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Full text of "Geschichte der Badischen Verfassung nach amtlichen Quellen"

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Professor Karl fj^-Miiriilj Kau 

OF THi UHivmaiTv OF Haio(t»(«a 

PRE8ENTEO TO THI 
UNIVERSITY OF MIOHIOAN 

2Uv. philo pati^ons 

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GESCHICHTE 




DER 



BADISCHEN VERFASSUNG. 



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GESCHICHTE 






DER 



BADISCHM VEEFASSÜBG 



NACH AMTLICHEN QUELLEN 



VON 



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FRIEDRICH, VON WEECH 



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KARLSRUHE 

A. BIELEFELDS HOFBUCHHANDLUNG 

1869, 



Druck der W. Haspe raschen Hofbuch druckerei in Karlsruhe. 



SEINER KÖNIGLICHEN HOHEIT 



DEM GROSSHERZOG. 



I 



Vor^w^ort. 



Dieses Buch verdankt sein Erscheinen der gnädigen Vergünsti- 
gung Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs , welcher die Be- 
nützung der im Grossherzoglichen Geheimen Cabinet sowie in den 
Ministerialarchiven aufbewahrten, auf die Geschichte der Verfassung 
bezüglichen Actenstücke huldvollst gestattete. Ich schätze mich glück- 
Hch, durch die Widmung dieser Schrift, welche Seine Königliche 
Hoheit gnädigst anzunehmen geruhte, meiner Dankbarkeit einen ehr- 
furchtsvollen Ausdruck verleihen zu dürfen. 

Nächst den amtlichen Materialien, auf die sich meine Arbeit 
stützt, waren mir von besonderer Wichtigkeit die hinterlassenen Papiere 
zweier hervorragenden Badischen Staatsmänner, des Staats- und 
Cabinetsministers Frhrn. von Reizenstein und des Geheimen Rathes 
Nebenius, deren Einsicht mir in dankenswerthester Weise die Libe- 
ralität ihrer Erben gestattete. Aus den Aufzeichnungen und Collec- 
taneen von Nebenius habe ich namentlich für das zweite und fünfte 
Capitel dieses Buches werthvolle Belehrung geschöpft. 

Karlsruhe, im August 1868. 

F. von Weech. 



Inlialts-rerzeicliniss. 



Seite. 

Erstes Capitel 1 

Zweites Capitel 26 

Drittes Capitel • . 33 

Viertes Capitel 43 

Fünftes Capitel 92 

Sechstes Capitel 116 

Siebentes Capitel 141 



Beilage! 151 

Beilage U 191 

Beilage lU 198 



Erstes Capitel. 



Uie ersten Anfönge der Bestrebungen, dem Grossherzogthum Baden 
eine Verfassung zu geben, reichen — wenn wir von dem Versuche absehen, der 

im Jahre 1808 gemacht wurde, eine der westfälischen und bairischen nach- 
gebildete Verfassungsurkunde in Baden einzuführen, ein Vorgang, der mit 
den späteren Verfassungsarbeiten in keinem Zusammenhange steht*) — bis 
auf den Wiener Congress zurück. 

Während die Neugestaltung der zerrütteten Verhältnisse Europas und 
insbesondere Deutschlands die Gesammtheit der dort versammelten Fürsten 
und Staatsmänner beschäftigte, war die Vorsorge einzelner hervorragenden 
Theilnehmer des Congresses der zukünftigen inneren Organisation derjenigen 
deutschen Staaten zugewandt, welche nicht in äusserer Machtentfaltung eine 
Bürgschaft ihrer Existenz und ihres Gedeihens besassen, sondern sich dieselbe 
durch eine den Ideen der Zeit entsprechende Gestaltung ihrer inneren Zustände 
zu schaffen versuchen mussten. Das alte deutsche Reich, so morsch und 
mangelhaft auch alle seine Einrichtungen waren, hatte doch gewisse grund- 
gesetzliche Bestimmungen nie ganz ausser Geltung treten lassen, welche das 
Verhältniss der Fürsten zum Reich, der ünterthanen zu den Fürsten regelten. 
Nach der Auflösung des Reiches sah sich das deutsche Volk rechtlos den neu 
geschaffenen Souveränen gegenüber. Einen neuen Rechtszustand zu schaffen, 
wäre nun freilich zunächst Sache einer neuen Reichs- oder Bundesgesetz- 
gebung gewesen, allein bald stellte sich heraus, wie wenig Aussicht vor- 
handen sei, in der grundlegenden Gesetzgebung des deutschen Bundes 
derartige, die Gesammtheit bindende und die Souveränetät der Einzelstaaten 
beschränkende Bestimmungen zur Geltung zu bringen. Die Thätigkeit der- 
jenigen Männer, welche für die Zukunft des deutschen Volkes die Fest- 
stellung solcher Normen unerlässlich hielten, und mit eifriger Beflissenheit 



•) Vgl. Beilage I. 



1 



anstrebten, stiess indess fast allenthalben auf Widerstand und Abneigung. 
Die leitenden Persönlichkeiten in Ocsterreich und Preussen, welche einer 
solchen Grundlage der staatsrechtlichen Neugestaltung Deutschlands wider- 
strebten, hatten kein Interesse daran, ähnliche Grundgesetze in den einzelnen 
deutschen Staaten angenommen zu sehen , und die Regenten dieser Staaten 
hatten keine Lust, Einschränkungen ihrer Souveränetät selbst zuzugestehen. 
Doch kamen den Freunden und Wortführern der constitutionellen Idee manche 
Verhältnisse zu Hilfe, die geeignet erschienen, auf die Entschlicssungen der 
Fürsten einen Druck auszuüben und sie zur Annahme constitutioneller 
Grundgesetze geneigter zu machen. 

Unter den anwesenden Fürsten vom ersten Rang aber fanden die Ver- 
treter des Constitutionalismus einen Beschützer und Förderer ihrer Plane 
an dem Kaiser Alexander von RussUnd, der von Jugend auf moderne Ideen 
in sich aufgenommen hatte und, während er sich in der Rolle eines Be- 
schützers der Völkerfreiheit gefiel, viel zu hoch stand, um die hohe Meinung 
der kleinen Fürsten von ihrer Souveränetät irgendwie als berechtigt zu 
betrachten. Wie er auf dem Congresse überhaupt, sowohl durch seine Per- 
sönlichkeit als durch die hervorragende Tüchtigkeit seiner Räthe und die 
Macht seines Reiches, durchweg den bedeutendsten Einfluss auf die Ent- 
schliessungen der übrigen Fürsten ausübte, so war er durch seine verwandt- 
schaftlichen Beziehungen zu den meisten deutschen Fürstenhäusern besonders 
geeignet, in der Ordnung ihrer Angelegenheiten ein schwer wiegendes Wort 
mitzusprechen. Und da war es nun von der grössten Bedeutung, dass ihm 
über die deutschen Angelegenheiten der Freiherr vom Stein Bericht zu 
erstatten pflegte, ein Mann, der wie kein zweiter geeigenschaftet und ent- 
schlossen war, in der aussergewöhnlichen Stellung zu dem mächtigen Kaiser 
die Interressen Deutschlands mit aller Energie seines feurigen Geistes zu 
vertreten. Der Freiherr vom Stein dachte sehr gering von den durch den 
Rheinbund geschaffenen Souveränetäten. Hätte er die Gestaltung der deut- 
schen Dinge in der Hand gehabt, so wären sie alle verschwunden und eine 
kräftige Reichsgewalt über Deutschland aufgerichtet worden. Da das aber 
unmöglich war, so schien es ihm zum mindesten geboten, für das deutsche 
Volk in seiner Zersplitterung Schutzwehren einer gewissen inneren Freiheit 
aufzuführen, den neuen Souveränen gegenüber die Rechte wieder aufzufri- 
schen, durch welche von Alters her den Ständen der einzelnen Landschaften 
gegen die Uebergriffo der Träger der Landeshoheit eine kräftige Waffe in 
die Hand gegeben war. Und da das Gefühl der Nothwendigkeit solcher 
Festbetzungen selbst unter manchen Rathgebern der Fürsten lebendig war, 
so wurde Steines Theilnahme und Vermittlung bald von mehr als eintr 
Seite in Anspruch genommen. Wir haben es hier nur mit dem zu thun, 
was er für das Grossherzogthum Baden in dieser Richtung geleistet hat^ 

Von den Männern, die sich zu Wien in der Begleitung des Grossherzogs 
Carl von Baden befanden, war es in erster Reihe der Minister Freiherr von 
Marschall, der gleich Stein von der Ueberzeugung durchdrungen war, dass 



für sein Heimathland die Verleihung einer Verfassung eine I^bensfrage 
sei. Und indem er den Freiherrn vom Stein über die Verhältnisse Badens 
gründlich unterrichtete, that er für die Verwirklichung seiner Wünsche den 
ersten und wirksamsten Schritt. Wenn aber schon die inneren Zustande 
dieses durch die Bheinbundszeit in seinem damaligen Bestände zusammen- 
gesetzten und durch die Anforderungen eben dieser Zeit tief erschütterten 
und zerrütteten Landes die Ertheilung einer Verfassung an sich höchst wün- 
schenswerth machten, wenn nur durch eine solche Fixirung der gegensei- 
tigen Rechte und Pflichten einem Ruiu dieses Landes vorgebeugt werden 
konnte, so forderte die Bedeutung der Erbfolge in der regierenden Familie 
geradezu gebieterisch eine feste und entschiedene Neugestaltung der dortigen 
Verhältnisse. Indem es leicht war, den Kaiser Alexander, den Schwager 
des regierenden Grossherzogs, schon aus diesem letzteren Grunde für die 
Sache zu interessieren, musste Grossherzog Carl selbst nach einer Regelung 
der inneren Zustände seines Landes sich um so mehr sehnen, je mehr ihm 
daran lag, im Falle seines kinderlösen Todes, sein Land vor der Gefalir einer 
Zerstückelung gerettet zu sehen, mit der es die Ansprüche und Wünsche 
der Nachbarn bedrohten. Allein hier stellte sich der baldigen Erfüllung 
dieser Projecte die Kränklichkeit dieses Fürsten und seine in deren Gefolge 
eingetretene Unentschlossenheit hindernd entgegen. Es galt nicht so fast 
einem innerlich begründeten Widerstreben, als einer Unlust, überhaupt Ge- 
schäfte zu erledigen, mit Erfolg entgegen zu treten. Der Freiherr vom Stein 
war zu diesem Versuche jedenfalls geeigneter als die Minister des Gross- 
herzogs. Seiner natürlichen Festigkeit und Entschiedenheit kamen seine 
Beziehungen zu dem Kaiser Alexander noch fördernd zu Hilfe. Es war 
denn auch durch diesen Fürsten, dass er seine Anschauungen und Vorschläge 
an Grossherzog Carl gelangen Hess. 

Am 25. November überreichte er dem Kaiser Alexander eine Denk- 
schrift, in der er die traurige Lage der Dinge in Baden schilderte und den 
Kaiser anging, seine persönlichen Beziehungen dem Grossherzog gegenüber 
geltend zumachen, «um ihn zu bestimmen, seine Verwaltungsart zu ändern 
und zu freisinnigen Einrichtungen einzuwilligen.» Stein glaubte, eine 
Wendung zum Bessern werde dadurch eintreten, wenn Grossherzog Carl 
«einen Stellvertreter oder einen ersten Minister ernenne, wenn er seiner 
Macht durch Errichtung von Landständen, mit den wesentlichen Berechtig- 
ungen der Theilnahmo an der Gesetzgebung und Besteuerung, Schranken 
setze.» 

«Wenn des Kaisers Majestät» — hiess es weiter — «diese Ideen zu be- 
schützen geruhte, so würde es nothwendig sein, Ihre Absichten dem Gross- 
herzog zu eröffnen und ihn zur Unterzeichnung der Beilagen zu bestimmen. 
Sie enthalten die Ernennung eines ersten Ministers, die Herstellung von 
I^andständen, und würden einer Bevölkerung von einer Million Menschen, 
eine regelmässige und thätige Verwaltung sichern und Einrichtungen, 

welche die Freiheit und das Eigen thum beschützen.» 

1* 



Die Beilagen lauteten also: 

1. Ober den GeschäfteganiE:. 

<Wir . . . verordnen was folgt: 
Unsere Minister werden, wie es durch Unsere früheren Verfügungen 
vorgeschrieben ist, die Räthe ihrer Departements zusammenrufen, um ge- 
meinschaftlich mit ilinen Über die Geschäfte zu berathen. Wir bevollmäch- 
tigen sie jedoch durch Gegenwärtiges, in allen Angelegenheiten, deren Ent- 
scheidung in den Kreis ihres Ministerii fällt, die Entscheidung allein zu 
treffen und ohne verbunden zu sein, sich der Stimmenmehrheit anzuschliessen. 
Sie bleiben Uns verantwortlich für ihre Verfügungen. In Sachen, welche 
Wir zu Unserer eigenen Entscheidung vorbehalten haben, werden die Minister 
ihre Berichte und Gutachten dem Cabinetsrainister einsenden.» 

2. Oeber Einrichtium^ von Landständen« 

«Wir . . . fügen hiermit zu wissen: 

Mit der wiederhergestellten Ruhe und Ordnung in Europa ist auch der 
Zeitpunkt erschienen, der es Uns erlaubt, die künftigen verfassungsmässigen 
Rechte Unserer Unterthanen näher festzusetzen und ihnen eine sichere Grund- 
lage und Garantie zu geben. 

Wir sind überzeugt, dass wir diese Rechte nicht dauerhafter begründen 
und zugleich Unsere Unterthanen aller Klassen über ihre Verhältnisse gegen 
Uns und Unsere Behörden und über Unsere Regierungs-Grundsätze mit 
beruhigendem Zutrauen erfüllen können, als durch die unverweilte Einfahrung 
einer landständischen Verfassung in Unserem Grossherzogthum. 

Wir wollen und verordnen daher wie nachsteht: 

1. Die Landstände Unseres Grossherzogthums sollen aus zwei besonders 
berathschlagenden Bänken bestehen: aus der Bank des Adels und der der 
Landes-Deputirten. 

2. Sie sollen sich alljährig wenigstens einmal versammeln und in dem 
künftigen Jahre 1815 zum erstenmal von Uns zusammen berufen werden. 

3. Uauptgegenstände ihrer Berathung und ihnen zustehende Rechte 
sollen sein: 

a. die Verwilligung und Regulirung sämmtlicher zur Staatsverwaltung 
nothwendigen Abgaben, 

b. das Recht der Einwilligung bei neu zu erlassenden Landesgesetzen 

c. das Recht der Mitaufsicht über die Verwendung der Steuern zu all- 
gemeinen Staatszwecken, 

d. das Recht der Beschwerdeführung insbesondere in Fällen der Mal- 
versation der Staatsdiener und bei sich ergebenden Missbräuchen 
aller Art, 

e. der Recursus an den Bundestag nach denen desshalb in der zukünf- 
tigen Verfassung enthaltenen Bestimmungen. 



5 

4. Wir beauftragen ünsern Cabinets-Minister unter Zugtundle^ung 
dieser Bestimmungen, Uns Vorschläge über die Organisation der Landstände 
Unseres Grossberzogtbums unter Berücksichtigung derLocal- und politischen 
Verhältnisse desselben« vorzulegen, und dabei alles dasjenige näher auszu- 
fuhren, was als constitutionelle Befugniss des Regenten und der Unterthanen 
hiermit in Verbindung zu setzen ist. 



Gegeben 



«Diese beiden Gesetzentwürfe» — so heisst es in Steines Leben von 
Pertz, in dem diese Denkschrift und der sofort zu erwähnende Brief (Bd. IV. 
S. 217 — 222) abgedruckt sind — «waren von dem Minister von Mar- 
schall verfasst, in dem zweiten aber der Absatz über den Recurs der 
Stände an den Bundestag von Steines Hand hinzugefugt.» Allein bei diesem 
ersten Schritte Hess es Stein nicht bewenden. Er suchte auch die Theil- 
nahme der Kaiserin Elisabeth von Russland, der Schwester des Grossherzogs 
Carl, fQr diese Angelegenheit rege zu machen. Er sprach mit ihr über die 
Mängel der Verwaltung des Grossberzogtbums und die Mittel ihnen abzu- 
helfen und richtete, veranlasst durch die Aufmerksamkeit, welche ihm die 
hohe Frau dabei geschenkt hatte, am 29. November 1814 einschreiben an 
sie, in dem er sich über diese Frage und die Persönlichkeit des Grossher- 
zogs mit einer Rücksichtslosigkeit äusserte, die sich nur ein Mann seines 
Characters und seiner Verdienste herausnehmen durfte. Er theilte der 
Kaiserin die nämlichen Entwürfe mit und bat, «um jeder Zögerung zuvorzu- 
kommen, die Unentschlossenheit oder nachtheiliger Einfluss verursachen 
könnte, sie in Allerhöchstdero Gegenwart von S. K. Hoheit dem Grossherzog 
unterschreiben zu lassen.» 

«Meine Unbekanntschaft mit den Badenschen Geschäftsleuten» — fahrt 
er fort — «verbietet mir einen Vorschlag wegen der Wahl eines Cabinets- 
Ministers. Von den hier anwesenden wird Herr von Berckheim als ein braver, 
aber wenig kräftiger Mann, HeiT von Hacke als ein Freund des Wohllebens 
und der Franzosen geschildert, die Geschäftsfähigkeit und Redlichkeit des 
Herrn von Marschall bezeugen der Kronprinz von Würtemberg, der Fürst 
von Weilburg, der Graf von Hochberg.» 

«Für ein grosses edles Gemüth wie das E. M. ist es eine belohnende 
Beschäftigung, einer Million braver, gebildeter Menschen die Wohlthaten einer 
gesetzlichen Veiiassung und einer thätigen Regierung zu verschaffen. Diese 
segenvolle Erinnerung wird E. M. nach den Ufern der Newa begleiten.» 

Diesen Bemühungen geletng es, den Grossherzog zur vorläufigen An- 
kündigung seiner Geneigtheit, eine ständische Verfassung einführen zu wollen, 
zu bestimmen. Es geschah durch die nachstehende, an die Fürsten Metter- 
nich und Hardenberg gerichtete Note: 

«Beide endesunterzeichnete Bevollmächtigte S. K. H. des Gross- 
herzogs von Baden haben die Ehre folgende Erklärung mitzutheilen : 



6 

Dass S. K. H. der Grossherzog, von dem innigsten Wunsche von 
jeher beseelt, alles Mögliche zur Wohlfahrt und für das Glück Ihrer 
ünterthanen beizutragen, Sich entschlossen haben, als dem Geist des Zeit- 
alters angemessen, eine ständische Verfassung in Ihren Staaten einzu- 
führen und somit Ihren ünterthanen die Bewilligung der directen sowohl 
als indirecten Steuern, die Mitaufsicht auf deren Verwendung, die 
Theilnahme an der Gesetzgebung und das Recht der Beschwerdeführung 
bei eintretender Malversation der Staatfidiener zu gestatten, welche, 
im £inklange mit den aus den Verhandlungen des Congresses hervor- 
gehenden Resultaten, ihre endliche Bildung erhalten soll. 

Um jedoch hierin keine Zeit zu verlieren, haben S. K. Hoheit 
bereits eine Commiasion ernannt, welche die auf jeden Fall den Local- 
verhältnissen anpassenden Modalitäten in Vorschlag bringen soll. 

Wien, den 1. Dezember 1814. Frhr. Marschall von Biberstein. 

Frhr. von Berckheim. 

Indessen währte es noch mehr als einen Monat und bedurfte wieder- 
holter Mahnungen des Frhn. vom Stein, bis wirklich eine entsprechende Ent- 
Bchliessung nach Carlsruhe abging. 

Erst am 17. Januar 1815 langte in der badischen Residenz ein Courier 
aus Wien mit der folgenden wichtigen Resolution des Grossherzogs an: 

Ich habe mich entschlossen. Meinen Staaten eine landständische 
Verfassung zu geben, welche im Einklang mit den Resultaten des hie- 
sigen Congresses ihre endliche Bildung erhalten soll, und um diesen 
wichtigen Gegenstand, bis jene Resultate bekannt sein weiden, so viel 
als möglich vorzubereiten, ist Meine Absicht, dass sogleich ein den 
allgemeinen Grundsätzen sowohl als den besonderen Localverhältnissen 
des Grossherzogthums anpassender Entwurf von einer besonderen Com- 
mission ausgearbeitet werde, welche bei ihren Berathungen das anlie- 
gende Project als Leitfaden anzunehmen hat. 

Zu dieser Commission ernenne Ich die Staatsräthe Meier, Herzog 
und von Dawans, sodann den Hofrichter von Zyllnhardt zu Mannheim 
und den Hofgerichtsrath von Hennin zu Freiburg. 

Meine Regierungs-Comroission hat daher diesen benannten Mitglie- 
dern Meinen Auilrag unverweilt zu eröffnen, die beiden in Mannheim 
und Freiburg befindlichen durch Estaffete nach Karlsruhe einzuberufen 
und ihnen sämmtlich anzuempfehlen, ihr Geschäft so sehr als möglich 
zu beschleunigen und das Resultat ihrer Borathung mit dem darnach 
abgefassten Entwurf einer landständischen Constitution Mir ungesäumt 
vorzulegen. 

Wien, den 12. Jenner 1815. Carl mpr. 

Die durch diese Entschliessung zusammenberufene Commission consti- 
tuirte sich am 23. Januar und nahm zunächst den Entwurf entgegen, welchen 



der Grossherzog aus Wien geschickt hatte und der ihr als Leitfaden ihrer Be- 
mthnngen bezeichnet worden war. Dieser war von dem Frhn. von Mar- 
schall verfasst. Die Berathungen gingen unter dem Siegel der tiefsten 
Verschwiegenheit vor sich ; nicht einmal ein eigener Protocollführer wurde 
beigezogen, sondern die Mitglieder der Commission selbst fertigten, unter- 
eioarider abwechselnd, die Protocolle ihrer Sitzungen. 

Dieser erste Entwurf, aus 33 Paragraphen bestehend, lautet folgender- 
massen : 



I. Entwurf zu einer landständisehen Yerfassiin^ int ürossherzogtbin Badem 

1 . Die Landstände sind in zwei Kammern, nämlich in die Kammer des 
Adels und die Kammer der Landesdeputirten getheilt 

2. Die Kammer des Adels besteht aus den Prinzen der regierenden 
Familie, den Häuptei-n der standesherrlichon Familien, dem künftigen Lan- 
desbischof des Grossherzogthums und den Deputirten des Landadels. 

3. Der Präsident der Kammer des Adels wird von dem Regenten, deren 
Secretär von der Kammer selbst ernannt. 

4. Die Prinzen des grossherzoglichen Hauses haben nach erlangter 
Volljährigkeit Sitz und Stimme unmittelbar nach dem Präsidenten, der 
künftige Landesbischof nimmt seinen Sitz unmittelbar nach den Standesherrn. 

5. Die Mitglieder der Adelskammer haben persönliche Stimmen bei 
den Berathschlaguugen. 

6. Der Adel wird in Districte abgetheilt, wovon jeder durch Stimmen- 
mehrheit eines seiner Mitglieder zu seinem Bevollmächtigten mit Sitz und 
Stimme in der Kammer wählt. 

NB. Ueber die Bestimmung dieser Districte hat die Commission mit 
Rucksicht auf die Localitäten ihre Anträge zu machen. Die Grundherren, 
die einen Distnct bilden sollen, müssen namentlich benannt sein. 

7. Die Wähler müssen volljährig sein; minderjährige Wähler werden 
durch ihre Vormünder vertreten. Bei streitigen Wahlen entscheidet die 

Kammer des Adels. 

8. Die Landtagskosten der Standesherren fallen auf sie selbst, die 

Wahlkosten der Deputirten des Adels aber und deren Diäten während der 
Dauer der Sitzungen fallen auf die Wahldistricte. 

9. Zur Ausübung des Stimmrechts in der Kammer des Adels wird die 
Volljährigkeit erfordert. Die Personen minderjähriger Standesherren wer- 
den durch ihre Vormünder oder ein von ihnen bevollmächtigtes Mitglied 
ihres Hauses vei-treten. 

10. Die Zahl der Mitglieder des Adels ist nicht gesetzmässig bestimmt. 
Der Regent kann sie vermöge des Rechts der Standeserhöhung vermehren, 
wenn er neue Familien mit gehöriger Dotation an liegenden Gütern in den 
Fürsten-, Grafen- oder Freiherrnstand erhebt. 



V 

8 



11. Die Landesdepntirten, welche die zweite Kammer bilden, sind die 
Vertreter des Bürger- und Bauernstandes. Sie werden von den Wählern 
dieser Stände durch die Mehrheit der Stimmen ernannt. 

12. Die Wähler müssen Bürger sein und dabei ein Einkommen von 
wenigstens . . . Gulden, die Gewählten aber von wenigstens . . . Gulden in 
liegenden Gütern besitzen und beschwören. Auch müssen sie von unbe- 
scholtenem Ruf und volljährig sein. 

13. Das Land wird in . . . Districte getheilt, wovon jeder wenigstens 
. . . Wähler zählt, und durch die Stimmenmehrheit einen Deputirten 
ernennt. Zu diesen wird von der Geistlichkeit jeder der drei Religionen, 
sodann von jeder der beiden Landes-Universitäten Heidelberg und Freiburg 
ein Deputirter erwählt. 

NB. Hier kommt es hauptsächlich darauf an, dass die Commission, mit 
Hinsicht auf die besonderen Verhältnisse des Grossherzogthums, die Districte 
und die besondere Qualification der Wähler in Vorschlag bringe. Man 
könnte die Ereiseintheilung zum Grunde legen und jeden Kreis nach Ver- 
hältniss seiner Bevölkerung in 2 oder 3 Wahldistricte unterabtheilen, wo- 
von jeder einen Deputirten zu ernennen hätte. Die grosse Volksmasse ist 
zu zweckmässigen Wahlen nicht geeignet; nur die wohlhabendsten und 
angesehensten Einwohne^ eines jeden Districts können Wähler werden und 
die Zahl derselben darf nicht gross sein. Das nächst zu erwartende Endre- 
sultat der Steuerperäquation und das daraus hervorgehende Steuersimplum 
könnte als Norm fär die Wähler sowohl als die zu Wählenden bestimmt 
werden. 

14. Die Wahl ist weder auf den District, welcher wählt, noch auf 
einen bestimmten Stand beschränkt. Auch Personen aus andern Districten 
und von höheren Ständen können gewählt werden, wenn sie nicht persön- 

ichen Sitz in der Kammer des Adels haben. 

15. Dieser Artikel soll diejenigen Staatsdiener angehen, welche aus- 
nahmsweise nicht zu Deputirten gewählt werden können. Hierüber werden 
die weitereren Vorschläge der Commission erwartet. Vorläufig scheint je- 
doch, dass auszuschliessen sein möchten: 1. Alle Minister, welche übrigens 
als solche Zutritt in beiden Kammern, jedoch darin nur Vortrags-, aber 
nicht Stimmrecht haben. 2. Alle Diener, welche mit einer Comptabilität 
gegen den Staat persönlich verantwortlich sind. 3. Alle Lokal diener, wozu, 
wie sich von selbst versteht, auch die Oiispfarrer gehören. 

NB. Alle Staatsdiener von der Wahl auszuschliessen, ist nicht rathsam, 
denn ihre praktische üebung und Erfahrung in Geschäften macht sie vor- 
züglich fähig, die Ausführbarkeit und die Wirkung von Gesetzen zu beur- 
theilen und die Besorgniss, dass durch ihren Einfluss die gesetzgebende 
Gewalt von der vollziehenden abhängig werden könnte, ist ungegründet 
Beispiele beweisen das Gegentheil. 

16. Die Wahlkosten der Volksdeputirten und ihre Diäten, welche hie- 
mit auf . . . Gulden bestimmt werden, fallen auf die Wahldistricte. 



17. üeber streitige Wahlen entscheidet die Kammer der Volksdepu- 
tirten. 

18. Der Präsident und der Secretär der Depntirten-Kammer wird von 
derselben gewählt. Die Wahl des Präsidenten aber mnss dem Regenten 
zur Bestätigung vorgelegt werden. 

19. Jeder Deputirte berathet nach seinen besten 'Einsichten das Wohl 
des Staats im Ganzen und ist verbunden, demselben im CoUisionsfall die 
Wünsche des besonderen Districts, für welchen er aufgestellt ist, nachzu- 
setzen. Er leistet bei dem Antritt seiner Stelle einen Eid, nichts mittelbar 
oder unmittelbar für seine Wahl gegeben oder versprochen zu haben, die 
Verfassung zu handhaben und für das Wohl des Staates zu arbeiten, ohne 
andere Rücksicht als die auf das allgemeine Beste. 

20. Die Wahlen der Deputirten gelten längstens auf . . . Jahre. Nach 
Verfluss dieses Zeitraums müssen neue Deputii-te gewählt werden. 

Dem Regenten steht indessen das Recht zu, so oft er es für gut findet, 
die Landstände zu vertagen oder selbst aufzulösen und neue Wahlen anzu- 
ordnen. Jeder Deputirte kann bei der nächsten Wahl wieder gewählt wer- 
den, wenn keine gesetzlichen Anstände gegen ihn obwalten. 

21. Bei dem Absterben eines Regenten werden diejenigen Landstände, 
welche durch die letzte Wahl bei dessen Lebzeiten gebildet worden sind, 
als noch gesetzmässig bestehend betrachtet, wenn sie auch gleich von dem 
Verstorbenen vertagt oder selbst aufgelöst worden wären. 

22. Die Landstände sind in der Regel und wenigstens alle zwei Jahre 
einmal von dem Regenten zusammcnzuberufen. 

23. Die Mitglieder beider Kammern sind für ihre Aeusserungen bei 
den landständischen Berathschlagungen bloss den einschlägigen Kammern 
selbst verantwortlich und können desshalb von ihnen ausgestossen und nach 
Befinden bestraft werden. Im Fall der Ausstossung eines Deputirten wird 
der Wahldistrictj der ihn ernannt hat, zur Wahl eines andern Deputirten 
aufgefordert. 

24. Die erste Sitzung wird von dem Regenten selbst oder dessen Stell- 
vertreter erö£Fhet Die Zeit der folgenden Sitzungen wird durch den Prä- 
sidenten einer jeden Kammer, welche die Mitglieder zusammen berufen, 
bestimmt. 

25. Für jedes Gesetz wird das Gutachten der Landstände erhoben. 

26. Vorschläge zu Gesetzen können in einer oder der andern von bei- 
den Kammern durch die Regierung oder auch durch jedes Mitglied der 
Kammer gemacht werden. 

27. Die von beiden Kammern gutgeheissencn Gesetzes - Vorschläge 
werden dem Regenten vorgelegt, welcher das Recht hat, dieselben entweder 
durch seine Genehmigung zum Gesetz zu erheben oder zu verwerfen. 

28. Alle Gesetze über Auflagen werden zuerst in der Kammer der 
Volksdeputirten in Vorschlag gebracht und verhandelt. 



10 

29. Keine neue Auflage kann aasgeschrieben oder erhoben werden, 
ohne von beiden Kammern bewilligt und vom Regenten genehmigt zu sein. 

30. Jede Bewilligung der Landstände von Auflagen muss rein, unbe- 
dingt und ohne irgend einen Zusatz geschehen. 

31. Alle zwei Jahre wenigstens, oder so oft es der Regent sonst für 
gut findet, wird der Kammer der Volksdeputirten die allgemeine Ueber- 
sicht über die Staatseinnahmen und Ausgaben der vorderen Jahre und zwar 
des unmittelbar vorhergehenden, so weit es nach den eingegangenen No- 
tizen möglich ist, über den Betrag des Staatsvermögens und der Staats- 
schulden und über die zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben des fol- 
genden Jahres von dem Finanz-Ministerium vorgelegt, und werden die An- 
träge über die Auflagen und die Verwendungen gemacht. Diese Ueber- 
sicht wird durch einen Ausschuss geprüft und hiernach der Gesetzentwurf 
über die Auflagen und Verwendungen des kommenden Jahres gemacht, 
welcher sofort im gewöhnlichen Weg^ durch Bewilligung beider Kammern 
und Sanction des Regenten Gesetzeskraft erhält. Dieses Finanzgesetz 
gilt sodann auch als provisorischer Massstab für das zweite Jahr, wenn 
nicht solche Umstände eintreten, die der Landesherr für geeignet hält, die 
Landstände später einzuberufen. 

32. Jeder der beiden Kammern ist es erlaubt, dem Regenten über 
Gegenstände der Regierung, die nicht in die Gesetzgebung einschlagen, 
ehrerbietige Vorstellungen zu machen und ihre Wünsche vorzulegen, ohne 
jedoch denselben in der Ausübung der ihm gesetzlich zustehenden Gewalt 
im mindesten beschränken zu wollen. Dem Regenten ist es demnach frei, 
welche Rücksicht er auf solche Vorstellungen zu nehmen für gut findet. 

33. Die Staatsdiener sind für ihre öffentliche Verwaltung verantwort- 
lich. Die Kammer des Volksdeputirten ist befugt, sie wegen Missbracchs 
ihrer Gewalt, zweckwidriger Verwendung des öffentlichen Einkommens und 
überhaupt wegen aller Amtsvergehen , die in bösem Willen ihren Grund 
haben, anzuklagen. In diesem Fall hat sie die Anklagepunkte dem Regenten 
zu überreichen, welcher sie zur Untersuchung an die Behörde abgiebt. 

Die Commission erfüllte die ihr zugetheilte Aufgabe in elf Sitzungen, 
von denen die erate am 23. Januar, die letzte am 4. März 1815 stattfand. 
Wir theilen ans ihren sorgfältig geführten Protocollen dasjenige mit, was 
von allgemeinerem Interesse ist. 

Zu Art. 1 hielt man es, in der Voraussetzung, es sei S. K. Hoheit 
bestimmter Wille, zwei Kammern zu errichten, für geeigneter, statt <die 
Kammer der Landesdeputirten» zu setzen : « die Kammer der Deputirten 
des Bürger- und Bauernstandes», weil auch die Glieder der Adelskamroer 
Landesrepräsentanten sein sollen. Später machte jedoch der Freiherr von 
Zyllnhardt darauf aufmerksam , dass, wenn in die Adelskammer nur der 
mit grundherrlichen Besitzungen angesessene Adel komme, doch die übrigen 



11 

adeligen Gfiterbesitzer nicht vom Antheile an der Landesrepr&sentation in 
der II. Kammer ausgeschlossen sein könnten, für die aber dann der Name 
«des Burger- und Bauernstandes» nicht mehr passe. Eine andere Stimme 
warf dagegen die Frage auf, ob unter dem <Landesadel» nicht etwa doch 
der gesammte Adel ohne Unterschied seiner Besitzungen gemeint sei. 

Zu Art. 3 wurde der Wunsch ausgesprochen, es möge auch die Adels- 
kammer ihren Präsidenten aus ihren Mitgliedern selbst wählen, unter Vor- 
behalt der Bestätigung durch den Begenten. 

Zu Ai't 8 wurde die üebertragung aller Kosten der Wahl u. s. f. (mit 
Ausnahme der stflndesherrlichen) auf die Staats- oder eine etwa zu grün- 
dende allgemeine Landschaftskasse vorgeschlagen. 

Zu Art. 10 machte Staatsrath v. Dawans darauf aufmerksam, dass in 
d^r U. Kammer auf circa 4780 Familien ein Repräsentant komme, in der 
I. auf circa 7 Familien, dass er daher Bedenken gegen eine Vermehrung 
der Kepräsentanten in der I. Kammer, nicht gegen Vermehrung der Wählen- 
den habe. Unter den Dotandis dürfte keinenfalls Hingabe von Domänen 
oder käufliche Acquisition durch den Begenten zu verstehen sein, da 
ersteres dem Staatgesetze zuwider sei, letzteres Ausgaben und neue Auf- 
lagen verursache, wozu die Einwilligung beider Kammern nöthig wäre. 

Zu Art 12 wurde für die activc Wahlfähigkeit das 25te, fQrdie passive 
das 30te Lebensjahr, für die ei'stere auch das Erforderniss einer Jahres- 
steuer von mindestens 15 Gulden in Vorschlag gebracht. Auf das Vermö- 
gen der zu Wählenden glaubte man dagegen nicht sehen, mithin auch bei 
diesen eine gewisse Summe nicht erfordern zu sollen, weil es bei diesen 
nicht auf das Vermögen, sondern auf das Zutrauen ihrer Mitbürger und 
auf ihre Fähigkeiten ankomme, auch ein Geringbemittelter weniger als ein 
Reicher in den Verdacht gerathen könne, seine Wahl nicht durch Zutrauen, 
sondern durch Geld sich verschafft zu haben. Gegen ein Beschwören des 
Vermögens durch die Wähler, das in Vorschlag kam, erhoben sich Bedenken, 
da es das Wablgeschäft beschwerlich und gehässig machen würde. Die 
Steuer von 15 Gulden repräsentire etwa ein Kapital von 5 — 6000 Gulden. 

Zu Art. 13. Die Wahlmänner sollen durch die Wahl der Gesammt- 
masse der activen Bürger in jedem Wahldistrict bestellt werden ; Staatsrath 
V. Dawans schlägt eine Eintheilung in 41 aus unzerrissenen ganzen Aemtern 
bestehende Districte vor, der zufolge in jedem District auf circa 1200 — 1400 
Seelen ein Wahlmann, auf circa 26,800 Seelen ein Repräsentant käme. 

Zu Art. 15 bemerkte Staatsrath Meier: er kenne keinen Unterschied 
zwischen den Pflichten eines Staatsbeamten und denen eines Staatsbürgei*s 
und Volksrepräsentanten. Der eine wie der andere sei verbunden, die un- 
zertrennbare Wohlfahrt des Regenten und des Landes stets vor Augen zu 
haben, solche nach bestem Wissen und Gewissen zu berathen und aus allen 
Kräften zu befördern. Trotzdem könne man über die Zulassung von Staats- 
dienern verschiedener Meinung sein. Er betrachte die freie, unbefangene 
Wahl eines Dieners als Beweis, dass die Wähler, seiner Dienstverhältnisse 



12 

ungeachtet, Vertrauen in ihn setzen. Es werde also die Exclusion auf die 
Minister, Staats- und Cabinetsräthe und auf solche Diener zu beschränken 
sein, die ihre Stelle nicht verlassen können. Es sei erst näher zu unter- 
suchen, wen man unter letzteren zu begreifen habe. — Staatsrath Herzog 
will die Glieder der Ministerien des Auswärtigen und der Justiz für zum 
Eintritt in die Kammer fähig erklären ; sonst will er ausgeschlossen wissen 
alle Staatsdiener, die bei Stellen angestellt sind, welche den Landesherm 
über die Gegenstände der Verhandlungen zwischen demselben und den Ständen 
zu berathen haben. Von auswärtigen Beamten will er nur je ein Mitglied 
jedes Hofgericht« fttr wählbar erklären. — Staatsrath von Zyllnhardt hat 
Bedenken wegen der Gefahren, die eine Thätigkeit im Landtag fQr die 
Staatsdiener in sich berge. Einmal seien für sie selbst ihre Abhängigkeit, 
Ehrgeiz, Besorg niss wegen der Zukunft u. s. £ gefährliche Klippen, ander- 
seits gebe die Geschäftsgewandtheit dem Staatsdiener ein gefahrliches 
Uebergewicht in der Kammer. Er wünscht Verminderung ihrer Abhängig- 
keit Als wählbar schlägt er vor: die nicht in Activität stehenden 
Hof-, Civil- und Militärdiener, die Glieder des auswäiligen Ministeriums, 
des Oberhofgerichts und der Hofgerichte und die Kreisräthe. — Staatsrath 
V. Dawans wünscht, dass die unter dem 14. November 1809 beschlossene, 
aber noch nicht erfolgte Dienerpragmatik publiciert werde, um dadurch die 
Abhängigkeit der Staatsdiener zu vermindern. 

Zu Art. 16 wird vorgeschlagen, die Diäten für diejenigen Mitglieder 
beider Kammern, die nicht am Sitzungsort dauernd wohnen, auf 6 Gulden 
festzusetzen. 

Zu Art. 19 wurde bemerkt, wenn man verhüten wolle, dass die bürger- 
liche Kammer gegen die adelige ein stetes Misstrauen hege, so müsse vor 
allen Dingen die Gleichheit der Stände gegen das Gesetz, die verhältniss- 
mässige Gleichheit derselben in den Abgaben und das gleiche Recht des 
einen wie des andeni zu allen Civil- und Militärstellen constitutionsmässig 
ausgesprochen werden. 

Zu Art. 20 erfolgte der Vorschlag, die Deputirtenwahlen auf 6 Jahre 
gelten zu lassen. Gegen das Recht der Vertagung erhoben sich wegen zu 
befürchtenden Misstrauens Bedenken, ebenso gegen die Auflösung der 
ELammem. 

Zu Art 22 wurde alljährliche Versammlung des Landtages vorgeschla- 
gen. Staatsrath v. Dawans motivierte diesen Vorschlag mit der trostlosen 
Lage der Finanzen, die nur durch Einschränkung der Ausgaben gedeckt 
und ausgeglichen werden könne. Auch Staatsrath Herzog hält zu einem 
geordneten Haushalt die jährliche Prüfung der Etats dringend nöthig. 



Aus diesen Berathungen der Commission, die den vorgelegten Entwurf 
nach allen Seiten gründlich prtlfte und mit den Bedürfnissen dos Staates 



13 

in Einklang zu bringen versuchte, ging schliesslich der nachstehende neue 
Entwurf nebst dem von Staatsrath v. Zyllnhardt redigierten Entwurf eines 
'Wahlgesetzes hervor. 

n. Entwurf. 

Wir Carl von Gottes Gnaden etc. etc. 
haben in Rückerinnerung an das Vorhaben Unseres verehrten Grossvaters 
und Regierungsvorfahrers, des in Gott ruhenden Grossherzogs Carl Friedrich 
und in der Zuversicht, das Wohl Unserer Lande zu befördern, auch das 
Vertrauen zwischen dem Regenten und den Unterthanen immer mehr zu 
befestigen, den Entschlusss gefasst, in Unserem Grossherzogthum eine land- 
ständische Verfassung einzuführen. 

Zu diesem Ende setzen und ordnen Wir, wie folgt: 
1. Es sollen künftighin in dem Grossherzogthum Baden Landstände 
in zwei Abtheilungen, nemlich eine L und eine IT. Kammer bestehen, welche 
sich zu abgesonderten Sitzungen versammeln. 

2. Die Mitglieder der ersten Kammer sind : 

a. die Prinzen des grossherzoglich eu Hauses, 

b. die Häupter der standesherrlichen Familien, 

c. der künftige katholische Landesbischof, 

d. die Deputirten des grundherrlichen Adels. 

3. Die Prinzen des grossherzoglichen Hauses haben erst nach erlangter 
Volljährigkeit Sitz und Stimme und üben ihr Stimmrecht in Person oder 
durch einen in die Adelskammer geeigneten Bevollmächtigten. 

Sic nehmen ihren Sitz nach dem Präsidenten. Sie können nur eine 
Stimme führen. Wenn sie durch ihre Besitzungen zugleich Standesherm 
sind, so werden sie in dieser Eigenschaft bis zu ihrer Volljährigkeit, wo 
sie das Stimmrecht als Prinzen antreten und dagegen das staudesherr- 
liche aufgeben, durch Vormünder vertreten, die nicht schon ein eigenes 
Stimmrecht haben. 

4. Die Standesherrn sind erbliche Repräsentanten. Wenn sie in 
mehrere Linien abgetheilt sind, so haftet das Stimmrecht auf dem Haupt 
jeder Linie. Besteht aber in einer Linie eine Gemeinschaft unter Mehre- 
ren, so führt der älteste unter ihnen oder bei dessen Verhinderung der 
nächst älteste die Stimme. Sie müssen zur persönlichen Ausübung des 
Stimmrechtes die Volljährigkeit erreicht haben ; bis dahin werden sie durch 
ihre Vormünder oder durch ein von diesen bevollmächtigtes Mitglied ihres 
Hauses vertreten, die beide im Lande wohnhaft sein müssen und nicht 
für sich schon eine Stimme führen. Auch nach erlangter Volljährigkeit 
können sie durch einen in die Adelskammer geeigneten Bevollmächtigten 
erscheinen. 

5. Der künftige katholische Landesbischof erhält, wegen dieser seiner 
Amtseigenschaft, das Stimmrecht in der L Kammer und nimmt seinen Sitz 
unmittelbar nach den Standesherrn. 



14 

6. Die Depatirten des Adels werden von den Grandherrn aus ihrer 
Mitte durch die Mehrheit der Stimmen gewählt. Diese sind zu dem Ende 
nach zwei Landesdistricten, nemlich oberhalb der Murg und unterhalb der 
Murg, abgetheilt. Jeder District hat 6 Deputirte zu wählen. 

7. Die Wähler müssen das 25te Lebensjahr zurückgelegt haben und 
im Lande wohnhaft sein. Weibliche Gutsbesitzer haben weder ein Wahl- 
noch ein Stimmrecht. Sind sie aber vermählt, so werden sie in Beidem 
durch ihre Ehevögte vertreten. Die nur zeitlich abwesenden Grundherrn 
können ihre Wahlstimmen einem anderen übertragen. 

Wenn eine Familie oder eine Familienlinie die grundherrlichen Güter 
in unzertheilter Gemeinschaft besitzt, so kann nur der älteste solcher Linie 
oder bei dessen Verhinderung der nächst älteste das Wahlrecht ausüben. 
Die Art und Weise, wie die Wahlen vorzunehmen sind, ist in der Beilage 
vorgeschrieben. 

8. Die zu wählenden Deputirten müssen das 30te Lebensjahr vollendet 
und im Lande ihren Wohnsitz haben. An die Stelle der Gewählten, die 
mit Tod abgehen oder aus sonstigen Ursachen aus der Versammlung treten, 
rücken sogleich andere ein, zu welchem Ende vorsorglich bei der Haupt- 
wahl der Deputirten eine gleiche Anzahl von Ergänzungsgliedern gewählt 
wird. 

Ein gewählter Repräsentant kann nicht mehr als eine Stimme führen. 
In Gant Gerathene können weder wählen noch gewählt werden. 

9. Die gegenwärtige Zahl der die erste Kammer bildenden und wählen- 
den fürstlichen, gräflichen und grundherrlichen Familien ist nicht unverän- 
derlich, sondern dem Regenten bleibt vorbehalten, f^uch andere fürstliche, 
gräfliche und adeliche Personen oder Familien, die durch eigene Liegen- 
schaften oder Grundgefalle hinlänglich dotiert sind, für wahlfähig zu er- 
klären. 

10. Die 2. Kammer besteht aus den Deputirten des in der 1. Kammer 
nichtbegrifienen Adelsstandes, des Bürgerstandes und des Bauernstandes. 
Sie werden von den Wählern aus diesen Ständen durch die Mehrheit der 
Stimmen ernannt. 

11. Zu dem Ende ist das Grossherzogthum in 41 Wahldistricte ein- 
getheilt, deren jeder einen landständischen Repräsentanten erwählt. 

Auch hat die Geistlichkeit jeder der drei christlichen Confessionen und 
jede der beiden Landesuniversitäten Heidelberg und Freiburg einen Depu- 
tirten zu ernennen. 

12. Die Wähler, deren Anzahl zu 15 bis 20 in jedem District vorge- 
schrieben ist, müssen im Land angesessene, zur ersten Kammer nicht 
gehörige Adeliche oder active, im Land wohnhafte Bürger und von unbe- 
scholtenem Rufe sein, das 25te Jahr zurückgelegt haben und in ordinario 
an Häuser-, Güter- oder Gewerbeschatzung jährlich wenigstens 15 Gulden 
steuern. 



16 

Sie werden durch die Gesammtmasse der activen Bfirger in jedem 
Wahldistrict erwählt. 

13. Die Wahlmanner in jedem District wählen nun ihren Repräsentan- 
ten zur landständischen Yersammlang ohne Unterschied der Reh'gion, und 
zugleich, auf den Fall seines Absterhens oder sonstigen Abgangs, einen 
Snppleanten durch die Mehrheit der Stimmen, nach der in Art. 7 ange- 
zogenen hesondern Verordnung. 

14. Die gewählten Repräsentanten müssen im Lande wohnen und das 
30te Leiiensjahr zurückgelegt- haben, auch von unbescholtenem Hufe sein. 
Erklärte Ganthierer werden nicht zugelassen. 

In deren Wahl sind die Wahlmänner weder auf ihren Wahldistrict, 
noch auf das Vermögen des zu Wählenden, noch auf einen besondem Stand 
eingeschränkt, sondern sie können auch Personen aus anderen Districten 
und aus höheren Ständen wählen, nur nicht solche, die schon Sitz und 
Stimme in der ersten Kammer haben. 

Von den zwei Deputirten der Universität Heidelberg und Freiburg 
und den drei Deputirten der Geistlichkeit werden die obigen Eigenschaften 
erfordert. Erstere werden von den Universitäten selbst, die Letzteren von 
den kirchlichen Ministerial-Sectionen gewählt 

1 5. Die grossherzoglichen Diener sind in der Regel wegen ihrer Dienst- 
verhältnisse von der Wahl in beide Kammern ausgeschlossen. 

Ausnahmsweise können gewählt werden : die Räthe bei den Ministerion, 
bei dem Oberhofgerichte, bei den Hofgerichten und bei den Kreisdirectorien ; 
jedoch aus jeder Behörde zu gleicher Zeit nicht mehr als ein Mitglied; 
ferner die Quiesceuten, mit Ausschluss der Minister, Staats- und Cabinets- 
räthe, der Ministerial- und Kreisdirectoren. 

(Oder : Von den Grossherzoglichen Dienern können wegen ihrer Dienst- 
verhältnisse nur folgende zu Repräsentanten gewählt werden: 

1. die Glieder und Angehörigen des Ministerii der Auswärtigen Ange« 
legenheiten, der Justiz, des Innern und der Finanzen, mit Aus- 
schluss der Minister und etwaiger anderen Vorstände der Ministerien 
und derer, welche vermöge ihrer Stellen den Regenten unmittel- 
bar über die mit den Landständen zu verhandelnden Gegenstände 
zu berathen haben, 

2. die Räthe des Oberhofgerichts und der Hofgerichte, 

3. die Räthe der oberen administrativen Provinzialbehörden. Jeder 
der genannten Behörden kann jedoch durch die Wahl zu Volks- 
Repräsentanten nicht mehr als ein Mitglied zugleich entzogen 
werden, 

4. die Quiescenten, Pensionisten und bloss Charakterisierten.) 

Zu Vorträgen der Regierung und deren Erläuterung haben die Mini- 
ster oder die dazu abgeordneten Commissarien des Regenten den Zutritt 
in beide Kammern, ohne jedoch den Abstimmungen anzuwohnen. 



16 

16. Die Landstände werden von dem Regenten zusammenbenifen. Ohne 
seine Berufung ist keine Yersammlung gültig. 

Sie geschieht durch Einberufungs-Schreiben des Regenten an die Mit- 
glieder der ersten Kammer und durch Signaturen des Justiz - Ministers an 
die Deputirten der zweiten Kammer. 

Die gewählten Repräsentanten legitim iren sich bei ersagtem Justiz- 
Minister durch ihre Wahlscheine. 

Streitige Wahlen werden von den betreffenden Kammern entschieden. 

Die erste Sitzung wird jedesmal von dem Regenten selbst oder von 
dessen Stellvertreter eröffnet ; die folgenden Sitzungen werden von den Präsi- 
denten bestimmt und angesagt. 

17. Jede Kammer wählt aus ihrer Mitte den Präsidenten und die Secre- 
täre, auch bestellt sie das erforderliche Kanzleipersonale. 

Die Wahl der Präsidenten muss aber dem Regenten zur Bestätigung 
vorgelegt werden. 

18. Die Mitglieder der beiden Kammern berathen nach ihren besten 
Einsichten das Wohl des Staates im Ganzen. Sie schwören bei dem Antritt 
ihrer Stellen: 

Nichts mittelbar oder unmittelbar für ihre Wahl gegeben oder 
versprochen zu haben, die Landesverfassung zu handhaben und für 
das Wohl des Staates zu arbeiten, ohne jede andere Rücksicht, als die 
auf das allgemeine Beste gerichtet ist 

Diesen Eid leisten die mit Yiril- Stimmen erscheinenden Mitglieder, mit 
Ausnahme des auf sie nicht passenden ersten Satzes, — vollständig aber 
die beiden Präsidenten in die Hand des Regenten, die übrigen Deputirten 
hingegen in die Hand des Justiz-Ministers. 

Sie sind für ihre Aeusserungen und überhaupt für ilir Benehmen bei 
den landständischen Versammlungen nur den einschlägigen Kammern ver- 
antwortlich und können dessfalls von ihnen durch zwei Drittel der Stimmen 
ausgestossen, auch, je nach Befinden, der gerichtlichen Behörde zur weiteren 
Bestrafung übergeben werden. 

An die Stelle des Ausgestossenen tritt sogleich ein Districts-Suppleant 
und in die Adelskammer derjenige, der die meisten Stimmen hatte. 

19. Die Wahlen der Deputirten und ebenso die Wahlen der Präsidenten 
und Secretäre gelten sechs Jahre. Nach Verfluss dieses Zeitraums werden 
neue gewählt. 

Die Abgehenden können bei der neuen Wahl wieder gewählt werden; 
sie werden alsdann statt abermaliger Beeidigung auf ihren früher abgelegten 
Eid verwiesen. 

Bei dem Absterben eines Regenten werden diejenigen Deputirten, welche 
bei dessen Lebzeiten durch die letzte Wahl erkoren worden sind, als noch 
gesetzmässig bestehend angesehen. 

20. Die Landstände werden in der Regel jedes Jahr im Monat Februar 
von dem Regenten zusammenberufen. Nach vollendeten Berath schlagungen 



17 

wird der Schloss des Landtags Yon dem Begenten verfügt, und die Yer- 
sammlang entlassen. 

21. Die Wahl- und allgemeinen Landtagskosten werden aus der Staats- 
kasse, die dazu eigens in den Stand gesetzt wird, bestritten. Aus solcher erhal- 
ten die ausserhalb dem Yersammlungs-Ort wohnenden gewählten Deputirten 
den Ersatz der Reisekosten, femer tagliche sechs Gulden Zehrungs- und Quar- 
tiergelder. 

Jede Kammer kann zur Vorbereitung und vorläufigen Bearbeitung wich- 
tiger Gegenstände während der Landtagsversammlung einen Ausschuss aus 
ihrer Mitte bilden ; auch ernennen beide vor dem Schluss des Landtags einen 
gemeinschaftlichen, aus einer gleichen Zahl von Mitgliedern bestehenden Aus- 
schuss, welcher etwa 3 Monate vor Eröffnung des künftigen Landtags zu 
dem nachher im §. 30 vorgezeichneten Endzweck zusammentritt. 

23. Die beiden Eanmiem, die zu gleichen Zwecken berufen sind, stehen 
unter sich in steter Geschäfts-Yerbindung ; sie theilen sich mit: die Yor- 
und Anträge, die sie einzeln von der Kegierung erhalten, die Beschlüsse 
die sie darüber fassen, die Anträge, die Yorstellungen und Wünsche, die 
sie an die Kegrierung gelangen lassen, und treten in corpore oder durch Aus- 
schüsse zusammen so oft sie es für nöthig erachten. 

24. Die Hauptgegenstände, womit die Kammern sich zu beschäftigen 
haben, sind die Gesetzgebung und die Besteuerung. Auch sind sie befugt, 
ihre Petitionen bei der Kegierung anzubringen. 

25. lieber die Gründung der vollständigen Landesversammlung, über 
jedes neue bürgerliche, peinliche oder solches Polizei-Gesetz, wobei die Hechte 
und Freiheiten der Landes- Angehörigen betheiligt sind, und über jede Aen- 
derung der Landes-Yerfassung und der bereits bestehenden Gesetze wird 
das Gutachten der Landstände erhoben, und ohne ihre Beistimmung kann 
kein neues Gesetz gegeben, auch kein bereits vorhandenes abgeändert werden. 

26. Die Yorschläge zu neuen Gesetzen, oder zu Gesetzes- Aenderungen, 
oder auch zu Ausnahmen von Gesetzen, insoferne bei solchen obgedachter- 
massen die Rechte und Freiheiten der übrigen Staatsbiürger betheiligt sind, 
geschehen von dem Regenten. Sie können aber auch von jeder Kammer 
und selbst von jedem Mitglied derselben angebracht und es muss auch 
über diese berathschlagt werden. 

27. Wenn die Yorschläge von dem Regenten herrühren, so haben sie 
obgedachtermassen, um Gesetzeskraft zu erlangen, die Boistimmung beider 
Kammern vonnöthen. Geschehen sie aber von den Kammern, so hat der 
Regent das Recht, sie entveeder durch seine Genehmigung zum Gesetz zu 
erheben, oder sie zu verwerfen. Er wird jedoch in letzterem Fall ihnen 
die Gründe seiner Missbilligung angeben, und gegen diese Gründe können 
die Landstände, wenn sie es nöthig befinden, geziemende Yorstellungen 
machen. 

28. Alle Gesetze über Auflagen werden zuerst in der zweiten Kammer 
in Yorschlag gebracht und verhandelt. 

2 



18 

29. Keine neue Auflage kann ausgeschrieben oder erhoben, und keine 
Staats- oder Landesschuld kann kontrahiert, auch kein Staatsgut, dessen 
Verkauf nicht schon beschlossen ist, kann veräussert werden, ohne von 
beiden Kammern bewilligt und vom Regenten genehmigt zu sein. 

30. Jedes Jahr, wenn es der Regent nicht früher nöthig findet, wird 
zuerst der zweiten Kammer die allgemeine Uebersicht über die Staats- 
Einnahmen und Ausgaben der vorderen Jahre, und zwar des unmittelbar 
vorhergehenden, so weit es nach den eingegangenen Notizen möglich ist, 
ferner über den Betrag des Staats- Vermögens und der Staats-Schulden, dann 
über die zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben des folgenden Jahres 
von dem Finanz - Ministerium vorgelegt, und damit werden die Anträge 
über die Auflagen und deren Verwendung gemacht 

Diese Uebersicht wird durch den in dem §. 22 erwähnten Ausschuss, 
der zugleich die auf dem nächsten Landtag in Berathung kommenden übrigen 
Gegenstände vorbereitet, und dazu auf sein Ansinnen durch deren Eröfiiiung 
und die nöthigen Mittheilungen in den Stand gesetzt wird, genau geprüft, 
und hiernach geschieht der Gesetzesentwurf über die Auflagen und Ver- 
wendungen des kommenden Jahres, welcher sofort im gewöhnlichen Wege 
durch die Bewilligung beider Kammern und durch die Sanction des Regenten 
Gesetzeskraft erhält. 

3L Jeder ^er beiden Kammern ist nicht nur erlaubt, dem Regenten 
über Gegenstände der Regierung, wenn sie auch nicht in die Gesetzgebung 
einschlagen, ehrerbietige Vorstellungen zu machen, und ihre Wünsche vor- 
zutragen, sondern sie sind auch verpflichtet, wahrnehmende Missbräuche, 
Unordnungen und Gebrechen in der Staatsverwaltung zur Kenntniss des 
Regenten zu bringen. Er wird auf dergleichen Vorstellungen und Anbringen 
nach Gutfinden Rücksicht nehmen und darauf motivierte Entschliessungen 
ertheilen. 

32. In jeder Kammer entscheidet die Mehrheit der Stimmen. Wenn 
der seltene FaH eintritt, dass in einer Kammer gleiche Stimmen fallen, so 
giebt der in der andern Kammer durch die Mehrheit der Stimmen gefasste 
.Beschluss den Entscheid über den vorliegenden Gegenstand. 

33. Wenn beide Kanmiern in ihren Anträgen und Beschlüssen ent- 
gegengesetzter Meinung sind, so treten die Präsidenten mit einer Depu- 
tation aus jeder Kammer zusammen, um eine Vereinbarung zu erzielen. 

Bleibt dieser Versuch fruchtlos und der Gegenstand betrifiFt einen von 
dieser oder jener Kammer gemachten Vorschlag, oder einen vom Regenten 
herrührenden (jesetzesentwurf, so beruhet im ersten Fall der Vorschlag auf 
sich, und im letzteren Fall bleibt der Entwurf auf den nächsten Landtag 
oder auf eine künftige neue Landesversammlung zur weiteren Berathschlagung, 
wenn sie der Regent erfordern wird, ausgesetzt. 

Betriflft aber der Widerspruch den Finanzplan, die Festsetzung der 
Auflagen und deren Verwendung für das künftige Jahr, worüber die 



19 

BeetimmtiDg nkht verschoben werden kann, die Contrahierung von Landes- 
schuldon oder die Yeränsserang von Domänen, (f) so werden die in beiden 
Kammern gefallenen Stimmen zusammengezählt, und die Mehrheit derselben 
giebt den Entscheid. 

(Oder, a Signo f: so werden in jeder Kammer eine gewisse gleiche Zahl 
von Mitgliedern durch das Loos gewählt, die hinwiederum durch das Loos 
sechs Snppleanten aus den Adelsd istrlcten und neun aus den Districten der 
zweiten Kammer wählen, und mit diesen einen gemeinschaftlichen Ausschuss 
bilden. Diesem werden die Verhandlungen über den vorliegenden Gegen- 
stand unter dem Vorsitz der beiden Präsidenten zur wiederholten und unbe- 
fangenen neuen Prüfung vorgelegt und die Mehrheit seiner Stimmen giebt 
den Ausschlag.) 

34. Die Staatsdiener sind fär ihre öffentliche Verwaltung verantwortlich 
Jede Kammer ist befugt, sie wegen Missbrauchs der ihnen anvertrauten 
Gewalt, wegen zweckwidriger Verwendung des öffentlichen Einkommens, und 
überhaupt wegen aller Amtsvergehen anzuklagen. In diesem Fall hat sie 
die Anklagepunkte dem Begenten zu überreichen, welcher sie zur Unter- 
suchung an die Behörde abgiebt 

Wir beschliessen hiermit vorstehende Erklärung und Anordnung , über 
deren Vollzug Wir demnächst das Weitere werden ergehen lassen, und 
wünschen eifrig, dass Unsere dabei hegenden landeeväterlichen Absichten dank- 
bar anerkannt, getreulich unterstützt und mit den erwarteten besten Folgen 
gesegnet werden mögen. 

Gegeben etc. 

Entwarf zu einem Wahl -Reglement. 

Wir etc. finden nöthig, in Beziehung auf Unser, die ständische Ver- 
fassung des Grrossherzogthums betreffendes Edict, folgende näheren Bestim- 
mungen über das Verfahren bei den Wahlen der Deputirten zu den land- 
ständischen Versammlungen zu treffen: 

1. Für die oberste Leitung des ganzen Wahlgeschäfts wird eine aus 
dem Justizminister und zwei Staatsräthen bestehende Commission ernannt. 
Die unmittelbare Direction desselben wird für die erste Kammer in dem 
District oberhalb der Murg dem Hofrichter zu Freiburg und in dem District 
unterhalb der Murg dem Hofrichter zu Mannheim, f&r die zweite Kammer 
hingegen, so viel die Ernennung zu Wahlroännem betrifft, den Beamten, 
rücksichtlich der Bepräsentantenwahl selbst aber eigenen aus den Mitgliedern 
der den 41 Wahldistricten vorgesetzten Hofgerichte zu nehmenden Commis- 
sarien übertragen. 

2. Wenn der Fall einer vorzunehmenden Wahl eintritt, erfolgt von der 
bestehenden obersten Commission so zeitlich, dass alle Vorbereitungen getroffen 

2* 



20 

werden können, die nöthige Bekanntmachung an die beiden mit dem Wahl- 
geschäfte für die erste Kammer beauftragten Hofrichter, und zwar unter 
Mittheilung der Verzeichnisse der Wähler eines jeden Districts, femer an 
die sämmtlichen übrigen Hofgerichtsvorstände, damit jeder zu demselben 
Geschäft für die zweite Kammer ein Mitglied seines Collegiums ernenne. 
Dieser Commissär benachrichtigt die in seinen Bezirk gehörigen Beamten 
von seinem Auftrag und fordert dieselben zur Vornahme der Wahl der Wahl- 
männer auf. 

3. Demnächst wird zuerst zu der Repräsentanten - Wahl für die erste 
Kammer geschritten, damit nicht ein in diese gewähltes Subject zugleich in 
die zweite ernannt werde. 

4. Zu diesem Ende ladet der hiezu beauftragte Hofrichter zu Freiburg 
die Wähler des Districts oberhalb der Murg nach Freiburg, der Hofrichter 
zu Mannheim jene des Districts unterhalb der Murg nach Mannheim auf 
einen bestimmten Tag ein und lässt die Wahl in der Art vornehmen, dass 
jeder Wähler mit Beisetzung seiner Unterschrift zuerst die Namen der sechs 
Deputirteu, welchen er seine Stimme giebt, auf ein besonderes Blatt nieder- 
schreibt und dieses dem Commissär versiegelt üborgiebt. Diese Blätter 
werden von dem letzten in Gegenwart eines verpflichteten Aktuars eröffnet, 
und unmittelbar darauf wird auf dieselbe Art zur Wahl von sechs Supplean- 
ten geschritten. Da, wo ihm ein gesetzlicher Anstand vorhanden zu sein 
scheint, werden von ihm die nöthigeu Bemerkungen gemacht, und der An- 
stand womöglich beseitigt; sodann die einzelnen Abstimmungen zu Protokoll 
genommen, das Kesultat derselben nach der relativen Stimmenmehrheit 
darin bemerkt, das Protokoll von den sämmtlichen Wählern genehmigt und 
unterzeichnet, die einzelnen Wahlzettel als Beilagen beigefügt und endlich 
das Ganze von dem Commissär an die zur Leitung des Wahlgeschäfts auf- 
gestellte oberste Behörde eingesandt. 

5. Hierauf theilt diese Behörde das Resultat der Wahlen den Gewählten 
zu ihrer Legitimation und zugleich den sämmtlichen Hofgerichtsvorständen 
zur weiteren Erö&ung an die von diesen nach §. 2. der gegenwärtigen Ver- 
ordnung zur Leitung des Wahlgeschäftes für die zweite Kammer ernannt 
werdenden Commissarien mit, damit diese bei ihrer Verrichtung die nöthige 
Rücksicht darauf nehmen können. 

6. Die Einleitung zu den Wahlen für die zweite Kammer geschieht durch 
die Ernennung der Wahlmänner. Jeder Beamte und, wo deren mehrere sind, 
der erste derselben fordert zu dem Ende, sobald er die §. 2. erwähnte Auf- 
forderung erhalten hat, von den Ortsvorgesetzten seines Amtsbezirks ein 
schriftliches Verzeichniss deijenigen activen Bürger, welche das 25 te Lebens- 
jahr zurückgelegt, und jährlich wenigstens 15 Gulden an Häuser-, Güter- 
oder Gewerbsteuer in ordinario zu entrichten haben, aus welchen allein die 
Wahlmänner gewählt werden können. 

Hierauf versammelt er alle anwesenden activen Bürger seines Amts, 
macht dieselben auf den Zweck ihrer Zusammenberufung und die gesetzlichen 



21 

Eigenschaften eines Wahlmannes aufmerksam , und lässt durch sie nach 
der relativen Stimmenmehrheit die für das Amt bestimmte Zahl von "Wahl- 
mäonem ernennen. Die Abstimmungen werden in der Regel ebenfalls 
schriftlich abgegeben, von dem Beamten eröffnet, die etwa nöthigen Be- 
merkungen gemacht, darauf durch den zugezogenen Aktuar die Namen 
der Wählenden und derjenigen, welche die Stimmen derselben erhalten haben, 
in ein — dem Protokoll beizulegendes — Verzeichniss gebracht, das Resultat 
in dem von den Anwesenden zu genehmigenden Protokoll angeführt und 
sogleich hiemach den ernannten Wablmännern ein amtliches Zeugniss über 
ihre Ernennung ausgefertigt. 

Darauf zeigt der Beamte, unter Anlage des Protokolls, die vollzogene 
Wahl dem mit der Leitung der Repräsentanten- Wahlen beauftragten Com- 
missär an. 

7. Die Repräsentanten-Wahl selbst wird in allen Wahldistricten, 
welche zu dem Gerichtsbezirke eines Hofgerichts gehören, durch ein Mit- 
glied dieses letzten geleitet, welches, sobald die §. 2 erwähnte Bekannt- 
machung erfolgt ist, von dem Gerichtsvorstande ernannt wird. Dieser 
Commissär beruft, wenn er im Gefolge der von ihm erlassenen Auffor- 
derung die Anzeigen und Protokolle über die vollzogene Ernennung der 
Wahlmänner von den Beamten seines Bezirks erhalten hat, durch die be- 
treffenden Aemter an dem ihm am angemessensten scheinenden Orte die Wahl- 
mäoner jedes der ihm zugewiesenen Wahldistricte zusammen, veranstaltet 
durch diese, nachdem sie sich mit den erhaltenen amtlichen Zeugnissen 
legitimiert haben, die Wahl des Districts- Repräsentanten und eines Supple- 
anten, nach den in Unserem Edict über die Stände -Verfassung Art. 14 aus- 
gedrückten Erfordernissen, verfährt dabei ganz nach der bei den Wahlen 
für die erste Kammer (§. 4 der gegenwärtigen Verordnung) gegebenen Vor- 
schrift und legt endlich ebenso, wenn sein Geschäft in den sämmtlichen 
Districten beendigt ist, die Protokolle und Beilagen der obersten dirigierenden 
Behörde vor, worauf diese durch die Kreisdirectorien den betreffenden Aem- 
tern das Resultat eröffnet und von diesen ein Wahlzeugniss jedem Gewählten 
zugestellt wird. 

8. Die Abwesenden können bei den Versammlungen zur Ernennung 
der Wahlmänner nicht durch andere vertreten werden. Die Wähler der 

I. Kammer dürfen, jedoch nur aus ganz unvermeidlichen und bescheinigten 
Ursachen, einem andern speciell Bevollmächtigten die Ablegung ihrer Stim- 
men übertragen. Tritt ein solches Hindemiss bei einem Wahlmann der 

II. Kammer ein, so muss an dessen Stelle durch das einschlagende Amt in 
der vorgeschriebenen Art die Wahl eines andern veranstaltet werden. 

9. Eine Stimme, welche Jemand sich selbst giebt, gilt nicht. 

10. Wird dieselbe Person in mehreren Districten gewählt, so gilt 
die Wahl des Districts, welcher sie zuerst wählte. 

11. Bei eintretender Stimmengleichheit entscheidet das Loos. 



22 

12. Die vorstehenden Anordnungen über das Wahlverfahren finden bei 
der Ernennung der Deputirten der Greistlichkeit und der Universitäten keine 
Anwendang, da darüber schon der Art. 14 des Edicts über die Stände- 
Verfassung eine besondere Verfügung enthält, welcher daher nur die weitere 
beigefügt wird, dass die kirchlichen Ministerial-Behörden und die Univer- 
sitäten das Resultat ihrer Wahl der zur obersten Leitung des ganzen Geschäfts 
beauftragten Gommission unmittelbar anzuzeigen haben. 

In einer zweiten Beilage werden 41 Wahlbezirke in Vorschlag gebracht 
in welchen 709 Wahlmänner 41 Abgeordnete (Repräsentanten) wählen sollen 

Als Zusatz zu der Verfassungsurkunde wünschte Staatsrath v. Dawans 
die Feststellung einer Reihe von Sätzen, in denen allgemeine Grundlagen 
des künftigen Regierungssystems überhaupt, und insbesondere der Beziehun- 
gen zwischen Regierung und Landständen ausgesprochen würden: 

1. die Gleichheit aller Stände in den Abgaben, Rechten und Ansprüchen, 

2. die Nothwendigkeit, den Einfluss der Gesetzgebung nicht bloss auf 
Civil- und Griminalgesetze zu beschränken, sondern vorzüglich auf 
Freiheit im Handel und Gewerbe, auf Beförderung der Landescultur 
u. s. f. zu leiten und dessfallsige Hindemisse zu beseitigen, 

3. die Nothwendigkeit, den Landtag alljährlich zu halten und alljähr- 
lich den Finanzetat zu regulieren, 

4. die Hauptobliegenheit der Landstände und die Nothwendigkeit, sie zu 
deren Erfüllung durch einen jeweiligen Ausschuss vorzubereiten, 

5. das Recht der Landstände, Vorstellungen an ihre Bewilligungen zu 
knüpfen, 

6. die Nothwendigkeit einer Dienerpragmatik. 

Das gesammte Material, welches aus den Berathungen der Gommission 
hervorging, wurde nach Vollendung ihrer Berathungen nach Wien abgeschickt, 
wo der Grossherzog mit einem Theü seiner Räthe noch verweilte. 

Dort wurde es den Freiherm von Marschall und von Berckheim unter- 
breitet, welche ihre Bemerkungen schrifUich ausarbeiteten und zu den Akten 
gaben. Wir theilen daraus Folgendes mit, indem wir minder Wichtiges 
übergehen. 

Zu Art. 9 vindiciert Frhn V« Marschall in seinem : «(Wien im März 1815» 
datierten Gutachten dem Grossherzog das Recht, nicht nur Grundherrn sondern 
auch Standesherm zu ernennen und ihnen erbliche Virilstimmen zu ertheilen, 
den gehörigen Besitz von Liegenschaften vorausgesetzt 

Zu Art 12 erhebt er Bedenken dagegen, ob alle activen Bürger ohne 
Rücksicht auf ein gewisses Vermögen die Wähler sollen erwählen dürfen. 

Zu Art 14 wünscht er einen Census für die zu Wählenden. Die Ver- 
treter des Eigenthums müssten, nach seiner Ansicht, in der Volksrepräsen- 
tation das entschiedenste Uebergewicht haben. Er schlägt vor, bei den zu 
Wählenden wenigstens das Doppelte des Vermögens der Wähler als Beding- 
ung festzustellen. 



Zu Art. 15 glaubt er, dass — wenn öich der Grossberzog fßr die Zolassung^ 
der Staatsdiener zum Landtag entscheide — bloss ausgeschlossen sein sollten : 

1. die Minister und etwaige andere Vorstände der Ministerien und die- 
jenigen, welche vermöge ihrer Stellung den Regenten unmittelbar 
über die mit den Landständen zu verhandelnden Gegenstände zu 
berathen haben, 

2. diejenigen Diener, die durch ihre Dienst Verrichtungen an einen Auf- 
enthalt ausserhalb des Versammlungsortes der Landstände gebun- 
den sind, 

3. die mit einer Comptabilität gegen den Staat beladen sind. 

Zu Art. 16 beantragt er don Zusatz: «Jeder Regent wird bei der. ersten 
landständischen Sitzung nach seinem Regierungsantritt bei fürstlichen Worten 
sich verpflichten, die Verfassung zu handhaben und aufrecht zu erhalten. > 

Zu Art. 20 ist er der Ansicht, obwohl für die erste Zeit triftige Gründe 
das alljährliche Zusammentreten der Stände wünschenswerth machen, so 
dürfte im Gesetze doch die Bestimmung zweijähriger Termine genügen und 
könnte allenfalls für die ersten 4 — 6 Jahre die Zusage der jährlichen Zu- 
sammenberufung ertheilt werden. 

Zu Art 27 spricht sich Marschall gegen die gesetzliche Nöthigung des 
Regenten aus, die Gründe seiner Missbilligung anzugeben. 

Zu Art. 29 wünscht er nach «erhoben» den Zusatz: «keine bestehende 
Abgabe abgeändert oder erhöht» und bemerkt femer: «Domänen sind mei- 
nes Erachtens nicht Staatsgut, sondern Familiengut des Regenten. So wur- 
den sie wenigstens bei der Mediatisation betrachtet, sonst hätte man die Do- 
mänen der Mediatisierten für die Staaten einziehen müssen, mit welchen sie 
vereinigt wurden. Es fordert daher noch reife Ueberlegung, ob mim die 
Veräusserung der Domänen der landständischen Einwilligung unterwerfen 
will und kann. Wenn der Regent Domänen veräussert und dafür Staats- 
schulden bezahlt und den Staat in seinen nothwendigen Ausgaben erleich- 
tert, so muss dieser es ihm Dank wissen.» 

