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Full text of "Gesammelte Werke;"

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Ernit von Wildenbruch 
Gejammelte Werfe 


Herausgegeben von 
Berthold Ligmann 


Band 10 











G. Grotefche Verlagsbuhhandlung 
er Berlin 19106 


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Ernit von Wildenbruch 
Gejammelte Werfe 


Sweite Reche 
Dramen 
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G. Grotefche Verlagsbuchhandlung 
: Berlin 1916 











Inhalt 


Einleitung... . 

Die Haubenlerche . 

Der neue Herr . BERN 
Meifter Balzer. . . » RN 
Grundlagen und Varianten den. Textes . 


VI 


Einleitung 


De neue Herr“ iſt das dritte und letzte in der Reihe der 
großen Dramen, in denen Wildenbruch fich die Aufgabe 
gejtellt hatte, „die Entwicklung Brandenburg» Preußens in feinem 
Verhältnis zu Deutfchlands Gefchichte” zu behandeln. Es ift 
im unmittelbaren Anſchluß an den „Generalfeldoberft“ gefchrieben 
als eine Fortfegung und Krönung von Gefchehniffen, eine 
Weiterentwidlung von Perfönlichkeiten, die im „eneralfeld- 
oberjten“ zu leben und zu wirken begonnen; der Gchlüffel 
gewiffermaßen zu den Menfchen und Begebenheiten dort und 
zugleich die innere Löfung des im „Generalfeldoberft” gefchürzten, 
aber auch nur gefchürzten Knotens: „Von dem tragifchen Leid, 
in welchem der Schluß des ‚Generalfeldoberft‘ entläßt, joll der 
Zufchauer im ‚Neuen Herrn‘ erlöft werden, indem er fieht, wie 
der große vaterländifche Gedanke, an dem der Markgraf Johann 
Georg zerbricht, von feinem Großneffen und Patenkind, dem 
anderen Hohenzollern, dem größeren, dem Kurfüriten, wieder 
aufgenommen und zum Giege geführt wird.“ Als im Herbit 
1889 die Ereigniffe eintraten, die fchließlich zum Verbot des 
„Generalfeldoberften“ in Preußen führten”), näherte ſich das 
zweite Drama, das fich zu jenem wie der Sohn zum Vater 
verhält, bereits feiner Vollendung und ward dann unter dem 
Eindrud der ſchweren Erfchütterungen in einer Stimmung der 
Berzweiflung zu Ende gefchrieben. „Die ſchwere Zeit hat mich 
nicht untergefriegt,“ fchreibt er am 21. Februar 1890 an Stange, 
„mein neues Stüd ift fertig. Der Titel ift ‚Morig Auguft von 
Rochomw‘, es fpielt vor und während 1640, und die Figur, die im 
Mittelpuntt fteht, ift Friedrich Wilhelm, KRurprinz, dann Kur— 
fürft von Brandenburg.“ Bald nach) der Vollendung ver- 
wandelte fih „Morig Auguft von Rochow“ in „Der neue Herr“, 
trogdem Dilthey meinte: „Nehmen Gie fih in acht. Das ift 
ein gefährlicher Titel.“ Am 8. Februar 1891 ward der „Neue 
Herr“ zum erftenmal im Schaufpielhaufe in Berlin gegeben mit 
großem Erfolg, der in den folgenden Monaten auch über ganz 
Deutjchland fich verbreiten follte. Und doch follte der Dichter 
feiner nicht froh werden. Denn nun rächte fich bitter, DaB man 





*) Vgl. die Darjtellung im 2. Band der — ©. 70-81 
und die Aftenftücke im Anhang ebenda ©. 345—352. 


vu 


ihm duch einen Machtipruch beim „Generalfeldoberft“ das Wort 
abgejchnitten hatte, „Wäre in Berlin nicht nur der ‚Neue Herr‘, 
fondern auch der ‚Generalfeldoberft‘ zur Aufführung gelangt, fo 
würden die Zufchauer den durch beide Stücke hindurchgehenden 
einheitlichen Gedanken verftanden, würden empfunden haben, daß 
das Licht, das aus dem ‚Neuen Herrn‘ leuchtet, Fein Falter Glanz, 
fondern inneres Feuer if. Dann würden fie erfannt haben, wie 
fih diefe Wandlung des Schickſals an der durch beide Stücke 
bindurchgehenden Geftalt des Grafen Adam Schwarzenberg voll- 
zieht, der im erſten GStüde die Anklage des Generalfeldoberiten, 
daß er Brandenburg zum Schemel für Habsburgs Füße machen 
wolle, triumpbhierend verhöhnen darf, während er in dem ziveifen 
Stück vor der nämlichen Anklage, die ihm Friedrich Wilhelm, 
der neue Herr, ing Geficht fchleudert, Tchuldbewußt zufammen- 
bricht.” So hat Wildenbruch felbjt in dem Vorwort zu Der 
neuen Ausgabe des „Seneralfeldoberft” von 1901 die innere 
Einheit und Untrennbarkeit der beiden Dramen für jeden, der 
nur ein Fünkchen PVerftändnis für Fünftleriiches Schaffen über- 
haupt und für diefe fünftlerifche Perfönlichkeit im befonderen 
beſitzt, follte man meinen, fchlagend nachgewiefen. AUnd fpätere 

Gefchlechter werden es nicht für möglich halten, daß diefer Mann 
in diefem Vorwort”) ſich noch allen Ernſtes gegen eine nieder- 
trächtige an den „Meuen Herrn“ fih anheftende Verleumdung 
hat verteidigen müffen, wenn er fortfährt: „Dies alles, Diefer 
große dramatifche Plan, der mir das Herz erglühen machte, als 
die Umriſſe beider Dramen zum erftenmal in mir aufdämmerten, 
und der durch das Verbot des erften zerftüdt wurde, er wäre 
begriffen und verftanden worden und unmöglich wäre e8 geweſen, 
daß die Verleumdung ſich hervorwagte, wie fie e8 getan bat, 
und Die nichtswürdige Deutung in den ‚Neuen Herrn‘ hinein- 
trug, als hätte ich mit der Geftalt des Großen Rurfürften liebe- 
dienernd auf den jest regierenden Hohenzollern, mit dem Feinde 
Brandenburgs aber auf den Mann gezielt, der Deutjchland von 
Habsburg losgeriffen, Brandenburg -» Preußen an dem Schwarzen: 
berg von Olmütz gerächt und der meinem Herzen wahrjcheinlich 
näher geftanden hat, als den Herzen derer, die mir eine folche 
Anficht unterfchoben.“ - 


9 Auch ſchon früher in einem nach dem Tode Bismarcks 1898 
in der Nationalzeitung erſchienenen Auſſatz „In eigener Sache”, jetzt 
abgedrusft im Anhang zum 2. Bande der Biographie ©, 352—356. 


vi 


Trogdem bat diefe „nichtswürdige Verleumdung“, genährt 
durch blöde Gedankenlofigkeit und hämifche Freude des Pöbels 
an einem vermeintlichen Skandal, bis auf den heutigen Tag ein 
im geheimen fchleichendes Dafein friften können. Es war daher 
nötig, ihr auch an diefer Stelle den Kopf zu zertreten und den 
Weiterverbreitern zum Bemwußtfein zu bringen, daß „iver mit 
Bewußtſein über den Nebenmenfchen lügt, verleumdet“ *). Sm 
übrigen fei für die innere und äußere Gefchichte des „Neuen 
Herrn“ wie für die in diefem Drama vom Dichter gelöfte Fünft- 
lerifche Aufgabe auf die ausführliche Darftelung in der Bio— 
graphie verwiefen**). 

Das Schickſal der „Paubenlerche“ ift auf eine eigen- 
tümliche Weife mit den Schickſalen der großen Dramen aus der 
brandenburgifch » preußifchen Gefchichte verflochten, innerlich und 
äußerlich. Um dem Direktor des Deutfchen Theaters, L'Arronge, 
für den ihm aus dem Verbot des „Generalfeldoberft“ verurfachten 
fchweren Schaden eine Urt Erſatz zu bieten hatte er, da er allen 
trüben Erfahrungen der jüngften Zeit zum Trog, den „Neuen 
Herrn“ doch zunächft wenigftens der Königlichen Bühne glaubte 
anbieten zu müſſen, ſich noch unter der legten Arbeit an dieſem 
Drama entichloffen, für das „Deutiche Theater“ ein „nicht der 
vaterländifchen Gefchichte angehöriges Stück“ zu fchreiben. „Es 
würde Dies,“ Schreibt er am 21. Februar 1890 an Stange, 
„ein Stück von ganz anderer Urt werden, ein Stüd aus dem 
modernen Leben. Die Idee dazu liegt mir vor der Seele, aber 
die Aufgabe ift ungeheuer.” Das war eben die „Saubenlerche“, 
die fchon in den legten Sunitagen vollendet war und bei ihrem 
Erſcheinen — am 20. September 1890 — auf der Bühne des 
Deutfchen Theaters, eine ungeheure Überrafchung und in manchen 
Kreiſen Befremden, ja Entfegen hervorrief. Kein Zweifel, daß 
das Verbot des „Seneralfeldoberft“, das Wildenbruch gewaltfam 
von dem Biel, das er fich aus feiner eigenften Natur gejtedt hatte, 
abdrängte und ihm die Freude an diefer QUrbeit gründlich ver: 
leidete, wohl den erjten AUnftoß gegeben hat, feine Blicke und 
Gedanken wieder einmal auf das Gebiet des bürgerlichen Dra— 
mas zu lenken, das ja in früheren Jahren mehr als einmal ihm 
in Ruhepaufen von der Arbeit am großen Drama als ein be- 


— — 


Wildenbruch, „In eigener Sache“, — 5 Bd. II, ©.356. 


IX 


gehrenswertes, Erfüllung ehrgeiziger Träume verheißendes Arbeits- 
feld ſchon verlodend erjchienen war. Sa, mehr als das, Fein 
Zweifel auch, daß in diefem Augenblick, wo er mit dem bitteren 
Gefühl rang, daß man ihm auf feiner eigentlichen Kanzel das 
Wort abgefchnitten habe, er den leidenfchaftlichen Drang empfand, 
jest einmal „zu zeigen, daß, wenn ich Stoffe aus der Gefchichte 
diefes Haufes behandle, ich es tue, weil ich will, nicht weil 
ih muß, d. h. daß ich dieſe Stoffe nicht darum behandle, weil 
mir andere nicht zu Gebote ftehen“ *). Und in der Tat bat er 
dann mit der „Haubenlerche“ urbi et orbi den Beweis ge- 
liefert, daß der „Spätling der Romantik“, wenn er fich für feine 
Dichtung andere Ziele fteckte, als die von der herrfchenden Mei- 
nung der damals „Sungen“ als allein „modern“ anerkannten und 
gut geheißenen, dies nicht aus dem Gefühl des Unvermögens ge- 
ſchehen, Gegenwartsmenfchen und Gegenwartstonflifte in ihrer Ge— 
bundenheit zu erfaflen und zu geftalten, fondern weil er feine 
perjönliche Aufgabe als Dichter feines Zeitalters anders faßte, 

Alſo aus einer produftiven Entrüftung legten Endes, einer 
tiefen augenbliclichen Verftimmung und Verzweiflung und einem 
aufgefammelten Arger und Groll über die von der Jugend gegen 
ihn angefchlagene Tonart ift die „Haubenlerche“ entiprungen, 
und nicht etwa handelt es fich, wie Sernerftehende gleich bei 
ihrem Erfcheinen und fpäter vermutet haben, bier um eine Ron- 
zejlion an den Tagesgefchmad, der damals gerade Sudermanns 
„Ehre“ zujubelte. Jedenfalls hat dies Motiv dabei nur eine 
ſehr untergeordnete und ihm ſelbſt feineswegs zum Bewußtfein 
gefommene Rolle gejpielt. Vor allem mag auch an diefer Stelle 
befont werden, daß das am meilten „modern“ und naturaliftifch 
anmutende Motiv der „Haubenlerche“, das in der Schlußfzene des 
dritten Aktes eine folche Rolle fpielt, wie der Biograph und 
Herausgeber feiner Werke verfichern kann, fchon zu einer Seit, 
da fein Menſch von Naturalismus etwas ahnte, Wildenbruchs 
Phantafie befchäftigt hat **). 

Dabei darf allerdings nicht verfchiwiegen werden, daß, vor 
allem unter dem Eindruc der ihn felbft überrafchenden ungeheuren 
Wirkung des Stückes auf das Publitum, ſich ihm vorüber- 
gehend die Vorftellung aufdrängte, ob er nicht doch vielleicht an 





) An Stange 27. Zuni 1890. 
Vgl. Biographie, Bd. II, ©. 108 und ©. 373, 


X 


einem Wendepunkt ftehe, ob er nicht mit der „Haubenlerche“ eine 
neue mächtige Erzader angefchlagen habe. Eine Gelbittäufchung, 
die er aber nicht lange feitgehalten hat, troßdem ihm die Er- 
innerung an dieſen Sieg und die fehier unerfchöpfliche Zugkraft 
diefes bürgerlichen Schaufpiels eine der erfreulichften Erfahrungen 
in feiner dramatifchen Laufbahn geblieben ift*). 

| Zu der „Haubenlerche“ hatte Wildenbruch eingehende Stu⸗ 
dien über den Betrieb und die Technik der Papierbereitung an 
den XUrbeitsftätten einer Papierfabrit, durch Vermittlung des 
Druders feiner Schriften, Bol, gemacht und fich fchnell mit 
einfühlendem PVerftändnis in den ihm bis dahin fernliegenden 
Gedanken: und Anſchauungskreis, der die Arbeit und die Arbeiter 
auf diefem Gebiet beberrfcht, bineingearbeitet. Für das ziveife 
aus den Kämpfen, Sorgen und Intereffen des modernen Ge- 
werbes und Handwerks fchöpfende Drama „Meifter Balzer“, 
das fchon im Frühfommer 1891 begonnen, aber erjt, nach län- 
gerer Interbrechung, ein Sahr darauf vollendet, am 2, November 
1892 die erjte Aufführung im Königlichen Schauſpielhaus er- 
lebte, hatte er dagegen fich einen Lebens- und Intereffenfreis ge- 
wählt, der ihm feit langer Zeit vertraut war und, kann man 
fagen, ſchon am Herzen lag. Die Uhr und ihr Geheimnis war 
ibm von jeher ein Gegenftand reizvoller Wißbegier geweſen, er 
hatte feine Freude an ihrer kunſtvollen Mechanik und liebte es 
auf feinen Reifen die Arbeitsſtätten der Uhrenfabrifation zu be— 
fuchen und all die mechanifchen Überrafchungen für Auge und 
Dhr bis ins einzelne zu ftudieren. Genährt und wachgehalten, 
wenn nicht geweckt, war aber vor allem dies Intereffe in feinen 
Sranffurter Referendarjahren durch feinen freundfchaftlichen Ver— 
fehr mit dem Lhrmacher Adolf Balser **), der zufammen mit dem 
Dr. Stange damals fein gläubigfter und verftändnisvolliter Ver: 
ehrer gewefen. Im Lhrenladen Baltzers an der Ede der Breiten 
und der Reichsftraße in Frankfurt hatte er in jenen Jahren manche 
gute Stunde verlebt, nicht nur wenn er den laufchenden Sreunden 
aus dem frifch Gefchaffenen vortrug und von ihren Augen das 
freudige bingebende Verftändnis ablas, ſondern auch, wenn er 





i * Über die „Haubenlerche“ vgl. Biographie, Bd. II, ©. 105 
a PAR 

**) ber Adolf Balsger und feine Beziehungen zu Wildenbruch 
vgl. Biographie, ®Dd.I, ©. 176, 215ff. Uber das Drama „Meijter 
Balzer”, Bd. IL, ©. 145f. und ©. 376, 


XI 


dem alten Freund bei der Arbeit unter feinen Uhren zufah und 
ſich von ihm erzählen ließ, was die Uhren jagen und willen. 

Und fo wird fich ihm, als ihn, wohl ſchon in den achtziger 
Zahren, gelegentlich der Gedanke an ein Drama zu bejchäftigen 
begann, das den Kampf des Kunſthandwerks gegen die Fabrik 
veranfchaulichen follte, die jeelifche und Förperliche Erſtickung des 
fein Handwerk als Kunſt ausübenden und liebenden Einzel— 
arbeiter durch die mechanische feelenloje Maffenfabrifation, bei 
der der einzelne nur Teile, nichts Ganzes mehr berftellt, wohl 
fchon ehr bald anftatt der urfprünglich dabei vorfchwebenden 
Geftalt eines Runftichloffers ganz von felbit das, was er bei und 
mit feinem alten Sreunde im AUhrmacherladen erlebt, als Kern- 
und Ausgangspunkt dargeboten aufgedrängt haben. „Sch ent: 
finne mich,“ fehreibt er nachmals*), „daß ich einftmalg bei ihm 
(Balter) ein großes beinah ungeheures Zifferblatt in der Werk— 
ſtatt ſtehen ſah, und auf meine Frage, was das wäre, erfuhr 
ich, daß das eine Turmuhr für das Dorf Rofengarten werden 
follte. Ich kann wohl jagen, daß aus diefem damals noch ganz 
leeren Zifferblatt das Stück ‚Meifter Balzer‘ berausgewachfen ift. 
Wie fi) das aber gemacht, wie mir zu dem alten Uhrmacher 
feine Familie, namentlich die Lotte, feine Tochter berangewachfen 
it, und der Otto, fein Gebilfe, das... kann ich wirklich nicht 
fagen, denn ich weiß es felbjt nicht.“ 

Diefen inneren Zufammenhang des Dramas mit dem Frank: 
furter Freunde hat er dann ja nicht nur durch den Titel „Meifter 
Balzer“ **) und im Drama felbft durch deutliche lokale Bezüge 
(Rofengarten !) betont, fondern vor allem auch durch die der Buch- 
ausgabe vorangefchiefte Widmung „Meinem Freunde dem Llhr- 
macher Adolf Balzer in Frankfurt a. d. O.“ und nicht zum 
wenigjten durch die dieſer Widmung folgenden Verſe unterftrichen, 
die er an ihn, den legten aus dem engeren Frankfurter Freundes: 
freife (Dr. Stange war im Juni 1891 geftorben), gerichtet hat: 


Der Zeit gedenf, da auf verworr'nen Wegen 
Sch Zukunft fuchte, aller Hoffnung bar, 

Tritt mir das Bild des Mannes neu enfgegen, 
Der damals Troft mir und Berater war, 





*) an den Herausgeber der Deutjchen Uhrmacherzeitung. Vgl. 
Biographie, Bd. IL, ©. 145f. 

) Wildenbruch fchrieb auch im Leben den Namen feines 
Freundes ſtets jo, d.h. ohne das ihm zufommende „t“ (Balger). 


Xu 


Wir waren drei, der eine iſt gegangen, 
Du warft der andre, und du biſt noch Da; 
Die Stube, rings mit Uhren ausgehangen, 
Die alte Zeit, jie ift mir wieder nah. 


Sch Höre deine Uhrenpendel ficken, 

Es ſchart ſich andachtsvoll der Freunde Kreis, 
Ich ſehe dich zu meinen Worten nicken, 

Dein Lächeln meines Werkes liebſter Preis. 


So vieles war, was mir den Mut verzehrte, 
So manche Sorge grub an meiner Ruh', 
Doch einer war, der immer Mut gewährte, 
Und dieſer eine, immer warſt es du. 


Du mit der Kunſt in tief verſchwieg'nem Bunde, 
Den Menſchen nur ein ſtill verſchwieg'ner Mann, 
Das iſt mir heute eine Freudenſtunde, 

Da vor der Welt ich Freund dich nennen kann. 


Empfang' mein Werk, und wenn an deinem Bilde 
Auch Züge find, die nicht Das Urbild trägt, 
Nimm’s dennoch freundlich an und richte milde — 
Was drüber ift, hat Liebe zugelegt. 


Daß aber zwifchen den Seilen des Dramas auch AUller- 
perfönlichftes fich zum Worte meldet, daß in den Verzweiflungs- 
ausbrüchen des Meifter Balzer über die „Rofengartener“, denen 
er fein „Herz hinausgetragen hat und feiner Hände beites 
Werk“, und die ihm „beides vor die Füße geiworfen haben, in 
den Staub, in den Dred, ... und mir meinen Glauben zer- 
treten haben und meine Hoffnung und die Sreudigfeit in meinem 
Herzen und mein Leben“ noch einmal der Groll und die Ver— 
zweiflung über die Erlebniffe mit dem „Generalfeldoberſten“ und 
mit dem „Neuen Herrn” ſich Luft macht, wird feinem aufmerf- 


famen Lefer oder Zufchauer entgehn. 





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Derjonen 


August Langenthal (84 Jahre alt), Befiger einer Papierfabrik 

Hermann, fein Halbbruder (fünfzehn Sahre jünger). 

Zuliane, beider Couſine. 

Frau Shmalenbakh, Fabrifarbeiters - Witwe, 

Lene, ihre Tochter. 

Ale Schmalenbach, Schwager der Frau Schmalenbach, Lumpen- 
faftor in der Fabrik, 

Paul Slefeld, erfter Büttgefelle in der Fabrik. 


Drt: Eine Papierfabrik in der Nähe von Berlin. 
Zeit: Gegenwart. 





Erfter Akt 5 


Eriter Akt 


Ein freundlicher, fehr ſauber gehaltener Garten, der links und im 
Hintergrunde von einer Mauer eingefaßt ift. Nechts ein zweiftöciges 
einfaches Wohnhaus, deſſen Fenfter auf den Garten gehen. In der 
Mitte des Haufes die Haustür, zu der einige flache Stufen hinauf- 
führen. Die Mauer ift in der Ede, wo Hintergrund und linfe Seite 
zufammenftoßen, von einer hohen eifernen Gitterfür durchbrochen. 
Durch die Stäbe der Tür fieht man auf die Landftraße hinaus und 
jenſeits derſelben einige Arbeiterwohnungen mit Kleinen VBorgärten. 
Es ijt frühefter Sommermorgen; alles noch fehlafend; in der Ferne 
hört man Hähne frähen; vor den Fenftern des Haufes find Die Läden 
geſchloſſen und Die Rouleaus niedergelaffen, 





Erſter Auftritt 
Hermann (kommt außerhalb des Gittertors auf der Landftraße; jeine Stiefel find 
mit Staub bedeckt, fein Anzug und fein Außeres elegant, zeigt aber die Spuren einer 
liederlich Durchwachten Nacht. Er geht an Das Gittertor und verfucht vergeblich, es 
zu Öffnen) 
Hermann 

Natürlich alles wieder zu — (er greift in die Soſentaſche) Schlüffel 
nafürlich wieder vergeflen — na denn hilft das nicht — alfo 
drüber weg! (Er klettert an der Gartentür empor und bleibt auf dem oberften 
Rande reitend figen, indem er fich mit beiden Händen fefthält) Hol’3 der 
Kuckuck — nach einer Nacht im Kapfeller! Sch glaube wahr- 
baftig — ich befomme — den Drehkater. Er ſchließt die Augen) 


Zweiter Auftritt 


Hermann. Lene Schmalenbach 


Lene (Hinter der Szene ſingend) 
Reich bin ich nicht, 
Zafchen find leer — 
Schön bin ich nicht, 
Manche iſt's mehr — 
Uber vergnügt — 
Weiß nicht, woher | 


(Sie erfcheint draußen Hinter dem Gittertor, im leichten Morgentkleide, ein Häubchen 
auf dem Ropfe, ein Waflergefäß, Beſen und Bürfte in Händen, Sie fchließt dag 


Tor auf, während fie dies tut, bemerkt fie Hermann) Herrjeh! Da fteigt 
jemand übers Gitter ein! (Sie tritt raſch ein) 


— Hermann 
Mo’jen, Lene. 


6 Die Haubenlerche 





Lene 
Und es is unfer junger Herr! Was machen Sie denn da? 


Hermann 


Sch fuche meinen Hausfchlüffel. 


Lene 
(chlägt lachend die Hände zufammen) 
Da oben? Gallen Sie man nich ’runter; ich werde gleich 
eine Leiter holen. 


Hermann 
Bemühe die Leiter nicht; fo etwas macht man jo: (er ſchwingt 
ſich an der Innenfeite der Tür herab) Schlußfprung — (er ipringt zur Erde) 
Mahlzeit! Werneigt fich gegen Lene) 


gene 
Was Sie aber angeben, junger Herr - — 


Hermann 
Andere Leute gehen durch die Türen — ich gehe drüber 
weg; das kommt daher, ſiehſt du, weil ich einer aus der vierten 
Dimenſion bin. 


Lene 


Das verſtehe ich nu nich. 


Hermann 
Glaub' ich dir; ich bin ein Geiſt, ſiehſt du; darum kommt 
dir das alles ſo ſonderbar vor; Geiſter kriegſt du hier in der 
Fabrik nicht zu ſehn. 


Lene 
Ein Geiſt ſind Sie? Darum gehen Sie wohl des Nachts um? 


Hermann 
Bravo! War gut geſagt! (Nimme den Hut ab, wiſcht ſich die Stirn) 
Solche Mühe gibt fich der Menfch, bloß damit er in den Käfig 
zurückkommt! (Er wirft ſich in einen Gartenftupn Zu verrücdt, nicht 
wahr? | 
gene 
Was denn für ein Käfig? 


Erfter Akt 7 





Hermann 
Weißt du, was für ein Unterfchied iſt zwifchen einer Fabrik 
und einem Käfig? 


Lene 


Re. 


Hermann 


Sch auch nicht; alfo ift "ne Fabrik ein Käfig. 


Lene 
Na — wenn die Käfige alle jo ausjehn — 


Hermann 
Das fol wohl heißen, daß es dir bier gefällt? 


Lene 
Warum denn nich? 


Hermann 


Mußt du alle Morgen ſo früh aufſtehn? 


Lene 
Wie's kommt; mal ein bißchen früher, mal ein bißchen 
ſpäter. 


Hermann 
Alle Morgen Waſſer tragen und fegen? 


Lene 
Wenn's doch meine Arbeit is. 


Hermann 
Iſt das eine Welt! Da bleibt unſereinem wahrhaftig nichts 
weiter übrig, als ſich ſchlafen zu legen. 


Lene 


Haben Sie die janze Nacht nich geſchlafen? Bis jetzt? 


Hermann 
So etwas iſt dir wohl noch nie vorgekommen? 


8 Die Haubenlerche 





Lene 
Das kann Ihnen doch aber nich geſund ſein, junger Herr. 


Hermann 
Wie alt biſt du denn eigentlich? 
Lene 
Warum denn? 
Hermann 


Weil du mich immer „junger Herr“ nennſt. 


Lene 


Nächſte Oſtern werde ich achtzehn. 


Hermann 
Alſo bin ich ein ganzes Jahr älter als du; wäre alſo viel 
richtiger, wenn du mich „alter Herr“ nennteſt. 


Lene 
Na, ja — GSiel Es iſt doch nur zum Unterſchied. 
Hermann 
Zum Unterfchied? Don was? 
gene 


Na — von unfern Herrn. 


Hermann 
Unſer Herr — Auguſt —? 
Lene 
Na ja — der Herr Aujuſt. 
Hermann 


Aujuſt — mit die Prinzipien — zum Unterſchied von 
Aujuſt bei Renz — Gahnt der iſt aber amüſanter. 


Lene 
Jott, was Sie müde ſind; ich werde man aufſchließen. 
(Sie geht die Stufen hinauf, ſchließt die Haustür auf) 
Hermann (betrachtet fie) 
Zum Unbeißen, wie das Frauenzimmer ausfieht. 


Erſter Akt 9 





Lene Glickt in den Flur) 
Sie können janz unbemerkt 'rinkommen, es is noch niemand 
auf im Hauſe. 


Hermann (ohne feine Stellung zu verändern) 


Weißt du was? Ein Paar neue Morgenfchuhe werde ich 
dir einmal mitbringen aus Berlin. 


gene 


Ein Paar — Morgenfchuhe? 


Hermann 
Solche alte Schlampen — wenn man jolch ein Paar nied- 
liche Füßchen bat, wie du. 


gene 


(bemerkt jeinen Blick, der auf ihrer Geſtalt ruht, zieht unwillkürlich das Tuch fefter 
um die Schultern) 


Uber, junger Herr — 


Hermann 
Braucht dir nicht unangenehm zu fein; ich verfteh’ mich 
auf jo etwas, 
Lene 


Uber die Tür is nu offen. 


Hermann 
Erſt fomm mal ber, gib mir die Hand und fag’ guten 
Morgen. 


Lene 
Das hab’ ich doch ſchon gefagt. 
Hermann 
Rein. 
Lene 


Uber — wenn ich nur — müßte — 


Hermann (ftredt die Hand aus) 
Na, zier' dich doch nicht ! 


gene 


Ufo — mo’jen auch! (Sie huſcht die Stufen Hera, gibt ihm flüchtig 
die Hand) 


10 Die Haubenlerche 





Hermann (hält ihre Hand feſt) 
Bligkröte, du! (Er wirft den Arm um ihre Hüfte, verfucht, fie an fich 
zu ziehen) 


Lene (fträubt fich) 
Uber, junger Herr! 


Hermann (verfucht, fie zu küſſen) 
Es ſieht's ja niemand! 


Lene (reißt fich los) 
Ne, ne, nel Das laffen Sie man unterwegs! (Sie fteht tief- 
atmend, von ihm abgewandt) 
Hermann | 
Lauf’ man nicht davon; ich bin ja ganz artig. 


Lene (ſhiebt fich die Haube zurecht) 
Berlier’ ich — wahrhaftig noch meine Haube. ! 
Hermann 
Iſt niedlich das Häubchen; wo haſt du das her? 


Lene 
Von meinem Schneider. 


Hermann 
Sieh mal an; wer iſt denn das? 


Lene (hebt die rechte, dann die linke Hand auf) 
Das ift der Schneider und das die Schneiderin. 


Hermann 
Mädchen, dich müflen fie im Panoptikum aufftellen und 
drunter fchreiben: „Sp fieht die Arbeit aus“. 


gene 
Wär’ denn das eine Schande? 


Hermann 
Du bift aber ganz was andres; fol ich Dir jagen, was? 


gene 


Ma? 


Erfter Akt 11 





Hermann 
Eine Haubenlerche. 


Lene 
Wie kommt denn das nu wieder 'raus? 


Hermann 


Wenn alles noch in den Federn liegt, ſtehn die Lerchen 
auf — ſiehſt du, das ſtimmt auf dich. 


Lene 
Na ja, einer muß doch zuerſt aufſtehn. 


Hermann 
Kaum, daß ſie aufgeſtanden iſt, fängt die Lerche zu 
ſingen an. 
Lene 


Ach ſo — 


Hermann 
Und ale Menjchen find den Lerchen gut. Das ftimmt erft 
recht auf dich, 


gene 
Na — wenn ich eine Lerche bin — denn — 


Hermann 
Dann? Was? : 


Bene 
Na — ih wil’s lieber nich jagen. 
Hermann 


So jag’ doch. 


Lene 
Sch meinte man — die Lerchen müſſen fich in acht nehmen. 


Hermann 
Bor wen denn? 


Lene 
Es gibt manche, die jern Lerchen effen. 


12 Die Haubenlerche 





Hermann 
Haſt recht; ich kenne auch ſo manchen Lerchenfänger. 


Lene (ſieht ihn mit blinzelnden Augen an) 
So? Wirklich? 
Hermann 
Wenn ich ſo „unſren Herrn Aujuſt“ anſehe — 


Lene (ſehr ernſt) 
Wovon reden Sie denn? 


Hermann 
Denkſt du denn, ich hätt's nich geſehn, wie er dich mit den 
Augen aufeſſen mai 
Lene 
So etwas mag ich gar nich hören. 


Hermann 
Was hab’ ich denn gefagt? 


gene 
Der Herr Aujuft — der is zu allen Menfihen gut. 


Hermann 
Alſo auch zu Dir, 
gene 
Das is ein ehrwürdiger Mann ! 


Hermann (gähnt) 
Ehrwürdig — ja — koloſſal. 


gene 
Den muß jedermann achten und ehren; der tut allen nur 
Gutes und bringt niemand nich ins Unglüd. 


Hermann 
Ins Unglüd — heißt denn das den Menfchen ins Anglück 
bringen, wenn man ihm gut ift? 


Lene 
a, ja, das fennt man fchon. 


Eriter Alkt 13 





Hermann 
Was? 


Lene 
Wenn die reichen Herren einem armen Mädchen „gut“ find. 


Hermann 
Raupen! Was fchadt’8 dir denn, wenn ich dir zum Bei— 
ſpiel jage, daß ich dir gut bin? . 


Bene 
Sie — mir? 


Hermann (fteht auf) 


a. 


Lene 
Is mir ja eine jroße Ehre. 


Hermann 
Sag’ mal, Lene, möchteft du einmal nach Berlin? 


Bene 


Was fol ich denn da? 


Hermann 
Dich ein bißchen amüfieren. 


Lene 
Da würde ich mich ja doch nur verlaufen. 


Hermann 
Wenn dich jemand 'rumführt? 


Lene 
Wer follte denn das wohl fein? 


Hermann 
Zum Beiſpiel, ich. 
Lene 
Ach ſo — 
Hermann 


Es ſollte dir ſchon gefallen, das ſag' ich dir. 


14 Die Haubenlerche 





Lene 
Möchten Sie denn jest nich Schlafen gehn ? 


Hermann (geht an die Haustür) 


Davon reden wir noch. (Cr greift in die Taihed Vorläufig be- 
zahl’ ich meine Schulden. 


Lene 
Was wird denn das? 


Hermann 


Du haſt heute Portier geſpielt — der Portier bekommt 
etwas fürs Aufſchließen — da nimm, (Er ſtreckt ihr ein Zehnmarkſtück pin) 


gene 
Uber, junger Herr — 
| Hermann S 
Sp nimm doc. 
gene 


Sehn Gie fich doch einmal an, was Gie mir da geben. 


Hermann 
Hab' ich ja getan. 
gene 
Sehn — Mark. 
Hermann 


Na, jo gib mir ’raus, 


Lene 
Wovon fol ich denn ’rausgeben ? 


Hermann 
So bleibt du in meiner Schuld. 


Lene 
Me, ne, ne! Das will ich nic. 


Hermann Cruückt ihr das Geld in die Hand) 
Na, dann ſchenk' ich's Dir! 


Erſter Akt 15 





Lene 
Aber für was denn? Ich habe ja gar nichts zu verlangen. 


Hermann 
Gott im Himmel, iſt das eine Welt hier! Wer ſpricht 
denn von verlangen? Ich ſage ja, daß ich's dir ſchenke. 


Lene (hält das Geld in der flachen Hand) 
Ach ne, nehmen Sie's wieder | 


Hermann 
(drückt ihr die Hand Über Dem Gelde zufammen) 


Mach’ die Tür zu, fonft erfältet es fich. 


gene 
Und — ich will’s nicht haben — das geben Sie mir doch 
nich umfonft. 


Hermann 
Wer ſpricht denn von umfonft! Sch will etwas haben von 
dir, das iſt gewiß. 


Lene 
Was denn? 


Hermann 
Ein Band für meinen Hausfchlüffel, daß ich ihn ins 
Knopfloch hängen kann. Da follft du draufftiden: „Für artige 
junge Männer“. 


Lene (lad) 


Hermann 
Und nun gut’ Nacht, Haubenlerche. (Geht ab ins Haus) 


Lene 
(ſteht einen Augenblid in ftummem a dann wirft fie Das Geldftüd auf 
e Erde 


Und ich nehm’s nich! 
Hermann 
(ftecft noch einmal den Ropf Durch die Tür) 
Wenn du's wegſchmeißen willft — das kannſt du haben 


— aber wiedernehbmen, was ich gejchentt habe — is nic, 
(Geht ab) 


16 Die Haubenlerche 





Lene 
(wendet das Geldſtück mit der Fußſpitze Hin und Her) 

Es ift doch fündhaft — was man fich da alles für Taufen 
könnte. (Sie vafft fich entſchloſſen auf) Me, ne — lieg’ du man da! 
(Sie geht an die Gittertür, holt Das Waffergefäß, Beſen und Bürfte, kommt damit 
zurück, bleibt wieder vor dem Gelde ſtehen Aber hier — mitten vors 


Haus — wo es jeder gleich ſieht? Eie ſchaufelt mit dem Fuße Sand 
darüber) Immer kuckt's wieder heraus — ich will's lieber wo 


anders hintragen — (fie nimmt das Geldftüd auf, in diefem Augenblid wird 
der Fenfterladen an einem der Fenſter von innen aufgeftoßen) 


Lene (fährt erfchredt auf) 


Ach Sott — nu kommt das Fräulein! «Sie ſteckt Haftig das 
Geld ein) 


Dritter Auftritt 
Suliane (erfcheint an dem geöffneten Senfter, lehnt fich heraus) 


Suliane 
Na, Lenchen —! Friſch ausgefchlafen? Munter bei der 
Arbeit? 
Lene 


Guten Morgen auch, Fräulein. Geht zu ihr, veicht ihr die Hand 
hinauf) 


Suliane 
Wie geht's denn der Mutter? 


Lene 

Die Nacht war ja jo fo — aber auf die Beine is fie doch 

gar zu ſchwach. 
Jul iane 

Wir haben geſtern den Arzt geſprochen; er ſagte, ſie müßte 
ſo viel im Freien ſitzen wie möglich. In Eurem Gärtchen iſt 
zu wenig Schatten, darum läßt der Herr dir ſagen, du ſollſt ſie 
berüberbringen, damit fie fich bier im Schatten berjegen kann. 


Lene 
Bier — in den berrfchaftlichen Garten? 


Suliane 


a. 


Erſter At | 17 





Bene 


Da fage ich aber wirklich taufendmal Dank. 


Suliane 
Wird fie denn zu Fuß berüber können? 


Bene 


Sa — ich weiß wirklich nich. — 


Suliane 
Dann geb mal auf den Boden hinauf, da fteht der Roll: 
wagen von der feligen gnädigen Frau; der Herr läßt dir jagen, 
du kannſt ihn nehmen und deine Mutter bineinfegen, 


Lene 
Bon unfres Herrn feliger Frau Mutter? 


Suliane 
Sa, du wirft ihn ja wohl kennen. 


Bene 


Ach, ich danke, Fräulein, ich dankte auch wirklich tauſendmal! 


| Zuliane 
Bei mir haft du dich nicht zu bedanken; nur bei dem 
Herrn. 


Lene 
Ja das verfteht fich. (win ab) 


Suliane 
Sag’ mal, Lenchen, mir war doch, als hörte ich dich bier 
mit jemandem Sprechen? Wer war’3 denn? 


Lene 
Ach Sott, Fräulein, es war ja unfer junger Herr, 


Suliane 
Hermann? Der war ja geftern nachmittag nach Berlin ge- 
fahren? Iſt er fo früh fchon wieder aufgeftanden? 


Lene | 
Das nu jrade nich — er (fie fihern, er is ja eben erit 
retour gekommen. 
Dramen X 2 


18 Die Haubenlerche 





Quliane 
Sp —? €8 gab ja viel zu lachen — was hattet ihr Euch 
denn zu erzählen? 
Lene 
Ma — ih habe nich jrade viel geſprochen es war mehr 
von ſeiner Seite. 
Juliane 
Was hat er dir denn geſagt? 


Lene 
Ach Jott, Fräulein, es is ja ſo ein ſpaßiger Mann, und 
es is immer ſo komiſch, was er ſagt, daß man aus dem Lachen 
jar nich 'rauskommt. Ich weiß jar nich mehr, was es alles 
war; nur eins habe ich behalten. 


Alſo? Juliane 
De 
Lene 


Er bat mich gefragt, ob ich wüßte, was ich wäre, und 
dadrauf hat er gejagt, ich wäre eine Haubenlerche. 


Quliane 
Eine Haubenlerche ? 


Lene 
Ja, weil ich früher aufſtände wie die anderen und denn zu 
ſingen anfinge. 


Vierter Auftritt 
Auguſt Langenthal (ift in der Haustür erſchienen) . 


Juliane (zeigt auf den Hinter Lene ftehenden Auguft) 
Da fommt der Herr. 


Lene (wendet fich raſch) 
Ach — dann will ich man machen! 


Auguft 
Guten Tag, Helene, (Stredt ihr die Hand hin) 


Lene 
(legt, ſchüchtern knickſend, ihre Hand kurz in die feine) 
Guten Tag, gnädiger Herr. 


Erfter Akt 19 





Auguſt 
Sie wiſſen ja, liebes Kind, ich mag nicht, daß Sie mich 
ſo nennen. 
Lene 


Ja, ich bitte um Entſchuldigung — Herr Aujuſt. 


Auguſt 
Hat Fräulein Juliane Ihnen geſagt —? 


Lene 
Daß Sie mit dem Arzt von wegen meiner Mutter ge— 
ſprochen haben, und daß die alte Frau ſich in den Garten hier 
ſetzen darf, und daß ich den Rollwagen von der ſeligen gnädigen 
Frau holen darf, jawoll! 


Auguſt 
Freut's Sie? 
Lene 


Na — wenn mich das nich freuen ſoll! Ich danke auch 
ſchön — (fie ergreift feine Sand mit beiden Händen) wirklich und wahr— 
baftig! Sie find zu jut! 


| Auguſt 
(ſtreicht ihr mit ſanfter Hand über das Haar) 

Sie ſind ein liebes Kind, und es iſt recht, daß Sie ſich 
ſo für Ihre Mutter freuen. Nun gehn Sie nur und holen 
den Wagen. 

Lene 


Sa, gnädiger — wollt' ich ſagen, Herr Aujuſt. (Sie rafft 
das Waſſergefäß, Beſen und Bürſte auf, geht eilend ins Haus ab) 


Fünfter Auftritt 
Auguſt. Juliane (erſcheint in der Haustür und bleibt Dort, Auguſt betrachtend, 
stehen, der fich im Gartenjtuhl niedergelafien hat und gedankenvoll vor fich hinblickt) 


Zuliane 


Frühſtücken Sie im Haufe? 


AUuguft (aufblidend) 


Guten Morgen, Juliane. (Er fteht auf, gebt auf fie u; fie fteigt Die 
Stufen herab; fie reichen fich Die Hand) 
2* 


20 Die Haubenlerche 





Suliane 
Ob ich Ihnen den Hut bringe? E83 wird heiß. 


Auguſt 
Immer für mein Wohl beſorgt; nein, danke. Das bißchen 
Morgenluft tut einem gut, wenn man nachher an die Arbeit 
muß. Setzen Sie ſich ein wenig zu mir. 


Juliane ciest ſich neben ihn) 
Die viele Arbeit. 


Auguft 
Ich babe mich feit langem nicht jo wohl gefühlt. 


Juliane 
Erklärlich; wenn man am frühen Tage zwei Menſchen glüd- 
lich macht — 
August 
Ich bitte Sie — was ift denn daran? Sagen Gie doch 
mal, babe ich denn eigentlich jo etwas Gteifes, Geheimrätliches 
an mir? 
Zuliane 
Weshalb ? 
| Auguft 
Weil das Mädchen ſich gar nicht abgewöhnen kann, mich 
gnädiger Herr zu nennen. Es wäre ja möglich, daß ich’ von 
meinem Pater geerbt hätte, dem Wirklichen Geheimen Ober- 
regierungsrat; oder weil ich ſelbſt fchon in früheren Jahren ſolch 
ein angehender Geheimrat geivejen bin, 


Zuliane 
Ich habe nichts davon bemerft. 


Auguft Ä 

Es ſteckt immer noch ein Reft von Fnechtifcher Gefinnung 

in diefen Leuten; fie empfinden es als eine Gnade, wenn man 
fie als Menfchen behandelt. 


Suliane 
Wäre es Ihnen lieber gewefen, wenn fich die Kleine nicht 
bedankt hätte? 


Erſter Akt 21 





Auguſt 
Wenn man es ſo allerliebſt macht wie fie — ein hinreißen- 
des Geſchöpf! 


Juliane 
Sie meinen — die Lene? 


Auguft 
Wie ein Sonnenftrahl geht das Mädchen durch mein Haus, 


Juliane 
Sie gibt Ihnen nur wieder, was ſie ſelbſt und all dieſe 
Leute von Ihnen empfingen. 


Auguſt 
Wie meinen Sie das? 


Juliane 
Sie ſind ſehr gütig gegen Ihre Arbeiter. 


Auguſt 
Seit wann ſchmeicheln Sie denn? 


Juliane 
Es gibt Menſchen, die man an ſich ſelbſt erinnern muß; 
ſonſt vergeſſen ſie, was ſie zu fordern haben. 


Auguſt 
Ich dächte, ich hätte der Welt gegenüber meine Stellung 
energiſch genug gewahrt? 


Juliane 
Sie meinen — damals — 


Auguſt 
Damals, als ich den Beamten an den Nagel hing und 
hier die Papierfabrik übernahm. Wiſſen Sie, warum ich es 
tat? Weil ich's mit anſah, wie mein Vater, nach dreißig Jahren 
freu erfüllter Pflicht, den Abſchied nehmen mußte, weil feine 
Gefinnung mit den AUnfichten höheren Ortes nicht mehr barmo- 
nieren wollte, 


22 h Die Haubenlerche 





Suliane 
Müffen Sie mich daran erinnern? Die Tochter des armen, 
verabfchiedeten Majors ? 


Auguft 
Darum gelobte ich meinem fterbenden Vater in die Hand, 
daß es feinen Söhnen nicht jo geben follte — (er fpringt auf, reckt 
die Arme) und bier ftehe ich nun — auf eigenen Füßen und 
bin frei. 


Juliane 
GGlickt ihn ſtarr an, dann ſagt fie tonlos) 


Ja. 


Auguſt 
Was ſagten Sie? 


Juliane (mit blaſſem Lächeln) 
Ich kann es nicht ſo niedlich machen wie die Kleine; aber 
Sie müſſen ſich's gefallen laſſen, daß auch ich Ihnen danke. 


Auguſt 
Sie wollen mich heute mit Gewalt eitel machen, wie mir 


ſcheint. 


Juliane 
Aus einem verkümmerten Daſein haben Sie die Tochter 
des armen Majors in Ihr freies, geſundes Leben hinübergerettet. 


Auguſt 

Als ob Sie mir das nicht täglich und ſtündlich durch die 
Sorgfalt bezahlten, mit der Sie mir die Wirtſchaft führen. 
Aber es iſt recht ſo, wer frei ſein will, muß keine Geſchenke 
nehmen, fein Gehalt und feine Penſion. Dieſes GSich-jelbit- 
bezahlt- machen an jedem Tage, dieſes Sorgen für das Leben 
andrer, weil man dadurch am eigenen Leben bauf, wie das 
anders, freier, befjer ift, als der Talte, fichere Egoismus, in dem 
ih an der Krippe des Staats gelebt habel Gehen Gie die 
Häufer meiner XUrbeiter da drüben, wie fie in der Sonne fun- 
feln — feben Sie die Gärtchen vor jedem der Häufer — die 
babe ich ihnen gebaut, babe ich ihnen gepflanzt. Und hören 
Sie das? Hören Gie’s nicht? 


Erfter Akt 23 





Suliane (beugt fich Iaufchend vor) 


Sch höre etwas, aber ich weiß nicht, ob es das iſt, was 
Sie meinen? 


August 
Alſo —? 
Zuliane 
Ehrlich gejtanden — ich höre Schweine grungen, 


Auguft 
Na freilich, das meine ich ja. 


Suliane (acht auf 


Auguſt 
Ja, lachen ſie nur; wenn Sie wüßten, was das heißt, bis 
man's dahin bringt, daß jeder der Leute ſich ſein Schwein fett 
machen kann. — 


Juliane 
Dann lache ich nicht mehr. 


Auguſt 
Manche haben ſogar ſchon zwei — 


(aus dem Hauſe ertönt) 


Lenes ſingende Stimme: 
„Schön bin ich nicht, 
Andre ſind's mehr —“ 


August (wendet raſch den Kopf nach dem Haufe) 
Da kommt fie wieder! 


Sechiter Auftritt 


Lene (einen Rollwagen Ze fich berichiebend, kommt aus um Saufe; indem fie Die 
beiden gewahr wird, bricht fie ab) 


Auguft 
Nur weiter; warum hören Sie denn auf? 


gene 


Ach, entichuldigen Sie nur; ich dachte gar nich, daß Gie 
noch da find, 


24 Die Haubenlerche 





Juliane 
Das Lied muß ich heute früh ſchon einmal gehört haben. 


Lene 
Ich ſinge es ſo, aber es is gar nich mehr wahr. 


Auguſt 
Das iſt ja merkwürdig; wie ſind denn die Worte? 


Lene 
Ach — es is ja jar nichts dran. 


Juliane 
So ſag' fie doch. 
Lene | 
Wenn Sie durchaus wollen — (spricht) „Reich bin ich nicht 
— Taſchen find leer —“ 


Auguſt 
Das ſtimmt doch? 
Lene 


„Schön bin ich nicht — Andre ſind's mehr —“ 


Auguſt (mit einem heißen Blick auf Lene, für fich) 
Sreilich, das ift nicht wahr. 


Lene 
„uber vergnügt — Weiß nicht woher.“ 


Suliane 
Nun? St das auch nicht wahr, dab du vergnügt bift? 


Lene 
3a, aber ich weiß doch nu, woher daß ich-e8 bin. (Su Auguft) 
Darf ich denn nu rübergeh’n und Muttern ’rüberholen in den 
Öarten? 
Auguft 
Das follen Sie, freilich. 


gene 


Na denn — mit einem Juchhe! (Sie ftürzt fid auf den Rollwagen, 
ſchiebt ihn laufend zur Gitterfür hinaus und verfchwindet Draußen) 


Erſter Akt 25 





Auguſt 
(blickt ihr, in Gedanken verloren, nach an beobachtet ihn fchweigend von der 
eite 


Srühlingsmorgen und Erdgeruch. Eine Lerche ift das Mäd- 
chen, eine trillernde Lerche! 


Juliane 
Das iſt doch ſonderbar. 


Au gu ſt (wendet ſich zu ihr) 


Was? 
Juliane 
Wenn ſich zwei Menſchen ſo in demſelben Bilde begegnen. 
Auguft 


Hat fie noch font jemand fo genannt? 


Juliane 
Ja, Hermann. 
Auguft Ceſſen Geſicht ſich plötzlich verfinſtert) 
So? 
Juliane 
Das Mädchen wollte ſich tot lachen, weil er ihr geſagt hat, 
ſie wäre eine Haubenlerche. 
Auguſt 
Was das wieder für eine Gemeinheit iſt! 


Juliane 
Nun — nun — ſie fühlte ſich gar nicht beleidigt, wie 
mir ſchien. 
Auguft (geht auf und ab) 
Uber ihr jo etwas ins Geficht zu fagen! Wann hat er 
fie denn zu ſehen befommen? 


Suliane 

Deut, ganz früh. 
Auguft 

Der fteht doch jonft nicht jo früh auf? 
Zuliane 


Rein, er fam eben nach Haus von Berlin. 


26 Die Haubenlerche 





August (ſtampft mit dem Fuße auf) 

Da haben wir's! Wieder die Nacht durchgejchwiemelt ! 
Mit Wein und Bier und Rneipendunft geladen, jo fommt er 
nad Haus, und da muß ihm das reine Gefchöpf entgegenlaufen 
in feine widrige Atmoſphäre hinein! 


Suliane 
Sch glaube aber wirklich), Sie beurteilen das Mädchen zu 
- feinfühlig. 
Auguft 
Weil’ ein Fabritmädchen it? Nicht wahr? Was würden 
Sie denn fagen, wenn er Ihnen in folcher Verfaffung begegnete 
und Gchmeicheleien ins Geficht würfe? 


Suliane 
Ich? 

Auguſt 
Ja ja, Sie. 

Juliane 


Aber — das ſcheint mir doch etwas — anderes —? 


Auguft 
Weil Sie eine Dame der Gefellfchaft find? Nicht wahr? 
Sehen Sie, was für ein Bodenfa von Dünfel in uns fteckt! 
Sn uns allen! Auch in den Beſten! 


Zuliane 
Ich meine ja nur — ih — würde es wohl anderd emp- 
finden, 
Auguft 
Natürlich; denn wir, die Gebildeten, find ja eine ganz 
andere Menfchenart! Diefe brutale Nichtachtung der Menjchen 
unter uns| 


Juliane 
Brutal? 
Auguſt 
Ja, brutal, weil ſo ganz naiv! Da ſchätzen wir dieſe Leute 
als roh, und merken gar nicht, daß die Sache umgekehrt ſteht: 
wir ſind die Rohen! Denken Sie denn, daß dieſe Leute das 


Erfter Akt 27 





nicht fühlen? Sa, fie fühlen es ganz genau, und daher kommt 
diefer dDumpfe Haß, diefes Rachegefühl, dag wir uns gar nicht 
erklären können, weil wir uns feiner böfen Taten bewußt find. 
Unſer Gefühl, das ift unfere böfe Tat! 


Quliane 
Sh will mich nicht beffer machen, als ich bin, aber ich 
fann e8 ehrlich fagen: mein Gefühl ift frei von ſolchem Hochmut. 


Auguft 
Sp denkt ein jeder von ung, und im Innern find Mir 
Sklavenhalter gegenüber Sklaven. 


Suliane 
Auguſt — ich glaube wirklich, Sie nehmen die Sache zu 
ernit. 
Auguft 
Zu ernſt — die Sache kann gar nicht ernft genug ge- 
nommen werden! Da doftorn fie herum an der fozialen Frage, 
mit Vorſchlägen und Gefegen und Einrichtungen und wundern 
fih, daß alles nichts hilfe. Sa, worüber wundert Ihr Euch 
denn? Woher kommt denn dag? Weil Ihr die Sache von der 
verkehrten Seite angreift. Solche Fragen löft nicht der Staat, 
die Iöjt der Menſch! Von uns muß die Sache ausgehen; jeder 
einzelne iſt berufen. 


Suliane 
Wenn mur der einzelne wüßte — 


Auguft 
Sehn Sie, es gibt da ein Wort, das heißt: „Fürchte dich 
nicht vor denen, die nur den Leib töten können.“ 


Zuliane 
Wie paßt das hier? 
Auguft 
Dreben Sie das Wort um, dann paßt eg: „Traue nicht 
denen, die nur dem Leibe helfen können.“ Alle diefe Gefese, 
Einrichtungen und fo weiter und fo weiter forgen nur für den 
Leib der Armen: daß fie nicht hungern und durften; es ift ja 
ganz gut, aber damit ift es nicht abgetan. Helft ihren Seelen! 


28 Die Haubenlerche 





Und das kann nicht das Gefeg und nicht der Staat, das können 
nur wir, die einzelnen, die Menfchen! Dazu müflen wir auf- 
hören, Phariſäer zu fein. 


Suliane 
Was verftehen Sie darunter? 


August 
Einen Menfchen, der nur auswendig gelernte Pflichten 
fennt, aber feine empfundenen. Wir müfjen diefe graufame 
Seigheit endlich einmal überwinden, die ung den Schauder über 
die äjthetifche Haut jagt, wenn wir mit diefen Leuten zufammen 
fommen, müfjen es endlich einmal aufgeben, fie immer unter ung 
und uns immer über ihnen zu empfinden; mit ihnen müſſen 
wir ſein und leben, nicht nur in der Theorie, ſondern in Tat 
und Wirklichkeit. 
Juliane 
Sind Sie denn aber auch ſicher, daß ſie mit uns würden 
leben wollen? 
August (ipörtifch lächelnd) 
Gute Zuliane — 
Zuliane 
Sch glaube, ich babe auch einmal gelefen: „Wer zu frei- 
gebig fchenkt, macht nicht reich, fondern arm.“ 


Auguft 
Die Sache ift nur, daß wir ihnen gar nichts fchenken, 
fondern von ihnen gefchentt befommen. 


Suliane 
Wie —? 
Auguft 
Sehen Sie, diefe Leute find für ung, was die fogenannten 
Barbaren für die Alte Welt waren. Es war den Römern jehr 
unbequem, als die Barbaren Rom eroberten und furz und Hein 
machten — und wenn: e8 nicht gefchehen wäre, gäbe e8 gar feine 
 Menfchheit mehr. Unfere Kultur ift alt geworden, denn wir 
haben Feine neuen Ziele mehr, wir wollen bloß noch erhalten. 
Und wenn eine Rultur alt wird, muß fie erobert werden von 
denen, Die jung find, damit fie frifches Blut in die Adern be— 


Erfter Akt 29 





fommt; und dieſe Leute find jung, denn fie haben Ziele, die 
fie erreichen wollen. 


Suliane 
Alſo müſſen auch wir „kurz und Klein“ gemacht werden? 


Auguft 
Ja, wenn wir nicht freiwillig zu ihnen kommen, Das 
iſt's ja eben, was ich fage. Freiwillig müfjfen wir unfer Blut 
mit dem ihrigen vermengen — freiwillig — ja, das iſt's — 
(ex verfinte plöslich in Gedanken) ja — ja — ja — das Blut — ver- 
mengen — 


Suliane 
(nach einer Pauſe, während der fie ihn aufmerffam, beinahe ängftlich beobachtet bat) 


Was beichäftigt Sie? 


Auguft (fährt auf, wendet fich Haftig zum Abgehen) 
Nichts, nichts — adieu. (Er drückt ihr die Hand) 


Syuliane (Hält ihn an der Hand) 
Das ängftigt mich fait. 


Auguft 
(läßt feine Hand in der ihrigen, fteht geſenkten Hauptes, jagt halblauf) 


Sehn Sie — folh ein Menſch — nicht zwanzig Sahre 
alt — glauben Sie noch nicht, daß der Baum wurmftichig ift, 
an dem folche Srüchte wachen? 


Suliane 
Sprechen Sie — von Ihrem Bruder? 


Auguft 
(hat die Hand aus ihrer Hand genommen; unmwillfürlich ballt fich feine Fauſt) 
Uber — wenn ich dächte — daß er mir das Kind ver- 


dürbe — 


Suliane 
Auguft — ich babe Ihnen das von Ihrem Bruder er- 
zählt, nicht um zu Hatfchen — WUuguft, es wird Zeit, daß wir 
ernfthaft darüber reden, warum halten Sie ihn mit Gewalt in 
der Fabrik feit? 


30 Die Haubenlerche 





Auguft 

Unſer Vater hat mich zu feinem Vormund gemacht, 
Quliane 

Das weiß ich ja. 
Auguft 


Und ich habe unjerem Water verfprochen, daß feine Söhne 
lernen follen, auf eigenen Füßen zu ftehen. 


Suliane 
Über es ift ja ganz klar, daß ihm das Leben bier nicht 
gefällt. 
Auguft 
Wenn er mündig ift, kann er fun, was er will, bis dahin 
bleibt er bier. 


* 


Juliane 
Naturen laſſen ſich doch aber nicht zwingen. 


Auguſt 
Wenn ſeine Natur ſo elend iſt, daß er die Freiheit nicht 


verſteht, ſo ſoll er es lernen; und wenn es ſein muß, mit Ge— 
walt. (Er wendet ſich kurz und geht ind Haus ab) 


Suliane (wuft ihm nach) 
Ob Sie e8 nicht noch — (fie Bleibt ratlos jtehen, blickt nach der 
Gittertin) Da kommt fie mit der Mutter! (Sie geht eilend ins Haus ab) 


Siebenter Auftritt 
rau Shmalenba im Rollſtuhl fisend) Lene, Paul Slefeld (fchieben den 
ud * —S— onen —* —* die — Ah w 


Frau Schmalenbad 
(hält fi) mit den Händen an den Armlehnen) 
Nich zu doll, Kinder, man nich zu doll, 


(Sobald der Wagen am Eingange des Gartens ift, verlangjamt fich Die Bewegung) 


gene 


Das is Herr Ilefeld, Mutter, der fo ſchiebt. Herr Jlefeld, 
Sie fchmeißen mir heilig noch Muttern vom Wagen. 


Erfter Akt 31 





Ilefeld 
Da ſei'n Sie man janz unbeſorgt, Fräulein Schmalenbach; 
fo wat paffiert "nem Büttgeſellen nich. Ja, wenn id ſo'n 
ordinärer Mafchinenmops wäre — aber fo — 
(fie Haben den Wagen jegt zum Stillftand gebracht) 


gene 
Na, Mutter, wat fagfte nu dazu? Eine feine Eflipage? 
Sem? 
Stefeld 
Zwei Pferde davor, und was for welche! 


Frau Schmalenbach 
Soft, Kinder, ich bin ganz dammlich geworden von das 
Schnelle Gefahre. 
Ilefeld 
Das kommt davon, weil Ihnen die Sonne hier uff'n Kopp 
brennt; faſſen Sie an, Fräulein Schmalenbach, wir fahren 
Muttern in den Schatten. 


gene 
Rin in den Schatten! 
(Beide jchieben den Wagen mit Frau Schmalenbach unter das Gebüjfch) 


Frau Schmalenbad 
Hier is es ſchön — bier iS e8 wundervoll fchön. 
Ilefeld 
(ſchiebt Lene einen Gartenſtuhl hin) 
Darf ick Ihnen einen Fauteuil anbieten, Fräulein Schmalen- 
bach? 
Lene 
Smmer jalant, Herr Slefeld. 


SITRFeER. 
Liegt bei uns Büttgefelen fo drin. Uber wiffen Sie mas? 
Wenn's Gefchäft hier nich mehr jeht, dann können wir zwei 
beide ung vermieten als Trabrenner nach Weißenfee. 


Lene 
Ach fo — Sie wollen mir eine Laufbahn vorfchreiben ? 


32 Die Haubenlerche 





Ilefeld 
Meinen Sie nich, daß wir zwei janz jut zuſammen einen 
Strang ziehen könnten? 
Lene 
Aber, Trab, Herr Ilefeld? Sie bringen einen ja doch 
immer auf'n Galopp. 
Ilefeld 
Das bringt die Hantierung ſo mit ſich; ein Büttgeſelle, 
das muß ein flinker Kerl ſein. Wat meenen denn Sie dazu, 
Frau Schmalenbachen? 
Frau Schmalenbach 
Zu was? 
Ilefeld (etwas verlegen) 
Na — fo im alljemeinen — und insbefondere — was id 
da vorhin fagte? 
gene 
Ach Sott, Herr Ilefeld, Sie jagen aber fo mancherlei; dag 
müflen Sie Muttern ein bißchen deutlicher machen, ſonſt find’t 
fie fich nicht zurecht. 
Frau Schmalenbad 
Ma weeßte du, fo aufn Kopp gefallen bin ich nu jrade 
auch nicht und auf die Ohren pflege ich auch nich zu ſitzen. Ich 
hab's janz gut gehört, daß Herr Slefeld fehr eine hohe An— 
fchauung von einem Büttgejellen bat. 


Ilefeld 
Des iſt wahr. Wenn ick kein Büttgeſelle wäre — 
Frau Schmalenbach 
Denn —? 


SIefeld 
Ma — denn möchte ick einer fein. 


Bene 


Siehfte, Mutter? 


Frau Schmalenbad 
Wat fol ich denn fehn? Das hatte ich ja ſchon gehört. 


Erſter Akt 33 





Lene 
Ja — na aber — es is doch auch wahr. 


Frau Schmalenbach 
Was is wahr? 
Lene 
Ein Büttgeſelle — das is doch auch was — das — 
(fie tichert) na, ich will man lieber nichts mehr ſagen. 


Frau Schmalenbach 
Sei du man auch ftille, 


Slefeld 


Ne, aber warum denn, wenn’s doch die Wahrheit is? 
Sehn Sie mal, Frau Schmalenbachen, fo an die Mafchine ftehn 
und die Kurbel drehn — das kann doch ein jeder — 


Lene 
Das kann ein jeder. 


Stefeld 


Und jo ein bißken aufpaffen und denn die Bogen von die 
Mafchine nehmen — das is wohl auch nich fo was Befonders, 


Lene 
Ne Mutter, das mußt du doch zugeben. 


Ilefeld 
Hinjejen aber — wenn man ſo vor die Bütte ſteht und 
mit die Schöpfform hineinlangen ſoll in die Bütte und ſoll 
die Maſſe auf die Form bringen — na — da hilft einem 
keene Maſchine nich — dazu da braucht man ſeine leibhaftigen 
Hände. 


Lene 
Ja Mutter, das mußt du doch auch zugeben? 


Ilefeld 
Das is eine ſchöpferiſche Tätigkeit und dadrum nennt man 
den Büttgeſellen einen Schöpfer, und auf dem Titel da bild' ick 


mir was ein, das is ein ſchöner Titel. 
Dramen X 3 


34 Die Haubenlerche 





Lene 
Sa Mutter, da kann doch Herr Slefeld auch ſtolz dar- 
auf fein. 


Frau Schmalenbach 
Ma ja — e8 is Schon guf. 


Ilefeld 

Und ſehn Sie, wenn nu alsdann der Herr kommt und ſagt, 
Paul Ilefeld, ſagt er, heute müſſen wir Papier machen von die 
und die Stärke, und es muß jenau ſo dick ſein, aufs Haar, und 
nich ein bißken dicker oder dünner, und jeder Bogen akkurat wie 
der andere — na ſehn Sie, Frau Schmalenbachen, das is denn 
jar nich ſo leicht, wie ſich das anhört. Denn heißt es, die 
Maſſe auf die Schöpfform hin und her ſchwappern, bis daß ſie 
ſich janz jenau und ejal verteilt — dazu gehört eine ſichere Hand, 
aber ſehr — und ville Abung, aber ſehr, und wer in 'ne Sache 
Übung haben will, der muß fleißig jeweſen find — aber ſehr — 


Lene 
Siehite, Mutter, das is nu doch wieder wahr? 


Frau Schmalenbad 
Lab du man jut fein, hab’ ick dir jefagt. 


Ilefeld 

Und wenn der Herr denn ſagt, Paul Ilefeld, ſagt er, es 
i8 wichtig mit der Sache, denn es is eine Beltellung vom 
Staat, indem daß von das Papier, was wir heute machen, 
Dapierjeld fol gemacht werden — und wenn das Papier jut 
wird, denn Ffriejen wir ooch Fünftig Beltellungen und können 
ville verdienen, hinjejen aber, wenn’s nich jut wird, denn iS es 
mit die Beftellungen niſcht — 


Lene 
Nu hör' doch man, Mutter, Herr Ilefeld macht Dapierjeld! 


Slefeld 
Na Fräulein, das müflen Sie nu richtig verftehn: was 
fo das Geld felbit iS, das muß ja nu erſt drufjedruct werden: 
fufzig Mark, oder hundert Mark, oder wieviel daß es nu ig, 
das bejorgen ja natürlich die andern — aber was das Papier 
is, worauf fie druden — des is wahr, das mache id, 


Erfter Akt 35 





gene 

Uber Herr Slefeld, denn find Sie ja ein furchtbar wich- 

tiger Mann? 
Ilefeld 

Na — wie man es nu eben nimmt. Aber wat ick ſagen 
wollte, ſehn Sie, wenn der Herr nu fragt: trauen Sie ſich's 
zu, Paul Ilefeld? Wird's jut werden? Und wenn man ſich 
deſſen nu bewußt is, daß es keine Kleinigkeit nich is, ſondern 
eine verdeibelt jroße Aufgabe, und wenn man denn aber weiß, 
dab man’s kann und mit jutem Gewiſſen fagen fann: ja Herr 
Aujuft, des will ick Schon beforgen — und es fol unfere Fabrike 
feine Schande nich machen, jondern im Jejenteil — ſehn Sie, 
das — das is was — da kann man — 


Lene 


(ſieht ihn mit leuchtenden Augen an, ſchlägt in die Hände) 
Das is famos! famos! 


Achter Auftritt 
Ale Schmalenbach (tft während des legten von außen an die Gittertür ge— 
fommen, ſteht dort, mit dem Rüden an den Pfeiler gelehnt, eine Tabakpfeife 
—— den Zähnen hängend) 


8 


Ale 
Nanu? Wem wird denn da bravo geklatſcht? 


Ile feld (eiſe zu Lene) 
Nu kommt Lumpenonkel. 


Frau Schmalenbach 
Herrn Ilefeld; wem denn ſonſt? 


Ale kommt langſam näher) 


Sp — —? 
gene 
Weil er doch ein Büttgefelle is? 
Ale 


Darum bravo? Is das fo was Upartes? 


Lene 
Ein Büttgefell is ein Schöpfer ! 
3* 


36 Die Haubenlerche 





Ale 
Was denn fonft noch? 


gene 
Das werden Sie doch wohl wiſſen, Onkel Ale, dab er 
Das i8, A 


Grau Schmalenbad 


Na weeht du, Mädchen, dir hat aber Herr Jlefeld ſchon 
jehörig in Galopp gebracht, wie mir fcheint. 


Lene 
Uber Mutter, man wird doch vergnügt fein dürfen? 


Ale 
Bergnügt? Warum denn? 


Ilefeld 
Mit Exküſe, Herr Schmalenbach, warum denn nich ver- 
gnügt? 
Ale 
Warum? (Er grungt etwas vor ſich Hin Was das nu wieder for 
ene Frage is, 
Ilefeld 


Ick meene man, wenn jemand nich zufrieden is, na, denn 
muß er doch 'nen Irund haben, worum daß er's nich is? 


Ale (zwiſchen den Zähnen murmelnd) 
Dämlicher Jelbſchnabel. 


Slefeld Walblaut für ſich) 
Oller Lumpenmantſcher. 


Ale 
Vergnügt — bei die Zeiten — und bei die Verhältniſſe 
und — und die Lage der Arbeiter — na ick ſage man bloß — 
er nimmt die Pfeife aus den Zähnen und ſpuckt aus) 
Lene (fteht auf) 


Aber Onkel — bier in den herrfchaftlihen Garten — 
(fie Schaufelt mit dem Fuße Sand Über den Auswurf) 


Erfter Akt 37 





Ale 
Ach fo — na ja freilich — man is ja bloß en Arbeiter. 


‚gene 


Na? Es is wohl etiva nich recht von den Seren, daß er 
Muttern erlaubt hat, fich bier ’reinzufegen in den arten? 


Ale 
Na ja — i8 ja Schon jut, 


Ilefeld 


Wenn ick man bloß wüßte, Herr Schmalenbach, wat Ihnen 
die Zeiten getan haben? 


Ale 
Wat mir — die Zeiten getan haben. 


Ilefeld 
Und wat Sie von die Verhältniſſe wollen? Es jeht uns 
doch hier wahrhaftig nich ſchlecht. 


Na — jeder muß ja wieviel daß er wert is. 
Ilefeld 
Det ſtimmt. 
Ale 
Sp —? Stimmt det? 
Ilefeld 


Ick weeß, daß, wenn ick mir dran halte, ick für den Tag 
meine ſechs Mark verdienen kann. So viel alſo bin ick wert. 


Frau Schmalenbach 
Nu ſagen Sie mal, Herr Slefeld? Sechs Mark? 


Slefeld 


Srau Schmalenbachen, das will ich Sie vorrechnen: for 
een Nies krieg' ic eene Mark, und wenn ick im Zuge bin, 
ſchaff' id aufn Tag ſechs Ries, 


38 Die Haubenlerche 





Lene (Hatjeht in Die Hände) 
Herr Ilefeld! Das is ja aber janz riefig ! 


Zlefeld (mit einem Ieuchtenden Blid auf Lene) 
Und das kann ick Sie fagen: fo wie jest, bin ick überhaupt 
noch nie im Zuge geweſen! 


gene 
(erwidert feinen Blick, ſteckt den a Schürze in den Mund und Fichert vor 
n) 


—— 
(hat die Hände in die Hoſentaſchen geſteckt und iſt wütend auf und ab gegangen) 


Und das kann ich Sie ſagen, Herr hi — Gie — Sie 
find überhaupt noch ville zu jung. 


Stefeld 
Zu was? 


⁊* 


Ale 


Zu was — wat Sie jelernt haben, wiſſen Sie, das habe 
ick ſchon lange wieder verjeſſen! 


Ilefeld 
Das wäre ſchade, Herr Schmalenbach. 


Ale 
Selber ſchade! (Er Holt aus der Rocktaſche ein Zeitungsblatt hervor) 


Sie leſen ja nich mal die Zeitung nich! 


Ilefeld 
Wenn man hinter ſeine Arbeit her is, denn hat man dazu 


ſchlecht Zeit. 


Ale 
Wie fol man ſich denn da überhaupt mit Sie unterhalten 
fönnen? 
Stefeld 
SE hab’ Sie ja jar nich dazu invitiert, Herr Schmalenbad). 


Ale 
Sonft würden Sie wiffen, wie die Zeiten find, und wie 
die Verhältniffe find und — und die Lage der QUrbeiter — 
aber von dem allen verftehben Sie ja rein nifcht! 


Erfter Akt 39 





Ilefeld 
Aber mein Handwerk verſteh' ick; das kann ick Sie ver— 
ſichern. 
Ale 
Das verſtehen andre auch. 


Ilefeld 
Möglich; aber es jibt heut unter die Arbeiter ſehr ville, 
die viel beſſer in die Zeitung Beſcheid wiſſen als in ihr 
Handwerk. 


Ale 
So? Meenen Sie? 
Ilefeld 
Nee, des weeß ick. 
Ale 
Allens quatſch. 
Ilefeld 


Und jrade die, die mit's Maul am mehrſten vorneweg ſind, 
die find gewöhnlich bei de Arbeit am mehrſten dahinten. 


Ale 
Und wer immer zufrieden is, der i8 wien Saul vor’n Sand— 
karren; wenn man dem Stroh binfchmeißt und jagt: „Es i8 
Hafer”, er frißt es und jlobt's. 


Stefeld 
Und wer immer nur fehimpft, und nich weeß, warum daß 
er jchimpft, der is wien Efel, der immer iah jchreit, bloß weil 
er niſcht anderes weeß. 


Ale 


Uber fo iS e8 mit die Sandarbeiter! Das hält fich immer 
für janz was Grtraordinäres, das hat keenen Kohrdeſpri! 


Slefeld 


Ick arbeite in eine Fabrike, und die Fabrike, die ernährt 
mir, und darum arbeete ic for die Fabrife jo gut als ich es 
verjtehe, und das is mein Eſpri. 


40 Die Haubenlerche 





Ale 
Und det kann id man fagen: die Jedanken, die Sie fich 
aus Ihre Bütte gefchöpft haben, det find faule Sedanken. 


Ilefeld 
Und die Jedanken, die Sie ſich aus Ihre Lumpen zu— 
ſammenſortiert haben, des ſind muffige Jedanken. 
Lene 
(ſteht auf, geht zu Ilefeld und ſagt leiſe, mit unterdrücktem Lachen) 
Jott, Paul, ſind Sie doch man ſtille; der kriegt ja noch 
die Krepanze vor Wut. 


Ilefeld Ebenſo zu Lene) 

Laſſen Sie man, der is wie 'ne Lokomotive, das muß 
immer pfauchen und ſpucken. (Eine Glocke läutet hinter der Send) Ma, 
nu jeht's an die Arbeit — Fräulein Schmalenbachen, kommen 
Sie mit? ; 

gene 

Sa ic fomme mit. 


Frau Schmalenbach 
Uber Mädchen, du haft ja jar nichts zu fuchen — in de 
Fabrike? Du follit ja im Haus aufwarten ? 


Lene (lichert zu Zlefeld, in deffen Arm fie ſich gehängt hat) 
Jott, Paul, was fage ich denn nu rafch? 


Ilefeld 
Wiſſen Sie, Frau Schmalenbachen, fie kommt jleich nach- 
her retour; es is nur, weil da eine Neue in die Fabrike je— 
kommen is, und der ſoll ſie zeigen, wie man das macht, daß 
man die Bogen auf die Leine hängt. 


Lene (drückt Ilefelds Arm) 
Ja ſiehſte Mutter, dazu is es. 


Frau Schmalenbach 
Daß du mir nur bald retour kommſt; mehr ſage ich nich. 


Ilefeld 
Keene Sorge, Frau Schmalenbachen, und adjes och. 


Erfter Akt 41 





Lene chufcht raſch zur Mutter, küßt fie) 


Adjes Mutter — (fie knickſt lachend gegen Ale) adjes, Onkel Ale! 


(Slefeld, Lene am Arm, en > ihr Durch die Gitterfür ab; fie flüftern, Fichern, 
den fih Arm an Arm) 


Ale (ſieht ihnen nach) 
Na nu? Die ziwee beeden? 


Frau Schmalenbach 


Sa, die zwee. — Was hat Ihnen der Mann eigentlich 
getan ? 


Ale (grungt etwas Anverſtändliches) 


Frau Shmalenbad 
Was fagten Sie? 


Ale 


Eigentlich weeß ick das felber nich — aber — er iS immer 
fo vergnügt. 


Frau Schmalenbad 
Das is doch fein Malör. 


Ale 
Ich kann nu einmal die vergnügten Menfchen nich leiden. 


Frau Schmalenbad 
Das is doch aber nich recht? 


Ale 
Ach was; dem jeht's immer fo jut. Uber als wie id — 
immer mit die ollen Lumpen — det is fo ’ne fchmierige Se- 
Tchichte, fehn Sie — immer fortieren und nifcht als fortieren — 
ob Leinewand oder Boomwolle — da fchrumpelt man Schließlich 
ein wie ſo'n oller Lappen Boomwolle (geht brummend auf und ab) — 
na, nu werd’ id man jehn — es wird Zeit — mo’jen, 


— Frau Schmalenbach 
Mo'jen. 
(Ale geht langſam durch die Gittertür ab) 


42 Die Haubenlerche 





Neunter Auftritt 


Zuliane (kommt aus dem Haufe; fie arbeitet an einem Strickſtrumpfe) 


Juliane 


Na, Mutter Schmalenbach? Wie geht's? 


Frau Schmalenbach 
Danke für gütige Nachfrage, Fräulein, es könnte ja noch 
ſchlechter ſein. 


Juliane (zieht einen Stuhl heran, ſetzt fich) 
Schönes Pläschen bier zum Sitzen? Hm? 


Frau Schmalenbad 
Ja, unfer Herr is jut — der is jut. 


Suliane (mit halber Stimme) 
Ja — fühlen Sie das? 


Frau Schmalenbach | 
Wer follte jo etwas nich fühlen? Es is was Geltnes. 
Suliane (wie vorhin) 
Nicht wahr? 
(Paufe) 
Frau Schmalenbach 
Über eins wundre ick mir nur — 


* Juliane 
un? 


Frau Schmalenbach 
Ob er nich mal heiraten wird? 


Juliane (ſnkt das Haupt tief herab) 
Sm — 


Frau Schmalenbad 
Sp ein Mann, follte ich meinen, müßte eine Frau doch 
recht jlüclic) machen können. 


Zuliane 
(tief geſenkten Hauptes, ftrickt eifrig weiter, ohne einen Lauf von fich zu geben) 


(Paufe) 


Erſter Akt 43 





Frau Schmalenbach 
Meinen Sie nich? 


Juliane (murmelt halblaut) 
Wohl möglich — 
(Paufe) 
Suliane (richtet das Haupt auf) 
Uber — da wir dabei find — man fieht ja jest die Lene 
fo viel mit dem Slefeld zufammen? 


Frau Schmalenbach 
Za, fie hat's mit ihm. 
Juliane 
Na? 
Frau Schmalenbach 
Wieſo? 
Juliane 
Gefällt Ihnen der Mann nicht? 


Frau Schmalenbach 
J nu — warum nich? 


Juliane 
Er iſt der beſte Arbeiter in der Fabrik. 


Frau Schmalenbach 
Ya ja 
Zuliane 
Berdient ein füchtiges Stüd Geld. 


Frau Schmalenbach 
Ob's denn wahr is, daß er es bis auf fehs Mark an 
einem Tage bringt? 
Juliane 
Ja, das iſt wahr. And die Lene ſcheint alſo auch nichts 
gegen ihn zu haben? 
Frau Schmalenbach 
Na die — die hat ſich ja wohl ſchon ſo in ihn verkuckt, 
daß ſie jar nich mehr 'rausfindet. 


44 Die Haubenlerche 





Quliane 
Na aber dann — 
Frau Schmalenbad i 
Sie meinen — | 
Zuliane 


Worauf wird denn gewartet? 


Frau Schmalenbad 
Nu mein Ge, fo eilt die Sefchichte doch nich? 


Suliane 
Wenn die jungen Leute fih mögen und ihr Auskommen 
haben — | 
Frau Schmalenbach 
Jott — ich würde ja wohl nifcht dawider haben. 


Suliane 
ber dann follten Sie doch dazu fun, daß aus der Sache 
etwas wird; wirklich — ich meine — Gie follten dazu fun. 


Frau Schmalenbach 
Nu ja — mu ja. 


Suliane 
Denn fehen Sie — ein hübfches junges Mädchen — und 
die vielen jungen Männer, die in folcher Fabrik find — 


Zehnter Auftritt 


Hermann (eine Zigarre im Munde, ift während der legten Worte in der Haustür 
erjchienen und ftehen geblieben) 


Frau Schmalenbad 
(zu Zuliane, die Hermann nicht bemerkt hat, auf dieſen deutend) 


Sie, Fräulein, da kommt der junge Herr. (Guliane, beinah 
erſchreckend, blickt um) 


Hermann 
(ohne feine Stellung zu verändern) 


Unterbrechen Sie doch nicht, Frau Schmalenbach; jeßt 
fommen die jungen Männer dran; da hätte man gewiß was 
lernen können. 


Eriter Akt | 45 





Suliane 
(nimmt voller Verwirrung ihre Strickerei wieder auf) 


Ach — Sie — 


Hermann (lommt die Stufen herab) 


Was ich Ihnen fage, Frau Schmalenbach, es wird in der 
Welt nicht eher beffer, bis nicht die jungen Männer gleich dreißig 
Jahre alt geboren werden. 


Frau Schmalenbach 


Reden Sie man, junger Herr, was das Fräulein fagt, is 
ſchon an dem, 


Hermann 


Na natürlich. Uber wiffen Sie, jest werden Menagerien 
gebaut, da werden die jungen Männer ’reingeftect, binters 
Gitter, wie die wilden Tiere im Soologifchen Garten; alle 
Sonntage werden die jungen Mädchen bingeführt und dürfen 
fie ſich anfehn. 


Frau Schmalenbach (ihallend lachend) 
Was Sie aber für Ideen ausheden, junger Herr! 


Hermann 


Un jeden Käfig wird 'ne Tafel gehängt: „Futtern ift er- 
laubt, aber nicht anfaffen —“ 


Frau Schmalenbad 
ber nich anfaſſen — hahaha — 


Hermann 
„And nifcht mitnehmen!“ 


Frau Schmalenbach 
Und nich mitnehmen — habaha! 


Quliane 
Uber Hermann — 


Hermann 
Was befehlen Sie, Fräulein Coufine? 


46 Die Haubenlerche 





Quliane 
Sie willen, daß ich Ihnen nichts zu befehlen babe, ih — 
wundre mich nur, daß man Sie jetzt hier findet. 


Hermann 
Sie meinen, ftatt im Kontor? Können mir glauben, bier 
iſt's hübfcher ! 

Suliane 
Uber — e8 ift Doch Arbeitszeit? 


Hermann 
Beforgt ja alles mein Bruder (ingend): „jo wunderſchön, 
fo wunderfchön!“ 


Juliane (erhebt fich raſch) 
Das begreife ich aber wirklich nicht, wie man fich wohl- 
fühlen kann, wenn man unter lauter arbeitenden Menfchen der 
einzige ift, der nichts tut. 


Hermann 
Frau Schmalenbach, bier werden Leviten gelefen; nu fahre 
ih Gie hinters Gebüfch. Er faßt den Rollwagen und ſchiebt Frau 
Schmalenbach hinter ein Gebüfch zur Seite, kommt zurück) 
Quliane 
Sagen Sie mir nur, was fol aus alledem werden ? 


Hermann 
Was aus alledem werden fol, ift mir, unter uns gejagt, 
höchſt Wurfcht; fragen Gie lieber meinen cher frere, was aus 
mir werden fol. 
Quliane 
Das kann ich Ihnen ftatt feiner jagen. 


Hermann 
Nämlich? 
Quliane 
Ein ordentlicher Menfch. 
Hermann 


Gin Arbeitervater, nicht wahr? Wie „unfer Herr Auguſt“? 


Eriter Akt 47 





Quliane 
Das verlangt niemand von Ihnen. 


Hermann 
Wäre vielleicht noch gar nicht dag Dümmſte. Schlagen 
Sie ihm vor, wir wollen die Arbeit teilen; er forgt für die 
Arbeiter, ich übernehme die Arbeiterinnen, heißt das, die hübfchen 
und jungen. 


QZuliane 


Solche Späße — 


Hermann 
Ach was! Man ſoll den Menſchen auf feine Faſſon ordent- 
lich werden laſſen. Wer gibt ihm das Recht, mich in dem ver— 
räucherten Neſt hier feſtzuhalten? 


Juliane 


Er iſt Ihr Vormund. 


Hermann 
(wirft ſich mit einem ſchweren Seufzer auf den Stuhl) 


Ja — das weiß ich. 


Juliane 


Und er hat Ihrem Vater verſprochen, Sie dahin zu bringen, 
daß Sie durch eigenen Erwerb auf eigenen Füßen ſtehen können. 


Hermann 
Da fällt mir ein, was ich Sie ſchon immer mal fragen 
wollte: haben Sie meinen Vater gefannt? 


Suliane 
Allerdings. 
Hermann 


Ich kann mich nicht mehr recht auf ihn befinnen, 


Suliane 
Sie waren doch ſchon zehn Sahre alt, als er ftarb? 


Hermann 
Na ja — wie er ausſah, wohl; aber ich meine — wie 
er war, 


48 Die Haubenlerche 





Juliane 
Seine Natur? 


Hermann 
Nennen wir's alſo ſo; war er ſo in der Art von Auguſt? 


Juliane 
Ja, ſoweit ich mich erinnere, bis in die kleinſte Eigenſchaft. 


Hermann Gäeeichnet mit dem Fuße in den Sand) 
Hm — das habe ich mir gedacht. 


an } Syuliane 
arum? 


Hermann (pringt auf, ſchleudert Die Zigarre fort) 
Wiffen Sie, dann ift’S mir eigentlich lieb, daß ich ihn nicht 
genauer mehr gefannt habe! i 


Zuliane 
Weshalb? Um Gottes willen. 


Hermann 
Er nahm den AUbfchied, nicht wahr, weil er fich mit feinen 
Vorgeſetzten nicht vertragen fonnte? 


Suliane 
So börte ich. 


Hermann 
Na, fehn Sie, ich muß Ihnen geftehn: wenn ich fein Vor— 
geſetzter geweſen wäre — ich — hätte mich wahrfcheinlich auh 
nicht mit ihm verfragen. 


Suliane 
Wiffen Sie denn auch, was Sie fagen? 


Hermann 


3a, 


Suliane 


ber — das ift ja abſcheulich! Solcher Mangel an 
Dietät! 


Erfter Aft 49 





Hermann 
Ach Hol’ der Deibel die Pietät, wenn fie einem das Leben 
ruiniert! Sch pafle nicht für die Fabrik, und wenn mein Bruder 
das nicht einfieht, kann er mir leid tun! Und wenn mein Vater 
das für mich beftimmt bat, dann hat er mir das Leben vormweg- 
genommen, und — dazu hatte er Fein Recht, mein Leben ge— 


hört mir! 


Zuliane (ist, wie betäubt auf Dem Stuhle) 
Wozu meinen Sie denn aber, daß Gie fonft paffen würden ? 


Hermann 
Zunächſt nur von bier "raus — alles übrige wird fich finden. 


Suliane 
Bielleicht — als Beamter? 

Hermann 
Warum nicht? 

QZuliane 


Uber — als Beamter müßten Sie doch auch arbeiten? Erſt 
recht arbeiten? 
Hermann 
(bleibt vor ihr ftehn, —— ſich höhniſch) 
Danke für das Kompliment. 


Juliane 
Wieſo? 
Hermann 
Weil ich nicht in der Art arbeiten will, die mein Herr 
Bruder mir diktiert, darum bin ich ein Faulpels überhaupt? 
Nicht wahr? Das macht mich eben jo wütend; gegen den legten 
Schmierfinfen in feiner Fabrik fließt er über von Wohlmwollen 
und Toleranz, und gegen mich ift er intolerant wie — wie — 


Quliane 
Hermann — Hermann — 


Hermann 
Zum Donnerwetter jal Es ift auch wahr! Haben denn 
heutzutage bloß noch die Arbeiter ein Necht, daß man nach 


Dramen X 4 


50 Die Haubenlerche 





ihren Bedürfniffen fragt? Ich bin auch von Fleiſch und Blut 
und babe zu verlangen, was jeder Menfch zu verlangen hat! 


Suliane 
Bitte bleiben Sie doch ruhig. Es macht mich ja fo glüd- 
lich, daß Sie gegen Arbeit an ſich nichts haben. 


Hermann 
Laſſen Sie mich nur 'raus, ſag' ich, dann ſollen Sie ſehn! 


Juliane 


Ich möchte Ihnen einen Vorſchlag machen. 


Hermann 


Nämlich? 


Juliane 
Sie ſind noch ſo jung. Sie haben immer noch Zeit, zu 
werden, was Sie wollen; heutzutage, glaub' ich, ſchadet es keinem 
Beamten, wenn er das Leben kennen gelernt hat, bevor er in 
ſeine Laufbahn kommt; es iſt viel geſünder, als wenn er am 
grünen Tiſch aufwächſt. 


Hermann 
Am „grünen Tiſch“? Sie ſprechen ja wie ein Geheimrat? 


Juliane 


Hier lernen Sie Arbeiterverhältniſſe kennen; wenn Sie 
mündig ſind, können Sie tun, was Sie wollen; bis dahin dauert 
es ja nicht mehr lange. 


Hermann 


Noch zwei Jahre. 


Juliane 


Das iſt doch aber nicht die Ewigkeit? Halten Sie ſo 
lange aus. 


Hermann 


Ein Kriegsjahr gleich zwei Jahr, ein Jahr Langeweile gleich 
zwei Jahr Kriegsjahr. 


Erfter Akt 51 





Juliane 


Sie ſollen ſich aber nicht langweilen, Sie ſollen die Augen 
aufmachen und lernen. 


Hermann 
Das war alſo der große Vorſchlag! 


Juliane (jeufzend) 
Er ſcheint auf Sie keinen großen Eindruck gemacht zu haben. 


Hermann 
Sagen Sie das nicht. Die Augen aufmachen — ganz 
mein Fall 


Elfter Auftritt 


Borige. Lene (komme durch die Gittertür zurück) 


Hermann (zu Zuliane) 


Haben Sie, zum Beifpiel, fchon gewußt, daß wir Hauben- 
lerchen im Haufe haben? Hier ftel? ich Ihnen eine vor, 
(Er vertritt Lene den Wes) Wohin, Lene? 


Lene (fieht ſich fuchend um) 
Sch ſuche — wo is denn Mutter geblieben? 


Hermann 
Sa, wo is Mutter geblieben? Herrgott, Mutter iſt ver- 
loren gegangen | 
gene 


Sie werden ſchon wiſſen, wo daß fie ijt. 
(Sie will an ihm vorüber, er breitet Die Arme aus und verwehrt ihr Den Durchgang) 


Hermann 
Ich wil’3 dir fagen: Mutter ift ein Ofterei getvorden und 
bat fich verfteckt; ich helfe dir ſuchen. 


gene 
38 nich vonnöten. 


Hermann 
Sit wohl nötig. (Cr geht auf fie zu) Uber Finderlohbn muß 
ich haben — 
4* 


52 Die Haubenlerche 





Lene 
i (weicht ihm aus, er verfolgt fie) 
Finderlohn? 


Hermann 


Was bekomm' ich als Finderlohn? (Er Hat fie ergriffen, fängt 
fie in feine Arme, verfucht, fie zu küſſen) 


gene 
(träubt fich Freifchend und lachend) 


Me, ne, ne! 


—— Hermann 
Ja, ja, ja! 
Zwölfter Auftritt 
Bprige. August 
Auguſt 
(erſcheint in der Haustür, gewahrt den Vorgang, ruft) 
Hermann!! 


(Hermann läßt Lene fahren und wendet fich unmillfürlich, Lene fährt erfchroden 
zurüd, Zuliane ſteht angftvoll, auf Auguft blickend; Paufe) 
Auguft (mit Heiferer Stimme) 
Helene — ich bitte Sie um Entfchuldigung. 


Lene 
(fteht ihn mit großen, nichtverftehenden Augen an) 
Uber — 
Auguſt 
Bitte Sie um Entſchuldigung — für die — Ananſtandig⸗ 
keiten, die ſich mein Bruder — 


Hermann (fährt uf 
Das it doch aber — 


Auguſt 
Für die Pöbelhaftigkeiten, die ſich mein Bruder gegen Sie 
erlaubt hat. 


Hermann 
(will etwas erwidern, verſchluckt es, * ai die Achfeln und geht pfeifend 
auf und a 


Erſter Akt 53 





Juliane (u Auguſt) 
Ich beſchwöre Sie, werden Sie nicht heftig. 


Au guſt (etwas ruhiger zu Lene) 
Liebes Kind, bringen Sie Ihre Mutter nach Haus. 


Lene (immer noch wie vorhin) 
Uber — der junge Herr — hat’s gewiß gar nich böfe ge— 
meint, 


Hermann 
(lacht kurz auf und fest feine Bewegung fort) 
Auguft 
Bringen Sie fie nur jest hinüber, es ift beffer. 


gene 


Sa — jawol. (Will raſch Hinter das Gebüſch gehen, in dieſem Augen- 


blick kommt Frau Schmalenbach, Die aus dem Wagen geftiegen ift, hinter Dem Ge- 
büjch hervor) 


Auguft 
Nun? Nun? Was ift denn das? 


Frau Schmalenbach 


Ach Sott, ick hab’ mir fo erfchroden — die paar Schritt 
kann ich ja wol janz jut zu Fuße gehn. 


Auguft 
Kein Gedanke — wo ift denn der Wagen? (Er tritt raſch 


hinter das Gebüſch, ſchiebt den Ieeren Wagen hervor) Da — nun fegen 
Sie fih nur wieder hinein, 


Frau Schmalenbach dest ſich in den Wagen) 
Uber — es jinge wirklich, — 


August 
Und feien Sie ganz unbeforgt; es wird niemand Ihrer 
Tochter mehr zunahe treten und Sie erſchrecken — das ver- 


ſprech' ih Ihnen, hören Sie? Das verfpreche ich Shnen, 
(Er ſchiebt den Wagen bis an die Gittertü) Sp, Helene, nun können 
Sie weiterfahren, 


Eene tritt Hinzu und legt die Hand an den Wagen) 


54 Die Haubenlerche 





Frau Schmalenbach 
Sch danke och ſchön. 


(Lene fchiebt den Wagen mit der Mutter hinaus und verſchwindet, Ku Sieht ihnen 
einen Augenblick nach, wendet fi) Dann zurück. Pauje) 


August 
Ich dächte, es würde nun bald Zeit, daß du dein Pfeifen 
einſtellteſt. 
Hermann (vwütend auffahrend) 


Ich dächte, es würde nun bald Zeit, daß du dich erinnerteſt, 
daß ich kein dummer Junge mehr bin! 


Auguſt 
Etwas viel Schlimmeres biſt du: ein ſittenloſer Menfch! 


Hermann ciicht zwiſchen den Zähnen) 
Moralfatzke. 
Juliane 
Ich bitte Sie — ich bitte Sie, ſprechen Brüder fo mit- 
einander? 
Auguft 
Laffen Sie, Juliane, e8 wird Zeit, einmal deutſch mit * 
Herrn zu reden. 
Hermann 


Ganz mein Fall. Darum endlich einmal die geſchwollenen 
Redensarten beiſeit! Alſo — was iſt eigentlich los? Was 
willſt du von mir? 


Auguſt 
Arbeiten ſollſt du. 
Hermann 
Will ich auch; aber da, wo es mir paßt. 


Auguſt 
Nein, da, wo dein Leben dich hingeſtellt hat und deine 
Pflicht, 
Hermann 
Keine gefchwollenen Redensarten | 


Eriter Akt 55 





Auguſt 
Redensarten? Wenn ich von Pflicht ſpreche, das ſind 
Redensarten? 
Hermann 


Mein Leben wächſt ganz woanders, als hier, und dein 
Belieben iſt nicht meine Pflicht. 


Auguſt 
Dein Vater hat dir das Leben hier zur Pflicht gemacht. 


Hermann 
Ja — in einem Anfall von übler Laune. 


Auguſt 
Was?! 
Hermann 
Allerdings! 
(Sie ſtehen ſich gegenüber) 
Juliane (tritt zwiſchen fie) 
Hermann — Hermann — 


Hermann cäfft ihren beſorgten Ton nach) 
Zuliane — Juliane — 


August 
Sch verbiete dir folchen Ton gegen deine Couſine. 


Hermann 
Und ich verbitte mir den ewigen Schulmeifterton. 


Auguft 

Mit Aufwand feines ganzen Vermögens hat Papa diefe 
Fabrik gegründet, um feinen Söhnen eine unabhängige Griftenz 
zu fichern — bift du fo leer, daß du feine Spur von Gefühl 
dafür haft? 

Hermann 

Mir wär’ e8 lieber geweſen, wenn er fich mit feinen Vor— 

geſetzten vertragen hätte, 


Auguſt 
Du — reſpektloſer Geſell! 


56 Die Haubenlerche 





Hermann 


Du — Marquis Pofa in Grün! 


Suliane 
Sp etwas dürfen Sie nicht jagen, Hermann! Das ift 
empörend | 


Hermann (dlahf kurz auf) 


Auguft 

Un wen verfchwenden Sie denn Ihr Gefühl, Suliane? Da 
haben Gie eine Probe von dem, was man die vielgerühmte 
Bildung unferer Zeit nennt. Das überzieht die Menfchen wie 
mit chinefifchem Lad; auswendig alles glatt, fo daß jede Emp- 
findung daran herunterläuft, wie Waller; unter den Firnis aber 
dringt Feine Luft, darum bleibt inwendig alles unreif und roh 
wie faures grünes Obft. | 


Hermann (jest fich, zündet eine neue Zigarre an) 
Die Vorleſung feheint geräumig zu werden. 


Auguft 
Unfertig und überreif — ohne eine Ahnung von den Fragen 
der Zeit und dabei mit allen Fragen ferfig — und dag nennt 
fich die herrfchende Klaffel Nein, die Welt ift reif geworden für 
ein anderes Gefchlecht ! 


Hermann 


Für die Urbeiter. 


Auguft 
Für die, die noch fuchen, die noch hoffen, die noch Menfchen 
find, weil fie wiffen, daß ihre Zeit vor ihnen liegt! — 


Hermann 
Glücklich wieder angelangt beim Leitmotiv. Die lieben, die 
guten, die unfchuldsoollen Urbeiter ! 


Auguft 
Sprich nicht in ſolchem Ton von Leuten, die du ganz un— 
fähig bift, zu begreifen. 


Hermann 
Ich verftehe fie vermutlich beffer, als du. 


Erſter Akt 57 





Auguſt Göhniſch lächelnd) 
Du? Ja du — calblauh Du Deckel über einem leeren Topf. 


Hermann (baldlauf) 


Oder Phantaft ! 


Zuliane @u Auguft) 
Beendigen Sie das Geſpräch — wenn ich Sie bitte — 
Sie ſehen, daß es zu nichts führt. 


Auguft 
Sch bin noch nicht fertig. (gu Hermann) Deine Gedanken 
überlafj” ich dir; fie werden an den Dingen nichts ändern; wenn 
es dir aber wieder einfallen follte, ihnen Ausdruck zu geben — 


Hermann 
Etwas deutlicher, wenn ich bitten darf. 


Auguſt 
Damit du's alſo weißt: ich bin Herr im Haus und ver- 
biefe dir, meinen WUrbeiterinnen zunahe zu treten. 


Hermann 
Aha — ich wittre Morgenluft. 


August 
Such’ dir in Berlin deine Frauenzimmer; meine Arbei— 
terinnen find für deine Gelüfte nicht da. 


Hermann 


Schon wieder die gefchwollenen Nedensarten — wovon 
fprechen wir denn eigentlich ? 


Auguſt 
Davon, daß ich eben mit eigenen Augen geſehen habe, wie 
du dem Mädchen Gewalt antun wollteſt. 


Hermann 
Da hört doch aber wirklich die Naturgeſchichte auf — Ge— 
walt antun — wenn man mit dem Mädchen einen Spaß macht. 


August 
Diefe Urt von Späßen aber will ich nicht haben! 


58 Die Haubenlerche 





Hermann 
Frag' doch gefällig erft mal das Mädchen, ob fie was da- 
wider bat. 
Auguft 
Und fühlt du denn nicht — 


Hermann 


Es iſt ihr viel lieber, wenn ich ein bißchen nett mit ihr 
tue, als deine ewige Ernftmeierei. 


Auguft 
Das ift nicht wahr! 
- Hermann 
Lächerlich! 
Auguft 


Wenn fie dich nicht abfertigt, wie du es verdienft, jo ge- 
ſchieht's, weil fie e8 nicht wagt; fühlft du denn nicht, daß das 
nichtstwürdiger Mißbrauch ift, den du mit deiner Stellung treibft? 
Fühlft du denn nicht, daß du dies Rind verdirbit? 


