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Hariiarb College Ittirarp
BRICHT LEGACY
One half the income from thii Legacy, whkh wm T€-
ceired in 1880 ander the will of
JONATHAN BROWN BRICHT
of Waltham, MitMchotetts, is to be ezpended for book«
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HBNRY BRICHT, JR.,
who died at Wateitown, MaMachnsetti, in 1686. In the
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GESCHICHTE
DER
BUCHDRUCREBEIE]\[
IM
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KANTON ST. GALLEN.
MIT EINLEITENDER NACHRICHT
Obbr
DIE ERFINDUNG DER BUGHDRUGKERXmSl
EUVE FESTGABE
AM 24. JUNI 1840.
ST- GALLEN,
GEDRÜCKT IN DER ZOLLIKOFBR'SCHBN OFFIGUf.
ß ^y.6/,/,s-
^-^'k*'^ (^OCl>-
f AUG r 1913
ü^U^/tt^^t-A-AA^
Was die Presse ist für den Buchstaben , das ist die Freiheit
für den Geist. Darum kann nur die freie Presse dem Geiste
nützen.
G. T. Y. Ammon.
Votl^WOrM.
Durch nachfolg^ende Bogen wünschen die St Galli-
schen Buchdrucker , Schrifitgiesser und Buchhändler^
neben einem Denkblalte , welches den geg^enwärtigen
Standpunkt der Kunst des Buchdrucks in unserm
Kantone beurkunden soll , eine freundliche und blei-
bende Erinnerung fiir alle verehrten Theilnehmer
an dem vierten , in hier aber zum ersten Male veran-
stalteten Jubiläum der Erfindung der Buchdrucker'
kunst zu stiften. Als Thema wurde vorzugsweise
die Geschichte der St Gallischen Buchdruckereien,
von ihrem Anfange bis auf die jüngste Zeit gewählt,
die in kurzem Umrisse das Merkwürdigste enthalten
und mit einer Nachricht über die Erfindung selbst,
nach den bewährtesten Schriftstellern, beginnen
sollte.
Der mit dieser Arbeit Beauftragte konnte nnd
wollte sich , aus verschiedenen Gründen, lange nicht
entscUiessen , derselben , so ehrenvoll der Auftrags
auch war 9 sich zu unterziehen. Recht sehr hatte er,
im Interesse aller Leser und des Gegenstandes selbst,
gewünscht, es möchte letzterer diesmal von einem
unserer Geschichtschreiber bearbeitet werden , und
unlieb war ihm, dass sein gutgemeinter Wunsch
und Rath bei den Festveranlassern keinen Beifell
fand
Der Terfasser glaubt den Lesern nicht vorent-
halten zu dürfen , dass die zweite Hauptabtheilung :
> Die Buchdrucker und die Buchdruckereien im Kan-
ton St. Gallen c überschrieben , eine berichtigte und
durch seitherige Forschungen vervollständigte , theil-
wdse abgekürzte , theilweise aber auch ausföhrlicherc
Umarbeitung der ersten^) Hauptabtheilung einer im
J. 1836 zu gleichem Zweck von ihm herausgegebe-
nen Gelegenheitsschrift sey, die den Titel fiihrt : > Die
> Buchdruckereien der Schweiz. Mit erläuternden
* und ergänzenden Anmerkungen t [u. s. w. J ^.
*) Und der zweiten Hauptabtheilung, soweit sie den
Kanton St. Gallen beschlägt.
**) Auch unter dem besondern Titel: »Beiträge zur
Buchdrucker- und Literaturgeschichte St. Gallens. Eine
Dass der Lebenslauf des ersten Buchdruckers im
Kanton , und dessen Bruders , als seines Gehülfen,
Gesellschafters und unmittelbaren Nachfolgers, weit-
aus am ausführlichsten behandelt worden ist, ^ird
gpewiss Niemand befremden , schon dessivegen nicht^
weil der Erste doch allezeit das meiste Interesse fiir
sich hat; zudem waren die Schicksale der Buch-
drucker aus den spätem Zeiten, Bedingter ausg^e-
nommen , so yiel davon bekannt ist , nicht so sehr
bewegt und liefern also nicht so viel anziehendep
Stoff; auch hätten die Grenzen dieser Schrift , des
angewachsenen Stoffes wegen ohnedies schon er-
Gelegenheitsschrift zur Feier des bevorstehenden Buchdru-
ckeijubiläums. «
Die Erscheinung dieser und anderer Gelegenheitsschrif-
ten zu einem Säkularfeste im J. 1836 ward veranlasst durch
den vier Jahre zuvor von der Gutenbergskommission zu
Mainz (bei Anlass ihrer Kollekte fiir das grosse Monument
Gutenbergs) gemachten Vorschlag , schon 1836 das vierte
JubUäum zu begehen, gestützt auf einige, zwar unklare
und darum sehr yerschiedener Auslegung unterworfene Stel-
len in den Akten des Prozesses zwischen Gutenberg und
dessen Gesellschaftern zu Strassburg im J. 1&39 ; welcher
Vorschlag Anfangs viel Anklang fand und beinahe angenom-
men zu seyn schien, zuletzt aber doch unberücksichtigt
blieb.
n
weitert, zu einer ausfiihrlicheni Scbilderangp bei
weitem nicht hingereicht. Einzig über die , in ver-
schiedenen Beziehungen interessante Momente und
Nachrichten enthaltende Geschichte der Stiftsdru-
ckereiy als den hervorragenden Punkt im ganzen
Kanton , neben dem Hanptorte desselben , glaubte
Yerfasser weitläufiger seyn zu dürfen ^ und sich
eher Dank als Tadel damit zu verdienen.
Freilich ist die Geschichte der Buchdruckereien
^_ t _
unsers Kantons 9 aus sehr natürlichen Ursachen , bei
weitem nicht von der nämlichen .Wichtigkeit wie
diejenige grosser oder überhaupt solcher Städte und
Orte in und ausser der Schweiz, wo die Erfindung,
Bücher mittelst beweglicher Buchstaben zu verviel-
faltigen, sehr frühzeitig Aufnahme fand und viele
Männer in diesem Fache sich grosse Yerdienste und
ausgebreiteten Ruhm erwarben. Nach des Verf. An-
^ ticht verdient aber auch das Unbedeutendere • das
durch unsere Mitbürger , oder überhaupt in unserer
INähe geschah, unsere Aufmerksamkeit und hat
seinen cigenthümlichen Werth , weil anzunehmen ist,
es habe Jeder in seiner Lage und nach seinen Yer-
VII
häknissen, von denen seine Thätig^keit und sein Wir-
ken doch mehr odar minder abhängten , wenig^sten^
dasMögfiche gethan, diesem Grundsätze zufolge also
auch geridg^ere Leistung^en bei schwächern Ulitteln
oder mangelnder Gelegenheit sich emporzuheben
und auszuzeichnen , eben so verdienstlich seyn kön-
nen ^ als im umgekehrten Falle grosse und glänzende
Wirksamkeit
Verfasser sdiliesst endlich mit den lebhaften
Wünschen, es möchte der beabsichtigte Zweck vor-
liegender Bogen: einige Belehrung und Unterhal-
tung zu gewähren und den Festfeiernden zugleich
ein kleines Denkmal an den Johannestag 1840 zu
werden, einigermassen erreicht und die, zwar sehr
mangelhafte Arbeit freundliche Aufnahme und nach-
siehtvoUe Beurtheiler finden!
GeschrMen im Festmonate
des JubeUalires 1840«
p. fr.
«i<*»'
Inhalt.
Seite
Vorwort iii
Kurzgefasste Nachricht Ton der Erfindung der Bachdrucker-
kunst , 1
Die Buchdrucker und die Buchdruckereien im Kanton St.
Gallen 21
Einleitung 23
Yon den Buchdruckern in der Stadt St. Gallen ... 25
Das Merkwürdigste aus dem Leben und Wirken des
Leonh. Straub, ersten Buchdruckers .... 25
Georg Straub , der zweite Buchdrucker in St. Gallen 48
Jakob Redinger yon Zürich und die nach ihm fol-
genden Buchdrucker . . . « 52
üebersicht des Standes der Typographie und des
^Literaturwesens in St. Gallen yom Ende des 17.
bis Ende des 18. Jahrhunderts ...... 63
Die Stadt St. Gallischen Buchdrucker des 19. Jahrh. 71
Von den Buchdruckereien in verschiedenen Theilen des -
Kantons , 77
A. Im 17. und 18. Jahrhundert 77
In Rorschach 77
Im Kloster Neu St. Johann 79
» fürstl. Stifte St. Gallen * 81
In Berg 89
B. Im 19. Jahrhundert 91
In Ebnat 91
» Lichtensteig 92
Bei Lichtensteig 92
In Flawyl 93
» Rapperswyl 95
» St. Fiden 96
» Altstädten 96
Bericht über die in St. Gallen auf den 24. Juni 184.0 veran-
staltete Jubelfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst 98
Yerzeichniss aller St. Gallischen Buchdrucker, Schriftgiesser
und Buchhändler, welche dem Jubiläum beiwohnen
werden.
Von auswärtigen Orten Mitfeiernde.
KIJRZGEFASSTE
HAdSatMdälQV
TON DER
Crftn)rtm0 l^tv pni^l^vtiiinhvimt
IT ENiGE Eifindungen oder Entdeckungen von Bedeutung
im Kreise des menschlichen Wissens und Könnens sind
plötzlich y d. h. ohne vorbereitende Umstände , zu Tage
gefördert worden; gewöhnlich ging Manches voraus, dais
als Yorbereitungs- oder Uebergangsptinkt dienen tnusste,
bis endlich entweder ein Zufall oder langes Nachdenken die
Entdeckung oder Erfindung selbst herbeiführte und diese
dann nach und nach, slich zur Yollkommenheit ausbildete.
So ging es mit der Erfindung des Bücherdruck^ mittelst
beweglicher Buchstaben. Ihre unermessliche Nutzbarkeit
muss aber Jedem sogleich einleuchten, der üur bedenkt,
wie viel Zeit und Mühe das Abschreiben der Bücter kostete,
in welchem hohen Preise das Pergament stand , dessen man
sich bediente, bevor das Papier aus Baum woU-' und später
aus Leineustoff erfunden und in allen Ländern eingefuübrt
war , und wie selten und theuer daher jedes auch nur
kleine Buch seyn musste. Nur fürstliche Personen , hohe
Geistliche, Klöster und sehr reiche 'Privated waren im
Stande, eine kleine Sammlung von Büchern zu kaufen,
oder solche abschreiben zu lassen«
Nachdem aus der schon im firühesten Altertfaum vorkom^
menden Anwendung sowohl vertieft als erhaben gearbei-
teter Figuren , Buchstaben , Namen u. a. w« in Stein , Holz
und Metall ( z« B. Siegelringe , Metallslempel , Goldschmied-
1*
Modelle ] nach und nach die Hob- oder Formschneidekunst
entstanden, in Holland und Deutschland seit Anfang des
15. Jahrhunderts (wahrscheinlich noch firüher) in Auf-
nahme gekommen war und zahlreiche Köpfe und Hände
als Formschneider, Spielkartenmacher, Briefdrucker und
Briefmaler *) beschäftigte , wurden zuerst Bildnisse von
Heiligen auf hölzerne Tafeln gefertigt und die Abdrucke,
öfters ausgemalt, theils auf Märkten und an Wallfahrtsorten
zum Verkauf ausgeboten, theils von Mönchen an die Wall-
fahrer unentgeltlich ausgetheilt. Später setzten die Künstler
einige erklärende Worte oder einen Bibelspruch , ein kurzes
Gebet u. dgl. darunter, schnitten auch etwa mehrere Bilder
und mehr Text auf die gleiche Platte; zuletzt ward der
Inhalt zur Hauptsache und die Bilder zur Nebensache
gemacht. Bei'm Abdrucken bediente man sich einer etwas
blassen, gewöhnlich aus Lampenruss bestehenden Schwärze
und eines sogenannten Reibers **} , der mit kräftiger Hand
auf der Rückseite des angelegten Papiers hin und her
geftihrt wurde. Auf solche Weise entstanden yiele Büchlein
theils aus Bildern mit deutschem oder lateinischem Texte,
theils aus Text allein bestehend, in Folio- oder Quartformat,
unter andern die Biblia pauperum [Bibel der Armen } , d der
Heilsspiegel cc , » der Entkrist « ( Antichrist ) , b Är$ moriendi «
(die Kunst zu sterben) ; das bekannteste, am häufig-
sten gebrauchte Büchlein war der im Mittelalter allgemein
*) Brief nannte man ehemals , wie Tiele Landlente hentzutag^o
noch thun , jedes bedruckte , beschriebene oder bemalte Blatt.
**) Ein aus Pferdehaaren oder Tuchs tücken bereiteter, elastisch-
straffer Ballen. — Die Chinesen, die ihre Bücher jetzt noch mit
Holztafeln drucken, bedienen sich einer Bürste , um die Abdrücke
hervorzubring^en.
beliebte d Donat « > ein Auszug aus der grossem Sprachlehre
des römischen Grammatikers Donatus^
Solche Arbeiten bildeten gleichsam die Vorläufer der
wirklichen Buchdruckerkunst« Um aber den damit verbun-
denenSchwierigkeiten abzuhelfen , welche namentlich bei'm
Drucke von ganzen Büchlein, wegen der immerwährenden
mühevollen und zeitraubenden Anfertigung von Tafeln für
jeden neuen Schrifttext, tmausbleiblich waren , gab es nur
ein Mittel : man musste die Holztafeln gleichsam lebendig
machen 9 d« h. die Kunst erfinden, mit einzelnen, auf jede
Weise zu bewegenden und zu versetzenden Buchstaben
alles Beliebige zu drucken. Diese Idee scheint allerdings
nahe zu liegen , und doch erfasste sie Niemand , bis der
Mann erstand, der von der Vorsehung bestimmt war,
sie in's Leben zu rufen , und dadurch einer der grössten
Wohlthäter nicht allein seiner Zeitgenossen , sondern aller
Geschlechter und aller Zeiten wurde. Dieser hochgefeierte
Mann war
Jotaann Gensflelscli) genannt Gatenber^»
von Mainz.
Zwischen 1395 und 1400 geboren , stammte er aus einer
alten, angesehenen, mainzischen Patrizierfamilie , die den
Beinamen zum Gutenberg durch den Besitz des von Seite
der Mutter zugebrachten Hauses gleiches Namens erhielt. —
Ein Aufetand der Bürger gegen die Adeligen im Jahr 1420
veranlasste den jungen Gutenberg, mit seiner und andern
Familien gleichen Standes Mainz zu verlassen. Zwischen
1424 und 1433 ( die Angaben lauten verschieden ) nahm er
' seinen Aufenthalt in Strassburg. Hier beschäftigte er sich,
6
4
vennuüilich zum Theil aus innerm Triebe , SEum Theil
jedoch auch zum Lebenserwerb, mit verschiedenen geheim
gehaltenen mechanischen Künsten , z. B. mit dem Poliren
Yon Spiegehl und dem Schleifen von Edelsteinen , welche
Fertigkeiten er sich wohl meist durch seinen eigenen
erfinderischen Geist angeeignet haben mochte. Um 1436
trat er^ gegen Entschädigung für seine Mittheilung , mit
mehrern Männern in eine Verbindung zum Betriebe seiner
Künste ; durch den Tod des Einen und einen daraus entstan-
denen Prozess lösete sie sich aber 3 Jahre später wieder
auf. -~- Der erweiterte und vervollkommnete Tafeldruck
war, als ein sehr einträgliches Geschäft , ohne Zweifel
ein Hanptgegenstand der von Gutenberg iosgeheim betrie-
benen Versuche und Arbeiten , und bestand hauptsächlich
in der Herstellung einer Presse , durch deren Gebrauch
er Abdrücke von mehrern Holztafeln ( Schrift«- oder Text-
seiten ) zu gleicher Zeit und auf beiden Seiten des Papiers
bewerkstelligen konnte, während der Reiber nur ^nt
Platte nach der andern und bloss auf einer Seite des
Papiers abzudrucken erlaubte , so dass die zum gleichen
Büchlein gehörenden Blätter zusammengeklebt werden
tnussten* Es war dieser Fortschritt die Mittelstufe zwischen
dem Tafel- und dem Buchdnicke ; Alles aber , was er hier
zu Tage gefördert haben mag , ist spurlos verschwunden.
Gutenbarg kehrte nach 1444 wieder nach seiner Vater-
stadt Mainz zurück, und setzte hier seine Druckarbeiten
und Versuche fort, denen er jetzt seine Zeit und alle seine
geistigen und ökonomischen Kräfte ausschliesslich widmete.
— Hier erst (nicht in Strassburg, wie mehrere Schriftr
«tellci* behaupten) er&sste er, nach seinem eigenen
Zeugnisse, durch beharrliches Nachdenken unterstützt,
den glücklichen Gedanken» die auf den Holztafeln einge-
schnittenen Zeilen zu einzelnen Buchstaben zu zersägen
oder auszuschneiden , um bewegliche Alphabete daraus zu
erhalten , die durch beliebiges Zusammenfügen zu jedem
Inhalt eines Buches zu benutzen und, nach geschehenem
Abdrucke zerlegt, neuerdings wieder zu gebrauchen
wären , wodurch das mühsame und kostspielige Anfertigen
von Holztafeln, die, wie oben schon gesagt, nur zum
gleichen Gegenstande wieder gebraucht werden konnten,
gianz beseitigt ward. Dieser, dem erfinderischen Geiste
Gutenbergs entsprungene Lichtfunke ist das Charakteristische
der eigentlichen Buchdruckerkunst. Allein jahrelange Ver-
suche und Anstrengungen kostete es ihn, ehe die Sache
80 weit zur Reife gediehen' war, dass er etwas Brauchbares
mit seiner Erfindung zu leisten sich im Stande sah. Den
Zeitpunkt des Anfangs der beweglichen Lettern genau
anzugeben, ist aber um so weniger möglich, da die
noch vorhandenen Druckerstlinge , welche Gutenberg zuge-
schrieben werden , keine Jafirzahl haben *]•
*) Die Bachdmcker za WUtenberg, Verleger der ersten
BibeUusgaben Luthers und seiner Werke , feierten am Johannis-
tage 1540 das erste Jubelfest in der Stille , als ein Dankfest
der segensreichen Erfindung; 1640 wurde es, ihrem Beispiele
folgend , schon in mehrern grössern StJidten Deutschlands festlich
begangen; noch yieKallgemeiner und feierlicher war das dritte
Jubiläum im J. 1740 , jedoch nicht überall am gleichen Tage. —
Ueber den Zeitpunkt der Begehung der vierten Säkularfeier
herrschten eine geraume Zeit hindurch ungleiche Meinungen,
weil einige neuere Schriftsteller (z. B. Schaab in Mainz) in ihrer
Geschichte der Erfindung die Behauptung aufgestellt hatten , das
J. 1836 müsse als Jubeljahr der ersten Versuche Gutenbergs in
Sirassburg (um 1436) angenommen werden; doch behielt zuletzt
die bisberigö Gewohnheit , das Jubiläum im Jahr 40 zu begehen»
8
Unter den ältesten Nachrichten Aber die Anfibige der
Buchdruckerkonst heben wir nur die zwei folgenden ans,
deren Verfasser alle Glaubwürdigkeit verdienen^ und deren
unverdächtige Zeugnisse zugleich das Jahr, den Ort und
den Gang der Erfindung näher angeben , daher auch als
Hauptquelien über diesen Gegenstand betrachtet werden.
Der unbekannte Verfasser der »Chronik der Stadt Cöina,
1499 dort gedruckt , der durch Ulrich Zell , 'gewesenen
Gehülfen in der ersten mainzischen OfSzin und nachherigen
ersten Buchdrucker in Cöln dayon unterrichtet worden
war, berichtet darüber Folgendes:
hDie Bttchdruckerkunst ist zuerst in Deutschland^ in der
Stadt Mainz am Rhein , um das Jahr 1440 erfunden worden.
Von diesem Jahr an bis 1450 h(U man mit der Erfindung seihst
und Allem , was dazu gehört , zugebracht. In diesem Jahr,
weichesein (kirchliches) Jubeljahr gewesen, hatman zu drucken
angefangen , und zuallererst eine lateinische Bibel mit MUsaU
Schrift gedruckt. — - Der erste Erfinder der Druckerei ist gewesen
ein Bürger zu Mainz , und hiess Junker Hanns Gutenberg. ^
Einen ausführlichem Bericht giebt Job. Tritheim, der
gelehrte Abt yon Spanheim , in seinen ( 1515 lateinisch ge-
schriebenen» aber erst 1690 in der Stiftsdruckerei zu St.
die Oberhand. — Als Jahr der Erfindung des Drucks mit beweg-
lichen Lettern ist es allerdings etwas frühzeitig ; weniger , wenn
man es als Mitteljahr zwischen den frühesten Versuchen Guten-
bergs in Strassburg und der yollendeten Erfindung in Mainz
betrachtet. Uebrigens kann selbst ein willkührlich angenommener
Zeitpunkt für die Jubelfeier , als Dank- und Erinnerungsfest»
nicht aber als wirkliches Datum der Erfindung, dem wichtigen
Gegenstande keinen Eintrag thun. — Strassburg wird am 24. Juni
d. J. das Jubiläum mit Deutschland und andern Ländern feiern,
und bei diesem Anlasse das zu Ehren Gutenbergs errichtete
Standbild feierlich einweihen.
Gallen gedruckten) Annalen des Klosters Hirschau, welcher
den Hergang der Sache aus dem Munde Peter Schöffers, des
MiterfinderSy 1484 yemommen hatte ; er erzählt nämlich 2
B Zu dieser Zeit (zicisehen 1440 « • 1450J wurde zu Mainz,
einer deutschen Stadt am Rheine, jene wunderbare und vorher
unerhörteKunst, mit bewegliehen Buchstctben Bücher zudrücken,
van Johann Gutenberg, einem Mainzer Bürger, erfunden und
ausgedacht. Als dieser fast sein ganzes Vermögen für die
Erfindung der Sunst aufgeopfert, hätte er, mit aUzugrossen
Schwierigkeiten kämpfend und, bald in diesem, bald in jenem
rathlos, an dem Erfolge verzweifelnd, beinahe das begonnene
Werk aufgegeben, vollbrachte es aber endlich durdi den Roth
und die Geldvorschüsse des Mainzer Bürgers Johann Fust.
Anfänglich druckten sie mit hölzernen Tafeln, in wdche die
Buchstaben eingeschnitten waren; mit diesen Tafeln konnten
sie aber nichts Anderes drucken, weil die Buchstaben nicht
von ihnen abgelöst werden konnten, sondern, wie gesagt,
eingesehnitzt waren. Nach diesen Erfindungen folgten künst"
lichere; sie erfanden die Art und Weise, Formen aUer Buchr
Stäben des lateinischen Alphabets zu giessen , welche Formen
sie Matrizen nannten, aus denen sie hinwieder eherne oder
zinnerne, zu jeglichem Drucke zureichende Buchstaben gössen,
die sie früher mit den Händen geschnitten hatten. — — *—
Peter Schöffer aber , erst Diener, dann Tochtermann des Johann
Fust , ein kluger und sinnreicher Kopf, erdachte eine leichtere
Art, die Buchstaben zu giessen und vervollständigte die Kunst,
wie sie jetzt ist. — Diese Drei hielten ihre Art und Weise zu
drucken geheim , bis dieselbe durch Gehülfen, ohne deren Mit-
wirkung sie die Kunst selbst nicht ausüben konnten, zuerst
nach Strassburg gebracht und endUeh unter aUe Nationen ver*
10
I
breüet tourde. — Das Gesagte mag Über die wunderbare Buch-
druckerkunsi genügen, deren erste Erfinder Mainzer Bürger
waren. Die drei ersten Erfinder wohnten aber tm Hause zum
Jungen, welches seit dieser Zeit das Druckhaus heisst.<i
Diese kurze Darstellung enthält eine ziemlich getreue
Schilderung der Erfindung. Es sind darin drei Abschnitte
angegeben, die den Anfang, den Fortgang und die Vollen*
düng bezeichnen, "üen Anfang , insofern hölzerne oder in
Holztafeln geschnitzte Buchstaben gebraucht wurden; den
Fortgang , wo man diese durch metallene gegossene Lettern
ersetzte ; die YoUendung endlich , als Peter Schöffer die
Gutenbergische Erfindung der Schriftgiesserei vervollkomm-
nete. -— Die Anfangs gebrauchten Holzbuchstaben bestanden
aus Stäbchen von Buchs- oder Bimbaumholz , 1 — V/2 ^^U
lang, an der Seite durchbohrt, und wurden zeilenweise
auf einen starken Faden oder Draht zusammengereiht
(eingefädelt], in einen Rahmen von Holz oder Eisen
gespannt und in der Presse wie Holztafeldruck behandelt«
Gutenberg, der durch seine vielfachen kostspieligen
Versuche, bevor er Nutzen daraus ziehen konnte, alle
seine Einkünfte aufgezehrt und desshalb beständig mit
Geldverlegenheiten zu kämpfen hatte , wendete sich also,
wie uns Tritheim erzählt, um sein Lieblingsuntemehmen
nicht ganz aufgeben zu müssen, ohne zum ersehnten Ziele
(des vollständigen und leichten Bücherdrucks ) gelangt zu
seyn , im J. 1450 an seinen wohlhabenden Mitbürger Joh.
Ffjist oder Faust*), einen Rechtsgelehrten , von welchem er
*) Dieser Faust ist nicht zu verwechseln mit dem als Schwarz-
künstler und Teufelsbanner zu Anfang des 16. Jahrhunderts
lebenden Doktor Joh. Faust, muthmasslich aus Schwaben» der
die bekannte Sage vom Doktor Faust veranlasste.
11
einen Vorschuss von fl. 800 erhielt , und der zugleich einen
Gesellschaftsvertrag zu gemeinschaftlicher Errichtung einer
Druckwerkstätte , welche dem Darleiher als Unterpfand
dienen sollte, mit Gutenberg abschloss. — Die Anfangs noch
mit festen Holzplatten, hald darauf aber mit beweglichen
hölzernen Buchstaben gedruckten Sachen bestanden unter
anderm in A-B-G-Tafeln und Donaten ( dem oben erwähnten
Schulbüchiein)« Nachdem aber durch fortgesetztes Nach-
denken, wahrscheinlich auch mit Beihülfe des Goldschmieds
Jakob Fust ( Bruder des Job. Fust ] das Glessen aller
Buchstaben des Alphabets aus Blei und Zinn mittelst
Gussformen ( Matrizen ] von Gutenberg endlich ausgedacht
worden war, schritten er und sein Gesellschafter, unge-
achtet die so gegossenen Lettern noch viele Mängel,
gleichwie die Gussmanier selbst, an sich trugen, jetzt
freudig und getrost zum Drucke der Bibel in lateinischer
Sprache , die jedoch erst nach Bekämpfung vieler Hinder-
nisse und mit bedeutend grossen Kosten und Zeitaufveand
gegen das Ende des J. 1455 zur Vollendung kam. Diese
erste , zwar ohne Angabe des Druckorts , des Buchdruckers
und der Jahrzahl gedruckte Bibel besteht aus 2 Bänden in
Folioformat; ein Theil der Exemplare hat Pergament, ein
anderer Papier ; die Buchstaben sind in Grösse und Form
denen der geschriebenen Messbücher (Missale genannt,
daher der Name Missalschrift) ähnlich; die zwei Spalten
jeder Seite enthalten je 42 Zeilen, und diese Ausgabe
wird , zur Unterscheidung von andern , die 42 zeilige ( auch
Gutenbergische ] Bibel genannt. Die Anfangsbuchstaben
sind alle zierlich hineingemalt ; in den Pergamentexemplaren
mit schönen Farben und Gold ; in den Papierexemplaren
la
aber mit rother und blauer Farbe *)• Die Scbwärze,
deren Verbesserung von Einigen dem Gutenberg selbst, von
Andern aber Scböffer zugescbrieben wird, ist scbwarz,
dick und glänzend.