Zu Art. 30. Der Vorschlag im zweiten Theile dieses Artikels sei sorg- 
fältig zu prüfen, damit die Stände nicht eine allzutiefe Einmischung in 
Gegenstände der executiven Administration erhalten. 

Zu Art. 31. Marschall will die Stände nicht zur Aufdeckung von 
Missbräuchen verpflichten, um sie dadurch nicht von den Hauptgegen- 
ständen ihrer Berathung abzuziehen. 

Zu Art. 30 schlägt er für den zweiten Satz folgende Fassung vor : 
«Bleibt dieser Versuch fruchtlos, so beruht der Vorschlag auf sich, er kann 
aber bei künftigen neuen Landtagsversammlungen wieder vorgebracht wer- 
den.» Er regt ferner den Gedanken an, ob man nicht bei Finanzfragen 
gleich Anfangs beide Kammern zusammentreten lassen und die einzelnen 
Stimmen zusammenzählen will. 

Schliesslich beantragt Marschall Wiederherstellung des Artikels, der 
das Auflösung»- und Vortag ungsrocht des Rogenteu feststellt^ wol^ei er 



24 

hinzufügt: «Uebrigens versteht es sich von selbst, dass die Regierung von 
diesem bedenklichen Mittel nur höchst selten und nicht ohne die reifste 
Ueberlegnng Gebrauch machen wird.» 

Femer scheint ihm Art. 30 die Rechte der Stände zum Nachtheil der 
Regierung zu weit auszudehnen. Er beantragt folgende Fassung: «Bei 
Bewilligung von Abgaben können die Stände keine solchen Bedingungen 
beifügen, welche dem Finanzplane fremd sind, oder in andere Verwaltungs- 
gegenstände emgreifen.» 

In Bezug auf die Vorschläge von Dawans endlich, allgemeine Rechte 
der Unterthanen grundgesetzlich festzustellen, schlägt Marschall vor, fol- 
gende in die Verfassungsurkunde aufzunehmen: 

1. Gleichheit vor dem Gesetze, 

2. verhältnissmässige Gleichheit der Abgaben, 

3. Zulassung zu allen Stellen, mit Ausnahme der Hofstellen, 

4. gleiche Militärdienstleistungspflicht, 

5. das Recht, mit Beibehaltung des Bürgerrechtes in auswärtigen 
Staaten Dienste anzunehmen, 

6. freies Auswanderungsrecht nach Erfüllung der Militärdienstleistungs- 
pflicht unter Vorbehalt der Retorsion gegen Staaten, die Abzugs- 
und Auswanderungsgebühren beziehen, 

7. Pressfreiheit, 

8. gleiche Rechte der drei christlichen Gonfessionen, 

9. freie Ausübung des Eigenthnmsrechtes, 

10. ordentlichen Gerichtsstand in allen Rechtssachen, 

11. ungehinderten Rechtsgang, 

12. Unabsetzbarkeit der Gerichtsglieder höherer Instanzen. 

Kürzer und nicht von der staatsmännischen Einsicht und dem edlen 
Freisinn erfüllt, wie die Bemerkungen des Frhn. y. Marschall, sind jene des 
Frhn. Y. Berckheim. Aus ihnen (sie sind datiert: Wien, T.April 1815) heben 
wir folgendes hervor: 

Zu Art. 14. Da Vermögenslos^ «mehr des Kosmopolitismus als des 
Patriotismus fähig sind und ihr Interesse an der Erhaltung der bestehenden 
Staatsverfassung nur allein auf ihrer Sittlichkeit, einer nur schwachen und 
precären Stütze, besonders in diesem demoralisierten Jahrhundert beruht,» 
so wünscht Frhr. v. Berckheim, «dass nur derjenige, der im Lande ange- 
sessen ist und ein bestimmtes Vermögen besitzt, das aber bedeutender als 
jenes der Wähler sein muss, zum Deputirten solle erwählt werden können. 
Wenn auch dadurch manchem sonst einsichtsvollen Kopf der Weg versperrt 
ist, seine Fähigkeiten geltend zu machen, so ist dieses Opfer gering, wenn 
man dabei bedenkt, dass dadurch dem Schwindelgeiste der Neuerungs- und 
Verbesserungssucht Mass und Ziel gesetzt wird.» 

Bei Art. 27 wünscht Berckheim die Weglassnng des Satzes: «Er wird 
jedoch . . . . » weil dadurch der Regent in eine solche Abhängigkeit von 



^ * 



25 

den Landsiänden gesetzt würde, welche dem allgemeinen Wohl durch Läh- 
mung der executiven Gewalt nachtheilig werden dürfte.» 

Als dieses Gutachten geschrieben wurde, schien die Zeit fQr ruhige 
Berathung gesetzgeberischer Arbeiten wiederum, kaum dass Europa auf 
eine neue friedliche Aera zu hoffen begonnen hatte, in eine ungewisse Zu- 
kunft gerückt. Napoleons Landung in Frankreich, die Vertreibung der 
Bourbonen, die Aufstellung grosser Heeresmassen an der deutschen Gränze 
gegen Frankreich Hessen keine Beschäftigung mit legislatorischer Thätig- 
keit aufkommen. Das Schicksal des Welttheils, besonders aber die Zu- 
kunft der kleinen deutschen Staaten, war neuerdings in Frage gestellt. 
Mit den andern Fürsten yerliess auch Grossherzog Carl die Österreichische 
Hauptstadt, um in sein bedrohtes Land zurückzukehren. Am 12. Mai trat 
er der erneuten Allianz der europäischen Mächte gegen Napoleon bei und 
versprach, ein Gontingent von 1 6,000 Mann zu der grossen Armee zu stellen. 
Noch ein Mal brach eine schwere Zeit über das badische Land herein, das 
mit Truppen überschwemmt wurde, als der linke Flügel des grossen Heeres 
der Verbündeten im Rheinthal von Mainz bis Freiburg herauf seine Stellung 
nahm. Unter dem Geräusch der Waffen schweigen, wie die Musen, so auch 
die andern Werke des Friedens. Für Verfassungsarbeiten hatte in diesen 
stürmischen, unsichem Tagen Niemand Gedanken und Stimmung. 



Zweites Capitel. 



Werfen wir nunmehr einen Blick auf den Zustand des badischen Lan- 
des in jener Zeit, auf die unläugbaren Uebelstünde, die sich aus der plötz- 
lichen Zusammenlegung der innerlich verschiedenartigsten Territorien, aus 
den gesteigerten Anforderungen an das Staatsvermögen, aus der absoluten 
Nothwendigkeit der Kränkung einzelner Rechte und Interessen ergaben, auf 
die damit zusammenhängende Stimmung der Bevölkerung und auf die Be- 
ziehungen und Wechselwirkungen dieser Verhältnisse zu den Verfassungs- 
arbeiten. * 

Eine lebhafte Empfänglichkeit der Bevölkerung für politische Bestre- 
bungen war am Anfange des 19. Jahrhunderts nirgend wahrzunehmen. 
Die lange und glückliche Regierung Carl Friedrichs hatte die Bewohner 
seines Landes an den patriarchalischen Absolutismus gewöhnt, unter dem 
man gut, zufrieden und gedankenlos lebte, so lange die europäische Lage 
das kleinstaatliche Stillleben nicht bedrohte. Des Wohlwollens, der Für- 
sorge des Fürsten, der Redlichkeit und Beflissenheit seiner Diener war man 
sicher, und nach mehr stand der bescheidene Sinn dieses Volkes nicht. 

Auch die Bevölkerung der Länder, welche, in Folge des Pressburger 
Friedens und der Rheinbundsacto, dem badischen Lande einverleibt worden, 
trug Carl Friedrich das Vertrauen in seine Weisheit und seine Regenten- 
tugenden entgegen, von dem die Angehörigen seiner Erblande erfüllt waren. 
Der Wunsch nach einer Wiederherstellung der alten ständischen Rechte 
wurde nur im Breisgau laut, wo sich eine ständische Verfassung lebendig 
erhalten hatte, während in der badischen Markgrafschaft schon in den 
siebenziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Erinnerung, dass auch 
dieses Land einst eine solche Verfassung gehabt, dass seine Stände ein Recht 
der Steuerverwilligung und Controle besessen, nur noch in Büchern lebte. 

Erst die Eingriffe, welche die Neuorganisation der vereinigten Terri- 
torien, die nunmehr ein Staat werden sollten, in althergebrachte, gowolmte» 



27 

liehgewonnene Einrichtungen nnd Verhältnisse machte, hatten in der Bevölkc- 
rong eine gewisse Opposition gegen das einseitige Vorgehen der Regierung 
wach gerufen. Aber die harte Zeit war nicht dazu angethan, über ein 
grösseres oder geringered Mass der Volksrechte zu verhandeln, während es 
ranächst nur galt, die unabwendbaren Lasten des Krieges mit Geduld und 
Ergebung zu tragen. Die Befreiung Deutschlands, der Anschluss auch des 
Sfidens an die nationale Bewegung liess erst das Gefühl zum Durchbruch 
kommen, dass die Abschüttelung des Joches der Fremdherrschaft nicht 
genüge, dass es sich nun darum handle, in dem von äusserem Drucke befreiten 
Staate Bürgschaften für ein zukünftiges besseres, menschenwürdigeres Da- 
sein aufzurichten. 

Jetzt erst wandte sich nach und nach die Aufmerksamkeit auf die 
trostlose Lage des Staates, jetzt erst begann man darüber nachzudenken, 
woher denn die vorhandenen Uebelständo kämen, über welche Mittel man 
verfuge, ihnen abzuhelfen. In diesem Bestreben begegneten sich bald, wenn 
auch von verschiedenen Voraussetzungen ausgehend und verschiedene Ziele 
im Auge, die höchsten Spitzen und die unteren Schichten dos Volkes — die 
Mediatisierten, die ihrer Vorrechte beraubten Grundherrn und der in Handel 
und Wandel beschränkte und gehinderte, durch Steuern und Abgaben über- 
bürdete Bürger- und Bauernstand. 

Die Aufgabe der Regierung nach erfolgter Vcrgrösserung des Landes 
war keine leichte. Eine einheitliche Organisation und Verwaltung des aus 
so zahlreichen Gebieten gebildeten Grossherzogthums , in denen die ver- 
schiedenartigsten Gesetze und Einrichtungen bestanden, konnte nicht in^s 
Leben treten, ohne mannigfaltige Conflicte der Interessen der einzelnen Lan- 
destheilo und der verschiedenen Classen der Staatsangehörigen hervorzurufen 
So schonend man auch bei Einführung der unbedingt nothwendigen 
Neuerungen vorgehen mochte, so war es doch unmöglich, dieselben in der 
Form einer natürlichen Entwicklung au das schon Bestehende anzuschliessen, 
und jede gewaltsame Veränderung, jeder unvermittelte Uebergang aus einem 
gewohnten Zustand in einen ungewohnten, pflegt naturgcmäss — auch bei 
erlangter Einsicht von der Zweckmässigkeit, ja Noth wendigkeit der Aende- 
rungen — ein gewisses Gefühl der Unbehaglichkeit zu erzeugen. 

Die Massregeln der Regierung, die sich auf die Regelung der Staats- 
souveränetät gegenüber den ehemals reichsunmittelbaren, nun zu Uuter- 
t hauen gewordenen Adelichen bezogen, also die Feststellung der standcs- 
und grundherrlichen Verhältnisse und die allmählige Einführung eines gleich- 
förmigen Finanzsystems, bildeten hauptsächlich den GährungsstofT, der die 
politischen Bewegungen Mn den Jahren 1815 bis 1818, die auf Ertheilung 
einer Verfassung hinzielten, hervortrieb. 

In den Standes- und grundherrlichen Verhältnissen lag für die Her- 
stellung einer einheitlichen Organisation und Verwaltung des Landes eine 
bedeutende Schwierigkeit; diess fühlte man immer mehr, je weiter man auf 
dem Wege zu jenem Ziele vorschritt. Daher erlitten die Ediete, in welchen 



28 

Carl Friedrich den Kechtszustand der Mediatisierteu in der ersten Zeit des 
Eheinbundes, als die bestehenden Zustände in den einzelnen Landestheilen 
noch grösstentheils unverändert geblieben waren, mit Milde und mcglich- 
ster Schonung bestimmt hatte, allmählig mannichfache Abänderungen, so 
oft sich in diesen ursprünglichen Bestimmungen ein Hindemiss für den 
Vollzug der Gesetze und Massregeln ergab, die man zum Zwecke der all- 
mähligen Herstellung einer Gleichförmigkeit in den gesetzlichen Zuständen 
der verschiedenen Landestheile für nöthig erachtete. Zuletzt kam es im 
Jahre 1813 sogar zur gänzlichen Aufhebung der Standes- und grundherr- 
lichon Gerichtsbarkeit. 

Die Einführung eines allgemeinen Abgabensystems für das ganze 
Grossherzogthum gab in dem Yerlaufe der Periode, in welcher die hierauf 
bezüglichen Gesetze erlassen wurden, häufigen Anlass zu Bestimmungen, 
welche die Eigenthums- oder Rechtsansprüche der Mediatisie rten berührten. 
Wie unwillkommen solche Massregeln den ehemaligen Keichsunmittelbaren 
auch sein mochten, so gaben sie ihnen doch keinen Grund zu gerechten 
Beschwerden, in so ferne sie in den durch die Rheinbundsacte bestimmten 
Hoheitsbefugnissen der Regierung lagen. Nur die Aufhebung der Standes- 
und grundherrlichen Gerichtsbarkeit war eine Verletzung der durch die 
Rheinbundsacte anerkannten Bedingungen ihrer Unterwerfung. 

Es ist naturgemäss, dass solchen Vorgängen gegenüber die Mediati- 
sierteu das Bedürfniss eines gesicherten Rechtszustandes und beruhigender 
Garantien für dessen Erhaltung fühlten und dessen Befriedigung erstrebten, 
als der Rheinbund sich aufgelöst hatte, ohne dass sich ihnen die Hoffnung 
eröfinete, weiter gehende Wünsche, die sie von den Folgen der im Jahre 
1806 geschehenen Unterwerfung befreit haben würden, erfüllt zu sehen. 

Sie begrüssten desshalb, wenn auch nur als ein Minimum ihrer An- 
sprüche und vielleicht mit dem geheimen Gedanken, darauf die Revindica- 
tion ihrer früheren Stellung zu basieren, die Beschlüsse des Wiener Con- 
gresses, welche ihnen etwa die Rechte gewährten, die ihnen die ersten 
Ediete Carl Friedrichs zuerkannt hatten und, indem sie die Herstellung 
landständischer Verfassungen in allen Bundesstaaten festsetzten, ihnen einen 
vorzüglichen Antheil an der Landstand schaft zusicherten. 

Von der AusfQhrung dieser Beschlüsse versprachen sie sich einen Ein- 
iluss auf die Landesgesetzgebung der ihnen — im Zusammenhalt mit den 
Beschlüssen der deutschen Bundesacte — eine ausreichende Wahrung ihrer 
Rechte und Interessen zu sichern schien. 

In solcher Weise stand die Verfassungsfrage im Zusammenhang mit den 
Sonderinteressen der ehemals Reichsunmittelbaren. 

Indessen war ihnen ein anderes Interesse mit der Gesammtheit der 
Landesbevölkerung gemeinsam, in Folge des Ganges der Finanzverwaltung 
des Grossherzogthnms, wobei sich der natürliche Zusammenhang zwischen 
politischen Freiheitsbestrebungen und der Entwickelung finanzieller Zu- 



29 

stünde, den die Geschichte des öffentlichen Lebens der Staaten so vielfach 
bekundet, deutlich erwies. 

Die in den einzelnen Landestheilen nach der Auflösung des Reichs- 
Terbandes bestandenen öffentlichen Abgaben waren Ueberlieferungeu einer 
Zeit, in welcher die Macht der Regierungen in Bezug auf die Besteuerung 
durch Gesetze, Verträge und Herkommen mannigfachen Beschränkungen 
unterlag, die einmal eingeführten ständigen Lasten festgehalten wurden und 
neue nur bei besonderen Anlässen sich an die bestehenden ansetzen konnten, 
daher das Abgaben- oder Steuerwesen, abgesehen von ausserordent- 
lichen und vorübergehenden Massregeln, vorherrschend stationär war. Man 
traf daher in jedem der einzelnen Territorien, aus welchen das Gross- 
herzogthum gebildet war, meist nur Zustände, an welche die Abgaben- 
pflichtigen von lange her gewöhnt waren. 

Die Verschiedenheit der Abgaben war sogar nach Gattung, Anlage 
und Höhe noch grösser als die Menge der neuen Bestandtheile des Gross- 
herzogthums, indem mehrere derselben aus einer Anzahl von Gebieten zu- 
sammengesetzt waren, die früher verschiedenen Landesherm gehorcht hatten, 
in denen daher auch verschiedene Arten der Besteuerung vorkamen. 

Das Einkommen aus allen Landestheilen, nach Abzug der provinziellen 
Aasgaben, war in Folge der Kriege von 1805, 1806 und 1809 und der 
Entsendung eines Corps nach Spanien, zur Bestreitung des Staatsaufwandes 
unzureichend, die Belastung der einzelnen Landestheile mit dirccten und 
indirecten Steuern, welche ausser den Domänen und Domanialgcfallen die- 
ses Einkommen lieferten, im Verhältniss zu den finanziellen Kräften der 
verschiedenen Steuerverbände sehr ungleich, die Finanzverwaltung, in Folge 
der zahlreichen Menge au Umfang ungleicher Gebiete, die ihre eigenthüm- 
lichen, vielfach von einander abweichenden Einrichtungen hatten, äusserst 
verwickelt und schwierig. Man fühlte das Bedürfniss einer den Grund- 
sätzen der Gerechtigkeit entsprechenden, verhältnissmässig gleichen Ver- 
theilung der zur Deckung des Staatsaufwandes erforderlichen öffentlichen 
Auflagen und einer gleichförmigen, Ordnung und Regelmässigkeit bedin- 
genden, einfacheren Verwaltung. 

Dieses Bedürfniss beschloss man durch die Einführung eines allge- 
meinen Steuersystems für das ganze Grossherzogthum zu befriedigen. Da 
aber die Vorbereitungen hiezu geraume Zeit erforderten, dauerten die in 
den einzelnen Landestheilen bestehenden verschiedenartigen Verhältnisse 
im Wesentlichen noch bis zu den Jahren 1811 — 15 fort, indem mittlerweile 
nur der erhöhte Staatsbedärf theilweise durch vorübergehende allgemeine 
Auflagen, wie namentlich durch eine Einkommensteuer, und der wachsende 
Druck der Staatslasten durch Creditoperationen und Verwendung von 
Grundstockvermögen, Domänenerlös und anderem Eigenthum gemildert ward. 
Im Jahre 1812 begann aber der Vollzug dieser Reformen. Noch ehe die im 
Jahre 1810 begonnenen Vorarbeiten zu der Einführung des neuen directen 
Steuersystems, nämlich die Aufstellung eines Katasters zur Erhebung der 



80 

Grund-, GcfHll- und HäuBcrstcnern — an welche sich die Gewerbesteuer an- 
schliessen sollte — vollendet waren, wurde 1812 die allgemeine Zollordnung, 
das Obmgeldgesetz und die Accisordnung, welche nebst dem bereits im 
ganzen Lande eingeführten Salzmonopole die Hauptbestandtheile des indi- 
recten Steuersystems bildeten, zum Vollzüge gebracht. 

Diese Massregel war mit der Aufhebung des bunten Gemisches der 
in den einzelnen Landestheilen bisher bestehenden sogenannten indirecten 
Abgaben verbunden. 

An die Stelle der zahlreichen Zollstationen des Landes, welche die 
Erinnerung an die frühere territoriale Zerrissenheit bewahrten, und den 
inneren Verkehr belästigten, trat ein Grenzzollsystem und die Erhebung 
von Einfuhr-, Durchgangs- und Ausgangs-Zöllen. 

An die Stelle der in fast allen Landestheilen bisher in Geltung ge- 
standenen Abgaben von Getränken, welche nach den verschiedenartigsten 
Tarifen und Bestimmungen von der Consumtion geistiger Getränke in Gast- 
häusern und Schenken erhoben wurden, traten die in der Ohmgeldsordnung 
bestimmten Steuern, und an die Stelle der in mehreren Landestheilen ein- 
geführten Verkehrs- oder Verkaufsabgaben (Pfundzölle) die Besteuerung 
des allgemeinen Verbrauchs einer Reihe von Gegenständen durch Auflagen, 
die bei deren Erzeugung oder bei ihrer Bestimmung zur Consumtion zu 
erheben waren. 

Ausserdem wurden, ebenfalls unter dem Namen der Accise, Steuern 
von Erbschaften, von Schenkungen und Liegenschaftsverkäufen angeordnet. 

Das im Jahre 1812 angenommene Steuersystem erhielt mit wenigen 
Modificationen (Aufhebung der Mahlsteuer und einiger Accisgattungen 
von minder erheblichem Betrage) einen dauernden Bestand und besteht 
noch jetzt, nachdem an die Stelle der isolierten Zolleinrichtungen im 
Jahre 1835 die Theilnahmc an dem grossen deutschen Zollverein 
trat^ im Uebrigon in seinen wesentlichen Grundzügen und principiellon 
Grundlagen. 

Seine Einführung konnte aber nicht verfehlen, schon in Folge der 
Nachtheile, die sich jedenfalls an solche weitgreifende Veränderungen eines 
längst gewohnten Zustandes in einer kurzen oder längeren Uebergangs- 
pcriode knüpfen, auf die allgemeine Stimmung einen ungünstigen Eindruck 
zu machen. 

So war zwar die Einführung eines Grenzzollsystems zur möglichsten 
Abwehr nachtheiliger Einflüsse der Mautheinrichtungen, mit denen Nach- 
barstaaten vorangegangen waren, geboten, und überdiess, im Vergleich mit 
der Masse der früher bestandenen, den inneren Verkehr hemmenden Zoll- 
schranken, eine wesentliche Verbesserung, dagegen wurden nun im auswärti- 
gen Verkehr manche Verbrauchsgegenstände mit höheren Abgaben belastet, 
der Handel, in Folge der Unterscheidung von Einfuhr, Durchfuhr und 
Ausfuhr, früher nicht gekannten Formalitäten unterworfen, und diese Er- 



81 

schwerungen des auswärtigen Verkehrs wurden sogleich fühlbar, während 
die Vorthcilc des veränderten Systems sich nur allmählig entwickeln konnten. 
Auch das Ohmgeldgesetz und die Accisordnung wurden, obwohl die 
Gleichstellung sämmtlicher Landestheile in der indirecten Besteuerung ein 
nnabweisliches Gebot der Gerechtigkeit war, mit allgemeiner Ungunst auf- 
genommen. 

Dqrch die Einführung des neuen indirecten Steuersystems wurden 
allerdings einige bisher in einzelnen Landestheilen bestandene und als 
schlechthin verwerflich erkannte Abgaben, z. B. die Accise vom Verkehr 
mit beweglichen Gegenständen, abgeschafft, andere aber, die nicht überall 
eingeführt waren, wurden auf das ganze Land ausgedehnt, so dass nicht 
nur fast allenthalben, an die Stellq der gewohnten, durchgängig neue Abga- 
ben traten, sondern auch im Ganzen die Gesammtlast der indirecten Ab- 
gaben erhöht wurde. Es wurden durch diese Massregel zahlreiche Kreise 
von Producenten und die Gesammtheit der Consumenten betroffen und der 
peinliche Eindruck der Neuerung noch dadurch gesteigert, dass auch die 
Last der directen Steuern von Jahr zu Jahr mehr anwuchs, die zudem noch 
geraume Zeit nach Einführung des neuen indirecten Steuersystems in her- 
gebrachter ^Yeise in den einzelnen Landestheilen fortbestanden und deren 
Ausgleichung erst im Jahre 1815, nach Vollendung der Steuerperäquation, 
d. h. nach Aufstellung des Grund-, Gefall- und Häusersteuer-Kajtasters, voll- 
zogen werden konnte. 

Ein Hauptzweck der neuen Organisation des Steuerwesens war die 
Beschaffung der Mittel zur Befriedigung der Staatsbedürfnisse, welche be- 
sonders in den Jahren 1813 — 15 durch die höheren Anforderungen der 
Militärverwaltung und bedeutende ausserordentliche Ausgaben für diploma- 
tische Zwecke sich steigerten, ohne fortwährend zur Verwendung von Grund- 
stockvermögen, zur Contrahierung neuer Staatsanlehen und zur Ausschrei- 
bung neuer Steuern schreiten zu müssen. 

Aber in dem Di*ang der Zeit, in der bedeutende Eriegsprästationen 
den Volkswohlstand immer mehr verkümmerten und eine ungeordnete Ver- 
waltung es nie zu einem Gleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben zu brin- 
gen vermochte, schien dieser Zweck sich schlechterdings nicht erfüllen zu sollen. 
Als der Finanzminister Freiherr von Sensburg im Dezember 1815 
summarisch die Exigenz der Generalstaatskasse für die Monate December 
1815 bis mit April 1816 überschlug, ergaben sich bei 2,746,816 fl. Er- 
fordemiss nur 2,066,479 fl. Deckungsmittel, also für 5 Monate ein Deficit 
von 680,337 fl. *) 

Bei dieser Lage der Dinge war es naturgemäss, dass sich die Bevöl- 
kerung des Landes, nachdem der Friede wiedergekehrt war und sich die 
Aussicht auf ruhige Zeiten eröffnete, in denen man wohl eine Verringerung 
der Lasten zu erwarten berechtigt war, danach sehnte, eine gesetzliche 



*) Eino Boihe von Actonsiftcken ftbor dio flnanziellon Zasi&ndo in dioser Zoii thoilon wir in 
Boiligo IL mit 



32 

Regelung ihrer Leistungspflicht an den Staat und eine entscheidende Theil- 
nahme an deren Feststellung eingeführt zu sehen. 

Als nach den Yerheissungen der Bundesacte in einzelnen Staaten 
offenkundige Schritte zum Vollzüge des Art. 13 geschehen, öffentliche 
Verhandlungen hierüber gepflogen oder (wie in Weimar) Verfassungsur- 
kunden ertheilt wurden, während im Grossherzogthum Baden von einer er- 
neuten Aufnahme der durch den Krieg von 1815 ins Stocken gerathenen 
Verfassungs-Berathungen nichts verlautete, da regten sich allmählig mehr 
und mehr Unruhe und Zweifel im Lande. Von zwei Seiten, von dem in seinen 
Privilegien und Rechten gekränkten Adel und aus der Mitte des unter dem 
Drucke der St.euem, wie unter den Nachwehen der Eriegsjahre schwer lei- 
denden Bürgerstandes ertönte gegen Ende des Jahres 1815 der Ruf nach 
Ertheilung einer Verfassung. 



Drittes Capitel. 



Der erste Schritt, der aus der Mitte des Landes für Einf&hrang einer 
Verfassung geschah, war eine Eingabe von 33 Adelichen, in der mit scho- 
nungsloser Schärfe die traurige Lage des Landes geschildert war und am 
Schlüsse des umfangreichen Aktenstückes drei Bitten gestellt wurden, näm- 
lich die angekündigte Besteuerung noch zur Zeit ausgesetzt zu lassen, die 
Regelung der Adelsverhältnisse bis zu den hierauf bezüglichen Beschlüssen 
des deutschen Bundes zu verschieben und die Zusammenberufung der dem 
Lande durch §.13 der deutschen Bundesacte bestimmten Stände unver- 
schieblich zu verordnen. 

Diese Eingabe, von Sinsheim 2. November 1815 datiert, wurde dem 
Grossherzog durch eine Abordnung des unterländischen Adels überreicht 
und in Abschrift dem Finanzminister mitgetheilt. 

Bald darauf traf eine ähnliche Eingabe der Grundherren des Dreisam- 
und Wiesen-Kreises in der Residenz ein. 

Gleichzeitig wurde bekannt, dass sich auch in bürgerlichen Kreisen 
eine lebhafte Agitation gegen die neuen Steuern und für Einfuhrung einer 
Verfassung zu regen beginne. 

Zuerst war es eine Versammlung der unterländischen Geistlichkeit, 
welche eine Vorstellung an den Landesherm in dieser Richtung verabredete, 
hierauf ein Kreis von Heidelberger Bürgern, welche den Versuch machten, 
ihre Mitbürger in Stadt und Land zur Unterzeichnung einer von dem Pro- 
fessor an der Heidelberger Universität, Justizrath Martin, verfassten Adresse 
ähnlichen Inhalts zu veranlassen. 

Diesen Bestrebungen gegenüber machten sich im Rathe des Gross- 
herzogs zwei Strömungen geltend. Ein Theil seiner Rathgeber wünschte 
eine möglichste Berücksichtigung der Beschwerden und Wünsche des Adels, 
der ja doch naturgemäss die Stütze des Thrones und, sehr zum Nachtheil 

3 



34 

der Regierung, durch die, gegen seine Vorrechte ergriffenen Massregeln 
derselben entfremdet und in eine populäre Agitation geradezu gedrängt wor- 
den sei ; dieselben Männer wünschten aber auch aus eigener innersten Ueber- 
zeugung die Einführung einer Verfassung und hielten diese für das einzige 
Mittel, das gestörte Gleichgewicht im Staatshaushalt und das erschütterte 
Vertrauen zwischen Fürst und Volk wieder herzustellen. Ein anderer Theil 
aber sprach sich gegen jegliche, dem Adel zu machende Concession aus, 
sah überhaupt in dem Adel den gefährlichsten Feind der Krone und war 
dabei eben so wenig geneigt, dem Fürsten diejenigen Beschränkungen seiner 
Souveränetät anzurathen, die mit Ertheilung einer Verfassung eintreten 
mussten. 

Die Eingabe des Adels gab diesen letzteren schneidige Waffen in die 
Hand. Masslos und ohne jene Bücksicht, die unter allen Umständen der 
Fürst auch von dem ersten seiner Unlerthaneu zu erwai-ten berechtigt ist, 
abgefasst, las sie sich, wie ein Fehdebrief, den ein alter Ritterbund an einen 
gleichstehenden und gleichberechtigten Fürsten richtete; sie war nicht ge- 
eignet, eine versöhnliche Stimmung bei Grossherzog Carl hervorzurufen. 

Es erfolgte denn auch am 2. Dezember ein sehr ungnädiger Bescheid, 
mit dem diese «höchst unehrerbietige Schrift mit Missfalien, und ohne auf 
den Inhalt weiter einzugehen» den Grundherren zurückgegeben wurde, un- 
ter dem Beifügen, «dass für dieses Mal ihr respectwidriges Benehmen in 
der Ueberzeugung ohne weitere Ahndung bleiben solle, dass die Unterzeich- 
neten grösstentheils von dem wahren Inhalt dieser, von einem unkundigen 
und übeldenkenden Schriftverfasser zusammengetragenen Beschwerden nicht 
hinlänglich unterrichtet gewesen seien.» 

Gegen die bürgerlichen Verfassungskämpfer dagegen wurde eine Unter- 
suchung eingeleitet, welche, nach langer Dauer, das Resultat hatte, dass 
Justizrath Martin seine Entlassung aus dem badischen Staatsdienste nahm. *) 

Trotzdem blieb die Agitation, wenigstens in einer Richtung, nicht ganz 
erfolglos. Denn ihr, ohne allen Zweifel, ist es zuzuschreiben, dass die, auf 
25 Procent bestimmt gewesene allgemeine Steuer auf 18 Procent herabge- 
setzt und dass der Finanzrath Nebenius beauftragt wurde, «eine populäre 
Darstellung des dermnligen Abgabensystems und eine Vergleichung der 
gegenwäi'tigen Steuerperäquationsgrundsätze mit den früheren Steuerver- 
iassungen und mit den Abgaben benachbarter Staatsunterthanen» zu ver- 
fassen und durch den Druck verbreiten zu lassen. **) 

Auch dem Adel wurden einige der ihm abgenommeneu Gerechtsame 
wieder eingeräumt, den Standes- und Grundherrn das ihnen als Kirchen- 



*) Vergl. Allgemeines Stsais-Yerfastiungs-Archiv. Zeitnchrift f&r Theorie und Praxis gem&s- 
Bigter Hegiening9ronnen. Weimar 1A16. I. Bandes 3. Stflck. -> Kieler Bl&Uor Ton 1816 S. 
396 ff. 

**) Die Schrift hat den Titel: „Ueber die directe Steuer im Grossherxogthnra Baden. Von 
einem badischen Bürger.** Carlsnthe 1815. Als Gegenschrift erschien: „Kehrseite der directen 
Steuer im Orossherzogthnm Baden, aufgefasst und dargestellt von einigen badischen B&rgern 
auf den Lande. Lörrach und Woinheim. Im dritten Jahre eitler Iloffnunfen**. 



88 

patronen früher zugestandene Präseotationsrecht zurückgegeben, auch die 
Grundherrn und ihre Familienangehörigen in die, vor dem 26. November 
1809 genossenen privilegirten Gerichtsstandesverhältnisse, die sogenannte 
Canzleisässigkeit wieder eingesetzt. 

Aber auch die Yerfassungsfrage kam schon im November, und zwar 
nnmittelbar durch die Adelseingabe, wieder in Fluss, freilich zunächst nur 
ionerhalb des Cabinets, ohne dass weitere Kreise von der Aufnahme dieser 
Berathungen Kenntniss erhalten hätten. 

In der Geh. Cabinetsconferenz vom 21. November 1815 nämlich kam 
der Entwurf eines Eescriptes zur Berathung, welchen Staatsrath von Sensburg 
vorher unter den Mitgliedern in Circulation gesetzt hatte und wodurch der 
Vollzug der einzuführenden ständischen Verfassung bis auf die Resultate 
des künftigen Bundestages verschoben werden sollte. 

Es waren über diesen Gegenstand von den meisten Mitgliedern um- 
fassende gutachtliche Aeusserungen schriftlich niedergelegt worden. 

Frhr. v. Marschall sprach sich folgend ermassen aus: Die Gährungs- 
stofie, die in Deutschland weit verbreitet seien, drohten den Umsturz, be- 
sonders der kleineren Staaten, wenn man ihnen nicht jetzt gleich und ehe die 
Krankheit unheilbar werde, durch die geeigneten Mittel entgegenarbeite. 

Preussen sei der Mittelpunkt geheimer Gesellschaften, die, besonders 
durch Verbreitung von Schriften, die Regierungen der kleineren Staaten 
herabwürdigen. Die preussische Regierung begünstige, sichtbar aus eigen- 
süchtigen Absichten, die sogenannten philanthropischen Ansichten d^ Neuerer. 
Auf dem V\riener Congress habe sie ihre Plane, auf diesem Wege den Norden 
von Deutschland sich zuzueignen und im Süden die inneren Bande der 
deutschen Staaten zu lösen, sichtbar an den Tag gelegt. Sie werde diese 
Versuche bei nächster Gelegenkeit reassumieren. 

Gewaltsame polizeiliche Massregeln würden das Uebel nicht hemmen, 
sondern mehren. Man müsse den Strom in ein ruhiges Bett leiten. Das 
einzige Mittel sei freiwillige Beschränkung der Regierungsgewalt von Seite 
der Regenten, nach geläuterten Grundsätzen einer guten Staatsverfassung. 
Er verwies auf Würtemberg, auf den dort aus Schuld des Königs, «des 
herrschsüchtigsten aller Monarchen» entbrannten Kampf, auf den Schaden 
der erwuchs, indem dieser Fürst vor der Opposition des Landes zurück- 
weichen musste. 

Theilnahme und Aufmerksamkeit an den Fortschritten, welche der 
Nachbarstaat zum Ziele einer wohlgeordneten Verfassung macht, sei in 
Baden rege geworden. Bald werde man hier dem Regenten abnöthigen, was 
er jetzt noch als Wohlthat ertheilen könne. Er befürchtet fremde Ein- 
mischung, sobald in Baden Unruken ausbrächen, um so mehr als viele der 
neuen Unterthanen sich unter die alten Verhältnisse und Herrscherhäuser 
zurücksehnen. Eine gesunde Politik fordere daher gebieterisch, dass der 
Regent keine Gelegenheit versäume, um, nach eingetretenen ruhigeren 

Zeiten, sich die Herzen dieser Unterthanen durch Wohlthaten zu gewinnen. 

3* 



86 

Eine Yertagnng des vor ganz Europa in Wien geleisteten Versprechens 
werde einen schlechten Eindruck machen, jeder werde fühlen, «dass dieses 
nur ein Ausweg ist, um die Erfüllung hinauszuschieben. > 

«Nächstdem» — fahrt er fort — «ist es der Würde eines unabhängi- 
gen Regenten ganz und gar nicht angemessen, die Verhältnisse gegen 
seine Unterthanen von den Aussprüchen eines Congresses abhängig zu 
machen, auf dessen Beschlüsse auswärtige Staaten den meisten Einfluss 
haben werden. Vielmehr muss er an seinem Theile sich möglichst be- 
mühen, die Sachen dahin zu leiten, dass diese Beschlüsse, ohne die Ver- 
hältnisse der einzelnen Bundesstaaten in ihrem Innern zu berühren, sich 
bloss auf die Rechte und Verbindlichkeiten der Bundesglieder unter einander 
beschränken.» Uebrigens sei vorauszusehen, dass der künftige Bundestag 
über die Verfassungen der Einzelstaaten nichts allgemeines bestimmen 
werde, weil die grösseren Staaten sich keine Vorschriften werden aufdringen 
lassen. 

Die Vorarbeiten seien so weit vollendet, dass die Verfassung binnen 
Monatsfrist erlassen werden könnte. Binnen 5 — 6 Monaten könnte man 
die erste Ständeversammlung berufen und ihr die nöthigen Vorlagen 
machen. 

In dieser Richtung räth Marschall ein Rescript zu erlassen. 

Staatsrath v. Ealm gab seine Meinung dahin ab: Der Erlass land- 
ständischer Verfassungen sei nach den Wiener Verabredungen nicht mehr 
abzuändeyi. Auch er erwarte nur von dem, so schnell als möglich erfol- 
genden Erlass einer Verfassung (welche den redlichen Theil des Volkes 
über seine gerechten Erwartungen beruhigen, den unruhigen, missvergnügten 
und aus Egoismus intriganten Personen aber eine Abfertigung geben würde, 
wodurch ihre fortgesetzten Machinationen zum strafbaren Vergehen werden) 
Sicherheit, Ruhe und Glück für den Landes-Regenten, Sicherheit für das 
Eigenthum, Wohlstand für das Land. 

Staatsrath von Sensburg erkennt zwar an, dass die landständische 
Verfassung realisiert werden müsse: 

1. weil sie, wenn sie wohl organisiert ist, dem Lande und dem Landes- 
herm frommt, 

2. weil sie schon als eine Fundamentaleinrichtung des deutschen Bun- 
des-Staates in Wien ausgesprochen wurde, 

3. weil S. K. Hoheit sich in einer officiellen Note bereits dafür pro- 
nonciert haben. 

Aber er hält es unbedingt, besonders wegen der herrschenden Gährung, 
für zweckmässig, die Berufung der Stände und den Erlass einer Verfassung 
zu verschieben, bis der Bundestag die Direction für ein allgemein giltiges 
Vorgehen gegeben habe. 

Das Beispiel Würtembergs führt Sensburg für seine Ansicht an; durch 
eine voreilig ertheilte Constitution sei jetzt dort die Staatsgewalt förmlich 
gelähmt. Er führt femer für sich die Eingabe der grundherrlichen Depu- 



37 

tirten an, welche, mit Hinweis auf künftige Verfägungen des Bundestages, 
von Kcicksadel, Immunitäten u. s. f. spreche und dem Regenten geradezu das 
Recht bestreite, jetzt schon in Steuersachen Normen zu geben. 

Der Schluss seines Votums, das die entschiedenste Abneigung gegen 
coDstitutionelles Wesen athmet, empfiehlt den Erlass einer Erklärung des 
Begenten, dass und warum vorerst die Proclamation einer landständi- 
schen Verfassung unterbleibe. 

Staatsrath Guignard ist der Ansicht, die ständische Verfassung könne 
nicht in's Leben treten, bevor nicht die bisherige — durch die ver- 
schiedenen Constitutionsedicte und andere landesherrliche Verordnungen und 
durch die Organisation v.J. 1809 — bestimmte Landesconstitution revidiert 
und in einen natüi'lichen Zusammenhang mit der ständischen Verfassung 
gebracht sei. 

Dadurch werde verhindert, dass die Stände, welche die Rechtmässig- 
keit und die Bedingungen ihrer Existenz nur aus der Constitution ableiten 
sollen, über eine erst zu entwerfende oder erst zu bestimmende Constitution 
absprechen. 

Also erst diese Vorarbeiten seien zu machen und in dei^ grossherzog- 
lichen Erklärung darauf zu verweisen. 

Bei der Abstimmung blieb Frhr. v. Marschall auf seiner Ansicht stehen, 
die Einrichtung einer landständischen Verfassung nicht von den künftigen 
Verhandlungen der Bundesversammlung zu Frankfurt abhängig zu machen und 
bis zu Bekanntwerdung der etwaigen Resultate derselben in dieser Hinsicht 
ausgesetzt sein zu lassen, sondern jetzt gleich einen Termin von etwa zwei Mo- 
naten zur Publication der ständischen Verfassung, nach vorgängig in dieser 
Zwischenzeit erfolgter Vollendung der hiezu noch nöthigen Vorarbeiten, und 
sodann einen weiteren Terrain von ohngefahr sechs Monaten zur wirklichen 
Einberufung der Stände in dem dermalen zu erlassenden Rescript festzusetzen. 

Die Bedenken von Sensburg seien auf alle und jede landständische 
Verfassung anwendbar, bewiesen also für den vorliegenden Fall zu viel. 
Indem die Bundesacte jedem Bundesstaat überlassen habe, die Ver- 
fassung seinen physischen und politischen Verhältnissen anzupassen, sei 
nicht zu befürchten, dass der Bundestag eine Zurücknahme bereits erfolg^r 
Bestimmungen veranlassen werde. Zudem könne der Grossherzog die Bun- 
desacte nicht als Motiv des Aufschubes früher ausgesprochener, freiwilliger 
Zusicherungen öffentlich anführen, da er sie noch gar nicht formlich aner- 
kannt habe. 

Frhr. v. Berckheim tritt dieser Ausführung bei. Die Note vom 1. De- 
cember 1814 an Gestenreich und Preussen binde den Grossherzog vor 
Europa und vor seinen eigenen Unterthanen. Auch er verweist auf die 
noch nicht erfolgte Anerkennung der Bundesacte, «die anzuerkennen dem 
Grossherzog so lange nicht angerathen werden könne, als er in derselben 
auf eine, den königlichen Vorrechten seines Hauses nicht entsprechende 
Stufe gesetzt bleibe.» 



38 

Den Einflusa des Bundestags auf die innere Verfassung der Bundesstaaten 
«dürfe man ja nicht provociereu, sondern im Gegen thcii standhaft zu ent- 
fernen suchen.» Daher sei er für sofortige Erklärung, dass in bestimmter 
Zeit eine Verfassung werde erlassen werden. 

«Um jedoch der Influenz der Bundesversammlung und eines etwaigen 
Bundesgerichtes, deren Einwirkung auf die Modali taten der landständischen 
Verfassung gewiss nicht zum Vortheil des Landesherm sein dürfte, einen 
festen, undurchdringlichen Damm entgegen zu setzen,» möchte eine 
Landesbehörde (etwa das Oberhofgericht) bei Differenzen zwischen Landes- 
herrn und Ständen zum entscheidenden Richter bestellt werden. 

Frhr. v. Ealm stimmt im Allgemeinen wie die Vorigen. 

Staatsrath Wielandt beantragt, aus ähnlichen Motiven, namentlich 
auch wegen der im Lande herrschenden, zum Theil von Aussen her im- 
portierten Aufregung und Unruhe der badischen Staatsangehörigen, Be- 
rathungen, welche den Entwurf einer landständischen Verfassung mit den 
übrigen Constitutionen in Einklang bringen und namentlich den Übeln Fol- 
gen der ständischen Widersetzlichkeit steuern. Er billigt v. Berckheims 
Vorschlag, das Oberhofgericht als Gerichtshof bei ausbrechenden Conflicten 
zu erklären und fügt den weiteren hinzu, es sollen bei Streitfragen, welche 
Steuern betreffen, bis zur Entscheidung, die alten Abgaben forterhoben 
werden. Endlich stellt er den Antrag, ein Rescript zu erlassen, worin diese 
Berathungen und deren Vollendung bis zu einem bestimmten Termiix 
angekündigt werden, an dessen Ende der Zeitpunkt der wirklichen Ein- 
berufung der Stände werde proclamiert werden. 

Staatsrath Guignard stimmt wie Wielandt. Während der Vorarbeiten 
könne man die Gegenstände und den Gang der Verhandlungen des Bundes- 
tags beobachten und manches Interessante abstrahieren. 

Staatsrath von Sensburg kann nicht, wie jene, zu einer isolierten 
Stellung des Grossherzogs, dem Bundestag gegenüber, rathen. Er bleibt 
auf den Ansichten seines schriftlichen Votums und Rescript-Entwurfes stehen. 

Am 23. November Abends wurden dem Grossherzog sämmtliche Vor- 
träge und Abstimmungen zur Resolutionsfassung nach Stuttensee, wo er 
sich damals aufhielt, übersendet. 

Indess yergieugen Monate, bis nach irgend einer Seite hin eine Ent- 
scheidung erfolgte. 

Erst am 16. März 1816 ergieng das nachstehende Grossherzogliche 
Rescript : 

Wir Carl von Gottes Gnaden etc. 
Mit der wiederhergestellten Ruhe und Ordnung in Europa ist auch 
der Zeitpunkt erschienen, der Uns erlaubt, die künftigen verfassungs- 
mässigen Rechte Unserer Unterthanen näher festzusetzen und ihnen 
eine sichere Grundlage und Garantie zu geben. Wir sind überzeugt, 
dass Wir diese Rechte nicht dauerhafter begründen und zugleich Un- 



89 

sere üoierthanen aller Classen über ihr Verhältniss gegen Uns und 
Unsere Behörden und über Unsere Regierungs-Grundsätze mit beru- 
higenderem Zutrauen erfüllen können, als durch die Einführung einer 
landständischeu Verfassung in Unserem Grossherzogthum. Wir 
haben bereits hiezu die nöthigen Vorarbeiten angeordnet, und diese 
sind soweit gediehen, dass Wir, nach angehörtem Staatsrath, beschlossen 
haben, dass auf den 1. August d. J. die erste ständische Versammlung 
Unseres Grossherzogthums eröffnet werden solle. 

Carlsruhe, den 16. März 1816. 

Carl. 
Auf S. K. H. besondem höchsten Befehl 
vdt Frh. von Hacke. Bing. *) 

Diese Eröffnung, in der ein bestimmter Termin für die Berufung der 
Landstände bezeichnet war, war zwar einerseits wohlgeeignet, zur Beruhigung 
der aufgeregten und bekümmerten öffentlichen Meinung des Landes beizu- 
tragen, andererseits aber erhielt das festgewurzelte Misstrauen gegen Ein- 
sicht und guten Willen der Eegierung durch den Umstand neue Nahrung, 
dass in dem Rescript zwar von Vorarbeiten die Bede war, die in der zu- 
künftigen Verfassung dem Volke einzutäumenden Rechte aber nur in einer 
ganz allgemeinen Andeutung erwähnt wurden. 

Besonders der Adel des Landes fühlte sich durch diese unklare Aus- 
drucksweise beunruhigt, da er aus derselben die Wahrscheinlichkeit ent- 
nahm, es werde die Begierung einseitig, ohne seine Vorschläge, Bechtsan- 
schauungen und Ansprüche zu hören und zu prüfen, mit der Erthcilung 
einer Verfassung vorgehen und die kürzlich erfolgten Zugeständnisse als 
eine Art Abfindung des Adels ansehen. 

Es blieb ihm ferner nicht verborgen, dass jene Zugeständnisse, so un- 
genügend sie ihm selbst erscheinen mochten, dennoch von andern Classen 
der Bevölkerung als wichtig und bedeutsam genug betrachtet wenlen 
könnten, um dadurch auf ein Einvernehmen des Adels mit der Begierung 
zu schliessen und Misstrauen gegen die gemeinnützige Gesinnung des Adels 
zu hegen. **) 

In Folge solcher Erwägungen vereinigte sich am Ende des März 1816 
die Bitterschaft der Main- und Tauber-, Neckar-, Pfinz- und Enzkreise un- 
ter sich und mit dem Stellvertreter des Fürsten zu Salm-Beifferscheid- 
Krautheim, dem Grafen zu Waldeck und Pyrmont, zu einem gemein- 
schaftlichen Vorgehen. Ihre Bevollmächtigten — ausser dem Graten Waldeck 



*) BegieningsblaU 1816 Kr. VIU. 
**) Vergl. OetchichtUche Darstellung der Schritte, weleUb mr Vorbereitung einer reehtsbe- 
»tändigen Verfusnng des Orosshcrxogthnms Baden im Namen des Fttrsten xu Salm-Beifferscheid 
und der rormals reichsnnmittelbaren Bitterschaft der Main- nnd Tauber-, Neckar-, Pflna- und £nz- 
Kreise geschehen sind, so wie der darauf Ton Seiten der Grossh erzogliehen Begierang ergrifenem 
Maiwregela. Nebst den daxo gehörigen ActenstOeken. April und Mal 1816* 3 Heft«. 



40 

noch die Freiherrn Sigmund von Gemmingen, Carl vonRacknitz, Ferdinand von 
Sturmfeder, Max von Berlichingen — erliessen am 31. März eine Vor- 
stellung an den Grossherzog, in der sie zwar die Zurückgabe der 
Patronatsrechte und des privilegierten Gerichtsstandes mit Dank anerkannten, 
jedoch gegen einseitige landesherrliche Declarationen über ihreBechteim Allge- 
meinen Protest erhoben. Sie erklärten, nur ein solches Verhältniss als ge- 
setzlich betrachten zu können, welches durch ihre freie Einwilligung 
begründet werde ; sie seien ausser Stand, ihre Existenz Verhältnissen anzu- 
vertrauen, welche durch einzelne Umstände, individuelle Ansichten oder 
Persönlichkeiten die Rechte der Einzelnen, ja oft des ganzen Staatsver- 
bandes der Unsicherheit überliefern. Sie erkennten daher — fahren sie fort 
— in dem Versprechen, eine landständische Verfassung ertheilen zu wollen, 
den Beweis, dass auch dem Grossherzog die traurigen Folgen nicht ent- 
gangen seien, welche solche fernere Ungewissheit im Staatshaushalt für das 
Volk habe und glaubten, dass der Grosshorzog das Bekenntniss nicht miss- 
deuten werde, dass sie die Verbindung des Begenten und der Unter- 
thanen nur dann als gesichert betrachten können, wenn ein mit dem Gross- 
herzog abgeschlossener freiwilliger Staatsvertrag die gegenseitigen Bechte 
und Pflichten festsetze. Sie bitten daher um möglichst baldige Versamm- 
lung der Vertreter des Volkes, damit durch sie die Verhältnisse aller 
Staatsangehörigen berathen und mit ihnen geordnet werden. 

Diese Eingabe erregte die höchste Entrüstung der Bathgeber des 
Grossherzogs. Schon am 9. April wurden die Freiherrn von Gemmingen 
und von Backnitz, welche, jener als Major, dieser als Bittmeister, den Offl- 
ciers k la Suite angehörten, aus deren Liste ausgestrichen, der Ereisi*ath 
Frhr. von Berlichingen aus dem Staatsdienst entlassen und ihm der Eammer- 
hermschlüBsel abverlangt. Am 10. April versagten die Minister von Hacke 
und von Berckheim dem Grafen Waldeck und dem Frhn. von Gemmingen selbst 
eine Unterredung. 

Daraufhin Hessen am 14. April 27 unterländische Adeliche eine Er- 
klärung an den Grossherzog abgehen, in der sie anzeigen, «dass sie den 
Freiherren von Gemmingen, Berlichingen, Backnitz und Sturmfeder eine, bis 
zur Einführung der landständischen Verfassung dauernde General- Voll- 
macht ausgestellt haben, alle diensamen Schritte zu thun, um ihnen eine 
feste und zweckmässige staatsrechtliche Existenz für ihren Stand zu er- 
wirken,» und für die des Dienstes Entlassenen eine gerichtliche Unter- 
suchung verlangen. 

In einer Eingabe vom 15. April führten endlich die genannten vier Be- 
vollmächtigten und der Graf zu Waldeck aus, dass der Adel nichts Aus- 
schliessendes für sich suche, sondern nur die grosse Angelegenheit des 
Vaterlandes in's Auge fasse. 

Am 27. April und am 4. Mai fanden in dieser Sache Ministerialcon- 
ferenzen statt. Staatsrath von Sensburg beantragte, den von ihm verfassten 
Entwurf einer ausführlichen Beantwortung an die Petenten ergehen zu lassen 



41 

und gegen die anter denselben befindlichen Staatsdiener ernste Massregeln 
za ergreifen, während die Staatsrathe Meier und Wielandt ihnen vorerst 
nur Verwarnungen erthcilen wollten. Indess drang die erstere Ansicht 
durch, den Petenten wurden ihre Gesuche zurückgeschickt, ihre Anmassung 
verwiesen ; sie wurden aufmerksam gemacht, dass sie, wie alle andern Staats- 
angehörigen, Untert hauen seien, und dass es lediglich von der Gnade 
und dem Gutdünken des Regenten abhänge, ihnen bei der ständischen 
Landesrepräsentation formelle Auszeichnungen in der Wahl und Zahl zu 
gewähren. Desshalb lasse der Grossherzog sämmtliche Unterzeichnete 
warnen, sich alles weiteren, unzeitigen und Aufsehen erregenden Zusammen- 
sitzens und Berathens über aiTogante Petitionen der Art zu enthalten und 
die Constitutionen en Normen, besonders in Beziehung auf die landständische 
Verfassung, nach dem zum höchsten Wohlgefallen gereichenden Beispiel der 
übrigen Unterthanenclassen ruhig und geziemend abzuwarten. Was die 
Dienstentlassungen betreffe, so beziehe man sich lediglich auf das orga- 
nische Edict vom 14. November 1809. 

Der Hof rieht er Freiherr von Zyllnhardt und der Oberkammerjunker 
Freiherr von Venningen, Intendant des Mannheimer Hoftheaters, welche 
beide die Eingabe vom 14. April unterzeichnet hatten, wurden ihrer Dienste 
entlassen. 

Endlich erfolgte am 7. Mai ein grossherzogliches Rescript, von Staats- 
rath von Sensburg redigiert und im Regierungsblatt *) publiciert, in wel- 
chem das Verfahren der unterländischen Adelichen in schonungslosester 
Weise verurtheilt wird. 

Es heisst darin, der Grossherzog habe geglaubt, sich durch seine 
jüngsten Regierungshandlungen neue Rechte auf das Zutrauen und die 
Dankbarkeit aller Classen der Unterthanen erworben und allen einseitigen, 
voreiligen und verfassungswidrigen Petitionen vorgebeugt zu haben. Der 
grössere Theil der Standesherrn, der Adel der Ortenau, des Breisgaus und 
des Hegaus habe den Erwartungen entsprochen, die der Grossherzog von 
dem Stande hegte, der seine Rechte auf verfassungsmässige Ehrenauszeich- 
nung durch höhere Bürgertugenden zu begründen berufen sei. Nicht minder 
habe der gesammte Bürgerstand in allen Theilen des Grossh erzogt h ums in der 
letzten Zeit neue Beweise seines Zutrauens in die landesherrlichen Anord- 
nungen, neue Beweise der Treue und Anhänglichkeit gegeben, die er auch 
unter dem Drucke der vergangenen, schweren Zeiten bewährt habe. Desto 
mehr hätten die Umtriebe einer Gesellschaft irregeleiteter Adelichen im 
Kraichgau, im Odenwald und in der Pfalz, so wie der Geist, der aus 
ihren Vorstellungen spreche, des Grossherzogs gerechtes Missfallen erregen 
müssen. 

Schliesslich erklärt der Grossherzog, dass er die Rechte der Grund- 
herren auf Grundlage der Wiener Bundesacte regulieren werde, sowie 



*) Bdgierangsblatt Ton 1816 Nro. XIY. 



42 

die nähere Bestimmung, deren dieselbe noch bedarf, mit sämmtlichen Bun- 
desgiiedern verabredet sein werde; dassjer «ich darüber weder mit Einzelnen, 
noch mit Standesd eput ir t en überhaupt einlassen könne, noch werde; 
dass er insbesondere nie von dem Grundsatz der gleichen Vertheilung aller 
Staatslasten auf alle Unterthanen ohne Unterschied des Standes abzuweichen, 
dnss er keinem Stande ein vorzügliches Recht auf Mitwirkung zur Her- 
stellung einer landständischen Verfassung einzuräumen gedenke, und dass 
er abermals wiederholte Anmassungen «auf das Nachdrucksamste» ahnden 
werde. «Wir erwarten» — so ist der Schluss dieses Actenstückes — «von 
allen ünsern Unterthanen jeden Standes, dass sie vertrauensvoll und mit 
Ruhe der Entwicklung jener Begebenheiten entgegen sehen werden, von 
welchen die feste Bestimmung der künftigen Landesverfassung abhängt.» 



Viertes Capitel. 



Im Laufe des Sommers 1816 wurden zwei neue Yerfassungsentwüi fe 
ausgearbeitet und dem Grossherzog vorgelegt. 

Verfasser des ersten war der Stnatsrath vcn Senshurg. Dieser, ein 
Mann von vielen Fähigkeiten, ein guter Jurist, wie sie das alte Reich wohl noch 
hervorbrachte, war aus bischöflich - speyerischen Diensten bei der Seculuri- 
sation in badische übergegangen. Er war nicht ohne Einfluss auf den 
Grossherzog, dem seine barsche Art, besonders dem Andrängen des Adels 
gegenüber, wohl zusagte. Das constitutionelle Wesen hat an ihm weder 
jetzt, noch später einen Freund gehabt. Der Entwurf, den er zum Vollzug 
des Bescripts vom 16. März 1816 ausarbeitete, unterschied sich denn auch 
sehr wesentlich von den Vorschlägen des Freihen'n von Marschall und der 
ersten Verfassungs-Commission. Das Recht des Landesherrn war in dem 
neuen Entwuif auf der ausgedehntesten Grundlage aufgeführt, die land- 
ständischen Rechte erhielten die denkbar geringste Ausdehnung. 

Das Einkammersystem, das er in Antrag brachte, war ohne Zweifel 
eine nicht misszuverstehende Antwort auf das Auftreten des Adels. Folgen- 
des ist der Wortlaut dieses Entwurfes, des dritten in der Reihe der zur 
Vorlage gekommenen: 

IIL Entwurf. 

Wir Carl von Gottes Gnaden etc. etc. 

In Rückerinnerung an das Vorhaben Unseres geehrten Grossvaters und 
Regier ungs vorfahrei*8 , des in Gott ruhenden Grossherzogs Carl Friedrich 
und in Gemässheit Unserer Vorverheissung vom 16. März dieses Jahres, 
bestimmen Wir die pragmatischen Normen und Formen der landständischen 
Verfassung in Folgendem: 



44 

§. 1. Die Landstand Schaft ist in ihrer Yersamralung eine ungetheilte Be- 
präsentation des hadischen Gesammt-Staates ; die einmal gewählten Deputir- 
ten sind nicht mehr als Districts- oder Stand es-Deputirte, sondern als Lan- 
desdeputirte zu betrachten. 

§. 2. Die Landesrepräsentation soll gebildet werden: 

a. darch die Prinzen des Grossherzoglichen Hauses , 

b. durch den künftigen katholischen Landesbischof, 

c. durch die Häupter der standesherrlichen Familien, 

d. durch Deputirte des grundherrlichen Adels, 

e. durch Deputirte des Bürger- und Bauernstandes. 

§. 3. Die Prinzen des Grossherzoglichen Hauses haben erst nach er- 
langter Volljährigkeit Sitz und Stimme ; sie üben ihr Stimmrecht in Person, 
oder durch einen grundherrlichen Bevollmächtigten aus; sie nehmen ihren 
Sitz nach dem Präsidenten. 

Sie können nur eineStimme führen; wenn sie durch ihre Besitzungen 
zugleich Standesherren sind, so werden sie in dieser Eigenschaft bis zu 
ihrer Volljährigkeit, wo sie das Stimmrecht als Prinzen antreten, und da- 
gegen das standesherrliche aufgeben, durch Vormünder, die nicht schon 
ein eigenes Stimmrecht haben, vertreten. 

§. 4. Die Standesherren sind erbliche Repräsentanten. 

Wenn sie in mehrere Linien getheilt sind, so haftet das Stimmrecht 
auf dem Haupte jeder Linie ; besteht aber in einer Linie eine Gemeinschaft 
unter mehreren, so führt der Aelteste unter ihnen, oder bei dessen Ver- 
hinderung der Nachälteste die Stimme. 

Sie müssen zur persönlichen Ausübung des Stimmrechts die Voll- 
jährigkeit erreicht haben ; bis dahjn w^erden sie durch ihre Vormünder, 
oder durch einen im Lande wohnenden adelichen Bevollmächtigten des- 
selben vertreten. 

Auch nach erlangter Volljährigkeit können sie durch einen adelicheu 
Bevollmächtigten erscheinen. 

Auch Adeliche, die keine grundherrlichen Besitzungen haben, können 
bevollmächtigt werden. 

Wer für sich schon eine Stimme führt, kann für keine weitere Stimme 
bevollmächtigt werden. 

§. 5. Der künftige katholische Bischof erhält, wegen dieser seiner 
Amtseigenschaft, ein Stimmrecht und nimmt seinen Sitz unmittelbar nach 
den Prinzen des Grossherzoglichen Hauses. 

§. 6. Die Deputirten des Adels werden von den Gruudherren aus ihrer 
Mitte durch die Mehrheit der Stimmen gewählt. 

Die Qualifikation eines Grundherrn bilden Adel und Grundbesitzungen, 
verbunden mit diesen oder jenen vogteilichen Gerechtsamen. 



45 

Die Gfundherren werden in Beziehung auf die Wahl provisorisch nach 
zwei Landesdistricten, nemlich oherhalh derMurg und unterhalb derMurg, 
abgetheilt. Jeder District hat 6 Deputirte zu wählen. *) 

§. 7. Die Wähler müssen das 25. Lebensjahr zurückgelegt haben, und 
im Lande wohnhaft sein. Die nur zeitlich abwesenden Grundherren können 
ihre Wahlstimme Andern übertragen, 

Wenn eine Familie oder eine Familienlinie die gr und herrlichen Güter in 
DDzertheilt^r Gemeinschaft besitzt, so kann nur der Aelteste solcher Linie, 
oder, bei dessen Verhinderung, der Nachälteste das Wahlrecht ausüben. 

Wenn die Güter in einem und demselben Ort unter eine und dieselbe 
Linie abgetheilt sind, so sollen nur jene von dieser Linie das Hecht zu 
einer Wahlstimme haben, welche ein Schatzungscapital von 20,000 fl. ver- 
steuern. Vermag keine derselben* ein solches Steuercapital nachzuweisen, 
so ist es wie bei ungetheilten Gemeinschaften zu halten; künftige Güterab- 
theilungen bei einer Familie geben kein Becht zu Vermehrung ihrer Wahl- 
stimme, nur für besondere Dienste und Verdienste halten Wir Uns bevor, 
diese ausnahmsweise zu verwilligen. 

Keiner kann mehr als eine Wahlstimme ausüben, wenn er auch schon 
mehrere Grundherrschaften besitzt, oder in der Folge erwirbt; eine Ausnahme 
kann nur aus besonderen Staatsrücksichten statt haben, und nur vom Regenten 
verwilligt werden. 

Weibliche Gutsbesitzer haben weder ein Wahl- noch ein Stimm- 
recht ; sind sie aber vermählt, so werden sie in Beiden durch ihre Ehevögte 
vertreten. 

§. 8. Die, welche gewählt werden, müssen das 30. Lebensjahr begonnen 
haben; sie müssen im Lande wohnen. 

An die Stelle der Gewählten, die mit Tod abgehen, oder aus sonstigen 
Ursachen aus der Versammlung treten, rücken sogleich Andere ein, zu welchem 
Ende vorsorglich bei der Hauptwahl der Deputirten eine gleiche Anzahl von 
Ergänzungsgliedem gewählt wird. 

Ein gewählter Repräsentant kann nicht mehr als eine Stimme führen. 

In Gant Gerathene können nicht gewählt werden, gleichwohl aber noch 
wählen, so lange nicht im Wege eines förmlichen Concursverfahrens ihre 
Besitzungen den Gläubigem zuerkannt, oder zu deren Befriedigung zum 
Verkauf ausgesetzt sind. 

§. 9. Die gegenwärtige Zahl der standesherrlichen und wahlfEhigen 
adelichen Familien ist nicht unveränderlich; jene kann durch Erhöhung 
zur Standesherrschaft, und gleichzeitige Ertheilung einer erblichen Viril- 
Stimme, und diese dadurch vermehrt werden, wenn der Regent sich be- 
wogen findet, einem Adelichen, der zwar keine grundherrlichen Besitzungen 
in dem §. 6 ausgedrückten strengen Sinne, aber doch sonstige bedeutende 



*) In dem Conoepi hat dieser Paragraph den Zasatx : „Dem Regenten bleibt nnbenommen, die 
Zahl der Deputirten, welche die Gmndherren in w&hlen haben, in mindern oder in mehren/* 



46 

Besitzungen im Lande hat, das Recht, zu wählen, und die Qualification, 
gewählt zu werden, zu verwilligen ; auch hleiht dem Regenten unhenommen, 
die Zahl der von den Grundherren zu wählenden Deputirten überhaupt zu 
mindern. 

§. 10. Die Repräsentanten des Bürger- und Bauernstandes werden aus 
Adelichen, die keine grundherrlichen Besitzungen haben, und aus dem Burger- 
und Bauernstande gewählt. 

§. 11. Zu dem Ende ist das Grossherzogthnm provisorisch und bis zu 
einer zweckmässigen geographischen Eintheilung der Aemter, in 41 Wahl- 
districte eingetheilt. 

Jeder dieser Districte erwählt einen landständischen Repräsentanten. 

Dem Regenten bleibt gleichfalls unbenommen, die Zahl der bürgerlichen 
Deputirten zu mindern oder zu mehren. 

Jede der beiden Universitäten Heidelberg und Freiburg ernennt gleich- 
falls einen Deputirten. 

Die Geistlichkeit der drei christlichen Confessionen wird durch drei 
Dekane repräsentiert.*) Die Dekane der evangelisch-lutherischen und refor- 
mierten Confession schicken ihre Wahlstimmen schriftlich an die evangeli- 
sche, und die Dekane katholischer Confession an die katholische Kirchen- 
Section ein. 

Die Dekane der drei Confessionen, welche die relative Stimmen- 
mehrheit haben, sind die Repräsentanten, die beiden Sectionen notifizieren 
dies dem Minister des Innern, **) damit sie mit den übrigen einberufen 
werden. 

Die Art und Weise, wie die Wahlen der Grundherren und die des Bürger- 
und Bauernstandes vorzunehmen, ist in der Anlage Ht. B. enthalten. 

§. 12. Die Wähler, deren Zahl zu 15 bis 20 in jedem District vorge- 
schrieben ist, müssen im Lande angesessene Adeliche, oder active, im Lande 
wohnhafte Bürger, und von unbescholtenem Rufe sein, das 25. Jahr zurück- 
gelegt haben, und ein Schatzungskapital von wenigstens 5000 Gulden ver- 
steuern. Sie werden von der Gesammtmasse der activen Bürger in jedem 
Wahldi&tricte gewählt. 

§. 13. Die Wahlmänner in jedem District wählen ihren Repräsentanten 
ohne Unterschied der Religion, und zugleich auf den Fall seines Absterbens, 
oder sonstigen Abganges einen Suppleanten durch die Mehrheit der Stimmen, 
nach den im Art. 7 enthaltenen besonderen Bestimmungen. 

§. 14. Die gewählten Repräsentanten müssen im Lande wohnen, das 
30. Lebensjahr begonnen haben, von unbescholtenem Rufe sein, und ein 
Schatzungscapital von wenigstens 10,000 Gulden versteuern. 



*) Dm Concept bat den Zatfttx: „Dio Wahl geschieht in der Art, dasa anch nnr die Dekane 
wählen." 



•• 



) Im Coneept: „dem Janiixminiiter.** 



47 

üebrigens sind die Wahlmänner weder auf ihren Wahldistriot, noch 
auf den BQrgerstand *) eingeschränkt ; sie können auch Personen aus andern 
Districten, ♦*) und auch Adeliche, die keine Grundherren sind, wählen. 

§.15. Die Grossherzoglichen Diener sind in der Regel wahlfähig; aus- 
genommen sind: 

1. alle Minister und Präsidenten, Cabinetsräthe und active Staatsräihe, 

2. alle Vorstände des Oberhofgerichts und der Hofgerichte, 

3. alle Lokaldiener. 

Wenn ein nicht wahlfähiger Diener in Pensions- oder Quiescentenstand 
gesetzt wird, so ist er alsdann wahlfähig. 

Zur Wahlfähigkeit eines Dieners überhaupt aber wird ein reines Ein- 
kommen von 1800 Gulden erfordert,' die Besoldung wird mit eingerechnet. 
Zu Vorträgen der Regierung und deren Erläuterung haben die Minister, 
oder die dazu abgeordneten Commissarien des Regenten zu jeder Zeit Zutritt 
in die ständische Versammlung, nur soll derselben Präsident Tags zuvor 
davon benachrichtigt werden, damit die Vorträge mit einstweiliger Besei- 
tigung anderer Geschäfte angehört werden ; sie müssen aber die Versammlung 
vor der Abstimmung wieder verlassen. 

§. 16. Die Repräsentanten werden von dem Regenten zusammenberufen; 
ohne seine Berufung ist keine Versammlung gültig. 

Sie geschieht durch Einberufungsschreiben des Regenten an die Prinzen 
des Grossherzoglichen Hauses, an den Landesbischof und an die Standes- 
herren; durch Signaturen des Justizministers an die Deputirten des Adels-, 
Bürger- und Bauernstandes, an die Deputirten der Geistlichkeit und der 
zwei Universitäten. 

Die gewählten Repräsentanten legitimieren sich* bei ersagtem Justiz- 
minister durch ihre Wahlscheine. 

Streitige Wahlen werden von der ständischen Versammlung entschieden. 
Die erste Sitzung wird jedesmal von dem Regenten selbst, oder von 
dessen Stellvertreter eröffnet; die folgenden Sitzungen werden von dem Prä- 
sidenten bestimmt. 

§. 17. Die Versammlung wählt den Präsidenten; er muss aber aus 
der Mitte derjenigen, welche Viril-Stimmen haben, und selbst gegenwärtig 
sind, gewählt werden. Ist nur einer davon gegenwärtig, so ist dieser ohne 
weitere Abstimmung Präsident Werden aber Alle durch Bevollmächtigte 
repräsentiert, dann kann jedwelches Mitglied der Versammlung zum Präsi- 
denten gewählt werden. 

Die Wahl des Präsidenten muss dem Regenten zur Bestätigung vorge^ 
leg^ werden. 

Die Versammlung wählt ferner den Secretär und das erforderliche 
Kanzlei-Personale . 



*) Im Concept: „auf einen besondern Stand.*' 

**) Im Concept: „und aas höheren Ständen wählen, nur nicht solche, die schon von höheren 
SUnden gewählt sind.'* 



48 

Der Präsident kann die Aufsicht über die Kanzlei einem andern über- 
tragen. 

§. 18. Die Mitglieder der ständischen Versammlung berathen nach ihren 
besten Einsichten das Wohl des Staates im Ganzen ; sie schwören bei dem 
Antritt ihrer Stellen: 

«Nichts mittelbar oder unmittelbar für ihre Wahl gegeben oder 

versprochen zu haben, die Landesverfassung und insbesondere das ge- 
genwärtige Gonstitutivrescript, als wesentlichen Bestandtheil derselben, 

zu handhaben, nichts dagegen zu handeln, für das Wohl des Staates 

zu arbeiten, ohne jede andere Rücksicht, als die auf das allgemeine 

Beste gerichtet ist» 

Diesen Eid leisten die, welche Yirilstimmen haben, mit Ausnahme des 
für sie nicht passenden ersten Absatzes, in die Hand des Kegenten, die 
übrigen Deputirten aber in die Hand des Justizministers. 

Jeder Repräsentant ist der gesammten ständischen Versammlung für 
seine Aeusserungen, überhaupt für sein Benehmen verantwortlich, er kann 
dessfalls durch zwei Drittel der Stimmen ausgestossen, auch je nach Befin- 
den, der gerichtlichen Behörde zur weiteren Bestrafung übergeben werden. 

An die Stelle des Ausgestossenen tritt, wenn es ein Deputirter des 
grundherrlichen Adels ist, derjenige ein, der nach ihm die meisten Stim- 
men hat, und wenn es ein Deputirter des Bürger- oder Bauernstandes ist, 
der Districtssuppleant. 

§. 19. Die Wahlen der Deputirten gelten so lange, bis der Regent an- 
dere Wahlen anordnet, doch soll längstens nach einem Verlaufe von 
acht Jahren eine andere Wahl eintreten. 

Die ständische Versammlung dauert so lange, bis entweder die Land- 
tagsgeschäfte beendigt, und sie in dieser Hinsicht von dem Regenten ver- 
abschiedet wird, oder bis der Regent aus andern Bewegursachen dieselbe 
vertagt, oder, unter Anordnung einer neuen Wahl, ganz auflöst. 

In dem ersten Falle soll längstens nach drei Jahren, in den zwei andern 
Fällen längstens nach Ablauf eines Jahres, vom Tage des Auseinandergehens 
der nächst vorherigen Versammlung, eine weitere Zusammenberufung statt 
haben. 

Geftere Einberufungen der Repräsentanten hängen von aussergewöhn- 
lichen Ereignissen, von aussergewohnlichen Bedürfnissen, und auch vom Gut- 
finden des Regenten, sich in wichtigem Staatsangelegenheiten des Raths 
der Landstandschaft zu bedienen, ab. 

§. 20. Wenn der Fall einer neuen Wahl eintritt, können die abgehen- 
den Repräsentanten wieder gewählt werden. 

Diese werden sodann statt abermaliger Beeidigung auf ihren früher 
abgelegten Eid verwiesen. 

Bei dem Absterben eines Regenten werden diejenigen Deputirten, welche 
bei dessen Lebzeiten durch die letzte Wahl erkoren worden sind, als noch 
gesetzmässig bestehende angesehen. 



49 

§.21. Die Wahlkosten werden von den einzelnen Wahldistricten, ohne 
Rückvergütung aus der Staatskasse, bestritten ; die Reisekosten za und von 
dem Versammlungsort, die Kosten des Aufenthalts während der Dauer der 
ständischen Versammlung werden zu dem neuen Steuer- Simplo, als Addi- 
tional- Steuer geschlagen, und in diesem Wege von der Staatskasse bezahlt. 
Für jeden Deputirten werden für Quartier- und Zehrungskosten 6 
Gulden pro Tag hiermit bestimmt. 

£ine8 der schliesslichen Geschäfte jedwolcher Versammlung soll sein, 
ein Verzeichniss der Kosten mit Einschluss der Rückreise zu fertigen, und 
dem Finanz-Ministerio zur Decretur auf die General Staatskasse zu übergeben. 
§. 22. Die Landtagsversammlung kann zur Vorbereitung wichtiger Ge- 
genstände einen Ausschuss aus ihrer Mitte bilden; derselben ist auch un- 
benommen, vor dem Schluss des Landtags einen Ausschuss zu ernennen, 
welcher etwa 1 Monat vor Erö&ung des künftigen Landtages zusammen- 
tritt, und sich den Vorbereitungsgeschäften unterzieht. 

