Spinnerinnen Klänge 

Süß und klangvoll durch die Nacht verglühn — 


Weſſen Geiſt als Wunderflocken auch 

Ans verſtreute auf die Erdenhügel: 

Flocken ſind wir von dem gleichen Flügel, 
Stimmen ſind wir von dem gleichen Hauch. 


Holderbaum 


Was kündet dir von ihrem Baum Frau Holle? 
Das reinſte Glück hängt an der Heimatſcholle. 


Aus dieſem Baume ſprechen deine Ahnen, 
Sie wollen dich zum Bleiben hier gemahnen. 


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54 


Dies Vaterhaus, von Holder überſponnen, 
Wird bergen dir den reichſten Liebesbronnen. 


Dies niedre Dach, verhängt von Blütendolden, 
Gerät dir wohl zu einer Halle golden. 


Denn nicht die Arbeit birgt ſich drin von heute, 
Auch des Vergangnen ferne Siegesbeute. 


Es hauſt ein Ahnherr drin, ein grauer Alter, 
Es wohnen Geiſter drin als Hausverwalter. 


Was das Geſchlecht zuſammen ſich gewoben, 


Dir, ihrem Enkel, iſt es aufgehoben. 


Röslein und Sternlein 


Nur ein Röslein fand ich in dem Graſe 
Auf dem Pfade durch den Wald gewunden, 
Wie der Seher auf der Himmelsſtraße 
Irgendeine Wunderwelt gefunden. 


And doch biſt du Stern der Waldesgaſſen 
Wie du Röslein in den Himmelsbreiten 
Nur ein Einen und Zuſammenfaſſen 
Angezählter Weltenſeligkeiten. 


Aber ſchmerzhaft zuckt mir's nach dem Innern, 
And das Herz will's mir zuſammenpreſſen, 
Daß von beiden nur ein kurz Erinnern 
Aberbleiben ſoll vor dem Vergeſſen. 


Blumenevangelium 
Wie der Weiſe in der Schrift 


Grauer Tempeltrümmer, 
Leſ' ich in der Waldestrift 
And im Blumenflimmer 


Längſtvergangnen Haß und Fluch, 


Längſtvergangnes Lieben; 
Alles in dem Blumenbuch 
Sorgſam aufgeſchrieben. 


Kehr' ich von dem Grabgefild, 
Klagen und Beweinen, 

Leſ' ich Worte tröſtlich mild, 
Worte vom Vereinen. 

Sel'ge Worte, rot wie Gold, 
Stehn auf grünem Grunde, 
Künden mir ſo wunderhold 
Von erneutem Bunde. 


Wenn vom Streit des Lebens matt 
Oftmals ſtill ich ſtehe, 

Erdenmüde, lebensſatt 

Mich im Wald ergehe, 

Schauen mich ſo tröſtend an 
Freundliche Geſtirne, 

Fragen, was man mir getan, 

Und warum ich zürne? 


And wohin er tritt, mein Fuß, 
Auf der Flur, der weiten, 
Hör' ich fernen Liebesgruß 
Aus vergangnen Zeiten; 

And wohin mein Auge fällt, 
Seh' ich Fahnen ſchweben, 
Grüne Botſchaft aller Welt 
Von dem Schuldvergeben. 


Alles ſtehet ahnend ſtill 

Vor der neuen Lehre, 

Was der Geiſt noch ſchaffen will 
Zu des Schöpfers Ehre; 


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56 


Alles ſtehet ahnend ſtumm, 
Alles will ſich freuen 

Auf das Evangelium 

In der Welt, der neuen. 


Hyazinthe 


Zwieſprache möcht' ich mit dir pflegen, 
Du liebes, frommes Wunderkind, 
Von deines Atems mildem Segen 
Fühl' ich den Hauch ſo lieb und lind. 


Doch ob der ſchöne Mund auch offen, 
Schließt doch die Lippe ſich nicht zu; 
Ich kann auf keine Antwort hoffen, 
Ich müßt' ein Kind ſein ſo wie du. 


Orchis 


Waren's Blumen mit den wunderbaren, 
Silberhellen kleinen Flügelpaaren, 

Oder waren's, fragt’ ich, Blumenengel, 
Hingeheftet an die Blütenſtengel? 


Waren's Blumen, die beim Mondenſchimmer 
Mir mit Duft erfüllt mein kleines Zimmer? 


Oder hatten durch die Nacht geklungen 


Traumhaft ſüße Aberlieferungen? 


Huldigung 


Sei gegrüßet jedes Schönheitsbild, 

Das entgegentritt mir im Gefild, 

Denn es ſchafft in meinem Innern Einung, 
Wandelt die Gedanken oft ſo wild 

In verklärte Schweftern himmliſch mild. 
Drum iſt ewig meines Herzens Meinung: 
Sei willkommen jede Lichterſcheinung! 


Blüten 


Jungfräulich weiße Blütenſterne, 
Sich ihrer Reinheit ſtolz bewußt, 
Wo zöge ſie nicht gar ſo gerne 
Der Erdenſohn an ſeine Bruſt. 


Geheimnisvoll erſchloſſ'ner Kelche 
Jungfräulich ſüßer Liebesmund; 
Der Lippe Beben tut jedwelche 
Traumlichtung ihrer Seele kund. 


Frage 


Sage mir, ewiges Licht: 

Iſt nicht 

Jegliche Blüte 

Eine zur Wiedererſcheinung gelangte urewige Mythe? 
Jegliche Rofe 

Eines verachteten Dornſtrauchs Apotheoſe? 


Entſühnendes Grünen 


Denn weil nun alles, was da grünet, 
Iſt von dem Erdenfluch entſühnet, 

So weint die Föhre Freudezähren 

Ob des Erlöſers Wiederkehren, 

Und jubelnd grüßen in dem Wald 
Ihn tauſend Sänger alſobald. 


Die grünen Blättlein auf der Halde, 
Das Frühlingslaub im Birkenwalde 
Verkünden dir auf Schritt und Tritt, 
Daß die und jene Schuld ſei quitt; 


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Und wenn im Sommer fie in fattern 
Und üppigeren Farben flattern, 

Iſt jedes Blatt an Quittungsſtatt 
Ein durchgeſtrichnes Schuldbuchblatt. 


Weißt du, warum im hohen Norden 
An ſeinen felſigen Fjorden, 
Auf ſeinen Bergen, ſeinen hehren, 
Nur Tannen wachſen und nur Föhren? 


Allwo der Sommer iſt ſo kurz 

Als wie des Murmelbaches Sturz, 
Da muß das ganze Jahr was grünen, 
Daß ſtill nicht ſtehe das Entſühnen. 


Blumen auf einem Wieſenpfad 


Wondrer, ſtehe! Kennt dein harter Sinn 
Kein Erbarmen mit den holden Kleinen? 
Blicke tiefer in ihr Auge hin, 

And die ihren blicken in die deinen. 


And iſt nicht dein Fuß wie feſtgebannt, 
Wenn ſich bittend ihre Häupter regen? 
Wandrer, ſtehe! Dies iſt heil'ges Land! 
Wandrer, kehre! Geh auf andern Wegen! 


Im Tannwald 


Anheimlich hört ſich an im Wald das Knarren 
Der Tannen, die, von andern überhangen, 
Hinauf zum grauen Abendhimmel ſtarren. 


So ſtört in Nächten oft, in kummerbangen, 
Der Schlafende den andern durch ein Schnarren 


And ſeltſam Rufen, wirr im Traum begangen. 


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Einſames Blümlein 
Die ſchönen Blumen ſind abgemäht, 
Ein einſam Blümlein noch drüben ſteht, 
Es iſt eine Nelke, 

Faſt welke. 


Die Lieder blumen im Herzen fort. — 
Ach freilich, es ſtehet noch eine dort, 
Doch dieſe, ich kann's nicht faſſen, 

Iſt im Erblaſſen. 


Schmerzloſes Scheiden 


Was wandelſt du, ſo oft die Blätter fallen, 
So gern und freudig nach des Waldes Hallen, 
Am ſüßen Troſt zu ſuchen in dem Haine, 

Daß künftig dir das Sterben leichter ſcheine. 


Sieh an der Blättlein ſonnigen Gebärden, 
Daß ſüß es ſei zu ſcheiden von der Erden; 
Am Blattabfallen und am Laubentwehen, 
Wie leicht es doch ums Sterben ſei geſchehen. 


Letzter Oktoberſtrahl 


Letzter Oktoberſtrahl; 
Weithin das Wieſental 
Reifüberſponnen 

Von Silberſonnen. 


Alles ſo leer, 

Nirgends ein Blümlein mehr, 
Einzig die Lilienroſen 

Der Herbſtzeitloſen. 


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60 


Regen im Walde 


Tiefdunkler wird's im Wald und abendtrüber, 
Der Himmel fpannt ſich wolkenſchwer ihm über. 


An trüber Rinnfal dort, am Bach, dem raſchen, 
Die Blümlein ſtehn ſo farblos und verwaſchen. 


Auf engem Waldpfad, düſter und geſchloſſen, 
Ein Dämmerfalter flattert auf verdroſſen. 


Vorüber hier mit leiſem Flügelſchlage, 
Ein großer Vogel huſcht ſo ſcheu und zage, 


Weil ſchnöd von Licht und Sonnenſchein verlaſſen 
Das Leben hier im Wald, dem regennaſſen. 


Schmetterling und Spinne 


Der Schmetterling, der auf dem Rofenblatt 
So wonnig wiegt die Pfauenaugenflügel, 
Iſt's nicht der Engel in der heil' gen Stadt 
Am Gottesthrone und am Zionshügel? 


Das Giftinſekt der Spinne, oft ſo leicht 

Im Heiligtum der Nelken und Violen, a 
Iſt's nicht der Satan, der ſo oftmals ſchleicht 
Der heil' gen Gottesſtadt entlang verſtohlen? 


Die Roſe 


Was kein Aug' geſehen hat 
And kein Ohr gehöret, 

Von der ew'gen Gottesſtadt 
Mich der Geiſt belehret: 


An der Noſ' im kleinen 
Sieheſt du der Engel Chor 
Vor dem Herrn erſcheinen. 


Dieſe Fäden, die ſo klar 
Hier den Kern umgeben, 
Sind der Seraphinen Schar, 
Die den Thron umſchweben. 


And ſtatt deren Lobgeſang 
Nimm der Düfte Lieder, 
Gleich iſt ihrer Seelen Drang, 
Nur nicht ihr Gefieder. 


Sieh, und wie am Außenrand 
Blätter roſenfarben: 

Heil'ge ſind's vom Erdenland, 
Die im Glauben ſtarben. 


Die umſtehn den ſel'gen Kreis 
Mit getroſtem Mute, 
Eingetaucht die Kleider weiß 
In des Lammes Blute. 


Glaubensſymbole 


Der Chriſtusglaube gleich der Noſe ſteht 
In reiner, ſtiller Gottesmajeſtät. 

Doch wer ſie ſcheut, die Dornen ſcharfer Pflicht, 
Der nahe dieſer Wunderblume nicht. 


O Tulpe, du! O du Kalifenbraut! 
Im Kleid des Iſlam dich mein Auge ſchaut, 
Voll wilder Glut und voll von Farbenpracht, 
And märchenduftig wie die Mondesnacht. 


15 Pilger, ſpricht er, ſchau empor! 


61 


Und der Brahmine fit am See und finnt, - 
Schaut ſtundenlang, indes die Zeit verrinnt, 
Der Lotosblume Gottesangeſicht 

In ſüßen Träumen, und ergründet's nicht. 


And Volk aus Zion, wie ſtellſt du dich dar? 
O unvergänglich und unwandelbar, 

And unverwelklich wie der bleiche Strauß 
Der Immortellen auf des Grabes Haus. 


Waldesglocken 


Laſſet euch künden: 
Es ſoll verſchwinden 
Die Qual der Erde, 
Daß Friede werde. 


Was ſteht ihr da, ihr Glöcklein ohne Klang, 
Den Eichenbüſchen und dem Weg entlang? 


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Dem Weg entlang am duft'gen Waldesrand, 
Taubſtummen Töchtern gleich im Kirchenſtand? 


Wir läuteten vorzeiten ſpät und bald 
Den Abend und den Morgen an im Wald, 


Wir hatten einſt ein klangvoll feines Ohr, 
Da kam der Menſch mit ſeiner Sorgen Chor; 


Wir läuteten einſt über Berg und Tal, 
Da brach der Menſch herein mit ſeiner Qual, 


Da flehten wir vor Gottes Heiligtum: 
Ach Gott im Himmel! Mach uns taub und ſtumm! 


Mach Ohr und Zunge vorher nicht mehr frei, 
Bis Friede wieder auf der Erde ſei. 


62 


So ſtehen wir und warten immerdar, 
So ſtehen wir und warten Jahr für Jahr; 


Auch halten wir die Himmelsfarbe treu, 
And Jahr für Jahr wird unſer Glaube neu: 


Daß wir zuſammenläuten im Verein, 
Wenn einſt der Himmel wird auf Erden ſein. 


Ein Sonntagskind muß läuten uns, und dann 
Iſt abgewendet wohl von uns der Bann, 


Dann läuten wir, wie einſt, ſo nah und fern 
Den großen Sonntag an, den Tag des Herrn. 


Zuviel 


Zuviel der Grüße ſind's, die mir begegnen, 
Der Blüten, die auf mich herniederregnen. 


Zuviel der Rufe ſind's, die um mich ſchallen 
Bei meinem Luſtgang durch die Waldeshallen. 


Zuviel des Sanges iſt's, den zu erwidern 
Ich nicht vermag in meinen Frühlingsliedern. 


Zuviel der Strahlen ſind's, zuviel der Sonnen, 
Der Wunderblumen und der Wunderbronnen; 


Zuviel des Schönen, das ich nicht kann faſſen 
And traurig nur muß wieder ſchwinden laſſen. 


Armſelige Menſchenſprache 


Armſel'ge Menſchenſprache! Hart, verdorrt, 
Die für die vielen Düfte hat kein Wort, 
Für die Gerüche all auf weiter Flur 

Hat keinen Namen, keine Klangfigur. 


63 


Wie anders iſt's auf ſel'ger Sterne Bord, 
Wo Sprache iſt der heil'ge Duftakkord, 

Den Weſen all in dieſem Lichtazur 

Das Wort nicht fehlt, das duftentfloſſ'ne nur. 


Geweihete Nächte 


Wenn iſt verglommen der Tag und leiſe mit ſchattenden 
Schwingen 

Niedergeſenkt ſich die Nacht, ſüß dunkelnd, erwachen der 
Düfte 

Geiſtlein in der Viol' und erfüllen mit Hymnen die Nacht⸗ 
luft; 

Duftlied, ſel'ges, entſtrömt weißſchimmernder Orchis. Ge- 
heim bleibt 

Alltagsmenſchen ihr Sang wie Klügelnden. Hirten des 

Felds nur, 
Sonntagskindern allein, frommgläubigen, wird ſie, die Bot⸗ 


ſchaft. 


Wirkung des Weins 


Purpurne Gluten des Weins! Ihr einet die Geiſter. In 
f Eintracht 
Sitzen der Feind und der Freund traulich beim fröh⸗ 
lichen Mahl. 
Purpurne Gluten des Weins! Ihr trennet die Geiſter. 
Gemeines 
Sondert als Schlacke ſich, rein fließet das edle Metall. 


Bachnymphen 


Dreie der Nymphen des Bachs, in Blumen verwandelt, — 
wer kennte 

Dich, o Gerania, nicht, dich Purpurmägdlein und Hild⸗ 
haar? — 


64 


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Niefen den Sänger dereinſt zum Richter: Welche die 
Schönſte? 

And er erkannte den Preis dem gefälligen, freundlichen 
Hildhaar. 

Dankbar lohnt ſie mit Duft, ſüßwonnigem, jeden der 
Menſchen; 

Weiß ſie doch nimmer den Mann, der einſt ſie bekrönte 
als Nymphe. 

Aber mir ſelber, der dir als Sänger in heiliger Vorzeit 

Reichte den köſtlichen Preis, mir lebt noch fort in Er— 


inn'rung 

Kunde des früheren Seins, und Kunde des göttlichen 
Amtes. 

Aufblitzt, Schöne, dir nie, wenn Dank du haucheſt im 
Duftlied, 


Auch die Erinnerung des, der einſtmals reichte den Kranz dir? 


Wer bemißt es 


Anſcheinbare Geſtalt. Wer mag draus bemeſſen des Innern 

Schönheitsentfaltung, des Geiſts Hochflug? — O ſieh, wie 
der ſchwarzgrau 

Häßlichen Zwiebel entſproßt ſchön göttlich ein Hyakinthos! 


Jäterinnen im Garten 


Jätende Frauen ich hatte im Garten, und ſiehe, ein 
Spinnlein, 

Mühſam Eier im Sack nachſchleppend, ängſtlich davonfloh. 

Daß du nicht es zertrittſt, o Jäterin! — Biſt du doch ſelbſt 
auch 

Mutter, gerade wie dies mißachtete, häßliche Spinnlein. 

Schon' es, daß nicht ein Gott auch ſelber zertrete ein 
Kind dir! 

Wagner, Geſammelte Dichtungen 5 


65 


Traurige Wandlung 


Jige, du Prächtige! Dir alleinzig zuliebe entwandl' ich 


Heute dem ſchattigen Heim, und lenke zur graſ'gen, zerfallnen 
Weinbergmauer den Schritt. Denn heiliger als dort auf 
Gräbern 
Rofe mir ſprießet und Nelke, biſt du mir, Blume der 

. ſchönſten 

Jugenderinnerung, die verwachſen mit dir iſt. Verwachſen, 

Ilge, wie ſelbſt du dem Hag wildſproſſender Kirſche. — 
Hier will ich 

Andacht halten mit mir. Zwieſprache pflegen mit meiner 

Kindheit wieder, ich Greis. — Ha! Dort das Geftäffel 
herauf ſeh' 

Selbſt ich, wieder ein Kind, mich wandeln zur Seite der 
Mutter. 

Fröhlicher Knabe, der du nicht ahneſt die traurige Wand⸗ 
lung, 

8 und laß dich beſchaun! Zu Tränen rührt mich dein 
Anblick! 


Mein Herbſt 


Herbſt! Wann iſt er in mir? Freund, wiſſ' es: Wenn die 
Erinn' rung 
Ab iſt geſuchet, mein Geiſt darbt in der vollen Natur. 
Schaufle das Grab mir ſodann, und ermahn' mich zum 
eiligen Fortgehn, 


Wenn mein Auge nicht mehr funkelt bei Schönheit und 


Licht 


Vergebliches Rückerinnern 


Nordlandsbirken zu drei'n ſtehn dort auf ſumpfigem Heid⸗ 
land, 
Nahe dem Afer des Sees. Am riſſigen Stamme der höchſten 


66 


rr . m A e. 


Fr Lehn“ ich und lauſch' ich, und ſinn' verklungenen Stimmen 


der Fernzeit 
Dort aus der Ewigkeit nach. Denn bin ich nicht ſelber bei 
vielem 5 


Einſt ſchon geweſen und weckt melodiſches Blättergeſäuſel 
Nicht die Erinnerung mir? — Ach freilich! Dunkel ent- 


ſinn' ich 


Mich der vergangenen Zeit, doch ſchwindelt das Hirn mir. 


rr a Bi 5 
R Sa 
* 75 1 74 Y 


| Verzichtend 
Raff ich empor mich. Zu ſchwer, Allwdiſſender, iſt mir 
der Faden. N 


Lärche und Birke 


Schweſterlich ſtehn ſie geſellt im Park dort, Lärche und 
irke; f 
Jene des hohen Gebirgs breitſchultrige Tochter, und dieſe 


Höheren Wuchſes und ſchlank mit ſchneeweiß ſchimmerndem 


Baumleib. 


. Aber gemeinſam iſt wohl allbeiden des fließenden Haupt— 


| haars 
Niederhängend Geflecht, jungfräulich ewig und lenzfroh. 


Tollkirſche 
Wo ſie gerodet unlängſt den Hochwald — bleichende Wurzeln 


Deuten die Stätten des Mords — da ſproſſen verlockend 


nun ſchwarze 
Glänzende Beeren hervor, einladend zu tödlichem Naſchen 
Sie, die Mörder, ſodann, als Rächerin pflanzlichen Lebens. 
Wahr und ewig gerecht Natur iſt: Tödlicher Wahnſinn 


3 War's, zu tilgen den Wald. — Tollkirſche richtet die Tollheit. 


5* 
67 


Mein Sang 


Nicht an der Kanna berauſcht mein Geiſt ſich zu Liedern, 
noch an des 

Kaktus flammender Pracht, noch Palme des Südens. In 
kleine 

Veilchen dort im Geheg, Waldlilien und Anemonen 

Webt die Erinnerung gern farbglühende Bilder der Einſtzeit. 

Hier auf heiligem Grund einheimiſcher Fluren da wurzelt 

Einzig die ſelige Kraft. — Nicht auswärts treibt ſie in 
Blüten. 


Chriſtröslein 


Weißdorn, knorriger du, am Parktor, jeglicher Feſtzeit 
8 9 du Blumen und Schmuck. Im Oſtern bietet das 
Veilchen 
Hier e Gruß. Zur Pfingſtzeit ſteheſt du ſelbſt wohl 
Schön in roſiger Pracht. — Doch nüchterner werden die Tage, 
Wochen und Monde des Jahrs, und ſchmucklos, wenn der 
Advent dich 


Antritt, ſteheſt du da. — Doch Weihnacht beut dir erneuten, 


Lenzgleich ſchimmernden Schmuck. Chriſtröslein ſind es, 
die einz' gen 

Blühenden Sterne der Flur auf weithin verſchneietem Erdreich. 

Friedvoll ſtehen ſie hier in beſchützender Zweige Amarmung. 


Tannglöcklein 


Vom Chriſtkindchen erbat Tannbäumlein ſich blühende 
Zweige. 

Biſt du nicht höher geſchätzt als alle die andern? So 
ſprach das 


Göttliche Kindlein. Jedoch weil lieber mir ſelbſt du als alle 
Anderen Bäume im Wald, ſo mögen erſprießen in deinem 


68 


Schatten die Glöcklein des Tanns, Pflegſöhnlein, liebliche, 
ſchöne! — 

And es geſchah nach dem Wort: Tannglöcklein ſchmücket 
den Tanngrund 

Aber den Sommer, dem Baum ſo kürzend die Zeit der 
Erwartung; 

Denn wenn wiederum iſt Sonnwendnacht, ſtrahlt er im 

Lichtglanz. 


Schön, ſchöner, am ſchönſten 


Schön wohl iſt es im Lenz, wenn weithin im ſonnigen Walde 
Die Anemonen erblühn, noch ſchöner im Herbſt, wenn die Nelke 
RNoſengewölke geſenkt ringsum auf Grasflur und Lichtung. 
Aber die wonnigſte Zeit und Feſttagswoche des Jahres 
Sit, wenn die Rofe erglüht am ſonnigen Rain und am Feldhag, 
And wie ein Liebchen mich grüßt, großaugig, herüber vom 

Waldſaum. 


Wegfackeln 


Grad' als flammte ein Buſch hellauf, und Rufe des Weltgeiſts 

Tönten den Ather entlang, unhörbar anderen, aber 

Mir vernehmlich erklang's vom feurigen Buſch her: Nicht lieb' ich 

Steinerne Häuſer, o Menſch! Auf blühenden Fluren und unter 

Grünenden Birken im Hain, und im Hochwaldſchatten der 
Buchen 

Ehr' inskünftig er mich. Du, künd' es den Sterblichen! Ziehe 

Aus die Schuhe ſofort, denn hier iſt geheiligter Boden! — 

Labkraut flammte am Dorn als feuriger Buſch mir. Am 

f Weg dort 

Strahlte der Leuchter der Nacht fünfarmig mit blendenden 
Kerzen, 

Auch ein Johanniskraut war' 8, Wegfackel ſomm' riger Nächte. — 

Drunten im Tale doch lag in geruhigem Schlummer mein 
Dörflein. 


69 


Ein ſeliges Bild 


Tiefſchwarz hebt ſich der Wald dort drüben vom bleichen 
Gefilde 

Reifender Gerſte, des Korns und des Roggens rauchender 
Halmflur, 

Von der Luzerne Geländ, grünwogend längshin des Feldwegs. 

Falter in ſchimmerndem Kleid entſchweben den bläulichen 
Blüten, 

Langſam, feierlich ſtumm, hinauf ſich ſehnend zum Ather. 

„Ihr in Kleidern wie Schnee, und ledig der Schwere, o ſagt mir: 

Seid Verklärete ihr, und tragt ihr der Sel'gen Gewandung?“ 


Frühherbſt 


Ale nach Oſten den Blick, wie betende Pilger, ſo ſtehen 
Wegwartblumen am Weg. — Nicht ſtör' aus ſeliger Andacht 
Auf fie, Wanderer; laß neugieriges Fragen und Anſchaun! 
Still geh' weiter des Wegs und dränge ſie ja nicht zur Antwort! 


Heimat 


Bietet die heimiſche Flur nicht genug mir der Reize, und 
birget 

Nicht die germaniſche Au, was Hellas dem griechiſchen 
Sänger 

Barg in den Tagen, da noch durchtränkt es von göttlichen 
Mythen? 

Kann ich bevölkern nicht ſelbſt mit tauſend bunten Geſtalten 
Wälder und Auen, den Bach anfüllen mit Nymphen, 
Najaden? 

Redet die Blume, der Baum nicht alsbald, wenn ich fie 

frage? 
Iſt fie, die rieſelnde Glems, nicht Peneus, ſilberner, jetzt mir, 
Dort das idylliſche Tal nicht auch ein idylliſches Tempe? 


70 


3 
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7 
4 
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Hebt ein Olympos, ein dicht von Eichen befchatteter, nicht ſich 
Aber die Wipfel des Walds, Wohnſtätte des Wolken— 
verſammlers? 


Göttlich heimiſche Flur, nicht miſſ' ich Theſſaliens Gefilde! 


Jugend im Alter 


Wie auch ſpät noch im Herbſt um wetterzerfreſſenen Zaunpfahl 
Windenblume ſich ſchlingt mit weißem Lilienkelche, 

And das Geranium lugt aus halbentlaubtem Gehege, 
So auch frage du nichts nach der Borke herbſtlicher Jahre, 
Farbige Blüten dir web' auch ins entblätterte Alter. 


Letzter Wunſch 


Nun ich beendet mein Werk und beſungen im Liede das letzte 
Blümlein, ſonnig verklärt Kampanulawieſe und Waldſaum, 


. Feldrain, roſiges Hag und die Steilwand der Pulſatilla, 


Sehnet mein Geiſt ſich zur Ruh’, und nichts ſonſt wünſch' ich, 
| als ſelbſt mich 

Anentwürdigt und rein hinüber zu retten ins ſchöne 

Land der Gefreiten und nicht einbüßen die Krone des Siegers. 


ü Auf der Steige 
Sonntagabend iſt's, ſpät. — Nur hie und da noch ein 


Lichtlein 2 
Drinnen im Dorfe, und horch: Ruft nicht der Wächter ſein 
Zehnuhr 
Schon in den Gaſſen, den leer weithallenden? — Oben im 
Eichwald 


Aber der Steige ertönt ſüßſchmerzlich ein Lied noch. Des Dorfes 
Jungfraun ſind es, die dort luſtwandeln am Arme des Jünglings 
Nieder die Steige; und horch: Der Ziehharmonika ſüße 


71 


Schmelzende Töne, fo tief und langhingezogen, erfüllen 

Weithin die tauige Nacht. — In bläulich ſilbernem Lichtglanz 

Steht am Himmel der Mond und rings um ihn tauſend 
der Sternlein. 


Freundliches Dörflein 


Freundliches Dörflein allhier am ſtrudelnden Bache, geſegnet 
Biſt mit den Nelken du doch, den gefüllten. Jegliches Fenſter 
Zeiget von Blumen ein Brett. Wo alſo das Schöne gehegt wird, 
Fehlet der Segen auch nicht. And wahrlich, geſegnet mit ſchönen 
Mägdlein biſt du, o Dorf. — Wo eins iſt, fehlt nicht das andre. 


Auf dem Heimweg 


Fort aus der Stadt, die hoch die Türme recket! 
Schad' für das Silbertuch, das ſie umdecket! 


Tief liegt der Schnee auf Pfad und Wegesfalten, 
Doch keine Macht auf Erden ſoll mich halten! 


Spießbürgerlich umfäht mich Erd' und Himmel, 
Vom Markte her ein pöbelhaft Gewimmel. 


Altvätriſch ſteif die Jungen gleich den Alten, 
Beim ew'gen Gott: Es iſt nicht auszuhalten! 


Kein Mädchen hier in voller Schönheit Prangen; 
Hier iſt des Himmels Segen ausgegangen. 
Der Birkenwald 


Den Birkenwald in ſeiner Maienpracht | 
Die böfen Menfchen haben umgebracht. 


Den Birkenwald, der von der Steige Höhn 
So freundlich auf das Dorf herabgeſehn, 5 


72 


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Den Birkenwald, in dem ſeit alter Zeit 
Der Jüngling um die Jungfrau hat gefreit. 


Der Birkenwald, von dem manch ſüßer Sang 
Sonnabends in das Dorf herniederklang, 


Der iſt nun nicht mehr. — Weidenröslein ſtehn 
Als ſchmucke Bräutlein auf der Steige Höhn, 


And was den Jüngling ſelig hier gemacht, 
Hat ſich gewandelt nun in Rösleins Pracht. 


Auf der Lichtung 


Sommermittag auf dem Hochwald brütet, 
Aber auf der Lichtung, treu behütet 

Vom Geflechte dunkler Brombeerranken, 
Wachen auf des Waldes Lichtgedanken. 


Falter ſind es, die ſo farbenprächtig 

Auf der Lichtung, ſonnig halb und nächtig, 
Dieſe Brombeerblüten ſtill umbeben, 
Purpurdiſteln geiſtergleich umſchweben. 


Sagt mir an, ihr ſtillen Geiſterfalter 
Auf der Lichtung: Wieviel Zeitenalter 
Ihr im Banne laget bei den Toten, 
Eh ihr wurdet ſolche Wunderboten? 


Im Sommer 


Auf roſigen Blütenähren 
Da iſt ein wonnig Gewähren: 
Buntſcheckige Falter nippen 
An purpurnen Blumenlippen. 


73 


Wie anders bei Menſchen! Die müſſen 
Stumm weiter und dürfen nicht grüßen, 
Ob ihnen die Augen auch tauen 

Beim traurigen Rückwärtsſchauen. 


Dich, Wieſe 


Dich, Wieſe, dich, Rain mit dem Noſenhag, 
Dich lieb' ich immer bei Nacht und Tag! 
Dich, Tannenwald aber, dich, Birkenhain, 
Dich lieb' ich erſt bis ins Herz hinein! 


Waldestöchter 


Das ſind Waldestöchter, dieſe weißen 

Feinen Leiber, die wir Birken heißen, 
Mädchengleich in ſchlanke Form ſich zwängend, 
Mädchenhaft die Flechten niederhängend. 


Hört, was euch der Sänger wünſchen möchte, 
Töchterſchar mit maiengrüner Flechte: 
Wünſchen möcht' er, daß der Sommer nimmer 
Bleichen möchte euren Maienſchimmer. 


Das Blümlein Rührmichnichtan 


Zum Walde wandl' ich, wo aus der Ruine 
Der Klauſe ſprießt die wilde Balſamine. 


Da grüßt mich fremd ein ſcheues, früchtegelbes 
Rührmichnichtan aus Trümmern des Gewölbes. 


Aus ihm heraus hör ich den Alten ſprechen: 
„Rührt mich nicht an, Ihr Neuerer, ihr frechen!“ 


74 


„O rühret nicht an der Gelübde Feſſel! 
Rührt uns nicht an!“ warnt dort die Waldesneſſel. 


O ſtört uns nicht in. unſrer Totenhalle, 
Laßt toben eure Welt hinab zum Falle! 


Erſtanden nun als Blumen neu hienieden, 
O ſtört uns nicht in unſrem Blumenfrieden! 


Waldröslein 


Das Eichenlaub glitzernd malen 
Des Nachmittags Sonnenſtrahlen, 


So wie verglaſete Ziegel 
Oft glitzern im Mittagsſpiegel. 
Lichtgrünes Dämmergefunkel a 
Durchzittert des Waldes Dunkel, SE 


Wie durch die Läden ins Zimmer 
Hereinblitzt der Mittagsſchimmer. 


Ein Meislein nur ſingt gar leiſe 
Eintönig die alte Weiſe, 


Wie in der Stube ſo ſtille 
Großmutter lieſt die Poſtille. 


Waldröslein ſtehen am Wege, 
Wie Kinder auf Hauſes Stege, 


Die ſitzen, ſpielen und lachen, 
And müſſen das Haus bewachen, 


Bis Vater kommt von den Reuten!, 
i Beim Ave Maria:Läuten, 


! Schwäbiſch: Baumäcker (Wagner). 
75 


76 


Der gefällte Wald 


Wo ſie den heil'gen Eichenwald gefällt, 
Da ſtehen Stümpfe, ringsum Stock an Stock, 
And Pilze ſind auf dem und jenem Block 
Als irdne Tränenſchalen hingeſtellt. 


And Tau und Regen füllt ſie ſpät und bald, 
And wenn vorüber grimmes Wetter rollt, 

Hier mehr als ſonſt des Donners Bannfluch grollt, 
Hier mehr als ſonſt der Blitz durchzuckt den Wald. 


Wie einen Kaiſer einſt ein altes Weib, 
So hält geringes, unſcheinbares Moos 
Mitleidig nun als Leichen in dem Schoß a 
Der Wälderfürſten wunden Heldenleib. 


Wie Sterbgeſtöhne tönt's aus dem Geäſt, 

And da und dort ſchleicht einer ſtumm vorbei, i 
And lauſcht des Regnens Trauermelodei, . 
Und hört die Vöglein klagen aus dem Neſt. 


Waldſilene 


Grasſilenen, wo ich hin mich wende. 
Klingt es nicht wie eine Mailegende, 


Daß das Gras ſelbſt ſucht mit weißen Blüten 
Seines Waldes Heiligtum zu hüten? 


Mahnung iſt es, daß mit reinen Sinnen 1 
Du betrachteſt dieſe Prieſterinnen 1 
Weißgekleidet, daß nicht andre Liebe 3 
Deiner Andacht hohe Inbrunſt trübe. 


Mahnung iſt es, daß du nur mit Beten 8 
Dieſes Waldes Tempel ſollſt betreten. 1 


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Rofengärten 


Nach den Roſengärten möcht' ich wallen, 
Andachtsvoll in ihnen niederknien, 
Lauſchen all den Roſenmelodien, 

Die an meinem Geiſt vorüberhallen, 


Lauſchen all den ſüßen Himmelsworten 
Von den frommen Lippen der Madonnen, 
Am geſättigt jo von Schönheitswonnen 
Selig zu verlaſſen dieſe Pforten. 


Victoria regia 
Im Garten der Wilhelma in Cannſtatt 


Aus des Südens Sonnenwelt, der heitern, 
Laſſet heute, engen Blick zu weitern, 


Her uns tragen auf des Wunſches Flügel, 
Amazonas weite Waſſerſpiegel: 


Auf die Lichtung fällt der Arwaldſchatten, 
Auf die Fluten rings, die ſonnenſatten. 


Mach ihn los, den Kahn, und faß ein Ruder, 
Farbiger Genoſſe du und Bruder! 


Nein, wir reiten auf der Blume Rücken, 
Laß beſteigen uns die Roſenbrücken! 


Sag, wann war es, daß auf gleicher Fähre 
An wir legten an dem Palmenwehre? 


And gelandet in den Ewigkeiten 
Schon einmal an ſolchen Aferbreiten? 


77 


78 


— 


Nilblume 


Biſt der Lüfte Kind, als ob ein Knabe, 
Dem des Himmels Düfte eingeſchenkt, 
Blume dich mit ſeinem Duft getränkt, 
Dich berührt mit ſeinem Engelsſtabe. 


Biſt der Tiefe Kind, als ob ein naſſer 
Perlenfiſcher mit dir aufgetaucht, 

And von Muſchelſchimmer angehaucht 
Dich heraufgeholt vom Grund der Waſſer. 


Opuntia 


Du Kaktus mit der aſchenfarbnen Hülle! 
Wer ahnt in dir noch ſolche Wunderfülle? 
Des Feuerherdes losgelaßne Gluten? 

Der Purpurflammen Ineinanderfluten? 


In dieſer ſtaub'gen Ode allerorten 
Haſt du geöffnet deine Lavapforten, 
Das Herzblut deines Innern auszugießen, 
Das Blume wird bei ſeinem Aberfließen. 


Winternacht 


Kalt und ſtrahlend ſtehet Stern an Stern: 
Fremde Augen und unſagbar fern; 
Teilnahmslos und ohne Liebespflicht 
Steht des Himmels Funkenangeſicht. 


Schneien 


Die Flur hat ſich die Augen trüb geweint; 
Da ſtürmt die Wolkenſchweſter um die Ecke 
And deckt ſie zu mit friſchgewaſchner Decke, 
Stürmt wieder fort, da ſie ſie ſchlafend meint. 


Dreien eee ere 5 AM 0 * 


nd Mutter Sonne kommt und lacht und ſchilt: 
Muß ich mein Kind ſo eingewickelt wiſſen? 

4 And rückt hinweg von Decken und von Kiſſen, 
5 In die der Wildfang es hat eingehüllt. 


Ein Blumenſtrauß aus Florenz 


1 Frohe Botſchaft, Blumengruß vom Lenze 
3 Sendet mir das ſonnige Firenze. 


| Grüße viel aus ſüdlich warmen Zonen 
3 Rlichten aus mir dieſe Anemonen. 


Sieh ſie an doch, Fromme: Wie ſie blauen 
Tröſtlich her in dieſes Wintergrauen! 


. Schau ſie an doch, Bleiche: Wie ſie leuchten 
Mit den Strahlenhäuptern, mit den feuchten! 


Ob die Botſchaft richtig wir verſtanden? 
Auf, hinaus von dieſen Winterlanden! 


1 Auf! Hinweg von dieſem Schneegetriebe 
3 In das Land der Sonne und der Liebe! 


Ob wir beide trotz der Jahre Wunden 
Wieder neu und wieder voll geſunden. 


Trüber Frühling 


Noch liegt die Flur in ſtarrem Froſtverbande. 
Tag ſchleicht an Tag in grauem Wartgewande 
An ihrem Bett vorüber, um zu weinen, 

Daß immer nicht der Frühling will erſcheinen, 

Daß immer nicht der Lenz, der ſtrahlig holde, 

Die bleichgewordne Wang' ihr übergolde. 


79 


Der Loſe ſucht für feines Kuſſes Strahlen 
Nicht eine Braut mit dieſen Altersmalen; 
Er liebt es nicht, zu ſcherzen und zu koſen 
Mit dieſen Lippen, dieſen farbenloſen, 

Nicht dieſen Sterbkranz, dieſen wintergrauen, 
Nicht dieſes Leichenantlitz mag er ſchauen. 


Warnung 


Traue dem Winter noch nicht, vorwitziges Veilchen! O trau' 


nicht, 


Krokus, du Anemon', du Goldkind! Trau nicht, o Gelbſtern! 
Denn noch gekleidet ſo warm in Pelzwerk ſteht Pulſatilla. 


80 


Seidelbaſt 


Seh' ich's drüben in dem Hag, dem kahlen, 
Leuchten nicht als wie von Roſenſtrahlen? 


