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Full text of "Geschichte der geistlichen Spiele in Deutschland"

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Geschichte 


der 


goistlichoii  Spiele 


in 


Deutschland. 


.r^ 


Von 


Dr.  E.'  Wilken, 

Doo«nt«n  an  der  Uuiv.  Oöttingen. 


CMtiagfi,  V  ,,  -s\ 


v 


VftadMlboeok  A  RuprechtH  Verlag. 
1 


Herrn  Professor 


gewidmet. 


¥  •  r  w  •  r  I. 

Die  Geschichte  des  deutschen  Dramas  hatte  bis  vor 
etwa  30  Jahren  von  den  ^^  "  '  '  XV.  Jahr- 
hnnderts  und  von  Ilnns  S;  is  aus  frü- 

herer Zeit    (wi  l'egenisoer  Ludus    vom  Antichrist 

ans  dem  XII.  odci  \ill.  Jahrli.)  vorlag ,  war  zu  vcrein- 
»elt,  imd  von  den  jfuigereu  dramatischen  Erzeugnissen, 
die  man  kannte'  zu  abweichend ,  um  beigrifttich  erfasst 
und    erläutert  zu    können.     Seit  1837    nun  ist 

fireilich  durch  g. uc  Fimde    verschiedener  Gelehrton 

—  ich  hebe  Hoffmann  von  Fallersleben,  Mone, 
S  c  h  ra  e  1 1  e  r  und  W  e  i  n  h  o  1  d  hervor  —  ein  bi'deuten- 
de«  Material  für  die  Geschichte»  unseres  ältesten  Dramas 
herbeigebiucht ,  und  ist  auch  von  den  gedachten  Gelehr- 
ten (namentlich  von  Mone  und  Weinhold I  schon  der  An- 
fang   ' *  ijemacht,  die  kirchlichen  Ursprünge  der  geis-t- 

licli  ; ',  wie  sie  nun  auch  die  deutsche  Literatur*) 

in  reicherer  Fülle  aufzuweisen  hat,  zu  verfolgen.  Doch 
darf  es  bei  der  Entlegenheit  der  altkirchlichen  Rituale 
(officia)  und  der  geringen  Anziehungskraft,  die  gerade 
die  ältest'^n  (lateinisch  geschriebenen)  Spiele  auf  den 
deutschen  Forscher  ausüben  mochten  **) ,  nicht  Wunder 
nehmen ,  wenn  hier  einige  Unklarheit  zurückblieb.  Auch 
die  allgemeineren  Werke  über  deutsche  Literaturgeschichte 
haben   dem  Uebclstand   nicht  abgeholfen.    So  schien  es 

*)    Schon  im  irorigcn  Jahrb.  hatten  die  FraasoMa  bagonnan  ihr« 
MjvtirM  aa't  Lieht  tm  ■ahw 

**)    Di«   .OrkdMa  lat.  4«  IhMtn   »od.*  too   Da  M«ril    (ran* 
IMMwafwi  la  diaaar  PffHrhwnf  die  dankeiuwartcaU  Vorarbeit,  die 


VI  Vorwort 

Im  einen  nuucu  Vorsuch,  die  Eiitwickolung  d<is  geist- 
liclicu  Spi(ds  in  Deutschland  khir  zu  legen  —  auf  das 
Ausland  lialx^  icli  dabei  nur  die  nötigste  Riu-ksicht  ge- 
nommen —  geboten,  vor  Allem  jene  im  altkirchliclien 
Cultus  liegenden  Keime,  dann  die  Entwic-kelung  unserer 
ältesten  Ludi  aus  denselben  zu  verfolgen.  Auf  der  an- 
dern Seitt^  durfte  ich,  um  das  Ganze  der  Entwickelung 
vorzuführen,  auch  die  jüngsten,  bis  in  die  letzten  Jahr- 
hundei-tt^  hinabreichenden  Ausläufer  des  geistlichen  Spiels 
nicht  völlig  bei  Seite  lassen.  Als  Eintheilungsprincip  er- 
gaben sich  von  selbst  zunächst  die  drei  christlichen 
llauptfeste,  an  deren  kirchliche  Feier  sich  unsere  Spiele 
uus(  hlossen  —  nur  dass  statt  des  für  eine  sinnliche  Dar- 
stellung zu  erhabenen  Pfingstfest«s  das  Festum  Corporis 
Chri.sti  als  drittes  llauptfest  zu  nennen  ist.  Mit  den 
Fronleichnamsspielen  lassen  sich  einerseits  die  Ilimmel- 
fahrtsludi,  andrerseits  die  Spiele  vom  Antichrist  und 
"Wclttjericht  leicht  in  einer  Classe  vereinigen.  Diesen 
drei  tritt  als  vierte  (Jlasse  die  dramatische  Behandlung 
kirchlicher  Legenden  zur  Seite.  Uelxirall  denke  ich  nur 
da  aus  dem  Mittelalter  in  die  neuere  Zeit  ülx'rzugreifen, 
wo  der  Lauf  der  Entwickelung  keine  Schranke  duldet. 
—  Im  Mittelalter  selbst  aber  sind  die  Anfänge  des  Vas- 
nachtspiels \inberücksichtigt.  gciblieben ,  weil  diese  dem 
geistlichen  Spielgebiet  ganz  fem  liegen. 

Göttingen  im  August  1871. 

£.  Wilken. 


Inhalt. 


••tu. 


Cap.  I.    Weihaachtcyclo». 

§  1-     Zur  Einleituii):  ....  1 

§  3.    Die  ÄUosien  De&kiuaier  ....  5 

$  S.    Der  tjaaif^iacihm  Weihuacbtladas  jo 

(  4.    Aafiiag«  im  «jaoptwchea  WeihnftcliUpiels     . 
§  6.    Bafiwn  popolirer  Behandluiig  2'< 

{  6.    Yolkstbfimliche  Behandlang  des  Weihnacbtxpiels 

ond  Aaftage  gelehrter  BehandL  im  XVI.  Jahrb.        86 
$  7.    Aiultefar  dre  WeAae^Imneb  im  Xmi.  Jahrb.  - 

Bftckblick   ....  ö6 

Ca^  II.    Oalerejrdas. 

(  1.    Die  laieioischen  Oetemeclitfeieni 63 

(  2-    l4idi  de  noote  peechee  und  Xarieuklagpo.  72 

I  8.    Anflüife  fyBqptteelier  Behandhmg  ....  81 
S  4.    Aaftage  popakrer  Behaadlang.  —  Das  volkBibüiu- 

Hehe  Oiterepiel 94 

f  6.    Das  TolketbtmlidM  Pasaions-Ottcrtpiel  107 

$6.    AeaUaftr  aee  Orterspiela   ...  Iin 

Cap.  III.    Cyvlaa  daa  ipltani  Rirehenjalin'. 
$  1.    HJanaelfchrteepiele 

§  2.    ProaWiekanMpMc las 

(  8.    ABÜcIniil  «ad  WetIgericbtMpieh'  145 

Cap.  IV.    Ugiat— apIiU.  in 

Cap.  V.    VfkmtUkA  der  Entwicklang  des  i^iiü.  S»pieif  ia 


I  1.    Ckwolagieclie  üebernebi    .    .  168 

I  2.    Beaateaag  dee  allea  TeiteaMiiU  178 

f  8.    KoMiieW  Eie»eale  aad  Teafebeeearn  180 

Caf.  VI.    AwMknmg  wU  Oafc— awia  der  gatott.  Spiele. 

f  I.    Aallara  Teriode 

I  2.    MHtlert  Pariode  (bu  som  Aoaffaag  dee  MtUel 

allesi) 

I  8.    Neaeva  aad  aaaeela  Zr>t 


VUI  luUli. 


8«lto. 


Cap.  VII.    Stcllnnfr  <lefl  geint!.  Spiel«  su  Kirche  und  Staat. 

§   1.     Im  MitUjlalUr  .261 

§  2.     In  neuerer  Zeit                                                     ...  2ül 

C*p.  VIII.     Nationale ,    kuust-    und   kultur^<>.>4chichtliche 
Bedeutung?. 

§  1.     Natidiiah-lmrnkt.T  Art  f^M-iull.  Spiels  in  Deutschland  267 

§  2.     l'o«  tiBclii-                                 spiele  Deutschlands       .  272 

§8.     Ktiltiir;^*^.                                   .nj^ 285 

Cap.  IX.    Die  geistl.  Spiele  aN  Sprachdenkniiiler     ....  296 

Register .502 

Besserungen  und  Nachtrug, 305 


Citp.  I. 

Weüinachtcyclus. 

§  1.     tu  EUleiUBg. 