Hermann 
Ach was, fie ift nicht von Marzipan und geht nicht gleich 
entzwei. 
Auguſt 
Und du verdirbſt ſie, ſag' ich, wenn du deine wüſte Ge— 
ſinnung in ihre reine Seele überträgſt! 


Hermann 
„Dies Kind“ — „reine Seele“ — was das alles wieder 
für Redensarten ſind! Wo laufen die Menſchen denn eigentlich 
'rum, von denen du ſprichſt? Ein feſtes, dralles Fabrikmädel — 
es — und damit baſta. 


Auguſt (fährt auf ihn los) 
Das dulde ich nicht! 
| Hermann 
Was? 
Auguſt 
Daß du von ihr in dieſem frechen, gemeinen Ton ſprichſt! 


Eriter Akt 59 





Juliane 
Auguſt — 


Hermann 
Laſſen Sie doch, Couſine; Tugend und Grobheit ſind be— 
kanntlich Geſchwiſter. Aber, weißt du, tugendſamer Bruder, wir 
gewöhnlichen Menſchen von heutzutage find Realiſten, wir glau- 
ben nicht mehr fo recht an fugendfame Entrüftung. 


Auguft 
Was foll das? 


Hermann 
Na ja — mir ftehen ja, wie mir fcheint, in der feierlichen 
Stunde gegenfeitiger Ehrlichkeit; und deine Ehrlichkeit gegen mich 
fann man ſchon eine hochgradige nennen; alfo, weißt Du, wo 
all der heilige Zorn herkommt, der dich erfüllt? Aus ganz fimpler 
Eiferfucht. 


Auguft 
(ftarrt ihn wortlos mit großen Augen an) 


Hermann 


Du bift in das Mädchen verfchoffen — oder wenn der 
Ausdruck dir nicht „edel“ genug ift, bis über beide Ohren ver- 
liebt, und darum ift es eine „Frechheit“, eine „Gemeinheit“ von 
mir, daß fie mir auch gefällt. Und fiehft du — das iſt der 
Unterſchied zwifchen uns: ich Fneife fie hier und da, wenns Glück 
gut ift, in die Baden — und du gefrauft dich nicht an fie 
heran; und daher die Wut. 


(Dumpfe Pauſe. Auguft ſieht regungslos, die Augen in Die Leere gerichtet, dann 
ftreicht er fich langjam über die Stirn) 


Auguft (angſam, heifer) 


Sch — kann e8 dir nicht ausdrüden — wie tief ich dich 


in diefem Augenblick verachte, «Er wendet fich ſchweren Schrittes und 
geht ins Haus) 


Hermann 


Hahaha! Hahahal 


Suliane 
(die August angſtvoll mit den Blicken gefolgt tft, wendet fich zu Hermann) 


Lachen Sie nicht, Hermann. 


60 Die Haubenlerche 





Hermann 
Warum fol ich denn nicht lachen? 


Zuliane 
Weil Sie felbft nicht ahnen, wie häßlich Ihr Lachen Hingt! 


Der Vorhang fällt 
Ende des erſten Aktes 


Zweiter Akt 


Ein Zimmer bei Frau Schmalenbach. Kleiner, reinlicher, einfacher 

Raum; ein Fenfter im Hintergrund, ein Tifch in der Mitte, eine Tür 

rechts, eine Tür links, Neben der Tür rechts eine Rommode. Es tft 
Nachmittag. 


Erfter Auftritt 


Grau Shmalenbad. Ale 
Frau Schmalenbac (ist in einem Armſtuhh 


Ale 
(die Pfeife im Munde, geht auf und * 5* ſich, ſteht wieder auf; zeigt an ſeine 
e 


Hier ſitzt es? Nich wahr? 


Frau Schmalenbachh (geist auf ihre Beine) 
Ne — tiefer. | 
Ale 


Das Tenn’ ich, das is das Hüftweh — das werden Gie 
unter'n paar Jahren nich wieder los. 


Frau Schmalenbady 
In die Hüfte figt es ja nich; tiefer, in die Beene. 


Ale 


In die Beene? Denn is e8 janz fchlimm; das is das 
Reißen. 


Zweiter Akt 61 





Frau Schmalenbad 
Was man fo dag Reifen nennt, iS es wohl eigentlich nich. 


Ale 
Das tut fchmählich weh — Sie werden was erleben. 


Frau Shmalenbad 
Schmerzen babe ich Feine, 


Ale 
Meine Mutter ihre Schweiter hat ’ne Freundin gehabt und 
die hat das Reifen gehabt und wenn fie das gekriegt hat, dann 
bat fie gefchrien wie ein Ochſe. 


Frau Schmalenbach 
Wenn's doch aber das Reißen jar nich is. 


Ale 
Und das behalten Sie Ihr Leben lang, da können Sie Jift 
drauf nehmen. 


Frau Schmalenbach 
Jott, Ale, Sie hören ja gar nich hin; bloß ſchwer ſind mir 
die Beene. 


Ale 
Schwer? 


Frau Schmalenbach 
Aber wie Blei. 


| Ale 
Alles von dem Schred? 


Frau Schmalenbach 
Muß wohl fein. Erft, wie ick mir fo erfchroden habe, find 
mir die Beene janz fir geworden, daß ick habe aus dem Wagen 
aufitehn können; und nachher aber, wie ich retour gefommen bin, 
jrade als wie ein Klumpen bin ich hingefallen, und denn is es 
fo geblieben. 


Ale 
Sehn Sie, nu find Sie anjeleimt, 


62 Die Haubenlerche 





Frau Schmalenbad 
Es wird ja wohl mal wieder beffer werden. 


Ale 
Des jloben Sie man ja nich. 


Frau Shmalenbadı 
Spott, Ale, Sie machen dem Menfchen aber och das Herz 
ſchwer. 
Ale 
Wovon wollen Sie denn geſund werden? Wenn Sie Jeld 
hätten, na ja, denn könnten Sie ſich eenen Arzt nehmen und 
in die Bäder fahren — aber ſo — for die Reichen, ſehen Sie, 
is das Krankſein bloß ein Verjnügen — aber unſereins — na 
ich fage weiter nifcht. (Spudt aus) 


Frau Schmalenbad 
Uber, Ale — in die frifch gefcheuerte Stube — 


Ale 
Ach jo — und fo wütig alfo is er jeworden? 


Frau Shmalenbad 


Na, aber ich fage Ihnen — und nu dacht’ ich doch erft, 
daß es wegen der Lene wäre — 


Ale 
Die war's aber nich? 


Frau Schmalenbad 
Ne, die bat er ja noch dazu um Entfchuldigung gebeten. 


Ale 
For was denn? 


Frau Schmalenbad 
Das verfteh’ ick ja felbit nich; mit feinem Bruder bat er’s 
jehabt. 
Ale 
Das kömmt von die Naturen, wiffen Gie; die zwee haben 
verſchiedene Naturen. 


Zweiter Akt 63 





Frau Schmalenbach 


Das i8 auch man jut; denn was der Hermann is, das ig 
doch eigentlich ein rechter Fahrebund. 


Ale 
Des ſtimmt. 


Frau Schmalenbach 
Wohingegen unſer Herr Aujuſt — na, ſo einen kann man 
ſuchen. 
Ale 
Uber in einem Punkte find fie ſich gleich. 


Frau Schmalenbad 
Wie denn jo? 


Ale 
Sie haben beide Jeld. 


Frau Schmalenbach 


Das müſſen Sie doch aber felber jagen, daß e8 ein feltener 
Mann is? 


Ale (Grummt vor fich Hin) 
Hat Jeld. 


Frau Schmalenbad 
Was fchad’t denn das? 


Ale 
IE kann's nu mal nich leiden, wenn Menfchen fo viel Seld 
haben. 
Frau Schmalenbach 
Wenn er doch fo viel Jutes mit dem Selde tut? 


Ale 
Keen Runftftück, wenn man's bat, 


Grau Shmalenbadh 


Na, wiffen Sie, Ale, wenn Sie dem fein Seld hätten, ob 
Sie auch fo für die andren forgen würden? 


64 Die Haubenlerche 





Ale 
Warum denn nich? 


Frau Shmalenbad 
Nana — 
Ale dft an das Fenſter getreten) 


Sind Gie mal ftile — da fommt er. 


Frau Shmalenbad 
Der Herr Auguft? Hierher? 


Ale 
Sieht doch fait jo aus — wahrhaftig — 


Zweiter Auftritt 
Auguft (kommt von rechts zu den Vorigen) 


Auguft 
Guten Abend, liebe Frau Schmalenbach. 


Frau Schmalenbad 
Zuten Ubend, Herr Aujuft. 


Auauft 
(bat den Hut auf den Tifch gelegt, einen Stuhl zu Frau Schmalenbach berangerückt 
und fich Darauf geſetzt) 
Nur fih gar nicht bewegen — da ift ja Herr Schmalen- 
bach auch? 


« 


Ale 


(bat die Pfeife aus dem Munde genommen) 
Aufzuwarten — fol ick vielleicht —? (Cr macht Miene, zu geben) 


Auguft _ 
Dleiben Sie nur; das trifft fich gerade ganz guf. (Su Grau 


Schmalendah) Na? es ift uns wohl heute früh ein bißchen in 
die Beine gefahren? 


Frau Schmalenbad 
Ach Iott ja — 


Ale 
IE hab’t ihr ſchon jefagt, aber fie will’s nicht glauben. 


Sweiter Aft 65 





Auguft 
Was? 
Ale 
Daß das nu fürs Leben fo bleibt. 
August 


Da bat Ihre Schwägerin fehr recht, daß fie Ihnen das 
nicht glauben will; das iſt ja Unſinn. Sie müflen mir diefen 
Sommer eine ordentliche Kur gebrauchen. 


Ale 
Ba ja + ae 
Auguft 
Was? 
Ale 


Sp ’ne Kur is ja was Schönes — aber — if meene man — 


Auguft 
Wenn ich fage, fie fol eine Kur gebrauchen, dann werde 
ih auch wohl willen, wer die Kur bezahlt. 


Frau Schmalenbacch (ergreift feine Hand) 
Herr Aujuft — Sie find jut! 


Auguſt 
Nu — nu — 


Frau Schmalenbach (Hält ſeine Hand feſt) 


Herr Aujuſt — Sie ſind jut, und das wird Jott noch mal 
an Ihnen lohnen. | 


August (fieht ihr ins Geſicht) 
Iſt das Ihr Ernſt? 


Frau Shmalenbad 
Wahr und wahrhaftig. 


Auguſt (erhebt fich plöglich) 
Willen Sie was? Gie find eine reiche Frau. 


Frau Schmalenbach (aächelnd) 
Das jloben Sie aber ſelber nich. 


Dramen X 5 


66 Die Haubenlerche 





Auguft 
(ift einmal Durch Das ws gegangen, jest fich wieder) 


Sie haben — eine Tochter — 


Ale 
Ja, eene Tochter, die bat fie, 


August (su Ale) 
Sie find ja wohl der Vormund? 


Ale 
Heißt dag — der eijentliche Vormund ift die Mutter — 
und weil fie doch aber jo ville frank is, bin ick zum Sejenpormund 
jemacht. 
Auguft 
Ja, ja — (su Frau Schmalendadh) darüber wollte ich mit Shnen 
fprechen — über die Helene — 


' Frau Shmalenbad 
Bel —? Ach — Gie meinen die Lene? 


Auguft 
Nun ja. 


Frau Schmalenbach (ängitlic) 
Hat das Mädchen was anjerichtet ? 


Auguft (ächelt in ſich hinein) 
Wohl möglid — 


Frau Schmalenbad 

Ach Sott, fein Sie ihr man. nich böfe; es is ja noch fo 
ein Kindskopp. 
l Auguft | 
Angftigen Sie fich nicht. (Er wird unruhig, fteht auf, wendet fich zu 
Ale) Herr Schmalenbach, willen Sie was? Ich habe ein Wort 
mit Ihrer Schwägerin allein — wir rufen Sie nachher wieder 
herein. 


Ale 
38 jut. (Gebt rechts ab) 


Smweiter Akt 67 





August (nimmt wieder feinen Play ein) 
Frau Schmalenbahd — Sie haben gedacht, ich machte 
Spaß — aber es ift mein Ernft — Sie wiſſen ſelbſt nicht, was 
Sie an dem Rinde befigen. 


Srau Schmalenbad 


(fieht ihn mit wortloſem Staunen an) 


Auguft 
Uber das ift nicht richtig, denn Sie werden wohl längjt 
gemerkt haben, daß jeder Mensch ihr gut ift, der fie fieht. 


Frau Shmalenbad 


Uber — 
Auguft 

Und ich bin auch ein Menfch, wie alle anderen Menjchen, 
fehen Sie; und ich habe manchmal Sorgen und einen ſchweren 
Sinn; aber wenn ich das Mädchen fehe, geht's mir wie Sonnen- 
fchein ing Herz, und wenn ich ihre Stimme höre, iſt mir, als 
wäre ich auf der ftaubigen Landftraße marfchiert und hörte plöß- 
lich eine Quelle plätfchern — na, und wenn ein Mann jo von 
einem Mädchen denkt — wie nennt man das auf deutjch? 


Frau Schmalenbad 
Uber — 
Auguft 
Sp fagen Sie doch, wie nennt man das? 


Frau Shmalenbad 
Ih — weiß aber — wirklich nid — 


Auguſt 
Na — wenn Sie es nicht wiſſen, dann will ich es Ihnen 
ſagen: ſolch ein Mann iſt verliebt! 


Frau Schmalenbach 
(lehnt ſich zurück, ſchließt einen Augenblick die Augen) 


Du mein Jott — (fie öffnet die Augen) Wo ſoll denn das 
alles nu endlich ’raus? 


Au gu ſt (pringt auf) 
Wo es hinaus ſoll? Daß ich ſie haben will, die Lene, da 


ſoll es hinaus! 
5* 





68 Die Haubenlerche 


Frau Schmalenbad 
Uber — Herr Aujuft —? 


Auguft 
Iſt Ihnen das nicht recht? (Er bleibt vor ihr ftehen, ſtreckt ihr die 
Hand Hin) So geben Sie mir doch die Hand! 


Frau Schmalenbach (ohne fich zu rühren) 
Dadrauf — fol id Ihnen — die Hand geben? 


Auguft 
Ja — warum denn nicht? 


Frau Schmalenbad 

Nehmen Sie mir’3 nich übel — aber das hätte ich von 
Ihnen nich gedacht — 

August (blick fie verblüfft an) 


Frau Shmalenbad 
Ein fo reeller Mann wie Sie — 


Auguſt 
Iſt denn das nicht in der Ordnung, daß ich zuerſt zur 


Mutter komme und ihr's ſage, wenn ich ihre Tochter hei— 
raten will? 


Frau Schmalenbach (teht mit einem Ruck auf) 
Heiraten?! 
Auguſt 
Wovon ſprechen wir denn? 


Frau Schmalenbach (für ſich) 
Mit einmal hab’ ick wieder fire Beine gekriegt — 
Auguft‘ 
Was haben Sie denn gedacht? 


Frau Shmalenbad 


Heiraten —? Was man fo nennt — und ganz reell hei- 
raten — wollen Gie die Lene? 


Zweiter U 69 





Auguft 
Za und ja! Sagen Sie mir nur, was Gie gedacht haben? 


Frau Shmalenbad 


Das kann ick Ihnen nich jagen — (fie bricht in Tränen aus) 
Ne ne ne, das kann ick nich! 


August (fieht fie an) 
Ach jo — 


Frau Shmalenbad) 


Sind Sie mir man nich böfe. (Sie greift nach feiner Sand) Wer 
fonnte denn aber auch fo etwas denken? 


Auguft 
Uber das konnten Sie von mir denken, daß ich — weil ich 
reih bin und Gie eine arme Frau? Nicht wahr? (Er gebt auf 
und ab, murmelt) Rnechtsfeelen überall! 


Frau Schmalenbad 

Ach Sott, Herr Aujuft, ich ſchäme mich ja zu Tode, daß ich 

Sie falfch verftanden habe; aber man is es doch heufzutage nich 
gewohnt, daß ein Menfch fo jut fein kann! 


Auguft 

Wer ift denn gut? Ich mag das gar nicht immer hören. 
Will ich denn Shre Tochter aus Mitleid heiraten? Sch ſage 
Shnen ja, daß ich fie liebe, das heißt, daß ich fie brauche, daß 
ich fie brauche fürs Leben, wenn ich glücklich leben fol. Heißt 
denn das fchon gut fein, wenn man fein Schuft ift? Und ein 
Schuft wäre ich ja, wenn ich das Mädchen anders befigen 
wollte ! 


Frau Shmalenbad 
Sei’n Sie doch jut, fein Sie doch man wieder jut. 


Auguft 
Rommt doch endlich zu der Einficht, daß Ihr Menfchen feid, 
fo gut wie wir, und daß das elende Geld feinen Anterſchied 
zwifchen Menschen macht! Lernt doch ftolz werden! Wenn Ihr 
ſtolz wäret, würdet Ihr nicht neidisch fein und wenn Ihr nicht 
neidifch mwäret, würdet Ihr nicht mißtrauifch fein! 


70 Die Haubenlerche 





Frau Shmalenbad 
(finft wieder in den Stuhl und fängt wieder an zu weinen) 


Tragen Sie's mir doch nich fo nah — ich bin ja eine 

dumme, unjebildete Frau. 
Auguft 

(erfchrickt, da er die Wirkung feiner — kommt raſch und ſetzt ſich wieder 

Nicht doch — nicht doch — es war ja nicht böſe ge— 
meint — er ſtreichelt ihr Hände und Geſichh nu — nu — nu — 
(für fih) der verdammte Eifer, in den ich mich immer gleich binein- 
rede. Eauth Es Fam Ihnen ein bißchen überrafchend — das 
ift ganz erflärlih — aber nun jagen Sie mir einmal ganz 
ruhig: ift eg Ihnen recht? Wollen Sie mir die Lene zur Frau 
geben? 


Frau Schmalenbad 


Ach Jott, was fol ich Ihnen denn darauf erwidern? Eine 
folhe Ehre für uns — 


Auguft (fährt wieder auf) 


Ach was Ehrel Das will ich ja nicht — (er unterbricht fich) 
na — es iſt jchon gut — (aßt ihre Sand) fol das die Hand der 
Lene fein? Geben Sie fie mir? Aus freiem, willigem Herzen? 


Frau Schmalenbad 


Wenn Sie denn wirklich) meinen — und es — wirklich 
dabei bleiben ſoll — 


Auguft 
Das babe ich Ihnen doch nun aber fchon zehnmal gejagtl 


Frau Schmalenbad- 
Na dann — als wie von meine Geite — ja doch, ja. 


Auguft 
(fpringt auf, nimmt ihren Ropf in beide Hände, küßt fie auf die Stirn) 


Na endlihl So ift es recht! 


Frau Schmalenbach (verlegen lächelnd) 
Uber — Herr Aujuft —? (Sie wi feine Hand ergreifen und küffen) 


Zweiter Akt 71 





August (lachend) 


Was? Was ift das? Warten Sie, jest kriegen Gie zur 
Strafe noch einen! (Küßt fie noch einmal) 


Frau Schmalenbach 
Darf ich denn nu noch mit meinem Schwager Tprechen? 


Auguft 
Mit dem Vormund? Das verfteht fich von felbit. 


Frau Shmalenbad 
Und denn — mit der Lene? 


Auguft 

Freilich follen Sie mit der Lene Sprechen, und reden Sie 
ihr ein bißchen gut zu — ja? Wollen Sie's fun? Nachher 
fomme ich ſelbſt — fie wird ein bißchen erſchrecken — meinen 
Sie nicht auch? Aber das fchadet nichts, das geht vorüber — 
und zu fürchten braucht fie fich nicht — fie ſoll's gut haben, 
fagen Sie ihr das — (er redt die Arme) o — fie ſoll's gut haben! 
(Er geht an die Tür rechts, reißt fie auf) Herr Schmalenbach ! 


Dritter Auftritt 


Borige. Ale (kommt von rechts zurück) 


Auguſt 
Kommen Sie herein, Herr Schmalenbach; Ihre Schwägerin 
wird Ihnen erzählen, was wir miteinander geſprochen haben, und 
Sie ſollen Ihren Senf dazu geben und — und — (er ſchlägt Ale 
auf die Schulter) na und nun zeigen Sie, daß Gie ein verftändiger 
Mann find — auf Wiederfehn, Frau Schmalenbach, auf Wieder- 
fehn! «Geht rechts ab) 


Ale 
(fteht mitten im Zimmer, fieht Auguft nach, wendet fich dann zu Frau Schmalenbach) 


Na — nu? 


Frau Schmalenbach 
Jott, Ale, was werden Sie fagen? 


— Die Haubenlerche 





Ale 
Der ſah ja aus, als hätt' er einen hinter die Binde jekippt? 
Was is denn los? 


Frau Schmalenbach 
Raten Sie doch bloß mal. 


Ale 
Hat er Ihnen Rätſel aufjejeben? 


Frau Schmalenbach 
Es kommt doch faſt fo 'raus — er will, daß die Lene — 
(unterbricht fich) nee, ich jage — 


Ale 
Sie fagen ja nifcht. 
Frau Shmalenbad 
Seine Frau fol fie werden! 


Ale (fieht fie groß an, fängt an fchweigend zu grinfen) 


Frau Shmalenbad 
Na, wat fagen Sie denn dazu? 


Ale 
Nehmen Sie's nicht übel — nu iS es bei Ihnen wohl von 
die Beene in den Ropp geftiegen? 


Frau Shmalenbad 
Sp wahr id bier fige, er will fie heiraten. 
Ale 
Na ja — ich verftehe — | 
Frau Schmalenbach 
Was? 
Ale 


Was man fo bei die Reichen und die Vornehmen heiraten 
nennt: morjennatjchich. 


Frau Schmalenbad 
Was is denn das? 


Zweiter Alt | DR... 





RE Ale 


Das is: an die linke Hand, daß die Nechte nich weeß, was 
die Linke tut und immer hübſch frei bleibt, wenn die Rechte 
fommt. Und darum beeft das fo, weil diejenigen, welche uf die 
Weiſe jeheiratet werden, heute lachen und morjen naatjchen. 


Frau Shmalenbadh 


So is es aber nich; das hab’ ick zuerjt auch gedacht, aber 
fo will er e8 nich machen; er will das Mädchen heiraten, janz 
richtig und reell. 


Ale 


Sp wie Sie dunnemals ſich mit meinem Bruder verheiratet 
haben? Janz veritabelmang ? 


Frau Shmalenbad 
Janz veritabel. 


Ale 
Dunner—ftag und Freitag | 


Frau Shmalenbad 
Ja — nicht wahr? 


Ale 
Willen Sie denn, was Sie denn find? 


Frau Shmalenbad 
Was denn? 


Ale 
Eene Schwiegermutter. 


Frau Shmalenbad 
Na natürlich. 


Ale 


38 jar nich natürlich. Nich die Schwiegermutter von fo 
oder fo eenem, jondern von fo eenem, heeßt das, von einem 
fchauderhaft reichen Mann! (Er geht auf und ad) Herr Gott, ig 
das 'ne Jeſchichte! IS das ’ne Sefchichte! «Er bleibt vor ihr ftehen) 
Nu laffen Sie fich bloß mal anfehen, wie Sie eigentlich aus- 
fehen ? 


74 Die Haubenlerche 





Frau Schmalenbach 
Wie fol ich denn ausfehn? 


Ale 


Merken Sie e8 denn jar nich, daß Gie bis über die Obren 
ins Zeld drin fißen? 


Frau Shmalenbad 
Es i8 wirklich wahr. 


Ale 
Nu können Sie fich anfchaffen, wozu daß Sie Luft haben. 
Und een Paar neue Beene können Sie fich och koofen. 


Frau Schmalenbadı 
Na — was das anbetrifft — 


Ale . 
Wenn ich’s Ihnen fage — merken Gie denn nu, was er 


damit jagen wollte, daß Sie den Sommer eine Rur brauchen 
follten ? 


Frau Schmalenbad 
38 wahr, da bat er ſchon dran jedacht. 


Ale 

Nu mal ’ran mit die Bäder und mif die Ärzte! Nu haben 
Sie Jeld, und für Seld kriegt man heutzutage alles, ſag' ick 
Ihnen. Sehn Sie, da ſind in Berlin Arzte, die ſind fo jefchickt, 
wenn zu denen eener fommt und bat ein Loch im Ropp wie 
eine Wafchfchüffel, ſchad't nifcht — fie heilen’s ihm zu, daß ein 
Gelehrter draus wird. Nur Jeld muß man mitbringen ing Port- 
monnäh. Da wird jar nich jefragt „wo fehlt's?“ fondern nur 
„baben Sie Jeld?“ Ja? Na denn is allens abgemacht. Me? 
Na denn adje, grüßen Sie Murmeljöh. 


Frau Shmalenbad 
Jott, Ale, ſieht's denn wirklich fo aus in der Welt? 


Ale 
Wenn id’8 Ihnen ſage — ick kenne die Sorte mit's jroße 
Portmonnäh. Es find Afer, die Reichen, Üfer ſag' ich Ihnen! 


Zweiter Akt 75 





Frau Shmalenbad 
Das Sollten Sie doch aber nich jagen; Sie Friegen doch nu 
auch Geld. 


Ale 
Als wie ide? 


— Frau Schmalenbach 
Na — Sie ſind doch ihr Onkel? 
Ale 
Das is ja aber och wahr — daran hatte ick ja noch jar 
nich gedacht? Er kann doch den Onkel von feine Frau nich 
mang die Lumpen fisen laffen? Dazu fenn’ ich den Mann zu 
jut; das tut der Mann nich; wer weeß, er macht mich am Ende 
zu feinem Rompanjong? 
Frau Schmalenbad 
Nu, man jachte, man achte. 


Ale 
Sch kenne den Mann — laflen Sie jut jein — na denn 
freuen Sie fih, Herr Ilefeld, Sie follen etwas erleben; mehr 
fage ich nich! 
Frau Shmalenbad 
Sott — Ale — der Slefeld —? 


Ale 
Na was? 
Frau Shmalenbad 
Wenn ich man erft wüßte, was das Mädchen dazu fagen 
wird? 
Ale 
Was das Mädchen? — Na Sie find wol nih —? Was 
das Mädchen — ne fo was — 


Frau Schmalenbad 
Sie hat ihren eigenen Ropp. 


Ale 
Ach wat Ropp — die Köppe find dazu da — daß fie — 
daß fie zurechtgeſetzt werden. 


nd De DONBenieene 





Frau Schmalenbach cblidt nach dem Fenfter) 
Da kommt fie gerade an. 


Ale dest fich) 
Dann laffen Sie mir man mit ihr reden. 


Frau Schmalenbach 
Ma ja, reden Sie man. 


Vierter Auftritt 


Lene (von rechts zu den Vorigen) 


Lene (geht auf die Mutter zu, küßt fi) 
Tag, Mutter. Reicht Ale die sand) Tag, Onkel Ale. 


Ale 
Na meine Tochter — nu feß’ dir mal. 


Lene 
Jott, Mutter — was i8 denn mit Onfeln? Der macht ja 
ein Gefiht — ? 
Ale 


Du kannſt och ftehn, wenn dir das lieber is — wir haben 
was mit dir zu reden. 


gene 
Das Elingt ja wie in die Kirche? 
/ Ale 
Is auch was Ernites. 

gene 


Man los, ich hol’ mir bloß meine QUrbeit. (Sie gebt an die 
Kommode, nimmt eine Näharbeit heraus, jegt fich Damit an die Seite der Mutter) 


Ale 
Es iS nämlich — jemand dajewefen. 


Lene 
So? Wer denn? 


Ale 
Und hat nach dir gefragt. 


Zweiter Akt 77 





Lene 
Wer denn? 


Ale 
Wirſt du jleich erfahren. Und — hat mit Muttern jeſprochen. 


Lene (blickt der Mutter nah ins Geſicht) 
Bon wegen — mir? 


Frau Schmalenbad 
a, von wegen dir. 


Lene 
(beugt fich über die Mutter, blickt ihr Lächelnd tief in Die Augen) 


Na — Mutter? 


Frau Shmalenbad 
Hm? 


gene 
(breitet die Arme um die Mutter, legt ihr Haupt an deren Bruft) 


38 er denn alfo dagemwefen ? 


Frau Shmalenbad 
Wer, meint du denn? 


Lene 
Aber — Mutter — (fie verbirgt, leiſe kichernd, tief errötend, ihr 
Gefiht am Halſe der Mutter) 
Ale 


Wie ick alfo ſage — der Herr Aujuft war da. 


Lene (richter fich auf) 
Der Herr Aujuft? 


Ale 
Wer denn jonft? 

Lene 
Was hat denn der gewollt? 

Ale 


Na — du haft’s ja gehört? 


78 Die Haubenlerche 





Lene 
Was fol ich denn gehört haben? 


Ale 
Daß er mit Muttern gefprochen bat. 


gene 
Der war’? Was will er denn von mir? 


Ale 


Das is ja nun eben das, worum daß es fich handelt. 
(Romme zu Frau Schmalenbach heran Ob ick's ihr nu ſage? 


Frau Schmalenbach (eiſe zu Ale) 
Sp reden Sie doch. 


Ale 
Na ja fiehfte, die Iefchichte iS ja janz einfach. Es jibt 
Menſchen mit'n jroßes Portmonnäh und Menfchen mit’n Eleenes 
— das verjtehft du doch? 


Lene (acht) 
Wenn il mir Mühe gebe, — werde ick das wol verftehn. 


Ale 


Und wenn nu eener von die erjte Sorte zu eenen von die 
zweite Sorte fommt und zu ihm jagt: genieren Gie fich nich, 
mein Portmonnäh is von heut” ab das Shrichte — na — denn 
wäre der von die zweite Sorte doch'n rechter Dämelack, wenn er 
fih das zweimal jagen ließe? Wat meenite ? 


Lene (acht) 
Das is doch Kar. 
Ale 
Ja — das is Klar. 
Lene 
Tut denn der Herr Aujuft das? 
Ale 


Das is e8 ja nu eben, worum daß es fich handelt — 
(eliett wieder zu Grau Schmalendah) Ob ick's ihr nu fage? 





Zweiter Akt 79 





Frau Schmalenbach (teife) 
Machen Sie doch man zu. 


Ale 
Und wenn nu bei die zweite Sorte eine olle Happrige Frau 
i8, die uf ihre Beene nich jehn und nich ftehn fann, und die 
aber jefund werden würde wien Wiefel, wenn der von die erfte 
Sorte nachhülfe mit's jroße Portmonnähb — na — denn i3 e8 
doch exit recht Har, daß man der ollen Frau das zuliebe tun 
muß. Wat meenfte 


gene 
Geht denn das auf mi? 

Ale 
Auf wen denn fonft? 

Lene 


Mir bat doch aber der Herr Aujuft fein Portmonnäh nicht 
angeboten. 


Ale 
Srade hat er. 
gene 
Mir —? 
Ale 
Wem denn fonjt? 
Lene 
Uber Onkel — nu weeß ich wirklich ni — 
Ale 
Herrjott, Mädchen — merkſt du's denn immer noch nich? 
Lene 
Was denn? Was? 
Ale 


Daß der Herr Aujuft dir heiraten will? 


Lene 
(fieht ihn verblüfft an, wendet fich zur Mutter) 


Mutter — Onkel iS wol nich recht? 


80 Die Haubenlerche 





Frau Shmalendbahb = 
Ne — 08 is janz wahr und richtig, was er jagt. 


Lene (fpringt auf und bricht in fchallendes Gelächter aus) 
Hahahahaha!l (Sie läuft lachend im Zimmer auf und ab) Haha— 


hahaha! 


Ale (gu Frau Schmalenbach) 
Nu hören Sie ſo was. 


Frau Schmalenbach (zu Ale) 
Hören Sie ſo was. 


Lene (kommt zurück) 


Ich tu’ mir ja noch 'nen Schaden vor Lachen. Na — 
Mutter — nu ig e8 aber mit dem Spaß jenug. 


Frau Shmalenbad 


Sch weiß aber jar nich, Mädchen, wie du bift; wer red’t 
denn von Spaß? 


Ale 
Sleich kommt er felbft und heiratet dir vom led weg. 


Lene (fteht mit weit aufgeriffenen Augen) 
Er fommt — jelbit? 


Frau Shmalenbad 
Jeden Augenblid muß er kommen, 


gene 
Denn aber mit ’n Heidi — (fie will nach rechts hinauslaufen, Ale 
tritt ihr in den Weg) 
Ale 
Du bit wohl nich jefund? 


gene 
Was fol ich ihm denn aber fagen, wenn er kommt? 


Ale 


Du wirft doch nich fo aufn Kopp jefallen fein, daß du 
das nicht weißt? 


Zweiter Akt 81 





gene 


Ne, wahrhaftig, ich weiß nich. 


Ale 
Na — zum Beifpiel — alſo — du fagft — Herr Aujuft, 
fagit du, es is mir eine jroße Ehre — oder — na aber was 
is denn da überhaupt ville zu reden, wenn du nur ein Wort 
zu jagen braucht. 
Lene 
Das id ja wahr, aber ihm fo ſchlankweg ins Geficht „ne“ 
zu lagen, und nichts weiter dazu, das paßt fich doch 9 
Bei einem ſolchen Mann? 
Ale 
Ne? Du willſt ihm — „ne“ ſagen? 


Lene 
Na aber — was denn ſonſt? 


Ale gu Frau Schmalenbach) 
Nu hören Sie ſo was! 


Lene Glickt von einem zum andern) 


Ma aber — was denn? Wie denn —? Mutter, um 
Gottes willen, fo red’ doch nur ein Wort? 


Frau Schmalenbach 
Ich fage nichts dazu — ich fage nichts dagegen. 


Lene 
Nu wird mir aber doch himmelangit. Etwa? —? Daß 
ih? Mutter, i8 denn das dein Ernft? 


Frau Shmalenbadh 
Sch hab’ dir meine Meinung gefagt. 


Lene (drückt Heide Hände an den’ Kopf) 
Herrjott, Herrjott ! 


Ale 
Wenn jemand in die Lotterie fpielt und er jewinnt’3 jroße 


Los — na, denn iS das was. Wenn aber jemand nich in die 
Dramen X 6 


82 Die Haubenlerche 





Lotterie fpielt und er jewinnt’s jroße Los doch, denn is das 
riefig; und fo is e8 mit dir, 


Lene 
Mir wird ganz dumm — mir wird wahrhaftig ganz dumm. 


Frau Shmalenbad 
Na fieh mal, Lene, das mußt du aber doch felber jagen, 
daß er ein juter Mann is. 


Ale 


Und wenn ein Menſch Jeld bat, denn is das jar Fein Un— 
recht und ein Unglück noch viel weniger. Und einen reichen 
Mann feine Frau — na das is eben och ’ne reiche Frau. 


Lene (ladet auf) 
Als wie ich? 


« 


Ale 


Na jewiß. Und wenn du ihn nimmit, denn jchidt er 
Muttern ins Bad. ' 


Lene (blickt auf die Mutter) 
. Dat er das gejagt ? 


Ale 


Na jewiß. Und denn kriegt Mutter wieder neue Beene 
und wird wieder jefund, 


Lene 
(blickt ftumm auf Die Mutter, die Tränen rinnen ihr über die Wangen) 


Ale 
Und denn wird Mutter wieder wie ene junge Frau. 


Lene 
(ftürzt jählings zur Mutter, kniet vor ihr nieder, wirft Die Arme um fie) 


38 das wahr, Mutter? Is denn das wahr? 


Frau Schmalenbad 
Soft, ſiehſt du, Lene, in die Bäder follen ja ſchon Todkranke 
wieder jefund jeworden fein, und nu is doch ſo'n Bad ’ne teure 
Sefchichte, und wir find doch nu einmal fo arm — 


Zweiter QUft 83 





Lene * 
Das i8 ja alles richtig — da läßt fich gar nichts gegen 


fagen — aber — ac Mutter — ah Mutter — (fie fchluchzt und 
weint und birgt ihr Haupt im Schoße Der Mutter) 


(Paufe) 


Lene 
Und denn wirft du wieder jefund? Lnd haft keine Schmerzen 
mehr? And kannſt wieder gehn wie alle andren auch? Und das 
is gewiß? Das iS ganz gewiß? 


Frau Shmalenbad 
Ja, Ale meint doch fo. 


Lene (in Gedanken verfintend) 

Das wäre ja wunderfhön. Uber ich — dem Herrn Aujuft 
feine Srau? Das is doch Unfinn, das kann ich mir ja jar nich 
denken — (fie Holt das Tafchentuch hervor) und denn — (fie drückt das Tafchen- 
tuch an die Augen und flüftert unter Tränen in fich hinein) Denn 18 ja nu alles 
aus — alles aus, 


Ale dft ang Fenfter getreten) 
Nanu die Ohren fteifz nu fommt er. 


Frau Schmalenbad 
Der Herr Aujuft? 


Lene 
(wiſcht fich rafch Die Augen ab, jpringt auf) 
Ach du allmächtiger Jott — (fie ftürzt an die Tür lints) 


Fünfter Auftritt 
August (kommt von rechts, Er trägt einen Keinen Strauß von ausgefucht ſchönen 
Rojen in der Hand) 
Auguft _ 
Nein, Helene, gehen Sie nicht davon. 


gene 
(Hält die Hand auf der Türkflinfe, beugt Das Haupt auf Die Hand nieder) 


Auguft 
(ift Hi8 in Die Mitte des Zimmers gelommen) 
Kommen Sie, geben Sie mir die Hand. «Er ftredt die Rechte 


nach ihr aus) 
6* 


84 | Die Haubenlerdhe 





gene 
(ſchüttelt ſtumm das Haupt und drüdt das Geficht tiefer in Den Arm) 


Auguft 
Fürchten Sie ſich doch nicht, Helene; ich tue Ihnen nichts 
zuleide. 


Lene 
(löſt ſich langſam von der Tür, kommt abgewandten Hauptes zu ihm heran und 
legt zitternd ihre Hand in die ſeinige) 
Auguſt 
So kalte Hände — und geweint haben Sie auch. 


Lene 
(wiſcht mit der freigebliebenen Hand übers Geſicht) 


Ne — me — 
Auguft 
Ich ſeh's ja; es ift ja auch ganz natürlich. Lenchen, mein 
liebes, liebes Rind — nun foll e8 die Aufgabe meines Lebens 
fein, dafür zu forgen, daß Sie nie mehr zu weinen brauchen, 
wenigfteng nicht aus Gram, den Ihnen Menfchen bereiten — 
Eene fteht vegungslos, geſenkten Sauptes), nehmen Gie die Blumen 
bier — ja? Bitte, (Er Hält ihr die Rofen hin, Lene hebt zögernd die Hand, 
nimmt die Roſen) 
Auguft 
Machen fie Ihnen Freude? 


Lene (fieht auf die Blumen nieder, haucht) 
Sa — Dante. 


Auguſt (breiter Die Arme aus) 
Lenchen, fomm zu mir — laß mich die Arme um dich 
fchließen und mein Herz fröhlich werden an deinem jungen, ge= 
liebten Leben — (er tritt auf fie zw Lenchen, fomm zu mir! 


> 


gene 


(läßt beide Arme am Leibe — Seas und duldet fchweigend, daß er fie in die 
Arme fchließt) 


Auguft 
Warum zitterft du denn? 


Lene (leife, qualvoll gepreßt) 


Sch fürchte mich jo — 


Zweiter Akt 85 





Auguft 
Bor mir? 


Lene 
Ich — weiß nich — fo vor dem allen — 


Auguft 

Bor dem allen? Vor der Zukunft? 
Lene 

Das is es vielleicht — ich kann's nich fo fagen. 
Auguft 


Trauft du mir denn jo wenig? Sitzt da nicht deine 
Mutter? Würd’ ich in ihrer Gegenwart fo zu dir fprechen 
fönnen, wenn ich’S nicht ehrlich, wenn ich's nicht gut mit dir 
meinte? j 

gene 
(richtet Die Augen auf die Mutter, ſtürzt zu ihr und birgf ihr Haupt an ihrer Bruft) 


Ach Mutter — Mutter — 


Frau Schmalenbach 
(beugt fich über fie, flüftert ihr unter Tränen zu) 


Hör’ doch bloß an, wie er fpricht. 


Lene (flüftert in den Bufen der Mutter hinein) 
Das is ja wahr — das is ja alles wahr — (fie wifcht fich 
mit dem Tafchentuch die Augen, ftreckt Die Hand gegen Auguft aus) ach fein 
Sie nur nich böfe — ich — bin ja fo einfältig — 


Auguft 
(ergreift ihre Hand mit beiden ng pen fie zu fich empor, mit leifem jeligen 
achen 


Du Närrchen, du liebes, einfältiges Närrchen! Das fchadet 
ja nichts, das — ift ja grade fo ſchön! Sei einfältig — ſei 
töricht — fei was du willft — und wenn's darauf ankommt, 
fei dumm, dumm, dumm — nur glaub’ mir, Lenchen, daß ich 
es gut mit dir meine; befjer als ein Menſch auf der ganzen 
weiten Welt! Willft du mir das glauben? Willſt du? 


Lene (fieht ihm zum erftenmal ins Geficht) 
Wahrhaftigen Gott, ja, das glaub’ ich Ihnen, Herr Aujuft. 


86 Die Haubenlerche 





Au gu ſt (aufjauchzend) 

Helene! — Hat deine Mutter dir denn geſagt, wie ich dich 
brauche? Daß du der Sonnenſchein biſt für mein Herz und 
meine zwitſchernde Lerche an jedem neuen Tage, den Gott mir 
werden läßt? Komm — mir zuliebe — ſing' mir dein Lerchenlied. 


Lene 
Das Lerchenlied —? 


Auguſt 
Nu ja, das du des Morgens früh immer ſingſt — wie 
fängt es an? „Reich bin ich nicht —“ 


Lene (ſchwach lächelnd) 
Ach ſo — ab — ne ne — 


Auguft 
Komm, fing’s doch! 


Lene 
Es — jeht nicht. 


| Frau Schmalenbad 
Wenn er dich doch darum bittet? 


Lene (werfucht zu fingen) 


„Reid — bin ich —“ Per Ton bricht heifer in ihrer Kehle ab) 
fehben Sie — e8 gebt wirklich nich. 
Auguft 


Duäle dich nicht, der Gefang wird wiederfommen, wenn du 
erſt ruhig geworden bift; werde nur ruhig, Lenchen; komm, fe’ 
dich, ſetz' Dich zu mir. (Er ſtellt zwei Stühle nebeneinander, jegt ſich auf 
den einen, zieht Lene auf den andern nieder) ft dag denn recht, daß du 
dich fürchteft? Bin ich denn fo ſchrecklich? Bin ich denn mit 
einem Male ein anderer geworden? 


Lene 
Mir is doch beinah fo. 


August 
Uber wenn ich dir fage, daß ich derfelbe bin, der ich 
immer war? 


Zweiter Akt 37 





Lene 
Das alles — das fühle ich ja — aber — ach Herr Aujuft, 
es i8 doch nich möglich! 


Auguft 
Warum denn nicht? 


Lene 
Weil — weil — ich doch zu unjebildet bin für Gie. 


Aug uft deife, innig lachend) 
Siehft du, nun muß ich lachen, und weißt du, es gibt ein 
Wort, wenn du das aussprichit, bift du für mich die gebildetite 
Stau von der Welt. Soll ich’8 dir fagen? 


Lene 
Ein — Wort? 
Auguft 
Du kannſt es mir auch ganz leife jagen, daß fein anderer 
es hört; fo fprich: ich bin dir gut, 


gene 
Ach — Herr Aujuft — 
; Auguft 
Sp mußt du mich aber doch jest nicht mehr nennen. 
Lene 
Wie fol ich denn —? 
- Auguft 
Sch hab’ dich „du“ genannt, nun mußt du mich auch „du“ 
nennen, 
Lene (rüdt von ihm ab) 
Mein — nein, das kann ich nich ! 


August (Hält fie an der Hand feft) 
Helene —? 


Bene 


Nich um die Welt! Nein, nich um die Welt! Eie macht 
Miene aufzufpringen) 


88 Die Haubenlerche 





Auguft (Hält fie zurüc) 

Lenchen, fei ruhig, ängftige dich nicht. Glaub’ mir, ich 
verſtehe dich beſſer, als du dich felbft. Siehſt du, Lenchen, das, 
wovor du zittert und bangft, davor zittert jedes Mädchen, wenn 
ihm gejagt wird, daß es einem Manne angehören fol. Und bei 
dir kommt nun noch hinzu, daß du dir einbildeft, ich ftände über 
‚dir, und zwifchen uns wäre eine Kluft, und da müßtelt du bin- 
durch, und davor fürchtejt du dich — aber gut — mir wollen 
einmal denken, es wäre jolch eine Kluft da — weißt du, wie 
wir’8 machen? Ganz einfach: du fpringft drüber weg; ich gebe 
dir die Hände — an denen hältit du feit, tüchtig feſt — dann 
machen wir „bopp“ — (er faßt leidenfchafflich ihre beiden Hände; fie lächelt 
teie) fiehjt du, du lächelſt ſchon — Frau Schmalenbach, paſſen 
Sie auf: fie nimmt fchon den Anlauf — gleich wird fie fpringen! 


Ale 
Mit 'n Heidi. 


Lene (acht auf) 
Der Onkel Ale — 


August (pringt auf) 

Was hab’ ich gejagt! Sie ift gefprungen! Nun ift fie 
berüber, ift nicht gefallen, nicht einmal geftolpert! Nun ift fie 
bei mir, nun half’ ich fie — (er umfchlinge fie mit beiden Armen) für 
immer — für ewig — ab — 

Lene 
(liegt willenlos, totenblaß in feinen Armen; haucht) 
Ach — du mein Iott. 


Auguft 
Und Onkel Ale hat geholfen — Er ſtreckt ihm die Sand zw geben 
Sie mir die Hand, Onkel Ale, das haben Sie gut gemacht! 


Ale (tritt heran, gibt ihm die Hand) 
Herr Aujuft — ick hab's dem Mädchen jleich jefagt — nu 
wird fies wohl jlauben. 
August 
Was haben Sie ihr gefagt? 


Zweiter Akt 89 





Ale 
Daß fie das jroße Los gezogen bat. 


Auguft 
it das fo, Lenhen? Glaubt du das? Gagft du nichts? 
Nein, jest ſollſt du es auch noch nicht jagen, jest kannſt du es 
noch nicht willen. Uber übers Jahr — 


gene 


Übers Jahr — 


Auguft 
Ja, Lenchen, übers Jahr, wenn du dich daran gewöhnt haben 
wirt, meine Frau zu fein, da will ich’8 dich wieder fragen. Uber 
nicht, ob du das große Los gezogen haft — nein, ob du zufrieden 
bijt, will ich dich fragen, ob du es warm haft im Leben — und 
das weiß ich fchon jet, das verfprech’ ich dir, das ſchwör' ich 
dir: warm wirft du wohnen, Lenchen; ja, Lenchen, ja — 


gene 
(hebt das Haupt, fieht ihm ins Geficht, ſchüttelt Ieije, ftaunend das Haupt) 


Wie jut Sie find. 


Auguft 

So — fo — fo ift es recht, fo ift es gut — fo lehne dich 
an mich — denn dazu bin ich da, daß ich dich halte, dich ftüge 
— o du mein alles, mein liebes, liebes Herz — und nun mußt 
du Dich ruhen — (er läßt fie wieder auf den Stuhl nieder) es greift dich 
an — Grau Schmalenbach — Sie müffen mir dafür forgen, daß 
unjere Lerche bald ing Neft fommt, damit fie morgen, wenn es 
Tag wird, wieder fingen kann und die Menfchen aufwecken kann 
zu Luft und Sröhlichkeit! Wollen Sie's tun, Frau Schmalenbach ? 


Frau Shmalenbad 
Ja, ja, Herr Auguft. 


Auguft 
(geht auf fie zu, nimmt ihren Kopf zwiſchen beide Hände) 
Ach was „Herr Auguſt“ — hier ift fein „Herr Auguft“ 
mehr — Mutter Schmalenbach, alte, liebe Mutter! . «Er küußt fie 
auf den Kopf) Onkel Ale — geben Gie mir die Hand, Onkel 


90 Die Haubenlerche 





Ale! — (Schüttele ipm die Hand, ftrecit beide Arme aus) D Menichen, 


Menſchen — wie bin ich glüclich | «Er ergreift den Hut, geht eilend 
nach rechts ab) 
(Paufe) 


(Lene bat die Arme auf den Tijch gelegt, Das Haupt auf die Arme; es ift inzwijchen 
faft Dunfel geworden) 


Frau Schmalenbad 
Weißt du, du follteft nu man zu Bett gehn. 


Lene (richter ſtch auf) 
Will ich auch — ich bin wie zerſchlagen an alle Glieder. 
(Sie ſteht auf, zündet eine Petroleumlampe an, Die auf Der Kommode ftebt, ſetzt fie 
auf den Siih) ES ift ja wohl fchon ganz ſpät geworden. (Sie nimmt 


ihre Näbarbeif auf, geht damit an Die Kommode, Öffnet das Schubfach und legt die 
Arbeit hinein; indem fie Damit befchäftigt ift, finfen ihr plöglich Die Hände nieder, 


fie blickt ftarren Auges auf die Tür) Da is er! — (Sie läßt das Schubfach 
offen ftehn und tritt rafch, als wenn fie fich fürchtere, in Die Mitte des Zimmers 


hinter den Tiſch) 
Ale " 
Wer? 


Lene (die Augen auf die Tür gerichter) 
Nu kommt er. 


Frau Schmalenbach 


Wer denn? 
Lene 
Mu kommt er, (Ein Klopfen an der Tür rechts) 
Ale 
Ach fo — 
Lene 
Onkel — jeh’ doch man 'raus zu ihm. 
Ale 
Warum denn? 
Bene 


Daß er nich ’reinfommt, Onkel; es is doch befler, Onkel. 
(Abermaliges Klopfen) 


Ale 


Ach, quatfch. au) Kommen Sie man ’rein, (eiſe) Herr 
Slefeld. | 


Zweiter Akt 91 





Sechſter Auftritt 
Borige. Paul Slefeld (erjcheint in der Tür rechts) 
Lene (ftürzt auf die Tür links zu, fchreit auf) 
Kein! (Reife die Tür auf, läuft links hinaus, wirft die Tür Hinter fich zu) 


Ilefeld 
@er jeinen Sonntagsanzug angezogen hat, tritt verblüfft herein) 


Zuten Ubend auch. 


Frau Shmalenbad 
Ju'n Abend, Herr Slefeld. 


Slefeld (mit den Augen auf die Tür links deutend) 
War — das —? 


Ale 
Wer wird's fonft gewefen fein? 


Ilefeld 
Was — is denn los? 


Ale (geht an die Kommode, ſchiebt das Fach zu) 
Na, was wird los fein? 


Frau Schmalenbad 
Nehmen Sie doch Plas, Herr Ilefeld; was verfchafft ung 


denn die Ehre? 


Ilefeld 
(noch immer verwirrt, ſetzt ſich auf den Stuhl, auf dem Lene geſeſſen bat) 


Warum — daß ich fomme? Ja — hm — ſehen Sie — 


(er bemerkt die Rojen, die Lene hat zu Boden fallen laſſen was liegt denn 
da? Er Hebt die Roſen auf) Das find ja Rofen? Wo kommen 
denn die ber? Die jehn ja aus, wie aus ’n berrfchaftlichen 
arten? 


Ale 
a, nich wahr? 
Ilefeld 
Wem jehören denn die Roſen? 
Ale 


Na, wem werden Sie jehören. 


92 Die Haubenlerche 





Stefeld 
(zu Frau Schmalenbadh, mit dem Kopf nach links Deutend) 


Ihr? 
Frau Shmalenbad 
Als wie meine Tochter? Ja. 


Slefeld 
Hat fie ſich — denn die — ſelber abgefchnitten ? 
Ale 
Manu? Seit wann wäre das denn Mode? 


Frau Schmalenbadh 


Ne, Herr Zlefeld, fo was brauchen Sie von meine Tochter 
nich zu denken. 


Ilefeld 
Aber denn — muß ſie ihr doch wer jebracht 
Ale 
Des ſtimmt. 
Ilefeld 
Wer denn? 
Ale 
Na vermutlich, dem ſie jehören. 
Ilefeld 


(ſtarrt Frau Schmalenbach fragend ins Geſicht) 


Frau Schmalenbach 
Der Herr Aujuſt hat ſie ihr jebracht. 
Ilefeld | 

Der Herr — Aujuft? 


Frau Shmalenbad 
Es ift doch fein Unrecht nich? 


Ilefeld 


Ein Unrecht — ein Unrecht — aber — das is alles ſo 
komiſch hier? 


Zweiter Akt 93 





Frau Shmalenbad 
Wie denn jo? 
Ilefeld 
Erſt das Wegjelaufe und nu ſind Sie beide ſo — wie ſoll 
ich ſagen — ſo hinterhaltig. 


Frau Schmalenbach 
Sie brauchen aber nichts Unrechtes zu denken, Herr Jlefeld. 


Slefeld (fteht mit einem Ruck auf) 
Na, jo jagen Ste endlich, was is denn eigentlich los? 


Ale... 
Was wird denn weiter fein? Das Mädchen hat fich verlobt. 


Ilefeld 
Ber—Iobt? 


Ale (drummend) 
Haben Sie was dajejen? 


Slefeld 
Mit wen denn? 
Ale 
Mit dem Herrn Aujuft. 
Slefeld 


Ach Sie — mit Ihre fchlechten Wise — 
Ale (grinfend zu Frau Schmalenbach) 
Nu denkt der, ich mache Wie. 


Slefeld (u Frau Schmalenbadh) 
Das is doch aber Unſinn? 


Frau Schmalenbad 
Ne, warum denn? | 
Ilefeld 
Der Herr — Auguſt —? 


Frau Schmalenbad 
Es i8 doch Fein Unrecht nich? 


94 | Die Haubenlerche 





Slefeld 
Derlobt —? Damit daß er fie heiratet? Nichtig heiratet? 
Ale 
Na wie denn fonft? Gei’n Gie fo jut, 
Frau Shmalenbad 
Das müſſen Sie doch felber jagen, Herr Ilefeld, daß es 
für meine Tochter ein großes Glüd is? 


SIefeld 
(ſteht ftumm da, frocknet fich den Schweiß von der Stirn) 


Frau Shmalenbad 
Sind Sie nich der AUnficht, Herr Stefeld?. 


Slefeld (albtaut murmelnd) 
Freilich — wenn fo einer fommt — 


Frau Shmalenbad 
Ya, nich wahr? And dabei fo ein juter Mann? 


= 


Stefeld 


Wenn er fie heiraten will — denn kann man ihm — nichts 
vorwerfen. 


Frau Schmalenbach 


Und wenn Sie wüßten, wie er ſich mit dem Mädchen hat; 
rein, als wenn er ſie auffreſſen wollte. 


Ilefeld 


(wiegt ſchweigend das Haupt, wendet ſich dann ſchwerfällig zum Tiſche, legt die 
Roſen darauf nieder und greift nach feinem Huf) 


Denn — wird fie’ ja wol jut haben — und denn — will 
id man — jehn. 


Frau Shmalenbad 
Könnten wir denn — mit fonft etwas — 


Slefeld 
Ne — danke. (Er ſteht mitten im Zimmer; in dem Augenblick öffnet ſich 


die Tür links; Lene erſcheint in der Türd Ach jo — (er blickt ſich ſchweigend 
mit Lene an) 


Zweiter Akt 05 





gene’ 


Herr — Ilefeld — Pie Stimme verfagt ihr, fie fängt an, lautlos zu 
weinen) 


Slefeld 
Warum weinen Sie denn? Sch höre ja — man darf 
gratulieren ? (Cr wendet fich zum Abgang) 
Lene (angjtvol) 
Herr Ilefeld — 


Ilefeld (bleibt ftehen) 


Hm? 
Lene 
Sch — wollte nur fragen — (fie bricht ab) 
Ilefeld 
Alſo —? 


Lene (haſtig hervorſtoßend) 
Werden Sie uns morgen wieder beſuchen? 


Ilefeld 
(blickt ſie an, wendet dann das Haupt) 


Wozu denn noch? — Schlafen Sie wohl, Jungfer Schma- 
lenbach. (Cr wendet fich nach der Tür rechts) 


Der Vorhang fällt 


Ende des zweiten Altes 


96 Die Haubenlerche 


Hritter Akt 


Ein Zimmer im herrfchaftlichen Haufe. Der Hintergrund öffnet fich 
Durch eine breite geöffnete Glastür auf eine in den Garten führende 
Treppe von mehreren flachen Stufen, auf welche auch die Zeniter- 
türen der nebenanliegenden Zimmer hinausführen. Uber die Treppe 
hinweg fieht man auf einen Rafenplag, der mit Rofenftöcen be- 
ftanden iſt. Rechts und links im Zimmer vorn find Türen. An den 
Wänden hängen einige Bilder. Links an der Wand ein Sofa. Sn 
der Mitte des Zimmers fteht ein Frühſtückstiſch mit Raffeegefchirr, 
Tellern, Tafjen und fonftigem Zubehör. Es ift früher Morgen. 


Erſter Auftritt 


Juliane (jist an dem Frübftüdstifche und blickt in den Garten hinaus; im Garten 

fieht man) Lene, (die an einem Der Rojenftöce auf dem Raſen Iniet und fich daran 

zu jchaffen macht. Eine Harfe und anderes Gartengerät liegt neben ihr. Gie tft 
anders als in Den erjten beiden Akten, ftädsijch, im langen Kleide, angezogen) 





Zuliane 
(fieht ihr eine Zeitlang gedanfenvoll zu, dann ruft fie, laut und etwas jcharf) 


Helene! 
Lene (pringt haftig auf) 
3a? 
Quliane 
KRommft du nun endlich? 


Lene 
Ya, jawol! (Sie zieht das Tafchentuch, reibt fih die Hände ab, kommt 
über die Treppe herein) 
Zuliane 
Immer Padtierhen? Kannſt du's gar nicht laffen? Das 
Arbeiten und Bafteln? 


7 DERE 
Gefegt aber babe ich nich — wirklich nich. 
Juliane | 
ber geharkt — da liegt ja die Harfe noch. 


Bene 


Nur ein bißchen. 


Juliane 
Und auf dem feuchten Raſen gekniet — mit dem Kleide. 


Dritter Akt 97 





Lene 
Das verjeffe ich immer wieder, 


+ Quliane 
Du mußt aber jest daran denken lernen. 


gene 
Wenn man’s noch fo jar nicht gewöhnt is — (fie Blicke an 
fich nieder) ach Jott — 


Quliane 
Nun? 
Lene 
Da hab’ ick mir wirklich einen Grasfleck jemacht. 


Zuliane 
Siehſt du? 
Lene 
Sch möchte doch gleich gehn, ihn ausmwafchen. (Win nach 
rechts ab) 
Suliane 


Das hilft jest doch nichts. 


Lene 
Wenn man gleich mit Waller — 


Suliane 
Ich fage dir, es hilft jest nichts, nun ſollſt du bierbleiben, 
Set’ dich — wir wollen jest frühjtücen. 
e Lene (jest ſich Juliane gegenüber an den Tifch) 


Suliane (fteht auf, nimmt die Raffeefanne) 
Sch werde dir einfchenfen — du trinkſt doch Kaffee? 


Lene (fpringt auf) 
Sie werden mir doch nich einfchenfen wollen ? 


Zuliane 
Warum nicht? 


Dramen X 7 


98 Die Haubenlerche 





Rene 


Ne ne — das kann ich nich zujeben! (Sie win Zuliane die 
Ranne abnehmen) 


Suliane (ungeduldig) 
Sei doch nicht töricht. 
(Lene jest ſich; Juliane füllt zwei Taſſen) 
Juliane 


Du nimmſt doch auch Milch? (Sie gießt Milch ein) Und da 
fteht der Zucker. 


Lene (nimmt ein Stüc Zucker) 


Suliane 
Haft du damit genug? 


Lene 


Jawol, ja. (Sie beißt ein Stück von dem Zucker ab, nimmt dann einen 
Schluck Kaffee) 


Juliane 
So mußt du den Zucker nicht eſſen, mein Kind. 


Lene Glickt fie ängſtlich an) 


Juliane 
Du mußt ihn in den Kaffee fun und darin zergehen laſſen. 


gene 
Ach To — (fie wirft den Reft, den fie in der Hand hält, in die Taffe 
Suliane 
Nimm dir doch ein frifches Stück. 
gene, 
Sch hab’ ja ſchon eins. 
Suliane 
Mein Gott — ein Stück Zuder — 
gene 


D, wenn Sie wünfchen — (fie nimmt ein zweites Stück, wirft es in 
ihre Taſſe) 
(Paufe) 


ie ar ia nn an 


Dritter Akt 99 





Eene hebt die Obertaffe, gießt fich den Kaffee in die Antertaſſe und trinkt) 


Suliane 
Aber — nicht doch. 


Lene (wie oben) 


Ah —? 


Juliane 


Das ſieht nicht hübſch aus, ſiehſt du; zum Trinken iſt die 
Obertaſſe da — ſo wie ich es mache, ſiehſt du? 


Lene 
(gießt aus der Antertaſſe in die Obertaſſe zurück) 


Entfchuldigen Sie nur — 


Suliane 
Zu entjcehuldigen iſt da nichts; das find alles feine Sünden 
und mit der Zeit wirft du's fchon lernen, — Blick' nur nicht 
fo angſtvoll darein — da nimm dir eine Semmel und if. 


gene 
(greift nach einer Semmel, beißt ein Stücf ab, legt fie wieder hin) 


Suliane 
Sp iß doch! 
gene 
Ich — danke ſchön — 
Zuliane 


Daft du feinen App’tit? 


gene 
Ach — aber — 
Suliane 
Nun? 
gene 
Ih — weiß nid — ich fann nich effen. 
Suliane 


Warum denn nicht? 
7% 


100 Die Haubenlerche 





Lene 
Ich — weiß ja nich — ach Gott — (fie zieht raſch das Taſchen ⸗ 
tuch und fängt an zu weinen) 
Suliane 
ber Kind, was ift denn eigentlich los? Hat es dich ge- 
kränkt, daß ich dir ein paar gute Ratfchläge gegeben babe? 


Lene (chüttelt ftumm das Haupt) 


Quliane 
Du weißt doch, daß ich dir das alles in deinem eigenen 
Interefje ſage? Du wirft mir das doch nicht übelnehmen ? 


3 gene ſchluchzend 
Wer — ſpricht denn — von Übelnehmen? Sie haben 
ja — janz recht — und ich — hab's ihm ja gleich geſagt — 
Juliane 
Was? 


Lene 
Dem Herrn Aujuſt — daß ich viel zu ungebildet bin für ihn. 


Suliane 
Das haft du ihm gejagt? 


Lene 
Aber er hat doch jar nich darauf hingehört — er — bat 
nur dazu gelacht. 


Suliane (für fich) 


Und darum weinft du jest, armes Ding. (Ste laufeht nach lints, 
wendet fich Dann zu en) Hör’ nur auf zu weinen jest, er kommt. 


Lene (fährt angſtvoll zufammen) 
Ach? 
Juliane 
Und er darf dich nicht weinen ſehn. 


Lene 
Mein, nein! GEie wiſcht ſich haſtig das Geſicht ab) 


Dritter Akt 101 





Zweiter Auftritt 
August (komme von links zu den Vorigen) 
Auguft 
(ſieht mit leuchtenden Augen auf Die Gruppe) 


Bravo! Sp gefällt’s mir; das fieht ja reizend aus! Eene 
ift bei feinem Eintritt vom Sige aufgefprungen) Tüchtig gegeſſen und ge⸗ 
trunken, Lenchen? Warum ſtehſt du denn? Biſt du ſchon 
fertig? 


Lene 
Ja, ja. 
Au guſt (etzt ſich an den Tiſch) 
Ah, mir zu Gefallen, ſetz' dich noch ein wenig, leiſte mir 
Geſellſchaft. Eene ſetzt ſich, indem ſie es vermeidet, ihn anzuſehen) Wie ihr 
das Kleid ſitzt — was meinen Sie, Juliane? Famos! Wie? 


Zuliane 


Dafür, daß Sie es fir und fertig gekauft haben, ganz merf- 
würdig gut, 


Auguft 
Sa, was fagft du dazu, Lenchen? Blindlings gebe ich 
geftern zu Gerjon hinein — ich glaube, es ift das erftemal in 
meinem Leben geweſen, daß ich in die Damenabteilung ge— 
fommen bin — 


Juliane 
Da muß ich Sie korrigieren — 


Auguſt 
So? 


Juliane 
Vor zwei Jahren ſind Sie einmal für mich da geweſen. 


Auguſt 
Wahrhaftig — das hatte ich doch ganz vergeſſen. 


Zuliane 
Sie haben es vergeffen. 


102 Die Haubenlerche 





Auguſt 

Ich komme alſo zu Gerſon. „Geben Sie mir ein fertiges 
Damenkoſtüm,“ ſage ich zu der Dame — ſo eine Art Vor— 
ſteherin, verſtehſt du? — „Können Sie uns die Maße angeben?“ 
fragt die Dame — nun habe ich mich doch gradezu geſchämt — 
daran hatte ich wahrhaftig nicht gedacht. — „Wiſſen Sie was,“ 
ſag' ich, „nehmen Sie von Ihren Probiermamſells die hübſcheſte, 
jüngſte, ſchlankſte, mit einem Worte, die netteſte, die Sie haben, 
an der probieren Sie es, dann wird es grade recht ſein.“ — 
Geſagt, getan — ich packe das Kleid auf gut Glück ein — und 
jetzt ſiizt es ihr wie angegoſſen! Was ſagſt du dazu, Lenchen? 
Iſt das nicht merkwürdig? 


Lene 
(reibt mit dem Taſchentuche an ihrem Kleide) 


Ich verdiene es gar nich — 


an August (lachend) 
as? 
Lene 


Sch — hab’ mir einen Grasfled in das ſchöne neue Kleid 
gemacht. 


Auguft 
(Schläge mit erfünftelter Äberraſchung die Hände zufammen) 
it es möglich ? 


Lene 
Uber e8 fol jewiß nie mehr vorkommen, 


Auguft 
Wie ift denn das Unheil gefchehn? 
Lene 
Ach — ih — 
Suliane 


Sie hat auf dem Rafen, bei den Rofjen gefniet. 


Auguſt Glickt in den Garten) 
Und gehartt? AUnd etwa gar wieder Staub gewifcht und 
gefegt? 


Dritter Akt 103 





Lene 
Rein, nein! 


Auguft Croht ihr mit dem Finger) 


O du — du — 
gene 
Sei’n Sie nur nich böfe — 
Auguft 


Böſe? Weißt du, worüber ich nun nächftens böfe fein 
werde? Wenn du nicht endlich aufhörft, mich „Sie“ zu nennen, 
Komm — (er ftredtt ihr die Hand über den Tiih zu) gib mir einmal die 
Hand — Sieb mich einmal an — (Eene legt ihre Sand in die feinige) 
na —? fo fiehb mir doch einmal ins Geficht! Eene wendet ihm das 
Geficht zu) Nu? Was ift denn das? Du haft ja geweint? 


gene 
Nein, nein — 
Auguſt 
(Hält ihre Hand feſt, blickt ihr ins Geſicht) 
Denkſt du denn, ich bin blind? Warum haft du geweint, 
Lenchen? Iſt dir etwas zuleide geſchehn? 


gene 
Mein, nein — 

Auguſt 
Hat dir — jemand etwas getan? 

gene 
Nein, gewiß nich! 

Auguft 


ber wenn der Menfch weint, muß er doch einen Grund 
dazu haben? 


Lene 

Sch habe ja gar feinen Grund — ich möchte nur — 
Auguſt 

Du möchteſt — was? 
Lene 


Nur probieren — ob ich nich den Grasfleck aus dem Kleid 
bekomme. 


104 Die Haubenlerche 





August (ärgerlich Iachend) 
Der unglücdjelige Grasfled. 


gene 
(erhebt fich in nervöjer Unruhe halb von ihrem Sie) 


Sch — möchte — aber wirklich — 
Auguft 
(fieht fie einen Augenblid an, dann läßt er ihre Hand los) 
Wenn du durchaus willſt — dann geh nur, 


Bene 
Sa — danke! (Sie läuft nach rechts ab) 


Auguſt Glickt ihr nach) 
Als ob fie gejagt würde — 
MPauſe) 


Auguſt 
Weshalb hat ſie geweint, Juliane? 


Juliane 
Seit wann iſt es denn Ihre Art, beim Ziele vorbei zu 
fragen? 
Auguſt 
Wieſo? 
Juliane 
Es ſollte doch wohl eigentlich heißen: was haben Sie ihr 
getan? 
Auguſt 
Das klingt aber wirklich etwas nach ſchlechtem Gewiſſen. 
Juliane 


Ich will mit meinen Sünden nicht hinterm Berge halten: 
ich habe den Anlaß zu diefen Tränen gegeben. 


Auguft (rückt mit dem Stuhle ab) 
Da haben wir’! 


Quliane 
Allerdings nicht mit Abſicht — 


Dritter Akt 105 





Auguft 
Db mit Ubficht oder nicht, Sie haben dem armen Rinde 
Rummer verurfacht! 


Zuliane (fieht ihm ins Geficht) 


Ja — weil ich es Ihnen erfparen wollte, ihr diefen Rummer 
zu verurjachen. | 


Auguſt 
Das iſt mir völlig unverſtändlich. 


Juliane 


Wenn ſie mit Ihnen am Tiſche zuſammenſitzen wird — 
wenn fie dann den Zucker in die Hand nähme und den Kaffee 
in die Untertaſſe göffe — 


Auguft 
Dann würde ich lachen. 
Juliane 
Nein — Auguſt. 
Auguſt 
Jawohl, Juliane. 
Juliane 


Einmal würden Sie es vielleicht tun — 


Auguſt 
Aber ich bitte Sie; ſolche Kleinigkeiten! 


Juliane 
Aber ich bitte Sie — (fie Bricht ab) 


Auguft 
Was? 


Suliane 
Täuſchen Sie fich doch nicht felbft! Sie fol — doch Ihre 
Frau werden — wollen Sie ein Lebelang Gewohnheiten an ihr 
fehen, die Ihnen — fatal fein würden? Glauben Sie denn im 
Ernfte, daß das auf die Dauer eine Kleinigkeit bleiben würde? 


106 Die Haubenlerche 





Auguft 
Ein Leben lang — dann hätte ich es ihr bei Gelegenheit 
gejagt. 
Suliane 
Das eben wollte ich Ihnen erfparen. 


Auguft 
Ungefichts des Erfolges kann ich Ihnen aber nicht dafür 
danken. 
Juliane (alblaut) 


Darauf hatte ich nicht gerechnet. Lau) Aber wenn Sie 
es ihr gejagt hätten — 


— Auguſt 
ann? 
——— 


Dann wäre vielleicht etwas Schlimmeres — als 
Tränen. 


Auguſt 
Nämlich was? 

Juliane 
Angſt. 

Auguſt 


(verſinkt in Gedanken, es tritt eine Pauſe ein; dann) 
Darum alſo hat ſie geweint? Weil Sie ihr das ſagten? 


Juliane 
Ja. 

Auguſt 
Und — bloß darum? 

Juliane 


Sch — denke. (Paufe. Auguſt trommelt mit den Fingern auf dem Tiſche) 


Auguft 
Weshalb meinten Sie denn, daß fie Angſt haben würde? 


Juliane 


O — id — 


Dritter Akt 107 





Auguft 
Vielleicht, weil es jegt eben ausſah, als ob fie davonliefe? 


Juliane (jenkt ſchweigend das Haupt) 


Auguſt 
Oder haben Sie vorhin im Geſpräch mit ihr die Empfindung 
bekommen, daß ſie ſich fürchtet? — War es darum, daß ſie ge— 
weint hat? — So geben Sie mir doch eine Antwort. 


Juliane Gepreßt) 
Es iſt — vielleicht nicht ſo einfach. 


Auguft cief in Gedanken) 


Wenn man nur begriffe. — Glauben Sie, daß ſie ſich vor 
mir fürchtet? 


Juliane 
Ich glaube — ſie hegt Ihnen gegenüber — die größte 
Ehrfurcht. 


Auguſt (pringt vom Stuhle auf) 
Ehrfurcht! (Er geht im Zimmer auf und ad) Aber an dem allen 


feid Ihr ſchuld! 


Suliane 
Wir? 
Auguſt 
Sal Ihr ſeid es, vor denen fie ſich fürchtet! Sie erfriert 
an Euch! Aber ich weiß ja auch recht gut, woher das alles 
fommt — 


Juliane 
Woher? 
Auguſt 
Weil Euch die ganze Geſchichte nicht paßt! 
Juliane 
Auguſt — 
Auguſt 


Es iſt doch fol Ihr wollt es mir nicht verzeihen und es 
dem Mädchen nicht gönnen! Uber Euch zum Trotze! 


108 Die Haubenlerche 





Quliane 
(bat fich, Teichenblaß, erhoben und fteht an ihrem Plage) 


Nun merke ich wirklich, daß nicht für das Mädchen nur, 
fondern für uns alle neue Verhältniffe gekommen find. 


Auguft 
Wieſo? 
Juliane 
Weil ich es früher nicht für möglich gehalten hätte, daß 
Sie mir — ſo unrecht tun könnten — 


Auguſt 
Ich tue Ihnen nicht unrecht. 


Juliane 


Ja wirklich — das tun Sie! Wenn ich dächte, * Sie 
mit ihr glücklich werden könnten — 


Auguſt 
Wenn — ich will dieſes verwünſchte „wenn“ nicht hören! 
Ich werde glücklich mit ihr werden! 


Juliane 
So werden Sie es. 


Auguſt 
Werden Sie es — werden Sie es — ich kenne Sie gar 
nicht mehr wieder! 


Juliane 
Was tue ich denn? 


Auguſt 
Sie tun, was die anderen tun, die Elenden, die Erbärm— 


lichen, die einem die große Freudigkeit des Herzens vergällen und 
vergiften durch Mäkelei und Zweifelſucht! 


Juliane 
Aber wenn es wirklich ſo wäre, was könnte Ihnen mein 
Zweifel denn anhaben, wenn Ihre Freudigkeit ſo groß iſt? 


(Während dieſer Worte erſcheint Lene auf der Gartenterraffe, auf die fie vom Neben- 
zimmer aus m. ift, und Hufcht, fich ängstlich umfehend, die Treppe hinunter in 
den Garten, in Dem fie nach rechts ver eprwinder. Dies ift unbemerft geblieben) 


WERTET EN, - VE ET TRIER HET 


DR ES BER! 


Dritter Akt 109 





August 
Nehmen Sie mir’s nicht übel, das ift die Weisheit des 
Philiſters, der vor etwas Neuem fteht. Dies Mancheftertum 
der Gefinnung! Zu feige zur Seindfchaft, zu neidifch zur Freund⸗ 
fchaft und die fich mit dem elenden „geben laffen, wie's gehen 
will“ in die Tranhaut des Egoismus einwicelt. 


Suliane (wirft das Haupt empor) 


Auguft 


Früher waren Sie mutiger; wenn Sie an mein Glüd nicht 
glauben, warum jagen Gie es nicht heraus? 


Juliane 
Warum — ih —? 


Auguſt 
Ja, warum? 
Juliane (ualvoll gepreßt) 
Laſſen Sie es genug ſein — 


Auguſt 
Nein, Sie ſollen ſagen. 


Juliane 


Weil ich daran glauben möchte — daran glauben will! 


Weil ich keinen höheren Gedanken kenne — (fie bricht ab, man ſieht 
den jchweren inneren Rampf, in dem fie ringt) 


AUuguft er ftehen geblieben ift und fie anfiehe) 
Us —? 


Zuliane (bervorbrechend) 
Als Sie glücdlich zu wiſſen! (Sie wendet ſich raſch, wie mit Blut 
übergoffen, zu der Gartentür) 


Auguft (geht Hinter ihr drein) | 
Juliane — 


Juliane (wehrt ihn ab, ohne ihn anzufehen) 


Laflen Sie — laffen Sie — (Hat für fi) man ift fehließlich 
doch auch von Fleisch und Blut. 


110 Die Haubenlerche 





Auguft 


Nein — geben Sie mir die Hand, Juliane — (er ſtreckt ihr 
die Hand zu, in Diefem Augenblict Hört man aus dem Garten, von rechts, laute 
Stimmen und Gelächter. Auguſt läßt die Hand ſinken) Hören Sie? 


Juliane 
Ja. 

Auguſt 
Das iſt ſie? 

Juliane 


Sie muß in den Garten gelangt ſein, während wir uns 
unterhielten. 


Auguſt 
Und fie lacht? Sie iſt vergnügt? (Suliane macht eine Bewegung, 
als wolle fie hinaustreten, er hält fie an der Hand zurück) Mein, bleiben 
Sie — ftören Sie fie nicht — laffen Sie mir den Ton — 
ftundenlang könnt' ich bier ftehn und nur ihrem Lachen zuhören. 
Sehen Sie, es war alles nur Einbildung — fie ift glücklich, 
Zuliane — glauben Sie e8? Glauben Gie e8? 


Juliane 
Ja — es ſcheint. 


Auguft 


Uber nun möcht! ich Doch wiffen — (er macht einen Schritt auf 
die Gartentür zu) 


Suliane twajch einfallend) 


Laſſen Sie mich fehn! (Sie tritt auf die Treppe hinaus, blickt um die 
Hausede, fommt dann mit verlegenem Geficht zurücd) 


Auguft 
Da? 


Zuliane 
Hermann. 


Au gu ſt (mit unterdrücktem Laute) 
Sm — (er will auf die Gartentreppe hinaus, bleibt wieder jtehn, kämpft 


mit einem a. e, wendet ſich dann wieder kurz um und geht nach links ab. 
Juliane, die feinen inneren Rampf ſchweigend beobachtet hat, jchüttelt, während er 
abgeht, jorgenvol das Haupt, geht dann raſch nach rechts ab; die Tür bleibt Hinter 
ihr unzugeklinkt) 


Dritter Akt 111 





Dritter Auftritt 


Hermann (und) Lene (kommen über Die Gartenfreppe herein) 


gene 
Was bin ih? Eine Schwägerin in — was? 


Hermann 
Eine Schwägerin in spe bift du. (Er fest fih an den Frühſtücks- 
tiſch und beginne zu frühſtücken. Lene jest fich auf Das Sofa) 
gene 
Sn — Spe? Was ift denn dag — in Spe? 


Hermann 
Das ift fo ne Urt Sauce; da werden die Schwägerinnen 
drin aufgehoben, bis daß fie heiraten. 


Lene (ſchüttelt fich vor Lachen) 
Eine Schwägerin in Sauce! 


Hermann 
Dann halten fie fich frifcher, verftehft du; nachher, wenn 
fie dann heiraten, ſchmecken fie beſſer. 


gene 
Eine einjemachte Schwägerin! Ne, was Gie für Ideen 
haben — |! 
Hermann 
Nicht wahr! Immer frifch, wie beim Bäder die Semmeln. 


Vierter Auftritt 
Ale (ericheint Draußen am Fuße der Gartentreppe) 


Hermann 
Was kommt denn da für ein Gartenfpargel angewachfen ? 
Onkel Ale! 


Ale (bleibt grinfend unten ftehen) 
Hermann Macht Lene auf Ale aufmerkfam, fingt) 


„Dies Bildnis ift bezaubernd ſchön“ — was wünfchen Gie, 
Wahlvorſtand über Boomwolle und Leinen? | 


112 Die Haubenlerche 





Ale 
(ift die Stufen heraufgelommen, fteht Draußen an der Gartentür) 


Es i8 etwas für den Herrn Aujuſt. 


Hermann 
Für den Schwiegerneffen? Weiß nicht, ob Seine Majeftät 
fchon Audienzen erteilt; nehmen Sie mit mir vorlieb; Tommen 
Sie ’rein in die gute Stube! 


Ale (grinft verlegen) 


Hermann 
Rommen Sie ’rein, Onkel Ale! 


Ale (tritt verlegen herein) 


Hermann Geigt auf einen Stuhl am Tiſche) 


Segen Sie fich, Onkel Ale! 


Ale (fest fi) 
Ma — wenn Sie meenen — 


Hermann 
Was ift denn los? 


Ale (beugt fich Dicht zu ihm, flüftert ihm ing Ohr) 5 
Mit dem Slefeld is es — er möchte dem Herrn Aujuſt 
fprechen. 


Hermann 


Und dazu ſchickt er Sie? Na ie ich verſtehe; Sie find ja 
nun ein wichtiger Mann. 


Ale Pumm-pfiffig und geſchmeichelt) 
Sei’n Sie fo jut. 


Hermann 


Wol’n mal anftogen, Rompagnon. Uber Kaffee? Faules 


Geſöff — Maitranf is beffer? Hm? (Er gießt aus der Rumflaſche in 
zwei Waffergläfer, fchiebt eins derſelben Ale zu) 


| Ale 
Maitrant — is jut. 


Dritter Akt 113 





Hermann 
Proſ't, oller Kompagnon. (Stößt mit ipm an) 


Ale (mie vorhin) 
Sei'n Gie fo jut. (Trinkt, beugt fich dann wieder zu Hermann, ihm 
bedeutend, Leife zu fein Ick jloobe — er will weg — der Jlefeld. 


Hermann 
Warum denn? 


Ale 
(mit einem Augenzwinfern nach Lene hin, grinfend) 
's hat ihm ’nen Strich durch die Rechnung jemacht, — ig 
neid'ſch. 


Hermann 
Hm — hm? (Er Holt die Zigarrentaſche heraus, hält fie Ale Hin) 
Na — wie wär’s? 
Ale 


Uber doch bier man nich? 


Hermann 
Dann alfo für nachher. (Er nimmt die Zigarren aus der Tafche, ftopft 
fie Ale zwifchen Die Knopflöcher feines Rocks) 
Ale 
Manu? Was wird denn das? 


Hermann 
Leone, haft du ſchon gewußt, daß Onkel Ale ’ne Ranone ift? 


Lene (pruftet vor Lachen) 
Onkel Ule is ’ne Ranone | 


Hermann 
Sieh mal her: hier wird er geladen; eins, zwei, Drei, vier, 
fünf, ſechs Patronen — die reine Revolverkanone. 


Ale 
Soll’n das alles for mir fein? 


Hermann 
Jedem das feinige; für die Lene hab’ ich auch efiwas, aber 
was Feines, wollen Sie's mal fehen, Onkel Ale? 
Dramen X 8 


114 Die Haubenlerche 





Lene 
Für mich? 


Hermann 


(Holt ein Päckchen in Seidenpapier aus der Tafche, entfernt Das Papier; es ericheint 
eine goldene Halskette mit Medaillon, er hält fie empor) 


Na nu mal! 
le 
Des is aber wunderfcheen! Fein iS das! Piekfein! 
Hermann 


Was fagft denn du dazu, Lene? 


Lene 
Das ſoll doch aber nich für mich ſein? 
Hermann 
Für wen denn ſonſt? 
Lene 
Aber nich doch — 
Hermann 
Dann kriegt's Onkel Ale. Er hängt ihm die Kette um) 
Ale 
Na aber — ſei'n Sie ſo jut. 
Hermann 
Halten Sie ſtille — nu ſieh ihn dir mal an, — Lene, 


wie er ausſieht. 


Lene (ſhlägt in die Hände) 
Wie Sie ausfehn, Onkel — ne, wie Gie ausfehn! 


Hermann 
Zum Berlieben! Schade, daß Sie fein Mädchen find, Ontel 
le, Tchade ! 


le 
(nimmt — Kette ab) 
Wie lange ſoll ich denn hier ftatt ’3 Affen ſitzen? Sei doch 
nich dämlich, Mädchen. «Er ſteckt ihr die Kette zu Wenn der junge 
Herr dir's doch fchenfen will? 


Dritter Akt 115 





gene 
(teht auf, nimmt die Halskette in die Hand) 
Das is ja aber was KRoft—bares? 


Hermann 
Werd’ ich denn meiner Schwägerin was DOrdinäreg fchenken ? 
Häng’ fie um, Lene, häng' fie um. 


Lene (fteht unſchlüſſig) 
Uber — ich weeß doch jar nich — 


Hermann 
Dann muß man dir helfen. Er ergreift die Kette, wirft fie ihr 
über) Dal 


Fünfter Auftritt 
Auguft (erjeheint in der Tür linfs) 
Auguft 
Helene ! 
Lene 


Ah! (Sie fährt mit einem Schrei herum, ftarrt entfegt auf Auguft. Ale 
fpringt auf) 


Auguſt 
5 (geht einen Schrift auf fie zu, die Hand ausftrecdend) 
Angftige dich nicht — 


gene 


Ich — ih — 
Sechiter Auftritt 


Zuliane (erfcheint in der Tür rechts) 


Auguft (bleibt ftehen) 
Lenchen, ängftige dich nicht; ich tue dir nichts. Uber — 
tu den Schmud ab — millit du? 


Lene (reift Haftig die Kette ab) 
Ya ja — 
Auguft 
Nur verjteh mich recht; ich mache dir feine Vorwürfe, kein. 
ich befehle dir nicht — ich meine nur — es ift beffer, wenn du 


es tuſt. 
8* 


116 Die Haubenlerche 





Lene 
Za, jawohl — da is fie, (Sie ftredt ihm die Kette zu) 


Braun 
(nimmt die Kette aus ihrer Hand, ſtreckt fie Hermann zu) 


Du hörſt — fie will deine Kette nicht. 


Hermann (ftedt die Hände in die Hofentafchen) 
Sie will nicht; du möchteft e8 fo gerne, aber fie will nicht! 
Unglaublich, ſolch ein Trogkopf | 


Auguſt 
Sie wollte von Anfang an nicht; du haſt ſie ihr aufgenötigt. 


Hermann 
Sehn Sie, Onkel Ale, warum haben Sie ſie nicht behalten? 
Nun iſt das Unglück fertig; nun hab’ ich fie ihr aufgenötigt! 


Auguft 
Nimm deine Kette zurüd. 
Hermann 
Sie gehört Onkel Ale. 
Auguſt 


Schmalenbach — ich denke, es wird Zeit, an die Arbeit 
zu gehn? 
(Die Fabrikglocke läutet hinter der Szene) 
Ale 
Jawohl — da läutet's ja ſchon — (er gebt an die Gartentür; 
wendet fich dort) Hätt' ich's Doch nu bald verjeflen: es is von 
wegen dem Slefeld, daß ick jefommen bin. 


Auguft 
Paul  Slefeld? 
Ale 
Indem daß er Ihnen Sprechen wollte, Herr Aujuft. 
August 
Er fol kommen. 
Ale 


38 jut, Herr Aujuſt. (Ab nad dem Garten) 


Dritter Akt 117 





August can ſich Haltend, zu Hermann) 
Ich jage nun noch einmal: nimm deine Kette zurüd. 


Hermann 
Sch werde doch meiner Schwägerin ein Braufgefchent machen 
dürfen? 
Auguſt 
Sie braucht kein Brautgeſchenk von dir. 


Hermann 
Dann kann ſie's als Hochzeitsgeſchenk behalten. 


Auguſt 
Nimm deine Kette zurück! 


Hermann 
Geſchenke nimmt ein anſtändiger Menſch nicht zurück. 


Auguft (furchtbar losbrechend) 
Nimm deine Kette zurück! ! 


Hermann 
(ftugt und fährt unwillfürlich zufammen, fteht einen Augenblick in verbiffenem Troßg, 


tut dann einen Schritt, reißt die Kette aus Auguft3 Hand an fich, fteckt fie mit einem 
böjen Lachen in die Hofentafche und gebt auf die Treppe hinaus) 
Lene (bricht in Tränen aus) 


Ich — hatte mir ja — wirklich nichts Böſes bei gedacht. 


Auguſt 
Das weiß ich, Lenchen; ich bin dir auch nicht böſe. Weine 
nicht, Lenchen — hör’ mich doch an — ich bin ja nicht böfe auf 
dich — meine Doch nicht fo. (Er blickt in ratlofer Trauer auf Lene) 
| (Paufe) 
August 
Lenchen, ich will dir was fagen: geh jest zu deiner Mutter 
hinüber; willft du? 
Lene (wifcht die Tränen ab) 
Sa — danke! 
Auguft 
Und nachher fommft du wieder? 


118 Die Haubenlerche 





Lene 
Ya, jawohl — danke! (Sie läuft nach dem Garten ab) 
Auguſt 


(blickt ihr nach, Dann wendet er fich, Aut. fällt jein Bi auf Juliane. Er Ma 
fie mit einem Blick, ſchüttelt das Haupt und geht langfam vorn links ab) 


Hermann 
(kommt über Die Treppe in Das Zimmer nach vorn, fieht fich um) 
Iſt er weg? «Er wirft fih auf das Sof) Hahahahaha! 
Zuliane 
(ohne ihn zu beachten, blickt in den Garten hinaus) 
Hermann 
Nun haben Sie wohl nichts mehr dagegen, wenn ich ein 
bißchen lache? 
Suliane 
(fest fi müde auf einen Stuhl an der Tür) 
Wenn das, was Gie bier gehört und gefehen haben, es 
Shnen nicht verbietet, dann lachen Gie nur. 


Hermann 
Das, was ich bier gehört und gefehen habe, ijt der 
Blödſinn. 


Juliane Macht eine ſtumme Bewegung) 


Hermann 
Der haarſträubende, ſkandalöſe Blödſinn. 
Juliane 
Hermann — 
Hermann 


Wenn ein Menſch in ſolchen Jahren ſich in ein Fabrik— 
balg verliebt, das ſeine Tochter fein könnte — na, meinetwegen 
— Menfchen find wir alle. Wenn aber fol ein Menſch, der 
aus allen Poren Weisheit jchwist, wie ein dummer Junge, der 
von der Welt, vom Leben und von den Menfchen nichts ver- 
ftehbt, in die Gefchichte hineinrennt und ſolch ein Frauenzimmer 
heiratet, dann gibt's dafür nur einen Ausdruck: ei Blöd⸗ 
ſinn! Blödſinn! 


Dritter Akt 119 





Juliane 
Aber wenn er das Mädchen mißbraucht und verführt und 
unglücklich macht, das iſt dann in der Ordnung? Nicht wahr? 


Hermann 
Iſt ſie jetzt vielleicht glücklich? 


Juliane (enkt das Haupt) 


Hermann 
Na ja — tun Sie mir den Gefallen. Eine wandelnde 
Tränendrüfel Wie ein Huhn, das man hypnotiſiert bat, läuft 
fie herum! Und dazu dieſe Verwandtſchaft! Diefer Onfel 
Lumpenfaltor, der in der ganzen Fabrik ’rumpofaunt, daß er 
nächitens unjer Rompagnon wird! Ein Skandal! Ein Skandal! 


Suliane 
Ich kann es nicht mit anhören, wie Sie von Ihrem Bruder 
fprechen. 
Hermann 


Herrgott — Sie werden mich doch nicht glauben machen 
wollen, daß Sie anders über die Sache denken? 


Suliane 
Sie follten mich lieber nicht fragen, wie ich denfe, 


Hermann 
Bitte, genieren Sie fich nicht. 


Suliane 
Denn Sie find ja ganz unfähig, einen Menschen, wie Ihren 
Bruder, zu beurteilen; fol ein — großes — edles Herz — 


Hermann 
Natürlich. Uber willen Sie, in unferer Zeit gelten die 
Köpfe mehr als die Herzen, und wenn das große, edle Herz mit 
einem Ropf, der graue Haare bekommt, durchgeht, lacht man das 
große, edle Herz einfach aus; und zwar gehörig! 


Suliane 
Und wenn ich wirklich Ihrer Unficht wäre, daß Ihr Bruder 
einen Irrtum begangen bat, — fo würde ich fagen — (fie 


bricht ab) 


120 Die Haubenlerche 





Hermann 
Kommen Sie nur ’raus mit Ihren Bonbons, 


Suliane 


Daß es nichts Traurigeres gibt, als einem Menfchen recht 
geben zu müffen, den man — (fie bricht wieder ab und wendet das Haupt) 


Hermann (fteht auf) | 
Und fo weiter — danfend für den Reft quittiert. Uber da 
ich fehe, daß Sie mit mir einverftanden find, jo werden Sie es 
begreiflich finden, wenn ich von jest an die Ruratel über meinen 
Vormund übernehme. 


Zuliane 
Was wollen Sie damit jagen? 


Hermann 
Es foll doch fchon vorgefommen fein, daß Leute fich ver- 
lobt, nachher aber noch lange nicht geheiratet haben. 


Suliane 
Sie wollen dazwiſchen treten? 


Hermann 
Dazwifchen treten — ich werde mich hüten, folchem Ber— 
ferfer entgegenzufreten. 


Suliane Glickt ihn langſam an) 
Sch glaube wirklich — Sie könnten fih in acht nehmen, 


Hermann 
Na gewiß. 


Juliane 
Aber — Sie wollen irgend etwas tun. 


Hermann 


Vielleicht. 


Juliane 
Aber was? 


Hermann (mit böfem Lächeln) 
Damit Sie's ihm hübſch mwiedererzählen können? 


Dritter Akt 121 





Suliane (qualvol finnend) 


Sie — wollen ihm fagen, daß das Mädchen den Jlefeld 
geliebt hat ! 


Hermann 
Ach ſehn Sie mal, das hatte ich ja noch gar nicht gewußt? 


Zuliane (für fi) 


— 
Hermann 

Aber ich bin Ihnen dankbar; das iſt ſchätzbares Material. 
Juliane 


Aber Sie dürfen ihm das nicht ſagen! Das — wäre eine 
Infamie! 


Hermann 


Hopp, hopp — 


Juliane 
Das iſt jetzt zu ſpät! Er hat ſich mit ihr verlobt, er liebt 
ſie über alle Maßen; ihm jetzt das ſagen, hieße, ihm Ruhe, 
Glück und Frieden ſtehlen! 


Hermann 

Beruhigen Sie ſich nur; ich wollte Ihnen bloß ein Ge— 
ſchichtchen erzählen: ſehen Sie, als ich auf der Schule war, 
war da ein Junge, dem feine Eltern eine Uhr geſchenkt hatten; 
eine ganz gemeine Tombakuhr. Uber der Dummfopf dachte, es 
wäre Gold und war wie vernarrt in feine Ihr. Da war e8 
nun für mich ein Hauptſpaß, als ich mir eines Tages einen 
Drobierftein verfchaffte und ihm darauf bewies, daß feine goldne 
Uhr von Tombak war, 


Suliane 
Und damit verleideten Sie ihm feine Freude. 


Hermann 


Uber gründlich. 


Juliane 
Und das machte Ihnen Vergnügen. 


122 Die Haubenlerche 





Hermann 
Na ob — von dem Tage an fchmiß er feine Uhr in die 
Ede und ſah fie nicht mehr an. 


Suliane (fteht langſam auf) 


Was foll die häßliche Gefchichte? 


Hermann 

Häßlich? Uber wahr. Gehen Sie, es gibt ausgewachjene 
Männer, die eigentlich nichts weiter find, als große Jungen. 
Die jeden gewöhnlichen Tombalmenfchen für einen Goldmenfchen 
halten, namentlich wenn er ein Arbeiter iſt und einen Tchlechten 
Rod trägt und fehmierige Hände hat — ja ja, die fcehmierigen 
Hände — fehen Sie, es gibt unter den Menschen zwei Rlaffen: 
die einen pußen fich die Nägel, das find die Miederträchtigen, 
die Ranaillen — die andern laffen es bleiben, das find die Edlen, 
die Guten — das ift die Weltanfchauung unferes „Herren Aujuft“. 
Die Anſchauung ift ja erhaben — natürlich — fie hat nur einen 
Heinen Fehler: nämlich, daß fie lächerlich if. Llnd ich gehöre 
nun einmal zur Klaffe der Niederträchtigen, und jehen Sie, da 
würde es mir nun ein niederträchtiger Spaß fein, ihm zu zeigen, 
daß feine Goldmenfchen von Tombak find; ihn fo mit der Nafe 
drauf zu ftoßen, verftehen Sie, daß feine Naſe eine Beule be- 
hält fürs Leben, die ihn jeden Tag daran erinnert, daß er ein 
Narr geweſen ift mit feiner fchönen Theorie; daß die Menfchen 
fo find, wie fie find, und nicht, wie er fie fich zurechtgemacht 
bat in jeiner verrüdten Phantaſie! 


Suliane 
Hermann — ich weiß nicht, was Sie vorhaben und werde 
aus Ihren Worten nicht Hug; das eine aber fühle ich, daß Ihr 
Bruder einen Irrtum beging, als er Sie bier feithielt. 


Hermann 
Kommen Sie endlich dahinter? 


Suliane 
Ich wußte es Schon früher und habe es Ihrem Bruder gejagt. 


Hermann 
Uber nicht energifch genug! Sonſt wäre er von feinem 
Wolkenpferd abgeftiegen und zur Erde heruntergefommen! Diefe 


Dritter Akt 123 





Idealiſten! Dieſe Gerechtigleitsfanatifer, die die eine Hälfte der 
Menfchen tottrampeln, damit die andere leben kann! Es gibt 
gar Feine größere Peſt für die Welt, als diefen fogenannten 
Idealismus! 


Zuliane (ieht ihm ins Geſicht) 
Sch habe es ihm gejagt, denn mir ahnte damals, was ich 
jegt weiß: er bat fich einen gefährlichen Menfchen an fein Leben 
gefeßt. (Sie geht raſch nach links vorne ab) 


Hermann 
(gebt auf und nieder, vor fich binlachend) 


Uns Leben geſetzt — als wenn fie von einem Blutegel 
fpräche ! 


Siebenter Auftritt 
August (und) Slefeld (fommen aus dem Garten) 


Hermann (blick hinaus) 
Da kommen ja die beiden Liebhaber; hm — wäre doch 


intereffant, zu erfahren, was die miteinander zu verhandeln haben. 
(Er geht nach rechts ab) 


(Auguft und Zlefeld treten über die Treppe in das Zimmer ein) 


Auguſt 
Na, Ilefeld, was haben Sie mir zu ſagen? 
Ilefeld 
Herr Aujuſt — ick wollte um meine Entlaſſung jebeten haben. 
Auguſt | 
Was?! 
Ilefeld 


Heute is jrade der funfzehnte — alſo zum nächſten Erſten 
vom Monat. 


Auguſt 
Ilefeld? Sind Sie bei Troſt? 


Ilefeld 
Ja, Herr Aujuſt. 


124 Die Haubenlerche 





Auguft 
Nun fegen Sie fih mal zunächit. — Gückt zwei Stühle, fest fich) 


Ilefeld 
(Gleibt am Stuhle ſtehn) 


Danke ſchön. — 
Auguſt 
Setzen Sie ſich, ſag' ich; laſſen Sie uns vernünftig mit- 
einander reden. 


Ilefeld 
(etzt ſich ihm gegenüber, ſeinen Blick vermeidend) 


Auguſt 
Sie wollen kündigen, Ilefeld? 


Ilefeld 
Ja, Herr Aujuſt. 

Auguſt 
Ilefeld — was iſt los? 


Ilefeld Galblaut) 
Was ſoll denn weiter los ſein? 


Auguſt 

Wie lange ſind Sie jetzt in der Fabrik? 
Ilefeld 

Das werden nu ſo an die drei Jahre ſein. 
Auguſt 

Waren Sie zufrieden die Zeit über? 
Ilefeld 

Ja, Herr Aujuſt. 
Auguſt 

Sind Sie vorangekommen in der Zeit? 
Ilefeld 

Ja, Herr Aujuſt. 
Auguft 


Wieviel verdienen Sie täglich? 


Dritter Akt 125 





Slefeld 

Täglich an die ſechs Mark. 
Auguft 

Iſt das zu wenig, Slefeld? 
Slefeld 

Ne, Herr Aujuft, das is nicht zu wenig. 
Auguft 

Glauben Sie, daß Sie woanders mehr verdienen? 
Ilefeld 

Ne, Herr Aujuſt. 
Auguſt 


Sind Ihnen Anerbietungen von woanders her gemacht? 
Wollen Sie an eine andere Fabrik? 


Ilefeld 

Ich weeß noch jar nich, wohin daß ich jehe. 
Auguſt 

Na? Ind —? 
Slefeld 


Sa, Herr Aujuft. 


Auguft (pringt auf) 
Da hört doch alles aufl 


Ilefeld (ift gleichzeitig aufgeftanden) 


Auguſt 
Aber zum Donnerwetter, warum wollen Sie fort? 
Ilefeld 
Bloß ſo — 
Auguſt 
Das iſt Quatſch! 
Ilefeld 


Es ſieht ſo aus — is ja wahr — aber — es jeht nich 
anders. 





126 Die Haubenlerche 


August 
Es geht nicht anders — was das für Redensarten find! 
Ein vernünftiger Mann, wie Gie, follte ſich fchämen, fo etwas 
zu fagen! 
Slefeld 
Spott, ſehn Sie, Herr Aujuft, wie foll ick's Ihnen jagen 
— id könnte nich mehr fo wie früher in Ihre Fabrike arbeiten. 


August 
Ihr Handwerk werden Sie doch nicht von geftern zu heute 
verlernt haben. } 
Slefeld 
Das nich — aber verftehn Sie — fo mit Luft und Ver— 
jnügen. 
August ceriet dicht an ihn heran) 
Ilefeld — ſehn Sie mich mal an — Sie wifjen doch, daß 
Sie mir trauen können — haben Sie fich was zufchulden fommen 
laffen? Haben Sie ein fchlechtes Gewiffen? 