Den Drucken aus dieser ersten Buchdruckerei der Welt
fehlte aber noch Ebenmass. Feinheit und Schönheit der
Lettern. Der Grund hieyon lag in der Wahl des Metalls
und in der Art des Giessens, wodurch die Buchstaben
ungleich und stumpf ausfallen mussten , auch den Druck
der Presse nicht lange aushielten. Aber auch diesen Uebel-
ständen wurde bald von einem dritten Manne glücklich
abgeholfen, durch welchen der Buchdruck gleich in den
ersten Jahren seine gänzliche Vollendung erhielt, nämlich
durch Peter SebSffer^ zwischen 1421 und 1430 zu Gems-
heim, einer kleinen grossherzoglich -hessischen Stadt am
Rheine geboren. Im J^ 14P49 lebte er als Schönschreiber
in Paris, kam dann (mn 1452) nach Mainz zu Fust, ver-
muthlich um die abzudruckenden Handschriften in's Reine
zu schreiben und in die gedruckten Bücher die Anfangs-
buchstaben der Abschnitte u. s. w. zu malen. Auf diese
Weise mit dem Druckgeschäfte bekannt und vertraut
gewordeii, war er, an schöne Schriftzüge gewöhnt, jetzt
unablässig darauf bedacht, den Buchstaben eine gefälligere
Gestalt zu geben, und sein künstlerischer Sinn erfand
wirklich bald eine leichtere und bessere Art, die Buchstaben
zu giessen, nämlich durch Anfertigung stählerner Stempel
*) Es sind nur noch 16 Exemplare in den Bibliotheken
Europa's Torhanden , die als eine /nctmofrel ( Ersüingsdruck,
Brackdenkmal) von höchster Seltenheit und unschätzbarem
Werth aufbewahrt werden.
18
(Patrizen)» die er in Kupfertäfelchen [Matrizen) ein-
schlage so wie eine bessere Mischung des Gnssmetalls,
wodurch die Schriftgiesserei ihre volle Ausbildung erhielt;
mit Recht darf man ihn daher den Vater der Schrift-
giesserei und zugleich den Vollender der Erfindung des
Buchdrucks nennen *}.
Nadhdem Fust gegen hohe Zinsen seinem Gesellschafter
ein zweites Darieiheh von fl. 800 gemacht , benutzte er
( gegen Ende 1455 ) aus niedriger Habsucht den Augenblick»
wo er wusste» dass Jener am wenigsten im Stande seyn
würde , seine Verbindlichkeiten gegen ihn zu erfüllen **),
um seine Vorschüsse , die sich mit den Zinsen und Zinses-
zinsen schon auf fl. 2020 beliefen 9 plötzlich zurückzufordern,
in der spekulativen Voraussetzung, das ganze Geschäft
sammt dem daraus erwachsenden schönen Gewinn an sich
ziehen zu können. Zu diesem treulosen Verfahren war
er freilich durch den ganz zu seinem Vortheil gestellten
Vertrag einigermassen berechtigt, und da nun der Be-
drängte wirklich kein Geld au£nitreiben wusste, verklagte
ihn sein Gläubiger, und ein sehr partheiisches gerichtliches
Urtheil nöthigte Gutenberg , ihm die verpfändete Druckerei,
und obendrein die ganze Auflage der Bibel sammt dem
Pergament- und Papiervorrath an Zahlungsstatt zu über-
lassen, so dass Fust seinen Zweck, nicht nur in dem
alleinigen Besitz des wichtigen Creheimnisses , sondern auch
*) Die Bewohner von Gemsheim setzten ihrem verdienst-
voUen Mitbürger am 9. Juni 1836 ein angemessenes Denkmal,
welches aus seiner Statue in doppelter Lebensgrösse besteht.
**) Höchst wahrscheinlich war der Bibeldmck nicht yoUendet
und hatte Gutenberg noch keinen Gewinn bringen können.
14
deS'Yorhandenen ganzen Druckapparatg za gelangen , toU-
kommen erreicht sah.
Für den arglosen und biedern y aber nicht weUklugen
Gutenberg musste es äusserst schmerzlich und kränkend
seyn, sich, zumal in seinen dürftigen Umständen, auf
solche ungerechte und hartherzige Weise seiner mit so vieler
Mühe y Zeit und Anstrengung hergestellten Buchdruckerei,
sammt dem verdienten Lohne für seine bisherigen Arbeiten,
plötzlich und für immer beraubt zu sehen« Wie eine treue
Mutter von ihren Kindern , so mag er wohl von seiner
Presse geschieden seyn. Einige Zeit nachher (um Itö?)
nach einem ( muthmasslichen ) vergeblichen Versuche,
in Strassburg neue Geschäftsverbindungen anzuknüpfen,
iBnden vnr ihn wieder in einer ganz neu angelegten
Druckerei > die er mittelst grossmüthiger Geldvorsehüsse
seines Freundes , dea.Syndik Humery 2u Mainz , errichtet
hatte, aus welcher, neben einigen kleinern Schriften^
im Jahr 1460, ein grösseres Werk in Folio, OUholicon
betitelt, eine lateinische grammatisch -lexikalische Compi-
lation des Dominikanermönchs Job. de Balhis von Genua
(de Janua} , mit kleinen Lettern gedruckt , an's Licht trat.
Seinen Namen setzte er jedoch nicht bei, so wenig als
dea firühem Drucken , nannte aber in der Endschrift die
Stadt Mainz als den Ort der Erfindung, und betrachtete
diese, in dem Bewusstseyn ihrer Wichtigkeit, nicht als
blosses Menschenwerk, sondern als ein Geschenk des
Himmels *)•
*} Die auf dem letzten Blatte beigesetzte Endschrift lautet
wie folgt: »Darch des Allerhöchsten Beistand, auf dessen Wink
» der Kinder Zungen beredt werden , und der oft den Kleinen
15
Fttnf Jahre später ( 1465 ) wurde er vom maumgchen
Kurf&rsten (und Erzbischof) Adolf von Nassau» zwar nicht
zur Belohniing für seine Erfindung , sondern fiir geleistete
persönliche Dienste , unter seine Hofleute mit einer Pension
aufgenommen , und Gutenberg folgte ihm in's Hoflager zu
Eltyill im Bheingau ; die dahin versetzte Druckerei aber
verpachtete er an einen ihm verwandten Gehfilfen, Namens
Heinr. Bechtermüntze. Nur wenige Jahre noch war ihm
indess vergönnt , dieie Ruhe und Erholung von allem
Kummer y allen Sorgen und Kränkungen , von denen er
beinahe sein ganzes Leben hindurch verfolgt gewesen , zu
gemessen ; denn er starb schon zu Anfang des J» 1468,
ungefähr 70 Jahre alt, kinderlos , und wurde zu Mainz
begraben. Adam Gelthuss, sein Verwandter , setzte ihm
eine kurze Grabschrift. Seine Druckerei wurde von Niki.
Bechtermüntze (Bruder des Obengenannten) und dessen
Gesellschafler Wigand Spiess von Ortenberg, als nacb-
berigen Eigenthfimem» bis 1477 fortgesetzt.
Ton den undankbaren Zeitgenossen gänzlich verkannt
und vernachlässigt y von der Nachwelt eine lange Zeit
hindurch beinahe vergessen , erwachte erst zu Anfang
unsers Jahrhunderts das GefiihI der Dankbarkeit gegen
iltfen verdienstvollen Hitbfirger in den Bewohnern der
Stadt Mainz; kriegerische und andere ungunstige Zeiten
vereitelten aber die Ausfiihrung ihrer Flaue , bis sie endlich
»enthülU, was er den Weisen verbirgt, wurde dieses vortreff-
»Uche Buch CcUholicon in der achtbaren» der deutschen Nation
» angehörenden StadtMainz, welche Gottes Gfltedarqh dieses hohe
» Geisteslicht und unverdiente Geschenk den tibrigen YÖlkem der
» Erde vorzuziehen utA zu verherrUchen gewürdigt hat, gedruckt
Muod vollendet.«
1«
vor 10 Jähren neuerdings zur Sprache ^gebracht und mittelst
überall gesammelter Beiträge in's Leben gerufen wurden*
Ein grosses Standbild Gutenbei^s, vom berühmten Bild-
hauer Thorwaldsen modellirt und von Grozatier in Paris aus
Bronze- Metall gegossen , mit zwei lateiniscben Inschriften
und zwei Basreliefs am Fussgestelle verseben, ward am
ik. August 1837 auf dem Platz in Mainz , der seit ISOi
Gutenbergs Namen trägt , mit grosser Feierlichkeit enthüllt
und eingeweiht. Das Fest dauerte drei Tage« —
Wir wenden uns wieder zu Fust und Schöffer , die
seit ihrer Trennung yon Gutenberg das Druckgeschäft mit
grosser Thätigkeit, bedeutenden Geldmitteln und grösserer
mechanischer Geschicklichkeit , als der Erfinder selbst,
betrieben. Um Schöffer, diesen talentvollen und ge-
schickten Mann für inmier an sich zu fesseln , hatte Fust
Ihm seine Tochter Ghristina zur Ehe gegeben*. Schon
nach zwei Jahren (1&57) erschien mit sehr grossen und
schönen , nach dem neuen Yerüahren gegossenen Lettern
ein lateinisches PMUeriam (Ghorpsalmbuch) in grossem
Formate^ mit solcher Pracht und Vollendung > wie sie
seither mcht übertroffen worden ist, ein wahres Meister^
stück der Buchdruckerkunst, wovon zwei Jahre später
schon eine neue Auflage folgte. Die grossem und kleinem,
herrlich verzierten Anfangsbuchstaben waren» nach Schöf-
fers Mustern, in Holz geschnitten und mit blauer und
rofher Farbe künstlich gedrackt. Es ist das erOe voOr
ständig datirte Druckwerk ^), also auch in dieser Beziehung
sehr wichtig.
*) WörOioh äbertetst , lautet dessen Bndschrifk also : »Gegen-
»wXrtiges Bach der Pselmen , daroh die Schönheit der Haupt*
17
tn I. iMfä vbltendeteA unsere AoeMniclier' euid zweite»
ebeofiadb schön ge Anicktö , latdnische Ausffabe der Bibel ;
noch im gleichen Jahr aber (in der Nadkt voni 27. mf
den 28. Okt. > erlitt Mainz einen verrätheriscben DebeFÜdl
durch den vofltf Pabste an die Stelle des bisherigen Et»-
bischo& Diether Ton Isenburg gewählten Grafen Molf
von Naissau» der seinen Gegner mit Gewalt zu yerlreiben
suchte, welcher Letztere twar von der Mehrzahl der^
Bürger lebhaft yertheidlgt wurde» ihtti aber dennoch
weichen musste« Bei diesem blutigen, von Brand und
Plünderung begleiteten Kampfe ging die Druckerei in Feuer
auf*), und erst nach 2 -»3 Jahren war sie wieder her-
gesteBt«r — Fust reisete nachher zwemial als Buchhändler
nach Paris, hauptsächlich um Bibeln zu yericaufen»
und starb buchst wahrscheinlich 1466 dort an der Pest.
Sein Schwiegersohn P. Schöffer setzte bis an seinen Ted
(1503) das Geschäft allein fort, und erwarb sich grosses
Ansehen und Reichtbum. Ibter seinen Nacbhommen blühle
es noch bis 1554>.
Das eben erwähnte blutige Ereigniss war,* vielleidit
von der Vorsehung selbst herbeigeführt , die YeranhissüBgv
jybachsUben geschmückt und hiDiftiiglich mit den nntel>schei-
pdenden Rabrlken versehen, ist durch die kfinstliehe BiPfindüng
»zu drucken und Buchstid>en xa bilden , ohne irgend eine Schrift
» der Feder so gemacht und zur Verehrung Grottes mit Fleiss zu
ft Stande gebracht Worden durch Jahann Fust , Bürger zu liCahiz,
»und Peter Schöffer, Yon Gernsheim, im J. 1457, am Vorabend
»der Himmelfahrt.« — Ein (nicht einmal vollständiges) Exemplar
dieses Psalteriums wurde 1817 fQr die königliche Bibliothek zu
Paris um 500 Louisd'or in einer Versteigerung gekauft.
*) Auch die damals noch in dieser Stadt befindliche Guten-
bargische Offlsin scheint bei diesem Vorfalle bedeutend gelitten
zu haben^
2
18
dass die bisher im Geheimen betriebeoe<Kp(||ilt.4ureh die
Gekfilfeiii^ welcbe jejtzt qhiie Beschäftigung waren uud
sioh der ibnen eidlich auferlegten Bewahrung des Geheim-
nisses entbunden glaubten, ausserhalb Mainz verbreitet
wurde *)• Bald waren in zahlreich^i Städten Deutschlands
Druckereien imfiange (bis zum J. 1500 über 200 in 62
Städten und im ganzen Europa in dem nämlichen Zeiträume,
an circa 200 Orten , über 2000). UeberaU wurden die
ausgewanderten Arbeiter mit offenen Armen empfangen«
In Italien verbreitete sich die ZaU der Offizinen am
gchnelbten und stärksten. — In unserm Vaterlande , wohin
die neue Erfindung ebenfalls schon sehr jGrühzeitig gelangte,
wurden die erten Pressen beinahe gldchzeitig (um 1470)
im Fledcen BeromüMter (Kanton Luzem) durch einen
Chorherrn des dortigen Stiftes, Namens Elias Elia von
Lai]tfen, und zu Bcud durch Berthold Rodt; zu Burgdorf
(K. Bern) um 1476 durch einen Unbekannten; zu Genf
um 1478 durch Adam Steinschauer v^i Sdiweinfiirt,
errichtet. Zürich folgte zu Ende des 15. oder mit dem
Anfange des 16. Jahrhunderts , wo Hans am Wasen erster
Buchdrucker war. Vom 16. Jahrhundert ah vemiehrten
sie sich immer stärker. — Die Baseler Offizinen zeichneten
sich schon zu Ende des 15. und vorzüglich im nächst-
folgenden Jahrhundert durch korrekte , schöne Ausgaben
wichtiger klassischer Werke der Römer und Griechen,
*) Da schon vor 1460 ein Älbrecht Pfister zn Bamberg druckte,
und um dieselbe Zeit eine'ganze Bibel (die sogenannte 36zeiligre,
weil die Spalten jeder Seite so viele Zeilen enthalten) herausgab,
so ist anzunehmen , dieser habe schon bei der Trennung Guten-
bergs von Fust (1455) Mainz verlassen und, im Besitze des
Geheimnisses , eine eigene Druckerei in jener Stadt angelegt.
10^
ier Särcheiivät^ u. a. sii^ ans , und wette&ferteir mit den
beröhmteslen Dmekerden Deutsehlands , Frankreichsund
Italiens. Als gelehrte > geschickte und tibätige, auch durch
ihren Charakter achtungswürdige Buchdrucker zu Basd
erwarhen sich Johannes Amerhaeh, Johannes Froben,
Johannes Herbster (unter dem angenonuneneu Namen
Oporin bekannt),; drei ächte- Gutenbergische Jüng^
Johasfies , die nteistea- Yerdienste und den grössten Ruhm ;
in ZüncA hingegien Christoph Frojc^afier (yon 1520-^1564),
deru. a. mit unseim gelehrtea St. GaUisdieaBürgurameister
▼. Watt ( Vadian) ia freundschaftlicher und geschäftlicher
Verbindung stand. — In Genf druckten voa 1553 an
der wegen Glaubensmeinungen voa Paris weggezogene
berühmte königl.BuohdruckerB0bert flieniM (Stephanns)
und nach ihm seia eben so gelehrter und fleissiger Sohln
Heinrich , viele Jahre lapg. — Im 18», Säkuhun erwarben
sich zu BaHlWühelmHaas (gestorben 1800) und sein Sohn
gleichen Namens (gestorben 1888 > viele Verdienste^ und
Torzüg^che Auszeichnung um die Schriftgiesserei und Typo-
graphie ; der Entere durch die Verfertigung geschmack-
voller Schriften, zweckmässigem Bau der Presse aus
gegossenem Eisen ( die sogenannte Münzpre^ ) , die Erfin-
dung mehrerer nützlicher Gegenstände ftir den Schriftsatz,
so wie besonders noch durch die praktische Ausfiihrung
der Idee » Landkarten mit beweglichen Typen und durch
die Buchdruckerpresse zu liefern (die Typometrie) ; der
Letztere iheils als Gehülfe seines Vaters > Aeüs als Vervoll-
kommner der versdiiedenen, oben genannten Gegienstände«
2*
20
Zum ScUuflse dieses Abschnitts noch eine chrono-
logische Uebersicht , in welchem Zeiträume jeder Kanton
die erUe Buchdnickerei erhalten hat.
Bin-
1
Name des Buch-
fah-
Ortsname.
Kanton.
druckers.
rung»
Um
Flecken Bero-
•
1470
ttflnster. . .
Luzern
Elias Elift van Lauffen,
Chorherr.
1470
Basel
Basel -Stadt. .
Berthold Rodt.
1475
Burgdorf. . . .
Bern. ..•»...
1478
Genf
Genf
Ad. Steimehauer , Ton
Schweinfurt.
1500
Zürich . ; . . .
Zürich
Hanns am Wasen.
1530
Neuenburg . .
Neuenbürg . .
Peter de Wingle.
1550
Puschlay ....
Graubünden .
1556
Lausaune . . .
Waadt
Joh. Rjfver.
1570
Zug
Zug ........
Jak. Ätnmon, gleichzeitig
m. Wlfg. K,Landwing,
1578
St. GaHen . . .
St. Gallen . .
Leonh. Straub, von da.
1585
Freiburg ....
Freiburg ....
Abrh. Gamperlin. gleich-
zeitig mit Wilh. Mass.
1590
SchallbauseB .
Schaffhausen .
Hs. Conrad Waldkireh,
Ton Basel.
1646
Sitten
Wallis
1658
Solothum . . .
Solothnrn . . .
Joh. Jak» Bernhard, Ton
■
da, durch Mich. Wehr-
Un, yon Hüttwylen
•
(K. Thurgau).
1664
Stifl Einsied-
len
Schwyz
Stiflsdruckcrei.
11170
Baden
Aargau
Johann Adam Bcddinger,
Buchhändler , durch
Jakob Ämmon.
1670
Herisan
Appenzell . . .
Jak. Redinger, y. Zürich.
1738
Sa^elen ....
Unterwaiden .
Joh. Melch. Vonflüe.
1746
Lauis
Tesßin
Gebrüder AgneUi.
1786
Bischofiell . .
Thurgau ....
Andr. Wehrli, yon da. 1
1798
Glarus
Glarus
Casp. Freuler, yon da. 1
1814
FIttelen
Url
F.'S.SiY.Z'graggen, y.da. 1
1832
Liestal
Basel "Land. .
Banga A Honegger. 1
DI£
iBi9(QiiiiDiav(ss^]sia
Uia> DIE
BDCHDRUCKEREIEIV
IM
KANTON ST. GALLEN.
(1W8 bis 1840.)
Emleitung.
/
m
^ER die örtliche und politische Beschaffenheit und den
Kulturstand der frühem Jahrhunderte unsers Kantons
kennt, den ^rd es keineswegs befremden zu lesen, dass
die Kunst, Bücher zu drucken, ziemlich spät erst, d. h.
mehr als ein yoUes Jahrhundert nach der allgemeinen
Verbreitung der Buchdruckerkunst von Mainz aus, in
demselben Eingang gefunden hat. Hangel an grössern
Städten; dürftiger Schulunterricht, vorzüglich auf dem
Lande ; mittelalterliche Einfachheit in der Erziehung und
ganzen Lebensweise des Volkes ; drückende Unterthanen-
Verhältnisse in den verschiedenen geistlichen imd weltli-
chen Herrschaften und Land vogteien ; langsame Fortschritte
der Geistesbildung, als natürliche Folge eben dieser Zu-
stände: dieses Alles konnte der segensreichen Erfindung
Gutenbergs unmöglich einen gut zubereiteten Boden
anbieten, und ihre Verpflanzung auf denselben konnte
begreiflicherweise nur sehr spät und mühsam erfolgen.
Eine Ausnahme machten einzig die beiden über das ganze
Land hervorragenden Punkte : die Abtei St. Gallen , seit
Jahrhunderten schon berühmt durch Gelehrsamkeit und
Wissenschafilichkeit ihrer Bewohner ; und ihre Nachbarin,
die kleine Republik der Stadt St. Gallen , ausgezeichnet
durch den weit verbreiteten Handel mit ihren Leinwand-
fabrikaten und den blühenden Wohlstand der Bürgerschaft.
An einem von diesen zwei Orten haben wir daher natürli-
cherweise die erste Druckerpresse zu suchen , und wirklich
finden wir sie in der Stadt St. Gallen zuerst in Thätigkeit.
»
Wenn noo aach grössere Städte der Schweiz« z. B.
Zfiricli, Basel, Bern, Lausanne und fienf, uro Gelehr-
samkeit , ii^ünste und Wis^easchafien damals schon bliihelen,
längst aiwsehniiche Bnchdruckereien besassen, Ae eine
solche in St. Gallen errichtet wurde , so blieb letztere
Stadt dennoch nicht weit hinter mehrem Sehwestem
ihres Rangs in iinserm Vaterlande zurück, und .eilte sogar
andern lange Yor> Und weil die hiesige Bürgerschaft
schon zu jener Zeit ihre intellektuellen und ökonomi-
schen Kräfte bejnahe ausschliesslich dem Handel und
der bidustrie zuwendete, und daneben der Hang oder
die Gewohnheit, meist nur Schriften religiösen Inhalts zur
Lektüre zu wälden, dur4;h einheimische und firemde Büdier«
händler leicht befriedigt werden konnte *), se war die
Entbehrung einer eigenen Buchdruckerpresse , bei ohnehin
wenigem Stoffe zu deren Beschäftigung, dem St« Galler
dme Zweifel nicht sehr f&hlbar , und danun auch die etwas
späte Aufiiahme d^ Buchdruckerkunst im Grunde weniger
auffallend, als es auf den ersten Blick scheine« möchte.
*) In St. Gallen hatte schon nni die Hitte des 16. Jahrhonderts
Jeden Freitag und Samstag ein , nnterm 6. Dezember 1564 obrig-
keitlich geregelter Büchermarkt statt, und an SonnUgen war ein-
heimischen wie fremden Bücherhftndlem erlaubt ^ ihre Waare
öffentlich feil zn bieten.
Damals befanden sich hier zwei »BachfÜhrer«., Emanuel and
DafoidHaUer; der Letztere wer zugleich deutscher Schalmeister.
In einer Urfehde , die dieser 1565 in St. Fiden beschwor , wird
er Bochdmcker genannt. -^ Um eben diese Zeit lebte hier auch
ein Schallehrer, Hans Gebentinger, der zpm Drucke bestimmte
Handschriften nach Zflrich und Basel besorgte, wo er mit Bach-
draekem nnd Bnchhin^tem in Yerbindang stand.
f^on denBuchdrttckern in der Stadt St.Gallen.
( 1378 - 1840. )
CBSsaBa^iB:^esBaaaa
Das Merkwflrdigste aas dem lieben des Leon«
liard Straub 9 ersten Boehdruckers«
(1578 — 1607- )
Sein entes Wirken in der Vaterstadt.
(1578 — 1584.)
Leonhard Stravb wurdeiin J. 1550 in St. GaHen geboren;
sein Vater Jakob Straub » mathmasslidi ein Ch^ldarbeitery
bekleidete mehrere Aemter , unter andern das eines Stadt*
ammanns. Die Mutter hiessyeronicaWiedenbuber. — Da
über des Sohnes Erziehung , Familienverhältnisse und Lehr-
jahre durchaus keine Nachrichten sich vorfinden, so lässt
sieh einzig aus dem , was aus seinem Berufisleben bekannt
ist, so wie aus seiner Geschäftsführung, im Allgemeinen
schliessen, er habe eine gute Schulbildung genossen, sey
der lateinischen Sprache mächtig, in seiner Kunst wohl
erfahren gewesen, und habe mit diesen Eigenschaften
grosse Thätigkeit, ausdauernde Beharrlichkeit und viel
Unternehmungslust verbunden. Aus seinem biedern und
entschlossenen Charakter , der sich nicht leicht entmuthigen
liess, blickte zuweilen einige Unbiegsamkeit , ja sogar
26
Verschmitztheit hervor, die freilich durch widrige Schick-
sale häufigen Anlass fanden , sich zu äussern.
Straub hatte schon das 28ste Jahr erreicht, und war
seit vier Jahren mit Anna Schlum{if verehelicht» als er,
vermuthlich eben von der Wanderschaft zurückgekehrt,
im Mai 1578 vom Magistrate die Erlaubniss erhielt , eine
Buchdruckerei zu errichten; er musste aber einen Eid
schwören, dass er ohne vorhergegangenes Durchsehen der
zur Büchercensur Verordneten (welche Stellen bei diesem
Anlasse neu besetzt wurden) und ohne die jedesmal
erforderliche besondere Erlaubniss der Obrigkeit, gar
nichts drucken wolle*).
Schon der Anfang von Straubs Auftreten als selbstän-
diger Buchdrucker war von Umständen bereitet, die
gleichsam für ein Vorspiel der auf ihn wartenden IkGss-
geschicke und Kämpfe gelten konnten, und die» ohoe
seine Schuld , nicht allein ihm selbst viele Verdriesslich-
*) Die unbeschrXnkte Dmckfreiheit , die nach Brflndang der
Buchdruckerkanst herrschte, wurde noch im gleichen (15.)
Jahrhundert durch kirchliche Machtsprüche aufgehoben, und
daitlr überall das Beaufsichtigungsrecht des Druckes (Bücher-
censur) eingeführt, dasselbe in der ersten Hälfte des folgenden
Jahrhunderts durch Reichstagsbeschlüsse und kaiserliche Befehle
«meuert und deren Handhabung den Landesobrigkeiten, bei ihrer
eigenen Verantwortlichkeit, überwiesen« Diesen Beschlüssen
und Befehlen mussten die Regierungen der Schweizerkantone,
▼ermöge der damaligen Yerhältnisse des deutschen Reiches zu der
Schweiz , sich auch unterziehen. — Der Grad der Strenge oder
der Milde der Censurvorschriften und der^ Massregeln fgegen
Pressmissbrauch hing aber doch grösstentheils ron den Ansichten
nnd Grundsätzen der Landes- o4er Stttdtebehörden ab » und wohl
mochte an vielen Orten der Eidgenossenschaft, und darunter
hauptsächlich in St. Gallen, die Censur beinahe aln strengsten
gebandhabt worden seyn.