Wenn  wir  auch  die  Reihe  der  kirchlichen  Hauptfeste  in 
herkömmlicher  Weise  mit  dem  Weihnachtfest  beginnen,  so 
•ei  hier  doch  in  Kürze  darauf  hingewiesen ,  dass  dieses  Fest 
erst  Unge  nach  dem  Oster-  und  Pfingstfeste  zu  kirchlicher 
Festaetzung  gelangte.  Die  beiden  letzteren  Feste  und  der 
Ton  ihnen  begränzte  Zeitraum  galten  seit  frühester  Zeit  den 
Christen  (wenn  auch  bis  zum  Nicänischen  Concil  mit  schwan- 
kender Datirung)  als  geheiligte  Erinnerungszeiten:  Ostern 
gmlt  als  Gründungs-,  Pfingsten  als  Einweihungs  -  Fest  der  Kir- 
che, jeder  christliche  Sonntag  sollte  an  das  Osterfest  gemah- 
nen >X  ^D^  oQi*  2°°^  Glauben  an  den  Auferstandenen  wurden 
die  Völker  eingeladen.  Weit  weniger  wichtig  schien  es,  auch 
ffkr  die  früheren  Ereignisse  im  Leben  Jesu  ein  kirchliches 
Gcdichtnissfest  za  haben,  und  der  Anstoss  in  dieser  Bezie- 
hst ecbeint  ron  Häretikern  erfolgt  zu  sein.  Syrische  Gno- 
ftfter,  so  heisat  es  >),  feierten  im  dritten  Saec.  p.  Chr.  ein 
Feit  der  Vereinigung  des  Göttlichen  und  Menschlichen  in 
Christo  am  6.  oder  10.  Januar,  und  als  historisches  Substrat 
dieeer  theologieeben  Idee  ward  ror  Allem  die  Taufe  Jesu  mit 
ihrer  Bekliftigung  Ton  Oben  aasgewählt.  Die  Gründe  für 
jene  kalendarische  Datirung  können  uns  hier  gleich  sein :  ge- 
nof ,  dnai  nach  die  (orthodoxe)  Kirche  sich  entschloss,  den 
6.  Jnnnnr  historisch  als  Fest   der  Taufe  Christi,  dogmatisch 


1)    Bdkaaaüidi  ward  aas  disiti  Qnad»  voo  der  ForUuhnuig  iA> 
disoher  SaMelMsr  abgMahou 

^    TargL  AU.:  ChrisU.  Oiütw  Ba&d  II,  p.  18  ff. 

1 


2  Cap.  I,  S  1. 

aber  vielmebr  als  Feftt  der  Erscheinung  >)  des  Göttlichen 
im  Menschlichen  unter  ihre  hohen  Feste  aufzunehmen.  Doch 
wurden  nun  auch  einerseits  die  Hoclueit  /u  Kana,  die  Spei- 
sung in  der  Wüste  ^)  —  andrerseits  die  leibliche  Geburt  Chri- 
sti und  seine  Anbetung  durch  die  fremden  Weisen  in  die  Epi- 
phanieufeier  des  6.  Januar  hineingezogen.  —  Im  4.  Jahrb. 
aber  ist  es  dem  römischen  Bischof  gelungen,  für  das  Weih- 
nachtfest ein  andres  Datum,  den  25.  Dcc.  aufzustellen:  das- 
selbe ist  seit  dem  6.  Jahrb.  auch  von  der  orientalischen  Kir- 
che adoptirt,  doch  so,  dass  der  6.  Jan.  als  Taufifest  Christi 
sich  erhielt  3).  Die  römische  Kirche  aber  Hess  das  Tauffest 
fallen  *),  legte  auf  (oder  behielt  für)  den  6.  Jan.  die  Anbe- 
tung durch  die  Magier,  und  in  gesuchter  Annäherung  doch 
wol  an  das  römisch  -  heidnische  Neujahrsfest  ward  der  erste 
Adventssonntag  zum  Anfang  des  (occidentalischen)  Kirchen- 
jahi's  bestimmt.  Diese  Rechnung  findet  sich  in  Deutschland 
erst  seit  dem  9.  Jahrb.  5),  und  so  nimmt  man  in  der  Regel 
an,  dass  das  Weihnachtfest  selbst  in  deutschen  Landen  nicht 
eben  viel  früher  bekannt  geworden.  Für  die  Wahl  des  25. 
Dec.  hatte  in  Rom  hauptsächlich  der  Umstand  gesprochen, 
dass  um  diese  Zeit  die  altrömischen  Saturnalien  gefeiert  wur- 
den, die  man  so  zu  verdrängen  oder  doch  zu  verdunkeln 
dachte:  denn  die  chronologischen  Anhaltspunkte,  die  man  ge- 
funden haben  wollte  6;,  sind  wol  als  fromme  Fictionen  aner- 
kannt. Wie  wichtig  die  Einsetzung  des  neuen  Festes,  abge- 
sehen von  kirchlichem  Gebiet  auch  für  Cultur-  und  Kunstge- 
schichte des  Abendlands  geworden,  lässt  sich  mit  Einem  Blick 
kaum  übersehen :  ich  glaube  nicht  zu  irren ,  wenn  ich  auch 
den  so  tief  in  das  Volksleben  greifenden  Mariencult  der  rö- 
mischen Kirche  (welcher  mit  der  zwar  ähnlich  hohen,  aber 
weit  minder  gefühlvollen  Verehrung  der  Gottesmutter  im 
Orient  und  der  griechischen  Kirche  schwerlich  ganz  gemein- 


•)  Daher  Epiphauien- ,  auch  Theophanien-Fest. 

i)  Vergl.  Mone  Lat.  Hymnen  I,  p.  66,  57. 

3)  Auch  wurde   hier  der  Kirchenjahrsanfang  zu  Ostern  gewahrt. 

•*)  Oder  raubte  ihm  durch  Verschiebung  auf  einen  gleichgiltigeu 
Sonntag  vor  der  Fastenzeit  jede  höhere  Bedeutung. 

S)  VergL  Rettberg:  Kirchengesch.  Deutschlands  II,  790. 

•)  Vergl.  Alt.  ChrisU.  Cult  II,  p.  40. 


Cap.  I,  5.  1.  8 

•ame  Wurzeln  hat)  ab  einen  Ansflnss  des  römischen  Weih- 
nacbtsfiMtea  auffasse  i) 

So  iosseriidi  aber  auch  ü:-:  \  <  ::ii:l;i>-i;!  j  war,  die  dem 
neoen  Festdatnm  ni  Grande  hig.  >  >  \\  :— 1<  df  romische  Kir- 
che ihr  Weihnaditfest  doch  würdig'  :vu^.u statten  und  mit  Si- 
cherheit dem  Organismiis  ihres  Kirchenjahres  einzufügen. 
Von  letzterem  Panct  war  schon  die  Rede:  zur  Ausstattung 
des  Denen  Festes  wurden  (wie  riel leicht  gleichzeitig  für  das 
Osteriest)  halbsacranaotale,  symbolisch -liturgische  Handlan- 
ge (oflkia,  ordines)  eingeführt  Ganz  abwegig  wäre  es,  diese 
£asi  ganx  aus  BibeWersen  und  ans  Hjrmnenstrophen  compo- 
nirten  Texte,  oder  ihre  wenn  auch  in  Sprache  und  Auffas- 
sung Tolksthümlicher  werdenden,  aber  der  kirchlichen  Tradi- 
tion kindlich  treu  bleibenden  Nachbildungen  (unsre  Weih- 
oacht^iele)  f&r  Nachklänge  oder  auch  für  kirchliche  Paro- 
dien alter  SaUimalienfeiem  zu  erklären  ^)  —  und  ebensowe- 
nig dürfte  sich  ein  irgend  nennenswerter  Einfluss  germanisch- 
heidnischer  Elemente  (wie  der  Julgebräuche)  auf  das  Weih- 
nachtiyiel  nachweisen  lassen  3).  Vielmehr  unterliegt  es  bei 
Sadikundigen  wol  keinem  Zweifel ,  dass  jene  symbolisch-litur- 
gischen Handlungen,  welche  die  christliche  Kirche  zur  He- 
bung ihrer  hohen  Feste  xwiachst  wol  im  Orient  aufgenom- 
men «),  und  in  besphraakterer  Weise  zum  Theil  noch  furt- 


I)  Indem  dicM«  »elbct  eine  Art  Ton  Concetsion  an  daa  Heiden* 
duiat«Dt]ivm  wnr,  berührt  (ich  dicM  meine  Ansicht  wol  mit  der  J. 
OrfaHM.  (MytlioL  p.  XXXJI  ff.) 

>i  iHüiin  g^6m  soMer  dem  Neujahrs-  (txnd  Faatnacht-?)  Brin» 
ehen  nnr  die  Kiadcr>,  Karren-,  Eeebfeete  der  Tage  nach  Weihnacb- 
tea,  dsTM  Torfcommea   ftbrigtna  Ar  Devtechland  achwach   betengt 

«t:   dk  sigeiitliehe  Weihnacht» ,  wie  die  Epipkanienfeier  weite  von 

irnoüven  Elementen  Nichts. 

icb  dem  doch  etwas  gewagten  FingerseifS  Onrnma  in  der 
HjrtboL  (p.  744  aatea)  hsbaa  dentache  OeUhfte  wol  aadi  naaere  geisi- 
li<iii  tnüiimsilichan  8piels  amf  germaaisehea  HsideBtem  nHIckbesogen: 
VergMekaag  mit  das  an  aabs  ttehsadew  Ersengnisaen  romaniachar 
TMkcr  seigt  den  Irrtok 

«)    Verfl.  AH:  naatM*  and  Kireha  p.  886^  —  Doch  die 

MiiUanng  Jener  miantslianbaa  OrÜtnigis  vUkL  gaas  oIum  ütUa  pos 
tMcbvr  Pbaatssia  gahmfea. 