Slefeld 
Sp wahr Sott im Himmel lebt — nel 


August 
Na aber dann — ift Ihnen hier was zuleide getan worden? 


Zlefeld (mad eine Bewegung) 


Auguſt 
Sprechen Sie doch. Hat man Ihnen ein Unrecht getan? 


Ile feld (aßt den Kopf ſinken) 
Ein — Anrecht — das kann ich nich ſagen — ne — ein 
Unrecht hat man mir nich getan. 


Auguſt 
Ein Unrecht nicht — aber font etwas? 


SIefeld 
(wendet das Haupt, fpricht in fich hinein) 


Das Tann ich ihm doch nich fagen — dazu hab’ ich —9— 
kein Recht, daß ich ihr das 9 verjifte. 


Dritter Akt 127 





Auguft 
Sp reden Sie doch. 


Slefeld Greßt mühfam heraus) 
Ne — es bat mir niemand nijcht getan. 


August 
Alſo bloß, weil’s Ihnen nicht mehr paßt? 


Ile feld mach abermaligem, innerem Kampf) 
Na ja — e8 paßt mir nich mehr. 


August (geht zornig auf und ab) 

Da haben wir’s! Hundertmal hab’ ich mich auslachen lafjen, 
wenn ich der einzige gewejen bin, der es beftritten hat, daß bei 
den QUrbeitern heutzutage nicht Treu’ noch Glauben mehr wäre 
— und nun muß ich’S erleben, daß die da draußen doch recht 
gehabt haben! 


Slefeld 
(zerdrückt die Stuhllehne zwifchen den Händen) 
Herr Aujuft — 
Auguft 


Uber daß Sie es fein würden, der mir die Lehre gibt, das 
hätte ich nicht gedacht! 
Ilefeld 
Sie werden ja leicht einen anderen Büttjeſellen finden, Herr 
Aujuſt, und vielleicht auch 'nen billigeren. 


Auguſt 
Schämen Sie ſich, daß Sie mir ſo etwas ſagen! Gibt's 
zwiſchen Arbeiter und Arbeitgeber alſo kein anderes Band mehr, 
als das Geld? Da ſchafft man für ſeine Fabrik, da bildet man 
ſich ein, ſie würden dahinterkommen, die Leute, daß das einen 
anderen Zweck hat, als nur Geld zu verdienen; daß das ein 
Werk iſt, dem man um des Werkes willen dient, eine Lebens- 
gemeinfchaft — denn fo habe ich Euch angejehen — als meine 
Genoſſen — ſo habe ich Euch behandelt — ift das wahr oder 
ift es nicht wahr? 
Ilefeld 
Ja, Herr Aujuſt — das is wahr. 


128 Die Haubenlerche 





Auguft 
Und das ſag' ich Euch, Ihr feid auf fchlechtem Weg, ihr 
XUrbeiter, wenn Ihr jo weiter macht, wie jest, wenn Ihr die 
‚QUrbeit nur als eine Waffe gebraucht, zu Eurem eigenen Vorteil! 
Arbeit erbaut die Welt, darum muß man fie um ihrer felbft 
willen fun, darum muß man fie lieben | 


Slefeld 
38 wahr — 
Auguft 
Und Sie — wenn ih Gie an Ihrer Bütte babe ftehn 
ſehn — mit der Schöpfform in der Hand — daß die Filze 
nur fo flogen — na, hab’ ich mir gedacht, das ift mal einer, 
der hat jeine Bütte lieb! 


Ilefeld 

Das is wahr — 
Auguſt 

Ah — jetzt glaub' ich Ihnen nicht mehr. 
Ilefeld 


Herr Aujuſt — als wär' ick mit ihr verheirat' jeweſen, mit 
meine Bütte — ſo is es jeweſen! 


Auguſt 
Und da laſſen Sie ſie ſtehn, damit irgendein anderer darüber 


herkommt? Was ſoll ich der Bütte denn ſagen, wenn ſie nach 
Paul Ilefeld fragt? 


Ilefeld 
(jest ſich ſchwer nieder, wiſcht fich mit der Hand die Augen) 


Herrjott — Herrjott — Herrjott — 
(Paufe) 
Slefeld (teht auf) 
38 jut, Herr Aujuft — id bleibe, 


August (tritt auf ihn zu, ergreift ihn bei der Hand) 
Na fehn Sie, das ift recht. 


Ilefeld 
Eh', daß Sie ſo von mir denken — 


ET huge MT > nu > Mil u el ee Ze Zn 9 


— a 


Dritter Akt 129 





Achter Auftritt 


Lene (erjcheint in der Tür links, bleibt einen Augenblick wie erftarrt ftehen, tritt 
dann, bevor daB Auguft, der ihr den Rüden zufehrt, fie gejehen hat, geräujchlos 
zurüd und zieht die Tür wieder zu) 


Slefeld 
(Hat Lene gejehen, zieht jest Die Hand aus Augufts Hand, ſeufzt) 


Nee — e8 jeht doch nich. 


Auguft 
Was geht nicht? 

Ilefeld 
Daß ick bleibe. 

Auguſt 
Nun mit einemmal wieder? 

Ilefeld 
Ja, Herr Aujuſt. 

Auguſt 


Ilefeld — überlegen Sie ſich's — meine Geduld bat auch 
ihre Grenzen! 


Ilefeld 
Sa ja. 


/ AUuguft (tampft mit dem Fuße auf) 

Na — dann können Sie gleich geben! Heute noch, ver- 
stehen Sie? Nun will ich Sie nicht einen Tag länger bei mir 
ſehn! 


Ilefeld (nice traurig) 
Ja ja. 


Auguft 
Geben Sie an die Kaffe, laflen Sie fih Ihr Geld aus- 


zahlen und dann adieu. (Er geht nach links ab, wirft ſchallend die Tür 
binter fich zu) 


Slefeld (fteht eine Zeitlang dumpf und nachdenklich) 


38 das eine Jeſchichte — is dag eine unjlückliche Sefchichte. 
(Er geht in ſchwerer Traurigkeit nach dem Garten ab) 
Dramen X 9 


130 Die Haubenlerche 





Neunter Auftritt 
August (kommt von links zurüd, Lene halb gewaltjam an Der Hand hereinziehend) 
Auguſt 
Nein, ich habe es nun ſatt; du ſollſt nicht immer vor mir 
davonlaufen! Du ſollſt hereinkommen und mir endlich einmal 
ſagen, was das alles bedeutet! Ich denke, du biſt bei deiner 
Mutter drüben, und ſtatt deſſen ſtehſt du hinter der Türe hier 


und lauſchſt! «Er Hat fie losgelaſſen und ſich auf das Sofa geſetzt; Lene ſteht 
mitten im Zimmer, nach dem Garten hinausblickend, wo ſie Ilefeld abgehen ſieht) 
Setz' dich — wonach ſiehſt du? Er folgt der Richtung ihres Blickes) 


Ja, der da — das iſt auch ſo einer — drei Jahre lang iſt er 
in meiner Fabrik, hat nur Gutes empfangen, und jetzt kündigt 
er mir und geht! 


Lene (baldlaut, ſtarren Blicks) 
Geht — 
Auguſt 
Weil's ihm ſo paßt! Natürlich hat irgend jemand ihm eine 
Stelle mit größerem Lohn verſprochen. 


Lene (mit erſtickender Stimme) 


Das — glaub' ich nich — 


Auguſt 
Natürlich, ich hab's auch nicht glauben wollen, denn ich 
habe den Menſchen lieb gehabt. Darum, ſiehſt du, mußt du 
dich nicht hinter die Türen ſtellen und lauſchen hörſt du, das 
mußt du nicht. Komm zu mir — 


Lene 
(geht plötzlich raſch auf die Gartentreppe zu) 


Auguſt 
Wo willſt du hin? 


Lene 
(wie geiſtesabweſend, bleibt ſtehen) 


Ich — weiß nich. 


Auguſt 
Von mir fort willſt du! Aber ich will es nicht länger; 
ich tue dir nichts, ich habe dir nie 'was getan; du ſollſt 
bleiben — (er deutet auf das Sofa) ſetz' dich! 





Dritter Akt 131 


gene 
(jest fih auf einen Stuhl mitten im Zimmer) 


Auguft 
Mein, bier zu mir ber. 
gene 
(ſieht ſcheu zu ihm hinüber) 
Auguſt 


Mein Gott, was ſiehſt du mich denn an, als wollte ich 
dich ſchlachten? Komm zu mir, ſag' ich, ich will's! 


Lene 
(ſteht auf, bleibt zitternd am Stuhle ſtehen) 


Auguſt (erhebt fich) 


Ah — was foll denn das nun endlich? - «Er faßt fie an der 
Hand, zieht fie zu fich heran, fest fich auf das Sofa, Lene auf fein Knie) 


Lene (tödlich erblaffend) 


Ach — 


Auguft 

Sit es denn möglih? Gold ein törichtes Kleines Ding? 
Da zittert es am ganzen Leibel Lenchen, jo werde doch ver- 
nünftig. Iſt es denn ein Unrecht, wenn du fo bei mir figeft? 
Sind wir denn nicht verlobt? Iſt es fo fchredlich, wenn ich 
dir jage, daß ich dich liebe? Haft du denn eine Ahnung, wie 
ich Dich liebe? Giehft du, wenn ich dich fo in den Armen 
halte, ift mir zumut, als hielt’ ich die ganze Welt mit aller 


ihrer Herrlichkeit umfaßt — o du — liebites Mädchen du! (Er küßt 
fie leidenfchaftlich) 


Lene (beugt das Haupt zurück) 


Ach nich doch — ach ni doch — 


Auguft 
Erſchrick nur nicht; ich will ja ruhig fein. Aber jo fag’ 
doch etwas, fo ſprich ein Wort. 


Lene 
Ich — ih weiß ja nich — 


9* 


132 Die Haubenlerche 





August 
Du ſollſt mir ja Feine Rede halten; ob du mir gut biſt, 
das ſollſt du ſagen, nur, ob du mir gut biſt? 


— 
Ach — Sie — ſind ja ſo gut — 
Auguſt 
Danach frag' ich ja nicht: ob du mir gut biſt? 
Lene 
(will etwas — bringt aber ee? — hervor; man ſieht, wie ihre Lippen 
zu 
Auguſt 
Na —? Na —? 
Lene 
ber das — kann ich ja nid — 
Auguft 
Das kannſt du nicht fagen? 
Lene 
Das — märe doch nich — paflend — 
Auguft 


Hahahal Sieht du, dafür muß ich dich nun wieder füllen. 
(Er küßt id Du Dummchen du! 


Lene 
Ach Gott — 
Auguſt 
Ach Gott — ſo küß' mich doch wieder, dann brauchſt du 
nicht zu ſeufzen; na? So entſchließ' dich; willſt du? Einen 
Kuß? 


Lene (wehrt ihn ab) 
Ach — bitte nid — bitte nich — 
Auguft 


Weil wir noch nicht Mann und Frau, weil wir noch nicht 
verheiratet find? Darum willft du nicht? 


Dritter Akt 133 





gene 
Sa ja! 
Auguſt 
Es iſt gut, ich will dich nicht quälen! Aber lange verlobt 
ſein, weißt du, das taugt nichts; darum wollen wir bald heiraten? 
Ja? In acht Tagen? 


Lene ſchreit auf) 
Rein ! 


August 
Wie? Nein? 


gene 
Sch meine ja nur — ich — wollte ja nur fagen — das — 
is Doch gar zu ralch. 


Auguft 
Na gut alfo — in vierzehn Tagen; das ift Doch Seit ge- 
nug? 9a? 


Lene (tonlos) 
In vierzehn Tagen. 


Auguft (in ruhiger Glückſeligkeit) 

Sn vierzehn Tagen alfo. Lenchen, Lenchen (er nimmt ihre 
Hände in die jeinigen), nein, ängſtige Dich nicht; nur anfehn will ich 
dDih, nur mit den Augen den Reichtum umfaflen, der mir in 
vierzehn Tagen nun gehören fol — ganz — ganz — cer lehnt 
das Haupt an ihre Bruſ) Wenn du doch begriffeit, daß du es bift, 
die mich beſchenkt, und wie reich du mich beſchenkſt. Siehſt du, 
die Menfchen da draußen, die man die Gebildeten, die Reichen 
nennt — ſiehſt du, fie find fo abgeftanden, fo leer; fie können 
einem jo gar nichts geben; alles ift angelernt und anerzogen — 
und darum eben, weil du fo anders bift, fo ungelernt, jo un- 
gebildet, darum eben, Lenchen, liebe ich dich jo. Die da draußen, 
fiebjt du, das ift, als ob man brafiges Wafjer tränfe, und du 
bift wie die Quelle im Walde, die aus den Tiefen der Erde fteigt. 
D du Quell meiner durftenden Seele, wie will ich mich fatt 
trinfen an dir! (Er richtet das Haupt auf, blickt ihr ins Geficht und fieht, daß 
fie unter lautlos ftreömenden Tränen dafis) Lenchen — du weinft? 


134 Die Haubenlerche 





gene 


Wenn Sie — fo Sprechen — 


Auguft 
Tut e8 dir weh, was ich fage? 


Lene 
Wenn ih — Gie fo höre — ich kann's nich befchreiben 
und nich fagen — und daß ich’8 nich jagen kann, das ift ja 
eben das Anglück. 


Auguft 
Nein, Lenchen, ein Unglück wär's, wenn du anders fein 
fönnteit, als du biſt. Uber faffe doch Vertrauen; wenn wir 
verheiratet find, fiehft du, dann zieht die Mutter zu uns in das 
Haus — 


Lene (tief jeufzend) 


Die Mutter — ja — und — Gie wollten fie ja in das 
Bad ſchicken? 


Auguſt 
Und wenn du willſt, reiſen wir mit ihr dahin, und ſie wird 
wieder friſch und geſund — 


Lene (drückt unwillkürlich feine Hand) 
Ach ja. 
Auguft 

Siehft du? Glaubft du nun an das Glück? «Er Har fich mit 
Lene erhoben und fteht jest, fie fanft umfafjend, neben ip)” Niemand kann 
ja zum Menfchen jagen, du wirft glücklich fein, das wäre ver- 
meſſen, das fteht in Gottes Hand, aber einen Menfchen, der es 
verjuchen wird, Dich glüclich zu machen, den wirft du haben, 
Lenchen; einen Menschen, der jeden Dorn und jeden Stein aus 
deinem Wege räumt und jeden Morgen mit dem Gedanken auf- 
ftehen wird, wie er es anfangen fol, dab du am Abend in 
Glüf und Frieden einfchläfft — glaubft du mir das, Lenchen? 
Glaubſt du mir das? 


gene 
Ja — ja — 


Dritter Akt 135 





Auguft 

Mein — nun mußt du mir das anders Jagen, 
gene 

Wie denn? 
Auguft 

Ja, Auguft — ich glaube es dir; fo fag’s. 
Lene 

Nein — bitte, 
Auguſt 


Ja, doch, Helene. 


Lene (nad) ringendem Kampfe) 
Ja — Auguſt — ich (ie will ſich von ihm losreißen) ich kann nich! 


Auguft (Hält fie in feinen Armen feſt) 
Sch fordere es, Helene; du mußt diefe törichte Scheu über- 
winden. Du mußt du zu mir fagen. 


Lene (am ganzen Leibe zitternd) 
Auguft — ih — glaube Dir. 


Auguft (weißt fie jubelnd an fich, küßt fie) 

Endlich ift es heraus! Und nun quäle ich dich nicht länger, 
nun geh’ ich, nun leb' wohl — (er geht, kehrt wieder zu ihr zurück, ſchließt 
fie noch einmal in die Arme) Lenchen! Mein, nein, du willit es ja nicht 
haben — ich küſſe dich jest nicht mehr! Uber in vierzehn Tagen, 
Lenchen, in vierzehn Tagen! Mein Herz, meine Seele, meine 
Frau, (Er geht mit leuchtenden Blicken links ab) 


(ſteht wie erftarrt auf demſelben wi reiht fich dann langſam über die Stirn) 

Nu hab’ ich mich um die Seele gelogen — was hab’ ich 
denn gefagt? Im vierzehn Tagen fol ich ihn heiraten? Das 
is ja nich wahr! Das is ja nicht möglich! Das geht ja nich! 


Zehnter Auftritt 


Lene. Hermann 


Hermann 
(ift, jobald Auguft abgegangen, in der Tür rechts erjchienen, jagt Faltblütig) 


Ne, Lene, e8 geht auch nicht. 


136 Die Haubenlerche 





Ach Lene (fährt auf) 
—_? 
Hermann 


Na, erfchriet man nic, gut Freund, (Er ſtreckt ihr treuherzig 
die Hand hin) 


gene 
(ſtürzt fi auf feine Hand, ergreift fie mit beiden Händen) 


Helfen Sie mir, Herr Hermann, bitte, bitte, helfen Sie mir! 
Hermann 
(nimmt fie, wie bejchügend, in Die Arme) 
Dazu komme ich ja eben, 


gene 


Mir is fo ſchrecklich zumut! 


Hermann 


Reg’ dich nicht auf; mit mir kannſt du ja von der Leber 
weg Iprechen, das weißt du doch. 


gene 


Es iS wahr; mit Ihnen habe ich immer viel Teichter reden 
fönnen, als wie mit ihm. 


Hermann 
Weil ich nicht fo ehrwürdig bin, 


gene 
Davon wird es wohl fein. 


Hermann 

Siehſt du, e8 hat auch fein Gutes, wenn der Menſch nicht 

gar zu heilig ift. 
gene 

Sa, ich weiß nich, was das is, aber wenn ich zu ihm 
iprechen fol, denn — wird mir inwendig ganz kalt; rein als 
wie vor den Kopf gefchlagen bin ich und fein Wort kann ich 
rausbringen! — Und fo is das Unglück nu gekommen. 


Hermann 
Daß du ihn heiraten folit? 


Dritter Akt 137 





gene 
(drücdt in unwilllürlicher Angft ihr Haupt an jeine Bruft) 


Ach Gott, ach Gott, ach Gott! 


Hermann 
(blickt ſchweigend, mit heiß begehrlichem Blick auf fie nieder, dann fragt er) 


Du möchteft alfo nicht? 


Lene 
Sch kann ja nich! Ich hab’ mir ja die größte Mühe gegeben ! 
Es is ja fo unrecht — aber ich kann ja nich! 


Hermann 
Warum fol’s denn ein Unrecht fein? 


Bene 


So ein juter Mann! So ein erhabener Mann! Wenn 
man ihn jo Sprechen hört, das iS doch grade, als wenn man in 
der Kirche is und hörte den Prediger von der Kanzel — 


Hermann 
Na ja, der liebe Gott ift ja auch gut, aber darum heiratet 
man ihn doch nicht! 


Lene (mit unwillkürlichem, ſchwachem Lächeln) 
Uber — Sie? 


Hermann (faßt fie unters Kinn) 


Siehft du, nu kannſt du ſchon wieder lächeln; wir zwei 
beide haben uns immer gut verftanden. 


gene 
a, ja. 


Hermann 
Darum möchte ich dir auch jest gerne helfen. 


Lene 
Ach ja, bitte, bitte! 


Hermann 


Aber die Gefchichte ift nicht fo leicht. Du bift ihm doch 
nu einmal verlobt. 


138 Die Haubenlerche 





gene 
Ja, freilich. 
Hermann 
Um einfachiten wäre es fchon, du gingft zu ihm bin und 
fagteft ihm, daß es dir nicht mehr paßt. 


gene 
Nein, nein, das nich! 


Hermann 
Das nicht? 


gene Ä 
Das krieg’ ich nich fertigl Mich um die Geligfeit! 


Hermann 
Dann bleibt nichts andres übrig, dann muß er fommen und 
fagen, e8 paßt mir nicht mehr. 


Lene 
Uber das tut er ja nich! Das tut er ja im Leben nich! 


Hermann 


Habt ihr euch ſchon gefüht? 
Lene (enkt ſchamvoll das Haupt) 


Hermann 
Mir kannt du's ja jagen. 


Lene (eiſe flüfternd) 
Gr — mid. 
Hermann 
Sm — 
Lene cleife flüfternd) 
Und da — iS mir doch gewefen — als müßte ich gleich 
des Todes fein. 
Hermann 
Na ja, du liebit ihn nu mal nich; dafür kannſt du nicht 
und darum mußt du aus der Gefchichte raus, das ift Har. Dann 
gibt's nur ein Mittel, daß er dich wieder losläßt: er muß denken, 
daß du einen andern liebit. 


Dritter Akt 139 





Bene 
Ach — willen Sie — 
Hermann 
Ma? 
gene 
Ne — das kann ich Ihnen nich jagen. 
Hermann 


Bor mir darfit dur aber doch jetzt feine Heimlichkeiten haben, 


gene 
Es iS ja auch wahr — ich — liebe ja einen. 
Hermann 
Ss? 
Lene (bricht in Tränen aus) 
Uber der is nun gegangen — und will — von mir — nichts 
mehr wifjen. 


Hermann 
Der Zlefeld? Nicht wahr? Den er eben weggefchiekt hat. 


Lene 
Hat er ihn denn weggeſchickt? Ich denke, er iS freiwillig 
jegangen? 
Hermann 
Na, foviel hab’ ich gehört, daß er ihm gejagt hat: nu will 
ich Sie nicht einen Tag länger bei mir haben. 


Lene ' 
Sehn Sie, mir iS doch auch geweſen, als hätte ich jo etwas 
gehört. 
Hermann (faßt fie unters Kinn) 


Ein bißchen gehorht? Hm? — 


Lene 
Rein durch'n Zufall bin ich dazugelommen, wie fie hier 
fprachen, und dann bin ich zurüdgegangen und dann — hab’ 
ich's gehört; er Sprach ſo lauf. 


140 Die Haubenlerche 





Hermann 


Ja, er ſchien ganz fuchswild. Dann wird es der Jlefeld 
ihm wohl gejagt haben, daß ihr euch gut ſeid. 


gene 
Ach — meinen Sie? 
Hermann 


Ich weiß nicht, aber warum fol er denn fonft jo wütend 
auf ihn geweſen fein? 


Rene 


Und deshalb ihn weggefchictt? Das wär’ doch aber nich recht. 


Hermann 
Ja nu — wenn jemand verliebt ift, dann ift er auch eifer- 
füchtig. | 
gene 
Der arme Menfch — der arme Menſch — und mir hat 
er gejagt, daß er freiwillig ginge. 


Hermann 
Dann wird’3 freilich nichts helfen, wenn du ihm fagft, daß 
du den Slefeld lieb haft, dann läßt er dich erft recht nicht los. 
Dann mußt du dir was anderes ausdenfen. 


Bene 
ber was denn nur — was denn nur? 
| Hermann 


(gebt, jcheinbar in Gedanken verfunfen, im Zimmer auf und ab, bleibt dann vor ihr 
ftehen und jagt, halb fcherzenden Tones) 


Ein Mittel gäbe e8 noch — und das hilft — foll ich dir’s 
fagen? 


Lene (blidt ihn erwartungsvoll an) 


Hermann 
Du gehſt mit mir durch. 


gene 


Die — —? 


Dritter Akt 141 





Hermann (leicht Lachen) 
Na ja, du läuft ihm davon, und ich gehe mit, dann bildet 
er fich ein, du bift in mich verliebt. 


Lene (ieht ihn verdugt an) 
Uber — 
Hermann 
Und darin ift er komiſch, ſiehſt du: fobald er das denft, 
läßt er dich 'raus. 
Lene 
Uber — das is doch nur — gefpaßt? 


Hermann 
Ne, warum denn? Wär’s denn fo unglaublich, daß du 
mir ein bißchen gut wär'ſt? 


Lene 
Is denn dag — wirklich Ihr Ernſt? 


Hermann 
Was denn jonft? 
Lene 
Sch verjtehe aber noch gar nih — 
Hermann 


Sit doch aber einfach genug: ich bringe dich nach Berlin 
und da miete ich dir ne Wohnung und da wohnft du dann 
fo lange. 


Lene 
Sp — lange? 
Hermann 


Bis dein Slefeld eine andere Stelle hat; und dann könnt 
ihr euch heiraten. 


Lene (fährt freudig auf) 
Ach wahrhaftig! 
Hermann 


Na ja, fiehft du, man muß die Dinge nur von allen Seiten 
anjehn. | 


142 Die Haubenlerche 





Lene | 
Das fieht wirklich aus, als könnt's was werden. 


Hermann 
Freilich wird's was werden. 


Lene (mit einem Seufzer) 


Uber — e8 jeht doch nich. 


Hermann 
Geht nicht? 
gene 
Ne, ne. 
Hermann 
Warum denn nicht? 
gene 


Sch kann's nich fo fagen — es — kommt mir fo fomifch vor. 


Hermann 
Ein bißchen Courage gehört natürlich dazu. 


gene 
Uber — ich ſchäme mich fo. Eie bedeckt ihr Geficht mit beiden 
Händen) 
Hermann 


Ma — wenn du nicht willft — ich werde dir nicht zureden, 
(Er geht im Zimmer, fiheinbar ärgerlich, auf und ab) 
gene 
Ich — meine ja ur — 


Hermann 
Me, wie gefagt — ich habe dir helfen wollen, weil du mir 
leid getan haft; aber wenn du nicht willft — na, denn iſt guf; 
Schwamm drüber. 


gene 
3 — 
Hermann (seht die Ahr) 
Sch muß fowiefo insg Kontor, (Er geht an die Tür, ergreift die 
Klinke, als wollte er abgehen) In vierzehn Tagen alfo ift die Hochzeit? 


N 


Dritter Akt 143 





Lene 
(mitten —* der Bühne ſtehend, bricht in hilfloſes Weinen aus) 
Hermann 
(wendet von der Tür her das Haupt zu ihr) 
Na —? 
Lene 


Wenn Sie auch gehn — denn habe ich ja niemanden mehr. 


Hermann (lomme zu ihr zurück) 
Da haft du recht. 


Lene 
Und wenn Sie meinen — dab es — wirklich gar nich — 
anders jeht — 
Hermann 
Sch hab’ dir doch ale Möglichkeiten vorgerechnet. 


gene 
Fa, ja — und denn — (fie fährt in plöglichem Schreck auf) ach, 
du Herrjott — ne! Das hatt’ ich ja ganz vergeffen! 


Hermann 
Was ift denn nu wieder? 


Lene (fieht ihn voller Angft an) 
Die ganze Gefchichte jebt ja nich — meine Mutter — 


Hermann 
Was i8 denn mit deiner Mutter ? 


gene Ä 
Weil er doch verfprochen hat, wenn ich ihn beirate, denn 
wollte er meiner Mutter Geld geben, damit daß fie ing Bad 
reifen und jefund werden kann — und nu — wenn ich nu 
Davonjehe — (fie ſinkt in dumpfer Mutlofigteit auf einen Stuhl) nu is es 
aus — nu is alles aus, 


Hermann 
(in deſſen Geficht ein heißes Leuchten aufgeht, tritt hinter ihren Stuhl) 
Das hat er dir verfprochen? Na, dann will ich dir mal 
was jagen, Lene: deine Mutter fol auch fo insg Bad gehn 
fönnen, 


144 Die Haubenlerche 





Lene (fährt mit dem Kopfe auf) 
Wie?! 
Hermann 
Wenn er das Geld nicht gibt, dann gibt’s ein andrer, dann 
fu’ ich's. 


Lene (fpringe auf) 
Sie? 
Hermann 


Und wenn’s das erjtemal nicht hilft, dann fürs nächite Sahr 
auch; dazu hab’ ich's noch, Gott jei Dan. 


Bene 
Das wol’n Sie? Das woll’n Sie fun? (Sie greift na 
jeinen Händen) 
Hermann (gutmütig lachend) 
Was ift denn da dabei? 


gene 


Und — bloß fo? 


Hermann 
Bloß, damit du ſiehſt, daß ich nicht jo fchlimm bin, wie 
ich ausſehe. 


Lene (fieht ihm ftaunend ins Geficht) 
Herr Hermann — das hätt’ ich nich von Ihnen gedacht — 
Sie — find ja gut? 


Hermann (fließt fie lachend in Die Arme) 
Siehſt du, nun könnt' ich dir ganz gut einen Ruß geben, 
aber nu tu’ ich’8 nicht; weil du fonft wieder denfit, ich wollte 
was dafür haben. 


Lene (überlegt einen Augenblid, dann hebt fie das Haupf) 
Ach — (fie reicht ihm den Mund zum Kuffe) 


Hermann dküßt fie auf den Mund) 
Na — ſo: hat's weh getan? 


Lene ſchüttelt ſchamhaft lächelnd den Kopf) 


Dritter Akt 145 





Hermann (läßt fie los) 


Nu aber Schluß! Morgen früh vier Uhr kommt der Stettiner 
Zug bier durch, mit dem fahren wir nach Berlin, 


Lene 


Morgen früh —? 


Hermann 


Sa natürlich; die Wände haben Ohren; wenn wir uns 
nicht beeilen, Eriegen fies heraus und halten ung feſt. Du Tchläfit 
mit deiner Mutter in einem Zimmer? 


gene 


a. 


Hermann 


| Alſo mußt du dich heut abend ins Bett legen und warten, 
bis Mutter eingefchlafen if. Schläft fie feit? 


Lene 
Ne, fie wacht oft auf. 
Hermann 
Hm — 
Lene 


Und überhaupt — fie fchläft jo ſchwer ein — nie vor 
Mitternacht. 


Hermann | 
Solange aljo mußt du liegen bleiben, und dann, wenn 


fie eingefchlafen ift, ftehft du ganz fachte auf und geht aus dem 
Zimmer, 


Lene 
Und dann warte ich im Vorderzimmer? Bis daß es Seit 
wird für die Eifenbahn? 
Hermann 
Ja — dann treffen wir uns auf dem Bahnhof. 
gene 


Ba, ja. 
Dramen X 10 


146 Die Haubenlerche 





Hermann 


ber da fällt mir ein, jo geht's nicht. — Denn fieh mal, 
wenn du im VBorderzimmer figt und fie aufwacht und dich fucht 
und dich vorne findet, dann holt fie dich zurüd. 


gene 


3a, ja — — denn werde ich lieber gleich bis halb viere 
liegen bleiben und denn erſt aufitehn? 


Hermann 


Das geht aber. auch nicht; denn es wär’ doch möglich, ſiehſt 
du, Daß fie aufwacht, wenn du aufitehit, und dann fragt fie dich 
und hält dich feit und dann verpaßt du den Zug. 


Lene 
Wie fol ich's denn aber denn nur machen? 


Hermann 


Sobald du aufgeftanden bift, mußt du aus dem Haufe 
sehn — dann findet fie dich nicht, wenn fie dich ſucht. 


gene 
Die arme Frau — 
Hermann 
Das hilft nu nicht. 
Lene 


Es is doch nich reht — 


Hermann 
Wird ja alles wieder gut, wenn ich ihr das Geld für Die 
Badereife gebe. | 


gene 


Ach Jott — ja. 


Hermann 
Uber — nu heißt's überlegen — wo du unferdefjen bleibjt ? 
Auf der Straße kannſt du doch nicht bleiben? Und im Garten 
auch nicht — (chlägt ſich vor die Stien) na, jo dumm — da Sieht 
man wieder mal den Wald vor Bäumen nicht — 


Dritter Akt 147 





gene 
Wie denn? 


Hermann 
Ganz einfach: du kommſt zu mir "rauf in mein Zimmer. 


Lene 
Sn She — Simmer? 


Hermann 
Na ja natürlih; da Jucht dich niemand; und dann gehn 
wir zufammen nach der Eifenbahn. 


Lene (eufzt ſchweigend tief auf) 


Hermann 
Sch erwarte Dich; ich lege mich überhaupt gar nicht erft 
fchlafen. 


gene 
(bat das Geficht mit beiden Händen bedeckt) 


Hermann 


Na? 


Ä gene 
Uber — wie — kann ich denn das —? 


Hermann 
Herrgott, was da nun wieder dabei iſt! Ob du dich hier 
mit mir unterhältft oder auf meinem Zimmer, ift das ein Llnter- 
ſchied? | 
| Lene 


Uber fo — in der Naht — 


Hermann 
Na ja — wenn du dich ‚wieder fürchten willſt, dann laß 
man die ganze Gefchichte bleiben; das hätt’ft du mir gleich fagen 
fönnen | (Er geht auf und ab) 


Lene (geht ihm nach) 
Sei’n Sie doch man nich böfe — es is jewiß recht dumm 
von mir — Sie — find ja janz anders — als ich gedacht hatte. 
10* 


148 Die Haubenlerche 





Hermann 
Entjchließen mußt du dich nu aber; ja oder nein? 


Lene 
Und — anders — jeht es nid —? 


Hermann 
Wie oft foll ich denn diefelbe Gefchichte jagen? 
gene 


(nach einem legten, jchweren inneren Rampfe, abgewandten Gefichts) 
Ufo — es — i8 gut, 


Hermann (faßt mit heißem Griff ihre Sand) 
Du fommit? 


Lene cleife hauchend) 
Sa. 
Hermann 
Und nu laß die dumme AUngft fein! 


gene 
ga — ja — (fie wendet fih zur Tür Links, bleibt an der Tür noch 
einmal unfchlüffig ftehn, kommt noch einmal angftvollen Blickes zurück) ee 
i8 Doch — ich cite ſteht mit ringender Bruſt, richter fich dann auf) nein — 
nein — ’8 is gut — ich fomme, | 
(Sie wendet fich abermals zum Abgang) 


Der Vorhang fällt 


Ende des dritten Aktes 


Vierter Akt 149 


Vierter Akt 


Szene: Das Wohnzimmer Hermanns. Mittelgroßer Raum, eine 
Tür rechts, eine Tür im Hintergrunde, die in das Schlafzimmer 
führt (dur) eine Portiere gefchloffen). Links an der Wand zwei 
SFenfter, vor denen die Gardinen herabgelafien find. Im Hinter- 
rg am zweiten Fenfter, ein Schreibtifch mit verfchiedenen Fächern. 

n der Wand rechts ein Schrank; im Vordergrunde, nach links hin- 
über, ein runder Tifch mit Sofa. Sunggefellen - Einrichtung; es ift 

Nacht; eine brennende Hängelampe gibt Licht 


Erfter Auftritt 


Hermann (fteht am Fenfter, durch den Gardinenſpalt hinausblictend) 





Hermann 
Kommt noch nicht — kommt noch immer nicht — muß 
doch zwölf Uhr durch fein? «Er zieht die Ahr) Natürlich — längſt 
— die Alte könnte nachgrade fchlafen. (Er verläßt das Fenfter, gebt 
im Zimmer auf und ab) Glaube wahrhaftig, ich bin aufgeregt. Wie 


ein Tertianer beim erſten Gtelldichein. — (Er jest ſich vor den 
Schreibtifch, zieht ein Fach auf, nimmt eine Geldrolle heraus, wiegt fie in der Hand) 


Die Badereife für Madame Schmalenbah — was nicht aus’m 
Menfchen werden kann — mit einmal ein Wohltäter! War 
ordentlich rührend, wie das Mädchen fich bedankte, — (Er Holt 
eine zweite Rolle aus dem Fache) Das ift für ihre Wohnung in Berlin. 
Wo denn am beiten? In der Taubenftraße. — Ne — da 
wohnt die Ida — möchte nicht, daß fie mit dem Frauenzimmer 
zufammenfäme — ift Doch was anderes. — Fabelhaft — ſolche 
Unſchuld — hält mich wahrhaftig, glaub’ ich, für ’ne Art 
Heiligen — man Ffönnte ordentlich ftolz werden. Er verfinte in 
Gedanken, dann fährt er u) Nanu? Wahrhaftig, ich glaube — ich 


werde ſentimental — einen Kognak! (Er geht an den Schrank vechts, 
nimmt eine Kognakflaſche heraus, ſchenkt fich ein Glas vol, trinkt es hinunter, 
ſchüttelt ih) Das geht vorüber. (Er nimmt eine andere Flache aus dem 


Schrante) Was ift das? Malaga. Du kommſt mir gelaufen ! 
(Er greift aus dem Schrank einen Pfropfenzieher) Das iſt was für Die 
Weiber, das füße heiße Zeugs. (Während er dabei ift, die Flajche zu 
entkorfen, lauſcht er auf und eilt ans Senftr) Hm? — Me — ob fie denn 
überhaupt kommt? (Cr tritt vom Fenfter zurüc, zieht Den Stöpſel aus der 
Flaſche, ſchentt ſich ein Glas voll, kofte) Der tut's — Prof’t Hauben- 
lerche! Er trinte das Glas aus, dann Laufcht er wieder auf) Aber das war 
die Gittertür| (Er fest Haftig Flafche und Glas in den Schrank zurück, wirft 
die Schranktür zu, ftürzt ans Fenftr) Das ift fie — da kommt fie! 


150 Die Haubenlerche 





(Er drückt das Geficht an die Fenfterfcheided Donnerwetter — fcheint eben 
aufgeftanden, das Haar hängt ihr lang ’runter — das Haar! 


Das Haar! est wutſcht fie insg Haus — jest kommt fie — 
(er verläßt das Fenſter, geht im Zimmer auf und ab, wild erregt, jeine Hände 
greifen in die Luft, Öffnen und ſchließen jih) Wie das ſchön iſt! Wie 


das fich neigt und beugt in feiner Angſt, wie ein Rofenftod 
im Getwitterregen. Sch muß fie haben — ih — muß das 
Srauenzimmer haben — ich — er geht an den Schreibtifch, reißt die 
Hülfen von den Geldrollen, ein Haufen Goldftüce fällt heraus, er rafft Das Geld 
zufammen) Da — fo macht ſich's beffer — jo — wirkt das 
mehr — alles folft du haben — cer laufcht nach) der Tür rechts) 
pſt — da ift jemand — (er legt das Gold auf den Schreibtifch zurüc) 
nur Rube jest — nur Ruhe — Faltes Blut — er geht an die 
Tür rechts, öffnet fie bald, fpricht heifer, mit erzwungener Gleichgültigfeit) Ma 
Lene — bift du da? 


Zweiter Auftritt 


Boriger. Lene (im Anzuge wie im zweiten Aft, tritt herein, ihr Haar, halb auf- 
geſteckt, hängt halb herab; indem fie über die Schwelle fritt, vermeidet fie, Hermann 
anzubliden, und erwidert auf feine Frage faum hörbar) 


Bene 
Ja — 


(ſobald ſie eingetreten tft, ſchließt und verriegelt Hermann die Tür hinter ihr; Lene 
flüchtet in die Ede, die der Schrank rechts mit der Wand bildet, drückt fich in Die 
Ede, die Hände vors Geficht gejchlagen) 


Hermann 
(fteht mitten im Zimmer) 


Was ift denn nu los? — Go fomm doch. Eene ſchüttelt 
ſchweigend das Haupt) Du kannſt doch da nicht ftehen bleiben? 
Sp Sei doch vernünftigl — Na — dann erde ich mich 
hierher ſetzen — (er geht an das Sofa, fest fi) in Die Ede desjelben, ſchlägt 
ein Buch auf, das auf dem Tiſche Hiegt) Siehſt du, nu leſe ich, und 
befümmre mich gar nicht um did — nu kannſt du Dich doch 
beruhigen. — Uber dein Haar ſteck' nur auf; jo kannſt du doch 
nicht auf die Eifenbahn gehn. 

Lene 
(läbt die Hände vom Geficht, faßt nach ihrem Haar) 


Mein Haar. 


Hermann 
(deutet auf den Spiegel, der zwifchen den Fenſtern hängt) 


Da ift ein Spiegel. 


en 


Vierter Akt 151 





Leone (kommt aus der Ecke, tritt vor den Spiegel) 


Ach du Bott — wie ich ausjehe! 


Hermann 
Bift wohl eben erſt aufgeftanden? 


Lene (fängt an, ihr Haar aufzufterfen) 


Es bat heute fo lange gedauert, bis Mutter einjefchlafen 
is — ach du Soft, du Jott — is mir zumut! 


Hermann 
Das geht vorüber — das muß nu überftanden werden. 
Na nu fomm und fe’ did — da — aufs Sofa. (2ene made 
unwilltürlich einen Schritt von ihm hinweg) Hab’ Dich Doch nicht — ich 
nehme mir 'nen Stuhl, dann brauchft du nicht mit mir zu- 


fammenzufigen. (Er fteht auf, fest fih auf einen Stuhl am Tiſche, Lene gebt 
um die andere Seite des Tifches herum, jest ſich zaghaft aufs Sofa, drückt ſich in 
die Ede. Hermann nach einer kurzen Paufe) Mo’jen, Lene. 


Lene (mit einem Anflug von Lächeln) 


Ach — Sie — 


Hermann 
Na ja, nu fängt 's neue Leben an, darum fage ich, guten 
Morgen — ſttreckt die Hand über den Siih) man Courage, ein bißchen 
— mas fol die Ropfhängerei nützen? 


Lene (legt ihre Hand in die feinige) 
Sa ie — 
Hermann 
So ift recht — was du aber für falte Hände hal. Da 
müſſen wir gleich mal ein bißchen einheizen. (Er geht an den Schrant, 


nimmt die Malagaflajche und zwei Gläfer, jest die Gläſer auf den Tifch und füllt fie) 
Sp — da rin’ mal, 


Lene 
Ne ne — danke. 
Hermann 
Herrgott, du braucht dich nicht zu fürchten, 's is fein Gift. 
Da — ich fomme dir eins — (er ftößt mit feinem Glafe an das andere, 


das auf dem Tifche fteht, an, trinkt es aus) Du wirft mir doch DBefcheid 
tun, du weißt doch, was Manieren find, 


152 


Die Haubenlerche 





Lene (nippt an dem Glafe) 
Was — is denn das? (Sieht ihn erftaunt an) 


Hermann 
Das ift fpanifcher Wein; fchmedt er dir? 
gene 
Wunderſchön — ja. 
Hermann 


Ra, jo trink' aus, 


Lene (leert das Glas) 


Ah — 
Hermann (chentt die Gläfer wieder voll) 
Lene 
Man nich zu viel. 
Hermann 


Ach was, zu viel; wirft mal fehn, wie dir das befommt. 


Da kriegt man Courage davon. (Er ſtreckt ihr die Sand hin) Fürchteſt 
du Dich jest noch? 


Lene (legt ihre Hand in feine) 
Schon ein bißchen weniger. 


Hermann 
Siehſt du; wirft ſchon noch dahinterfommen, daß du feinen 


befiern Freund auf der Welt haft, ald mich, — Was fiehjt du 
mich denn jo an? 


Lene 
Sch dachte bloß fo. 
Hermann 
Was denn? 
gene 


Es — is doch alles — fo merkwürdig. 


Hermann 


Daß wir bier fo figen? 


Vierter Akt 153 





Lene 


Ja — und denn — was es für 'ne Menge Sachen gibt, 
wovon ich noch jar nichts weiß. 


Hermann 
Wie denn das? Weil ich von Spanien ſprach? 


Lene 


Das auch — 


Hermann 


Wenn ich erſt aus der Fabrik bin, dann reiſ' ich um die 
Welt — willſt du mitkommen? 


Lene 


So 'ne Idee. 


Hermann 
Iſt mein völliger Ernſt; ich nehm' dich mit, wie du biſt; 
dann reiſen wir incognito. 


Lene 
Was heißt denn das? 


Hermann 
Daß die Leute denken, wir ſind Mann und Frau. 


Lene (chiebt ſich vom Tiſche zurück) 
Ach ſo — 


Hermann (laachth 


Wir würden gar nicht das ſchlechteſte Paar abgeben, was 
meinſt du? 


Lene 


Ach ne, bitte — ſprechen Sie nich ſo. 


‚Hermann tfteht auf) 

Na ja, Schon gut — (er faßt an feine Taſche) was hab’ ich 
denn da? (Er zieht die Halskette Herwor) Nun fieh jo was an — 
(er legt die Kette auf den Tijch) hafte ich Doch ganz vergeilen — da — 
das gehört Dir, 

Lene 


De nel 


154 Die Haubenlerche 





Hermann 
Warum denn? 
gene 
Er will's doch nich haben. 
Hermann 


Er? Na mit dem, dent” ich, find wir doch nu aber fertig? 


Lene 
Wenn er wüßte, wo daß ich jetzt bin — 


Hermann 


Na was — wäre ja ganz gut; dann wüßte er mit einem- 
mal, wie die Dinge ftehn! 


gene 
Ich glaube — ich hätte gleich den Tod davon. 


Hermann 
Erfahren muß er’3 doch aber; ſonſt ift doch die ganze Ge- 
ſchichte für nichts. 


Lene 
Aber das wird fehredlich werden. 


Hermann 
Du bift ja dann nicht dabei; du bift ja dann in Berlin. 


gene 
Sa — aber wenn ich da fo alleine denn figen werde — 
fie greift in plöglicher Angft mit beiden Händen nach ihm) mein Bott, mein 
Jott — laſſen Sie mich nur nich im Stich! 


Hermann 
(jegt fich rafch neben fie auf Das Sofa, legt den Arm um fie) 


Verlaß dich drauf — ich bleibe dir freu — ich bin Dir 
gut, Lene — ih bin dir gufl (Er drückt fie an fich, küßt fie auf das 
Haar; fie ſeufzt; feine Küſſe werden begehrlicher, er küßt fie ins Geficht) 

Bene | 

Ach — was machen Sie denn? (Ste macht fich von ihm los) 


Vierter Akt 155 





Hermann 


Romm, komm, trink' noch einmal, (Er nötigt ihr das Glas in die 
Hand) 


gene 


Ich — follte eijentlich nich. 


Hermann 

Courage, Lene; fiehjt du, wenn man einen Vogel im Käfig 
gehabt hat, ſo ein paar Jahre lang, und nu macht man ihm 
plötzlich den Käfig auf — dann kriegt er anfangs einen Schreck; 
nachher aber überlegt er's ſich; und wenn er erſt draußen iſt 
und merkt, wie ſchön die Freiheit iſt, dann lacht er ſich ſelbſt 
aus wegen ſeiner Angſt und ſetzt ſich auf'n Aſt und macht 
„kiwitt, kiwitt“l Siehſt du, du haſt bis heute auch im Käfig 
geftedt; und in ein paar Tagen, paß mal auf, da machſt du 
auch „kiwitt“. 


Lene (wieder mit einem halben Lächeln) 
Sch fol „kiwitt“ machen? 


Hermann 
(ſtößt mit feinem Glaje an das ihre an) 


„KRiwitt“, Lene, „kiwitt“. 


gene 
Na, jo was wieder — die trinkt einen Zug, feufzt vor Behagen auf) 


hm — (fie jest das Glas auf den Tiſch, lehnt fich ins Sofa zurüd, Den einen 
Arm binter das Haupt gelegt; dabei geht ihr das Haar wieder auf ohne daß fie 
es merkt; fie ſeufzd ach — wenn man doch bloß nich zu Denken 


brauchte. 
Hermann | 

Das brauchft du auch nicht, das beforge ich. Sch denke für 
dich; ich habe auch ſchon für dich gedacht; willſt du’s mal ſehn? 
(Er ſteht auf) 
Lene 
Wie denn? 

Hermann (geht an den Schreibtifch) 

Paß mal auf — mach’ mal die. Augen zu. 


Lene 
Die Augen — zumachen? 


156 Die Haubenlerche 





Hermann 
Nur nen Moment — ein Heiner Spaß. 


gene 
(in der vorigen Stellung, jchließt die Augen) 


Hermann 


(bat die Goldftüde vom Schreibtifch mit beiden Händen aufgerafft, wendet fich ihr 

zu; man fieht, wie der Anblick ihrer Schönheit ihn mit Gewalt padt, jo daß er einen 

Augenblick, wie gebannt, an feiner Stelle jtehen bleibt; feine Lippen Öffnen fich, To 

daß man die Zähne fchimmern fieht; dann tritt er an den Ziich heran, hält beide 

Hände Darüber, jo daB man das Gold wie einen Haufen Darin funfeln fieht, und 
fpricht mit heiferem Ton) 


Na nu mal! 
Lene (öffnet die Augen) 


Herr du großer Jott — (fie ftarrt mit weit aufgeriffenen Augen auf 
das Gold) was ift das?! 


Hermann 
Das iſt dein, Lene, das gehört dir, das ift dein! 


gene 
Uber das — aber nein — 


Hermann 
ber ja! Mach’ die Hände auf, damit daß du es glaubit! 


Lene 
(drüdt fih in die Sofalehne zurüc) 


SE ee in 


Hermann 
Dann werf ich dir’s in den Schoß. (Er mache Miene, ihr das 
Geld über den Tiſch Hin in ven Schoß zu werfen) 


gene 


Über Sie werden doch nid — 


Hermann . 
Dann mach’ die Hände auf! 


Lene 
(ringt in ftummem Rampfe mit fich jelber) 


Hermann 


Mach’ die Hände auf! 


ru —— 


Vierter Akt 157 





Lene 
(hält ihre Hände unter die ſeinigen; er läßt das Gold hineingleiten; dann drückt er 
ihre Hände, fie mit den feinigen umfafjend, über dem Golde zufammen) 
Hermann (Heifer flüfternd) 
Nu halt's feit, Lene; ich geb's dir gern, Lene; ich hab’ 
dich lieb, Lene. 


gene 
Das — is ja ein Berg — da reichen meine Hände ja 
gar nicht dazu. 


Hermann 
Weil du fo Heine Hände haft, jo hübſche — (er neigt fich und 
füge ihre Hände) weil du überhaupt jo hübjch bift, jo reizend | 


Len 
gfäßt das Gold auf den Tifch gleiten, figt —— Blicks, beide Hände an die Schläfe 
gedrüct, Davor) 


Die Mafle — die Mafle — 


Hermann 
Davon die Hälfte, fiehft du, ift für Muttern ihre Bade— 
reife; und von der andern Hälfte mieten wir dir eine Wohnung 
in Berlin; und alles übrige, damit fannft du machen, was dir 
gefällt. R 
Lene (fchlägt die Hände zufammen) i 
Damit da kann ich mir ja die Welt faufen? 


Hermann 
So viel Geld haft du noch nie auf einem Haufen — 
geſehen? Nicht wahr? 


Lene 
Und das allens — das woll'n Sie mir fchenten? 


Hermann 

Sa, Lene, ja; und wenn das zu Ende ift, bring’ ich dir 
neues, und dann wieder und immer fo weiter; und dann fchenf’ 
ich dir ſchöne Kleider dazu, und Gold und Brillanten, wie fie 
die Prinzeffinnen tragen, und dann fahre ich mit dir fpazieren, 
und gehe mit dir ing Theater und auf die Rennbahn, und das 
alles kennſt du noch nicht, und das ift alles fo fchön, follit du 
einmal ſehn! 


158 Die Haubenlerche 





Lene 
Uber dag — kann ich doch nich annehmen! 


Hermann 
(tritt um den Tiſch herum, kniet vor ihr nieder) 


Du kannſt es wohl annehmen, das fommt nur auf dich an; 
fol ich dir jagen, wie du's machen mußt, daß du es annehmen 
fannft ? 

Lene (halblauf flüfternd, auf ihn niederblictend) 

Wie denn? Wie denn? 


Hermann 
Wenn du mich ein bißchen lieb haft, Lene; von einem 
Menichen, der einen liebt und den man wieder liebt, Tann man 
alles annehmen, alles! 


P} 


ne 
rückt fich an die Sofalehne, hält die Hände vors Geficht) 
Ach Jeſes! 


Hermann 
(reißt ihr die Hände vom Geſicht) 


Haſt du mich lieb, Lene? Ich bin dir ja ſo rieſig gut! 
Ich liebe dich ſo, Lene, ſo ungeheuer — fo — (er umſchlingt fie wild) 


Lene 
Was ſoll ich denn nur ſagen — Sie drücken mich ja tot — 


Hermann 
Weil ich dich ſo liebe — 
Lene 
Ich — habe ja nie was gegen Sie gehabt — und nu — 
ſchenken Sie mir ſo viel — ich — bin Ihnen ja gut. 


Hermann 
gene! Lene! Lene! Er bedeckt ihr Geſicht mit heißen Küſſen) 


Lene 
(reißt ſich ächzend los, ſpringt auf, wirft das Haar zurück) 


Ach Jeſes — ach Jeſes — 


Hermann | 
Wohin mwillft du? Geh doch nicht weg! Geh doch jest 
nicht weg! 


Vierter Akt ; 159 





Lene (nähert fih einem Fenfter) 

Ih will ja nich weg — ih — mir wird fo — ich weiß 
jar nich — janz wirblig, janz fchwindlig — nur ein bißchen 
frifche Luft — die ſchlägt den Vorhang vom Fenfter zurück) 

Hermann (will fie hindern) 
Nachher doch, du kommſt ja nachher genug an die Luft. 


Lene (ftößt einen Fenfterflügel auf) 
Nur nen Augenblid — bitte — dm Augenblid, da fie hinaus- 
haut, wird ihr Blick ftarı) wer — 18 denn das da — ? 


Hermann (fteht im Zimmer) 
Wo? Da unten? Iſt da jemand? 


Lene 
Draußen — vor die Gitterfür — fteht einer und kuckt 
immerfort ’rüber nach unferm Haus. 


Hermann 
Auguſt? 
Lene 
Me — der nich — — und ich denke — er is fort — 
und fragt nich mehr nach mir — und unterdes — da ſteht er — 
und kuckt — und lauert, ob ich nich 'rauskommen werde — 
jewiß hat er mir adje ſagen wollen. 
Hermann 
Laß doch den jetzt — 
Lene 


Und unterdes — bin ich hier — 


Hermann (faßt fie an der Hand) 
Komm doch weg — mach’ die Gardine zu — wenn er das 
Licht hier oben fieht, kuckt er 'rauf und fieht dich womöglich. 


Lene (fieht Hermann mit großen Augen an) 
Sa — nid wahr —? Wenn er — das wüßte — ? 


Hermann 
(reißt ihr Die Gardine aus der Hand, wirft fie vor das Fenſter) 


Mach’ die Gardine zu, jag’ ich! Er faßt fie um den Leib, zieht 
fie vom Fenſter fort) 


160 Die Haubenlerche 





Lene 
Fallen Sie mich nich fo an! 
Hermann 
(hat fie mit beiden Armen umfchlungen, küßt fie) 
Zu mir ſollſt du kommen! 


Lene (reißt ſich von ihm los) 


Gehn Sie weg von mir! (Sie fteht ihm mit hocherhobenen Armen 
‚gegenüber, die Finger an ihren geöffneten Händen krümmen ſich; der Ton ihrer 
Stimme wird jchreiend) Gehn Sie weg von mir! 


Hermann 


Schrei doch nich fo. 


Lene 
Gehn Sie weg von mir! 


Hermann (fteht ihr verblüfft gegenüber) 
Was haft du denn mit einemmal?! Was willft du denn? 


gene 
Dem da feine Frau will ich werden! (Sie zeigt nach dem Fenfter) 
Seine ehrlihe Frau! 
| Hermann 
Das ſollſt du ja auch, das kannſt du ja auch, das hab’ ich 
dir ja alles gejagt. 
Lene 


Das kann ich nich! Denn wenn ich nachher zu ihm komme, 
denn — ſpuckt er vor mir aus! 


Hermann 
Warum denn? Wiefo denn? 


gene 
Weil Sie mich vorher — zu Ihre — Mädreffe jemacht 
haben | 
Hermann 
Biſt du denn mit einemmal verrückt geworden? 


ne 


Bierter Akt 161 





gene 
Ne jar nihl Ich weiß ganz gut, was Gie von mir 
wollen! Und das is nich recht von Ihnen! Das is fchlecht! 
Und das will ich nih! Das will ich nich! 


Hermann 


Schrei nich fol Du frompeteft ung das ganze Haus auf 
den Hals! Er eilt an das offen gebliebene Fenfter und fchließt es) 


Lene 
Das fchad’t auch nichts! Das will ich auch! Ihm felber 
will ich’3 jagen, dem Herrn Aujuft, ihm felber, alles! Laffen 
Sie mich gehn — (fie wendet fich der Tür zu) 


Hermann (vertritt ihr den Weg) 
Du bift wohl nit — ? 


Lene 
raus jol’n Sie mich laſſen — fe ſtürzt auf die Tür zu, will 
aufflinfen; die Tür ift verriegelt) 
Hermann 
- (ift mit einem Sprunge hinter ihr ber, reißt den Schlüffel aus der Tür) 
Sp haben wir nicht gewettet | 


gene 
(greift fich in ratlojer Verzweiflung in das Haar) 


Nu bat er mich eingefperrt! Nu hat er mich eingefperrt! 
(Sie blickt nach dem Fenſter zu; Hermann ftellt fich raſch Davor) 


Hermann 
Nur fo lange, bis du wieder vernünftig wirft. 


gene 
(mitten im Zimmer jtehend, jchreit mit gellender Stimme 


Zu Hilfel Zu Hil — 


Hermann 
(ſtürzt fich auf fie, hält ihr den Mund mit der Hand zu) 


Sch bringe dich um, wenn du nicht das Maul hältft! Gi⸗ 
ſträubt fich verzweifelnd in feinen Händen) 


Slefelds Stimme 
(außerhalb der Szene, von der Fenfterfeite) 
Da oben, Herr Aujuſt, da oben iS es jewefen, wo daß es 
fchrie | 


Dramen X 11 


162 Die Haubenlerche 





gene 
(bat fich den Mund freigemacht, ſchreit) 


Sefeld! Paul Ilefeld! 


Hermann 


Ganaille! (Cr ringe mit ihr, reißt fie nach dem Sofa, dort finkt fie in die 
Knie, er drückt ihr den Ropf in die Sofakiſſen) 


(Während des legten hat man ein dumpfes Geräufch von Stimmen und Schritten 
hinter der Szene gehört; Das Geräufch nähert fich mehr und mehr) 


Hermann 
Will doch ſehn — ob ich folhem Frauenzimmer den Mund 
jtopfen werde, 


Lene (in die Kiffen ftöhnend) 


Zu Hilfe — 


Augufts Stimme (außerhalb der Tür rechts) 
Was ift hier los? (Cr rüttelt an der Tür, pocht daran Warum 
ift die Tür verfchloffen? Was iſt hier log? 


Lene (wie vorhin) 
Herr Aujuft — — 

Auguft (draußen) 
Die Tür auf, fag’ ich! 


Hermann 


k (ſteht Inirfchend, mit geballten Fäuften über Lene, dann wendet er fich mit einem 
’ böfen Lächeln der Tür zu, riegelt auf) 


Wozu fol denn der Skandal? 
(Die Tür wird von außen aufgeriffen, Hermann tritt raſch zurück) 


Dritter Auftritt -- 


Auguft (kommt mit einem Schritt herein, totenbleich mit vollenden Augen, in furcht ⸗ 
barer Erregung) i 


Auguſt 
Helene?! (Er ſteht ſtarr aufgerichtet mitten im Zimmer; blickt auf Hermann) 
Was haft du mit dem Mädchen gemacht? 


Hermann 
Was ift denn weiter dabei? in Kleines Rendezvous — 


Vierter Akt 163 





Auguft (mit zuckenden Händen) 
Du haft mir das Mädchen verführt! ! 


Hermann 
(weicht an die Tür feines Schlafzimmers zurück) 
Auguft 
Du Dieb — du Schurfe — du Hund — (er macht Miene, 
fich auf ihn zu jürgen) 


Hermann 
(ipringt in das Schlafzimmer, fehreit mit einer Stimme, Der man die Angft anhört) 


Sch babe Revolver ! 


Auguft 


Du mit deinem Revolver. — (Er ftürzt Hinter ihm drein, kommt 


im nächften Augenblick, Hermann am Kragen fchleppend, zurücd; in Hermanns Hand 
fiedt man einen Revolver) 


Hermann 
Sch fage dir — ich fage dir — 


Auguft 
Spigbuben halten dag Maul, wenn fie vor dem Richter 
ftehn! Du ftehit vor dem Richter — du — (er entwinder ihm den 
Revolver) ſtehſt vor dem Richter. 


Vierter Auftritt 
Zuliane (erfcheint in der Tür rechts) 


Quliane 
Auguft! Es ift dein Bruder! 
Auguft | 
(fährt zurück, kommt zu fich, wendet Das Haupf zu Zuliane) 
Ah — das war gut — (er wirft den Revolver fort) ich danke 
dir — (er ſtreckt ihr die Hand Hin) ich — danke Dir. 
Zuliane 
(ift hereingetreten, hat ihm rafch einen Stuhl zugefchoben) 
Auguſt 


(finft auf den Stuhl, beugt das Haupt, ſtützt die Hände auf die Knie, ein tränen- 
Iofer Krampf durchſchüttert feine Brust; nach einiger Zeit jagt er zu Hermann, der 
ch erhoben hat, ohne ihn anzujehen) 
Du bift frei — du kannſt die Fabrik verlaffen — warn du 
willſt — noch in diefer Stunde. 
11* 


164 Die Haubenlerche 





Hermann 
(ergreift, ohne einen Laut von ſich zu geben, ſeinen Hut, der auf dem Schranke liegt) 
Auguſt 
Nimm dein Geld mit! 


Hermann 


- (tritt an den Tiſch, ſackt ſchweigend die Goldſtücke ein, die Darauf liegen, gebt 
4 fchweigend durch die Tür rechts ab) 


(Paufe; während der man Lene fchluchzen hört; Juliane fteht Hinter Augufts Stuhl) 


Auguft (zu Juliane) 
Zuliane — fage dem Mädchen, das dort weint, daß fie 
gehen foll. 
Lene (in der vorigen Stellung) 
Herr Aujuft — ich habe nich recht getan — aber was Gie 
von mir denfen — das is nich wahr. 


August (chüttelt ſchweigend das Haupt) 


Lene 
Sp fchlecht bin ich nicht — Herr Aujuft — fo wahr Jott 
im Simmel lebt — fo fchlecht bin ich nich. 


Zuliane 
(legt Die Hand auf feine Schulter, beugt fich flüfternd zu ihm) 


Auguſt —? 


Auguſt 
Jetzt nicht — morgen. 


Juliane (wie vorhin) 
Ein brechendes Herz vertröftet man nicht auf morgen. 


Fünfter Auftritt 


Vorige. Zlefeld (erjcheint in der Tür rechts, bleibt an der Schwelle Draußen jtehn) 


Auguft (ohne das Haupt zu erheben) 
3b — kann nicht. 


Suliane 
Sp werde ich mit ihr ſprechen (Sie ſetzt ſich auf Das Sofa zu Lene) 








Vierter Akt 165 





Lene 
Ach Fräulein — ach Fräulein — (fie küßt, vor Juliane kniend, 
ihr die rechte, dann die linke Hand, drückt dann ihr Haupt in Julianens Schoß) 
Suliane cftreicht ihr über das Haar) 
Werde ruhig, fprich zu mir, Lene, fage mir alles, 


Lene (vom Schluchzen unterbrochen) 
Ich — babe — davonlaufen wollen — 


Suliane 
Warum mollteft du davonlaufen ? 


gene 
Weil ich’8 ihm hätte jagen follen — weil es nich recht 
war, Daß ich es ihm nich gefagt habe, — daß ich — einen an 
deren — lieb hatte. 


August (fährt mit dem Haupte auf) 
Sp geh ihm nach, deinem Liebften! Er ift hinaus! Geh 
hinaus! Du auch! 


gene 
(wendet das tränenüberftrömte Geficht zu ihm) 


Uber der doch nich? Der Herr Hermann iS es doch nich? 


Auguft 
Lüge nicht! 


gene 
(drückt Das Geficht wieder in Julianens Schoß) 


Juliane 
Sage mir, wer es iſt, den du liebſt. 
Lene (egt beide Arme um ſie) 
Ich — ſchäme mich ſo — 
Juliane 
Sprich — du mußt ſprechen. 


Lene (flüfternd) 
Der Zlefeld. 


166... @ie Haubenlerche 





Auguft 
(wirft Das Haupt, beinah freudig, überrajcht herum) 
Ilefeld? 


Lene 
(wendet ihm wieder das Geſicht zu) 


Das wußten Sie doch aber, Herr Aujuſt? Sie haben ihn 
doch aus der Fabrik weggeſchickt darum? 


Slefeld won der Schwelle her) 
Aber Jungfer Lene? Wie find Sie denn auf fo eine dee 
gefommen? 
Lene (blick ftarr auf Ilefeld) 
Das bat mir doch aber der Herr Hermann gefagt? 


Auguſt 
(winkt Ilefeld, deſſen er jetzt erſt gewahr geworden tft, herein) 
Ilefeld — (er ſteht auf, tritt zu Ilefeld heran, legt ihm die Hand auf die 
Schulter) warum haben Sie mir davon nichts gefagt? 


Stefeld (denkt das Haupt) 
Jott — fehn Sie, Herr Aujuft — wenn Gie fie nu mal 
heiraten wollten — denn wär’s von mir doch nich recht jeweſen, 
wenn ick ihr insg Glück getreten wäre, 


AUuguft (ftreicht ihm über den Kopf) 
So ein Kerl — fo ein alter dummer Kerl — (wendet das 
Geficht zu Lene) Helene, warum haft du mir das nicht gejagt? 


gene 
Herr — Aujuſt — 

Auguft 
Gib Antwort! 

gene 


Ach, Herr Aujuft — Sie — haben mich ja nie danach 
gefragt. 
August 


(richtet fih, von der Antwort getroffen, ftarr auf, jest 9 dann ſchwer auf den 
Seſſel nieder, ſagt halblaut vor ſich h 


Das iſt die Wahrheit, — (Na einer a wendet er fich wieder 
zu Lene) Und fo — einen anderen Mann im Herzen — haft du 
meine Frau werden wollen? 


Bierter Akt 167 





Lene 
Weil Sie doch zu meiner Mutter gejagt haben, daß wenn 
ich Sie heirate, denn wollen Sie ihr Geld geben, daß fie ins 
Bad reifen könnte? 


Auguft 
Wer bat dir das gejagt? 

Lene 
Haben Sie dag — denn nih —? 

Auguſt 


Wer hat dir das geſagt? Die Nichtswürdigkeit? 


Lene 


Onkel Ale — doch? 


Auguft (pringt auf) 
Das ift der Dank! Zehn Jahre lang hab’ ich für Dieje 
Menſchen gedacht, geichaffen, gejorgtl Und das ift der Dank, 
daß fie jo etwas von mir denken! 


Lene (in erſchrecktem Begreifen) 
Herr — Aujuſt — 


Auguſt 
Sprich nicht mehr zu mir! Deine Mutter fol heute noch 
ins Bad reifen, heute noch geb’ ich ihr das Geld, und du kannſt 
bingehbn, wohin du willft; meine Srau braucht du nicht zu 
werden! Sch gebe dich freil Du bift frei! Geh! 


| gene 
(ichleppt fich auf den Knien zu ihm heran, umfängt feine Knie) 


Herr Aujuft — Herr Aujuft — 


Auguſt 

Gehl uguf 

Lene 
Nein bittel Nein bittel Nein bittel Nich wegichicen, 
Herr Aujuft! Nich wegichiden! Treten Sie mit Füßen auf 
mich, Herr Aujuft, ich hab's nich anders verdient! Sch hab’ 
Schlecht an Ihnen jefan, Herr Aujuſt, ich babe nich jewußt, wie 


168 Die Haubenlerche 





Sie find, Herr Aujuft! Ich habe Ihnen weh getan am Herzen, 
Herr Aujuft, und wer fo einem Herzen weh tut, der verdient, 
daß man ihm den Strick um den Hals tutl Uber nich weg- 
fchiefen!. Nich wegfchiden! 


Juliane (tritt zu Auguft heran, fpricht flüfternd) 
Sn Qualen verfam fie an deiner Seite und du haft fie 
nicht gefragt — bift du frei von Schuld? Weſſen Glüd haft 
du gefucht, als du fie heiraten wollteft? Ihres oder deines? 
Bift du frei von Schuld? 

: Auguft 
(fieht ihr ins Geficht, drückt ihre Hand, wendet fish Dann zu Lene) 
Du Kind — (er ftreicht ihr über das Haar) du förichtes Kind, 


Lene (ergreift feine Hand und bedeckt fie mit Küffen) 
Herr Aujuft — Herr Aujuft — 


Auguft 
Na Slefeld — da ift eine — 


Ilefeld 
Ach Jott ja, Herr Aujuſt — da is eene — 


Auguſt 
Ob fie denn an der Bütte wird mithelfen können, JIlefeld? 


Slefeld 


I nu — wenn Gie nifcht dawider haben, Herr Aujuft, 
probieren ließe es ſich ja mol, 


Auguft 
Dann begreife ich doch aber nicht, warum Gie fo wenig 
Aufhebens von ihr machen ? 


Ilefeld 


Na — wenn's bloß auf das Aufheben ankommt — (er 


ftürzt fich mit einem jubelnden Laute auf Lene; diefe fliegt empor, ihm in die Arme, 
an die Bruft) 


gene 


Paul Stefeld! 





EIERN — DU 3a) u 4 * il Sa Ze 





Bierter Akt 169 





Slefeld (berzt und küßt fie) 

Dh Lenhen — och Lenchen — och — och — (er tritt, 
den Arm um Lene gejchlungen, vor Auguft) Herr Aujuſt — was id fagen 
wollte, Herr Aujuſt — fo’n Papier, wie wir nu machen wollen | 
— ſo ’nen Berg jeden Tag, Herr Aujuft, und fein! 


August 
Hit vecht, Stefeld, ift recht. Geht jest und wedt die Mutter; 
nachher fomme ich felbit. I 


Slefeld 


Is jut, Herr Aujuft, iS jut — (er wendet ſich mit Lene zum 
Abgange) aber fo nen Berg, Herr Aujuſt, und fein! 


Augujt 
(vuft ihnen nach, da fie auf der Schwelle find) 
Hör’ doch mal — Lene — (Zlefeld und Lene bleiben ftehen) Ob 
du nun wieder fingen Fannit? 


gene 
(blickt ſchamhaft glüdfelig zu Slefeld empor) 


Ach Sott — Herr Aujuft — mir is doch fast fo. Eene und 
Ilefeld rechts ab, Auguft und Zuliane bleiben jchweigend ftehen) 


Lenes Stimme (außerhalb der Szene) 
„Reich bin ich nicht — Taſchen find leer! 
Schön bin ich nicht — Manche iſt's mehr! 
Uber vergnügt — Weiß auch woher!“ 


Auguft (inkt auf den Stuhl) 
Die Haubenlerhe — da fliegt fie davon. 


Juliane 


Nein, ſie hat ihr Neſt gefunden und dankt dem Manne, 
der es ihr gebaut hat! (Sie tritt an das Fenſter, ſchlägt die Gardine zurüd, 
das heile Morgenjonnenlicht flutet herein Auguſt — es ift Tag, und 
die Sonne zeigt dir die Häufer der Menfchen, die glücklich find 
durch Dich! 


Auguft 
(wendet fein Haupt gegen das Feniter) 


Ja — es ift Tag geworden, und das neue Licht blendet. 


170 Die Haubenlerche 





Quliane 
Uber wer geſunde Augen hat, der gewöhnt fich daran — 
und du haft gefunde Augen. 
Auguft 
(figend, ergreift ihre beiden Hände, ſieht ihr ins Geficht) 
Dir glaube ich von jest an viel, (Er ſteht räftig auf) Darum 
fomme hinaus mit mir in Gottes neuen heiligen Tag — dort 
wollen wir’s erproben. Ä 


(Sndem fie fich nach rechts wenden, fällt der Vorhang) 


Ende des Stückes. 














N NE ET 





* 
— 
* 






Er Be ni ne Blind Bu 


Perſonen 


Friedrich Wilhelm, Kurprinz, ſpäter Kurfürſt von Brandenburg. 

6 Hollandine von der Pfalz, ſeine Couſine. 
dam Graf von Schwarzenberg, Statthalter von Branden- 

burg, Heermeifter des Sohanniterordeng. 

Morig Auguft von Rochow, 

Dietrich von Kracht, Oberſten. , 

Ronrad von Burgsdorf, 

Hartmann Goldader, 

Volkmann, 

Schapeloww, Oberſtleutnants. 

Dargitz, 

von Waldow, 

Werner von der Schulenburg, Hofherr. 

Gallas, öſterreichiſcher Generalleutnant. 

Claudine von Rochow, Moritz Auguſts Schweſter. 

Birkentiſch, Haushofmeiſter im Hauſe Schwarzenbergs. 

Ein Trabant im Hauſe Schwarzenbergs. 

Jakob Blechſchmidt, Wirtshausbeſitzer. 

Male, ſeine Frau. 

Lieſe, beider Tochter. 

Prediger Bergius. 

— ) Kämmeriere von Berlin. 

Schönbrunn, Bürger. 

Nickel Wollkopp, Geſelle bei Blechſchmidt. 

Ein Hoffurier. 

Fritze Storch, 

Bärwolf, Soldaten im Rochowſchen Regiment. 

Kobow, 

Die polniſche Kathrine, 

Die Lowiſe von Berlin, JSoldatendirnen. 

Die rote Stettinerin, 

Bürger und Bürgerinnen von Berlin. Soldaten. Soldatendirnen. 


Ort: Erſter Vorgang zu Rhena in den Niederlanden, alle weiteren 
Vorgänge in Berlin. 


Zeit: Vor und während 1640. 


Zum erſten Male aufgeführt im Königl. Schaufpielhaufe 
zu Berlinam 9. Februar 1891. ' J 


— 


— 





— 


Erſter Vorgang 175 





Erſter Vorgang 


Szene: Auf der rechten Seite in halber Tiefe der Bühne eine 
Gaͤrten-Terraſſe am Schloſſe zu Rhena in den Niederlanden; eine 
breitgefchwungene Treppe von etwa ſechs flachen Stufen führt von 
der Terraſſe in den Garten herab, der den Vorder- und Hintergrund 
der Bühne ausfüllt. In der Mitte der Terraffe ift Die große Ein- 
gangspforte ins Schloß. Der Garten ift im vollen fommerlichen 
Schmud von Bäumen und Blumen. E38 ift heller, fonniger Mittag. 


Erſter Auftritt 
Prinzeffin Hollandine, Elaudine von Rochow (befinden fich auf Der 
Terraſſe. — Ein großer Reijefoffer fteht mitten auf der Terraffe) 
Claudine (fließt den Koffer zu) 
Der legte Koffer ift gepadt, 
Hab’ und Gut find eingefadt — 
Nun kann es auf die Reife gehn. 
(Richter fich auf) 
Warum fo traurig, Prinzeß Hollandine? 


Prinzeß Hollandine 
Warum ſo luſtig, Fräulein Claudine? 


Claudine 
Rochowſches Blut, fröhliches Blut — 
Wer, wie ich, eine Reiſe tut, 
Soll der nicht luſtig ſein? 


Hollandine 
Ich denke, nein, 
Wenn er alte Freunde verläßt. 


Claudine 
Ich war zum Beſuch — der Beſuch war ſchön — 
Aber nun heißt es, nach Hauſe gehn. 
Ich werde hinweggenommen. 


Hollandine 
Ja, durch deinen abſcheulichen Bruder. 


Claudine 


Macht mir den Moritz Auguſtus nicht ſchlecht. 


176 


Der neue Herr 





Hollandine 


Wär’ er zu andrem Zwecke gefommen, 
Spräch' ich wohl anders, 


Claudine (umarmt fie) 
Das ift recht. 
Dem Jungen find alle Herzen gewogen. 


Hollandine 


Und von den Frauen insbejondere 
Scheint der Herr mir leidlich verzogen, 


Claudine 


Rochowſches Blut, ſieghaftes Blut! 
Wer die Rochows nicht leiden will — 


Hollandine 
Was iſt mit dem? 


Claudine ctußt ſte lachend) 
Ich bin ſchon ſtill, 
Iſt Torheit — Unſinn — 
Hollandine 
Rede doch! 


Claudine 

Dem geht's im Leben nicht gut! 
Mit den Rochows iſt das Glück! 
(Toll lachend) 


Hollandine 


Wo haſt du das her? 


Claudine 


Iſt ſo 'ne alte Ammenmär 
In unſrem Geſchlecht; ein Haus-Orakel — 
Und bis jetzt iſt's eingetroffen. 


Hollandine (füßt fie) 
Künftig desgleichen — wir wollen's hoffen. 


Erfter Vorgang 177 





Claudine 
Wis glauben, Ihr habt nichts dagegen. 
Nun fprecht mit mir den Reifefegen. 


Hollandine 
Wie mach’ ich das? 


Claudine 
(ſetzt ſich auf den Koffer, zieht die Prinzeſſin neben ſich) 


Hier iſt der Wagen. 
Seht Ihr — nun ſitzen wir drin — 
Hott hott hü — Wägerlein, 
Hott hott hü — Schwägerlein, 
Spann' an die Röſſelein, 
Fährſt ein fein Jüngferlein; 

(zu Hollandine) 
Jetzt fragt der Fuhrmann, ſeht Ihr wohl, 
Wohin daß er mich fahren ſoll? 
Darauf müßt Ihr ihm Antwort geben. 


Hollandine 
Das muß man fich ernſthaft überlegen. 
Glaudine 
Sch laſſ' Euch Zeit zu erwägen. 
Hollandine 


Nun, jo gib acht, was ich jagen werde: 
Schwager Fuhrmann, treibe die Pferde 

Bis daß du fommft an das hohe Schloß; 
Da Steht einer, der wird nach mir fragen, 
Dem ſollſt du mich in das Brautbett tragen, 
Da bring’ ich dem Herrn fein Traufgenof. 


Glaudine 


Wo liegt das Schloß? Wen habt Ihr im Sinn? 


Hpllandine 
Das Schloß? Nun — e8 liegt in Berlin. 


Glaudine 
Dom Kurprinzen fprecht Ihr von Brandenburg? 


Dramen X 12 


178 


Der neue Herr 





Hollandine 
Siehſt du, ſiehſt — da ertappte ich dich! 
Wie ſie jetzt auf die Fährte rennt! 
Fräulein Unſchuld verſchnappte ſich. 
Aber nun mit der Sprache heraus; 
Wie ſieht es bei dir im Herzen aus? 


Claudine 
Als wie in einem Taubenhaus; 
Gedanken flattern herein und heraus. 


Hollandine 
Nein, das Bild will mir nicht behagen. 


Claudine 
So will ich's Euch anders ſagen; 
Wartet ein wenig, ich überlege. 
Alſo, mein Herz iſt wie ein Garten 
In einer lichten Sommernacht. 
Da hängen die Büſche über die Wege, 
Die Vögel ſitzen in den Bäumen, 
Wiſpern und träumen, 
Lauſchen und warten, 
Rufen verſtohlen: 
Habet acht, habet acht, 
Der Morgen kommt, die Sonne erwacht — 


Hollandine 
Biſt du verliebt? 
Claudine 
Je — wie ſie ſpricht! 
Man könnte an Euch ſich den Schnupfen holen! 


Hollandine 
Freilich, Vernunft iſt für Verliebte 
Ein Übel, wie Schnupfen und Gicht. 


Glaudine 
Eins nur weiß ih — 


Hollandine 
Eins nur? Was? 


Erjter Vorgang 179 





Glaudine 
Finge ich einmal zu lieben an, 
So wird’ ich herzhaft lieben können. 


Birktich? Hpllandine 
irklich? 


Claudine 
Weiß nicht, wie ich's beſchreiben ſoll: 
Bis zum Vergehen und Verbrennen! 
Seht Ihr ſo — ganz raſend und toll! 
(Fällt mit Küſſen über Hollandine her) 


Hollandine 
Halt — nicht ſo wild — 
Spare dem Kurprinzen etwas auf, 
Dem all dein Küſſen gilt! 


Claudine 
(tritt zurück, plötzlich ernſt) 
Ach! 
Hollandine 
Was ach? 
Claudine 


Es iſt nicht recht, 
Daß Ihr von ſolchen Dingen ſprecht, 
Daß Ihr ſo in mein Innres dringt 
Und mir das Herz auf die Lippen zwingt. 


Hollandine 
Sei nicht ſo ungeduldig. 


Claudine 
Nein — 
Das ſind Schnacken und Träumerei'n! 
Seht — Ihr habt mich töricht genannt, 
Aber mein Herz hat ſeinen Verſtand. 


Hollandine 


Nun? und das kluge Herz, was ſpricht's? 
12* 


180 


Der neue Herr 





Claudine Wehmutvoll) 
Bon all den Dingen weiß er nichts. 
Er bat weit anderes im Sinn, 
Als einem Mädchen nachzufragen; 
Sein Geift gebt über die Erde hin 
Als wie von WUdlersflügeln getragen. 


Hopllandine 
Das alles weißt du? 


Glaudine 


Nah Tatenruhm 
Mittert er aus und nach Heldentum. 
Solch einer bat zum Lieben nicht Seit. 


Hpllandine 
Wäre er wirklich fo ungalant? 


Claudine (legt den Arm um Hollandine) 


Ungalant? Prinzeffin, verzeibt, 
Bei wem von uns ift nun der Verftand? 


Hollandine 


Was? In den Wolfen umberzujagen 
Und den Blumen nicht nachzufragen? 
Find'ſt du e8 recht? 


Glaudine (ieufzend) 
Es ift doch groß. 


Hollandine 
(hält Elaudine, fie an den Schultern fafjend, vor fich bin) 


Mädchen, was ift denn mit dir log? 
Iſt das Ernft oder ift es Spaß? 
Wahrhaftig — fie hat die Augen naß. 


Claudine (fäut ihr um den Hals) 
Ich hab’ in die Sonne hineingefehn — 
Kann's Euch veriwundern, 
Daß mir die Augen übergehn? 


Erfter Vorgang 181 





Zweiter Auftritt 


Rurprinz Friedrich Wilhelm (kommt aus dem Schloffe von rechts, in ein be⸗ 
ſchriebenes Blatt vertieft, Das er in der Hand trägt. Die Damen find bei feinem 
Erfcheinen auseinander getreten) Rochow (erfcheint einige Augenblide nach Dem 
Auftreten des Rurprinzen im Garten unten rechts und bleibt an der Kuliſſe jtehen) 





Rurprinz (halblaut leſend) 
„Morgen im Haag Bankett und Tanz, 
Nachher im illuminierten Garten 
Ein Schäferfpiel und ein Mummenſchanz —“ 
(er jchleudert das Blatt fort) 
Reizend, wahrhaftig! Himmel und Erde! 
n (Er geht auf und nieder) 


Hollandine 
(nimmt mit fpöttifhem Lächeln Das Blatt auf) 


Sp den?” ich auch; es wird reizend werden, 


Rurprinz 
Biel Vergnügen | 


Hollandine 
Sch danke. 


Rurprinz 
Sch bitte! 


Hollandine 


Höfiſche Sitte, höfiſche Pflicht. 


Rurprinz 
Erhabene Weisheit, die da fpricht! 
Pflicht und Sitte — 
Feſſel und Hemmſchuh auf Schritt und Tritte; 
Überall Schranken, 
Hinter denen man lechzend fteht 
Und Sieht, wie das Leben vorübergeht! 


Hpllandine 
Nun, bei allem was Har und wahr, 
Das nenn’ ich wahrhaftig undankbar | 
Hört doch — das Leben geht ihm vorüber, 
Während ſich's ihm zu Füßen legt 
Und ſich ihm ſelbſt entgegenträgt. 


182 


Der neue Herr 





Rurprinz 
Sa, das Leben, wie Shr es meint. 


Hollandine 
Das mir gar nicht das fchlechffte ſcheint. 


Rurprinz 
Seglichem das, was jeder fucht! 


Hollandine 
Gott im Himmel — die ſüße Frucht, 
Die ſich jo aus dem Baume drängt, 
Daß fie über dem Lebensiwege 
Zuftament überm Kopf Euch hängt, 
Sit fie denn nicht der Mühe wert, 
Daß Ihr ftehen bleibt und fie verzehrt? 


Rurprinz 
Ich habe nicht Zeit, mich zu Blumen zu bücken, 
Am Wege zu ftehn und Früchte zu pflücen, 
Der Weg, der vor mir liegt, ift weit. 
Für mich ift jet noch nicht Erntezeit, 
Sondern zu adern und zu beitellen — 
ber ich will Euch den Tag nicht vergällen 
Mit meinen Gedanken und meinen Sorgen — 


Hollandine 
Ufo Herr Vetter, von etwas andrem — 
(£rift lachend vor ihn hin) 
Wie wär’s, wir fagten ung guten Morgen? 
Rurprinz 
(blickt fie verblüfft an, bricht Dann in Lachen aus) 
Wie denn — vergaß ich's? — 


Hollandine 


Aufzuwarten, mein gnädiger Herr. 


Rurprinz 
Smmer die tolle Hollandine — 
Nichts für ungut — (üßt ihr die Hand) 


Erfter Vorgang 


183 





Hollandine 


Komm raſch, Claudine, 
(reckt ihr die Hand zu) 


Hier iſt die Stelle, die er geküßt; 
Drücke raſch deine Lippen her! 


Claudine 


Aber — Prinzeſſin — 


Hollandine 


Ach, geh mir, geh. 


Rurprinz 
Daß Ihr doch immer fpotten müßt! 
(Reicht Elaudine die Hand) 
Sräulein Glaudine, ängftet Euch nicht; 
Bei meiner Coufine weiß eine Lippe 
Nicht, was die andre Lippe fpricht. 
Sit der Bruder, Moris Auguftus da? 


Claudine 
(die ſchüchtern ihre Hand in die ſeine gelegt hat) 


Euch zu dienen, gnädiger Herr. 


Hollandine 
Seit einer Stunde und etwas mehr, 
Steht er an der Rabatte drüben. 


Rochow (tritt näher) 
Ihre Gnaden, Prinzeß, belieben, 
Scheint mir, ein wenig zu übertreiben. 


Rurprinz | 
Das ift ihre Art und wird fo bleiben. 
Sie ift wie das Echo, das neckt und lacht 
Und drei Worte aus einem macht. 


Hollandine 
Bin ich ein folches Ding? 
Gut, Herr Vetter, Ihr wißt: 
Das Echo Spricht nur wieder, 
Was es von ung empfing, 
Es jagt Euch, was in Euch ift. 


184 


Der neue Herr 





Rurprinz 
Was denn ift in mir? 


Hollandine (legt die Hand auf fein Herz) 


Zunger Herr Ritter, 
Hier unterm Rod ift Ungemitter. 


Rurprinz 
Diesmal hat Echo wahr gefprochen; 
Mir ift, als fühlt! ich in meinen Adern 
Die Säfte des Lebens brodeln und kochen! 
Moris Auguftus, was ftebjt du fern, 
Als gehörteft du nicht zu uns? 


RohHMm (fteigt zur Terraffe auf) 


Überall bin ich, wo Eure Gunft, 
Gnädiger Herr, mir zu fein befiehlt. 


Rurprinz 
Dann fei mir nah, 


Roſchow cüßt ihm die Hand) 
Gnädiger Herr, ich bin da. 


Rurprinz 
(legt ihm die Hand auf Die Schulter) 

Nun könnt' ich denken, ich wär’ zu Haus — 
Ihr Damen, da könnt Ihr's fehn: 
Sp fiehbt Brandenburg aus, 
Coufine, Ihr follt mir geftehn, 
Das ift ein Gewächs und ein Menfchenfchlag, 
Anders als Ihr’3 zu fehen befommt 
Un Eurem Hofe im Haag? 

(Zu Rochow) 
Komm, wir find jung; 
Bor uns, in heiliger Dämmerung 
Liegt das reiche, herrliche Leben; 
Was e8 und nehmen mag oder geben, 
Ram’radfchaft, Rochow! 

(Hält ihm die Hand Hin) 

Willſt du mein Bundesgenoffe fein? 


a 


Erjter Vorgang 


185 





Roch o w 
Teuerſter Herr, nicht das allein; 
Ich verſprech' Euch zu unſerm Konzerte 
Muſikanten dazu zu bringen; 
Wenn wir flöten und ſchalmei'n, 
Soll'n ſie's hören und danach ſpringen. 


Kurprinz 
Wer ſoll ſpringen? Wen meinſt du? 


Roſch o w 
| Wen? 
Gnädiger Herr, ich meine die Welt, 
Der ich ein paar Sahr länger als Ihr 
Schon in die Augen gefehn. 


Rurprinz (chlägt ihn auf die Schulter) 
Seht Ihr Frauen allhier 
Einen brandenburgifchen Offizier! 
Sag’ mir: deine Rameraden, 
Sind fie dir gleich ? 
Mit folhem Pulver wie du geladen? 


Rocho w 
Gnädiger Herr, das verſich'r ich Euch: 
So werdet Ihr alle finden. 
Sie haben es ſatt das feige Kneifen, 
Das erbärmliche Wedel-Schweifen, 
Das von einem zum andern Schwanken, 
Das Kriechen und Winden, | 
Daran wir fehier zwanzig Jahr nun Franken! 
Wir woln in der großen Völferhat 
Us Soldaten nehmen unferen Plag, 


Den wol’n wir behaupten, da woll'n wir ftehn. 


Rurprinz 
Recht fo! 
Roſch o w 
Und alſo wird's geſchehn, 
Gnädiger Herr, Ihr ſollt's erleben. 


186 


Der neue Herr 





Euer Herr Vater hat einem Mann 
‚Die Statthalterfchaft in der Mark gegeben, 
Dem man in allem vertrauen kann. 


Rurprinz 
Wer ift das? — 
Roch o w 
Graf Adam von Schwarzenberg. 
Rurprinz 
Den Namen Tenn’ ich. 
Roſch o w 


Das will ich glauben, 
Aber Ihr wollt mir zu ſagen erlauben, 
Ihr werdet den Inhalt des Namens erkennen 
An ſeinen Plänen und ſeinem Werk. 


Kurprinz 
Kannſt du mir ſeine Pläne nennen? 


Roſch o w 
Gnädiger Herr, ich bin Soldat, 
Bin kein Diplomat, 
Darum verzeiht, wenn ich ſchweige, 
Und in rebus politicis 
Mich nur halb bewandert zeige. 
Nehmt's für gewiß, es iſt ein Mann, 
Der mehr als andre kann; 
Seht Ihr, ein Wille wie Stahl und Eiſen, 
Dazu ein Verſtand 
Klar wie Demant, 
Weiß ſich immer zu helfen, zu raten 
Und in der Taſche die Dukaten 
Sind ihm noch nimmer dünn geworden. 


Kurprinz 


Sprichſt ja als wie vom Doktor Fauſt, 
Dem Herenmeifter? 


— 


Be in > a ne A id a Zn 


Erſter Vorgang 


187 





Rochow 
Meiner Treu, 
Dünkt mir ſelber manchmal wie Herxerei. 
Und was die Hauptſach' von allem iſt: 
Gnädiger Herr, ſo wißt: 
Der Graf Schwarzenberg hat's im Werke, 
Daß er das Heer Eures Herren Vaters 
Um das Doppelte verſtärke. 


Kurprinz 
Was du mir ſagſt —? 


Roch o w 
Um acht Regimenter 
Soll die Armada ſich vermehren. 


Kurprinz 
Iſt das Wahrheit, was du ſprichſt? 


Roch o w 
Kann's Euch mit gutem Gewiſſen beſchwören; 
Denn von den Regimentern das eine 
Soll mir ſelber als Oberſt gehören. 


Kurprinz 
Und du glaubſt, daß er das kann? 
Roſch o w 
Das will ich meinen! 
Rurprinz 
Rochow, du Fündeft mir Großes an! 
Roſch o w 


Dachte mir wohl, es würde Euch freuen. 


Kurprinz (geht auf und ab) 
Ah, wenn ich dächte, daß er's vollbrächtel 
Das ift Boden unter den Füßen, 
Können, Kraft und Gewalt! 
Der Fürftentitel, prunfend und Ieer, 
Gefüllt mit wahrem Gehalt! 
Lieber ein Bettler in ehrlichen Lumpen, 
Als ein Fürft ohne Beer! 


188 Der neue Herr 





Roſch ow 
(ergreift ſeine Hand, küßt ſie) 
Stund' und Gelegenheit ſind mein; 
Laßt mich von Euren Offizieren 
Heute den erſten ſein, 
Unſern Gen'ral zu begrüßen. 


Kurprinz 
Rochow, ich nehme es an; 
Der Titel iſt gut; 
Hat Saft und Kraft und Fleiſch und Blut! 


Roſch ow 
Ja, Ihr werdet zum Ruhm uns führen. 


Kurprinz 
Meinſt du? Meinſt du? 


Roſcho w 
Junger Held, 

Könnt' ich Euch ſagen recht vom Grunde, 
Wie Euer Wort und Weſen, 
Wie mir alles an Euch gefällt! 
Euch hat zur rechten Stunde 
Das Schickſal für uns erleſen! 
Werdet ein König Eurer Soldaten, 
Wir wollen Euch folgen zu herrlichen Taten! 


Dritter Auftritt 


Diener (find während des legten von unten aus dem Sintergrunde aufgetreten 

und haben fich Dort in ehrerbietiger Entfernung gehalten; mit den Dienern tft) 

Elije Blechſchmidt (in Pagentracht, den Soldatenmantel Rochows über dem 
Arm, aufgetreten) 2 


Hollandine 


Amen — Ihr begeifterten Herrn, 

Nun aber wollt vergeben — 

Ich unterbrech’ Euch nicht gern — 
Sein Recht verlangt das gemeine Leben, 


Rurprinz 
Was gibt's denn? 


Erſter Vorgang 189 





Hollandine 
Die Diener dort; 


(ruft den Dienern zu) 
Meldet Ihr ung den Reijfewagen? 
(Die Diener verneigen fich ſchweigend) 


Hollandine (wendet fich zurück) 


Claudine, fie wollen deine Giebenfachen 
Und dich felbjt zum Pakete machen. 


Claudine (feufzend) 
Sp hat die Scheideftunde gefchlagen — 
(die Diener fteigen herauf, heben den Koffer auf und fragen ihn durch Die offene 
Palaftpforte hinaus, ährend Dies gejchieht) 


Hpllandine (zu Rochow) 


Herr von Rochow, Ihr follt mir jagen, 
Was ift denn das? (Zeigt auf Elife) 


Roſch o w 
Was meint Ihr? 


Hollandine 
Dort, 
Der Page? ſcheint zu Euch zu gehören? 


Roſch o w 
Sakr — was ſucht ſie hier? 
Ausdrücklich hab' ich ihr verboten — 
Die verwünſchte Neubegier — 
(er eilt mit — Sprüngen die Stufen hinunter, auf Eliſe zu. Man ſieht, wie er 
leiſe, heftig zu ihr ſpricht und (ints mit ihr abgeht) — 


Kurprinz 
Was iſt geſchehn? Wo eilt er hin? 


Hollandine 
Mirakel! Mirakel! 
Ein nie geſehenes Spektakel! 
Moritz Auguſtus hat einen Pagen, 
Von dem er ſelbſt nicht ſagen kann, 
Ob es ein Weiblein oder ein Mann! 


190 Der neue Herr 





Roſch o w 


(kommt von links unten zurück) 
Kurprinz 
Moritz Auguſtus — wo iſt er geblieben? 


Roſch o w 
Wer, gnädiger Herr ? 


Rurprinz 
Nun — wer? 
Dein fchöner Page —? 


Roch o w (ärgerlich verlegen) 


Ach ſo — der — 
Hollandine 
Iſt er jetzt wieder zur „ſie“ geworden? 
Roſch o w 
Prinzeſſin — 
Hollandine 


Helft mir, Vetter! 
Er blickt, als wollt' er mich ermorden! 


Roſch o w 
Nun, beim Element und Wetter — 
Mein Page — was iſt daran? 
(halblaut) 
Und was geht's Euch an? 


Rurprinz 
Ei, fo fage, wie heißt er denn? 
Roſch o w 
Quispiam, gnädiger Herr. 
Claudine 
Chriſtian? 
Hollandine 


Criſpinian? 


Eriter Vorgang 19} 





Roſch o w 
Quispiam, hab' ich geſagt — 
Es iſt mein Page Quispiam! 


Claudine 
Was iſt denn das für ein Nam'? 


Hollandine 
Steht der in einem Chriſtenkalender? 


Kurprinz 
Verſteht: das Wort iſt Latein, 
Heißt auf lateiniſch „irgendwer“. 


Roſch o w 
Irgendwer alſo wird es ſein. 


Kurprinz 
Nun, denn endlich — erklär'. 
Fürchteſt du vor der Erklärung dich? 


Roſch o w 

Mich fürchten? Ich? 
Es iſt nur — ich weiß — 
Duckmäuſer könnten's etwa deuten — 
Aber, was frage ich nach den Leuten, 
Sind hier Duckmäuſer? Ich denke, nein — 

(ruft nach links) 
Page Quispiam — erſchein' — 
Ei, jo komm nur — fürchte dich nicht, 
Wirft nicht aufgefreffen werden | | 


Vierter Auftritt 
Eliſe Blechſchmidt (komme zögernd von links) 


Rocho w 
(führt fie an die Treppe der Terraſſe, tritt mit ihr auf die unterſte Stufe) 
Sp — bier tritt ber. 
(Elife ſchmiegt fich, ſchüchtern erglühend, an ihn) 
Da ift er, gnädiger Herr, 


192 


Der neue Herr 





Rurprinz 
Bei allen Frauenfchleppen auf Erden, 
Das ift ein Page mit Mädchengebärden | 


Roſh o w 
Werd' ihm nun vor Euren Ohren 
Die Weisheit abfragen; 
Page Quispiam, ſollſt uns ſagen: 
Wo biſt du geboren? — 
Biſt du ſtumm? Ich frage dich. 


Eliſe 
Bin geboren — zu Berlin. 
Roſch o w 
Was iſt Berlin? 
Eliſe 


(legt die Arme um ſeinen Hals) 
Ach, du Schlimmer — was quälſt du mich? 


Roſch o w 
Was iſt Berlin? Haſt deine Lektion 
Du vergeſſen? 
Eliſe 
Weiß ja ſchon: 
Iſt ein Fiſchkaſten an der Spree. 


Kurprinz 
Hört das! 
Roch o w 


Ihr ſollt's noch beſſer hören. 
(Zu Eliſe) 
Was für Fiſche find drein? 


Elife (mit verhaltenem Lachen) 
Tollkopf — 
Roch o w 
Was für Fiſche? 
Eliſe 
Karpfen — Karauſchen und Schlei'n. 


Erjter Vorgang 193 





Roſch o w 
Wie ſchmecken die Fiſche? 


Eliſe 
Schlecht. 
Roſch o w 
Wer frißt die Fiſche? 
Eliſe 
Der Hecht. 


Roſch o w 
Wie heißt der Hecht, der ſie beißt? 


Eliſe 
Der tolle Rochow er heißt. 


Kurprinz 
Rochow? Was? Du frißt die Berliner? 


Roſch o w 


Gnädiger Herr, zu dienen, — 
Wir ſind ineinander zum Freſſen verliebt. 


Kurprinz 
©» in der Art von. Hund und Katze? 


Roſch o w 
Getroffen aufs Wort. 
Dies ganze Seifenſiederpack 
Haßt uns Soldaten zum Zerplatzen. 
Dafür Spielen wir ihnen Tort, 
Wo wir fönnen, und Schabernad. 
Seht hier ein Beifpiel: Quispiam, fprich, 
Wer führte zu wiürdigem Dafein dich ? 


Elife 
Das hat der tolle Rochow getan. 


Roſch o w 


Richtig, und wie fing er's an? 
Dramen X 13 


194 


Der neue Herr 





| Elife 
Da er mih — aus Vaters Haus — 
(fie ftockt und verbirgt ihr Geficht an feinem Halfe) 


Roſch o w 
Alſo —? 

Eliſe 
Nein laß. 


Roſch o w 
Aus Vaters Haus —? 


Eliſe 
Führte — ins luſtige Lager hinaus. 


Hollandine 
Das Pagengeheimnis, da iſt's heraus! 


Claudine 
Aber, Herr Bruder? Was muß man hören? 
Mädchen entführen? Schöne Geſchichten. 


Roſch o w 
Wollt Ihr ſplitterrichten, 
Jungfer Schweſter, ſo laßt Euch nicht ſtören, 
Aber tut's, wo ich nicht bin. 
Seht Ihr, dieſes Berlin 
Hat nur ein Gutes, das ſind die Mädchen. 
Die haben Fleiſch und Blut, 
Sind den Soldaten gut. 
So iſt es dem armen Kind hier ergangen: 
Übers Spinnrad gebeugt, 
In einer Hinterſtube gefangen, 
Hat ſie ihr Leben hingekeucht. 
Da eines Tages mit der Kompagnei 
Zog ich bei ihrem Haufe vorbei. 
Und als fie von fern die Trommel hörte — 
Yuispiam ſprich — was fprach die Trommel? 


Elije 
Die Sprach: „Rumbum, ; 
Mägdlein, ich werbe, Mägdlein, kumm.“ 


. Erfter Vorgang 195 





Rurprinz 
Und da warb fie dich zum Soldaten? 
Elife 
Gnädiger Herr — Ihr habt's erraten, 
Roſch o w 


Die Trommel hat ſie geworben 

Und hat ihr Gutes getan, 

Sie iſt nicht dran geſtorben. 

Früher war ſie wie Milch und Wachs, 
Seht ſie jetzt an: 

Friſch und drall wie ein Silberlachs. 