Rechts und links von edlem Schmuckgeſteine 
Glitzern auf es in dem Winterhaine? 


Sag, wem dankt er dieſe Wunderſpende? 
Von dem Lenzgott künd' ich die Legende, 


Wie er ließ aus lichter Wolkentüre 
Niederfallen dieſe Edelſchnüre, 


Anverhüllt von grünen Laubgardinen 
Dieſe Paternoſter von Rubinen, 


Für die Frömmſte, die in dieſen Buchen 
Nach dem Oſterſtrauße würde ſuchen. 


Primula veris 


Jegliches Bächlein iſt Bach und geſchwollen von ſchmelzen— 
dem Eiſe; 
Kaum aus dem ſchmutzigen Weiß hebt ſich der bräun- 
liche Grund 
Offener Wieſe. — Gegrüßt, Lenzſchlüſſelchen, Primula veris! 
Hoffnung erweckeſt du mir neu in verwinterter Bruſt. 


Der Kuckuck 


Ein Wegbereiter iſt's und ein Herald, 
Der jährlich ruft ſein „Kuckuck!“ durch den Wald. 


Und unerkannt, wie einſt Johannes auch 
In Einſamkeit gelebt nach Seherbrauch, 


In ſchlichtem Kleid, bei Hitze und bei Froſt, 
Gering ſich nährend mit Prophetenkoſt, 


And kinderlos und frei und ohne Heim, 
Daß er vergeſſe nicht der Sendung Reim: 


Der Lenz ift da! Vorbei des Winters Druck! 
Der Lenz iſt da! Der Lenz iſt da! Kuckuck! 


Der Lenz iſt da! Verſchwunden iſt die Qual. 
Sieh, zehnfach hallt's das Echo durch das Tal, 


And durch den Wald, der prangt im Feſttagsſchmuck, 
Ruft's immer freud'ger wieder fein „Kuckuck!“ 


Und immer wieder hallt's wie Jubelſchrei: 
Das Himmelreich iſt nah! O kommt herbei! 


Das Himmelreich iſt nah, iſt aufgetan, 
And ſelig abwärts neigt ſich meine Bahn. 
Wagner, Geſammelte Dichtungen 6 
81 


Doch ging auch unter fie in Schmerz und Blut, 
Iſt freudig doch und ſelig mir zumut: 


Mit eignen Augen hab' ich doch geſehn 
Den Friedensfürſten hier vorübergehn, 


And an des Silberbachs bebüſchtem Lauf 
Zwei weiße Tauben flattern vor ihm auf. 


Die Störche 


Mutter, die Störche find da! — So jubeln herein in die Stube 
Heute die Kinder, es ſteht dampfend das Eſſen bereit. 
Kaum ſie es achten; es iſt ein jegliches ſatt von der Botſchaft: 
Da ſind die Störche! Hinab poltert's der Kirche nun zu. 


Bohnenliedlein 


Haft ſchon lang geſpielt, gehitzt!, 
Mägdlein auf den Gaſſen, 

Mit den Bohnen, blutgeritzt, 
Magſt's nun bleiben laſſen! 


Leg' ſie in die Erde ein! 
Darfſt ſie ja nicht hüten. 

Laß dem Frühlingsſonnenſchein, 
Sie heraus zu brüten! 


Mägdlein, leg' ſie freudig ein, 
Dieſe Feuerbohnen! 
Scharlachrote Vögelein 
Werden es dir lohnen. 


Scharlachrote Vögelein 
Werden aus bald ſchlüpfen 
And beim Sommerſonnenſchein 
Auf die Ranken hüpfen. 


1 Kinderſpiel: Bohnen auf eine Vertiefung zuſtoßen. 
82 


Ua 


Drei Wieſenblumen 


Dort auf dem Wieschen 
Iſt Tanzplatz frei, 

Und 's Gänſelieschen 

Iſt auch dabei. 


Wieſenbocksbärtchen 
Schaut ſie ſo an: 
Dem Schneidermärtchen 
Iſt's angetan. 


Die Dotterblume 

Steht nebendrin; | 
Der böſen Muhme 2 
Iſt's nicht nach Sinn. a 


Begegnungen 
er iſt dem Sänger begegnet 


Auf ſeinem Huldigungsgang, 
Da er durchwandelt, geſegnet, 
Die Fluren ſo wegentlang? 


Die lichten Nelken, die trauten, 
Grüßten aus jedem Geheg, 

Als weiße Jungfrauen ſchauten 
Wartend entlang ſie den Weg. 


Des Schlehdorns wehrhafte Glieder 
Standen ſo da als Spalier, 

Und Kammerherrn hin und wieder 
Mit goldnem Schlüſſel zur Zier. 


And frohe lichtgrüne Fahnen 
Hängten die Buchen heut aus, 
And auf der Nachbarn Mahnen 
Schmückte ſelbſt Eiche ihr Haus. 


6* 
83 


84 


Und Birken als friſche Maien, 
Und Kuckuck als ein Herald, 
And Falter als Hoflakaien 
Begrüßten ihn vor dem Wald. 


Waldgottesdienſt 


Ihr ſchmucken Veilchen in dem Wald der Eichen, 
Ihr Anemonenkinder all', ihr bleichen! 

Ihr ſteht ſo ſtill in dieſen Kirchenbänken, 

Euch in die heutige Predigt zu verſenken. 


Du Tannwald droben mit dem Sängerchore 
Auf ſteiler Höhe, wie auf der Empore, 
Biſt mit den Säulenreihn, den ſilbergrauen, 
Wie eine Rieſenorgel anzuſchauen. 


And wenn die Winde durch die Wipfel ſauſen, 
Vollſtimmig wuchtig die Choräle brauſen, 

Dann ſchmettern durch des Baſſes dumpf Gedröhne 
Der Amſel, Droſſel ſüße Flötentöne. 


And wo die Kirchengänger ſtehn zu Haufen, 
Die Gänge hier in eins zuſammenlaufen, 
Da ragen hoch, vereint zu heil'gem Paare, 
Zwei Eichenſtümpfe: Taufſtein mit Altare. 


Vom Tannendickicht tönt's wie leiſes Beten: 
Aus ſeiner Sakriſtei wird er jetzt treten, 

Der Prieſter, wenn verklungen iſt das Karmen, 
Mit Bibel und Gebetbuch in den Armen. 


Schnee-, Mai: und Blauglöcklein 


Schneeglöckchen drüben am Wieſenſaum, 
Das läutet zum erſten, man hört es kaum. 


Maiglöckchen drunten im Waldestal, 
Das läutet dem Sommer zum andernmal. 


Blauglöckchen droben am Bergesrain, 
Das läutet den Sommer zuſammen ein. 


Im Dreiklang von oben, von nah und fern: 
Das iſt wahrhaftig der Tag des Herrn! 


Blühender Kirſchbaum 


Angezählte frohe Hochzeitsgäſte, 

Groß' und kleine, einfach' und betreßte, 
Herrn und Frauen, Edelfräulein, Ritter, 
Angezählte Väter wohl und Mütter, 
Angezählte Kinder, Großmatronen, 
Jägerinnen viel und Amazonen, 

Freche Dirnen wohl mit Ernſten, Frommen 
Auf dem Edelhof zuſammenkommen. 


Angezählte bräutlich ſchöne Zimmer, 

Da und dort wohl mädchenhafter Flimmer, 
Angezählte roſige Hochzeitsbetten 

And daneben heimlich traute Stätten, 
Rofenfarbig ausgeſchlagne Stübchen 

Für die Harfnerinnen und Schönliebchen, 
Ungezählte Schalen mit Getränken, 
Angezählte Köche wohl und Schenken, 
Angemeßner Raum zu freiem Walten 

In dem Hochzeitshauſe iſt enthalten. 


Angezähltes Kommen oder Gehen, 
Abſchiednehmen, Kehren, Wiederſehen, 
Eſſen, Trinken, Tanzen, Liebesgrüßen, 
Liebgewordenes Amarmenmüſſen; 


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Angezähltes inniges Umfaffen, 
Götterfreies Sichgewährenlaſſen; 
Angezähltes Leid- und Selbſtvergeſſen 

In dem luft'gen Saale — währenddeſſen 
Angezählte ſelige Minuten 

An dem Freudenheim vorüberfluten. 


Maiblume 


Muß nicht der Herr gewißlich wandeln gehn, 
Gewißlich wandeln gehn in dieſen Tagen? 
Ja oder wird vielleicht vorbeigetragen 


Sein heil'ger Leib allhier mir ungeſehn? 


Muß eine heil'ge Feſtzeit es nicht ſein, 

Wo unſichtbar an allen Waldesenden 
Chorknaben knien, Maiglöcklein in den Händen, 
Im grünen Laubwerk ſeiner Säulenreihn? 


Im Waldesdome wird jetzt nah und fern 
In tauſend Sprachen, millionen Zungen 

Ein tauſendſtimmiger Lobgeſang geſungen 
Und ausgeſprochen oft der Nam’ des Herrn. 


And tönt ein Gottesname durch den Dom, 
So laſſen wir die Glöcklein hell erklingen! 
And ſiehe nur, wie wir das Nauchfaß ſchwingen 
Mit ſeines Weihrauchs lieblichſtem Arom. 


Doch wenn der ſüße Wonnedienſt dahin 
And anders wir nicht mehr zu leben wiſſen, 
Sieh die damaſtnen grünen Ruhekiſſen, 
Auf denen wir verſcheidend niederknien. 


Syringenfonntag 


O fiehft du nicht die Silberkelche hangen, 
Das Pfingſtenwehen in ſich aufzufangen. 


Wer dürſtet, komm; wer will, der möge nehmen, 
Wo alle Lebenskelche überſtrömen. 


So will ich Armer nimmermehr mich ſäumen 
Zu nahen freudig deinen Blütenbäumen, 


i Ob ich, Syringen, eure Sprach’ verſtehe, 
ö Der Pfingſtenſegen auf mich niederwehe. 


Kartoffelfelgen 


Auf, die Hacke zur Hand und lockert die engenden Schollen! 
Ankraut ſchaffet beiſeit'!! — Neugierig ſchaun der Kartoffeln 
Bläßliche Triebe verſchämt herein in den ſonnigen Maitag; 
So wie Kinder im Spalt der halbgeöffneten Türe 

Schämig gucken umher, ob niemand ſie ſehe im Hemdlein. 


Hochſommer am Bach 


Verſiegt der Bach. — Die ſchlammgetrübten Tümpel 
Amſtehn des Schilfrohrs leichtbeſchwingte Wimpel, 


And ſilbriggrüne Fahne ſteht an Fahne, 
Durchbrochen licht wie Bahrtuchs Filigrane. 


Dort Weideriche mit den dunkelroten 
Feſtblumen trauernd an dem Bach, dem toten, 


Denn von dem niedern Ufer ſchaun die welken 
Jüngſt abgemähten ſchönen Waſſernelken. 


87 


Libellen ſchillernd fahren hin darüber, 
Das gelblichgrüne Waſſer brütet Fieber; 


Denn nebenan dem heil'gen Sommer bleichen 
Der abgeſägten Pappeln ſchlanke Leichen. 


Hochſommer im Walde 


Brombeeren, blühende, drauf ein Falter mit goldenen Flügeln, 

Leopardig gefleckt, ſich wiegend im Glanze des Mittags, 

So hochſommerlich ſtill und ſchweigend ruhet der Wald rings. 

Nur ein Mücklein ſumſt, und drüben auf ſteiniger Straße 

Raffelt ein Wagen. — Vorbei. — Nun wieder die brütende 
Stille. 


* * 
* 


Weithin gelbliches Meer von gebleicheten Gräſern, dazwiſchen 
Nieder Geſträuch und Gebüſch als der Birken freundlicher 


Anflug, 

Blendend beſtrahlet vom Licht hochſommerlich glühenden 
Mittags. 

Dicht am Wege wie ganz zum Lieben und Träumen ein 
Waldhaus. 


Hier gilt Stunde nicht mehr, unhörbar gleitet die Zeit hin. 


Schönheit unverletzlich 


Auszuraufen im Korn das üppig wuchernde Unkraut, 
Wandelt' der Flur ich entlang. Von fern ſchon ſah ich 
erglänzen 
Blau von Zyanen und tief purpurn vom Mohne das Saatfeld. 
Zwar mich betrübend darob, doch wonniglich ſchwelgend im 
Anſchaun 


88 


Dieſer unfäglichen Pracht ftand ich: Nicht ſtör' ich den 
Frieden, 

Flur, hochgöttliche, dir, ſtets ſei mir heilig die Schönheit! 
Nimmer verletz' ich ſie, gerne vermiſſ' ich die fehlenden 
Garben! — 

Sprach's und kehrete heim, ſtillfreudig und göttlich gehoben. 


| Spätfommer 


Auf ſonniger Halde 
Im Walde 
Betonica glühet, 
And Heide blühet. 


Blauglöcklein auch 

Dort im Liguſterſtrauch; 

Doch ſchon da drüben am Weiher 
Herbſtliche Schleier. 


An den Gärten hin 


Noſig glühn 

Aus dem Grün 
Pfirſiche, dort nickt die Traube 
Purpurn aus dem Rebenlaube. 


Lieblich winkt, 

Golden blinkt 
Dort die Birne, hier die Quitte 
Aus des dunklen Laubes Mitte. 


Dunkelblau 

And vom Tau 
Noch befeuchtet liegt die Pflaume 
Hingeſtreut am Wieſenſaume. 


89 


Septembernachmittag 


Schon iſt entflohen die Schwalbe dem häuslichen Dache, 
und mühſam 
Schleppt ſich der N hin ob dem entleereten 
Feld 


Sonnſchein füllet das Tal und die ſtoppligen Acker, doch 
gelb ſchon 
Schauet hinüber zur Höh' ſcholligen Hügels der Wald. 
2 85 wie die Staren ſich ſammeln in | chwärzlichen Schwärmen — 
O könnt' ich, 
Selbſt auch beflügelt, entfliehn dieſer beengenden Welt! 


Nach der Ernte 


Nur ein Kartoffelfeld noch und einzelne Länder mit Rüben; 
Dort ein Bauersmann, der auf ſtopplige Acker den Dung fährt 
Totenopfer er bringt dem noch ungeborenen Leben. — | 
Sieh, ſchon nahet der Pflug, und hinter ihm ſchreitet der 
Sämann. 


Kartoffelgraben 


Von dem niedern Hügel, ſchwarzer Scholle 
Dunklem Haus, 

Die Kartoffel grabt, die heil' ge Knolle, 
Freudig aus! 

Zieht hinaus ins fleckige Gelände 
Herbſtlich grau, 

Wühlt ſie auf der Erdengeiſter Spende 

N Gelb und blau! 


Aus der engen Stube, finſtrer Kammer 
Trautem Schoß, 

Von der Mutterfinger letzter Klammer 
Trennt ſie los! 


90 


Daß ihr Segen bei des Abends Mahle, 
Dampfend friſch, 

Mehlverſtreuend aus geſprungner Schale 
Füll' den Tiſch! 


Hausgärtlein im Spätherbſt 


Dunkelrote Rüben, Kohl und Möhren 
An des Gärtleins ausgetretnen Kehren. 


Bohnenblätter, angewelkte Schoten, 
Hier am Zaun dem Frühreif freigeboten. 


Einzig noch die Aſter ſteht im Staate 
Drüben in dem Tiefgrün der Salate. 


Stolzer doch aus ſchwarzer Beete Krume 
Hebt am Weglein ſich die Sonnenblume. 


Schnurrend in des Schlafbehagens Wonne 
Eine Katze liegt dort in der Sonne. 


Neſſeln, Kletten rings in jeder Ecke, 
Dort am Fenſter Balſaminenſtöcke. 


Frommer Glanz von traulich ſtillen Wonnen 
In das kleine Gärtlein iſt verſponnen. 


Diſtelhäupter am Weg 


So wie ſich Greiſe ergehn beim Sonnſchein, abends, ſo 
ſtehen 

Diſtelhäupter am Weg. Weit glänzt ihr ſilbernes Haupt⸗ 
haar. 

Leicht mag ihnen der Tod wohl werden, wenn nächſtens 
das große 

Sterben beginnt in Wald, 5 Feldflur, Heide und Talgrund. 


91 


Gruß an Warmbronn 


Us ift geerntet das Feld, nur einzig verſpäteter Haber 
Steht da drüben, und doch: Wie warm, wie ſommerlich, 
f ob auch 
Gelb am Saume des Walds ſich überneigen die Birken. 
And auf die Höhe der Heide da ſchauen von ferne die dunklen 
Schwarzwaldberge herein, und ſilbrig glitzert ein Weiher. 
Sei mir geſegnet, du Land des Sonnſcheins, freundliche 
Heimat! 


Ein müdes Blättlein 


Vom Weidenbaume, 

Als wie im Traume, 

Ein müdes Blättlein zur Erde fiel, 

So gern und willig, des Windes Spiel. 


O könnte auch ich 

Gleich williglich 

Lenzſproſſender Wünſche mich ſo begeben, 
Verzichten auf Minnen und Weiterleben! 


Herbſtlied 


Wenn die Blätter fallen 
Von des Nordens Hauch, 
Graue Nebel wallen 
Aberm Weidenftrauch, 

Iſt das müde Toſen 

And die öde Flur 
Meines freudeloſen 
Herzens Abbild nur. 


92 


Wenn die Vögel fliehen 
Heim ins ferne Land 
Und in Scharen ziehen 
Nach dem Meeresſtrand, 
Möcht' ich auch enteilen 
Dieſer kalten Welt, 
Nimmer hier verweilen 
In der Fremde Zelt. 


Wenn die letzte Blüte 
Matt ihr Köpfchen neigt, 
And im Waldgebiete 
Längſt ſchon alles ſchweigt, 
Moöcht' ich faſt beneiden 
Dich um deine Ruh! 
Waldesblume, ſcheiden 
Möcht' ich ſo wie du! 


Trauriger Herbſt 


Schön iſt die Leſe des Weins in ſonnigen Jahren, wo faſt die 
Hügel erbeben vom Hall, die Dörfer vom Jauchzen, und 
nächtlich 
Selbſt der Himmel erſtrahlt von Raketen, Lichtmeteoren. 
Doch, wenn die Rebe ſo kahl und erſtorben, das heilige Weinlaub 
Welk, vertrocknet und matt fo traurig vom Stocke herabhängt, 
Kenn' ich die Winzer nicht mehr in dieſen düſtern Geſtalten. 
Ach, wie verſteh' ich ſo gut der Gaſſen nächtliches Schweigen. 


Säumige 


Es muß ſchon ſpät ſein, ſpät ſein in der Nacht, 
Daß ſich die Spinnerinnen fortgemacht; 

Die Knaben und die Mädchen und das Kind 
Längſt in die Kammer ſchlafen gangen ſind. 


93 


Nur zwei der Kinder haben keinen Schlaf, 
Sie ſpielen noch mit Schäfer und mit Schaf; 
Doch Mutter löſcht das Licht, und ſo allein 
Will keines mehr am Tiſch das Letzte ſein. 


Die Spinnerinnen, die ſoeben fort, 

Zeitloſen ſind es, die verwelkt, verdorrt; 

Die Kinder, die vom Spiel nicht wollen gehn, 
Sind Glockenblümchen, die am Hage ſtehn. 


Herbſtzeitloſen 


Wagengeraſſ el von fern und weithin die herbſtliche Waldung 
Sonnenbeſchienen im Licht mild freundlichen Abends. Vom 
Hofgut | 

Leuchten herüber wie Gold, glutflüſſiges, feurig die Fenſter. 
Doch wo drüben am Saume des tannenbeſchatteten Talgrunds 
Herbſtzeitloſen erblühn, ſchön roſige, ſteh ich und ſchau ich 
Stille getröſtet zurück, mich freuend, daß wieder ein Sommer 
Durch iſt gelitten und ein trübſeliges Jahr iſt geſchwunden. — 
Herbſtzeitloſe, wie labt, Troſtſpendende, ſtets mich dein Anblick! 


Altweiberſommer 


Herbſtzeitloſen verſtreut auf reifiger Wieſe. Am Bachrand 


Weidenknoſpen geſchwellt ſchön purpurn zu baldigem Aufbruch. 
Gänſelieschen dabei, wie harrend der flaumigen Herde 
Aufmarſch. Alles zu früh bei dem noch reifigen Boden. 
Winterſonne, wie fein betrügſt du dieſe Verwaiſten! 


Allerſeelen 


Der Seelentag am Allerſeelenfeſt 
Zahlloſe Seelenfünklein fliegen läßt, 


94 


Als Sonnenfädlein hüllend Buſch und Hag, 
Als Sonnenſtäublein hellend auf den Tag. 


And von der Sonnenfädlein Glanzgeweb' 
Kommt Allerſeelentages Lichtgeſchweb', 


And von der Fünklein Milliardenſchar 
Iſt Allerſeelentag ſo hell und klar. 


Eine Weihnachtsviſion 


Zur Weihnachtszeit 
Tief wegverſchneit, 
Durch Wald und Tann 
Geht heim ein Mann. 


Es glänzt das Eis, 
Der Schnee blinkt weiß, 
Der Mond ſcheint hell 
Auf freier Stell'. 


Rings Hürden ſtehn, 

And Schafe gehn 
Im tiefen Schnee, 

Wie ſonſt im Klee. 


Kein Schäfer weit 
Ringsum und breit, 
Kein Hund dabei, 
Kein Laut, kein Schrei. 


And alle ſchaun 
Ihn an, o Graun! 
Amſtehn ihn dicht 
Beim Mondenlicht. 


96 


Er betet leis 

In ihrem Kreis, 
Er betet warm: 
Daß Gott erbarm! 


And Wort für Wort 
So tönt es fort, 
Rings in der Rund 
Von Mund zu Mund. 


Ein Stimmlein ſpricht: 
Verlaß uns nicht! 

Du biſt es doch, 

Der unſer Joch 


Anjetzt zerbricht? 
Der Heiland? — Nicht? 
Den wir ſo lang 
Erſehnt ſo bang? 


Das letztemal 
Im Eibental, 
Als Weihnacht war 
Vor tauſend Jahr. 


„Daß Gott erbarm!“ 
Stöhnt auf der Schwarm, 
„Er iſt es nicht! 

Ums Haupt kein Licht!“ 


O weh! O weh! 
Weint's von der Höh, 
And wimmert's rund 
Im Tannengrund. 


In Wölklein klar 
Zerfließt die Schar, 
Löſt ſich in Duft. 
Ein Stimmlein ruft: 


„Fahr', Hoffen! Fahr'! 
Nach tauſend Jahr' 
Im Zederntal 

Das nächſtemal!“ 


Wiederkehr 


Aus dem tauſendjähr'gen Schlafe find fie endlich halb erwacht, 
And ſie treten an das Gitter, wo der helle Morgen lacht: 
Sagt, wer hält uns hier gefangen? eingeſchloſſen? ruft das Heer, 
Nach der Heimat all wir wollen, ruft's von allen Seiten her. 


And da ſieh, in ihre Mitte freundlich ernſt ein Alter tritt, 
And er bringt an ſeiner Seite einen ſchönen Jüngling mit. 
Meinem Schließer, ruft der Alte, meinem Schließer, daß 
ihr's wißt, 

Aber euch Gefangne alle meine Macht gegeben iſt. 


Laß uns heim, jo ruft die Menge. — Töricht kindiſches 
Begehr! 

Nach der Heimat wollt ihr Armen? Eure Heimat iſt nicht mehr! 

Nach der Heimat wollt ihr Toren? Eure Heimat kennt euch nicht! 

Eure Zeit, ſie iſt vergangen, iſt verſchollen, iſt Gedicht! 


Auf der Heimat Boden wandelt nun ein anderes Geſchlecht, 
Anders in Geſtalt und Sitten, anders in Geſetz und Recht; 
Würde ſo ich euch entlaſſen, wie ihr waret einſt, vorzeit, 
Würd' es euch nur Kummer bringen, Schmerzen viel und 
Herzeleid. 
Wagner, Geſammelte Dichtungen Be. 


97 


Doch ich ehre eu'r Verlangen und den frommen Heimwehzug; 

Nach der Heimat dürft ihr alle, das ſei euch für jetzt genug; 

Meinem Schließer iſt's befohlen, daß bebändert und betreßt, 

Schön und ſchmuck wie Königskinder nach der Heimat er 
euch läßt. 


Andre Kleider müßt ihr tragen, neue Kleider ſind beſtellt, 

Die da taugen in das Leben, die da paſſen in die Welt: 

Farb'ge Mützen, grüne Tücher, Kronen wohl auf manches 
Haupt, 

Nicht mehr Pelze, noch Gewänder, die von Moder ſind 
beſtaubt. 


And fo mögt ihr wiederkehren nach der einſt'gen Feuerſtatt, 

Nach dem Hofe, nach dem Brunnen, da der Fuß ge⸗ 
wandelt hat, 

Nach dem Felde, das vorzeiten einſt beackert euer Pflug, 

Nach dem Walde, wo geraſtet ihr beim blut'gen Fehdezug. 


And ſo mögt ihr wiederkehren, wartend an den Pfaden ſtehn, 
Fromme Menſchenaugen grüßen, frommer Menſchen Gruß 
verſtehn; 
Nach den Fenſteraugen winkend klimmen an der Wand empor, 
Neuer Zeiten Atem trinkend — Schließer Lenz, mach auf 
das Tor! 


Blühender Apfelbaum 


O ſchau doch an des Wiedereinens Luſt: 
Zehntauſend Kinder an der Mutter Bruſt. 


Ein ganz Geſchlecht, das längſt im Tode lag, 
Kommt nun zum Sonnenſchein und kommt zum Tag. 


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Des Wiedereinens Seligkeit, ſie ruft 
In dieſen Blumenſeelen wach den Duft. 


Und dieſer Duft als Freudendank, als Lied 
Tagüber ſüß an mir vorüberzieht. 


Jäger und Jägerliebchen 


Steht ein Waldhaus draußen, 
Grüne Läden außen; 

Am die Gitterſtäbe 

Spinnt die Waldesrebe. 


Einſt, vor vielen Jahren, 
Oft beiſammen waren 
Jägerſohn und Liebchen 
In dem kleinen Stübchen. 


Doch die Liebeswonnen 
Waren ſchnell zerronnen: 
Liebſter angeworben, 
Liebchen leidverſtorben. 


Nach der Lichtung freie 
Kehren her die zweie. 

Seht den Falter golden 
Bei der Blumenholden! 


Seine Lippen ſaugen 
An den Blumenaugen 
Einer Purpurdiſtel: 
Jägerſohn und Chriſtel. 
7* 
99 


100 


Diterfamstag 


ie die Frauen 
Zions wohl dereinſt beim matten Grauen 
Jenes Trauertags beiſammen ſtanden, 
Worte nicht mehr, nur noch Tränen fanden, 


So noch heute 
Stehen, als in ferne Zeit verſtreute 
Bleiche Zionstöchter, Anemonen 
In des Nordens winterlichen Zonen. 


Vom Gewimmel 
Dichter Flocken iſt er trüb, der Himmel. 
Traurig ſtehen ſie, die Köpfchen hängend 
Und in Gruppen ſich zuſammendrängend. 


Alſo einſam, 
Zehn und zwölfe hier ſo leidgemeinſam, 
Da und dort verſtreut auf grauer Ode, 
Weiße Tüchlein aufgebunden jede, 


Alſo trauernd, 
Innerlich vor Froſt zuſammenſchauernd, 
Stehn alljährlich ſie als Klagebildnis 
In des winterlichen Waldes Wildnis. 


Die wiedererſtandene Mutter 


Es ſchlummert in kühlem Bette 
Die Mutter mitſamt dem Kind; 
Ein Steinkreuz zeiget die Stätte, 
Da beide begraben ſind. 


And rechts von den Gräberlagen 
Ein bleichender Kinderſtrauß; 
Fünf hat man vorangetragen 
Der Mutter ins ſtille Haus. 


Ein Roſenbuſch blühend ſtehet 
Beim Steinkreuz an morſchem Stab; 
Die tote Mutter, ſie gehet 

Hervor wohl aus ihrem Grab: 


Fünf Röslein ſind's, die entfalten 
Sich hier an dem Roſenſtock; 
Fünf Kindlein ſind's, die da halten 
An Hand ſich und Mutterrock. 


Sie hängen an ſich ſo feſte, 
Das Erſte ſowie das Letzt', 
And jedes wohl für das beſte 
And für das liebſte ſich ſchätzt. 


Das jüngſte doch, daß ihr's wiſſet, 
Das iſt die Knoſpe ſo rot; 
Die Mutter hat ſie geküſſet 
Nicht lange vor ihrem Tod. 


Eine Apotheoſe 


Armes Mägdlein hier in Stall und Scheuer, 
Aſchenbrödel bei dem Küchenfeuer, 

Findling, Nickel, braunes Gänſehannchen, 
Aufgezogen von dem Bachſuſannchen, 
Neſſeln ſchneidend einſt am Gartenhage, 
Alles tragend ohne Groll und Klage, 
Schwebt befreit von bitt'rer Armut Feſſeln 
Hier als Pfauenauge ob den Neſſeln. 


Auf der Straße 


Nimmer beſchmutzeſt du mehr dein Kleidlein, Anna, wie 
ehmals, 

Da es Verweiſe dir trug. — Doch heut noch liebſt du gefüllte 

Waſſergeleiſe zum Spiel: Als ſchneeweiß ſchimmernder Falter 

Sitzeſt und flügelſt du jetzt, wo fröhlich geſpielt du als Kind einſt. 


101 


Liguſter 


Sage, was wareſt du doch, milchduftiger Strauch des Liguſters, 

Einſt, da die Römer geherrſcht in den germaniſchen Gau'n? 
„Ziegenhütende Maid und Bereiterin köſtlicher Käſe, 

Siehe, den beſten hievon bracht' ich als Opfer dem Pan. 
Ehrend gedachte er mein, mich wandelnd zum duftenden 

| Strauche, 

Lüſtern benagt mich, wie einſt, neckiſch das fröhliche Volk. 

Aber dich ſelber, o Freund, wahrhaftig, ich kenn' dich! Du 
wareſt 5 

Bei des Amilius Schar, wider die Katten geſchickt! 

Denkſt du des ſchwüligen Tags und der Kühlmilch ſpenden⸗ 
den Jungfrau, 
Fröhlicher Krieger von einſt, denkſt du der Klelia noch?“ 


Blauſchiller am Wege 


Ihr, o Geiſtlein der Luft, ihr irisbeflügelten, — Falter, 

Goldblauſchillernde, ſagt, warum auf der ſtaubigen Straße 

Stets dem Geleiſe ihr folgt, und hinſchwebt hinter dem 
Fuhrwerk 

Oder ihm eilet voraus, wie um zu erſpähen die Vorſpann, 

Schweigſam, mitten im Wald bei glühendem Strahle des 
Mittags? 

Ihr, o Geiſtlein der Luft, ihr irisbeflügelten! Seid ihr 

Seelen der Roffe, die einſt ſchwerüberladen und keuchend 

Zogen die Wagen zur Stadt und faſt erlagen der Mühſal, 

Falter geworden anjetzt, und freuend ſich ſeliger Wandlung? 

Doch ſich erinnernd vielleicht, — wer weiß es? — früheren 
Daſeins, 

Nun ihn begehen den Weg nach williger Roſſe Gewöhnung, 

Frei nach eigener Wahl und ohne die Peitſche des Fuhr⸗ 
manns? 


102 


Mythe vom Hildhaar 


Nun drei Wochen gewiß vergebens geſucht ſie das Kind ſchon, 

Ohne zu finden die Spur des ſchönen und lieblichen Mägd— 
leins, 

Oben ertrunken im Bach und weitergeſchwemmt von den 
Wellen, 

Wie zu vermuten, o Sohn, da weinte die zärtliche Mutter 


Anabläſſig, jo lang, bis ſelbſt fie geworden zu Tränen. — 


Wandrer am Bache! O ſchau: Hat nicht ſie gefunden ihr 
Kind nun 

Schöner, als jemals es war? — Anmutiger, als es geweſen 

Selbſt in der Mühle daheim? Denn ſieh, o Wandrer: Der 
Bach iſt 

Selbſt ihm Mutter anjetzt, und ſchwätzt mit dem Mägd- 
lein den ganzen 

Vor⸗ und Nachmittag ſchon ohn' Stillſtand. Ja in der 
Nacht ſelbſt 

Plaudert in einem ſie fort, was jüngſt ſich begeben im 
Dörflein, 


Was ſie von Kunden gehört tagüber in Mühle und Mahlſtub! 


Dann umfaſſet ſie's auch mitunter gar ſtürmiſch: „Mein 
Mägdlein 

Biſt du gewißlich, obſchon du Königin heißeſt der Wieſen.“ 

„Freilich, o Mutter, ich bin's, bin dein flachshaariges Mägd⸗ 
lein! 


Weißt, ich recke mich, ob vielleicht ich über den Talgrund 


Seh' aufragen das Dach und den Giebel von unſerer Mühle!“ 


Anemonen 


Sag, woher kommen 

Die ſchönen, die frommen, 

Die Tauſend und aber Millionen 
Weißgekleideter Anemonen? 


103 


104 


„Wir find die Kindlein, die abgeſchieden 
So frühe hienieden; 

Nun wohnen wir oben, 

Im Vaterhauſe da droben.“ 


Was tut ihr nun hier 
Im Waldesrevier, 

Ihr lieblichen Kleinen, 
Beim Frühlingserſcheinen? 


„Drum dürfen wir fort, 

Jedes an ſeinen Heimatort; 

Auf Oſtern, da wird Vakanz gegeben, 

Drei Wochen lang welch ein Freudenleben!“ 


„And drum find wir hier 

Im Waldesrevier 

Alle weiß gekleidet. Mägdlein wie Söhnlein 
Mit goldenen Krönlein.“ 


Märchen von der Nachtviole 
und der Nachtigall 


Himmliſche Geſänge 
Schweben, wallen 
Durch die Kloſterhallen 
And die Gänge. 


Zweier Schweſtern ſüß melodiſch feine 
Silberreine 

Stimmen ſind es aber doch vor allen, 
Die ſo ſchallen. 


Lauſchend warten 

All die Blümlein in dem Kloſtergarten; 
Horchend ſchweigen 

All die Vöglein in des Baumes Zweigen. 


Und wenn niemand wacht, 

Zittert durch das Fenfter ihrer Selle 
Ihr Geſang, der lieblich glockenhelle, 
Durch die Nacht. 


Rofenwangig ift die eine, mild, 

Fromm und kindlich, kennt ſie keine Reize 
Als des Glaubens ſel'ge Gnadenkreuze 
And der heil'gen Mutter Gottes Bild. 


Blaß und ſchmächtig, Leidenſchaft im Blick, 
Kann die andre von der Welt nicht ſcheiden; 
Hinter das verhangne Tor der Freuden 
Schweift ihr Sehnen ſtets und ſtets zurück. 


And ein Wunderbild von Marmorſtein 
Stehet ſeitwärts an des Weges Ende; 
Wundertätig nennt es die Legende, 
Sünderinnen kehren bei ihm ein. 


Zu ihm fleht das Schweſternpaar aufs neu: 
Von des Leibes Banden uns entkleide! 
Heil'ge Gottesmutter! rufen beide. 

Mach die Seele von den Feſſeln frei! — 


Was geſchehen, weiß ich dürftig ſo: 
Daß an des Gebildes Anterſproſſen 
Nachtviolen plötzlich aufgeſchoſſen 

And die Nachtigall zum Wald entfloh. 


Sieh die Schweſter roſenwangig, gern 
Weilt ſie an der Gnadenorte Stufen; 
Aber augenblicks hört fie das Rufen 
Ihrer Schweſter aus der Waldesfern. 


105 


And fie fendet ſüßen Balſamduft 
Antwort gebend ihrer Schweſter wieder; 
Antwort heiſchend aus der Waldesluft 
Sendet Schweſter ihre Liebeslieder. 


Auf der Burgruine 


In dem Neſte 
Droben auf dem Fels ein Sänger! lag, 
Eingekerkert dort ſchon Jahr und Tag 
Auf der Feſte. 


Aus dem Kerker 
Brach er einſt bei mitternächt' ger Weil’, 
Wollt' herab ſich laſſen an dem Seil 
Von dem Erker. 


Doch zerſchmettert 

Fanden ihn die Wächter morgens ſchon; 

's war im Spätherbſt, und der Buchen Kron' 
Laubentblättert. 


Aus den welken 
Grauen Flechten, die ſein Blut benetzt, 
Sind nun aufgeſproßt und blühen jetzt 
Felſennelken. 


Aus den Mooſen, 
Aus den Steinen, die ſein Blut beſpritzt, 
Sind nun aufgeſproßt und blühen itzt 
Skabioſen. 


Nikodemus Friſchlin auf Hohenurach, + 1590. 
106 


Augenſpiegel 


Schweben um die Nelk' und Skabioſ', 


Am die weiß’ und rote Waldesrof’ 
Auf dem Hügel. 


Augenſpiegel 


Schweben hier im blauen Freiheitsſaal, 
Blut'ge Tröpflein, wie ein blut'ges Mal, 


Auf dem Flügel. 
Laß das Trauern! 


Von des Leibes Banden ausgeſchirrt, 


Seine Seele nun als Falter irrt 
Ob den Mauern. 


Wegewarten 


Jhr blauen Sterne am Wege, 
Am Ackerrand und Gehege, 

Ihr Sternenblumen, ihr frommen, 
Wo ſeid ihr doch hergekommen? 


„Wir waren's, die einſt ſo wacker 
Geſchnitten auch dieſen Acker; 
Sind nun auf Seligkeits fahrten, 
And heißen hier Wegewarten. 


Doch ferne, wie Nebelfrühe, 
Liegt einſtige Tagesmühe. 


Nun ſag: Gab's jüngſt eine Ernte, 


Die unſereins nicht beſternte?“ 


Ihr Schnitterinnen, geehret, 
Zu Sternenblumen verkläret, 
Sagt doch, wie ihr geheißen 
In einſtigen Menſchenkreiſen? 


107 


„Den Namen vergaßen alle 
Beim Schlafen in kühler Halle; 
Das Beſte aber indeſſen, 

Das haben wir nicht vergeſſen: 


Zu unſern Schweſtern, den Uhren, 
Getreulich wiederzukehren, 

Zum Erntefelde, dem frommen, 
Alljährlich wiederzukommen. 


Was du ſo ſchaueſt als Blüte, 

Lag längſt in unſrem Gemüte, 

And Blumen wurden ſie wieder, 
Was ſie geweſen, die Lieder.“ 


Mythe vom Diftelfalter! 


Des Wucherers Seele im Faltergewand 

Läßt ſehen ſich wieder, da, dort im Land. 

Gott ſei uns gnädig! — Ihr lieben Leut', 

Ich ſag' es nach Wahrheit: 's kommt teure Zeit. 
Schon ſind geronnen 
Herab von den Bergen die Hungerbronnen. — 


Es war vor alters, da war einmal 
Ein reicher Bauer in dieſem Tal, 
Rings tobte im Lande des Hungers Qual. 


Ob unerſchwinglich des Brotes Preis, 
Er dachte immer: Wer weiß? — Wer weiß? — 


Die Scheuern, die Kiſten und Käſten voll, 
Das machte den Geizhals noch ärger toll. 


Der Diſtelfalter zeigt ſich meiſt nur in kalten, regneriſchen, 
unfruchtbaren Sommern und bedeutet, wenn er maſſenhaft auf: 
tritt, Mißwachs und teure Zeit. (Wagner). 