4  Cap.  1,  S  1. 

fühn  leren  uaiv-populäre  Nachbildungen  doch  wol  die 

spiitcicu  Yuiksthümlich  geistlichen  Spiele  deutscher  wie  roma- 
nischer Völker  sein  werden  —  in  der  Hauptsache  durchaus 
auf  die  scbon  so  reich  symbolisch-lyrische  Cultusform  des  al- 
ten  Bundes  sind  zurückzuführen ,  deren  freiere  Entfaltung  2j 
uns  hier  vorliegt;  die  hier  und  da  vielleicht  durch  ein  classi- 
sches  antikes  Element  befruchtet  ward ,  doch  selbst  durch  das 
Gewand  der  Römersprache  die  alten  Züge  wol  gewahren  lüsst. 
Von  diesem  für  unsere  Untersuchung  notwendigen  kir- 
chen-historischen  Standpunct  aus  werden  wir  uns  leicht  daran 
gewöhnen,  nicht  das  scheinbar  einfachste  (und  jetzt  voranste- 
hende) Element  der  Weihnachtfeier,  die  Hirtenverehrung  nach 
Luc.  II. ,  vielmehr  die  Magierverehrung  nach  Matth.  II  zum 
Ausgangspuuct  zu  wählen,  wie  es  schon  die  Betrachtung  der 
ältesten  Denkmäler,  mehr  noch  die  Uebersicht  des  ganzen 
Entwicklungsganges  an  die  Hand  giebt  ^).  Denn  einmal  ist 
die  ältere  Feier  des  6.  Januar  schon  von  Bedeutung ,  und  auf 
der  Hand  liegt  ferner,  dass  eine  Feier,  die  das  Christkind  nicht 
in  Dürftigkeit  und  Ohnmacht,  sondern  von  Königen  (so  wur- 
den ja  frühe  die  Magier  erhoben!)  mit  Gold  und  Weihrauch 
beschenkt  zeigte ,  ebenso  dem  seit  Alters  an  Glanz  und  Macht 
der  Gottheit,  nicht  an  ihre  Dürftigkeit  gewöhnten  Volksge- 
müt zusagte  4),  als  der  abendländischen  Kirche  und  ihren 
Dienern  bei  ihrer  hierarchischen  Weltanschauung  lieb  sein 
musste  5).  Drittens  darf  auch  nicht  übersehen  werden,  dass 
wie  bei  den  Evangelisten  und  Aposteln  das  Menschliche  im 
Leben  Jesu  vor  dem  Göttlichen,  selbst  die  mancherlei  Wuu- 


1)  Vergl.  die  geistvolle  Interpretation  der  römischen  Messe  bei 
Du  Mcril  Orig.  lat.  du  Theätre  med.  p.  41. 

2)  Weshalb  die  Juden  selbst  es  nie  zum  Drama  bringen  durften, 
ist  dargelegt  bei  Alt:  Theater  und  Kirche  p.  802  flf.  —  VergL  auch 
Du  Meril  p.  40.  Note  2. 

3)  Ich  komme  darauf  in  einem  spätem  §  noch  zurück. 

*)  Dem  deutschen  Altertumsfreunde  liegt  hier  als  Beleg  der  alts. 
Heliand  mit  seiner  kräftig  nationalen  Färbung  wol  am  Kächstcn.  Ob 
man  mit  Grein  zu  Hei.  v.  388  auch  jene  Ehuscalcos  (Stroitrosshüter) 
als  mit  Absicht  gehobne  Repräsentanten  des  Hirtenstandes  fassen  darf? 

5)  Wurden  die  „Opfergänge"  des  Dreikönigsfestes  in  der  Folge 
doch  auch  von  wirklichen  Fürsten  dargestellt.  Vergl.  Weinbold  W. 
Sp.  p.  54. 


Cap.  1,8  2  5 

derbegebenhdten  Tor  der  Lehre,  dem  Leiden  und  Versöh- 
nimgitode  mit  Reoht  sehr  Koröokitohen,  so  auch  die  ältere 
Chrnteiikirche  ftst  nur  das  MnsriiBinfli-Bedentsame  im  Le- 
ben Christi  sich  heraushob  (und  dazu  gehörte  doch  sicher 
auch  die  Anbetung  des  Kindes  durch  jene  Weisen  aus  der 
Fremde!),  während  anderweitige,  rielleicht  recht  anmutige 
Zöge  —  und  wo-  hörte  nicht  gern  ron  jenen  Hirten?  — 
kaum  beachtet  wurden.  Schliesslich  hielt  auch  religiöse  Scheu 
lange  Ton  der  lebendigen  Darstellung  Maria's  und  Josephs  >) 
ab,  die  bei  der  Hirtenverehrung  kaum  fehlen  durften  und 
wenigatens  angedeutet  werden  roussten:  während  bei'm  Ma- 
gienq^ler  es  eben  nur  auf  den  neugebomen  König  der  Juden 


f  3.     iic  ältesten  ienkaälff. 

Der  Wert  der  ältesten  (Freisinger)  Denkmäler  2)  auf  dem 
Gebiet  des  dentschen  (lonächst  zwar  in  lateinischer  Form 
endieinenden)  Weilmachtipiels,  wird  dadurch  wesentlich 
erhöht,  dass  ihnen  sehr  nahe  verwandte  und  ihnen  viel- 
fach zur  Erläuterung  dienende  gallikanische  Denkmale  3)  zur 
Seite  stehen.  Wir  können  es  so  leicht  verschmerzen,  dass 
ans  directe  Nachrichten  über  die  älteste  Weihnachtfeier  in 
den  Kirchen  Deutschlands  fast  gänzlich  abgehen  <),  da  uns 


I)  KichAsOTOB  der  dMCkrutiünd«».  das«  ich  einfach  ilurch  eine 
P«ppe  darvtcUea  Ucat. 

S)  Jetsi  Mif  der  Minchpor  Lilü.  Mai^'<  un  ui  7u< tm  uhu  am  bc* 
•tea  bei  Du  MArfl  p.  IM  ff.  «ad  p.  171  ff.  bIb  ^Myatürc  de  radoration 
dM  Mstw'  «.  OIUcImI*.  —  Bei  W 

>)    AosRovea,  limogee  «»«1  if^taA 

■md  die  Oriee—ir  Slieke  bei  Wngbt  {lu  onet)  eb- 

gednKkt.    Bei  De  MMl  elehea  dieae  p.  l  .  .     .  die  noch 

Uterea  eae  Roeew  «ad  liatofet  p.  147—1^3. 

«)    Wir  laben  anr  die  Stell'  "1,8. 

peei  Te  Denn  alieabi  in  «ea  er.  .  elie 

(HL  fmbaAmm  iel  aaf  den  9a.  Oee^,  de*  Oft  SteBae  a«f  den  8.  Jmn^ 
dae  Off.  Hsfilifcffi  gehflci  der  Oülefseit  en. 


6  ^»ip-  1,  ä  -• 

die  Vergleichung  unserer  baiwarischen  mit  jenen  meist  ältere 
Form  wahrenden  gallikanischen  Stücken  ziemlich  sichere  Re- 
sultate an  die  Hund  giebt.  Es  wird  angenommen  werden 
dürfen,  das«  es  auch  in  Deutschland  ursprünglich  besondere 
kirchliche  Feiern  für  jeden  der  drei  höheren  Festtage  der 
Weihuachtzeit  gab  »),  deren  Verschmelzung  zu  einem  (synop- 
tischen) Weihuachtdrama  dann  das  Werk  der  Folgezeit  war. 
In  den  Anfängen  dieser  zweiten  Entwicklungsstufe  finden  wir 
nun  schon  unsere  Freisinger  Denkmäler  2),  doch  ist  die  Com- 
bination  der  verschiedenen  Festmotive  hier  noch  so  äusserlich 
und  unreif,  dass  sich  aus  jüngerer  Zuthat  der  ältere  Kern 
sehr  leicht  herauüschält.  In  dieser  Weise  denke  ich  unsere 
ältesten  Weihuachtspiele  hier  folgen  zu  lassen  3) 

[Offlciom  Magorum.] 

(Magus)  primus.    Stella  fulgore  nimio  rutilat. 
(secundus).     Quae  regem  regum  natum  monstrat. 
(tertius)  Quem  venturum  olim  prophetiae  signaverant. 
(Simul  cantent):     Eamus  ergo  et  inquiramus  eum,  oflferen- 
tes  ei  munera,  aurum  thus  et  mirram. 
Intrantes  cborum):  Dicite  uobis,  o  Ilierosolymitani  cives, 

Ubi  est  exspectatio  gentium, 

Noviter  natus  rex  Judaeorum , 

Quem  eiguis  coclcetibub  agnitum 

Venimus  adorare? 
Intemuucius  currens:    Salve  rex  Judaeorum! 

Rex:  Quid  rumoris  afifers? 
(Istemuncius) :  Assunt  nobis,  Domine,  tres 


1)  AuRser  dem  6.  Jau.  und  25.  Dec.  gcnoss  auch  der  ünachuldige- 
Kindleins-Tag  (28.  Dec.)  hoher  Verehrung. 

3)  So  dürfte  die  Annahme  ScbmcUers ,  der  eiu  dem  9 — 11.  Jahrh. 
zuBcbreiben  wollte,  zu  hoch  hinaufgehn.  Du  Meril  setzt  Beide  ins  11. 
Jahrb.:  vielleicht  dürfte  noch  weiter  herabzugehen  sein. 

3)  Das  für  den  6.  Januar  bestimmte  als  Officium  Magorum,  das 
für  den  28.  Dec.  als  Ordo  Rachclis :  die  für  den  25.  Dec.  sprechenden 
Verse  sind  als  Erweiterung  zunächst  ausgeschieden.  —  Was  bei  Du 
Meril  und  Weinhold  nicht  als  handschriftlich  gesichert  auftritt,  ist  in 
runden :  eigene  Ergänzung  in  eckigen  Klammem  eingeschlossen. 


