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Sonnenfels
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Bierter Band.
mis von Baumeiferifhen Schriften.
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Mann ohne Vorurtheil,
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>) PR Gregorius der Siebente gegen die
Bifhöfe von Franfreih, von England,
son Deutfchland, von der halben Welt,
gegen die empoͤrte ganze Klerifey , nicht
ohne Sefahr feines Anfeheng, und beinahe
feines Lebens durchfeßfe, was feine Bor:
gänger zwar oft verfucht , aber hinauszu⸗
führen, vielleicht nicht den günfligen Aus
genblicf, oder nicht Politif, nicht Wend—
famfeit, nicht Hartnäckigfeit, nicht Nerve
genug hatten, da dachte er, wie der Ver⸗
faffer der folgenden wenigen Blätter ; daß
dem Baterlande, ben Gefegen, dem Fürs
fien, den Mitbürgern, den Zeitgenoffen ,
und der Nachfommenfchaft nichts näher
verftrichen, nichts mehr anhänglich, mehr
eigen machen koͤnne, als eine Samilie,
in der der Menſch Iebt, wieder auflebt,
durch die er gleichfam fein Daſeyn über
die zu kurzen Grängen feines Wefens zu
X er⸗
erweitern, und noch mit den fpäteren Ges
fchlechtern zu leben hoffen fann. Der über
muͤthige Hildebrand , der Kronen unter
feine Züffe treten, und auf den Trümern
ber eingeflürgten weltlihen Gewalt ben
geiftlichen Defpotismug zu erheben , ven
Entwurf gemacht hatte, gebot dem Klerus
die Ehloſigkeit, überzeigt, daß diejenigen,
welche nun nicht mehr Gatten, noch Bär
ter feyn würden, auch bald aufhören Bür⸗
ger, bald nichts mehr als Priefter feyn
wuͤrden. Von dem entgegengefeßten Punks
te gieng ich aus, um Vaterlandsliebe, Uns
terwürfigfeit gegen Gefege, Anhänglichkeit
gegen allgemeine Ordnung, Verehrung ger
gen den Negenten , Achtung und Wohl:
wollen und Freundfchaft gegen bie Mitge-
noffen derfelben Nechte, und jede bürger«
liche Tugend, jede edle, auf die Zukunft
hinuͤberreichende Handlung an einem Banı
be zu reihen , welches aus ben einzelnen
Säden der Samilienverhältniffe gewebt
iſt
iſt m Die Folge fohten dann meine Lefer
ſelbſt ziehen —
Es gab deren, die diefe Folgen aus einem
infeftenmäffigen Vorgefühle, tote einer uns
ferer heiterften Köpfe ſich ausdruͤckt, uber:
holten, fo fehr ich meinen Zweck zu ver⸗
bergen , und meiner Reife bloß dag An-
fehen eines Spaziergangs zu geben fuch-
fe, Meine erften Blätter hatten cher die
Geftalt eines leichten Romans, als einer
Schrift, worin man auf ernflere Gegen:
fände ftoffen wiirde, Aber mir den Weg
zu vertreten, faßte man gerabe das als
Vorwand an, wodurch ich mich zu fichern
gehofft hatte, Man fchien meine Abſicht
nicht zu errathen, man blieb nur bei dem
Eingange ftehen : man ftellfe vor, von mwel-
cher ſchaͤdlichen Wirkung ein nicht wenig
gelefenes Blatt ſeyn koͤnnte, das Liebe
predigte, daß die ungeftümfte aller Feiden-
fchaften zum Triebmwerfe aller Buͤrgertugen⸗
ben zu erheben, und ein Siſtem von Patrio-
2 tis⸗
tismus darauf zu gründen wagte. Durch
eine fehe gewöhnliche Tafchenfunft ver-
taufchte man die Begriffe, und fchob an
den Plaß ber ordentlichen Liebe ihre Geg-
nerinn die Ausfchweifung unter. Dann
fchlug man Lärm über die bevorftchende
Gefahr eines ‚allgemeinen Verderbniſſes,
fegte Familien über die Zuͤchtigkeit ber
Töchter , über die Sitten der Söhne in
Angft, und beunrubigte felbft die öffentli-
che Aufficht, die, vielleicht weniger e8 für
Nothwendigkeit hielt, als der Ungeftüme
nachgab, da fie nicht weiter fortzufahren
befahl, und nur ſchwer zu bewegen war,
zu erlauben , in dem letzten Blatte die
Urfache, warum über dieſen Gegenftand
fo haftig ahgebrochen warb, erratben zu
laſſen.
J
S strates mit dem Giftbecher im der
- Hand, Eamillus zu Vejos fluͤchtig, und
ber Ueberwinder Annibals unter einem
Steine begraben, der Rom die Graufam-
feit gegen feinen Netter vorwirft, und dem
undantbaren Daterlande feine Gebeine
mißgönnet *), müffen die Blicke eines
jeden an fich ziehen, der hingeht, und
einer Gefelfchaft näglich werden, und dag
Licht der Vernunft in derfelben herumtra=
gen, und feinen Arm zu ihrer Vertheidi—
gung ausftrecfen, und ihre Sicherheit mit
feinem Leben Isfen, und den Grundftein
ihres Ruhms, ihrer Gröffe, mit feinem
Blute einweihen will. Die Geſchichte als
A3 ler
) Auf dem Grabe Scipions, welches in «ie
nem Weile wor, den nicht einmal der Aufe
enthalt diefes berühmten Mannes bekannt
mahen konnte, Hund nah feinem Verlangen
geſchrieben: ingrata Patria ! ne offa quidem
mea habeas ! undankhares Vaterland! nicht
einmal meine Sebeine folk du befigen ! —
6 Der Mann
ler Menfchen , die irgend Staaten unter-
fcheidende Dienfte geleiftet haben, von den
CLikurgen, bis auf die Enciklopediſten,
von den Manliern, die das fchon erftie-
gene Kapitol den Galliern entreiffen, bis
auf...» » die durch Herfiellung einer
bereit getrennten Schlachtordnung das
Schickſal eines Krieges und eines ganzen
Reiches entfcheiden, vom Clitus, melcher
den Alerander im Gewuͤhle ver Schlacht
von dem ſchon empor gefchwungenen Etreir
che fichert, bis auf den Höfling , welcher
das Degengehäng bes Bafılius entzwey
bauet, um den Kaifer von dem Geweihe
bes Hirfchen zu befreyen, die Gefchichte
aller diefer ift eine und diefelbe; Verfol⸗
gungen, Feſſeln, Verweifungen, Todten-
gerüfte, oder wenigſtens unwuͤrdige Ver:
geffenheit! Die. Jahrbücher der Verdienfte
find zugleich die Jahrbücher des Sffentli-
chen Undanks.
Soll dieß ben Mann , der wie ber
Sohn des Sophronisfus den Beruf von
oben ber empfangen bat, folk es ihn zu=
ruͤcktreten machen ? — Wenn er fich ver-
dingen, uud: fein Tagwerk nach dem Lohne
verrichten will, um den er am Abende ſei⸗
nes
ohne Vorurtheil. 7
nes Lebens die gemiethete Hand ausſtre⸗
det; wenn er ein Soͤldner feiner Mitbuͤr⸗
ger werden will, da er ihr Wohlthaͤter
feyn konnte, o ſo kehre er, durch ſo un⸗
endliche Beiſpiele gewarnet, auf ſeinem
Wege um, und ſterbe in dem Schatten
feiner Huͤtte, unangefochten und unbe—
ruͤhmt! | |
Aber , wer fih groß genug fühlet,
auf jede Vergeltung, auch auf die ſchmei⸗
chelhaftſte Vergeltung des Ruhmes, Ver⸗
zicht zu thun; wer ſich ſtark genug fuͤh⸗
let, feinen Mitbuͤrgern Aufklaͤrung, oder
Schutz aufzudringen, der bleibe vor den
Denkmaͤlern der Undankbarkeit mit uner⸗
ſchuͤtterter Standhaftigkeit und dem Ent=
ſchluſſe ſtehen, ſich, wie ein Decius, zum
Opfer des Vaterlandes einzuweihen, oder
den Schlund, aus welchem die verheerende
Seuche heraufſteiget, wenn es fo noth⸗
wendig iſt, wie ein Kurtius, mit ſeinem
eigenen Leibe zu fuͤllen! —
Traͤumer! ſpricht hier, der mich
lieſt, und legt das aberwitzige Blatt be—
mitleidend aus feiner Hand; Träumer,
der enffernet vom Streite, den Helden
fpielt , und alle die Fäden noch nicht. ken⸗
14 net,
8 Der Mann
net, burch die man an der Gefellfchaft hängt,
und die man nicht mit lachendem Mun-
. be entjweyreißt, um, einer Tugend, wel⸗
che man in unfern Zeiten Thorbeit nennen
wuͤrde, und einem Ruhme, einem leeren
Nachhalle , der! einige Zeit in den Ohren
ber Nachkommenſchaft tönet, und bald
unter dem Übrigen Gelärme nicht mehr ver>
nommen wird, einem Ruhme und einer
Tugend, Frau und Kinder, und Gluͤck,
und Gemächlichfeit und Verwandtſchaft
zum Dpfer zu bringen! — „
Wenn diefe Unmerfungen wahrhaft find,
wenn fie allgemein gemacht werben fönnen,
weſſen Händen follen die Öffentlichen Angele⸗
genheiten anvertranet werden, bei deren Lei⸗
tung aller Eigennuß entfernet, wo ohne Ab⸗
fiht , ohne Anſehen, ohne Hoffnung und
Furcht, ohne Leidenfchaft zu Nath gegans
gen , überlegt, entfchloffen , ausgeführt
werben fol? — Wenn die Privatverbin-
dungen, je näher fie ung an die einzelnen
Gegenftände hinziehen, deſto weiter. ung
von dem Allgemeinen abziehen , in weſſen
Seele wird man die mächtige Triebfeder
ber fchönen und gemeinnügigen Handlun⸗
gen, den Spirit public auffuchen, wovon
viel:
ohne Vorurtheil. 9
vielleicht die einzige Nation; die für den
felben einen eigenen Namen , auch von
demfelben den eigenthümlichen und richti-
gen Begriff hat?
Diefer Spirit public, den ic) durch
Gefellfchaftsgeift überfege, wird mich in
diefer legten Abtheilung befchäftigen, mit
welcher ich die gefahrvolle Mühe , meine
Mitbürger zur Leftur einzuleiten, beſchluͤſ⸗
fen werde,
Meine Betrachtungen werden nicht als
einzelne Stücke, von einer nur willführ-
lichen Verbindung, fondern in einem Zu—
fammenhange, davon die Fäden fichtbarer
feyn werden, erfcheinen. Ich werde ben
Geſellſchaftogeiſt in feinem eigenthuͤm⸗
lihen Wefen beobachten , und baffelbe
voraus feftfegen. Ich werde dann burch
alle Stände des gemeinen Weſens durch-
ziehen, und bei jedem Stande die Kolgen
feiner Gegenwart, und bie traurigen Fol⸗
gen feiner Abmefenheit wahrnehmen, Sch
merbe feinem Stande heucheln, ſo weit
naͤmlich, als es die Achtung zugiebt, die
man jedem Stande nach dem Maſſe ſeines
Beitrags zu der oͤffentlichen Wohlfahrt
nicht verſagen kann, ohne die Ordnung
A5 un
10 Der Mann
um und über zu ſtuͤrzen, an deren Auf-
rechthaltung dem Glücke der Staaten un:
endlich mehr gelegen ift, als an allenSchrift-
fiellern und fchönen Geiftern in der Welt.
Ich verbitte bei diefem meinen, voraus
angefindigten Plane gleichwohl recht fehr
die Erwartung eines mühfanen philoſo—
phifchen Syftems , das fi) mit Erfld-
rungen bemengef ‚, intheilungen und
Untereintbeilungen macht, und indem
es fich gegen den Lefer einer gar zu ge—
wiffenhafeen Puͤnktlichkeit befleißt „ ihm
ein efelhaftes Gerippe vorbält, von dem
er feine Augen abfehret, die es nicht ver—
fchuldet haben, fo unbarmberzig gequäler
zu werden. ch denfe, wenn ich fo glück-
fich feyn kann, ein Gebäude aufzuführen,
deffen Pracht und Ebenmaß überhaupt zu
gefallen fähig iſt; fo erläßt mir der groffe
Theil den nacten Grundriß und Durch—
fchnitt, und die Vorrechnung aller ein
zelnen Verhaͤltniſſe unter ſich und gegen
das Ganze. Kritiker mögen ſich dag
diirre Vergnügen der Zergliederung ſelbſt
machen !
Doch mit welchem Danfe der Mitbuͤr⸗
ger ergreife ich den Stab wieder , meine
Mei-
ohne Vorurtheil. ti
Reife fortzufegen 9 werde ich beftändig
wegen Anfälle aus Hinterhalt beſorgt
ſeyn müffen? wird es mir mie vergönnt
feyn, auf meinem Wege die frohe Stimme
des Wanderers hören zu laſſen, deſſen
Sorglofigfeit der Lobfpruch der öffentlis
chen Wachfamfeit it? —
0 Werde ich immer den Eigennüßigen
laͤrmen hören, wann ich von der Uneigen⸗
nüßigfeit fprehe? wann ich die. Steige:
rung der Bedienungen, oder das Feilbie-
ten des Rechts erwaͤhne, wird der Aus—
rufer, den ich nicht genannt habe, feine
Stimme felbft erheben , und ſich dadurch
fennbar machen? Freunde! wie unbehut⸗
fam ift das immer. von ihnen gehandelt,
wann Sie durch ihr Zettergefchrey es aller
Welt fund machen, daß Sie verwundert
Äind! Vielmehr fprechen Sie mit einge:
biffenen £ippen : ich bin es nicht! und
wenn Sie ja die Wunde rächen wollen,
fo fen der Gang ihrer Nache Teife und im
Verborgenen, wie der Gang des mitter-
nächtigen Gefpenftes ! die Handlung und
das Vorbild dazu find ihrer wuͤrdiger.
Ah fühle den Einfluß des Stoffes,
den ich behandfe ; er erhoͤhet mich gewiſ⸗
ſer⸗
12 Der Mann
fermaffen über mich felbft. Ich entfage
dem Beifalle meiner Zeitgenoffen ; ich gebe
ihnen meinen Fleinen Ruhm preis; bereit,
wenn das Dpfer dem Vaterlande nügen
kann, ein gleiches mit meinem Gluͤcke zu
thun. Sie mögen, wenn fie wollen, mei-
nen Namen vor meinen Zeitverwandten ge=
ringſchaͤtzig machen! Aber ich fodre fie vor
den Nichterftuhl der Zufunft, die nicht be—
ftochen , nicht übertäubee wird , mo fie
nicht daß Necht , allein zu fprechen, an
fic) ziehen, mo meine Stimme vielleicht
unendlich läuter als die ihrige wird ge=
höret werden: dahin fodere ih Sie, und
rufe ihnen zu, was Sie nicht zu beden⸗
fen fcheinen: die Seele des Menſchen,
und das Andenken des redlichen Manz
nes find unfterblich —
op 27 20
N, waren einzelne , abgefönderte
Geſchoͤpfe, und waren feine glücklichen
Geſchoͤpfe. Zu der Stufe von Glückfelig-
feit wenigſtens, hatten wir ung nicht er=
hoben, fiir welche wir ung beſtimmt fühl-
ten , und deren Nichterreichung wir als
einen unglücklichen Zuftand anfehen moch⸗
ten,
ohne Borurtheil. 13
ten , weil e8 die Abweſenheit eines Gutes
war , das für ung befchieden ift, das zu
- erwerben, in unfern Kräften ſtund.
Wir vergefellten ung, und das brach⸗
te ung dem Gipfel, den wir vor ung hat—
ten, je näher und näher, Es ward aug
dem gemeinfihaftlichen Zuthun, aus dem
wechfelweifen Beiftande ,„ wenn ich fo
fagen darf , eine Maſſe des Wohls zu:
fammgefest, die in der Mitte lag, zwar
allen angehörte, aber von einem jeden als
fein Eigenthum durfte angefehen werden.
Wenn ic) dieſes Gleichniß zur Allegorie
hinausführe, fo wird fie die Stelle einer
philofophifchen Erklärung vertreten — geb
diefen Stein auf! fpreche ich zu einem
Menſchen. Es ift ein Stein von einigen,
wenigen Pfunden , er bringe ihn ge—
mächlich von der Stelle. Nun ift eben
derfelbe Stein mit vielen andern , deren
feiner für fi) am Gewichte mehr enthält,
in ein Gebäude, :oder fonft auf eine Art
verbunden, Sich fage eben zu dem Men:
fchen : ſchaffe diefen&tein beifeite! Es ift
ihm unmöglich: die Schwere des ganzen
Klumpens widerſteht feinen Kräften; fie
ift Die Schwere des Theils geworben.
Es
14 Der Mann
Es war alfo der Vortheil eines jeden
Einzelnen, feinen Eleinen, unb dem Ans
laufe jeder geringen Kraft preisftehenden
Antheil von Wohl, fo nahe als möglich,
an das Ganze anzufchmiegen, fo untrenn-
bar, alß es nur bei ihm fand, mit dem—
felben zu verbinden. Aus diefer Verbin>
dung entftand eine Lafl, die durch eigene
Schwere unbeweglich ward.
Vielleicht war diefes anfänglich weiter
nichts als ein Entwurf, eine Betrachtung :
Erfahrung, Vorfälle brachten fie bis zur
Veberjeugung : und e8 ward nunmehr zu
einer genugfam erfannten ,: tief einge—
prägten Wahrheit: das Beil eines je-
den @liedes der Befellfchaft, iſt in dem
Beile der Gefellfchafe.
Je lebhafter diefe Ueberzeugung ift, wo⸗
ferne fie bis zu dem Grabe erhöhet wird,
daß fie gleichfam als ein finnliches Bild
allgegenwärtig mit berumgetragen , auf
alle Fälle angepaffet, in jedem Gefchäfte
fich felbft vorgehalten wird , deſto aus—
brechender find ihre Wirkungen, defto haͤu⸗
figer die Verläugnungen einzelner Vor—
theile, die, fo großmuͤthig fie dem Auge
desjenigen erfcheinen mögen, der daß ge⸗
bei=
öhne Borurtbeil. 15.
heime Triebwerk derfelben verfennet, in
der That anders nichts find, als daß ein
kleiner Vortheil für einen gröfferen, ein
gegenwärtiger , kurzer für einen ent⸗
fernteren , dauerhafteren dahin gegeben
wird. Eine mindere Eigenliebe wird durch
eine gröffere von ihrer Stelle verdrängt.
Geſetzgeber! vergeffet nie, daß ihr
Menſchen zu führen habt! dag ift, Ge:
fchöpfe, denen ihr eigenes Wohl dag fühl:
barſte, vielleicht darf ich fagen , denen
nur ihre eigenes Wohl fühlbar ift , bie
alles im Kreife um fie herum, auf ſich als
den Mittelpunft, zuriick führen, Gefchöpfe,
die auf einem unfennbaren Sandforne der
Erde hochmuͤthig fprechen : zu meinem
Dienfte welzen fich oben die unzähl—
baren Sonnen. Bei Gefchöpfen diefer
Art fucht man vergeblich einen Beweger
ber gefellfchaftlihen Tugend auffer dem
Herzen besjenigen, bei dem man fie her—
vorbringen will , und diefer Beweger ift
der Eigennug. Die Natur hat ung abge⸗
ſoͤndert gefchaffen,, der Eigennug hat ung
zufammgebracht. Man folge diefem An-
ftofie der Natur! und fuche das Band der
Geſelligkeit nach diefer Richtung fefter zu:
famm
16 Der Mann
ſamm gu ziehen! man wiffe bei denen, die
man leiten fol, die lebhafte Ueberzeugung
hervor zu bringen: daß ihr felbft eigener
Mugen der Endzwed aller Anftalten,
aller Geſetze iſt — und man hat den
Geſellſchaftsgeiſt erfchaffen! —
Zwar hat er in der Geftalt, in welcher
tch ihn erfcheinen laſſe, uhne Zweifel vieles
son dem glänzenden Auffenwerfe verloren, _
unter welchem ihn der Redner erfcheinen
zu laffen, und wir, denen feine bilder⸗
reiche Einbildungsfraft Vergnügen erwe⸗
cket, denfelben uns allemal vorzuftellen
gewohnt find. Aber der Nebner hat feis
nen Endzweck, wenn er von dem Gefell:
fchaftsgeift prächtig wefprochen hat , er=
reichet, der Philofopb nur dann, want
er ihn hervorgebracht hat, Der erfte
hat ein reizvolles Weſen dahin gezaubert,
und e8 dauert ung, wann bie rednerifche
Hitze verflogen ift, daß es nur ein Blend—
werk fenn fol. Der andere nimmt ein
Weſen, deffen Anziehungen weniger ſchmei—
cheln, aber wahrhaft find. Der erfte fpricht :
Bewundre! und meiften® denft er, mich,
Der zweyte fpriht : ahme nach ! und
vielleicht Fann er mit minderem Stolze
auch
ohne Borurtbeil. 17
auch denfen, mid). Der Redner will feis
ne Gefchieklichfeit, der unterrichtende Phi—
lofoph die Wahrheit zeigen ; und wenn e8
dem erſten je gelinger, bis zum Entfchluffe
zu begeiftern , fo ift diefe Begeifterung
das Werf einer überhinfahrenden Aufwal⸗
lung , eine jaͤh auffchlagende , und —
fhon wieder erlofchene Flamme ; von dem
andern aber läßt man ſich aus Leberzeus
gung dahin führen, wohin man fol! —
Die Klagen der Schriftfteller über die
Verſchwindung des Befellfchaftsgeiftes
find daher fehr ungerecht; und vielleicht
find wir mehr berechtiger , ung über fie
ju beflagen , und felbft alle Schuld dieſes
Uebels auf fie zu waͤlzen —
Wie, wenn fie einem Menfchen zuru—
fen : gebe. hin! höre auf zu denken,
zu empfinden ! opfere dich für das ge—
meine Befte, an dem du ferner Feinen
Theil nehmen Fannft! Verzehre dich
bei der nachtlichen Lampe durch Wa:
hen und Nachdenken! Stelle dich mis
Entſchloſſenheit dem Schlunde der Ka:
nonen entgegen! fieb deinen Sohn da—
bin fallen, in der Blüthe feines Al:
ters, im Frühlinge deiner Hoffnungen,
IV, Band, B und
18 Der Mann
und wende dein Aug davon nicht ab!
Gieb es bin dein Gut, und denfe
daran nicht, daß du, deine Battinn,
deine wimmernden Kinder bungern
werden ? Härte dich gegen den Schmerz !
das ift die Bürgerpfliht — Warum
fagen fie dem, Menfchen nicht : böre auf
ein Menſch, ein fühlbares, fich ſelbſt
tiebendes Geſchöpf zu ſeyn! eben fo
leicht werden fie biefes bon ihm erhal-
ten: oder beffer , fie werden ihm daburd)
nichts, was von jenem unterfchieden iſt,
auferlegen. Wenn ja in der Gefchichte fol
che Helden uns gezeiget werden, mer fteht
uns für die Unfehlbarkeit diefer Erzaͤh—
lungen? Es ift der hoͤchſte Grad der Tu—
gend , zu deren Ausübung nur wenige
Seelen erwaͤhlt find: oder follte ich nicht
vielmehr fagen dürfen: es ift der böchfte
Grad der Fühllofigkeit, die den Menfchen,
wenn fie allgemein werden fönnte, in das
unglücklichfte Gefchöpf in der Welt um⸗
geſtalten wuͤrde. Man fagt: böre auf
dich zu Lieben! Nun, wer fich felbft nicht
liebet, was in der Welt follte der zu
fieben, fähig feyn? wenn ich mit meinem
eigenen Vortheile nicht an der Gefells
ſchaft
ohne Borurtheil, 19
ſchaft hange, durch was ſoll ich feſter an
ſie verbunden werden?
Alle dieſe hochtrabenden Wortkraͤme⸗
reyen von Selbſtverlägnung, von Auf⸗
opferung, Uneigennutz, und wie die
Schallwoͤrter immer: heiſſen mögen, lau«
fen dahinaus, daß Unmögliche zu fo
dern, und daher auc) Fichte gu erhalten :
Nichts, oder etwas dag feinen Folgen
nach, dem Lichte gleich zu fchägen ift,
einen Zochmuth, der -fich hinter den
Begriff des Edelmuths vor der Entlar—
vung fiher hält — einen Hochmuth, der
alles, womit ung die Abficht des Schoͤ—
pfers zu unferm Dafeyn deſto untrenne
barer verbinden, alle8 , durch was die
Borficht unfer Dafeyn glückfelig und rete
gend machen wollte, zu Boden tritt, und
fi beinahe ſelbſt; — um einen Namen,
deſſen er nicht mehr genieflen wird, zu
erjagen. Set aus Hochmuth ein Schlacht=
opfer des Allgemeinen , würde dag All—
gemeine gewiß das Schlachtopfer feines
Hochmuths feyn, wo er ſich dadurch. eine
dauerhaftere und gemiffere Unfterblichkeie
su verfchaffen glaubte.
92 An⸗
20 "Der Mann
Anftatt den Anfang zur Anfachung des
@efellfchaftsgeiftes damit zu machen ,
daß man den Bürger von allem dem ab-
zieht, womit ihm die Natur an das Bas
terland gefmüpfet hat, anftatt ihn gleich-
fam von fich feldft zu trennen, wuͤrde ich
diefe Bande vielmehr näher anziehen, nnd
ihn felbft durch diefelben an den Altar
binfäffeln, an welchem er, unter gewiſſen
Umftänden fo foftbare Opfer zu ſchlachten,
bemiüffiget feyn wird. Sch würde fprechen :
feyd eiferfüchtig über euer Eigenthum!
die Srüchte eures Schweiſſes find Güter,
deren Befig euch ſchätzbar ſeyn muß! —
Lieber eure Gettinnen! die Liebe ift
ein unfchägbares Geſchenk der Vorſe—
Hung, euch die Bitterfeiten des Lebens
zu verfüflen:: ein zaͤrtliches Gerz ifl eis
ne Gabe, womit fie ihre Lieblinge
unterfcheidet — Liebet eure Kinder!
fie find ein Theil eurer felbft, ein Pfand
der reinften Slamme eurer Feufchen
Gattinn! — Wiflet das Leben, eure
Gefundbeit, eure Gliedmaflen zu ſchaͤ⸗
gen! ihr feyd fo, wie ihr feyd, aus
der Werffiätte des Bwigen geſendet
worden — Und dann, wenn ich biefes
als
ohne Vorurtheil. 21
alles gefprochen Hätte, wenn ich die Fol-
gen meines Zuſpruchs fichtbar wahrnaͤh⸗
me, dann'fegte ich hinzu: aber eier ein=
zelnes Eigenthum ift nicht ficher , wo
das Allgemeine es nicht iſt — Die
Llichtbefletung eures Khebettes hängt
von den unbeflekten allgemeinen Sit⸗
ten ab — Wollt ihr eure Kinder, eure
Battinnen, eure Güter, euer Leben der
Gefahr entreiffen, ſetzt das Materland
auſſer Gefahr ! —
Nun mag fi) der Fall ereignen , mo
nur blutige Schlachtungen das dräuende
Schickſal verföhnen fönnen! die Bereit:
willigfeit fi , und all dag Seinige hiezu
gu weihen, muß in Aller Herzen auflos
dern; jedes ift begierig, fich alles das zu
erhalten, was ihm ber natürliche Hang,
und die eingeflößte Denfungsart noch
theurer machen: und er ift überzeugt, daß
er e8, ohne die allgemeine Aufrechthaltung,
nicht erhalten kann. So made ih, daß
dem Staate uneigennügige Bürger , bie
ihre Vermögen willig anbieten, daß ihm
tapfere, die nicht achten ihres Bluts und
Lebens, daß ihm folgfame , bie feinen
Gefegen mit blinder Unterwürfigfeit ges
B 3 hor⸗
22 ... Der Mann
horchen, | nicht fehlen werben — fo lange,
es ihm an Menfchen nicht frolen wird,
die fich lieben —
PET URN
Mir das Syſtem, welches von dem
©efellfchaftsgeift hier angenommen wird,
auch gegen eine genaue philofophifche
Prüfung nicht ftandhaft genug; fo wäre
es immer bagjenige , daß fich mit dem
menfchlihen Wunfche am genauften ver—
trögt, das ſich den menfchlichen Neigun—
gen am fchicklichften anpaſſen läßt, und
von darum auc) in der Ausführung wer
niger Schwierigfeiten als jedes andre fin-
den wird. Es ift das Syſtem, welches
die Menfchen glücklich machen wird , weil
es die Foderungen auf beiden Eeiten gleich
fiellet, da die ftolgen Syſteme, welche
bis bieber immer noch als eine Stimme,
in der MWüfte gerufen haben, die Buͤrde
ganz und einzig auf den Nacken fich em—
pfindender Gefchöpfe gewälzet haben.
Ach — fpreche num zu der Gefellfchaft:
ſey eiferfücht'g, die Rechte, das Gut,
die Perfon jedes einzelnen Mitgliedee
. zu
ohne Borurtheil. 23
zu bewahren! denn, wo das Ganze in
Sicherheit feyn foll, muß Fein einzel:
ner, Theil Gefahr Iaufen — und dann
fpreche ich zu ben einzelnen Bürgern :
bewahret das allgemeine Wohl! denn
das eurige machet einen Theil deflelben
aus, der für fich nicht beftehen Tann!
So wird die Geſellſchaft, um fich ſelbſt
zu erhalten, die Hüterinn und Währmän-
ninn eines jeden Einzelnen; und fo jeder
einzelne aus eben dem Grunde der feldft
theilnehmende VBertheidiger des Ganzen.
E8 werden, num weniger Winfelzüge,
Schmiegungen und Ausbeugungen nöthig.
feyn, um einige Erfcheinnngen des Ge—
fellfchaftsgeiftes zu erklären. Sokrates
fol heute von den Athenienfern dag Ur—
theil erhalten, den. Giftbecher zu trinfen;
feine Freunde befuchen ihn. Ich bin ge—
Fommen , fpricht unter ihnen einer, dir
deine Säflel abzunehmen, und in diefer -
Kleidung deine SIucht zu erleichtern —
id) fliehen? fragt Sokrates. Ja Freund!
flieben , dich der Verfolgung deiner
Seinde entziehen : Athen die Schande
und die Reue erfparen, daf es den
tugendbaftfien Mann ermordet ‚babe.
SE Ich
24 Der Mann
Ich fliehen ? fragt. Sokrates abermal,
ja Steund, flieben; und dich Länger
noch deinem Weibe, deinen Sreunden,
deinen Schülern, der Tugend erhal:
ten! Sind das Feine Beweggründe,
das Leben zu Lieben ? — Ja! aber feine
Beweggründe, bie Gefege fraftlog zu mas
chen. Laß hören, mie fo vortrefflich dein
Rath iſt? Die Richter find gegen mich un—
gerecht! wenn e8 dem Sofrates erlaubet
ft, die Geſetze des Unrechts zu beſchuldi—
gen, fo muß das jedem Uebelthäter eben
ſowohl erlaubt feyn, oder wer bat eurem
Freunde vor feinen übrigen Mitbürgern
ein Recht eingeräumt ? Nun denn, feht
die Gefeße, die Gerichte ihres Anfebeng ,
ihrer Gewalt entfeget » das Unrecht zu
beftrafen. Ach fterbe meine Freunde! es
es ift befier fterben, als in einer Stadt
leben, worin die Gefeße nichts vermögen,
und jeder Boͤſewicht über diejenigen ur
theilet, die dazu gefegt find, ihn zu ver⸗
urtheilen —
Sofrates gegen ben Freund fährt fort:
du haft ein Weib , Haft eine Tochter und
Söhne, haft einen Mayerhof. Gemalts
that und Raub leben auf, wenn mein
Bei⸗
ohne Vorurtheil. 25
Beiſpiel die Geſetze toͤdtet. Sieh einen
Knecht feiner geilen Luft deine Frau bee
flecken! einen andern deine Tochter ent:
ehren! ſieh deinen Sohn am hellen Mit:
tage in ein Schandhaus hinreiffen:! -ein
mächtiger Nachbar 'treibet dich aus dem
Befige deines Gutes , und verpflüget den
Rain eurer angränzgenden Aecker in fein
Feld. Laß deinen Freund fterben, damit
den Gefeken die Macht ‚verbleibe, dein
Ehebett unbeflecft, deinen Sohn und deine
Tochter ungefchändet, und dich unverdrune
gen von deinem angeerbten Felde zu er:
halten. *)
So flug der nachdenfende Griech die
angebotene Flucht aus, nicht aus Verach⸗
B 5 tung
) Dieſes Heine Gefpeah iſt nicht aus den
bekannten Gefprachen des Sofrates, welche
von feinem Echüler aufbewahret, oder
untergefchoben worden. Es waren aus dem
Plato und Kenoyhon ſchöne Stücke anzufühs
- zen geweſen; aber ich habe mir erlaubt,
mich felbft in den Charakter und die Umſtände
des erfien Martirers der Weltweisheit hinein
zu denken, und fo zu reden, wie er wahr-
ſcheinlich geredet haben würde.
26 Der Mann
tung des Lebens, noch fonft einer Urfache,
die man insgemein den nicht täglichen
Handlungen anzudichten pfleget, fondern
aus Ueberzeugung , daß fein Beifpiel Ges
fege und Gerichte über und umſtuͤrzen,
und ihn, und feine Angehörigen und feine
Freunde Gewaltthaten preis geben würde,
vor denen der Tod unendlicd wuͤnſchens—
werth if. Das Verdienft des Philofo-
phen. ift nicht von Seite feiner Aufopfer
rung. Man findet e8 nicht aufferordent-
lich ‚ daß ein Neifender dem Näuber, der
ihn überfält, feinen Beutel freywillig ab⸗
giebt , um daß Leben zu retten, ba er
bei feinem Widerftande verlieren, und fein
Geld dennoch nicht gerettet haben würde.
Sofrates machet fein Leben, bag in eis
ner gefeßlofen Stadt vor Aniten und
Meliten doch nicht geborgt geweſen waͤ—
re, zum Löfegelde feiner Familie und
Freunde. _ Das Verbienft ift in der Leb-
haftigkeit des Beweiſes, durch welchen er
fi) und feine Schüler von dem Bande
des befondern Wohls mit dem allgemei=
nen , fo durch die Geſetze aufrecht erhal—
ten wird , überzeuget bat. Die Folge
war nothwendig; aber die Urfache, aus
wel:
oßne Vorurtheil. 27
welcher die Folge abflieffen mußte, Ber
war fein Werf,
Nah dem Philofophen find vielleicht
die drey hundert Lacedoͤmonier, welche
ſich unter Anfuͤhrung des Leonidas bei
dem Paſſe der Thermopilen den Perſen
entgegengeſetzt, und durch ihren Tod die
Freyheit Griechenlandes zu erkaufen be=
reit waren, die Geprieſenſten. Die That
iſt groß, aber das Auſſerordentliche laͤßt
ſich ohne ſonderbare Muͤhe davon abzie—
hen. Ich ſetze mich an die Stelle des
Koͤnigs von Sparta, und fuͤhre meinen
Haufen auf die Anhöhe des Berges Orte,
Hier zeige ich ihm — vor ihm dag unuͤber⸗
fehbare Kriegsheer des Serxes, welches
ganz Phtiotis kaum faßt ; zu. feiner
Rechte die Ägeifche See, von ber perfi-
fchen Flotte ganz bedecket. Ich habe es
mit Maͤnnern vor, welchen die Reize eines
wolluͤſtigen Lebens und einer wohlgenaͤhr⸗
ten Sklaverey unbekannt, und der Reich:
thum unnäß if. Sie haben nichts als
ihre Häufer , ihre Weiber und Kinder,
ihre Freyheit, und ihre Waffen, dieſe
Freyheit zu vertheidigen + ich halte an fie
folgende Rebe,
„Spar:
28 Der Mann
„, Spartaner! bier feht ihr die Feinde
Griechenlands, und eurer Frenbeit, Tau-
fend gegen einen aus ung! ihre Menge,
was geht die uns an? ihr wiſſet nicht,
euch zu fürchten, ihre wißt zu fierben —
Sterben wollen wir, ehe wir der Barbaren
Knechte werden! Aber laßt ung fierben,
daß unfer Tod unfern Weibern und Kin
dern die Freyheit erhalte! laßt ung ſter—
ben, daß unfer Tod den Horden der Bar-
baren ein Schimpf, Griechenland beil-
fam, und ung rühmlich fey! Durch diefe
Enge wird der Schwarm in Theffalten ein»
bringen... Es ift leicht, mit einem kleinen
Haufen ihnen den Eingang zu verbieten ;
aber es ift nicht möglich , wo fie von
diefem Paffe Meifter find, die fchimpflidh-
fie Dienftbarfeit zu vermeiden. Wir ge:
hen in den gewiſſen Tod ; aber wir fterben
frey, und übergeben unfern Kindern das
Erbtheil, fo wir von unfern Vätern em—
pfangen haben , und ganz Griechenland
wird unferm Sparta feine Rettung fchul-
big. Doc wer nicht als ein Spartaner
zu fterben Muth bat, bier find Herren,
beren Knecht er werben fann. „
Eis
ohne Borurtheil. 29
Eine folche Anrede legt e8 harten, zum
Kriege und in Waffen groß gemordenen
Männern, die nichts fehägbareres fen:
nen, als eine unangetaftete Sreyheit, nichs
fhimpflichereg, als vor einem Könige fich
zu frümen, fie legt eg ihnen nahe, und
giebt ihnen die Wahl, zwiſchen Tod, und
ihrer und der Ihrigen Knechtſchaft. Die
Wahl iſt nicht zweifelhaft. Leonidas
mit feinen Dreyhunderten hat nicht für
Griechenland den Tod gemwählet, er bat
ihn der Knechtſchaft, dem ärgfien, was
ein Mann von feinen Grundfägen zu er—
warten hatte, vorgezogen.
Yuf eben diefe Art würde fi) dag
Raͤthſel aller unglaublich fcheinenden Tha-
ten des Alterthums erflären laflen, wenn
man die Beziehungen und Umftände derer,
an denen wir fie beroundern, auseinander
feste. Wir würden finden, daß alle, die
da fcheinen für das gemeine Wohl etwas
aufferordentliche8 gethan zu haben, eg
bloß in Abficht auf ihr befonderes Beſte
gethban haben: fie haben den Tod, dis
Verweiſung, Armuth oder fonft eines von
den Uebeln gemähler , deren freymillige
Auffichnehmung uns in Erftaunen ſetzet,
weil
30 Der Mann
weil wir die erhabenfte Stufe der Selbft-
verläugnung damit zu vereinbaren gewohnt
> find. Sie haben diefe Uebel gemähler,
weil fie dadurch entweder gröſſere Uebel
vermieden , oder etwas fich zueigneten,
deffen Wuͤnſchenswuͤrdigkeit, märe «8
gleich nur nach ihrem Begriffe, fo unbe:
grängt war, daß es ihnen um feinen Preis
zu theuer erfauft fchien.
Indeſſen wenn der Grund der Handr
lung geändert wird, der Körper der Hand⸗
lung bleibt immer derſelbe. Die Bewun—
derung fällt nach einer Zergliederung dies
fer Art freylich hinweg. Defto beffer ! mas
der Maffe der aufferordentlichen Handlun=
gen, wie ich mich gerne ausdrücken moͤch⸗
te, dadurch von der einen Seite abgezo—
gen wird, das waͤchſt von der ändern der
Maffe gemeiner und gleich nüsbarer Pflich-
tenentrichtungen zu. Mer aufferordent:
liche Handlungen hervorzubringen bemüht
ift, muß fih dazu verfehen, nur feltne
Folgen feiner Mühe zu erblichen. Nur weni⸗
ge Menfchen find dazu aufgelegt, fich über
die Natur megzufesen. Aber Handlune
gen, die in der Katur gegründet find,
fom:
ohne Borurtheil. 32
fommen täglich vor, und folche ift man
berechtiget, von jederman zu fodern.
PR
U. den Gefellfchaftsgeift unter den
Gliedern der Gefelfhaft anzufachen, was
alfo hat der Staat zu thun ? —
Er hat die Vortheile derfelben zu ver—
mehren; das ift: er hat die Verhaltniffe,
unter denen fie mit ihm zufammenhängen
fönnen, zu vervielfaltigen. jede gute
Anftalt, wovon der Nugen bis auf das
Einzelne fichtbar wird, jedes Geſetz, dag
die Sicherheit befeftiget, jede Verordnung,
wodurch die Wege der Befchäfftigung aus-
geftecket, oder geebnet werden, jedes Des
fireben mit einem Worte, jedes DBeftreben
eines Vorgeſetzten, das Wohl feiner Un:
tergebenen zu vergröffern, und dauerhaft
zu machen, legt dann gleichfam einen zu
den Fäden hinzu, aus welchen dag Band
der öffentlichen Verbindlichfeit dichter und
. bauerhafter wird,
Wäre es wohl unmsglich , eine Art
von einem Maßſtabe auszufinden, in mie
ferne der Staat mit feinem Beftreben bei
| en die⸗
32 Der Mann
diefem oder jenem Stande feinen Endzweck
erreichen fann ? wäre es unmöglich , wie
eine Art von Rangordnung unter den ver—
fehiedenen Ständen, aus welchen dag ge—
meine Wefen zufammgefegt ift, zu bes
flimmen, und den Grad des Wohlwolleng,
bei dem jeder derfelben ordentlicher Weife
ftilfe ftehen wird, vorher zu bezeichnen ? —
Wenn fi das irgend bei einem angenom=
menen Grundfage vorher fagen läßt; fo
muß e8 bier feyn, und diefes fällt ſicht⸗
bar in die Augen: denn die Grade ber
Anhaͤnglichkeit für den Staat, find ge—
rade diefelben mit den Graden ber ver—
fchiedenen Verhältniſſe, worin jeder
Stand mit dem Allgemeinen ſteht.
Bevor ich meinen Weg verfolge, ift es
notbwendig einem Mißverftändniffe aus⸗
zubeugen, das in meine fünftige Berech-
nung einen ungeheuren Irrthum verbreis
ten dürfte, Die Verbaältniffe, in welchen
nur einzelne Privatbärger fiehen, und auf
einem gewiſſen Zeitpunfte, auf einer ger
wiſſen Lage der Umftände beruhen ‚um als
leg mit einmal zu fagen, bloß perfönliche -
Derhältniffe zu Perfonen , fommen bier
nicht in Betrachtung + fie beftichen nur
bitt=
ohne Borurtheil. 33
Bittweife ; fie find alſo ſchwankend, manch⸗
mal die Frucht der Schwachheit, des Ei:
genfinnes, manchmal ein empoͤrender Bes
weis der gemißbrauchten Gewalt des Obern,
oder der big zu der Aufferfien Fühllofig-
keit geftählten Geduld der Untergebenen,
Ich will dem abgezogenen Gedanfen
einen Körper geben, damit er auch dem
blödern Auge fichtbar erfcheine. In ei—
nem Staate, 100 dag Erbgut des gemei-
nen Wohls unter die Bürger mit vaͤter—
licher Unpartheylichkeit vertheilet, und
jede vorzuͤgliche Gunft durch vorzügliche
Derdienfte gerechtfertiget wird; in einem
Staate, wo #8 ein Lobſpruch iſt, ein
Günftling derjenigen zu feyn , die ihre
Gunft niht, mie der Auswerfer bie
Schaumünzen auf Geradbewehl, jeman—
den, der £8 gar nicht vermuthet, an den
Hals werfen; in einem ſolchen Staate
darf man von den Günſtlingen der Re—
genten ohne Zurächaltung fprechen.
Sie fönnen freylich nicht in Betrach—
tung fommen , wenn ber. angenommene
Mafftab in unferen Händen nicht betruͤ—
gen fol. Diefe Gattung Menfchen fennen
ganz feinen Gefelfchaftegeift; fie find
IV. Theil, . des
34 Der Mann
des einfachften Begriffs deffelben unfähig.
Die Vortheile, welche die Gefellfchaft ih⸗
nen gewähren Fonnte, find unter dene:
nlgen, mit denen fie die unterfcheidende
Gnade ihrer Fürften uͤberſchuͤttet, ganz ver⸗
ſchwunden. Ihre Eigenliebe hat alfo auch
den Fleinen Faden gar bald fahren laſſen,
um mit beiden Händen die Kette zu faſſen,
an der fie vielleicht nicht feltner fchleppen
als gefchleppet werden. Sie leben alfo
nicht für die Geſellſchaft; fie leben für
ihren gerrn; fie richten ihre Handlun—
gen dahin, nicht jener nüglich, fondern
diefem gefällig zu werden.
Da ihre befonderen und fo uͤberwie⸗
genden Vortheile nicht mit der Geſell—
Schaft, fondern der Perfon des Negenten
und feinem Leben verfnüpft find; fo bat
auch er nur ihre Zuneigung , ihre Dienft=
fertigfeit, ihre Wuͤnſche. Sie würden es
mit unentfärbtem Angefichte anfehen Fön:
nen , daß das Gebäude der äffentlichen
Wohlfahrt zu Triimmern gienge, bätten
fie nur nicht zu befürchten, daß die Schutt
auch die Duelle verftürzte, aus ber fie
bis bieher fo ohne alles Maß zu ſchoͤpfen
gewohnt waren.
Dier
ohne Borurrheil. 35.
Diefes Geftändniß wird und in dem
Munde eines Mannes defto mehr erfchilt:
fern, der in einer von den Ausſchuͤttungen
des Herzens, welche nur unter Leuten von
gleicher Denkungsart ftatt finden, feinen
Charakter in der ganzen, fcheußlichen Ge—
ftalt aufgedeckt hat. Ohne Zweifel war
dieſe Bertraulichfeit nicht beſtimmt, einft
an daß Licht gezogen zu werden: aber bie
Dorficht weis fih der Werkzeuge ihrer
Züchtigung aud zum Heilen zu gebraus
chen, und in der Zeit, da es ihr gefällt,
zu fügen, daß der traurige Schein des
Irrwiſches, den Wanderer vor dem Sum⸗
pfe warne. ö
Brief des Marquis ar om.
ben Grafen von Delen.»..r
Mein Freund!
4 Fra Sie mir noch einige Zeit diefe
Gemohnheit hingehen, zu der mid) unfre
ehmalige DWertraulichfeit, wider meinen
Willen hinreißt! Sie haben mir es ein
geprägt, daß ich in der Stellung ‚ in der
ich ißt fiehe, und zu der Sie mir ohne
Ca Zwei⸗
36 Der Mann
Zweifel Glück wuͤnſchen, niemandes Freund
feyn muͤſſe. Ich Hoffe in kurzem, mic)
von diefer Unanftändigfeit vollends los⸗
zuwickeln — „
„Es ift mir gelungen, ich babe den
Menſchen, ven Sie wohl fennen, den ge—
- fährlichen Menfchen, bei Seite gehoben.
Es mar ein ſchwerer Kampf — Mit
feiner fogenannten Uneigennügigfeit und
Freymuͤthigkeit hatte er fich fo feft gefeßet,
daß ich mich hinter feine eigene Künfte
zu flüchten nöthig hatte. Ich that «8.
Sch ſchlug einige Fleine Vortheile aus:
man ſprach von meiner Uneigennüßigfeit.
Sch fprach Sffentlich von... und von...
die nicht fehr geliebt find: das ift ein
Mann , der feine Meinungen nicht
verfleider : hörte ich hinter mir im Tone
des Beifalls zifcheln. Das war ein
Schritt, Ich that bald den zweyten. Ich
verfab vorfeglich in einem mir aufgetras
genen Gefchäffte etwas, wodurch die eine
Parthey in einen kleinen Schaden geſtuͤrzt
ward. Nach einigen Tagen wird biefe
Parthey zu mir gerufen. Mein Herr!
rede ich fie an, es thut mir Leid, daf
in ihrer Angelegenheit etwas verfeben
wor:
ohne Borurtheil. 37
worden : ich babe mir den Vorwurf zu
machen. Vergeben Sie mir! wir find
Menfchen: die Unfeblbarkeit ift unfer
Loos nicht; aber ein reölicher Mann
muß feinen Sehler gefleben, und, wenn
er fann, ihn wieder gut machen ; fonft
wird fein Sehler Lafteer — Hier langte
ich ein Roͤllchen mit funfzig Luisd'or her—
vor — So groß, fuhr ich fort, wird un—
gefahr der Derluft feyn, den Sie durch
mich erlitten haben : nehmen Sie! ver-
geſſen Sie ihn! und fepyn Sie mein
Sreund! Ehe er fih von feinem Erflaus
nen erholen fonnte, war ich verfhmwune
den. „,
„Ich hatte die" Perfon zu diefem Auf⸗
tritte vorſichtig gewaͤhlet: ſie war aus
der Kamer des Koͤnigs. In wenig Tagen
gelangte es bis an ihn; und nothwendig
mußte es für mich eine vortheilhafte Mei
nung erwecen. Ich beflagte mid) gleich
wohl gegen den, welcher mir diefen Dienft
ermwiefen, daß er dem Könige mein Vers
fehen nicht verfchwiegen hätte. Dem Rö⸗—
nige, verfegte er, müſſen folche edel-
müthige Sandlungen , und diejenigen,
63 wel:
38 Der Männ
welche derfelben fabig find, nicht un-
befannt bleiben! „,
„ Ohne Zweifel! und das war meine
Abſicht. Ich übte nun meine Freymuͤ—⸗
thigfeit gegen den aus, an bem andre
fie fo fehr bemunderten ; und da id) das
gute Vorurtheil, fo der König von mir
hatte, zu nügen wußte; fo machte ich
über das Berragen des . . . Anmerfun-
gen, die in dem Munde eines andern
Tadel würden geheiffen kaben ; aber in
dem Munde eines Menfchen, der mit fo
vieler Selbfiverläugnnng eine Rolle mit
50 Louisd'or hingeben, und feinen Feh—
ler geftehen Fonnte ; in meinem Munde
bieffen fie Nedlichfeit und Ueberzeugung. „,
„ So machte ih den Grund, auf
dem der Kolloſſus errichtet war, erft von
Ferne nur ungleich ; dann entzog ich da=
von mehr und mehr; bis es mir endlich
nicht mehr fchwer fiel, dem Ginfenden
den legten Stoß zu geben — „,
Doch die Gefchichte der wechſelwei⸗
fen Untergrabungen der Höflinge ift Ih—
nen feine unbewanberte Gegend. ch
war glücklich ; ich habe den Poſten, ben
‚mein Vorfahrer durch Tugenden erwor—
ben,
ben, durch den chein ER behaup-
tet. Defto beffer! fagen Sie ohne Zwei⸗
fel; fo ift der Genuß davon von einem
weiterem lUmfange : denn Gemiffen und
wahre Nedlichfeit machen den Kreis defr
felben fo enge, daß es der Mühe nicht
lohnte, ein Pre des Negenten zu
ſeyn.
„Sie ſollen mir nun den Plan mei—
ner fünftigen Aufführung entwerfen! Sie
find zwar in ihrem Poften verunglücet :
aber ich will die Klippen, der ich auszu—
beugen babe , eben von einem Schiffer
bemerfet haben, dem fie feine eigne Ger -
fahr näher gezeiget hat. Ich würde Ih—⸗
nen noch andre Gründe, Sie zu bewegen
anführen, Verheiſſungen, Danfbarfeit u.
fe. w. Aber Sie fennen diefe Woͤrter in
dem Munde eines Mannes von unferer
Denfungsart, und mehr noch eines Man:
nes an meinem Standorte ; fie heiffen fo
wenig als die gewöhnliche Unterzeichnung
ber Briefe |
Ihr unterthänigfter Dr:
Marquis Boi..er.
C4 Ant⸗
40 Der
Antwort des Grafen Delav ..te.
”
Bei Ns eine Umarmung |! und dann
entfagen Sie auf ewig biefen Fleinen
Bertraulichfeiten , wo nicht befondre Be⸗
weggruͤnde diefelben rechtfertigen. Sie
fehen, ich gehe ohne lange Umftände, von
Gluͤckwuͤnſchen, von Erhebungen ihrer
Verdienſte, zur Sache felbft über. Der
verdient allemal ben Platz bes Guͤnſtlings,
der ihn zu behaupten weis. „
r „ Denfen Sie aber nicht, daß Sie
von nun an zu niemanden, mein Sreund !
fprechen, niemanden in ihren Umarmun—
gen den Athem kurz machen dürfen. Die-
‚ger Ausdruck giebt Ihnen das gemiffe
Yeufferliche der Leutfeligfeit, das fehr zu
ihrem Vortheile einnimmt: die Worte
Sreundfchaft, Dienftfertigfeit, Erge—
benheit, müffen Ihnen unendlich gelaͤu⸗
‚fig werden! vor der Sache nur, daß Si⸗
ſich zu huten wiſſen!
„Aber auch ſelbſt vor Wörtern ge—
gen gewiſſe Leute! Gegen diejenigen,
welche Geburt, Umftände, Rang und Bes
bienung tief unter Ihnen hält, gegen bie
ers
ohne Borurtheil. 4:
erlauben Sie fih ohne Bedenken dag
freundfchaftlichfte Betragen , die vertraus
lichten Ausdrüde! Sie merden Ihnen
diefes als eine Herablaffung in die Rech⸗
nung bringen. Der Eitelfeit folcher Leute
wird durch ein natürliches Auflehnen auf
ihre Schulter, oder, men Sie befonderg
unterfcheiden wollten, durch Einhangen in
den Arm fehr geliebfofet ; befonders , mo
andre dieſe Unterfcheidung wahrnehmen
mögen : denn fie berechnen ihre Annäherung
zu dem Fürften, nad) dem Grade der Ans
nöherung zu feinem Lieblinge, ,,
Mit den Groſſen haben Sie bdiefe
Freyheit nicht. Diefe würden ihrer Leut-
feligfeit die verhaßte Wendung einer De—
müthigung geben ; oder wenigſtens fich
mit Ihnen in gleichen Rang ftellen. Nein,
Marquis, der Unterfchied gwifchen beiden
fey immer auf dag in die Augen fallendfte -
bezeichnet! freuen Sie fid) jeder Gelegen—
heit, wo Sie ihnen den Zwifchenraum ,
durch den fie getrennet werben, fichtbar
machen fönnen. ,,
„ Die Ramer ihres Gebieters, lieber
Marquis! muß ganz für Sie feyn. Die
Handgriffe, diefer Leute fich zu verfichern,
€ 3 find
42 Der Mann
find leicht, aber unentbehrlich : bemm un⸗
ter ihnen erfcheint der Fürft ale Menſch,
der den Pomp von fich leget, und fidh
freuet, fein Herz mitzutheilen, und feinen
Neigungen und Schwachheiten den freyen
Gang zu laffen, die er vor den Augen
der Menge forgfältig zu vermänteln hat.
Diefer menfchlichen Augenblicke müflen
Sie fich ganz bemeiftern! es find font
die gefährlichfien für Ste. Ein Wort
wider Sie machte bier mehr Eindrud,
als ganze Philippifen,, welche gegen Sie
gefchrieben, und deflamirt werden, und
fo ein Wort ift bei der wechfelmweifen Aug»
(hüttung des Herzens ſehr leicht entfah⸗
ren. Es fey niemand um ihren Herrn, ber
nicht auf irgend eine Art in ihrem Solde
fiehe, der ihnen nicht irgend wofür ver—
bunden waͤre, oder wenigſtens von ihrer
Hand ehftens eine Wohlthat zu erwarten
babe. Pernachläffigen Sie biefe Erin-
nerung nicht al8 unwichtig! ich habe mich
gegen die Vorftellungen einer anfehnlichen
Landesftelle erhalten: mein Sturz mar
die Folge eines Gefprächs, fo man hielt,
‚während der König einem der ungele-
gen=
ohne Borurtheil. 43
genften Bedirfniffe der Natur Genuͤge
that. *) „
„ Ih fann dieſe Zwiſchengeit nicht
verlaſſen, ohne fie Ihnen noch einmal
auf das naddrüclichfte zu empfehlen.
Sie ift ſchwer auszufüllen + denn der
Herr bringt oft feinen Unwillen aus den
Gefchäfften mit; und er will für den
Verdruß, den er anderwärtig empfieng,
bier entweder ſchadlos gehalten werden,
oder er hält fich felbft fchadlos dadurch,
daß er ihn allen empfinden läßt, die fich
ihm nähern. Legen Eie alfo immer et—
was von denjenigen Zerftreuungen bei,
auf melche die Leidenfchaft des Fürften
am begierigften fälle, um es zur beques
men Stunde hervorzulangen; ein befon=
dere Stüf Wild , wenn er die Jagd
liebt, eine Sängerinn, wo ihn die Fer—
tigfeit der Kehle ergoͤtzt, eine Schilderey,
mo
*) In dem franzbſiſchen Driginalbrief ſteht Hier
ein ſeht natürlicher Ausdruck, der in ei—
nem Schreiben von zween fo vertrauten Man—⸗
ner hingehen konnte , mit welchem aber
der Ueberſetzer die Ohren ferner Lefer zu
fhonen,, und alfo dafür die Eleine me. ,
fchreibung zu fegen, fih verpflichtet hielt.
he
4 Der Mann
wo er den Künften hold ift, ein ſchoͤ—
nes Weib, eine Beftellung, wenigſtens
ein Handbriefchen , wo er ein empfind-
liches Herz hat! Sie wiſſen es, was
unter diefen bei ben Nachfolgern des Ca—
petus am ficherften wirft. Die Lieblinge
und Lieblinginnen von Franfreich haben
auc immer ungetrennte Vortheile gehabt.
„ Der Fürft wird einen Mann, der
fi) feinen Neigungen mit Herzhaftigkeit
widerfeßt, wo diefelben dem genau erwoge⸗
nen Öffentlichen Nugen entgegen fteben, er
wird ihn ſchaͤtzen, aber Lieben wird er ihn
nie. Sie — laffen bie falte, und uns
fruchtbare Zochachtung des Monarchen,
wen darnach küfterte. Sie wollen feine
Liebe. Ahr Nachdenken fey alfo, feinen
Hang bei jedem Vorfalle auszufpähen,
und nach einem gefchichten Borfpiele immer
die Saite zu rühren, die ihm die anges
nehmfte iſt „
„ Manchmal geben Sie ihre Meinung
fogleich für dag, wohin fie vermutben,
daß feine Neigung ibn leite! manchmal
ſeyn Sie auch mit Vorſatz gerade der ent—
gegengefepten. Aber wiſſen Sie in’ der
Zeit nachzugeben, und auf feinen Weg
ein
ohne Borurtheil, 45
eingulenfen! Im erften Falle fchmeicheln
Sie feiner Eitelfeit , da Sie gleichfam
feiner Einfiht huldigen ; im zweyten wird
er Ahnen für ihre Gefäligfeit Rechnung
halten. „,
„ Und dag allein muß auch ihre Ab—
fiche feyn! Laffen Sie die unbeugfamen
Kloͤtze mit ihrer altvaͤterlichen Denkungs⸗
art ſich immer groß duͤnken, und von ih-
sen Zeitgenoſſen, und wenn Sie fo wol:
len, den Nachfömmlingen bewundert wer⸗
den , welche durch eine übelangebrachte
Srepmütbigfeit ihr eignes Befte verwahr⸗
Iofen , und der Neigung ihrer Gebieter
gerade entgegen handeln , weil e8 das
Allgemeine fo erfodert. Gleich als wäre
dag Allgemeine etwas für ung, wenn
unfer Befonderes nicht davon einen Theil
ausmacht? und, gleih als koͤnnte diefer
oft Fleine, oft ganz unmerfbare und un—
geroiffe Theil neben dem groffen und zu=
verläffigen Vortheile wahrgenommen wer-
den, den uns eine leichte Gefälligfeit,
gine Fleine Verlaͤugnung unfrer Einficht,
oder wenn Sie glauben, eine Eleine Heu:
cheley, von ber Hand des Fürften gel-
sen fann? „,
| „ ders
46 Der Mann
„Ferne, glücklicher Marquis! wo—
ferne Sie diefes Gluͤckes Meifter zu feyn
wiffen » ferne alle Bebdenflichfeiten von
Vaterland , Staat, Pflicht, Ueberzeus
gung ! Gie haben nur eine Pflihe —
fich felbft alle die Wohlthaten zu verfi-
chern, die Sie koͤnnen: und auch diefe
Pflicht Hat nur ein Geſetz — denjenigen
zu gewinnen, von deſſen Hand Gie der
Fuͤlle und Ueberſtroͤmung diefer Wohltha—
ten verſichert ſeyn koͤnnen. Dieſer, oder,
wie man unter Leuten von unfrer Den—
fungsart wohl ohne Verbluͤmung fprechen
mag, ihr Vortheil ift Ihnen Vaterland
und Staat. Nichts kann uͤberzeugender
feyn, als daß man fich felbft alles Gute
fchuldig ift, wo man fich folches verſchaf⸗
fen fann. „,
» Daher, von dem Augenblicke an,
als Cie in die beneidete Stelle eines
Günftlings getreten find, machen Sie ſich
von allen Beziehungen frey, welche ihre
Anftrengung zerſtreuen, welche ihre Neb-
lichfeit fodern , welche die Grundfäße ih⸗
res gegenwärtigen Standortes durchfret-
zen; mit einem Worte, fagen Sie ſich
von allen DVerbindlichfeiten frey, welche
Ih⸗
ohne Borurtheil. 47
Ihnen eine andre Art zu denken und zu
handeln auflegen dürften, als die einzige,
die fich mit ihrem Wohl verträgt: ihrem
Berrn unbedingt zu Willen ſeyn, da=
mit er auch Ihnen uneingefchranft
willfabre. ,.
„ Sein Wohlftand nur fey ihr Palla⸗
dium; und alle Angelegenheiten , alle
Beränderungen, welche mit dem gemeinen
Weſen vor fich gehen, find für Sie gleich-
gültig, in foferne die Schutzſäule ihres
Stückes unbewegt bleibt. Wenn es mög-
lich ift, daß ihre Mitbürger Sflaven ,
und — *)
„» Doc Sie verfichen mich: Sie wer-
den von nun an ohnehin fich fehr daran
geroöhnen muͤſſen, aus zwey Wörtern die
ganze Reihe, aus einem leichten Winfe
den Willen degjenigen zu erratben,, an _
defien Seele ihre Seele hängt, und mit
defien Schickfale ihr Schickſal unabfön=
derlich verflochten iſt, wenn Sie anders
be⸗
”) Die Stelle, die hier wegbleibet, war zu
Hartklingend und unverfhamt: ich habe
daher dem Zuſammenhang durch einige
Worte nachzuhelfen gefucht.
48 Der Mann
behutfamer als ih und durch meinen
Sturz gewarnet feyn werben. ch mil
Ahnen die Urfache deffelben aufrichtig mit⸗
theilen. Es fol, um ihre Gleichniß mir
zu Nußen zu machen, eine Tonne feyn,
die mit einem Stricke an der überfloffenen
Klippe befeftiget, auf dem Waſſer ſpielet,
und fie vor der verborgenen Gefahr
warnet.· „
„ Ein Mann, ber das Ungluͤck hatte,
dem König lange ſchon zu mißfallen, an
dem ich aber eben fo unglückicher Weife
mich nicht ermwehren fonnte, fehr in. bie
Augen fallende, und feltne Eigenfchaften
hoch zu fchäßen, gab endlich feinen Fein»
den eine fehr fcheinbare , und fehr ſehn—
lich gewuͤnſchte Blöffe, ihn bei den Mor
narchen vollends zu Grunde zu richten,
Er erhielt Befehl, ſich vom Hofe zu ente
fernen. Er nahm feine Zuflucht zu mir.
So fehr der Schein wider ihn war, fo
fichtbar bewies er mir feine Unfchuld, und
bewog mich, für ihn zu fprechen. Doch
feine Feinde hatten ihn ohne Wiederkehr
zu Grunde gerichtet, und anſtatt ihm zu
nußen , machte ich mich felbft bei dem
Herrn Berne und verbaßt. Die Kalte
ſin⸗
ohme Borurtheil. 49
finnigfeit, womit er mich von fich wies,
ließ mic bald alle Folgen dieſer Unbe—
dachtfamfeit einfehen, die nicht lange aug-
blieben, und legtlih meine Beurlaubung
nach fich zogen. „
Ä 5 Marquis! druͤcken Sie ſich zum
Schluſſe diefe Lehre feft ein! forechen Sie
für Menfchen, die beliebt find, und von
denen Gie vorherfehen, daß der König
fie zu begünftigen geneigt iſt! Das ift
das Mittel, fich Leute zu verbinden, ohne
die Gnade feines Herrin abzunägen. Huͤ—
ten Sie fich ‚aber fehr „ jemals auf der
Seite des Elenden zu feyn ! überlaffen
Sie ihn feinem Schicffale ! der Elende ift
am Hofe immer verhaßt, fonft wäre er
nicht elend — Und dann bedenken Gie,
daß Sie auf beiden Seiten zw viel zu
verlieren haben, Retten Sie ihn nicht,
fo hat man einen Beweis, daß Sie nicht
der Allvermögende find, für den angefehen
zu werden, ihnen fehr daran liegen muß;
aber ift ihre Vermittelung glücklich ; fo
wird eine, nicht ihnen ermwiefene Gunft
doch auf ihre Rechnung gefchrieben: und
glauben Sie, ein ewiger Önadenmwerber
wird zuleßt als ein Ungeſtuͤmer vermie⸗
IV. Theil, D den.
so Der Mann
den. Die Gnabenquelle des Fürften ift
nicht grundlos. Der Günftling muß fo
vorſichtig ſeyn, fo wenig als moͤglich da⸗
von an andre abzuleiten, damit er fuͤr
ſich und die Seinigen ſchoͤpfen moͤge,
ohne auf den Sand zu kommen. Ich bin
u. ſ. w.
unterthaͤnig gehorſamer
Graf Delav..re.
*
* *
Mnſchen die wie Boi..re und fein
Rathgeber venfen, müffen immer als eine
Ausnahme betrachtet werden, menn bie
Stufen der gemeinen Antbeilnebmung
berechnet werben.
Und es giebt noch eine andre Gattung
Menſchen, die allen Bemuͤhungen, den Ge⸗
ſellſchaftogeiſt in ihnen rege zu machen,
ſtets troßen werden. Man wird fie kennen
fernen, fobald man die mancherlei Verbält-
niffe wird uͤberſehen haben , welche bie
bürgerlichen Gefellfchaften vereinbaren —
Herr der Natur! eben fo weis im Er—
halten, als allmächtig im Erfchaffen, du
gehft zu deinem ca durch ein Mittel,
ſo
obne Borurtheil. 51
fo des Lebens mächtigfte Neigung wird,
und deine Geföpfe glüclicdy machet, ins
dem e8 fie durch Jahrtauſende verewiger.
Mer taucht den Kiel des EC chriftftellers in
Slammen, der dih, Kiebe! fchildert,
wie du in den Herzen zwoer fühlbaren
Seelen entftehft „ wie dich Wünfche und
Sehnfucht beim Urfprunge begleiten , wie
Hinderniffe dich defto Eräftiger anfeuren,
und Schwierigkeiten fchmackhafter machen;
wie du aus den Augen, aus den Gebehr—
den vernehmlich fprichft, in jeder Hand⸗
lung did) offenbareft ; wie deine unmider-
ftehlige Kraft ohne Unterlaß nach dem ge:
wählten Gegenftande hinreißt, bis Ge—
genliebe dich befeliget , und die fanftfte
Vereinigung deine Wünfche Erönet ! —
Vergebens wird ſich bier Einbildung an
die Stelle des Gefühls fegen: der dich nur
gedacht , nie empfunden hat, wird dein
Bild entweder durch eine froftige Steife ,
oder durch eine verzehrende Hitze und wil-
des Braufen verunzieren. |
Unglüdlicher , dem die Natur des Le-
bens reinfte Luft, ein fühlbares gerz
verfager, biefe Hiße, dieſe Steife ift fie
nicht, bie Kiebe! du zeichneft in der einen
D 2 ih⸗
52 Der Mann
ihre tyrannifche Mlitwerberinn, die der
fanften Schwefter den Zepter über bie
Melt fireitig machet — die zügellofe Lei—
denſchaft, die nicht an dem Blumenbande
des Vergnuͤgens zu dem Gegenftande ih⸗
res Verlangens binleitet, die an diamant-
nen Ketten dich hinfchleppet ; nicht zu einem
folgfamen Aufrärter, fondern zu einem
elenden Feibeignen dich machet ; der Freu⸗
den , die jene zu gewähren wuͤnſchet,
zZerftshrerinn , in deren Gefolge Reue,
Betrug, Untreue, Trennungen, Verach—
tung, oft der Tod und die Verzweiflung .
wandeln, die den Untergang der Welt be»
fördern würde, waͤre die Welt ihrer Bot-
möffigfeit unterworfen —
Oder du zeichneft in der andern bie
feellofe Popanze, das umgelenffame Wefen,
das Stuͤckwerk des Eigennuges und der
Familienabfichten, das, dem grünen Holze
ähnlich , Wolfen von Rauch ohne Flam—⸗
me auffchlägt ; two bei den Foͤrmlichkeiten
der beiligften Betheurungen, die der Mund
ausſpricht, das Herz nicht erwaͤrmet wird,
wo die Bewerbung ein Ueberfchlag , und
die Einwilligung ein Kaufvertrag, wo die
Haushaltung eine gemeinfchaftlihe Mies
the,
ohne Borurtbeil. 53
the, und das wechſelweiſe Liebkoſen ein
Feyertagsgepraͤnge iſt; wo die Kinder
Pfaͤnder der Pflicht, nicht der Zärtlichkeit
werden, und ihr Dafeyn gewünfchet wird,
weil ein Erbe der zuſammgebrachten Gü-
ter nothwendig ift —
Pur der, den die Erdebeglückerinn
Denus gewürdiget, in fichtbarer Geftalt
fich ihm zu zeigen, ihr Liebling, ift fähig,
die Bildfäule zu vollenden, die in dem
Tempel von Gnidus den fugendhaften
Sterblihen .zur Huldigung aufgeftellet
werden foll. N
Ein Mädchen, ſcheu mie gin junges
Reh, fittfam, wie eine nur erſt geborftete
Nofenfnofpe, heiter und lieblich wie die
im Fruͤhlinge fich verjüngernde Natur — fo
ein Mädchen geht bei dem Juͤnglinge vor—
über. Ihr Auge, woraus Unfhuld und
Pauterfeit der Eeele lächelt, fieht ihn an,
und furchtfam fälle ihr Blick danieber.
Aber ein Trieb, deſſen Kraft fie überwäl-
tiget, und von dem ‚fie nicht ungerne fich
überwältigen läßt, hebt ihn wieder empor,
richtet ihn abermal auf den Juͤngling,
deffen dreiftere® Aug von ihr beftändig
unabgewendet blieb. Ihre Blicke begeg=-
D3 nen ,
54 Der Mann
nen fih. Der Yüngling frohlocket, daß
dag reizende Mädchen ihn bemerfet. Das
Mädchen erröthet; aber auch ihr pochet
dag Herz mit fchnellen Freudenfchlägen ,
daß der Juͤngling fie fo aufmerffam be-
trachtet. Ihre Schritte werden, ohne ihr
Demußtfeyn, langfam, um noch eine Weile
in dem Angefichte des Jünglings zu ver-
barren. Ihm entwifcht dag Zaubern bes
Mädchens nicht, dag er als eine gute
Vorbedeutung anfieht, und vielleicht, als
die erfie Gunft, womit es feinen Wuͤn—
fchen entgegen geht. |
Nun find fie wechfelweife ihren Blicken
entzogen. Aber mechfelmeife hat ihr Bild
fich ihrem Gedächtniffe, tief hat es ihrem
Herzen ſich eingebrücder — O, fpricht der
Süngling mit regem Triebe zu dem er—
ſten Gefpielen feiner Jugend , ber ibm
entgegen koͤmmt — © welch ein Mad—
chen fab ich heute! welch ein Mädchen!
das fchönfte, fo jemals meinem Blide
entgegen Tam , das fittfamfte — und,
Sreund! es muß auch das tugendhaftſte
Mädchen feyn! ich wünfche es, und
mein Herz fagt mir gut dafür, daß ich
nicht vergebens wünſche. So war die
Ge⸗
ohne Borurtheil, 355
Beftalt des Mädchens — und hier ma-
let er mit dem fichern, aber auch ver—
fchönernden Pinfel der Liebe feine Ge—
ſtalt — Rennſt du es — ſagt er dann —
diefes göttliche Mädchen » — Ihm zau:
dert die Nacht, die feine Geliebte ihm in
Traume wiederzeigen wird; ihm zaubert
der Tag, an dem er fie auffuchen will,
an dem er fie zu finden hoffet. Führe du
ihn an der: Hand beglückende Liebe! da=
mit er dag reisende Mädchen bald finde,
bald. wiederfehe !
Damit auch das Mädchen den fchönen
Süngling wiederfehe! Schoͤn fand fie ihn:
obgleich ihr furchtfames Aug ihn nur ver—
fiohlen anzublicken wagte , fo hatte fie
nicht weniger ihn liebreizend gefunden,
Mädchen fehen gefchwind und richtig.
Aber fie durfte die neuen Empfindungen
niemanden anvertrauen: Faum wagte fie,
da fie allein war, einen Blick in ihr Herz.
Kaum — aber fie wagte ihn doch, und
fand darin den Züngling mit allen Anz
ziehungen ber Liebe. Edel wer fein
Wuchs, fagt fie mit ungesffneten Lippen,
um nicht behorcht zu werden, edel feine
Mine; und auch feine Seele, mein
D 4 verz
»
56 Der Mann
gerz fat es mir, auch feine Seele
gleicht feinem gerzen. Und leifer noch,
als diefen Lobfpruc des Juͤglings, fagt
fie, denkt fie nur ihren Wunſch: der,
dem fie einft beflimmer wäre, möchte
diefem edeln Jünglinge gleich feyn —
Der geheimgehaltene Wunfch des ſeh—
nenden Maͤdchens verändert indeffen ihre
Munterkeit in ein nicht weniger reigendeg
Schmachten — eine Nofe , die bei der
Hitze des Tages ihr mattes Haupt ſen—
ket. Die Aeltern nehmen die Spuren
auf ihrem blaſſenden Angeſichte wahr,
und find für das gelichte Kind beſorgt,
und wähnen hundert Urfachen diefer Ver:
Änderung, und fuchen hundert Ergsßlich-
feiten, ihre Munterfeit wieder berzuftele
len. Vergebens! alle Freude ift ihr uns
geſchmack, aller Umgang zur Laft: einfam,
fann fie menigftens ohne Stöhrung an
ihren Juͤngling denken. |
Wie lange noch, fagt endlich die
Mutter mit liebvollem Ernfte, wie lange
fol deine Traurigfeir dich und uns
verzehren v du besleiteft mich heute
Abends, um in der Geſellſchaft dich
zu zerſtreuen. Das befte Mädchen weis
nicht,
ohne Borurtheil. 57
nicht , Ungehorfam durch Vorſtellungen
zu bemönteln ; fie wird die Mutter be—
gleiten; aber, fie denft, auch ihr gehei-
mer Gram fie —
Du irreft, liebes Kind! der Eintritt
in den Befuchsort zeige dir deinen jun-
gen , unvergeßlichen Freund, Die Liebe
hat feine Schritte hieher geleitet, um euch
beide zu ihren Günftlingen zu machen.
Wie viele vergebene Öänge mußte er thun,
ehe ihm feine Mühe, feine Nachforſchun—
gen durch diefe glückliche Begegnung fo
reichlich belohnt wurden. Eure Augen
begegnen fih; eure Wangen färben ſich;
und jeder lieft in dem Antlige des andern
das Erftaunen, das Vergnügen, fich bier
zu treffen; jeder erräth aus den zufrie—
denen Blicken des andern, wie fehnlich
gewuͤnſcht ihm diefe Zufammfunft müffe
gewefen feyn. Dun dann, fo werdet
ihe euch fprechen; fo wird der Juͤngling
feine Liebe beredtfam fchildern; fo wird
das Mädchen durch fitfame und nicht
weniger beredte Blicke, das Geftändnif
ablegen können, daß er ihrem Herzen nicht
minder theuer ift.
D5 Die
58 Der Mann
Die forgfältige Mutter nimmt die
Veränderung ihres werthen Mädchens,
fie nimmt auch die Aemfigfeit des Yüng-
lings um daffelbe wahr ; fie erräth bald
dag Geheimniß , das ihr die Gefchichte
ihres eigenen Herzens erneuert, Das La—⸗
fter nur hat düftre Schlupfiwinfel zu ſu—
chen: eine Liebe, auf Empfindung und
Tugend gegründet, darf den hellen Tag
nicht fcheuen. Auch will der entzückte Lieb⸗
baber feine Flamme nicht geheim halten.
Er hat in dem Geifte feiner Geliebten, in
ihrem anmuthvollen Betragen die Recht—
ferfigung einer Neigung gefunden , die
ehehin nur dag Werk ihrer Eörperlichen
Heise war. Mr
Und er, wie fehr ift er der Zärtlichkeit
feiner Geliebten wertb! ein eben fo be—
fcheidener, als dringender Liebhaber, zieht
er die Augen der Gefellfchaft auf fich, und
den Neid aller Mädchen auf den Gegen
ftand feiner Nemfigkeit. Gab die männ-
liche Geſtalt, und feine fittlichen Vorzüge
ihr eine Entfchuldigung, daß fie ihn fo
gelaffen anbörte, fo war der Sieg, ben
ſie über ihre Gefpielinnen davon trug,
ihrer Eitelkeit nicht weniger fchmeichelbaft.
| Die
ohne Vorurtheil. 59
Die Mutter wird bald die Vertraute
der Tochter; und ſoll auch immer die ein—
zige Vertraute derfelben feyn! Der Zu:
tritt ward dem Juͤglinge in’ dag Haus
der Geliebten nicht erfchweret. Sie fahen
ſich im Angefichte der beiderfeitigen Ael—
tern taͤglich, und beftättigten ihre wech-
felweife Hochachtung täglih durch neue
Eigenfchaften,, welche an Tag zu legen,
beiden Zeit und Umftände die Gelegenheit
anbsten. Ihre Liebe fchmachtete nach ei—
ner untrennbaren Vereinigung.
Beide Verwandtſchaften ſchaͤtzten fich
glücklich in dem Gluͤcke, daß die Ehe die-
fem Paare zu verfichern ſchien. Aber um
gar feinem Zweifel Raum zu geben, ward
sorfichtig fo viele Zeit vorüber gelaffen,
als erfodert wird , bie geheimeren Nei—
gungen zwoer Perfonen auszuforfchen, die
nicht immer in der Geftalt der Liebhaber,
die fich fehr oft in ihren Menfchenfiunden
fehen, und auch ihre wechfelmeifen Swach⸗
heiten übertragen müffen. Das Mädchen
hatte Gelaffenheit und Sanftmuth genug, _
die Hiße , die ihren Liebhaber mandımal
übermältigen würde, zu erfragen, und
. zu mÄfligen; und er, hatte Selbftverläug-
nung
Ve Der Mann
nung genug, wenn das Aufbraufen Hor-
über, feinen Fehler fich nicht zu verhoͤlen,
und fich zu bemühen, ihn abzulegen.
Die Seele des Mädchens war. belle
wie die Oberfläche einer ftillen Duelle, Die
Fleinen Wirbelchen, welche manchmal dieſe
Dberfläche verwirrten, waren nicht ihre
eignen, fondern die ihre Gefchlechte.
Bw
©, hatte die Vorficht das Paar für
einander beflimmt. Die eltern legten
unter dem Gchuße des Himmels, und
ihrem Segen die Hände ihrer Kinder in
einander, den Wink der Vorficht in Er—
füllung zu bringen,
Könnet ihr euch die Vernichtung vor-
ftellen , in welche ihrem Wunfche über:
laffene Herzen für alles, was fie umgicht,
verfallen, um einzig, um ganz dem Ver-
gnügen anzugehoͤren, für dag fie allein
Gefühl haben ? — Trüger euch nicht, ihr!
die ihr ehliget, um eure Leidenfchaft zu
befriedigen, und in der Befriedigung der—
felben die Liebe zu toͤdten, trüger euch
nicht! diefer wilde Taumel des Vergnuͤ—
gen, der euch kaum durch einige Stun
den
ohne Borurtheil. 6x
. den wirbelt, da er euch, zu bald ermuͤdet
dahin wirft, diefe zu heftige Spannung
der Begierde, die das Herz nicht lang
aushält, weil fie zu gemwaltfam iff, diefe
war ihr Zuftand nicht.
0 Die Hand der Angetrauten feft im fei-
ne Hand verfchloffen, feht ihn, unbemwegt,
mit unerfättlichem Auge auf feine Gattinn
blickend, figen! Hört ihn nach einem be—
deutendem Stillſchweigen endlich in dieſe
Worte ausbrechen — Ich befige Sie al-
fox ich befige dich — gleich, als mwag-
fe er es nicht, den Gedanfen ganz Plag
zu geben; fie fey fein Gut, glei alg
wagte er es niht — Aber die Neuver-⸗
lobte entlediget ihn alles Zweifels durch
einer feurigen Ruß. Die blöden Mäd—
hen find herzhaft, fobald fie getrauet
find. Dieſe Veränderung ligt in dem
weifen Plane der Natur. Die Ylödigfeit
des Mädchens ſchaͤrfet die Wuͤnſche, die
Sehnfucht des Juͤnglings: aber die Ehr:
erbietung , welche eine fittfame und tu—
gendhafte Verlobte um fich herum ver—
breiter, würde dem Wunfche des Mannes.
zu lange entgegen ſtehen, hätte nicht das
theure Geſchoͤpf den regen Trieb , ihm
durch
62 Der Mann
durch ihre Liebfofungen vorzukommen, und
ihn gleichfam aufzufodern.
| Sie ladete durch die liebenswuͤrdigſte
Vertraulichkeit ihren zuruͤckhaltenden Mann
zur Ausſchuͤttung ſeines Herzens ein. Und
nun draͤngten ſich ſeine geheimſten Gedan⸗
fen hervor; nun ſtroͤmten feine Lippen
von Liebe über — © theure Gattinn!
fagte er , feinen Kopf an ihren Buſen
Iehnend, fo bat die Vorficht unfer Ge—
fchi denn vereinbaret! fo hat es mir
die ſüſſe Pflicht auferlegt, für dich zu
forgen! wie gütig weis fie uns die
Bürde unfrer Bemühungen zu erleich-
* teen ! welche Arbeit wird meine Kraͤf⸗
te übertreffen , meine Bebarrlichteit
ermüden , wenn ich denken werde, ich
arbeite für Sie! — für dich — Zwey-
fach werde ich jeder Sreude genieflen:
denn du wirft mit mir dich freuen —
und auch der Schmerz — denn, Liebes
Rind! Sreude und Schmerz find wech-
felweife in unfer Leben eingeweber —
aber durch dich wird der Schmerz fei-
ne Serbe verlieren. Ihn werde ich, ich
werde alles, was mir Unangenebmes
wiederfäbrt, in dem Schooſſe der theil⸗
neh⸗
one Borurtheil, 63
nehmenden Gattinn ausſchütten: mei-
ne Wange wird durch eine Thräne dei-
nes zdrtlichen Mitleids beneget wer-
den, und diefe Thrane wird meinem
gerzen Balfem feyn. Vielleicht aber
werde ich auch den Schmerz doppelt
empfinden ; meinen, und dann in dir —
Doch felbft diefe Empfindung wird Wol⸗
Luft für mich, für uns ſeyn — Eine
Zähre, welche dag weichmüthig gewordene
Mädchen‘, zum Pfande feiner Antheilneh-
mung, vorbinein flieffen ließ, ‚hielt den
Mann in Mitte feiner Betrachtungen auf.
Er fah, eben fo gerührt, fein Gluͤck in
dem umwoͤlkten Auge, und beide fchwie-
gen, weil eine angenehme Dielancholen
ihre Seelen gleihfam in fid) verfchloffen
hielt. |
Diefer Trauungstag , der fo fehr von
der Gewohnheit foldher Tage, und von
dem übertäubenden Gepränge derfelben
abgeht, iſt wirklich von einem glücklichen
Paare gefeyert worden; und fein lautereg,
fein niedliche® Vergnügen hat ,;: felbft bei
einer langen Reihe der vergnügtften Tage,
noch feine Würze nicht verloren —
Wech⸗
64 Der Mann
MWechfelweife Berbindlichfeiten, einan-
der zuvoreilende -Gefälligfeiten bezeichnen
jede Stunde der fchönften Ehe. Heute,
riefen fie aus: das ift der ſchönſte un—
frer Tage; und fagten eben daffelbe von
dem morgigen wieder. Der Himmel ver-
vielfältiget ihre Güter, und fegnet ihre
Liebe mit Erben diefer Güter.
Diefe find nun der Gegenftand ihrer
gemeinfchaftlichen Sorgfalt. Die Mutter
lieber in ihren Kindern den Vater; und
er, der entzückte Vater wiederholt fich bei
jedem Kuffe , den er den theuren Pfän-
dern aufdrüct: o Kinder des vortreff-
lichſten Weibes! Leber die Töchter ſpricht
die Mutter täglich den groffen Wunſch
aus : werdet eines Mannes würdig,
wie euer Dater ift ! und findet ihn
auch, diefen Mann! Eben dieß ift der
tägliche Wunfc des Waters über dem
Haupte feiner Soͤhne: möchter ihr er—
wachſen, der Zärtlichkeit eines Mad⸗
chens werth, das eurer Mutter ahn⸗
Lich iſt! und der'gimmel gewäbre euch
einft diefes Kleinod, das größte, fo ex
in feinen Schägen bat!
Dies
ohne Vorurtheil. 65
Diefe frommen Geluͤbde find nicht un:
erhört. Jedes ihrer Kinder findet und
macht einen eben slüclihen Gatten, als.
ihre Aeltern waren : und ihre Nachkom—
menſchaft verbreitet ſich, wie die efte
der Linde am oͤſtlichen Eingange eines
ruhigen Pandhaufes — |
IG habe diefes Paar mit allem Ver:
gnuͤgen der Liebe, mit allem Segen des
Eheftandes nicht etwan bloß hergeſetzet,
wie virgil die Schöne, aber müffige Fabel
des Ariſtaͤus; um eine fonft öde Landſchaft
zu beoslkern, und ihr dag Anfehen einer
bewohnten Gegend mitzutheilen : es find
handelnde Perfonen , die dag Gemälde
zu einem Hiftorienftiicfe machen werden.
Sch will fie fogleih in die Handlung
verfeßen.
Der Liebhaber noch — Das Vater
land hatte feine Armes zum allgemeinen
Schuße nöthig. Aber mit der Angelegen
beit feines Herzens befchäfftiget, weis er
nichts, was auffer ihm voraeht. Mar
foricht um ihn herum von Ruhme des
Helden , von der Ehre des Triumph,
som ſchoͤnen Tode fürs Vaterland, von
den Belohnungen der Tapferfeit — Sein
IV Theil, . € Ruhm,
66 ‘Der Mann
Ruhm, denkt er, fey das Lob feiner Ge:
liebten, ihr Herz fein prächtiofter Triumph %
mit ihre zu leben, fchöner noch, als fir das-
Vaterland zu fterben ; und ihre Gunft wie⸗
ge alle Belohnungen auf, die ihm koͤnnten
angeboten werben. Go denft der Liebha⸗
ber an der Seite des Mädchens, und
böret nicht die Stimme des Vaterlandes,
das die jungen Bürger zu feiner Vertheis
digung aufruft; und verfennet, oder ach⸗
tet nicht den Wink der. Ehre; achtet fogar
nicht den DVerluft, der dem Staate dro—
bet. Werde ich darum weniger frey
ſeyn, weniger meinen Weinftod leſen,
in meinem Schatten figen, wenn mein
Fürſt über einige hundert taufend Mor:
nen Erdreichs weniger zu mebieten ,
und mit feinem Titel eine halbe Zeile:
weniger auszufüllen bat? fo fpricht er,
und bleibt bei allen Bewegungen bes Va⸗
terlandes ungeruͤhret.
Die Feinde nähern: die Gefahr waͤchſt:
man rufe die Bürger zuſamm, er ift in
ihrer Mitte, |
95 Bürger I ihr feht, in welchem Zus
ftande das Vaterland fih befinder! das.
Schickſal unfers Heeres iſt Ri
8
obne Borurtheil. 5
Es erträger die feindlichen Anfälle nicht,
und ift nicht ferne mehr, unter denen
Mauren Schug zu fuchen, die es durch
feine Tapferkeit fhügen follte. Glaubt
ihr, fein Muth werde durch den Anblick
diefer Stadt wieder aufleben, und ber
ſchlaffe Arm am Fuffe diefer Mauren feine
Stärfe wieder erhalten? — oder erwartet
ihr, daß die Feinde hier, ihrem Siege
und der Ziigellofigfeit der Eroberer Graͤn⸗
zen fegen werden? Sehet umher! und
fehet in dem Schickſale des Landes um
uns herum, das eurige vor. Der Rauch
ber Flamme, melde die Saaten und
Wohnungen eurer Mitbürger verzehret ,
verhehlet ung zwar einen groffen Theil
ber allgemeinen Verwuͤſtung, aber er hält
das Wimmern der Peidenden, dag ver-
mengte Weheflagen der Weiber, der Kin—
der, die Seufzer der Sterbenden nicht
auf; und täglich hier anfommende Fluͤcht—
linge geben ung die graufamfte Gemwißheit
von dem, was mir nur zufehr mutb-
maffen Fonnten — Der Staat fodert neue
Dertheidiger , die er dem andringenden
Schwarme entgegen werfe — er fobert
fie weniger für fih, als für euch felbft:
€ 2 eu⸗
68 Der Mann.
euren Häufern droht die Flamme, euren
Bräuten droht Schändung und Schmad). „,
Der Liebhaber bricht bei diefer Stelle
in ein lautes Wuthgefchrey aus , das den
Medenden inne zu halten zwingt. eine
Einbildung ftellet ihm die feinem Herzen
graufame Scene in feiner ganzen Groͤſſe
vor: feine händeringende, feine ihn um
Beiftand flehende, feine in den Armen eis
nes brünftigen Soͤldners gefchloffene, und
soeil fie dem Näuber widerſteht, gemiß-
handelte Braut — Nicht weiter | eine
wohlthaͤtige Betäubung verfchließt vor ihm
die noch fhrecflichere Ausſicht. Dieſe
Betäubung bricht in eine Begeifterung
von Entfchloffenheit und Herzhaftigkeit
aus — Er ruft aufı Laft uns den raͤu⸗
berifchen Ungeheuren entgegen flürzen,
Geſpielen! Laft uns fiegen, oder flers
ben, Lieber, als Zeugen der grauſam—
ſten That ſeyn — Eeine Hite theilet fi
fchnell allen denen mit, welche um ihn ber
fih verfammeln... Er wirft feinen Schild
an feine Linke, und waffnet feine Rechte
mit einem bligendem Schwerte, und zieht
an der Epige eines durch fein Beifpiel
angefrifchten Haufens dem Feinde 4
ie
öhne Borurtheil. 69
Die Liebe macht ihn zum Helden. In
jedem Feinde fieht er einen Räuber der
‚Ehre feiner Geliebten, den fein unfehlba=
ger Streich dahin ſtrecket, um fein Mäd-
chen von einer Gemwaltthat zu befreyen.
Der Sieg wandelt der Verzweiflung der
Liebe nach: der Liebhaber wird der Netz
ter feines Vaterlandes, weil er fein Maͤd⸗
„hen ber drohenden Schmach entreiſſen
Mil —
4
Se muntert zu ruhmvollen Thaten auf,
dieſe Liebe; und ſie haͤlt mit gleicher
Kraft den fhon ausgeſtreckten Arm des
Verbrechers zuruͤcke: eine unwiderſtehliche
Circe, die, wann es noͤthig iſt, aus dem
Furchtſamen einen Löwen macht, und wis
der den Mütenden in ein zahmes garmin |
umgeftaltet. :
Entfchloffen, den fchrechlichften Streich
su führen, gieng jener Arragonier mit eils
fertigen Schritten dem Pallafte des Als
phonfus zu. Es war um bag Leben des
Königs geſchehen. Der Juͤngling hatte
durch feine Geburt, feine Bedienung, durch
bie Gunſt des Monarchen ſelbſt, freyen
€ 3 aus
70 Der Mann
Zutritt bis in das innerfte Geheimzimmer.
Er war , oder hielt ſich mwenigfiens für
beleidiget, und die Rache waffnete feine
Hand gegen das Vaterland und feinen
MWohlthäter. An der Schwelle feines Vor⸗
zimmers führt die Liebe dem Juͤuglinge
feine Geliebte entgegen. Er will fie ums
armen, und dann fliehen, feinen Vorſatz
auszuführen — Wie fagt das Mädchen,
mehr nicht , als diefe Umarmung 2
und hält ihn dann, mit zärtlicher Gewalt
in ihre Arme gefchlofien,, zurid. Er
ſchweigt, will fich loswiceln : nein!
ruft fie, ich Laffe dich nicht, Aber ich
babe Angelegenheiten — Feine Fönnen,
follen dir dringender feyn, ale die An-
gelegenbeiten der Liebe — Aber biefe
mögen auf eine andere Zeit — ſie fällt
ihm in dag Wort — Vielleicht überlegt
werden y gehört die Fünftige nicht ob=
nehin der Liebe any ift alfo das Jetzt,
wenn wir es uns entwifchen laſſen,
nicht Derlufty— Da der Liebhaber diefe
Häuslichkeit der Geliebten fehr ungelegen
findet, und immer noch darauf befteht,
feinen Weg zu verfolgen; fo erweckt er
in ihrem Herzen den Verdacht einer Uns
treue
ohne Borurtheil, Yi
freue — Eile, Derräther! der Augen:
blick der Beftellung möchte fonft ent-
fliehen: deine neue Leidenfchaft halt
ohne Zweifel firenger über die Punft-
lichkeit, als ich „ deine zu nachficht-
volle Liebhaberinn. KEile! flieg! ich
babe dich zu lang ſchon zurück gehal⸗
ten. Diefe Vorwürfe, von einer .rüh:
renden Thräne unterſtuͤtzet, übermwältigen
ihn — Sc dich verrathen? dich? Grau:
fame ! als wuͤßteſt du nicht. alle deine
Gewalt über mih! — Und mun befchäff-
figet er fi, ihren Argwohn zu zerſtreuen
— Meine Angelegenheiten, find feine An—
gelegenheiten des Herzens — Sie find vor
mir Geheimniffe; fie müffen mir ver—
dächtig werden — Aber ich werde, ich
kann fie niemaden entdeden ; der Aug:
gang , mein Leben, unfre Liebe „ alles
ligt — unfre Liebe! dein Leben! und
es müßte vor mir ein Geheimniß blei=
benz was ift fonft in der Welt, was
ich zu wiflen verlangen follte: alles
übrige mag vor mir geheim feyn —
Drohungen, Liebkoſungen, Thränen, alle
Fünfte der Ueberredung, alle Bezauberun⸗
gen ber Liebe werden angewendet; und
E4 berg
72 Der Mann
den: Liebhaber wirb fein Geheimniß ent:
riſſen —
Du giengſt alſo, eine That zu
vollführen, die uns ewig trennen ſoll⸗
te! ach! als du den ſchreckenvollen
Entſchluß faßteſt, dachteſt du da wohl
daran, daß du eine Geliebte hatteſt,
die in wenig Tagen dir die Hand reis
chen folltes Geh! ich will mich nicht
vergebens bemühen, dich zu entwaff-
nen! die Rache ift taub. Ich will dir
nicht zu Gemüth führen, daß der
Mord, den du in Sinn haft , unter
allen Morden der ruchlofefte, derjenige
iſt, der deinen Kamen am meiften mit
Schande und Such überbäufen wird,
Ich will die Schwierigfeiten nicht
überdenfen, die fich deiner That ente
gegenfegen: einen Sürften , mitten in
feinem Pallafte — in der Mitte feiner
gofbedienten — feiner Wache — und
wenn du über der That ergriffen wirft,
den Tod auf dem Schandgerüfte der
Mifferhäter — Die yeblendete Rachz
fucht bat alles diefee überfeben: fie
bat dir den Ausgang leicht und ohne
zinderniffe porgefpiegek. Kun, "og
te
ohne Borurtbeil, 73
fie dich nicht getäuſchet hätte, wenn
du — ich will nichts weiter fagen, du
verfteheft mich: du wirft dann fliehen,
wirft Arragonien, wirft mich verlaſſen
müffen: denn werden meine Anver=
wendten mich dem Sluchtlinge ohne
Zweifel nachfenden —
Sie würde noch weiter forfgefahren
feyn ; aber der Bräutigam erfrug die
Borftellung der Entfernung nicht , welche
ihm feine Liebhaberinn als unvermeidlich
vorftelte Die Liebe wand der Rache den
beinahe fchon gezücten Dolch aus den
Händen, und ward der Schußgott Arra—
goniens —
Aber ich ersffue ihrer Thätigfeit ein
weitraͤumigeres Feld. Die Geliebten find
nun Ehegatten, Der Mann ift in den
Defig der Nechte getreten, die in ber Na⸗
tur die heiligften find. Diefe Rechte find
feine Glückfeligfeit, er eifert, fie unver-
legt zu erhalten : er liebt die Gefege,
unter deren Schuß fie beftehen ; fein Gut,
feldft fein Leben ift ihm weniger koſtbar.