108 


Soll los ich Schlagen? — Wie glänzend! — Doch, 
Ich treibe die Preiſe wohl höher noch! — 


Ein guter Jahrgang darüber kam, 
Daß alles in Hülle und Fülle ſchwamm; 
Der Geizhals ſich ſelber das Leben nahm. 


Doch wenn der Weizen und Roggen dünn, 
And Diſteln wuchern im Felde drin, 

Der Rebſtock kahl und die Bäume leer, 
Dann leidet's ihn nimmer im Grabe mehr. 


Als Diſtelfalter ſo wohlbekannt 
Er wegentlang ſchwebet im Flickengewand. 
Warum wohl? — Warum wohl? — Ihr lieben Leut', 
Er freut ſich ſo herzlich: 's kommt teure Zeit! 
Schon ſind geronnen 
Herab von den Bergen die Hungerbronnen. 


Märchen von der Herbſtzeitloſe 


Der Mann, der hatte acht Töchter, 
Des Glücks war eben nicht viel; 
Den alten Vater zum Wächter, 

Da hatten ſie freies Spiel. 

Sie ließen ihn bitten, den Kranken, 
Von ſeiner Bettſtatt herfür, 

Sie ließen ihn ſchelten und zanken, 
And kicherten leis vor der Tür. 


Dem Manne, dem ward's immer bänger 
In ſeiner Krankheit: O mein! 

Die Nächte, die werden ſtets länger, 
Oh, laßt mich doch nicht ſo allein! 


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Nach einem Trunk ich oft ſchmachte. — 
Doch, wenn er auch oftmals ſie ſah, 
War, wenn er wieder erwachte, 

Sicher nicht eine mehr da. 


So ſah einſt beim Mondenſcheine 

Er auf der Wieſe ſie dort; 

Sie waren juſt nicht alleine, 

Im Nachtkleid waren ſie fort. 

Im Nachtkleid ſollt ihr auch bleiben 
Bis an den Jüngſten Tag, 

Gleich Metzen umher euch treiben! — 
Den Vater rührte der Schlag. 


Märchen von der Bachſtelze 


Auf das Kleefeld ging ich heut, 
Meinen Klee zu mähen; 
Sah ein Vöglein allezeit 
In den Mahden ſpähen. 


Weiß wohl alles. — Bachſtelz ſing: 
War dereinſt ein Mädchen, 

War ein ſchlank und luſtig Ding 
Aus dem nahen Städtchen; 


War, wenn es zum Tanzen ging, 
Flink auf meinen Söckchen; 
Sauber an der Hüfte hing 

Mir mein Kattunröckchen; 


War als Jungmagd eingeſtellt 
Bei dem Kaſparmichel, 

Ging hinaus aufs Ackerfeld 
Mit der Senſ' und Sichel; 


Hatte einen Brief vom Schatz, 
Den ich mir erkoren; 

Aber hier auf dieſem Platz 
Hab' ich ihn verloren. 


And den andern Tag darauf 
Kam das böſe Fieber, 

Nahm mich aus dem Erdenlauf 
In die Luft hinüber. 


Hatte keine Ruhe mehr, 
Ob des Nachbars Idchen 
Nicht gefunden hinterher 
Mir mein Liebesliedchen 


And verkünde meine Lieb' 

Frei und unbeſonnen, 

Schwatze, was der Schatz mir ſchrieb, 
Abends aus am Bronnen. 


Heiſſa! Heiſſa! ſehe ſchon 
Dort ein Briefpapierchen, 
Und fürwahr nicht weit davon 
Auch ein Noſaſchnürchen. 


Märchen vom Kohlweißling 


Altijungfer Weiß war Küchenmagd 
Wohl manche lange Jahre, 

Als treu und als geſchickt geſagt; 
Nun liegt ſie auf der Bahre. 


Doch vorher, eh's zum Sterben kam, 
And ſie wollt' Abſchied nehmen, 
Tat ihre Frau, ſie war halb lahm, 
Sich zu ihr herbequemen. 


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Oh, klagt fie, wer wird künftig wohl 
Die Speiſen mir bereiten? 

Die Suppen, den Salat, den Kohl, 
Grad wie zu Vaters Zeiten? 


O wer wird meinen Braten dann 
Die rechte Würze geben? 

Wenn du mich haſt verlaſſen, kann 
Ich wahrlich nicht mehr leben! 


Ein Jammer war's und ein Geſchrei, 
Da fielen zu die Lider. — 
Die Seele aber wurde frei 
And kam geflügelt wieder, 


In weißer Schürze, die ſie ſtets 
Den ganzen Tag getragen; 
Nach dem Gemüſegarten geht's 
An Vor- und Nachmittagen. 


Nach Kohl und nach Salat fchaut fie, 
Schlägt auf die Küchenſchürze; 

Nach Lauch ſucht ſie, nach Sellerie 
Zu Brüh⸗ und Bratenwürze. 


Märchen von der Schmalzblume 


Der alte Müller im Weidental, 

Aber den Hügeln da drüben, 

Hatte gewißlich nur ſchlechte Wahl 
Unter den Töchtern, den ſieben. 

Alle wohl ſind ſie von einem Schlag, 
Schwatzhaft und lüſtern und eitel; 
Standen vorm Spiegel den ganzen Tag 
Und kämmten an ihrem Scheitel. 


Der Alte hatte fo vollauf zu tun 

In Scheuer und Mühle und Keller, 

Durfte nicht raſten und durfte nicht ruhn, 

Für Krüge ſorgen und Teller. 

Da wurde er einesmal zornig dabei, 

Nahm aus der Mühle den Hammer 

And ſchlug ihnen den Spiegel entzwei 
Da droben in ihrer Kammer. 


Die Mädchen mochten untröſtlich ſein 
And wollten vor Leid fait ſterben, 
Doch endlich ſchickten ſie ſich darein 
And teilten die Spiegelſcherben. 
Jammernd klagte der Alte den Trug: 
O wär er ganz doch geblieben! 
Hatten an einem übergenug, 

Nun haben ſie deren ſieben! 


Einſt ging der Alte des Morgens früh 
Hinauf in die obere Stube, 

Suchte zuſammen die Scherben hie 
Und warf fie allſamt in die Grube; 
Lächelte ſtille und ſprach bei ſich: 
Wartet nur, wartet nur, Affen! 
Suchet die Scherben nur ewiglich, 
Will euch vertreiben das Gaffen! 


Nun hatte der Mühlbach ſtill ein klar 

And ſpiegelhelles Gewäſſer, 

Das nahmen die Mädchen alsbald wahr: 

Ein Spiegel ſpiegle nicht beſſer; 

Den gelben Strohhut mit breitem Rand, 

Der Mai flog über die Hügel, 

Grünſeidene Schirmlein in der Hand, 

So ſtanden ſie vor dem Spiegel. 
Wagner, Geſammelte Dichtungen 8 


118 


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Standen fo lange, beſchauten ſich 
Wieder von oben bis unten; 


Der Müller blickte ſo ärgerlich 


Aus ſeiner Mühle da drunten. 

Immer und immer ſah er hinan, 

Als wie im Selbervergeſſen; 

Da faßt ihn plötzlich des Mühlrads Zahn, 
Am ihn zuſammenzupreſſen. — 


Und geheſt du wandern am Mühlenhang, 
Siehſt du die Töchter, die ſchlauen, 

Auch heute wie einſtens ſtundenlang 

Sich vor dem Spiegel beſchauen. 

Am gelben Strohhut erkenneſt du leicht 
Die Müllerstöchter vor andern, 

Auch an den Schirmlein ſo mühlenfeucht 
Vor denen, die talwärts wandern. 


Märchen vom Gänſeblümchen 


Auf einem Anger, menſchenleer, 
Stand Balder einſt und ſah umher, 
Wen er mit einer Botſchaft ſende. 
Da ſtand nicht unfern am Gelände 
Ein Gänſehirt in guter Ruh, 

Blies in ſein Horn und ſang dazu, 
And Gänſe, eine große Zahl, 

Die waren weit zerſtreut im Tal. 


Jung Balder winkte: „Komm herbei!“ 
Der Junge war nicht menſchenſcheu, 
Barfuß und bloß, doch ohne Schrecken, 
Stand trotzig er vorm ſtolzen Recken. 
„Kennſt du des Rotmunds Wohnung dort 
Im Eichengrund auf heil'gem Ort?“ 


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„Des Rotmunds Wohnung kenn' ich ſchon; 

Mein Vater wohnt — —.“ „So recht, mein Sohn! 
Bring dieſen Siegelring da ſchnelle 

Dem Barden an der ſalzigen Quelle.“ 

Der Junge ſprach: „Das kann nicht ſein! 

Ich laß die Herde nicht allein, 

Daß ſie verlaufe ſich ins Weite, 

Dem Marder und dem Fuchs zur Beute!“ 


Jung Balder ſinnt: „Du denkſt nicht ſchlecht, 
Mein Junge, du haſt wahrlich recht!“ 

Jung Balder ſinnt: „Dein Horn gib her!“ 
Ein Ton wie eine Zaubermär 

Bebt durch den Anger auf und nieder, 
Verſchwunden iſt das Gänsgefieder. 

And leiſe, als ob nichts geſchehn, 
Gänsblümchen auf dem Anger ſtehn; 
Strahläugig weiß, auf kurzem Stiel; 

Ja wahrlich: Es ſind ihrer viel! 


Der Junge iſt vor Schreck erſtarrt. 

Nun fährt er Balder an ſo hart: 
„Ha, Zaubrer! Schaff die Herde wieder! 

Ich geh' zu holen meine Brüder!“ 
Doch Balder lächelt: „Blas ins Horn!“ 

Der Junge blies hinein im Zorn: 

Die Herde war auf's neu erſchienen, 

Zu weiden, wie zuvor, im Grünen. 


Doch der begriff nun Balders Plan, 
Ihn wandelt eine Luſt nun an, 

Mit ſcharfen Stößen auf und nieder, 
Zu zaubern Blümlein und Gefieder. 


And als er ſich genug ergötzt, 
Jung Balder lächelnd ſprach zuletzt: 
8 * 
115 


Nun geh hinauf, den Pfad dort oben, 
Die Herde iſt gut aufgehoben! 

Er ſchaut zurück, und Blümlein ſtehn 
Talab, ſo weit die Augen ſehn. 


Sie blühen früh, ſie blühen ſpät, 

Vom Lenz an, bis der Schneewind geht, 
Ja ſelbſt, wenn alles iſt erſtarrt, 
Gänsblümchen noch des Hirten harrt; 
Von dem hab' ich nichts mehr vernommen, 
Mag ſein, daß er iſt umgekommen. 


Märchen von den Veilchen 


Es ſpielen Verſtecken 
In Zäunen und Hecken 
Die Mädchen am ſonnigen Frühlingsmittag; 
Suche, wer mag! 
Ein Weilchen, ein Weilchen. 
Aber am Wieſenſaum 
Unterm Kaſtanienbaum 
Lagert die weltbekannte 
Braune Zigeunerbande 
Ein Weilchen, ein Weilchen. 
And aus der Lücke des Zaunes 
Tritt plötzlich ein braunes 
Zigeunermädchen unter die friſchen | 
Blauaugigen Mädchen in den Holundergebüſchen, 
Mitten dazwiſchen. 
Ein Weilchen, ein Weilchen. 
Nur nicht ſo ſtutzig! 
Nur nicht ſo trutzig! 
Laßt's nicht ſo fühlen! 
Was tut ihr ſpielen? 


116 


Wir ſpielen Verſtecken 
Hier in den Hecken 
Ein Weilchen, ein Weilchen. 
Was? 
Schöner Spaß das, 
Rutſchen im Gras, 
Kleider zerſchlitzen 
And an den Dornen ſich blutig ritzen! 
Wiſſet ihr was, 
Das iſt Freude, 
Das Verſtecken im Federkleide; 
Dem Sucher enthüpfen, 
Dem Finder entſchlüpfen, 
Die Lerchen fragen 
Nach ihren Sagen. 
Die Spiegelmeiſen 
Nach ihren Weiſen, 
And dort ſich miſchen 
Inter die Amſeln in den Gebüſchen. 
Ein Weilchen, ein Weilchen. 
Wollt ihr das? — Sprecht! 
Iſt euch das recht? 
Ei! Das wollen wir! Ei! Ja, ja! 
Die Geſpielen ſind all da. 
Ein Weilchen, ein Weilchen. 


Du trägſt ein weißes, du ein graues, 
And du ein hell, du dunkelblaues, 
And du ein ſcharlachrotes Kleid; 
Sagt an, ſagt an, gebt mir Beſcheid, 
In weſſen Vogels Federkleid 

Euch dieſer Spaß am beſten freut? 


Mich, mich als Meiſe. 
„Weiſe, ſehr weiſe!“ 


117 


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Und mich als Star. 
„Wie treu und wie wahr!“ 


And mich als Taube. 
„O welch ein Glaube!“ 


And mich als Fink. 
„Wie friſch und wie flink!“ 


Wer will es verſuchen? Ich! Ich! O weh! 
Seht ihr den Habicht dort in der Höh? 
Er ſchießt herunter, er hat ſie, die Taube, 
Das arme Täubchen, zum blutigen Naube! 


Da ſteht es ſchlecht 

Ams Vogelgeſchlecht; 

Du machſt ja den Werber 
Für Habicht und Sperber. 


Gefehlt um ein Haar 

Hätt' ich, 's iſt wahr; 

Aber als Blümlein ſtehn, 
Muß noch viel ſchöner gehn: 
Verſtecken ſpielen, 

Die Stirne kühlen 

And 's Angeſicht, 

And die Geſpielen 

Erraten's nicht. 


Eßt von dem Kuchen, 
Wollt ihr's verſuchen? — 
Nur nicht zu lange! 
Du Närrin, du bange! 
Ein Weilchen, ein Weilchen. 


Ein Weilchen, ein Weilchen. 
Thereſe, komm! 

Da ſtehen die Veilchen 
Beſcheiden und fromm! 
Thereſe, komm! 

Der Vater wird böſe; 

Thereſe! Thereſe! 

Der Wagen fährt weiter, 

Fährt weiter und weiter, 
Thereſe, komm! 


Aus Weilchen und Weilchen 

Da wurden die Veilchen; 

Die lieblichen Kinder, 

Sie ſind es als Veilchen nicht minder. 


Märchen von der Türkenbundlilie 


Verwüſtend ſtürmt durchs offne Land 
Der Türken wildes Heer; 

Die Dörfer ſtehen rings in Brand, 
Die Fluren menſchenleer. 


Da kommt aus einer Bergesſchlucht, 
Die Zügel ſchlecht verhängt, 

Ein Spahitrupp in heller Flucht 
Vorm Aga angeſprengt. 


Den Aga packt darob die Wut, 
Der krumme Säbel blinkt 

And Kopf um Kopf, beſpritzt mit Blut, 
Vom Rumpf herunterſinkt. 


Der Aga faßt des Speeres Schaft 
And ſtößt ihn in die Erd', 

Reißt einen Schweif mit Tigerkraft 
Aus einem flücht' gen Pferd. 


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And Kopf an Kopf befeſtigt er, 
Samt Turban und ſamt Schopf, 
Mit Noßhaarſchnüren lang und ſchwer, 
Hoch an dem Lanzenknopf. 


Zu Allahs letzter Hölle fahr', 
Sei's Feigling! ſei's Giaur! 

Sei Spahi, ſei es Janitſchar! 
Fluch dem, der um ſie traur'! 


Verwittert ſind wohl längſt und fort 
Die Köpfe ſamt Geſicht; 

Turbane hängen wohl noch dort, 
An Schnüren feſt und dicht. 


Narziſſenlegende 


Gott grüß' euch, edle Narziſſen, 
Euch Himmelsbräute ſo rein! ö 
Gott grüß' dich, Sänger! ſollſt wiſſen 
Nun dies Geheimnis allein: 


Es ſchauten durchs Fenſtergitter 
Einſt edler Jungfrauen drei, 
And Templer und Johanniter 
Die ritten am Schloß vorbei. 


Sie ſchauten vom Schloß, zu hören 
Den wandelnden Bittgeſang, 

Zu lauſchen den Pilgerchören, 
Dort Rhodus' Gaſſen entlang. 


Die Glocke klang von den Türmen: 
Wohl war's ein blutiger Tag, 

An dem nach fünffachem Stürmen 
Das Kreuz dem Halbmond erlag, 


And knieend vor der Madonne, 
Brevier und Kreuz in der Hand, 
Wir Abſchied nahmen von Sonne, 
Von Leben und Vaterland. 


Wo betend, bedeckt von Wunden, 
Wir fielen durchs Türkenſchwert. 
Gottmutter hat uns gefunden 
Des Märtyrerkrönleins wert. 


Dies Märtyrerkrönlein miſſen, 
Wär' mehr als Wunden und Tod; 
Drum tragen wir als Narziſſen 
Dies Krönlein ſo blutig rot. 


Dies weiße Kleidlein entbehren, 
Wär' wohl noch ſchwereres Leid; 
Drum tragen mit Königsehren 
Narziſſen wir dieſes Kleid. 


Herbſtmythe! 


Nicht vermag den Gatten mehr zu halten 
Sie, das Weib mit dem gebleichten, alten, 
Gelben Antlitz und gewelkten Arm. 
Täglich ſieht ſie ihn im Feuerwagen 

An dem Sommerhaus vorüberjagen, 

Wo ſie weilt mit ihrem Kinderſchwarm. 


Doch nicht Schelten mehr noch Zornergüſſe, 
Auch nicht Bitten mehr noch Tränenflüſſe 
Führen ihn zurück an ihre Bruſt; 


Iſt's nicht, als ob die Natur ſich noch einmal ſchmücken, 
ja ſchminken wollte wie eine verlaſſene Schöne, um den Ge— 
liebten zu feſſeln? Aber ihre zuſammengerafften Reize haften 
nicht lange, und bald ſteht ſie einſam und verlaſſen. (Wagner.) 


121 


And fie ſchminkt fich ihre bleichen Wangen, 
Ihren Gatten wieder einzufangen, 
Wie die Heide ſchmückt ſich im Auguſt. 


Beim Vorüberjagen ihn zu rufen, 

And in Jugendſchöne auf den Stufen 
Stehend warten will die Gattin ſtill; 
Und er ſchauet ihrer Wangen Roſen, 
And er kehret zu erneutem Koſen, 
Freundlich fragend, was die Liebſte will. 


Ja, es kehren wieder frohe Stunden 
Zu den Gatten, die ſich neu gefunden; 
Aber alt und launiſch wird das Weib. 
Neue Reize ruft ſie, zu erfreuen, 

Alte Künſte ruft ſie, zu erneuen 
Jugendroſen auf Geſicht und Leib. 


Heideröslein ſind's, die endlich bleichen. — 
Eſpen, Buchen färbt ſie jetzt und Eichen 
Mit der Schminke, die da geht zur Rüſt'; 
Darum dickrot iſt ſie aufgetragen, 

And der Gatte beim Vorüberjagen 

Merkt die Täuſchung jetzt und ihre Liſt. 


And weil ihr die Jugendreize fehlen, 
Schmückt mit Perlen ſie ſich und Juwelen 
Arm und Nacken feſtlich und das Haar; 
Des Liguſters achatgleiche Perlen, 
Vogelbeeren an dem Hag der Erlen, 
Schmuck von Edelſtein ſie ſtellen dar. 


Doch vergebens iſt all ihr Bemühen, 
Ob auch hochrot ihre Wangen glühen, 
Sind ſie nur von ihrem Zorn ſo rot; 


122 


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And ſie ſchämt ſich nicht, auf allen Straßen 


Ihren Zorn und Anmut auszuraſen, 
Ja ſie raſt und weint ſich faſt zu tot. 


Doch das Rafen all, es iſt vergebens. — 
Einmal nur im Laufe ihres Lebens, 

Am geliebten Allerſeelentag 

Iſt er ſtürmiſch bei ihr eingebrochen, 

Hat ein „Heilig“ über ſie geſprochen, 
Da ſie ſtumm in ſeinen Armen lag. 


Märchen von der Seeroſe 


Zu der Jungfrau ſpricht der edle Freier: 
„Mägdlein ſchön! 

Täglich geh vorüber ich am Weiher, 
Dich zu ſehn. 


Sieh, o Mägdlein, ſieh, ich will dich freien! 
Liebchen traut! 

Meine Mutter, wie wird die ſich freuen 
Ob der Braut!“ 


„Nun, mein Vater hält mich nicht geringe, 
Bringt ſtets viel 

Muſcheln, Perlen, goldne Fingerringe 
Mir zum Spiel.“ 


„Sieh mein Schloß dort, jene ſtolze Feſte 
Morgenklar, 

Deines Winkes harrt dort die betreßte 
Dienerſchar.“ 


„Ich beſitze auch ein Schloß zu eigen, 
Reich an Zier; 

Blau- und goldgeſchmückte Diener eh 
Sich vor mir.“ 


123 


124 


„Sieh, die Mutter hat der Betten viele, 
Warm und weich. 

Hat der Decken und geſtickten Pfühle 
Fürften gleich.“ 


„Nun, auch mein Haus hat der Nuheſtätten 
Manche, ſchau! 

Doch die ſchönſten ſind die Schaukelbetten 
Himmelblau.“ 


„Sieh, ein Brautkleid kauf' ich dir von Seide 
Dicht und fein, 

And die ſchönen Erkerzimmer beide 
Sind dann dein.“ 


„Mein Gewand umgibt auch ein Gefunkel, 
Glitzert nach; 

And kriſtallen iſt mein dämmerdunkel 
Schlafgemach.“ 


„Sieh, ich ſchwör' beim Kreuze und beim Schwerte, 
Dich zu frei'n! 

Meine liebe, treue Burgfrau werde, 
Liebchen mein!“ 


„Meinem Vater muß ich's vorher ſagen 
Heute gleich; 

In drei Tagen komme anzufragen 
An den Teich. 


König iſt mein Vater, heißt der Große 
Rings im Land; 

Statt des Zepters eine Waſſerroſe 
In der Hand. 


Siehſt du dann am Aferrand mich figen 
Hier im Grün, 

Die Gewänder von Demanten blitzen, 
Nimm mich hin! 


Aber hörſt du ſchilfdurchklirrte Stimmen 
Aus dem See, 


Siehſt du Roſen auf dem Waſſer ſchwimmen — 


Dann Ade!“ 


Roſenlegende 


Herr Gottfried war's, der einſtmals ritt 
Gen Hebron in die Schlacht; 

Da reichte ihm ein Eremit 

Der Rofe heil'ge Pracht. 


Nimm hin, ſo ſprach der fromme Greis, 
Auf dieſen Strauch da hing 

Maria einſt die Windeln weiß, 

Als ſie gen Hebron ging. 


Nimm hin, ſo ſprach der fromme Mann 
And reicht die Hand ihm dar, 

Die Rofe hier als Talisman 

In jeder Todsgefahr. 


Herr Gottfried hielt die Nofe wert 
And ihre heil'ge Macht; 

Vergebens zückt nach ihm das Schwert 
In mancher blut'gen Schlacht. 


Vergebens ziſcht nach ihm der Pfeil, 
Vergebens ſauſt der Speer; 

Stets unverwundet, friſch und heil 
Ritt er voran dem Heer. 


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126 


N S 1 
. 


Nicht trennt ſich Bruſt und Talisman, 
Kaum Ritter, Schwert und Roß. — 

Herrn Gottfried kam ein Heimweh an 
Nach ſeinem Wald und Schloß. 


Herr Gottfried nach der Heimat fuhr, 
Doch bei Melittas Turm 

Die weite grüne Waſſerflur 
Durchwühlte jäh der Sturm. 


Das Schiff, vom Strudel wild erfaßt, 
An allen Fugen kracht; 

Herr Gottfried hißte an den Maſt 
Der Rofe heil'ge Pracht. 


Da legte ſich der Sturm, das Meer 


Lag wie ein Kind im Schlaf. 
Zu Genua ſchifft aus das Heer 
Gottfried, der edle Graf. 


Herr Gottfried ſaß daheim beim Wein, 
Bei ihm der Meiſter Hild: 

Steinmetz! Hau mir die Rofe fein 
Wohl aus im Wappenſchild! 


Herr Gottfried ſeine Noſe bot 
Dem Abte Fridolin: 

Seitdem ich aus Gefahr und Not, 
Welkt meine Roſe hin. 


So pflanzt ſie an auf Eurem Grund, 
Wohledler Graf, habt acht, 

Erneutes Grünen tut Euch kund 

Der Noſe heil'ge Macht. 


wurzelt auf er Rand 
iſches bei dem Krug; 

Abt Fridolin mit eigner Hand 

Sie nach dem Garten trug. 


Sie bebt empor, wie's ein vom Traum 
Geſchüttelt Kind wohl macht; 

And heut noch glänzt vom Waldesſaum 
Der Roſe heil'ge Pracht. | 


Birkenlegende 


Sankt Nikolas, der Gottesmann, 
Ein Kirchlein hat erbaut im Tann; 


And ſeines Glöckleins heller Klang 
Des Morgens klingt den Wald entlang. — 


Doch drinnen in der Erde ſitzt 
Der Höllenfürſt. — Der Funke ſpritzt, 


And Knecht und Meiſter ſchürt und ſchürt. 
Auf einmal der ein Klingeln ſpürt. 


„Was geht da droben wieder vor? 
Ein Klingeln ſpür' ich juſt im Ohr.“ 


Der Alte nach der Türe tritt. — 
„He, Meiſter! nehmt die Schürſtang' mitte 


„Was brauch' ich Schürftang’, Hafe du? 
Reiß einen Baum aus, ſchlag mit zu!“ 


Der Knecht zurück zum Feuer trollt: 
„Hätt' eine Schürſtang' er, ich wollt'.“ 


Der Meiſter geht, das Glöcklein klingt, 
Ein ferner Sang vom Tann her dringt. 


127 


128 


Er fchreitet durch den Birkenwald 
Und naht dem Kirchlein; alſobald, 


Von Faſten und Gebet geſtärkt, 
Hat ſchon der Klausner ihn bemerkt, 


And in der Hand das Chriſtusbild 
Tritt an er ſeinen Gegner wild: 


„Du dieſen Ort verlaſſen wirſt!“ 
Der Klausner ruft's. — Der Höllenfürſt 


Packt einen Stamm, doch augenblicks 
Hält jener vor das Kruzifix. 


Zur nächſten Birke rennt er fort; 
Vor hält ihm der des Glaubens Hort. 


Von einer er zur andern rennt, 
Doch ſtets iſt da das Sakrament. 


So rennt er hin von Stamm zu Stamm, 


Doch immer iſt's derſelbe Damm; 


And immer, immer muß er fliehn, 
Kann keinen aus dem Boden ziehn, 


Am dieſen Pfaffen in die Flucht 
Zu ſchlagen mit des Stammes Wucht. 


Zuletzt vor Arger, Zorn und Scham, 
Er vor dem Klausner Reißaus nahm. — 


Abzeichen von des Böſen Hand 
Trägt nun die Birke rings im Land, 


And von der Höllenfäuſte Ruß 
Iſt jede Birke ſchwarz am Fuß. 


Das Kartoffelgeiſtlein 


Siehſt du es wandeln, als wär's ein Zwerg, 
Das Geiſtlein auf dem Kartoffelberg® 


Anheimlich gar iſt es, hat krumme Bein', 
And wandelt abends beim Dämmerſchein. 


„He, Geiſtlein! He, Geiſtlein! He, ſage mir, 
Was wandelſt du auf dem Felde hier?“ 


„Muß wandeln, o Menſchlein! ſchon lange Zeit, 
Obgleich ich's ſchon lange gebüßt und bereut.“ 


„Wahrhaftig! wahrhaftig! Du armer Tropf, 
Trägſt unterm Arme ja einen Kopf, 


And wankeſt und ſchwankeſt ſo hin und her, 
Als ob du trügeſt am Kopf ſo ſchwer?“ 


„Ja freilich! ja freilich! Drum muß ich ſacht 
An dieſen Köpfen gar tragen bei Nacht.“ 


„Wer biſt du? wer warſt du, da du gelebt, 
Eh du als Geiſtlein herumgeſchwebt?“ 


„Ein Wirt“, der war ich, im Dorf da drin, 
Auf meinen Namen mich nicht beſinn'. 


And lange und lange, jahraus, jahrein, 
Schenkt' meinen Gäſten ich fleißig ein. 


Am Ende da trugen ſie mich hinaus — 
Als ich erwachte, ha, welch ein Graus! 


Da lagen die Köpfe von dem und dem 
Auf einem Haufen, zuhand, bequem. 


Der mit ſeinem Kartoffelſchnaps die Bauern zugrunde 
richtete. 


Wagner, Geſammelte Dichtungen 9 
129 


DIE N Te ER SET n 


Doch hohl von innen, zerbrechlich baß; 
And einer auf einem Stuhle ſaß: 


„Die Köpfe hier haſt du all hohl gemacht, 
Zerbrechlich nun find fie, drum trag' fie ſacht!l 


Ein Jährlein jeden trägſt du nun, 
And biſt du fertig, ſo magſt du ruhn! 


Doch merk' dir's: Zerbrichſt du den Kopf des Wichts, 
Eh's Jahr vorüber, ſo gilt es nichts!“ 


So trag' ich, ſo trag' ich und habe acht, 
Daß von den Schädeln mir keiner zerkracht. 


Zerbrochen hab' ich noch keinen nun; 
Neun Köpfe noch hab' ich, dann darf ich ruhn. 


Potztauſend! da liegt er! o weh, er klafft! 
Nun hab' ich ein Jährlein umſonſt geſchafft.“ 


Hexenbeſen! 


Schlag zwölfe, da ſchnitt ich mir einen Stock 
And kaufte mir einen ſchwarzen Bock, 

Den Stall zu ſchützen vor Satanstreiben, 
Vor böſen Hexen und böſen Weiben. 


Bei meinen Kühen das Euter leer, 
Die Lieſel gab ihre Milch nicht mehr. 
Die alte Arſchel ſei's, die ſie ſtehle, 
Man ſah ſie melken an einer Zwehle. 


And auf vom Bette ich hinter ihr drein, 

's war Freitagabend, ſo Schlag halbneun. 
An einer Birke — ſie war's geweſen — 
Blieb oben hängen ihr Hexenbeſen. 


Flechtenartiger Auswuchs an Tannen und Birken. (Wagner.) 
130 


Zigeunervermächtnis! 


In der guten alten Stadtvogtei 

Saßen einſt Zigeunerinnen drei, 
Heimatloſe, die hier durchgeflüchtet. 
Draußen ſteht der Galgen aufgerichtet, 
And der Stadtknecht tritt mit einem Fluch 
In die Zelle mit des Rates Spruch: 
Daß das peinliche Gericht in Sachen 
Dieſer Heiden es wöll' billig machen, 
Und, obſchon die Miſſetaten wert, 

Daß geſühnt ſie würden mit dem Schwert, 
Doch in Anbetracht der beiden Jungen, 
Die getan nur, wie die Alten ſungen, 
Böſen Blickes trieben Zauberei, 

Als das ärgſte ihrer Laſter drei — 

Ja, in Anbetracht von ihren Jahren 
Gnädiglich und chriſtlich wöll' verfahren, 
Sie begnadigen zum Strang — derweil 
Mit Beding: ſo ihrer Seelen Heil 

Sie beherzigend ſich taufen laſſen 

Und des Glaubens heil'gen Anker faſſen. 


„Laßt uns ſterben in des Irrtums Wahn! 
Trunkner Stadtknecht, rühre uns nicht an! 
Laßt uns ſterben ohne eure Taufe, 

Nicht vom Regen kommen in die Traufe! 
Richte aus, was unſre Lippe ſpricht: 

Euer Gott, der iſt der unfre nicht!“ 


1 Draußen vor dem Dorfe beim Kaſtanienbaum brennen 
Zigeunerfeuer. Die alte Zigeunermutter erzählt mir eine Ge— 
ſchichte, und das Bilſenkraut, „das Todesweib mit der geäderten 
Stirn und dem Verweſungshauch auf der Lippe“, erzählt mir 
auch eine. And der Stechapfel dort auch. (Wagner.) 

9 
131 


132 


„Mutter! Mutter! wär'n wir bei den lieben 
Leuten an der Maros doch geblieben, 

Unter Paſcha Vater Selims Schutze, 

Der dem böſen Chriſtenvolk zum Trutze 

In dem türmereichen Ofen ſitzet 

And das weite Angarland beſchützet — 
Statt hieher in dieſes Land zu kommen, 

Zu den Chriſtenleuten, zu den frommen, 
Wo das ſchöne Gaſtrecht iſt erkaltet, 

Wo nur Habſucht und nur Argliſt waltet.“ 


„Euren Vater hofft' ich hier zu finden, 
Mich aufs neue mit ihm zu verbinden. 
In der Nähe iſt er, wir erfuhren 
Ehegeſtern erſt von ſeinen Spuren.“ — 
Traurig Wiedernahen in den Ketten! 
Könnt' uns nur der liebe Vater retten! 


Drauf die Alte aus zerlumpter Hülle 
Langt hervor ein kleines Säckchen ſtille, 
And ſie teilt den Samen in drei Teile: 
„Nehmet! nehmet! jetzo noch in Eile 
Meines Zaubers mächtige Beſchwörung: 
Flehet, flehet, Töchter! um Erhörung: 


Jeder Fluch, den ein Zigeuner fand, 
Der dahingehetzt von Land zu Land 
Seit des Arahns, König Meliks, Zeiten, 
Möge hier in dieſe Körner gleiten! 

All Verwünſchung in des Böſen Namen 
Derer, derer, die ums Leben kamen 


Durch das Henkerſchwert und durch den Strick, 


Jedes Röcheln, jeder Sterbeblick 
Sei hineingehaucht in dieſen Samen! 


Ein und fünfmal! drei und ſiebmal! Amen!“ — 


are 


And als ob von Glocken voll der Himmel, 
Tönt die ganze Stadt von dem Gebimmel, 
And die Menge draußen lärmt und ſchreit, 
Doch die dreie machen ſich bereit. 


Schmücket euch zu eurem Todesgange! 
Auf die bräunlich ſchöne Roſenwange 
Spiele nieder eurer Flechten Dunkel, 
Falle lichtvoll eures Aug's Gefunkel! 
Laßt die Doppelſchnur der Blutkorallen 
Auf den edlen Nacken niederfallen! 

Laßt die Brüſte heben hoch das Mieder, 
Halbverhüllet laßt die vollen Glieder! 
Werft das Seidentuch von fernen Triften 
Leichtgeſchlungen um die ſchlanken Hüften! 
Aus den Augen wiſcht die feige Träne, 
Lächelt freudig, zeigt die Perlenzähne! 
Leget an die goldnen Ohrgehänge, 

Daß ihr ſterbet im Triumphgepränge! 


Nach der Richtſtatt draußen auf dem Anger, 
Wo der Galgen ſtehet und der Pranger, 
Geht, geleitet von der lauten Menge, 

Jetzt der Zug durch eines Feldwegs Enge. 
Still und leiſe laſſen ſie entgleiten 
Todeskörner an des Weges Seiten, 

And die Alte murmelt noch den Segen 
Ihnen nach auf den betauten Wegen: 
„Mutter Erde, wollſt die Körnlein ſegnen! 
Vater Himmel, huldvoll ſie beregnen! 
Mutter Mondlicht, wollſt die Pflänzlein hüten! 
Vater Sonnſchein, aus den Samen brüten! 
Daß er reife, unzählbar ſich mehre, 

Daß er werde wie der Sand am Meere, 
Daß dies böſe Chriſtenland im ſtillen 
Anzählbare Todeskeime füllen, 


133 


Daß ein Taumelwahn dies Volk erfaſſe, 
And der Schrecken vor dem Graun erblaſſe! — 


Auf die Augen, auf! ſchaut nach den Karren, 
Die am Wolkenſaum dort unſrer harren, 
Farbige Tücher drüber ausgeſpannt, 
Farbige Tücher aus dem Morgenland! 
Hergeſprengt von blauer Himmelsheide, 
Jetzt die Roſſe kommen von der Weide, 
Mit der Peitſche der Zigeunerhirt, 

And die Roffe werden angeſchirrt. — 
Vater! Fuhrmann! Lieber Fuhrmann, halte! 
Träger Henker! Deines Amtes walte! 


Aus den Rofenzelten, glanzbeſonnt, 

Drunten an des Oſtens Horizont 

Treten unſre Brüder nun mit Geigen, 
Machen jetzo, eh zu Roß ſie ſteigen, 

Ihren Schweſtern noch die Brautmuſik. — 
Wanda! Meta! hebet auf den Blick! 

Aus den Augen wiſcht die feigen Tränen! 
Schaut! die Roſſe ſchütteln ſelbſt die Mähnen, 
Ihre Hufe ſtampfen ſtolz den Takt! 

Wilder, ſchriller Geig' und Zimbel hackt! 
Wilder, rafcher raſt des Tanzes Welle — 
Mit dem Bräutigam tanzt ſich's freudig ſchnelle! 
Tänzer, halte! ſieh, es kommt die Braut!“ — 
And erſtickt iſt ihrer Stimme Laut. — 


Im weiten Kreiſe ringsherum 
Behaglich gafft das Publikum, 
Hat am Spektakel ſich ergetzt, 

And grinſend nun die Zähne wetzt 
Sich mancher tapfre Bürgersmann, 
Der alles klein verdauen kann, 


134 


en . 
r lan hun m in ln nn San ann nn 


Wie's ziemet einem Antertan 
In dieſer Stadt ſo lobeſan. 


Und einer hält eine Rede fromm: 

Das Reich Gottes bald zu uns komm'! 
Wir danken ſehre 

Dir, Gott und Herre, 

Daß du gegeben der Chriſtenheit 

In dieſer letzten und böſen Zeit 

So fromme und chriſtliche Obrigkeit, 
Und tragen Reue und Herzeleid, 

Daß auch in uns noch das Böſe kräftig, 
And daß der Satan auch heut geſchäftig, 
Zu ſtreuen in frommes Chriſtenblut 
Sündhaft Mitleid mit dieſer Heidenbrut. 


Auch bitten ſehre 

Wir dich, Gott Herre! 

Du wollſt uns bewahren 

Vor teuren Jahren, 

Vor Seuchen und vor der Türken Heer, 
And was der Sekten Argliſt mehr, 
Vor Feuer und vor Waſſersnot 

And einem böſen und ſchnellen Tod! 


And der Stadtknecht tritt hervor: „Beliebt's 
Eu'r Geſtrengen?“ — Und der Vogt: „Was gibt's?“ 
„Drüben bei den Felben und den Karren 

Hat das Volk ſchon geſtern einen Narren 
Aufgefangen, der es frech gewagt, 

Nach Zigeunerinnen hat gefragt.“ 


„Was dünket Euch, Herr Abt? Wir hängen ihn, 


Es geht gerade ſo in einem hin; 
Was wollen mit dem Narren wir uns plagen?“ 


135 


Vom Schlaf auffahrend deſſen Wangen glühn: 
„Gott! machen einem diefe Heiden Mühn! — 
Hab' zu des Vogtes Arteil nichts zu ſagen.“ 


Die Waſſerfrau 


In dem Schatten dunkler Trauerföhren 
Ruht ein See. 

Mädchen ſteht hier, nicht mehr heimzukehren, 
Klagt ſein Weh: 


„Meine Mutter hat man heut begraben, 
Bin allein; 

Niemand will die Waiſe um ſich haben, 
Nennt mich ſein!“ 


And da glänzt es von zwei weißen Armen, 
Rauſcht herfür: 

„Will ſich niemand deiner hier erbarmen? 
Komm zu mir! 


Kammern ſind hier, eine Ruheſtätte 
Auch für dich, 
And das ſchöne dunkelblaue Bette 
Schüttle ich. 