Oap.  I.  5  2.  1 

Viri  ifnoti  »b  orieate  Teniente«, 

NoTiter  Datum  regon  ^endara  qaaeriUate«. 

(Res):    QnaC   nt    CSDM   fvia^'^    iamiAm    ritn«      inwvorr>     4f nilpr« ! 

(IntarauMMs  ad)  Magr^ 

Qaae  r^ntm  noritas  aot  qoae  to«  (causa  sabegit) 
IgaoUa  toatare  via«;  (Quo  tentidis  ergo?) 
(Qaod  gamH?)  md«  (d(«io?)  (pacenme  hoc  fertis  an  arma?) 
Mag^i      rhaldaei  ramus,  pacem  ferinraa, 
ncgviD  icgun  <|aa0niDas, 
QMm  aatuD  «im  atella  indicat, 
Onaa  fidgore  eetaris  clarior  nitilat 

') 

(Rcz)  Ad  Doa  Tocraonu,  ot  eornm  sermones  aa(diamas). 
(InUr)  Doncina  (ad  Magoa): 

R«gia  Toa  mandata  vocant,  non  a«gmter 
(latem.  ad  Begen)  £n  Magi  Tentunt, 

fEt  regen  natom  ataU»  dnocBte  requirnnt.) 
(Rex  ad  Intern.) 
Auf«  rearire  tobe,  quo  poaaiin}  tingula  scire, 
Qai  aiBt,  cmt  resiant.  (quo  noa  minore  requirant.) 

3) 

(Res):  Ragam  qMsa  qnawritia 
Natom  <|ao  «igao  dididatia? 
Rcapoodaaat:  lUnm  nataa  cm«  didicima«  in  Oriente;  atella  mons- 

trarit  [mm] 
(Bax  aooBtra):  8i  Uhua  regnare  crcaiua,  dicite  nooia. 
Naae  raapoadaaat:  Baae  rtgaara  fataalM,  cum  Bjiticis  muncn- 

baa  da  terra  loagtnqaa  adorare  (Tenimua). 

yjm  thr  »ardtiUa  8tdle:  dar  Bot«  bariehtet  an  den  König. 
*)  la  dar  Ba.  aehajaca  loaAchat  drei  Hexameter  zu  folgen  vergL 
Wetak.  p.  88  obaa.  Weiali.  rflckt  darauf  jene  Antworten  der  Magier 
•bar  tbra  HataMt  ata,  die  aick  in  der  Ha.  (and  ao  auch  bei  Pu  M^l) 
aa  ctaar  iyilirB,  dock  wol  aapaaaaadea  8t«U«  fiaden.  Ich  glanbe  den 
baa.  Vum§  ala  ipilM  ZaMte  gaaa  aaMchatdaa  n  dftrfan,  und  mag  an 
aaver  Slallo  aiaa  «iafacb«  Gawaiartantawi  frflkar  gaatanden  haben, 
alva: 

Baa  ait  caoaa  me,  ragaa  saBMM  ax  Arabitia, 
Qiiaaiiiaaa  Uc  rafHa  ragaaBtibaa  üaperitantem  — 
«aa  aaak  Du  MArfl  aehoa  foraeUigt  (p.  IM  obMi). 


8  C»p.  I,S2. 

(Primai)  Auro  (regem) 

(Secundus)  Thare  (deom). 

(Tertia«)  Mirr»  mortalem. 
Res  «d  roilitei:  (Hinc)  lymnitUe  >)«  «t  diBcrtot  pigiiu  propbetica 

scribas  (profe)rte. 
Milea  «d  scribas:    Vos  legiaperiti,  a  rege  vocati, 

Cnm  prophetarum  Ubris  propcrando  (venite). 
Rex  ad  scribas:    0  vos  scribae, 
Interrog^ti  dicitc, 
Si  quid  de  hoc  puero 
Scriptum  habetis  in  libro! 
Rcspondcant  scribae. 

Yidimus,  Domine,  in  prophetanxm  libris 

Nasci  Christum  in  Bethlehem,  civitate  Dayid, 

Prophcta  sie  vaticinante: 

Antiphona  Bethlehem  ^) 
Rex  ad  scribas:  Protinus)  ad  finem  spectat  prudentia  rerum? 
Yadite  cum  vestris  qui  dig^i  vatibus  estis  3) ! 

et  projiciat  librum. 
Rex  (ad  proceres)  Consilium   nobis  proceres  datc  laudis,  honoris. 
Armiger  ad  (regem). 

Audi  quae  facias ,  rex  audi  pauca  sed  apta ! 

Eois  des  dona  Magis morari  <), 

Ut  noviter  nato  quem  quacrunt  rege  reperto 

Rex,  per  tc  redeant,  ut  et  ipse  scias  quod  adores! 
Rex  consilio  habito  dicat: 

Ite  (et)  de  puero  diligentcr  investigate 

Et  invento  redeuntes  mihi  renunciate 

üt  (ego  veniens)  adorem  eum. 
Rex  ad  armigerum  S)  •. 

Abduc  externes  ciiius,  vasalle,  tyrannos. 

»)    üeber  dies  Wort  vergl.  Du  Meril  p.  167  N.  1.  und  den  Nach- 
trag dazu  p.  418. 
>)    Micha  V,  2. 
3)    Hat  Du  Meril   eo  gelesen?    Ich   ergänzte   Weinholds: 

jVadite  cum  vestris estis'  früher  so: 

Yad.      c.       vest.   paginis,  falsum  genus  estis! 
Aash  das  protinus  im  Verse  vorher  scheint  nicht  gesichert. 

*)    Die  Hs.  bietet  nach  Du  Meril  vor  morari  die  Worte  ,nec  mitte*. 
')    Vielleicht  gehört  auch  der  folgende  Vera  zu  jener  grossem 


Cap.  I,  S  2.  t 

Magi  ftspicientes  stellam  canant: 

Ecce  Stella  in  Orient«  praerisa 

herum  praecedit  nos  Incida! 
[Obstetrices]  >)  Qui  sunt  hi,  qui  Stella  duoe 

Kos  adeant«8  inaodita  ferunt? 
lUgi  rwpoDdeaDt.  Nos  sumas,  quoe  cernitk,  r^^ 

Tharns  et  Arabmn  et  Sabae, 

Dona  ferentes  Christo quem  Stella  dace  adorare  ve- 

nimus. 
Ob(  Stetrices)  Ecoe  poer  adest,  quem  quaeritis. 
Jam  properate  et  orate,  quia  ipse  est  redemtio  mundi. 
IntnntM  magi:  Salre  princeps  saeculorum! 
Prima:  Soadpe,  res,  aurum! 
Secnndus:  Tolle  thus,  ta  tero  Deos! 
Tertius.    Mirram  ngnom  sepolturae! 
Angelas  ad  prostratoe  Magos: 
Impleta  sunt  omnia  quae  prophetice  dicta  sunt. 
Ite  viam  remeantes  aliam ,  ne  delatores  tanti  regis  puniendi 

sitia. 
Mafi  redeontet  antiphonam  (canant) !  0  regun  caeli.  ') 
B<M  Teno«  cantent  poeri  in  procetsione  regoin: 


Ex  pleto  officio: 
Laetabundtu  («zultet)  3) 
Angcloi  (coDsilü) 
6ie«t  lidas  radinm. 


Zur  ErlioteruDg  de«  mitgetbeilten  Textes  sei  noch  Fol- 
b«B«rkt.    Das  durch  den    Druck  hcrrorgehobne ,    in 


intcrpoisUon,  ojc  ich  in  die«er  Ocg«u<i  dci  mucks  aniuhmr.  I»u  M-  ril 
•Araftt  A4dac,  waa  Oo^Jeeter  lein  dfirfl«,  im  r*)  r<!:M n  f.u,\,t,  ,i,.h 
bei  ihm  (p.  liO)  «•  kaadiekriftlidM  OetUlt  ^ 

<)    lUehttMiffoc  dJMtf  8ehr«{b«ag  wir  i 

*)    Um  wird   die  Antipbooe  (antfUirlicher  mitgetheilt)   im  Ordo 

>)  Dm  AttftlM  eowriUi  i«i  »m  Jwwim  IX,  6  cntiwmwa  aad  bil- 
det daa  bifoHM  der  drittea  Mmm  an  26.  Dm.  leb  komm«  darauf 
■ntck. 