Elife (chlägt ihn auf den Mund) 
Wart', ich werde dich Sitte lehren. 


Rurprinz (lachend) 
Da haft du’s, Rochom! 


Roſch o w 


Bei meiner Ehre, 
Sie ſchlägt mit den Pfoten wie ein Dachs. 


Kurprinz 
Aber was ſagt der Vater dazu? 


Roſch o w 
Den laſſen wir ſitzen in Ruh'. 
Quispiam, du wirſt gefragt: 
Was ſagt der alte Sauertopf? 


Eliſe 
Das ſollſt du mich nicht fragen — 
Hab's dir ſchon oftmals geſagt! 


Roſch o w 
Aber du ſollſt es ſagen! 
Ich hab's nun einmal im Kopf. 


Eliſe 
Aber ich will nicht — 


13* 


196 


Der neue Herr 





Roſch o w 
Aber ich will, 
Er droht mit dem Krückſtock — 


Elife (Hält ſich die Ohren zu) 
Nein — Sei ftil — 
Daran ſollſt du mich nicht erinnern! 


Roſch o w 
(entfernt ihr die Hände von den Ohren) 


Droht mit dem Krückſtock — macht du — du — du — 


Eliſe Gricht in Tränen aus) 
Wenn er's täte, ſo hätte er recht! 


Roch o w 
Holla — greinſt du? 


Eliſe 

Geh — du biſt ſchlecht! 
Es gibt mir 'nen Stich im tiefſten Innern, 
An meinen Vater zu denken, 
Und daß wir ihn ſo kränken! 
Das alles weißt du — und — biſt doch ſo — 
Seh — das iſt ſchlecht — das iſt roh! 


Roſch o w 
Ha, zum Teufel — 


Kurprinz 
Rochow, laß; 
Mir ſcheint, ſie weint nicht aus Spaß. 


Roſch o w 
Gnäd'ger Herr, keine Not; 
Tränen gehören zu den Frauen 
Wie die Butter zum Brot. 
Lieschen — Herzchen — Teufelskind — 
Soll man den Augen trau'n? 


Weint das ſich blind. 
(Nimmt ihre Hände in die ſeinigen) 


So fieh mir doch ins Gefiht — 
Kennſt deinen tollen Rochow nicht? 


nn nn lau nun far me, 


Erfter Vorgang 197 





Elife (unter Tränen lächelnd) 


Daß man dir eben nicht bös fein kann, 
Das ift mein Unglück — du fchlimmer Mann. 


Roſch o w 
(ſie an der Hand haltend, verneigt ſich gegen den Kurprinzen) 


Der Frieden iſt retabliert, 
Und Ihr ſeht, es ging leidlich ſchnell. 


Kurprinz (droht ihm lächelnd) 
Ich ſeh' es, du arger Geſell, 
Der Frauen und Männern den Kopf verführt. 


Rochow 

Erobern — das iſt Soldatenweiſe — 
Meine Mutter hat's gut bedacht, 
Daß fie mich jest zur Welt gebracht. 
Heut ift die Welt des Soldaten Speiſe. 

(Die Diener erjcheinen in der Palafttür auf der Terraffe) 
Da fommen die Diener und mahnen zur Reife — 
Es ijt Zeit — 
Duispiam, mach’ dich bereit, 
Glaudine fährt im Wagen allein, 
Wir fahren zufammen hinterdrein. 


Hollandine 
Bravo, die Reife wird luſtig werden. 


Roch o w 
Eine Götterfahrt über die Erden; 
Mars iſt mein Vater, ich bin ſein Sohn. 
Quispiam, ſag' ich — 
Eliſe 
Sch gehe ſchon. 
(Läuft nach links ab) 
Roſch o w 
(tritt vor den Kurprinzen, verneigt ſich) 
Und nun alſo — gnädiger Herr — 


Kurprinz 
(legt die Hände auf feine Schultern, blickt ihm ins Geſicht) 


Tollkopf, wilder Gefell, 
Morig Auguſtus, man follte dich fchelten. 


198 


Der neue Herr 





Roch o w 
Scheltet immer, doch laßt mich gelten 
Sp wie ich bin. 
Rurprinz 
Den Sand der Marf 
Hat man dürr mir und dürftig bejchrieben, 
Sol einen Sprudel- und Strudelquell 
Hat der märlifche Boden getrieben? 
Moris Auguftus, 
Scheinft mir feiner von den Frommen, 
Uber die Ströme werden ftarf, 
Die aus den wilden Quellen kommen; 
Ströme insg Leben — ich muß Dich lieben. 
(Er nimmt feinen Ropf zwifchen die Hände, küßt ihm die Stirn) 
Roſch o w 
(ergreift mit beiden Händen die Hand des Kurprinzen) 
Gnädiger Herr, mit ſchuld'gem Reſpekt — 
Euer Vertrauen ſoll Euch nicht reuen, 
Ihr ſollt Euch deſſen noch einmal freuen! 
Wie ein Bannerträger und Ehrenhold 
Ziehe ich Euch voraus, 
Daß Ihr Quartier und Haus 
MWohlbereitet finden follt, 
Wenn Ihr kommt zu Euren Soldaten! 
(Er ergreift Claudinens Hand) 
Komm, Claudine, wir gehn — 
Keinen Abſchied — 


Claudine (zu Hollandine) 
Auf — Wiederſehn? 


Kurprinz Eaßt Rochows Hand) 
Ja — ja — ja — auf Wiederfehn! 
(Er reißt ſich los, wendet ſich ab) 


(Rochow und Claudine gehen durch die Palaſtpforte ab. Die Diener folgen ihnen) 


Hpllandine KRurprinz. 
(Paufe) 


Hollandine 
Alſo? Im Haag Bankett und Tanz? 
Und nachher Feuerwerk im Garten? 


te 


Le ne 


Erſter Vorgang 


199 





Rurprinz 
Man wird vergebens meiner warfen, 
Sch geh’ zum Dranier nach Schenkenſchanz. 


Hollandine 
In die Laufgräben? 

Kurprinz 

Dahin eben! 


Hollandine 
Ins Gefecht? 
Kurprinz 
Ganz recht. 


Hollandine 
Ich denke, Ihr werdet Euch anders beraten? 


Kurprinz 

Und wenn ſie Euch fragen, 
So mögt Ihr zum Beſcheid ihnen ſagen: 
Mich verlangt nicht nach Spiel und Tanz, 
Nicht nach geputztem Firlefanz. 
Nicht nach Eſſen- und Trinkgelage, 
Weil ich Hunger im Herzen trage 
Nah Taten! Nach Taten! 

(Er fteigt die Terrafientreppe hinunter) 


Borhang fällt. 


Ende des erften Vorganges. 


200 Der neue Herr 





Zweiter Vorgang 


Ein Zimmer im Palaft des Grafen Schwarzenberg zu Berlin. Ein- 
gangstür in der Mitte. Ein Vorhang von ſchwerem Dunklen Stoff 
fchließt die Linfe Ecke der Bühne von der Übrigen Bühne ab; zu 
dem Vorhang leiten aus dem PVordergrunde einige Stufen empor. 
Wenn ſich der Vorhang öffnet, fieht man in einen Fleineren, mit 
Tiſchen und Stühlen gefüllten erferartigen Raum hinein. Beim Be- 
‚ginn des Aktes ift der Vorhang gefchloffen. Links vorn ein Fenfter. 
An der Wand rechts läuff eine fteiflehnige, ledergepoliterte Bank 
entlang. Unter dem Fenfter links ein kleiner Tiſch mit Tintenfaß, 
Dapieren, Lichtern und Giegelzeug 


Erſter Auftritt 


Birkentiſch (fist am Tifche links vorn, mit Schreiben befchäftigt; er tft forgfältig 

und reich gekleidet, mit großem Amlegekragen; fein großer Stab mit goldenem 

Rnopfe lehnt am Tiſche) Trabanten (alle reich gekleidet, fisen jchwagend auf 
ver Bant, ftehen umber und gehen geräuſchvoll Durch Die Tür ein und aus) 


Birfentifch 
(nach einiger Zeit den Ropf wendend) 
Wenn fih die Herren gemüßigt fänden, 
Zu EZalmieren Lärm und Getümmel, 
Sp möchte ich darum bitten. 
(Wende ſich zum Schreiben zurüd; der Lärm Dauert fort) 


Birfentifch (wie vorhin) 
Man fieht doch, daß ich fchreibe — 
Sch bitte um Ruh’! 


(Er wendet fich noch einmal zum Schreiben; Das Gelärm Dauert fort) 


Birkentiſch (Fährt herum, fpringt auf) 
Haltet die Mäuler, Ihr Lümmel! 
Und Eure Knochen am Leibel 
(Allgemeine Stille) 


Birkentifch Glickt im Rreife umher) 
Was find das für Gitten 
In diefem Pech- und Schwefelland? 
Corpo di Bacco! 
Beim Herrn Duca di Savelli, 
Bei dem ich vor Zeit in Dienften ftand, 
Fiel e8 niemandem ein, 
In den Zimmern der gnädigen Herrfchaft 
Zu rüpeln und zu fchrei’n. 
(Er nimmt die Lifte, an der er gefchrieben, vom Zifche, blickt hinein) 


Zweiter Vorgang 201 





Die Rämmeriere von Berlin, 
Philipp Trumbach — Chriſtoph Frieſen 
Sind ſie da? 

Erſter Trabant 
Seit heute morgen um acht 
Stehen ſo ein Paar ſchwarze Kittel 
Draußen in der Ante-Camera. 


Birfentifch Glickt in die Lifte) 
Wer kommt nach diejen? 
Die DOberften Rochow und Kracht, 
Item Goldader, Oberftleutenant. 
Sind fie da? 

Erfter Trabant 

Die Ante-Camera 

Wimmelt von Waffen. 


Birkentiſch 
Offnet die Tür, 
Ruft die Berliner. 
Erfter Trabant (öffnet die Tür, ruft) 

Die Rämmeriere, 

Philipp — (wendet ſich zurüd) 
wie hießen die Kerle? 

Birkentiſch 

Philipp Trumbach! Chriſtoph Frieſen! 


Zweiter Auftritt 


Rochow, Kracht, Goldacker (erſcheinen in der Tür; Rochow faßt den Trabanten 


am Kragen und ftößt ihn zur Seite, jo daß er an die Wand fliegt) 


Eriter Trabant (veibt fich den Kopf) 
Was — ift denn — das? 


Rohom (tritt ein) 
Das ift nur ein Spaß, 
Du Hundsfott, verglichen mit dem, 
Was dir am Leibe fol gefchehn, 
Wenn du uns länger warten läßt! 
(Kracht und Goldader find eingetreten) 


202 Der neue Herr 





Birfentifch 
Domine — Herr Dberft — 


Rochow (zu Birkentiſch) 

Daß dich die Peſt — 

Biſt du der Kerl, der Offiziere 
Antichambrieren läßt vor der Türe? 


Kracht 
Hat das von Anſtand keine Idee? 
Nicht von Ordnung und Gebräuchen? 
Läßt uns drauß' auf der Diele ſtehn 
In der Geſellſchaft von Bürgergäuchen? 


Birkentiſch 
Domine — 
Goldacker 
Und ruft die Schwarzröcke 
Vor uns herein? 


Rangiert uns hinterdrein 
Hinter Schneider- und Schuſterböcke? 


Birkentiſch 
Domine, Herr Oberſt, 
Herr Oberſt komme ſelbſt und ſeh': 
Sch verfuhr secundum ordinem. 

(Zeigt auf die Lifte) 
Primo loco ſtehen bier 
Philipp Trumbach, Chriſtoph Frieſen — 
Dann die Herren Offiziers. 


Roſch o w 
Huſten will ich dir was und nieſen 
Auf dein erbärmliches Papier. 


Birkentiſch 
Des Heermeiſters Ehrwürden 
Haben die Tabellen ſelber geſetzt. 


Ro ch o w 
(ſchlägt ihm Das Blatt aus der Hand) 


Da haft du die neue Drdnung jebt. 


BR: 


Zweiter Vorgang 


203 





Birkentiſch (werdugt) 


Corpo di Bacco — 
(er will das Blatt aufheben) 


Roch ow (jest den Fuß darauf) 
Laß liegen; 
Sollit deine Tabelle fonft, zerfetzt, 
Dreimal um die Ohren Friegen. 
Wo ift der Heermeifter? 


Birkentiſch 
Sie fuhren hinaus, 


Dem Generalleutnant Gallas entgegen. 


Roſch ow 
Wo hinaus? 


Birkentiſch 
Nah Potsdam zu. 
Roch o w 
Wann? 
Birkentiſch 
Sie gingen früh von Haus. 
Roch o w 
Fuhr zu Wagen? 
Birkentiſch 
Herr Oberſt, ja; 


Seine Ehrwürden können das Reiten 
Ganz und gar nicht mehr vertragen. 


Rochow achdenklich) 
Hm — 
Kracht (su Rochow) 
Iſt's wahr, was der da Sprach? 


Rochow (ebenfo zu Kracht) 


Ja, er wurde in legten Zeiten 
Breſthaft und Schwach. 


204 Der neue Herr 





Goldacer (zu den beiden) 
Wird er alt, dann heißt es Eile. 


Roſch o w 
Laßt nur, ſein Geiſt iſt jung genug, 
Hält noch für eine gute Weile. 

(Zu Birkentiſch) 

Wir haben nicht Zeit noch Luſt zum Paſſen, 
Wir gehen hinüber 
Drei Schritt von hier, 
In mein Quartier, 
In der Breiten Straßen 
Des Oberſt von Rochow Quartier. 
Dahin wirſt du's uns wiſſen laſſen, 
Sobald der Graf mit dem Gallas kommt. 
Verſtanden? 


Birkentiſch 
(bat die Lifte aufgerafft, tft an den Tiſch geeilt, hat auf der Lifte eine Notiz gemacht) 


Notatum sit — (hält ihm die Lifte hin) 
Notatum est. 


Roſch o w 
Schreib dir es hin, wohin du willſt, 
Ich halte dich an den Ohren feſt. 


(Die Offiziere wenden ſich zum Abgange; währenddem ſind) 


Dritter Auftritt 


Philipp Trumbach, Chriſtoph Dee: Sphbann Schönbrunn, Prediger 
Bergius (eingefreten, alle jchwarz gefleidet. Die Offiziere bleiben vor ihnen ftehen 
und betrachten fie lachend) 


Roſch o w 

Pu hu — wie ſie ſtehn — 

Lauter Kolkraben und ſchwarze Krähn. 
Bergius 

Darf man fragen, was beliebt? 


Zweiter Vorgang 205 





Roſch o w 
Warum ſo hohläugig und betrübt? 
Habt Ihr nicht gute Nachricht vernommen? 
Der kaiſerliche General 
Gallas wird zum Beſuche kommen? 
Freut's Euch nicht? 


Kracht 

Das will ich meinen, 
Machen ſie nicht ein Geſicht, 
Als wollten ſie vor Vergnügen greinen? 


Goldacker 


Ja nicht wahr? Wenn's der Schwede wär'? 
Der Haderslef oder der Banner? 

Der Stahlhans oder Torftenfon? 

Das wär” was andres? 


Bergiusg 
Das fagte der Herr, wir fagten es nicht. 


Roch o w 


Nur kein ſcheinheilig Geſicht — 
Wir kennen Euch ſamt und ſonders ſchon. 


Schönbrunn 


Ja freilich, Herr Oberſt, 
Bis auf den Grund von unſerer Taſche, 


Roch o w (tappt ihn auf den Bauch) 
Meiſter Schönbrunn, die Kürbisflaſche — 
Brav Wein geladen? 


Schönbrunn 


Dünnbier, Dünnbier, 
Wein iſt nur für die Herren Soldaten. 


Roſch o w 
Gut, wir woll'n ihn für Euch trinken. 
(Zu Kracht und Goldacker) 
Rommen die Herren in mein Quartier, 


206 


Der neue Herr 





Wollen eins anklinfen 
Auf den Generalleutnant Gallas. 
(Zu den Bürgern) 


Auf Wiederfehn, Iuftige Herrn. 


Kracht 
Könnt unterdes auf den Schweden trinken. 


Goldacker 


Und träumen von Guſtav Adolfs Stern. 
(Rochow, Kracht, Goldacker gehen ab) 


Schönbrunn bienert ihnen nach) 
Danke für gütige Erlaubnis. 
Bergiug 
(äßt fich ermattet auf Die Bank nieder) 


Heiland der elenden Welt, 
Wird e8 auf diefer fchlimmen Erden 
Niemals, niemals anders werden? 


Birkentiſch 
(der unterdeſſen in ſeiner Liſte geleſen hat) 


Wenn ſich die Herren gemüßigt fänden, 
Mir zu erklären — 
Schönbrunn 
Was, Euer Gnaden? 


Birkentiſch 
Es ſtehn doch nur zwei auf der Liſte hier, 
Die Seine Ehrwürden hergeladen? 


Schönbrunn 
Wahrhaftig — und wir ſind vier. 


Birkentiſch 
Herr Schönbrunn, ich kann auch ohne Euch 
Bis viere zählen, daß Ihr's wißt. 


Schönbrunn gu den Amſtehenden) 
Hört Ihr's? Er kann bis viere zählen — 
Daß mir’s niemand vergißt. 


Zweiter Vorgang 207 





Birkentiſch 
Corpo di Bacco — 
Herr — wißt Ihr, zu wem Ihr ſprecht? 
Sch habe beim Duca di Savelli 
Einftmals in Dienft und Anſehn geſtanden. 


Schönbrunn 
Einftmals? So kam's Euch abhanden? 


Bergiug 
Herr Schönbrunn, ift es auch recht, 
Daß Ihr zur Zeit fo arger Schwere 
Scherze treibt und mit Worten ftecht? 
(Zu Birkentiſch) 
Gebe der Herr fih zur Rub’; 
Wir werden dem Grafen felbit erklären, 
Warum wir gefommen. 


Birfentifch (seht ans Fenfter) 


So haltet Euch zu — 
(blickt hinaus) 
Sch hör’ einen Wagen; dag muß er fein. 
Trabant 


(veißt von außen die Tür auf) 


Des Heermeilters Ehrwürden 
Fahren foeben zum Hofe ein, 


Birkentifch (su den Trabanten) 


In Ordnung und Pofitur | 
Alles hinaus auf den Flur! 


(Die Trabanten gehen hinaus, die Tür offen laſſend, ftellen fich draußen im 


Spalier auf. 
Birkentiſch 
(tritt auf Die Schwelle der Tür, feinen Stock zur Hand, zupft ſich den Anzug zurecht) 
E Berg ius gu den Bürgern) 


E Helft mir aufftehn — 
E (erhebt fich, von ihnen unterſtützt) 

die Jeidige Schwäche — 
Mir wollen die Knie unterm Leibe brechen. 








208 Der neue Herr 





Vierter Auftritt 
Graf Schwarzenberg, Generalleutnant Gallas (treten Durch die Mitte auf) 


Schwarzenberg (su Birkentiich) 
Schließt die Tür. 


Birkentiſch ſchließt hinter den Eingefretenen und geht Dabei ab; die Berliner, welche 
in die Ede an der Tür getreten find, machen eine fiefe VBerbeugung. Schwarzenberg 
geht an ihnen vorbei, ohne fie zu beachten) 


Schwarzenberg (reicht Gallas beide Hände) 


Nun noch einmal willflommen, 
Des Generalleutnants Erzellenz. 


Gallas (fchürtele ihm die Hände) 


Euer Ehrwürden Indulgenz 


Meinen Dank — 
(lit auf die Bürger) 


Wir find nicht allein. 


Schwarzenberg (wendet fich) 
Ah fo, die — 
War draußen zum Warten fein Plag? 


Trumbach 


Wir warten ſeit morgens acht; 
Man rief uns ſoeben herein. 


Schwarzenberg 

Sei die Sache denn abgemacht. 
Dies iſt Graf Gallas, der vor Euch ſteht. 
Generalleutnant Kaiſerlicher Majeſtät. 

(Die Bürger verneigen ſich) 
Bringt uns erfreuliche Zeitung mit: 
Seine Majeſtät will unſere Sachen 
Ganz zu der ſeinigen machen, 
Daß wir des Schweden werden quitt — 
Ihr verſteht? 


(Die Bürger verneigen ſich ſchweigend) 


Schönbrunn 


Ja wohl, Euer Gnaden, 
Wenn Ihr befehlt, ſo freu'n wir uns auch. 


Zweiter Vorgang 209 





Schwarzenberg 
(mit einem Anflug von Lächeln) 


Meifter Schönbrunn, der Schlauch, 
Wer bat denn eigentlich Euch geladen ? 


(Schönbrunn will etwas erwidern, Schwarzenberg — ihm mit einer Hand⸗ 
bewegung das Wort ab) 


Trumbach und Frieſen, die Stadtkämmeriere, 
Zu Euch: 
Graf Gallas begehrt Quartiere — 
(zu Gallas) 
Wieviel waren es gleich? 


Gallas 


Das Regiment Sankt Julian zu Fuß; 
Dreitauſend Mann. 


Trumbach und Frieſen 
Dreitauſend Mann?! 


Schwarzenberg 
Was weiter? 
Trumbach 
Gnädiger Herr, das geht nicht an! 


Frieſen 
Gnädiger Herr, das iſt unmöglich! 


Schwarzenberg 
Unmöglich — warum? 


Trumbach 


Seht Euch doch ſelbſt in den Straßen um, 
Weil wir im eignen Hauſe verhungern! 


Schwarzenberg 


Stets Euer drittes Wort; 
Nichts könnt Ihr als greinen und lungern! 


Frieſen 
Ja, man bat ung zu Bettlern gemacht! 
Gott ftrafe die, die's dahin gebracht! 


Dramen X 14 


210 


Der nette Herr 





Schwarzenberg 
Was fol’s?! 
Sriefen 
Nun — ich meinte — 


Schönbrunn 
Er meinte ja nur — 
Gönnen ihm Eure Gnaden das, 
ber, Er’lenz, Herr General, 
Berlin bat juft einen Gaft — 
Weiß nicht, ob deflen Gefellichaft 
Den Raiferlihen Herren paßt? 


Schwarzenberg 
Einen Saft —? 
Schönbrunn 
Euer Gnaden ſollt' ihn doch Fennen? 
Schwarzenberg 
Wen meint Ihr? 
Schönbrunn 


Möcht’ fie nicht gern bei Namen nennen 
Die grüne Frau mit dem Beulengefiht — 
He — nicht wahr? Schön ift fie nicht 
Zn ihrem grauen Linnenfittel? 


Schwarzenberg 
Wen meint Ihr? 


Schönbrunn 
Bin ihr jest eben begegnet 
Draußen bei Sankt Georgens Spittel, 
Wo fie zwanzig von ihren Freiern 
Das Brautbett hat gefegnet. 


Schwarzenberg 
Wen meint Ihr? Was fol das Geſchwätz? 


Schönbrunn 
Ze, Euer Gnaden, ich meine die Peft. 


Zweiter Vorgang 211 





Gallas 
Ihr habt in Berlin die Peft? 


Schönbrunn 
Za, was fagt Ihr dazu? 
Man hat uns die Butter vom Brot genommen, 
Damit wir doch etwas haben, 
Haben wir jest die Peft befommen. 


Bergiug 
Herr Schönbrunn — Herr Schönbrunn — 


Schönbrunn 
Wen Gott ftraft, den tut er lieben — 
Wir find droben gut angefchrieben ; 
Was meint Ihr? 


Gallas (u Schwarzenberg) 
Iſt das denn wahr? 


Schwarzenberg 
Stark übertrieben. 


Bergiug 
Nicht übertrieben, gnädiger Herr! 


Schwarzenberg 
Sch rief Euch zum Pred’gen nicht ber. 


Bergiug 
Gnädiger Herr, ich bitt? Euch um Gott, 
Berfchließt Euch nicht unfrer großen Not! 
Die Seuche geht von Haus zu Haus, 
Die Peftfahne hängt zu den Senftern aus, 
Dreihundert Häufer mit Mann und Maus 
Sind ausgeftorben — 


Gallas 
s Genug — 


Bergiug 
Unfre Stadt ift halb verdorben. 
14* 


212 


Der neue Herr 





Gallas 
Genug — die Truppen bleiben draußen; 
Im Peſtloch mag ich nicht haufen. 
Berlin zahlt Rontribution. 
Schwarzenberg (u Gallas) 


Habt die Gewogenheit, diktiert. 
(Zu Trumbach und Sriefen) 


Nehmt die Schreibtafel, notiert, 
(Trumbach und Sriejfen holen die Schreibtafel hervor) 


Gallas 
Zehntaufend Brote, dreitaufend Paar Schuh’, 
Tuch zu Kleidern fünftaufend Ellen, 
Dreitaufend Taler in bar dazu — 
Soviel für heute — 
Schönbrunn 
Fortſetzung morgen. 


Gallas (blickt lachend auf Schönbrunn) 
Muß doch noch Futter im Lande ſein, 
Wo ſolche Bäuche gedeihn? 


Schönbrunn (Ceutet auf ſeinen Bauch) 


Alles erlogene Pracht; 
Er lächelt bei Tage und feufzt zur Nacht. 


Gallas (u Trumbach und Frieſen) 
Das alles ift pünktlich zu geftellen 
Ins Lager bei Potsdam, am dritten Tag. 


Friefen (Happt das Buch zu) 


Daß Gott ung 'helfen mag — 
Sagt uns doch auch, wo wir's ftehlen. 


Gallas (zu Schwarzenberg) 
Darf ich nun bitten? Den andern Punft. 
. 


Schwarzenberg (zu den Bürgern) 


Da wir nun endlich, wie Shr vernommen, 
Zu feitem Bündnis und Traftat 


Zweiter Vorgang 213 





Mit des Kaiſers Majeftät gekommen, 

So iſt es nötig, daß fich die Stadt 

Wider des Schweden böfe Gelüfte, 

MWehrhaft mache und beffer rüfte, 

Als bisher es gefchehn. 

Seine Erzellenz, nach Prüfung der Sache, 

Haben darıım für nötig erklärt, 

Daß man die Häufer jenfeit$ der Spree, 

WIN jagen: die Vorftadt von Cölln, 

Item auf Seite von Berlin 

Die Häufer, die außer der Mauer 

Sich ins Gelände ziehn, 

Als eine Pforte, welche dem Schweden 

Freien Eingang und Zutritt gewährt, 

Daß man die Häufer Fafjiere, 

Gleich dem Boden der Erde mache. 
(Tiefe Stille) 


Schwarzenberg 
Nun? 
Bergiuß 
Gott Vater im ew’gen Licht — 
Gnäd’ger Herr Graf, Ihr liebt uns nicht. 


Schwarzenberg 
Was hat das hierbei zu fun? 


Bergiusg 
In den Häufern wohnen doch Menfchen ? 


Schwarzenberg 
So ziehn fie zur Stadt hinein; 
Nach Euren eigenen Worten 
Muß Raum drin fein. 


Bergiug 
Die Häufer find ihr Hab’ und Gut, 
Shr alles und eins; 
Mit einem einzigen Wort 
Macht Ihr fie arm bis aufs Blut, 
Streicht ung aus der Reihe der Städte, 
Macht ung zu einem Fifcherort. 


214 Der neue Herr 





Schwarzenberg (balblaue für fich) 
Als wär't Ihr je was andres geweſen. 
(Lauf) 
All das ift Bierbankpolitik. 
Damit habt Ihr bei mir fein Glüd, 


Frieſen 
Wir wollen von Euch nicht unſer Glück, 
Aber unſer Recht! 


Schwarzenberg 
Daß ich Euch nicht dag Maul überfahre, 
Wenn Ihr in ſolchem Tone fprecht! 


Frieſen 
Und Ihr ſeid nicht der Herr im Land! 
Der Kurfürft ift unfer Herr! 


Schwarzenberg 
Der Kurfürſt — 


Trumbach 
Wir ſtehn in ſeiner Hand! 


Schwarzenberg 
(tritt raſch an den Tiſch, nimmt ein Blatt auf) 


Hierher ſollt Ihr ſehn! 
(Er hält ihnen das Blatt hin; das Blatt iſt leer, am unteren Rande unterſchrieben 
und unterſiegelt) * 


Iſt Euch des Kurfürſten Schrift bekannt? 
Wes iſt die Hand? 


Bergius 
's iſt ſeine Hand ſamt ſeinem Sigille. 


Schwarzenberg 
Dies iſt die Vollmacht, die er mir gab. 
Bergius 
Aber — das Blatt iſt ja leer? 
Schwarzenberg 


Daß Ihr denn wißt, wie's ſteht: 
Des Kurfürſten gnädiger Wille, 


Zweiter Vorgang 215 





Meiner Dienfte unvergeffen, 

Gab mir diefes Blankett, 

Bon ihm gefiegelt und unterfchrieben, 
Daß ich nach meinem Ermeſſen 

Das Blatt ausfülle! 


Bergius 
Ja freilich — dann — 


Schwarzenberg 


Dann fieht fich die Sache anders an? 
Und nun wißt: an feiner Statt 
Den? ich auszufüllen dies Blatt 
Als des Kurfürſten treuer Diener, 
Wie fih’S gebührt; 
Nicht nach Laune der Herren Berliner! 
(Er tritt an den Tifch und jchreibf auf das Blatt, nimmt das Papier auf, zeigt es hin) 
Da ſteht's gefchrieben und bleibt ftehn: 
Die Vorftädte werden Faffiert, 
Wann es gefchieht, erfahrt Ihr noch. 


Frieſen 
(wirft den Hut zur Erde, tritt mit den Füßen darauf) 
So ſtrafe Gott meine Mutter doch 
Im Grabe, daß ſie mich je geboren! 
(Er ſtreckt beide Fäuſte gegen Schwarzenberg aus) 
O du — du — 


Schwarzenberg 


Seid Ihr verrückt? 
In Spandau iſt ein Turm, 
Da ſteckt man Euresgleichen hinein! 


Frieſen 
Steckt mich, wohin Ihr wollt, 
Wir ſind ja doch verkauft und verloren! 
Du böſer freſſender Wurm 
An unſrem Gut und unſrer Habe — 
Wird uns niemand von dir befrei'n? 


Schwarzenberg 
(ſtürzt an den Tiſch, ergreift eine Schelle, klingelt wütend) 


215 


Der neue Herr 





Fünfter Auftritt 
Birfentifch (erfeheint in der Tür) 


Schwarzenberg 
Die Trabanten! Im Trabel 


(Zrabanten treten raich ein) 


Schwarzenberg Geigt auf Frieſen) 


Nehmt mir den! 

Schmeißt den Kerl mir zum Haus hinaus, 

Daß ihm die Beine gen Himmel ftehn. 
(Die Trabanten paden Friefen) 


Bergius 
Gnäd’ger Herr Graf — 


Schwarzenberg 
Wird’s bald? 


Friefen (mit den Trabanten ringen) 
Solche — niederträcht'ge — Gewalt — 
Un einem Bürger — ihr Hunde — 
Uber wartet nur — 
Euch Schlägt noch einmal — die Stunde — 


(fie reißen ihn hinaus) 


Birfentifch (wendet ſich in der Tür) 


Alles pünktlich effeftuiert: 
Inkulpat ift erpediert, 


(Geht ab; die Tür ſchließt fich) 
Schwarzenberg (geht erregt auf und ab) 


Bergiusg 
Gnäd’ger Herr, tragt’s ihm nicht nach; 
Verzweiflung aus dem Manne ſprach. 


Schwarzenberg 
Ja natürlich! Das kenne ich! 
Das ſoll alles immer entſchuld'gen, 
Jede Widerſpenſtigkeit! 


Sweiter Vorgang 


217 





Wie ein böfer fchnappender Hund 
Liegt dies Berlin mir ftet8 im Wege, 
Aber jetzt endlich ift die Zeit, 

Euch den Maulforb anzulegen | 


Bergiug 
Euer Gnaden ereifern fih — 


Schwarzenberg 
Weil ich Euch fehe auf den Grund, 
All Euer Klag- und Sammergefchrei 
Iſt Heuchelei! 
Ihr haltet’s im Herzen mit dem Schweden — 


Bergius 
Laßt mich ein Wort nur reden — 


Schwarzenberg 
Der Guſtav Adolf, das war Euer Mann, 
Der Glaubensgeno$, der Proteftant — 
Leugnet's! 
Bergius 
Das wär’ mir ja Sünd’ und Schand', 
Wollt' ich es leugnen, 


Schwarzenberg 
Da hab’ ih Euch! 


Bergius 


Ihr habt mich? Müßt Ihr denn heut erft erfahren, 


Daß ich ein Proteſtant? 


Schwarzenberg 
Ich hab’ Euch und ich kenne Euch; 
Uber ich paſſ' Euch auf Schritt und Tat; 
Ihr ſpinnt im Herzen Hochverrat! 


Bergiuß 
Hochverrat? Wenn Ihr der nicht wär’t, 
Den unfer gnädiger Herr, der Kurfürft, 
Mit feinem Vertrauen ehrt, 
Sp wollt’ ich fragen, wer von ung beiden 
ft hier Verräter? Ihr oder ich? 


218 


Der neue Herr 





Schwarzenberg 
Was unterfteht der Herr Paftor fich ? 


Bergius 
Ich bin geboren in dieſem Land, 
Mit ihm verwachſen durch gleichen Glauben, 
Durch jedes heiligſte Band. 
Wer iſt der Fremde? 
Wer von uns beiden? Wer? 
Anhänger andrer Gotteslehr'? 
Wohnend in unſres Volkes Mitten 
Als ein Verächter unſrer Sitten? 
Feindlich all unſrem Seelenbegehr? 


Schwarzenberg 
Wagt Ihr es, Euch mir gleichzuſtellen? 
Mich in Vergleich mit Euch zu ziehn! 


Schönbrunn 
Alles was recht iſt — Ihr habt Berlin 
Selbſt vorhin einen Hund genannt — 
Alſo erlaubt ung auch, zu bellen. 


Schwarzenberg 
Bringt Eure Späße woanders an, 
Ich habe daran Feine Luft, 
Brauch’ feinen Hanswurſt! 
Meil Ihr denn Eure Sinnesart 
Heut fo frefflich mir verrietet, 
Sp wißt und erfahrt: 
Der Rurfürft ift des Kaiſers Freund, 
Wer zum Schweden hält, ift fein Feind! 
Wer ihm den Kleinen Finger nur bietet, 
Der fut es auf feine Gefahr, 
Der fol mir zu Spandau im Turme fisen, 
Und es fol ihn Fein Pred’gertalar, 
Reine Ratsherrenfette ſchützen! 
Das ift mein letztes Wort, 
Morgen werden wir handeln. 
Könnt Eures Weges jet wandeln, 
Macht Euch fort! 


Zweiter Vorgang 219 





Und denen, die in der Vorftadt wohnen, 
Den Schweden - Spionen, 

Sagt ihnen, fie fol’n ihr Bündel packen, 
Und es fol bald gejchehn; 

Sonft, fo wahr ich vor Euch fteh’, 
Zünd’ ich ihre Baraden 

Überm Ropfe ihnen an! 

Nun wißt Shr’s, nun könnt Ihr gehn! 


Schönbrunn (baldlaun 
Und Eure Knochen nach Haufe tragen, 
(Eine augenblickliche Paufe) 


Bergius (tief jeufzend) 
Freilich — bier ift nichts mehr zu fagen. 
(Bergius, Trumbach, Schönbrunn verneigen fich, geben ad) 


Schwarzenberg 
(noch immer auf- und niedergehend) 


Da bat der Herr das Volk gefehn, 
Mit dem ich verurteilt bin, zu leben! 


Gallas (lachend) 
Sch darf’8 dem Herrn geſtehn, 
Ihr habt's ihnen gründlich gegeben. 


Schwarzenberg 


(sieht den Vorhang, der den hinteren Zeil der Bühne abjchlieft, auf. Der im 
Erfer ftehende Tiſch ift gedeckt; Wein, Kannen und Gläjer ftehen Darauf) 


Sch mußte mir das Labfal gönnen, 
Heute feit Jahren zum erftenmal 
Hab’ ich’8 den Kerlen fagen fünnen, 
Wie fie mir zumider! 
(Er iſt an den Tiſch im Erfer gegangen und bat zwei Gläfer gefüllt) 
Generall 
(Er erhebt ein Glas) 
Ihr gabt mir dazu die Gelegenheit — 
Sch dank' Euch. 


Gallas 
(tft an den Tiſch getreten, hat Das andere Glas ergriffen) 


Sch tu’ Beſcheid. 


(Sie ſtoßen an) 


220 


Der neue Herr 





Schwarzenberg 
Daß ich endlich in meiner Nähe 
Habsburgs Farben wieder ſehe — 
Das macht mich fo freudenreih — 

(erhebt wieder das Glas) 
Unſer KRaifer und gnädigfter Herr! 


Gallas 
(ſtößt mit ihm an, verbeugt fich gegen Schwarzenberg 


Und Brandenburgs KRurfürftliche Gnaden; 


Denn Ihr feid ja der Herr im Land? 


Schwarzenberg 
General — Ihr lacht — 


Gallas 
Ich fprehe im Ernft; 
Shr habt die Herrfchaft und die Macht. 


Schwarzenberg 

Macht und Gewalten — 
Sa — wenn ich das nicht hätte — 

(er zeigt zum Fenfter hinaus) 
Gehe der Herr dag an — 
Das nennt ſich eine Stadt: 
Diefe Gaſſen voll Kot, 
Die Häufer daran, 
Deren jedes, als ſei's betrunfen, 
Morgen den Einfturz droht. 
Dieſes Land rings umber, 
Das Ihr mit eigenen Augen gejehn, 
Wo die Gewäſſer ſchwarz und jchwer 
Durh Wüften und Wälder gehn — 
In folhem Lande lebt man nicht, 
Da tut man nur Arbeit und Pflicht. 
Seit zwanzig Jahren beforg’ ich das, 
So lang’ iſt's ber, daß die harte Pflicht 
Mir alle Sreuden vom Leben fraß. 
Heut fieht der Herr in ein welfes Gefiht — 
Auch ich war einft jung, 
Habe mein Leben dereinft begonnen 
Sn füßen Träumen der Einbildung — 


Zweiter Vorgang 221 





Sreudlos ift mein Leben verronnen, 
Alle Ströme in mir find kalt, 


Heut bin ich alt, 


„And was hab’ ich zum Lohne, was 
Bon diefem Volke? Seinen Haß! 


Gallas 
Ihr habt das höchfte: das Negiment. 


Schwarzenberg 
Das, meint Ihr, fei Glüd? 
Der Fluch iſt's, der mich verbrennt! 
Hundertmal hätt” ich dies Land verlaffen, 
Das mir mein Leben verzehrt, 
Dem mein Herz nicht gehört, 
Zu dem all meine Inftinkte nicht paſſen, 
Doch ich ward Herr in dem Land, 
Rann jest nicht mehr zurüd, 
Mir felber knüpft' ich das Band, 
Das mich an diefe Scholle bindet, 
Denn alles will ich vergeflen, 
Nur nicht Macht, die ich befeflen! 
Uber mein Leben geht zu End’ — 
Heute, vor Euch als Zeugen, 
Mach’ ich mein Teftament: 
Habsburg ſetz' ich zum Erben ein. 


Gallas 
Zum Erben? 


Schwarzenberg 
Meiner Herrfchaft und Macht. 
Brandenburgs Herr muß Habsburg fein, — 
Ich kenne dies Land, ich hab’ es ergründet, 
Es ift tot und leer, 
Hat feine Kraft zum Leben: mehr. 
Habsburg — „der der Schwede — 
Einem von beiden zum PVafallen 
Muß diefes Brandenburg verfallen. 
Soll e8 der Schwede fein? 


Gallas 
Gott verhüt's! 


222 


Der neue Herr 





Schwarzenberg 
Ihr denkt wie ich, 
Nein und taufendmal nein! 
Alſo — mer bleibt —? 


Gallas 


Sch — meinte nur — 
Euer Kurfürſt —? 


Schwarzenberg 


Sit ſterbenskrank; 
Jeder Tag kann ung Nachricht bringen, - 
Daß er zu Grabe ſank. 


Gallas 

Steht’s ſo? 

Schwarzenberg 

Daß Ihr's wißt, wie es fteht: 

Wenn Georg Wilhelm zu Grabe gebt, 
Dann ift e8 aus mit den Hohenzollern. 
Das Feuer hat ausgeglüht, 
Das diefes Gefchlecht dereinft belebte; 
Der Baum, der fo in die Höhe ftrebte, 
Als wollt! er, den ganzen Norden 


Mit feinen Uften bededen, 


Wurmftihig ift er geworden, 

Wird feinem mehr dienen, feinen mehr fchreden. 
Ich hab’ diefem Haufe Treue gewahrt, 

Ihm gedient in Befchwerde und Not — 

Es ift tot — ich habe nur eins noch zu vollbringen: 
Totengräber ihm zu werden, 

Damit es auf ehrliche Art 

Scheiden möge vom Schauplag der Dinge. 


Gallas 
Uber — der Rurfürft hat einen Sohn? 


Schwarzenberg 
(ſchlägt mit der Hand Durch Die Luft) 


Ein Süngling, ohn’ alle Bedeutung. 
Dem find die Wege gefchrieben fchon. 


Zweiter Vorgang 223 


— 





Lebt im Haag in Saus und Braus, 

Schiert ſich den Teufel um Heimat und Haus, 
Hat nur einen Gedanken im Kopf: 

Das ſind Soldaten! 


Gallas 

Wirklich? 
Schwarzenberg (achend) 
Der Rochow hat's mir verraten, — 

Soldaten und Feldherrentum, 
Der Titel „General“ 
Gilt ihm als höchſter Ruhm. 
Was wird er nach Brandenburg fragen? 
Das iſt zu ſchwach, um Armaden zu tragen. 
Der Kaiſer erfüll' ihm ſein Begehr, 
Geb' ihm ein paar Regimenter 


Zu Fuß und zu Pferde, 


Dann als des Kaiſers Condottier 


Schlägt er ihm Schlachten und Siege. 


Gallas 
(ſieht ihn mit tiefem Staunen an) 


Kolumbus — 


Schwarzenberg (achend) 
Wie nennt mich der Herr? 


Gallas 
Hieß nicht ſo der Genueſer, 
Der mit Schiffen ging übers Meer 
Und das neue Eiland entdeckte? 
Ja, ſo nenn' ich Euch fortan. 
Hört man Euch ſprechen, ſo lernt man ſehn. 
Teufel — wie packt Ihr die Dinge an! 
Man ſieht die Welt aus den Fugen gehn 
Und dann, in Eurem Geiſt, 
Wieder zuſammengeſchweißt, 
In neuer Zukunft auferſtehn. 


Schwarzenberg 
Wenn es ſo wäre, 
Dann tät' ich den Dingen Gewalt 


224 Der neue Herr 





Und wäre wert, daß man mich hinge, 
Nein, General, es fchaffen die Dinge 
Sich felber Schickſal und Geftalt. 
Staatsmann, heißt nicht, Neues erfinden, 
Sondern Borhandenes verjtehn. 


Sechiter Auftritt 


Birfentifch (erjcheint in der Tür) 


Birkentiſch 


Euer Ehrwürden anzukünden: 
Die Herren Oberſten ſtehn bereit. 


Schwarzenberg (balblaut, lächelnd, zu Gallas) 
Was meint Ihr? Sie kommen zur Seit? 


Gallas (ebenfo) 
Zur rechten Seit. 


Schwarzenberg (mid Birkentiſch) 
Einlaffen! Und forgt für Wein! 
(Birkentiſch ab) 


Schwarzenberg 
(geht an den Fenftertifch, nimmt ein befchriebenes Blatt aus dem Fache) 


Hier der Entwurf für den Fahneneid, 
Den ich den Dberften aufgefest; 
(er übergibt Gallas das Papier) 


Prüfe der Herr, ob er einverftanden, 


Gallas dieft, gibt das Papier zurüc) 
Schwören fie das, fo haben wir jegt 
Beide Füße in Märkifchen Landen. 


Siebenter Auftritt 
RNochow, Goldacker, Kracht, Dargis, Volkmann, Waldow, Schapelow 
(treten Durch Die Mitte auf, grüßen zuerſt Gallas, dann Schwarzenberg) 
Gallas 
Cerous, die Herren — von heut, fo hoff’ ich, 
Gute Brüder und Kameraden, 


Zweiter Vorgang 225 





Roſch o w 
Zu guten Dienſten bereit, Euer Gnaden. 


Schwarzenberg (itelt Rochow vor) 


Dberft von Rochow, Rommandant 
Bon Spandau. 


Gallas (reicht ihm die Hand) 
Der Name mir wohlbefannt, 


Schwarzenberg 


Herr von Rochow, wollt Euch bemühn, 
Die anderen Herren vorzuftellen. 


Roſch o w 


Oberſt von Kracht, Kommandant von Berlin. 
Oberſt Dargwitz, die Oberſtleutnants 
Von Waldow, Goldacker, Schapelow — 


Achter Auftritt 


Burgsdorf (ctritt Durch Die Mitte auf) 


Burgsdorf 
Oberſt von Burgsdorf ift auch noch da. 


Gallas Gu Volkmann) 


Und der Dberft Volkmann — mir kennen ung ja? 
(Reicht ihm lachend die Hand) 


Volkmann (verneigt fich unwirſch) 


Gratias, Er’lenz — wollte indeffen, 
Es hätte der Herr die Gelegenheit, 
Da wir uns fennen lernten, vergeffen. 


Gallas 


Laßt gut fein, war damals fchlechte Zeit. 
Erzählt doch den Herren, wie fich’8 begab? 


Volkmann 
Biſſe mir eher die Zunge ab! 


Dramen X 15 


226 


Der neue Herr 





Gallas (zu den anderen) 
Nun, es war nach der Lüsener Schlacht, 
Als der Friedländer, wie Ihr wißt, 
Guftav Adolf den Garaus gemacht. 
Ihr ftandet damals auf Geite des Schweden. 
Wir Raiferlichen, aus Rurfachien, 
Ramen plöglich herangewachfen, 
Um mit Berlin ein Wörtchen zu reden. 
Der Dberit Volkmann war Kommandant 
Bon Berlin — 


Volkmann 

Iſt ja bekannt 
Die ganze Geſchichte, allen bekannt, 
Warum den Gehenkten noch einmal henken? 


Gallas 
Nicht, um Euch zu Fränfen, 
Nur um zu zeigen, wie's damals ſtand. 


Roſch o w 
Er hat Berlin abandonniert; 
War's nicht ſo? 

Kracht 


Ja, freilich, 
Und iſt nach Potsdam retiriert. 


Volkmann 
Auf Degen und Piſtolen 
Ford're ich alle, die die Blamage 
Mir noch einmal wiederholen! 


Schwarzenberg 


Wolle der Herr ſich kalmieren, 
Niemand zweifelt an ſeiner Courage. 


Volkmann 
Was blieb mir andres übrig, 
Als mich zurückzuziehn! 
Drei elende Rompagnien, 
Das war die ganze Garnifon! 


Zweiter Vorgang OR 





Roſch o w 


Und das war die Hälfte ſchon 
Der ganzen kurfürſtlichen Armee. 


Volkmann 


Und die Soldaten, die ich hatte, 
Waren’s Soldaten? Waren feine! 
Stinkteufel, Schweine, 

Das ärgſte Rroppzeug, das im Land 
Irgendwo fich zufammenfand | 

Hörten fie eine Musfete knallen, 

Tät ihnen 's Herz in die Hoſen fallen! 


Roſch o w 


Ja natürlich, für Brandenburg 
Blieb alles übrig, was faul und ſchlecht. 


Kracht 


Was ein handfeſter Waffenknecht, 
Das läßt ſich für den Kaiſer werben. 


Burgsdorf 
Oder den Schweden. 


Roſch o w 
Da gibt es Geld, 

Da gibt es Ehre, da gibt's Taten, 
Da gibt's alles, was dem Soldaten 
Luft und Laune am Handwerk erhält, 
Was gibt es bier? 

Goldader 

Ein Schlecht Traftement, 


Kracht 
Keilerei mit Bürgern und Bauern. 


Roſch o w 


Soldat in brandenburgſchen Dienſten, 
Das heißt vertrauern, verſauern 


Und in der Pfütze verderben! 
15* 


228 Der neue Herr 





Schwarzenberg 
(der mit Gallas die Stufen halb binaufgeftiegen ift) 


Schenken die Herr’n mir Gehör: 

All dies Gravamen und Beſchwer, — 
MWohlberechtigt, daß ich's jage — 

Soll enden mit dem heutigen Tage! 

Wir haben den Bund mit dem Schweden zerriffen, 
Ihm den Traftat vor die Füße gefchmiffen. 

Unſer gnädiger Herr der Kurfürft 

Hat mit des Kaifers Majeftät 

Sich durch feſten Traftat verbunden. 


Roſch o w 
Vivat der Kaiſer! 
Alle 
Vivat! 


Roſch o w 
Vivat der Generalleutnant Gallas! 


Alle 
Vivat! 


Gallas 
Dank, den Herren, Dank; 
Aber das iſt noch nicht alles. 


Schwarzenberg 
Des Kaiſers Majeſtät, 
Wohlbekannt, wie es erbärmlich 
Um brandenburgfche Armada ſteht, 
Und daß wir zu ſchwach ſind, dem Schweden 
Im Feld gegenüberzutreten, 
Wil aus eigenem Geld und Schatz 
Uns zu einer Armee verhelfen. 


Gallas 
So iſt e8 — acht Regimenter 
Stellt Euch der Raifer auf den Pla. 


Roſch o w 
Acht Regimenter! 


Zweiter Vorgang 229 





Kracht 
Acht Regimenter! 


Gallas 
Mein Kriegsſekretär 
Trägt die Gelder gleich hinter mir her. 
Morgen kann die Werbung beginnen. 


Schwarzenberg 
Und dieſe Herren, wenn ſie wollen, 
Sind's, die die Truppe werben ſollen. 


Rochow (lachend) 
Wenn wir wollen — Tod und Schlag — 
Ich denke, wir wollen. 


Kracht 
Heute, den Tag, 
Fange ich mit der Werbung an! 


Goldacker 
Ich desgleichen! 


Volkmann 


Heut noch! 


Alle 
Heut! 


Burgsdorf 
Da ift wohl jeder bereit — 
Uber die Bedingungen, 
Darf man danach fragen? 


Gallas 
WIN fie Euch gerne jagen: 
Das Regiment zwölfhundert Mann 
Und bei jedem fünfzig Dragoner; 
Per mensem dem Fußfnecht drei Taler Sold, 
Dem Dragoner drei Taler in Gold, 
Jeglichem Regimentsinhaber 
Auf den Mond hundertachtzig Taler, — 
Seid Ihr’3 zufrieden ? 


230 Der neue Herr 





ni Burgsdorf 
Wird's gleich geftellt? 


| | Gallas 
Der Raifer ift ein pünftlicher Zahler; 
PBierzigtaufend Taler Geld 
Zahl’ ich bier in des Grafen Haus 
Heute abend zum Vorſchuß aus. 


Burgsdorf 
Ale Achtung ! 


Rohom (ſchwingt den Sun) 
Bivat der Mann mit der großen Hand, 
Bivat Kaiſer Ferdinand! 


Alle (Hüte ſchwingend) 
Vivat! Pivat! 


Roſch o w 
Nun braucht man ſich nicht mehr zu verſtecken, 
Wie ein räudiger Hund, 
Jetzt wird die Naſe aufgeſetzt! 


Kracht 
Wer uns ſchimpfiert und hetzt, 
Der kriegt eins in den Schlund, 
Soll alle viere von ſich ſtrecken! 


Neunter Auftritt 


Birkentiſch. Trabanten (kommen durch die Mitte. Die Trabanten tragen einen 

mit Weinkannen und Gläſern beſetzten Tiſch, den fie vor der Bank rechts nieder- 

fegen. Nachdem fie den Tiſch ag —— gehen Birkentiſch und die Traban- 
en wieder a 


Roſch o w 
Da kommt der Johanniterwein! 


Schwarzenberg 
Nur zugelangt. 


Kracht (üllt ſich das Glas) 
Soll gern geſchehn. 


Zweiter Vorgang 231 





Rochow ſchenkt ſich ein) 
Gute Sache will begoſſen ſein. 
(Die Offiziere treten an den Tiſch, Füllen die Gläſer) 


Gallas 
Laßt ung, Ihr Herren, zum Ende gehn 
Mit den Gefchäften. Der Fahneneid 
Für die neuen Regimenter, 


Rochow (est das Glas fort) 
Hätt' man’s doch beinah vergeffen — 
Der Eid — fo will fich’s gehören. 


K t 
Freilich! * 


— Alle 
Freilich! 
Burgsdorf 
Wem ſollen wir ſchwören? 


Gallas 


(nimmt das Blatt mit der Eidesformel, das er auf den Tiſch im Erker gelegt 
hatte, auf) 


Ich leſe den Herren vor 
Und nehm' Euch in Pflicht; 
Sind's die Herren zufrieden? 


Roſch o w 
Wer wär's denn nicht? 
Ihr ſeid unſer Generaliſſimus. 


Gallas (lieſt aus dem Papier) 
„Sch ſchwör' feiner Majeftät dem Kaiſer, 
Meinem allergnädigften Herrn, 
Einen förperlichen Eid, 
Auf die Bedingungen, die ich empfangen, 
Ihm aller Drten, zu aller Seit 
Treu, ehrlich und fleißig anzuhangen. 
Seiner Majeftät Beſtem und Frommen 
Sn allem förderfam nachzukommen, 
Jeglichem Schimpf und jeglicher Schande, 


232 


Der neue Herr 





Sp ihn bedrohen, zuvorzukommen, 

Alles zu leiften feiner Majeftät 

Was frommem Kriegsmann zu tun anfteht.“ 
(Er ſenkt Das Blatt, blickt um) 


Rochow (hebt zwei Finger) 
Das ſchwör' ih, Morig Auguſtus von Rochow! 


Kracht (ebenfo) 
Sch, Dietrih Rracht. 


Waldow (ebenfo) 
Sch, der von Waldow, 


Dargitz (ebenfo) 
Sch, Oberſt Dargis. 


Volkmann (ebenfo) 
Sch, Oberſt Volkmann. 


Goldacker (ebenfo) 
Hartmann Goldader. 


Schapelow (ebenfo) 
Sch, Schapelow, 
Dberftleutnant. 


Gallas \ 
(blickt auf Burgsdorf, der abjeits von den Übrigen fteht) 


Der Herr da drüben — 
Wie war der Name! 
(Aller Augen wenden ſich auf Burgsdorf) 


Roſch o w 


Der Burgsdorf? Nun? 
Will der Herr Bruder nicht mit uns tun? 


Kracht 
Will's dem Herrn nicht zu ſchwören belieben? 


Goldacker 
Vorwärts, heran! 


u er a5 7, en Zen AueE?, 


Zweiter Vorgang 


233 





Alle 
Vorwärts! 


Burgsdorf 
Gemach — 
Kann man — den Eid — noch einmal hören? 


Roſch o w 
Zum Teufel, du haſt ihn gehört, 
Du ſollſt ſchwören! 


Burgsdorf (xratzt ſich Hinter dem Ohr) 
Es — iſt mit dem Eid ſo 'ne Sach': 
Er macht uns zu des Kaiſers Soldaten. 
Eine augenblickliche Pauſe, die Offiziere ſehen ſich an) 


Roſch o w 
Nun — es iſt wahr — 
Aber ich ſeh' das AUnglück nicht ein; 
Sit es Schimpf oder Schaden, 
Raiferlicher Soldat zu fein? 


Kracht 
Das größte Glück auf der Welt! 


Goldacker 
Der Kaiſer zahlt uns das Werbegeld, 
Alſo, wem anders ſoll'n wir ſchwören? 
Wes Brot ich eſſ', des Lied ich ſinge. 


Volkmann 


Das iſt die Natur der Dinge. 


Burgsdorf 
Immerhin — 
Man iſt daneben ein Brandenburger. 
Roſch o w 


Hat dir was Rechtes eingebracht 
Dein Brandenburgertum! 

Da leg' es hin 

Und laß es liegen! 


234 Der neue Herr 





Kracht 
Daß dich die Gicht — 
Biſt ein Soldat und freuſt dich nicht 
Über den Tauſch, den wir gemacht? 


Goldacder 


Bis heute waren wir lahm und krumm, 
Der Raifer öffnet ung Ehr’ und Ruhm, 
Bon heute find wir Soldaten. 


Rochow (tritt an den Tiſch) 


Angeſtoßen! Schenkt ein! 
Soldaten ſind wir, wollen's ſein! 


Alle (toßen an) 
Soldaten | 


Kracht 
Und alles andre ſind Flauſen! 


Goldacker (zu Burgsdorf) 
Und wer nicht mit uns trinken will, 
Der mag als Stadtſoldat verlauſen! 


Burgsdorf (fährt auf ihn ein) 
Goldader, halt dich ftill! 
(Holt zum Schlage aus) 


Sonft, mit der Harfe an meiner Hand 
Will ich dich ftrählen und Fraufen. 


Rohom (tritt dazwiſchen) 
Hola, hola — 


Burgsdorf 
Stadtfoldat? Was? 


Roſch o w 
Zeig', daß du's nicht biſt, nimm ein Glas, 
Trink' mit uns auf den Kaiſer! 


Burgsdorf (ergreift ein Glas) 
Das kann gefchehn. 


Zweiter Vorgang 235 





Roſch o w 
Endlich. 


Alle (ſoßen an) 
Stoßt an! 


Burgsdorf 
Aber das ſag' ich den Herren vornan! 
So wie die Dinge jetzt ſtehn, 
Könnt's eines Tages geſchehn, 
Daß bei veränderter Konſtellation 
Rerum politicarum 
Unſer eigener Eid uns zwänge, 
Unſren Kurfürſten zu bekämpfen! 


Roſch o w 
Larum farum! 


Burgsdorf 
Dem Raifer alle fchuld’ge Ehr?, 
Uber der Kurfürft von Brandenburg 
Sit mein angeftammter Herr; 
Und bringt man mich ins Gedränge, 
Daß zwifchen einem von beiden 
Sch mich fol entfcheiden — 
Dann — hol mich der Teufel — 


Schwarzenberg 
Möge der Herr 
Unnötige Beforgnis dämpfen. 
Der Eid, den man von ihm begehrt, 
Ward von dem Kurfürften felbjt genehmigt. 


Burgsdorf 
(halblaut, mit einem fehiefen Blick auf Schwarzenberg) 


Weil ihn der Schwarzenberg befehligt. 


Schwarzenberg 
Im übrigen ift der Herr ja frei. 
Wil er fich nicht bequemen, 
Sp zwingt ihn niemand, das Regiment, 
Das man ihm bietet, zu übernehmen. 


236 Der neue Herr 





Burgsdorf 
Nun — man wäre ja gerne dabei — 
Die Bedingungen find günftig — 
Fortuna kommt nicht jeglichen Tag — 
(wendet fich zum Tijch) 


Schenft mir noch einmal ein! 


Roſch o w 
Soll's endlich geſchworen ſein? 


Burgsdorf 
(trinkt einen langen Zug; reckt ſich auf) 


Grüble, wer grübeln mag — 
Wenn mein Kurfürſt ſelber will — 


Rocho w (hebt ihm den Arm empor) 
Nun endlich, zum Teufel — 


Burgsdorf ehrt ihn ab) 
Halt noch ftil — 


Roſch o w 
Noch ein Bedenken? 


Burgsdorf 
Der Kurfürſt iſt krank — 
Gott ſchenk ihm ein langes Leben — 
Trotzdem könnt' es ſich begeben — 


Roſch o w 
Was weiter — dann kommt ſein Sohn. 


Burgsdorf 
Das mein’ ich eben, 


Robomw 
Was meinft du? 


Burgsdorf 

Zum Henker mit deinen Fragen — 
Verſtehſt mich ja fchon — 
Was wird er zu dem Eide fagen, 
Den wir dem Kaiſer geſchworen? 


Zweiter Vorgang 237 





—— en — 


Rochow (u Burgsdor) 
Willft willen, was er jagen wird? 


Burgdorf 
Das wüßt' ich gern. 


Roſch o w 

Tu auf die Ohren 
Und hören's alle die Herr'n: 
„Bravo“ — ſo wird er ſagen! 


Burgsdorf 
Wahrhaftig? 


Rocho w (geht an den Tiſch) 
Schenkt das Glas mir voll, 
Aber bis an den Rand! 
Tu mir ein jeglicher nach; 
Wißt Ihr, wem's gelten ſoll? 
Dem Kurprinzen! 


Alle (murmelnd) 


Schon recht. 


Roſch o w 
Ach was — ſchon recht — 
Mit dem Gemurmel iſt's nicht getan; 
Daß ſie klingen und krachen, 
Stoßt mir die Gläſer an! 
Wißt, den hab' ich erkannt: 
Ich ſag' Euch: der wird gut; 
Der hat in den Adern Soldatenblut! 
Langt der an die Herrſchaft an, 
Dann geht für ung Soldaten 
Ein gutes Leben auf Erden anl 


Kracht 
Soll mich der Teufel am Kragen faſſen, 
Wenn ich 'nen Tropfen im Glaſe laſſe: 
Der Kurprinz ſoll leben! 


All e (laut anſtoßend) 


Hoch! 


238 


Der neue Herr 





Roſch o w 
Glaubt mir, ich bin nicht ſo ſervil, 
Daß mir ein jeglicher Fürſtenſohn, 
Bloß weil's ein Fürſt, ſchon wohl gefiel? — 
Das Iob’ ich an unſrer Zeit, 
Daß fich ein jeder Verdienſt und Lohn 


Muß ſchaffen durch eigenen Schneid. 


Aber der wird ſich's erringen! 

Der läßt ſich nicht ſperren und zwingen 
In die Sandbüchſe Brandenburg 

Bei Ackerbürgern und Kotſaſſen 
Knechtiſch ſein Leben zu verpaſſen, 
Der braucht mehr; 

Dem dürſtet die Seele nach Leben; 
Und weil er weiß, daß nur der Soldat 
Heut wahres Leben im Leibe hat, 

So wird er ſich den Soldaten ergeben. 
Ein Soldatenſoldat, 

Das wird er werden, ein General! 
Diefe Regimenter, acht an der Zahl, 
Die jest dem Kaiſer gehören, 

Wird ihm der KRaifer zu führen geben 
Und fpäter noch andre daneben, 

Denn ein Gen’ral braucht ein Heer, 
Und wer fol ihm das geben? Wer? 
Etwa dies Hungerland, die Mark? 


Goldader 
Da kann er ſich aus Stroh und Häckſeln 
Die Rekruten drechjeln ! 


Bolfmann 
Der Raifer, der bat, was er braucht! 


Roſch o w 
Richtig! Das ſag' ich auch! 
Drum zu des Kaiſers Feldmarſchall 
Wird er ſich vergeloben und ſchwören. 


Denn der Kaiſer, das iſt der Magnet, 
Der heute alles an ſich veißt, 


Was auf zwei Beinen in Deutjchland ſteht! 


Zweiter Vorgang 239 





Burgsdorf 
Fa, der fist an der großen Slafche. 


Kracht 
Der hat Knöpfe in der Taſche. 


Goldacker 
In Wien, da ſitzt der politiſche Geiſt. 


Roſch o w 
Wird zum Kaiſer ſprechen: „Da haſt du mich. 
Du haſt Land und Gut, ich Feuer und Blut, 
Gib deins, nimm meins, 
So gleicht es ſich und ſo hebt es ſich, 
So woll'n wir zuſammen Taten vollbringen, 
Daß aus den Nähten die Welt ſoll ſpringen!“ 


Gallas ſchenkt ſich ein) 
Wein in mein Glas — 
chebt das Glas) 
Oberſt von Rochow — ich bring' Euch das! 
(Iſt die Stufen herabgekommen, zu Rochow getreten) 
Das war wie ein Kriegsmann geſprochen, 
Kommt, wir klinken eins an! 


Burgsdorf 
Hat er's Euch angetan? 
's ſind Teufelsfiſche, die Rochen. 
Moritz Auguſtus, du Wetterbold — 
Ob man will, oder nicht 
Hol' mich der Teufel, man iſt dir hold. 


Roſch o w 
Willſt nun endlich zu uns gehören? 


Burgsdorf 
Wenn es denn ſo mit dem Kurprinzen ſteht, 
Wie uns der Rochow da verrät, 
So will ich die Eintracht nicht ſtören. 
(Ergreift mit der Linken Gallas' Hand, erhebt die Rechte) 


So geb' ich mich Euch in Pflicht — 


240 


Der neue Herr 





Mas Euch die andern vorhin gefchiworen, 
Sol Euch von Burgsdorf befchworen fein. 


Gallas 
(chüttelt ihm die Hand) 


Bravo — was lange währt, wird gut. 
Eäßt feine Hand fahren) 

Rameraden und gute Brüder, 

Nun find wir unter einem Hut! 


Roſch o w 
Wollen den Hut in Ehren tragen! 


Kracht 
Jeden, der ihm zuwider tut, 
Woll'n wir in Grund und Boden ſchlagen! 


Gallas 
(das Glas erhebend) 


Gemeinſame Zukunft in Ruhm und Ehr'! 


Alle 
Gemeinſam! 
Gallas 
Pereat der Schwedel Vivat der Kaiſer! 
Roſch o w 
Vivat der Kaiſer und Kaiſers Heer! 
Alle 


Vivat! Vivat! Vivat! 
(Der Vorhang fallt) 


Ende des zweiten VBorganges 


Dritter Vorgang 241 





Dritter Vorgang 


Szene: Wirtsftube bei Jakob Blechſchmidt. Der Raum ift in der 
Art geteilt, daß rechts zu ebener Erde der allgemeine Schanfraum 
fich befindet, in welchem roh gezimmerte Tifche und Stühle ftehen, 
während der linfe Teil der Bühne erhöht und durch ein hölzernes 
Geländer von der rechten Seite getrennt ift. Einige Stufen führen 
von diefem, für Die Honpratioren beftimmten erhöhten Naume zum 
Schanfraum hinab. An der Hinterwand find Drei Fenfter, zwei 
Davon im großen Schanfraume, eines in dem Honoratiorenraum. 
Zwiſchen den Fenftern im Schankraum eine Ausſchankſtätte für 
Bier und Schnaps; im Honorafiorenraume, linf3 in Der hinteren 
Ede, ein Weinſchank. Am Fenfter im Honoratiorenraume ſteht ein 
Heiner Tifh; ein größerer für Säfte, am Geländer; der Haupt: 
eingang ift im unteren Schanfraum rechts; eine Heine Tür befindet 
fih im Honoratiorenraume links. 


Erfter Auftritt 


Jakob Blechſchmidt (fist an dem Kleinen Tifche unter dem Fenfter im Hono— 
rafiorenraume, in einen Folianten vertieft, der aufgeichlagen vor ihm liegt) Frau 
Male Blechſchmidt (it im HSonpratiorenraume mit Gemüſeputzen bejchäftigt, geht 
bin und ber und fist zuweilen an dem größeren Tiſche) Nickel Wollfopp (ist 
in Hemdsärmeln unten im großen Raume am Tifche in der Mitte der Bühne; 
mehrere große ſchwarze Tafeln liegen vor ihm auf dem Tifche; er trägt auf einer 
derjelben Namen und Striche von —* anderen Tafeln, wie in einem Sauptbuche, 
zufammen) 


Wollkopp 
(zeigt den Kreideſtumpf, den er in Händen hält) 


Frau Meeſtern — die Kreide langt nich mehr. 


Frau Blechſchmidt 
(Öffnet das Schubfach an dem großen Tiſche oben, nimmt ein Stück Kreide heraus) 


Herr du mein Himmel — mo bleibt das nur? 


Wollkopp 
Wo daß ſie bleibt? Na kiekt mal her — 
(er hebt die Tafel empor, auf der er ſchreibt) 
Könnt Ihr das ſehn? 
Ein Strich an' andern, wie an die Schnur; 
Hm? Macht ſich ſchön? 


Frau Blechſchmidt 
(lehnt ſich über Das Geländer) 
Haben die alle nicht bezahlt? 


Dramen X 16 


242 Der neue Herr 





Wollfopp 
(ift aufgeftanden, hat die Kreide aus ihrer Hand genommen, Tehrt zu der Tafel zurück) 
Lauter Borggrafen. 
Hier wird ihnen das Wappen gemalt. 
Nummer eins — 
Herr Marr von die Badeltube — 


Frau Blechſchmidt 
Sp ein reiher Mann wie der — 


Wollfopp 
Kriegt ein Kreuz: 
Por drei Tagen zwei Stübchen Bein, 


Frau Blechſchmidt 
Gleich zwei auf einmal? 


Wolltopp 
Soll wohl fein. 

Denkt mal, was fo eener fchwist, 
Der’n janzen Tag am Badeofen ſitzt. 
Nummer zivei: 
Herr Drganift Zuls von Sankt Peter — 
Der ſchwört aufs Bernaufche Bier. 
Vorjeſtern zwei Kannen — 
Stem jeftern zwei — 
Macht zufammen vier — 
Siehſte wohl — da jteht er. 


Frau Blechſchmidt 
Vier Kannen und keine bezahlt? 


Wollkopp 
Das tritt die Orjel den janzen Tag, 
Nu will ſich das auch mal treten laſſen. 
Wer kommt nu? Magiſter Lintholz 





Frau Blechſchmidt 


So einer ſollte ſich doch was ſchämen, 
So ein gelehrter Mann. 


Dritter Vorgang 243 





Wollkopp 
Von die Gelehrſamkeit kommt das ja eben: 
Seht Ihr, der verſteht bloß Latein'ſch — 
Wenn Ihr zu dem ſagt: „Berappen!“ 
Denn denkt er, es is man geſpaßt. 
Aber nu kommen die dicken Happen: 
Büchſenmeiſter Wolf — bekommt ſechs Strich. 


Frau Blechſchmidt 
Haſt du denn richtig gezählt? 


Wollkopp 
Frau Meeſtern, ohne Sorge; 
Das Rechnen war immer meine Forſche. 
Nummer fünf: 
Herr Lenhardt, Küſter bei Sankt Marie — 
Sechs große Becher Ruppiner Bier. 


Frau Blechſchmidt 
Und das Ruppiner is dies Jahr ſo teuer. 


Wollkopp 
Anders als Ruppiner trinkt der nie. 
Wenn der nich bezahlt, darf Euch nich wundern, 
Is ein jottſeliger Mann, 
Alles Irdiſche is ihm Plunder. 
Landreiter Schott — vier Quart, fünf Becher — 


Frau Blechſchmidt Gätt ſich die Ohren zu) 
Nu hörſt du auf! 


Wollfopp 
Stem Herr Doktor Funf, 
Auch Fein Schlechter Rannenftecher. — 
Uber nu kommt der Didfte dran — 


Frau Blechſchmidt 
Wil nichts mehr hören, fag’ ich dir! 


Wollfopp 
Na, denn zu mein eignes Privatpläfier : 


Ratsherr Schönbrunn — nu laßt mich zählen — 
16* 


244 Der neue Herr 





Macht drei — macht ſechs — macht's Dusend voll — 
Noch mal drei — und fünf dazu — 

Frau Meeftern — wat jagt Ihr nanu? 

Fünf Kreuze und fünfzehn Strich. 


Frau Blechſchmidt 


Gott du im Himmel, erbarme dich! 
(Ste kommt die Stufen herab, blickt auf die Tafel) 


Das ift ja Schrecklich ! 


Wollkopp 
Schön is es nich. 


Frau Blechſchmidt 
So kann's doch aber nich weiter gehn? 


Wollkopp 
Na — denn macht man die Bude zu. 


Frau Blechſchmidt 
Haſt du kein Herz im Leibe, du? 


Wollkopp 
Wenn ich kein Herz im Leibe hätte, 
Denn hätt' ich was andres angefangen 
Und hätt's wie Fritze Storch gemacht — 


Frau Blechſchmidt 
(Hält ihm den Mund zu, deutet mit den Augen auf Jakob Blechſchmidt) 


Sei doch mur Stille! 


Wollkopp 


Seit der mang die Soldaten gegangen, 
Hat er die Jroſchens in Hülle und Fülle. 


Jakob Blechſchmidt 
Und iſt ein Lumpenhund geworden! 


Wollkopp 
Ja, Meeſter, des ſtimmt. 


Dritter Vorgang 


245 





Jakob 
Und wer das Wort hier für ihn nimmt 
Und es machen will wie Fritze Storch, 
Na, der kann gehn, ich halte ihn nicht! 


Wollkopp 
Ich ooch nich — drum bin ich ja eben noch da. 


Frau Blechſchmidt (u Wolltopp) 
Du weißt doch, daß er’s nicht hören Fann 
Bon dem Menfchen zu prechen | 


(Zu Jakob) 
So laß doch fein; 
Sieh dir lieber die Tafel bier an; 
Bon unten bis oben voll? 


Jakob 
(trommelt mit den Fingern auf dem Folianten) 


Nur weiter, nur weiter fo. 


Wollkopp 
Ja, wenn das ſo weiter jehen ſoll, 
Denn jeht es nu eben nich weiter mehr. 
So ein Kerbholz hat och mal ein Ende. 


Frau Blechſchmidt 
Alles trinkt und keiner bezahlt. 
Unſere Wirtſchaft geht doch zugrund? 


Jakob 
Is uns jeſund, is uns janz jeſund. 


Wollkopp 
Das is jeſund? 
Frau Meeſtern, ick jratuliere, 
Denn ſind wir nächſtens kugelrund. 


Frau Blechſchmidt 
Das iſt doch, um den Verſtand zu verlieren! 
Uns jeht es ſo elend und ſchlecht, 
Und ſtatt zu helfen, fängt der Mann 
Mit unſrer Not an Spott zu treiben! 


246 


Der neue Herr 





Jakob (ſeht auf) 


Nich Spott — es geſchieht uns recht, 
Weil wir ſo dumm ſind, hier zu bleiben! 


Frau Blechſchmidt 
Was ſoll'n wir denn aber ſonſt tun? 


Jakob 
(ſchlägt mit der Fauſt auf das Buch) 


Auswandern! 


Frau Blechſchmidt 
Aus — wandern? 


Wollkopp 
Nu wird es Tag. 


Jakob 


Mit Kegel und Kind, ſo wie wir ſind, 
Auswandern! 


Frau Blechſchmidt 
Gott du im Himmel — wo denn hin? 


Jakob (zeigt auf das Buch) 


Nach den Weftindifchen Infeln, 
Die der Rolumbus erfunden bat. 


Wollkopp 
(pringt auf, ſchlägt ſich auf Das Knie) 


Na nu adjes, Berlin! 

Frau Meeſtern, die Stiebel geſchmiert! 
Nu woll'n mir mal den Kolumbus fragen, 
Wo daß der Weg da lang führt. 


Jakob 
Dazu müſſen wir übers Meer. 


Wollkopp 


Hurra — das kann mir jefallen; 
Da kommen die Heringe her. 


Dritter Vorgang 247 





SE Habe foviel von die Sippfchaft gegeflen, 
Nu is es die pure Gerechtigkeit, 
Daß mir die Heringe freflen. 


Safob 
Laß deine fchlechten Witze beifeit, 
Dazu is jetzt feine Zeit. 


Frau Blebfhmidt 
Uber Alter, aber Alter, 
Das ift doch alles nicht dein Ernſt? 


Jakob Geigt auf das Buch) 

Da guck' hinein, damit du's lernft, 
Was die Weftindifchen Inſeln find: 
Das i8 ein Land wie's Paradies; 
Da is Sommer jahraus, jahrein — 

dchlägt aufs Buch) 
Da wird jeder ein reicher Mann, 
Da gibt's Silber und Gold, 
Mehr als einer fchleppen Tann. 


Wollkopp 
Is es denn möglich? 
Na, wenn ick ſo 'nen Klumpen finde, 
Frau Meeſtern, denn koof' id mir Berlin. 
Und Schenke eg Euch zum Angebinde. 


Safob 
Lab deine Schlechten Wise fein! 


Frau Blechſchmidt 
So laß doch nur du deine Träumerei’n. 
Haft du zu fief in die Kanne gegudt? 
Alter, das find ja Hirngefpinfte. 


Jakob 
Da ſteht es ſchwarz auf weiß gedruckt, 
Alſo muß es die Wahrheit ſein! 


Frau Blechſchmidt 
Das dumme Buch — 


248 Der neue Herr 





Safob 
Das gute Buch! 


Wollfopp 
Uber Meefter, ic habe mir jagen laffen, 
Sn dem Land, die Menjchen, die find fchwarz? 


Jakob 
Was ſchad't das? 


Wollkopp 
Das ſind nu ſo die Jeſchmäcker — 
Mir könnte ſo'n ſchwarzer Bruder nich paſſen. 
Und denn haben ſie kom'ſche Manieren, 
Sie freſſen ſich untereinander auf? 


Jakob 
Na und wir? 
Werden wir etwa nich gefreſſen? 
Sind wir was andres als ein Tier, 
Das ſie ſchindludern und preſſen, 
An dem ein jeglicher ritzt und ſchlitzt, 
Solang' noch ein Fetzen Fleiſch dran ſitzt? 
Geht rechts aus der Tür der Torſtenſon, 
Kommt links in die Tür der Gallas ſchon; 
Was uns der Schwede nich abgeknappt, 
Wird uns vom Kaiſer weggeſchnappt. 

(Hinter der Szene hört man aus der Ferne Trommelſchläge) 
Da — bört Ihr? Da gehts ſchon wieder um, 
Straße auf, Straße ab, 

Das vermaledeite Rumbum ! 

(Er ſchüttelt Die Fäufte) 
Das ift die Stimme der fchweren Not, — 
Die Werbetrommel, die fchlägt ung tot! 
Wie ne Hure läuft fie von Haus zu Haus, 
Lockt ung das junge Mannsvolf raus, 
Wir Ulten können zu Haufe bleiben, 
Uns mit dem Hunger die Zeit vertreiben. 
Wenn uns denn alles im Stiche läßt, 
Zerreiß' und zerfehmeiße ung die Peſt! 


Dritter Vorgang 249 





Frau Blechſchmidt 
Alter — Alter — Alter — 


Jakob 
Der Fritze Storch — der Fritze Storch — 
Fünf Jahr an meinem Tiſch geſeſſen — 
Fünf Jahr lang hat er mein Brot gegeſſen — 
Kaum daß der Rochow und der Kracht 
Die Werbeſtube aufgemacht — 
Haſte nich geſehn iſt er davon, 
Wie ein Lump, wie ein Schuft, wie ein Dieb in der Nacht — 


Wollkopp 
Der ſchöne Arger um ſo 'nen Kujon — 
Meeſter, es is ja Sünd' und Schande. 


Jakob 
Wir haben kein Recht mehr im Lande! 
So bin ich zum Kommandanten gekommen, 
So ſag' ich, gebt mir den Storch heraus, 
Der gehört in mein Haus, 
Steht in meinem Brot und Lohn — 
Was haben ſie gemacht? 
Mir ins Geſicht gelacht, 
Haben mich am Kragen genommen 
Und mit 'nem Tritt vor die Tür geſchmiſſen, 
Daß ich auf meine alten Tage 
Die Straße habe pflaſtern müſſen — 


Wollkopp Gpringt auf) 
Das iS jemein! 
Meefter, wär’ ick dabei gewefen, 
Meeſter, ick will ein Hundsfott fein, 
Uber jo wäre es nich gekommen! 


Satob 
Drum fag’ ich: weg von Berlin, 


Frau Blechſchmidt 
Uber wir haben doch Hof und Haus? 
Was wird denn damit? 


250 


Der neue Herr 





Jakob 
Wird zu Jeld gemacht; 
Das Jeld wird in die Hand genommen 
Und denn 'raus! 


Frau Blechſchmidt 

(Hält beide Hände an den Ropf) 
Nu weiß ich kaum noch, was ich jagen ſoll; 
Der alte Mann wird wahrhaftig toll. 

(Sie geht zu Jakob, legt ihm die Hände auf Die Schultern) 

Ulter — fei ein vernünftiger Mann — 
Hör’ mal ein ruhiges Wort: 
Alſo — wir geben nu fort — 
Gehn wir denn aber allein? 
Es hängt doch noch was an uns dran? 


Jakob 
Was meinſt du? 


Frau Blechſch midt (chüttelt ihn) 
Was ich meine? 
Schämſt du dich nich vor Gott? 
Willſt du dein leibliches Kind vergeſſen? 


Jakob 
(baut die herabhängenden Fäuſte) 


Biſt ſtill davon?! 


Frau Blechſchmidt 
Ne, Bater, ne! 


Jakob 
Ihren Eltern is ſie davongegangen, 
Hat ſich an die Soldaten gehangen, 
Das is kein Kind mehr! 


Frau Blechſchmidt 
Das is ſie doch! 


Jakob 
Mag ſie bleiben, wo daß ſie will, 
Die Soldatendirne! 


Dritter Vorgang 


251 





Frau Blechſchmidt 
(hält ihm die Hand auf den Mund) 
Bater, fei ftill, 
Das darfit du von deinem Rinde nich fagen. 


Safob 
Das darf ich nich? Das darf ich nich? 


Frau Blechſchmidt 
Wer hat fie unterm Herzen getragen? 
Du oder ich? 
Wer hat fich mit Schmerzen "rumgefchlagen, 
Us fie zur Welt fam? Du oder ich? 
Sch bin eine ehrbare Frau; 
Es i8 nich wahr, daß eine Dirne 
Sich hätte in meinen Schoß verirrt — 
Uber wenn wir jest von bier gehn 
Und die Liefe hier figen lafjen, 
Siehfte dann kann e8 gefchehn, 
Daß fie wirklich "ne Dirne wird! 
Bater! nimm deines Kinds dich an! 
Was fol das Klagen und Jammern beißen? 
Alter, fei ein Mann — 
Der Rochow bat ihr den Kopf verdreht, 
Du mußt fie ihm aus den Klauen reißen! 


Wollkopp (ftreife fich die Ärmel auf) 


Frau Meeftern, Ihr habt die Hopfen anl 
Wann fol’s losjehn! Ic helfe mit! 


Jakob wor fich hinfprechend) 

Wahrheit is es — die Frau bat recht — 
Dahin iſt e8 mit mir gefommen, 
Daß meine Frau mir fagen muß, 
Was recht und was fchlecht. 

(Er ſinkt auf den Seffel am Tiſche nieder) 
Liefe — Gott rechne dir nich nach, 
Was du aus deinem Pater gemacht! 
Liefe — Liefe — 

(er legt das Haupt in den Händen auf Das Buch) 


252 


Der neue Herr 





Frau Blechſchmidt 
Guter — Alter — 


Wolltopp (eiſe zu Frau Blechſchmidt) 


Es regnet, Frau Meeftern, laßt man fein; 
Wenn’s nach dem Donnerwetter regnet, 
Denn ſchlägt's nich mehr ein. 

(Paufe) 


Zweiter Auftritt 
Shönbrunn, Trumbach, Frieſen (kommen von rechts) 


Wollkopp 
(ift an die Tür geeilt, ruft zurück) 
Das Jeſchäft jeht Ios. 
Frau Blehfhmidt 
(tößt raſch ihren Mann an) 
Alter — es kommen Gäfte | 
(Sakob erhebt das Haupt, fteht auf) 
Schönbrunn 


Na da find wir ja wieder mal. 
Meeiter und Meeftern juten Morgen. 


Trumbach 
Morgen. 


Frieſen 
Morgen. 
Wollkopp Gücklingt gegen jeden der drei) 
Bonos dies — bon jour — juten Morgen. 


Schönbrunn 
Dein Maul ift ja 's reine Sprachenfutt’ral, 
Woher haft du das? 


Wollfopp 
Was das Berlinfche betrifft, 
Das kann ick alleene beforgen ; 


Dritter Vorgang 253 





Und jest, wo die fremden Soldaten, 
Spanier, Ralmüden, Wallonen, 

Türken, Poladen, Rrabaten 

Ohne Mietsjeld zur Miete hier wohnen, 
Da lernt fich die Bildung im Spaß. 


Jakob 
Nickel — ſchwatz' die Herren nich dumm. 


Frau Blechſchmidt cam Geländer oben ftehend) 


Herr Schönbrunn, die Herrn Rämmeriere — 
Woll'n die Herrn nich berauffpazieren ? 


Shönbrunn 
Schenft man immer die Rannen voll. 
(Zu Trumbach und Friefen) 
Ufo — wer fol’s nu den Leuten jagen? 


Trumbach 
Is ja abgemacht. 
Frieſen 
Und bleibt dabei. 


Schönbrunn 
Daß ich es ſoll — 
(blickt umher) 


Und das geht nu alles zunichte — 
Eine faule Geſchichte! 


(Schönbrunn, Trumbach, Frieſen ſteigen die Stufen herauf und ſetzen ſich um den 

et auf welchen inzwijchen von Frau Blechjchmidt und Wollkopp Weinfannen 

gejtellt worden find. Frau Blechſchmidt und Wollfopp geben ab und zu. Jakob 
jest fich zu den dreien) 


(Paufe) 
a Schönbrunn 
3a ja ja — 

Trumbach 
Sa ja 


Frieſen 


Hm — hm. 


254 Der neue Herr 





Schönbrunn 


Ja — was ich jagen wollte — 
Nickel, gib mal das Kerbholz her. 


Jakob 
Zu was denn? | 
Schönbrunn 


Weil e8 mich wundern follte, 
Wenn mir die verdammte Kreide 
Nicht ins Kraut gejchoffen wär’ | 
Wollkopp 


(hat die Tafel ergriffen, hält ſie ihm vor) 
Fünf Kreuze — fufzehn Strich! 


Schönbrunn (fährt zurück) 
Das Dunnerwetter erjchlage dich! 
Das is jrob! 
Wollfopp 
Stimmt auf den Rnopp. 


Schönbrunn 


Wie der Bengel das angemalt, 
Recht mit Pläfier — 
Aber heut wird bezahlt. 
(Holt einen Beutel vor, zählt Geld auf den Tiſch) 


Jakob 
Das hat ja Zeit. 
Schönbrunn 


Sagt das nicht. 
Wer jagt Euch, wo Ihr morgen jeid? 


Jakob— 
Nanu? Wieſo? 
Schönbrunn 
Heut borgt Ihr den Leuten — 
Wer weiß, ob's morgen nich alſo ſteht, 
Daß Ihr bei den Leuten borgen geht. 


Dritter Vorgang 255 





Frau Blehfhmidt 
Herr Schönbrunn, was fol denn das bedeuten ? 


Safob 
38 das nur fo allgemein gejagt? 


Schönbrunn 
Vielleicht — auch ein bißchen mehr. 


Frau Blechſchmidt 
Na wie denn? 


Jakob 
Was meint Ihr? — 


Schönbrunn Wuiſcht ſich den Kopf, für ſich) 
Wenn ich man erſt damit fertig wär'. 
Es — is nämlich — ſo ein Gerücht — 
Aber ein Gerücht — is es eigentlich nicht 
Vielmehr ganz gewiß — 

(pringt auf) 

Schlag' mir der Deibel ins Gebiß — 
Ich krieg's nich über die Zähne! 


Frau Blechſchmidt 
Ihr macht uns ja angſt und bange? 


Frieſen 
Die Geſchichte dauert zu lange; 
Einmal muß es ja doch heraus: 
Meiſter Jakob, es geht um Euer Haus. 


Jakob 
Wie? Was? 
Frieſen 
Euer Haus ſoll weg! 


Trumbach 


Samt der ganzen Vorſtadt von Cölln, — 
Zu der es gehört. 


256 Der neue Herr 





Satob 
Wo denn hin? 
Frieſen 
Na — weg — 
Man will's gleich dem Boden der Erde machen. 


Jakob 
Aber — das is doch nur zum Lachen? 


Frieſen 
Lacht man — das Heulen wird ſchon kommen. 


Jakob (faßt fih an den Kopf) 

Hab’ ich denn Tollwurz eingenommen? 
Man — will —? 

Trumbach 

Seine Exzellenz — 

Frieſen 
Seine Peſtilenz 
Der kaiſerliche Gen'ral Gallas! 
Frau Blechſchmidt 

Der — hat geſagt —? 


Trumbach 


Die Cöllner Vorſtadt 
Muß von der Erde verſchwinden. 


Frieſen 
Damit, daß wenn die Schweden kommen, 
Sie keinen Einlaß finden. 


Jakob 


Der Schwede — der Schwede — 
Mir — wird ganz dämlich von dem Gerede — 
Ich frage — nach meinem Haus. 


Frieſen 
Hört Ihr denn nich? Es ſoll weg. 


Dritter Vorgang 257 





Jakob 
Aber — das is doch mein Haus?! 
Trumbach 
Na ja freilich. 
Jakob 


Und mein Haus — das is mein Haus — 


Das — wiſcht man doch nich wie 'nen Fleck 
So von der Erde aus?! 


Frieſen 
Fragt man den General Gallas. 


Frau Blechſchmidt 
Aber Herr Schönbrunn? Aber Herr Schönbrunn? 


Schönbrunn 
(hat ſich wieder an den Tiſch geſetzt) 


Herr Schönbrunn kann da gar nichts helfen. 


Jakob 
All mein Eigen und Gut, 
Alles was ich habe und bin, 
Alles ſteckt in dem Hauſe drin — 
Und das Haus — das ſoll weg? 
Wer erſetzt mir denn nu das alles? 


Frieſen 
Fragt mal den Schweden, 
Sonſt war von Erſatz nich viel die Rede. 


Ja kob ſteht jählings auf) 
Nickel Wollkopp — Stock und Hut! 


Schönbrunn 
Na? Wo ſoll es denn hin? 


Jakob 
Zum Statthalter will ich! 


Shönbrunn 


Dann fest Euch man wieder bin, 
Dramen X 17 


258 Der neue Herr 





Safob 
Es iſt doch nur recht und billig, 
Daß er hört, was der Gen’ral Gallas 
Un uns Berlinern tut? 


Schönbrunn 
Der Statthalter weiß ja das alles. 
Jakob 
Weiß alles? 
Trumbach 
Der ſchickt uns ja eben her. 
Jakob 


Na was ſagt denn der? Was ſagt denn der? 


Frieſen 
Er ſagt, Ihr ſollt Euer Bündel packen, 
Sonſt zündet er Eure Baracke 
Euch überm Kopfe an. 


Jakob 
Das — ſagt — 
Frieſen 
Das ſagt der Graf Schwarzenberg. 


Jakob 


(beide Hände an den Kopf gedrückt, läuft die Stufen hinunter und im unteren Raum 
auf und ab) 


Ich werde toll — ich werde toll! 


Frau Blechſch midt (aut jammernd) 
Ach Vater! Vater! 


Ja kob Gleibt ſtehn) 


Laß das Geſchrei! 
Nickel Wollkopp — 


Wollkopp 
Ja, Meeſter, hier. 








Dritter Vorgang 259 





Jakob 
Tinte, Feder und Papier! 
Geſchwinde! Geſchwinde! 


Wollkopp 
Ja doch — 


(geht links ab) 


Schönbrunn 
Was wird denn nu? 


Jakob 
Einen Brief will ich ſchreiben, 
An unſern Kurfürſt. 


Schönbrunn 
Das laßt man bleiben. 


Jakob 


Wenn man doch ſeinem Landeskinde 
Bei lebend'gem Leibe die Knochen bricht — 


Schönbrunn 
Jakob, laßt ſein, das hilft Euch nicht. 


Jakob 
(ſchlägt mit der Fauſt auf den Tiſch) 


Aber er muß! Das is ſeine Pflicht! 


Schönbrunn 
Er hat ja dem Grafen Vollmacht gegeben, 
Und nu is der Schwarzenberg 
Herr über unſer Gut und Leben. 


Jakob (ſtreckt beide Arme empor) 
Ein Bettler! Ein Bettler ! 
(Er fällt auf einen Stuhl, ſchlägt den Kopf auf den Tifch) 
Und alfo ift auf der weiten Welt 
Niemand und nichts, 
Wo ein armer Mann fein Recht erhält!? 


Frau Blechſchmidt 
(ftürzt zu ihm, umflammert ihn) 


Jakob! Jakob! 


17* 


260 Der neue Herr 





Jakob (wehrt fie von fich) 
Geh weg! Laß fein! 
(Er tft aufgeftanden, hat die Arme ausgeſtreckt) 
Laßt mich ale — ſonſt gibt's etwas — 
Denn ich will — denn ich fage — 


Wollfopp 


(kommt von links zurüd, a 8 ara a Tintenfaß, in der anderen 
und Hu 


Meefter, da i8 das Tintenfaß — 
Papier und Feder muß hier wo liegen. 


Jakob (geht ihm entgegen) 


Laß es die Peft und die Seuche Friegen ! 
(Reipt ihm Hut und Stod aus der Hand, ftülpt Den Huf auf) 


Frau Blebfhmidt 
Wo gehſt du hin? Wo gebt du hin? 


Safob 
Un die Luft! Auf die Straße! 
Da will ich mir die Ede befehn, 
Wo ich morgen als ein Bettler 


Mit der Almofenbüchfe werde ſtehn! 


(Geht wie raſend links ab) 
(Frau Blechſchmidt will ihm nacheilen) 


Wollkopp (Hält fie zurüc) 
Frau Meeftern, wie id ihn kenne, 
38 08 beffer, Ihr laßt ihn alleine; 
Da kann er die Wut aus’m Leibe rennen 
Und frampelt fie unter die Beine, 


Frau Blechſchmidt 
(ſinkt weinend auf einen Stuhl) 


Der Jammer! Das Elend! Die Not! 


Wollkopp 
(ziehe fein Sacktuch hervor, wiſcht ihr das Geſicht) En 


Ach du mein Jott — 
Weent doch nich fo! Weent doch nich fo! 


Schönbrunn 
Laß man; die Frau hat Arſach' genug. 0 


- u u ai due > Ka 











Dritter Vorgang 261 





Wollkopp Gallt die Fäufte) 


Sp wollt’ ich doch gleich — 


(er eilt plöglich die Stufen hinunter, an die Schanfftätte, wo die Krüge ftehen, 
ergreift einen großen Zinnkrug) 


Du verfluchter Krug, 
Du biſt ja blind wie ein Schwein! 
Ra mwartel 
(Er jest ſich an den Tisch, fängt an, den Krug wie wütend zu pugen) 
Du Rader! Du Beeft! 


Trumbach 
Nickel Wollkopp — was machſt denn du? 


Wollkopp 

Herr Trumbach — das is nu ſo — 
Wenn ick ſo jiftig und wütig bin, 
Denn kann mir jar niſcht anders nutzen, 
Denn muß ick wat unter die Hände kriegen 
Und putzen — putzen! 

(Stößt den Krug von ſich) 
Sp — nun jeb du hin! 

(Er erhebt fich, veckt fich) 
Nu iS mir Schon wieder viel beffer. 


Dritter Auftritt 
Birkentiſch (kommt von rechts) 


Birkentiſch 
Habe die Ehre — 


Schönbrunn 
Nanu kommt das? 


Trumbach 
Das iſt ja dem Grafen ſein Birkentiſch. 


Frieſen 
Meine Zeche — ich will gehn! 


Schönbrunn 
J ſo bleibt. 


262 


Der neue Herr: 





Friefen 
Mit dem da? Was? 
Da wird mir der Trank zu Gift! 
(Er will fich erheben, Schönbrunn zieht ihn auf den Sig zurück 


Schönbrunn 
MWolt Ihr Reißaus nehmen 
Bor fo nem behängten Kleiderftift? 
Wär’ doch zum Schämen. 


Birfentifch (ft Heraufgefommen) 
Hoffe, ich derangiere nicht? 


Schönbrunn 
Herr Birkentifch, ein Mann wie Ihr, 
Dient jedem Orte zur Sier. 


Birkentiſch 
Sehr freundlich. 
Schönbrunn 
Is gern geſchehn. 


Birkentiſch (Hat ſich an den Tiſch geſetzt) 
Ich hab' Euch in Eurem Haufe gefucht, 
Herr Schönbrunn, man wies mich hierher. 


Schönbrunn 


Was fchafft mir denn folche Ehr’? 


Birkentiſch 
Des Herrn Statthalters Ehrwürden 
Bitten Herrn Schönbrunn als Gaſt 
Zu heut abend in dero Palaſt. 


Frieſen 
Als — Stiebelputzer? 


Birkentiſch 
Herr Chriſtoph es; 
Seit ich beim Duca di Savelli 
In Diensten geftanden und Pflicht, 


u 0 


Dritter Vorgang 


263 





Hat mir noch niemand nachgewiefen, 
Daß mein Mund undeutlich fpricht. 
Us Gaft 


Lud ich Heren Schönbrunn in den Palaft. 


Schönbrunn 
Der Statthalter — lädt mich ein? 


Birkentiſch 
Es ſoll da vor einiger Zeit 
So eine Maſchine erfunden ſein — 
Man nennt fie Laterna magica? 


Schönbrunn 
Das Stimmt. 


Birkentiſch 
Mit der man ſchöne Bilder 
Auf die Wände malen kann, 
Und die dann wieder verſchwinden? 


Schönbrunn 
Das ſtimmt. 


Birkentiſch 
Nun heißt's in der Stadt, 
Daß der Herr Ratsherr Schönbrunn — 
Den als ſehr kultivierten Mann 


(verneigt fich) 
Alle Welt achtet und kennt — 


Schönbrunn 
Dante fürs Rompliment — 
Ä Birkentiſch 
Solch ein Ding im Beſitze hat. 
Schönbrunn 
Is richtig. 
Birkentiſch 


Und nun, für heute abend, 
Zu einer ganz beſondren Fete, 
Ganz was Beſondres im Sinne habend, 


264 


Der neue Herr 





Sähe es Seine Ehrwürden gerne, 

Wenn der Herr Schönbrunn fommen täte 
Und den Herrfchaften die Laterne 
Demonftrieren wollte ad oculos. 


Shönbrunn 
Die Ehre is ja groß. 


Birkentiſch 
Jedem die Ehren, die ihm gebühren. 
Ihr kommt? 


Schönbrunn 
Was ſoll ich mich denn zieren? 
Warum denn nich? 


Frie ſen GEbs lachend) 
So is es recht. 
Schönbrunn, man muß ſich lieb Kind bei Euch machen; 
Ihr kommt da oben in Gunſt. 


Schönbrunn 


Aber nu ſagt doch bloß, 
Was is denn heut abend beſonders los? 


Birkentiſch 
Cosa gravissima: 
Seine Gnaden der. Rurprinz find wieder da. 


Schönbrunn 
Der Rurprinz? Aus den Niederlanden? 


riefen (wie oben lachend) 
Na, nu kann unfer Weizen blühn! A 
Schönbrunn, nu die Laterne gepußt, 
Damit fie dem Statthalter auch was nußt. 


Birkentiſch 
Nutzen? Zu was? 


Frieſen 
Na, Spaß! 
Heut abend auf der Statthalterei 





Dritter Vorgang 265 





38 große Maufefängerei, 
Da braucht man Licht, da muß man ſehn. 


Birkentiſch 
Wie iſt das zu verſtehn? 


Frieſen 
Heut wird der Kurprinz ſein Freund; 
Dann hat er ſie beide in der Taſche, 
Vater und Sohn, 
Dann kann er den Kurprinzen tanzen laſſen, 
Wie das Männchen in der Flaſche! 


Birkentiſch (erhebt fich) 
Meine Stellung will mir vermehren, 
Solche Worte mit anzuhören, 


Schönbrunn 
Ihr werdet den Wein doch nicht ftehen laſſen? 
ft eben erft frifch eingefchenft. 


Birkentiſch 


(blickt in feine Kanne, überlegt, ſchüttelt den Kopf, tut einen Schluck, läßt ſich dann 
ſchnaufend wieder nieder) 


Corpo di Bacco! 
Menfchen gibt’s, wie Fein Menfch es dentt. 


Schönbrunn 
Nu fagt, was hat denn über Nacht 
Den Rurprinzen hergebracht? 


Birkentiſch 
Cosa gravissima. 
Böſe Nachricht aus Königsberg 
Vom Herrn Kurfürften Papa. 


Schönbrunn 
38 er krank? 
Birkentiſch 


Das war er ſchon; 
Aber der morbus bat gravesziert. 


266 


Der neue Herr 





Friefen 
Was heißt das auf deutjch, wenn's fertig wird? 
Birkentiſch 
Die Krankheit hat zugenommen. 
Schönbrun n 
Wahrhaftig ? RN 
Birkentiſch 


Steht täglich zu befürchten, 
Daß Seine Durchlaucht zu Ende kommen. 


Frau Blechſchmidt 
(die inzwiſchen leiſe mit Wollkopp geſprochen hat, tritt heran) 


Der Kurfürſt iſt tot? 


Birkentiſch 
Um Gottes willen — 
Sollt Ihr's nicht gleich durch die Straßen brüllen? 
Der Kurfürſt tot? Seid Ihr verrückt? 


Schönbrunn 
Er ſagte ja nur, er is krank. 


Birkentiſch 

Das hab' ich auch nicht mal geſagt. 
Trumbach 

Na nu? Das habt Ihr nicht geſagt? 


Birkentiſch 
Ich — hab' mich lateiniſch ausgedrückt — 
Und Ihr verſteht kein Latein. 


Frieſen 
Aber Ihr habt's uns überſetzt. 


Birkentiſch 
Ich — ſprach von einem Unwohlſein — 


Frieſen 
Ihr habt geſagt, er is ſterbenskrank! 