17
keiten und Nachtheil verursachten , sonderD sogar für
seine Mitbürger Ton unglücklichen Folgen hätten seyn
können»
Straub , ein Kenner der mathematisehen und astrono«
mischen Wlssensohaften , verfertigte, und druckte nämUch
einen WandkaUnder auf das nächstfolgende Jahr 1579 ; der
erste Kalender y der in hiesiger Gegend selbst gefertigt und
gedruckt ward* Er ist das älteste bisher bekannte und jeden«
falls eines der eräm Erzeugnisse Straubschen Kunstfleisses*
Ein einziges Exemplar desselben ist glücklicherweise wohl-
erhalten auf uns gekommen, weil wegen des durch sein
Erscheinen herbeigeführten Ereignisses, ein solches als
Corpw (Midi mit den andern -darauf bezüglichen Akten^
Stücken amtlich aufbewahrt werden musste. — Auf diesem
Kalender, der aus zwei zusammengeklebten Bogen besteht
und mit einem Landkärtchen , von den Umgebungen des
Bodensee's, geziert ist, waren die Wappen der diamals
bestehenden 13 Kantone, nach ihrer Rangordnung am
linken Rande angebracht. Diese , wie das Kärtchen , sind
theilweise roth gedruckt *) und von geschickter Hand
gezeichnet und in Holz geschnitten.
Ganz unerwartet fingen die Appenzeller, nachdem dieser
Wandkalender in ihrem Lande sich verbreitet hatte, einen
heftigen Lärm an wegen dem Wappen ihres Kantons ( ein
anfirecht stehender sdiwarzer Bär, ohne Halsband, in
weissem Felde), indem sie sich beklagten, dem Bären
fehlen die Kennzeichen eines Männchens , folghch stelle er
absichtlidi nur ein Weibchen dar» um ihr Wappen, und
*) Jeder einzelne HolzschniU erforderte demnach ein eigenes
Stöckchen für die schwarze and eines für die rothe Farbe.
dadurch zugleich das Land selbst , zu beschimpfen. Für
diese yenneintliche Beschimpfung verlangte nun Appenzell
schleunige und genügende Satisfaktion von der Obrigkeit
in St. Gallen y während das Volk jenes Landes von seiner
Regierung schon ermahnt ward , zu einem feindlichen Zuge
nach St. Gallen sich zu rüsten, obgleich der Buchdrucker
sogleich beweisen konnte, die Wappen seyen genau die-
selben f die zwei Jahre früher auf einem Baseler Kalender
erschienen seyen, über den man damals keine Klage
vernommen habe.
Die Appenzeller waren aber jetzt wegen vermeint-
licher Beeinträchtigung im Leinwand- und Gamhandel
von Seite der Stadt, gegen diese aufgebracht und, wollten
nun diesen Anlass benutzen , um ihtem gegen St. Gallen
gefassten Grolle Luft zu machen , wie solches, sammt dem
ganzen Hergange der Sache, in Walsers Appenzellerchronik
und Hartmanns Geschichte der Stadt St. Gallen ausföhrlich
und treu erzählt ist. — Durch das Anerbieten des St. Galli-
schen Abtes Joachim , als guter Nachbar beider Partheien das
Schiedrichteramt zu übernehmen , um den Ausbruch von
Feindseligkeiten zu verhüten, der bei der herrsehendenErbit-
t^nmg sonst unvermeidlich gewesen wäre, wurden der das
Wappen betreffende Klagpunkt nebst den andern Beschwer-
den gütlich ausgeglichen, und zwar, zur Besänftigung des
erbitterten Bergvolkes, die Kalendersache auf solche Weise,
dass Straub in Gegenwart von St. Gallischen und Appen-
zellischen Abgeordneten Abbitte leisten und eidlich erklären
musste, er habe das Wappen, dessen Abbildung so leiden-
schaftlich angefochten und lächerlich missdeutet worden*),
*) Wie dieses noch in handschrifUichen Chroniken in lesen ist.
nidit aüis boshiAer Absieht, sondern »nnr aus Einfidi«
also abgedruckt. Die nodi uayerkauft gebliebenen Exem-
plare waren gleich anfangs yon hiesiger Obrigkeit zu Händen
genommen worden, und wurden im Beiseyn der Appen-
zeller Gesandtschaft vernichtet. Straub musste sich also,
zum Besten der bedrohten Vaterstadt, diese ungerechte
Demüthigung der Abbitte gefaUen lassen und üb^rdiess
einen Theil der Auflage seines Kalenders dem Frieden
zum Opfer bringen 1
Weil Straub mit der wenigen Beschäftigung« welche
seine Vaterstadt ihm darbieten mochte, wahrscheinlich
sein Auskommen nicht finden konnte , iiberdies auch sis
thätiger, unternehmender Mann auf Erwmterung und Hebung
seines Geschäfts bedacht war, fing er an, die Pressen
mit Arbeiten fiir seine eigene Rechnung zu beschäftigen,
wurde also, nach dem Beispiele der meisten Buchdrucker
bis in's 16. Jahrhundert, Verlagshändler, d. h. Selbst-
yeikäufer seiner Drudce *). — Dass die meisten seinet
Verlagsscbriften h»iptsächlich für den Verkauf an der
FranUurter Büchermesse (weit älter als die Leipziger
Messe und zu jener Zeit Ton den schweizerschen Ver-
legern stark besucht) berechnet waren, ist leicht einzu-
sehen. Ob aber Straub sich, wie Andere, persönlich dahin
verfiigte, oder den Absatz durch einen Commissionnär
habe besorgen lassen , ist gänzlich unbekannt« Bei solchen
Unternehmungen stellten sich ihm* aber mehrmals Hem-
mungen und Hindernisse in den Weg, aus denen ihm
*) Erst um diese Zeit begann der Buchhandel sich yom Buch-.
drtieke zu trennen und ein eigener selbständiger Geschäftszweig
zu werden.
30
einerseits TieleVeidmsslichkeitenerwttchseiiy und die ander*
«eits ihn grosse Nachtheüe gebradit haben mögen; wir
memen den langsamen Gntg der Censunrerriehtmigen und
die Verbote , dieses oder jenes Buch m drucken«
Das Einemal betraf ea den Nachdruck einer der Schriften
des zur ReformatioQszeit berühmten schiesischen Sekturers
Sehwenkfeld , die ein halbes Jahrhundert früher in Deutsch-
land und der Schweiz gros&es Aufsehen erregt , viele Leser
gefunden , von Yadian aber widerlegt worden waren. Ein
anderes Mal hatte er in seine »Praktik^ (Hauskalender)
einen Artikel aufgenommen, der die Censur nicht paasirt
hatte, und welcher Anstösriges gegen die Messe der Katho-
liken enthielt; •— ein drittes Mal war es ein anderes Buch,
dessen Druck nicht bewilligt werden wollte , wiewohl es
meistens Bücher betraf, die früher anderwärts mit Censur-
bewilUgung erschienen wareui
Ohne Zweifel hatte Straub in dem im Jahr 1581 gegen
t. 15 jährlichen Miethzinses bezogenen, seit der Refor-
mation leerstehenden Gebäude des Nonnenklosters zu St.
Leonhard, eine halbe Viertelstunde ausser der Stadt ge*
legen *), sich vor Nachstellungen undEntdedEungm sicher
geglaubt und in dieser Meinung sich zu Umgehung der Censur
verleiten lassen ; allein jedesmal kam es , bald früher » bald
später an den Tag , und die gewöhnlichen Folgen davon wa-
ren amtliche Druckereivisiten , Audieferung des heimlich
*) Anfänglich hatte er seine Bachdnickerei in der väterlichen
Wohnung an der Webergasse aufgestellt; das Haus stand auf der
Stelle, den jetzt ein Theil des Gebäudes »zur grünen Thüren
genannt, einnimmt. Nachdem aber sein Geschäft ausgedehnter
geworden , gebrach es ihm bald an Raum und er musste sich
nach einem andern Lokal umsehen.
31
GedradEten, Warmmgen, Drohungen imt obrigkeitUelier
Ungnade und Strafe, erneuertes Angeloben pünktlicher
Beobachtung der beschworenen Pflichten, sogar auchAen^
derungen im Gensorenpersond«
Eine nochmalige Versuchung, der er nach Yerfluss
eines Jahres seit dem letzten YorCBÜile unterlegen war,
statt sich denselben zur Warnung dienen zu lassen und von
nun an den bestehenden Yerfögungen über die Presse sich
zu unterziehen, hatte zur Folge, dass der in seinerNachsicht
endlich müde gewordene Rath ihn durch UrtheÜsspruch
Yoni 5* Oktober 1584 des Bürgerrechts verlustig 'Erklärte
und sanunt Frau und 5 Kindern aus der Stadt und' deren
Gebiete für immer verbannte.
Aof sokhe Weise verlor St. Gallen seinen ersten Buch-
drucker , einen geschickten , industriösenMann, der seinen
Mitbürgern die so wichtige und einflussreiche Kunst des
Bücherdrucks zugefi&hrt hatte, aber die drüdkenden Fesseln,
welche der fireien Ausübung seines Berufes bald durch über-
triebene Behutsamkeit und Aengstlichkeit in historischen
und religiösen Materien, bald durch die allzustreoge Recht-
gläubigkeit seiner Vorgesetzten angelegt wurden , nicht zu
tragen vermochte , weil derartige Beschränkungen sowohl
seiner freien Denkungsart, als seiner persönlichen lieber-
Zeugung gindich widerstritten , wodurch er dann zum Un»
gehorsam gegen die Verfiigungen seiner Obrigkeit verleitet
worden war, wozu allerdings sein etwas unbiegsamer Gha*
rakter auch das Seine beigetragen haben mag.
Als ein gewichtiger Beweis seines unternehmenden
Geistes und gemeinnützigen Sinnes darf die Erbauung einer
Pupierfabrik zu Aich beimDorfe Tübach, unweit desFleckens
32
Rorschach, welche er 1582 unteraoinmefiy tfm so weniger
▼ergessen werden, als ein solches Unternehmen nidit allein
mit grossen Kosten verbunden , sondern höchst wahrschein->
lieh das erste Gewerbe dieser Art in der östlichen Schweiz
war *).
Dass in der Straubschen 0£Szin lebhafte Thätigkeit ge-
herrscht haben müsse 9 geht daraus hervor, .dass, als die
Arbeiter im Januar 1582 ein Schauspiel »vom verlornen
Sohn« aus der Feder des Hans Sachs von Nürnberg **) mit
obrigkeitächer Bewilligung Öffentlich aufführten, 13 Schau-
spieler auftraten, unter denen einige Bürger sich befanden;
ob aber diese auch Buchdrucker oder nur Hitspielende wa-
ren , kann freilich nicht untersucht werden*
Von der sehr kleinen Zahl Straubscher Druckschriften,
die sich noch erhalten haben , folgen hier die Titel, nach
der Zeit ihres Erscheinens geordnet.
Aus dem Jahr 1579 ( die älteste} :
Testimonia de praecipuis vera et christianae Religionis capi-
tibus, ex Sacra et Canonica Prophetarum etApostolonim
scriptura, veterumque Orthodoxorum Patrum Kbris col-
lecta, per Davidem Weterum, Sangallensis EcclesiaB Mi*
nistrum. 8.
Dieses Büchlein hat das Eigenlhümliche , dass es in Aldi-
scher Manier ganz mit Cursiyschrift gesetzt ist und keine Seiten-
- •
*) Die Papierfabrik »an der Krktzern«, beisEi Borfe Brnggen ,
Würde erst 22 Jahre später (1604), auf Veranstaltung des Abts
Bernhard II., erbaut, und yon ihm zu einem Stiftslehen ge-
macht. Sein Wappen ist neben der Hausthflre in Stein gehauen
zu sehen.
**) Dieses hier gedruckte Schauspiel hat den Titel: mAeoleU"
»tiM. « Ein Gomedia von dem Verlornen Son. Auss dem H.
» Luc. am 15. gezogen durch den weitberümpten Poeten Hans
» Sachsen zu Nürnberg. In Y. Actus gesteh ynnd in Truck ge-
»geben.« 8.
33
zAhlen hat. Es ist dem St. Gallischen HagistrMe dedizirt. Auf
dem Titel beflndet sich das grosse Str GalUsche Wappen. ES'giebt
aach Exemplare mit der Jahrzahl 1580^
1580.
Galendariumromanumethnic» vetustatis, e variis ancforibus
collectum a Job. Rassio. 4.
Calendarium. Explicatio solaris et lunaris anm quaniitatis
aliarumquererumadCalendariamRomaiium explicandmn
pertinentium. 4.
Gerichtsteufel , darinnen gezeigt vnd gehandlet wirt , wie
vnd in was massen der leidig sathan bissweylen ynordnung
vnd Zerrüttung in Gerichten durch die luchter, Cleger,
Beklagten, Advocaten, Procuratoren, Zeugen vnd der-
gleichen Personen y so zu einem ^Gericht gehören , an-
richten thut. — ZuEnd ist auch angehenckt der Gerichthch
Process durch Georgen am Wald, der Rechten Licen-
tiaten, Philosophie vnd beider Artaieien Doctom. 4.
1581.
Todtentantz, Durch alle Stendt der Menschen, darinnen jhr
herkommen vnd endt, nichtigkeit vnn sterbligkeit, als
in einem Spiegel zu beschawen, filrgebildety vnn mit
schönen Figuren vnn guten Reimen geziert, notwendig
auch lustig allermeniglichen zu lesen, hörea vnd wissen.
Das Buch enthält 41 Holzschnitte nach David de Neckers
Todtentanz, sammtText zu jeder Abbildung (das Blatt des Ehe-
brechers ist , wahrscheinlich durch Gensurverstümmelung, wegge-
lassen). Ob Straub die Holzschnitte in der von de Necker im
Jahr 1572 zu Leipzig herausgegebenen Edition nur als Muster
benutzt oder aber die Holzstöcke selbst von deren Verleger an-
gekauft habe *) , ist nicht ausgemittelt. -* Diese Si, Galler Aus-
gabe ist leider so selten» dass keine Exemplare hierzu finden
und auch keine irgendwoher zu bekonmien sind.
Htpperii, Ä., DialecticsLiber unus, ejusdem Rhetoricaß Li;
ber unus. Editio 2da. 8.
*) Zu jener Zeit gingen die Holzstöcke eben so hlufig von
einem Yerlage zum andern Über , als später die Kupferplatten
und heutzutage Holzschnitt- Abgüsse und Lithographien zu grös-
sern und kleinem Werken.
3
3&
Hat eine Vorrede des Bnchdrackers an den Leser und 15
Seilen Register.
Calendarium perpetuum , continens solis ortum et occasum
in locis Europaß sub elevatione poli gradus 42 ac etiam
41 et 43 gradibus sitis. — Roma caputmundir 16.
1582.
Von der Fürsichtigkeit Gottes, zehen Predigen dess uralten
und christlichen Lehrers Theodoreii, auss griechischer
Sprach in Latein gebracht durch Herrn Rudolphen Wal-
ther , Diener der Kirchen zu Zürich. Neulich verteutscht,
durch Job. Jakob Bauwmann von Zürich , mit sampt einer
Vorred M. Johansen Brantmüllers, Dieners der Kirchen
zu Basel. 4.
1583.
Ander Theil des Schatzes Evonymi, von allerhand künst-
lichen ynd bewerten Oelen, Wasseren, vnd heimlichen
Artzneyen zu allerley Kranckheiten aussen vnd in Leib
oder sonst zu brauchen, sampt ihrer ordenlichen berey-
tung, vnd dienstlichen Figuren. — Erstlichen zusammen
getragen, durch Herren Doctor Cunrat Gessner, der
Artzneyen Doctor Zürich in Latin beschrieben vnd in
Truck gefertiget, jetzund aber newlich von Job. Jacobo
NüschelerDoctommXeutsche Sprach vertolmetschet. —
In Verlegung Josias Gessners von Zürich.
Der Text begannt mit einem 14 Zeilen längen , die H&lfle einer
Zeile breiten, mit kalligraphischen Verzierungen in Holz geschnit-
tenen Anfangsbachstaben.
Schryb-Calender samt der Pratic, ynd den Jahrmärkten.
Darnebend mancherley Historien ynd natürhche Sachen
fast kurzwylig , auch zum TheiLnutzlich vnd nolhwen-
dig zu wüssen (u. s. w. )
Dieser Kalender verdient um so eher erwähnt zu werden , als
er , ausser einem Zürcherschen aus dem Anfange des 16. Jahr-
hunderts , der erste Yolkskalender in der Schweiz war. Auf
Seite 30 dieser Schrift wird er , aus Anlass eines dabei Torge-
falienen Gensuryergehens, erwähnt.
1584.
Calendarium romanum »thnic» yetustatis , a Jöh. Rassio. 4.
35
Jedes Jahr gab also Straab , wie obige Titel daithnn , einen
durch denAslronomen Job. Rasch abgefassten wissenschaftlichen
Kalender heraus.
Eine Predigt des hl. Gallus , am Tage der Einsegnung
eines neuerwählten Bischofs von Constanz daselbst gehalten,
die bis um's J. 1712 in der hiesigen Stiftsbibliothek in Hand-
schrift aufbewahrt lag» soll, zufolg einer Chronik -Notiz,
aus L. Straubs Presse im Druck erschienen seyn. — Leider
ist auch von diesem Produkte nichts mehr vorhandeii *).
Leanhard Straub drueki , mit Beistand seines Jüngern Bruders
Georg , zu Aich bei Rorschach und in Constanz.
(1584 — 1607.)
Einige Jahre nach seiner Y erhannung treffen wir unsem
Straub mit dem Buchdruckereigewerb bei seiner Papier-
fabrik zuj^cb wieder in voller Thätigkeit. Wiewohl die
erste Spur davon erst aus dem J. 1588 ist, dürfte dennoch
ab wahrscheinlich anzunehmen sejn, er habe sich un-
mittelbar nachdem er St. Gallen verlassen, hieher begeben.
^ Im nahegelegenen Rorschach , einem wegen seiner gün-
stigen Lage für Waarenversendungen und wegen seiner
Märkte lebhaften und häufig besuchten Flecken, wo er sich
das Einsassenrecht erwarb , errichtete er zu gleicher Zeit
einen Buch- und Papierladen. Auch in der Stadt Constanz,
damalsSitz eines Bisehofe-und einer zahlreichen Geistlichkeit,
und überdies fiir den Geschäftsverkehr sehr wohl gelegen,
*) Diese Predigt findet sich abflredmcfct in ^des Canisku Lsotiö''
nes antiqum und in »Haid, das Licht des Evangeliums. St. Gallen
1814.«
3*
MUlA,(t\
36
verschaffte er sich , als umsichtiger ^ klug berechnender und
unermüdetthätiger Geschäftsmann y die Niederlassung, wie-
wohl sich längst schon Buchdruckereien dort befanden.
Einen Theil der seinigen verlegte er nun hieher, kaufte ein
fiir seinen Buch- und Papierhandel vortheilhaft liegendes
Haus 9 und eröffnete auch da einen solchen Laden. Eine
kleine Schriffgiesserei besass er ebenfalls , nach dem Beispiel
aUer grossem Offizinen, seit Erfindung der Kunst, bevor
nämlich dieser Zweig der Typographie sich ( im 17. Jahr-
hundert] allmählig von der Buchdruckerei trennte , um als
selbständiges Geschäft betrieben zu werden. Auch einen
(oder vielleicht mehrere] Formschneider hatte er in sei-
nem Dienste.
Der lästigen Censur war Straub jetzt freilich los,
wenigstens auf des Abts Gebiete, weU hier bisher keine
nöthig gewesen war, und auch jetzt wurde , so viel bekannt,
keine Censurmaassregel eingeführt ; somit genoss der erste
Buchdrucker in der fürstlich sanktgallischen Landschaft
völliger Freiheit der Presse. Dagegen erwarteten ihn Ifiss-
geschick, Sorgen und Verdriesslichkeiten anderer Art, die
beinahe seine beständigen Begleiter waren.
Wahrscheinlich um sein jetziges Fortkommen zu sichern,
vielleicht auch behufs seiner Niederlassungen in Rorschach
undConstanz beinahe dazu genöthigt, trat Straub (und ohne
Zweifel seine Familie mit ihm] zum katholischen Glauben
über. Wer bei der damals herrschenden scharfen Trennung
der Confessionen die Schwierigkeit, vielleicht gar Unmög-
lichkeit, bedenkt, als reformirter Familienvater, besonders
als Buchdrucker , an einem einzig von Katholiken bewohnten
Orte , wo ein zahlreicher Clerus sich aufhielt — zu wohnen.
37
der wird dem Yerbannten diesen Schritt nicht schlimm aus-
legen y von welchem wahrscheinlich seine und der Seinen
fernere Existenz und das Gedeilien seiner verschiedenen
Berufszweige abhingen.
Straub beschäftigte in Constanz allein mehrere Pressen,
und die bedeutendsten Arbeiten wurden hier unter seiner
persönlichen Leitung ausgeführt, da er fast immer hier sich
aufgehalten zu haben scheint, wo auch seine Familie
wohnte. — Aller Emsigkeit und Anstrengungen ungeachtet
wollte aber das Glück unserm Straub dennoch nicht günstig
seyn. Das ftir die Erbauung seiner Papierfabrik aufgenom-
mene Kapital von fl. 3000 ; die verschiedenen Zweige seines
ausgedehnten Geschäfts, die täglichen Ausgaben für dessen
Betrieb , mussten nothwendig zuweilen seine pekuniären
Hülfsquellen übersteigen und ihn somit in Geldverlegen-
heiten versetzen, so dass er seinen Verpflichtungen gegen
seinen Creditor ( den Kaufmann Georg Zyli in St. Gallen )
nicht mehr nachkommen konnte ; und dieser , von falschen
Grundsätzen ausgehend, erschwerte unklugerweise und
gegen eigenes Interesse, während der, bis zu erlangter
Deckung seiner Forderungen selbst übernommenen Betrei-
bung der Papierfabrik und der Druckerei zu Aich , seinem
Debitor die Geschäftstätigkeit dermassen , dass dieser da-
durch in grossen Schaden und überdiess in die peinlichste
Verlegenheit versetzt wurde , weil ihm wegen verspäteter
Beendigung einer bestellten bedeutenden Druckarbeit, fttr
welche' er eine beträchtliche Summe erhalten sollte , ein
sehr empfindlicher Nachtheil drohete. Dies geschah im Jahr
1588 , als für den Bischof von Ghur ein grosses Messbuch
zu Constanz unter die Presse kam , das zu einer festgesetzten
38
Zeit abgeliefert werden sollte. Straub hatte sich freiwillig an-
heischig gemacht , dasselbe for Rechnung Zyli's zu drucken
und erbat sieh nur einen Geldyorschuss zu Bestreitung der
Druckkosten , wurde aber mit diesem Gesuch ab- und an
den Bischof gewiesen , welcher den Beseheid ertheilte : so-
bald das Werk nach Ghur abgeliefert seyn wfirde , werde
die Bezahlung erfolgen (f&r jedes gebundene Exemplar
fl. 4 ) ; das Geld liege schon bereit* Statt nun , zufolge be-
stimmter Abrede und Versprechens , das dazu erforderliche
grosse und starke Papier in hinreichendem Vorrathe stets-
fort zu liefern y damit die in 2 Pressen begonnene Arbeit
nicht aufgehalten werde , beliebte es ihm häufig, Schreib-
und Packpapier für die Kaufleute, »damit es Geld gebe«,
fabriziren zu lassen ; und als im Spätjahr durch die ausge-
tretene Goldach das Räderwerk stark beschädigt worden
war,- so dass täglich nur ein kleines Papierquantum (vom
Messbuchpapier wahrscheinlich gar nichts) geliefert werden
konnte , wollte er nichts an die Ausbesserung verwenden,
sondern zog sich ganz zurück und liess den von Baarschaft
ohnehin beinahe ganz entbtössten Straub mit dem beschä-
digten Werke, allen Arbeitern und dem angefangenen
Bf esd)uche in der grössten Noth stecken , so dass , nach
Straubs Aussage , 8 Arbeiter viele Wochen lang feierten,
während er tie gleichwohl beköstigen und jedem 25 Batzen
Wochenlohn geben musste. Der Bischof von Ghur aber,
des langen Wartens völlig müde , drohete ^endUch , nach
mehrem vorhergegangenen Mahnungen, die Messbücher
gar nicht mehr annehmen , sondern eine andere Ausgabe
in Venedig drucken lassen zu wollen. Der bedrängte
Straub war jetzt gezwungen , damit nicht Alles zu Grunde
39
gehe 9 seine Gonstanzische Druckerei u« s. w. im Stiche
zu lassen und die Papierfabrik in Aich zu übernehmen,
ohne jedoch im Stande zu seyn, den Schaden, welchen
die letztere erlitten , sogleich ausbessern zu lassen. Nach-
dem dann, freilich zu Straubs grösstem Nachtheile, das
Aushülfismittel ergriffen worden, nur die Hälfte der
Auflage , d. h. iii'OO statt der bestellten 800 Exemplare,
einstweilen fertig zu drucken, und somit das Werk zu
An£ang 1589, zwar sehr verspätet, doch endlich glücklich
'Vollendet wurde, liess Straub, jedoch erst nach Beseitigung
neuer Schwierigkeiten und abermaligem Zeitverluste *),
dem Bischöfe durch zwei Arbeiter zwei Exemplare nach
Chur überbringen, damit er sich von der Vollendung
seines Messbuches durch den Augenschein überzeugen
könne und den Betrag, oder doch einen Theil , der Druck-
kosten ausbezahle. Weil er sich aber zufällig eben in
Tirol aufhieltj. und der Dompropst in Chur sich der Sache
gar nicht mehr annehmen wollte, musste einer der Boten
mit einem Exemplare den Bischof dort aufsuchen, der dann
auch dem Udlierbringer eine Abschlagszahlung einhändigen
liess. — Alle diese Widerwärtigkeiten hatten jedoch imserm
brafen Typogr^ihen, bei seiner beharrlichen Ausdauer, den
Muth und die Liebe zum Geschäfte nicht geraubt, denn er
förderte ein in jeder Beziehung schönes Werk zu Tage,
*) Wegen einem zwischen Zyli und einem Baseler Bachbinder,
dem das Einbinden yerdingt gewesen , entstandenen Rechtsstreite
war die ganze Auflage bei'm bischöflich - conslanzischen Obervogt
zu Arbon in amtliche Verwahrung gelegt worden , wo sie , bis
zu Austrag der Sache , mehrere Monate lag , und nur mit grosser
Mühe konnte Straub 2 Exemplare heraus kriegen.
M
das seinem Kunstfleisse grosse Ehre macht (s. unten die
nähere Beschreibung desselben).