10  Cap.  I,  8  2. 

zwei  getrenote  Thcilc  zerfallende,  Stück  iit  darcb  Ueberein- 
stimmung  nicht  nur  mit  dem  (unserm  Freisinger  Denkmal 
etwa  gleiclialten)  Ordo  ad  reprueseiitundum  Herodem  ')  aus 
Orleans,  sondern  auch  mit  dem  sicher  altern  und  noch  ganz 
kirchlichen  Oßicium  Trium  Regum  2)  aus  Ronen  als  altkirch- 
liches Ritual  gpsichert.  Der  Zwischenraum  zwischen  jener 
Begegnung  der  (aus  verschiednen  Ländern  kommend  gedach- 
ten) Magier  und  ihrer  Ankunft  beim  Stall  zu  Bethlehem,  der 
in  unserm  wie  dem  Orleanner  Stück  durch  die  Audienz  der 
Magier  bei  Herodes  und  seine  Beratschlagung  erfüllt  wird, 
ward  bei  der  F'eier  in  Ronen  noch  von  einer  (stummen)  Pro- 
cession  der  Magier  durch  die  Kirche  in  Anspruch  genommen, 
während  in  den  gleichzeitig  gesungnen  Chorhedern  3)  schon  auf 
ihre  Begegnung  mit  Herodes  angespielt  ward.  —  Betrachten 
wir  zunächst  jenen  ältesten  Kern,  der  mit  dem  Officium  von 
Ronen  zusammentrifft,  seiner  Entstehung  nach,'  und  fassen 
wir  namentlich  jene  Anbetung  des  Kindes  und  das  dreifache 
Opfer  ins  Auge.  In  Ermangelung  eines  Textwortes  in  der 
Schrift  *)  (und  man  hielt  sich  sonst  bei  Abfassung  dieser  li- 
turgisch-dramatischen  Feiern  immer  zunächst  an  die  Vulgata) 
hat  man  sich  hier  offenbar  an  das  Wort  Claudians  (Epigr.  99 
ed.  Artaud.): 

Myrrham  homo,  rex  aurum,  suscipe  thura  Deus! 
gehalten.     Die  Magier  werden  bei  der  Krippe  des  Kindes  von  - 
zwei  Clerikern  in  Dalmatiken  5)  empfangen ,  die  wir  zunächst 
für  Maria  und  Joseph   halten   würden.     Aber  schon  die  Dal- 
matica  (der  weisse  Talar)  wie  das  ihnen  vorgeschriebene  ,8ua- 


>)  Bei  Du  Meril  als,  ,Aatre  Mystere  de  TAdoration  des  Mages' 
p.  162  ff.  —  Jener  älteste  Titel  (als  etwas  jüngerer  erscheint  Herodes 
sive  Magonim  adoratio)  ist  nur  in  .dem  Abdruck  bei  Wright  (Early 
Myst.)  gewahrt. 

2)  Urkundlich  bei  Martene  de  ant.  eccl.  ritibus  Tom.  III,  Libir 
IV.  r  14.  —  Bei  Du  Meril  als  Office  de  l'Etoile,  bei  Weinhold,  der 
CS  p.  öl  auch  erläutert,  als  Rituale  von  Ronen  bezeichnet. 

3)  Den  Ressponsoricn :  Magi  vcniunt  cet.  und  Intcrrogabat  ma- 
gos  cet. 

4)  !Matth.  II,  11  ist  die  Adoration  eben  nur  erwähnt.  —  An  Be- 
nutzung von  apokryph.  Quellen  (Protev.  Jacob!  c.  XXI,  Hist.  Inf.  Salv. 
c.  XVI)  für  die  alten  Dreikönigsoffize  denkt  Du  Meril  p.  156.  .Vnm.  5. 

*)    So  heisst  es  im  Offiz  von  Ronen. 


Cap.  I,  §  2.  11 

Titer  respondeaut'  spricht  dafür,  dass  man  beide  Darsteller 
für  weibliche  Persooeu  ausehen  sollte:  dazu  kommt,  dass  iu 
einigen  der  gaUikanischeu  Stücke  sich  an  Stelle  Marias  und 
Josephs  «ObstetrioeB*  bei  der  Krippe  befinden,  welche  Bezeich- 
nung auch  an  einer  Stelle  nnsers  Freisinger  Denkmals  i)  mit 

Sicherheit  aas  dem  Ob der  Hs.  heraus  erkannt  ist^ 

and  Ton  mir  an  einer  kurz  vorhergehenden  cougruenten 
Stelle  3)  hergestellt  ward.  Als  Obstetrices  werden  wir  also 
aaah  jene  Beiden  in  Dalmatiken  aufzufassen  haben,  und  es 
firagt  sich  nur,  wie  kam  man  zu  dieser  sonderbaren  Einfüh- 
mng?  Es  genügt  nicht,  darauf  hinzuweisen,  dass  in  apokry- 
phischen  Erangelien  sich  bei  (oder  gleich  nach)  der  Geburt 
Christi  Hebammen  einfinden,  denn  Ton  jener  Amtsverrichtung 
welche  dort  ihnen  obliegt,  ist  in  unsem  Offizen  keine  Spur: 
aa  befragea  nur  die  Ma^^ier  und  geben  ihnen  selbst  dünn 
Andninft  Wir  irren  wol  nicht,  sie  hier  einfach  als  Umgebung 
der  h.  Familie  erklärend,  die  nur  zu  dem  Zweck  den  Apokry- 
phen entlehnt  worden,  die  Darstellung  der  h.  Familie  selbst 
za  QBgdien  ^).  —  Im  Uebrigen  ist  die  Anlage  des  ältesten  Offizes 
Ton  möglichster  Einfachheit  *).  —  Auch  jene  Erweiterung  (oder 
Ansfüllung)  der  ältesten  Grundlage,  die  oben  durch  kleineren 
Druck  anterschieden  ist,  dürfte  schon  wieder  zwei  Stufen  der 
Fortbildung  darstellen:  eine  ältere,  prosaisch  oder  rythmisch 
abgefaast;  eine  jüngere,  theil weise  wol  metrisch  S)  neu  zuge- 
Ittgt  — >  oft  wol   nur   aus  der  altern  Vorlage  metrisch  umge- 


1)    Vor  den  Worten:  Kcce  paer  etc. 

S)  Za  dem  Angelas  al(iai)  der  Hs.  hat  Tielieicht  cm  Kedck'  !<  ik 
gehört,  das  wir  nicht  mehr  lesen.  Die  Worte:  Qai  sunt  hi  etc.  ^'  '  )  * 
•ach  der  OrieMwer  Ordo  den  Obcietrioes  (cf.  Da  Mcril  p.  170  obi-n.) 

>)  Andi  in  den  Aaflkagen  des  Osterspiels  treten  die  höchf^Un 
PiTMNiMi  Bodi  sarftdE. 

*)  B«.  der  Aaiftn  der  Magier  fiber  ihre  liviUiut  \!,i  h' 
Oel»«r«elii  der  Dreikteigsteadttiott  bei  Rud.  Uoffmann.  L< )  r  J.  n 
uuk  des  Apoor.  pi  IM  ft  Dms  einer  der  Magk-r  ';<li  {\y\>-  -.u  .i<  lu 
to«  tair  ansgesefciednen  Theil»  der  Erweiterung)  Z'-i^-.tr[vv  i>.  ut.t.  .»t 
•as  d«B  Zage  iitt  Tradit  eatlehnt,  wonach  ZoroMier  eohon  die  (ie- 
b«ri  de*  M— IM  gswstosegt  haben  soU. 

*)  Dh.  ia  BeuaMlera.  Die  Prose  dsg^^  «aiCMst  iu  jener  Zeit 
«ftwel  dae  was  wir  jetei  so  aeaaea  ab  aaeh  die  gerciait«,  doch  nicht 
>af  eaiiket  Ifaese  gehcaehAe  Bede^ 


\t  Cap.  I,  5  2- 

schrieben.  Wir  können  hier,  da  ein  grösserer  Tbeil  der  me- 
trischen Erweiterung  von  mir  aus  innern  Gründen  ausgeschie- 
den, die  Betrachtung  jener  beiden  Entwicklungsstufen  verei- 
nigen. Wenn  wie  oben  bemerkt  wird,  die  Begegnung  der  Ma> 
gier  mit  Herodes  im  ältesten  DreikönigsofTiz  schon  lyrisch  an- 
gedeutet ward,  80  war  zu  einer  mimischen  Aufnahme  dieser 
Scene  nnr  der  Eine  Schritt  nötig,  über  jenes  zarte  Bedenken, 
das  Ton  der  Darstellung  einer  so  antichristlichen  Figur  wie 
Herodes  nicht  minder  als  von  der  besonders  heiliger  Gestal- 
ten abraten  mochte,  hinauszukommen.  —  Der  Platz  des  He- 
rodes und  seines  Gefolges  in  der  Kirche  konnte  (da  Jerusa- 
lem so  nahe  bei  Bethlehem  lag)  nur  in  nächster  Nähe  der 
Krippe  anzusetzen  sein :  die  Processionsdauer  vom  ersten 
Begegnungsort  der  Magier  bis  zur  Station  Jerusalem  ward 
schicklich  durch  Boten  in  der  Weise  ausgefüllt,  dass  diese 
den  Magiern  entgegengingen  und  dann  über  die  Fremdlinge  an 
den  König  berichteten.  Vor  diesem  hatten  die  Magier  dann  selbst 
die  (im  ältesten  Offiz  erst  von  den  Wächterinnen  der  Krippe 
gestellten)  Fragen  nach  Herkunft  und  Stand  zu  beantworten, 
die  Bedeutung  ihrer  Geschenke  anzugeben.  Letzteres  wieder 
mit  Benutzung  der  schon  im  ältesten  Offiz  sich  findenden 
(verrauthlich  aus  Claudian  entlehnten)  Stelle.  —  Ein  eigen- 
thümliches  Leben  erhielt  aber  die  Herodesscene  durch  Anf- 
nahme  jener  Befragung  der  Schriftgelehrten  (scribae),  von  der 
wir  nebst  der  Wirkung  ihres  Berichts  auf  den  König  >)  bei 
Matth.  II ,  3  lesen.  Diese  Wirkung  ward  aber  wenigstens  in 
ujiserm  deutschen  Stück  2)  nicht  als  Furcht,  sondern  nur  als 
Zorn  aufgefasst:  auch  schien  es  der  königlichen  Würde  zu- 
träglicher, einen  so  kleinlichen  Plan,  wie  die  heuchlerische 
Voraussendung  der  Magier,   von   der  Umgebung  3)  insinuiren 


1)  Eb  scheint  das  nicht  ganz  genau  von  mir  angef^ebcn,  da  jenes 
Erschrecken  des  Königs  (II,  8)  der  Befragung  der  Gelehrten  vorans» 
geht.  Da  man  aber  mit  II,  7  für  die  Darsteilung  Nichts  zu  machen 
wnsste,  liess  man  die  Gemütsbewegung  des  Königs  erst  an  dieser  Stelle 
eintreten. 