Dritter Vorgang 267 





Birkentiſch 
Ich — hätte —? Was —? Wo? 


Frieſen 
Eben jetzt! 


Pak Birkentiſch 
ein! 


Frieſen 
Ja! 
Birkentiſch 


Das hat man davon, 
Wenn man ſich einläßt mit den Leuten! 


Frieſen 
Mit den Leuten? Was für Leute? 


Birkentiſch (zieht den Beutel) 
Meine Zeche — ich will gehn. 


Frieſen 
Erſt ſollt Ihr uns Rede ſtehn, 
Was Ihr meint mit den Leuten! 
(Ein tobender Lärm nähert ſich von rechts außerhalb der Szene) 


Shönbrunn 
Seid doch man ftil — 
Hört Ihr da draußen das Gebrüll? 


Frau Blechſchmidt 
Was hat denn das nur zu bedeuten? 


Vierter Auftritt 


(Die Tür rechts wird von außen aufgeriffen) Frige Storch (in Soldatentracht, 
kommt an der Spige eines Haufens anderer Soldaten von rechts. Anter den 


Soldaten find) Bärmwolf (und) Kobo w 


Fritze Stord 


Gute Brüder, hier herein! 
Die Bude kenn' ich von früher her, 


268 


Der neue Herr 





Bier gibt es Bier und Wein! 
(Er wirft fih an den Tiſch) 
Wein ber! 


Die anderen Soldaten 
(verteilen ſich am Tiſche) 


Wein! Bier! Wein! 


Wollfopp 
Frau Meeftern — da vorne der Strolch — 
Schlag’ mir der Deibel — Fritze Storch! 


Frau Blechſchmidt 
m Gottes willen! 


Storch 
Na — is denn hier ſchon Feierabend? 
Am Morgen früh? 
Wo is die Wirtſchaft? 
Wein will ich haben! 

Die Soldaten ctommeln auf dem Tiſch) 

Wein! 

Storch 
Da ſind ja ſchon andre Gäſte? 
Sind wir ſchlechter als die? 
Warum lauern wir hier? 

Die Soldaten 

Wein! Bier! 

Storch 
Was die bezahlen, können wir auch. 


(Zieht einen Geldbeutel hervor, wirft ihn Flirrend auf den Tiſch) 


Wir haben Jeld! 
Dunnerfchlaghagelelement ! 

Wir von's Rochowſche Regiment 
Wir find die Herren der Welt! 


Wollkopp (tritt zu Storch heran) 


Fritze Storch — na weeßte du, 
Ich dächte, du jäbft nu Ruh’? 


a ee ———— 


Dritter Vorgang 


269 





Storch (wücdt den Hut ins Genich) 


Sadermumblö, 
Wer is der Musjöh? Was will der Musjöh? 


Wollfopp 
Hab’ dir man nich; 
Sch denke, wir beide kennen ung, 


Bärmwolf 
Wer is der Kerl? Was will der Rerl? 


Wollkopp (su den Soldaten) 
Meine Herren — mit Verjunft — 
Es i8 ein Standpunkt verloren gegangen, 
Den will ick bloß helfen wiederfangen. 
Sch hab's mit einem alten Rollegen. 


Storch 
(zieht den Degen aus dem Gehänge, legt ihn auf den Tiſch) 


Kennſt du das? 


Wollkopp 
Das is ein Degen — 


Storch 
Denn nimm dir in acht — der beißt! 


Wollkopp 
Ick bin Zahnbrecher — daß du's weißt. 


Storch 
Du Nickelklaus, du Lauſeflaus, 
Hier is mein Jeld, nu ſchenkſt du ein! 


Wollkopp 
Hier is deinem Meeſter ſein Haus, 
Da wächſt vor dir kein Wein! 


Bärmwolf 
Rein Wein? 


Die Soldaten 
Rein Wein?! 


270 Der neue Herr 





Wollkopp 


Meine juteſten Herrn, 
Ihnen natürlich von Herzen jern, 
Aber alles was recht und billig is: 


(er geht während dieſer Worte an den Ausſchank, ſetzt den Soldaten Krüge und 
Becher vor, füllt Diefelben, mit Ausnahme Storhs, dem er feinen Becher bringt) 


Wenn jemand jemands Gefelle war 
Und bat feine Beene fünf Jahr 

Unter dem Meejter feinen Tiſch geftreckt 
Und es hat ihm jut jegangen 

Und Effen und Trinken hat ihm ah. 
Und plöglich iS er heidi 

Und iS durchjegangen — 

Is das recht? 

Das is Tchlecht! 

Und wenn derfelbigte nachher fommt, 
Auf die Tifche haut und radauf 

Und fordert von feinem Meefter Wein, 
Soll er den befommen? Nein! 

Das is jemein! 

Und geht übern Spaß! 


Storch 


Dämlicher Quatſchkopp! Es hat ſich was 
Mit deinem Meeſter! Hat ſich was! 

Es hat ſich ausgemeiſtert! 

Damit iS es vorbeil 


Fünfter Auftritt 


Jakob Blechſchmidt (ift während des letzteren von links wieder aufgetreten, ohne 
Hut, ſteht jegt am Geländer oben, die Hände Darauf geftügt) 


Jakob 
Wozu machſt du ſo'n Geſchrei, 
Fritze Storch? Ich höre dich ſchon. 


Storch 
(ſteht unwillkürlich auf, nimmt den Hut vom Kopfe) 


Ach ſo — der Meeſter 


Dritter Vorgang 271 





Bärwolf 
Nu hört! Nu gudt! 
Da wird eener abgemuckt | 


Robow 
Nanu rise, man hübſch gedudt ! 
Nu man wieder der arfige Sohn! 
(Wieherndes Gelächter der Soldaten) 


Storch (ieht fih wütend um) 
Denkt Ihr — ich — fürchte mich vor dem? 
Woln wir mal fehn! 


(Er jest mit einer plöglichen Bewegung den Huf wieder auf, wirft fich wieder auf 
den Stuhl, vermeidet aber, Jakob anzujehen; dann fchlägt er auf den Tiſch) 


Ick bin ein Gaft wie jedermann. 
Rann fordern, was ick bezahlen Kann! 
Und darum will ick meinen Wein! 


Safob 
(zu Wollfopp, der eine Bewegung auf Storch zu macht) 


Nidel Wollkopp, laß fein ! 
Fritze Storch — i8 dag — dein Ernft? 


Storch 
Na jewiß. 
Jakob 
Sieh mir — ins Zeſicht! 


Storch 
(kämpft mit ſeiner Verlegenheit, dann wirft er frech das Geſicht empor) 


Na —? 


Jakob 
Fritze Storch — und du ſchämſt dir nicht? 


Storch 


(läßt den Kopf wieder ſinken, murmelt etwas Anverſtändliches; die Soldaten ſtecken 
grinjend die Röpfe zufammen; der Nebenmann Storch ſtößt ihn mit dem Ellbogen 
in die Seite. Storch fchlägt auf den Tiſch) 


Und ik will meinen Mein! 


Jakob 


(ſteht ſtumm, man ſieht, wie ſeine Hände ſich krampfhaft um die Brüſtung des Ge— 
länders krallen) 


272 Der neue Herr 





Frau Blechſchmidt (rise angftvol an Jakob heran) 
Ach Gott — Vater — 


Ja kob (eichter fich auf) 
Laß! 
Nickel Wollkopp — geb ans Faß — 
Bring’ mir 'nen Rrug. 


Wollkopp 
Aber — Meeſter — ? 


Ja kob wi auffahrend) 
Wird's?! 
(Wollkopp ergreift einen Krug, geht an den Ausſchank, füllt ihn, bringt ihn Jakob) 


Jakob 
(ſteigt mit dem Kruge die Stufen hinab, bleibt vor Storch ſtehen) 

Herr Storch — Ihr ſeid mir ausgeriſſen 

Wie ein Dieb in der Nacht — 
Herr Storch — Ihr habt's gemacht, 

Daß man mir ins Geſicht gelacht 

Und mich auf die Straße bat geſchmiſſen — 
Ihr habt fo viel Gutes an mir gefan — 

Herr Storch — 
Daß ich mich dankbar möchte zeigen — 
Bitte — nehmt doch ein Schlückchen an? 


Storch (ohne aufzufehen) 
Na — wenn e8 — Euch fo gefällt — 
Da — fest man hin — 
(greift in feinen Beutel, legt ein air auf den Tiſch) 
Und — da is das Geld, 


Zatob 
(der den Krug niedergefegt hat, fährt zurück) 
Dein Geld? 
Ich will dir zeigen — wohin e8 gehört — 
Dahin — du Schuft!! 
(Er wirft ihm das Geldftüc ins Geftcht) 
(Storch ift aufgefprungen und zwei — — die Soldaten erheben ſich 





Dritter Vorgang 273 





Bärwolf 
Das hat geſeſſen — e8 hat gefnufft! 


Robow 


Wenn er fi) das gefallen läßt, 
Denn muß er ’raus, an die Luft! 


Die Soldaten (grölend) 
Hau’ ihm! Hau’ ihm! 


Storch 
Wenn ich — nich dächte — 
Daß ſo ein — Alter — 


(er will nach dem Degen greifen) 


Wollfopp 
(legt die Hand auf den Degen) 


Laß liegen, Frige! 
(Er fieht Fritze Storch dicht ind Geficht, dann ergreift er einen Schemel) 
Siehfte den? Der bat vier Beene — 
Pflanz' ich dir den in die Zähne, 
Denn is der Zahnftocher nifcht mehr nütze. 


Frau Blechſchmidt 
(ift herabgeftiegen, hat Jakob am Arm gefaßt) 


Bater, fomm ber! 


Schönbrunn (won oben) 


Jakob, kommt fort! 
Gakob, von feiner Frau geführt, geht langſam die Stufen hinauf) 


Storch 
Das is auch — ſein Glück, daß er jeht. 
Denn ſonſt — wollt' ich — 
(droht mit der Fauſt) 


Wollkopp 
Was willſt du? Was? 


Storch 
weicht Schritt für Schritt zurück) 
Du verfluchtes Hundeaas — 
Mit dir red’ ich noch ein Wort. 


Dramen X 18 


274 Der neue Herr 





Wollkopp (geht ihm nach) 
Kann gleich gefchehn! Kann gleich gefchehn! 
ber du kneifſt ja aus! 


Storch 
Du — Lauſeflaus! | 
(Sie paden fih an der Bruft) 


Sechſter Auftritt 


Mehrere Mädchen (erjcheinen außerhalb an den Fenſtern des unteren Schanf- 
raumes, lehnen fich auf Die DIENT ala TC herein. Sie find gejchminft und 
gepu 


Die polnifhe Rathrine 
Kinder, kommt raſch! Hier gibt's was zu fehn! 


Die Berliner Lowiſe 
Reilereil Keilereil Da bin ich dabeil 


Die rote Stetfinerin 
Da haben fich zwei fchon bei die Weite! 


Rathrine 
Das is ja mein füßefter Rlapperftorch ? 
Hau' ihm, Fritzeken, halt dich feſte! 
Storch (made ſich von Wolltopp 108) 
Hurra, die polnifche Kathrine! 


Bärmwolf 
Und die Lowiſe von Berlin | 


Robow 
Und die Rote aus Stettin! 


Storch (geht auf das eine Fenſter zu) 
Was fteht Ihr draußen? Mächens, kommt rein! 


Jakob (von oben) 
Das verbiete ich! 
Die Weiber kommen mir BE ing Haus! 


— 


Dritter Vorgang 275 





Storch 
Nu jrade ſoll es ſein! 
(Er reicht Kathrine Die Hand) 
Hopp Kathrine! 


Rathrine 
(ift von draußen auf Das Fenſterbrett geftiegen, ſpringt herein) 


Hoppla — hopp — 
(fie macht einen frechen Knicks gegen Jakob) 


Ju'n Morgen, alter Wackelkopp! 


Bärwolf 
Und nu die anderen hinterdrein ! 


Lowiſe (mat es wie Kathrine) 
Da bin ich Schon! 
Die Rote 
(jpringt herein, reibt fich Das Knie) 
Au weh — mein Bein! 


Jakob 
Das is mein Haus — mein ehrliches Haus — 
Zum letztenmal — die Weiber 'raus! 


Storch 
Halt's Maul, du alter Krippenſetzer! 


Mädchen und Soldaten (gelfend und johlend durcheinander) 
Der Rrippenfeger | 


Storch 
Du Augendreher! Du Weiberhetzer! 


Mädchen und Soldaten 
Der Weiberhetzer! 


Storch 
Wein für die Mädchens! Jetzt wird getrunken! 


Jakob (ſeht oben an der Treppe) 


Machſt du — mein Haus mir zu einer Spelunken? 


Biſt du ein Hundsfott bis über die Stirn? 
18* 


276 Der neue Herr 





Haft du in Leib und Seele und Hirn 
Für Recht und Sitte, für Schande und Ehr’ 
Keinen Funken zum Fühlen mehr? 


Storch (ipringt auf einen Stupt, ſchreit gellend) 
Nu hört ber! Nu Hört ber! 
Nu pfaucht das wie ein alter Rater 
Und ift felber ein Dirnenvater! 


Jakob (mit wilden Schrei) 


Up!!! 


Wollkopp 
(verfucht, auf Storch einzudringen; Die umſtehenden Soldaten halten ihn zurück) 
Reißt den Kerl vom Stuhl herunter | 
Es gibt ein Unglück! 


Bärwolf 
Weiter, Fritze! 


Robow 
Munter, Sunge, munter! 


Storch 
Seine eigne Tochter, müßt Ihr wiſſen, 
Hat ihm 's Brot vor die Füße geſchmiſſen! 
Durch die Lappen is ſie gegangen, 
Hat ſich dem Rochow angehangen! 


(Am Tiſche oben ſind Schönbrunn, Trumbach und * en aufgeſprungen, verſuchen 
Jakob feſtzuhalten; Jakob reißt fih von ihnen los, kommt Die Stufen herab) 


Jakob 


Darfſt du mich vor aller Welt verſchänden?! 
Greifſt du mit deinen ſchmierigen Händen 
Mir in das Herz? 


(Er reißt den Degen Ber hg der Scheide, m... ya Storch zu und rennt ihm 
die Rlinge durch Den Leib 


Da haft du dein Teill 


Storch 
(chreit auf, taumelt vom Stuhl, fällt auf die Erde) 


(Erftarrte Pauſe) 





Dritter Vorgang 277 





Bärmolf (beugt ſich auf Storch) 
Der bat genug! 
Robom esgleichen) 
Durch und durch — der wird nicht mehr heil, 


Bärmwolf 
Er bat ’nen Soldaten erfchlagen! 


Die Soldaten dlärmend) 
Einen Soldaten | 


Robow 
Nehmt ihn beim Kragen! 


Die Soldaten 
Nehmt ihn beim Kragen! 
(Sie ftürzen fih im Tumult auf Jakob, ergreifen ihn) 
Bärwolf 
Auf die Wache 
Kobow 
Zum Kommandanten! 


Die Soldaten 
Sum Rommandanterr! 


Jakob 
Ich habe getan, was ich geſollt. 
Ich habe mein Hausrecht gewahrt. 
Nu macht mit mir, was Ihr wollt. 


Vorhang fällt 


Ende des dritten Vorganges 


278 Der neue Herr 





Vierter Vorgang 


Szene: Ein Saal im Palafte des Grafen Schwarzenberg. Rechts 
und linfs Türen; im Hintergrunde öffnet fich eine breite Flügeltür 
auf den Treppenfhur. Es it Abend; Diener find befchäftigt, Die 
Lichter an dem von der Dede hängenden Kronleuchter, ſowie die an 
den Wänden angebrachten Lampen und Lichter anzuzünden, Der Raum 


iſt feſtlich geſchmückt 


Erſter Auftritt 


Kracht (itzt an einem kleinen Tiſche im Vordergrunde, mit Schreiberei beſchäftigt) 
* Birkentiſch (fteht neben ihm) Beh 


Kracht (aufblicend) 
Bon des Dberften von Rochow Regiment? 


Birkentiſch (werneigt fich) 
Aufzuwarten, Herr Kommandant. 


Kracht 
Maufetot? 
Birkentiſch 
Tot im Moment. 


Kracht 
Hat ſich das Luder nicht gewehrt? 


Birkentiſch 


Hatte die Waffe von ſich getan; 
Ward geſpießt an dem eignen Schwert. 


Kracht 
(beugt ſich zum Schreiben) 


Die Kanaillen — wie heißt der Hund? 


Birkentiſch 
Jakob Blechſchmidt genannt. 


Satob i Kracht (ichreibe) 
[1 O ee: 3 


Birkentiſch 
Blechſchmidt, Herr Kommandant. 


Vierter Vorgang 279 





Kracht (ſeht auf 
Dies Papier 
Nimmft du nachher mit dir; 
Sobald der Graf im Schloß eintrifft, 
Gibſt du es ihm zur Unterſchrift. 


Birkentifſch 
Aufzuwarten. 


Kracht 
Der Kerl iſt ſicher? 


Birkentiſch 
Liegt geſchloſſen und gebunden 
Im allerunterſten Keller drunten. 
Hätte man ihn aufs Rathaus geführt — 
Wie heut der Sinn der Berliner ſteht — 
Wer weiß, ſie hätten ihn laufen laſſen? 


Kracht 
Könnt' man ſie alle am Kragen faſſen, 
Die Leimkocher und Seifenſieder! 
Aber wart! 
Morgen ſchlägt's euch in die Glieder. 
Da wird ein Erempel ſtutuiert! 

(Zeigt auf den Tiſch) 

Räum’ ab und nimm das Papier in acht! 


Birkentiſch 
(ſhiebt den Tiſch auf die Seite, nimmt die Papiere, Die Darauf Liegen, an ſich) 


Aufzumwarten — wollen verzeihn, 
Herr Kommandant, noch eine Frage — 


Kracht 
Was? 
Birkentiſch 
Er hat nach dem Pred'ger verlangt; 
Laſſ' ich den zu ihm ein? 


Kracht 
Mag's drum ſein; 
Aber nimm deine Augen wahr; 


280 Der neue Herr 





Daß mir unterm Pfaffentalar 
Keine Praktiken geſchehn? 


Birkentiſch 
Will acht geben und wohl zuſehn. 


(Seht nach dem Hintergrunde und kreuzt ſich dabei mit Rochow, der während der 
legten Worte aus dem Hintergrunde eingetreten tft) 


Zweiter Auftritt 
Rochow. Kracht 


Ro ſch o w 
Wovon iſt die Rede? 
Pred'gerbeſuch? Hier im Haus? 


Kracht 
Ja, du lebſt in Saus und Braus; 
Kommandant muß für alles ſorgen. 
Warſt aus Berlin ſeit heute morgen, 
Würdeſt ſonſt wiſſen, daß ſie dich heute 
Verkürzten um einen deiner Leute. 


Roſch o w 
Was heißt das? 


Kracht 
Schlugen dir einen tot. 


Roſch o w 
Donner und Schwerenot! 
Einen von meinem Regiment? 


Kracht 
Freilich. 


Roſcho w 
Wie kam's? Wie geſchah's? 


Kracht 
Nun, natürlich in der Schenke; 
Die Kerle machten ſich einen Spaß 
Mit ihrem Traktament — 


—— u an Ze 


Vierter Vorgang 281 





Roſch o w 
Und da kriegten ſie das Raufen? 


Kracht 
Wenn's weiter nichts wär', 
Wollt' ich nicht viel drüber ſchnaufen; 
Nein, der casus iſt der: 
Die Soldaten haben fich vertragen 
Und der Wirt hat ihn tot gefchlagen | 


Roſch o w 
Was? Wer? Was? 
Der Wirt — den Soldaten —? 


Kracht 
Hat ihn erſchlagen. 


Roſcho w 
Solch ein elendes Bürgeraas 
Einen Soldaten? 
Und das ließ der Kerl ſich gefallen? 


Kracht (achend) 
Ja, er hat's eingeſteckt; 
Fraß ſeine eigene Plempe 
Und iſt verreckt. 


Rochow (geht auf und ab) 
Sch krieg’ die Rrämpfe! 


Kracht 
Und die Arſach' zu dem allen? 


Rochow (bleibt ſtehn) 
Ufo — die Arſach'? 


Kracht 

Die reine Wut 
Wider den Soldatenhut — 
Kein andrer Grund! 
Der arme Teufel hat Durſt gehabt, 


Der neue Herr 





Wollt' eins faufen, 

Hat alles ganz ehrlich berappt — 
Der Wirt, ein böfer alter Hund, 
Wollte ihm feinen Wein verkaufen. 


Roſch o w 
Und das lebt noch? 


Kracht 
Heute noch. 


Roſch o w 
Waren denn andre Soldaten dabei? 


Schlugen den Kerl nicht zu Mus und Brei? 


Kracht 
Laß gut ſein, wir haben ihn im Loch; 
Drunten ſitzt er im Keller. 

Roſch o w 


Auf Pfennig und Heller 
Soll er mir meinen Soldaten bezahlen; 
Was warteft, daß du ihn hängen läßt? 


Kracht 


Das Urteil iſt aufgeſetzt; 
Sobald es der Schwarzenberg unterfetzt, 


Können die Krähen ſich um ihn balgen. 


Roſch o w | 
Heut noch den Kerl an den Galgen! 


Kracht 
Verſteh — es iſt um die Form. 
Solch Urteil verlangt, nach der Norm, 
Unterfchrift von des KRurfürften Hand; 
Der Schwarzenberg ift in allen Stücken 
Zu feinem Vertreter ernannt. 


Roſch o w 
Alſo laß ihn bald unterhau'n. 








Vierter Vorgang 283 





Kracht 
Wird geſchehn, dem können wir trau'n. 
Laß jetzt die dumme Geſchichte; 
Sag' mir lieber, was du bringſt; 
Iſt der Kurprinz da? 


Roch o w 
Er iſt gekommen, Bruder, ja! 


Kracht 
Nun, fo berichte. 
Die Truppen haben Spalier gemacht, 
Wie wir’s befprochen? 


Roſch o w 
Ja freilich, freilich, 
Von Schöneberg an — war gut erdacht, 
Ich ſag' dir, es war eine Pracht. 
Immer der dritte Mann, 
So im vorderſten Gliede ſtand, 
Trug eine Fackel in der Hand, 


Kracht 
Die hat der Schwarzenberg ſpendiert. 


Ro ch o w 
Die Straße war ſo illuminiert, 
Daß man, als wie beim Tagesſchein, 
Hätt' können leſen im Frei'n, 
Bruder, ich ſage dir, 
Wie ihm die Augen Feuer fingen, 
Als ſie über die langen Reihn, 
Über die kriegeriſche Zier 
Staunend auf» und niedergingen! 


Kracht 
War ſich des nicht zuverſehn; 
Glaubte, er käm' in ein Spittelhaus. 


Roſch o w 
Und ſieht 'ne Armada ſtehn. 
Ja, und nun das Gebraus 


284 Der neue Herr 





Bon Bivatgefchreil Und das Rumbum 
Der Trommeln! Es war ein Gaudium! 


Kracht 
Wo er nur bleibt, nimmt mich wunder? 
(Außerhalb der Szene Lärm und Stimmen) 


Kracht 


Horch — das Getöſe auf der Gaſſen — 
(Muſik hinter der Szene) 


Roſch o w 
Da beginnt ſchon die Muſika. 


Kracht 
Scheint, ſie ſind da! 


Dritter Auftritt 


Goldacker, Dargitz, Volkmann, Waldow, Schapelow, Burgsdorf 
(kommen mit Getöſe Die Treppe im Hintergrunde herauf, füllen Den Treppenflur) 
Goldacder (wuft herein) 

Macht Euch fertig! Sie fommen! 


Rohow 
(eilt mit Kracht auf den Flur) 


Ule in Drdnung! Stellung genommen | 
(Die Offiziere ordnen fich rechts und links an der Treppenmündung in zwei Reiben) 


Vierter Auftritt 


Der Rurprinz (kommt die Treppe herauf; hinter ihm) Schwarzenberg, (dann 
einige) Damen - 


Die Dffiziere 
(heben, jobald der Rurprinz ericheint, Die Hüte empor) 
Bivat der Kurprinz! Vivat! 


Rurprinz 
(Lüfter lächelnd den Huf) 


Dank den Herrn für guten Empfang. 


(Er kommt in den Saal) 


hi ll AT) a nn m U ah vw 





Vierter Vorgang 285 





RohHm (tritt mit Kracht heran) 


Won Euer Gnaden mir erlauben, 
Den Kommandanten von Berlin 
Vorzuſtellen? Dberft von Kracht. 


Rurprinz u Kracht) 
Habt mich bereit zum Schuldner gemacht; 
Eure Aufmerkfamfeit, muß ich glauben, 
Hat das Truppenfpalier erdacht, 
Das mich fo herrlich empfing? 


Rracht (werneigt fich) 
Mein Berdienft ift gering, 

(zeigt auf Schwarzenberg) 
Dort fteht der Zaubrer, der Eurer Gnaden 
Aus dem Boden ftampfte die neue Armada. 


Rurprinz 
(wendet fich zu Schwarzenberg, der mit den anderen Offizieren und den Damen in—⸗ 
zwiſchen eingetreten ift) 


Graf — er nennt Euch einen Zaubrer, 

Und ich gebe ihm recht. 

Als ich Fam aus dem Niederland, 

War ich der Meinung, muß es geftehn, 
Nah Sodom und Gomorrha zu gehn. 

Und was war’s, das ich fand? 

Reichtum und Schönheit, Fülle und Macht. 
Zauberer, fprecht: 

Habt Ihr den Stein der Weifen gefunden, 
Der Euch die Geifter zum Dienft gebunden? 


Schwarzenberg 
Den Zauber, Euer Gnaden, nenn’ ich gern. 
Es ift das PVertrau’n meines gnädigften Herrn, 
Der mir erlaubt, meines Wegs zu wandeln, 
Nach befter Einficht für ihn zu handeln, 


Rurprinz (weicht ihm die Sand) 


Es macht den Vater mir doppelt wert, 
Den Mann zu fchägen, den er ehrt. 
(Trabanten erfcheinen mit Präfentiertellern und bieten Wein herum) 


286 


Der neue Herr 





Rurprinz (erhebt fein Glas) 
Shr Herren — e8 fei Euch nicht verborgen: 
Des lieben Vaters brefthafter Stand 
Schaffet ung Sorgen; 
Ehe wir aber zur Reife morgen 
Uns rüften nach Preußenland, 
Laßt Euch jagen: ich mache gern 
Diefe Pauſe auf meiner Reife, 
Sch ſehe mich gern in Eurem Keeife, 


Wackere, ftattlihe Seren! 
(Er trinkt ihnen zu) 


Roſcho w 
Devoten Beſcheid! 


Alle Offiziere 
Beſcheid! 
(Sie leeren die Gläſer auf einen Zug) 
Roſch o w 
Laßt mich im Namen Eurer Soldaten 
In Ehrfurcht erwidern Euer Gnaden: 
Daß Ihr willkommen ſeid! 


Alle Offiziere 
Willkommen! 


Roſch o w 

Als Euer Gnaden heut Einzug gehalten, 
Trat aus Wolken, die ihn umballten, 
Mars, der Erieg’riiche Planet 
Bluteot hervor in Majeftät. 
Der Himmel gab uns ein Promemoria, 
Das ift ein Wahrzeichen fommender Gloria ! 

(Zu den Offizieren) 
Angeſtoßen allazumal: 
Bivat unfer General! 


Alle 

Vivat! 
Burgsdorf 

(der zu hinterſt ſteht, ſchlicht vor ſich hin) 

Vivat auch Kurbrandenburg. 

(Die Offiziere wenden die Köpfe nach ihm) 


Bierter Vorgang 287 





Roſch o w 
Wer da? Was? 
Goldacker 
Des guten Burgsdorfs aparter Spaß. 
Gelächter) 


Kurprinz (blide ſich um) 
Was gibt's denn da zu lachen? 


Goldacker 
Muß ſtets was Apartes aus ſich machen, 
Der Burgsdorf; iſt ſo ſeine Art. 


Burgsdorf 
Iſt es das? So? 
Goldacker? Soll ich Seiner Gnaden 


Ein wenig von deiner Art verraten? 


Schwarzenberg (tritt lächelnd dazwiſchen) 
Ihr Herrn — in des Kurprinzen Gegenwart — 


Roch o w (alblaut) 
Müßt Ihr ſtets aneinander geraten? 
(Zum Kurprinzen) 
Gnädiger Herr, Ihr wollt verzeihn, 
Es find Soldaten, 
Haben nicht grade Lammesnatur., 


Rurprinz 
(legt ihm lachend die Hand auf die Schulter) 
Moris Auguftus, darfit ruhig fein; 
Daß Soldaten feine Lämmer, 
Kennſt du den, von dem ich’3 erfuhr? 


Schwarzenberg 
(der inzwifchen mit dem wieder eingetretenen Birkentifch geiprochen hat, tritt heran, 


Mit Euer Gnaden Permiffion: 
Ward jüngft ein Inftrument erfunden, 
Man nennt e8 Laterna magica. 


Rurprinz 
‘ In den Niederlanden ſprach man davon. 


288 Der neue Herr 





Schwarzenberg 
Dielleiht — zur Erluft’gung einer Stunden 
Wären Euer Gnaden geneigt —? 


KRurprinz 
Ihr feid der aufmerkfamfte Wirt; 
Habt Ihr eine? 
Schwarzenberg 
Sie wäre da. 


KRurprinz 
©» zeigt ung das Mirakulum. 


Schwarzenberg (wendet fich) 
Iſt Schönbrunn da? 


Birkentiſch 
Mitſamt der Laterne. 


Fünfter Auftritt 
Shönbrunn (erfcheint in der Tür links, bleibt auf der Schwelle ſtehen; die Tür 
hinter ihm bleibt offen) 
Ro ch o w 
Vorwärts mit dem Spektakulum! 
Schönbrunn, nun iſt's Zeit, nun zeigt, 
Was Ihr könnt! 
Kracht 
Wo ſteckt er denn? 


Goldacker (zeigt auf Schönbrunn) 
Da iſt er ja; 
Wie der Mann im Monde ſteht er dal 


Die Dffiziere CGurcheinander) 
ie der Mann im Mond! 


Schwarzenberg (ufn 
Stühle geftellt! 


(Zrabanten ftellen Stühle quer über den linken Seil der Bühne, mit dem Geficht 

nad dem Mittelausgange. Zugleich wird im Treppenflur, gerade vor der Mittel- 

tür, ein hoher Holzrahmen aufgeftellt, der mit weißer Leinwand bezogen iſt und 
nachher zur Aufnahme der Bilder dient) 


Vierter Vorgang 289 





Rurprinz 
(blickt Lächelnd nach der Tür links) 


Wo ift der laternenkundige Mann? 
Nun — Ihr da — Fommt doch heran. 
(Rochow, Goldader ftürzen auf Schönbrunn zu, ergreifen ihn an beiden Händen, 


führen ihn vor den Rurprinzen) 
Rochow 
Vorwärts, Meiſter Bauch! 


Goldacker 
Vorwärts, Meiſter Schlauch | 
(Sie drücken ihm den Kopf nieder, fo daß er in tiefer Verbeugung vor dem Kur— 
prinzen ftehen bleibt) 
Rurprinz 
Ei was zeigt Ihr mir den Rüden? 
Euer Geficht will ich ſehn. 


Roſch o w 
Das wird Euer Gnaden ſchwerlich glücken; 
Sein Bauch wird im Wege ftehn. 


Rurprinz 
Gib Ruh’, du Toller — wie nennt Ihr Euch? 


Roſch o w 
Bierbrunn, Weinbrunn, Schnapsbrunn. 


Kurprinz 
Was? Drei Namen zugleich? 


Roſch o w 
Einer für jede Tageszeit! 


Schönbrunn 
Dank' für der Herren Freigebigkeit! 
Drei Namen geſchenkt bekommen — 
Das gab's noch nie ſeit Menſchengedenken, 
Daß die Herren Soldaten uns was ſchenken. 


Kurprinz (su Rochow) 
Da haſt du's. 


Dramen X 19 


290 Der neue Herr 





Ro ch o w 
Pure Andankbarkeit! 
Einen Galgen, ſich daran zu henken, 
Schenken wir ihnen zu jeglicher Zeit. 


Schönbrunn 
Bleibt dennoch ein teures Spiel — 
Die Herren Henker koſten zu: viel: 


Ro ch o w 
Was ſagt der Faltenbauch? 


Goldacker 
Die Henker? ſind das wir? 
Sag's noch einmal, du Heringsfaß! 


Kurprinz Gebt die Hand) 
Nun, was ſoll das hier? 
Grobe Antwort auf groben Spaß, 
Das iſt die Ordnung. 


Schwarzenberg 
Gnädiger Herr, 


Wenn's Euer Gnaden gefällig wär! — 


(die Trabanten haben inzwifchen Die. Lichter an den Rronleuchtern ausgeldjcht, Die 
Lampen von den Wänden genommen, fo daß die Bühne beinahe dunkel geworden 
tft, nur aus der Tür links dringt: ein, Lichtfchein herein,. Vor der vorderſten Stuhl- 
reihe fteht ein Sefjel für den Kurprinzen, Schwarzenberg führt den Kurprinzen 
dorthin. Schönbrunn tritt in Die Tür links er Der Kurprinz fest fich; 
Schwarzenberg und die Offiziere ſetzen fih auf Die hinteren Stühle, ein Teil der 

Offiziere jteht) 


Rurprinz 
Was werden wir fehn? 


Schwarzenberg 


Figuren aus dem Theater der Welt. 
(Auf dem Leinwandrahmen erfcheint Das Bild Kaiſer Ferdinands III) 


Schönbrunn bellamierend) 
Die fürftliche. Perfon, die hier: im. Bilde Steht, 
Sit eigen röm’fchen Reichs erlauchte Majeftät. 
Ein Cicero im Rat und ein Trajan von Hand, 
Gepriefen und gerühmt, der dritte Ferdinand, 


Vierter Vorgang 291 





Rurprinz 
Schön und lebendig anzufehn — 


Roſch o w 
Wie er leibt und lebt! Hat Fuß und Hand! 


Viva le Ferdinand! 


Die Dffiziere 
Viva der Raifer! 
(Das erjte Bild verſchwindet. Es erfcheint Das Bild Wallenfteing) 


Schönbrunn 
Der Mann, den diefes Bild allbier vor Augen ftellt, 
Sft Dux Fridlandiae, Waldftein der Kriegesheld. 
Sp hoch er einjtmals ftand, fo tief nachher er fiel — 
Menſch, traue nicht dem Glück, es treibt mit dir fein Spiel, 


Ro ch o w 
Er hat falſches Spiel getrieben! 
Ihm iſt recht geſchehn! 


Burgsdorf 
Weißt du's ſo ſicher? Wo ſteht's geſchrieben? 


Goldacker 
Das pfeifen die Spatzen an der Ede: 
Er ftaf mit den Schweden unter der Dede! 


Schwarzenberg 
Ihr Herren — Ihr Herren — nicht fo wild — 
ft ja nur ein gemaltes Bild, | 
(Das zweite Bild verſchwindet. Es erfcheint Das Bild Tillys) 


Schönbrunn 
Allhier erfcheinet nun, ganz ſchreckhaft von Geficht, 
Graf Tilly, der Gen’ral, der Mann der ftrengen Pflicht, 
Sein Wahlfpruhd — 


Roſch o w 
Bravo der Tilly! 


Die Offiziere din die Hände Hatjchend) 


Bravo! Bravo | 
19* 


292 


Der neue Herr’ 





Schönbrunn 
Sein Wahlſpruch — 
Roſch o w 


Das war ein andres Kaliber 
Als der Friedland! 


Goldacker 
Das will ich meinen — 
Er war ihm in allen Stücken über. 


Schönbrunn 
Sein Wahlſpruch — 


Roſch o w 
Ach, bleib mir vom Leibe 
Mit deinem Wahlſpruch! Er war ein Soldat! 


Burgsdorf 
Feindlih dem Weine und dem Weibe, 
Ganz wie der Rochow. 


Kracht (lachend) 
3a afkurat! 
(Gelächter der Offiziere) 


(Das Bild verfehwindet. Es erfcheint das Bild einer in grauen Sad gehüllten Frau, 


die wehflagend unter Trümmern fist) 


Schönbrunn 
Betrübtes Magdeburg, einft hoch und weit gefchäßet, 
Wie haben fie dich nun zerfchmiffen und zerfeget. 
Der Augen falz’ge Flut, der Lippen feufzend Ach 
Ruft deiner Kinder keins zum Leben wieder wach. 


Rurprinz 
Ein traur’ger Anblick. 


Roſch o w 
Ein ſchlechtes Bild! 
Ein magres Weib, in den Sack gehüllt, 


Pfui dal 
Goldader 


Fort damit! 





Vierter Vorgang 293 





Die Offiziere 


Fort damit! 


(Das Bild verjchwinder. Es erjcheint das Bild Guftan Adolf, dem ein Genius 
einen Lorbeerfrangz auffest) 


Roſch o w 
Was kommt denn da? 
(Gemurmel unter den Offizieren) 


Kracht 
Wer ſoll das ſein? 


Schönbrunn 


Nun aber, Clio, gib mir lauten Ton, zu melden 
Von Schwedens Majeſtät, dem großen Glaubenshelden. 


Goldacker 


Iſt der Kerl verrückt? Was fällt ihm ein? 
(Wachſende Unruhe unter den Offizieren) 


Shönbrunn 
Des Haupt Viktoria mit echtem Lorbeer kränzet, 
Des Name wie ein Stern Guſtav AUdolphus glänzet. 
(Rochow und die figenden Dffiziere fpringen auf) 
Roſch o w 
Ein falſches Bild! Ein ſchlechter Reim! 


Goldacker 
Schlag' dir der Teufel in die Laterne! 


Roſch o w 


Den Pappenheim zeig' uns, den Pappenheim, 
Der ihm den Garaus gemacht, 
Dem ſchwediſchen Moloch ſamt ſeinem Sterne! 


Goldacker 
Ja! Den Pappenheim! 


Die Offiziere 
Den Pappenheim! 


294 


Der neue Herr 





KRurprinz 
(ift aufgeftanden, fieht ſich um, lauf) 
Man gebe Ruh! 
(Der Tumult legt ſich. Kurprinz zu Schwarzenberg) 

Laßt die Lichter wieder anbrennen, 
Wir haben genug gefehn. 

(Zu Rochow) 
Der Schwedifche Moloch — warſt das du, 
Der’s unternahm, ihn fo zu nennen? 


(Auf einen Wink Schwarzenbergs find die Trabanten mit den Lampen bereingeeilt, 
fie ftellen Diefelben an den Wänden wieder auf, zünden die Kronleuchter wieder an. 


Der Bilderrahmen wird entfernt) 


Roch o w Werbeugt ſich Tachend) 
Gnäd'ger Herr, ich bitt' um Entſchuld'gung, 
Vergaß ich doch ganz und gar, 
Daß er Euer Herr Oheim war. 


Kurprinz 
Den Oheim willſt du mir gelten laſſen, 
Ihm ſelber verſagſt du die Huld'gung? 

(Er ſieht ſich im Kreiſe um) 

Wie erklär' ich mir nur, wie ſoll ich's faſſen, 
Dies Lärmen, dies Toben, 
Das ſich wider den Helden erhoben, 
Den doch ein jeder Kriegesmann 
Nur aufs höchſte achten und ehren kann? 


Roſcho w (verlegen, halblaut) 
Tapfer war er — 


Kracht 
Gewiß, gewiß. 


Goldacker (alblaut) 
Aber immerhin — der Schwede. 


Kurprinz 
Was ſagtet Ihr? 


Goldacker dauy 


Gnädiger Herr, 
Ich ſagte, es iſt der Schwede. 


Re N, 


be ee a Fan er u 








Vierter Vorgang 295 





Rurprinz 
Was meint Ihr damit? 


Goldacker ſieht ihn verblüfft am) 
Was — ich meine? 
Nun — weiter nichts, 


Rurprinz 
Solche Antwort ift feine! 
Graf Schwarzenberg, erklärt mir dies Gerede. 


Schwarzenberg 
(der den Kurprinzen aufmerffam von der Seite beobachtet bat) 
Das, was aus diefen Herren fpricht, 
Gnäd’ger Herr, das ift wohl eben, 
Was man öffentlihe Meinung nennt. 


Rurprinz 
Das verfteh’ ich nicht, 
Die Meinung, wo kommt die Meinung ber, 
Die ſo gegen den Schweden rennt, 
Mit dem wir in Bund und FSreundfchaft leben? 


Schwarzenberg (alt und lauf) 
Gnädiger Herr — wir tun's nicht mehr. 


Rurprinz 
Nicht mehr? 
Schwarzenberg 
Rein! 
Das Bündnis ward aufgegeben. 
Rurprinz 
Wann? | 
Schwarzenberg 


Bor längerem, 


Rurprinz 


Und ich erfuhr 
Davon nichts bis heute den Tag? 


296 


Der neue Herr 





Schwarzenberg 
Euer Gnaden waren im Haag. 


Rurprinz 
Ah — hm — 
(er ſteht in Gedanfen. Es tritt ein peinliches Schweigen ein) 
Rurprinz wirft den Kopf empor) 
Bon was andrem, 
(Sein Blick Fällt auf den Mittelgrund) 
Wer fommt ung da? 


Sechfter Auftritt 


Prediger Bergius (im ſchwarzen Talar, erjcheint in der Mitteltür) 


Rochow (Qu Kracht) 
Was hat der Pfaffe hier zu jchaffen? 
Kracht 
Weiß ich's ſelbſt? 
Kurprinz 
Der Prediger Bergius? 


Bergius 
(mit tiefer Verbeugung auf der Schwelle) 


Gnädigſter Herr, der bin ich, ja. 
Der vor Zeit Euer junges Haupt 
Mit dem Waffer der Taufe neste 
Und Euch fpäter zum erjtenmal 
Mit dem heiligen Nachtmahl Teste. 


Rurprinz 
Tretet herein in den Saal; 
Ihr felber nicht glaubt, 
Daß ich des allen vergefjen. 
(Bergius fritt herein) 


Was führt Euch zu diefer Stunde her? 


Bergiug 
Ein Anlaß, traurig und ſchwer — 
Sm unterften Keller des Palafts 
Liegt ein elender Menfch gefangen — 








Vierter Vorgang 297 





Schwarzenberg 
Paßt das hierher? Paßt's? 


Bergius 
Euer Ehrwürden haben recht, 
Es paßt gar fchlecht; 
Uber einem, der morgen fterben fol, 
Erfült man die legte Bitte wohl. 
Darum komm’ ih — 


Rurprinz 
Das Klingt ja ſchlimm. 
Was gab’s? 
Bergius 
Eine Tat ward begangen; 
Einen Menfchen erjchlug er im Grimm, 


Kracht 
Bitte genau zu berichten: 
Er erſchlug 'nen Soldaten! 


Roſch o w 
Einen von meinen Soldaten! 


Bergius 
Der da oben wird ihn richten, 
Weil er als Menſch einen Menſchen ſchlug. 


Kurprinz (su Schwarzenberg) 
Iſt's erwieſen? 


Schwarzenberg 

Nach dem Bericht, 
Der mir in der Sache geworden, 
Iſt er geſtändig und leugnet nicht. 


Bergius 
Nein, er geſteht's. 


Kurprinz 
Nun, das entſcheidet; 
Nach Fug und Recht er den Tod erleidet. 


298 


Der neue Herr 





Roch o w 
Bravo | 
Kracht 
Bravo! 
Die Dffiziere 
Bravo! 


Roſch o w 
Auch iſt es dringend vonnöten, 
Dem Volk einen Schreck einzujagen; 
Daß fie ung nicht, wie der Kerl es tat, 
Aus purem Haß die Leute töten. 


Bergius 

Nun — ob es freilich nur purer Haß — 
Kracht 

Ja! Nichts weiter als das! 
Ro ch o w 


Der arme Teufel beſtellt ſich Wein, 
Das verweigert ihm der Kujon 
Und ſticht ihn ab wie ein Schwein! 


Bergius 
Etwas anders war es wohl ſchon. 


Kracht 
(wendet ſich zu Birkentiſch) 


So? Nun wir haben den Zeugen da? 
Mickt) 
Komm 'ran, erzähl’, ob's jo geſchah? 


Birkentiſch 
(tritt mit Verbeugung heran) 


So trug ſich's zu. 
Schönbrunn 
Ja nun — indeſſen — 
(alles wendet ſich zu Schönbrunn) 


Ro ſch o w 
Was will das? 


a —— 


Vierter Vorgang 299 





Schönbrunn. 
Herr Birkentifch 
Hat wohl ein’ge Kleinigkeiten vergeſſen. 


Schwarzenberg 
Wart Ihr denn dabei? 
Schönbrunn 
Sch war fo frei, 
Rurprinz 
Nun aljo? 
Schönbrunn 


Alſo, jener Soldat, 
Sein Name war Storch — 


Birkentiſch 
Iſt richtig, ſo hieß der Damnifikat. 


Schönbrunn 
(verneigt ſich gegen Birkentiſch) 


Danke — war alſo Geſelle geweſen 
Bei dem Blechſchmidt. 


Roſh o w 
Wie — heißt der Kerl? 


Schönbrunn 


Jakob Blechſchmidt — Gaſthauswirt. 
(Pochow beißt ſich auf die Lippen) 


Birkentiſch 
Iſt richtig, ſo heißt Inkulpat. 


Schönbrunn (wie vorhin) 
Dante. — Ulfo befagter Storch 
War aus Brot und Lohn 
Seinem Meifter davongelaufen ; 
Alſo, er war nu fort; 
Und fomit war's gut, 
Mit einmal ift er wieder da, 
Macht ein Gefchrei, 


300 


Der neue Herr 





Schleppt auch zwölf andere herbei 
Und fordert, ald wie zum Tort, 
Bon feinem Meifter, Wein zu faufen. 


Birkentiſch 
Bis hierhin iſt's richtig — 
Er brauchte nicht eben den feinſten Ton. 
Schönbrunn (wie vorhin) 


Danke — nu war dem Alten das Blut 
Schon fo ein bißchen warm geworden, 
Weil man ihm gejagt, 
Daß er fein Haus verlaffen follte, 
Weil man’s niederreißen wollte, 


Rurprinz 


Das Haus ihm niederreißen? 
Was fol das heißen? 


Schönbrunn (dumm- pfiffig) 
Weil er doch wohnt in der Vorftadt von Cölln? 
Rurprinz 
Nun was — weil er da wohnt? 


Schönbrunn 
Die doch verbrannt werden foll? 


Rurprinz 
Die Vorſtadt —? Sol —? 


Was redet der Menſch? Sit er toll? 


Schwarzenberg (u Schönbrunn) 
Was gehört das alles hierher?! 


Schönbrunn (um Kurprinzen) 
Ja — es wurde doch fo befohlen? 


Rurprinz 


Ward befohlen? Von wen? 
(Paufe) 


—— 


Vierter Vorgang 301 





Schwarzenberg (um Kurprinzen) 
Der Befehl ift von mir. 


Rurprinz 
Warum? 


Schwarzenberg 


Weil jedes der Vorftadthäufer 
Ein Einlaßtor und AUbfteigequartier 
Für den Schweden, gnädiger Herr. 


Rurprinz 
(flieht Schwarzenberg groß an) 
War damit mein Vater einverftanden? 


Schwarzenberg 


Seine Gnaden gab mir zu eignen Handen 
Vollmacht. 


Kurprinz (mach kurzem Nachdenken) 
Sp ift nichts weiter zu jagen. 
(Zu Schönbrunn) 
Das alles entjchuldigt nicht, 
Daß er den Soldaten erjchlagen. 


Schönbrunn 
Nein, gewiß — 
Uber nu kam's ja immer beffer: 
Alſo was tut mein Storch ? 
Er Holt ſich Weiber ins Haus, 
Nu Friegen die beiden das Schrei'n: 
Mein Blechfcehmidt jagt: „raus!“ 
Mein Storch fagt: „’rein!” 
Dadrauf wird’ immer toller, 
Sp ſchreit der Storch ihm ins Geficht: 
„Deine eigene Tochter ift eine Dirne!“ 
Dem Blechſchmidt geht's Blut in die Stirne — 
„Deine Tochter iS durchgegangen, 
Hat fih an die Soldaten gehangen.“ 
Da Friegt den Alten der Koller, 
Da geht die Gefchichte ang Meffer — 
Und da bat er ihm totgeftochen, 


302° 


Der neue Herr 





Rurprinz 
War’s denn wahr, was der Menfch gefprochen? 


Bergiug 
So ſcheint's; nun kann ich erft verftehn, 
Was er mich bat. 
Kurprinz 
Fa — ih vergaß — 


Bergiu3 
Seine Tochter fei hier im Palaft, 
Und er möchte vor feinem Ende 
Das Mädchen noch einmal fehn. 


Rurprinz 
Muß ich denn heitte abend 
Bon Rätfel zu Rätjel gehn? 
Das Mädchen — hier im Palaft? 
Als Gaft? Daufe) 


Rohow 
Nicht im Palaft, nicht als Gaft, 
Und fie ift nicht hier! 


Rurprinz 
Du? Was weißt denn du von ihr? 


Roſchow (acht) 
Euer Gnaden iſt ſie ja auch bekannt. 


Kurprinz 
Mir — bekannt? Was? 


Roſch o w 
Nun — zu Rhena, im Niederland 
Der Page Quispiam? 


Kurprinz (fährt zurüch) 
Das war ſie?! 


Roſch o w (lachend) 
Das. 


Vierter Vorgang 303 





Rurprinz 
(ſieht ihn erjchrect einen Augenblid an, dann fritt ex auf ihn: zu; halblaut) 
Sag’ mir, um Goft, was du machſt? 
Rochow — du lacht? 


Roſch o w 
Gott, Himmel und Erden, 
Wer konnte denken, ein luſt'ger Spaß 
Würde jo langweilig ernſthaft werden? 


Rurprinz 
Langweilig ernfthbaft? Er ward Verderben! 
Dein Spaß hat einen Menfchen erfchlagen 
Und morgen fol noch einer. fterben | 


Der Vater — 
(er legt Die Hand an die Stirn) 


Gnädiger Gott — 
Und ich muß mir jagen, 
Daß ich einftimmte in feinen Spott — 
(eindringlich) 
Rochow — Rochow — was nun? 


Roſch o w 
Was iſt da weiter zu tun? 
Ich hab' ſie in mein Quartier genommen, 
Gleich will ich hinüberſchicken; 
Er kann ſein Mädchen zurückbekommen. 


Kurprinz 
Und das — iſt alles? 


Ro cho w 


Gnädiger Herr — 
Was denn weiter noch mehr? 
Bin ich ein Mönch oder Pfaff? 
Soll ich mir Abſolution erkaufen, 
Weil das Mädel mir nachgelaufen? 
Möchte wahrhaftig wohl, 
Daß Euer Gnaden mir ſagte, 
Was ich noch weiter machen fol? . 


304 Der neue Herr 





Rurprinz (tritt zurüd) 
Mußt du mich danach fragen, 
Dann ift es überflüflig, 
Antwort darauf zu jagen. 
(Er wendet fich von ihm ab. Rochow blickt ihm finfter nach, wendet fich Dann nach 
der andren Geite) 


Roch o w (laut rufend) 
Der Birkentiſch! 


Birkentiſch 
(der auf den Flur hinausgegangen iſt, ruft von dort) 
Gleich zu Befehl — 
(er beugt ſich über die Treppe, man hört von der Treppe her Stimmengewirr) 
Es iſt nur — es ſcheint etwas im Werk — 
( Trabanten kommen die Treppe heraufgelaufen, ſprechen mit Birkentiſch. Die An- 
weſenden im Saale werden aufmerkſam) 


Birkentiſch 
(tritt aufgeregt auf die Schwelle des Saales) 


Euer Ehrwürden — Euer Ehrwürden — 
Ein Kurier iſt da aus Königsberg! 


Schwarzenberg 
Aus Königsberg? 
Kurprinz 
Von meinem Vater? 


Birkentiſch 
Soll er herein? Da iſt er ſchon. 


Siebenter Auftritt 


Werner von der Schulenburg (in Reifelleidern, erſcheint, die Treppe auf- 
fteigend, geht Durch den Flur in den Saal, fucht mit. den Augen, dann, nachdem er 
den Rurprinzen gefunden bat, gebt Pe auf Diejen zu und läßt fich vor ihm auf ein 


ie nieder) 
Rurprinz 
Herr Werner von der Schulenburg ? 
Shr kommt — 
Sckhulenburg 


Durch Tag und Nacht hindurch, 
Gnädigfter Rurfürft, von Rönigsberg. 


Vierter Vorgang 305 





Rurprinz 
Welch einen Titel gebt Ihr mir? 


Schulenburg 
Den Titel, den Recht und Gebühr 
Euch zuweiſt. 


Kurprinz 
Was heißt das? Was bringt Ihr mir? 


Schulenburg 
Eures Herrn Vaters letzten Segen 
Komm' ich in Euere Hand zu legen. 
(Er ergreift und küßt Die Hand des Kurprinzen) 


Rurprinz 
Mein Vater ift tot?! 


Sckhulenburg 
Er ging zu Gott. 
(Er erhebt fich) 


Rurprinz 

(wiſcht die Tränen aus den Augen. Tiefe, ftumme Paufe) 
Mein lieber Vater, mein teures Haupt, 
Konnteſt nicht mehr den Sohn erwarten, 
Mühfalbeladener du — 
Trieb e8 dich jo mit Haſten, 
Bon dir zu fehütteln des Lebens Laften, 
Sehnteſt dich jo nach Rub, 
Daß du mich, legten Rates beraubt, 
Einfam läßt in der Welt, der harten? 


Burgsdorf 
(tritt plöglich auf den Kurprinzen zu, beugf ein Knie) 
Nennt Euch nicht einfam — nein — 
Gnädiger Herr — junger Herr, vergebt, 
So lange der alte Burgsdorf lebt, 
Sollt Ihr das nimmer fein! 


KRurprinz 
(drückt ihm die Hand, fieht ihm tief in Die Augen) 
Das war gut gefprochen und wohlgetan; 
Burgsdorf, habt Dank; 


Dramen X 20 


306 Der neue Herr 





Sn dem Wort ift der Mann — 
Sch nehme ihn an. 

(Er wendet das Haupt nach rechts, nach den Fenftern zu; Burgsdorf erhebt fich) 
Horcht — was ift das? 


(Man vernimmt außerhalb der Szene ein Dumpfes, fummendes Geräufch, wie von 
einer großen, vor dem Palafte verfammelten Menfchenmenge) 


Bergiuß 
(ift an Das Fenfter getreten, hat es geöffnet) 


Euer Gnaden komme felbjt und ſeh' — 
Der ganze Schloßplag bis an die Spree 
Sit ein wimmelnder Menſchenhauf'. 


Rurprinz 
(fteht, wie unfchlüffig, mitten im Saale) 


Bergiug 
Sie haben die Hüte abgenommen, 
Aller Augen bliclen herauf. 


(Der Rurprinz tritt rafch an das Fenfter; fobald er erfcheint, ertönt von außen ein 
taujendftimmiges, aber nicht ber le Friedrich Wilhelm! Friedrich 
elm 


Rurprinz 
Das — ift nun mein Volk! 
(Er winkt mit der Hand; abermaliges Rufen Friedrich Wilhelm! Griedrich 
Wilhelm!) 


Rurprinz 
(blickt ftarr hinaus, wendet fich Dann Runge raſchen Schritts bis in Die Mitte 
zu 


Tauſend Häupter und taufend Herzen, 

Shrer jegliches eine Welt 

Bon Harren, von Hoffen, von Schmerzen — 
Und auf mich 

Richten all die Gedanken fich; 

Diefe ganze Anendlichkeit 

Bon Menfchenglüd und von Menfchenleid 
Auf meine Schultern geftelt — /⸗ 

Zu dem ungeheuren Werke, 

Gott du im Himmel, gib mir Stärke! 


Bergius (geht eilend zu ihm) 
Amen, Amen, Amen! 
Und ich verkfünd’ Euch in feinem Namen: 


Vierter Vorgang ——— 





Ihr werdet ihn finden zu Eurer Seite. 

Eine Aufgabe ganz empfinden, 

Heißt, ſie halb ſchon überwinden. 

(Friedrich Wilhelm nimmt Bergius an der Hand, ſpricht leiſe mit ihm) 


Goldader 


(der mit Rochow und Kracht in einer, von den Übrigen Offizieren gefonderten 
Gruppe jteht) 


Der Dfaffe jegnet ihm den Paß — 
Wie gefällt dir das? 


Roſch o w 
(der mit untergeſchlagenen Armen finſter daſteht) 
Das alles kam zu raſch — 
Für jetzt nur ſtill — 
Weiß ſelbſt noch nicht, was ich will! 


Kracht 
Was ſagt zu dem allen der Graf? 


Goldacker 


(zeigt mit den Augen auf rg der ganz allein, die Augen ftarr auf 
Sriedrih Wilhelm gerichtet, steht) 


Steht ohne Regung und Bewegung, 
Us wie in wachendem Schlaf. 


Burgsdorf 


Sriedrih Wilhelm von Brandenburg, 
Unſer Rurfürft, fol leben! 


Die Dffiziere 
(außer Kracht, Rochow und Goldader) 
Sol leben! 


Rochow, Kracht, Goldader (ohne zu rufen) 
Vivat! 


Burgs dorf (mit einem Blick auf die drei) 
Bivat gilt hier nicht. 
Wer deutfch meint, der deutfch fpricht; 


Er fol leben! 
20* 


2. Der neue Herr 





Goldader (fährt auf) 
Darf der ung das Stichwort geben ? 
Der alte KRettenhund ? 


Kracht (fahrt ihn an der Hand) 
Bernünftigl Halt! den Mund! 
(Er ſchwingt den Huf) 
Soll leben! 


Rochow, Goldader 
Soll leben! 


Sriedrih Wilhelm 
(läßt Die Augen langfam berumgehen) 
Zeglichem das, was jeder ſchenkt — 
Redlihen Dank, wer redlich denft. 


Birkentiſch 
(die Mappe in Händen, tritt an Schwarzenberg heran) 


Ehrwürden, draußen ſteht der Profoß. 


"Schwarzenberg (aus der Erftarrung auffahrend) 
Was will er? 


Birkentiſch 
Ob er das Arteil haben kann 
Über den gefangenen Mann. 


Spwarzenberg 
(nimmt aus der Mappe, die Birfentijch hält, Das Arteilsblatt) 
Das liegt jest in anderen Händen. 
(Er überreicht, fich verbeugend, Friedrich Wilhelm das Blatt; dieſer nimmt es) 


Friedrich Wilhelm (erhebt das Blatt) 
Wer da tötet, der ftirbt den Tod — 
So fteht es, vom Recht gefest; 
Niemand fol’3 drehen noch wenden. 
Aber es ward Euch befannt, 
Welch eine Not 
Ihn zur blutigen Tat gebebt; 
Sit hier jemand, 
Der um Gnade für ihn wirbt, 
Für den Mann, der morgen ſtirbt? 
(Siefe Stille, Sein Blick heftet fih auf Rochow) 


Vierter Vorgang 309 





Sit hier niemand? — 
Niemand ? 

Kracht u Rochow) 
Immer blickt er auf dich. 


Rochow (üſter zur Erde blickend) 
Laß ihn — was kümmert's mich? 
Ich will nicht! Ich will und will nicht! 


Friedrich Wilhelm Grlickt in das Arteil) 
Wir erwägen die Sache noch — 

(er ſchiebt das Blatt mit einem Ruck in die Bruſt) 
Das Urteil iſt aufgeſchoben. 


Rochow und Kracht 
(mit unterdrücktem Laute) 


Ah?! 
(Flüfternde Bewegung unter den Offizieren) 


Goldader 
(am ganzen Leibe bebend, fritt einen Schritt vor) 


Uber — wir hoffen — nicht aufgehoben? 


Friedrich Wilhelm Glickt ihn kalt an) 
Scheint — Ihr verftandet mich nicht? 


Goldader 
Doch — ganz wohl, Euer Gnaden — doch! 


! Friedrih Wilhelm 
Üderflüffig war dann die Frage, 


Goldader 
Es ift nur — daß ich's fage — 
Ihn leben zu laffen — wird nicht gut gehn; 
Der Soldat — 
War des KRaifers Soldat! 


Schwarzenberg (fährt auf) 
Goldader ! 


Friedrich Wilhelm (u Schwarzenberg) 
Wie hab’ ich das zu verftehn? 


310 


Der neue Herr 





Schwarzenberg 
Euer Gnaden — wollte ich morgen erklären — 


Robow 
Das kann auch heut geichehn. 


Schwarzenberg 
Herr Dberft — 
Euer Gnaden wollen entfchuld’gen — 


Roſch o w 
Was iſt denn da zu entſchuld'gen? 
Als ob wir Schuldhänſe wären! 
Iſt's ein Verbrechen, dem Kaiſer zu huld'gen 
Und ihm zu ſchwören? 


Friedrich Wilhelm 
Was heißt das?! 
Roſch o w 


Unſre Regimenter gehören 
Dem Kaiſer. 


Friedrich Wilhelm Grallt einen Schritt zurück) 
Hal? 
(Eine augenblickliche Pauſe) 
Die Trabanten ſoll'n ſich bereiten, 
Mich hinüber zu begleiten 
Ins Kurfürſtliche Schloß. 


Schwarzenberg 
Aber — das Schloß — iſt nicht eingerichtet? 


Friedrich Wilhelm 


Nehmt den Sattel von meinem Roß, 
Legt ihn mir unters Haupt, 

Eine Decke dazu, 

Mehr brauch' ich nicht! 


Schwarzenberg 


Alles ward vorbereitet hier 
Euer Gnaden zum Nachtquartier! 


Fünfter Vorgang 


311 





Sriedrih Wilhelm 
Dank für die Sorgfalt des Herren Grafen — 
Sch will auf brandenburgichem Boden fchlafen. 
Und morgen, Graf Schwarzenberg, 
Erwart’ ich Euch drüben bei mir; 
Die Vollmachten wünfch’ ich zu ſehn, 
Mit denen mein Vater Euch bekleidet. 

(Zu den Offizieren) 
UN diefe Herren bier 
Halten fich morgen fertig, 
Meines Befehls gemwärtig, 
Sobald er Euch zu mir befcheidet. 
Wir wollen ans große Tagewerf 
Gemeinfam gehn; 
Darum müſſen wir ung veritehn | 
Smwifchen uns fol fein Dunkel fein, 
Nichts verhohlen und nichts verjtohlen — 
Rlares Licht und Tagesschein | 
Drum bis auf morgen — Gott befohlen! 
(Er geht auf den Hintergrund zu) 


Vorhang fällt 


Ende des vierten Vorganges 


Fünfter Vorgang 


Stühle 


Erfter Auftritt 


Schwarzenberg 


(nach längerem Schweigen, ohne feine Stellung zu verändern) 


Wann verließ feine Gnaden dag Schloß? 


Ein Zimmer im Rurfürftlichen Schloß zu Berlin. In der Wand des 
- Hintergrundes eine Tür; links eine zweite Tür; rechts .ein Fenfter- 
erfer. In der Mitte des Raums ein Tifceh mit Dunkler Tuchdecke; 


Schwarzenberg (eine mit Papieren gefüllte Mappe unter dem Arme, fteht, an 
die Ede des Fenſtererkers gelehnt, und ws * 


lickt hinaus) Ein Hof-Furier (ſeht 
im Hinfergrunde, die Augen ſchweigend auf Schwarzenberg gerichtet) 


312 Der neue Herr 





Furier 
Bor drei Stunden, 


Schwarzenberg 
Wer begleitete ihn? 





Furier | 
Niemand. | 


Schwarzenberg 
Wohin — er ging —? 


Furier 
Soweit ich verftand, 
Wollte er ſich Berlin beſehn. 


Schwarzenberg (wendet halb das Haupt) 

Berlin — befehn? 

Furier 

So hörte ich. 
(Paufe) 
Schwarzenberg 

Dort unten wird Gepäd getragen, 
Ein Wagen wird angejpannt, — 
Reift bier jemand? 

Furier 
Bermutlich der Wagen für den Kurier, 


Schwarzenberg (fährt herum) 
Ein Rurir? Wer? 


Furier 
Herr Werner von der Schulenburg. 


Schwarzenberg 
Wohin? 
Furier Gerneigt ſich 
Weiß nicht zu ſagen. 
(Er lauſcht nach der Tür im Hintergrunde, Öffnet dieſelbe, blickt hinaus) 
Bier fommt der Herr — 
Ehrwürden mögen ihn felber fragen. 


u, EEE GE 


Fünfter Vorgang 313 





Zweiter Auftritt 
Skhulenburg (im Reifeanzug, kommt durch die Tür im Hintergrunde) 


Schulenburg 
(tutzt, da er Schwarzenberg gewahrt, verneigt fich Dann Leicht) 


Schwarzenberg (gibt feinen Gruß zurüch 


Skhulenburg Gu dem Zurier) 
Wenn Seine Gnaden nach mir fragt, 
So fei Befcheid gefagt: 
Sch habe mich auf den Weg gemacht, 
Die Wintertage find kurz — 
So treff' ich noch vor der Nacht 
In Fürftenwalde ein 
Und kann morgen in Frankfurt ‚fein. 

(Er macht Miene, wieder abzugeben) 


Schwarzenberg 


er gejpannt gelaufcht bat, fritt in unmwillfürlicher Erregung einen Schritt 
auf ihn zu) 


Nah Frankfurt — reift — der Herr? 


Schulenburg 
(an der Tür ftehend, wendet Das Haupt) 


Ganz recht. 
Schwarzenberg 
Uber — da ftehn ja die Schweden? 


Skhulenburg 
Ganz recht — der General Liliehöf, 


Schwarzenberg 
Im Auftrage — Seiner — ? 


Schulenburg mit leichtem Lächeln) 


Meint Ihr, ich ginge auf eigne Hand? 
Den Frieden mit ihm zu verhandeln — 
Ward Euch davon nichts befannt? 


(Schwarzenberg ftarrt ihn an, feine Lippen bewegen fich, ohne einen Ton hervor- 
zubringen. Schulenburg fieht ihm ins Geficht, verneigt fich Turz, geht ab) 


314 Der neue Herr 





.Shwarzenberg 
(in der vorigen Stellung, blickt ihm wie geiftesabwefend nach; Lallend) 
Nein — | 
(er zieht Das Tuch aus der Tafche, wijcht Damit über Stirn und Geficht) 
nein — (er want) 


Furier 
Euer Ehrwürden fcheint nicht wohl? 


Schwarzenberg 
(Hält fich mit beiden Händen am Sifche, verfucht zu lächeln) 


Furier 
(tritt raſch heran, ſchiebt ihm einen Stuhl zu) 


Nehmt Pla — 


Schwarzenberg (fintt auf den Stuhl) 
Sehr freundlich — der Herr — 


Furier 


Bielleicht — ein Glas Waffer? 


Schwarzenberg 
Sehr freundlich — fehr — 


(Zurier nach dem Hintergrunde ab) 


Schwarzenberg (mach Luft ringend) 
Abgetan — | 
Geftern der Herrfcher der Mark — 
Heut wie ein ftummer Mann — 
Übergangen, zur Seite geftellt, 
Ein blöder Zufchauer der Welt — 
Ein wertlofer Quark! — — 
Wenn jemand, fcehwächlichen Vaters Sohn, 
Auch von der Mutter nur dürftig bedacht, 
Plötzlich, allem Gefes zum Hohn 
Ganz aus fich felbft fich felber macht — 
Rann das fein? 
Alle Berechnung fagt nein! 





WE ELTEZUE 


Fünfter Vorgang 


315 





Und troß allem gefchieht’s, 
Mein leibhaftiges Auge ſieht's — 
(er jchüttelt die Fauft) 
3a, — berechne einer den Menschen ! 
(Er ſinkt greifenhaft im Stuhle zufammen) 


Dritter Auftritt 


bergs, und bleiben dort ftehen) 


Kracht (eiſe zu Rochow) 
Der KRurfürft kam noch nicht herein, 
Er ift allein, 
Rochow (alblaut) 
Ja, und ſieh, wie er ſitzt: 
Wie ein Miſſetäter im Sündenſtuhle, 


Der dem Urteil entgegenſchwitzt. 
(Beide treten vollends herein) 


Roſch o w 
Euer Ehrwürden, guten Tag. 


Schwarzenberg (fährt mit dem Kopfe auf) 
Wer kommt?! 


Rochow (lachend) 
Daß der Schlag! 
Wie Ihr erfchredet! Angſtet Euch nicht, 
Wir find’s, die Jungens aus Eurer Schule. 


Schwarzenberg 
Was — wollt Ihr? 


Roch o w 
Eure Einſamkeit ein wenig teilen, 
Fürchten, Ihr möchtet Euch langweilen? 


Kracht 
Der Kurfürſt läßt warten. 


Nochow und Kracht (erſcheinen in der linken Seitentür, im Rüden Schwarzen- 


316 Der neue Herr 





Roſh o w 
Ich find's nicht artig; 
Hm — fie find ſcharf, die jungen Beſen, 
Der Statthalter wird ihm Leviten Iefen, 
Nicht wahr, Herr Statthalter? 
Allzuſcharf macht fehartig. 


Vierter Auftritt 


Der FZurier (lommt aus Dem ne ein Glas Wafjer auf einem Teller 
age 


Kracht 
Wird hier gefrühſtückt? 


Roſch o w 
Und ſogar: Waſſer! 
Wer iſt denn der Schwelger und Praſſer? 


Furier 
(ſetzt das Glas vor Schwarzenberg) 


Seiner Ehrwürden war nicht wohl. 


Schwarzenberg (nimmt einen Schluch 


Dank — für des Herren Freundlichkeit. 
(Furier ab) 


Roſch o w 


Soll mich der Teufel holen, 

Waſſer in Eurem Alter? 

Mir deucht, ein Glas Wein 
Würde Euch mehr von Nutzen ſein. 


Fünfter Auftritt 
Goldacker (erſcheint in der Tür links) 
Kracht 
Goldacker kommt. 


Roſch o w 
Herein mit ihm! 








Fünfter Vorgang 317 





Goldacker (tritt herein) 
Wißt Ihr's Neu'ſte? 


Kracht 
Was? 


Goldacker 
Der Schulenburg iſt auf dem Weg 
Nach Frankfurt! 
Kracht 
Nach Frankfurt? 


Goldacker 
Und wie es heißt, zum Liliehök. 


Kracht 
Was ſoll er da? 

Goldacker 
Das weiß ich nicht; 
Fragt den Grafen, der hat ihn geſprochen, 
Bevor er zur Reiſe aufgebrochen. 


Kracht u Schwarzenberg) 
Was? Ihr Spracht ihn? 


Ro ch o w 
Nun, nun, 
Zum Erſtaunen wär's doch nur, 
Wenn er ihn nicht gefprochen hätte. 
(Zu Schwarzenberg) 
Helft ung auf die Spur. 
Was fol der Schulenburg bei dem Schweden? 


Schwarzenberg 
Den Frieden — mit ihm bereden. . 
Roſch o w 
Donner und Schwerenot!? 
(Pauje) 
Roſch o w 


Dazu ſchicktet Ihr ihn? 


318 


Der neue Herr 





Schwarzenberg 
Rein, 


Rocho w 
Alſo, auf weſſen Gebot? 


Schwarzenberg 
Des Kurfürſten. 
Rocho w 
Des Kurfürſten? 
Und dazu habt Ihr ja geſagt? 


Schwarzenberg 
Nein. 


Roſch o w 
Nein und nein! 
Was ſollen die halben Worte ſein? 


Schwarzenberg 
Man — hat mich nicht gefragt. 


Rochow, Kracht, Goldacker 
Was?!! 
(Paufe) 
Roſch o w 
Alſo ſo ſteht es jetzt? 
Alſo wurdet Ihr abgeſetzt? 


Schwarzenberg (mit erſtickter Stimme) 
Wiefo? | 
Roſch o w 
Wieſo? Warum? 
Nehmt mir's nicht übel, die Frage war — 


Schwarzenberg (nm kraftloſem Zorn) 
Herr von Rochow! 
Roſch o w 
Der bin ich, Ihr dürft mich ſo nennen. 
Aber Ihr — 
Soll man Euch wiedererkennen? 


um 


Fünfter Vorgang 319 





Der Ihr da fist und Trübfal fchwigt? 
Laßt Euch jagen, Graf Schwarzenberg, 
Damit ift uns nicht genügt, 


Schwarzenberg 
Was verlangen denn die Seren? 


Roſch o w 
Einzuſtehn für unſre Intereſſen, 
Die auch die Euren ſind. 
Hoffe, Ihr habt das nicht vergeſſen? 


Schwarzenberg 
Mein Gott — nur ein wenig Geduld! 


Roſch o w 
Geduld für Lakaien und Diplomaten! 
Die Welt geht im Kreis; 
Wenn der Diplomat keinen Rat mehr weiß, 
Dann kommen die Soldaten, 


Sechfter Auftritt 


Der Furier (kommt zurüc) 


Furier 


Seine Gnaden, der Rurfürft fommen. 
(QUb) 


Roſch o w 
Um ſo beſſer. 


Schwarzenberg (ſpringt auf) 
Um Gottes willen — 
Ihr wollt doch jest nicht bleiben? 


Roch o w 
Meiner Seel' — 
Ich wäre grade in der Laune, 


Schwarzenberg 
(wifcht mit dem Tuch Über Geficht und Stirn) 


Nehmt doch Vernunft — 


320 Der neue Herr 





Roch o w 
(ſteht mit untergeſchlagenen Armen, ſieht Schwarzenberg höhniſch, kopfſchüttelnd an) 
Wahrhaftig, ich ſtaune 
Uber Euren Heldenmut. 
(Eäßt Die Arme ſinken; zu Kracht und Goldacker) 
Kommt, wir wollen jetzt gehn. 
Unſre Stunde wird kommen. 
(Zu Schwarzenberg) 
Shr wißt nun, wo wir ftehn; 
Alſo, in Dbacht genommen 
Was Ihr jagt und tut; 
Und fomit, Herr Graf, auf Wiederfehn!. 


Kracht 
Auf Wiederſehn! 
Goldacker 
Auf Wiederſehn! 


(ochow, Kracht, Goldacker links ab) 


Schwarzenberg 
(auf den Tiſch geſtützt, blickt ihnen nach) 

Und das waren meine Geſchöpfe! 
Mein Wille hat ihnen Atem gegeben, 
Und da glaubten die Tröpfe, 
Sie lebten eigenes Leben! 
Jetzt ſind ſie wach — 
Gleich in der erſten Stunde 
Fallen ſie über mich her 
Wie die biſſigen Hunde! 
Und ich habe keine Peitſche mehr! 


Siebenter Auftritt 


Friedrich Wilhelm (kommt durch die Tür des ke 3 Er nimmt, ein- 

tretend, den Hut ab, ftreift Schwarzenberg mit einem flüchtigen Blick, wirft den 

Hut auf den Tiſch und geht auf und ab. Nach einiger Zeit jest er fich an den 

Tiſch, Schwarzenberg gegenüber, Diefen Durch einen Wink zum Plasnehmen auf- 
fordernd. Schwarzenberg jest fich) 


Sriedrih Wilhelm 
Nehmt die Feder, fehreibt. 


Schwarzenberg (ergreift eine Feder) 


Fünfter Vorgang 321 





Friedrich Wilhelm pittierend) 
Dem Rommandanten von Berlin 
Zur Nachachtung dies: 
(Schwarzenberg jchreibf) 
Der Befehl, der die Vorftadt von Cölln 
Dem Boden gleichmachen hieß — 
Iſt kaſſiert. 


Schwarzenberg (fährt unwillkürlich zurück) 


Friedrich Wilhelm 
Ihr habt's? 
Schwarzenberg (jammelt ſich) 
Ft — 


Friedrih Wilhelm daun 
Iſt kaſſiert. 


Schwarzenberg (cſchreibt) 
Iſt — kaſſiert. 


| Friedrih Wilhelm pittiern 
Wer an bejagten Häufern 
Nur einen Stein anrührt, 
Wer die Bewohner tribuliert, 
Abbruch an ihrer Habe jchafft, 
Den nehme ich in Verhaft 
Als einen Räuber und Mordbrenner. 


Schwarzenberg (wie oben) 


Friedrich Wilhelm 
Habt Ihr’3? 
Schwarzenberg 
Us — einen — 


FSriedrih Wilhelm 
Us einen Räuber und Mordbrenner! 
(Schwarzenberg jchreibt. Friedrich Wilhelm langt über den Tiſch, nimmt das Papier) 
Reicht mir her zur LUnterfchrift. 
(Er Tieft das Gefchriebene durch, dann unterfchreibt er, fteht dann auf) 
Wird fofort überbracht 


Dramen X 21 


322 


% 


Der neue Herr 





(Öffnet Die Mappe, greift mit zitternden Händen hinein, h 


Dem Rommandanten — Oberſt von Kracht — 
Das ift der Name? 


Schwarzenberg 
(der ſich erhoben bat, verneigt fich) 


Dberft — von Kracht — 
(nimmt das Blatt an fich) 
Sriedrih Wilhelm 
(gebt wieder auf und ab, dann bleibt er ftehen) 
Sagt mir — Ihr hattet die Stadt gefehn? 


Schwarzenberg 
Die — Stadt —? 


Sriedrih Wilhelm 
Dies Berlin. 


Schwarzenberg 
Allerdings. 


Friedrich Wilhelm 
Und da konntet Ihr das befehlen? 


Schwarzenberg 


Sch babe nach Pflicht zu fun vermeint 
Sn Befürchtung vor dem Schweden — 


Friedrich Wilhelm 

Wer machte den Schweden zu unfrem Feind? 
Zeigt Eure Vollmacht ber: 
Mit eignen Augen muß ich’8 leſen, 
Daß es mein Vater gewefen, 
Der Euch Erlaubnis und Auftrag gab, 
Die eigne Stadt ihm zu verwüſten, 
Als wenn’s die Stadt des Feindes wär”, 

(Sest fich, bedeutet Schwarzenberg, Pla zu nehmen) 


Schwarzenberg 


ein Blatt hervor) 


Die Bolmaht — bier — 


olt nach längerem Suchen 


EZ u Zu u m Le zn 2 U. — 





Fünfter Vorgang 323 


Friedrih Wilhelm 
(blict in das Blatt, ſchiebt es zurück) 


Scheint, daß Ihr Euch vergrifft — 
Die Vollmacht wünſcht' ich zu ſehn. 


Schwarzenberg 
Es iſt — die Vollmacht — | 


Friedrih Wilhelm 
Das? 
Das ift Doch nicht meines Vaters Schrift? 


Schwarzenberg 
Es ift Seiner Gnaden Unterfchrift. 


Friedrih Wilhelm 
(reißt das Blatt wieder an fich) 
Uber das andre — 


Der Auftrag — der Inhalt? 


Schwarzenberg 
Seine Gnaden hat mir Blankett gefandt, 
Daß ich nach wohlerivogenem Ermeffen — 


Sriedrih Wilhelm 
Shr felbft Habt — —? 


Schwarzenberg 
Wahrnehmend Seiner Gnaden Intereffen — 


Friedrih Wilhelm 
Nah Eurem Gutdünken und Belieben 
Habt Ihr Euch felbft die Vollmacht gefchrieben?! 
(Er hat fich über den Tiſch gebeugt, ftarrt Schwarzenberg ins Geficht) 


Schwarzenberg 
Slaubte — es fei Euer Gnaden befannt, 
Daß folh ein — Abkommen beftand? 


Sriedrih Wilhelm 
Habt von der Art Ihr noch mehr? 


Schwarzenberg (verneigt fich) 
21* 


324 Der neue Herr 





Friedrich Wilhelm 
Zeigt fie mir ber! 
Alle zeigt fie mir ber! 


(Schwarzenberg nimmt aus der Mappe andere Blätter, legt fie auf den Tiſch. 

Friedrich Wilhelm durchfliegt die einzelnen Blätter voller Haft, fchleudert fie auf 

den Tiſch zurüd; bei dem legten derjelben nimmt jein Geſicht den Ausdruck furcht- 
barfter Spannung an) 


Ha das — das — 
Was halt’ ich, was leſ' ich da? 
„Vollmacht — acht Negimenter zu werben 
Mit des Raifers Geld —“ 
(er läßt die Hand, in der er das Blatt hält, finfen, fährt fich Über das Geficht) 
Mir taumelt das Gefiht — 
Iſt's wahr, was ich ah? 
(Lieft) 

„Die Kommandanten für den Kaiſer 
In Eid zu nehmen und Pflicht“ — 

(er jpringt auf, gebt wie rafend auf und ab) 
Fluch und Verderben! 
Was geſtern abend der Rochow ſagte, 
Was ich halb nur verſtand, 
Da iſt die Erklärung, 
Da halt’ ich fie in der Hand! 

(Er Bleibt Schwarzenberg gegenüber ftehn) 
Und das fchriebt Ihr? 
Das fchriebt Ihr? Ja? 


Schwarzenberg 
Was tiefite Überzeugung mir 
Als gut empfahl und recht. 


| Friedrich Wilhelm 
Darum machtet Ihr Hohenzollern 


Zu Habsburgs beſoldetem Knecht? 


(Er rafft die ſämtlichen Blätter zuſammen, reißt ſie mit einem einzigen Griffe mitten 
durch; wirft die Fetzen Schwarzenberg vor die Füße) 


Da habt Ihr Eure Überzeugung 
Und Eure Vollmachten! Dal 


(Schwarzenberg fteht aufrecht, beginnt am ganzen Leibe zu zittern) 


Schwarzenberg 
Was — ich hierauf erwidern Tann, 
Sit: Euer Gnaden find jung — 


Fünfter Vorgang 


325 





— —— — 


Und ich bin ein alter Mann. 

Bewahre Euch Gottes Vorſehung, 

Daß Ihr dereinſt, an des Lebens Abend, 
Wie ich heut müſſet ſtehn 

Und das Werk Eures Lebens 

Zerriſſen zu Euren Füßen ſehn. 


Friedrich Wilhelm 


Und tilge mich Gott von der Erde, 
Wenn ich Verräter an denen werde — 


Schwarzenberg 
Ber — räter —? 


Friedrich Wilhelm (erhebt die Hand) 


Graf Adam von Schwarzenberg, 
Sieh bier die Hand von Brandenburg! 
Sie zeigt nach dir, fie greift nach dir, 
Sie wägt deine Taten — 
Du haft Brandenburg verraten | 


Schwarzenberg 

(jtreckt beide Fäufte gegen ihn aus) 
Das Wort — nehmt es zurüd — 
Fürften dürfen nicht beleid’gen, 
Denn man kann fich nicht, Mann an Mann, 
Wider fie verfeid’gen | 
Das mir von dem Sohne deſſen, 
Für den ich mein Leben hingebracht 
Sn Dual und Sorge, Tag und Nacht, 
Swanzig Sahr’ lang — hört Ihr wohl? 
Dem ich zwanzig Jahre lang, 
Bon Neid und Verleumdung angefreflen, 
Freude und Glück zum Opfer gebracht, 
Die mir das Leben zugemeffen — 


Sriedrih Wilhelm 
Ihr habt in der Rechnung eins vergeflen: 
Daß Ihr Euch felbit bezahlt gemacht 
Für all die Dpfer, die Ihr gebracht! 


326 


Der neue Herr 





Schwarzenberg 
Wodurch? 


Friedrich Wilhelm 
Durch Reichtum und Macht! 


Schwarzenberg 
Sragt Euren Vater im Grabe, 
Ob ich ein treuer Verwalter war 
Seinem Anſehn und feiner Habe? 


Friedrih Wilhelm 
Shr habt fchon wieder etwas vergeflen, 


Schwarzenberg 
Was vergeffen? Was? 


Friedrih Wilhelm 
Daß mein Vater ’nen Sohn befaß! 
Habt Ihr an feinen Sohn gedacht?! 


Schwarzenberg 


(weicht langſam, Schritt für Schritt, von ihm zurück, die Augen ftarr auf ihn 
gerichtet) 


Sch — habe — 


Sriedrih Wilhelm 
Nehmt Euch in acht! 


Schwarzenberg 
Sch — habe an ihn gedacht. 


Friedrih Wilhelm 
Dann mit Wollen und Willen - 
Habt Ihr mich um mein Land gebracht! 
Hier. fteh’ ich, von dem lebend’gen Gott 
Zum Rurfürften Brandenburgs geſetzt — 
Und was bin ich jest? 
Der leibhaftige Spott 
Auf Fürftengeiwalt und Herrſchermacht! 


Wo ift mein Land, daß es mich ftüge? 


Wo mein Volk, daß ich ihm nüße? 
Geftohlen iſt's mir und entriffen — 


Fünfter Vorgang 327 





Mann mit dem ruhigen Gewiffen — 
Seht mih an — 

Das habt Ihr mir getan! 

Was ift aus diefem Volk geworden? 
Eine Bettlerhorde | 

Sn feinem Leibe die Hungersnot, 

Sn feiner Geele der Tod! 

Ein Haufe von Hundehütten, 

Das ift Berlin! 

Wie eine Zwingburg in ihrer Mitten, 
Leuchtend in Feftesglaft 

Grafen Schwarzenbergs Palaft! 

Der meined Vaters AUnjehn und Habe 
Ihr fo treulich bewacht, 

Was habt Ihr aus feinem Volk gemacht? 
Zwanzig Iahr’ lang faht Ihr's an, 

Wie fein Schweiß in die Erde rann, 
Blind für das Elend, in dem’s verdarb, 
Taub für das Röcheln, mit dem es ftarb! 
Swanzig Jahre in Eurem Palaft 

Habt Ihr in diefem Volke gefeffen 

Und habt es zwanzig Jahr' lang gehaßt! 


Schwarzenberg 
N — nein — 
Sriedrih Wilhelm 


Zal 
Wo war Eure Seele unterdeijen ? 
Euer Denken? Euer Lieben? 
Bei Habsburg drüben | 


Schwarzenberg 
(finft in den Stuhl, die Augen voller Entjegen auf Friedrich Wilhelm gerichter) 


Herr — Herr — 


Sriedrih Wilhelm 
(greift in Schwarzenbergs Mappe) 


Da — bier — 
Dapier an Papier — 
Jedes ein Dokument der Welt, 


328 


Der neue Herr 





Schwarz auf weiß daraus zu lefen, 
Daß Ihr fein Verräter geweſen! 
Aber Auge in Auge hier, 

Adam Schwarzenberg, ſag' ich dir: 
Ja — du übteſt Verrat! 


Wohlweiſer Herr Diplomat, 


Euren Papieren wird nichts fehlen, 

Als redlicher Mann vor der Welt zu prangen, 
Der richtende Gott blickt in die Seele; 

Euer Herz hat Verrat begangen! 


Schwarzenberg 
Herr — Herr — 
Nicht — nicht — nicht mehr — 


Friedrih Wilhelm 
Immer mehr! Immer mehr! 
Wohin ich die WUugen richte, 
Wohin ich mit den Gedanken flüchte, 
Überall legen fihb Eure Taten 
Wie Fallftride um mich her! 
Wo habt Ihr meine Soldaten ? 
Drüben find fie, beim Raifer, 
Berfauft für Habsburgs Dufaten! 
Ihr habt fie mir aus den Händen geiwunden, 
Mit ihrem Eid an den Raifer gebunden | 
Die Armee, die mich empfing, 
War ein erlogenes Lügending, 
War nicht mein Heer! 
Sch habe Feine Soldaten mehr, 
Reine Männer, feine Kraft, 
Unter den Füßen, hinterm Rüden 
Ward mir das alles entrafft, 
Und das tatet Ihr! 
Und nun ftehe ich bier, 
Noch bevor ich zu leben begann, 
Ein gebrochener Mann ! | 
Sch möchte der Fürft meines Landes er 
Möchte Ihaffen, möchte wirken, 
Leben wecken in allen Bezirken, 


— 
EEE SE EEE ln — 


Fünfter Vorgang 329 





Die Verhungerten nähren, 

Ihnen Hoffnung wieder gewähren, 

Neues Leben, neues Gedeihn — 

Rann ich’3? Kann ich’s? Nein! 

Euch war die Obhut gegeben 

ber mein unmündiges Leben, 

Hinter mir drein feid Ihr gefchritten, 

Habt mir rüdklings die Sehnen durchichnitten, 
Habt meine Zukunft mir totgefchlagen ! 


Schwarzenberg (erhebt fich jählings) 
Eure Zukunft lebt und wird leben! 


Friedrich Wilhelm (ſhüttelt die Fauſt) 


Freiwillig werd' ich mich nicht ergeben, 
Das kann ich Euch ſagen! 


Schwarzenberg 
Ihr — habt mich — Verräter genannt — 
Ihr — habt mein graues Haupt 
Bedeckt mit Schimpf und mit Schand' — 
Hört, wie ich mich räche — 
Hört, was ich ſpreche: 
Brandenburg war tot — 
| Es wird lebendig wieder werden — 
| Das weiß ich — ſeit heut! 


Friedrich Wilhelm 
Warum feit heut? 


| 
Schwarzenberg 
| Weil — Ihr da Seid! 


Friedrich Wilhelm 
» Wollt Ihr mich fangen durch Schmeichelei? 


Schwarzenberg (bitter lachend) 
Schmeichelei — bin ich denn folh ein Wurm, 
Daß Ihr mich fo zertreten müßt? 

Uber gut — es ſei — 
Sch bin ein alter Mann — 





330 Der neue Herr 





Habt Ihr mir noch nicht genug getan, 

So ftedt mic) nah Spandau in den Turm — 
Mir kommt's nicht drauf an — 

Uber — daß Ihr es wißt — 

Kindiſch bin ich noch nicht — — 

Heut bin ich eine Leiche — 

Uber es hat eine Zeit gegeben, 

Da hörte man den Schwarzenberg im Reiche. 
Damals war ich jung wie Shr, 

Bol Tatenkraft und Begier. 

Damals lernt’ ich die Fürften kennen, 

Denn fie famen zu mir, 

Täten mich Freund und Gevatter nennen, 

An ihren Tiſchen hab’ ich gefeflen, 

Mit ihnen getrunfen und gegefjen, 

Weil das Fürftenbefchäftigung war — 
Zwanzig lange, leere Jahr' 

Hab’ ich unter den Fürftenkronen 

Nach einem einzigen Fürften gefucht — 

Was fand ich? Drohnen! 

Und die Regierten waren noch Schlimmer 

Als die Regierer; ein feiges Gewimmer, 

Ein dumpfer Trotz, der jedem grollte, 

Der fie zu Taten rufen wollte, 

Das war alles, was fie konnten! 

Ja — Gott hat mich verflucht, 

All mein Können, Wollen und Wiffen 

An diefes Gefchlecht vertun zu müflen | 

Ich habe an Menfchen geglaubt — 

Sch babe für Menfchen getrachtet — | 
Mein Glaube ward mir geraubt, 
Wer nicht mehr glaubt, der verachtet, — 
Mer verachtet, der haft — | 
Es ift wahr — 
In meinem öden Palaft 

Hab’ ich über ihnen gefeffen 

Und fie gehaßt! 

Und jest, da ich Abſchied genommen 
Bon allem, was einft in mir 

Gut und ftark und fruchtbar war, 








Fünfter Vorgang 331 





— 


Jetzt muß einer kommen — 
Einer — faſt noch ein Kind — 
Und muß mir zeigen, 
Daß Fürſtenmenſchen auf Erden ſind, 
Doch noch — doch noch — 
Und hier — hier — 
Steht er vor mir — 
Der erſte Fürſt, den ich fand — 
Küſſen möcht' ich ſeine Hand — 
Und er ſtößt mich zum Grund 
Wie einen Hund! 
Alle Kräfte meiner Seele 
Wollen noch einmal lebendig werden — 
Und es iſt zu ſpät! 
Nein — 
(er ſinkt vor Friedrich Wilhelm in die Knie, ergreift ſeine Hände) 
Jüngling — Mann — Fürſt — 
Der du groß werden wirſt — 
Sagt, es iſt nicht zu ſpät! 
Laßt mich noch wirken auf Eurer Erde! 


Friedrich Wilhelm 
(löpt ſeine Hand in Schwarzenbergs Hand, blickt ſtumm auf ihn nieder. Pauſe) 
Ihr feid ein befagter Mann — 
MWar’t meines Vaters vertrauter Diener — 
Sch hab’ Euch fehr weh getan. 


Schwarzenberg (üße ihm die Hand) 
Das Wort — das Wort — 


Friedrih Wilhelm 


(tritt zurück, bedeutet ihm, aufzuftehn; da — ſich mühevoll erhebt, 
unterſtützt er ihn) 


Ich muß Herr ſein auf meiner Erde — 


Die Truppen, mit Kaiſers Geld geworben, 
Müſſen entlaſſen werden. 


Schwarzenberg 
Sie waren geworben für die Zeit, 
Da wir mit Schweden lagen im Streit, 
Jetzt habt Ihr Frieden gemacht. 


332 


Der neue Herr 





Friedrih Wilhelm nice ihm zu) 
Gut bedacht — ! 
Sch will mit den DOberften fprechen — 
Fürchte, e8 wird ein leichtes Spiel — 
Shr vermögt bei ihnen viel — 
Die Probe auf Euer Verſprechen: 
Wollt Ihr mir helfen? 
Seid Ihr von meiner Partei? 


Schwarzenberg 
ga, Herr. 
Sriedrih Wilhelm 
Es ſei. 
(Er klingelt; der Furier erſcheint) 
Friedrich Wilhelm 


Ruft die Oberſten herein, 
(Zurier öffnet Die GSeifentlir) 


Achter Auftritt 


Robhomw, Kracht, Goldader, Burgsdporf, Waldow, Vollmann, Dar: 
gitz, Schapelom (treten von links auf, begrüßen den Kurfürften mit geſchwun— 


genen Hüften, bleiben fchweigend ftehen) 


Friedrih Wilhelm (einfach, herzlich) 
Rann Euch nicht allen die Hände reichen, 
Mies mein Begehr — 
Dberft von Rochow, tretet her — 

(Rochow fritt auf ihn zu, er veicht ihm Die Hand) 
Laflen die Herren fich’8 gefallen: 
Diefen Händedruck Euch allen. 


Roſch o w 
(verneigt ſich, tritt zurück; dankendes Gemurmel unter den Offizieren) 


Friedrich Wilhelm 
Den Herren iſt es bekannt, 
Wie übel es ſteht ums Land, 
Weiß kaum, wohin ich die Blicke wende, 
Müßte ſchier verzagen, 








\ 


Fünfter Vorgang 333 





Wenn ich nicht einen Troft noch fände, 
Und das feid Ihr. 


(Zuftimmendes Gemurmel) 
Das einzige, was ich im Land 
An lebendiger Kraft noch fand, 
Sn Euch ſteht's vor mir, — 
Uber nun laßt mich fagen: 
Ihr könnt nur dann mir in Wahrheit nüsen, 
Ich kann mich auf Euch nur ftügen, 
Wenn Ihr mir wirklich gehört. 
Und feht, es ift mir befannt, 
Ihr feid mir fo gut wie verloren! 
Denn Ihr habt dem Kaifer geſchworen. 


(Bewegung unter den Offizieren) 
Weiß ja, wie alles fam, 
Bin Euch deshalb nicht gram; 
Weiß, daß Ihr in Kaifers Eid 
Wider den Schweden geworben feid — 
Nun — das hat aufgehört, 
Brandenburg, fo verftört 
Durch Krieg und Drangfal, braucht den Frieden, 
Darum babe ich mich entjchieden 
Und machte Stillftand mit den Schweden. 


Goldacker (Halblaud 
Alſo wirklich !? 
Burgsdorf Ebenſo) 
Still! 


Kracht (Ebenſo zu Burgsdorf) 
Warum ftill? 


Burgsdorf (ebenfo) 
Weil ſich's nicht paßt. 


Goldacer (ebenfo) 


Darfit du mir den Mund verbieten? 
(Rohow legt die Hand auf Goldaders Arm, die Bewegung bejchwichtigt fich) 


Friedrih Wilhelm 


Ihr hört — ich habe Frieden gemacht. 
Nun begreift ihr, die große Armada, 


334 Der neue Herr 





Die neuen Regimenter, die acht, 
Sind nicht mehr nötig; 
Wären dem Lande nur Befchwerde, 
Eine Laft und ein Schade — 


Robow. 
(an fich Haltend, mit heiferer Stimme) 
Und was — fol aus ihnen werden —? 
Darf man fragen? 


Friedrich Wilhelm 
Das will ich Euch fagen: 
Sie müſſen entlaffen werden. 


Goldader (lauf) 
Wir haben doch aber gefchiworen I? 


Friedrich Wilhelm 
Uber nicht mir! 
Goldader 
Was verfchlägt das bier? 
Eid ift Eid und Pflicht ift Pflicht! 


Sriedrih Wilhelm 

Der Herr errege fich nicht, — 

Un des Raifers Majeftät 

Schreib’ ich mit eigener Hand, 

Wie die Sache verändert fteht, 

Und daß das Brandenburger Land 
Zu arm ift, Truppen zu ernähren, 
Die ihm feinen Nuten gewähren. 


Roſch o w 
Und wenn — des Kaiſers Majeſtät 
In die Entlaſſung nicht willigt? 


Friedrich Wilhelm 
So mögen ſie ihm ſelber gehören — 
Das iſt recht und billig. 
Nehm' er die Regimenter zu ſich hinüber, 
Schalte und walte er darüber, 





Fünfter Vorgang 


335 





Bin einverftanden | 

Sn den brandenburgichen Landen 
Bleiben fie mir nicht! 

Mein Land ift mein, 

Fremde Urmee gehört nicht hinein! 
Und wer fich von diefen Herrn 
Lieber gibt in des Kaifers Pflicht, 
Als mein Soldat zu fein, 

Der gehe mit feinem Regiment dahin, 
Ich hind’re ihn nicht, 

Er möge ziehn. 

Uber ich hoffe und glaube gern, 
Daß eine Stimme in Euch Spricht: 


Daß Brandenburg Euer Vaterland | 
(Er ſtreckt die Hand aus) 


Männer — bier meine Hand — 
Sch trage fie Euch entgegen, 

Laßt fie nicht finfen, fommt — 
Glaubt, der Soldatendegen 

Sn Euren Scheiden fol nicht roften, 
Sol Ruhm und Taten Eoften — 
Uber laßt eine Tat es fein, 

Die unfrem PVaterlande frommt! 


Burgsdorf dauy 
Ja! 


Goldacker (benſo) 
Nein! 
Burgsdorf au Goldader) 
Wer jagt — wer wagt —? 


Goldader 
Was du felber vorhin gejagt: 
Haft nicht zu reden! 


Kracht 
Nein, natürlich! 


Friedrich Wilhelm (ehr ſtart) 
Man lärme nicht ſo ——— 
—— ſich die Herrn 


336 


Der neue Herr 





Sn die Antecamera; 

Beratet miteinander allda. 

Grafen Schwarzenberg werdet Ihr unterrichten 
Bon dem Entfehluß, den Ihr gefaßt, 

Graf Schwarzenberg wird mir jodann berichten. 


(Er niet, Die Offiziere — ſich, lebhaft untereinander flüſternd, nach links 
zur 


ck; Schwarzenberg folgt ihnen) 


Friedrich Wilhelm 
Oberſt von Rochow, bleibt noch bier. 


(Rochow, erftaunt aufblickend, fritt in ven Raum zurüc, die Übrigen geben ab. — 
Robomw, Friedrich Wilhelm, ftehen ſich, in einiger Entfernung, gegenüber, Paufe) 


FSriedrih Wilhelm 
Rochow — 

Rochomw (kalt und fteif) 
Was befiehlt Seine Gnaden von mir? 


FSriedrih Wilhelm 
Was wir damals in Rhena fprachen — 
Weißt du’s noch? 
GPochow verneigt fich, höhniſch lächelnd) 
Wie wir die Hände zuſammengegeben, 
Kameradſchaft machten fürs Leben. 
Weißt du's noch? 


Roſch o w 
Der Kurprinz waren ſo gnädig. 


Friedrich Wilhelm 
Und du tratſt dem Bunde bei. 


Roſch o w 
Glaubte gar nicht, daß Seine Gnaden 
Sich entſännen der Spielerei. 


Friedrih Wilhelm 
Hätten wir denn — gefpielt? 


Roſch o w 
War's alſo kein Spaß? 
Mir ſchien's, ſeitdem des Kurfürſten Gnaden 
Den Kurprinzen ſo 


TR ’ 
WE 


Fünfter Vorgang 337 





Sriedrih Wilhelm 


So laſeſt du falfch in meiner Seele, 
Sch bin, der ich war, 


Rochomw (verneigt fich) 
Seine Gnaden haben zu befehlen. 


Sriedrih Wilhelm 
Sch will dir nicht befehlen. 
Sch will zu die fprechen: 
Du follit dies höhnifche Schweigen brechen. 
Slaubft du mir nicht? 

(Rochow verharrt ftarr und fteif) 
Was blieit du an mir vorbei? 
Sieh mir ins Geficht; 
Glaubſt du mir? 