Viele ruhn hier, frei von jedem Kummer, 
Frei von Not; 

Kühlend ſind die Fluten, ſanft der Schlummer, 
Süß der Tod. 


Nach der Heimat kannſt du nimmer wieder — 
Komm, mein Kind, 

Gib die Hand her, ſchließ die Augenlider, 
's geht geſchwind!“ 


136 


Blumenrache 


Ach, umſonſt war all des Jünglings Hoffen, 
And umſonſt war all ſein Liebeswerben, 
Von der Täuſchung, die ihn hat betroffen, 
Iſt nur eine Rettung ihm, das Sterben. 


Wohl gedenkt er, wie er manche Jahre 
Nach dem trauten Hauſe durfte wandern; 
Morgen ſteht die Braut vor dem Altare, 
Aber mit dem Glücklichern, dem andern. 


Durch die Haine und die Wälder irrend 
Sieht er rote Frühlingsblumen ſproſſen; 
Süßer Düfte voll, doch ſinnverwirrend 
Sind des Lorbeers roſige Genoſſen !. 


And er bricht ſich einen Strauß der roten 
Duft'gen Blumen, um als Abſchiedsſegen 
Stumme Gabe durch verſchwieg'nen Boten 
Ihr, der Liebſten, auf den Tiſch zu legen. 


Nacht iſt es, und todesſchweres Bangen 
Legt ſich auf die Schläferin im Zimmer, 
Kaum noch dämmert in ihr Brautverlangen; 
Morgen iſt es, und ſie ſchläft noch immer. 


Schwere Düfte ſchweben wie Geſpenſter 

In dem kleinen Stübchen auf und nieder, 
And die Schweſtern reißen auf die Fenſter, 
Doch die ſchöne Braut erwacht nicht wieder. 


Seidelbaſt. 


137 


138 


Der Ilgenbrunnen 


Mitten in der Ilgen blauer Fülle, 
Und verborgen in der Waldnacht Hülle, 


Wenig nur beſchienen von der Sonnen, 
Liegt ein ſtiller abgrundtiefer Bronnen. 


Wer will wiſſen, wie er ausgeſehen 
Einſt als Kind, mag nach dem Brunnen gehen. 


Ging einſt einer nach dem Brunnen wallen, 
Einen Stein ließ er hinunterfallen 


In des Brunnens unterirdiſche Grube. 
And es hob ſich aus der Waſſerſtube, 


And ein roſig Kind ſtieg aus der Tiefe, 
And es war, als ob's den Namen riefe. 


And es ſtreckt die Händlein nach dem Alten, 
Und dem iſt, als ſei er feſtgehalten. 


And es faßt ihn Wehmut und Entzücken, 
And des Kindes Blick will ihn berücken. 


And das Antlitz ſcheint ihn einzuladen, 
In dem Brunnen ſich mit ihm zu baden. 


And ihm iſt, als könnt' er voll geſunden 
In dem Brunnen erſt von ſeinen Wunden. 


And ihm iſt, als ob er ſelig ſchliefe 
Bei dem holden Kindlein in der Tiefe. 


And ſo iſt er kindheitſelig, trunken 
Mit dem Kindlein in der Flut verſunken. 


| Im Erlengrunde 


Nacht iſt's, ſtill, kein Vogel will ſich regen, 
Leiſe rauſcht's jetzt her von all den Wegen, 


Durch den Wald herab her von der Straße, 8 
Durch das Tal herauf am Bach, im Graſe. 


Sammeln ſich dort auf der freien Stelle, 
In der Waldſchlucht bei der Fackel Helle. 


Dort erkennen die zerſtreuten Glieder 
An dem Bruderkuß die Glaubensbrüder. 


And ein Knecht des Herrn, dem Schwert entronnen, 
Hat voll Andacht ein Gebet begonnen: 


Trachtet nach der Aberwinder Lohne, 
Schauet dort im Himmel eure Krone. 


Auf dem Baumſtumpf ſteht ein Kelch ſamt Schale, 
Kommt herbei, herbei zu ſeinem Mahle! 


Eßt das Brot, er gab für euch ſein Leben! 
Trinkt ſein Blut, für euch im Tod gegeben! 


Laut und lauter ſingt die Schar der Brüder 
Todesmutig eins der Glaubenslieder. 


And der Prieſter ſpricht zum Schluß den Segen, | 
Jedes nimmt noch einen Kuß entgegen. 


Schritte rauſchen um die Mittnachtſtunde 
Durch die Wege längs dem Erlengrunde. 


139 


Der Zwerg in der Mühlſtube 


Die Nacht iſt kalt, doch in der Stube drinnen 
Rings um den Ofen iſt's ſo warm und licht; 
Der Müller ſchläft, und ſeine Töchter ſpinnen, 
Drei Mädchen ſchlank mit freundlichem Geſicht. 


„Was klopft am Laden? Horch! Was trippelt außen? 
Geh, Dorchen, geh und laß ihn flink herein! 

Sei artig, Kind, der Zwerg ſteht wieder draußen, 

Er bringt dir Gold, Granaten, Edelſtein.“ 


„O Mutter, ſtill! Mir grauet vor dem Zwerge! 
Er iſt zwar reich, doch aber auch ſo alt 

Wie ſeine Höhle drüben in dem Berge; 

Ich mag ihn nicht, die häßliche Geſtalt!“ 


„Doch weißt du, Kind, daß, wenn du nicht erraten, 
Was er dir aufgab jüngſt, du ſein dann biſt? 

Er freut ſich des, neckt dich, klopft an den Laden: 
Gelt! Wenn du wüßteſt, wie mein Name iſt?“ 


And draußen lärmt's und tanzt und ſingt ganz leiſe: 
„Hei! Wenn mein Schätzle wüßte — wüßte — daß, 
Hei! Wenn es wüßte — daß — ich — Erdmann heiße, 
Wie würd' es lachen! Heil Das wär' ein Spaß!“ 


And huſcht hinein, und flugs an ihre Seite, 
Packt Gold, Granaten, Edelſteine aus, 

Iſt reich, ſo reich in ſeiner Freude heute, 
And fordert ſcherzend den Verlobungsſchmaus. 


„Was du mir aufgabſt jüngſt, hab' ich erraten, 

And Erdmanns Weibchen werd' ich niemals ſein!“ — 
Da weint der Zwerg: „Ich hab' mich ſelbſt verraten, 
Behüt dich Gott, mein liebes Mägdelein!“ 


140 


N 
Tr a a rt 


Z 


And in der Ferne hört man leiſe Klage. 
Jetzt mauert er der Höhle Eingang zu, 
Verſchließt ſich drin und lebt noch heutzutage 
Im Schoß des Bergs in ungeſtörter Ruh'. 


Sichelwetzen 


Die Schnitter ſitzen beim Veſpertrunk, 
Die Schnitter und Mägde des alten Funk. 


Die Altmagd ſchenket die Becher ein. 
Der Acker muß heut noch geſchnitten ſein! 


Die Jungmagd bringet der Sicheln drei, 
Sie trillert ein luſtiges Lied dabei. 


„Wer wetzt die Sicheln, wer iſt der Mann? 
Der Jungknecht, der Konrad, der lügen kann?“! 


„Ich will dir wetzen die Sichel ſcharf, 
Wenn ich, Kathrine, dich küſſen darf.“ 


„Dein Sichelwetzen wär' gar nicht ſchlecht, 
Nur klingt es immer wie „Veſperknecht'. 


Doch will ich wahrhaftig keinen Mann, 
Der nichts als Wetzen und Veſpern kann.“ 


„So wetze doch du mir, du herber Schatz, 
Ich gehe, beim Wetter, ſonſt nicht vom Platz!“ 


Sie nimmt die Sichel. — Was gilt die Wett'! 
Es klingt nur immer: „Ich will dich net!“ 


Der Altknecht nimmt die Pfeife vom Mund: 
Dein Wetzen, es klingt ja wie „Lumpenhund“. 


Volksmeinung: Wer nicht lügen kann, kann auch nicht 
wetzen. (Wagner.) 8 


141 


Die Schnitter lachen den Altknecht aus; 
Da kommt ſoeben der Sohn vom Haus. 


Er kann noch hören das Wortgefecht, 
Kathrinchens Wetzen: „Der iſt der Recht'!“ 


Die Müllersbraut 


Wohin, o Mädchen, im Sonntagsgewand? 
„Zu meinem Müller im Oberland! 

Zu ſeiner Mühle, da ſtehet mein Sinn, 
Da werde ich die Frau Müllerin!“ 


Was aber willſt in der Mühle du tun? 

Das Klappern der Räder läßt dich nicht ruhn, 

Das Klappern, das Klappern wird machen dich taub, 
Geſichtlein und Härlein wird decken der Staub. 


„And würde ich taub und würde ich blind, f 
Wohl einerlei all die Dinge mir ſind: a 
Der dicke Müller, der iſt mein Schatz, 
An ſeiner Seite iſt nun mein Platz!“ 


c 


Die ſchöne Sonnenwirtin 


Du Sonnenwirtin, du ſchöne! 
Wohl nehme ich Platz am Tiſch, g 
Doch nimmermehr, daß ich fröne 
Dem Hunger nach Brot und Fiſch! 


Du Sonnenwirtin, du hehre! 
Wohl kehre ich bei dir ein, 
Doch nimmer, weil ich begehre 
Von deinem ſchwarzroten Wein! 


142 


Du Sonne mit deinem Blinken! 
Nichts will ich, Herrliche! Nichts! 
Vergönne mir nur zu trinken 

Die Strahlen deines Geſichts! 


Sind deine Blicke als Funken 
Gefallen ins Blut mir hinein, 
Iſt mir's, als hätt' ich getrunken 
Den allerfeurigſten Wein. 


Feinau 


Von einem Eden möcht' ich heut erzählen, 
Das mich der Herr mit Augen ſehen ließ: 
Ein kleines Tal, wo Rebenland und Wieſ' 
And Blumentag und Waldnacht ſich vermählen. 


Im Wechſelton von Hecken, Rebenpfählen, 

Von grünen Wieſen, buntem Weinbergskies; 

Im Wald verſteckt, als wollt' dies Paradies 

Der Herr der Welt dem Aug' der Welt verhehlen. 


Der Wandrer geht auf ſeinem Pfad im Walde 
Bewundernd hin. Sein trunknes Auge ruht 
Auf Tal und Wald und Blütenmeer der Halde. 


Da ſchmettern aus des Waldes grüner Hut, 
Kuckuck! Kuckuck! zwei ſel'ge Lenzheralde, 
Als ob ſie ſagen wollten: Hier iſt's gut! 


Steinegg 


„Dies Schloß gehör' inskünftig der Gemeine!“ 
Ein Bote bracht' den fürſtlichen Erlaß 

Dem Gemmingen, der auf der Steinegg ſaß, 
Da ſchlug er auf den Tiſch: „Noch iſt es reine! 


143 


Auf, Knechte, auf! Macht flugs euch auf die Beine! 
Ab, Ziegel ab von jeglichem Gelaß! 

Erſäuft den Turm! Er werd' zum Regenfaß, 

Die Tore brecht, und rüttelt los die Steine! 


Dies Haus vermach' ich Eule, Fledermaus! 
Den Hof vermach' ich Eiche, Dorn und Flieder, 
Die Hallen, Gänge jedem Wettergraus! 


Ich überliefr' es jedem Mißgefieder, 
Eh mir ein frecher Schneider ſchaut heraus, 
Ein Bürſtenbinder oder Seifenſieder!“ 


Glemseck 


Wie anders mir erſcheinſt du, Werk der Kelten, 
Als, eingefaßt von Sümpfen und von Nohr, 
Einſt reckenhaft dein Ringwall ſtieg empor, 

And wild und kühn die Auerhörner gellten. 


Wo Feuer brannten unter Laubgezelten, 

Der Bären Brüllen ſich im Wald verlor, 

Aus Dorn und Schilf das Elen brach hervor, 
And in den Schluchten rings die Wölfe bellten. 


Anheimlich düſter iſt noch heut dein Frieden: 
Das Opferkraut, das ſcharfe, deckt den Rain, 
Von Noſſen wie von Stieren ſtreng gemieden. 


Tollkirſche lehnt ſich an den Opferſtein, 
And wo es traf, das Schlachtbeil des Druiden, 
Hüllt nun der Boden moderhaft Gebein. 


144 


Liebeneck 


Ob Sonnſchein auch auf allen Bergeswarten, 
Geſpenſtertürme darf er nicht erheitern. 

Schwer eingepreßt ſucht ſich der Blick zu weitern, 
And prallt zurück an dem Geſtein, dem harten. 


Geſpenſterhaft klagt's aus des Turmes Scharten: 
Was frohe Hoffnung wär', ſieh' hie zerſcheitern; 
Hie wär' der Ort, den Satan gar zu läutern, 
Hier iſt nichts mehr vom Leben zu erwarten! 


Aufragt er kühn mit ſchwarzen Mauerzacken, 
Als ſei erbaut er von der Hölle Schlacken; 
Anſäglich traurig ſteht im Hof die Eſche. 


Rück ſchauſt du ſcheu, ob hinterrücks die Bracken, 
Die tückiſch lauern drüben in der Breſche, 
Nicht zähnefletſchend im Genick dich packen. 


Rieth 


Welch Kleinod doch in nächſter Heimatweite, 
Dies weltentrückte, zauberſchöne Tal, 

Die Mühle hie, der Linde grünend Mal, 
Der klare, friſche Strudelbach zur Seite! 


Das kleine Dörflein hier, das hingeſtreute! 
Dort an des alten Schloſſes Steinportal 
Ein ſchwarzgekleidet adelig Gemahl, 

Dem Pilgersmanne gebend das Geleite. 


Geſpenſtig auf zwei runde Türme ſtreben, 
Ein Wappenbild hebt ernſt ſich vom Geſtein, 
And Galerien laufen hin daneben. 

Wagner, Geſammelte Dichtungen 10 


145 


— 


In einer kleinen Schenke kehr' ich ein: 
Rings ſteil Geſtäffel, dran Silvanerreben, 
Denn dieſes Tales Loſung iſt der Wein. 


Gabrielsbrunnen 


In kühlem Grund Kühbrunnens klare Tränke, 
Ein Bienenſtand mit Honig und mit Wachs, 
Der Hang darüber himmelblau von Flachs, 
Wollblume rings ums ſonnige Geſenke. 


Dort ausgehau'ner Stufen ſchmale Bänke. 

Zu ſteiler Höhe, ausgehöhlt vom Dachs, 

Klimmt auf ein Mönch mit Spaten und mit Sax, 
Fangeiſen, Armbruſt blank am Wehrgehenke. 


Vergebens mehr ſiehſt du dich um nach ihnen. 
Wohl manch Jahrhundert ſtumpfte hie den Zahn: 
Nicht ſchwärmen ums Gehänge mehr die Bienen; 


Nicht ſchmückt ein blaues Flachsfeld mehr den Plan. 
Wehmütig ſtimmt der wilden Balſaminen 
Weltſcheuer Anruf: „Rühre uns nicht an!“ 


Germanengräber 


Langgeſtreckt, ſo wie ſich's mag geziemen 
Heldenleibern, die die Lieder rühmen, 
Liegen eure Grabeshügel alle 

In der grünen ſchattigen Totenhalle. 


Aber aus den Gräbern dieſer Mannen 
Sproßt empor der Heldenleib der Tannen, 
Schmetterlinge ſchweben auf wie Träume; 
Wieſengold ſchmückt eure Hügelſäume, 


146 


ET ANNE . —— 8 


1 + * 


Daß es wohl als Römermünze deute 
Euren Anteil an der Siegesbeute; 

And des Habichts Aufſchrei möge künden 
Euren Schlachtruf hier in dieſen Gründen. 


Caſtrum in Mainhardt 


Fernher kam ich zu ſchaun die Amwallung des römiſchen 
Lagers, 

Wenig erſchau' ich hievon, friedlich erſcheinet der Ort. 
Obſtbaumwieſe, Gehöft, Kohlgarten bedecken die Stätte, 
Wo die Kohorten gewohnt, wo das Prätorium ſtand. 

Ringsum dichtes Geſträuch längshin auf der Höh' der 
Amwallung, 
And die Silene entſproßt blühendem Dornengeheg. 
Aber die Geiſter von einſt noch weilen ſie drüber, und 
blut'ge 
Schaurige Bilder enthüllt ſchauet der geiſtige Blick: 
Vor dem Prätorium ſtehn blondſchopfig gefeſſelte Katten, 
Sieh, wie der Liktor ſo ſtreng waltet mit Bündel 
und Beil. 
Oſtwärts Tubagetön längshin des entwaldeten Limes, 
And der Centurio fliegt hin mit berittener Schar. 
Mars, der Gewaffnete, ſteht auf ſteinernem Sockel am 
Torweg, 
Links ein beflügelter Gott zeigt die beflügelte Zeit. 


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F 


Baiersbronner Tal 


Notſcheckige Kühe und Rinder 
zZ Weiden auf all den Höhn, 
12 And ſpielend als Hütekinder 
Mägdlein daneben gehn. 
10 * 
147 


148 


Der Weideglöcklein Geklingel 
Ertönet von jedem Rain, 
Ein wolkiges Rauchgeringel 
Entwallet den Feuerlein. 


Es ziehet hinauf zur Halde, 

Wo neben dem Trümmergraus 
So friedlich am Tannenwalde 
Herſchimmert Scheuer und Haus. 


And Häuſer, Höfe und Weiler 
Hinein in die fernſte Bucht, 
Von fern ein glimmender Meiler 
In finſterer Tannenſchlucht. 


Albvereinslied 


O kommt herbei von Oſt und Norden, 
Schaut unſrer Berge hehren Kranz, 
Die Alb mit ihren Felſenborden, 
Beleuchtet von der Sonne Glanz. 

Von Wollenherden fromm beweidet 
Würzreiche Hügel ſanft und mild, 
Von Buchenwäldern überkleidet 
Berglehnen, weiße, ſteil und wild. 


Doch was dich noch am ſchönſten ſchmücket, 
Dich, Land der Heimat, Schwabenalb, 
Was jedes Wand'rers Aug' entzücket, 
Sind deine Burgen allenthalb: 

Aufragen ſie im Glanz der Sonnen 

Hoch oben in der Lüfte Blau, 

Von Efeuranken überſponnen 

Zerfall'ner Türme Mauergrau. 


Im Süden fern grüßt mich die Höhe 
Der heiligen Dreifaltigkeit; 

Zwei Berge, wenn ich nordwärts gehe, 
Den alten Göttern einſt geweiht: 

Du Berg der Roffe, Berg der Farren, 
Mit den Genoſſen ſchlecht und recht, 
Wie lang ſchon mögt ihr niederſtarren 
Auf dieſes menſchliche Geſchlecht? 


And geh' ich wandern, geh' zu häufen 
Mein Lob zu einem Wanderpſalm, 


So grüßt von fern mich auch der Neuffen 


And Hohenurach und Achalm. 
Vom Lautertale grüßt herüber 
Von luft'ger Höhe mich die Teck, 
Und über Wälder nebeltrüber 
Winkt Helfenſtein und Stauffeneck. 


Im Norden ſeh' ich einſam ragen 

Den Staufen auf im Witwenkleid, 
Den Rechberg auch und möchte klagen 
Ob der vergang'nen Herrlichkeit. 

Doch fern im Süden, dir, mein Zollern 
Mit deinem ſtolzen Fürſtenſchloß, 


Weih' ich dies Lied mit einem vollern 


Anklingen auf den Kaiſerſproß! 


Doch klagen nicht noch bang betrauern 
Laßt uns des Schönen irdiſch Los, 
Von Felſennelken glühn die Mauern, 
Am mooſ'ge Trümmer rankt die Noſ'. 
Nicht klagen laßt uns der Ruinen, 
Nicht neiden deren einſt'gen Glanz, 
Nein, freuen uns, daß nun ſie dienen 
Zum Schmucke unſres Schwabenlands. 


149 


150 


Spaniſche Weinſtube 


Ach, für meines Lebenstiſches 

Od Getreib in Stall und Scheuer 
Wünſcht' ich einmal mir ein friſches 
Ritterliches Abenteuer. 


And „Alonſo Pedro Vega“ 
Stand an einer Wand zu leſen; 
Eine ſpaniſche Bodega — 

War noch niemals drin geweſen. 


Schmachtend ſchaut' ich nach Lenora, 
Die mir füllen ſollt' den Becher. 
Gott! Wo iſt doch die Sennora 
Mit Mantilla und mit Fächer? 


Was ich ſah, war gar nicht ſpaniſch: 
Eine Magd mit Sommerſproſſen, 
Hochgeſchoſſen, blond germaniſch, 
Reichte mir den Wein verdroſſen. 


And umher auf ſteifen Stühlen, 
Voll Grandezza und Bedeutung 
Masken ohne menſchlich Fühlen, 


Las ein jedes in der Zeitung. 


Von der Bank rafft' ich mein Bündel, 
Zu entfliehen dem Gelaſſe; 

„Heillos ſpaniſches Geſindel!“ 

Rief ich draußen auf der Gaſſe. 


Rheinfall bei Schaffhauſen 


Welch Donnerſauſen 
And Wogenbrauſen, 

Sich überſtürzen, 

Mit Schaum ſich ſchürzen! 


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* 


Sind's Fohlen mit ihren Müttern, 
Die, bange vor Sturmgewittern, 
Bei rollenden Donnerſtimmen 

Den Strom durchſchwimmen? 


Die Mähnen, die weißen Mähnen 
So ſturmwild flattern; 

Dort übereinander ſich lehnen 

Die Müdern, die Altersmattern. 


Die Hengſte mit ſtarken Hufen 
Sich breite Stufen 

Ins Waſſer ſchlagen 

And weiter jagen. 


Noch kündet donnernd Gewieher 
Viel tauſend der gleichen Flieher, 
And tauſend der grauen Stuten 
Tief unten ſtromabwärts fluten. 


Luzern 


Abend iſt's, und all die Blumen ſchlafen 
Düfteſtreuend an Lucernas Hafen. 


Nächtlich gürten ſeines Afers Säume 
Thujaſträuche und Kaſtanienbäume. 


Da auf einmal: Welch ein Lichtgefunkel 
In der Seeflut grünem Waſſerdunkel? 


Jede Leuchte auf des Bergs Terraſſe, 
Jedes Lichtlein drüben in der Gaſſe 


Spinnt ſich über, bildet Feuerwege, 


Wird zur Brücke, wird zum Wellenſtege. — 


151 


Mählich ſchwindend, dämm'riger und blaffer 
Langſam ſo verzitternd überm Waſſer. 


Näher treten an die Schattenrieſen, 
Dich, Lucerna, in den Arm zu ſchließen. 


Auf dem Rigi 


Schön iſt's, wandeln bei der Tale Qualmen 
Auf den ſtillen, taubeſprengten Almen, 
Wo von Felſenwänden, kahlen, bloßen, 
Her dir winken dunkle Alpenroſen, 
Ringsumher die hohen Eiſeszinken 
Silberhell zu dir herüberblinken, 

Enziane mit dem dunkelſatten 
Tiefblau dich begrüßen auf den Matten, 
And Geläut' von braunen Weidekühen 
Niederklingt von den betauten Flühen. 


Frühlingsanfang im Tal des Teſſin 


Ein Kind des Schnees, ſo weiß, ſo waſſergrün, 
Durch felſige Tore wälzt ſich der Teffin. 


Steinblock an Steinblock. — Wie das ſchäumt und ziſcht! 
Das iſt nicht Waſſer mehr, das iſt nur Giſcht. 


Felswände ſteil, gewaltig, wolkenhoch, 
Durch ſie geſprengt der Eiſenſtraße Joch. 


Ein Dörflein dort. — Ach, zehn der Häuschen bloß, 
Steinmauern kalt, ſo grau, ſo fenſterlos. 


Und doch und doch: Ein Gärtlein treu gepflegt, 
Ein Wieſenfleck vom Steinwall eingehegt; 


152 


5 


And fieh und ſieh: Ein Kirchlein liebetraut 
Dort an den rieſigen Felsblock angebaut. 


Du Giornico! Noch hängt die Rebe braun 
An deiner Gärten leichtem Lattenzaun, 


Noch kündet mir den Frühlingsanfang nicht 
Am Wegſaum dort ein Blumenangeſicht. 


Ein Kind iſt's, das ihn kündet mir am Tor: 
„Gib mir die Veilchen, Lina!“ — „Si Signor!“ 


Maroggia 
(am Luganer See) 


Ich weiß ein Friedenheim, ich kenn' ein Eden; 
Von ſeinen Seligkeiten laßt mich reden. 


Ein Tälchen iſt's, vor Stürmen rings geborgen, 
Als ob's hier gäbe keine Erdenſorgen. 


Ein Wäldchen iſt's zu ſüßem Liebeskoſen; 
Als rote Küſſe glühn die Pfirfichrofen. 


Die Seeflut ſpielt mit ihren Aferkieſeln, 
Du möchteſt ſchlafen ein bei dieſem Rieſeln. 


Maroggia! Wohl iſt's ein wonnig Karmen, 
Was dich umfängt mit ſeinen Flutenarmen! 


Die Primel blüht in grüner Gärten Weiten, 
Auf blauer Seeflut ſanft die Kähne gleiten. 


Wenn jemals könnt' ein wundes Herz geſunden, 
An dieſen Afern wär' der Strand gefunden. 


„ 153 


Lugano 


O hoffe nicht, aus dieſer Zauberſchüſſel 


154 


Zu naſchen Früchte, ſo dir fehlt der Schlüſſel, 


Auf dir zu ſchließen ihrer Wunderzonen 
Liebreiz und Glanz auf Gaſſen und Balkonen, 


Wo abends ſtets von ſeidenen Gardinen 
Geſang dich grüßt und Klang der Mandolinen, 


Bildſchöne Frau'n an dir vorübergleiten. — 
O ſchau nicht um nach dieſen Herrlichkeiten! 


Nicht ungeſtraft magſt du Lugano ſchauen, 
Dein Auge weide an der Flut, der blauen! 


An feinen Rofen, Myrten, Loniceren, 
An feinen Bergen, feinen wunderhehren! 


Du biſt zu ernſt für dieſes Freudehaſchen, 
Zu ungeſchickt, aus dieſem Kelch zu naſchen. 


Ins Tal der Sel'gen kamſt du zu genießen, 
Doch hungrig kehrſt du aus den Paradieſen! 


Monte Salvatore bei Lugano 
Tritt an, o Pilgrim, willſt du dich entladen 


Viel deiner Sünden auf dem Berg der Gnaden, 


Durch ſchmaler Gaſſen enggewölbte Tore 
Aufwärts den Pfad zum Monte Salvatore. 


Ein Bild des Heilands ſteht am Weg da drüben; 
Auf, beug dein Knie, in Andacht dich zu üben! 


Schau um! Schau um! Wie weich die Waſſer fließen, 


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Des Heilands Berg ſich innig anzuſchließen! 


Schau um! Schau um! Wie ſanft die Aferlehne, 
Als ſuchte ſie wie einſtens Magdalene 


Mit Roſenöl und Balſam allenthalben 
Den nackten Fuß des Heilands einzuſalben! 


Auf ragt ſein Haupt, von mildem Licht umfloſſen; 
Die Stadt da unten, reuig hingegoſſen, 


Als Sünderin liegt zu des Heilands Füßen, 
Mit weichen Lippen weinend ſie zu küſſen. 


Italia 


Italia, ſo überreich an Gnaden! 

Wie ſehnt' ich mich nach deinem ſel'gen Strand, 
And pilgernd zog ich in das heil'ge Land, 

An jedem Born der Schönheit mich zu baden. 


Der Dom zu Mailand 


Auf ragt der Dom in ſeiner Marmorpracht, 
Wie für die ganze Chriſtenheit gemacht. 


Du trittſt hinein: Wie kühl, wie feierlich! 
Dies Gotteshaus iſt eine Welt für ſich. 


Das Domgewölb' ein irdiſcher Himmel faſt, 
In dem die Gottheit ſelber wohnt zu Gaſt. 


Am Hochaltar der Kerzen flimmernd Gold, 
Die Jungfrau mit dem Jeſuskindlein hold. 


155 


Betſtühle hier, dort bleicher Lichterſchein 
Auf der Altäre ſamtbehang'nem Schrein. 


Glasſcheiben bunt in Blumenteppichs Pracht, 
Sie halten treulich ihre Fenſterwacht, 


Daß nimmermehr die Schau der Außenwelt 
Der Beter reine Andacht hier vergällt. 


Nach dem Gewölb', dem dunklen Baldachin, 
In frommem Duft die Weihrauchwolken zieh'n, 


Als ob auf ihnen ſanft der Lieder Chor 
Zu all den Sel'gen Gottes flög' empor. 


An der Riviera 


Gott! Welch Tülle von Licht hernieder mir flutet! Savonas 
Strahlender Himmel ſo blau wie ſein kriſtallenes Meer! 
Nimmer das ſchüchterne Blaß der Blumen der Heimat, 

| die fromme 
Waldanemone nicht mehr findet der ſuchende Blick. 

Anders geartet ſind hier die Töne, die Farben, und voller, 
Leuchtender, glühender ſpricht Erde und Himmel mich an. 


Im Hafen von Genua 


Stolz vom Geſtade des Meers, o Genua, prächtiges, 
ſteigſt du | 
An zu den Höhen, die rings weithin umſäumet dein 
Golf. — — 
Barken ruderten her mit Kiſten, Fäſſern und Säcken; 
Aufzunehmen die Fracht, knarreten Seile und Kran. — 
Dann mich wendend zurück zur Geſellſchaft: Drunten im 
Saale 
Saßen die andern beim Mahl, plauderten dieſes und das. 


156 


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Da der Stattliche hier, der ift ein Kaufmann aus Smyrna, 
Jener Gebräunete dort kommt vom numidiſchen Strand; 

Ich, der Schmächtige, nur vertrete das kleine Europa, 
Aſien, Afrika ſie mit der gedrungnen Statur. 


Eine Bellis perennis 
(Gänſeblümchen, in einem Garten bei Genua) 


Ei Gretchen! Ei! — Wann biſt du hergekommen? 
Sie haben dich doch freundlich aufgenommen? 


Doch nein! Ach nein! Mir ahnt von trüben Sachen, 
Das Weinen ſteht dir näher als das Lachen. 


„Die ſtolzen Schweſtern woll'n ſich meiner ſchämen, 
Die wollen mir mein Kleidchen übelnehmen, 


Das Kleidchen, das die Mutter noch geſponnen 
And noch gebleicht am Wiesplatz hinterm Bronnen.“ 


Dem Vater gib, o Gretchen, hievon Kunde! 
„Nein, Nachbar! Seht: Stiefmutter ſteht im Bunde.“ 


So ſchreib' ich ſelbſt ihm, wie mit trüben Mienen 
Wehmütig lächelnd mir ſein Kind erſchienen. 


Am Strande von Pegli 


Ich ſah dich, Meer, in deiner ſonnigen Pracht, 
Wie du als holde Schöne mir gelacht. 


Ich ſah dich, Meer, in deiner Wogen Braus; 
Ich ſah dich ziehen deine Stirne kraus. 


Ich ſah dir wallen all das Blut im Leib, 
Ich ſah dich, Meer, als wutentbranntes Weib, 


Das launentoll in ſtolzem Herrſcherſchritt 
Ein Spielzeug wirft zu Boden und zertritt. 


157 


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Tal des Arno 


Es zieht ſich aufwärts zwiſchen Rebenwänden, 
Es zieht ſich ſtundenlang und will nicht enden. 


Schön eingehegt zu grünen Rebenlauben 
Hier im Toskanerland das Feld der Trauben. 


Fortrankend ſich an Mauern, an beſonnten, 
An Maulbeerbäumen, weißen Häuſerfronten. 


Ein kleiner Hain Oliven dort dazwiſchen, 
Ein kahler Hang mit Ziſtusroſenbüſchen. 


Ein Gartenſtreif mit Sellerie und Bohnen, 
Am Boden ſchwer die Goldfrucht der Melonen. 


Amſponnen Mauern, Villen und Tavernen 
Von Klematis mit blauen Blütenſternen. 


So zieht ſich's aufwärts zwiſchen Rebenwänden, 
So zieht ſich's ſtundenlang und will nicht enden. 


Am Tiber 


Aus kiesgefülltem Bette kommt der Tiber 
Wie hitzverſchlafen vom Gebirg herüber. 


And leerer Bäche ſteinerfüllte Rinnen 
Ziehn zahllos nieder von den Apenninen. 


Als hingewürgter Völker rieſ'ge Särge, 
So grollen nieder die Sabinerberge. 


Nur hie und da an einer Felſenklippe 
Ein ausgebrannt und abgewelkt Geſtrüppe. 


Hie filbergraue, großgehörnte Rinder, 
Halbnackte braune, ſchöne Hütekinder; 


158 


| Dort von der Via Appia durchzogen 
Aufragend fern der Aquädukte Bogen. 


Die Weide ganz von Sonnenglut gerötet — 
So liegt das Land verlaſſen und verödet. 


Tempel der Veſta in Rom 


3 Deine Gottheit hat die Zeit vertrieben, 
1 Nur das heilige Feuer iſt geblieben. 
Be Mit dem feſten Mauerguß zum Grunde 
* Steht der Veſta einſtige Tempelrunde. 


9 Ob entſchwunden auch die Prieſterinnen, 
| Nicht erlofchen ift die Lohe drinnen. 


. Auf ſie alle, die da ſchönheitstrunken, 
2 Sprühen nieder neue Feuerfunken. 


4 IJIſt doch all das Göttliche und Hohe 
1 Ein verirrter Funke dieſer Lohe. 


Sankt Pauls Taverne in Rom 
(Apoſtelgeſchichte 28, 16) 


Doch der Hauptmann daſelbſt erlaubete Paulo zu gehen 

cher den Jüngern umher und zu predigen. — Aber ein 

Kriegsknecht 

| War zur Seite ihm ſtets ſo täglich, daß er nicht fliehe. 
Ind jo kam er oft her in das Haus des Kornelius Rufus, 

Trank und ſpeiſete dort. — And als ich germaniſcher 

5 Fremdling 

Sing zu ſuchen in Rom nach einer Taverne, da führte 
mdlich ſein Geiſt mich hieher. — And ſiehe, ja ſiehe: 

| Das war ja | 


159 


Pauli einftig Quartier, und nach ihm benennet die Gaſſe 
So wie die Schenke daſelbſt. — And auch die germaniſche 
Sklavin, 

Sommerſproſſig und blond, war da noch, die er bekehrte; 

Freilich, nimmer ſie ſelbſt, doch Arurenkelin jener, 

Stand und wartete auf und reinigte fleißig den Boden. — 

And ſo ſaß ich am Wein, ſaß lange, lange und immer 

Aus mir denkend den Brief, den hier er an Brüder ge- 
ſchrieben. 


In Pompeji 


Nicht bei Mondſchein, nicht bei Tages Blaſſen 
Bin gewandert ich durch ſeine Gaſſen; 


Nicht gehindert von der Menge Lärmen, 
Bin gewandelt ich durch ſeine Thermen. 


Hoch am Mittag hab' ich ſie beſchritten, 
And der Widerhall von meinen Tritten 


Durch die Totenſtadt, ſo ganz verlaſſen, 
Pflanzte fort ſich durch die ſtillen Gaſſen: 


Auf des Pflaſters ſchwarzen Lavablöcken 
Schlug er an wie auf metallne Becken, 


Sprang dann über nach der Cella Kannen, 
Nach der Thermen weiten Badewannen, 


Erſt verklingend fern auf der Tribüne, 
Des Theaters menſchenleerer Bühne; 


Bis kein Laut mehr dieſe Stille ſtörte, 
Selber ich den eignen Herzſchlag hörte, 


Als an Jupiters geborſtner Säule 
Voll mich trafen ſeine Sonnenpfeile. 


160 


Amphitheater in Pompeji 


O ſieh, o ſieh: Den mordbefleckten Boden 
Hat überſponnen ganz die weiße Winde, 
Als wolle fie hinweg die Blutſaat roden. , 


Gelungen iſt dem frommen Ackerkinde 
Es zu entſündigen, das Feld der Toten, 
Mit feiner Ranken weißer Prieſterbinde. 


* * 
* 


Von der alten Säulen Architraven, 
Von der Mauern ungezählten Ritzen, 
Alle, alle, die ſich hier einſt trafen, 
Kommen her zu ihren alten Sitzen. 


Zu Lazerten, die vorüberblitzen, 
Sind verwandelt Freie nun und Sklaven; 


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* 


Goldiggrün die kleinen Köpfchen glitzen, 
Bis ſie neu zu Menſchen ſich geſchlafen. 


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Gräberſtraße in Pompeji 


Wo weltentrückt an alt Pompejis Tor 
Am grauen Stuck und kahle Lavamauern 
Geſpenſtig ſtumm noch ernſte Pinien trauern 
Als letzte Zeugen von der Toten Chor, 


Mit ihren letzten Arnen noch davor — 5 
Da läßt es dich, den Wandelnden, erfchauern; 
Rück ſchauſt du ſcheu, ob keine Schatten lauern 
In Saal und Zimmer aus der Nacht hervor. — 


Es laſſen's ahnen all die vielen Niſchen, 

Es laſſen's ahnen dunkel die Zypreſſen, | 
Das Leid, das viele Leid. — Wer will's ermeſſen! 
Wagner, Geſammelte Dichtungen 11 


161 


Wer könnte doch in ſich hinein es preſſen 
Beim Trauermahl an dieſen Opfertiſchen 
Das Schluchzen all, das viele Augenwiſchen! 


* * 
* 


Vejus, ſieh: An deinem Wiegenfeſte 
Bringen wir des Liebesmahles Refte, 


Süße Trauben, einen Apfelkuchen, 
Eine Torte, die du magſt verſuchen, 


Eine Birne, eine Honigflade 
Her zu dir in deine Totenlade. 


Wollen ſitzend hier auf dieſen Bänken 
Anſers lieben Vejus noch gedenken. 


Wollen ſpähen, ob nicht deine Stele 
Durch ein kleines Nicken ſich empfehle, 


And ſo heimlich aus dem Aſchenkruge 
Nicht hervor ein kleines Köpfchen luge? 


Im Garten des Albergo del Sole in Pompeji 


162 


Tod und Leben nahe hier beiſammen, 
Aſchenurnen neben Noſenflammen; 


Jeder Morgen iſt ein Blumenbringer, 
Jeder Blick ſtreift einen Totenzwinger. 


Und den Trümmerreſt von Architraven 
Aberdecken ſiegreich der Agaven 


Bläulichgrüne rieſige Roſetten. 
Auf dem Boden nackte Amoretten, 


— ¹ ¹¹ũ̃·¹i¹iĩ 7 


Tonfiguren, Statuettentrümmer. 
And ich frag' mich: Ob nicht auch im Zimmer, 


Wo ich Fremdling geſtern übernachtet, 
Eine Aſchenurne eingeſchachtet, 


Da im Traum ein Weib mit Kahn und Ruder 
Mich willkommen hieß als ihren Bruder? 


Heiligtum der ſtädtiſchen Laren 


Ein Altar mit Früchten und mit Broten. — 
Statuen auf dem Moſaikboden 


Heben flehend ihre Marmorhände, 
Daß die Gottheit Freudiges nur ſende. 


Daß kein Anglück möge niederfahren, 
Stemmen ſich die Arme dieſer Laren.“ 


Oben offen; Halle ohne Decke, 
Daß die Bitthand ſich gen Himmel recke. 