In einem mehrere Jahre später zwischen Zyli und
Straub entstandenen Prozesse kam es so weit^ dass
(1596) die Papierfabrik auf gerichtliche Versteigerung
gebracht, von Zyli aber, ohne Zweifel als Hauptkreditor,
das Zugrecht gebraucht wurde, worauf zwischen den Beiden
ein Uebereinkommniss vor dem liirstL St^ Gallischen Pfalz-
rathe zu Stande kam , kraft welchem die Papierfabrik, unter
Uebemahme alier Beschwerden, Schulden und Zinse, ihrem
ursprünglichen Besitzer (Straub}, unter der Bedingung
wieder übergeben ward , dass er sowohl diesen Gewerb,
als die mit Arrest belegt gewesene Constanzische Offi-
zin seinem Gläubiger in der Stadtkanzlei zu St. Gallen
als Unterpfand verschreiben lasse. Zugleich musste der
Schuldner sieh zur Abzahlung von fl« 800 binnen den
nächsten fünf Jahren anheischig machen , wofiir sich der«
Abt von St, Gallen , Bernhard 11. , als Bürg und Zahler
stellte^
Um diese Zeit traten Leonfaard Straub und sein schon
erwähnter Bruder Georg in eine förmliche Geschäftsver-
bindung mit einem Gonstanzischen Edelmanne , Macharius
Keller v. Steinberg *) , damals Hofschreiber zu Rorschach,
der eine Einlage von circa fl. 1000 brachte^ -^ Aus manchen
Umständen lässt sich schliessen, es habe dieser das Handels-
haus Zyli fuf dessen Forderungen an Straub ausgelöst^
dessen auf der Papiermühle stehendes Kapital an dasselbe
zurückbezahlt, dagegen, wie natürlich, das Unterpfand
sich selbst verschreiben lassen. — Leider gerieth Straub,
*) Besitzer des im unternThargattliegeadenScJtüossesSaiidegg.
41
vom Migsgeschicke beständig verfolgt, durch diese Ver-
bindung beinahe vom Regen in die Traufe; denn Keller
war durchaus nicht der rechte Mann für ihn und für eine
solche Sozietät. Nicht allein besass er keine Kenntnisse
von den verschiedenen Geschäftszweigen , sondern er war
tiberhaupt als ein Querkopf bekannt, mit dem nicht gut
auszukommen sey ; und aus diesem letztern Grunde wollten
die Bewohner Rorschachs ihn nicht als -Einsassen auf-
nehmen. Es dauerte auch wirklich nicht lange, so brachen
Missverständnisse und Uneinigkeit zwischen den Gesell-
schafter» aus, herbeigeführt einerseits durch das Unver-
mögen der beiden Strauben, das Kapital zu verzinsen oder
gar daran abzuzahlen; sodann durch die Geldverlegenheiten
Kellers (dessen Vermögensumstände den grossen und immer
wiederkehrenden Ausgaben, die er kontraktgemäss zu
bestreiten hatte, nicht gewachsen waren) ; anderseits aber
durch Kellers vorgefasstes Misstrauen gegen die Erstem,
denen er eigenmächtiges und willkührliches Verfahren in der
Geschäftsführung vorwarf, nämlich dass Leonhard beinahe
immer in Constanz sich aufhalte, statt, zufolge schriftlicher
Verabredung, die Aufsicht über die Papierfabrik zu fuhren
und Rechnung darüber zu geben; Georg aber, statt die
Messen und Jahrmärkte mit den Verlagsartikeln und Papier-
sorten zu besuchen und die nöthigen Einkäufe zu besorgen,
wozu er verpflichtet sey, die Zeit lieber auf andere Beschäf-
tigungen verwende , namentlich zu viel mit den in seiner
Wohnung angestellten Fonn&chneidem und lUuminirem
sich abgebe; dass er, femer, die jüngst, in Basel
gekaufte Drackerei in Rorschach für sich selbst benutzt,
und dadurch die Sozietätsdruckerei (zu Aich) »m Scheitern
42
gerichtet« habe (d. h. durch Yernachlässiguiig ia Verfall
habe gerathen lassen), und dann mit dar erstem sogar
nach St. Gallen gezogen sey. — Obgleich die so Beschul-
digten über die meisten Punkte sich zu rechtfertigen
wussten und sowohl in Constanz als St* Gallen einzig
für das gemeinsame Interesse der Gesellschaft thätig zu
seyn versicherten 9 Leonhard auch jederzeit aufrichtig und
redlich gegen Keller gehandelt zu haben betheuerte y und
überdies beide Brüder auch über manche kontraktwidrige
Handlung des Letztern sich zu beschweren hatten « so konnte
oder wollte man dennoch sich gegenseitig nicht mehr
verstehen» und neue schriftliche Verabredungen , die
Kellers Interesse besser wahren sollten» gaben nurAnlaiss
zu neuen Missverständnissen und Verwickelungen» so dass
der aufgebrachte Keller endlich (im August 1599) den
Abt um seine Dazwischenkunft und Erlassung eines Befehls
zu richterlichem Einschreiten bat» jo damit er zu seinem
Eigenthum» seinem Recht und zur Ruhe gelange.« Beides
erfolgte zwar» jedoch nicht in dem Maasse» wie er gewünscht
und verlangt hatte. — Es scheint aber um diese Zeit die
gänzliche Auflösung der Sozietät erfolgt zu seyn» durch
welche muthmasslich dem Kläger die Papierfabrik sanunt
dabei befindlicher Buchdruckerei zufiel *) » den Strauben
hingegen ihre Offizinen in Constanz und St. Gallen blieben«
Werfen wir noch einen Rückblick auf die Druckerei und
den Buchhandel in Rorschach , so drängt sich zunächst die
Bemerkung auf: dass dieselben in dieser Gegend und im
*) Gegenwärtig ist sie Eigenthum der Wittwe von J. M. Bau-
mann. — Vor etwa 100 Jahren brannte das Gebäude ab und
wurde dann ganx neu Anfgebaat.
43
16. Jabrhundert eine um so mehr auffallende Erscheinung
seyn mussten, als noch in den ersten Jahrzehenden
des gegenwärtigen Säkulums die Aufstellung von Buch-
druckerpressen oder einer Buchhandlung in einem Land'
Städtchen, einem Flecken oder gar In einem Dorfe der
Schweiz als etwas Ausserordentliches oder wenigstens
sehr Auffallendes angestaunt wurde. In jenem Zeitalter
aber, in welchem Straub lebte, waren, wie in der Ein«
leitung angedeutet worden, Hoheit und Unwissenheit noch
nicht überall durch gute Schulen und vermehrte Bildungs-
mittel verdrängt , sondern gegentheils war die Masse des
Volks , vorzüglich auf dem Lande , theils aus angeführten
Ursachen, theils wegen herrschender leiblicher und gei-
stiger Knechtschaft, fast überall noch sehr zurück. Dennoch
scheint durch die an Jahrmärkten, Kirchweihen und andern
Festen sich überall einfindenden Buchftihrer oder Buch-
händler damals schon ein ziemlich lebhafter Verkehr in
Druckschriften, geistlichen und weltlichen Inhalts, und in
Kalendern statt gefunden zu haben. -— Dass aber manches
von Straub hier verlegte Buch, vielleicht der grössere Theil
derselben, hauptsächlich ftir den Absatz auf der Frankfurter,
vielleicht auch andern Büchermessen, und nicht am Druck-
orte selbst, berechnet gewesen sey, wie schon beiStraubs
Auftreten in seiner Vaterstadt gesagt wurde , darf nicht
vergessen werden. — - Immerhin möchte die Folgerung
wohl nicht ganz unrichtig seyn, dass die Buchdruckerei
und der BucUaden bei und in Rorschach nicht ganz ohne
wohlthätigen Einfluss auf die Bewohner des Ortes und der
Umgegend gebUeben seyen, sondern doch, mehr oder min-
der;, die Lust nach dem Besitz eines oder mehrerer Bücher«
k%
dieser oder jener bekannten oder beliebten Yolksschrift oder
eines Hausbuches , theils geweckt, theils den Geschmack
am Lesen überhaupt befördert und unterhalten habe.
Von den noch vorhandenen , mit der weitläufigen An-
gabe des Druckortes: »Gedruckt in des fürstlichen Gotts-
hauses St. Gallen Reichshof Rorschach am Bodensee « in
Aich erschienenen Druckschriften ist die älteste yon 1588,
und enthält das
Prognostikon yom Antichrist und Ende der Welt, von
J. Rasch. 4,
Der nämliche Rasch, dessen astronomische Schriften
früher in St. GaUen von Straub herausgegeben worden,
lieferte im genannten Jahre ( 1590 ) einen
Newen Calender , in 4.
(Vielleicht die FortseUang des 1583 erschienenen Schreib-
kalenders.)
Ferner ein Schriftchen mit dem Titel :
New Losstäg. Nvtzliche bedeucken vnd vnterscheidung der
pöflischen alten Losstag, die Feldregel vnd Bawernpractic
angehend, ob die in dem Neü-calendar all vmb X tag
müssen mit vmbsetzt werden. 4.
Weiter wurde im gleichen Jahr für das Stift St. Gallen
in 32er Format gedruckt und mit artigen Kupferstichen
begleitet:
Officium B. M. Yirginis , nuper reformätum, et Pii Y. Pont.
Max. jussu editum. Cum Calendario Gregoriano accom-
modatum.
Das in jeder Hinsicht bedeutendste Produkt aber,
welches Straub in diesem und dem folgenden Jahre lieferte,
ist eine, längst äusserst selten gewordene, mit 22 in Holz
geschnittenen, illuminirten Figuren und dem Porträt,
dem Wappen und der Grabschrift des Theophrastus
45
Parazelstts versehene SammluDg alchymistischer Schriften^
herausgegeben yon Salomo Trissmosinus (Präzeptor des
Parazelsüs) unter dem Titel:
Aurewm veUus oder guldin Schatz vnd Kunstkammer : da-
rinnen der aller mmemisten, fiirtreffenlichsten , auss-
erlesensten , herrlichisten ynd bewehrtesten Auctorum
Schrifften vnd Bücher , auss dem gar vralten Schatz der
vberblibnen^ verborgnen , hinderhaltenen Reliquien und
Monumenten der Aegyptiorum, Arabum, Chaldceorum ei
Assyriorum Königen und Weysen. Durch einen
der Kunst Liebhabern mit grossem Kosten, Mühe, Arbejt
vnd Gefahr, die Originalia vnd Handschrifilen zusammen
gebracht, vnd auffs trewUchest und fleissigst an Tag
geben. 4. *
Weder desDnickers noch des Verlegers Name ist beim Brnck-
ort angegeben.
Leonhard Straübs fernerer Aufenthalt in Conztanz und
sein Hinschied daselbst.
(1600 — ij507.)
Nach erfolgter Trennung von dem wunderlichen Edel-
mann M. Keller und seinem Bruder Georg setzte Leonhard
sein Geschäft, das jetzt einzig und ausschUessUch noch in
Gonstanz bestand, mit gewohnter Thätigkeit fort, vermuth-
lich unterstützt von seinen beiden ältesten Söhnen Leon-
hard und Jakob« Aber nur noch 7 Jahre lang war ihm zu
wirken vergönnt; er starb im J. 1607, 57 Jahre alt, um
Jenseits von seinem mühe- und sorgenvollen Erdenleben
auszuruhen.
Unter seinen noch bekannten Constanzischen Drucken
zeichnet sich vorzüglich aus : das Seite 39 erwähnte, 1589
vollendete
Missale secvndum ritvm Gvriensis Ecclesi®. Ad Dei Hono-
46
rem et Eccleste sysb suonunque Clericomm profectum ,
nouistypisy quam fieri potuit elegantissimis , composi-
tum et emendatum.
£8 ist dieser, circa 250 Seiten starke Folioband mit grossen,
ganz neuen Lettern sauber gedruckt, mit verzierten Anfangs-
buchstaben der Rubriken , und die Rückseite des Titels mit einem
gelungenen grossen Holzschnitte geschmttckt , das von St. Lucius
und St. Florinus angebetete Jesuskind darsteUend. Am Fusse
des Holzschnittes ist das Wappen des Bisthums Ghur und das
Familienwappen des damals regierenden Fürstbischofs ange-
bracht, und das ganze mit einer illuminirten Holzschnitt -Ein-
fassung umgeben, die Attribute aller Künste und Wissenschaften
enthaltend. Am Ende des Buches befindet sich das Straubsche
Famttienwappen. Die darin yorkommenden grossen Musiknoten
Bind gegossen und cir<^ ^ Zoll hoch. Das Papier ist schön , und
etliche Druckbogen sind , des häufigem Gebrauchs wegen , auf
Pergament abgezogen.
Noch ist ein im J. 1600 in Selbstverlag gedrucktes
Dictionarium Pauperum , id est Comucopiae Condonatorum
Yerbi Dei y a Rodvlphio a Tossignano. 8.
zu erwälmen y welches der Verleger dem Abte von Pfäfers^
Mich. Sachser y mit einer lateinischen Anrede zueignete.
StraubsWittwe^ die ihm yier Söhne und eine Tochter ge-
boren hatte y setzte das Geschäft ihres verstorbenen Ehe-
gatten fort , doch erscheint schon 1611 der Sohn ZeonAard
als Uebernehmer des väterlichen Geschäfts. Sein jüngerer
Bruder Jahoh besass zur nämlichen Zeit auch schon eine
OfBzin in Constanz und beide Brüder liessen sich in das
dortige Bürgerrecht aufnehmen. — Bis in's zweite Jahr-
zehend des 18. Jahrhunderts blühte die Familie Straub als
Buchdrucker und Buchhändler in dieser Stadt y denn im
J. 1711 noch druckte Franz Xaver Straub als Universitäts-
buchdrucker daselbst*).
*) Verfasser bedauert um so mehr, dass es ihm nicht glückte,
über die häuslichen, Berufs- und bürgerlichen Verhältnisse
dieser Baohdrackerfkmllie während ihres langen AnfenthalU in
47
Oeorg Stranbf der zweite Budidrucker In
St« Gallen«
(1600— 1611.)
Seit der Entfernung Leonh. Straubs war St. Gallen wäh-
rend 16 Jahren ohne typographische Wefkstätte geblieben,
und die für den Druck bestimmten Sachen mochten wohl,
wie vor 1578 geschehen , wieder nach Zürich oder Basel
zum Drucke gesendet worden sejn. Jetzt kam endlich der
mehrmals genannte Georg Straub (geb. 1568) hieher,
um mit der von Rorschach gebrachten Druckerei (s. Seite
42 ] in seiner Vaterstadt sich einen selbständigen Wirkungs-
kreis zu schaffen. Dies geschah gerade mit Anfang des
17. Jahrhunderts. Der Leser hat ihn bereits als Gehülfen
und nachherigen Geschäftstheilhaber seines altern Bruders
(dessen Zögling er unzweifelhaft gewesen) kennen gelernt.
Von seinen Jugendjahren und sonstigen Verhältnissen ist
eben so wenig als von Jenem etwas Näheres bekannt. In Be-
ziehung auf Thätigkeit, Schul- und Berufsbildung, sowie
auf Lust undMuth zu literarischen Unternehmungen mochte
er Leonharden ähnlich seyn, sein Charakter hingegen zeigt
weniger Beharrlichkeit, sondern eher ein etwas flüchtiges
Wesen. Er hatte jetzt das 32. Jahr erreicht und war seit
5 Jahren mit Veronica Bention (deren Herkunft dem Verf.
unbekannt ist) yerheirathet.
Gonstanz, trotz wiederholter Bemühungen, etwas in Brfahrang
zu bringen , da er Überzeugt ist , dass in Protokollen , Bürger-
registem ^nd andern öffentlichen Akten u. s. w. gewiss Nach-
richten yon ihr zn finden wären.
48
Die Vortheile y welche der Besitz einer eigenthümlichen
Papierfabrik damals schon dem Bücherverleger uad mit
Papierfabrikaten Handelnden darboten , und die unserm
Buchdrucker natürlicherweise hinlänglich bekannt waren,
mochte in ihm den Wunsch erregt haben, auch einen
solchen Gewerb herzustellen. Nachdem er die dazu erfor-
derlichen Hülfsmittel gefunden, schritt er unverweilt zur
Ausfuhrung, wählte einen Platz in der appenzellischen
Gemeinde Teufen (ehmals an das Gebiet der Stadt St. Galr
len grenzend*),, und schritt noch im gleichen Jahre zur
Ausfuhrung. Durch Ausstreuung nachtheiliger Geijichte
bei den Nachbarn (deren Gegenstand und Veranlassung
nirgends erwähnt sind), scheinen dem Baue Hindemisse
in den Weg gelegt upd dadurch ein Verbot der Nachbar-
regierung gegen dessen Fortsetzung henrorgerufen worden
zu seyn. Diese Umstände nöthigten den Unternehmer, den
Schutz seiner Obrigkeit anzurufen , woraufhin Bürgermeister
und Rath am 20. Januar 1601 ein Fürbittschreiben an die
Regierung von Appenzell A. Rh. ejrliessen , worin eines-
theils die böswilligen Gerüchte zu widerlegen , andemtheils
die Zurücknahme obigen Verbots auszuwirken versucht
wurde. Dass diese Papierfabrik wirklich zu Stande gekom-
men, geht aus erwähnter mündlicher Nachricht hervor, die
deren Lage angiebt. Ueber ihre Dauer und ihr Schicksal
aber weiss man nicht das Mindeste. —
Wahrscheinlich durch irgend einen, in keinem Proto-
kolle aufgezeichneten Vorfall herbeigeführt, ward im J. 1606
*) Zafolge einer unverbürgten Nachricht soll diese Papier-
fabrik im Watt , an der Landstrasse nach Tenfen , hart an der
Grenzscheide, erbaut worden seyn. *
4»
die Beobaehtang der CensannrdQimg sowohl den Censoren
4ds dem Buchdrucker neuerdings eingeschärft. Zu ver^
wundem ist es nicht» denn kaum konnte der Pressnrang
höher hinaufgeschraubt werden, als wie er dazumid herrschte«
Doch wurde hei diesem Anlasse zu Gunsten des in sei-
nem Berufe benachtheiligten und gehemmten Druckers den
Censoren zur Pflicht gemacht, das Durchlesen der ihnen
Ohergehenen Handschriften und ihr Gutachten darüber jedes-
mal zu beschleunigen , damit Jener nicht allzulang au%e-
halten werde. — Dieses ist die einzige Erwähnung yon
Gensurverhältnissen , zu welchen GecHrg Straub Gelegenheit
gab. Er scheint demnach in diesem Punkte schmiegsamer
und vorsichtiger als sein Bruder gewesen zu seyn. ^-
Als Liebhaber, Termufhlich auch als Kenner der Form-
oder Holzschneidekunst , verwendete er viel Mühe undFleiss
•nf die Titelein£»sungen und Abbildungen in seinen Aus-
gaben, zu denen er mehrere Künstler benutzte, deren Ar-
beiten, nach dem Crtheile von Kunstkennern ^ zum Theü
Ton sinnreicher Erfindung und geschickter Ausftihrung sind.
Wir nennen zuvorderst eine im ersten Jahre (1600) erschie-
nene, sehr selten gewordene Sammlung von Abbildungen
der Kleidertrachten aller damals bekannten Nationen in den
4 Welttheilen, in 89 Blättern quer Quart *], an welcher,
den Monogrammen zufolge, wenigstens sechs Künstler
gearbeitet haben. Der Verleger eignete dieses Buch , in
einer lateinisch abgefiutsten Zueignung , seinem Hitbürger
*) Bei dem Tom Yerfasser aafgeftudenen KxempUre fehlt lei-
der das Titelblalt. Heller erwähnt zwar dieser Ausgabe in seiner
Geschichte der Holzschneidekunst, Seite 248 (Bamberg 1823 ) , Je-
doch nur kurz und in unbestimmten Ausdrucken , und nennt es
biet ein »Trachtenbuch.«
k
50
Ulrich Zollikofer y. Nengisberg, Stadtammann und Schul-
rathe , zu. Am Fusse jeder Abbildung ist ein daarauf bezüg-
licher ^ mit Typen gesetzter lateinischer Vers zu lesen.
Hieher geliört ferner :
Prozess, wie es nachdem alten Bruch , an ainem Haiefitz
Gricht in der Statt S. Gallen , gehdten werden solle.
1600. &.
Der g^össte Theil der Titelseite ist mit einem illnminirten
Holzschnitt (das grosse St. Gallische Wappen) ausgefällt. Zwei
in alte Tracht gekleidete Engel mit yierfarbigen Flügeln sind die
Schildhalter.
Larhardi Ogdoas scholastica, continens Diagraphen tjpi'cam
artium grammatices, logices, astronomices (etc.). 1606. k.
Der Titel ist mit breiter Holzschnitteinfassnng yon sinnreicher
Erfindung umgeben.
Gross Kirchen Gesangbuch , Darinn die furnembsten Psal-
men , Lobgesäng vnd geistliche Lieder , so in den Evan-
gelischen Ghristfichen Kirchen vnd Gemeinden gesungen
. werden. Durch Etliche Gottsgelehrte Männer, welche
mit ihren Nammen hernach vermelt, inTeutsche reimen
gesteh. Für Christliche Statt, Dorff -Kirchen vnd Schu-
len. 1609. Folio.
Der Titel , mit rothen Zeilen , steckt in der Mitte einer , die
ganze Seite füllenden Holztafel. Die als Einfassung der Blätter
angebrachten , wohl gelungenen und sauber in Holz geschnitte-
nen Arabesken sind von der Hand des Formschneiders Christoph
Maurer, nach der Zeichnung von Josias Maurer. — Wie auf dem
yon Leonhard gedruckten Misscde» befindet sich auch hier das
Pamilienwappen der Straub auf dem letzten Blatte in grossem
Masstabe. Musiknoten sind keine dabei. — Straub dedizirte
diese mit vieler Mühe und bedeutenden Kosten veranstaltete
Ausgabe dem hiesigen Magistrate , » seinen grossgttnstigen * vnd
gepiettenden Herren. «
Von andern Druckschriften ist noch erwähnenswerth:
Arithmetica , Oder Rechenbuch : Darinnen die furnembsten
Regeln gründlich gelehrt, und mit allerley schönen vnd
nutzlichen Exempeln allen Kauff, vnd Handelsleuthen
gar dienstlich 9 auff mancherley Gewicht, vnd Miintz-
gl
störten» erUäret werden. Der Loblichen Geweri)statt
S. Gallen , als seinem geliebten Vatterlandt y wie auch
der New Reforfnirt Schul allda , Durch Esajam Webern,
Sancto-Gallensemj, in leichter Ordnung zu gutem be-
schriben, vnd in Track verfertiget* 1601. 8.
Mandat ynd Ordnung Herren Burgermeister kleiner vnd
grosser Käthen der Statt S. Gallen , von wegen dess
Christlichen Kirchgangs ^ ynd besuchung der Predigen :
Item zu abstellung dess liederlichen zehrhafften lebens^ '
Wie nicht weniger dess vberflusses prachts vnnd kost-
ligkeit in Gastereyen, an den Hochzeiten > vnd in der
bekleydung (ü. s. w.]. 1611. 4.
Dieses im Aag^ustmonat 1611 , während diner E(tark grassiren-
den Pest erlassene Sitten- und Polizeigesetz gehört zu den merk-
würdigen Aktenstücken über die Sittengeschichte jener Zeit. — >
Ben Bürgern war bei hoher Strafe yerhoten, ein Exemplar einem
Fremden zukommen zu lassen, oder gar auswärts zu senden. '—
Es ist einer der letzten Drucke Straubs.
Diese eben erwähnte Pestkrankheit raffte Straub im Sept.
gl. J., und einige Wochen später auch seine Gattin, hin-
weg, nachdem er kaum 12 Jahre in seiner Vaterstadt ge-
wirkt und ein Alter von nur 43 Jahren erreicht hatte. Seine
vier Söhne starben auswärts und, auffallend genug, mit
ihm ging die Buchdruckerkunst in St. Gallen abermals ganz
ein. Vielleicht war Georgs hinterlassene 0£Eizin nach Con-
stanz , in die Hände seines Neffen Jakob Straub gewandert,
weil dieser in demselben Jahre, alsErsterer starb, dort
als selbständiger Buchdrucker auftrat.
So verlor St. Gallen zum zweitenmale seinen Buch-
drucker, der, im kräftigsten Alter stehend, vermöge seines
Kunstfleisses , seinen Mitbürgern noch viele Jahre hätte
nützlich seyn können.
4»
52
Jakob Redlnger and die ilim nacbfoigenden
Bncbdracker Wm anf die neueste Zelt«
(1680—1840.)
Nirgends findet sich auch nur die geringste Spur Ton
dem Yorhandenseyn einer Buchdruckerei in St. Gallen
seit dem langen Zeiträume vom J. 1611 (G. Straubs
Todesjahr) bis zum J. 1680. Diese Lücke von 68 Jahren
begründet unbestreitbar den zweiten Zeitabschnitt in der
Geschichte unserer Buchdruckereien. So unbegreiflich
dieselbe auch erscheint , darf sie gleichwohl nicht unbe-
dingt einer allgemeinen Gleichgültigkeit oder Abneigung
gegen alle , die Literatur und Wissenschaften befördernden
und unterstützenden Institute zugeschrieben werden, indem
gerade im 17. Jahrhunderte die Gelehrsamkeit von Oben
herab Aufmunterung und Anerkennung fand und wirklich
von mehrern St. Gallem die schönen Wissenschaften , Ge-
schichtkunde, Weltweisheit, Mathematik, vorzüglich aber
alte Sprachen mit Auszeichnung betrieben wurden. Sehr
schwer hält es demnach, die wahre Ursache dieser langen
Unterbrechung, nachdem früher schon wiederholt eineBuch-
druckerpresse in Hier bestanden, auszumitteln ; doch dürfte
sie nicht ohne einigen Grund, bei selten vorkommenden
eiligen oder überhaupt ftir das Geschäftsleben bestimmten
Druckarbeiten , der steten und leichten Verbindung einiger
Buchbinder und Verleger mit zürcherschen , baseischen
und andern Buchdruckern, wie früher schon der Fall
gewesen, beizumessen seyn.