Das Baterland mag es ihm abfodern ,
wenn e8 berfelben bedarf? nur daß es
feinen Schild über die Gattinn breite,
42 und
74 Der Manu,
und von ihrem Leibe jeden Anfall, jebe
Schmad von ihrer und feiner Ehre abs
halte! !
Es wird meinem Herzen fchwer, über
das entzückte Paar, fo ich felbft vereiniget
babe, ein Unglüd herbei zu führen, und
den jungen Gatten zu den betrübten Pflich⸗
ten aufzufodern, zu denen ich ihn bereit
weis, um von dem Haupte feines theu>
ven Weibes die kleinſte Widerwärtigfeie
abzuwenden. Der, welcher dag zärtliche
Gefühl der Liebe in unfer Herz geleget,
der felbft, raͤumet Nenverlobten eine Jahrs⸗
befreyung vom SKriegsdienfte ein. Ger
nieffet dann ungeſtoͤhrt des lauterften Vers
gnuͤgens! die Gefchichte wird es mir an
erörternden Beifpielen von edlen Thaten »
welche durch die ebeliche Liebe veran—
laffet worden , nicht gebrechen laffen.
Nom, das fiegreihe Nom, welches
alle umliegenden Voͤlker fich unterwuͤrfig
gemacht hatte, *) feufzete unter dem ſchwe⸗
ren Zepter der Tarquinier. Dieſe ta—
pferen Arme , die den Feinden fo oft ben
Uns
) Romanos homines, vi@ores omnium ciren
populorum. ”
ohne Borurtbeil. 75
Untergang, und den Königen den Triumph
gebracht, wurden in Steinbrüchen , oder
anderen unmürdigen Handgewerben er—
mündet. *) Das Elend und die Laft des
Volkes waren auf das Aeufferfie geftie-
gen. **) Die Uebermwinder der Albaner,
Dejer, Etrusker und Volfcer waren zu
der fchmäligen Arbeit, die Kloafen und
MWafferleitungen der Stadt zu reinigen ,
verurtheilet. ***) Tullius, in dem Ange:
fihte des Senats bei dem Antritte der
Negierung einer tyrannifhen Furcht ge—
opfert; fo viele, fo offendare Grauſam—
feiten einer fo allgemeinen Unterdrückung,
fonnten biefe ‚nicht einen Laut gegen bie
Tyrannen, , feinen Seufzer für die Frey—
beit des Vaterlandeg entreiffen ? und Bru-
tus und Dalerius, und: Poflumius und
j fo
*) Opifices ac Lapieidas pro vi&oribus factos.
*) Milerie & labores plebis.
***) Plebis in foflas cloacasque —
demerfz, Dieſe Vorſtellung, welche Brus
tus, nach dem Gefchichtfchreiber Livius, nah
Her das Volk zur Vertheidigung feiner Frey⸗
heit aufgumuntern, machte, hätte fid) ihm
Schon ehe anbieten können, da fie fhon durch
fo fange Zeit vor feinen Augen ſchwebte.
6 Der Mann
fo viele andre Männer, deren republifas
nifcher Geift bald darauf in fo mancher
merkwürdigen That ausbrach, waren mit
in der Zahl der gemißhandelten Bürger.
Die Geduld diefer Männer bielt bei
-alen Srevelthaten des ftolsen Targuinius
aus, fo lange fie nicht den zärtlichften
Nerven ihrer Empfindung erfchütterten.
Seine Graufamfeit fchien ihnen erträglich,
fo lange fie bei den Gütern ihrer Mitbür-
ger, ober bei ihrer Arbeitfamfeit ſtehen
blieb. Vielleicht dachten die Väter da—
mals noch eben fo, als die Söhne nachher
dachten : der König wäre ein Menfch,
von dem möglich wäre , Recht und
auch Ausnahme zu erhalten, wo dieſe
nügen Fönnte: bei ihm fände guld,
fände Wohlthaͤtigkeit flatt: er Fönnte
zürnen und vergeben. Uber die Ge-
fee wären ein taubes Wefen, uner⸗
bietlich, heilfamer und gebdeiblicher der
Armuth, als den Reichtbämern : bei
ihnen wäre keine Nachſicht, Feine
Vergebung, wo man die Gränzen über-
fhritte. Es fep wefäbrlich, bei fo
‚mandherley menfchlichen Schwachheis
gen,
öhne Borurtheil, 77
ten , bloß durch feine unſchuld ſich zu
erhalten. ) 7*
Aber der Thronfolger Sertus treikt
feine Ungebundenpheit fo weit, dag Ehebett
des Eollatinus zu verunreinigen — da fällt
die Binde, die bis hieher ihre Knechtfchaft
ihnen verhelet, hinweg. Die Anrede der
übermältigten Lufretia: du findeſt, Cols.
latin! die Spuren eines fremden Man:
nes indeinem Bette — diefe Anrede macht
die feigen Teidenden Römer zu Männern ,
facht in der Bruſt des Brutus die edel:
müthige Begierde an, der Befreyer ſei⸗
nes DVaterlandes zu werden , und feinen
Damen bei den Tyrannen der Nachwelt,
zu einem Schrecfensworte zu machen ,
welches oft den zur graufamften That °
ſchon empor gehobenen Arm mit Beben
finfen machen follte, Die Freyheit Roms
ift das Werk der beleidigten ehelichen
Liebe,
* * *
Dis erfiemal war bie Freyheit Roms
das Werk der ehelichen Liebe, Da «8
um
*)#Avius do, I, L,e, U.
78 Der Mann
sum zweytenmale unterdrückt war, reichte
ihm die Daterliebe die befreyenden Hän-
de. Die Stimme des Virginius war bag
Lofungswort Die Gefchichte ift befannt;
aber fo befannt fie auch ift, fo muß ein
Dater mit einem emporgehobenen Meffer,
das von dem Blute feiner Tochter träufet,
in deren Bruft er es felbft verfenfte, weil
ihm nur dieſes einzige Mittel, fie von
der Schmach frey zu machen, übrig blieb,
e8 muß immer für die Menfchheit ein
ruͤhrendes Gemälde feyn, bei dem fie bes
trachtungsvoll ftehen bleiben , und ben
Gipfel der Geduld, und den Gipfel ber
Tpranney , vielleicht nicht ohne geheimen
Schauder, bewundern wirb.
Die Gefege, welche die Welt noch
lange nachher Rom unterwürfig machten,
als Rom von feiner ehmaligen Gröffe nur
noch den Namen und die Herrfchfucht
übrig behielt, diefe Gefeße waren die Ars
beit der Unterdrückung. Die Nation,
welche unrer dem Zepter eines Königs ih⸗
ren Nacken nicht beugen wollte, ward von
zehen Tarquinien zugleich zu Boden ger
freten.
80:
ohne Borurtheil. 79
goratius Barbatus wagte es, das
Recht ‚ von den Gefchäfften ded gemeinen
Wefens in der Rarhsverfammlung zu fpre:
chen, zurücfzufodern, aber ohne Wirkung,
und beinahe mit der Gefahr feines Lebens.
Seine Stimme war gleichſam der letzte
Seufzer der ſterbenden Freyheit. Die
Zehnmänner übten nunmehr ohne Zu:
rüchaltung dasjenige aus, wozu fie Hoch:
muth und Graufamfeit fpornten. Die Krier
ge mit den Sebinern und Hequern wurden
mehr mit Vorſatz ungefchickt als unglücklich
geführt. Siccius, ein angefehener, taz
pferer, aber freymüthiger und den Ty-
rannen darum verdächtiger Maun, ward
auf eine hinterliflige Weife aus dem Wege
geräumt. Das Lafter diefes Meuchelmor⸗
des war durch unzweydeutige Merkmale
befannt; aber e8 fand feinen Rächer un—
ger einer Menge, die vor dem Haufen
giftoren, und hundert ihrem Naden dro—
henden Beilen knechtiſch zitterte. So wie
die Geduld der Bürger ſtieg, flieg immer
auch der Muth der Zehnmaͤnner, diefe
Geduld zu üben, big fie zulegt nicht mehr
hei ll Angelegenheiten allein fie:
ben
so Der Mann
ben blieben ‚. (oben. in das Innere der.
Familien drangen , und, rote fie vorhin.
Allen furchtbar waren, nun auch jeden
Einzelnen gefährlich wurden.
Appius Tlaudius hatte feine Stiche
auf Virginien, eine Verlobte des Yeilius
geworfen. Er beftimmte fie ſich zum Naus
be ; und eben die Geſetze, die das ‚Heilig:
thum der Sicherheit fenn follten, machte
er zum Werkzeuge feiner fchändlichen Ab
fihten. Er trug feinen Pflegbefohlenen
M. Claudius auf, das Mädchen als eis
ne in feinem Haufe gebohtne Sklavinn
zurück zu fodern. Ungeachtet die Geſetze
in einem zweydeutigen Falle, wo es zwi⸗
ſchen Freyheit und Knechtſchaft zu thun
war, den Ausſpruch für die Frevbeit,
deutlich vorſchrieben, ſo ſetzte ſich der vor
Liebe entbrannte Appius über dieſe Vor—
ſchrift hinweg, und erkannt dem Claudius
das angeſprochene Maͤdchen zu. *
Der roͤmiſche Geſchichtſchreiber macht
bie Anmerkunge: getten dieſen Ange:
rechten Ausſpruch bat vielmehr die
Menge nemurret , als jemand inabe-
-fondere das Herz gehabt, demfelben
au
ohne Borurtheil. gı
zu widerfprechen , *) bis der Oheim
Dirginiens und Icilius ihr Bräutigam
berbeieilten. Den Jcilius machte die Lie⸗
be beredt , und die nahe Gefahr feiner
Berlobten unternehmend — Du mußt
mich mit dem Eiſen von hier abhal⸗
ten, Appius , wenn du ohne Wi:
derfpruch erhalten willft, wornach du
ſtilſchweigend ſtrebeſt. Ich werde die⸗
ſes Mädchen ehelichen; und rein, und
ungefchändet verlange ich fie zu be—
figen — Ruf alfo immer alle Lif-
toren deiner Amtsgefährten herbei !
heiß fie Ruthen und Beile bereit hal»
ten! Sciliens Braut fol nicht aufler
dem Saufe ihres Vaters bleiben —
Diefe freyere Stimme hatte einige
Wirkung; der Nichter begnügte fih, für
das Mädchen Bürgen zu fodern, und
verfchob den ferneren Ausſpruch auf Mor
gen: würde aber, ſprach er, der Vater
des
*) Adverfus injuriam decreti, cum multi
magis fremerent ,„ quam quisquam unus
reclamaret,
Liyius,
IV. Theil, 8
82 Der Mann
bes Mädchens dann nicht zugegen feyn,
fo Fündige er dem Jcilius, und feines
gleichen an, daß der Gefengeber feine
Gefene zu behaupten wiflen,, und den
Decemoir feine Beharrlichkeit nicht
verlafien werde, Er hatte indefien an
feine Amtsgefährten in dag Lager melden
lafien: fie follten dem Pirginius Feinen
Urlaub nach der Stadt geben; viel-
mehr follten fie ihn in genauer Der:
wabrung halten!
Der Bote des Decempird mar von
Jeilius Brudern überholt, und Pirginius
fam mit Anbruch des Tages in Nom an.
Die Anrede, mit welcher er das Mitlei-
den feiner Mitbürger zu erwecken fürchte,
verhehlt den Beweggrund nicht „. der den
Arm ded Mannes jur Tapferkeit ftärfte.
Ich ftebe für eure Kinder und be:
weiber täglich in der Schlecht, und
man wird von Feinem andern Manne
mebrere kühne, und tapfere Thaten
erzählen, ale von Dirginius, Was nügt
es mich, wenn meine Kinder bei der
Wohlfahrt der Stadt das Aeuflerfte
zu ertragen baben, was man in ei
ner
ohne Borurcheit. 83
ner eroberten nur immer fürchten
fanny *)
Was nuͤtzt mic die Sicherheit der
Stadt ohne die Meinige? ohne die Si:
cherheit derjenigen, die den theuerften Theil
von mir felbft ausmachen, ohne die Sicher-
beit meiner Rinder v_ Diefe Erinnerung
follte die Väter zu einer übereinftimmenden
Rache empoͤret, jeder Römer follte in Dir-
ginien bie Freyheit, die Keufchheit und
Zugend feiner eigenen Tochter befchiget
haben. Aber die Furcht hatte zu fehr
dieſen Eindrücken alle Zugänge vertreten.
Appius Elaudius ward durch die
Ausrufungen des Schmerzens weder von
dem Vorhaben abgeſchrecket, noch an der
Ausführung gehindert. Er war mit al-
len Schreden der Gerichtsbarfeit , mit
aller Macht, diefelbe zu unterflügen,, ges
52 waff⸗
Se pro liberis eorum & conjugibus quo-
tidie in acie’ftare : nec alium virum effe,
cujus ftrenue, ac ferociter Fadta in bello
plura memorari poffint: quid prodejffe, fi
incolumi urbe, qu& capta, ultima ti-
meantur , liberis fwis fint patienda.
Livius.
84 Der Mann
waffnet, auf dem Marfte erfchienen, und
ſprach — unter den beftigften Drohungen
gegen jederman, ber fich zu mwiderfegen
unterftünde — das ungerechte Urtheil ger
gen die. Tochter des Pirginius aus.
Die Gerichtsdiener machten ſtch fertig,
die verurtheilte Virginia dem Srepgelaf-
. fenen des Appius zuzuführen. Der Haus
fen der Anmwefenden trat verftumme zu—
rücke ; das Mädchen fand, eine dem La—
ſter überlaffene Beute. Es war eine ge-
waltſame Erfchütterung nothwendig, diefe
Betäubung zu zerſtreuen. Nur die thätige
Daterliebe hatte Stärke genug , diefe Er-
fchütterung zu verurfachen.
Da virginius nirgend ber einige Hilfe
zu erwarten hatte, erbat er fih von Ap—
pius die Erlaubniß, das Mädchen noch
einmal beifeite zu nehmen, und in Gegen-
wart ihrer Säugmutter an fie cinige Fragen
zu thun, um fich, fprach er, wenigftens darin
zu beftättigen, daß es fein Kind nicht fey.
Als er diefes erhielt, führte er fie an bie
jenige Seite bin, wo die sffentlichen
Sleifhframen gehalten wurden. Hier er=
ariff er das zunächft liegende Meffer : und—
Tochter, rief er aus — ich erhalte dir
die
ohne Borurtheit. 85
die Freyheit auf die einzige Weife, die
mir noch übrig iſt: mir welchen Worten
er unter Dergieffung einer väterlichen
Zähre ven hoch erhobenen Stahl tief in
ihre Bruft verfenfte, dann fich gegen den
Nichterftuhl wendend, hinzu feßte: dich
Appius, und dein fchandliches gZaupt
weihe ich durch diefes Blut zur Rache
ein, Aus der Wunde Pirginiens quoll
die Befreyung Noms von der Unterdruͤ—
ckung der Zehnmänner. Bon allen Seiten
erfcholl die Stimme: erzeugen wir zu
einem folchen Schidfale unfre Kinder 4
find diefes die Belohnungen der Keuſch⸗
beity Auf diefe Stimmen der gefränften,
der beleidigten, 'rachfodernden Vaternei—
gung folgte der ſchnelle Entfhluß , fi
fünftig folche traurigen Begebenheiten ,
folche gräuliche Schaufpiele zu erfparen,
und bie graufamen Urheber verfelben aufs
fer Stand zu feßen, dergleichen zum sone
tenmale auszuführen.
Theures, reizvolles Geſchlecht! du biſt
nicht nur dazu auserſehen, das Gluͤck
unſrer Tage zu werden, du biſt auch die
Triebfeder unſrer glaͤnzendſten, ruhmvoll⸗
ſten Handlungen, und du nahmſt oft
53 dar⸗
86 Der Mann
daran mit Antheil. Weimsberg , ein
kleiner Ort im Wirtenbergifchen, verdient
durch die Treue der Ehefrauen, die dem
Lande, feinem Regenten und dem Vater—
lande feine tapfern Vertheidiger erhielt ,
in den Jahrbuͤchern der deutſchen Ger
fchichte merkwuͤrdig ju werden.
Conrad der Dritte, fich wiegen ber
Hinderniffe zu rächen, welche der Herzog
von Wirtemberg bei feiner Wahl zur Kai—
ferfrone erweckt hatte, überzog das Land
diefes Fürften mit Kriege, und zwang den
unglücklichen, ſich mit feiner Gemahlinn
in diefem unbeträchtlichen Orte zu ver-
fhlüffen. Die Tapferfeit, mit welcher die
Belagerten aushielten, diente zu nichts
weiter , ald den Sieg des Kaifers um
einige Tage zu entfernen, und ben Gie-
ger defto unverföhnlicher zu machen. Die
Stadt gieng mit Sturme über, und alles
follte vom Schwerte und den Flammen
verheeret werden. Die einzigen Frauen
fanden im Angefichte Conrads Verſcho—
nung, er erlaubte ihnen, frey abjus
gieben, und dasjenige mit fich hinwegzu—
nehmen, was ihnen das Koftbarfte war —
Die Herzoginn bedachte fich feinen Augen
blick:
ohne Borurtheil. 7” 37
blick: fie ergriff ihren Gemahl, feste ihn
auf ihre Schulter , und wanderte mit der
theuren Laft durch die erſtaunten Ueber—
minder, Ihrem Beifpiele folgten alle
übrigen Frauen, und die Männer, deren
Tapferfeit für die Rettung der Frauen
vergebens war , fahen fich durch die Lie⸗
be ihrer Weiber von dem Untergange bee
freyet —
4
* G. find in mancherley Streitigfei-
ten verwickelt geweſen, und müffen da—
ber fih auf ihrem Streitroffe mit vieler
Gefchicklichfeie zu tummeln wiffen, weil
Sie niemand aus dem Sattel gehoben
hat. Indeſſen follte e8 Ihnen gewiß zu
ſchaffen gegeben haben, es mit mir aufs
zunehmen — mit mit , einem Kämpfer
von ganz einer andern Art : oder vielmehr
einer Kampferinn ; denn nun haben Gie
doch nach der Unterfchrift gefehen, um
den Rodomont zu Fennen, der fo groß-
fprecherifch vor den Schranfen tritt, um
mit Shen — nicht zu flreiten: denn mein
Widermwillen ift durch die Galanterie, mit
34 wel⸗
88 Der Mann
swelcher ihr letztes Stück gefchloffen war,
entwaffnet. „
Zwar. ich habe mich durch Jahre
und Mühe uber die Neigungen meines
Geſchlechts hinmweggehoben : ich habe bei
der Abnahme meiner Förperlichen Neise,
meinem Geifte Anziehungen zu verſchaffen,
und mich dadurch bemerfungsmwertb in den
Kreifen zu machen gefucht. Bei allen
dem lodert die weibliche Eitelfeit manch—
‚mal in die Höhe, wie die mit Aſche be-
deckte Kohle oft plöglich mit Geräufche
eine Funke fprüht. Ich blieb alfo gegen
ihr Theures, reizvolle Gefchlecht ! nicht
gleichgültig, und anftatt, wie ich vorhin
den Borfaß ‚hatte , wider Gie meinen
Streitbpammer zu heben, daß Sie unfes
rer nicht gedachten ‚ in einem Selbe, da—
von wir ganz Meifter fenn follten, flatt
beffen werfe ich num mit dbanfbarer Hand
Blumenfränze ‚nach ihrem Haupte, und
verfihere Sie im Namen des ganzen
Srauengefchlecht8 , einer ewigen Verbind⸗
lichkeit. „,
nn Schmieget euch vor ihm ihr deutr
fen , fchmieget euch ihr wellifchen
Schriftſteller — Ich habe Ahnen bereits
an:
ohne Borurtheil. 89
angemerket , daß ich der hinfallenden Ge-
alt nicht mit der Schminfbüchfe , ſon⸗
dern dem Wie aufzuhelfen fuhe; Sie
Fönnen alfo Anführungen, und gelehrfe
Ausfchweifungen von mir erwarten —
Noch einmal alfo : fehmieger euch vor
ihm, ihr Schriftfteller Galliens, die ihr
eure Feder der Liebe geweihet, aber fo
weit ald er , euch nie gewaget, nie euch
habet einfommen laffen, die Liebe zu der
Duelle des buͤrgerlichen Heldenmuths, zu
einer Staatsfache, und wo ich mich recht
in ihre Denfungsart verfege, zu einem
fehr fruchtbaren Gegenftande der Geſetz⸗
gebung zu machen. „
„Ihr Siftem ift nach meinem Ge- '
fchmade; es hat etwas ähnliches mit dem
verjährten Sifteme der Ritterfchaft, daß
e8 fchon feines grauen Alterthums wegen
Berehrung und Beifall verdienet. Hätte
fih Cervantes wohl jemals, auch"nur in
der Unordnung eines Traumes beifommen
lafien, daß im Jahre 1768 ein Hlegmati=-
fher Deutſcher aufftehen, und mit. phi-
Iofophifher Ernfihaftigfeit Don Quixoten
zu Ehren bringen wuͤrde.
5 5 Ey) Den-
90 Der Mann
„Denken Sie, daß ich von dem
theuren reizvollen Gefchlechte bin, dem
das Vaterland den fiegenden Helden ver
danfer , das in Rom und Weimsberg
Wunder gethan , borten folge Männer
verfcheuchet, bier mit den werthen Ge-
fchöpfen davon wandert! Denfen Sie,
daß ich davon ein Theil bin, und daß
Sie mit mir die Ausdrücke nicht auf die
Probierwage legen , oder ihre galante
Denfungsart verläugnen müffen! Glaus
ben Sie indeffen nicht, daß es Männer,
neidifche Männer geben wird , die ſich
noch weit mehr, als diefen Ausdruck er-
lauben, die es zu einem fehr ernfihaften
Gefchäfte machen werden, ihr Lehrgebaͤu⸗
de zu entfräften, nicht es lächerlich zu ma⸗
chen, fondern als gefährlich zu verfchreyen.
Ich kann Sie verfichern , weil ich bereits
davon Zeuge war, und für die Lieblings—
Ichre meines Gefchlechts , folglich auch
für Sie, bereits einen fcharfen Gang ger
than habe, wofür Sie mir ohne Zweifel
in einem öffentlichen Schreiben danken
werden. „,
„Ich verdiene ed: ed war ein hartes
Stück Arbeit , mit einem fürchterlichen
Man:
ohne Borurtbeil. 91
Manne, dem die göttliche Venus nie ge=
fächelt, dem Mißgunft mehr als Nach:
finnen fünf groffe Furchen an die breite
Stirne gezogen, und das Wachen bei der
mitternächtlichen Lampe, über fein ganz
Geficht die Farbe des im Herbfte fallen
den Laubes verbreitet hat. Seine Den:
fungsart ſtimmt mit diefem Auffenwerfe
überein. ine weibliche Kreatur hat nie
ſich ihm auf zehn Schritte, wenigſtens
mit feinem Willen , nicht genähert. Die
Stimme eines Kindes klinget feinem Ohre
fchrecklicher , al8 dem verirrten Wanderer
ber traurige Nuf des Nachtvogels: er
hält Empfinden für Weichlichfeit, und Fie-
ben, beinahe für eine Sünde. Ich weis
nicht, durch welches unwiffentlihe Ver:
brechen ich verdient hatte, diefem Manne
unter die Augen zu fommen. Er faß un-
gefähr fo weit von ung andern weiblichen
Ungeheuren entfernet, als, nad) der ge—
wiſſenhaften Ausmeſſung der neueren Welt:
soeifen der Umfreiß der Aushauchung reicht,
diefes, mie er felbft fagte, aus der wei—«
fen. Borfiht , mit der Luft nicht etwan
ein verflogeneß mweibliches KRörperchen ein=
zuathmen. Die Srau von Haufe, eine
Anz
92 Der Mann
Anverwandte von ihm, der feine Art zu
denken befannt feyn mußte, legte die Uns
ferredung an. z,
„ Kun — fagte fie — bier iff ein.
Schriftfteller , den Sie in roth Saf—
fian gebunden ‚, Schnitt und Rüden
vergüldet, in ihren Bücherfihranfen
ftellen müffen. Er wird ihr —————
ſteller werden, ganz gewiß! „ .
Wo nicht ihre gewöhnliche eebhaf—
tigkeit Ihnen eine Thorheit in den Mund
legt, fo bitte ih Sie um den Namen. „—
„ Den Klameny der Namen thut
zur Sache wenig + Sie müflen hö—
zen! — und nun fieng fie an: YGerr der
Natur! eben fo weis im Erhalten u. f.
w. Als fie an die Wörter fam: wer
taucht den Ziel des Schriftftellere in
Flammen, der dich Liebe fchildert u.
ſ. mw. verbreitete fich eine Nöthe, wie bie
gräuliche Nöthe des Himmels bei einer
nächtlichen Feuersbrunſt, über feinem er
zen Gefichte —
„ Ih dachte es — fiel er ein, es
würde einer von den Spornftreichen feyn,
dabei fich meine Muhme fowohl gefällt —
Allein fie ließ ſi ch durch dieſe Hoͤflichkeit
nicht
ohne Borurtheil. 93
nicht abhalten, und was auch immer der
gute Mann für fürchterliche Gebehrden und
Verzuͤckungen machen fonnte, er mußte
den Lobfpruch der Liebe, und das Gluͤck
der Liebenden, und den Vortheil, den dag
gemeine Wohl daraus zieht, nad) ber
ganzen Länge von einem Ende zum andern
anhören — „,
> Glauben Sie — fieng fie nach ge
endigter Vorlefung an — glauben Sie
nit, daß diefer menfchenfreundliche
Schriftfteller ale ein Flafiifches Buch
eingeführt , und der Jugend recht bei
Zeiten austelegt werden ſollte —
„ Dhne Zweifel, Madame! und ich
denke, es foll auch nicht lange mehr feyn,
bis es gefchieht — Wie kann man diefe
Prediger ber Verwuͤſtung im Staate herum
wandern, und fogar unter der Aufficht
der Eenfur den Saamen der Zügellofig-
feit ohne Scheu ausſtreuen laffen? Gie
haben ihr Töchterchen, und ihren Sohn
diefe Blätter natürlich einigemal überlefen
laffen ; und wenn bie erbauliche Samm-
lung alle feyn wird, wird e8 dann nicht
—— der theuren Jugend wer⸗
den?
Das
94 Der Mann
„ Das wird es — unterbrach fie ihn
lächelnd — jedoch mit ihrer Genehm-
baltung, Herr Obeim! „,
„ Mit meiner Genehmbaltung zum
mindften nicht, das betheure ich Ahnen,
Giebt es nicht ohnehin der Tricbfedern zum
Höfen genug ? ift die Jugend nicht ohner
hin durch eigenen Hang, durch tägliche
Beifpiele, felbft durch eine Art von Mode
zu Ausfchweifungen geneigt, ohne das man
noch ingbefondere , mie diefer Miſſionaͤr
von Cythere, fie durch National oder
Staatsgrundfäge dahin treiben darf ? ,,
„ Nun fam meine Reihe, denn id)
hatte bis hieher nur gehösrt. Ausfchwei-
fungenv fagte ih — Sie nennen alfo
gefittete, auf Tugend gegründete Lies
be, Ausfchweifungen Sie find ohne
Zweifel ein Rigorofifty „,
„ Und Sie, Madame gab er mit ber
fpösttenden Mine ber Verachtung zur Ant=
wort — find ohne Zweifel feine Rigoroſi⸗
ftinn? Sch babe Sie nie dafür angefehen:
ich weiß, daß die abgefpannte Sittenlehre
giemlich nach dem Gefchmacke des heutigen
Srauenvolfs ift, und es thut wohl daran;
fie ift wenigftens febr bequem. Indeſſen,
ba
ohne Bor urtheil. 95
da wir nun einmal darauf gefommen find,
fo möchte ich in ihrem Munde gerne bie
Grundfäge ihres neuen Sektirers mit den
Grundfägen der Religion vereinbaret wiſ⸗
fen, welche den ehelofen Stand als ven | en,
volfommenen anpreißt — „,
„Ich ließ ihn nicht vollenden: Sie
machen es — fiel ich ihm in die Rede —
wie alle diejenigen, die eine üble Sache
vertheidigen, wozu es ihnen an Brün-
den,.mangelt ; fie flüchten in die Sa—
friftey. Indeſſen ift zum Glüde die
Kappe St. Benito nicht mebr üblich.
Sie feben, ich weis ein Bischen von
dent Gebeimniffe , die Schriftfteller
fhweigen zu machen, die man nicht
widerlegen Tann, und doch — Aber
was habe ich zu forgen, Ich weis,
daß die Liebe zur Ehe führt ; daß die
Ehe von der Religion geheiliget ift;
daß fie im Ungefichte der Kirche ge:
fchloffen wird, und ihr von derfelben
befondere Vorzüge und Gnaden ver:
beiffen find; und daß ich, da ich zu
wablen hatte, Gnade für Gnade, der-,
fenigen Lieber theilbaftig geworden bin,
die ich im Eheſtande, als derer, wel«
he
96 Der Mann
he ich in der traurigen Einſamkeit
des ebelofen Standes zu erwarten bat-
te: und daß ich dem Staate zu dem
Geſellſchaftogeiſte, der aus dem Glüde,
and dem Segen der Ehe entfpringt,
recht vom Gerzen Glück wünfche,. „.
„Alſo Madame. halten Sie dafür,
daß die Etände — „
„ Rein alfo, mein gerr! ich halte
nichts dafür: und ich werde es nicht
zugeben, daß Sie dafür halten. Mir
ift eure Art zu folgen gs: unbe:
kannt —
* Aber die Vollkommenheit —¶
„Aber, noch einmal, dieſe Voll:
Fommenbeit fodert zum wenigften von
Ihnen nicht , daß Sie gegen eine
Srauensperfon unertig ſeyn, und fie
zwingen , wegen Sie eine Streitrede
aus der Gottesgelehrtheit abzuhalten.
Ich eſſe, ob ich gleich die Ehe nicht
unter die verwerflichen Stände zähle,
fo gut als Sie am Sreytage Feinen.
Kalbebraten , der fonft mein Baum:
gericht ift, und ih glaube —
„ Ich darf Ihnen wohl in die Nebe
fallen, Madam, und Sie mit aller Hody:
; ach⸗
*
ohne Borurtheil, 97
achtung, die Sie auf das Anfehen ihres
Fiſchbeinrockes vorausſetzen, verfichern ,
daß davon nie die Rede feyn wird, was
Ste glauben, fondern — „
„ Sondern, was die tiefgelehrten
Berten ihrer Art, durch einen allgermet:
nen Rathſchluß uns zu glauben vor:
fehreiben werden, nicht wahr „,
„ Sie fehen , mein guter Schrifeftel:
ler, ver Dann wollte anfangen , aus ei—
nem fcherzhaften Tone zu fprechen : ich
fürchtete den liebfofenden Huf des Grau—
thiers , und gab meiner Freundinn einen
Wink, unfte ——— zu unterbre⸗
den. „
„ Sndeffen fehen Sie durch alle die
Umfchmweife meines verwirrten Briefes ,
was man etwan aus ihrer Meinung, ge>
gen Sie für Schlüffe ziehen möchte: Sie
find ein Miffionar Cytherens. Ich wuͤn⸗
(che Ihnen Gluͤck zu der Würde: ihr Hör»
faal wird immer zahlreich feyn, fo lan—
ge —
„ Sie verftehen dag übrige, und was
ich beforge. Wäre es nicht gut, ein we—
nig vorhinein auf ihre Sicherheit zu den=
fen, und allenfalls den Einmwürfen, die
IV, Theil. & . Sie
98 Der Mann ohne Vorurtheil.
Sie vorherfehen, entgegen zu gehen? Ich
dächte. Kehren Sie fih an die ungleiche
Laune meines Briefes nicht! es wird mir
ſchwer, einen Gedanken wegzuſtreichen,
der mir ein wenig huͤpfend vorkoͤmmt, er
mag nun paſſen, wo er ſteht, oder nicht:
einmal iſt er da. Er mag alſo bleiben,
ohne der Verſicherung das geringſte von
ihrer Staͤrke zu benehmen, daß ich mit
wahrer Achtung für ihre Bemuͤhung
bin |
Ihre eifrige Sreundinn Rofalia.s.
ur U a u m ———
SIDE e ;,
und |
E leminitie
. 62
Bielleicht wär dieß Geflecht, das wir fo gem
| beladen,
Der Zärtlichkeit der Edlen werth :
Bemlhten wir ung mehr, das, was die Geier
ehrt, .
Verſtand und Wis, Geſchmack und Tugend,
Den ächten Wit der ſchönen Jugend ,
Mit ihm vertraulicher zu machen.
Wieland.
An die
tugendhaftfte Franensperfon.
Verehrungswuͤrdigſte
ihres
Geſchlechts!
Bañꝛtter worin unter dem leichten
Schleyer des Scherzes vielleicht einige
von den wichtigen Lehren verhüller lie⸗
gen, die Sie durch ihre anmurhvollen
Handlungen empfehlen; Blätter, worin
vielleicht einige von den herrfchenden
Laftern Ihres und des männlichen Ge-
fchlecht3 entlarvet werden, deren Ab⸗
fcheufichfeit durch die Abftechung mit
Ihren Tugenden noch abfcheulicher ger -
macht werden; Blätter, die wenigftens
Ihren vichtenden Blick, vor dem Uns
anftändigfeit und GSittenlofiafeit es nie
wagen werden, zu erfcheinen, nicht zu
feheuen haben; folche Blätter Fönnen
nur Ihnen zugeeignet, nur durch die
Auffhrift Ihres Namens noch mehr
empfohlen werden.
Möge die gefahrbringende Deut-
ſucht, die Tochter der allgemeinen Ber;
U Air feum-
feumdungsbegierde, die fich bisher im»
mer geübet, entehrende Aehnlichfeis
ten aufjufuchen, um die Dennoch mei-
ftens nur die Linke nach der Rechten
zu greifen gehabt hätte , möge dieſe
ſich nun auch einmal anſtrengen, eine
Perſon zu bezeichnen, die ſie nicht
balder erkennen, als verehren wird.
Vielleicht aber ſind die Stimmen
der billigen Hochachtung nicht fo leicht,
als die Stimmen der Berläumdung zu
vereinigen! WBielleicht auch: ift vie
Wahl unter ihren liebenswärdigen Ges
fpielinnen fo leicht nicht zu treffen !
Dielleicht findet jeder Munn an feiner
Geite eine Öattinn, jeder Liebhaber
eine Geliebte, jede Mutter in ihrem
Haufe eine Tochter, die die ehrenvolle
Bezeichnung meiner Zuſchrift anfpres
chen £önnen !
Ach hoffe es; wuͤnſche dann meinem
Vaterlande und der Tugend hiezu
Gluͤck, und fchreibe entzuͤckt meine Zus
eignungsfihrift auf folgende Weife um:
Allen tugendhaften Frauens⸗
perſonen ſeyn dieſe Blatter zuge⸗
eignet!
von bem zerausgeber.
An Herrn |
3; Hofrath von Born,
Verehrungswürdiger Freund!
Mir wenn ein Mann der Ver:
faſſer diefer Blätter ware? *) Durch
diefe Worte wurden Sie in Ihrer
Muthmaſſung beſtaͤttiget, und wuͤnſchen
von mir ein Geſtaͤndniß — Nun denn!
Sie haben nicht geirret. Thereſie,
wie Sie wiſſen, iſt der Name der
theuren Perſon, welche die Vorſehung
zum Werkzeuge meiner Gluͤckſeligkeit
auserfehen hat; und Eleonore, der.
Dame ihrer Schwefter , deren Herz
beftimme zu feyn fcheine, der Lohn eis
nes gefitteten, tugendhaften Juͤnglings
zu werden —
Sch fee mich über das Vorur—
theil weg, und habe das Herz, meiner
G 4 Gat⸗
*) XLI. Stuck om Ende. —
Gattinn und ihrer Schwefter vor aller
Welt zu fagen, was ich beiden, in
Shrer Gegenwart, wirdiger Freund,
fo oft wiederholt babe, und wobei ich
Sie als einen Zeugen aufführen kann,
daß es Feine Schmeichelen ift.
Don diefen mir fo werthen Pers
fonen habe ich die Erlaubniß erhalten ,
unfer ihrem Namen ihrem Gefchlechte
Wahrheiten zu fagen, und Erinneruns
gen zu machen, die es vielleicht lieber
aus dem Munde feiner Gefpielinnen
hören würde. Und. vielleicht habe ich,
den Beifall, ‚mit welchen diefe Blätter
aufgenommen wurden groͤßtentheils
diefer Einfleidung zu verdanken.
Erlauben Sie mir nun aber, zum
Preife meiner Offenherzigfeit, daß ich
davon noch einen Gebrauch mache, und
wie diefelben bereits der tugendhaft⸗
ften Frauensperfon zugeeignet find,
ich fie auch noch Ahnen — dem beiten,
redlichſten Manne — zufchreibe.
Sonnenfels.
Thereſie und Eleonore.
Aßwaſt⸗ übertraf in der Politif den grof-
fen Perifles , in der. Beredtfamfeit alle
Redner ihrer Zeit, zählte unter ihren Zu—
hoͤrern den weiſen Sokrates, und hatte zu
ihrem Lobredner den goͤttlichen Plato.
Sapho war eine gärtlichere Dichterinn, alg
felbft Anakreon. Dacier überfeste uns
gleich beffer als ihr Mann. . Sevigny in
ihren Briefen läßt den Großfprecher Ra—
butin weit hinter ſich. Deshouillers ift
nicht ſo gernwitzig als Sontenelle. Wel:
cher Mann darf mit einer Graphygni,
mit einer Riccoboni in der Zeichnung der
Leidenfchaften, in ihren feinern Verflöffun-
gen auftreten? Bottfchedinn fonar, war
mehr Dichterinn als ihr treuer Eheſchatz,
der gleichwohl fo manchen Lorbeer augge-
theilet hat; und Unzerinn und Karfchinn
find wenigſtens mehr werth, alg die gan—
je Schule der Reimreiche, Die Inſek—
5 ten=
en
—— | |
tengefchichte hat gegen Merieninn mehr
Derbindlichfeit , als gegen was immer
für Müdenfänger. Eliſabetha Cheron
machte durch ihre Talente in der Malerey
ihre Zeitgenoffen in Franfreih, und Ro-
ſalva die ihrigen in Stalien zu unfern
Zeiten, eiferfüchtig. Die Krone unſers Ge-
» fchlechtes , die Monerkhinn The—
refia, wird in allen Gefchichtbächern ,
den ftandhaftften Negenten, und den wei—
feften Gefeggebern an die Seite geſetzt
werden.
Wir — wollen es verſuchen, ob The—
reſie und Eleonore es dem Jünglinge
und Manne, und Greifen *) gleich thun
fönnen, Wir hätten Luft zu fagen: dem
Manne ohne DVorurtheil : aber er ift
ung zu ernſthaft, wir mollen ihn lieber
zum Freunde baben.
Das würde alfo eine Wochenfchrift
von Derfaffern weiblichen Gefchlechtey
— ‘a! und für das weibliche Gefchlecht!
denn an bdaffelbe hauptfächlich wollen wir
uns
) Wochenblätter dirfes Namens.
—— ——
unſre Betrachtungen richten, von demſel⸗
ben wuͤnſchen wir vorzuͤglich geleſen zu
werden. Erſchrecken Sie nicht davor,
theuerſte Geſpielinnen! daß unfer Eingang _
ein ‚wenig gelehrt läßt; wir felbft find es
bei weiten nicht: wir find unr den maͤnn⸗
lichen Schriftftelern auf die Spur gera—
then, haben ihnen den Kunfigriff , ge:
lehrt zu thun, abgelernt; ein hiſtoriſches
Wörterbuch hat ung diefen Dienft gelei—
fiet , und wir häften daraus noch viel
mehr abfchreiben Finnen. Doc, wir ger
ben Ihnen unfer Ehrenwort; in Zukunft
foll unfre Miene gar nicht pedantifch, nicht
die altjüngferliche Miene der vernünftigen
Tadlerinnen *) feyn! Keine ängftliche
Drdnung! fo, wie fich die Gegenftände
darbieten, alle Gegenftände , die fich dar-
bieten ‚die auf die Sitten , den Anftand,
die Artigkeit, die Tugenden unfers Ge-
ſchlechts eine Beziehung haben, werden
wir vor uns nehmen! Aber wir wollen
nicht unterrichten. ! wir wollen über diefe
Ge:
*) Eine billig vergeſſene gottſchediſche Wochen⸗
ſchriſt.
—
Gegenftände bloß einige unfrer Gedanken
mittheilen! Sie — behalten immer die
Freyheit, zu folgen, wenn Sie e8 für
gut befinden — Wo nicht, fo werden wir
nicht zürnen + denn wir haben fein vn
Solgleiftung zu fodern.
Daraus ungefähr Finnen Sie den Ton
unfter Blätter vorfehen :. Offenherzigfeit,
Dertraulichfeit, Laune; nichts Hergefuch-
tes, nichts Steifes! das erfte Wort, fo
ung unter die Feder koͤmmt, wird uns
dag liebfte, der Ausdruck, der am beuf-
lichften ift, immer der befte feyn. Dennoch
find wir nicht gut dafür, ob ung nicht
manchmal eine Eleine Ernfthaftigfeit an=
wandeln werde, Therefie hat einen Mann,
Eleonore einen Liebhaber : das Betragen
diefer Gefchöpfe gegen uns iſt nothwendig
von einigem Einfluffe. Alfo, wenn wir
muͤrriſch find; fo fagen fie: Therefiens
Mann fpielte heute den Eheherrn—
Pleonore bat fich mit ihrem Liebhaber
überworfen : Sie werben nicht geirref
haben.
The:
_——
J
— —
CThereſie wird die Vertraute der
Srauen , oder Braͤute, SEleonore bie
Bertraute der Mädchen feyn: fo haben
wie ang in unfre Fünftigen Korrefponden=
tinnen getheilet.. Sollten auch Männer
an ung fchreiben, fo wird es anſtaͤndiger
feyn , fid) am die erfle zu wenden,
Wir werben mechfelweife jede ein Blatt
geben, und unfre Anfangsbuchftaben dar-
unter fegen. Wo die Buchſtaben T. oder _
€, nicht fiehen, das werden eingefendete
Stücde feyn *), denn wir weifen auch fremde
Beiträge nicht zurück: befonder8 werden
uns die von unferm Gefchlechte Ihäßbar
ſeyn.
Verſe, Proſa, Erzaͤhlungen, Uberſe—
tzungen, Fabeln, Geſpraͤche, alle Arten
von Einkleidungen werden ung zu Gebote
ftehen, um die Binförmigfeit zu vermei-
ben. Aber wir wollen ung auf feine lan-
ge Zeit verbinden : ein halber Jahrgang ift
genug, gegeneinander zu verfuchen : ob
wir
*) Es find Beine fremden Stüde an diefe
Sammlung aufgenommen.
— — —
— — — ——
wir den Leſern, ob die Leſer ung anſte—
hen: und dann wollen wir ſehen!
Wir werden beſorgt ſeyn, daß Papier
und Druck rein gehalten werden. Die
Korrektur und Rechtſchreibung, zu groſſe
Kleinigkeiten fuͤr unſer Geſchlecht, haben
wir, dem Verleger zu beſorgen, uͤberlaſſen.
Wien den 20. Auguſt 1766.
Sherefie
und .
“ Eleonore.
1.
Ihr Schönen, fchrenkt euch nicht auf Beinen
Anſpruch ein!
Erkennet euch! — und ſeyd zu ſtolz, nur
ſchon zu ſeyn!
Wieland.
x
| Cyhriſale! wo biſt du x höre ich den
Schwarm der Lacher und Schönfchreiber
ung zum Wilfomm entgegen rufen — Ich
verftehe Sie, meine Herren! und ich will
Ihnen die Mühe erfparen, ung aus Mo—
liers gelehrten Weibern den Verweis: des
baftigen Alten vorgufagen: Ich will e8 an
ihrer Stelle felbft thun.
Ebrifale alfo , hält feiner Schwefter
ihr laͤcherliches Gelehrtthun fehr nachdruͤck⸗
lich vor ) — „ Eure ewigen Buͤcher —
fpricht er — find mir ımerträglich. Einen
einzigen dicken Plutarch ausgenommen ,
meine Halsfraufe aufzubewahren, follter
ihr all den unnügen Plunder in das Feuer
werfen ! Mebselßt das Vielwiſſen den
Dok⸗
*) U. Auf. VI. Yufkr.
ı12 Thereſie und Eleonore.
Doftoren in der Stadt — Glaubt mir?
wollt ihr Elug handeln, fo fchickt das lans
ge Sehrohr auf dem Boden , an dem fich
die Leute nur fchrecken, und alle die hun—
dert Lumpereyen, die ich nicht mehr vor
Augen haben will, zum Geyer! und an=
ftatt darnad) zu gucken, was man im
Monde thut, feht viel lieber ein menig
zu, wie es bei euch bienieden ausſieht,
wo alles ziemlich bunt über Ed geht —
Es fieht nun einmal nicht gut, daß ein
Weib fiudiert, und fo viel weiß. Ihre
Kinder anftändig erziehen, das Hauswe⸗
fen im Gange erhalten, das Aug auf ih-
vem Gefinde haben, die Ausgaben ber
Hauswirthſchaft beforgen, das muß bie
ganze Wiffenfchaft der Weiber, das muß
ihre Philofophie fenn! — Unfte Väter .
waren in diefem Stuͤcke ganz vernünftige
Leute. Ein Weib, fagten fie, weis im⸗—
mer genug, wenn es ein Wammes von
Beinfleidern zu unterfcheiden weis. Ih⸗
ve Meiber blätterten nicht in Büchern,
aber fie lebten , rote ſichs gebührer. Ihre
Haushaltung war ihr gelehrter Zeitver⸗
freib ; und ihre Bibliothek beſtund in Fin—
gerhut, Faden und Nähnadel, womit fie
bie
Therefie und Eleonore. 113
die Brautwäfche ihrer Töchter zu rechte
machen, Aber heute, ja doch! wie him:
melweit find unfre Weiber von ihren Sit-
ten abgefommen ! fihreiben wollen fie
foger! ſogar Schriftftellerinnen wer:
den! — „, |
Hier wären wir alfo bei ver unglückli=
chen Stelle! fchreiben wollen fie foger!
foger Schriftftellerinnen werden! Aber,
meine Schweftern! die Herren, die ung
diefe froftreiche Stelle fo dreifte unter die
Augen halten, denken nicht daran, daß
wir die Feder in der Hand haben, und
ung gegen fie und den Komoͤdienſchreiber
vertheidigen Eönnen. Und, Moliere fol
hier eben ſowohl dag Kürzere ziehen, als
Belife bei ihm, die er, ligſtig genug,
zu ihrer DVertheidigung nichts als eine
froftige Ausrufung thun läßt:
Ein Weib alfo darf nicht viel wiſſen!
und warum , wenn ich fragen darf ?
Weil fie dadurch von den häuslichen
Derrihtungen abgehalten wird, die ihr
eigenes Gefchäft ſeyn müſſen.
Aber, wenn fie nun dadurch an den
Pflichten ber Diskiape nicht gehindert
wird ?
IV. Theil. H Uber,
114 Thereſie und Eleonore.
Aber, wie ift das möglich v
ie das möglich ift ? fehr leicht! Fin-
den fie unter den Stunden einer Frau
von einem gewiffen Stande — denn, von
denen kann hier Feine Rede feyn, welche
ihren Kindern gemeinfchaftlih mit ihrem
Manne den Unterhalt erwerben muͤſſen —
unter den Stunden alfo einer Frau von
einem gemiffen Stande finden fie feine,
die eben Feiner Befchäftigung zugetbeilt
find, oder vielleicht auch nügbareren Be—
fchäftigungen zugetheilt werben koͤnnten ?—
zählen fie genau nah! von acht Uhr des
Morgens, bis eilf Uhr in die Nacht find
ı5 Stunden; find alle diefe dem Hauswe⸗
fen beftimmet ? — Iſt Feine Morgenftunde
überfliäfig bei dem Anpuge ? find Feine
Abendfiunden bei dem Spiele verloren ? —
Wohl denn! Nehmen fie an, eine Fran
breche ſich etwas von dem Pugtifche ab!
oder auch fie pflege, während fie am Putz⸗
tifche ſitzt, ſich mit einem Buche zu untere
halten! Seen fie, das Spiel fen ihr feine
Zeitverfürgung , fie entziehe fich demfelben,
“00 ed immer der Anftand zulaͤßt, und
blaͤttre dafılr die langen Winterabende in
einem amterrichtenden Buche! Sehen gt
t a
Therefie und Eleonore. 115
da hätten wir vor der Hand eine Zeit ges
funden, die nicht auf Köften der Haus:
gefchäfte geht! —
Wo aber ift die Stau, die ihre Zeit
Lieber mit einem Emil, als am Qua-—
drilientiſche hinbringtY —
Keine Satire! meine Herren! Feine Ans
wendungen! E8 war hier die Frage nicht,
ob wir unfre Stunden fo verwenden 2
wir hatten zu unterfuchen, ob wir fie fo
verwenden Fonnen ? Aber, daich Sie nun
einmal bis dahin gebracht habe, fo follen
Sie mir nicht wieder entwifchen! ich will
Sie noch weiter eintreiben.
Was für eine Urfache hätten Sie wohl,
ung fo fehr von jedem Buche ferne zu halten ?
Ich habe den Spötter Juvenal in einer
Veberfegung gelefen: ich weis, mie fehr
ee vor einem Weibe warnet, die Schluß=-
reden drehet, und die Befchichte von
der Kanzel Lehren Fann: und aufrich-
tig, er hat nicht ganz Unrecht. Ein Weib,
das den Grotius anführt, und Friedens⸗
präliminerien entwirft, ift eben fo un=
ausftehlih, als ein Profeffor , der feiner
Geliebten die Saarloden kämet, oder
ein Kath, der am Tambour naht. Aber
2 es
116 Thereſie und Eleonore.
es giebt eine Mittelftraffe, und die allen=
falls, follte tung doch wohl erlaubt feyn zu
wandern. Es giebt unentbehrlicye Kennt:
niffe, deren Mangel vor der Welt lächer-
ih macht. Es find nun drey Jahre, ba
fand ich mich in einer zahlreichen Gefell-
fhaft, wo unter andern von Pommern
die Rede war. Man behauptete, Pommern
wäre aroß, andre wiberfprachen. Als der
Mortftreit Iebhafter zu merden anfieng ,
frat die Frau vom Haufe ganz ernfihaft
in das Mittel: wozu diefes Zanten,
fing fie an, ich Laffe Ihnen meinen aus
dem Stalle heraufbringen : er ift von
den größten, und ift dennoch nur wie
ein balbgewachfenes Schaf. Gie koͤn—
nen denfen,, mit welchem innigen Ent
zücken der Mann feine Hausehre betrach⸗
tet haben muß, bie ihren Verſtand der
ganzen Gefellfchaft fo vortheilhaft auf:
führte —
Wenn e8 nicht buchftäblich wahr ſeyn
fol, was ein anmuthiger Dichter, den
mein Mana immer den deuffehen Catull
nennet, von. ung fchreibt:
&
*.
Therefie und Eleonore. 117
So find die Mädchen, wie ihr meint,
Denn Feine Menfchen?. Ä
Nein mein Freund !
Was find fie denn Herr Mädchenfenner ?
Lebend’ge Puppen für die Männer.
Mollen wir nicht bloß als Tebendite
Puppen gelten, beftimmt, die Tandeley
der Männer zu feyn ; fo ift e8 nothwen-
dig, daß wir zu etwas mehr taugen, als
unferem theuren Eheberrn in einem Arm—
fiuhle gegenüber zu figen, unfre Augen
gegen ihn mafchinmäffig fhmachten zu laf-
fen, und von Zeit zu Zeit, der beliebten
Abwechslung wegen, bedachtfam zu gäh-
nen. "Glauben Sie mir, meine Freun-
dinnen ! die fchönften,, die feurigften Aus
gen find ftumm, menn ber Mund nichts
zu fagen weis: und das Wort, das unfre
Abgötterer, wann es das erftemal über
unfre Lippen fährt, vor Entzücken auffer
ſich felbft feßet, das Foftbare : Ich Liebe
Sie! wird ihnen endlich ungeſchmack, wenn
fie immer nicht weiters hören, als; ich
Liebe Sie! ich Liebe Sie! und abermal,
ich liebe Sie. Cie werden e8 endlich
überdrüffig, die fchöne Bildfäufe zu bes
‘ N 3 trad)=
ı1g Thereſie und Eleonore.
-. trachten, und Ichnen fie irgend in einen
Winkel zu. ihren übrigen Geltenheiten
und Antifen.
E8 mag feyn, daß es genug ift, ſchoͤn
zu feyn, um bie Liebe eines Mannes an
sufachen ; aber, um fiezu erhalten, iſt ne»
ben andern Eigenfechaften, die wir ung felbft
ſchuldig find, wenigftens ein gewiſſes Maaß
von Verftand nothwendig. Nicht wahr,
wir wirden unendliche lange Weile haben,
wenn. uns ein böfes Geſchick zu einer
ſtummen Neifegefellfchaft verurtheilte. Nun
wie langweilig muß ein Mann feine Zeit
finden, der an eine unbefeelte Benus auf
ewig gefäffelt it ? der an ihrer Geite ent⸗
weder fchweigen, oder fich erzählen laſſen
muß, wie Lange die Schleppe ihrer Ro-
belonte ſeyn werde v
Eh! meine Srauen: wir teftetten
Ihnen gerne Vernunft zu haben! aber
fo viel, ale genug if, und nicht zu
viel!
Wir danken Ahnen für. diefe gütige
Erlaubniß. Und wie viel ift denn wenutt,
meine Herren ? wo find die Gränzfteine ,
die Cie ung zu feßen belicben ? und damit
ich auch etwas von meiner Gelehrfamfeit-
an
Therefie und Eleonore. 119
an Mann bringe, wo ftehen die Säulen,
die das Non plus ultra der weiblichen
Vernunft find? — Kann ich in ihre tiefe
Einfiht rathen, fo follen wir und an dem
vernünftigen Reden begnügen, und das
Schreiben Ahnen überlaffen ? Sch koͤnnte
Ihnen antworten: bie Foberung fey bil-
fig: die Buchläden flieffen ohnehin von
ungefchmacken männlichen Erfchaffungen
über! aber ich bin fo boshaft nicht. Sch
hoffe, nachdem Sie ung einmal erlaubt
haben, vernünftig zu reden, wohl auch
die Erlaubniß zu fchreiben, von ihnen zu
erbitten ; und daß eigentlich um ihrer feldft
Willen. Es fann fidy fügen, daß Sie ab:
wefend find, daß Sie von ihrem Haufe
fih die Neuigfeiten überfchreiben laſſen
muͤſſen. Wollen Sie durchaus, daß alle
von ung einlaufenden Briefe mit einem:
Es freut mich, daß du geſund biſt, ich
und CEhriftoffel find es auch, oder uns
gefähr auf diefe Art anfangen follen? —
Nein! Sie fönnen fih kaum vorſtellen,
wie man die mwohlgefchriebenen Briefe ei=
ner Geliebten, einer Sattinn, einer Toch⸗
ter gleichfam verfchlingt. Sie koͤnnen nicht
glauben, um wie viel Sie uns lieber ge⸗
24 win⸗
ı20 Thereſie und Eleonore.
winnen werden , wenn Sie in unſern
Schriften Neize des Geiftes entdecken, die
wir bis ist zu entwickeln , Feine Gelegen⸗
heit hatten —
Wohl, wenn es Briefe find, aber
Wochenfihriften —
Wie unbillig Sie find! Laffen Sie ung
doc) die Unterhaltung — da wir einmal das
Schreiben jedem andern Vergnügen vor—
ziehen — unfre Gedanfen über diefen, über
jenen Gegenftand niederzufchreiben! Wir
thun e8 nicht, um drucken zu laffen. Aber
mein Mann, Eleonorens Liebhaber über:
rafchen ung: es ift zu fpät, daß wir uns
fre Auffäge verbergen koͤnnen — Wie, Sie
fchreiben fo artigY die Welt muß fo
Schöne Schriften nicht verlieren !— Ue—⸗
berlegen Sie doch, fagen wir ihnen, was
die Stadt fagen wird, wenn wir ung ab⸗
geben, Schriftftellerinnen zu werben. Gie
bören nicht auf ung : fie laufen bin,
unfre Verfuche drucken zu laſſen. Sollen
wir zuͤrnen ? Warum zürnen fo viele Schrift⸗
fieller nicht, denen, wie fie wenigftens in
ihren Vorreden gemeiniglich fagen, Freun—
de ihre Auffäge entwenden , und wider
ihren Willen zum Drucke befördern ?
+
Therefie und Eleonore. 121
II.
Ich Höre meine Schweſtern ſagen:
Man mäüffe kein Geſtaͤndniß wegen.
Hagedorn.
Man frage ung Mädchen: ob wir ei-
nen Liebhaber haben 3 wir find offen
herzig genug, ja! zu fagen — Man frage
ung: ob wir einen Mann wünfchen x
wir erröthen ; wir fchlagen die Yugen nie=
der; wir find verlegen, und thun alles,
einem Geftändniffe auszumeichen, wodurch
wir, der Sittfamfeit unfers Gefchlechtes
zu nahe zu treten, glauben. Ein Mann,
deſſen Namen ich ſtets mit Ehrfurcht nen—
nen werde, that einmal diefe verfängliche
Frage an mich +: und ich „ antwortete
nad) dem gewoͤhnlichen Tone unſers Ge-
ſchlechtes. Das ift nicht vernünftig,
mein Kind! verfeßte er, und führte einen
Grund an, den ich mit feinen eigenen
Worten wiederholen will, fo gut id) die=
felben behalten habe.
Wiffen Sie, mar feine Rede, wozu
diefe Ziererey nüße ift? zu nichts weiter,
als, um von der Unfchuld eines Mädchens
nicht die befte Meinung zu befommen. Denn,
95 war⸗
122 Thereſie und Efeonore.
warum follte fie bei dem gleichgültigen
Worte Mann erröthen, wenn fie nicht
etwan feine Bebeutung weiter auffuchet,
als e8 die Schambaftigfeit erlaubet?. In
der That, fo lange ein Mädchen noch in
der glücklichen Unmiffenheit ift, die fie oft
mehr, als bie firengfie Sittenlehre von
Fehltritten bewahret, was fann ihr dieſes
Wort anders heiſſen, als: einen Lieb:
baber , der ehehin durch die fanften
Bande ihrer Reize an fie geheftet war,
und nun durch die heiligen Bande der
Religion und Geſetze unauflöslih an
fie wefäflelt , der unabfönderliche Ge—
Fährte ihrer Tage ſeyn, dem feine Lie—
be zur Pflicht werden, der mit ihr Zaus
and Glück gemeinfchaftlich haben folk.
Ach finde in diefem Begriffe nichts, was
die ffrengfteSittfamfeit beunruhigen, nichts,
was der reinften Unfchuld ben Wunfch um
einen Mann verbieten koͤnnte. Hüten Gie
ſich alfo , befte Eleonore, den Unterfchied
zwoifchen einem Liebhaber und einem
Manne zu mwiffen, und auf Köften der
wahren Ehrbarkeit, dem Wobhlftande
eine Grimaſſe zu machen!
Geit
/
Therefie und Eleonore. 123
Seit diefem Unterrichte mache ich aus
meinem Wunfche Fein Geheimniß ; und id)
Habe noch andere Gründe aufgefuchet ,
meine Dffenherzigfeit zu rechtfertigen.
Taͤuſchen wir uns nicht felbft, meine
Gefpielinnen ! wir alle fuchen zu gefallen:
die Wahl in ‚unferm Anzuge, die Sorg⸗
falt für unfre Geftalt, diefe geheime Be—
gierde,, bei Zufammfünften, in oͤffentli—
hen Dertern nicht unbemerft zu bleiben,
und hundert andre Dinge mehr, legen ein
Zeugniß wider uns ab, auch mann mir
ſchweigen — Und mohin fol uns nun
diefe Begierde, zu gefallen, leiten? Die
Männer find fo gnädig, einen guten Theil
Kitelfeit zum Beſtandtheile unferes We—
feng zu machen; und vielleicht haben fie
fo unrecht nicht — Aber gefchieht alles dag,
was wir unternehmen, um diefe Eitel⸗
Feit zu befriedigen ? vielleicht auch diefer-
wegen, aber wenigfteng, nicht dieſerwegen
allein. Wir werden es vergebens Täug-
nen: die Männer haben davon zu viele
Beweiſe, daß fie der groffe Gegenftand
aller unfrer Sorgfalt find, und daß unfre
Eitelfeit felbfi nur auf ſie Beziehung bat.
Be⸗
ı24 Thereſie und Eleonore,
Bekennen wir es alfo! wir fuchen dem
männlichen Gefchlechte zu gefallen: und
find unfre Bemühungen nicht unglücklich,
fo umgiebt ung bald ein Kreis, ben un—
fre Reize um ung ber verfammelt haben.
So fehr fi die Eitelfeit in diefem Wirbel
der Schmeicheley gefällt, fo waͤhlet doch
dag Yerz bald feinen Liebling, und freuet
fih, ibm Yetatomben *) zuruͤckgewieſe⸗
ner Anbeter zu ſchlachten. Wir verſtehen
uns zwar nicht gerne zu einem foͤrmlichen
Geſtaͤndniſſe unſrer Liebe, aber es laͤuft
immer auf daſſelbe hinaus: unſre Hand⸗
lungen überzeigen ihn deffen , was wir zu
jungfräulich ‚blöde find, wörtlich augjus
fprechen.
Sobald unfer Herz einmal feine Wahl
getroffen, fo führen wir unfern Günftling
der Welt auf. Wir befuchen die Schaus
buͤh⸗
*) Diefes Wort, das, ich weis nicht griechiſch
oder Latein ift, bat man mir untergefchoben :
und vermuthlich foll es ſchöner feun, ale das:
Zu hunderten , fo vorher an dieſer Stelle
fund. Bielleicht dürfen ſolche Einfhaltune
gen dftens gefchehen : aber wir erfuchen unfre
Leferinnen und Lefer , diefes fremde Gemeng
nicht auf unſte Rechnung zu fegen.
Therefie und Eleonore. 125
bühne, er ift ung zur Seite. Wir be-
fuchen sffentlihe Spaziergänge , er be-
gleitet und. Wir befuchen Gefellfchuften,
er hat die Ehre, ung zu unterhalten.
Sederman giebt ihn ung zum Liebhaber,
und wir miderfprechen nicht. Aber, was
‚wollen wir, daß man von unferem Ver—
ftändniffe denfe, wenn e8 Schande feyn
fol, zu geftehen, daß wir einen Mann
wuͤnſchen? |
Werden mir daffelbe ewig auf dem
Fuſſe fortfegen, auf dem e8 zum Anfange
ſteht? — Unfre Liebe wird dereinft ein fehr
ſchoͤnes Winterſtück ausmachen. Es wird
ausnehmend luſtig laſſen, wenn id) in ei—
nem Alter von fechzig, meinen fieben-
zigiahrigen Verehrer unterftügen werde,
damit er fich zu meinen Füffen werfen fann,
zum vierzehn taufend fechs hunderten:
male *) mic) feiner unmwandelbaren Liebe
zu verfihern: wann mein Piebhaber,, der
in Rauchftiefeln und einem Pelze —
pert,
Ich nehme an, der Liebhaber ſey dreyſſig
Zahre alt: bis in das ſiebenzigſte Jahr find
vierzehntaufend fechshundert Sonnen über
ihn aufgegangen , und wenigflend wird er
söglich einmal feine Huldigung ernenert haben.
126 Thereſie und Eleonore,
pert, mic) von feiner feurigen Feidenfchaft
unterhalten, und wann bei den Erhebun—
gen meiner Reize jungfräuliche Sittſam—
feit die Lilien meiner Wangen, die nur
erft ein und fechzig Fruͤhlinge geſehen,
vöthen wird. Wenigſtens glaube ich nicht,
daß diefes die Beſtimmung unfrer, Her-
zen fen.
Wie denn? ich werde diefen Liebhaber
fortfchiefen, wie ich ihn angenommen ba=
be — Wäre es dann nicht auf jeden Fall
beffer, ihn niemals angenommen zu haben ?
Denn, hat die Eitelkeit gewaͤhlet, fo fand
fie ihre Rechnung mehr bei Gunderten, als
einem. Hat aber das Gerz die Wahl ger
troffen, 0! dann ſcheint e8 mir nicht fo
leicht, den Sägen zu flürgen, und feinen
Altar zu zertrümmern. Wann er nun
aber ja fortgefkhickt werben foll ; fo wird
ein andrer an feine Stelle fommen — um,
wieder verabfchiedet zu werben; unb man
wird fo lange nehmen, und fortfchicen ,
bis zulegt Wir fortgefchicht , und nicht
mebr genommen werden. Diefe Aus—
ſicht ift für mich zu traurig, ich will, fo
fehr ich fann, davon meine Augen ab—
menden.
Cs
Sherefie und Eleonore. 127
Es bleibt alfo einem Mädchen , das
einmal einen Liebhaber angenommen hat,
feine Abficht übrig, als die Ehe, Warum
fol e8 nun Schande feyn , dasjenige
zu geftehen, was allein dag rechtmäflige
Ziel unfrer liebften Sorgfalt , und gleich=
fam die eigene Beflimmung unfers Ge:
ſchlechtes ift ? Alles genau überlegt, wenn
irgend auf einer Seite etwas zu erröthen
wäre, fo ift eg über eine Liebe, deren End⸗
zweck die Ehe niche ift : und wenn mir
die Antswort eines Mädchens, welches läug-
net, daß fie einen Hann wuͤnſchet, recht
eigentlich überfegen wollen, fo heißt fie:
ich will eine ewige Buhlfchweiter blei-
ben, welches Geftändniß eben nicht viel
Ehre bringen Fann.
Zwar die Männer haben in der That
Urfahe, zu verhindern, daß diefe Mei—
nung nicht unter ung allgemein werde.
Sie auch find es, die ein offenhersiges
Geſchoͤpf, welches etwan feinen Vunſch nach
einem Manne nicht in fich felbft verbarg ,
als einfaltig verfchrieen haben. Das ift
ein dummes Mädchen, mit der nichts
anzufangen ift; fie denket gleich aufs
geu⸗
128 Therefie und Eleonore.
Beuratben. Eh! meine Herren, worauf
wollt ihr denn, daß fie denfen fol ?
Alles genau überdacht, liegt unferem
Vortheile fehr daran, öffentlich zu beken⸗
nen; daß wir einen Mann wünfchen;
und daß wir einen jeden, der ſich beige-
ben läßt , fih für unfern Liebhaber zu
erflären, auch dafiir anfehen, als crflär-
te er fih, ung zu eblichen- Wir wer:
den ung dadurch auf einmal die ungeftüs
men Schwäßer vom Halfe fchaffen, bie
es ist fo wenig foftet, uns Schmeiche⸗
leyen vorzuſagen, wovon fie Feine Folgen
beforgen : wir werden die wahren Lieb»
haber von den Scheinbuhlern unterfchei:
den, die fünftig, wie die Motte um das
Licht, nur von ferne um ung herum flats
tern werden, aus Furcht, fich die Flügel
zu verfengen. Gelbft die Angriffe auf
die Tugend unferes Gefchlechtes werben
dadurch feltner werden,
Sollte e8 mir gelingen, die ganze Res
publif der Mädchen auf meine Seite zu
bringen, fo wird in dem Neiche der Liebe
eine erftaunliche Veränderung vorgeben.
Die Liebhaber von Gemwerb, die von Puß-
tifch zu Pustifch wahlfahrten, ihre aus⸗
wen
Therefie und Eleonore. 129
wendiggelernten Schmeicheleyen jeder oh⸗
ne Unterfchieb vorgubeten, werden, ihren
ganzen Ratechiemus umzugieflen ge:
zwungen feyn. Wie liebenswirdig find
Sie doch! Wer Fann ihren Reizen wi:
derfteben Ich fchwöre Ihnen die un:
veränderlichfte Treue! Ich fierbe zu ih:
ren Süffen, wenn. ich ihr gerz nicht
erhalte — Sterben Sie nicht! werden
wir ihnen antworten: dag wäre graufam,
wenn wir es zugäben, Sie follen es ha⸗
ben, diefesgerz: aber e8 wird nicht ohne
die Hand weggegeben — Warum mit eins
mal fo ernfihaft? Wo ift ihre Lebhaftig-
feit bin? Ich mache Sie gluͤcklich; ich
gebe Ihnen mehr, als Sie baten, und
Sie ſterben nicht vor Entzuͤcken zu meinen
Fuͤſſen ?— Wie? Sie find ſtumm ? Sie ent:
fernen ih? — Sehen Sie, Freundins
nen, fo haben wir die Verräther entlar-
ver! Mögen fie doch fünftig ihre Vortreff⸗
lichfeiten ,„ nad bem berrfchenden Ge—
fchmade ihres Gefchlechteß, dahin tragen,
100 ihnen das Hirn wenigſtens nicht mit
Heurathsanträgen betäubet wird! unfre
Einfamfeit fol ung nicht erfchrecfen. Was
erden noir verloren haben? Leute, bie
IV. Theil, Y die
150 Thereſie und Eleonore.
die Reichtgläubigfeit unfers Gefchlechtes
durch unwuͤrdige Lügen zu mißbrauchen
fuchten:: Leute, die mit ihren ungeſchmack⸗
ten Schmeicheleyen auf unfre Ehre: in
Hinterhalt lagen: Leute, die, wie mein
Papagey, zu jeder weiblichen Poppanze
fchönes Kind! fagen, und eben fo viel,
als er, dabei denken. Aber, bleibt ung
dann noch, wann wir unfern Wunfch nicht
gehetm halten, ein Freund zurüd; fo
wiſſen wir menigftens , daß er nicht: uns
wuͤrdig ift, der Sreund unfers gerzens
zu feyn. J
E.
III.
Romanen fliegen hier gethürmet in die Hop ,.
Boll fchaler Zärtlichkeit, und ſuſſem Liebesweh.
Quartanten wälsten ſich auf fenfgenden Duar-
tanten ,
Und Frankreichs Clelie lag neben Atalanten.
Zacharia.
J kann mich nicht erwehren: ich be—
daure ſehr, daß die Romanen, bie ein
paar Gefchlechter vor uns, fo fehr Mo⸗
deleftur gemwefen , heute fo ſehr vers
ſchrie⸗
Thereſie und Eleonore. 131
fehrieen find : und ich habe gegen ven
Ritter von der fraurigen Geftelt be=
fändig einen Groll im Herzen ‚- daß er
fo viel beigetragen hat, fie aus ihrem An-
fehen zu fegen. Ich habe mit einer Sreun-
dinn, die fich nach dem Tode ihres Ge⸗
mahls auf dem Lande niederließ, um fich
einzig der Erziehung einer Tochter zu wid:
men, über diefen Punkt Briefe gemec-
felt, nach deren Durchlefung man vielleicht
mein. Bedauren nicht mehr fo fonderbar
finden wird, als e8 dem erfien Anfehen
nac) ‚feinen mag: Diefe verehrungs-
würdige Freundinn wird es mir gerne
vergeben, daß ich die Briefe, mit denen
fie mich beehrte, zugleich mittheile, um
die Folge nicht zu unterbrechen. Die
Zärtlichkeit für das Andenfen ihres Ge:
mahls, die mütterliche Sorgfalt für eine
geliebte Tochter, die in jeder Zeile durch-
fcheinen, und gleihfam den Ton diefer
Briefe ausmachen, fönnen, da fie ihrem
Herzen-Ehre machen, zugleich für dieje-
nigen, die fi) in ihren Umftänden befin—
ben, eim Iehrreiches Beifpiel fenn:
J 2 | I:
32 . Iherefie und Eleonore,
I.
Theuerfte Freunbinn !
Warum mußten Sie fo bald wieder
nach der Stadt zurückkehren, nachdem Sie
mich die Süffigfeit ihres Umgangs kaum
verfoften Taffen ? Meine Einfamfeit ift
mir dadurch, fo zu fagen, noch einfamer
geworden. Wo ich mich binwende, ver—
miffe ich Sie. Der fleine Hügel, auf dem
wir, Sie, meine Tonftantine und id,
manchmal die Abwechfelung des Lichtes
und der Finfterniß beobachteten, und die
fichtbar werdenden Sterne zu zählen, bes
muͤhet waren, die Fleine Duelle, beren
Geſchwaͤtz wir durch hingeworfenes Ger
ſtraͤuch, uͤber welches ſie dahin rollen
mußte, vermehrten, unſer kleines Wind:
ſor, die Weingaͤrten, das Feld bleiben
unbeſucht. Bald wird die rauhere Wit⸗
terung ung ganz in unferm Zimmer ges
fangen nehmen. Die langen Winternäch-
te, fiir den arbeitfamen Landmann bie Zeit
der Erquickung und des Genuffes, find
auf dem Lande für die ftädtifchen Miüf-
figgänger die fürchterlichfte Zeit. Ich ma=
che den Entwurf, wie ich diefe Fleinen
Eroigfeiten binbringen werde, Ich denke,
mit
Thereſie und Eleonore. 133
mit dem Andenken meines theuerfien E**,
mit meiner Tochter über einem. Bude,
und mit Brieffehreiben an Sie: dag heißt:
ich mill meine Zeit zwifchen dem Schmer-
sen und der Pflicht theilen, und dann mid)
bei Ihnen erholen — Geben Sie ihre Eins
willigung zu diefem Entwurfe, in den Sie,
wie Sie fehen , mit verflochten find ?
Meine Conſtantine fehnt fich unausfprech-
ich nach Ihnen: fie nennet Sie ihre
Schwefter. Vergeben Sie ihr diefe Fleine
Erhebung! e8 ift ein Ausbruch der Liebe,
Seyn Eie ihr eine Führerinn durd ihren
Rath! Sie find e8 bereits durch ihr Bei—
fpiel, auf welches ich fie immer verweiſe.
Sie fömmt , das theure Ebenbild ihres
Vaters! ich gebe ihr diefen Brief zu les
fen : fie drückt ihren Danf durch Küffe
aus, und bittet mich um die Erlaubniß,
ein Wort unten zu feßen. Ich kann ihr
nichts verfagen. Leben Sie wohl!
grr+
Ich habe Sie Schwefter zu nennen
gewagt: id war zu frey. Seyn Sie —
aber Sie fönnen nicht meine Mutter fenn :
ich Fönnte der Liebe zwoer Mütter nicht
zureichen. Sie haben den zweyten Play
3 in
134 Thereſie und Eleonore.
in meinem Herzens Fönnte in dem ihrigen
nur einen geringen ‚verdienen
| ihre —
II.
Antwor t.
Verehrungswuͤrdige Er!
Ich habe einen groffen Theil meines
Bergniügens bei Ihnen, und in den reis
genden Gegenden gelaffen, an deren Ber:
luft Sie mich erinnern. Könnte ich meine
Winterabende in der liebreichen Gefells
fchart Conſtantinens, und ihrer würdigen
Mutter zubringen! Aber ich bin zu dem
Geräufche verurtheilt , dem fie entfommen
find — Ob ich in ihren Entwurf willige ?
ihr Anerbieten ift eine Wohlthat. Ich ers
halte Urfache mich den betäubenden Vers
fammlungen zu entfchleichen, um mid) mit
Ahnen zu befprechen, Wielleiht — und
wie fehr wuͤnſche ich, daß es nicht bloß
vielleicht fey — Fann ich auch auf einige
Tage zu Ihnen ganz entrinnen! Aber ich
werde dann wieder nur mit ſchwererem
Herzen zuruͤckkommen.
Meine Schwefter Conftantine umarme
ih. Warum macht dag angenehme Kind
Um:
Thereſie und Eleonore. 135
Umftände , : mich fo. gu nennen? Dieſer
Namen wird mir ein Recht auf ihre Liebe
- geben : fie hat bereits die_meinige ganz.
- Bon nun an, Freundinn ! fodre ich
ihre Briefe als eine Schadloshaltung über
die Entfernung von zwo fo fhäßbaren
Seelen. gi,
Therefie.
1;.°)
Theuerſte Sreundinn!.
Der Herbfi hat ung unbereitet. über:
raſchet. Wir find noch nicht ganz mit
unferm Entwurfe zu Stand. Senn Sie
mit von unfern Nathsgliedern! Conſtan—
tine foll meine VBorleferinn werden: aber
die Bücher follen für Sie, nicht für mich
gewaͤhlet ſeyn. Dieſes liebe, liebſte Kind,
J 4 | das
*) Die beiden erſten Briefe find nur eine Art
von Einleitung. Ungeachtet fie nun zwar
nicht zue Sache felbft mitgehören , fo glaub
te man, fie würden wenigſtens als deutfche
Driginale von Frauenbriefen , wovon wit ei—
nen fo groſſen Abgang haben, nicht ungerne
gelefen werden — Zwifhen dem dritten
Briefe find noch mehrere gefchrieben worden,
bie man hinwegläßt, weil fie zur gegen
wärtigen Unterfuhung nichts beitragen.
Der Herausg.
136 Thereſie und: Efeonore.
das meine Sorgfalt durch ihre voreilende
Aufmerffamfeit fo fehr verdienet, befchäf:
tiget fih den Tag über mit der Wirth⸗
(haft, und Sachen, die zu ihrem Unter
tichte gehören. Ich wollte alfo, daß die
Leftur zu ihrer Erholung diente. Könnte
dieſe Erholung nicht zugleich mit einem
Unterrichte, wenn nicht für den Verſtand,
doch für das Herz, verbunden ſeyn ? Ach
waͤlze feit einiger Zeit einen Gedanken in
meinem Gebirne: ich will ihn mit Ihnen
überlegen. Eonftantine ift in einem Als
ter, wo die Herzen am fühlbarften, aber
auch am unbehutfamften find. Die Liebe
kann ſich auch in unfre Einfamfeit fchlei=
den. Das Herz meines Kindes ift zaͤrt⸗
ih — fie wird lieben, Ich wuͤnſchte,
daß fie diefe Leidenfchaft fennen lernte,
noch da ihr Herz in dem rubigen Stande
iſt, mir Gehör zu geben. Ich babe ben
Beweis, eine Liebe auf einen würdigen
Gegenftand geworfen, ift daß größte Gluͤck.
Aber man fiebt auch aller Orten Denk—
mäler der Zerſtoͤhrung unglücklicher Liebe.
Ich kann den Weg der Xeltern unmöglid)
gutheiſſen, die ihre Töchter am beften zu
huͤten denfen , wenn fie diefelben in einer
i gaͤnz⸗
Therefie und Elesnore. 137
gänzlichen Unwiſſenheit erzalten. Gel-
lerts Orakel, und Bruder Philipp ha=
ben die beforglichen Folgen davon zu
Leicht gezeichnet. Es giebt noch ſchreck⸗
lichere — Mein Kind fol ihre Tugend,
nicht der Unwiſſenheit, e8 fol fie feiner
Wahl zu danken haben. Wenn der Ver—
räther erfcheinen wird ‚fo folk Conſtan⸗
tine ihn erfennen, um ihn zu fliehen.
Aber Freundinn, wie fange ich es mit
ihr an? Sch weis nur Bücher, die ich
zu meinem Endzwecke wählen kann — Sind
Sie meines Sinnes ? meine Tochter fol
mir Romaneu vorlefen! Ich werde dabei
Gelegenheit haben, die nothwendigen War:
nungen mit untergumengen, die bei einem
Mädchen, dag zum erftenmale auf folche
Bücher fällt, unentbehrlich find — Aber
nun ift unter Romanen felbft die Wahl
nicht leicht. Ich habe die Buͤcherſamm—⸗
lung meined Mannes burchgefehen: ich
finde Elerifien, Pamelen und Grandi-
ſonen, feinen einzigen fonft von neueren.
Aber in einer Ede zum ausfüllen, fteht
Arminius und Thusnelde , Banife, u,
db. gl. alte Romanen mehr, die zu nichts
taugen, als das Hirn ver Mädchen mit
&
8 aben⸗
138 Thereſie und Eleonore,
abentheuerlihen Entwürfen anzufüllen,
und weibliche Don Muixoten aus’ ihnen
zu bilden ; von diefen alfo kann die Frage‘
nicht feyn. Mit welchen bon ben dreyen
englifchen fol ich bei Conftantinen den Anz
fang machen? melden Gie ihre Meinung.
ihrer g***
IV.
Antwort,
Schaͤtzbarſte L’**!
Mit Feinem, weil Sie doc) fo gütig
find, mir zu erlauben, meine Meinung
darüber zu fagen. ch fehe, wie Sie zu—⸗
rückfahren, eine Menge Fragen auf ein⸗
mal an mich thun. Verwerfen Sie alle
RomaneY oder ift diefes nicht: wie
dürfen Sie diefe Meifterftüde verwer—
fenv Pamelen, Rlariſſen, genrietten,
Byron, diefe idealiſchen, unerreichba=
ren Muftery welche andre dürfen Sie
an ihrer Stelle vorfchlageny Ich wer⸗
be nach der Reihe auf alle Fragen ant—
worten, als ob Sie diefelben wirklich an
mich gethan haͤtten. Aber ich werde mehr
als einen Brief dazu brauchen. Die erſte
Frage iſt fuͤr dieſen genug.
9— Sie
Therefie und Eleonore, 139 -
Sie haben ohne Zweifel gegen die
Romanen überhaupt fehr losziehen ge-
hört: fie vergiften das gerz, fie flöſſen
den zarten Gemüthern eine fchadliche
Hleigung ein. War dag alles, was man
gegen Sie zu fagen wußte? bei meiner
Treue! dag ift ed alles, worauf dag viele
Gefchrey hinaus läuft. Man fagt mir, ein
gelehrter und frommer Bifchof in Franf:
veich babe für die Romane gefchrieben.
Ich habe ihn nie gelefen: aber allenfalls
sollen wir fein Anfehen Beaten entgegen
fielen. Für uns fündige Weltgefchöpfe
giebt es andere Gründe. Es fömmt ganz
allein auf die Fragen an: ob die Liebe
eine fchadliche Neigung ifty oder, ob
die Romane eine verwerfliche Liebe -
einflöffen » — ch war zugegen, wo eine
Mutter ihrer Tochter den erſten Saß fehr
einfchärfte. Das Mädchen , fo bereits
Anmerfungen zu machen anfieng, fragte
ganz unfhuldig: aber Mama , haben
Papan ja geliebery welches die gute
Mutter ziemlich in Verwirrung brachte.
Die Aeltern koͤnnen alfo ihren Rindern,
, meines Duͤnkens, die Liebe nicht verdaͤch⸗
fig machen , ohne ſich zugleich gegen fie
eis
140. üTherefie und Eleonore.
- eines übeln Beiſpiels ſchuldig zu geben.
ch weis nicht, ob e8 fogar gut ift, wenn
man auf der Kanzel diefes Band der haͤus⸗
lichen Geſellſchaft, worauf die bürgerliche
ſich gründet, herabſetzet. Menn ich, als
ein Mädchen folhe Ermahnungen hörte:
fagte ich bei mir ſelbſt, warum ift die
Ehe denn ein Saframent Y
Aber e8 giebt eine wilde Leidenfchaft,
die den Namen der Liebe borget, vor ber
die jugendlichen Herzen zu warnen find.
Die Romane flöffen diefe Afterliebe ger
wiß nicht ein: vielmehr ift ihr Ausgang
ftets die Belohnung der tugendhaften Lie—
be; und mie mein Mann fpridht: ein
praftifcher Beweis ift überzeigender,,
als alle Schlußreden der Schulen.
Zwar es giebt auch fchädlihe Bücher
unter den Namen Romane ‚ Lehrbücher
der fchändlichen Wolluſt; aber die Cenfur
hält diefe anftecfenden Schriften hinweg,
und Gie laufen feine Gefahr, fo lange
Sie bei den erlaubten flehen bleiben.
Conftantine mag alfo immer Nomas
ne lefen! aber von Ihnen gewählte, und
an ihrer Seite! Ich glaube fogar, daß
es nothwendig ift, ihr feinen in bie Hanb
zu
| Therefie und Eleonore. 141
zu laffen, den nicht vorher Sie ganz über-
gangen haben — Sch fchlüffe diefen lan—
gen Brief, um Ihnen mit nächften einen
noch längeren zu fchreiben: denn ich wer-
de mich über die zweyte Frage gegen die
halbe Welt auflehnen. Ich —
ER
a
IV. *)
Bit fieghaft geht er nicht mit feinen Schönen um !
Sie und was ihrer if, find bald fein Eigenthum.
Haller.
Schaͤtzbarſte £***!
Hier ift er, Der verwegene Ausfpruch
über Clariſſen, Pamelen — ja! und
auch über Grandifonen, ihren, und wor-
über Sie ſich mehr noch wundern werben,
auch meinen Liebling. Hier ift er!
Elerifie ift ein Buch, dag mir für
Mädchen, deren Denfungsarf, um mich
| fo.
”) Diefe zwey Briefe find die Ausführung des
im: vorigen Blatte angefongenen Satzes. Ne—
benfahen und Antworten find hinwegarlaf-
fen, um dieſe Materie nicht auf das dritte
Blatt auszudehnen.
i42 Thereſie und: Eleonore.
fo auszudrücken, noch feinen feften Stand
gewonnen hat, von miehr- als einer Seite
genommen, gefährlich. fcheint. . Ich habe
nichts gegen den. Satz, ben ıder Verfaſſer
dieſer Gefchichte in ein Licht zu fegen,
fib vorgenommen : er iſt an ſich ſelbſt
richtig. Aber ein junges Mädchen nimmt
fic) die Mühe nicht , einen Lehrfag aus
einigen Bänden herauszuholen. Das ift fo
gar felten unfre Sache, wenn unſre Ber:
nunft ſchon ganz entwickelt und ausgebil-
det if. Das Ganze alfo eines Buches
ift für folche Leſerinnen, anders, als in
fd ferne es das Schickfal der Hauptper-
fon betrifft, ohne Wirkung. Das ift von
flüchtigen Geiftern zu vie] gefodert, daß
fie den mweitgedehnten Faden der Geſchichte
beftändig in den Augen behalten, immer
die Ereignungen aneinander ‚reihen, die
vorhergehende als eine Urfache, die nach⸗
fommende, als Folge und Urfache zugleich
betrachten , fchläffen,, erwägen, urtbeilen
follen. Fir fie find eigentlich nur die
einzelnen Auftritte der Gefchichte, wo Die
Folge mit feiner Urfache unmittelbar ver—
bunden, und daher auf ihre noch lebhaft
geruͤhrte Einbildung zu wirken, faͤhiger iſt.
| | Die
Therefie und Eleonore. 143
Die einzelnen Stellungen, worin fich
die Schwärmerinn Eleriffe befindet, find
in der That für Eonftentinen nicht fehr
lehrreich. Sie haben das Bud) unter. den
ihrigen, und es iſt auch. fonft in jeder—
mans Händen : ich darf alfo feine befon- -
deren Beifpiele anführen „ fondern nur
überhaupt im. Groffen mich darauf bejie-
hen. Diefes tugendhafte Mädchen, dag
fich fo viel auf feine Reinigfeit zu gut thut,
nimmt gleichwohl Briefe von einem Men=
fhen an, von deſſen Tugend es ſehr
ſchwankende Begriffe hat; und das liebe
Kind weis wieder, ganz kuͤnſtlich, die
Antwort darauf in der Holzkammer, wenn
mir recht iſt, hinzulegen. Ich moͤchte nicht
gerne, daß Conſtantine daͤchte, ein ſol—
cher Briefwechſel koͤnne neben der Unſchuld
eines Mädchens, ober neben feiner Pflicht
beftehen — Bald darauf wirft fich die gu—
te Reinigfeit einem Kerle gar in die Ar-
me — Warum ? um der. Graufamfeit ih—
ver Anverwandten zu entflichen. Thoͤrinn!
möchte id) ihr zurufen, du hatteft andre
Wege, did) daraus zu reifen, rechtmäf:
fige Wege; warum wollteft bu lieber zu
einer fEnsiaufenen werben ? Deine Sanft;
muth
144 Therefie und Eleonore.
muth ift Dummbeit. Die Tugend muß
fich zuweilen mit ihrem Nechte waffnen,
um fich zu unterſtuͤtzen.
Und, went das Mädchen auch fonft
feinen Weg hatte, den Verfolgungen einer
Verwandtſchaft zu entrinnen; feit warn
ift e8 denn erlaubt, um nicht unglücklich
zu feyn , firafbar zu werden? Wünfchen
Sie, daß ihre Tochter die Lehre einfauge,
daß ein tugendhaftes Mädchen entlaufen
möge, wenn feine Neigung fich nicht zu
den Abfichten feiner Aeltern ftimmet? Ri-
hardfon mag inmer die Warnungen und
Lehren in den Mund der Freundinn legen,
er fchildert Elariffen zu liebenswertb, um
nicht auf ihrer Seite zu ſeyn; man läßt
Aennchen predigen , und denfet, Elarifie
hatte Recht —
Was der frommen Entlanfenen nach»
her wiederfaͤhrt, find verbundene Folgen
ihrer erften Unbefonnenheit ; aber man
bemitleider fie, man entfchuldiget fie. Ich
will nicht, daß ein Mädchen die Schwach⸗
beiten bemitleide ; daß es viefelben fo
anfehe, als verdienten fie Entſchuldi—
gung! es foll ſich vor denfelben "hüten ler⸗
nen! Ich will Mufter der fiegenden Tur
gend
Therefie und Efeonore- 145
gend zum Grundfteine ihres Lehrgebäudes.
Clariſſe, fo fugendhaft fie übrigens aus—
gezeichnet ift, wird ein Opfer der Ver—
führung. Schädliches Beifpiel! woraus
ein jugendliches Herz vielleicht den After=
faß zieht: daß, auch was immer für
firenge Grundfäge, gegen die Kachftel-
lungen der Bosheit zu fihwach find.
Benriette Byron, die in dem Fritifchen
Augenblicke gegen Sir Hargraven ringe,
ift ein waferes Mädchen. So fehr mir
ihr unaufhörliches Winfeln über die Fleine
Klemmung zroifchen der Thuͤre mißfaͤllt,
fo fehr gefällt fie mir, wenn fie durch.
ihre Handlung bemweifer, daß die Tugend
auch die Schwachen mit Murh und Staͤr⸗
fe begeiftert-
Noch etwas anders gefällt mir in die-
fem Werfe durchauß nicht» Lovelace, der
ſchaͤndliche Lovelace ift mit fo Eräftigen,
und anmuthigen Farben gefchildert,; gif-
man aber, der fugendhafte Hifmen, was
für ein armfeliges Geſchoͤpf ift er ge—
gen ihn! Unter einer folchen Geftalt wird
das Lafter beliebt, und die Rechtfchaf>
fenheit laͤcherlich. Oder, made fich ein
Mädchen nach diefen VBorftellungen ein
IV, Theil, 8 Bild
146 Therefie und Eleonore.
Bild von dem männlichen Gefchlechte, fe
wird fie jeden Tugendhaften für einen
Pinfel , jeden Verführer für einen arti—
gen Mann; oder aud) umgekehrt, jeden
Pinfel für tugendhaft, jeden artigen Mann
als einen Boͤſewicht betrachten. Diefen
Fehler Hat der Schriftfteller im Grandi—⸗
fon verbeffert. Zwar gargrave hat Um⸗
gang genug, fo viel, daß er den weinen
ben Orme, und Sowler aufziehen kann:
aber fein fchwaches Licht wird unfichtbar,
fobald die Sonne, Sir Carl erfcheint.
Der tugendhaftfte Mann, ift auch der
artigſte Mann. Vortrefflich ! da bie
Männer nun einmal beftimmet find, das
Haupt der Familie, und unfre gebieten-
den Herren zu werden, fo balte ich da—
für, ift e8 nothmendig, daß man ung von
Kindheit an, fie hochachten lerne. Hoch»
achten, nicht nur wegen ihres Verſtan—
des, fondern aud) ihres Herzens: hoch—
achten alfo, und verebren. Elarifie wird
bei einem jungen Mädchen gerade dad
Gegentheil wirken: fie macht die Männer
verächtlich ; denn fie zeiget diefelben als
Boͤſewichte, ohne einen bervorftechenden
Eontraft.
Ela:
Therefie und Eleonore. 147
Elerifie noch einmal — hat eine Schluß»
ſcene, bei welcher ich vor einem Mädchen
in den Jahren Eonftantinens den Vor-
bang fallen laſſen möchte. Ich will durch—
aus nicht , daß man die Verführungen
eher, als die wahre, die tugendhafte Lies
be fennen lerne. Einem gufgearteten Maͤd⸗
chen ift fhon diefer Begriff von Lafter
zureichend : es fey dus, was nicht Tu=
send iſt. Es ift gefährlich, wenn fie es
anders, als verneinend, kennet.