Rohomw - 
(wirft plöglich Das Haupt herum, wild ausbrechend) 
Rein! 
(Paufe) 


Roſch o w 
Ich bin kein Diplomat, 
Das ſagt' ich Euch; ich bin Soldat; 
Soldaten ſprechen grad' heraus: 
Jener, der zu Rhena ſich 
Mein Herz im Fluge gewann, 
Seid Ihr nicht mehr für mich! 
Ihr zogt einen andren Menſchen an, 
Mit meinem Glauben iſt's aus! 
Ja — die Stunde, 
Ob ich mich ihrer erinn're! 
Ich weiß auch, was ich verſprochen, 
Und habe mein Wort nicht gebrochen; 
Ich habe mit meinem Munde 
Eurem Kommen vorangeläutet, 
Habe auf Euch hingedeutet: 
Wenn der kommt, dann iſt's vorbei 
Mit der Leiſetreterei! 
So hab' ich geſagt — 


Dramen X 22 


Der neue Herr 





Hab’ alle für Euch eingenommen — 
Und nun — da Ihr gefommen, 
Nehmt Ihr gegen ung Partei — 


Sriedrih Wilhelm 
Gegen wen? | 
Robomw 
Gegen die Soldaten ! 
Und für wen? Für Bürger- und Bauerngezücht! 
Unfere Hoffnungen macht Ihr zunicht 
Und macht Frieden mit dem Schweden | 


Friedrih Wilhelm | 
Moris Auguftus — | 


Roſch o w 
Bin kein Diplomat, 
Euer Gnaden hieß mich reden, 
Ich ſprach als Soldat. 


Friedrich Wilhelm 
Wenn es der Goldacker wär' 
Oder ſonſt einer, der ſo ſpräche — 
Aber du biſt doch mehr? 
Daß ich mein eignes Land zerbräche, 
Wenn ich mich zu den Parteien ſetzte, 
Eine wider die andre hetzte, 
Das fühlſt, das ſiehſt, das begreifſt du doch? 


Roſch o w 


Ihr war't mir der Erſte unſres Standes, 
Der Gen'raliſſimus unſrem Heer — 


Friedrich Wilhelm 


Aber ich bin der Fürſt deines Landes — 
Moritz Auguſtus — ift das nicht mehr? 


Roſch o w 
Mag Euch der Staatsmann bewundern — 
Mir iſt's egal! 
Der Soldat und General, 


Fünfter Vorgang 339 





Das war's, was ich in Euch ſah — 
Und der ift nicht mehr dal 


Friedrich Wilhelm 
Er iſt's! 
Uber du kannt es nicht fallen, 
Weil du jelber Soldat nicht bit! 


Roſch o w 
(blickt ihn verdutzt an, bricht dann in lautes Lachen aus) 
Ich kein Soldat? 
Verzeiht — es will ſich nicht paſſen — 
Aber wer mir das ſagt, 
Dem lach' ich ins Geſicht! 
Was wär’ ich alſo? 


Sriedrih Wilhelm 
Ein Landsknecht, Rochom | 


Roſch o w 


Landsknecht — Soldat — 
Den Unterſchied verſteh' ich nicht. 


Friedrich Wilhelm 
Wirklich nicht? 
Roſch o w 
Nein, in der Tat. 


Friedrich Wilhelm 
So ſei dir erklärt: 
Der eine iſt jener, der ſein Blut, 
Seine Überzeugung, feinen Mut, 
Sei die Sache gut oder Tchlecht, 
Für ſchnöden Lohn einem jeden gewährt. 
Für das Schlechtefte der Welt 
Berkauft er des Mannes beftes Recht: 
Für Geld, 


Roſch o w 


Nein — für Ehre und Taten! 
22* 


340 Der neue Herr 





Friedrih Wilhelm 
Die gibt's auch für den Soldaten. 
Uber des Soldaten Hand 
Dient nicht der eigenen Perſon, 
Nicht ſchnödem Gewinn und Lohn, 
Sondern einer heiligen Sache: 
Dem PBaterland. 
Dir find Bürger und Bauern Schmusß, 
Hohnlachend ihrer Not, 
Trittft du fie in den Rot — 
Der Soldat fei des Bürgers Schuß; 
Denn der Menſch ward nicht für die Waffen, 
Die Waffe ward für den Menfchen gefchaffen. — 
Rochow — du bift doch ein Sohn der Marf; 
Deine Seele fo heiß, deine Glieder fo ftark, 
Deine Heimat hat dir das alles gegeben — 
Iſt's denn zuviel verlangt, 
Deinem PVaterlande zu leben? 
Es braucht dich — es ruft nach dir — 
Moris Auguſtus, bleib’ hier — 
Willſt du der Unfre fein? 


Rochow 
Freund von Bürgern und Bauern? Nein! 
(Paufe) 
Sriedrih Wilhelm 
(wendet fich nach Dem Hinfergrunde) 
Sp geh zu deinen Ram’raden. 


Roch o w 
Und das alles iſt wirklich Ernſt? 
Wirklich? 
Ein Entſchluß, der fürs Leben bleibt? 
Nicht nur eine Großmutslaune, 
Die Euch zu diefen — Kerlen treibt? 


Friedrih Wilhelm 
Zu diefen —? 


Wahrhaftig — ich ftaune, 
Wie wenig wir uns verftehn, 
(Er ergreift die Tür) 


Fünfter Vorgang 341 





Treibt es dich alfo von mir fort, 
Du börteft — ich halte dich nicht. 


Rochow (fich vergefiend) 
Sch werde nicht gehn! 


Friedrih Wilhelm 
(fieht ihn einen Augenblick überrafcht an, fohlittelt dann Ieife Das Haupf) 
Du Seltfamer — 
(geht Durch die Tür des Hintergrundes ab) 


Rochow 
(Glickt ihm nach, ſchüttelt die Fauſt) 
Und du gehörſt uns doch! 
Eine Probe weiß ich mir noch, 
Die ſetz' ich dir an die Seele an 
Wie einen Dietrich, der Riegel bricht, 
Damit ich hineinſehn kann 
In dieſe kalt vernünft'ge Tugend, 
In dieſe greiſenhafte Jugend! 
Wirſt du die Probe beſtehn? 
Wir werden ſehn. 
(Er ſtürzt an die Tür links, reißt ſie auf) 


Neunter Auftritt 
Die Offiziere (dringen lärmend von links herein) 
Roſch o w 
Wie ſteht's? 
Goldacker 
Wie ſoll's ſtehn? 
Wir ſind 'ne Geſellſchaft von Wetterfahnen, 
Wetterfahnen müſſen ſich drehn! 
Alſo wir drehn uns. 


Burgsdorf 
Das geht auf wen? 


Goldacker 
Auf den, der fragt! 


342 Der neue Herr 





Burgsdorf 
Auf mich? 


Bollmann 
Dder mich? 


Goldader 
Wen's judt, der Frage fich | 


Burgsdorf 
Mir könnten auch andere Fragen! 


Goldader 
Probier! 8 — ich habe Tagen! 


Roſcho w (zu Goldader) 
Set vernünftig! 


Goldader 


Sprich zu denen | 
Sag’ ihnen, fie follen ſich Tchämen | 
Euch vom Leib das Soldatenkleid | 
Rochow, fie brechen den Eid! 


Burgsdorf 
Wer bricht Eide? 


Goldader 
Du! 


Rochow ackt Goldader) 
Gib Ruh'! 
Wo iſt der Graf Schwarzenberg? 


Kracht 


Sitzt in der Antecamera, 
Es iſt ihm in die Beine gefchlagen. 


— ei ar 
5 du 


Flinfter Vorgang 


343 





Zehnter Auftritt 


Schwarzenberg (bleich, erſchöpft, kommt von links) 


Roſch o w 
Da iſt der Statthalter ja. 
(Er jchiebt den Stuhl an den Tiſch) 


Vorwärts, zum Protokoll! 


(Schwarzenberg nimmt Pla) 
Goldader 
Zum Protokoll! 
Alle 
Zum Protokoll! 


Goldacker 
Alles jetzt Farbe bekennen ſoll! 


Schwarzenberg 
Wer von den Herren fängt an? 


Burgsdorf (tritt an den Tiſch) 


Sch, Konrad von Burgsdorf, 
Was Seine Gnaden der Kurfürft gejagt, 
Erfenn’ ich als richtig an. 


Goldader (Höhnifch lachend) 
Bravo! 
Burgsdorf 
Erkenn' ich als richtig an — 
Eingedenk des Vorbehalts, 
Den ich gleich damals getan, 
Als wir dem Kaiſer geſchworen — 


Goldacker 
Was für ein Vorbehalt? 


Burgsdorf 


Daß, wenn ich einmal zwiſchen beiden, 
Zwiſchen Kurfürſten und Kaiſer 
Genötigt würde, mich zu entſcheiden, 


344 


Der neue Herr 





Der Rurfürft von Brandenburg mein Herr, 
Mein rechtmäßiger wär! — 


Goldacder 
Das hätteft du — ? 
Burgsdorf 
Das hab’ ich gejagt. 


Goldader 
Wer hörte das außer dir? 


s Volkmann 
Ich hab's gehört! 


Dargitz, Waldow, Schapelow 
Und wir! 


Goldacker 
Ich nicht! 
Volkmann 
So lagſt du auf deinen Ohren! 


Burgsdorf 
Eingedenk, daß das Jurament 
Nur wider den Schweden galt, 
Jetzt, bei veränderter Politik, 
Seine Kraft verlor und Gewalt, 
Tret' ich davon zurück, 
Bin ganz nur Soldat von Brandenburg 
Und entlaſſe mein Regiment. 


Schwarzenberg 
(chiebt ihm Das Blatt zur Anterſchrift hin) 


Wollt Ihr — 
Burgsdorf 


Signatum sit — ſchreibt) 
Konrad von Burgsdorf — 


Goldacker 
Und ſchreib' hinzu: 
Konrad von Burgsdorf, der Ehre quitt! 





Fünfter Vorgang 345 


Burgs dorf (eichter ſich auf) 


Tod an den Hals dir und Peſt! 
Goldader, ich ford’re dich | 


Goldader 


Angenommen | 
(Reit den Degen heraus) 


Auf der Stelle — fomm — vor die Tür — 


Schwarzenberg 
(verfucht fich zu erheben, finft zurück) 
Shr Herren — 
Ihr ſeid — im Schloffe des — Kurfürften hier — 
(Bollmann, Dargis, a” und Waldow halten ihrerjeitS Burgsdorf zurück, 
Rochow Goldader) 
Burgsdorf 
Db im Haus — im Feld — auf der Straße — 
Wo du dich vor mir bliden läßt — 
Wo wir ung entgegentlommen — 


Goldader 
Da will ich dich fallen! 


Roſcho w (u Goldader) 
Laß fein! Ste ein! 
Du ſollſt ihn gleich beffer gebrauchen. 
(Goldader fteckt knirſchend ein) 


Bollmann 


Der Burgsdorf ift mein Mann, 
Ich Schließe mich feiner Erklärung an, 


Waldow, Dargis, Schapelow 
Desgleichen ich, und ich, und ich, 


(Die drei treten nacheinander an den Tifch, um das Protokoll zu unterzeichnen) 


Roſch o w 

(reißt, während die Vorigen —— Kracht und Goldacker in den 
Vordergrund) 

Kracht — 

Einen feſt geſchloſſenen Wagen 

Draußen vor die Pforte, 


346 Der neue Herr 





Zehn Mann von deinem Regiment 
Für einen Gefangenen zur Gsforte | 


Kracht 
Einen — Wagen —? 
Roch o w 
Laß das Fragen! 
Willſt du? 
Kracht 
Freilich — 
Ro ſch o w 


Alſo eil' dich — 
Dann komm wieder. 
Kracht 
Gut — iſt gut. 
Eilend links ab) 


Burgsdorf 
Wohin geht der Kracht? 


Roſch o w 
Geſchäfte der Kommandantur — 
Er hat mich zum Mandatar gemacht — 
Ich ſpreche für ihn. 


Schwarzenberg 
Und — wie ſprecht Ihr? 


Roch o w 
Ich für meine Perſon 
Halte feſt an dem Schwur, 
Mein Regiment entlaſſ' ich nicht. 
(Tritt an den Tiſch, unterſchreibt) 
Vom Oberſten Kracht, der durch mich ſpricht, 
Gilt dasſelbe. 


Goldacker 
Und ſo von mir! 


Her mit dem Papier! 
(Stürzt an den Tiſch, unterſchreibt) 


ĩ7 WEINEN ER 


Fünfter Vorgang 347 





Burgsdorf (u Room) 
Ufo — gehſt du zum Kaifer? 


Ro ch o w 
Das mag der Kurfürſt mich fragen, 
Ihm werd' ich Antwort ſagen — 
Euch, Herr von Burgsdorf, nicht! 


Schwarzenberg (erhebt ſich) 
So bin ich fertig zum Bericht 
Und werde zu Seiner Gnaden gehn. 


Roſch o w 
Der Kracht hat noch nicht unterſchrieben, 
Sein Name muß drunterſtehn. 


Schwarzenberg 
Warum denn — grade eben nur — 


Roch o w 
Geſchäfte der Kommandantur, 
Die ſich nicht aufſchieben ließen; 
Er kommt gleich wieder. 


Burgsdorf 
So laſſe der Graf ſich's nicht verdrießen, 
Ihn zu erwarten; 
Wir haben hier nichts mehr zu tun, 
Wir gehn. 


Volkmann, Waldow, Dargitz, Gert 
Wir gehn. 


Burgsdorf @u Rochow) 
Nun — wie fteht’s? 
Darf man denn jagen: „Auf Wiederjehn?“ 
Roſch o w 
Die Dinge gehen, wie ſie gehn. 


Burgsdorf 


Das iſt mir zu dunkel, zum verſtehn. 
Und ſo trennen ſich alte Kameraden? 


348 Der neue Herr 





Goldacder 
Fuchsſchwänzelt Ihr bei Seiner Gnaden | 


Burgsdorf 
Rochow — alter Kerl — | 
(Rochow dreht ihm den Rücken zu) 
Was ftehft du denn wie ein Rlog? 
Warft ihm doch früher fo gut? 
Warum denn nun plöglich die Wut? 
Die Verbifienheit? Der Trog? 


Volkmann 
Du ſiehſt, er iſt taub und ſtumm. 


Burgsdorf wendet fi) 
Sei's denn darum — bie gut Brandenburg! 


Volkmann, Dargis, Waldow, Schapelow 


Gut ei 
Sie gehen mit Burgsdorf links ab) 
(Goldader yoiit ihnen nach, Rochow hält ihn an der Hand feft) 


Roſch o w 
Wohin? 
Goldacker 


Hinter ihm drein, 
Meine Sache ausfechten! 


Roſch o w 
Nein! 


Goldacker 
Warum nicht? 


Roſch o w 
Weil ich nicht will! 
(Zeigt auf Die Abgehenden) 
Laß fie hinaus — Sei ftill. 
Sollſt gleich alles erfahren! 
Geh an das Fenfter, gib acht, 
Ob du was fiehit von dem Kracht. 


— tritt an das Fenſter. Rochow geht an die a des Hintergrundeg, 
riegelf fie ab, ano den Schlüffel ein) 


7 Bine u" 
5 * 


Fünfter Vorgang 349 





Goldacker (Ginausblickend) 
Eben kommt er. 


Schwarzenberg 
Herr von Rochow — was beginnt Ihr? 


Roſch o w 
Uns vor Überraſchung zu wahren. 


Elfter Auftritt 


Kracht (kommt von links) 


Kracht 

Alles beſorgt. 
Roſch o w 

(geht an die Tür links, blickt hinaus, zieht ſie zu) 
Die Türe zu — 
Da draußen ſtinkt's nach Fahnenflucht. 
(Kommt nach vorn) 
Nun ſind wir unter uns. 


| Schwarzenberg (u Kracht) 
| WIN der Herr jest unterfchreiben ? 


Roſch o w 


Ich ſagt' Euch, wir ſind unter uns; 
Laßt die Alfanzereien bleiben. 


Schwarzenberg 
(ichiebt Kracht Das Papier bin) 
Wollt Ihr? 


Roſch o w 


(ergreift Das Blatt, zerknüllt es in der Hand und ſchleudert es in die Ecke des 
! Zimmers) 


Sort mit dem Zeug vom Tiſch! 


Schwarzenberg 
Herr — von Rochow? 


Roſch o w 
War's Euch vielleicht Ernſt mit dem Wiſch? 





4 


350 Der neue Herr 





Kracht 
(holt ein Blatt aus der Bruſttaſche, gibt es Rochow) 


Sieh hier und lies, 
Das erhielt ich von ihm ſoeben. 


Rochow (Left) 


„Dem Kommandanten von Berlin 

Zur Nachachtung dies —“ 

(left ſchweigend weiter, dann hält er Schwarzenberg Das Blatt vor) 
Eure Hand — habt Ihr gefchrieben. 


Schwarzenberg 
Wie der Kurfürft mich fchreiben hieß. 


Rochow (Hide ihm ins Geftcht) 
Dazu habt Ihr Euch bergegeben? 


Schwarzenberg (erhebt fi) 
Bitte — laßt mich gehn. 
Roſch o w 
Wohin? 
Schwarzenberg 


Zu meiner Pflicht, 
Zum Kurfürſten, zum Bericht. 


Roſcho w 
Die Tür iſt verriegelt, Ihr habt's geſehn. 
Schwarzenberg 
Was — heißt das? 
Roſch o w 


Das heißt: 
Ihr werdet nicht zu ihm gehn. 


Schwarzenberg (wendet ſich nach links) 
Laßt mich — 


Roſchow (tritt ihm in den Weg) 
Da geht's nach Spandau entlang. 


Fünfter Vorgang 





Schwarzenberg (wilcht ſich die Stirn) 


Mein Gott — 
Das Hingt wie Gewalt und Zwang? 


Ro ch o w 
Es iſt Gewalt! 
(Er deutet gebieteriſch auf den Stuhl) 
Setzt Euch, Ihr werdet Euch entfernen 
Wann’s ung beliebt; 
est ſollt Ihr Taten kennen lernen. 
(Schwarzenberg fintt gebrochen auf den Stuhl zurüc) 


Rochow (zu Goldader und Kracht) 

Ihr Herren, laßt kurz mich fein; 
Ihr habt gehört und gefehn, 
Wie hier die Dinge ftehn. 
Wir haben auf den da gehofft — 

(er fchüttelt die Fauft nach dem Hintergrumnde) 
Der da hat uns betrogen! 
Zedes Wort, das ich für ihn fprach, 
Geh mir wie's böfe Gewiffen nach, 
Denn es war gelogen | 
Wir träumten von Ehre und Ruhm, 
Bon Krieg und Soldatentum, 
Damit iſt's aus: 
Man fchlägt ung die Tür vor der Nafe zu, 
Kommandiert uns zur Rub, 
Schickt ung wie Schächer nah Haus! 
Das Schwert, das wir gezogen, 
WIN man uns in der Scheide vernieten, 
WIN uns Gewinn und Taten verbieten, 
WIN uns zu Stadtjoldaten machen, 
Schmutziger Bürger GSiebenfachen 
Zu behüten und zu bewachen — 
Sol das das Ende vom Liede fein? 


Goldader 
Nein! 


Kracht 
Nein! 


352 


Der neue Herr 





Goldader 
Rein | 


Roſch o w 
So hört, was ich ins Auge genommen: 
Dieſer Friede mit dem Schweden 
Iſt das Ankraut, das uns erſtickt — 
Er darf nicht zuſtande kommen! 


Kracht 

Richtig. — 
Goldacker 
Richtig. 

Roſch o w 
Noch iſt der Friede nicht geſchloſſen, 
Noch können wir ihn im Keim zertreten. 
Der Schulenburg, den er ſchickt, 
Kommt zum Liliehök erſt morgen; 
Wir woll'n ihm noch heut den Krieg beſorgen. 
Zwiſchen hier und Zoſſen, 
Kaum drei Meilen von hier, 
Liegt, wie Ihr wißt, der Stahlhans, 
Der ſchwediſche Oberſt, in Quartier. 
Goldacker, ich weiß, du biſt kein Prahlhans, 
Nun zeig’ dich als ganzen Mann: 
Zu Pferde mit deinem Regiment, 
Laß fie reiten, ald ob es brennt, 
Sal’ mir den Stahlhans an! 


Goldacker (E—fällt ihm um den Hals) 


Mori Uuguftus, mein General — 

Mein — mein — tie foll ich dich heißen? 

Huſſa — zur Jagd! 

Und der Schwede fol blutig ſchweißen! 
(Wil ab, Rochow hält ihn feft) 


Roſch o w 
Warte noch: 
Sobald ſich der Schwede dir geſtellt, 
Wirſt du fechtend zurück dich ziehn! 


Fünfter Vorgang 


353 





Goldader 
Zurück — mich ziehn? 


Roſch o w 
Hierher, auf Berlin. 
Ziehſt dich bis nach Berlin herein. 


Goldacker 
Muß das ſein? 
Roſch o w 
So begreife doch: 
Die Schweden ſollen Berlin berennen 
Heut noch zur Nacht. 
(Zeigt auf den Hintergrund) 
Der da, in eigner Perfon, 
Soll mit ihnen zufammenrennen, 
Daß e8 Fracht. 
So iſt dem Frieden der Garaus gemacht; 
Er lerne feine Freunde kennen, 
Vielleicht, daß dann in feinem Leibe 
Die Soldatenfeele erwacht. 


Goldader 
(padt mit jauchzendem Lachen Rochow an der Hand) 
Sch fafje, begreife, fühle ſchon — 
Laß gut fein, ich will ihm die ſchwediſchen Pesen 
Sp auf Haut und Hemde hegen, 
Daß ihm die Sinne im Wirbel gehn. 
Gute Brüder, auf Wiederfehn ! 
(Stürzt nach links hinaus) 


Schwarzenberg 
(mit beiden Händen fih am Tiſch emporziehend, fchreit ihm nach) 


Goldader! Geht nicht! Goldader | 


Roch o w rückt ihn auf den Stubn) 
Statthalter, haltet Euch ftill! 


‚Rracht, du begreift, was ich will: 


Noch find die Truppen nicht. entlaffen, 
Wenn heut abend die Schweden erfcheinen, 
Sp muß der Burgsdorf mit all den Seinen, 


Dramen X 23 


Der neue Herr 





Sie mögen oder fie mögen nicht, 
Sich gleich uns mit den Schweden faffen, 
Müſſen Tämpfen in Kaifers Pflicht. | 


Kracht 
Trefflich! Vortrefflich! 

Ro ch vo w 

Drum Ohren auf: 

Sobald du draußen das Schießen hörſt, 
Sobald du daraus erfährſt, 
Daß der Goldacker 
Sich mit den Schweden verbiſſen hat, 
Dann Alarm durch die ganze Stadt! 
Laß ihnen nicht Zeit zum Befinnen — 
Schwert und Spieß und Gewehr zur Hand — 
In die Vorftadt von Cölln den Feuerbrand! 


Kracht 
Den Feuerbrand | 


Schwarzenberg (wichter fich noch einmal auf) 
Nein! 


Rohow | 
Fangt Ihr fehon wieder an zu fchrei'n? 


Schwarzenberg 
Rochow — ich habe ein Leben lang 
Wie ein Vater an dir getan, 
Habe zu Ehren und Würden 
Dir geglättet die Lebensbahn — 
Rochow — mas willft du beginnen?! 


Roſch o w 
Was ich beginne, Schwarzenberg? 
Ich vollbringe dein eigenes Werk. 
Schwarzenberg 


Nicht mein Werk! 
Nicht mehr — es iſt nicht wahr! 


355 





Fünfter Vorgang 


Ro ch o w 


Dein Werk und dein Wort, 
Alles das deine, bis aufs Haar! 


Schwarzenberg 
Was du heute fuft, ift Mordl 


Ro ch o w 
Das, was ich heute tu', 
Iſt, was du mich lehrteſt, du! 


Schwarzenberg 
Nicht auf mich dieſe Tat! 
Nicht auf mich! 
Es iſt Hochverrat und RER | 


Roſch o w 


Du haſt mit dem Schweden gebrochen, 
Und das war gut. 
Du haſt es ausgeſprochen, 
Daß die Vorſtadt von Cölln 
Aufgehn müſſe in Feuersglut, 
Und das war gut. 
Damals warſt du ein Mann, 
Damals verdienteſt du Preis, 
Jetzt biſt du ein keuchender Greis, 
Haſt deinen eigenen Willen vergeſſen, 
Kriechſt wie ein Knecht zu Füßen deſſen, 
Der hier im Lande ſieh Macht gewann. 
Ha, Ihr Hunde — 


Mögt Ihr alle den Schwanz einfneifen, | 


Sch will ihm den Naden entgegenfteifen | 
Alter Adam, bedanfe dich: 
Bor deiner heut'gen Erbärmlichkeit 


Rett' ich den Schwarzenberg einft’ger Zeit! 


Ich ward Erbe deinem Willen, 
Sch vollſtreck' ihn, will ihn erfüllen 
Bis zum Punkt und Gedanfenftrich ! 


. Shwarzenberg 


(will auf die Klingelfchnur zuftürzen, Die an der Hinterwand hängt) 


23* 


356 


Der neue Herr 





Roch o w dritt dazwiſchen) 
Was wird's? 


Schwarzenberg 
Laß mich gehn — 


Roſch o w 
Was liebäugelſt mit der Klingel? 
Möchteſt die Hofhunde rufen, 
Damit ſie dir zur Seite ſtehn? 


Schwarzenberg 
Ich — ſage — laß — 


Rochow Gackt ihn an der Schulter) 
Wird nicht gefchehn! 
Dir ift der Weg gewieſen — 
Er führt nah Spandau — 
Willſt du freiwillig gehn? 


Schwarzenberg (fträubt fich) 
Deine Hand — von mir — 


Roſch o w 


Ich ſage dir, 
Du ſollſt dich entſchließen: 
Willſt freiwillig nah Spandau gehn? 
Schwarzenberg 
(reißt fich mit legter Anftrengung faumelnd los) 
Nein — nein — nein — 


Roſch o w 


Kracht! Deine Leute herein! 
(Kracht reißt die Tür links auf) 


Zwölfter Auftritt 


Eine Abteilung Dragoner (erfcheint auf Der Schwelle) 


Schwarzenberg 
Mord und Gewalt!! 


Fünfter Vorgang 357 





Roſch o w 
(zu den Dragonern, auf Schwarzenberg zeigend) 
Der iſt's, der Euch gehört! 
Greift ihn, eh' man uns ſtört! 


Schwarzenberg (flieht hinter den Tiſch) 
Rochow — Rochow — 


RohHm (zu den Dragonern) 
Drauf! Was befinnt Ihr Euch? 


(Die Dragoner geben um beide Seiten des Tifches herum, Schwarzenber eliepe in 
den Fenftererfer, Die Dragoner gehen ihm nach, er faumelt an den Tiſch zurüd, 
ſinkt in den GSefjel) 

Roſch o w 

Fort mit ihm, in den Wagen! 
Und nach Spandau auf den Weg! 


Kracht 
(zeigt auf Schwarzenberg, der mit geſchloſſenen Augen im Seſſel liegt) 
Es ift ihm in die Glieder gefchlagen — 
Scheint, er kann nicht mehr gehn. 


Roſch o w 
So wird er hinuntergetragen! 


Schwarzenberg (richtet ſich geiſterhaft auf) 
Die Stunde — die blutige Stunde — 
Ich ſah fie kommen — wollte fie halten, 
Sie fchreitet und naht kraft eigener Gewalten — 
Schuldgeboren, aus meinen Händen | 
Wächſt fie, wächit fie, will fich vollenden, 
Dhnmächtige Umkehr kann fie nicht wenden — 
Wählt zum Sterben, zum Menfchenverderben — 
Die Häufer brechen — die Städte verbrennen — 
Heulend gewälzt von Mund zu Munde 
Wird ein Name, ein Name rennen. 
Und ich werde den Namen fennen — 
Schlaflos werd’ ich im Grabe liegen — 
Um die Stätte, da ich begraben, 
Wie ums Hochgericht die Naben, 
Werden die Flüche der Menfchen fliegen — 


358 Ser neue Herr 





Immerdar — immerdar — 
Ich will Schlafen — ich kann nicht ſchlafen — 
Man ſoll den Menſchen nicht ewig ſtrafen — 
Schlafen — ſchlafen — ſchlafen — 
(jintt zuſammen) 
(Paufe) 


Kracht (blickt auf Schwarzenberg) 


Aus dem Schlaf, den der hier fchläft, 
Weckt ihn fein gutes noch böfes Wort. 


Rohomw 
(tritt heran, blickt Düfter auf den Toten, Dann wendet er ſich zu den Dragonern) 
Hebt ihn auf und tragt ihn fort. 
Mag er tot ſeine Reiſe beend'gen, 
Jetzt iſt es Zeit für die Lebend'gen! 
(Die Dragoner bereiten ſich, Schwarzenberg aufzuheben) 


Vorhang fällt 


Ende des fünften Vorgangs 


Sechiter Vorgang 


Ein anderes Zimmer im Kurfürftlihen Schloß zu Berlin. Kleiner 
fabinettartiger Raum. Ein Fenfter rechts. Eine Tür im Hintergrunde, 
eine Tür linfd, Abenddämmerung. 


Erſter Auftritt 


Friedrich Wilhelm (geht unruhtg auf und ab) 


Friedrich Wilhelm 
Warten — ein Schlechtes Tun — 
Am Hopfenden Puls in unferem Blute 
Der Zeit nachrechnen Minut auf Minute — 
Wo er nur bleibt, der Schwarzenberg, 
Daß er nicht kommt und berichtet, 
Was er mit ihnen ausgerichtet? 


Sechfter Vorgang 359 





Wär’ das ein Zeichen nun, 
Daß er es nicht vollbracht? 


(Er tritt an das Feniter) 
Und was dann? 


Endlofe Winternacht, 

Schlägft du das Tageslicht in Bann? 
Willſt du mit deinen blinden Augen 
Mir das Licht aus der Geele faugen? 


Zweiter Auftritt 
Zurier (komme durch die Mitte, einen brennenden Randelaber in Händen) 
Sriedrih Wilhelm 
Was gibt's? 
Furier 
Ich bringe nur Licht. 
(Er ſtellt den KRandelaber auf den Tiſch, wendet fich zurück, bleibt in der Tür ftehen) 
Friedrih Wilhelm 
Sit noch etwas? 
Surier 
Ich — müßte nicht — 
Das mit dem Oberſt Goldader 
Iſt Euer Gnaden doch wohl bekannt? 


Friedrich Wilhelm 
Was? 
Furier 
Daß er plötzlich ſatteln hieß 
Und mit ſeinem Regiment 
Ganz im ſtillen Berlin verließ? 


Friedrich Wilhelm 
Das iſt der erſte, der ging. — 
Sollt' ich um den mich grämen? 
Der Verluſt iſt gering. 
Ruft mir den Grafen Schwarzenberg. 


Furier 
Den — Grafen —? 


Der ift ja fchon lange fort. 


360 Der neue Herr 





Friedrih Wilhelm 
Sort? Aus dem Schloß? Wohin? 


Furier 
Euer Gnaden — ich weiß nicht zu fagen; 
Ich hört’, er verließ Berlin 
Sn einem gefchloffenen Wagen 
Sn der Richtung nach Spandau hin, 


Sriedrih Wilhelm 
Sort? And er jagt mir fein Wort? 


Furier 
Man ſagte, er ſei unwohl geworden. 


Friedrich Wilhelm 
Gleich ſoll geſattelt werden, 
Ich ſetze mich ſelber zu Pferde — 
Nach Spandau will ich reiten, 


Furier 
Gnädiger Herr — es wird ſchon Nacht! 


Friedrich Wilhelm 
Drei Männer ſollen mich begleiten, 
Mit Windlichtern; mach' dich fort! 
Sobald ſie fertig, Nachricht gebracht! 


Furier 
Gnädiger Herr, nach Eurem Wort, (16) 


Sriedrih Wilhelm 
(ſteht mit untergefchlagenen Armen am Tiſche, in die Lichter ftarrend; Dann wendet 
er laujchend Das Haupt nach links) 
Horch — 


Regt es fich hinter der Tür? 
(Er tut einen Schritt nach Links, lauſcht wieder) 
Wie ein Gewand, das Fnifternd raufcht — 
Wie ein Seufzer, bang verftohlen — ? 
(Lauf, nach links jprechend) 
Wer da herein will zu mir, 


Romme berein | 
(Er lauſcht nochmals) e 


Sechſter Vorgang 361 





Muß ich ihn felber ins Zimmer holen, 
Den, der da draußen laufcht? 
(Er reißt die Tür auf, greift hinaus) 


Dritter Auftritt 


Slaudine (in dunklem Überwurf, der fie bis über den Kopf verhüllt und jest 
zurücfält, wird an feiner Hand hereingezogen) 


Sriedrih Wilhelm 
Eine Frauenhand — Frauengewand — Glaudine?! 


Claudine (reißt fich los) 
Ach — 


(ichlägt beide Hände vors Geficht) 


Sriedrih Wilhelm 
Fräulein Claudine — Ihr? 


Claudine (afft ven Überwurf auf) 
Laßt — laßt mid — 
" (fie will wieder links hinausftürzen) 


Friedrih Wilhelm 
Sch meine — Ihr wolltet zu mir? 


Claudine 
(legt die Arme auf die Lehne des Seſſels, das Geficht auf Die Arme) 
Weiß ich denn felbit, was ich will? 
D aus Barmberzigkeit — 
Schweigt ewig davon ftill, . 
Sagt niemandem, daß ich fam, — 
Ich ftürbe vor Scham — 
Es ziemt fih nicht — 
Sch weiß 8 — 
(fie winkt nach dem Armleuchter in feiner Hand) 
O — tut fort das Licht — 
Sch bit? Euch — 
Es ift wider Sitte und Pflicht — 
Uber — das Herzeleid | 
Und der fchredliche Gram! 
(Ein Schluchzen durchſchüttert ihren Körper) 


362 Der neue Herr 





Sriedrih Wilhelm 


est den Leuchter auf den Tiſch, tritt zu ihr, zwingt fie mit janfter Gewalt zum 
ar — Nm in den Stuhl; fteht neben ihr) — 


Bitt' Euch — erhebt das Angeſicht, 
Daß ich die lieben Augen ſeh'. 


Claudine (beugt das Haupt iveg) 
Kann ja nicht! Kann ja nicht! 


Sriedrih Wilhelm 
Sp vol Rummer und Schmerz 
Das arme, liebe Herz? 


Claudine 
Sp weh — fo web — o fo weh! 
(Friedrich Wilhelm nimmt ihre Hand; Pauſe) 
Heut nachmittag ift mein Bruder gefommen — 
Und fein Geficht war fo Zornes voll, 
Wie ich ihn nie zuvor gefehn — 
Hat mich an der Hand genommen, 
Hat gejagt, ich müßte gehn, 
Weit von bier fort, 
Nach einem ganz entlegenen Drt. 
Und darauf 
Bin ich heimlich von Haus entwichen, 
Hab’ mich herübergefchlichen — 
Um Euch — weil ih — ach zürnt mir nicht — 
Denkt nicht von mir, wie ich feheine! 


Friedrih Wilhelm 
D Liebe, Teure, Reine. 


Glaudine 


Wäret Ihr nie in mein Leben gefommen | 
Hätt’ ich von Eurem Munde 

Niemals ein Wort vernommen | 

Wäre ich damals Flüger geweſen, 

Meine Seele vor Euch zu fchließen — 
Nun muß ich die eine törichte Stunde 
Mit einem elenden Leben büßen! 


Sehiter Vorgang 363 





Friedrih Wilhelm 
Warum verläftert Ihr Euer Herz? 
Diefes Herz vol Unfchuld und Güte? 
Warum nennt Ihr es töricht, 
Daß Eure Liebe mir 
Aus diefem Herzen entgegenblühte 
Wie eine Blume im Lenze? 
Ward ich ein andrer feit dem Tag, 
Us Eure Hand in der meinen lag? 


Claudine (fieht ihn groß an) 


Wurdet Ihr es denn nicht? 
Seid Ihr denn nicht meines Bruders Feind? 


Sriedrih Wilhelm 
Das ift Euer Bruder, der alfo fpricht; 
Deflen unbändige Seele 
Sich mir im Haffe verfteint! 

(Er geht auf und ab) 

Rochow! Wieviel Tränen 
Werden durch dich geweint! 

(Er bleibt vor Elaudine ftehen) 
Ich habe die Hand ihm hingehalten, 
Sch babe mein Herz ihm bingetragen, 
Nah Hand und Herzen hat er gefchlagen ! 
Undank war’s, womit er mir lohnte| 
Und dennoch — Claudine — 
Hier im Herzen, die alte Stelle, 
Wo der Moris Auguftus wohnte, | 
Die Stelle will und will nicht erfalten ! 


Claudine 

(fliegt auf, fällt ihm um den Hals) 
Ach du Teurer, wie lieb’ ich dich! 
Großer, Edler, Gott fegne dich! 
Ohne Falſch — fo treu — fo gut — 
Und er — 

(fie beugt ſich an fein Ohr, flüftert) 

o hör? — was ich fagen muß: 
Sei auf deiner Hut. 


Der neue Herr 





Friedrih Wilhelm 
Was warnft du mit halben Worten mich? 


Glaudine 


Ich weiß nicht, was fie berieten 28 
Uber fie berieten fih — 


Friedrih Wilhelm 
Wider wen? 


Glaudine 
Wider Euch alle und dich. 


Friedrih Wilhelm 
Wer beriet —? 


Glaudine 
(verbirgt ihr Geficht an feinem Halfe) 


Nicht fragen! Nicht fragen! 
Sch weiß nicht mehr! Kann nicht mehr jagen! 
(Aus dem Hintergrunde, außerhalb der Szene) 
Burgsdorfs Stimme 
Kurfürſt! Gnädiger Herr! 


Sriedrih Wilhelm 
Das ift der Burgsdorf? 


Glaudine 


Jeſus! Hinweg! 
(Sie reißt fich von ihm los, rafft den Äberwurf auf, ftürzt links hinaus) 


Vierter Auftritt 


Burgsdorf (mit verbundenem Kopfe, kommt durch die Mitte) 


Friedrih Wilhelm 
DBurgsdorf, was bringt du mir? 


Burgsdorf 
Aufitand und Verrat! 
Seht's an meinem Kopfe hier! 
Das war Goldader, der das tat! 


Sechfter Vorgang 365 





Friedrich Wilhelm 
Wo ift er? 
Burgsdorf 


Da, wo er nicht mehr ſchaden kann! 
Bon mir erfchlagen, ein toter Mann | 


Friedrich Wilhelm 

Wie fam das? 
Burgsdorf 

Bor einer Stunde — 
Sch liege in Tempelhof in Quartier — 
Da, zwifchen Tempelhof und Brig, 
Kommt's plöglich querfeldein, 
Hurre, hurre, wie der Blitz — 
Goldacker mit feinen Dragonern. 


Sriedrih Wilhelm 
War auf dem Weg zum Kaifer? 


Burgsdorf 
Rein, 
So dachte ich anfangs auch — 
Uber er war auf dem Weg nach offen; 
Um den Stahlhans anzufallen. 


Sriedrih Wilhelm 
Den Schweden? 
Burgsdorf 
Auf den ihn der Rochow gehetzt! 


Sriedrih Wilhelm 
Woher weißt du das? 


Burgsdorf 


Ein Goldaderfcher Offizier, 
Den meine Leute vom Pferd geſchoſſen 
Und den ich fing, verriet es mir. 


Friedrich Wilhelm 
Das tat — Rochow? 


Der neue Herr 





Burgsdorf 
Um den Frieden, 

Den Ihr mit dem Schweden gefchloffen, 
ber den Haufen zu knallen! 
Sch hatte mit Goldader einen Strauß — 
Da ich ihn nun kommen feh’, 
Tal’ ich aus Tempelhof aus, 
Und da haben wir ung gefchlagen, 
Bis wir beide am Boden lagen; 
Uber nur einer ftand wieder auf. 
Nun kommen aus Tempelhof meine Leute — 
Die Goldaderfchen, wie eine Meute, 
Shnen entgegen — ein Bauen — ein Schießen — 
Bis fie die Flügel hängen ließen 
Und in alle vier Winde zerftoben. 


Friedrich Wilhelm 
Loben — ich muß dich loben — 
Uber der Rochow — der Rochow — der Rochow — 


Burgsdorf 
Heute nacht noch follte der Stahlhans 
Die Mauern von Berlin berennen; 
Fackeln und Lunten find bereit, 
Die Cöllniſche Vorftadt zu verbrennen — 


Sriedrih Wilhelm 
(der auf: und niedergegangen tft, bleibt plögfich ftehen) 
Darauf hatt! ich den Tod gefegt! 
Wo iſt ser jest? 
Burgsdorf 

In des Schwarzenbergs Palaft, 
Den er zum Hauptquartier gemacht, 
Sitzt und lauert er mit dem Kracht 
Auf feines Auſchlags Gelingen. 


Sriedrih Wilhelm 
(Steht einen Augenblic in Gedanfen) 
Ich felber werde ihm Nachricht bringen, 
Wie's mit dem Goldader ſteht. 
(Er geht an die Klingelfchnur, klingelt) 


Sechiter Vorgang 367 





Burgsdorf 
Ihr — felbft? 
Gnädiger Herr — nehmt Euch in ad. 


FSriedrih Wilhelm 
(ohne feinen Schrei zu beachten) 
Dein Regiment hat noch gefattelt? 
Mach’ dich in dein Quartier, 
Nimm deine Leute mit Dir, 
Rück' nach Berlin herein! 


Burgsdorf 
Uber — fie werden die Tore fchließen 


Sriedrih Wilhelm 
Die Tore werden offen fein, 
Das fage ich Dir. 
+ (gu dem Zurier, der in der Mitteltür erjcheint) 


Hut und Degen! 
(Zurter ab) 


Burgsdorf 
Gnädiger — Herr — 


Sriedrih Wilhelm 
Bor den Palaft 
Rückſt du mit deinen Leuten; 
ber laß dich bedeuten: 
Du dringft mir nicht herein, 
Eh’ ich Befehl dazu gebe! 
Geh, — was ftehft du? 


Burgsdorf | 
hr — möchtet erwägen — 


Sriedrih Wilhelm 
Rleinmüt'ger — lerne verftehn: 
Gott braucht mein Leben noch — 
Mir Kann fein Leides gefchehn! 


Burgsdorf 


(ftarrt ihn an, beugt fich plöglich auf feine Hand, die er küßt, geht eilend nach 
dem SHintergrunde ab, wo er fich mit dem Furier kreuzt, der Hut und Degen des 
Kurfürften bringt, Sriedrih Wilhelm greift nach dem Degen, ſchnallt ihn um) 


368 Der neue Herr 





Furier 
Soll’n die Trabanten — zum Geleit —? 


Friedrih Wilhelm 
Zwei Mann zum Leuchten halt bereit. 


Fünfter Auftritt 


Claudine (öffner vorfichtig die Tür * Rebe, wie der Rurfürft fich rüfter, ſtürzt 
erein 


Glaudine 
Um des Heilands Barmherzigkeit — 
Wohin? 
Sriedrih Wilhelm 
(nimmt den Hut aus der Hand des Furiers) 
Denen zu zeigen, die's nicht willen, 
Daß ich der Herr im Lande bin, 


Glaudine 


Ein Name wurde genannt — 
(fie finft vor ihm nieder, umklammert ihn) 


Wer ift’s, dem Ihr enfgegentretet? 


Friedrih Wilhelm 
(blickt auf fie nieder, legt Die Hand auf ihr Haupt) 


Sräulein von Rochow — betet. 
(Er wendet ſich zum Abgang nach Der Mitte) 


Claudine (fällt ohnmächtig zu Boden) 
Ach — 
Vorhang fällt 


Ende des fechiten Vorgangs 


Siebenter Vorgang - 369 





Siebenter Vorgang 


Die gewölbte Flurhalle im Schwarzenbergfchen Palafte. Die Ein- 
ze: ift rechts. Auf der linken Seite einige hohe Fenfter. Im 

intergrunde die ae pr Treppe, die in Die oberen Stockwerke 
führt. Zwifchen den Treppengliedern eine offene Pforte, die in Die 
Kellerräume des Palaftes hinunterführt, In der Mitte der Bühne, 
aber etwas mehr nach links hinübergerückt, ein ſchwerer viereckiger 
Holtifh. An dem Tifche einige einfache EPGEEHE Eine große 

brennende Pechpfanne hängt von der Decke herab 


Erſter Auftritt 
2 am Tifche, den Kopf in beide Hände geftüst, der Huf liegt vor ihm) 


t 
Birkentiſch (itzt auf der Treppe, das Tuch vor Augen, in das er hineinſchluchzt) 
Bärwolf, Kobow (ftehen regungslos in der Nähe der Tür) * * 


Kracht (unwirfch) 
Was heult da? 


Bärwolf 


Es iſt der Birkentiſch; 
Er jammert um ſeinen toten Grafen. 


Kracht 


Geh in dein Zimmer, leg' dich ſchlafen. 
(Birtentiich erhebt ſich, geht die Treppe nach oben hinauf, verſchwindet) 


Zweiter Auftritt 
Rochow (kommt von rechts; Kracht bleibt ſitzen, ohne Das Haupt zu erheben) 
Rochow 
Keine Meldung gekommen? 


Bärwolf 
Nein. 


Roſch o w 
Kein Schießen mehr vernommen? 


Bärwolf 
Nein. 


Roſch o w 
Es wurde doch aber geſchoſſen. 


Dramen X 24 


370 


Der neue Herr 





Bärmwolf 
a. 
Bor ’ner Stunde mag’s geweſen fein. 


Roch o w (auſcht auf) 
Jetzt aber — 
(geht an eins der Fenſter, öffnet, horcht hinaus) 
Wieder nichts — 
Alles ſtill wie im Leichenhaus. 
(Kehrt vom Fenſter zurück, winkt den Soldaten) 
Geht auf die Straße hinaus, 
Ob Ihr was hört und ſeht. 
(Bärwolf, Kobow rechts ab) 


Roſch o w 
(geht aufgeregt hin und her) 


Man wird ſchier raſend und toll! 
Wo der Goldacker bleibt — was er treibt — 
Man weiß nicht, was man ſagen ſoll! 
(Bleibt vor Kracht ſtehen) 
Was meinft du, wie unfre Sache fteht? 


Kracht 
Ich meine — wir hätten die Stätte hier 
Nicht wählen ſollen zum Quartier. 


Roſch o w 
Warum? 
Kracht 
Man ſoll nicht wohnen im Haus des Toten. 
Roſch o w 
Ammengewäſch! 
Kracht 
Ein alter Mann — 
Hat uns nie was zuleid getan — 
Und wir — brachten ihn um. 
Roſch o w 
Biſt du verrückt? 
Kracht —— 


Etwa nicht? 


Siebenter Vorgang 371 





Roſch o w 
Der Schlagfluß hat ihn getroffen. 


Kracht 
Aber wir halfen dazu. 


Roſch o w 
Ab — ſei ein Mann! 
Denke nicht immer daran | 


Kracht 

Aber es hilft mir nicht! 

Immer kann ich's nicht vergeſſen. 

Wie er im Lehnſtuhl geſeſſen, 

Wie er röchelnd nach Atem ſchnappte, 

Wie ihm der Kiefer herunterklappte — 
(ſpringt auf) 

Das war ſchauderhaft! 


Roſch o w 
Sei ein Mann mit Manneskraft! 


Kracht 
Seine Augen, die nicht mehr ſahn, 
Immer blickten ſie mich an! 
Warum denn ſah er nach, mir? 
Warum nicht nach dir? 
Du warft’s, der ihn umgebracht! 


Roſch o w 
Kracht — ſei vernünftig — Kracht! 


Kracht 
Du haſt die Dragoner auf ihn gehetzt! 
Du haſt ihn an der Schulter gepackt! 
Nicht ih! Dul 

Roſch o w 
Ja denn — gib dich zur Ruh'! 
Eh' ich dulde, daß mein Kam'rad 


Zum Feigling wird, 
24* 


372 Der neue Herr 





Nehm' ich fie auf mich, die Tat. 
Laß uns überlegen jegt — 
(vecht8 außerhalb der Szene ein Getümmel; dann die Stimme Friedrich Wilhelms) 


Friedrih Wilhelm 
Raum gegeben! | 


Roch o w (fähre auf) 
Was war das? 


Kracht 
Da draußen —? 


Roſch o w 
Die Stimme — die Stimme eben —? 


Dritter Auftritt 
ee Wilhelm (in Hut und Mantel, tritt von rechts auf. Die Tür ſchließt 
& hinter ihm. Kracht und Rochow ftehen in äußerfter Verblüffung links am Zifche. 
38 Wilhelm geht langſam einige Schritte auf den Tiſch zu, bleibt dann ſtehen, 
lüftet den Hut, den er wieder auf den Kopf jest) 
Friedrich Wilhelm 
Ich bringe den Herren Bericht: 
Wartet des Schweden länger nicht, 
Er wird nicht kommen. 
(Rochow und Kracht ftarren ihn wortlos an) 


Der Bote, den ihr zum Stahlhans gefandt, 
Hat einen anderen Weg genommen: 
Goldader ift tot. 


Roſch o w 
Das walte die Not! 


Friedrich Wilhelm 
Der brandenburgiſche Oberſt von Burgsdorf 
Erſchlug ihn mit eigener Hand. 


Kracht (taumelt zwei Schritte rückwärts 
Wir find in den Graben gerannt! 


un, 


r Siebenter Vorgang 373 





Vierter Auftritt 


Bärwolf (reift die Tür auf) 


Bärwolf 


Oberſt von Burgsdorf fteht vor dem Tor 
Bon Berlin —! Was fol’n wir tun? 


Sriedrih Wilhelm wuhig zu Kracht) 
Öffnet dem Burgsdorf. 


Kracht (ſteht unſchlüſſig) 


Rochow Giſcht Kracht ins Ohr) 
Doppelte Riegel davor! 
Friedrih Wilhelm 
(zu Rracht, ohne auf Rochow zu achten) 
Ihm zu öffnen, hab’ ich befohlen. 
(Kracht greift nach feinem auf dem Tifche liegenden Hute) 


Roſch o w (wie vorhin) 
Was tuſt du? 
Kracht (wie betäubt) 
Soll mich der Teufel holen — 
Ich weiß nicht — 


Friedrich Wilhelm furchtbar zu Kracht) 
Warum zaudert Ihr? 


Kracht 
(chrickt auf, rafft ſich zuſammen, wirft noch einen Blick auf Rochow, tritt auf den 
Kurfürſten zu, verneigt fich) 


Sch gehorche, 
(Er geht mit Bärwolf fchnell nach rechts ab; 
Roſch o w 
Feigling! Elender Wicht! 
Wohin gehſt du? 
(Er macht Miene, ſich Hinter ihm drein zu ſtürzen) 


Sriedrih Wilhelm 
(£ritt ihm mit einem halben Schrift in den Weg) 
Zu feiner Pflicht. 


Und nun find wir allein. 


374 


Der neue Herr 





Roſch o w 
(weicht langſam, Schritt für Schritt zurück) 
Mahnt nicht daran; 
Es möchte Euch nicht zum Segen ſein! 


Friedrich Wilhelm (ſteht unbeweglich) 
Aber dir kann's gedeihn. 
Du wollteſt die Cöllniſche Vorſtadt verbrennen — 
Der Kurfürſt hat Tod drauf geſetzt, 
Wer ihm die Häuſer verlegt. 
Gut, daß es kam, wie es fam. 
Der Schwede wird nicht anrennen, 
Die Häufer werden nicht brennen, 
Der Kurfürft fchweigt, und es fpricht der Mann, 
Rochow, zu dir, der dich lieb gewann: 
Dein AUnfchlag ift zerfchellt — 
Deine Genoffen verlaffen dich — 


"Draußen find Taufende — 


UN die Taufende haſſen did — 
Dich liebt nur einer noch auf der Welt, 
Ein Sreund, ein legter — ich. 
Roſch o w 
(blickt mit lauernden Augen umber) 
So laßt mich von dannen gehn, 


Sriedrih Wilhelm 
Nein, das kann nicht gefchehn. 


Roſch o w 
Was alſo dann? 
Friedrich Wilhelm 
Unrecht haſt du an mir getan — 


Beuge dich — 
(er ſtreckt die Hand aus) 
Gib dich in meine Hand. 


Roſch o w 
Mich — ergeben? 
Friedrich Wilhelm 
Glaub' mir, es iſt noch dieſelbe, 
Die ſich zu Rhena in deine fand; 


Siebenter Vorgang 375 





Sie wird dich wahren vor Strafe und Schand’, 
Uber ergib dich mir. 


Roſch o w 
(ſpringt zurück, greift an den Degen) 


Gebt mir — den Ausgang frei! 


Sriedrih Wilhelm 
(kreuzt jcehweigend Die Arme über der Bruft, blickt ihm ftarr ins Geficht) 


Roſch ow (reißt den Degen heraus) 
Sp wehrt Euch! 


Friedrich Wilhelm 
Mich ſchützt ein anderer vor dir, 


Robom 

(ftürzt auf ihn los, faumelt zurüd, der Degen fällt ihm aus der Hand) 
Meine Hände — gehorchen mir nicht — 
Die eigenen Glieder 
Berfagen mir die Pflicht — 

(er fällt auf einen Stuhl am Tiſche) 
Ihr Habt mich um meine Mannheit gebracht ! 
Habt mich zum Schächer gemacht! 
Fluch auf Eu! 

(Außerhalb der Szene ——— * en 38 Stimmen und Schritten, 
Friedrich Wilhelm (in tiefer Bewegtheit) 

Morig Auguftus — 
Hörft du, wie fie fich draußen fammeln? 
Hörſt du die Stimmen? Pie Schritte? 
Der Rurfürft fteht draußen in ihrer Mitte; 
Daß er die Schwelle überfchreite, 
Rochow, erwarte es nicht! 
Denn es kommt in feinem Geleite 
Zene, die Freund und Feind nicht kennt, 
Die blinde, die taube Pflicht! 
Daß ich dich vor dem Kurfürften rette, 
Mach’ es mir möglich, ſprich — 
Rochow — ich bitte dich — 
Nur ein Wort zu deinem Freunde, 
Daß wider Recht du tateſt — 


376 Der neue Herr 





Roch o w (ipringt auf) 
Nein — 

Dazu müßte ich kein Soldat, 
Eine Krämerſeele müßt' ich ſein! 
Recht war's, daß ich den Schweden rief, 
Denn ich wollte den Helden wecken, 
Der, ſo dacht' ich, in Euch ſchlief. 
Aber Ihr ſeid nicht der Held, 
Den ich einſtmals in Euch ſah! 
Mir gefällt nicht, was Euch gefällt. 
Lebt denn in Eurer Friedenswelt, 
Dahin folge ich nicht! 


Friedrich Wilhelm (ruft laut nach der Tür) 
Dberft von Burgsdorf! 


Fünfter Auftritt 


Burgsdorf (hinter dem man) Dragoner (fieht, erfcheint auf der Schwelle; im 
jelben Augenblick erfcheinen andere) Dragoner (an den Fenſtern links, Die Fenfter 
von Draußen aufſtoßend) 


Sriedrih Wilhelm 
(zu Burgsdorf, auf Rochow zeigend) 
Tut Eure Pflicht. 


(Rochow Hat beim Eintreten Burgsdorfs den Degen aufgerafft und ift auf Die Treppe 
zurüctgewichen) 


Burgsdorf f 
(hinter dem einige Dragoner eingefreten find, fut einen Schritt auf Rochow zu) 


Ergib dich, Rochow. 


Roſch o w 


Dir mich ergeben? 
Du Verräter deiner Kameraden, 
Du Krummbuckliger vor Fürſtengnaden, 
Dir mich ergeben? 
Du auf zwei Beinen wandelnde Peſt, 
Burgsdorf, halt dein Leben feſt! 
Wahr’ dich, der Rochow kommt! 


(Er kommt in großen Sägen die Treppe herab, auf Burgsdorf au in vem Augen- 
blick feuern die Dragoner vom Fenfter aus ihre Rarabiner auf ihn ab: er taumelt 
und fällt auf die unterften Stufen nieder, wo er regungslos liegen bleibt) 


Siebenter Vorgang 377 





FSriedrih Wilhelm tritt zu ihm heran) 
Rochow — — 


Rochow (komme zu fich) 
Die Claudine — ſoll nicht fingen — 
Wer die Rochows — nicht leiden will — 
Du ſollſt nicht — Stil — Stil — — 
(ſinkt zurück, ftirbt) 


Friedrih Wilhelm 
(jteht, über den Toten gebeugf) 
Einft mir fo nah — nun fo weit — 
Moris Auguſtus — 
Braufender Strom der Männlichkeit, 
Wie fo verloren gehſt du hinab 
Ruhmlos ins unfruchtbare Grab, 


Sechfter Auftritt 


u Schönbrunn, Trumbach und Frieſen (find, während der Rurfürft 
bei Rochow fteht, von ihm unbemerft eingetreten, fie ftehen mit abgezogenen Hüten. 
Auf dem linken Treppenabfag oben ift gleichzeitig, vorfichtig nach unten ſpähend) 
Birkentiſch (erichienen) 
Friedrih Wilhelm 
(wendet fich, bemerkt Die Eingefrefenen) 
Der Prediger Bergius? 


Bergiusg 
Gnädiger Herr, 
Drunten im Keller, in Angſt und Bangen, 
Liegt ein elender Menfch gefangen. 


Friedrih Wilhelm 
(greift in die Brufttafche, Holt das Urteil hervor) 


Beinah vergaß ih — bringt ihn ber. 


Schönbrunn 
(geht raſch an die Treppe, winkt Birfentifch herab; leiſe flüfternd) 


Habt Ihr die Schlüffel, Herr Birkentifch ? 
Na denn munter — frifch. 


(Beide ab in die KRellertür, zwijchen den beiden B—— Es tritt eine tiefe, 

erwartungsvolle Stille ein; während derſelben ſtrömen Männer und Frauen des 

Volkes zur Türe rechts herein; an den Fenſtern links erſcheinen jolche gleichfalls 
und mit ihnen Kinder) 


378 Der neue Herr 





Siebenter Auftritt 
Nidel Wolltopp, Frau Blechſchmidt, Liefe Blechſchmidt (kommen rech 
und bleiben Dicht innerhalb der Tür Stehen) Jakob a Hm 
brunn, Birkentiſch (fommen langjam aus der Kellerfür, e flüfternde Be 
wegung geht Durch Die Menge: „Der alte —S—— 
Frau Blehjhmidt (mit unterdrücktem Laute) 
Ach — 


(Frieſen wendet ſich nach ihr um, bedeutet ihr, zu ſchweigen) 


Wollkopp 
(legt ihr die Hand auf den Mund, flüftert) 


Man ftile — 


Friedrih Wilhelm (winkt Blechſchmidt zu fich heran) 
Blut ift durch dich gefloffen — 
Eine Tat, unbeilvoll und ſchwer — 
Uber für deines Hauſes Ehr’, 
Weiß ich, haft du's vergoffen. 
Männer will ich, Feine Rechte, 
Männer verteidigen ihre Rechte. 
(Er hebt das Urteil empor) 
Buchſtabe ſaß zu Geriht — 
Gnade macht ihn zunicht — 
Geh hin in Freiheit, lebe! 
(Er reißt das Blatt durch, wirft die Ser an den Boden; tiefe Bewegung im 


Satob 
(fat ihm zu Füßen, küßt ihm die Hand) 
Gott ſegne Euhl Gott fegne Euch! 
(Er blickt auf, gewahrt feine Frau und jeine Tochter) 
Und da — 
(er breitet Iniend die Arme aus, Frau Blechſchmidt ftürzt fich in feine Arme) 


Frau Blechſchmidt 
Jakob! Mein Alter! Mein Jakob! 


Safob 
Und die Liefe — auch wieder da — 


Lieſe 


(ihn unter Tränen umarmend) 


Ja Vater! Ia Vater! Ja! 


Siebenfer Vorgang 379 





Nidel Wollkopp 
(läuft um die Gruppe, bald den einen, bald den andern auf Ropf und Rüden 


klopfend) 
Meeſter! 
Oller juter Meeſter! 
Und die Frau Meeſterin! 
De jute Meefterin! 
(Er wijcht fich die Augen) 
Sott, Rinder, die Freude! 
(Stürzt auf Trumbach zu, umarmt ihn) 
Herr Trumbach! 
(Stürzt auf Sriefen zu, umarmt ihn) 
Herr Friefen, die Freude! 
(Er fteht einen Augenblid, dann fällt er dem Rurfürften zu Füßen 
Euer Inaden, — Herr Kurfürſt — 
SE bin man en dämlicher Kerl — 
Aber wenn Ihr mal einen braucht, 
Der fich für Euch totjchlagen läßt, 
Damit, daß Ihr's nich verjeßt, 
Hier is er und heißt Nickel Wollkopp! 


| Sriejen 
Nicht du allein, 
Das tun wir alle! 


Das ganze Volt 
Wir alle! Alle! 


Die Kinder 
(am Fenfter, ſchwingen die Rappen) 
Wir auh! Wir auch! 


(Sie fpringen zum Fenſter herein) 


Burgsdorf 
(tritt lachend unter Die Kinder) 

Gnädiger Herr, der Tag bricht an, 
Hört Ihr die jungen Hähne krähn? 
Lauter Eeine Refruten | 
Ihr ſollt's erleben und fehn: 
Die Jungens werden fich fputen, 
Werden wachfen in Eure Hand, 
Eine Wehr und Waffen dem Vaterland ! 


380 Der neue Herr 





Friedrih Wilhelm 
(veckt fich, aus tiefem Sinnen, fröhlich auf) 

Die Bürgfchaft nehm’ ich an! 
(Er ergreift einen der Knaben, jchwingt ihn in feinen Armen empor) 
Du meines Volkes Kleiner Sohn! 
Mein Reichsapfel, Zepter und Kron', 
Sn meinen Armen halt’ ich dich, 
Deines Glüds und Lebens walte ich! 


Burgsdorf, —— Trumbach, Bergius, 


chönbrunn 
Heil dir, Kurfürſt! 
Heil dir, Friedrich Wilhelm! 


Das Volk 


Friedrich Wilhelm! 
(Der Schrei pflanzt ſich fort, jo Daß man außerhalb der Szene „Friedrich Wilhelm“ 
rufen hört) 


Vorhang fällt 


Ende des Stüces 











N N 














Derjonen 


Balzer, Uhrmacher 

Frau Balzer 

Lotte, beider Tochter 

Witwe Mühlich 

Dtto, ihr Sohn, Gehilfe bei Balzer 

Anton Grottfe, ehemals Gehilfe bei Balzer 
Käthe Grottke, feine Schwefter 
Briestomw, Schulze 


F nge, Gemeinde: } im Dorfe Rofengarten 
. hoff, Verordnete 
Köhler, 


Schmiedike, Gaſthauswirt im Dorfe Roſengarten 
Wilhelm, \. ; ; ; 
Minna, h im Dienfte bei Schmiedife 

Arbeiter. Arbeiterinnen. Dorfbewohner. 


Drt: Eine kleine märfifche Stadt. 
Zeit: Gegenwart. 


Eriter Akt 385 





Eriter Akt 


Szene: Zimmer bei Balzer. Ein Heinbürgerlicher Raum. Un der 
linfen Seite zwei mäßig große Fenſter, beide geöffnet, Durch die man 
in die grünen Büfche eines Gärtchens hinausblict. Vor jedem der 
Fenſter fteht ein Tiſch und auf jedem der beiden Tifche liegen 
Beftandteile von Uhren. Eine Tür im Hintergrund; eine zweite Tür 
mit einer Glasfcheibe im oberen Teil, die fich auf- und niederflappen 
läßt, in der rechten Wand. Swifchen diefer Tür und dem Dfen, der 
in der hinteren rechten Ede fteht, ein einfaches Sofa; an der anderen 
Seite der Tür, rechts an der Wand, ein runder Tifch, oe welchem 
einige Bücher liegen und ein Goldfifchbehälter fteht. An dieſem 
Tiſche zwei Stühle, an die Wand gerüdt. An den Wänden Des 
Zimmers hängen mehrere Pendeluhren. Ein großes rundes Siffer- 
blatt, dem Umfange nach für eine Turmuhr beftimmt, lehnt an dem 
Tiſche, welcher vor dem vorderen der beiden Fenfter fteht. An der 
Wand rechts, über dem Sofa, ein Wandfalender. Es ift früher 
Morgen; Sonnenfchein 


Eriter Auftritt 


Balzer (fist an dem Ahrentiſche vor dem erften Fenfter) Otto (fist an dem Ahren⸗ 
tiſche vor dem zweiten Fenfter) 


(Beide arbeiten, auf ihre Tiſche gebeugt, ftumm vor fich hin, fo daß man feinen 
Laut im Zimmer hört, als nur das Ticken der Ahrenpendeh 


Zweiter Auftritt 


Lotte (kommt aus der Tür im Hintergrunde. Ste trägt einen Rorb in der Hand, 

in dem ein Stricftrumpf und zwei Fliederdolden liegen. Ste geht hinter Otto und 

Balzer vorbei und wirft jedem über den Kopf weg eine Flieverdolde auf den Tifch. 

Nachdem * dies getan, geht ſie an den runden Tiſch, der rechts an der Wand ſteht 

und ſtellt den Korb darauf, ſetzt ſich an den Tiſch, nimmt ihren Strickſtrumpf heraus 

und fängt an zu ſtricken. Balzer und Otto haben nicht aufgeſehen. Das anfäng- 
liche Schweigen herrſcht noch einige Zeit lang fort) 


Balzer (ohne aufzufehen) 
Sit das die Lotte? 


Lotte 
Es iſt die Lotte. 


Balzer (mad einer Pauſe) 
Dder die Motte? 


Lotte 
Vielleicht auch die Motte. 


Balzer (mach abermaliger Pauſe) 


Etwa gar die Marmotte? 
Dramen X 25 


386 Meifter Balzer 





£otte 
E3 wird die Marmotte fein. 
(Paufe) 
Dtto 
ber Lottchen — einem fo den lieder auf die Llhrräder 
zu werfen. 


Lotte (ohne aufzujehen) 


Hm? 
Dtto 
Wo alles fo voll Tau hängt. 
Lotte 
Werd' ihn wohl nicht abgewiſcht haben vorher? 
Balzer 
Wird ihn ſchon abgewiſcht haben vorher. 
Dtto 


Sp ein Tröpfchen bleibt immer leicht hängen. 


Lotte 


(ſeht auf, geht hinter Otto, nimmt die Fliederdolde vom —3 wiſcht ſie an ſeinen 
Locken ab, hält ſie ihm dann vors Geſicht) 


Nu trocken? 
Otto 
Scheint ja. 


Lotte (Hält ihm die Dolde unter die Naſe) 
Mal riechen — gut? 


Otto 
Kann ſo bleiben. 
Lotte 
(wirft die Dolde auf den Tiſch — — Wange an Ottos Kopf und flüſtert 
r 


Dummkopf! 
(Ste geht an ihren Platz zurück und nimmt ihren Strickſtrumpf wieder auf) 


e i Balzer (wie vorhin) 
otte — 


RR Lotte 
m? 


Erfter Akt 387 





Balzer 
Was will denn die Motte? 
Lotte 
Dabei ſein. 
Balzer 
Wo dabei? 
Lotte 
Bei Vater und Otte. 
Balzer 
Weiter nichts? 
Lotte 
Iſt genug. 
(Paufe) 
Balzer 
Lotte? 
Lotte 
Som? 
Balzer 


Warum bift du denn fein unge geworden ? 


Lotte 
Weil ich dann nicht Vaters Motte ſein könnte. 


Balzer 
Wenn du nu kein Mädchen wärſt, was möchteſt du denn 
dann ſein? 


Lotte 
Eine Uhr. 
O tto (lat vor fich Hin) 
Sp ein Tafchenuhrchen? Nicht? 


Lotte 
Nein — eine Wanduhr. 


Otto 
Wenn du eine Ihr wär'ſt, müßte dich Vater aber doch ver- 


faufen? Und dann fommft du aus'm Haus? 
25% 


388 Meifter Balzer 





Lotte 
Wenn ich aus'm Haus käme, bliebe ich ſtehn. 
Balzer 
Immer nur an der Wand hängen? 
Lotte 
Und dabei ſein — ach — 
Balzer 
Was wird denn da geſeufzt? 
Lotte 
Es iſt ſo ſchön. 
Balzer 
Sp ſchön? Was? 
Lotte 


Alles. 

O tto (lacht vor ſich bin) 
Und da ſeufzt ſie — 
Lotte 
Vater, nicht wahr? Otte ift dumm? 


Balzer 
Ne gar nicht; Otte wird mal ein großer Uhrmacher werden. 


£otte 


(ipringt freudig auf, fritt hinter Dfto, nimme feinen Ropf in ihre Hände, ſchmiegt 
die Wange Daran) 


Dumm ift er aber doch — dummer Otte! 


Balzer (dreht fi auf dem Seffel herum) 
Nu fange ich mir einen Fiſch. Gängt fie in feine Arme, fest fie 
fih auf ven Shop) Kine Uhr möcht’ft du fein? 
Lotte 
Bin ja eigentlich ſchon eine; ſoll ich dir zeigen wie? 


en A Balzer 
a mal? 


Erfter Akt 389 





Lotte (legt die Arme um feinen Hals) 
Das ift die Unruhe. 
Balzer 
Das ift die Unruhe. 


Lotte (führt jeine Hand auf ihr Herz) 
Und da drin — da ift die Spiralfeder, 


Balzer (lacht übers ganze Geftcht) 
Was das Mädchen weiß | «Er öffnet mit den Fingern ihre Lippen, 
jo daß man die Zähne fiehe) Und das ift das Zahnrädchen? Hm? 


£otte 
Das ift das Zahnrad, 


Balzer 
Dtte, fieb mal ber — ob wohl ein Uhrmacher auf der Welt 
folch ein Zahnrädchen zuftande bringt? 


Dtto (beugt ſich herüber) 
Hm — Ffann fo bleiben. 


Lotte 
(beugt ſich hintenüber, umfängt Pre geh mit beiden Armen, zieht ihn zu fich 
nieder 


Dappitoffel. 


Uber — Lotte —? 


Lotte (jagt ihm laut ind Ohr) 
Papp — Papp — Pappftoffel! | 
Balzer (fieht glücklich lachend auf fie nieder) 
Sp ein Balg — fo ein Fiſch — bift du mein Hauptbalg? 


> Lotte 
Bin Vaters Hauptbalg. 


Otto 


Balzer 
(richtet ſie auf, ſo daß ſie wieder gerade auf ſeinem Schoße ſitzt) 
Aber da könnt ihr nu mal ſehn, was die Ührmacherei iſt. 
Das haft du fo zum Spaß geſagt, daß du eine Uhr biſt; iſt 
aber gar fein Spaß; fo eine Uhr — das ift ein Menfch. 


390 Meifter Balzer 





Dtto 
Ja, wenn fie gut gebt. 


Balzer 
Wenn fie gut gebt — eine ſchlechte Uhr iſt überhaupt gar 
keine. Das iſt nicht ſo als wenn ein Tiſchler einen ſchlechten 
Tiſch macht — eine ſchlechte Uhr — das — iſt eine Sünde. 


Otto 
Dann laufen viel Sünden in der Welt 'rum. 


Balzer 
Seitdem, daß ſie die Fabriken haben, wo ſie die Uhren im 
Ramſch machen. Ja. — Aus Meiſter Balzer ſeiner Werkſtatt 
geht ſo etwas nicht aus. 


Otto 
Nein — von uns nicht. 


Balzer mimmt eine Taſchenuhr auf) 

Sp eine Uhr — aber fo find die Menfchen — da ſtecken 
ſie's in die Tafche, und von Hunderten ift noch nicht einer, der 
einmal daran denkt, was er da eigentlich mit fich trägt, Swifchen 
den zwei Dedeln von der hr, fiehft du, da ſtecken Sahrhunderte 
Menfchengeift und Menfchenarbeit. Und fo was wollen fie heut- 
zutage im Ramfch machen! 


£otte Gitierend) 
„Die Uhr ift die beivunderungsmwürdigfte Mafchine im Eleinften 
Raume.“ 


Otto 
Nu hört — woher haſt du denn das? 
Lotte 
Hab' ich geleſen. 
Otto 
Hat ſie geleſen. 
Lotte 


Warum denn nicht? 


Erfter Akt ..391 





Balzer 


Freilich auch, warum denn nicht? Sit * daß du ſo 
etwas lieſt. (Ce hält ihr die Ahr ans Ohr) Hörſt du das? 


Lotte 
Ticktack — ticktack. 


Balzer 


Das iſt ihre Seele, verſtehſt du? Und die macht ihr der 
Uhrmacher; und darum iſt fein Beruf ein hoher Beruf, ja, man 
fann jagen, etwas Heiliges. Was fagt die Motte dazu? 


Lotte 
Die hört bloß zu. 

Balzer 
Verſteht ſie's auch? 

Lotte 
Weiß nicht — aber es iſt ſchön. 

Otto 


Ja, Meiſter Balzer, wenn man Euch ſo reden hört, es iſt 
wirklich wahr, man arbeitet gleich noch einmal ſo leicht. 


Balzer 
Darum muß der Ahrmacher, der eine ſchlechte Seele in die 
Uhr fest, felber ein Schlechter Menfch fein. Darum find all die 
großen Uhrmacher, foviel in der Welt gelebt haben, ernite 
Männer gewefen, erhabene Männer, und haben fein Vergnügen 
gefunden an dem, was die anderen amüfiert, an Tanz und Spiel. 
Weil fie an ihre Aufgabe gedacht haben, an ihre große Aufgabe. 


Lotte 
Vater, nicht wahr? Solch einer biſt 9 auch? 


Balzer 
Na — mit den großen Uhrmachern, da kann ich mich mu 
nicht vergleichen. 
Otto 
Da möchte mancher anderer Meinung drüber ſein. 


Balzer 
So? 


392 Meifter Balzer 





Dtto 
Auf zehn Meilen im Umkreis wiffen die Leute, was es 
beißt, wenn einer eine Uhr hat, die Meifter Balzer gemacht bat. 


Balzer 
Iſt Schon gut. 
Lotte 
Laß ihn doch erzählen, Vater! 
Otto 


Und ſogar in Berlin kennen ſie Euch recht gut. 


Balzer 
Was weißt denn du davon. 


Otto 
Na — ſoviel weiß ich doch, daß der Berliner Herr, der 
die Uhrenfabrik hier angelegt hat — 


Balzer (fteht plötzlich auf) 
Davon fei fill! 
Otto 
Wie der fi) auf den Kopf ftellen würde vor Vergnügen, 
wenn Meifter Balzer in feine Fabrik einträte, 


Balzer 
Davon fol nicht gefprochen werden in meinem Haus! Nie- 
mals! 
Dtto 
Ich fage ja nur — 
Balzer 
Niemals! And niemals! (Er geht erregt auf und ab) 


Lotte (umarme ihn, ftreichelt ihn) 
Nicht fo böfe fein! 
Balzer 
Und du am wenigiten, Otto; verſtehſt du, du am wenigften 
follit davon reden! 


£ntte 
Er ift ja ſchon ſtill. 


Erſter Alkt 393 





Balzer 
Denn das — na es iſt gut. — Wovon ſprach ich? Ja — 
ſiehſt du, Lotte, über ſeinen Schatten kann niemand ſpringen, 
und mehr aus ſich herausgeben, als in ihm iſt, kann niemand. 
Ich bin nun, was ich bin — und fleißig bin ich ja geweſen, 
das kann ich ſagen. (Er legt die Hand auf Ottos Saupth Aber hier iſt 
einer, ſiehſt du — aus dem wird mal was werden, der wird 

mehr ſein, als der alte Balzer war. 


Otto 
Na na — Meiſter Balzer? 


Balzer 
Laß du mich reden; ift dir feine Schande und gefchmeichelt 
auch nicht. Sichere Hand und ficheres Auge, das haben andere 
auch. Uber das allein macht die Uhr nicht. Die Uhr ift ein 
Runftwerk, dazu braucht man das Innere. Und das haben die 
anderen nicht, und du haft es. 


Dtto 
Das hab’ ich von Euch befommen, Meifter Balzer. 


Balzer 
Das wäre nicht gut; jo was befommt der Menjch nicht 
vom Menschen, fo etwas muß er mit fich bringen, das befommt 
er von Gott. Und du haft’s mitgebracht. Das hab’ ich gewußt, 
als du hier hereingefommen bift zu mir, bier in die Stube zum 
erftenmal und ich dir in die Augen gefehen habe. Weißt du 
das noch? 
£otte 
Gerade Mittag hat's gefchlagen, als er gekommen: ift. 


Balzer 
Sieht du, wie die Motte aufgepaßt hat? — ber fie bat 
vecht. Gerade Mittag hat's gejchlagen Geigt auf eine Pendeluhr an 
der Wand) und die Alte da iſt's gewefen. (Er geht an die Pendeluhr, 
fteeichett fi) Die Alte — die hat ſchon manches gefehn, Wie 
die Motte zur Welt gekommen ift, ift fie auch fchon dagewefen — 


Lotte 
Hat ſie ſich gefreut, als die Motte gekommen iſt? 


394 Meifter Balzer 





Balzer 
Das weiß ich nicht, denn was fo eine alte Pendeluhr ift, 
fiebft du, die ift immer ruhig, immer ruhig. „Nu ift fie da“ 
bat fie gefagt. 
Lotte (umhalſt ihn) 
Nun ift fie dal 


Balzer 
Un der Alten, ſiehſt du, hab’ ich mein Meifterftück gemacht; 
das ift das Liebjte, was ich habe, und wenn die Motte mal 
heiratet, dann kriegt fie die mit. 


Lotte 
Nein, Vater! 

Balzer 
Na? 

Lotte 


Die muß hier bleiben, immer hier an der Wand. 


Balzer 
(hat den linken Arm um Lotte, den rechten um Otto geſchlungen) 
Kindskopf — wer ſagt denn, daß es nötig iſt, daß du aus’m 
Haus fommft, wenn du mal heiratet? 


Lotte 
(verbirgt kichernd ihr Geſicht an feinem Halſe) 
Uber Vater — 
Balzer 


Was gibt’3 denn zu lachen? 


Lotte 
Der — der Otte macht ſo ein dummes Geſicht. 


Otto 
Immer hat ſie's mit mir. 


Balzer 


Immer hat ſie's mit dir — ihr Kinder — (üßt beide nach- 
einander auf den Kopf) Ihr Kinder. 


Erjter Akt 395 





O tto (ergreift Balzers Hand) 
Vater Balzer, es ift wirklich wahr, manchmal weiß ich doch 
gar nicht, wie ich Euch für alles danken fol. 


Balzer 


Tu's nicht mit Worten, tu's mit der Urt, w. du bift. 
Denf an die alte Pendelubr, denk immer an die alte Pendel- 
uhr; das Geſetz, das die in ihrem Leibe trägt, ſiehſt du, das ift 
das Gejet der Welt. Gang und Hemmung — fo heißt's — 
da ſteckt's. Gang und Hemmung — das hat Sahrhunderte ge: 
dauert, bis daß fie dahinter gefommen find, wie fie e8 machen 
müßten, daß fie die laufende Welle am AUblaufen verhinderten — 
endlich haben fies doch 'rausgekriegt. Die Menfchen find Klug 
— ja ja — wenn man wüßte, wer der Mann gewefen ift, der 
zum erjten Male das Rad in der Hemmung fing — ein Den: 
mal müßte man ihm aufbau’n größer als allen Feldherren der 
Welt! 


Dtto 
Weiß man’s nicht? 
Balzer 
Einige meinen, der Pazifikus von Verona fei e8 geweſen — 
andere wieder jagen, der Mönch Gerbert von Auvergne — den fie 
fpäter zum Papft gemacht haben. Wenn der’s gewejen ift — 
na es iſt wahr, — dann hat er’s verdient, daß er Papft ge- 
worden it. 


Lotte 
Gott — Otte —? 

Otto 
Na? 

Lotte 


Dann wirſt du am Ende auch noch einmal Papſt? 


Otto 
Aber Lotte — 


Lotte 
(nimmt Ottos Kopf in beide Hände, zieht ihn tänzelnd im Zimmer umher) 


Dite wird Papft! Otte wird Papft! 


396 Meifter Balzer 





Dtto (fträubt fich) 
Uber Lotte — aber Lotte — 


Balzer ſchlägt ſich aufs Knie) 
Ss ein Balg! Sp ein Fifch! 


Lotte 
Vater, gib mal den Blauſtift her. 


Balzer 
(holt aus der Weſtentaſche einen Stift vor) 


Was ſoll's denn? 


Lotte 
(ergreift den Stift, läuft an den Wandkalender, der über dem Sofa hängt) 
Ein Tag wird wieder ausgeſtrichen! (Ste ſtreicht an dem Kalender 
einen Tag aus) Gebt ſind's bloß noch acht Tage, dann geht’8 nach 
Rofengarten 'raus! 


Balzer «tritt an den Kalender) 


Wahrhaftig? 
Lotte 

Da ſiehſt du's. In acht Tagen iſt Himmelfahrt! 
Balzer 

Iſt wirklich wahr. 
Lotte 


(rafft eine Zeitung vom Tiſche auf) 

Im Anzeiger ſteht's: „Zu Himmelfahrt großes Kegelfeſt in 
Roſengarten, in Schmiedikes Gartenlokal.“ Vater, der große 
Garten, weißt du? mit den großen Linden — wo die langen 
Tiſche drunter ſtehn mit den Bänken daran — wo wir immer 
Kaffee getrunken haben. Gott Kinder, wird das ſchön! 


Balzer 
Freilich, wenn ich zu meinen Roſengartnern komme, das iſt 
immer gute Zeit. 
Lotte 


Und die Kegelei! Vater ſchiebt alle Neune und Otte Achte 
um den König! 


Eriter Akt 397 





Dtto 
Nur nicht zu hitzig. 


Lotte (cnickſt ſpöttiſch vor Otto) 
Sie ſcheinen fich nicht fehr zu freuen, Herr Otto Mühlich? 
Sie willen wohl gar nicht, was Rofengarten ift? 


Dtto 
Nu fol ich nicht wiffen, was Rofengarten ift. 
Lotte 
Daß das ein ſehr berühmter Ort iſt? 
Otto 
Ein berühmter Ort? 
Lotte 


Wo der große Uhrmacher geboren iſt? Der Herr Otto 
Mühlich? Den fie früher, als er noch nicht berühmt war, den 
dummen Otte nannten? (Fat ihn an beiden Ohren) Gott — Otte — 
freuft du dich denn gar nicht ein bißchen? 


Dtto 
Sch freue mich ja. 


Lotte ſchüttelt ihn) 
Sch freue mich ja — mu — mu — alter Mu-Ropf. 


Balzer 
(bat fich niedergefest und Die große Ahrenſcheibe vorgenommen) 


Uber Kinder, wenn’s fo nah’ vor der Tür fteht, daß wir 
nach Rofengarten gehn, dann muß ich mich dran halten. Lotte, 
diesmal werden die Rojengartner fich freuen, wenn ich zu ihnen 
komme. 

Lotte 


Bringſt du ihnen was mit, Vater? 


Balzer 


Na beinah — e8 ift zwar noch nicht fertig, aber bald. Seit 
einem Sahr bin ich darüber her. 


Lotte 
Was wird's denn? 


398 Meifter Balzer 





Balzer 


Eine neue Turmuhr will ich ihnen machen. Gie haben da 
fo einen alten Rumpelfaften, weißt du, der zu nichts mehr taugt. 
Nu Hab’ ich ihnen das Ding alle Jahr wieder aufgemöbelt, 
daß es leidlich ging, aber nu will die Schartefe partout nicht 
mehr weiter, 

Lotte 


Und nu machſt du ihnen eine ganz neue? 


| Balzer 
Nu mach’ ich ihnen eine ganz neue. 


Lotte 
Siehſte Vater, das iſt nett. 


Balzer 
Ja, und dazu hab' ich mir alles mögliche ausgedacht, was 
den Roſengartnern Spaß machen ſoll, denn das wäre doch lang- 
weilig, wenn da oben immer bloß fo ein weißes Sifferblatt 
runterguckte, und nichts weiter? ; 


£otte 
Das wäre langweilig. 


Balzer 
Siehſt du, darum hab’ ich mir ausgedacht: über der Uhr 
ift ein Haus, und das hat drei Türen, eine große in der Mitte 
und zwei Kleinere zu beiden Geiten daneben. Und wenn's volle 
Stunde ift, dann gehn die Türen auf und aus den Türen da 
fommt etwas heraus, 


Lotte 
Da kommt etwas heraus; was fommt denn ’raus, Vater ? 


Balzer 


| Aus der Tür in der Mitte, da kommt der alte Kaiſer 
Wilhelm. Aus der Tür rechts der Bismarck und links der 
Moltke — 


Lotte (Hatjcht jelig in die Hände) 


Erjter Akt 399 





Balzer 


nd fo oft als nu die Stunde zählt, nehmen die beiden den 
Helm ab und rufen Hurra | 


& Lotte (jehlägt in die Hände) 
urra! 


Balzer 
nd wenn fie fertig find, dann legt der alte Wilhelm die 
Hand an den Helm und dreht den Kopf einmal zu Bismarck 
und einmal zu Moltle, und dann machen fie alle drei kehrt — 
und Happ gehn die Türen wieder zu. 


£otte 


Gott aber Vater, das ift ja zu reizend! Otte — was fagit 
denn du dazu? Sagſt du gar nichts? 


Otto 
(der wieder über ſeinen Tiſch gebückt ſitzt) 


Ich höre ſchon. 
Balzer 


Aber das iſt noch nicht alles. Unter der Uhr, ſiehſt du, da 
machen wir eine runde Galerie, und in der Galerie da läuft 
ein Figürchen 'rum, jeden Monat ein anderes, immer wie's für 
den Monat paßt, ſo daß die Roſengartner immer gleich ſo 'ne 
Art Kalender mit der Uhr zuſammen haben. Alſo im Januar, 
ſiehſt du, da kommt ein Schneemann, und im Februar ein 
Faſchingsnarr mit 'ner Kappe auf'm Kopf; dann im März 
ein Ackersmann mit Pferden und Pflug und im April ein 
Sämann. — 


Lotte 
Weißt'e, Vater, und im Mai, da muß ein altes Frauchen 
kommen, mit 'ner Spargel-Kiepe auf'm Rücken. 


Balzer 
Gut — kommt 'ne alte Frau mit 'ner Spargel-Kiepe. 
Und im Juni — 
Lotte 


Da kommt ein kleines Mädchen mit 'nem großen Blu— 
menſtrauß. 


400 Meifter Balzer 





Balzer 
Und das fieht fo aus wie die Motte, 
Lotte 
(reibt ſich die Knie vor Entzücken) 
Uch — | 
Balzer 


Dann im Zuli kommen drei Heine Züngelchen mit Bade: 
böschen, im Auguſt einer mit der Genfe, und im September 
fommen fie mit dem Ernteivagen. 


Lotte 
Und im Oktober ein Jäger mit'm Hund! 


Balzer 
Kommt ein Jäger mit dem Hund. Aber im November — 
weißt du, was da kommt? 


Lotte 
Na mal? Na mal? 
Balzer 


Da kommen zwei alte Weiber, von denen hat die eine einen 
Kaffeetopp und die andere eine Schnupptabaksdoſe. 


Lotte (Ereiſcht vor Entzücken) 
Eine Schnupptabaksdoſe! Eine Schnupptabaksdoſe! 


Balzer 
Und dann im Dezember, da kommt der Weihnachtsmann. 


Lotte 
dift lachend und pruſtend im Zimmer umbergelaufen, fällt dem Vater um den Hals) 


Ne, Bater, Vater, was werden die fich freuen! Was 
werden die Rofengartner fich freuen! 


Balzer 


Nicht wahr? Und wenn fie recht zufrieden find, dann 
mach’ ich ihnen fpäter noch etwas, 


Lotte 
Immer noch mehr? 


Erſter Akt 401 





Balzer 


Etwas ganz Extraordinäres, aber das fordert Zeit: ein 
Glockenſpiel mach' ich ihnen. 


Lotte 


Ein Glockenſpiel! Nu hör' doch nur, Otte. Vater macht 
den Rojengartnern ein Glodenfpiel! 


Otto 
Ich hör' ſchon. 
Lotte 


Was wirſt du ſpielen laſſen, Vater? Etwas recht Fröhliches, 
nicht wahr? Wo einem ſo das Herz im Leibe dabei lacht? 
Nicht wahr? 


Balzer 
Siehſt'e ſo hab' ich's mir auch gedacht! Ich hab' nämlich 
lange drüber ſimuliert, aber nu hab' ich's 'raus: „Freut euch 
des Lebens“ laſſe ich die Glocken ſpielen. 


Lotte 
(tanzt im Zimmer umher, ſchlägt in die Hände) 
Solch ein Mann! Solch ein Mann! (Sie fängt an zu fingen) 
Freut euch des Lebens — ſie geht zu Balzer, umarınt ihn im Weiterfingen) 


Balzer 
(fest in ihren Gefang ein, beide fingen zufammen weiter) 
Weil noch das Lämpchen glübt, 
Pflüdet die Rofe 
Eh’ fie verblüht. 


Dritter Auftritt 


(Die Glasſcheibe in der Tür rechts. wird von außen niedergellappt) 


Frau Balzer 
(ſteckt den Ropf Durch Die Klappe) 
Na — bier ift wohl Srühlonzert? Und koſtet nicht ein- 
mal Entree? 


(Balzer und Lotte haben den Gefang jäh abgebrochen; Lotte ift zurückgetreten, Balzer 
wendet fich an feine Arbeit zurüc, indem er Die große Ahrenſcheibe fortſtellt) 
Dramen X 26 


402 Meifter Balzer 





Balzer (für fih Hin brummend) 

Sft doch wohl fein Unrecht, wenn der Menſch am frühen 
Morgen ein fröhliches Lied fingt? | 
Lotte 

Mutter, weißt du denn was es war, was wir gejungen 
haben ? 


Frau Balzer (tritt ein) 
Hab's ja gehört — Ihr freut Euch des Lebens. 


Lotte 
Na ja, aber ich meine, was das für 'nen Zuſammenhang 
hat? Das iſt die Melodie von dem Glockenſpiel, das Vater für 
die Roſengartner macht. 


Frau Balzer 
Ein Glockenſpiel für die Roſengartner? 


Lotte 
Eine neue Turmuhr mit einer Menge wunderſchöner Sachen, 
und ſpäter ein Glockenſpiel. Was ſagſt du dazu? 
Frau Balzer (legt Hut und Äberwurf ab) 
Haben die Rofengartner fich denn das beitellt? 


Balzer (drumme) 


Lotte 
Wo werden ſie denn — es ſoll ja eine Überraſchung ſein. 


Frau Balzer 
Das müſſen ja liebe Leute ſein, für die man ſich ſolche 
Mühe gibt. 
Balzer 
Sind ſie auch, gute Leute. 


Frau Balzer 
Wenn ihre Eier nur billiger wären. 


Balzer 
Ihre — Eier? 


Erſter Akt 403 





Frau Balzer 
Weißt du was die Mandel in Roſengarten koſtet? 


Balzer 
Ach — it ja langweilig. 


Frau Balzer 
Langweilig mag’s fein, billig ift es nicht. Und daß fie ung 
die Butter fchenkten, ift mir auch nicht bewußt. 


Lotte 
Na, aber Mutter —? 


Frau Balzer 
Was? 
Lotte 
Wie ſollten denn die Roſengartner dazu kommen, uns die 
Butter zu ſchenken? 
Frau Balzer 
Wenn Vaͤter ihnen eine Turmuhr ſchenkt? 


Balzer 
Was das nun wieder heißen ſoll — 


Frau Balzer 
Und ein Glockenſpiel und alles mögliche dazu? 


Balzer 
Wer ſagt denn, daß ich's ihnen ſchenken will? 


Frau Balzer 
Wenn ſie die Uhr doch gar nicht beſtellt haben? 


Balzer 
Als ob man alles vorher beſtellt haben müßte, was 
man kauft! 
Frau Balzer 
Was werden fie dir denn bezahlen für deine Turmuhr? 


Balzer 


Wie fol ich das denn heut fchon wiſſen? 
26* 


404 Meifter Balzer 





| Frau Balzer 
Wenn du ’ne Uhr machft, mußt du doch auch die Rechnung 
dafür machen? 
| Balzer _ 
Wird ja gefchehen, wenn’s ſoweit ift. 


Srau Balzer 


Wenn's foweit if. Das mußt du doch jest ſchon willen, 
wieviel Zeit daß du an die Uhr verwendet halt? 


Balzer 
Na natürlich. 
Frau Balzer 


Und wenn du das Gefchäft mit ihnen abmachſt, mußt du 
ihnen doch jagen können, wieviel daß die Uhr often fol? 


Balzer 
Ein Gefhäft — wer Spricht denn von einem Geſchäft? 


Frau Balzer 
Wovon fprichit denn du? 


Balzer 
Ich fpreche davon, daß ich eine Uhr machen will, 


Frau Balzer 


ber eine Uhr macht man doch, damit daB man fie 
verkauft! 


Balzer 
Na ja — das ift fo Eure Anfchauung. 


Frau Balzer 
Das mußt du aber doch felber jagen, daß das nun mal die 
Hauptſache ift? 
Balzer 
ft gar nicht die Hauptſache. 


Frau Balzer 
Uber — was denn fonft? 





Erſter Akt 405 





Balzer 
Sondern die Hauptſache iſt, daß es eine gute Uhr wird. 
Und was fie nachher Xoftet oder bringt, das ift ganz Wurfcht! 


Frau Balzer 
Das iſt Wurfcht? 


Balzer 
Jawoll! Denn eine Uhr, das ift ein Kunſtwerk; und ein 
Runftwerk, das macht man nicht darum, weil man fo und foviel 
dafür bezahlt befommen will, fondern dazu, daß es in der Welt 
it, daß die Menschen fich daran erfreuen können und erheben 
und erbauen. 


Frau Balzer 
(die fich inzwifchen auf das Sofa gefest hat, ringe die Hände im Schoße) 
Gott — fiehfte — das verfteh’ ich nu wieder nicht. 


£otte 


(die während. des legten Geſprächs peinvoll beflommen an ihrem Plag am runden 
Tiſch gejefien und geftrickt hat, wirft jest den Stridftrumpf fort, eilt zur Mutter, 
kniet vor ihr nieder) 


Mutter — zank' doch nicht — ſiehſt du — es iſt ja doch 
alles jo wunderjchön, was Vater jagt! 


Frau Balzer 
Was willft du denn? Wer zankt denn? Es ift ja bloß 
die reine Wahrheit; wenn Vater feine großen Worte macht, 
da8 — das verftehe ich nu mal nicht, und verſtehe ich nicht. 
(Fängt an zu weinen) 
Balzer 
Iſt ſchlimm genug. 
Lotte 
(eilt zum Vater, ſtreichelt ihn) 
Ach Vater, Mutter meint es ja gut. 


Frau Balzer 
Iſt auch ſchlimm genug — ja es iſt ein rechtes Unglück. 


Lotte 
(ſtößt Otto mit dem Ellbogen an, leiſe) 


Gott — Otte — ſo red' doch nur du ein Wort. 


406 Meifter Balzer 





Otto 
(der bis dahin über ſeiner Arbeit geſeſſen hat, wendet ſich zu ihr) 


Ja ſiehſt du, Lotte, da iſt es wirklich ſchwer etwas dazu 
zu ſagen. 


Lotte 
(geht tief ſeufzend an ihren Platz zurück, nimmt ihren Strickſtrumpf wieder auf) 


Frau Balzer (crocknet ſich die Augen) 
Aber eins verftehe ich darum doch: daß es fo nicht weiter gebt. 


Balzer 
- Was geht fo nicht weiter? 


Frau Balzer (mit fi) ringend) 
Na — 
Balzer 
Sprich doch zu Ende! 


Frau Balzer 
Daß du dafigft und über Glodenfpielen fimulierft — und 
Turmuhren — und allen möglichen Gefchichten — und — 
und — 
Balzer 
Und — 
Frau Balzer 
Und unterdeffen wird nichts verdient und es kommt fein Geld 
ing Haus — 
Balzer (fteht auf) 
Da baben wir’ 3 — das Geld — und immer und ewig 
das verfluchte Geld! 
Frau Balzer 
Das verfluchte Geld — als ob ich’8 haben wollte, um dar- 
auf zu figen. Uber Fleisch und Kartoffeln und Brot und Ge- 
müje — koſtet doch nu mal Gel. 


Balzer 
Das weiß ich auch ohne dich; fo Hug bin ich allein. 


Frau Balzer 
Ma alſo. — 


Erſter Att 407 





Balzer 

Uber wenn ich über meinen Ihren fige, dann muß ich ver- 
geilen, daß es noch was anderes außerdem auf Erden gibt. Und 
wenn ich dabei immer daran denken foll, was es mir bringen 
wird — dann kann ich das nicht — dann fann ich nicht weiter 
— dann iſt's bei mir da drinnen aus! (Er geht auf und ab) Go 
bin ich nu mal — und anders als ich bin, kann ich nicht fein! 
Und darum, wenn ich über meiner QUrbeit fige und in Gottes 
Srühlingsmorgen binausfehe, ſollſt du mich nicht erinnern an das 
verfluchte Zeugs! Denn wer immer Geld im Kopf herumwälzt, 
der kriegt niedrige Gedanken und Elebrige Finger, und ein Ahr— 
macher muß hohe Gedanken haben und proppre Finger! 


Frau Balzer 
Es iſt doch aber nu mal in der Welt, und du wirft die 
Welt doch nicht ändern! 


Balzer 


ber bier ift mein Haus und in mein Haus follen die 
fchlechten Gedanken nicht hinein! 


Frau Balzer 
Der Menfch muß aber doch leben?! 


Balzer 


Uber er braucht nicht reich zu fein. Zum Leben haben wir 
unjer Haus, und das ift genug. 


Frau Balzer dfieht ihn lang und groß an) 


Gott — Mann — Mann — 


Balzer 
Na? 
Frau Balzer 
(ſchnellt in plöglicher Verzweiflung auf) 


Weißt denn du aber von gar nichts? Weißt du denn nicht, 
wie's mit unferm Haufe fteht? 


Balzer 
Wieſo? 


408 Meifter Balzer 





Frau Balzer 


Wieſo — daß uns die Hypotheken übern Schornftein 
wachfen, die auf unferm Haufe liegen? 


Balzer (ftugt einen Augenblid) 
Ach was — wird fo fchlimm nicht fein. 


Frau Balzer 
Dann geh doch aufs Grundbuchamt; da wirft du ſehen, ob 
e8 fo ift, wie ich fage. 


Balzer chat ſich ſchwer niedergefegt) 
Aufs — Grundbuchamt? 


Grau Balzer 
Za gewiß — aufs Grundbuchamt. 


Balzer (fist in düfteres Sinnen verloren) 
(Paufe) 


Lotte 


(hat unterdeſſen wie a ge geftrickt, ab und zu die Augen auf den Vater rich- 
tend, jest läßt fie plöglich den Stridftrumpf fallen, ftürzt zum Vater, wirft beide 
Arme um feinen Hals) 


Bater! Mach’ nicht fo’n trauriges Gefiht, Vater! (Sie 


bricht in Tränen aus, birgt ihr Geftcht an feinem Halſe. Balzer ftreichelt ihr ſchwei⸗ 
gend Haar und Wangen) 


(Paufe) 


Frau Balzer 
(ift gleichfalls an ihn herangetreten, bat die Hand auf feine Schulter gelegt) 
Gott, ſiehſt du, Vater, das fag’ ich ja doch nicht, um zu 
zanfen; es ift doch meine Pflicht, daß ich das fage. 


Balzer (verharrt in Schweigen) 


Frau Balzer 


Und fiehft du — wenn man doch nu weiß, daß all die 
Sorgen mit einem Male ein Ende haben könnten — 


sur Balzer (wird aufmerkfam) 
m? 
Frau Balzer 


Uber — du mußt mich ruhig anhören und nicht gleich auf- 
fahren — 


Erfter Akt 409 





Balzer 
Sp rede doch? 
Frau Balzer 

Vorhin, fiehlt du, wie ich nach dem Markt gegangen bin, 
bin ich der Frau AUmtsgerichtsrat begegnet — fo jag’ ich, Frau 
Amtsgerichtsrat, ſag' ich, es iſt ja ſchon fo lange her — foll 
denn mein Mann nicht mal wieder zu Shnen fommen und 
Shnen die Ihren aufziehen und nach Ihren Ihren fehen? Und 
fo jagt fie — 


Balzer 
So Sagt fie —? 


Frau Balzer 
Gott, jehn Sie, Frau Balzer, fagt fie, was die Uhren 
anbetrifft, das wird jest alles jo billig in der neuen Fabrik ge- 
macht — 
Balzer 
Ah — hm — 
Frau Balzer 
Und man wird fo pünktlich bedient — und da haben wir 
ung entjchloffen, ſehn Sie, und laffen jest alles von der Fabrik 
beforgen, 
Balzer ſchiebt Lotte von fich) 


Alſo laß die Frau AUmtsgerichtsrat hingehen, wohin fie will ! 
Wozu erzählit du mir das alles? 


Fran Balzer 
Weil's doch unfere befte Kundin war. 