Die Tauben auf dem Markusplatz 


O ſieh ſie doch, Venedigs Taubenſchar, 
Anflattern traut beim Schlag des Campanile, 
Wo Futter iſt geſtreuet für ſo viele, 

Frei von des Menſchen Tücke und Gefahr. 


Ab von den Dächern ſenkt ſich Paar um Paar 
Zum Markusplatz und ſeiner Marmordiele, 

Zu reichem Mahl und ſüßem Liebesſpiele, 
Behütet vor dem Habicht und dem Aar. 


Wer ſtreute erſtmals dieſe Friedensſaat 
Hier auf den harten Boden der Galeeren? 
Venedigs Adel war es, der Senat. 
1 
163 


Er tat's, um ſchöne Gaſtlichkeit zu ehren, 
And Land und Meer. Der Stürme Gott, er tat 
Sein möglichſtes, um Unglück abzuwehren. 


CL . a 


Erinnerung an Lugano 


Od düſter auch der trübumzogne Himmel, 
Die Luft erfüllt von ſchneeigem Gewimmel, 


Ich, rückverfolgend einſt'ger Freude Fährten, 
Finde mich heute in Luganos Gärten. 


Wie ſtill der See, an deſſen Rebenborden 
Kaum brandet an ein rauher Wind aus Norden. 


Viel ſtolze Villen auf den Aferhügeln 
In blauer Seeflut klar ſich widerſpiegeln. 


Der rohen Steinbank, wo ich einſt geſeſſen, 
Auch der Taverne nimmer ſei vergeſſen. 


Ob winterlich noch heut die Reben bräunen 
An deren Mauern, deren Lattenzäunen? 


Ob vor des Hauſes ſchmalen Fenſterſcharten 
Die Signorinas ſich ergehn im Garten? 


Am Berg hinauf im Laub, dem wintergrauen, 
Schon Anemonen blühn, die himmelblauen? 


Ich weiß es nicht. — Mir g'nügt, auf fernem Poſten 
Vergangner Tage Honigreſt zu koſten. 


Beim Feſt der Mädchen 


O falle nicht der Freude in den Zügel; 
Vom Honig naſche, den zurück ſie läßt! 

Kein Stachel bleibe für des Alters Reſt! 
O werde jung, und hebe auf die Flügel! 


164 


Laß nur der Jugend ihre Freudentänze! 
Laß freuen ſich, was ſich zu freu'n vermag; 
Dem Alter gönne neue Lebenslenze! 


Ja, ſchaffe ſelbſt dir einen NRoſenhag! 
An ſeine Dorne häng' Sonettenkränze 
Mit ſel'ger Inſchrift: „Koſte aus den Tag!“ 


Feſtjungfrauen 


Nicht zu kennen du begehr' mit Namen, 
Die ſo ſchneeweiß heut zuſammenkamen, 


Mit den Rofen, mit den Efeukränzen, 
Prangend in der Jugend ſel'gen Lenzen. 


Mit den Schleifen, mit den Purpurbinden, 
Ob Brunhilden ſie, ob Siegelinden? 


Wie entſchwebend dieſer Erdenkrume 
Mit der Fahne ſtolzem Heiligtume. 


Jener auch, die mit Walkürenmiene 
Dort die Stufen aufſteigt zur Tribüne. 


Bringen her ſie längſtentſchwundne Kunde? 
Kommen ſie von Wodans Tafelrunde? 


Wallen her ſie, mattgewordnen Helden 
Göttervaters Ausſpruch zu vermelden? 


Wein und Brot 


Nur Wein und Brot ſei künftig meine Speiſe. 
Geſättigt von des Brotes heil'ger Kraft, 
Schreit' mutig fort ich auf des Lebens Reiſe; 


165 


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Gekräftigt von des Weines Feuerfaft 
Erring' ich mir des Lebens höchſte Preiſe 
And fühl' mich groß in meiner Prieſterſchaft. 


Seliger Traum 


Lieblingsgerüche der längſt entſchlafenen Mutter, der Nelk' und 

Nachtviol' köſtlicher Duft, durchſtrömten das ärmliche Stübchen, 

And ich gedachte, wie ſie geliebt einſt die duftigen Blumen. 

Siehe, da trat ſie mir ſelbſt voll aus dem Rahmen des Bildes 

Jetzt im Traume. O nimm mit mich! So fleht' ich. Du 
kommſt ja 

Einzig zu Boten mich doch? Satt bin ich des Lebens, der 
Erde! 

Liebreich, aber doch ſtumm erſt ſchüttelnd das Haupt nun 
begann ſie: 

„Nicht ſo verzaglichen Muts! Zu höheren Ehren gelangſt du, 

Sohn, einſt. Wiſſe es: Nicht entziehe dich göttlichem 

15 Auftrag! 

Hoffe und harre der Zeit!“ Hin ſchwand ſie, die Selige 
Süßer 

Duftete dort aus dem Glas am Fenſtergeſims die Viole. 


Meine Träume 


Wach' ich nicht freudig auf in meinem Leide, 
Wenn ich genoſſen ſüße Oſterfreude? 

Ja, ſüß iſt's, ſüß, zu ſchaun im Dämmerlichte 
Des Wiederſehens holde Traumgeſichte. 


Kann ich noch zweifeln, daß die Lichtgeſtalten 
Von meiner Sehnſucht Kunde neu erhalten, 
Da ich allnächtlich auf des Traumes Brücke 
Bald Vater und bald Mutter neu erblicke? 


166 


a Mutter ei 
5. Slätenbufe; der Rofen dort am Ra; n, 
Beſtrahlt vom milden goldnen Abendſchein, 


Nehm' ich, o Mutter, ſtets in ſondre Hut, 
Weil deine Augen oft auf ihm geruht. 


Mir iſt, wenn er im Sommermond erblüht, 
Als ſei'n die Mutteraugen aufgeglüht; 
Ein Wiederſehn, ein halbes, feir' ich hier, 

Ein Wiederſchaun der Augen iſt er mir. 


Meines Hauſes Kapelle 


Ob, wie manch ernſt', manch liebliche Legende 
Erzählen mir der Kammer niedre Wände; 

Drum wähl' ich dich, du liebe Schlummerſtelle, 
O Kammer, dich zu meiner Hauskapelle! 


Wachskerzen freilich ſieht das Aug' hier keine; 
Du wirſt erhellt vom milden Abendſcheine, 
Der Betaltar an dieſer heil'gen Stätte 

Iſt meiner Mutter einſtiges Sterbebette. 


Totenfeier 


Auf, heran zu dieſem Mutterfeiern! 
Kinder, kommt! 

Tun wir, was uns ſelber, was der teuern 
Toten frommt! | 

Ihr Geburtstag iſt. Nach frommer Sitte 
Schön und wahr 

Bitten wir fie her in unſrer Mitte 
Kleine Schar. j 


167 


168 


Ihren Seſſel rücket an die Stelle, 
Wo er ſtand, 

Ehe noch des Auges klare Helle 
Ihr entſchwand; 

Bringt ihr Leibgericht und ihren Teller 
Füllet friſch! 

Stellt ihr Glas mit goldnem Muskateller 
Auf den Tiſch! 


Alſo ſtehet, alle Sinne ſchärfend 


Wie auf Wacht, 

Heil'ger Sehnſucht Wollen unterwerfend 
Grab und Nacht. 

Wie das Taubenweibchen zwingt des Taubers 
Ruf zum Tann, 

So herein ſie zwinge unſres Zaubers 
Mächt' ger Bann! 


Ach, noch immer nicht iſt ſie erſchienen! 
Gehn wir nicht, 

Eh' gelabt wir uns an ihrer Mienen 

Sel'gem Licht! 

Ach, noch immer nicht ſind wir durchgeiſtert 
So in Kraft, 

Daß vom Grab empor, das wir bemeiſtert, 
Sie ſich rafft. 


Drum ſo ſtehet, feſt und ohne Wanken 
Vollbewußt, 

Dulde keines anderen Gedanken 
In der Bruſt 

Als den einen, ſie hereinzufodern 
In den Kreis, 

Laßt der Sehnſucht heil'ge Flammen lodern 
Voll und heiß! 


Nicht der Ladung ſolcher Gottbefehle 
Fürder kann 

Widerſtreben die entfloh'ne Seele 
Mehr ſodann: 

Ohne Widerſtand und ohne Wollen, 
Ohne Wahl, 

Taucht ſie plötzlich, blauer Luft entquollen 
Auf im Saal. 


Mutter! Mutter! tönt's von unſern Lippen 
In der Rund', 

An dem Glaſe ſehen wir noch nippen 
Ihren Mund; 

Wiederſehens⸗Wonnen auf uns gießend, 
Heiß und kalt, 

Ehe ſie in leichte Luft zerfließend 

Ans entwallt. 


Mutterſegnen 


Bringt dich nicht vom fernen Nachtgeſtade, 
Mutter, her des Sohnes Sehnſuchtszug? 
Kannſt erſcheinen im Vorüberflug 
Nicht du mir auf deinem Lieblingspfade? 


Sonnenſchein liegt auf dem Waldgehege, 
And der Mittag zittert auf dem Rain; 
Himmelblau entfaltet iſt der Lein 

Dicht daneben an dem Ackerwege. 


And ein Schmetterling ſchwebt hin und wieder 
In der Iris blauem Farbenſtrahl, 

Auf und ab den Pfad wohl ſiebenmal 

An dem ſtillen Waller auf und nieder. 


169 


Irisblauer Falter, dein Begegnen 

Iſt ſo ſeltſam mir, ſo wunderſam: 
War's ein Geiſt, der mir entgegen kam? 
Flog vorüber was wie Mutterſegnen? 


Am Abend des Hochzeitstages 


Die Myrte duftet ſüß in deinen Haaren. 

Die Hochzeitsgäſte ſind hinweggefahren; 

Im Saale flimmt der Kerzen bleicher Schein — 
Endlich allein! 


Komm! Laſſe zärtlich deine Hand mich drücken, 

Vertraulich laß uns nah und näher rücken, 

Bis Mund an Atem, Hauch an Lippe ſteht — 
Eliſabeth! 


Heiligſprechung des Weibes 


Als du mich zum Liebſten einſt erkoren, 
Ging mein Weſen wohl in dir verloren; 
Als ich dich zu meiner Braut gewonnen, 
War mein Alles nur in dich zerronnen. 


And ſo war all unſer Liebesweben 

Ein Empfangen nur und Wiedergeben, 
Anſer Werben all und unſer Minnen 
Ein Verlieren nur und Neugewinnen. 


. * 
* 


Komm' als Prieſter ich zu dir gegangen, 
Haſt du Wein und Brot von mir empfangen, 
Kannſt du's wandeln in erneutes Leben, 

Ihm im voraus ſeine Schuld vergeben. 


170 


Laß mir Priefter nur die Tat des Handelns; 
Heil'genbild! Dir bleibe die des Wandelns; 
Laß mich Prieſter meines Amts gewähren, 
Offenbaren ſei deins und Verklären. 


Apotheoſe 


# Armes, unglückliches Weib! In der Jugend bedrückte 
3 dich Not ſchon, 

Dann aufreibender Dienſt bei den Fremden. — So e 
= heran du; 

Freundlich lächelte dir mitunter das Leben ein Weilchen. — 
And wie ein roſiger Tag Waldnächten entſteiget, erblühte 
Wange, Lippe und Mund aus dunkelgewelletem Haar dir. 
Damals warb ich um dich, Vielholde, gewann dich zum Weibe, 
Glücklich ob deinem Beſitz, Hochherrliche, Liebliche. — Aber 
Krankheit ſuchte dich heim, unheilbar, allen zum Unglück. 
Nicht daß Not du gehabt, noch Mühſal mehr als die 
3 andern. 

Ach, das Verhängnis umfing dich mit trauriger Irrung; 
von Irrung 

Weiter zu Irrung, zuletzt aufhörend, endend im Irrſinn. 


Welk und zerblättert und bleich, ſo liegſt du. — Aber 
3 gewiß nicht 

Ruhmlos ſankſt du dahin, o Röslein! — Siehe, ich Sänger 
Füge dem Liede dich ein, dir gebend unſterbliches Leben. 


Salvaiterbergle bei Warmbronn. 


Auch einer iſt's, der Monti Salvatore, 
Du ſiehſt ihn dort in ſeinem Herbſtesflore: 


Nicht Kreuzlein krönt, nicht Kirchlein, noch Kapelle 
Die ges der Heid’ auf niedrer Hügelwelle. 


171 


— 


2328 
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Doch heitrer Abend ſchmückt als ein Vergolder 
Halbwelkes Gras und Nelk' und Buſchwacholder. 


And wenn im Mai des Tannbaums Kerzen glimmen, 
Von Blum' zu Blume ſchwärmen hin die Immen, 


And überm Walde hehr die Glocken klingen, 
In ferne Zeit möcht' ich zurück mich ſchwingen, 


Wo eine Heil'ge, wandelnd mir zur Seite, 
Mit frommen Tritten neu die Stätte weihte. 


Vom Hügel hoch ein Kirchlein ſeh' ich ſchimmern, 
Die Kuppel ſtolz in goldnem Lichte flimmern, 


Von Tann und Föhren rings den Berg gelichtet, 
Wo meine Andacht ſich zum Bild verdichtet. 


Rückblick 


So zog mich oft ein namenlos Verlangen 
Nach Romas Strand, nach Hellas’ Säulenhallen, 
Als Pilger hin ins heil'ge Land zu wallen, 

And da zu wandeln, wo Er iſt gegangen. 


Doch ſchmerzlich fühlt' ich, daß ich war gefangen, 
Gehalten, ach! von bitt'rer Armut Krallen; 
Entmutigt ließ ich meine Flügel fallen, 

Und eine Träne rann von meinen Wangen. 


Doch ſeit der Tod die Liebſte mir entriſſen, 
Verlangt mich nimmer nach entfernter Flur, 
Wie leicht kann ich den einſt'gen Wunſch nun miſſen! 


Der lieben Heimat heil'ge Fluren nur 
Möcht' ich umarmen nun, den Boden küſſen, 
Wo eingedrückt ſich ihrer Füße Spur. 


172 


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Suchen 


Auf Pfaden ſtill, von Buchengrün umwallt, 
Ging ſinnend ich zu horchen in dem Wald, 


Ob von den Stimmen all, ſo ſüß, ſo bang, 
Mich keine mahn' an ihrer Stimme Klang? 


Ob von den Flüſtertönen hier und dort | 
Mich keiner mahn' an einftiges Liebeswort ? 


Ob nicht den Wipfeln, dem Gebüſch entweht, 
Was Seeliſches Verſtändnis mir verrät? 


O würd' es mir in einer Flieg' Geſumm! — 
Ach, keine Tröſtung! Alles fremd und ſtumm! 


O würd' es mir in eines Vogels Lied, 
Das ſüßbewußte Nähe mir verriet', 


Von ihr, die einſt als Liebſte und als Kind 
Gewandelt hier auf dieſem Pfad ſo lind. 


Auf heiligen Pfaden 


Wekhmütig ſtimmt mich Pilgernden der Wald: 
Er noch ſo friſch, und ſie gewelkt ſo bald. 


Notröslein ihr im ſchattigen Eichenhag: = 
Hinunter iſt des Liebens ſeliger Tag! 


Erdbeeren ihr im mooſigen Föhrengrund: 
Gott, modert nicht im Grab ihr ſüßer Mund? 


Ihr Blümlein all ſo weiß, ſo blau, ſo rot! 
Wie mögt ihr blühen, da die Liebſte tot? 


* * 
* 


173 


174 


| Ale Teile, die von mir ſich trennen, 


Dort umſchweben jene Blumenſonne, 


Schmerzlich nur, daß ewig bleibt verhüllet 


| 


= 


Würde Sünder mir die hohe Gnade 
Einer Segnung auf geweihtem Pfade, 


Könnt' ich Armer mir von ihren Tritten 
Eine fromme Segensſpur erbitten — 


Ging ich wandeln, ob von Wieſenbächen; 
Leiſe mir Vergißmeinnichte ſprechen? 


And dann weiter, ob von ſtillen Gründen 
Weiße Roſen mir Vergebung künden? 


Wiedereinung 


Ein Beſtreben, einen Wunſch nur kennen: 


Sich aufs neue wieder nun zu einen 
Mit der Hingeſchiednen, mit der Reinen. 


Daß gefunden ſich, daß ſich getroffen 
Die Atome wieder, darf ich hoffen. 


Daß vielleicht im Falter ſie in Wonne, 
Daß vielleicht nur meinem Aug' verhehlet 
Sie als Waldesvöglein ſich vermählet, 
Daß vielleicht in jenem Laubgeranke 

Sich geeinet ihr und mein Gedanke. 
Jeglich Schauen, das die Sehnſucht ſtillet. 


Traurig wohl, daß ewig uns verſchloſſen 
Bleibt Erkennen unfrer Ichgenoſſen. 


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Mi kaum voran, ſo zehn der Tritte, ſchritt 


3 Ein Mägdlein vor mir in des Weges Mitt’, 


Ein Büſchlein Reiſig tragend auf dem Kopf: 


Gott, wie bekannt der Gang, der ſchöne Zopf! 


Sie iſt es nicht und könnte doch es ſein. — 
„Gott grüße dich, du liebes Mägdelein!“ 


Biſt du entſtiegen neu des Grabes Grund, 
Am neu zu tragen deinen Reiſigbund, 


Den du getragen einſt als armes Kind 
Die Pfade hier ſo buchenſchattig, lind, 


Eh du geworden dann mein ſüßes Weib? — 
Ihr Mieder iſt's, ihr Rock, ihr ſchlanker Leib, 


Die Stimme iſt's, der Gang und das Geſicht. — 


Du könnteſt ſein es, und du biſt es nicht. 
Du biſt es nicht, und könnteſt doch es fein, — 


„Gott grüße dich, du liebes Mägdelein!“ 


Leiſe Boten 


„Dieſe ſchwarzen Berglein auf den Beeten, 
Sage mir, o Vater, was ſie ſind?“ 

„Angern ſeh die Berglein ich, mein Kind; 
Maulwurfshügel ſind es, Sargpropheten. 


Gleichen ſie doch nur des Grabes Riegeln; 
Nie ſeit ich den Garten hier erwarb, 
Als im Jahre, da mein Vater ſtarb, 
War er voll von dieſen ſchwarzen Hügeln.“ 


175 


„Sieh den Falter, Vater, mit den weißen 
Rändern um das Schwarz dort an dem Beet!“ 
„Trauermantel du! Auch du Prophet!“ 
Leichenſäger! wie du wirſt geheißen. 


Ach, vor Augen iſt mir's ſtets und immer: 
Als dein Brüderlein hinaus man trug, 
Da umflog er deſſen Leichenzug 

And die Bahre vor dem Totenzimmer.“ 


„Wächſt die Blume lang ſchon in dem Garten? 
Vater, ſieh, die Blüte dort am Zaun?“ 
„Totenblume! Läßt auch du dich ſchaun? 
Heil'ge Toten! Wollt ihr nicht mehr warten? 


Dieſe Blume, dieſe düſtergelbe, 

Sah ich nie als nur an jenem Tag, 
Da einſt ſterbend deine Mutter lag, 
O mein Sohn, gewiß, ſie iſt's, dieſelbe! 


Reicht ſie nicht mitſamt den lieben andern 

Ihre Totenhand mir aus der Gruft? 

Ahn und Brüderlein und Mutter ruft; 

Küſſe mich, mein Sohn, denn ich muß wandern!“ 


Nachruf 


Du auch gingeſt von mir. — Du, nicht die geringſte von 
meinen 

Freundinnen rings in der Welt, du ſchöne getigerte Katze! 

Nimmer umſchwärmſt du mich mehr ſanft ſchmeichelnd, mit 
weichem Geſpinne. 

Aber im Garten, wo ſtets du neben mir wandelteſt, ſchaufl' ich 
Heut, am an des Bes Begräbniſſes, Samstag vor 
Oſtern, 

Tränend ein Gräblein dir, und um die erſtarreten Zitzen 


176 


Bert’ ich die Kinderlein weich, die jüngſt du wohl krank 


ſchon geboren. 


Sſpinn', ja, fpinne dich aus, bis neu wir wieder in andrem 
Seein uns treffen, vielleicht du wieder mir gehend zur Seite, 
Oder mir ſitzend im Schoß. — Einſtweilen heft' ich die 


Inſchrift 


N Dir aufs Gräblein: O ſeht! Viel hat mich Milly geliebet! 


Geburtsweihe 


Nun du wieder kameſt nach der frommen 
Süßen Naſt, 

Sei willkommen uns, o ſei willkommen, 
Kleiner Gaſt! 

Glück und Segen mögen dich geleiten 
Um und an, 

Noch haſt du den Blick in ferne Weiten 
Nicht getan. 


Hier die Brote, dort des heil'gen Weines 
Fromm Getränk: 

Laßt uns feiern heut der Gottheit reines 
Weihgeſchenk, 

And indem dein Bettlein wir umwandern 
Schritt für Schritt, 

Bring' ein jedes von uns einen andern 
Wunſch dir mit! — 


Ja und Amen denn! — Zum Schluß des Ganzen 
| Nicht vergeht 
Auch ein kleines Bäumlein ihm zu pflanzen 
Heut zum Feſt. 
Am das Bettlein eine Blättergarbe 
Walle kühn, 
Daß dem Auge ewig heil'ge Farbe 
Sei das Grün! 


Wagner, Geſammelte Dichtungen 12 


177 


Mein Jugendbild i 


Nirgends, nirgends auf der weiten Flur 

Find' ich von mir ſelber eine Spur. 
Wäre doch mein einſtig Jugendbild 

Irgendwo zu finden im Gefild! 


Wallfahrtgehen wollt' ich nach dem Bild, 
Wie ein Pilger nach dem Heilsgefild; 
Wallfahrtgehen wollt' ich auf der Spur 
Nach der Kindheit Paradieſesflur. 


Auf einem Spaziergang 


Wohl ſchön iſt es, auf dieſes Weinbergs Stufen 
Die Seligkeit des Kindes wachzurufen, 


Auf dieſen Nainen, dieſen Raſenbänken 
In ferne Jugendzeit ſich zu verſenken. 


Doch will mir Greiſen heut nicht mehr genügen 
Das einſt genoſſ'ne Glück auf ſolchen Zügen. 


Wie Vorwurf klingt es, wenn ich tadelnd ſage: 
Nicht mahnt ihr mich an meine Siegestage, 


An Armut nur und deren Niedrigkeiten. 
Wie ſucht mein Blick daran vorbeizugleiten! 


Nur der Triumphe leuchtende Standarten 
Mag ſchaun ich noch auf meinen Wegesfahrten. 


Noch weiter zurück 


War auf Rückflucht nach der Jugend Pfaden, 
Einzig folgend der Erinnrung Faden. 


Heil'ge Stätten wieder aufzuſuchen, 
Schritt ich pilgernd durch den Wald der Buchen. 


178 


Sinnend abwärts 01. I or Kelche 
Friſchen Immergrüns — o, fragt' ich, welche 


| Wonneſtunde mögen rück ſie künden? 
Magſt ſie ſuchen in der Kindheit Gründen. 


Nein, viel weiter, weiter noch zurücke 
Führt der Rückflucht blumenblaue Brücke. 


Weiter rückwärts werd' ich ſuchen müſſen, 
Wo der Faden für mich abgeriſſen. 


Wiederverkörperung 
E De war ich einſt? Von wem ward mir dies hohe 


3 Geiſtleben und der heil'gen Dichtung Lohe? — a 
2 Wes Erbe bin ich? Wer als neugeboren Br 


Trat wieder in mich aus des Grabes Toren? 


. And wer wird künftig, wenn dereinſt ich ſterbe, 
Als neues Ich wohl ſein mein Geiſteserbe? 
We in der Fernzeit, wenn das Grab mich ſchattet, 
Erſtehn, mit meinen Liedern ausgeſtattet? 


Warmbronn 


O nicht von fernen, längſtvergangnen Tagen 
Kommt dir dein Name, trauter Heimatort, 
Wohl nimmer war ein warmer Bronn ja dort, 
So weit ſie reichen rückwärts deine Sagen. 


Warum denn Warmbronn aber, wirſt du fragen? 
Sein Name iſt wohl ein Verheißungswort, 
Prophetiſch, ſtets und ſtets prophetiſch fort 
Der endlichen Erfüllung zugetragen. 

* 
179 5 


Klage 


Gern ſpricht die Welt von ſüßem Minnelohn 
Beim Sohn der Lieder. — Ich weiß nichts davon: 
Der blöde Ackerknecht, der drüben pflügt, 

Der Schacherjude, der ein Kind betrügt, 

Der Hausknecht, der die ſchmutz' ge Schwelle fegt, 
Der Schlächterburſche, der ein Schwein dort wägt, 
Das Schneiderlein, das tief dort bücket ſich, 

Sie haben mehr davon gehabt als ich. 


Dichter und Muſe 


Und willſt du Sold von mir und willſt du Lohn, 
So biſt du Liebling nicht und nicht mehr Sohn, 
So biſt du Söldling nur, ſo biſt du Knecht, 

So lohn' ich dich nach Brauch und Herrenrecht. 


„And ſteht es fo, jo will ich lieber nicht,“ 

So ſprach beſchämt ich in dem Traumgeſicht, 
„Sold oder Löhnung, nur den einz' gen Lohn, 
Daß ich dein Liebling bleiben darf und Sohn.“ 


Hoher Flug 


Wohin, wohin auf dieſem Sternenfluge? 
Ich weiß es nicht, muß folgen meinem Zuge, 


Der ſtolz und kühn, vergleichbar Königsaaren, 
Hoch nach dem Himmel mit mir aufgefahren. 


Schon ſchweb' ich hoch ob dunklen Rieſentannen, 
Wohl kann ich noch zum Flug die Flügel ſpannen, 


Doch der Gedanke plötzlich mich umſchattet: 
Was willſt du tun, wenn deine Kraft ermattet? 


180 


Zur Erde kehren, der du dich entſchwungen? 
Nein, nimmermehr! Doch wenn ſich losgerungen 


Die letzte Kraft zum letzten Flügelſchlage, 
Barmherziger! Dann kürze meine Tage! 


Im Staub der Erde laß mich nicht verenden, 
Woll' lieber gnädig deine Blitze ſenden! 


Zum Geburtstag 


Deine Huldigung, Tag! — Ich brauch' ſie zur inneren 
Stärkung, 

Wunderzeichen ſogar, ich brauch' fie! — So auf dem Fußpfad, 

Der an Geheg' und Gezäun dort hinter den Scheunen ins 
Feld führt, | 

Rief ich verzagend es aus. — Doch fiehe: Aus morſchem 

a Gezäun mich 

Wieſenkönigin grüßt und blaue Geraniumblüte. 

Deine Huldigung, Tag? — Nicht haſt du den Sänger 
vergeſſen. | 


Göttlichkeit 


Aber der Jugend Gebrechen empor rafft auf ſich das Alter 
Erſt zu göttlichem Flug. — O ſieh: Was gehet den Hohen 
An das Staketengezäun der irdiſchen Jahre? Wie töricht 
Käme dem Wandrer es vor, der, wenn er entzückt und be— 
3 wundernd 

Schwärmte ſo gartenentlang, zu zählen die Latten des Zauns 
8 nun? 


* * 


181 


Ja, für den Reſt meiner Zeit geſtatt' ich mir eigens die Freiheit, 
Wahr, aufrichtig zu ſein bis zur Schroffheit. Edlen und freien 
Stolz zu hegen als Greis und hohes Bewußtſein. Zu ſtreifen 
Ab das Bettlergewand, das ſo kalt und ſchweißig mir anklebt. 


* * 
5 * 


Anterzuzwingen den Gott, nein, ſagen wir kühner die Weltmacht 


Auch dem eigenen Selbſt und dem eigenen Wollen, das wäre 


Erſt der rechte Triumph. And dennoch: So himmelverwegen, 

Satanvermeſſen erklingt dies Wort aus des Sterblichen Mund 
auch, 

Sieh, unmöglich iſt's nicht. Denn ſo du nur ſelber, o Menſch, dir 

Treu zu bleiben vermagſt und zu glauben an eigene, höchſte 

Gottheit, machſt du die Welt dir dienſtbar dem eigenen Willen. 


Aufrichtung 


Einzuſtehen gewillt für das Recht des Lebendigen wider 
Satzung barbariſcher Zeit erfleht' ich der Göttlichen Beiſtand, 
Anbewußt wendend hinauf zum beſternten Himmel das Antlitz. 
Gott! Was erſchaut' ich! Fürwahr, ein hohes und herr⸗ 
liches Zeichen! 
Grade zu Häupten mir ſtand in lateiniſcher Letter des eignen 
Namens erſtrahlend Gebild in Sternſchrift. Grade zu Häupten 
Flammte das ewige W der erhabenen Kaſſiopeia, 
Flammte das ewige W des geringen und eigenen Namens. — 
Heiß durch die Adern mir rann die Gewißheit göttlichen 
Beiſtands. 


Mein Gewerbe 


a Gewerbes ich ſei? — Goldmacher. — Geringe 
Metalle 

Wandl' ich in köſtliches Gold, und eine Tinktur, die beſitz' ich, 

Koſtbar wie keine: Gering Vorkommnis täglichen Lebens 

Wandle in Liedgold ich um durch wenige Tropfen des Geiſtes. 


182 


* 
Be 


Aus meinem Leben 


8% ein Gebilde von Licht hernieder mir fteige, erhofft’ ich 

Törichter ſtetig. Es ſtieg glänzend hernieder, doch nicht 

Mir, dem Poeten. Ein Schwarm des Geſindels nahm es in 
Anſpruch; 

Während der Göttliche darbt, feiert der Pöbel ſein Feſt. 


* 0 * 
* 


3 Zweimal Jugend mir ward, doch miſchte ein tückiſch Verhängnis 


Bitternde Kräuter dem Kelch weiniger Tage mir zu: 


Wermut düſteren Sinns, mir verbitternd die Jahre der Jugend, 


Wermut des reifigen Haars, bitternd das Jünglingsgemüt. 


Mein Heimatort 


Wan ward mir Geburtsort, Heim kaum. — Geiſtig 
vereinſamt, 

Sucht ich in Liedern mir Troſt und Erhebung. Freudig be⸗ 
ſang ich 

Halmflur, Wieſe und Wald und den Berghang. — Nun er 
zu End', mein 

Liedſang, fehlt mir der Trost und erſchreckend geht es hinab⸗ 
wärts. 


Trauriger Wechſel 


Ei da jung ich noch war, da umwand ich die Erde 


mit meinen 
Blumengewinden des Reims, freudig dem Innern ent⸗ 
ſproßt. 
Den da der Schnee mich bedeckt, ſind's einzig des Di⸗ 
ſtichons kalte 


E Eiſeskriſtalle, die noch zeuget das froftige Sein. 


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Grab des Barden | 


Unter Eichen allein begrabt mich, Söhne und Enkel, 
Einen Hügel mir häuft um eine dahinten im Hofe, 
Wählt die höchſte heraus, vielleicht daß dann im Gewitter 
Stolz mir widmet der Blitz den Nachruf, wie es geziemet 
Mir, dem Erben und Sohn der altgermanifchen Erde. 
Weißdorn hege mein Grab mit Brombeerranke und Rofe, 
Andurchdringlich für heut, für morgen, ſpäteſte Zeit noch, 
Daß nicht entweihet es werd' vom Fußtritt ſchleichender 
Knechte. i 


Am Abend des Lebens 


Ja, laßt mich klagen meine eig' ne Klag', 
Die eig'ne Klag' des ausgebrannten Lichts, 
Die eig'ne Klag', daß ich nicht mehr vermag 
Lichtwellen neu zu werfen in den Tag, 
Lichtſonnen neu zu ſtreuen in das Nichts. 


Wiederverjüngung 


Einſam wandelt durch den Wald ein Alter, 
Am ihn ſchweben blau und goldne Falter. 


Einſtiger Träume himmliſches Verjüngen 
Schaut er hier in dieſen Schmetterlingen. 


Einſtiger Jugend ſelige Gedanken 
Grüßen ihn aus dieſen Roſenranken. 


Einſtiger Kindheit unſchuldvolle Wonnen 
Winken ihm aus dieſen Blumenſonnen. 


Seines Eignen freudiger Auferſtehung 
Schaut er zu von ſeiner Menſcherhöhung. 


And ihn ſelber als geſchloßne Haltung 
Grüßt ſein Einſt als Auseinanderfaltung. 


184 


Dichtererfahrung 


Gaſtfreund! Der allein 
Mag noch glücklich ſein, 
Hat von Schickſals Gunſt noch was zu ſagen, 
Der, wie's auch gegrollt, 
Sich hat ausgetollt 
In des Lebens ſeligen Jugendtagen. 


Anglückſelig wird, 
Wer ſich wegverirrt 
Von den Weidegründen niedren Lebens; 
Wer die Wahrheit ſucht, 
Iſt vom Glück verflucht, 


Zwiefach iſt's der Menſch des hohen Strebens. 


Schon am Eingang hier 
Spricht ein Greis zu dir: 
Deine Jugendlocken mögen fallen! 
Silbern ſei dein Haupt! 
Greiſen nur erlaubt 
Iſt der Zugang nach den Götterhallen! 


In der Niſchen Spind' 
Goldne Schätze ſind, 
Schlanke Pfeiler auf zur Wölbung ſtreben; 
And vergönnet iſt 
Dir zu jeder Friſt 
Mitzunehmen ſeliges Schönheitsleben. 


Doch zurückgekehrt 
Dir ein Schauer fährt 


Durch die Sinne hin und durch die Glieder: 


Ach! Dein Jugendmut 
And der Wangen Glut 
Iſt dahin, dahin, und kehrt nicht wieder! 


185 


186 


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War es ſchöner doch, 
Da du trugſt das Joch 
Niedrer Knechtſchaft noch auf blumiger Weide? 
Nützet nun des Lichts . 
Wetterleuchtend Nichts 
König dich auf nächtiger Bergesheide? 


Die Errungenſchaft 
Hoher Geiſteskraft 
And der Seele freudiges Schönheiten 
Wenn die Tage ſich 
Stumm und fürchterlich 
Herbſtlich grau durch deine Jahre ſpinnen? 


Ewiger Schönheit Pracht, 
Die du mitgebracht 
Von den Götterhallen, wird ſie frommen? 
Wenn vom Leben dir 
Jeder Freude Zier 
Grauſam iſt aus deiner Zeit genommen? 


Lied der Bitterkeit 


Sie fragten nach meiner Beſtallung. 
Das brachte mein Blut in Wallung: 


„Ich werde den Gott euch künden 
Auf Fluren und Wieſengründen! 


Das Recht des Lebens euch lehren 
And ewiges Wiederkehren! 


Ich werde die Naben ſcheuchen — 
Erwartet kein anderes Zeichen!“ 


2 0 hinter dir die Heimat, die dich quäl 
And nicht den Geiſt begreift, der dich beseelt 


Laß hinter dir die Arbeit, die dich bückt, 
And deine Frone, die dich niederdrückt! 


Laß hinter dir das Dorf, drin du geweilt, 
Das nichts mit dir als Irdiſches geteilt! 


Laß hinter dir das alles! rufet ſtets 
Der Geiſt in mir, und in die Welt mich weht's. 


* * 
* 


Ein ſel'ger Geiſt war es, der mir befahl, 
Hinauszuwerfen aus der Welt die Qual. 


Den Freudenglauben trag' ich in die Welt, 
Dem Lieb' und Schönheit ſtrahlend zugeſellt. 


Ein Feuerſtrom durchflutet all mein Mark, 
And wie ein Götterſohn fühl' ich mich ſtark. 


Kann ich noch zweifeln, daß ich dieſe Erd' 
Im Siegesfluge nicht erobern werd'? 


* * 
* 


Wer war es, der mich Armen in der Haft 
Des kleinen Dörfleins rüſtete mit Kraft, 


Diurchleuchtete mein ſchattendunkel Nichts? 
D eine Gabe war's des ew'gen Lichts! 
. Das meine klein' und meine große Welt 
Mit ſeinen Roſenſtrahlen mir erhellt, 


And Gegenwart und Zukunft machet klar 
And das Vergangene mir offenbar. 


Ich hatt’ nicht Wiſſenſchaft, ich hatt’ nicht Kunſt, 
Mir wurde beides durch der Götter Gunſt, 


And Königen und Fürſten ſteh' ich gleich, 
Doch in der Zukunft ſchlummert noch mein Reich. 


* * 
* 


Kurz iſt die Zeit, und kurz auch ſelbſt ein Jahr 
Für einen Geiſt, der auf der Gottſchau war, 


Der Welt und Zeit und Endlichem entrückt, 
Vor überirdiſcher Schönheit ſteht entzückt. 


Tief unter ihm als ſel'ge Waller drehn 
Die Sterne ſich, die auf und nieder gehn. 


Hoch über ihm als Nebelwolkenflaum 
Amſchiffen ihn im Kreiſe Zeit und Raum. 


Ein ſel'ger Brennpunkt liegt dem Aug' enthüllt, 
Wo aller Mißklang ſich im Einklang ſtillt. 


Melodiſch klingt ſeit Ewigkeiten fort 
Weltklang als Einklang hin, geeinigt dort. 


Parſen | 
Wenn die Augen wir geſchloſſen, wir der Erde reinſte Gäſte, 
Parſenbrüder, Lichtgenoſſen, bringt uns hin zur heil'gen Feſte! 


Legt uns, legt uns Haupt und Füße ſo nach Weſt und ſo 3 
nach Diten, 7 
Daß der ſel'ge Tag uns grüße, frei das ew'ge Licht wir koſten! ® 


Nicht in Höhlen, nicht in Klüften, nicht in kühler Erde Gräbern, 4 4 
Nicht in Särgen tief in Grüften betten ein fich fromme Gebern. 


188 


Ob des Gitters roſt'gen Maſchen bloß die Bruſt und nackt 
5 die Glieder, 
Legt uns, legt uns friſchgewaſchen auf dem Turm des Schwei— 
2 gens nieder | 


Daß von fern uns ſchon erblicken die beflügelten Beſtatter, 
Daß die Erd' nicht mög' uns drücken, legt uns hin aufs off'ne 
5 Gatter! 


Sieh, ſie nah'n ſchon mit Gekreiſche, ſie, der Vögel dunkle 
3 Scharen, 
Um mit Fleiſch von unſrem Fleifche auf das Meer hinaus- 
1 zufahren, 


: Um mit Blut von unſrem Blute farbenprächtig aufzuglimmen, 
Am mit Gut von unſrem Gute längs der Küſte hin zu 
1 ſchwimmen. — 


Reinen Vögeln übergeben ihren Leib die Sonnenbrüder, 
Daß ein frommes Pilgerleben bring' der nächſte Tag ſchon 
. wieder! 


Wiederverkörperung 


Nicht zugrunde geht, was du verloren; 
An dich tritt es, friſch und neugeboren. 


All dein Wünſchen, Flehn und all dein Beten 
Siehſt erfüllt du vor dich hingetreten. 


Deine Träume, ausgeatmet, thronen 
Blau und golden nun als Blumenkronen. 


Deine Wünſche, ausgehaucht, bekleiden 
Blumenmaidlein auf den Bergesheiden. 


All dein Sehnen ſchmerzvoll im Gemüte 
Wird zum Vogelſang und wird zur Blüte. 


189 


190 


Lenzesfreudig ſteht dein einſtig Hoffen 
Tauſendknoſpig der Erfüllung offen, 


And zur Seite, weithin, unermeſſen, 
Grüßt dich alles, was du haſt beſeſſen. 


Erinnerungen hinter der Erinnerung 


Strahlt nicht auf mitunter, ſo zu Zeiten, 
Kunde her von unſern Ewigkeiten? 