Wird aber mit Verabschiedung der Versammlung zugleich eine neue 
Wahl angeordnet, so kann aus den auseinandergehenden Deputirten kein 
Ausschuss für die nächsten Vorbereitungsarbeiten ernannt werden. 

Will die Landtagsversammlung Personen, die nicht Landtagsmitglieder 
sind, zu ihren Berathungen beiziehen, so muss die Genehmigung der Re- 
gierung von dem Landtagspräsidenten vorerst dazu eingeholt werden. 

§. 23. Verordnungen und sonstige Eröffnungen des Regenten an die 
Landstände gehen in der Regel durch das geeignete Ministerium. 

In eben diesem Wege haben die Landstände ihre Erklärungen, Bitten 
und Wünsche an den Regenten zu bringen. 

Es bleibt ihnen jedoch unbenommen, in ausserordentlichen Fällen, unter 
Benachrichtigung des einschlägigen Ministeriums von dem Gegenstande, 
sich durch Vorstellungen, oder auch durch persönliche Abordnungen un- 
mittelbar an den Regenten zu wenden. 

Die nöthigen Erläuterungen in Geschäftsgegenständen haben die Land- 
stände bei den Ministerialstellen, im Wege des mündlichen oder schriftlichen 
Ersuchens zu erheben; unmittelbare Mittheilungen zwischen ihnen und 
andern landesherrlichen Stellen finden nicht statt. 
§. 24. Die Landstände haben: 

L Das Recht, Steuern zu bewilligen. 

II. Das Recht, zu ermessen, ob eine neue Staatsschuld zu contra- 
hieren sei. 

Ohne ständische Einwilligung kann keine neue Staatsschuld 
contrahiert werden. 
III. Das Recht, zu ermessen, ob dieser oder jener Domänenverkauf 
räthlich sei oder nicht. 

Ohne ständische Einwilligung sollen keine weiteren Domänen- 
veräusserungen, als in so weit solche noch zur Vervollständigung des 

Dotationsfonds der Amortisationskasse geschehen müssen, statthaben. 

4 



50 

rV. Das Recht, die Rechnungen der Amortisationskasse einzusehen, 
zu ermessen, ob die für dieses Scbuldentilgnngsinstitut in der 
Pragmatik vom 31. August 1808 vorgeschriebenen Normen 
richtig eingehalten werden, und über anscheinende Verletzungen 
Erläuterungen zu verlangen. 
*) V. Das Recht, That^achen anzugeben, und Vorschläge darauf zu be- 
gründen, worauf entweder bestehende Gesetze ganz abzuschaffen, 
oder zu modificieren, oder neue Gesetze einzuführen sein möchten. 
**) VI. Das Recht, dem Regenten einzelne und allgemeine Beschwerden 
vorzutragen, auch Staatsdiener wegen Malversationen und sonstiger 
staatsgefährlichen ***) Untreue anzuklagen. 
§. 25. ad I. Damit das landständische Recht der Steuerbewilligung 
mit geeigneter Umsicht ausgeübt werden könne, soll das Staatsbedürfniss 
nachgewiesen, die Deckungsmittel, ausser den directen Grund-, Häuser- und 
Gewerbsteuern angegeben werden, damit die Landstäude bestimmen und 
ermessen können, ob, und was an dem berechneten Bedürfniss gemindert, 
und wie gross demnach der wirkliche Bedarf sei, welcher durch directe 
Steuern gedeckt werden müsse. 

So oft der Fall einer neuen Verwilligung eintritt, muss über die Ver- 
wendung der vorher verwilligten Rechenschaft gegeben werden. 

Der Fall einer neuen ständischen Deliberation über Steuerbewilligung 
tritt ein: 

a. wenn die Regierung eine höhere, als die letzt verwilligte Steuer 
verlangt, 

b. wenn die Bedürfnisse durch Einschränkung der Administrations- 
kosten, durch den Heimfall von Apanagen und Pensionen, sich in 
einem oder mehreren Rechnungsjahren um 60,000 fl. gegen die un- 
mittelbar vorher bestandenen Bedürfnisse vermindert haben, folglich 
an der vorher bewilligten Steuer eine Verminderung, die schon für 
einzelne Steuerpflichtige fühlbar ist, statt haben kann. 

Ohne ständische Bewilligung kann keine neue Auflage gemacht, noch 
eine der bestehenden in eine andere verwandelt werden. 

§. 26. ad. n. Die pragmatische Sanction über Staatsschulden vom 
18. November 1808 bleibt in ihren wesentlichen Bestandtheilen unveränder- 
lich; nur soweit die darinnen vorgeschriebenen Formen sich auf das Gut- 
flnden und auf das Mitunterzeichnen des Justizmiuisters, auf Anhörung und 
Genehmigung des Staatsraths bezieben, fallen sie bei dem Einfluss, den 
Wir den Landständen auf Staatsschulden attribuieren, weg. 

Der Finanzminister oder dessen Stellvertreter bringt in der Versamm- 
lung der Landstände die Anleihe in Vorschlag mit bestimmter Angabe der 



*) Fehlt im Concept. 
••) Im Concept: V. 
•••) Im Concept: „Dienotiintreiie." 



51 

Rechtfertignngsursache, unter Vorlegung des in dem Ministerium über die 
BerathschTagung abgehaltenen Protokolls. 

Die Schuldverschreibung wird von dem Regenten unterzeichnet, von 
dem Finanzminister, oder dessen Stellvertreter contrasigniert, derselben wird 
alsdann die landstandische Einwilligung beigefügt, und von dem jeweiligen 
Präsidenten der ständischen Versammlung unterzeichnet. 

Schulden, welche aus der Dispositionskasse entweder des laufenden oder 
des nächstfolgenden Rechnungsjahres auf Grund des Etats des einen oder 
des andern Jahres getilgt werden können und wollen, bedürfen der land- 
standischen Einwilligung nicht. 

§. 27. ad. IIL Zu Ablösung des Lehenverbands (Allodification) und zu 
Ablösungen von Zinsen, bedarf es der landständischen Einwilligung nicht, 
weil diese Ablösungsbeträge in der Pragmatik über Staatsschuldentilgung, 
ohne Bestimmung einer Zeit, bis wohin, und ohne Bestimmung einer Summe, 
bis zu welcher, der Amortisationskasse zugewiesen sind. 

§. 28. Bei dem Einflüsse, welchen Wir den Landständen auf die Rech- 
nungen der Amortisationskasse geben, fallt der Absatz 7 der Pragmatik über 
Staatsschulden! ilguug vom 31. August 1808, als überflüssig, von selbst weg. 

§. 29. Hiermit glauben Wir die Rechtsverhältnisse Unserer Unter- 
thanen aller Classen gegen Uns und Unsere Behörden, nach Unserer Vor- 
vevheissung vom 16. März d. J., gehörig gewürdigt und befestigt zu haben. 

Wir finden aber, um Einigung und Zutrauen unter den verschiedenen 
Classen der Unterthanen unter sicn, und gegen einander zu begründen, für 
eben so wohltliätig und noth wendig, noch folgende pragmatischen Bestim- 
mungen hier ' anzuknüpfen : 

§. 30. a. Alle Unsere Unterthanen sind gleich vor dem Gesetz. 

b. Der persönliche Stand begründet keine Ungleichheit in den 
Abgaben. 

c. Alle können zu allen Stellen zugelassen werden, mit Aus- 
nahme der Hofstellen. 

d. Alle haben gleiche Militärdienstleistungspflicht. 

e. Gleich sind die Rechte der drei christlichen Confessionen. 
§.31. Wir schliessen hiermit die Grundlage, worauf die künftige Staats- 
verfassung ruhen, das Band , welches alle Unterthanenclassen zutraulicher 
an Uns knüpfen, die Elemente, welche in den verschiedenen Classen einen, 
dem Regenten und dem Staate frommenden, Gemeingeist schaffen und 
pflegen PoUen. 

Mögen die Folgen eben so entsprechend und gesegnet sein, so väter- 
lich gut die Absicht ist, die Uns bei dieser Sanction geleitet hat. 

Der zweite Entwurf, der im Sommer 1816 bearbeitet wurde und zur 
Vorlage kam, war von dem Finanzrath Nebcnius verfasst. Dieser aus- 
gezeichnete Staatsmann, der später in der Geschichte seines Heiraathlandes 

eine so hervorragende Rolle spielte und durch seine rühmliche Thätigkeit 

4« 



52 

bei Begründung des grossen deutschen Zollvereins, wie durch seine muster- 
giltigen literaischen Arbeiten weit über die Grenzen seines Vaterlandes 
hinaus bekannt und berühmt geworden ist, hatte ursprünglich juristischen 
Studien obgelegen, und auch seine erste Anstellung in der juristischen 
Laufbahn gefunden. Bald aber war man im Finanzministerium auf seine 
grosse Begabung, seine gründlichen, staatswissenschaftlichen und volks- 
wirthschaftlichen Kenntnisse aufmerksam geworden, und noch in jungen 
Jahren hatte er die Stelle eines Finanzrathes erhalten. Als solcher hatte 
er an den grossen und schwierigen Arbeiten der Reform der Steuergesetz- 
gebung einen hervorragenden Antheil genommen. Sein Chef, Sensburg, 
schenkte ihm ein unbegränztes Vertrauen und so war es natürlich, dass auch 
die so wichtige Verfassungsaugelegenheit mit ihm durchgesprochen und er- 
örtei*t wurde. 

In welcher Weise er sodann selbst bei diesen Arbeiten mitwirkte, 
darüber haben sich in seinen hinterlassenen Papieren, neben Aufschlüs- 
sen, die sich aus' Briefen ergeben, eigenhändige Aufzeichnungen er- 
halten, aus denen wir nachstehend das Bedeutendste mittheilen. Nachdem 
der Auftrag erwähnt ist, welchen Staatsrath von Sensburg vom Orossherzog er- 
halten hatte, einen Verfassungsentwurf zu bearbeiten, fährt Nebenius also fort: 

«Sensburg besprach sich hierüber mit mir, ohne Vorwissen des Gross- 
herzogs, und theilte mir seine Arbeit mit; da ich über deren Inhalt und 
Form Bemerkungen machte, bat er mich, ihm einen Entwurf zu liefern. 
Ich war hiezu bereit, wenn mir Zeit gegönnt würde, mich durch Studien 
vorzubereiten, wozu ich mir, da Sensburg selbst keine Literatur besass, die 
erforderlichen Hilfsmittel erst anzuschaffen hatte. Bald drängte er mich, 
da der Grossherzog ihn mahnte und ich musstc in wenigen Tagen meine 
Arbeit vollenden.» 

Sensburg aber übergab diese Ausarbeitung dem Grossherzog als sein 
Werk, ohne auch nur irgend einer Mitwirkung seines untergebenen Rathes 
zu erwähnen. Es war nahe daran, dass die bedeutende und für das Land 
so wichtige Arbeit dazu gedient hätte, Sensburg neue Gnaden und Aner- 
kennungen zu verschaffen, und der bescheidene Nebenius hätte ohne Zweifel 
diess mit angesehen, ohne seine Autorschaft geltend zu machen. Es sollte 
doch anders kommen. 

*Ich hatte den Entwurf, 5* erzählt Nebenius, «von dem Revisor Gerwig 
in^s Reine schreiben lassen. Als dieser mir die Abschrift brachte, war 
gerade von Holzing, der ältere, (Adjutant des Grossherzogs) bei mir. In 
seiner Gegegenwart legte ich die Scripturen auf den Tisch, an dem wir 
Sassen. Der ganze Vorgang war übrigens ohne Einfluss auf unsere Unter- 
haltung geblieben. Aber sein Sperberauge mochte einiges gelesen haben, 
ohne dass ich es gewahr wurde. 

«Nachdem ich Herrn von Sensburg meine Arbeit übergeben hatte, bat 
er mich , von der Sache mit Niemanden zu sprechen , was ich ihm zusagte. 
Einige Tage später kam eines Morgens Herr von Holzing zu mir, erzählte, 



53 

wie 8eDsbarg dem Grossberzog einen Verfassungsentwurf übergeben habe, 
den er auf dem Schreibtische des Grossherzogs habe liegen sehen. Indem 
er die Handschrift des Schreibers, Ueberschrift und Eingang überblickte, 
habe er sogleich gedacht, dass der Entwurf meine Arbeit sei und diess dem 
Grossherzog bemerkt. Auf dessen Entgegnung, dass dies unmöglich sei, 
da er dem Staatsrath von Sensburg persönlich die Arbeit aufgetragen und 
strenge Geheimhaltung geboten habe, erwiederte Holzing, dass er zugegen 
gewesen, als mir ein Schreiber die Abschrift des Entwurfes gebracht habe. 
Auf diess bin trug ihm der Grossherzog auf, mein Manuscript abzuholen, 
um sich zu überzeugen, ob er die Wahrheit rede. Ich übergab ihm das 
ursprüngliche Concept, nebst früheren, durch Correcturen theilweise ver- 
dorbenen Abschriften, jedoch nur unter der ausdrücklichen Bedingung, dass 
er den Grossherzog in meinem Namen bitten möge, nichts von der Sache 
gegen Sensburg zu äussern. 

«Ich bemerkte meinem Freunde zugleich, dass ich, von Sensburg täg- 
lich angetrieben, die Arbeit sehr übereilt hätte und eine bessere zu liefern 
bald im Stande sein wurde. Holzing brachte mir das Manuscript bald 
zurück, mit der Versicherung, dass der Grossherzog meine Bitte gewähre 
und es ihm sehr lieb wäre, von der Sache unterrichtet worden zu sein. 
Nach einiger Zeit erhielt ich von Staatsrath von Sensburg das nachste- 
hende Billet: 

Carlsruhe, 5. Juli 1816. 

«Ich ersuche Sie angelcgenst, mir bestimmt zu schreiben, ob und 
was Sie im Museum wegen des Entwurfs der landständischen Ver- 
fassung geäussert haben. Der Grossherzog hat mich gestern Abend 
darüber gefragt; aus seinen Reden und Benehmen konnte ich abstra- 
hieren, dass ihm darüber manches rapportiert worden sei. Haben Sie 
sich etwa gegen Herrn von Marschall oder gegen Herrn von Holzing 
zu weit herausgelassen? Das wäre mir, besonders in dieser Sache, die 
ohnehin mit Leidenschaft betrieben zu werden beginnt, äusserst unan- 
genehm; ich will aber von der Feierlichkeit Ihrer Verheissungen immer 
noch das Beste hofifen. 

Ihr Freund von Herzen 

Sensburg. > 

«Die erste Frage musste ich für eine Finte halten, da es mir nicht 
eingefallen war, im Museum von der Verfassungsangelegenheit auch nur im 
Allgemeinen zu sprechen. Aber ich vermuthete, dass vielleicht der Gross- 
herzog ein Wort habe fallen lassen, das Sensburg zu seiner Anfrage hatte 
veranlassen können. Ich sandte daher das Billet sogleich an Holzing mit 
erneuerter Bitte, dafür zu sorgen, dass ich Sensburg gegenüber nicht com- 
promittiert würde. Holzing antwortete: 



54 

Oos, 7. Juli 1816. 

«Lieber, theurer Freund! 
Ich habe Deinen lieben Brief gestern Abend noch dem Herrn, nebst 
Inlage, vorgezeigt; dieser Schritt war der Folgen halber nöthig. 
Indem ich Dir den Uriasbrief zurücksende, bin ich von Seiten des 
gnädigsten Herrn beauftragt. Dir zu versichern, dass liöchstderselbo 
nichts zu Sensburg sagte, was Dich compromittiren könnte und die 
ganze Sache ist, wie Du ganz richtig vermuthest. eine Finte. Ant- 
worte ihm mit dem Gefühl des rechtlichen Mannes, der seine Pflicht 
nie überschritten hat. 

Mit Hand und Herz 

Dein treuer Freund und Bruder 

Holzing.» 

«Später sagte mir Holzing, der Grossherzog habe Sensburg gefragt, 
ob er über den Entwurf nicht mit seinen vertrauten Käthen gesprochen, 
und als Sensburg diess im allgemeinen verneint, weiter fragend ausgerufen : 
«Doch wohl mit Nebenius, dem Sie besonders vertrauen?» ««Mit dem 
am allerwenigsten!»» habe nun Sensburg erwiedert, der Grossherzog 
aber hierauf sich in einer Weise ausgesprochen, welche die Besorgniss Sens- 
burgs, der Grossherzog sei von der Sache unterrichtet, erregt haben mochte.» 

Die Antwort, welche Nebenius seinem Chef gegeben, ist leider nicht 
erhalten. Von Einfluss auf den weiteren Verlauf der Arbeiten war übri- 
gens dieser Vorgang zunächst nicht. Officiell blieb Sensburg der Verfasser 
auch des zweiten Entwurfes. Der Grossherzog fand, wie es scheint, nicht 
den Entschluss, die Täuschung, die sich Sensburg ihm gegenüber erlaubt 
hatte, zu ahnden. Zur Entlassung des vielfach brauchbaren Mannes, die 
doch wohl hätte erfolgen müssen, wenn die Angelegenheit weiter erörtert 
worden wäre, war allerdings auch die sonstige Lage der Dinge .nicht ge- 
eignet. Der zerrüttete Zustand der Finanzen, die völlige Desorganisation 
des ganzen staatlichen Mechanismus machte einen badischen Ministerposten 
gerade damals keineswegs zu einem wünschenswerthen Ziele. In diesem und 
dem folgenden Jahre , haben verschiedene Personen den Eintritt in das 
Ministerium mit aller Entschiedenheit abgelehnt. 

Der Nebenius'sche Entwurf gieng von ganz andern Grundlagen aus, 
als alle bisherigen Entwürfe, indem er die Steuercapitalien als Massstab 
für die Eintheilung des Landes in Wahlbezirke und die Stärke der Ver- 
tretung anlegte. Wie Sensburg, adoptierte auch er das Einkammersystem, 
aber in ganz anderem Geiste stellte sein Entwurf die Rechte der Landes- 
vertretung fest. Dieser Entwurf, der vierte in der Reihe der seit 1814 ent- 
standenen, enthält schon eine ganze Reihe von Bestimmungen, die später in 
die noch heute geltende Verfassungs-Urkunde Aufnahme gefunden haben. 



55 

Auch durch seine Form und Sprache zeichnet er sich vor allen früheren 
vortheilhaft aus. 

Staatsrath v. Sensburg war iudess, so sehr er die hervorragende Be- 
deutung dieser Arbeit zu würdigen wusste, (was er am deutlichsten dadurch 
bewies, dass er sich selbst die Autorschaft aneignete) doch mit sehr vielen 
Einzelheiten dieses Entwurfes nicht einverstanden ; er unterzog ihn zunächst 
selbst einer zweiten Redaction, und legte ihn am 4. Juli 1816, nebsts einem 
ersten Entwurf (s. oben III. Entwurf) einer neuen Co^nmission vor, deren 
Mitglieder ausser ihm selbst noch die Staatsrätho Eichrodt und Guignard 
waren. Diese hinwiederum nahmen, unter Verwerfung des ersten Seus- 
burgbchen Entwurfes, den zweiten, der falschlich unter Sensburgs Namen 
gieng, also den durch Sensburg überarbeiteten Nebenius'schen Entwurf an, 
jedoch nicht ohne auch ihrerseits in seine freisinnigen Tendenzen mehrfache 
Lücken zu brechen. 

Ein glücklicher Zufall hat gewollt, dass dieser Entwurf in seiner ersten 
Redactiou, d. h. in der ursprünglichen Fassung, die ihm Nebenius gegeben, 
in der zweiten Redactiou, deren Aenderungeu von Sensburg herrühren und 
endlich in einer letzten Fassung, die ihm die Commission vom 4. Juli gab, 
erhalten ist. 

Der nachfolgende Abdruck ist die zweite Redactiou, wie sie jener Com- 
miiision vorgelegt wurde; in den Noten ist mit Petitschrift der abweichende 
Wortlaut der 1. Redactiou, mit Cursivschrift die letzte Fassung mitgetheilt. 

IV. Entwurf. 

Wir Carl etc. etc. 

Zum Vollzug der Unsern lieben und getreuen Unterthanen er- 
theilten landesherrlichen Zusicherung, Unserm Grossherzog th um eine 
landständische Verfassung zu geben, verordnen Wir, wie folgt: 

Erstes Capitel. 

Von der Bildung der Landstände. 
Art. 1. Zusammensetzung der Stände. 

Die Landstände bestehen: *) 

1 . Aus den Prinzen Unseres Hauses, in so weit sie zugleich Standes- 
herrn sind. 



•) 1. Bodaetion: 

1. Ans dba volljährigen Prinzen Unsere« Hftnset nnd den H&upiern der standeshrrrlichun 

Familien, nach don untenfolgenden n&heren Betftimmnngen, 
3. aus dem katholischen LandoKbischof nnd don Depntirten der Geistlichkeit, 

3. ans den Depntirten der Qrnndherrn, 

4. ans don Depntirton der ftbrigen unterthanen. 

5. Wie 7 der 2. Redaction. 



56 

2. aus dem katholischen Landesbischof, 

3. aus den Häuptern der übrigen stand esherrlicheu Familien, 

4. aus den Deputirten der Grundherrn, 
5 aus den Deputirten der Geistlichkeit, 

H. aus den Deputirten der übrigen Unterthanen, 
7. aus den Ständegliedern, die Wir Uns, unter den in Art. 2 ent- 
haltenen Beschränkungen, zu ernennen vorbehalten. *) 

Art 2. Stimmenzahl und Stimmenvertheilung. 

Das der directen Besteuerung unterworfene Vermögen und Einkommen 
bildet, wie die Anlage lit. A ausweist, die Grundlage der Stiramenver- 
theiluDg unter die weltliehen Stände. Indem wir aber den Standes- und 
Grundherrn, im Rückblick auf ihre frühem Verhältnisse, die Theilnahme an 
der Laudstaud Schaft in erhöhtem Masse sichern wollten, haben Wir die 
Stimmeuzahl festgesetzt, wie folgt: **) 

1. Die Standesherm, mit Einschluss der Prinzen des Hauses in ihrer 
standesherrlichen Eigenschaft ***), führen nach der Anlage lit. B. 
sechs Stimmen; 

2. sämmtliche Grundherrn des Landes ernennen nach lit. C. fünf 
Deputirte ; 

3. die Zahl der bürgerlichen Deputirten wird auf 41 bestimmt. 
Der Geistlichkeit der 3 Confessionen kommen, ausser dem katho- 
lischen Landesbischof, 3 Stimmen zu. f) 

f t) I^iö Zahl der von Uns zu ernennenden Ständeglieder f f f) ^o\\ das 
Verhältniss, in welchem das Steuerkapital Unserer Domänen zu jenem der 
Standes- und Grundherrn steht, und nach welchem die Stimmenzahl der- 
selben bemessen worden, nie überschreiten. 



*) In der leUten Fattung fiel Nr. 1 tpeg, Nr. 2 — 7 sind alto dort 1—6. 

*•) Bemorkang ron Nebenias: Verhältnis« des grund- und ntandesherrltchen Steuorcapital» 
zum ftbrigen wie 3: 4. Grossherzogliches DomänencspiUl stärker als sämmtliche Standes- und 
grandherrlichen Capitale. 

Die Standesherrn erhalten aaf 4 Millionen Steuorcapital 1 Stimme, 

die Omndherrn „ „ 5 „ „ n n 

die ftbrigon Unterthanen „ 6 „ „ «> n 

***) MU Ein9cMu99 — Eigenschaft fällt in der UlileH Fassung weg. 

t) 1. Redkction: 4 Stimmen. 

tt) Hier beginnt in der letzten Fassung Art. 3. 

H't) 1* Bedaotion: soll das Verhältniss nie ftberschreiten , das dnrch das Steaercapital Unserer 
Domänen nnd Domänengefälle, die Steaercapitalien der Standes- und ürnndherren und die Samme 
der den letztem in der Ständerersammlnng zustehenden Stimmen gegeben ist. Aach werden in 
jene Zahl die den Prinzen Unseres Uanses als solchen bewilligten Stimmen mit eingerechnet, inso- 
weit sie nicht schon vermöge ihrer Standesherrschaft stimmberechtigt wären. 



57 

Art. 3. Landstandschaft der Prinzen des Hauses. 

*) Die Prinzen Unseres Hauses sind nur in so weit Landstände, als sie zu- 
gleich Standesherm sind. Während ihrer Minderjährigkeit geniessen sie, in 
Ansehung der auf ihrer Standesherrschaft ruhenden Stimme, gleicher Rechte 
mit den übrigen Standesherrn. **) 

Art. 4. ***) Landstandschaft des katholischen Landesbischofs. 

Der jeweilige Landesbischof ist vermöge seiner geistlichen Würde 
Mitglied der Ständeversammlung. In dessen Ermangelung fahrt der General- 
vicar die bischöfliche Stimme. 

Art. 5. Landstandschaft der Standesherm. 

Das Stimmrecht der Standesherm ist erblich und wird von dem jewei- 
ligen Familienhaupt ausgeübt, f ) Denjenigen Standesherm, die zusammen 
nur eine Guriatetimme zu führen haben, steht es frei, sich entweder wegen 
Aufstellung eines Bevollmächtigten, nach den im Art. 35 gegebenen Be- 
stimmungen, zu vereinigen, oder in einer durch das Loos zu bestimmenden 
Ordnung von einem Landtag zum andern zu alternieren. 

Während der Mindeijährigkeit eines Standesherm haben dessen Vor- 
münder für die Aufstellung eines Bevollmächtigten zu sorgen, der die im 
Art 35 dieser Verordnung bestimmten Eigenschaften - besitzen muss. 

Art. 6. Ernennung der Deputirten im Allgemeinen. 

Die Deputirten der Grundherrn, der Geistlichkeit und des Bürger- 
standes werden von den wahlberechtigten Personen aus der Zahl der Wähl- 
baren durch relative Stimmenmehrheit mittelst geheimer Abstimmung gewählt. 

Wenn für den ernannten Deputirten nicht wenigstens ein Sechstel aller 
abgegebenen Stimmen gefallen ist, so ordnet die mit Aufnahme der Stimmen 
beauftragte Behörde eine zweite Wahl an, nach deren Vollzug auf dieses 
Verhältniss nicht weiter Rücksicht genommen wird. Bei gleicher Stimmen- 
zahl entscheidet das Loos, zu dessen Ziehung sogleich nach Eröffnung der 



*) 1. Bedaction: Die Prinzen Unseres Hannes, die zugleich SUndeöherm sind, f&hren nach 
erlangter Vollj&hrigkeii, nor in erster Eigenschaft, jeder eine Stimme. 

**) DiMer Art ßtl in der UImUh Fassung weg. 
***) 1. KedacUon: Art. 4 = Art. 5 der 2. Redaction. Art. 5 = Art 4 der 2. Redaotion. 

t) IHe 1. Uedaction hat folgenden Zusatz : Die Erhebung adelicher Familien in den Stand der 
Standesherm behalten Wir Uns eben so bevor, wie die Bewilligung nener standesherrlicher Stimmen, 
nach VerhAltnisB der Erweitemng der standesherrlichen Besitzungen. 



58 

Abstimmungs-Zettel geschritten wird, indem dieselbe Behörde für die Be- 
theiligten, welche abwesend sind, Bevollmächtigte aufstellt. 

Jeder Wahlberechtigte, welcher innerhalb des festgesetzten Termins 
seine Stimme nicht abglebt, wird dafür angesehen, dass er auf sein Stimm- 
recht für den einzelnen Fall verzichtet habe. 

Für jeden zu ernennenden Deputirten ist zugleich ein Nachmann vor- 
zuschlagen. 

Die Abstimmung geschieht durch Uebergabe eines, in Briefform zusam- 
mengelegten versiegelten Zettels, der den Namen, Stand und Wohnort des 
Deputirten und des vorgeschlagenen Nachmanns enthalten und mit einem 
Umschlag versehen sein muss. Dem letztern hat jeder Votant auf der 
Aussenseite seine eigenhändige Namensaufschrift beizusetzen, und die Grund- 
herrn und Dekane hoben noch insbesondere den Umschlag ihres Abstim- 
mungszettels mit ihrem eigenen Siegel und resp. Petschaft zu verschliessen. 

Wenn derjenige, welcher die relative Stimmenmehrheit erhalten hat, 
die gesetzlichen Eigenschaften nicht besitzt, oder verliert, die Stelle eines 
Deputirten ausschlägt, oder stirbt, oder endlich von einem andern Bezirk 
mit einer grössern Stimmenzahl als Deputirter ernannt würde, so tritt der- 
jenige an seine Stelle, der unter sämmtlichen übrigen vorgeschlagenen 
Deputirten und Nachmännern die meisten Stimmen erhalten hat und wähl- 
bar ist. 

Die Stimmen, die für die nemliche Person als Deputirten und Nach- 
mann gefallen sind, werden alsdann bei Berechnung der relativen Stimmen- 
mehrheit zusammengezählt. Wenn in diesem Falle keiner der Vorgeschla- 
genen ein Sechstel sämmtlicher gefallenen Stimmen für sich hat, so ordnet 
die mit Bekanntmachung der Wahlen beauftragte Behörde einen neue 
Wahl an. 

Art. 7. Anordnung und Leitung der Dejjutirtenwahlen 
und Bekanntmachung der Resultate derselben. 

Die Wahlen der Deputirten werden von Uns angeordnet und von 
Unserm Ministerium des Innern^ theils unmittelbar, *) theils durch die Kreis- 
directorien und Aemter geleitet. Die Abstimmungstermine für die Grund- 
herrn und Decane werden von demselben durch das Regierungsblatt bekannt 
gemacht. 

Diejenigen Unterbehörden, welche mit Aufnahme der Abstimmungen 
zum Zweck der Deputii-tenwahl beauftragt sind, haben an dasselbe die Wahl- 
protokolle, mit sämmtlichen Votis und den zu erhebenden Nachweisungen 
über die gesetzlichen Eigenschaften der gewählten Deputirten, einzusenden. 



•) Letzte Äenderung: iheih von Unsenr für landstau dische Angelegetihftten überhaupt tmannten 
HofcommiS9ion. 



r 



59 

Wenn die Wählbarkeit der letztern keinem Anstände unterliegt, so 
macht Unser Ministerium des Innern *) die gotroflfene Wahl durch das 
Regierungsblatt bekannt. 

Im entgegengesetzten Falle sind dem nicht gehörig qualificierten Ge- 
wählten die gesetzlichen Mängel zu eröffnen, und, wenn derselbe nicht 
widerspricht, nach den am Schlüsse des vorhergehenden Artikels enthaltenen 
Bestimmungen, das ihm in der Stimmenzahl zunächst stehende, wählbare 
Individuum in die Liste der Deputirten zu tragen, oder nöthigenfalls eine 
weitere Wahl anzuordnen. 

Erfolgt von Seiten des ernannten Deputirten, dessen Wählbarkeit in 
Zweifel gezogen wurde, ein Widerspruch, so behalten Wir uns die Ent- 
scheidung nach den in gegenwärtiger Verordnung gegebenen Bestimmungen 
bevor, werden aber der Ständeversammlung darüber die nöthigen Mit- 
theilungen machen. 

Art. 8. Stimmrecht und Wählbarkeit im Allgemeinen. 

1. Das Staatsbürgerrecht ist die erste Bedingung der Stimmfähigkeit 
und Wählbarkeit. 

2. Wer bei der Wahl der Grundherrn und der Geistlichkeit stimmfähig 
oder wählbar ist, kann weder bei der Wahl der bürgerlichen Wahlmänner 
ein Stimmrecht ausüben, noch als Wähler oder Deputirter des Bürgerstandes 
gewählt werden. 

Adeliche Staatsbürger, welche nicht einer grundherrlichen Familie an- 
gehören, die bei der Wahl der grundherrlichen Deputirten ein Stimmrecht 
auszuüben hat, sind bei der Wahl der bürgerlichen Deputirten stimmbe- 
rechtigt und wählbar. « 

3. Alle Diejenigen, welche in landesherrlichen, standesherrlichen oder 
grundherrlichen Diensten stehen, oder aus landes-, Standes- oder grund- 
herrlichen Gassen einen Ruhegehalt oder eine Pension beziehen, oder aus Unsern 
Diensten ohne eigenes Nachsuchen entlassen worden sind, können weder 
von den Grundherrn, noch von dem Bürgerstand als Deputirte oder resp. 
Wahlmänner ei*wählt werden. Von Ausübung des Stimmrechts sind sie 
aber desshalb nicht ausgeschlossen. 

4. Absolut stimmunfahig sind alle Diejenigen, gegen welche eine Criminal- 
strafe erkannt worden, oder die in eine Criminaluntersuchung verflochten, 
oder für mundtodt erklärt worden sind. 

5. Als Deputirte und resp. als Wahlmänner können auch nicht erwählt 
werden alle Diejenigen, welche in Gant gerathen sind, oder denen die 
eigene Vermögensadministration abgenommen worden ist. 



*) L§tite Aindtrung: Vn8€r$ Ho/commi$9ion. 



60 

Art. 9 Wahl der geistlichen Deputirten insbesondere. 

Die protestantische Geistlichkeit wählt zwei, einen lutherischen und 
einen reformierten *) und, die katholische einen Deputirten zur Stände- 
versammlung. 

Wahlberechtigt sind sämmtliche Decane; die lutherischen Decane des 
ganzen Landes wählen den lutherischen, die reformierten Decane und In- 
ßtructoren wählen den reformierten Deputirten; **) sämmtliche katholische 
Decane den Deputirten der katholischen Geistlichkeit. 

Wählbar sind alle Geistlichen, die ein Pfarramt begleiten. ***) Die 
wahlberechtigten Decane schicken innerhalb des von ünserm Ministerium 
des Innern durch das Regierungsblatt bekannt zu machenden Termins ihre 
Vota schriftlich an das betreflfende Kirchen-Departement ein. Die Direc- 
toren der betreffenden Kirchendepartements haben in der ersten Sitzung nach 
Ablauf des Termins in vollem Rathe die eingekommenen Vota zu eröffnen 
und die relative Stimmenmehrheit zu erheben. Das über diese Handlung 
aufzunehmende Protokoll ist, mit sämmtlichen Abstimmungszetteln und deren 
Umschlägen, an das Plenum Unseres Ministerii des Innern einzusenden. 

Art. 10. Wahl der grundherrlichen Deputirten. 

Stimrafähigkeit. 

Stimmfähig sind sämmtliche adelichen Besitzer von Grundherrschaften, 
die das 25. Lebensjahr zurückgelegt und im I^ande ihren Wohnsitz haben. 

Zeitlich abwesende sind berechtigt zur Abgabe ihrer Stimme einen 
Bevollmächtigten aufzustellen. 

Wenn eine grundherrliche Familie ihre Güter in ungetheilter Gemein- 
schaft besitzt, so kommt derselben nur eine Wahlstimme zu, welche der 
Familienälteste und bei dessen Verhinderung der im Alter zunächst fol- 
gende führt. 

Durch künftige Güterabtheilungen können ohne Unsere Einwilligung 
die Wahlstimmen nicht vermehrt werden. 

Der Besitz mehrerer Grundherrschaften giebt kein Recht auf mehr als 
eine Stimme. 

Wenn es zweifelhaft ist, ob eine adeliche Besitzung unter die Grund- 
herrschaften zu zählen sei, oder überhaupt das Stimmrecht streitig wird, so 
entscheidet darüber f) die für Landtagsgegenstände überhaupt von Uns er- 



*) „einen Intherischen und einen reformierten" fehlt in der 1. Bedaotion. 

**) 1. Redaction. Die prote!«taDti«cheo Decane des Denan-, Dreisani- nnd Kiniig-Kreises w&hlen 
den einen nnd die des Pflnz- und Enz-, Ileokar- und Main- nnd Tauber-Kreises w&lilen den andern 
Deputirten der protestantischen nnd .... 

***) Leiste Aenderung: Die wahlberechtigten D€can$ schicket*^ innerhalb des ton Unserer Hof com- 
mi»9ion durch das Regierungsblatt bekannt eu nuichenenden Termins^ ihre Vota an gedachte Ho/com- 
mission sin. 

Die Eröffnung der Abstimmungstettel geschieht 9on Unserer Hofcommission^ im Beisein zweier 
Decane^ eines protestantiichsn nnd eines katholischent als Urknndspersonen. 
t) 1* Kedaction. Unser Ministerium des Inuern. 



61 

nanote Specialhofcommission ; welche Entscheidung jedoch nur für diesen 
Fall gültig ist, vorbehaltlich der definitiven Erledigung der dessfalsigen 
Reclamationen in den geeigneten Wegen. 

Art. 11. Wahl der Grundherren. Wählbarkeit. 

Wählbar sind alle im Lande wohnende Grundherren, welche das 30. 
Lebensjahr zurückgelegt haben und durch die Bestimmungen des Art. 8 
nicht ausgeschlossen sind. Wählbar sind auch die jüngeren, nicht stimmbe- 
rechtigten Glieder einer solchen grundherrlichen Familie, deren Stimmrecht 
der Familienälteste ausübt, insofern sie nur im übrigen die erforderlichen 
Eigenschaften besitzen. 

Art. 12. Grundherrenwahl. Wahlbezirke. 

Zur Erleichterung des Wahlgeschäfts ist das Grossherzogthum nach 
der Beilage C. in fünf Bezirke eingetheilt. Grundherren, welche in meh- 
reren Bezirken Herrschaften besitzen, gehören ausschlieslich demjenigen 
Bezirk an, wo der grössere Theil ihrer steuerbaren Geßllle und Güter ge- 
legen ist. 

Auf dem Umschlag des Abstimmung-Zettels muss der Wahlbezirk 
genannt werden. 

Art. 13. Grundherrenwahl. Wahlhandlung. 

Jeder der obgedachten Districte wählt einen Deputirten. Die Ab- 
stimmung muss innerhalb des festgesetzten Termins mittelst Einsendung 
der Abstimmungs-Zettel an Unser Ministerium des Innern *) erfolgen, welches 
über die erfolgte Abgabe des Votums eine Bescheinigung auszustellen hat. 

Art. 14. Grundherrenwahl. Eröffnung der Abstimmungs-Zettel 

Nach Verlauf des Abstimmungstermins werden verspätete Eingaben 
nicht mehr angenommen und sogleich zur Eröffnung der eingekommenon 
Vota, nach Anleitung der im Art. 6 gegebenen Vorschriften, geschritten. 

Die Eröffnung der für jeden District besonders zu sammelnden Abstim - 
roungs- Zettel geschieht von Unserm Ministerium des Innern **) im 
Beisein zweier, von Uns aus der Zahl der Grundherrn zu ernennenden 
Urknndspersonen. 



*) LtiäU Aindernng: Unnre HofcommUaion, 

**) 1. Bedaciion: von Unserem Miniiiieriuin des Innern in roller Sitzung, der die Vorstände der 
bbrigen Ministerien and zwei weitere, Ton Uns ans der Zahl der Omndhorren xn ernennende ürkands- 
pernonen beiwohnen. Diese letzteren können zn diesem Act Bevollmächtigte ernennen. Wenn sie 
weder in Person noch durch Bevollmächtigte erscheinen, so ernennt Unser llinisterinm des Innern 
Ton Amtswegen ihr Stellrertreter ans der Zahl der wahlfähigen Grandherren. 

L$ImU Aendernng: Unserer Bcifcommiision, 



62 

Ueber diese Handlung ist ein, die einzelnen Abstimmungen enthal- 
tendes Protokoll aufzunehmen und von sämmtlichen Anwesenden zu unter- 
schreiben. *) 

Art. 15. Wahl des Bürgerstandes insbesondei^e. 

Die Landesdeputirten werden von erwählten Wahlmännern nach fol- 
genden Bestimmungen ernannt: 

Art. 16. Eintheilung der Wahlbezirke. 

Das Grossherzogthum ist nach der Beilage D. in 41 Wahlbezirke ein- 
getheilt, deren jeder einen Deputirten zu wählen hat. 

Art. 17. Eintheilung der Wahldistricte. 

Die Wahlbezirke werden in Wahldistricte eingetheilt, deren joder je 
für volle 800,000 fl. **) SteuercapitaJ einen Wahlmann zu ernennen hat. 

Jeder Ort mit eigenem Gericht, der ein Steuercapital ***) von 800,000 fl. 
besitzt, bildet einen Wahldistrict. 

Orte, deren Steuercapital diese Summe nicht erreicht, werden mit be- 
nachbarten kleinern Orten in einen Wahldistrict vereinigt. 

Grössere Städte können, zur Erleichterung des Wahlgeschäfts, nach 
Quartieren in mehrere Wahldistricte abgetheilt werden, auf welche sodann 
die Zahl der zu ernennden Wahlmänner nach dem ohngefahrcn Verhältniss 
des Häusersteuercapitals zu repartieren ist. Die mit der Leitung der Wahlen 
beauftragten Acmter haben nach diesen Grundsätzen die Wahldistricte zu 
bestimmen. 

Art. 18. Wahl der Wahlmänner. Stimm recht und Wäh Ibarkcit. 

Stimmberechtigt sind alle Staatsbürger, die das 25. Lebensjahr zurück- 
gelegt haben, f) im Wahldistrict wohnen, eine directe Steuer bezahlen und 
durch Art. 8 im Allgemeinen nicht ausgeschlossen sind. 

Militärpersonen, die sich in ihrem Heimathsorte in Urlaub befinden, 
sind stimmfähig, wenn sie sonst die erforderlichen Eigenschaften besitzen. 

Wählbar sind alle stimmberechtigten Staatsbürger, welche im Wahl- 
orte selbst oder in einem zum Wahldistrict gehörigen Orte angesessen sind, 
ein Steuercapital von 6000 fl. besitzen, und durch Art 8 nicht für unwähl- 
bar erklärt worden sind. 



*) Die 1. Bedaetion liat folgenden ZnsaU zu Art. 14: „Wir behalten Uns Tor, aosgozeichneto, 
Unf und dem Staate geleistete Dienste durch Erhebang in den Qrandherrenstand mit der Wirkung 
der Stimm- und W&hlbarkeit tu belohnen.** 
**) l. Bedaetion: für 1 MiUlon. 

***) 1. Bedaetion ron unter 800,000, aber ron wenigstens 500,000 fl. 

^) 1. Bedaetion: nicht in fremdem Dienst stehen ^ in dem Wahldistrict ansässig und. dnrch 
Artikel 8. . . . 



r 



63 
Art. 19. Anordnung und Leitung der Wahl. 

Die Aemter haben auf die, von Unscrm Ministerium des Innern *) 
ergehende Weisung die Wahl der Wahlmänner anzuordnen. 

Die Leitung der Wahl steht dem ersten Ortsvorgesetzten und, wenn 

mehrere Orte einen Wahldistrict bilden, dem Vorgesetzten der grössten 

Gemeinde zu. Die zwei ältesten Gerichtspersonen des Districts und der 

Gerichtsschreiber des Ortes, wo die Wahl abgehalten wird, bilden mit dem 

Ortsvorgesetzten die Wahlcommission. 

Art. 20. Wahlhandlung. 

Zur Abstimmung ist in jedem Wahldistrict ein Termin von 3 Tagen 
anzuberaumen, nach dessen Ablauf Niemand mehr zur Stimmgebung zuge- 
gelassen werden darf. 

Jeder Stimmende hat so viele Wahlmänner in Vorschlag zu bringen, 
als der District zu wählen berechtigt ist. Morgens von 8 bis 12 Uhr und 
Nachmittags vcn 2 bis 5 Uhr müssen die Gemeindezimmer offen stehen, 
die Wahlcommission gegenwärtig sein, und die Generalsteuerkataster zur 
beliebigen Einsicht der Stimmenden auf dem Tische liegen. 

Jeder Stimmberechtigte, der sein Stimmrecht ausüben will, muss per- 
sönlich erscheinen, und selbst solche Personen, die daran verhindert sind, 
werden zur Abstimmung durch Bevollmächtigte nicht zugelassen. 

Die Abstimmung geschieht, indem der Votant in das zu eröffnende 
Register den Namen des in Vorschlag gebrachten Wahlmannes einträgt und 
seine Namensunterschrift am geeigneten Orte beifügt. Diejenigen, die nicht 
schreiben können, geben ihr Votum mündlich ab. Der Gerichtsschreiber 
besorgt den Eintrag in das Register in Gegenwart des Stimmenden, und be- 
merkt darüber das Erforderliche im Protokoll. 

Streitigkeiten über die Stimmfähigkeit erledigt die Wahlcommission, 
deren Entscheidung jedoch nur für den einzelnen Fall gültig ist 

Nach Ablauf ded Abstimmungstermins werden die Protokolle geschlossen, 
und nach erfolgter Abzahlung der Stimmen derjenige vor versammelter 
Gemeinde als Wahlmann ausgerufen, der die relative Stimmenmehrheit er- 
halten hat und nach dem Art. 18 **) wählbar ist. Die Annahme des Wahl- 
amts kann von keinem Staatsbürger ohne hinlängliche Ursache, als Abwesen- 
heit, Krankheit etc. verweigert werden. 

Ist Dei;jenige, welcher die meisten Stimmen erhalten, nicht wählbar, 
so tritt der, nach der Stimmenzahl, ihm zunächst stehende Wählbare als 
Wahlmann ein. 



*) Lehtt Aendfirting: Unnertr Hofcomminsiov» 
**) 1. Bedtciion: nach dorn 6ej<ett. 



64 

Sind für Mehrere gleichviel Stimmen gefallen, so entscheidet unter 
diesen das Loos, dessen Ziehung die Wahlcommission anordnet, indem sie 
die Betheiligten dazu einladet, und für die Abwesenden Bevollmächtigte 
aufstellt 

Wenn ein Wahldlstrict mehrere Wahlmänner zu ernennen Hat, so sind 
Diejenigen als ernannt zu betrachten, die unter allen vorgeschlagenen Indi- 
viduen die meisten Stimmen erhalten haben; im Uebrigen ist das Verfahren 
ganz dasselbe, wie oben. 

Die Einsicht der Wahlprotokolle ist jedem Stimmberechtigten auf Ver- 
langen zu gestatten. 

Nach geschlossener Wahlhandlung werden die Wahlregister, mit den 
Wahl- und Publikationsprotokollen und mit den betreffenden Auszügen 
aus dem Generalkataster und den Taufscheinen der Gewählten *) an das 
Amt eingesendet. 

lieber streitige Wahlen hat das Amt zu erkennen, welches eine zweite 
Wahl anordnet, wenn die erste nicht vorschriftmässig vorgenommen wurde, 
und das Versäumte nicht durch besondere Verfügungen ergänzt werden kann. 

Das Amt hat auch die Richtigkeit der aus den Wahlprotokollen ge- 
zogenen Resultate zu prüfen, und eine zweite Publikation anzuordnen, wenn 
die relative Stimmenmehrheit unrichtig gesucht, oder ein nach dem Gesetz 
nicht wählbares Individuum als Wahlmann ausgerufen wurde, oder der ge- 
setzmässig Erwählte die Annahme des Wahlamts aus hinlänglichen Gründen 
ausschlägt, in welchen beiden letztem Fällen der in der Stimmenzahl zunächst 
stehende zu ernennen ist. 

Jedes Amt, das einem Wahlbezirke angehört, der von einem andern 
Amte seinen Namen erhalten, übersendet an letzteres, sogleich nach voll- 
zogener Wahl, ein Verzeichniss, das Namen und Wohnort der Wahlmänner 
enthält. 

Art. 21. Wahl der bürgerlichen Deputirten. Wahlcommission. 

Der erste Beamte des Amtsbezirks, nach dem der Wahlbezirk benannt 
wird, hat auf die, von Unserm Ministerium erhaltene Weisung, die Depu- 
tirtenwahl anzuordnen und zu leiten. 

Derselbe bildet mit den ersten Beamten der übrigen, zum Wahl- 
bezirk gehörigen Aemi«r die Wahlcommission. Der Amtsrevisor führt das 
Protokoll. 

Art. 22. Stimmrecht und Wählbarkeit« 

Sämmtliche, in den einzelnen zu einem Wahlbezirke gehörigen Wahl- 
districten erwählte Wahlmänner haben, nach den, in Art. 6 enthaltenen 
allgemeinen Bestimmungen, einen Deputirten zu wählen. Wählbar sind, ohne 
Rücksicht auf Wohnort, alle Staatsbürger, welche bei der Ernennung der 



*) 1. Bedaction: mit Abichriften »ns den Sienenetteln und Taufscheinen der Oew&hlten. 



65 

Wahlmänner stimmberechtigt sind, das 30. Lebensjahr zurückgelegt haben, 
ein Steuercapital von wenigstens 20,000 fl. *) besitzen und durch den Art 8 
dieser Verordnung nicht ausgeschlossen sind. 

Art. 23. EinberufungderWahlmänner, zur Wahl derDeputirten. 

Der die Wahl leitende Beamte hat die Wahlmänner seines Amtsbezir- 
kes, sowie die des übrigen Wahlbezirks, und zwar letztere mittels Requi- 
sition der betreffenden Aemter, zur Vornahme der Deputirten-Wahl auf 
^inen bestimmten Tag schriftlich einzuladen. 

Die Wahlmänner sind verbunden einen Insinuationsschein über die an 
sie ergangene Einladung sogleich beim Empfang derselben auszustellen. 

Art. 24. Vornahme der Depntirtenwahl. 

Kein Wahlmann kann seine Stimme einem Andern übertragen, sondern 
jeder muss persönlich erscheinen. Es kann nur dann zur Wahl geschritten 
werden, wenn wenigstens 2 Drittel der Wahlmänner gegenwärtig sind. 

Wenn auf den festgesetzten Wahltag mehr als ein Drittheil **) sämmt- 
licher Wahlmänner des Bezirkes ausbleiben, so haben die Ausbleibenden, die 
nicht durch wichtige ***) Hindernisse zu erscheinen abgehalten waren, die 
Kosten der Einberufung und Versammlung zu tragen, und die Wahlcommission 
einen zweiten Tag auszuschreiben, an welchem, ohne Rücksicht auf die Zahl 
der Erscheinenden, sodann zur Wahl geschritten wird. 

Zur Eröffnung der Wahlhandlung hat die Wahlcommission die gesetz- 
lichen Eigenschaften eines Deputirten, nach den Art. 8 und 22 dieser Ver- 
ordnung, im Allgemeinen aus einander zu setzen, sie darf sich jedoch auf 
keine Weise erlauben, Jemand in Vorschlag zu bringen, oder auch nur f) 
die Aufmerksamkeit der Wahlmänner auf irgend ein Individuum zu leiten. 

Es ist den Wählern gestattet, abzutreten, um, wenn sie es für gut 
finden, sich vor der Stimmgebung unter einander zu besprechen. 

Jeder Wahlmann hat sodann sein schriftliches Votum, nach Vorschrift 
des Art 6, persönlich zu übergeben. 

Ohne Unterbrechung der Handlung werden von der Commission in 
Gegenwart der Wahlmänner die Wahlzettel aus den Umschlägen heraus- 
genommen und in eine Kapsel geworfen. 

Die Eröfihung der Wahlzettel geschieht gleichfalls in einem ununter- 
brochenen Acte und in Gegenwart der Wahlmänner. 



*) 1. BodACtion: 10,000 fl. 
**) 1. BedftCtion: 1 Vierthoil. 
***) 1. Bedaction: Unftbersteigliche. 
t) 1. lUdaetioii: darcli leise Andentangen. 



66 

Die Wahl ist ungültig, und es muss zu einer zweiten geschritten werden, 
wenn sich entweder mehr oder weniger Stimmzettel vorfinden, als Wahl- 
männer gegenwärtig sind. 

Sämmtliche Commissionsglieder und Wahlmänner haben das Wahl- 
protokoll zu unterschreiben. Wenn der Gewählte im Wahlbezirke wohnhaft 
ist, 80 hat der mit der Leitung der Wahl beauftragte Beamte die erforder- 
lichen Nachweisnngen über die Wählbarkeit desselben, als: Auszug aus dem 
Steuercataster, Altersschein etc. zu erheben, und sodann das Protokoll mit 
den erhobenen Nachweisungen an das Kreisdirectorium einzusenden. 

Dieses letztere hat die nöthigen Beurkundungen der Wählbarkeit 
mittels Requisition der betreffenden Localbehörden erheben zu lassen, wenn 
der gewählte Deputirte nicht im Wahlbezirke wohnhaft ist. 

Wenn das Kreisdirectorium findet, dass Derjenige, welcher die relative 
Stimmenmehrheit hat, die gesetzlichen Eigenschaften nicht besitzt, oder darüber 
im Zweifel ist, so ist die Wählbarkeit des dem erstem in der Stimmenzahl 
zunächst stehenden, in Vorschlag gebrachten Deputirten gleicher Prüfung 
zu unterwerfen. 

Die Kreisdirectorien haben sämmtliche Wahlprotocolle mit gedachten 
Beurkundungen an Unser Ministerium des Innern *) einzusenden. 

Art. 25. Kosten der Wahlen. • 

Die Wahlmänner und die Mitglieder der Wahlcommission haben fftr 
die Zeit, welche sie, des Wahlgeschäfts wegen, ausserhalb ihres Wohnorts 
zubringen, erstere die gewöhnlichen Diäten und Reisekosten eines Orts- 
vorgesetzten aus der Gemeindekasse, letztere die regelmässigen Diäten, 
ebenfalls nebst den Reisekosten, aus der Staatskasse, nach Art. 64 anzu- 
sprechen. 

Art. 26. **) Vom Landesherrn ernannte Ständeglieder. 

Jeder Staatsbürger, der nicht durch Art. 8 Abschnitt 1, 4, 6 und 6 
überhaupt ausgeschlossen ist, kann von Uns als Ständeglied ernannt werden, 
wenn er das 30. Lebensjahr erreicht hat. 



*) LetäU Aindtrung: Unser« Ho/comtnisnon. 

**) 1. Rodaction: Personalisten. Die Personalisten werden ron Uns, unter der im Art 8 
enthaltenen Beschr&nkaug, bei Erßffnang eines Landtags fGr die Dauer seiner Sitzungen ernannt. 

Als Personalisten können solche Personen nicht ernannt werden, welche dnrch Abs. 1, 4, 5 
nnd 6 des Art. S dieser Verordnung ausgeschlossen sind. Sie haben mit den Deputirten dieselben 
Recht« und VerbindUchkeiten. 



67 



Zweites Capitel. 

Von Versammlung, Vertagung, Erneuerung und Auflosung der Stände. 

Art. 27. Zusammenberufung der Stände. 

Wir lassen die Stande zusammenrufen, *) so oft, nach gegenwärtigem 
Grundgesetze, eine Berathung mit denselben erforderlich ist. 

Die Zeit der Eröffnung des Landtages und der Ort, wo derselbe 
abgehalten werden soll, wird jedesmal durch das Regierungsblatt bekannt 
gemacht. **) 

Die Prinzen Unseres Hauses, der Landesbischof und die übrigen 
Standesherm, werden von Unserm Ministerium des Innern, die Deputirten 
der übrigen Stände von Unsern Provinzialbehörden durch Einberufungs- 
schreiben zur Versammlung eingeladen. ***) 

Wir werden alle 3 Jahre wenigstens einen Landtag halten. Die ge- 
wöhnliche Zeit der Eröffnung ist der 1. Dezember, f) 

Art. 2 8. Ein heit der Versammlung. 

« 

' Sämmtliche Ständeglieder bilden eine ungetheilte Versammlung. 

Art. 29. Vollzähligkeit der Versammlung. 

Die Ständeversammlung ist nur dann für vollzählig zu erachten, wenn 
wenigstens zwei Drittheile aller Stimmberechtigten anwesend sind. 

Das Verhältniss der Stimmenzahl einzelner Stände wird dabei nicht 
berücksichtigt. 

Art 30. Vertagung der Stände. 

Wir haben das Recht, die Ständcversammlung zu vertagen, ff) 

Art. 31, Erneuerung der Stände. 

Von 3 zu 3 Jahren tritt ein Dritttheil sämmtlicher Deputirten aus der 
Versammlung aus, so dass alle 9 Jahre f f f ) die ganze Versammlung erneuert 



*) 1. Bedftctioa: Wir rufen die St&nde zatammen. 

**) LitMUÄenderung: Diese Btlanntmachnng gilt MUsUich für jeden Reprättnianien aU Einladung, 
bei der Versammlung enr bestimmten Zeit zu erscheinen, 

***) Die Prinsen — eingeladen fällt in der letgten Faeenng weg. 

t) 1' RedMÜon: für dieses Jahr der 1. Dezember, in Zulranft der 1. Jannar. 
tt) Letäte Aendernngi Se hängt ton Unserem Ermessen ab, die Ständeversammlung sufertagen. 
ttt) 1 BedacUon: so dass nach Verflnss ron 9 Jahren. 

5* 



68 

wird. Die erstmals Austretenden werden auf den zweiten und dritten Land- 
tag durch das Loos bestimmt. *) "Die geistlichen, grund herrlichen und 
bürgerlichen Beputirten und die von Uns ernannten Ständeglieder losen 
nach dieser Abtheilung unter sich. 

Die bei der Theilung in drei Theile übrig bleibende Stimmzahl wird 
erst bei Erneuerung der 2 letzten Drittheile oder des letzten Drittheils in 
Kechnung genommen. 

Die durch die gedachten 2 Verlosungen bestimmte Reihenfolge gilt für 
sämmtliche Wahlbezirke auf alle künftigen Fälle. **) Die abgehenden 
Deputirten können wiederum gewählt, und ebenso die von Uns ernannten 
austretenden Ständeglieder wiederum von Uns ernannt werden. Eine 
neue Wahl eines bürgerlichen Deputirten, welche nach diesen Bestimm- 
ungen erfolgt, zieht zugleich eine neue Wahl der Wahlmänner in dem Be- 
zirke nach sich, von welchem der Austretende ernannt war. 

Wenn ein Deputirter mit Tod abgeht, oder aus andern Gründen aus- 
tritt, so wird dadurch die, ein für allemal für die Erneuerung der Ver- 
sammlung festgesetzte Reihenfolge nicht verändert, und wenn in solchen 
Fällen in einzelnen Bezirken zur Wahl eines bürgerlichen Deputirten wegen 
Mangel eines Nachmanns geschritten werden muss und der Zeitpunkt der 
gesetzlichen Erneuerung noch nicht erschienen ist, r^ haben die bereits 
ernannten Wahlmänner das Wahlrecht noch auszuüben. 

Art. 32. Auflösung der Stände. 

Wir sind berechtigt, ***) die Stände aufzulösen; die Auflösung hat 
zur Folge, dass die Deputirten jeden Standes, die Stellvertreter der Standes- 
herrn, die von Uns ernannten Ständeglieder ihre Eigenschaft als Repräsen- 
tanten verlieren. Es muss längstens nach Verfluss eines halben Jahres zu 
einer neuen Wahl geschritten werden, die Auflösung der Stände hebt auch 
das Wahlrecht der Wahlmänner auf. 

Bei den neuen Wahlen sind diese, so wie die Mitglieder der aufge- 
lösten Ständeversammlung wählbar. 

Art. 33. Ständischer Ausschuss. 

Es besteht ein ständischer Ausschuss, der sich, ebenso wie die Stände- 
versammlung, nur auf Unsere Einladung versammeln kann. Er wird in 
jedem Jahre, wo keine landständische Versammlung gehalten wird, nach 
Ermessen zusammenberufen, f ) 



*) 1. Redaetioii: Die Aastretenden werden die ersten 6 Jahre durch dfts Loos bestimmt. 
**) 1. Bedftction: so dass die nach 3 Jahren eintretenden nonen St&ndeglieder erst nach Ver- 
fluss Ton 9 Jahren wiederum austreten. 

***) LiUU linder ung: Von Un8*rfm Ermetaen hangt gMeh/cUl» ab. 
1) 1. Bedaction: Er muss — — — znsammenberufen werden. 



69 

Art. 34. Unerlaubte Versammlungen. 

Jede eigenmächtige Versammlung der Stande im Ganzen oder der 
Deputirten einzelner Classen oder Provinzen, um über Staatsangelegen- 
heiten zu berathschlagen und Schlüsse zu fassen, ist nichtig und wird 
als ein Attentat auf die bestehende Verfassung angesehen. Jeder Deputirte, 
der daran Antheil nimmt, verliert dadurch seine Eigenschaft als Deputirter, 
und kann nie wieder gewählt werden. 

Drittes Capitel. 

Wesentliche Rechte und Verbindlichkeiten der einzelnen Ständeglieder. 

Art. 35. Verbindlichkeit, persönlich zu erscheinen. 

Die Deputirten der verschiedeneu Stände können ihr Stimmrecht nur 
in Person ausüben. Den Prinzen Unseres Hauses und den übrigen Standes- 
herm steht das Recht zu, sich bei der landständischen Versammlung durch 
Bevollmächtigte vertreten zu lassen, die jedoch aus der Zahl der adelichen 
Staatsbürger gewählt und entweder nach Alt. 11, der von der Grundherm- 
wahl, oder nach Art. 22, der von der Wahl der bürgerlichen Deputirten 
handelt, die Eigenschaften der Wählbarkeit besitzen müssen, und nicht 
schon als Mitglieder der Ständeversammlung stimmberechtigt sein dürfen. 

Die geschehene Ernennung der Bevollmächtigten ist Unserer Bestätigung 
unterworfen. *) Ihre Ernennung gilt für 6 Jahre, nach deren Umlauf sie 
jedoch ^-iederum als Stellvertreter ernannt werden können. **) Der Landes- 
bischof kann sich durch den Generalvicar vertreten lassen. 

Art. 36. Verhältniss der Ständeglieder zu ihrenKommittenten 

Die Ständeglieder sind berufen, über die Gegenstände der landständi- 
schen Berathungen nach ihrer besten Ueberzeugung abzustimmen. Sie 
dürfen daher keine Instruction von einzelnen Städten und Bezirken, über- 
haupt von denjenigen annehmen, durch deren Wahl sie Sitz und Stimme 
in der Versammlung «rlangt haben. Auch die Bevollmächtigten der Prinzen 
Unseres Hauses, der übrigen Standesherrn und Vertreter des Landes- 
bischofs ***) können und sollen bloss nach ihrer persönlichen Ueberzeugung 
stimmen. 



*) 1. Bedaction: die Wir jedocli nie Ter weigern werden, wenn dieselben die gesetzliclien Eigen- 
schaften besitsen. 

**) Zusatz der Bedaction 1 : Der Herr Fftrst ron Fürstenberg ernennt, wenn er auch in Person 
erscheint, sor Ffihmng der zweiten Stimme einen Bevollmftohtigten und deren swei, wenn er nicht 
persdnlich erscheint. 

***) 1. Bedaction: sind nicht befugt, von ihren Committenten Instructionen anzunehmen oder 
einzuholen. 



70 
Art. 37. Gleichheit der Rechte der einzelnen Ständeglieder. 

Sämmtliche Ständeglieder haben gleiche Hechte und Verbindlichkeiten, 
mit der für den Herrn Fürsten von Fürstenberg rücksichtlich der Stimm- 
zahl gemachten Ausnahme. 

Art. 38. Verantwortlichkeit der Ständeglieder. 

Die Ständeglieder sind für ihre, bei Abstimmung über die Gegenstände 
der ständischen Berathungen geäusserten Meinungen nicht verantwortlich, 
wohl aber wegen beleidigender Aeusserungeu über die höchste Person des 
Landesfürsten, die Regierung, die Ständeversamralung oder einzelne Personen; 
jeder Deputirte kann desshalb durch eine Mehrheit von 2 Dritteln der Stimmen 
von der Ständeversammlung ausgestossen und nach Unserem Befinden dem 
Gerichte zur weiteren Bestrafung übergeben werden. 

Während der Dauer eines Landtags kann kein Glied desselben aus 
irgend einem Grunde, ohne ausdrückliche Bewilligung der Versammlung, 
verhaftet werden, den Fall eines Verbrechens auf frischer That ausgeuomm. 

Viertes Capitel. 

Rechte der Landstände. 

Art. 39. *) Rechte der Landstände im Allgemeinen. 

Das Recht, Gesetze zu geben, welche die Grundverfassung des Landes 
und die grundverfassungsmässigen Rechte der Unterthanen, oder die Auflagen, 
oder • Staatsanlehen betreffen, beruht gemeinschaftlich bei Uns und den 
Ständen, mit der in Art. 47 für Kriegszeiten enthaltenen Beschränkung und 
sonst nach den in den Art. 40 bis 50 **) gegebenen Bestimmungen. 



*) LelUe Fastumg: Die Landtlände haben'. 
/. Da» Recht, Steven %u bewilligen. 
IL Deu Beehtf m ermruen, »b eine neue SicoUsckvIä «v contrakieren »eL 

III. Das Recht, lu ermestem, ob dieser oder jener Domänenverkauf rätklick sei oder niekt. 

Ohne ständische EinwilUgung sollen keine weiteren D.*mäncnveräusser¥ngen, als in soweit solche 
noch war YervoUständifitng des Doiaihnsfonds der Amortisitionskasse geschehen müsen, statt haben 

IV. Das Reckt, die Recknungen der Amortisationskasse eimuseken, um *u ermessen, ob die für 
dieses Schaldentilgungsinstitat in der Pragmatik vom 31. Augusl 180S vorgeschriebenen Norwten 
richtig eingehalten werden, und tibcr anscheinende Verli tiungen ErläMtrmngen ur verlangen. 

V. Das Reckt, Tkatsacken anvvgeben, und Vorsckluge darauf w begründen, wonack entweder 6e> 
stekende Gesetze gam abzuschaffen, oder tu modi/icieren, oder neue Gesetve eintuführen sein möchten. 

VI. Das Recht, vor Erlassang eines der Rr gierung gut dankenden Gesetzes urin Gatachten gezogen 
SM werden. 

VII. Das Recht, dem Regenten einzelne und allgemeine Beschwerden vorzutragen, aack Staalsdiener 
wegen Malversationen und sonstiger staat$gefdkrlicken Untreue amuklagen. 
**) 1. lUdaction: Art. 52 resp. 40, 42-50. 



.71 

Die Stande haben das Recht, alle anderen bürgerlichen, peinlichen nnd 
Verwaltungs-Gesetze, welche das Eigenthnm und die Freiheit zum Gegen- 
stand haben, zu begutachten. 

Sie haben endlich das Recht der Vorstellung und der Beschwerde. 

Art. 40. Von den constitutionellen Gesetzen. 

Gregenwärtiges Grundgesetz, wodurch eine landständische Verfassung 
in Unserem Grossherzogthum hergestellt wird, sowie alle künftigen consti- 
tuticnellen Gesetze, welche Wir mit Einwilligung der Landstande erlassen, 
können nur von Uns in Uebereinstimmung mit den Ständen abgeändert 
oder aufgehoben werden. 

Jede? constitutionelle Gesetz, welches früher gemeinschaftlich zu Stand 
Gebrachtes aufhebt oder abändert, verliert seine Wirksamkeit, und das ältere 
tritt wieder ein, wenn die Aufhebung von jeder .der 3 Versammlungen ver- 
langt wird, die unmittelbar auf den Landtag folgen, der dem Gesetze seine 
Entstehung gegeben hat. Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf 
Gesetze, welche frühere weder abändern noch aufheben. 

Alle Grundgesetze werden als solche von Uns, unter Erwähnung des 
landständischen Einverständnisses, promulgiert. 

Aeltere, vor Einführung der landständischen Verfassung erlassene Ge- 
setze bleiben bei Kraft und können von Uns unter den im folgenden Artikel 
enthaltenen Bestimmungen abgeändert oder aufgehoben werden, so lange 
nicht über den Gegenstand ein Grundgesetz gemeinschaftlich von Uns und 
den Ständen ausgeflossen ist. 

Art. 4L Bürgerliche, peinliche und Verwaltnngs-Gesetze. 

Alle bürgerlichen nnd peinlichen Gesetze ohne alle Ausnahme und alle 
anderen Gesetze, welche allgemeine Verfügungen über das Eigenthum, die 



UM» Fm$nmt\ Art 40. Sfutrhewilligumg. Damit Ja$ ianJttdniUcke Recht der SUMerifwil- 
Ufung wüt geeigneter Umückt atugeübt werden können $oU das Staatthedürfniu nackgewieeen^ die Deckungemittel 
aatter der direclen Crnnd-^ Häuser- und Gewerbsteuer angegeben werden ^ damit die Landstände ermessen 
mnd bestimmen können ^ ob vnd was an dem berechneten Bedürfniss gemindert ^ wie grase demnach der 
wirkliche Bedarf «ej, weicher durch directe Steuern gedeckt werden müsse, Sa aft der Fall eistet neuen 
YerwUUgmmg eintritt, muss über die Verwendung der vorher verwiUigten Bechemschaft gegeben werden. 

Der Fall einer neuen ständischen Deliberation über Steuerverwilligung tritt ein: 

a. Wenn die Regierung eine höhere, als die leiste verwiUfgte, verlangt 

b. Wenn die Bedürfnisse durch Einschränkung der Administrationskosten, durch den Heimfatl von 
Apanagen und Pensionen sich in einem oder mehreren Rechnungsjakren um 60,000 fL gegen die 
unmittetkar vorher bestandenen Bedürfnisse vermindert haben, folglich an der vorher bewilligten 
Steuer eine Verwunderung, die schon für einselne Steuerbare fühlbar ist, statt hohen kants. 

Ohne ständische Bewilligung kann (Kriegsieiten ausgenommen) keine neue Außage gemacht, noch 
eine der bestehenden in eine andere umgeändert werden. 

Art, 41. Schuldenpragmatik. Die pragmatische Sanetion über Staatsschulden vom IS. November 
1808 bleibt in ihren wesentlichen Bestand! heilen unveränderlich, nur soweit die darin vorgeschriebenen 
Formen sich auf das Gutfinden und auf das Mitunteneichnen des Justi%ministers , auf Anhörung und 
Genehmigung des StaaUraths besiehen, fallen sie, bei dem Einßuss, den Wir den Landständen auf Staats- 
schulden beilegen, weg. 



72 

Sicherheit und Freiheit der Staatshürger im ganzen Lande oder in einzel- 
nen Provinzen enthalten, sollen jedesmal den Ständen znr Prüfung und 
Berathung mitgotheilt, und hevor dieses geschehen, nicht promulgiert werden ; 
erfolgt während des Landtags von Seiten der Stände keine Erklärung üher 
die denselben raitgetheilten Gesetzesentwürfe, so wird angenommen, dass 
sie nichts dabei zu erinnern gefunden. 

Die Promulgation solcher Gesetze geschieht von Uns unter ausdrück- 
licher Erwähnung der den Ständen gemachten Mittheilung. 

Verordnungen, welche nicht in ;ene Klasse gehören, werden von Uns 
unter dem Namen von Gener alrescripten erlassen; diese haben gleiche 
verbindende Kraft, wie die Gesetze, sowohl für die Unterthanen, als die 
Staatsbehörden. 

Die Entscheidungen der obersten Justiz- und Verwaltungsbehörden in 
einzelnen Fällen, wobei zweifelhafte Auslegungen der bestehenden Gesetze 
zur Sprache kommen, können unter der Form von Generalrescripten bekannt 
gemacht werden, um dem Gesetze für die Zukunft eine gleichförmige An- 
wendung zu sichern. Solche Erläuterungen können nur von Unsern Ministerien 
in Gegenständen, die ihrer Entscheidung unterliegen, ergehen; dem obersten 
Gerichtshof steht in Civil- und Criminalsachen der Vorschlag zu. 

Die zum Vollzug der Gesetze erforderlichen Reglements werden wie 
bisher von Unsern Oberverwaltungsbehörden erlassen. 

Art. 42. Finanzgesetze im Allgemeinen. 

Die Stände haben das Hecht, gemeinschaftlich mit Uns das Staats- 
bedürfniss zu ermessen und die Auflagen, welche dasselbe decken sollen, 
sowohl nach ihrer Grösse, als nach der Art der Vertheilung zu bestimmen. *) 



Der Ftmamminitter oder de$$en SteUvertreler bringt in der Versammlung der LamdelÖMde die An- 
Mke in YertckUg^ mii betHwmter Angabe der Becktfertigungennaehen, unter Verlegung dee in dem 
Minielerium über die BeratJucklagung abgehaltenen Protokolle. 

Die Sckuldverickreibung wird von dem Regenten unterieieknet^ von dem Finantminieter oder detsem 
Stellvertreter contragigniert ^ derselben wird alsdann die landstdndisckc EinwiUigung beigefügt und sie «tfn 
dem Präsidenten der stdndiscken Versammlung unteneicknet. 

Sekulden^ weleke aus der Dispositionskasse entweder des laufenden ouer des ndckstfolgenden Becknungs- 
fakreSf auf Orund der Etats des einen oder des andern Jakres^ getilgt werden können und wollen^ bedürfen 
der landstdndiscken Einwilligung nickt. 

Der Awtortisationskasse bleibt auck erlaubt, innerkalb der Greme des Fundationsgesettes wie bisker 
SIT ikren privativen Zwecken Gelder auf Obligationen oder Contoeurrent auftunekmen. 

Art, 42. Verwilligungen für unvorkergesekene Fälle. Die Stände werden auf Jedem 
Landtag eine Summe bestimmen, bis auf welche, okne ikre besonders einwkolende VerwiUigung, der Landes- 
credit von der Regierung in unvorkergesekenen Fällen benütit werden kann, um die mit einem sokken 
Aufwand in keinem VerkäUniss stekenden Kosten des Einberufene der Stände »« vermeiden. 

*) 1. Bedftction: die SUatsAiisgaben approximatir festzusetzen und za bestimmen, irie das 
Bedfirftaiss ans dem Vermögen der Unterthanen anfgebracbt werden soll; beides nach folgenden 
n&heren Bestimmungen. 



73 

Art. 43. Uebersicht von Einnahmen und Ausgaben. *) 

Damit die Stände das Staatsbedtirfniss zu ermessen vermögen , soll 
ihnen **) eine detaillirte Uebersicht von Einnahmen und Ausgaben der 
verflossenen Jahre und von den präsumtiven Ausgaben der nächstkommenden 
3 Etatsjahre ***) vorgelegt, die Einsicht der Rechnungen gestattet und alle 
näheren Nach Weisungen gegeben werden, die sie verlangen, auch sollen 
sie von Allem in Kenntniss gesetzt werden , was zur Ergründung des 
Landesvermögens dienlich ist. 

Art. 44. Hofetat insbesondere, f) 

Bis der Aufwand fQr den Hof nach allen seinen Haupt- und Unter- 
abtheilungen fest bestimmt ist, bleibt es bei dem dermaligen Stande des 
Aufwands. 

Art. 45. Deckung des anerkannten Staatsbedürfnisses, ff) 

Das von den Ständen anerkannte Staatsbedtirfniss muss, f ff) so weit die 
Domänialgefälle, und die indirecten Steuern nicht zureichen, durch directe 
Steuern gedeckt werden; Anlehen zu diesem Zwecke finden nur in ausser- 
ordentlichen Fällen unter Unserer und der Stände Einverständniss statt. 

Art. 46. Verwilligungen für unvorhergesehene Fälle. 

Die Stände werden auf jedem Landtag eine Summe bestimmen, bis 
auf welche ohne ihre besonders einzuholende Einwilligung der Landescredit 



*) 1. Bedaction: Staftisansgaben. 
**) 1. Bedaction: in der Fonn eines Budgets. 
***) 1. Bedaction: künftigen Etatdjalire. 
t) 1. Bedaction: Feitsetznng der Cirilliste. Es wird fftr Uns und die Glieder 
üogerer Familie eine CivilHste festgesetzt, die ohne Einwilligung des Begenten nicht Yermindert 
und ohne Einwilligung der St&nde nicht erhöht werden kann und auf Unsere Dom&nen radieiert wird. 
Bis nicht zwischen um und den Ständen eine Uebereinknnft getroffen ist, behalten Wir Uns 
Tor, Unsem Hofstaat und die Deputate Unserer Familie aus dem Ertrag Unserer Dom&nen nach dem 
bisherigen Verh&ltniss mit möglichster Einschr&nkung zu bestreiten. 

tt) 1- Bedaction: Art 43. Bedürfnisse zu Deckung früher übernommener Ver- 
bindlichkeiten insbesondere. Dem Bedürfniss zu Deckung tou Ausgaben, welche aus 
Verbindlichkeiten entspringen, die vor Errichtung der landst&ndischen Verfassung Ton Uns ein- 
gegangen wurden, können die Landst&nde ihre Anerkennung nicht yersagen. 