Balzer 
Wir haben noch andere, 


Frau Balzer 
Wen denn? 
Balzer 
Wen denn — wen denn — 


Frau Balzer 


Steuerinfpeftor Wenzel hat fich erft vorgeftern eine neue 
Taſchenuhr in der Fabrik gekauft. 


410 Meifter Balzer 





Balzer 
Gratuliere! 
Frau Balzer 
Und der neue Chronometer in der Realſchule, wo wir doch 
ſo ſicher gedacht hatten, daß wir die Beſtellung bekommen 
würden — in der Fabrik haben fie ihn gemacht. 


| £otte 
Gott, Mutter, fo hör’ doch nur aufl 


Frau Balzer 
Wirft du mir den Mund verbieten? Sch ſpreche zu deinem 
Bater, damit daß du's weißt. Und daß ich zu ihm fpreche, das 
iſt meine Pflicht! Und die Fabrik wird alle Tage größer und 
friegt alle Tage mehr Urbeiter und mehr Runden. 


Balzer 
Und macht alle Tage Schlechte Uhren! 


Srau Balzer 
Das mag ja fein, daß deine beffer find — 


Balzer 
Das — mag fein? 


Frau Balzer 
Fahr doch nicht gleich auf — gewiß find deine befler — 
aber die aus der Fabrik find doch fo billig. 


Balzer 
Und Schlecht! 
Frau Balzer 
Wenn die Leute aber doch zufrieden damit find? 


Balzer 
Weil die Leute es nicht verftehn! Und die Leute nicht 
willen, daß fie — Dred in die Taſche ſtecken, wenn fie ſich aus 
der Fabrik ihre Ihren holen! 


Frau Balzer 
Uber wenn die Leute damit zufrieden find, dann — iſt das 
doch ihre Sache? 





Erfter Akt 411 





Balzer 
(ihlägt mit der Fauft auf den Tiſch) 


Siehſte — da hab’ ich dich! Das ift Eure Anfchauung | 
Und das eben ift die Gemeinheit! 


Frau Balzer 
Uber — was denn nur? Was denn? 


Balzer 
Und das fühlt du nicht, daß das eine Gemeinheit ift, den 

Leuten fchlechte Ware anzufchmieren, bloß weil man weiß, daß 
ſie's nicht beffer verftehn? Und wenn’s meinetwegen noch fchlechte 
Tiſche wären, oder fchlechte Fenfterfcheiben oder jo etwas — aber 
Uhren! fchlechte Ihren! das ift niederträchtig! Und jo was nennt 
fih Uhrmacher! Das verfchimpfiert den ganzen Beruf und unter- 
fteht fi und nennt ſich Uhrmacher! 


Frau Balzer 

Uber wenn ihre Ihren fo fchlecht find — dann wär's doch 
bloß in der Drdnung, daß jemand käme und dafür forgte, daß 
fie beffere machen? 

Balzer 

Das ift mal eine Weisheit! Geh doch hin zu dem Ber: 
—— der die Fabrik hat — wie heißt er? Ich weiß nicht 
einmal — 


Otto 
Weichſelburger. 


Balzer 


Alſo zu dem Weichſelburger, und ſag' ihm, er ſoll beſſere 
Uhren arbeiten laſſen. 


Frau Balzer 
Ach — das meine ich doch nicht. 


Balzer 
Was meint du denn aljo? 


Frau Balzer 
Gott — Vater — 


Balzer 
Na? 


412 Meifter Balzer 





Frau Balzer 
Zu doch nicht fo; du weißt ja ganz gut, was ich meine. 
Balzer 
(jteht fie langfam von unten an) 
Kommſt du mir etwa wieder damit — ? 


Frau Balzer (ängftli) 
So — bleib doch nur ruhig — 


Balzer 
Davon, das hab’ ich dir gefagt, wird in meinem Haus nicht 
geiprochen. 
Grau Balzer 
Davon wird nicht gefprochen — wird nicht gefprochen — 


Balzer 
Rein !! 


Frau Balzer 
Uber — es — 
Balzer 
Und wie ich den Anton aus'm Haus gefchmiffen habe, weil 
er hin⸗ und hergegangen ift zwifchen bier und der Fabrik — das 
weißt du auch. 
Frau Balzer 
Willſt du mich vielleicht auch aus’m Haufe fchmeißen? Wie 
deinen Gefellen ? 
Balzer 
Das nicht; ich ſag's nur, damit daß du weißt, wie ich von 
der Sache denfe. 
Frau Balzer 
(in ausbrechender Verzweiflung) 
Und es — muß doch einmal davon gefprochen werden! 


Balzer (fteht auf) 
Ih will's nicht! 
Frau Balzer 
ber es muß — es muß und es muß endlich mal fein! 


Erſter Akt 413 





Balzer 
(drohend, einen Schritt auf fie zufretend) 


Und ich fage dir — 
Lotte 
(fliegt dem Vater mit einem Schrei an die Bruſt) 
Bater!! 
Balzer 
(ftreichelt ihr Das Haar) 
Sei ftile, mein Rind — das brauchſt du von deinem 
Vater nicht zu denken, daß er deiner Mutter was zuleide 
fun wird, 


Frau Balzer (faflungsios in Tränen) 
Tu's nur — ich halte ftil! Schlag mich tot, dann bin ich 
die Not und die Sorge auf einmal los, und es ift befler, als 
langfam verhungern | 


Balzer 
Ber — hungern —? 


Frau Balzer 
Sa, das hab’ ich gefagt, und was ich gejagt habe, das ift 
die Wahrheit! Verhungern bei lebendigem Leibe, das werden 
wir, wenn du dich nicht endlich entichließt und das annimmit, was 
der Berliner Herr dir ſchon zehnmal angeboten hat — 


Balzer 
Das — fagft du mir und bift meine Stau? 


Frau Balzer 
Weil ich deine Frau bin, darum tu’ ich's; weil du Frau 
und Kind haft, darum tu’ ich’sl Was ift es denn weiter fo 
Schlimmes, was er von dir verlangt? Daß du als Werfführer 
eintrittft in feine Fabrik — ift das ein Unglüd? Iſt das eine 
Schande? Zt das — 


Balzer 
Eintreten in feine Fabrikl Sch? Bei dem da? Wer von 
uns ift länger hier am Drt? Geit fünfzig Sahren fig’ ich als 
nn bier; und vor einem Jahre bat er feine Fabrik auf- 
getan 


414 Meifter Balzer 





Frau Balzer 


Und in dem einen Jahre hat er dir all deine Runden weg- 
geholt und er hat das Geld und die Macht! 


Balzer 


Und darum, weil er das Geld hat, fol ich Elein beigeben vor 
ſo einem? Darum fol ich aufhören, das zu fein, was ich fünfzig 
Jahre lang gewefen bin? Ein Uhrmacher? Und das rätft du 
mir? Das rätft du mir? | 


Srau Balzer 


Was rate ich dir denn? Was fage ich denn? Wer Spricht 
denn davon, daß du aufhören follft, Uhrmacher zu fein? 


Balzer 
Das fage ich dir! 


Frau Balzer 


Das ift doch aber Unfinn! Es ift doch eine Lhrenfabrik? 
Und wenn du da Werfführer wirft — 


Balzer 


Dann bin ich Fein freier Mann mehr! Dann muß ich auf 
Kommando arbeiten! (Rennt Hin und her) Verſtehſt du das denn 
nicht? Verſtehſt du das denn nicht? Dann kann ich nicht mehr 
arbeiten, wie die Eingebung mich treibt! Dann bin ich aus, 
dann bin ich fot! Dann bin ich fein KRünftler mehr! 


Frau Balzer 
Künſtler — wer fpricht denn von KRünftler ? 


> 


Balzer 


Sch, und daß Ihr das nicht verfteht, das eben ift der Fluch ! 
Und von fo einem foll ich mir die Arbeit diktieren laffen! Von 
fo einem, der feine Ahnung bat, was eine Uhr bedeutet! Der 
die Uhren im Ramfch machen läßt und nicht danach) fragt, ob 
fie gut oder fchlecht find, wenn er nur fein Geld dran verdient, 
fein infames Geld! Pfui Teufel! Pfui Teufel! 


Erſter Akt 415 





Vierter Auftritt 
Käthe (ſteckt den Kopf zu einem der beiden Fenſter herein) 


Darf man ’reinfommen ? 


Balzer 
Wer ift denn das? 


Srau Balzer 
it ja dem Anton Grottfe feine Schweiter. (Käthe verſchwindet 
vom Fenſter) 
Balzer 
Die Käthel Was will denn die? 


Lotte 
Ach ſiehſt du, Vater, weil der Anton doch keine Stelle jetzt 
hat und es den beiden nu ſo ſchlecht geht, da haben wir der 
Käthe geſagt, ſie ſoll alle Tage herkommen und ſich ein bißchen 
Eſſen holen für ſich und ihren Bruder. Nicht, dagegen haſt du 
doch nichts? 
Balzer 


Was ſoll ich denn dagegen haben? Guft) Na, ſo komm 
doch 'rein. 


Fünfter Auftritt 


Käthe (tritt durch die Tür im Hintergrunde ein. Sie iſt ärmlich aber mit einer ge— 

wiſſen Koketterie gekleidet, trägt ein neues Amſchlagetuch um die Schultern und ein 

Blumenfträußchen vor der Bruft; Balzer hat fich wieder an jeinen Arbeitstifch ge— 
fest und beachtet fie nicht weiter) 


| Räthe | 
Bin So frei. (Miet) Morjen Meifter Balzer, Morjen 
Frau Balzer. (nickſt Totert gegen Otto) Herr Mühlich! Wie be= 
finden Sie fi? 
Dtto 
(eichtet Das Haupt auf und lächelt flüchtig) 
Danke für gütige Nachfrage | 


Frau Balzer 
(bat fich wieder auf Das Sofa gejegt) 


Du fommft ja heut früher als fonft? Lotte, fieh doch mal 


416 Meifter Balzer 





nach, in der Küche; von den Badpflaumen von geftern muß noch 
was übrig fein. 
Lotte 
(die wieder auf ihrem Stuhl geſeſſen hat, erhebt ſich, geht an die Tür rechts) 
Käthe 
Bemüh' dich man nicht, Lotte; darum iſt es nicht, daß ich 
komme. 


Lotte 
(Hält die Türklinke in der Hand, ſieht fie überraſcht an) 


Was denn fonft? 
Räthe 
Sch wollte nur jagen, Frau Balzer, daß wir ung fchön be- 
danken, der Bruder und ich — aber wir brauchen nun das Eiffen- 
holen nicht mehr. 


Lotte (läßt langfam die Türklinke fahren) 
Sp —? 
Käthe 
Best kochen wir uns wieder alleine. 


Lotte 
Dann hat dein Bruder wohl eine andere Stelle gekriegt? 


Käthe 
Aber was für eine — 


at Frau Balzer 
o denn? 


Käthe 
In der — 


Lotte 
(legt haſtig den Finger an den Mund, deutet mit den Augen auf den Vater) 


Pit! 
Käthe 
Was denn? «act kurz auf) Ach fo — 


Frau Balzer 
Na, wo denn alſo? 





Erfter Akt 417 





Lotte (mit unterdrüdtem Laute) 
Mutter — 


Käthe 
(beugt fih zu Frau Balzer, flüftert halblaut) 


Sn der Fabrife. 


Balzer (ohne aufzujehen) 
Wo? 

Frau Balzer (feufzend) 
Re m —? Natürlich in der Fabrik. 


Käthe (Halb ängftlich, Halb boshaft) 
Uber Sie müffen nicht böfe fein, Meifter Balzer. 


Balzer 
(ohne fich umzuſehen, zuckt die Achjeln) 


Euch böfe? Wundert mich nur, daß es erft jest gefchieht. 
Sch habe gedacht, er wäre gleich von hier aus — ’rüberlaufen 
in die Fabrik, 

Käthe 

Anfangs haben fie ihn gar nicht annehmen wollen, weil fie 
ſchon foviel WUrbeiter hatten; aber nachher da ift der Herr aus 
Berlin felber gefommen, und wie der gehört hat, daß er bei 
Shnen gelernt hat, da hat er ihn gleich genommen. 


Srau Balzer 
Weil er bei meinem Mann —? 


Räthe 


Ohne weiteres. Anton iſt jelbjt dabei geweſen, wie der Herr 
Weichſelburger mit dem Werkführer geſprochen hat. 


Lotte 

Und da hat er von Vater geſprochen? 
Käthe 

Jawoll. 
Lotte 


Was denn? Was denn? 


| Dramen X 27 


418 Meifter Balzer 





Räthe 
Wenn er bei Balzern gelernt hat — Sie müfjen’3 nicht übel 
nehmen, Meifter Balzer — fo hat er gefagt — dann nehm’ ich 
ihn unbejehen; dann ift er gut. 


Frau Balzer 
Siehſt du, Vater? Giehft du? 


Balzer 
Was fol ich fehen ? 
Frau Balzer | 
Was der Berliner Herr von dir für eine Meinung hat — 


Balzer 
War auch gerade nötig, daß der erft kommen und mir 
fagen mußte, daß ich was von meinem Handwerk verſtehe. 


Räthe 
Uber wir müfjfen Ihnen wirklich recht dankbar fein, Meiſter 
Balzer. 
Balzer (ipringt auf) 
Deinen Dank behalt' für dich. 


Räthe 
Gott — 8 — 


Balzer (geht auf und ab) 
Den brauch’ ich nicht! 


Räthe 
Es, — ift doch nur — weil der Unton doch nu gleich jo 
ne Schöne Stelle gekriegt hat! Täglich vier Mark. 


Dtto 
Wieviel? 
Käthe 
Bier Mark, und fpäter Eriegt er noch mehr, Andere be= 
fommen jest ſchon fünf und darüber, 


Frau Balzer 
Fünf Mark? Solche Löhne werden in der Fabrik gezahlt? 


Eriter Akt 419 





Käthe 
aa, 
Srau Balzer 
Hörft du denn das, Vater? Hörft du denn das? 


Balzer | 
Wie fol ich’8 denn nicht hören? Sie fpricht ja laut 
genug! 
Käthe 
Denn was die Fabrife ift, fagt der Anton, die macht jegt 


riefige Geſchäfte. Nächſtens werden fie ein Unternehmen draus 
machen. 


Balzer 
Was werden fie draus machen? 
Käthe 
Sch verfteh’8 ja nicht jo — mit Aktien. 
Balzer 
Iſt ja nett! Können fie fih Aktienuhren Faufen, die Leute! 
Räthe 
Und der Herr Weichfelburger hat gejagt — 
Lotte 


(erhebt ſich raſch, tritt an die Tür rechts, fällt Käthe ins Wort) 
Du, Käthe, ich hab’ dir was zu jagen, fomm mal mit, 


Balzer 
Alſo der Herr Weichjelburger hat gefagt? — 


£ptte 
(geht zu Käthe, faßt fie an der Hand, um fie fortzuziehen) 
Sp fomm doch — 


Käthe (su Lotte) 
Was haft du mir denn zu fagen? 


Balzer 
Laß fie doch erzählen, was er gefagt hat, der Herr Weichjel- 
burger. 
27* 


420 Meifter Balzer 





Lotte 
Aber Vater — hör' doch nicht darauf hin; was weiß 
denn die? 
Käthe 
Na — ſoviel wie du, doch alle Tage noch. Eotte und Käthe 
fehen fich ſchweigend mit einem böſen Blid an) 
Balzer 
Alſo der Herr Weichfelburger bat gejagt? 


Käthe (auf Lotte blickend) 
Er bat gejagt, daß es dahin fommen müßte, daß niemand 
mehr wo anders eine Uhr Ffaufen darf, ald in der Fabrif — 


Balzer 
Hat er gejagt. 
Käthe 
Dahin wird er es bringen. 
Balzer 
Dahin wird er's bringen. 
Käthe 
Und — 
Lotte 


(packt Käthe mit leidenſchaftlichem Griff am Arme, flüſternd) 
Biſt ſtill jetzt? 


Käthe (made ſich los, reibt ſich den Arm) 
Du — kneifſt ja? — And keine Konkurrenz dürfte nicht 
mehr ſein. 


Balzer 
Will er ſie verbieten? 


Käthe 
Verbieten? Ich weiß nicht — totmachen wollte er fie — 


Balzer 
Totmahen — 

Käthe 
Hat er gejagt. 


——— 


Erſter Akt 421 





Balzer 
Hat er gefagt — 
(tritt vor die Pendeluhr, fpricht zu ihr) 
Haft du gehört, Alte? 


Frau Balzer 
Ach ja, ich hab's gehört. 


Balzer 
Nu denkt die, ich rede zu ihr — mit der bier babe ich’s, 
die da oben hängt und fo fut, als ginge die ganze Gefchichte 


fie nichts an. Haft du nicht gehört, was er gefagt hat, der 


MWeichjelburger? Daß er dich totmachen will? 


Käthe Gricht in ſchallendes Lachen aus) 
Gott aber ne — Meifter Balzer ? 


Balzer 
(wirft den Ropf zu ihr herum, fieht fie mit furchtbaren Augen an) 
Räthe 
Es Sieht ſich doch zu Fomifch an. 
Balzer 
Was? 
Räthe 


Wenn man Sie fo mit einer Llhre fprechen fieht, als wenn’s 
ein vernünftiges Wefen wäre, 


Balzer (rritt dicht an fie heran) 
Das ift alfo Fein vernünftiges Wefen? Was? 


Käthe (verblüfft) 
Na — aber — 


Balzer 

Sch will dir was fagen, gib dir Mühe, daß du's begreift: 
die Uhr ift Hüger als dul Klüger als dein Herr Weichfelburger 
und als Ihr alle zufammen! Die Uhr, die da an der Wand 
hängt, bat ein Geſetz in ihrem Leib — und das habt Ihr nicht! 
Kein Gefes mehr, jondern nur einen Durft nach Geld und einen 
Hunger nah Gewinn! Die Uhr gebt richtig, aber die Welt 
geht falſch! Die große Walze ift aus dem Gang. Und das 


422 Meifter Balzer 





fommt daher, weil Ihr Euch dran gehängt habt, mit Euren 
fteinernen Herzen und eifernen Händen, darum find die Gewichte 
zu Schwer geworden, und wenn zu viel Gewichte an der Walze 
hängen, hafpelt fie ſich ab. Bft das richtig, Otto? 


Dtto 
Freilich ift das richtig. 


Balzer 


Früher da gab e8 ein Hemmrad — aber dem haben fie 
die Zähne ausgebrochen, darum hält es nicht mehr. Früher 
arbeitete man fein Werf aus Liebe zum Wert — jest macht 
man’s zum Gewinn! Da gab es ein Gewiflen, und Redlichkeit 
und Genügfamfeit — jest gibt es nur noch eins: haben! ver- 
dienen! und immer mehr haben! Die große Walze geht duch! 
Da gibt's feine Blumen mehr, da gibt's feine Schönheit und 
feine Runft mehr — alles platt gewalzt, wie eine Tenne! Und 
da läuft das herum auf feinen zwei Beinen, und weil’s auf zwei 
Beinen gebt, ‚bildet das fich ein, es wäre Menfh! Das ift nicht 
wahr, denn ein Menſch, das ift etwas, wo eine Seele drin 
ſteckt; wo ift denn Eure Seele? Wenn der Nebenmenfh Euch 
in den Weg fommt, macht Ihr ihn tot und freßt ihn auf! Runter 
mit Euch auf alle viere; Ihr feid Wölfe! 

(Die Anwesenden find jchweigend, mit erſchrecktem Gefichtsausdrud dieſem Aus- 
bruche gefolgt) 
Lotte (ſeht auf, tritt leichenblaß vor Balzer) 
Vater — — 


Balzer (blick fie ftumm an) 


£ptte 


Das — kann ich mir aber Doch nicht denfen, daß dem großen 
Uhrmacher feine Uhr fo leicht fol aus’'m Gang gebracht werden 
fönnen. 


Balzer 
Mer — ift das, der große Uhrmacher? 


Lotte 


Wer? Der die große Walze gemacht hat. (Sie ſchmiegt ſich an ihn) 
Da oben, Vater — der liebe Gott? 


el U 0 2 ml ut le ERS 2 


Erjter Akt 423 





I = nt Ma 


ER 


Balzer mit Halblautem Flüftern) 
Mädchen — wenn ich’S bis heute nicht gewußt hätte, dann 


wüßt' ich's jest: du bift mein Kind! (Ex ſinkt, wie erfchöpft, auf den 


Stuhl; Lotte Iniet zwifchen jeinen Knien nieder) 


Balzer 
(drüdt die Lippen auf ihren Scheitel, fpricht wie vorhin, halblaut) 


Wo haft du das ber, Mädchen? Wo haft du das 
immer ber? 


Lotte 
Bon dir, Vater. 


Balzer 


Nein, du haft einen Geift für dich; du Motte, du Lotte, 
du Motte! (Sein Geficht bleibt mit gefchloffenen Augen auf ihrem Haupte ruhen) 


Lotte 
(hebt das Haupt, ſieht ſchalkhaft lächelnd von unten zu ihm auf) 


Rudud —! 
Balzer (Eopf fie auf den Rücken) 
ga, ja. 
Lotte 
Iſt Vater wieder nach Haus gekommen? 


Balzer ſteht auf) 
Sit wieder zu Haus, ift alles wieder gut. 


Lot te (pringt auf) 


Alles wieder gut! Siehſt du, da kommt aut Belohnung auch 
gleich ein Beſuch. 


Sechiter Auftritt 
Frau Mühlich (einen Korb am Arm, kommt durch die Tür im Hintergrunde) 
Frau Mühlich 
Mo’jen allerjeits, mo’jen, mo’jen, mo’jen. 


Balzer 
Nu guck — Mutter Mühlich. Tag junge Frau. 


424 Meifter Balzer 





Frau Mühlich 


Zunge Frau! Hahaha | Eehnt ſich pruftend gegen die Tür.) Ob ich's 
gedacht babe! Den ganzen Weg bierher hab’ ich bei mir ge- 
dacht: was wird er denn heute wieder auf der Pfanne haben, 
womit er dir aufzieht, denn aufziehen muß er mir nu einmal. 


Lotte (rückt ihr einen Stuhl zu) 

Na ja, Frau Mühlih, dazu ift Vater nun einmal Lbr- 

macher. 
Frau Mühlich 

Da — zu? 

Lotte 

Uhrmacher ziehen auf. 

Frau Mühlich (fällt auf den Stuhl) 

Uhrmacher ziehen auf! Hahahaha! Wie die Alten ſungen, 
jo zwitſchern die Jungen! Die Balzerſchen! Na, ich ſage 
fchon — die Balzerichen! 

Balzer 

Was ift denn mit den Balzerfchen ? 


Frau Mühlich 
Bei denen donnert's, bevor daß es blitzt. 


Balzer 
Wer jagt das? 
Frau Mühlich 


Alle Welt fagt das. Wenn die ausfahren wollen, Tpannen 
fie die Pferde hinten an den Wagen, 


Frau Balzer (jeufst) 
Ufo fagen die Leute, wir find verrückt. 


Frau Mühlich 
3 woher — fchenial find fie; und bei fcheniale Menfchen 
nimmt man’s nich fo genau, 


Balzer 
Wenn fie 'nen Span zuviel haben? 


Eriter Att 425 





Frau Mühlich 

Können auch zwei fein, Herr Balzer, können auch zwei . 

fein. — Uber nu fag’ mal, Dite, du Dufellopp, ſagſt deiner 
Mutter jar nich gut'n Tag? 


Otto 
(richtet das Haupt von der Arbeit auf) 


Hatte gerade noch was fertigzumachen. 


Frau Mühlich 
Sehn Sie, Herr Balzer, der reine Vater; akkurat wie fein 
feliger Vater war. Wenn der was zu bafteln unter die Finger 
hatte, denn ſaß der auch den lieben, langen, ausgejchlagenen Tag 
und ſah nich und hörte nich, 
Balzer 
Davon eben bat der Dito das Talent ber. 


Dtto (fteht auf) 
Nu bin ich ſoweit — (gebt zur Mutter, küßt fi) na Mutter? 
Wie geht's denn auch? 
Frau Mühlich 
Wie ſoll's jehn? Auf zwei Beine jeht's; auf zwei alte 
Happrige Beine. 


Otto 
Klapprig? Na na. 


Frau Mühlich 
Etwa nich? Was denkſt denn du? 


Balzer 


Er denkt an die Geſchichte, wie ſich die Beine beim lieben 
Gott beklagt haben — kennen Sie die Geſchichte? 


Frau Mühlich 
Ne, wie iſt denn die? 


Balzer 


Da ſind einmal die Beine zum lieben Gott gekommen und 
haben ſich beklagt, daß ſie ſoviel laufen und tragen müßten. 


426 Meifter Balzer 





Darauf hat der liebe Gott gejagt — es waren nämlich Beine 
von einer alten Frau — 


Frau Mühlich 
Kinder, paßt auf, das jeht auf mir? 


Balzer 
Er hat gejagt, er fände ihre Befchwerde nicht gerecht, fie 
follten fich mal die Zunge anfehen, die liefe, wenn's drauf an- 
fommt, an einem Tage dreimal um die Welt und hätte fich noch 
nie beflagt. 
Frau Mühlich 
Ob ich's gejagt habe? 


Balzer 
Und was das Tragen anbelangt, da follten fie fich wieder 
mal die Zunge anfehn; die fehmiffe, wenn’s darauf ankommt, 
mit Zentnerfteinen um ſich und hätte jchon ganze Häuſer um- 
gerifjen. 
Frau Muhlich (ſchlägt ſich aufs Knie) 
Nu ſoll ich Häuſer umgeriſſen haben! 


Balzer 
Wer ſpricht denn von Ihnen? 


Frau Mühlich 
Sie oller Spermazetikus Sie! Nu tun Sie man noch ſo! 
Aber das is alles bloß aus Rache, weil ich ſeinerzeit meinen 
Mühlich jeheiratet habe, ſtatt Ihnen. 


Lotte 
Siehſte Vater? Da kommt's "raus. 


Balzer 
Wer weiß? Um Ende bin ich noch in Gie verliebt? 


Frau Mühlich 
Nicht wahr? Un mir iS jet auch noch was dran zum 
Berlieben? Und Sie haben fich die Stiebel an den Freiers- 
füßen nachgerade auch wohl abgelaufen? Jetzt find andre an 
der Reihe, als wir zwei beide. Om, Otte? Junge? 


en N EEE 


et 


er re 


Erfter Akt 427 





Dtto 
Wieſo denn? 


Frau Mühlich 
Wiefo — ſo ein Dufelfopp ! 


Räthe 
Ach Jott — Seht doch bloß mal die Lotte! 


Lotte (fährt zu ihr herum) 
Was willit du? 
Käthe 
Rot wie ein Puterhahn bift du ja mit einem Male ge- 
worden. 


£otte 
Ich — ſoll —? (Sude die Achſeiy Was verftehit denn du? 


Räthe 
Nu mein je — was ftreiteft du denn? Es ift ja doch 
feine Schande? 
Lotte (tritt auf fie zu) 
Was fo eine redet, wie du — das ift für mi — als 
wenn — das find für mich gar feine Worte! 


(drüct fich lachend Hinter Otto, — Hände auf ſeine Schultern legt) 
Herr Mühlich, ich retiriere mich hinter Sie; ich glaube wahr- 
baftig, die beißt! 
Dtto erlegen lachend) 
Uber Lotte — ſei doch nicht jo wild, 


2ptte (fteht mit flammenden Augen vor ihm) 

Und du — läßt dich von der — wie ein Bündel Heu hin und 
ber ſchieben? (Sie faßt ihn plötzlich an der Sand, reißt ihn von Käthe fort) 
Komm doch weg! 

| Käthe 
Halt' ihn man feſt, Lotte, daß er dir nicht entwiſcht. 
O kto (wie vorhin) 

Die Mädchen — ich weiß wahrhaftig gar nicht, was die 

Mädchen wollen. 


428 Meifter Balzer 





Frau Mühlich 
Aus'm Mustopp wollen fie dir "rausholen! Merkſt du’s 
denn gar nich ? 
£otte 
Ich will niemanden holen! Sch will bloß nicht leiden — 


Käthe 
Na, entfchuldige nur, daß ich geboren bin. Ich will fchon 
lieber gehn, 
Lotte 
Iſt auch das beſte. 
Käthe 
Leben Sie wohl, Herr Mühlich, haben Sie was zu be— 
ſtellen in der Fabrike? 
Lotte 
Was ſoll er denn in der Fabrik zu beſtellen haben? Was 
ſoll denn das heißen? 


Käthe 

Herrgott aber ne — biſt du denn reinweg ſein Vormund? 
Otto 

Aber Lotte — 
Lotte 


Was ſollen denn die Redensarten? 


Frau Balzer 
Aber Mädchen, du biſt ja wie aus'm Häuschen? Was 
iſt denn nur los? 
Frau Mühlich 
Gute Frau Balzern — los iſt da jar nichts, wie mir 
ſcheint; da iſt etwas verhakt. 


Balzer (fährt plötzlich gegen Käthe auf) 
Bift denn du noch immer da? 


Käthe (weicht zurüc) 
J du mein — ih gehe ja fehon. 


N TE u 


nn a la ln a. us 1 dm Su er — 


Erſter Akt 429 





Balzer 
Iſt auch Zeit! 
Frau Balzer 
Du ſollteſt lieber deiner Tochter den Kopf zurechtſetzen. 


Balzer 
Und du ſollteſt nicht das Wort nehmen für — ſolche Ge— 
ſellſchaft! 
Käthe 
D bitte — bitte — Geſellſchaft —? Frau Balzer — ich 
empfehle mih — Grau Mühlich — leben Sie wohl! (Reicht ipr 


die Sand) Herr Mühlich — (inickft gegen Otto) e8 war mir eine Ehre —! 
(Geht nach dem Hintergrunde ab; gleich Darauf erfcheint fie Draußen am Fenſter 
und ruft herein) Herr Mühlich — (Otto wendet den Kopf nach ihr) Auf 


MWiederfehn! Habahal (Sie verfchwindet lachend) 
Lotte (ftürzt an das Fenfter, wirft es zu) 


Frau Mühlich 
Na aber Lottefen, Lottefen! Nu ſchicke ich gleich nach der 
Feuerwehr! Bei dir brennt es ja lichterloh? 


Frau Balzer 
Sch weiß gar nicht, was das für Manieren find? Schämen 
ſollteſt du dich. 


Lotte 
(zieht ihr Taſchentuch, fängt an, bitterlich zu weinen) 


Balzer 
Gar nicht zu ſchämen braucht fie fich! 


Frau Balzer 
Natürlid — du nimmft wieder ihre Partei, 


Balzer 


Zu’ ich auch, wenn fie recht hat; Mottechen — (er fest ſich, 


sieht fie an fich, fest fie auf fein Anie) Komm her, weine nicht. Eotte 
lehnt fchluchzend an ihm) 


Dtto 
ber Lotte — wer bat dir denn was getan? 


430 Meifter Balzer 





Lotte 
Und das — fragſt du noch —? 

Dtto 
Sch doch nicht? 

£otte 


(Ipringt vom Knie des Vaters herab, tritt auf Otto zu, legt beide Hände auf feine 
Schultern, fieht ihm in die Augen) 


Ach Dite — du — bift doch zu dumm! 


Frau Mühlich 
Da haft du's, Junge. 


Lotte wifche ſich die Augen) 


Iſt aber auch wahr, und ift auch gut — fonft könnte man 
wirklich manchmal böfe auf ihn fein. 


Otto 
Wenn Jemand was Unrechtes tut, kann man auf ihn böſe 


ſein — was tue denn ich? Sch arbeite an meinen Uhren — 
und — und damit gut. (Er wendet ſich zu feiner Arbeit zurüc) 


Frau Müplich 
Sieht du Lottefen, dafür kann der Junge nu mal nich, das 
liegt ihm in der Natur. Und das is ihm prophezeit worden, 
wie er noch fo klein war. 


Lotte 
Iſt ihm prophezeit worden? 


Frau Mühlich 
Daß er immer mitten inne ſtehen wird zwiſchen andern, 
die ſich um ihn abjapſen, es hat ihm in der Karte gelegen. 


Lotte 
Frau Mühlich — haben Sie ihm die Karte gelegt? 


Frau Mühlich 
Ich nich; aber es is da vor Jahren eine durch Roſen— 
garten gekommen, ſo eine Art Ziehjeunerin — 


Lotte 
Und die hat ihm die Karte gelegt? 


Erfter Akt 431 





Frau Mühlich 
Die hat ihm die Karte gelegt. 
Lotte 
(rückt einen Stuhl neben Frau Mühlich) 
Das iſt aber nett! So erzählen Sie doch, was hat ſie 
denn geſagt? 
Frau Mühlich 
Der Junge, bat fie geſagt, das wird einmal ein Stillver—⸗ 
gnügter. 
Lotte (veibt ſich die Knie) 


Ein Stillvergnügter! Siehſte, Vater, ich hab’ mir doch 
immer den Kopf zerbrochen, was es mit Dfte eigentlich ift, und 
hab's nie finden können — nu hab’ ich's ’raus, er ift ein Still- 
vergnügter | 


Otto 
Das iſt ja alles Unſinn. 


Balzer 
Na laß gut ſein, ein Unrecht iſt das ja nicht. 


Otto 
Was ſoll denn damit gemeint ſein? 


Frau Mühlich 


Das wird einmal ſo einer, hat ſie geſagt, der immer bloß 
daſteht und nie ſelber ſchiebt, ſondern ſich immer nur ſchubſen 
und ſchieben läßt. 


Lotte 
Dann muß er ja aber Beulen kriegen? 


Frau Mühlich 
Me ne, der kommt nicht zu Schaden dabei. 


Lotte 
Hat das die Zigeunerin geſagt? 


Frau Mühlich 
Sind Sie unbeſorgt, hat ſie zu mir geſagt, mit dem ſchiebt 


432 Meifter Balzer 





es fich immer zurecht, und den ſchubſt es immer ah dahin, 
wo daß er am beiten jteht. 


£otte 
ber Dite! Dann bift du ja der reine Schlaraffel 


Dtto 

Sit ja Unfinn. 

Frau Mühlich ’ 

Na unge, Unfinn is das nich. Denn fehn Gie, Herr 
Balzer, wie Sie nu dunnemals gefommen find und haben ihn 
in die Lehre bei fich genommen — fielfte, hab’. ich bei mir ge- 
dacht, da fängt es Schon an mit die Schieberei. 


Balzer 

Na ja — bis jest ift ihm die Schieberei ja wohl ganz 

gut befommen. 
Frau Mühlich 

Db fie ihm bekommen is! Es ift ja Wunders, was Die 
Leute fich erzählen, wie gefchiet daß der Zunge geworden 
jein ſoll? 

Dtto 
Die Leute — was wilfen denn Die, 


Frau Mühlich 
Na hab’ dir man nich; wenn du das mit angehört hätteft, 
‘wie fie heute in der Fabrife von dir gejprochen haben — 


Balzer 
Wo? In der Fabrif? Sind Sie in der Fabrik geweſen? 


Frau Mühlich 
Weil ich doch nen Brief abzugeben hatte, von unferm 
Schulzen. 
Balzer 
Der Schulze von Roſengarten? Was hat denn der an 
die Fabrik zu ſchreiben? 


Frau Mühlich 
Wie ſoll ich das wiſſen? Aber was ich ſagen wollte — 





Erſter Akt 433 





wie ſie alſo in der Fabrike gehört haben, daß ich die Mutter 
von dem Zungen bin — werden Sie's glauben, Herr Balzer, 
um mir ’rum haben fie geftanden und anjeguct haben fie mir 
wie’s blaue Wunder. Und getufchelt haben fie und fich Zeichen 
gemacht — und dann iS einer gefommen und bat gejagt, ob 
ich mir denn ſchon ein eifernes Geldfpinde angefchafft hätte, hat 
er gejagt. 
Otto 
Ein — was? Ein eiſernes Geldſpinde? 


Frau Mühlich 
So hat er geſagt; ein eiſernes Geldſpinde, wo ich das Geld 
hinpacken könnte, das du mir einmal verdienen wirſt mit deine 
Uhrmacherei. 
Otto 
Na Mutter, nu hör' auf; merkſt du denn nicht, daß die 
ſich nen Spaß mit dir gemacht haben? 


Frau Mühlich 
Gott, Junge, es wäre doch aber zu ſchön, wenn du deine 
alte Mutter mal ſo einen Haufen Geld zuſammen verdienen 


tätſt? Brauchen könnt' ich's doch wahrhaftig. 


Lotte 
(ergreift die Hand der Frau Mühlich) 


Frau Mühlich, nu zeigen Sie mal Ihre Hand her — nu 
werde ich Ihnen auch etwas prophezeihn. 


Frau Mühlich 

Nanu Lottefen? 
Lotte (macht ihr die Hand hohl) 

Das bier, fehn Sie, das ift eine Rute — nicht wahr? 

Frau Mühlich 
Das is 'ne Kute. 

Lotte 

Und in der Kute wohnt die Frau Mühlich. 


Frau Mühlich 
Ja — leider. 


Dramen X 28 


434 Meifter Balzer 





— 


Lotte 
(faßt ihren vierten Finger, beugt ihn in die Mitte der Hand) 


Und das bier ift der Goldfinger und der heißt Otto. 

Frau Mühlich 

3a ja. | 
Lotte 


Und nu ſchaufelt der Goldfinger Geld in die Kute, eine 
Mulde, und noch eine Mulde und immer fo weiter, 


Frau Mühlich 
Gleich muldenweife? 


Lotte 
Gleich muldenweiſe; und nu iſt die Kute voll bis an den 
Rand. 


Frau Mühlich 
Bis an den Rand. 


Lotte 


Und nu ſteckt die Frau Mühlich den Kopf aus der Kute 
und ſchreit: Junge, hör’ auf, ich erſticke ja in dem vielen Geld. 


Frau Mühlich 
Hahahahaha! 


Lotte 
(macht ihr die Hand wieder flach klopft ihr darauf) 
Und ſo wird es kommen und das prophezeihe ich Ihnen. 


Frau Mühlich (üüßt fie 
Du Schnuteken! Und fo wird's kommen? 


Lotte umarmt fie) 


Sp wird es fommen, denn heute erft hat Vater gejagt: 
Otto Mühlich — das wird mal ein großer Lhrmacher, fo groß! 
(Sie mißt in der Luft) 

Frau Mühlich (Iteht auf) 


Na Kinder, das ift ja alles die belle, lichte Freude, Nu 
mach’ ich mir auf die Beine. Wann kommt Ihr denn nu mal 
nach Rofengarten "raus? 


Erfter Akt 435 





Lotte (tritt an den Kalender) 
Da können Sie's jehn, Frau Mühlih: zu Himmelfahrt. 


Frau Mühlich 
Himmelfahrt — da ift ja Seft bei Schmiedifes? 


£otte 
Großes Kegelfeſt, gewiß. 


Frau Mühlich 
Na? Wie denn? Herr Balzer, wollen Sie — — 


Lotte 


Vater hat zum Kegeln keine Zeit. Der hat andere Dinge 
in Roſengarten zu beſorgen, wichtige. 


Frau Mühlich 
So? Was denn? 
Lotte 
Iſt ein Geheimnis; iſt ein Geheimnis; aber wenn's 'raus 
kommt, wird's ſchön! 
Frau Mühlich 
Du machſt einen ja ordentlich neugierig? Frau Balzern? 
Kommen Sie auch? 
Frau Balzer 
Ich bleibe ſchon lieber wo ich bin. 


Lotte 
Aber Mutter — warum denn? 


Frau Balzer 
Mir ſteht der Sinn nicht nach Kegelſchieberei. 


Frau Mühlich 
Wo fehlt es denn? 


Frau Balzer (eufzt) 
Wo ſoll es fehlen — 
28* 


436 Meifter Balzer 





Frau Mühlich 
Na Lottelen, denn bift du die einzige Dame von den 
Balzerfchen, denn mach dir man doppelt fein. 


Lotte 

Soll beſorgt werden! Gmarmt Frau Mühlich) Frau Mühlich! 
Nu wird's ſchön werden in Roſengarten! (Sie ſtürzt zu Otto, nimmt 
feinen Kopf zwiſchen beide Hände) Herr Otto Mühlich, Herr be— 
rühmter Uhrmacher, Herr Schlaraffe, nu wird's ſchön werden | 
(Sie tritt vor den Vater, niet) Herr AUhrmachermeiſter Balzer, darf 
ich Sie engagieren zu einer Polka in ———— Feen⸗Palaſt 
in Roſengarten? 


Balzer (erfaßt fie) 
Du Balg!l Du Fiſch! 


Lotte (klettert an ihm auf 


Hurra alle Fiſche und alle Rinder! Frau Mühlich — 
was der Mann in feinem Kopf hat! Aufſpielen wird er den 
Rofengartnern etwas! Etwas Schönes! Etwas Herrliches! 


Frau Mühlich 
Was denn? 


Balzer 
Uber Lotte! 
Lotte 
Ich ſage ja nichts! Aber kennen Sie das: „Freut Euch des 
Lebens?“ 
Frau Mühlich 
Wer kennt denn das nich? I8 ja ein ſchönes Lied. 


Lotte 
(fällt dem Vater um den Hals) 


Siehft du, Vater? Ein fchönes Lied! Alles wird guf, 
Bater ! Freut Euch des Lebens — | 
Der Vorhang fällt 


Ende des erften Aktes 


wi» 4 a * “. 


Zweiter Akt 437 


Zweiter Akt 


(Ein Reftaurationsgarten im Dorfe Rofengarten. Hohe Bäume, 

unter denen links ein langer Tiſch mit Bänfen. In der linfen Ruliffe 

öffnet fich, Über einigen Stufen, die Tür zum Tanzfaale der Reſtau— 

ration. Der Garten ift im Hintergrunde durch ein hölzernes Gitter 

abgefchlofjen, in deſſen Mitte fich eine Eingangspforte befindet. Lber 

das Gitter hinweg fieht man in das Dorf hinein. Sn der linfen 
hinteren Ede der Bühne ragt ein Kirchturm auf) 





Erfter Auftritt 


Wilhelm (ift Damit befchäftigt, rechts unter den Bäumen einen zweiten Tiſch nebft 
Bänten aus rohen Brettern aufzufchlagen) Minna (fteht auf dem Tifche links 
und befejtigt Dapierlaternen an den Baumäften) Schmiedifte (kommt aus dem 
Reftaurationsfaale links, Zigarrenfiften unterm Arm) 
Schmiedike | 
Nu man dalil Dali! Dali! Willem, biſt du bald 
fertig mit deinem Tiſch da drüben? 


Wilhelm 
38 gleich joweit. 
| Schmiedike 
Heute kommen Gäſte, heute wird's fein in Roſengarten! 


Wilhelm 
Een Bataillon hat Platz hier zu ſitzen und etwas darüber. 


Schmiedike 
Is recht Willem, is jut Willem; Minna, wiſch nachher 
den Tiſch ab, wo du drauf geſtanden haſt mit deine Lehmſtiebel; 
klopp die Nägel an der Banke feſte ein, Willem, ſonſt reißen 
die Mächens ſich Löcher in die Kleider und nachher kann die 
Wirtſchaft vorn Riß ſtehn und bezahlen, 


Wilhelm 
(fährt mit der Hand über die Bank) 
Nu is das fo jlatt — fchliddern können fie drauf. 


Sckhmiedife 
Is recht Willem, iS jut Willem; Minna, bift du bald 
fertig mit deine Aufhängerei von die Laternen ? 


438 Metiter Balzer 





Minna 
Aber es fehlen noch die Lichter! 
Schmiedife 
Was denn für Lichter? | 
Minna 
Es gehören doch Lichter in die Laternen? 
Sckhmiedife 
38 ja Unfinn. 
Minna 
Dazu find es doch aber Laternen? 
Schmiedike 


Türkiſche Laternen ſind das; in türkiſche Laternen jibt's 
keine Lichter. 
Minna 
(Öffnet eine Laterne, die fie in der Hand hält) 
Es find doch aber Tüllen drin zu Lichtern ? 


Schmiedife 
(nimmt ihr die Laterne ab, blickt hinein) 
Willem — wat meenft denn du? Db da Lichter ’reingehören? 


Wilhelm 
(nimmt die Laterne, blickt hinein) 
Gene Tülle is drin. 


Schmiedike 
Hm — 
Wilhelm 
Können kann man alſo Lichter 'rinſtecken, wenn man will. 
Schmiedike 
Na ja — 
Wilhelm 


Und nu is meine Meinung die: ftedt man nu ein Licht 
in jo’n Papierding, denn brennt dag Ding ab. 


| Schmiedike 
Das mein' ich ja auch. 


weiter Att 439 





Wilhelm 
Hinjejen — ftedt man keins ’rin, denn bleibt dag Dings 
eben dufter. | 
Schmiedike 
Wenn's doch aber türkiſche Laternen ſind? 


Wilhelm 
Na ja — und wenn die Türken nu einmal Laternen haben, 
wo keene Lichter 'rinjehen, ohne daß die Dinger dabei abbrennen 


— na — denn is das die Türken ihre Sache und jeht niemanden 
anders nifcht an. 


Schmiedike 
Das mein' ich ja auch. 

Wilhelm 
Und die Roſengartner erſt recht nich. 

Schmiedike 
Siehſte, Minna? 

Wilhelm 


And for die Roſengartner ſind ſo 'ne ſchönen Laternen 
lange friſch, och wenn keine Lichter drin ſind, denn in Roſen— 
garten is ſo etwas überhaupt noch jar nicht dageweſen. 


Schmiedike 
Nich wahr? Fein is das. 


Wilhelm 
Nobel. Und wenn wir nachher die Prätolium-Lampen an 
die Böme anſtecken, denn is es allermeift hell jenung. 


Minna 
Es kommen doch aber auch noch die aus der Stadt? Don 
der Fabrike? 
Wilhelm 


Na ja — aber leſen und fchreiben werden fie bier draußen 
doch nich wollen; und ob fie Käſe oder Wurft auf ihre Stullen 
haben, das können fie auch ohne Laternen fehn. 





440 - Meifter Balzer 


Schmiedike 
Alſo es bleibt dabei, daß keine Lichter nicht 'reingeſteckt 
werden. 
Minna (fteigt vom Tisch) 
Na, mir fann’s einjal fein. 
(Sie nimmt grüne Guirlanden auf, welche auf der Bank liegen, geht Damit in den 
Hintergrund und befeitigf fie am Zaungitter) 
Wilhelm 
(holt einen Zigarrenftummel aus der Tafche, zünder ihn fich an) 
Die Fabrife, Herr Schmiedike, die Fabrife! 


Schmiedike 

Die bringt Geld unter die Leute. 
Wilhelm 

Bringt Geld unter die Leute. 
Schmiedike 

Ein ganzer Kremſer voll kommt heute. 
Wilhelm 

Die Fabrike — das iſt der Fortſchritt. 
Schmiedike 

Es iſt ein Segen fürs Land. 
Wilhelm 


Haben's aber och danach — ein ſchauderhaftes Geld wird 
in die Fabrike zuwege gebracht — hab' ick mir ſagen laſſen. 


Schmiedike 
Und dabei machen fie die Ihren fo billig. 


Wilhelm 
Darum eben. — Wenn man denkt, was früher fo ’ne Uhr 
gefojtet hat; das ganze Leben konnte man dadruf fparen, und 
wenn man’s denn zufammen hatte, na — denn brauchte man 
merfchitenteel® feine Uhr nich mehr. 


Schmiedife 
Sa ja. 


Zweiter Akt 441 





Wilhelm 
Hinjejen jest — jeder dumme Junge kann fich jeine Uhr 
foofen. Unſer Schulze hat fich auch fchon eine kommen lafjen. 
Schmiedike 
Aus der Fabrike? 
Wilhelm 
Bor drei Tagen, ja. Und heute is Beratung in’ Gemeinde: 
rat von wegen eine neue Turmuhr. 


Schmiedike 
Nanu? Sollen wir eine neue Turmuhr bekommen? 


Wilhelm 
Etwa nich? Der olle Jammerkaſten da oben war ſchon nich 
mehr ſchön; eene ganze geſchlagene Stunde ſind wir Roſengartner 
hinter die übrige Welt drein geblieben. 


Schmiedike 
Soll die neue Turmuhr auch in die Fabrik gemacht 
werden? 
Wilhelm 
Wo denn ſonſt? Die machen ja die Ahren ſo jut wie for 
umſonſt. 
Schmiedike 
Man nur feine neuen Laften auf die Gemeinde; wir haben 
genug zu fchleppen. 
| Wilhelm 
Heute abend werden Sie Geld zu jchleppen haben, Herr 
Schmiedife ; heute fommt Geld ing Haus, 


Shmiedife 
(bat inzwifchen die beiden Zigarrenfiften geöffnet) 


Man nur nich verrufen, Willem; nur nich verrufen. Das 
find nu aljo die Ziehjarren, die du mitgebracht haft von’ Budiker 
aus der Stadt. 

Wilhelm 

Eins davon find die echten; da dürfen Gie das Stüd nich 

unter zehn Pfennig Iosfchlagen. 


442 Meifter Balzer 





Schmiedike 
Welches von beiden ſind denn die echten? 


Wilhelm 
Laſſen Sie mal ſehn — nu weiß ich das ſelber nich mehr. 


Schmiedike 
Na nu wird's aber Tag — 


Wilhelm | 
Lafien Sie man — ich finde mir ſchon zurecht. Das bier 
find die echten. 
Schmiedike 
Weißt du's gewiß? 
Wilhelm | 
Die find fchwärzer als die andern, fehn Sie; was ein echter 
Ziehjarrn ift, der is immer ſchwarz. 


Schmiedike 
Dann nimm du man die Ziehjarren an dich, Willem. 


Wilhelm 
Is jut, Herr Schmiedike; aber was ick noch fragen wollte, 
Herr Schmiedike, wie ſoll's denn heut abend bei das Tanzen 
mit's Tanzgeld gehalten werden? 


Schmiedike 
Na — ich denke, wie gewöhnlich? Ein jeder Herr zahlt 
for den Tanz feinen Nickel? 
Wilhelm 
Man jo nich, der Here Schmiedile, das is heute zu billig. 


Das mag jut fein for die ——— die aus die Fabrike 
müſſen mehr berappen. | 


Schmiedike | 
Na, wieviel meinft du denn, daß fie zahlen follen? 


Wilhelm 


Wenn ik jagen fol: Nich unter fufzehn Pfennig for ein 
mal ’rum, 


Zweiter Akt 443 





Schmiedike 
Dann beſorge du das man, Willem. 


Wilhelm 
Soll beſorgt werden, Herr Schmiedike. 


Minna 
(kommt aus dem Hintergrunde nach vorn) 


Alleweile kommen ſchon die erften Gäſte. 


Schmiedike 
Der Kremſer? Was? 


Minna 


Nee, die kommen auf Schuſters Rappen. (Gebt ab ins 
Haus links) 


Wilhelm 
(blickt nach rechts hinaus) 
Ach jo — die — na — das is man eine ſchwache Avant: 
Garde. 


Schmiedife 
Wer ift es denn? 


Wilhelm dommt zurücd) 


Der volle Uhrmacher is e8, aus die Stadt, der Balzer — 
na, willen Sie, Herr Schmiedife — 


Schmiedike 
Was denn? 


Wilhelm (vertraulich) 


An dem verdienen Gie nich viel — es iS mit dem Mann 
fo — ſo — Peuter an den Kopf) 


Schmiedife 
Wie denn? 

Wilhelm 
Faul. 

Schmiedife 


Saul mit feinem Gefchäft? 


444 Meifter Balzer 





Wilhelm 

Dichte vor die Pleite — bein Budiker hab’ ich’8 mir 

fagen laffen — und ins Dberftübchen ſoll er bloß halb noch 
richtig fein. 

Schmiedike 

Nanu? Hat doch früher aber fo ſchöne Uhren gemacht? 


Wilhelm 
Früher — hm — for's Jeweſene jibt der Sude nifcht. 
Die Fabrike, Herr Schmiedike, die Fabrike! 


| Schmiedife 
Gegen‘ die kann er fich nich halten? 


Wilhelm 
Die frißt ihm auf, 


Zweiter Auftritt 
Lotte (den Hut, der altmodifch garniert ift, am Arme, einen Strauß Feldblumen in 


der Hand, kommt aus dem Hintergrunde hereingelaufen, wendet jich, auf der Bühne 
angelangt, zurüd, ſchwingt den Strauß) 


Lotte 
Erſte! Ich bin erſte! Otte etſch! Otte etſch! (Sie wirft ſich 
atemlos, lachend auf eine Bant) Ach Gott Rinder bin ich ge= 
laufen! 








Dritter Auftritt 


Dtto 
(kommt hinter ihr Drein) 


Uber Lotte — einen fo außer Atem zn bringen! (Er nimmt 
den Hut ab, wifcht fich mit dem Taſchentuch die Stirn) 


Lotte 
(rückt auf der Bank) 
Setzen Sie fich ber, Herr Otto Mühlich. «Otto ſetzt ſich neben fie) 
Ruhen Sie ſich aus, Herr Otto Mühlich — dafür ſollen Sie 
auch 'nen Orden bekommen — 


(ſie hat ihm das Tuch abgenommen, wiſcht 
ins Knopflo 
(Schmiedike und Wilhelm ſtehen etwas zurück, an der Treppe links) 


ar die Stirn, ſteckt ihm eine Blume 


a a Zr Zr Da ⏑ 


Zweiter Akt 445 





Wilhelm (au Schmiedike) 
Nanu, jagen Sie mal, Herr Schmiedife, das find wohl 
Brautleute? 
Schmiedife (u Wilhelm) 
Sieht fich fajt jo an. (Caut, indem er vortrith Mo’jen, meine 
Herrichaften. 
Lotte 
(pringt auf, reicht ihm die Hand) 


Mo’jen auch, Herr Schmiedifel Mo’jen, Herr Willem | 
(Reicht Wilhelm die Sand) Mo’jen allefamt! (Sie breitet die Arme aus) 


Mo’jen meine Herren Bäume! And mein liebes, ſchönes, grünes 


Gras! Mo’jen, liebes Rofengarten überhaupt | 


Vierter Auftritt 
Balzer 


(kommt aus dem Hintergrunde) 
Lotte 
(fliegt ihm entgegen, umarmt ihn) 
Vater! Da ſind wir in Roſengarten! Nu ſag', daß es nicht 
ſchön iſt! Sag', daß es nicht ſchön iſt! 


Wilhelm (gu Schmiedite) 
38 dag eine pusige Jurke. 


Balzer 
Ob das Schön ift! 


Lotte 
(drückt ihm den Blumenſtrauß ins Geſicht) 


Die Blumen, Vater! Riech doch nur! Riech ! 


Balzer 
Als wär’ e8 der Atem Gottes felbft. 


Lotte 
Und die Maſſe Käferchen, Vater, die auf ſo einer Wieſe 
'rumkrabbeln! Das glaubt man gar nicht. 


Balzer 
Ja ja, das kommt nu alles aus ſeinen Löchern 'raus und 


446 Meifter Balzer 





freut fih, daß es da if. — Ma, guten Morjen, Herr 
Schmiedike. 
Schmiedike 
Tag, Herr Balzer — wie ſieht's denn aus? 


Balzer (fest ſich) 
| Dante, danke, wenn ich nach Rofengarten fomme, immer guf, 
Iſt das ſchön, Herr Schmiedife! 


Schmiedife 
Was denn? 
Balzer 
Na das bier, wo Sie wohnen. 
Schmiedife 
Ach — ſo. 
Balzer 


Wie die Saaten auf den Feldern ſtehn — es iſt ja eine 
Freude! 
Schmiedike 
Na ja — macht ſich ja. 


Balzer 


Und was das Beſte iſt: ſie wachſen für Menſchen, die es 
verdienen. 


Schmiedike 
Wer denn? 
Balzer 
Für die Roſengartner. 
Schmiedike 
Ach — ſo. 
Balzer 


Da in der Stadt — ſehn Sie — das will alles immer 
nur mehr haben; hier iſt man zufrieden mit dem, was man hat; 
hier kriegt man wieder Vertrauen zu den Menſchen. 


Schmiedike 
Na ja — das heißt (acht verlegen). 


Zweiter Aft 447 





Lotte 
Und die Bäume an der Chauſſee, Vater, haft du geſehn, 
was die für Kirfchen angefest haben? 
Balzer 
Na ja, freilich. 
Lotte (zeigt auf den Kirchturm) 
Und fieh mal, Vater, wer da ’rübergudt? Kommt mir fo 
befannt vor! 


Wilhelm 
(der in der Richtung ihres Blicks fteht) 


Manu, Mamfelllen? Meinen Sie mir? 


Lotte 
Vater, nu hör'; Herr Willem denkt, ich meine ihn! 


Balzer 
Warum denn auch nicht? Iſt ja ein guter alter Bekannter? 


Morjen, Herr Wilhelm. 
| | Wilhelm 
Dienerchen, Dienerchen, Herr Balzer! 


Balzer 
ber diesmal, Herr Wilhelm, meinte meine Tochter nicht 
Sie, fondern den da drüben, den alten Kirchturm. 


Wilhelm 
Den Kirch — turm — ach ſo — weil — das Mamſellken 
ſagte, daß einer 'rüberguckte? 


Lotte 
Tut er auch, Herr Willem; ſehn Sie denn nicht, was er 
für ein großes Auge hat? 
Wilhelm 
Der Kirchturm — hat ein Auge —? 


Lotte 


Die Uhr, Herr Willem — die alte Ahr — der alte 
Klapperkaſten. | 


448 Meifter Balzer 





Wilhelm 
Ach jo — meinen Sie das. Über ein Rlapperkaften — 
das ftimmt! Herr Schmiedile, was hab’ ich Sie gefagt? Eine 
gefchlagene Stunde find wir Nofengartner hinter die übrige Welt 
dreinjeblieben — das i8 nifchtl 


Balzer 
Laffen Sie gut fein, Herr Wilhelm; Rofengarten ift gut, 
gerade jo wie es ift. 
Wilhelm 
Sagen Sie das nich, Herr Balzer; in Rofengarten fehlt 
der Fortſchritt! Roſengarten is nich mitjegangen mit die Seit! 
In Rofengarten — wie fol ick's fagen — fehlt der Enbompoing ! 
Lotte 
(pruſtet heraus und lehnt ſich an den Vater) 
Schmiedike 
Na, Willem, halt' man keine Reden. 


Wilhelm 
Herr Schmiedike — es is ville zu ſagen in den Punkt, ville! 


Lotte 


Aber Herr Willem, es wird ja nu anders werden mit der 
alten Turmuhr; nächſtens gibt's eine neue. 


Wilhelm 
Wiſſen Sie das och ſchon, Mamſellken? 


Schmiedike 
Der Willem hat mir erzählt, Herr Balzer, daß ſie Bi 
Gemeinderatsfisung halten wollen wegen einer neuen Turmubr. 


Wilhelm 
Sind ſchon dabei, Herr Schmiedike, find. ſchon mitten drin 
in die Beratung. 
Balzer citeht auf) 
Was jagen Sie, Herr Wilhelm? Sind ſchon dabei? 


Wilhelm 
Haben Sie was dabei zu fun, Herr Balzer? 


an 


Smweiter Akt 449 





Balzer 
Na — ich denfe beinah. 
Lotte 
Aber Herr Willem! Vater iſt ja Hauptperſon dabei?! 
Wilhelm 
Sooo? — 
Balzer 


Iſt nicht geſtern ein Brief von mir gekommen? An den 
Schulzen? 
Schmiedike 
Jawoll, Herr Balzer; geſtern Abend hab' ich's gehört, wie 
der Schulze davon geſprochen hat. 


Balzer 
Siehſte Lotte, das ſind meine Roſengartner! Geſtern haben 
ſie meinen Brief bekommen und heute ſind ſie ſchon darüber her 
und beraten. Na — dann muß ich nur machen, daß ich hin— 
fomme! Wo find fie denn? Im Schulhaus? 


Wilhelm 
Sm Schulhaus — jawoll. 


Lotte 


Ach Vater, wenn ich doch bloß dabei ſein könnte, wenn 


du's ihnen erzählſt! Wenn ich's Doch bloß erleben könnte! Die 
Freude! 


Balzer 
Na, Mottechen, da gehören Mädchen nu mal nicht dazu. 
Du geht jest mit Otte zu feiner Mutter und fagft ihr guten 


Tag, und nachher kommt Ihr wieder ber, und da erzähl” ich dir 
denn, wie alles geweſen ijt. 


Lotte 


Aber begleiten darf ich dich doch bis vors — 
Vater? Nicht? 


Balzer 


Warum ſollſt du mich denn nicht begleiten dürfen? 
Dramen X 29 


450 Meifter Balzer 





Lotte 


Otte, gehſt du immer voraus zu deiner Mutter? Dann 
komm' ich nachher vom Schulhaus gleich hin? 


Dtto 
Ja ja, Lotte, ich gehe voraus, 


Lotte 
(hängt ſich dem Vater in den Arm) 
Hurra, ale Fiſche und alle Rinder! Pater, nu komm! 
Herr Willem — nu pafjfen Sie gut auf! 


Wilhelm 
Auf was denn? 
Lotte 
Bis jetzt iſt Roſengarten eine Stunde hinter der Zeit drein 
geblieben — jetzt macht's mit einemmal einen Hops und iſt 
der Zeit eine Stunde voraus. 
Wilhelm 
Na jagen Sie mal —? 
Lotte 


Paſſen Sie auf, Herr Willelm! Paſſen Sie auf! 


Balzer (steht fie fort) 
Ma nu komm, du Motte, nu fomm. 


Lotte 
(umſchlingt ihn, geht tänzelnd neben ihm her, trällernd) 


Freut Euch des Lebens, weil noch das Lämpchen glüht! 


(Balzer und Lotte gehen durch die Gittertür im Hintergrunde ab und verjchwinden 
dann nach links) 


Wilhelm (fieht ihnen nach) 
Was hab’ ich Sie gejagt, Herr Schmiedife? Die Balzer: 
fchen find bloß halb richtig ins Dberftübchen. 


O tto (fteht auf) 
Na na, Herr Wilhelm, fo etwas müfjen Sie nu nicht 
fagen. . 
Wilhelm 
Was denn fonft? 


a — 





Zweiter Akt 451 


Dtto 
Weiiſter Balzer, das ift ein Uhrmacher, wie e8 einen zweiten 
überhaupt gar nicht gibt. 
Wilhelm 
Was das anbelangt, das verfteh’ ick nich, da kann ick nur 
fagen „non possimus“. Wenn aber jemand fagt, Rofenjarten 
i8 gut, Rofengarten kann fo bleiben — denn fag’ id, der Mann 
i8 nicht mitjegangen mit ‚die Zeit! Und dann das Mächen! 
Der Kirchturm hat Augen — Rofenjarten macht einen Hops — 
na aber jagen Sie? 
Dtto 


Aber Herr Wilhelm, Sie werden doch Spaß verftehn? 
Die Lotte hat nu mal den Kopf voll Schnaden und laufen, 
aber wer fie für dumm Fauft, ich kann Ihnen nur jagen, der 
irrt ſich. 

Wilhelm 
Verdreht is fiel KRomplettemang verdreht | 


Dtto 
Me, das ift nicht wahr! Und das müffen Sie nicht fagen ! 


Wilhelm 
So — doch kein vernünftiger Menſch! 


Schmiedike 
Sei ſtille, Willem, aber nu ſagen Sie mal, Herr Mühlich, 
was hat denn der Balzer mit der neuen Turmuhr zu tun, daß 
er ſo dahinter her iſt? 
Otto 
Aber Herr Schmiedike, das iſt doch ſehr einfach: Meiſter 
Balzer macht ja die neue Turmuhr ſelbſt! 


Wilhelm 
Na — nu? 
Otto 
Najal 
Wilhelm 


Der macht die neue Turmuhre? Geit wann denn? 
29* 


452 Meifter Balzer 





Dtto 
Seit einem Jahr arbeitet er dran. 


Schmiedike 
(pringt auf und geht auf und ab) 


Au, Bade, mein Zahn! Au, Bade, mein Zahn! 


Dttp 
Was ift denn los? 
Schmiedike 
Denn wird das ja eine klotzig teure Geſchichte? Denn 
koſtet das ja einen Haufen Geld? 


Otto 
Na — was das anbetrifft — 


Schmiedike 
Siehſte, Willem, was hab' ich geſagt? Nu heißt es wieder 
ausſpucken! Und wofür denn nu eigentlich? Für eine neue 
Turmuhr! Was geht mir die neue Turmuhr an? 


Wilhelm 
Herr Schmiedike — 
Schmiedike 
Du kannſt reden, du brauchſt nich zu bezahlen. Aber 
ich! Und bloß, weil's dem Herrn Balzer einfällt, daß er ſich 
ein janzes Jahr lang hinſetzt und ſich eine Uhr ausdenkt wie'n 
Wagenrad. 


Wilhelm 
Herr Schmiedike — 
Schmiedike 
Wie komm' ich denn dazu, daß ich das bezahle? 
Wilhelm 


Sind Sie doch man ruhig, Herr Schmiedife, Es i is ja alles 
Unſinn. Der olle Balzer macht ja die neue Turmuhre jar nich. 


Otto 
So? Wiſſen Sie das? 


öl 2 Ze 4.55 0 ©. - 





F 


Zweiter Akt 453 





Wilhelm 
Ja, junger Mann, das weeß if, 


Otto 
Na — wer macht ſie denn dann? 


Wilhelm Gedeutungsvoll) 
Die Fabrike! 
Ot to (ichtlich erſchrocken) 
Die — Fabrik? Woher denn? 


Wilhelm 
Woher? (Tipp fh mit dem Zeigefinger auf die Stirn) Von wegen 
das da, was man den jefunden Menfchenverftand nennt. 


Otto 
Wieſo denn? Wieſo denn? 


Wilhelm 

Das will ich Sie erklären: (zu Otto) da, wo Sie ſtehen, das 
is nu der olle Balzer — da, wo Herr Schmiedike ſitzt, das is 
die Fabrike — und als wie ide, wir find die Roſenjartener. 
Nu kommt der Balzer von die eine Geite und die Fabrife von 
die andere und jeder bietet ung die neue Turmuhre an. Was 
werden nu die MRofenjartener tun? Wat fol die Uhre koſten? 
fagen die Rofenjartener. Dadrauf da jagt nu der olle Balzer: 
fie Eoftet found foviel — und denn aber jagt die Fabrike: 
meine foftet bloß balb fo ville. Un nu will ick ja nich be— 
baupten, daß die Rofenjartener jrade die klügſten von's janze 
Menfchenjefchlecht find? — aber fo viel wiſſen fie von’s Einmal: 
eins doch noch, daß halb foviel weniger is als janz fo viel; 
und dadrum jo werden fie jagen: Herr Balzer, bauen Sie fich 
Shre Turmuhre zu Haufe alleene uf — wir nehmen die von 
die Fabrike. 


Dtto 
(verfinft in Nachdenfen) 


Wilhelm 
Na? 38 das Har? 


Sckhmiedife 
Wie foll denn das nich klar fein? 


454 Meifter Balzer 





Otto 
Aber — das wäre ſchlimm. 


Schmiedike 


Na erlauben Sie mal; ſchlimm wäre es, wenn wir für 
niſcht und wieder niſcht das Doppelte bezahlen müßten! 


Otto 


Ich meine — es wäre ſchlimm für den alten Mann. Er 
hat ſich ſolche Mühe damit gegeben — 


Wilhelm 
Kann alles niſcht helfen. 
Otto 
Und — hat ſich ſo drauf gefreut. 
Schmiedike 


Dazu, daß wir ihm fein Pläſier bezahlen, is doch un 
Jeld aber nich da. 
Wilhelm (su Otto) 
Zunger Mann, ich will Sie was fagen, Sie müſſen's nich 
übel nehmen: Gie find auf’n falfchen Weg. 
Otto 
Wie meinen Sie denn das? 


Wilhelm 
Das will ich Sie erklären; ſehn Sie, das is, wie bei's 
Mil'tär: wenn's da heißt: „Schützen vor“, denn laufen Die 
Füfiliere nach vorne. Verſtehn Sie? 


Otto 
Was — ſoll denn das aber? 


Wilhelm (chlagt ihm auf die Schulter) 
Und Sie find ein Füfilier, 


Dtto 
Sch? bin ja noch gar Kine Soldat — 





Zweiter Akt 455 





Wilhelm 

Alle jungen Männer find fozufagen Füfiliere, Denn der 
Füfilier das is ein allurter Menfch, und junge Männer mülfen 
allurt fein! Und darum müflen junge Männer mit die Seit 
mitjehn, und müfjen vorne fein, wo der Fortſchritt iS, bei die 
AUvant- Garde, und nich dabhinten, an die Queue, wo die ollen 
dicken Feldwebels marfchieren. Und das alles fun Gie nich, 
junger Mann; denn der Fortjehritt, das is die Fabrike — und 
in die Fabrife find Sie nich. Und da jehören Sie aber hin! 
Und ftatt deflen figen Sie da hinten bei einem ollen halbver- 
drehten Sauertopf — und wenn Gie fo weiter figen, dann 
fommen Gie aus’n Sauertopf inn Mußtopf — und fo töppert 
fih das weiter, bis daß Gie ſich Ihr ganzes Leben zertöppert 
haben werden. 


Dtto 
(jegt fih, in Gedanken verfinfend, fchwer nieder, ſtützt das Haupf auf) 


Schmiedike 
Dagegen iſt ſchwer was zu ſagen. 


Otto 


Ach — Herr Schmiedike — das — iſt alles fo eine traurige 
Geſchichte — 


Schmiedike 
Wieviel verdienen Sie denn bei Herrn Balzer? 
Otto 
Wieviel ih —? Na — ich lebe ja doch bei ihm. 
Wilhelm 
Herr Schmiedife fragt, wieviel daß er Ihnen bezahlt? 
Otto | 
Ach — das — das ift eigentlich gar nicht zwifchen uns. 
Schmiedike 
Nu wird es Tag! 
Otto 


Aber ich habe doch bei ihm gelernt? Und — alles was 
ich kann — hab' ich von ihm. 


456 Meiſter Balzer 





Wilhelm 
ber jegt haben Sie doch ausgelernt? Jetzt find Gie 
doch fein Gehilfe? Und was ein Gehilfe is, der hat doch fein 
Geld zu verlangen! 
Dtto (fpringt auf) 
Das — kann ich Ihnen alles nicht fo jagen — das ift 
alles — mit Meifter Balzer ganz anders! 


Wilhelm 
So»? 
Dtto 
3a — das kann ich Ihnen fo nicht befchreiben, das ver: 
ftehen Sie ja doch nicht. 
Wilhelm 
Eine AUffenfchande is das! Verſtehen Sie mir? 


Dtto 
Ach reden Sie doch nicht fo! 


Wilhelm 
Mir kann's ja ejal fein, ob Gie fih das Fell über die 
Dhren ziehen laffen, Uber was Ihre olle Mutter zu dem allen 
fagt, daß möchte ich bloß wiflen. 


Dtto 
(der in Erregung auf: und abgegangen ift, bleibt bei Diefem Worte plötzlich ftehen) 
Wilhelm 

Denn wenn Gie von dem fatt werden, was Ihnen der 
olle Balzer zu effen jibt, wird denn davon die olle Frau 
fatt? 

Schmiedife 
Das ift auch wieder wahr. 


Otto (wifcht fih über den Kopf) 
Herrgott — Herrgott — 


Wilhelm 


Denn wovon lebt denn die olle Frau? Botenjänge macht 
fie; ich danke — mit die ollen Klapperbeene! Und wie lange 


Zweiter Akt 457 





wird's dauern, denn jeht es damit nich mehr, denn is es damit 
Eſſig und fie fist da, Und was wird denn dann? Dann haben 
wir eine Arme mehr im Dirt. 


Schmiedite ſchlägt auf den Tiſch) 
Iſt richtig! Iſt richtig! 


Wilhelm 
Und denn kann die Semeinde fie durchfüttern. 


Schmiedike (fpringt auf) 

Natürlich! Wozu iS denn die Semeinde fonft da, als daß 

fie Seld ausſpuckt! (su to) Nu fagen Sie mal, wie fomme ich 
dazu, daß ich Ihre Mutter ernähren fol? 


Dtto 
Uber fo beruhigen Sie fich doch nur. 
Skhmiedife 
Sch beruhige mir jar nicht! Das ift eine ganz verflucht 


teuere Zefchichte! Und ich hab's ſatt, immer Jeld herjeben und 
Jeld berjeben für nifcht und mieder nifcht! 


Dtto 


Zum Donnerwetter, was wollen Sie denn eigentlich? Haben 
Sie denn ſchon einen Pfennig herzugeben gebraucht? 


Wilhelm 
Uber es fommt und es wird! Sie fällt der Jemeinde zur 
Laft, das is jewiß. | 
Dtto 
(vafft den Huf auf, Den er auf den Tifch gelegt Hatte) 
Ach — mit Ihnen ift ja gar nicht zu reden! (Er wendet fich 


zum Abgange nach Dem Hinfergrunde. Zn diefem Augenblic hört man rechts hinter 
- der Szene Lärm von Stimmen und Schritten. Gelächter) 


Fünfter Auftritt 
Minna (kommt aus dem Haufe geftürzt) 


Der Rremfer fommt! Der Kremfer von die Fabrife fommt | 
(Läuft durch den Hintergrund hinaus) 


458 Meifter Balzer 





Schmie dike (türzt durch die Tür links) 

Das Bierfaß aufgeſchlagen! Feuer unter'n Kaffeekeſſel! 
Dalli! Dalli! Dalli! Komme zurüch Willem, nimm die Zieh— 
jarren an dich! Jeh ins Haus, Willem, ſieh nach die Mächens, 
Willem! 

Wilhelm 
(nimmt die Zigarrenkiſten, geht links ind Haus) 
38 jut, Herr Schmiedike. 


Schmiedike 
(geht händereibend auf und ab) 


Nu kommt Jeld ins Haus! Nu wird's fein bei Schmiedike! 


Sechſter Auftritt 
Arbeiter (und) Arbeiterinnen (aus der Fabrik erſcheinen hinter dem Gitter 
im Hintergrunde, Sie find fonntäglich gekleidet) Anton Grottfe (und) Räthe 
(feine Schwefter find unter den Antommenden. Käthe tft kokett aufgeputzt) Dorf- 
bewohner von Rofjengarten (kommen aus dem Hinfergrunde und miſchen fich 
unter die Arbeiter. Sie treten Durch —* —— im Hintergrunde ein und kommen 
nach vorn 


(Otto, dem der Weg durch die Ankommenden verſperrt worden, tft nach vorne ge— 
; treten; blickt auf Käthe und Anton) 


O tto (für fi) 
Mu kommen die au — it mir nicht lieb. 


Anton 
Mahlzeit, Herr Schmiedike! 


Käthe 
Mahlzeit, Herr Schmiedife | 


Schmiedike 
Mahlzeit, meine Herrſchaften! Mahlzeit! Mahlzeit! 
Mahlzeit ! | 
(Allgemeine Begrüßung) 
Käthe 
Die Zirlanden am Gitter — fieh mal, Anton, fein! 


Anton 
Haben Sie ſchön gemacht, Herr Schmiedife, 


Zweiter Akt 459 





Schmiedife 
Heute wird’s fein bei Schmiedifel Heute wird’s fein. 


Käthe (die Otto bemerkt hat) 


Nu brat' mir aber einer nen Storch! Anton — fieh 
mal dal 


Anton 
Otto — iS es denn möglich? (Gebt auf ihn zu, reicht ihm die Hand) 
Na fiehfte, das iS aber mal vernünftig, daß du jefommen bift. 


Otto 
Sch — hatte gar nicht gewußt, daß Ihr ’rausfommen 
würdet. | 
Räthe 


Nu is das Unglüd einmal gefchehn, Herr Mübhlich, da ift 
nicht zu helfen. (Sie veicht ihm kokett aber nicht ohne Anmut die Hand) 
Gibt am Ende noch größere? Hm? 


Dtto (blick fie an, ſchmunzelt flüchtig) 
3 — m — | 
Anton 
Uber nu fag’ mal, bift du allein? 


Otto 
Ne, Meiſter Balzer iſt auch mitgekommen. 


Anton 
So? Wo iſt er denn? 


Otto 
Bei dem Schulze und dem Gemeinderat; ſie beraten wegen 
der neuen Turmuhr. 
Anton 


Das trifft ſich ja gut; dann kannſt du uns Geſellſchaft leiſten, 
bis daß er retour kommt. 


Otto 
Nein, nein, ich muß zu meiner Mutter. 


460 Meifter Balzer 





Anton 
Dazu iS doch Zeitz deine Mutter läuft doch nich davon. 


Dtto 
Uber — ich werde erwartet. 


Käthe 

Ach fo — na Anton, dann jib's man auf. 
Anton 

Wieſo denn? 
Käthe 


Verſtehſte denn nicht? Er muß zum Appell, denn jehn 
Sie man, Herr Mühlich, die Lotte iS jenau, die hält auf Pünkt— 
lichkeit, | 

! Otto 
Ach — na — So fteht e8 nun nicht. 


Anton - 
Solange wird fie ſich doch jedulden, daß er mit feinen 
Kollejen ein Glas Bier trinken kann. (Schlägt Otto auf die Schulter) 
Otto — wir machen ein Seidel. 


Dtto 

Neee — ich danke — 
Anton 

Herrjott, fo fei doch nicht fo — ein Seidel — 
Dtto 


(greift in unwillfürlicher Verlegenheit an feine Taſche) 
Uber — ich danke wirklich — 


Käthe (ſößt Anton an) 
Du — der bat fein Geld. 


Anton (zu Käthe) 


Merf ich ja Schon lange — Gu Otto) na fomm, Otto, ich 
lade dir auf ein Geidel ein, das darfit du nich ausfchlagen. 


Zweiter Akt 461 





O tto (für fich) 


Nicht einen Grofchen Geld bat man bei fih. Gnzwiſchen 
find Minna und andere Mädchen mit gefüllten Bterjeideln aus dem Haufe gefommen, 
Die Arbeiter, Arbeiterinnen und Dorfbewohner haben fich an den Tiſchen verteilt 
und niedergelafjfen. Die Seidel werden vor fie hingeftellt) 


Anton 
(jest fich an den Tiſch links, vorn, Käthe ihm gegenüber. Anton ruft) Hier drei 


Seidel! Nanu komm, Otto, ſetz' dich her. 
Käthe (rüdt zur Seite) | 
Sonft is hier auch noch Platz, Herr Mühlich. 
Dtto 
(zÖgert einen Augenblid, Dann jest er fich neben Anton) 


Anton (u Käthe) 
Laß ihn doch figen, wo's ihm paßt. 


Räthe 
Mer jagt denn was andres? Meinefwegen kann er doch 
figen, wo daß er will, (Drei Seidel werden vor Die drei geſetzt) 


Anton 


Nu woll’n wir mal anftopen. Ecrgreift fein Glas, ſtößt an Ottos Glas) 
Proſt — Rollege. | 


| Otto 
Nanu? Kollege? 
Anton 
Na ja! Biſt du vielleicht kein Uhrmacher? 
Otto | 


Ach — fo. (Stöße mit ihm an, trinkt, dann behält er das Glas in der 


Sand und fieht mit halbem Blick u Käthe hinüber, Käthe tut, als bemerkte fie 
feinen Blick nicht, nejtelt eine rote Rofe, die fie am Buſen trägt, los, und nimmt 
den Stengel in den Mund) 


” Anton (u Käthe) 
a? i 


Käthe (gleichgültig um fich blickend) 
Hm? 


Anton 
Wilft denn du nicht mit ihm anftoßen ? 


462 Meiſter Balzer 





Käthe 
Herr Mühlich hat mich ja noch jar nich invitiert. 


Dtto 
Sie — find wohl ärgerlich wegen vorhin? 


h Käthe 
Argerlich? Kenn’ ich überhaupt nich. 


Anton 
Das is wahr! Die is fidel, und wenn’s ans Erfaufen jeht. 
Dtto 


(näbert fein Glas dem ihrigen) 
Na — wenn’s Ihnen denn alfo recht ift — 


Räthe 
(nimmt ihr Glas, lacht ihm über den Tiſch zu) 
Nehmen Sie fih man in acht. 


Dtto 
Wovor denn? 
Käthe 
Daß es die Lotte man auch erlaubt ? 
Otto 


Ach — reden Sie doch nicht jo! «Er ftößr heftig an ihr Glas an. 
Käthe lacht laut und trinkt) 


Anton (gu Käthe) 
Siehfte — da hat er dir's gezeigt. 


Käthe 
Na ja — wenn die Lotte nich dabei iS, dann hat er 
Courage. 
Dtto (fteht Halb auf 
Ach wiffen Sie — wenn Gie fo reden — 


Käthe (ehe ihm ins Geficht) 
Was denn dann? 
Dtto 


Dann — fe’ ich mich nu grade zu Ihnen! (Er kommt mit 
baftiger Bewegung um die vordere Tiſchecke herum, jest fich neben Käthe) 


Zweiter Akt 463 





Anton 
Siehfte Otte das war recht! 


Käthe Crängt fi lachend an ihn) 
Dafür follen Sie auch Ihren Lohn kriegen. (Sie nimmt fein 


Glas, ſchiebt ihm das iprige Hin Nu trink' ich aus Ihrem Glafe und 
dafür dürfen Sie aus meinem trinken, 


Dtto 
(nimmt fchmunzelnd ihr Glas auf, trinkt daraus, Käthe trinkt aus feinem, Anton 
ftebt währenddem auf und geht, fich unterhaltend, von dieſem zu jenem) 
Räthe 
(fieht Otto dicht in die Augen) 
Hat's jefchmect? 
Dtto 
(unter ihrem Blicke errötend, in halbem Tone) 


Sa — Sehr gut. 


Käthe Weinah flüſternd) 
Wiſſen Sie, Sie ſind ein komiſcher Mann. 


Otto 
Wie — ſo denn? 
Käthe 
(ſtützt den Ellbogen auf, ſieht ihm kopfſchüttelnd ins Geſicht) 
Andere Männer die laufen den Mächens nach, und haben 
noch nich mal Glück damit — und Sie laſſen's an ſich kommen 
und tun jar nichts — und Ihnen laufen die Mächens nach. 


Otto 
(Halb verlegen, halb eitel lächelnd) 


Das — ift mir ja ganz etwas Neues, 


Räthe 
Sag’ ich ja. Gie find immer im Tran — und frogdem 
— ich weiß jar nich — (fie nähert ihr Geficht dem feinigen, ergreift feine 
auf dem Tifche ruhende Hand und drüdt fi) Gott — Sie — 


Dtto (ſcſhwer atmend) 
Uber — Fräulein Käthe — ? 


464 Meifter Balzer 





Räthe 
(läßt den Blick eine Zeitlang ftumm auf ihm ruhen) 


MWiffen Sie was? Ich werde Ihnen was fchenfen. (Sie 
nimmt die Rofe, die fie in den Fingern hät) Da — 


Otto 
Die ſchöne — Roſe — 


Käthe 
(will ihm die Roſe ins Knopfloch ſtecken) 
Da iſt ja ſchon was drin? Haben Sie ſich das ’rein- 
jejteckt ? 
Otto 
(blickt an ſich herab) 
Ach fo — nein — die hat mir vorhin — 


Räthe 
(reißt die Feldblumen, die Lotte ihm * — geſteckt hat, mit einem Griffe 
erau 


Sp was ſchenkt Ihnen die? (Sie Hält die Blumen verächtlich in 


der flachen Sand) Das is ja nich viel befjer ald Gras? Pfui! 
Mierig! (Sie wirft die Blumen zur Erde) 


Otto 
Uber — Fräulein Käthe — das ift doch nicht recht! 


Käthe 
(beugt ſich zu ihm hinüber, befeſtigt die Roſe in feinem Knopfloch, halblaut) 


Sei'n Sie doch ſtille — Sie kriegen ja was Beſſeres dafür. 
(RNachdem ſie Die Roſe feſtgeſteckt Hat, nimmt fie ſeinen Rock mit beiden Händen an 
der Bruft) Gott — Mann — merken Sie's denn jar nich — 


daß ich Ihnen jut bin? 
Otto 
Fräulein Käthe — Sie — ſehen heute — ſo hübſch aus, 
wie ich Sie noch nie geſehen habe. 
Käthe 
Gefalle ich Ihnen? Ja? 


Otto 
Ja — wirklich — 


weiter Akt 465 





Käthe 
(ergreift ihr Glas) 


Woll'n wir eins darauf trinken — proft! 


Dtto 
(ſtößt mit ihr an, trinkt einen Schlud) 
Räthe 
Ne, ne — ordentlich. Wer nich ordentlich trinkt, meint’s 
nich ehrlich. 
Otto (frinte noch einmal 
Nu wird's doch genug fein? 


x Käthe 
Reiter im Glafe laffen bringt die Gicht. 


Dtto (acht) 
Uber — Fräulein Käthe — 
Räthe 


; (ſchiebt ihm Das Glas an den Mund) 
Austrinken! 


Otto (trinkt aus) 
Sie fun einem ja ordentlich Gewalt. 


Käthe 


Muß man auch mit Ihnen. Sehn Sie — ich habe auch 
ausjefrunfen; willen Sie warım ? | 


Otto 
Na? 


Käthe 


Weil ich will, daß uns das beiden Glück bringen fol. — 
(Sie blickt ihm ins Gefih) Wünfchen Sie mir denn das auch? 


O tto (acht) 
Na gewiß doch. 
Käthe 
Ne, ne — lachen Sie mal nich; wünſchen Sie mir das 
wirklich? 


Dramen X 30 


466 Meifter Balzer 





Otto 
ga. — wirklich und gewiß. 


Räthe 
Sott — fehn Sie — mas ich für Sie nich alles täte — 
durchs Feuer wollt’ ich für Sie laufen. 


Otto 
So gut ſind Sie mir? 


Käthe 
Mit nackten, bloßen Füßen — ja — kg Sie mir denn 
auch ein bißchen jut? 


Dfto din innerem KRampfe) 
Fräulein Käthe — was fol ich Ihnen darauf denn jagen? 


Räthe 
Sie hört's ja nicht — Sie dürfen ja reden — ie 


Dtto 
Wenn man Sie fo anfieht — wie fol man Ihnen da nich 
gut fein? 
Räthe 
(drückt ihm Die Hand) 

Ach — Sie — 

Anton 

(kommt zu den beiden zurück) 


Na, Otto — haſt'n ausgetrunfen? Das ift recht. Guft) 
Hier mal noch drei Seidell (Sest fi) 


Dtto 
Ne, ne — nmu iſt's wirklich genug. 
Käthe (Ieife zu Otto) 
Laffen Sie do — mein Bruder bezahlt ja alles. 
Otto 
Ich weiß aber gar nicht, wie ich mich revanchieren ſoll. 


Anton 
Das hat Zeit — weißt du — wenn deine Olle erſt das 
eiſerne Jeldſpinde hat. 


Zweiter Akt 467 





Dtto 
Ach fo — ja das habt Ihr der alten Frau in den Kopf 
geſetzt; fie war wie nicht recht gejcheit damit, 


Anton 
Uber, was ich jagen wollte — haft du gehört? Der olle 
Balzer, hab’ ich mir jagen laffen, pfeift ja aufm legten Loch? 


Dtto 

Wie denn fo? 
Anton 

Nächſtens werden fie ihm fein Haus verfubhaftieren. 
Dtto 

Um Gottes willen — ? 
Käthe 

Man ruhig Blut — das war ja zu erwarten. 
Anton 

Berdient wird doch bei Euch ſchon lange nichts mehr ? 
Otto 

Das ift freilich wahr. 
Anton 


Na alio — wo fol’s denn zulegt berfommen ? 


Dtto 
Uber — wenn fie ihm das Haus verfubhaftieren — mas 
wird denn dann? 
Anton | | 
Was fol denn fein? Denn tritt er in die Fabrife ein, 
und du mit ihm, 
Otto 
Gott ja — das Vernünftigſte wäre es ja ſchon. 


Käthe 
Das reine Glück wär's, wenn's ſo käme, wie Anton ſagt. 


Otto 


Ja, ja — aber ich glaube partout nicht, daß er's tut. 
30* 


468 Meifter Balzer 





Räthe 
Na, wenn der alte Mann feine Vernunft annimmt, dann 
fommen Gie alleine. 
Otto 
(reibt ſich den Kopf) 
Ja — wiſſen Sie — wiſſen Sie — 


Käthe (zu Otto) 
Wollen Sie denn Ihr Leben lang 'rumlaufen wie ein be— 
goſſener Pudel, und nich ſoviel in der Taſche haben, daß Sie 
ſich ein Seidel Bier leiſten können? Finden Sie das ſchön? 


Otto 
Ne — es iſt wahr — das iſt — und fo geht das auch 
nicht länger | 
Inzwiſchen find Drei neugefüllte Seidel aufgejegt worden) 


Anton 
(ergreift fein Glas, fteht auf) 

Meine Damen und Herrn — mal einen Moment Silentium, 
wenn ich bitten darf. ES gilt einem Gaft: wir wollen auf 
unferen Freund und Kollegen Mühlich eins trinken. Proft, Dito 
Mühlich ! 

Alle (lachend durcheinander) 
Droft, Herr Mühlich! Proft, Herr Kollege! (Einige ftoßen 


über den Tifch herüber mit ihm an, andere fommen zu ihm und ftoßen mit ihm an) 


Dtto 
(tft ganz verwirrt aufgeftanden) 


Meine Damen und Herren — ih — weiß wahrhaftig 
gar nicht — wie ich zu der Ehre komme. 


Anton 
Ach was Ehre — merkſt du denn nich, daß du unter guten 
Freunden bift? Merkſt du's denn nich, daß das ein anderes 
Leben is, wenn man mit anderen zufammenfut, ald wenn man 
immer alleine fist und vor fich hindrudit? 


Otto 
(reicht ihm Die Hand Über den Tiſch) 


Anton, es ift wahr — du Spricht wirklich wie ein Freund! 


Zweiter Akt 469 





Anton 
(sieht ihn auf den Sig nieder, fpricht zu ihm über den Tiſch) 


Na jewiß — und darum dächt’ ich, wär’s nu endlich mal 
Zeit, daß dur mit dem ollen Mann ein vernünftiges Wort redeteſt. 


Dtto 
Was — fol ich ihm denn — fagen? 


Käthe 
Daß Sie weg von ihm wollen und in die Fabrife ein- 
treten und was verdienen! 


Otto 
Herrgott — ich weiß wahrhaftig nicht — ob ich das fertig 
kriege. 
Anton 
Du brauchſt ja nicht gleich mit der Türe ins Haus zu 
fallen; du ſagſt ihm, daß er ſelbſt in die Fabrike eintreten ſoll, 
und daß Ihr beide eintreten wollt — 


Otto 
Ja, ja — und wenn er dann nich will — 
Dann ſagen Sie ihm, daß er maſchukke is. 
Anton 
Und daß du dann alleine in die Fabrike jehſt. 
Otto 
So läßt ſich das ſchon hören. 
Käthe 
Da — trinken Sie nochmal eins, damit Sie Courage 
kriegen. 
Dtto 


Dante — danfe — (trinte 


470 Meifter Balzer 





Siebenter Auftritt 


Wilhelm 
(erfcheint in der Tür links, ruft) 


Meine Damen und Herren — 
(allgemeiner Zubel) 


Willem! Da kommt Willem! Willem! 


Wilhelm 
Meine Herren Fabritanten — 


Anton 
Fabrifanten is jut! 
Alle 
Willem ’ne Rede halten! Willem aufn Tifch! 
Wilhelm 


Meine Herrfchaften, Neden halte id immer erſt, wenn’s 
dufter wird. 


Anton 
Warum denn? 


Wilhelm 


Solange es hell iS, fcheniere ick mir, 
(Allgemeines Gelächter) 


Wilhelm 


Vorläufig wollte id nur fagen, daß die Muſike gekommen 
i8 und daß es nu losjehn kann mit das Jetanze. 


Alle 
Bravo! Mufitel Muſike! 


(Einzelne Gruppen von Männern und Frauen erheben fich und freten zueinander) 


Wilhelm 
(euft in's Haus hinein) 
Feuerwehrgalopp | 
Alle 
Feuerwehrgalopp ! 


(Aus dem Innern des Haufes beginnt Mufik, nur von wenigen Snftrumenten aus- 
geführt, daher nicht zu lauf) 


Zweiter Akt 471 





Käthe 
(fteht mit einem Ruck auf) 


Herr Mühlid — ich engagiere Sie zu einem Galopp | 
Woln Sie? 
Dtto (erhebt fich) 
Iſt mir ja eine Ehre. 


Wilhelm uf 
For einmal 'rum jeder Herr fufzehn Pfennig. 
(Allgemeines Gejubel) 
Dttp (für fi) 
Donner — wetter — 


Käthe 


(die feinen Schreck bemerkt, holt rafch Das Portemonnaie aus der Tafche und nimmt 


eine Mark heraus, Dann flüftert fie ihm zu) 


Da ift eine Marl Mu Tönnen wir tanzen, folange es 
ung beliebt! (Sie wit ihm das Geld in die Hand drücken) 


O tto (ſträubt fich) 
Das kann ich nicht annehmen — 


Käthe (dringend) 
Machen Sie doch keine Geſchichten! Es ſieht's ja niemand 
und ich ſag's doch nich weiter! 


Otto (ſtampft mit dem Fuß) 
Es — iſt doch wirklich — 
(ein Fabrikarbeiter nähert ſich in der Abſicht Käthe zum Tanz aufzufordern) 
Käthe 
Da kommt ſchon einer! Wenn Sie in die Fabrike ſind, 
können Sie's mir ja wieder jeben. 


Der Arbeiter (tritt heran) 
Fräulein Grottfe — darf man die Ehre haben?’ 


Räthe cnickſt gegen ihn) 
Danke — bin ſchon engagiert. 
(Der Arbeiter wendet ſich ab) 


Käthe 
Na? Ma? 


472 Meifter Balzer 





Dtto 
(veißt ihr Das Geld aus der Hand, umfaßt fie) 


Alſo ift gut. 
Käthe (preit fih an ihn) 


Was Sie einen zappeln laffen! Uber nu müffen Sie mit 
mir tanzen, bis mir die Seele zum Leibe ausjeht? 


O tto (vrüdt fie an fi) 
a, ja — bis wir beide tot daliegen. 


Käthe 
Sie — Menfchenfind Sie — 


(Beide gehen, untergefaßt, Die Stufen links hinauf und verfchwinden im Innern 

des Hauſes. Andere Paare find ſchon bineingegangen, andere geben jest hinein, 

jo daß die Bühne ſich immer mehr entleert; einige, namentlich ältere Männer, find 
an den Tiſchen ſihhengeblieben) 


Achter Auftritt 
£otte (den Hut auf dem Kopfe, kommt baftig Durch die Tür im Hintergrunde; fie 
—X nach vorn, indem ſie die an den Tiſchen Sitzenden mit den Augen muſtert, ob 


e nicht Otto darunter finden wird) Schmiedike (einige leere Seidel, die er von 
einem der Tiſche aufgenommen bat, in der Hand, kreuzt ihren Weg) 


Schmiedike 
Na Fräulein! Nu können Sie ſagen, daß es ſchön is bei 
Schmiedike? Was? 


Lotte 
(immer noch mit den Augen ſuchend) 


Wo ift denn nur — der Herr Mühlich geblieben ? 


Schmiedife (blick flüchtig umher) 
Bei die Maſſe Gäfte — irgendwo wird er ſchon fein, 


Lotte 
Wo kommen denn die alle her? 


Schmiedike (im Abgehen nach dem Haufe) 
Aus die Fabrike doch. 


Zweiter Akt 473 





Neunter Auftritt 


Frau Mühlich ommt aus dem Hintergrunde) 
Na Lottefen? Hafte den Rumtreiber jefunden ? 


Lotte 
(ſteht da, den Blick zur Erde geſenkt, ohne auf ſie zu hören) 
Frau Müh lich (ſößt fie an) 
Mächen — wie ſtehſt du denn da? 


Lot te (fährt auf) 
Haben Sie's denn gehört? 


Frau Mühlich 
Was denn? 


Lotte 
Die aus der Fabrik ſind da. 


Frau Mühlich 
Dann laß ſie doch — was ſchadt's denn? 


Lotte 
Und der Otte — iſt nirgends zu finden? 


Frau Mühlich 
Haſte denn ſchon überall nachgeſehn? 


Zehnter Auftritt 


Schmiedike 
(der inzwiſchen wieder aus dem Hauſe gekommen iſt, tritt heran) 


Frau Mühlich! Auch mal da? Is recht. Na — wie 
wär's denn mit ein Täßchen Kaffee? | 


Frau Mühlich 


Fa was meinft du, Lottelen? Das kann uns beiden nich 
Schaden ? 


Schmie dike «un 
Minnal Hier zwei Taſſen Kaffee! (MWenver fich) 


474 Meifter Balzer 





Lotte 
Herr Schmiedike — 
Schmiedike 
Hm? 
Lotte 
Wird da drinnen getanzt? 
Schmiedike 


Na ob! Möchten Sie 's nich auch mal ein bißchen pro—⸗ 
bieren® (Gebt ab) 
Frau Mühlich 
Siehfte und wir ftehen hier; gewiß ift der Bengel da drin 
und bopft fich eins, (Sie will nach dem Haufe zu gehen) 
Lotte (Hält fie plöglich zurück) 
Frau Mühlich — gehn Gie nicht! 


Frau Mühlich 
Uber Märchen — mas is dir denn? 


Lotte (tief aufatmend) 
Sch weiß nicht. 
ni Frau Mühlich 
Na — dann woll’n wir ung fegen. (Sie geht an den Tiſch rechts, vorn) 
Wo willft du figen? 


Lotte 


(tritt zögernd heran, dann ſetzt fie ſich mit rascher Bewegung ſo, daß ſie dem Tanz ⸗ 
ſaale den Rücken dreht) 


Frau Mühlich 
Alſo dahin — is jut. (Sest fi) ihr gegenüber) 


Elfter Auftritt 


Minna 


(zwei Raffeetafien auf einem Brett hg tritt heran, fegt die Taſſen mit Zuder 
und Milch auf) 


Frau Mühlich | 
Na Minna — heut jeht's aber hoch her bei Euch. 


Zweiter Akt 475 





Minna 
Die Fabrikanten, Frau Mühlich, die haben's danach, 


Frau Mühlich 
Es fcheint jo. 

Minna (kichernd) 
Sie, Frau Mübhlich, haben Sie ſchon die bunten Laternen 

da gejehn ? 

Frau Mühlich 

Ne wahrhaftig — 
Minna . 

Sind aber feine Lichter nicht drin — find fürfifche, 


Frau Mühlich 
Laternen ohne Lichter? Nu fag’ einmal? 


Minna 
Nicht wahr? — Hat’s fo die und knauſert mit fon 
paar ollen Lichtftumpen! Na — ſo einer — ich jage (wendet fich) 


Frau Mühlich 
Du, Minna, haft denn du nich jefehn, wo mein Junge i8? 


Minna 


Wird wohl da drin fein mang die anderen Sabrifanten ; 
die tanzen ja, als wenn ſie's bezahlt kriegten. (Geht ab) 


Frau Mühlich 
(chüttet Zucer in beide Taſſen und gießt Milch ein) 
Siehfte, was hab’ ich gefagt? So'n Bengell (Sie gießt ſich 
den Kaffee in die Intertaffe, rind Ma, fo trin® doch! 


Lotte 
(fährt mit dem Löffel in die Taſſe, rührt mechaniſch) 


Ich trinke ſchon — 


Frau Mühlich 
(im Raffeejchlürfen fortfahrend) 
Wenn ich bloß wüßte, wer fich den Jungen gefapert bat, 
denn Daß der fich eine holen follte, das fieht ihm nich ähnlich. 
Uber du läßt ja deinen Kaffee kalt werden. 


476 Meifter Balzer 





Lotte (rührt wieder) 
Nein — nein — 


Frau Mühlich 
Möcht'ſt du denn nich mal zufehn, mit wem er tanzt? 


Lotte 
Nein! (Sie ſtützt beide Ellbogen auf den Tiſch, das Geſicht auf beide Hände) 


Frau Mühlich 
Aber nu ſag' mir nur, was du eigentlich haſt? 


otte 
Mir iſt ſo ſchlecht. 
Frau Mühlich 
Schlecht is dir? 
Lotte 
Ich — kann's nicht ſo ſagen — ich möchte am liebſten von 
hier fort. | 
Frau Mühlich 
Uber du ſollſt doch auf deinen Vater hier warten, haft du 
mir gejagt? Ä 
Lotte 
Ja ja — darum geht's ja auch nicht — ach, du mein 
Gott — 
Frau Mühlich 


Weißt du was? Nu bleib du mal bier ſitzen, und unter—⸗ 
des werde ich gehn und den Jungen herholen. (Sie erhebt ſich) 


Lotte (Hält fie zurüch) 
Nein — nicht! 

Frau Mühlich 
Auch wieder nich? 


Lotte 
Denn wenn er nicht von ſelbſt kommt — zu was ſoll's 
denn dann? 


Zweiter Akt 477 





Frau Mühlich 
(figt ihr ratlos gegenüber) 
Lotte 
Und ich hatte mich ſo gefreut auf heute — ſo gefreut. 