Eben darum fieht mir auch Pamele
nicht an. Die Dirne verliebt fi in ihren
Herrn, der fo weit über fie ift. Das ift
fhon nicht erbaulid. Dann, fo werden
dem Mädchen gemwiffe Anträge gemacht,
es wird ein gewoiffer Auftritt gefpiele, wird
mir von der abfcheulichen Dawres fo oft
von zwey Bettladen gefproden, und
nod) von einem geroiffen Kinde des Bon-
files, fo nicht Pamelens Kind ift, daß
ich das ganze Buch immer jedem Mäd-
chen aus den Händen zu reiffen,, verfucht
bin.
Solche lehrreiche Stellen fommen zwar
aud) im Grandiſon vor: aber hier zeigt
ſich die Tugend in zu fiarfem Lichte, als
82 daß
48 Thereſie und Eleonore,
daß diefe Nebenfchatten gefährlich ſeyn
ſollten. Diefes Buch würde auch das Lehr»
buch der: Tugend für alle Mädchen feyn,
wenn nicht Byron bei aller ihrer Tugend
ein fehr eingebilderes , oft naſenweiſes,
immer aber fehr fchnüppifches Mädchen
wäre, das auf feine Vernunft groffe Stuͤcke
hält, von Sachen, die meit über feinen
Gefichtsfreis find, entfcheidend urtheilet,
von andern ziemlich boshaft, von ſich mit
zu vieler Eigenliebe fpricht, und von eis
nem Kreiſe vernarrter Verwandten ums
rungen ift, die dem beften gerzblättchen
auf jedes Wort vorfagen : daß alles in
der Welt gegen Sie Thorbeit iſt. Je reis
gender die Tugenden genriettens, je ans
lockender ihre Eigenfchaften find , deſto
gefährlicher find auch ihre Mängel, bie
gleichfam durch fo viele Tugenden empfoh⸗
len werden. Um eine Genriette zu feyn,
wlirde Conftantine eben fo geprängreich,
wie fie thun. Sie fehe vielmehr ihre theure
Mutter, die alle Tugenden diefer liebens⸗
würdigen Engländerinn hat, ohne, fo
geziert, mie fie zu ſeyn.
Thereſie.
VI.
Therefie und Eleonore, 149
VI.
— Freundinn E*! |
Daͤchten Sie dag? Conſtantine fol
ftatt aller neuen Nomane, eine Arminie
Uramene, oder fo etwas aus dem alten
Sache lefen! — Es ift mein Ernft, befte
unter den Müttern! und ich will Ihnen
mit wenig Worten melden, warum. Der
erſte Grundſatz, den eine angehende Lieb—
haberinn tief, tief in ihr Herz zu prägen
bat, ift, fich felbft zu ehren, und von
ihrem Liebhaber die firenufte Ehrer—
bietigfeit zu fodern. Daß iſt ver Grund,
worauf die älteren Nomane gebauet find.
Keine von den verhaßten Sreybeiten, die
ſich unfre Liebegritter fo gerne herausneh—
men! feine von denen, die unfre neuen
Heldinnen, ohne ihre Ehre zu befleden,
erlauben zu Eönnen, glauben; feine Bes
fellungen , als unter einem begitterten
FSenfter, Feine Unterredung, ale in Ge—
genwart einer Zeuginn. ‚Der reine, unbes
flecfte Ruhm ift die gemeinfchaftliche, Sor=
ge der beiden Liebenden. Der Verliebte
will lieber fterben , als feiner gelichten
Fürftinn Ruhm in Zweydeutigkeit ſetzen —
Ach, wie fehr find die Romane, die uns
“3° fre
150 Thereſie und Eleonore,
fre Liebhaber fpielen, von biefer edeln,
wechfelweifen Hochachtung unterfchieden !
ihre Liebe fängt mit Freyheiten an, und
hört in der Ehe mit Verachtung auf,
Lügner find fie, die Dichter, die Wochen-
fchriftfchreiber,, die dem Stutzer Romane
von diefem Cchlage in den Schranfen
feßen + Egaremens du coeur & de l’efprit,
Sophas, und was weis ich, wie die ab⸗
fcheulichen Bücher mehr heiffen , dag find
ihre Mufter : ihre Grundfäge find gar nicht
romanbaft, fie find ausgelefien, uns
verfihämt', gerade das Gegentheil von
dem , was fie durch bie Lefung alter Nor
mane feyn wuͤrden.
Sie fürchten, folhe Bücher würden
weibliche Don Quixoten bilden, Das ift
unmöglich. Der Abftand zwiſchen unferm
Stande, und dem Stande ber Romans
prinzeffinnen mird biefe Schwaͤrmerey
von felbft zerftieben. Sie werden ihren
Liebhabern Feine Niefen zur befriegen, Feine
Neiche zu erobern anbefehlen,, weil auch
fie feine Erbinnen von dreyen Neichen find,
Alles, was auf fie eine Anwendung ba=
ben kann, wird feyn: daß fie Tugend
and Adel des Gerzens bei ihren Rittern
viel:
Therefie und Eleonore. 1351
vielleicht mit einiger Vebertreibung, fodern
werden. Glückliche Zeiten! wenn wir die⸗
fe billigen Foderungen wieder aufleben ,
und flatt Vermögens, Rangs, oder einer
fliehenden Geftalt, wechfelfeitige Hochach—
tung den Grund der Liebe und der Ehen
werben ſehen!
*
V.
Damon. J
Du küſſeſt deinen kleinen Hund:
Warum? das möcht ich wiſſen?
Iſt eines jungen Schäfer Mund
Nicht reigender zu küſſen?
phyllis.
Sind Schäfer, wie der kleine Hund,
Auch treu? — das möcht ich, wiffen ?
Weiffe.
Unr £efer follen entfcheiden , wer zwi⸗
ſchen uns beiden Recht hat! ich? — oder
ein gewiſſer Menſch, der mir feine Auf-
martung zu machen glaubt, wenn er mir
beſtaͤndig widerſpricht ? —
Schweigen Sie nur! ſchweigen Sie!
ich will ihre Gruͤnde in ihrer ganzen Staͤr⸗
ke, wenn ja welche darin iſt, mit ihren
K4 ei⸗
352 Thereſie nnd Eleonore,
eigenen Wprten will ich fie vortragen — —
Noch nicht Recht ? was wollen Sie denn,
daß ich thun fol? — — So? mißtraui—
feher ! Aber auch darin will ih Shnen
willfabren: Sie follen es felbft hinſchrei⸗
ben, was Sie’ zu fagen haben !: deſto
beffer! wenigftens dürfen Sie zuleßt bie
Schuld nicht auf mich wälzen, wenn Sie
das Kürzere ziehen. Hier ift die Feder!
Klagen Sie mid) an!
„Sie, [häßbare Eleonore! Sie klage
ich nicht an, fondern ihr ganzes Geſchlecht.
Denn diefe unmäffige Liebe zu einem Zun—
de , einem Affen, einem Papagey, einem
Ranartenvogel haben Sie mit allen Frau
ensperfonen gemein: es iſt der gemein-
fchaftliche Fehler ihres Gefchlechtes. „,
Sehler ? — Keine fo entfcheidenden
Ausfprüche! Warum Seblery Eie werden
Mühe haben, eine Schwachbeit heraus-
zubringen; eine fehr vergebliche Schwach»
beit —
„ Wenn man Cie böret, fo machen
Sie zulett wohl noch eine Tugend daraus
— Mie? eine fehr vergeblihe Schwach:
beit wäre, diefe Liebe für ſolch ein Thier,
bie oft bis zur Verehrung getrieben wird ?
Schwach⸗
Therefie und Eleonore. 153
Schwachheit, wenn Sie ihre ganze Sorg-
falt diefen vernunftlofen Gefhöpfen zu—
wenden, auf diefelben ihre erften Gedan—
fen morgens richten , und abends nur
mit ihnen befchäftiget , einfchlafen ?
Schwachheit, wenn ihre Laune einzig von
dem theuren Wohlergehen ihres Sanfans
abhänget? Wenn fie ihre Mägde, ihre
Freunde, mid), mürrifch anlaffen, fobald
ihr Liebling den Kaffee mit weniger Ge—
fräffigfeit verfcehlingt, oder wohl gar das
gefaute Zucerbrod verfchmäher — Ach,
das drmfte Thier ! was mau dem Lieb:
fien Geſchöpfe fehlen? — Nichts, fagt
man Ihnen: es hat geftern viel gefreflen,
28 hat noch feinen Hunger — Umfonft:
Sie beruhigen fih niht — Klein! rufen
Sie: nein! der Kaffee wer fonft fein
Leben: es muß ihm etwas fehlen! das
erme Thier! ſehen Sie feine Augen,
wie fie trieb find ; fonft find es die
feurigften Augen! fühlen Sie feine
Naſe! wie fie heiß ift! follte diefem
Liebften Thierchen etwas gefcheben ſeyn,
alles foll mir dafür fteben! alle follen
mirs entgelten! Heiffen Sie dag eine
fleine Schwachheit, daß Sie nur für
85 daf-
154 Tcherefie und Eleonore.
baffelbe fuͤhlbar, nur für daffelbe zärtlich
find ? daß Ahnen eine vermeinte Kranf:
heit des Fleinen Kläffers Thränen ausprefs
feet? daß Sie für feine koſtbaren Tage
Gelübde thun, und gegen ihn bie zärt-
lichften Namen verfchwenden, die nur ih—⸗
ven Freunden vorbehalten fenn follen ?
. Heiffen Sie das Schwachheit, daß man
den Meg zu ihrem Herzen nur durch ihn
finden fann ? und ein Fobgedicht auf ihren
Bolognefer Ahnen angenehmer ift, als
wann ihre eigenen Meise befungen wur⸗
den ? heiſſen Sie — „,
Ach muß Ihnen die Feder entreiffen ;
Sie halten mir da eine zu prächtige Lob:
rede. Mann babe ich denn bie fehönen
Auftritte alle geſpielt ? — Ach glaube
nicht, daß je irgend jemand feine Liebe
fo weit treiben wird —
„Noch viel weiter, ich verfichere Sie.
So manche Fran hat für ihren Hund oder
Affen fo viele Zärtlichkeit, daß ihr Feine
für ihren Mann übrig bleibt. Ich habe
die feurigften Augen über den Verluſt eis
nes lieben Sängers durch Thränenmwolfen
getrüber gefeben: ich habe den ſchoͤnſten
Mund an der bäflichen Schnauze eines
Moͤps⸗
Therefie und Eleonore. 155
Moͤpschens fich entweihen gefehen : ich
habe gefehen, daß eine Frau, die zu nieds
lich war , die goldnen Haare ihres Fleinen
Engels von einen Kinde durchzufehen ,
einen unflättigen Affen mit eigenen Hän:
den fämte, und von Ungesiefer reinigte,
Aber jenes ift auch nur ein Kind, und
dieſes ein allerliebfteg, herziges Aeffchen—,,
Wenn id) Eie nicht unferbredhe , fo
führen Sie mir wohl gar noch das Mär-
den von der Gräfinn an, die fir Hunde,
die nirgend zu Mittag geladen waren, eine
offene Tafel gehalten, und für alte und
früppelhafte Hunde ein reiches Spital ge-
ftiftet haben fol. Aber, wenn es jemalg
Thörinnen gegeben, die in ihrer Neigung
zu weit gegangen find, fo war von ihnen
hier die Nede nicht. Ich gebe dieſe ihrer
Satire gerne preis, und verlange nur
meine Neigung für ein unfchädliches Thier,
das mir zugethan ift, das fo viel Gefühl
hat, meine Piebfofungen zu. empfinden ,
und nad) feiner Art zu erwiedern, biefe
Neigung verlange ih nur vor ihrer ih
teren zu retten,
Was für ein Uebel ift es, ads ich
meinen Hund flreichle, und ein Vergnuͤ⸗
gen
156 Therefie und Eleonore,
gen empfinde , daß das danfbare Thiers
chen meine ftreichelnden Hände belecket ? —
Was für ein Uebel ift e8, wenn mich bie
Gaufeley eines folchen Gefchöpfes, feine -
Springe, womit es mich bewillkoͤmmt, und
feine Freude an Tag legt, mich wieder zu
feben, wenn feine ſcheckerhaften Gebehr-
den, mit denen es vor mir ſpielet, mich
ergögen? Was für ein Uebel ift «8, wenn
ich ihm neben mir auf dem Sopha einen
Platz gönne? wenn ich ihn mit Leckerbis⸗
chen nähre? wenn ich die ſchmerzhaften
Empfindungen eines lebenden Gefchöpfes
bemitleide, das ſich nicht zu helfen, dag
fein Web nur mit feiner Traurigkeit, mit
feinem durchdringenden Winfeln auszudri-
cken weis? wenn ich dem leidenden Thier-
chen beizuftehben, «8 von feinem Uebel zu
befreyen, einen Hang empfinde, und bie=
ſem Hange folge ? wenn id das Geſind
fchelte,, welches das arme Thier muthwil⸗
lig mit Fuͤſſen ſtoͤßt? — Wen beleidige
ich dadurch ? weſſen Nechte werden dadurch
verletzt?
Sie getrauen fi) einen Fehler zu heiſ—
fen, was doch eine der fhäßbarften-Ei-
genfchaften unferes Gefchlechtes if ? Pi
e
Thereſie und Eleonore. 1357
fe MWohlthätigfeit gegen Ihiere hat ihren
Grund in der überfläffenden Güte unferes
Herzens, mit der wir alles, was fid) ung
nähert, glücklich und froh zu machen ſu—
chen. Der Umfreis unfrer Gutwilligkeit
ift ung zu enge, wenn fie bei vernuͤnfti—
gen Gefchöpfen allein ftehen Bleiben fol:
wir wollen ihn erweitern, und ung gleich-
fam unter allen Geſchoͤpfen Freunde er—
werben.
Ohne Zweifel, daß ihr Herren euch
einbildet, der Haas fen erfchaffen, um von
euch geheget, der Hirfch , um todt gejagt,
ber Hund um geprügelt, und der Vogel
um auf dem WVogelherde in dag Garn ge-
locket, und mit mörderifcher Hand zer-
fnicket zu werden? In diefer Abficht,
und um eure Graufamfeit zn bemänteln,-
habet ihr das fchöne Lehrgebäude erfun-
den, daß die armen Tbiere nur Me:
fhinen find. Aber warn ein Rad an
einer Mafchine bricht, fo giebt e8 Feinen
Faut von fih; wenn mein Hund getreten
wird, fo erfüllt er das Haug mit feinem
Geſchkeye. Mein Hund ift alfo feine Ma-
ſchine: und ich glaube feft, diefe empfin-
denden Gefchöpfe find gemacht, um in
. ih:
158 Thereſie und. Eleonore,
ihrer Art glücklih zu fenn. Wenn mir
alfo etwas dazu beitragen, ihre £hierifche
Glückfeligkeit zu befördern, wenn wir ge:
yoiffermaffen zu den Abfichten des Schoͤ—⸗
pfers beitragen, darf man das an ung
tadeln? —
Lernen Sie vielmehr diefe Sanftmuth
hochſchaͤtzen, die die Natur in unfre Her—
gen geleget hat, und erkennen Sie daraus
unferen Werth! Wenn die Vorficht es
euch zuläßt, ihre Werfe zu verderben,
fo hat fie ung dazu erfohren , diefelben
zu erbalten. Wir Finnen den Anblick
eines ausgehungerten Hundes nicht erfra=
gen ; werden wir den Hunger von unfers
Gleichen zu ftillen, faumfelig feyn ? Das
Heulen eines befchädigten Thieres locket
ung Thränen in die Augen: wie groß wird
unfere Antheilnehmung ſeyn, wenn bie
Züdungen eines leidenden Menfchen ums
fer Mitleid auffodern ? Wir befchügen un:
fre Thiere gegen Gewaltthaten: wann es
bei ung fichen wird ,„ Gewalt von dem
Haupte der Menfchen abzuwenden, glau—
ben Sie, daß wir e8 weniger thun wer⸗
den? Wenn wir felbft gegen bie Thiere
wohlthätig , empfindungsvoll find , fe
grüns
Therefie und Eleonore. 159
gründen wir dadurch dem ganzen menfch-
lichen Gefchlehte auf unfre Wohlthätig:
feit und Empfindung einen offenbaren und
förfern Anſpruch.
Was fagen Sie nun? ich glaube, Sie
werden mich meinen Hund, meinen Vogel
nach meiner Weife lieben laffen? vielleicht
verdienen fie e8 durch ihre Treue und Un—
fhuld auc mehr, als gemwiffe männliche
Gefhöpfe, die fie darum beneiden. Aber
ic) bin damit nicht zufrieden, unfre Schooß-
hunde gegen Sie in Sicherheit geſetzt zu
haben: ich will mit allen meinen Gefpie-
linnen eine Verſchwoͤͤung machen : wir
wollen alle Gemeinfchaft mit folchen Men:
fchen aufheben, die umbarmberzig genug
find, fih an den Schmerzen eines armen
Thieres zu ergögen. Ein Menfch, der
aus Muthwillen ein wehrloſes Gefchöpf
quälet, was wird er thun, wenn er fich
beleidiger Hält? O meine Schweftern ! wer
immer au nur bag Bild des Schmer-
zens, ohne Erfchütterung vor fich fehen
kann, hat ein graufameg Herz : flieht ihn!
er wird ein Tyrann feiner Gattinn, feiner
Kinder , feines ganzen Haufes feyn!
€.
VI.
160 Thereſie und Eleonore.
vi.
Ein Gellert ? — Bellert ift zn matt!
Kin Gleim ? — Gleims Scherze find zu platt!
Ein Kleiſt? — if ſtolpernd! Saller — hart!
Kin Uz? — ſchr ungleich! Weiß ? nicht zart!
Und Geffner ? — zu unedel landlich!
Und KRlopfſtock? — fhwülfig, unverfändlich !
Nur Frankreichs Dieter , fie allein
Eind naif, erhaben, wigig , fein.
A rensans „daß ich vorgäbe, die Verfe,
die ich heute zur Auffchrift gewaͤhlet, feyn
von meiner eignen Hand; fo getraue ich
mir vorher zu fagen, wie man fie finden
würde: fchlecht! — Aber fie find Du-
ſchens: der Namen des Verfaffers giebt
ihnen , ungefähr wie das Bruftbild des
Negenten einem Stüde Metalls, einen
beftimmten Werth : man fieht nun erft
ein, wie ein mit unfern beften Dichtern
unzufriedner Ausländer fein Urtheil in eir
nem einzigen Worte zufammfaßt , und
daß dieſes Wort fehr Farafteriftifch if,
wenn eine Frauensperſon ein folches Kunſt⸗
‘wort wagen barf.
So viel ehut das Vorurtheil! Gäbe
ich folgende Gedichte als deutfche Drigi-
na⸗
Therefie und Eleonore, 161
tale, ich bin gut dafür, ein groffer Theil
unfrer franzsfifchen Partifane würde die
darin häufig angebrachten Schönheiten ,
den tändelnden , anmuthigen Wig , die
Neuheit der Erfindung , und die feine
Schmeicheley für Sopbien, worein der
Derfaffer das Gedicht durch den Schluß zu
verändern wußte, verfennen. Aber, fobald
ich ihnen vertraut haben werde, daß es
eine Veberfegung nad) Greflet iſt; fo
werden fie auf feine Schönheiten aufmerf-
fam , und ich denfe , auch begierig feyn,
das Original felbft zu fehen, dag in der
Ueberfegung nothwendig vieles von feiner
urfprünglichenAnmuth verloren haben muß.
Diefes Original iſt ungedruckt, und
wird nur noch in der Sandfchrift von
Freunden an Freunde gegeben. Es ift durch
einen befondern Zufall in meine Hände ges
rathen. Aber ich bin fo neidifch nicht, einen
ſolchen Schaß für mich allein zu behalten,
befonders da mein Ueberſetzer — denn ich
felbft war einer folchen Unternehmung nicht
gewachſen — mir geftanden hat, daß er
unmöglich; den Ausdruck feines Dichters -
ganz in Berfen gebem können, und darum
geswungen war, Profe mit darein zu flis
IV. Theil, £ cken,
162 Thereſie und Eleonore.
den. Wer alfo das Driginal zu leſen
wünfchet, darf durch einige eingefendeten
Zeilen daffelbe bis heut über acht Tag von
mir abfodern.
Amors Geburt, -
Nach dem Franzöfifchen von Greſſet:
Nic erft in biefer Reih von Jahren
Schon da, als Menfchen Schäfer waren,
Bor Saͤklen fhon hab ih, Sophia dic
gefüßt:
Nur bloß dem Namen nach verfchieden, .
Hab ich Sophien in Naiden,
Haft du mich in Myrtill gefüßt —
Zwar biefe Bilder find an Lethens goldnen
Wellen,
Der unter Trauben fich ergieht,
Wo ewig, wie aus Neftarquellen
Der Moft aus Bachus Urne fließt —
Zwar find fie laͤngſt an Lethens goldnen
Wellen
Aus deiner Seel’ ertränft : |
Nur aus des Dichters. Geift hat fie fein
Moft ertränft,
Der,
Therefie und Eleonore. 163
Der, Thaten aus Prometheus Zeiten
So klar, wie ferne Künftigfeiten ‚
Am Agganipperbache denkt.
Sch feh, ich feh? — o glaube dem Berichte !-—-
In jene Welt zurück von heil’ger Glut bes
ſeelt!
O Liebſte, hoͤre die Geſchichte,
In der dein Dichter dir erzaͤhlt
Wie er vor Saͤklen ſchon dich und dein
Herz gewaͤhlt. —
Dein Herz voll Zaͤrtlichkeit, dein himmliſch
Herz gewaͤhlt!
* *
*
Es war im Anfange der Zeiten, da ich
gebohren ward.
Der Himmel trug noch wenig Goͤtter,
Den Zevs verkuͤndigte Fein zornig Don—
nerwetter,
Halbgoͤtter kannte man noch nicht.
Vor wenigen, holdlaͤchelnden Goͤttinnen
Entzuͤckte Cypria durch Bildung und Ge—⸗
ſicht —
Dir aber Maͤdchen, glich ſie nicht —
Der ſpaͤtern Nachwelt Halbgoͤttinnen
Durchirrten noch als Schaͤferinnen
8a Die
164 Ücherefie und Eleonore.
Die bunte Flur, den jungen Hayn
Und nahmen feinen Schäfer ein,
Und fühlten nicht der Liebe Pein:
-Denn Amor der Monarch der Herzen
Scof noch in feine Bruft glutvolle Lie—
besfchmerzen.
Kein Wunder! der Gott war noch nicht
gebohren — Ich war fhon ein Juͤngling,
als Venus ihn gebahr.
Singt Eypripors Geburt ihr Mufen! —
Aus einer Rofenfnofp’ an Venus vollem
Bufen
Schlich unvermerft der Gott hervor,
Auf feinem zarten Hals, durchfichtiger als
Flor,
Den ſeidne Locken frey umflogen,
Hieng ſchon der Köcher und der Bogen.
Schnell fprang der Schalf auf Venus
Bruft empor,
Sah von der Höhe ſtolz hernieder,
Und ſchuͤttelte fein artiges Gefieder ,
Und wagts, und flog empor —
D wie mußte id Jüngling lachen, ale
id) den Fleinen Helden, Klein wie ein Nel=
fenblatt, auf dem warmen Buſen fich blä=
ben
Therefie und Eleonore. 165
ben fah! Aber ach! wer hätte es ge—
glaubt: ſchon damals bewies mir der Gott,
er fey nicht gebohren, um verlacht zu werben.
Gewaltſam in der fchnellften Eile
Flog in mein Herz der größte feiner Pfeile:
Erfchrocen ſank ich hin; al
Da fah ich meine Bruft von Tropfen Blut
ſich färben,
Und weint’ und glaubte nun zu fterben.
Doch Cyperns edle Königinn |
Entriß mich huldreich dem Verderben —
Weine nicht lieber Juͤngling, fprach die
holdfelige: Amors Pfeile verwunden zwar,
aber fie tödten nicht. Sich! eines von
diefen Mädchen aus meinem Gefolge foll
deine blutende Bruft wieder heilen! Steh
auf und waͤhle! es ſoll dein Eigenthum
ſeyn — Und ich ſtand auf, und weinte nicht
mehr. Da ſtellten ſich die Maͤdchen um
mich herum, daß ich wählen follte: aber—
aber glaube mir, Geliebte — der Pfeil
hatte mich gelehrter gemacht, und ich un>
terfchied ist Reize, die ich vor dem faum
bemerft hatte.
23 Hier
166 Thereſie und Eleonore.
Hier winfte mir ein Purpurmund ;
Dort eine Bruft, gewoͤlbt, und rund;
Hier reisten ein paar volle Wangen,
Dort ein paar Augen mein Berlangen:;
Wohin ich nur unfchläffig ſah,
Stand etwas mic) zu reisen da ;
Bis ich ein holdes Kind entdeckte,
Das meinen Blicken fich verfteckte,
Friſch, wie der Morgenthau , jung tie
ein Srühlingstag ,
Und heiter, wie ein Silberbach.
D meine Freundinn, dA warft eg, bie
Liebenswürdigfte unter den Mädchen aus
dem Gefolge der Venus: mie hätte ich
dich überfehen koͤnnen ? Dich, dich wählte
ih, meine Sophia, ber erfte der Liebha—
ber, und fprach zur Cythere:
Dein ganz Gefolge goͤnn ich Bir:
Dieß Mädchen Goͤttinn fchenfe mir!
Die Goͤttinn lächelte, und mwinfte mir .
Beifall zu, daß ich fo vernünftig gewaͤh⸗
let hatte.
2.
VIL
Therefie und Efeunore. 167
VII.
Was ſagten Sie Papa? Sie haben ſich ver—
ſprochen:
Ich ſollt' erſt vierzehn Jahre ſeyn?
Kein, vierzehn Zahe und ſieben Wochen.
Gellert.
DIR haben zwey groffe Stufenjahre:
das eine können wir nicht bald genug er-
reichen; das andre wollen wir nie er=
reicht haben. Einem Mädchen Friechen
die Jahre : einer Frau fheinen fie auf
den Echwingen bes Windes über fie hin-
zu fliehen ; und wenn der Lauf der Zeiten
von ung abhienge , fo würden wir vor
dem wierzehnten Jahre dem büffenden
Wolfe in der Fabel gleichen, und Tage
und Nächte wie die Augenblicke über ung
mechfeln laffen *): nad) dem dreyſſigſten
Kahre hingegen der Sonne, wie Joſue,
einen Stillftand gebieten.
Wo
N Ich liebe nicht ſehr, meine Beleſenheit aus—
zukramen, ſeit dem Thereſens Gemahl von
einem Citanten geſprochen: er machet ſeinem
Gedächtniſſe auf Köſten der vernuuft Ehre,
und da er uns zeiget, daß er viel geleſen
hat,
168 Thereſie und Eleonore,
Wo wäre Gellerts vortreffliche Erzaͤh⸗
lung von Fickchen geblieben, aus welcher
ich das Motto gemähler ? und mie fo
manches. Sinngedicht der Dichter aller
Sprachen hätte feine Spige entbehren
miüffen, wenn ung die Männer dieſe ent⸗
ger
hat, zeitget er tıns zugleich , wie wenig
er felbit wedacht babe. Aber, da die Fabel,
auf welche fich der Gedanke grlinder, wenig⸗
fiens meinem Sefchlechte nicht ſehr bekannt
it, ſo muß ich fie mit einer Werklirsung
bier anführen. ,, Wolf Ifegrim ward von
dem Könige der Thiere, dem Löwen, verur-
theilt, für jedes lebende Thier, fo er erwür
gen würde, zwey Sabre zu faften : begnlige
. dich, fprach der Fler, mit den todten Thies
ren, bie du auf dem Felde finde ! Dee
Wolf mußte ſchwören. Bald darauf fah rt
ein fettes Schaaf ungehüttet weiden. Der
Schwur ! der Schwur ! zwey Jabre Fein
Steifch effen !. das ift ſchwer! Doch ber
Räuber war nicht lange verlegen. In je
dem Jahre find 365 Tage: Tag if, warın
ich fehe, Nacht, wann idy nicht febe ; fo
oft ich alfo die Augen zuthue, ift Yacht,
und öffne ich fie, fo wirds Tag. Schnell
blintte er die Augen gu, und that fie wieder
anf, da ward aus Abend und Morgen der
er⸗
EB
Sherefie und Eleonore, 169
gegengefegten Schwachheiten nicht vorzu⸗
werfen haͤtten?
Vetulla ſchwaͤrzt ihr graues Haar,
Und ſagt: ihr Alter fen nicht über dreyſ⸗
fig Jahr.
Detulla redet wahr,
Sie fagt ung dieß (don zwanzig Jahr.
Ewald.
Es kleidet Sie vortrefflich wohl, mei-
ne Herren, uns daraus einen Vorwurf
zu machen, da Sie daran doch allein Schuld
find! fo, wie Sie nah dem Grundfage
ber weiblichen Sittenlehre, überhaupt an
allen unfern Schwachheiten und Sehlern
Schuld find —
Eilen Sie Lorchen, daß Sie bald
groß werden! Ich erinnere mich ganz -
genau, daß man immer fo zu mir fprach,
wann ich durch ein wehmuͤthiges Geficht
bezeugte , daß ich mich nicht gerne von
allen Luftbarfeiten ausgefchloffen fah. Sch
bin alfo unbedeutend, dachte ich bei mir ;
85 und
erſte Tag: fo zaͤhlte er zwey volle Jahre. Nun,
ſprach er, habe ich für die Sünde zum voraus
gebüfer,, ergriff das Echaaf, und würgte
(6. 5
ı70 Thereſie und Eleonore,
und bie Zeit ward mir unerträglich lange,
bis ich es nicht mehr feyn würde, Meine
Miünfche flogen dem glüclichen Zeitpunfte
entgegen , und ich wollte mit Gewalt älter
ſeyn, als ich wirflich war. Mein Ge,
burtstag fam. Sie haben heute das drey⸗
zehnte Jahr zum Vergnügen ihrer Ael-
tern erreichet: wer fo feinen Gluͤckwunſch
bei mir ablegte, dem warb fehr Faltfinnig
gedanfet. Aber warn es hieß: noch ein
Jahr, und Sie find groß genug, eine
Rolle in Befellfchaften zu fpielen: wann
mir diefer Geburtstag als ein näheres Ziel
zu meinem groffen Hauptziele gegeiget warb,
fo empfand ich eben das Vergnügen, wel
ches ein Fremder , der eine ferne Neife
nach diefer Hauptfiadt thun mußte, bei
Erblifung des legten Meilenzeigers em-
pfindet, auf dem er lieſt: daß er nur
noch eine halbe Meile von Wien entfer—
net ift.
Maren es die Luftbarfeiten allein, bie
mir den Wunſch, älter zu werben, ab—⸗
drangen ? Ach will mich nicht Findifch zie⸗
ren, und zur Unzeit die Verfchämte fpie-
len: nein! die Luftbarfeiten allein waren
es nicht, fondern, weil man mich, wann
Therefie und Eleonore. 171
ich groß feyn würde, einen Mann hoffen
ließ. Sa! der Mann, den man mir in
der Ferne zeigte, machte, daß ich fo fehr
eilte, und wohl hundertmal die Jahrszeit
träge hieß — Ich rede hier aus Gefällig-
feit von mir allein: aber ich hoffe, meine
Gefpielinnen werden fich in mir erfennen,
und mit gleicher Offenherzigkeit, als ich,
geftehen, daß ihre Gefinnungen den mei—
nigen fo ähnlich waren, als die Jahre, -
von denen bier die Rede ift.
Lacher nicht, ihr Herren ! e8 war nicht
unfere Schuld, wenn wir einen Mann
für fo etwas wichtiges anfuhen, nach dem
man fich fogar fehnen koͤnnte. Ihr ſor—
get, mie id) von fo mancher Frau fagen
höre, gar bald dafür, daß euren Gattinnen
der Irrthum nicht lange bleibt. Aber mas
wolltet ihr , daß man damals anders
denfen follte, da unvorfichtige Kindsfrauen,
vielleicht auch unvorfichtige Mütter ung
den Befiß eines Mannes ale das höchfte
Gut anpriefen? Lorchen wollte nicht ler—
nen — Lerne Toͤchterchen! ich will dir ei-
nen huͤbſchen Mann ausfuchen — Lorchen
war nicht ordentlih : du mußt ordentlich
fen, wenn du einen Mann befommen
ſollſt!
ı72 Thereſie und Eleonore.
ſollſt! — Lorchen Fleidete fich übel; pfut
fchäme dic), wie wirft du fo übel gefleis
det einem Manne gefallen ! — Sogar wann
Lorchen nicht beten wollte, hieß e8: dw
mußt beten, fonft fchickt dir der Himmel
feinen Mann! — So wird den Mädchen
von ihren zartſten Jahren der Befig ei—
nes Mannes, als das Koftbarfte , womit
die Welt und der Himmel ihren Gehorfam,
‚Gelehrigkeit und Frömmigkeit belohnen
kann; fo wird ihnen das Unglück, feinen
Mann zu befommen, als van Schredlich-
fie, was der Himmel in feinem Zorne über:
fie verhängen fann, als dag Schimpflich-
fie, was ihnen in den Augen der Welt
wiederfahren mag, gemwiefen: fo werben
ihre erften ffammelnden Töne ein Mann;
fo wird der vortheilhafte Begriff davon in
dem Eleinen Herzen eingeäget , wachſet
darin auf, und wird immer fefter — wie
der von einem Daphnis in die zarte Rinde
der jungen Buche eingefchnittene Name
feiner Phifis, mit dem Baume felbft aufs
wächft, und endlich nicht mehr auszuloͤ—
fchen ift. |
Wenn man ung den Lohn wuͤnſchens—
werth machet, fo ift e8 fehr natürlich, da
| wir
<herefie und Eleonore. 173
wir die Zeit abgefürget wuͤnſchen, die ung
den erwuͤnſchten Lohn gewähren foll!
Diefe Zeit koͤmmt endlich ; mir haben
die Jahre erreicher, wo ung die mÄnnli-
chen Schmetterlinge, gleich aufbrechenden
Rofenfnofpen umflattern ; die Jahre des
Dergnügeng, der Scherze, der Schmeiches
ley. Uns werben die Tage gefeyert ; wir
find die Königinnen ; wir herrfchen unums-
fchränft, durch unfre Worte, unfre Winfe,
unfre Wünfche. Das füffe Geräufch der
Scmeichelen beräubt ung ; aber nur we—
nige Zeit, Je ſchaͤtzbarer ung alles dag
ift, was um ung her vorgeht, deſto em-
pfindlicher fielen wir ung den Verluft da=
von por — den Derluft! weg frauriger
Gedanfe! werde aus meiner Seele ver-
loͤſcht! — Doch ich bemühe mich verge-
bens, die Stimme des Wandelnden zu
uͤberhoͤren; er ruft mir wider meinen Wil⸗
len zu:
Maͤdchen, deinen Wangen bluͤht
Nicht ein ewig junger Fruͤhling,
Diefe Lilien werden welken,
Diefe Nofen werden fallen —
Und die Schaar, die num ſich drängt,
Blatternd um bich her zu fpielen ,
Dei:
174 Thereſie und ‚Eleonore;
Deine Winfe augzufpähen,
Deinen Wünfchen vorzueilen,
Wird das Älternd Mädchen fliehn :
- Mie fie int Seriffen flieht;
Die nur erft vor fieben Herbften ,
Gleich dir , in den Kreiſen herrſchte,
Und,der eiferfücht’gen Mädchen ,
Und der lüfternden Narcife
Neid und Blicke auf fich lockte,
Nun beneidet fie fein Mädchen,
Kein Narciß ficht nach ihr lüftern ,
Unbemerft fit fie in Reiben,
Dann ibr Lenz ift nun vorüber,
Penn diefes Dringen der Männer ung
vergnüget, wie können wir ung entſchluͤſ—
fen, daffelbe fobald zu verlieren ? Das find
die Tage unfrer Regierung. Chriftine bat
wenige Nachfolgerinnen , die einen Thron,
fo gleichgültig zu verlaffen, das Herz has
ben. „Vielmehr fuchen wir die Zeit unfrer
Herrfchaft, fo fehr wir koͤnnen zu verlaͤn⸗
gern, und wir fuchen in diefer Abficht alle
Künfte hervor, die wir nur anzuwenden
wiſſen. Ach habe bier nur von einer ein»
jigen zu reden: von der Kunſt feine Jab-
re zu vermindern. Sch weis nicht, warum
die Männer fo manche Spottrede darüber
auß:
<herefie und ‚Eleonore. 175
ausftoffen ? was thun wir anderft, als
was die größten Helden von ihrem Ge-
ſchlechte fo oft gethan, und nod) täglich
thun? Wenn wir nicht mit offener Macht
fiegen fönnen, fo verfichern wir ung des
Sieges durch eine Kriegeslift: wir legen
den Ueberfluß unfrer Jahre in Hinterhalt,
und bedienen ung derfelben nur dann, wann
es unfrer Abficht gemäß iſt —
Aber was fiht e8 mid) an, was Per-
fonen meines Gefchlechtes von einem ge:
goiffen Alter thun! E8 wird Zeit feyn,
auf mich zu fehen, wenn ich diefen furcht⸗
baren Zeitpunft einft werde erreicher haben.
Denn, nie war etwas fo in meine Seele
gedacht, als der Kath, den ich meiner
ernfteren Schmefter über die Schulter aus
ihrem Senefa abgefehen habe: Wenn es
nun aud) gefchehen wird, fagt er, was
nügt es, feinem Schmerzen entgegen
zu eilen: du wirft ihn immer noch ge—
nug fühlen, wann er da ſeyn wird,
Bis dahin hoffe! Was du damit gewin-
nen wirft? die Zeit. Das ift eine troͤ—
ftende Philofophie, diefe Philofophie des
Senefa!
€
VIII,
176 Tbhbereſie und Eleonore,
VIIL
Sich ekeln Deutfchen zu empfehlen ,
Muß ſich der deutſche Wis in fremde Tracht
verhrelen,
v.©.
Ta babe mich in meiner Muthmaffung
nicht geirret; folgende zween Briefe, die
unter den eingelaufenen vorzüglich mitge⸗
theilt zu werben verdienen „ werben es
bemweifen.
Liebenswärdige Schriftfiellerinn! _
„Geſtehen Sie es nur! es giebt gewiſſe
Gattungen des Witzes, worauf Deutfch-
fand auf ewig allen Anfpruch muß fahren
laffen. Ich weiß es nicht eigentlich, woran
e8 liegen mag; ift die Luft, die wir ein-
athmen, vielleicht zu dicht, zu Förperlich ?
oder find die Werfjeuge, deren fich bie
Seele zu ihren geiftigen Verrichtungen be=
dienet, bei ung zu grob ?— Hätte etwan
das Waffer ver Seine und Rbone eine,
—— *) Kraft, dergleichen bie
Pleif-
@&* Derdichtern , wie vergöttern: zum Gott,
zum Dichter machen.
Therefie und Efeonore. 177
Dleiffe, die Elbe, die Spree und Donau
nicht haben ? fehler es an der Erziehung ?
oder. woran fehler eg, daß wir in fo man⸗
chem Theile der Dichtfunft, aber befon=
ders in den feinen Tändeleyen, den Franz
zofen fo fehr nachftehen? — ,,
„ Kann ih, ohne Sie zu ergürnen,
meine Meinug offenberzig fagen ? mir
fcheint,, unfre Sprache fey zu arm, zu
fehwerfallig , zu ungelenffam, etwas
Seines auszudruͤcken; fie fen in der arti—
gen Welt nicht üblich , und daher nicht
bearbeitet genug, um fich die Wendun—
gen zu geben, bie das Naife, das gewiffe
Niedliche der Gedichte eines Chaulieu,
Greflet und dergleichen ausmachen. Ich
will in Anſehen Ihrer eine Ausnahme ſtatt
finden laffen: aber allgemein zu reden,
ſehen Sie nur, wie man zu ausländifchen
Wörtern und Kedensarten feine Zuflucht
zu nehmen gezwungen ift, wann man im
geringften fih mit Kurze, Beftimmung,
Eigenthumlichkeit ausdrüden will! „,
„ Gie felbft geben mir durch dag mit—
getheilte greſſetſche Gedichtchen eine neue
Urfache an die Hand, mit meinen Natio—
naldichtern weniger zufrieden zu feyn. Wels
IV, Theil, M cher
178 Thereſie und Efeonore,
her von ihnen hat feiner braunen Doris,
oder blonden Chloris jemals eine fo feine,
"Schmeicheley geſagt, als der Franzofe
feiner Sophie in der einzigen Zeile:
Dir aber Mädchen glich fie nicht,
ſo weit naͤmlich die deutfche Sprache nicht
zu ungelenkfam geweſen feyn mag, Greſſets
Niedlichkeit ohne Abbruch wieder zu ger
ben ? denn, ohne Zweifel muß diefes Ge:
dicht im Srangöfifchen ungleich artiger und
zärtlicher feyn, als in der Ueberfeßung. Se
fehr auch der Ueberſetzer derfelben die Miene
der Freyheit geben wollen, fo merft man,
feiner Mühe ungehindert, ihr den Zwang
dennoch an — Es ift ein Bürgersmädchen,
dag die Ungeswungenheit einer Stands—
perfon fopiren möchte ; alles, was fie thut,
tft links, wenn ich fo fagen darf, am uns
rechten Drte angebracht, sufammgefeßt,
ſtudirt — |
„ Sie haben daher, fchägbare There:
fie! fich ihre Lefer durch das Anerbieten,
bag franzsfifche Original mitzutbeilen, noch
mehr, als durch die Ueberfegung verbind-
lich gemacht; und ich bediene mich ber
gegebenen Freyheit, Sie zu bitten, daß
| es
Therefie und Eleonore. 179
es mir gegen diefen Brief abfchriftlich mit⸗
gerheilt werde! Wenn unfre Sprache durch
einen Mund, wie der ihrige u. ſ. w. —
Hier folgen ein paar Schmeicheleyen,
durch welche der Verfaſſer diefes Briefeg
vielleicht zeigen wollte, daß er feine ge:
priefenen Srangofen nicht ohne Frucht ge:
lefen habe. Da fie bei einer gutartigen
deutfchen Doris nicht wohl angelegt find,
fo unterdrüce ich fie, und gebe ihm Er—
laubniß , diefelben wieder irgend bei einer
frangsfirenden Schönen an Mann zu brin-
gen, wo fie, vieleicht mit mehrerem Wohl»
gefallen angenommen werden dürften —
Sollte Phileten, wie er ſich unter-
fchreibt , nicht gleich eine folche beifallen,
ſo will id ihn an die Sreundinn verwei—
fen , welche mich mit folgendem lebhaften
Driefe beehret.
Schriftfiellerifhe Landsmänninn !
m @&leim, Uz, Weiffe, Gellere — wie
heiffen die Leute alle, die in der Auffchrift
ihres VI, Stuͤckes genennet find, wovon
ic) Feine Ehriftenfeele fenne, und die ohne
Zweifel die witzigſten Schrifefteller find,
bie Deutfchland von Ewigkeit her geboh⸗
M 2 ren
180 Thereſie und Eleonore;
ren bat, die aber ohne Zweifel auch feine
einzige Zeile gefchrieben haben, welche bei
einer ftandhaften Unterfuchung Stich hält.
Bo find fie diefe unbehälflichen Goliats,
daß mein David mit feiner Hirtentafche
und dem Schäferftabe fie in den, Sand
binftrecfe? wo find fie? In der That,
Madam! ich fchäme mich, eine Deutfche
zu feyn, weil ung fo ein geringer Antheil
von Wit geworden. Aber ich hoffe, mit
mir foll ein Feiner Lofalfehler vorbeiges
gangen feyn. „,
„„ Wieder auf ihr Gedicht zu fommen,
es ift artig, fein, ift Sranfreihs, eines
Greflets würdig. Sie hätten es nicht erſt
bazufeßen dirfen, daß e8 nicht urſprüng⸗
Lich von deutfchem Gemächfe ift, man
hätte das für fich felbft wohl erfennet. Wo
follen einem deutfchen Barben foldhe fche-
ckerhafte, launichte, tändelnde Gedanfen
berfommen? Unfre Herren Poeten find
‚ eitel Herren in us; und ein Herr in us,
ift, wenn er artig thun will, gerade am
unausftehlichften. Sch babe zu meinem
Ungluͤcke davon in meinem achtjehnten
Jahre eine traurige Erfahrung gemacht.
Mein Bruder it, der Himmel weis wie,
auf
x
Thereſie und Eleonore. 181
auf den Gedanfen verfallen , gelehrt zu
werden. Junge bift du toll, fagte ich
ihm wohl hundertmal, willft Su deiner
Samilie ſolche Schande anthun , die
fich feit undenflicher Zeiten von diefer
Deft rein und unbefle@t erhalten bat x
Meine Nede war in Wind, der Purfche
lag unaufhoͤrlich zwiſchen feinen Globufen
und Folianten und andern ſolchem Plun—
derwerke bisüber die Ohren begraben ; fein
einziger Umgang mar gelehrtes Gewuͤrme,
wovon ſein Zimmer wimmelte, und wenn
ich mich nicht ſeiner erbarmt, und ihn ein
wenig zugeſtutzet haͤtte, ſo waͤre er voͤllig
verwildert. Ein verwilderter Deutſcher
aber iſt weit aͤrger, als ein verwilderter
Franzoſe; das ſieht man an Rouſſeau,
der, trotz allem dem, daß er an ſeinem
Gebirge auf Vieren herumkroch, - feine
Julie dennoch recht galant und galanter
als der artigſte Deutſche zu unterhalten
wußte. Mein Bruder wuͤrde ein deutſcher
Sauertopf geworden ſeyn, wozu ich ihn
zu lieb hatte; und er war auch ſonſt zu gut
dazu; wohl gebildet, von ſchoͤnem Wuch-
ſe, hatte einen feinen Fuß, ſang, und
ſpielte den Fluͤgel ganz artig, und war
M3 bei
182 Thereſie und Eleonore.
bei Mädchen ‚nicht fehr verlegen „. dreis
fie genug , und jur Noth auch ein wer
nig unverfchämt: wäre es nicht ewig um
ihn Schade geweſen ? ch fuchte ihn al
fo meinen Freundinnen zu erhalten, 309
ihn Sfter8 in meine Gefelfchaft, und be⸗
fuchte ihn fogar manchmal auf feiner ger
lehrten Werfftätte. Hier num ſah mich fo
ein Iateinifches Infekt, fieng Feuer, feuf-
jete dreymal, reifperte ſich zweymal, und
hatte zulegt doc das Herz — Ja wenn
ich das mytholdgifche Zeug alles mußte,
was er in feine luſtige Liebeserklärung
brachte. Aber ich werde Sie vielleicht mit
diefem Romane ein andermal zu unterhals
ten, Gelegenheit finden. Genug, die deut⸗
fchen Dichter ſind wie die deutſchen Lieb—
haber, fteif, gezwungen, froſtig, traurig. 5,
„Die Franzoſen, die Franzoſen! In
der Ueberſetzung noch, iſt Amors Geburt
ein Meiſterſtuͤck; wie muß es erſt in der
Urſprache ſeyn! ſo ein Unterſcheid, denke
ich, iſt zwiſchen beiden, als zwiſchen der
beruͤhmten Bildſaͤule Pygmalions, und der
wahren Denus: den Umriß, die Rundung,
bie Gefchmeidigfeit Fonnte ber nachahmen⸗
de Künftler geben, aber Wärme, Spiel,
fe:
Therefie und Eleonore, 133
Leben, das war in dem Arbilde mit das
bei. ,,
* Gefhwind mein Schaß, ſchicken Sie
mir das Original! Ich bin ein wenig un⸗
geduldig ‚nicht wahr, zu dringend, zu
lebhaft fuͤr eine Deutſche? deſto mehr
Ehre fuͤr mich! das geſetzte Weſen meines
Vaterlandes glaube ich, wuͤrde mich
ſchlecht kleiden, wuͤrde mir eine groſſe Luͤ—
cke in den dichten Kreis meiner Sklaven
machen. Ohne Zweifel bin ich ein vor—
treffliches Original, worüber Ste einmal
ein Blatt -fchreiben Fönnen. Damit Sie
meinen Ranen wiffen ‚ich heiſſe
ihre: Dienerinn
Clarice,
Nicht zwar in eben diefem Tone, aber:
doch von ohngefähr diefem Inhalte find
die mehreften eingefommenen Briefe: ba=
ber ich alfegugleich mit einem fehr kurzen
Handbriefchen beantworten, und meine
Zufage erfüllen fann.
Meine Leferinnen und Lefer !
„Die Auffchrift auf unferm VI. Stüde
ift nicht von Duſch, fie ift von mir —
Ich hoffe, fie wird Ihnen nun mißfallen!
M 4 Dad
84 Thereſie und Eleonore.
Das Driginal von Amors Geburt, fin⸗
den Sie in Gerfienbergs Tändeleyen ;
aber es ift nicht frangöfifch , es ift ur-
fpringlich von diefem feinen deutſchen
Dichter, der die Meinung, als wäre unfre
Sprache zur tändelnden Dichtfunft nicht
gefchmeidig genug , durch die artigften
Gedichte widerleget bat. Vergeben Sie
mir die Fleine Liſt, der ich mich bediener,
ein Vorurtheil zu widerlegen, das fo all-
gemein, befonders bei meinem Gefchlechte,
iſt! DVielleicht habe ich der Sprache einen
fleinen Dienft geleifter ? vielleicht werden
Sie die ganze Sammlung, woraus dieſes
fhöne Gedicht genommen, zu leſen begie-
rig feyn? vielleicht wird es Fünftig nicht
mehr nothwendig ſeyn,
Sich ekeln Deutſchen zu empfehlen,
In fremde Tracht ſich zu verhelen.
J
IX.
4
Therefie und Eleonore. 185
Kalt Pi:
WVerachte ſtets den Schmeichler, in der Larve
Der Freundſchaft, oder Liebe! feine Reden,
Sind ein beganberend Gift, den Ohren ſuß,
Der Unſchuld todtlich.
* Wieland.
Eleonore an Criſpen.
& Si haben ihre Sache vorfrefflich ge—
macht: ich erkenne Sie daran, ob Sie ſich
gleich nicht nennen. Nun ja! ich habe,
wie Sie ſichs verfprachen, heute früh die—
ſes Räftchen eröffnet, ich habe ihre Schmei-
cheley gelefen, ich lefe diefelben noch einmal,
und hundertmal, wenn Sie e8 verlangen :
Sie werden’ mir immer gleichgültig, nie
gefährlich feyn; Sie werden durch diefe
Mittel nicht einen Schritt vorwaͤrts gehen;
wohl aber, wenn Sie e8 noch einmal wa=
gen, mir folhe Beleidigungen ins Geficht
zu fagen, Finnen Sie es dahin bringen,
daß ih Sie verachte „
„ Beleidigungen find eg, guter Menfch !
förmliche Beleidigungen ! zwar will ich
glauben, daß das nicht ihre Abfiche war ,
daß Sie aus Unwiſſenheit fehlten, und will
M 5 Ih⸗
186 Thereſie und Eleonore? NR
Ahnen dießmal vergeben. Aber hüten Sie
ſich vor einem Nückfalle! ich werde hun⸗
dertmal geneigter ſeyn, dem zu ‚vergeben,
der mich laͤſtert ‚ als dem, der mich un
verfchämt Lobt. „ i
„ Sie legen eine vortreffliche Meinung
von meinem Verftande an Tag, wenn Sie
das Herz haben, mir ſo unverſchaͤmte Lü-
gen in, das Geficht zu fagen, und wollen,
daß ich Ihnen glaube. Sonnengleiche
Augen! wenigftens darin fonnengleich ,
daß fie oft mit Wolfen umnebelt werden ,
und ordentliche Finfterniffe leiden — Ans
betungswürdige Reize! mag ſeyn; eg
ift wohl nicht einmal ein Affe Häßlich genug,
der nicht von einem dummen Volfe wäre
angebetet worden — Blendende Meiffe!
bis auf die Sommerfproffen! gimmlifcher
Wuchs! Haben Sie denn irgend die Ju—
no, oder Minerva leibhaft geſehen, daß
Sie von ihrem Wuchfe fo zuverläflig ſpre—
hen — Die ganze Welt mülfe vor mir
auf den Anieen Liegen! nein, das ift zu
viel, das ift wahrhaft unverſchaͤmt! Heißt
das nicht eben fo viel, als fagten: Gie zu
mir: ich febe dich für Thörinn genug
an, daß du fo fühlbare Lügen für gute
Wahr:
Therefie und Eleonore. 187
Wahrheit annehmen, und dir darauf
Lächerlich etwas zu gut thun wirft! .,
„ Die Spötter kleiden die Gefchichte
ber Verführung Evens in folgendes Mär:
chen ein. Satan, fagen fie, habe fih uns
frer Stammmufter unter mancherlei Ge—
ftalt genähert ; er habe als ein Haas vor
ihr Männchen gemacht, als ein Bologne=
fer vor-ihr gewaͤdelt, als eine Taube vor
ihr gegirret, als ein Affe vor ihr die Stel—
lungen gemacht „ die ihm noch itzt gaufel=
hafte Mädchen in Marftbuden nachmachen,
und die eines folchen Urhebers volffommen
würdig find. Aber durch alle diefe frum=
men Springe habe e8 dem Berführer nicht
gelungen, die Aufmerffamfeit Eveng an
fi) zu ziehen, und mit ihr in ein Gefpräch
zu gerathen. Endlich habe er fich in eine
von den Schlangen verwandelt , die fo
groſſe und fo glänzende Schuppen haben,
daß fich ein Frauenfopf ganz bequem darin
beſpiegeln kann. In biefer Geftalt habe
er ſich, Even gegenüber, an einen Baum
fo gehangen, daß fie. gerade ihr. eigenes
Geficht erblichen mußte. Sie mußte nicht,
daß e8 ihr eigenes Geficht war; aber die
eingerourzelte weibliche Eigenliebe habe ſo—
gleich
188 Thereſie und Eleonore.
gleich ihre Wirkung gethan; fie fen davor
ſtehen geblieben, und habe biefes Geficht
mit Vergnügen betrachtet. Nunmehr hat⸗
. te der Verführer Gelegenheit, feine Schmei⸗
cheley anzubringen: fchönftes unter al-
len Gefhöpfen ! habe er gefprocen ,
Gebieterinn diefer Welt, von der du
würdig bift, verehrt zu werden! diefe
fchöne Geftalt, die du in dem Spiegel
meiner Schuppen bewunderft , die —
bift du. Diefe Böttergeftalt follte un-
fterblich fepn! Der Baum, deſſen ſchö—
ne Srüchte nur bier find, von der Ans
mutb deiner Rofenwangen befchämt zu
werden , Bann dir diefe LinfterblichFeit
gewähren! Strede deine Hand aus,
Bsttinn! — Eva habe diefen Schmeiche-
Venen nicht mwiderfiehen können, und babe
gegeffen: und wir wären, wie in’andern
Stücden, auch in bdiefem , die wahren
Töchter Evene. „,
„Nein, das fol man ung nicht nach⸗
fagen! ich will meine Gefpielinnen gegen
diefen Kunftgriff aufmerffam, argwoͤhniſch
machen: ich will ihnen ans Herz legen,
daß fie den Schmeichler, mie eine Schlan=
ge haffen, und fliehen. Wie follten fie ei=
nen
Therefie und Eleonore. 189
nen Menfchen anhören, der es fo fehr
nicht verbirgt, daß er fie verachtet, da
er offenbar ſich über fie aufpäle ? denn
find folche übertriebenen Lobfprüche , die
man ung ertheilt, nicht wahrhafte Spöt-
fereyen , gleich als wenn man einem
Rrummbeinigten über feine fchönen Fuͤſſe
Komplimente machte! — „,
„ Der Ratbgeber, ven man ung im-
mer vorwirft, dieſes Werfzeug der Ver—
führung Evens nach der luſtigen Ueberlie—
ferung, foll ihren kluͤgern Toͤchtern zu ei⸗
nem beſſern Gebrauche dienen. Ich rathe
meinen Freundinnen, zu thun, was mir
immer vortrefflich bekommen iſt. Sobald
ihre Liebhaber, oder ſonſt heuchleriſche
Maͤnnergeſchoͤpfe auf den Weg gerathen,
ihnen Blümchen vorzuſagen; fo hören
Sie diefelben nicht anders an, als mit
diefem Nathgeber in der Hand, und un—
terfuchen Sie nad) feinem Ausfpruche, wie
viel daran Wahrheit oder Lüge ift — .,
+ Was glauben Sie, Erifpug! mag
wuͤrde mein Spiegel fagen, wenn ic) ihn
Wort für Wort über ihre Erzaäͤhlung zu
Rath nähme?
Bst: |
190 Therefie und Eleonore,
Gotterkind, auf deren Wantten
Des Lenzes holde Schäge prangen!
Wo find fie diefe Schäße? ich fehe, ich
finde, um Reim für Reim wieder zu geben,
Die Rofen und die Lilien nicht,
Don denen Erifpus fpriht 1 —
Ich wenigftens fehe Feine Stralen: ein
paar Augen fehe ich wohl, aus denen
Munterkeit, vielleicht auch Schalfheit bli⸗
cket, aber
Das Seuer, das fo ſicher Glut erreget,
Und eine Welt zu meinen Süffen leget,
dieſes Feuer zu fehen , da muͤſſen Gie
wahrlich beffere Augen haben.
Gleich einer Muſchel Sffnee fich der
‘ Mund,
Und zeiget eine Reib von Perlen,
Der Unverfchämte! fage mein Spiegel;
ihre Zähne find nicht Perlen , fo wenig
ihr Mund einer Mufchel gleicht. Es ſind
gute, nicht eben ungefärbte Lippen, und
diefe Lippen find ganz gut angebracht,
zwo Reihen nicht am beften gereibter Zaͤh⸗
ne zu bedecken — „,
„ Kurz, guter Freund! nicht eine ein⸗
zige ihrer Schmeicheleyen ift Wahrheit,
und ich geratbe auf den Einfall, Sie has
ben
Therefie und Eleonore. 191
ben mir vieleicht Durch ihr Lobgedicht fa=
gen.wollen, was ich nicht bin; wie man
cher Lobredner der Groffen in feinem Pa⸗
negyrikus, oder einer Zueignung ſagt, nicht
was ſie ſind, ſondern was ſie ſeyn ſollten.
„Allenfalls daß dieſes wäre, fo koͤnn⸗
ten wir aus euren Schmeicheleyen viel-
Seicht immer einigen Vortheil ziehen. Se
mehr ihr ung Echmeichelhaftes vorfaget, _
defto gröffer wäre unfre Demüthigung ;
und wann ihr ung als vollfommen preis
fet, fo hätten wir daraus recht deutlich
zu verfiehen, daß wir in allen Stücden
unvollfommen find —
„ Sie find in der hat nicht der An
zige, der feine Lobeserhebungen bis auf
einen gemwiffen Grad der Unverfchämtheit
getrieben hat; ich habe mehr von ihrem
Gelichter gefehen, und unter benfelben ei—
nen, deffen Schmeicheleyen von einer wir
bigen Perſon, fo wie fie ed verdienten,
aufgenommen wurden. Frau von E**,
eine Wittwe, hatte von ihrem Manne ein
beträchtliches Vermögen ererbet, und war
ohne Kinder, . Ein groffes Vermögen, und
ohne Kinder — das waren flarfe Anlo—
Fungen für manchen Freyer. Es traten
de:
129 Thereſie und Eleonore.
deren mehrere auf, und einer der drin
gendften Mitwerber, war ein Offizier, der
durch eine folche Heurath feine verwirrten
Umftände wieder in Ordnung zu bringen
hoffte. Frau von E** war in dem Alter,
in dem ,‚. soie fie felbft zu fagen pflegte,
die zweyte Ehe einer Thorheit, oder Un:
enthaltfamfeit fchuldig machet , über. fünf
und vierzig hinaus, und fie machte aus
ihrem Alter ganz Fein Geheimniß. Der
dringenden Zundthigungen ihrer Freyer auf
eine Iuftige Art log zu werden , erflärte
fie, daß, wenn fie ſich wirklich zu einer
Heurath entfchlüffen ſollte, fie nur einen
Hann wählen würde, der zehn Jahre
älter wäre, als fie — So find Sie die
Meinige, fagte der Dffisier, und kuͤßte
ihr danffagend die Hände, Die ihrige Y
fragte fie erfiaunt — Die Meinige, je;
ich bin bereits vierzig , und Sie —
fönnen Faum acht und zwanzig haben,
gnädige Srau!— Durch diefe Schmeiche⸗
ley alaubte er, die Eitelfeit diefer Frau
fo fehr aefäffelt zu haben, daß es ihm un⸗
möglich fehlen follte. Frau von E** gieng
auch mit einem vielverfprechenden Blicke
nach ihrem Zimmer, und verhieß ſogleich
wies
Therefie und Eleonore. 193
wieder zu erfcheinen. Gie Fam mit einen
Papiere in der Hand. Leſen Sie! fagte
fie dem dreiften Schmeichler : e8 war ihr
Taufdrief. Diefes Papier giebt: mir 45
Sabre, und Sie 28. Eines von Ihnen
Tüge: wer glauben Sie, daß es unter
beiden ſeyn muß Y Diefe Befchämung
war eine zu geringe Strafe für fo viele Un⸗
verfhämtheit — Hüten Sie fih, Crifpus !
künftig unfre Geftalt, fo ohne Maaß und
Ziel zu erheben! wir werden Ihnen unfre
Gefichter im Spiegel zeigen, und fprechen:
einer aus beiden muß Lügen, und die—
fer da kann es nicht — „, |
€,
x.
Unwürdig unfeer Gunſt, und des geringften
| Blicks,
Iſt der gemeine Schwarm der Heuchler.
Hagedorn.
F die unwuͤrdigen Geſchoͤpfe,
die Schmeichler, ſind bei dir zu leichten
Kaufs durchgekommen: ſie wuͤrden deiner
Nachſicht mißbrauchen; ſo wie ſie der Un—
erfahrenheit manches unſchuldigen lieben
Geſchoͤpfes mißbrauchen. Ich will den
IV. Theil. N Stoff
194 Tcherefie und Eleonore.
Stoff noch einmal vornehmen, über den
du mit fo flüchtigem Fuſſe weggeeilet bift,
daß von deinem Gange faum einige Fuß:
ftapfen im Sande zurückgeblieben find.
Die Sache verdient noch einmal betrachtet
zu werden. /
Die Schmeicheleyen , die man dem
Srauengefchlechte vorfagt , gehen entwe—
der auf Eörperliche Eigenfchaften,, oder
fie zielen auf die wichtigeren Eigenfchaften
des Geiftes, der Seele.
Größtentheilg find e8 die erftern; und
wir felbft geben Anlaß, zu glauben, daß
uns ein Lobfpruch über unfre Äuffere Ge—
ſtalt werther ift, als ein Lobfpruch , den
man ung über die inneren Eigenfchaften
ertheilet. Zu diefer ernicdrigenden Mei-
nung geben wir Anlaß, da wir zur Ver—
vollfommung und Erhaltung diefer Reize
alle Mühe anwenden; hingegen jene edle⸗
ren ganz auffer Acht laffen, vernachläffi-
gen. Iſt es ein Wunder, wenn andre
von einer Sache feine groffe Meinung ba
ben, die wir felbft nicht der Mübe werth
ſchaͤtzen, zu erhalten?
Der Grund dieſes Vorzugs der Geſtalt
vor dem Geiſte, ward ſchon in den zart⸗
ſten
Therefie und Eleonore. 195
fen Jahren in ung gelegt, worin wir von
unfren Neltern nicht viel beffer arigefehen
wurden, als Affen, oder fonft Fleine Spiel:
thiere, beftimmt , durch unfre Gaufeleyen
fie zu ergößen, und in welchen Jahren
gleichwohl unfre Denfungsart gewiſſe Buͤge
annahm, die fie nicht wieder big in dag
Grab ableget. Wenn die Puppe unge!
behrdig ift, und durch ihr Gefchrey dag
ganze Haus beunruhiget, welches find die
Worte, fie zu befänftigen: du häßliches
Maschen, wenn du fo ſchreyſt — Und
fchweigt fie dann; fo heißt es: fo bift du
ein fchönes Kind! Derficht e8 dag Kind
irgend worin, fo fchreyt die Mutter: ges
fchwinde fchafft mir den haßlichen Ran⸗
gen aus den Augen! Will fie es aber
wozu ermuntern, fo ſpricht fie: geb Töch⸗
terchen, thue dieß oder jenes! fo bift
du ein fchönes Töchterchen. Man trägt
wohl über dieß das Fleine Schreymaul vor
den Spiegel, und zeigt ihm feine verzerrte
Bildung darin: fiehft du das häßliche
Maschen! *
Die Früchte dieſer wohluͤberdachten Er⸗
ziehung zeigen ſich auch bald. Will man
ein Rind weinen machen, man ſage ihm:
2 du
196 Thereſie und Eleonore.
du haͤßliches, abfcheuliches Kind! auf
der Stelle find die Augen voll mit Waſ—
fer, das Kind fchluchzt, und nun bricht
es in unſtillbare Thränen aus, Muͤt—
ter! ihr-Fönnet ed fagen, ob meine Be:
obachtung richtig it — Aber man lobe
das Kind über feine Geftalt; wie fich dag
kleine hochmuͤthige Geſchoͤpf briiften wird!
Daher auch die Kinderwaͤrterinnen kein
kraͤftigers Mittel wiſſen, die Kinder, die
einen natürlichen Abſcheu vor dem War
ſchen haben, dazu zu bringen, als durch
die troſtbringende Verheiſſung: es werde
dadurch ſchön werden. Durch dieſe Art
von Betragen gegen Kinder ſetzet ſich der
Begriff ſchön, mit dem andern eines groſ⸗
fen Guten und Vorzugs vereinbaret, in
ber erften Jugend feft, und eben fo ber
Begriff baplich , von jenem andern eines
groffen Uebels vergefellfchaftet ; beide
mwachfen mit ung auf, werden mit ung
alt.
Es ift ung nicht eben fonderbar ruͤhm⸗
lich, daß ung die Männer, wann wir er=-
wachfen find, eben fo behandeln, wie un=
fre Kindefrau es mit uns machte, ba
wir noc) an dem Weisbande bergiengen.
Wir
Thereſie und Eleonore. 197
Wir würden ung fchämen, wenn wir noch
durch einen fehönen Apfel, oder irgend ein
buntfärbigtes Band wozu zu bringen waͤ⸗
ren; warum fehämen wir ung nicht, daß
wir ung durch einen Lobfpruch über unfre
Geftalt beftechen laffen? daß Elarifien
der erivachfenen, wie Claͤrchen dem Rinde
das Wort ſchön die Stirne aufheitern,
und das Wort haͤßlich Thraͤnen auspref-
fen fann? Wollen wir nie aufhören Kin—
ber zu ſeyn?
Ich verdenfe den Männern ganz nicht,
wenn fie fo mit ung umgeben, wie. fie fe=
ben, daß wir e8 fodern. Sie fprechen: das
Mädchen bat einen mittelmaffigen Der»
ſtand! dag beleidiget uns nihe — fie fpre=
chen: das Madchen tft nicht wohl gez
bilder! nimmermehr werden fie diefe Be—
feidigung ausſoͤhnen. Saget niir, meine
Freundinnen! ift die Geftalt euer befter
Theil? |
Was würdet ihr dem Menfchen anf:
worten, der in dem Lobe eures Kleides
unerſchoͤpflich, von feiner Farbe, von feiz
nem Ölanze, von feiner Schönheit ganz
bezaubert wäre ; aber bei dem Kleide ſtehen
bliebe, ohne eurer felbft mit einem Worte
| N 3 ——9
198 Thereſie und Eleonore.
zu gedenfen? — Wie fid) das Kleid zu
eurem. Körper verhält, eben fo verhält
ſich der Körper zu dem Geifte; mie koͤnnt
ihr fo gleichgültig feyn , die übertriebenen
Lobfpräche des erfteren uhoͤren, bie
nur auf Köften des andern fo übertrieben
find ? |
Wenn wir billig ſeyn wollen, fo fönnen
wir ung fein Wort von allem dem zueig—⸗
nen , was man uns zu Ehren unfrer
Schönheit vorſaget; gefeßt auch, daß als
les nach) dem Buchftaben wahr if. Was
haben wir dazu beigetragen, daß wir fo
find, wie wir find? haben mir ung felbft
gebilder? haben wir dem, ber ung ger
bildet, vorgegeichnet, wie wir ſeyn woll⸗
ten? fonnten wir anders ſeyn, alg wir
wirklich find? Man lobet uns alfo um
einer Sache willen, ‚von der und ganz
nichts eigen ift, woruͤber die Zeit, eine
Krankheit, ein Fall, oft ein geringer Um—
fand ihre Gewalt ausüben; und wenn
unfer Ruhm auf unfrer Geftalt beruht,
fo verlieren wir täglich einen guten Theil
deſſelben, und dag Alter ift-die Zeit ber
hoͤchſten Schande —
Hör
Therefie und Eleonore. 199
Hörer ihr Mädchen die Klage des Hir-
ten von Ida! er Flagte oft um fein Maͤd⸗
chen, das, in fich felbft verliebt, oft ſich
aus feinen Armen riß, und an den Fluß
eilee, der am Fuffe des Berges hin fid)
ſchlang, und ſich im Fluffe; bewundernd ‚ber
fah ; fo Flagte er über das eitle Mädchen:
m Schön bift du Chloe! alle Hirten
preifen dich, alle Mädchen am Ida be—
neiden dich, und fürchten, daß du ihre
Hirten untren ihnen machefl, „,
„ Über, o möchteft du minder es willen,
wie reigend du bift! dann Chloe waͤreſt
du noch reigender für mich; die Hirten
würden dann noch mehr dich erheben , die
‚ Mädchen am Ida noch'mehr dich benei-
den! — „ |
„, Nie finde der die Iabende Kühlung
des Schattens, wann feine Schaaf’ in
dichtem Kreife gedrängt, im eignen Schaf:
ten die Köpfe verbergen, dann grüne nir—
gend für ihn, ein breitbefchattender Baum !
„Nie finde der ein fittfames Mädchen,
das nur für ihn mit Blumen fid) kroͤnt,
für ihn die Haare fich lockt, für ihn am
Fluſſe ſich waͤſcht, ſchoͤn, nur für ihn
ſeyn wuͤuſchet! fein Mädchen fen eitel —
Na * Das
200 Thereſie und Eleonore
„Das Mädchen des Schmeichlerg ,
der Chloen, ehmal das fittfamfte Mäd-
chen, mit feinem Lobe, wie dort die Mäbd-
chen von Cyzikus gerne e8 hören, mit
ſolchem Lobe fo eitel gemacht: es fen fo
eitel, alg fie find! „
„ Hier fig? ich verlaffen, und Flage,
indeffen fie unten am Bache, fich felbft zu
befeben, nicht fatt wird. Derfieget ihr
Flutten des Simois, damit. fie in euch
fih nicht fehe, um ſich zu ſehen, mic)
nicht verlaffe ! mid) , der ich das eitle
Mädchen noch liebe —
„ Was fiehft du o Mädchen im Bache ?
fprich ! was gefällt dir fo fehr, an bir
ſelbſt ? die Farbe der Wangen ? der
Echmeichler verglich fie den Nofen. Sieh
bier diefe Roſe, ich habe für dich fie ge—
pfluͤckt! nicht zürne o Chloe! aber ihr
Roth befchämt deine Wangen — „
„ Der Glanz deiner Augen ift maͤch—
tig, ich hab? es gefühler; doch mächtiger
nicht, als der Glanz des Fichtes, das ung
den Tag miederbringt, an dem zur Pein
ich dich nur fehe; du aber, du fiehft
nichts, als dih — „,
„ Ser
Therefte und Eleonore. 201
5 Gefällt dir dein lockigtes Haar ? die
Wolle der Laͤmmer ift Fraufer, und zärter
ift das Gefpinnft des Gewuͤrms, das dort
der Städter ernährt, daraus fih praͤch⸗
tige Kleider zu mwirfen,, und darin flolzer
zu feyn —
„ Dein Fuß ift fein: doch feiner iſt
noch der Fuß des flüchtigen Nehs: dein
Wachs ift edel und ſchlank; doch fieh !
dorf fteb£ fie vor dir, die Erle am Bache
ift ſchlanker als du — „,
„ Worauf denn o Chloe, worauf chuſt
du ſtolz? was immer der Schmeichler an
bir erhub, womit er dich immer verglich,
das — zuͤrne nicht über die Wahrheit !
daß übertrifft dich fo weit, als du bie
Mädchen am Ida — ,,
„ Nur eines haben fie nicht, die Roſe,
der Tag, die Wolfe der Lämmer, die Sei-
de des Wurmes, das fluͤchtige Reh, und
die Erle am Bad’ ; ein fühlbares Herz
und Treue für mih —
„O Chloe, hab? du eg für mich! ent⸗
wend' es mir nicht das fühlbare Herz! und
liebe dich mehr nicht, ald mich —
— 2 4 Kehr
202 Thereſie und Eleonore.
„Kehr wieder an meine Seite zurück,
und mache mid froh! und willſt du ja
beftändig dich fehen; fo feb in mein Aug!
dort auch erblickft du dein. Bild —
} 8
XI.
Ein edles Herz iſt kat zu bintergehen.
Weiffe.
Preonoxe. An Thränen Julie ? Sind
diefe Augen zu TIhränen gefchaffen? wuͤr⸗
de ihr Belidor —
Jul, Nennen Sie mir den verhaßten
Namen niht —
Eleo. Verbaft? er? ;
Zul, Verhaßt! der verächtlichfteMenfch
in meinen Augen, werth von jederman
verachtet zu feyn —
Eleo. Gie fprechen von ihrem Gelieb⸗
ten, Julie! Er koͤnnte das nicht feyn, was
Sie fagen, obne daß auch Sie durch ihre
Wahl es mit wären.
Sul, Schonen Sie meiner nicht! mei—
ne Wahl war-unbedachtfam — aber ich
fonnte fie durd) fo viele Gründe rechtfertie
gen — Belidor war, er fchien es zu feyn,
ehr=
Therefie und Eleonore. 203
ehrerbietig , befcheiden, zärtlich, er ſchien
mich zu lieben.
Eleo. Er fehien? diefer Menſch ſchien,
der aller Orten, wie ihr Schatten Sie
verfolgte, der, wo er Gie fah, nieman—
ven alg Sie fah, der alles that, vie Welt
von feiner Liebe gegen Sie zu überzeugen,
ber Ihnen vor fo vielen Zeugen ewige
Treue fhwur? —
Sul. Sa, diefer Menſch, der hundert⸗
mal auf den Knieen um mein Herz, um
einen guͤtigen Blick bat, der, ohne mei—
ne Gewogenheit, ſich den ungluͤcklichſten
unter allen Sterblichen nannte, dieſer
Menſch, nachdem er durch ſeine ungeſtuͤ—
me Aemſigkeit mir endlich das Geſtaͤndniß
meiner Schwachheit entriſſen, triumphiret
nun uͤber mich, und ruͤhmet ſich öffentlich
meines Geftändniffes —
Eleo. Und darüber weinen Sie? da—
rüber muß der arme Belidor fich alle die
- fhönen Namen gefallen laffen, mit denen
Sie ihn nur erft beehrt haben ? Ich weis
nicht Julie, wo ihre Grundfäße bleiben.
Haben Eie vergeffen, was Cie immer zu
fagen pflegten: Sie hatten Feine Gebeim-
nifle : denn Siewollten nie etwas thun,
was
20% Thereſie und Eleonore,
was nicht jederman wiflen dürfte + Wars
um fol ihre Neigung gegen einen würdigen
Mann ein Geheimniß bleiben, und viel-
leicht eben durch) die Miene des Geheimnif-
fe8 Verdacht erregen ? —
ch muß Sie ausfchelten Julie, Wie?
daß ihr Liebhaber fein Gluͤck nicht ver—
ſchweigt, darüber fcheint er ihnen verächt-
lich? — Ich würde ihn tadeln, wenn er
fchwiege: ich würde denfen, er halte feine.
Eroberung nicht für wichtig genug, um ſich
derfelben zu rühmen: ich würde denken,
fein Herz halte ein Gluͤck nur für mittel-
mäffig, wenn es daffelbe verfchlüffen, ganz
in fi faſſen kann. Mein Liebhaber fol
aug meiner Gewogenheit Fein Geheimniß
machen! er foll meine Kette Sffentlich tra—
gen! er fol fich der Erlaubniß rübmen,
mein Sflave zu ſeyn. Nur wo die Liebe
durch das Lafter entweihet wird, ift ihr
das Geheimniß nothiwendig : nur wann
unſre Wahl auf einen unwuͤrdigen Gegen-
ftand fällt, fann ung bie Offenbarung der⸗
felben Schande bringen —
Jul. Ich babe Sie eifern laffen, wie
Cie gewollt haben; Iaffen Sie mid nun
auch, mich rechtfertigen?! Wenn Belidor
ſich
Therefie und Eleonore. 205
fi) meiner Liebe nur gerühmet hätte, fo
würde ich mich nicht beflagen: ich würde
dieſes öffentliche Bekenntniß vielmehr alg
eine Senerlichkeit angefehen haben, durch
die er fich in den Augen aller Welt gegen
midy zur unmandelbaren Treue verbinden
goollen. In der That, fobald ein Lieb—
haber fein Verſtaͤndniß mit einem Maͤd—
chen befannt macht, fo muß er daſſelbe,
wie ein Dichter feine Handlung, big zum
Ende hinaugführen, oder, wenn er, ohne
von ihr veranlaffer zu ſeyn, unbeftändig
ift, fo brandmarfer er feinen guten Nuf
felbft, und waget wenigſtens, für einen
fehändlichen VBerräther angefehen, und von
unſerm ganzen Gefchlechte Eünftig als ein
Slatterhafter geflohen zu werden. Aber
Belidor rühmer fich meiner Liebe nicht,
er verhöhnet fie. Er fpricht öffentlich von
mir als von einer unbefonnenen, von einer
verliebten Thoͤrinn, der man alles anz
ſchwaͤrzen koͤnne, bie, fobald ihr ein Mann
von Liebe erzählt, woreilig glaube: Furz,
Belivor fpricht, er habe nie für mich eine
Liebe empfunden, er habe mein Geftänd-
niß durch feine Verftellung mir nur ent=
locket, und ich werbe durch ihn das März
chen
206 Therefie und Eleonore;
chen der Stadt, bie Unterhaltung aller
Bustifche und Gefellfchaften —
leo. Freundinn ! Sie haben nun Recht,
Belidorn zu verachten ; aber unrecht, fich
ju betrüben. Wollen Sie, daß der gute
Ruf eines Mädchens in den Händen der
erſten, der beften Manngperfon liege? in
der That, da könnte er nicht im fchlech-
teren feyn. Aber was hat unfer Ruf mil
diefen Gefchöpfen zu thun, wenn wir ih⸗
nen denfelben nicht felbft preis geben ?
- Zul. Machen Sie unfre Häufer erft zu
Schulen der Weisheit! aber ich fürchte,
ihre Mühe wird vergebens feyn : und fo
lange die vorige Denfungsart herrſchet,
fo flebt einem Mädchen, das von einem
Betrüger durch verabfcheuungswerthe Ver⸗
ftellung zum Beften gehabt worden, bes
ftändig eine Art von Schimpf an, und
die Welt hält fie gewiſſermaſſen für ent:
ehret —
Eleo. Diefe Meinung der Welt gehört
zu den mehreren unbilligen, die der Ehre
beider Gefchlechter daran liegt, ausjus
reuten. Wenn jemand von feinem Bus
fenfreund bintergangen worden, auf wer
faͤllt der Unwillen der Welt über die ver-
letz⸗
⸗
Therefie und Eleonore. 207
legte Sreundfchaft ? auf den Betrogenen
oder Betrüger ? Warum denn fol in der
Liebe Schande und Verachtung auf dag
Mischen fallen, wenn es einem Menfchen
trauet, defien Handlungen ganz nicht zwey⸗
deutig find , nicht und nur und unfer
Herz, fondern felbft die Welt feiner Liebe
und Hochachtung gegen ung zu überfüh:
ten, wenn e8 feinen heiligften Betheu:
rungen , feinen hundert und bundertmal
soiederholten Verficherungen trauet ? —
Iſt der Irrthum in der Liebe mehr Irr⸗
thum , als der Irrthum im der Freund:
fchaft? — Ja! wird irgend eine ausru—
fen , die ſchon allen Foderungen längft
entfagen müffen, ja, ihr tollen Mädchen!
warum ſeyd ihr fo gutberzige Geſchs⸗
pfe, den Mannsperfonen alle Schmei-
cheleyen zu ulauben. Beinahe möchte
ich der Ehrwuͤrdigen nieder zurufen: wenn
wir einft bis an ihre Stufe der weib-
lichen Volltommenbeit hinangeſtietzen
feyn werden, fo werden wir über. die-
fen Punft fo unglaubig werden als fie
find — Aber in diefen Jahren, die die
Natur zu den Fahren der Blüthe und des
Reizes gemacht , in diefen anziehenden
Jah⸗
208 Thereſie und Eleonore.
Sahren, wo ung der Spiegel wenigſtens
ſo viel faget, es fen feine förmliche Un—
. möglichkeit, daß wir jemanden gefallen,
in diefen Jahren, die Betheurungen eines
Menſchen anzuhören, den wir, Mann für
Mann gerechnet, endlich wohl noch werth
find, zwifchen welchen und ung fein Ab-
fand der Geburt oder des Standes tritt,
wo iſt da die tadelswürdige Guthersigfeit,
aus welcher uns ein Vorwurf gemacht
werden fann ? Aber ihr follt den Män=
nern durchaus nicht glauben! Gut! der
Sehler ift alfo darin, daß wir zu gütig
von dem Mannsgefchlechte geurtheilt, daß
wir nicht jeden unter ihnen für einen heu⸗
chelnden Böfewicht , nicht jedes ihrer
Worte für Lüge, jeden Schwur für Mei-
neid, jede Handlung, jeden Schritt für fo
viel Rertufchftreiche angefehen haben ? —
Unvergleihlih! wenn unfer Umgang mit
unfern Ffünftigen regierenden Herren auf
einen folchen Fuß gefegt werden müßte —
Sul. Saft follte e8 feyn, Eleonore
Seit dem die Betrüger fichs zum Geſetze
gemacht, aller Orten Liebe vorzugeben,
und nirgend fie zu empfinden : feit dem
fie eine Art von Ruhm darin beftehen
laſ⸗
N
Therefie und Eleonore, 209
Jaffen, vielen vorgelogen , und darunter
viele gefunden zu haben, die ihren Luͤgen
geglaubet ; feit dem, wie die Eroberer ih
re Siege, fie die erhaltenen Gegenlieben
zählen, und damit den Erdkreis erfüllen,
und derjenige unter ihnen fich der Unſterb⸗
lichfeit am verfichertften hält, dem es ge—
lungen , Myriaden leihtgläubiger Maͤd—
chen gefunden zu haben ; feit dem daß
männliche Gefchlecht ſolche Grundfäge ans
gensnimen , feit dem follte das unfre
diefen andern angenommen haben, fie
fammtlich für fchandliche Betrüger an⸗
zufehen, und auc auf diefen Fuß mit
ihnen umzugehen —
Eleo. Ihre Wunde blutet noch; daher
iſt Ihnen ihre Empfindlichkeit zu vergeben:
Aber venfen Sie Julie! was würde aus
unferem wechſelweiſen Umgange, was wire
de aus unſern Ehen werben, deren Grund
doch durch diefen vorläufigen LUmgang ger
legt werben muß? Leute, die ſich ſchon vor
ihrer Verbindung als Betrüger anfehen,
werden ſich narhher gewiß verachten, Nein
meine Freundinn! wenn unfre Beftimmung
glücklich ſeyn foll, fo Finnen wir nicht zu
fehr die gegenfeifige Hochachtung beider
IV; Theil. O Ge⸗
210 Thereſie und Eleonore,
Gefchlechter gegeneinander feftfenen ; ba
‚mit wenigftens , wo die Liebe verlifcht ,
die Hochachtung an die Stelle trete, und
dag Band der Ehe angenehm mache. Aber
es ſteht ung frey, und es follte zu einer
Staatsmarime der weiblichen Politik an⸗
genommen werden, denjenigen des Soch-
verraths gegen ung alle ſchuldig zu erken⸗
nen, der e8 gegen eine unter ung gewor—
den.
Zul. Sie haben da einen Bortrefflichen
Gedanfen Eleonore! In der That, wars
um follen role durch unfer Vorurtheil ges
gen ung felbft handeln ? warum follen wir
ung durch eine fhändliche Handlung des
Dritten beſchimpft halten ? die Schande fey
da, wo die Uebelthat ift, auf Seite des
Betrügers, nicht der Betrogenen, der im
Grunde nichts anders vorgeworfen wer—
den kann, als daß fie zu redlich war, eis
nen andern für unredlich zu halten. Sch
bin nun ganz berubiget. Ich babe Beli:
dorn gelicht, weil ic ihm Sitten und
Denfungsart zutraute: er hat beides nicht
ein Herz, weldyes nur bedingt gegeben wor=
den, ift e8 nicht, wenn dag Bebingniß nicht
erfuͤllet wird. Nehmen Sie, befte Freun—⸗
| binn,
ne. eure
Sherefie und Eleonore: 211
dinn, den Stoff unfrer Unterredung ein-
mal zum Stoffe eines ihrer Blätter !
Sch Fann nicht beſſer thun, werfegte
ich, als daß id) diefe Unterredung felbft zu
Papier bringe — Ich feße mich an Zus
liens Schreibtiſch, und fchreibe hin, weil
mir noch alles im frifchen. Andenken iſt —
| E.
XII.
Gäbe Feiner auf mich Acht,
Als une mein Herz mit Richterblicken;
So trüg? ich vor dem Herzen Scheu.
Rarfchinn.
Eine morgenländifhe Erzählung.
2
„on der Provinz Di: al-dFhen, die an
der oͤſtlichen Küfte von China liegt, aber
durch eine unwegſame Wüfteney von dem>
felben geföndert wird, berrfchte vor fie=
benzehntaufend Fahren, nach ber di— al:
dfhanifchen Zeitrechnung , eine ganz: be=
fondere Krankheit unter dem meiblichen
Geſchlechte. Alle Mädchen und ale Frauen,
jede hatte für fich felbft eine tiefe Verach⸗
tung, bie fuͤr beide Gefchlechter bald die
22 nad)s
212 Tiserefie und Eleonöre:
nachtheiligften Folgen zeigte. Die Frauen,
warn fie allein waren , hielten e8 ber
Mühe nicht werth, fich zu pußen: fie ver-
nachläffigten fich dergeftalt , daß fie dert
Männern efelhaft wurden, und fein Die
al: dfhaner wollte mehr zu feinem Meibe
wiederkehren. Die Mädchen übten unge:
ſehen allen Muthwillen aus, und biefer
Muthwillen ward ihnen zur Gewohnheit.
Sie waren nachher auch in Gefellfchaft
biß zur Ausgelaffenbeit leichtfertig ; und
fein Dizsal:dfhaner verlangte ein ſolches
Veichtfertiges Gefhöpf zum Weibe, Wie
in den übrigen afiatifchen und morgenlän:
difchen Reichen die ftummen Männer
wegen ber Geheimniffe der Serrail üblid)
find , fo find e8 in biefer Provinz bie
ftummen Weiber, Man hält ſich bier
aus einem partheyiſchen Vorurtheile, der
Derfchroiegenheit der Männer ohne dag
verfichert ; aber die Weiber, fagt man in
Disal:dfhan, wären nur dann verſchwie⸗
gen, wann fie nicht reden Fönnten. Zu
Gegenwart diefer Stummen nun, ‚bie man
nicht zu fcheuen hatte, überlieffen ſich ver—
ehlichte und unverehlichte, junge und bes
tagte Disalzdfhanerinnen allen möglichen
Thor⸗
Therefie und Eleonore. - 213
<horheiten, allen ſchaͤndlichen Lüften ihres
Herzens, und verberbten fich in Kurzem
fo, daß fie von Männern und Juͤnglin—
gen eben fo fehr, als von ſich ſelbſt ver⸗
achtet wurden.
Dieſe allgemeine weibliche Unſittlich⸗
keit, fagen die Geſchichtſchreiber von Dis
al⸗dkhan, Fam von dem Zorne des maͤch—⸗
tigen Zaubererd Tſoro⸗xorotſo, dem feine
Ehrengemahlinn Ziran, *) die Tochter
des Königs von Dizalsdfhan, untreu ges
worden. Er hatte fie im neunten Jahre
geehliget, und von ihrem Vater für hun—
dert rothe Elephantenzähne, taufend Häute
von Goldtiegern, taufend Teppichen aus
Eolibrisfchmweifen gewirkt, und zehntau⸗
fend Erofobdileyern erkauft. Den dritten
Tag nad) der Trauung erhub er fie zu
feiner Ehrengemahlinn , welche Stelle
in ben Serrailen biefer Reiche die vornehme
fie, und mit einer beinahe unbeſchraͤnkten
Freyheit verbunden iſt. Tforo = xorotſo
überhäufte feine Zi⸗ an mit den praͤchtig⸗
fien Sefchenfen, die er aus den Schlafge-
mächern von hundert Königinnen durd)
93 feis
=) In der nahdrüdlichen Sprache) diefer Pros
sing, MWiederfchein der Sonne.
214 Thereſie und Eleonore.
feine untergebenen Dienftgeifter zuſamm⸗
bringen ließ. Er blieb zehn Nächte bins
tereinander bei ihr. So lange hatte fonft
die Welt von feinen Zaubermwerfen nie
Ruhe gehabt.
In der eilften Nacht mußte er,- nad
dem Bunde ber orientalifchen Zauberer ,
Schaden zufügen, oder feiner Macht vers
luſtig werden, Er verließ Ziran mit vier
fer Widerftrebung feines Herzens, Sie
war jung, ſchoͤn, empfindlich, und er —
war fiebenhundert fieben und ſiebenzig Jah⸗
re alt. Er hatte Ahnungen. Er übers
gab feine Neuvermählte einem feiner ges
treuften Geifter in Verwahrung , befahl
einer Wolfe niederzufteigen, und eilte im
Sturme davon, um deſto eher wieder zu
fommen.
Die Neifen Tforosrorotfos waren fonft
nie fürger als fieben Stunden. Der Hl:
ter der Gi-an wußte diefes, und baute
feine Verrätherey darauf. Denn vom er:
ſten Augenblicke an, hatte er gegen feines
Befehlhabers Fieblinginn die heftigſte Nei—
gung gefaßt. Sieben Stunden ſchienen
ihm Zeit genug, die Treue einer neunjaͤh⸗
rigen Gemahlinn eines — ſie⸗
en
Therefie und Eleonore. 215
den und fiebenzigjährigen Zauberers wan-
fend zu machen. Er nahm in diefer Ab=
fiht die Geftalt eines dreyzehnjährigen
Sünglings an, und fland, mit allen Reis
zen der Jugend und Schönheit geſchmuͤcket,
mit einmal vor der bebenden Zi-an. Skis
ne Schoͤnheit und fchmeichelnde Erklärung
zerfireute ihr Schrecken bald. Kurz, der
Geift wußte alle ihre Gemwiffensängftigun-
gen zu beruhigen , und fie erlaubte ihm
nun, an ihre Seite zu fißen, und fie zu
unterhalten.
Dießmal blieb Tforo - xorotſo nit
fieben Etunden lang abmefend. Um befto
eher mieder bei feiner Zi-en zu feyn,
begnügte er fih, im Vorüberzichen die
Saaten einer nördlichen Provinz durch den
Hagel zu zernichten, und den Wetterſtral
in das Vorrathshaus der Hauprftadt fals
len zu laſſen, davon die Stadt in Flam—
men aufgieng, und nur einige zwanzig
taufend Inwohner ihr Leben einbüßten.
Und ist — fand er plößlich vor dem Bes
quembette Zi-ane, eben da der danfbare
Juͤngling feine Lippen entzuͤckt auf ihrer
Hand gehäfter hatte — Die Strafe fam ih-
rem Erſchrecken noch zuvor : eine entfegliche
O 4 Stra⸗
216 Therefie und Eleonore
Strafe des beleidigten Liebhabers, ‚bee
ſich rächen will, und eines mächtigen
Zauberers, der fih rächen Kann. Zisan
ward augenblicklich zu dem haͤßlichſten al-
ten Beibe, das durch ihren Anblick Grauen
erweckte, aber fie behielt ihre jugendlichen
Degierden. hr Liebhaber fah die Ver—
wandlung, und wollte fliehen. Aber Tfo-
. 20: gForotfos Gewalt hatte ihn unbeweg=
lich gemacht: er mar verurtheilt, ewig
feine Augen an der verunftalteten Zi-an
zu martern, und überall, wo er feine Bli⸗
cke hinwand, nur fie zu ſehen. Der Zau⸗
berer war durch dieſe Rache noch nicht ber
friediget, Um die Entehrung feines Eher
bettes unter der Menge zu verbergen ,
verunſtaltete er die Denfungsart des gan-
zen weiblichen Gefchlechts in Di-al-dfhan;
legte Geringfchägung für fich felbft in ihre
Herzen, und überließ es dann ihnen, dag
Schickſal aller Männer mit dem feinigen
gleich zu machen,
Zwanzig Jahre lang verwarfen fich al;
le Weiber an die häßlichften Zwerge, war
ren alle Mädchen ohne Sittfamfeit, und
das ganze Gefchlecht ſchamlos, fobald es
ohne Zeugen handelte, waren alle Mittel,
bie
Therefie und Eleonore. arm
pie man verfuchet hatte, vergebens, als
ber Priefter der Göttinn Zi-3i:by um
Mitternacht ein Geficht hatte, dag er vor
mehr als einen Traum bie. Die Goͤt—
tinn fehien ihm, in der Geftalt, wie fie
im Tempel verehret wurde, in das Ge:
mach feiner Töchter zu treten, die, weil
fie allein waren, nach der swangigjährigen
Gewohnheit ihres Geſchlechts handelten,
Zi-31:by ward durd) die Schmach, die
ihren Priefter zugefügt ward, gerührt,
und verwandelte durch ein fräftiges Goͤt⸗
ferwort die Wände des Gemachs in bell- -
geichliffenen Stahl, worin fih die Prie—
fierstöchter von allen Seiten erblickten.