53
Im Sommer 1680 eodUeh meldete sich der seit neua
Monateo im benachbartea appenzellischen Dorfe Heiisau
niedergelassene Buchdrucker
Jakob Bedingter 9 von Zürich,
um die Erlaubniss des hiesigen Aufenthaltes und der
Ausübung seiner Kunst. Beides erhielt er zwar^ gegen
Bürgschaft yon fl. 100, aber (ausser der Beschwörung
einer sehr strengen Buchdrucker- oder Censurordnung)
unter auffallend harten Bedingungen , die in jenem Augen«
blicke beinahe ungerecht waren , jedoch nur als Folge der
gegen alleNichtbürger bestehenden, allerdings drückenden
Handwerks- und Zunftgesetze am betrachten sind, unter
welche auch Gutenbergs freie Kunst sich schmiegen
musste« Redinger musste sich nämlich verpflichten, dem
ersten bürgerlichen Buchdrucker, der sich hier etabliren
werde , »von Stund an zu weichen, und falls dieser seine
CRedingers) Druckerei käuflich übernehmen wollte, sie
sich aber über den Preis nicht vereinigen könnten , solle
der Eigenthümer gehalten seyn, dieselbe mit sich hinweg
zu fuhren. « Von Seite der Buchbinderkorporation ward
dem neuen Einsassen vorgeschrieben, keine andern altf
die ftir eigenen Verlag gedruckten Bücher, und zwar diese
nur uneingebunden, zu verkaufen; auch solle er Psalm«
und andere hier eingeführte Bücher, die er allenfalls
drucken würde, weder durch seinen Bruder zu Herisau»
noch auf andere Weise, feil bieten und auswärts einbinden
zu lassen befugt seyn. — Dass er übrigens dem schrift-
stellerischen Publikum wiUkommen gewesen sey , geht aus
mehrern f schon in den ersten Jahren seines Hierseyns
54
ans Licht gdcommenen^ nicht unwichtigen Werken herror;
es sind dies: Bischofbergers Appenzeller-Chronik, 16^;
Haltmeyers St^ Galler- Chronik, 1683, und die (1682
gedruckte) erste Ausgabe des religiösen Gesangbuches:
Geistliche Seelen - Musik *) , dessen Herausgeber , der
Rektor Christian Huher, in der Vorrede bemerkt , »er
habe den günstigen Anlass der gegenwärtig hier anwesenden
Druckerei fär Herausgabe seiner Liedersammlung nicht
unbenutzt lassen wollen.« — 1681 ward R. bewilligt, eine
Z«ittm^ herauszugeben, die aber, nach einigen Aeusserungen
im Rathsprotokolle zu schliessen, trotz ihres Titels, eher
industriellen und unterhaltenden, als politischen Inhaltes
gewesen seyn mag. Sein wichtiges Vorhaben , eine Ausgabe
der Lutherschen Bibelübersetzung, woför er bereits die
obrigkeitliche Erlaubniss besass , zu veranstalten , blieb,
wegen Mangel an Unterstützung zur Bestreitung derbedeu-r
tenden Verlagskosten , unausgeführt.
Zum Unglück für Redinger traf der in den Niederlassungs-*
bedingungen vorgesehene Fall nach Verfluss von neun
Jahren wirklich ein, als Heinrich Latenz Hochreutiner
zu Ende 1688 eine Buchdnickerei zu errichten Anstalt
machte, welchem Redinger, nach vorher eingeholtem
Gutachten der Buchdruckerinnung in Zürich, jetzt weichen
musste. Sehr wahrscheinlich ist, dass seine OfBzin in
Hoehreutiners Besitz überging. Zwei Jahre zuvor hatte
*) In dieser Ausgabe sind an den leeren Stellen häuflg wieder-
holte, dem Inhalte ganz fremde Holzschnitt- Vignetten, von der
Hand Rud. Redingers (wahrscheinlieh des Buchdruckers Bruder),
angebracht, nämlich das Wappen der Buchdrucker, ein am
Schriflkasten , and ein an der Presse stehender Arbeiter f
55
Redinger die Bürgerin Johanna Regina ZoUikofer gehei*
rathety und nun ward ihm sogar die Fortsetzung eigener
Haushaltung untersagt, »um keinem Burger der Herberg
halben Hindemuss zu geben « , sagt der darauf bezügliche
Rathsbeschluss. — - Von nun an sehen wir ihn bald als
Gehülfen, bald als Geschäftsführer bei seinen Nachfolgern,
aber auch jetzt noch Öfters beunruhigt und verfolgt,
indem eben seine Anstellungen, als den Handwerksgesetzen
zuwider, Anlass zu Streitigkeiten und Prozessen unter den
Buchdruckerei- Inhabern gaben. Inzwischen liess Redinger
noch während 12 Jahren seinen Schreibkalender jährlich
erscheinen, zuweilen auch ftir seine Rechnung noch eia
Schriftchen drucken.
Im J. 1704 soll et in Ghur gedruckt haben ; zwischen
1713 und 1718 aber (als während der Toggenburgerunruhen
Zürich und Bern die Abtei St. Gallen besetzt hielten und
der Abt abwesend war) erscheint er als Pächter der
Stiftsdruckerei , hatte aber seine Wohnung in der Stadt«
Allein auch in diesem, von derselben ganz unabhängigen
Verhältnisse blieb er nicht unangefochten; denn 1715
beschwerten sich die bürgerlichen Buchdrucker und Buch-
binder, »er bediene sich zu ihrem Nadbtheile der Stifts-
druckerei a , und es wurde ihm mit Fortweisung aus der
Sladt, sammt seiner Familie, gedroht, wenn ferner Klagen
gegen ihn erhoben würden. — Von da an sind die weitem
Schicksale dieses thätigen, geschickten, gebildeten und
desswegen interessanten , aber vom Glücke niemals begün-
stigt gewesenen Mannes gänzlich unbekannt, wiewohl er
im J. 1730, sehr betagt, seine mühseligen Tage hier
beschlossen haben soll.
S6
Saideil durch Rediliger die Buoh^nc&eTlaiii^ fi^cidi-
aam zum zveUenHale in St. Gallen dugefiihit worden,
schien einerseits die Lust za Erlernung , und andeiseits zu
Benutzung dersdhen bei den Bürgern plötzlich erwacht zu
seyn ; von jetzt an blieben aber die St. Gallischcäi Pressen
nuch grösstentheils auf die schrifkstellerisoben Arbeiten
ihres Ortes beschränkt» denen aber noeh eine Anzahl hier
eingeführter oder beliebter Cateehismen , Gesang-, Schul-',
Gebet- und anderer moralischer und religiöser Schriften
bmuzählen ist « die öfters neue Auflagen eriebtep.
Drei bürgerliche Familien sind es , die während eines
Yollen Jahrhunderts, nämlich vom Ende des 17. bis
zu dem des 18. , bald einzeln, bald zu Zweien > sogar za
Dreien zu gleicher Zeit, zwar mit ung^ichem Erfeige,
der* Budidruckerkunst in ihrer Heimath sich gewidmet
haben. Diese Familien gehören zu den GescUechtem
Oochreutiner» Weniger, Dieth. Um Erste unter ihnen,
bei dessen Auftreten (zu Ende 1688) Redinger seine
Selbständigfctit verlor, war der schon erwähnte
Helnrtcli Lorenz Hoclireotiner,
geboren 1656» der unzweifelhaft die Kunst auswärts erlernt
hMe. Bei seinerRückkehr äusserte er, »erwelleRedingera
das Drucken nieht nur hier, sondern noch 6 Stundea
weit herum a veribietefn lassen. Von seinen wenigen und
tmbedeutenden Drucken ist nichts mehr vorhanden, und
von 1690 an verii^ sich sogar jede Spur seines Daseyns,
so dass nicht einmal sein Todesjahr aufgezachnet, und
demzufolg mzunehmen ist, er habe St. Gallen verlassen
und sey im Auslande gestorben.
57
Nar einen Monat später > nachdem Obiger seine Wirk-
samkeit begonnen hatte , gründete der mit ihm verwandte
BaTld Hochreatlner^
geb. 1662, eine zweite gleichzeitige Druckerei (Febr. 1689).
Sein Vater, Jakob Hochreutiner, war ein angesehener Buch-
binder , der ein bedeutendes Buchhandels - und Yerlags-
geschäft hatte und als Verleger früher sich der Baseischen,
dann der lledingerschen und jetzt seines Sohnes Presse
bediente« Aber schon nach fünf Jahren (169&) wurde
David in der Blüthe des Lebens, unyerehlicht , vom
Tode ereilt.
Toblas Hocbreatlnery
geb. 167i , ein Zögling Redingers und jüngerer Bruder
von Heinr. Loren» Hochreutiner, begann 1697 zu drucken*
Ob er den von diesem hinterlasseilen Druckapparat über«
nommen oder einen neuen herbeischaffen musste, ist
unbekannt. Gleidi im Anfange seiner Selbständigkeit
verlangte er von den Erben Davids H. die Entlassung
ihres Geschäftsfährers Redinger, weil tie die Kunst nicht
eriemt hätten, und letztere mussten , nach richlerlichem
Ausspruche, dieser Forderung entspredien. •«- 1707 ward
Tobias H. , wegen unfiriedlichem Betragen gegen seine
Gattin , Dir drei Jahre aus der Stadt verwiesen. *— 1738
sdbaint ein Stillstand in seinem Geschäft eingetreten zu
seyn, indem er, bercSts 68 Jahre alt, für sieh und seine
80jährige Gattin eine obrigkeitliche Unterstützung aus dem
Grunde ansprach, er habe »wegen blöden Gesichts die
»Druckerei quittiren und seine Stadtwachtmeister- Stelle
58
]» niederlegen müssen.« — Um 1740 trat er seine Druckerei
unter gewissen Bestimmungen an den Buchbinder Heinrich
Hiller ab, dessen Geschäftsführer er werden sollte, während
Hillers Sohn bei ihm die Buchdruckerkunst lernte. Allein
dieselben Gründe, welche Tobias H. 42 Jahre früher gegen
die Erben von David H. vorgebracht hatte,. machte sein
jetziger Konkurrent , Ruprecht Weniger , nun gegen ihn
geltend. Hiller wurde obrigkeitlich angehalten , entweder
dieses Yerhältniss aufzugeben, oder die Druckerei käuflich
an sich zu briogen und dem bisherigen Besitzer in Pacht
zu geben, der sie ferner unter seinem eigenen Namen
fuhren musste. — Tobias H. starb 1748.
Lorenz Hoclireutlner ,
geboren 1678, gest. 1735, war der jüngere Bruder von
Damd H. Damit er nach zurückgelegten , unter Redinger
begonnenen und bei seinem Vetter Tobias H» vollendeten
Lehrjahren desto schneller die von genanntem Bruder
hinterlassene und seit 1697 ( nach dem von Tobias H.
angehobenen Prozesse) höchstwahrscheinlich stillestehende
Buchdruckerei übernehmen könne, befreiten ihn, ausnahms-
weise, die Vorsteher seiner Zunft von der Pflicht des
Wanderns , und so ward er 1701 » zum Meister gemacht.« —
Sein bedeutendster Verlagsartikel war die, bei Redinger
zuerst erschienene »Geistliche Seelen-Musik ö, von welchem
er bis zu seinem Tode sieben Auflagen lieferte *). -^ In den
Jahren 1712 und 1713 hatte er den nachbenannten Daniel
Weniger zum Gesellschafter ; dann trennten sie sich wie-
der, und
*) Ein YoUes Jahrhondert hindurch wurde dieses Buch fiir
den Gesangunterricht im Gymnasium gebraucht.
59
Daniel Weni§:er,
geboren 1676 , war von jetzt an dritter gleichzeitiger Buch-
drucker St. Gallons. — Er starb 1726.
Um das J. 1723 war
Bartholome DIetli,
geboren 1691 , der Stammvater der dritten Buchdrucker-
familie , aufgetreten^ und es müssen demzufolge , freilich
nur für ganz kurze Zeit, vier Buchdruckereien hier bestanden
haben. Er druckte meist nur kleine religiöse Traktätchen,
als: »Geistliches Neboa, »Leichte und gesunde Kinder-
Speiss«, »Paradeiss -Blümlein c<, » Wahrheits-Milch c( und
dgl. m. — KVii/f730, in welchem Jahr er in Kleinhüningen
bei Basel st^^^ hörte seine Wirksamkeit sdion auf.
Auf ihn folgte
naprecht TVenlger,
geboren 1680, ein Vetter des oben angeführten Daniel
Weniger. Durch seine Yerehelichung mit der Wittwe
Bartholome Dieths gelangte er, ohne Zweifel bald nach
dessen Tod , in den Besitz seiner Offizin. Pfarrer Gabriel
Walser liess (1740) seine »Chronik des Landes Appenzell a
bei ihm erscheinen V'^ ^^^jrbeit, die Wenigers Presse
Ehre macht. — Theils ^» säubern Druckes , theils des
seltsam klingenden Titels wegen nennen wir noch die:
» Himmlisch - gesinnter Seelen Himmel - Durchschallende
und Unsem Gott billich hoch verherrlichende Gebät- Musik,
das ist, Geistreiches Gesang ^Gebätbuch« (u. s. w.),
herausgegeben vom Diakon Casp. Zollikofer *)•
*) Der Hagislrat, welchem das Buch dedizirt war, hatte deu
Herausgeber bei Anlass der DruckbewilUgung ersuchen lassen,
60
Wie strenge zu dieser Zeit die Gensur gehaüdhabt
worden seyn muss, Temimmt man aus Wenigers, im
August 1739 dem Rath tibergebenen Bittschrift, in welcher
er sagt: »Er sey diesmal der einzige Buchdrucker allhier*)
und mit einem scharfen Eide gebunden , auch die gering-
sten Sachen, ja überall nichts ohne vorherige Censur und
erhaltene Erlaubniss drucken zu lassen , welches dann den
Herren Censoren und ihm nicht nur grosse Bemühung,
sondern ihm auch starken Abgang an seiner Nahrung und
namhaften Sehaden verursache « , während er doch (sagt die
Bittschrift weiter) von MGHerren kein Wartge]d geniesse
und anderwärts in und ausser der Eidgenossf^^^chaft , auch
selbst seine Vorfahren allhier , nicht so Bmrt gebunden
gewesen « u. s. w. — Der Magistrat liess insoweit Milde-
rung und Erleichterung des übertriebenen und lästigen
Censurzwanges eintreten, dass den Censoren die Befugniss
ertheilt wurde, nicht nur Gelegenheit^ -Reden und Pre-
digten, Glückwünsche, Gedichte und ähnlicheKleinigkeiten,
sondern auch grössere Werke allein von sich aus die Gensur
passiren zu lassen, ohne ein Gutachten darüber eingeben
und die Druckbewilligung beim Kleinen Rathe einholen zu
müssen, mit dem ausdrücklicBls^^zuf^kalt jedoch, »wich-
tigere Sachen und* Werke, die gemeine Stadt, löbl. Eid-
genossenschaft, oder die Religion betreffen, wie bisher.
den » allzuhochtrabenden « Titel abzuändern ; dass es geschehen
sey , muss man aber beinahe bezweifeln. — Die Herausgabe
dieses Buches jflihrte wegen verschiedener , erst nach dem Druck
entdeckter anstössiger Punkte einen Pressprozess herbei, der für
den Herausgeber unangenehme Folgen hatte.
*) Die Tobias Hochreuünersche Druckerei scheint also in diesem
Jahre wirklich onthälig gewesen zu seyn.
61
dem Rathe yorzulegen. — Weniger starb 1756, mit
Hinterlassmig zweier Söhne , die des Vaters Beruf erlernt
hatten.
Ijeonliard Dleth,
geh* 1723, war der Sohn des BarthoL Dieih* Nach dem
Tode seines Stiefvaters , Rupr. Weniger^ erbte er die väter-
liche Druckerei y und trat sie im J. 1757 an/ konnte ihr je-
doch nicht länger als 6 «Jahre vorstehen ^ weil er schon
1762^ im 29. Lebensjahre, in die Ewigkeit hinüberging.
Unter ^er Firma
läeon\g»& *"• ": V«ecl. Witm
V '«nahjp.
führte seine Wittwe 9 gebornb ^\nd, das von ihrem Gatten
hinterlassene Geschäft, bis zur Volljährigkeit und Heimkehr
ihrer beiden Söhne aus der Fremde, etwa 18 Jahre lang fort.
Als Gehülfen oder Faktotum hatte sie ihren Stiefschwager,
Rupr. Weniger jünger, Sohn ihres Stiefvaters Rupr. We-
niger. Im J. 1772, während einer theuem und verdienst-
losen Zeit , sah der E3. Rath sich genöthigt , die Wittwe
Dieth mit Geld und Lebensmitteln zu unterstützen , und
eine eigene Commission zur Berathung der Mittel, wie
ihrer Druckerei au£euhelfen seyn möchte, niederzusetzen,
damit diese damals einzige St. Gallische Offizin nicht
gänzlich eingehen müsse. — ImJ. 1781 übergab die Wiitwe
Dieth das Geschäft ihren zwei Söhnen
David Dieth, geb. 1756,
Leonbard Dletb, geh. 1760,
welche dasselbe unter dem Namen Diethiiche Druckerei ftihr-
ten. Sie hatten sich für ihren Beruf möglichst ausge-
bildet, lieferten ziemlich saubere Drucke und wussten
62
das Geschäft zu beben. Mehrere , sowohl von ihnen seihst
als von ihren Eltern gedruckte deutsche und französische
Ausgaben eines Kirchengesangbuches machen ihrem Fleisis
und Sorgfalt Ehre.
Als David 1792 kinderlos starb , kam die gemeinschaft-
liche Druckerei in die Hände des Buchbinders Wehrli zu
Bischofzeil y im'Thurgau, der mit Herausgabe kleiner Yer-
lagsscbriftchen sich früher schon besdiäftigt halte. Leonr
hard, der Jüngere, begab sich in der Eigenschaft eines
Gehülfen, vielleicht sogar als Geschäfts-Theilhaber. eben-
falls dorthin, üngjÄfirfiUchte ^icl^laÄeltetr^'s J. 1797
wurde die Druckerei seinB|^^dßftium, und nachdem seine
Presse manche, auf die damalige politische Lage der
Schweiz Bezug habende Flugschrift , auch die von J, J.
Hausknecht redigirte Zeitschrift: »Der helvetische Yolks-
freunda, geliefert hatte , verliess er Bischoficell im Sommer
1803 , um in seine Vaterstadt zurückzukehren. Hier grün-
dete er gemeinschaftlich mit unserm Job. ZoDikofer das
gegenwärtig noch bestehende St. Gallische Wochenblatt. —
Im Juni 1803 erfolgte sein Hinschied im 43. Lebensjahre,
und mit ihm erlosch zugleich die Buchdruckerfamilie Dieth,
indem sein hinterlassener Sohn zur Fortsetzung des väter^
liefen Berufs nicht geeignet war.
Von 1789 an waren die Brüder Dieth nicht mehr die al-
leinigen Buchdrucker in ihrer Vaterstadt gewesen. Durch
Job. ZoUikofer war nämlich in jenem Jahr wieder einmal eine
zweite und zwar ganz neue Buchdmckerei errichtet worden.
— Weil aber mit der Entfernung Leonh.Dieths nach Bischof -
zeil die ältere Geschichte der Buchdruckereien in der SUdt
St. GaUen sich schliesst und unmittelbar vor Ablauf des
63
18. Jahrhunderts zugleich auch im politischen und literari-
schen Leben derselben ein neuer Zeitabschnitt beginnt, so
lassen wir den weitem Nachrichten über diese und die üb-
rigen Druckereien einen kurzen Blick auf den Zustand der
Typographie und des Literaturwesens im 18. Jahrhundert
vorausgehen.
Mbstanä)pA^ lAatefywidert in ganz Europa begonnene all-
maJSef'^l^keft . an^ ^ uchdruckerkunst von der hohen Stufe
der ^^^onunenh&l;''; welche sie schon im ersten Jahr-
huiidert der Erfindung erreicht und bis in's 16. behauptet
hatte y nahm bis um die Mitte des 18. Säkulums in allen
Ländern ( ehrenvolle Ausnahmen bei einzelnen Städten
ausgenommen )y immer mehr überhand und äusserte
sich begreiflicherweise auch in St. Gallens Offizinen. Man
schenkte den Typen , dem Druck und Papier weit weniger
Aufinerksamkeit und Sorgfalt als früher ; wenige Arbeiten
erhoben sich über das 6e wohnliche , und überhaupt wsor
der typographische Geschmack im Ganzen auffallend ge-
sunken , und wohlfeUer Druck galt für die Hauptsache , wo»
durch der Eifer jEur das Höhere der Kunst ertödtet werden
musste. Zu diesen nachtheiligen Umständen und Einflüssen
gesellten sich bei uns , ausser den lästigen und hemmenden
Censurmassregeln , auch noch öfterer Mangel an zureichen-
der und gesicherter Beschäftigung für mehrere Druckereien,
weil keine bedeutende Yerlagsuntemehmungen den hiesigen
Pressen zu gut kamen , indem die wenigen beliebten und
grossem schriftstellerischen Arbeiten , z.B. die Andachts-
bücher von Job. Zollikofer und Heinr. Stäheli, in Basel
gedruckt und verlegt wurden , welches zusammen noth-
wendigerweise einen sehr nachtheiligen Einfluss ausüben
6fc
mosste. Dem Allem ungeachtel hielten unsere Bachdrucker,
nach Massgabe ihrer ökonomischen Lage und Verhältnisse,
wenigstens immer Schritt mit ihren auswärtigen Collegen;
ihre Ofifizinen waren , ausser den am häufigsten gebrauchten
Schriftgattungen 9 auch mit sogenannten Zierschriften und
Einfassungen fiir die zu jeuer Zeit sehr in der Mode gewe-
senen Gratulati<»BS- und Hochzeit0gi^ifi|^e.M>%§eäiOT Yejp^
u. dgl. isk., so wie mit lateinischen h^fti^en^genigend
versehen*).
Gehen wir nun zu dem Stande des LUeraturweimi in
unserm Orte , innert den letzten Jahrzehenden des 17* ins
Ende des 18. Jahrhunderts über, so lässtsich derselbe im
Allgemeinen in Folgendes zusammenfassen : Die Bücher,
welche der St. Gallische Bürger am häufigsten kaufte und
vorzugsweise las, waren religiösen Inhalts ; nebenbei zogen
ihn etwa noch historische , besonders vaterländische Schrif-
ten an* Es mochte daher wohl die Hälfte dessen, was aus
.den hiesigen Pressen zu Tage kam, in das Gebiet der theo-
logischen Literatur gehören. Nicht wenig trugen die damals
herrschende Erziehungsweise und der sorgfältig gehegte
*) Um die Hitte des 18. Jahrhunderts schien die Bachdrucker-
kanst überaU ihre niedrigste Stufe erreicht zu haben , woia aUer-
dings die öflern und langdauernden Kriegszeiten Vieles beitrogen.
Ton jetzt an wurde zwar durch die berühmten Buchdrucker
Breitkopf in Deutschland, die Bidot in Frankreich, durch Bas-
keryille in England , Bodoni in Italien , Ibarra in Spanien und
Haas ftiter in Basel, kräftig an der WiederhersteUung des fWihem
Glanzes der Buchdruckerkunst gearbeitet. Allein obgleich ihre
yerdienstlichen Bestrebungen und ihr rühmliches Beispiel zur
Nacheiferung aufmunterten , konnte dies , selbst bei dem besten
Willen, doch nur langsam geschehen, weil unter den fort-
dauernden Kriegen die Künste und Wissenschaften im Allge-
meinen nothwendigerweise leiden und zurücktreten mussten.
65
religiöse Sinn hiezu bei, weldier letztere unserm Orte den
Beiaamen »die fromme Stadt c< erwarb. Die Väter der Vater-
stadt, eifrig 9 ja ängstlich darauf bedacht 9 in Verbindung
mit der Geistlichkeit diese Geistesrichtung zu unterhalten
und zu befördern > dagegen Alles zu entfernen , was in po-
litischen wie in religiösen Angelegenheiten zu freiem und
selbständigem Denken und Handeln hätte yeranlassen oder
den Bürger zu andern Meinungen , als die vom Rathssaal
ausgegangenen y hätte verleiten können *), bedienten sich
(ür die nöthige Aufsicht auf die Schreib- und Druckfreiheit
des gewöhnlichen , allerdings nidit unwirksamen Mittels »
nämlich der Cemwr, Buchdruckerordnung geheissen, welche
fleissig/ streng^und auf langsame, schwerftllige Weise ge-
handhabt wurde **]• — Die letzte, in Folge der Zeitfort-
schritte in einigen Punkten gemilderte Gensurordnung
wurde im April 1791 erlassen.
Die strenge Wachsamkeit der Censurbehörde dehnte
sich aber , was sehr begreiflich ist , nicht allein auf die in
St. Gallen selbst gedruckten, sondern auch auf die zum
Vericauf hieher gebrachten Bücher aus, besonders auf die
asketischen (Andachts- und Gebet-) Bücher. Im J. 1715
*) Noch im 6. Dezennium des 18. lahrhunderts drückte sich
der regierende Bürgermeister in seiner Anrede an die Tersam-
meUe Bürgergemeinde über das selbständige Denken und Handeln
folgendermassen ans: »Die geistliche (d. h. geistige) Freiheit
» besteht nicht darin , dass ein Jeder soUte frei denken , frei re-
}> den und fVei handeln dürfen ; solches ist vielmehr eine Kneeht-
» Schaft und Sklaverei des Teufels und der Sünden , als aber eine
»geistliche Freiheit cu nennen!«
**) Wie die Geosur im4. Jahrzehend ausgeübt wurde und unter
welchen Bedrückungen die Presse damals seuizte, ist aua Ru-
precht Wenigers Petition (s* S. 60) zu ersehen.
6
66
erhielten die Buchhändler und Buchbinder die obrigkeit-
liche Weisung 9 keine Bücher kommen zu lassen , die nicht
den Namen des Verfassers und Druckortes enthalten,
und wenn ihnen solche zum Einbinden übergeben würden»
ei anzuzeigen« — Der Buchbinder und Budihändler Hs.
IJlr. Schopfer y ein aufgeweckter Kopf, wissenschaftlich
gebildet, aber (fiir seine Zeit) voll freisinniger Grundsätze
über religiöse und bürgerliche Freiheit, zog sich in den
J. 1716 — > 1724 zu wiederlplten Malen obrigkeitliche Yerfol«
gungen und Verhaftungen zu ; so ward er z. B: im J. 1716
wegen dem Veikaufe gewisser religiöser Bücher in's Gefäng«
niss gesetzt,, aus welchem er eine schriftliche Vertheidigung
an Bürgermeistei; und Rath erliess , worin er sagt : i> In der
»Bücherordnung selbst werden alle Bücher erlaubt (ausser
»Hexen-, Zauber- und gotteslästerliche Bücher). Zu Basel
»und Genf druckt man das Corpus Canonicum, welches un-
psere Lehre verdammt; glaube es sey weniger ein Buch
»in der Andern Hand geben, als selbiges drucken, oder
»wie ein Goldschmied den Papisten die Abgötter yergoldet
»fiihrt.«*)
*) Am 10. Februar 171^ erliess der Rath , In Betreff der von
Schöpfer rerkanften Exemplare einer Bihlia, sive verbum Di<iboH
LueifeH (»Die Bibel, oder das Wort des Teufels Lucifer«) ein
eigenes Mandat, in welchem bei Strafe yon 300 ^ Deniers (1 {?
Beoiers betrug ungefähr fl. 1. 12 kr. nach unserer Währung }
befohlen wurde , alle geschriebenen oder gedruckten Exemplare
dieses Buches der Kanzlei einzuliefern , und bei gleicher Basse
keine mehr kommen zu lassen , zu yerkaufen oder öffentlich an-
zukündlgen; die eingezogenen Exemplare aber (mit Ausnahme
eines einzigen, -welches an die Stadtbibliothek abgegeben
ward), wurden Öffentlich durch den Scharft-ichter yerbrannt.