Zwölfter Auftritt 
Brieskow, Lange, Domhoff, Köhler (kommen durch die Mitte im Hinter—⸗ 
grunde. Sie jehen verdrießlich erregt, wie Menſchen aus, Die von einer fruchtloſen 


Beratung fommen, gehen an den Tiſch links vorn und fegen fich. Nachdem fie ich 
gejest haben, werden Bier-Seidel vor fie hingeſtellt; zunächſt ſchweigen fie) 


Brieskow (blidt umher) 
Hier — Scheint es — ift er nicht. 


Dom hoff Glickt umher) 
Ne — bier is er nicht. 


Brieskow 
Nu möcht' ich doch bloß wiſſen, wo der Mann hinge— 
kommen is. 
Lange 
Kann uns ja janz ejal ſein. 


Brieskow 
Aber — ich hätte jar nich gedacht, daß er ſich die Ge— 
fchichte jo zu Herzen nehmen würde, 


Domhoff 
Wie er die Tür zugeſchmiſſen hat — hinter ſich — ich 
denke doch gleich, das janze Haus geht aus den Angeln. 
Köhler 
Und geſchwitzt hat er — 


Lange 


Das hab' ich auch; es war warm. 


Köhler 
Waſſertropfen wie Gurkenkerne hat er vor der Stirn gehabt. 
(Paufe) 


478 Meifter Balzer 





Brieskow 


Aber nu ſagt mal bloß, ob ich I was andres hätte jagen 
können, als ich gejagt habe? 


Lange 
Soll denn die Gefchichte noch mal von vorne anfangen ? 
Sit doch abgemacht — alles, 
Bries kow 
Ja — aber — es geht einem doch nach. 


Lange 
Unſinn is die ganze Geſchichte! 
Köhler 
Das is nu zuviel geſagt. 
Lange 
Unſinn is es! 
Domhoff 
Na ja — das hängt alles von dem Standpunkt ab. 
Köhler 
And ich von meinem Standpunkt ſage: die Idee war jut. 
Brieskow 
Die — Idee? 
Köhler 


Mit dem Kaiſer Wilhelm und dem Bismarck und Moltke. 
Lotte (vichtet das Haupt auf 
Domhoff 
Das is von Ihrem Standpunkt aus janz richtig. 


Köhler 


Und denn das mit den Monaten — wo der Mann die 
Gedanken her hat, das möcht' ich wiſſen. 


Lange 
Alles Kinkerlitzchen! 


le ie N u a lu a DE u 


en 2 re a ee Dh ee Ye 


Zweiter Akt 479 





Domhoff 
Von Ihrem Standpunkt aus is das nu wieder ganz richtig. 


Lotte (flüftert über den Tiſch) 
Frau Mühlih? Ich glaube, die fprechen von Vatern feiner 
Turmuhr? 
Frau Mühlich (ebenio) 
Es iS der Schulze mit die Verordneten, 


Lange 
Das alles is nur für Kinder. 


Köhler 
Das iS nu wieder zuviel gejagt. 


Lange 
Nicht zuviel gefagt; denn wenn ich nach’n Kalender fehn 
will, fol ich da erft ’rausgehn und nach die Turmuhr guden? 
= — hab’ ich zu Haufe bequemer; da hängt einer an der 
and. 


Brieskow 
Nötig iſt es nicht — das iſt gewiß. 
Domhoff 
Nötig is es nicht. 
Lange 


Und was nich nötig is — das is für niſcht. 


Lotte (wie vorhin) 
Können Sie verftehn, was fie fagen? 


Frau Mühlich 
Nich fo recht — e8 is zu weit ab, 
Köhler 
Mein Gott — es gibt aber doch 'ne Menge Dinge, die 
nich gerade nötig find. 
Lange 


Für die Reichen in der Stadt — meintswegen — für ung 
fommt es drauf an, daß wir was Praftifches befommen. 


480 Meifter Balzer 





Brieskow 
Das iſt meine Meinung auch. 


Domhoff 
Das is der praktiſche Standpunkt. 


Lange 
Das Praktiſche das is das Dauerhafte. 


Köhler 


Dauerhaft ſind die Ahren allermeiſt genug geweſen, die 
der alte Mann gemacht hat. 


Lange 
Aber teuer. 
Köhler 
Na — nu — 
Brieskow 


Das können Sie doch aber nicht ſtreiten, Köhler, daß man 
in der Fabrik die Uhren fürs halbe Geld bekommt? 


Domhoff 
Das is die Preisfrage — und das is wichtig! 


Bries kow 
Und ſchlecht arbeiten tun ſie in der Fabrik doch auch nicht. 


Lange 
Erſt neulich haben ſie für die Realſchule eine große neue 
Uhr beſtellt gekriegt. 
Lotte wie vorhin) 
Haben Sie nicht gehört? Hat da nicht einer von der Fabrik 
geiprochen ? 
Frau Mühlich 
Sch Hab’ dir’s ja gefagt, ich kann's von hier nich recht 
hören. 
Köhler 
Na ja — die Fabrik, die is nu mal in der Mode. 


Zweiter Akt 481 





Lange 
Alſo machen wir die Mode mit. 


Domhoff 
Das is der moderne Standpunkt, der hat ſein Recht. 


Köhler | 
Er bat ja aber noch gar nicht gefagt, wieviel daß feine Uhr 
koſten ſoll? 
Bries kow 
Schenken wird er ſie uns doch nicht? 


Köhler 
Das Glockenſpiel, von dem er geſagt hat, daß er's uns 
übers Jahr machen wollte, das, hat er gejagt, wollte er ganz um- 
fonft machen. 
Lange 


Ein Glodenfpiel — nu fun Sie mir den Gefallen und 
fagen Sie mir, was wir mit einem Glockenſpiel jollen. 


Röhler 
„ Das is Sefchmacsfache, 


Domhoff 
Is richtig; die Jeſchmäcker ſind verſchieden. 


Köhler 
Und mein Jeſchmack is, daß ein Glockenſpiel ſehr etwas 
Schönes is. | 
Briesfow 
Geb’ ich ja zu — aber — 
| Röhler 
Und wenn man’s noch dazu umfonft haben foll — 


Lange 
Das find Redensarten. 


Köhler 


Sie haben's doch felber gehört, daß er's gejagt hat. 
Dramen X 31 


482 Meifter Balzer 





Lange 
Das kennt man; wenn wir das nachher aufm Halfe haben, 
denn kommt die Rechnung binterdrein, 


Köhler 
Das Sieht dem Mann nich ähnlich. 
Lange 
Rennen Sie den Mann fo genan? 
Köhler 
Beſſer on wie Sie. 
Domhoff 
Gegen den Mann is nichts zu ſagen. 
Köhler 


Es kann einem leid tun um den Mann. 


Brieskow 


Aber was können wir denn helfen? Sind wir ſchuld dran, 
daß die Fabrike da iſt? Haben wir ſie gebaut? 


Köhler 
Wer ſagt denn das? | 


Lange 
Sollen wir die Fabrife vielleicht zumachen, weil fie ihm 
nicht paßt? Sollen wir die Konkurrenz abjchaffen? 


Köhler 
Mer red’t denn davon? 


Bries kow 
Die Konkurrenz iſt doch nu mal da. 


Lange 
Und das is auch ſehr gut; wir haben den blanken baren 
Profit davon. 
Bries kow | 
Sit auch wahr — es wär’ doch geradezu ein Unrecht an der 
Zemeinde, wenn wir die billige Gelegenheit nich mitnehmen wollten? 


Zweiter Akt 483 





Domhoff 
Die Konkurrenz — das is wie das Feuer; den einen frißt's 
auf, dem andren kocht's das Eſſen. 


Köhler 
Das is ja alles janz richtig — das weiß ich ja — 


Lange 
Wenn Sie's wiſſen, warum ſtreiten Sie denn dann. — 


Brieskow 
Und nu will ich mal annehmen, ſehn Sie, er macht uns 
das alles wirklich umſonſt, und wir nehmen es an — aber nu 
ſagen Sie mir, was hat er denn davon? Was bringt ihm denn 
das? Was nutzt ihm denn das? 


Lange 
Natürlich, das ſage ich ja; iſt alles Unſinn. 
Köhler 
Warum daß er das tut — 
Brieskow 
Na ja — daß er uns mit einemmal ſo'n Geſchenk 
machen will? 
Domhoff 
Das is richtig; für umſonſt iſt der Tod. 
Köhler 
Wie ſoll ich denn das wiſſen? Das is ja ve Sache. 
Lange 


Na willen Sie, wenn Gie’s nich wiſſen, denn will ich es 
Shnen erklären, die Sefchichte iS ja ganz einfach. (Er beugt fich über 
den Tifch, ſpricht vertrautih) Willen Sie denn nich, was man von 
dem Mann fich erzählt? 


Domhoff 
Was denn? Was denn? 


Lange (ceutet an den Kopf) 


Da fit es — er hat im Koppe eine Schraube — 
31* 


484 Meifter Balzer 





Köhler 
Dummes Zeug! 
Lange 
Oder eine zuwenig — es kommt aufs ſelbe 'raus. 
Domhoff 


Das is richtig; wenn die Maſchine nich klappt, is es ejal, 
woher daß ſie nich klappt. 
Köhler 
Das is ja nur zum Lachen; Sie haben's doch ſelber vor- 
bin gehört, wie daß der Mann gefprochen bat. 
Lange 
Wie hat er denn gefprochen ? 


Röhler 
Uber — wien Profefior ! 


Lange 
Darum hab’ ich’8 auch nich verjtanden. 


Köhler 
Dann i8 das fchlimm genug für Sie. 


Lange 
Für mib? So? Haben Sie denn das verftanden, was er 
da gered’t hat von — von KRunftwerf — und Erbauung — und 
was weiß ich? 
Köhler 
Wenn ich zwar auch nich fagen will, daß ich's alles ver- 
ftanden babe — foviel hab’ ich immer gemerkt, daß er ſich was 
dabei gedacht hat. 
Domhoff 
Ja — aber wiſſen Sie, Köhler, das ſoll doch ſchon da— 
geweſen ſein, daß auch Profeſſoren manchmal Unfinn geredet 
haben. 
Lange 
Und fo was is es auch gewefen, Unfinn! 


Zweiter Akt 485 





Köhler 
Gar Fein Unſinn wär’s mit der Uhr geweſen, fondern 
etwas, wozu fie von weither gelommen wären, um fich das an- 
zuſehn. 
Lange 
Na ja, nich war? Damit fie uns in Roſengarten ’rum- 
gelaufen wären? Und uns die Wege und Gärten mit ihren 
Wurftpellen und Eierſchalen gepflaftert hätten? Ich danfe 
davor, 
Köhler 
aa jedenfalls bat er nich gered’t wie ein Lerrükter, 


Lange 
Na, wenn er nich verrückt ift, denn will ich Ihnen man 
fagen, denn is er am Ende noch viel etwas Schlimmeres, 


Köhler 
Was denn zum BBeifpiel? 


Lange 
Denn wenn jemand fo mit einemmal fo für nifcht und wieder 
nifcht mit Solche WUnerbieten kommt, — denn ftimmt da irgend 
efwas nich, denn is bei der Gefchichte irgend etwas nich in 
Drdnung — und wo etwas nich in among i8, da is etwas 
faul. 
Köhler 
Na wiffen Sie, mit folche Worte haben Sie nu bei mir 
fein Glüd; aber auch gar feins, 


Lange (Grummt für fich) 
Wenn ich mir mein Glück abholen will, werd’ ich's bei Ihnen 
nich fuchen. 


Briesfow 
Da hat Köhler aber recht; ehrlich ift der Mann, 
Domhoff 
Ehrlich is er. 
Lange 


Ehrlich hin, ehrlich her — er hat mit ſeiner Uhr und ſeinem 


486 Meifter Balzer 





Glockenſpiel Reklame machen gewollt: in die Zeitungen follte das 
fommen. 
Lotte (ipringt jählings auf) 
Das ift nicht wahr! 


Frau Mühlich düber den Tiſch gebeugt) 
Mächen — bift du denn nich bei Trojt?! 


Lotte 


Das iſt nicht wahr, was der Mann da geſagt hat! Das 
iſt nicht wahr] 
(Briestow und Die anderen haben * re ſprachlos vor Staunen, zu ihr ge- 
an 


Frau Müplich (wie vorhin) 

Mächen — Lotte — e8 is ja der Schulze und die Ver— 

ordneten! / 
Lotte 

Iſt mir egal! Wenn ein König und ein Kaiſer kommt 
und fpricht fo fchändliche Dinge von meinem Vater, dann fag’ 
ih ihm ins Geficht: Das ift nicht wahr! Das — das iſt ge- 
logen! 

Köhler (gu den anderen) 
Es is feine Tochter. 


Brieskow (u Köhler) 
3a, ja — es ift feine Tochter. 


Lange (gu Lotte) 
Na nu fagen Sie mal — fol das alles etwa auf mir 
gehn? 
Lotte 
Jawohl, das geht auf Sie! Und Sie find ein — ein Ver— 
leumder! 
Lange (fährt auf) 
Da fol doch ein Dunnerwetter — 


Köhler (tritt raſch dazwifchen) 
Nu man feine Gefchichten — qu Lotte) beruhigen Gie fich 
nur, Mamſellchen, der Mann bat das nich jo böfe gemeint, 


Zweiter Akt 487 





£otte 


Dann hätt' er's auch nicht jagen follen! Denn fo etwas 
von meinem Pater zu jagen — das — ift — ſchändlich — 
fchändlich! (Sie Bricht in Tränen aus) 


(Alle im Garten Anmwefenden find aufmerkfam geworden; aus dem Tanzſaale er- 
fcheinen Gruppen, die dem Wortwechiel überrajcht zuhören) 


Dreizehnter Auftritt 


Schmiedife (lommt gelaufen) 
m Sottes willen? Wo brennt e8 denn? Was is denn los? 


Köhler (su Schmiedite) 
Laflen Sie man jut fein; es brennt jar nich, hier iS bloß 
einer mal abjemuckt worden, dem’s fchon lange nicht gefchadet hätte. 


Lange 
Na willen Sie, Köhler, daB es nur Ihnen nich mal gründ- 
lich in die Bude regnet! 
Köhler 
Denn können Sie fich drunterftellen, Lange; ein alter Filz 
it jut zum Auftrocknen. 
Lange 
Da fol doch ein Dunnerwetter — 


Brieskow 
Aber meine Herren — das geht doch nicht, das geht doch 
nicht. Eeiſe zu Köhler) Hier — vor allen Menſchen — 


Köhler 
Denn ſagen Sie ihm doch, daß er nach Hauſe gehn ſoll. 


Lange 
Gehn Sie doch nach Haufe! 


Domhoff 
Wir woll'n man lieber alle nach Hauſe — 


Brieskow 


Das iſt auch das beſte — Lange — kommen Sie mit. 
(Er faßt Lange unter den Arm) 


488 Meifter Balzer 





Dom hoff caßt Köhler unter) 
Köhler, wir gehn hier lang. 


Lange 
(mit Brieskow nach dem Hintergrunde abgehend) 


Aber wir haben unſer letztes Wort noch nich geſprochen. 
Köhler 
(geht mit Domhoff nach links ab) 
Das glaub' ich; eine Schnauze, wie die Ihrige, die ſtirbt 
überhaupt nich aus. 


Vierzehnter Auftritt 
Otto. Käthe (erſcheinen in der Tür 3 role ihre Wangen find vom Tanze 


Schmiedife (su Lotte) 
Uber nu jagen, Sie mal, was das heißen fol? Daß Sie mir 
die Gäſte aus mein’n Lokal wegbeißen? 


Lotte 
(trocknet ſich ohne ihn zu beachten, mit dem Taſchentuche die Augen) 
Frau Mühlich ctritt zu Schmiedite) 
Gott — Herr Schmiedike — ſind Sie man jut — (eiſe) 
wiſſen Sie — das liegt bei den Balzerſchen ſo in der Art. 


Schmiedike 
Den Herrn Schulze und die Herren Beigeordneten! Und 
den Herrn Lange — den reichſten Mann vom ganzen Ort! 


Frau Mühlich 
Das hat ſie ja nich gewußt. 


Schmiedike 
Paßt ſich denn ſo etwas für ein junges Mächen? Paßt 
ſich das? 
Käthe (lachend) 
Kinder, nu hört, die Lotte iS das Karnickel geweſen. 


Lotte 


(fahrt, indem fie Käthes Stimme hört, wie von einem Schlage getroffen, zufammen 
und wendet die Augen auf fie) 


en Ha 


Zweiter Akt 489 





Käthe und Otto (kommen die Stufen herab) 


Dtto 


(fein Bierglas in der Hand, fritt auf Lotte zu. Er lächelt; man bemerft an feinem 
Wefen, daß er etwas getrunfen bat, Er jest das Glas auf den Tiſch links) 


Uber Lotte, was hat's denn hier gegeben? 
Lotte (ſarrt ihn fprachlos an) 


Dtto 
(ftrecft Die Hand aus) 


Krieg’ ich denn feine Hand? 


Lotte (ohne fich zu rühren) 
Otto —? 


Dtto 
(£ritt zu Frau Mühlich) 


Da bift du ja auch, Mutter — na — gieb mir 'nen Ruß. 
(Er küßt fie) 


Frau Mühlich 


Na weißte Junge, du feheinft dir hier inzwifchen gar nich 
fchlecht unterhalten zu haben? 
Dttp 
Warum fol ich denn? Wenn man unter guten Freunden 
it — 
Lotte 
(fteht ſich langſam um, dann ihm ins Geſicht) 


Sind das hier deine Freunde? Die — aus der Fabrik? 
nzwiſchen haben Anton und Käthe fich am Tifche links niedergelafien) 


Dtto 
Das klingt nun fo — aus der Fabrik — 


Lotte (Hetfer, leiſe) 
Mit denen — biſt du gegangen? 
Otto 
Was iſt denn dabei? 


Lotte 
Mit denen — biſt du gegangen? 


490 Meifter Balzer 





Otto 
Warum biſt du ſo lange fortgeblieben? Wenn du früher 
gekommen wärſt — 
Lotte 
Warum — ih —? Haſt denn du nicht kommen wollen, 
mich abholen bei deiner Mutter? 


Otto (lächelnd) 
Na — ja — 
Lotte (mit zuckenden Lippen) 
Warum — bift du denn nicht gekommen? 


Otto 
Ich habe gerade gehen wollen, aber in dem Augenblick ſind 
die ja angekommen. 
Lotte 
Und da — biſt du mit ihnen geblieben? 


Käthe 
Herr Mühlich, wenn Sie fertig find mit's Katechismus— 
herſagen, denn ſagen Sie's; denn wollen wir noch eins tanzen. 


Lotte 
(mit einem Blick auf Käthe, laut) 


Und mit der haſt du getanzt? 
Käthe (acht laut auf) 


Otto u Lotte) 
Du — du machft es ja wirklich noch, daß alle Welt über 
mich lacht! 
Räthe 
Du — Lotte —? 
Lotte wendet ihr den Rücken) 


Räthe 
Daß man die Weintrauben auf deinem Huf nich — werden. 
(Gelächter unter den Amſitz enden) 


Frau Mühlich (critt zu Käthe) | 
Sei du doch man ftill und ärgere das Mächen nich. 


ee he EEE a 


Be GE 0 


Sweiter Akt 491 





Käthe 
Wer ärgert denn? Der Hut is ja ſchön; afkurat fo einen 


bat meine Großmutter aufgehabt, als fie Großvatern nahm, 
(Erneutes Gelächter) 


Lotte 
(fährt zu ihr herum) 
Ob mein Hut ſchön iſt oder nicht — das geht dich nichts an! 


Frau Mühlich (zu Lotte) 
Lotteken — kalt Blut — 


Lotte 
(ſteht Käthe mit flammenden Augen gegenüber) 


Stimmen der Umſitzenden 
So is recht! Laß dir's nich gefallen! 
(Gelächter) 
Dtto (faht Lottes Hand) 
Lotte — So fei nicht ſo — 


Lotte (ftößt feine Hand ford) 


Laß mich — du haft mir nichts zu fagen, wenn ich — fo 
einer meine Meinung fagen will! 


Käthe 
Na bitte, bitte — menagiren Sie fich ein bißchen, wenn's 
jefällig is. 
Lotte 
Jawohl! So einer! 


Käthe 
(erhebt ſich und zieht ſich gleichzeitig hinter den Tiſch zurück) 
So einer? Und was biſt denn du für eine? Wie? 


£otte 
(tommt Schritt für Schritt dem Tiſche näher) 


Wie ich bin? Wie ich bin? 


Dtto 
Uber Lotte — 


492 Meiſter Balzer 





Räthe 
Sa — allerdings! 
Lotte 
Damit du's alſo weißt: ich bin ehrlich! 
Anton 
Nu man ſachte; das ſind andere doch wohl auch? 
Lotte 


Ich mach's nicht wie andere, und gehe nicht hinterm Rücken 
der Leute umher und rede nicht hinter ihrem Rücken — wie 
andere — und — und — | 


Käthe 
Aber in einem Punkt kannſt du ruhig ſein, Lotte, weißt 
du: deinen Hut, den mach' ich dir nicht abſpenſtig. Gelächter) 
Den laſſ' ich dir mit ſamt den Weintrauben und die janze 
Jarnitur. 
Lotte (reißt den Hut vom Kopfe) 
Der Hut — und immer der dumme Hut — 


Käthe 
Ne, ne — behalt’ ihn man auf; er fteht dir, 


Lotte (fich vergefjend) 
Du — du — Schlechtel (Sie fhlägt Käthe mit dem Hut ins Geſicht) 


Anton (fpringt auf) 
Nu bat der Spaß aber ein Endel Das war jrob! 


Käthe (it aufgefprungen) 
Das nennt man Bildung! Das ift die Tochter von dem 
jebildeten Herrn Uhrmacher Balzer! 


Dttp (weißt Lotte zurüc) 
Was macht du denn?! 


Lotte 
(von plötzlichem Schreck über ihre Tat erfaßt, hat den Hut zur Erde geworfen, iſt 
von dem Tiſche links bis in die Mitte des Vordergrundes zurückgetreten, in Tränen 
ausgebrochen und ſteht jetzt, beide Hände vor dem Geſichte, ſchluchzend da) 
(Inzwiſchen hat Die Muſik aufgehört, weil alles, was im Tanzſaale war, beraus- 
geftrömt ift, Die Bühne hat fich nr gefült. Man hört aus der Menge Gelächter 
und einzelne Stimmen) 


Zweiter Akt 493 





„Was ift denn hier los?“ „Bier gibt's Prügel.“ „Die 
Mächen, “ 


(Anton fteht in drohender Haltung links von Lotte, Käthe neben ihm. Frau Müh— 

lich gebt beſchwichtigend zwijchen Anton und Käthe bin und ber. Otto iſt am Tiſche 

rechts auf Die Bank gefunten, Das Haupt fief geſenkt, mit allen Anzeichen innerer 
Anſchlüſſigkeit und Verworrenheit) 


(Dies ganze Bühnenbild entwickelt ſich in raſcher, unmittelbarer Folge) 


Fünfzehnter Auftritt 


Balzer (ohne Hut, das Geſicht von leidenſchaftlicher Erregung durchwühlt, kommt 
aus dem Hintergrunde) 


Balzer 
Lotte — warum mweinft du? 


Lotte 


(fährt beim Tone feiner Stimme auf, wendet ſich und ftürze fich mit einem Schrei in 
jeine Arme) 


Pater |! (Sie Heugt das Haupt an feine Bruft und weint) 


Balzer 
(blickt drohend im Kreife umber, feine Stimme bebf vor Erregung) 


Wer — hat hier — meinem Rinde was getan? 


Anton Werbifien, trogig) 
Daß Sie fich aufregen, Herr Balzer, das is nicht im je- 
ringiten nötig. 
Käthe 
Was Ihr Töchterchen jetan hat! Danach fragen Sie je- 
fälligſt! 
Balzer 
Soll ich mir bei Euch die Weisheit einholen? Ich kenne 
mein Kind und kenne euch! Alle! 


Lotte 
Vater, laß ſein — komm fort, Vater — in Roſengarten 
iſt ja nun doch alles aus. 


Balzer (zu ihr niederſprechend) 
Weißt du das auch ſchon? 


£ptte 
Ja — ich weiß alles, 


494 Meifter Balzer 





Balzer 
(steht einen Augenblick in Düfterftem Sinnen) 


Dann weine du nicht mehr — Tränen reichen da nicht mehr 


heran. — Komm! (Cr wirft den Arm um ihre Schultern, führt fie hinaus) 
(Sobald beide —— ſind, löſt ſich der Bann, der auf allen gelegen hat; Ge— 


lächter und Geſchwätz bricht wieder aus) 
Frau Mühlich wafft Lottens Hut auf) 
Nu bat fie noch ihren Hut liegen laſſen. 


Räthe 
(entreißt ihr den Hut, hebt ihn Hoch) 


Ein Hut is meiftbietend zu verkaufen! Sanz etwas Modernes! 
(Gelächter) 


Otto 
(ſteht auf nimmt ihr den Huf aus der Hand) 


Ach — laſſen Sie doch das, 


Anton 
Nanu —? Div? Nu trinken wir noch eins; zur Be— 
rubigung ? 
Dtto 
(fteht einen Augenblick in Gedanken, wirft dann den Kopf zurüd) 
Jetzt nicht. Er wendet ſich zum Abgang) 
Der Vorhang fällt 


Ende des zweiten Aktes 


Dritter Akt 495 


Dritter Akt 


(Zimmer bei Balzer wie im erften Akt) 





Erſter Auftritt 


Frau Balzer 


(ist an dem runden Tifche; auf dem Tifche Liegt ein großes gedrucktes Blatt Papier. 
Sie ſitzt regungslos, Die Hände im ad r mit Dumpfen Augen zur Erde 
ftarren 


Zweiter Auftritt 


Lotte 


ſcommt aus der Tür rechts, ihren Strickſtrumpf in der Hand, Sie geht, mit einem 

ſcheuen Blick auf die Mutter, zum Sofa, fest ſich und beginnt zu ftriden. Man 

ſieht ihr die innere Unruhe an, die fie niederzufämpfen verjucht; von Zeit zu Zeit 
huſchen ihre Augen zu der Mutter hinüber, Die nach wie vor regungslog ag 


- Mutter — ? Wauſe) Mutter — ift dir was? 


Frau Balzer 
(kommt wie aus einer Erftarrung zu ſich; ihre Hände Löfen fich wie aus einem Krampfe) 


Ach — 
2 £otte 
(läßt den Strickſtrumpf fallen, ift mit einem Schritt neben der Mutter) 


Iſt dir was paffiert, Mutter? Biſt du nicht wohl? Sprich 
doch ein einziges Wort? 


Frau Balzer 
(blickt ihr mit Dumpfen Augen ins Geficht) 


Wer kann denn da fprechen? (Sie ftügt Arm und Haupt auf den Tiſch) 
Gott — du Gott — du mein Gott! 


Lotte Glickt auf den Tisch) 
Was haft du denn da zu liegen? 


Frau Balzer 
Kannſt es ja Iefen. 


Lotte (blickt in Das Papier) 
Ein — Patent? Hat Vater ein Patent gekriegt? 


Frau Balzer (lacht bitter) 


496 Meifter Balzer 





Lotte 
Was — lachſt du denn ſo? 


Frau Balzer 
Kannſt denn du nicht leſen? Lies! 


Lotte 
(nimmt Das Blatt auf) 


Sub— haftationd- Patent — ? 


Frau Balzer 
Daft du's nu 'raus? 


Lotte 
Was bedeutet denn das? 


Frau Balzer 
(ſtarrt ſie an) 


Was — das — be—? 


Lotte 
Ich verſteh's doch nicht. 


Frau Balzer 


(reißt ihr das Papier aus der Hand) 
Na ja — du biſt wirklich deines Vaters Kind. 


Lotte 
So erklär's mir doch. 


Frau Balzer 
(mit zuckenden Lippen) 
So etwas auch noch erklären — 


Lotte 
Bedeutet es was Schlimmes? 


Frau Balzer 
(mit verzweifeltem Schrei) 


Aus iſt's mit uns! Das bedeutet's! Weißt du's nu? 


Lotte 
(weicht einen Schritt zurück) 
Mutter — ? 


Dritter Akt 497 





Frau Balzer 
(fteht auf, gebt im Zimmer bin RM * Bruſt wogt, ihre Hände greifen in 
e Lu 


Aus! — Aus! — Aus! — 


Lotte 
Wie denn — aus? 


Frau Balzer 
Wie denn — aus? — und das ſteht — und das fragt 
— und da ſteht's gedruckt ſchwarz auf weiß — in drei Monaten 
iſt Termin — da wird unſer Haus verauktioniert — uns über 
den Kopf weg — weil wir die Schulden nicht haben bezahlen 
fönnen ! 


Lotte 
(drückt beide Hände gegen die Schläfe) 


Herr Jeſus im Himmel — unſer Haus! 


Frau Balzer 
Kommſt du nu dahinter? Ja? Weißt du nu, was wir 
in drei Monaten find? Daß wir Bettler find? Auf die Straße 
gejegt? Ja? Merkit du nu, wo die großen Worte von deinem 
Vater bhingeführt haben? Ja? Merkſt du's nu? Merkit 
du’3 nu? 
Lotte 
Wann iſt denn das da gekommen? 


Frau Balzer 
Vorhin. | 
Lotte 
Hat's Vater denn ſchon geſehn? 


Frau Balzer 
Ja. 


Lotte 
Ja? Wo iſt denn Vater hin? 


Frau Balzer 


rausgelaufen ift er. 
Dramen X 32 


498 Meifter Balzer 





Lotte 
Aber wohin denn? 


Frau Balzer 
Was weiß ich. 
Lotte 
Aber Mutter?! Aber Mutter?! 


Frau Balzer 
Was? 
Lotte 
Dann — muß man ihm doch nachgehn? Dann — muß 
man doch ſehn, wohin er iſt? 


Frau Balzer 
Ihm nachgehn —? Nach ſeiner Frau und ſeinem Kind 
bat er zu gehn! Nach feiner Frau und feinem Kind hat er zu 
fragen! 
Lotte 
(drückt die Hände an die Ohren) 
Mutter, ſei doch nicht ſo! Sprich doch nicht ſo! Das iſt 
ja ſchrecklich! 
Frau Balzer 
Na ja — halte dir nur die Ohren zu; das habt Ihr 
beide ja euer Leben lang getan, wenn ich was gejagt habe. 


Nun ſeht Ihr’s ja, wohin wir dabei gefommen find. (Sie ſintt 
kraftlos auf Das Sofa) 


Lotte 
(ſetzt ſich auf den Stuhl vor dem Arbeitstiſche des Vaters) 


Lieber Gott — lieber Gott — verlaß uns doch nicht ſo! 


Verlaß uns doch nicht ſo! Gie faltet die gerungenen Hände, ein trockenes 
Schluchzen durchſchüttert ſie) 


Dritter Auftritt 


Otto 
(kommt durch die Tür im —————— — iſt im ſchwarzen Sonntagsrock. Ge⸗ 
r 


Guten Tag. 


Dritter Akt 499 





Frau Balzer 
Guten Tag, Otto. | 


Lotte 


teht geſenkten Hauptes auf und ſetzt ſich auf einen Schemel hinter Die große Scheibe 
der Turmuhr) 


(Paufe) 
Dtto 
Meifter Balzer — ift nicht da? 


Frau Balzer . 
ausgegangen — Juchen Sie ihn? 


Otto 
Ja. 


Mauſe) 
Frau Balzer 
Wollen Sie ihn ſprechen? 


Dtto 


Sa. 
(Paufe) 
(Otto tritt an den runden Tisch, ſchiebt das Subhaftations- Patent zu fich heran, 
ohne es aufzunehmen, liejt ſchweigend, ftehend) 


Frau Balzer 
(die ihn mit den Augen gefolgt tft) 


Sa — nicht wahr? 
Dtto 
Sa — ja. 
Frau Balzer 
Wußten Sie's fchon? 
Otto 
Ih — hatte es mir gedacht. 


. Srau Balzer 


Sch auch — aber wenn fo etwas nachher wirklich fommt — 
(fie drückt das Tuch an die Augen) 


Dtto 


Man Sprach ſchon allgemein — daß es fo kommen würde, 
32* 


500 Meifter Balzer 





Vierter Auftritt 


Balzer 
(die Mütze auf dem Kopfe, Tommt Durch Die Tür im Hintergrunde) 


Ah — fieb mal da — Dito — hab’ dich heut ja noch 
gar nicht gefehn — dachte jchon, man würde dich überhaupt 
. nicht mehr zu fehn befommen. Er geht im Zimmer auf und ab) 


Otto 
(der an ſeinem Arbeitstiſch gelehnt ſteht) 


Wieſo denn? 


Balzer (wor ſich Hin lachend) 
Na — bift Doch auch einer von denen — den Zwei: 
beinigen ? . 


Dtto 
(mit einem Verfuch zum Lächeln) 


Sie meinen — ein Menfch ? 


Balzer 
(wirft die Müge auf den Tifch, jest fih an den runden Tiſch) 


Und noch ein Rofengartner dazu! Außerdem — weil ich 
doch nu Fein Uhrmacher mehr fein foll — (er fiept ihn von unten an) 
das weißt du doch, daß ich Fein Uhrmacher mehr bin? 


Otto 
Das hab' ich wirklich noch nicht gewußt. 


Balzer ſchlägt auf das Papier) 
Alſo — haft du noch nicht gelefen ? 


Otto 
Doch. 


Balzer 
Sp —? Na dann — aber ich verſtehe — wir find noch 
nicht am Ende? Das meinft du? | 


Dtto 
Ja — das mein’ ich — Gie find noch‘ lange nicht am 
Ende, | 


Dritter Akt 501 





Balzer (fpringt wieder auf) 

Rannit recht haben. (Geht wieder auf und nieder, vor fich Hinfprechend 
und lachend, fih an den Kopf fehlagend) Der ift noch da — den fünnen 
fie mir nicht wegfubhaftieren — und was da drin ift in dem — 
die Gedanken. (Bleibe drohend ftehen In acht genommen ! 


Otto 
Was meinen Sie denn? 


Balzer (geht wieder auf und ab) 
| Drei Monat’ hab’ ich noch Zeit — drei Monat’ — das 
it etwas — da kann man was ausrichten, wenn man dahinter 
ber ift — etwas — womit man ihnen übern Ropf bauen kann 
— aber tüchtig | 
Otto 
Was meinen Sie denn nur? 


Balzer (tritt dicht zu ihm) 

Wie ich Euch einmal vorgelefen habe, erinnerft du dich — 
aus der Zeitung — ein paar Jahre find’8 her — von einem 
Mann, der einen Kaſten auf ein Schiff gebracht hatte? Und in 
dem Kaften war eine Sprengladung? Lnd bei der Ladung war 
ein Schlagwerf — 


Dtto 
Damit das Schiff in die Luft gehen follte, 
Balzer 
Natürlich. 
Dtto 


Und nachher erplodierte das Ding zu früh in Bremerhaven, 
war's nicht ſo? Als ſie's auf das Schiff tragen wollten. 


Balzer 
Weil ſie's auf die Steine hatten fallen laſſen, die un— 
geſchickten Kerle. 
Otto 
War doch immer noch ein Glück. 


Balzer 
Ein Glück? 


502 Meifter Balzer 





Otto 
Im DBergleih zu dem, was gefchehen wäre, wenn fie’s 
richtig ing Schiff gebracht hätten? 


Balzer 
| Sa, nicht wahr? — dann hätten fie in die Luft gemußt, 
die Zweibeinigen, und ins Wafler! Zu den Haifiſchen! 


Dtto 
Meifter — Balzer — 


Balzer 
J——— ich nehme an, daß es ein Uhrmacher war, der dag 
Schlagwerk gemacht hatte — einer, der fein Handwerk verftand. 


Otto 
Aber — Meiſter Balzer? 


Balzer 
Weiß ſchon, was du ſagen willſt, daß ich kein Ahrmacher 
mehr bin; aber ſei ruhig, das kann ich noch; ſo ein Schlagwerk 
krieg' ich noch fertig; auf die Minute fol’s einſchlagen; auf die 
Sekunde und Zehntel-Sekunde! 


Otto 
Was — ſind denn das nur — für Gedanken? 


Balzer 
Nicht wahr? Schöne Gedanken. 
| Dtto 
Schredliche. 
Balzer 


Und daß fie mir das Ding auf die Steine fallen laffen, das 
fol mir auch nicht paffieren; ich felber trage e8 hinüber, 


Otto 
Wo denn — hinüber? 


Balzer (cichert) 


Und dann ſtellen wir's in den Keller, verſtehſt du, mitten 
drunter unters Haus — 


a ee ee ee 


— Tee 


N En — — 


Dritter Akt 503 





Otto 
Was denn für ein Haus? 
Balzer 
Was für ein Haus — 
Otto 
Die — Fabrik? 
Balzer 


Du hörſt ja nicht hin — ſeit 'ner halben Stunde ſpreche 
ich doch davon. Und dann ſtellen wir das Schlagwerk ſo ein, 
verſtehſt du, daß es in der Nacht losſchlägt, gerade während ſie 
im Schlafe liegen, während ſie ſich wälzen auf ihren Geldſäcken, 
— aber nein — das iſt nicht richtig — bei Nacht ſind ſie ja 
nicht drin — bei Tage muß es ſein — während ſie alle drin 
ſind in der Fabrik, all die Wölfe, und der Weichſelburger mit 
ihnen. (Er geht, händereibend, auf und ad) Wird ein Spaß, Junge, 
wird ein Spaß! Hier am Fenfter figen wir, gucken hinüber und 
freuen ung, wenn die dummen Kerle nichts ahnen, und dann 
zählen wir — zählen wir — und nu ift die Seit da — umd 
nu holt der Hammer aus — und nu fällt er auf die Patrone 
und nu fteigt eine feurige Lohe drüben auf, eine Säule, ein 
Zum, und das Dach fliegt auseinander, und in der Lohe 
fliegen die Arme, die Beine, die Köpfe — und allen voran 
der Weichjelburger mit einem Kobolz — einem Kobolz — 
hahahahahal! 

Frau Balzer 
(die aufgereckt, mit weit aufgeriſſenen Augen geſeſſen bat) 

Na — ſiehſt du — nu lachſt du felbit — das iſt auch 

nur gut. 


Balzer 
Wer Toll denn da auch nicht lachen? Wenn fo ein alter 
Kerl beim Kragen genommen und auf die Straße gefegt wird 
und bei den Nachbarsleuten ’rumfrägt, wo denn fein Haus ge- 
blieben ift — da foll mal einer nicht lachen! Zum 
iſt das ja doch! 
Otto 
Aber wiſſen Sie, Meiſter Balzer, wie Sie uns damals die 
Geſchichte aus der Zeitung geleſen haben — da haben Sie geſagt — 


504 | Meifter Balzer 





Balzer 
Was? 
Dtto 
Für fo einen Menſchen — der fo etwas täte — da wäre 
fein Galgen hoch genug. | 
Balzer 
Sit nicht wahr — 
| Dtto 
Iſt doch wahr, Meifter Balzer, Beſchwören Tann ich’s, 
daß Sie das gejagt haben. 


| Balzer | 

Dann hab’ ich's gefagt, weil ich ein Narr damals war, 
weil ich fie nicht Fannte, die Zweibeinigen! Jetzt bin ich Hüger wie 
damals, — est Fenn’ ich die Brut! (Er ſteht mitten auf der Bühne) 
Jeſus Chriftus, der du dein heiliges Herz verfchwendet haft an 
das, was fich der Mensch nennt, und dem fie dafür die Glieder 
durchnagelt und dag Herz mit der Lanze durchftochen haben, du 
weißt, wie's ausgefehen hat da drinnen bei mir; daß ich in 
fünfzig Sahren nicht einen verfürzt habe, um das, was ihm zu- 
fam, mein Handwerk nicht betrieben habe um reich zu werden 
durch Blut und Schweiß meiner Mitmenfchen, fondern um ihnen 
Gutes zu tun an: Seele und Gemüt — 


Lotte 
(kommt aus ihrer Ecke hervor, ſtürzt auf den Vater zu, ſchlingt beide Arme um ihn) 


Ja, Vater! Das weiß er! Ja Vater! Das weiß er! 


Balzer (ohne fie zu beachten) 
Warum tun fie mir das, was fie heut an mir fun? 


Lot te (freichelt und küßt ihn). 
Den? nicht an die Menfchen, Vater, den?! an Gott! Er 
verläßt dich nicht! Er verläßt dich nicht! 


Balzer 
Er bat es jchon getan! Den Wölfen Hilft er zu ihrem 
Raub! 
Lotte 
Nein, nein, nein! Einen Menſchen, wie dich, verläßt Gott 


Dritter Akt 505 





nicht. Das weiß ich, Vater, das tut er nicht, das kann er 
nicht! Siehſt du — und nun bift du ja wieder, wie du früher 
immer geweſen bift — nun wird ja alles wieder gut! Darum 
— nicht wahr? — ſo etwas — wie du vorhin da gefprochen 
haft — (fie drückt ihm die flache Hand auf den Mund) nie wieder, Vater, 
nicht wahr? — Siehſt du — folange ich denken kann — alles, 
was du gejagt haft — alles war immer jo ſchön — wenn ich 
beim Prediger in der Kirche gewejen bin — fiehjt du — jedes: 
mal, wenn’s zu Ende war, hab’ ich bei mir gejagt: Was der 
da gefprochen hat, das jagt Vater viel beffer, viel jchöner ! 
Darum — fo efwas, wie du vorhin gefprochen haft — nicht 
wahr, Vater? Nie wieder? Nie wieder? Nie wieder ? 


Balzer (blickt auf fie nieder) 
Dich — können fie mir auch nicht wegfubhaftieren. 


Lotte 
Nein, Vater, daß ſie mich von dir fortbekommen, das kriegen 
ſie nicht fertig! 
Balzer 


Du biſt mein Kind — und das iſt dein Anglück. 


Eotte will etwas erwidern, er bedeutet ihr, zu ſchweigen, löſt ſich von ihr los und 
jet fich an den runden Tiſch) 


(Paufe) 
Dtto 
Meifter Balzer — wenn ich ein Wort Sprechen dürfte — 
Balzer 
Wer verwehrt dir's? 
Otto 


Seh'n Sie — ich habe ſo bei mir gedacht — etwas ge— 
ſchehen muß doch nu. 
Balzer 
Etwas geſchehen muß? 
Otto 
Ich meine — etwas anfangen muß man doch. 


Balzer 
Zu was? 


506 Meifter Balzer 





Dtto 
Na — Schließlih — mie ſoll ich’8 jagen — damit man 
doch leben kann. | 
Balzer 
Ach fol | 
Dtto 
Ja — aber — iſt es denn nicht wahr? 


Balzer 
Na natürlich. Iſt man fünfzig Jahr' Uhrmacher geweſen, 
und e8 geht nicht mehr — na — fängt man was anderes an; 
iſt ja Har. 
Dtto 
Ach — Meifter Balzer — 


Balzer 
Straßenkehrer oder Chauffeefteinklopfer — dazwischen ſchwanke 
ich noch; beides ein ſchöner Beruf. 


Dtto 
(mit einem Verſuche zum Lachen) 


Daran werde ich nu wohl nicht gedacht haben, 


Balzer 
Sonft bin ich aber zu nichts zu gebrauchen, außer Ahr— 
macher hab’ ich nichts gelernt. 


Ott o 
Etwas anderes als Uhrmacher hab’ ich ja auch gar nicht 
gedacht. 


Balzer 
So? Haft dir was ausgedacht? 
Otto 
Ich hätte wohl — 
Balzer 
Na — ſchieß los. 
Otto 


Sehn Sie, Meiſter Balzer, ohne Uhrmacherei können 


Dritter Alkt 507 





Sie doch nu mal nicht leben — das haben Gie felbit eben ge- 
fagt — und ich fünnte es ja auch nicht. Nu — meine ih — 
follten wir doch zu Rate gehn, wie und wo wir Gelegenheit 
fänden, daß wir wieder dazu kämen, 


Balzer 
(trommelt mit den Fingern auf dem Subhaftations- Patent) 


Haft alfo doch wohl noch nicht gelefen? 


Otto 
Ja doch — gewiß. 
Balzer 
Alſo mußt du doch wiſſen, daß es damit aus iſt. 
Dtto 
Sa — bier ift es freilich damit aus, 
Balzer 
. Hier? Was fol das heißen? 
Dtto 


Ich meine nur — vielleicht findet ſich doch anderswo eine 
Gelegenheit. 
| Balzer 
Wo? 
Otto 
Es — werden doch auch anderswo Uhren gemacht. 


Balzer 
Wo?! Wo?! 
Otto 
Na — zum Beiſpiel — in der Fabrik. 


Balzer 
(wirft das Haupt mit einem dumpfen Laufe empor) 


Lotte 


(die den Vater unabläſſig mit den Augen verfolgt hat, macht einen halben Schritt 
auf ihn zu, drückt die Hände ineinander, ſagt mit gepreßter Stimme) 


Vater — 


Balzer 
m? 


508 Meifter Balzer 





Lotte 
Bleib ruhig, Vater; laß ihn ſprechen. 


Otto (aſch) 


Sehn Sie, Meiſter Balzer, Sie kennen mich ja doch und 
Sie wiſſen ja doch, daß ich nichts ſagen werde, um Ihnen etwas 
Unangenehmes zu ſagen — aber ich meine nur — wir ſind doch 
nu mal Menſchen — und — wenn die Verhältniſſe fo liegen — 
ich meine — wenn die Verhältniffe fo find, daß man fagen 


muß — fie find ftärker al8 die Menfchen — 
Balzer 


(ſteht plöglich auf, tritt Dicht vor ihn Hin) 


Du bift ein Rofengartner — nicht? 


| Dtto 
Wie — meinen Sie denn —? 


Balzer 


Sch frage nur, ob du ein Rofengartner bift? 


Otto 
Aber das — wiſſen Sie ja doch? 


Balzer (fest ſich nieder) 
Dann ift ja gut. 
(Paufe) 
Frau Balzer 
Sprechen Sie doch weiter, Dfto. 


Otto 
(kommt von feiner Betroffenheit zu fich) 


Sa — was ich nu fagen wollte — ja ſehen Sie, Meifter 
Balzer — ich meine nur — da ift die Fabrik doch nu einmal, 


das iſt ja nicht zu ändern — 
Balzer (lacht in fich hinein) 
Otto 


Und darum bin ich nu einmal hinüber gegangen und habe 


ſie mir angeſehen. 


Dritter Akt 509 





Balzer 
Ah, bör’ doch. 
Dtto | 
Um zu jehen, ob fie denn wirklich jo fchlecht arbeiten, wie 
wir es immer gedacht haben. Und da muß ich nun fagen, fo 
ſchlimm, wie wir’s ung vorgeftellt haben, fieht es da nicht aus, 


Balzer 
Bravo, bravo. 


Dtto 
Mein wirklich; und wenn ein Werfführer käme, der die 
Sache verſteht — und der die Sache in die rechte Hand 
nähme — 
Balzer 
Wer Spricht denn da eigentlich? Der Otto Mühlich doch 
nicht etwa gar? 
Dtto 
Meifter Balzer, warum fragen Sie denn jo? Meifter Balzer, 
Sie wiſſen ja doch, wie ich’S zu Ihnen meine — daß ich Gie 
lieb habe, wie ein Sohn feinen Vater — und wenn’s doch nu 
einmal fo fteht, daß uns das Wafler an den Hals gebt — und 
wenn wir Doch ſonſt ertrinten müffen — oder was noch viel 
fchlimmer ift, verhungern und verflommen — und wenn’s doch 
anders jein könnte — und beifer — und gut, wirklich gut — 
bloß, wenn man fich’S richtig überlegt und einen Entſchluß 
faßt — und wenn uns fonft auf der Welt nichts anderes übrig 
bleibt — 


Balzer | 
(fteht auf feinem Plage auf, reckt fich —— 1; fagt halblaut, die Augen auf Otto 
gerichte 


Ein Rofengartner — er ift ein Rofjengartner, 


Otto 
Was — meinen Sie denn nur damit? 


Balzer 


(greift mit bebenden Händen in die Weſtentaſche, holt ein Taſchenmeſſer hervor, klappt 
es auf, tritt an den Kalender, der an der Wand über dem Sofa hängt) 


Siehſt du bier, was ich tue? (Er ſchneidet mit dem Meſſer in den 
Kalender hinein) Den Tag fchneide ich aus, den Himmelfahrtstag, 


510 Meifter Balzer 





an dem ich zu ihnen gegangen bin, an dem ich mein Herz zu 
ihnen binausgetragen habe und meiner Hände beites Wert — 
und an dem fie mir beides vor die Füße geworfen haben, in 
den Staub, in den Dred, und darauf getrampelt find und mir 
meinen Glauben zertreten haben und meine Hoffnung und die 
Sreudigkeit in meinem Herzen und mein Leben, die Verräter 
— die niederträchtigen — die — die Rofengartner ! 


Otto 
Das Herz im Leibe bat ſich mir umgedreht, als ich das 
alles gehört habe. 


Balzer 
Das glaub’ ich dir nicht! 
| Lotte 
Vater — 
Balzer 
Was? 
Lotte 


Vater — ſei nicht ungerecht. 


Balzer 
Ich bin nicht ungerecht, ich kenne ihn, er iſt auch ein —— 
gartner! | 
Otto 
Aber doch nicht ſo einer wie die? 


Balzer 


Ganz ſo einer! Was Ne getan haben, tuft du auch: du 
ſchwenkſt! | 


Otto 
Ich ſchwenke? 


Balzer 


Dahin wo der Erfolg iſt — ja! Das weiß ich, daß ſie den 
Erfolg haben, daß ſie mir die Kunden weggeholt haben, mir 
das Handwerk lahmgelegt haben, daß fie jest alles haben, und 
ich nichts — aber das iſt mir einerlei — Pfuſcher elendige ſind 
ſie darum doch, und ein Uhrmacher, der ſeine Sache verſteht, 
bin ich darum doch! 


Dritter Akt 511 





Dtto 
Wer beftreitet denn das? 
Balzer 
Wer? Haft du mir nicht jelbit eben die Fabrik gelobt? 
Otto 
Ich — habe geſagt — 
Balzer 


Weil ſie den Erfolg hat! So ſeid Ihr! Früher haſt du 
recht gut gewußt, daß ſie Schund arbeiten — jetzt, wo ſie den 
Erfolg haben, iſt das mit einem Male ganz etwas anderes! 
Natürlich: Rampf ums Dafein — freie Ronkurrenz das ift ja 
Euer Geſetz; den Hut vor einander zieh’n, wenn man fich auf 
der Straße begegnet, und derweilen Kampf bis aufs Meſſer, 
big einer von beiden liegt! Wer oben auf bleibt, hat recht, 
wer unten zu liegen kommt, bat unrecht! Und jo einer hat nichts 
zu verlangen, bat nachzugeben, zu Kreuz zu Triechen, vernünftig 
zu fein, und wenn er das nicht tut — dann ift er eben ver- 
rüct, und mit Verrüdten geben praftifche Leute ſich nicht ab; 
die ſchmeißt man 'raus und läßt fie figen. 


Otto 
Wer laßte Sie denn ſitzen? 

Balzer 
Du! 

Otto 


Aber das iſt doch nicht wahr? Ich habe Ihnen doch nur 
vorgefchlagen — 
Balzer. 
Wie darfit du mir vorschlagen, daß ich ein Hund fein fol, 
der die Peitſche leckt? 
Otto 


Meifter Balzer, Meifter Balzer, wenn ich nicht mehr zu 
Ihnen kungen darf, wer fol es denn dann noch? 


Balzer 
Einer, der mich verfteht! 


512 Meifter Balzer 





Dtto 
Wer kennt Sie denn, wer verfteht Sie denn befjer als ich? 


Balzer 
Du verftehft die Welt; und wer die Welt verfteht, der ver- 
ſteht nicht mich! | 
Otto 
Aber — zur Vernunft reden iſt doch kein Unrecht? 


Balzer 


Niederträchtig iſt Euere Vernunft! Euere Vernunft iſt wie 
die Spinne im Netz, die von der Argloſigkeit der Fliegen lebt! 
Verbrechen ohne handgreifliche Tat, das iſt Euere Vernunft! 
Argloſigkeit iſt Dummheit! Und Dummheit iſt dazu da, daß die 
Schlauheit von ihr fett wird! Das iſt Euere Welt, das iſt deine 
Welt, du — du — Vernünftiger! Du — Verräter! 


Lotte 
ater! 


Balzer 


Ja doch! Hinter ſeinen Worten ſteckt ganz etwas anderes; 
du ſelbſt willſt hinübergehen, in die Fabrik, darum redeſt du mir 
zu, daß ich hinübergehen ſoll! Sag’ nein, wenn's nicht wahr 
it! Sag’ nein, wenn du's kannſt! — Siehſt dul Da wirft du 
ftill, da wirft du ftill! 

Otto 
(fährt ſich mit beiden Händen ins Haar; die Tränen ſtürzen ihm aus den Augen) 

Herrgott, Herrgott, Herrgott, was ſoll ich denn aber tun? 
Achtzehn Jahre bin ich alt — ſoll ich mit achtzehn Jahren — 
betteln gehen? 

Balzer 

Ha — 

Otto 

Eine alte Mutter hab' ich doch auch, die darauf wartet, 
daß ich ſie ernähren werde, wenn ſie nicht mehr arbeiten kann! 
Soll ich denn das nicht? Muß ich denn das nicht? Iſt denn 
das ein Unrecht, wenn ich mich danach umſehe, wie und wo ich 
das kann?! 


Dritter Akt 513 





Balzer 
Alſo gehen Sie, Herr Mühlich, paden Sie Ihre Sachen 
zufammen und machen Sie, daß Sie fortflommen! Machen Sie, 
dad Sie fortkommen! 
Dtto 
(fällt vor ihm nieder, umfchließt ihn mit den Armen) 
Meifter Balzer — ſei'n Gie doch nicht fol Sei'n Sie doch 
nicht fo! 
Balzer (ſößt ihn zurücd) 
Geh weg von mir: ich kenne dich nicht mehr! 


Lotte 
(ſtürzt auf den Vater zu, umſchlingt ihn) 


Pater! Vater! 


Balzer 
Was willſt du? 


Lotte 


Das iſt ja nicht recht, was du ſagſt! Das iſt ja nicht recht, 
was du tuſt! 


Balzer 
(toßt fie von ſich) 
Alſo geh’ du auch hinweg! Meinetwegen — geh’ mit 
ihm — wohin du willft! Sch brauche dich nicht! Sch will dich 
nicht! Euch alle nicht! Niemanden! Niemanden und nichts! 


(Er rafft die Mütze vom Tifche auf, geht nach dem Hintergrunde ab, wirft die Tür 
ſchmetternd hinter fich zu. Lotte, die Hände an die Schläfen gedrückt, fteht wie in 
Betäubung; Otto erhebt fich langſam vom Boden) 


Frau Balzer 
(erhebt fich Iangfam, wie aus einem Starrframpf erwachend, vom Sofa) 
Gott du da oben — wenn du noch einen Funken Er- 
barmen für Menfchen haft — dann laß mich fterben — ebe 
daß die Drei Monate um find. Gie wantt nad) rechts hinaus. Große 
Paufe) 


Lotte 


(geht langſam an die Tür rechts, welche Frau Balzer hinter ſich geſchloſſen bat, 
legt die Hand auf die Türklinfe. Ihr Geficht ift leichenblaß, aber ohne Tränen; fie 
hält, indem fie jpricht, Das Haupt gejentt, ohne Otto anzufehen) 


Herr Mühlich — mein Pater ift ſehr heftig gegen Gie 

geworden — aber ich hoffe, Sie werden es ihm nicht nach- 
i fragen — ¶ 
E Dramen X 33 


514 | Meifter Balzer 





Otto 
(ſtarrt fie in äußerſter überraſchung an) 


Lotte —? 
Lotte (wie vorhin) 
Sndem Sie bedenfen — daß er — große Sinannebmlich- 
feiten erlebt bat. 
Dtto 
Lotte, wie fprichft du denn zu mir? 


Lotte wie vorhin, tonlos) 
Wie es fich gehört. 
Otto 
Und weiter haſt du mir nichts zu ſagen? 


Lotte 
(immer, ohne ihn anzuſehen) 


Leben Sie wohl — Herr Mühlich. 


Otto 


e 2 (tut einen Schritt auf fie zu) 
otte — ? 


Lotte (ſchüttelt abwehrend das Haupt) 


Dtto (bleibt ftehen) 
Nicht mal die Hand mehr gibft du mir? 


Lotte 
(die Rechte auf der Türklinke, ſtreckt, ohne ihn anzuſehen, die linke Hand nach ihm aus) 


Dtfp chat ihre Hand ergriffen) 
Die Linfe — alfo bift du mir auch böfe? 


Lotte 
| Nein, Herr Mühlih. Sie haben nicht anders gekonnt, das 
weiß ich, das — das können Sie mir wirklich glauben. Das 
babe ich ja auch meinem Vater gefagt — und darum — es ift 
mein voller Ernſt, — habe ich Sie ja gebeten, daß fie ihm nicht 
böje fein möchten. 

Otto 

(mit beiden Händen ihre Hand haltend) 
Sch ihm böfe fein? Und das Fannft du von mir denfen? 


Er ee 


Dritter Akt 515 





Lotte 
(zieht die Hand aus ſeinen Händen, deckt fie über die Augen; ihre Bruſt kämpft) 


Dtto 
(ift qurüdgetveten und auf den Stuhl vor feinem Arbeitstifche geſunken) 


Wenn ich doch nur etwas wüßte! Nur irgend etwas anderes 

wüßte | 
Lotte (Heifer ftöhnend) 

Sie — find ja noch jung — Ihnen liegt ja — das Leben 

noch offen. — 
Dtto 

Ach ich — aber der Mann! Der Mann! Denkt du denn, 
es —* Redensarten, wenn ich ſage, daß mir das Herz im Leibe 
* (Er hat die Hände vor das Geſicht gelegt, ſchluchzt) 


Lotte 
(tritt zu ihm. Otto blickt nicht auf) 


So — biſt dul So biſt du? Eie beugt ſich zu feinem Ohre, flüſtert) 
Wart' einen Augenblick! 


O tto (fährt mit dem Kopfe auf) 


Was fol ich? 
Lotte 
Einen Augenblick — warte. Gie huſcht nach dem Sintergrunde 
hinaus) 
Otto 


(ſtützt beide Ellbogen auf die Knie, das Geſicht in die Hände) 

Nun iſt's alſo ſoweit. — Immer hab' ich im ſtillen ge— 
dacht, daß es einmal ſo kommen würde — und nun iſt's da 
(Er blickt nach dem Plage Hin, wo Balzer zu figen pflegte) Leben Sie wohl, 
Meifter Balzer. (Er ift aufgeftanden, fällt auf Balzers Schemel, drückt das 
Geficht auf deſſen Arbeitstiih) Fünfzig Jahr' hat er bier geſeſſen — 
vor dem alten Tiſch — und folange ich denken fann, ift nie 
ein niedriger Gedanke durch feine Seele gegangen — ach, du 
Mann! Du Mann! 


Lotte 
(kommt aus dem Sintergrunde zurück, * ag aufgenommen und mit Blüten 
ge 


Dtto (blickt auf) 


Was bringft du denn da? 
33* 


516 Meifter Balzer 





Lott e (flüfternd) 
Ein Andenken für dich — nimm — nimm — nimm — 
(fie ſtopft ihm Die Blüten in die Hände) 


Otto 
Der ſchöne Rotdorn. 
Lotte 


Den haft du ja immer fo gern gemocht — etwas Gold— 
vegen ift auch noch dabei — der lieder ift ſchon zu Ende. 


Otto 
Da haſt du ja aber den ganzen Garten geplündert? 


Lotte 
Was kommt's denn jetzt noch darauf an? 


Otto 
Der liebe alte Garten — und das ſoll alles für mich ſein? 


Lotte | 
Sa — aber du mußt fie für dich behalten, denn wenn du 
fie Der wieder zeigft, dann kommt fie und gibt dir wieder ihre 
Blumen ftatt meiner! 
Otto 
Du denkſt — wegen der Rofe — 


Lotte (drüde ihr Geficht an fein Haupt) 
Davon fprich nicht! Daß du — mir — das haft antun 
fönnen — . 


DLtp (breiter die Arme aus) 
Lotte — 


Lotte 
(Fällt ihm unter ausbrechender Verzweiflung um den Hals) 


Otto! Dito! Otte! 
Otto 
Das alles — iſt ja wie ein Abſchied! 


Lotte 


Sit auch fol Heute gehſt du von meinem Vater — und 
von mir bift du fchon vorher gegangen, 


Dritter Akt 517 





Otto 
Wann denn? Wieſo denn? 


Lotte 
Denkſt du denn, ich weiß nicht alles? Du — du liebſt 
mich ja gar nicht! Haſt mich überhaupt niemals geliebt! 


Otto 


Sprich doch nicht ſo etwas, Lotte; denk' doch nicht ſo 
etwas. 
Lotte 
Ach Otto, das nützt ja zu nichts, daß du das ſagſt! Jetzt 
willſt du mich tröſten — denn du biſt ja gut von Herzen — 
nur ſchwach biſt du, und an dem allen iſt ja nichts mehr zu 
ändern — und wenn du erſt von hier weg ſein wirſt und mit 
der wieder zuſammen kommen und ihr in die Augen ſehen 
wirſt — 
Otto 
Lotte — 


Lotte 


(Hat einen Schemel neben den ſeinigen geſchoben und ſich Darauf geſetzt, % daß fie . 
jest neben ihm figt, Den Arm um -ihn gelegt, das Haupt gebeugt) 


Sei doch ftil — ich mach’ dir ja feine Vorwürfe — du 
kannſt ja auch nichts dafür. Sie ift ja auch fehöner als ich — 
das weiß ich ja recht gut — und vom erften Tage an hat fie 
dir in die Augen geftochen — und du haft fie gemacht — 
während dem — wenn ich Dich jo genecdt habe — dag — das 
bajt du dir eben fo gefallen laſſen — weil du eben gut von 
Herzen bift — aber gemocht haft du's eigentlich nie, 


Otto 
Das kann ich ja gar nicht mit anhören — 


Lotte 
Aber es iſt doch fo! Seitdem, da in Rofengarten, ſiehſt 
du, iſt mir, als hätt' ich einen Schleier vor den Augen ge— 
habt — und nun iſt der Schleier mit einmal fort. 
Otto 
Bloß weil ich mit der einen Tanz gemacht habe — 


518 Meifter Balzer 





Lotte (drückt ihr Haupt an feine Bruft) 

Sprich doch jest nicht davon! Verdirb mir jest nicht die 
legte Stunde! Denn fiebft du — daß wir fo beieinander find 
— das kommt nun nie wieder, das iſt heute zum legtenmal, 
Darum wollte ich dir nur fagen — fiehft du — daß ich früher 
immer fo luſtig und jo mit dir gewefen bin, wie ein junges 
- Mädchen mit einem jungen Mann gar nicht hätte fein follen, 
das iſt ja wahr — aber das mußt du richtig verftehen — denn 
früher, fiebft du, hab’ ich immer gedacht, daß du einmal Vatern 
fein Gefchäft übernehmen würdeft — und dann würde ih — 
immer fo bei dir fein — und immer für dich ſorgen — daß du 
gar nicht weiter zu denken brauchteft, als nur an deine Ihren 
— und weil wir doch beide noch fo jung waren — ſo hab’ 
ich gedacht — das alleg — würde lange fo dauern — jahre- 
lang — viele Sahre lang — und das alles — wäre jo fchön 


geweſen — jo Schön — und nun — ift das alles fo gefommen! 
(Sie gleitet vom Schemel, finft Iniend daran nieder; Die Arme auf den Schemel, das 
Geficht auf Die Arme gelegt, in verzweiflungsvollem Kummer fchluchzend und weinend) 


So! So! ©! 


Otto 
(iſt aufgeſprungen, verſucht ſie vom Boden zu erheben) 
Lotte — 
Lotte (chüttelt das Haupt) 
Otto 
(läßt ſich auf die Knie zu ihr nieder) 
Lotte 
(liegt am Schemel, Otto kniet neben ihr) 

Earte una 

Laß doch fein — es ift ja auch guf fo. 
Otto 


Das wäre gut? Das glaubſt du ja ſelber nicht. 


Lotte 


Nein, Otto, es iſt mein voller Ernſt; es iſt am beſten ſo. 
Alles was du jetzt ſagſt, ſiehſt du, das glaubſt du jetzt auch 
das weiß ich ja — aber das iſt nur für jetzt — und nachher 
kommt das Eigentliche wieder. 





Dritter Akt 519 





Otto 
Das — Eigentliche? 
Lotte 
Ja, das, was du eigentlich fühlſt, was ich erkannt habe und 
dir im Geſicht geleſen habe — in Roſengarten, den Tag. 


Otto 
Mir im Geſicht haſt du geleſen? Was denn? 


Lotte 
Etwas, worüber wir beide nie wieder hinwegkönnen, Otto; 
niemals! Etwas, das zwiſchen uns gekommen iſt und nie wieder 
fortgeht! 
Otto 
Was denn nur? Was denn nur? 


Lott e (flüfternd) 

In dem Augenblick — ſiehſt du — two ich fo heftig ge— 
worden bin gegen — die — und — fie mit dem Hute ge— 
ſchlagen babe — in dem QUugenblil hab’ ich dein Geficht ge— 
feben — und babe gefeben — 


Otto 
Haft gejehen —? 


Lotte (immer leifer) 
Daß ich dir widerwärtig gewefen bin — Otto 


Dtto (ſteht langſam auf) 
Du — warſt — fo furchtbar heftig — 


£otte 

Sa — und du bift fo fanft. (Steht aud Giehft du nun, 
daB wir voneinander müfjen, weil die Natur e8 will? (Paufe) 
Und dann, fiebft du, du bift noch jung — haft noch ein langes 
Leben vor dir, und ſiehſt du — da ift es nötig, daß nichts hinter 
dir zurücdbleibt, woran du mit Sehnfucht zurücdenten mußt — 
und wenn du erjt von bier fort fein wirft, und einige Zeit dahin- 
gegangen fein wird — dann wird das alles ganz von felbit fo 
fommen — und dann wirft du vergeflen haben — und — aber du 
mußt nicht denken, daß ich dir Vorwürfe machen will — es ift 


520 Meiſter Balzer 





mein voller Ernft — dann wirft du ganz leicht und glücklich 


fein — denn wenn der Menſch glücklich fein fol, muß er fi 
nicht zu erinnern brauchen, 
Dtto 


Was fprichit du denn? Nicht erinnern foll ich —— an 
Meiſter Balzers Haus? 


Lotte 

Das — iſt ja dann nicht mehr da. 
Otto 

Und ſo oft ich dich ſehen werde — 
Lotte 

Das brauchſt du nicht zu beſorgen. 
Otto 

Was meinſt du damit? 
£ptte 

(finke Stumm in fich zufammen, ihre Augen ftarren vor fich Hin) 

Otto 


Lotte — was meinſt du damit? 


Lotte 
(jehüttelt das Haupt, als würfe fie einen Gedanken fort) 


Nichts — 
Ä Dtto 
Ja doch — 
Lotte 
(umfängt ihn, drückt das Haupt an ſeine Bruſt) 
Sei ſtill — Sei ſtill — fer ſtill. Pauſe. Dumpf und ſchwer) 
Gehſt du nun? 


Otto 

Du haft ja gehört, was dein Vater mir geſagt hat. 
£otte 

a. — — Wo wirft du nun wohnen, . wenn du von 


bier gehſt? 


a re, 


Dritter Akt 521 





Dttp 
Ach — 

Lotte 
Sag’s mir! 

Dttp 


Der Anton hat mir gejagt — daß fie noch eine Stube 
übrig haben, 
Lotte (zucde unwillkürlich auf) 


Otto 
Warum fragſt du auch? 


Lotte 
Sei ruhig — ich mach' dir keine Vorwürfe — was kannſt 
du denn anders tun? Du biſt ja kein reicher Mann — wohnen 
mußt du doch irgendwo — (Pau) Otto —? 


Otto 
Was, Lotte? 
Lotte 
Willſt du mir noch eine Liebe tun? 
Otto 
Ja, alles. 
Lotte 


Geh heute noch nicht zu denen — willſt du? 


Otto 
Heute — noch nicht? 
ott⸗ 
Geh heute noch zu deiner Mutter, nach Roſengarten hinaus! 
Willſt du? 
Otto 
Wenn ich nur begriffe — 
Lotte 


Morgen kannſt du ja zu ihnen gehn und dann bei ihnen 
bleiben, ſolange du willſt — nur heute noch, Otto — willſt du? 


522 Meifter Balzer 





Otto 
Ja, Lotte, wenn dir ſoviel daran liegt, will ich heute zu 
meiner Mutter hinausgehn. 


Lotte (aufſeufzend) 


Gut. (Sie erhebt fi) Go woll'n wir gehn. Ich begleite 
dich noch ein Stück — wenn’s dir nicht unangenehm ift? 


Dtto 
Mir unangenehm? — Romm! 


Lotte (blickt zum Fenſter hinaus) 


Die Sonne ift ſchon unter und es wird fühl, Sch will 
mein Tuch umnehmen (tritt and Sofa, nimmt ihr dort liegendes Tuch um) 


Dtto 
(geht währenddem zu der Pendeluhr) 


Lotte (wendet fich zu ihm um) 
Was mahft du da? 


- Dtto 
Du fiehft ja: deine Uhr ift gerade abgelaufen; jo kann ich 
ihr noch den letzten Liebesdienft tun. 


Lotte 
(iſt zu ihm herangetreten, bat jeine Hand genommen) 


Siehft du — wie recht Vater gehabt hat — 


Otto 
Wieſo denn? 


Lotte 
(mit dumpfem Blick auf die Ahr) 


Die Uhr — hat er geſagt — iſt klüger als wir alle. 


Dtto 
So laß fie mich doch noch einmal aufziehn. 


Entte (faßt Frampfhaft feinen Arm) 
Das ift nicht mehr nötigl Komm! «Sie ziehe ihn nach dem 


Hintergrunde) 
Der Vorhang fällt 


Ende des dritten Aftes 


Vierter Akt 523 


Vierter Akt 


Zimmer bei Balzer wie im erſten und dritten Akt. Es iſt dunkel; 
beim Aufgange des Vorhangs iſt die Bühne leer 


Erſter Auftritt 


Balzer (ohne Mütze, mit verwildertem Haar und Geſichtsausdruck, tritt durch die 

Tür im Hintergrunde ein, bleibt in der Mitte des Zimmers ſtehen und blickt ſich um, 
als verfuche er, im Dunkel jemanden zu jehen; dann geht er an den runden Tifch, auf 
welchem eine einfache Petroleumlampe ſteht; Diefe zündet er an, hebt fie hoch und 
wage ſich wieder im ganzen Raume um. Er leuchtet in die Ecke hinein, in welcher 
ie Turmuhr ſteht; Dann jegt er, wie enttäuſcht, Die Lampe auf den Tifch zurück, 
- ergreift fie gleich Darauf wieder und gebt nach rechts hinaus, indem er die Tür 
binter fich offen läßt, durch die offen gebliebene Tür dringt der Schein des Lampen- 
lichts — man hört im Raum rechts ein Geräufch, wie wenn jemand, haftig ſuchend, 
an Stühle und Möbel ſtößt; dann kommt er von rechts zurüc, drückt die Tür hinter 
fich zu, jest die Lampe wieder auf den Tiſch und bleibt, geſenkten Hauptes, in Ge- 
danfen verloren, ſtehen. Nach einiger Zeit wirft er den Ropf empor und jagt mit 


erfticttem Laute) Im Garten, (Er Täßt die Lampe ftehen und geht baftig 


nach dem Hintergrunde hinaus. Nach einiger Zeit Fommt er langſam, wie gebrochen, . 
zurüd, läßt die Tür halb offen hinter fich, geht an den Schemel vor feinem Arbeits 


tiſche, jest fich ſchwer Darauf nieder) Iſt fort, — (Er ftöpne Ift fort — 


vielleicht etwas aufgefchrieben. — (Er fpringt auf, ſucht auf dem runden 
Tiſche, nimmt dann wieder die Lampe auf, jucht auf feinem und Ottos Arbeitstifche, 
auf dem Sofa, in der Ede Hinter der Turmuhr, dann fest er die Lampe zurüd) 


Nichts — ift fort, — (Er ſinkt auf feinen Schemel, ftügt die Arme auf 
die Knie, den Kopf in die Hände, Nach einiger Zeit läßt er die Hände finken) 
Fa doch — Ihr braucht's mir nicht fo laut in die Ohren zu 
fchreien — ich weiß es — Ihr habt gewonnen. (Ex fteht auf, reckt 
beide Arme) Daß Ihr die auf Eure Seite kriegen würdet — das — 


“ (ex läßt die Arme fintenn Ihr ſeid die Stärkeren — es ift aus. — 
(Er tritt vor den Stuhl am runden Tiſche, auf dem Lotte zu ſitzen pflegte und auf 
dem ihr Strickſtrumpf lieg) Haſt's nicht mehr aushalten können bei 


dem alten VBerrüdten? Nein? Ihm fein Wort mehr dalaffen 
können? Mein? (Ex ſchlägt mit der Hand durch die Luf) Sie fpricht 
nicht mehr — ift fort, — (Sein Blick fällt auf die Wanduhr; er tritt da- 
vor, ballt die Fäufte) Du haft fie zulest gefehn! Wo ift fie bin, 
Alte? — Wo ift fie hin? Die Hände finten ihm nieder) Spricht auch 
nicht mehr — ſteht ftil — ift tot, — (Ein Lächeln geht über fein Geſicht) 
Tot — und da regt man fih auf — mährend alles fo einfach 
iſt — (u der Ahr gewande) Möchte auch willen, was wir beide 
noch in einer Welt zu fuchen haben, Alte, die fo ausfieht, wie 
Die! Nicht wahr? Er läßt die Ketten der Ahr durch Die Hand gleiten) 
Siehſt du — was ich dir damals für ftarfe, fefte Ketten ge— 
macht babe — hm? Das war gut; die können was fragen. 
— Bift Hug gewefen, dein Leben lang — haft gewußt, daß 


ich fie noch einmal brauchen würde, haft fie mir aufbewahrt. 
(Er holt Fichernd, flüfternd, den Schemel, fteigt hinauf, den Rücken nach der Tür 
im Hintergrund gewandt, beginnt den Raften der Ahr zu Öffnen) 





524 Meifter Balzer 





Zweiter Auftritt 


Lotte 
(das Tuch um die Schultern gezogen, erſcheint in der Tür des Hintergrundes, bleibt 
in den Türpfeiler gelehnt, ſtehen, ſieht dem Vater zu, ohne Schreck und Bewegung) 


Balzer (lichernd, flüfternd) 

Nun gehn wir in den Garten, verftehft du, an den Birn- 
baum — und dann — wenn fie dann kommen, das Haus ein- 
zuſtecken — und dann den Garten — und fich die Birnen vom - 
Baum fehütteln wollen — verftehft du — dann ſchütteln fie 
ih den alten Kerl vom Baum, den verrückten — wird ein 
Spa — 


Lotte 
(mit klangloſer, ruhiger Stimme) 


Nein, Vater — ſo nicht. 


Balzer 
(ſtößt einen dumpfen Schrei aus, taumelt vom Seſſel, ſinkt Darauf nieder) 


Sie — iſt wieder da — (das Haupt fällt ihm auf die Bruſt) 


Lotte 
(legt ihr Tuch ab, geht zu ihm —— 


Wo ſollte ich denn ſein? 


Balzer 
Sit — wieder da — 
Lotte 
Wo dachteſt du denn, daß ich wäre? 


Balzer 
Dachte — wäreſt fort — 


Lotte (ftreichelt über fein Haupt) 
Uber — Bater? 


Balzer 
(wendet fich zu ihr herum, faßt fie mit beiden Händen) 
It fie denn das? 


£ptte 
(fieht ihn ſtumm, beinah Tächelnd an) 


Vierter Akt 525 





Balzer 
(reißt ſie an ſich auf ſeinen Schoß) 


Ach du — mein — (er drückt fie an ſich, küßt fie) 
Lotte 
(legt beide Arme um feinen Hals, lehnt die Wange an fein Haupt) 


Weißt denn du nicht, daß die Motten immer ums Licht 
fliegen? Weißt denn du nicht, wo mein Licht ift? 


Balzer 
Meine Mottel Meine Motte! 


Lotte 
Du armer Mann. (Paufe) 


Balzer 
Wo bift du hingeweſen? 


£otte 


Sch habe dem Otto Lebewohl gefagt und ihn noch ein Stück 
begleitet. 


Balzer 
Begleitet? 
Lotte 
Er iſt hinausgegangen, nach Roſengarten, zu ſeiner Mutter. 
Balzer 
Und du — biſt wiedergekommen. 
Lotte 
Ja, natürlich. 
Balzer 
Wärſt denn du — nicht lieber — mit ihm gegangen? 
Lotte 
Mein. Wauſe) 
Balzer 


Warum ſagteſt du denn vorhin „Vater nicht ſo“? Was 
meinteſt du damit? 


Lotte 
Ich hörte ja, was du zu der Alten ſprachſt. 


526 Meifter Balzer 





Balzer 
Haft du es auch verjtanden ? 
Lotte 
Ja, natürlich! 
Balzer 
Na — türlich —? 
Lotte 


Aber es hätte mir ſo leid getan, wenn du die Alte dazu 
gebraucht hätteſt. 
Balzer 
Alſo — zu was denn? 


Lotte 
Ach — es klingt ja nicht hübſch, wenn man's ausſpricht. 
— Aber ich weiß eine Gelegenheit, da geht es viel ſchöner. 


Balzer 
Das — weißt du? 
Lotte 
Ja — wo die Weiden draußen ſtehn, am Teich, da liegt 
ein Weidenbaum ganz lang ins Waſſer hinein — da kann man 
darauf entlang gehen bis an die Spitze — und dann iſt es 
gleich ganz tief darunter — nicht einmal zu ſpringen brauchen 
wir — nur ein wenig ausgleiten. 


Balzer 
Wir? 

Lotte 
Nu ja? 

Balzer 
Wir —? 

Lotte 
Was meinſt du denn? 

Balzer 

Aber du — doch nicht? 

Lotte 


Ja, natürlich. 


ENTE TS WERE VE SEE 


Vierter Akt 527 





Balzer 
(hält ſie mit geſtreckten Armen von ſich) 


Mädchen — 
Lotte 
(blickt vor ſich Hin, nickt unmerklich mit dem Haupte) 
Balzer ſſchüttelt fie) 
Warum frittft du mir in den Weg? 


 Rptte 
Sch trete dir nicht in den Weg. 


Balzer 
Wenn ich — was ich — mas ich fue, muß ich fun. 
Lotte 
Ja. 
Balzer 
Für mich gibt's nichts andres mehr. 
Lotte 
Nein. 
Balzer 
Das fühlſt du? 
Lotte 
Ja. 
| Balzer 
Das fühlft du? | 
Lotte 
Ich ſag's dir ja. 
Balzer 
Warum willſt du mich dann feſthalten hier? 
Lotte 
Ich will dich nicht feſthalten. 
Balzer 


Ja — doch! Sal Ich ſoll denken — daß ich dich mitreiße, 
wenn ich — hinuntergehe dahin. Und weil du weißt — daß 
ich das — wenn ich das denke — 


528 Meifter Balzer 





Lotte 
(legt die Hand auf ſeinen Mund) 


Sei doch ruhig; die füfter) wenn du nicht gingeſt, ginge ich 
ja allein, 
Balzer 
Und das ift dein Ernft? 
Lotte 


(wendet ihm das Geſicht zu, blickt ihn tief an) 
Ach Vater — glaubft du denn, daß du allein unglüdlich bift? 


Balzer preöt fie an fich) . 
Sp unglüdlich bift du? Pau Lotte, mein Rind, wer hat 
dich jo unglüdlich gemacht? 


Lotte 
Wer? Das iſt ja alles von ſelbſt ſo gekommen. 


Balzer 
Aber wenn du nicht mein Kind wäreſt, würdeſt du ſo un— 
glücklich nicht ſein? 
Lotte 
Laß doch — wer kann wider ſeine Natur? Wer kann für 
feine Natur? (Paufe) 
Balzer 
Lottchen — du bift doch aber noch jo jung? 


Lotte 
Das iſt ja eben das Schreckliche. 


Balzer 


Das Leben liegt doch noch vor dir? Im langen Leben 
kommt mancher gute Tag? 


Lotte 
Nein. 
Balzer 


Aber eins iſt doch im Leben, was du ſelbſt ſchon erfahren 
haſt? Denke doch an den Otto. 


Vierter Akt 529 





£otte 
Davon fei ftil, davon fei ſtill! 


Balzer 


Aber ich weiß Doch, daß du ihn geliebt haft? Paufo Lotte 
— du haft ihn doch geliebt? 


Lotte 
Sa — Sehr. 
Balzer 
Und er dich auch? 
Lotte 
Nein. 
Balzer 
Nein? Das hab' ich doch mit eigenen Augen geſehn? 
Lotte 


Ach Vater, das iſt ja eben unſer Unglück geweſen, deines 
und meines, daß wir die Dinge nie ſo geſehen — wie ſie 
wirklich ſind. 


Balzer 
So klug biſt du geworden? Mit einemmal? 
Lotte 
So etwas erkennt man immer mit einemmal. 
Balzer 
Und alſo — haſt du mit einemmal erkannt, daß er — 
Lotte | 
Mich nicht liebt. 
Balzer 


So bat er dich betrogen, wie er mich betrogen hat? 


£otte 


Betrogen? Nein. Er ift, wie er if. Was kann er dafür, 
daß wir unfer Leben lang geträumt haben? 


Balzer 
Geträumt haben wir? 


Dramen X 34 


530 Meifter Balzer 





Lotte 
Ja. Wir haben in unſrem Haus wie auf einer Inſel ge— 
lebt, und weil wir die Welt nicht ſahen, haben wir gedacht, es 
ſähe überall ſo aus, wie bei uns. Nun haben ſie uns geweckt 


— und — ſiehſt du, Vater — wach zu ſein, das haben wir 
beide nicht gelernt. 


Balzer 
Du armes Kind — hat ſich dein Vater ſo an dir ver— 
ſäumt? 
Lotte 
Wer kann für ſeine Natur? Nun ſiehſt du doch ein, daß 
es für mich Seit iſt, wie für dich. (Sie löſt ſich von ihm los, verläßt 
feinen Schoß und ftellt fich auf die Füße) 
Balzer (legt die Hand auf ihr Haupt) . 


Uber wenn wir vor Gott fommen, wirft du ihm jagen, daß 
dein Vater dir nicht zugeredet hat? 


Lotte 
(ſteht ihn mit totem Lächeln an) 
Vater — — Gott —? 
Balzer 


Za fo — du träumft ja nicht mehr — das haft’ ich ver- 
geffen. Nun merk’ ich felbft, es ift Seit. Wir wollen gehn. 


Lotte 
Ja. (Ste nimmt ihr Umfchlagetuch um, dabei verſinkt fie in Gedanken) 


Balzer 
Lberlegft du etwas? 


Lotte (nach der Tür rechts blickend) 
Da nebenan liegt Mutter und fchläft — ob man ihr nicht 
gut’ Nacht jagen fol? 
Balzer 
Uber — wenn fie dich fragt —? 


Lotte 


Sch bin ganz leiſe — ich wecke fie nicht. (Site ergreift die 


Klinke der Tür; im Augenblid, da fie Dies tut, wendet fie, wie horchend, Das Haupt 
nach dem Feniter) 


Vierter Akt 531 





Balzer 
(der mitten im Zimmer ſteht) 


Hörſt du das auch? 


Lotte 
Ja — es klingt — wie wenn — 


Balzer 


Wie wenn jemand die Straße daher gelaufen kommt — 
gerade auf uns zu — 


Otto 
(aus der gerne, binter der Szene links, atemlos, keuchend rufend) 


— Balzer! Meiſter Balzer! 


Lotte 
(fährt furchtbar zuſammen) 
Herrgott — 
Ottos (Stimme näher) 
Meifter Balzer! 


£otte 
(ftürzt mit einem Sprunge in die Ecke, hinter die Turmuhr) 
Löſch' das Licht aus, Vater! Löſch' das Licht aus! 


Balzer 
(fteht wie angewurzelt, das Haupt immer wie laufchend vorgeftrecdt) 


Dtto 


- (bricht Durch Die I» am Fenſter hindurch; am Fenfter erſcheint fein fotenblafieg 
Geſicht; der Huf ift ihm vom Kopfe gefallen) 


Meifter Balzer — wo ift die Lotte? Wo ift die Lotte? 
Meifter Balzer — ift fie zurücgefommen? Iſt fie hier? 

| £otte | 

(das Geficht in den Händen bergend, fich in Todesqual windend) 


Bater — ſchließ die Tür — Daß er nicht 'reinkommt! 
Schließ die Tür zu! 


Balzer (fteht regungsios) 
Dtto werſchwindet vom Fenfter) 


Lotte 


Bater, hör’ doch, was ich fage — wenn er 'reinkommt — 
34* 


532 | Meifter Balzer 





Dritter Auftritt 


Otto 
(erſcheint in der Tür im Hintergrunde) 


Lotte (ſringt auf) 
Nein! ! 


(Sie ftürzt nach der Tür rechts; Otto ift mit einem Schritte herein, fängt fie in 
feinen Armen, hält fie gewaltſam feft) — 


Otto 
Lotte!! 
Lotte 
(ſträubt ſich gegen ihn, kommt Dabei zu Fall, jo daß fie ihn auf die Knie niederzieht) 
Lotte 


Du ſollſt nicht — du darfſt nicht — ich will nicht — du 
haſt dein Wort gebrochen — du haſt mir geſchworen, daß du 
weiter gehen wollteſt — dich nicht umſehen wollteſt nach mir — 


Otto 
Ich bin auch weiter gegangen — aber wie ich weiter ge— 
gangen bin — iſt mir plötzlich eingefallen — wie du geweſen 
biſt — was du geſagt haſt — und ich habe neben dir geſeſſen 
— und es nicht geſehn — habe dich reden gehört — und dich 
nicht verſtanden — und mit einemmale iſt mir's aufgegangen, 
daß du was vorhatteſt! Etwas Schreckliches! Und es iſt auch 
fol — Und du haft etwas Schreckliches vor! Sch ſeh's dir an! 
Ich ſeh's dir an! 
Lotte 
Nicht feſthalten mehr! Nicht wieder anbinden mehr! Laß 
mich! Lab mich! | 
Dtto 
Lotte! Was haft du vorgehabt? Lotte! Du haft in den 
Tod gehen wollen, Lotte? 


Lotte 
(liegt ächzend in feinen Armen) 
Dtto 


Sn den Tod haft du gehen wollen und haft es mir nicht 
gejagt! Haft mich hinausgehen laſſen — und — es mir nicht 


Vierter Akt 533 





gejagt! Und morgen früh, wenn ich bereinfam — wäre feine 
Lotte mehr dagewejen! Die Lotte nie mehr — nie mehr! — Und 
ſo bätte ich weiterleben jollen? Und das — konnteſt du mir tun? 


Lotte 
Du — ſollſt mich vergeſſen! Du haſt mich vergeſſen! Du 
wirſt mich vergeſſen! Das alles — hab' ich dir geſagt. 


Otto 
Nicht leben will ich in der Welt, in der du nicht lebſt! 
Er bedeckt ihr Geſicht mit Kiffen) 
Lotte 
Ach Jeſus — biſt du das — der mich ſo küßt? 


Dtto 


Mein Herz, meine Seele, mein alles, meine Lotte, meine 
liebe, liebe Lotte! | 


Lotte 
(chlingt in plötzlichem Selbſtvergeſſen beide Arme um ſeinen Hals, küßt ihn) 
Otto — —| (Sie finkt kraftlos zurüch Ach — aber nun — 


was ſoll nun werden? 


Vierter Auftritt 


Frau Balzer (kommt von rechts) 
Was — iſt, denn hier? 


Balzer (bochaufgerichten) 

Ein Mädchen ift hier, das da geglaubt hatte, fein Leben 
wäre verblüht, weil es noch nicht zu blühen angefangen hatte 
— ein Mann ift hier, der nahe daran war, daß er zum Mörder 
ward an feinem Kind, weil eigener Rummer ihm das Herz ver- 
Ihloß und es taub machte und blind für das Leid feines Kindes. 
Und diefes Kind ift dein Kind auch — und diefeg Kind wird 
nicht fterben — er ergreift Lottens Hand, zieht fie vom Boden empor) 
dieſes Mädchen wird nicht in den Tod geben, — denn der 
Mann, an deſſen altes Leben fie ihr junges geknüpft hatte — 
der fie braucht, wie fie ihn braucht — wird ihr jagen, daß es 
für ihn und für fie noch Seit ift zum Leben. 


534 Meifter Balzer 





Lotte 
(fliegt ihn um den Hals) 
Pater — iſt das wahr? Iſt das möglih? Kann dag, 
fann das fein?! 


Balzer (Greßt fie an fich) 

Daß ich dein Leben an meinem Leben fühle — komm näber, 
fomm dicht zu mir ber! Wie das wieder wach geworden ift — 
wie das hüpft — wie das jauchzt — ja, Lotte — es Tann fein 
— und wird fein — und glücklich wirft du wieder werden. 


Lotte 
Aber du? Aber du? 


Balzer 
Und ich auch, Lotte, ich auch. 


Lotte 
(an ſeinem Halſe hängend, leidenſchaftlich zu ihm flüſternd) 
Vater — du ſollſt nicht ſprechen, um mich zu tröſten! 
Vater, du glaubſt nicht, was du ſagſt! 


Balzer 
Ja, Lotte. 
Lotte 
Nein, Vater! 
Balzer 


(Hält fie mit beiden ausgeſtreckten Armen von ſich) 

Ah — wer bat dich — gelehrt —? Gei ftil — ſprich 
nicht — Sieh den da an — cer zeigt auf Otto) den da — den 
liebft du? 

Lotte 

Ja, Vater — den liebe ich. 


Balzer 
An den glaubſt du? 


Lotte 
An den glaub' ich! 


Balzer 
Dann kann's nicht wahr fein, was ich gejagt habe, dab er 
ein Betrüger ift! 


Pierter Akt 535 





O tt o (angſam, traurig) 
Meiſter Balzer — bin ich Ihnen ſo verloren gegangen in 
einer einzigen Stunde? 


Balzer (weißt ihn an fich) 

Del — Ich habe ihn hinausgeftoßen, und er ift wieder- 
gefommen und bat mir mein Kind wiedergebracht! Und bat 
meinem Rinde das Lächeln wiedergebracht — und die freudige 
Seele — ſo einer lügt nicht, — Galblaut) was war's, was du 
gefagt haft? Man kann ein Uhrmacher bleiben — auch wenn 
man — bei denen — da drüben — in die Arbeit geht? 


Dttp (wirft das Haupt zurück) 
Fa, Meifter Balzer, das hab’ ich gejagt! 


Balzer 
Und das — ſagſt du das auch. jegt? 


Otto 
(faßt Balzers Hand mit beiden Händen) 


Das jag’ ich auch jegt! 


Balzer 
(legt ihm die Hand aufs Haupt, blickt ihm aus nächfter Nähe in die Augen) 


Gott ift über dir und mir in diefer Stunde — nicht deinen 
Mund allein, er hört, was dein Herz fpricht. Verflucht ſollſt 
du fein, wenn dein Mund fpriht, was dein Herz nicht glaubt 
— Otto — ſagſt du das auch jest? 


Dttp 
Ja, Meifter Balzer, ja, Vater Balzer, ja! (Paufe) 


Balzer 
(blickt fi) Tangfam im Kreife um) 


Morgen früh — geh’ ich mit diefem da — hinüber in die 
Fabrif, 
Lotte 
(ergreift ſeine Hand mit beiden Händen) 
Das kannſt du nicht! Das Fannft du nicht! 


Balzer 
Bon meiner Kinder Hände will ich nicht leben — mit 


536 Meifter Balzer 





meinen Kindern will ich leben. Wer mit feinen Kindern leben 
will, muß ihnen ihr Recht gönnen — und das ift die neue Zeit, 


Frau Balzer (fäut ihm um den Hals) 


Vater — die bricht in Tränen aus) ach — jei mir nicht böfe, 
daß ich fo glüdlich bin, 


Balzer 
Du arme Frau — hat unfer beider Glüd jo weit aus · 
einander gelegen? 


Lotte, Otto 
(find, während Balzer jeine Frau an ſich gedrückt hält, an die Wanduhr getreten, 
baben die Ketten der Gewichte ergriffen, die Ihr aufgezogen und das Pendel wieder 
in Bewegung gejegt) 
Balzer (wendet ich) 


Sch höre den Herzfchlag meines Lebens! Wer bat die Alte 
wieder zum Sprechen gebracht ? 


Lotte 
(ſtürzt auf ihn zu, umſchlingt ihn) 
Sie hat ſoviel erlebt — ſage mir, Vater, was ſie ſpricht? 


Balzer 
Morgen will ich dir's ſagen — heute hör' ich von allem 
nur eins — 


Lotte 
Was iſt das eine? 


Dtto er zu ihm getreten iſt) 
Was ift es, Vater Balzer? 
Balzer 
(breitet beide Arme um £ofte und Otto) 


Die Lotte ift wieder da — der Otto ift wieder da — und 
ih — bin ein reicher Mann, 


Vorhang fallt 


Ende des Stückes, 


537 


Grundlagen und Varianten des Textes. 


Die Grundlagen des Textes der in diesem Bande enthaltenen 
Dramen bilden: 


1. Die Haubenlerche Schauspiel in vier Ak- 
ten von Ernst von Wildenbruch Vierte Auflage 
Berlin G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung 1906. 
178 Seiten. 8°. 


2. Der neue Herr Schauspiel in sieben Vor- 
gängen von Ernst von Wildenbruch Sechste Auf- 
lage Berlin G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung 1906. 
222 Seiten. 8°, 


3. Meister Balzer. Schauspiel von Ernst von Wil- 
denbruch. Berlin 1893. Verlag von Freund & Jeckel 
(Carl Freund). 160 Seiten. 8°. 


(Widmung: „Meinem Freunde dem Uhrmacher Adolph 
Balzer in Frankfurt a. d. ©.“: die oben S. XIf. ab- 
gedrückten Verse. Unterzeichnet: „Berlin im Dezember 
1892 Ernst von Wildenbruch.“) 


Von früheren Drucken wurden verglichen: 


1. Für „Die Haubenlerche“ : 


Die Haubenlerche. Schauspiel iin vier Akten 
von Ernst von Wildenbruch. Berlin, 1891. Verlag von Freund 
& Jeckel (Carl Freund). 


2. Für den „Neuen Herrn“ :. 


Der neue Herr. Schauspiel in sieben Vor- 
gängen von Ernst von Wildenbruch. Berlin, 1891. Verlag 
von Freund & Jeckel (Carl Freund). 222 Seiten. 8°. 


3. Meister Balzer. Schauspiel in vier Auf- 
zügen von E. von Wildenbruch. Reg. London Stat. Hall. 
Berlin, 1892. (Manuskript. Übersetzungsrecht für 
alle Sprachen vorbehalten. Für sämtliche Bühnen im 
ausschließlichen Debit von Felix Bloch Erben in 
Berlin ... 100 Seiten. 8°.) 


938 


Handschriften“). 


I. Die Haubenlerche. 


Originalhandschrift 290 Seiten: Foliobogen und -blätter 
gelben Konzeptpapiers blau beziffert 1—79. Titelblatt (unbez.). 
Die Haubenlerche Schauspiel ir vier Akten, dar- 
unter das Personenverzeichnis. Unten rechts: E.v. W. Auf- 
fallend wenig Streichungen und Zusätze. 


II. Der neue Herr. 


Originalhandschrift 409 Seiten: Foliobogen und -blätter 
gelben Konzeptpapiers blau beziffert 1—118. Titelblatt (unbez.). 
Der neue Herr Schauspiel in sieben Vorgängen **) im deut- 
schen Vers von Ernst von Wildenbruch (Begonnen zu Pfingsten 
1889 vollendet [zuerst: deerdig?] im [zuerst: Mitte] Februar 1890) 
Personenverzeichnis (unbez.) von fremder Hand hinter „von 
Waldow“ eingetragen Werner von der Schulenburg und ebenso 


am Schluß hinter Nickel Wollkopp 


-„Birkentisch 

Fritze Storch | 

Bärwolf Soldaten . 
Kobow | 


Die Polnische Kathrine 
Die Berliner Lowise 
Die rote Stettinerin 


Trabanten, Soldaten, Männer, Frauen, Kinder“ ***) 


Zu der Polnischen Kathrine, der Berliner Lowise und der 
Stettinerin notierte Wildenbruch mit Bleistift die Besetzung: 
Conrad, Abich, Golmick. Die Handschrift ist nicht unmittelbar 
Druckvorlage gewesen; einige aus dem Verlesen des vielfach durch- 
korrigierten Manuskripts zu erklärende Fehler der Einzeldrucke 





*) Alle drei Handschriften dieses Bandes im Nachlaß. 

**) „in sieben Vorgängen“ ist später hinzugesetzt. Auch in der 
Handschrift selbst ist erst vom 4. „Vorgang“ an diese Bezeichnung als 
Überschrift gesetzt, über den drei ersten stand ursprünglich „Ad“, das 
wurde gestrichen und mit Bleistift in „Vorgang“ nachträglich verändert. 

*#*) Im Personenverzeichnis fehlen: Ein Trabant im Hause Schwar- 
zenbergs, und die Angabe über Ort und Zeit der Handlung. 


539 


sind in dieser Ausgabe verbessert. Die Handschrift enthält auch 
— vor dem Druck — gestrichene Partien der ersten Gestaltung 
in ziemlich bedeutendem Umfang; sie betreffen vor allem die 
Rolle Claudinens von Rochow, deren Liebe ursprünglich vom 
Kurprinzen erwidert werden sollte. Infolgedessen weisen nicht 
nur die Eingangsszene, sondern auch einzelne Szenen des vierten 
Vorgangs und die letzte Begegnung des Kurfürsten mit Claudine 
im sechsten Vorgang wesentliche Abweichungen von der end- 
gültigen Fassung auf. Im ersten Vorgang kommt es zu einer 
Aussprache mit gegenseitigem Bekenntnis der Liebe; der Bund, 
den in der letzten Fassung der Kurfürst mit Moritz August 
schließt, wird hier mit beiden Geschwistern geschlossen. Im 
vierten Vorgang berichtet Rochow den auf das Erscheinen des 
Kurprinzen ungeduldig Harrenden 


Wo daß er bleibt? 

.Ja siehst du, das ist ein Feuerzunder, 

und der Zunder hat Funken gefangen ; 

als wir zum Jägerhof gekommen, 

haben die Damen, in Kutschen sitzend, 

ihn in Empfang genommen ; 

nur die Claudine, die war zu Pferd. 

Da geht ihm ein Lachen, funkelnd und blitzend 
übers Gesicht, 

und er spricht: 

„Seht da, ein Füchslein — ist Jagens wert; 
wer ist der Erste, der es ereilt ?“ 

Die tolle Claudine nun, unverweilt 

lacht, wie der Kobold, wirft das Roß, 

ein Gertenschlag und ein Hackenstoß — 

Hurre — vom Weg ins Dunkel hinein, 

HAurre — der Kurprinz hinterdrein — 


So erscheint denn auch im 4. Auftritt der Kurprinz Clau- 
dine an der Hand führend, und Claudine bleibt auch bei dem 
Folgenden anwesend, ja es kommt, während er sie in den Saal 
führt, ehe Kracht ihm vorgestellt wird, zwischen beiden noch 
zu einer halblaut geführten scherzhaft-vertraulichen Unterhaltung. 
Entsprechend diesem Unterbau werden dann in der letzten Szene 


540 


im sechsten Vorgang nicht nur von Claudine, sondern auch vom 
Kurfürsten viel stärkere leidenschaftliche Töne angeschlagen. 
Über die Gründe, die Wildenbruch schließlich zu dieser Ver- 
änderung veranlaßten, vgl. Biographie, Bd. II, S. 113 und 373. 


II. Meister Balzer. 


Originalhandschrift 282 Seiten: Foliobogen und -blätter 
gelben Konzeptpapiers mit Bleistift — z. T. von fremder Hand 
— beziffert 1—76 (Änderungen und Zusätze z. T. auf un- 
bezifferten Blättern und auch ohne Verweisungszeichen). Ohne 
Titel. Personenverzeichnis auf einem Quartblatt, mit Bleistift- 
korrekturen. Die Handschrift weist starke Dwurcharbeitungs- 
spuren auf, trotzdem hat sie als unmittelbare Druckvorlage ge- 
dient, wenn auch nicht für die Buchausgabe, so doch für das 
„Bühnenmanuskript“, dessen Text für die Buchausgabe noch an 
einer Reihe Stellen Änderungen erfahren hat. So ist durchweg 
die in der Handschrift und im Bühnenmanuskript sich findende 
Bezeichnung „Geselle“ in „Gehilfe“ umgewandelt. Dagegen sind 
nicht alle in das Bühnenmanuskript handschriftlich (von Schreiber- 
hand) eingezeichneten Änderungen und Streichungen auch in die 
Buchausgabe übernommen. 








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