Die Eigenfhaft der Spiegel war damals
noch unbefanntz die Mädchen mußten alfo
nicht ,„ daß-bie Perfonen ,„ die fie fahen,
fie felbft waren. Sie fcheuten fid) vor dem
MWiederfcheine ihrer eignen Geſtalt, alg
vor Zeugen , waren aus Achtung gegen
diefelben zuͤchtig, und beobachteten den
Wohlſtand ihres Geſchlechtes — Hier en»
bigte das Gefiht: die Goͤttinn war ver—
ſchwunden, und der Priefier wach, und
nachdenfend,
25 Mit
218 Thereſie und Eleonore)
Mit dem anbrechenden Tage ‚ nachdem
er zu dem Fuffe der Göttinn dreymal ges
opfert hatte, gieng er bin, fein nächtliche
Geficht dem groffen Nathe zu erzählen;
vielleicht hätte Zi-3i-by dag Heilmittel
angeigen wollen. Er ward aufmerkſam
gehoͤrt; und weil die Goͤttinn ihrem Elen⸗
"de in der That ein Ende machen wollen,
fo mußte es fich fügen, daß eben ein grof«
fer ſtahlener Schild zur Hand bieng, worin
der Priefter feine Geſtalt erblickte. Diefer
Zufall-beftättigte und erflärte das göttlis
che Mittel; und alle riefen aus: groß iſt
Ziz3i:by, und gefegnet ſey ihr Priefter !
Kon Stund an wurden alle Gemächer
von allen Seiten mit ftahlenen Spiegeln
bezogen. Die Aermern biengen wenigfteng
ihre bellgepußten Schilde, die von der Zeit
an fehr groß gemacht wurden, in bie
Frauengemächer, und die weibliche Unart
hörte auf. Anfangs fcheute man ſich vor
den Geftalten , die man als fremde ans
ſah. Nach langer Zeit erfannten fie zwar,
daß fie nur fich felbft fahen. Allein bie
Gewohnheit, anftändig zu handeln, und
vor fich feldft eben fo viele Hochachtung
zu haben, als ob Fremde zugegen waͤren,
war
Therefie und Eleonore. 213
- war bereits fo tief eingewurzelt, daß die
Di -al- fhanerinnen aud), von allen Zeu—
gen entfernet, immer anftändig handelten.
„Denjenigen Di al=fhanerinnen, de:
nen lange nachher europäifche Neifende er—
gählten, daß unter ung in Geheim fo man-
che Ynanftändigfeit begangen werde, die
gewiß unterbleiben würde, wenn ein Zeug,
auch der geringfte, auch nur einer von den
eigenen Bedieniten zugegen wäre, Fam die=
ſes unglaublicy vor. Sie fagten, e8 wäre
unmöglich , daß eine Frau für Fremde
mehr Hochachtung als für ſich ſelbſt ha—
ben, und ſich in ihren Augen ſelbſt ver—
aͤchtlicher ſcheinen koͤnne, als ihr eigenes
Dienſtgeſind.
T.
XII.
" Allein was ſoll ich mich mit Schwägern lang
entehren ?
Dos Rüccchen lernte nie, und immer will es
| lehren.
Witthof.
Ur Abhandlungen follen von allen An-
fpielungen , und dadurch von dem Gifte
der Deutung unbefleckt erhalten werden,
Dies
220 Thereſie und Eleonore.
Diefes Gefen haben wir ung felbft ger
macht; und ſelbſtgemachte Gefege find die
unverbrüchlichften. So dadıten wir, Ther
reſie und ich; allein wir. erfahren , daß
Deutungen zu vermeiden, und perfönlich
zu fcheinen, nicht von den Schriftfiellern,
daß er nur von ihren Lefern abhängt.
Ich befand mic) in einer Gefellfchaft,
wo mein Unftern wollte, daß ich für eine
ber Verfafferinnen Therefiens und Eleo⸗
norens befannt war. Ich wußte e8 nicht;
man gab mir bald davon unangeneh-
me Demweife, An wen ich mich immer
wenden mochte, von dem ward mir mehr,
als man es fonft gegen Mädchen pfleget,
höflich, beinahe ehrerbietig begegnet. Aber
es berrfchte in diefem Betragen eine ges
wiſſe Zurückhaltung, ein gewiſſer Zwang ,
der nur allzu fichtbar war, und den man
zu verbergen, ſich auch nur wenige Mühe
gab. Jede Unterredung, die man einlei=
fete, ward mit Eurzen Antworten unter-
brochen , umd entweder geendet, oder mir
überlaffen, fie allein hinauszuführen. Ich
lobte einen Kopfputz — Man kann, be:
Fam ich jur Antwort, fo vernünftiges
auch wäre, dieſes Putzwerk abzufchaf-
fen,
Therefie und Eleonore. 221
fen, doch nicht offenbar mie der Be:
wohnheit und Mode brechen. Ich be:
wunderte den Geſchinack, und die Wahl
eines Auzugs — Mein Mann, hieß eg,
zwingt mir dergleichen auf: Ich be:
oreife wohl, daß der Schmuck einer
Srau in ganz wasandern beſtehen müſſe.
Die Rede vorm Spiele fam an die Reihe —
Gewiß! nichts iſt weniger überlegt, als
der Zeitvertreib des Spieles, wo man
fich mit freudigem gerzen Binfegt, ein:
ander die Börfen zu leeren. Man fpradj
von der Verbindung Dorinens — Das
Mädchen hat Plug gethan, ſich einen
Steund ihres gerzens zu verfichern —
und die Blicke aller Anmefehden fielen,
von einem bedeutenden Lächeln begleitet ,
mit einmal auf mich, und es wärd in
meinem Berftande licht.
Das war alfo die Urfache diefer ſchoͤ—
nen Denffprüche, daß man auf mich an:
fpielen wollte, oder daß man fich vor mir
fcheute — Gut, dachte ich, Gleiches mit
Gleichem! ich will thun, als ob ich dieſe
Desiehungen nicht faßte, und mir die
Gelegenheit zu Nut machen, dag Urtheif
über unfre Blätter auszuholen.
| Do⸗
222 Thereſie und Eleonore,
Dorine, antwortete ih, würde tie.
verlegen gewefen feyn, diefen Freund
zu finden. Bei fo vielen Vorzügen —
Vorzügen » fieng ein zunächft an mich
gränzender weiblicher Umfang von wenige
ſtens drey Werffhuhen im Durchfchnitte
das Wort auf — welches find diefe Vor:
züge bei einem Maschen, das weder
reich, noch ſchön, und obne gerkunft
iſt — Dorine, verfegte ich, ift vernünf⸗
tig, von untadelbaften Sitten. Ihre
Geſtalt mißfaͤllt gleich anfangs nicht
und nachher wird fie durch ihren ein⸗
nehmenden Umgang empfohlen. Den
Mangel ihres Vermögens wird ihrem
Gatten ihre Genügſamkeit, ihre gdus-
Lichfeit vergüten ; und Aeltern, deren
Andenken bei aller Welt fo ſehr im
‚Segen find , find eine ebrenvolle ger—
Funft. Die ganze Gefellfchaft zückte über
meine Reden die Achfeln, und gab dadurd)
zu verfichen, daß fie die Ehre hatte, ihr
zu mißfallen. Aber die leibichte Vorred⸗
nerinn war damit nicht zufricden,, fondern
fagte mir gefünftelt Telfe, daß es jederman
ganz wohl hören Fonnte — das iſt fo
vortrefflich gefprochen, daß es verdien-
fe,
Thereſie und Eleonore. 223
te, an die gelehrte Eleonore als ein
Beitrag eingeſendet zu werden. Ich
weis nicht, was ich bei diefer Rede für
eine Faſſung hielt; ich fühlte auffteigende
Hitze: bald aber war ich von meiner Bes
wegung wieder Meifterinn, und gab mit
einem Lächeln zur Antwort: ich glaubte,
das Mädchen würde fich durch den Bei⸗
trag einer folchen Perfon, als die wd:
ze, dte eben gefprochen hätte, ſehr yes
ebret halten —
Ih möchte das Mädchen Fennen,
fagte fie, mir fehr fteif unter die Augen
blicfend, es muß ein fchnappiges Wefen
feyn, Die Sittenlehre in dem Munde
einer neunzehnjahrigen Katoninn, oder
ungefähr fo alt, flicht fonderbar ab.
„Ich kenne das Mädchen, fo das
Unglück hat, Ihnen zu mißfallen — »
Sie kennen es: es ift vielleicht wer
von ihren SreundinnenY o thuen Sie
ihm den Liebesdienft, ihm zu fagen :
daß feine Moral ganz eigen iſt; daß es
ganz fonderbar laͤßt, wenn ein Maͤd⸗
chen die Sehnfucht nach einem Manne
fo fehr verräth, und fich daraus noch,
ein Derdienft machen will — Ja doch!
Ä ibr
234 Thereſie und Eleonore,
ihm zu Liebe werden die Männer wohl
feinen Haafen beten, Feinen Hirfchen
zu tode jagen — ¶⸗·
„Gnädige Frau, ich koͤnnte für Eleo⸗
noren gut werden, daß die Sehnfucht nad)
einem Manne eben nicht ihr größter Feh—
ler iſt. Und ich denke, die Männer nad)
der heutigen Art, find aud) nicht ſehr ein
Gut, wonach ſich viel zu fehrien iſt. Wenn
fie fo etwas fagte, fo war es bloß eine
Wendung , die vielleicht etwas Munter-
Feit in den Vortrag brachte, ohne der
Stärfe ihrer Gründe etwas zu benehmen. 4
Sie wiſſen das arme Kind fo gut
zu vertreten, daß fie es felbft nicht
befjer thun würde, wenn fie zugegen
were, Nun fo rechtfertigen Sie denn
auch die Dreiftigfeit des Mädchens ,
ſich zur Lebrerinn der Stadt aufzu—
werfen, und feine Träume für Grund-
regeln auszuframen, Wiffen Sie, mein
Schag! wie mir das vorkömmtr ges
vade als wenn die Puppe, die noch
am Weisbande Iduft , uns Inter:
richt geben wollte, wie wir unfre
Süffe fegen follen. Weis denn das
Schnaͤpperchen noch nicht ri was
e:
Therefie und Eleonore, 225
Leben ift, und thut Örafelausfprüche,
wie andre Leben follen. Ich fürchte
beftändig, das Kind wird Fein hohes
Alter erreichen, denn es ift für feine
Sabre zu Flug —
Bis hieher hatte ich Selaffenheit genug,
fie. nicht zu unterbrechen. Aber der ſpoͤt⸗
tifhe Ton, mit dem fie diefe legten Wor—
te begleitete, entfeflelte meine Lippen —
Sch will Bleonoren vertreten, als wäre
ich e8 felbft, brach ich aus: und eg foll-
te mir mwenigfteng nicht fehr ſchwer fallen,
Spötterey gegen Spötterey wieder zu ges
ben. Aber das mag die Zuflucht derer
ſeyn, denen e8 an Gründen mangelt. $Eleo-
noren wird e8 ſich nie haben beigehen laf-
len, Srauen von ihrer Einfiht und Er—
fahrung Lehren zu geben. Sie mag ſich
fogar nicht einmal einbilden,, folches für
bie Gefpielinnen ihrer Fahre zu thin. Aber
100 wäre die Dreiftigfeit, wenige Beobach⸗
tungen mitzutheilen, die ein junges, Mäd-
hen mit einiger Aufmerkfamfeit., fo leicht
als eine Frau, zu machen im Stande ift?
welches Uebel wäre e8, eine Art von öf-
fentlichem Briefmechfel einzuleiten, wo mir
Mädchen , einander unfre Vorfälle mittheis
IV. Theil, p len,
226 Thereſie und Efeonore.
len, unter ung gleihfam zu Rathe gehen,
‚und fo oft im Vorbeigehen, Männern,
die der Leichtgläubigfeit eines. unbehute
famen Mädchens mißbrauchen wollen, eine
nicht immer verlorne Erinnerung geben ?
soo waͤre das Uebel, zu zeigen, dag felbft
unfre Schwachheiten aus einer Duelle flif-
fen , die unferm Herzen Ehre machet? —
Das war bis hieher der Stoff aller ihrer
Blätter: ihre Einfleidung ift ihren Jah—
ren gemäß, munter, unbefonnen, wenn
Sie ja wollen, leicht, aber. feinesweges
fann ihr aufgebürdet werden, daß fie fich
das Pehreranfehen giebt , Feinesiwegeg ,
daß fie nachtheilge Anfpielungen machet —
galten Sie — fiel ein Dritter aus
der Gefenfchaft ein, der bis ist nur einen
Zubörer abgegeben, Von Anfpielungen
ift fie nicht ganz frep zu fprechen : ihr
ganz letztes Blatt —
„Nun ihr ganzes letztes Blatt ? frage
te ich erſtaunt, wie man barin etwas
finden fönnte, dag eine perfönliche Ber
ziehung bätte. „,
Diefes legte Blatt, verſetzte er, die—
fer Belidor , diefe Julie, baben ihre
Bedeutungen —
„ Die
Therefie und Eleonore. 227
„ Die haben fie, fagte ich mit einer
Hite, die mic) verrathen haben würde ,
wenn ich es nicht ehe ſchon gemwefen waͤre.
Diefer Belidor ift ein Nichtswürdiger ,
dergleichen e8 unter ihrem Gefchlechte fo
manchen giebt, die von Haug zu Haug
herummandern , und Liebe fügen ; und
dann, wann fie Gegenliebe erhalten ha—
ben, damit ruhmredig pralen. Diefe Julie
ift eine Leichtgläubige, deraleichen es un:
ter unferm Gefchlechte fo manche giebt, die,
ohne auf die Aufführung eines Menfchen
Acht zu haben, Verficherungen und Ber
theurungen glauben, die "gegen hundert
andre gleichfall8 gethban werden. Beli—
dor ift ein verabfcheuungswürdiger Ge—
meinbubler. Julie eine bedaurenswuͤr⸗
dige Thörinn : das ift die Bedeutung.
Ein gemiffes Wochenblatt *) hat ehe fchon
unter diefem Namen einen ſolchen Gecken
geichildert , und feinen Namen zu einem
allgemeinen gemacht, und Julie wird
vielleicht Fünftig der allgemeine Namen
betrogener Mädchen werden —
Y 2 Gnaͤ⸗
”) Der Vertraute.
228 Thereſie und Efeonore. '
Gnädige Frau!
Sie fehen,, ich habe ihren Bereit voll-
zogen : wie glücklich, weis ich nicht. Es
war eine fchwere Aufgabe, die Auffchrift,
die Eure Gnaden mir vorfchrieben,
beizuhalten, ohne in den fatirifhen Ton
zu verfallen , ber fo fehr verfchrieen ift.
Nah dem Wege, den ich gewaͤhlet, bat
diefelbe eine Beziehung auf mich felbft,
und ift gleichfam die Stimme derer, die
durch meine Kühnheit, in einer fo aufges
flärten Stadt zu fehreiben, beleidiget wor⸗
den find. Ich bin froh , ihnen meine
Bertheidigung vorzulegen. Sch bin glück:
lich, wenn man fie für hinlaͤnglich hält,
ein Unternehmen zu entfchuldigen, zu dem
mich nicht etwan eine Fühne Zuverſicht,
fondern ein partheyifcher Freund verleitet,
der mir hälfreiche Hand zu reichen, vers
beiffen bat.
Wie auch immer mein heutiger Auffaß
ausfallen mag, fo bat er fein Verbienft.
Habe ich als Schriftftellerinn feinen Ruhm
erworben, fo habe ich einen andern erlan⸗
get, der mir nicht weniger fhäßbar iſt,
den Ruhm, der verehrungsmwürdigften Frau
geborfamet zu haben.
Eleonore.
Therefie und Eleonore. 229
XIV.
Der Schatten eines Fehlers wird
Bei Hundert deiner Tugenden
Der Läfrung gräulichftes Geſchrey
Dft Hinter dir erwecken —
Rleift.
g), Gefundheit Therefiens ift nicht fe
vollfommen hergeftellt, daß es ihr erlaubt
wäre, fich mit etwas abzugeben, was eine
anhaltende Anftrengung fodert. Sch fol
alfo an ihrer Stelle die Ehre haben, un:
fre Leſer zu unterhalten.
Don mehr dann einer Seite find mei—
ner Gefährtinn über die morgenlandifche .
Erzaͤhlung des XII. Stüdes Lobfprüche
zugefendet worden. Ich geftehe es, ich
ward darüber eiferfüchtig, und fonnte der
Anfechtung nicht widerſtehen, in diefer
Art gleichfalls einen Verſuch zu. wagen,
Sollte ich glücklich genug feyn, damit Ehre.
einzulegen, fo mag. ich es leiden, daß mir
ein paar Schmeichelenen von Männern
darüber gefagt werden. Aber wäre ich
ungluͤcklich, fo. verbifte ich recht demuͤthig
alle Vorwürfe, oder wenigftens, daß man
fie mir nur in das Ohr fliffre —
P 3 ga:
230 Therefie und Eleonore. -
Lariſſe.
Nicht immer waren Koͤnige nur, oder
Koͤniginnen der Freundſchaft, und des
Schutzes der maͤchtigen Feyen gewuͤrdiget;
nicht immer waren nur Prinzen und Prin-
zeffinnen bei der Geburt von ihnen mit
Weisheit, Reichthum, Schönheit und
andern folchen Gaben begnädiget , mo:
durch die Menfchen fih groß und glüd:
lih fchägen. Ihr Blick fanf auch auf
niedere Hütten , unter denen manchmal
ein tugendhaftes Paar wohnte , dag bie
Gaben verdiente , die oft, nur zu oft an
die Groffen verſchwendet, fie nicht gluͤck⸗
lich , nur ftolg machen.
Auf der berufenen Flur Thefalieng war
nicht lange ein folches Paar unter dem
Segen ihrer Aeltern, und den froben Zus
rufungen ihrer Gefpielinnen, in die Hoch—
zeitlaube geführt worden. Das Mädchen
hieß Mirle, der Namen des Juͤnglings
war Erador. Das Brautgefchenfe bes
Mädchens, fo fie Eradorn zubrachte, war,
ber Liebe größter Schatz, ein fühlbares
Herz, und der Bräute fchönfter Schmud,
Unfchuld und Tugend. Die Hodhzeitgabe
des
Therefie und Eleonore. 231
des Juͤnglings war ein durch Feine Lüfte
entweihtes Herz , und die beſchworne
Treue; Erador aber war nie noch meis
neidig geworden. Ihr Vermögen beftand
in Luft zur Arbeit, und ihre Genügfamfeit
‚war ihnen Reichthum. Erador und Mirle
giengen anfangs zuſamm, das Feld zu
arbeiten, und ihre Arbeit ward ihnen zur
Luft, weil fie zufamm arbeiteten. Als aber
Mirle ihren Geliebten nicht mehr beglei=-
ten fonnte, fo arbeitete ev mit defto gröf-
ferem Eifer, um bald wieder bei ihr zu
ſeyn
Viele Monate waren ſeit ihres Hoch
zeittages verfloffen, und Brador war der
Gewohnheit nad) auf dem Felde , als
Mirlen heftige Schmerzen. anwandelten—
Ach Krador! feufzete fie, fich fo einfam
und unbeholfen fehend, Erador! wo bift
du! eile dießmal, deiner Mirle beizu:
ſtehen! So fagte fie, als eben die Feye
Ciname über ihre Hütte dahinfuhr , und
ihre Seufzer vernahm. Einame war eine
freundliche Feye, eine Wohlthäterinn der
Menfhen, eine Befchügerinn der reinen
Unfhuld , und eine unverföhnliche Ver—
folgerinn ber Heucheley, welche unter den
4 Mens
232 Thereſie und Eleonore,
Menfchen mehr Verheerung machet, als
das offenbare Lafer, und welche die Tus
gend felbft verbaßt machen fann, da fie un-
ter. der Kleidung derfelben eigene Abfcheus
lichfeit verhülleg, Die Feye ward durch
bie Stimme Mirlens zum Mitleiden be-
mwogen, und ließ ſich auf die Fleine Hütte
nieder. In der Geftalt einer nachbarlis "
chen Hirtinn trat fie nun hinein, und fand
die Verlaffene mit dem Schmerzen ringen.
Sie fah auf ihrer Stirne das Merkmal
ber Tugend, welches die Feyen nie ver—
fennen, aber felten wo erblicken, und be=
fchloß von Stunde an, ihre Freundinn zu
ſeyn.
Tugendhafte Mirle, redete fie dies
ſelbe an, du wirſt Mutter werden, ich
komme dir beizuſtehen. Und ſie ruͤhrte
Mirlen an, und ſprach einige von den
kraͤftigen Worten uͤber ſie aus, da wich
der Schmerz augenblicklich von ihr, und
eine Tochter lag in ihrem Schooſſe, ſchoͤn,
wie Mirle als Kind war — Ciname nahm
nun das laͤchelnde Kind auf ihre Arme,
und beruͤhrte ſeine Lippen, und ſprach: ſey
immer wahrhaft! und befuͤhlte das Herz,
und fprad) : ſey immer tugendhaft!
konn⸗
Tfierefie und Eleonore. 233
konnte ich dich nur auch immer glud:
lich machen! aber ich habe für Sich
nur zwey Gefchente : wenn du aber
den Schlund des Lariffaifchen Wolfe
flieben wirft, fo wirft du des dritten
von mir entbehren können. Bei diefen
Worten verfhmwand Einame, und hinter=
lieg Mirlen gefund , und erfiaunt über
dag, fo ihr begegnet.
Mit ihrer Tochter. auf dem Arme gieng
fie nun Bradorn entgegen. Welche Freu:
de empfand er über dag Kind, und bie
fchon genefene Mutter ! Sie erzählte ihm
das Wunder, und die Warnung wegen
des Echlundes des Wolfs, und fie hief:
fen die Tochter zur ewigen Erinnerung
Lariſſe. Sie wuchs unfer den Augen ih—
rer eltern auf; ihre Schönheit entzückte,
ihre Wahrhaftigkeit nahm ein, und ihre
Tugend zwang zur Verehrung. Die Muͤt—
ter in ganz Theffalien fagten zu ihren
Töchtern: feyd wie Mirlens Lariffe !
Die Väter im ganzen Lande fagten zu ih-
ven Söhnen: fucher ein Mädchen wie
Lariſſe! und die Soͤhne gaben zur Ant»
wort, wo werden wir ein folches fin-
den Aber diefe Unterfcheibung, und ber
P 5 all⸗
234 Thereſie und Eleonore,
allgemeine Beifall erregten aud) unter den
theffalifchen Mädchen Neid. Lariffe ward
von allen Sefpielinnen mit ſcheelen Blicken
angeſehen.
Mitten unter den zaͤrtlichſten Liebko—
ſungen rollten der zaͤrtlichen Mirle Thraͤ⸗
nen die Wangen herab, ſo oft ſie an den
lariſſaͤiſchen Wolf dachte. Meine Toch-
ter follte dem Ungeheuer zur Beute
werden ! Und fie befchleß ſich von den
Gegenden der Stadt Larifle *) ferne,
ferne wegzubegeben, bis dahin, wohin ſich
fein Thier derfelben Gegend je verirren
würde : fie erhielt e8 auch fehr gerne von
Eradorn, und beide begaben fich mit ih
rer Tochter über den Fluß Peneus, ber
neben dem Götterwalde Tempe binfchleicht,
und feiner Schönheiten eine der größten iſt
Man entgeht dem Schickfale nicht, wenn
e8 ung zu prüfen feftgeftellet hat. Uber
der Prüfung zu unterliegen oder zu über»
mwinden, das haben die Götter in die Kraͤf⸗
te der Menfchen gelegt. Auch die Wan—
derung Bradors änderte nichts an Larif-
fens bevorftehendem Schickfale, es befoͤr⸗
der:
*) Theffaliens eine der berühmten Städte.
Therefie und Eleonore. 235
derte fogar daffelbe. Aus Furcht vor dem
Wolfe durfte Lariffe nie ihre Aeltern auf
das Feld hinaus begleiten: häusliche Be—
fhöftigungen, die fparfame Küche, die
Reinlichkeit der Hüfte, die Eorge für die
Kleidung waren ihr überlaffen.
Als im fechgzehnten Srühlinge, den La⸗
riffe erlebet hatte, eben Mirle und Era:
dor zur frühen Arbeit nach dem Felde
giengen, verliefen die Edeln von Larifie
ihre Stadt, um des Frühlings auf dem
offenen Lande zu genieffen. Die Gefell-
fhaft war zahlreich, und fie fuhren in
föftlich gezierten Schiffen den Peneus hin-
ab, bis fie in den Gegenden des Luſtwal⸗
des an bag Ufer trieben, und ans Land _
fliegen. Die Städter, wann fie in die
Wälder eilen, ftellen nicht immer nur dem
Wilde Netze. Oft jagen fie nach Unfchuld,
die in Städten fo felten ift, als Gewild,
und die ihnen Foftbar ift, damit fie diefelbe
verderben mögen — Unter den Anfömms
lingen waren vielleicht mehrere diefer Art ;
aber den einen führte ein unglücklicher Pfad
nach der Hütte Lariſſens zu.
Er erftaunte über die Reize dieſes Land-
maͤdchens, und beftimmte es fich zur Beus
fe.
236 Thereſie und Eleonore.
te — Es band eben die Ranfen des Wein:
ſtockes auf, der in viele Arme getheiler ,
das ganze Haus umfhlih, und von den
Senftern bei der Hiße des Sommers mit
wohlthätigem Laube die Stralen abhielt.
„ Schönes Mädchen, fieng er zu La
riffen an, deine Hände follten nicht diefe
MWeinftöcke binden , fie follten von Fürften
gefüßt werden —
Das arbeitende Mädchen fah fic nach
dens Schmeichler um — und band mie zus
vor den Weinftocd auf —
„ Du böreft nicht auf mich, Götter»
find! O wie beneide ich diefes Gewaͤchs
das du befühlft, das unter deiner wohl⸗
thätigen Arbeit, dem fchönften Mädchen
auf Erden liebfofen fann! Schmiege did)
fanft, du Weinſtock, unter ihren Händen !—
Doch ift e8 erlaubt, deinen Namen zu
wiffen ? „,
Zeriffe war fchüchtern, aber nicht un.
höflich; fie verſetzte: ich heiffe Lariffe!
„ Und deine Mutter? „,
Mirle, die tugendhafte Gattinn Bra:
dors, meines beften Vaters —
„ Du bift alfo die Leriffe, von deren
bezaubernden Netze der Ruf bis nach Las
riſ⸗
Thereſie und Eleonore. 237
riſſe erſchallt, und alle Männer bie unter-
worfen , und alle Weiber neidifch gemacht
hat? — Aber wie fönnen deine Xeltern
fo einfam dich laſſen? — und haft du denn
feiner Geliebten , der an der Geite dir
ftehe, um der glücflichfte unter allen Men
fchen zu feyn, und die Mißgunft der Göt-
ter zu erwecken ? i
Laeriffe war wahrhaft; fie erzählte dem
Ankoͤmmlinge, was fie von ihrer Gefchich-
te wußte, Eine Frau, die fie für eine
Göttinn hielten, häfte ihr bei der Geburt
vorhergefagt , fie wuͤrde glüclih feyn ,
wenn fie den Schlund des lariffäifchen
Wolfs fliehen würde. Meine Aeltern,
fuhr das offenhersige Mädchen fort, wa-
gen es daher nicht, mic) zu Felde zu neh-
men, weil fie beforgen , ich würde ein
Raub diefes Thieres werden. Sie ver-
faufchten fogar aus Liebe zu mir ihre
Wohnung , und zogen über den Peneus ,
weil fie glauben, dag Ungeheuer, fo mir
gefährlich ift, werde nicht über den Fluß
feßen; und dag Leben ihrer Tochter fen
befto ficherer, je entfernter fie von Larif-
fens Mauren ſeyn wiirde —
. Der
238 Thereſie und Eleonore.
Der Bürger von Lariffe fand in den
Worten des Mädchens den Grund zu eis
ner boshaften Freude, Er fand in Ci—
namens Worten einen Verſtand, der ihm
fchmeichelte. Aber er verbarg feine Em—
pfindung, und forfchte aus dem Mädchen
die Zeit, wann immer ihre eltern fich
von der Hütte entfernten, wann fie wie:
der famen. Und nun baute er auf diefe
Nachrichten feinen Entwurf.
\ 6.
XV.
— — Dft ift Selaffenheit
Die Tugend unfers Bluts, und fieget ohne
Streit. a
us.
Meine befte Freundinn !
eute ift der erfte Tag, an dem mein
Erretter mir erlaubet, mich mit etwas zu
befchäftigen , und ich beftimme ibn der
Danfbarfeit , für das freundfchaftvolle
Gefühl, welches Sie mir in ihrer tröften-
den Zufchrift begeiget haben — Noch fällt
es mir ſchwer, zuſammenhangend zu denken;
die Schwachheit des Koͤrpers uͤbet ihre
Herrſchaft bis auf die Seele aus. Mei—
ne
Thereſie und Eleonore. "232
ne Antwort wird dem Gange eines nur
erft genefenden Menfchen gleichen, der
immer nach einigen Schritten ſtille fiehen
muß, um Athem zu holen —
Die GBefchichte meiner Krankheit
wünfchen Cie von mir zu hören? Wag
fann ich Ihnen davon erzählen ? Das
Uebel fchlich mit leifen , unvernehmbaren
Schritten herbei, und überfiel mich wie
ein mitternächtlicher Dieb , da ich es am
mwenigften vermuthete. Ich warh bettläg-
rig, aber ich erwartete nichts weniger als
eine Krankheit von einer fernen Ausſicht.
Doch bald fühlte ic den Puls hoch fich
erheben , bald mein Geblüt ungewöhnlich
wallen, die Hige fi) des Kopfes, und
meiner Gedanken bemächtigen. Man fag-
te mir nachher, ich hätte manches unge
reimtes Zeug gefchwäget —
Doch wozu fol Ihnen eine fo pünftli-
che Befchreibung? ich will gleich auf die
Gelaffenheit fommen , die Sie mir fo
freundfchaftlich empfohlen haben , und wo⸗
von ich vielleicht in diefer Krankheit fo viel
anmir blicken lieh, daß es mir nicht ſchwer
fallen follte, mic, zu einer Philoſophinn
aufzumerfen, in dem obenhinnigen Ver—
ſtan⸗
240 Thereſie und Eleonore,
ftande diefes Modewortes zu reden — Als
fein, Sreundinn ! ich will mir nichts zueig⸗
nen, worüber mein eigenes Herz mich de=
müthigen, und Lügen flrafen fann, Mei—
ne Gelaffenheit war weniger Ueberlegung
als Temperament, weniger Geduld als
Fühlloſigkeit; wie bei einer genauen Prü-
fung die Gelaffenheit der meiften von un—
ferm, und vielleicht auch dem männlichen
Gefchlechte feyn würde. Laſſen Sie mid)
den befondern Fall von mir in einen all>
gemeinen aller Menfchen verwandeln, und
überhaupt uns einige Betrachtungen über
dag Derdienft der Gelaffenbeit anftelfen !
Was ift Gelaſſenheit? — meine Er—
flärung wird die ftarfen Denfer vielleicht
zum Mitleiden bewegen, aber ich will da—
rum nicht weniger eine wagen. Ich glau=
Be , die Gelaffenbeit iſt, eine gewiſſe
Gleichheit des Gemüthes bei den ver-
fhiedenen Lällen, die auf unſre kör—
perliche, oder fittliche Wohlfahrt ei⸗
ne merfwürdige Veränderung wirfen.
&o wenigſtens ftelle ich mir bdiefelbe vor.
Einen Menfchen , der jederzeit im Umgan⸗
ge aufgeweckt, ganz Freudigfeit und
Scherz war, beiffe ich dann gelaffen, wann
er
Therefie und Eleonore. 241
er bei dem Sturme der Widerwärtigfeiten
fich den Gefellfchaften nicht entzieht, und
immer. noch feine heitre Stirne behält.
Ein Schweiger : mit finfterm Blicke, der
nie lächelt, dem fein Nachfinnen immer
tiefe Furchen an die Gtirne zieht, muß
durch aufferordentlihe Gluͤcksfaͤlle nicht be=
wogen werden, feine Ernfihaftigfeit abzu⸗
fhwören , wenn er bei mir den Namen
eines Gelaſſenen verdienen will. Es
giebt alſo eine Gelaſſenheit ber Freude, es
giebt eine Gelaſſenheit des Ernſtes, und
uͤberhaupt ſoll es nach mir das Weſen
der Gelaſſenheit ſeyn, das Gleichgewicht
ſo zu erhalten, daß ein aͤuſſerer Umſtand
demſelben auf keine Seite den Ueberſchlag
zu geben vermoͤgend iſt —
Dieſen Stand des Gemuͤthes ſeht man
heute fuͤr eine erhabene Stufe der aus—
uͤbenden Weltweisheit an, und ſelbſt unſre
Sibariten, und Sibaritinnen, die eine
ſchlafloſe Nacht hinbringen, wann ein
Roſenblatt unter ihrem verzaͤrtelten Koͤr⸗
per ſich faltet, wollen es darin hoch ge—
bracht haben.
Areinde hat ihren Mann verloren.
Das Gepraͤng unterwirft fie einer ſechs⸗
IV, Theil, 2 mo⸗
342 Thereſie und Eleonore,
monatlichen Trauer. Es ift nicht erlaubt)
ſich über das Gepräng binauszufegen.
Aber ich fehe fie in ihrem Hauſe, weil
ich von ihren Freundinnen bin: WUrcinde
‚bat eine wittibliche Faſſung, die fehr phi⸗
loſophiſch ift. Keine Thraͤne in ihrem Aus
ge! feine Spur ded Harms in ihrem Ge»
fichte ! Fein unterdrückter Seufzer! ie
wuͤhlet in dem Kleivergeräthe ihres Mans
nes, ohne fehmerzhafte Erinnerung. Dies
fes Kleid ließ ihrem Seligen überaus
ſchön: fage ih. Bo Liep ihm wur! bes
komme ich zur Antwort, und man wuͤhlet
fveiter. Sie zieht einen Schüber, darin
Briefe von ihm aufgewahrer find; Er
ſchrieb in der That vortreffliche Brier
fe der Derftorbene, fie verdienen auf:
bewahrt zu werden. Den Augenblid
reicht fie mir die ganze Sammlung, went
fie bei mir von einem Werthe find — Nun
wird das. Ebenbild feines Vaters, das
einzige Kind, der zweyjaͤhrige Knab her⸗
‚ beigebracht, der nur wenige Töne ſtam⸗
melt, Er erblickt das Portrait feines Bas
ters, er erfennet es, und fodert ihn mit
wehmuͤthigen Wimmern von feiner Mut
ger: Papa! ſchreyt er, Papa! wo = iſt⸗
Par
Therefie- und Eleonore. 243
Papa! Der Kindgfrau treten Thränen in
die Augen , und aud) mir : aber Arcinde —
befiehlt das nicht zu „befriedigende Kind
hinauszubringen, und feet fich gleichmuͤ⸗
thig bin, Gold zu zupfen — Die Wittib
hatte nicht etwan den Verſtorbenen nicht
geliebet : ihre Ehe war vergnügt, ‚ihre
Trennung war rührend, an ihrem Bufen
hauchte er den letzten Hauh — Woher
ruͤhret diefe Gelaffenheit? ift fie dag Werf
überdachter Trofigründe , der Sieg über
ihre Empfindung ?— Das Werf ihrer na=
türlichen Leichtfinnigfeit ift eg, die über
alle fidy anbietenden Betrachtungen dahin=
rollet, und Arcinden unfähig machet, bet
einem Bilde ſich fo lange zu verweilen, daß
ein Eindruck davon zurückbleiben follte. Die
Welt faget von diefem leichtfinnigen Wei:
be: fie weis fih in ihrem Salle zu
faflen !
Satire, ich bedaure Sie, daß Sie
füngſt fo unglücklich gefpielt haben! Ha
haha! — Ich höre, ihre Minette if
verloren: es ift Schade, es wear ein
allerliebftes gundchen — Ha ha ha! —
Gewiß, das ift undankbar gehandelt,
daß Aleimor aller Orten mis fo wenig
22 sehr:
144 Thereſie und Eleonore,
Khrerbietigfeit von Ihnen fprihel — -
Ha ha ha! — Man fagt, ihr Gemabl
fehe täglich die Schöne Tanzerinn! — Ha
ha ha! — er fihleppe derfelben ihre Alei-
der, Edelgefteine, alle ihre Koſtbarkeiten
30: Ha ha hal — es fey eine Schlange,
die Schon manchen bis auf den Grund
troden geſetzt — Ha ba ha! er werde:
zulest auch feine‘ Gefundheit bei ihr
daran fegen: Ha haha! — Satire! ihr
Rind — Haha ha — fol todt ſeyn —
Ha ha ha! — Nun, verzweifelt! Fatire
hat es in der. Gelaffenheit biß an die Grän-
zen der. ftoifchen Härte gebracht „ da fie
alles mit einem Haha ha! zu beantworten
faͤhig iſt. Aber ein wenig Aufmerkfamfeit
‘wird. ung überführen, daß die Quelle ihrer
Gleichmuͤthigkeit natürlihe Dummheit ift,
die fie unfähig macher, mit VBerfammlung
ihrer Gedanken fich in ſich felbft zu kehren,
ihr Nachdenken bis auf die Folgen hinaus
zu erſtrecken, und einen Vergleich zwiſchen
ihrem igigen und Einftigen Zuflande ans
zuſtellen. Eine zum Lachen immer fertige
Lunge ift ihre ganze Philofophie: Und es
giebt Leute, die fo gut find, fie den weib⸗
lichen Demokrit zu neunen —
End:
Therefie und Eleonore. 245
Endlich hat dag Glück aufgehört gegen
Krantorn ungerecht zu feyn! fein Ver—
dienft ift offenbar, und wird erkennet. Ein
ehrenvolles , einträgliches Amt ſoll ihn
-über die lange Vergeffenheit fchadlog hal⸗
ten , worin er vergraben lag. ‚Die Ael-
tern feiner Delinde find nun feiner Vers
bindung nicht weiter mehr entgegen. Es
fcheint, das Schickſal will das Andenken
feiner Berfolgungen auf einmal aus feinem
Gedächtniffe verlöfchen. Seine Gefundheit
gewinnt einen feften Stand ; fein reicher ,
aber geisiger , und ohne jemals beleidiger
worden zu feyn, unverföhnlicher Oheim
ftirbt ohne Teftament , und muß feinem
Neffen alles hinterlaffen,, wovon er ihm:
bei feinen Leben nicht deu geringften Theil
gegönnet. Glüclicher Rrantor! Seine
Seeunde befuchen ihn, um ihn mit fo vie—
len angenehmen Neuigkeiten zu überra=
fhen, und Zeugen -der freudigen Verwir⸗
rung zu feyn — Aber Rrantor hört alles
mit eben und demſelben Geſichte an: feine
Miene bleibt finfter, nachdenkend, mie fie
immer war. Nicht einmal beiDelindene
Namen, bei der fchmeichelhaften Hoffnung
ihres nahen Befiges tritt eine Spur-der
‘3 Freu:
546 Thereſte und Eleonore.
Sreude ihm an die Stirne — DO, fagten
Rrantors Freunde, der Mann barf den
Epifteten an die Seite gefeßt werben! Es
gehöre weit mehr Standhaftigkeit dazu,
die Liebfofungen des Gluͤckes, als feine
Schlaͤge unbewegt und unverändert zu er=
tragen. Der Römer, den die Botfchaft
von dem Tode feines Sohnes, nicht Hinz
dern konnte, fein angefangenes Dpfer zu
vollenden, würde vielleicht bei fo vielen
glücklichen Nachrichten aus feiner Faſſung
gerathen ſeyn — O Lobredner ! erft unter
fuchet ! und dann nennet Krantore immer
ftatt der Ratone! Die Gewohnheit hat
die Finfterfeit feiner Blicke unerheiterlich
gemacht. So viele Jahre haben über fein
Gemüth eine Schwile gezogen, die dem
fanften Stachel des Vergnügens undurch⸗
dringbar iſt; und feine zur Natur geworz
dene Unempfindfamfeit macht ihn zu einens
Zato feiner Zeitgenoffen —
Schen Sie , Freundinn! fo macht die
Miſchung unfrer Säfte, oder der Mangel
von Ueberlegung und Einficht, oder Ger
mohnbeit ung oft zu etivag, wozu ung
Gründe und Betrachtungen ſchwerlich brin«
gen würden. Und wo iſt dann dag geprie⸗
| fes
Thereſie und Eleonore, 247°
feite Verdienſt? Nur dann iſt die Gleich
heit des Gemuͤthes uns als ein ſolches
anzurechnen, wann ſie uns auch etwas zu
ſtehen koͤmmt. Ein Hebekuͤnſtler hat feir
nen Anſpruch auf Ruhm, wenn ſeine Laſt
durch eigenes Gewicht das Uebergewicht
haͤlt. Aber wenn er die gefaͤhrlichen
Schwankungen einzuhalten, und der hart⸗
näcigen Schwere feine Kunft entgegen zu
feßen, und fie zu übermwältigen mei, dann
loben wir ihn.. Eben fo wenig gründet
ung eine, von was immer für Urfachen her=
fommende Fühllofigfeit ein Recht auf den
Beinamen Gelefien, weil fie das Werk
unfrer natürlichen Trägheit ift, weil nie
auf der einen Seite ein Hebergemwicht war,
das wir zu übermwältigen hatten, Wenn
der Stein nach der Tiefe rollt, darf er
fagen, dieſes Fallen ift mein Werk?
So war meine Öelaffenheit, Freundinn,
benn es ift doch billig, daß mein Schreie
ben dahin mwieber fomme, woher es aus—
gieng,. Eine angebohrne Gleichmüthig-
feit macht es mir leicht, mittelmäffige Em⸗
pfindungen zu bemeiftern, Aber wäre es
höher gekommen, hätte ich die Vorboten
des Todes, hätte ich dag ſchreckliche Ger
24 vpraͤng
248 Thereſie und Eleonore.
präng der Verſoͤhnung, eine ſchmerzvolle
Trennung von meinem — Aber warum foll
ich folche ſchauervolle Gedanfen in mir
felöft erwecken, da mich die Krankheit das
mit verfhonet ? Danf fey dem Himmel;
und meinem Jufchig! *) ich bin wieder
ihre gefunde Freundinn
Thereſie.
XVL
Der Schatten eines Fehlers wird
Bei Hundert deiner Tugenden‘
Der Laͤſtrung graͤulichſtes Geſchrey
Oft hinter dir erwecken —
Rleift,
Sortfegsung des XIV. Stüdes.
Cyron — das war der Namen des Las
riſſäers, jung „ und aus einem der vor⸗
nehmften: Häufer der Stade entfproffen „
kehrte fogleich zu feinen Gefährten wieder
um, und hütete fich fehr , ihnen von der
glücklichen Begegnung etwas merken zu
laſſen. Er fürchtete, einer aus ihnen duͤrf⸗
te ihm in dem Lafter zuvorfommen „ das
er befchloffen hatte,
Jens
) Des Arıt Thereſiens.
=
Therefie und Eleonore, 249
Jenſeits des Flufes hatte Lyfon ein
Landhaus, das von der Hütte Mirlens
nur einige Feldwege entfernet war. Es
war ganz verfallen, und darum ehe nie
von feinem Befiger befucht worden. Nun
aber würde er es gegen dag fehönfte der
ganzen Gegend nicht vertaufchet haben.
Er war faum mit der Gefelfchaft in der
Stadt angefommen, ald er unbegleitet ,
noch felben Abend fich auf diefes Landhaus
begab, Er wechfelte vafelbft feine Kleider
mit ländlichen, und war nun , dem Äufs
feren Anfehen nad) ein Landmann, unfenns
bar, auch für feine eigenen Leute , wenn
fie ihn zu Gefichte bekommen follten,
Um die Stunde, dba er Lariſſens el:
tern abmwefend mußte, feßte er auf einem
Nachen über ven Peneus, und fam bis in
bie Gegend der Hütte, Er hatte einen Bund
Reifig auf feinem Rüden, und fette ſich,
gleich) einem, der ausruhen wollte, unferne
davon auf die Erde hin — Als er La:
riffen erblickte, rufte er ihr zu: fie möchte
ihm helfen, mit feiner Buͤrde fich erheben,
und dag gutherzige Mädchen eilte auf den
erfien Ruf herbei — „, Habe Dank —
Wade er — gutes, beftes Mädchen! bie
05 Goͤt⸗
250° Therefie und Eleonore.
‚Götter wollen dir auch einen Gehuͤlfen
geben , der deine Arbeit dir erleichtere! „,.
Und nun gieng er mit ihr, als wäre fein:
Weg eben berfelbe , bis fie an die Hütte:
famen, „Freundliches Kind! hub er an,
reiche mir doch einen Trunk Waffer, mich
zu erquicken! ich habe diefen Bund heute
gefammelt , und bin nun fehr durftia. 5
Lariſſe gieng eilfertig hin, und brachte ihre
einen Krug frifhe Milch, und er. tranf
ihn aus ihrer Hand. Für den erften Tag
fchien er: fich glücklich genug. Er wieder:
holte feinen Danf, und begab ſich mit eis
nen Umwege zu feinem Nachen, von. den |
er in fein Landhaus eilte,
Als Brador und Mirle von ihrer rs
beit: nach Haufe famen „. erzählte ihre
Tochter ihnen freudig, wie fie einem Juͤng⸗
linge feine. Buͤrde aufgeholfen, und einen
Trunk gereichet babe; und fie lobten fie
wegen der Neigung, Notbdürftigen beizus -
ſtehen.
Lykon kam durch viele Tage immer
denſelben Weg, und hatte taͤglich Gelegen⸗
heit mit dem Mädchen zu fprechen:: und
fie warb gegen ihn vertraulich ‚ weil fie
ihn a einen Landjuͤngling hielt. — Aber
ih:
Therefie und Eleonore. 251
ihre Vertraulichkeit war nicht die Vertrau—⸗
Jichfeit der Städte, welche alle Zurücdhals
tung zwiſchen beiden Gefchlechtern aufpebt,
und fich einander bald verächtlich macher:
Die Bertraulichfeit Lariffens war Dffens
herzigkeit und Unfhuld — Doch zwifchen
einem Juͤnglinge und fühlbaren Mädchen
find die Gränzen der Vertraulichkeit und
Liebe feine andern, als die wechfelmeife
Schuͤchternheit. Lykon hatte zwar bie
Schuͤchternheit bei ven Phrynen der Stadt
längft abgelegt, aber-hier war ihm wenig
fieng ihr Schatten nothiwendig, Als er
feiner Gewohnheit nach einmal an ber
Hütte Lariſſens ſaß, die eben dem ihr
nacheilenden Taubenvolke Sutter freute,
blickte er das Mädchen mit einem Blicke
an, der beredter ift, als alle Worte,
„Gluͤckliche Tauben, rufte er, bie dag
liebenswuͤrdige Mädchen täglich aus feinen
Händen fpeifer! ich kenne einen Juͤngling,
der euch fehr darum beneidet ,, — und nun
feufjete er, und fchien den Seufzer unters
brücen zu wollen —
„ Und wer ift diefer Juͤngling, der fo
etwas für ein Gluͤck Hält, das man bes
nei⸗
252 Therefie nnd Eleonore,
neiden Fönnte?,, fagte das vielleicht mit
Vorſatz anbedachtſame Mädchen — ⸗
„ Du würdeft zuͤrnen, wenn ich ihn
dir nennte, und bein Zorn würde ihn auf
lebenslang elend machen „,
Ich will niemanden elend machen, und
du magft ihn mir alfo nicht nennen —
„, Gleihwohl fann er auch nicht laͤn⸗
ger. ſchweigen, ohne eben fo unglücklich
zu ſeyn: und kurz, Lariffe! der Jung
ling — der — bin ich.
Eine fittfame Röthe flieg auf die Wan—
gen des Mädchens , und fie hielt einige
Zeit die Augen niedergefchlagen ; endlich
aber blickte fie wieder auf, und war nicht
zornig, daß ber Juͤngling fi genannt
hatte. Da kamen eben die Neltern des
Mädchens zurücke, und fanden fie bei dem
Juͤnglinge, und fie erzählte ihnen dag Ges
ftändniß feiner Liebe , und daß fie ihm
ebenfalls nicht abgeneigt wäre; und Ly⸗
Fon erzählte ihnen von feinen Neltern und
Umftänden , eine Gefchichte, wie er es
fchicklich fand, und Lariffens Vater und
Mutter willigten gerne, daß Hymen beide
vereinigen follte, fobald die Saaten reif
fenn wuͤrden.
Trium⸗
Therefie und Eleonore 255
Triumphirend fam-der Städter nun zu
feinem Landhaufe zurück, meil ihm bie
unbehutſamen Aeltern ihre Tochter felbft
überliefern würden. Er kehrte auf wenige
Zeit in die Stadt, um diejenigen Anfials
ten zu £reffen, die zur. Ausführung feines
Entwurfs noͤthig ſchienen. Er bereitete ein
eigene® Gemach, und ließ e8 mit Teppiz:
chen ausfchlagen, worin die Diebftähle der
Liebe, welche Jupitrr, und andre Götter
an leichtgläubigen Nymphen begangen hate
ten, gewebet waren. *) Er bereitete die
Föftlichfien Rauchwerfe , die prächtigften
Kleidungen , und zwanzig aftifhe Ta—
Iente waren in einem Käftchen von Eben
Holz mit Golde verzieret in dem Gemache
hingeftellet, ein Gefchenf für Leariffen.
Nach viefen Zubereitungen, die, fo eil-
fertig als möglich, gemacht wurden, damit
ſei⸗
*) Man ſieht, daß die Verfaſſerinn nicht gerne
weitlauftig iſt. Was für eine ſchöne Gele—
genheit ſich in das ganze Fabelreich auszu—⸗
breiten, und von den Teppichen wenigſtens
fo eine ſchöne Beſchreibung zu machhen, als
Homer von feinem Schilde. Schade! daß
es nicht einem ... in die Hande gerathen,
der wurde befchrieben haben !
Der zerausg.
854 Therefie und Eleonore,
feine laͤngere Abmwefenheit feinen Verdacht
erwecken möchte, Fam er bei den frohen
eltern feiner Beftimmten an, und fah
mit Sehnfucht immer , ob die Aehren fich
fälbten. Endlich war fie da, bie lange
ſchon gewuͤnſchte Aernte , die ihm fein
Verbrechen verfichern ſollte. Mirle und
Erador wollten die Hochzeit ihres Kindes
um Feine Stunde verzögern : fie dachten,
fie wuͤrden ihr Glück verzögern. Lykon.
der fich ihnen für den Sohn Irins, des
Zuͤgenhirtens vom andern Ufer angegeben,
und Philemon genannt hatte, führte Las
riſſen, die thränend von thränenden Nel-
tert fchied, an den Nachen, und fuhr bin
an dag gegenfeitige Ufer. |
Sie wandelten nun eine Meile, bis fie
aus dem Angefichte ihrer immer noch zu>
winfenden Neltern famen , als fie. eine
Kutfche mit rafchen Pferden auf ſich ans
fprengen faben. Es war Lykons Kutſche;
und er trug das fich firäubende Mädchen
in die Kutſche, und fuhr, wie auf den
Flügeln des Windes mit ibm nach ber
Stadt. Was half es dem Mädchen, daß
e8 feine Aeltern zu Hülfe zufte? fie waren
fer⸗
Therefie und Eleonore, 255
ferne von ihm , und ahneten nicht dag
Unglüc ihrer Tochter —
Zu fchnell für Lariffen, den Wuͤnſchen
Lykons zu langfam , famen fie da an,
Das Mädchen ward gleich .einer Gefans
genen in dag für fie bereitete Zimmer ges
fchleppet, und. die fchandbaren Gehülfen
der. Entführung verfchwanden. — Ich bin
Lykon — hub nun der Räuber an — und
das Mönchen erfchrack fo gewaltig ,. daß
fie in eine Schwachheit gefunfen wäre,
hätte nicht die gröffere Furcht ihr Stärfe
gegeben; denn LAykon fagt in der Sprache
des Landes Wolf — Du fiehft , das
Schickſal felbft har dich für mich bes
flimmet , und all dein Strauben ift
eitel: mache dir aus deiner Gefällig—
feit ein Verdienft, und fey glücklich,
wie ich es fepn werde! — Alles diefes
tft dein, einfältiges Maschen! fuhr er
fort, als fie untröftbar ihm zu Füffen lag,
und ihm Vorwürfe machte. Diefes Zim:
mer ift ein Königreich gegen deinen
ebmaligen Stand. Wie manche würde
Lykons Liebe gerne um diefen Preiß
verdienen !— ch! hub nunmehr dag faum
| Bo. Mädchen an, alles dieſes
- be:
256 Thereſie und Eleonore;
bedarf ich nicht, ich bedarf nur In
Schuld und Zufriedenheit , und dieſe
boffte ich bei Philemon! — Philemon,
verfegte er, ift Lyfon: und wenn du
diefen Liebft, fo Liebft du deinen TR
Temon —
EEr ſagte noch mehr, fie zu steigen,
und ließ fie, ein Leben in Ueberfluß, im
Wolluſt und Wonne vorberfehen , wenn
fie freywillig auf dem Fuſſe einer Liebha⸗
berinn bei ihm bleiben wollte — wo nicht,
fo wäre fie in feiner Gewalt. Und er ſchick⸗
‚te fich an; der Widerftrebenden einige Lieb⸗
fofungen zu erweifen, als Ciname, welche
die Unfchuld des Mädchens befchüste, in
dem Zimmer erfebien — Lariffe fannte fie
nicht; doch e8 war eine Frau; dag geäng:
ftigte Mädchen flog, ohne mehr zu beden⸗
Fen, in ihre Arme. Aber dem Lykon zeig⸗
te fi Einame mit dem Blicke einer er
zuͤrnten Feye. Das Lafter ift immer feige:
Er erfannte leicht ihre Höhere Macht, da
er fie fo plöglich in einem verfchloffenen
Gemache erblickte: er lebte, er bereute,
er verbieh. Bis bieber, fagte die Feye
mit einem Tone, der den Strafbaren von
ihrer Unbengfamfeit verficherte — bis hie⸗
ber
Therefie und Eleonore. 257
ber war es dem Lafer erlaubt, die
Tugend zu prüfen ! aber föhrft du
weiter fort, Lariflen zu verfolgen, fo
zittre vor Einamen, der Schunfeye
der Unfchuld — Mit diefen Worten fuhr
fie im Dufte von Ambra dahin, und hin
terließ Stärfe in dem Gemuͤthe Lariſſens,
und Entfegen in dem Gemuͤthe Lykons.
Sobald er fich erholet hatte, bat er
Cariſſen, fie möchte zu den Ihrigen zuruͤck⸗
fehren. Was eh der Preis der Schand-
that ſeyn follte, bot er ihr ist zum Er—
fage der Beleidigung an. Aus Furcht
vor dem Zorne ber Feye, ſchaffte er fie
noch felben Abend mit allem Geräthe des
Gemachs, und den zwanzig Talenten in
die Hütte Mirlene.
Das Erftaunen der Yeltern‘ war unbe⸗
fchreiblich. So find das, fagten fie, Sie
Sitten der Städte, und Zevs hat noch
Keiley Lariffe erzählte ihnen den Schuß
Cinamens, und fie tröfteten fich und ihre
Tochter mit dem Bewußtſeyn der Unſchuld.
Aber die Eiferfucht der Gefpielinnen La—
riffens fand bald ein Mittel, diefe Un—
fchuld verdächtig zu machen. Wollt ihr
prächtige Tapeten, fprachen ſie, und
IV, Teil. R Klei⸗
258 Therefie und Eleonore.
Kleider und Föftliches Rauchwerf, und
zwanzig Talente ! fo Laflet euch nach
der Stadt fahren, wie Lariffe! Sie
fpotteten auch über die Begebenheit mit
der Feye, und liſpelten fih zw: das ift
eine gütige Seye, die ihre Pflegbefob-
lene fo reich nach Kaufe fendet. Ge:
wiß, Lykon ift aus Reue — fehr freyge⸗
big! So breiteten fie über Lariffens Tu—
gend einen vergiftenden Schatten, der ihr .
ganzes Leben trübte, und fie zu aller Freude
unfähig machte. Das ungluͤckliche Mädchen
verwuͤnſchte hundertmal die unfeligen Ge—
fchenfe, die man für einen Preis der Ent—
ehrung anfehen Ffonnte, und ſtarb bald
vom Kummer verzehret — Ein lehrreiches
Beifpiel für gang Theffalien: daß, um
glücklich zu leben, eben fo nothwendig
iſt, tugendhaft zu ſcheinen, als zu
ſeyn —
a. XVI.
Thereſie und Eleonore. 259
XVII.
Denn für die kleine Philomele
War alles Ohr.
Man zicht gemeiniglich doch eine ſchöne Seele
Dem ſchonſten Körper vor!
Gleim.
D ich, Freundinn! gegen welche die frey⸗
gebige Natur alle förperlichen Reize ver—
ſchwendet, dich, aus deren Augen Amor
die verwundendften Pfeile abfchüffer, und
feine unbefchränfte Macht über den fühl:
baren’ Züngling, und dag Herz des Grei—
fen befeftiger, dich betrachte id) oft, und
ergöße mich an diefem edeln Baue, woran
alles fo fehr zur Schönheit übereinftim-
met, den ebeln Umriß des Sefichtes, die
blauen gefchnittenen Augen, in denen dein
fanftes Herz fi) malet, zu deren. Versier
rung fich zwey Augenbraunen regelmäffig
woͤlben, welche die blendende Weiffe der fein⸗
fien Stirne beinahe braun fcheinen macht,
ob fie gleich die Farbe deiner Locken ha—
ben, die auf das afchenfärbigte ziehen.
Die unmerfbar aus der Stirne hervorra—
gende Nafe giebt durch einen fanften Bug
deinen Reigen auch Majeftät, und theilee
R2 mit
260 Thereſie und Eleonore.
mit Anmuth zwo Wangen, auf welchen
die Verlaufung der Lilien und Nofen dag
bezaubernde Leibfarb mifchet , das bie
Kunſt vergebens nachahmet. Wann der
anmüthigfte Mund fich oͤffnet, fo ſehen
zwo Reihen Perlen aus einer Koralen-
mufchel, und dag Ganze deines huldvollen
Gefichts endet in ein Kin, den ganz befon=
deren Sitz der Grajien, und bes bejaus
bernden Lächeln. Wäre ich ein Liebha-
ber, fo würde ich fortfahren, dich und _
Venus Uranie ganz zu malen, und nies
mand follte die .... *) verfennen. Aber
ic) bin nur dein DVerehrer, erlaube! daß
ich mich - weniger bei dem Lobfpruche deis
nes Körpers aufhalte — ich habe eine noch
fehönere Seele zu ſchildern.
: Du allein mweift es nicht, wie fchön du
bift. Denn vernachläffigeft du gleich nicht
eine Geftalt, die beftimmt ift, die wir
bige Wohnung der Tugend zu fenn, fo
biſt
I, Ih würde die Sittſamkelt der nerehrunge-
wlrdiaften Perſon beleidigen, die ich Hier
mit einem nicht ſchmeichelhaften Pinfel ent-
v worfen babe. Ich wünfde, daß Wien die—
Selbe in der Menge derer, auf welche diefe
‚Schilderung paſſet, verkeunen möge —
Therefie und Eleonore. 263
bift du doch mit deinen Zügen fo befannt,
daß du fie nicht bewunderſt — Du höreft
alfo die Lobfprüche anderer Schönen ohne
Mißgunft, ohne Eiferfucht, ohne Errss
then an, und bift fters die erfie, ihnen
folche zu ertheilen. Du haͤltſt nicht dafür,
daß dir entzogen wird, was man andern
giebt, denn du machft feine Soderungen:
Indeſſen verlierft du nichts von dem,
was man dir fchuldig if. Die Huldiguns
gen, nach denen bir nicht läufft, folgen
dir nad. Zwar man flattert nicht um
dich herum, aber man fteht unbemeglich ;
entzückt, von ferne, und verehret did).
Eine gewiffe Entfernung. ift das wahre
Merkmal ber Ehrerbietigfeit, wie die ver:
traulihe Annäherung das untrügliche
Kennzeichen der Geringfchägung ift.
Gleich als unmiffend, daß die Natur dein
Yeufferliches zum Gefallen gebildet, ftrebft
du nach den edleren und dauerhafteren Rei:
zen der Eeele. Man fieht dich bemuͤhet, mit
Kenntniffen deinen Geift zu ſchmuͤcken, nicht
um anzuführen, fondern um auszuüben,
Wie befhämt deine Anfichhaltung die ge—
fhwäßisen Pedantinnen, die nur lefen,
um mit dem, was fie gelefen, Staat zu
R3 ma⸗
262 Therefie und Eleonore.
machen: traurige Gefchöpfe ! tie einem
Menfchen von übelm Magen gleichen, der
feine Speifen nicht verdauet, fondern von
fich giebt. Sie lefen, um belefen zu fchei=
nen, du, um beffer zu werden ; fie bau=
chen die vortrefflichen Lehren aus, und
find zufrieden , fie wieder an den Mann
gebracht zu haben; du prägft fie tief deir
ner Seele ein, aus ber fie nie wieder
fommen follen; fie lefen für dag Gedächt-
niß, du für das gerz —
So wird beine Ergoͤtzung felbft ein
Werkzeug deiner Vervollkommung. Indeffen
die Gefpielinnen deines Standes an einem
Tiſche geheftet, die Zeit, und vielleicht
noch mehr verfpielen, nüßeft du diefelbe
gu deinem, und deines Haufes Beften —
Erftaunet nicht, wie fie mit einem mit⸗
telmäffigen Vermögen .ein Hausmwefen fuͤh⸗
re, worin nichts mangelt; wie fie allen
Nothwendigkeiten des Wohlftandes Gen:
ge leiften, und dennoch) fo viel erübrigen
fönne, die Thränen eines Dürftigen zu
trocknen, und ihre Hand dem Nothleiden-
ben ſtets zu Öffnen! Sie giebt nirgend zu
viel, um überall genug zu haben. Die
Ordnung, und eine gewiſſe Einförmigfeit
herr⸗
Therefie und Eleonore, 263
herrſchet, wie in allen ihren Handluugen,
alfo auch in ihrem Hausweſen: und fie
bat ein Mittel gefunden, freygebig zur feyn,
ohne daß es auf ihre Köften geht; fie if
e8 auf Köften des Spiel. In der Aus—
gabeneinrichtung hat fie einen gevoiffen
Theil auch dem Spiele ausgefeger; aber
fie fpielt nie, als wenn es der Wohlftand
unumgänglich nothwendig machet. Das
übrige ift ihr Erfparniß ; und diefeg Erfparz
niß ift der beftimmte Antheil, der Güte
ihres Herzens Genüge zu leiften —
Diefes fühlbaren Herzens , dag eine
ihrer herrlichften Eigenfchaften ift , welche
macht, daß fie von ihrem ganzen Haufe
angebetet wird. Welcher Unterſchied zwi—⸗
fchen dem Dienfte, den die Liebe verrich—
et, und dem, welcher nur darum verrich-
tet wird, weil er verrichtet werden muß Y
In ihrem Haufe ift diefer Unterſcheid ficht-
bar. Ihre Mägde , ihre Bedienten hän-
gen an ihrem Blicke , beftreben fich, ihren
geheimften Willen auszufpähen , um ihm
vorzueilen; Fein Haß , Feine Eiferfudht,
feine Streitigfeit anders, als um ihr bef-
fer zu dienen! Gleichwohl erfauft fie fich
diefe dringende Dienftfertigfeit des Gefins
R4 des
264 Therefie und Eleonore.
des nicht etwan durch übertricbene Beloh⸗
nungen , durch Nachſicht, durch Vertrau⸗
lichfeit — Sie hält dafuͤr, es ſey unbil⸗
lig, arbeitfamen Leuten es irgend woran
abgehen zu laffen, und Menfchen, die gang
zu ihren Dienften leben, fpricht fie, muͤſſen
auc ganz von meinen Dienften leben; Sie
giebt ihnen genug, dieſer Urfache wegen:
fie giebt ihnen nicht zu viel, ihrer felbft
wegen. Einen Fehler, wobei fein Muth
willen, Feine ftrafbare Nachläffigfeit, feine
Bosheit unterläuft , vergiebt fie gerne,
Wie dürfen wir, fagte fie jüngft zu einer
ihrer Freundinnen, die fich über eine Magd
wegen einer Kleinigfeit fehr erbofte, wie
dürfen wir von Leuten ohne Erziehung
mebr als von uns felbft fodern? fie fol-
len nie feblen! gleich ale ob wir felbft
nie fehlten v Aber dieſe Nachficht hoͤrt
auf , fobald der Fehler nicht ein Fehler
ber Menfchlichkeit , fobald e8 ein Fehler
bes Herzens ift.
Don Vertraulichkeit weis fie gegen
Dienftleute nichts. Es iſt, mach ihrer
Meinung, von der Vertraulichkeit nur ein
furger Uebergang bis zur Geringfchäßung ;
und eine Frau, bedarf der Vertraulichkeit
ih⸗
Sherefie und Eleonore. 265
ihrer Untergebenen nicht , ald wann fie
fich zu entehren Willens ift — Wodurch
alfo wirft fie diefes Wunderwerf bei fo
allgemeinem Verderbniſſe des Gefindeg ?
durch einen ganz einfachen Weg : fie
firafet nie, ald wann fie e8 verdienen;
und wann fie es verdienen, ſieht fie ihnen
nie nach. ‚Uebrigens begegnet fie ihnen
ftet8 mit einer Tiebreichen Güte , die für
Untergebene fo fhmeichelhaft ift, und die
Herzen ganz gewinnet: fie fürchten diejeniz
gen zu beleidigen , deren Güte ihnen fo
foftbar it —
Ihre Freundfchaft ift ein Schaß : aber
fie ift in der Wahl ihrer Freunde Äufferft
behutfam. Es ift fchon ein Lobfpruch, aus
ihrer Zahl zu feyn, weil fie nie jemanden
darein aufnimmt , der es nicht verdienet.
Sie kennet die allgemeine Ausſchuͤttung
der Herzen nicht, die ſich dem erften, dem
nächftfommenden , ohne Unterfcheid , ohne
Prüfung anbieten, bei denen das Verzeich-
niß der Sreumde fo groß ift, ale dag Ver⸗
zeichniß ihrer Befanntfchaften; die, nach
ver Wahrheit gu reden, ganz Feine Sreuns
de haben , weil fie deren zu viel haben
Berbindlich gegen jederman , bitnfifertig
R 5 ſo⸗
266 Thereſie und Eleonore.
fogar , behält fie fich einem glücklichen
Kreife weniger Freunde vor. Denn, fie
hält dafür, die Freundfchaft habe zu viele
weſentliche Pflichten, als daß fie zureichen
fönnte, gegen eine Welt diefelben zu er—
füllen. Wenn ich ihre Denkungsart recht
Eenne, fo will fie fich auch durch die Freund⸗
fchaft mancher Perfonen nicht verdächtig
machen: denn die Freundfchaft zwoer Per—
fonen läßt auf eine gleihe Gemuͤthsart
derſelben fchlüffen —
Sittfam ohne Zwang, freudig oßue
Ausgelaffenheit, gekleidet mit Wahl, ohne
geputzt zu fenn, ift fie die Seele der Ge—
feltfchaft ‚ohne es zu feheinen, felbft ohne
e8 zu wiſſen; fo mie das fittfame Veilchen
im Grafe verborgen , feinen aromatifchen
Geruch. umherſtreuet, indeffen geruchlofe
Blumen vergebens das ſtolze Haupt em—
portragen, und buhlhaft winfen. Die
Biene fliegt vor diefen vorüber, und fliegt
jener zu — |
Mit diefen vorzüglichen Gaben zeigt
fie fiir die Schwachheit des Nebenmenſchen
nicht eine boshafte Nachficht, welche ver-
urtheilet, indem fie entfchuldiget, und uns
ter. dem Scheine der Menfchenliebe, ber
Tri⸗
Therefie und Elesnore. 267
Triumph des Stolzes und der Eigenliebe
if. Sie bemitleidet die Gebrechen an—
derer nicht ; fie fchmeigt davon, oder be=
decfet fie —
Aber ich empfinde die Schwachheit mei⸗
nes Pinſels, und die Unzulaͤnglichkeit der
Farben, Schönheit und Tugend nad)
dem Leben zu malen —
„ Wenn biefe Sfiffe e8 verdienet, ver—
ehrungswuͤrdige Therefie! fo gönnen Sie
ihr unter ihren anmüthigen Blättern ei-
nen Platz, fo wie manchmal der Verfuch
eines Lehrlings in einer prächtigen Bil-
derfammlung einen Winfel erhält, wohin
das Licht zu ſchwach fällt, um für die
Meifterfticke ver Kunſt eine würdige Stelle
zu feyn —
XVIII.
Du biſt das Aeffchen auf der Buche?
Lichtwehr.
Sr meine eingetroffenen Wuͤnſche muͤſſen
Sie mir nun auch Erinnerungen zu Gut
halten , gutes Kind! Sie wiſſen, mie
* ich * liebe, und wie nahe mir alles
das
268 Therefie und Efeonore.
das an der Seele liegt , was mit ihrem
Wohl verfnüpfer iſt —
So bat denn endlich auch einmal bie
Uneigennügigfeit eine Wahl getroffen? So
war denn einmal eine Ehe nicht nach Rech⸗
nungsgründen befchleffen,, und ein Ehe⸗
vertrag errichtet , der feinem Wechfelbrief
ähnlich it ? Lyudame! ver Fall ift fo fel=
ten, daß es nun nicht bloß ihrer Tugend
und dem Glüce ihres Bräutigams , fonts
dern dem ganzen Mädchenchore anliegen
muß, wie er ausfchlägt — Ach glaube,
ich fehe wuchernde Väter und geizige Muh⸗
men mit unabgemwendetem Blicke alle ihre
Schritte , alle Handlungen ‚jeden Blick
beobachten , wenn fie daran etwas aus:
jufegen, wenn fie Ihnen Vorwürfe zu ma—
chen, wenn fie zu ihren Söhnen und Nef-
fen zu fagen hätten: „, nun gebt bin, juns
ge Thoren , ehliget die nadte Tugend,
und feht an Lygdamen das Gluͤck einer
Ehe, wobei das Eingebrachte in ein paar
fhönen Augen, und einem guten Herzen
beftebt !,, — Machen Sie den Geiz, bie
Abfichten zu Schande, und bemweifen Sie,
das Gluͤck der ehlichen Verbindungen gruͤn⸗
de ſich auf Tugend, und ein gutes Herz.
IH
Thereſie und Eleonore. 26%
Ich will Sie, mein immer zärtlich ge—
liebtes Mädchen! in Feine Predigt führen;
die Pflicht der Tugend ift immer diefelbe,
nur daß fie im Eheſtande firenger gefodert
wird. Aber ich will Sie über eine Sache
bei Seite rufen, worauf Sie in diefen Zei-
ten der zärtlichen Unruhe vielleicht ganz nicht
verfallen, worin gleichwohl fo wefentliche
Fehler begangen werden ; Sehler , die
mancher Frau Demüthigungen und Ber:
- wirrungen zugezogen haben.
Haben Sie über die plöglichen Veraͤn⸗
derung ihres Gluͤckes bereits einige Be:
trachtungen angeftellee? Diefe Berände-
rung ift eine Belohnung ihrer Tugend :
aber, mie werden Gie fich Fünftig dabei
betragen? haben Sie ſich einen Entwurf
ihres fünftigen Betragens gegen Höhere,
gegen ihres gleichen, gegen Leute, deren
Stand, oder Umftände diefelben unter Sie
verfegen, haben Sie über diefes Betragen
fich einen Entwurf gemacht? wollen Sie,
daß die Welt fprehe: „Lygdame ift auch
noch eines gröfferen Gluͤckes würdig! „,
oder daß fie fprehe: „, wir fannten die
folge Näreinn noch als fie Falblederne
Schuhe trug, und ein: wollenes geftreif:
tes
ı70 Thereſie und Eleonore.
tes Kleid ihr Feyertagpup war ?,, Beir
des hängt von Ihnen ab, je nachdem Sie
einen von diefen Wegen folgen, die nun
vor Ihnen liegen ,„ wird Ihnen Segen
oder Spott entgegen fchallen : wählen Sie!
Das Vermögen ihres. fünftigen Ge—
mahls ift groß , ift beinahe unerſchoͤpf⸗
lich, und feine Liebe wird Ihnen nichts
verfagen. Gie fünnen alfo in einer Kut⸗
fche mit fieben Gläfern prächtig einher—
fahren , deren Hintertheil für die Menge
ihrer Bedienten zu Flein wird. Sie fön=
nen eine halbe Million Edelgefteine um den
Hals, und in ihre Locken hängen. Sie
fönnen jede Mode zuerft haben , und
ihre Kleider, wie ihre Wünfche , täglich
wechfeln. In ihrem Haufe fann alles
fürftlich prächtig feyn. Sie Finnen ihre
Befuche in einem Foftbaren Ruhegemache
annehmen, wozu man nur durch eine Reis
be Zimmer gelangen wird, in denen Schnig=
werke und Gold verfchwendet find. Ihre
Tafel fann die niedlichfte in der ganzen
Stadt, und täglich für zwanzig Fremde
gedeckt feyn. Ahr Spiel kann dag ftärffte
fen, das jemand fpielet, Sie fönnen,
mit einem Worte , durch ihren Aufwand
als
»
Therefie und Eleonore. 271
alle Frauen ihres Standes verdunfeln ,
und es mit den. anfehnlichften Häufern in
der Berfchwendung aufnehmen — Es giebt
geroiffe Gelegenheiten, wo dag Geld über
Geburt und Titel, über Bedienungen und
Ehrenftellen, ven Vorzug behauptet. Sie
koͤnnen fich diefer Gelegenheit, wo Sie fi
anbietet , bemächtigen, und manchmal den
Schritt über Fürftinnen behaupten, wenn
es Ihnen beliebt. Sie können Frauen,
die weit über Sie find, mit einem Anſe—
hen von Gleichheit, :Perfonen ihres Stan=
des mit Gleichgültigfeit , oder gar mit
fihtbarer Erhebung, Sie fünnen Niedri—
gen mit Verachtung, oder mit der Miene
einer Befchügerinn begegnen. Sie können
fprechen: das ſchickt fich für Leute mei-
nes gleichen nicht ; oder : gemeine Leu⸗
te handeln fo! Sie fönnen auch viel von
Samilien, von Standesgepränge, Eti—
fette ‚u. d. gl. fprechen, Wann Sie fid)
mit Leuten treffen, mit denen Sie in ih—
vem vorigen Stande vertraute Freund-
fchaft pflogen; fo können Sie ſich anftel-
len, als fennten Sie diefelben nicht, und
legt man es Ihnen zu nahe, wohl! fo
können Sie fi ohngefähr dunkel erinnern,
fie
“
272 Thereſie und Eleonore.
fie irgend einmal gefehen zu haben. Eie
fönnen vornehm fränfeln, und manchmal
eine Nachbarinn beneiden, die immer poͤ—
beimäffig gefund if. Sie können ihrem
Gefinde mit Härte begeanen, ihr Hauswe⸗
fen einem Miethlinge überlaffen , wie die
Erziehung ihrer Kinder — und damit fein
Strich abgehe , das vornehme Anfehen
herauszuheben, fo fönnen Sie zuletzt noch
gegen den Gemahl, ‚der Sie aus dem
Staube erhoben ſich gleichgültig betra-
gen, und ihn von Zeit zu Zeit ein wenig
gebietrifch anlaffen , damit er fieht, er
habe eine Gattinn gewählt, die ſich zu
behaupten, an ihre Stelle zu verfeßen,
in ihre Gröffe zu fchicken weis.
Sie können aber auch ihren Aufwand
fo abmeffen , daß man es deutlich fieht,
Sie machen ihn nur um der Ehre ihres
Gemahls nichts zu vergeben, die Sie zu
behaupten fchuldig find. Sie fönnen, anz
ftändig gefleidet feyn , ohne Staat zu
machen. Ihre Zimmer, kann Gefchmadf,
nicht Pracht unterfcheiden. An ihrer Tas
fel, können Freunde ihres Gemahls will-
fommen feyn , ohne tägliche Gaftereyen
anzuftellen. Ihre gegebenen und empfan⸗
ger
Therefie und Eleonore. 273
genen Befuche, Fönnen Beſuche der Freund-
ſchaft, nicht Gepränge des Stolzes, nicht
Soderungen ſeyn. Ihr Spiel, kann fich
nad) ihrer Gefelffchaft richten ; und wie
es Ihnen nicht fchwer fallen würde, bie
Mark um einen Gulden zu fpielen, fo koͤn⸗
nen Sie aus Gefälligkeit ſich auch bis zu
einem. Pfeninge herablaffen, ohne durch
die Zerftreuung und: Unaufmerffamfeit zu
fehr an Tag zu legen, vaß Sie ein ſolches
geringes Spiel nicht befchäfftiger. Auch
wo Sie fi) in die erfien Reihen zu draͤn⸗
gen berechtiget wären, koͤnnen Sie be—
fcheiden zurückfiehen. Sie können, gegen
die, welche über Sie erhaben find , mit
Ehrerbietung, mit Hochachtung gegen bie,
welchen Sie die Wahl ihres Gemahls gleich
gemacht, mit Höflichfeit gegen Leute unter
ihrem Nange fih betragen,
Sie können, manchmal einen Blick auf
ihre erftien Umftände werfen, und, anftatt
ſich über ihre Glückfeligkeit zu blähen, aug
ihrem ehmaligen Stande einen Beweg—
grund zur Gittfamfeit und Demuth heruͤ—
berholen. Sie Finnen, ſich ihrer igigen
Freunde auch nicht fhämen, und fich durch
ein Gedaͤchtniß, welches die Erinnerung
IV. Theil, & vo⸗
*
274 Thereſie und Eleonore.
voriger Befanntfchaften behalten Hat, nicht
entehret fchäten. Wenn einige diefer Freun⸗
dinnen Sie nad) dem gemeinen Schlage ber
hochmüthigen Weiber beurtheilen, und zu
blöde ſeyn follten, fi Ihnen zu nähern y
fo Finnen Sie ihrer Blödigfeit entgegen
gehen, und fie zur Vertraulichkeit gegen
fih aufmuntern. Sie fönnen, alle daß
Geſchwaͤtz vermeiden, das nichts weniger
als ftandmäflig ift, fo fehr auch darin mit
Stand und Rang um fi geworfen wird.
Sie können, fich der Gabe der Gefundbeit
nicht ſchaͤmen, und fich verpflichtet alaus
ben, die Aufficht über ihr Haus , über
ihre Familie ſelbſt zu führen. Sie fönnen,
ihrem Gefinde als Menfchen begegnen )
denen Sie ein unginftigesg Schickfal durch
liebvolles, leutſeliges Begegnen erträglich
zu machen, auserſehen ſind. Sie koͤnnen
endlich, dafuͤr halten, Sie ſeyn einem Gat⸗
ten, der Sie gluͤcklich machet, Gefaͤlligkeit
und Liebe, Sie ſeyn ihm die gaͤnzliche Uns
terwerfung ihres Willens , cin Betragen,
das diefe Unterwerfung aller "Welt vor
Augen fiellt, Sie feyn ihm Ehrerbietung
‚ und Dankbarkeit, und das Vergnügen, fo
er in ihrer Verbindung fich verſprach,
wirk⸗
Therefie und Eleonore. 278
wirklich zu gewähren, und dauerhaft su
machen ſchuldig —
Sehen Sie ſich, liebes Kind! ein we—
nig nach erörternden Beifpielen um, und
betrachten Sie das End zwoer ſich fo ente
gegen gefegten Strafen! Auf der einen
wartet Verachtung, Haß, und oft em—
pfindliche Demüthigung derer, welche dar⸗
auf wandern. Aber allgemeine Hochfchä>
gung und Liebe wird denjenigen zu Theil,
die die andere einfchlagen.
Eine Perſon, die von einem geringen
Stande zu einem befferen Gluͤcke uͤberge—
gangen, hat den Neid ohnehin wider fich;
fie darf nicht erft durch eigene Unbefchei-
denheit der Tadelfucht eine Blöffe geben:
Wer ift diefes Weiby fagen bie ſtolzen
Meiber, die durch ihren gröfferen Stolz
beleidiget werden — und nun wird. ihr
Herfommen, ihr Vermögen, der geringfte
Umftand unterfucht. Man findet die Seite
bald, von der der Hochmuth erniedriget
werben fann ; und man machet fich-eine
wahre Feyer daraus, diefen beleidigenden
Hochmuth nieder zu fchlagen. Bis auf
die geringften Leute dehnt fich die Bes
gierde, zu erniedrigen , aus. Sie bat
Sa ſchon
V
276 Thereſie und Eleonore.
Schon vergeſſen, wie fchwer das Dienen
tft: hörte ich die Magd hinter dem Ruͤcken
ihrer Frau murren, die vormals auch ein
Kammermädchen war, und. nun die Dienft:
leute fehr unbarmberzig hielt. Sey hoch—
‚müthig , und es iſt ganz natürlich „ daß
man die Urfachen des Hochmuths auffucht,
der defto lächerlicher wird , je weniger
man derfelben findet.
‚Hingegen fpricht jederman su der an⸗
dern : die würdige Perfon! wie ſehr ift
fie des Glückes wertb, das ihr zum
Theil geworden! Die Gröfferen feffelt
ihre Demuth, die Gleichen gewinnt ihre
Beſcheidenheit, die Mindern ihre Leutfes
ligfeit und Güte. , Niemand fucht ihre eh—⸗
maligen Umftände hervor, weil ihre igigen
- niemanden beleidigen. ind wenn jemand
derfelben ungefähr erwaͤhnet, fo fchlägt
diefe Erwähnung felbft zu ihrem Lobe aus,
Lygdame, behalten Sie von ihrer
wahren FSreundinn die. furze Lehre, als
ein Brautgefchenf : „ Befcheidenheit im
Gluͤcke vermindert die Zahl der Neider,
entwaffnet bie Tadelſucht, und bag fi-
. sherfte Mittel, die Welt unferer ehmali⸗
gen —— vergeſſen zu machen iſt,
J ch
Therefie und. Eleonore, 277
ſich ſelbſt derfelben unaufhörlich si
erinnern. »
XIX X.
Dos Alter beugte fchon den abgelchten Rüden :
Doch brannte Liche noch in den erfiorbnen Blicken.
Zachariäͤ.
Is nur ein Wort an diefem muntern
Briefe zu Ändern, wäre unvergebliche
Sünde. Gewiß, liebe Charlotte, ihre
Laune ift nicht mit Gold zu bezahlen !
wenn fie nur nicht immer ein Bischen
boshaft mit unter wäre! denn ic) Fan
nicht eigentlich abfehen, ob ihr Brief
Satire , oder Ernſt ift — So mögen
nun denn die Lefer urtheilen ! Gutes
Mädchen! es ift gefchehen; da fteht er,
lieg ihn, deinen Brief, gedrude! —
> Shweſterchen! eine Neuigkeit! ein
Abentheuer! geſchwind ſtuͤtze mich! ich
kann vor Lachen nicht feſten Tritt hal—
ten — Ich muß mich erſt ſatt lachen, ehe
ich weiter rede! — Nun iſt er ein wenig
vorüber der Anfall ; ich bin wieder bei mir
feloft !
63 „, Lies
278 Thereſie und Eleonore.
„ Liebenswuͤrdige Eleonore ! wundern
Sie ſich nicht über meine Vertraulichkeit,
da ich Sie, und Gie mid) nicht fennen!
fo bin ic) immer ; und dießmal hat mich
ein Zufall „ der aufferordentlichfte Zufall
von der Melt, mitten in meine Munter-
feit mit Gewalt hineingeftoffen. Wer foll-
te da nicht lachen? „,
„Ich bin nicht ganz fiebenzehn Jahre
alt; wie Sie fehen, ein wenig boshaft,
das voill ich auch geftehen; fluͤchtig, wie
ein Mädchen es in diefen Jahren feyn
fann , unbefonnen, wie meine liebe Muh—
me ſpricht, artig, wie ich glaube, fchön,
wie mie hundert Jungen bei ihren Seelen,
und was weis ich Bei was noch mehr,
zugefchworen haben — Diefem boshaften,
flüchtigen , unbefonnenen Mädchen nun
hat ihre theure Muhme das Gluͤck zuge—
dacht , die Frau eines liebenswürdigen
Juͤnglings von — acht und fechjig Jah—
ven zu werden, der, wie fie ganz weislich
binzufeßt, in feiner Kindheit ſtets maͤſſig
gelebt, nie eine Frau gehabt, gefund mie
ein Hirſch ift, nur erft anfängt , auf das
Graue zu sieben, und ein ſchoͤnes Kapital,
nebſt einem Nittergute hat, dag mein eis
gen
Therefie und Eleonore. 279
gen feyn fol , als ein Wocengefchenf ,
fobald ich ihm einen Sohn gebe — Hören
Eie weiter! es ift noch das Glück nicht
all
„ Mein acht und fechzigjähriger Freyer,
mit feiner Geſundheit wie ein Hirſch, will
im Heurathsvertrage feine edle Uneigen=
nüßigfeit auch noch -dadurd) ins Helle fe=
gen, daß er fich anheifchig machet, nach
meinem Tode, mein ganzes Eingebrachte,
Schmuck, Kleidung „ Wälche, & ctera,
meinen rechtmaͤſſigen Erben zuruͤckzuſtel⸗
len; und damit ich durch die Sorge für
unfre Piebespfänder nicht etwan in einer
ruhigen. Sterbeftunde geftöhret werden
möchte, fo will er großmüthig auf eine
zweyte Heurath Verzicht thun, und mei—
nen Kindern keine Stiefmutter in das
Haus fuͤhren —_—
„Es wird mir da fo viel von Kin-
dern und Leibeserben vorgefchwäßt, daß
ic) gang davon betäubt bin, ‚und immer
zuruͤckſehe, ob nicht. irgend ‚eine -Eleine
Kreatur mid) beim Kleide zupft , und
Mama: ruft; ba doc zu einer andern
Zeit meine theure Muhme ihre grauen
84 Au⸗
290 Therefie und Eleonore,
Augenbraunen gräßlich zufammzog, wenn
mir unbedachtfamen Mädchen fo ein Wort
entfuhr. „, |
„Run, was benfen Sie, Eleonore !
ift nicht alles auf beiden Seiten vollfom>
men gleich ? und habe ich nicht ſehr Uns
recht, wenn ich folche Bortheile ausfchla>
ge? Ich will Ihnen eine Scene von bie>
fer Komödie niederfchreiben, wie fie in der
Natur vor fich gieng: vielleicht weis ir-
gend einmal einer unfrer Theatralfchrift-
fteller davon Gebrauch zu machen — „
„ Muhme Spliney fist auf dem Sopha,
und hat ihre Zupferey auf dem Schooffe :
ihre fittfame Nichte fist ihr gegenüber ,
knipft Filet, uud guckt von Zeit zu Zeit
in den Spiegel — „,
„Wird Ahnen denn die Zeit bei mir
nicht lange, Lottchen „,
„ Gnddige Srau! in ihrer Gefell:
fchaft lang Y „,
„Loſe Schmeichlerinn! und einen ſanf⸗
ten Kneipper an die Wange, Ach möchte
Sie gleichwohl gut gepaaret fehen — Die
Nichte hufter ein Bißchen, fo zur Foͤrm⸗
lichfeit, und Spliney fährt fort —
., Ad,
-
Sherefie und Eleonore. 281
„» Ah, e8 ift heute fo Teicht nicht ,
eine anftändige Parthie zu finden ! die
Männer find fo abgeneigt, eine Haushal-
fung zu verrichten , und find im Grunde
nicht zu verdenfen: die Pracht ift aufs
böchfte geftiegen! es ift mit den Weibern
nicht auszuhalten, entweder die Schäße
des Mogols, oder Schulden big über die
Dhren — Doc) ich glaube, gottchen wird
nicht fo unbefriedlich fen — |
„Sie werden mir immer das Vor—⸗
bild ſeyn, unddige Srau! — Die: Gute
ward ein wenig verwirrt über das Kom:
pliment; denn es fonnte fo eine Bedeu—
tung haben —
„ Ohne ER Yin Segenfompfiment zu
machen , fährt fie alfo fort: „,
„, Und dann fo find auch die Mädchen
heut zu Tage fo niedlih, fo verwöhnt!
Alles fann man doch nicht zuſamm fin⸗
den.
„ Worauf wird das abzielen ? dachte
id) bei mir: das muß ich aushören —
Sreylich, antwortete ih, muß ein Maͤd⸗
chen von feinen Soderunten etwas ein-
geben —— wenn Ne nicht figen blei:
ben will —
"8 5 Nun,
282 Thereſie und Eleonore.
„, Nun, ich dachte immer, mein Müms
chen würde vernünftiger denfen. Ich ha—
be für Sie einen Borfhlag — „,
„Fuͤr mich ? mit einer Verbeugung —
Und nun Fam fie allgemacd mit ihrem Ha⸗
| geſtolze angezogen, und wußte mir ſeine
Eigenſchaften, ſein gutes Herz, und vor
allem, fein Vermögen, fo herauszuſtrei⸗
chen, daß ich genau merken konnte, wie
ſehr ihr dieſe Angelegenheit am Herzen
liegt. Ich nahm mich indeſſen wohl in
Acht, mich gegen ſie bloß zu geben. Ich
dankte ihr fuͤr die Sorgfalt, die ſie mei—
netwegen ſich geben wollte, aber — m >
„Kein Aber! Mädchen! ſolches Gluͤck
koͤmmt nicht alle Augenblicke wieder: man
muß es haſchen, wenn es da iſt.
„Geſetzt aber, ich hielte es für Fein
Glück — „
„Geſetzt aber, du waͤreſt eine Thoͤ⸗
rinn ? und wenn du es für Fein Gluͤck
haͤltſt, fo ift da fein Geſetzt — Einen
Mann mit: hundert taufend Thalern, mit
einem fchönen Gute, in beften Jahren —
„ In beften Jahren x gnädige Frau!
mie Acht und fechzigt .,
“r Des
Therefie und Eleongre. 283
„Deſto beffer für ung! fo wirft du
eine junge Wittive, und bald Frau von
einem Gute und hundert taufend Thalern. z
„ Onadige Srau! wenn ich einen
Gatten wähle, fo wäble ich, um ibn
zu haben, nicht um ihn zu verlieren...
» Daß ift gut: du folft feinen Tod
auch nicht befchleunigen: aber wenn eg
nun der Himmel fo wollte — „
„ 80 würde ich untröftlich ſeyn:
denn ich werde meinen Gatten Lieben. .,
„Deſto beffer für ihn ! Tiebe ihn alfo. ,,
„ Rechnen Sie doch, theuerfte Mub:
me! acht und fechzig ‚"ift gerade vier: .
mal fiebenzehn: und fo wenig ein Kind
-pon vier Jahren meine Sache wäre, fo
wenig Fann ich die Sache eines Groß:
paters von feinen Jahren feyn. Ich
würde ihn verebren — abet Lieben fo
ich ihn, wenn er mein Gemabl ſeyn
wird — ;
„ Meiner RN Muhme mußte mein
Vernuͤnfteln, daß fie fo kurz faßte, nicht
anſtehen; fie hub fich ſchnell von ihrem
Sitze, und gieng zur Gefellfchaft in ein
anderes Zimmer. Inzwiſchen werde ich
von ber ganzen Verwandtichaft verfolgt,
und
>84 Thereſie und Eleonore:
und bin bei allen für eine Thoͤrinn aufges
ſchrieben, die folche wichtige —
auszuſchlagen fähig iſt.
1, Sch weis mir fonft feine Huͤlfe zu ſchaf⸗
fen, Eleonore, als daß ich Sie erſuche, in
ihren Blaͤttern einmal dieſe grauen Seufzen⸗
den mitzunehmen, und ihnen das Ungereimte
ihrer Anſpruͤche recht lebhaft vorzuhalten.
„Wie ? dieſe Knochenhaͤuſer duͤrfen
fodern, daß wir fie liebenswuͤrdig finden?
fie, die nun zu nichtS weiter taugen, al
die Hinfälligfeit aller menfchlichen Dinge
vorzuftellen , und die Munterkeit felbft
bupochondrifch zu machen ? — Wie? fie
dürfen fich an ein Mädchen von meinen
Jahren —
„ Aber um des Himmels Willen! vers
geben Sie mir! ich mollte Ihnen nur
meine Berlegenheit Flagen, und Sie um
Beiftand bitten , gleich ift meine Lebhaf-
figfeit mit im Spiele, und ba feßte ich
mich beinahe bin, und fehrieb die Antwort
felbft nieder, um die ich Gie nur erft bitte.
Laffen Sie es gut feyn! die rafchen Mäd-
chen werden gute Weiber , und da boffe
ich, wenn das Sprichwort nicht trügt, ei=
nes von den beften zu werden, Nur muß
‚mein
Therefie und Eleonore. 235
mein Mann mir flatt der Jugend nicht
Geld , und .flatt der Liebenswuͤrdigkeit
- fein Rittergut mitbringen, fonft — „
„ Sobald Sie von acht und fechzige
jährigen Liebhabern handeln werden, will
ich mit dem Blatte in der Hand zu meinem
Prätendenten eilen, und e8 ihm vorlefen!
damit — damit ich Ihnen die Wirkung
deſſelben melden, und zugleich meine ewige
Verbindlichkeit zuſchwoͤren kann — Säu:
men Sie nicht ‚, fie bald zu verdienen,
diefe Verbindlichkeit
| ihrer Ebarlotte.
Die Sreyfucht alter Männer kann wohl
durch fein wirffameres® Mittel niederge—⸗
fchlagen werden, als durch ihren Bricf, lieb
fie Charlotte! Alles ift bier in dag rechte
Licht gefeßet : und ich denfe , Männer,
Die man überzeugt, daß fie nur in ber
Hoffnung genommen werden, weil man
ſich verfpricht,, fie werben fo viel Lebens-
art befigen, und fich zum Trofte ihrer jun
gen Öattinnen, die nad) der Erlöfung feuf-
zen, bei Zeiten abführen , die — follten
: alle Luft zu einer Verbindung verlieren.
Hat dann eine fo vieljährige Erfahrung
fie nicht überführen Finnen, daß fie nicht
ge⸗
2586 Üherefie und Eleonore.
gemacht find, um geliebt zu werden;
und daß fie die Gefälligkeit, fich von
ihnen lieben zu Laflen, nicht zu zeitig
mit Hinterlaffung ihres Vermögens be:
zahlen koͤnnen ?
* E.
XS
— — — Ein wlitdiger Gemahl,
Verſtandig, zärtlich und verbindlich,
Nicht eigenſinnig, nicht. empfindlich ,
er bat nur da, wo jener wild befahl.
Gellert.