So urplötzlich und ſo blitzesſchnelle 
Wie die blanke Spieglung einer Welle? 


Wie die ferne Spieglung eines bunten 
Kleinen Scherbchens an dem Kehricht drunten? 


Wie die raſche Spieglung einer blinden 
Fenſterſcheibe am Gehöft dahinten? 


Die metallne Spieglung einer blanken 
Pflugſchar drüben an der Wieſe Schranken? 


Augenblicks mit Licht dich übergießend, 
Augenblicklich in ein Nichts zerfließend? 


Oswald an Klara 


Gott, wie oft im Lauf der Ewigkeiten 
Mögen wir die Lüfte noch durchgleiten, 


Bald als ſchlichte, fromme Wallfahrtsgänger, 
Bald als hehre, gottgeweihte Sänger. 


Heute arm in grauem Hausgewande, 
Morgen reich in goldnem Farbenbrande, 


Schweifend, ſchwebend über Fels und Klippe. — 
Hier gereiht der ſtolzen Schwanenſippe, 


3 x Dort geſchuppt im Kleid der Schmetterlinge, 
Mit dem Goldſaum, mit der Pfauenſchwinge. 


Heute fern auf heil'gem Oſtlandsboden 
Aberſchauend Tempel und Pagoden, 


Morgen neu in Weſtlands Geißblattlauben 
Liebeſtammelnd im Gewand der Tauben. 


So von Süd nach Nord, von Weſt nach Oſten, 
Möglichſt viele Seligkeit zu koſten! 


Schmetterlingspuppen 


Nicht wie ſonſt in dumpfe Grabesbaue, 
Nein, gehängt an ſchlanke Seidentaue, 


Weich umſpielt von ſüßen Blumendüften, 
Frei ſich wiegend in den ſanften Lüften, 


Schlummern ſie in ihren Grabeslinnen, 
Dieſe Schläfer, dieſe Schläferinnen, 


Bis erwachend frei im Morgenſcheine 
Sie entfliehn im Glanz der Edelſteine. 


Chryſaliden 


And an den Zweigen, den Aſten, den Kopf tief unten, 
Hängen zu tauſend, tauſend, die glänzend bunten 
Chryſaliden 

Im Werdefrieden — 

Bis der ſchön bläuliche Tag 

Leuchtet über die Berge 

And am Euphorbienhag 

Sbpprenget der Puppen Särge. 


191 


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Deren 


. 


Die Gezelte ſeliger Weſen an dem kriſtallenen 
Strome der Vollendung 


An den Waſſerbrunnen und im Schatten, 
Auf dem Teppich bunter Wiefenmatten, 
Wie hienieden wohl beim Frühlingslichte 
An den Waſſern die Vergißmeinnichte, 


Lagern ſie, die himmelblauen Zelte; 
Keine Hitze trifft ſie, keine Kälte, 

Die dem Staubesmühſal neu entronnen, 
Wohnen an den Lebenswaſſerbronnen. 


An dem Strome, dem kriſtallnen, friſchen, 
Den mit Freudentrank beſetzten Tiſchen 
Goldbeſäumter Zelte, ſo wie Sterne 
Hingeſät in blaue Himmelsferne. 


Aus ſeligen Welten 


Was hat ſo ſüß, ſo gottvoll mich durchdrungen, 
Geworfen wortlos mich zum Grund der Füße? 
Wes Töne ſind's, die lichtfern hergeklungen? 


Nicht Flöten ſind es, nicht metallne Zungen; 
Nicht denkbar wär' es, daß ſo heiligſüße 
Gottlaute je ſich Engelsmund entrungen. 


Das iſt nicht Sang von müden Menſchenlungen; 
Der Himmel ſind es, ſind der Sel'gen Grüße, 
Von einem großen Weltenchor geſungen. 


Duft und Töne 


Von der Sprache 
Auf der Sterne 
Weiten Gründen 


192 


Will ich ſch 
Will ich ferne 
Botſchaft künden. 


Nicht in Worten 
Hart und ſpröͤde, 
3 Ohne Schöne, 

BR. 5 In Akkorden 
3 Klingt die Rede 
Ihrer Söhne. 


Hoch in vollen 
Süßen Tönen 
Auf und nieder, 3 

Wogt ihr Wollen 3 

And ihr Sehnen 3 

Hin und wider. DE" 


Hin in lauten 
Harfenklängen 
Abwärts ſchwebend, 
Her in trauten 
Duftgeſängen 
Antwort gebend. 


And ſo fragend 
And ſo bringend 
Kehren wieder 
1 Antwortſagend 
ne. Frageſingend 

5 Duft und Lieder. 


Mondbildung 


* Feuerkugeln, einzeln und in Scharen, 
r Blitzgeſchwinde kommen angefahren. 
; Wagner, Geſammelte Dichtungen 13 


191 


Feuerwolken kommen angeſchwommen; 
Vom zerriſſ'nen Ringgewölbe kommen 


Angeſegelt mit dem Flammenwimpel 
Meteore, in die Waſſertümpel 


Löcher ſchlagend, daß dem Sumpfgemiſche 
Siedend aufſteigt kochendes Geziſche. 


Löcher ſchlagend, daß die Länderſcheiben 
Steil ſich auf zum Wallgebirge treiben. 


Ringsumher auf allen Bergeslehnen 
Meilenweite, tiefe Krater gähnen, 


Wo dereinſt in fernen Werdetagen 
Weltentrümmer donnernd eingeſchlagen. 


Weltenbrand 


Wieder iſt aus ihrer Bahn geſtoßen 
Eine Welt von einem Namenloſen. 


Vor dem Anprall voll in Donnerchören 
Wird der ganze Luftkreis ſich empören, 


Werden ringsum, weithin, allerwegen 
Die Orkane Berge niederfegen, 


Werden Funken, werden Meteore, 
Sengend wie ein Feuerwerk im Rohre, 


Auf die Wälder, auf die Marmorhallen, 
Auf des Feldes Früchte niederfallen, 


Wird das Waſſer in des Meeres Gründen 


Sich zu einem Flammenſee entzünden. 


wg d das Erz in der RR Stollen 
Als geſchmolzen flüſſig niederrollen. 


Aus den Dämpfen, weiß und purpurfarben, 
Blau und goldgrün, werden Feuergarben; 


Flammenzungen werden Feuerfäulen 
Aberhundert, abertauſend Meilen 


Hochaufſchlagend in des Himmels Gründen 
Weithin dieſen Weltenbrand verkünden. 


Orillingsſonnen 


Doppelſonnen, Monde, Drillingsſterne 1 
Seh' ich drüben in entlegner Ferne. 2 
Welch ein Lichtglanz! Gott, das laß ich Rn 8 
Drei der Sonnen ſcheinen dieſen Welten; 


Drei der ſel'gen Eimer ſind's, die ſteigen 
Auf- und abwärts in der Sternwelt Reigen. 


Blau der eine gleich der Himmelsſchale, 
Die ſich wölbt ob dunklem Erdentale. 


Rot der andre gleich dem Purpurweine, 
Wenn er blinkt beim freudigen Lichterſcheine. 


Gelb der dritte gleich dem ſonnigen Lichte, 
Eigner Sonne goldnem Angeſichte. 


Drei, ja drei der ſonnigen Majeſtäten — — 
Selig, ſelig, ſelig die Planeten, 


Die die Nacht nicht, nur auf weiten Runden 
Einzig kennen blau, gelb, rote Stunden; 


Die in hohem Aberſchwang von Wonnen 

Sich erfreun an drei'n der Himmelsſonnen. . 
13° 25 

195 


Sternuntergang 


Wieder iſt aus ihrer Bahn geſtoßen 
Eine Welt von einem Namenloſen, 


Wieder ſie von ihren Lebeweſen 
Rein gefegt mit einem Flammenbeſen. 


Sieh, der Anprall drängt ſie zur Spirale, 
Wieder geht's mit einer Welt zu Tale, 


Wieder geht's in lichterfüllter Kläre 
Hin den Weg zur Sonnenatmoſphäre. 
Die Sonne 


Stolze Jungfrau, ſtrahlend ſchön, doch ſpröde: 
Einmal ſtehſt du einem Mann noch Rede! 


Einmal, einmal wirſt du ſein bezwungen, 
And vom Schlackengürtel ſein umrungen. 


Wenn der eiſige Weltenraum als Freier 
Abgeriſſen deinen Strahlenſchleier. 


Oftmals noch entfliehſt du ſeinem Minnen; 
Einmal, einmal wirſt du nicht entrinnen! 


Einmal, einmal in des Raums Revieren 
Deine ſtolze Jungfrauſchaft verlieren. 


Atherfahrt 


O ſchäme dich, zu klagen über Hunger! 
Biſt eben immer noch ein Erdenlunger. 
Vor tauſend Jahren aßen wir zu Morgen, 
Auf tauſend Jahre ſind wir noch geborgen. 
Gelüſtet dich's, ein Sternlein aufzuknacken? 


196 


Den hungrigen Kometen dort zu packen, | 
Der dort ftatt feinem nächtig tollen Schwärmen 
Auch beſſer tät’, fich feinen Leib zu wärmen? 
Er ſtreift ſoeben an mit der Laterne, 

Am Jupiter, in kurzer Meilenferne. 


Der ſteht wohl da wie eine Weltenſcheuer, 
Doch iſt's in ſeiner Nähe nicht geheuer. 

Es flattern um das alternde Gehäuſe 
Planetlein wohl, als wären's Fledermäuſe. 
Anfern davon ein Meteorenraſſeln, 

Wie Maienkäfer von den Bäumen praffeln; 
And ſeine Monde treten aus den Bärnen!: 
Roßknechte ſind's mit ihren Stallaternen, 
Noßknechte vier, die nach den Roffen ſchauen, 
And ſie noch füttern vor dem Morgengrauen. 


Neuſchöpfung 


In die ewige Ruhe, ewige Stille 

Trat als Geiſt hinein ein Götterwille, 
And, beſeelt von einem mächtigen Wollen, 
Kam die tote Maſſe in ein Nollen. 
Immer weiter dehnten ſich die Kreiſe, 
Stets und wieder füllten ſich die Gleiſe; 
Anabwendbar nach des Strudels Mitten 
Neue Maſſen kamen nachgeglitten. 
Immer wilder fluteten die Wogen, 

In den Strudel mit hineingezogen; 
Immer raſender aus fernern Gaſſen 
Jagten nach dem Strudel ſie die Maſſen, 


Barn (ſchwäbiſch): Bodenraum einer Scheuer. (Wagner.) 
197 


Bis zuletzt aus dieſer Maſſen Treiben, 
Grimmig wildem Aneinanderreiben 
Trat das erſte Licht als ein Gefunkel, 
Trat der erſte Funke in das Dunkel. 


Schöpfungszeitalter 


Der Brahmine über die große ſchaffende und zerſtörende Kraft, 
Brahma und Schiwa genannt, aber Ausfluß einer und der⸗ 


198 


ſelben Quelle: 


Zwiefältig iſt des ew'gen Brahmas Wirken 
In ſeiner Welt unendlichen Bezirken; 
Zwiefältig, wie der Jahreszeiten Kräfte, i 
So wechſeln Brahm und Schiwa im Geſchäfte, 
Sich gegenſeitig fördernd und ergänzend, 
Feindſelig nicht einander ſich begrenzend; 

Nicht wie der Brite, der zu Schiff gekommen, 
Der unſer Eigentum uns hat genommen, 


Der nun als Herrſcher unter uns verweilet, 


Voll frevler Willkür ſeinen Gott geteilet, 
Haarſcharf geſpalten fein geeintes Weſen 
In einen guten Teil und einen böſen. — 


So wie an hoher Britenſchiffe Borden 

Die Nadel zeigt nach Süden und nach Norden, 
Die Pole bald ſich meiden und ſich fliehen 

And bald ſich ſuchen, um ſich anzuziehen, a 
So iſt Brahms Wirken bald ein Trennen, Haſſen, 
And bald ein Einen und Zuſammenfaſſen. 

So wirkteſt du von Anbeginn, als bleiern 

Ein Dunſtmeer lag auf unterird'ſchen Feuern, 
Als nach dem Dämmerſcheine ew'ger Nächte 
Zum erſtenmal die Alge und die Flechte 

Als Lebeweſen die umwogte Klippe 

Des Urmeers überzogen und die Rippe 


Des erſten Landes. Nachmals Myriaden 
Korallentiere an den Felsgeſtaden 

Der Inſelmeere klebten; nah und ferne 
Seenelken, Tulpen, rieſ'ge Lilienſterne, 
Buntſchillernd, farbenprächtig. — Schachtelhalme 
Hochſtämmig, rieſenäſtig mit der Palme 

Die ſumpfigen Ufer ſchattend überdeckten; 

Da griffſt du zu, und deine Arme ſtreckten 

Die Riefenfauft, zu wecken in den Tiefen 
Unheimliche Geſtalten, die da ſchliefen, 

Zu gräßlicher Zerſtörung: Waſſergüſſe 

Wie Meer auf Meer gegoſſen; Lavaflüſſe 

Mit donnerndem Getös. Vulkane huben 
Erdteile auf wie Schollen und begruben 

Die erſte Welt. — — m rohe Lebensmaſſen 
Zu höherem Gehalt zuſammenfaſſen 

And reinigen zu können, hinzuführen 

In ſachtem Lauf zu Brahmas Lichtrevieren, 
War dies geſchehn. — Da trat aus der Umhüllung 
Des Erdenſchoßes in erhöhter Füllung: 

Der Saurier vorweltliche Koloſſe, 

Das Heer der Fiſche und das Reich der Floſſe, 
Der Meeresmuſcheln bunter Farbenſchimmer, 
Im glitzernden Gewoge, vom Geflimmer 

Der Palmenkronen lichtgrün überbreitet 

Eiland an Eiland. — Aber fürder ſchreitet 


Stets Brahma fort. Mit ſchwerem Fußtritt wieder 


Trat Schiwa ſie zermalmend vor ſich nieder; 
Zu Baſalthügeln Särgen gleich geſtaltet, 
Legt er der Kreide weiß geſtickt, gefaltet, 
Einhüllend Leichentuch. — Geläutert, reiner 
In ſeinen Lebenstrieben, höher, feiner 

In Formen und Geſtalt, trat neues Leben 
Auf die verlaſſ'ne Welt. Der Säugetiere 
Geadelt Volk. Die ſchönen Waldreviere 


199 


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Erfüllte ringsum fröhliches Gewimmel, 

Zum erſtenmal hob ſich zum blauen Himmel 
Des Vogels Flug. An Arten reich gegliedert, 
Akaziengleich die Blätter ſchön gefiedert, 
Zahlloſe Wipfel. — Gab es Paradieſe 

Auf Erden jemals wohl, ſo waren's dieſe. 

Doch fürderſchreitend auf der Weſen Leiter, 

Die aufhört bei Vollkommenheit, war weiter 
Für Ihn kein zögernd Rückſchaun. — Schiwa türmte 
Gewitter auf; die Hagelwolke ſtürmte 

Mit klirrendem Getös vom hundertfachen 
Gedonner übertönt und vom Zerkrachen 
Zahlloſer Wälder. — — Lange ſchlief die weiße 
And unter hundertjähr'gem Glletſchereiſe 

Erſtarrte Winterwelt in öder Stille, 

Bis wieder Glanz und wieder Lebensfülle 

Ihr neu entſproßten. — — Wären's Läſterungen 
Von Brahm zu ſagen, daß Ihm's erſt gelungen 
Nach ernſtem Sinnen, große Lebensmengen 
Verdichtigend in ein Gefäß zu drängen 

And den geringen Wertgehalt der Seelen 

In hohe Gotteswerte umzuzählen, 

So mög' er es vergeben dem Brahminen, 

Der ſelber ſich als ſolcher Wert erſchienen. 


And wenn ſie alle, bis in die Atome, 

Sind abgewaſchen in dem heil' gen Strome, 

Von allem Schmutz der Erdenwelt gereinigt, 
Mit Brahma ſelbſt aufs innigſte vereinigt 

In einem ſeiner lichten Himmel droben, 


Dann iſt der Pole Spannung aufgehoben. 


200 


Aus der legten Zeit 


Zerſtreute Hütten an dem öden Strand, 
Ein Streifchen Gerſte, etwas Gartenland, 
And Nadelwälder auf den ſteilen Hängen, 
Die finſter auf das Dörflein niederhängen; 
And drüberhin an Bergesheiden hart 

Ein Gletſcherfeld, das weiß herüberſtarrt, 
Mit Hörnern, Zacken, wildzerrißnen Zinken, 
Weitſtrahlend bei der Mittagsſonne Blinken. 


Ein Tropenbild aus letzter, ferner Zeit! — 
Nicht prächtig, lieblich, nicht in Herrlichkeit, 
Wie es erſcheint noch in der Jetztzeit Tagen, 
Dem Fremden an den Wunderſtrand verſchlagen; 
Nicht ſchön und ſonnig wie ein Segensort, 
Mit ſchlanken Palmen an dem Aferport, 
Mit Riefenbäumen, deren Purpurblüten 
Goldblau' und grüne Wundervögel hüten; 
Nein, wie ein Aferbild vom öden Nord, 
Wo Möwen flattern über dem Fjord, 

And Tannenwälder ſtarren von der Küſte 
Auf eine einſam ſtille Inſelwüſte. — 


Die Qual der Erde war's, die einſt gebar 

Den Winterkönig. — Lang allein ſie war 

Mit ihrem Sohne in den Säulenhallen 

Der alten Nordpolheimat blaukriſtallen. 

So manchmal kam zu dem geringen Troß 
Ein Flüchtling her, bald Knecht und bald Genoß, 
Im Waffenſpiel bald den Palaſt umſchweifend, 
Gelegentlich manchmal die Grenze ſtreifend. 


Das war die Zeit, da noch ein Segensland 
Die Erde war. Doch ach, der Segen ſchwand, 
Als bei der Menſchenherrſchaft grauſem Morden 
Gen Norden zogen der Erſchlagnen Horden, 


201 


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202 


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Zu nehmen dort den Flüchtlingsaufenthalt. 
Wie ward zum erſtenmal die Luft ſo kalt! 
Ein blutiges Geiſterlicht am Horizonte 

Als Nordlicht zeigte des Palaſtes Fronte, 
Des Nacheheeres ew'ge Eisbaſtei, 

Mit der Beſatzung herb und ſtolz und frei. 


Krieg war von jetzt an. — So wie Meergeflügel 
Nach Süden hinzieht über Tal und Hügel, 

So dieſe Nacheſchwärme unverwandt, 

Eroberten ſich ſüdgelegnes Land. 

Stets immer neu verſtärkten ihre Flüge 

Von nah und ferne der Erſchlagnen Züge; 
Erloſchne Racheluſt ward mit Bedacht 

Von neuen Scharen wieder angefacht, 

Die immer friſch des Feindes Macht vermehrten, 
Alljährlich neuen Rachezug begehrten. 


And mit den Nacheſcharen alſogleich 


Stets dehnte weiter ſich des Winters Reich; 


Zurücke traten erſt die Buchenwälder, 

Zurücke traten die Getreidefelder, 

Zurücke trat auf ſeiner jähen Flucht 

Der Weinſtock in die ſturmgeſchützte Bucht; 
Zurücke vor dem Anſturm wich allmählich 
Baum, Staude, Vogel, Säugetier unzählig. — 


Wo war die Sonn' auf Erden, die noch ſtand 
Dem Feind gehalten hätte? Ach, ſie ſchwand! 
Die Sonne, die die Pole könnt' erwarmen, 
Die Liebe ſchwand, und mit ihr das Erbarmen. 
Es war der Haß, dem einſt zum Opfer fiel 
Die große Flüchtlingsſchar im Polaſyl; 

Es war das Glauben und es war das Wähnen, 
Denn meerflutartig floſſen Blut und Tränen; 


Es war die Selbſtſucht, 


die das Wintereis 


Das zu erzählen dir der Seher ſchuldet, 
Genug, er zeigt dir, ſchreitend nach der Mitte, 
Des Nordpolwinters Welterob'rungsſchritte. 


Dämonen 


Geſpenſterhafter Schwarm, der nie gelärmt, 1 
Doch unſichtbar die Menſchenwelt umſchwärmt Be... 
Gleich Mückenſchwärmen bei Gewitternebel, 
Dämonen ſeid ihr oder Geiſterpöbel. 


Die Seelen ſind es, die dereinſt in Qual 
Geſchieden ſind vom grünen Erdenſaal, „ 
Die mit Gewalt der Leiblichkeit entriſſen 0 
And ſchmerzlich ihren Erdenleib vermiſſen. 4 
Doch bis das Ol der Seele ausgebrannt, Sn 
Sind fie als Boten hin und her geſandt, Er 
Allgegenwärtig mit Allwiſſenskunde, Be. 
Mit Elementen in geheimem Bunde, 

Hier Menſchenſeelen flüchtig zugeſeelt, 

Mit Winden und mit Wogen dort vermählt, 
Als hundertarm'ge Diener der Geſchicke, 
Voll Eigenrache und voll Eigentücke, 

Doch Erdenaugen ewiglich verhehlt. 


Wohl zeigt ſich meiſt ihr Walten nur im kleinen, 
Dir deine Lieblingswünſche zu verneinen. 
Du triffſt ſo ſicher, was du nicht geſollt, 
And ſelten das, was du mit Fleiß gewollt; 
Zu hören glaubſt du, ohne rückzublicken, 
Gar oft das Spottgelächter hinterm Rücken. 


204 


Der Windſtoß, der da auslöſcht dir dein Licht, 
Der Topf, der deiner Hand entglitſcht und bricht, 
Die tauſendfachen Kleinigkeiten alle, 

And manche boshaft angelegte Falle, 

In die der Menſch auf dieſer Erdenwelt 

In ſeiner Blindheit tauſendfältig fällt. 

Im Frohgefühl des Glücks, in ſel'gen Schauern, 
Da ſind es die, die tückiſch dich belauern; 

Ein unbedachtſam Wort, ein Windeswehn, 

And alſobald iſt's um dein Glück geſchehn. 

Auch ſchenkt der Herr, der Gott im Himmel droben, 
Oft Tage ihnen, um ſich auszutoben: 

Der Wirbelwind, der, brauſend hergeſtürmt, 

Zur Feuersbrunſt den Funken aufgetürmt, 

Die Brunſt habt ihr ſelbſteigen nicht gemacht, 
Doch hunderthändig ſchürend angefacht. 


Doch neidiſch ſind ſie allem edlen Streben, 

Gehäſſig denen, die ſich ihm ergeben, 

Mit tauſend Krallen halten ſie ihn feſt, 

Bis aller Mut und alle Kraft ihn läßt. 
Ein Schwarm ſitzt ihm beſtändig auf dem Nacken, 
Auf allen ſeinen Tritten ihn zu placken, 

Bis überwunden ſchmählich und beſiegt N 13 
Er auf der Walſtatt ſeiner Träume liegt. = 


Karfreitagsgedanken 


Des Schickſals Walten, taub iſt es und blind, { 


Ein wildgeword'nes ſcheues Weiderind. 


Ein Büffel iſt's, der graſt auf grüner Heid' 
And leuchten ſieht von fern ein rotes Kleid: 


Ein Edler naht in ſeinem Königsſchmuck, 
Dem Büffel dünkt er wirrer Heideſpuk. 


Die Hörner ſenkt er und erhebt den Schweif, 
Sein Auge faßt den Purpur und den Reif. 


Er ſtürzt heran, durchbohrt ihn mit dem Horn, 
And tritt ihn unter ſich in ſeinem Zorn. — 


Karfreitag heut'! — O unglückſel'ger Tag, 
An dem ein Gott des Hornes Stoß erlag! 


Letzter Kampf 


Von einem Kampfe, der noch nie geruht, 

Von einem Kampfe zwiſchen Bös und Gut, 

Von einer letzten großen Niederlage 

Hör' ich erzählen eine Menſchenſage. 

Doch iſt's der Kampf von Recht und Anrecht nicht, 
Der Kampf nur zwiſchen Finſternis und Licht 
Iſt's, den ſie führen am Entſcheidungstage, 

Wo jeder Teil, bewußt von ſeinem Recht, 

Führt ungezählte Scharen ins Gefecht. 


Ja, wär's der Kampf um Gut und Bös es nur, 
Der kleine Krieg auf dieſer Erdenflur, 

Wo kinderleicht das Scheiden und das Wägen, 
Wohl wäre längſt das Böſe unterlegen. 


Der große Krieg entzweit die Kreatur; 

Die ſcheue Frage bebt durch die Natur, 
Warum den Fluch und jenen trifft der Segen, 
Den Glück, den Anglück auf den Lebenswegen? 


Willſt du dies wiſſen, frag die Nacht, 
Wer ſie ſo ſchnöd ums Licht gebracht, 
Am ihren Anteil fie betrogen, 

Zur Lügnerin ſie noch gelogen? 


8 205 


1 


Der Tag hat es getan, die Macht, 


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Ob mir verhängt die Aberacht 
Samt allen, die ich aufgezogen, 
Mit denen Freundſchaft ich gepflogen. 


Er hab's getan; er ſagt: mit Recht, 
Weil ich ſo häßlich und ſo ſchlecht. 
Wohl bin ich ſchlecht, doch erſt ſeit dann, 
Da ich in Acht bin und im Bann. 


Gehaßt bin ich ohn' Anterlaß, 

Weil ich ſo häßlich und ſo blaß. 

Wohl bin ich blaß, doch wär' ich mächtig, 
Wie könnt' ich ſein ſo farbenprächtig! 


Wie mannigfaltig es auch ſei, 

Das Leben, wie ſich's mög' geſtalten, 
Das Los, es iſt nur zweierlei: 

Ob ſich ein Weſen könn' entfalten 
Von allen Feſſeln ledig, frei, 

Ob als Ballaſt die Armut ſcheu 
Vom Aufſchwung es zurückgehalten. 


Sie fordern alle gleiches Recht 

And nennen ihren Streit gerecht 
And treten grimmig ohne Wanken 
Mit ihrem Feinde in die Schranken. 


Vermeide die Entſcheidungsſchlacht, 
Spricht zu dem zweitgebornen Sohne 
Die Mutter auf dem Weltenthrone: 
Gönn' deiner ältern Schweſter Nacht 
Auch eine Zeitlang Herrſchermacht, 
Gönn' eine Zeitlang ihr die Krone, 


Will ſehn, ob ſie es beſſer macht. 


206 


Die Tag e der Vollendung 


Wann kommt der Freiheit Tag, das Morgenrot 
Der beſſern Zeiten, wo der Herrſcher Tritte 
Verklungen ſind, wo kein Tyrann mehr droht, 
Noch Schweiß erpreßt dem Armen in der Hütte? 


Wann kommt der Freiheit Tag, wo kein Tyrann 

In Feſſeln legt der Denker kühnen Meiſter? 

Wann kommt die Zeit? Wann bricht einmal der Bann, 
Der wie ein Alp darniederhält die Geiſter? 


* * 
* 


Wann kommt der Friede, wo kein Schmerzensruf 
Des Blutenden mehr ächzt vom Schlachtgefilde, 
Noch Sterbende mehr ſtampft der RNoſſe Huf, 
Noch Speere raſſeln auf die Eiſenſchilde? 


Wann kommt die Zeit, wo Feuerrohr und Schwert 
Verſchwinden werden aus der Menſchheit Dienſten? 
Wo jedes Kriegsroß wird zum Ackerpferd? 
Groß jeder Geiſt nur in des Friedens Künſten? 

* 


* 


* 

Es ſank die Nacht herab, ich lag und fehlief, 

Als eine Stimme ſprach, ſo ernſt, ſo milde: 

„Steh auf und komm!“ — Ich folgt' ihm, der mich rief 
Hinaus ins Feld, hinaus ins Saatgefilde. 


Aus tauſend Stimmen klang es nach, es war 
Als ob die Erde freudig drüber bebe, 

Ein ferner Harfenklang, als ob die Schar 
Der Weihnachtsboten nochmals niederſchwebe: 


„Ich will es, daß dies Sehnen werd' geſtillt, 
Dies Sehnen der Natur. Du ſollſt es ſehen, 
Wie ſich das große Weltenjahr erfüllt, 

And was zur Zeit der Reife ſoll geſchehen.“ 


2 


Wann kommt der Hirte? 


Wann wird er kommen, der neue Hirt, 
Der die Völker eint zum Bunde? — 
Wenn der Lindenbaum wieder grünen wird, 
Der einſt verdorret im Grunde; 

Dann wird er kommen, der Friedensheld, 
Von armer Hütte, geringem Feld. 


* ** 
* 


Der Hirt ift da, wenn dieſes Baches Gang 
Melodiſch klingt wie der Erlöſten Sang, 
And all die Waſſer freudig heimwärts ziehn 
Zum Ozean mit ſel'gen Melodien. 


Buch des Schickſals 


Die Geſetze der Geſchicke 

Zu entziffern, zu enthüllen, 

Wend' ich meine Seherblicke 

Nach dem Schickſalsbuch, dem ſtillen. 


And die Schrift konnt' ich vergleichen — 
Strenge war ſie, derb gediehen — 
Den bekannten Notenzeichen 
Von der Lieder Melodien. 


And der Schlüſſel war daneben, 
Zum Verſtändnis für das Ganze, 
Das Jahrtauſend, das gegeben 
Die Muſik zu dieſem Tanze. 


And in einem von den Blättern 
Klang's ſo klagend und ſo ſüße, 
And bald war's wie Ruhmesſchmettern, 
And bald war's wie Liebesgrüße. 


208 


Und im andern war ein luftig 
Gaſſenliedchen hingeſchrieben, 

Oft gemein und oft auch duftig, 
Hüpfend hier und hüpfend drüben. 


And verzeichnet war im dritten 
Eine trockne Alltagsweiſe, 

Wie mit langſam ſteifen Schritten 
Ochſen treten das Geleiſe. 


Doch harmoniſch, Freund, o merke, 
Waren all die Liederſtücke; 
Meiſterſtücke, Meiſterwerke 

In der Eingeweihten Blicke: 


Was da werden muß und kommen, 
Kannſt du wiſſen nach dem Fluſſe; 
Haſt den Anfang du vernommen, 
Tönt das Lied ſelbſt fort zum Schluſſe. 


Und den Rhythmus hörſt du ſtrömen, 
And die Töne hörſt du ſchlagen, 
And du kannſt daraus entnehmen 
End' und Ziel von deinen Tagen. 


Die Akkorde kehren wieder, 
Die Akkorde, Wunderranken 
Am die vollen Lebensglieder 
An dem großen Hauptgedanken. 


Sieh, und wie am Tongeflechte 

Lang der letzte Ton getragen, 

Wird der Letzte vom Geſchlechte 

Meiſt nur ſterben hoch an Tagen, 
Wagner, Geſammelte Dichtungen 14 


209 


210 


Und fo wie im Reich der Töne 
Anfang oftmals gleich dem Ende: 
Arahn und Arenkelſöhne 

Gleich in der Jahrtauſendwende. 


Was da komme, was ſich ſchicke, 
Iſt dem Einklang nur entfloſſen, 
And ſo iſt dem Seherblicke 

Nimmer dieſes Buch verſchloſſen. 


Kampftüchtig 


Kampftüchtig ſei das künftige Geſchlecht, 
Wehrhaftig ſei es für das Weltgefecht! 

Front mach' es rechts und Front nach links und vorn, 
Nicht werfe es die Waffe in das Korn! 

Straff, jeder Nerv geſpannt zum Widerſtand, 
Zum Vußerſten entſchloſſen, feſt die Hand, 

Für hohe Ziele Ungeheures wagend, 

Mißliebige Sterne ſelbſt herunterſchlagend! 


Gottes Söhne 


Doch gabſt du auch dem Menſchen zu dem niedern 
Ameiſenfleiße einen Born von Liedern, 

Daß er ſich labe bei dem Klang der Flöte, 

Mit ſeiner Arbeit nicht den Geiſt ertöte. 


Wohl hat, indes die pöbelhaften Mengen 

Am Eingangstor ſich ſtoßen und ſich drängen, 
Abſeits ein Haufe tändelnd gar verweilet, 

Ein Einzelner Jahrtauſende durcheilet, 

And ſtehet auf des Paßwegs Bergeshöhe, 
Daß er die ſchönen Tale überſehe, 

Die Bruſt geweitet und das Auge trunken 
Aufs reiche Stromland drunten hingeſunken. — 


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O heilig biſt du! Seid ihr! Tretet näher, 

Ihr Dichter, ihr Propheten und ihr Seher, 

Entdecker, Träger meiner Gottgedanken, 

Der rohen Menſchheit niedre Erdenſchranken 

Sind nicht für euch! — Nicht Bogen und nicht Netze, 
Nicht Kaufmannstiſch, nicht Bücher der Geſetze, 
Nicht Säge noch der Hammer; nur des Denkens 
Gottebenbürt'ge Arbeit, des Verſenkens 

In mein erhaben heilig Geiſtesweſen, 

Zu dem ich meine Söhne nur erleſen. 


O laßt ſie nur, die Erdenknechte, trachten 

Nach Gold, nach Reichtum, nach den Erdenprachten, 
Laßt ſie zuſammenhäufen, laßt ſie ſcharren, 

Belächelt ſie als Toren und als Narren! 

Gönnt ihnen allen ihr verzweifelt Rennen, 

Gönnt ihnen ihre Speicher, ihre Tennen, 

Gönnt ihnen ihre Schlöſſer, ihre Tempel, 

Sie tragen ſämtlich der Vernichtung Stempel! 


Ihr ſeid zu groß, um mit der Erde Großen 

Die Edelſteine Gottes zu zerſtoßen; 

Ihr ſeid zu groß, um mit der Erde Kleinen 

Den Erdenſtaub noch kleinlich zu zerfeinen; 

Ihr ſeid zu groß zum Herrſchen und zum Dienen, 
Seid meine Söhne, Prieſter und Brahminen. 


Der Brahmine 


Wenn der Brahmine wandelt durchs Gefild, 
So grüßen ihn ſo freundlich und ſo mild, 
In innigem Verſtändnis nah und ferne 
Zahlloſer Blumen fromme Augenſterne; 
Nicht vorwurfsvoll, ſo wie ſie andre fragen, 
Warum ſie nicht die ihren aufgeſchlagen, 

14* 

211 


212 


Die freundlichen Geſchwiſter nicht erkannt, 

Die doch mit ihnen innig ſind verwandt. 

Es grüßen ihn halb ſchüchtern und halb traut 
Die Blumenglocken mit verwandtem Laut, 

Die abertauſend Blütenfalter alle, 

Wenn ſie ihn ſehen wandeln durch die Halle; 
Das Halmgeſinde, das am Wege ſprießt, 

Sich vor ihm ehrfurchtsvoll verbeugt und grüßt. 


Die Tauben, die am Zweige feſtgebannt, 


Die Fittiche zum Fluge ausgeſpannt, 

Die roſigweißen Blütenvögel eben, 

Sie möchten auf ſein Haupt herniederſchweben. 
Die Blumenkelche, grüßen ſie ihn nicht 

Mit mädchenhaftem, ſchüchternem Geſicht? 
Sie möchten wohl zum Liebſten ihn gewinnen, 
Doch ihn durchzieht ein wunderſam Beſinnen. 


Ihm iſt, als hätt' in längſt entſchwundner Zeit, 
Rückwärts, von jeder Rückerinnrung weit, 

In tauſende Atome noch zerſplittert 

Sein Tauſendſtel als Blumenblatt gezittert, 
Sein Tauſendſtel getragen ehedem 

Auch ſolches prächtige Sternendiadem, 

Den Schmeichellüften wonniglich gelauſcht 

And fromme Huldigungen eingetauſcht. 


Wenn der Brahmine wandelt durch die Flur, 
So freut ſich drüber jede Kreatur, 

And alle Weſen, Alte ſo wie Jungen, 

Sie bringen dar ihm ihre Huldigungen: 

Es hüpft um ihn die liebliche Gazelle 

Mit ihren Mädchenaugen klar und helle; 
Die Rinderherden an des Hügels Seiten, 
Sie kommen eilends, um ihn zu begleiten; 
Es ringelt ſich die gift'ge Schlange loſe 

An ſeinem Hals empor, daß ſie ihn koſe; 


Es kommen ſchnurrend mit den Pantherflecken 
Die großen Katzen, ſeine Hand zu lecken; 
Der mütterliche Vogel in den Zweigen, 

Er lockt und ruft, die Jungen ihm zu zeigen. 
So, wo er wandelt und wohin er tritt, | 
Bringt er den Frieden und den Gegen mit. 


Lied des Brahminen 


Willſt du zählen zu den Erdenreinen, 
Den Brahminen, die im Licht ſich einen, 
Zu den Auserwählten, mußt du lieben 
And dich täglich im Erbarmen üben. 


Heilig iſt der Leib und was lebendig, 

Sei dein Wahlſpruch immer und beſtändig; 
Vor dem heil'gen Leib ſollſt du dich ſcheuen, 
An des Leibes Kunſtwerk dich erfreuen. 


Pflanzen ſollſt du, die zerrauft, zertreten, 
Sorgſam in die Erde wieder betten; 
Findeſt du am Weg ein hilflos Weſen, 
Nimm's in Pflege, bis es iſt geneſen. 


Werden Tiere dir am Weg begegnen, 
Auf die Hände hebe, ſie zu ſegnen; 
Speiſe ſollſt du immer bei dir haben, 
Schmachtende und Hungernde zu laben. 


Keine Mühe ſollſt du jemals ſcheuen, 
Vögel und Gefangne zu befreien; 

Keine Koſten, auf den Markt zu wandeln, 
Junge zu den Müttern rückzuhandeln. 
Willſt du zählen zu den Erdenfrommen, 
Pflanze Bäume, dies iſt Gott willkommen, 
Auf die Berge, daß von grüner Höhe 
Ein Entſühnungshauch herniederwehe. 


4 


213 


214 


Wird ein Kindlein dir geboren, pflanze 
Einen Baum dafür; in ſeinem Glanze 
Weile gerne. Wenn er blüht und grünet, 
Denke freudig, daß dein Kind entſühnet. 


Nicht die Blumen breche oder knicke; 

Bleibe, ſtehe, labe deine Blicke 

An den Jungfraun, deren Wonneleben 

Ach ſo bald wird in das Nichts verſchweben. 


Bleibe ferne von den Mordgeſellen, 
Die die heil'gen Schattenbäume fällen 
And ſich ſelbſt und ihren Kindeskindern 
Troſtverachtend die Entſühnung mindern. 


Bleibe ferne weg von allen denen, 

Die der Satzung und dem Rechte frönen 
And, erfüllt von deren taubem Grimme, 

Nimmer achten der Erbarmung Stimme. 


Doch nicht immer ſollſt du duldend ſchweigen, 
Gegen Mörder ſollſt du mutig zeugen; 

Mit der Wahrheit ſcharfen Hagelwettern 
Schloßenartig ſie zuſammenſchmettern. 


Haſt du alles dieſes treu gehalten 

Jahrelang in deinem Lebenswalten, 

Darfſt du friſch und darfſt du freudig wagen, 
Des Entfühnten grünes Kleid zu tragen. 


And es wird von heut auf deinem Gange 
Weder Tiger, Panther oder Schlange 
Dich verwunden, weder Mittagsbrennen, 
Weder Hagel dich verletzen können. 