2)  Vergl.  die  entsprechende  Stelle  des  Orleanner  Ordo  bei  Da 
M^ril  p.  168. 

')  Der  Rat  geht  in  der  IIs.  vom  Annigcr  aus,  doch  mochte,  da 
diese  Figur  mehr  dem   Kindermord  eigentümlich  scheint,  Ursprung- 


Cap.  1.8  2.  18 

I«  lassen.    —    Die  Anbetung  an  der  Krippe   und  die  Beleh- 
rang  der  Magier  durch  den  Engel  war  schon  im     '  OlTi/ 

enthalten :  die  ErveiteniDg  begnügte  sich   wol   /  ..  y- 

nen  Dienern ,  die  Ins  dahin  die  Geschenke  auf  Händen  gehabt 
hatten  (pneri  in  proc.  regum)  noch  einige  Scblussverse  in  den 
Mud  sn  legen,  deren  Sinn  dahin  zu  geben  scheint  '))  ^^^^ 
ein  jährlich   wiederkehrendes  Fest   das  Andenken    des  hoben 
Elreignisses  festhalten  sollte.  —  Doch  begnügte  mau  sich  nicht 
damit:    die    nahe  Verbindung  der  Magiergescbichte  und  des 
KiDdennords  zu  Bethlehem  bei  Mattb.  II.  hat  leicbt  dazu  ge- 
fuhrt, (ee  ist  dies  die  dritte  Stufe  der  Erweiterung)  >)  wenig- 
stens den  Beschluss  des  Kindesmords  mit  in  das  Magierofflz 
aufzunehmen.     Fast  gleiebicitig  mit  dieser   gegen  Ende  des 
Stucks   eingelegten  Scene   mag  jene  Spielordnung  entstanden 
•ein ,  die  jetzt  in  der  Hs.  an  der  Spitze  des  ganzen  Denkmals 
steht     Noch    später   dürften    dann  jene  Hirteuverse  (einmal 
gleich    nach   der  Spielordnung,   dann  beim  Herannahen  der 
Magier  sur  Krippe)  eingelegt  sein,   und  das    schon  berührte 
Aagehn  oonsilii   zum    Schluss   dürfte   (wenn    hier  eben  der 
Messintroitus  gemeint  ist)   darauf  hinweisen,   dass  das  ganze 
Offis,  wie  es  die  Hb.  bietet,  bereits  nicht  mehr  am  6.  Jan.  3), 
tondeni  am  26.  Dec.   zur   Anwendung   kam.    Je   mehr   sich 
das  römische  Weihnachtfest  im  Abendland    festigte   und  so 
allmählich  selbst  dem  Osterfest    sich    v'     '  i    wagte, 

desto  näher  lag  es,  gerade  die  kirchliche  .....   ....^es  Tages 

(des  36.  Dec.)  auf  alle  Weise  zu  heben  und  zu  yerherrlichen. 
Eb»  ich  sum  zweiten  Freisinger  Denkmal  übergehe,  sei 
hier  noch  das  Bruchstück  eines  lat.  Dreikönigsspiels  erwähnt, 
das  freilich  erst  in  einer  (Wiener)  Hs.  des  XIV.  Jahrb.  auf- 
bewahrt,   aber  seiner  Entstehung  nach  zum  XII.  bis  XIU. 


hA  im  latenMHilias  gtmefaii  tsin.  Aneb  sei  hier  bemerkt,  das»  dit 
ÜB  vcff«a%«k.  Verte  da«  Berodn  (Coostlium  nobis  c«t.)  aagtredeten, 
^roMTM*  Tielkicbt  aar  die  Mboa  erwihUMi  ,auUtaa*  nnd,  so  dan  in 
dk  Oebcncbrift  B«x  ad  «Btlitss  so  ■■tosn  wirs. 

1)    Die  weaifni  Icdbarsa  Worte  nth»  bei  Weiabold  p.  €1. 

*)    Diese  sowie  die  vieits  sind  voa  sur  gsas  aas  däa  Text  ge> 


i^    Wie*t  Ar  das  Drsikaaigsotta  tod  Boasa  beseagi  ist,  .leiüa 
■rifbsatsi  oaalBla>  Da  Miril  p,  IM. 


14  Cap.  I,  S  2. 

Jahrh.  gehören  möchte:  man  findet  es  bei  Du  Meril  in  der 
Note  p.  151  u.  152  Dtrsolbe  halt  es  für  eine  vollständige 
Piece:  wogegen  docl»  schon  die  (barocken)  ')  Namen  der  drei 
Könige  Auroolus,  Thureolus,  Myrrheolus  sprechen,  welche  auf 
dan  Mitbringen  und  spiitore  Darreichen  der  bez.  Geschenke 
hindeuten.  Doch  weiss  ich  nicht,  ob  bei  dem  gelehrten  Spiel- 
werk 2)  überhaupt  an  eine  Aufiührung  unbedingt  zu  denken 
ist 

Von  einem  vielleicht  wertvolleren,  1768  durch  einen 
Klosterbrand  zerstörten  Dreikönigsspiel  berichtet  nach  Gerbert 
de  cantu  et  mus.  sacr.  T.  II ,  p.  82  Du  Meril  ebendort. 

Ordo  Rachelia  3) 

Das  gallikanische  Denkmal,  was  für  die  Kritik  dieses 
zweiten  Freisinger  Stückes  in  ähnlicher  Weise  zu  gebrauchen 
wie  das  Officium  von  Rouen  für  das  erstere,  ist  die  Orleanner 
sog.  ,Interfectio  puerorum'  ■*),  freilich  selbst  lange  nicht  völ- 
lig alt  und  einfach.  Halten  wir  dies  nun  gegen  das  Freisin- 
ger Stück,  so  zeigt  sich  die  Uebereinstimroung  in  deutlicher 
"Weise  (doch  auch  hier  nicht  ohne  Abweichungen)  nur  bei'm 
letzten  Theile  beider,  jener  Rachelklage,  nach  der  nun  das 
Freisinger  Stück  als  Ganzes  benannt  ist.  Von  dort  rückwärts 
gehend  findet  man  in  jedem  Abschnitt  die  Uebereinstimmung 
schwächer:  die  Scene,  worin  von  Herodes  und  seiner  Umge- 
bung der  Plan  zum  Kindermorde  gefasst  wird,  ist  im  Ganzen 
in  F.  weit  breiter  ausgeführt  5),   dagegen    fehlt   hier  die    in 


1)  Anch  der  Umstand,  dass  der  Stern  (gleich  zuerst)  redend  ein- 
geführt wird,  ist  etwas  bizarr. 

2)  Der  Handlung  nach  ist  es  allerdings  sehr  einfach,  und  so  hat 
Du  Meril  es  zum  sehr  alten  Magieroffiz  von  Limoges  gestellt.  Aber 
die  Diction  ist  mit  astronomischer  Weisheit  überladen,  und  das  Me- 
trum geschnörkelt:  man  vergleicht  am  besten  die  Magierscene  im 
(bald  zu  nennenden)  Benedictbeurer  Spiel. 

3)  Bei  Du  Meril  p.  171,  bei  Weinh.  p.  62  ff. 

*)  Diese  Bez.,  wie  sie  die  Hg.  bietet,  dürfte  abgekürzt  sein  aus: 
Ordo  ad  repraesentand.  interfectionem  puer.    Bei  Du  Meril  p.  175  ff. 

5)  Die  Art  und  Weise  der  altem  Bearbeitung  ist  aber  noch  er- 
sichtlich in  jener  gleichfalls  den  Mordplan  darstellenden  Interpola- 
tion zu  Ende  des  ersten  Freisinger  Stücks:  diess  stimmt  wörtlich  zur 


Cap.  I,  S  2.  15 

0.  erhaltene  Darstellung  der  Kindertödtung.  Die  in  F.  vor- 
aa%abaidto  Scene,  die  Josephs  und  Maria's  Abreise  nach  Ae- 
gypieii  Torfohrt,  ist  iu  0.  nur  eben  erst  angedeutet,  und  von 
jener  Hirtenscene,  die  sich  iu  F.  leicht  als  Ei ogangsTorschieb- 
aal  Terrat,  in  0  keine  Spur.  Dagegen  liier  malerische  An- 
gabe des  frühlichen  Getummeis  der  (unschuldigen)  Kinder  vor 
dem  Blutbad:  welchem  der  anfangs  unter  den  Kindern  wei- 
lende Agnus  Dei  *)  zur  rechten  Zeit  glückhch  enthoben  wird. 
Da  das  Orleanner  Denkmal  allein  richtige  Einsicht  in  eine 
sehr  alte  kirchliche  Feier  des  2t;.  Dec.  geii^ährt,  wie  sie  ohne 
Zweifel  auch  in  Deutschland  gegolten  '),  so  sei  hier  wenig- 
stens ein  Uebersichtaschema  der  Orleanner  ,Interfectio'  einge- 
rückt: 

Ad  interfect.  puer.  induantur  Innocentes  stolis  albis 
et  gaudentes  3)  per  monasterium,  orent  Dominum  dicentes: 
Quam  gloriosum  etc. 
Tunc  Agnus  ex  improviso  veniens  pertans  crucem  an- 
teoedat  hos  hnc  et  illuc ,  et  Uli  sequentes  dicant : 
Quam  gloriosum  est  regnum  . .  . 
Emitte  Agnum,  Domine  *) 
iDtehjD  Armiger    -  -  Magos   per  aliam  viam  re- 

diisM,  talatet  prius  i    „      ,  postea  dicat: 

Rflx  in  aeternun  me!  Delusus  es  Domine, 
Magi  per  viam  redierunt  aliam! 