J. lieber Diem: finde mir dieſen
Mann! rief meine muntere Freundinn
auf, als wir zuſamm die ſchoͤne Erzaͤh⸗
lung Gellerts, das Hofpital, lafen. Ihr
Gemahl war zugegen, und feine fich vers
finfternde Stirne erinnerte fie , daß fie
eine Unbedachtfamfeit begangen. Den Aus
genblick griff fie mit einer bezaubernden
Lebhaftigfeit nach feiner Hand , und zog
ihn mit fanfter Gewalt nad) fi) — Den
einzigen, fagte fie, habe ich der ganzen
Melt entrifien. Ihr Mädchen mögt
euch den zweyten fuchen! Ein Blick,
worz
Thereſie und Eleonore. 287
worin Zärtlichkeit und Neue zu leſen wa⸗
ren, fühnte fie wieder miteinander aus —
Die Betrachtung, worauf ich durd) die
Munterkeit meiner Freundinn gebracht
ward , iſt allerdings wichtig. Warum
giebt e8 fo wenig verbindliche Nänners
und — ich fann auch meinem Gefchlechte
nicht heucheln: warum giebt es fo wenig
verbindliche Frauen Ovid, Zacherid,
die Verwandlungen der Liebhaber in
Männer, der Geliebten in Ehegattin—
nen, find eurer Feder würdig — Der
Mann, der mit zurücgemworfenem Haupte,
mit der wahren Miene eines Gefeßgebers
eintritt, der trocken zu feiner Frau fpricht :
Madam, du wirft dief thun! und, dieß
wirft du nicht thun! der nur feinen Wil:
len zu Rath zieht, und den firengften
Gehorfam fodert, ‚der beftändig widerz
fpricht, feinen Widerfpruch ertragen kann ,
der feine Frau über jede Kleinigkeit wie
vor einen Nichterftuhl fodert, und fie un—
gefähr auf dem Fuffe der erſten Dienft:
madg hält — der Mann wäre derjenige, der
noch vor Kurzem als Liebhaber, nur bat,
nur gehorchte, nur auf den Knieen ver—
ehrte, nur bie Winfe feiner Geliebten und
ih⸗
288 Thereſie und Eleonore, '
ihre geheimſten Wünfche fEudierte, um fie zu
überholen, der ihre Laune, ihren Eigen:
finn felbft, unverdroffen erteug, der feinen
Fehler an feiner Gebieterinn fah, der ihre
fihtbaren Unvollfommenheiten nicht bloß
entfchuldigte, fondern zu Bollfommenbeiten
machte — eben derfelbe Mann wäre es?
Die Reihe koͤmmt nun an ung, meine
Freundinnen! find mir als Ehegattinnen
auch noch die gefälligen Gefchöpfe , die
wir als Geliebte zu fenn fchienen ? zu
fcheinen alfe unfre Kunſt anmendeten? em
pfangen wir unfre Männer noch immer mit
diefem Blicke der fehnfuchtvollen Erwars
tung , der unfern Aufwärtern entgegen
fiel? Hören fie von ung noch einftens das
Girren der Taube, einen zärtlichen Vor:
wurf über eine längere Entfernung ? fegen
wir ihnen die Mühe ‚, die Sorgfalt für
ung, für das Hausmwefen, auf das Ver—
zeichniß ihrer Verdienfte? halten wir ihre -
Freygebigkeit gegen ung für Kennzeichen
ihrer Liebe ? oder — für ihre Pflicht? find
wir Frauen? oder Freundinnen? —
Ich will das Band der Ehe nicht durch
weitergetriebene Vergleiche verächtlich ma⸗
hen, niht von Haushaltungen fprechen,
wo
Therefie und Efeonore. 289
wo swifchen Mann und Weib, Feine Kalt-
finnigfeit, fondern Haß, feine Gleichgül-
tigkeit, fondern Verachtung berrfchet, wo
man fich gegenfeitig nicht etiwan unver:
bindlich, fondern mit Unhsflichfeie anlaͤßt,
wo die Gegenwart fremder Zeugen die
wechfelweifen Seindfeligfeiten nicht. auf-
‚hebt, wo man ſich die bitterften Spikfin-
digfeiten, die entehrendften Vorwürfe vor
jederman alle Augenblicke wiederholet, wo
man in nicht8 übereinftimmt, als in dem
Willen, fi) vor aller Welt fo geringſchaͤ—
gig zu machen, als man einander in fei-
nen eignen Augen felbft vorkoͤmmt. Von
diefen Haushaltungen will ich nicht fpre=
hen. Indeſſen, ift Feine unfrer Leferin-
nen und Pefer, die bei diefen Zügen einen
geheimen Vorwurf fühlen? die an ihre
ſchuldige Bruft Flopfen , und in biefem
Blatte ihre .offene Schuld Iefen koͤnnen?
ich wünfche , daß jedes auf meine Frage
mit vergnügendem Gelbftbeifalle antworten
möge: ich bin es nicht —
Die Urfache diefer beidfeitigen Wer:
änderung ift lange fhon entdeckt: es ift
die Verſtellung der Liebenden, mit wel:
cher fie einander ihre Fehler zu verbergen,
IV. Theil: 3 ſich
290 Thereſie und Eleonore,
fi) nur von der vollfommenften Seite zu
zeigen, und gleichfam zu betrügen fuchen —
Nun find fie unauflöslich miteinander ver-
bunden, Fräulein N: if nun Baroninn,
wie fie e8 gewuͤnſchet, Herr von N. ift
Rath, oder Staabsoffizier, oder Herr von
dem groffen Vermögen‘, fo feine Braut
ihm eingebracht: Die Abficht beider Theile
ift erreichet „ meiter wäre durch Verſtel—
lung nichts mehr zu erhalten, wozu fol
. fie nun fünftig dienen? man wirft ben
Zwang ab, zeigt ſich in feiner natürlichen
Seftalt — Recht fo, wann man einmal
zu Haufe angelanget ift, warum foll win
die Neifefleider nicht ablegen —
Wenn den Ehleuten beftändig vonein⸗
ander etwas zu wuͤnſchen übrig bliebe,
wenn fie immer etwas voneinander zu hof⸗
fen, etwas zu erwarten hätten, mit einem
orte, wenn man bie Urfache ihres vor—
läufigen Zwangs verewigen koͤnnte, fo
wuͤrde wenigſtens eine Art von Gepraͤng
zwiſchen denſelben herrſchen, das die wech⸗
ſelweiſe Geringſchaͤtzung verhindern koͤnnte.
Es waͤre alſo vortrefflich; ich rede nur
fuͤr mein Geſchlecht; wenn vermoͤgende
Aeltern ihre Tochter zu Frauen der Mits
9a:
<Therefie und Eleonore 291
gabe machten, und ihnen die Gewalt ein:
raͤumten, nach) dem Maaffe, als ſich der
Gemahl anftändig oder ungebehrdig ge⸗
gen fie betragen würde, gegen ihn. frey—⸗
gebig, oder fparfam zu feyn., Man wird
fagen: die Liebe und Achtung werden fo
zu einem Preife des Geldes gemacht: ich
denfe, es ift beffer, fich derfelben auf die:
fe Art zu verfichern,, als aller Hoffnung
darauf zu entfagen, als fiir Geld ſogar eis
nen Tprannen über ſich zu fegen:
Nichts ift der Eigenliebe einer Frau
fchmeichelhafter, nichts fähiger, ihr in den
Augen der ganzen Welt einen Werth zu
ertheilen , als wenn fie fih von ihrem
Manne in öffentlihen Dertern, vor Zeus
gen, mit einer gewiſſen Unterfcheidung und
Achtung begegnen ficht. Ich kenne einen
Mann, der feiner Gemahlinn in Geſell—
ſchaften mit der Nemfigfeit eines Liebha—
bers aufwartet. Er unterhält fie beſtaͤn—
Dig, ohne jemals den Ton der Vertrau—
lichkeit zu gebrauchen , der fonft zwifchen
Mann und Weib üblich ift. Sie verlangt
etwas: waB befeblen Sie Madam
fpricht er, und dann eiler er, ihren Bes
fehl zu vollziehen — Wollen wir neben ?
za fag:
292 Therefie und Efeonore.
fagte fie jüngft in meiner Gegenwart —
Ich bin zu ihrem Befehle, mein Rind!
verſetzte er, und fie reichte ihm fehr vers
bindlich die Hand. uͤnſcht fie irgend
etwas, fo ift er eiferfüchtig darauf, daß
fie ihn nur, mit ihrem Auftrage beehren
fol — So ift er auch bei fich zu Haufe.
Er koͤmmt nie, ohne feiner Gamahlinn eben
ſo eine Verbeugung zu machen, «oder die
Hand zu Füffen, wie es Fremde thun: er
geht nie, ohne ſich auf eben diefe Art zu
beurlauben. - Sin diefem Tone fpricht er
abwefend , fpricht er zu dem Dienfigefinde
von ihr. Erwartet die Befehle der Stau!
gragt zuerft die Stau, ob es ihr fo be=
Liebe! Ich werde mich nach ihrem Ges
Fallen richten. So ift er aud) in wefent=
fichen Stuͤcken. Er hält feine Gemahlinn
nicht fie zw wenig einfehend , um ihren
Kath in Familiengefchäften einzuholen ,
und er ergreift jede Gelegenheit , ihrem
Kerftande, ihrer Einficht Ehre zu machen.
Lobt jemand den Geſchmack eines Kleides,
eines Hausgeraͤths — das ift der Ge:
ſchmack feiner Frau , das iſt ihre Erfin=
dung — Die Ordnung und Genaubeit im
Haufe — das ift feine Frau, die fie eins
Si ger
Therefie und Eleonore. 293
gerichtet hat , die fie unterhält. Mit ei:
nem Worte, er fcheint einen. wichtigen,
den größten Theil feines Verdienftes in
dem Verdienſte feiner Frau zu fuchen, und
zu finden, —
Sch Habe manchmal über diefen ehrer-
bietigen Gemahl fpotten gehört, aber mit
welchem Rechte? — Dieß werde ich Fünf:
tig unterfuchen, um den nod übrigen
Kaum, einer ſchmerzvollen Zufchrift vor»
subehalten, womit ich bin beehret worden.
Berehrungsmwürdige Thereſie!
„, Mit der fanften Stimme, durd) die
Sie ihrem Gefchlechte die Fehler verweis
fen , welche es verungieren, wuͤnſche ich ,
daß Sie einmal auch die unehrerbietigen
Töchter zurechte weifen möchten. Ich habe
das Ungluͤck, eine folche zu haben , und
ich bete täglich, der Himmel möchte an ihr
die Sünde nicht rächen, die fie an ihrer
Mutter durch das ungezogenfte *) Betra⸗
gen begeht! „, |
TH „ Ber:
*) Diefer Brief enthalt Erinnerungen an ein
Mädchen, deren umehrerbietiges Betragen
gegen eine zu zartlihe Mutter, alle Welt
deleidigte; und dieſe öffentlichen Erinnerun⸗
gen waren nicht fruchtlos gegeben.
”
294 Thereſie und ‚Eleonore.
Verweiſe, wobei mein Mutterherg
troſtlos iſt, weil meine Tochter fie ver—
dienet , freundfchaftlichen Rath, liebvolle
Erinnerungen, wie werben diefe von ihre
aufgenommen? wie? mit Hohn, Verach—
tung, Undanf — Du bift wohl gebildet,
fagte ich zu ihr, das wird dir Nachſtel⸗
lung berbeiloden :. du bift jung und
unerfabren, das macht, daß du ihre
Gefahr nicht erfenneft. Ueberlaſſe dich
der Leitung einer Liebenden Mutter !
wäble fie zu deiner Vertrauten! fie
voll nur dein Glück — Geftalt, obne
Tugend , ohne Sitten ift ein Uebel
mehr, weil es die Derfübrer vermeh⸗
vet. Ach daf man von meinem Kinde
nicht fauen möge: Schade, daft fie fo
geftalter ift! Ach daß Böfewichte nicht
fagen mögen: für une ift fie fo ge:
ftaltet.
„ So fuchte ich dag unbehutfame Mäd-
chen zu warnen, fo ihr Herz auf den Weg
der Behutfamfeit und Pflicht zu leiten.
Aber die Undankbare! Unwiſſenheit der
Welt, mürrifche Strenge ‚ wirft fie mir
vor, droht mir mit Schande , die mich
sticht ohne fie treffen Fann ! Ach! bei eis
nem
Therefie und Eleonore. 295
nem Mädchen , das der Tugend ſchon in
Morten entfaget, wie ſchnell ift big zu
den Thaten der Uebergang — ,,
„ Mein Herz unterliegt bei der Aug:
fiht, die ſich mir öffner, wenn ein uns
danfbares , fchamlofes Mädchen auf dem
Wege, , den e8 bereits antritt, auf dem
Wege der Entehrung und des Untergangs
dahin laͤuft, und am Ende — Aber ich
will meine Augen von dem fchrecklichen
Anblicke abwenden. Vielleicht ift noch nicht
alle Hoffnung dahin! vielleicht , daß ihre
Vorfiellungen , wuͤrdige Therefie} mehr
nüßen, als die Vorſtellungen,
einer verachteten, troftlofen
Mutter R’*
Giebt es denn Töchter, mie diefe un-
gluͤckliche Mutter eine anflager ?
T.
296 Thereſie und Eleonore.
XXI.
— — — Die rauſchenden Feſte
Schwarmender Thoren, find nicht für Gie.
Zacharia.
Briefe
Schaͤtzbarſte Eleonore !
* Kennen Sie zu und! die Fafnächte
rücken mit groffen, groffen Schritten ber>
an. dag ift die Zeit. der Schmärmereyr
fommen Sie! — Es warten ihrer Bälle,
mit und ohne Mummereyen, eine muntre
Gefelifchaft, wenn Sie ihr Leben geben
wollen; ein paar recht artige Yünglinge,
die fi auf bie Verfafferinn eines gewiſſen
Blattes aus einer gewiffen Wochenfchrift
von ganzem Herzen freuen, und denen ich.
es recht anfehe, daß fie zum Seufzen ges
Schaffen find. Geben Sie biefen guten
Geelen, die it fo wenig reden, vermutb-
lich um ihre Einfälle für Sie beifamm zu
halten, diefen guten fanften Seelen etwas
zu hun! Wollen Sie. fommen ? — „
„ Nun! haben Sie noch nicht anſpan—
nen laſſen? zween Anbeter, ganz unge—
zweifelt, die Sie fich erfchrieben hätten!
dag
Therefie und Eleonore. 297
bag muß Sie beftimmen! — Ich frete
nicht mehr vom Fenfter. Es kann bei fo
dringender Einladung nicht anders feyn,
Sie müffen in vollem Galloppe daher
fprengen , es wartet ihrer mit offenen
Armen |
ihre...
Antport.
Gnaͤdige Frau!
„Ich will heute, mit ihrer Erlaubniß,
ein naſenweiſes Maͤdchen machen; und ich
bin eben dazu aufgelegt, es recht ſehr zu
ſeyn — Kein Wort von meinen erſchrie—
benen Anbetern! Wenn ich komme, ſo
komme ich um Ihnen die Hand zu kuͤſſen,
nicht der Baͤlle und Mummereyen wegen —
Aber Sie tanzen ja ſonſt gerne! das
laͤugne ich nicht, gnaͤdige Frau, recht ſehr
gerne! — Doch, warum duͤrften meine
Fuͤſſe gerade nur in Faßnachtstagen un—
ruhig werden? Wenn ich das Tanzen als
eine Ergoͤtzung anſehen ſoll, ſo verlangt es
mich das ganze Jahr hindurch von Zeit zu
Zeit nach Ergoͤtzung: und ſoll ich es als
eine Bemuͤhung betrachten! fo wünſche ich
5 noch
298 Therefie und Eleonore,
noch einmal eine billigere Untertheilung :
und foll ich e8 von Seite derer betrachten,
die fi das ganze Jahr hindurch beinahe
das Nothwendigſte abdarben, um einige
Wochen hindurch verfhwenden zu koͤn—
nen — Wahrhaftig! von diefer Geite ift
es wahre, aufgelegte Thorheit. „,
„ Ich bin in der That mit dem Ka—
lendermacher nicht zufrieden, daß er mie
die Zeit des Vergnuͤgens fo hintereinander
fest, und dann, das ganze Jahr durch
alles traurig läßt. Warum fest er nicht
auc) Regen drey Monate hintereinander,
und wieder drey Monate Sonnenfchein ?
nicht wahr, dag ſteht ihm nicht wohl an?
das würde dem Wachsthume nicht ger
deihlich ſeyn ? glaubt er denn, das acht—
woͤchentliche Erſchuͤttern hintereinander ſey
unſrer kleinen Welt ſo nuͤtzbar? und die
Maͤdchen werden bei einer ſo gewaltſamen
Bewegung gut zu Stengel ſchieſſen ?
„ Die Herren Moraliften mögen eine
tieffinnige Abhandlung darüber fchreiben: _
ob e8 gut iſt, der Verfchwendung und
Auefchweifung einen eigenen Zeitraum
in dem Jahre einzugeben, und ſolcher⸗
geftale den Müſſiggang gleichfam ein:
zur
Therefie und Eleonore. 299
suladen , und eine Befreyung zu ger
ben! Bei mir ift es feft befchloffen:: das
ganze Jahr durch ift es Zeit zu einem
gefitteten Vergnügen, wie man in ihrem
Haufe, gnädige Frau, anzutreffen pfleget:
und gu einem ungefitteten, oder auch nur
unmefligen; wie fih die Mädchen ins—
gemein, auf das bloffe Wort Faßnacht,
erlauben, mo fie fih in einigen Wochen
fo fehr zu Grunde richten „ daß fie kaum
bis folgende Faßnacht fih erholen, um
wieder ſich zu Grunde zu richten; zu einer
folchen Raferey fol nie eine Zeit feyn. „,
„Indeſſen werde ich dennoch ihr güs
tiges Anerbieten mit Dank annehmen,
gnädige Frau!
ihre ergebenfte
Bleonore.
XXII.
Wann die Geſellſchaft nicht bei Zotten lachen
will,
Wo man Vernunft begehrt, da ſteht fein Geiß
ihm fill.
Haller.
Schaͤtzbarſte Thereſie!
* Genus Sanftmuth big hieher genug!
ergreifen Sie nun einmal auch die Geiffel,
und
300 Therefie und Efeonore,
und treiben Gie die elenden Gefchspfe
aus unfrer Mitte, die für uns Mädchen
und Frauen alle Derter unangenehm, nein!
nicht unangenehm, fürchterlich , abfcheus
Jih machen, wo fie fih nur immer befin=
den! „ -
„ Himmel! wo find die Zeiten hin, da
die jungen Mannsperfonen für unfer Ge—
fhlecht eine ſolche Ehrerbietung hatten ,
daß fie, wo jemand davon zugegen war,
ohne mwiederholtes Heiffen,, e8 nicht gewas
get haben wuͤrden, fich nur niederzufegen ?
wo find diefe Jeiten hin ? Der Umgang,
fagt man , ift heute weniger gesungen,
natürlicher geworden — ja doch ! weniger
anftändig, ausgelaffen iſt er; unerträglich
einem fittfamen Mädchen, unerträglich ei⸗
ner chrbaren Frau! fo unerträglich, daf
es beinahe nothwendig fenn wird, alle ger
meinfchaftlichen Zufammfünfte beider Ge= .
fchlechter aufzuheben, oder das unfrige
wird feiner Zierde, der Eittfamfeit ent-
fagen müffen — „,
„, Der größte Wig unfrer Mannsper⸗
fonen befteht in Zwepdeutigfeiten : unb
weil num die Zeiten ungemein witzig find,
ſo befteht die Munterfeit unfererGefellfchaf-
ten
Therefie und Eleonore. 301
ten größtentheils in ſolchen Blümchen, die
oft noch , fogar nicht von der niedlichen
Seite find , daß fie beinahe Efel und
Grauen erwecken. „
„ Die Zungen find wie die Männer,
und die Männer, wie die Greiſen, welche
in den Sahren, da die Sünde fie ganz
verlaſſen hat, wenigftens die Begierde mit
ſich berumfchleypen, und wie ein abge:
Iebter. Jagdhund, den feine Füffe nicht
mehr zur Auffpirung des Wildes fragen,
mwenigfteng gerne Laut geben, und bei eis
nem Schuffe die Ohren fpigen,, waͤdeln.
Freundinn! diefe abgezehrten Sünder find
in ihrer Art die unerträglichfien., Da fie
felbft zu fehr Eis find, als daß fie jemals
die Hiße einer fittfamen Erröthung em
pfinden follten, fo fhonen fie Fein Alter,
feinen Stand. Unfchuld dauert fie nicht,
und Ehrerbietung gegen Frauen macht fie
nicht befcheiden. Sie bemühen fi) die
Zucht und Ehrbarfeit fo aus allen Kreifen
zu verbannen, wo fie zugegen find, wie
beides aus ihren Herzen längft fchon, und
unmieberfehrlich verbannet iſt. !
„, Lleffe man ung wenigſtens noch die
— dieſe Laſtträger und Wachſtu⸗
ben»
302 Thereſie und Eleonore.
benfcherze zu überhören! aber nein; fo
auf darf es ung nicht feyn! ihr Wit wäre
dann verloren. Alfo machen Ste eg, wie
ich dort irgendwo von einem vömifchen
Tyrannen gelefen habe. Als man ihn zur
ſchmaͤhlichſten Hinrichtung mitten durch
das frohe, ihn verfluchende Wolf fchleppte,
und er aus Verwirrung die Augen nieder⸗
ſchlug, da hielten feine Begleiter ihm eis
nen fpigen Dolch unter das Kinn, und
zwangen ihn , feine Befhämung mit ems
porgehobenem Haupte zu erfragen. Nur
daß das Gleichnig in Perfonen umgewen⸗
bet ift, fonft verhält fih alles vollfommen
gleih. Sobald ein ungebehrdiger Junge
aus dent Vorrathshauſe feiner Unflaͤttig⸗
feit eine vollwichtige Zotte hervorgelanget,
fo ift er damit nicht etwan zufrieden, daß
er es gethan, fondern er giebt mit einem
lauten Gelächter gleichfam dem ganzen
Heere der uns umlagernden Männer bie
Loſung, fogleich fallen alfe Augen auf
ung, und bleiben hartnäckig unbeweglich
auf uns gerichtet, um über unfre Faffıng
ihre boshaften Anmerkungen zu machen, „,
„ Warum erröchen Sie Lräulein!
fagen die Muthwilligen zu einem Kinde,
bag
<herefie und Eleonore. 383
das glücklich unmwiffend, noch nicht gewußt
hatte, daß etwas gefagt worden, worüber
die Ehrbarfeit zu erröthen hätte — Ste
fchlaygen die Augen nieder , weil Sie
es verſtehen! zifcheln fie der andern ing
Ohr — Oder auch: weil Sie es verfle:
hen, ſo thun Sie böſe: wenn jemand
von ung feinen Unwillen über ihre Ynan:
fländigfeit merfen läßt — Das Aergſte
unter allem tft, daß fie ung über ihren
ſchmutzigen Wiß wohl gar zum Lachen
auffodern , alfo nicht nur unfre Obren
und den Anftand beleidigen, fondern noch
dazu die üble Meinung an Tag legen, die
fie von ung haben, als fünnte ung eine
Zotte nicht beleidigen, als fönnten wir an
einer folhen ein Vergnügen finden, ale
fönnten wir ein Betragen, das wir durch
unfre aͤuſſerſte Verachtung noch viel zu ges
ring beftrafen , durch ein beifallendeg Lä:
deln aufmuntern, ober belohnen — „,
„, Sagen Sie mir, theuerfte Freundinn !
wie ift ihr Betragen in einem folchen Falle
befchaffen ? fagen Sie mir, was würden
Sie einer Mutter empfehlen, ihrer. Toch:
ter darüber für einen Unterricht gu geben?
Ich bin Mutter, und leider iſt diefes Les
bel
304 Thereſie und Eleonore.
bel fo allgemein-eingeriffen, daß e8 wahre
Nachläffigfeit, wahre Verwahrloſung feyn
würde, wenn ich mein Sind in die Melt
führte, ohne ihm die Negeln mitzugeben ,
nach welchen e8 fich in folchen Faͤllen zu
richten haͤtte.
„Verbinden Sie ſich durch eine Sffent-
liche Antwort, den Anftand, die Sitten,
unfer ganzes Gefchlecht, und insbefondere
ihre wahre Verehrerinn
Erneftine von * **
Verehrungswuͤrdigſte Erneftine !
Mit welcher unbedingten Unterwuͤrfig⸗
feit wird ihr geliebtes Kind Ihnen die
järtliche Sorgfalt vergelten, die Sie für
daffelbe in diefem Briefe an Tag legen,
der, fo ſehr auch ber Eifer einer dag Ver—
derbniß der Sitten ganz fühlenden Mutter
durchleuchtet „ noch beiweitem nicht bie
ſchwarzen Farben aufgetragen bat, mit
welchen diefes Bild der Schändlichfeit ent>
soorfen werden follte! Wären alle Frauen
Erneſtinen, hätten alle Mädchen da®
Gluͤck, Erneftinen zu Muͤttern zu haben,
fo würde diefe Unebre unferer Herzen
und unſers Umgangs nicht fo allgemein
eins
‘ Tperefie und Eleonore. 305
eingeriffen feyn. Aber, wollen wir ung die
Urfache des Uebels verhälen, wenn e8 ung
Ernft ift, dem Uebel abzuhelfen? — Uns
fre Rachſicht, leider, vielleicht auch mehr
als Nachſicht, vielleicht Wohlgefallen, viel:
leicht Auffoderung hat die größte Schuld :
und, wenn ich einen fo fraurigen Anfpruch
wagen darf, wie dürfen wir auf Ehrbar-
feit und Eingezogenheit in Worten Anz
ſpruch machen, da wir biefelben aug uns
fern Zandlungen — Fönnte ich gu meiner
Beruhigung mwenigftens hinzufeßen, viel-
Leicht — lange fchon verbannet haben ?
Jedoch ich will bei ihrem Gegenftande al=
lein ftehen bleiben.
Es ift ung leicht, geliebte Brneftine !
aus den männlichen Gefchöpfen zumachen,
was ung beliebet: und ich bin ſtolz genug
zu fagen, fie werben gut ſeyn, fo bald wir
fie fo Haben wollen — wie ich auch mit De—
müthigung zu befennen gezwungen bin, daß
fie diefe ausgelaffenen Gefchöpfe groffen-
theils nur darum find, weil e8 uns ange:
nehm ift, daß fie es find. Die Spartaner
waren tapfer, meil der Ruhm der Tapfer-
feit das einzige war, maß bei den lakoni—
[hen Söhnen empfahl, Als die Mädchen
IV, Theil, y den
366 Therefie und Eleonore,
ben Preis der Turniere austheilten, brach
jeder artige Herr durch ganz Sranfreich und _
Deutfchland Lanzen. Agnes Sorel mach⸗
te aus: dem Weichlinge Karl den Befieger
der Engeländer: und Maintenon mit ihren
verjährten Neigungen aus dem galantften
Könige der Welt einen Betbruder — Ein
ſchoͤnes Mädchen darf ihren Liebhaber nur
son ferne merfen laffen, daß ihr dieſes
oder jenes angenehm feyn- würde; fo wird
er den Entfchluß Don Quirots faffen, und
Abentheuer auffuchen, und Niefenköpfe zu
ihren Fuͤſſen legen wollen ; fo groß ift
unfre Gewalt über fie, wir dürfen nur wol⸗
len, fo wird geborfamet. Go foll alfo
unfer Geſchlecht eine Verſchwoͤrung unter
fi) machen, und von den Männern bie
züchtigfte Ehrerbietigfeit, als den untrüg-
lichften Beweis der Liebe und Hochach—
tung fodern! ich bin es überzeugt, biefe
ausgelaffenen Gefchäpfe follen in weniger
als einer Monatsfriſt fo süchtig, fo beſchei⸗
den, fo ehrbar feyn, al® immer bie alten
Nitter e8 vor ihren Prinzeffinnen waren.
Zwar wird ein folder Entſchluß ihnen
anfangs unglaublich fcheinen. Ich babe
Männer fagen gehört: wir wären nur ein-
ge:
i
Thereſie und Eleonore. 307
gezoten, um fie zu reifen,’ Diefe Eingezo—
genheit zu beftreiten: und diefe Männer
wollen ihren Saß aus der Erfahrung ab:
gegogen haben. Aber ein und anders Bei—
fpiel wird fie bald von dem Ernfte unfers
Vorhabens überführen. Wenn wir ein
Paar berüchtigte Zottenreiffer durch einen
allgemeinen Gefchlehtsfhluß aus allen
unfern Kreifen verbannen ; wann wir alle,
die e8 wagen, durch Zweydeutigkeit ung
die Nöthe in das Ungeficht zu jagen, übel
anlaſſen; mann wir dieſen Pöbelwig
nicht nur nicht belachen , fondern verach-
ten; fo werden in Kurzem alle diefe Ein—
fälle verfcheucht,, und ſtatt ihrer gefitteter
Witz und ehrbare Artigfeit in unfern Zus
faommfünften eingeführt werden,
»S
XXI. i
Gedankt fey es dem Gott der Ehen!
Was ich gewünſcht Hab? ich gefehen.
Gellert.
W. ſind die hochentſcheidenden Herren!
die da ſprechen: die Wochenſchriften,
ſind zu nichts weiter gut, als einmal
uU2 ges
308 Üherefie und Eleonore.
gelefen,, und dann auf ewig weggewor⸗
fen zu werden v bie da fprechen : Vom
Zufchauer bis auf den . .. . ., bat
nie je eine Mugen gefchafft v fie follen
‚tommen, und hören , und an ihre Bruft
Hopfen , und fprechen : gerr fep uns
Unwiffenden barmberzig — Wir erhal:
über das XX. Blatt einen Brief, der als
deffen verheiffene Fortfegung und Ausfuͤh⸗
rung angefeben werden mas. Angeachtet
er an beide gerichtet , und nach unferem
erften Vertrage Thereflen zugetheilet ift;
fo habe ich, doch mit ihrer Erlaubniß,
mir denfelben zugeeignet , damit ich das
Vergnügen haben kann, unfern Leferinnen
ein fo feltnes Stück mitzutheilen. Es ift
ein — Aber, wenn ich ed voraus fage, fo -
ift das Vergnügen der Lefenden nachher
nur halb fo groß. Kein Wort weiter, bier
ift er felbft der Brief!
Meine lieben guten zwo *) Frauen⸗
zimmer !
„ Senn Sie ja nicht ungehalten,, daß
ich mich unterfange, an Sie zu ſchreiben!
€8
*) Sch habe mir erlauber, die grammatikali«
ſchen Fehler in dieſem Briefe zu verbeflern ;
und
Therefie und Eleonore. 309
Es iſt eine grofle Verwaͤgenheit, das ſehe
ich ſelbſt wohl, an ſolche gelehrte Frau⸗
enzimmer zu fchreiben ; aber ich ſehe aus
ihren andern Blättern , daß ſchon andere
Leute auch an Sie gefchrieben haben, und
Sie haben es ihnen nicht nur niche übel
genommen , fondern wohl ihre Briefe gar
drucken laſſen. Das nun verlange ich eben
nicht, daß Sie auch mit dem meinigen
thun follen , denn ich Bin nur eine fchlechte
und gerechte Bürgerstochter , die wohl zur
Noth ein wenig fchreiben gelernet, aber
beffer mit dem Spigflöppel als der mm
umfpringen fann — „
„ Sch bin, Ihnen aufzuwarten, eine
Braut mit einem huͤbſchen, feinen Men-
fchen, möchte ich fagen, wenn es fih
fchiefte, daß ich mid) felber lobte: feiner
Kunft ift er ein Wollenzeugroeber, und wann
wir mit Gottes Segen Er und Sie feyn
werden, fo hoffen wir mit Gotteshülfe
unfre eignen zween Stühle zu haben. Zum
Anfange immer genug. Sleiffig arbeiten,
u3 und
und ich glaube, dem Briefe fonk dadurch
nichts on feiner Origiualität benommen gu
haben.
Der Zerausg.
310 Thereſie und’ Eleonore.
und mäflig leben, ift reich, fagt dag
Sprichwort; und die Sprichwörter find
nicht immer wegzuwerfen. Mit der Zeit
hoffen wir e8 wohl höher zu bringen: als
fo, lieber Wenzel, nur fleiffig! fage ich
immer zu meinem Bräutigam. „.°
„Mein Wenzel, wie gefagt, bat, ich
weiß nicht wo, ihr XX. Blatt befommen,
und mir Abends mitgebracht. Denn, ob
wir gleich nur gemeine Leute find, fo lefen
wir gleichwohl auch gerne: und wann id)
fo eine fchöne Hiſtorie, oder fonft ein ſchoͤ⸗
nes Buch zu lefen anfange, und ich muß
dann zu meinen Klöppelpolfter, da wuͤnſche
ich mir immer, vornehm zu feyn, damit
ich nicht zu arbeiten brauchte, und beftän-
dig lefen könnte. An dem Blatte nun habe
ich recht meine Freude gehabt. Sie müf-
fen, babeich gefagt, wohl gar unfre Nach:
barinn fennen, und ift wohl moͤglich;
denn fie ift eine Schufterinn , vielleicht ar-
beitet ihr Mann in das Haug, und ihr
Hann ift fo genau getroffen, fo genau,
wie er im Haufe berumpoltert, und ihr
das ganze Jahr fein freundlich Wort gicbt,
und nur beftändig feift, gewiß Sie müffen
ihn kennen!
„Aber
Therefie und Eleonore. 311
1, Aber der andre Herr, der immer,
was befehlen Sie! und ich bin zu ih-
rem Befehle! u. f. w. ſpricht, ift aller
liebſt. Was glaubt er, Wenzel, habe ich
ju meinem Künftigen gefagt, muß daß:
nicht ein alferliebftes Leben feyn mit den
zween Lenten? wollen wir e8 aud) fo hal-
ten, wenn wir beifamm find — Närrifch,
fagte er, dag würde verzweifelt laffen,
wenn du fagteft: Lieber Mann! geb fpal:
te mir da den Stod, ich kann ihn nicht
entzwey bringen, und ich ſagte zu dir:
wie du befiehleft mein Kind! nein, das
ift für uns zu vornehm, unfre Nach—
barn würden uns auslachen — „,
„ Lachen oder nicht, dachte ich bei
mir , und gieng den andern Tag zu
dem Grundfchreiber,, und ließ mir einen
Heurathsbrief machen , den ich Ihnen,
abgefchriebener mittheile. Haben Sie die
Geduld, ihn zu Iefen! er lauter:
Im Namen der al. Drepfatigei,
TTT Amen!
Kund und zu wiſſen fey biemit jeder>
maͤnniglich, daß anheut zu Ende gefentem
Dato gwifchen dem ehrbaren und wohl fürs
Dan neb=
. 312 Thereſie und Eleonore.
- nehmen Herren Wenzel Spinner an einem,
denn ber vielsehrzund tugendfamen Jungs
frau Lucia Dörnerinn am. andern Sheil ,
mit Wiffen und Einwilligung beiderfeits
Verwandſchaft eine. chriftliche beftändige
Eheberedung, in Beifeyn der Endes be—
nannten befonders hierzu erbetenen beid⸗
feitiger Herren Gezeugen nachfolgender Ge⸗
ftalt abgehandelt und gefchloffen worden —
nämlich
ıtend, daß fich beide Verlobte in Nas
men Gottes einander jur Ehe nehmen,
haben, behalten, und ſolches Eheverloͤb⸗
niß auf beidfeitige gleiche Unkoͤſten chrift:
licher Ordnung nach vollziehen, und ing
Werk richten wollen. Ferner und
ateng, hat befagter Herr Wenzel Spin:
ner mit verbindlihen Worten verbeiffen
und zugefagt, feine nunmehr vielgeliebte
Jungfrau Braut, auch in der Ehe zu lie—
ben, zu ehren, und hochzuachten ; keines—
wegs aber nach. der leider im Schwange
gehenden undhriftlichen Gewohnheit fogleich
nad) vollsogener priefterlichen Einfegnung
gu verachten, oder gar hart zu halten,
mit fchimpflihen Scheltnamen, oder, wo⸗
für Gott fey, mit Schlägen zu belaffen :
und
Therefie und Eleonore. 313
und damit diefer, Punkt defto unverbrüch-
licher gehalten werde, fo bedingt fi
ztens eröfterte Jungfrau. Lucia aug-
drücklich von ihrem Bräutigam aus, daß
derfelbe fie nach der gewoͤhnlichen Art nicht
mit Du benennen, fonbern fie, nach wie
ist, immer, liebe Lucia! mein liebes
Weib ! oder wenigſtens Sie nennen zu
muͤſſen, verpflichtet und gehalten feyn fol:
wie denn fie wieder ihrer Seite ihren Bräu-
tigam beftändig Lieber. Wenzel! oder Lie-
ber Mann! oder zum mindeften Er zu
heiffen, auf das nachdruckfamfte fich anhei⸗
ſchig macht: u: f. mw.
» Daß übrige, meine geachteften Srau-
engimmer! unfer Biffel Armuth betreffend,
ift nicht nothwendig herzuſetzeu. Es hat
mich Mühe gefoftet, die Sache mit dem
Grundfchreiber ing Klare zu bringen , der
alle feine Schriften, und ein dickes Buch
nachgefchlagen, und mir immer einge:
wendet hat, es fey nirgend in feinem For⸗
mular fo was anzutreffen, Allein, ich habe
es ihm endlich begreiflich gemacht, daß alle
Sachen doc einen Anfang haben müßten:
und ic) hoffe, kuͤnftig wird diefes in allen
Heurathsbriefen mit eingeräckt werben. „
N 5 „Ich
314 Thereſie und Eleonore.
„Ich bin ein wenig weitlauͤftig, ie
Sie fehen, mit meinem Schreiben, aber
Sie fcheinen fo gute Kinder zu fenn: Gie
werden mir es doch nicht übel nehmen,
daß ich noch etwas fage. Ach glaube, ich
habe fehr vorfichtig gehandelt, daß ich es
in den Heurathsbrief ſetzen laſſen, daß
mich mein Mann allezeit Lieben ſoll!
es ift bei diefer Zeit ſehr nothwendig, fich
in diefem Stuͤcke vorsufehen. Aber ist
muß mein Mann wohl, denn es ift gar
su Flar vorgefchrieben. „,
„ Eben fo, glaube ich, werben Sie
es auch fehr gefcheid finden, daß ich mich
gegen hartes Verfahren durch einen aus—
drücklichen Punkt verwahre Die Zeiten
find ungleich, man weis doch nicht, was
etwan fich ereignen koͤnnte. Nun aber fol
er mir kommen, gleich ruͤcke ich mit mei—
nem Heurathsbriefe heraus. ,,
„ Am allermeiften aber freuet mich ber
legte Punft, auf den ich eigentlich durch
ihre Schriften verfallen bin , und mwofür
ich mich alfo auch bei Ihnen zu bedanfen
babe, wann er gut ausfchlägt. Und das
muß er ja, es kann unmöglich anders
feyn! Die Höflichkeit ift eine gar zu ſchoͤ⸗
ue
Therefie und Eleonore. 315
ne Sache. Wie werden mich meine-Dienft-
leute, wie meine Nachbarinnen, und die
Fremden fchägen, wann fie fehen werden,
daß mein Mann mich fo ehret ? Das muß-
ein rechtſchaffenes Weib ſeyn, werben
fie fprechen, weil ihr Mann fie fo hoch
Hale! — Und hauptfächlich, hoffe ich, foll
ung diefes Mittel vom Zanfen und Schelt-
wörtern bewahren. Denfen Sie, wenn
die Ehleute fich fo vertraulich dutzen, und,
wie e8 nicht allemal am Himmel Sonnen=
ſchein ift, fih manchmal miteinander sans
fen, sie bald fchlüpft einem nicht, du
S...!über die Zunge ? aber, wenn man
einmal eine gewiſſe Höflichkeit unter fich
‚eingeführt, und fich zur Gewohnheit ge=
macht hat, fo ift eg beiweitem nicht mehr
fo gefährlih: mein Liebes Weib S...!
wahrhaftig, das. würde fih fchlecht ſchi—
den — a
„ Sehen Eie, meine beften Frauen—
immer! wie auch wir gemeine Leute ung
ihre Ermahnungen zu Nutzen machen. Fahr
ren Sie fort, ung zu unterrichten! Vielleicht
find die Bornehmen nicht fo gelehrig, denn
fie find zu gefcheid. Wenigſtens fchaffen
Eie
316 Thereſie und Eleonore,
Sie Gutes unter uns! Ich bin, wenn
Sie mirs zu Gutem halten, von nım an
ihre beftändige Peferinn
und bemüthige Dienerinn
Lucia Dirnerinn.
RE
XIV.
Die fhönen Kinder Kühlen lange Weile.
KRarſchinn.
Ja babe Luft, das nafenweife Maͤb⸗
chen herumzunehmen, das an allen un=
fern Thun und Laflen etwas auszuſe⸗
gen bat, fprach eine Frau bei Durchle-
fung ihres Blattes — Nicht, unddige
Stau, antwortete ich, würdigen Sie das
fchnäppifche Wefen nicht ihres Zornes!
überlaffen Sie es mir, Sie, und unfre
Luftberfeiten zu rächen, wider welche
Eleonore fich aufzulehnen waget —
Diefe Blätter felbft, die das Unglück
baben, Ihnen zu mißfallen, follen mir
zum Werfzeuge dienen — Oder follten
die Derfaflerinnen vielleicht meine Zu-
ſchrift unterörüden , fo wird es mid
nicht gereuen , fie mit einem der beif-
ſend⸗
Therefie und ' Eleonore. _ 317
fenöften Zufäge insbefondre abdrüden,
und nach dem wohlbergebrachten Ge-
brauche den Sffentlichen Blättern bei—
legen zu Laffen.
Mann Ffann aus diefem Eingange ur:
theilen,, ob wir die Wahl hatten, folgen:
den Auffaß zu unterdruͤcken, dem der Ver⸗
faffer felbft ven Namen beileger :
Die vertheidigte Faſchingsluſt.
Eine Gewohnheit, die fi) durch das Bei⸗
fpiel aller Voͤlker, und dag Alterthum em⸗
pfiehle , eine Gewohnheit, die fich unter
allen Ständen feftgefeget, und, troß aller
Miderfprüche,, unerfchüttert erhalten hat;
eine folhe Gewohnheit anzugreifen, dazu
gehoͤret entweder die Aufferfte Verwaͤgen⸗
heit, oder die aͤuſſerſte Unwiſſenheit — Ver⸗
geben Sie mir die Freyheit meines Aus—
druckes! Derjenigen, die in Sachen ſo
wenig zuruͤckhaͤlt, ſollte man dieſer wohl
in Worten zur genauſten Zuruͤckhaltung
verbunden ſeyn?
Werfen Sie ihre eingeſchraͤnkten Blicke
auf das weiſe Griechenland, dag Water:
land der Solone , CLykurge, fo vieler
Phi-
318 Therefie und Eleonore;
Philofophen, fo vieler Gefeßgeber, ſo vie⸗
ler fchönen Geiſter! fie hatten ihre Diony⸗
fie. Und diefe Zeit war nicht etiwan eine
Zeit , die nur dem gemeinen Manne zur
Luftbarfeit beflimmet war , fie war ein
Mefentlicheg der griechifchen Religion, man
glaubte, ein Gott ftehe derfelben vor, und
‚man begieng die größten Thorbeiteu un—⸗
ter dem Schuße des Gottes der Trauben.
Das durch feine Athleten, feine Aerzte
den jüngern Orpheus und mehr noch durch
die Schule des Pythagoras berühmte
Kroton erhielt fogar feinen Namen von
ber fchwarmenden Freude.
Die Flugen Roͤmer, die von den Grier
chen Geſetze, Künfte und Höflichfeit anges
nommen batten , hiüteten fich fehr , bie
Dionpfia derfelben hinweg zu laffen, bie
fie Bachanalia nannten. Die jungen Roͤ—⸗
mer und Roͤmerinnen hatten uͤberdieß bie
Saturnalien und Lupercalien, in wel
cher fie, der Strenge der Eenforen zum
Troße, ausfchweifen fonnten. Alle be—
bannten Voͤlker haben ihre beftimmte Luft:
zeiten, und ich zmeifle nicht im gering
ften, daß felbft die Hottentoten ihre Faß⸗
nächte haben: denn welche Nation darf
ſich
in m nn m U nn
Therefie und Eleonore: 319
fich wohl einer Gefchmeidigfeit in Sitten,
und einer vollfommenen Polizirung ruͤh—
men, der man noch den gegründeten Vor:
wurf machen fann , daß fie Freude und
Bergnügen aus ihrer Mitte verbannet ? —
Sn der That, was wollte man, daß ein
Gefeßgeber mit einem Haufen kopfhaͤngen⸗
der Herafliten anfienge, die, weil fie fich
mit fonft nichts zu befchäftigen wüßten,
über alle feine Befehle mit ernfter Nuͤch—
ternheit nachgrübelten , flatt, daß diejeni-
gen, die ihr Gehirn mit den vielbedeuten-
den Läppercyen ber Faßnächte anfıillen ,
zu jedem andern Nachdenken unfähig, defto
voilliger gehorchen, um einem beffern End>
zwecke beftimmte Augenblicke nicht zu vers
lieren —
Ich ſehe, ihr in diefer Art son Ber
meifen nicht geübter Kopf wird Shnen
ſchwindlicht. Sch muß mich bis zu Ihnen
herablaffen, und Ihnen folche Gründe vor:
legen, bie ihrer Faffung angemeffener find.
Wie günftig find die Faßnachtzeit, und die
damit verfnüpften Luftbarfeiten nicht dem
Meiche der Liebe? Wie manche Befannt-
fchaft würde ohne die günftige Gelegenheit,
welche die Bälle und Mummereyen an bie
Hand
320 Thereſie und Eleonore,
Hand geben, unterblieben feyn! wie man—
ches Mädchen oder Weib, welches bie
unuͤberdachte Strenge der Neltern , oder
des Mannes beinahe eingeferfert gehalten,
fand in dem Getümmel des Vergnuͤgens
den langerfeufzten Zeitpunkt , fie endlich
zu bintergehen, und alle ihre vorherge—
hende Wachfamfeit in einem Augenblicke
zu vereiteln ?— E8 liegt meinem Geſchlech⸗
te zu fehr daran, die Staarkoͤpfe von Vaͤ—
tern und Männern nicht mit in dag Ge—
heimniß zu ziehen , durch welche Beifpiele
fönnte ich fonft den Vorzug ber Faßnaͤchte
verherrlihen? Wie viele gesähmte Sproͤ⸗
den, betrogene Männer, gefchraubte Lieb⸗
haber, mit Fortgang befämpfte, und gluͤck⸗
lich Sefiegte Unfchulden koͤnnte ich bier auf—
führen ? O laſſen Sie fi von unfern
Siegern fagen, wie gefchmeidig , sie
wächfern dieſe Fuftbarfeiten das Herz ei-
nes fonft ungelehrigen Mädchens machen!
MWollten Sie durch Abftellung der Fefte
des Bachus die Triumphe der Venus ſelt⸗
ner machen ?
Paffen Sie die Menfchen unvorfichtig ge=
nug feyn, auf Sie zu hören! fie werben
die Folgen ihrer Unvorfichtigfeit gar bald
em=
Therefie und Eleonore. 321
empfinden. So viele Elende, die: ihren
Unterhalt nur diefen Zeiten verdanken,
Stuͤmper, die mehr nicht als eine Geige
erbärmlich ftreichen gelernet, müßten, wenn
die Faßnaͤchte abgeftellet würden, entwe⸗
der Hungers fterben , oder ſtehlen, oder
vom Staate und dem gemeinen Mitleide
ernähret - werden. Nechnen Sie den Ab:
sang fo vieler Familien, für welche. die
Thorheiten der Faßnaͤchte ein ficherer Grund
der Erhaltung find, rechnen Sie den Ab-
gang fo vieler Familien, die die Zahl der
Bürger glücklich vermehren; für fein’ Uns
glück? diefes Unglück wollen Sie gleich“
wohl über ung herbeiführcht.
Alle Gefebe gegen Geiz; , und Kargheit
find fruchtlos. Die Filze fcharren zuſamm
und darben. Ihre Küfte gleicht der Hölle,
in welche der Eingang offen fieht, aber
woraus nie jemand wieder zuruͤckkoͤmmt —
Nun, mas weder Gefege, noch fonft ir:
send Mittel der politifchen Klugheit erhal:
ten würden, hat man ber wohl überdachten
Beſtimmung ber Raßnachtzeit zu verdanken.
Die Begierde, der Luft dieſer Zeit zu ge—
nieſſen, machet die Menfchen finnreich und
erfindfam. Sie ſuchen alles auf, hier ein
IV, Theil. > Sohn
322 Thereſie und Eleonore,
Cohn feinen Vater zu beftehlen , dort ein
Mindel feinen Vormund zu hinterfähren,
hier ein Verſchwender einen Wucherer, Det
dag Ihränengeld der Armuth in eifernen
Kuͤſten verfchloffen hielt, zu betrügen. Auf
ſolche Weiſe bringt: eine kurze Zeit dem
Kreislaufe alles das Geld wieder, was das
ganze Jahr durch Filzigkeit oder unuͤber—
legte Sparſamkeit oder himmelſchreyender
Wucher demſelben entzogen hatten.
Selbſt der arbeitſamſte Mann, der ſonſt
genauſte Hauswirth wird durch einen ge—
heimen, unerklaͤrbaren Zug um dieſe Zeit
zur Verſchwendung aufgefodert. Was er
in langer Zeit durch ſauren Schweiß er—
« worben , und für einen unvorſehbaren
Nothfall, für fein Weib, für die beffere
Erziehung feiner Kinder, oder um feine
Arbeitfanfeit gu erweitern, bei Seite ges
legt, muß verpraffet, verſchlemmet, an eis
nen Tage verfchlemmet werden. Und dieſe
allgemeine Verſchwendung gereicht nicht nur
der Arzneywiffenfchaft zur Aufnahme; ba
die Menfchen fi fo manche Kanfheit an
den Hals ziehen, die den Arzneyverſtaͤndi⸗
nen Gelegenheit zur Erweiterung ihrer Er⸗
fabrung, und mancher neuen. nüßlichen
| Ent:
J
en *
Thereſie und Eleonore: 323
Entdeckung, zugleich auch reichliches Ver—
dienft verfchaffen , fondern es iſt auch
leicht eingufehen,, wie viel dadurch der
Verzehrung , mithin den Accifen , und öf>
fentlichen Einfinften, mithin auch der alls
gemeinen Stärke, der Öffentlichen Sicher:
heit, der Ehre, dem Anfehen des Staateg,
des Regenten, ber "Nation zuwaͤchſt.
Sol ich jenen groffen Bortheil mit Still:
ſchweigen übergehen, den die Maffe bes
Sleiffes und der Arbeitfamfeit aus der auf
folche Weife begünftigten Schmelgeren na:
tiirlich zu hoffen hat? Wenn, nad) vorüber:
gegangenen Wirbelder Tohrheiten, der wie⸗
ber nüchterne Arbeiter feine Baarfchaft, mit-
bin fo manche Hoffnung verloren, fo man:
che fröhliche Ausficht verdunkelt ſieht, ſo
ermuntert ihn dieſer Verluft zu Verdoppe⸗
lung feiner Aemſigkeit; er biet allen fei>
nen Kräften auf, um diefen Verluft zu er:
fegen, und widmet daB ganze übrige Jahr
unausgeſetzt einer für die Handlung nuͤtz⸗
lichen Befchäfftigung , wodurch es ihm
gelinget, fi) abermal fo viel zu ſammeln,
baß er bei miederfehrender Zeit abermal
‚wie vorhin verfchiwenden mag. Auf folche
Art, wird der Kreis der Verzehrung und
Ei Aem⸗
224 Thereſie und Eieonore.
Aemſigkeit beftändig zum allgemeinen Vor⸗
theile der Handlung und Renten abge⸗
laufen —
Noch hundert und hundert eben ſo wich⸗
tige Vortheile, welche die buͤrgerlichen Ge:
felifchaften diefer mweifen Eintheilung der
Zeiten zu verdanken haben, könnte ich ans
führen, wenn Zeit, und Raum mir eine
weitere Ausbreitung erlaubten. Aber ich
urtheile nicht übel genug von ihrer Geleh⸗
rigfeit, um zu glauben, daß Sie nicht be=
reit8 überführt find. Weiſe Geſetzgeber
wirden die Faßnachtzeitin den Ländern, mo
fie etwan nicht üblich wäre, fo gar einzu
führen bewogen werden; weit entfernet,
daß man fich durch Abfchaffung derſelben,
fo. vieler, fo einleuchtender Vortheile vor=
feglich berauben follte.
Diefes einzige erlaube ich mir, zum
Schluffe, nicht zu Äbergehen: Alle Men:
ſchen, fpricht der Weife unter den Koͤni⸗
gen, und König unter den Weifen, alle
Menfchen find Thoren, Iſt es alfo nicht
mehr als platoniſche Weisheit, der Thor:
beit der Menfchen lieber einen gewiſſen eis
genen Kreis auszuzeichnen, und fie durch
dieſes Mittel den Heberreft des Jahres Flug
ju
Therefie und Eleonore. 3235
zu erhalten, als derfelben dag ganze Jahr,
mithin das ganze menſchliche Leben Br
zu geben? 1-
XVI.
Wie ſtralt nicht dort fein Geiſt, und ſirbmut
in Einfäll' aus:
Wie lacht und lobt man nicht — —
Zaller.
Fortſetzung des XXI. Stüdes.
A ietteich, meine theure Erneſtine! wer⸗
den wir nöch viele Kälte und Hige über
ung mwechfeln ſehen, ehe ein folcher allge:
meiner Schluß zu Stand koͤmmt: was
bat inzwiſchen ein armes Mädchen, oder
eine ehrbare Frau für Huͤlfsmittel wider
die Hummeln , die um fie berfummen ?
ch geftehe Ihnen ganz offenherzig meine
Derlegenheit, fo Tange folche Anfpielungen
die Zieblingsfcherze nicht nur der Ges
fellfchaft, die gleichwohl Bas Herz hat,
ſich die artige Gefellfhafe zu nennen,
fondern gewiſſermaſſen ſelbſt der Nation
ſind.
Von dieſem letzteren iſt die Schaubäpne
der offenbarfte Beweis. Ein Schriftfteller,
3 ein
326 Thereſte und Efeonore.
ein Schaufpieler koͤnnen verfichert ſeyn,
daß das Schaufpielhaus vom Hänbeflat:
ſchen mwiederfchallt, fo bald fie der Unar—
tigfeit der Zufchauer etwas vormwerfen,
woran fich ihre fefcenninifche Scharfſinnig⸗
feit üben fann. Das ift ein unfehlbarer
Weg, einem Stücke einen Schwung zu
geben ; ein unfehlbarer Weg zum Belfalle,
und der theatralifchen Unfterblichfeit, fo
wert nämlich Wien diefe verleihen fann —
Bei dieſen sffentlichen Ergögungen gebt
man ingbefondere mit den Zufchauerinnen
ohne Mitleid um. : Man zwingt fie, folche
Unanftändigfeiten nicht zu uͤberhoͤren; und
Deffentlichkeit ded Ortes, bie bem Anz
ftande und Sitten am meiften zu Hilfe
fommen follten, vermehren die Auggelaf-
ſenheit, und begünftigen fie —
Iſt man fo unglücklich, fey es in ei:
nem sffentlichen Drte, oder in einer Pri—
>. hang von derlei Anfällen ver⸗
folget zu werden, fo glaube ich, wird bag
leichtſte Mittel, fich aus der Verwirrung
zu wickeln, diefeg feyn, daß man fie ganz
und gar nicht bemerfe. Ich wollte, daß
es ſogar in unfrer Gewalt ſtuͤnde, der auf;
ſteigenden Roͤthe des Unwillens und der
Ehr
Therefie und Eleonore. 327
Ehrbarfeit zu gebieten, und ohne dag ger
ringſte äufferliche Merkmal, die Silene nur
in dem innerften unfrer Seele zu veraditen,
und zu verabſcheuen. Denn ich habe bes
obachtet, daß die unfreywilligen Erroͤ—
thungen, und die ſichtbaren Ausbruͤche des
Verdruſſes zu nichts weiter nuͤtzten, als die
Elenden aufzumuntern, mit ihren Abſcheu—
lichkeiten fortzufahren, da fie ſahen, daß
dieſelben die Wirkung, die fie wuͤnſchten,
hervorbrachten — Im Gegentheile, ſobald
man ihre Spaßhaftigkeit verloren ſeyn
laͤßt, ſo ſchaͤmen ſie ſich; in ſo weit ihre
ſtahlene Stirne einer Beſchaͤmung faͤhig
iſt; und haben ſie ja die Unverſchaͤmtheit,
ihre poͤbelmaͤſſige Zotte zu wiederholen, ſo
nimmt ihre Beſchaͤmung nach dem Maſſe
zu, als der Einfall durch die Wiederho—
lung froftiger, und die Sfterd gebrauchte:
Epiße ſtumpfer wird. Der Dialog hört
auf, wo niemand antwortet. Ich habe-
durd) diefes Mittel einen der allerunverz-
ſchaͤmtſten Menfchen von drey Frauens--
perfonen dergeſtalt aus feiner Faffung brin⸗
gen gefehen, daß er zulegt es noch für‘
fein fehr groffes Gluͤck hielt, unbemerft zu
entfchleihen, und der Befhämung, bie
£ 4 für
338: Thereſie und Eleonore.
für ihn etwas ganz neues war, zu ent>
fommen. |
- Hingegen ift es die: unuͤberlegtſte Par—
they, die man: nur immer ergreifen kann,
wenn man feinen Unmillen darüber zeiget ,
oder einen Menſchen, der mit der Gift:
famfeit fchon lange und auf ewig. zerfal>
len ift, durch Verweiſe zum Stillſchweigen
zu bringen, verfuchet. Man biet ihm da⸗
durch vielmehr neue Gelegenheit an, feinen
fhändlichen Wis zu entwickeln, und fich
nicht mehr auf Köften des allgemeinen Ans
ſtandes, fondern auf Köften unfrer Ehr—
barkeit insbefondre, luſtig zu machen. Die
Einfälle eines Poffenreiffers gleichen dem
Feuers fie erfticden, wenn man ihnen feine
Luft laͤßt.
Vorzuͤglich will ich allen Perſonen
meines Geſchlechtes in ſolchen Umſtaͤnden
bie Fächerſchwingerevyen, das gezwun⸗
gene Huften, ſtudirte Geſichtsverzer—
rungen, oder ſolche Grimaſſen mißra—
then, die man gewiß nicht ſo gutherzig
ſeyn wird, auf Rechnung ihrer Tugend zu
bringen. Im Gegentheile werden dieſe
Bu ben Spöttereyen ein weites‘ N
—
Therefie und Zieonpre. 328
Shen; und am Ende wird es dahinaus⸗
Saufen, daß man fie mit dem ſchoͤnen Ti
gel einer Spröden beehren wird, welches
mit einem andern Worte eben fo viel fagt,
als Buhlfchwefter, und , was weis ich,
ob nicht vielleicht noch etwas weit Are
geres —
Alles alfo genau überlegt, kann tine
wahrhaft ehrbare Perfon, die ſich zum Uns
glücke in einer unartigen Geſellſchaft befinz
det, nichts klůgers thun, als ſchweigen.
Aber Erneftine ! Sie find Mutter: follte
es ihrer Vorfichtigfeit unmöglich feyn,
ihre geliebte Tochter vor dein Ungluͤcke ei—
ner unartigen Gefellfchaft zu bewahren ?
Ach finde in dieſer nothwendigen Bor:
fichtigfeit, in der Wahl des Umgangs, in
ber Wahl der Geſellſchaft, in welche eine
Mutter ihre Tochter bringt, das haupt⸗
ſaͤchlichſte, wenn ich ſo ſagen darf, das
einzigſte Bewahrungsmittel wider die heit:
tige Ungezogenheit des Mannsvolkes. Gie
kann nicht, gleich einem Ulyſſes die Ohren
ihrer Gefährtinn mit Machfe verkleben;
aber fie kann, Flüger als Ulyſſes, fie an
feinen folchen Ort führen, wo fie die
330 Thereſie und. Eleonore,
Ohren ihres Kindes zu verfchlüffen noͤthig
hätte.
Mütter , die ihr fo fehr eilet, eure
wohlgeſtalteten Töchter in die groffe Welt
zu führen! habt ihr auch die Gefahr über-
leget, ber ihr fie dafelbft ausſetzet? habt
ihr alle die Anfälle erwogen, die auf die
Keinigfeit ihrer Sitten, auf ihre Unfchuld
gefchehen werden ? habt ihr ihre Herzen,
ihre Denfungsart geprüfet, ob fie aud)
ftarf genung feyn werben, benfelben Wi—
derftand zu leiften ? Erinnert euch — möchte
ich beftändig folchen Weibern jurufen, die
ihren Töchtern nicht Zeit laffen, groß zu
werden, um. bei der Neige eigener Reis
je , durch die erft aufblühenden Reize
ihrer Kinder den Kreis um fih zu erhal
ten, in dem fie fich fo fehr gefallen, der
Mittelpunkt zu feyn — erinnert euch eu—
rer Jugend , und laffet eure Erfahrung.
euren Kindern zu flatt fommen! —
Vergeben Sie, Erneſtine! ich bachte
nicht , daß ich an Sie fehreibe, deren uns
fchuldvolle Jugend Ihnen folche Erfah—
rungen nicht zumege bringen fonnte, Jh
felbf bin zu unerfahren, Ihnen Dorfchrifs
ten
Therefie und Efeonore. 331
ten zu geben; aber ich kann Ahnen ein
Beifpiel zeigen, das allen Müttern zum
Mufter dienen follte, denen die Vorficht
reizende Töchter gefchenfet, und die die koͤr⸗
perlichen Reize derfelben durch das Kleinod
der unfchuldigen Meinigfeit erhöhen, und
wahrhaft fchäßbar machen wollen, Sie
fennen bie verehrungsmürdige 8 ==, und
ihre nicht fchönere als wahrhaft (hägbar
re Tochter! —
Diefe Mutter führer ihr Kind aller Or:
fen mit fih; und man weis es ihr unend:
lihen Danf, daß fie den Geſellſchaften
diefe Zierde nicht vorenthält. Aber fehen
Sie, wie Sie das Mädchen, fo fehr fie
fih aud) auf feine Klugheit zu verlaffen
hat, nicht einen Augenbli aus den Au:
gen verliert, und wie ihr von ihm unabger
wendeter Blick die ungeſtuͤmen Schlüpf:
redner in einer ehrerbietigen Entfernung
hält. Die Ausgelaffenheit waget es nicht,
fih ihm zu nähern: und wenn die Anmuth
feiner Geftalt, und feines Umganges viel:
leicht die Wünfche der Wolläftlinge erreger,
fo zwingt fie die Wachtfamfeit einer ſtets
gegenwärtigen Mutter, die ſe Wünfche ges
beim zu halten, und an ihrer jemaligen
Entz
332 Thereſie und Eleonore,
Entdeckung zu verzweifeln. Die Unverr
ſchaͤmtheit felbft wird in ihrer Gegenwart
fittfam. Ich babe bei ihr die unterneh-
mendften Buhler alle ihre Herzbaftigfeit
verlaffen gefehen. Um alfo unfchuldige
Mädchen vor dem Wegelauern der Zot-
tendrefcher zu beſchuͤtzen, follen die Muͤt⸗
ter ihren Kindern, nach einem folchen Bei»
fpiele, zur Schutzwehr dienen. Aber ich
feße voraus, daß die Mütter, fich felbft
Ehrerbietigfeit zu erwerben fähig waren :
fonft wird ihre Gegenwart die Angriffe,
anftatt fte abzuhalten , berbeirufen,, uns
gefährlicher machen.
8 = = ift damit nicht zufrieden, ein
geliebte Kind gleichfam beftändig unter
ihren Flügeln zu tragen ; fie waͤhlet auch
unter ven Gefellfchaften, die ſie ſammt dem
angenehmen Mädchen durch ihre Gegen:
wart beebhren will. Es ift ihr nicht gleiche
gültig, unter welchen Leuten fie fich bes
findet: und wer auf das Glück ihres Um:
ganges einen Anfpruch machen will, muß
dieſen Anfpruch auf die Anftändigfeit feines
Betragens, und die Unbefcholtenheit feis
ner Sitten gründen. Ein zu freyes Wort,
eine bedeutende Miene find im ige Rn
e
Therefle und Eleonore. 333
fie. auf ewig aus einem Haufe zu verfcheu>
chen: und welches Haug würde ihr Hinz
wegbleiben nicht für ein Ungluͤck halten ?
Folgen Cie, ſchaͤtzbarſte Erneſtine!
diefer Vorgängerinn , die wohl einft dag
Herz hatte, einem Prinzen zu verfiehen zu
geben, daß fein Etand über den Anftaud,
den man unferm Gefchlechte ſchuldig iſt,
hinmwegfege ! Wählen Eie für fi und ihr
reisendes Mädchen nur Derter, die fich
durch Eingesogenheit und Gitten von
andern unterfcheiden !. fliehen fie diejenis
gen, wo man ausgelaffen feyn, für artig
Hält, und eine Perfon unfers Gefchlechteg
recht fehr zu ehren glaubt, wann man fie
für eine Unverfchämte anfieht, die an ei:
ner Beleidigung der Ehrbarfeit ein Wohle
gefallen haben fann.
Es iſt fein Zmeifel, wenn diefes bie
allgemeine Denfungsart unfers Geſchlech⸗
tes feyn wuͤrde, wenn alle artigen Pers
fonen deffelben, die Häufer, wo bie Un:
verſchaͤmten ihre Tummelpläge halten, wie
angepeftete Derter flöhen , fo wuͤrde es
bald zu einer für ung vortheilhaften Wech⸗
ſelwahl fommen: entweder, daß die Mäns
ner auf den Umgang mit allen artigern
Irau⸗
334 Therefie und Eleonore,
Srauenoperfonen — oder auf die Unge⸗
sogenbeit verziehen müßten.
2:
I.
Multa pudicitis veteris veſtigia forfan,
Aut aligua extiterint, & fub Jove, Ted fove
nondum
Barbato —
. Juvenal,
N aan Cie mir da etwas aus ihrem
Juvenal hingefegt haben, guter Menfch !
das vieleicht auf unfer Gefchlecht eine Ga-
tire iſt, fo fol Sie's theuer zu fichen kom⸗
men! — Was fol dieß unbefcheidene Ge—
lächter ? — Kann ich feine vernünftige
Antwort aus. Ihnen bringen ?.— im:
merhin lachen Sie, wie ein Unbefonne-
ner! Ich weis mir Rath, auch wohl ohne
Sie, zu der Ueberfegung diefer dritthalb
Zeilen zu fommen. „ — So ſprach ich
zu meinem ...., und nunmehr fuchte ich
aus ber alten franzsfiichen Ueberſetzung
Suvenale , roo ber lateinifche Text gegen
über fteht , den DVerftand der Auffchrift
berauszubringen. Es gelung mir nad)
langer Bemuͤhung, und ich habe Urfache,
mih
Therefie und Eleonore, 334
mich über die Bosheit diefes Menfchen ,
den ich um die Fleine Gefälligfeit bat, mir
die Auffuchung einer Auffchrift zu erſpa⸗
ren, zu befchweren. Hier, meine Freun:
dinnen! haben Sie die ed: der
beiffenden Stelle.
„ E8 mag feyn, daß das Alterthum
viele Epuren der Keufchheit, oder eini—
ge wenigftens aufzumeifen hatte: aber
das muß fehr lange ſeyn, wenigſtens
da Jupiter nod) auf der Welt wandel⸗
- fe, und gewiß, da ed noch ein Kind
war — 22
Damals alſo, liebes feines Herrchen!
damals war noch einige Keufchheit unter _
dem Frauenvolfe anzutreffen : und heu—
te? — Sa! nur danod, als Jupiter am
MWeisbande gieng ! — Wiffen Sie, warum
nur damalsy Weil die Keufchheit zu Ju⸗
piters Zeiten noch von einigem Werthe
war , meil die Eingezogenheit und Tugend
den Mädchen noch als eine Mitgabe an—
gerechnet wurden, N weil eine unzuͤchtige
Weibs⸗
*) Wiſſen Sie die. Antwort jener Spartane⸗
rinn? Eine der reichſten Athenienſerinnen
befand ſich mit ih bei einem Guftmalen
Der
336 Therefie und Eleonore.
Meibsperfon nicht nur von dem eigenen,
fondern auch dem männlichen Gefchlechte
geringgefchäst, und verachtet wurde, weil
man bie Keufchheit fo zur Ehre einer
Srauensperfon , wie die Tapferfeit zur
Ehre eines Mannes unentbehrlich foder:
te, weil man Fluge Zurückhaltung nicht
Dummheit, Vernachläffigung des Anftan-
des, Unverfchämtheit, Reichtfertigfeit, Un-
befonnenheit nicht Lebensart hieß — Se⸗
| ben
Der Nang der laredamonifchen Gaftgebote
war nicht fo pünktlich, wie zu unferen Zei—
ten ausgemeſſen; aber in Athen wußte man
ſchon, was oben oder unten an figen wä—
re. Die Spartansrinn traf von Lngeführ
den Dre , den der Ehrgeiz der Athenien—
ferinn foderte , welches dieſe für eine
Beleidigung anfah: Sie hoffte indeſen,
die Gelegenheit, das Weib zu demlithigen,
follte fi ereignen — Während der ganien
Tafel ward die Gefellfchaft durch die unbe»
fonnene Munterbeit der Athenienferinn be-
febt : und wie ihre Leichtfertigkeit bald dies
fen bald jenen anfiel, fo fragte fie auch zu⸗
letzt mit ſpöttiſchem Lacheln die Spartane⸗
sinn: was fie ihrem Manne zur Mitgift
gebracht babe ? mit lakoniſcher, khrnich⸗
ten Klinge verſetzte diefes Sin !
Therefie und Eleonore. 337
ben Sie, mein Herr! denn ich laſſe Sie
ſchon heute nicht mehr aus dem Gefichte;
dag ift die Urfache, warum die Sitten deg
Alterthums bei unferm Gefchlechte reiner
waren: bie Sitten des Ihrigen waren es
gleichfalls, und das Verderbniß der Män-
ner bat auch dag Verderbniß der Weiber
nach fich gezogen. Es ift unmöglich, daß
ein Gefchlecht fih allein verfchlimmert :
Sitten, Denfungsart, Gewohnheiten find
allzufehr verflochten : e8 find ziwey Pferde
nebeneinander gefpannet; wenn dag eine
Davon dem Abgrunde zuſtuͤrzt, fo ift es
unmöglich, daß das andre nicht mitgeriffen
werde. |
So fönnte ich denn nun den Verweis
gerade an Sie richten, und mit feyerli-
chem Anfehen auf ihr Gefchlecht losziehen.
Aber es würde einem Mädchen fehr' übel
laffen, far la Dottora! Auch würde e8 fehr
ungegrünbdet feyn , wenn ich in der Ber
fhuldigung der Männer , die Nechtferti-
gung der Mädchen und Weiber fuchen
wollte, oder zu finden glaubte. Wenn ich
Alcibiadeg einen Verführer nenne, fo blete
ben feine Liebhaberinnen doch immer die
VDerführten. Die Gemeinfchaft hebt dag
IV. Theil, p)] . Ber
338 Thereſie und Eleonore.
Verbrechen nicht auf, es vermehrt nur A
die Schuldigen —
Aber das werden Sie mir wenigftens
erlauben , daß es verzweifelt arg läßt,
wenn der Räuber den Dieb einen Galgens
vogel fchile! Geben Sie ein wenig mit
mir auf dag Betragen der Männer Acht!
laffen Sie ung mitelnander vergleichen !
Wir wollen bei ver Schaubühne anfangen!
Chrifatis hat eine einnehmende Geſtalt.
Die Nettigkeit und Nichtigkeit ihrer Schritt:
te, die Negelmäffigfeit, mit der fie ihren
Leib, die Anmuth, mit der fie ihren Arm
trägt, mit der fie jede Wendung verrich-
tet, die Leichtigfeit und Kunſt ihres Tan—
zes entzücken. ch begriff ange nicht, war:
um das arme Mädchen fi) fo vergebens
martere, ohne irgend mehr, als bie und
da einen einzelnen — zu erwer⸗
ben —
Thelmire hingegen, bie gegen Chriſa—
tis, wie eine Folgemagd gegen ihre Ge—
bieterinn abſticht, mit dem Wuchſe einer
Schweizerinne, und einer der beſonderen
Bildungen, die man nicht ſtuͤckweiſe be:
trachten darf, wenn fie nur einen Augen—
blick nicht mißfallen follen, ohne Anftand,
oh⸗
— Die £
A
Therefie und Eleonore. 339
ohne Kunft, ohne Anmuth, träg mehr alg
nachläffig , die nicht fanzet, fondern bäu-
rifch ſpringt, und wie ein Rlotz in die
Pfuͤtze mit zentnerfchwerer Laft faͤllt, Thel⸗
mire läßt faum das End ihrer Kleidung
bei der Schiebewand hervorragen, fo hal-
ten fich hundert Hände fertig, ihr Beifall
zusuflopfen, den fie nicht verdienet, und
Bravo zuzurufen , wo man immer elend!
ebfcheulich! aufzuſchreyen, fich kaum zu⸗
ruͤckhaͤlt. Sie ſelbſt haben mir dag Näth-
fel aufgelöft. Chriſatis hat die Verfucher
mit einer Standhaftigfeit von fich gewie—
fen, die um deſto mehr Erfiaunen machte,
da es wider die Grundfäge der Gattung
Leute iſt, den prächtigen Anerbietungen zu
widerſtehen. Thelmire war gelebriger;
ihre Schlüpfrichfeie ift ihr ſtatt der jap
fchicktichfeit — |
Wenden mir ung mit dem Rüden ges.
gen die Schaubühne, und fehen ein we—
nig unter den Zufchauern um! Welches
find die Perfonen, um die der dichtfte Kreis
ſich draͤnget? fehen Sie eine.
nicht nur in Geheim, ſodern öffent:
lich Sitten kommi⸗
ſelbſt verhuͤtten,
92 mit⸗
340 Thereſie und. Eleonore,
mitten unter. den Adel
unverfchämter Stirnlofigfeit
”) weichen muß?
Treten wir in das Innere unfrer Zu—⸗
fammenfünfte! — Dod) nein, wir wuͤr⸗
den bier, wie aller Drten zur Schande
unfrer Zeiten, die Ausgelaffenheit vorge-
zogen, die Sittfamfeit uͤberſehen, Meſſa—
linen fi an die. erfien Pläge drängen,
und Sulpitien fich der Tugend „beinahe
Thämen fehen! — Iſt es alfo wohl wertb,
Wunder zu fchreyen ,„ wenn eine Tugend
felten ift, die ihr Männer fürchtet, und
die nicht oft ein Hinderniß des Gluͤckes
ift, dag fie befördern füllte —
Denn was nmuͤtzt es, die Augen zuzu⸗
drücken, wenn das Bild fhon einmal in
uns
*) Glitigfte Eleonore ! werden Gie es der Une
gefchicklichkeit ihrer Drücker vergeben , daß
fie fhon in der Preſſe, unglücklicher Weife
eine ganze Stelle verfrhoben haben, die. fie
unmdalich wieder zurechte bringen künnen?
Sie haben fonft fo viele Menſchenliebe!
Wir verfchen ung, Sie werden nicht verlan-
gen, daß wir das Stuck von Neuem auf
unfre Köften fegen laſſen!
, N Die Drüder.
Ne in in
Therefie und Eleonore. - 341
unfrer Borftellung liegt ? ein Mädchen hat
feinen ficherern Weg , fich Liebhaber ans
zuloden, als wenn fie ihr. Gefchlecht und
feinen Anftand beifeite legt — —
„ Erlauben Sie, Eleonore, daß id)
Sie hindre, weiter fortzufahren! Es thut
mir leid, daß ich durch meine Auffchrift
Ihnen Gelegenheit gegeben habe, mir die—
fe bittre Wahrheit, und fo unroiderlegliche
Merkmale unfrer verderbten Sitten unter
die Augen zu rücen. Ohne Zweifel koͤmmt
es nur größtentheils auf Männer, an kei—
ne untergefchobenen Kinder, Feine befled=
ten Ehfrauen, Feine entehrfen Bräute und
Töchter zu haben. Ich erfenne es, und
da ich durch die Wahl der ſpoͤttiſchen Auf
fchrift mir ihren Unmillen billig zugezogen
habe, fo erlauben Sie mir, daß ich Ih—
nen durch das Geftändniß genug thue :
Männer, die die Tugend nicht zu fcha=
gen wiſſen, find unwerth, fie irgend
wo 31 finden. „
„3 II,
342. Thereſie und Efeonore.
IL
Dit ihrem eignen Reit zieh euch die Tugend an!
Wo hat die Welt ein Gut, das fie belohnen
kann?
>) FOR ift in den Zeiten, worin wir le:
ben, Eigennug; alles, felbft die Tugend,
und Clarine ift davon der nicht einzige
Beweis —
Es find nun fünf Jahre, daß Elarine
bie Frau eines Mannes ward, der von
einnehmender Geftalt, reich, im Umgange
angenehm ift, und feine Gemahlinn nicht
liebte, fondern anbetete. Auch war fie
feiner Ergebenheit vollfommen werth. Sie
war roeniger fchön , wenn man fie ſtuͤck⸗
weiſe unterfucht hätte. Aber fie hatte ei-
ne von den reisenden Bildungen, die gleich⸗
fam den Gefegen der Negelmäffigkeit zu.
Troß gefallen, fobald man fie ſieht, und
ung nicht Seit laſſen, fie erft ftäckweife zu
unterfuchen. Ahr Umgang war lebhaft, fo
fehr alg es der Wohlftand erlaubte, beinahe
ein wenig unbefonnen, welches au einem
tugendhaften Mädchen nicht immer ungerne
gefeben wird: kurz, Clarine war des Gat⸗
ten, der fie um ihre Hand bat, ſowohl
ih⸗
Therefie und Eleonore. 343
ihrer Eörperlichen Gaben , als ihrer fitt-
lichen Eigenfchaften wegen, werth. Sie
hatte, ſprachen die gewerbmäfligen Ge—
meinbuhler, den einzigen Fehler, aber
der alle ihre Vorzuͤge verdunkelte, daß ſie
ihren Bräutigam, mehr als des Gepraängs
halber liebte, und ſchon ziemlich deutlich
merfen ließ , daß fie abgeſchmackt genug
feyn würde, ihn noch als Mann zu lies
ben — Diefe Vorherſehung traff vollkom—
men ein. Elerine hatte, der Mode und des
Zifcheng der Spoͤtter ungeachtet, das Herz,
fih von ihrem Manne Sffentlih am Arme
führen zu laſſen — Eh! unadige Srau,
fagte ihre Belidor im Namen der ganzen
Buhlerzunft: Sie richten mit ihrer alt=
feäntifchen Aufführung die ganze Herr-
fchaft ihrer Reize zu Grund! Willen
Sie denn nicht, daß die Geſchichte
Penelopens nur eine Brdichtnng von
Yomer ifty In der That, Sie laufen
Gefahr, nie ein einziges Wort , das
ihrer Eigenliebe fehmeicheln Fönnte, zu
hören! Wann wollen Sie dann, daf
wir es Ihnen fagen, wie reizend Sie
find y vielleicht an der Beite ihres un:
abfonderlichen MannesY Sehen Sie
& 4 we:
344 Thereſie und Efepnore.
weniuftens auf die berrfchenden Sit—
ten! auf die Beifpiele aus ihrer Zeit!
Man muß — erlauben Sie, daß ich
mir um die Welt das Verdienſt erwer:
be, Sie eines beflern unterrichtet Zu
haben! man muß nicht älter feyn, ale
fein Jahrhundert! Sie haben zu Haus
manches Bild ihrer Urgroßmütter ;
warum tragen Sie nicht, wie diefe
Matronen trugen, zwo fchöne runde
Loden an beiden Schläfen gegenein—
ander gefchnirdeley Diefe Zartlichkeit
gegen einen Mann wider die Sitten
der Zeitgenoffen Iäft eben fo altmüt—
terlich , als es immer laſſen würde,
wenn Sie die Trachten ihrer Samilien=
ſtücke Fopiren wollten! Was für ein
trauriges, einförmies Leben müſſen
Sie und ihr theurer Ehſchatz wohl füh-
ven immer das ndmliche Geficht!
Gewif , Sie müflen fih ganz aus
gelernt haben: und ich wette, daß fie
einander voraus fagen können, was
das andre antworten wird. Macht Sie
denn die aufuewedte und glückliche
Coramine nicht eiferfüchtig e Fönnen
Sie die Blüthe unfers Adels um fie
ber:
<herefie und Efeonore. 345
herumflattern, fie im Schaufptelhaufe,
bei öffentlichen Luſtbarkeiten, aller
Orten, von allen, was nur unter Män-
nern artig ift, umringt, begleiter,
verehrt fehen, ohne daß es Ihnen nur
einmal einfällt, ihre Rechte gelten zu
machen , und ihr dieſen Saufen von
Liebhabern zu entführeny Haben Sie
denn nicht den rühmlichen Stolz ihres
Gefchlechtes, Sürften und Grafen, und
— alle Welt an ihrem Siegeswagen
zu feben, und die durch’ fie zur EKin—
ſamkeit verurtbeilten. Weiber aus ei:
nem tewiflen Stodwerfe raſend zu
machen — So und durch noch mehr fuch-
te Belidor das junge Weibchen von ihrem
Manne abzuföndern, und ftet3 vergebens.
Das glückliche Baar fchien die feltne Kunft
su befigen,, einander zujureichen , ohne
eines dritten dabei nöthig zu haben; und,
was auch die gefeßtften Frauen nicht leicht
begreifen Eonnten „, Elarine fonnte alle
Öffentlichen Luftbarfeiten , die mehr der
Eigenliebe, als dem Vergnügen gewidmet
find, diefe feyerlichen, in die Augen fal—
enden Schlittenzuge , diefe ihr zu Ehren
gegebenen Bälle , diefe und dergleichen
95 Luſt⸗
346 Thereſie und Eleonore,
Luftbarfeiten konnte fie an der Seite ihres
theuren Gatten ruhig entbehren.
Was für ein Weib! ruften bie oft
zur Verzweiflung gebrachten Liebhaber aug,
nachdem fie alle Künfte ver Verführung er⸗
fchöpfet hatten; war für ein Weib! Ei—
nen Mann, der wie an fie gefchmieder
ift, und fie ift feiner nicht überdruflig x
Jede andre würde eben diefe ungeflü-
me Aemſigkeit — die Aemſigkeit eines
Mannes — uns defto gewiſſer überlie-
fern. Sie gaben gleichwohl noch nicht
alle Hoffnung auf. Für ein in ihrer Zeit
fo feltnes Weib mußten feltne Mittel er—
griffen werden. Die Liebe, die, wie Vol⸗
täre fagt, alles zum Beften thut, gab
ihnen ein fonderbareß an die Hand. Die
Gemahlinn eines der eifrigften Anbeter
Elerinens ward in biefen Gatten von
neuer Art Äufferft verliebt. Sie war in
einem Alter, wo fie noch Foderungen ma—
chen durfte; und da fie die geheime Slam:
me ihres Mannes ſchon lange entdecket
hatte, fo befchloß fie , feinen Wünfchen
Borfchub zu thun, um ihre eigenen zu bes
glücden. Ste machte mit Elerinen Be—
Fanntfchaft. Artig genug, um ihren Um⸗
gang
Therefie und Eleonore. 347
gang wuͤnſchen zu machen, waren ihre
wechfelfeitigen Befuche in Eurzer Zeit haͤu⸗
figer; bald wurden fie taͤglich, und nun
errichteten fie unter fich eine genaue Freunde
fchaft, wodurd ihre Häufer gleichfam in
eines zufammgefchmolzen wurden.
Clarinens neue Freundinn war von
der Art Frauen, die für die Tugend alles
gethban zu haben glauben , svenn fie den
Schein davon erhalten, und ihre Seiten-
wege dem Auge der Welt und der Ver—
laͤumdung zu verdeefen wiſſen. Sie über-
ließ fich den anwandelnden Schwachheis
ten, aber fie beobachtete auf daß genaufte
dag Auffenmwerf des Wohlſtandes. In ei—
ner der Yusfchüttungen des Herzens, die
bei unferm Gefchlechte weniger felten find,
weil wir ungefähr die Gefchichte unfrer
Herzen gleich zu feyn glauben , bat fie
Elerinen, ihr doch das Merkmal ihrer
Dffenherzigfeit zu geben, und ihr zu be-
fennen, ob fie nie jemanden von fo vielen
liebenswürdigen jungen Leuten, die fie be—
zaubert hätte, den Vorzug gegeben ? —
Kiebenswürdige Clarine! rufte fie, wäre
es möglich, daß diefes gute Gerz, un—
empfindlich, nie geliebet hatte x — Wie,
ver⸗
348 Thereſie und Eleonore,
verfegte Elarine: ichdenfe, daf ich mei-
nen Mann liebey — Ihren Mann ba:
ben Sie geliebt, aber er ift nun ſchon
in das fünfte Jahr ihr Mann! Es ift
genug, wenn Sie für ihn noch einige
Achtung behalten haben — Achtung!
fiel Elarine fehr feurig ein — Achtung !
nein! gewiß Liebe! ich wüßte nicht,
daf ich ihn am erften Tage unfrer Ver—
mäblung mehr geliebt hätte — Ganz
vortrefflich vor der Welt geſprochen,
meine Sreundinn! aber, und fie Flopf-
te Clarinen fanft an den Baden , mir
dürfen Sie ihr Gerz reden laſſen! Ich
will Ihnen den Fleinen Reft von Miß—
trauen benehmen, und Sie durch mein
Beifpiel zur Offenherzigkeit auffodern.
Und nun fchickte fie ſich an, ihr ihre ganze
Geſchichte zu vertrauen , die mit einer
Menge , begangener und erlittener Un—
freuen, erhoͤrter und weggeſchickter Licbhar
ber, Zänfereyen und Verſoͤhnungen durch⸗
flochten war. Sie befannte ihr zugleich,
ihr Herz märe eben it vergeben , ohne
baß fie wußte, ob fie auch Gegenliebe
erwarten dürfte! Es fehlte wenig ,
bie geringſte Neugierde von Geite ihrer
Freun⸗
Therefie und Efeonore. 349
Freundinn, fo hätte fie ihr den Gegen
ftand ihrer igigen Schwachheit genenner —
Kun! fchloß fie endlich mit einer Umar—
mung , berzbaft Elerine! laſſen Sie
mich in ihr gerz feben , wie Sie in
- das meinige tefeben haben ! Das ift
feine Sreundfchaft , wo man fich was
hinterhält. Wenn wir uns unſre Ge:
heimniffe mitgetheilet haben , fo find
wir einander in Stand zu unterfiugen,
und das wollen wir auch —
| VNein, Madam, fiel hier Elerine ein,
ich werde nie von einem folchen Aner⸗
bieten Gebrauch machen. Ic babe nur
für meinen Mann ein gerz — ind, fe-
ben Sie einmal, Sreundinn ! wiirde ich
nicht die verabſcheuungowürdigſte Perr
fon, würde ich nicht felbft der Nach—
fiht, die Sie für die Schwachbeiten
unferes Gefhlechte haben, unwürdig
fepn , wenn ich jemal eine Untreue an
meinem Manne begeben follter Mein '
Herz leitet mic) genug, ihn zu Lieben,
Aber wäre auch mein gerz nicht — hat
er mir nur einen Vorwand telaffen,
meine Untreue zu rechtfertigen Sehen
Sie fein Betragen gegen mich! es ift
ganz
350 Thereſie und Eleonore,
ganz Gefälligteit, ganz Liebe! Was
kann ich wünfchen, womit er meinem
Wunfche nicht zunorfömmter — Und,
was einem Weibe befonderes fchmeichel-
baft feyn, was fie zwingen muß, ihre
pfliht zu beobachten ‚, feben Sie, ob
mein Mann den Weg alle Männer
gebt , und nad) Broberungen Iduftv
Tänzerinnen, oder fonft Foftbare Max-
dalenen, worin die Männer heute eis
nen groſſen Rubm befteben laſſen, un-
terhaͤlt v oder fonft irttend einem von
denen Modeabentheuern nachjaut v
Nichts ift billiger , ale daß ich feine
Treue , feine ganze Ergebenheit mit
meiner vollflommenen Ergebenheit be-
zahle, und daf derjenige, der mich nie
bintergebt, auch von mir nicht hinter⸗
Yantten werde —
Die Freundinn Elarinens empfand
über diefen Reden den äufferften Verdruß:
fie fchienen ihr eine Art von Troß und
beleiwwigender Zuverficht gegen die Macht
ihrer Reise — Nehmen Sie fich wohl
in Ache verſetzte fie mit einem Lä=
cheln, wovon ein guter Beſtandtheil Hohn
war , daß nicht gleichwohl irgend der
Eigen:
Therefie und Eleonore. 351
Eigeſinn des Schidfals diefe unwan-
delbare und fo wohl verdiente Treue
ihres Mannes wantend zu machen, ein
Vergnügen finde! Man hat folche un-
vermutbete Salle fich einft ereignen ge⸗
feben ! Dielleicht daf Ste dann mich
3u ihrer VDertrauten machen !
Und nun gieng fie , biefen Fall durch
ihre Raͤnke zu befchleunigen —
III.
Du kannſt zwar nichts und ſitzeſt ſtumm,
Doch niemand ſoll dich höhnen!
Du biſt mein Pappchen fhon und dumm!
Sind das. nicht viele Schönen ?
Zachariä.
Geehrtſte Thereſie und Eleonore!
Gelehrte Schriftſtellerinnen!
* Done Zweifel muß ihren Ohren der
Namen gelehrt eben fo fchmeichelhaft und
barmonifch Flingen, als fonft unferm
Gefchledyte die Schmeicheleyen über die
Schönheit und Artigkeit. Sch fchlüffe
diefeg, mit vielen ihrer Landesleuten da—
raus, weil Sie fih fo viel Mühe geben,
fih mwinben » und menden, und mit fo
vie⸗
352 Therefie und Eleonore.
vieler AengftlichFeit darnach laufen, da
Sie fogar der Zuruͤckhaltung unferes Ge—
fchlechtes uneingedenf, ein Wochenblatt
fchreiben, und an unfertem Thun. und Laf-
fen bald dieß, bald dag, bald im Tone
der Moraliften, bald fchnäppifch genug ,
zu tadeln , zu verbeſſern, augzuftellen
wiflen. >, |
„ Sch habe e8 lange auf meinem Her:
gen, und ich muß es nun einmal wegha—
ben — Ach bin nicht fo glücklich, die be—
wundernswuͤrdigen Schriftftellerinnen von
Perfon zu kennen: aber ich getraue mir
beinahe meine Ehre zu verwerten, daß Sie
beide weder jung, noch fehön find; und
daß ihr Schriftftellerberuf ungefähr eben
daher fömmet, woher die Sonderlichkeit
des Anputzes bei fo manchen Mädchen
oder Weibe ihren Urfprung bat. Da biefe
durch ihre Geftalt die Aufmerkſamkeit der
Männer nicht an fich ziehen fönnen, fo
fol Ahnen die in die Augen fallende Klei—
dung den toichtigen Dienft leiften — Das
wird, denfe ich auch Eie auf den verzwei⸗
felten Entfchluß gebracht haben, Schrift:
ftellerinnen zumerden, damit Sie nicht fo
ganz unbemerft , durch das Leben. hin-
ſchlei⸗
u
Therefie und Eleonore. 353
fchleichen, und ihren Lauf vollenden möch-
ten, ohne von der Welt vermiße zu wer-
den — Geftehen fie eg! habe ich nicht da
einen Bug ihres Herzens mehr entfalter,
‚als es Ahnen lieb it? Wenigſtens ift der
Weg, den Sie ergreifen , bie herrfchenbe
Neigung unfers Geſchlechts zu befriedigen,
wenigſtens ift er neu, und bringt ihrer
Erfindfamfeit Ehre, Bringt er fie aber auch
ihrem Hergen? „,
» Ach will Shnen ein Gefchichtchen
ersäblen : Sie pflegen ihre Leferinnen
auch zuweilen mit dergleichen zu unterhals
ten — In einer gewiffen Stadt lebten zwo
Schweſtern von ganz verfchiedener Art
Die eine war immer die erfte, alle neuen
Trachten mitzumachen, und oft wohl gar
zu erfinden. Ihre Kleider vom erften Ge—
ſchmacke waren unterfcheidend zierlich: fie
trug felten ein Halstuch , oder nur vom
durchfichtiaften Zeuge, einen groffen Blus
menftrauß vor dem Bufen, hohes Kopfjeug
auf den gethürmten Haaren, In Gefelle
fchaften warf fie immer ihre Augen frey
um fih, fproch fo laut, daß ihre Stimme
unter gehen bervorfchallte, hupfte, fang,
frillerte: mit einem Worte, that alles,
IV, Theil. 3 was
J
354 Thereſie und Eleonore,
was». thut Die Schwerter
war ganz das Gegentheil. Ihre Kleider
waren von großblümichten Stoffe, mit
Häufern und ganzen Bäumen darauf, mie
die Brautfleider unfrer Ururmuͤtter, wie
man noch hie und dort Leberbleibfel an
Traghimmeln , oder Befpermänteln an:
trifft, und diefe Kleider mußten fo feft
unter dem Halſe paffen, daß fein Luͤft—
chen, gefchweine dann ein Aug — Sie ver-
fiehen mich , und dieſe Kleider waren mit
einem filberbefchlagenen Gürtel feſt an ih⸗
ven Leib gegürtet: auf ihrem Kopfe trug
fie eine Haube , vote fie auf den Bildern
des vorigen Aahrhunderts hie und dort
gefeben haben muͤſſen; oder fie fchlug die
Haare etwan in Locken , wie die Kaiferiun
Claudiag anihrem Trauungstage getragen
haben mag. Sie redete leife, recht un
vernehmlich leiſe, nur abgebrochen Ja!
und Ylein! hatte die Augen immer an
dem
*) Man hat fur nothwendig erachtet, den Ras
. men, der bier ausgefchrieben war, wegsulaf-
fen. Wir Haben das Zutrauen, jeder unſter
Leſer und Leferinnen werden rinen willen,
des hineinpaſſet —
Therefie und Eleonore. 353
dem Erdboden geheftet, wie ein Mädchen,
daß eben igt von den Motredamen aug
der Koft getreten, und das erftemal un:
ter einer zahlreichen Geſellſchaft fich fin:
det — Es meldete fich nach der Hand ein
Freyer, der, weil er fchon fo viele Son—
nen über feinem Haupte auf und nieder
gehen gefehen, nicht mit ganzem Herzen
an den Eidſchwur am Altare glaubte, und
ber Treue feiner Fünftigen Ehegattinn auch
auf andre Weiſe verfichert feyn wollte.
Ich will, fprad er zu einen feiner
Freunde , die fittfame wählen, ich wer»
de bei ihr weniger Gefahr Iaufen — —
©, fiel ihm diefer groffer Kenner des weib-
lichen Geſchlechts ein, das tft gleich viel,
welche fie wählen: die eine Zieht die
Augen durch ihre Freyheit, und bie
andre durch ihre fcheinbare Sittfam-
feit an fich. Die eine hat die Bitelfeit
einer Kokette, die andere die Kitelkeit
einer Beate —
„, Und Sie, meine guten Schweftern —
denn nun koͤmmt die Nukanwendung ber
Erzählung — Sie haben die Bitelfeit der
Scriftfteller ; und im Grunde ift diefe eben«
falls von dem Sefchlechte der Toͤchter Eveng,
32 uns
356 Thereſie und Eleonore.
und will nichts anders fagen , als ihre
Männer was Läuft ihr nach die
fen Madchen und Weibern , die nichts
anders find „ ale Spieltbiere, für das
Aug, die Sinnen bloß geſchaffen, die
euch Fein vernünftig Wort zu fagen,
von nichts weiter als einem leide,
einem Bande, einem Balle, einer Schlit-
tenfahrt' „ oder ihrer Nachberinn zu
fhwagen wifleny Sebet da an unfern
Schrifteneine Probe, was ihr bei uns
zu erwarten haben werdet, wo ihr zu
uns euch wendet! ſeht da, Geift! Wig!