— Weil aber Schopfer nicht seinen ganzen Yorrath hatte ans*
Ifefem wollen , wurde er in's Geflingniss gesetzt , 8 Tage splter
als ein » yerwirrter If enseh « wieder freigelassen , Jedoch bald der-
67
Auch auf Handschriften » die nicht für den Druck be*
stimmt waren, z. B. die von vielen Bürgern ans Liebhaberei
abgeschriebenen oder selbstrerfassten St. Galier Chroniken
(eine in früherer Zeit beinahe zur Mode gewordene Lieb-*
lingsbeschäftigung) wurde ein streng-* wachsames und miss-
trauisches Augenmerk gerichtet , und sie waren sogar der
Confiskation ausgesetzt *) «
In auffallendem Widerspruche mit dieser oft einseitigen
Strenge und Intoleranz bei religiösen , geschichtlichen und
politischen Materien , stehen viele im 17« und 18« lafar^
hundert geivncite Hochzeitgedichte, welche, meist von Geist-
lichen oder Lehrern verfertigt, bald in idyllischem Tone,
bald in der Sprache und dem Style des biblischen Hohen-
liedes , einzelne Stellen und ganze Strophen enthielten ,
die in unserer Zeit Niemand gedruckt, oder auch nur ge-
schrieben, einem Brautpaar^ zu tiberreichen sich so leicht
erlauben würde.
aaf, da er (ungeachtet des Besuches von GeistUcheOf die
ihn auf andere Gedanken bringen sollten) bei seinen Grundsätzen
beharrtef »bis auf erfolgte Besserung« in^s Zuchthaus verwiesen.
*) So unnachsichtig und streng einerseits gegen Jene Skri-
benten und ihre Produkte verfahren wurde f die den Gensoren
oder dei' Obrigkeit aus irgend einem Grunde missßillig waren,
eben so IVeigebig bewies Letztere sich anderseits gegen Schrift-
steller, Künstler, Buchdrucker und Verleger bei Zueignungen
von Literatur- und Kunstgegenständen , oder solchen Schriften
Überhaupt , deren Druck und Verbreitung sie einmal bewilligt
und die Verehrung von Eiemplaren angenommen hatte. Alle
dedfzirten oder auch nur präsenlirten (d. h. ohne Zueignungs-
Schrift überreichten ) Brucksachen des verschiedensten Inhalts -^
Gebetbücher, sogar Schreib- nnd Wandkalender nicht aifsge«
nommen — selbst wenn sie auswärts erschienen waren, wurden
mit ansehnUchen Gegengeschenken an Geld belohnt, nMhmalt
sogar obendrein mit silber -vergoldeten Trinkgefehirron.
6 •
68
Die gelehrten Männer St. Gailens , welche im letztver-
flossenen Jahrhundert mittelst ihrer schriftstellerischen Ar-
beiten den einheimischen Pressen die meiste Beschäftigung
zuwandten , sind : Der durch vielseitige Talente und Ge-
lehrsamkeit ausgezeichnete Pfarrer (später Dekan) Joh,
Jak. Scherrer (er schrieb in deutscher und lateinischer
Sprache über Theologie und Geschichte , und übersetzte
Hehreres aus der englischen in die deutsche Sprache ) ;
der Professor Bartholome Wegdin , Verfasser mehrerer deut-
scher , lateinischer und französischer Schriften über Theo-
logie , Geographie und Wappenkunde; die Geistlichen,
Caspar und Christoph ZoUikofer, Christoph und Heinrick
i^töAeli schrieben Andachts- und Gebetbücher , oder waren
Herausgeber von Predigt- und erbaulichen Liedersamm-
lungen. Nach diesen genannten Fächern theilten sich die
Schriften der übrigen wenigen Autoren in Geschichte, Topo-
graphie , Biographik und Philosophie, lieber Naturwissen-
schaft , Arzneikunde 9 Rechtsgelehrsamkeit und weltliche
Poesie wurde beinahe nichts geschrieben.
St. Gallen hatte zuweilen auch seine sogenannte perio-
dische Presse, die jedoch ausser seinen Mauern wenig Auf-
sehen gemacht , und kaum weit verbreitet gewesen seyn
mag. Redinger und Lorenz Hochreutiner gaben eine Zeit-
lang , jener zwischen 1680 und 1696 , dieser um 1706 Zei-
tungsblätter heraus *]• Im 18. Jahrhundert befassten die
*) Den 8. Brachmonat 1697 (nach entstandener feindseliger
Spannung zwischen der Stadt und dem Abte wegen der Kreuz-
fahrten ) ward erkannt: »gegen die verlogene Weingartner Zei-
» tung hier auch eine Zeitung in Druck ausgehen zu lassen, damit
»man an andern Orten so schändlichen Landlügen Über unsere
» Stadt keinen Glauben beimesse. «
69
Zeitschriften sich , die letzten Jahre ausgenommen , mehr
mit moralischen, historischen und unterhaltenden Materien,
als mit der Politik. Es erschienen von 1778 — 1780 die »Bei-
träge zum gemeinen Nutzen a von Pfarrer ( später Dekan )
Christoph Zollikofer ; und von 1781 — 1782 3 Bändchen :
» Für Gott , Menschheit und Vaterland« , von Lehrer Jakob
Huber herausgegeben. — Sowie diese Männer und ihre
Mitarbeiter die Lust zu zeit- und zweckgemässer Lektüre
bei ihren Mitbürgern anzufachen und zu unterhalten bemüht
waren , so wurde um dieselbe Zeit durch die jetzt noch
rühmlich bestehende Buchhandlung Huber und Comp, theils
durch selbst verlegte , theils angeschaffte gute , beliebte und
klassische Werke das Bedürfhiss nadi bildender Lektüre im«
mer mehr geweckt und dem Geschmacke der mittlem und
hohem Klassen des Publikums Vorschub geleistet. Auch
die im J. 1789 gestiftete Literarische Gesellschaft tmg vieles
zu den Fortschritten geistiger Bildung bei.
Von 1798 an wurden von dem Buchhändler Job. Jak.
Hausknecht und unseim Geschichtschreiber Georg Leonh.
Hartmann (zwei um ihre Vaterstadt wohl verdiente , aber
bei ihrem Leben von Vielen undankbar verkannte Männer)
verschiedene periodische Blätter poUtischen und gemein-
nützigen Inhalts herausgegeben ; nämlich die Schweizeri-
schen Tagblätter ( 1798) , das Wochenblatt fiir den Kanton
Säntis (1798 und 1799) als Fortsetzung der Tagblätter ;
und der helvetische Volksfreund (1799 — 1801).
Die Herausgabe eines Haui'.odeTSchreibkaUnders wurde,
wie bei Straub und Redinger erwähnt worden ist, fitih-
zeitig und wiederholt in St. Gallen versucht. In den ersten
Jahren des letztverflossenen (18.) Säkulums gab der unter
70
denSchriftstelleni bereits elrwähnte /. /. Scherrer, unter dem
•Dgenommenen Namen »Jakob v.Rothenhirsch«*), einen
»Schreibkalender« heraus , in welchem er Auszüge aus der
vaterstädtischen Geschichte lieferte. Abbildungen enthielt
er keine. Unter gleichem Titel und mit ähnhchem Inhalte
wurde dieser Kalender später von Andern bis in die Sechs-
zigerjahre (vielleicht noch länger) fortgesetzt. — Der als
Mathematiker berühmte Lehrer Joh, Joachim Girtanner
machte in den Neunziger Jahren einen Versuch mit Heraus-
gabe eines verbesserten » den Zeitfbrtschritten angejpassten
Volkskalenders **), von dem jedoch nur 4 Jahrgänge (1790,
1791, 93, 94) bei h Zollikofer erschienen, bei welcher
verdienstlichen Arbeit er von der damals bestehenden Privat-
gesellschaft »Freunde des Guten o mit Rath undThat aufs
trefflichste unterstützt ward. Allein er kam noch zu früh
mit seinem Kalender; denn seine und Anderer gemein-
nützige Absichten und Bemühungen wurden vom Publikum
.weder anerkannt noch durch den Ankauf desselben be-
lohnt*
*) Ein r^ther Hirsch in gelbem Felde war seinFaminenwappeii.
') Der erste Jahrgans führt den Titel: »Jahrbuch ohne Aber-
glauben « ; der zweite : » Neu verbessertes Jahrbuch« ; der dritte
und yierte : » St. Gallischer neu eingerichteter allgemeiner Ka-
lender.«
♦•^
71
Die Stadt St. Galllsclien Bucbdriieker des
t9m Jabrliunderts*
Je stiller und gemächlicher in jeder Hinsicht das 18.
Jahrhundert fiir unsere Buchdrucker gewesen , in desto
grössere Thätigkeit wurden am Schlüsse desselben die
Pressen des jüngsten und letzten unter ihnen versetzt ,
nachdem der brausende Sturm ausgehrochen war, der
die Grundfesten der Eidgenossenschaft umstürzte. Ein sol*
eher tief eingreifender Antheil der Druckpresse an den
Zeitereignissen war in St. Gallen etwas ganz Neues , vorher
nicht einmal Geahntes, — So endete das 18. und begann
das 19. Jahrhundert für
Jobaiuies Zolllkofer^
geboren 1Y64, jetzigen Nestor der Buchdrucker in der
Östliohen Schweiz. — Da die eben erwähnte Staatsum-
wälzung von 1798 die Zahl der St. Gallischen Pressen
nicht 9 wie hie und da der Fall gewesen, vermehrt
hatte *) y 80 wurde die einzige OfiSzin am Hauptorte des
grossen Kantons Säntis (zu welchem damals auch der
Kanton Appenzell ^gehörte) desto stärker und anhaltender
in Anspruch genommen » und so blieb es manche Jahre
hindurch vermöge der grossen Menge stets wiederkehrender
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*) Leonh. Bieth jgr. (1800 wieder hier) wäre wahrgcheinlicli
ohnedies wieder in seine Vaterstadt zurücligekehrf. — Aasscr«-
halb der Stadt halte der ganze Kanton Säntis nur noch die
Sturzeneggercshe Buchdruclcerei zu Trogen, wislche aber für
die KantOBsbehdrden niemals Druckarbeiten zu liefern hatte.
72
amuiciier, so wie literarischer und geschäftlicher Dnick-
arbeiten, mehrerer Zeitblätter u.a.m. — Im J. 1803 kaufte
ZoIIikofer die von L. Dieth hinterlassene Offizin, und
erweiterte überdies ein Jahr später , durch Pachtung der
ehemaligen Stiftsdruckerei, sein von jetzt an in zwei Lokale
getrenntes Geschäft, welches nach dem Eintritte seines
ehemaligen Zöglings Johann Züblin (geb. 1779) als Gesell-
schafter (von 180& an) unter Beider Namen (ZoUUtofer
imd Züblin) gefiihrt ward. -^ Nach des Letztern Hinschied,
im Sommer 1834, trat (%m^opA ZoIIikofer, einziger Sohn,
an dessen Stelle , und die Buchdruckerei erhielt den Namen
Zoüikofer$che Offizin. — Am Johannestage 1839, seinem
Namenstage, feierte ZoIIikofer, Vater, als 75 jähriger,
noch munterer Greis, im Kreise seiner Familie und Ge-
hülfen, das Fünfziger- Geschäftsjubiläum vergnügt und in
bester Gesundheit*). Im August desselben Jahres wurde
*) Wir geben hier die ErzMhlung dieses , in keinem St.
Gallischen öffentlichen Blatt erwähnten JabiUams , wie sie im
»Joarnal für Bachdruckerkunst und Schriftg^iesserei^ Braun-
schweig, August 1839« enthalten ist;
»Im Laufe dieses Jahres hatte der würdige Veteran der
Buchdruckereiinhaber in der östlichen Schweiz, Herr Johann
ZcUiMofer^ das 50ste Jahr seiner Geschäftsführung glücklich
surückgelegt ; seine Gehülfen hatten daher seinen Namenstag,
den 24. Juni, dazu bestimmt, das Jubiläum ihres Herrn Prin-
zipals zu begehen. — Ganz im Stillen, sogar ohne Yorwissen
des Herrn Sohnes , trafen sie ihre Anordnungen auf eine sehr
sinnige Weise , und überraschten dann am Morgen des Festtages
den Herrn Jubilar bei seinem Eintritt in die OfSzin durch einen
über dessen Platz errichteten , aus frischen (Nachts zuTor in. den
Alpen gepflückten Alpenrosen), Eichenlaub u.s. w. bestehenden,
hübschen Ehrenbogen und Guirlanden ; nachdem er seine Ver-
wunderung darüber geäussert , trat der stelly ertretende Geschäfts-
führer mit dem ganzen Personaf herbei , hielt im Namen Aller
eine passende Anrede, und bekränzte das Haupt seines Prin-
73
zwischen Ch. ZoUikofer, Sohn, und dem Buchhändler C. P.
ScheUlin eine Verbindung furVerlagsuntemehmungen, unter
der Firma Scheitlin und Zollikofer, geschlossen.
Eine zweite gleichzeitige Druckerei errichtete im J. 1812
Franz Joseph Brentano ^
geboren 1782 zu Neu St. Johann, Bürger in RapperswjL
Während der Dauer des St. Gallisch -Churischen Bisthums
zipals ; der Jüngste unter ihnen überreichte ein , yon eipem
Gehülfen yerfertig^tes , in farbigem Drucke zierlich ausgeführtes
Gedicht , welches . sofort - Tierstimmig abgesungen wurde. —
Tiefe Rührung bemächtigte sich des ehrwürdigen Greises wäh-
rend dieses, yon seiner Seite so ganz unerwarteten rührenden
Torgangs , der ihn Völlig sprachunfähig machte , bis endlich in
seinem ergriffenen Gemüthe lebhafte Gefühle der Freude und
des herzlichen Dankes Platz fanden, die ihm die aufrichUge
Aeusserung entlockten : dass ihm noch nie eine ähnliche Freude
zu Theil geworden sey. — Als historischer Beitrag zur Feier wurde
eine , im J. 1789 (dem Jahre der Buchdruckerei- £rrlchtung*und
des Geschäflsantritts ) in der OfÜzin des Herrn Zollikofer für die
hiesige Buchhandlung Huber n. Comp, gedruckte Schrift vor-
gelegt.
»Den Abend dieses , fQr den Herrn Jubilar so'wichtigen und
erfreulichen Namenstages feierte derselbe an seinem , seit yielen
Jahren gewohnten Erholungsorte ausser der Stadt, in Gesell-
schaft seines Herrn Schwiegersohnes , seines Sohnes, des Herrn
Hauptmann und Schulrath Christoph Zollikofer ( die Stütze seines
Herrn Vaters in der Geschäftsführung) , und im Kreise sämmt-
licher Gehttlfen , gleichsam eine Familie bildend , da Herr Zolli-
kofer die mehrsten derselben unter seinen Augen heranwachsen
sah , und sie alle ihn wie einen Yater yerehren und lieben. —
Geräuschlos, gemüthlich und anspruchlos, wie er selbst seit
50 Jahren gewirkt hat , wurde auch sein Jubiläum gefeiert. —
Allen Theilnehmern wird das Fest, das schon an und für sich
eine Seltenheit , und das erste dieser Art war , welches in einer
hiesigen Offizin gefeiert worden ist, unrergesslich seyn und
bleiben! — Nicht nur die Angehörigen des noch muntern
Veteranen , sondern auch Alle , die ihn kennen , stimmen in den
lebhaften Wunsch ein , dass er den Johannestag 1840 eben so
glücklich erleben and fröhlich mitfeiern könne, wie den dies^
jährigen I« ^
n
(1823 ~ 1834) war er Buchdrucker der Curia. — Er
ist Herausgeber des seit 1838 erscheinenden b Neuen St.
Gallischen Kalenders , oder Christlichen Hausfreundes, a
Eine dritte gleichzeitige und ganz neue Offizin errich*
teten im J. 1822 gemeinschaftlich
Peter Wegelln und €• Ia. Rätzer (von Bern ),
der Erstere 1792 , der Letztere 1798 geboren , unter ihrem
beidseitigen Namen ( Wegelin tmd Rätzer). Nach erfolgter
Auflösung dieser Sozietät (zuEnde 1829) verband der Erstere
sich unmittelbar darauf mit
Jakob Friedrich l^artmann,
geboren 1804* , woraus die Firma Wegelin und Wärtmann
entstand. — Mit Ende 1835 löste sich diese Verbindung
ebenfalls wieder auf, der Letztere übernahm die Buch-
druckerei , vereinigte mit derselben die kurz zuvor von
ihm angekaufte Druckerei des Bureau des Freimütigen
(s. dieses unten ), und gründete mit schon erwähntem
Buchhändler C, P. Scheitlin eine neue Gesellschaft für
Buehdruckerei , Buch", Kunst" und Musikalienhandlung Don
Wartmann und Scheitlin , welche mit dem 1. Januar 1836
in's Leben trat, im März 1837 aber wieder zu Ende ging. —
Von jetzt an setzte J. Fr. Wartmann unter seinem Namen
die vereinigten Offizinen , ScheitUn hingegen seine Buch-
handlung allein fort. — In der Nacht vom 10. auf den
11. Januar 1840 wurde das Wartmannsche EtabUssement
ein Raub der Flammen, worauf dessen Eigenthümer wenige
Tage hernach die von Egli und Schlumpf (s. diese unten)
geführte Buchdriickerei käuflich an sich brachte.
75
Dr«;Jo8epli Anton Henne 9
geboren 1798 zu Sargans , Professor an der St. Gallischen
kathol. Kantonsschule, stellte im J. 1831 9 veranlasst durch
die damalige Umgestaltung der Eidgenossenschaft und unsers
Kantons, welche derXhätigkeit der hiesigen Pressen einen
neuen Schwung verliehen hatten , unter der Firma :
Bureau des Freimütigen*)
eine neue und die vierte gleichzeitige Buchdruckerei auf,
die er zum Theil mit seinen schriftstellerischen Arbeiten
zu beschäftigen wusste. — 1833 ward ein Buchhandel damit
verbunden, und im folgenden Jahre beides nach demDorfe
St. Fiden, bei St. Gallen, verlegt. Im J. 1835 ging das
Ganze durch Verkauf an mehrmals genannte J. Fr. )Vart-
mann und C. P. Scheitlin über, und ward sofort wieder
nach St. Gallen zurück gebracht.
Friedlich £g;ll ,
geboren 1806 zu Kirchberg, Herausgeber des x> Vaterlän-
dischen Pilgers oder St. Gallischen Kalenders« , liess sich
im August 1838 , von seinem frühern Aufenthalte Herisau
weg, hier nieder , und verband sich mit seinem bisherigen
Faktor , Johann SMumpf, 1804* zu Peterzell geboren , zu
gemeinsamer Geschäftsführung unter Beider Namen (Egli
und SMumpf), Diese OfEbzin ist die erste in der östlichen
Schweiz, welche eine mechanische Schnellpresse (von König
und Bauer bei Würzburg) besitzt. — Im Frühjahr 1839
ward eine Schriftgiesserei (ebenfalls die erste im Osten
der Schweiz als eigener Geschäftszweig), später noch eine
Anliqnariatehandiung und Buchbinderei damit verbunden«
*) Der »FreimüUge« war ein von dem Besitzer redigirtes
poUUsches Blau.
76
Zu Anfang dieses Jahres wurde die Buehdruekerei und die
Buchbinderei Eigenthum von J. Fr. Wartmann.
Während die Zahl der dem Druck übergebenen Schrift-
stellerarbeiten und der übrigen , den hiesigen Pressen
zugeflossenen Beschäftigungen yiele Jahre hindurch, im
Durchschnitte betrachtet , sich ungefähr gleich geblieben,
zeigen sich dagegen in den Leistungen der OflSzinen seit
dem 3. Jahrzehend bedeutende Fortschritte, und deren
Besitzer sind den h^her gestiegenen Anforderungen des
Publikums auf schönen und geschmackvollen Druck aus
eigenem Antrieb und Liebe zur Kunst rühmlich entgegen
gekommen. In edlem Wetteifer folgten sie dem Beispiele
Frankreichs und Deutschlands, theils durch Anschaffung von
Pressen nach den neuesten Erfindungen , und Anwendung
geschmackvoller Zier- oder Luxusschriften , Einfassungen
u. s. w. ; theils durch Sorgfalt für schönen und reinen Druck,
so wie nicht weniger durch Benutzung schöner Papiersorten.
Die Beweise des Gesagten liegen in den zu Tage geförderten
und täglich erscheinenden Druckarbeiten vor Jedermanns
Augen*). — Auch die Schriftgiesserei von F. Egli, in jüng-
ster Zeit durch Anschaffung von Matrizen aller gewöhn-
lichen Schriftgattungen, Einfassungen u. a. m. sehr vervoll-
ständigt, ist bereits im Stande, neben dem Nothwendigen
auch Schönes zu liefern.
*) Mit Obigem woUte der Verf. weder ein Selbstlob noch eine
blosse Lobrede auf die jetzt bestehenden Offizinen aussprechen,
sondern einfach den Zustand derselben und den Standpunkt der
Kunst in der Gegenwart schildern , was nach seiner Aüsicht
hieher gehört, so wie es in derUebersicht des 18. Jahrhunderts
auch geschehen ist.
ß^on den Buchdruckereien in verschiedenen
Theilen des Kantons.
(1600—1840.)
A« Im 17. und 18. tTahrhundert.
Hei der günstigen Lage für Handel und Gewerbe des
am Bodensee gelegenen Marktfleckens
RORSCHACH,
seinen stark besuchten Wochenmärkten und seiner Nähe
bei der Abtei St. Gallen y in deren Gebiet er lag , ist es
gar nicht befremdend , dass die Brüder Straub von St.
Gallen, welche in den letzten zwei Jahrzehenden des
16. Jahrhunderts in und bei diesem Orte Buchdruckerei
und Buchhandel betrieben hatten , bald einen Nachfolger
erhielten. Zwar ist völlig unbekannt, wann dies geschehen ;
aber von 1605 an war
Barttaolome Schnell ^ t?on Hohenems ,
als Buchdrucker daselbst. Und weil um 1600 ein Buch-
druckergehülfe dieses Namens sich dort aufhielt, so
ist wohl mit Grund anzunehmen , er habe bald darauf,
d. h. so bald die Brüder L. und G. Straub weggezogen,
für seine Rechnung zu drucken begonnen. Ob er aber
die zu Aich bestandene Druckerei , die yermuthlich dem
78
Keller von Steinberg , nach Auflösung seiner Verbindung
mit Obigen 9 zugefallen war, übernommen , oder aber eine
eigene dabin gebracht , ist gfeichfalls im Dunkeln.
Man hat aus seiner Presse die x> Reyss vnd Bilgerfahrt,
zum Heyligen Grab dess Edlen vnd Gestrengen Herrn Lud-
wigen Tschudy's von Glarus , Herr zu Greplong, u, s. w,,
Ritters. 1600« , in Quartformat. Melchior Tschudy, Ganzler
zu Wyl, und Jakob Thrumer (vielleicht der erste Papier-
fabrikant » an der Krätzern « ) waren die Verleger dieses
Buches. — Um 1610 verliess B. Schnell den hiesigen Aufent-
haltsort y Und zog in seine Heimath Hohenems. Für eigene
Rechnung scheint er keine Bücher gedruckt zu haben.
Nach Verfluss von 4 Jahren (1614) wurde
Johannes Rffsler) aus Constanz,
von Abt Bernhard H., zufolge dessen Tagebuche, zu seinem
Buchdrucker angenommen. 1614 erschien aus, seiner Presse
das ^
BreviariumBenedictinumexromano restitutum, Pauli Quinti
Pont. Max. auctoritate approbatum.
Ist eine schöne Ausgabe in Folioformat, mit bedeutendem
Kostenaufwande fttr die Kirchen und Klöster dei Landes Ter-
anstauet.
Rösler, der auch Buchhändler und Verleger war, blieb
nur 5 Jahre hier, wurde aber sogleich ersetzt durch
Johannes SchrSter,
welcher zugleicli Buchbinder gewesen seyn soll. — Der
Abt 9 welcher sich die Herausgabe verschiedener liturgi-
scher Werke angelegen seyn Hess , überiiaupt Geschmack
an der Typographie gefunden zu haben scheint y liess zu
79
Anfang 1631 ein von dem gelehrten St* Gallischen Mön»
chen Magnus Brüllisauer^ von Appenzell, verfasstes Dtreo«
iütiwn Bmediciinwn perpetuum (ewiger Kirchenkalender)
in gross Oktav hei ihm drucken , nahm aber, wie sein
Tagebuch bezeugt (ohne Zweifel , um des getreuen und
sorgfältigen Abdrucks versichert zu seyn), »den Buch-
»druckerund Setzer, auf ernstliche Ermahnung und arti-
»kulirtes Fürhalten, in's Gelübd« *).
Auch Schröter zog 1622 wieder weg , um sich inRavens«
bürg niederzulassen. — Von da an blieb Rorschach, so viel
bekannt, für immer ohne Druckpresse. Ein paar lateinische
Thesen über Philosophie , fiir einige Ordensbrüder aufge-
setzt, sind das Letzte was aus derselben hervorging.
Wenn gleich obige drei Männer, Schnell, Rösler und
Schröter, nicht unmittelbar im Dienste des Stiftes St. Gallen,
als dessen angestellte Drucker standen , sondern als Eigen-
thümer ihrer Druckereien unabhängig blieben, können
sie demungeachtet wegen verschiedener Verhältnisse zu
Abt und Stift als die ersten Stiftsbuchdrucker betrachtet
werden.
KLOSTER NEU ST. JOHANN ••)
in Obertoggenburg.
Der Abt Pius, Nachfolger des 1630 gestorbenen Bem«-
*) Aus mehreren Klöstern , in welchen man theils schon mit
Verlangen darauf gewartet, theils yon der Erscheinung des-
selben gehört hatte , wurden Briefe und sogar eigene Boten nach
6t. Gallen geschickt, um Exemplare dieses Kirchenkalenders
gegen Bezahlung zu erhalten.
**) Das früher selbstündige , 1555 aber aufgelöste und dem
Stifte St. Gallen einverleibte Kloster St. Johann, ursprünglich
80
hard IL , der das Bequeme und Vortheilhafte einer auf eige-
nem Gebiete befindlichen Buchdruckerei erkannt und den
Mangel einer solchen , seit inRorschach keine mehr vor*
banden , gefühlt haben mochte , liess im J« 1633 , dem Bei-
spiele anderer Gotteshäuser folgend, einen vollständigen
Druckapparat sammt einem Buchbinderwerkzeuge herbei-
schaffen und in diesem Kloster aufstellen *]• Als ein, wissen-
schaftliche Thätigkeit bei seinen Untergebenen schätzender
und befördernder Ordensmann , hielt er auch die Erlernung
und Ausübung der Buchdruckerkunst für eine , den St. Jo-
hannischen Mönchen und ihren Zöglingen sehr anständige
und zugleich nützliche Beschäftigung in Nebenstunden **) ;
ein aus dem Kloster ^Veingarten berufener Buchdnickeri
Johann Landort 9 musste demzufolge einige aus ihnen im
Setzen und Drucken unterrichten.