Lägeſt du auch fieberkrank und hager, 
Stände ſelbſt der Tod vor deinem Lager, 
Weichen muß er, bis du endlich ſelber, 
Altersſchwach und immer altersgelber, 


Matt und erdenmüde, Botenvögel 

Läſſeſt ſteigen mit dem Schwanenſegel, 
Die da heiſchen für den Lebensmüden 
Todesfrieden. — And wenn du geſchieden, 


Werden Jünger kommen, werden Scheiter 
Um die Leiche ſchichten froh und heiter, 
Werden ſprechen bei dem Sprühn der Funken: 
In das Lichtmeer iſt er jetzt verſunken. 


Oswalds Vermächtnis 


Laß mich dir die Zukunftstempel zeigen, 
Wo der Menſchheit nachgeborne Söhne 
Williglich und ſelig ſich verneigen 


Vor dem Zukunftsgott in ſeiner Schöne. 


Wohl genug iſt's, daß die Menſchheit grauſend 
Marterwege wandelte Jahrtauſend; 
Zeit nun iſt's, daß ſie, befreit von Sorgen, 


Jietzund feire Auferſtehungsmorgen. 


Zeit iſt's, daß das Nachtgeſtirn verglühe. 
Lerchen ſchmettern in der Morgenfrühe, 


3 3 Und der junge Tag mit freud’gen Schlägen 
Cilt der Sonne und dem Glanz entgegen. 


So auch du, mein Sohn. — Nicht gilt's zu liegen, 
Mach dich auf, den Weltkreis zu beſiegen, 
Von des Geiſtes freud'gem Flügelſchlagen 
Mohr und mehr zum Licht emporgetragen. 


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215 


216 


Daß im Fluge du nicht mögſt ermatten, 
Magſt du kreiſen ob der Schönheit Matten, 
Niederſchwebend von dem Flug nach Oſten 
Jede Freude, die dir rein iſt, koſten. 


Dein iſt alles, all und jede Wonne, 
Wenn ſie aufgeht dir als eigne Sonne, 


„Jeder Tag, vom Licht emporgetragen, 


Wenn er aufgeht dir als eignes Tagen. 


Dein iſt alles, all der Blumen Blühen, 
Wenn hervor ſie aus dir ſelber glühen, 
All die Roſenknoſpen auf der Erden, 
Wenn fie Rofen in dir ſelber werden. 


Dein iſt alles, all der Lieder Singen, 
Wenn heraus ſie aus dir ſelber klingen; 
Jeder Schlag der ſel'gen Philomele, 
Wenn er hallt aus deiner eignen Seele. 


Dein iſt alles, was ob Tal und Hügeln 
Lichtvoll ſich in dir mag widerſpiegeln, 

Dein die Himmel ſelbſt und ſelbſt die Sterne, 
Wenn du Glanz haſt für den Glanz der Ferne. 


Biſt du adlergleich heraufgekommen, 
Alles Schöne in dich aufgenommen, 
Göttertrank gekoſtet ſo im Fluge 
Auf dem Sieges- und Erobrungszuge, 


Liegt das Vorurteil, das Wahnbefangen 
Zu den Füßen dir als kriegsgefangen, 
Stehſt du faſt als wie ein Weltenmeiſter, 
In der Hand den Feldherrnſtab der Geiſter. 


Ewigkeitsauge 


Glorreich und glänzend ſchwebt ein Pfauenauge über 
dem Neſſelgeſtrüpp wie eine himmliſch verklärte, frei⸗— 
gewordene Pſyche. Mit dem Ewigkeitsauge, dem Gottheits— 
ſtempel, und den zum Bilde gewordenen Geiſtesgedanken 
auf ihrem Flügel tragend: / 

Ich bin das Sehende und bin das Wiſſende. Ich bin 
im Tag, ich bin in der Morgenröte und bin in der Nacht. 
Ich kenne kein Geſtern und ewig mein iſt das Heute. 


Legende von dem Schlaf- oder Satansapfel 


Als Gott der Herr die Rofe erfchaffen hatte, ärgerte 
ſich der Satan ob ihrer Schönheit und Lieblichkeit der— 
geſtalt, daß, wo er eine ſah, er ſie zerblätterte und abriß. 
And einſtmals traf ihn der Herr darüber und rief ihn an: 
Schlingel!l Was macht du da? — Dun ſiehſt es ja! knurrte 
der Satan trotzig. — Aber du ſollſt es nicht, Bube, denn 
du kannſt auch keine machen! — Nicht? Nicht machen? 
Ha! Das kann ich auch! Das iſt keine große Kunſt! — 
So mache eine! — Da raufte der Satan ein wenig Wolle 
aaus einem Lammſchafe, das ein altes Weib am Feldhag 

hütete. Es war ihm zwar etwas ängſtlich zumute, ob 

6 er auch mit ſeinem Prahlen beſtehen werde, aber das alte 
boshafte Weib hatte alles gehört und blinzte dem Satan 
beifällig und aufmunternd zu, als ob ſie ſagen wollte: So 
recht! Recht! Zeige es ihm! — And der Satan machte 
aus dem Händchen voll Wolle — ſie war ein wenig blutig 
von ſeinen ſcharfen Nägeln — ein Etwas, das einer Rofe 
ähnlich ſah. Das betrachtete der Herr lächelnd und fragte: 


217 


Riecht deine Roſe auch? Da ſtand der Satan beſchämt 
und ſtotterte: Nein! — And was iſt in deiner Noſe 
drinnen? — And der Herr machte eine auf, und es waren 
Würmer darinnen. And der Satan ſchlich ſich weg und 
das alte Weib auch und wollte durch die Lücke des Zauns 
in den Garten ſchlüpfen, aber ſie blieb mit ihrem un⸗ 
gekämmten ſtruppigen Haarbuſche in dem Haggeſtrüppe 
hängen und ließ ihre Schlafhaube dahinten. 

Aber der Herr machte Dornen an die Roſe, und das 
alte boshafte Weib, die Frau Zaunwiede, verurteilte er, 
auf ewige Zeiten als Schlafhaube aus dem Zaungeheg 
ſchauen zu müſſen. And die Noſe des Satans ließ er 
auch wachſen zum ewigen Gedächtnis. 


Mythe vom Schwalbenſchwanz 


| Die Dorfgaſſe ſtehet verlaffen, und einſam plätſchert 
der Brunnen. Denn es iſt Erntezeit und jung und alt 
auf dem Felde. Nur der ſchöne Schwalbenſchwanz um⸗ 
flattert die waſſergefüllten Fahrgeleiſe in der Nähe des 
Brunnens und immer und immer wieder den Brunnen 
ſelbſt. Warum wohl? O wiſſe: Er iſt das Wirtstöchterlein 
dort vom Eckhauſe, das ſich hier Rüben wuſch, ſüße gelbe 
Rüben zum Naſchen, zuerſt in der Rinne und dann im 
tiefen eichenen Brunnentrog, bis es kopfüber hineinfiel und 
ertrank. | 
Felde, auch ſeine Mutter, die ihm erſt vor einigen Tagen 
ſein flottes neumodiſches Sommerkleidlein mit langen Schößen 
hatte machen laſſen, zum Arger für die andere Wirtin, die 


auch ein Töchterlein hatte, das aber nicht halb ſo hübſch # 


war als das ihrige. — Und darum ift auch der ſchöne 


Schmetterling mit den langen Schößen, die die Nähterin 1 


nicht hatte lang genug machen können, allemal um die 
Erntezeit bald hier an dem Brunnen und bald dort an den 
Gelberübenbeeten des Gartens zu ſehen. ; 


218 


Der Hirſchkäfer 


. Es war einmal eine große Verſammlung der Hirſche 
ausgeſchrieben, und fie kamen zuſammen im Walde, der 
jetzt die „Hirſchplatte“ heißt. And der Hirſchkäfer, auch 
. un genannt, machte ſich auch zu der Verſamm— 
lung; denn er rechnete ſich auch zu den Hirſchen. Aber 
dieſe achteten ſeiner nicht, ſondern liefen hin und her und 
Zertraten ihn. — 

1 Merke: Menge dich nicht unter die Gewaltige und 
= unter die Großen! 


Eigentum 


4 Es iſt nicht alles ganz dein, was du dein nenneſt; es 
iſt eigentlich gar nichts ganz dein als die Wertſachen in 
3 C deiner Bruſt, in dem feuerfeſten und diebesſicheren Kaſſen⸗ 
* d deiner Seele. — Deine Gärten, Acker und Wieſen 
haſt du erkauft und bezahlt; aber was du nicht erkauft und 
bezahlt haſt, das iſt der Tau und der Regen, der deine 
Gemwächſe tränkt, das iſt die Luft und der freudige Sonnen⸗ 
ſchein. — Darum ſiehe: Nicht ganz dein iſt deine Ernte. 
Siehe, der Herr der Erde, der Luft, des Regens und 
Sonnenſcheins hat dir mitunter arme Menſchenkinder, auch 
Tiere, mitunter Schwachſinnige und Anmündige, auch Her— 
> bergölofe — ich möchte ſagen — ins Ausgedinge gegeben 
mit der gewiß nicht zu ſchwer drückenden Bedingung, ſie 
ein wenig zu dulden. — Ja, es find geringe Ausdinger, 
3 die von deinen Seldfrüchten naſchen, Feldhühner, Wald: 
vögel und Tauben, ja noch geringere: Sperlinge und 
Mäuſe, Maulwürfe und Maikäfer; — aber glaube ja 
nicht, daß dieſelben ihrem Schöpfer auch ſo gering erſcheinen 
wie dir. — Du wüteſt mit Gift, mit Feuerrohr und 
Schlinge unter dieſen letztgenannten kleinen naſchenden Aus» 
dingern. Siehe wohl zu, daß dich dieſelben nicht ver- 
3 219 


* 


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klagen! Hüte dich, daß dir dein Lehensherr die verliehenen 
Nutznießungen nicht nehme — die Nutznießungen des 
Regens und Sonnenſcheins, die Nutznießungen der fröh- 
lichen Geſundheit und des Gedeihens. — And ſiehe wohl 
zu, daß deine Religion nicht in deiner Zahlungsfähigkeit 
beſtehe! 


Schonung des Lebendigen 


Ich möchte eine größere Wertſchätzung des Lebens 
einführen, nicht gleich der Menſchenſchätzung nach Mark 
oder Gulden, ſondern nach ſeinem eigentlichen, unbezahb- 
baren Lebenswert. Ich möchte eine Gemeinde gründen, 
deren Acker und Wieſen Domänen des Zukunftsreiches 
wären, wie es meine wenigen jetzt ſchon ſind. Eine Frei⸗ 
ſtätte gründen, wo das Gnadenbrot äßen in deinem Hauſe 
bis an ihr Ende die Geſpielen deiner Kinder, das Kätzchen 
und der Hund, ſowie die gute Nährmutter derſelben, die 
milchgebende Kuh, und die eierlegende Henne. — Wo der 
Markſtein ſtünde gegen die Härte, den Eigennutz und den 
Andank der Menſchen. 


* * 
* 


Auch die Tierwelt wartet auf ihren Heiland, ja ſelbſt 

die Pflanzenwelt und die ganze Natur. Sehnſuchtsvoll 
und zitternd harren fie ſchon ſeit Jahrtauſenden auf ihren 
Erlöſer. Auf einen Heiland, der ihre natürlichen Rechte 
voll anerkennt und zu voller allgemeiner Anerkennung zu 
bringen vermag. Aber wann wird der kommen? — And 
welcher Wegbereiter wird fein Johannes fein? Frage nicht! 


Ich und du, und der und jener, und jeder volle Menſch 3 | 


iſt hiezu berufen, und wer dieſer hohen heiligen Berufung 


nicht folgt, hat dafür Verantwortung und Sünde. — And 3 4 


dir und mir, und jeglichem gilt die Mahnung: 
220 


So lang du ihre Freiheit nicht gepredigt, 

Biſt du auch deines Auftrags nicht entledigt, 
Erſt wenn du ſie haſt aller Welt verkündigt, 
Biſt du vollkommen in dir ſelbſt entſündigt. 


* * 
* 


O gräßlicher Irrtum der Menſchen, zu wähnen, daß 
die Tierwelt nur um ihretwegen da ſei und folglich rück— 
ſichtslos verbraucht werden dürfe. Jedes Weſen iſt vor 
allem nur da, um ſich feines Daſeins zu freuen. — Über: 
lege wohl, ehe du ein Todesurteil ſprichſt, ob du keinen, 
gar keinen anderen Ausweg finden kannſt. Denn ob du 
dem betreffenden Weſen auch ſeine Nahrung gereicht haſt, 
ändert an deinem Rechte wenig. Nimmſt du ihm dafür 
ſein Leben, ſo haſt du ihm doch mehr genommen als ge— 
geben, und dein Geben war nur wie das Geben des 
Wucherers, um zehn gegen fünf zu bekommen. And ſo du 
ſchonſt, wirſt du finden, daß die Mächte, die Glück und 
Wehe verhängen, ſchonender, nachſichtiger und barmherziger 
auch mit dir verfahren werden. 

Ja, vornehmlich du, der du Vater oder Mutter biſt, 
der du verwundbarer biſt denn das Ei ohne Schale, be— 
ſtrebe dich zwiefach mehr barmherzig zu ſein, ſo du willſt, 
daß auch deinen Kindern Barmherzigkeit widerfahre. Reize 
die Mächte nicht, die du nicht kennſt, und ſo du nicht 
barmherzig ſein kannſt aus Liebe, ſei es um deines Vor— 
teils willen. Ja, deines Vorteils wegen! Liebe und Er— 
barmung iſt die einzige Münze, mit welcher du den Tribut 
deines Lebens bezahlen kannſt. Zahle, auf daß dir das 
Schickſal, der große Exekutor, nicht auspfände! Auf daß 
es dir nicht nehme, was du ungern gibſt und ſchwer ver— 
miſſeſt! Zahle, und wo nicht freiwillig, ſo zahle aus 
Furcht! — And ſo du ein Weſen nicht ſchätzen kannſt 
ſeiner Geſtalt wegen, ſo ſchätze es um der Liebe willen, 


221 


die feine Mutter daran gewendet, oder um der Liebe willen, 
welche es ſelbſt zu ſpenden fähig geweſen. 

O laß doch der armen, liebebedürftigen Tierwelt etwas 
abfallen von deiner Liebe! Dem Kätzchen, das ſeine Pfötchen 
auf deine Schulter legt und um Liebe bettelt. Dem Hunde, 
der freudig an dir emporſpringt, und dem ein freundlich 
geſprochenes Wort Labſal iſt. Der Kuh im Stalle, die 
dich treuherzig anblickt, deine Hände leckt und ihren Hals 
darbietet, um ſich von dir krauen zu laſſen. Der Henne, 
der dein Ruf Tiſchgebet und deren Piepen Dankſagung iſt. 


Hat dir dein Herz dies Rätfel nie erſchloſſen, 
Daß Kinder fliehn da, wo wird Blut vergoſſen, 
Daß ſie den Quell nicht können rieſeln ſehn? 
Sie fliehen, weil ein Frevel iſt geſchehn, 

Sie trauern um das Leben, das entſchwunden, 
Sie zittern, daß ein Anhold losgebunden; 

Sie fliehen von der Stätte, wo es qualmt, 
Daß Gottes Wetter ſie nicht mit zermalmt, 

Sie eilen fort, damit der Erde Schlund 

Sie nicht verſchlinge ſamt dem blut'gen Grund. 


Das Kind iſt wahr. — Sein Seherauge ſieht 
Die Wahrheit, die dem Alter meiſt entflieht, 
Es hat die Weisheit, die vom Himmel ſtammt, 
Iſt weiſer als die Weiſen insgeſamt; 

Iſt ein Kriſtall, in dem das ew'ge Licht 

Sich nimmermehr in falſchem Glanze bricht. 


Die Sünde, die dem unſchuldvollen Kinde 
Todſünde ſcheinet, die iſt Todesſünde, 
Todſünde auf der Erde weit und breit, 
Todſünde heute wie in Ewigkeit. 


Flieh, Mörder, flieh! Flieh fort nach ferner Flur, 
Ein Unhold immer bleibt auf deiner Spur. 


222 


Flieh, Mörder, flieh! Flieh fernhin übers Meer! 
Ein Anhold immer ſetzt dir hinterher. | 


Dem Lebensſtrom, jo kunſtreich eingedämmt, 
Haſt frevelnd du die Schleuſen aufgezogen, 
Daß, überflutend, die empörten Wogen 
Den Anbewohner mit dahingeſchwemmt, 
Ob er ſich gleich verzweiflungsvoll geſtemmt, 
Sich angeklammert an die Brückenbogen, 
An Aferweiden ſich noch feſtgeklebt, 
Verzweiflungsvoll gerungen und gebebt; 
Ins große Meer hat's ihn hinabgezogen, 
Ans unbewohnte Eiland hinbetrogen. 


Ob du auch wollteſt, kannſt du doch nicht mehr 
Meerüber bringen den Verlornen her. 

Kein Ruder wohl die wilde Brandung zwingt, 
Kein Nachen wohl ihn wieder heimwärts bringt, 
Kein Schiffer iſt, der je gelandet an 
An dieſem Eiland in dem Ozean. 


O blut'ge Lache! Schwarzgeronnener See! 
Ein jeder Tropfen ächzt ein banges Weh. 


Daß dieſer Blutteich doch ſo eigen flimmt? 
So purpurprächtig und ſo grauſig glimmt? 
So ſeltſam ſchimmernd in den Augen gleißt? 
Ich will dir ſagen, wenn du es nicht weißt: 
Dies Aufgeleuchte in dem kleinen Teich 

Iſt das Geleuchte von dem Drachenlaich, 
Das Phosphorleuchten zahlenloſer Eier; 
Brutſtätte iſt der unbekannte Weiher 

Für Angeſchöpfe und für Angeheuer. 


And Brutſtatt iſt und bleibt ſtets dieſer See 
Für allen Schmerz und alles Erdenweh. 


223 


Brutſtatt der Seuchen ift er, ſamt der Peſt, 
Samt der Vampire, die im Finſtern ſchweben, 
An ihre Opfer angeſaugt ſo feſt; 

Brutſtatt des Siechtums, das ſo manches Leben 
Hat eingefangen in fein Räuberneſt 

Mit ſpinnenartig feinen Netzgeweben, 

Das früher nicht, als bis ſie ausgepreßt, 

Die tote Fliege wieder fahren läßt. 


Ein Abgrund, voll von Höllenqualm und Pein, 
Von einem einz'gen Schlachtgefild allein 

Voll überſprudelnd heißer Todesquellen, 

Voll banger Echos, die dazwiſchen gellen, 

Wär' überg'nug um eine eigne Welt, 

Ja das geſamte weite Sternenzelt 

Mit allen ſeinen Himmeln zu durchhöllen. 


Rächer zerſtörten Lebens 


Grauſame Menſchen ſind abergläubiſch, das heißt ſie 
haben Dämonenfurcht, aber auch alle Arſache hiezu, denn 
ſie haben wirklich zu fürchten. Mit jeder Leiblichkeit, die 
ſie ſchonungslos vernichtet, haben fie einen Anhold mehr 
losgebunden, der ihnen Schritt für Schritt, in tauſend⸗ 
facher, täglich veränderter Geſtalt auf der Ferſe folgt und 
deſſen Krallen ſie ſchließlich unrettbar verfallen. Nicht 
unſere Kultur, welche meiſt nur ein ſchimmernder Lack über 
die innere Noheit der Seele ift, kann dieſe Dämonenfurcht 
beſeitigen, ſondern allein die Kultur, die in dem Grund⸗ 
ſatze gipfelt, nie und nirgends Qual zu ſchaffen. Denn 
ohne Qual gibt es keinen Anhold. 


Qual iſt Zerſetzung. Qual ſchafft wieder Qual, 
„Nicht einmal, zehnmal, ſondern tauſendmal, 
Gleich Ankrautſaat vom Wirbelwind bei Nacht 
Amhergeſtreuet und vertauſendfacht. 


224 


Qual ift Zerſetzung, und der Haß, der trennt; 
Wär' nicht der Liebe bindend Element 

So allgewaltig, längſt wär' alle Welt 

Von Qual zerfreſſen und zu Stein vergällt. 


Die Abrechnung 
Erſt Wägung, 
Dann Prägung. 


Ich will dir ſagen, was da geſchehen wird, wenn die 
Abrechnung kommt: Du haſt ein großes, unſagbar großes 
Erbteil zu fordern, und deſſen Herausgabe wird dir gewiß 
nicht verweigert werden. Allein, ehe du erben kannſt, 
müſſen vorher deine Schulden bezahlt ſein. Auch vielleicht 
noch Schulden deines Vaters, Großvaters und Argroß— 
vaters, die auf deinem Anweſen haften. — And es werden 
vorgeladen werden alle, die etwas an dich zu fordern haben: 
von der Spinne an, die du einmal zertreten, und von der 
Maus an, die in deiner Falle Hunger geſtorben iſt, bis 
zur Droſſel in deinem Käfig, die du zwar gepflegt, aber 
desungeachtet um ihren Lebensfrühling gebracht haſt. Von 
deiner Mutter an, der du durch Eigenſinn eine gute Stunde 
verkümmert, bis zu deinem Kinde, dem du durch mürriſches 
Weſen eine Freude verdorben haft. — — 

Doch wohl dir bei alledem, wenn nicht noch gewich— 
tigere Gläubiger gegen dich auftreten! Das Erbteil iſt groß 
und kann manchen Abzug ertragen. Doch wie? Wenn 
du einer Wuchererzunft oder gar einer Mörderzunft an- 
gehöreſt? Wenn du deinen Opfern ihr ganzes Leben ver- 
güten mußt? Wehe dir! Das erfordert ſchon große Summen, 
und das Leid der Hinterbliebenen mußt du auch noch be— 
zahlen. — Dann ſteigt die Summe des Abzugs ins An— 
geheure, und ſollte auch noch etwas für dich übrig bleiben, 
ſo iſt's gewiß nicht viel. And du geheſt leer aus bei der 
Erbſchaft des reichen Vaters, und was wird dein Los ſein? 

Wagner, Geſammelte Dichtungen 15 

8 ; 225 


Eines Bettler Los. And das Los deiner Nachkommen? 
Ebenfalls das Los der Bettler. Denn es wird wenig 
überbleiben von ihnen, und was überbleibt, wird in Schmach 
und in Armut enden. — — And die Maus, die einmal 
in deiner Falle Hunger geſtorben iſt, wird vielleicht ein⸗ 
mal — natürlich in anderer Geſtalt — deinen Nachkommen 
ein Almoſen ſpenden und wird reicher ſein denn ſie. — 
Aber was wird geſchehen mit denen, deren Schulden das 
Erbteil überſteigen? weit überſteigen? Die bezahlt vor⸗ 
läufig der Fiskus, genannt Ewigkeit, und alle etwaigen 
Erbſchaften des Glückes, wie ſie beinahe ſicher ſind, werden 
nun von demſelben vorweg genommen. — And ein ſolches 
Geſchlecht kann ſich erſt nach Ewigkeiten wieder empor 
arbeiten. 


Die Ernte des Glücks 


Hüte dich, daß du keinen Halm knickeſt noch aus⸗ 
raufeſt auf dem ohnehin jo dünn geſäeten und überdem 
noch von Unkraut überwucherten Freudenacker der Erde! 
Denn ſeine magere Ernte muß für ſo viele reichen. Manche 
reißen einen großen Teil dieſer Ernte an ſich, aber das 
heißt das Glück aus der Ewigkeit heraufholen, das Erb⸗ 
teil, das nach langen Friſten und in kleinen Summen fällig 
war, auf einmal erpreſſen. Da haſt du es! ſagt ihr Vor⸗ 
mund und wendet ihnen den Rücken. 


Geraubte Kinder 


Iſt ein Liebes deinem Aug entſchwunden, 
Suche nimmer nach ihm Nacht und Tag! 
Wenn du findeſt, was dich lieben mag, 
Haft du das Verlorne neu gefunden!. 


Un es war eine Zeit großer Verfolgung, wie einer 
Glaubensverfolgung, und man nahm da und dort Eltern 
ihre Kinder weg und tat ſie in Anſtalten, um ſie in an⸗ 


1 S. 46. 
226 


derem Glauben, anderen Sitten und ſelbſt in anderer Sprache 


zu unterrichten. 


And eine Mutter, die ihr liebes, geraubtes Kind nicht 


1 | vergeſſen konnte, machte ſich auf den Weg, dasſelbige zu 


ſuchen. And da ſie in die Stadt kam, da die Kinder 
untergebracht waren, und dieſelbigen ſah, ſchien es ihr, als 


ol ſie faſt fröhlicher wären als früher zu Haufe, auch 
meiſt ſchöner gekleidet, aber ganz nach ausländiſchem Schnitte, 


auch von ganz anderen Sitten und Manieren und ganz 
fremder Sprache. And fo kam es, daß fie ganz irre wurde 
und ſich fragte: Wie werde ich mein Kind finden unter 
der Menge? And nach langem Suchen und Vergebens— 
fragen traf ſie einen alten Mann, den einzigen, der ihre 
Sprache verſtand, und erzählte ihm ihr Anliegen. And 
der alte Mann ſprach alſo: O du gutes einfältiges Weib! 
Das wundert mich gar nicht, daß du dein Kind nicht ge— 
funden haſt, im Gegenteil: Zum Todwundern wäre es, 
wenn du es gefunden hätteſt. Hier iſt das Mädchen, denn 


ich weiß ganz gewiß, daß alle hier untergebracht find, und 


eben fo gewiß, daß alle noch leben. — Möglich, daß du 
ihr ſchon begegnet biſt. Aber, was willſt du eigentlich 
hier tun, wenn du das Unmögliche begehreſt? — Unter- 
halten kannſt du dich nicht mehr mit ihr, auch wenn du 
ſie wirklich erkennteſt. Auch kannſt du nirgends nach ihr 
fragen, da ihr und jedem anderen ein anderer Name ge— 
geben worden und der alte vergeſſen iſt. — Darum rate 
ich dir: Bleibe noch einige Tage hier und betrachte dir 
die Kinder und erfreue dich ihres Anblicks, ihrer holden 
Schönheit, ihres Jugendſchmuckes, ihrer Fröhlichkeit und 
ihrer Kraftfülle und denke: Mein Kind iſt auch darunter. — 


And fo du ihm willſt Gutes tun, jo tue es an dem nächſten 
beſten, denn du kannſt nicht wiſſen, ob es nicht das deinige 
itt. And fo du eines ſieheſt, holder, ſchöner, fröhlicher und 
. kräftiger als die anderen, ſo magſt du denken: Dies it 


das meinige. 
3 185 
227 


Darum nur ſollſt du es nicht erkennen, 
Dein Verlornes, in dem bunten Spiel, 
2 0 du alles mögſt das Deine nennen, 
Statt des Wenigen lieben künftig viel!. 


And da ſie auf dem Heimweg war, flog ihr eine Klette 
ins Haar, und darum mußte ſie fort und fort und immer 
und immer wieder die Worte des Alten wiederholen, da 
er geſagt hatte: Dein Kind iſt auch darunter. — And auf 
den Wieſen da drüben blühten die Blumen, die Lerchen 
jubelten neben ihr drinnen im Felde, im Walde rauſchten 
die Wipfel, und die Lippen des Weibes murmelten un⸗ 
bewußt wieder und wieder: Dein Kind iſt auch darunter! — 
And die Schmetterlinge ſchwärmten auf von dem Fahr⸗ 
geleiſe der Straße, und die Lippen des Weibes murmelten: 
Dein Kind iſt auch — — — darunter, wollte ſie ſagen, 
aber ein gewaltiger Donner, wie eine Stimme vom Himmel, 
vollendete und beſtätigte die Rede des Weibes und brüllte, 
daß der Erdboden zitterte: Drunter! — Drunter! — 
Darunter! — 

And da ſie ihren Hof betrat, flog ein wunderſchöner 
Schmetterling ihr entgegen, in einem ſchwarzen Samt⸗ 
kleidchen mit weißer Einfaſſung, und himmelblauem Hals⸗ 
tuche, einem Waiſenmädchen gleich, wie um fie beim Ein- 
tritt in ihre Wohnſtätte zu begrüßen. 


Du weißt es gar nicht, welche nahe Hand 
Dich oftmals ſegnet; | 

Du weißt es gar nicht, wie oft iſt verwandt, 
Was dir begegnet. 

Du ſtarrſt es an, als ob's ein Fremdes ſei; 

Auf einmal grüßt dich's als ein Bruder treu. 


1 S. 45. 


228 


Freitod 


Was gibt dem Leben erſt die rechte Weihe? 
Das Sterben iſt's, das ſelbſtgewählte, freie. 


Der Vorſatz ſtolz, ſich von dem Stoppelweiden— 
Auftrieb der Herden einmal auszuſcheiden. 


Das Hürdentor der Freiheit mit dem bloßen 
And unbeſchützten Fuße aufzuſtoßen. 


Schlafmüt'ge Daſeinsluſt in blödem Herzen 
Durch friſches Handeln kräftig auszumerzen. 


Freitod! — Wer hat zuerſtmals dich erfunden? 
Ein Götterſohn, ins Sklavenjoch gebunden, 


Der, als ihn holten des Tyrannen Boten, 
Die Ketten ſchlug ins Antlitz dem Deſpoten. 


O Gedanke voll ſtolzen Troſtes, o Troſtestroſt, wenn 
du denken kannſt, daß die Tür deines Kerkers nicht ver— 
ſchloſſen, ſondern nur angelehnt iſt und deiner etwaigen 
Flucht nur unbedeutende Hinderniſſe im Wege ſtehen. — 
Aber dennoch bedenke wohl! Bedenke, ob die Kraft: 
anſtrengung, welche notwendig iſt, das ſchwere Kerkertor auf— 
zuſtoßen, nicht auch imſtande wäre, deine widrigen Ver⸗ 
hältniſſe zu zerſprengen. Bedenke, ob du keine Pflichten 
gegen liebe Angehörige haſt. — Bedenke ferner, wie viele 
Jahrmillionen ſich die Atome deines Leibes, gebunden an 
Fels und Stein, an Wind und Wellen, geſehnt haben, 
dereinſtmals zu ſolcher Gottähnlichkeit zu gelangen. Be— 
denke, wie manche Jahrtauſende ſich das Geringwertige des 
Lebens, zerſtreut und zerflattert, nach ſolcher Zuſammen⸗ 
faſſung und ſolchem Wertgehalte eines Erlöſerleibes ge— 


4 ſehnt, und ſiehe wohl zu, ob deinen Atomen zum zweiten⸗ 
mal ſolche glorreiche Wiederkehr geſtattet, zum zweiten⸗ 


229 


mal ſolche Menſchwerdung vergönnt werden wird. — Und 


glaubſt du, fragt dich der Brahmine, daß du bei deiner 
Wiederkehr nicht auch wieder Mühen haben werdeſt? Nur 5 
wieder andere Mühen: 


Von Seligkeiten träumſt du nach dem harten 
And mühevollen Leben und Getos; 

Die Mühen, die du haſt in dieſem Garten, 
Mitſamt den Freuden wirſt du ſie nur los. 
Wohl andre Freuden werden dich erwarten, 
Doch andre Mühen werden ſein dein Los, 

Bis mehr und mehr das von dir ausgeſchieden, 
Was deinem Weſen mindern kann den Frieden. 


Ewige Wandlung 


Jeder Herzſchlag bröckelt ein Stück deines Weſens 
von dir ab, und jeder Atemzug baut wieder daran auf. 

Du biſt nimmer ganz derſelbe, der du geſtern, und gar 
nicht mehr derſelbe, der du vor Jahren warſt. — And die 
abgebröckelten Stücke deines Leibes, wo ſind ſie nun? Kannſt 
du es wiſſen? 


Kannſt du wiſſen, ob von deinem Hauche 
Nicht Atome find am Rofenftrauche? 

Ob die Wonnen, die dahingezogen, 

Nicht als Röslein wieder angeflogen? 

Ob dein einſtig Kindesatemholen 

Dich nicht grüßt im Duft der Nachtviolen? 


Seligkeitswanderungen 


Iſt es nicht, als ob es eine doppelte Rückerinnerung 
gäbe? Eine Rückerinnerung noch weit hinter der Rüd- 
erinnerung? Eine Seligkeitserinnerung früheren Seins und 
Wonnegenießens? — And warum follte es dieſe Selig 7 


230 


keiitserinnerungen nicht geben? Sind wir denn nicht alle 
ſchon von Ewigkeiten her dageweſen, ja bei jo vielem 
daubeigeweſen, nur nicht in gegenwärtiger Form? — 
Ei Doch nicht abgegrenzt auf unſere Erde allein ift das 
Werden und das Vergehen all ihres Lebendigen. Denn 
ſoo ſie erſtarrt iſt einſt, und zerbröckelt einſt, und zerſtäubt 
einſt, ſo iſt dennoch alles noch da, und nicht das Kleinſte 
von ihr verloren. And die Bröcklein und Stäublein bilden 
im Laufe der Jahrmillionen, mit anderen zuſammengeſellt, 
wieder andere Welten, und das Werden und Vergehen 
beginnt von neuem oder iſt ſchon da. — And wer kann 
es wiſſen, welches Maß von Seligkeit, welches Verklärt⸗ 
werden dieſer im Erdenleib Geſtorbenen, nun Auferſtandenen 
wartet? 


Tauſend Male werd ich ſchlafen gehen, 
Wandrer ich, ſo müd und lebensſatt; 
Tauſend Male werd ich auferſtehen, 
Ich Verklärter, in der ſel'gen Stadt. 


Tauſend Male werde ich noch trinken, 
Wandrer ich, aus des Vergeſſens Strom; 
Tauſend Male werd' ich niederſinken, 
Ich Verklärter, in dem ſel'gen Dom. 


Tauſend Male werd' ich von der Erden 
Abſchied nehmen durch das finſtre Tor; 
Tauſend Male werd' ich ſelig werden, 
Ich Verklärter, in dem ſel'gen Chor. 


Zukunftsformen 


Schaue an die kleinen Blütenfalter des Hains und 
der Heide, ſiehe an den Goldregen und die Akazie, und 
du erblickſt in ihren buntfarbigen Schmetterlingsblumen die 
beſchwingte leichtlebige Zukunftswelt. 


231 


Denn wohl ziehet ſchon lange ein leiſes Ahnen durch 
das nimmerraſtende madengleiche Menſchengeſchlecht, ein 
unbefriedigtes Sehnen und ein edles Neiden beim Anſchauen 
der ſich aufſchwingenden Sänger, der ſchwebenden Wander⸗ 
vögel und der eilenden Segler; allein nur bei wenigen 
tritt das Bewußtſein dieſes Mißverhältniſſes deutlich zu⸗ 
tage, und unter Zehntauſenden empfindet kaum einer 
ſchmerzlich die mangelnden Schwingen ſeines Madenleibes 
bei den Schmetterlingsgedanken ſeiner Seele. : 

Aber es wird kommen die Zeit des Aufſchwungs, eines 
Aufſchwungs mit ſchneeweißen Taubenſchwingen und farben⸗ 
ſchuppigen Schmetterlingsflügeln, eines Aufſchwungs gleich 
dem des Falters zum Blütenbaume, und dem des Adlers 
zur Atherhöhe, eines Aufſchwungs voll jubelnder Akkorde 
gleich den Akkorden der Waldesſänger und den Dichter: 
klängen der Lerchen, eines Aufſchwungs voll ſtummer Wonne, 
wie das leiſe Schweben des Schwans und das wonneſatte 
Irren des Falters. — Aber im Sinne aller derer, die den 
Mangel ihres Madenleibes ſchmerzlich empfinden, ſpricht g 

ein fernes unbekanntes Lied von dem Brahminen: 


Doch eines iſt, was ihn allein beengt, 

And eines iſt, was er allein begehret: 
Abwerfen möcht' er, was den Geiſt beſchweret, 
Was ihm als Bleigewicht am Gürtel hängt. 


Er ſieht der Flotten braune Mattenſegel 
Hinſchweben nach dem perlenreichen Meer, 
And hoch darüber, fern von Süden her, 
Zahlloſe Scharen frommer Wandervögel. 


Den Adler ſieht er kreiſen, und es ſchwirrt 
Die heil'ge Taubenſchar um die Pagode; 
In ſatter Wonne, wonnig bis zum Tode, 
Der Schmetterling die blaue Luft durchirrt. 


232 


Und er, er muß am Boden feſte kleben, 

Der Made gleich, indeſſen geiſtverjüngt, 

Im Zukunftsglanze ſchimmernd und beſchwingt, 
Zahlloſe Falter durch den Ather ſchweben. 


Der edle Renner, Menſchengeiſt genannt, 
Iſt minder als die Motte ſelbſt geflügelt, 
Es hält den Renner allzu ſtreng gezügelt 
Des ungeformten Zwergen ſteife Hand. 


Doch wenn einmal das ungeſtümſte Sehnen 
Den Zukunftsmenſchen ganz und voll erfaßt, 
Jahrtauſende getragen er die Laſt 

Des Madenleibes und der Geiſtestränen: 


Dann baut den Leib im weitern Zeitenlauf 
Die Seele anders, baut ihn ohne Mängel, 
And wie der Falter von dem Blumenſtengel, 
So ſchwebt der Erde Jüngſtgeborner auf. 


Aus „Oswald und Klara“ 
Landung auf einer unfertigen Welt 


Es war ein trübes und mattes Licht, das auf dieſe 
Waſſerwelt herabfiel, kaum etwas heller als gewöhnlicher 
Sternſchein. Gerade vor mir, in unendliche Ferne ſich 
verlierend und mit dem Horizont ſich vermiſchend, lag 
eine mächtige Tangwieſe. — Angeheuer hoch wie ein rieſiger 
Wald ragte Geflecht an Geflecht mit wirren, ineinander 
verſtrickten Armen, gipfellos wie ein vom Sturm geknickter 
Hain. Jede Nanke, jedes Blatt in zarteſtem Rot, im 
matteſten Grün, im lichteſten Blau, durchſcheinend wie 
Gallerte. Das ſeichte Meer ſelbſt phosphoreſzierend in 
grünlichem Glanz. — Leuchtende Weſen tauchten darin 
auf gleich Raketen. — Sieh, all dieſe Wefen find felbft- 
leuchtend, ſprach mein Begleiter. Da fie des Lichts ent- 


233 


behren müſſen, ward ihnen das Vermögen, ſich ſelbſt leuch⸗ 
tend zu machen, um fo ſich und ihre Umgebung zu erhellen. 
Schau her, welch unermeßbare Menge dieſer Scheinwerfer! 
Lichtfackeln, Lichtfunken und Lichtkugeln tauchten ringsum 
auf. Viele derſelben blau oder weiß wie elektriſches Licht. 
Man konnte den ganzen Organismus dieſer Weſen durch⸗ 
ſchauen, ſo zart und durchſichtig war der Leib. Lebendigen 
Sternſchnuppen gleich ſchienen ſie nach Art fliegender Fiſche 
über das Waſſer hinzuſchießen. Aber bei all dem keine 
freudige Welt. Nirgends ein fröhlicher Laut, nirgends 
Muſik. Kein Laut, als gurgelndes Geräuſch des Waſſers 
oder Klatſchen des Tangs auf der grünen Fläche des 
dunklen Meeres. 