Kopf ! etwas für den Derfiand!,,
© Ia! werden die Männer antworten,
daß ıft vortrefflich ausgedacht, gleich
ale wäre e8 uns bei dem ‚weiblichen
Befchlechte um Verſtand zu thun ? gleich
ale wollten wir Bofmeifterinnen bes
fprechen, und nicht Geliebte wählen —
und fo weiter! „, j
„ ‘a, meine vortrefflichen Kinder! —
ſo werden die Maͤnner antworten, und
ihr werdet erfahren, daß ihr euch mit
aller eurer tiefen Weisheit hoch geirret
habet, da ihr glaubtet: ihr wuͤrdet durch
die⸗
Therefie und Eleonore. 357
diefes Mittel Auffehen machen, und viel-
leicht in unfern Geſellſchaften eine Wuͤſte
und Leere zuwege bringen’ Man fi eht
wohl, daß man aus ihren Biichern einen
guten Vorrath von verälteten Sittenfprüs=
hen, von Grundfägen, die gang abſcheu—
lich fchön feyn mögen, aber niemand aus”
zuüben verlangt , taß man einen ſtar—
fen Vorrath davon beilegen ‚aber Welt,
und dag für ung fo nothwendige Kennt—
niß des männlichen Geſchlechts fich nim-
mer mehr erwerben kann — Sie kommen
uns mit ihren Vernünftelenen über diefes
und jenes vor, wie die heutigen Agrono=
men: auf dem Papiere, da macht fo ein
Plaudrer die fchönften Entwürfe : aber
wen ihm ein Bauer fagte: da gerr, ſteht
der Pflug, afert ein wenig! fo würde
das Mitglied von zehn Agrifultursfocitäs
ten fehr in DVerlegenheit gerathen *) Ich
will mir u. —* Anbeter — als
rg ’ OH Sie
*) Hier. hatte die Derfafferinm ein, "anderse
Gleichniß, welches ich, da es mir nicht dem
Orte angemeſſen ſchien, nach der mir ein⸗—
geräumten Freyheit * dafür
hinſetzte. . LEE!
De ON
358 Thereſie und Eleonore.
Sie fi) nur einen Gefellfchafter en
ben werden —
Nun unfre Leferinnen! haben Sie nicht
ein Bißchen der Derfaflerinn dieſes Brie=
fes beigeftimmet? haben Sie nicht in ihren
Herzen eine heimliche Freude empfunden ,
daß fich jemand gewaget, bagjenige zu
fchreiben, wag Sie vielleicht fchon lange bei
ſich gedacht, und nur nicht Muth genung
hatten, uns unter das Geficht zu fagen ? —
Mäfligen Sie ihre Freude! der Brief iſt
nicht eingelaufen : wir haben, ung nur an
die Stelle gewiſſer unberufenen Kunſtrich—
terinnen gefeßt, und ung das Vergnuͤgen
gemacht, in ihre Seele zu denfen,
Diefe gewiffen Perfonen fönnen es frey⸗
lich nicht begreifen, wie e8 möglich ſeyn
foll, etwas anders, als eine feine Haut,
ein munteres Aug, einen Eleinen rubin—
farben Mund, ein rundes Kinn, ein Grübr
hen an dem Backen, und ein anders neben
dem Munde, einen weilfen Hals, und eine
Hand, welche die Sonne noch nie befchier
nen hat, ſchoͤn und anziehend zu finden.
Für fie iſt es freylich ein Raͤthſel, wie
ein Mädchen den traurigen Entfchluß faf-
fen, und etwas mehr als einen Roman ,
der
Thereſte und. Eleonore. 359
ber aber nicht über fingerdick feyn darf,
leſen und — fo gar fihreißben fönne ! —
Weil fih nun aber dennoch zwey Gefchöpfe
von einem ſo abenthenerlichen Geſchmacke
hervorgethan, die fehon wirflich acht und
zwanzig Stücke niedergefchrieben, und aus
den gewählten Auffchriften haben wahr:
nehmen laſſen, daß fie mit Lafıng, Gel:
lert, Kleift; Gleim, Wieland, Zacherig,
Weiße, Uz, uhd anderen guten deutfchen
Dichtern, und Schriftftelleen bekannt find;
fie aber Freundinnen! — aus dem Triebe
zu urtheilen, nach welchen ihre Mäfchinen
aufgezogen find — nicht anders vermuthen
können, als daß wir zu einer, in ihren
Augen mehr als ſtlavenmaͤſſigen Arbeit,
nur von einem fehr thätigen Beweggründe
angefpornet, ung werden entfchloffen ha—
ben: und noch einmal , nach ihnen zu
urtheilen , da über ihre trägen Sinnen
nichts fo viel vermag ‚, als die Begierde,
den Männern zu gefallen ; fo, fonnten wire
ohne erfi bei einer Wahrfagerinn Rath
einzuholen, ganz leicht darauf verfallen,
was man unferem Unternehmen für einen
Grund leihen werde. ,
TER. Aber
360 Thereſie und: Eleonore.
Aber e8 ſey mir vergoͤnnt, nicht mit mei⸗
nem ganzen Gefchlechte, fondern nur mit
diefen gewiſſen Perfonen, die fich hier nicht
verfennen werben, einen Vertrag zu er—
richten! Wir wollen das Mannsvolf, da
fie doch darin die hoͤchſte Gluͤckſeligkeit be⸗
fiehen laſſen, unter ung tbeilen: fie —
follen den groffen Haufen für fich behal⸗
ten, der von dem weiblichen Gefchlechte
unedel genug denfet, nach dem Auge, wie.
bei einer Bildfaule, oder ungefähr nach
dem Gefieder, wie bei einem Päppchen un⸗
fern Werth zu beftimmen — Uns aber
follen fie die Fleine Zahl der Auserwaͤhl⸗
ten nicht mißgoͤnnen, die an ung den uns
vergänglicheren Werth , einen gebildeten
Geift und Sitten zu fchägen wiffen.
N. S. Man erinnere ſich deffen, was in
der Ankündigung gefagt worden: Ele—⸗
onore bat einen Liebhaber — das
Betragen diefes Geſchöpfes ge:
gen uns wird von einem Einfluſſe
feyn — Ich denfe, die böfe Laune
Bleonorens, die in dieſem Blatte
berrfchet, ift — doch ich kann irren.
Thereſie.
IV.
Therefie und Eleonore. 361
ä "IV.
Mit ihrem eignen Reis zieh euch die Tugend an!
Wo Hat die Welt ein Gut, das fie belohnen
kann?
Wieland.
| Fortſetzung des II. Stuͤcks.
S. unterließ e8, durch einige Tage,
Clarinen nad) ihrer Gewohnheit zu befu-
chen , und fo off diefe einen Befuch bei
ihr abzuftatten kam, ward fie unter ver—
fchiedenen ‚, und offenbar nur gefuchten
Borwänden , zurückgewiefen — Freun—
dinn ! fchrieb endlich ſehr — * Cla⸗
rine an fier
Freundinn!
Sch fehe Sie fchon fo *8 nicht bei
mir — auch bei Ihnen macht man es mir
ſchwer, Sie zu umarmen! — Wenn Sie
ihrer Clarine fo leicht muͤſſig gehen koͤn—
nen, Clarine kann das ſo leicht nicht mit
Ihnen. Ich muß Sie ſehen! ich muß Sie
ſprechen! Was haben Sie ſo wichtiges,
das dieſes Vergnuůgen rauben ſoll
ihrer ———
3 — Der
362 Thereſie und &feonore.
Der Bediente, der diefes Handbriefs
chen überbringen mußte, brachte auch die
Antwort wieder: |
„Was haben Weiber wichtigeres, als
die Angelegenheiten ihres Herzens ? uns
glücklichermweife habe ich eine. Aber ihre
Zurückhaltung gegen mich uͤber diefen
Punkt, zwingt mid, Ihnen ein Geheim-
niß daraus zumachen — Ich muß ein Ges
beimniß vor der Freundinn meines Her:
zens haben! ah)! — Seyn Sie zufrieden,
Clarine! Sie find in fhonenden Händen :
ihr Verluſt fol nicht der größte feynt —
Was habe ich da unbedachtfam hingeſchrie⸗
ben? Meine Hand ift meiner Ueberlegung
zuvorgefommen! — Hand! fen nicht ges
ſchaͤftig! Clarine muß bier zu ihrer Ruhe
unwiſſend bleiben ! — Ja das müffen Sie,
Elerine, und werden es! das war bie
Urfahe , warum ich -einige Tage nicht
fihtbar war. Heute aber bin ich es für
Sie: denn ich habe mich einige Stunden
von meinem: Ungeftümen frey gemacht —
Erine.
Dieſer Brief machte feine Wirkung.
Ihr Derluft Soll nicht der größte feyn !—
Elarine muß zu ihrer Ruhe unwiflend
blei⸗
Therefie und Eleonore. 363
bleiben ! — Was für ein Verluſt! dachte
Elerine: marum zu meiner Ruhe ? was
habe ich mit den Angelegenheiten ihres
Herzens su fchaffen ?. ich muß diefes Ge⸗
heimniß aufflären. . Argwohn ift faufend-
mal folternder als Gewißheit — Die Tar
fel war faum aufgehoben, ſo eilt fie zu
ihrer Sreundinn.
Der Befuch war vorgeſehen, alles war
dazu bereitet. Sie fand Erinen an ihrem
Schreibtiſche, die, fobald fie eintrat, er-
fhrocen that, und geffiffentlich langwei—
lig, ein paar Briefe unter das übrige Pas
pier binfchleifte, — Ich hatte Sich fo
frühe nicht erwarter, mein Kind! —
Habe ich dich in einer angenehmen Ber
ſchäftigung geftöbre ? — Im Hering:
fen nicht, Clarine! ich überſah nur
meine Zausrechnungen — ausrech⸗
nungen? wobei Clarine lächelte — ¶ gaus
rechnungen v mir einem Umfchlage an
Madame — Ach! unterbiach Brine ge:
zwungenverlegen: du haft Falkenauggen
!lun, es waren Briefe von einer Freun⸗
dinn — Leaf uns auf was andere Fonte
men! und nun Ienften fie ju einer gleich:
gültigen Interredung ein,
Auf
364 Thereſie und Eleonore,
Auf dem Tifche lag etwas, das einem
Gehäufe über ein Portrait , oder einem
Schreibtäfelchen ähnlih war , welches
Clarine mit unverwandten Augen anfah.
eben als fie darnach, gleich als nad) eis
ner Sache langen wollte, womit man uns
gefähr eine muͤſſige Hand befchäftigee, zog
e8 Erine eilfertig hinweg. Das ift nichte
für Sie! ſprach fie mit einem froftigen
Lächeln, und wollte es zu. fich fchieben.
Elerine gab fchergend zur Antwortt nun
wollte fie es durchaus feben, eben: weil
es nicht für fie wäre; und nach einigem
Hin und Wiederreden, Dringen vonder
einen , Weigern und Gträuben von ber
andern Seite, fah endlich Elarine ihren
Vortheil ab , nahm es ihrer Freundinn
aus den Händen , und eilte damit einem
Senfter zu. Oeffnen Sie es nichr!: ruft
Erine ihr nad, es hängt bei einem Weis
be von ihrer Denfunusart die Glüd-
feligfeit ihres Lebens davon ab — Ele=
rine wuͤrde es nun nur deſto gewiffer ger
öffnet haben , fie thats, es war — das
Bild ihres Mannes, Yymen, als das
Ebenbild Elarinens , ruft ibn zu fich,
aber er, fößt ihn mit abgemendetem Ge—
ſich⸗
Therefie und Eleonore. 365
fichte von: fi), ganz mit einem Liebesgotte
befchäftiget, der ihm dag Bildnif Kri-
nens, mit Blumenbändern ummunden ,
vorhält,, und ſich feines Sieges über den
Gott der Ehe zu freuen feheint — Elerine
fprach fein Wort; Erſtaunen, Schmerz,
Widermillen hatten ihr. die Stimme ge-
bunden: fie fah bald dag Bild, bald ihre
Freundinn an, und ſank zuletzt kraftlos
auf das Ruhebett hin, |
Sie find an diefem Verdruſſe ſelbſt
fchuld, hub Erine mit unfergefchlagenen
Augen an. Don mir hätten Sie diefes
unglüdliche Geheimniß nie erfahren
follen! Aber das Ungefähr bat es fo
gewollt. Sie find nun einmal Seas
Opfer ihrer Leichtglaubigkeit. Trö-
fen Sie ſich! Wie, wenn ihr Mann
auf eines von den Foflbaren Abentheu—
ren gerathen wäre, die, wie Sie felbft
fagten , fo ſehr Mode finds Es ift
immer Glüd dabei, da Sie von ihrem
Manne bintergangen zu werden, be-
ſtimmt waren , daß Sie in die BÄande
einer $reundinn gefallen find !
Clarine fand diefen Troſt beinahe
hoͤhnend. Aber Erine fuhr fort, ihr darin
ei⸗
/
366 Thereſie und Eleonore, |
eine Beruhigung zu zeigen, daß die In:
treue ihres Mannes ihre Freundinn zum
Gegenftande gewähler. Ich babe, fagt
fie, da ich feinen Zunstbigungen Ge—
hör ab, ganz nicht Sie hinterge—
ben , fondern nur ihren Gemahl zu: _
rückhalten wollen, daß er feine Liebe
nicht irgend an eine Perfon wende,
der Elarinens Vortbeil nicht, wie mir
am Serzen läge. Diefe Fleinere Un—
treue follte ihn von einem wröfferen
Sebler zurüdbalten, Uebrigens, ſchloß
fie, Sie find mir wertb : ich werde
ihren Vortbeil zu beobachten wiflen.
Werfen Sie in diefer erften Weallung,
den Ratb einer wohlmeinenden Freun—
dinn nicht von fich! Büten Sie fich, ih⸗
rem Hanne über feine Untrete Vorwür⸗
fe zu machen! Vorwürfe würden verge:
bene ſeyn, und den Zwang aufheben ,
dem er fich noch int unterwerfen muß,
um fich vor Ihnen zu verbergen. Aber —
bier umfchloß fie Clarinen auf dag zärt-
lichſte — Sie find jung , bezaubernd,
fhön; man betrügt ein Weib von ih⸗
ter Geftale nicht ungeftraft. Seben
Sie — da fie ihr ein Spiegelchen vor—
hielt;
Therefie und Eleonore. 367
- hielt, ob es diefen Augen fehlen — —
Ihnen Rächer zu erwecken —
Der erſte Verdruß ſetzte ſich endlich in
dem Herzen Clarinens. Ihre empoͤrte
Miene ward fanfter, ihr Aug heiterer;
nur noch eine kleine Finſterniß woͤlkte
ihren Blick, von der es ungewiß war,
ob Unwillen, ob die Begierde, ſich zu raͤ—
chen, diefelbe verurfachte. KErinens Ge-
mahl trat in demfelben Augenblicke ein —
Ich babe eine Sreundinn zu befuchen !
Leben Sie wohl Elerine! mein Mann
wird Sie bis zu meiner Wiederfunft
unterhalten — Er liebt Sie — Clarinen
in das Ohr — ich Iafle Ste mit ibm,
und überlafle ihrer Klugheit die Sor-
ge, ſich zu rächen — Immer aber,
nehmen auch Sie meinen Dortbeil ein
Bifchen in Acht, wie ich den ihrigen,
damit ich nicht zu viel dabei verliere —
Mit diefen Worten verließ fie beide in ei:
nem Augenblicke, der für Clarinens Tu-
gend nicht hätte gefährlicher feyn koͤnnen.
ihre Treue war nicht auf die Leber:
jeugung von der Pflicht, nicht auf dag
Gelbfigefühl der Ehre, nicht auf den ei-
genen Reiz ber Tugend gegründet ; e8 war
| in
368 Therefie und Eleonore.
in ihren Augen eine abzutragende Schuld,
eine Wiedervergeltung, eine Art von Taufh
gegen die Treue ihres Gemahle. Es war -
fein Wunder, daß die Unglückliche fich bes
rechtiget hielt, fie zurückzuziehen, fobald
fie von der Untreue ihres Gemahls verge—
wiſſert zu feyn glaubte. » Brinens Mann,
der lange fchon nach der Gelegenheit ge=
feufset, wo er Elarinen feine Leidenfchaft
entdecken fönnte, machte fich die Foftbaren
Augenblicke zu Nuß , umd warf bald die
geringe Dormaner des Wohlftandes , und
einer weichenden Schambaftigfeit über dem
Haufen, die feine Geliebte nur noch allein
ihm entgegen ſetzen Fonnte, da fie bie
Pflicht nicht mehr zuräckhielt. Er fiegte,
und fein Sieg war weniger das MWerf ber
Schwachheit, ald der Rache.
Es fen mir erlaubt, ehe ich Leineris
verabfcheuungswärdigen Betrug entdecke ,
einige Fragen an Elarinen zu ftellen, gleich
als ob fie feldft zugegen wäre, Freundinn!
ihr Gemahl, den Sie für untreu halten,
was that er, als er Sie betrog? —
Elerine. ine fchändliche That —
Wohl! das ift fie: aber die Schande
that, wen entehrer fie?
Clear,
Therefie und Eleonore» 369
Clar. Ihn ſelbſt —
Und nun, da Sie eben das, was Sie
an ihm Schandthat nennen, nachahmen,
haben Sie überdacht , daß aud) ‚Sie da:
durch , nur ſich ſelbſt entehren ?
Clarine würde die Augen niederſchla⸗
gen, und fchweigen. Aber, toürde fie
endlich ausbrechen: ich vergelte gleiches
mit gleichem —
Das heißt fo viel: weil ein Menfch,
den Sie ihrer Hochachtung werth hielten,
ſich in ihren Augen veraͤchtlich gemacht,
fo wollen Sie in den ſeinigen wieder ver—
aͤchtlich werden; ſo wollen Sie ſich das
Vergnuͤgen * ihm uͤberlegen zu ſeyn;
ſo wollen Sie, daß die Welt ſpreche, Sie
ſind der Beleidigung werth, die er Ihnen
zugefuͤgt. Und haben Sie denn die Art
ihrer Rache uͤberlegt? Wollen Sie ihre
Untreue offenbar werben laſſen ? ich denke
nicht — In diefem Falle alfo verlieren Sie
daß traurige Vergnuͤgen ber Wiederver:
geltung, weil ihm ihre Schmachheit unbe>
Fannt ift — Oder wollten Sie, daß er
feine Befhimpfung wife, fo würden Sie
gleich dem Thoren handeln, der, als ihn
ein Vorübergehender ungefähr mit Koth
IV, Toeil, Ya be:
370 Thereſie und Eleonore.
befpritste , fich an ihm zu rächen, ihn beim
Leibte faßte, und mit ihm fich in eine
Pfüge warf —
V.
Mit ihrem eignen Reiz zieh euch die Tugend an!
Wo hat die Welt ein Gut, das ſie belohnen
kann?
Wieland.
— Bild, dieſe vermeinte Untreue
von dem Gemahle Clarinens war ein
Kunſtgrieff der verfehlagenen Brine, wel:
hen ihr die Vertraulichkeit mit der Be—
trogenen leicht machte, : Denn , als fie
ſich einntal allein in dem Zimmer ihrer
Freundinn befand, hatte fie das Portrait
dieſes Mannes, den fie fo fehr umtrem zu
machen wuͤnſchte, von dem Handbändchen
Clarinens abgelöft, durch einen gefchickten
Kuͤnſtler den Kopf eilends kopiren laſſen,
und war glücklich genug, alles wieder um
bemerft an Ort und Stelle zu bringen,
Das übrige war nun leicht binzugethan,
Zu der Figur Kymens gab fie das Por:
trait Clarinens, welches fie che von ihr
felbft empfangen hatte, und die ganze bes
feidigende Gruppe ward dem Künftler von
ihr
ie ı und Eleonae en
ihr angegeben — Aber ich will die Ge»
ſchichte zu Ende bringen:
Erine war num, fo fehr fie Fonnte, der
Liebe ihres Mannes beförberlih: Durch
diefes Mittel wendetefie feine Aufmerkſam⸗
Feit von ihrer eigenen Aufführung ab, und
£onnte deſto ungeftöhrter ihre Abficht hine
-aug führen. Cie gab gar bald den allge-
meinen Höflichfeiten, die Elarinens Ge:
mahl ihr zu ermweifen,, nicht Umgang neh⸗
men fonnte, eine Auslegung , die zu einer
näheren Vertraulichfeit einleitete — Es
fcheint mir , daß 88 einem Manne fehr
ſchwer fallen fol , zu entfommen, wenn
ein Weib einmal ihn zu befigen ,. und von
ihrer Seite die erften Schritte zu thun, ent:
fchloffen ift. Die HöflichFeiten, zu wel—
hen die Männer gegen unfer Gefchlecht
werbunden find , nehmen leicht eine Wen-
dung an, die man ihnen geben will. Ein
ertiger Mann hat dann das Herz nicht,
bem erzwungenen Verftande, fo man in
feine Worte zu legen, für gut befand, zu
swiderfprechen: er wird biß auf die Hälf-
Te des Weges, wenn ich fo fagen darf,
geführet , und ich habe gehört, wann
die Halbfcheid des Weges einmal. hinter=
Na legt
372 Thereſie nnd Eleonore,
legt ift, fenn die Männer Feine Gefchd:
pfe, freywillig wieder umjufehren, mo ber
Gegenitand nur ein wenig der leichten Mühe
werth zu feyn fcheint, die fie fih noch zu
:geben haben.
Erine hatte einmal die Eroberung die—
ſes Mannes befchloffen. Ich babe es fchon
gefagt, fie durfte noch Foderungen ma=
hen, und fie hatte ein untrügliches Mit»
tel, wenn, wider Vermuthen, ver Mann
eigenfinnig feyn follte. Der Fall ereignete
fich wirklich ,„ daß fie. diefes Mittel zur
‚Hand nehmen mußte — Woarbaftig !
fagte fie einmal, als er von ihr in bie
Enge getrieben, und e8 unmittelbar noth⸗
wendig war, entweder fie zu verachten,
oder eine geltende Urſache anzuführen),
warum er gegen fo vielen Reiz unempfind⸗
lich feyn mußte, wahrhaftig! Sie find
zu bedauren ! Sie fchlafen auf die Treue
ihrer tbeuren gälfte rubig und zuver⸗
fihtlich ein, Eh! wiffen Sie denn nicht,
daß die Zeiten vorüber find , wo die
Weiber auf die Gausehre bielten, und
fih) mit ihrer eblichen Tumend breit
machten — das ihrige weis befler, was
Ihnen Ehre machen kann! Gewiß, ihr
‚Ger
Thereſie und Eleonore. 373
Geſchmaͤck müßte ganz fonderbar feyn,
wenn ihre Srau nur Ihnen gefallen foll-
te — Aber in der That! was für eine
Soderung! ein wohlgeflaltetes Weib zu
haben, und zu glauben, daß niemand als
ihr gefegtee Eheherr Augen babe , die⸗
fes zu bemerfen, niemand einen Mund,
es ihr zu fagen! — und, feste fie mit
einem höhnenden Zone hinzu, die Pene:
Iope auch Feine ——— es anzuhö⸗
ren! —
Dieſe Spoͤtterey leitete nothwendig
auf weitere Erklaͤrungen. Nun! fuhr
Erine fort, als man in fie drang, zu ſa—
gen, was fie zu folchem beiffenden Scherze
berechtigte: nun! die Männer find doch
immer die legten, von den Liebeshän:
deln ihrer Weiber etwas zu wiflen:
und daran thun fie auch fehr weislich,
fie würden fonft unhöflich genug feyn,
fie daran zu hindern — Elarine alfo,”
nicht wahr Elerine — Hier hielt fie mit
einmal inne, und betrachtete ihren Geliebs
ten — Nein! ich werde mich wohl hü⸗—
ten, fortzufahren, fo Lange Sie diefen
Blick nicht ablegen , der ihrer Srau
Derweife, Vorwürfe, und, was weis
a3 ich,
(
}
7374 Thereſie und Eleonore.
ich, was noch alles droht — Sie find
ein junger, unerfahrner Ehmann : ich,
muß mich ihrer erbarmen, und Sie ein
wenig indie Karte ſehen Laflen —
Wollen fie den Kiferfüchtigen machen v
was wird es nügenY ift Ihnen Cla—
rine untreu , fo ift es zu fpde: ift fie
es nicht, fo ift es zu früb. Ein Eifer—
füchtiger gewinnt mehr nicht, ale daß
er dem Liebhaber feines Weibes und
ihr felbft die Sreude ſchmackhafter mas
het , und das Vergnügen der Liebe
durch das Vergnügen ibn zu verlachen,
vergröſſert. Sin heutiger Ehemann
muß ein Pbilofopb feyn! das Uebel
feben, und fiche nicht merfen laſſen —
Aber ich bin wohl eine gutartige Kidr-
rinn mit meiner Lebre da! wiflen Sie!
daß es gar nicht artig Idft, vor einem
Weibe, die felbft auf Reize Anfprüche
macht, den Biferfüchtigen gegen feine
Srau zu fpielen — Ein ganz nicht zwey—
beutiger Blick fagte ihm das Uebrige —
Sie follen mich rächen, gnädige
Stau! aber laſſen Sie mich wenigſtens
wiffen, an wen Y. SErinen war baranges
fegen, aller mwechfelfeitigen RT zwi⸗
ſchen
Therefie und Eleonore, 375
fehen Elerinen und ihrem Gemahle vor=
zufommen, wenn ihre Mifcherey verbor—
gen bleiben ſollte. In diefer Abficht hatte
fie Clarinen zum Schweigen überredet,
und in diefer Abficht foderte fie auch von
ihm die Geheimhaltung. Er- verfprad)
es ihr: und nun madte fie ihn auf
die Yemfigkeit ihres Mannes , auf alle
Schritte, auf alle Gelegenheiten aufmerf
fam , welche auf das Betragen Elarinens
ein fo helles Licht warfen, daß ihm Fein
Zweifel mehr übrig blieb.
Er .tröftere fid) mit Erinen, die *
glauben machte, daß fie durch ihn auch
die Untreue ihres Gemahls räche, welche
fie durch fo kuͤnſtliche Ränfe vo ſelbſt
veranlaſſet hatte.
Ich habe dieſe Geſchichte von einer
werthen Freundinn, deren Einſicht dag ver=
ſchmitzte Weib nicht betrog. Sie empfahl
mir dieſelbe durch einen Brief, voll Be⸗
trachtungen über die Begebenheit Clari—
nens, mit welchem ich beſchluͤſſen will.
Schaͤtzbarſte Freundinn!
„Die Untreue der Weiber iſt nicht im⸗
mer die Folge ihres aͤuſſerſten Verderbniſ⸗
ſes: Clarinens Geſchichte, wozu ich Ihnen
Aa 4 ei⸗
376 Thereſie und Fleonore, .
‚einen Fleinen Grundriß beilege, ift ein
neuer Beweis davon: frauriger Beweis
der zu gleich ſchluͤſſen läßt, daß ihre Treue.
auch nicht immer das Werf ihrer Tugend
iſt. Die unbefleckte Ehre ift ihre Pflicht:
aber man fann, und foll die Pflicht auch:
aus Tugend ausüben! Es ift ein Irrthum,
den man den Mädchen von Jugend einprär
get, daß fie die Treue ihren Fünfigen
Gatten fchuldig find. Nein, liebe Kinder!
die Treue in der Ehe, befteht in einer uns
beflecften Ehre, in der Neinigfeit der Sit:
ten, und diefe ſeyd ihr euch ſelbſt, fenb
ihr euch am meiften fchuldig. »
„Wie fehr ift Elarine zu bedauren!
Mit fo vielen Gaben. der Natur und Erzies
bung vorbereitet, würde fie tugenbhaft ge=
wefen feyn, wenn fie den wahren Begriff
der Tugend gefennet hätte, Aber man fagte
ihr: ihr ſeyd Eheleute: eure Pflichten
find wechfelweife — So fpricht ein zank⸗
füchtiger. Nechtsgelehrter , der fich freuet;
einen Vorwand fi) vorzubehalten ,„ eine
Verbindlichkeit aufzuheben, die ihn druͤcket.
Die Tugend fpricht : wenn der Gatte feine
pflicht nicht erfüllet, fo ſaget dich dieß
von der deinigen nicht Ios — Wenn
Ael:
Sherefie und Eleonore. 377
eltern die Pflicht, die fie ihrem Kinde
fchuldig find, nicht erfüllten, wird man
darum die Kinder weniger undanfbar,, la:
fterhaft nennen, die fi) dadurch berechti⸗
get hielten, Ihnen mit Verachtung zu bes
gegen? — ;
„Ich glaube, das Mittel, die Tugend
unter allen Ständen, in gllen Vorfallen⸗
heiten feft zu feßen, iff, ihren unerborge _
ten Reiz in ein helles Licht zu bringen, ung
von ihrem eigenen Werthe zu überzeigen,
und den Grundfag in die Geele der Ju—
gend, in die Seele aller Menſchen unaus
Iöfchlich zu prägen: daf Ste Tugend auch
in einer gütte groß, auch im Blende
glücklich macht ; daß Feine Beleidigung
ihre Schönheit verunftelten, Fein Vor:
wand, irgend einem Laſter feine Ab:
fheulichteit benehmen Fann. „, |
„, Uber, was fagen Sie, Sreundinn,
zu Erinen? ich glaube, ihr gütiges, fanf-
te8 Herz heißt Gie zur Ehre der Men:
ſchen, und unfers Gefchlechtes zweifeln,
ob es eine Perfon mit einer fo niederträch-
tigen Denfungsart geben koͤnne — Ich
wünfche es mit ihnen ; daß wir zu dies
fer haͤßlichen Abſchilderung nirgend ein Ur⸗
Aa5 bilb
3785 Thereſie und Eleonore,
bild anträfen! Aber, wenn ich Sie nun
auf meine Ehre verfichere, daß es mehr
als eine Erine giebt, bie auf die fchänd-
lichfte und hinterliftigfte Art der unbehut—
famen Empfindlichkeit Schlingen legen ?
daß diefe Brine, bie, um zu ihrem Ends
zwecke zu gelangen, erft ein getreues Weib
dem Abgrunde zuführte, Feine erbichtete
Perſon iſt? Sie werden über die Gefahr,
der die Tugend ausgefegt iſt, feufgen,
wie
ihre Freundinn Cecilie.
J
VI
Sich, wie der fteife Ernſt, der ekle Zwanz,
Die dumme Dürftigkeit, die nichts begehrt,
- Als was fie Hat, der Väter Rauhigkeit
Und grobe Sitten fich geändert hat. |
Befreyung von Theben.
N. Alten lobten die Zeiten ihrer Ju—
gend , die Jugend ſchilt die Zeiten, bie
vor ihrer Geburt hergiengen. Die erflern
find für dag, was fie genoffen haben, die
letztere ift für dag, was fie genieffen will.
Wie wir e8 unfern Großältern machen,
ſo
— a ut 2
Therefie und Eleonore. 379
fo haben fie e8 den ihrigen gemacht, und
unfre Enkeln werden e8 uns auf eben
dieſe Weife vergelten, Diefer Krieg ift fo
alt, als das Menfchengefchlecht: und nach
einer gemwiffen verjährten Sage, mußte Eve
fchon fehr vieles dagegen einzumenden ,
daß Banag, ihre Späterenfelinn, fid
die fhönen langen Haare geflochten, und
in einen Bund aufgefteckt hat. Die Welt
verfchlimmert fich mit jedem Geſchlech⸗
te, fprad) fie zu Adam, die Menfchen:
töchter tragen foger geflochtene gaa⸗
te — Die leppichteitspuppen tragen
fogar bloſſe galfe,, fagt eine Eva unfrer
Zeiten, weil ihre Zeit, den Hals bloß zu
tragen, vorüber if.
Man fagt, es habe fid) in der Unter—
welt zwiſchen Thusnelden, und der nicht
lange verfiordbenen Ggerzoginn .. .. ein
heftiger Streit entfponnen, ber bie Auf⸗
merffamfeit des ganzen Kliſiums an fich
gezogen, und zuletzt bis vor die Berfamm-
lung der Götter gedrungen wäre, Die
Zänferen diefer Weiber hätte für die Stille
des ruhigen Elifiums zu gefährlich wer—
ben fönnen : daher ward im Dlimp be=
ſchloſſen, Merkurn an fie abzuſenden,
da⸗
380 Therefie und Eleonore,
damit er ihre beibfeitigen Grinde und
Beſchwerden aufnehmen, und dem oberen
Rathe zur Entfcheidung vorlegen Fönnte,
Merkur verrichtere feinen Auſtrag, hörte
die beiden Streitenden ab, und legte ber
Götterfhaar darüber ein Protofoll vor,
davon man fo glücdlid war, die erfte
Sitzzung in Abfchrift zu erhalten.
Den 13. des Monats Thargelion.
„Nachdem dem Götterrathe die Strei⸗
tigfeiten zu Ohren gefommen, die fich zwi⸗
fchen Thusnelden, der Firftinn der Kat⸗
ten, und der Berzoginn +... über ben
Vorzug ihrer Zeiten geäuffert hat, und
diefe Streitigkeiten fehr das Anſehen hats
ten, auf eine langwierige Spaltung des
plutonifhen Reichs binauszulaufen , bin
ic) Merkur befehliget worden ‚ die Bes
ſchwerden und Gegenbefchwerden zu ver—⸗
nehmen , und hieruͤber vor ber hellglaͤn⸗
genden DVerfammlung der Götter unpars
theyifchen Bericht abzuftatten. In diefer
Abſicht Habe ich fogleich meine geflügelten
Halbftiefeln angezogen, und meine Nechte
mit dem Schlangenftabe bewaffnet: und,
nachdem ich meinen erfien Ausflug auf die
Spi⸗
Therefte und, Eleonore, 381
Spitze des Piko di Teneriffa genommen,
fam ich von da mit unausgefegtem Fluge
an der Pforte deg Erebus, den ich, fo
fehr ich Merkur bin, nicht ohne Schau:
dern durchwandere. Endlich bin ich in
dem Site der glüclichen Seelen ange:
langet — Hier fand ich alles in Bewe—
gung, wovon ich die Urfache ganz leicht
einfah; und, um fernerer Unordnung vor—
zubeugen, durch Stentorn, *) den ich
zu diefem Ende eigens mit mir hergebracht,
bie freitenden Prinzeflinnen vor mich las
ben hieß. „
„Sie famen, Thusnelde zuerfi, in
ihrer einförmigen Kleidung, ohne anders
Gefolg, als eine Magd, auf die fie fi)
vertraulich Ichnte. Bald darauf erfchien
auch die Herzoginn , auf das Foftbarfte
angethan, von einem Kammerdiener ge:
führet , der nicht über achtzehn Fahre,
und in ihren Augen eben fo viel zu bedeu⸗
ten haben mochte, al® gebe in den Augen
unfer8 Zevs. Ihre Kleidung ſchleppte
| URL weit
) Ein Ausrufer beim ſomer, der ſo fehe
ſchreyen konnte, daß ſein Namen ein Aus—
druck, einen Schreyhals zu hezeichnen, ge—
blieben it —
382 Thereſie und Eleonore.
soeit hinter ihr auf der Erde, „und fegte
den Boden, daß fi eine Staubwolke da=
von erhub, Aber als fie näber famen,
hub der. eine ihrer Begleiter das Aeuſſer⸗
fie ihres Kleides empor , und trug es auf
ſolche Weife hinter ihr her. Ein- Haufe
von Bedienten folgte ihr nah, alle wohl
gebauet, mit breiten Schultern, ſtarken
Waden, jung, und gut genaͤhrt. Als
beide Damen einander im Gefichte fian-
den , drückte jede ihren Widerwillen ge—
gen die andre auf verſchiedene Art aus.
Die altdeutfche Fürfinn fah mit ernſthaf⸗
tem Widerwillen auf ihre Gegnerinn, und
wendete von ihr fchnell des Geficht ab.
Die gerzoginn hingegen maß Chuenel-
den von Kopf big zu den Füffen mit einem
verächtlichen, bemitleidenden Blicke. Man
ſah deutlich, daß die erftere umvillig war,
die. andere ſpottete. 4.
„ Prinzefiinnen, hub id) darauf an,
der Götterratb bat mich abgeordnet,
ihre Streitigteiten beizulegen , und,
wenn es möglich iſt, fie miteinander
zu vergleichen, denn ihr Zwift ift dem
ganzen Elyſium Uergernif, Aber da=
mit alles ordentlich vor fich gebe, ſo
er:
Thereſie und Eleonore. 393
erſuche ich Sie — ich glaubte nicht, dem
Anſehen eines Richters etwas vergeben su
"haben, menn ich gegen das fchöne Ge:
‚Schlecht die Sprache der Höflichkeit brauch⸗
te — mir den Urſprung ihres Streites
auf das Fürzefle vorzutragen, auch
übrigens auf dasjenige, was ich etwan
fragen möchte , Befcheid zu geben;
Thusnelde ! fagen Sie mir, wie fieng
ſich ihre Uneinigkeit any,
CThusnelde. ,, Diefes Weib, die nicht
lange in unfern Gegenden angelanget ift,
nennte ſich eine Gerzoginn der Deutfchen,
und ließ, ehe fie noch anfam, durch ei—
nen Abgeordneten, die erfte Stelle unter
ung verlangen. Man befchied ihn, in der
Unterwelt höre aller Rang auf; bier wär
ven «die Gemeinen und Fürftinnen gleid) ;
nur die Tugend gäbe einen, von allen frey=
willig erkannten, und gerne eingeraumten
Borzug. Der Abgeordnete fhürtelte den
Kopf , als fchien er für feine Frau auf
biefes Bedingniß nicht eben den erften Plat
zu hoffen. Die ganze Sefelffchaft war bes
gierig, den rangfüchtigen Schatten zu er—
blicken, Er Fam in eben diefem fonder:
baren Anputze, Merfur, mie du ihn bier
vor
384 Therefie und Efeonste,
dor dir erblickeft , mit einem Reifrocke,
ber zwifchen den Gefträuchen,, welche die
Selder diefeg feligen Aufenthalts anmuthig
machen, nur mit Muͤhe und Angſt hindurch
kriechen konnte, und ihrem ganzen Wuchfe
ein recht abentheuerliches Anſehen gab;
Ihre Haare waren ruͤckwaͤrts empor ge-
fhlagen, und an beiden Seiten in Klum:
pen zufamgerollet; an der Stirne fiunden
fie in eine uncbenmäfftge Höhe gethuͤrmet
empor. Ob fie gleich fo gut als jede andre
don ung todt war, fo hatte fie dennoch
nicht die blaffe Farbe, welche die Entſee—
fung über unfre Gefichter zu verbreiten
‚pfleget ; fie war, weis wie Kalf, und
roth, wie der Purpur, den ich in meinem
Leben auf der Oberwelt zu tragen pflegte,
Kaum daß fie im Etande war, zu gehen,
und ſich auf ihren Füffen zu halten ; fie
hatte ihres Führers hoͤchſt nothwendig,
und als ich nad) der Urfache ſah, fand ich,
daß ihre Fuͤſſe zu dem Leibe ganz nicht im
Verhaͤltniſſe kunden, und durch eine Ark
von Schuhe auf eine recht jämmerliche Art
jufammgepreffet waren — Cie war faum
unfer ung angelanget, als fie fich auf die
Nafenfige, welche hie und dort errichtet
| find,
a a un
Therefie und Eleonore, 385
find, niederwarf, und einen Sad von eis
nem aus ihren Gefolge reichen ließ, den
fie auf ihrem Schooffe hinbreitete. Sie
öffnete ven Sad, und that nichts anders,
als daß fie glänzende Fäden zwifchen ihren
Fingern bin und her wälzte, und mit einer
fteifen Miene ung übrigen Schatten , die
wir uns, bald auf diefe, bald auf jene
Art befchäftigen, zuſah. Die fonderbare
Yufführung der neuen Anfömmlinginn zog
gar bald um fie einen Kreis sufamm, wor⸗
unter ich mich felbft befand. Sieb Thus-
nelde! fprady ein nachbarlicher Schatten
zu mir , diefe fonderbare Perfon ift aus
deiner Derwandtfchaft — Unmoͤglich,
gab ich zur Antwort, ich erfenne fein ein
ziges Merfmal meines Gefchlehts. Ach
fprach noch eben die legten Worte, als
fich eine Anzahl männlicher Schatten hers
beifand, mit welchen diefes Weib im er—
ſten Augenblicfe fo vertraulich that, als
wäre ihre Bekanntfchaft von jeher. Sie
lehnte ſich bald auf dag freyefte auf den
einen , ließ fich von dem andern etwas
in die Ohren fliftern,, und flifterfie ihm
fogleih zuruͤcke, aͤugelte mit. einem
dritten , und mußte jedem in die Reihe
IV, Theil, Bh et:
386 Therefie und Eleonore,
etwas zu thun, zu fagen, zu zeigen, das
thre dringende NAemfigfeit, mit welcher fie
um fie bemüdet waren, zu belohnen fchien.
Da der Schatten, ber mir Anfangs ihre
Verwandtſchaft vorgeworfen hatte, noch
immer gegen mich fortfuhr, fo wollte ich
ihn endlich feiner unbilligen Muthmaſſung
überführen. Ich näherte mich der Unbe—
fonnenen, und fragte fie auf das verbind>
lichte um ihren Stand, ihre Herkunft. „
Die gerzoginn,. „, Und ich gab zur
Antwort : ich fen aus dem ruhmvollen
Gefchlechte der Fürften ... entfproffen-
Wie die Gipfel der hoͤchſten Berge fich in
den Wolfen verlieren, fo verliert ſich der
Adel meines Haufes in dem Alterthume,
und meine Ahnen fteigen bis‚an die Gerz
manne zuruͤcke — „
Thusnelde. ,, Das fagteft du: aber
hatte ich, o Merkur, nicht Grund, ihren
Reden feinen Glauben beisumeffen , da ich
an ihr nicht die geringfte Spur von ben
Sitten meines Gefchlechtes, nicht die ges
ringfte Spur von den Sitten ber Deuts
fchen wahrnahm, die felbft unfre Feinde,
die Roͤmer, zu bewundern, nicht Umgang
nehmen fonnten ?— Diefes fagte ich ihr,
und
ER
Therefie und Eleonore. 387
und zog ihre Vorgeben, rote wohl auf eine
ganz befcheidene Art, in Zweifel Es ift
nicht möglich, daß unſre Enfeln fo fehr '
Bon den Sitten und Gewohnheiten ihrer
Vorfahren abgewichen feyn follten, daß
ic fie gang zu verfennen , gezwungen
wäre z | IR
Die Herzoginn. „Wir find von den
gröberen Sitten unfrer Vorfahren abge:
wichen, und haben ung verfeinert — gab
ich zur Antwort — Und id) bin übergengt,
Thusnelde felbft, wenn fie zugegen waͤ—
re — „
Thusnelde. ,, Run, ich war es, und
‚fagte e8 ihr — „
VIL
Der leere Franzmann pfeift und fchneider Has
beiolen ,
Der römifche Kaſtrate fingt,
Der Dritte laßt am Strang fih Miltons Ten:
fel Holen,
Der Deutfhe, was thus der ? er trinke!
Weiffe.
Dos doch die Schriftfteller und Dichter
fo unabfönderlih an der alten Sage Fle-
ben bleiben, und immer einer ben andern
2: Bb2 wie⸗
388 Thereſie und Eleonore.
wiederholt! Vor fo vielen Jahrhunderten
fagt ein geroiffer römifcher Gefchichtfchrei=
ber, der nie in Deutfchland einen Fuß ger
fest, ganz treuherzig: die Deutfchen find
Säufer : ihre Berathfchlegungen ge—
hen gemeiniglich bei vollen Bechern
vor: und dergleichen Dinge mehr, ba:
rüber ich mich nicht zanfen will, ob fie
einft wahr gemwefen oder nicht. Seit ber
Zeit fchreiben alle Gefchichtfchreiber, alle
Dichter, alle Erbbefchreiber, nach: der
Deutfche trinkt! und andre Nationen
find treuherzig genug geweſen, uns. in
dem Beſitze diefes Nationalsvorzuges zu
laffen.
Ach habe in der Silderfammlung der
Sräfinn. ... ein Gemälde aus der venesia=
nifchen Schule gefehen, wo e8 dem Herrn
Maler beliebt hat, auf einem andern Wege
zu wandern, und fich über ung arme Deut»
fche Iuftig zu machen. Es war eine Zus
fammfegung der Nationen. Der Eng⸗
Länder ftand mit Bewunderung vor ei—
ner Schilderen , auf welcher Kato vorge—
ftelle war, der Platond Buch von der Un—
fterblichFeit der Seele — es war auf dem
Buche angezeichnet — vor fich baffe, und
mit
u a ee ER
Wa Zu N An
Therefie und Eleonore. 389
mit der ruhigen Miene des Stoikers den
Dolch unter feinem Haupte hervorlangte.
Der Engländer hatte eine Piftole in der
Hand, und fchien fid) vor diefem Bilde
Much zu der groffen Unternehmung des
Selbfimordes zu fammeln, Nicht ferne
von ihm faß ein Mann, der Prozente be—
rechnete, und auf alles, was fonft um
ihn ber vorgieng, wenig zu achten fchien.
Aus feiner einfachen, fchlechten Kleidung,
und einigen Briefe mit der UÜberfchrift &
Amfterdam, die vor ihm auf dem Tifche
lagen, zu urtheilen, war es ein Holländer.
Der Franzos ftand, leicht gefleidet, auf dem
einen Abfage , und fchien fi im Wirbel
herumdrehen zu wollen. Den Deutfchen
vorzuftellen,, hatte -der Maler den befon=
dern Einfall, ein nach Art der Sängerins
nen oder Tänzerinnen gefleidetes Weib zu
ſchildern, die den einen ihrer Arme ganz
um den Leib eines zärtlich auf fie hinüber
gelehnten Mannes herumgefchlagen hält,
fo, daß die Hand ihres Lieblings , wie er
zu ſeyn fcheint, in die ihrige zu liegen
koͤmmt. Diefe Hand ift nicht müffig ; fie
befchäftiget fi, von der Hand des Lieb-
habers einen koſtbaren Ning herabzugleis
B37 60
390 Thereſie und Eleonore.
ten , da die andre ruckwaͤrts eine volle
Geldboͤrſe in die Höhe hält, wornach ein
bejährtes Weib langet, die mit dem halb
vor den Mund gelegten Finger und einem
nach der halboffenftebenden Tafche bes
Mannes gemendeten lächelnden Blicke zu
erkennen giebt, woher dieſes Geld ges
fommen fey. Auf dem Tifche liegen Uhren,
Dofen „ und andre Foftbare Gefchmeide,
auf welche die Bublerinn ihre Augen fteif
beftet. Der Liebhaber figt indeffen vor
Liebe trunken, feinen Blick gegen: das Ans
geficht des Weibes gefehrt, und hält mit
der Linfen foralos einen Becher vor fich
empor. Ach habe an dieſer Vorftellung
befonders- noch den Einfall des Malers
finnreich gefunden, daß er unter den Tifch
einen Affen, mit Knabenfleidern angetban,
binfeget, der dem ganz gefühllofen Liebha-
ber die Schubfchnallen auslöft. Die file
zichte Raubſucht diefer Harpyen koͤnnte mit
feinem ausdruckvollerem Zuge bezeichnet
werben.
Es ift Zeit, daß Deutfchland fich ſelbſt
zu adeln anfängt, und diefe gemeine, poͤ⸗
belhafte, mwohlfeile Untugend des Trunfes,
gegen edlere, und Foftbarere Lafter zu vers
tau⸗
—
ee ar DE VVVV08
Thereſie und, Eleonore. 391
taufchen anfängt. Wir waren lange ges
nug der Spott der Nationen, und die
fchon feit ihres groflen Ludwigs big auf
die höchfte Stufe der Artigfeit geftiegenen
Sranzofen hielten lange genug die beiden
Wörter dumm und deutfch, für gleiche
bedeutend. Kure Sitten, fpradhen Sie,
mit denen ihr euch fo viel wifler, find
nicht die Solgen eurer Tugend , fie
find-die Wirkung eurer natürlichen Un-
wigigfeit. Ihr feyd nicht fein genug,
Lafter zu begehen , welche Derfihle-
tenbeit, Verbindung, Zunftgriffe, Ent
fchloffenheit und Beharrlichkeit, welche
Entwürfe zur Unternehmung, Zriegs-
liften in der Musführung fodern! Yört
man unter euch von den feltnen Strei-
chen , die die franzsfifche Galanterie
von einem Ende der Erde bis zu dem
andern berühmt, und felbft dem Serail
des Großtürfen zum einzigen Muſter
gemacht haben gört man unter euch
von fo fein hinterführten Ehemädnnern,
von fo prächtigen, und ruhmvollen Un⸗
treuen, von fo glüdlichen als Fühnen
Entehrungen der Zamilien, wovon man
bei uns täglich, nicht unter der Blü⸗—⸗
Bb4 the
392 Thereſte und. Eleonore.
the und Bhre der Nation, den Adelnur,
ſelbſt unter dem Haufen der gemeinern
Bürger tägliche Beifpiele aufweifen
Fanny Bat ein fchwerfälliger, bedacht
famer Deutfcher das gerz, ſich unter
den Helden Cytherens durch feine und
der. Beinigen Zugrundrichtung eine
Bildfäule zu verdienen Y Bei uns ge—
bören alle diefe Sachen zum Tone der
artigen Gefellfchaft. Wenn man mit
etwas Ruhm in die Welt eintreten
will, fo muß man vorber fein Meifter-
flüd in diefer Gattung abgeleget ha—
ben: und alles mit einem Worte zu
fagen: wir haben ſogar Lehrbücher da⸗
rüber , da der Deutfche nur feine ver-
altete Tugend in Spfteme bringt.
Man fol uns diefe Vorwürfe nicht
länger machen. Der Augenblick fcheint ge=
fommen zu feyn, da wir, nicht nur unter
den polisirten Voͤlkern einen Rang bes
haupten, da mir vielleicht bald mit Unter—
fcheidung das Haupt emporheben , und
ihnen den Vorzug ftreitig zu machen, fähig
ſeyn werden. So eilen wir mit groffen
Schritten der Vollfommenheit zu. Die
Demeife durch Thatfachen überführen weit
mehr
Therefie und Eleonore. 393
mehr als trockne Schlüffe. Man laffe die
Hrtigften aus der artigften Nation diefen
eingefendeten Brief Iefen, und fie werben
gerne geftehen, daß wir Hoffnung haben,
unfre Vorgänger und Urbilder noch zu über-
treffen.
Gechrte Schriftftellerinnen !
, Bielfeicht lieft meine Lukrezia diefe
Blätter, wenn fie anders von Tugend und
Züchtigfeit ffrogen , und zum Einfchlä-
- fern ehrbar find! Laffen Sie mid) einen
Gebrauch davon machen, der ihrer erbau«
lichen Abficht ganz gemäß ift, einer un—
ausftehlich tugendhaften Battinn Nach:
richt von ihrem entwichenen und für fie
ewig verlornen Manne zugubringen, und
fie ihres Unglüdg zu vergemwiffern, wovon
fie vieleicht wahrfagende Ahnungen ge:
habt, oder auch durch einen ſchwankenden
Ruf etwas vernommen haben möchte. „,
„ Fa Mabame! Sie dürfen nicht mehr
anftehen, e8 zu glauben, ihr Mann ift an
Leib und Vermögen zu Grund gerichter.
Eie follen umftändlich von allem Meinigen
und dem Ihrigen Rechnung erhalten ; nicht
als ob ich 68 bedauerte, nein! hat ein
Bb5 nicht
394 Thereſie und Eleonore,
nicht unerfchöpfliches Glück meinen, mie
Sie es zunennen belieben werden, Aus—
fchweifungen Ziel gefeßt, fo hat es mir
doch den Willen nicht rauben fönnen, dem
Vergnügen der Liebe heute noch taufend
Vermögen, tauſend Gefundheiten aufzu—
opfern, und immer wieder von vorne an=
zufangen, wenn der Neichthum, wie ein
Antäus, auch neue Kräfte fchöpfte, fo oft
er zu Boden gefchlagen wird. Sie follen
nur darum von allem unterrichtet werden,
damit Sie niemanden an der Ehre, Sie '
mit ihren zwey Kindern an ben Bettelftab
gebracht zu haben , Theil nehmen laffen.
Goͤttliche Cidalife! da ich auf deinen Al=
tären nicht mehr Gefchenfe nieder legen
fann, fo ſieh wenigfteng diefe rege Freude,
dir alles, was fonften Menfchen theuer
it, Ehre, Gefundheit, Vermögen, und
felbft mein Blut , meine Kinder geopfert
zu haben? „,
„ Sie fennen meine Gottheit: ich babe
ihr mit der volfommenften Gelbftverläug-
nung alles übergeben. Ahr Silber und
Vorzelanferpis, Madam, dienet nun zu
eblerm Gebrauche: und die güldne Schale,
die Ste von ihrem Vater zum erften Wo—
chen⸗
Therefie und Eleonore. 395
ehengefchenfe empfangen haben , ift zur
Dpferfchale geheiliget, woraus Venus Am-
brofie trinket. Ihre mit Brillianten ver—
feßte Uhr ziert die ſchoͤnen Hüfte, und ihre
dazu gehörende Dofe wird fündlich, und
augenblicklich! von den fchönften Händen
befühlet. Durch ihre fchöneren Kleider habe
ich die Neige verhuͤllet, die die Welt zu
erblicken unwürdig iſt: und ihre Brabant:
ner Spige find von dem Glanze der Haut
befchämet, die ich dadurch zu zieren glaub-
ke 94
„ Zürnen Ste immer Madamel ihre
Ninge, ihre Juwelen, und auch die meis -
nigen , alle find in den Händen Cidali—
feng. Sollte ich die Focen, die ſchwaͤr—
zeften Locken , den Hals von Alabafter,
bie Hände, die nur gefüßt zu werben ge=
fchaffen find , ohne diefen Zierath gelaffen
haben: und Sie, Sie Madame hätten
darin prangen follen ? Eidalife foderte es:
ic war feinen Augenblick unentichloffen ,
welche aus beiden derſelben entbehren
ſollte? —
„Ich würde Cidaliſen die Aufwar—
tung der ganzen Welt erkauft haben, waͤre
mein Voͤrmoͤgen meinen Wiufchen gleich
ges
396 Thereſte und Efeonore.
gemefen. Ich habe gethan, was ich Fonnte,
Sie hatte ihre Bediente , ihre Kamer—
mägde und Jungfern, ihren Kamerdie—
ner, ihre Kutfche und Pferde, alles nicht
nach ihrer Würde, aber mwenigftens nad)
meinen Kräften. Du weinteſt, als ich bie
die Pferde abfchaffte. Madame! du fonn-
teſt mit deinen Kindern leichter zu Fuß
‚geben, als dieſes Goͤtterkind, deren Füffe
täglich das Entzücken der Welt waren —
War es etwan unbillig, daß ich bein Haus-
weſen bis auf eine Magd, und einen Bes
dienten herabfegte ; ich fonnte nicht. für
beide zureichen — Was endlich an biefer
Bedienung mangelte, erfeßte ich — id),
Cidalifens Sklav, der feine Gebieterinn
auf den Knieen bediente. „,
„, Mit einem Worte: ich that was ich
konnte, damit ihre Tafel, dem Gaftmale
der Götter , ihre Wohnung dem Auf
enthalte der Goͤttinn von Gnidus wenig⸗
fteng in etwas Ähnlich fam. Es war nd-
thig, die Gottheit mir vor andern durch
die Gröffe meiner Gaben geneigt zu erhal-
ten, und alles dag zu gewinnen, was ſich
ihr näherte. Ich erfchöpfee erft mein Baa⸗
reg:
en a En .
Thereſie und Eleonore. 397
res, dann verpfändete, verkaufte ich, was
mein war, was dein war, was meinen
Kindern follte, fur; alles, was ich hatte,
und nicht hatte; und, Dank fey eg der
fiebe, und meinem Eifer, ich hatte die
weiſe Vorſicht, mich fo tief in Schulden
zu ſtecken, daß ich fie nie zu bezahlen im
Stande bin, mithin es mir nie an ver-
gnügender Erinnerung an die entzückend-
ſten Stunden fehlen ann, die je ein Menſch
hienieden genoffen,, und die ein Borges
ſchmack des Elifiumg find. ;,
„ Wenn Sie das Weinen ihrer Toͤch—
ter, die meine Verſchwendung — denn fo
werden Sie die wohl angebrachtfte Frey⸗
gebigkeit heiſſen — zwingt, Dienſte zu
ſuchen; wenn ihre Einſamkeit, ihr gegen⸗
waͤrtiges Elend, und ein kuͤnftiges noch
weit groͤſſeres, wenn Sie das Andenken
an mich, dem Sie mit zu gewiſſenhaf⸗
ter Treue zugethan waren, niederſchlagen
will, ſo richten Sie ſich mit dem Gedan—
ken auf: mein Mann hat Aufſehen in
der Welt gemacht, und es den größten
Herren gleich gethan! Diefer Nachruhm
iſt mir unendlich theurer, als der traurige
Nr
398 Thereſie und Eleonore. ”
Namen, eines Vaters von tugendhaften
Kindern, oder der noch fraurigere
| ihres Mannes, Fr» v.
gellwing.
Er
VIIL
Der Hoffnung Gögenbild wird dich zulegt
beteligen.
Drollinger.
Sine Erzählung
in jmwenfingerbreiten Verſen.
Un EClianten.
Freundin: das Vergnügen
Iſt mit dir entflohen;
Und an feine Stelle
Tritt am frühen Morgen,
Mo ich fonft dir Fröhlich
An den Bufen eilte;
In den Abendftunden ,
Wo ich dir zur Geite
Unfers Freundes Lehren
Las und ftärfer fühlte;
in der dunfeln Laube,
Die
Therefie und Eleonore, 399
Die nun einfam trauert,
Und ohn' ihre Sreundinn ,
Auch für Eleonoren ,
Eich vergebens wölber,
In den sden Zimmern,
Wo ich dich vermiffe,
Sin dem ganzen Haufe,
Und in meinem Herzen,
Das nad) dir fich ſehnet,
Tritt ist, ſtatt Vergnuͤgens
Sram und finftre Laune —
„, Mädchen ! bift du thoͤricht,
Sprach” id, mich zu tröften,
Durfteft du erwarten,
Daß ein fchönes Mädchen
Sich um deine Grille
Auf das Land vergrübe,
Und der Luft entfagte,
Sich von Süßlern: *) Gsttinn !
Gra⸗
) Ich habe auch einmal Luſt, mich um die
Sprache durch einen Beitrag verdient zu ma⸗
hen, und diefen Beitrag will ich dazu noch
ang der öſterteich ſchen Mundart holen. Man
het ein im Volksdialekte gewöhnliche Wort
Sienzler, welches einen Menfchen bedeutet,
ber ſich einzufchleihen,, und Tone und Ge—
behrden fanft zu machen ſucht. Ich glaube
el⸗
400 Thereſie und Efeonvre,
@razie! und Venus!
Dft genennt zu hören,
Und von. Äberftäubten
Auf und um belockten
Aber Ieeren Köpfen
Angebet’t zu fehen ?
Konnteft du erwarten — ,,
Fuhr ich fort zu reden, |
Als ein fanftes Zächeln, |
Wie der Hauch des Sephirs,
Der durch Blumen gaufelt,
Und den Duft der Roſe,
Die er ist gefüffet,
—
Gau⸗
eine Aehnlichkeit mit dem Worte Doucereux
darin zu finden, und nicht unrecht gu ur-
theilen,, daß dag Wort Süßler heiffe, und
nur durch die Ausſptache fo verſtaltet ſey —
Eleonorens Beitrag bat die Sprache wirk⸗
Lich bereichert; denn das Wort Suüßler ıft von
mehr als einem. Schriftftellee aufgenommen
worden. Der vom ihr gegebene Fingergeig
Bann noch weiter benlige werden. Das Dolf
gebraucht ſich des Worts Sienzeln auch als
eines Zeitworts: Süffeln alfo wäre eine
vorteeffliche Erwerdung , um Edrnigt , eigen-
thümlich mit einem Worte zu fagen: faire
le doucereux, |
Der Herausg.
Therefie und Eleonore. 401
Gaukelnd vor ſich hertreibt,
Meinen Blick an ſich zog —
Welch ein Schauſpiel! Amer,
Nicht der fchlaue Krieger,
Der mit Pfell und Bogen
Dft bei Tanz, und Spielen
Oft auch vor dem Altar
Auf die Mädchen laurer;
Amor, unbewaffnet,
Sanft, vol Unfhuld, zärtlich,
Wie einft in der Kindheit
Diefer Welt, die Götter
Unſchuldvollen Menfchen
Ihn zum Troft gefender,
So fland Amor vor mir —
Dennoch fchreckt fein Blick mich ,
Und ich wollte fliehen ;
Als mit heiterm Blicke
Er mid) fanft zuruͤckhielt:
Flieh mich nicht, o Mädchen !
Sprad er — flieh nicht Amorn!
Ihm enttömmt Fein —“
Er hat Elianten
In der Stadt ereiler,
Wohin fich die Stolze
Meinen Sieg zu trogen,
Kur umfonft geflüchtet ;
IV. Theil, Es _ Denn
Therefie und Eleonore. -
Denn in ihrem Gerzen
Trätgt fie tief die Wunde,
Strdubt fich nur vergebens
Begen ihren Sieger —
Himmel! — ruft? ich zitternd;
Wer ift er, der Sieger
Meiner Freundinn ? Lächelnd
Sprach der Gott ber Liebe:
Baft du nicht bemerfet,
Wie ein fchöner Jüngling,
Der mir Amorn gleicher,
Ihren Blick auf fich z0g Y
Doch fobald fein Auge
Ihrem Aug? begegnet,
Sant ihr Bli zur Erde:
Denn das eitle Mädchen
Schämer fich zu Lieben,
Tauſcht fich ſelbſt, und pralt noch
Mit der güldnen Freyheit,
Die fie lLäneft verloren —
Diefer ſchöne Jüngling
Iſt der Ueberwinder
Ihres ſtolzen Herzens —
Amor fprach noch weiter:
güte dich o Mädchen,
Meiner Macht zu trogen!
Ungeflraft trotzt Amorn
Selbſt
Therefie und Eleonore. 403
Selbft nicht Zevs; auf feinem
Güldnen Götterthrone
Schützt ihn nicht der Donner
Gegen Amors Wunden —
Hier verfhmwand er, und ihre Freunz
binn weis nun bie Urfache, warum Sie
nicht länger dag Niefeln ber Bäche, und
das Rauſchen der Wälder, und den Schmelz
der Fluren reizend, warum Sie dag Land—
leben zu einförmig gefunden, und fo fehr
nach der Stadt geeilet haben. Unaufs
richtige Freundinn! man kann alfo hin⸗
ter ihre Geheimniffe nicht. fommen, wenn
nicht ein Gott ſich die Mühe giebt, Sie
zu verrathen ? Ich will gleiches mit gleis
chem vergelten, und Sie follen von mir
nicht erfahren, was feit ihrer Abweſenheit
mit mir für eine Veränderung vorgegan-
gen if. Sie follen in einer langen fol—
ternden Ungemwißheit bleiben, durch wel—⸗
ches Wunder ich fo plöglich zu einer Dich-
terinn geroorden, die in einer halben Stun«-
de hundert und einen Vers niedergefchrie-
ben, und fogar ſchon Göttererfcheinungen
hat — Waß für eine finftre Miene ?
Ich fehe wohl, es wird mir ſchwerer
werben, mein Geheimniß vor Ihnen zu
€c2 vers
404 Thereſie und Eleonore.
verbergen, als e8 Ihnen geworden, mit
ihrer ftillen, beuchelnden Miene mir ihre
feimende Zumeigung zu dem fchönen Jüng⸗
Linge zu verheelen—fhönnennte ihn Amor,
und Sie Fönnen über den Lobſpruch, den
eine Gottheit ihrer Wahl ertbeilet , ein
wenig aroß thun — Heitern Sie ihr Ges
ficht auf! ich mischte nicht gerne eine Ver⸗
wäftung in diefen liebreigenden Zügen ans
ſtellen! heitern Sie fich alfo auf, und Sie
follen den. Augenblick erfahren ‚ welcher
Zufall mich fo fchnell in eine Dichterinn
umgeftaltet hat, mich, die ich fonft eben
fo wenig zu Verſen aufgelegt war, als
Sie, wie Sie fagten, zum Lieben.
Ich war in einer Gefellfchaft von ſchrei⸗
benden Gefchöpfen. Sie wiſſen eg, über:
haupt find diefe Art Leute nicht fehr ges
fprächig, wenn man fie ein wenig aus ihr
rem Kreiſe beraustreibt. Hingegen find fie
auch nicht zum Schweigen zu bringen,
wenn e8 auf Handmwerfsfachen anfömme,
Weil ich mich num eben zu ergögen Luft
hatte , fo Sffnete ich durch eine hingewor⸗
fene Srage viefen ‚Herren die Laufbahn.
Ale liefen fih aus den Athem. Da hörte
ich weiter nichts, als von Geſpraͤchen,
Ge⸗
Therefie und Eleonore, 405
Gedichten, Sabeln (darunter wohl weder
Klopſtock, nod) *** war) und was weis
ich, noch hundert andern Dingen mehr,
denen jeder, nachden: er ſich in einer oder
andern Gattung ſtark glaubte, einen Vor—
zug beilegte, oder fie herunterſetzte. Bor
allen unterfchied fich, ein fich ſelbſt fo nen—
nender anafreontifcher Dichter, der dag
Herz hatte, gomeren dem alten Tejer nach⸗
zufeßgen, und Klopfioden gegen *** einen
Schwäger zu fehelten. Die ganze Schaar
von oben fiel einmüchig über dieſen Un—
glücklichen her, und eg wäre zuletzt vielfeicht
zu einem Fritifchen Gefechte gefommen,
wenn nicht zu allem Glücde ſich jemand
aus dem Haufen der Zänfer befonnen
hätte, daß man wenigſtens meinem Ges
fchlechte einige Achtung bezeugen müßte.
Die ganze Geſellſchaft wendete ſich
darauf einmüthig an mich: und weil fie
mir, als einem weiblichen fchönen Geifte,
unter ihnen Siß und Stimme ertheilt hat—
ten, fo erfohren fie mich zur Schiedse
richterinn , ihre Streitigkeit durch mein
Urtheil zu enden. Ich war verwegen ge-
nug, dieſes Amt zu übernehmen; und nad),
einiger Ueberlegung fiel mein Spruch dae
€c3 hin
406 Thereſie und Eleonore.
bin aus: daß, da ich nicht das Herz hät:
te, zwo Zeilen, wie Klopftod, in meinem
ganzen Leben zu machen, ich folcher zwey⸗
fingerbreiten Verſe wohl hundert in ei=
ner halben Stunde niederfchreiben wollte.
Der Anakreontiker hieß diefes vermeflen,
und foderte mid) zur Erfüllung meiner Zu⸗
fage auf. Yundert und einen, fagte ich,
und hielt Wort — Gehen Sie! das ift
die Gefchichte diefes Briefs, der eben groß
genug ift, ein Blatt abzugeben; und zu
dem ich nur noch die erfte, die nächfte
Auffchrift zu wählen nöthig hatte, bie fo
wenig zu dem Inhalte fchicklich feyn darf,
als die Titel der Bücher es gewöhnlich
find — =
IX.
Sieh, wie der feife Ernft , der ekle Zwang
Die dumme Dürftigkeit , die nichts begehrt,
Als was fie bat, der Vater Rauhigkeit
Und grobe Sitten fich geändert bat.
Befreyung von Theben.
Fortfegung des VI. Stückes.
a Thuonelde. Meine Gegenwart machte
ſie nicht verlegen. Sie maß mich recht vom
Ko⸗
Therefie und Eleonore. 407
Kopfe bis zu den Fuͤſſen, und ein Lächeln
war der Dolmetſch des Spottes, deſſen
fie eine deutfche Herzoginn würdig ſchaͤtzte,
deren Anpuß fich fo wenig zu ihrem Stan-
de zu ſchicken ſchien —
„ Die gerzoginn unterbrad) Thus-
nelden mit einigem Gelächter. Aber, fagte
fie, geflügelter Goͤtterbot! mie äft eg moͤ—⸗
glich bei diefem Anpuge ernfthaft zu bleis
ben? fieh diefes Kleid, das von einem
Kleide der alten deutfchen Männer fo wenig
unterfchieden ift *) , die man bie .und da
noch zur Seltenheit auf Bildern aufbehal:
ten findet! Das Kleid einer Hergoginn
von Leinzeug, ohne allen anderen Zierrath
als einigen Scharlachlappen, dag fo genau
Cc4 am
*) Tacitus von den Sitten der Deutfohen 6..
Hauptſtück: Die Weiber haben Feine an
dere Rleidung, als die Männer, nur, daß
fie öfters ficb mit: Leinenzeuge bededen ,
welches mit Purpurfireifen geziert if, und
daß der obere Theil des Kleides nicht in Aer⸗
mel ausgedehnt ift, fondern die Arme und
den nächſten Theil des Bufens frey läßt.
Er fagt vorhero: fie unterfcheiden ſich —
mit einem engen Rleide, das alle Glieder
genau ausdrüdt.
408 Thereſie und Eleonore,
am Leibe figt, daß es bie ganze Bildung bes
Leibes ausdrücdt, ohne Aermeln, und wor
raus zween nackte Arme bervorragen, bie
ſich meine geringfte Folgemagd fo unver:
fchont zu haben, ſchaͤmen würde! — Glaubft
du wohl, o Merkur! daß die ganze Prin—⸗
zeffin thenrer als für fünfzeben Gulden
gekleidet worden ? und fie wagt es, ihre
ungef&hlachten Zeiten mit den unfrigen in
Vergleich zu feen „ wo fie Bürgerinnen
finden kann, die den Werth von einigen
taufend Gulden um ihren Hals , ober ih⸗
ren Kopf tragen , und es felbft unferem
Stande ſchwer machen, es ihnen im Ans
puge vorzuthun — „
Thusnelde, „, Tolles Weib! du olanz
beft alfo, deine Zeiten durch diefen unge
mäffigten Aufwand zu ehren? du fchimpfeft
fie und diejenigen , die darin leben —
Wie? du Hältft dafür, der Schmuck einer
fürftlicden Gemahlinn beftebe darin, daß
fie den Werth eines Fürftenthums auf ib-
ren Leib Hänger, und die niedrigeren Klafz
fen verzweifeln macht, e8 ihr jemals gleich
thun zu fönnen ?. woher fann dieſe Ver:
fhwendung anders, als von den Auflagen
des Volfes beftritten werden, die ein nad)=
ſe⸗
Therefie und Eleonore. 409
fehender Gemahl bis auf das unerfchwing:
lichfte erhöhen muß? Das ift alfo der
Vorzug , den du mir fo ſehr rühmeft,
daß die Unterthanen eurer Ehemänner die
Weiber ihrer Herren für ihr größtes Un:
glück halten müffen, da die unfrigen die
Ehen ihrer Fürften für den größten Segen
des Himmels hielten ? Dei ung mußte
die Fuͤrſtinn Weibern das Beyſpiel der
Sittfamfeit und Genügfamfeit feyn, sie
ihr Gemahl Männern das Beifpiel der
Zapferfeit, und Mufter, alles Ungemach
des Krieges zu ertragen, feyn mußte, ,,
Die gerzoginn. „ Vergeben mir euer
Liebden, und du Götterbott, wen ich
öfters bei diefen Neden ein Gelächter nicht
unterdrücden fann, dag diefe einfältigen,
fittenlofen Zeiten fo fehr verdienen! Wag
für eine feltne Art, fih von dem Pöbel
zu unterfcheiden ift diefe Eittfamfeit und
Zugend, darin e8 jedes gemeine, gemein-
fie Weib ung gleich thun fann, und wor:
in fie e8 ‚unfrem Stande wirflid fo weit
‚zuvor thun? Ich hatte mir zwar von dem
Verſtande der Alten nie vorthetlhafte Be:
griffe gemacht; aber, was ich von Thue=
nelden höre, übertrifft weit die Vorſtel⸗
a lung,
410 Thereſie und Eleonore.
lung, fo ich davon hatte — Wenn ich alfo
zu einem Haufen Weiber binzutrat,, fo
mußte ich diejenige für die vornehmfte hal»
ten, welche am einfachften, am züchtigften,
gekleidet war ? Wenigftens, fam da ber
Schmuck der Fürftinnen nicht fehr theuer
zu ſtehen: aber ich hätte auch um alles in
der Welt feine Perfon von hohem Nange
feyn mögen. Wie? ich hätte dem Vergnuͤ⸗
gen entfagen müffen, alle vier Theile der
Welt zu meinem Puße zinsbar zu machen ?
ich hätte nicht Millionen auf meinem Ko—
pfe, Millionen an meinem Halfe, nicht bie
auserlöfenften Stoffe zu meinen Kleidern
fragen, nicht durch meinen Anblick allein
Erftaunen und Neid erwecken, nicht zu—
wege bringen follen , daß jedermann aus—
gerufen hätte: das ift fürftlich! das
kann fonft niemand, als Sürflinnen Y
Glauben Sie mir, meine werthe Thus—
nelde! Sie würden bey unferen ferneren
Zeiten viele Miihe haben, daß fich eine
von unferen Frauen bereden ließ, eine
Fürftinn zu werden, um den traurigen.
Preis, die genügfamfte unter dem ganzen
Volfe zu fern, und fich nur durch Sitt⸗
famfeit zu unterfcheiden. Ich ſehe erg
ie
Therefie und Eleonore. 411
Eie find wegen unfrer Lebensart durchaus
im Irrthume: ich will die Mühe nehmen,
Sie darüber zu belehren, wenn Sie mid
geduldig anzuhören verfprechen. Aber ich
kann mich fo lange nicht auf den Füffen
Halten: fie fegte fich, und fuhr fort, Der
gemeine Haufen urtheilt nicht anders, als
nach Dingen , die in die Augen fallen:
es war alfo nothwendig ſich nach Merk-
malen umzufehen, die von diefer Eeite auf
ihn mwirften. Diefes machte und am erften
die Bracht der Kleidung unentberlich. Der
Poͤbel erftaunte , wenn er Schäge an ung
glänzen fah. Was für einen Begriff mußte
er fich nicht von dem Reichthume derjeni—
gen machen, die eine Summe an ihren Leib
verwenden konnten, welche alle feine Ein-
bildung überftieg! Weil der Neichtbum
bie Duelle alles Vergnuͤgens, und Ueber:
fluß des Vergnuͤgens, der Maafftab ift,
nah welchem bie Einbildung der Men:
ſchen die Gröffe abmißt, fo hielt man ung
nad) dem Maaffe über andre erhaben, als
man unfer Vermögen aus dem äufferlichen
Aufwande unerfchöpflich hiele — Darin
muß ich geftehen, haben unfre Männer ei-
nigermaffen einen Schler begangen , daß
| fie
—
412 Üherefie und Eleonore.
fie ihren Gemahlinnen durch ausdrückliche
Gefege nicht gewiffe Dinge vorbehalten
haben, die ihnen zur Unterfcheibung von
den gemeineren Weibern hätten dienen
fönnen. In der That, man fann es nicht
ohne innigften Berdruß anfehen, wann ber
bürgerlihe Stolz gang feine Schranfen
hält, und mit ung gleichfam wettlaͤuft,
wobei der Sieg nicht immer auf unfere
Seite fält. Sollten Sie glauben Thus—
nelde, daß e8 heute etwas ganz gemeine
ift, Weiber aus den unteren Klaffen mit
fo foftbarem Schmufe und mit fo ausges
fuchten Kleidern zu fehen, wodurch fie ung
anderen Frauen von Stand oft verbuns
feln — Nein! würden fie felbft gefteben ,
es ift äufferft unerträglich, wann die Ord⸗
nung aller Stände vermenget, und einen
alten Haufe nichts mehr vorausgelaffen ift,
wodurch e8 fih vom neuen Adel unter-
fcheiden koͤnnte. Kaum läßt jemand aus
unferer Klaffe fich mit einer Mode, oder
einem Foftbaren Aufwande irgendwo er—
blicken, fo muß man zu feiner Seelen—
fränfung ſich am naͤchſten Tage von eis
nem Weibe nachgeäfft finden, deren Mann
vor zehen Jahren vielleicht noch in einer
Bus
Therefie und Eleonore. 413
Bude die Waaren hervorlangte, oder bei
einer Gerichtfiele Schreiber war. Wir
haben vergebens zu Taufenden auf unfere
Mögen und Pferde verwendet, über die
Geftalt, die Zahl der Gläfer, und was
weiß ich, worüber noch gefünftelt. Die
Srau von, wie fie dann heißt, oder die
Baronnin läßt fi gerade fo ein Fahr:
werk machen, und gebt mit mir in glei=
dem Schritte. Wir haben nur die Mühe,
die Erfindfamfeit unfrer finnreichften alt=
adelichen Köfpe aufzubieten, damit diefe
geftrichen Edelleute Fommen, und fih da=
mit, troß der Ältften Familie brüften, und
blähen mögen. Vergebens haben wir eine
. Unterfcheidung in der Zahl unfers Gefol-
ges gefucher, und auf unfere Wägen fo -
viel Bediente gepadet , daß die armen
Dferde fie. beinahe nicht heranfchleppen
fonnten. ch glaube, der Stolz deg leo»
nifchen Adels hat die Hintertheile feiner
Mögen alles Fleiffes breiter und groͤſſer
machen laffen, damit er e8 und auch da—
rin zuvor oder wenigſtens gleichthun koͤn⸗
ne. Sie merben auf öffentlichen Spazier⸗
fahrten von Ferne Kutfchen erblicken, vie
wegen der zahlreichen Liverey das Anfehen
’ ha⸗
414 Scherefie und Eleonore,
haben, wenigſtens eine Gräfinn aus irgend
einem der ältften Häufer zu führen: die
Kutſche naht, und es fist recht adelich
bineingepolftert darin bie — Frau eines
. Wir hatten uns verabredet, die—
fen Rolsen, nachäffenden Puppen zu Trog
auf eine Zeit zu Fuß zu gehen, aber zum
- Zeichen unfers Vorzugs unfre Bedienten,
auffer eines einzigen , der. die Schleppe
hält , alle vor uns hergeben zu laſſen.
Wie lange blieben wir in bem Befiße dies
ſes Vorzugs? Urtheilen Sie noch ist aus
dem Vortrabbe der Liverey auf die Wuͤrde
der Perſon! Sie werden ſich auf das haͤß—
lichfte betriegen. Wer ift fie, diefe Dame,
die dort fich fo langfam heranwaͤlzet, daß
man ficht , mie fchwer ihr das Geben ans
fommen, und, wie die Mühe, ihren Körper
auf eigenen Beinen zu tragen, gar nicht
ihre Gewohnheit feyn müffe ? wer ? eine
raͤthinn, vieleicht nur noch bloß dem Tis
tel nach. Sie treiben es bald fo weit, daß
dag gemeinfte Weib, das nur einen eingiz
gen ſchmutzigen Bedienten hat, dennoch fo
eitel ift, feinen ganzen Hofftaat vor fich her⸗
treten, oder fich vielleicht von ihm gar an
der Hand führen zu laffen, da es doch nie
eig⸗
Therefie und Eleonore. 415
eignes Fahrzeug gehabt, und oft, nur noch)
vor ein paar Jahren nicht nur ohne Führer
gehen, fondern auch eine ziemlich ſchwere
Laft auf feinen neugeadelten Schultern tra
gen mußte. Selbſt das Innerſte unfrer
Haͤuſer ift vor diefen Affen nicht mehr fi:
cher. Wir haben offene Tafeln, fie deg-
gleichen: wir geben Gefellfchaften, fie des⸗
gleichen: wir fpielen zum Zugrundrichten
hoch, fie eben fo wohl: wir haben Em—
pfang und Befuchgepränge, fie haben das,
ihrige, nur daß e8 vielleicht noch fteifer ift,
als dag unfrige: wir empfangen um Mit:
ternacht unfre Freunde, bei ihnen wird eg
nicht früher ruhig: mir fchlafen bis an
Mittag, fie fruͤhſtuͤcken um zwoͤlf Uhr ihm
Bette: wir empfangen Befuche beim Nach»
tifche, fie desgleichen: wir haben eigene
Aufwaͤrter, die ung aller Orten begleiten,
fie haben die ihrigen: bei ung ift es Schan»
be gefund zu feyn: fie lagen beftändig über
PR, Wir fehen unfre Männer felten an-
derswo, als an der Tafel, im Schau:
fpiele, in einer Geſellſchaft, oder fonft an
einem dritten Orte; fie find um feine Mi:
nute länger um bie ihrigen: wir überlaffen
bie Erziehung unfrer Töchter frangsfifchen
Wir
416 CThereſie und Eleonore.
Wäfchermägden, die mir durch den bei-
gelegten Titel zu Gouvernanten erhöhen; _
fie entladen fid) der mühfamen Pflicht auf
eben die Weife: wir find um dag Haus:
wefen unbefümmert; fie nehmen eben fo
wenig an allem, was Sorge machen fann,
Antheil: wir finden feit einer gewiſſen
Zeit einen befondern Gefhmad an wohlge⸗
‚bildeten Lakeyen; auch fie zahlen einem
mwohlgerundeten Burfchen vierfach, um ihn
in ihre Dienfte zu befommen: wir machen
Schulden, und richten unfre Männer durch
geheimen Aufwand zu Grund: damit fie
ung in Nichts nachgeben; fo unterhalten
fie ebenfall® ... +. und flürgen ihre Fa—
'milien dadurch in Untergang — Und was
wir uns auch fiir Mühe gegeben, bei uns
fern Gemahlen einige Gefege zu bemwirfen ,
welche diefer Nachahmungsſucht Einhalt
thun follten, fo haben wir, ich muß «8
zur Echande geftehen, doch itzt weniger
als jemals Hoffnung, fie zu erhalten, da
e8 dem Flitteradel gelungen, unfte Mäns
ner in ihre Häufer zu locken , und fie,
weis ichs wodurch, in ihren BREUER zu
sieben. „
Die
Therefie und Eleönore. 417
Die gerzoginn war bei diefer langen,
ganz von der Hauptfache ausfchweifenden
Nede fo fehr in Eifer geratben , daß ihr
Athen und Etimme'entgieng, und Merfur
für nothwendig erachfete, fie zu erfuchen,
bier die erfte Sißung zu befchlüffen, und
ihre erfchöpften Kräfte für die folgende in
etwas herzuftelen — — —
X.
So oft ein junger Mann fih in der Stadt
vermäßlt,
Hört man Beturien mit grauem Haare fagen :
Auch der hiele um mich an, auch dem hab
ich gefehlt,
Auch diefen hab’ ich ausgefchlagen.
—
Ja⸗ kenne ein Maͤdchen, dag dem Vers
fafler des Grandifon, den fie fonft ſehr
hochſchaͤtzte, aus der einzigen Urfache gram
geworden, daß er in feinem fchönen Ro—
mane bie gute Tante Lore mit aufführet. -
Man wird fich erinnern, daß dieſes Fraͤu⸗
fein von feiner Nichte Charlotte Gran:
difon manchmal fehr aufgegogen wird,
mie e8 überhaupt die Gewohnheit junger
W. Theil. Db ° Kafr
418 Thereſie und Eleonore.
Leffinnen *) zu feyn pflegt, ein Ziel,
wohin fie laufen , zu ſcheuen, ein Alter,
das fie zu erreichen münfchen,, lächerlich
zu finden. Befonders ift ein unverheu—
vathetes Mädchen von gemwiffen Jahren in
den Augen der ganzen Welt ein Gefpstt,
und mir find mehr den zwanzig liebens—
würdige Kinder befannt, die bei ſich be—
fchloffen Haben , lieber fih hinter den
Schleyer zu ftecfen, als, ein Nergerniß
Bekannten und Unbefanntrn, mit acht und -
zwanzig Jahren auf dem Nücken herum—
zumandeln, ohne ihren Namen geändert,
und die Schande ber Ehlofigfeit von fich
gewaͤlzt zu haben.
Unfre Begriffe find ſehr oft ein Wider:
ſpruch. Die Ehlofigfeit, wenn dag Klo—
ſtergeluͤbd dazukoͤmmt, ift Ehre, ift Ver:
dienft : die Ehlofigfeit in der Melt ifi
Schande. Man kann e8 daher Mädchen,
die
* Laffinnen, von dem Worte Laff, wie Nar—
rinn von Plarr. So wenig das Wort durch
den Gebrauch gerechtfertiget ift , fo richtig
it es dee Sprachlehre nach, und noch rich⸗
tiger, wenn die Bedeutung dabei mit in Er⸗
ung kommt.
m Anmerk. des Seransg.
Therefie und Eleonore. 419
bie ihren Frühling überlebt haben, nicht
verdenken, wenn fie die Schande, wenig:
ſtens in fo weit es ſich thun läßt, won fich
zu weiſen fuchen, und fich der Eroberuns
gen ihrer jugendlichen Wangen, und ber
Derheerung ihrer noch unverlöfchten Augen
rühbmen — Ich danke meinem Gott,
fagte Talemine, die unter allen Moden
die franzoͤſiſchen Schlafhauben anpreift ;
weil fie darunter ihre grauen Haare dem
Auge neugieriger Jugend entziehen kann,
ich danke meinem Gott, daß ich man⸗
cher Gefahr ſo glücklich entgangen, und
mein Ber wider die vervielfaͤltigten
Unfälle; die man darauf gewaget, ver-
theidiget habe! wie ünglüdlich würde
ich bei den heutigen Männern mit mei:
nen gutwilligen Gefinnungen gewefen
fepn! Talemirie beftimmt nun Jahr, Mer
nat, Tag, Stunde; und den Ort pünft:
ih, wo Alcidanes Mann’ fie auf den
Knieen um ihre Hand bat, tind zu ihren
Füffen zu flerben drohte, wo er fie nicht
erhielt — Beinahe wäre fie weichmüthig
geworden ; aber zum Stücke hat fie fich
gewiſſer Liebeshaͤndel Maine die der fie:
hende Liebhaber mit . . gehabt, aus
D 2 de⸗
1
420 Thereſie und Eleonore,
denen er fich nicht fehr zu feiner Ehre
herauggezogen; und fie hat fich den Un—
geftümen mit einem befchämenden Vor—
mwurfe vom Halfe gefchafft — Eie Fennen,
fagt fie euch im Vertrauen — den lo—
Keren BalUmondyY wiünfihen Sie mir
Glück! das Schöne Leben, das er nun
mit Dorianten fübret, hatte mir gelten
follen. Aber ich Fannte den Znaben,
und ließ ihn Iaufen, denn ich hätte
mich nicht , wie feine weife Salfte zu
entfchädigen gewußt. In diefem Tone
fährt fie fort zu erzählen , wie fich zween
erbitterte Nebenbuhler um fie die Hälfe
gebrochen, und fie eben diefe Schlägeren
zum Vorwande ergriffen „„fich beide vom
Halfe zu fchaffen : wie ein Hauptmann,
den fie nicht nennen will, aus Verzweif—
lung, von ihr abgemwiefen worden zu feyn,
a la Trappe gegangen , wo er noch in
einem groffen Nufe der Heiligfeit Tebt:
wie ihre Anverwandten den einzigen Lieb:
haber , für den ihr Herz fich erfläret hat,
nicht gebilliger hätten, weil feine Familie
ein wenig modern , und fein Vermögen
nicht aroß genug gemefen wäre. Indeſſen,
ſetzt fie zärtlich gerührt hinzu, wuͤrde ich
sa 4%
Thereſie und Eleonore. 421
in Geſellſchaft dieſes Menſchen, der allein
Gnade in meinen Augen zu finden gewußt,
unter einem Strohdache, bei Milch und
Brod anmuthigere Tage verlebet haben,
als an der Seite des kroͤſusreichen Storr,
der mir Tempel zu erbauen, und mich mit
Nektar zu verkoͤſten gelobte, den man mir
mit aller Gewalt aufdrang, und mit deſ—
fen Abweifung ich alle Tanten und Bafen,
die mit im Spiele waren, auf dag em—
pfindlichfte vor den Kopf ſtieß. Telamine,
mit einem Worte , hat, wenn man fie
hört, die halbe Schoͤpfung durch ihre
Graufamfeit vermwäfter, und fie ermangelt
nie, den unsoiberleglichen Beweis hinzu
zu thun: es fey leicht zu denfen, daf
es einem Mädchen mit ihrem bifichen
Geſicht, und zweymalbundet taufend
Gulden Vermögen nicht an Sreyern
Tonne gefehlet haben.
Gluͤcklich dag veraltelte Mädchen, dag,
wie Telamine, den Beweis fo bear führen
fann, daß fie freymwillig unverehliget geblie=
ben! Aber, zu weichem Gott nehmen dieje=
nigen ihre Zuflucht, denen dieſe Aushülfe
verfagt it? Zwar fie würden ihrerfeits
auch von Entführungen, von Zweyfämpfen,
Dd3 von
422 Thereſie und Eleonore.
von DVerzweiflungen erjählen , auch aus:
gefchlagene vortheilhafte Verbindungen an⸗
führen , auch Liebeshiftörchen erdichten ;
aber wo finden fie jemanden, ber guther-
zig genug iſt, ihnen zuzuhoͤren, oder wohl
gar zu glauben; geſetzt auch, daß fie die
Hälfte davon mit Urkunden belegen koͤnn—⸗
ten? — Diefen unglüclichen Binfamen
fälle die ganze Laft des Spottes auf den
Hals, der unferem Gefchlechte fo empfind⸗
lich ift, daß es wohl der Mühe lohnet,
den Grund deffelben aufzufuchen.
Warum muß ich ung die unangenchms
fe Wahrheit durch einen neuen Beweis
beftättigen, daß diefe binfällige Geftalt,
diefe mit jedem Jahre, mit jeder Minute
abnehmenden Neize das einzige , einzigfte
find, was bei ung felbft fowohl, als bei
dem Gefchlechte, dem zu gefallen wie uns
fer wichtigftes Gefchäfe feyn laffen , in
Arkchlag gebracht wird ? ES fpreche je=
mand von unferem Verfiande, von unfes
ren Sitten, man fpreche von unfrer Tus
gend zweydeutig; wir werben ung fröften.
Aber wer es waget, mit feiner Verläum:
dung bis in das Heiligehum unfers Ge—
ſchlechtes zu dringen, und bie Vorzüge
uns
Therefie und Eleonore. 428
unſrer Geſtalt in Zweifel zu ziehen, wis
fchen dem und ung ift der Bruch auf ewig
befeftiget. Wir vergeben eher Entehrung,
als Verachtung — Und auch ihr, ihr Her-
ren, die ihr diefer Wahrheit , welche ich
meinem Gefchlechte mit fo vieler Dreiftig-
feit ins Geſicht zu ſagen, das Herz habe,
die ihr darüber lachet, auch ihr nehmer
lieber Ppgmalions Bildfäule als eine Ge:
fpielinn aus dem Zempel der Goͤttinn
Arete *) zu eurer Gebieterinn an; auch
ihr zieht bei euren Wahlen mehr eure
Yugen, als eure Herzen, zu Rath; Ich
irre mich , ihr wählt nur für eure Augen,
nicht für das Herz ; ihr waͤhlet nur für
den Körper, weil ihr nur für die Begier:
den wäbler, und ihr würdet unbekuͤmmert
feyn, wenn der Gegenftand eurer Sinn:
lichkeit ganz Feine Seele hätte.
Dei dem einem Gefchlecdjte fowohl ale
bei dem andern ift alfo die Geſtalt dag
ſchaͤtzbarſte. Eine vortheilhafte Bildung,
eine feine Haut, eine lebhafte Farbe, ein
reiner Wuchs, machen Sitten und Ver:
D>Ddb4 ftand
*) Arete ift die Gottinn der guten Sitten, deren,
Zenipel alle fchon verfallen find —
424 Therefie und Efeonore.
fand fehr entbehrlich + wozu auch find -
Derftand und Sitten?
Aber auch der Borzug der Geftalt wird
nicht immer nach feinem wahren Gehalte
abgemeſſen. Dft hat ed dem Obngefähr
gefallen , gewiſſen wunderbarlich gemodel⸗
ten Gefichtern einen Schwung zu geben,
und fie in Mode zu bringen. Die fchön-
ften groffen Augen wurden nicht felten von
fleinen verbunfelt, die man Taubenaugen
der Venus bief. Ein fchlanfer Wuchs
mußte einem dicken Leibe, eine feine Bil-
dung männlichen Gefichtszigen, eine Mar
jorſtimme der entzuͤckenden Etimme einer
Täuberinn *) weichen. In diefen Anwand⸗
lungen des verliebten Eigenfinnes liefen
die Männer heerdenmeife nach ben klein—
äuaigten, bdicfleibigten, männlich geftal-
teten, und grobftimmigten Schönen. Die
Schönheit beftimmt den Werth des Maͤd—
eng, die Zahl der Anbeter den Grab ber
Schönheit. Und einem Mädchen, das ſich
von ganzen Heeren ber Liebhaber verehret,
und von Wolfen des Wenhrauchs beinahe
erfticket fab, konnte es einem folchen Mäbd-
chen wohl an einem Manne gefehlet haben ?
Ev
*) Die Ältere, welche damals Wien entzückte
Therefie und Eleonore. 425
So fchlüßt die Welt: und dann wen—
det fie den Schluß um, und ift boshaft
genug, zu urtheilen, daß ein Mädchen,
welches das fünf und zwanzigfte Jahr er-
reichet hat , und noch immer Mädchen
ift, was e8 von feiner eigenen Geſtalt,
und den Abentheuren feiner Jugend auch
forechen möge, niemanden in Verfuchung
geführet haben müffe, um daſſelbe Anwer⸗
bung zu thun —
Jede Wiederholung des Namens Fraͤu⸗
lein , ift daher in gewiffen Sahren ein
ſtillſchweigender Vorwurf des Unmertheg
ihrer Reize, und es ift fein Wunder,
wenn Verfonen, die fi) in diefem Falle
befinden, bei ver Erwähnung ihres Stan-
des ein zweyſchneidiges Schwert durch die
Seele dringt, wie einem Handelsmanne
der Blick erfchrecfli feyn muß, den er
auf einen Vorrath Waare wirft, die durch
die Unbeftändigfeit des Gefchmads aus
ber Mode gefommen, und auf immer ein
verlegenes Gut find —
*
DEE, XL
426 Üherefie und Eleonore.