Eine der ersten Arbeiten dieser toggenburgischen Klo-
sterpresse war das Büchlein :
bei AU St. Johann gestanden , war yon 1626 — 1630 ganz nen
erbaut worden. — Für die Leitung der damit yerbundenen Stn-
dienanstalty und zur Besorgung der Seelsorge , des Chorgesangs,
des Oekonomiewesens und der Gerichtsbarkeit hielten sich jeder-
zeit etwa zwölf Geistliche aus dem Stifte St. Gallen hier auf.
*) Die Unkosten der Anschaffung und Einrichtung erreichten,
mit Inbegriff des Lehrgeldes , beinahe die Summe yon fl. iOOO.
**) Wollte man andere Gründe, als die angegebenen, aufsuchen,
warum Pius in diesem kleinen , yon seiner Residenz entfernten
und abgelegenen Gotteshause , und nicht eher in seinem StiAe
selbst diese Druckerei habe aufstellen lassen , so könnten durch-
aus keine aufgefunden, sondern nur die Muthmassung aasge-
sprochen werden, es möchte wegen der Nähe schwedischer
Truppen (im 30jährigen Kriege) geschehen seyn, indem eben
zu jener Zeit, nach erfolgter Belagerung der Stadt Gonsianz , das
Archiy und die Kostbarkeiten aus dem Stifte St. Gallen zum
Theil in das Kloster St. Johann , zum Theil nach Einsiedeln wa-
ren geflüchtet worden.
81
Erbreebt des» Gott» Haude^ Shtit GiSien, vnd desseftigeii
Grafibdiafk Doggenlrarg. Getnickt im GotUbtiis» Newe^
SaiitJobanDyObgemeIterGraffscbafil«AanoM.D,G.xxxui.8.
Auf dem Titel einer 1637 gedruckten theologiscben Dis-
putation liest man die Namen der geistlichen Typographen
in folgender Unterschrift: Excudehawt RR. PP.Bomfacius
Feurer et Remaclus Negdin apud S. Joannem, in ThuratalUp
formis Monaiterii *).
Nach Verlauf von 7 Jahren schien der Abf (ür zweck-
dienlich erachtet zu haben, die Druckerei in seine unmittel«
bare Nähe bringen zu lassen , ohne Zweifel in der Absicht,,
sie zu vergrössern und zu vervollständigen; mit einem
Worte, sie zu einer Stifts- und Landesdruckerei zu er-
beben. Im J. 1641 wurde daher das ganze Druckereima-
terial in das
FÜRSTLICHE BENEDICTINER-STIFT ST. GALLEN
gobmcbf , durdi bedeutende Anscbatfimgel^ von Va^H^
nUAen, Vermehrung der Pressen u. a. m. ei^weiteH und
durch sptttem Zuwachs noch mehr vervoUstäxHHgt , so <la»M
sie im Laufe der Zeiten zu einer der grössten und besteinge-
liofatetea Klosterdmckereien der Schweiz sieh erhob« — Die
Führung der Druckereigeschäfte und die Aufsicht ttbei' datf
Personal wurden, einzelne Ausnahmen abgerechnet, von
einem vertrauten Gehülfen besorgt, welcher der »9t8b^
buchdrucker a **} hies»; unter ihm befimdea sich gewöhn«
—— . ,...-- ■ — . — ^ . — ... - ^ - ^
*) Beutsch: GePärägtyon den hochW. Vxtern Böiiffiidui l^ettrer
nnd Bemachis' NegfeÜit , zu 8t. Johann hn Thurtfaal , mit ded
Schriften des Klosters.
**) Die ätiflsbaehdrucker, deren Namen bekannt sind , waren
folgende: Johann Landort, von Weingarlen (frühem in der
6
I^ eisige Lflienbrüder des Klosters. Ein Gonventual, mit
dem Titel Puter Diredor, >atte die Oberaufsicht über das
Ganze y besorgte das Durchlesen der Probebogen, empfing
die nöthigen Gelder zu Bestreitung der Ausgaben, und
übergab zu gewissen Zeiten dem Fürstabte die Rechnung
über Einnahmen und Ausgaben. — Abt Gall erliess unter'm
29. Jänner 1681 ein aus 10 Artikeln bestehendes, lateinisch
abgefasstes Geschäftsreglement für den Stiftsbuchdrucker
und seine Gehülfen, dessen erster Paragraph, als ein
Musterehen von dem, man möchte sagen mönchischen.
Styl und Inhalte des Ganzen, hier ein Plätzchen finden mag:
DDer Vorsteher der Buchdruckerei soll sein Amt in der
D Furcht des Herrn und nach dem Willen- seines Yorge-
jtf setzten verwalten, in Gemässheit der hl. Ordensregel,
»Gap. 12 (die er zuweilen durchlesen soll]. In wichtigen
»Fällen hat er den Rath seines Obern einzuhcden, und
»ohne dessen Zustimmung soll er nichts ausftilnren. —
»Seine Seele bewahre er rein, und damit das Laster des
9 Geizes ihn nicht anwandle , wird ihm allezeit etwas we-
Drackerei zu St. Johann angestellt); Bonifaciui Fewrer, yon Tab-
lat, um 1«54 (frtther ebenfalls in St. Jobann); Frcmx VTeif-
hamtt, zwischen 1660 nnd 1670; Joh. Adam Härekner , zwischen
1671 und 1680; Joh. Georg Schlegel, bis ±690; Adolph Joseph
BbeU, ton 1691— 1698; Jakob MiUler, yon Jena, bis 1723
(die Zeit Ton 1712 — 1718 ausgenommen); nach dessen Tode
seine Wittwe einige Jahrelang; Andr, Xaver Hauntinger, yon
Wien^ yon 1746 — 1798 (letzter Stiftsbuchdrucker; er war der
Vater des gelehrten Stiflsbibliothekars Nepomuk Hauntinger). —
Mehrere dieser Männer waren die Pächter der Druckerei ; sie
bezahlten einen kleinen Pachtzins , berechneten dem Stifte die
Druckarbeiten zu festgesetzten Preisen, und waren gleichsam
die Yerleger der Hlr den Verkauf im Buchhandel gedruckten
Werke , welchen sie auf dem Titel , neben dem gewöhnlichen
Impressum, ihren Namen beizusetzen pflegten.
inniger BezaUuog gereidit , ds WeUKdie m geben piegeto;
»auf dass Gottes Ehre in AUem befiVrdert werde. — Er
»darf aber auch kein Verschwender seyn.« Dureb dieses
Reglement war dem jeweiligen Stiftsbucbdrucker der Y^^
kauf aller von den eigenen Pressen geliefertenHess-, Gebet-
iMd Sdndbftdher n. s. w. fSr den Bedarf der Geistlicbkeit,
d^ Volkes ond der Jugend in der fürstlich St. GaUüscfaen
Landschaft; femer der Tauschhandel mit den fiir den autf-
wärtigenAbsatz (z.B.anderFrankfurtermesse)bestimmtai
Werken 9 nebst der Buchführung dariiber, so wie auch die
Herschaffung solcher Bücher , die in den Stiftslanden ein-
geführt, aber auswärts gedruckt waren, tibertragen.
lieber die Schriftsteller und die Schiiflstellerei in hie-
siger Abtei giebt v. Ars in seinen Geschichten des K. St.
Gallen (3. Bd., S. 268) folgende Auskui^: x>Da in diesen
»Gegenden (nämlich in der St. Gallischen Landschaft)
»Handel und Gewerbe sich immer vortheilhaft treiben lies-
»sen, mit Schreiben aber weder eine fette Pfründe, ^ro-
»fessur noch einträgliche Stelle zu erwerben war, so spürten
»sich Wenige berufen, nach Schriftstellerruhm zu haschen.
»Zwar wären in der Abtei St. Gallen dazu immer Einige
»aufgelegt gewesen; aber das von den Obern oft f&r nö-
»thig befundene Versetzen von einem Posten auf den andern;
»der Vorzug, welchen man den Verwaltungsstellen vor
»den literarischen Beschäftigungen gab; die Denkungsart
»der Aebte, welche weit lieber gelehrte und den Geschäften
»gewachsene Männer, als Schriftsteller zu haben wünsch-
»ten, und nidit leicht einer Schrift den Druck erlatibten
»U.S.W., machten, dass besonders im Bücherschreiben das,
»was sonst möglich gewesen wäre, nicht geleistet wurde«
6*
Sk
»indessen "ward doebTieFes, um wemggtens in Handsebrift
Bda zu liegen y gesehrieban.« -^ Auch diä Neigung oder
Vorliebe des jeweiligen Abtes für irgend ein Faeh, inwel-
ehein seine Regierungszeit sich auszeichnete, oder welehes
er selbst Torzugsweise pflegte , mag ihren £influs8 auf die
Tbätigkeit der Presse und den Mialt ihrer Prodidcte geäu^
Bert haben , da von ihm selbst nicht nur dieBewäligung f&r
äxe zu druckenden Bacher ertheiit wurde , sondern Ober-
diess die ganze Rechiungsführung durch seine Hände ging.
Von den durch die Stiftspresse zu Tage gefi^rderten
Druckwerken verdienen die nacbbenannten, theils ihrem In-
halt oder ihrer SeUeiibeit, theils ihrem Umfang oder ihrem
Aeussem nach , oder aber eines andern Umstandes wegen,
die meiste Aufineifcsamkeit:
ConeordataMonasteriiS.GalU cum episcopatuConstan-
tien». — 'ExTypographiaMonasterii S. Galli. ICil. 4,
,Ist, so yiel bekannt, das älteste Produkt.
Codex TraditionumMonasterii S. Galli.
Enthält die bekannte , äusserst wichtige Sammlung aller Ur-
kunden über die dem Kloster St. Gallen yom 7. bis zum Anfang
des 14. Jahrhunderts gemachten Schenkungen , gesammelt nsd
geordnet von dem schon erwähnten Magn. BrüUisauer *). Dieser
Folioband, ohne eigentlichen Hauptlitel, soll, nach y. Arx,
1545 gedruckt worden seyn.
1646 begann der Druck (auf einzelnen Foliobogen) aller
im Stiftsarchive befindlichen Urkunden von einiger Wichtig-
keit, zum Gebrauch im Stifte und för die weltlichen Be-
amten ausser demselben ; eine Anzahl Exemplare wurde
*) Wiewohl kaum glaublich ist, dass, wie y. Arx (im ange-
führten Werke , 3. Bd., S. 271) angiebt, die Auttage nur in
24 Exemplaren gemacht worden seyn soll , sind diese doch in
der That äusserst selten und daher , als kostbare Literaturschätxe,
sehr gesacht.
•5
BjetemBÜsdä in Bände geordnet , die eine Sammlung ^mn un-
schätzbarem Werth ausmachen. Ein Laienbruder aus dem
Kloster Muri , Namens Balthasar Thtiring , welcher der
dortigen OfBzin vorstand y war^ zur Ausffihrung oder Leitung
dieses grossen Unternehmens ^ hieher berufen worden.
Eine eben so geschätzte als seltene Ausgabe ist die
1659 Yon P. Athanas Gugger> von Bernang, herausgegebene
Alexandris , sive Gesta Alexandri Magni libris X. compre-
bensa> auctore Gualthero de GasteUione.
Von etlichen Professoren des Stifts geschrieben , erschien
von 1660 — 1670:
Cursus theologicus in gratiam et utilitatem Studiosorum
S.Galli.
Ist in 10 nett«ii Bündchen klein Oklav > mit nenen Lettern»
hübsch gedruckt.
Der Conventual und nachherige AbtCöIestin L (Sfon-
drati) beschäftigte die Pressen nicht allein mit seinen
eigenen gelehrten Arbeiten (etwa 13 an der Zahl) > sondern
liess auch andere bedeutende Werke zum Drucke beför*
dem. Aus den erstem ist Innocewtia vindicata Ceic. etc.^
in kl. Folio , des Druckes und der schönen Kupferstiche
wegen erwähnenswerth ; von letztern ist das Wichtigste:
Joh. JHUiemii Annales Hirsaugienses* Opus nunquam hacte«
nus editum^ et ab Eruditis semper desideratum (etc.),
1690.
Herausgfeber dieser zwei schön gedruckten , jeder mehr ali
600 FoUoseiien umfassenden Bände, nach einer durch die Mönche
Tiele Jahre zuTor vom Originale genommenen Gopie abgedruckt*},
war der Stiflsbibliothekar Hermann Schenk , von Constanz , der
sie mit einer Vorrede begleitete. — Die Nachricht, welche der
Verfasser im 2. Bande über die Erflndung der Buchdruckerkunst
*) Daa Original \9g während des 30 jährigen Krieges eine Zeit
lang an der Mflsbibliothek aufbewahrt.
66
gkthi, ist eiae Haupt^elle für die Geschidite denelbeii, und
«r ivird yon den Geschichtschreibem als der sicherste Gewährs-
mann unter den gleichzeitigen Schriftstellern betrachtet, weil
Tritheim persönlicher Bekannter yon Peter Schöffer , dem Ifil-
erfinder, war und den ganzen Hergang der Sache um das J. 1484
aus dessen eigenem Hunde yernommen hatte (s. S. 9.).
Der Landmajor Hässi eignete den im J. 1702 von ihm
verfassten Soldatenspiegel (ein mit vielen gemalten Holz-
schnitten ausgestattetes Exerzierbuch) seinem Landesherrn,
dem kriegerisch gesinnten Abte Leodegar zu> für dessen
Truppen das Buch geschrieben war. Zu diesem (einige
Militärreglements ausgenommen) einzigen Produkte militä-
rischer Literatur aus hiesiger Klosterpresse gesellte sich im
nämlichen Jahre ganz friedlich die von den Stift St. Gallischen
Musensöhnen zur Jubelfeier der helvetischen Benediktiner-
Congregation herausgegebene« mit den in Kupfer gesto-
chenen Abbildimgen aller Schweizerklöster dieses Ordens
geschmückte
IdeasacrseCongfegationisHelyeto-Benedictinse (etc.). FoL
Eine der bedeutendsten typographischen imd literari-
schenErscheinungen aus dem 18. Jahrhundert, und zugleich
eine der letzten , war:
Henr. Murer , Helvetia sancta. Heiliges Schweitzerland, seu
Paradisus Sanctorum Helveii» florum. 1750. Fol.
Von den Schicksalen, welche die Offizin in Zeiten
liolitischer Stürme betrafen , ist auch noch Einiges zu
erzählen.
Nachdem durch den Anfang der Toggenburgerunruhen
und die daraus entsprungenen diplomatischen YerhandlungeD
des Stiftes mit Zürich , Bern u. s. w. die Pressen beschäf-
^81 gewesen, wurde bei der naohherigenBesetzang der Abtei
durch genannte zwei Stände (in den J. 1712 — 1718)
m
nie Dnidcerei anfangs mit Beschlag belegt und in Stilstwid
versetzt , später aber dem Buchdrucker J, Re^nger in Pachl
gegeben und erst nach dem Friedensschlüsse dem Stifte
nieder übergeben. Vorher aber (1717) beliebte es den
Bemem (wie J. G. Schenkte in sein^ handschriftlichen
Gesdhichte des Toggenburgericrieges berichtet) ^ um, gleich
Zürich , nicht leer abzuziehen , eine i^chöne Presse sammt
ethchen Gentn^n Buchstaben^ aia typographische Beute,
sich zuzueignen.
Im Herbste 1798 > nachdem die helvetische Central-
regierung alle bewegliche Habe des Stiftes mit B(*schlag
belegt und als Eigenthum der Nation erklärt hatte « schlug
auch die Stunde der Auflösung der mehr als anderthalb
Jahrhunderte bestandenen Buchdruckerei , und sie theilte
das Schicksal anderer schweizerischer Klosterdruckereien.
— Auf geäusserten Wunsch der Regierung des neuen
Kantons Thurgau, im Hauptoile Frauenfeld (welcher
niemals eine Druckerei gehabt) eine solche zu bentzen,
liess die Centralregierung durch ihren hier anwesenden
Gommissär Erlacher einen vollständig assortirten Theit
der StiftsofiQzin dorthin bringen. Das Cebrige ward in
Kisten gepackt, und die noch vorhandene Presse bUeb
massig stehen. Ueber dieses Zurückgebliebene entspann
sich im Oktober gleichen Jahrs eine bis 1800 fortlaufende
Correspondenz zwischen dem helvetischen Minister der
Künste und Wissenschaften und der Verwaltungskammor
vom Kanton Säntis. Die Letztere, besorgt , es möchte
ihr auch dieses noch entzogen werden, schrieb an den
Erstem: »sie stehe in voUer Ueberzeugung , die ange-
ordnete Massregel (desEinpackens) habe nur die Sicherheit
y^m/damg^ot Ei^wenAmig, nicht aber £6 j^T^eb»
Wialhrmmg ' und Aufbßbtt&g eines Druckappars^es zum
Zwecke , der kjinftigbiii in dexüi veitlaufigen (antoi^ Säntis
Ba schneller Verbreitung der Creselze und Verordamigeii
lUB so unenthdhrlicber sey, als der Kanton |iur diese
Dinadge, dem Staate zugehörige Druckerei besitze« Es werde
daher wohl niemals Wille des yollzieh^ngs*{>ireldcHil^n5
seyn \&m»SL » die Behörden und den Kjmtoi^ dieser» für
beide so nothwendigen Anstalt zu beraul^en« ^ ^r^ I*üclit
langß darnach lief yom Finanzminister ein Sehreiben ein,
init V^rwürfei^ üher das Fortarbeiten in dw Dnidcerei
«ad di^ Besoldung eines Buohdn^kers, woäraus f&r die
J)^op ( 1} iiieb^^ Naclaheil als N^t^n entstehe (man hatte
sie nSnilich ?% yerschiedenen amtlichen Arbeiten benutzt).
]l>ie Verwftlfeipgskammer wie^ft^rholte das früher Getusserte
«ind^gtQ, beiäglieb eipügerih^ vorgelegten Frage», bei:
^4Ke rw^ vm noch in mitt9)mässig^m Zustande beSodMcbe
jiMi4 mi einer einlegen Presse versehene Druckerei könnte
4cyrch de» yei;lag katholisdier Gebetbücher» Catec^ismeOi
HO wie dufcb aUgem^ eina^ufiihr^nde Scfaulbßcher u. s. w.*)
för den Stuat ziemlich eiv^ägUch gemacht werden, beson-
d^a da «s die eimsige katbolisdie Druckerei in hiesiger
biegend sey.« ^-^ Es erfolgte nun ^ne BeToIlm&chtigung
*) Mit dem yorhandenen bedeutenden , ai|f circa fl. 8000
geschätzten Bücherverlage war man schlimm umgegangen. Auf
ll«Sihl BrUohers ii4rde ( im Mlfarz 1800 ) ein Theil destelben
Ballen weis als Makulatur verkauft; ein anderer Theil, worunter
sogar der ganze Vorrath des in den Landesschulen gebrauchten
CateoliisnHis tob Canisius , nebst andern Schulbtlchern gewesei
seyn soll » wurde bei einer Yersteigerung der fahrbaren Habe des
Stifts um wahre Spottpreise yerschleudert, worüber dann später
Ktoge gelülivl wurde.
m
zu V«rp«ditiuigr des yorbandenen. Eonrad Mn^ehip vaip
Mttolen , friihQr Arbeiter in dieser Offizin > meldete sidi^
ak.Päicbtery und wurde angenommen. Seine Firma finde|;
sich u. a. auf de w Titel eines im J. 1801 von dem Stifts-
j^arrer Bernard Blattmann herausgegeben^ A-B-C- m4
Bw^hitabirbüehlein. — Die Regierung des neuen Kanton^
St. G^en hob , bald nach ihrem Regierungsantritte j(1803)^
den ohnedies abgelaufenen Pachtakkord auf > und scbloss
einen neuen mit dem Stadt, St. Gallischep Buchdrucker
Joh. Zoliikofer , der zugleich das bisherige Lokal 4^selbeB
in Bestand nahm« -^ Im !• 1818 wurden Zoliikofer iiiMJi
Züblin Eigenthümer des bisher gepachteten Druckmatejials.
1825 musste der Platz geräumt werden ^ um zu andern
Zwecken verwendet zu werden^ und sp verschwand noch
die letzte eigenthümliche Spur der ehemal^;en Druckerei
der I&ngst vorher aufgelösten Abtei St. Gallen.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts befand
sich in
BERG
eine typographische und xjlographische Druckwerkstätte,
die 9 so unbedeutend sie vielleicht scheinen mochte , den-'
noch in mehrfacher Beziehung der Erwähnung werth ist.
Schon ihr Daseyn an diesem Orte , dessen Bewohner fast
ausschliesslich nur Aekwbau , Viehzudbt und Obstbau tret'
ben , war eine ganz eigene Erscheinung. Ihr Besitzer,
Beai Jakob Anton HiU»n$perger ab Htüsmperg, von Zug,
stammte aus einer Familie , die im 18. Jahrhundert als
Formschneider sehr thätig- war *)• Wahrscheinlich stand
*) S. Leu , schweizerisches Lexikon.
90
^r zuvor iis Arbeiter in der St. Gallischen Klosterdrackerei ;
dann heirathete er eine Bürgerin dieses Ortes, gelangte
durch Erbschaft zu einigem Yermögen, und Hess sich
1762 in's Gottshausmann -^Recht, d. h. als Niedergelassener
in des Abtes Landschaft , zu wdcher Berg gehörte, auf-
nehmen. -^ Hiltensperger war in alleiniger Person Buch-
drucker, Formschneider, Kupferdrucker und Briefmaler.
Seine Arbeiten, mehr in das xylographische als in das
typographische Fach einschlagend, zeugen von Fleiss,
Kunstsimi und Anordnungsgabe , und haben auch geschidit-
licfaes Interesse. Es ist noch Folgendes Von ihm vorhanden :
Neu -Jahrs -Wunsch denen Hochgeachteten, Wolgebomen,
Wol- Edlen, Gestrengen, EIu*- und Nothüestea, Ver-
nehmen, Vorsichtigen, Hoch- und Wolweisen Herren
Burgermeister, Klein und Grosse Räth, Richter, Be-
amteten, an alle Tit. Junkern, Herren, Künstler, Handt-
werker, . Wirth-, Kauf-, Handels- ui^d Gewerbsleute,
und an alle tugendsamen Frauen und Jungfrauen der
.. Hochlöblichen Eidgenössischen Stadt St. Galien. Auss
Nachbäurlicher Liebe , hochtraffender Affektion und
geneigtistem Willen gratulirt und dedicirt Beat Jakob
-Anton Hiltensperger ä Hiltensperg, Buch- und Kupfer-
trucker, Formschneider und Briefmahler. — Berg, auf
der Pfaffen -Nasen*), den 2. Januar 1769.
Enthält auf zwei zusammengeklebten Bogen die Wappen
der Stadt , der regierenden Bürgermeister » der Zttnfle und
angesehensten Bürgergeschlechter. Biesen folgt ein ans drei
Strophen bestehender Glückwunsch.
1777 gab er auf drei zusammen gehörenden Bogen die l^am»K«fi-
Wappen aller St. Gallischen Äehte heraus. Dasjenige des heil.
Gallus zuoberst, und jenes des damals regierenden Abtes Bed«
in der Mitte » sind in grossem Massstab ausgeführt. Nebst Anderm
mehr. — Wie lange diese kleine Druckerei, die wahrscheinlich
mit dem Tode ihres Besitzers einging , in diesem Dorfe bestanden
habe , konnte Verfasser nicht erfahren.
*) pies' war der Name seines Besitzthums.
/
M
B. Im 19. Jalirhandert
Es ist bei Erwähnung der Zollikoferschen Offizin (S. 71)
bereits gesagt worden, die helvetische Revolution mit ihren
Folgen habe zwar eine Unzahl von Zeitblättem» Flug-
schriften und. ändern Druckarbeiten erzeugt, ohne dass
sie, wie anderwärts geschah , eine Yermehrung der Buch-
druckereien im Kanton Säntis nach sich gezogen hätten;
auch würden sie späterhin sehr wahrscheinlich geraume
Zeit hindurch wieder müssig geblieben seyn. Erst im
3. Jahrzehend entstand bei einigen Geistlichen > Lehrern
und andern Literaturfreunden des obem Toggenburgs die
Idee und der Wunsch, eine Buchdruckerpresse in ihrer
Nähe zu besitzen, theils um einige periodische Blätter
über Politik und andere Gegenstände gründen, theils um
schon bereit liegende schriftstellerische Arbeiten unter ihren
Augen an's Licht treten lassen zu können. Hiedurch
ermuntert, unternahm in
EBNAT
der SchuUehrer Abrah. KeUer, von Kirchberg, im J. 1833 die
Errichtung einer Druckerei und einer kleinen Buchhandlung.
Als erster Zeuge seines Wirkens erschien der d Alpenbote «,
ein politisches Blatt , welches 1827 wieder einging! Heh-
rere Versuche mit Zeitschriften fiir die Jugend , fiir Land-
und Hauswirthe, missglückten. Der bekannte deutsche
Schriftsteller und Flüchtling Hartwig Hundt -Radowsky war
eine Zeitlang als Redaktor bei ihm angestellt. Kellers bedeu-
lendatoVerlagsscbriften waren: eine etwaa teränderte neue
n
m
Ausgabe des 1. Theils yoo »Walsers Appenzeller -Chronik«
(St. Gallen 174-0)9 und »Rechsteiners Fremdwörterbuch«,
auch die «Kirchlichen Nachrichten aus dem Toggenburg,
von J. F. Franz « 1824, wurden von ihm gedruckt. — Nach
Verfluss von 4 Jahren verkaufte Keller, vermuthlich nicht
ganz befriedigt in seinen Erwartungen, den Büchervorrath
nach Chur , die Druckerei wanderte dagegen nach
UCHTEN8TEIG,
wo sein Schwager, Friedrich Egli, von Kirchberg, als
neuer Besitzer derselben im J. 1827 auftrat. Neben mehrem
Yerlagsschriftenundder «Toggenburgerzeitung« unternahm
er auch die Herausgabe des »St. Gallischen Hausfreundes«,
seit 1832 »der Vaterländische Pilger« betitelt , ein Volks-
kalender , der noch jedes Jahr erscheiot. Von 1831 an
gab er die neuen Gesetze des Kantons St. Gallen in Heften
heraus. — Gegen das Ende des Jahrs 1833 siedelte Egli
nach Herisau , im Kanton Appenzell , über. — Von 1836
l>is 1839 druckte sein Bruder Jakob Egli, Buchbinder, mit
einer in Stäfa gekauften Presse sammt Schriften einige Gebet»
büchlein, Jugendschriften u. s. w. — Seit einigen Jahren
befioADt lieb «u<?h N. Kappleri^ Buchdruekerai hier.
BEI LICHTENSTEIG.
Im J. 1824 liess der Waarenfabrikant AiistoiM KßppUr *),
ohne Zweifel durah Kellers Beispiel ermuthigt , in seinem
Wotuiorte Bundt, Gemeinde Wattwyl, dicht bei licbtenr
ßteig , durch einen von Letzterm ausgetretenen Geholfen
eine kleine Druckerei errichten, und übergab ihm die
"") Dessen Stiefsoho, J. M. Wille, bei Ketter Lekrliag war.