Namentlich rechnen Wir hieher das Bedürfniss für die Amortisation sca^se zur Zinszahlung und 
Schuldentilgung. Eine Sistierung der Bückzahlung yerfallener oder als aufkündbar anerkannter 
Obligationen, die noch nie eingetreten, kann nur in Zeiten dn höchsten Koth und nur auf bestimmte 
kurze Fristen ron Uns und den Ständen gemeinschaftUeh erfolgen, das Bedürftaiss zu solchen 
Zahlungen Ton den St&ndea daher nicht einseitig yerweigert worden, 
ttt) 1* Bedaction: in der Begel durch Auflagen gedeckt werden. 



74 

von dem Gouvernement in ausserordentlichen, unvorhergesehenen Fällen 
benutzt werden kann, um die mit einem solchen unvorhergesehenen Auf- 
wände ausser Verhältniss stehenden Kosten der Ständeeinberufung zu 
vermeiden. 

Bei hlos augenhlicklicheu Stockungen in den Kassen ist die oberste 
Verwaltungsbehörde ermächtigt, auf den Grund der Etats Anlehen zu machen, 
deren Betrag aus den laufenden Steuern *) wiederum ersetzt werden kann. **) 

Art. 47. Ausserordentlicher Aufwand zu Kriegszeiten. 

Beim Ausbruch und während der Dauer eines Krieges, wo dem Gemein- 
wesen eine ungetheilte, mit allen Rechten der Hoheit ausgestattete Gewalt 
mehr frommt, können wir Uns in Ansehung der Anlehen, Besteuerung der 
Unterthanen, und in andern, von der gesetzgebenden Gewalt ausgehenden 
Massregcln, deren Zwecke durch eine vorläufige ständische Berathung, 
Kandwerdung und Verzögerung oft vereitelt würde, von der Zustimmung 
der Stände nicht abhängig machen; dagegen räumen Wir aber für diesen 
Fall den Ständen eine nähere Einsicht und Mitwirkung in der Verwaltung 
ein, dass erstens der landständische Ausschuss (Art. 33) drei Mitglieder an 
Unser Finanzministerium und das Kriegsministerium abgiebt, um darauf zu 
wachen, dass die zu Kriegszwecken erhobenen Gelder auch wirklich und 
ausschliesslich dafür verwendet werden, und dass derselbe, was zweitens 
die Belastung Unserer Unterthanen mit Kriegsprästotionen anderer Art 
betrifft, die von Zufällen abhängen, über die Wir ohnehin oft nicht gebieten 
können, zu der jeweils anzuordnenden Kriegscommission eben so viele Mit- 
glieder abordne, als Wir, ohne den Vorstand zu rechnen, zur Leitung der 
Kriegsgeschäfte ernennen werden ; auch werden Wir in gleicher Absicht 
gestatten, dass der Ausschuss aus der Zahl der in den Hauptstädten der 
Kreis- oder Provinzialbezirke wohnenden Ständeglieder jeder Mittelstelle 
einen Abgeordneten beigebe. ***) 



*) 1. Redaclion: Bevennen. 
**) 1 Redaclion Art. 46 = Art. 45 und 46 der 2. Rcdaction. Die ersle Redaction hat noch 
folgenden Zovats: Aach ist es der Amortisationakasie erlaubt, innerhalb der Grenzen des Funda- 
tionsgesetzes, wie bisher, zu ihren privativen Zwecken Gelder auf Obligationen oder Conto-Cnrreni 
anfzanehmen. 

***) Art. 47 der 2. Redaction fehlt in der 1. Der Art. 47 der 1. Redaction lautet: Steuer- 
bewillignng. Zugleich mit dem Budget wird den St&nden ein Gesotzenwnrf über die zu erheben- 
den directen nnd indirecten Steuern niitgetheilt. Die Artikel der Vertheilung der Abgaben, der 
Betrag der directen Stouern nnd die Tarife dor indirecten unterliegen, als der wesentliche Theil, der 
Beistimroung oder Verweigerunng der St&nde. 

Was von den directen und indirecten Steuern gilt, gilt auch von jeder andern Belastung der 
Staatsbtirger und von jeder allgomeinen Anordnung, die darauf Einfluss hat. 

Im tibrigen sind auch auf die Finanzgesetze die im Art. 41 enthaltenen Bestimmungen 
anwendbar. 

LetxteFaining Art. 43. AtnierorJentlieke Bedürfniise »a Kriegt%eiten. Beim Amknck 
vßd während der Dauer eines Krieges können Wir Uns in Ansekung der Anleihen, Betteueryng rnirf andern 
von der geseUgebenden Gewalt ausgehenden Massregeln, deren Zweck durch eine vorläufige ständiteke 
Berathung, Kandwerdung und Verzögerung oft vereitelt würde, von der Zustimmung der Stande nickt 



75 

Art. 48. Dauer der ordinären Verwilligungen. 

In der Regel wird für die Dauer von 3 Jahren das Staatsbedürfniss 
reguliert und das Auflagengesetz gegeben. 

Kommt auf dem Landtag keine Vereinigung zu einem solchen Gesetz 
zu Stande, so dauert das alte als Provisorium fort. *) 

Art. 49. Bedürfnisse zu Deckung früher übernommener 

Verbindlichkeiten insbesondere. 

Dem Bedürfniss zu Deckung von Ausgaben, welche aus Verbindlich- 
keiten entspringen, die vor Emchtnng der landständischen Verfassung von 
Uns eingegangen wurden, können die Landstände ihre Anerkennung nicht 
versagen, namentlich rechnen wir hierher das Bedürfniss für die Amorti- 
sationskasse zur Zinszahlung und Schuldentilgung. 

Art. 50. Contocurrentschulden der Amortisationskasse. 

Der Amortisationskasse muss auch erlaubt bleiben, innerhalb der 
Grenze des Fundationsgcsetzes, wie bisher, zu ihren privativen Zwecken 
Gelder auf Obligationen oder Contocurrent aufzunehmen. 

Art. 51. **) Belastung der Domänen. 

Unsere Domänen sind gleich andern bürgerlichen Gütern der ordinären 
Besteuerung unterworfen. 

Damit der Domänenfond Unseres Hauses erhalten und durch Schmälerung 
desselben die Steuerlast der Staatsbürger nicht vermehrt werde, sollen 
ohne Einwilligung der Stände weder Domänen mit Schulden belastet, noch 
einzelne Theilo davon veräussert werden. 

Ausgenommen hievou sind: die schon früher zum Besten der Amorti- 
sationskasse und zu Tilgung der Kassenscheine beschlossenen Veräusserungen, 
Ablösungen des Lehensverbandes und Verkäufe von Gütern und Zinsen, 
dann anderer geringen Gefalle, welche eine kostspielige Administration 
erfordern; der Geldbetrag derselben soll wie bisher der Amortisations- 
kasse zugewiesen, von dieser aber der Generalstaatskasse, nach den bereits 
bestimmten Prozenten, verzinst werden. ***) 



abkdMgig machen; Wir werden aber über He Notkweniiigkfit der getroffenen Mmetregein »nr geeignetem 
Zeit ErUtelenmgrn vn'l über die Verwendung Heckemcimfl geben lauen, 

*) 1. Redaction: Art. 49. Kommt auf einem Landtage kein neues Budget xa Stande, so 
daaert das alte noch fort, hört aber nach Verlauf weiterer 8 Jahre Ton selbut auf. 

Auf dem I. Landtage -wird bestimmt werden, welche Steuern als permanent anausehen sind, 
und welche auf jedem Landtage einer wiederholten Berathung und Festsetzung bedürfen. 

**) 1. Bedaction Art. 50. Damit durch Schm&lernng Unserer Domänen die Steuerlai»t nicht 
auf indirectem Wege vermehrt werden könne, machen Wir Uns verbiodlich, ohne Einwilligung der 
Stinde dieselben weder mit Schulden zu belasten, noch einzelne Theile davon zu Ter&ussem. 
Ausgenommen sind . . . 

***) 1. Kedaction : Jedoch soll dvr Betrag der letzteren entweder zu neuen Erwerbungen ver- 
wendet oder der Amortisationskasse gegen Verzinsung Überlassen werden. 



76 • 

Art. 52. *) Recht der Vorstellung und BeschwSrde. 

Die Stände haben das Recht über bestehende, nach ihrer Ansicht 
mangelhafte und dem allgemeinen Wohl nachtheilige Gesetze Vorstellungen 
zu machen und deren Aufhebung oder Verbesserung unter Angabe der 
Motive vorzuschlagen. 

Sie können auf gleiche Weise neue Grund- und andere Gesetze in 
Vorschlag bringen. 

Sie haben das Recht, über jede Verletzung der Constitution Beschwerde 
zu führen und die gleichbaldige Abstellung der eine solche Verletzung ent- 
haltenden Massregel zu verlangen. 

lieber Verordnungen, die in der Zwischenzeit von einem Landtag zum 
andern ergangen sind, **) können sie Beschwerde führen, wenn sie glauben, 
dass Bestimmungen eingeflossen, die ihrer Berathung und Beistimmung 
wesentlich unterworfen seien. 

Missbräuche in der Verwaltung, die zu ihrer Kenntniss gekommen und 
alle nach den Gesetzen strafbaren Diensthandlungen der Staatsbeamten 
höherer Classen ***) können sie zur Einleitung der Untersuchung und 
Bestrafung Uns anzeigen. 

Im Allgemeinen haben die Stände das Recht, ihre Ansichten und 
Wünsche, welche das Wohl des Gesanuntstaats oder das Wohl einzelner 
Districte, Ortschaften oder einzelner Classen von Unterthanen zum Gegen- 
stande haben, Uns vorzutragen; f) jedoch ist jeder Beschwerdeführer und 
Schriftverfasser für den Inhalt der Eingabe verantwortlich, ff) 



*) 1. Bedaction: Art. 51. 
**) I. Redaction: haben sie Beschwerde la fuhren, wenn etwa Bestimmnngen eingeflossen, die 
sie ihrer Berathung oder Beistimmnng wesentlich fftr unterworfen erachtet. 
•♦*) „höherer Classen** fehlt in der 1. Bedaction. 
t) Znsatz der 1. Bedaction: Znr Ansfibnng dieser Bechte steht es den Ständen frei, die Kr* 
Öffnungen, Vorstellungen, Bitten und Bfschwerden einzelner Districte, Gemeinden oder einzelner 
Staatsbürger Aber Verletzung der Torfassnngsm&ssigen Bechte und fiber vergeblich bei dor höchsten 
Landesbehörde nachgesnchte Abhttlfe anzunehmen und darüber zu berathsfchlagen. 

Dio Gemeinden oder einzelnen Corporationen oder die Vorgesetzten einzelner Districte können 
»ich jedoch nur unter ausdrücklicher obrigkeitlicher Verwilligung versammeln, um solche Vorstellnngen 
und Beschwerden an 'den Landtag gelangen zu lassen. 

Jeder Beschwerdeführer und Schriftverfasser ist für den Inhalt der Eingabe an die St&nde 
verantwortlich. 

tt) Art. 53-64 der entern und »weitem Redaetiom, $ind in der let%ten Fa9wn§ Art, 44 -55. 
Art. 52 der 1. Bedaction. Besondere Bestimmungen. Der landst&ndische Anssohuss übt 
das Becht der Vorstellung und Beschwerde w&hrend der Dauer seiner Versammlung. Er kann auch 
über andere allgemeine Landesangelegenheiten zu Bathe gezogen werden. Beim Ausbrueh und 
w&hrend der Dauer eines Krieges, wo dem Oemeinweüen eine ungetheilte, mit allen Bechten der 
Hoheit ausgestattet« Gewalt mehr frommt, können Wir Uns in Ansehung von Anlehen, in Besteuerung 
der Unterthanen und in anderen, von der gesetzgebenden Gewalt ausgehenden Massregeln, deren 
Zweck oft durch eine vorl&uflge Berathung mit den Sünden, dnrch Kundwerdung und Verzögerung 
vereitelt würde, von der Zustimmung der Landst&nde nicht abh&ngig machen. Dagegen r&umen 
Wir aber denselben für diesen Fall eine nähere Einsicht und Hitwirkung in der Verwaltung und 
zwar in der Art ein, dass 

1. der Ausschnss 3 Mitglieder an Unsere Ministerien der Finanzen und des Krieges abgebe, 
um daranf zu wachen, dass die zu Kriegszwecken erhobenen Gelder auch wirkUch und 
ausschliesslich zu diesem Zwecke verwendet werden und dass derselbe 



77 

Art. 5 3. 
Beschränkung der Stände auf die gesetzlichen Gegenstände. 

Die Stände können sich nur mit den, nach diesem Grundgesetze zu 
ihrer Berathung geeigneten Gegenständen heschäftigen ; sie sind nicht hefugt, 
in ihrem Namen eine allgemeine Verfügung zu treffen oder öffentliche 
Bekamitmachungen irgend einer Art zu erlassen. 

FOnnes Capitel. 

Abhaltung des Lantages, innere Organisation der Versammlung, 
Formen der Berathung und Geschäftsgang. 

Art. 54. Anmeldung der Ständeglieder. 

In den letzten Tagen vor Eintritt des zu Eröffnung der Ständever- 
sammlung festgesetzten Zeitpunkts hahen sich sämmtliche Ständeglieder 
am Orte der Versammlung einzufinden und sich hei dem Vorstand der 
von Uns ernannten Hofcommission zu melden. *) Diejenigen Glieder, welche 
wegen dringender Hindernisse später erscheinen, melden sich hei dem Vor- 
stande der Versammlung. 

Art. 55. Eröffnung der Versammlung. 

Der Landtag wird von Uns in eigener Person oder von einem von 
Uns ernannten Commissarius eröffnet. 

Sämmtliche Mitglieder schwören hei Eröffnung des Landtags : 

«dass sie die einmal festgesetzte Verfassung des Landes, insbesondere 

die laudständische Verfassung, **) heilig halten und in allen Berath- 

schlagungen und Abstimmungen stets ihrer innem besten Ueberzeugung 

folgen, das allgemeine Wohl vor Augen haben und sich durch keine 

eigennützigen Absichten leiten lassen wollen.» 

Die durch Wahl in die Ständeversammlung berufenen Mitglieder 
haben die feierliche eidliche Versicherung beizufügen: 

«dass sie für ihre Wahl weder etwas gegeben noch versprochen.» 



2. was die Belatttang UnHerer Uniertbanen mit Kriegsprästationen anderer Art betrifft, die 
Ton Znftllen abbftngen, ftber die Wir ohnebin nicbt gebieten können, zn der jeweils 
aufzustellenden Kriegs-Commmission eben so Tiel Mitglieder abordne, als Wir, ohne den 
Vorstand zn rechnen, zor Leitung der Oesehftfte ernennen werden. Aneh werden Wir in 
gleicher Abnicht gestatten, dast der Anssehnss ans der Zahl der in der Hauptstadt der 
Kreis- oder ProTinzialbehörden wohnenden St&ndeglieder diesen letzteren einen Ab- 
geordneten beigebe. 

*) 1. Bedaetion: bei einem ron Uns hiezu ernannten Comnissar zn neiden. 
**) „insbesondere die landst&ndisohe Verfassung** fehlt in Bedaction 1. 



78 

In Zukunft haben diesen Eid nur die neu eintretenden Ständeglieder 
abzulegen. Die Eröffnung kann nicht stattfinden, wenn die Zahl der Depu- 
tirten nicht im Sinne des Art. 29 vollzählig ist. 

Art. 56. Ernennung des Präsidenten, Vicopräsidenten und 

des Sekretärs. 

Nach Eröffnung der Ständeversammlung wird sogleich zur Ernennung 
des Präsidenten, des Yicepräsidentcn und des Sekretärs geschritten. 

Aus der Zahl der in Person erscheinenden Prinzen Unseres Hauses, 
der übrigen Standesherrn und, bei Verhinderung derselben, aus der Zahl 
ihrer Stellvertreter, aus der Zahl der grundherrlichen Peputirten und Unserer 
Ständedeputirten, insoweit sie in diese Standescategorien gehören, ♦) werden 
Uns 3 durch relative Stimmenmehrheit zu wählende Mitglieder **) für die 
Präsidentenstelle vorgeschlagen, von denen Wir einen als Präsidenten der 
Versammlung ernennen werden. 

Aus der Zahl der übrigen ***) Deputirten und den von Uns ernannten 
Repräsentanten, insoweit sie in diese Categorie gehören, f) sind auf 
gleiche Weise 3 Candidaten zu wählen, aus denen Wir den Vicepräsidenten 
ernennen. 

Diese Wahlen hat der älteste Standesherr, und wenn keiner derselben 
anwesend ist, der älteste Deputirte zu leiten. 

Der Sekretär der Versammlung wird durch relative Stimmenmehrheit 
aus der Zahl der sämmtlichen Ständeglieder erwählt, und seine Ernennung 
bedarf keiner Bestätigung. 

Jede Wahl gilt für 9 Jahre, wenn der Gewählte nicht nach Art. 31 
früher austritt, ft) 

Art. 5 7. Sitz der Ständeglieder. 

Zur rechten Seite des Präsidenten sitzen die Prinzen Unseres Hauses, 
dann der katholische Landesbischof, dann die übrigen Standesherrn, dann 
die grundherrlichen Deputirten und zwar die Standesherrn nach ihren 
früheren Verhältnissen, fff) die persönlich Anwesenden sitzen immer vor den 
Stellvertretern, die grundherrlichen Deputirten immer nach dem natürlichen 
Alter, ohne Rücksicht auf persönlichen Rang; zur linken Seite zunächst 



*) Und — geboren fehlt in Bedaction 1. 

**) all Candidaten Bedaction 1. 
***) b&rgerliehen 1. Bedaction. 

t) insoweit — gehören fehlt in Bedaction 1. 
tt) UttU Patimnfi Die Wähl 4ti PräMuUnten und Vkepra»iient9H gilt fmr 3 Jahre. 
ttt) !• Bedaction: BangTorh&ltniaaen. 



79 

dem Yicepräsidenten die Geistlichen, dann die bürgerlichen Deputirten, in 
dieser Abtbeilung ebenfalls nach dem natürlichen Alter. *) 

Die landesherrlichen Commissarien haben während ihrer Anwesenheit 
den ersten Sitz.**) 

Art. 58. Deputationen. 

Die Versammlung ernennt 2 Deputationen, eine für Gegenstände der 
Gesetzgebung und des Vorstellungs- und Beschwerderechts und eine andere 
speciell fftr die Finanzsachen. 

Diese Deputationen bestehen aus 5, höchstens 7 Personen, wovon 
mittels relativer Stimmenmehrheit wenigstens 3 resp. 4 aus der Zahl der 
bürgerlichen und wenigstens 1 resp. 2 aus der Zahl der Standes- und 
grundherrlichen Glieder gewählt werden müssen. 

Alle wichtigern Gegenstände, die einer nähern Prüfung und Erörterung 
bedürfen, werden an die Deputationen verwiesen. Diese haben das Resultat 
ihrer Berath schlagungen in einem schriftlichen Vortrag vorzulegen, zu 
welchem Ende sie einen *♦♦) Berichterstatter für jeden einzelnen Gegen- 
stand ernennen. 

Art. 59. Landesherrliche Mittheilungen. 

Alle Unsere Mittheilungen an die Landstände geschehen schriftlich. 

Unsere Commissarien haben jederzeit Zutritt in die Versammlung, 
um derselben neue Eröffnungen zu machen, oder Vorträge zu halten. 

Sie treten mit den Gliedern der Deputationen zusammen, so oft sie 
es für nothwendig erachten oder letztere es wünschen, f ) 

Sie können verlangen, dass ihnen die Berichte der Deputationen über 
einzelne wichtige Gegenstände mitgetheilt und die zu deren Berathnng 
bestimmte Sitzung angesagt werde, um nöthigenfalls noch vorder Abstim- 
mung ff) Erläuterungen zu geben; sie können der Berathung, nicht aber 
der Abstimmung und Schlussfassung beiwohnen. 

Art. 60. Landständische Berathung* Abstimmung. 

Der Präsident und der ihm assistierende Vicepräsident bestimmen die 
Gegenstände der Berathung für jede Sitzung, und zwar mehrere Tage zum 
Voraus, wenn die Gegenstände von Wichtigkeit sind. 



*) Zusatz der Bedaction 1 : Die Ton Uns ernannten Repräsentanten nehmen ihren Platx hei den 
Standesherm, wenn sie in die Classe der Fftrsten nnd Grafen, nnter den Grundherrn, wenn sie dem 
Freihermstande, hei den geistlichen Deputirten, wenn sie dem geistliehen Stande oder einer der 
heiden Landesuniversitäten angehören und die fihrigen hei den hürgerlichen Deputirten, in jeder 
Abtheilnng — die Fftrsten und Grafen ausgenommen — gleichfalls nach den*. Alter. 
**) fehlt in der 1. Redaction. 

***) 1. Kedaction: oder hei getheilten Meinungen 2 Berichterstatter in jedem Fallo ernennen, 
t) !• Redaction: so oft sie oder die letstern es fftr nothwendig erachten, 
tt) !• Redaction: gehört su werden. 



80 

Motionen der einzelnen Btändeglieder werden dem Präsidenten oder 
Vicepräsidenten schriftlich mitgetheilt und von diesen zur Berathung 
ausgesetzt ^) 

Nur die Mitglieder der Deputationen haben das Becht, geschriebene 
Reden zu halten. 

Die Uebereinstimmung von 10 Mitgliedern reicht hin, die Berathung 
auf eine der nächsten Sitzungen zu verschieben. 

Der Präsident erklärt die Berathung für geschlossen. Vor der Abstim- 
mung kann jedes Mitglied verlangen, noch einmal das Wort zn erhalten. Die 
Abstimmung geschieht auf die Proposition des Präsidenten oder des Vice- 
präsidenten, jo nachdem dieser oder jener den Vortrag gethan, mit den 
Worten: «einverstanden» oder «nicht einverstanden.» 

Art 61. Schlussfassung. 

Alle Beschlüsse werden in vollzähliger Versammlung (Art. 29) durch 
absolute Stimmenmehrheit zu Stande gebracht. 

Bei eintretender Stimmengleichheit wird der Gegenstand zur wieder- 
holten Berathung in der nächsten Sitzung ausgesetzt; wird alsdann die 
Stimmengleichheit nicht gehoben, so entscheidet die Stimme des Präsidenten 
bei allen Gegenständen, die nicht die Finanzen betreffen, und bei diesen 
die Stimme des Vicepräsidenten. 

Die einzelnen Abstimmungen sind in das Protokoll einzutragen und 
namentlich zu verlesen, worauf der Präsident nach der Stimmenmehrheit 
den gefassten Beschluss ausspricht. 

# 
Art. 62. Besondere Bestimmungen rücksichtlich 

der Finanzgegenstände. 

Die Ermessung des Staatsbedürfnisses und die darnach zu bestimmen- 
den Auflagen **) sind auf jedem Landtage die ersten Gegenstände der land- 
ständischen Berathungen; bevor diese geschlossen sind, können andere Ver- 
handlungen ***) nicht statt haben. 

Zur Vorbereitung der Berathungen über Finanzgegenstände kann die 
Finanzdeputation jeweils vor der wirklichen Eröffnung des Landtags zu- 
sammenberufen werden. 

Die Versammlung hat zu diesem Ende in ihrer letzten Sitzung diese 
Deputation für den künftigen Landtag zu ernennen. 



*) In dar 1. Badaotion •Und hier der Satz: «»Die Beratkangeu der LandsUnde können nnr 
mit Unserer BewUligang öfTentUcli gehalten werden.** 

**) Zusatz der 1. Bedaction: das Budget und die Entwürfe der Finanzgesetze. 
***) Redaciion 1 hat den Zusatz: ron WiehtigkeiL 



81 
Art. 63. Ständische Eingaben. 

Alle ständischen Beschlüsse müssen Unserer Hofcommission *) schrift- 
lich mitgetheilt werden. 

Ihre Eingaben sollen zwar an Uns gerichtet werden, sie sollen die 
Ueberschrift: «unterthänigste Erklärung», und die Unterschrift: «treuge- 
horsamste Landstände des Grossherzogthums Baden > haben, sie werden 
aber ebenfalls an die Hofcommission abgegeben. **) 

Wenn eine Proposition, die ihrer Beistimmung unterliegt, diese nicht 
erhält, so haben sie die Gründe ihres verweigerten Beitritts als «Bedenken» 
vorzutragen. 

Ueber Gegenstände die nur ihrer Berathung unterliegen, haben sie 
sich gutachtlich zu äussern. 

Im Uebrigen werden die nöthigen Bestimmungen über den Geschäfts- 
gang den Ständen überlassen; die erste Versammlung entwirft darüber ein 
Reglement, das Uns zur Bestätigung vorgelegt werden muss. ***) 

Art. 64. Kosten der Ständeversammlung, f) 

Die Kosten der Ständeversammlung eignen sich zu jenen Gattungen 
von Aufwand, welche durch directe Steuern gedeckt werden müssen, jeder 
Deputirte erhält täglich 6 fl. und 1 fl. für Bedienung. 

ff) Hiemit glauben Wir die Rechtsverhältnisse Unserer Unterthanen 
aller Classen gegen Uns und Unsere Behörden, nach der Yerheissung vom 



*) 1. Bedaction: Uns. 

**) 1. Bedaction: Ihre Eingaben werden an Uns gerichtet, tragen die Uehersehrift: „Unter- 
thiaigrte ErkUmng" nnd irerden den betreffenden Ministerien mitgetheilt. Die Unterschrift lantet: 
Mtrengehorsamste Landst&nde des Oronsherzogthuma Baden.*' 
***) Dieser Satz fehlt in der 1. Bedaction. 
t) D.efer Artikel fehlt in der 1. Bedaction. Dafür ist dort ein Art. 64. StÄndischer Ans- 
schns«. In der letzten Sitzung wird der sUndisehe Anfcschnss gew&hlt. Er besteht ans 7 Mit- 
gliedern, die nach den im Art. . . ftber die Wahl der Deputationen gegebenen Bestimmungen zu 
ernennen sind. 

Der Ansschnss tritt zusammen, um seinen Vontand zu w&hlen. Es bedarf keiner solchen 
Wahl, wenn der Pr&sident oder Viceprftsident zum Mitglied des Ausschusses ernannt wird. 

Im ftbrigen werden die nöihigen Bestimmungen Aber den Oesch&ftsgang den St&nden ftber- 
lassen; die erste Versammlung entwirft dar&ber ein Beglement, das Unserer Best&tigung unter- 
worfen ist. 

It) 1> Bedaction: Indem Wir nun durch gegenw&rtiges Grundgesetz Unaerm Orossherzogthnm die 
unterm i 6. M4rz d. J. rerheissene landst&ndische Verfassung ertheilen und der Versammlung der Be- 
prftsenUnten die Theilnahme an mehreren, bisher Uns ausschliesslich zugestandenen Bechten in den 
namentlich ausgedruckten Fällen und in der festgesetzten Weise unwiderruflich zugestehen nnd 
feierlich zusichern, stellen Wir zugleich folgende, beinahe durchgängig schon bestehende grund- 
gtsetzllchen Bestimmungen unter die Garantie der landstftndisehen Verfassung. 

6 



8ä 

16. März d. J., gehörig gewürdigt und befestigt zu haben. ♦) Wir finden 
aber, um Einigung und Zutrauen unter den verschiedenen Classen der 
Unterthanen unter sich und gegen einander zu begründen, für ebenso 
zweckmässig und wohlthätig, folgende pragmatischen Bestimmungen hier 
anzuknüpfen. 

I. Die Rechte der drei christlichen Confessionen sind gleich. 
II. Das Kirchenyermögen kann auf keine Weise seiner Bestimmung 

entzogen werden. • 

III. Die Ablösung der hier und da noch bestehenden Leibeigen- 

schaftsgefalle darf nicht versagt werden. **) 
lY. Der Unterschied des Standes, begründet keine Ungleichheit in 

der Militärdienstpfiicht, die Standesherm ausgenommen. ***) 
V. Die Verbindlichkeit, nach den bestehenden Gesetzen zu den 
allgemeinen Staatslasten beizutragen, ist für alle Unterthanen 
gleich, t) 
VI. Alle Unterthanen sind zu allen Staatsämtem gleich berechtigt, nur 
die hohem Hofdienste sind dem Adelstando ausschliesslich vor- 
behalten, tt) 
VII. Keinem Unterthanen kann die ff f ) Erlaubniss zum Wegzug 
ausser Landes versagt werden, insofern ihm die Gesetze über 
die Militärdienstpflicht nicht entgegenstehen. 
VIII. Die Abzugsfreiheit soll gegen alle Staaten, welche entweder die 
Reciprocität schon zugesichert haben, oder noch zusichern werden, 
gehandhabt werden. §) 
IX. Alle Erkenntnisse in bürgerlichen Rechtssachen müssen von den 
ordentlichen Gerichten ergehen; ebeuso kann in Criminalsachen 



*) Leute PoiSMPff: Mögen die Polgen eber.so entsprechend vnd gesegnet tein, se vdtirlick gttt die 
Absicht ist, weiche Uns dabei geUitet hat. 

Die in der iweiUn Redaction folgenden 13 Sdtie $iiid in der Uttten Passung ueggebtitben* 

**) 1. Rodaetion: Die Leibeigenschaft bleibt aufgehoben, nnd fftr den Abkanf der Leibeigenschafts- 
gefllle wird, »o weit es noch nicht geschehen, ein gesetzlicher Fnss reguliert. 

***) „die Standesherrn ausgenommen'* fehlt in der 1. Bedaction. 

I) Zunatz der 1. Bedaction: Selbst die Dom&nen und Dom&nengef&Ile, welche die Civillist« 
bilden, unterliegen der Besteuerung. 

It) I^io 1* Bedaction hat folgenden Art VI: Jeder Untertban hat das Becht, unter Nennung seines 
Namens, was ihm gut d&nkt, ohue Torherige Ceurar drucken zu lassen. Wer indessen VerUum- 
dungen, Schm&hungen oder Torderbliche Grundsätze durch den Druck verbreitet, wird nach den 
Gesetzen bestraft. Wer eine Schrift Tor dem Drucke der Censurbehörde fiborgeben und die Er- 
laubniss zum Drucke erhalten, ist befreit Ton aller Verantwortlichkeit fftr den Inhalt und kann 
seinen Namen rerschweigen. 

Die Art VL— XIIL der zweiten Bedaction haben in der ersten, wegen Einschiebung des so eben 
angeführten Art VL die Ordnungszahlen VIL— XIV. Der Art. VII. der 1. Bedaction hat folgenden 
Znsatz: Fremde, die nicht Ton deutscher Geburt sind, können kein Staatsamt bekleiden. 
Itt) 1* Bedaction: nachgesuchte. 

S) 1. Bedaction: Die bisherigen Gesetze fiber die Abzngsfjreiheit bleiben in Kraft 



8S 

kein Unterthan seinem ordentlichen Richter entzogen werden. *) 
Eine Schärfung der von den Gerichten erkannten Strafe findet 
nicht statt. 
X. In allen Privatrechtsverhältnissen nimmt der Fiscus hei den gross- 
herzoglichen Gerichtshöfen Recht 
XI. Die Verwaltangshehörden sollen, in Ansehung der nach administra- 
tiven Gesetzen zu heurtheilenden und zu entscheidenden streitigen 
Fälle, an ein dem gerichtlichen analoges Verfahren gehunden 
werden, und in den höhern Instanzen dahei eine kollegialische 
Berat hung und Eutscheidung eintreten. 
XU. Competenzstreitigkeiten zwischen Gerichts- und Verwaltungs- 
stellen werden von der ohersten Staatshehörde erledigt 
XIII. Die Lage Unserer wirklichen Staatsbeamten und derselben 
Dienstverhältnisse sollen durch ein besonders Gesetz gesichert 
werden. **) 
Wir schliesen hiermit die Grundlage, worauf die künftige Staats- 
verfassung ruhen, das Band, welches alle Unterthanenclassen zutraulicher 
an Uns knüpfen, die Elemente, welche in den verschiedenen Classen einen 
dem Regenten und dem Staat frommenden Gemeingeist schaffen und pflegen 
sollen. 

Mögen die Folgen ebenso entsprechend und gesegnet sein, so väterlich 
gut die Absicht ist, die Uns bei dieser Sanction geleitet hat. 



*) Za^atz der 1. Bedaction: Wir haben das unbedingte Recht, zu begnadigen. 
**) 1. Bedaction: Die Lage Unserer wirklieben Staatsbeamten soll durch ein besonderes Gesetz 
gesichert nnd namentlich ein Theil ihres AetiTit&tsguhaltes als Staatsgehalt ansgesprochen werden, 
der nie weniger als dreiviertel des für die Wittwencasse gemachten Anschlage betragen and ohne 
richterlichen Spmch nicht enlzogen werden kann. 



6* 



84 



Beilage A. 






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85 



Dai^tellung 



des Stenercapitals und der darauf gegründeten Stimmen 
der Standesherrn des Qrossherzogthums. 



Namen der Standesherm. 


Steuer-Capital. 


Stimmen! 


1. Die Herrn Markgrafen Friedrich und Ludwig 
von Baden 


5,672,177 
8,415,233 
4,770,920 

2,962,014 
3,052,879 


1 
2 
1 

1 
1 


2. Der Herr Fürst von Fürstenberg .... 

3. Der Herr Fürst von Leiningen .... 

4. Die sämmtlichen fürsüioh Ldwensteinischen 
Häuser ••.... 


5. Der Herr Fürst von Salm-Erautheim, die 
Herren Grafen von Hochberg und die Herren 
Grafen von Leiningen — Neudenau und 
Billiffheiin , , ^ , . - . ^ x , , 


Summa 


24,873,223 


6 



Anmerkung. 

Das Steuercapital der Standesherrn ist zwar Beilage A. richtig mit 
25,032,517 fl. angegeben, es kommen aber hier nur 24,873,223 in An- 
satz, weil eine Curial-Stimme mit 159,294 fl. 8teuercapital dermal quies- 
cieren muss. 



96 



BdUge C. 



Eintheiliong 
des Grossherzogtliaiiis in Bezirke ftlr die Wahl 

der grundherrlichen Deputirten. 



Zahl 

der 

Wahlbezirke. 



I. W. B. 

n. 



m. 

IV. 



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Umfang der Wahlbezirke. 



See- und Donaukreis 



Dreisamkreis 



• • • • 



Kiozig-, Murg-, Pfinz- und Enzkreis 
Neckarkreis mit Ausnahme der Stadt und 
der beiden Landämter Mosbach . . 
Main- und Tauberkreis, mit Mosbach 

Summa 



Grundheniiches 
Steuer -Capital. 



3,796,612 
4,084,909 
5,368,388 



5,184,790 
3,414,299 



21,847,998 



Beilage D. 



87 



Eintheilung 



des Orossherzogthuins in Bezirke für die Wahl 

der übrigen Deputirten. 





Namei\ 

der 

■ ' ^__ 


Steuercapital 

der 


Kreise. 


' 


Wahlbezirke. 


Wahlbezirl(e. 
19,491,098. 


Kreise. 


Ueberliogen. 


See . • 


. 


Radolfszell. 


18,043,273. 


54,656,571. 




\ 


Stockach. 


17,022,200. 


/ 




> 


Villingen. 


17,483,535. 


1 


DoDau . 


m ■ 1 


Httfingen. 


12,531,216. 


r 40,185,878. 




1 


Bonndorf. 


10,171,127. 






/ 


Waldshut 


17,921,260. 


\ 
\ 






Schopfheim. 


15,278,986. 


1 




f 

1 


Lörrach. 
Müllheim. 

• 


19,023,290. 
19,757,880. 




Dreisam 


1 


Breisach. 
Freiburg I. 


18,128,115. 
9,469,880. 


) 164,717,861. 






Freiburg II. 
Freiburg III. 
Emmendingen. 


16,627,070. 
14,653,840. 
15,301,980. 






\ 


Kenzingen. 
Ettenheim. 


18,565,560. 
10,575,057. 


/ 


^ 




Lahr. 


14,524,055. 




Kinzig . 


. { 

[ 


Offenburg. 
1 Bischoffsheim. 
1 Oberkirch. 

Hasslach. 

Bühl. 


17,810,266. 
14,405,280. 
15,147,785. 
13,573,340. 

17,158,041. 


\ 86,035,783. 

1 


Murg . 


1 


Eastatt. 


16,978,526. 


53,579,728. 




1 


Ettlingen. 


19,443,161. 



88 




Pflnz u. Enz. 



Neckar 



Main und 
Tauber . | 



Carlsruhe. 
Durlach. 
Bruchsal. 
Bretten. 
Pforzheim I. 
Pforzheim II. 

Wiesloch. 

Schwetzingen. 

Mannheim. 

Ladenburg. 

Heidelberg. 

Sinsheim. 

Mosbach. 

Wertheim. 

Boxberg. 

Buchen. 



8,599,149. 
17,944,152. 
19,661,109. 
21,956,767. 
15,998,714. 
10,216,866. 

21,592,589. 
16,029,849. 
11,118,235. 
18,462,047. 
14,309,753. 
19,870,396. 
18,382,556. 

20,848,811. 
18,978,710. 
17,966,910. 



94,371,747. 



,119,765,425. 



57,794,431. 



98 

Es ist anffallend, dass in der Commission , welche diese Entwürfe zn 
begatachten hatte, ausser Sensburg nicht einem einzigen von den Männern 
Sitz und Stimme zugestanden worden war, die früher an den Yerfassungs- 
arbeiten einen so eifrigen und rühmlichen Antheil genommen hatten ; es 
hängt diess ohne Zweifel mit dem Netz von Intriguen zusammen , welches 
einzelne gewandte und einflussreiche Personen, die Kränklichkeit und das 
durch sie hervorgerufene Misstrauen des Grossherzogs benutzend, über die 
leitenden Kreise zu werfen verstanden hatten. Ihre Berechnungen durch- 
kreuzte indess doch, zumal in so wichtigen Fragen, zuweilen der Entschluss 
des (rrossherzogs. 

Ein Separatgutachten des Frhm. v. Marschall über den Nebenius- 
Sensburg'schen Entwurf, das bei den Acten liegt, beweist, dass auch dieses- 
mal der Grossherzog den so vielfach bewährten Mann über diese bedeu- 
tungsvolle Angelegenheit nicht ungefragt liess. Frhr. v. Sensburg würde 
seine Meinung nicht eingeholt haben* 

Dieses Gutachten des Frhm. v. Marschall — von ihm «Erinnerungen 
über den Sensburgischen Entwurf IT.» überschrieben — ist vom 22. Juli 
1816 datiert 

Er macht darin zuvörderst darauf aufmerksam , dass man von Seiten 
der öffentlichen Meinung , «welche sich heut zu Tage zu einem wichtigen 
Element in der gesellschaftlichen Ordnung erhoben hat,» grosse Erwartungen 
auf die zu ei'lassenden Constitutionen setze, dass eine Täuschung derselben 
sehr nachtheilig wirken könne. Desshalb habe er dem Grossherzog ange- 
rathen, die ständischen Befugnisse zu erweitem. 

Die Abtheilung der Wahldistricte nach dem Massstab der directen 
Steuern findet er für die Yolksdeputirten sachgemäss ; nicht so für die 
Standesherm. Man dürfe nicht das an sich schon bedeutende Gewicht der 
Stimmen der Reichsten und Ersten durch organische Gesetze vergrössem. 

Die Vereinigung beider Kammern in eine findet v. Marschall bei der 
Berathschlagung über die Steuerbewilligung und einige andere Finanz- 
gegenstände zweckmässig. Sonst aber sei die Bedeutung einer Adels- 
kammcr von nicht zu leugnender Grösse. Nur Hass gegen den Adelsstand 
kämpfe in Zeitungen und Flugschriften dagegen. Die Wahrheiten , die 
Montesquieu entwickelt, blieben trotzdem aufrecht ; das Wesen einer guten 
Verfassung bestehe in einer wohl abgewogenen Verbindung des vorherr- 
schenden monarchischen Elements mit dem aristokratischen und demokra- 
tischen. Er macht ferner für zwei Kammern die reifere, ruhigere und be- 
sonnenere Ueberlegung geltend, die verschiedene Stellung der beiden berathen- 
den Körper zur Regierung, die verschiedenen Gesichtspunkte, von denen 
beide ausgehen, die Möglichkeit, ungeeignete Beschlüsse der einen durch die 
Verweigerung der Einwilligung der andern zu beseitigen. In Würtemberg 
bereue es die Regierung sehr, nicht von Anfang zwei Kammern eingeführt zu 
haben. Der Adel, zurückgesetzt und erniedrigt, habe sich in die Arme 
der extremsten Demokraten geworfen. 



90 

Es sei ausserdem den Standesherm gegenfiber billig und klug, ihre 
fk'üheren Yerhälinisse so weit zu ehren als möglich. «Ein Staat ehrt sich 
selbst durch Auszeichnung seiner ersten Unterthanen.» 

Zu Einzelnem übergehend, spricht sich Frhr. v. Marschall bei Art. 3 
gegen die Ernennung eigener Deputirten durch den Regenten aus, eine 
Massregel, welche die öffentliche Meinung in hohem Grade gegen sich 
haben würde. 

Bei Art. 8, Nr. 3 sieht er nicht ein, warum grund- und standesherr- 
liche Beamte ausgeschlossen sein sollen ; er ist auch gegen principielle Aus- 
schliessung der Staatsdiener. Die Bestimmung wegen der Entlassenen 
glaubt er deutlich gegen gewisse Personen gerichtet, die sich neuerlich 
yergangen haben und desshalb entlassen worden sind. ^) Er hält es für 
ungerecht, sie, gleich Verbrechern, auszuschliessen. 

Zu Art. 31 ist Frhr. v. Marschall für Integralemeuerung nach 5 — 6 
Jahren, die er für besser als die partielle Erneuerung hält. Der Geist 
einer partiell erneuerten Kammer werde sich im Wesentlichen nie ändern. 
Das immer bedenkliche Mittel der Auflösung werde öfter zur Anwendung 
kommen müssen. 

Zu Art. 36 will er den Ständegliedem gestattet wissen, Instructionen 
von ihren Committenten anzunehmen. 

Zu Art. 39. Nr V. und VI. Nicht bloss die Berathnng , sondern die 
Einwilligung der Stände in der Gesetzgebung erscheine erforderlich. So 
sei es in allon Constitutionen. 

Doch möchte Marschall nicht alle Zweige der Gesetzgebung der stän- 
dischen Mitwirkung eröffnen, besonders nicht diejenigen Gesetze, welche 
die Privatverhältnisse der Unterthanen gegen einander betreffen und deren 
Anwendung in streitigen Bechtsfallen den ordentlichen Gerichten zusteht. 
In diese Gesetzgebung könnten die Stände leicht grosse Verwirrung bringen. 
Auch das Hausgesetz der Regentenfamilie berührt sie nicht ; ebensowenig 
alles, was man Landesorganisation nennt. 

Auf den 1. August hatte das Grossherzogiiche Rescript vom 16. März 
die Eröffiiung der ersten ständischen Versammlung in Aussicht gestellt. 
Davon konnte natürlich keine Bede sein , da gegen Ende Juli noch nicht 
einmal ein Verfassungsentwurf endgiltig festgestellt war. 

Indess wäre auch schon die Verkündung der Verfassung, wenn sie an 
diesem Termine erfolgt wäre, allenthalben mit Befriedigung und neuem Ver- 
trauen auf eine bessere Zukunft begrüsst worden. Jedoch auch diess sollte 
nicht geschehen. 

Im Bathe des Fürsten trug diejenige Ansicht den Sieg davon, die 
Sensburg schon bei früheren Anlässen sehr entschieden vertreten hatte, 
dass man mit der Ertheilung der Verfassung zuwarten solle, bis der 



^) Vergl. oben 8. 40 und 41. 



91 

deutsche Bundestag diejenigen Directiven gegeben haben würde, welche för 
die Gesetzgebung der Einzelstaaten massgebend sein müssten. 

Am 30. Juli 1816 wurde das Land durch das nachstehende Rescript 
überrascht : *) 

Wir Carl etc. 

Da Wir durch Unser Rescript vom 16. März 1. J. die erste stän- 
dische Versammlung auf den Anfang Augusts festsetzten, so waren 
Wir berechtigt, mit voller Zuversicht zu hoffen, dass in der Zwischen- 
zeit diejenigen Gegenstände der deutschen Bundesverfassung, mit 
welchen Wir die besondere Verfassung Unseres Landes in Einklang 
zu setzen gedenken, durch nähere Uebereinkunft mit den sämmt- 
lichen hohen Bundesgliedern würden verabredet und bestimmt werden. 

Allein diese Hoffnung ist zur Zeit noch nicht in Erfüllung ge- 
gangen. Wir dehen Uns daher veranlasst, die dem Lande zu gebende 
ständische Constitution, welche bereits vollendet zu Unserer höchsten 
Sanction vorliegt, für jetzt noch nicht zu verkünden. 

Zu dieser höchsten Entschliessung leitet Uns bloss der landest 
väterliche Wunsch, diese wichtige Angelegenheit mit der möglichsten 
Umsicht zu behandeln, damit eine feste und dauerhafte, das Glück 
der Einzelnen und des Ganzen sicher gründende Verfassung gebildet 
werde. 

Carlsruhe, den 29. Julius 1816. 

CarL 

vdt Frhr. v. Hacke. 

Auf Seiner Königlichen Hoheit 
besondem höchsten Befehl. 

Ring. 



*) BegierangsbUti 1816 Nr. XIIV. 



Fünftes Capitel. 



Nun ruhten längere Zeit die Verfassungsarbeiten vollständig« Beinahe 
gleichzeitig mit dem Erlass des Rescript^s vom 29. Juli fand ein Minister- 
wechsel statt , in dessen Gefolge unmittelbar eine Reihe der wichtigsten 
Arbeiten in Angnff genommen wurde, um das schwankende und von den 
Stürmen der Zeit schwer erschütterte Staatsachi£f wieder in ein ruhigeres 
Fahrwasser zu leiten. Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten Frhr. 
von Hacke, ein frivoler Lebemann ohne sittlichen Ernst und ohne Sinn für 
eine geordnete Geschäftsbehandlung, wurde seines Amtes enthoben und 
an seine Stelle Frhr. von Berstett, bisher Gesandter am Bundestag, 
ernannt, ein Mann, nicht von grossen Geistesgaben, aber brav, dem Regenten- 
hause unbedingt ergeben und von militärischer Pünktlichkeit. Der Minister 
des Innern, Frhr. von Berkheim, übernahm die Bundestagsgesandtschaft, der 
Finanzminister von Sensburg das Ministerium des Innern, Staatrath von 
Dawans die provisorische Leitung des Finanzministeriums, Frhr. von Marschall 
und die Herren Wieland und Guignard wurden zu Mitgliedern des Staats- 
ministeriums ernannt. Das Wichtigste aber war die Ernennung des Frhrn. 
von Beizenstein zum Staats- und Gabinets -Minister. Die Wahl dieses 
ausgezeichneten, in den wichtigen diplomatischen Verhandlungen der Rhein- 
bundszeit als ebenso klug, gewandt und treu, wie in der Behandlung der 
inneren Angelegenheiten des Landes als gewissenhaft und freisinnig be- 
währten Staatsmannes, war der unverkennbarste Beweis einer Wendung zum 
Besseren. Seine Energie neutralisierte auch die Gefahr, die immerhin noch 
in der Beibehaltung von Männern wie Sensburg und Guignard lag, von 
denen indess der erstero, wenn nur seiner Neigung zur Intrigue kein allzu- 
grosser Spielraum gelassen wurde, als eine sehr schätzbare Arbeitskraft 
angesehen werden durfte« 



93 

Der Entschluss za diesen wichtigen Yerändernngen war jedenfalls ein 
persönliches Verdienst des Grossherzogs Carl, der, so sehr ihn auch in der 
Regel sein unheilbares Siechthum dazn verurtheilte, die Dinge gehen zu * 
lassen, wie sie eben giengen, zuweilen mit raschem Entscheid die wichtigsten 
Dinge erledigte und dann gewöhnlich das Richtige traf. 

Was Staatsrath Reinhard über ihn sagt, *) ist für diesen Fürsten 
inaaersi characteristisch und, so sehr es auch von der gemeinhin geltenden 
Eeurtheilong desselben abweicht, durchaus zutreffend. «Er hörte an und 
dachte im Stillen; er kannte die Menschen und hatte ein feines, scharfes 
Auge, dessen heimliche Wahrnehmungen er mit Argwohn und Misstrauen 
zu Terstellen wusste.» Wenn er von verschiedenen Seiten mit Meinungen 
und Rathschlägen bedrängt wurde, heisst es an einer andern Stelle, «so 
sagte der junge Fürst nicht, was er thun werde ; aber wenn er Alles an- 
gehört, und mit seinen schönen, schlauen Augen die geheimste Gesinnung 
dnrchspäht hatte, so handelte er plötzlich im unerwarteten Moment nach 
eigner, heimlich gefasster Entschliessung, oder er hatte, wenn es auf eine 
Negative ankam, die Sache bereits zum ewigen Schlafe bei Seite gelegt, 
wenn er immer noch mit scheinbarer Aufmerksamkeit Gespräche und Er- 
örterungen darüber anhörte.» 

Auch General von Tettenbom hat Anspruch, einen Tbeil des Verdienstes 
an den neuen Entschlüssen für sich zu fordern. Er hatte, aus Liebe und 
Anhänglichkeit für sein Geburtsland und dessen Fürsten, den russischen 
Dienst, in dem er sich während der Befreiungskriege die glänzendsten 
Lorberen gesammelt, verlassen und weilte damals in der nächsten Um- 
gebung des Grossherzogs. 

Wenn aber auch die Kräfte der Minister zunächst der bessern Ordnung 
des Staatshaushaltes gewidmet waren, so fehlte es doch bald nicht an neuen 
Mahnungen, der Verfassungsfrage nicht zu vergessen. Wie zur Zeit des 
Wiener Congresses, so war es auch jetzt wieder die grosse Angelegenheit 
der Territorial -Integrität und der Erbfolge, welche den Grossherzog und 
seine Räthe zur Wiederaufnahme der Verfassungsarbeiten veranlasste. 

Während Baiern, von Oestreich im Stillen, aber um so kräftiger unter- 
stützt, unausgesetzt bemüht war, seine Ansprüche auf die badische Pfalz 
bei den grossen Höfen zu begründen und deren Beistand zu erringen, trat 
durch den Tod der beiden Prinzen, welche die Grossherzogin Stephanie 
geboren und durch den sich täglich verschlimmernden Gesundheitszustand 
des Grossherzogs auch die Erbfolgefrage wieder mehr in den Vordergrund. 
Zwar war für den Todesfall des Grossherzogs Carl die Nachfolge seines 
Oheims, des Markgrafen Ludwig, unbestreitbar und weiterhin durch die 
Erhebung der Grafen von Hochberg zu Markgrafen von Baden von Seite 



*) In Minem Tergtiienen, aber lehr lesaniwertheA Buche: „Bekenntniiie*** K&rlnuke 1840. 
BMd 1. S. 262. 



94 

des regierenden HBUses alle nötbige Vorsorge getroffen, allein die Saccessions- 
fähigkeit der Letzteren war noch nicht Yon den europäischen Mächten 
anerkannt und bei dem trostlosen Zustande der Finanzen, bei der Stockung 
aller Geschäfte fürchtete man bei einem plötzlichen Eintritt des unzweifel- 
haft drohenden Todes des Regenten das Schlimmste: einen bewaffneten 
Einfall der Baiern, eine völlige Auflösung und Theilung des Landes. 

Die einflussreichsten Männer in der Umgebung des Grossherzogs sahen 
unter diesen Umständen nur in der Er theilung einer dem Zeitgeist ent- 
sprechenden Verfassung die Möglichkeit einer Wendung zum Bessern, die 
Consolidierung des so schwer gefährdeten Staatswesens. Auch die befreunde- 
ten Mächte riethen diesen Schritt dringend an. Aus Berlin und besonders 
aus St. Petersburg kamen wiederholt Mahnungen, das Verfassungswerk zu 
beschleunigen. Auch der König Wilhelm von Würtemberg, naturgemäss 
ein Hauptgegner der bairischen Vergrösserungsgelüste, und als Schwager des 
Kaisers Alexander auch auf die Gesi^ungen des russischen Hofes von 
Einfluss, ertheilte seinen Rath in demselben Sinne. 

Im December 1817 war ein Comit^ zur systematischen Bearbeitung 
nnd Begutachtung der Angelegenheiten des deutschen Bundes niedergesetzt 
worden, welchem die Minister von Reizenstein und von Berstett, Staatsrat h 
Wielandt, Geh. Referendar Reinhard, Regierungsrath Winter und Finanzrath 
Nebenius angehörten. Das Gomit6 zog sofort auch die Verfassungsfrage — 
als geboten durch den Art. 13 der Bundesacte — in den Kreis seiner 
Berathungsgegenstände. Am 11. Februar 1818 resolvierte der Grossherzog 
auf einen Vorschlag des Comit^s, dass eine Aufforderung des Bundestages 
oder eine Erklärung Baierns oder Hessen-Darm st ad ts als der schicklichste 
Zeitpunkt zur Abgabe einer ebenmässigen Declaration angesehen werden 
solle. Um dieselbe Zeit überreichte der Frh. von Bersteit dem Grossherzog 
eine Denkschrift, in welcher er die Nothwendigkeit zweier Kammern dar- 
zuthun suchte, besonders desshalb, weil in einer Kammer die bürgerlichen 
und bäuerlichen Abgeordneten vollständig über den Adel die Oberhand 
gewinnen würden. 

Am 7. April 1818 gab das Comit^ für Bundesangelegenheiten das 
Gutachten ab, dass es nun an der Zeit sein dürfte, eine die Vollziehung 
des Art. 13 der Bundesacte betreffende Erklärung zu erlassen. Der in 
obiger Resolution bezeichnete Zeitpunkt sei nun eingetreten, da Baiem 
und Hessen- Darmstadt ihre Intentionen bei dem Bundestag formlich zu 
erkennen gegeben hätten. Es könnte diesseits durch längeres Zögern 
durchaus nichts gewonnen werden, während, neben der Aussicht auf eine 
höchst unangenehme Erinnerung der Bundesversammlung, der Verlust in 
der öffentlichen Meinung, dem Vertrauen des Volkes und anderer Regierungen 
eben so klar als unberechenbar sei. Die frühere Verkündigung vom 29. Juli 
1816 sei als purificiert zu betrachten, seitdem es unzweifelhaft sei, dass 
wegen Einführung landständischer Verfassungen eine Uebereinkunft der 
einzelnen Bundesregierungen nicht stattfinden werde. 



r 



95 

Auf diesen Vortrag ergieng an den Präsidenten des Comit^s das nach- 
stehende Handschi'eiben des Grossherzogs: 

Mein Heber Staats- und Cabinets - Minister ! 

Ich ertheile Ihnen andurch den Auftrag, in dem für die Bundes- 
siigelegenheiten niedergesetzten Comit^ die über die Einführung einer 
iandständischen Verfassung im Grossherzogthum bis daher ausgearbeite- 
ten Entwürfe und gesammelten Actenstücke, unter Beobachtung des 
allen Mitgliedern desselben auf*s ernstlichste zu empfehlenden tiefsten 
Geheimnisses, in die sorgfältigste Berathung zunehmen, mit Benutzung 
aller, in der Gesetzgebung anderer Bundesstaaten über landständische 
Verfassung bisher in üebung gekommenen Einrichtungen, den dcrmaligen 
Verhältnissen des Landes möglichst anzupassen und in vollständig 
entsprechenden Ausfertigungen Mir vorzulegen. 

Ich verbleibe mit ausgezeichneter Achtung 

Ihr 

ganz ergebener 

Carl m. pr. 
Carlsruhe, den 28. April 1818. 

An den Staats- und Cabinets-Minister von Reizenstein. 

lieber die damit neuerdings eröffneten Verfassungsberathungen lassen wir 
am besten Nebenius *) selbst berichten: «Vor seiner Abreise nach Baden» 
— erzählt er — «versanmielte der Grossherzog dasComit^ in einer kurzen 
Sitzung, in welcher er seine Ansicht kund gab, für die seinem Lande 
bereits verheissene landständische Verfassung das Zweikammersystem anzu- 
nehmen, den Ständen alle, dem Zwecke dieser Institution entsprechenden, 
mit den monarchischen Grundprincipien und der Unabhängigkeit der Staats- 
verwaltung vereinbarlicheu und nicht zur Einmischung in die laufende 
Verwaltung des Staates führenden Rechte, insbesondere die Mitwirkung an 
der Gesetzgebung des Landes zu verleihen und die wesentlichsten Grund- 
lagen des bestehenden Rechtszustandes und die wichtigeren der bewährten 
Staatsanstalten unter die Garantie der Verfassung zu stellen. Im All- 
gemeinen wurden die Gründe, welche für die Bildung von zwei Kammern 
geltend gemacht werden konnten, und noch als eine wesentliche Bestimmung 
der Vorbehalt der Initiative in der Gesetzgebung ausschliesslich für die 
Regierung, ausfuhrlicher besprochen. Frühere Verhandlungen und Ent- 
würfe wurden nicht berührt, sondern dem Comit^ überlassen, ohne Rück- 
sicht hierauf, dem Grossherzog den Entwurf einer Verfassungsurkunde, wie 



*) „Schon 1816** — lieifst ef an einer andern Stelle der Nebenias^tchen Anfzeiclinnngen • 
Hwnrde mir geengt, dnee ich tu den Verlmndlnngen Ikber die ConatUntion beige sogen werden lollt«. 
Ich nchairt« mir weitere literariecbe Hilfemittel an, etndierte fort nnd kam dabei auf gani andere 
Ideen, ale die waren, denen ich bei meinem eriten Bntwnrf gefolgt war, was dem Oroiskerxog 
■Ickt unbekannt blieb.** 



96 

sie dem Bedürfnisse des Landes entspreche, vorzulegen. Beim Hinweggehen 
hlieb der Grossherzog bei mir stehen, wandte sich an den Cirkel der Mit- 
glieder und sagte: ««Ich ernenne den Herrn Nebenius zum Refe- 
renten.»» Später bedeutete er mir, dass er die Vorlage meines Entwurfes 
in meinem Manuscript erwarte und befahl nachdrücklich deren Beschleu- 
nigung. Herr von Reizenstein schickte mir nun die vorhandenen Acten und 
bemerkte mir mündlich, dass mir meine Arbeit leicht fallen dürfte, da sich 
in den Acten der Verfassungsentwurf des Herrn von Marschall befinde, 
den ich zu Grund legen könne. Ich gab aber die Acten sogleich zurück, 
da ich mit meinen Ansichten schon im Reinen sei, und kam mit dem Ent- 
würfe bald zu Stande.» 

«Die Entwürfe der Verfassungsurkunde und einer Wahlordnung, die 
ich vorlegte und für deren Abfassung mir die, vom Grossherzog in den mir 
früher vergönnten Privataudienzen gebilligten Grundzüge massgebend waren, 
erhielten den Beifall des Comites. Ich begleitete ihre Vorlage mit einem 
mündlichen Vortrage, in welchem ich die Gründe für die einzelnen Bestim- 
mungen in ihrem ganzen Zusammenhange entwickelte und überall auf ab- 
weichende Bestimmungen, welche anderwärts bestanden oder die noch be- 
stehenden landständischen Verfassungen oder vorliegende und in Berathung 
stehenden Entwürfe darboten, sowie auf die, bei solchen Vergleichungen 
in Betracht kommende Verschiedenheit der staatlichen, volkswirthschaft- 
lichen und socialen Verhältnisse hinwies. Man erkannte an, dass der Ent- 
wurf, den ich vorlegte, keine Bestimmungen enthielt, welche die monarchi- 
schen Grundprincipien verletzten oder welche, ihrem Inhalte nach, zur Auf- 
nahme in ein Verfassungsgesetz als ungeeignet oder, vermöge der den 
Zuständen des Landes zu tragenden Rücksichten, als schlechthin unzulässig 
zu betrachten wären. Man billigte dass der Entwurf der Verfassungsur- 
kunde, ausser den nöthigen Bestimmungen über die Zusammensetzung und 
die Wirksamkeit der Stände, im Grunde keine wesentlichen Neuerungen 
enthielt, sondern in seinen übrigen Bestimmungen sich auf bereits bestehende 
Einrichtungen oder längst anerkannte Regierungsmaxiroen gründete und der 
Entwicklung der öffentlichen Zustände, auf dem durch die Einführung der 
Stände angebahnten Wege nicht durch eine grössere Menge von Voraus- 
bestimmnngen Vorgriff. Bei der Erörterung der einzelnen Abschnitte und 
Artikel und deren Vergleichung mit den in anderen Ländern bestehenden 
Einrichtungen oder in kurz zuvor veröffentlichten Verfassungsurkunden 
oder vorliegenden Entwürfen gegebenen Vorbildern, war es gerade die grosse 
Mannigfaltigkeit der Ansichten, die über die Art und Weise, wie die meisten, 
auf die Lösung der gestellten Aufgabe bezüglichen Fragen in dieser oder 
jener Weise geltend gemacht werden konnten, zugleich aber auch die 
Schwierigkeit, in einer Reihe bestrittener oder in Zweifel gestellter Fragen 
ein ganz entschiedenes Ueberge wicht der Gründe ihrer Lösung in der einen 
oder in der andern Weise zu finden, und im Voraus alle practischen Gon- 
sequenzen mit voller Sicherheit zu berechnen, welchen ich den Beschluss 



97 

des Comites zuzuschreiben hatte. Dasselbe fand keinen zureichenden 
Grand, irgend eine wesentliche Abänderung in Vorschlag zu bringen.» 

Die neue Arbeit von Nebenius zeichnete sich vor allem durch eine 

klare Disposition der einzelnen Abschnitte der Yerfassungsurkunde vortheil- 

hafl vor den bisher vorgelegten Entwürfen aus. Namentlich die vollslän- 

dige Ausscheidung der Wahlordnung, die als selbständiges Ganzes gedacht 

war, verlieh dem bedeutenden Werke eine schöne Harmonie. 

Die Abänderungen, welche das Comit6 für Bundesangelegenheiten an 
dem Entwürfe von Nebenius vornahm, waren, wie oben erwähnt, nicht 
bedeutend. In der Einleitung wurden einige Sätze gestrichen, in denen 
die Motive der Hauptbestimmungen kurz entwickelt waren, ebenso eine 
ausführliche Fassung des §. 5, welche die Grundprincipien der repräsenta- 
tiven Verfassung in kurzen Zügen enthielt; der §.23 erhielt die schliesslich 
beibehaltene Redaction ; '") im §. 27 wurde die Lebenslänglichkeit der von 
der Regierung zu ernennenden Mitglieder der ersten Kammer eliminiert; 
im §. 51 wurden die Bestimmungen über den ständischen Ausschuss für 
die Fälle der Vertagung und Auflösung hinzugefügt; im §. 58 die Fest- 
setzung über Wiedervergebung heimgefalleuer Thron-, Ritter- und Kammer- 
lehen und die Bestimmung über die pragmatische Sanction; im §. 76 erfolgte 
der Zusatz , dass die Minister bei den Abstimmungen abzutreten haben ; 
die Ueberschrift der §§. 79 bis 82 : «VI. Vorübergehende Bestimmungen> 
wurde beseitigt; §. 83, der im ersten Abschnitt gestanden, an den Schluss 
versetzt. **) 

Die endgültige Redaction der Verfassungsurkunde fand in Griesbach 
statt. Nebenius war dabei nicht zugegen. Den Intriguen seiner Feinde 
war es gelungen, dem Grossherzog, den seine Krankheit äusserst reizbar, 
empfindlich und misstrauisch machte, Verdacht gegen ihn einzuflössen. 
Nebenius selbst erzählt hierüber Foldendes : 

«Während der Anwesenheit des Grossherzogs in Griesbach und ehe 
die Verfassung genehmigt war, erhielt ich, nach einer Zusammenkunft des 
späteren Grossherzogs Leopold mit dem Minister von Reizenstein zu Steinbach, 
der Winter und ich beiwohnten, den Auftrag, nach Stuttgart zu reisen, mit 
dem Minister von Velluagel über die Territoiialangelegenheit zu conferieren 
und ihn zur Einwirkung auf die Theilnahme des Königs zu bestimmen, 
auch zu hören, was man dort überhaupt davon spreche. Ich begab mich 
dahin. Dringend wurde die Erlassung einer Constitution empfohlen, da 



*) In der 1. Bed«etion liiest er: „Das Edici yom 23. April 1818, welches die Vorrechte der 
SUnde«- und Omidherm enthili, hildei einen BesUndtheil der SUatsTerfassang. Der Oroeeherxog 
wird diejenigen, den Standes- und Grandherrn einger&amten Bechte, welche xor Jastiz- und Poliiei- 
gewalt gehören, fftr heine anderen Orte oder Bezirke Terwilligen , als woffir sie nach der Bundes- 
acte rechtlich angesprochen werden können.** 

**) Aus einem geiruckten Exemplar der Verfassungsurkunde, in welches Nehenius tigenh&ndig 
diese Notizen eingetragen h»t. 



98 

Kaiser Alexander vor allem darauf bestehe u. s. f. Die Gesinnangen des 
Kaisers waren schon früher bekannt and ich durfte voraussetzen, dass ihm 
wenigstens die Form unserer Urkunde, wenn mein Entwurf die höchste 
Genehmigung erhielt, entsprechen würde, da ich die Form der pol- 
ni^hen Constitution gewählt hatte, die den Kaiser selbst, wie man 
glaubte, zum Verfasser hatte. Auf meiner Weiterreise von Stuttgart nach 
Griesbach übernachtete ich in Freudenstadt, wo ich zufällig den Markgrafen 
Wilhelm traf und sprach. In Griesbach erhielt man sogleich, ich weiss 
nicht wie, die Kunde hiervon und knüpfte, ich weiss nicht welche arg- 
wöhnischen Yermuthungen daran, wovon ich aber während meines ganz 
kurzen Aufenthaltes in dem Bade nicht die mindeste Ahnung hatte. Ich 
sprach dort nur Herrn von Reizenstein und überbrachte ihm, was ich in 
Stuttgart vernommen, wurde aber, zu meinem Erstaunen, nicht vor den 
Grossherzog gelassen, sondern veranlasst, sogleich wieder abzureisen. Kaum 
in Karlsruhe angekommen, erhielt ich ein Schreiben von Holzing, worin er 
mich wegen meiner Zusammenkunft mit dem Markgrafen Wilhelm und 
wegen meiner Stuttgarter Reise um nähere Erläuterung bat, um fär mich 
wirken zu können. Da mir von Herrn von Reizeostein der Auftrag ohne 
Yorwissen des Grossherzogs gegeben worden war, so musste ich schweigen. » 

Wahrscheinlich ist es auf solche Weise, durch Erregung von Misstrauen 
gegen denverdienten Mann, seinen Feinden gelungen, ihn von den Schlnss- 
conferenzen in Griesbach fem zu halten. An ihnen nahmen, unter dem 
persönlichen Vorsitze des Grossherzogs, die Minister von Reizenstein und 
von Berstett, die General lieutenants von Schäffer und von Tettenbom, der 
Staatssecretär Wielandt und der Staatsrath von Sensburg Tiieil. Noch sind 
die Brouillons der Protokolle erhalten, die Wielandt mit Bleistift entwarf. 
Aus ihnen geht hervor, dass man bei diesen Bcrathungen noch einmal auf 
die Elaborate der frühern Commission zurückgieng und in der ersten Sitzung, 
am 13. August 1818, den NebeniusWhen Entwurf von 1816 vorlas. Auf- 
fallend genug, ist er auch jetzt noch in dem Protokolle als das Werk 
Sensburgs bezeichnet. 

Erst am folgenden Tage wurde der neueste, von dem Comit6 für Bundes- 
angelegenheiten bearbeitete Verfassungsentwurf vorgelesen und mit Aus- 
nahme des §. 59 unverändert angenommen^ 

Dieser hatte in dem Entwürfe von Nebeniusdie folgende Form gehabt: 
«Für den Grossherzog und die Glieder der Grossherzoglichen Familie wird 
eine Civilliste festgesetzt, die ohne Zustimmung der Stände nicht erhöht 
und ohne Bewilligung des Grossherzogs nicht vermindert werden kann.» 

An dessen Stelle trat — auf den vom Grossherzog geäusserten Wunsch, 
dass in diesem Verfassungsentwurf die sämmtlichen Domänen als Familien- 
Privatgut des grossherzc glichen Hauses aufgefühi*t werden möchten, auf 
deren Ertrag vordersamst die Civilliste r^diciert werden sollte, — der 
Paragraph, wie er in der jetzt noch geltenden Verfassungsurkunde steht. 
Ueber seine Entstehung herrschen verschiedene Meinungen. 



99 

Nebenius selbst sagt In seinen Aufzeichnungen nichts weiter darüber, 
als dass der Paragraph «eine Thatsache enthalte, an der es Niemand ein- 
fallen könnte zu zweifeln, wenn sie auch hier nicht erwähnt würde.» Sensburg 
rühmte sich später, dass der Eingang: des Artikels von ihm herrühre. Von 
anderer Seite wird Reizenstein dafür verantwortlich gemacht, während 
wieder andere Gewährsmänner dem Markgrafen und späteren Grossherzog 
Ludwig die Anregung der hier erfolgten gesetzlichen Bestimmung über die 
Domänen zuschreiben. 

In dem Regierungsblatt No. XVIII. vom 29. August 1818 wurde 
die vonv 22. August datierte Verfassungsurkunde für das Grossherzogthum 
Baden publiciert. 

Folgendes ist ihr Wortlaut: *) 




Verfassungs-Ürkun 

ftlr das Grrossherzogthum Baden. 

Carl von ßottes Gnaden, 

Grossherzog zu Baden, Herzog zu Zähringen, 
Landgraf zu Neuenbürg, 6raf zu Hanau etc. 



Als Wir bereits im Jahr 1816 Unsem Unterthanen wiederholt bekannt 
machten, dem Grossherzogthum eine landstandische Verfassung geben zu 
wollen, so hegten Wir den Wunsch und die Hoffnung, dass sämmtliche 
Bundesglieder über eine unabänderliche wesentliche Grundlage dieser, allen 
deutschen Völkern zugesicherten Einrichtung übereinkommen und nur in 
Entwicklung der aufgestellten Grundsätze ein jeder einzelner Staat seinen 
besondem Bedürfnissen , mit Rücksicht auf bestehende Verhältnisse, folgen 
möchte. 

Da sich jedoch, nach den letzten, über diesen Gegenstand bei dem 
Bandestage abgelegten, Abstimmungen der Zeitpunkt noch nicht bestimmt 
voraussehen lässt, in welchem die Gestaltung der ständischen Verfassung 
einen Gegenstand gemeinschaftlicher Berathungen bilden dürfte, so sehen 



*) Wir haben denselben, obwohl dieeo Urknnde fiberane oft gedruckt ibt, dennoch hier anf- 
nehmen zu sollen geglaubt, weil namentlich aasw&rtigen Lefom nicht stets ein solcher Abdmek 
snr Hand ist, wfthrend man des8elb<»n, sowohl snr Yergleiehung mit den frfiheren Entwürfen, als 
mit den spAtoren AbftnderungsTorsehl&gon, nicht wird entbehren könneiC * 



- - '-- • . • : 



lÖO 

Wir Uns nunmehr veranlasst, die Unsern Unterthanen gegebene Zusicherung 
auf die Art und Weise in Erfüllung zu setzen, wie sie Unsrer innern freien 
und festen Ueberzeugung entspricht. 

Von dem aufrichtigsten Wunsche durchdrungen, die Bande des Ver- 
trauens zwischen Uns und Unserm Volke immer fester zu knüpfen, und 
auf dem Wege, den Wir hierdurch bahnen, alle Unsre Staats-Einrichtungen 
zu einer höhern Vollkommenheit zu bringen, haben Wir nachstehende Ver- 
fassungsuckunde gegeben, und versprechen feierlich für Uns nnd Unsere 
Nachfolger, sie treulich und gewissenhaft zu halten und halten zu lassen: 

I. 
Von dem Grossherzogthui und der Regierang im Allgemeinen. 

§. 1. Das Grossherzogthum bildet einen Bestandtheil des deutschen Bundes. 

§. 2. Alle organischen Beschlüsse der Bundesversammlung, welche die ver- 
fassungsmässigen Verhältnisse Deutschlands oder die Verhältnisse 
deutscher Staatsbürger im Allgemeinen betreffen, machen einen Theil 
des Badischen Staatsrechts aus, und werden für alle Classen von 
Landosangehörigen verbindlich, nachdem sie von dem Staats-Oberhaupt 
verkündet worden sind. 

§. 3. Das Grossherzogthum ist untheilbar und unveräusserlich in allen 
seinen Theilen. 

§. 4. Die Regierung des Landes ist erblich in der Grossherzoglichen Familie 
nach den Bestimmungen der Declaration vom 4. October 1817, die 
als Grundlage ded Hausgesetzes einen wesentlichen Bestandtheil der 
Verfassung bilden und als wörtlich in gegenwärtiger Urkunde auf- 
genommen betrachtet werden soll. 

§. 5. Der Grossherzog vereinigt in Sich alle Rechte der Staatsgewalt, und 
übt sie unter den in dieser Verfassungsurkunde festgesetzten Bestim- 
mungen aus. 

Seine Person ist heilig und unverletzlich. 

§. 6. Das Grossherzogthum hat eine ständische Verfassung. 

Staatsbirgerliche nnd politische Rechte der Badener, nnd besondere Znsichernngen. 

§. 7. Die staatsbürgerlichen Rechte der Badener sind gleich in jeder Hinsicht, 

wo die Verfassung nicht namentlich und ausdrücklich eine Ausnahme 

begründet. 

Die Grossherzoglichen Staatsminister und sämmtliche Staatsdiener 

sind für die genaue Befolgung der Verfassung verantwortlich. 
§. 8. Alle Badener tragen ohne Unterschied zu allen öffentlichen Lasten bei. 

AlLQj^ffpju^g^n Von directen oder indirecten Abgaben bleiben aufgehoben. 

: • . . ••• • • 



101 

$. 9. Alle Staatsbürger von den drei christlichen Confossionen haben zu 
allen Civil- und Militärstellen und Kirchenämtern gleiche Ansprüche. 
Alle Ausländer, welchen Wir ein Staatsamt conferieren, erhalten 
durch diese Verleihung unmittelbar das Indigenat. 
§. 10. Unterschied in der Geburt und der Religion begründet, mit der für 
die standesherrlichen Familien durch die Bundesacte gemachten 
Ausnahme, keine Ausnahme der Militärdienstpflicht. 
§. II. Für die bereits für ablöslich erklärten Grundlasten und Dienst- 
pflichten und alle aus der aufgehobenen Leibeigenschaft herrührenden 
Abgaben soll durch ein Gesetz ein angemessener Abkaufsfuss 
reguliert werden. 
§. 12. Das Gesetz vom 14. August 1817, über die Wegzugsfreiheit, wird 

als ein Bestandtheil der Verfassung angesehen. 
§. 13. Eigeuthum und persönliche Freiheit der Badener stehen für alle auf 

gleiche Weise unter dem Schutze der Verfassung. 
§. 14. Die Gerichte sind unabhängig innerhalb der Gränzen ihrer Competenz. 
Alle Erkenntnisse in bürgerlichen Rechtssachen müssen von den 
ordentlichen Gerichten ausgehen. 

Der Grossherzogliche Fiscus nimmt in allen aus privatrechtlichen 
Verhältnissen entspringenden Streitigkeiten Recht vor den Landes- 
Gerichten. 