XK
Veniunt a Dote ſagittæ.
“ Juvenälis. *)
Anbetenswärdige Talemine!
w RM, Sie fich auch immer befinden moͤ⸗
gen, empfangen Sie von mir die Verſi—
cherung der zärtlichiten Ergebenheit! Ich
habe nicht erft geprängmäflig einen Sams
ftag erwarten wollen, ehe ich an Gie fchrieb,
aus Beforgniß, daß jemand mich überho-=
le, und ihren unmwiderftchlichen Neizen von
zweymal bunderttaufend Gulden vor mir
duldige. Die Eilfertigkett ift an einem
Liebhaber Fein Fehler: und nad) der ges
meinen Sage find diejenigen immer am
gläclichften, die am dringendften find. ,,
* *
*) Diefer Brief Hatte die Aufſchrift am den
Herausgeber diefer Blätter, Der BVerfaffer
defielben hat mich in den deingendfien Aus—
drücten befchworen , die lateiniſche Aufſchrift
beisubehalten , ohme fie zu überfegen. Er
behauptet: Taleminens Einwilligung, und
folslih fin Glück beruhe daranf, daß fie
nicht liberfegt würde. Sollte ic fo grauſam
ſeyn, und ihn unglüdlich maden wollen?
Der verausg.
Therefie und Eleonore, 427
„ Engel von einem Mädchen! Göttinn
von einem Menfchenkinde! laffen Sie ih-
ven Triumph nad) den zwey und fiebeke
jig Winden der Welt erſchallen! Der
Caffer und Mohr, der Ehinefer und Ta:
pinambous follen mid, vor Ihnen auf den
Knieen fehen! Führen Sie mich allen Na—
tionen in Fäffeln zur Schau auf — Ad
ich ſchweife aus! Talemine! urtheilen
Sie von der Macht ihrer Reise ! göttliche
Reize von zweymalhundert taufend su
„ £ernen Sie, unvergleichlihe Taler
mine! lernen Sie ihren Sflaven fennen,
und halten Gie feine Niederlage für ein
Werf, das nur Ihnen vorbehalten war ;
nur ihrer würdig iſt! Der Wuchs eineg
Grenadiers, ein paar funfelnde ſchwarze
Augen, Eie durch und durch zu ſchauen,
Lipven , wovon die Schmeicheleyen wie
ein Waſſerfall zu ihren Füffen herabftär-
zen follen, Schultern, Sie, nicht wie ein
faltfinniger Eneas feine Kreuſa bei einer
Hand aus Troja zu führen, fordern mit
allen ihren Kouponen und Bankozeddeln,
als eine koſtbare Laſt bei der Heringften
Gefahr aufzufarteln, Arme, Sie zu erdrii-
den, wenn meine ZärtlichFeit überläuft, und
Bei:
425 Thereſie und Eleonore,
Beine, sole die Beine des Herfuleg, bie
Deianiren fo fehr gefäffelte haben. Und
alle diefe männlichen Schönheiten follen
ihre feyn, wenn Sie mich zu dem glüdlich-
ftien Menfchen von der Welt machen, und
mir ihre zweymalbundert taufend —
werthe Perſon fchenfen,, und dafür mein
Herz, meine Hand, und biefe Schultern,
und diefe Beine, und diefe Lippen, und
diefen ganzen, nicht etwan baufälligen
Körper , fondern einen Menfchen im der
Stärke feiner Jahre, zwiſchen dreyfig und
vierzig, und, was insbefondere nicht auffer
Acht zu laffen ift, der nie eine Frau ges
habt, und fonft wohl behalten ift, in Em—
pfang nehmen mollen. Theuerfie Tales
mine! befahren Gie fich feiner Lift von
mir! diefer Brief foll in ihrer Hand ſtatt
einer Verfchreibung gelten, Kraft der ich
mich anheiſchig mache, Ihnen alles Obige
pünftlich einzuliefern, Zug für Zug, mei
ne Geliebte! wir Leute vom Kriegeshand⸗
werfe miffen nicht, wie die Civiliften zu
fhifaniren — „ .
„Vom Kriegeshandmwerfe, ja! und ich
hoffe, das foll mir in ihren Augen einen
neuen Werth zulegen. Schon bin ich Haupt»
y mann,
Therefie und Eleonore. 429
mann, und was fann ich nicht noch wer=
den? wie hoch Fann ich meine Talemine
nicht noch erheben ? bis auf die Zinne der
Ehre, wo Sie, alle ihre Sie beneidenden
Gefpielinnen zu ihren Füffen tief, tief im
Staube, unfennbar erblicken follen. Neh—
men Gie einen Staatsbedienten! feine Be—
förderung hat Gränzen. Wann er einmal
einen gewiffen Punkt erreichet hat, fo ſteht
er unbemeglich , als wäre er hingezau-
bert — Aber ein Soldat — die Leiter der
Ehre, worauf der hinanzuflettern hat, vers
birgt ihre Spigen in dem Himmel der ent-
ferntften Unfterblichfeit : und wenn Cie
mich durch den mächtigen Beiftand ihrer
Daarfchaft einmal bis zu einer gewiſſen
Stufe erhoben haben, fo fey das übrige
die Eorge meiner Tapferkeit, und fiebe,
die mic) zum Helden machen wird. Man
hat wohl eher Beifpiele gehabt , daß fich
gemeine Soldaten auf den Thron geſchwun⸗
gen. Sollte ihren Reizen das Wunder un:
möglich feyn , meinen Arm zu befeelen ,
daß er ihnen wenigfteng einen Komando—
fiab zu Füffen legte? und dann wird mei-
neTalemineErcellenz! o Wonne!,,
„ Aber
430 Thereſie und Efeonore.
Aber die Ehre ift nicht der einzige
Vorzug, den die Martisfshne ihren Ey: ,
theren verfichern. Welch ein mweltenweiter
Unterſcheid zwiſchen dem Ehftande eines
Staatsbedienten und eines Kriegers! Das,
was meine — fhon nenne ich Sie mein;
meil ich mir e8 einmal unveränderlich vor?
gehommen habe, Sie zu erobern — das,
was meine Talemine vielleicht bei einem
Soldaten fchenen möchte, twag in ber Zus
funft meiner Bruſt die erfien Seufzer,
meinen Augen die erften Thränen entlocken
wird, das eben tft durch die weiſe Reihung
der Umftände das Glück Eriegerifcher Ehen.
Euch, würdigen Schoͤnen, für welche die
Schönheit der Natur, der holde Frühling,
die fchrecklichfte Feit if, weil er eure Ge-
liebte euren Armen entreißt , und eure
feufchen Flammen zu einer balbjährigen
Wittibſchaft verdammet, euch, die ihr bei
der Erwähnung einer Schlacht bebet, in
jedem Koüriere einen Boten des Todes
fürchtet, euch hat die Liebe zum Erfage für
diefe Feiden ihre wahreren, ihre ſchmack⸗
haftften Freuden vorbehalten. Diefe fuͤrch⸗
terlichen Abwefenheiten find vwortheilhafte
Zwiſchenraͤume, die beiden Theilen zur
Er:
Thereſie und Eleonore. 431
Erholung nothwendig find, und der Er:
fchöpfung. der Zärtlichfeit währen ‚ deren
Folge immer mechfelfeitiger Leberdruß und
Efel iſt. Statt, daß der, an die Seite
feiner unabfönderlichen Hälfte mit eifernen
Ketten gefchmiedete Staatsmann bei dem
größten Vorrathe der Zärtlichkeit bald auf
dem Grunde if, und nun das Paar ge:
fühllos , gedanfenlog gegeneinander ſitzt,
ſich nichts zu ſagen weis, als was es
hundertmal gehoͤret und geſagt, und wie—
der zu ſagen muͤde iſt, dreymal gaͤhnt,
und zuletzt ſanft einſchlaͤft; ſtatt deſſen
hat die Mutter der Liebe, die noch ihrem
Lieblinge in jedem Krieger hold iſt, da—⸗
für geforget, daß bei ung dag Bergnügen
zu gelegener Zeit unterbrochen werde, che
mir befielben fatt feyn koͤnnen. Die Ab:
weſenheit facht dann die Zärtlichkeit aufge
neue in lichterlohe Flammen auf; und die
Gefahr, die Furcht, ung zu verlieren,
macht uns unferen Geliebten theurer —
wie immer ein Gut, dag man verloren
hält, und nun wieder finder, Foftbarer
wird. Go Ieben wir, nicht einen ewi-
gen Ehftand dahin, wovon man fein End
abfieht, fondern erneuern mit jedem Ende
der
432 Thereſie und Eleonore.
der Gampangne eine Verbindung, bie wie
ber länger nicht als fir die Wintermonate
dauren fol — Wir leben nicht in einer,
wir leben in hundert Ehen, denen unfer
Stand felbft nicht Zeit laͤßt, jemals zu
überreifen. Der Symen des Staatsbe—
dienten ift ein alter fopfhängender Kerl:
der gymen des Coldaten, ein huͤpfender,
muthwilliger Züngling , auf deſſen Haupte
die Rofen im ewigen Lenze prangen. „
„ Neichen Sie mir die Hand, theure
Schoͤne! und nehmen Sie dagegen bie
meinige an , die ich Ahnen mit wahrer
Vorempfindung des innigften Vergnuͤgens
darreiche , momit: ung die Liebe kroͤnen
wird, Ich bin eiferfüchtig, Eie zu befißen:
ihre Vorzuͤge leuchten zu ftarf in die Au—
gen, als daß ich nicht Nebenbubler zu ber
fürchten haben ſollte. Wer ift im Etande,
neben dem blendenden Glanze von funfzigs
taufend Kremnigern der glatten Haut ei=
nes flatterhaften Wefens wahrzunehmen ?
und wer follte bei dem Silberflante ih⸗
rer Annehmlichkeiten für die fchmeichelnden
Zaubertöne der jüngften Kehle noch Obren .
haben? — Sagen Eie mir, angebetefe
Talemine! ift die Vorftellung, die ich mir
von
Therefie und Eleonore. 433
von ihrer koſtbaren Perfon mache, ein
Spiel meiner Einbildung ? oder hat mein
Geift fich durch ein geheimes Zauberftüc
ihrer Baarfchaften, auf eine Zeit von mir
felbft losreiffen, und zu Ihnen eilen, und
die Züge zu dem entzückenden Bilde fam=
meln fönnen,, das ic) mir zum Abgotte
meiner Wünfche erhoben habe? — „,
„ Sie find, denfe ich, über die Unbe—
fiändigfeit der Jahre hinweg, die einen
Mann immer noch Kinberpocen , oder
einen andern Feind der Schönheit: fürdhs
fen, und vor einer traurigen Veränderung
feines jungen Weibeg zittern laſſen. Ueber
die Anmuth, die Cie mir einmal einräu-
men, bat die Zeit, mie der Winter über
das unveränderliche Wintergrün , feine -
ganze Herrfchaft verloren. Sie find von
unmanbelbarer , unfterblicher Geftalt, wie
die Goͤttinnen des Olympus. Verbergen
Sie immer ihre Haare unter einer ſchuͤtzen⸗
den Nachthaube! die muthwilligen Purſche
verbienen fie nicht zu ſehen. Schon find
fie aſchengrau, aber bald werden fie vol⸗
lends die Silberfarbe des Mondes errei:
chen: und welche Farbe in der Welt darf
ſich mit filberfärbichten Locken in einen
IV, Theil. Eee Wett⸗
234 Thereſie ımd Eleonore.
Wettſtreit einlaffen ! - Die Roſen ihrer
Wangen werden nicht die vergängliche
Roͤthe der Frählingsblumen haben ; «8
werden dauerhafte Scharladhrofen fenn ,
die nicht von jedem Hauche der Luft ver-
soehet werden. Nicht wahr? die Gorge,
fi von der Ungeftüme ihrer Liebhaber mit
Anftand los zu machen, bat auf ihrer
Stirne einige Furchen gezogen, die ihrem
ganzen Gefichte ein ehrfurchterzwingendes
Anfehen geben? Wie wohl bat die Natur
gethan, ihre Augen ein wenig zuruͤckzu⸗
ziehen, und den Glanz derfelben durch die
überhängenden Gefträuche der Augenbräune
zu mildern! wer hätte fonft ihre fiegenden
Blicke ertragen, mie hätte ihr glücklicher
Gemahl Eie ohne Blincken jemals betrach-
ten fönnen.? Ihr Hals, und ihr Buſen —
Lafien Cie mic) davon wegwenden, ba=
mit ich nicht In einem Meere des Vergnuͤ⸗
gens erfäufe! Sie find, mit einem Worte,
wie die Bildfäule einer Goͤttinn, die auf
einem guͤldnen Fußgeſtelle erhoͤhet ift, mir
Sterblihen unerreichbar , der ich mich
ehrerbietig begnügen will, das Fußgeftell
ju umarmen. „,
Noch
Sherefie und Eleonore. 435
„ Noch einmal, göttliche Talemine!
reichen Sie mir ihre Hand, und machen
Sie mich durd) den Befis aller ihrer Vor—
züge zu demjenigen glüclichen Sterblichen,
der den Reid aller Freyer verdienet, aber
auch an ihrer Seite verachter! Bald foll
die Glüfeligfeit ihres Gemahld dem gan-
zen Erdenfreife fichtbar in die Augen fira-
len! Bald will ich in einer prächtigen
Kutfche daherrollen, an deren Seitenftü-
Ken der Gott der Liebe fich in einer Win:
terlandſchaft auf dag anmuthigfte zu er—
gößen fuchen wird. Bald will ich ihrem
Vermögen mit einer Foftbaren und zahle
reichen Liverey Ehre machen. Bald fol
ihre Großmuth durch die niedlichften Gaſt—
gebote, durch die höchften Spiele berühmt,
bald ihr Haus ein Sammelplaß der artig-
ften Geſellſchaft beiderlen Gefchlechteg, ein
offener Luftort der Stadt werden. Ach
will alles Fleiſſes nachfinnen, unfer Geld
mit immer neuen Ergögungen anzumerben.
Und da mic ihre Jahre der Sorge ent—
übrigen , auf Nachkommenſchaft zu den—
fen, fo haben wir, ohne gu ber traurigen
Muͤhe der Berechnung und eines Leber:
Eea ſchlags
435 Üherefie und Eleonore;
ſchlags gehalten zu feyn, nichts zu thun,
als zu genieflen. „
„ Das find die Bedingniffe unſeres
kuͤnftigen Ehvertrags, zu denen ich mich
hiemit vor dem Angeſichte der ganzen Welt
auf das feyerlichſte verpflichte, und zu
den vorhergehenden nur noch dieſe hinzu⸗
fee: daß ich ihre Schritte und Wege nie
mit einer Nachforſchung beleuchten , ihre
Freyheit in nichts hemmen, weder wegen
ihres Umgangs, noch ihrer Gefellfchafter
eine Ausnahme machen, und Gie, mit eis
nem Worte, unbefchränfte Frau ihres ei-
genen Willens werde feyn laſſen — wo—
für ich mir meinerfeitd nichts weiter, als
eine gleiche Freyheit vorbehalten haben
soil — „
„AIch erwarte num die förmliche Be—
ftättigung von ihren Götterlippen , und
nenne mic) fchon zum voraus mit der
regſten Inbrunſt
ihren, ganz ihren Ellwern.
XL.
ee ———
Therefie und Eleonore. 437
XII.
In deinem, nicht wie Glas durchſi — Hersen
Entfohütt ich mich auch der geheimſten Sorgen.
Ich halte die dein Menſchliches zu gute,
Wie du meines dedeft.
Zange.
Talemine an El!wern,
Mein Freund!
>
u Ihre Liebeserklaͤrung hat ihre Wir-
fung gethan: Sie haben die Funfen, die
noch unter der Afche glimmten, anzufa-
chen gewußt: ih bin ganz Feuer, ganz
Leben! Ellwern! die Falten meines Ge—
ſichts verſchwinden: mein ſchon zufamm-
gezogenes Herz blaͤſt ſich auf, erweitert
ſich — Was alles fühle ich für Sie —
„ Zwar follte ich mit mehrerer Foͤrm—⸗
lichfeit zu Werfe gehen: ich ſollte Ihnen
das Erdreich Fuß für Fuß ftreitig machen:
ich follte Sie feufzen, verzweifeln, Gri—
maſſen machen laffen! Da ich noch, wie
Eomorren *) Jungfrau bin; fo follte ich
€ez | mich
- *) Eine gemeinübliche Redensart von einer Fer
fung, Die noch nie erobert worden, zu ſa—
gen:
438 iherefie und Eleonore,
mich nicht fo auf Gnade und Ungnade er⸗
geben , fondern wenigſtens vor meiner
Uebergabe gewiſſe Ehrenbedingniffe zu er-
halten fuchen. Aber, Sreund meines Her-
zens! wozu dieſe Verftellung ? ich will
Ahnen den Sieg nicht ſchwer machen, da
es mich felbft gu viele Ueberwindung ko—
fien würde, den liebften Wunſch meines
Herzens nur eine Minute zu verweilen —,,
„ Komm tbeurer , füffer Gelichter !
fomm nur erft in meine Fligeren Jahre, ba
weis man mit feinen Augenblicken haus⸗
zuhalten! Wann ein Augenblick einen be—
frächtlichen Theil der Zeit ausmachet, die
wir noch zu leben haben, verliert man fie
dann etwan gerne? „,
Schalk! ftünden Sie da vor mir,
tch muͤßte Ste mit einem fanften Baden»
freie für ihre Schmeichelen beftrafen,
Ihre Abmefenbeit koͤmmt mir gleichwohl in
diefem Augenblife fehr zu aut: ich würde
meine Verwirrung binter meinem Fächer
nur fchlecht verbergen. Jch bin zwar, wie
wir
gen: diefe Sefkumg ift noch Jungfrau. Br:
fonder# fagt man diefes hier su Lande von der
ungarifhen Feſtung Comorren.
Therefie und Eleonore. 439
wir Mädchen fämmelich , feine Feindinn,
daß man meine Neisungen ein Bißchen
übertreibt; aber.man fol dabei Maaß hals
ten, Lieber ! Sie gehen ein wenig gu mweitf-
Da wir vor dem Angefichte der Liebe nun
fhon Mann und Frau find, fo tarf ih
mit Ihnen auch verfraulicher ſprechen. Es
fteigen über dem Bilde, fo Sie fich von
mir machen, bei mir allerlei Bedenflich-
feiten auf. Wie nun, wenn ich nicht fo
wäre, wärden Sie mih dann nicht fo
feurig lieben? Wie, wenn vielleicht ihr
Pinfel fo fehr zu verfchönern gewohnt ift,
daß er auch bei ihrer eigenen Schilderung
mehr nach Phantafey, als nach der Natur
gezeichnet hätte? Denken Sie, daß Sie
mich berechfiget haben, alles von Ahnen
Stuͤck für Stuͤck in Empfang zu nehmen ;
und daß man in meinen Jahren nicht mehr
fo flatterhaft ift , über einem beftäubten
Kopfe, oder fonft einem erborgten jufälli:
gen Zierrathe die mefentlicheren Reize eiz
nes Mannes, die Beine ober die Schul—
tern zu vergeffen! Zug für Zug fagten
Sie: ich nehme Sie beim Worte. „, !
„ So fehr ich überhaupe auch für ihe
ven Stand eingenommen bin, fo fann id
€ eg mel⸗
440 Thereſie und Eleonore.
meinem liebften Freunde gleichwohl nicht
verbergen, daß ich bei demfelben, wenig
fiens für dag erfte Jahr ganz nicht meine
Rechnung finde. Die neun und vierzig -»
Winter, fo über mein Haupt dahin ver—
floffen find, haben meine Lebhaftigfeit
nicht etwan getödtet, oder mich gelaffener
gemacht. Haben Sie nie die Sonne im
Winter beobachter? der Falte Luftfreis hält
alle ihre Stralen beifamm — Das ift dag
Ebenbild ihrer Talemine , fie bat noch
den ganzen Vorrath ihrer Zärtlichkeit, ih⸗
res Gefühle, alle Stralen ihres lebhaften
Zemperaments beifamm, und die Morgen»
roͤthe unfrer Liebe foll nicht fo kurz ſeyn.
Ich will, wenn ich einmal die Ihrige feyn
fol, von Ihnen fo viel geliebt ſeyn, als
mir lieb ift; und Sie, Eie werben von
mir geliebte werden — mehr als Ahnen lieb
feyn wird — Kommen Sie meiner Scham⸗
baftigfeit auf dem halben Wege entgegen,
und erratben Sie, mas ich über meine
jungfräulichen Lippen zu bringen, nicht
vermögend bin. Der Winter zwar ift die
günftige Zeit der Liebe. Die Natur fcheint
ausdräclich dafür geforgt zu haben, daß
die langen Winterabende ung nicht in uns
end⸗
v
Therefie und Eleonore. - 441
endliche Ewigfeiten ausarten. Ich werde,
Ahnen zur Seite, folche kuͤrzer als die
kuͤr zeſten Sommernächte finden: aber fol
mich der Frühling freudenlos auf feinen
Sluren herumwandern, ſoll ich die Schoͤ—
pfung im Sommer traurig, und den Herbſt
mit allen feinen Fruͤchten geſchmacklos fin⸗
den? Grauſamer! wollten Sie, daß meine
Geufzer um Zhrentwillen dem Himmel Ge:
walt thäten, damit die Grängen der Zei—
ten verrücket werden , damit der Winter
das gefeßte Ziel überhole, und der zu—
frühe braufende Nord mir meinen Gatten
zugleich mit den Schneeflocden herbeiftür=
me? Nein, liebes Leben! vereinigen wir
ben Bortheil unfrer Zärtlichkeit mit dem
Bortheile der Natur ! Der Winter fey
unfer! aber dag fey auch Frühling, Som:
mer und Herbfi! Die Jahrszeiten mögen
über ung hinwechſeln, unfer Vergnügen
foll e8 niche! ung fol die — * Liebe
ewigen Lenz bereiten!
Es iſt einer Zetlichteit Ben der mei-
nigen nicht ſchwer, das Mittel dazu zu
finden — Es ift fchon gefunden biefeg
Mittel, und hier hören Sie e8, zugleich
‚mit dem ganzen Entwurfe unfrer kuͤnfti—
Ee5 gen
442 Thereſie und Efeonore,
gen Haushaltung! denn ich habe in der
That an dem ihrigen um unferes wechſel⸗
weifen Beften Willen einige VBeränderun-
gen zu treffen. Sie find jung, und feurig;
mich zu lieben fol ihr einiges Gefchäfft
ſeyn! das meinige für Sie und das Haus:
weſen zu forgen,. ,;
„ Sie follen, mein Sohn! einen.
Stand verlaffen, der mich ohne Unterlaß
für dag, mas mir beinahe foftbarer ift,
als ich mir felbft bin, zu zittern zwaͤnge.
Warum follte ich Sie immer neuen Ges
fahren Preis geben? — Um mir einen
Kommandoftab zu Füffen zu legen ? —
Kleiner Don Quixote! diefes Nomani:
firen gefällt mir ! aber ich , ich bin Feihe
graufame Prinzefinn, ich erlaffe Sie der
Verbindlichkeit, auf Abentbeuer auszuge⸗
ben: die Ehre hat fiir mich feinen Stachel,
mein Herz iſt nur für die Liebe fühlbar ;
nur fie die Liebe, und das foll in Hinz
funft auch das ihrige ſeyn! ich fey ihre
Kompagnie, ihr Regiment, ihr Komman—
bo, dag Ziel ihrer. Ehrfucht! ihre Campa=
gnen haben Sie bei mir zu mahen — „
"95 Sie haben mich in einem einzigen
Briefe fchon fehr die Liebe gelehret. Seyn
Sie
Therefie nnd Eleonore. 443
Sie ftolz darauf! mein Herz war zu andes
ver Zeit fehr aufrührifh — Wiſſen ‚Sie
‚nicht, wann man wahrhaft liebt, fo if
man argwoͤhniſch, fo fürchtet nıan. Ihr
ißiger Stand. würde oft Länder und Meere
zwiſchen ung feßen. junger Slattergeift!
ftünde Ihnen dag zu Gefiht? nein, ich
will Sie nicht der Gefahr ausfegen. Wer
wäre mir gut dafür, daß das Andenfen
ihrer Talemine Sie immer gegen die An⸗
fälle einer, ohne Zweifel nur unwillkuͤhrli—
chen Untreue fhüsen würde? Sie wiſſen
es, die Abweſenheit, die Gelegenheit, die
nicht frengften Grundſaͤtze — Glauben Sie,
ba ift es gut , wenn das an im⸗
mer bei der Hand iſt. — „,
„ Ich will unbeweglicher als ein Fels
gegen alle Liebeserflärungen feyn. Die
Hälfte des menfchlichen Gefchlechts fol zu
meinen Füffen fterben, und e8 fol mic, mei:
nem Bllwern, nicht mit einem Gebanfen
untreu werben fehen. Diefe meine gewiſſen⸗
hafte Treue giebt mir aber auch ein Recht
auf die ihrige, ich will, Sie ausfchlüffend
befigen. Ich will Sie daher als meinen
Augapfel denabten und, eine unabſoͤn—⸗
der=
444 Thereſie und Eleonore.
derliche Gefährtinn ihrer Schritte, Sie
aller Orten begleiten — —
„Ja, mein Goldfind! Sie follen mit
einem ftolgen Gefpanne daher fahren! aber
Sie werden mir die Freude nicht mißgoͤn⸗
nen, ihre Kutfche mit Ihnen zu theilen ?
Ihre Liverey fol prächtig feyn! meine Be
dienten den ihrigen beigefellet, werben ein
fehr zahlreiches Gefolge ausmachen, und
welches fürftlich in die Augen fallen wird. „,
„Es wird meine Sorge ſeyn, ihre
Tafel mit den niedlichften Gerichten , mit
dem £öftlichften Getränfe zu befegen. Ich
werde Ihnen den befeelenden Göttertranf
in einer güldnen Schaale mit meinen Häns
ben reichen , und mit meinem Munde ims
mer den Ort zuvor berühren, wo Gietrin,
fen ſollen — Unfrer Tafel follen angenehme
Gäfte nicht mangeln: aber, Sie werden
doc) mir die Wahl laffen ? nicht wahr? „,
„ Wozu Ellwern! foll uns das be—
täubende Geräufch der Gefellfchaft? Bin
ich nicht Ihnen, find Sie nicht mir Gefell:
fchaft genug? Werden wir uns nicht im-
mer etwas zu fagen haben? Wird unfre
wechfelfeitige Liebe ung nicht beftändig et⸗
was neues an die Hand geben? mögen
\
Therefie und Eleonore. 445
ſich die ungeitigen Gefchöpfe, die ehe heu—
rathen, ehe fie Kinder zu feyn aufhören,
die mögen fih nad einem Dritten umfes
ben, der daß Leere ihres kaltſinnigen Um—
gangs ausfülle! Talemine hat Erfahrung:
. deine Augen, mein lieber Ellwern! werden
mich beredt machen : wir wollen dem ſtoͤh⸗
renden Lärmen der Gefellfchaft entfliehen ,
“ die unferer Liebe nur Zwang auflegen
würde! Ich will dir meine Liebe erzählen,
du follft mir deine Liebe erzählen : fo
wollen wir une felbft zureichen! ,,
„ Daß Spiel, nein mein Freund! dag
liebe ich eben nicht, dag will ich mir ver—
bitten, und du follft e8 gleich itzt wiffen.
Ein Mann von Vermögen mwaget alles,
und fann nichts gewinnen. Du kannſt dich
arm fpielen. Aber wenn du geminnft, was
fannft du mehr, als gut, vortrefflich le—
ben ? und das magft du durch meine Vor—
forge ohne Spiel — Alſo, fein Spiel,
guter Mann, oder nur mit mir! und ber
Preis find gegebene oder empfangene Lieb⸗
fofungen, da gemwinnft du immer, ,„,
„ Ecdon bin ich ganz vertraulich ! wa=
rum wäre ichs nicht? werde ich e8 doch
noch mehr werden, Weißt du was, klei—
ner
446 Thereſie und Eleonore,
ner Schelm! du ſollſt ganz ohne andre
Sorge leben, als die Sorge, mich zu lie—
ben. ch werde dir deine Kleider , beine
Bedienung, beine Kleinodien, alles be—
forgen , alle Ausgaben beftreiten : du ſollſt
dir feine Hand mit dem Gelde befchmu=
gen — Ueberhaupt ift euch unerfahrnen
Geſchoͤpfen dag Geld nicht nd, ihr taͤn—
delt nur. Ich mache dich zum Herren über
mich, das fey dir genug — ich aber werde
Frau über meine Cuponen und Bankozed⸗
dei bleiben. Ich möchte mir nicht gerne
durch undberdachte Verſchwendung die Mit-
tel aus Händen geben laffen, deiner Bes
harrlichfeit immer eimen Preis auszufegen,
und deine ZärtlichFeit zu belohnen. „
„ Das wäre alfo der, ein wenig,von
dem Ihrigen abgehende Entwurf unſeres
Ehvertrags, den Sie für mich nicht zu
frühzeitig unterfertigen fönnen. Mein Herz
wallet Ihnen entgegen, ich fühle die ver—
jüngernde Kraft der Liebe, ich fange nun
erft zu leben an, und ich werde, ſeyn
Sie verfichert ,„ unfterblich feyn, und
immer „,
ihre Talemine.
Ich
<herefie und Eleonore, 447
Ich fehe die befden Verliebten wie zween
MWettläufer an , die einander den Vor:
theil abzugeminnen ſuchen — EUwern will
feine Zörtlichkeiten theurer verkaufen: Tas
lemine will fich die Sreyheit vorbehalten,
ihre Sreygebigfeit nach dem Betragen ih-
res Liebhabers abzumeffen. Talemine geht
vorfihtig zu MWerfe, und thut recht dar
an. Sch vermuthe, fie werden ſich beide
zu ihrer Dual zureichen. Und mehe SEI-
wern , wenn feine graue Geliebte die
fchredlihe Drohung, unfterblich a“ ſeyn,
erfuͤllet!
Der —
XIII.
Wenn ungewiß bei meiner Pflicht ich wanke,
Wie ſtärtt mich oft der ſelige Gedanke:
Was that Arift bei diefer Price?
Berfohre fo , als wär’ se ſelbſt zugegen —
So giebt ein Blick auf ihn mir ein Vermögen,
Und der erfi wankte, wanker nicht —
Geller.
Eleonore an den Herausgeber.
Pr Das Dergnügen, das Publifum zu
unterhalten, muß boch aufferordentlich
bin:
448 Thereſie und Eleonore.
bhinreiffen,, weil Gie fi fo fehr davon
einnehmen laffen. Aber mein guter ger:
ausgeber ! wiſſen Sie auch, daß es gar
nicht verbindlich läßt, wenn Sie nur
auf fih — nicht auf uns fehen? wiſſen
Sie auch, daß diefe Blätter Frauenblät-
ter fenn follen, und daß Sie da gleich-
wohl mit ihren wahren, oder untergefcho-
benen Briefen, Stuͤcken und Erzählungen
ſo oft herangiehen, daß wir Schriftftellerin-
nen, und insbefondere ich, ihre Dienerinn,
ſchon eine ganze lange Zeit nicht zur Re—
de fommen? Vergeſſen Sie denn etwan
den Lobſpruch ihres Geſchlechtes: daß ei⸗
nem Mädchen nichts fo ſchwer fällt,
als das Schweigen — Mit einem Wor⸗
te fo viel alg mit hunderten, ich habe mich
in das Mecht gefeßt , oder gedrungen ,
wenn Sie licher fo fprechen wollen, ums
zählig die Woche einmal mich Iefen zu lafs
fen , und Sie follen mid fünftig nicht
mehr um diefes Nergnügen bringen. Es
find ohnehin nur noch XIV. Blätter, bie
wir nach unferem erften Vertrage zu liefern
haben : davon find fieben mein Eigentbum,
darum mich gewiß niemand bringen fol.
Wenn Therefie eben fo eiferfüchtis auf
bie
— — U I
Therefie und Eleonore. 449
die Ehre , das Publifum zu unterhalten,
hält, fo mögen Sie nun fehen, mie Sie
ihre gerzoginn ganz ausſchwaͤtzen laffen,
von der ich mir die Freyheit nehme, Ih—
nen im Vorbeigehen die offenherzige An
merfung zu machen, daß fie, dem größten
Theile zu mißfallen, die Ehre gehabt. „
Das fihre Mittel,
junge Mädchen ämfig, artig und ‚gefittet
su machen:
eine Erzählung
in meinem eigenen Gefchmade.
— war ſchon in das fuͤnfte Jahr im
Ehſtande, und war noch nicht Mutter,
Das junge Weibchen härmte fich dariiber
fehr ab. Die Urfache des groffen Leidwe—
fens, wenn ein junges Weib nicht Mutter
ift, mögen die Lefer einfehen. Ich Mäd-
chen fann nicht begreifen, worin die Ur:
fache des Betrübniffes liegen fol? — Aber
genug, Emire war Äufferft betrübt. Wenn
fie ih in Gefelfhaft befand, und andre
Frauen fie lächelnd fragten: ob fie noch
feine Samilie batter fo fah fie dieſe
IV. Theil, Sf Sra:
450 Thereſie und Eleonore.
Stage immer als einen Vorwurf an, und
erroͤthete. Ihre Aeltermuhme erbaute fie
manchmal mit dem frommen Beifpiele der
Rachel, die fich eher den Tod gewuͤnſcht
babe, als ohne Kinder zu feyn: denn,
fagte die gute alte Tante, das ift der
Ehfegen; und Emire weinte fehr oft in
Geheim, daß fie der Himmel nicht fegnen
wollte. Enblich wurde fie, nach manchem
frommen Seufzer, nach manchem Gelübde,
mancher Wahlfahre erbört: welche Freu⸗
de! — Die fünfjährigen Ehleute empfien-
gen den Gluͤckwunſch über die Geburt eis
ner Tochter.
Sie ward Emire genannt, weil fie ber
Mutter wie aus dem Gefichte gerifien war,
und eine Schönheit vom erſten Nange zu
werden verfprah — Die Töchter find für
bie jungen Weiber eine Fundgrube von
Zeitvertreib. Indem fie dag junge Puͤpp⸗
chen pußen, zieren, zaͤrteln, fo thun
fie ihrer eigenen Eitelfeit genug , und
freuen ſich, in dem zarten Gemüthe des
kleinen Gefchöpfes einen fo tiefen Eindruck
ihrer Sorgfalt wahrzunehmen — Die jun
ge Emire war fonderbar gelehrig. Schon
im zweyten Jahre war ihr größtes *
gnu⸗
|
|
Therefie und Eleonore. 451
gnügen, fi) vor dem Epiegel zu befehen.
Eie meinte, wenn fie ein anderes Rind .
fchöner als fie gefleider fah; lobte man
eines in ihrer Gegenwart, oder zog e8 ihr
gar vor, fo fehrie fie vor Bosheit, und,
hätte man fie gelaffen, fie hätte das Kind,
fo ihr vorgezogen ward , gefraget und
gebiffen — Die Mutter ergögte fih an
biefen liebenswürdigen Neide: Mann,
fagte fie oft, wenn unfre Tochter fo fort
wächft, die wird Niederlagen in der
Melt anrichten ! Noch waren die Pocken
gu beforgen. Sie famen, und hatten bie
Gefälligfeit , feine andre Zerftöhrung an
dem fchönen Gefichtgen anzuftellen , als
daß fie die gewöhnlichen Flecken hinter
liefen. Die junge Emire durfte, fo lange
diefelben fichtbar waren , nicht vor dem
Spiegel gelaffen werden, Daß einzigemal,
als es die Kindgfrau gewagt , ihr bag
von Flecken verftellte Gefiht zu zeigen,
hätte dag Kind beinahe eine Krankheit da-
von gehabt. Man mußte dem unmanier=-
lihen Epiegel die Schuld geben, und ihn
zur Genugthuung vor ihren Augen zerfchla-
gen. Zeit, Liliendl, und andre reinigen-
den Mittel verdrangen endlich diefe Ueber
Ff2 bleib⸗
452 Thereſie und Eleonore.
bleibfel der Pocken ganz, und die junge
Emire glänzte, wie ein junger Frühlings
tag nad) einem Aprilgeftieber, |
Gie war der Abgott ihrer Mutter. Den
‚ganzen Tag über hörte fie nichts als, wie
ſchön fie wäre — Alfo war dieß ber eins
ige Vorzug, den fie kannte, ber fie ftol
machte, Die geringfte Mühe wurd ihr
wicht geftattet: wie bald koͤnnten die ſchoͤ—
nen Händchen Schaden nehmen ? Sie fiand
auf, feste fih bin, ließ fich anfleiden,
zieren , pußen „ ohne fich zu regen, Vom
Hausweſen durfte ihrer Mutter niemand
erwähnen. Meine Tochter wird feinen
Mann nebmen , bei dem fie nöthig
hätte, fich mit Zausſorgen zu bemen=
gen — Ein Freund vom Haufe aab der
Mutter den mohlgemeinten Rath, den
Geift des Mädchens aus;ubilden, und ihm
ju den förperlichen Reizen, auch die Reize
des Geiftes eigen zu machen. Mein Gott,
gab die Mutter zur Antwort , dns bat
mein Rind nicht nöthig: ihr Mund ift
fchön; ein fchöner Mund fpricht flete
Orakelſprüche + auch wenn er Thorbei-
ten forache, gefallen Thorbeiten beffer,
als die Weisheic felbft aus dem Munde
ei:
Therefie und Eleonore. 453.
einer gemeinen Geftalt. Die junge Emi⸗
re hatte nie ein Buch gelefen, als viel-
feicht Romane, worin fie aber die Lehren,
die aus den Vorfällen gezogen wurden,
fehr langweilig fand, und gefchwind.über: -
fhlug — Du bift fchön, mein Kind!
fprich, was dir vor die Zähne kömmt!
handle, wie es dir beifalle! und fey
ficher zu gefallen. Das war der ganze
Unterricht , den die Mutter der jungen.
Emire gab.
Das Mädchen Fannfe die Uebermacht,
die e8 über feine vernärrte Mutter hatte,
und bediente fich derfelben, jeden Wunfch
feine® Herzens genug zu thun. Gie war
unerfättlich in Kleidern, und Pub; eigen:
finnig gegen jederman, auffahrend gegen
das Gefind , unmiffend in’ allem , und,
dennoch) eingenommen, nie zu ſchweigen,
vol Zuverfiht zu fich felbft, voll Verach—⸗
tung gegen ihre Gefpielinnen; fie foderte
über ihr ganzes Gefchlecht den Schritt,
und von allen Maͤnnern Verehrung. Wer
fie nur anfah , war in ihren Augen ein
Leibeigener ihrer Schönheit : in ihrer Mei—
nung mußte wenigftens ein Prinz fich gluͤck⸗
lich ſchaͤtzen, wenn fie ihm gnädig mar —
5 f.3 So
454 Thereſie und Eleonore.
Sp wuch$ fie heran, bewundert von
jederman, aber auch von jederman gefuͤrch⸗
tet. Man wußte ihre Foderungen, und
niemand getrante ſich denfelben genug zu
thun, jederman bielt fich entferne. Wer
hätte das Herz gehabt, eine hochmüthige,
verfchiwenderifche Tyranninn in das Haug
zu führen, die alle Gefälligfeiten als einen
fchuldigen Zins ihrer Schönheit angenoms
men, bie den Mann zu Grund gerichtet,
und doch ſich über Mangel beflaget ha—
ben würde ?— Big hieher war ber Vater
der jungen Thörinn gleihfam in einem
angenehmen Traume der groffen Hoffnuns
gen geiwieget worden. Aber als Emire
in dag Alter eintrat, wo biefe Hoffnungen
in Erfüllung gehen follten, und gleichwohl
nirgend her dazu ein Anfang gemacht wur⸗
de, als ſich zur Verforgung feiner Tochter
fogar nirgend her einiger Anfchein zeigte,
da oͤffnete er die Augen über den verwahrs
loften Gegenftand feiner Zärtlichkeit, und
entdeckte ohne viele Mühe die Mängel,
bie dag fchöne Bild verunftalteten — Der
Fehler war begangen ; er bielt fich nicht
erft lang mit Vorwürfen auf, fondern
dachte auf Wege, ihn zu verbeffern. Er
mac):
Therefie und Eleonore. 455
machte einen Entwurf dazu, der vielleicht
allgemein auf unfer Gefchlecht anwendbar
feyn möchte.
Des Stolzes ungeachtet, den die jun—
ge Emire in ihrem ganzen Betragen ges
gen das männliche Gefchlecht blicken Tief,
war ihr Herz gegen die Liebe nicht unem⸗
pfindlich. Wie waͤre diefes möglich gewe—
fen, da e8 durch Feine Lehren bewaffnet,
durch feinen Unterricht bewahret, nur den
ganz unausgebildeten natürlichen Negun-
gen nachhängen fonnte, Ihre Augen mwähl-
ten, und das Herz wußte fich der getrofz
fenen Wahl nicht zur widerfegen. - Zum
Gluͤcke für fie war diefe Wahl auf einen
würdigen Gegenftand gefallen. Aront
hätte die Wahl der verftändigften Perſon
unfers Gefchlecht8 gerechtfertiget. Er hate
. oft bei fich bedauret, daß fo viele Fehler
eine fo vollfommene Schönheit entftellten.
Emirens Vater, der von der Zeit, alg
er über die Aufführung feiner Tochter Be-
trachtungen anzuftellen angefangen , auf
alles, was fie angieng, aufmerffam ward,
überrafchte nicht nur die Blicke Aronts,
bie oft fundenlang an Emiren gehäf:
tet waren; er entdeckte fogar, baß ber
5 f4 Juͤng⸗
456 Thereſie und Eleonore,
Juͤngling, wenn er feine Blicke von. ihr
wegwand, feine Seufzer nicht unterdrücken
fonnte. Diefe Seufzer waren für den auf
merffamen Bater fihere Ausleger; er drang
in dag Geheimniß Aronts ein, und wuͤnſch⸗
te fich über feine Entdeckung Gluͤck; nur
wollte er, ehe er fonft etwas unternahm,
auch die Gefinnungen feiner Tochter aus—
forfchen.
Er hatte dabei weniger Mühe. Das
Mädchen hatte die Kunft, feine Neigung
einem fpäbenden Auge zu verbergen, nicht
gelernet. Sie hatte vielleicht nicht geglaubt,
daß fie e8 jemals nöthig haben würde,
fich zu verbergen. Als der Vater fi mit
ihr ernftlich über ihre Verſorgung befprach,
und die verfchiedenen Männer gleichfam
durch die Mufterung geben lieh ,„ welche
zu einem folchen Glüde ihre Foderungen
erheben dürften, blieb ihr Aug und Ger
ficht bei allen unverändert. Der eine war
‚nicht edel, der nicht reich, der nicht wohl⸗
geftaltet genug; kurz, fie fand an jedem
‚mit vieler Sreybeit diefes oder jenes, und
immer etwas auszuſetzen — Aber Uront—
hub endlich der Vater an — Aront —
yoiederholte Emire, und erröthete, und
flug
— Thereſie und Eleonore. 457
flug die Augen nieder — Aront, fuhr
der Vater fort, bat er feinen von den
Fehlern, welche die andern fo unglüd-
Lich machen, dir zu mißfalleny — In
Wahrheit Pape, ich wüßte nicht, was
ich an ihm auszufegen hätte, als def
er vielleicht zu unvorfichtig,, vielleicht
auch zu ſtolz if. Er biele fich immer
ſehr von mir entfernet — Der Bater
wußte nun genug , und hielt nicht für
noͤthig, die Unterredung fortzufegen.
XIV.
Ja, nad) der Männer ihren Klagen
Sind wir durch widriges Betragen
An alle Dual der Ehen fhuld.
| Gellert.
D er Prinz von Ithaka, den meine Freun⸗
binnen, wenigſtens von ihrem Sprachmeir
fier auß, fennen werden, wenn fie fonft
nirgend in der Sabellehre mit dem Sohne
des Ulnffes befannt geworden, kam auf
feiner Reife auf die berufene Inſel der
Goͤttinn Ealypfo — Telemach war ſchoͤn
und jung; mehr war nicht noͤthig, ihn bei
einer verbuhlten Nymphe zu empfehlen ,
und ihm zu Liebe dag firenge Gebut eins
5 f5 ges
458 Thereſie und Eleonore.
gehen su laſſen, durch welches von ihrem
Strande der Fußtritt eines jeden Mannes
abgehalten, und biefe Anfel, der Liebe un—
zugangbar gemacht werben follte — Der
Scriftfteller des Romans hat bier aleich-
fam einen Seitenzug gegen gewiffe aͤltern⸗
de Sproͤden anbringen wollen, die, bei ei»
nem Herzen voll jugendlichen Gefühle, ein
ernfthaftes Auffenmwerf annehmen, und Er-
Härungen und Anträgen zuvorfommen wol»
len, bie ihnen — niemand zu thun Wil:
lens iſt. Wird nun aber ja einer ungluͤck⸗
lichermweife von dem Sturme feiner unor-
dentlihen Negungen, an ihre Kuͤſte ver-
ſchlagen, fo heitert fich die ernftbafte Stir⸗
ne auf, bie Blicke werden fanfter , ihre
Stimme füfer , ihr Herz empfindet bie
Triebe des Mitleides, bis fie endlich dem
unglücklichen Verirrten zu Liebe gan
menfchlich werden. So machte es Caly⸗
pfo — Weißt du nicht Sremdling das Ge⸗
bot, welches jedem deines Befchlechtes
die Infel zu betreten unterfagerY Das
ift der Ton, die Sprache der Spröven,
die nur darum fo gebieterifch fpricht, da—
mit fie von dem fchönen Juͤnglinge gebe-
ten werde, mit einem Verungluͤckten ge=
lin⸗
Therefie und Eleonore. 459
Jinder zu verfahren, den nicht Kuͤhnheit,
oder Neugierde — den der Götterzorn
‚an ihre Küfte getrieben hat, der aber fich
noch in feinem Unglücke preifet, da es ihm
Gelegenheit giebt, eine fo ſchoͤne — er if
ungewiß, ob er fie eine Sterbliche oder
eine Gsttinn nennen fol; nad) ihrer Ge—
ſtalt wenigſtens eine Göttinn , zu vereh⸗
ren — Die Nymphe kann foldhen Schmei—
cheleyen unmöglich soiderftehen; Sie nimmt
den Iinglüclichen, ven fie erft den Tod droh-
te, leutfelig in ihre Grotte auf,-und bald
findet fie feine Geſellſchaft fo liebreizend,
daß fie, um derfelben nie beraubt zu wer⸗
den, das Anerbieten thut, ihn an ihrer
Seite unfterblich zu machen.
Bis dahin hat Senelon ziemlich wie
ein Kenner unferes Geſchlechts gefprochen:
aber bier verräth er feinen Stand, alg er
diefe Verſuchung der Unfterblichfeit für fo
wichtig anfieht, daß er es für nöthig hält,
Minerven in das Spiel zu bringen, um
den jungen Prinzen von der Bezauberung
logzureiffen. Der gute Bifchof! man ſieht
ed, daß er nie eine Frau gehabt! —
Aber man ſieht auch zugleich, daß Ea-
Ippfo in der. Kunft, die Männer zu fäffeln,
eben
460 Thereſie und Eleonore,
eben nicht ausgelernet hatte! — Wenn
man anders von den Herzen ber heutigen
Männer auf diejenigen fchlüffen darf, die
vormals gelebt haben, fo hätte in der That
der weiſe Begleiter Telemachs, fo fehr
er Minerve war, fein wirffameres Ge—
genmittel, das Blendwerf der Liebe zu
entzaubern, ausfindig machen fönnen, als
das unbefonnene Anerbieten der Nymphe,
ihrer Liebe eine ewige Dauer zu geben.
Einfältig ! liebe Göttinn! hoͤchſt ein-
fältig! dich , die du fo manchen Liebhaber
gehabt , von fo manchem Liebhaber fchon
verlaffen worden, dich hätte doch die Er—
fahrung ein wenig kluͤger machen ſollen.
Du hätteft, dächte ich, deinen Liebhabern
es wohl anmerfen fönnen, daß fie end
lich in die Länge deiner immer uͤberdruͤſe
fig geworden; und daß diefer Ueberdruß
weit mehr, als alle die vorgefchüsten Ges
fchäfte an ihrer Entfernung Schuld trus
gen, weil jedem nur erft dann, wann ihre
Vertraulichkeit ein wenig Falten ſchlug,
beifiel, daß fie Gefchäfte hatten — Gera—
de fo machte e8 auch der Fromme Eneas
bei feiner Dido. Der gute Jupiter ſendet
ihm den Befehl zur Abreiſe, meil dem
gu⸗
2 Therefie und Efeonore, 461
guten Manne bei der Stifterinn von Kar⸗
thago die Zeit lang ward.
Verſuchen Sie es ein wenig, meine
Damen aus ihrer heidniſchen Unſterblich—
feit! machen Sie einem unſrer Ehmänner _
den Antrag, daß Sie ihn an unfrer Seite
unfterblich machen wollen ? — Wie, Mae:
Same Ealypfo! Wenn Sie mir allein
diefe Gnade erweifen wollen, da, da
will ich Ihnen dafür die gande küſſen —
Aber mit meiner lieben gausehre zu—
gleich dann ein gehorfamer Diener
von ihrer Unfterblichteit — Ich zaͤhle
ohnehin die Augenblide unfrer Auflö—
fung: und wenn meine theure gälfte
fih nicht bald wegtragt, fo babe ich
wohl eher Luft, voran zu gehen, als
mich noch Länger in ihrer Geſellſchaft
zu quaͤlen —
Maͤn darf die Sache ſo weit nicht trei⸗
ben. Sehen Sie ein Bißchen auf unſre
jungen Leute, wie ſie da nach der Reihe
ſind! Itzt ſtirbt der gute Junge vor Zaͤrt⸗
lichkeit zu den Fuͤſſen eines Maͤdchens, itzt
findet er die Stunden Jahre, die Jahre
Ewigkeiten, die er nicht an ihrer Seite
hinzubringen das Gluͤck hat; itzt beneidet
| er
462 Thereſie und Eleonore.
er den glücklichen Boden, den ihre Fuͤſſe
betreten, den Hund, ben ihre Hände ſtrei⸗
cheln; itzt ift er ein unabfönderlicher Ges
fährte ihrer Schritte. Geijig, einen Aus
genblick zu verlieren, wo er neue Liebe
aus ihren Blicken ſchoͤpfen, und Seligkeit
mit unerfättlihen Zügen trinfen kann,
verfäumet er eher feine Verrichtungen, als
einen Ort, wo er wenigfteng mit ihr un=
ter einem Dache fich finden , die nämliche
Luft mit ihr einathmen fann. Alles in als
lem zu fagen, ber Menfch ift ganz Feuer
und Flamme — Kaum aber thut die forg«
fältige Mutter eine. bedeutende Frage, wo—
bin diefe Aemfigkeit um ihre Tochter, und
ob fie auch auf eine Verbindung mit ihr
abzielen dürfte ? — Weg ift Hige, der Him—
mel, das Glück, die Seligfeit! der eis—
falte Liebhaber zieht ſich zuruͤcke, wenn er
ein wenig rechtfchaffen ift, mit Anftand;
ift er ein unbefonnener Thor, mie es bie=
fe Suͤßlinge gemeiniglicd) find, über Stock
und Straͤuche, ohne die geringfie Wohl:
anftändigkeit zu beobachten. So, fo fehr
fcheuen ſich die Männer — nicht vor einer
Ewigkeit, fondern nur vor einer lebens⸗
länglichen Verbindung , die fie guͤtigſt
und
—
“ —
sec a a
Thereſie und Eleonore. 463
und zum Ruhme unſers Gefchlechteg eine
unendliche Kwigkeit zu nennen belieben,
Menn ich geroiß müßte, daß dieſes Blatt
fein Mann zu lefen befäme , fo wuͤnſchte
ich , meinen Freundinnen ein paar Wor:
te über meinen Gegenftand zu vertrauen.
Berfprehen Sie e8 mir, daß Sie alle dag
Geheimniß unter ſich bewahren wollen !
es möchte fonft fehr zu unferem Nachtheile
gereichen, wenn es ausfäme — Sehen Sie
fih noch einmal forgfältig um, ehe Sie
zu lefen anfangen, ob Ihnen nicht etwan
jemand über die Schulter guckt! Fein v
nun, fo lefen Eie!
Sener Schriftfteler ſprach, als ein.
Kritifer ihm Ausftellungen machte: was
würde der Menfch erſt fagen, wenn er
mich fo Fennte , wie ich mich. felbft !
Ich glaube, wir dürfen auch bei ung felbft
fprechen: thun Sie das am grünen, was
wird am dürren Solze gefcheben v was
würden die Männer thun, wenn fie
uns fo Fennten, wie wir uns felbft
fenrien? Denn, alles genau überlegt, und
unpartheyifc zu reden , find wir wenig⸗
fteng zwey Drittheil ſchuld, an diefem
Widerwillen der Männer vor dem Ehftan=
de,
464 Thereſie und Efeonore.
be, an den vielen Gelübden , welche Ver:
ehlichte um ihre Erlöfung thun, und die
fie, wenn ihre heiffen Seufzer erhoͤrt find,
mit fodanfbarem Herzen entrichten — Sind
wir auch, mie wir feyn follten, die gefäl=
ligen Gefchöpfe,, die dem Winfe unfrer
Männer gehorchen , und die geheimen
Wuͤnſche ausfpähen , um ihnen zuvorzu⸗
fommen? Sind wir auch, wie wir feyn
follten, die genügfamen Gefchöpfe, bie den
Schultern unfrer Männer nicht mehr auf-
zulegen verlangen, als fie tragen fönnen ?
die ihnen nicht gerade fo viel auflegen,
als fie tragen fönnen? die unfre Begier-
de, es andern gleich zu thun, oder fie zu
übertreffen, unterdruͤcken ? Sind wir aud),
wie wir feyn follten, die gelaffenen Ges
ſchoͤpfe, welche die üble Laune eines be=
(häftigten Mannes entfchuldigen , und
übertragen? Sind wir auch, wie wir feyn
follten, die forgfältigen Gefchöpfe, welche,
wenigftens in fo weit e8 ſich thun läßt,
den Mann der Hausgefchäfte entladen, und
ihn bei feinen wichtigeren Gorgen zum
mindften überheben,, fich nach dem Preife
der Butter zu erfundigen, oder Zucker aus
der Vorrathkammer zu langen ? Sind wir,
wie
Therefie und Eleonore. 465
wie wir feyn follten, nachgebend, wenn
der Mann etwan worin einer andern Mei:
nung ift, als wir ? Sind wir, mie wir
feyn follten, tugendhaft? und find mir es
ohne, wie eine Juno, mit unfrer Tugend
alle Augenblicke angezogen zu fommen, und
aus unfrer Pflicht uns ein Verdienft zu
machen? Sind wir, alles mit einmal zu
fagen, fo gearter, daß unfer Beſitz für
unfre Gatten ein Glück, ein Vergnügen,
‚ein Eegen; unfer Verluft für diefelben
wahrhaft ein Verluſt ift, den fie mit nicht
gelogenem Schmerzen dem Himmel vor—
werfen? daß fie an ung die Gehälfinn ih-
rer Sorgfalt, die Theilnehmerinn, die Ab—
wenderinn ihres Verdruffes, die Bewah—
rerinn ihrer Geheimniffe, die Wächterinn
über ihr Wohl, daß fie die Stüge ihres
Hausweſens, die Freundinn ihres Herzend
vermiffen? —
Wenn wir diefes find, fo werben die
Männer, die mit ung unfterblich zu wer:
den, nicht taufend Gelübde thun, die
fchändlichften, verächtlichften Geſchoͤpfe der
Erde feyn, zu deren Beftrafung wir in
Geheim die Verſchwoͤrung anfpinnen mol:
len, ihnen unfre Liebe zu verfagen, als
IV, Theil, Sg ein
466 Thereſie und Eleonore.
ein Gut, deffen Werth fie verfennen, und
defien fie in der Thorheit ihres Herzens
nicht würdig find.
3.
XV.
Wenn ungewig bei meiner Pflicht ih wanke,
Wie fürke mich oft der felige Gedanke:
Was that Arift bei diefer Pflicht?
Verfahre fo, ala wär’ er felbft zugegen 1— ”
So giebt ein Bli auf ihn mir ein Bermögen ,
Und die erft wankte, wanket nicht —
Gellert.
Sortfegung des XIII. Stuͤckes.
Peiner euch hoch ihr Männer ! hier folgt
bie Gefchichte eures Triumphe. Emi—
rens Vater zog nach feiner Entdeckung
Aronten in alle Gefelfchaften,, zu allen
Luftbarfeiten , wo der Juͤngling die Reize
feiner Tochter beobachten ,„ wo eine erft
feimende Neigung zur Liebe fproffen und
ausreifen konnte, Er fam einer Schuͤch⸗
ternbeit manchmal durd einen Scherz zu
Hülfe, und übergab ihm das Mädchen bei
einem Spagiergange zu führen, und zu
unterhalten — Bei diefem froftigen Mens
fchen,
Therefie und Eleonore. 467
(hen, fagte er lächelnd , iſt für meine
Tochter Feine Gefahr: er Fenner nur
die Grazien der geftorbenen Griechen;
für ihn haben die Lebenden Deutſchen
Feine Auleje.
Durch diefe Reden fachte er den Stolz
feiner Tochter an, daß fie fih Mühe gab,
über die griechifchen Grazien zu triumphis
ren, und verfeßte Aronten in die Noth—
wendigfeit , eine Befchuldigung zu ger:
fireuen, bie ein attiger Mann , wie er,
wirklich nicht auf fich Fonnte liegen laffen,
Aront fand alle Augenblicke Selegen:
heit, die Gaben feines Geiftes zu entwi:
deln. Die Anmuth, die Ungezrwungen-
heit, mit welcher er ſprach und handelte,
ber edle Anftand , womit er auc) ben
gleichgültisften Handlungen Werth, und
Anziehung zu verfchaffen wußte, die uner⸗
fhöpflihe Duelle feiner Unterredungen,
die gleichwohl nie anf Wind und Wettet
ausfielen, alles dieſes, mit einer vortreff⸗
lichen Geftalt vereinbaret, häfte auch ei:
nem Herzen, bag nicht, tie Kmirens
Herz, ſchon vorher wäre eingenommen ge
weſen, gefährlich werden Finnen. Eie em⸗
pfand ihre Niederlage bald : aber es wuͤr⸗
692 De
468 Thereſie und Eleonore.
de ihrem Stolge zu demüthigend geweſen
feyn, wenn der Sieg nur einfeitig geme-
fen wäre. Sie wollte auch von ihrer Sei—
te erobern.
Und fie war nicht unglücklich. Was ihr
Männer auch immer von der vergänglichen
Schönheit des Geiftes für Aufhebend ma—
chen möget, eine glatte Haut , regelmäf-
fige Züge, eine fchöne Farbe, ein edler
Bau des Körpers verfehlen bei euch weni-
ger ihren Eindruck, als diefe unfichtbaren
Reize, die ihr immer erft nachher aufſu—
het, um eure Uebergabe an ein gleiſſendes
Auſſenwerk zu bemänteln. Erft immer
Iocket euch die Farbe des Apfels , bie
Hände darnach auszuſtrecken. Iſt dann
auch das Fleiſch ſuͤſſe, ſo ſprecht ihr zur
Ehre eurer Wahl: ihr haͤttet ihn um des
letzteren Willen gewaͤhlet.
Auch Aront konnte Emiren nicht wi—
derſtehen, ob er gleich ihre Fehler zu ſehr
kannte — Aber ſie war ſchoͤn, wie eine
Denus : pallas bekam bier den Apfel
nicht. Er befannte ihr die Herrfchaft, die
fie über fein Herz hätte, und wuͤnſchte —
Nach den gewöhnlichen Förmlichfeiten und
Gegenförmlichfeiten, die unfer Geſchlecht
im⸗
Therefie und Eleonore, 469
immer des Mohlftandes wegen beobachten
muß, fagte ihm feine Emire fo viel, ohne
doch ein Wort zu fagen, daß er glücklich
war —
Wie Uronty Sie wollten fich mit die—
fem fchönen Körper ohne Seele vermaͤh—
len? Vermäblen y dachte auch der Lieb—
haber bei fih , und feine Liebe wanfte.
Aber der Vater Emirens, der beide auf dag
genaufte ausgefpähet hatte, und als ein
Mann von Erfahrung aus ihrem gegen:
feitigen Betragen deutlich laß, wie weit
feine Abficht erreicher war, nahm, als ſich
hiezu eine Gelegenheit anbot , Aronten
beifeite, und umarmte ihn — Ich febe:
mit Vergnügen , fprach er , daß Bie
meine Tochter Lieben. &ie find ihrer
wertb — Ich fehe auch, daß Ste Emi—
ven nicht gleichgültig find. Wäre fie
nur audy Aronts werth ! Ich bin Va—
ter, aber ich habe auch für die Sehler
meiner Tochter Augen. Aront! machen
Sie mich glüdlich, de Sie fiche zu—
gleich machen. Laſſen Sie die Liebe
Wunder thbun, und dann uns beide ei:
ne Öpfertafel in dem Tempel Denus’
der mächtigen gerzenwenderinn , aufs
93 hän⸗
470 Thereſie und Eleonore,
hängen! mich für eine Tochter, Sie
für eine Gemablinn. |
Der rechtfchaffene Vater verhelte gegen
den Liebhaber feiner Tochter feinen von
den Mängeln, die fie entftellten, und gab
ihm das Mittel, fie davon frey ju ma=
chen, felbft an die Hand,
Aront ward in feiner Aemſigkeit oͤf⸗
fentlicher, nachdem ibn Emirens Vater
dazu berechtigte — Theure Emire, ſagte
er einſt nach einer langen Unterredung
zu ihr, ich werde zwar nicht meine
Zärtlichkeit, aber die Ausdrücke derfel:
ben bei Ihnen erfchöpfen. Laflen Sie
mich fremde gülfe zuzichen, und er»
lauben &ie mir, Ihnen etwas vors
zulefen, was Sie wie die Schilderung
meines Herzens, und meine eigenen
Gefinnungen anbören können — Dies
mit nahm er einige der beften Schriften
zur Hand, und las ihr, bald eine Em:
pfindung, bald ein Gefprach, bald einen
naifen Gedanken, bald eine Gefchichte
vor, welche ſich unbemerkt in ihr Gedaͤcht⸗
niß einprägten, und von da fich in das
Herz Ichlichen,, daß fie felbft Luft befam,
dergleichen zu leſen. Geben Sie mir,
Ur:
Therefie und Efeonöre. | 471
Aront , eines von diefen Büchern, des
nen Sie ohne Zweifel die Ausdrücke abs
gelernet, welche mir aus ihrem Mun⸗
de fo fehmeichelhaft klingen. Ih will
Sie Fünftig mit gleicher Münze beloh—
nen! — Ach Emire! rufte der enzückte
Liebhaber, um wie viel noch wird ihr
Mund reizender werden, wenn er fich
mit der Anmuth diefer fchönen Geifter
ausdrüken wird! Mein Mund wird reis
gender, dachte Emire; mag thut ein Mäd-
hen nicht, ihre Neize zu erhöhen? Aront
traf fie, fo oft er Fam, über den Schrifte
ftellern an, die er ihr felbft gemählt,, und
bie in ihre Reden eine gewiffe Lebhaftig-
Feit der Wendungen, einen Adel des Aug:
drucks legten, der fie in den Augen Aronts
in der That liebreisender machen mußte.
Daß Lefen hatte noch eine andre Wirfung.
E8 machte ihr den Unterfcheid zwifchen dem
wahren Wise, der wahren Munterfeit,
den feinen und nicht beleidigenden Erhe—
bungen ihres Liebhaberd , und den froftie
gen Spigen, den fchaalen Einfällen, und
dem plumpen , übertriebenen Lobe des
Schwarms zu erkennen, der fih um fie
herbrängte. Es erhöhte alfo auch Aronten
94 in
472 Üherefie und Eleonore,
in ihren Augen. Sie fagte fehr oft: feit
dem fie leſe, ſey ihr die Munterkeit
Aronts gegen die Spaßhaftigkeit der
meiften übrigen Männer, wie das freu⸗
dige Süpfen eines Lammes, gegen die
muthwilligen Springe der Böcke —
Emire war nun im Stande, auch in
Aronto nothivendiger Abweſenheit die Zeit
nicht lange zu finden. Das war ein glüde
licher Anfang.
Er hatte fehr bald vortheilhaftere Fol:
gen. Das ungefittete Betragen Emirens,
der Stolz, mit dem fie alle Welt belei=
digte, dag fchnippifche Weſen, womit fie
alle Welt anließ, kam von der Wichtig-
keit her, die fie fich felbft wegen ihrer Reis
je beilegte. Schon fieng fie an zu empfin⸗
den, daß es auffer den Eörperlichen noch
andre Anziehungen gebe: fie fuchte fich
viefelben zu erwerben, um ihren Liebhaber
mit allen möglichen Banden zu fäffeln.
Aber ein Zufall brachte fie vollends zurech⸗
te. Sie begegnete einer Perſon, gegen
welche die Natur farg mit den Gaben des
Leibes, aber defto frengebiger mit den Ga-
ben des Geiſtes geweſen, in Uronts Ge:
genmwart fehr verächtlih. Das mar ein
| Ruͤck⸗
Therefie und Eleonore, 473
Ruͤckfall, den der aufmerffame Freund
nicht wollte aus Händen laffen, um fie
Fünftig auf immer davon gu befreyen. Er
begegnete alfo der beleidigten Häßlichen
mit fo fichtbarer Unterfcheidung, daß Emi⸗
re darüber fogar beunruhiget ward — Ich
babe, gab er ihr mit einem verweifenden
Blicke zur Antwort, als fie ihn zur Rede
ftellte — ich babe das unertige Verfah—
ren, fo diefe Derfon von Ihnen ertre-
gen mußte, einigermaflen wieder gut
zu machen gefucht — Sie verftand ihn,
und war feit der Zeit von einer einneh-
menden Höflichfeit gegen alle Welt.
Wenn fie fi auf Rechnung ihrer Ge:
ftalt Shorheiten erlaubte , fo feufzete ihr
Liebhaber, und fchlug die Augen nieder.
Seine Traurigfeit war ihr eine empfinds
liche Beftrafung, denn er war ihrem Herz
zen theuer ; und er brachte es zuletzt ba=
bin, daß fie, wenn fie ſich fehr munter
fühlte, immer in den Blicken ihres Aronts
entweder ihren Verweis fuchfe, oder die
Erlaubniß, ſich ihrer Munterfeit weiter zu
überlaffen. Mit einem Worte , da ihr
höchfter Wunſch mar , ihrem Piebhaber zu
— ſo nahm ſie ſich ſehr vor allem
985 in
474. Thereſie und Eleonore;
in Acht, was ihm mißfallen fonnte, Sein
Beifall, oder feine Mißbilligung war ihre
Richtſchnur. Er zeigte einen Gefallen an
der Mufif ; fie gab fih Mühe, ihn dadurch
zu verbinden, daß fie den Fluͤgel fchlagen
lernte. Sie überrafchte ihn fogar mit eis
ner ganz netten Zeichnung von ihrer Hand,
da er einft von ungefähr die Geſchicklich⸗
feit im Zeichnen an einem Mädchen fehr
erhub.
Noch war die Sorgloſigkeit, eine ges
wiſſe Läſſigkeit, und eine Unwiſſenheit
in allen Geſchaͤften des Hausweſens das
einzige, was ihr zu wuͤnſchen war, um
eine der liebenswuͤrdigſten Perſonen ihres
Geſchlechtes zu ſeyn. Die Liebe machte
dieſen letzten Pinſelſtrich, um ihr Werk
zu vollenden. Emirens Vater zeigte ſich
geneigt, ihre Verbindung mit Aronten zu
unterzeichnen, mit der ſie nicht laͤugnete,
daß ihre Gluͤckſeligkeit verſiegelt wuͤrde —
Emire! ich würde durch ihre Band der
glüdlichfte Menſch ſeyn, war des Lieb⸗
habers Antwort, aber da meine Verrich⸗
tungen mich ganz fodern, ſo wird mei⸗
ne Gattinn die Bausforgen über ſich
nehmen müſſen, wofür Sie einen un=
über:
Therefie und Eleonore, 475
überwindlichen Abſcheu zu haben ſchei⸗
nen. Wer wahr mehr, als Emire, be—
mühe, zu zeigen, daß fie ihm zu Liebe
jeden Abfcheu überwinden könne! Sie eil-
te, biefes einzige Hinderniß ihrer wechſel⸗
feitigen Glückfeligfeit aus dem Wege zu
räumen. In fehr Furger Zeit war fie die
ämfigfte , verftändigfte Gaushälterinn.
Sch will den Schluß im Idyllen Tone
machen: dieſes Wunder that Amor; und
nun frönte er die Liebhaber vor feinem Al:
tare, und fein Bruder Hymen führte fie
in die hochzeitliche Faube. Aber die an
der Seite Aronts glücliche Emire ersähl-
te oft Elagenden Muͤttern und leichtfinni=
gen Mädchen ihre Gefchichte, und fchloß
immer mit der Lehre: Mütter habet ihre
Zöchter, die euren Lehren frogen ; wollet
ihr fie ämfig, artig und gefittet machen,
waͤhlet ihnen einen Liebhaber, wie mein
Aront! Ya! wären fie nur nicht fo ſel⸗
ten, die Aronte! antworteten die Mt:
ger —
€.
XVI.
476 Thereſie und Eleonore.
XVL
Eh’ ih von euch mich rühmen höre,
Eh wolle ich noch gefcholten ſeyn.
Haller.
Urne. Gewiß allerliebft! — eine Wos
chenſchrift von Weibern gefchrieben !
fagen Sie mir doch, Terander, laufen
die Wifche fchon lange in der Stadt ber-
um? —
Terander. Hiſch, gnädige Frau! fol-
che Fragen thut man nur insg Ohr. Wie
fann man zu der artigen Welt gehören,
und nicht alle Blätter halten, die in ber
Stadt gehalten werden , und wären es
auch Hundert? —
Alife. Und muß man alle die hundert
Blätter auch lefen ?
Terander. Lefen? wenigſtens bin ih
nicht gut dafiir, daß man fie überall lieft, wo
fie gehalten werden, Aber einmal ift das
Mode geworden, daß ein Wochenblatt un:
ter die Geräthe der Pußtifche mit gehoͤret.
Alife. Wohl! (zu dem Kamermädchen)
Daß man die Mochenblätter fünftig ors
dentlich beftele! — (zu Terandern) Sie
beiffen —
Ter:
Therefie und Eleonore. 477
Terand. Therefle und Eleonore.
Alife. Das nenne ich einen vortreff⸗
lichen Gedanken! Therefie und Eleonore!
Die guten Gefchöpfe werden, durch ihre
Blätter wenigſtens, fic) veremwigen wollen,
fonft würden fie fih aus der Welt ge-
Ählichen haben , ohne daß man wüßte,
daß fie da gewefen. Kennen Cie die lie⸗
ben Seelen ? ich wette, fie find von Herz
zen häßlich ‚weil fie. ſich durch dag Ge-
lehrtſeyn aushelfen wollen.
Terand. 8aͤßlich nicht eben — aber
son einem Schlage , der nicht fehr aud)
groffes Auffehen macht. *) Das Mädchen
ein gut einfältigtugendhaftes Geficht, und
das Weib, mit einer Miene, die gerne
für wichtig gelten möchte — Aber wie war
es möglich, anädige Frau, daß Sie nichts
von diefen Blaͤttern gehört hätten ? —
Ali⸗
N Die Verfaſſerinn des Geſpraͤchs hat Hier den
Karakter des mannlihen Zwifchenrednerg vor=
trefflich beobachtet. Sie wußte ohne Zwei-
fel, daß man es einem Manne nicht verge=
ben würde, wenn er mit einer Frau von
der Geſtalt einer andern vortheilhaft ſpräche.
Der Herausg.
478 Thereſie und Eleonore,
Alife. Aber wie war es möglich, daß
diefes ungeſchmacke Zeug fich in bie arti-
ge Gefellfchaft eingedrungen ?— Wozu eB
gut it, in dem Wagen, auf einer Spa-
sierfahrt ein Buch in der Hand zu haben,
dag fehe ich ein, aber ein folches Blatt —
Terand, ft die bequemfte Lektur von
der Welt; das auch hat ihnen den Schwung
gegeben. Der muß viel Muth befigen, der
ein dickes Buch vor ſich liegen fieht, und
darnad) greift, im Vorſatze, e8 durch zu
lefen. Aber folche Eleine Broſchuͤren —
einer Biertelfinnde hat man fie über — und
gleichwohl — ⸗
Aliſe. Gut! weil es einmal Wochen⸗
blaͤtter ſeyn muͤſſen, ſagen Sie mir in
Auszug, was haben denn die Schwaͤtze⸗
rinnen, in dem Wuſte da, alles ausge—
frame? Thun fie auch ſehr gelehrt — oder
hängen fie vielleicht Moral und Tugend
an allen Eden aus? — daß wäre für
mich zu erbaulich —
Terand. Fürchten Sie nichts, gnaͤdige
Frau! die Moral ift ziemlich abgefpannt —
der Förmlichfeit halber ein wenig Tugend
bie und dort, mit groffer Schrift gedruckt,
nimmf
Therefie und Eleonore. 47%
nimmt fich erffaunend gut aus, laͤßt ſich
auch leicht uͤberhuͤpfen — ſonſt ſind es —
Aliſe. Nur keine Stadtgeſchichten! —
Es mag Leute geben, die ſich dabei die
Gicht an Hals lachen, das kann ſeyn;
ich, zuͤrne mich nur daruͤber; denn man
muß immer in Sorgen ſtehen, daß man
mit an die Reihe koͤmmt —
Terand. Verſprechen Sie mir, gebul-
dig zu ſeyn! fo will ich die. Blätterchen
vor Ahnen ein wenig durchlaffen, damit
Sie nicht nöthig haben, weit zurück aus-
zuholen.
Aliſe. Ich will wie verſteinert da ſitzen.
Vielleicht bringt mich das erbauliche Ge—
plauder in einen ſanften Schlaf. Das
ſollte mir lieb ſeyn: ich habe dieſe Nacht
mich ohnehin — ) Ach, biſt du es Liante!
Geſchwind in meine Arme — Konnteft du
fo lange nad) dir feufzen laffen? Aber,
du koͤmmſt eben, wie gerufen ; wir wollen
ba über diefe Schwaͤtzereyen zu Gericht fir
gen,
"Men muß ſich vorftellen: Aliſe habe jeman-
den kommen gehoört, und erwartet, wer ein=
geeten würde. Nun fie ihre Freundinn er—
kennet, ruft fie: ch bit du m. ſ. w.
480 Thereſie und Eleonore.
tzen, du ſollſt deine Stimme zur Verur⸗
theilung mit geben!
Terand. Um des Himmelswillen, *
dige Frau! Sie wollen mich zu Grund
richten. Liante iſt die Kampfhaͤlterinn
dieſes Wochenblatts. Ich trete gegen ſie
nicht in den Schranfen — Da — ruht fanft
ibr Blätter! Fein rauber Nordwind ver⸗
wehe euch —
Liante. Spotten Sie nicht, Teran—
der! Sie ſollen damit nicht los fommen.
Dhne Zweifel bat er dir viel zum Nach—
theil diefer Blätter vorgefagt? weißt bu
warum? er war einmal ftarf in der Per—
fon eines Belidors auf die Schulter ge:
flopft, das wird er Eleonoren big in die
Grube nicht vergeffen.
Terand. Aber, müffen denn unfre Be:
gegnungen immer blutig ſeyn, anbetens⸗
würdige Liante! Sie wollen es: wohl,
die Blätter find ſchoͤn, unnachahmlich?
göttlich) !
Liante: Ich erlaffe Sie des Zwangs,
‚mir eine Schmeicheley zu fagen — Eie bes
deutet nichts in bem Munde eines Papa=
geys — Doch, troß ihrem hoͤhnenden Tone
fol Alife die Blätter fo übel nicht fin⸗
den
Therefie und Eleonore. 481
den — Oder find Sie im Stande, bewei⸗
fen Sie das Gegentheil!
Alife. Terander, dag ift eine Auffo⸗
derung nach allen Regeln; die koͤnnen Sie
mit Ehren nicht abſchlagen.
Terand. Aber, gnaͤdige Frau, ſehen
Sie denn nicht, wir kaͤmpfen mit unglei—
hen Waffen! Liante ſchießt aus ihren Aus
gen tödtende Pfeile —
Lionte, (Mit einer Verbeugung) Die:
ſes Nitterblümchen haben Sie ohne Zwei—
fel ihrem Handbuche, der vortrefflichen ,
Clelie abgeborgee — Um Ihnen nichts
fhuldig zu bleiben: feßen Sie dem töd-
tenden Pfeile meiner Augen den diamanf:
nen Schild der unübertrefflichen Reize ih:
rer Nachtigall — *) Aber ich bin muͤde,
in diefem ungeſchmacken Zone fortzufah:
ren — Ohne fid) von meinen Augen irren
zu laſſen, was fanden Sie denn in den
Blättern fo unausftehliches ?
CTe⸗
Ich vermuthe, unter der Nachtigall fey Hier
eine Saͤngerinn verſtanden, und es habe auf
eine Anekdote mit Terandern feine Bezie
bung.
Iv. Ge. 95
Der Berausg.
432 Icherefie und Eleonore.
Terand. Lindern Gie den Ausdruck
ſchoͤne Freundinn! unausftehlich nicht
eben, aber langweilig, weil Sie fo bes
fehlen, gefünftelt in der Sprache, alle
täglich in der Materie; manchmal ein we⸗
nig freyer, als e8 Deftalen zuftehen mag.
Alife. Eben Habe ich ein Blatt im
Durchgehen ergriffen, welches Terandern
über daß legte vielleicht einen Beleg geben
fann: das Mittel, die Mädchen artig,
ämfig, und gefittet zu machen, eine
Erzählung in meinem Geſchmacke —
Liante. Und diefe Erzählung —
Terand. Sie haben nicht geirret, gnaͤ⸗
dige Frau ; wiſſen Sie , was bag, in
meinem Gefchmade, bedeutet ?
Liante. In dem Munbe eines Gall:
füchtigen wird alles bitter — Nach ber
Iöblichen Denfungsart der Männer diefer
Zeit wird e8 freylich, was weis ich, be=
deuten: in dem Munde ber Enhriftftellerinn
bedeutet e8, den Wunfch, einen liebens—
würdigen, gefitteten, aufrichtigen Freund —
einen Menfchen, der gerade dag ift, was
Sie nicht find — zu finden, der ung bie
Sehler unfrer Erziehung verlernen helfe.
Was finden Sie darin Freyes ? —
A Tes
Therefie und Eleonore. 483
Terand, D ganz und gar nichts, bei
einem Mädchen , das ihren Karafter fo
gleich Anfangs offenherzig ankuͤndiget —
nicht geheim hält , daß es einen Mann
wuͤnſchet —
Liante. Und ihn durch Ben und
Zugend zu verdienen fuchet,; diefen Mann,
der, wenn man die Verfafferinn fraget,
Ihnen fehr ungleich feyn muß — |
Terand. Ein fchüchterneg, Fleines Wer
fen, das in der Unfchuld feines Herzens
befennet: e8 habe einen Liebhaber —
Alife. Vortrefflich, Terander! es wä-
re alfo Schande, einen Liebhaber zu has
ben? —
Terander. Nein! — aber e8 zu bes
fennen —
Liante. Das ift ein Grundfag , der
fehr tief in ihrem Herzen eingepräget ſeyn
muß: ſich viel zu erlauben, welches Schans.
de feyn würde, zu befennen. Aber Gie
haben Recht ‚. e8 ift beides Schande, einen
Liebhaber zu haben, und es zu befennen,
da ihr heutigen Männer unfrer Wahl fo
wenig Ehre macht —
Alife. Merken Sie fid biefe Yugle-
gung zu ihrem Zerte, Terander!
ha „ Te
484 Thereſie und Eleonore, >
Terand. Sch habe nie an Ziantene
Wie gezweifelt —
KLiante, Aber ich fehr oft an dem ib:
sigen , und diefe Beobachtungen firafen
mich wenigftens nicht des Unrechts — Les
fer ohne Kopf, ohne Beurtheilung ! wiſſen
Sie denn gar nichts von Einfleidungen,
von Schriftftellerwendungen ! — Iſt denn
da herum bei Ihnen fo fehr Finfterniß,
daß Sie nicht durchfehen fönnen, die Ver
fafferinn habe in ihrem Namen gefagt,
was auf unfer ganzes Gefchlecht anpaflend
ift? — Muß denn die Sache gerade fo,
wie fie liegt, wahr feyn ? ift feine Dich»
tung erlaubt? — Senelons Todten haben
alfo die Gefprache wirklich gehalten, bie
er ihnen in Mund legt? Die Gefchichte
des Tforororotfo hat ſich alfo In ber That
ereignet? Und wie, wenn vielleicht ein
Mann der DVerfaffer dieſer Blätter waͤ—
re? — Mber ihr habet Recht, ſolche
Maximen zu verfchreyen : fie würden
euren Betrügereyen, die ihr Galanterien
nennet, zu fehr Einhalt thun — Alifel
man erzählet wirflich eine artige Anefdote
von dem IL. Stücke des I. Quartals. Ein
Nadchen lieſt daſſelbe ihrem Anbeter vor —
Sind
Therefie und Eleonore. 485
Sind Sie mit der Verfaflerinn eines
Sinnes v fragte diefer — Vollkommen! —
Von der Stunde hat der Menſch nicht
mehr das Haus betreten. Es war der
Mühe werth, nur um einen einzigen fol=
chen Heuchler zu entlarven , das Blatt
gefchrieben zu haben.
Bin Bedienter. Gnädige Frau, ber
Freyherr v. ..... will feine Aufwartung
machen. |
Alife. Eine Ehre — Wir Fönnen viel-
leicht den Faden einmal wieder fnüpfen,
wo wir ihn itzt abreiffen müffen,
|
553° XVM.
486 Thereſie und Eleonore,
XVII.
Armbander, Palatin, Egtetien,
Schönpflafter , Ohrgehäng, Manfchetten ,
Pompons, Bandläge, Garnituren ,
Mantille n] Reifrock N Handſchuh ’ Uhren f
Schmint, Esklavagen, Flor , Brillanten,
Strickbeutel, Schnürbruſt, Angaſchanten,
Halsſchleifen, Kappen und Bukette,
Saloppen, Hauben und Planſchette,
Glasfedern, Roben, Müffe, Schmelwerd,
Karkaſſen, Spitzen, Ringe, Pelzwerck —
Dieß alles hat nur einen Namen,
Und heiſſet ** zuſammen.
Ewald.
* Mi. wollen unferem Bruder nun
‚auch unfte gerrlichFeit zeigen! ſprach
der Monarch der nördlichen Wildniffe, der
Bar, ald von dem Löwen aus Afrika
zur Erneurung des alten Bündniffes, bei
ihm ein fchön gefleckter Tieger als Bott:
fchafter anlangte, den Fürft Petzens gan-
je Hofftadt aufferordentlich beiwunderte —
Und er befahl dent Suchfen, feinem Ge:
heimſchreiber, unter alfen Vaſallen, bie
der brummenden Majeftät buldigten, ben
jenigen auszuloͤſen, deffen Haut die Augen
durch feine Schönheit anziehen, und deſ—
fen
Therefie und Eleonore. 437
fen Gröffe ihm zugleich bei der loͤwiſchen
Pforte Anfehen verfchaffen koͤnnte. Der
Fuchs verließ die Nefidenz des Bären, und
befchloß nicht fobald wiederzukehren, fon=
dern einen Abgeſandten, nad) dem Willen
feines Fuͤrſten auh am Ende der Welt
aufzuſuchen —
„ Er trabbte von Wald zu Wald,
fah den Luchſen, den Marder und ande⸗
re Thiere mit ſchoͤnem Pelzwerke; fie find
ſchön, aber nicht anfebnlich ! und trabb⸗
te weiter, „
„ Ein Luſtwald, der zunächft an ei—
ner Hauptftadt liegt, deffen Alleen bis an
das Thor der fürftlichen Burg reichten,
führte den Fuchfen ganz von ungefähre
nad) der Stadt — Diefed war für ihn
ein gefahrvollee Drt: aber in: welche Ge=
fahr wagt man fich nicht aus Eifer für den
Herrendienft, und um gute Liefergelder ?
Der fehlaue Bevollmächtigte wußte feinen
Schlich einzurichten , daß er von Men—
fhen nicht gefehen, von Hunden nicht ges
rohen ward.
„ Eben war e8 Winter , der unge
beure Schnee, ber gefallen war , foderte
die ganze Stadt zu Lufifahrten in Sclit-
| 254 ten
438 Thereſie und Eleonore,
ten auf — Reinede fah eine derfelben,
und erftaunte über die Pracht und Schön:
heit des Thiers, fo vor dem Schlitten ge=
ſpannet war — Welche Zierde des Zaupts
und Halfes! dachte er bei fich ſelbſt —
welche Foftbare Sleden der Haut! wel-
. ches Anfeben! Bier babe ich mehr ge—⸗
funden, als ich geſucht: und fchon über:
dachte er, was er für eine Belohnung
von feinem Herren file den wichtigen Dienft
fodern würde, den er ihm mit Auffindung
ER eines fo prächtigen Abgefandten, würde
geleiftet Haben — Er wählte nun unter ei⸗
ner langen Reihe Pferde , die an Schlitten
bei ihm vorüber gieng, dasjenige, dag ihm
am meiften gefiel, und folgte ihm von fer=
ne bis nach feinem Stalfe, um ibm ba
die Ehre fund zu machen, welche feiner
am Hofe wartete, „
„ Der Schlitten ward bineingeführt.
Es fam ein Stallfnecht, der Petzens be
ftimmten Bottfchafter abfpannte : der Fuchs
wartete mit Ungebuld , feine Anmwerbung
anzubringen — Nun trat der Knecht her⸗
bei, hub den prächtigen Federkamm vom
Halfe, 508 bie foftbare Decke vom Leibe,
und
Therefie und Eleonore. 489
md der Fuchs fah traurig, ſtatt des an⸗
fehnlichen Thieres , dad dem Bären an
dem Hofe feines Bundsgenoffen fo viel
Anfehen verfchaffen follte , ein — gemeiz
nes, dickleibigtes Kutfchepferd. „,
Sch laſſe Politikern gerne eine eigne
Anwendung diefer Erzählung , welche aus
den Jahrbüchern von Urfomanien entlehnt
ift, und mache fie nach meiner Weife, wenn
fie nichts dawider einzumenden haben.
Damis fucht eine Frau: er hat in
Gefellfchaften beobachtet , wie gerne bie
Männer fchöner Frauen gefehen find, wenn
anders diefe Männer ein wenig gefällig,
die Frauen nicht altdeutfchtugendlich feyn
wollen. Nun fpricht Damis: ich fuche
mir eine $rau auch zum Anfehen! man
fol, wo ich eintrete, fprechen: Damis
ift glücklich! Damis bat eine fchöne
Stau! Vielleicht war Damis auch in ber
Schule des Weifen gemefen, und hatte dag
demuͤthigende: Kenne dich felbft ! über
der Schwelle des Tempels gelefen, und
ba er befcheiden feine eigene Unwichtigkeit
fühlte, wollte er ſich durch die Reize feiner
Grau, zu einer wichtigen, zu einer noth⸗
58h5 wen⸗
490 Therefie und Eleonore,
wendigen Perfon in Geſellſchaften auffti=
gen. Man gebe mir nicht Schuld, daf
ich perfönliche Anfpielungen einmenge : ich
rede im allgemeinen ; denn man werfe fei=
ne Augen umher! findet man nicht mehr
als einen Damis, deffen ganzes Verdienft
in der Geftalt feiner Frau befteht? der
darum alfer Orten willkomm ift , weil er
nie ohne feine fchöne Fran koͤmmt? — Dar
mis num wollte, mit einem Worte eine
Frau haben, die ihm Anfehen, Freunde,
Verehrer verfchaffe —
Er fah Liſinden, ein Mädchen von
vortrefflihem Herzen, und ſtiller Echön-
heit — Er fab fie, aber diefe Stille war
feine Rechnung nicht. Er ſah — kurs, er
fah wohl sehen verehrungswerthe, liebens⸗
wuͤrdige Kinder, welche die Neigung eines
vernünftigen Menſchen zu faͤſſeln faͤhig
ſeyn ſollten. Aber Damis uͤberſah ſie,
ſein Auge blieb luͤſtern, mit einer der Ue—
berlegung zuvorkommender Wahl, an Tin»
darinen gehäfter —
Tindarine , weldye veisende Geftalt!
Farbe, Wuchs, Gang, Gebehrden, Klei-
dung, alles ſtimmte verräthrifch gegen den
armen Damis überein : er war ein Sklav,
noch
Therefie und Eleonore. 491
noch ehe er wußte, ob feine Knechtſchaft
von der Sultaninn feines Herzens genehm
gehalten würde — Er eilte fich ihr zu Füf-
fen zu werfen. Ich will immer, diefen ro⸗
manmäffigen Ausdruck mitnehmen: denn
der Liebhaber. Tinderinens fpielte in der
That einen Roman, der würdig waͤre von
einer Skudery befchrieben zu werden, nur
auf zehn Bände würde fie es hart bringen:
denn ber Ritter fuchte Feine Abentheuer
auf, um in den Augen feiner Goͤttinn wuͤr⸗
dig zu erfcheinen — Er griff unmittelbar
Tinderinens Herz an: wenn ich fie be—
fige, ſprach er, dann follen des Erztes
wurdige Thaten unfern Samen verei-
nigt der Nachwelt überliefern. Er that
fo gleich die Anmwerbung.
Es war Stadt befannt, daß Damis
von feinem Vater ein groffes Vermögen
ererbet, und von einem drey und achkig-
jährigen Oheim ein eben fo groffes zu er⸗
warten habe. Wie der Ruhm vor dem
fiegreichen Helden hergeht, und ihm Staͤd⸗
te öffnet, und Völker unterwirft; fo wan-
delte vor Damifen der Ruf feines Neich-
thums her, und Tinderine brachte ihm die
Schluͤſſel zu ihren Herzem auf halben We-
ge
492 Therefie und Efeonore,
ge entgegen. Der Mann, fagten Tin»
darinens Aeltern , kann dich reichlich
ernähren — Der Mann, dachte Tindas
eine bei fih, Tann dich prächtig hal-
ten. Das war, mie e8 bei den meiften
Ehen ift, der Beweggrund, der ihm ein
eilfertigs Ia zumege brachte. Aber Damis
war vernünftig genug, ihn in feinem per:
foͤnlichen Verdienfte zu finden , und auf
guten Glauben diefes Irrthums von ber
Zeit an auf fich groffe Stüde zu halten,
Die Liebesgätter führten dem entzückten
Bräutigam die holdſeliggeſchmuͤckte Braut
zu —
Nach dem Ehrentage wurden bie Gluͤck⸗
wuͤnſche angenommen, wobei man in den
Augen des neuen Ehmanns jene ruhige
Freude nicht wahrzunehmen glaubte, die
fonft eine ordentliche Folge des Befißes
zu feyn pfleget. Gleichgiültigfeit am erften
Tage der Ehe ift noch mehr als Unzufrie⸗
denheit: man zerbrach fich den Kopf über
biefe unerwartete Veränderung. Nach er
ner Zeit, als Reue und Mißvergnügen ſich
in dem Herzen des Damis feft geſetzt hat⸗
ten, machte er felbft fein Geheimniß dar⸗
aus: es wanderte von Hand zu Hand ein
Briefe
<herefie und Eleonore. - 493
Briefchen herum, darin er einem Freunde
das Raͤthſel erfläret, Ich theile hier eine
Öffentliche Abfchrift mit, fo darf man ſich
diefelbe nicht mehr verholen mittheilen. Es
ift kurz, aber es ift die Sprache des Her»
send —
, Freund
„, Schlagen Sie alle Verbindungen aug,
fo vortheilhaft fie auch fcheinen mögen. Dar
miſens Beifpiel müffe Sie warnen! Alle
Mädchen find Puppen, die nur durch ge
borgte Schönheiten faͤſſeln; fie legen dag,
wodurch fie ung gefielen , abends vor ihe
rem Nachtifche ab. Da liegt die Farbe in
einer Schminfbüchfe, der Wuchs in elen=
hohen Abfägen! Ah! ich will den Ver—
druß nicht erneuern: ich habe an meinem
Weibe ven Ausfpurch des Dichters zu fehr
bemwähret gefunden : das Weib ift der
Zleinfte Theil feiner felbft — Efel und
Grauen ift für den Mann; die Reize find
nur für Fremde und die Gefellfchaft —
Traurige Theilung, vor ber Sie fi noch
hüten fönnen — und werden , wenn ne
folgen; »
ihrem Damis,
; &;
-XVUL
494 Thereſie und Eleonore.
XVIII.
Wer nie beſeſſen hat, empfindt nicht den
Verluſt.
Renig.
Un Eleonoren.
* Se ſollen unſeren Zwiſt entſcheiden,
Fraͤulein Schriftſtellerinn! Ich bin nicht
eben eine Venus; mein Spiegel erinnert
mich dieſer traurigen Wahrheit nur zu oft,
und die Einſamkeit, die um mich herſchet,
beweift mir beutlidy genug, das Glas mei-
nes Spiegels entftelle mich nicht, Alidan⸗
te ift ſchoͤn, aber gewiſſe Umftände haben
alle ihre Anbeter von ihr entfernets Unſere
Häufer find nun von Männern unbefucht.
Wir wären unglüclich, wenn wir ung
nicht felbft zureichten. Zum Gluͤcke können
wir ihrer Gefelfchaft mäfjig geben : uns
fee Umftände wären alſo für ist auf gleis
chem Fuſſe. So glaubt Alidante — nicht
ich. Mich martert fein Andenken deſſen,
was ich war, und nun — nicht mehr bin.
. Hd) Habe nie den Mittelpunft ausgemacht,
um den fich einft der ganze Wirbel der
männlichen Gefellfchaft gedrehet bat; id)
habe nie geberrfcher — Alfo habe ich auch
kei⸗
Therefie und: Eleonore. 495
feinen Zepter verloren, wie meine Freun⸗
dinn, die von einer Höhe, auf welche fie
die Schmeicheley vor. wenigen Sahren ers
hoben, herabgeſtuͤrzt, fehr oft in Geheim
nad) ihrem ehmaligen Standorte zuruͤck
ſchielen, und fich, und die vorüber gegans
genen Zeiten — umfonft bedauren wird,
Sch vergleihe mid und fie immer mit
zween it zwar gleich elenden Landleuten,, -
davon aber der eine feine elende Koft von
Jugend auf gemohnet ift, der andere lange
Zeit in der Stadt Leckerbiffen genoffen hat.