OrlcMUMT  B«c.  Man  bca^to  dMt  in  beiden  Rec  der  MordpUn  wie» 
itr  wUkt  ^om  Bcrodas,  Mmdera  too  der  Umgebung  »iiifdit.  Asch 
di«  Votm  JRiex  DOTus  ot  perest'  (Du  Meril  |>.  173)  dflrften  eher  dem 
Anaiger,  «!•  den  Her.  frehör«  i> 

I)    Zjor  tjmbo)udken  Duntellang   de«   Tri  .. -v   ..],.';!, t   Tn<|.,  ,..,i 
wiriüicke«  Lamm  BttErMSMCüuM  (emx)  gri^niariit  /u  )i:i),.'n. 

>(    Oder  bMekaitt  bmd  Imt  glsiek  etwM  den  galJikanischen  Ritoa? 

S)    Idk  mbtkU  dsB  cwmr  k«hnen  Aasdmek  beibebilten.    Do  M«« 
ril  meint  frrmJient««. 

:.  1  :.i  1.  l'.i.  MehL  —  Dm  folgend«  aw  Jee. 
IX,  7  erttntiiTnniiiae  baiachaa  ediwai  mir  ia  attiMr  Aawaadoag  aaf  He> 
rodas  «ad  ab  vom  Amif«r  g««proeh«a  verderbt:  e«  mocbt«  ein  Eo* 
fei  ta  Bentg  aaf  den  Agmu  mit  Recht  gebraachen.  Auch  die  kam 
AadaaUag  der  Flnchl  aack  Aegyptea  tckcide  ioh  au«:  nebea  d«ai 
Daikottttto  aidit  fai  dia  ImO.  Fkm.  ait  dam  CfaMk.  aaürttoa. 


16  Cap.  T,  S  3. 

Tunc  Herodes  quasi  correptus  arrepto  gladio  paret  se 
ipeum  occidere,  sed  probibeatur  tandem  et  pacificetur 
a  suis«  dicens: 

InceDdium  meum  ruina  exstiiiguam  >)! 

Interea  Innocenteti  adbuc  gradientes  post  Agnum,  de> 
can teilt  '^): 

Armiger  suggerat  Herodi,  dicens: 

Decerne,  Domine,  viudicare  iram  tuam,  et  stricto  mu- 
crone  iube  occidi  pueros:  forte  inter  occisos  occidetur  et 
Cbristus. 

Herodes  tradens  ei  gladium  dicat: 

Armiger  eximie  pueros  fac  ense  perire! 

Interim  occisoribus  venientibus  subtrahatur 

Agnus  clam,  quem  abeuntem  salutent  Innocentes,  di- 
centes: 

Salve,  Agnus  Dei,  Salve!   Qui  toUis  peccata  muudi, 

Alleluja! 

Tunc  Matres  occisorura  orent  occidentes: 

Oremus  teuerae  natorum  parcite  vitae  3) ! 

Infantes  iacentes: 

Quare  non  defendis  sanguirem  nostrum,  Deus  noster? 

Angelus : 

Adbuc  sustinete  modicum  tempus,  donec  impleatur 
numerus  fratrum  vestrorum! 

Tunc  inducatur  Rachel  et  duae  consolatrices  etc. 
(Sequitur  planctus  Racbelis)  4) 

Tunc  Consolatrices  abducant  Rachel  et  Angelus  interim 
de  Supernis  dicat  antipbonam: 

Sinite  parvulos  ...  5) 


1)  Diese  auch  in  beiden  Freis.  Stacken  lich  findende  Phrase  ge- 
hört eigentUch  dem  Catüina.  (Sal.  Cat.  c.  82.) 

2)  Es  folgen  5  leoninische  Hexameter,  die  ich  hier  übergehe. 

3)  Das   in    der  Hs.  folgende,  dem  Engel  in  den  Mund  gelegte: 
Yos  qoi  in  pulvere  cet.  hab  ich  an  eine  spätere  Steile  gesetzt. 

4}    Ziemlich  übereinstimmend  bei  Du  M^ril  p.  177,  176,  bei  Wein- 
hold p.  64,  65. 

*)    cf.  Matth.  XIX,  14. 


Cap.  I,  S  2.  17 

laoentibas  infantibas  Angelas  ab  excelso  appareat,  et 
moneat  eos,  dicens: 

Expergiscimini,  tos  qui  iu  pulvere  estis,  et  claroate! 

Ad  Tocem  Angeli  sargentes  pueri  intrent  chorum  di- 
oentes:  0  Christ«,  quantum  patri  exercitam!  etc. 


Die  biblische  Herleitung  und  altcbristlicbe  Färbung  die- 
ser 38.  Deoemberfeier  ist  unverkennbar:  das  von  den  Innocen- 
tet  gemngene  Agnos  Dei  war  schon  in  die  Messe  aufgenom- 
men, selbst  die  poetisch  freier  ausgeführte  Klage  Rachels  mit 
(]■■•:'.  Einsprüchen  der  Trösterinnen  durfte  sich  auf  das  ,et  no- 
iu.:i  consolari'  Matth  II,  18  berufen,  und  ist  im  Einzelnen 
aus  alttestamentlichen  Reminiscenzen  entnommen.  Aber  diese 
altchristlich  edle  Feier  des  28.  Dec,  deren  Geist  aus  einigen 
schönen  Versen  des  Pnidentius  ')  so  schön  hervorbricht,  hat 
sich  nicht  lange  in  Gebrauch  erhalten:  schon  der  Freisinger 
Ordo  führt  die  Innocentes  nicht  mehr  redend  auf.  Wir  sind 
mehrfach  berichtet  2),  wie  schon  vielleicht  seit  frühen  Jahr- 
hunderten der  lieben  Jugend  am  28.  Dec.  allerhand  Ergötz- 
lichkeiten zustanden ,  und  es  scheinen  derartige  oft  recht  kin- 
dische Festlichkeiten  allmählig  die  altwürdige  Feier  ganz  ver- 
dringt tu  haben.  —  Auch  von  jener  naiv-symbolischen  Dar- 
stellung Christi  als  Agnus  hat  unser  Ordo  schon  Abstand  ge- 
Domnien:  mit  mr  '"  tme  wird  uns  dagegen  die  heil.  Fa- 
miUe  bei  ihrem    -  i  nach  Aegypten  vorgeführt:  Joseph, 

welchem  im  älteren  Text  nur  die  Adventshymne  ,Aegypte  noli 
flere*  >)  gehörte,  hat  hier  drei  selb«tstünd ige  Reimpaare  erhal- 
te, togar  Maria  öffnet  (hier  zuerst)  den  Mund  zu  zwei  ein- 
fach schönen  (leoninischen  Hexametern,  die  uns  auch  in  ei- 
oen  tpiiem  Denkmal  wieder  begegnen.  Mit  dieser  Rede- 
etnf&bmng  der  Maria  war  der  Wendepunct  zu  einer  wärme- 
ren, dem  Volksleben   näher  tretenden   Feier  des  Weihnacht- 


roB,  gres  tflUBolatonnn  toierl  «to. 
.„.    ..  ..aüB  Y<mtmU   t»  d«a  Latein,  tied.  p.  XXX 

MM  Peru  II,  »1  mitgetkeiU«  8UUc.  —  ABSMfd—  deb«  Alt.  ChritU. 
Qdi.  11,  p.  iU,  Wcmbobl  W.  8p.  p.  fiO. 
*)    V«rgL  Du  lUffU  p.  178.  K.  L 


18  Cap.  1,8  2. 

festes  gegeben  i):  auf  der  andern  Seite  führte  dai«  Aufgeben 
der  alten  Scheu  vor  Darstellung  der  dem  ülaubeu  heiligsten 
Personen  im  Laufe  der  Zeit  zu  traurigem  Abweg.  Ehe  wir 
aber  diese  Entwickelung  weiter  verfolgen,  müssen  wir  aus 
den  dürftigen  Trümmern,  die  uns  hier  vorliegen,  die  eigen- 
thümliche  Feier  des  25.  Dec,  in  ihrer  altkirchlichen  Form  zu 
erkennen  suchen.  Es  darf  nicht  befremden ,  dass  wir  zu  die- 
ser zuletzt  gelangen. 


Hirtenverehrung  und  ProphetenvürHpiel. 