Niemand kann gezwungen werden, sein Eigeuthum zu öffent- 
lichen Zwecken abzugeben, als nach Berathnng und Entscheidung 
des Staatsministeriums, und nach vorgängiger Entschädigung. 
§. 15. Niemand darf in Griminalsachen seinem ordentlichen Richter ent- 
zogen werden. 

Niemand kann anders als in gesetzlicher Form verhaftet und länger 
als zweimal 24 Stunden im Gefangniss festgehalten werden, ohne 
über den Grund seiner Verhaftung vernommen zu sein. 

Der Grossherzog kann erkannte Strafen mildern oder ganz nach- 
lassen, aber nicht schärfen. 
§. 16. Alle Vermögensconflscationeu sollen abgeschafft werden. 
§. 17. Die Pressfreiheit wird nach den künftigen Bestimmungen der Bundes- 
versammlung gehandhabt werden. 
§. 18. Jeder Landeseinwohner geniesst der ungestörten Gewissensfreiheit 
und in Ansehung der Art seiner Gottesverehrung des gleichen Schutzes. 
§. 19. Die politischen Rechte der drei christlichen Reb'gionstheile sind gleich. 
§. 20. Das Kirchengut nnd die eigenthümlichen Güter und Einkünfte 
der Stiftungen, Unterrichts- und Wohlthätigkeitsanstalten dürfen 
ihrem Zwecke nicht entzogen werden. 
§.21. Die Dotationen der beiden Landesuniversitäten und anderer höheren 
Lehranstalten, sie mögen in eigenthümlichen Gütern und Gefallen, 
oder in Zuschüssen aus der allgemeinen Staatscasse bestehen, sollen 
ungeschmälert bleiben. 



102 

§. 22. Jede, von Seite des Staats gegen seine Gläubiger übernommene 
Verbindlichkeit ist unverletzlich. 

Das Institut der Amortisationscasse wird in seiner Verfassung 
aufrecht erhalten. 

§. 23. Die Berechtigungen, die durch das Edict vom 23. April 1818 den 
dem Grossherzogthum angchörigen ehemaligen Beichsständen und 
Mitgliedern der vormaligen unmittelbaren Beichsritterschafb verliehen 
worden sind, bilden einen Bestandtheil der Staatsverfassung. 

§. 24. Die Bechtsverhältnisse der Staatsdiener sind in der Art, wie sie das 
Gesetz vom heutigen festgestellt hat, durch die Verfassung garantiert 

§. 25. Die Institute der weltlichen und geistlichen Wittwencassen und der 
Brandversicherung sollen in ihrer bisherigen Verfassung fortbestehen, 
und unter den Schutz der Verfassung gestellt sein. 

in. 

StttndeyersamndiiBg. Rechte und Pflichten der Ständeglieder. 

§.26. Die Landstände sind in zwei Kammern abgetheilt. 
§. 27. Die erste Kammer besteht: 

1. aus den Prinzen des Grossherzoglichen Hauses, 

2. aus den Häuptern der standesherrlichen Familien, 

3. aus dem Landesbischof und einem vom Grossherzog lebens- 
länglich ernannten protestantischen Geistlichen mit dem Range 
eines Prälaten, 

4. aus acht Abgeordneten des grundherrlichen Adels, 

5. aus zwei Abgeordneten der Landesuniversitäten, 

6. aus den vom Grossherzog, ohne Rücksicht auf Stand und 
Geburt, zu Mitgliedern dieser Kammer ernannten Personen. 

§. 28. Die Prinzen des Hauses und die Standesherren treten, nach erlangter 
Volljährigkeit, in die Ständeversammlung ein. Von denjenigen 
standesherrlichen Familien, die in mehrere Zweige sich theilen, ist 
das Haupt eines jeden Familienzweiges, der im Besitz einer Standes- 
herrschaft sich befindet, Mitglied der ersten Kammer. 

Während der Minderjährigkeit des Besitzers einer Standesherr- 
schaft ruhet dessen Stimme. 

Die Häupter der adelichen Familien, welchen der Grossherzog 
eine "Würde des hohen Adels verleihet, treten, gleich den Standes- 
herrn, als erbliehe Landstände in die erste Kammer. Sie müssen 
aber ein nach dem Rechte der Erstgebui-t und der Linealerbfolge 
erbliches Stamm- oder Lehngut besitzen, das in der Grund- und 
Geföllsteuer, nach Abzug des Lastencapitals, wenigstens zu 300,000 
Gulden angeschlagen ist. 
§. 29. Bei der Wahl der grundherrlichen Abgeordneten sind sämmtliche 
adeliche Besitzer von Grundherrschaften, die das 21. Lebensjahr 



103 

zurftckgelegt und im Lande ihren W<^sitz haben, sümmfiähig. 
Wählbar sind alle stimmfähigen Gruudherren, die das 25. Lebensjahr 
zurückgelegt haben. Jede Wahl gilt für acht Jahre. Alle vier Jahre 
tritt die Hälfte der grandherrlichen Deputirten aas. 

Adelichen Güterbesitzem kann der Grossherzog die Stimm- 
Ühigkeit and Wählbarkeit bei der Grandherrenwahl beilegen, wenn 
sie ein Stamm- oder Lehngat besitzen, das in der Ghrund- and Gefäll- 
Steaer, nach Abzag des Lastencapitals, wenigstens anf 60,000 Galden 
angeschlagen ist, und nach dem Rechte der Erstgeburt nach der 
Linealerbfolge vererbt wird. 

§. 30. In Ermangelung des Landesbischofs tritt der Bisthumsverweser in die 
Ständeversammlung. 

§.31. Jede der beiden Landesuniversitäten wählt ihren Abgeordneten auf 
vier Jahre aus der Mitte der Professoren oder aus der Zahl der 
Gelehrten* oder Staatsdiener des Landes nach Willkühr. Nur die 
ordentlichen Professoren sind stimmfähig. 

§.32. Die Zahl der vom Grossherzog ernannten Mitglieder der ersten 
Kammer darf niemals acht Personen übersteigen. 

§. 33. Die zweite Kammer besteht aus 63 Abgeordneten der Städte und 
Aemter nach der dieser Yerfassungsurkunde angehängten Yei*thei- 
lungsliste. 

§. 34. Diese Abgeordneten werden von erwählten Wahlmännem erwählt. 

§. 35. Wer wirkliches Mitglied der ersten Kammer, oder bei der Wahl der 
Grundberren stimmfähig oder wählbar ist, kann weder bei Ernennung 
der Wahlmänner ein Stimmrecht ausüben, noch als Wahlmann oder 
Abgeordneter der Städte und Aemter gewählt werden. 

§.36. Alle übrigen Staatsbürger, die das 25. Lebensjahr zurückgelegt 
haben, im Wahldistrict als Bürger angesessen sind, oder ein öffent- 
liches Amt bekleiden, sind bei der Wahl der Wahlmänner stimmföhig 
und wählbar. 

§.37. Zum Abgeordneten kann ernannt werden, ohne Rücksicht auf Wohnort, 
jeder durch den §.35 nicht ausgeschlossene Staatsbürger, der 

1. einer der drei christlichen Confessionen angehört, 

2. das 30. Lebensjahr zurückgelegt hat und 

3. in dem Grund-, Häuser- und Gewerbssteuerkataster wenigstens 
mit einem Capital von 10,000 Gulden eingetragen ist, oder 
eine jährliche lebenslängliche Rente von wenigstens 1 500 Gulden 
von einem Stamm- oder Lehngutsbesitze, oder eine fixe ständige 
Besoldung oder Kirchenpfründe von gleichem Betrag als 
Staats- oder Kirchendiener bezieht, auch in diesen beiden 
letzten Fällen wenigstens irgend eine directe Steuer aus 
Eigenthum zahlt. 

Landes-, Standes- und grundherrliche Bezirksbeamte, Pfarrer, 
Physici und andere geistliche und weltliche Localdiener können als 



104 

Abgeordnete nicht von den Wahlbezirken gewählt werden, woza 
ihr Amtsbezirk gehört. 

§. 38. Die Abgeordneten der Städte und Aemter werden auf acht Jahre 
ernannt und so, dass die Kammer alle zwei Jahre zu einem Viertel 
erneuert wird. 

§. 39. Jede neue Wahl eines Abgeordneten, die wegen Auflösung der Ver- 
sammlung oder wegen des regelmässigen Austritts eines Mitglieds 
nöthig wird, zieht eine neue Wahl der Wahlmänner nach sich. 

§. 40. Jeder Austretende ist wieder wählbar. 

§.41. Jede Kammer erkennt über die streitigen Wahlen der ihr angehörigen 
Mitglieder. 

§. 42. Der Grossherzog ruft die Stände zusammen, vertagt sie und kann sie 
auflösen. 

§. 43. Die Auflösung der Stände bewirkt, dass alle durch Wahl ernannten 
Mitglieder der ersten und zweiten Kammer, die Abgeordneten der 
Gnindherren, der Universitäten und der Städte und Aemter, ihre 
Eigenschaft; verlieren. 

§. 44. Erfolgt die Auflösung, ehe der Gegenstand der Berathung erschöpft 
ist, so muss längstens innerhalb drei Monaten zu einer neuen Wahl 
geschritten werden. 

§. 45. Der Grossherzog ernennt für jeden Landtag den Präsidenten der 
ersten Kammer; die zweite Kammer wählt für die Präsidentenstelle 
drei Gandidaten, wovon der Grossherzog für die Dauer der Ver- 
sammlung einen bestätigt. 

§. 46. Alle zwei Jahi'e muss eine Stände Versammlung stattfinden. 

§. 47. Die Mitglieder beider Kammern können ihr Stimmrecht nicht anders 
als in Person ausüben. 

§. 48. Die Ständeglieder sind berufen, über die Gegenstände ihrer Berathungen 
nach eigener Ueberzeugung abzustimmen. Sie dürfen von ihren 
Comraittenten keine Instructionen annehmen. 

§. 49. Kein Ständeglied kann während der Dauer der Versammlung, ohne 
Ausdrückliche Erlaubniss der Kammer, wozu es gehört, verhaftet 
werden; den Fall der Ergreifung auf frischer That bei begangenen 
peinlichen Verbrechen ausgenommen. 

§. 50. Die Stände können sich nur mit den nach gegenwärtigem Grund- 
gesetz zu ihrer Berathung geeigneten oder vom Grossberzog besonders 
an sie gebrachten Gegenständen beschäftigen. 

§. 51. Es besteht ein ständischer Ausschuss aus dem Präsidenten der letzten 
Sitzung und drei andern Mitgliedern der ersten und sechs Mitgliedeiii 
der zweiten Kammer, dessen Wirksamkeit auf den namentlich in 
dieser Urkunde ausgedrückten Fall, oder auf die von dem letzten 
Landtag mit Genehmigung des Grossherzogs an ihn gewiesenen Ge- 
genstände beschränkt ist. 



105 

Dieser Ausschnss wird vor dem Schlüsse des Landtags, auch 
bei jeder Yertagting desselben, in beiden Kammern durch relative 
Stimmenmehrheit gewählt. Jede Auflösung des Landtags zieht 
auch die Auflösung des, wenn gleich schon gewählten» Ausschusses 
nach sich. 
§. 52. Die Kammern können sich weder eigenmächtig versammebi, noch 
nach erfolgter Auflösung oder Vertagung beisammen bleiben und 
berathschlagen. 

IV. 

Wirksamkeit der Stände. 

§. 53. Ohne Zustimmung der Stände kann keine Auflage ausgeschrieben und 
erhoben werden, 

§. 54. Das Auflagengesetz wird in der Regel für zwei Jahre gegeben 
Solche Auflagen jedoch, mit denen auf längere Zeit abgeschlossene 
Verträge in unmittelbarer Verbindung stehen, können vor Ablauf des 
betreffenden Contractes nicht abgeändert werden. 

§. 55. Mit dem Entwurf des Auflagengesetzes wird das Staatsbudget und 
eine detaillirte Uebersicht über die Verwendung der verwilligten 
Gelder von den frühern Etatsjahren übergeben. Es darf darin kein 
Posten für geheime Ausgaben vorkommen, wofür nicht eine schrift- 
liche, von einem Mitglied des Staatsministeriums contrasignierte, Ver- 
sicherung des Grossherzogs beigebracht wird, dass die Summe zum 
wahren Besten des Landes verwendet worden sei, oder verwendet 
werden solle. 

§. 46. Die Stände können die Bewilligung der Steuern nicht an Be- 
dingungen knüpfen. 

§. 57. Ohne Zustimmung der Stände kann kein Anlehen gültig gemacht 
werden. Ausgenommen sind die Anlehen, wodurch etatsmässige 
Einnahmen zu etatsmässigen Ausgaben nur anticipiert werden, sowie 
die Geldaufnahmen der Amortisationskasse, zu denen sie, vermöge 
ihres Fundationsgesetzes, ermächtigt ist. 

Für Fälle eines ausserordentlichen, unvorhergesehenen^ dringenden 
Staatshedürfhisses, dessen Betrag mit den Kosten einer ausserordent- 
lichen Versammlung der Stände nicht im Verhältniss steht und wozu 
das Creditvotum der Stände nicht reicht, ist die Zustimmung der 
Mehrheit des Ausschusses hinreichend, eine Geldaufnahme gültig zu 
machen. Dem nächsten Landtag werden die gepflogenen Verhandlun- 
gen vorgelegt. 

§. 58. Es darf keine Domäne ohne Zustimmung der Stände veräussert 
werden. Ausgenommen sind die zu Schuldentilgrungen bereits be- 
schlossenen Veräusserungen, Ablösungen von Lehen, Erbbeständen, 



106 

Gülten, Zinsen, Frohndiepsten, Verkäufe von entbehrlichen Gebäaden, 
von Gütern und Oeftllen, die in benachbarten Staaten gelegen sind, 
und alle YeriOMerungen, die aus staatswirthschaftlichen Rücksichten 
zar Beförderung der Landcscultnr oder zur Aufhebung einer nach- 
theüSgen eigenen Verwaltung geschehen. Der Erlös muss aber zu 
neuen Erwerbungen verwendet oder der Schul dentilgnngscasse zur 
Verzinsung übergeben werden. 

Ausgenommen sind auch Täusche und Veräusserungen zum 
Zweck der Beendigung eines, über Eigenthums- oder Dienstbarkeits- 
Verhältnisse anhängigen, Rechtstreits; femer die Wiedervergebong 
heimgefallener Thron-, Ritter- und Kammerlehen während der Zeit 
der Regierung des Regenten, dem sie selbst hcimgefallen sind. 

Da durch diesen und den §.57 der Zweck der pragmatischen 

. Sanction über Staatsschulden und Staatsveräusserungen vom 1. Oktober 

1806 und vom 18. November 1808 vollständig erreicht ist, so hört 

die Verbindlichkeit derselben mit dem Tage auf, wo die landständische 

Verfassung in Wirksamkeit getreten sein wird. 

§. 59. Ohngeachtet die Domänen nach allgemein anerkannten Grundsätzen 
des Staats- und Fürstenrechts unstreitiges Partrimonialeigenthum 
des Regenten und seiner Familie sind, und Wir sie auch in dieser 
Eigenschaft, vermöge obhabender Pflichten als Haupt der Familie, 
hiermit ausdrücklich bestätigen, so wollen Wir dennoch den Ertrag 
derselben, ausser der darauf radicierten Civllliste und ausser andern 
darauf haftenden Lasten, so lang als Wir Uns nicht durch Herstellung 
der Finanzen in dem Stand befinden werden. Unsere Unferthanen 
nach Unserm innigsten Wunsche zu erleichtem, — der Bestreitung 
der Staatslasten ferner belassen. 

Die Givilliste kann, ohne Zustimmung der Stände nicht erhöhet, 
und ohne Bewilligung des Grossherzogs niemals gemindert werden. 

§. 60. Jeder die Finanzen betreffende Gesetzesentwurf geht zuerst an die 
zweite Kammer, und kann nur dann, wenn er von dieser angenom- 
men worden, vor die erste Kammer zur Abstimmung über Annahme 
oder Nichtannahme im Ganzen ohne alle Abänderung gebracht werden. 

§.61. Tritt die Mehrheit der ersten Kammer dem Beschluss der zweiten 
nicht bei, so werden die bejahenden und verneinenden Stimmen beider 
Kammem zusammen gezählt und nach der absoluten Mehrheit sämmt- 
licher Stimmen der Ständebeschluss gezogen. 

§. 62. Die alten, auch nicht ständigen Abgaben dürfen nach Ablauf der 
Vorwilligungszeit noch sechs Monate fort erhoben werden, wenn die 
StäDdeversamralung aufgelöset wird, ehe ein neues Budget zu Stande 
kommt, oder wenn sich die ständischen Berathungen verzögern. 

§.63. Bei Rüstungen zu einem Kriege und während der Dauer eines Kriegs 
kann der Grossherzog, zur schleunigen und wirksamen Erfüllung 
seiner Bundespflichten, auch vor eingeholter Zustimmung der Stände, 



107 

gültige Staatsanlehen machen oder Eriegssteaem ausschreiben. Für 
diesen Fall wird den Ständen eine nähere Einsicht und Mitwirkung 
in der Verwaltung in der Art eingeräumt, 

1. dass der alsdann zusammen zu berufende Ausschuss zwei Mit- 
glieder an die Ministerien der Finanzen und des Kriegs und 
einen Commissär zur Eriegscasse abordnen darf, um darauf 
zu wachen, dass die zu Kriegszwecken erhobenen Gelder auch 
wirklich und ausschliesslich zu diesem Zwecke verwendet 
werden, und dass derselbe 

2. zu der jeweils, wegen Eriegsprästationen aller Art aufzustellen- 
den Ej-iegscommission eben so viele Mitglieder abzugeben hat, 
als der Grossherzog, ohne den Vorstand zu rechnen, zur Leitung 
des Marschverpflegungs- und Lieferungswesens ernennt. Auch 
soll der Ausschuss das Recht haben, zu gloicbom Zweck einer 
jeden Proviuzialbehörde, aus der Zahl der in dem Provinz- 
bezirk wohnenden St&ndeglieder, zwei Abgeordnete beizugeben. 

§. 64. Kein Gesetz^ das die Verfassungsurkunde ergänzt, erläutert oder 
abändert, darf ohne Zustimmung einer Mehrheit von V3 ^^^ ^^' 
wesenden Ständeglieder einer jeden der beiden Kammern gegeben 
werden. 

§. 65. Zu allen andern, die Freiheit der Personen oder das Eigenthum der 
Staatsangehörigen betreffenden, allgemeinen, neuen Landesgesetzen 
oder zur Abänderung oder authentischen Erklärung der bestehenden, 
ist die Zustimmung der absoluten Mehrheit einer jeden der beiden 
Kammern erforderlich. 

§. 66. Der Grossherzog bestätigt und promulgiert die Gesetze, erlässt die 
zu deren Vollzug und Handhabung erforderlichen — die aus dem 
Aufsichts- und Verwaltungsrecht abfliessenden — und alle für die 
Sicherheit des Staats nöthigen Verfügungen, Reglements und all- 
gemeinen Verordnungen. Er erlässt auch solche, ihrer Natur nach 
zwar zur ständischen Berathung geeignete, aber durch das Staats- 
wohl dringend gebotene Verordnungen, deren vorübergehender Zweck 
durch jede Verzögerung vereitelt würde. 

§. 67. Die Kammern haben das Recht der Vorstellung und Beschwerde; 
Verordnungen, worinnen Bestimmungen eingeflossen, wodurch sie iht 
Zustimmungsrecht für gekränkt erachten, sollen auf ihre erhobene, 
gegründete Beschwerde sogleich ausser Wirksamkeit gesetzt werden 
Sie können den Grossherzog unter Angabe der Gründe um den Vor- 
schlag eines Gesetzes bitten. Sie haben das Recht, Missbräuche in 
der Verwaltung, die zu ihi'er Kenntniss gelangen, der Regierung 
anzuzeigen. Sie haben das Recht, Minister und die Mitglieder der 
obersten Staatsbehörden wegen Verletzung der Verfassung oder 
anerkannt verfassungsmässiger Rechte föimlich anzuklagen. Ein 



108 



besonderes Gesetz soll die Fälle der Anklage, die Grade der Abndung, 
die urtheilende Behörde und die Procedur bestimmen. 

Beschwerden einzelner Staatsbüger über Kränkung in ihren ver- 
fassungsmässigen Gerechtsamen können von den Kammern nicht 
anders als schriftlich und nur dann angenommen werden, wenn der 
Beschwerdeführer nachweist, dass er sich vergebens an die ge- 
eigneten Landesstellen und zuletzt an das Staatsministerium um 
Abhülfe gewendet hat. 

Keine Vorstellung, Beschwerde oder Anklage kann an den 
Grossherzog gebracht werden, ohne Zustimmung der Mehrheit einer 
jeden der beiden Kammern. 



V. 
EröffnaBg der ständisehen Sitzungeiif Formen der Berathangen« 

§.68. Jeder Landtag wird in den für diesen Fall vereinigten Kammern 
vom Grossherzog in Person, oder von einem von ihm ernannten 
Commissär eröffnet und geschlossen. 
§. 69. Sämmtlicho neu eintretende Mitglieder schwören bei Eröffnung des 
Landtags folgenden Eid: 

Ich schwöre Treue dem Grossherzog, Gehorsam dem Gesetze, 
Beobachtung und Aufrechthaltung der Staatsverfassung und in 
der Ständeversammlung nur des ganzen Landes allgemeines 
Wohl und Bestes ohne Rücksicht auf besondere Stände oder 
Classen nach meiner inncrn Ueberzeugung zu berathen : So wahr 
mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium. 
§. 70. Kein landesherrlicher Antrag kann zur Discussion und Abstimmung 
gebracht werden, bevor er nicht in besondem Commissionen erörtert 
und darüber Vortrag erstattet worden ist. 
§.71. Die landesherrlichen Commissarien treten zur vorläufigen Erörterung 
der Entwürfe mit ständischen Commissarien zusammen, so oft es 
von der einen oder andern Seite für nothwendig erachtet wird. 
Keine wesentliche Abänderung in einem Gesetzentwurf kann getroffen 
werden, die nicht mit den landesherrlichen Commissarien in einem 
solchen gemeinschaftlichen Zusammentritt erörtert worden ist 
§.72. Die Kammern können einen zum Vortrag gebrachten Entwui'f noch- 
mals an die Comissionen zurückweisen. 
§. 73. Ein von der einen Kammer an die andere gebrachter Gesetzesent- 
wurf oder Vorschlag irgend einer Art kann, wenn er nicht Finanz- 
Gegenstände betrifft, mit Verbesserungsvorschlägen, die in einer 
Commission nach §. 71 erörtet worden, an die andere Kammer 
zurückgegeben werden. 



109 

§. 74. Jeder gültige Beschluss einer Kammer erfordert, wo nicht anedrück- 
lich eine Ausnahme festgesetzt worden ist, absolute Stimmenmehrheit 
bei Yollzähliger Versammlung. Bei gleicher Stimmenzahl giebt die 
Stimme des Präsidenten die Entscheidung. Tritt der Fall ein, dass 
in Finanzsachen die Stimmen beider Kammern zusammengezählt 
werden müssen, so entscheidet bei Stimmengleichheit die Stimme 
des Präsidenten der zweiten Kammer. 

Man stimmt ab mit lauter Stimme und den Worten: 
Einverstanden ! oder: Nicht einverstanden! Nur bei der Wahl 
der Candidaten für die Präsidentenstelle der zweiten Kammer, der 
Ausschussglieder und der Glieder der Commissionen, entscheidet rela- 
tive Stimmenmehrheit bei geheimer Stimmgebung. 

Die erste Kammer wird durch die Anwesenheit von 10, die 
zweite durch die Anwesenheit von 35 Mitgliedern, einschliesslich 
der Präsidenten, vollzählig. Zur gültigen Berathschlagung über die 
Abänderung der Verfassung wird in beiden Kammern die Anwesen- 
heit von y^ der Mitglieder erfordert. 

§. 75. Die beiden Kammern können weder im Ganzen noch durch Commis- 
sionen zusammentreten; sie beschränken sich in ihrem Verhältniss 
zu einander auf die gegenseitige Mittheilung ihrer Beschlüsse!. 

Sie stehen nur mit dem Grossherzoglichen Staat sministerium in 
unmittelbarer Geschäftsberührung; sie können keine Verfügungen 
treffen oder Bekanntmachungen irgend einer Art erlassen. 

Deputationen dürfen sie nur, jede besonders, nach eingeholter 
Erlaubniss, an den Grossherzog abordnen. 

§. 76. Die Minister und Mitglieder des Staatsministeriums und Grossherzog 
liehen Commissarien haben jederzeit, bei öffentlicher und geheimer 
Sitzung, Zutritt in jeder Kammer, und müssen bei allen Discusionen 
gehört werden, wenn sie es verlangen. Nur bei der Abstimmung 
treten sie ab, wenn sie nicht Mitglieder der Kammer sind. Nach 
ihrem Abtritt dürfen die Discussionen nicht wieder aufgenommen 
werden. 

§. 77. Nur den landesherrlichen Commissarien und den Mitgliedern der 
ständischen Commissionen wird gestattet, geschriebene Beden abzu- 
lesen ; allen übrigen Mitgliedern sind bloss mündliche Vorträge 
gestattet. 

§. 78. Die Sitzungen beider Kammern sind öffentlich. Sie werden geheim 
auf das Begehren der Regierungs-Commissarien, bei Eröffnungen, 
für welche sie die Geheimhaltung nöthig erachten, und auf das 
Begehren von drei Mitgliedern, denen nach dem Abtritt der Zuhörer 
aber wenigstens '/^ der Mitglieder über die Nothwendigkeit der 
geheimen Berathung beitreten muss. 

§. 79. Die Reihenfolge, wonach die Abgeordneten der Grundherrn und der 
Städte und Aemter aus der Verammlung austreten, wird auf dem 



110 

ersten Landtage fitr die einzelnen Wahlbezirke ein für allemal durch 
das Loos bestimmt. Die Hälfte der grnndhcrrlichen Abgeordneten 
tritt im Jahr 1823 ans, und dann alle vier Jahre wieder die Hälfte. 
Im Jahre 1821 tritt */^ der Abgeordneten der Städte und Aemter 
und dann alle zwei Jahre wieder V4 ^^s* 
§. 80. Bei der ersten Wahlhandlung erkennt über alle, wegen Gültigkeit der 
Wahlen entstehenden, Streitigkeiten die landesherrliche Central- 
Commission, die mit der ersten Vollziehung des Constitutionsgesetzes 
beauftragt werden wird. 
§. 81. Die Zeit der Eröffnung des ersten Landtags wird auf den ersten 

Februar 1819 festgesetzt. 
§. 82. Der zur Zeit der Eröffnung des ersten Landtags, wo die Constitution 
in Wirksamheit tritt, bestehende Zustand in allen Zweigen der Ver- 
waltung und Gesetzgebung dauert fort, bis die erste Verabschiedung 
mit dem Landtage in den Gegenständen, die sich dazu eignen, getroffen 
sein wird. 

Insbesondere wird das erste Budget bis zur Vereinbarung mit 
den Ständen provisorisch in Vollzug gesetzt. 
§. 83. Gegenwärtige Verfassung wird unter die Garantie des deutschen 
Bundes gestellt 
Gegeben unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und dem beige- 
druckten grössern Staatssiegel. 

Griesbach, den 22. August 1818. 

Carl. 



Vdt. F. A. Wielandt. 



(L. S.) 

Auf Befehl Seiner Königlichen Hoheit 

Weiss. 



Grosser und aufrichtiger Jubel begrüsste überall im Lande, vom 
Bodensoe bis an den Neckar und Main, dieses Werk, von dessen Entstehung 
man den Eintritt einer neuen und besseren Aera erwartete. Die letzten 
Lebenstage des Grossherzogs Carl haben noch die Dankadressen erheitert, 
die aus Städten und Landgemeinden, bedeckt mit zahlreichen Unterschriften, 
an ihn eingesandt wurden. Auch f&r die Territorialangelegenheit war die 
endliche Ertheilnng der Verfassung von hoher Wichtigkeit Zwar war 
Baiem mit seiner Constitution vom 26. Mai 1818 zuvorgekommen, allein 
viel mehr als diese Spanne Zeit, wog die Freisinnigkeit und von staats- 
männischem Geiste zeugende Trefflichkeit der badischen Verfassung den 
Vortheil auf, welchen der öffentlichen Meinung gegenüber Baiem erreicht 
hatte. Wo etwa im Lande die Unzufriedenheit mit den bestehenden Zu- 
ständen eine Hinneigung zu dem begehrlichen Nachbar hervorgebracht hatte, 



111 

trat diese jelzt yor dem stolzen, freudigen GefQhle flber das neue Grund- 
gesetz zurück. Auch die Diplomatie kam eben damals der badischen Sache 
zu Hilfe. Der Congress von Aachen gab den grossen Mächten Gelegenheit, 
sich für die Rechte Badens gegen die Ansprüche Baiems zu erklären und tief 
anfathmend in dem Gefühle der Sicherheit, giengen die badischen Geschäfts- 
männer daran, die Verfassung in^s Leben des Staates einzuführen. 

Was die Yerfassungsarbeit selbst betrifft, so wurde sie aller Orten mit 
grossem Beifall aufgenommen. Selbst aus Berlin konnte der Badische Ge- 
sandte melden, dass das Lob, das ihr gespendet werde, den Tadel, der 
auch nicht ganz fehle, bei weitem überwiege. Yamhagen nennt sie in 
einem Briefe an Oelsner *) «musterhaft kurz und bündig abgefasst.» «Ich muss 
gestehen,» föhrt er fort, «dass dieses Werk meine Erwartungen weit über- 
troffen hat; vieles darin ist ganz vortrefflich, anderes nicht unverbesserlich.» 
Und der Wortführer der Reaction, Ludwig von Haller, hat noch im Jahre 
1833 das Urtheil über sie gefällt, obschon sie den Hauptfehler habe, eine 
Constitution zu sein, mithin der Idee nach die Natur des Fürstenthumes zu 
verändern und in eine Quasi - Republik umzuwandeln, so erkenne er doch 
das deutsche Rechtsgefühl in dem vielen Guten, das in dieser Verfassung 
eingeflossen sei und gegen das Revolutionssystem benutzt werden könne. **) 

Nebenius persönlich hatte weder Lohn noch Anerkennung von seiner 
so hervorragenden Theilnahme an dem Verfassungswerke. Seine Autorschaft 
blieb ein Geheimniss, so dass selbst der wohlunterrichtete Varnhagen 
in dem bereits erwähnten Briefe an Oclsner sagen konnte: «Herr von 
Reizenstein ist als der Haupt Verfasser zu betrachten, durch Herrn von 
Tettenboms kräftigen Freisinn und Herrn von Berstetts eitrigen Betrieb 
nachdrücklich unterstützt.» 

Indess erlebte er bald die Genugthuung, dass man in wichtiger An- 
gelegenheit seine Hilfe wieder in Anspruch nehmen musste. 

Am 2. December 1818 schrieb der Minister von Reizenstein an Nebenius: 
«Ich muss Ihnen mit recht innigem Bedauern die unabwendbare Noth- 
wendigkeit ankündigen, Ihnen eine mühsame und unendlich ekelhafte Last 
aufbürden zu müssen. Gestern hatten wir den 1. December, es sollen abo 
in zwei Monaten die Landstände zusammen kommen. Ich hielt mich ver- 
bunden, nach schon so vielen vorausgegangenen Monitorien gestern den 
Grossherzog dringend auf dieses Datum aufmerksam zu machen, mit dem 
Beisatz, sein schlimmster Feind würde ihm nicht rathen wollen, durch 
Hinansschiebnng des Zeitpunktes das letzte Vertrauen des Landes zu 
täuschen. Er sah dieses und die Nothwendigkeit der dessfallsigen schleu- 
nigen, präparatorischen Massregeln vollkommen ein, erklärte mir aber zu 
gleicher Zeit, dass er sich schlechterdings nicht bei hinreichenden Kräften 



*) Briefiraehiel iwitchen Varohsgen and Oelsner. Sinitffsrt 1865, Band I Seit« U9. 
**) Siek« BeiUge ni. 



112 

fühle, die Terschlossene Eiste, in der unter einer Menge anderer Papiere 
auch das Wahlgesetz yergrahen b'egt, hervorholen, durchsuchen und jenes 
Actenstück herausnehmen zu lassen ; dass er sich aher eher en mille morceaux 
zerstückeln lassen würde, als irgendjemand anders, als sich seihst, eine solche 
Operation anzuvertrauen, wissen Sie ehen so gut als ich seihst. Es hleihe 
daher nicht« anderes übrig, als Ihnen den Auftrag zu gehen, sich noch 
einmal an denEntwurf eines Wahlgesetzes zu machen und dann nebst Ihrem 
GoUegen Winter auf 2 bis 3 Tage hierher zu kommen , um es im Comit^ 
in Deliberation zu nehmen, wo es sodann ohne weiteren Anstand von seiner 
Seite sogleich publiciert werden solle. Hier haben Sie meine Ankündigung. 
Gern würde ich den Kelch von Ihnen nehmen, allein es ist nicht möglich. 
Vielleicht haben Sie doch noch CoUectaneen, die Ihnen das Geschäft einiger- 
massen erleichtern. Es ist die dringendste Nothwendigkeit, gleich nach der 
Hälfte dieses Monats das Ganze in^s Land zu erlassen.» 

Nebenius antwortete auf diesen Brief am 5. December: «Euere Excellenz 
haben mich durch die Ankündigung, welche Hochderselben gnädiges 
Schreiben vom 2. d. M. enthält, keineswegs erschreckt. Sehr gerne über- 
nehme ich den mir zugedachten Auftrag einer nochmaligen Abfassung 
eines Entwui-fs zu einem Wahlgesetz. Meine Leetüre habe ich bereits 
begonnen und ich hoffe, die Redaction innerhalb des gesetzten Termins 
recht gut vollenden zu können. Von meinem ersten Entwurf, den ich im 
Concept übergab, habe ich nur noch unbrauchbare, unzusammenhängende 
Notamina. Indem ich Ew. Exe. für die mir vorläufig gegebene Nachricht 
unterthänigst danke, kann ich übrigens den Wunsch nicht unterdrücken, 
dass mir doch in diesem Falle meine Bemühungen nicht wieder auf gleiche 
Weise, wie meine früheren Arbeiten in Constitutionssachen, vergolten werden 
möchten. Es ist Ew. Exe. bekannt, wie eilig diese Arbeiten anfanglich, 
nachdem mich Se. Eönigl. Hoheit gnädigst zum Referenten ernannt hatten, 
betrieben wurden. Der Gegenstand, der durchaus in keiner Beziehung mit 
den Geschäften eines Finanzraths steht, war mir zwar nicht ganz fremd', 
doch war ich damit noch nicht vollkommen vertraut, um meine Ansichten 
zu berichtigen und zu begründen, wollte ich keine der vielen Constitutionen, 
die seit vielen Jahren erschienen sind, kein gutes Buch über die Materie, 
das in einer mir bekannten Sprache geschrieben war, insofern ich sie nur 
aufzutreiben wusste, ungelesen lassen, und die Vorarbeiten, Noten, Auszüge, 
die ich zum Theil noch besitze, mögen beurkunden, was ich in kurzer Zeit 
in dieser Hinsicht zu thun hatte. Ew. Exe. wissen, dass an dem Entwürfe, 
den ich vorlegte, nach reifem Ueberlegen, Erwägen und Debattieren sowohl 
an Form als Inhalt gar weniges geändert wurde. So kurz er war, so war 
er doch das Resultat vieler Arbeiten. Mehr als diese war aber die Eile 
beschwerlich , und noch jetzt leide ich an den Folgen einer momentanen 
körperlichen Anstrengung, an einer Augenschwäche, die ich mir zuzog, als 
ich bis tief in die Nacht die zerstreuten Blätter des Entwurfs zusammen- 
schrieb, und den andern Tag in der Sitzung die ermüdeten Augen vier 



113 

Standen lang im Eifer der Debatten den Reflex der vom Schlossplatz zu- 
rückprallenden Sonnenstrahlen ertragen. Allein diess ist nicht die einzige 
Fracht meiner Anstrengangen. Die Constitution erschien: sie erhielt den 
nngetheilten Beifall aller Aufgeklärten und massig Gesinnten; ausser dem 
demagogischen «Volksfreund aus Schwaben» wüsste ich Niemand, der da- 
gegen gesprochen. Sie hat uns gewiss in jeder Rücksicht und besonders in 
politischer genützt 

«Ich bin weit entfernt, zu glauben, hierbei etwas geleistet zu haben, 
was nicht viele eben so gut und manche noch weit besser gemacht hätten 
und bin überzeugt, dass jeder Mangel, der bei weniger Sorgfalt von meiner 
Seite, meine erste Vorlage verunstaltet hätte, sogleich von dem hochver- 
ehrlichen Comite verbessert worden wäre ; aber wenn ich mir auch durchaus 
nichts zum Verdienst rechnen durfte, so erwartete ich doch bei dieser Gelegen- 
heit keine Unannehmlichkeiten. Wie sie mir dennoch in hohem Grade ge- 
worden sind, ist Ew. Exe. ebenfalls bekannt. Der ganze Vorfall konnte 
nicht anders, als einen höchst kränkenden Eindruck in mir zurücklassen. 
Es ergibt sich übrigens vielleicht noch einmal eine Veranlassung, auf die 
Sache zurückzukommen. Wenigstens möchte die Hoffiiung nicht unbe- 
scheiden sein, mit Aufträgen zu neuen Arbeiten die Anerkennung des Ge- 
leisteten zur Beruhigung über erlittene Kränkungen zu erhalten. 

«Ew. Exe. dürfen indess versichert sein, dass ich mich bereits mit 
voller Liebe dem ohnehin nicht mühsamen, auch nicht weitläufigen und, den 
mechanischen Theil abgerechnet, auch nicht unangenehmen Geschäft unter- 
zogen habe. Auch hoffe ich, dass der zweite Entwurf besser und voll- 
ständiger als der erste werden wird.» 

So edel dachte der treffliche Mann. Was hundert andere als neue 
Belastung widerwillig abgelehnt hätten, neue Aufträge ohne irgend eine 
bindende Zusicherung entsprechender Anerkennung, das betrachtete er in 
seiner patriotischen Gesinnung als den besten Lohn seines Strebens. 

Die Grundlagen der Wahlordnung sind in der Verfassungsurkunde 
enthalten. Sie bestimmt die Bedingungen der activen und passiven Wahl- 
fähigkeit. Nunmehr wurden alle diese Bestimmungen in ihren Einzelheiten 
festgestellt und erläutert. *) Die Vertheilung der zu wählenden Abgeordneten 
erfolgt nach zwei Gesichtspunkten, nach dem Steuercapital der Wahlbezirke 
und nach einer gewissen Rücksichtnahme auf die im Staatsleben wichtigen 
Bildungsverhältnisse. Darum sind die Städte vorzugsweise begtinstigt 
Vierzehn Städte wählen allein 22 Abgeordnete; die übrigen 41 Mitglieder 
der zweiten Kammer werden in den ländlichen Wahlberzirken ernannt. Die 
Wahlcommissionen für die Wahlmännerwahlen bestehen aus den Vorstehern 
der bürgerlichen Ortsbehörden und aus Urkundspersonen, die aus der Zahl 
der 10 höchstbesteuerten Bürger ernannt werden. Die Abgabe der Stimme 



*) Die wörtliche MiUheilnag dei umfangreichen Wahlgesetzes erscheint nicht nothwendig. 

8 



114 

ist an das persönliche Erscheinen der Wahlberechtigten geknüpft, sie erfolgt 
schriftlich und öffentlich. Für die Abgeordnetenwahlen besteht die Wahl- 
commission aus einem vom Grossherzog ernannten Commissar. den 3 ältesten 
Wahlmännern und einem Protokollführer. Der landesherrliche Commissar 
hat sich jeder Wahlbeeinflussung zu enthalten. Drei Viertel der Wahl- 
männer müssen zu einer giltigen Wahl anwesend sein. Sie wählen den 
Abgeordneten durch absolute Stimmenmehrheit und mittels geheimer Stimm- 
gebung. Für die Wahlen zur ersten Kammer wurden ebenfalls eingehende 
Vorschriften erlassen. 

Die Eintheilung der Wahlbezirke war späterhin und ist bis auf den 
heutigen Tag Gegenstand oft wiederholter Angriffe. Namentlich die Schrift: 
«Die katholischen Zustände in Baden» *) behauptete, es sei hierbei auf 
die Confession gesehen und dadurch den protestantischen Bezirken ein Vorzug 
gegeben worden. Nebenius legt« gegen die Richtigkeit dieses Vorwurfes 
alsbald Protest ein. **) «Die Wahlordnung,» sagt er, «berücksichtigte bei 
der Bestimmung der Aemterwahlbezirke das Verhältniss der directen Be- 
steuerung, das ist die Grund-, Häuser- und Gewerbesteuercapitalien. 

«In den Bestimmungen über die Ernennung städtischer Abgeordneter 
trug man thoils der gewerblichen Bedeutung, theils historischen Erinnerungen, 
theils, insbesondere bei den grösseren Städten, dem verhältnissmässig grösseren 
Keichthum an geistigen Kräften gebührende Rechnung. Dass man das 
steuerbare Vermögen im Gebiete der politischen Rechte berücksichtige, dass 
man insbesondere den politischen Einfluss auf die Finanzen nach dem Masse 
der Beiträge zu den Staatslasten bemesse, ist ein Gebot der Gerechtigkeit 
wie der Politik. Die Finanzen bilden einen stehenden Gegenstand der 
Wirksamkeit der Landstände und gerade in dieser Beziehung räumt die 
Verfassungsurkunde der zweiten Kammer einen vorzüglichen Einfluss ein. 
Dieser überwiegende Einfluss konnte der zweiten Kammer nur in der Be- 
trachtung verwilligt werden, dass die Wählerschaft, aus der sie hervorgeht, 
bei weitem den grössten Theil des steuerbaren Vermögens besitzt. Auf 
derselben Grundansicht und in keiner Weise auf confession eilen Rücksichten 
beruht die Eintheilung der Aemterwahlbezirke, welche dem ohngefähren 
Verhältnisse der Steuercapitalien entspricht. Da aber gerade die minder 
fruchtbaren Landstriche, der Schwarzwald und der Odenwald, bei weitem 
zum grössten Theile ungemischt katholische Aemter hatten, so musste im 
Ganzen die Zahl der Abgeordneten aus den katholischen Bezirken im Ver- 
hältniss zur Volksmenge, unt«r der Zahl der Abgeordneten aus den rein 
protestantischen, mehr in der Ebene gelegenen Bezirken stehen bleiben. 
Eine vollständige Gleichheit war aber auch in Beziehung auf die Steuer- 
capitalien nicht zu erzielen, und wenn einzelne protestantische Bezirke unter 



*) Begfentfbarg 1841. 

**•) In der Schrift: „Die katholisehen Znntände in Badon mit steter Räcksicht snf die im 
Jahre 1841 erschienene Schrift unter git^ichem Titel." Karlsruhe 1842, S. 66 flg. 



115 

beiden Gesichtspunkten berücksichtigt erscheinen, so ist diess auch bei 
einzelnen katholischen der Fall. Wollte man die Aeroter nicht zu sehr 
zerreissen, so mussten einige Bezirke grösser, andere, weil sie, ohne zu 
gross zu werden, nicht mit benachbarten Aemtem vereinigt werden konnten, 
etwas kleiner werden. > •) 

Bevor es noch möglich war, die neue Arbeit, die Nebenius übernom- 
men hatte, zu vollenden, trat der Fall ein, der, lange vorausgesehen, nun 
doch rascher erfolgte, als man es erwartet hatte. Am 8. Dezember starb 
zu Rastatt der Grossherzog Carl. Sein Nachfolger war sein Oheim, der 
dritte Sohn Carl Friedrichs, Grossherzog Ludwig. 

Es konnte für seine Bathgeber kein Zweifel bestehen, dass die Vollen- 
dung des Verfassungswerkes seine nächste und wichtigste Aufgabe sei. 
Schon am 23. December 1818 wurde die Wahlordnung genehmigt und 
veröffentlicht und damit der erste Schritt gethan, die Constitution in das 
Leben einzuführen. Schneller, als vielleicht selbst ihre eifrigsten Förderer 
gedacht hatten, war sie mit dem Denken und Empfinden des badischen 
Volkes auf das Innigste verwachsen. 



*) So weit Nebenius. Dinse seine eigene Rechtfertigung hier antnführen , schien 
zweelnn&tsig , ja geboten. Ein weiteres Eingehen anf diese wichtige Frage und eine Darlegung 
eigener Anschauungen Aber dieselbe, scheint mit Zweck und Charal:ter der vorliegenden Schrift 
nicht wohl vereinbar . 



8* 



Sechstes Capitel. 



Im August 1818 war, wie wir gesehen, die Yerfassungsurkunde ertheilt 
und veröflFentlicht worden, im April 1819 traten zum ersten Mal in Carlsruhe 
die Kammern zusammen. *) Es war eine höchst merkwürdige Versammlung, 
durch das Talent einzelner besonders hervorragenden Mitglieder, unter 
denen der Frhr. von Liebenstein in erster Reihe stand, durch eine uner- 
M'artete Geschicklichkeit und Gewandtheit der gesammten Körperschaft in 
den Geschäften, durch eine überraschende Fülle von bedeutenden, tief ein- 
schneidenden Anträgen ausgezeichnet. Das Yerfassungswerk bestand seine 
erste Probe besser, als seine eifrigsten Freunde zu hoffen gewagt, das Er- 
gebniss der Verhandlungen, der Eindruck derselben im Lande und über 
dessen Gränzen hinaus bis nach England und Amerika war ein ganz anderer, 
als seine Gegner geglaubt und vorausgesagt hatten. Indess endeten die 
Sitzungen mit einem durch das Adelsedict vom 23. April 1819 veranlassten 
Conflict, der, im Zusammenhang mit den gleichzeitigen Stimmungen und 
Bewegungen der deutschen und europäischen Politik, immerhin kein günsti- 
ges Prognostikon für die Weiterentwicklung der durch die Verfassung be- 
gründeten staatlichen Verhältnisse zu stellen schien. 

In der That wandte sich Sinnen und Streben derjenigen Männer, welche 
durch die Ergebnisse des ersten badischeu Landtags die Monarchie bedroht, 
die fürstliche Autorität gefährdet sahen, von der näheren Betrachtung und 
Erörterung der in den Kammern zu Tage getretenen Erscheinungen bald 
darauf, das Grundgesetz, welches dieselben möglich gemacht, als die Quelle 
des üebels zu erklären und entweder seine völlige Beseitigung oder zum 
Mindesten eine Umgestaltung desselben im Sinne ihrer Anschauungen zu 
erreichen. 



*) üeber diesen und dio folgenden Landtage bis 1830 vergleiche man meine Schrift: „Baden 
unter den Groisherxogen Carl Friedrich, Carl, Ludwig. " Freibnrg 1863. 



117 

In deDselben Tagen, in denen der Staatsminister Frhr. von Berstett an 
den Ministerconferenzen zu Garlsbad einen thätigen und für die badischen 
Verhältnisse folgenreichen Antheil nahm, arbeitete der Finanzminister von 
Fischer in Baden-Baden eine Denkschrift aus, in der er seine Ideen über 
eine «so mild als möglich einzuleitende Reaction» entwickelte. 

Der Gedankengang dieser Denkschrift ist folgender: 

1. der deutsche Bund hat die badische Verfassung noch nicht garantiert, 

2. sie ist aber giltig, da sie das Volk angenommen und der Regent 
sie zu halten versprochen hat; sie beruht nunmehr auf einem 
Vertrage, 

3. da über diesen Vertrag kein Richter besteht, so ist, wenn ein Theil 
denselben nicht halten will, der andere befugt, auch davon abzugehen, 

4. selbst nach badischem Rechte kann, wenn einer den Contract nicht 
halten will, der andere auch zurückgehen, 

5. der Grossherzog nimmt seine Domänen zurück, reguliert seine Civil- 
liste selbst und lässt noch zur Zeit nach dem §. 59 die Ueberschüsse 
in die Staatskasse fiiessen, 

6. wenn sich die Stände weigern, so ist von ihnen die Constitution 
gebrochen, 

7. will man sie alsdann ganz beseitigen, so kann man es, 

8. allein nach der Bundesacte muss eine ständische Verfassung in 
jedem Lande sein, und in diesem Falle ist es am räthlichsten, der 
Bundesversammlung den Entwurf einer solchen Verfassung zu 
überlassen. 

Der neue Verfassungsentwurf müssto folgende Sätze haben: 

a. die sämmtlichen Domänen sind zur Unterhaltung des Regenten be- 
stimmt. Sie können ohne Bewilligung der Landstände nicht ver- 
äussert werden. Ist das Bedürfniss grösser als der Domänenertrag, 
so können es nur die Stände bewilligen, 

b. bei der Gesetzgebung sind die Stände berathend, nur bei neuen 
Steuern oder bei Erhöhung der alten haben sie das Bewilligungs- 
recht, 

c. die Stände haben die MitÄufsicht über die Verwendung der Steuern, 
sie können die Rechnungen ansehen und prüfen, 

d. daraus haben sie das Recht der Beschwerdeführung beim Bundes- 
tag oder Bundesgericht, 

e. sie haben das Recht, Diener wegen Malversation anzuklagen. 



Derartige Grundsätze, deren Befolgung einen völlig neuen Rechts- 
zustand geschaffen hätte und die kaum ohne eine die Existenz des Staates 
bedrohende Bewegung in der Bevölkerung durchzuführen gewesen wären, 
fanden jedoch keineswegs den Beifall des Grossherzogs Ludwig und der 
überwiegenden Mehrzahl seiner Rüthe. Auf dem Landtage von 1820 — 



118 

einer Fortsetzung des unterbrochenen von 1819 — gelang es, zwischen 
Regierung und Standen über die wesentlichen streitigen Punkte einen ge- 
nügenden Koropromiss zu schliessen, ohne dass dabei auch nur einen Augen- 
blick die Existenz der Verfassung oder irgend eines Paragraphen derselben 
in Frage gestellt worden wäre. Auch während des Landtages von 1822, 
der sich weniger friedlich abspann und mit offenem Streite endigte, war 
diess nicht der Fall. Auch damals erblickten die massgebenden Kreise 
nicht so fast in der Yerfassungsurkunde, als in den Uebergriffen der zweiten 
Kammer ein Hinderniss gedeihlicher Entwicklung der staatlichen Ver- 
hältnisse. Doch gab es auch damals einzelne Persönlichkeiten, die anders 
dachten, und den Ursprung aller Zerwürfnisse in den Bestimmungen der 
Verfassung selbst suchten und zu finden glaubten. Zu ihnen gehörte ein 
Mann, der später in der Geschichte des badischen Staates eine hervorragende 
Rolle gespielt hat, und den schon im Beginne der zwanziger Jahre der leb- 
hafteste Ehrgeiz und das Gefühl grosser Befähigung und Leistungsfähigkeit 
antrieb, seine Rathschläge auch da, wo er officiell nicht zu sprechen ver- 
anlasst war, nicht zurückzuhalten. Der Frhr. von Blittersdorff, damals 
badischor Gesandter am Bundestag, überreichte am 27. September 1822 
dem Fürsten Metternich zu Wien eine umfassende Denkschrift, in welcher 
er unter anderm auch sein Urtheil über die Verfassung seines Heimath- 
landes ohne Rückhalt darlegte. «Angeblich,» sagt er, «wird in der 
L Kammer das aristokratische, in der II. Kammer das demokratische Princip 
vertreten. Das demokratische Prinzip bedarf aber überall keiner Ver- 
tretung und in einem monarchisch-constitutionellcn Staate müssen eigent- 
lich beide Kammern aristokratisch construiert sein. Wie aber, wenn 
das aristostokratische Princip nirgend vertreten, das demokratische 
überall vorherrschend wäre? Ein solch beklagenswcrther Zustand besteht 
in Baden.» 

Blittersdorff geht nun die einzelnen Bestimmungen der badischen Ver- 
fassung durch und kommt zu folgenden Sätzen: 

1. das 30. Lebensjahr sei für die Wählbarkeit nicht ausreichend, 

2. der Census sei zu nieder gegriffen, 

3. Staatsdiener sollten nicht gewählt werden dürfen, 

4. zu allem Ueberfluss schlie.sse der §.32 der Verfassung die grossen 
Grundbesitzer von der II. Kammer aus; darin besonders erkenne 
man den Kastengeist der Staatsdiener, welche gern den einzigen 
Adel des Landes bilden und den eigentlichen Adel überall ver- 
drängen möchten, 

5. nur der zweiten Kammer allein seien alle Fiuanzgesetze zugewiesen, 

6. da auch die I. Kammer zum grossen Theil aus Staatsdienern und 
Abgeordneten der Universitäten bestehe, so sei nicht zu erwarten) 
dass sich der eigentliche Adel je mit dem Zustand der Dinge in 
Baden befreunden werde, 

7. die Kaste der Staatsdiener müsste gebrochen werden. 



119 

Die ErfuUuDg solcher Wünsche glaubte der Frhr. von Blittersdorff 
nicht auf normalen Wegen erreichen zu können. Von der eben damals 
bevorstehenden Vereinigung mächtiger Fürsten zu Verona erhoffte er, wie 
eine Umgestaltung der europäischen Verhältnisse überhaupt, so insbeson- 
dere eine völlige Vernichtung des Liberalismus in Baden. Er stand nicht 
an. diese seine Erwartung dem Fürsten Metternich direct vorzutragen. 

Auch dieses Mal jedoch waren die leitenden Männer nicht der Ansicht, 
dass ein Gewaltstreich gegen die Verfassung dem Lande zum Wohle ge- 
reichenwürde. Der Frhr. von Bcrstett ergriff, als er bald darauf zu Innsbruck 
mit den nach Verona reisenden Fürsten und ihren Ministern mehrfache 
Besprechungen hatte, jede Gelegenheit, um darzulegen, dass diese Aus- 
führungen lediglich die Privatansicht des Frhm. von Blittersdorff seien und 
dass die Grossherzogliche Regierung die feste Hoffnung hege, mit der zu 
Recht bestehenden Verfassung, aller Schwierigkeiten der Lage ungeachtet, 
in gedeihlicher Weise die Geschäfte zu führen. 

Bei der Heftigkeit des Conflictes, welcher unerwartet rasch das Ende 
des Landtags von 1822 herbeiführte, war es indess natürlich, dass in dem 
Kreise der unbedingten Anhänger der Regierung der Gedanke immer wieder 
von Neuem auftauchte, durch eine Verfassungsänderung lür die Zukunft den 
Ausgangspunkt ähnlicher Conflicte aus dem Wege zu räumen. Ein aus 
dem Monat Februar 1824 datiertes Memoire fasst, von allgemeinen Gesichts- 
punkten ausgehend, diese Eventualität sehr ernsthaft in's Auge. Wer 
dessen Verfasser ist, lässt sich nicht mit Bestimmtheit erkennen, doch sind 
Anhaltspunkte vorhanden, welche wahrscheinlich erscheinen lassen, dass 
wir den Staatsrath von Sensburg als solchen zu betrachten haben. Es er- 
scheint für die Anschauungsweise einflussreicher Personen jener Zeit charac- 
teristisch genug, um hier im Auszug mitgetheilt zu werden. 



Die deutsche Bundesncte (so beginnt es) habe unter laudstÄndischen 
Verfassuijgen nur solche Anstalten im Sinne gehabt, wie sie zur Zeit der 
deutschen Reichsverfassung in vielen Fürstenthümern hergebracht waren. 

Der Hauptfehler der deutschen Verfassungen sei der, dass ihre Ver- 
fasser, von dem patriarchalischen Verhältniss zwischen Fürst und Volk 
absehend, den Fürsten statt als Repräsentanten der Gottheit, als Reprä- 
sentanten des Volkes angesehen hätten. 

Darum betrachteten sich die Abgeordneten als Mitregenten. Es werde 
Opposition gegen den Fürsten gemacht und eine konspirierende Majorität 
beschliesse Unrecht und Unsinn gegen eine unbefangene Minorität. 

Solche ständische Verfassungen wirkten, wo nicht demoralisierend, so 
doch beunruhigend auf das Volk. 

In Baden erwarte das Volk allgemein eine Abänderung 
in der Verfassung, ohne selbst zu ahnen, worin diese bestehen oder 
wie sie vor sich gehen solle. Jede Abänderung werde demselben willkommen 



120 

sein, wenn sie nur die Bürgschaft gewähre, dass dadurch das zärtliche 
Band zwischen Fürst und Unterthanen inniger und fester geknüpft werde, 
dass dadurch der Fürst in den Stand gesetzt werde, die Bedürfnisse seiner 
Unterthanen genau kennen zu lernen und ihnen abzuhelfen. Daher würde 
das Volk, das die Auflösung der früheren Ständeversammlung als eine 
wohlbedachte Massregel der Regierung ansah, sehr ungehalten sein, wenn 
man jetzt die Kammern einberufen würde. Von Steuerverweigerung (weil 
die Stände sie nicht bewilligt) sei nirgends die Kede. «Das Volk hat 
einen zu richtigen Begriff von der Souveränetat seines Fürsten, als dass 
es sich diese nur in der Verbindung mit der Ständeversammlung den- 
ken könnte. > 

Eine Abänderung der Verfassung durch % Mehrheit der Kammern 
sei schwer durchführbar. Der Fürst könne diess am besten durch seine 
Machtvollkommenheit thun, wenn er durch eine competente Erklärung des 
Bundestages in der Ausübung dieses Rechtes unterstützt werde. 

Aber auch ohne eine solche Erklärung könne der Fürst jene Theile 
der Verfassung stillschweigend unkräftig machen und antiquieren, welche 
nach gemachter Erfahrung für die Wohlfahrt des Ganzen nicht passend sind 
und ihn eigentlich hindern, sein Volk gut zu regieren und glücklich zu 
machen. 

Vor allem dürfte die Oeffentlichkeit der Sitzungen des Landtags auf- 
gehoben werden. Sie verderbe den Character des Volkes, theile es in Par- 
teien, raube ihm die Achtang für das Positive, beschäftige es mit unbe- 
greiflichen Theorien und unerreichbaren Idealen und ernähre in ihm das 
gefahrliche Princip, .es sei der Regent nur sein Lehnträger und habe das 
Scepter von ihm erhalten. 

Active Staatsbeamte und Geistliche sollten nicht zu Deputirten gewählt 
werden dürfen, jedoch müsste der geistliche Stand eine Vertretung erhal- 
ten. Bei zweckmässiger Beschränkung der bisher von der 11. Kammer 
ausgeübten Theilnahme an der legislativen Gewalt dürfte eine L Kammer 
nicht nothwendig sein. 

Wir haben schon früher gesehen, dass auch auswärtige Staatsmänner 
an der badischen Verfassungsangelegenheit lebhaftes Interesse fanden und 
dass sich einige der Regierung nahe stehende Personen nicht enthalten 
konnten, dieses Interesse durch wiederholte Mittheilungen noch zu erhöhen. 
Als im Juni 1824 der Fürst Mettemich auf dem Johannisberg verweilte, 
war es abermals der Frhr. von Blittersdorff, der ihm eine Abhandlung über 
die badische Verfassung vorlegte. Hier zuerst begegnen wir bestimmten 
Vorschlägen, wie die Verfassung, ohne dass gegen sie ein eigentlicher Gewalt- 
ßtreich geführt werde, den Regierungszwecken entsprechender umzugestalten 
sein möchte. Eine Kammerauflösung wird da zunächst in Aussicht gestallt 
und von der neu zu wählenden Volksvertretung mit Bestimmtheit ein Ein- 
gehen auf die Pläne der Regierung erwartet. Die Verfassung, nach dem 



121 

Master der französischen zngesclinitten, — so führt Blittersdorff ans — 
sei durchaus nicht den Verhältnissen des Grossher zogthums angemessen. 
Es seien desshalb einige Abänderungen unerlässlich. Die partielle Er- 
neuerung der Kammern sollte authören. Die Discussion, welche über diese 
Frage jungst in Frankreich stattgefunden, habe dargethan, dass die Inte- 
gralemeuemng der Kammern und eine lange Dauer derselben der Stabilität 
des Staates ungleich mehr zusagen, als jenes System der partiellen und 
snccessiven Wahlen. Wenn man das schon in Frankreich fühle, um wie 
viel mehr in Baden, einem kleinen Staate, für den Ruhe die vorzüglichste 
Bedingung der Existenz sei. Auch für das Budget solle eine längere Dauer 
festgesetzt werden, wodurch zugleich eine Yerlängeining des Yorsammlungs- 
termins der Kammern erreicht sei. Bis jetzt — so schliesst Blittersdorff 
seine Denkschrift — hätten die Stände der Regierung gegenüber immer die 
Offensive ergriffen ; in Zukunft werde die Regierung diess ihrerseits thun 
und bewirken, dass alle neuen Gesetze, statt wie bisher zur Schwächung 
des monarchischen Princips, zu dessen Verstärkung dienen sollen. «Vielleicht 
lässt sich mit der Zeit die Repräsentativverfassung in eine dem deutschen 
Geiste mehr entsprechende ständische Verfassung umwandeln. > 

Auch der Frhr. vonBerstett bekannte sich nunmehr zu der Anschauung, 
die er früher bekämpft, dass die Verfassung, um mit ihr regieren zu können, 
Abänderungen erfahren müsse und er beauftragte im Laufe des Jahres 
1824 den Professor C. S. Zachariä von Heidelberg, ihm seine Ansichten 
über diese Frage darzulegen, Vorschläge zur Abänderung zu machen und 
die Wege zu bezeichnen, auf denen diese Aenderungen zu bewerkstel- 
ligen seien. 

Dieser Aufforderung kam Zachariä nach durch Ueberreichung nach- 
stehender 

Denksclirift. 

Dass unsere Verfassungsurkunde (sammt der Wahlordnung und der 
Geschäftsordnung der Kammern) bedeutende Veränderungen bedarf, wenn 
sie ihrem Zwecke, sowohl an sich, als den bestehenden Verhältnissen nach, 
entsprechen soll, darüber sind wohl alle einverstanden, die nur in Ange- 
legenheiten dieser Art auf eine Stimme Anspruch machen können. Ich bin 
sogar der Meinung, dass sich mit dieser Verfassung gar nicht regieren lässt, 
dass sie, sowohl desswegen, als aus anderen Gründen, z. B. weil sie für 
unser Land viel zu kostspielig ist, ungeachtet des vielen Trefflichen, das sie 
enthält, als eine öffentliche Calamität betrachtet werden muss. 

Ich kann diese Behauptung hier nicht weiter ausfahren. Ich müsste 
sonst ein Buch schreiben; ich müsste eine neue Verfassungsurkunde ent- 
werfen, und das wäre für mich, so viel ich auch schon über diese Aufgabe 
nachgedacht und zur Lösung derselben gesammelt und niedergeschrieben 
habe, keine so leichte Aufgabe. Ich setze also das voraus, was ich nicht 
beweisen kann. 



122 

Die Frage ist nun die: Wie ist zu einer besseren Gestaltung unserer 
Verfassung, also zu einer Veränderung unserer Verfassung zu gelangen ? 

Ich kenne nur drei Wege, die zu diesem Ziele führen. Die Verfassung 
kann verändert werden : 

1. in dem von ihr selbst vorgezeichneten Wege, durch ein Gesetz, 
welches der Fürst mit Zustimmung der Kammern giebt ; 

2. mittels oder zufolge eines Bundestagsbeschlusses; 

3. von dem Fürsten einseitig, kraft der ihm zukommenden Macht- 
vollkommenheit. 

Es ist keinem Zweifel unterworfen, dass der erste von diesen Wegen 
vor den übrigen in jeder Hinsicht den Vorzug verdient. 

Nur muss ich, nach bestem Wissen und Gewissen, gänzlich an der 
Möglichkeit verzweifeln, auf diesem Wege zum Ziele zu gelangen. 

Ich setze voraus, dass die zweite Kammer vor dem nächsten Land- 
tage aufgelöst wird, ferner, dass die Regierung Alles, was in ihrer Macht 
steht, vei-wendet, um die Wahlen auf Männer ihrer Partei zu lenken, — 
darf sie wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit hoffen, ^/j der Stimmen in 
der zweiten Kammer für sich zu haben? Denn eine solche Majorität wird 
nach §. 64 der Verfassungsurkunde erfordert, wenn die Verfassung abge- 
ändert werden soll. Ich würde diese Frage gradezu verneinen. Als auf dem 
letzten Landtag der Antrag des Herrn Staatsraths Frhm. von Zyllnhardt, 
Se. Königliche Hoheit um einen Gesetzentwurf, zur Erläuterung des 
in der Verfassungsurkunde gebrauchten Wortes «Finanzgegenstände» zu 
bitten, in der zweiten Kammer zur Sprache kam, wurde er (sollte man 
es für möglich halten?) einstimmig verworfen! Unser Staat ist so neu, 
aus so heterogenen Theilen zusammengesetzt, die Menschen und die Ver- 
hältnisse sind so beschaffen, (ich mag nicht auf das Einzelne eingehen!) 
dass ich nicht einmal die einfache Majorität der Regierung verbür- 
gen möchte. 

Und dann, diese ganze Politik, Einfluss in der zweiten Kammer 
zu gewinnen, will mir für jetzt, so lange es (nach der Wahlordnung) 
gesetzwidrig ist, wenn die Wahlcommissäre der Regierung den Ausschlag 
der Wahlen auf irgend eine Weise zu bestimmen versuchen, will mir ferner 
unter den jetzigen Zeitumständen überall nicht recht gefallen. 

Man kann freilich sagen: man muss wenigstens den Versuch machen, 
das in Frage stehende Ziel vor allen Dingen auf dem verfassungsmässigen 
Wege zu erreichen ; zu anderen, zu den äussersten Massregeln ist es immer 
noch Zeit. 

Das Gewicht dieser Einwendung verkenne ich keineswegs. Aber muss 
man nicht je eher, je lieber zu den äussersten Massregeln greifen, wenn 
man mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussieht, dass man am Ende doch 
auf diese Massregeln zurückkommen muss? Und können sich nich, ja müs- 
sen sich nicht (wenn die zweite Kammer ihren Vortheil versteht) die Zeit- 
umstände, die jetzt für die Regierung besonders günstig sind, inmittelst 



123 

80 verändern, dass es, wenn jener Plan fehlschlägt, alsdann nicht mehr 
oder nicht so gut als' jetzt, Zeit ist, zu einem andern Plane zu greifen? 
Ist nicht das Temporisieren eine Art von Halbheit? Und — wie ich unten 
bemerken werde — wir sind schon über den Rubicon gegangen. 

üebrigens habe ich nicht der ersten Kammer Erwähnung gethan. 
In dieser kann die Regierung weit eher, sowohl überhaupt, als in dem vor- 
liegenden Falle, und den Umständen nach, auf die Majorität und auf ^/^ 
der Stimmen rechnen. 

Der nächstbeste Weg ist der Zweite, ein Bundestagsbeschluss. Ich 
bitte jedoch mich so zu verstehen, dass dieser Bescbluss alle deutschen 
Fürsten ermächtigen müsste, die Yerfassuugsurkunde ihres Landes, insofern 
sie die Verfassung unter die Gewährleistung des deutschen Bundes gestellt 
hätten, nach einer gewissen Anzahl Jahre (entweder schlechthin, oder, was 
denn doch im Resultate ziemlich auf Eines hinauslaufen würde, nach 
Massgabe der Artikel 57 — 59 der Wiener Schlussacte) einer Revision zu 
unterwerfen. 

Dagegen würde ich es für sehr bedenklich halten, wenn ein solcher 
Bescbluss bloss die Umänderung der Badenschen Verfassung beträfe, 
wie man auch die Veranlassung zu diesem Beschlüsse herbeifühi'te. Die 
Selbstständigkeit unseres Staates hat denn doch ihren hohen Werth. Und 
was würden die Menschen von einem solchen Umwege urtheilen? könnten 
sie nicht wenigstens mit Grund sagen : warum gieng man nicht gerade und 
offen auf das Ziel los ? 

Ob nun ein Bundestagsbeschluss der ersten Art und für uns zeitig 
genug zu erwirken sein möchte? — lasse ich an seinen Ort gestellt sein. 
Nach allem, was ich weiss und von den Verhältnissen kenne, zweifle ich 
sehr. Höchstens dürfte so viel zu erreichen sein, dass die Frage: wie die 
Artikel 57 — 59 der Wiener Schlussacte in Wirksamkeit zu setzen seien? 
— zur Inatructionseinholung ausgesetszt würde. Allerdings wäre damit 
schon viel, wenigstens in so fern für uns gewonnen, als dann der dritte 
Weg desto sicherer oder leichter eingeschlagen werden könnte. 

In diesem Zweifel gehe ich zur Beurtheilung des dritten von den 
oben angedeuteten Wegen über. 

Hier ist die Vorfrage die: Lässt sich durch genügende Gründe der 
Satz vertheidigen, dass dem Fürsten, bewandten Umständen nach, das Recht 
zustehe, die Verfassungsurkunde zurückzunehmen und statt derselben eine 
andere bekannt zu machon? 

Ich glaubte, die Antwort auf diese Frage am besten zusammendrängen 
zu können, wenn ich sofort eine Verordnung wegen Aufhebung der Ver- 
fassung entwürfe. Daher die Beilage zu diesem Aufsätze. 

Ich füge noch folgendes hinzu: es ist sonderbar, wenn man berath- 
schlagt, ob man etwas thun solle, wenn man es schon gethan hat (qui 
deliberant, jam desciverunt, sagt Tacitus bei einem Vorfall dieser Art), 
Befindet sich nicht aber die Regierung in einem solchen Fall? 



124 

Die Yerfassungsurkunde ist verletzt, *) denn die Regierung 
hat für 1823 — 24 die Abgaben ohne die Zustimmung der Kammern 
ausgeschrieben und erhoben. Die Verfassungsurkunde ist vorletzt; 
denn dieKegierung hat sich nicht an das, durch den §.23 der Yerfassungs- 
urkunde bestätigte Edict gebunden. Ich weiss recht wohl, was sich in der 
einen und in der andern Hinsicht für die Regierung sagen lässt. Aber so 
viel ist gewiss, dass sie sich in der einen und in der andern Hinsicht nicht 
nach der Verfassungsurkunde vertheidigen lässt. 

Man wende nicht ein, dass eine Verfassungsurkunde, wenn sie auch 
in einigen Vorschriften nicht gehalten werden konnte, dennoch im übrigen 
bei Kräften bleibe. Eine Verfassungsurkunde ist nicht eine Sammlung 
einzeln stehender Vorschriften ; sie ist ein Ganzes. Das Ministerium hat 
nichts mehr zu wagen. Es ist schon über den Rubicon gegangen. 

Und wenn man Massregeln dieser Art besonders auch dadurch zu 
vertheidigen hat, dass sich die Gegenpartei ebenfalls unfriedlich benommen 
hat, dass der Erfolg 'kaum zweifelhaft sein kann, so frage ich, ob nicht 
in der ersteren Hinsicht die Zeitumstände dem vorliegenden dritten Wege 
entschieden das Wort sprechen? 

Will man, oder hat man diesen Weg einzuschlagen, so ist die weitere 
Frage die: Wann und wie ist die Massregel in^s Werk zu setzen, d. h. 
nicht nur die jetzige Verfassungsurkunde zurückzunehmen, sondern auch 
statt derselben eine andere bekannt zu machen? Eine ebenso vielseitige 
als schwierige Frage. 

Der Hauptzweifel ist nur der: soll beides, die Zurücknahme der da- 
maligen und die Bekanntmachung der neuen Verfassungsurkunde zugleich 
d. h. in zwei Verordnungen von demselben Tag geschehen ? Denn mit dieser 
Frage hängen noch andere hier einschlagende Fragen zusammen. 

Will man beides zugleich thun, so muss die neue Verfassungsurkunde 
im strengsten Geheimnisse (etwa durch eine aus wenigen Mitgliedern be- 
stehende Gommission) ausgearbeitet und gegen das Ende dos Jahres, d. h. 
kurz voi: dem neuen Landtage bekannt gemacht werden. 

In dem entgegengesetzten Falle würde es gerathsam, ja nothwendig 
sein, die neue Verfassungsurkunde ebenfalls, ehe die dermalige zurück- 
genommen würde, durch eine geheime Gommission vollständig ausarbeiten 
zu lassen, damit man das Ziel, auf welches man hinarbeitet, bestimmt 
kennen lernte. Dagegen würde dann mit der Verordnung, in welcher die 
dermalige Verfassungsurkunde zurückgenommen würde, nur etwa eine 
Verordnung des Inhalts zu erlassen sein: 

Art. 1. Zur Begutachtung des zu erlassenden neuen Verfassungs- 
gesetzes soll eine Gommission, bestehend aus dem Fürsten von Fürsten- 



*) Gegen diese Behftupinng verwahrte sich der Frhr. Ton Berstett in einem Sehreiben an 
Zachariä anf das Feierlichste. 



125 

hergy Kern und Föhi*enbacb, oder bestehend aus 1 Standesberrn, 
2 Grundherrn , 4 Gemeinen , (Mitgliedern des letzten Landtages) 
zusammentreten. 

Art. 2. Diese Gommission bat ihre Arbeiten dergestalt zu be- 
schleunigen, dass die neue Yerfassungsur künde noch vor dem 1. Januar 
1825 bekannt gemacht werden könne. 

Art. 3. Der erste Landtag nach der neuen Yerfassuugsurkunde 
wird den 1. März {1825 eröffnet. 

Ich will nicht bergen, dass mir der letztere Weg, als der offenere und 
stolzere, den Vorzug zu verdienen scheint* 

üebrigens würde ich mich zur Ausarbeitung dieses Aufsatzes überall 
nicht entschlossen haben, wenn ich nicht, was ich zugleich zum Gelingen 
des Planes für wesentlich halte, voraussetze: 

1. dass sich die Veränderung der Verfassung auf das Noth wendige 
oder offenbar Nützliche zu beschränken habe, 

2. dass mit der neuen Verfassungsurkunde die auf dem letzten 
Landtage berathenen Gesetze (insofern sie nicht eine Erhöhung der 
Abgaben fordern) mutatis mutandis bekannt gemacht werden sollten, 

3. dass überhaupt die Regierung auf die Erfüllung eines jeden 
billigen Wunsches hinzuarbeiten geneigt wäre. (Eine herrliche Sache 
würde es sein, wenn zugleich von der Grundsteuer etwas nachgelassen 
werden könnte. Aber das wird kaum möglich sein). 

Doch mit diesen Voraussetzungen spreche ich nur die Absichten un- 
serer Regierung aus. 

Zachariä. 

Beilage. 

Da 1. die von Unsererem Vorfahren in der Regierung mittels einer Ur- 
kunde vom 22. August 1818 dem Lande gegebene Verfassung so 
wenig in anerkannte Wirksamkeit getreten ist, dass auf dem ersten 
Landtage (im Jahre 1820) wegen der Erhebung der Abgaben nur 
eine Uebereinkunft, und zwar gegen den §.56 jener Urkunde, zu 
erzielen war, auf dem zweiten und letzten Landtage aber die Ver- 
handlungen über das Budget überall nicht zu einem Erfolge ge- 
führt haben, 

da 2. diese Verfassung Uns durch die Artikel 23, 53 und 62 in der Er- 
füllung Unserer» gegen den deutschen Bund übernommenen, Ver- 
pflichtungen, gegen die Vorschrift des Art. 50 der Schlussacte der 
Wiener Conferenz, hindert und beschränkt, sowie auch der Art. 65 
der Verfassungsurkunde nieht mit dem Art. 57 Jener Acte zu ver- 
einigen ist, 

da 3. die Garantie des deutschen Bundes, unter welche die Verfassung 
(Art 83) gestellt worden ist, bis jetzt noch nicht erlangt werden 



126 

konnte, (dieser Grund würde weiter und besser ausgeführt werden 

können), 
da 4. die dermalen bestehenden gesetzlichen Formen der Landtags- 

verhandlnngen zu einer bedeutenden Erhöhung der öffentlichen 

Lasten führen müssen und geführt haben (hier würden die Kosten 

des 1. und 2. Landtages anzuführen sein), 
da 5; wegen der Vorschrift des Art. 64 der Verfassungsurkunde und 

wegen anderer sattsam bekannten Thatsachen einer Vereinbarung 

über die VeiHbesserung der Verfassungsurkunde vom 22. August 

1818 nicht entgegenzusehen war, 
so verordnen Wir hiermit, kraft der Uns gegen Unser Volk angestammten 
Pflichten, nach erfordertem Gutachten Unseres Staatsministeriums, wie folgt: 

Art. 1. 