Dem einen fchmeckt fein trocen Brod, —
nicht eben vortrefflih , aber auch nicht
ſchlecht, weil er nichts Beffers kennet:
der andre hingegen ftellt immer Vergleiche
an, und fein Gaum findet feine gegenwaͤr⸗
tige Nahrung ungleich elender. Ueberhaupt
beſteht alfe Slückfeligfeit oder Unglückfelige
feit fehr viel in unfrer eignen Einbildung,
die unaufbörlich gefchäfftig ift, Bilder zu—
fammzuftelen, und Maßſtaͤbe zur Ausmeſ⸗
fung des einen, und andern ausfindig zu
machen. u
„ Sagen Ste ung, liebes Mädchen ,
wen fallen’ Sie bei? mir? oder Alidan⸗
ten, bie immer bärtnäcig behauptet: das
An⸗
496 Thereſie und Eleonore.
Andenfen eines auch ſchon verlornen Gutes
fey ſuͤſſe? — Sträuben Sie ſich nit,
Eleine Heuchlerinn, als ob die Frage über
ihre Faffung gienge! Sie find in dem, was
die Zufriedenheit des Herzens betrifft, wer
nigſtens nach ihren Blättern zu urtheilen,
_ feine Schülerinn. Ich befehle Ihnen alfo,
Kraft diefes Anfehens, daß fi) auch dag
- dummfle Weib auf ihren Srauenftand,
gegen das kluͤgſte Maschen giebt; Kraft
dieſes Anſehens befehle ich Ihnen, mir zu
antworten: was wollen Sie: Lieber nie
geliebte werden? ober aufhören es zu
ePNY a
vu Silviane.
Gebietriſche Sylviane.
Ich wuͤrde vielleicht gegen ihr ange—
maßtes Recht, mir Mädchen zu befehlen,
Einwendungen machen; und uͤberhaupt ha⸗
ben Sie es errathen, ihre Frage reichet
uͤber den engen Kreis meiner Faſſung hin⸗
aus. Aber ic) kann zum guten Gluͤcke ges
borchen, ohne es auf Unföften meiner Eins
ficht zu thun, und vielleicht auch ohne mid)
den Lachern auszufegen. Einer der ſchoͤn⸗
ften Geifter Frankreichs bat diefe Frage
feiner Unterfuchung nicht unwuͤrdig gehal⸗
tem,
Therefie und Eleonore. 497
ten. Ich will ihn unfre Mutterſprache res
den lehren: und dann werden Sie fich lie:
ber durch den Ausfpruch eines Biſchoffs,
als dag Urtheil eines leichtfinnigen , feich-
ten Mädchens zu einem Vergleiche bewes
gen laffen. ;
Ariadne und Sapho ein Geſpräch.
Ariadne. Nach dem Tone zu urtheilen,
aus dem Phaon mit Ihnen fprach, hat eg
zu allen Zeiten, folche glänzende , unbe:
deutende und eingebildete Gefchöpfe gege-
ben, die fie heute in der Oberwelt Klein:
meifter, Stußer, nennen : eine Benen⸗
nung, die zugleich ihre unendliche Klein⸗
beit, und ihre Kitelkeit bezeichnet?
Sapho. Es gab zu allen Zeiten Köpfe,
die recht dazu gemacht waren , fich mit
Unbefonnenheit zu füllen, und mit Eigen=.
duͤnkel zu zieren. —
Ariad, Aber wie Fonnten Sie, nad) ei-
ner fo unfchmeichelhaften Schilderung fich
von ihm hintergehen laffen ?
Sapho. Kennen Sie denn allein den
Eigenfinn der Liebe, und des menfchlichen
Herzens nicht?
7
IV, Theil. 4 Ari⸗
498 Therefie und Eleonore,
Ariad. Ich würde über jedes Mädchen
mich weniger wundern , als über Sie —
Mit fo vieler Vernunft, folchem Geifte,
felbft mit fo vielem Genie. —
Sapho. Zf die Seele darum weniger
(hwad) ? Die Vernunft gränzt fo nahe an
die Thorheit, daß fie ung berfelben meit
mehr nähert, als uns dawider bewahret.
Sie unterfiügt das Herz in feinen Vor-
fpieglungen : und Sie fonnten aus meinen
Gedichten abnehmen, daß ich zu allen Ber:
irrungen aufgelegt war.
Artad, Diefe Gedichte find in der That
von einer unnadhahmlichen Stärfe, Aber
ich vergebe es Ihnen nicht, fich wegen ei-
nes tollen, undafbaren. —
Sapho. Eine vernünftigere Liebe wür-
de vielleicht nicht fo ausdruckvoll geweſen
feyn. Doch, warum erinnern Sie mich meir
ner Schwachheit? warum machen Sie mir
deswegen Vorwuͤrfe ? Hat mein Tode nicht
allesausgelöfcht ? Ach habe mich ſelbſt wer
gen einer ungluͤcklichen Leidenſchaft befiva-
fet : das Leufadifche Vorgebuͤrg ift bes
ruͤhmt durch meine Verzweiflung.
Ari⸗
Tperefie und Eleonore. 499
Ariad. Und durch ihre Thorheit. Das
war für Phaon ein neuer Triumph, fich
um feinefiwegen in die See zu ſtuͤrzen.
Sapho. Wie? ift e8 Ariadne, die mit
diefe Aufbraufung vorwirft? Hätten Sie
‚die Infel Naxos vergeffen ?
Ariad. E8 ift wahr, ich nahm mir da
freywillich das Leben : aber die Urſache
rechtfertiget mein Verfahren. - Thefeus
flatterhaft, ungetreu, eidbrädtg. — —
Sapho. VBerdiente nur ihre Verachtung.
Ariad. Thefeus, der fo fehr mich lieb»
te; den ich noch anbetete ; er, den meine
Liebe taufendmal der Wuth meines Vaters
entrifien hätte, ploͤtzlich undankbar, ums
beftändig — — Wag für eine Beleidis
gung kann einem Weibe graufamer, wel⸗
che Stellung für fie empfindlicher feyn?
Sapho. Nein! diefes Unrecht ift dem
meinigen nicht zu vergleichen: Was hatte
ich nicht gewagt, einen Graufamen zu bes
wegen , einen Gleichgültigen gu rühren ?
Hatte ich etwas unterlaffen, was ein jun⸗
ge8, geiftreiches, gefuͤhlvolles Weib, thun,
ſagen, erfinden kann?
Ariad. Mit welcher Luſt ſah ich mei—
nen Geliebten an dem Hofe meines Va—⸗
ia ters
soo Therefie und Eleonore.
ters anlangen !-Mit welcher Entzuͤckung
nahm id) die erſten Merfmale feiner Liebe _
auf! In welche Angft ſtuͤrzten mich die
Gefahren „ denen ich ihn ausgeſetzt fah !
ie dringend war ich , ihnen vorzufome
men, ihn dagegen zu fchüßen, oder wer
nigfteng fie mit ihm zu theilen ! Stolz,
von dem fchrecfbarften Feinde ihn befrenet
zu haben, eile id) dem Sohne des Egeus
auf feinen Schritten nad) :-ich folge ihm,
in dem bezauberenden Gedanfen, die Tage
meines Geliebten erhalten zu haben, Ich
pereinige mein: Schickfal mit dem ſeini—
gen — Der Undanfbare — er verläßt mich,
um, fich einer neuen Liebe zu uͤberlaſſen,
die ihn der meinigen vergeffen macht...
Konnte ich meine Entehrung,, und mehr
noch, mein Unglück überleben ?
Sapho. Sch hatte meinen Phaon nicht
gegen ben Minotaurus zu vertheidigen :
aber ich wollte für ihn, er follte für mich \
leben. Meine Gedichte, die Ihnen gan
Feuer fchienen , waren nur nod) ſchwache
Ausleger meiner Empfindung, -- Die Lob-
fprüche,, fo man gegen mich verſchwen⸗
bete, waren mir gleichgültig, wenn ich fie
nicht mit Phaon theilte. Härte ſelbſt fein
Bei:
Be _
Therefie und Eleonore. Zor-
Beifall meinem Herzen zureichen Finnen ?
e8 foderte Liebe, und der Undanfbare —
die hatte er nicht. Kaum nahm er wahr,
daß er fie mir eingeflöße — Noch ist wär:
de ich vor Schmerz und Verzweiflung ſter—
ben, wenn ich es nicht bereits wäre —
- Ariad. Sollte ich ißt wieder mein Les
ben erhalten, fo wuͤrde ich eg fir meinen
Undanfbaren noch einmal hingeben — Sa—
pho! Eie hatten: foldhe Urfachen nicht, .
‚den Entfehluß des Todes zu faffen —
Sapho. Ah, ich hatte ftärfere —
Ariad. Iſt es für ein Weib nicht tau—
fendmal ſchmerzhafter, taufendmal demuͤ—
thigender, wenn fie aufhört, geliebt zu
ſeyn, als wenn ſie es nie war?
Sapho. Ueberlegen Sie einen Augen—
blick unſre Vorzuͤge! Sie werden anders
denken. Man muß das zugefuͤgte Unrecht
nach unſern Anſpruͤchen, nach unſern Vor⸗
zuͤgen abmeſſen. Sind wie nicht geboh:
ren, um geſucht, gedrungen, angebetet
zu werden? Wenn wir zuerft lieben, fo
haben wir unferm Sefchlechte, unfrer Wür:
de vieles vergeben; und lieben wir ver:
gebens,. fo ift e8 dag Uebermaß unfrer
Demüthigung.
3 Ari⸗
502 Thereſie und Efeonore,
Ariad. Ich fehe darin gar Feine Ur⸗
- fache zur Verzweiflung , zum Tode. Was
verliert man, wenn man einem Gegenſtande
entfagt, deffen Eroberungen man nie ge=
macht bat? Kann man fo lebhaft ein
Gut bedauren, das man nie befeffen bat ?
Aber, wann man fi der Gewohnheit zu
gefallen, der Suͤſſigkeit, gelicht zu feyn,
überlaffen hat; wenn man die graufame
Hintanfegung mit der fehmeichelhaften
Stellung vergleicht , barein man uns ver-
feet hatte , mie fönnen mir biefe grau—
fame Bergleichung ertragen ? Ach habe
für Thefeus alles gethanz Ahnen — hat:
te Phaon nichts zugefagt: Stund es aud)
fonft in feiner Gewalt Sie zu lieben ?
Sapbo. Stund e8 in Thefeus Gewalt,
nicht unbeftändig zu ſeyn?
Ariad. Wählt man nah Wilführ?
Sapbo. Berläßt man freymwillig? Phaon,
fagen Sie, hatte nichts zugefager ? Sagt
nicht ein wwohlgebildeter Menfc ung im⸗
mer etwas su, fobald wir ihn lieben? und
wenn er gleichgültig bleibt, hebt er ba
nicht die Verbindlichkeit auf, die unfre
Eitelfeit ihm auflegt?
Ur:
Tperefie und Eleonore, 303
Ariad. Sie hatten wenigfteng die Zu—
flucht, zu denfen, jedes andre Weib wuͤr—
de ihrem Unempfindlichen eben fo wenig
gefallen. Aber ein unbefländiger Liebha=
ber beweift den Vorzug einer andern, und
diefen Vorzug vergiebt unfre Eigenliebe
nie —
Sapbo. Es ift fo fehr gemöhntich;
vielleicht liegt es felbft in der Natur , daß
glückliche Liebhaber unbeftändig find; und
man fann ſich über fein befonderes Ins
glück, durch das allgemeine unfers Ges
ſchlechts tröften. Aber es ift fo etwas
aufferordentliches, nicht geliebt zu werden,
daß man nirgend dawider Troftgründe aufs
fuchen kann. Es ift, mit einem Worte,
fehr gemein, einen Liebhaber zu verlieren,
Aber feinen zu haben —
Ariad. Auch diefes kann für gewiſſe
Gemuͤthsarten gleichgültig feyn. Ein wahr⸗
haft zartliches, und. nur zärtliches Weib,
wird in beiden Fällen gleid unglücklich
feyn. Ein Weib, die viel Eitelkeit, und
menig Liebe beſitzt, wird in beiden Faͤllen
fehr Teicht 5 finden.
El XIX,
304 Therefie und Efeonore,
XIX.
Nun heute führt man mich zur Tran,
Und morgen bin ich eine Frau.
Gleim.
Uns morten bin ich eine Frau! fo ruft
‚das Mädchen entzückt, wirft einen ſehn⸗
fuchtvollen Blick in die anmuthige Zufunft,
und fieht nur ſcheu, und mit fchiefem Au—
ge, gleich einer jungen Dryade, hinter
der ein fcheußlicher Zaun herjagt, nad
der vergangenen Zeit ihrer Mädchentage
zuruͤcke — Mein Bott! fagte einft ein
lebhaftes Toͤchterchen, als fie in der Ges
fchichte an die Begebenheit der Tochter
Jephte fam — die gute Ifraelitinn ift
in ihrem Sterbeftündchen wahnwigig
geworden ! ihren Mädchenſtand bewei—
nen! das lohnte der Mühe — Eie wir:
den alfo um ihren Mädchenftand nicht fehr
traurig fenn ? nahm jemand, der zugegen
war, das Wort auf — Im gerinuften
nicht: und ich febe alle die ale Thö—
rinnen oder geuchlerinnen an, die bei
der Trauung fo ungebehrdig thun, wie
nicht einmal Ipbigenie gesban , ale
man file in der Oper zum Würgelter
ſchlepp⸗
Therefie und Eleonore. 505
fchleppte ⸗ Sie find ſehr voffenherzig,
Fräulein! — Eh! warum follte ich es
nicht feyn? warum heurathet die ThS-
rinn, wenn fie darüber weinen muß y
oder warum weint fie, wenn fie gerne
beuratbety — (
Der erfie Schein iſt ſtark wider dag of⸗
fenherzige Mädchen, welches id) hier ſpre—
chen ließ; und doch dürfte-egs im Grunde
weniger zu fchelten feyn, als e8 dag An-
ſehen hat — Der Wunſch, aus dem Mäd-
chenſtande zu treten, iſt unferm ganzen
Gefchlechte gemein: die es läugnet, macht
Grimaffen „ oder — hat vielleicht diefen
Wunfch nicht mehr zu thun. Aber es ift
nicht immer Mannfucht, in der Bedeu:
tung, welche dem Worte die Kopfſchuͤttler
beilegen, und die unferem Geſchlechte we—
nig Ehre bringt: es ift meiflens ein uns
ſchuldiges Verlangen, welches die ordent-
liche Art, womit den Mädchen zu Haug,
und auffer demfelben, von ung Weibern
begegnet wird , in der That fehr Aue:
lidy macht.
„ Grüß dich der Sinmehz meine
Louiſe! Laß dich umermen — Wan:
delft du unter der Erde, daß man dich
33 gar
506 Thereſie und Eleonore,
gar nicht zu fehen beksmmt, feit dem
du beine eigne Frau biftv — „ |
Sräulein Ninette — ſagt die fünf
‚tägige Frau ganz ſteifnaͤcklzgt, indem fie
der angebotenen Umarmung gefchickt aus⸗
weicht ; ich babe Sie —
„ Sraulein Ylinette! ich babe Sie!
was ift das für eine froftige Sprache
unter fo guten Sreundinnen , als ih
und du —
Waren — —
Und nun — —
Und nun — liebes Sräulein! ich
muß Sie erfischen, mich zu nennen,
wie ich Bie nenne. Es wird mir im⸗
mer eine Sreude ſeyn, wenn Sie bei
mir einfprechen. Ich werde freplich
Sie nicht felbft unterhalten Fönnen,
Sie wiflen es, eine Frau, muß die
Srauen unterhalten, Aber ich werde
ſchon dafür forgen, daß Sie Gefell-
ſchaft von Fraͤulein finden.
Die Fran, bie einem Maͤdchen, mit
der fie vor wenig Tagen Schwefter war,
und die bei ihrer Standesveraͤnderung noch
fo kuͤhn iſt, ſich daran zu erinnern, bie
Frau, bie einem fo dreiften Mädchen nur
kalt⸗
Sherefie und Eleonore. 307
kaltſinnig mitfährt, ift noch fehr gnaͤdig;
und die Beifpiele davon werden nicht eben
alltäglich feyn —
Dei den meiften wird dag ber Ton *
aus dem ſie ſprechen werden — Meine
gute Ninette! du weiſt vielleicht wohl
nicht, daß ich eine Frau binv In der
That Madchen, das bin ih — Du
weift vielleicht wohl auch nicht , die
Ehrerbietigfeit , die du mir ſchuldig
biſt? Nun, ich will an dir das Werk
der Liebe thun, und dir Linterricht ge-
ben! Sobald du eintrittfi, mache mir
fein eine Derbeugung bis auf die Erde,
und wiederhole fie ein paarmal, ebe du
ganz zu mir an die Sophe kömmſt,
von der ich mich nicht im gering:
ften heben Tann ; denn das ſchickt fich
nicht für eine Frau gegen ein Mid: _
chen — Nähere dich dann meinem Pla:
tze mit Ehrfurcht, um mir die Hand zu
küſſen! Tritt ja nicht gerade vor mich,
bas Laßt zu vertraulich, gübſch von
der Seite herangetreten, und nach der
Band gegriffen — Wenn ich dir auch ei-
nen Ruß anbiete, beileib laß die Hand
nicht fahren! es ift nur Gepräng, wenn
| men
508 Therefle und Eleonore,
man fich firdubes , ale wollte man ed
nicht gefiheben laſſen: Die Schuldigkeit
des Mädchens wird darum nicht aufs .
gehoben, weil die Srau aus Höflichfeit
ein wenig Limftände macht — Nach dem
BandFufle tritt ehrerbietig, und mit eis
ner Derbeugung zurüd, und erfundige
dich mit unterdrüdter Stimme, damit
e8 fittfam berausfömmt, wie Ihre
Gnaden ſich befindeny Wieder:
bole das Ihre Gnaden feinoft!denn
das ift die guldigung, die du meinem
neuen Stande ablegft — —⸗— |
Ich werde dann ganz gütig, und
buldvoll zu dir fprechen: Ylinette, es
ift mir zu viel Zwang, wenn ich Sie
immer S$räulein nennen foll » nicht
wahr, du bleibft mein Du, wie vors
ber? — Gefchwind küſſe mir die Hand
für die Gnade, die ich dir erweife, dich
du, und Ninette ohne Umftand zu nen=
nen.
Wenn ich fpreche: ſetze dich, Ninet⸗
te! — fo tunke recht tief, aber nimm
ja Eeinen Sig an, ob ich dich gleich
etlichemal ſitzen gebeiffen habe! Sage
immer — Es ift meine Schuldigfeit,
Bus
Therefie und Eleonore. 509
Eurer Gnaden aufzuwarten. Nur
dann erſt, wann ich fpreche : ſetze dich,
Ylinette! ich befeble dirs — Eine Ver—
beugung, und: weıl es Eure Gne:
den befeblen !
Reden ‚. liebes Mädchen , muße du
ja nicht anders, als wann du gefragt
wirft; und auch Samals nur, Je, und
Kein, und immer einen Tunker dazu.
Dergif niemals, daß ein Weib alles,
und ein Maschen nichts weis. Wenn
du einmal Stau feyn wirft, fo wird die
Reihe auch an dich Fommen , von den
Mädchen Ehrerbietigkeit zu fodern.
DBirleicht hat manche Frau, und mans
ches Mädchen hier einen Auftritt gelefen ,
ben fie wirklich felbft gefpielet haben; und
alsdann wird dag Mädchen, wenn fie mit
zween Fingern auf der Bruft ausfagen fol,
was in ihrem Innerſten vorgegangen ift,
befennen: daB Herz fey ihr erbärmlic ger
preßt worden , in Erwartung , daß ber
Augenblick erfcheinen möchte, gleiches mit
gleichem zu vergelten , und da, in recht
eigentlichen Verſtande, die Schande des
Madchenftandes von ihr hinweg genom⸗
men würde,
Ich
sıo Thereſie und Eleonore.
Ich bin ordentlicherweife zum Mitleide
geneigt, und ich habe diefes fehr oft ven
liebenswoürdigen Kindern gefchenfet , die
ic von folgen Weibern von Kopf bis gun
Fuͤſſen funftrichterifch betrachten, und recht
boshaft habe Flein machen fehen — Sie
werden es befler verfteben, bis Sie eine
Srau werden — und — fo dachte auch
ih ,» da ich noch ein unverfländiges
Madchen war — Wie oft fagt fo, oder
ungefähr fo ein Weib, das noch als Weib
fo fehr Gans it, als fie e8 vor ihrer
Vermählung war; und das auch bis an
das chriftliche Sterbeftündlein, fo fehr «8
Weib ift, immer Gans feyn wird. -
Wären doc mit diefer Demüthigung
mwenigften® nicht wirkliche Nachtheile ver:
knuͤpfet! Aber was fir ein unbelebtes
Mafchinenwerk find fie die armen Geſchoͤ—⸗
pfe! Sie wollen in das Schaufpiel ges
ben, Fräulein! bitten Sie eine Frau, daß
fie Sie dahin führet — Sie wollen irgend
einen Spaziergang machen! Haben Sie
eine Frau , die Sie mit fih nimmt? —
Ste wollen einen Beſuch abftatten? Bel
Ehre und Leben nicht, wenn Sie Feine
Frau zur Begleiterinn haben — apa le:
en
Therefie und Eleonore, 511
- ben die Mädchen unter dem ungelegenften
Zwange, dürfen ſich nicht regen, nicht
wenden, nicht geben, kaum Athem ſchoͤ—⸗
pfen ,„ wenn e8 nicht unter der AYufficht
einer Frau gefchieht! Und man wundert
ſich, und man darf es ihnen übel aus deu⸗
ten, wenn fie von diefem Zwange ſich zu
befreyen , wenn fie den Gebrauch ihrer
Hände und Füffe fi eigen zu machen ,
wenn fie, mit einem Worte alles zu fagen,
Stauen zu werden begierig find, denen
alles ohne Unterfcheid erlaubt , die dag
Joch nicht nur diefes unbequemen Wohl-
ftandg, fondern beinahe die Herrfchaft des
Anſtands und der Sittfamfeit abgefchüttele
zu haben ſcheinen; menigfteng , wenn e8
erlaubt ift, nach dem Betragen gewiſſer
Weiber zu urtheilen , die gleichham nur
darum fo fehr geeilet haben, in den Eh:
fland zu freten, damit fie defto geſchwin⸗
ber über die Graͤnzen, zum mindften der
äufferlihen Tugend auszufchmweifen , be:
sechtiget feyn möchten.
Iſt Ihnen, betrübte Mutter, ift Ihnen
nun die Unbefonnenheit, noch ein Räthfel,
mit melcher fid) ihre liebenswürdige Toch-
ter einem Manne faft an ben Hals gewor⸗
fen,
sı2 Therefie und Eleonore.
fen‘, der von grauenermweckender Geſtalt
ift, von Jahren, die den Efel feiner Per:
fon noch vermehren, bei dem Sie vorher
fahen, daß ihr Kind unglücklich, daß es,
was ihrem zÄrtlichen und tugendhaften
Herzen noch unendlich empfindlicher fallen
muß, daß es untugendhaft werden wird?
Sehen Sie den Sflavenftand an , darin.
unfre Mädchen nach einem gemiffen alt-
hergebrachten Erziehungsgepränge gehal—
ten werden! und es wird nicht nur dag
Betragen ihrer Töchter , fondern über:
haupt, fo manche unbedachtfame Heurath
Ahnen und der Welt aufhören ein Raͤthſel
zu feyn — Der gedruͤckte Gefangene, ber
nach der Befreyung ſeufzet, waͤhlet der
wohl einen Augenblick, wann er feiner
Dienftbarfeit durch einen unflättigen Ka—
nal entfliehen fann ?-—- Die wenigften Ehen
bat vieleicht die Liebe, und Ueberlegung,
die meiften hat das brennende Verlangen
geftiftet, alle diejenigen Freyheiten zu ges
nieſſen, davon den Maͤbchen der unfchule
dige Gebrauch, den Weibern auch fogar
der Mißbrauch nicht unterfagt ift —
XX.
Iherefie und Eleonore. 513
——
Du gabſt mir ihn, geneigtes Sud;
Do willſt du mir geneigten feyn , /
Nimm Velten wiederum zurück,
o liehes Glück!
Wernike
MW, bat Ihnen, Schweſter TIherefie ,
das angehäfter, daß ein Mädchen eine Gri-
maſſe macht, wann e8 feinen Mädchen:
fand werth hält? — Sch habe es zwar
felbft irgend an einem Drte geftanden :
unſer hoͤchſter Wunfch fey den Männern
su gefallen, und diefer Wunfch muͤſſe ein
ehrbares Mädchen zur Ehe führen, fonft
fey er — Roketterie menigfteng, wenn
es nichts aͤrgeres if, Indeſſen, fehen Sie
nur ein Bißchen unter den Männern her—
um! fehen Sie daß erfeufste Gluͤck, eine
Stau zu ſeyn, genauer an! wahrhaftig ,
die Ehetyrannen, und die männlichen Un-
fhiere , bie noch etwas Ärgeres find, ale
Ehetyrannen, die find in der That die
Geſchoͤpfe nicht, für bie eg der Mühe lohn⸗
te, einen Seufzer aus der Bruft zu flof-
fen! — So.fehr. vielleicht daB unholde Ver
fahren der Frauen gegen arme Mädchen,
IV, Theil, Kk uns
514 Thereſie und Eleonore.
ung den Srauenftand wuͤnſchenswerth mas
chen koͤnnte, fo fehr muß die Betrachtung
deffen, mas im Eheftande felbft vorgeht,
uns dieſes Wunfches gereuen machen —
Ah, rufte ein Menfh, der Lebenslang
nie eine See geſehen, nie in einem Schiffe
gefahren war, was für eine Luft muß
es. fepyn, fo in einem Sahrzeuge fanft
gewiegt zu werden! fo über die Wellen
dabinzugleiten! Fönnte ich in meinem
Leben doch eine Seefahrt thun! — Sein
MWunfc ward ihm gewähret; er flieg vor
Vergnügen trunfen in das Schiff, man
entfernte fih vom Lande — Er flieg
bald einen Berg von Maffer hinan „ fiel
bald in einen Abgrund zwiſchen den ges
thuͤrmten Wogen hinunter, Das, was ihm
von ferne fanftes Wiegen ſchien, war ein
gewaltfames Hin und Wiederwerfen, wo⸗
bei er fich nicht auf den Füffen halten
fonnte , das ihm die gemwaltfamften Er—
ſchuͤtterungen verurfachte — Wäre ich wier
der am Lande! fihrie er, und flebte ben
Himmel an, ihm nur diefen einzigen Wunſch
in feinem Leben ju gewaͤhren — Umfonft:
er war einmal am Borde, und mußte bie
Fahre bis an das End aushalten — Die
geb:
Therefie und Eleonore. 515
Lehre ift aus diefer Erzählung fehr Teiche
herauszuholen. Die Schiffahrt ift der Eh⸗
fand, das Mädchen ift der unüberlegte
Wuͤnſcher. Es iſt eingefchifft, es min:
ſchet ſich zuruͤcke an das Geſtad des Mäd-
chenſtandes: aber es muß die Reiſe fort-
fegen, bis ein roillfommener Tod derfelben
ein Ende machet —
Sch will dag Gleichniß fortfegen. Der
Wahn ift vielleicht fehr vergeblich , wenn
ein Menfh , der die See nur in ihrer
Stille gefehen, fih zu einem voreiligen
Wunſche hat verleiten laſſen. Aber für was
würden fie, theure Gefpielinnen , benjeni«
gen halten, der das flürmende Meer in der
Nähe betrachtet , der dag Schrecken ber:
jenigen mit angefehen, soelche feiner Unge-
ſtuͤme Preis gegeben waren; ber ein Aus
genzeuge gemwefen , wie die empirten Wo—
gen ein Schiff an die Klippen gefchleudert;
zu deffen Füffen die Wellen ſchwimmende
Truͤmmer, die traurigen Merkmale ihrer
Wuth, hinfpülen ; der gleichwohl noch,
den Augenblick, zu Schiff zu gehen , mit
Ungeduld erwarten wirde? — — —
Sie haben fo Unrecht nicht , mit der
Berurtheilung ein wenig an ſich zu halten,
ara weil
516 Thereſie und Eleonore,
weil Sie biefelbe doch nicht ausfprechen
koͤnnen, ohne zugleich , wenigſtens zwey
Driteheile unter ung in dem Bannfpruche
mit zubegreifen. Denn, wie viele ſehen
nicht um und neben ſich tägliche Schlacht:
opfer ihrer Leichtfinnigfeit, Schlachtopfer
unbebeutender , auswenbiggelernter , ohne
Andacht hergebeteter Schmeicheleyen, Ber»
beiffungen, Eidſchwuͤre? — Sie fehen fie,
bebauren fie , und treten bald darauf an
den Altar bin, um bald wieder von ans
dern bebauret zu werben —
Woher Fommen dir diefe Fopfbans
gerifchen Gedanken, flatterbaften Maͤd⸗
benz Du haft wenigftene die Beifpiele
nicht in der Naͤhe, die dich darauf brin-
gen konnten —
Das ift zwar wahr ‚, liebe Therefin!
aber nur eine glüdliche Ehe kann mich
fon traurig machen: und wenn id) dann
ein paar wohlgerathene Verbindungen bin
tereinander erfahre, fo ift es beſchloſſen
ich finge mein Schwanenlied , und Hülle
mid) mit Standhaftigfeit auf ewig in mei-
nen Mädchenftand.ein.
Das wäre grillenbaft — fprichft bu ?—
Etwas weniger als du denfeft, Wenn in
ei⸗
Therefie und Eleonore. 517
einem Glückstopfe nur wenige Treffer find,
und du fiehft, daß von diefen wenigen eis
nige hintereinander ausgehoben werben ,
waͤchſt dir. da wohl der Muth fehr, zu wa:
gen, da natürlich nicht viel gute Loofe für
dich übrig find ?— Als Jupiter durch die
ewigen Zänfereyen feiner Juno gegen uns
ſer ganzes Gefchleht aufgebracht ward,
fhmwur er bei dem Styr fidy an demfelben
zu eächen. In jedem Menfchenalter, fagte
er, follen euch nur drey gute Männer
zu Theil werden! alle übrigen follen
ihren Weibern feyn , was Juno mir
iſt — Alſo geſchahs, denn die Schwuͤre
Jupiters ſind unwiderruflich. Nun, wann
drey gute Maͤnner hintereinander heraus⸗
gehoben ſind, ſo moͤgen wir Maͤdchen alle,
lieber uns einen Stein an Hals haͤngen,
als heurathen, denn es iſt kein Trefloos
mehr fuͤr uns im Topfe —
Lieber, Geſpielinnen, laßt uns unſers
Fruͤhlings genieſſen, ehe er verbluͤht! Denn
die Unterwuͤrfigkeit, worin man uns als
Maͤdchen erhaͤlt, hat gleichwohl eine ange⸗
nehme Seite, bie Therefie in ihrem Blat⸗
te ſich in Acht genommen hat, zu zeigen,
wofür wir in der That Urſache haben,
“03 ihr.
518g Thereſie und Efeonore.
ihr verbunden zu feyn. So eingefchränft
wir auc an allen Eden find , fo giebt
e8 dennoch Augenblide, wo ſich diefe Steif-
haͤlſe von Frauen — wie ich fie, nach ei—
ner Frau zu nennen, mir die Freyheit her⸗
Ausnehme — wo alfo die guten Frauen,
die nichts über fi) , nichts unter einem
armen Mädchen erblicken, wo fie fich viel-
leicht recht fehr an unfre Stelle wuͤnſch⸗
ten. Ich will im Vertrauen unter ung ein
Schreiben herumgehen laflen, welches mir
ein munteres Wefen von einem Mädchen
noch Dienftag Abends zugefendet. Ihr wer:
det aus dem Inhalte fehen, es liege uns
ferm Bortheile daran , dieſes Briefchen
nicht gemein zu machen, damit fauerfehen-
de Mütter nicht auf die Spur geleitet wer-
den, auf die fie nie fommen müffen, wo
fie uns Mädchen nicht auch das einzige
entreiffen follen , was ung für die übri-
ge Geringſchaͤtzung gemwiffermaffen ſchadlos
halten fann — Lefer a!fo diefes Schreir
ben auf dem ».. , mo fonft insgemein
der Mädchen geheime Kanzeley ift.
Schweſter Schriftftellerinn !
„ Das war ein Schrecken , als ih
Cherefiene ae Blatt zu Geficht bes
fam !
Therefie und Eleonore. 519
fam! Ich zitterte, wie ein Efpenlaub, da
ich es meiner Mutter vorlefen mußte —
Nun, dachte ich alle Augenblick, nun wird
es fommen — Mit jeder Zeile gieng mir
ein Stich an die. Seele, und erft am En—
de — erft am Ende hatte ich dag Hertz,
aus freyer Bruft Athem zu holen — »
„ Zorchen! dag märe ein verzweifel⸗
ter Streich gewefen , wenn die gutherzige
Thereſie, aus Mitleiden gegen und, ung
villeicht unglücklich gemacht hätte — Es
war fo nahe, fo nahe daran — Aber ein
gaufelnder ‚Syiphe , ber Schutzgott ed
jugendlichen Vergnuͤgens, hat ohne Zwei⸗
fel ſein Gefieder uͤber den Luſtort gebreitet,
und ihn ihrem Auge verdeckt gehalten —
Es waͤre um uns, und das Vergnuͤgen
geſchehen geweſen. »
Was daͤucht dir ? wenn Thereſie die
Saite von unferer Abſoͤnderung in Gefell-
fchaften ein wenig flärfer gegriffen, wenn
fie eine beleuchtende Betrachtung darauf
geworfen hätte, daß man ung Mädchen
fonders und fämmtlich, mie mein Va—
ter fpricht , in ein Zimmer fperret , wo
niemand nach ung ſieht, nach ung fragt,
als etwan ein Bedienter mit Erfrifehungen
Kk4 der
s20 Therefie und Eleonore.
ber man feine ungelegene Dienſtfertigkeit
gerne erlaffen wuͤrde?
„ Gewiß da fühle ich erſt das Ver:
gnügen meines Standes, und beneide die
Frauen an ihren Spieltifchen, und auf ih—
ren Sophen im geringften nicht „ weil fie
fo gewogenheitvoll find, mir freye- Hand
ju laffen, um mic) ‚mit den jungen Leuten
zu unterhalten , die ſich natuͤrlich zahlreich
bei uns einfinden, da ihnen der Eintritt
nicht vermehrt iſt. Wie viel wird bier ges
lacht, geſchwaͤtzt, geſchaͤckert, und fonft
Albernheit getrieben ! welches alles unters
bleiben würde, wenn bie Mütter nicht bie
weife Vorficht hätten, ung von fich zu entz
fernen , und zwiſchen ihren Argusaugen
und unferen Scherzen ein paar unburd)s
fichtige Wände zu fehen. „
„Wie ſehr entfchäbiget man ſich in
biefen Augenblichen ver Freyheit über ben
unbequemen Zwang , ben ung ihre ewige
Gegenwart atiferleger ! und mie glücklich
wird bier in einigen Minuten ihre fonft ims
merwährende überläftige Aufficht vereitelt!
Daß find vielleicht die fogenannten Schar
ferftunden ‚, davon ich fo oft das Wort
höre, ohne daß mir jemand ben Sinn er⸗
Therefie und Eleonore. zer
Hören will — Doch Hiſch! dag find unfre
Logen, aus denen wir nicht ſchwaͤtzen
dürfen — Das Aug der Mütter fey davon
beftändig ferne! — „,
„, Senn Sie, wenigftens aug Liebe zu
ihren Gefpielinnen auf der Hut, daß ihrer
Schreibgefährtinn nicht etwas entfahre,
was und um dieſe koſtbaren Augenblicke
bringen koͤnnte! ö
Ihre Armine.
E.
XXI.
Scilicet expectas ut tradat mater honeſto⸗
"Aut alios mores, quam guos habet —
Juvenalis. *)
Us, Madame! wie glücklich find Sie,
eine fo gefittete Tochter zu haben! —
Kfz Ich
*) In dem Augenblicke, da dieſes Blatt zum
Drucke abgegeben werden ſoll, fah ich, def
Thereſte die Aufſchrift darliber zu ſetzen ves-
geſſen hatte. Es war nicht mehr an der Zeit,
in den deutſchen Schriftſtellern darnach zu
ſuchen; und mein Gedachtniß bot mir chen
Feine ſchicklichere on , als dieſe Stelle dee
la⸗
s22 Therefie und Eleonore.
Ich geftehe e8 , daß ich es bin; und
wenn alle Mütter eben die Empfindungen
haben, die fich bei mir fo oft erneueren,
als ich meine Tochter anblicke, fo zweifle
ich, ob der Himmel in feinen Schägen et=
was koſtbareres zu verleihen habe ‚ als
den Mutternamen —
„Das iſt vielleicht das erftemal in mei⸗
nem Leben, daß mir das Vergmügen mei:
nes Nebenmenfhen Seufzer auspreffet —
Nicht, meine Freundinn, als mißgännte
ich Ihnen ein Glück, deſſen Sie fo wir:
dig find, und das Ihnen die Güte des
Himmels fhuldig war, für ihre zärtliche
Sorgfalt, der Welt ein Beifpiel, und un—
ferm Gefchlechte eine Krone zu erziehen,
fondern, weil ich mir ſelbſt, mir nur al-
lein den Vorwurf zu machen habe —
- Halten Sie ein, und reiffen Sie mit
——— Hand nicht eine Wunde auf,
uͤber
— Satirikers, die ich für die Les
ferinnen hiemit Überfege: Erwarteft du viel-
leicht, die Mutter werde ihre Tochter zu
ebrbaren, oder anderen Sitten anführen,
als ihre eigenen find ?
Der Heranst.
Therefie und Eleonore. 325
über welche die Zeit nun ſchon eine Schwuͤ⸗
fe gegogen hat.
„ Nein, Sreundinn! bie Zeit hat bei
meinem Schmerzen ihre lindernde Kraft
serloren. Ich trage den Geyer, der mir
das Herz abfrißt,, immer mit mir herum.
Ich fehe fie jeden Augenblick vor mir, diefe
Ungluͤckstochter, die nun meine Schande
it, und bie fo leicht mein Stolz ſeyn
konnte — „
So Ienften Sedamine, und ihre be—
daurenswürdige Freundinn eine Unterre-
dung ein, welche die ganze Gefchichte ei-
nes verunglückten Mädchens in fih ent:
hielt , deren Namen ihre Anverwandten
nicht ohne Erröthen ausfprechen hören,
und deren Betrübniffe ich die Verfchonung
fhuldig bin, ihn nicht herzuſetzen.
Sedamine war die glückliche Mutter;
fie hatte mit der ganzen Stadt beinahe bes
roeifende Vermuthungen von der Begeben-
heit, die ihrer Freundinn fo viele, fo ge-
rechte Thränen koſtete. Uber fie verftand
nicht, warum fich die Mutter felbft mit
Vorwuͤrfen überhäufte —
Sie Haben ſich vielleicht zu groſſe Nach:
ſicht gegen eine lebhafte Tochter zu ver—
wei⸗
324 Thereſie und Eleonore
weifen — fuhr Sedamine im Tone ber
Tröftung fort — Auch diefe Nachſicht iſt
nicht ganz ohne Schuld ; aber e8 ift eine fehr
mütterliche Schuld, wegen melcher fie in
dem Buſen aller Mütter, ja beinahe aller
Menfchen einen Vertreter finden —
„ Möchte ich nur gegen mich felbft eben
fo gütig feyn fönnen, als Sie es find!
möchte ich mir weiter nichts, als Nachſicht
vorzumerfen haben! Aber , Freundinn —
wenn ich Sie anders nad) dieſem ernie-
drigenden Geftändniffe fo nennen, wenn
ich meine Augen noch gegen bie tugend-
baftfte Mutter auffchlagen darf — ich har
be — mein Beifpiel hat mein Kind zu
Grund gerichtet: das elende Mädchen iſt
auf den Fußftapfen ihrer Mutter der Ent:
ehrung zugemanbert. „,
Ein Thränenguß, der ihre lange Anz
fichhaltung nun überwältigte, zwang fie,
bier in ihrer Rebe einen Heinen Stillſtand
zu machen — Als fie endlich ihre ganze
Standhaftigkeit aufgeboten, und in etwas
fich erholet hatte, fuhr fie fort —
„ Wiürdigen Sie mich anzuhören, befte
Sedamine! und wenn Sie aus der offen-
berzigen Erzählung zwar mein Verbrechen
er⸗
Thperefie und Eleonore. 325
- erkennen werben , fo erkennen Sie wenig⸗
ſtens daraus zugleich die lebhaftſte Vers
sweiflung , welche meine Bruft zerfleifcher,
welche mein Kind, und die Tugend an mir
mit unaufbörlichen Qualen raͤchet! — Meis
ne Tochter verlor, zu frühe für ihre Ehre
und Wohlfahrt ihren Vater, als fie nur
erft neun Jahr alt war. Ihre ganze Er
giehung war alfo mein Werf: traurigeg
Seftändnig! auch ihre Schande ift nun
ungetheilt mein! Da fie die einzige Frucht
einer glädlichen Ehe war, und ihre fi
entwickelnden Reize eine fehr vortheilhaf-
te Geſtalt verhieffen,, fo lebte meine Seele
einzig, ganz in diefem Kinde. Sch lieg
fie nicht einen Augenblick von meiner Sei»
te, und ihre Sitten fehmiegten fi) durch-
aus an bie meinigen an „
„ Bar e8 nicht natürlich , daß eine
Tochter ſich nach ihrer Mutter modelte?
und fann es ber Unglückfeligen nicht ger
soiffermaffen zur Verringerung ihres Der
brecheng dienen, daß fie nur dadurch) dem
Laſter in die Arme gelaufen, weil fie mich
nachgeahmet hat? — Mit wie vieler Des
müthigung muß ich es vor Ahnen befenz
nen, daß meine Sitten durchaus unorz
dent⸗
526 Thereſie und Eleonore,
dentlich , meine Aufführung unbedachtſam,
eitel, frey , mithin das Beifpiel, fo dag
arme Kind unaufhärlich vor fich ſah, aͤuſ—
ferft verderblich war? Da mein Gemahl
mich durch feinen Tod in den Genuf eines
anfehnlichen Gutes gefeget , fo hatte ich
nicht nöthig , mid) um meines Nusens
Willen zu befchäftigen. Aber ich trieb die
fe Gemächlichfeit fo weit, daß ich jebe
Arbeit zur Schande machte, und von Leu—
ten, welchen das Glück nicht fo wie mir
günftig gemwefen, von Leuten, die fich ihres
Unterhalts wegen zu befchäftigen gezwun⸗
gen waren, nicht anders als mit Verach⸗
tung, nicht anders als von Unglüdlichen
und Blenden ſprach. Meine Fleine Nach—
ahmerinn gewoͤhnte fich fehr an meine
Sprache. Sie hielt Müfftggehen für eine
Gluͤckſeligkeit, die ihr ihre Mutter nicht
mißgsnnen wollte. Sie hielt alfo Knot—
tenfchlagen, oder fonft ein Tändelwerf für
die einzige Arbeit, die fie nicht zum *
bel hinabdruͤckte.
„Womit konnte eine Perſon, die *
Stunden mit keiner Arbeit ausfuͤllet, den
Tag hinbringen? womit anders, als mit
Eitelkeit, der anerſchaffenen Schooßſuͤnde
un⸗
Therefie und Eleonore. 327
unſeres Geſchlechtes. Die Mutter brachte
den Morgen an ihrem Pustifche, den Nach-
mittag mit Umfleidung und der Wahl neuer
Ziergeräthe hin, und fo wurden zehn Stun=
den des Tages dazu verwendete, um zwo
in. Gefenfchaften zu ſchimmern, und andre
Weiber zu verbunfeln. „,
„Der Geſchmack meiner Tochter ge⸗
woͤhnte ſich ſehr leicht an dieſe Unterhaltung.
Ihre Mutter war noch dazu unbeſonnen
genug, ſie in der Wahl der Stoffe ſehr oft
zu Rath zu ziehen, und ihr in allen den
ſogenannten Raffinimens der Eitelkeit Un⸗
terricht zu geben. Damals ergoͤtzte ich mich
ſehr daran, weil ich die Folgen davon nicht
einſah, wann das zwoͤlfjaͤhrige Mädchen
mit feiner Einficht in das Pug und Pracht⸗
weſen bie erfahrenften Frauen befchämte —
Sch felbft Ihäßte nichts über einen präch-
tigen Anzug; und ich erzählte ſehr oft: mit
dem Stolze einer Siegerinn, daß von funf⸗
ig Frauen, die alle mit Neid auf mich
gefeben , feine fih mit mir vergleichen
dürfen. Das Kind theilte aus einer kind⸗
lichen Regung den Triumph feiner Mut-
ter ; aber feine Denfungsart faltete fid)
ganz unvermerft nach ber meinigen: es
warb
528 Therefie und Eleonore.
ward eben fo begierig, das unter feinen
Gefpielinnen zu feyn, was ich im groffen
Kreife war: und bie eitle Thoͤrinn, feine
Muster, unterftügte es leider zu gutwil⸗
lig in dieſer Begierde.
„Der Muͤſſiggang und die Eitelkeit wa:
ren noch die kleinſten Untugenden, die mei⸗
ne Tochter aus meinem Beiſpiele an ſich
nahm. Die Eitelkeit eines Weibes iſt der
Magnet, der die Schmeichelei der Maͤn—
ner gervaltig an fich zieht. Sie wiſſen es
nur zu fehr, daß fie bei einem eitlen Weibe
natürlicherweife fehr willlommen find. So
ward nein Haus ein Sammelplas ſchim⸗
mernber Becken, die mir ohne Unterlaß von
meinen bezaubernden Reizen, von meiner
unumfchränften Macht über ihre Herzen
vorſchwaͤtzten — Und ich, ich ward gang
von dem Dampfe des Weihrauchs, den fie
‚mir freuten , betaͤubt — Meine Tochter
ließ feine Sylbe von allem auf die Erde
fallen. Sie wiederholte mir fehr oft Wort
für Wort, alle die Albernheiten,, die mir
den Tag Über vorgebetet worden: Aus
dem DBergnügen ihrer Mutter ſchloß fie
natürlich, daß diefer Wirbel von Vereh—
vern für unſer Gefchlecht ein koſtbares Gut
ſeyn
—
Thereſie und Eleonore. 529
ſeyn muͤſſe; und ihr Herz, das ſo ſehr
durch die Eitelkeit vorbereitet war, ſeuf⸗
zete nach dem Beſitze dieſes Gutes.
Laſſen Sie mich mein Geſicht in ih⸗
ren Buſen verbergen! ich war ſchwach ge⸗
nug — ich ließ mich in einem ungluͤcklichen
Augenblicke von der Leidenſchaft überra=
(hen — Sch that mit einem Worte den groͤß⸗
ten Fehltritt, deffen unfer Geſchlecht fähig
iſt — Ich erniedrigte mic) felbft in den Aus
gen desjenigen, der mid) dazu. verleitet
hatte, und war dabei fo unbehutfan , daß
ich meinem Liebhaber manche Freyheiten
erlaubte, daß ich mir felbft dergleichen her⸗
ausnahm , ohne den Blick derjenigen zu
fcheuen, die ich nicht zu lange in einer vor=
sheilhaften Unwiſſenheit hätte erhalten koͤn⸗
nen. Dadurch nun begab ich mich gleich
fam mit einmal meines Rechtes; ich begab
mich des mütterlichen Anfehens , und ber
Gewalt, etwas an ihrer Aufführung aus⸗
sufegen. Mit welcher Stirne follte ich ihr
etwas verweifen, woruͤber fie mir antwor⸗
ten konnte: ich thue das, wozu ich von
Ihnen ſehr oft Beifpiele gefehen? —
„Hier nun fieng das Verderbniß mei⸗
nes Kindes an, Ein ungluͤcklicher Weges
IV, Theil, et laus
530 Thereſie und Cfeonore.
laurer der unbehutfamen, oder unbewahr-
ten Tugend, dergleichen leider nur zu viele,
und an allen Drten auf der Warte ftehen,
war zu meinem und meines Kindes Elende
nur zu fcharffichtig: durch Schmeicheley ,
durch Nahrung der Eitelfeit, fand er den
Weg zu ihrem zu fühlbahren Herzen; und
ich weis ed, mir zur ewigen Folter, nur
ju gewiß, daß er den legten Widerſtand
des Mädchens hauptfächlich durch dag Bei⸗
fpiel einer Mutter, dag feinen Schritt recht-
fertigen konnte, übermwältiget babe — ,,
Ein neuer Thränenguß erftichte ihre
Worte, und zwang fie inne zu halten: faum
hatte fie noch die Kraft, den Wunfch aus⸗
zuftoffen : möchte wenigftens mein Sall,
Mütter, wo nicht wegen ihrer eigenen
Ehre, wenigftens um ihrer Kinder Wil-
len, in ihrer erh bebutfamer
machen!
T.
XXII.
Therefie und Eleonore. 538
Des Schönheit ewige Neht, wer hat es ihr
gegeben ?
Haller.
Da maͤnnlichen Geſchoͤpfe haben ſich uͤber
einen kleinen Vortheil, den wir ihnen ir—
gend wo eingeräumt haben *), zu viel her⸗
ausgenommen: ich muß ihre aufbraufen-
den Beifter ein wenig niederfchlagen, und
fie zw ihrer vorigen Unterwuͤrfigkeit und
Pflicht zurück weifen —
Sehet denn, ihr folgen Herren ber
Schöpfung , nicht etwan einen jungen,
unauggebildeten Wildfang von einem ſchoͤ⸗
nen Mädchen zahm gemacht: nein! feht
den weifeften Sterblichen, Sofrates felbft,
zu den Füffen eines Weibes das Befennt-
niß ablegen , daß er ihrer Schönheit die
Schaͤtze feiner Weisheit zu verdanfen habe!
Welcher Triumph für unfer Geſchlecht! —
Ja Väter, habt ihr ungezogene Söhne,
die wie Mäuler und Pferde find, in denen
fein Verſtand, fein Wis , Fein Anftand-
feine Sitten zu finden , übergebet einem
el2 ge⸗
*) XV, Etüg.
532 Thereſie und Eleonore.
gefitfeten, verftändigen, artigen Mädchen
ihre Heilung — entweber bier, oder nirs
gend wird fie zu hoffen feyn —
Sollen euch Beifpiele zu diefem Vers
fuhe Muth machen, lefet den Brief ei—
nes Juͤnglings, den feine Thorheiten un
ter den drey vornehmften Thoren ber Stadt
berühmt gemacht haben, und freuet euch
mit feinen Aeltern, die dieſes Zengniß fei=
ner Wiederkehr zur Einruͤckung angelegen
empfohlen haben : mit biefen nun gluͤckli⸗
chen Aetern, freuet euch über die Rückkehr
eines Menfchen, der ohne die Erbauung
ber Liebe zu Grund gerichtet, verloren
war !
Theuerſte Mutter !
„ Nun darf ich, mit einiger Zuberfiche
auf ihre Güte, diefen Namen ausfprechen,
da ich wenigſtens nicht mehr fo unmürdig
bin, ihr Sohn zu beiffen ‚da Sie felbft
mit meiner Wiederfehr in den Schoof ber
Rechtſchaffenheit, mich in das Necht ihres
Kindes wieder einzufegen, Fein Bedenken
fragen werden — „,
Es war eine Zeit, nicht lange noch,
da fie e8 war, wo Befhämung ihre Wan⸗
gen röthete, wenn mein Name genennet
ward,
EN Therefie und Eleonore. 333
ward, wo die Schande, die meine beruͤch⸗
tigten Streiche mir zuzog, ſich fo gar big
auf Sie verbreitete — Wie glüdlich bin
ich, wie glücklich find Sie, daß ich fagen
darf: es war — Denn fie ift nicht mehr,
danf fen es dem Himmel! der langmuͤthig
genug war, mich Elenden jju ertragen,
und dem tugendhafteften Mädchen, von feiz
ner Guͤte zu dem foftbaren Werkzeuge mei⸗
ner Befehrung auserſehen. Die Tugend
eines Mädchens , war auch fonft immer
eine Reizung fürjmich , aber, um fie zu
verderben, und zu meinem Unglüce, war
ich nur zu glücklich — oder zur Echande
der Menfchheit fand ich vielmehr nirgend,
wahre Tugend zu zerfiöhren; ich fand nur
ihr Gefpenft , Ziererey *) und heuchles
e13 ri⸗
*) Wir haben in der gemeinen öſterreichſchen
Mundart das Wort, eine Zerinn, Zererey,
welches dem franzbſiſchen Precieufe zufegt.
Zererey ift offenbar nichts, als die verdorbene
Ausſprache des von fich zieren abgeleiteten
Wortes Ziererey. Go könnten wir in unfrer
Mundart viele ausdrückende Wörter aufſu—
hen, wenn wir darauf mehr zu merken, Ste
duld hätten, a
Der Serausgeb,
534 Therefie und Eleonore.
riſche Srimaffen, die bei einem ernften Ans
sriffe , wie die Irrwiſche bei Annäherung
des Hauchs zerftiebten — Die ähte Tu⸗
gend ift ſtandhaft, ift Siegerinn im Streis .
te, wenn bag Lafter fich ihr zu nähern,
das Herz hat — Iſt Siegerinn, und wird
zugleich Wohlthäterinn an denjenigen, bie
fie fich unterwirft — „
„Dieſe ſtandhafte, fiegende Tugend hat
mid) Mirane, fie nur hat mich diefe Tu>
gend fennen gelehret — Ich ſah fie. Die
Natur muß Miranen in einer der arbeitfa=
men Stunden gebildet haben, in denen fie
fich ſelbſt übertreffen, und Sterblichen geiz
gen will, was fie zu thun fähig wäre,
wenn Menfchen ihre koſtbaren Gefchenfe
nicht fo oft mißbrauchten. Die bildenden
Künfte dürfen die Mufter zur Bollfommen-
heit des Baues, des Ebenmaffeg, der Fein-
heit der Züge nicht in Griechenland und Nom
ſuchen: Mirane wäre für fie mehr, alg die
medicäifche Venus — Ihr erfter Blick mach⸗
te mich ihr untermürfig ! aber ich nahte mich
ihr in firafbarer Begierde, und beftimmte
fie zum Opfer meiner Sinnlichfeit — „,
„Ich habe oft gehört „ derjenige,
welcher die Abficht hat, Götterfäulen und
Als
Therefie und Eleonore. 535
Yltäre zu berauben, empfände bei-feiner
Annäherung, in ſich einen geheimen Schau-
der , gleihfam als wollten die Gottheiten
ihm dadurch zurück halten, das vorgenom—
mene Bubenftück anszuführen. Sch has
be diefes immer für ein Märchen gehals
ten, das man ganz fhicklidy erfunden, die
Boͤſewichte von ihrem Unternehmen abzu⸗
ſchrecken. Aber, es ift mir fein Zweifel
mehr übrig, da ich diefen Schauder felbft
empfunden, als ich mich in götterfchände-
rifchen Abfichten Miranen näherte, Sch
fam, um fie zu entehren, und ihre fanfte,
aber unwiderſtehliche Majeftät zwang mich,
fie anzubeten — u.
„ Sc) war anfangs verwegen genug,
der geheimen Zuruͤckhaltung Gewalt zu
thun, und Sie mit der zutraulichen Miene
anzuſprechen, die ich mir eigen gemacht
habe, da ſie aller Orten unter dem Namen
der Ungezwungenheit ſo willkommen war —
Es war ein einziger Blick zureichend, mich
zurecht zu weiſen. In dem Augenblicke
fühlte ich, deutlicher als jemals, die Ueber⸗
macht der Tugend. Ich mar durch diefen
Blick wie zergichtet. ch wagte es kaum,
ein Zug gegen fie erheben; ich bebte vor
e£la ihr,
356 Thereſie und Eleonore,
ihr wie ein Miffethäter vor feinem Richter,
und ich fürchtete, fie möchte die Schänb:
lichkeit meiner Abfichten in dem Innerſten
meines Herzens leſen, und mich auf ewig
aus ihrer Gegenwart verbannen. ch fuch-
te alfo, glei als in dem Angefichte einer
Gottheit, meine Gedanfen zur Anftänbig-
feit einzurichten, um ihr näher treten zu
dürfen. Wie mar ich nicht von ihrem
Geifte, von ihrer gefitteten Lebhaftigfeit,
von ihren feinen und finnreichen Scher—
zen, von ihrer leutfeligen Herablaffung ,
‚die fie mit der Würde ihres Gefchlechtes
fo wohl zu vereinbaren wußte, entzuͤckt!
Ich gieng von ihr, aber mein Herz, meine -
Freyheit, Ich, blieben ganz bei ihr zurück,
Ich that das Geluͤbd, ihr beftändiger Ver—⸗
ehrer zu ſeyn.
„ Meine Zerftreuungen Töfchten indef=
fen bald einen groffen Theil der Ehrerbie-
tigkeit wieder aus , die ich mit mir gegen
fie binmeggenommen hatte; und in dem
Zaumel milder Begierden, der mich bin
und wieder trieb, durfte ich fo gar, meine
ehrlofen Entwürfe wieder hervorſuchen —
Da ich aus der erften Unterredung geler-
et hatte, daß ich bier mit ftärferen Waf-
fen
’
Sherefie und Eleonore. 537
fen den Angriff zu machen haben würde,
fo war ich boshaft genug , den Vorſatz
der Heucheley zu faffen , und mich umter
dem Scheine der Tugend in ihrem Herzen
einzufchleihen — », IR
„ €8 gelang mir: Mirane fonntemich
um fich dulden, fie fieng an, mich zu uns
terfcheiden , fie liebte mid, fie geſtund
e8 mir — und ich Elender war boshaft
genug, dieſes Geftändniffes der reinften Un-
Thuld zu ihrem Untergange mißbrauchen zu
wollen. Ich beurtheilte fie nach denen,
welchen fie doch fo wenig ähnlich war, nach
Mädchen, die fich felbft nicht mehr befigen,
fobald fie ihr Herz vergeben haben — Ich
hatte die Verwegenheit — ach theuerfte
Mutter! welcher Augenblick war dieſes,
als ich die Verwegenheit hatte, den Engel,
von ferne nur zu verfuchen. Cie lärmte
nicht. Nur diejenigen fchreyen , die ſich
eine Ehre daraus mad)en, verfucht zu wer⸗
den. Wahre Sittfamfeit Handelt mit Wiür-
de, und fucht darin feinen Ruhm, daß fie
nad) ihrer Pflicht handelt. Sie haben, fagte
Mirane mit einer Faſſung des Gemürheg,
die bewies, daß ihre Sprache nicht erfünftelt
war — Sie haben ohne Zweifel von der
215 Schwach⸗
538 Thereſie und Efeonore;
Schwachheit meines Gefchlechtes manz
che Beweife, die Ihnen überhaupt von
uns eine geringe Meinung beibringen.
Wenisftens machen Sie Fünftig einige
Ausnahme! und meiden Sie eine Per-
fon ‚, die Sie nie geliebt haben, weil
Sie diefelbe zu entebren den Vorſatz
faflen Eonnten — Und nun gieng fie, als
Uebermwinderinn meiner und ihrer felbft —
denn fie liebte mich wahrhaft — von mir,
und warf noch zuleßt einen bedbaurenden
Blick auf mich zurüd. „,
„Beſchaͤmt, verwirrt, mehr als jemals
ihr Leibeigener , floh ich in mein einfames
Zimmer, und überlief mein bisher zwifchen
der Unordnung, dem Lafter, und ber Thor-
heit getheilte® Leben, bebte vor mir felbft,
und erfennte die Unwuͤrdigkeit der lebten
That in ihrer ganzen Gröffe. ‚Bald bar-
auf fchilderte ich mir die Glückfeligfeit, in
dem Herzen Miranens eines Plabes ge—
würdiget zu ſeyn, biefer Glückfeligfeit,
daraus ich mohl verdient verftoffen wor—
den, und die ich — wieder zu erobern
den Entfhluß faßte. Sie ift gütig, wie
fie Schön ift, fagte ich zu mir — Sie wird
mir Vergebung angedeihen Laflen, wenn
ich
Thevefie und Eleonore. 539
ich fie zu verdienen weis. Ich ſchrieb ihr :
meine Reue war mit den lebhaftften Far—
ben gefchildert. Ich verkleinerte mein Ver⸗
brechen nicht, ich erkannte es, ich wollte
dafuͤr buͤſſen; fie ſelbſt folte mir die Buffe
vorfchreiben. Sch ſchloß mit diefen Wor⸗
ten? da Sie mich einmal ihrer Gewogen⸗
heit verficherten, was Tann ich thun 5
um fie wieder zu erlangen, um fie nie
wieder zu verlieren?! — „
Tutendhaft feyn ! dag war die ganze
Antwort, diefes göttlichen Kindes: und die,
fe zwey Worte mwirften das Wunder mei-
ner Befehrung. Ich erfchien wieder vor
ihre, da fie mir hierzu die Erlaubniß nicht
verfagt hatte: ich entfagte den Gefährten
meiner Unordnung, fah Feine ‚andere alg
gefittete Gefellfchaften, ertrug die Spoͤtte⸗
reyen der Ausfchwifer,, die meiner Bekeh—
rung lachten — und nach einer Zeit, die
meiner Mirane, von beren Sitten ich dag
Muſter zu den meinigen nahm, zur Probe-
zeit zureichend fchien, ward ich auf neue
in ihre Gewogenheit aufgenommen, die id)
nie roieder durch eigne Entehrung zu ver-
lieren, Miranen, und Ahnen, thenerfte
Mutter, angelobe.
> Wenn
je)
5456 Thereſie und Eleonore,
„Wenn es.heute fo wenig tugenbhafte
Männer giebt , dürfte man nicht die Ur⸗
fache darin fuchen,, daß auch die Miranen
felten find, die ihren Liebhabern, zum Preis
fe ihrer Gewogenheit vorfchreiben, tugend⸗
haft zu feyn Y |
€
XXI.
Die fich bei fchlimmen Süd in allen Sliden
wies,
Und alle Gragien aus ihrem Antlig fick.
le.
His die Männer allein, auch wir ſchwa⸗
chen Werkzeuge haben unfre ernfthafte Lau⸗
ne , bie wir gang wohl pbilofopbifche
Stunden nennen möchten, wenn wir mes
niger befcheiden wären. Eine unter ihrem
Schutthaufen begrabene Stadt , die ein-
ftens Nationen Gefege gab, ein auf dem
Bette der Schmerzen niedergebeugter Held,
ein den Weg aller Menfchen wandelnder
Monarch, ein übertünchtes Grabmal, ein
Kirchhof, find Gegenftände , melche bie
Weifen unferer Zeiten veranlaffen, Nacht⸗
gedanten und Denkſpruͤche zu fchreiben.
Bm ung fi nd ein aus der Mode gefoms
me
Therefie und Eleonore, 541
menes Kleid, das einft die Augen aller
Männer, und den Neid aller Weiber auf
ſich gezogen, und nun im Kleiderfchranfe
nur noch der Seltenheit wegen feinen Ort
findet, eine unter dem Joche der Liebe
gezaͤhmte, einſt tygermaͤſſige Spröde, eine
den Weg aller Geſtalten wandelnde Ge—
ſtalt, eine Schminkbuͤchſe, die Verheerungen
der Zeit auf dem Geſichte, falſche Haar—
‚Locken, die Verwuͤſtungen derfelben auf dem
fahlen Scheitel zu erfegen, Verzerrungen,
um den erfterbenden Annehmlichkeiten nach
zubelfen, Künfteleyen , um die flüchtige
Schönheit, und die Anbeter, die immer
zugleich mit ihre verſchwinden, zurücku=
halten, eine Sunfzigiährige, die auf die
Munterfeit zwanzigjähriger Weiber fchilt,
und eine Sechzigjährige in Rofenfarbe ge=
Fleidet, nicht weniger Gegenftände mora=
kifher Stunden. Wir fteigen bei ihrem
Anblicke mit vieler VBerfammlung in ung
ſelbſt hinab , und flellen dann über vie
Hinfaͤlligkeit aller menfchlichen Dinge mehr
als youngifche Betrachtungen an. Ich weis
nicht, ob ich meine Leferinnen damit fehr
unterhalten werde , wenn ich ihnen eine
von biefen Betrachtungen vorlege s aber
ich
542 Thereſie und Eleonore.
ich will e8 auf guten Glauben wagen,
Wenn Schriftfteller und Schriftftellerinnen
immer das wegftreichen follen, wovon fie
beinahe eine fittlihe Wahrfcheinlichfeit vor
fich haben, daß e8 — wenigſtens nicht ge=
fallen werde, wie wenig würden fie dann
ftehen laffen ? aber auch, wer würde bie
fünftaufend fechshundert und drey und
vierzig Buchdruͤcker, und ungefähr eben fo.
viele Buchhändler befchäfftigen, welche ſich
in Europa alle davon reichlich ernähren,
daß der Saum der Leſer nicht niedlich ift ?—
Durch diefe überzeugende Betrachtung
*) hat mich der Herausgeber beftimmt,
diefes Klaglied über einen zerbrochenen
Spie⸗
Weil für die Leſer dieſe Betrachtung nicht
fo überzeugend ſeyn dürfte, fo nehme ich mie
die Freyheit, fie ein wenig auseinander zu
fegen. Fünftaufend ſechshundert drey und
vierzig Buchdrlicder, und eben fo viel Buch-
händler fodern zu ihrem Unterhalte doch wer
nigftens 5643 neue Blicher, und zu jedem
Buche taufend Leſer, wenn fie das librige
gleich von verbefferten Auflagen hereinbrin⸗
gen. Gübe es nun Beine Lefer, welche mit
Hilfe ſtatt Kern , mit Sprey fatt Waijene ,
mit Glitter ſtatt Wiges, mit Grobheiten ſtatt
Sa⸗
Therefie und Eleonore, 54
Spiegel nicht gu unterdrücken, fo ſehr ich
felbft feine Unvollfommenheit einfehe, und
zuerſt die Stimme zu feiner ——
erhebe.
Klaglied uͤber einen zerbrochenen
Spiegel.
%
Rus die reigengbfte Nimphe, die je
den Pratter verfchönern , und fih von
fauernden Faunen, gutwillig im dichtern
Geſtraͤuche befchleichen laffen, Riante ſaß
an ihrem ME und ordnefe:
Ge:
Satire, mit Spaſſen flatt Scherzes, mit
Schwul ſtatt Groſſe zufrieden wären , wo
follte man 5643 gute Bücher hernehmen ?
Man ift glücklich, wenn von Jahr zu Jahre
ein oder ein paar gute Werke erfcheinen. Da
aber gleichwohl die angeführte Zahl der Buch-
händler lebt, fo kann man die Rechnung
‚machen, daß es gegen 2000 gufe, 54430 ge⸗
ſchmackloſe Lefer giebt, welches für Schrifte
fiellee nicht der kleinſte Trof if.
Der Herausg,
544 Thereſie und &feonore,
Gebierrifch ordnet fie; ſchnell ſteht auf
ihr Gebot
Ein Heer von Reigen da — Aus ihren
Locken droht,
Bon ihren Wangen droht — Bon ih:
rem Bufen brobt,
Aus ihren Blicken droht — Aus ganz
Rianten droht
Eupido Fäffel, Pfeil, und Niederfag”,
und Sieg —
So fteht ein Feldherr, und ordnet feis
nes Heeres Angriff; ordnet ihn unwider⸗
ftehbar , mie ihn aber ein Weib, dag zu
furchtſam ift, das Vorſpiel der grauen«-
vollen Scene mit anzufehen, nicht befchrei=
ben fann.
Schon war, nad) hundert Verbefferuns
gen, nichts mehr an dem ganzen Bau ih⸗
rer prachtvollen Locken zu verbeffern übrig :
fhon war Niante mit fich felbft vollkom—
men zufrieden: ſchon langte fie nach der
Börfe, die reisfchaffende Kunft des ein—⸗
zigen l'Orange zu belohnen, als —
Bappp, der Charloe Schmuck, deſſen
Locken die Seide, und dem Glanze feiner
Haut der Sammer weichen, der unter
Huns
Therefie und Eleonore. 545
Hunden ift, was unter Schönen, Riante,
die reizendfte Schöne! als Happy Fam,
feiner Gebieterinn den Zins von Morgen:
fchmeicheleyen abzutragen — und fey es,
daß ihn ein. angenehmer Traum von Zur
ckerbrod und Spasierengehen ungewöhnlich
munter machte, oder, baß in dem Körper
des Kläffers irgend die Seele eines Lieb-
habers fafelte ; er waͤdelte fo munter,
büpfte fo anmuthig, liebkoſte fo zudring⸗
lich, daß, ehe Riante und ihr Kamer—
mädchen des Unglücs fich verſahen, bie
mühfame Lage dreyer Stirnlocken zerfiöhre
war. Welche Berwirrung! welcher Stoff,
fi) in einem Heldengedichte, dag die Zer-
ftöhrung, und Zappys ſchoͤnheitraͤuberiſche
Pfote befänge, an die Geite der Zomere
und Poppe aufzufchwingen 1 Aber ich
bin nicht neidifch) genug, einen ergiebi-
gen Stoff Dichtern zu entreiffen — Der
Schmerz übermwältigte Rienten fo fehr ,
baß fie, uneingedenf des Vorzugg, den fie
ihrem Schooßhunde über alle Liebhaber
einräumte, mit der fchönen Hand aushol-
te, und fchon den rächenden Streich zu
führen bereit war — als der Hund, unge:
wohnt einer folchen Strenge, ſich hinter dag
IV, Theil, M m Heiz
546 Sherefie und. Efeonore.
Heiligehum des Putzgottes, den Spiegel,
flüchtete, aber durch ein neues Unglück
‚ ihn, der ihn vor dem Zorne feiner Frau
beſchuͤtzen ſollte, über und um ftürzte: er
zerbrach —
Zuviel ihr Götter, zuviel des Schmer⸗
zens fuͤr Rianten! drey zerſtoͤhrte Locken,
und ein zertruͤmmerter Spiegel! Wenig:
fteng hättet ihr dieſes Unglück durch ein ges
vingeres Werkzeug, das Kamermädchen fich
ereignen laffen! Wenigftens hätte dann bie
troftlofe Riente durch Schmähmsrter ohne
Zahl ihren Schmerzen aushauchen, und der
ungefchicften Dirne die Truͤmmer an ben
Kopf fchicken Finnen. Aber welche tra=
gifhe Stellung, worein ihr fie verfegt! —
Hier das Laſter, der zerftüchte Spiegel —
und bier der theure Verbrecher , Happy
der Hund ihres Herzens , den fie nicht
firafen fann, ohne in ihr eignes Einge:
weid zu miüten! —
Nun denn, Sreundinn ‚ih, ich will
ihrem billigen Schmerzen die Hand reichen,
und Happys Neue, und dem von ihrer
Hand gefallenem Glafe ein ewiges Denf-
mal ftiften. Ihr Mufen fteht mir bei! in
. ber wichtigen Unternehmung bei !
Welch
Therefie und Eleonore, 547
„ Welch ein Verluft! des Putzaltares
edler Schmud, der Schönen fichrer Freund!
zerftückt liegt er nun da! „,
„Der Schönen Freund! der jedes Fleck⸗
chen des Geſichts, des Putzes Mangel je—
den, warnend wies; der treuer, als des
Malers ſtets liebkoſender Pinſel, auf ſei⸗
ner Silberflaͤche ſie wiedergab — zerſtuͤckt
liegt er nun da! „,
„, Liegt da, Niantens Freund: zu ih—
rem Siege trug er mächtig bei — und theilt
ihn neidifch nicht mit ihr — ,,
„ Mit aufgelöftem Gürtel trauret über
ihn, ihr Sragien! vor ihm heißt euh am
Morgen ftets, die Schöne mwiederfehren,
wenn euch bei Nacht ein ungeftüimer Traum
aus ihrem Antliß ſcheucht —
„ Wer lehrt fie nun den r eggewohn⸗
ten Blick, den ſie vor ihm ſich gab? wer
zeigt ihr nun, wo ſie mit brennendem Kar⸗
min, die Roſen ihrer Wange hoͤhen, der
Stirne Lilien mit Talkoͤl blaͤſſen fol ?— ,,
„ Ein Sreund? o, diefer wagt es
nicht: fie zuͤrnt, verräth er unbedachtfam
fit, er glaub’, fie koͤnne, als fie ift, voll»
fommener noch feyn — ,,
Mma2 „Die
&
548 Therefie und Efeomore,
„ Die Sreundinn? ach! die trium—
phirt, an einer furchtbaren Nebenbuhles
rinn auch etwas mangelhaft zu ſehen.
Nicht Freund, nicht Freundinn waren fie.
„ Nur er, er hatte Muth, hatt? Of:
fenherzigfeit , ihr ungeheuchelt zu geftehn,
zu zeigen, was ihr noch gebradh. Und fie
verbeffert dann nach feinem Rath, warb
Siegerinn im Kreife fie beneidender Ge—
fpielinnen, macht Herzen unterthänig, und
fieht zu ihren Füffen eine Welt! „,
„ Doch, nicht den Äuffern Schmuck des
Körpers nur, den edlern ihrer Seel’, auch
ihn, den unvergänglichern, die Tugend,
lehrt er fie — „,
„ Oft, wann er Götterreiz' ihr zeigt,
und fie fich felbft Tiebfofend wohlgefällt,
dann ruft er mächtiger als Sirachs Sit:
tenbuch ihr zu! „
„, Entehre nicht, vortreffliches Geſchoͤpf,
des Schöpferg holde Gabe, der Glieder ftolge -
Pracht! mach dich nicht unterthänig nied-
ver Luft! frohn den Begierden nicht! „,
„ Und, wenn fich dir der Tugend Un=
tergräber naht, und glatte Schmeichelen
dic) zu verleiten, braucht, tritt bin vor
mich! z
* Be⸗
Thereſie und Eleonore. 549
„Beſpiegle dich in mir, und fieh dann
feldft , mie viel zu ſchoͤn du biſt, des
Laſters Kaub zu ſeyn, und denke edel:
ftolg, welch’ ſchoͤne Eeele, du diefem ſchoͤ⸗
nen Körper fchuldig biſt — „,
*
XXIV.
oh weil es Zeit if, aufuhbren !
Kreuz,
Meine Freundinnen!
WM haben unfern Vertrag erfuͤllet,
wie e8 Zeit, Umftände, Kräfte, und —
dieß für mich allein gefprochen — die ger
wiſſe Unbedachtfamfeit , die wir fo gerne
Munterkeit nennen hoͤren, zugaben. Ih⸗
nen koͤmmt ed nun zu, über ung dag Ur—
theil zu fällen, und entweder zu bebauren,
daß wir nicht fortfahren, Sie toschentlich
zweymal zu unterhalten, oder Vielleicht
außzurufen: fie thun wohl daran! —
Yuf welche Seite immer ihr Urtheil aug-
fallen mag , für dießmal haben wir ung
ein Ziel geftecft , wir find dahin gelangt,
wir werden nicht darüber hinausfchreiten.
Mm3 Ha⸗
550 Tcherefie und Eleonore.
Haben wir ohne Beifall gefchrieben,
Haben wir, ftatt zu unterhalten, manches
fiebe Gefchöpf an der Eeite feines Cela—
done fanft in Schlaf gewiegt — Das Ue—
bel war fo groß nicht : fie hatten, nach—
dem fie die Aletagsgefpräche ſchon erſchoͤ—
pfet, fih ohnehin nichts mehr zu fagen,
und der Himmel weis, ob die Tugend nicht
dabei gewonnen hat, Aber es ift immer
nicht das größte Verdienſt, das Reich der
Tugend dadurch zu bauen, daß man bie
Leute einfchläfert, fonft müßte mancher Por
filenreuter dem Himmelreiche weit mehr
Pflanzvölfer zugefendet haben , als bie
Slechier und Bourdaloue —
Tragen wir hingegen, welches wir mehr
wuͤnſchen als hoffen, tragen wir, irgend
einen belobnenden Beifall unfrer Lefer, uns»
frer Leferinnen mit ung hinweg! defto mehr
ift es Zeit, fich zuruͤckzuzichen, weil mir
noch mit Ehren Finnen. Schriftfteller ſol⸗
len, mit unferem Gefchlechte und den Hel-
den nad einerlei Grundfägen handeln.
Tindarine hätte nicht alle ihre Verehrer
überlebt, fie wiirde bedauret, nicht ver-
laſſen worden ſeyn, wenn fie ihre Ero-
berungen nicht über die Zeit hinaus durch⸗
zu⸗
Therefie und Eleonore, 551
zufegen gefucht hätte, welche die Natur
ihe mit unverfennbaren Merfmalen zum
Abzuge vorgefchrieben. Pompejander hät:
te fein Haupt unter den Schatten des gruͤ⸗
nenden Lorbers zur Ruhe legen, und den
Ruhm des Sieges in feine Einfamfeit mite
fragen Fönnen. Aber er wollte die ras -
ſchen Läufer des Triumphwagens noch lei⸗
ten, da die Kraft feines Arms ſchon nach⸗
ließ; er lebte für feinen Ruhm zu lange,
die Lorber mwelften auf feinem Haupfe —
Kluͤger als Tindarine, vorfichtiger als
Dompejander, foll von uns, als Schrift
ftellerinnen betrachtet, wenigſtens nicht ge=
fagt feyn, was Horaz von den Sängern
und Dichtern feiner Zeit fagte:
Den Sängern, und den Dichtern iſt
es eigen,
Erſt fangen fie nur fehr gebeten
en,
Denn bite’ ihr fie umfonft, zu ſchwei⸗
j gen ! !
Diefes fey denn das leßtemal, daß ich
mit Ihnen ſpreche: meine Gefährtinn wird
in dem folgenden DBlatte ſich gleichfalls
beurlauben —
Aber
552 Thereſie und. Eleonore.
Aber an unfrer Stelle wird jemand
auftreten, von dem ic) den Auftrag erhal⸗
te, Ihnen nähere Nachricht zu geben —
Rathen Sie nicht! firengen Sie fich nicht
vergebens an! halten Sie nicht Muthmaſ—
fungen und Bahrfcheinlichkeiten zufamm !
urtheilen Sie weder vorhinein aus dem Zus
fammenhange bdiefer Anfündigung , noch
auch nachher, aus der Schreibart, aus ber-
Wendung der Gedanken! — Sie werden
irren; Sie werben durch allerlei Verſtel—
lungen gefliffentlich irre geführt werden, um
ben Berfaffer des weiblihen Ora—
Fels nicht zu erfennen.
Nachdem, manchmal ungegründeten ,
oft, nur zu oft wahrem Vormwurfe, daß
ein Geheimniß unter einem weiblichen Her-
zen nicht zu ficher verwahret liege, bat
diefe neue Goͤttinn des guten Raths ihre
Vorfichtigfeit weit genug getrieben, felbft
ihren Vorgängerinnen unbekannt zu bleis
ben, und ich fage nicht , daß fie daran
übel gethan. Wenigſtens ift die Sicher:
beit gröffer : man kann mich nicht ver»
rathen, als, man wird mich nicht vers
zatben —
Ich
Therefie und Eleonore. 353
Ich will e8 nicht verbergen, unſer er=
fier Gedanfe war ungefähr ver nämlihe,
den fo manche unter Ihnen auch haben
wird, Wir hatten denjenigen in Verdacht,
der die Ausgabe diefer Blätter bis hieber
beforget , und uns manchmal durch feine
Beiträge aus der Verlegenheit geriffen hat.
Wir zohen ihn damit auf, und er verthei—
bigte fih fhwac genug , um uns den
Verdacht nicht zu benehmen. Aber mir fa>
ben bald ein, daß er unfre Blicfe mit Bor»
faß auf fich zu sieben gefucht, um fie von
dem wahren Gegenftande abzuziehen; und
wir find verfichert, man mwird den Kunſt⸗
griff eben fo fehr ald wir erfennen, fo
bald man bie Fleine Anfündigung durchfe=
ben wird , die mir aufgetragen worden
einzufchalten —
Das weiblihe Drafel
jet Teetet ab Sterbliche, macht einer Gott⸗
heit Platz! die unter euch zu wohnen, ſich
euch aufzuklaͤren wuͤrdiget! Zevs vom
Olymp, den eurer Blindheit jammert, er
ſendet mich!
Mm 5 „Dringt
554 Thereſie und Eleonore.
„ Dringt nicht, mit neugierigen, uns
beiligem Blicke, in meinen Aufenthalt! uns
fihtbar dem Auge, red’ ich zum Herzen
nur, und flöffe Stärfe in die Seele der
Zugendhaften , und züchtige mit innrer
Pein die Lafter, durch die fich mein Ger
fchlecht entehre — „,
„ Eine Géöttinn — ferne von mei
ner Schwelle, männliche Gefchöpfe! zu
eurem Flehen ftumm , erhöre ih, nur
Pyrrens Töchtes, antworte ihnen nur. „,
„Vernehmt, wie ich verehrt — bie
Art, wie ich befragt feyn will! Stumm,
unerbittlich der, die das Gepräng ver-
ſchmaͤht, fällt Blindheit über fie; mein
Stral wird über fie nicht glänzen, mein
Licht nicht den Verſtand erhellen — „,
„ Erft fprenagt mit reiner Duell’ das
Haupt, die Stirn’, das Herz! dann ſteht
unverwandt gen Untergang gefehret, fier
ben Augenblicke lang ! dann ruft mit laute
ter Stimme, Lofutia! — und wiederho—
let das Gepräng zum brittenmal! „
„ Mit jungfräulichem Kiele , mit
dem fonft nie ein Wort gefchrieben ward,
fchreibt dann auf rein Papier bie Frage
bin! — Die Frage entehr’ die Tugend,
ent:
Therefie und Eleonore. 555
entehr? den Anftand nicht, zu dem ihr euch,
zu dem ihr mir verpflichtet ſeyd — dann fen-
det fie dem weiblichen Brafel ein! —.,
„ Noch ehe zum viertenmal die Sonne
den Erdenball beftralt, eh noch zum vier-
tenmale, der Schatten ihn bedeckt, merdt
ihr von mir belehrt — „,
Der miftifhe Ton, der in diefer An-
fündigung gewählt ift, verräth nirgend ei⸗
ne Spur, die unfern Argwohn zu leiten
fähig märe.
Es mag feyn, daß diefe Äbernatisliche
Sprache: als ein dichter Schleyer anzufe=
ben feyn muß , binter welchem der Prie-
fier der Göttinn Lokutia verborgen zu
ftehen wuͤnſchet, um in feinen Drafelfprü-
chen die Stimme deſto freyer erheben zu
dürfen. Furcht, Anfehen der Perfonen,
Partheylichkeit beftechen Sybillen auf ih=
rem Dreyfuffe, wie den Richter auf dem
Kichterftuhle, und den Ausfpender der Un—
fterblichfeit , den Schriftfteller, an feinem
Pulte. Man hat der Gerechtigkeit ein
Band über die Augen gezogen, damit fie
nicht fehe : der Drafelfprecher ſtelle fich
hinter einen dichten Vorhang, um nicht
ger
356 Thereſie und Eleonore.
gefehen zu werden, und unpartheyiſch blei⸗
ben zu koͤnnen.
Aber wozu ſchlage ich in fremdes Ge—⸗
fchäft die Hände ein? ich trete von ber
Emporbühne ab, menge mich unter ben
Haufen, und frage, nad) ‚ehrerbietig bes
obachteten Gepränge , die erſte:
Cofutia! —54
Was iſt die Beſtimmung des Maͤdchens!
L.
Noch eines, und dann lebet wohl!
Drollinger.
Fu Ende eines Spazierganges, den man
an ber Hand einer Sreunbinn, an der Hand
eined Freundes gethan hat, fieht man
manchmal zurück , und wundert ſich über
die groffe Etrecfe Wegs, die man, ohne
es gewahr zu werben, zurückgelegt hat; eis
nen Weg , den man fich vorzufchreiben,
aus Gemächlichfeit, oder fonft einer Urfa«
che fchmwerlich dag Herz würde gehabt ha-
ben — Mir geht es auf meinem fchrifte
ftellerifchen Pufigange eben fo. Der mir ge:
fagt hätte: fee dich! fchreibe fo viel,
und
Therefie und Eleonore. 357
und fo viel hin! den würde ich über feine
fonderbare Zumuthung ziemlich fremde an-
gefehen haben. Aber mein Freund that mit
mir einen Fleinen Gang ; wir festen ung,
um ein wenig auszuraften. Dann gien=
‚gen woir wieder , ruhten dann wieder —
und rückten auf diefe Weife immer weiter,
bis wir, ohne felbft daran zu denfen, ein,
geroiffes Ziel erreichten , das er fih von
Zerne zum Standorte ausermählt hatte.
Ich bin nicht fo Teichtfinnig,, oder wie
das Mädchen e8 lieber nennen hört, nicht
fo munter, um ganz über dag Urtheil forg-
‘ 108 zu ſeyn, fo die Welt von unferm Unter»
nehmen, Schriftftellerinnen zu werden, ge=
fället haben mag — Nicht , als ob man
nicht immer noch eine gefittete Srauensper-
fon, eine redliche Freundinn, eine zärtliche
Gattinn feyn koͤnnte, wenn man gleich’ eine
Stümperinn mit der Feder ift — nein!
und zur Ehre dieſer Stadt giebt es viele
von den erften, da vielleicht wir beide bie
einzigen find, die Muth genug hatten, dru—
cken zu laffen, Aber die Frage, die man
an die mittelmäffigen, an die fchlechten
Schrifterlinge mit Recht thun kann, die
man immer an fie thun wird, die Frage:
Wer
558 Therefie und Eleonore,
Wer zwang dich zu fchreiben 4 die ſchre⸗
cket mih — Gegen diefe hält feine Ent>
fchuldigung: er ift noch jung, man muß
ihm etwas zu Gute halten — mer zwang
ihn zu fchreiben? er hat es nicht aus=
feilen Fönnen: es fehlte ihm an Feiti-
fhen Sreunden — wer zwang ihn zu
fchreiben? Und, um auf ung zu fommen,
wenn man über ung den Kopf fchitteln,
bier Fehler , dort Unrichtigfeiten zeigen,
und was weis ich, was alles fagen wird,
und es wird jemand zu unferer Vertheidi-
gung ſprechen: „denken Sie doch, daß es
FSrauensperfonen find, von denen man was
Vollkommenes nicht eben fodern fann „— _
fo wird die Frage bei der Hand feyn: aber
wer zwang fie zu fchreiben ?
Er mag alfo unfre Vertheidigun g über
fic) nehmen , der Freund, der uns dazu
verleitet , der uns fehr oft die Hand ges
führt , und der ung — Aber er verlangt -
fich felbft bei feinen Lefern zu verantwor-
ten, daß er es wagte, ihnen Fraueusper⸗
fonen aufzuführen. Ach reiche alfo ihm die
Feder, und trete willig zurück, zufrieden,
wenn ich durch meine Fleinen Bemerfungen
manchmal ein flatterhaftes Mädchen ge:
wars -
Thereſie und Eleonore. 559
warnet, manchmal einem frechen jungen
eine ihm ungeroöhnliche Nöthe an die Stir⸗
ne gejaget , manchmal eine Frau an ihre
verfennte, oder überfehene Pflicht erinnert,
vielleicht den Sitten meines Gefchlechts we⸗
nigftens einige Freunde gewonnen, wenig⸗
fieng einen Feind verföhnet habe.
Der Herausgeber
an das
ſchöne Geſchlecht.
Nicht mich, nicht Thereſien und Eleo⸗
noren, Sie, reizende Gefaͤhrtinnen un—
ſers Leben! Sie, welche die Vorſicht be—
ſtimmet hat, eine Triebfeder des maͤnnli—
chen Fleiſſes, eine Triebfeder zu ruͤhmli—
chen Handlungen zu ſeyn, die wir unter
ihrem Angeſichte fie auszuuͤben, dadurch
ihren Beifall, manchmal ihre Gewogenheit
zu verdienen, ung freuen; Gie, ber Vor—
. Sicht reizendſtes Werck, beftimmt, ung den
dörnichten Pfad des Lebens angenehm ,
felbft unfere Widerwärtigfeiten weniger em»
pfindlicy zu machen , wann Sie nad) der
Guͤte ihres Herzens daran Theif nehmen;
Sie
560 Therefie und Eleonore,
Sie habe ich zu vertheidigen. Wiſſen Gie
— nein, Gie wiſſen e8 nicht, daß es un—
ter ung Ehrenfchänder giebt , die ſtirnlos
genug find, Ihnen dieſe Empfindung, ich
möchte fagen, diefen Gaum zu verfagen,
der in Schriften Gutes und Uibels zu un-
terfcheiden, zwoifchen einem .... und...,
zu wählen weis? Miffen Sie, daß man
Sie bloß zu dem ſinnlichen Gefühle herab⸗
fegt ? — Wiſſen Sie, daß man fagt — ber
fonderg von meinen liebenswürdigen Lande,
männinnen fagt, ihre Nerven wären zu
‚ftarf — damit ich den ungefitteten Aus—
druck nicht nachfchreibe — ihr Gehirn zu
trocken, ihre Einbildung zu wild, zu uner⸗
gelmäffig, um jemals auf den Ruhm einer‘
guten Feder Anfpruch machen zu dürfen ?
Wiffen Sie, daß ich von grobnervichten
Gefchöpfen , für die dag feinere Vergnuͤ—
gen nicht in die Natur gelegt: worden, daß
ich von diefen, mir felbft, Hundert und hun»
dertmal habe mäffen vorfagen laffen : es fey
ganz wider die Beftimmung des weiblichen
Gefchlehts, in einem Buche zu blättern,
ober etwas mehr, als den Unterfcheid eis
nen faulen und frifchen Eyes zu fennen,
daß ich fehr oft aus dem beiffenden Juve⸗
— nal,
Therefie und Eleonore. 561
nal, der ihrem Geſchlechte ſo gram war,
weil er das Gluͤck nicht hatte, ſo viele an⸗
genehme Wienerinnen zu kennen, aus die⸗
ſem ausgelaffenen Spoͤtter babe hören muͤſ⸗
ſen:
Das Weib, dir zur Gefaͤhrtinn auser⸗
ſehen,
Sey nicht gelehrt! Es koͤnne nicht
Gleich einem Logiker, gekuͤnſtelt Schluͤſſe
drehen,
Es halte über Bücher fein Gericht !
Hab’ die Gefchichte nicht fiudiert—u. ſ.w
Kiffen Sie, wenn ic) Sie gegen der=
lei Läfterer mit Eifer vertrat, wenn ich ihr
ve Gegner mit Beifpielen eintrieb, und fo
viele vortrefflihe Schriften anführte , die
ihren Berfafferinnen Ehre machen, und den
Schwarm männlicher Schriftfteller größten
Theils verdunkeln, daß ich dann die Ih—
nen schimpfliche Antroort hören mußte: zum
mindften wuͤrde ich unter dem hieländifchen
Srauenvolfe nicht drey herausheben, die
nur erträglich eine Kuͤchenrechnung aufzu⸗
feßen, geſchweige denn Briefe, Erzählungen,
Gedichte, oder etwas Ähnliches zu fchrei:
ben in Stand wären. Wiffen Sie endlich —
IV, Tbeil, nn wel
562 Thereſie und Eleonore.
welches mir am nächften gieng, daß man
fich anheifchig machte, diefe Befchuldigung
durch die Erfahrung zu flügen: daß man
die Dreiftigfeit hatte, mich aufsufodern‘,
ich möchte Ihnen nur zehn, nur fünf,
nur drey entgegenftellen, um fie zu wider⸗
fegen ; daß mir unverſchaͤmte Gemein⸗
frener, Briefe von Mädchen, von Weibern,
jeigten , über welche ich freylich. weiter
nichts als die Achſeln zücfen , und allen=
falls, um doc) mich nicht ganz überwuns
den zu geben, fagen konnte: einige wenige
fönnten nicht auf das Ganze fehlieffen laf-
fen — Aber, verfolgte man mich noch in
diefer Verſchanzung — Lpfinde ift eines
von den artigften Mädchen! — Mans
dantinen halt jedermann für das geift:
reichfte Weib in der Stadt! urtheilen
Sie von den Übrigen v
Sch habe alfo Beifpiele durch Beifpiele
entfräften, und an Perſonen, deren bes
ftändige Geſellſchaft einen groffen Theil mei⸗
ner Glückfeligfeit ausmachet, und mir zu»
gleich Gelegenheit verfchaffer , in erübrig-
ten Augenblicken zu ihrer müßlichen , und
unterrichtenden Ergoͤtzung etwas beizutra⸗
gen, an ihnen habe ich zeigen wollen, wie
leicht
Therefte und Eleonore. 363
feicht e8 möglich wäre , eine vortreffliche
Anlage — und eine ſolche ift die Anlage
faft des ganzen Geſchlechts — in kurzer
Zeit auszubilden ; und wie weit man es
bringen Fönnte, wenn Wir weniger unbil-
fig, vielleicht weniger neidifch, von Ihnen
verdunfele zu werden , von Jugend auf
ihre Sähigfeiten bearbeiteten, wenn Muͤt⸗
fer , welche die wahrere Schönheit verfen»
nen , nur zur Hälfte die Reise des Gei-
fies fo, wie die förperlichen auszubilden ,
forgfältig wären. Die Zeit, die Gewohn-
heit fich zu fehen, eine Kranfheit, ein Zufall,
hundert Ereignungen fönnen ihren Töchtern
Diefe vermeinte Koftbarfeit rauben: durch
welche Zauberfünfte werden fie dann gleiche
gültig gewordene Männer zuruͤckhalten ? —
Aber die Schönheiten des Geiſtes veralten
nicht: über Sie hat die Zeit und beinahe
das Schicfal alle Macht verloren. —
Könnte daß Beifpiel Therefiens und
Eleonorens ein ober anderes ſchoͤnes Kind
zur Nacheiferung aufmuntern ! Könnte ihr
Vorgang Ihnen eine Schüchternheit beneh-
men , bie fie bei andern Gelegenheiten fo
vortrefflich kleidet, aber hier ein zur Une
keit gelegtes Hinderniß ihrer Fahigteuen iſt!
Koͤnn⸗
564 Thereſie und Eleonore,
Könnte ich mit mir den ftolgen Gedanken
hinwegtragen, daß ich die Geſchicklichkeit
mir fo naher Perfonen nicht ohne Frucht
auf das Spiel geſetzet; daß ich — felbft mir
einem MWageftücke ihres Fleinen Ruhms —
einen Weg gebahnet, auf welchem reizende
Kinder , die Zierden unſrer Gefelffchaften,
wie gefeßtere Frauen bie Kronen ihrer
Samilien, E£ünftig zu wandern, fich nicht
fcheuen werden ! Könnte ich bald die Vers
fchönerung der Schreibart , wie die Vers,"
befferung des mündlichen Ausdrucks ua
ben ordentlichen Lehrübungen des heran—⸗
wachfenden Frauenvolks erblicken! Könnte
ich fo glückliche Folgen diefer Blätter er:
warten t.ich würde meine darüber gefuͤhr⸗
te Aufficht nicht unter die geringften Dien-
fie ſetzen, die ich dem Privatleben, und
der wechfelfeitigen Glückfeligkeit beider Ges
Schlechter geleiftet haͤtte.
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