Eine dichte Wolke verhüllte auf einmal das matte Licht 
des größeren Sterns, der als ferne Sonne einen helleren 
Strahl herabgeworfen hatte. Auf einmal entbrach der⸗ 
ſelben eine rieſige Feuergarbe. Angezählte Meteore durch⸗ 
ziſchten den Luftkreis, und praſſelnd fiel ein Steinregen 
nieder auf das ſo träge Meer und deſſen noch trägere 
Tange. Schon nach wenigen Minuten waren dieſelben 
niedergeſchlagen wie ein Kornfeld der Erde von einem 
Schloßengewitter. — Das iſt hier eine gewöhnliche, faſt 


tägliche Erſcheinung, ſagte mein Begleiter, und dieſer Tang⸗ 1 


wald da wird in unglaublich kurzer Zeit wieder nach⸗ 
gewachſen ſein, um dann freilich wieder und wieder das 
gleiche Schickſal zu erleiden. Denn, es iſt noch heiß hier, 
heiß von nahem Feuer auf dieſem Boden. — So, wie 
ein Löſchtrog, in den der Schmied glühendes Eiſen taucht, 
ziſchte auf das Waſſer, kochte auf das Meer, und Dampf, 
wallender Dampf, wie aus einem ungeheuren Keſſel, ver⸗ 
hüllte jegliche, ſelbſt kleinſte Helle. 


Immer ſchwärzer wurde das Dunkel, alſo daß ich meinen 
Begleiter nicht mehr zu erkennen vermochte. Doch dieſer bse 
gann nun ſelbſt: Die ihrer ferneren Sonne zugewendete 
Seite dieſer Welt haft du nun geſehen; nun kannſt du, of 


234 5 5 


du willſt, auch die ihrer näheren Sonne zugewendete ſehen. — 
Blitzſchnell fuhren wir hin, wo über den Rand des Hori— 
zontes, je näher wir kamen, immer herrlicher eine Strahlen— 
krone aufſchoß. — Wir ſtanden am Rande: Der Wider— 
ſchein eines ungeheuren, wohl den vierten Teil des Himmels 
einnehmenden Glutofens brandete uns entgegen. Ja, da 
lag in unheimlicher Nähe eine in rotglühendem Fluſſe an 
Schlackengürteln anbrandende, ziſchende, noch unfertige Welt. 
— Aber auch auf der wir jetzt ſtanden, war nichts als 
kahles Geſtein und verglaſte, wie Silber glänzende Ströme. — 
Hier wie dort iſt kein Leben zu finden, ſagte mein Be— 
gleiter, denn von allem abgeſehen: Furchtbar ſind die 
Stürme, die hier noch zeitweilig hauſen. 

Doch will mich bedünken, daß auch du und deine Klara 
in einem ähnlichen Tangwald — Gott, wie tauſende Male 
vielleicht — ſchon gelebt hätten. 


Der Komet 


„Heda draußen! Wer iſt's?“ — „Ach, Herr Meiſter, 
Nichts für ungut. Bin ein hergereiſter 


Fremder Burſche.“ — „Welchen Zeichens?“ — 
„Feuerwerker. Bitte, Reichen S' 


. N Kleine Zehrung.“ — „Nichts da! Frommen 
Soll dein Werk mir, Burſche! Sei willkommen! 


Arbeit hab' ich!“ — „Welche?“ — „Feuerwerker! 
Mach in Flammen aufgehn all die Kerker!“ 


Du ſollſt einige dieſer Kerker ſehen, ſprach ſehr ernſt 


mein Begleiter. — Wille: Wie es kranke Weſen gibt, 
gibt es auch kranke Welten. Planeten oder Monde, denen 


das In-Flammen-Aufgehen geradezu Wohltat zu nennen 
iſt. — Es ſind ſolche, auf denen die Materie über den Geiſt, 


235 


Gewalt über das Recht, Gemeinheit über das Edle und 
Häßlichkeit über das Schöne entſcheidenden Sieg und dauernde 
Herrſchaft davongetragen haben. — — Komm mit, ſo 
will ich dir einige zeigen! 

Es war eine ausgedehnte Sumpflandſchaft, wohin mich 
mein Begleiter führte. So weit das Auge reichte, war 
nichts als rauhes, binſenartiges Gewächs, Schilfe und 
Schachtelhalme. Aus den zahlloſen Lachen von gelbem, 
ſchmutzigem Waſſer tauchten empor ungeſchlachte Köpfe 
geſchildeter und geſchuppter Angetüme ähnlich den Alliga⸗ 
toren. — „Sieh da, die Herren dieſer Welt! — Nachdem 
ſie ihre Mitgeſchöpfe ſamt und ſonders verſchlungen haben, 
ſind ſie allein noch übrig. — Doch die Zeit iſt nahe, daß 
ſie in ihren Sümpfen geſotten werden. — — Doch, komm 
mit! Du ſollſt noch ſchlimmere Zuſtände ſehen!“ — 

Weiter ging's auf eine andere Welt. Ich erſtaunte über 
die ungeheure Menge kegelförmiger Hügel und das weite, 
ebene, ſchachbrettartig abgeteilte Land. „In dieſen Bauen 
wohnt eine Art von rieſigen Ameiſen, die die ganze Ober⸗ 
fläche ihres Planeten einzig und allein für ihre Sonder⸗ 
zwecke eingerichtet haben. Wohl ſind noch einige andere 
Geſchöpfe da, aber ihr Los iſt ein ſehr trauriges, da ſie 
für ihre Herren ſchwere Frondienſte tun müſſen und zum 
ſchuldigen Dank von ihnen aufgezehrt werden, obſchon fie 
unendlich mehr wert ſind als ihre Bedrücker. — — Aber 
die Zeit iſt nicht ferne, wo der große Raub in den ge⸗ 
füllten Tennen in Rauch aufgehen wird.“ 

Weiter ging's auf eine andere Welt, diesmal ähnlich 
der unſrigen. Ich verſpürte Blutgeruch und Rauch des 
Feuers. „Sie werden wieder ein großes Morden unter⸗ 
einander gehabt haben und Freudenfeuer anzünden. — — 
Es wird ein weit größeres Feuer werden, das der Komet 
dort, der Vagabund, mit ſeiner brennenden Lunte bei ihnen 
anzünden wird!“ 


236 


ccc er 


Wieder ein Stück Ewigkeitsleben 


1 So wie wir ſitzen beiſammen zu dreien oder zu vier, 

So find wir geſeſſen vor Zeiten unzählige Male ſchon hier, 

So werden wir ſitzen in Zukunft wohl noch unzählige Mal', 

And iſt es nicht unten auf Erden, iſt's droben im Sternen— 
ſaal.“ 


Ja, wir ſaßen zuſammen zu dreien oder zu vier, aber 
wir waren keine Menſchen mehr. Doch menſchenähnlich, 
etwa ſo, wie man ſich ſelige Götter vorſtellt. Auch waren 
wir in der Tat Selige und ergingen uns in einem ſchönen 
luftigen Saale mit blauer Decke, beſäet mit ſilbernen Sternen. 
Ja, wir tranken auch etwas, das ein alter Grieche wohl 
Nektar genannt haben würde. Ein duftiges Getränk, das 
friſch vom Baum hinweg in den gleichen Kannen herein— 
getragen wurde, in denen es gewachſen. Aus jedem Blatt— 
winkel hingen ihrer zwei oder drei herunter. Dieſer Baum 
hatte purpurrote, jener blau- oder goldfarbne. Ebenſo war 
auch der Nektar in denſelben. — — Ja, wir ſprachen und 
tranken und erzählten uns mancherlei. Mehrere der Gäſte, 
worunter auch Klara, waren bei der abendlichen Kühle in 
den Garten hinausgegangen. Plötzlich rief ſie mich hinaus. 
Tiefbewegt zeigte ſie nach der Erde. Wunderbar deuchte 
mich's, daß ich ſo ſcharfe Augen hatte. Anzählige Welt— 
körper funkelten näher oder ferner, aber da war keiner, auf 
dem ich nicht — irdiſch geſprochen — jedes Räuplein am 
Zweig, jeden Sperling auf dem Aſt hätte ſehen können. 

Sieh dort! Das iſt die Erde, und dort, dort zwiſchen 
den zwei Wäldchen unſer Heimatort! — Ja, ich ſah es 
ganz deutlich: Es war ein ſchöner Morgen im März, der 
Wald noch kahl, aber die Felder ſchon ziemlich abgetrocknet, 
manche ſchon friſch beackert. Auf dem Fußpfad, der über 
die Wieſen in das Dorf hineinführt, ſchritt ein junger 
Mann, — ich, ich ſelbſt als glücklicher Bräutigam. — 
Ja, das war das kleine Haus des Schwiegervaters dicht 


237 


am Bache. — Dann nach einer Weile kam aus demfelben 
heraus ein ländlicher Hochzeitszug. Voran eine Schar von 
Kindern, dann die Schweſtern der Braut, dann ſie, ſie 
felber. — Gott, wie ſchön fie war! — Ja, ich trug den 
Tuchrock, den mir der Schneider Grob gemacht hatte. An 
meiner Seite ſie, die ſüße, unvergleichliche Klara. — Dann 
kamen die Brüder der Braut und ſonſt Verwandte. Der 
Zug bewegte ſich nach der Kirche. — Warten wir, bis er 
wieder herauskommt, ſagte Klara. Endlich kam er heraus 
und bewegte ſich nach ländlicher Sitte langſam gaſſeent⸗ 
lang, zum Gaſthaus zur Traube. Gott, das waren wir 
ſelbſt in früherer Geſtalt, und das war ſie! — — Lange 
ſahen wir einander an und konnten vor Aberwallung der 
Gefühle kein Wort ſprechen. Sie drückte mir ſtumm die 
Hand und ſagte erklärend: „Jeglich Geſchehnis im Welt⸗ 
raum iſt nach Tauſenden von Jahren noch wahrzunehmen, 
und zwar immer hinaus in weitere Ferne, wenn auch der 
Schauplatz, auf dem es ſich abgeſpielt, längſt nicht mehr 
iſt. — Es traf ſich gut, daß bei dem beſtehenden Abſtand 
von der Erde das Lichtbild von ihr oſzillierend gerade heute 
dies Geſchehnis zeigte.“ 

Noch einmal ſchauten wir hinauf, aber wir ſahen nichts 
mehr. „Es wird die Zeit ſein, da wir uns im Tanzſaale 
aufhielten“, ſagte Klara. 

Wie wohl uns iſt! Wahrhaftig: Anſer heutiger Wirt 
hat recht: 5 

„Dieſes Abermaß von Lebenswonnen 
Hätteſt du, der armen Erde Kind, 


Arm an Sinnen, fühllos, taub und blind, 
Nicht in Träumen Himmeln angeſonnen!“ 


238 


Er. Auf Piave "fein, von Buchen 


5 Anfänge der Gedichte 


Seite 
1 iſt's, und all die 8080 8 2 


iſt erntet das Feld re - 
Ach. für meines Lebenstifches . 
umſonſt war all des Sine. 
lings Hoffen 137 
Ach, von den Blumen allen. . 38 
Alle nach Oſten den Blick . 70 
Alle — die von mir ſich trennen 174 


Als urn un zum 10 0 en OR 


erkor 
Als ich 15 Wald mie 
Altjungfer Weiß war 
Am ege ſtand 


der affe 


erging 26 
chenmagd 111 
ein dürres io 


An den Wa erbrunnen und im 
Schatten 

Antreiben aus des Lebens dü- 
ftrem Nord 25 

Armes Mägdlein hier in Stad 
und Scheuer . 101 

Armes, unglückliches Weib 171 

2 8 geMenſchenſprachel Hart, 


erdorrt 

Aue in iſt's, der Monti Sal- 5 
vato 

Auf das Kleefeld ging i ich heut 110 
Auf, die Hacke zur Hand 87 
Auf einem Anger, menſchenleer 114 
Aufgebunden drüben iſt der Haber 49 
. heran zu e Mutter: 


grün umwallt 173 
Auf ragt ein Dom in feiner Mar- 
morpra t * * “ * * * * * 
Auf rofigen Blütenähren 73 
Auf ſonniger Halde 89 
Aus Lende endjähr' gen Schlafe 97 


Aus des Südens Sonnenwelt, 
der heitern 77 


Aus kies efüutem Bette toni Kinn 


der Tiber x 
Auszuraufen im Korn = 


+ * * * * 8 * 


Baue deine Wohnung, daß du 
. ſchaueſt. 5 


Seite 
Bietet die heimiſche Flur. . 70 
Birke und . „ 
Biſt der Lüfte K 78 
Bleich Br das Feid und reif 
das Kor 
Bringt dich niche vom fernen 


Nachtgeſtade 169 
3 btübende, drauf 
ein Falter g 88 


28 
Das Eichenlaub glitzernd malen 75 
Das Leben wechſelt, aber nicht 
Sem ee 
nd Waldestöchter, dieſe 
weißen. 74 
Daß ein Gebilde von Licht her⸗ 
nieder mir fteige . . . 183 
Daß mir Tröſtung werde bei 
dem Gnadenſchein . 45 
Deine Gottheit . 55 Zeit v ver⸗ 
trieben 159 
Deine Sulbigung, d 5 . 181 
Den Birkenwald in f weh Maien- 


pracht 
Den Vlütenbufc der Rof en dort 
am Rain . 167 
Denn weil nun alles, "was da 
grünet 7 
Der alte Müller im Weidental 112. 
Der e gleich der 
Roje ſteht. 61 
Der Hirt iſt da, wenn dieſes 
Baches Gang 208 
Der Mann, dert hatte acht Töchter 109 
Der Schmetterling, der auf ee 
Roſenblatt 
Der Seelentag am Allerfeelenfeſt 
Des Schickſals Walten, taub i 
es und blind. 
83 Wucherers Seele im Falter 


wand. 
Olch, „ Wiefe, dich, Rain mit dem 
Rofenbag 4247 sm Au 
Die Flur hat ſich die Augen trüb 
geben EU ER 


wo. du gefreten in mein Leben 


239 


Seite 
Die Geſetze der Geſchicke . . 208 
Die grüne Saat, die bunte 
Wiejenflur . . 51 
Die Myrte duftet ſüß in deinen 
Haaren 170 
Die Nacht iſt kalt, doch in der 
Stube drinnen 3 
Die Orden, die Sterne prunken 27 
8 5 ſitzen beim Veſper⸗ a 


2 1 Blumen ſind ab⸗ er 


Dleſe RS Berglein auf 
den Beeten . 175 

Diefes Abermaß von Lebens- 
wonnen 

Dies Shlop 9 gehör inskünftig! 
der Gemeine 

Doch der Hauptmann daſelbſt 

Doch erg iſt, was ihn ee 1225 


bee 
Doch gab du auch dem Menſchen 
zu dem niedern. 
Doppetfonnen, Monde, Drillings- 
R 1 . 195 
Dort auf dem Wieschen 3 83 
Dreie der Nymphen des Bachs 64 
Du auch gingeſt von mir 176 
Du es mit der af chenfarbnen 


H 
Dunkelrote Rüben, Kohl und 
Möhren 5 
Du Sonnenwirtin, du ſchöne . 142 
Du fo ſchwebend über de 
dee 8 9 iche id 

u we e gar ni t, we he 

nahe Hand 228 


Ei, Gretchen! 5 55 — Wann biſt 
bu hergekomm 15 
Ein Altar mit Früchten und mit 
roten 163 
Eine reundin wünſcht' ic d eren 
Fährten 30 
. Biſſen täglich zur Er hal- 
n 


Ein Kind des Schnees, ſo weiß, 

jo waſſergrün . 1852 
Einſam wandelt durch den Wald 

ein Alter . 184 
Ein ſel'ger Seift war es, der mir 

befahl 187 


efa 
Einſt, da jung ich noch war. 183 
Ein Träumender komm' ich des 
Wegs gegangen 
Ein Wegbereiter s und ein 
Herald . 81 


240 


a Seite 

Einzuſtehen gewillt für das . N 
des Lebendigen 3 5 182 

ge 4 70 Bi Dafein fo arın und 


es muß ion v ſpät ſein, ſpät fein 

n 

Es 4 die Fache herab, ich lag 
und ſchlief. 

Es ſchlummert in kühlem Bette 100 

Es ſchwebt mir vor ein wunder⸗ 
voll Gedicht. a ar 

Es ſpielen Verſtecken „ 

Es wird dereinſt auf Erden 43 

Es zieht ſich aufwärts zwiſchen 
Rebenwänden . . 158 


aſt überirdiſch dünkt mich euer 
F A 3 ſch ch 5 


en AN 

. tam ich zu ſchaun 1 
euerkugeln, einzeln und in 
Scharen 

Fort aus der Stadt, die hoch 
die Türme recket ’ 

dect Dart Dörflein allhier 3 
rohe Botſchaft, Blumengruß 


m Lenze. 
Für Des Glückes freud den Son. 
nenſchein 


Gartenwinden, ſtrahlig und ge⸗ 
flammt 333 

Gaſtfreund! Der allein 185 

Gern ſpricht die Welt von füßem 
Minnelohn . 180 

Gefpenfterbafter Schwarm, der 
nie gelärm 203 

Glück begehr' rich von Gott, doch 
herrenloſe 8 

Gott grüß' euch, edle Narziß en 120 

Gott! Welche Fülle von Licht 
hernieder mir flutet 

Gott, wie oft im Lauf der Ewig⸗ 
keiten . 1% 

nn als fiammte ein Buſch 


hellauf 69 
Scasfltenen, wo ic bin mich 

wende 76 
Halbdurchſcheinend wie N 

und wie Bernftein . 50 
Halt die Watte feſt dir im 

3 8 36 

Haſt ſchon lan ‚geriet, gebiet 8 
Hat dir dein Herz dies 


nie erſchloſſen 22 
Hauslaubroſetten auf dem Dache 35 
Heda draußen! Wer iſt's 5 


Seite 
Herbſt! Wann iſt er in mir. 66 
Herbſtwieſe meiner Seele. 38 


figer W̃ 
Herr . ed war's, der elnſt. 


mal 
Himmliſche Geſänge > 
5 für den Reſt meiner Zeit 


Herbſtzeit au verſtreut auf rei⸗ 0 


1 


an mich klagen meine “a 
Zätende Frauen ich hatte im 8 


Garten . 
ch hatte einſt meine Sterne 


ah dich, Meer, in deiner 
une 
Ich weiß 


ein Ede 
deen Bächlein if Dach 


31 


racht 
Frledenbeim, ich i 


81 


ei Königsſchloſſe, jenem 5 


r, o Geiſtlein der Lu 


5 Rofen in meinem 


ch * 
r blauen Sterne am Wege 
arten 


107 
102 


51 


vie 1 * 3 80 dem 5 


{ rg rh ache E 
ge, du Pr 3 8 
Eu dem one 


führen 


66 


. 106 
n dem Schatten dunkler Trauer 7 


n die ewige Ruhe, ewige Stille 197 


5 der guten alten Stadtvogtei 131 


n kühlem Grund Kühbrunnens 
klare Tränke 
Iſt Br Si noch nie hindurch⸗ 


SR dies dies nicht ein frevles Schick⸗ 
alswalten 26 

0 Au Liebes deinem Aug’ ent» 
wunden 46 226 


Jug ſo überreich an Gnaden 155 


ungfräulich weiße Blütenſterne 


Kalt — 2 er ſtehet Stern 
. 


57 


ge ſei das künftige ER 


“Se chlecht 
Kannſt du wiſſen, ob von deinem 


Hauche 
B nie Prieſter ich zu dir ! 


sun ie ie 3eit, und kurz aud 2 


ſt ein Jah 
2 8 ſo wie ſich's mag 


ednaertof ne Stut aus treuem 
Herzen 4 


* * 


Wagner, 3 8 


146 


Seite 


0 euch künden 


Vault dir die Heimat, die 75 
206 Ach dir die Zukunfestempei \ 


zeigen 
Letter Oktoberſtrahl 


Lieblingsgerüche der längſt ent- ; 


5 enen Mutter. 
Lüft' mir den Vorhang, daß ch 
möge künden 


Meiner andernSeele in der Ferne 

Mein Liebchen een im 
Grabe nicht 

Mir kaum voran, "fo zehn der 
Tritte, ſchritt 

Mitten in der Ilgen blauer Füue 

Montag erſt. — Entſetzlich! — 

Muß nicht der Herr gerwiptich 
wandeln gehn R 

Mutter, die Störche ſind da 5 

Nach den Roſengärten möcht' 
Gn 

Nacht iſt's, ſtill, kein Vogel will 
Nn ee 

Neid' ich doch in deinem Strah⸗ 
lenloſe . 

Nicht an der Kanna berauſcht 
mein Geiſt 

Nicht bei Mondſchein, nicht bei 
Tages Blaſſen 

Nicht des Menſchen Beſtes wird 
begraben . 

Nicht nach dem Glücke, das dir 
in Ausſicht ſtehet 

Nicht nahſt du mir, als wollſt 
du mich bedienen 

2 5 den Gatten mehr 


u hal 
Nicht — o onſt in dumpfe Grabes⸗ 
Go ee 
Nicht zugrunde geht, was du 
verloren 


Nicht zu kennen du begeht” mit Kr 


Namen. 
Nimmer beſchmutzeſt du mehr 
dein Kleidlein . . 
Nirgends, 
weiten Flur 
Noch liegt die Flur in ſtarrem 
Sroftverbande . 
WEN zu drern ſrebn 
o 4 
Nun drei Wochen gewiß 
Nun du wieder fameft . 
Nun ich beendet mein Werk 


16 


3 auf der 


62 


Seite 
Nun e Flehen findet 55 
Erhöru 42 
Nur ein Kartoffelfeld noch 90 
Nur ein Röslein fand ich in dem 


Graſe 
Nur Wein und Brot fei künftig 
meine Speiſe 


Ob am Fenſterbrett wir Nelken 
obe auch der trübumzogne 55 
5 je ich will iſt nimmermehr 
Ob Sonnſchein auch auf allen 225 


Bergeswarten . 5 
O falle nicht der Freude in den 1 


gel 
odofe nit, aus dieſer Zauber- 
ſchü 154 


8 Bie manch ernſt', manch 
liebliche Legende 167 
O kommt herbei von Oſt und 
Norden. 148 
O nicht von fernen, längſtver⸗ 
gangnen Tage 179 
O 1 dich, wi klagen über 
Hunge 196 
O aan doc an des Wieder⸗ 
einens Bun 
2; eid geg ßt, ihr Ströme und 


r See 
oft, Sieh: Den mordbefledten 2 
O ſieh fie do 5 Venedigs Tau⸗ 
be ie ie 0. 163 
O 5 du nicht die Sitberteiche 


O eile Bucht V 
Purpurne Gluten des Weins 64 
Qual ift Zerſetzng 224 
Ringsum 1 8 ER 9 9 

—— 85 5 


Rofig glühn. 89 
Rolſcheckige Kühe und Rinder . 147 


Sage mir, ewiges Licht 57 
Sage, was wareſt du doch . . 102 
Sag, woher kommen 103 
Sankt Nikolas, der Gottesmann 127 
Schlag S da u ich mir 
einen Stod 130 
Schneeglöckchen drüben! am Wie⸗ 
a 84 


242 


Seite 
Schön ift die Leſe des Weins. 93 
Schon iſt entflohen die Schwalbe 90 
Schön iſt's, wandeln bei VER EHER 
Qualmen . . 182 
eu. wohl ift es im Lenz . 69 
Schon wieder zu banger La ſt Pe 
en ſtehn fie geſellt 25 
Park 67 
80 
56 


Seh’ ich Fi Neat in dem Hag 
. e jedes Schönheits⸗ 
· * * * * 0 * * * * — 
Sie fragten nach meiner Be⸗ 
tallung.. e os 
Sie haben dich mit Eichenlaub 
geſchmücſkſk. 
Siehſt du es wandeln, als wär's 
ein Zwerg . 129 
So arm iſt noch teines zur Welt 
gekommen. 
So ag du ihre Freiheit nicht 
gepredigt 3 
Sommermittag auf dem Hoch- 
wald brütet 73 
Sonntagabend iſt's, ſpät A 71 
So wie ein Menſch nach lärmen- 
dem Gelag 25 
So wie 50 Sreife ergehn beim 
Sonnſchein 2 
So wie wir ſitzen beiſammen 237 
So zog mich oft ein namenlos 
Verlangen Bi vi 
Na ge nicht der Himmel wonne⸗ 


Siehe ein Waldhaus drauf en . 99 
Stolze ne „ſtrahlend ſchön, 
doch ſprö 196 
Stolz vom Geſtade des Meers 156 
Strahlt nicht auf mitunter . . 190 
Süß wie die Träume der Maid 51 


Saufend Male werd ich ſchlafen 5 


gehen 
Size wird. s im Wald und 
abendfrüber . 60 
Siehe Een bei des Tages Saft 41 
Tie ne hebt ſich der Wald 8 
dor AR 
Tod und Leben nahe hier bei. 
ſammen 162 
Traue dem Winter noch nicht. 80 
Tritt an, o Pilgrim, Bes du 
dich entladen „ 


über der Jugend Gebrechen a 


mpor 
And an den Zweigen, den Aſten 191 
And treten mich an im Haine 31 


Zi 


— 


Seite 
2 N du Sold von mir und 
u Lo 180 


hn 
e Me fe frohe Hochzeits äſte 
Anhe 5 lich hört ſich an im Wald 
8 Knarren. 
Anſcheinbare Geſtalt. Wer mag 
draus bemeſſen 
Anter Eichen allein be sgrabt mich 
Anterzuzwingen den EN 


8 von der Wein⸗ 
bergmaue 
Be eb: An) deinem Wiegen. 


eee und Zutunft bunt 
C 

Bo ag Nacht, was dieſer Tag 
getan 

Vert — der Bach. „die ſchlamm⸗ 


getrübten Tümpel 
1 | ſtlrmt durchs offne 


an 
zes Shrijttinpepen erbat. 
Vom Weidenbaume 
Von dem niedern Hügel / ſchwar⸗ 
zer Scholle 
Von der alten Säulen Architraven 
Von der Sprache. 


85 
58 
65 
184 
182 


92 


90 
161 
192 


Von einem Eden möcht' ich heut 5 


erzählen 
95 einem Kampfe, der noch 


Von ea träumſt du. 


205 


. 230 


Wach’ ich ven freudig u in 85 


meinem Leid - 
Wagengera el von fern 
Wandrer, ſtehe! ennt dein 
harter Sinn 


94 


58 
Wann kommt der Freiheit Tag, 205 


das Morgenrot. 
Wann kommt der 

kein Schmerzensruf 
Wann wird er kommen, der NEE 


riede, wo _ 


. 
War auf Rückflucht nach der es 


Jugend Jahren 
Waren's Blumen mit den wun- 
derbaren . 


8 ward mir Geburts- . 


Was dies dem Leben erſt die 
rechte W 
. hat ſo a ſo gottvoll mich! 


urchdrunge 
Was iſt's, das gibt ſo wände. 
baren Klang 


Seite 
Was kein a geſehen hat 60 
Was ee dir von ihrem Baum 
Frau Holl 53 
Was ſteht ihr da, ihr Stöcklein 
ohne Klang 62 
Was e du, ſo oft die 
Blätter fall 59 
Wehmütig ſtimmt mich Pügern- 
den der Wald 173 
Weißdorn, knorriger DW 68 
Weißt du, weißt du, was wir 
heute wollen 28 
Weithin gelbliches Meer von e. 
bleicheten Gräjern. . . 88 
Welch Donnerſauſen 150 
Welches Gewerbes ich fei. . . 182 
Welch Kleinod doch in nächſter 
Heimatweite . 145 
Wenn der Brahmine wandelt 
durchs Gefild 211 
Wenn die Augen wir geſchloſſen 188 
Wenn die Blätter fallen 92 
Wenn iſt verglommen der Tag 64 
Wer iſt dem Sänger begegnet. 83 
Wer nicht das Schickſal kennt 34 
Wer war es, der mich Armen in 
der Haft 187 
Wer war ich einſt? Von wem 
ward mir dies hohe 79 
Wie anders mir erſcheinſt du, 
Werk der Kelten P . 144 
Wie auch ſpät noch im Herbit . 71 
Wieder iſt aus ihrer 57885 a 
ſtoßen 194 196 
Wieder nach dem Ort, da wir 
gejefien. . 30 
Wie der Weiſe in der Schrift 8 
Wie die Frauen Zions. 100 
Wie du gezeigt einſt dem er⸗ 
wählten Knechte 25 
Wie ſtill der See, wie ſchweigfam 
die erhellten . 47 


Willſt me zählen zu den rden⸗ “an 


reine 
Wird er Glück dir zuteil 


i 34 
Wohin, 5 ‚im Sonntags- 2 


gewan 

Wohin, wohin auf dieſem Ster- 
nenfluge 

Wohl genug iſt's, daß die Denfh- , 
beit grauſend 

Wohl 
Weinbergs Stufen 

Wo ſie 3 heil'gen Eichenwald 
gefä 

Wo fie gerodet unlangſt den 
Hochwald 


16* 


chön iſt es, auf diefes 
178 


243 


Seite 
Wo weltentrückt an alt Pompejis 
T 
Würde Sünder mir die hohe 
— DR TE 


8 99 76 zu 3 die da 


gerbräche, wenn ich tot bin, 
ſel'ges Licht 


Berne Sütten. an dem oden 301 


244 


Zu d ungfrau ſp 5 

u der richt 

edle 4 8 128 

Zum Walde Wa ic, wo aus 
der Ruine 4 Er 


u regnen 
uviel der Grüße ſind's, 8, die mir 


ee rn 5 2 

IS end mir ward 183 
w ie des ew’gen Brah⸗ 
mas 


e möge in mit dir 


ENTER 


Verlag von Strecker und Schröder in Stuttgart 


Chriſtian Wagner: | 
Herbſtblumen — Oswald und Klara 
Neue Dichtungen Ein Stück Ewigkeitsleben 


Gebunden M 4,— 


„Gerade dieſe Sammlung enthält eine Reihe der reifſten und abgerundetſten 
Dichtungen Wagners. Es hat ſeinen eigenen Reiz. ſich in das Bändchen zu 
vertiefen, in dem er fein Sinnen und Fühlen vor uns ausbreitet. Stets von 
neuem entdeckt man da wieder reizvolle Blumen und duftige Blüten, die ſich 
beim erſten Durchblättern hinter Blättern und Ranken verſteckt hatten.“ 

(„Neckarzeitung“, Heilbronn.) 


Italien in Geſängen seumden 120 


Der Dichter hat hier Eindrücke ſeiner italieniſchen Reiſe niedergelegt. Von 
Lugano bis hinunter nach Pompeji und Capri hat er Italien durchwandert und 
bietet uns nun dieſe von den Farben und Düften der italieniſchen Landſchaft, 
von der friſchen Briſe des ewig blauen Meeres durchhauchten Verſe, die von 
reifſter harmoniſcher Künſtlerſchaft zeugen. 


i N 1 Kleine Geſchichten aus meiner Jugend⸗ 
Eigenb rötler zeit. 4. Auflage. Gebunden M 2,40 


„Ein liebevoller Künder ſchwäbiſcher Eigentümlichkeit iſt der alte Dichter 


N Chriſtian Wagner, der für alle Sonderbarkeiten und Originalitäten ſeiner Heimat 


ein ſcharfes Auge beſitzt und ſie in ſicheren Strichen wiederzugeben weiß. In ſeinem 
Büchlein Eigenbrötler führt er uns eine eigenartige Galerie von ſchrullenhaften 
Köpfen vor, bei denen auch der Humor zu ſeinem Rechte kommt.“ (Kölniſche Zeitung.) 


10 Der Bauer und Dichter zu 
Chriſtian Wagner Warmbronn. Eine äſthetiſch⸗ 
kritiſche und ſozial⸗ethiſche Studie von Richard Weltrich. 
Mit dem Bilde des Dichters in Lichtdruck nach dem Gemälde von 
Emilie Weißer. Preis geheftet M7, —, ſchön gebunden M 9,— 

Der bekannte Schillerbiograph zeichnet in dieſem Buche in ſicheren Linien 

die Geiſtesart des Dichters, bringt die erſten genaueren biographiſchen Angaben, 
prüft unter ſtrenger Anwendung äſthetiſch⸗kritiſcher Maßſtäbe die Werke und 
weift den in ihnen ausgeſprochenen bedeutſamen ethifch-fozialen Beſtrebungen 


ihre Rolle im Zuſammenhang unſerer Kulturentwicklung an. Die Darſtellung 
iſt eindringlich und feſſelnd, die Sprache voll inneren Lebens. 


Zu beziehen durch alle Buchhandlungen 


Verlag von Strecker und Schröder in Stuttgart 


Dreizehn aus Schwaben / Fröhliche Geſchichten ſchwäbiſcher Er⸗ 
zähler. Herausgegeben von Hermann Miſſenharter. 7. und 
8. Tauſend. Geheftet M 3,50, gebunden M 5,—. 

Ludwig Aurbacher / Die Abenteuer der ſieben Schwaben. 
Mit Schattenriſſen von Dora Brandenburg⸗Polſter. Ein⸗ 
geleitet und herausgegeben von Auguſt Lämmle. Geb. M3,—. 

Ludwig Diehl / Wilphilde. Eine Erzählung aus Oberſchwabens 
Vergangenheit. Geheftet M5, —, gebunden M 6,50, 

Walther Eggert Windegg / Einſt vor vielen hundert Jahren. 
Deutſches Legendenbüchlein. Gebunden M 1,80. 

Hans Heinrich Ehrler / Briefe vom Land. 3.—5. Tauſend. 
Geheftet M 3,—, gebunden M 5,—. 

Hans Heinrich Ehrler / Der Hof des Patrizierhauſes und 
andere Erzählungen. Geheftet M 3,50, gebunden M 5,—. 

Hans Heinrich Ehrler / Die Reiſe ins Pfarrhaus. Roman. 
Geheftet M5, —, gebunden M 6,50. 

Hans Heinrich Ehrler / Frühlingslieder. Geheftet M 2,—, 
gebunden M 3,—. 

Hans Heinrich Ehrler / Lieder an ein Mädchen. Geheftet 
M 2,—, gebunden M 3,.—. 

Hans Heinrich Ehrler / Die Liebe leidet keinen Tod 
Gedichte. Gebunden M 2, 50. 

Hans Heinrich Ehrler / Wenn alle Brünnlein fließen 

Dieutſche Liebeslieder. Ausgewählt aus den deutſchen Volks⸗ 
liedern. Gebunden M 2,80. 

Ludwig Finckh / Inſelfrühling. Erzählungen. 14.— 16. Tauſend. 
Gebunden M 2, 80. 

Albrecht Keller / Schwaben und Schwabenſtreiche. Mit einem 
Geleitwort von Ludwig Findh. Gebunden M 3,50. 

Matthias Koch / Albleut'. Geſchichten vom Heuberg. 2. und 
3. Auflage. Gebunden M 2,40, 

Matthias Koch / In den Bubenhoſen. Heitere Geſchichten. 
Gebunden M 3,—. | 

Thereſe Köſtlin / Abglanz. Gedichte. Gebunden M 2,40. 

Thereſe Köſtlin / Das ſtille Königreich. Eine Auswahl religiöſer 
deutſcher Lieder aus alter und neuer Zeit. Gebunden M 1, 80. 


Zu beziehen durch alle Buchhandlungen 


Verlag von Strecker und Schröder in Stuttgart 


Auguſt Lämmle / Bunte Geſchichten. Mären und Schwänke. 
4. und 5. Tauſend. Geheftet M 2,40, gebunden M 3,50. 


Eduard Mörikes Haushaltungsbuch. Herausgegeben von W. Eggert 


Windegg. 5. und 6. Tauſend. Gebunden M 3,—. 

Dr. Owlglaß / Käuze. Skizzen und Reime. Geheftet M 2,—, 
gebunden M 3,—. ; 

Augnft Reiff / Gſund und munter. Schwäbiſche Gedichte. 
4. und 5. Tauſend. Gebunden M 2,50. 


Auguſt Reiff / Jetz gang i aus Brünnele. Schwäbiſche Ge⸗ 


dichte. 7. Auflage. Gebunden M 2,20, 
Hans Reyhing / Burrenhardter Leut'. Geſchichten von der 
Rauhen Alb. 9. bis 11. Tauſend. Geh. M 3,50, geb. M 5,—. 
Hans Reyhing / Sommerjohanni. Heitere Albgeſchichten. Ge⸗ 
heftet M 3,—, gebunden M 4,50, 
C. A. Schnerring / Du ſucheſt das Land heim... Geſchichtlicher 
Dorfroman. Geheftet M 6, —, gebunden M 7,50. N 
Heinrich Schäff / Südwärts. Aus den Reiſeepiſteln. Geheftet 
M 2,40, gebunden M 3,60. 
Wilhelm Schuſſen / Vinzenz Faulhaber. Ein Schelmenroman. 
7.—9. Auflage. Geheftet M3, —, gebunden M 4,50. 
Wilhelm Schuſſen / Meine Steinauer. Eine Heimatgeſchichte. 
3. Auflage. Geheftet M 3,—, gebunden M 4,50. 

Wilhelm Schuſſen / Medard Rombold. Roman. Geheftet 
M 3,—, gebunden M 4,50. 

Wilhelm Schuſſen / Johann Jakob Schäufeles philoſophiſche 

ckuckseier. 3. und 4. Auflage. Geh. M3,—, geb. M 4,50. 

Wilhelm Schuſſen / Der verliebte Emerit. Roman. 3. Auf⸗ 
lage. Geheftet M3, —, gebunden M 4,50. 

Wilhelm Schuſſen / Haus Mollenkopf. Eine Erzählung. Ge⸗ 
heftet M 3,—, gebunden M 4,50. 

Wilhelm Schuſſen / Höſchele der Finkler und andere heitere Erzäh⸗ 
lungen. 4.— 7. Tauſend. Geheftet M 3,50, gebunden M5,—. 

Wilhelm Schuſſen / Der Rote Berg. Roman. Geheftet M 3,50, 
gebunden M 5,.—. 

Wilhelm Schuſſen / Heimwärts. Gedichte. Gebunden M 3,—. 

Martin Vollmer / Auf einſamen Wegen. Gedichte. Mit Feder⸗ 
zeichnungen von Profeſſor Felix Schuſter. Gebunden M 2, 20. 


Zu beziehen durch alle Buchhandlungen 


Verlag von Strecker und Schröder in Stuttgart 


Eine vornehme Anthologie, ein Haus⸗ und 
Geſchenkbuch für alle Lande deutſcher Zunge 


Das ſchwäbiſche Liederbuch 


Eine Auswahl aus der klaſſiſchen 
ſchwäbiſchen Lyrik 


Hans Heinrich Ehrler 


300 Seiten. Gebunden M 6,— 


Das Beſte aus dem lyriſchen Gut der Schwaben hat der 
Herausgeber mit feinſinniger Wahl geſammelt und zu einem 
ſtattlichen Band vereinigt. So iſt „Das ſchwäbiſche Liederbuch“ ein 
organiſches für ſich geworden, ein reiches und entdeckungsfrohes 
Buch, das ſeine Schöpfer preiſt. Jeder hat darin genügend 
Raum, um ſich behaglich zu dehnen; jeder ehrt die anderen, wie 
die anderen ihn ehren. Altbekannte herrliche Stücke leſen ſich 
hier neu wie am erſten Tag, und Vergeſſenes hebt ſich in ſtillem 
Glanz hervor. Schiller, Waiblinger, Hölderlin, Kerner, Uhland, 
Pfizer, Mörike, Fr. Th. Viſcher, J. G. Viſcher. 

Allen Deutſchen gehört das Buch als edelſtes Gut zu eigen. 
Überall, wo die vertrauten Laute unſerer Mutterſprache ertönen, 
wird man die Gabe mit freundlichem Sinn empfangen, iſt doch 
hier das Feld, wo mancher herrliche Samen für den großen 
deutſchen Liedergarten gezüchtet worden iſt. 


Zu beziehen durch alle Buchhandlungen 


BE ER >, 


Wagner, Christian 
Gesammelte Dichtungen 


W28A17 1., für den Schwäbischen 


Schillerverein bestimmte 
Ausg. 


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