Die Verfassungsurkunde vom 22. August wird hiermit zurückge- 
nommen und ousser Wirksamkeit gesetzt, 

Art. 2. 

Ein Jeder, der zufolge dieser Verfassungsurkunde irgend ein Recht 
ausübt oder in Anspruch nimmt, ist von den Gerichten zur Verantwortung 
zu ziehen und nach Massgabe des §. 65 Unseres 8. Organisationsedicts vom 
4. April 1803 zu bestrafen. 

Eine solche radicale Umgestaltung des geltenden Rechtes, wie sie der 
Heidelberger Staatsrechtslehrer in Vorschlag brachte, war doch nicht nach 
dem Sinne des Frhrn. von Berstett. Noch viel weniger konnte er hoffen, 
seine Collegen im Ministerium und endlich den Grossherzog selbst einem 
solchen Vorgehen geneigt zu machen. 

Da aber eine Abänderung der Verfassungsurkunde von vielen Seiten 
angerathen und, so scheint es, schon im Jahre 1824 eine beschlossene 
Sache war, so erhielt Professor Zachariä im October desselben Jahres aber- 
mals den Auftraff. unter näherer Bezeichnung der zu ändernden Bestim- 
mungen seine Vorschläge über eine Verfassungsänderung vorzulegen. 

Es geschah dies durch folgenden Aufsatz: 

lieber einige 
in der baden'sehen Verfassang zn treffende Veränderungen 

Ton 
C. S. Zachariä. 

Man kann kaum noch berathschlagen ob man etwas thun soll, wenn 
man es bereits gethan hat. Ist man aber nicht bereits von dem §. 23, 53, 
auch von dem §. 15, 22 der Verfassung abgewichen? 



127 

Die Erfahrung hat gezeigt, dass unsere Verfassung oder dass die 
Regierung bei unserer Verfassung nicht gedeiht. Ich fürchte, dass auf dem 
nächsten Landtage die IL Kammer mit einer Anklage beginnt. Man ver- 
theidigt sich am besten, wenn man angreift. Die Regierung hat sich den 
Kammern (insbesondere der IL) schroff gegenübergestellt. Nur Consequenz 
kann die Regierung heben und halten. 

üebrigens ist gerade der jetzige Zeitpunkt einem solchen Plane vor- 
züglich günstig. Diese Zeiten möchten nicht leicht zurückkehren. 

Indem ich voraussetze, dass die Stände aufgelöst werden, (Verfas- 
snngsurkunde §§. 42, 43) komme ich zuerst zu den Verbesserungen, 
welche in der Verfassungsurkunde zu treffen sein dürften. 

Ich unterscheide hier: 

a, diejenigen Veränderungen, welche der Fürst kraft eigenen Rechts 
zu machen berechtigt ist und 

b. diejenigen, welche nur mit Zustimmung der Kammern zu machen 
sein dürften. 

Zu a. 

In diese Klasse setze ich alle die Stellen der Verfassungsurkunde, 
welche mit den Art 57, 58, 59 der Wiener Schlussacte (vergl. die Be- 
schlüsse der Bundesversammlung vom 16. August 1824) unvereinbar sind. 

Stellen dieser Art scheinen nur zu sein: 

1. §. 23 ( Schlussacte §. 63). An dessen St-elle könnte etwa 
folgendes gesetzt werden : «Die Rechtsverhältnisse der Standes- 
und der Grundherren können, nachdem sie von dem Grossherzog 
geordnet worden sind, nicht ohne Zustimmung der Kammern 
abgeändert werden. 

2. §§. 24, 37 No. 3, 64. Durch diese Stellen zusammengenommen 
wird die Dienstpolizei theils dem Fürsten so gut wie entzogen, 
theils auf die Kammern übertragen. (Schlussacte §. 57.) Vor- 
schläge: § 24 ist gänzlich zu streichen. § 37 No. 3 erhält den 
Zusatz: «Staats-, Kirchen- und Schuldiener, welche in diel, oder 
in die II. Kammer gewählt werden, können die auf sie gefallene 
Wahl nur mit Zustimmung der Regierung annehmen oder aus- 
schlagen.» §. 64. Statt der Worte : «Sie haben das Recht, Minister 
anzuklagen,» dürften folgende zu setzen sein: «Sie haben das 
Recht, über die Minister und die Mitglieder der obersten Staats- 
behörde wegen einer Verletzung der Verfassung oder anerkannt 
verfassungsmässiger Rechte Beschwerde zuführen. Sie haben 
das Recht, die Minister und die Mitglieder der obersten Staats- 
behörde förmlich anzuklagen, wenn sich diese durch 



123 

Yerletznng der Verfassung einer, den Gesetzen nach, strafbaren 
Handlung oder Unterlassung schuldig gemacht haben. Wegen 
einer Beschwerde, welche die Kammern gegen einen Minister 
erheben, wird von dem Grossherzog eine aus 5 Mitgliedern be- 
stehende Gommission zur Begutachtung ernannt Ein Mitglied 
dieser Gommission ist aus der I., ein zweites aus der ü. Kam- 
mer zu wählen, lieber das Recht der Anklage wird den 
Kammern auf dem nächsten Landtag ein Gesetzentwurf vor- 
gelegt werden.» 

3. §. 53. Ist (nach Art. 57, 58 der 8chlussacte) hinzuzufügen: 
«Jedoch 

1. wenn keine Vereinbarung mit den Ständen über das neue 
Steuergesetz zu Stande kommt, so dauert das bisherige 
Steuergesetz, insofern die darin festgesetzten Steuern nicht 
für einen vorübergehenden und bereits erreichten Zweck 
bestimmt waren, für die nächste Budgetsperiode fort. 

2. wenn die Kammern sich weigern sollten, die zur Erfüllung 
Unserer, gegen den deutschen Bund übernommenen Ver- 
pflichtungen erforderlichen Summen zu verwilligen, so ver- 
bleibt Uns das Recht, diese Summen auszuschreiben. 

4. Nach dem Art 57 der Schlussacte lässt sich auch eine Ab- 
änderung des §. 65 der Verfassungsurkunde, nach welchem «zu 
allen die Freiheit der Personen oder das Eigenthum betreffenden 
Gesetzen die Zustimmung der Kammern erfordert wird, recht- 
fertigen.» Man könnte diesen Artikel auf das Landrecht, das 
Strafgesetzbuch, die bürgerliche und die Strafgerichtsordnung^ 
das Conscriptionsgesetz , die Gemeindeordnung, die Organisation 
der Gerichte beschränken. Jedoch bemerke ich, dass die Ver- 
fassungsurkunde des Königreichs Baiem eine ähnliche Vorschrift 
enthält, auch überhaupt auf die Abänderung des §.65 kein 
entscheidendes Gewicht zu legen sein dürfte. 

5. §. 75. Abs. L Dieser dürfte so zu fassen sein: «die beiden 
Kammern können mit Unserer Zustimmung, jedoch nur durch 
Oommissionen, zusammentreten» (vergl. unten über Geschäfts- 
ordnung ). 

6. §. 78. In dem Satz: «Sie werden geheim auf das Begehren der 
Regierungscommission bei Eröffnungen, für welche sie die 
Geheimhaltung nöthig erachten» — dürften die hier 
unterstrichenen Worte zu streichen sein. (Schlussacte §. 59). 

Uebrigens würden diese Veränderungen so zu machen sein, dass die 
aufgehobenen oder abgeänderten Stellen, gleich als ob sie nie in der Ver- 
fassungsurkunde enthalten gewesen wären, ausser Kraft zu setzen wären. 



n 



l^d 



Zu b. 



In diese Classe rechne ich folgende Stellen: 

1. §§. 29, 31, 38, 75. «Die Abgeordneten zur I. und IL Kammer 
werden auf 6 Jahre gewählt» (die theilweise Erneuerung der 
Kammern fallt gänzlich weg). 

2. §. 46. «Jedes dritte Jahr wird ein Landtag gehalten.» 

3. §. 54. «Das Auflagengesetz wird auf 6 Jahre gegeben.» (Wie 
in Baiem). 

4. §. 62. «Die alten, auch nicht ständigen Abgaben dürfen auch 
nach Ablauf der Yerwilligungszeit noch fort erhoben werden, 
wenn sich die ständischen Berathungen verzögern, oder wenn die 
Ständeversammlung aufgelöst wird, ehe ein neues Budget zu 
Stande kommt, jedoch im letztern Falle nur noch 6 Monate lang. 

6. §§. 60, 61, 73. Welche Gesetze betreffen «Finanzgegenstände?» 
(Sollte nicht die I. Kammer das Recht haben, auch Ycrbesserungs- 
Yorschläge zumachen, ehe §.61 einträte?) Wenigstens die erstere 
Frage dürfte zu beantworten sein? 

Noch bemerke ich, dass §.64 zuweilen unausführbar ist, femer dass 
§.74 Abs. 2 unter gewissen Umständen lästig werden könnte. 

Die Wahlordnung ist allein von dem Grossherzog bekannt gemacht 
worden, kann mithin auch von demselben allein abgeändert werden. 

Dem Interesse der Regierung entgegen ist besonders der §.56 dieser 
Ordnung. (Auch der %. 59 sammt dem §. 39 der Verfassungsurkunde hat 
keine guten Früchte getragen). 

Allein wenn keine wesentlichen Veränderungen in der Wahlordnung zu 
treffen sind, z. B. zur Verminderung der Kosten, welche unser Wahlsystem 
verursacht, so würde ich es aus mehr als einem Grunde für bedenklich 
halten, bloss jene Stelle zu verändern. 

Bei einer Revision der Geschäftsordnung der einen und der andern 
Kammer kommt es vorzüglich auf 2 Dinge an : 

1. den Geschäftsgang zu beschleunigen, 

2. Die Veranlassung zu Reibungen zwischen der Regierung und den 
Kammern zu vermindern. 

Die Haupt Vorschläge, die ich in dieser Beziehung zu machen wüsste, 
sind folgende: 

1. die Vertheilung der Mitglieder der IL Kammer in Abtheiluugen 
fällt gänzlich weg, 

2. es wird von beiden Kammern eine gemeinschaftliche Gommission 
für alle Bittschriften ernannt (z. B. 4 Mitglieder der IL, 2 der 
I. Kammer). Der Präsident oder Vicepräsident der U. Kammer 

9 



180 

hat den Vorsitz. Die Bittschriften werden in der Kammer, an 
welche sie gelangen, nur angezeigt, sodann aber sofort an diese 
Commission abgegeben. Die Commission gibt sie mit einem 
gutachtlichen Bericht an die Regierung. Diese hat, spätestens 
auf dem nächsten Landtag, den Kammern eine Antwort auf die- 
jenigen Bittschriften zu erthcilen, welche von jener Commission 
empfohlen worden sind, 

3. es wird von beiden Kammern eine gemeinschaftliche Commission 
für alle Motionen ernannt, welche von Mitgliedern der einen 
oder der andern Kammer gemacht werden. Das, was so eben 
von den Bittschriften gesagt worden ist, gilt auch von den Mo- 
tionen; nur dass der Präsident oder Vicepräsident der I. Kammer 
den Vorsitz führen soll. Jedoch sind unter dieser Regel nicht 
begi'iffen: Beschwerden über die Minister, Anklagen, diejenigen 
Motionen, die mit Zustimmung der Regierung in der Kammer zu 
berathen sind. 

Der dritte Vorschlag, scheint mir, könnte von dem Grossherzog sofort 
(nach Ai*t. 59 der Schlussacte und nach dem Bundesbeschluss vom 16. 
August 1824) und zugleich mit den oben unter a. gedachten Veränderungen 
bekräftiget werden. Das hätte auch den Vortheil, dass so die Abänderung 
des §.75 der Verfassungsurkunde motiviert würde. 

Wegen der Ausführung der beiden andern Vorschläge, wiederhole ich, 
was ich oben zu b. gesagt habe. 

Schliesslich würde ich es für das gerathenste halten , alle diese 
Veränderungen nur nach und nach — etwa von 8 zu 8 Tagen bekannt 
zu macheu z. B. in folgendem Masse : 

1. Auflösung der Kammern, 

2. Bekanntmachung einer neuen Wahlordnung (wenn überhaupt 
eine erscheint), 

3. Abänderung der Verfassungsurkunde kraft eigenen Rechts, 
sowie der Geschäftsordnung, sammt den Gründen, 

4. Zusammenberufung der Kammern zu einem ausserordentlichen 
Landtag für die in der Verfassungsurkunde und in der Geschäfts. 
Ordnung mit Zustimmung der Kammern zu treffenden 
Abänderungen, mit dem Vorbehalt, den ausserordentlichen Land- 
tag in einen ordentlichen zu verwandeln. Die Sitzungen des 
ausserordentlichen Landtags könnnten wohl am besten ge- 
heim sein. 

Gegen Ende des Jahres 1824 machte sich plötzlich eine cigenthüm- 
liche Adressbewegung im Lande bemerkbar. Aus verschiedenen Landes- 
gegenden, den Bezirksämtern Säckingen und Gernsbach, aus dem Stadt- 
«nd Landamt Wertheim, aus den Bezirksämtern Boxberg und Constanz 



131 

kamen Adressen an den Grossherzog ein, welche die Verfassung zum 
Gegenstande hatten. In der Wertheiraer Adresse wurde gebeten, «dass 
Se. Kunlgl. Hoheit die Zügel der Staatsregierung ohne Beiwirkuug der 
Stande zeitlebens allein zu führen geruhen möchten;» in den andern 
war die Bitte ausgesprochen, «dass Höchstdieselben die Regierung wieder 
allein gnädigst übernehmen möchten, indem sie bei ihrem Vertrauen auf 
Höchstdero landesväterliche Gesinnungen der Garantie einer landständi- 
scLen Verfassung nicht bedürften.» Aus dem Geheimen Cabinet des Gross- 
herzogs wurden diese Adressen dem Ministerium des Innern mit dem 
Auftrag übergeben, eine Antwort an die Petenten zu entwerfen und in 
Vorlage zu bringen. 

Am 14. Januar 1825 erstattete dieses Ministerium einen, von 
L. Winter, dem späteren Minister, verfassten Vortrag an den Grossherzog, 
welchem wir die nachstehenden Sätze entnehmen : 

«Es kann Allerhöchstdenselben nur zum wahren Vergnügen und zur 
inneren Beruhigung gereichen, eine solche Zufriedenheit mit Ihrer Regierung 
und ein solches Vertrauen in die Gerechtigkeit Ihrer Gesinnungen von einem 
grossen Theil Höchstdero Unterthanen ausgedrückt zu sehen, dass solche 
freiwiUig auf Einrichtungen aus dem Grund zu verzichten sich erklären, 
die unter anderm zum Schutz gegen Willkühr und gegen den Missbrauch 
der Gewalt gegeben sind , weil sie diesen Schutz in Höchstdero Person 
finden und sich dadurch gesichert halten. 

«Welcher Wechsel der Zeiten und Verhältnisse auch eintreten mag, 
immer werden diese Beweise des Vertrauens, der Treue und Anhänglichkeit 
ein schönes Denkmal von Höchstdero Regierungsperiode sein. Abgesehen 
aber davon, was in diesen Vorstellungen für Ew. Königl. Hoheit höchste 
Person angenehmes und beruhigendes enthalten ist, hat der Gegenstand 
an sich zwei Seiten, die wir kurz berühren müssen, um sagen zu 
können, was zu antworten sei. Die erste ist die staatsrechtliche. In 
dieser Hinsicht ruht die ständische Verfassung auf dem Art. 13 der 
deutschen Bundesakte, deren Vollzug der Bundesversammlung zur Pflicht 
gemacht ist. 

«Nach dem Bundesbeschluss vom Jahre 1819 kann eine Veränderung 
in der Verfassung nur in verfassungsmässigen Wegen geschehen. 

«In politischer Hinsicht empfiehlt die Klugheit der Regierung, den be- 
stehenden Zustand zu erhalten und nicht gewaltsam zu ändern, um der- 
artigen Versuchen von Unten mit desto entschiedenerer Festigkeit begegnen 
zu können. 

«Denn mit oben dem Recht, mit welchem die Unterthanen, die sich 
unter Höchstdero Regierung glücklich fühlen, eine Veränderung in der Ver- 
fassung, weil sie ihnen nicht wohlthätig scheint, verlangen, könnte unter 
anderen Zeitumständen eine Aenderung im entgegengesetzten oder gar in 
einer für die regierende Familie gefahrlichen Sinne verlangt werden. 

9* 



m 

«Wir glauben daher, dass die Antwort Sr. Eönigl. Hoheit an die 
Bittsteller dabin aasfallen möchte, dass Höcbstdieselben die vorgelegten Bitten 
als Beweise des Vertrauens, der Treue, der Anhänglichkeit an Höchstdero 
Person und Höchstdero Kegierung anerkennten und zu würdigen wüssten, 
dass aber Sr. Eönigl. Hoheit Aenderungen in der Verfassung, deren Fest- 
haltung Sie zugesichert, nur in verfassungsmässigen Wegen vornehmen 
würden.» 

Der hier angegebene Weg einer verfassungsmässigen Aenderung wurde 
denn auch bald darauf betreten. Schon in der Thronrede, mit der Gross- 
herzog Ludwig am 24. Februar 1825 den Landtag eröffnete, wurde diese 
Absicht der Regierung angekündigt. 

«Die seitherigen Erfahrungen.» — heisst es in derselben — «ähnliche 
Bestimmungen in den Verfassungen benachbarter Staaten, die Hoffnung, 
dadurch Ersparnisse möglich zu machen und endlich die öffentliche Stimme 
haben Mich veranlasst, die Erweiterung des Zeitraums von einem Landtag 
zum andern und die periodische Gesammtemeuerung der gewählten Mit- 
glieder der Kammern in Vorschlag bringen zu lassen. Sie werden hierüber 
Ihre verfassungsmässigen Beschlüsse fassen.» 

Sodann in der zweiten Sitzung der H. Kammer vom 26. Februar legte 
Staatsrath Winter nachstehenden Gesetzesenfcwurf vor : 

«Ludwig von Gottes Gnaden et«, etc. 

Wir haben unter Zustimmung Unserer getreuen Stände beschlossen, 
und verkünden hiermit, wie folgt: 

Art. 1. 

Die Abgeordneten der Grundherren, der Universitäten, der Städte und 
Aemter zur Ständeversammlung werden auf sechs Jahre gewählt. 

Nach Ablauf dieser Zeit und so immer von sechs zu sechs Jahren 
treten die gewählten Mitglieder sämmtlich wieder aus, wenn nicht die 
Kammern früher aufgelöst worden sind. 

Diese gesetzlichen Bestimmungen dehnen sich auch auf die gewählten 
Mitglieder der gegenwärtigen Ständeversammlung aus. 

Art. 2. 
Alle drei Jahre muss eine Ständeversamralung statt finden. 

Art. 3. 

Das Auflagegesetz wird in der Regel auf drei Jahre gegeben. 

Beschlossen zu Karlsruhe in Unserem Grossherzoglichen Staatsmi- 
nisterium.» 



133 

In dem diese Vorlage begleitenden Vortrag entwickelte Staatsrath 
Winter eingehend die Gründe, welche die Regierung zu derselben veran- 
lasst hätten. 

Was die Erweiterung der Periode von einem Landtag zum andern 
betreffe, so hätten alle benachbarten Staaten diese auf drei Jahre festge- 
setzt ," die Kosten der Ständeversammlung vertheilten sich dadurch statt auf 
zwei, auf drei Jahre; die Nachtheile, die während der Dauer des Land- 
tags für die Staatsverwaltung entstehen (üeberbüidung der obem Staats- 
beamten, längere Entfernung der zu Abgeordneten gewählten Staatsdiener 
von ihren Stellen) würden vermindert; die den, aus der Classc der Land- 
eigenthümer und Gewerbtreibenden gewählten, Mitgliedern zugemuthelen 
Opfer würden geringer; überhaupt aber seien die Tuteressen des Grossherzog- 
thums nicht von der Art und Wichtigkeit , dass sie so häufige Versamm- 
lungen der Stände erforderten, während, sobald die Verhältnisse eine frühere 
Einberufung verlangten, solche in der Macht der Regierung stehe. 

Aehnlicbe Gründe Hessen sich — heisst es weiter — für den zweiten 
Theil der Vorlage anführen. Der wesentlichste Vortheil der Gesammt- 
erneuerung aber bestehe in der grösseren Stetigkeit der Grundsätze in 
einer unveränderten Kammer, wenigstens für zwei Ständeversammlungen. 

Der Gesetzentwurf wurde sofort an eine Commissiou verwiesen, in deren 
Namen der Abgeordnete Rosshirt in der 5. Sitzung vom 9. März einen 
Bericht erstattete, der sich durchweg den Ausführungen des Regierungs- 
commissärs anschloss und die unveränderte Annahme der Vorlage empfahl. 

Bei der Zusammensetzung der Kammer war an derselben nicht zu 
zweifeln. Es war der Regierung gelungen , mit einigen verschwindenden 
Ausnahmen nur unbedingte Anhänger ihrer Politik gewählt zu sehen, und 
da die Anschauung sehr verbreitet war, eine Ablehnung dieses Entwurfs 
könne wohl gar die Verfassung überhaupt in Frage stellen, so stimmten 
auch solche Abgeordnete bei, die nicht durchaus und unbedingt auf der 
Seite des Ministeriums standen. 

In der Discussion, welche in der 6. Sitzung vom 12. März stattfand, 
sprachen sich nur drei Redner, die Abgeordneten Grimm, Föhrenbach und 
Duttlinger gegen das Gesetz aus. 

Der erste wollte überhaupt die Verfassung nicht angetastet sehen und 
betrachtete, da sie ein untrennbares Ganze sei, die Aenderung eines ein- 
zelnen Artikels als ein unzulässiges Rütteln an dem gesammten Grundge- 
setze ; der zweite war ängstlich, einer Veränderung zuzustimmen, Weil < Aen- 
dern und Beesem zwei Dinge seien, so weit von einander, als Himmel und 
Erde» und weil er in der Regierungsvorlage eine Besserung der Verfassung 
nicht zu erkennen vermochte ; der dritte endlich bezweifelte selbst die Com- 
petenz der Kammer, die vorgeschlagenen Aenderungen mit Rechtsgiltigkoit 
vorzunehmen, und sprach seine ITeberzeugnng dahin aus, dass diese Aen- 
derungen «nicht nur keine Verbesserung, nicht nur eine Verschlimmerung, 
sondern in der That eine theilweise Aufhebung der Verfassung selbst» seien. 



134 

Gegen diese Bedenken sprach hierauf als Regierungsconimissär Staats- 
rath AVinler im Sinne seines oben erwähnten, den Entwurf begleitenden 
Vortrages und in ähnlicher Weise die Abgeordneten Schnezler und Wild. 
Nachdem weiterhin auch noch Staatsrath Böckh das Wort ergriffen und die 
Nothwendigkeit und Wichtigkeit eines dreijährigen Auflagengesetzes darzu- 
thun gesucht hatte, indem er nachwies, dass bei den Finanzen eine gewisse 
Stabilität der Einrichtung ein dringendes Bedürfniss sei und nach dem 
Resume des Berichterstatters, wurde das Gesetz mit allen gegen die Stimmen 
der drei oben erwähnten Opponenten angenommen und noch am nämlichen 
Tage der ersten Kammer dieser Beschluss mitgetheilt. 

Dort wurde er in der 7. Sitzung vom 14. März vorgelegt und in der 
8. Sitzung vom 19. März einer Commission übergeben, deren Mitglieder 
der Fürst von Fürstenberg , der Staatsrath Frhr. v. Türkheim und der 
BisthumsverweserFrhr. v.Wessenberg waren. In deren Namen erstattete Frhr. 
V. Türkheim in der 10. Sitzung vom 25. März einen eingehenden Bericht, 
welcher den Begierungsentwurf sowohl von geschäl tlichen als von politi- 
schen Gesichtspunkten aus in Betracht zog, denselben in beiden Richtungen 
als vortheilhaft anerkannte und demgemäss seine Annahme empfahl. In 
der 11. Sitzung vom 26. März entsjiann sich über die Vorlage eine längere 
Discussion, in welcher sich zunächst Frhr. v. Wessenberg, der in der Com- 
mission mit seiner Ansicht in der Minderheit geblieben war, gegen das 
Gesetz aussprach. Er erblickte die Vortheile, die aus der beantragten 
Neuerung hervorgehen könnten, nur auf Seite der Regierung, vermisste 
jedoch entprechende für das allgemeine Wohl. Sein Ilauptbedenken aber lag 
in dem Grundsatz der Stabilität. «Unter den menschlichen Dingen» — 
sagte er — «sollten Verfassungsgesetze vorzüglich als etwas Festes be- 
stehen. Es ist immer misslich, durch Aenderuugen den Glauben an ihre 
jungfräuliche Unverletzlichkeit zu schwächen. Erst langjährige Erfahrung 
kann berechtigen, die Reform einer Verfassung vorzunehmen.» 

Der Abgeordnete der Universität Freiburg, Geh. Ilofrath Ecker, sprach 
sich zwar im Allgemeinen für das Gesetz aus, wünschte aber die mit der 
Wahl der Abgeordneten gleichzeitig vorzunehmende Wahl von Ersatz- 
männern und einen weiteren Zusatz, wonach die auf G Jahre gewählten 
Stände, venu sie nicht ausserordentlich aufgelöst werden, bis zur Wahl 
und Beeidigung der neuen ihre Eigenschaft behalten. 

Staatsrath Winter, als RcgierungFcommissärj entgegnete beiden Red- 
nern. Gegen denFrhrn. v.Wessenberg vertheidigtc er das Gesetz u. a. auch 
desshalb, weil dadurch in dieser wichtigen Frage die badische Vorfassung 
denen der benachbarten deutschen Staaten, die alle die dreijährige Erneuerung 
aufgestellt haben, ähnlicher werde und es allerdings wünschenswerth sei, dass 
alle deutschen Bundesstaaten, die ohnediess von einem Band umschlungen 
seien, auch gleichförmige Verfassung geniesson. Er könne fernerhin als 
ehemaliges Mitglied der Commission, welche mit dem Entwurf der Verfassung 
beaultragt worden sei, mitt heilen, dass nur ein vorübergegangenes politi- 



135 

sches Ereigniss schuld sei, dass nicht gleich Anfangs die dreijährige Dauer 
des Zwischenraumes von einem Landtage zum andern angenommen wor- 
den sei. 

Dem zweiten Redner gegenüber sprach sich Winter entschieden gegen 
Ersatzmänner aus und widerlegte dessen weitere Bedenken durch die Be- 
merkung, dass, da die Eigenschaft eines Deputirten sich nach dem Termin 
der Finanzperiodo richte und die Neuwahlen vor deren Anfang beendigt 
sein müssten , der befürchtete Fall nie eintreten könne. Nach mehreren 
kürzeren Bemerkungen verschiedener Redner und nachdem sich der Fürst 
von Löwenstein noch besonder» warm für das Gesetz ausgesprochen hatte, 
in dessen Annahme er keine Gefahr für die Constitution zu erblicken ver- 
möge, wur"e der Gesetzvorschlag zur Abstimmung gebracht und mit einer 
Mehrheit von 21 gegen 2 Stimmen angenommen. 

Das Gesetz wurde im Regierungsblatt Nr. VL vom 21. April 1825 
publiciert. 

Wenn wir die dadurch vorgenommene Verfassungsänderung ruhig und 
olgectiv betrachten, so muss es uns auffallend erscheinen, dass sich dagegen 
von Seite der liberalen Partei, deren Wortführer damals ireilich ihre An- 
schauungen in der Kammer nur sehr schüchtern geltend machen konnten, 
ein so heftiger Widerstand erhob , so weitgehende Befürchtungen daran 
knüpften. Es wird diess nur dadurch erklärlich, wenn man sich erinnert, 
dass diese Abänderungen von Männern angeregt waren, die allerdings eine 
völlige Beseitigung oder zum mindesten eine sehr weitgehende Umgestaltung 
der Verfassung im Sinne trugen und wenn man annimmt, dass die Liberalen 
von dem Vorhandensein dieser Bestrebungen Kenntniss hatten. Die Frage, 
ob der Partial- ob der Integralerneuerung der Vorzug gebühre, gilt heute 
als eine offene, aber die liberale Partei neigt sich eher dazu, denselben der 
letzteren einzuräumen, und die andere Frage der zwei- oder dreijährigen 
Budgetperioden kann allerdings auch von einem politischen Gesichtspunkte 
aus betrachtet werden, der entscheidende aber wird dabei doch der ge- 
schäftliche sein, dem entsprechend die neuere Zeit mit ihren rascheren Aen- 
derungen auf allen Gebieten, mit ihrem schnelleren Verkehrsleben und 
Geschäftsbetrieb den zweijährigen Perioden den Vorzug gibt, wo die Ver- 
hältnisse nicht die Einführung einjähriger Budgetperioden erlauben. Da- 
mals aber wurde diese Angelegenheit so sehr als eine hochwichtige politische 
Frage betrachtet, dass es, als durch den Regierungswechsel des Jahres 1830 
und im Zusammenhang mit den grossen Strömungen der europäischen Po- 
litik, auch in Baden eine liberalere Richtung sich in der Regierung des 
Landes geltend machte, eine der ersten Forderungen des nunmehr auch in 
den Kammern wieder zu grösserem Einfluss gelangenden Liberalismus war, 
diese Acnderungen abzuschaffen und an ihre Stelle wieder die ursprüng- 
lichen Bestimmungen der Vorfassungsurkundo treten zu lassen. 

In der 3. Sitzung der 11. Kammer vom 21. März 1831 kündigte der Abge- 
ordnete V. Itzstein an, dass er eine Motion zu stellen beabsichtige, *Se. Köuigl. 



136 

Hoheit den Groösherzog zu bitten, noch auf diesem Landtage einen Gesetzes- 
entwurf vorlegen zu lassen, durch welchen die auf dem Landtage von 1825 
aufgehobenen Artikel 38 und 46 der Verfassung, welche zweijährige Land- 
tagsperioden und theilweise Erneuerung der Kammern festsetzen, wieder 
ins Leben gerufen und dadurch das Grundgesetz des Staates in seiner 
ursprünglichen Reinheit wieder hergestellt werde.» In der 6. Sitzung vom 
26. März begründete er dieselbe, sofort von den Abgeordneten Grimm, 
Fecht, von Rotteck und anderen lebhaft unterstützt, und erlangte ihre einstim- 
mige Verweisung in die Abtheilungen. In der 9« Sitzung vom 6. April wurde 
zu ihrer Prüfung eine aus den Abgeordneten Kreglinger, Knapp, Welcker, 
Rindeschwender und von Rotteck bestehende Commisson gewählt. In deren 
Namen erstattete in der 11. Sitzung vom 13. April der Abgeordnete von 
Rotteck einen mit lautem Beifall aufgenommenen Bericht. Derselbe ge- 
stand offen zu, dass die Motive, von denen der Antragsteller ausgieng, 
weniger sachliche als politische seien, dass namentlich die Frage der Partial- 
oder Integralerneuerung eine solche sei, «dass über den Vorzug der einen 
oder der andern Art mit beiderseits aufrichtiger Gesinnung mag gestritten 
werden.» Er betrachtete die Wiederherstellung der Verfassung nach ihrem 
ursprünglichen Wortlaut als eine'Sühen für die Wahlbeeinflussungen, aus 
denen die Kammer von 1825 hervorgegangen, er erklärte sie für nöthig 
zur Wiederkehr des Vertrauens zur Regierung, für Wiederherstellung und 
Bekräftigung des Glaubens an die Verfassung, der Liebe für sie. «Vor 
ganz Deutschland» — hiess es am Schlüsse — «würde ein grosses, ruhm- 
volles, alle Wohlgesinnten ermuthigendes, alle Bösen einschüchterndes Bei- 
spiel der triumphirenden Rechtsachtung gegeben, und dem edlen, volks- 
freundlichen Fürsten, welcher dem mit Innigkeit ihm zugerufenen Namen : 
«Vater des Vaterlandes» noch den gleich schönen : «Wiederhersteller der 
Verfassung» beifügte, ein neues unvergängliches Denkmal in den Herzen 
seiner dankbaren Bürger errichtet.» 

Zu der Verhandlung, welche in der 15. Sitzung der II. Kammer vom 
21. April stattfand, war der Zudrang des Volkes ein so grosser, dass die 
Tribünen die Menge zu fassen nicht im Stande waren und auf Itzsteins 
Antrag die grosse Flügelthüre des Sitzungssaales geöffnet wurde, um einer grös- 
seren Zahl von Zuhörern die Theilnahme an den Verhandlungen zu ermöglichen. 

Der Abgeordnete Mittermaier eröffnete dieselben mit einer Rede, aus 
der wir nur das eine hervorheben, dass er die Majorität von 1825 gegen 
den Vorwurf der Servilität in Schutz nahm und zugab, dass ein namhafter 
Theil der damaligen Abgeordneten in gutem Glauben für die Aenderung 
gestimmt habe. Im Uebrigen sprach er sich warm für die Partial- 
erneuerung und die achtjährige Dauer der Mandate aus, da die erstere 
die Vortheilo des Fortschreitens garantiere, die letztere die Vortheile der 
Stetigkeit wahre. 

In ähnlichem Sinne sprachen sich zahlreiche Redner aus, die für den 
Antrag das Wort ergriffen , den nur der Abgeordnete Rettig bekämpfte. 



r 



137 

Bei der AbstiinmaDg wurde die Motion mit allen gegen zwei Stimmen 

(Rettig und Staatsrath Winter) angenommen. 

Nunmehr kam die Frage in der I. Kammer zur Verhandlung. In der 

8. Sitzung vom 22. Mai empfing sie die Mittheiluug von dem Beschlüsse 

der II. Kammer; in der 9. Sitzung vom 26. April erwählte sie zu dessen 
BegufachtuDg eine aus dem Frhrn. von Falkenstein, dem Fürsten zu 
Färstenberg, den Staatsräthen Fröhlich und von Türkbeim und dem 
Frhrn. von Wcssenberg bestehende Commission, in deren Namen in der 

12. Sitzung vom 7. Mai der Staatsrath Fröhlich den Bericht erstattete, 
welcher den Beitritt zu dem Beschlüsse der II. Kammer beantragte. Auch 
in diesem Bericht ist die Stelle bedeutsam, in welcher der Berichterstatter 
die Kammer von 1825 gegen laut gewordene Vorwürfe vertheidigt, indem 
er andeutet, dass die Zurückweisung der damaligen Regierungsvorlage das 
Land «wieder aufs Neue der Ungewissheit, den Provisorien, der Willkühr 
überantwortet, und vielleicht die Verfassung selbst gefährdet hätte.» Das 
überwiegende und entscheidende Motiv des Commissionsantrages aber fand 
der Berichterstatter in dem «allgemeinen, laut ausgesprocheneu Wunsche, 
dass die Verfassung wieder hergestellt werde,» woran er den weiteren 
knüpfte, es möge diese Wiederherstellung, die er mit einer zweiten Ver- 
änderung nicht für identisch halte, als Interdict gelten gegen jeden künf- 
tigen Versuch einer abermaligen Veränderung, er komme wober, er bestehe 
in was er wolle. 

An der Discusssion über die Motion, welche in der 14. Sitzung vom 

13. Mai stattfand, betheiligte sich in längeren Reden eine grosse Anzahl 
der Mitglieder, theilweise aus dem persönlichen Grunde, weil mehr als einer 
der Herren, die auch der Kammer von 1825 angehört hatten, in der Lage 
war, die Abweichung der damaligen von der jetzigen Abstimmung zu 
motivieren. 

Hier machte sich denn besonders der Gesichtspunkt geltend, dass eine 
Frage wie die vorliegende, für welche sich zudem das andere Haus beinahe 
mit Einstimmigkeit ausgesprochen hatte, nicht Anlass zu Spaltungen 
zwischen beiden Kammern werden dürfe, die namentlich in einer politisch 
erregten Zeit, wo innerer Friede so sehr Noth thue, äusserst nachtheilig 
wirken mttssten. 

Indess erhob sich hier eine stärkere Opposition als in der H. Kammer, 
indem sich 5 Mitglieder gegen die Motion erklärten und schliesslich auch 
gegen dieselbe stimmten. 

Wenn die Vertreter der Regierung sich in der ü. Kammer auf eine 
Zurückweisung der heftigsten Angriffe gegen die Wahlbeeinflussungen von 
1825 beschränkt hatten, so war ihre Haltung in der I. Kammer, in welcher 
jene Angriffe nicht vorkamen, noch reservierter. Der Geheime Rath von 
Weiler erklärte das Schweigen der Minister dadurch, dass die Regierung 
den reinen Ausdruck der Ueberzeugung der Mitglieder vernehmen wolle. 
Noch beredter als diess Schweigen der Regier ungscommissäic bewiesen 



138 

jndesa die wenigen Worte, mit denen der durchlauchtigste Präsident der 
I. Kammer, der Markgraf Wilhelm, Bruder des Grossherzogs Leopold, seine 
Stellung zu der schwehenden Frage kennzeichnete, nämlich, dass er mit 
Vergnügen auf Wiederherstellung der Verfassung stimme, dass an der 
entscheidenden Stelle die Geneigtheit bestehe, dem ausgedrückten Wunsche 
zu entsprechen. 

Die Regierungsvorlage, welche die Motion des Abgeordneten von 
Itzstein erbeten hatte, Hess denn auch nicht lange auf sich warten. Schon 
in der 28. Sitzung der II. Kammer vom 25. Mai legte der Staatsrath 
Winter einen die Wiederherstellung der Verfassung betreffenden Gesetz- 
entwurf vor, der von der Kammer mit begeisterten Hochrufen auf den 
Grossherzog aufgenommen wurde. 

In dem begleitenden Vortrage sprach Winter höchst bedeutsame Worte : 
«Die Vorgänge,» sagte er,, «welche zu jener Aenderung (von 1825) den 
Anlass gegeben haben, gehören der Geschichte der Entwicklung unserer 
Verfassung anheim, welche auch bei uns den Gang genommen hat, den 
sie in allen europäischen Staaten, in welchen ähnliche Verfassungen ein- 
geführt worden sind, gehen musste, wie sehr auch die Folgen und Wir- 
kungen verschieden sein mögen. Eine Darstellung dieser geschichflichen 
Verhältnisse möchte nicht an ihrem Ort und die Wahrheit zu sagen mag 
nicht an der Zeit sein. Nur das erlaube ich mir anzuführen, dass die 
damaligen Käthe des Grossherzogs den Zustand der Dinge genau ge- 
kannt, alle Verhältnisse wohl erwogen und ihre Zustimmung zn dieser 
Aenderung einmüthig gegeben haben. Ihr einziges Streben ging dahin, 
für die noch junge Verfassung nach drei verunglückten Versuchen Boden 
zu gewinnen, in welchem solche Wurzeln fassen und nach und nach zu 
einem kräftigen Baum erstarken könne.» 

Nachdem er sodann auf die noch schwankenden Ansichten über das 
Materielle der Frage hingewiesen, gab er zum Schlüsse die Versicherung : 
«die Thatsache, dass beinahe einstimmig die Wiederherstellung der Ver- 
fassung verlangt worden ist, war für die Regierung hinreichend, denWei-th, 
den sie auf die Befestigung des Vertrauens zwischen ihr und dem Volke 
und auf die Heiligkeit der Verlassung legt, zu beurkunden.» 

Der Gesetzesentwurf lautete folgendermassen : 

«Leopold von Gottes Gnaden etc. etc. 

Nach Anhörung Unseres Staatsministeriums haben Wir beschlossen 
und verordnen wie folgt : 

Art. 1. 

Das Verfassungsgesetz vom 14. April 1825, welches die Dauer der 
Eigenschaft der zur I, Kammer der Ständeversammluug gewählten Abge- 



139 

ordneten der Grundlierren und Universitäten, sowie der zur II. Kammer 
gewählten Abgeordneten der Städte und Aemter, sodann die Dauer der 
Landtagsperioden bestimmt, ist seinem ganzen Inhalt nach aufgehoben. 

Art. 2. 

» 
Alle ursprünglichen Bestimmungen der Verfassungsurkunde , welche 

doj-ch das Gesetz vom 14. April 1825 abgeändert worden sind, treten in 

volle Kraft und Wirksamkeit. 

Art. 3. 

Die gesetzlichen Bestimmungen der Verfassung , in Bezug auf die 
Dauer der Eigenschaft der Abgeordneten und auf die Erneuerung der 
Wahlen, sind auf die gewählten Mitglieder auch der gegenwärtigen Stände- 
versammlung anwendbar. 

Gegeben zu Karlsruhe in Unserem Grossherzoglichen Staatsministerium, 
den 24. Mai 1831.» 

Uftber diese Vorlage erstattete in der 30. Sitzung der II. Kammer 
vom 27. Mai der Abgeordnete von Rotteck einen kurzen Bericht, worauf, 
nachdem einige Mitglieder dem Gefühle der Dankbarkeit und freudigen 
Genugthuung Ausdruck gegeben hatten, der Gesetzentwurf unverändert 
angenommen wurde. 

In ähnlicher Weise verlief die 20. Sitzung der I. Kammer vom 30. 
Mai, in der Staatsrath Fröhlich Berichterstatter war und auf Antrag des 
Frhrn. von Wessenberg beschlossen wurde, zum Andenken des erfreulichen 
Actes der Wiederherstellung der Verfassung das Bildniss des Grossherzogs 
Leopold und zugleich die Bildnisse der Grossherzoge Carl Friedrich, «des 
ersten Begründers der Freiheit des Volkes,» und Carl, «des Stifters der 
Verfassung,» in dem Sitzungssaale aufzustellen. Das ganze Gesetz wurde 
hierauf mit allen gegen vier Stimmen angenommen. 

In der 21. Sitzung der I. Kammer vom 1. Juni erstattete der Fürst 
von Fürstenberg Bericht über den Empfang, welchen die von ihm geführte 
Deputation, die dem Grossherzog den von beiden Kammern angenommenen 
Gesetzentwurf übergab, gefunden hatte. Auf die Anrede des Fürsten hatte 
Grossherzog Leopold erwiedert: «Mit wahrem Vergnügen empfange Ich 
den Mir übergebenen Gesetzentwurf. Ich habe dem Wunsch beider Kammern 
Meiner getreuen Stände um Wiederaufhebung der im Jahr 1825 eingetre- 
tenen Aenderungen der Verfassung aus dem Grunde entsprochen, weil Ich 
die Verfassung in ihrer ursprünglichen Gestalt für heilig halte, weil Ich 
wünsche, dass sie von allen Seiten heilig gehalten werde und weil Ich in 
der Wiederaufhebung jener Aenderungen eine neue und sichere Bürgschaft 
des wechselseitigen Vertrauens erblicke.» 



140 

Das Gesetz wurde im Regierungsblatt Nr. X. von 13. Juni 1831 
publiciert. 

Der Eindruck dieser Vorgänge im gauzen Lande war der beste und 
vortheilhafteste. Denn, wie es so oft auch in den Kammerverhandlungen 
betont worden war, auch wer der theoretischen Frage über Partial- und 
Integralemeuerung gleichgiltig gegenüberstand, fasste diesen Act der 
Kegierung gewissermassen symbolisch als ein feierliche Bürgschaft dafür 
auf, dass die Geltung der Verfassung hinfort nie mehr ernstlich werde in 
Frage gestellt werden. 



Siebentes Capitel. 



Von 1831 an bis 1848 ist keine Verfassungsänderung zu verzeichnen, 
und auch in dem letztgenannten stürmischen und nach Neuerungen unge- 
stüm drängenden Jahre war unter den zahlreichen Forderungen, die aus 
der Mitte der Volksvertretung an die Regierung gebracht wurden, nur 
eine einzige, welche auf Abänderung eines Verfassungspnrngraphen hinzielte. 

In der 32. Sitzung der IL Kammer vom 1. März 1848 reichte der 
Abgeordnete Hecker mit 7 Genossen einen Antrag ein, es möge die Kammer 
sofort durch eine Deputation dem Staatsministerium eine Reihe von For- 
derungen vortragen und deren ungesäumte Bewilligung verlangen. Unter 
denselben war auch die folgende: «alle politische Beeinträchtigung um 
des Glaubens willen aufzuheben, bezüglich den Ständen hierüber Gosetzes- 
vorlage zu machen.» 

Es war vorzugsweise das Verdienst des Abgeordneten Mathy, der 
damals die denkwürdigen Worte sprach : «Ich kann eher auf meinem Posten 
sterben, bevor ich mich durch Einschüchterucg zu irgend einem Schritt be- 
wegen Hesse, den ich nicht mit Ueberzeugung thun kann» — dass die Ver- 
handlung aus dem stürmischen Laufe, den der Abgeordnete Hecker wünschte, 
wieder in den ruhigen Gang der Geschäftsordnung zurückgeführt wurde. 

Statt der beantragten sofortigen Ueberweisung der wichtigen Fragen 
an das Ministerium, wurde abgekürzte Berathung und mündliche Bericht- 
erstattung beschlossen. Schon am nächstfolgenden Tage in der 33. Sitzung 
erstattete der Abgeordnete Welcker Bericht und formulierte nunmehr den 
auf die obige Frage bezüglichen Wunsch dahin, «dass alle Beschränkungen 
politischer Rechte aus dem Grunde, dass ein Staatsbürger einer bestimmten 
Confession angehört, aufgehoben, beziehungsweise den Ständen ein Gesetz- 
entwurf darüber vorgelegt werde.» 



142 

In der Discussion, die sich sofort daran reihte, sprachen nur die 
Abgeordneten Ulrich and Buss gegen den Antrag, der mit allen gegen 
deren and des Abgeordneten Junghanns Stimme angenommen warde. 

Schon am 4. März erklärte sich das Ministerium bereit, in dieser 
Frage dem Wunsche der Kammer zu entsprechen und in der 39. Sitzung 
der n. Kammer vom 26. März legte Staatsrath Bekk den folgenden Ge- 
setzesentwurf vor : 

«Leopold von Gottes Gnaden etc. etc. 

Mit Zustimmung Unserer getreuen Stände haben Wir beschlossen 
und verordnen, wie folgt: 

Art. 1. 

Der Absatz 1 des §. 9 der Verfassungsurkunde erhält folgende 
Fassung : 

«Alle Staatsbürger ohne Unterschied der Religion haben zu allen 
Civil- und Militärstellen und Kirchenämtern gleiche Ansprüche.» 

Art. 2. 

Der §.19 der Yerfassungsurkunde erhält folgende Fassung: 
«Die politischen Rechte aller Religionstheile sind gleich. > 

Art. 3. 
Der §.37 Ziffer 1 der Yerfassungsurkunde ist aufgehoben. 

Zur Berathuug dieses Entwurfes wurde in der 42. Sitzung vom 22. 
März eine aus den Abgeordneten Basscrmann, Hecker, Straub, Bissing und 
Zittel bestehende Commission gewählt, in deren Namen in der 47. Sitzung 
vom 7. April der Abgeordnete Zittel Bericht erstattete. 

In demselben schlug er vor, im Art. 1 zu grösserer Deutlichkeit 
hinter «Kirchenämtern» einzuschalten «ihrer Coufession,» empfahl die un- 
veränderte Annahme der Artikel 2 und 3 und beantragte schliesslich noch 
eine Veränderung der in $. 69 der Verfassungsurkunde festgestellten Eides- 
formel, in welcher statt der Worte: «So wahr mir Gott helfe und sein 
heiliges Evangelium» gesetzt werden solle: «So wahr mir Gott helfe und 
sein heiliges Wort.» «Die Commission glaubt,» bemerkte Zittel hierzu, «dass 
in dieser Formel sich alle bestehenden Confessionen und alle religiösen 
Parteien — sofern sie überhaupt noch religiöse Parteien sein wollen, — 
vereinbaren können. Es ist darin der freiesten Auffassung positiv-religiöser 
Wahrheit Raum gegeben und zugleich dem im Volke lebenden religiösen 
Bewusstsein genügende Rechnung getragen.» 

In der 65. Sitzung vom 13. Mai wurden die drei Artikel ohne Dis- 
cussion angenommen, die Eidesformel aber dahin festgestellt, dass es heisst: 
«so wahr mir Gott helfe,» ohne jeden weiteren Zusatz. 



143 

Der also modificierte Gesetzesentwurf wurde der I. Kammer in ihrer 
39. Sitzung am 15. Mai vorgelegt; eine Commission zu seiner Begutachtung 
(Geh. Rath von Hirscher, Prälat Hüffel und Staatsrath von Rüdt) wurde 
in der 40. Sitzung vom 17. Mai gewählt, in deren Namen Geh. Rath von 
Hirscher in der 50. Sitzung vom 20. Juni Bericht erstattete. Derselbe 
war dem Gesetzent würfe keineswegs günstig und erörterte ausführlich die 
mannichfachen Bedenken, welche vom christlichen Standpunkte aus dem- 
selben entgegenstünden, kam aber schliesslich doch zu dem Resultate, dass 
«der allgemeinen Strömung der Zeit Rechnung zu tragen sei» und daher 
kein Antrag auf dessen Verwerfung gestellt werde. Indess wünschte die 
Commission eine authentische Sinnesbestimmung des Art. 2 darüber, was 
man unter *Religionstheilen» und unter «politischen Rechten» verstehe 
indem sie erklärte, dass sie ihrerseits darunter die religiösen Corporationen 
und die Forderungen, welche diese Corporationen als solche dem Staate 
gegenüber anzusprechen haben, nicht aber die einzelnen Bekenner einer 
Religion und die Rechte der Staatsangehörigen im weitesten Sinne ver- 
standen wissen wolle. 

Endlich aber wünschte die Commission, dass dieses Gesetz erst dann 
in Wirksamkeit treten möge, wenn durch ein anderes Gesetz überhaupt 
das Verhältniss von Staat und Kirche auf Grundlage der ausgesprochenen 
Religionsfreiheit geordnet, das Princip dieser Freiheit insbesondere auf die 
Besetzung der Schul- und Kirchenämter auf das Unterrichts- und Erziehungs- 
wesen und auf das Eigenthum der Kirchen und dessen Verwaltung ange- 
wendet sein wird. 

Sie beantragte demgemäss, dem Gesetze folgenden weiteren Artikel 
beizufügen : 

Art. 4. 

«Vorstehendes Gesetz tritt erst dann in Wirksamkeit, wenn ein weiteres 
Gesetz vorgelegt und angenommen sein wird, welches das Verhältniss 
zwischen Staat und Kirche auf Grundlage der bürgerlichen Gleichstellung 
oller religiösen Bekenntnisse ordnet» 

Die Discussion über diese Frage fand erst am 13. Februar 1849 in 
der 86. Sitzung deV I. Kammer statt. Dieselbe wurde eröffnet durch 
Staatsrath von Rüdt, welcher, nachdem inzwischen die Grundrechte 
verkündet worden seien, in Folge der §§. 7, 16 und 17 derselben für 
nothwendig hielt, dem vorliegenden Gesetze eine weitere Ausdehnung 
zugeben und desshalb dessen Zurückverweisung an die Commission 
beantragte. 

Diesen Antrag unterstützte Graf Kageneck, der einem Gesetze, welches 
dem Staate den Character eines christlichen nehme, nicht zustimmen könne, 
wenn nicht zugleich die künftigen Verhältnisse der Kirche und Schule 
ebenfalls gesetzlich geordnet seien. 



144 

Für Annahme des Gesetzes in der von der II. Kammer beliebten Fassung 
sprachen dagegen Staatsrath Bekk, Geh. Rath von Marschall und Geh. 
Rath Klüber, worauf der Antrag des Herrn von Rüdt abgelehnt wurde. 

Dasselbe war der Fall mit einem zweiten Antiag desselben Mitgliedes, 
dem Art. 1 die Fassung zu geben : 

«Die öffentlichen Aemter sind für alle Befähigten gleich zugänglich, > 
welchen Frhr. von Göler und Prälat Hüffel unterstützten. Geh. Rath Klüber 
aber und der Fürst zu Fürstenberg bekämpften, weil sie nicht wünsch- 
ten, dass der Gegenstand in seinem dermaligen Stadium nochmals in die II. 
Kammer zur Discussion gelange. 

Auch der von der Commission beantragte Zusatzai'tikel 4 wurde 
abgelehnt. 

Bei der Abstimmung endlich wurde das Gesetz mit 14 gegen 4 Stim- 
men angenommen. Im Regierungsblatt Nr. VII. vom 20. Februar 1849 
wurde dasselbe publiciert. 

Seit dem Jahre 1848 fanden keine Abänderungen der Verfassungs- 
urkunde mehr statt bis zum lezten Landtage von 1867/68. 

Auf diesem wurde §. 37 Abs. 3 der Verfassungsurkunde aufgehoben und 
§. 48 erhielt folgenden Zusatz: 

§. 48 a. «Kein Kammcrm itglied kann wegen seiner Abstim- 
mungen oder wegen seiner Aeusserungen bei Kammer-, Abtheilungs- und 
Commissionsverhandlungen anders als nach Massgabe der Geschäfts- 
ordnung der Kammer zur Verantwortung gezogen werden. 

Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen in den öffent- 
lichen Sitzungen beider Kammern bleiben von jeder Verantwortlich- 
keit frei.» *) 
Ferner wurden in §. 67 die Sätze : 

«Sie haben das Recht, Minister und die Mitglieder der obersten 
Staatsbehörden wegen Verletzung der Verfassung oder anerkannt ver- 
fassungsmässiger Rechte föi*mlich anzuklagen. Ein besonderes Gesetz 
soll die Fälle der Anklage, die Grade der Ahndung, die urtheÜende 
Behörde und die Procedur bestimmen» 
gestrichen und durch die folgenden sieben Zusatzartikel ersetzt, welche 
unter der Ueberschrift : 

«IV a. Von den Anklagen gegen die Minister.» 

zwischen die §§. 67 und 68 der Verfasssungsurkunde aufgenommen wurden : 

§. 67 a. 

Die zweite Kammer hat das Recht, die Minister und Mitglieder der 
obersten Staatsbehörde wegen einer durch Handlungen oder Unterlassungen 



*) Uegierangsblatt Nr. XLYIL vom 25. Okiober 13G7. 



145 

wissentlich oder aus grober Fahrlässigkeit begangenen Verletzung der 
Verfassung oder anerkannt verfassungsmässiger Rechte , oder schweren 
Gefährdung der Sicherheit oder WohKahrt des Staates förmlich anzu- 
klagen. 

Ein solcher Beschluss erfordert die in den §§. 64 und 74 für Ver- 
fassungsänderungen vorgeschriebene Stimmenzahl ; die Zurücknahme des- 
selben kann mit einfacher Stimmenmehrheit geschehen. 

Das Anklagerecht der zweiten Kammer wird durch die Entfernung 
des Angeklagten vom Dienste, mag sie vor oder nach erhobener Anklage 
erfolgen, nicht aufgehoben. 

Im Falle der Verurtheilung ist die Entlassung des Angeklagten aus 
dem Staatsdienste zu erkennen. 

Diese Folge der Verurtheilung kann nur auf Antrag oder mit Zu- 
stimmung der Stände wieder aufgehoben werden. 

üeber etwaige Entschädigungsforderungen steht dem Staatsgerichtshof 
keine Entscheidung zu. 

§. 67 b. 

Das Richteramt über die im vorigen Paragraphen erwähnte Anklage 
übt die erste Kammer als Staatsgerichtshof in Verbindung mit dem Präsi- 
denten des obersten Gerichtshofs und acht weiteren Richtern aus, welche 
aus den Kollegialgerichten durch das Loos bezeichnet und der ersten 
Kammer beigeordnet werden. 

Dem Angeklagten und den Vertretern der Anklage steht ein Ab- 
lehnungsrecht zu. 

Der Präsident der ersten Kammer hat den Vorsitz. Sein Stellver- 
treter ist der Präsident des obersten Gerichtshofes. 

Das Nähere über die Bildung des Staatsgerichtshofes, sowie das Ver. 
fahren bei demselben wird durch ein gemeines Gesetz bestimmt. 

§. 67 c. 

Wird ein Minister oder ein Mitglied der obersten Staatsbehörde be- 
schuldigt, zugleich mit den in §. 67 a. erwähnten Verletzungen, oder auch 
ohne eine solche, ein Staatsverbrechen oder ein gemeines Verbrechen durch 
Missbrauoh seines Amts begangen zu haben, so ist die zweite Kammer 
befugt zu beantragen, dass der Staatsgerichtshof den Beschuldigten wegen 
dieses Vergehens vor das zuständige ordentliche Strafgericht zur Aburthei- 
lung verweise. 

Dieser Antrag ist in den in §. 67 a. vorgeschriebenen Formen zu be- 
schliessen und mit der Anklage, wo eine solche stattfindet, zu verbinden, 
andernfalls aber selbstständig bei dem Staatsgerichtshof zu stellen. 

§. 67 d. 
Die während der Ständeversammlung von der zweiten Kammer be- 
schlossene Anklage wird auch nach der Vertagung oder dem Schlüsse des 

10 



146 

Landtages von den erwählten Eomroissären verfolgt und die erste Kammer 
gilt in Beziehnng auf diesen Gegenstand nicht als vertagt oder ge- 
schlossen. 

Dasselbe gut von der Auflösung der Ständeversammlung, jedoch wird 
die Schlussverhandlung und Entscheidung über die Anklage bis nach Ab- 
lauf der in §. 44 der Yerfassungsurkunde festgesetzten Frist verschoben. 

§. 67 e. 

Hat zur Zeit der Einberufung einer neuen Ständeversararolung der 
Staatsgerichtshof das Urtheil noch nicht gefällt, so wird derselbe neu ge- 
bildet und die zweite Kammer wählt aufs Neue die Kommissäre zur Ver- 
tretung der Anklage. 

Erfolgt jetzt eine abermalige Auflösung, so bleibt die von der zweiten 
Kammer gewählte Kommission zur Vertretung der Anklage ermächtigt 
und ebenso der Staatsgerichtshof in dem früheren Bestand. 

§. 67 f. 

Das Recht der Anklage erlischt drei Jahre von dem Zeitpunkte, 
wod ie verletzende Handlung zur Kenntniss des Landtages gekommen ist, 
wenn die zweite Kammer jenes Recht nicht wenigstens durch den 
Beschluss, den Antrag auf Erhebung einer Anklage in Betracht zu ziehen, 
gewahrt hat. 

Die Anklage kann ferner nicht mehr erhoben werden, wenn die 
Mehrheit der zweiten Kammer jene Handlung gebilh'gt hat. 

§• 67 g. 

Verordnungen und Verfugungen des Grossherzogs, welche sich auf die 
Regierung und Verwaltung des Landes beziehen, sind in der Ui'schrift von 
den zustimmenden Mitgliedern der obersten Staatsbehörde zu unterzeichnen 
und gelten nur als yoUziehbar, wenn die Ausfertigung von einem Minister 
gegengezeichnet ist. 

Endlich wurde die Bestimmung des letzten Satzes in §. 67: 

«Keine Vorstellung, Beschwerde oder Anklage kann an den 
Grossherzog gebracht werden, ohne Zustimmung der Mehrheit einer 
jeden der beiden Kammern» 
aufgehoben, an deren Stelle folgende Sätze traten: 

«Zu Beschwerden, welche die Beschuldigung einer Verletzung der 
Verfassung oder verfassungsmässiger Rechte enthalten, ist die zweite 
Kammer allein befugt. Jedoch steht der ersten Kammer dasselbe 
Recht der Beschwerde an den Grossherzog wegen Verletzung ihrer 
verfassungsmässigen Rechte zu. Die Beschlüsse über derartige Be- 
schwerden erfordern die im §. 67 a. vorgeschriebene Stimmenmehrheit. 



147 

Zu andern Yorstellungen an den Grossherzog sind beide Kammern, 
sei es in Gemeinschaft, sei es jede für sich allein, berechtigt. 

Eine Bitte nm Vorlage eines Gesetzes darf nur dann von einer 
Kammer an den Grossherzog gebracht werden, wenn dieselbe zuvor 
der andern Kammer mitgetheilt und dieser Gelegenheit gegeben wor- 
den ist, sich darüber auszusprechen.» *) 

Diese Aenderungen werden nicht die letzten an der Badischen Ver- 
fassungsurkunde vorgenommenen sein. Nicht nur der normale Verlauf eines 
halben Jahrhunderts, der so vieles in den staatlichen Verhältnissen in all- 
mählicher, den Mitlebenden kaum bemerkbarer Umgestaltung des Bestehen- 
den verändert, liegt hinter ihr, sondern, was mehr bedeuten will, die 
Grundlagen der Beziehungen Badens zu dem übrigen Deutschland sind 
heute ganz andere geworden, als sie noch vor wenigen Jahren waren. Die 
neuen staatsrechtlichen Bildungen, welche Badens Stellung verändert 
haben, werden mit der Zeit auch in der äussern Form des Grundgesetzes 
Veränderungen erheischen, deren Anordnung wohl nur so lange ausgesetzt 
bleiben wird, bis der unfertige Zustand der gegenwärtigen Lage unseres 
Vaterlandes in einen fertigen und in sich gefestigten übergegangen ist. 

Aber auch für den Fall, dass bei einer Durchsicht der Verfassungs- 
urkunde, wie wir sie voraussehen, mehr an ihr geändert werden sollte, als 
jene Punkte, die durch die veränderte staatliche Gestaltung eine Abänderung 
erhalten müssen, auch dann wird der Geist, der das Grundgesetz des 
Jahres 1818 dictiert hat, das neue Werk durchleuchten, und in hohen 
Ehren wird für alle Zeiten bleiben die Verfassungsurkunde, die seit 
fünfzig Jahren das Palladium unseres Rechtes und unserer Freiheit war. 



*) BagltfinngfbUU Ko. XXI vom 6. April 1868. Auf die Verbandlnngen der beiden Ksmineni 
aiu welcben die obigen Gesetze berrorgegangen sind, n&ber einzugeben, rerbot, abgoseben ron 
nndem Gründen, scbon der Umstand, dass znr Zeit, als das Mannscript dieses Bncbes abgeseblossen 
wurde, die Protokolle der Kammerverbandlnngen von 1867/68 nocb nicbt gedruckt waren. 



Beilagen. 



Beilage I. 



Verfassnngsentfilrfe ans dem Jahre 1808, 



Am 8. Juli 1808 erschien im Regierungsblatte No. 21 eine vom 5. 
Juli datierte landesherrliche Verordnung, welche die nachstehenden wichti- 
gen Regierungsmas.sregeln ankündigte: 

«Die Reihefolge der wichtigsten Veränderungen, welche die Auflösung 
der Verfassung des deutschen Reichs und die Bildung des Rheinischen 
Bundes herbeigeführt haben; die Einverleibung so verschiedenartiger Lande 
in Unsem Staat; die Wahrnehmung, dass, ungeachtet der von Uns er- 
lassenen Constitutiv- Verordnungen, besonders derjenigen vom 20. März 
vorigen Jahres, neue Verfügungen nothwendig sind; die vielfältigen Er- 
fahrungen über die, den Zeitforderungen mehr entsprechenden Verwaltungs- 
formen; die jüngsten Vorgänge endlich in den beiden grösseren Bundes- 
staaten Baiern und Westfalen, sprechen das Bedürfniss stärker als je aus, 
ünserm Grossherzogthum eine Grundverfassung und zweckmässigere 
Verwaltungs-Ordnung zu geben. Wir sind daher entschlossen, die Staats- 
verwaltung auf einfache und pragmatische Grundsätze, welche dem Geist 
der Zeit entsprechen, zurückzuführen; Wir wollen, dass nach Inhalt der 
darüber bereits erlassenen Rcscripte, die verschiedenen Provincialgesetz- 
gebungen aufgehoben und der Code Napoleon, als das vorzüglichere Resul- 
tat gesetzgebender Weisheit, mit einziger Rücksicht auf die wegen der 
Landcseigenheiten nothwendigen Modificationen und^ der in Frankreich 
wieder neuerdings eingeführten Fideicoramissarischen Eigenthumsverhält- 
nisse, eingeführt werde. Wir wollen, dass mit Anfang des Jahres 1809 diese 
Einführung statt finde. Wir wollen ferner ein gleichförmiges, auf richtigen 
Verhältnissen beruhendes Abgabesystem gegründet, durch Tilgung der 
durch die Kriegsverhältnissc angewachsenen Schuldenmasse den Staatscredit 
erhoben und mittelst einer Landesrepräsentation, wie sie in Baiern 
und Westfalen eingeführt worden, das Band zwischen Uns und dem 
Staatsbürger noch fester, wie bisher, geknüpft wissen» 



152 

Als diese Yerordnug ergieng, war der Grosshorzog Carl Friedrich 
durch Alter und Krankheit hereits an einer regelmässigen persönlichen 
Theilnahme an den Regieningsgeschäften vielfach gehindert. Die franzö- 
sische Partei am Hofe hatte sich der I^eitung der Staatsangelegenheiten in 
hohem Grade bemächtigt und der bisherige badische Gesandte am 
französischen Hofe, E. Frhr. von Dalberg, der auf Napoleons Wunsch zeit- 
weilig nach Karlsruhe zurückgekehrt und in das badische Ministerium als 
provisorischer Finanzminister und Director des Cabinetsministeriums ein- 
getreten war, handelte durchweg, wenn nicht im bestimmten Auftrage, so 
doch im Sinne des Protectors des Rheinbundes. Aber neben ihm hatte 
doch noch eine stattliche Reihe altbewährter badischer Räthe Sitz und 
Stimme im Cabinet, und der Geschäftsgang war immerhin ein solcher, dass 
Frhr. von Dalberg ohne deren Mitwisseu und Zustimmung keine wichtige 
Massregel anordnen und durchführen konnte. 

Nun ist schon damals die Meinung ziemlich verbreitet gewesen, sowohl 
der Gedanke, der sich in der erwähnten Verordnung niedergelegt findet, 
als auch die Anstalten zu seiner Durchführung seien einseitig das Werk 
Dalbergs und einiger mit ihm einverstandenen Genossen gewesen, und diese 
Ansicht ist nicht nur niemals widerlegt, sondern sogar durch die Autori- 
tät eines so wohlunterrichteten Mannes wie Nebenius unterstützt worden. 
In seinen Aufzeichnungen, (die Beck in seiner Schrift : C. F. Nebenius, 
Mannheim 1866 benützt hat) sagt er, diese Sache sei das Werk einer 
Clique von Intriganten gewesen, die damals am Hofe zu Carlsruhe grossen 
Einfluss ausübten, unter denen sich sogar nur zwei geborene Deutsche be- 
funden hätten, von denen der eine, ein Landesfremder, bald darauf den 
Grossherzoglichen Dienst aufgegeben, der andere aber, ein Eingebomer, 
das Vaterland verlassen habe, um ganz Franzose zu werden. 

Wenn wir nun auch zugegeben, dass von den also gekennzeichneten 
Männern der eine (Frhr. von Dalberg) die erste Idee zu dieser Verordnung 
anregte, der andere (von Schmiz) den ersten Entwurf der dort angekün- 
digten «Grund Verfassung» ausarbeitete, so müssen wir doch, gestützt auf 
die hier zum ersten Male mitgetheilten Arbeiten, bestreiten, dass man es 
lediglich mit einer französischen Intrigue zu thun habe. Die altbadischen 
Staatsmänner, die damals im Ministerium waren, Männer, wie von Edclsheim, 
Meier, Hofer, von Gemmingen, Brauer, nahmen die Angelegenheit sehr ernst 
und von der rein geschäftlichen Seite auf, und dass auch die zwei damals 
noch lebenden Söhne des Grossherzogs, die Markgrafen Friedrich und 
Ludwig, officiell von diesen Arbeiten Kenntniss erhielten, beweist jedenfalls, 
dass dieselben nicht ohne Vorwissen des Regenten entstanden und fortge- 
führt worden sind. Da sie, wie wir sehen werden, auch dem Erbgross- 
herzog vorgelegt wurden, so hat auch die Behauptung von Nebenius keinen 
Grund, dass dessen Ernennung zum Mitregenten in Folge der Entdeckung 
dieser angeblichen Intrigue geschehen sei. 

Indess müssen ^diese Entwürfe auch späterhin entweder völlig in 
Vergessenheit gerathen, oder sehr verborgen gehalten worden sein, da selbst 
Nebenius keine Kenntniss von denselben erhielt. 



153 

I. 

Am 2. August 1808 ergieng der Dachstehende Erlass des Cabinets- 
ministcriums an den Staatsrath von Schmiz : 

vr niG Cabinets - Ministerium. 

Carlsruhe, den 2. August 1808. 

In Folge des in dem neuesten Organ isationsedicte für die obersten 
Staatsbehörden vom 5. Juli d. J. ausgedrückten höchsten Beschlusses, dem 
Grossherzogthum eine Grundverfassung und zweckmässigere Verwaltungs- 
Ordnnng zn geben, auch eine Landesrepräsentation, nach Art der in den 
Königreichen Westfalen und Baiern bestehenden, einzuführen, werden 
nunmehr der Staatsrath von 8chmiz und der Staatsrath Elüber, ersterer 
als Referent und der andere als Correferent, beauftragt, über diesen Gegen- 
stand ausführlichen Vortrag anlier zu erstatten und solchen durch einen 
demnächst abzuhaltenden Staatsrath prüfen zu lassen, um dann definitive 
Entscheidung darüber zu fassen. 

Dalberg. 

An den Staatsrath von Schmiz. 



Schon am 19. August legte Herr von Schmiz folgenden 

Entwurf 

einer Constitutions-Urkunde für das Grossherzogthum Baden 

vor. 

In der durch das Regierungsblatt Nr. 21 verkündeten Verordnung 
wegen der Organisation der obersten Staatsbehörden haben Wir bereits die 
Motive Unseres Entschlusses ausgesprochen, nach welchem Unserm Gross- 
herzogthum eine Grundverfassung und zweckmässigere Verwaltungsordnung 
gegeben werden sollte. 

Mit keiner feierlicheren Handlung glaubten Wir nun Unsem Staatsrath 
heute eröffnen zu können, als mit der Berathung über eben diesen, für die 
Würde und Sicherheit des Staates, sowie für das Gesammtwohl Unserer 
lieben Unterthanen gleich wichtigen Gegenstand. 

Nach Anhörung Unseres Staatsrathes haben Wir daher der gegen- 
wärtigen Constitutions-Urkunde Unsere Sanction gegeben. Wir verordnen 
demnach, wie folgt: 

Erster Titel. 

Hauptbestimmungen. 

$. 1. Das Grossherzogthum Baden macht einen Theil des Rheinischen 
Bundes aus. 

§. 2. Es wird in drei möglichst gleiche Kreise eingetheilt. 

§. 3. Es wird durch eine Constitution regiert werden, welche allen 
Staatsgenossen Sicherheit der Personen und des Eigenthums, vollkommene 
Gewissensfreiheit, ungehinderte Ausübung des bisherigen Religionscultus 
und Pressfreiheit gewährt, letzte provisorisch nach der Bücher-Censur- 
Ordnung vem 19. October 1807. 

§. 4. Das ganze Grossherzogthum wird durch Stände vertreten, nach 
gleichen Gesetzen gerichtet und nach gleichen Grundsätzen verwaltet. 



154 

§. 5. Der Adel soll in seinen verschiedenen Graden und mit seinen 
verschiedenen Benennungen fortbestehen, aber kein ausschliessendes Recht 
auf Staatsämter und Staatswürden haben. In Hinsicht der Standes- und 
Grundherrn bleibt es bei den wegen ihrer persönh'chen Verhältnisse im 3. 
und 4. Constitutionsedicte vom 22. Juli 1807 verordneten Bestimmungen. 

§. 6. Es soll ein und dasselbe Steuersystem für alle Theile des Gross- 
herzogthums eingeführt werden. Die Grundsteuer soll den 5. Theil des 
reinen Ertrags nicht übersteigen. 

Die Liegenschaften und Einkünfte der Standesherrn werden eben so 
wie die der Prinzen Unseres Hauses nach dem 3. Constitutions-Edict §.43 
in ordentliche Schätzung gelegt. Die Grundherrn aber werden nach dem 
II. Absätze des vierten Constitutions-Edicts behandelt. 

§. 7. Die Geistlichkeit hat keine Privilegien anzusprechen, welche 
mit den Verfügungen dieser Constitution unverträglich sind. Uebrigens 
bleibt einem jeden der Religionstheiie der ausschliessliche und vollkommene 
Besitz und Genuss des ihren ausgedehnten Zwecken ausschliessend gewid- 
meten Pfarr-, Schul- und Kirchen Vermögens gewährt; keiner dieser Ver- 
mögenstheile soll einem fremdartigen Zwecke bestimmt, nach Befriedigung 
der Localstiftungserfordernisse aber soll der Veiipögeusüberschues zu den 
Bedürfnissen der mnngelnden gleichartigen Stiftungen und öffentlichen 
Anstalten derselben Religion verwendet, zur Erzielung der Einheit, zur 
Vermehrung der Kräfte und zur Minderung der Vorwaltungskosten soll in 
der Zeitfolge eine Centralcuratel für jeden Religionstheil errichtet und im 
Ganzen, sowie im Königreich Baiem, in wie weit es auf Unser Grossherzog- 
thum anwendbar ist, verfahren werden. 

Dieses geistliche Vermögen ist unter keinem Vorwande einzuziehen, 
noch zu einem fremden Zwecke zu veräussern. Es bleibt von Unserm 
Finanzvermögen gesondert. 

§. 8. Ebenso soll es mit dem Vermögen der Gemeinden gehalten 
werden; es macht einen selbstständigen, von dem allgemeinen Staatsver- 
mögen getrennten Theil der Staatsverwaltung aus. 

§. 9. Die Aufhebung der persönlichen Leibeigenschaft, mit welcher 
wir bereits im Jahre 1783 in Unsern alten Landen vorgegangen sind, soll 
auf die neuen Lande, wo sie noch besteht, ausgedehnt und das Hngestolzen- 
Recht soll allenthalben aufgehoben sein. 

§. 10. Das Indigenat wird nur nach vorgängiger Würdigung von 
Seite Unserer einschlägigen obersten Staatsbehörde von Uns ertheilet 
werden. 

§. 11. Jeder Staatsbürger, der das 21. Jahr zurückgelegt hat, ist 
schuldig, einen Eid abzulegen, dass er dem Souverain treu sein, der Con- 
stitution und den Gesetzen gehorchen wolle. Dieser Huldigungseid soll 
nach vorgehender Ablesung der Constitution von den in's 22. Jahr einge- 
tretenen Bürgern auf einen bestimmten Tag im Jahre in jedem Amtsbezirk 
eines Kreises feierlich abgelegt werden. 

§. 12. Kein Staatsangehöriger darf ohne Unsere Erlaubniss in fremde 
Dienste übergehen, noch von einer auswärtigen Macht Gehälter oder Ehren- 
zeichen annehmen, noch eine fremde Gerichtsbarkeit über sich erkennen, 
bei Verlust der bürgerlichen Rechte und bei noch schärferer Ahndung. 

§. 13. Nur Eingeborene der rheinischen Bundesstaaten oder mit dem 
Indigenatsrecht Begnadigte können Staatsämter im Grossherzogthume 
bekleiden. 

§. 14. Die Verhältnisse Unseres Staatsdiener- Standes werden wir, 
nach dem Vorgange in Baiem, durch eine eigene Pragmatik nächstens 



156 

bestimmen, und wegen der Wittwen- und Waisenversorgung wollen Wir 
ebenmässig eine geeignete Verordnung erlassen. 