93 . "^
Fdittm^ dersdben. Biit dem Druefcorle »beiLiehtensteige
ersdnen 182S u. a. da» »yaterländisctke YoI&sblattK y eine
Monatschri ft ; 1826 das »Toggenburger Wochei^blatt«, und
seit 1830 »der Toggenbnrger-Bote« , ein poliliscbes Blatt»
welches unter jetziger Redaktion »db einer grossen Yerbrei-
lung erfreut. — Das Bedeutendste was deine Presse hier
zu Tage förderte , ist die in seinem Verlag erschienene
Schrift: »Leben und Thaten Napoleons» yonDr.Zuppinger.cr
— Seit etlichen Jahren ist diese Offizin nach Lichtensteif
yerlegt.
FLAWYL»
Johä Caspar feiger, Ton diesem Orte gebürtig» hatte
in St. Gallen die Wundarzoeikunst erlernt » und bereitete
ftch auf den Besuch einer hohem Lehranstalt vor, ab
der Tod seiner Muller ihn zu dem Entschlüsse veriSlasste»
onen wisseBsehaftUch- industriellen Beruf zu ergreifen*
Seine Vorliebe für einet^ solchem» rerbunden mit ausge-
zeichneten Naturanlagen zu mechanischen Arbeiten» bracheir
sich durch alle Hindermsse Babi » und er unternahm im
Mai 18^ die Errichtung eibeB kleinen Druckapparates»
ohne ^ geringsten techiiischeil oder praktischen Kennt-
nisse von der Buehdi^ackerkunst zu jbesitzen. Nachdem er
ein einziges Mal eine Presse gesehen» bestellte er eine
solche, nach bloss müttfficher Angabe aus dem Gedächt-
nisse» und zwar bei Handwerkern » denen sowohl Bau als
MOBchanismns einer Blichdruckerpresse völlig unbekannt
waren. Seine einfache Presse erforderte daher sogleich
verschiedene Verbesserungen ; nach vieler Mühe und
manchen Versuchen gelang es ihm indess in kurzer Zeit»
d4
Abdrücke zu liefern. Durch eifriges Studium der neuesten
Haudbüchei* über die Buchdriickerkunst erwarb sich Steiger
jetzt die notfawendigsten Kenntnisse von den Regehi
derselben, gelangte so zur Möglichkeit , die Kunst ohne
fremde Anleitung auszuüben , und nahm auch einen Ge-
hülfen an. Eine seiner ersten Druckschriften war: »Das
Wohl des Menschen in allen Perioden des Lebens , von
Dr. Lutz « y in deren Vorwort der Yarleger kurze Andeutun-
gen über die Entstehung seiner Offizin niederlegte, welcher
er die Firma: »Typographische Anstalt von Gebrüder
Steiger« gab. Mit Anfang des J. 1830 unternahm er dann
die Herausgabe einer selbst redigirten Zeitung, »der allge-
meine schweizerische Bauemfreunda, später »Neue St.
Gallerzeitung« betitelt. — - Im J. 1832 zog er mit seinem
kleinen Geschäfte nach dem mehrerwähnten Herisau , und
ein JalR* später verkaufte er selbes m den Herausgeber
des »schweizerischen Freiheitsfreundes ä im zürchersdien
Orte Stäfa , hielt sich eine Zeitlang dort und nachher in
Zürich auf, wo er sich noch mehr ausbildiete, und legte
endlich 1834 in Wädenschwyl, gleichen Kantons, wieder
eine, zwar auch kleine» aber sehr geschmackydi einge-
richtete Buchdruckerei an , hauptsächlich für sogisnannte
Accidenzarbeiten berechnet. Im Sommer 1839 kehrte er
in seinen Heimathort zurück, wo er in stiller Wirksamkeit
mit Lust und GeUng der Kunst obliegt , fiir welche er
ein entschiedenes Talent besitzt. Mit Mode« und Zier»
Schriften, Original-Vignetten (zum Theil selbst gravirt)
und andern Gegenständen wohl ausgerüstet, liefert seine
Presse schöne Arbeiten aller Art.
9S
«^•-
RAPPERSWYL.
Schon mebrnials waren hier Pressen in Thätigkeit , abes
jedesmal nur als vorühergefaende Erscheinungen. Das erste
Mal geschah es in den NeuDzigerjahren des 18. Jahrhun-
dttts, als Joseph Brentano, von da, damals zwar schon in Bre-
genz etablirty hier auch eine Druckerei halte » die dann um
17d8 nachStäfii yerlegt wurde.
Im Sommer 1802 hatte sich der Buchdrucker C. FreuUt
von Glarus hier angesiedelt , welcher der Regierung seines
Kantons (damals »Linth«) hidier gefolgt war, als die-
selbe während der Gegenrevolution ihren provisorischen
Sitz in dieser 9 zu ihrem Kantone gehörenden Stadt aufge-
schlagen hatte. Es erschien während dieser Zeit ein » politi-
sches Wochenblatf. « — Im März 1803 kehrte Freuler mit
seiner Regierung wieder in die Heimath zurück.
Nachdem von jetzt anRapperswylfastSO Jahre lang ohne
Buchdruckerei geblieben, liess sich im J. 1832 der Buch-
händler P. Wegelin Yon St. Gallen hier nieder, und legte
zuerst eine Buchhandlung, bald darauf aber, gemeinschaft-
lich mit N. iV. Bosch, auch eine Druckerei an, um unter
der Firma Wegdin und Bosch die »Zeitung für den obern
Zürcherseee (später »Rapperswyler Wochenblatt« be-
titelt) herauszugeben; auch verschiedene kleine Litera-
tnrprodukte wurden verlegt. Allein schon nach Jahresfrist
gerieth das Geschäft in Stocken und wurde Mqttidirt.
Im gleichen Jahre (1832), als obiges Etablissement,
entstand , trat auch Joh. Baptist Curti, Bürger von Rapper^
wyl, ab Buchdrucker, Zeitungsherausgeber und Buch*
handlet auf. Alle üb» die Suspennonsgeschichte des
9ft
Priesters Alöys Fuchi^ von Schwyz. publizirten Dracksdurif-
ten, zwei Jahrgänge eines » Rapperswyler Kalenders«,
nebst dem ZeitungsMatte : »Der Yo&sldhrer» (später
»Rapperswyler-ZeitiHig«) wurde nebst mehreren Yeriags-
artikehi von dieser Presse zu Tage gefördert. Vob der
Zeitsehrift: »Die schweizerisehe Biene a erschienen nur
wenige Hefte. — Aneh dieses , gute Dnieke Hefemde Ge-
schäft büsste schon im zweiten Jahre seiner Gründung (Juni
1894], in Folge fehlgeschlagener Unternehmungen, seine
Existenz ein.
ST. FIDENfoder St. Fides)
^n der Grenze des Bezirks St. Gallen gelegen, erhielt 1833
ebenfalls eine Druckerpresse, als die unter dem Namen
»Bureau des Freimütigen« in St. Gallen gegründete Buch-
druckerei und Buchhandlung von deren Eigenthümer, Dr.
Joseph Anton Henne, hieher verlegt wurde ^ wo, unter der
Leitung seines Bruders, Felix Henne, das polit. Blatt;
» Der Freimütige « , die » Zeitung für Landwirthschaft und
Gewerbe « und mehrere Yerlagsschriften an's Licht traten.
— Zu Anfang 1836 kam das Geschäft durch Verkauf in* die
Hände der Buchdrucker und Buchhändler Wartmann und
Scheitlin in St. Gallen.
Noch ist eines in
ALTSTÄDTEN
von 18S6 Us Ende 1839 bestandeneft Ueinen Dru<^pp»-
jrste» za erwäh&en, mit welchem Joh, Rohner, ronWolf-
hddeft (K. Appenzell) , fpiifter in Heiden rieh auduAend,
im Juli 1836 sich, ttiedertiess. Eiü »Neuer hist^scher
AppenzeHer-* Kalender«» zu welchem er sIm Modelsteeher
97
die Holzschnitte selbst fertigte» und der »Rheinthaler-Bote«
(früher »Hochwäcbter am Säntis« betitelt), beide von ihm
selbst redigirt, waren das Bedeutendste, was seine Presse
lieferte. — 1839 wurde sie zum Verkauf ausgeboten.
Hehrern der obengenannten Buchdruckereien darf nach-
gerühmt werden, dass sie jederzeit, je nach Yerh<niss
ihrer Kräfte und Hülfsmittel» gleich ihren GoUegen im
Hauptorte St. Gallen, das Fortschreiten in und mit ihrer
Kunst sich angelegen seyn Hessen und demnach auch, nach
Beschaffenheit ihres Dmeta nate t iri s , geschmackyolle und
saubere Drucke zu Tage fördern.
B e r i ch t
über die Torbereitung^en
zu der
am 24. Jnni 1840 in St. Gallen stattfindenden Jubelfeier
der
Erfindung der BuchdruckerkunsL
^^ «
T ON der in den meisten deutschen Staaten unter Gutenbergs
Jüngern und ihren Geschäftsverwandten , zu würdiger Be-
gehung der vierten Jubelfeier der Erfindung ihrer Kunst
sich äussernden Begeisterung ergriffen, wollten die St.
Gallischen Kunstgenossen nicht hinter denselben zurück-
bleiben, und beschlossen daher zu Anfang des Jahres 1838,
mittelst wöchentlicher kleiner Beiträge einen Fond zu
bilden ,• aus welchem im Jubeljahr 1840 die Kosten eines
angemessenen Dank- und Erinnerungsfestes bestritten wer-
den möchten. Im Februar 1840 ernannte sodann die
Generalversammlung aller hier anwesenden Buchdrucker,
Schriftgiesser und Buchhändler ein Gomit6 von 7 Mitglie-
dern aus ihrer Mitte , welches die erforderlichen Anstalten
und Vorbereitungen treffen sollte. Dieses erliess Einladungs-
schreiben an alle Buchdruckereien und Buchhandlungen
in den Kantonen Zürich, Schaffhausen, Thurgau, Glarus,
Appenzell und Graubünden, nach Lichtensteig und Flawjl,
99
so wie an die benachbarten Städte Gonstanz , Lindau und
Bregenz , später dann auch an mehrere St. Gallische Gesell-
schaften und Vereine , und endlich an alle yerdienstvollen,
ausgezeichneten oder dem Gelehrtenstand angehörenden
Männer in den Kantonen St. Gallen , Appenzell, Thurgau
u. s. w.
Mittlerweile hatte ein von der erwähnten Versammlung
am 23. März ernanntes Finanz -Comitö, bestehend aus den
Herren Präsident Schmitt, Verwalt. Rath Girtanner-Richard,
Gemeinderath Dr. Wild, Kriegskommissär Stähelin und
Buchdruckereibesitzer Chr. Zoüikofer, das Publikum durch
das St. Gallische Wochen- und das Tagblatt zur Theilnahme
und Mitfeier, mittelst Unterzeichnung eines freiwilligen Bei-
trages, eingeladen ; zahlreiche Subscriptionen von Männern
aus der gebildeten Klasse , bis zu den auf der höchsten Stufe
stehenden, beweisen, dass dieses seltene, jeden Sinnigen
interessirende Jubiläum bei den Bewohnern St. Gallens
Anklang gefunden , und dass das Interesse an der Dank-
und Erinnerungsfeier einer Erfindung, welcher die ganze
Menschheit so mächtige Fortschritte in ihrer Bildung
verdankt, nicht vergeblich angesprochen worden ist. Auch
die Regierung des Kantons , der Verwaltungsrath und der
Gemeinderath von St. Gallen, so wie das kaufmännische
Direktorium , gaben ihren Beifall an dem Feste durch ver-
dankenswerthe Geldbeiträge zu erkennen.
Das bisherige festordnende Comit6 , verstärkt durch die
Herren Regiehingsrath Hungerbühlerund Professor Scheit-
lin, als Beisitzer desselben ,*naehdem es seine Vorarbeiten
beendigt hatte, veranstaltete auf den 11. Mai eine Ver-
sammlung aller Herren Subsciib^nten und anderer Männer
7*
1
100
Xon Bjyichiiij^ u^ji Interesse an der F^stsys^che , qejl^^t atfea
Berufsgenpsse9, um, mittelst einer WaU yop ^bt MitgUe^
dern und deren Anschluss an. dap besteheni^ Cpißpif^, ein
grosses J^f-CbtuM zu, bilden und den PrJMi^lpntffi? des
Festes zu fahlen» Von den, yQi:scbißdenpr zusammen-
getroffener Behinderungsumstände wegen , nicht zab^eich,
Anwesenden i|rurdj9n, spfbr^ die Berren Be^;ipnfpgsKrath
Baumgartmr, Präjsident Dr. Erff, Yerwalt. Vi^\GirtawMr'.
Richard^ Präsidi^t l^mitt, Professor Scheißin, ^ssp^is^i^
rath Dr. WM,, Kriegskommissär Stäheli» und Spital«-
yerwalter Steinlin fej&bli, imd a)s. Fesf^^id^nt, Hierr
Regierun{[8satb. Bßufngartner iror^esphl^gei^ und eipatiauni^^
ernannt / ifdch^r sieb, audii zi^ Ani^ibme dieser St^Uß
bereitwillig erklärte.
Diesem 9 aus 15, Blitgliedern bestehende Fest-Comit^
theilte sich hierauf, zu unverzüglicher Ausführung aller
Obliegenheiten und Anordnungen^ in 4 Sektionen, nänilich
einDirektionsrComitö (präsidirt ypm Herrn Festpräsidenten),
ein Finanz -Comitö (Präsident Herr Yerw. R. Crtr/ofmer-
'Richard^, eij^Bm- und DekoratiopsrComit^ (präsidirtvon
Demselben), und ein Speise-Comif^ (Präsident.HerrSpital-
yerwälter Steinlin) f
Nachstehendes ist der Inhalt des vom Dir^ktion^^Comitö
bearbeiteten speziellen Fest^ Programms:
Voraideiid 9. f9t Juni^
t# U Der ^mpfiuig derjemgen aiiai«^Mig«Q 9en|ftr
genossen, welche, an diosem Tage sdiQn hier eintreffen»
findet im, G€^$ihame z^m BUtm., an der Merktgasse, Statt,
101
wo deoiselben vou den anweseaden MitgUedern des Comii^
Quartiere angewiesen werden. Die erst am Festtage selbst
Ankonunenden werden am allgemeinen Versammlungsorte,
auf dem Brühl, begrüsst.
S* 2. Abends 8 Uhr versammeln sieh die Mitglieder '
der Comit^'s, sämmtliche anwesende Berufsgenossen und
die Sänger auf dem vordem (Promenade-) Brühl , bei
der Rondelle , wo die Fackeln ausgetheilt werden.
Der Zug ordnet sich wie folgt:
Vier Fackelträger eröffnen denselben , ihnen folgt die
Instrumentahpusik, der zu jeder Seite zwei Fackelträger
gehen und welcher sicli k Fackelträger aQschliessei). Hier-
auf die Comit^'s; die auswärtigen Herren Collegen mit
ihrei^ Fackeln 9 4 lUannhoch; — die Sänger , Stimmen weise
geordnet y je Zwei und Zwei marschirend, zur Linken und
Rechtßn von einem Fackelträger begleitet. Den Schlags
machen vier Fackelträger.
S. 3. Nach halb 9 Uhr Einzug in die Stadt beim ^ema-
ligenBrühlthor, über den Bohl unddurch das Stadtthor nach
der Nengasse. Vor dem Hause des Herrn Zollikofer , Vater»
angelaogt, m^cht die Musik Fronte , die vorangehenden
Fackelträger stellen sich rechts,, und die ihr folg^adj^
Unk» neigen ihr auf; hinter der Mpsik die Mitglieder, der
Gomite's» und hinter diesen in zwoi Linien die auswärtigen
Berufsgenossen. Die Sänger und die mit.Fackeln sie begleir
tenden einheimischen Buchdrucker u. s. w. bilden, indem
sie hinter diesen herumziehen, einen Halbkreis,, so dass
der L Tenor oben , der U. Bass unten an das Haus zu
stehen konmnt.
102
S. 4. Der nun beginnenden Absingung eines besonders
gedichteten Liedes folgt Instrumentalmusik, und endlich
ein Schluss- Gesang.
i. 5. Nach Beendigung dieses Aktes begiebt sich der
Zug in der frühern Ordnung die Neugasse hinauf, durch
die Multergasse 9 die Speisergasse, das Speiserthor , den
ehemaligen Burggraben entlang , nach dem frühem Yer-
sammlungsplatz.auf dem Brühl, wo ein Kreis gebildet,
ein Lied abgesungen, die Factfbln auf einen Haufen
geworfen werden und der Zug sich sofort auflöst.
Festtag 9 94UJaiii«
S. 6. Morgens 5 Uhr verkünden 12 Kanonenschüsse
den festlichen Tag.
Um 7 Uhr versammeln sich alle Berufsgenossen , die
Sänger und übrigen Festtheilnehmer abermals bei der
Rondelle auf dem vordem Brühl. Um halb 8 Uhr holt
eine Deputation von vier comitirten Nicht- Berufsgenossen
den Herrn Zollikofer, Vater, und zu gleicher Zeit eine
Abordnung von Buchdruckern die Fahne in der Wohnung
des Herrn Zollikofer, Sohn, ab.
•
S. 7. Ist die Versammlung vollständig, so stellt sie
sich in folgende Ordnung :
Die Musik ; die Comit^'s mit Herrn Zollikofer , Vater ;
die auswärtigen Berufsgenossen mit ihren Fahnen oder
Insignien, je 4 Mann hoch, die letztem im Rang nach
der Zahl ihrer Mitglieder auf einander folgend; nach
denselben sämmtliche Festtheilnehmer; die Sänger Stimmen-
weise geordnet; die einheimischen Benifsgenossen mit
ihrer Fahne bilden den Schluss des Zuges.
103
§. 8. Um 8 Uhr begiebt sich der Festzug beim ehe-
maligen Brühlthor in die Stadt , über den Bohl, die
Marktgasse hinauf in die St. Lorenzkirche , wo er mit
Orgelspiel empfangen wird. Hier stellen sich Musik und
Sänger im Chor auf; den Mitgliedern^ der Comit^'s und
allen Mitfeiernden werden im vordem Theile der Kirche
ihre Plätze angewiesen.
S. 9. Hat die ganze Versammlung Platz genommen,
so beginnt der Männerchor ; hierauf wird Strophe 1 bis 3
des beim Haupteingange (die Seitenthüren bleiben ge-
schlossen) unter das Publikum auszutheilenden Liedes nach
der bekannten Melodie: »Schön ist die Natur etc. er, von
sämmtUchen Anwesenden, die Zuhörer inbegriffen, abge-
sungen. — Dem Gesänge folgt der Vortrag des Ha*rn
Festredners , nach welchem Strophe 4 bis Ende des von
allen Anwesenden begonnenen Liedes gesungen wird. Ein
zweiter Männerchor schliesst die Feierlichkeit.
8« 10. Unter Orgelspiel geschieht der Austritt aus der
Kirche , und der Zug begiebt sieh in gleidier Ordnung,
wie Tor dem Gottesdienste, in das Casino, wo das Gabel-
frühstück eingenommen wird, an welchem jeder Mitfeiernde,
gleichwie am Mittagmahl und an der Druck -Ausstellung,
mittelst der ihm zugestellten Eintrittskarte unentgeldlicb
Theil nimmt. — Ohne eine solche Karte kann Niemand
dem Frühstück oder dem Mittagmahle beiwohnen, und
nur ausfuihnrnoeise an Aimoärtige werden am Festtags $Msi
noch Karten ausgegeben*
S. 11. Um halb 11 Uhr ordnet sich der Zug abermals,
voran die Musik , dann die Comitö's , nach ihnen sämmthche
Fahnen und eine Abtheilung Beru&genossen. . Hierauf folgt
^
104
das von EVei L^uüngen getragen Porträt GuMnbergs,
und ei&e zweite Abtheilüiij^ von B^njtfsgends^en ; einer
Ariltea Abtheihifig werden die Instninkente der Sduift-
giesserei -^ die Werkzeuge der Setz- nnd Dnickkunst aber
der letzten Berofsgenossen-Abtheilnng yorgetragen« -^
Nacb dieser eine GeseUschiAslaihne , zwei Gomititle yon
den Nicht* Berufsgenossen und alle tibrigen Tfaeiinehmer.
§. 12. Durch die Neugasse , die Mullergasse und die
Speiäel-gasse begiebt man sich vor die Bühne auf dem
yotdern Brühl.
$• 13. Nach kurzer Pause wird auf ein Signal mit der
Kanone die Bühne enthüllt , und die Musik f&llt ein. Dann
folgt der Vortrag des Herrn Festpräsidenten , nach dessen
Beendigung man Schriftgiesser am Giessofen, SchriAsetzer
am Schriftkasten arbeiten sieht; die Presse ist in Thätigkeit
und spendet dem Publikum ihre Erzeugnisse, bestehend
in einem eigens yerfassten Gedichte.
Sollten Anwesende die Gelegenheit benutzen wolien»
um über die bedefU^mgwMe Feier zum Volke zu sprechen,
so haben sie 'rieh entweder Tags zuyor» oder aber auf
dem Brühl selbst, beiln Herim Festpräsidäntoa zu melden
und sich mit ihm darüber in Einyerständniss zu setzen. •
S» 14. Um i Uhr, nach einem gegebenen Zeicheh mit
ii^t Kanone, s^tzt man sich an die lUittagstafel in dem
Speisezelte, an welcher, laut f. 10, alle knitfbiefiideii
Nichtberufsgenossen , gegen Vorzeigung ihrer Karte, Tkeü
nehmen. -^ Musik , Gesang und Toaste Wetden das ttahl
beleben. Redner haben sich , nath |. 13 , beim itefhi
Pestpr&didenten yorher m melden.
105
g. 16. Von 4 bis 7 Dhr Abends findet eine Ausstellung
älterer und seltener Drucke , so wie neuerer Prachtwerke,
im Pavillon des Gartens von Herrn Kantonsrath Steinlin
Statt, zu welcher die Berufsg'bnossen und übrigen Fest-
theilnehmer (letztere mit ihrer Karte) freien Zutritt haben.
Diese Ausstellung bleibt am folgenden Vormittage för
die Festtheünehmer und Yon ihnen eingeführte Personen
noch geöffnet.
%. 16. Bei günstiger Witterung wird um halb 5 Uhr
ein gemeinschaftlicher Spaziergang nach einem am Morgen
des Festtages anzuzeigenden Orte gemacht , wo der Abend
in gesellschaftlicher Unterhaltung zugebracht werden wird.
S . 1 7. Um 8 Uhr beginnt der Ball ftir die Berufsgenossen
im Theatersaale.
8
Yerzeichniss
aller
KuiiiBt« und Beraftgenossen 9
welche dem am 24. Juni iSM stattfindenden
Buehdmcker • Jubelfeste
beiwohnen werden«
ZoUikofer^Bche Offidn.
ZoUikofer, Johannes, Vater, yon St. Gallen, | Inhaber der
ZoUikofer, Christoph, Sohn, » » ' OfÜcin.
Bßhr, Ladwig , yon Tegerschen.
BolUnger, Johann Jakob , yon Behringen.
Döring , Augast , yon Sondershausen.
Ganu, Christian, yqfk St. Gallen.
Gennann, Moriz, yon Aogsbnrg.
Haas , Johann , yon Steyer.
Bemnann, Carl, yon Stottgarl.
Klenm, Jakob, yon Frankfurt a. H.
Liebmrt, Johann, yon Augsburg.
Biertem, Markus, yon Geldern.
MüeoiU, Franz, yon Einsiedeln«
PfanneniÜel, Christian, yon Germeroda.
ScheUUn, Job. Jakob, yon St. Gallen, Faktor,
Sehläpfer, Michael, yon Rehetobel.
SehUgel, Christian, yon Gräbst
Schock, Wernhard, yon Schwellbmnn.
WicdonkeUer, Bayid, yon Arbon.
Zürcher, Job. Lorenz , yon Teufen.
Lehrlinge :
Hüler, Budolf, yon St. Gallen.
Wiedenketter, Conrad, yon Arbon.
im
Brentano, Frans Joieph > Vater» Ton ftfipp^r^wyl » Inhaber 4or
Offlcin.
Brentano, Franz, Sohn, » »
Erpf, Adrian , yon St. Gallen.
Lehrlinge :
Anderau, Joseph, Ton St. Geor^^en.
MiiUer, Jakob, yon St. Gallen.
WarimannUehe Offioin.
Wartmann, Jakob Friedrich , yon St. Gallen , Inhaber der Officin.
Böekei, Gbristian, yon Geinhaar.
Brunner, Jakob, yon Mfinchaltorf.
Fach, Gottlieb,. yon Nagold.
Gattringer, Joh. Eyangeliat, yon Berghelm.
Grubefwnann, Johann, yon Teufen.
Ehmipp, Christian, yon Stuttgart.
Ludwig, Heinrich, yon Eisfeld, Buchhalter.
SeMumpf, Johann, yon Peterzell, Faktor.
Stekner, Julius, yon Aunaberg.
Tanner, G. August, yon Herisau«
Treitter, Friedrich, yon Lindau.
Vnteregger, Rudolf, yon Sargans.
Wet%el^ Johann, yon Wendungen.
LehrUnge :
HoUenstein, Joseph, yon Btttschwyl.
Saxer, Jakob, yon Altstädten.
WUd, Jakob , yon St. Gallen.
Zölper, Jakob , yon Herisau.
Betme, Felix, yon Sargans, fHlher Kunstgenosse , gegenwärtig
Ober-PostsekretXr.
WegeUn, Peter, firtther Bnchdruckereibesitaer (Yerfuser dieses
Schrütchens).
108
Sehrifiglesser«
EgU, Friedrich, yon Kirchberg, Inhaber der Sohriflf^esserei.
Haderer , Johann ^ yon Ofen.
JUayr, Anton, yoii Ingolstadt.
BnclibSndler«
Buchkandluhg ton Huber und Comp.
FehTi G.Friedr. Aug., yon St. Gallen, Inhaber der BacÜandlung.
Feht , Johann Conrad , yon St. Gallen«'
Meiseifbaeh, Wilhelm, yon Greifswald.
LehrUng:
Bruder, Andreas, yon Morsch wyl*
Buchhandlung von Q P. ScheüUn.
ScheitUn, Carl Peter, yon St. Gallen , Inhaber der Buchhandlung.
Creuxer, Ferd.. Carl, yon Marburg.
Lehrlinge :
KaXbfell, Wilhelm» yon Reutlingen.
Koppel, Anton Joseph, yon Au.
•Bncliblnder«
Bion, Peter, Obmann der Buchbinder.
Huher, Bernhard, Buchbinder und Lehrer.
Verzelclmtes
der auiwärtigen Kunst' und Beruf sgenoisen , weiehebeiAhdrudt
dieser Schrift ihre Theilnahme bereite zugesagt hatten.
Ton Chur 3 Mitgl. Ton Lichtensteig ... 1 Mitgl.
» Gonstanz • • . • 15 » » Lindau . • • • . i »
» Flawjl 1 » > Trogen 3 »
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