§. 15. Alle Staatsdiener, sowohl die noch nicht 5 volle Jahre dienen- 
den, als die noch anzustellenden sind nur dann als wirkliche Staatsdiener 
anzusehen, wenn sie ihrer Stelle, es sei ein Justiz- oder Verwaltungsamt, 
5 Jahre hindurch ununterbrochen gut vorgestanden sind. 

Zweiter Titel. 
Vom Grossherzoglichen Hause. 

§. 1. Das Grossherzogthum ist erblich in dem Mannsstamme des 
regierenden Hauses, nach dem Rechte der eingeführten Primogenitur und 
der agnatischen Linealerhfolge. 

§. 2. Die Prinzessinnen sind auf immer von der Regierung ausge- 
schlossen und blcihen es in der Erbfolge in so lange , als noch ein männ- 
licher Sprosse des regierenden Hauses vorhanden ist. 

§. 3. Nach gänzlicher Erlöschung sämmtlicher männlichen successions- 
fahigen Nachkommenschaft aus Unserer ersten Ehe erklären Wir, kraft 
der Uns zustehenden Souveränetät und unter Mitwirkung der Agnaten 
Unseres Hauses, Unsere aus zweiter Ehe erzeugten Söhne, die Grafen von 
Hochberg, sammt deren männlichen, ehelichen und ebenbürtigen Nachkom- 
menschaft zur Folge in der Regierung Unseres souveränen Grossherzog- 
thums Baden fähig und theilhaftig. 

§. 4. Die unterm 21. Juni 1792 errichtete Fideicommiss-Constitution 
soll zwar in Hinsicht der beiden Fideicommissen ganz bei Kräften bleiben. 
Ausser dem bereits bestehenden Paragiat soll aber den nachgeborenen 

Prinzen eine jährliche Rente von theils in Geld, theils in Naturalien 

aus Unsern Staatsmitteln ausbezahlt, der Wittwe des regierenden Gross- 
herzogs ein Wittum von ausgeworfen und das Heirathsgut einer 

Prinzessin auf bestimmt werden. 

Die Verhältnisse der Prinzen und Prinzessinnen, in Hinsicht ihrer 
Erziehung, ihrer Vermählung, ihres Gerichtsstandes und der übrigen, 
gegen den regierenden Souverain eintretenden persönlichen Beziehungen, 
werden in einem Familiengesetze ihre Bestimmung erhalten. 

§. 5. Die Volljährigkeit der Grossherzoglichen Prinzen ti-itt mit dem 
zurückgelegten 18ten Jahre ein. 

§. 6. Der Regent des Grossherzogthums als Haupt der Grossherzog- 
lichen Familie wählt, im Falle der Minderjährigkeit seines Regierungsnach- 
nachfolgers, so lange als dieselbe währt, unter den volljährigen Prinzen 
des Grossherzoglichen Hauses den Verweser des Grossherzogthums. In 
Ermangelung einer solchen Bestimmung tritt der nächste volljährige Agnat 
als solcher ein. Der weiter entfernte, welcher wegen Unmündigkeit eines 
Näheren dieselbe übernommen hat, setzt sie bis zur Volljährigkeit des 
Regenten fort. Die Regierung wird im Namen des Minderjährigen geführt 
und die Regierungsgewalt geht für die Dauer des Zwischenzustandes auf 
den Verweser über, mit der Beschränkung jedoch, dass alle während der 
Regentschaft erledigten Staatsdienste nur provisorisch besetzt, neue Aemter 
nicht geschaffen, heinifallende Lehen als solche nicht begeben, Piivilegien, 
Standeserhöhungen und Hausordens -Ertheilungen nicht verliehen werden 
dürfen. In Ermangelung eines volljährigen Agnaten verwaltet der erste 
Staatsminister unter Zuziehung des Staatsrathes das Grossherzogthum. 
Eine verwittibte Grossherzogin kann die Regierungsverwaltung nie an- 
sprechen. 



156 

Dritter Titel. 

Von der Verwaltung des Grossherzogthums. 

§. 1. Das Ministerium theilt sich nach Unserer Verordnung vom 
5. Juli d. J. in 5 Departements: 1. der Justiz, 2. der auswärtigen An- 
gelegenheiten , 3. des Innern, 4. der Finanzen, 5. des Kriegswesens. 

Die Geschäftssphäre eines jeden ist in der näheren Verordnung von 
dem nämlichen Tage vorgezeichnet. Mehrere dieser Ministerien können 
in einer Person vereinigt sein. Die Minister wachen auf den genauen Voll- 
zug Unserer Befehle und sind für jede Verletzung der Constitution, in wie 
weit sie daran Theil hahen, dem Souverän verantwortlich. Sie erstatten 
am Ende eines jeden Jahres üher den Zust^ind ihres Departements um- 
ständlichen Bericht. Diese Berichte werden gesammelt und in's Archiv 
niedergelegt. Sie bilden eine fortlaufende Culturgeschichte der ihnen auf- 
getragenen Geschäfte und der ganzen Staatsverwaltung. 

§. 2. Zur Vorbereitung der Gegenstände von grösserer Wichtigkeit, 
Entwerfung von Grundgesetzen und Hauptverordnungen haben Wir bereits 
einen Staatsrath angeordnet, welcher nun in drei Sectionen gctheilt werden 
soll. Die eine derselben widmen Wir der bürgerlichen und peinlichen 
Gesetzgebung, die andere den Geschäften des Innern und die dritte den 
Finanzen. Jede Section besteht wenigstens aus drei Mitgliedern und be- 
reitet die Geschäfte zum Vortrage in dem versammelten Staatsrathe vor. 

§. 3. In einem jeden der drei Kreise steht ein Kreisobrist (Kreisdirector, 
Generalcommissär, Präfect) an der Spitze der Geschäfte. Diese Geschäfte 
sind in mehrere Sectionen abgetheilt, in jeder sind höchstens drei Glieder, 
welche die vorkommenden Executiv- Gegenstände in Bureaux erledigen, 
die Deliberativobjecte aber dem Kreisobrist zur Entscheidung vortragen. 
In jedem Kreise ist eine Kreisversammlung und jeder Kreis ist in Amts- 
districte abgetheilt. 

§. 4. Die Zahl der Mitglieder der Kreisversammlung wird durch die 
Zahl der Kreisbewohner bestimmt, so, dass ein Mitglied auf 1000 Be- 
wohner gerechnet wird. Die Mitglieder, welche volle 21 Jahre alt sein 
müssen, werden aus den Höchstbesteuerten vom Souverän ernannt. Die 
Stellen werden lebenslänglich begeben. 

§. 5. Die Kreis Versammlungen sollen die Mitglieder der Stände 
wählen. Sie haben statt, so oft die Wahl eines Repräsentanten vorfällt 
oder der Souverän sie zusammenberufen lässt. Die Zeit ihrer Versammlung 
dauert höchstens 8 Tage. Die Kreisobriste haben denselben vorzusitzen 
und sie zu dirigiren. Sie bringen die zu Bestreitung der Kreisausgaben 
nöthigen Auflagen in Vorschlag und lassen die Wünsche, welche zur Ver- 
besserung des Kreiszustandes dienen, durch den Kreisobrist an das Ministe- 
rium des Innern gelangen. 

§.6. In jedem Amtsbezirk ist eine hinreichende Anzahl von Beamten, 
sowohl für die Justizpflege, als für die Polizei. Für die Geffllle, Steuern 
und andere herrschaftliche Einnahmen aber sind eigene GeiUll Verwalter 
aufgestellt. 

Vierter Titel. 
Von den Ständen des Grossherzogthums. 

§. 1. Die Stände des Grossherzogthums sollen aus 21 Mitgliedern 
bestehen, welche durch die Kreis Versammlungen gewählt werden. Die 



157 

Wablmänner wählen aus 200 Höchstbesteuerten eines jeden Kreises 7 Mit- 
glieder, welche zusammen die Stände bilden. 

§. 2. Der Präsident der Stände und ein Secretär wird aus den Mit- 
gliedern der Stände Versammlung auf eine oder mehrere Sitzungen von 
dem Sonyerän ernannt. 

§. 3. Die Mitglieder der Stände sollen alle 3 Jahre zu Vs erneuert 
werden, die Austretenden sind unmittelbar wieder wählbar. 

§. 4. Die Stände versammeln sich in der Regel einmal im Jahre auf die vom 
Souverän durch den Minister des Innern auszuschreibende Zusammen berufung. 
Der Souverän eröffnet und schliesst die Versammlung, er kann sie vertagen 
oder auflösen ; nur muss im letzten Falle wenigstens innerhalb 2 Monaten 
eine neue zusammenberufen werden. Die Mitglieder der Stände beziehen 
keinen Gehalt; nur Reise und Zehrungskosten werden vergütet. 

§. 5. Die Ständeversammlung wählt aus ihi-er Mitte drei Commissionen ; 
eine für die bürgerliche und peinliche Gesetzgebung, eine für die innere 
Verwaltung und eine für die Tilgung der Staatsschulden. 

£ine jede Commission besteht aus drei Mitgliedern. Diese ständischen 
Commissionen können mit den einschlägigen Sectionen Unseres Staatsrathes 
correspondiercn. Sie discuticren über die ihnen mitgetheilten Gesetzent- 
würfe, welche ihnen auf Befehl des Souveräns vorgelegt werden, über die 
Auflagen, über das jährliche Finanzgesetz, Über die Gesetzbücher nnd 
Münz Veränderungen. Ihre Bemerkungen werden im versammelten, vom 
Souverän präsidirten Staatsrath verlesen und im Falle, dass sie bedeutend 
ermessen werden, wird darüber berathschlagt. 

§. 6. Die hiernach definitiv angenommene Redaction der Gesetzentwürfe 
soll durch zwei, höchstens drei Mitglieder des Staatsraths an die Ständever- 
sammlung zur Berathschlagung gebracht weiden, welche dann im geheimen 
Scrutinium durch absolute Stimmenmehrheit vor sich geht. 

§. 7. Die gedruckten Rechnungen über die Finanzvrrhältnisse sollen 
den Ständen alle Jahre zur Einsicht vorgelegt werden. 



Fünfter Titel. 

Von der Justizpflege. 

§. 1. Es soll für das ganze Grossherzogthum ein eigenes bürgerliches 
und peinliches Gesetzbuch eingeführt werden. 

§. 2. Die Justizpflege wird in erster Instanz von Hoheits-, Standes- 
und Grundherrlichen Aemtern besorgt, welche zugleich die Stellen der 
Friedensrichter in sich vereinigen. Von den Aemtern gehen die Berufungen 
an die Obergerichte (bisher Hofgerichte) der einschlägigen Kreise, und von 
den Obergerichten geht der Appellationszug an Unsern obersten Gerichts- 
hof, (bisher Oberhofgencht) welcher zugleich der Cassatioushof Unseres 
G rossherzogt hums ist. 

§. 3. Für die peinliche Justizpflege werden Wir in jedem Kreise eigene 
Criminalrichter in geeigneter Zahl aufzustellen bedacht sein und in jedem 
der oberen Gerichte, wo nicht eigene Criminalsenate aus ständigen Mit- 
gliedern bilden, doch wenigstens besondere Criminalreferenten ernennen. 

§. 4. Zu Gliedern der JustizcoUegien werden Wir künftig nur diejenigen 
aufnehmen, welche einem Justizamte in Unserem Grossherzogthurae 5 Jahre 
lang gut vorgestanden sind. Sie können nur durch einen förmlichen Spruch 
ihre Stellen verlieren. 



158 

§. 5. Der Grossherzogliche Fiscus wn*d in allen streitigen Privat- 
rech tverh alt nissen hei den Grossherzoglichen Gerichtshöfen Recht nehmen. 

§. 6. In Criminalsachen kann der Souverän allein Gnade ertheilen, 
die Strafe erlassen oder mildern, aber in keinem Falle irgend eine anhängige 
Streitsache oder angefangene Untersuchung hemmen, viel weniger eine 
Partei ihrem gesetzlichen Richter entziehen. 

§. 7. Die Güterconfiscation hat nur in dem Falle der Militärdesertion 
statt. Die Vermögenseinkünfte eines Verbrechers können zur Bezahlung 
der Gerichtskosten verwendet werden. 



Sechster Titel. 
Von dem Militärstande. 

§. 1. Zur Vertheidigung des Staates und zur Erfüllung der durch die 
Rheinische Bundesacte eingegangenen Verbindlichkeiten wird ein stehendes 
Militär unterhalten. 

§. 2. Die Militär - Conscription soll Grundgesetz des Grossherzog- 
thums sein. 

§. 3. Zur Handhabung der Polizei soll eine Gensd'armerie errichtet 
werden. 

§. 4. Die Militärpersonen stehen nur in Criminal- und Dienstsachen 
unter der Militärgerichtsbarkeit; in allen übrigen aber sind sie den ein- 
schlägigen Civilgerichten untergeben. 



Hierin besteht nun die Grund Verfassung und Verwaltnngsordnung, 
welche Wir Unserm souveränen Grossherzogthum zu geben Uns bewogen 
gefunden haben. 

Wir vertrauen in Unsere Staatsangehörigen, sie werden in diesen Be- 
stimmungen, durch welche Wir die Rechte Unserer Souveränetät mit dem 
Wohle Unseres Landes auf die dauerhafteste Weise zu vereinigen bemühet 
waren, einen neuen Beweis jener Regentensorgfalt mit dankbarem Gemüthe 
erkennen, mit welcher Wir seit sechs Jahrzehnten Unsere Regierung unter 
Gottes Segen ausgezeichnet zu haben glauben. 

Von dieser Constitutionsurkundc soll ein Exemplar in Unser Haus- 
archiv niedergelegt und ein anderes dem obersten Gerichtshofe zu Bruchsal 
insinuiert, sie soll durch das Regierungsblatt und die drei Provinzialblätter 
Unseres Grossherzogthum s verkündet, noch besonders gedruckt und zu 
Jedermanns Wissenschaft allenthalben öfFcntlich angeschlagen werden. 
Hieran geschieht Unser Wille. Urkundlich Unserer eigenen Unterschrift 
und Besiegelung. 

Gegeben etc. 

von Schmiz. 



Zu diesem Entwürfe machte der Frhr. von Dalberg eingehende 
Bemerkungen, aus denen wir nachstehend das Wichtigere mittheilen. 

«Das Bedürfniss einer Landesverfassung für das Grossherzogthum 
Baden zeigt sich am lebhaftesten seit der Auflösung der Reichsverfassung 
und der in derselben vereinigten Ländermasse. 

«Der badische Beherrscher war vorher unter Kaiser und Reich, und 
ist jetzt souverän. Reichsgerichte sicherten den Unterthan gegen zu grosse 



159 

"Willkühr und dem möglichen Missbrauch der Obergewalt waren Schranken 
gesetzt. 

Der ünterthan hat das Recht, zu fragen, wer ihn regiert und wie 
er regiert wird. 

Ist ersteres nicht bestimmt, ist letzteres nicht auf feste Grundsätze 
znrücJcgeföhrt, so ist kein Glück und keine Zufriedenheit weder für den 
Gebietenden noch fftr den, welcher gehorcht. 

£s ist daher dringend nothwendig, gleich dem Beispiel anderer Staaten, 
dem Grossberzogthum eine Verfassung zu geben und darin die Haupt- 
grundzüge zu bezeichnen, welche die gesellschaftlichen Bande desselben 
zusammenstellen. > 



Von dem, zum Mitglied des Cabinetrathes berufenen Staatsrath Klüber 
rühren die nachfolgenden Bemerkungen her: 



Titel 1. 

§. 2 ft. Nach : •'Es wird> addatur : «nach seinem jetzigen Länder- 
bestand. > 

b. Sollte man nicht vielmehr die Jetzige Abtheilung ohne Nach- 
theil beibehalten können? 

§. 3 a. Deleatur: «werden.» 

b. Zu der Aufzählung der Staatsvortheile für die Staatsbürger gehört 
auch: «Gleichheit der staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.» 

c. Statt der «Censurordnung» würde ich sagen: «Nach bestimmten 
Censurgesetzen». In der neuen Gesetzgebung bleibt es vielleicht nicht 
bei der Censurordnung von 1803. 

§. 5 c. Addatur: «In Ansehung der Staatslasten wird er den übrigen 
Staatsbürgern gleich gehalten.» 

d. Statt: «in Hinsicht etc.» würde ich sagen: «Die besonderen Rechte 
der Standes- und Grundherrn beruhen auf eigenen gesetzlichen Bestim- 
mungen.» 

Damit bleiben Zusätze und Abänderungen salviert, die doch mög- 
lich sind. 

§. 6 a. «den 5. Thcil.» Ich halte diess für zu hart und wünsche 
eine mildere Bestimmung oder gar keine. 

§. 7 a. Die Beziehung auf Baiem würde ich weglassen. Hie non opus 
est exemplis. 

b. Ad verb. «Vermögensüberschuss.» Sollte hier nicht «Revenüen- 
Überschuss» gemeint sein? Auch von diesem würde ich nur eine Quote 
für das Allgemeine bestimmen. Es muss doch auch für Ersparnisse ge- 
sorgt werden. 

c. Statt « Finanz vermögen » würde ich setzen «unmittelbares Staats- 
vermögen.» 

§. 8. Statt «allgemeinen» würde ich setzen: «unmittelbaren.» Wozu 
soll denn der Revenüenüberschuss verwendet werden? 

§. 9. Auch die Aufhebung des Wildfangsrechts steht hiermit in 
Verbindung. 

§. 10. Addatur am Schlüsse: «Stillschweigend wird es verliehen durch 
Ertheilung eines Staatsamtes.» 



160 

§. 11. Diesen Eid halte ich, wie so viele andere promissorische Eide, 
für unnütz und üherflüssig. 

§. 12 a. Statt «Dienste» ponatur: «Staatsdienste.» Die Freiheit, in 
fremde Staatsdienste zu treten, würde ich bei blossen Staatsbürgern, die 
nicht Staatsdiener sind, gesetzlich nicht beschränken. Der Fall ist nicht 
häufig, meist ganz unschädlich, Einzelnen nützlich und solche Freiheit 
einer liberalen Regierung eben so würdig als den Bürgern angenehm. 
T)figegen treten Ausländer in unsere Dienste und dieser wechselseitige 
Tausch ist für Verpflanzung eines edeln Sinnes, neuer Kenntnisse, Ideen 
und Erfahrungen, für Erweckung, Erhaltung und Auffrischung des freien 
(nicht engherzigen) Geistes, der eine gute Dienerschaft beleben soll» sehr 
nützlich.» 

b. Post verba: «fremde Gerichtsbarkeit» ponatur: «den Fall einer 
nothwendigen Prorogation ausgenommen.» 

§. 13. würde ich ganz weglassen. 

§. 14. Statt «Staatsdienerstandes» würde ich bloss setzen: «Staats- 
diener.» Um diese desto weniger von den übrigen Staatsbürgern zu 
trennen. Baiems würde ich auch hier nicht erwähnen. 

§. 15. Diese Bestimmung habe ich nie für sehr fruchtbar, im Gegen- 
theil vielfaltig entweder für unerheblich, oder fär nachtheilig gehalten. 



Titeln. 

§. 1. Die Worte: «und der agnatischen Linealerbfolge» scheinen 
überflüssig zu sein. 

§. 2. Einer näheren Erklärung bedürftig. Was soll von den männ- 
lichen und weiblichen Nachkommen der Prinzessinen gelten? 

§. 3 a. Beziehung auf die Familienacte von 1806 wünschenswerth. 

b. Das Wort «ebenbürtig» hatte schon während der Reichsverfassung 
keinen unzweifelhaften Sinn, noch weniger jetzt. 

§. 6 a. Kann der Souverän, in Ermangelung eines tauglichen Agnaten 
des Hauses, auch einen Fremden zum Regierungsverweser bestimmen? 

b. Kann auch ein successionsföhiges Mitglied des Regentenhauses, 
welches nicht Prinz ist, die Regierungsverwesung führen? 

c. In welcher Form muss die Ernennung des Verwesars von dem Sou- 
verän geschehen? 

d. In Absicht auf die Erziehung des minderjährigen Regenten sollte 
in der Staatsconstitution selbst die nöthige Bestimmung enthalten sein. 

e. Dass alle Staatsdienste während der Regierungsverwesung nur pro- 
visorisch sein sollen (auch das Verbot der Ertheilung von Privilegien 
u. s. f.) halte ich für sehr bedenklich. Eher würde ich den Verweser bei 
deren Besetzung etc. an gewisse Formen binden z. B. dem Staatsrath ein 
Veto nach der Mehrheit der Stimmen einräumen. 

f. Auch für den Fall, wenn durch einen Körper- oder Geistesfehler 
der Thronfolger regiernngsunfähig wäre oder der Souverän es würde, 
möchte eine Bestimmung nöthig sein. 

Titel m, 

§. 1 a. Hier sollte wohl zuerst des Kabinetsrathes erwähnt sein, der 
aus Versehen ganz übergangen zu sein scheint, obgleich derselbe, nach 



161 

der neuesten Organisation, ein wesentliches Ingrediens der Verfassung ist 
und dahin alles gehört, was an die Person des Souveräns gebracht wird 
oder von ihr ausgeht. 

b. Sollte nicht hinlänglich sein, dass hier wegen der Organisation des 
Cabinetsratbs, des Ministeriums und des Staatsraths bloss auf die Verord- 
nung vom 5. Juli verwiesen würde, um einer Wiederholung auszuweichen? 

§. 3. Dem Präfectursystem bin ich nicht hold. Ich stimme für Bei- 
behaltung der administrativen Collegia, der Provinzialkammem nach ihrer 
jetzigen Einrichtung, doch so, dass Regierung und Kammer vereinigt, aber 
in 2 Senate abgetheilt werden. 

Zu gross ist die Last, welche auf die Schultern eines Einzigen, eines 
Präfecten oder Generalcoromissärs, gelegt wird, der ein Mensch ist, gleich 
andern, und für den Tag und Nacht auch nur 24 Stunden haben. Be- 
denklich ist es, die Verwaltung eines Bezirks von 2 — 300,000 und mehreren 
Staatsbürgern in die. Hände eines einzigen Staatsdieners zu legen, eines 
Machthabers, dessen Kräfte bei dem besten Willen zu gründlicher und 
reifer Erwägung und Entscheidung auch nur der wichtigsten Gegenstände 
offenbar nicht zureichen, dessen Macht ohne nahe Controle, bei bösem 
Willen , bei Schwäche , bei Misslaune ihn auf hundert Wegen zu Fehl- 
tritten und Despotismus leitet, dessen Lage und Bedürfniss ihn nöthigt, 
das Raschregieren zu seiner ersten, das Gutregieren zu der zweiten Sorge 
zu machen, der von blossen Subalternen berathen wird, in welchen das 
Gefühl der höheren edleren Dienstehre nie lebendig werden kann, weil 
alle aus guter Verwaltung entspringende Ehre nur dem Einzigen zu Theil 
wird, der über sie unmittelbar gebietet. 

Der Mann, den man auf solch eine Spitze stellt, müsste unbedingt 
einer der wenigen sein, die von einem Weisen auf dem Thron aus Hundert- 
tausenden als die ersten Männer in dem wahren Sinne erkohreu wären, 
die zu dem Throne hin sich nicht drängen, zufällig sich selten in seiner 
Nähe finden, oft dahin nicht gesucht werden, so lang die Gew^ahrung grosser 
Eigenschaften gemeine Seelen zu Neid, Stolz und Geringschätzung entflammt. 
Welch ein Missgriff, wenn die Wahl auf einen von anderer Art fällt. 

Ein Verwaltungscollegium kann unter einem mittelmässigen , selbst 
unter einem übelwollenden Präsidenten die Erwartungen des Staates erfüllen; 
nicht so ein Präfect, in den man jenen Präsidenten verwandelt hat. Ein 
CoUegium , indem es Rechte und Interessen des Staates und der Menschheit, 
muthiger als ein Einzelner gegen einen übel gestimmten Herrscher zu 
vertheidigen fähig und geneigt sein muss, ist ein starker Damm gegen 
Eingriffe des Despotismus, doppelt wichtig in Staaten, wo eine kräftige 
Repräsentation dagegen nicht schirmt. 

In einem Zeitalter der Rohheit und Simplicität herrschte auch in 
Teutschland das Präfectur-, Kreisdirectorial - oder General - Commissariats- 
system. Ein Rentmeister mit seinen Gesellen reichte hin für die Central- 
verwaltung eines ganzen ansehnlichen Fürstenthums. Es blieb ihm noch 
Zeit und Kraft, mit dem Kanzler die oberste Leitung der Staatsgeschäfte 
zu besorgen ; denn beide , die Heimlichen , bildeten zugleich das Staats- 
ministerium. Landvögte. Land- und Amtshauptleute unter ihnen genügten, 
überall je einer, für Justiz, Polizei und Finanzen in grösseren Bezirken. 
Aber bei zunehmender Cultur, bei Vervielfältigung und grösserer Formali- 
sierung der Geschäfte erblickte man deutlich die Pflicht und Nothwendigkeit, 
die administrativen Staatsgeschäfte in der höhern Sphäre nicht einem Ein- 
zigen zu überlassen, sondern ganzen Collegien anzuvertrauen, wo sie mit 

11 



162 

gemeinsamem Rath und entscheidenden Stimmen Mehrerer ausgetragen und 
getheidigt würden. 

Aus Collegien pfieng hervor die bessere Geschäftsverwaltung und Staats- 
wirthschaft, deren dieses Zeitalter sich rühmt. In ihnen entwickelte sich 
der höhere Sinn, das ächte nützliche Ehrgefühl, das Streben nach Dienst- 
ehre, welches nur den Staatsdiener beleben kann, der sich bewusst ist, 
dass auch er ein Echtwort in der Kathsversammlung habe. Denn ohne 
Selbstvertrauen, schüchtern, trag und mühsam entwickeln sich die Ideen 
in einem Kopf, den das Bewusstsein beugt, dass er damit nur einem ein- 
zelnen maschinenmässig fröhne, der ohne eigene Saat selbstständig die 
Ernte für sich nimmt. 

Wenn hier der Provinzialverwaltung durch Collegien das Wort geredet 
wird, so ist damit weder unnöthige Vervielfältigung der ProvinzialcoUegieu 
noch zu starke Besetzung derselben in Schutz genommen. Ein Regierungs- 
und ein Eammercollegium für dieselbe Provinz, beide getrennt, wären zu 
viel, zu kostbar und für die Beschleunigung des Geschäftsganges hinderlich. 
Beide können ohne Nachtheil vereinigt, aber das Ganze für einzelne Ge- 
schäftszweige in Senate oder Sectionen abgetheilt sein. Auch müssten 
gewisse Gegenstände der CoUegialberathschlagung oder vielmehr der Com- 
petcnz des ganzen CoUegii entzogen sein. Es ist hinreichend, sie dem Prä- 
sidenten, dem Yicepräsidenten und dem ältesten Rath gemeinschaftlich zu 
übergeben. Zu diesen Präsidialgegenständen gehören: besondere, vorzüglich 
geheime Aufträge, Vorschläge zu Besetzung der Raths- und Subaltern- 
auch der untergeordneten Lokalbeamtenstellen, Conduitenwesen der Mit- 
glieder des Collegii und aller ihm untergeordneten Diener u. s. f. 

§. 4 und 5. Sofern diese Kreisversammlungen theils auf die in Vor- 
schlag gebrachten Stände sich beziehen, theils ein ähnliches pnrticulares 
Institut sein sollen, gelten auch von ihnen die Bemerkungen, welche ich 
unten zu dem Tit. IV. bei den Ständen vortrage. 

§. 6. Bei den Localbeamten ist die reine Absonderung der Justiz und 
Polizei von der Finanz- und Cameralverwaltung eine Regel, bei welcher 
hie und da Ausnahmen nothwendig werden, besonders in kleinem Bezirken, 
die man mit grösseren unter eine Verwaltung nicht zusammenziehen kann. 



Titel IV. 

In Absicht auf die Einführung der in Vorschlag gebrachten Stände 
des Grossherzogthums erlaube ich mir bloss allgemeine Bemerkungen, denen, 
für den Fall, dass die Vorfrage, ob Stände einzuführen seien, bejahend 
entschieden würde, besondere nachfolgen müssten. Wurden, als Folge 
auffallender Staatsbegebenheiten in neu entstandenen, neu zusammengesetz- 
ten oder neugeformten Staaten, wurden in Rom unter August, in Frankreich, 
in Italien bei schnellem, überraschendem Wechsel der Staatsform republi- 
kanische Formen eingeführt oder beibehalten, um den unvermutheten Ueber- 
gang von einer politischen Lebensweise oder Staatsform zu der andern, 
von der Republik zu der Monarchie Vielen minder empfindlich oder an- 
stössig zu machen, so waren, wie Jeder weiss, solche Formen, was der Geist 
aus ihnen machte, überall ein dem Augenblick angcpasstes Erzeugniss der 
Klugheit, eine Frucht ausserordentlicher Umstände, also ein Beispiel, was 
Staaten, die ohne Wechsel seit Jahrhunderten derselben Staatsform, der 
monarchischen, genossen und fortwährend gemessen, nicht dienen mag. 
Sollte maji dessen ungeachtet ernstlich mit dem Gedanken sich beschäftigen. 



163 

in dem Grossherzogthum Stände einzaföhren, so fasse ich dermal mein 
Urtheil in Folgendem zusammen : 

Will der Regent in den Vorschlägen der Stände die Stimme der 
Nation vernehmen, über Alles, was ihr Wohl und Wehe angeht; will man 
den Ständen für Auflagen und Gesetzgebung ein Veto einräumen, auf dass 
selbst den Uebelwollenden in der Nation der Wahn benommen werde, es 
treibe irgend jemand ein Spiel mit ihr, sollen die Stände in Form 
und Handlung das Gepräge des allgemeinen Willens tragen, repräsentieren 
sie nicht nur einen Theil der Staatsbürger; sind sie kein Deckmantel zur 
Anhäufung und Bewahrung staatszweckwidriger Auszeichnung und Vor- 
rechte; soll ihre Wirksamkeit in Formenspiel und Ceremoniendienst sich 
nicht auflösen, — dann werden Staaten der oben gedachten Art bei Ein- 
führung solcher Stände jedem gegründeten Tadel, wie dem Schein, als 
wolle man dem Geist der Mode huldigen, sicher entgehen. 

Ausserdem möchte vorzuziehen sein, dass man von Zeit zu Zeit aus 
allen oder gewissen Theilen des Landes höhere Localbeamte nebst einer 
beliebigen Anzahl von verständigen, in jedem Fall von der Regierung be- 
sonders auszuwählenden Stadt- und Dorfgemeindevorstehem, auch Gewerb- 
leuten, die durch Einsicht und Recht seh affenheit sich auszeichnen, zu einer 
allgemeinen oder particulären Landesconferenz ohne Prunk zusammen- 
berufe, ihre Vorschläge vernehme und mit ihnen über wichtige Landesange- 
legenheiten Rath pflege. 

Titel V. 

§. 5. Am Schluss könnte hinzugefügt werden: «Er (der Fiscus) ist 
nach dem Privatrechte des Staates zu beurtheiien, es flnden in Confisca- 
tions- und andern fiscalischen Sachen die gewöhnlichen Rechtsmittel statt, 
und der Fiscus geniesst nur so weit Vorrechte, als solche auf klaren 
Gesetzen oder Privilegien beruhen.» 



Titel VI. 

§. 1. Addatur: Zu Handhabung der innern Sicherheit 
§. 3. Eine eigene Gensd^armerie möchte in unserm Staate unnöthig 
sein. Wenigstens möchte ich deren Errichtung grund gesetzlich nicht ver- 
ordnen. 

Heidelberg, den 20. September 1808. 

Klüber. 

Hieran schliessen sich abermalige Bemerkungen des Frhm. von Dalberg. 

Eingang: Meiner Ansicht nach sollte hier der Fürst den Grundsatz 
feierlich aussprechen : 

«dass Verfassungs- und Verwaltungsformcn dem Unterthan allein eine 
Garantie seiner Rechte gäben, dass aus diesem Grund also der Fürst, 
nachdem das Grossherzogthum durch günstige Conjuncturen vergrössert 
und gebildet worden sei, diese Verfassung seinem Lande geben wolle, 
und nach Vernehmung des Staatsraths sie bekannt mache.» 
In den meisten Punkten ist Frhr. von Dalberg mit Herrn Elüber 
einverstanden. Einige wichtigere Abweichungen sind nachstehend ver- 
zeichnet : 

11* 



l 



164 

Titel L 

§. 11. Diese Feierlichkeit eines Eides oder, wenn man will, eines 
Handgelöbnisses halte ich nicht für unnütz. 

§. 13. Scheint mir zweckmässig. Man schliesst Franzosen u. s. w. 
die Thüre. Doch fragt es sich, ob es nicht politisch räthlich ist, ihn 
hinwegzulassen, weil man nicht mächtig genug ist, fremder Protection 
sich ganz zu entziehen. 

Titel m. 

§. 2. Die Bildung eines eigenen Staat srathes, in Sectionen abge- 
theilt, ist unnöthig. Es tritt hier das Fehlerhafte des aufgelösten Geheimen 
Käthes ein. 

Die Sectionen sind in den Ministerien; die Bearbeitung bei denselben; 
die Deliberation bei dem Staatsrath auf die Art, wie er gebildet ist; 
die Executive im Cabinet. 

Dieses wäre nicht zu verändern ; die Erfahrung lehrt bereits, dass es 
gute Verwaltungsformen sind, wenn zumal der Cabinetsmi nister Einsicht 
mit Rechtschaffenheit und besonders mit Festigkeit vereinigt. 

§. 3 b. Auch ich stimme gegen das Präfectursystem. 

Sehr zweckmässig, sehr leicht ausführbar und von dem besten 
Erfolg ist aber gewiss die Idee, Regierung und Kammer zu vereinigen, 
in Sectionenen abzutheilen und beiden einen Vorstand zu geben. 

Der Entwurf des Herrn von Schmiz hat vieles Vorzügliche. 

Titel IV. 

§. 1. Ich bekenne meine Vorliebe für eine Repräsentation des Landes, 
welche besonders bei Finanzgesetzen ein Wort mitzusprechen hat. 

Der Entwurf des Herrn von Schmiz hat mit einigen Modificationen 
meinen Beifall. 

§. 5. Verwirft man die Stände, so muss wenigstens die Zusammen- 
berufung solcher Notabein, als sie Herr Klüber vorschlägt, alle Jahre 
zu einer gewissen Zeit vorschriftsmassig geschehen und keine Auflage 
vermehrt werden können, ohne ihr Gutheissen dabei eingefordert zu haben. 

Schliesslich bemerke ich noch, ob man nicht erbliche Hofämter 
machen sollte, und auf diese Weise die Häuser Leiningen, Fürstenberg, 
Löwenstein dem Hofe näher bringen. 

Baden, 30. September 1808. 

Dalberg. 

Folgende Bemerkungen gab Geheimer Rath Hofer zu den Acten: 

Ich stimme im Allgemeinen dahin, dass in den Verfassungs- und Ver- 
waltungsformen so wenig Veränderungen als möglich statt finden möchten. 

Der ünterthan ist der Aenderungen müde. Eine jede derselben, 
wenn sie nicht das Gepräge des wesentlichen Nutzens an der Stime 
trägt, hat also die öffentliche Stimmung gegen sich ; eine zu strenge Nach- 
ahmung auswärtiger Verfassungen vermindei*t auch die Idee der Selbst- 
ständigkeit. 



165 

Unter diesem Gesichtdpunkte stimme ich für die Beibehaltung 
der Eintheilung in die drei Provinzen und auf Weglassung des Prä- 
fectursystems. 

Eine der wichtigsten Fragen ist jene in Betreff der Landesrepräsen- 
tation. Jo den erlassenen Edicten ist sie bereits bejahend entschieden. 
Auch gestehe ich, dass ich eine solche Anstalt in mancher Hinsicht für sehr 
wünschenswerth achte. Allein das quomodo bedarf noch, meines Er- 
messens, einer weiteren, reiflichen Ueberlegung, damit die ganze Anstalt 
nicht viel mehr Missbräuche und Unkosten als wahren Nutzen hervorbringe. 
Nach meinen Ansichten sollten daher die Fragen: 

a. was dürfte diese Einrichtung von Ständen oder Landesdepu- 
tirten kosten? 

b. wer soll diese Kosten tragen? 

c. in was soll ihre Verrichtung bestehen? — soll ihre Stimme 
in Sachen der Gesetzgebung entscheidend oder bloss consul- 
tativ sein? 

d. bedarf man zu ihrer Ernennung besonderer Wahlmänner oder 
wäre nicht jeder Ortsvorgesetzte als Wahlmann anzusehen? 

e. verdient die im Königreich Italien bestehende Eintheilung in 
possidenti, dotti und mercanti nicht nähere Aufmerksamkeit? 

noch ausführlicher discutiert werden , ehe man nicht nur die Einführung, 

sondern auch die Organisation der Stände in dem vorliegenden Constitutions- 

edict ausspricht. 

Hofer. 

Ihnen folgen die Bemerkungen des Cabinetsministers Freiherm von 
Gemmingen : 

In den meisten Punkten ist er mit Dalberg und Klüber einverstanden, 
besonders auch gegen neue Eintheilung, gegen Präfectursystem u. s. f. 

Zu Titel lY. macht Gemmingen folgende Bemerkungen: 

«Unter allen Gegenständen, welche die vorliegende Constitutions- 
urkunde umfasst, ist mir derjenige, welcher von Ständen des Gross- 
herzogthums handelt, der bedenklichste und derjenige, welcher in Rücksicht 
auf Erfahrungen und schon bestehende Verfassungen am schwersten zu 
berathen scheint. Durch das Constitutions-Rescript vom 5. Juli a. c. hat 
man dem Land eine Repräsentation zugesagt, wie sie in Westfalen und 
Baiern eingeführt worden. 

Die westfälische scheint mir nach allem, was ich davon vernom- 
men, ein blosses Spiegelgelechte zu sein. August behielt die republica- 
nischen Formen und regierte dennoch unumschränkt. Neues ist nicht 
unter der Sonne. 

Die bairische ständische Verfassung ist noch nicht entwickelt. 

Wenn die Stände bloss Vota consultativa haben, so werden sie viele 
Schreibereien verursachen und wenig Nutzen schaffen. Giebt man ihnen 
ein Veto, so ist der Begriff von souveräner Regierung aufgelöst, so liegt 
Monarchie und Demokratie in ewigem Streit. Gibt man ihnen, wie in 
England, das Recht, der Monarchie die Subsidien zu bewilligen oder abzu- 
schlagen, so corrumpiert die Monarchie die Demokratie, wie in England, und 
das Volk ist die Dupe seiner Freiheit. Freilich sollte das Eigenthum des 
Staatsbürgers nie von der Willkühr des Regenten und seiner JMinister ab- 
hängen, nie einem Missbrauch der Verwaltung unterliegen können. Sowie 
die Gesetze seine Person schützen, so sollte der Einfluss seiner Repräsentanten 
sein Eigenthum schützen; aber die Leidenschaften der Menschen, die 



166 

Nebenabsichten, die sich überall, auch bei den besten Anordnungen, 
einschleichen, haben zu allen Zeiten die schönsten Entwürfe vereitelt 

Man muss sich hier vor allen Dingen darüber vereinigen, was die 
Stände sein sollen und welche Befugnisse man ihnen einräumen will. 

Will man bloss durch diese Einrichtung die Desiderien des Landes 
unmittelbar vor den Regenten bringen, und mit den Abgeordneten der ver- 
schiedenen Provinzen sich über Gesetze und Abgaben berathen, so wird 
dieser Titel ganz anders gefasst werden müssen. In jedem Falle wird mnn 
aber sich auch darüber vereinigen müssen, wer die Kosten dieser Einrich- 
tung zu tragen habe.» 

Karlsruhe, 10. October 1808. 

Gemmingen. 



n. 

Nach Einsicht dieser Bemerkungen wurde die nachstehende II. Re- 
daetion ausgearbeitet: 

Carl Friedrich etc. etc. 

In Folge des unterm 5. Juli d. J. ausgesprochenen Beschlusses, Unserm 
Grossherzogthume eine Grundverfassung und zweckmässigcre Yerwaltungs- 
ordnung zu geben, haben Wir über diesen, für die Würde und Sicherheit 
des Staates, sowie für das Gesammtwohl Unserer lieben Unterthanen gleich 
wichtigen Gegenstand in Unserm Staatsrathe ausführliche Berathung pfle- 
gen lassen. 

Nach dessen Anhörung bestimmen und verordnen Wir daher wie folgt: 



Erster Titel. 

§. 1. wie in der 1. Redaction. 

§. 2. Es bleibt nach seinem jetzigen Länderbestand in 3 Provinzen 
eingetheilt. 

§. 3. Wie Redaction 1. nur heisst der 1. Satz: «Es wird durch eine 
Constitution regiert» und der Schluss: «letzte nach bestimmten Cen- 
surgesetzen.» 

§. 4. Das ganze Grossherzogthum wird nach einförmigen Gesetzen ge- 
richtet und nach gleichen Grundsätzen verwaltet. 

§. 5. Der Adel soll in seinen verschieden Benennungen fortbestehen, 
aber kein ausschliessendes noch vorzügliches Recht auf Staatsämter, Staats- 
würden und Staatspfründen haben. Die besonderen Rechte der Standes- 
herrn und Grundherrn beruhen auf eigenen gesetzlichen Bestimmungen. 

§. 6. Es soll ein und dasselbe Steuersystem für alle Theile des Gross- 
herzogthums eingeführt werden. Die Liegenschaften und Einkünfte der 
Standesherru werden ebenso wie die der Prinzen Unseres Hauses besteuert; 
desgleichen die der Grundherren werden nach bestehenden gesetzlichen Be- 
stimmungen in ordentliche Schätzung gelegt. 

§. 7. «Die Geistlichkeit — gewährt» wie Redaction 1, und keiner 
dieser Vermögenstheile soll zu einem fremdartigen Zwecke verwendet; zur 
Erzielung der Einheit, zur Vermehrung der Kräfte und zur Minderung 



167 

der Verwaltungskosten soll endlich eine Centralcuratel für jeden Religions- 
theil errichtet werden. Dieses geistliche und fromme Stiftungsrermögen 
ist unter keinem Vorwande einzuziehen, noch zu einem fremden Zwecke zu 
veräussem. Es bleibt von Unserm unmittelbaren Staats vermögen gesondei*t. 
§. 8. Die Aufhebung der Leibeigenschaft, mit welcher Wir bereits im 
Jahre 1 783 in Unseren alten Landen vorangegangen sind, soll auf die neuen 
Lande, wo sie noch besteht, ausgedehnt ; das Hagestolzen- und das Wild- 
fangsrecht sollen aufgehoben sein. 

§.9 = §. 10 der 1. Kedaction. Das Indigenat — von uns aus- 
drücklich ertheilt werden. Stillschweigend wird es verliehen durch Er- 
theilung eines Staatsamtes. 

§. 10 = §. 11. der 1. Kedaction. Schluss: bei jedem Amt, wohin sie 
als Unterthanen gehören, feierlich abgelegt werden. 

§. 11. Kein Staatsangehöriger darf ohne Unsere Erlaubniss von einer 
auswärtigen Macht Gehälter annehmen, noch eine fremde Gerichtsbarkeit 
u. 8. f. wie Art. 12. der 1. Kedaction. 

§. 13. Die Verhältnisse Unserer Staatsdiener werden Wir durch eine 
eigene Pragmatik nächstens bestimmen , und wegen der Versorgung der 
Wittwen und Waisen derselben eine bestimmte Verordnung erlassen. 

Zweiter Titel. 
Vom Grossherzoglichen Hause. 

§.1 ^ §. 1 d. 1. Red. «Das Grossherzogthum — Primogenitur,» und 
mit dem Vorzug der Linien, nach der Grossherzoglichen Successions-Acte 
vom 10. September 1806. 

§. 2. Die unterm 21. Juni 1792 errichtete Fideicommiss-Constitutiou 
soll in Hinsicht der beiden Fideicommissen ganz bei Kräften bleiben. Die 
nat'hgeborenen grossjährigen Prinzen erhalten zur Apanage eine jährliche 
Rente von 20,000 fl. zu ^/^ in Geld und zu V5 in Naturalien, letztere nach 
dem jedesmaligen Mittelmarktpreise aus Unsern Staatsmitteln. 

An dieser Kente sind jedoch deren etwaige Fideicommissnutzungen, 
sowie die Bezüge von inländischen Staatsämteru und Staatspfründen in Ab- 
zug zu bringen. 

§. 3. Die nachgeborenen minderjährigen, zugleich vaterlosen Prinzen 
werden bis zum zurückgelegten 21. Lebensjahre aus Staatsmitteln anständig 
erzogen und erhalten. 

§. 4. Fünfzigtausend Gulden jährliche Einkünfte nebst einem standes- 
roässigen Wohnsitze sind als Maximum für das Witthum der Wittwe des 
Souverains bestimmt. 

§. 5. Die Töchter der Souveraine und des präsumtiven Regierungs- 
nachfolgers erhalten eine Apanage von jährlichen 10,000 fl., wovon aber 
ihre andern Bezüge aus Staritsmittelu oder Fideicommissnutzungen in Ab- 
zug kommen, und ein Heirathsgut von 50,000 fl. Der standesmässige 
Unterhalt der unvermählten, vaterlosen Prinzessinen des Grossherzoglichen 
Hauses wird von dem Souverain nach Vernehmung des Staatsrathes be- 
stimmt. Der Erzieh ungspliin wird von dem Souverain nach Anhörung des 
Staatsrathes festgesetzt. 

§. 6. Die Volljährigkeit des präsumtiven Regierungsnachfolgers tritt 
mit dem zurückgelegten ISten, die der rudern Prinzen mit dem jsurück-» 
gelegten 211en Jahre ein. 



168 

§. 7. = §. 6. der l.Red. von Anfang bis «Verweser über.» In Ermange- 
lung eines volljährigen Agnaten wählt der Souverain aus seinen Ministem 
den Verweser des Grossherzogthums und spricht diese Wahl im versammelten 
Gabinetsrathe aus. Die diesfallsige Urkunde wird von dem Souverain 
unterzeichnet und von dem Cabinets-Minister , wenn aber dieser der ge- 
wählte Verweser ist, von dem Gabinetsdirector und in dessen Ermangelung 
von dem ältesten Gabinetsrathe contrasigniert. Der Verweser darf in allen 
wichtigen Angelegenheiten ohne Anhörung des Staatsraths und dessen Bei- 
stimmung nichts verfügen. 

Dritter Titel. 

Von der Verwaltung des Grossherzogthums. 

§. 1. Die Centralverwaltung des Staates theilt sich nach Unserer, 
nnterm ö. Juli d. J. erlassenen Verordnung (Reg.-Bl. Nr. XXI.) in 6 
Ministerialdepartements, nämlich: 1) des Cabinets, 2) der Justiz, 3) der 
auswärtigen Verhältnisse, 4) des Innern, 5) der Finanzen, 6) des Kriegs- 
wesens. 

Die Geschäftssphäre eines jeden und die darin zu beachtende Ordnung 
ist in der erläuternden Verordnung vom nämlichen Tag (Reg.-Bl. Nr. XXII.) 
vorgezeichnet. 

§. 2. Zur Vorbereitung der Gegenstände von grösserer Wichtigkeit 
belassen Wir es bei der Anordnung eines Staatsrathes. 

§. 3. In einer jeden der drei Provinzen werden die Regierungs- und 
Kammergeschäfte in der durch eine nachfolgende Verordnung noch zu be- 
stimmenden Form verwaltet. 

§. 4. Jede Provinz ist in Amtsbezirke gethellt und in einem jeden der- 
eelben ist eine hinreichende Anzahl von Beamten, sowohl für die Justiz- 
pfiege als für die Polizei; für die Steuer und andere herrschaftliche Ein- 
nahmen aber sind eigene Gefallverwalter aufgestellt. 

§. 5. Nach den Bedürfnissen der Berathschlagungsgegenstände werden 
wir, so oft es nöthig, aus den drei Provinzen eine hinreichende Anzahl ver- 
ständiger, einsichtsvoller und rechtschafifeuer Bürger aus allen Stauden 
zu Rath ziehen und ohne deren vorgängige Vernehmung weder in der 
bürgerlichen und peinlichen Gesetzgebung, noch in den wichtigeren Finanz- 
gegenständen eine Verfügung treffen; insbesondere sollen denselben die 
Rechnungen über die Finanzverhältnisse alle Jahre zur Einsicht vorgelegt 
werden. 

Vierter TiteL 
Von der Justizpflege. 

§. 1. Die Rechtspflege geschieht nach den Gesetzen des Staates. 

§. 2. Die Civilrechtspflege wird in drei Instanzen nach den jeweils 
bestehenden Ordnungen besorgt. 

§. 3. Der Grossherzogliche Fiscus wird in allen streitigen Privatrechts- 
verhältnissen bei den Grossherzoglichen Gerichtshöfen Recht nehmen. Er 
ist nach dem Privatrecht des Staates zu beurtheilen ; es finden in Coufis- 
cations- und andern fiscalischen Sachen die gewöhnlichen Rechtsmittel statt 
und der Fiscus geniesst nur in soweit Vorrechte, als solche auf klaren Ge- 
setzen oder Privilegien ruhen. 



169 

§. 4. In peinlichen Sachen kann der Souverän allein Gnade ertheilen, 
die Strafe erlassen oder mildern ; aber ohne Vernehmung des Staatsraths 
keine Abolition verfügen ; ebensowenig eine willkührliche Entscheidung 
oder Behandlung eines Ilechtsstreites oder willkührliche Einmischung in den 
Bechtsgaog eines vor einem Gerichtshof anhängigen Rechtshandels ertheilen, 
vomelimen, verfügen oder zulassen. 

Fftnfter Titel. 

Von dem Militärstande. 

§. 1 = §. 1 des VI. Tit. der 1. Redaction mit dem Zusatz nach 
«Staates» : «zur Handhabung der inneren Sicherheit.» 

§. 2 = §. 2 des VI. Tit der 1. Redaction. 

§. 3. Die Militärpei-sonen etc. = §. 4 des VI. Tit. der l. Redaction, 
Schloss = dem der 1. Redaction. 



Auch diese neue Redaction wurde verschiedenen Staatsmännern zur 
Begutachtung vorgelegt. 

Der Geheime Rath Emanuel Meier bemerkte Folgendes: 

I. Allgemeines: Warum schon wieder eine Abänderung in der Ein- 
theilung des Landes in drei Provinzen und in deren Benennung? 

Die Folgen dieser öfteren Zerreissungen sind äusserst kostbar, be- 
schwerlich und ohne wesentlichen Nuizen. 

Privilegia fori — Sollten sie nicht hinlänglich beschränkt sein ? 

Communal- und Stiftungsvermögen — Suum cuique ! 

Indigenat aus allen Bundesstaaten — Quaeritur, ob ohne Versicherung 
des Reciproci? 

Warum die öftere Verweisung auf baierische Anordnungen ? 

II. Besonderes: 

Tit. I. §. 1. (Baden — ein Theil des rheinischen Bundes) Ist bekannt. 
Dieses Verhältniss hier zu erwähnen, scheint nicht nothwendig zu sein. 
Auch ist seine Dauer ungewiss. 

§. 2. (Bleibt in 3 Provinzen eingetheilt). Besser, als abermals ohne 
Noth zu ändern. Die dermaligen Benennungen hat man dess wegen ge- 
wählt, um die normaligen Verschiedenheiten nach und nach vergessen 
zu machen. 

Sie sind wenigstens ebenso angemessen, als die französischen Be- 
nennungen der Depai*tements des Ober- und Nieder -Rheins, wovon sich 
der erstere schon oberhalb Strassburg, der letztere oberhalb Mann- 
heim endet. 

§. 3. Ist der monierte Beisatz: «Gleichheit der staatsbürgerlichen 
Rechte und Pflichten» mit Vorsatz weggeblieben? 

Tit. ni. §. 3. Wenn abermals eine neue Form für die Geschäftsver- 
waltung in den Provinz-Collegien angekündet wird, so macht diess irre 
und lässig. Alle dergleichen Formen sind doch nicht für die Ewigkeit. 

§. 5. Landstände, Landesrepräsentanten, oder wie man sie heissen will, 
haben ihre gute, aber auch ihre üble Seite, und es mag problematisch 
bleiben, ob Vortheile und Nachtheile sich gerade nur die Wagschale halten, 
oder auf welcher Seite ein Uebergewicht erscheine. Die neuen derartigen 
Creationen inBaiem und Westfalen dürfen nicht nach ihren viel versprechen- 



170 

den Anküudlgunpfen beurtlieilt werden. Sic erscheinen mehr aus Nach- 
ahmung, als aus eigener Ueberzeugung entstanden, mehr eine Parade, als 
etwas Reelles zu sein oder zu werden. 

Seine Köuigl. Hoheit der Grossherzog haben gegen eine solche Ver- 
fassung stets eine entschiedene Abneigung geäussert, gleichwohl aber ganz 
neuerlich das öffentliche Versprechen gethan, eine Landesrepräsentati.n. und 
zwar wie in Baieru und in Westfalen in Ihren Landen einzuführen. 

Der Ausspruch: «wie» wird ohne Zweifel das an, nicht auch das 
quomodo in sich begreifen. Wie soll sie nun formiert und welcher Wirkungs- 
kreis soll ihr zugeschieden werden? 

Die letztere Frage ist allein die schwierige. 

Soll sie nur pro forma eingeführt werden, ut aliquid fecisse videamur, 
so trügt sie die Erwartung, enegt Misstrauen statt Zutrauen und ver- 
ursacht dem Staat unnöthige Kosten. 

Soll sie, wie der Entwurf lautet, nur darin bestehen, dass, wie man 
es nöthig befindet, eine Anzahl von Staatsbürgern zusamnienberufen werde, 
um über die ihnen vorzulegenden Gesetzgebungs - und Finanzgegeustände 
ihre Meinung zu vernehmen, ohne vorauszuversichern, ob und in wie weit ihre 
Meinung gewürdigt werde, so ist diess keine eigentliche Repräsentation, 
sondern ein weitschichtiges und kostbares Mittel, Gutachten zu erheben. 

Freilich sind Gesetzgebung und Auflagen die Gegenstände, woran dem 
Lande am meisten gelegen ist. 

Will man über den ersteren Gegenstand die Repräsentanten zu Rathe 
ziehen, so hat man viele Schreibereien, vielen Aufenthalt und wenig Ge- 
deihliches zu erwarten, und am allerwenigsten wäre es rathsam, die Repräsen- 
tation an der gesetzgebenden Gewalt einen entscheidenden Antheil 
nehmen zu lassen, folglich sie zwischen dem Souverän und dem Volk 
theilbar zu machen. 

In andern Rücksichten ist es eben so bedenklich, in Betreff der Auf- 
lagen an die Einwilligung der Bepräsentanten gebunden zu sein. Die 
Folgen davon sind kurz und gut in einem Voto des Herrn Ministers Frhrn. 
von Gemmingen geschildert. 

Und doch, da nun einmal die obgedachte Versicherung Sr. Königl. 
Hoheit geschehen ist und Höchstdiesell)en Ihr gegebenes Wort nicht ohne 
weiteres werden zurücknehmen wollen, welches ^uch in gemässigter Hinsicht 
auf das französische Billigen oder Misshilligen nicht gleichgültig sein dürfte, 
wird etwas geschehen müssen, das entweder darin bestehen könnte, dass 
zwar ein Landesausschuss constituieiet, seine Cognition aber allein auf das 
Finanzwesen beschränkt, nämlich ihm der jährliche Exigenz-Status sowie 
jener der Amortisationscasse — der ohnehin von Zeit zu Zeit dem Publico 
vorgelegt werden soll — zur Nachricht mitgetheilt und nur, wenn neue 
Auflagen erforderlich sind, seine Einwilligung dazu eingeholt werde , oder 
darin, dass man ein Mittel wähle, dem Lande in sich selbst und ohne 
fremden Einfluss eine Garantie zu versrhaffen, dass die Landesconslitution 
stets aufrecht und unverletzt erhalten werde. 

lieber die Idee einer solchen Garantie ist schon zu dem vormaligen 
Geheimen Raths - Collegio von dem Herrn Geheimen Rath Brauer ein Ent- 
wurf vorgelegt, solcher aber bei der mit ersagtem Collegio vorgegangenen 
Veränderung ad acta reponiert worden. 

Karlsruhe, 10. November 1808. 

E. Meier. 



171 

Hieran reiht sich Bodann ein Separatvotum des Frhrn. von Dalberg 
üher Tit. III. §. 5 der siweiten Redaction des Constitutionsentwurfes: 

«Ich glaube meiner innem Ueberzeugung und dem Besten der Sache 
schuldig, hier zu äussern, dass ich mit dem §. 5, die Landesrepräsentation 
betreffend, gar nicht einverstanden bin. 

Wenn einmal in einem Staate bestimmte Verwaltungsformen vorge- 
zeichnet sind, wenn der Finanzetat so bezeichnet ist, dass die Summen für 
die nothwendigen Bedürfnisse hinreichend bezeichnet und erhoben werden, 
so ist es liinreichend, dass das System der Auflagen und ihre etwaige Ver- 
mehrung der Wiilkühr und einer etwaigen Verschwendung entzogen werden. 
Dieses ist es eigentlich, was den Staatsbürger vorzüglich interressiert. Wo 
also in einem, in seinen politischen Verhältnissen ganz untergeordneten 
Staat -wie Baden, die Frage vorkommt, warum und um wie viel sollen 
Auflagen erhöht werden, so muss eine zu widersprechen berechtigte 
Autorität vorhanden sein und dazu dient eine Repräsentation, der 

1. Rechenschaft gegeben wird, warum die vorherige Einnahms- 
summe nicht mehr zureicht, 

2. um wie viel und wie zu erheben, die weitere Einnahme behan- 
delt werden könne. 

Hiezu müsste 

1. eine fest zu bestimmende Anzahl Deputirter zusammenkommen, 

2. dieselbe zu einer bestimmten Zeit sich vereinigen, 
3« ja und nein zu sagen das Recht haben. 

Es könnten also Deputirte in der Zahl von 36 = 4 auf 100,00 Seelen, 
sich jährlich vereinigen; ihnen wird die Finanzrechnung des Jahres vorge- 
legt, die Erhebung behandelt und definitif auseinander gesetzt. 

Der Ort der Zusammenkunft könnte abwechselnd Carlsruhe, Mannheim 
und Freiburg und die Art der Wahl folgende sein : 

In den Aemtern versammeln sich die Ortsvorstände unter der Präsidenz 
des Oberbeamten. Sie wählen mit verschlossenen Zetteln einen aus der 
Provinz; er muss begütert und 40 Jahre alt sein; diese von den Aemtern 
gewählten Personen versammeln sich in der Provinzhauptstadt unter dem 
Vorsitz des Regierungspräsidenten und wählen in der Provinz 

Niederrhein — 11 ] 
Mittelrhein — 11 [ Deputirte. 
Oberrhein — 14 / 

Die Deputirten bleiben 3 Jahre, nach 3 Jahren wählt jede Provinz die 
Hälfte neu und die Hälfte tritt durch das Loos aus. 

25. November 1808. 

Frhr. von Dalberg. 

Hiezu bemerkt Frhr. von Gemmuigen: 

Ich habe in meinem Voto zu dem Entwurf der Constitution meine 
Meinung über die dem Lande durch das Edict vom 5. Juli zugesagte 
Repräsentation, als einen sehr wichtigen Gegenstand, umständlich geäussert. 
In dem Cabinetsrath konnte man sich darüber nicht vereinigen und so ent- 
stand die Fassung, wie sie in dem Entwurf vorliegt. Mit den vorstehen- 
den Aeusserungen des Herrn Ministers von Dalberg bin ich übngeus ganz 
conform und glaube, dass man keine halben Massregeln zu nehmen, sondern 
dem Lande Wort zu halten habe. 

Den 27. November 1808. 

Gemmingen, 



172 

Nunmehr ergieng das nachstehende Circular: 

Unterzeichneter hat die Ehre, Ihren Excellenzien den Herrn Ministern 
anliegende Acta, den Entwurf einer Constitutionsurkunde für das Gross- 
herzogthum Baden betreffend, mit dem höflichen Ersuchen in der Anlage 
mitzutheilen, um dieselben, unter Zuziehung der Herren Ministerialdirectoren, t 
beliebig einzusehen, wonach in einem desshalb abzuhaltenden Staatsrathe 
die nähere Berathung gepflogen werden soll. 

Karlsruhe, den 29. November 1808. 

von Gero min gen. 

Bei dieser Gelegenheit kam noch das folgende Gutachten des Ministerial- 
directors im Justizministerium, Geheimen Raths Brauer zu den Acten. 

Titel I. §. 1. Sollte wegbleiben. Das Schicksal des Rheinbun- 
des ruht in Gottes und Napoleons Hand ; ausgebildet ist er noch auf 
keinen Fall, und aussprechen, was ein Theil davon sein soll, können wir 
nicht; also ist die Stelle überflüssig und lautet anmassend. Soll Erwähnng 
geschehen, so sei es im Vorübergehen, historisch, im Eingang. 

§. 5. Ist zu wenig und zu viel gesagt. Man lasse die Worte: «aber 
kein — haben» weg und rücke dafür eine bestätigende Beziehung auf 
das 6. Constitutionsedict ein, das Satz 21 und 22 hierüber das Nöthige 
ausspricht. 

Bei den Standes- und Grundherrn beziehe man sich nicht auf eigene 
gesetzliche Bestimmungen, welches allen das gerechte Misstrauen einflössen 
muss, man wolle dem 3. und 4. Constitutionsedict keine Kraft mehr zuge- 
stehen, wenigstens keine constitutionelle, sondern sich, wie bei blossen Ge- 
setzen, die jederzeit gutfindende Aenderung in die Hand legen. 

§. 6. Sollte statt «gesetzlichen»: «grundgesetzlichen» heissen. 

§. 7. Ist ebenfalls zu wenig und zu viel. Bei weitem zu wenig, um 
den wahren Stand des Staates und der Kirche gegen einander und jenen 
der verschiedenen Kirchen unter sich zu fixieren: eine Beziehung auf das 
1. Constitutionsedict würde kürzer und vollständiger das Erforderliche 
ausdrücken. 

Zu viel ist das, unter dem verschleierten Namen einer Cental-Curatel 
hingelegte Vorhaben der Znsammen werf ung des Local- und Bezirkskirchen- 
fonds in eine allgemeine Verwaltungscasse. Ein solches Vorhaben wäre 
ungerecht und unpolitisch, wie in Bezug auf das Communalvermögen, so 
auf jenes Kirchenvermögen. Denn die Kirchspiele oder geistlichen Gemein- 
den sind eben so gut wie die weltlichen eigenthumsberechtigt. So 
lange man nicht das Land zum Herrenhuter- Glauben bekehren und damit 
alles Privateigenthum aullieben und dafür eine Heilandscasse errichten 
kann, sondern der Staat auf Eigen thum fundiert bleibt, so ist man es den 
moralischen Personen so gut wie den physischen schuldig. Man kann, wenn 
jene schädlich werden, sie auflösen und dann ihr Gut als herrenlos an 
den Staat nehmen, wie jenes der Privaten, wenn es erblos wird; mehr 
kann man nicht. So lang jede moralische Person lebt, musa ihr Eigen- 
thum heilig sein. Keinem Lande wäre es unverzeihlicher eine solche Opera- 
tion nur möglich zu lassen, viel weniger sie wirklich zu machen, als dem 
hiesigen, in welchem die Erfahrung so laut redet. Der grosse Markgraf 
Wilhelm liess sich auch nach dem Utrechter Frieden durch das Blendende 
der Centralverwaltung hinreissen, alles Localkirchen vermögen in eine geist- 
liche Verwaltung nach Baden zu sammeln. 40 Jahre nachher war es durch 
Nachlässigkeit, Mangel an Uebersicht der individuellen Verhältnisse, die der 



173 

geistlicbe Yerwalter von seiner Residenz aus unmöglich übersehen konnte, 
und durch bedeutende Prozesse, die bei so grossen Kassen schwer zu fiihren 
sind, so erschöpft, dass der gleich grosse Markgraf Ludwig nicht mehr zu 
helfen wusste, als durch die Wiedervertheilung an die Kirchspiele die dann 
auch dadurch ihren Nutzen erwiesen hat, dass seitdem durch Stiftungs- 
zuflüsse und durch emsigere Verwaltung der Interessenten die Fonds sich 
8o gehoben haben, dass die Markgrafschaft in ihren Fonds den Vorzug vor 
den meisten neu acquirierten Provinzen hat. 

§. 8. Die Leibeigenschaft ist durch das 6. Constitutionsedict schon 
theils aufgehoben, theils in eine deutsche Guts-Servitut unter dem Namen 
der Erbpflichtigkeit transformiert, es wäre daher weit passender, auf den 
Satz 18 dieses Edicts remissiv die Sache zu fassen. Das nämliche trifft 
das schon im 6. Constitutionsedict Art. 25 aufgehobene Hagestolzenrecht, 
das zu kleinlich ist, um in einem so kurzen Constitutionsentwurf ausgehoben 
zu werden. Das Wildfangsrecht hatte und übte Baden nie, braucht also 
um so weniger die Schmach einer seitherigen Ausübung durch ausdrück- 
liche Aufhebung auf sich zu nehmen, da durch Aufhebung aller Leibeigen- 
schaft schon die Möglichkeit, es auszuüben, beseitigt ist. 

Tit. III. §. 3. Die Form der Provinzverwaltung kann zwar auf nach- 
folgende Verordnung ausgesetzt werden , aber fest ausgesprochen muss 
in einer Constitutionsurkundo , die ihren Namen mit Ehre tragen soll, 
sein, ob in Regierungs- oder in Präfectur weise die Geschäfte ver- 
waltet werden, und welche Stellen also bestehen sollen. Daran, und dass 
hierin nicht eine willkührliche Wandelbarkeit eintrete, ist dem Lande viel 
gelegen. 

§. 4. Entweder muss man eine ordentliche Staatsgarantie Constitutionen 
festsetzen oder, wenn man mehr nicht sagen will, als hier steht, lieber gar 
schweigen; denn dieses würde vom Lande als bitterer Spott aufgenommen 
werden und sehr böses Blut setzen. 

Was die Staatsgarantie betrifft, so muss man vor allen Dingen bei 
sich festsetzen, wozu dieselbe dienen soll. Man kann einmal den Zweck 
haben, überhaupt die Souveränetät in ihrer Ausübung auf Gesetzgebung 
aller Art an die Beistimmung einer Nationalrepräsentation zu binden. Ist 
von dieser Ansicht die Bede, so muss ich mir das ganz zu eigen machen, 
was Herr Staatsrath Klüber darüber gesagt hat: es kommt dabei viel 
Aufwand, viel Schreiberei und — laut aller Erfahrung — kein Nutzen 
heraus, und ich kann also nur dann dazu rathen, wenn der Zeitgeist und 
die französischen Constituierungsbeispiele, nach Urtheil derjenigen Herren 
Minister, welche darüber urtheilen können, es unumgänglich nöthig machen. 

Zum andern man kann den Zweck haben, nur in der Gelderhebung vom 
Land den Regenten an eine Repräsentanten-Bewilligung zu binden, wie Se. 
Excellenz Herr Minister von Dalberg den Gesichtspunkt zu fassen scheinen. 
Dann muss ich mir das dabei eigen machen, was Se. Excellenz Herr 
Cabinetsminister von Gemmingen dagegen gesagt haben: Englands Beispiel 
beweist, dass man damit nichts erzielt, als dass ein Bestechungssystem der 
Regierung organisiert, die Nation dadurch demoralisiert und ihrem Beutel 
alsdann dennoch nicht ein Kreuzer erspart wird. 

Zum dritten, man kann den Zweck haben, zu verhüten, dass in 
wichtigen Staatsangelegenheiten die Güte eines Regenten, an die jeder 
gute Unterthan immer glaubt, nicht von Umgebungen — an deren gleiche 
Güte der Unterthan nicht immer glauben kann — zu Resolutionen über- 
schlichen werden könne, ehe er alle zweckdienlichen Informationen darüber 



174 

erhoben, sie von allen Seiten in Betrachtung gezogen und dadurch der 
Güte seiner Regententugenaen wirksam zu sein Zeit gelassen hat. In 
diesem Fall ist ein Landrath, in welchem die Sachen vorher zur Discussion 
vorgetragen und berathen werden müssen, wenn er zweckmässig organisiert 
werden wird, allerdings zweckmässig, aber immer sehr kostbar und je nach 
Zeit und Umständen für die Souveränetät etwas bedenklich. 

Per nämliche Zweck, dünkt mich, lässt sich in dem Weg der For- 
men statt im Weg der Repräsentation erreichen, ohne jene Kosten und 
Wagniss auf sich zu nehmen. 

Wie: darüber gibt mein Projoct der 9. Constitutionsurkunde, die ich 
vor der Ministerialveränderung vom Juli entworfen hatte, und nachher, 
da ich von diesen Geschäften entfernt ward, im Staatsdepartement ad Acta 
gelegt habe, Auskunft meiner Ideen. 

W^ill man aber den Weg der Repräsentation, oder ist man durch seine 
Ankündigung in dem Edict vom 5. Juli — wie mir fast scheint — gebun- 
den, ihn einzuschlagen, so kann ich keine andere unserm Lande angemessen 
erachten, als die ungefähr auf folgende Grundzüge gebaut wird, nach 
Muster der Italienischen : 

24 Mitglieder, davon 12 aus dem Stand der Begüterten, als der 
physischen Natura Iproducenten , 8 aus dem Stand der Gewerbsam- 
keit als der physischen Kunstproducenten und 4 aus dem wissenschaft- 
lichen Stand als den geistigen Producenten, genommen werden. 

Karlsruhe, 5. December 1808. 

Brauer. 



Nachdem die Angelegenheit soweit alle Instanzen durchlaufen hatte, 
erschien sie für eine entgiltige Erledigung reif. Hierzu war zunächst die 
Vorlage an den Staatsrat h erforderlich. Sie wurde eingeleitet durch nach- 
stehenden Vortrag des Cabinets-Ministers Frlirn. von Gemmingen : 

Der in gegenwärtiger Sitzung des Staatsraths zu berathende Entwurf 
einer Constitutions-Urkunde für das G rose h erzogt h;nn Baden ist im Grunde 
eine Folge derjenigen Verordnungen, die seit dem Monat Oclober 1806 in 
der Absicht erlassen worden , um dem aus so vielen heterogenen Theilen 
zusammengesetzten Grc ssherzogthum eine gleiche Verfassung zu geben. 

Nicht neuerlich, sondern schon vor mehreren Jahren spürte man die 
Nothwendigkeit einer neuen Landesverfassung, nachdem durch unerwartete 
Ereignisse die Verfassung des deutschen Reiches aufgelöst worden, die sich, 
wie die Geschichte beweiset, aus der Anarchie des Mittelalters nur all- 
mählig herausgewunden und nur langsam, nach grossen Kriegen und merk- 
würdigen Friedenschlüsson, gebildet hatte. So lange diese Verfassung 
bestand, waren die grossen und kleinen Staaten, aus denen das teutsche 
Reich bestand, durch die Reichsgesetze und die in solchen bestätigten Fa- 
milienpakten constituieit, nnd diese Constitution hatte ihre PVstigkeit und 
Garantie durch die unter ihrem Oberhaupt vereinte Keichsversammlung und 
durch die Reichsgerichte. Diese Bande wurden durch den Pressburger 
Frieden und durch die rheinische Union aufgehoben ; es entstanden neue 
Souveräne, die einen grossen Theil ehemaliger kleiner Reichstände unter 
ihre Hoheit vereinigten und nun neue Staaten bildeten, deren erstes Be- 
dürfen eine innere Verfassung war, während die äussere, durch die rheinische 
Bundeäakte in ihren allgemeinen Zügen entworfene Verfassung den ver- 



175 

einten souveränen Staaten nus der Hand ihres gloiTeichen und roftchtigen 
Schöpfers eine nähere, die ehemalige Reichsverfassiing ersetzende Be- 
stimmung erwartet. 

Schon unterm 22. September 1806 legte Hr. Geheime Rath Brauer, 
wie die Akten bezeugen, über Badens Verfassung, nebst einer Skizze über 
die wesentlichsten Theile dieser Constitution, seine Ansichten Serenissimo 
Tor, die den glühenden Eifer für das Wohl des neu entstandenen Staates 
und die tiefen Einsichten dieses würdigen Staatsdieners durchgänig be- 
zeichnen. 

Diese Vorschläge wurden, vermöge einer Cabinetsrcsolution vom 
27. October 1806 genehmigt, und so entstanden nach und nach die von 
Herrn Geheimen Rath Brauer entworfenen und nach vorgängiger Berathung 
des damaligen Plans emanierten Edicte. (Folgen die Titel derEdicte 1 — 6). 

Dahingegen steht das 7. über die Dienerverfassung oder die Diener- 
pragmatik wirklich noch in Berathung und kann näclistens dem Staatsrat he 
zur 8anction vorgelegt werden. 

Das 8. über die Staatsverwaltungs Verfassung ist, so viel ich weiss, 
auch gefertigt und wird in reifere Berathung zu ziehen sein, da besonders 
durch den neu einzuführenden Code Napoleon, durch den zu begreifenden 
Code criminel und durch die zu entwerfende neue Gerichtsordnung oder 
Code de Procedure sich hier und da Abänderungen ergeben dürften. 

Das 9. Edict über die Gewährleistung der Verfassung liegt gleichfalls 
im Concept vor und soll nach dem Gutachten des Herrn Geheimen Rath 
Brauer der Schlussstein des Gewölbes sein. Nach solchem wird das Mini- 
sterium und das Oberhofgericht zu Wächtern und Gewährsmännern der 
Grund Verfassung des Grossherzogthums bestellt und zugleich die Berathung 
und Rechtsweisung über Anstände, die sich in Constitutionsangelegcnheiten 
ergeben können, auf folgende Fälle bestimmt ; wenn nämlich : 

1. zwischen Parteien die Vorfrage entsteht, ob eine Constitutionsstelle 
in der einen oder andern durch die Parteien ihr gegebenen Deutung 
zu nehmen sei? 

2. in dem Falle, wenn zwischen Staatsbürgern und Regierungs- oder 
Polizeistellen des Landes die Frage entsteht, ob diese oder jene 
Gewaltausübung, diese oder jene Rechtsanmassung eines Staats- 
bürgers grundgesetzmässig oder grundgesetzwidrig sei? 

3. wenn Jemand durch Verfügungen der obersten Staatsstellen in 
seinen grundgesetzmässigen Gerechtsamen sich beeinträchtigt hält 
und darüber Klage führt? 

4. wenn die obersten Staatsbehörden in Berathschlagung über Consti- 
tutionssachen in ihren Meinungen getheilt sind ? 

5. wenn eine durch die Zeitereignisse herbeigeführte Aenderung der 
Grundgesetze nothwendig wird. 

So 'gründlich nun auch in dem eben recensierten Edict diese Fälle 
auseinandergesetzt sind, so wird sich erst über dessen Anreihung zu den 
bereits bestehenden Constitutionsedicten urtheilen lassen, wenn bei gegen- 
wärtiger Berathung die Hauptfrage entschieden sein wird : ob und wie man 
die in dem Edict vom 5. Juli a. c. dem Lande zugesagte Repräsentation 
einrichten und welche Befugnisse man ihr einräumen wolle. Wenn die Ge- 
währung der Lflndesconstitution, wenigstens zum Theil, wie es mir aller- 
dings bei einer wohlgeordneten Repräsentation consecjuent erscheint, den 
Ständen zur Pflicht gemacht wird, so wird das entworfene 9. Constitutions- 
Edict hiernach eingerichtet werden müssen. 



176 

Dieser GegenstaDd ist mit dem neu zu berathenden Entwurf einer 
Constitution über die Verhältnisse des Regenten so genau verbunden, dass 
er füglich nicht getrennt werden kann, und die Fassung dieser Constitution 
ist um so dringender, als durch die eingetretenen wichtigen Aenderungen, 
durch die dem badischen Regenten nun zustehenden Souveräuetätsrechte, 
die alten Haus- und Familienstatuten, theils weil sie auf die ehemalige 
Reichsverfassung eingerichtet sind, theils weil sie ihre, durch die Reichs- 
gesetze bisher gehabte Garantie verloren haben, in vielen Stücken unan- 
wendbar geworden sind. 

Billig ist also diese Constitution als die wichtigste und alle übrigen 
einschliessende zu betrachten. 

Das grosse Beispiel des französischen Monarchen, das Beispiel von den 
Königreichen Baiern und Westfalen leuchtet hier voraus. Das Cabinets- 
ministerium hat ihre Nothwendigkeit tief gefühlt, es hat, wie die Acten be- 
zeugen, die Materialien dazu, soweit es konnte, vorbereitet. Es unterliegt 
nun diese, sowie der Entwurf selbst, der genauen Prüfung und Würdigung 
des Grossherzoglichen Staatsrathes, weil es nicht möglich ist, ehe man sich 
über die Fassung vereiniget hat, die Gesinnungen des Regenten, des Herrn 
Erbgrossherzogs und der übrigen hohen Mitglieder des Grossherzoglichen 
Hauses hierüber einzuholen. 

Kai'lsruhe, 25. December 1808, 

Gemmingen. 



ni. 

lieber die Sitzung des Staatsrathes, in welcher die Yerfassnngsfrage 
zur Berathung kam, hat sich keine eigehendere Mittheilung vorgefunden. 
Indess geht aus dem am Schlüsse mitzutheilcnden Promemoria des Frhrn. 
von Gemmingen hervor, dass sich der Staatsrath über die Annahme eines 
Entwurfes einigte. Diess war jedoch nicht der cmendiorte Schmiz'sche 
Entwurf, sondern ein neuer, welchen der Geheime Rath Brauer verfasst 
hatte. Derselbe weicht sehr wesentlich von dem früheren ab und soll hier 
um so mehr mitgetheilt werden, als es bisher nicht bekannt war, dass 
der ausgezeichnete Mann, dessen Talenten und Fleiss die Gesetzgebung 
unseres Landes so vieles dankt, auch eine Yerfassungsurkunde ent- 
worfen hat. 

Folgendes ist der Wortlaut seines, durch die Unterschrift sämmt- 
licher Minister gebilligten Entwurfes: 



Haupturkunde 

der Grundverfassung des Grossherzogthums Baden. 

Nachdem Wir in 7 Constitutionsedicten vom 14. Mai, 14. und 22. Juli, 
12. August 1S07, 4. Juni 1808 und 25. April 1809 jene grundgesetzlichen 
Bestimmungen ausgesprochen haben, welche die unwandelbaren Verhältnisse 
zwischen den verschiedenen C lassen der Staatsangehörigen gegen sich sowohl, 
als gegen Unsere höchste Staatsgewalt, endlich zwischen den Zweigen der 
obristhoheitlichen Gewalt unter sich festsetzen, so sollen Wir nun der Grund- 
verfassung Unseres Grossherzogthums in Verbindung mit den angezogeneu 



177 

früheren Edicten auch noch in Hinsicht Unseres Grossherzoglichen Hauses, 
der Staatsrerwaltung und Jastizpflege, des Militärstandes, der Staatsreprä- 
sentation üod der Gewährleistung der Constitution seihst die grundgesetz- 
lichen Bestimmungen beifügen und durch diese Haupturkunde die ganze 
Verfassung Unseres Staates vervollständigen. 

Wir haben daher über diesen, für die Würde und Sicherheit Unseres 
Grossherzogthums, sowie für das Gesammtwohl Unserer lieben Unterthanen 
und Staatsangehörigen gleich wichtigen Gegenstand Unsern Staatsrath aus- 
führliche Berathung pflegen lassen, nach dessen Anhörung Wir nun bestim- 
men und verordneil wie folgt: 



Erster Titel 

Hauptbestimmungen. 

$. 1. Das Grossherzogthum Baden macht, vermöge der rheinischen 
Buudesacte vom 12. Juli 1806, einen Theil dieses Bundes aus. 

§. 2. Dasselbe bleibt nach seinem gegenwärtigen Länderbestande in 
drei Provinzen eingetheilt. 

§. 3. Es wird durch eine Constitution regiert, welche allen Staatsgenossen 
Sicherheit der staatsbürgerlichen Rechte, Gleichheit vor dem Gesetze und 
dem Richter, vollkommene Gewissensfreiheit, ungehinderte Ausübung 
des bisherigen Religionscultus und Pressfreiheit gewährt, letzte nach be- 
stimmten Censurgesetzen. 

§. 4. Das ganze Grossherzogthum wird nach einförmigen Gesetzen 
gerichtet und nach gleichen Grundsätzen verwaltet. 

§. 5. Der Erwerb und der Verlust des Adels, sowie dessen Rechte 
sind in dem 6. Constitutionsedict Art. 21 und 22 bestimmt, und die be- 
sondern Rechte der Standesherrn beruhen auf dem 3., sowie jene der Grund- 
herrn auf dem 4. Constitutionsedict. 

§. 6. Es soll ein und dasselbe Steuersystem für alle Theile des Gross- 
herzogthums eingeführt werden. Die Liegenschaften und Einkünfte der 
Standesherrn werden, eben so wie die der Prinzen Unseres Hauses, nach 
dem 3. Constitutionsedict §. 43 besteuert und die Grundherrn werden 
nach dem 2. Absätze des 4. Constitutionsedicts behandelt. 

§. 7. Die kirchliche Staatsverfassung hat in dem 1. Constitutionsedict ihre 
Bestimmung erhalten. Nur soll auch noch für das katholische Eirchen- 
und fromme Stiftungsvermögen, sowie das protestantische der Aufsicht des 
evangelischen Oberkirchenraths untergeben ist, eine Centralinspection be- 
stehen. Das geistliche und fromme Stiftungsvermögen beider Confessionen 
ist unter keinem Vorwande einzuziehen, noch zu einem fremdartigen Zwecke 
zu verwenden. Es bleibt von dem unmittelbaren Staatsvermögen gesondert. 

§. 8. Das Leibeigenschafts-, Hngestolzen- und andere dergleichen Rechte 
sind in dem 6. Constitutionsedict bereits aufgehoben, und es enthalten der 
Art. 18 und 25 dieses Edicts die näheren grundgesetzlichen Bestim- 
mungen hierüber. 

§. 9. Ebenso wird das Indigenat auf die im §. 8. des 6. Constitutions- 
edicts ausgezeichnete verschiedene Weise erlangt. Stillschweigend wird es 
verliehen durch Ertheilung eines Staatsamtes. 

§. 10. Jeder Staatsbürger ist schuldig, einen Eid abzulegen, dass er dem 
Souverän treu sein, der Constitution und den Gesetzen gehorchen wolle. 

§. 11. Die Verhältnisse der Staatsdiener, ihrer Wittwen und Waisen sind 
in dem 7. Constitutionsedict grundgesetzlich bestimmt. 

12 



178 

Zweiter Titel. 

Vom Grossherzoglichen Hause. 

§. 1. Das Grossherzogthum ist erblich in dem Mannsstamme des regieren- 
den Hauses nach dem Rechte der eingeführten Primogenitur und mit dem 
Vorzuge der Linien. 

§. 2. Die persönlichen Verhältnisse der Familienglieder des Gross- 
herzoglichen Hauses wird ein eigenes Familiengesetz bestimmen. 

§. 3. Der standesmässige Unterhalt dieser Familienglieder soll nur nach 
Vernehmung des Finanzministeriums und nach Anhörung des Staatsraths 
bestimmt werden. 

§. 4. Der Grossherzogliche Haus- und Familienschatz bleibt vom 
Staatsschatze getrennt. 

§. 5. Die Volljährigkeit des präsumtiven Kegierungsnachfolgers tritt mit 
dem zurückgelegten 18., die der andern Prinzen des Grossherzoglichen 
Hauses mit dem zurückgelegten 21. Lebensjahre ein. 

§. 6. Der Souverän erwählt im Falle der Minderjährigkeit seines 
Regierungsnachfolgers, so lange dieselbe währt, unter den volljährigen Prinzen 
des Grossherzoglichen Hauses, in Ermangelung eines wahlfähigen Prinzen aber 
unter seinen Staatsministern, den Verweser des Grossherzogthums. Diese 
Wahl spricht der Souverän in dem versammelten vollen Staatsrathe aus 
und unterschreibt hier die dessfalls ausgefertigte Urkunde, welche von dem 
ersten Staatsminister, wenn aber dieser der gewählte Regierungsverweser 
ist, von dem nachfolgenden Minister unterzeichnet und von dem Staats- 
secretär contrasigniert wird. 

Stirbt der von dem Souverän erwählte Regierungsverweser, oder 
wird dieser unvermögend, die Verwesung des Grossherzogthums fortzu- 
führen, ohne dass der Souverän einen andern Prinzen des Grossherzoglichen 
Hauses oder einen andern seiner Minister dem erwählten Verweser substi- 
tuiert hätte, oder hat der Souverän keinen Verweser ernannt, so wird 
gleich nach dem Ableben des Regenten der Regierungsverweser durch den 
vollen Staatsrath nach der absoluten Stimmenmehrheit mittels eines Ge- 
heimen Scrutiniums erwählt. Sollten hier die Stimmen sich gleich theilen, 
so gilt die Meinung, auf welcher die Stimme des ersten Staatsministers 
steht, als entscheidend. 

§. 7. Die Regierungsverwesung wird im Namen des minderjährigen Regen- 
ten geführt und die Regierungsgewalt geht für die Dauer des Zwischenzustan- 
des auf den Verweser über; doch darf dieser in allen wichtigen, vor den 
Staatsrath gehörigen Angelegenheiten, ohne Anhörung und Beistimmung 
desselben nach der Stimmenmehrheit, nichts verfügen. 

§. 8. Die Staatsverwesung soll von der Vormundschaft über den minder- 
jährigen Regenten getrennt sein, so dass, wer Staatsverweser ist, nicht zu- 
gleich Familienvormund sein kann. Weder die Wittwe des Souveräns, 
noch die Mutter des minderjährigen Regenten kann die Staats Verwesung 
übernehmen; aber als Mutter kann sie nach unserem Civilgesetz Familien- 
Vormünderin sein. 

Dritter Titel. 

Von der Verwaltung des Grossherzogthums. 

§. 1. Die Gen tralver waltung des Staats theilt sich nach den verschiedenen 
Geschäftszweigen in mehrere Ministerial-Departements. Mehrere Ministerien 



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179 

können in einer Person vereinigt sein. Es sollen aber nie weniger als 
3, nie mehr als 6 Minister angestellt werden. 

§. 2. Zur Vorbereitung der Gegenstände von grösserer Wichtigkeit zur 
reglementarischen Entschliessnng constituieren Wir einen Staatsrath. 

Dieser besteht: 

a. aus dem präsumtiven Regierungsnachfolger und denjenigen Glie- 
dern des Grossherzoglichen Hauses, welche der Souverän den 
Slaatsrathsversammlungen beizuziehen für zweckmässig erach- 
ten wird, 

b. aus den Ministern, Ministerialdirectoren und 2, höchstens 4 am 
Kesidenzorte eigens ernannten Staatsräthen , von welchen einer 
zugleich Staatssekretär ist, als ordentlichen verpflichteten Mit- 
gliedern, 

c. aus den Vorstehern der Kirchen- und Provinzcollegien und 2, 
höchstens 4 ausser dem Residenzort wohnenden, eigens ernannten 
Staatsräthen als ausserordentlichen verpflichteten Mitgliedern. 

£r hat zu berathen 

a. in ordentlicher Versammlung mit Berufung aller ordentlichen 
Mitglieder, von welchen wenigstens 6 ohne jenen Staatsrath, 
der zugleich Staatssekretär ist, erscheinen müssen, 

b. in ausserordentlicher Versammlung mit Berufung aller ordent- 
lichen und derjenigen ausserordentlichen Mitglieder, die nach 
der Natur der Geschäfte dazu berufen werden, oder aller Mitglieder, 
wenn es diese fordert 

Gegenstände der Berathungen sind: 

1. Vorbereitungen der Landtagsdeliberationen. 

2. allgemeine Instructionsentwürfe zu Bundestagsgeschäften, 

ä. Feststellung allgemeiner Verfassungs- und Verwaltungsgrundsätze. 

4. bürgerliche und peinliche Gesetze, womit ältere aufgehoben oder 
die Freiheiten der Staatsbürger mehr wie zuvor eingeschränkt 
werden sollen, 

5. Berathung über Unterhandlungen mit Nachbarn über Territorial- 
Verhältnisse, 

6. ingleichen jener, welche mit Vorstehern der katholischen Kirchen- 
Hierarchie über die kirchlichen Land es Verhältnisse gepflogen 
werden, 

7. Aenderungen in der Verfassung der Körperschaften, Gemeinden 
und Landesanstalten, 

8. Aenderungen in dem Steuerfuss oder in den Steuergattungen, in 
dem Münzsystem und in dem System von Mass und Gewicht. 

9. Berathung über Handelsgesetze, 

10. Berathung des jährlichen Staatsbudgets in seinen Einnahme- und 
Ausgaberubriken, 

11. Berathung der ausserordentlichen Steuerauflagen, 

12. Diensteinziehungen, Diensterrichtungen, Dienstwiederherstellungen 
nach berichtigtem Dienstsystem, — und bis dahin, da solches 
bestehen wird, die Frage: ob ein aufgehender Dienst zu besezten 
ist oder nicht, 

13. Bestimmung, ob in dienatpolizeilichem oder in gerichtlichem 
Wege gegen Mitglieder der obersten Staatsbehörden, Vorsteher 
der Gerichte und Provinzcollegien wegen vorkommender Dienst- 
vergehen zu verfahren sei. 

12* 



180 

§. 3. Für einen jeden der beiden Reli^ionstheile soll ein eigener Ober- 
Eirchenrath bestehen, und diese sollen dem einschlagenden Ministerium 
unmittelbar untergeordnet sein. 

§. 4. In Jeder Provinz besteht eine Regierung und Kammer, und in den 
Aemtern einer jeden Provinz ist eine hinreichende Zahl von Beamten sowohl 
für die Justizpflege und Polizei als für die herrschaftlichen Gefalle aufgestellt. 

Fierter Titel. 

Von der Staatsrepräsentation. 

§. 1. Für die unten benannten allgemeinen Angelegenheiten aller 
Staatsbürger besteht ein aus Stellvertretern derselben zusammengesetzter 
Landrath. 

§. 2. Dieser Landrath soll in 24 Mitgliedern aus den verschiedenen 
Ständen und Landesgegenden des Grossherzogthums bestehen. 

§. 3. Drei seiner Mitglieder werden aus der Classe der landtafel- 
mässigen Gutsbesitzer zusammengesetzt, neun aus dem Stand der Land- 
wirthschaft . treibenden Staatsbürger, neun aus dem Handel- und Gewerbs- 
stand und drei aus den den Wissenschaften obliegenden Staatsbürgern. 

§. 4. Zu jeder solchen Landrathsstelle müssen drei befähigte Personen 
gewählt werden, aus welchen der Regent einen als eintretend und einen 
andern ftir Yerhinderuiigsfalln des ersten als nachtretend ernennt. 

§. 5. Die Wahl geschieht nicht von allen Bürgern aller Bezirke des 
Staats zugleich, sondern durch Umwechslung nach einer schicklichen, in 
der Anlage bestimmten Reihenfolge, wovon das erste Mal die drei ersten 
Reihen zugleich einrücken. 

§. 6. Die Stimme der Mitglieder aus den landtafelmässigen Gutsbe- 
sitzern wird von allen, welche in dem Gutsbezirke, der dem in der Reihe 
stehenden Wahlorte zugetheilt ist, wirklich anwesend sind, theils schriftlich, 
tbeils mündlich, dem landesfürstlichen Commissäre au dem dazu bestimm- 
ten Versammlungsorte abgegeben. Die schriftlichen Stimmen müssen 
wenigstens 14 Tage vor dem Wahltag an denselben verschlossen einge- 
sendet werden. 

Sind die Gutsbesitzer in mehreren Wahlbezirken zugleich begütert, so 
geben sie nur dn, wo sie anwesend sind, ihre Stimme ab. 

§. 7. In den Bezirken, welche jedes Mal an der Reihe sind, wählen die 
ersten Yorstandspersonen oder in deren Verhinderungsfall die zweiten, 
welche landesverfassungsmässig durch Wahl ihrer Gemeinde und durch 
obrigkeitliche Bestätigung zu dem Amt eines Ortsvorstehers gelangt sind, 
durch Stimmenmehrheit die Mitglieder aus der Classe der Landwirthe. 

§. 8. Die Wahl der Mitglieder aus der Handels- und Gewerbsclasse 
geschieht von dem, durch ordnungsmässige Wahl bestehenden Rath und 
Ausschuss derjenigen Stadt oder Städte, welche jedesmal an der Reihe ist 
oder sind, so dass, wo mehr als 2 daran sind, jede 3 Wahlcandidaten ; wenn 
ihrer aber nur 2 in der Reihe genannt sind, die erstgenannte 6 vorschlägt 

§. 9. Die Wahl der wissenschaftlichen Mitglieder geschieht von der 
Mehrheit der Stimmen aus allen Fächern der Gelehrten, welche an dem in 
der Reihe stehenden Ort dieser Classe sich befinden. Sie geschieht so, dass, 
wo 2 Orte in der Reihe genannt sind, die Gelehrten des ersten Ortes 6, die 
des letzten 3 Wahlcandidaten vorschlagen. 

§. 10. Wahlfähig ist jeder Staatsbürger, welcher aus der Classe ist, die 
wählt, welcher in derjenigen Provinz wohnt, der die Wahlmänner ange- 



181 

hören tind welcher auch wenigstens über 6 Jahre darin gewohnt hat, nicht 
in aaswftrligen Staatsdiensten steht, noch in den inländischen Gentralstellen 
angestellt, 40 Jahre alt und unbescholtenen Wandels ist. Bei den Land- 
wirtbschaftlichen wird noch weiters erfordert, dass er eigenes Feld besitze, 
und bei den Stadtwirthschaftlichen, dass er ein eigenes Gewerbe betreibe. 

Wer bei den Centralbehörden des Landes angestellt ist, hat keine 
Wahlstimme. 

§.11. Die Mitglieder sind auf drei Jahre gewählt, so, dass jedes Jahr 
ein Drittel der Mitglieder aus- und ein anderes neu eintritt. 

§. 12. Es tritt jedesmal eine ganze Jahresreihe in allen Classen aus; 
in den zwei ersten Jahren entscheidet das Loos die Austretenden, nachher 
stets der Ablauf der dreijährigen Zeit. 

§. 13. Niemand kann durch neue Erwählung mehr als 6 Jahre hinter- 
einander im Landrathe sitzen; nachmals müssen erst 6 Jahre umgelaufen 
sein, ehe er wieder wahlfähig wird. 

§. 14. Niemand kann von seinen Wahlmännern Instructionen empfangen 
oder annehmen, sondern jeder hat als Fürsprecher des ganzen Staates nur 
nach eigenem besten Wissen und Gewisssen zu stimmen und zu handeln. 
Bei seinem Eintritt in den Landrath muss er dieses in die Hände des Re- 
genten oder seines Stellvertreters eidlich geloben. 

§. 15. Die Wahlversammlung geht den 11. November jeden Jahres vor 
sich. Die ordentliche Versammlung desLandraths wird jährlich den 11. De- 
cember gehalten. Sie kommt, wenn sie nicht wegen ausserordentlicher 
Umstände verschoben wird, ohne Berufung abzuwarten, zusammen, üeber 
ein Jahr darf sie nicht verschoben , sie kann aber ausserordentlicher Weise, 
wenn es der Regent gut findet, zusammen berufen werden. 

§. 16. Der Souverän ernennt einen Präsidenten und einen Secretär 
aus der Zahl der gewählten Laudräthe. 

§. 17. Die Landrathsversammlung kann über nichts berathschlagen, als 
über dasjenige, was der Souverain ihr zu diesem Ende durch abgeordnete 
Staatsräthe vortiagen lässt. 

§.18. Sie hat zu erwarten, dass ihr vorgelegt werden : 

1. die Einsicht der jährlichen Staatshaushaltuug und Staatschulden- 
tilgungsrechnung , zur Erinnerung; 

2. der Vorschlag der ausserordentlichen Staatsauflugen, wenn deren 
jeweils nöthig werden, zur Prüfung und Bewilligung; 

3. die Aenderungen, welche im Münzfuss, in Mass- und Gewicht, im 
Steuerfuss, im Zoll- und Handelsverkehr nöthig gefunden werden, 
zur Prüfung und Begutachtung; 

4. die Aenderungen oder definitiven Erläuterungen, welche in Bezug 
auf die Staatconstitution von dem Regenten, auf Antrag seines 
Staatsraths oder obersten Gerichtshofs, dienlich befunden werden 
möchten, zur Prüfung und beiräthlichen oder abräth- 
lichen Beschliessung, welch letztere nochmals den Antrag auf 
1 Jahr, und wenn er da wieder verworfen wird, auf 9 Jahre 
bei Seite setzt. 

§. 19. Sie hat bei den Regierungswechsel statt der allgemeinen Erneue- 
rung der Huldigung, die jeder zuvor schon auf den Regierungsnachfolger 
zugleich mit abgelegt hat, die Erneuerung in ihre Seele und in Aller Namen 
zu bewirken, und damit die Anerkenntniss der Unterthänigkeit gegen den 
Regierungsnachfolger öffentlich auszusprechen. 

§. 20. Sie kann, wenn sie Gebrechen in Absicht auf die Constitution 
vorzutragen hat, um Erlaubniss zur Beratbschlagung darüber bitten, die ihr 



182 

nicht versagt werden soll; sie kann durch die Sümmenroehrheit Yorstellanpr 
darüber einreichen ; sie kann niemals selbst Bescheid darüber erwarten, als 
wozu der Regent sich jedesmal Zeit bis zur folgenden Jahresversammlung 
nehmen und dort das Dienliche zur Landrathsprüfung aussetzen kann. 

§.21. Beschwerden einzelner Unterthanen, Stände oder Körperschaften 
über Kränkung ihrer Rechte, selbst der grundgesetzmässigen, können als 
solche niemals an den Landrath gebracht, sondern müssen einzig in den 
im folgenden Titel angegebenen Wegen erledigt werden. 

§. 22. Der Regent spricht, nach erfüllten oder in einzelnen Punkten 
nach Gatfinden verschobenen Zwecken, die Auflösung der Zusammenberufung 
aus; sobald dieses geschehen ist, kann unter Mitgliedern weder öffentliche 
noch geheime Berathung über Staatsangelegenheiten weiter statt finden, 
und zwar bei Strafe des Hochverraths. 

§. 23. Die Art, wie der Landrath seine Berathung zu pflegen und 
seine Geschäfte zu führen hat, wird, sowie das Mass der Taggebühren 
und Reisekosten zu dem Landtag, ein eigenes Yollziehungsedict bestimmen. 



FOnfter Titel. 
Von der Justizpflege. 

§. 1. Die Justiz wird in erster Instanz von Landes,- Standes- und 
Grundherrlichen Aemtem besorgt, welche zugleich die Stellen der Friedens- 
richter in sich vereinigen. Von den Aemtern gehen die Berufungen an 
die Hofgerichte der einschlagenden Provinzen und von , den Hofgerichten 
geht der Appellationszug an Unser Oberhofgericht, welches zugleich der 
Cassationshof unseres Grossherzogthums ist. 

§. 2. Die Civilrechtspflege geschieht nach dem auf die eigenthümlichen 
Verhältnisse des Grossherzogthums angewandten Code Napoleon. 

§. 3. Der Grossherzogliche Fiscus wird in allen streitigen Privatrechts- 
Verhältnissen bei den Grossherzoglichen Gerichtshöfen Recht nehmen. Er 
ist nach dem Privatrecht des Staates zu beurtheilen und geniest nur in 
soweit Vorrechte, als solche auf klaren Gesetzen beruhen. 

§. 4. In peinlichen Sachen kann der Souverän allein Gnade ertheilen, 
die Strafe erlassen oder mildern, nicht aber schärfen, noch ohne Vernehmung 
des Staatsrathes eine Abolition verfügen. Eben so wenig kann der Sou- 
verän eine willkührliche Entscheidung oder Behandlung eines Rechtsstreites 
oder willkührliche Einmischung in den Rechtsgang eines vor einem Gerichts- 
hof anhängigen Rechtshandels ertheilen, vornehmen, verflogen oder zulassen. 



Sechster Titel. 
Von dem Militärstande, 

§. 1. Zur Vertheidigung des Staats, zur Handhabung der innem 
Sicherheit und zur Erfüllung der durch die rheinische Bundesacte ein- 
gegangenen Verbindlichkeiten wird ein stehendes Militär unterhalten. 

§. 2. Dieses stehende Militär wird durch Conscription gebildet. 

§. 3. Die Militärpersonen stehen nur in peinlichen und Dienstsachen 
unter der Militärgerichtsbarkeit; in allen übrigen aber sind sie den ein- 
schlägigen Civilgerichten nnd Polizeibehörden untergeben. 



183 

§. 4. Das Militär kann weder gegen einzelne, noch versammelte Staats- 
bürger Handlungen der obrigkeitlichen Gewalt verhängen oder vollziehen, 
ohne dazu von den bürgerlichen Obrigkeiten aufgefordert zu sein. Die 
Staatsbürger können von Militärobrigkeiten und nach Militärgesetzen nicht 
gerichtet werden, wenn nicht wegen ausserordentlicher Anlässe zuvor durch 
landesherrliche, auf Anhörung der Meinung des Staatsraths erkannte und 
verkündete zeitliche Aufhebung der Kraft der bürgerlichen Gesetze, die 
Ermächtigung vorausgegangen ist. 

§. 5. Bewaffnete Bürgervereine sind, ohne besondere Staatsermächtigung, 
unter Strafe des Aufruhrs untersagt. 



Siebenter Titel. 

Von der Gewährleistung der Staatsverfassung. 

§. 1. Zur Wahrung der in den sieben Constitutionsedicten und in 
dieser Haupturkunde der Grundverfassung Unseres Grossherzogthums, 
sowohl in Hinsicht der Souveränetätsbefugnisse als der Privatrechte Un- 
serer Staatsangehörigen, grundgesetzlioh festgesetzten Bestimmungen ordnen 
Wir Unser Oberhofgericht als aufsehende Stelle an. 

§. 2. Vor dieses Oberhofgericht gehören als Constitutionssachen: 

1. diejenigen Streitigkeiten über Rechte, welche aus unzweideutigen, 
von Unsern Hofgerichten aber als unanwendbar erkannten Stellen 
der Grundgesetze hervorgehen, im weiteren Rechtszug. 

Hier ersetzt das hinzukommende Interesse der Aufrecht- 
haliung einer grundgesetzlichen Befugniss den eigenen Werth 
der Berufungssumme, 

2. die in einem Rechtsstreite unter Privaten sich aufwerfende Vor- 
frage: welcher bestimmte Sinn einer in Anwendung zu bringen- 
den von den Parthien verschieden angesehenen Constitutionsstelle 
gebühre, 

3. die über Gewaltausübung oder Rechtsanmassung zwischen Staats- 
bürgern auf dereinen, und Regierungs- oder Polizeistellen auf der 
andein Seite obwaltende Ansichtsverschiedeuheit über eine Con- 
stitutionsstelle, 

4. durch Regierungsmassnahmen erfolgte und durch Recurse an die 
obersten Staatsbehörden nicht zurückgenommene Angriffe ver- 
fabrungsmässiger, wohl erworbener Privatrechte. 

§. 3. In welcher Form diese Sachen von dem Oberhof gericht mit 
Rücksicht auf die Kronanwaltschaft cn zu behandeln sind, wird ein eigenes 
Vollziehungsedict vorschreiben. 

§. 4. Sind diese Sachen gehörig verbandelt , so ertheilt das Obcrhof- 
gericht in dem ersten Fall einen förmlichen Urtheilsspruch, in dem 2., 3. 
und 4. glebt es eine Rechtweisung in der Form eines Urtheils. 

§. 5. Solche von dem Oberhofgericht ergehende Urtheile und Rechts- 
weisungen in den ausgezeichneten Constitutionssachen sind, nachdem sie in 
dem Regierungsblatt verkündet worden, als ergänzender Theil der aus 
sieben Edicten und dieser Haupturkunde zusammengesetzten grundgesetz- 
lichen Verfassung, so lange nicht von dem Regenten nach Anhörung des 
Landraths in grundgesetzlicher Form Aenderungen getroffen werden, anzu- 
sehen; von jedem Staatsangehörigen sind sie als solche unwandelbar zu 
achten und von unsern, amtshalber zu executiven Massnahmen ermächtigten 



184 

Btaatsdienern auf Anrufen zu vollziehen. Auch ist das Rechf, den Voll- 
zug solch hofgerichtlicher Constitntionserkenntnisse zu verlangen, unver- 
jährbar. 

Hierin bestehen die grundgesetjBlichen Bestimmungen, welche Wir 
Unserm souveränen Grossherzogthum zu geben Uns bewogen gefunden haben. 

So wie Wir die Festhaltung dieser Grundverfassung, soviel an Uns 
izt, hiermit versichern und Gleiches von Unseren Nachfolgern in der Re- 
gierung erwarten, so sind auch Unsere Unterthanen Uns und Unsern Nach- 
folgern Treue und dieser Constitution Gehorsam zu geloben schuldig; Un- 
sere Staatsdiener haben aber nebstdem noch die Aufrechthaltung dieser 
letzten nach bestem Wissen, Gewissen und Vermögen in ihre mittels leiblichen 
Eides zu leistenden Dienstpflichten zu übernehmen. 

Wir wiederholen die im ersten Constitutionsedict enthaltene und in 
den nachgefolgten stillschweigend einbegriffene, feierliche Erklärung, dass 
jede mit diesen Grundgesetzen streitende Verordnung der gemeinen bürger- 
lichen und kirchlichen Rechte, auch der altern oder neueren Landesge- 
setze todt, aufgehoben und kraftlos sein soll und dass alle Unsere Minister, 
Räthe und übrigen Staatsdiener, auch Angehörige geistlichen und weltlichen 
Standes in allen ihren Amts- und Privathandlungen bei Strafe der Nich- 
tigkeit und Unverjährbarkeit jeder Entgegenhandlung, sowie bei schwerer 
persönlicher Verantwortlichkeit genau darnach sich achten , auch von Uns 
und Unsern Nachfolgern in der Regierung dagegen mit Rath und That 
etwas auszuwirken sich nicht unterfangen sollen. 

Wir vertrauen in Unsere Staatsangehörigen, sie werden in diesen 
Bestimmungen, wodurch Wir die Rechte Unserer Souveränetät mit dem 
Wohl Unseres Landes und der Gesammtberuhigung zu vereinigen bemüht 
waren, einen neuen Beweis jener Regentensorge erkennen, welche Wir seit 
sechs Jahrzehnten Unserer Regierung ununterbrochen gewidmet haben. 

Von dieser Haupturknnde der Grundverfassung soll ein von uns eigen- 
händig unterzeichnetes Exemplar in Unser Hauptarchiv niedergelegt und 
ein anderes dem Oberhofgericht zu Bruchsal insinuiert, dieselbe soll durch 
das Regierungsblatt verkündet und zu den sieben Constitutionsedicten 
eigens abgedruckt werden. 

Hieran geschieht Unser Wille. 

Gegeben in Unserer Residenzstadt 



Vdt. Gemmingen, Frhr. von Gayling, 
Frhr. von Hacke, Frhr. von Dalberg, F. Brauer, Hofer, 

E. Meier, von Schmiz. 



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Beilage U. 187 



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) Die Grundbesitzer zwischen der Bleich und 
ad. I. Mahlberg: , ^ , 

I der Rench. 

) Die Grundbesitzer nordöstlich der Strasse 
ad. n. üeberlingen: \ 

) von Yillingen über Engen nach Scha£fhausen. 

t Die Grundbesitzer zwischen der Torgedachten 

ad. m. Frei bürg: \ Strasse, der *), dem Rhein und der 

) Bleich. 

) Die Grundbesitzer zwischen der vorgedachten 
ad. lY. Säckingen: | 

) Strasse, dem Rhein und der *) 

1 Die Grundbesitzer zwischen der Rench, dem 
ad. y. Karlsruhe: j 

I Rhein und der Selz. 

. ^ ^, , . I Die Grundbesitzer zwischen Elz, EUenz, Neckar, 

ad. Vi. Mannheim: J 

] Gammelsbach und Rhein. 

_ 1 Die Grundbesitzer östlich des Keckars und 

ad. VII. Wertheim: 

) der Gammelsbach. 

ad. Vin. Freiburg: | Wie oben. 

Die Grundbesitzer zwischen Elsenz und 
ad. IX. Sinzheim: } 

Neckar. 



*) Lflelie im Original. 



188 

Zum Schluss haben wir Doch mltzatheilen folgendes Promemoria 
des Frhrn. von Gemmingen: 

Bekanntlich ist, nach Berichtigung des Entwurfes der Haaptconsti- 
tntions -Urkunde für das Grossherzogthum Baden in dem Staatsrath 
beliebt worden, über diesen Entwurf, vor dessen Vorlage bei Serenissimo, 
die Erinnerungen des Herrn Erbgrossherzogs Königl. Holieit und der beiden 
Herrn Markgrafen Friedrich und Ludwig sich zu erbitten, nm sich der 
vollkommenen Genehmigung dieser vorzüglichen Mitglieder des Gross- 
herzoglichen Hauses in Rücksicht auf einen so wichtigen Gegenstand ver- 
sichert halten zu können. Beide Herren Markgrafen haben mir nun Ihre 
hier beiliegenden Bemerkungen schriftlich mitzutheilcn geruht. Des Herrn 
Erbgrossherzogs Hoheit hingegen versprachen mir von einem Tag zum 
andern Ihre Bemerkungen hierüber mündlich oder schriftlich miizutheilen. 
Dieses ist nun nicht geschehen; vielmehr haben Höchstdieselben, als ich 
ganz neulich den Gegenstand erinnerte, zu erkennen gegeben, dass Sie in 
der dermaligen politischen Crisi diese Sache noch einstweilen hingehalten zu 
wissen wünschten und dafür hielten, dass deren Entwicklung vorerst ab- 
zuwarten sei, ehe man damit vorangehe. 

Da ich nun wegen eben diesen vorwaltenden kriegerischen Aspecten 
mich genöthigt sehe, nach Ansbach zu reisen, so gebe ich hiermit die 
hierüber verhandelten Acten zur einstweiligen Aufbewahrung in das geheime 
Cabinet zurück. 

Karlsruhe, den 14. März 1809. 

Gemmingen. 



Anlagen. 

a. Bemerkungen des Markgrafen Friedrich. 

I. Noch zu erledigende Punkte, deren Erfüllung ich sehr wünsche: 

Tit IL §.1. In diesem Artikel kommt der Ausdruck vor: «und mit 
dem Vorzug der Linien.» Ich wünsche, dass statt dessen gesetzt werde 
wie es in der Baierischen Constitution steht: «und der aguatisch - linea- 
lischen Erbfolge.» 

Tit. III. §.1. Es ist mein eifriger Wunsch, dass gesetzt werde: 

«Nur Prinzen des Grossherzoglichen Hauses, welche geborene 
Fürsten sind, steht es zu, den Staatsrath zu besuchen.» 

iL Folgende Artikel sind mir bereits mündlich zugestanden worden: 

Tit. I. §. 6. Ein hinreichendes Surrogat fdr die durch die Bundes- 
act^ verlierenden Renten ist mir von neuem zugesagt worden, und ich 
hoffe, dass es nicht weniger als 12,000 fl. für mich und moinen Bruder 
sein werde. 

Tit. IL §.2. Es ist zugestanden, dass das Familiengesetz oder Statut 
mit meiner und meines Bruders Beistiramung verfasst werden solle. 



189 

Tit II. §. 6. Statt der Wahl eines Regierungs Verwesers ist die Primo- 
genitur zugestanden. 

Karlsruhe, 8. Februar 1809. 

Friedrich, Markgraf zu Baden. 



b. Bemerkungen des Markgrafen Ludwig. 

Ohne Zweifel darf ich wohl voraussetzen, dass es mir, als einem 
Mitglied des Grossherzoglichen Hauses, gewiss sehr angelegen sein muss, 
sowohl Regentenfamilie als Vaterland durch eine zweckmässige, dauerhafte 
Constitution glücklich zu sehen. 

Ich getraue mir aber nicht zu beurtheilen, ob dieser schöne Zweck 
durch den Vollzug des mir mitgetheilten Projects der Haupturkunde der 
Grund Verfassung des Grossherzogthu ms Baden vollkommen erreicht werden 
kann und wird. Indessen hoffe ich es von ganzem Herzen. 

Daher erlaube ich mir auch, nur über einige Punkte folgende wenige 
Bemerkungen : 

I. 

Im I. Tit. §. 2. und im IH. Tit. §. 4. wird das Grossherzogthum in 
3 Provinzen vertheilt, deren jede eine Regierung, eine Kammer und ein 
Hofgericht hat. Da diess eine Bestätigung der dermaligen Einrichtung ist, 
so fühle ich wohl, dass jetzt darin eine Aenderung nicht schicklich vorge- 
nommen werden kann und darf; allein es würde doch sehr wünschenswerth 
für den Regenten und nützlicher für den Staat sein, sich die Hände hierin 
nicht zu binden. 

Andere Staaten von gleicher und noch grösserer Ausdehnung und Be- 
völkerung haben auch nur eine Regierung, eine Kammer, ein Hofgericht. 
Ich meine, diess würde ebenfalls einst bei uns ausführbar sdn und dabei 
bedeutende Summen jährlich gewonnen werden. 

Daher scheint es mir wünschenswerth, obige beiden Stellen und was 
darauf Bezug, hat so zu fassen, dass der Regent ungehindert hierin handeln 
kann, woran ihn besonders Tit. IV. §. 7. Nr. 4 hindern könnte. 



n. 

Tit I. §. 6, der von der Besteuerung handelt, wird wohl die Zu- 
sichrung, dass uns ein Surrogat für den Verlust der durch die Mediati- 
siernng uns entzogenen Revenuen gegeben werden soll, nicht auflieben und 
es ist sehr zu wünschen, dass dieses Surrogat, wozu bereits Vorschläge vor- 
liegen, in Bälde bestimmt werde. 



m. 

Nach dem II. Tit. §. 3 soll der standesmässige Unterhalt der Gross- 
herzoglichen Familienglieder, die Civilliste, nur nach Vernehmung des 
Finanzministeriums und nach Anhörung des Staat sraths bestimmt werden. 



• # • " 
• • •• • 



• • 



190 

Die OroBsherzogliche Familie kann in verschiedenen Zeiten mehr oder 
weniger zahlreich sein ; die Civillist^ ist also Veränderungen unterworfen, die 
auch durch die Zeitumstände herheigefährt werden können. Soll nun die 
Bestimmung des standesmässigen Unterhalts vom Staats- und Finanzrath 
ahhängen? oder haben diese Stellen bloss eine berathende Stimme dabei? 
Ohne Zweifel letzteres, da im ersten Fall der Souverän sehr depeudent 
gemacht würde. 

Karlsruhe, 7. Februai- 1809. 

Ludwig, Markgraf zu Baden. 



Damit erreichten die Terfassungsarbeiten, die im Anschluss an die 
landesherrliche Verordnung vom 5. Juli 1808 begonnen hatten, ihren Ab- 
schluss. Die kriegerischen Ereignisse des Jahres 1809 brachten dieses, 
wie so manches andere Werk des Friedens bald in Vergessenheit. 



Beilage II. 



Der Stand der badischen Finanzen im zweiten Decennium dieses Jahr- 
hunderts war ein so bedenklicher, dass deren verhältnissmässig so rasche 
Ordnung als eines der höchsten Verdienste der Regierung des Grossher- 
zogs Ludwig, als ein bleibender Ruhm dieses Fürsten und seines ausgezeich- 
neten Finanzministers von Böckh anzusehen ist. 

Da indess über diese Finanzverhältnisse, die doch in der Geschichte 
der Enstehung der Verfassung eine so wichtige Rolle spielen, nur sehr 
wenig bekannt geworden ist, dürfte es wohl erlaubt sein, nachstehend einige 
hierauf bezügliche Actenstücke zu veröffentlichen. 



1. Auszug aas einem Berichte des Finanzministers Frhm. von Secken- 
dorff an den Grossherzog, dd. 20. Juni 1824. 

«In Beziehung auf die Finanzen ist es durchaus nothwendig, dass 
feste, bleibende Grundsätze angenommen und diese streng gehandhabt 
werden; dass die Staatsausgaben bei ihrer Entstehung mit der Einnahme 
oder dem disponibeln Fond jederzeit verglichen und nach diesem abge- 
messen werden ; dass so weit als möglich in jeder Verwaltungsbranche, 
den für Sparsamkeit geeigneten Umständen angeraesse Etats untergelegt 
werden, welche dann keineswegs willkührlich überschritten werden dürfen; 
dass zum Finanzministerio, welches die Quellen zu öffnen, die Zuflüsse zu 
leiten hat, auch alle die Abflüsse leitenden Branchen resortieren, damit 
solches das Jedesmalige Bedürfen stets vor Augen habend, da, wo jene 
ans den Schranken eines richtigen Verhältnisses treten sollten, wiederum 
gehörig einlenken und das nach dessen Pflichten Erforderliche eintreten 
kssen könne. Es darf auch femer das Unzuverlässige und Willkührliche, 
was nur Missbräuche begünstigen würde, durchaus nicht mehr geduldet, 
eben darum aber auch Alles, was auf die Comptabilität Bezug haben mag, 
sowohl bei den recipierenden, als bei den mit blosser Verwendung beschäf- 
tigten Stellen, nirgend übersehen werden ; sondern es müsste überall, wo 
dieses nicht in^s Kleinliche und Unwürdige fallen würde, die genaueste 
Controle eingeführt sein und hierauf zwar mit aller Rechtlichkeit, aber 
doch mit dem gehörigen Ernst festgehalten werden. Hieraus geht auch 



• • -•. ••• • 

- • • • • 

* • • • • 



192 

femer hervor, daßs durch Nebenwege nicht etwas zu erschleichen getrachtet 
werde, was in die Kräfte des Staates, es sei dem Werth nach, oder um 
nachtheiliger Folgen willen, so tief eingreifen würde, dass dadurch andere 
nothwendige Operationen gestört und heiligere, besser begründete Verbind- 
lichkeiten zurückgesetzt werden müssteu ; — dass daher die Quelle der 
Gnaden- und Begünstigungsausflüsse wenigstens in so lange weit seltener 
geöffnet werde, als die Mittel fehlen, das rechtlich Begründete überall zu 
vergüten. £s müsste mit einem Wort, alles, was in finanzieller Hinsicht 
zur Ordnung führt, von demselben auch besonders eingeleitet und ohne 
äussere Störung durchgesetzt werden dürfen, wodurch erst es so weit kom- 
men könnte und würde, dass jede Verwaltungsbranche durch eine mit den 
gedeihlichen Folgen belohnte Anstrengung das Ihrige zu dem allgemeinen 
Zweck gewissenhaft beitrage und sorgsam erhalte. 

Aber zu allem diesen ist das Auge und die Unterstützung des höch- 
sten R^'genten erforderlich, ohne welche alle dessfallsigen Bemühungen nicht 
nur vergeblich sein, sondern selbst diesen nur um so kräftiger entgegen- 
gewirkt werden würde, als es nun denen , welchen es nicht um Ordnung, 
nicht um Einhaltung richtiger Grundsätze, nicht um eine haltbare Verwal- 
tung zu thun ist, all zu nahe an ihre nur allein verletzbare Sinnlichkeit 
diingen würde, um nicht mit allen ihnen zur Hand stehenden und zum 
Theil schon gewohnten Mitteln zu widerstehen.» 

Der Minister bittet daher den Grossherzog, dass er unmittelbar die 
Vorträge der Minister entgegennehmen möge, wenigstens einmal wöchentlich 
und über die wichtigsten Gegenstände. 



2. Exposition succincte de la Situation financi^re du Grand-Duche do 
Bade. Von dem FrLrn. von Keizenstein. 

Avant la r^volution fran^aise les sujets Badois n etaient soumis qu h 
des impots extremement mod^r^s et cette douceur de Tadministration 
n*etoit pas un des moindres titres du d^funt Grand-Duc k Tamour de ses 
peuples. La profonde paix dont le pays jouissoit depuis nombre d'annees, 
la presque uuUite des d^penses militaires et Tordre admirable etabli dans 
toutes les branches assuroient la dur6e d^un ötat de choses aussi heureux. 
La guerre de la revolntion ne le troubla point dans les commencements; 
eile augmcnta m^me en quelque sorte la prosp^rit^ generale, puisque dnns 
les 5 premieres ann^es il n y^eut que des troupes amies, Autrichiennes ou de 
l'Empire qui payoient argent comptant tous leurs besoins, meme le logement, 
le chauffage et jusqu' aux chandelles. Les ressources existantes par suite 
de cette prosperit^ et le credit presqu illimit^ dont le gouvernement 
jouissoit, firent encore surmonter sans trop de dif^cult^ les annees plus 
penibles de la guerre. Ce ne fut qu'en 1803 que par suite de Tenorme 
disproportion des r^venus des pays obtenus en indemnite avec les dettes 
et les pensions dont ils se trouvoient greves, on eprouva de la g^ne et 
lorsque los stipulations de la conf^d^ration du Rhin eurent porte le contingent 
Badois k 8000 hommes, on sentit Turgente n^cessit^ de travailler les flnances 
enti^rement ä neuf ; on s^en occupa des lann^e 1808 ; mais Thistoire des 
annees qui se sont ^oulees depuis sufflra pour d^montrer k tout homme 
impartial Textr^me difficult6 de cette entreprise. On crut alors , qu'une 
somme de 800,000 florins seroit süffisante pour T^tat militaire; mais la 
guerre noninterrompue depuis cette ^poque, le versement continuel d^un 






193 

abondaut num^raire dana le nord et le midi en m^rae-iemps, rentretien des 
troupes qai traversoient le pays et qui meme y sejournoient, rinterdiction 
dont le commerce se vit frappe, toutes ces raison reunies rendirent nuls 
tous les efforts et appauvrissoient le pnys de plus en plus. 

Le travail d'une reorganisation complette des ßnances se poursuivit 
neanmoins sans relache. L^assiette des contributions directes n^cessitoit en 
partie des travaux de catastre ; tout cela est aussi bien que fiui, et cette 
partie iraportante sera entierement regularisee dans le courant de Tann^e 
les contributions indirectes etoient, pour ainsi dire, inouies dans le Grand-, 
Duch^ ; quelques onereuses qu^elles soient aux sujets , on na pu se dis- 
penr^er d'y avoir recours et depuis Tannee pass6e elles sont en plein recouv- 
rement, en faisant h la verite eprouver aux contribuables une surcharge 
de pres de deux millions de florins. D'apres ces donn^es le r^venu public 
se composolt dans Tannee financiere du 1. Mai 1812 au meme jour 1813 
des positions suivantes : 

I. Domaines, droits regalicns et de Jurisdiction . 3,040,000 florins 

Les dismes senles y entrent pour la proportion de 
^/\ Q et le revenu des cbamps, pres et vignes afiermes ou 
administres, pour celle de *^/^.; par consequent il est 
evident, que cet article est tr6s dependant des chances 
des recoltes et des vendanges. Une vendange moins 
que mediocre peut faire baisser la recotte d'un demi- 
million. 

II. Contributions directes 1,080,000 „ 

m. Contributions indirectes 1.950,000 „ 

IV. Revenus assignes h la caisse de ramortisatiou 

pour le payement des inter^ts de la deüe publique, 

ontre 580,000 fl. de contribution extraordinaire, dont 

eile jouissoit egalement et qui doivent lui etre remplaces 

par nne partie egale du revenu indirect 713,000 „ 

V. Les autros brancbes rapporloient .... 335,000 „ 

total 7, 11 8,000 florins 

Les depenses furent les suivantes : 

I. Charge de Tadministration locale, savoir 
appointements des employes, administration des do- 
maines et forets, entretien des batimens publics, secours 
k donner aux pauvres et fraix de pereeptions . . . 1,648,000 florins 

II. Charges de radrainistraiion centrale pour les 
departements des Ministeres des afi'aires etrangeres, de 

la justice, de Tinterieur, des finances et des cultes . 966,000 „ 

III. Pensions civiles et ecclesiastiques, en suite 
du rcces de la deputation de TEmpirc et de la con- 

federation du Rhin 774,000 „ 

IV. Intcrets de la dette publique et autres charges 

de la caisse d'amortisscment 1,293,000 „ 

V. Appanages de la maison Grand-Ducale, y com- 
priB les ^pingles de S. A. Imp. Madame la Grande 
Duchcsse 556,000 „ 

VI. Entretien de toutes les branchcs de la cour et 

ce qui constitue la liste civile 616,000 „ 

13 



194 

TIT. Fonds de reserve 200,000 florins 

VIIT. Etat militaire parmi lesqnels 506,000 fl. 
d'extraordinaire 2,036,000 „ 

total 8,089,000 florins 
La recette se monioit h 7,118,000 florins 

Deficit 971,000 florins, 
pour lequel il a fallu avoir rocours k une contribution de gnerre extra- 
ordinaire de 600,000 fl. et h des anticipations. Par suite du desastre que 
le Contingent Badois a essuyö en Russie les frais de guerre extraordinaires 
ont monte h la somme de 2 millions et pres de 100 mille florins, dont on 
ne pourra acquitter que la moitie en imposant dans cette seule annee encore 
un impot double, et il est meme trfes douteux que les sujets puissent 
le payer. 



3. Schreiben des Frhrn. von Berckheim an Grossherzog Carl vom 
5. September 1816. 

Durchlauchtigster etc. 

Eine mit dem Staats- und Geheimen Cabinetsrath Frhrn. von Sensburg 
gehabte Unterredung, in welcher er mir einen für Ew. Königliche Hoheit 
nach Griesbach übersendeten Compte rendu der Finanz Verwaltung mit- 
theilte, hat mir die traurige Ueberzeugung gewähret, die ich leider schon 
längst ahndete, dass nun, nur um ein Jahr früher durch den vereitelten 
Ertrag des laufenden Jahres befördert, der Augenblick erschienen sei, wo 
eine völlige Stockung aller Zahlungsmittel den Staat in die Verlegenheit 
einer gänzlichen Insolvabilität versetzen und ihn also seinem Umstürze 
nahe bringen würde. 

Ew. Königliche Hoheit werden sich durch meine früheren Aeusserun- 
gen zu überzeugen gnädigst geruht haben, dass ich nie unbedingt den 
Ansichten des Finanzministerii beigetreten bin ; allein in diesem Augen- 
blicke, wo der Untei*than bereits schon dermassen angelegt ist, dass, ohne 
ihn gänzlich zu vernichten, nichts mehr weiter von ihm gefordert werden 
kann, mnss ich, mit der Ansicht des Finanzministerii einverstanden, den 
mir gegen Ew. Königliche Hoheit obliegenden heiligen Pflichten zufolge, 
in Unterthänigkeit bemerken, dass wirklich die vorhandene Gefahr für die 
Existenz Ew. Königlichen Hoheit sowohl, als für die des Landes den höch- 
sten Gipfel erreicht hat und dass nun kein anderes Mittel, um ihr zu ent- 
gehen, überbleibet, als durch alle Categorien der für die Erhaltung eines 
Staats nöthig bestehenden Staatsbehörden eine kostenvermindernde Reduction 
eintreten zu lassen, sowie dieses in dem Compte rendu des Finanzministers, 
den Ew. Königlichen Hoheit in Händen haben, auseinander gesetzet ist. 

Oh nabgerechnet dass wir seit 8 bis 10 Jahren ein jährliches Deficit 
von über 700,000 fl. mit fortführen, dass die Staatsausgaben, statt sich 
zu vermindern, sich immer mehr vermehrt haben, das jährliche Deficit also 
dadurch nur noch erhöht wurde, so ist nun, ausser den Kriegsjahren von 
1813, 14 und 15, welche den Unterthanen die letzte Kraft au sgepresst haben, 
noch dieses unglückliche Missjahr hinzugekommen, welches den Unterthan, 
statt zahlen zu können, nun in den Fall setzt, bei dem Gouvernement, um 
leben zu können, Unterstützung nachzusuchen. Ein Unfall, wodurch der 
Staat für das laufende Jahr eine Einbusse von über 2 Millionen erleidet. 



195 

Yermöge dieser Schilderung werden Ew. Königliche Hoheit von 
Selbst ermessen, dass alle Zahlungsmittel ins Stocken gerathen müssen, 
was ^ch bereits bis auf den nächsten Monat October seinen Anfang neh- 
uxen wird, wo sodann weder das Militär, noch das Civil, noch der Hofstaat 
aaf Bezahlung mehr rechnen können, wenn Ew. Königliche Hoheit nicht 
ohne Verzug auf geeignete Mittel zur schleunigsten Abwendung dieser 
Gefahr Bedacht zu nehmen geruhen. 

Wollten Ew. Königliche Hoheit zu diesem traurigen, aber leider nur 
tu wahren Gemälde noch einen Blick auf die jetzigen Zeitumstände und 
den herrschenden Zeitgeist werfen, so werden Höchstdieselben leicht be- 
rechnen können, zu welchen traurigen Resultaten dieses führen muss, 
wovon folgende, kurz gedrängte Zeichnung unserer dormaligen Lage das 
angeführte näher beleuchten wird: 

1. Eine in ihren innersten Gelenkon locker gewordene Administra- 
tion, welche, da Diensttreue, Dienstgehorsam und Dienstver- 
schwiegenheit ihr ganz fremd geworden sind, in die Länge nicht 
mehr so fortbestehen kann; 

2. einen aus seinen Schranken gewichenen Adel, den man, aller 
erprobten Erfahrung zuwider, statt ihn an den Thron zu fesseln, 
durch Entziehung der ihm so heilig zugesicherten Torrechte 
ganz von demselben entfernte, ihn folglich mit Gewalt zur Oppo- 
sitionspartei hinüberschleuderte und so ihn an die Spitze des 
Volkes versetzte, dem er, wenn man ihn in dem ruhigen Besitz 
der ihm Anno 1807 zugesicherten Vorrechte erhalten hätte, be- 
deutenden Widerstand, sich ereignenden Falles, würde ge- 
leistet haben; 

3. eine Volksclasse, deren Wohlstand durch die Kriegslasten jeg- 
licher Art, sowie durch den Bedarf nothwendiger Weise vermehr- 
ter Abgaben ganz herabgesunken ist, und die nun durch den 
Zeitgeist geweckt, alle Schritte des Regenten sowohl, als der 
Regierung ihrer Ciitik unterzieht und durch Ruhestörer gereizt, 
auf dem Punkte stehet, bei irgend einer, auch nur zufalligen 
Veranlassung, wie dieses in wenigen Monaten, wo der drückend- 
ste Mangel nur zu sehr sich offenbaren wird, der Fall sein 
kann, sich zu tumultuarischen Auftritten jeglicher Art verleiten 
zu lassen; 

4. eine Militärmacht, welche nicht, wie in ehemaligen Zeiten, wo 
noch das Enrolierungsystem existierte, aus einer bedeutenden Zahl 
von Fremden besteht, die ohne weiteres bei Unruhen ihre Ge- 
wehre auch gegen die Inwohner des Staates, dem sie dienten, 
abbrannten, sondern nun, vermöge der ohnedem drückenden 
Conscriptionsgesetze, nur allein aus Landeskindem sich bildet, 
auf keinen Fall also sich dazu verstehen wird, gegen ihre Mit- 
bürger, Landsleute und Verwandte sich zur Wehr zu setzen, auf 
die man folglich auf den Fall einer Revolte keineswegs ganz sich 
verlassen kann; 

5. eine unerledigte ständische Verfassung, die zum Vorwand dient, 
den Keim des Missvergnügens auszubreiten und den Gemelugeist 
gegen Regenten und Regierung aufzuwiegeln; 

6. unerledigte Territorial Verhältnisse, wo die mit im Spiel stehenden 
Mächte, jede Gelegenheit, um gegen Ew. Königliche Hoheit 
unter der Hand zu arbeiten, mit Sehnsucht abwartend, mit 
Vergnügen dem Augenblick entgegen sehen und sogar im Stillen 

13* 



196 

vielleicht betreiben, in dem Höchst dieselben genöthigt werden 
könnten, fremde Unterstützung zu suchen, um unter diesem Ver- 
wände das Land einer fremden Einwirkung zu unterwerfen. 

Diese nur leicht hingeworfene Skizze der dermaligen Lage der Dinge, 
wenn Ew. Königliche Hoheit sie zu beherzigen geruhen wollen, wird 
Höcbstdensclben beweisen, wie gefahrlich dieser Moment unter oben er- 
wähnten finanziellen Verhältnissen ist und wie sehr dadurch die Existenz 
Ew. Königlichen Hoheit und des Staats bedroht wird, wenn nicht ohne Zeit- 
verlust eine zweckgemässe Reductiou in dem Hof-, Militär- und Civiletat 
schleunigst eintritt, um sodann erst, auf diese gegründet, ein bedeutendes 
Anlehen machen zu können, um die Staatscasse, die jetzt schon zu ver- 
siegen drohet, nnd nur von gelehntem Gelde. obgleich kümmerlich, lebet, 
wieder zu alimentieren, damit nicht ein Staatsbanqucrott ausbreche. 

Die dringende Noth des Augenblicks, die Gefahr, die Ew. Königlichen 
Hoheit durch dieselbe erwächst und deren Abwendung, wenn nicht schleu- 
nige Massregeln ergriffen werden, nicht zu verhüten ist, so wie meine un- 
wandelbare Treue und Anhänglichkeit an die höchste Person Ew. Königl. 
Hoheit sind die Motive, welche mich veranlassen konnten, Ew. Königliclu'n 
Hoheit diese freimüthigo und wahre Schilderung des jetzigen Augenblicks 
vorzulegen. 

Mögen Ew. Königliche Hoheit in derselben einen Beweis jener reinen 
Verehrung finden, die ich Höcbstdensclben bis in das Grab gewidmet habe, 
sowie der tiefen Erfurcht, mit welcher ich ersterbe etc. etc. 

Karlsruhe, 5. September 1816. 

Frhr. von Berckhcim. 



4. Auszug aus einem Schreiben des Staatsraths Klübcr an Grossberzog 
Carl vom 26. Mai 1817. 

Aus den eigenen Angaben Sensburg's sei für 18* Vi 7 ein Deficit von 
1,152,189 fl. nachweisbar; wenn nun gleich ein Thcil hiervon durch den 
Verkauf der künftigen französischen Conti ibutionsgel der und durch Auf- 
nahme eines Capitals als Administrationsschuld gedeckt worden sei, so sei 
doch ein bedeutender Theil noch unbedeckt. Dieser falle, nebst der ge- 
dachten Administrationsschuld auf die Ausgaben des jetzigen Rechnungs- 
jahres. Beides, mit dem eigenen Deficit dieses Jahres zusammengenommen, 
verkündige für gegenwärtiges Jahr einen Ausfall, welcher denjenigen des 
vorigen Jahres weit übersteige; zumal wenn man sich die Möglichkeit hin- 
zudenke, dass der Betrag des Staatseinkommens diessmal die Erwartung 
nicht erreiche. 

Klüber warnt vor dem von dem Finanzminister vorgeschlagenen 
«grossen Anlehen.» 

Er empfiehlt als Finanzminister den Staatsrath von Dawans und 
spricht Sensburg, Roth, Nebenius und Böckh einen «gleich hohen Grad von 
Unparteilichkeit» ab. 

Er fahrt fort : An die Stelle des bisherigen Wirthschaftens aus dem 
Stegreif mnss 

1. ungesäumt eine planmässige Staatswirthschaft treten und solche 
mit eiserner Consequenz gehandhabt werden ; es müssen 



197 

2. in der Ilof-, Civil- und Militärverwaltung die grösstmöglichen 
Ersparungen eintreten. Da aber diese, wie weit sie auch ge- 
trieben werden, nicht die Hälfte des Deficits zu decken vermöchten, 
so müssen 

3. bedeutende Reductionen in den drei Etats erfolgen, die haupt- 
sächlichste im Militäi-etat , dann zunächst im auswärtigen De- 
partement. 

Es ist abei diese Reduction um so dringender, da 

4. eine Minderung der Staatsabgaben, besonders durch Aenderung 
des indirecten Abgabensystems, unvermeidlich ist, wenn anders 
ein grosser Theil der Unterthanen beitragfahig erhalten werden 
und die Regierung so mit der Hoffnung erfreuen soll, sich wieder 
Liebe und Zutrauen der Unterthanen zu erwerben. 

Endlich ist noch einer der dringendsten und wichtigsten 
Gegenstände 

5. die Einführung einer ächten landständischen Verfassung. «Ew. 
Königliche Hoheit haben eine solche im Angesicht von ganz 
Europa verhcissen; der Zeitgeist, diese grosse, unaufhaltsam 
fortschreitende Macht fordert sie unbedingt, und da sie unhiuter- 
treiblich ist, so gebietet die Klugheit, äusserem Zwang zuvor- 
zukommen. Dem Volk erleichtert sie die Pflichten des Gehorsams, 
dem Regenten die schwere, mühselige Last des gewissenhaften 
Regicrens, das, weit entfernt ein Zeitvertreib zu sein, mit grosser 
Verantwortlichkeit verbunden ist.» 



Schon früher im August 1816 hatte Klüber den ihm durch den Ad- 
miral von Kinkel gemachten Antrag, selbst die Direction des Finanzdepar- 
tements zu übernehmen, abgelehnt. Am 27. August schreibt er an Kinkel 
unter anderem: 

«Das ganze dermalige Abgabensystem ist im ganzen Lande ein Gegen- 
stand der lautesten und bittersten Klage ; es wird also einer genauen Revi- 
sion, sehr wahrscheinlich einer Reformation bedürfen, beides allein schon 
eine herkulische, zögernde und doch unvermeidliche Arbeit! Die Steuern 
können nicht erhöhet, sie müssen vermindert, das nun schon eine Reihe von 
Jahren foi-twährende Deficit muss verbannt, die Zinsen der Staatsschuld 
müssen pünktlich entrichtet, die Abschlagszahlungen auf die Capiiale ver- 
tragsmässig geleistet werden. Der ganze Staatshaushalt bedarf einer neuen 
Ordnung und jede Finanzwillkülir müsste forthin verbannt werden. Finanz- 
etats, jährliche wohlbegründete Special- und Generalfinanzplane oder Vor- 
anschläge sind in diesem Lande noch nie üblich gewesen. Schon ihie Ein- 
führung und Errichtung würde auf allen Seiten Hindernissen begegnen; 
noch mehr die eiserne Consequenz, mit welcher über deren Befolgung 
müsste gehalten werden.» 

Der neue Finanzdirector müsste das Heil der Staatshaushaltung in 
Ersparnissen suchen. 

Klüber empfiehlt für alle Fälle sofortige Einführung einer ständischen 
Verfassung mit Etatscuratel, die Errichtung einer den Kräften des Landes 
angemessenen Civilliste für das Regentenhaus, eine sehr beträchtliche Minus- 
ausgabe in den meisten Zweigen der Staatshaushaltung, namentlich in dem 
auswärtigen und Kriegsdepartement. 



Beilage iii. 



Carl Ludwig von Haller 

ober die badische Verfassung. 



Ew. Hochwohlgeboren ! 

Seit dem Empfang Ihres freundlichen Schreibens vom 12. dieses Mo- 
nats habe ich mir an dem Entwurf eines antirevolutionären Vereins, oder 
eines Bundes der Guten, beinahe die Augen blind und die Hand lahm ge- 
schrieben. Der 1. Theil, enthaltend die Veranlassung, die Nothwendigkeit 
und den Zweck des Bundes, ist bereits fertig; ich lasse ihn vermuthlich 
drucken, und werde Ihnen dann einige Exemplare zusenden. Nachher 
kommen die Massregeln zur Erreichung des Zwecks und die eigentliche 
Organisation des Vereins. 

Die Badische Verfassung habe ich zweimal mit Aufmerksamkeit gelesen, 
und, obschon sie den Hauptfehler hat, eine Constitution zu sein, mithin 
der Idee nach, die Natur des Fürstenthums zu verändern und in eine 
quftfti Republik umzuwandeln, so erkenne ich noch das deutsche Bechts- 
gefühl in dem vielen Guten, welches in diese Verfassung eingeflossen ist 
und gegen das Bevolutionssystem benutzt werden kann. Z. B. §. 5, §. 9, 
Nachsatz, §§. 20, 21, 28, 29, 56, 59, 63, 65, 66 und 77. Hier folgen 
jedoch einige Bemerkungen zum Behuf allfölliger Diskussionen. 

§. 3 ist geschwind gesagt. Wenn aber die Nothwendigkeit eintritt, 
so wird ihr die Constitution wohl weichen müssen. Zudem ist dieser Artikel 
zum Theil mit §. 58 und 59 im Widerspruch; wenigstens bilden letztere 
die Ausnahme. 

§. 4. «Regierung des Landes,»hätte heissen sollen: «die Grossherzog- 
liche, auf eigenthüralichen Besitzungen beruhende Würde;» denn es hat 
etwas anstössiges zu sagen, dass die Regierung des Landes erblich sei; 
auch ist der Grossherzog nicht eine blosse Regierung. 

§. 7 und 67. Verantwortlichkeit der Minister, gegen wen? Da noch 
nichts bestimmt worden ist, so muss man, nach dem natürlichen Recht, 
den Artikel dahin auslegen, dass sie nur gegen den Grossherzog verant- 
wortlich seien, und er allein über die Verletzungen Richter sei. 

§. 9. Nachsatz, sehr gut, und behält dem Grossherzog ein natür- 
liches Recht. 

§. 11. Abkaufsfuss, so hoch als möglich zu setzen, weil die Fakultät 
des Abkaufs an und für sich unrechtmässig ist. Dabei ist den Berechtigten 



199 

zu bemerken, dass sie die Abkanfssumme auf Ankauf neuer Güter verwen- 
den, sich auch zeitliche Jagdaccorde, Naturerbzinse oder persönliche Ar- 
beiten ansbedingen, mithin durch das unvernünftige Gesetz noch ge- 
winnen können. 

§.16 schlecht und der französischen Charte nachgeäfft, kann aber 
durch Bussen, Entschädigungen, Schadenersatz u. s. w. repariert werden. 

üebrigens distinguieren die Juristen zwischen Fiscus, welcher nur der 
Privatschatz der römischen Imperatoren war, und aerarium publicum. 
Vorher war im Badischen alles Fiscus, jetzt aber verdient nur die Civilliste 
diesen Namen, und sobald man also die Geldstrafen nicht zur Bereicherung 
der Person des Fürsten, sondern zu andern Zwecken verwendet, so giebt 
es keine Confiskation mehr. 

§.18 schlecht redigiert, denn nach diesem Artikel könnte es so viele 
Religionen und so viele Gultus als Landeseinwohner geben. Ist dahin zu 
interpretieren, dass er sich nach der Analogie der Artikel 9 uud 19 bloss 
auf die drei christlichen Confessionen beziehe. 

§. 20 und 21 sehr gut, wiewohl dem Zeitgeist zuwider. 

§. 28 und 29 beweisen, dass die Fideicommisse nach dem Recht der 
Erstgeburt und der Linealfolge noch erlaubt, ja sogar vorgeschiieben sind ; 
dabei ist streng zu verbleiben. 

§.35 ist offenbar nur gegen den Adel gerichtet, und mit §. 37 im 
Widerspruch. Entweder soll diese Ausschliessung aufgehoben oder aus 
gleichem Grund auch auf die Professoren, welche Deputirte in die erste 
Kammer wählen, ausgedehnt werden. Darauf wäre anzutragen, um zu 
zeigen, wie die Professoren begünstigt werden, 

§.37 letzter Passus, schlecht und schliesst die fähigen oder würdigen 
Männer gerade da aus, wo sie am besten bekannt sind. 

§. 48 fehlerhaft, der Idee von Landständen widersprechend, aber ganz 
dem Geist des revolutionären Repräsentativsystems angemessen. 

§. 53 zu bestimmen, was eine Auflage sei; ein, bei der jetzigen Ver- 
wirrung höchst nöthigcs Gesetz. 

§. 56 nicht streng naturrechtlich, aber den Bundestagsgesetzen gemäss 
und gegen die Revolutionärs zu benutzen. 

§. 57 Linie 1 hätte gesagt werden sollen: «kein für die Stände oder 
für das Land verbindliches Anlchen.» In seiner Allgemeinheit ist der Ar- 
tikel eine offenbare Bevormundung des Grossherzogs, wiewohl durch §. 63 
temperiert. 

§. 58 nicht streng rechtlich, aber durch die vielen Ausnahmen corri- 
giert, und in jetziger Zeit nützlich, indem sie die Domänenveräusserung 
erschwert, auf welche sonst von allen Revolutionärs gedrungen wird, weil 
sie die Wurzel des Fürstenthums untergräbt, und den Fürsten vollends zum 
besoldeten Diener macht. 

§. 59 gut, aber allerdings wäre es noch besser, die Abtretung des 
Domänenbetrags zu widerrufen, dagegen aber die Civilliste abzuschaffen 
und einige unentbehrliche Staatslasten zu übernehmen. 

§.61 fehlerhaft und ganz dem revolutionären, nur auf die Eöpfe- 
zahl begründeten Repräsentativsystem angemessen. 

§. 64. Schade, dass das Wort «erläutert» hier eingeschlossen. Der 
Artikel ist übrigens mit dem Eingang und §. 69 in keinem Widerspruch. 
Denn man ist nur verpflichtet, die Constitution zu halten, so lang sie recht- 
mässig besteht. Wenn aber derjenige, der die Verbindlichkeit aufgelegt 
hat, sie selbst wieder erlässt, oder abändert ; so hört auch die Verbind- 
lichkeit auf. Man verspricht auch für sich und seine Erben eine Schuld 



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zu bezahlen oder zu verzinsen, wird sie aber geschenkt, so ist man nichts 
mehr schuldig. 

§. 65 und 66. Beide gut und bieten eine sehr nützliche Waffe gegen 
den heillosen Misshrauch, der mit dem Worte Gesetz getrieben wird. Also 
sollen nur solche allgemeine Gesetze vor die Stände kommen, welche die 
Freiheit der Personen oder das Eigenthum der Staatsangehörigen betreffen, 
und dergleichen giebt es wenige oder gar keine. 

§. 67. Anklage der Minister, bei wem? s. oben §. 7. 

§. 69. Eidesformel, ist zweideutig abgefasst und scheint anzudeuten, 
dass die Rechte besonderer Stände und Classen dem sogenannten allge- 
meinen Wohl (d. h. der Wiilkühr der Kammern) weichen sollen. Man 
kann aber darauf mit Grund antworten, dass die Gerechtigkeit nicht nur das 
höchste Gesetz, sondern auch das einzige allgemeine Beste sei ; alles» andere 
ist nur das besondere, meist noch übel verstandenen Becht einzelner Classen, 
Sekten oder Parteien. Das ist wenigstens meine innere üeberzeugung. 

§.77. Gut, und man sollte auch von seinem Platze sprechen und 
nicht von einer Tribüne, um so mehr, da die Zahl der Deputirten gar 
nicht gross ist. 

§. 78. Die gutgestimmten Mitglieder sollten sich verabreden, sehr 
oft eine geheime Berathung zu verlangen, um dem Windmachen der De- 
magogen vorzubeugen. 

Schliesslich bemerke ich noch, dass der Artikel 64 das Interpretations- 
recht des Grossherzogs nicht hindert, sondern denselben nur in denjenigen 
Fällen an die Zustimmung der Kammern bindet, wo es um eine Erläuterung 
zu thun wäre, die als ein, die Freiheit oder das Eigenthum der Staatsan- 
gehörigen betreffendes Gesetz angesehen werden kann. Sonst bleibt der 
Grossherzog und seine Nachfolger, als Urheber des Gesetzes, auch der ein- 
zige competente Ausleger desselben. Die Verfassung ist ein Ausdruck 
seines Willens, und in zweifelhaften Fällen erklärt er allein ihren Sinn. 
Von diesem Grundsatz ist durchaus nicht abzugehen. 

Ich wünsche, dass diese Ansichten Ew. Hochwohlgeboren und Ihren 
Freunden zu irgend etwas nützlich sein mögen und verharre indessen mit 
ausgezeichneter Hochachtung 

Dero 

Solothurn, den 28. Februar 1833. ^ , . ^x. 

Gehorsamster Diener 

Carl Ludwig von Haller. 



Namen - Register. 



Alexander, Kaiser von Russland 2, 
3, 94, 98. 

Bassermann. Abgeordneter 142. 

Bekk, Staatsrath 142, 144. 

Berckheim, Frhr. von, Staatsminister 
5, 6, 22, 24, 37, 38, 40, 92, 
194, 196. 

Bcrlichingen, Frbr. Max von, 40. 

Berstett, Frhr. von, Staatsminister 92, 
94.98, 111,117, 119, 121, 124, 
126. 

Bissing 142. 

Blittersdorff, Frhr. von. Bundestags- 
gesandter 118, 119. 

Bockh von, Staatsrath 133, 191, 196. 

Brauer, Geheimer Rath 172, 174 — 
176, 184. 

Buss, Abgeordneter 142. 

Carl Friedrich, Grossherzog von Ba- 
den 26, 28, 43, 139, 152. 

Carl, Grossherzog von Baden 2, 3, 
5, 6, 13, 25,33, 34,37—41,43, 
52—54, 91, 93—99, 110, 111, 
115, 139, 194. 

Dalberg, Frhr. von, Staatsminister 
152, 153, 158,163, 164, 171, 184. 

Dawans von, Staatsrath 6, 11, 12, 
92, 196. 

Duttlinger, Abgeordneter 133. 
Eichrodt, Staatsrath 55. 
Ecker, Abgeordneter 134. 
Elisabeth, Kaiserin von Russland 5. 
Falckenstein, Frhr. von, Abgeordne- 
ter 137. 

Fecht, Abgeordneter 136. 
Fischer, Frhr. von, Finanzminister 

117. 
Föhrenbach, Abgeordneter 125, 133. 
Friedrich, Markgraf von Baden 85, 

152, 188. 



Fröhlich, Staatsrath 137, 139. 
Fürstenberg, Fürst von 37 85, 124, 

134, 137, 139, 144. 
Geromingen, Frhr. von Cabinets- 

minister 165, 166, 171, 172, 

175, 176, 184, 188. 
Gemmingen, Frhr. Sigmund von 40. 
Gei-wig, Revisor 52. 
Göler, Frhr. von, Abgeordneter 144. 
Grimm, Abgeordneter 133, 136. 
Guignard, Staatsrath 37, 38, 55, 92. 
Hacke, Frhr. von, Staatsminister 5, 

39, 40, 91, 92, 184. 
Haller, Carl Ludwig von, 111, 198, 

200. 
HardenbcrjDf, Fürst von. Königlich 

Preussischer Staatskanzler 5. 
Hecker, Abgeordneter 141, 142. 
Hennin, Graf, Hofgerichtsrath 6. 
Herzog, Staatsrath 6, 12. 
Hirscher von, Domdekan 143. 
Hochberg, Grafen von 85, 93. 
Hofer. Geheimer Rath 164, 184. 
Holzing, von 52 — 54, 98. 
Hüffel, Prälat 143, 144. 
Itzstein von, Abgeordneter 135, 136. 
Junghanns, Abgeordneter 142. 
Kageneck, Graf 143. 
Kalm, Frhr. von, Staatsrath 36, 38. 
Kern, Abgeordneter 125. 
Kinkel von, Admiral 197. 
Klüber, Staatsrath 153, 159, 163, 

196, 197. 
Klüber, Geheimer Rath (Sohn) 144. 
Knapp, Abgeordneter 136. 
Kreglinger. Abgeordneter 136, 
Leiningen, Fürst von 85. 
Leiningen-Billigheim, Grafen von 85. 
Leiningen-Neudenau, Grafen von 85. 
Leopold, Grossherzog von Baden 97, 

138, 139.