Ein  leidlich  altes,  lebendig  ausgeführtes  Officium  pasto- 
rum  zur  liturgischen  Feier  des  25,  Dec,  wie  es  Du  Meril  2) 
aus  französischen  Hs.  mittheilt,  können  wir  aus  Deutschland 
nicht  beibringen:  ausser  einer  magern  Notiz,  die  uns  Ger- 
bert 3)  überliefert ,  sind  wir  nur  auf  Interpolationen  in  den 
beiden  Freisinger,  zunächst  ja  dem  6.  Jan.  und  28.  Dec.  zu- 
kommenden, Denkmälern  beschränkt.  Die  noch  ganz  der  Vul- 
gata  (Luc.  11,  v.  10  ft.)  folgende  Weise  ist  im  Officium  Mago- 
rum,  eine  schon  freiere  zu  Anfang  des  Ordo  Racheiis  erhal- 
ten ,  den  ich  hersetze. 

Angelus. 
Ortum  pastoris,  pastores,  nuntio  vobis, 
Qui  redemit  proprias,  pastor  et  agnus,  oves! 
Pannis  obductus,  decus  orbis,  gloria  regum 
In  feno  situs  est,  qui  cibat  omne  quod  est: 
In  Bethlem  vitae  panem  quaeratis  eundem. 


*)  Das  Christkind  selbst  wird  aber  noch  in  ganz  idealistischer 
Weise  als:  ,Lux  mundi  Dominus,  levi  carnis  nube  superpositus'  be- 
zeichnet. 

I)    p.  147  ff. 

■-»)  Vet.  Lit.  Alemannica  IX,  1,  3  zu  Ende  heisst  es  über  den  26. 
Dec.  Post  Te  Deum  alicubi  in  usu  erat  officium  pastorum,  quod  fini- 
ta raissa  continuabatur.  —  Die  weitern  Angaben  stimmen  fast  zu  de- 
nen bei  Marlene  Tom.  III,  Lib.  IV,  c.  12,  die  auch  bei  Weinh.  p.  47 
ausgehoben.  (Frage  des  Chors  oder  Priesters :  Quem  vidistis  pastores? 
Dicit€,  annuntiate  nobis  in  terris  quis  apparuit?  —  ,Natom  vidimus 
pannis  involutum'  als  Antwort.)  In  dieser  Form  waren  die  Antipho- 
nen noch  zu  Gerberts  Zeit  (XYIIl.  Jahrh.)  übUch. 


Cap.  I,  S  2.  19 

Angeli:    Gloria  in  excelsis  Deo! 
Pastores:     Quis  audirit  his  similia 

Ab  aeterno  mirabilia! 

0  mirandum  puerperium 

Tantom  habens  ministerium ! 

Transeamns  ergo  Bethlehem , 

explorare  rei  seriem  >)! 
Venientes  ad  praesepe  cantent: 

0  regem  coeli,  cui  coelicolae  famulantur  2), 
Clauditur  io  stabulo,  concludcns  cuncta  pugillo, 
Despectissimus  in  terris  et  sommus  in  astris! 


Diese  Hirten  Verehrung  an  der  Krippe  konnte,  weil  sie 
kurzer  und  minder  sacramentalen  Characters  war  3),  leicht 
▼on  der  Gemeinde  in  der  Weise  getheilt  werden,  dass  sie 
sich  den  die  Hirten  darstellenden  Klerikern  anschloss.  Der- 
gleichen scheint  denn  auch  schon  in  älterer  Zeit  *)  üblich  ge- 
weseOf  för  das  spätere  Mittelalter  ist  derartige  (sogar  über- 
triebene) Laienbetheiligung  an  der  25.  Decemberfeier  sicher 
nachweisbar. 

Doch  schon  in  der  heiligen  Nacht  (vom  24-25.  Dec.) 
kannte  der  ältere  Kirchenritus  eine  Feierlichkeit,  die  sich  in 
der  Kürze  als  eine  durch  T-  '  ü  aus  dem  Jesaias,  der 
erythraischen  Sibylle ,  und  den  i  uvätem  gebildete  Hindeu- 

tung  auf  das  kommende  Fest  kennzeichnen  lässt  ').  Viel- 
leicht gehen  auf  diese  Nachtfeiern  jene  prophetischen  Vor- 
spiele   zurück,    die    sich    in    ilrr    Fitli.'i'    hüufn;    doli    prössoren 

',     I  II,  15. 

')     1'  mff  d<*«  Offic. 

lU^oram.  dor  Mund  ^legt,  wms  artprängHcher 

■«in  dörft" 

>)    I  ii  beim  Mftgieroffix  nach  d«r  Gold-Wvth- 

Mcnge  d«r  Laien  tn  «inain  natArlieh  ein' 

ne    wAkrend  der  Anhetonfr   der 
I.  .,  ',    Jangfirao  tUnd)  dunJi  «lif  Hir- 

Imi  •  '■  f«lM«o,  doch  konnteii   di«  Kleriker  »11  loht 


»0  Cap.  1    H  -' 

Weihnachtspielen  vorschieben,  ^in  derartiges  Prophetenspiel 
in  Wv/üi»  auf  Weihnachten,  das  man  sonst  mit  dem  lateinisch- 
alt fran/üsischen  Myst.  Fatuarum  V'irgiuum  zu  vereinigen 
ptlegtr,  hat  Du  Meril  mit  Recht  als  besonderes  Spiel  hinge- 
stellt 1). 


§  S.     ier  kjfnaptliicbe  Wribnachtlttdus.  2) 

Das  Stück  beginnt  mit  der  Angabe:  ,Primo  ponatur  Au- 
gustino  sedes  in  fronte  ecclesiae,  et  Augustinus  habeat  a  dex- 
tera  parte  Isaiam  et  Danielem  et  alios  prophetas,  a  sinistra 
Archisynagogum  et  suos  ludaeos'.  Wir  haben  hier  ein  (wie 
eben  beleuchtet ,  wol  aus  der  Vigilienfeier  der  h.  Nacht  ab- 
zuleitendes) Propheten- Vorspiel ,  das  aber  verglichen  mit  dem 
eben  erwähnten  ßallikanischen  Denkmal  dadurch  bedeutend 
an  dramatischem  Leben  gewonnen  hat,  dass  dem  christlich- 
prophetischen hier  ein  jüdisch-antichristliches  Element  gegen- 
übertritt, und  sich  namentlich  zwischen  dem  h.  Augustin  (als 
Ha\iptvertreter  der  Kirchenlehre)  und  dem  Führer  der  Juden- 
schale ein  sehr  lebhafter  Disput  erhebt  3),  an  welchem  christ- 
licherseits  auch  die  Propheten  —  ausser  den  oben  genannten 
noch  die  Sibylla,  Aaron  und  Bileam  —  anfangs  theilnehmen, 
später  mehr  als  Chor  dem  h.  Augustin  zur  Seite  treten.  Nach 
Abbruch  jenes  Disputs  nun  wird,  sei  es  ohne  engeren  Bezug 
darauf  oder  um  die  Richtigkeit  der  Kirchenlehre  ad  oculos 
zu   demonstriren ,    nicht  nur   die   Verkündigung  Maria's   und 


•)     Als  ,My8tere  des  prophetes  du  Christ'  p.  179. 

"•*)  So  bezeichne  ich  den  vom  kirchlichen  Cultus  abgelösten,  aber 
noch  in  der  Kirche  aufgeführten  und  ganz  lateinisch  verfassten  ,Ludu8 
acenicus  de  nativitate  Domini'  aus  einer  Benedictbeurer,  jetzt  Mün- 
chener Hs.  des  XII— XIII.  Jahrb.,  der  die  völlige  Vereinigung  der 
drei  ursprünglich  besondern  Festfeiern  darstellt.  —  Mitgetheilt  bei 
Schmeller  Carmina  Burana   p.  80  ff.,  kritischer  bei  Du  Meril  p.  187  flF. 

3)  Es  handelte  sich  dabei  hauptsächlich  um  die  (jüdischcrseits 
lebhaft  bestrittene)  Möglichkeit  einer  Geburt  ,8piritali  gratia'.  d.  h. 
ohne  far  die  Mutter  den  Verlust  der  Virginität  mit  sich  zu  führen. 
Mit  diesem  Capitel  waren  die  Mönche  wol  aus  den  Kirchenvätern  be- 
kannt geworden. 


C»p.  I.  §  3.  21 

ihre  Begegnung  mit  Elisabeth,  sondern  die  Geburt  des  Christ- 
kindes  sdbet  in  den  Ludus  aufgenommen  >).  —  Im  Folgen- 
den nun  du:  '  '  r  Stern  der  Magier  auch  zu  einem  Leit- 
stern für  dl  .  werden.  Wenn* es  nämlich  (bei  Du  Meril 
p.  197  unten)  heisst:  Nato  puero  appareat  Stella  et  chorus 
incipiat  hanc  antiphonam:  Hodie  Christus  natus  est  Qua 
finita  Stella  appareat ,  qua  Tisa  tres  reges  etc.  —  so  last  sich 
diese  seltsame  Spielordnung  woi  nur  durch  Annahme  einer 
doi^Mlten  Reoension  erklaren.  Schon  der  Gang  unsrer  Unter- 
socbang  giebt  es  an  die  Hand,  und  es  tehlt  auch  nicht  an 
formellem  Zengnisa  dafür  ^) ,  dass  die  zweite  jener  Angaben 
über  das  EndbetDen  des  Sterns  die  ältere  ist,  und  man  auch 
hier  die  Magieradoration ,  wenn  auch  nicht  in  ihrer  überlie- 
faien  Gestalt,  als  Kern  des  ganzen  Ludus  ansehen  muss. 
Man  begreift  aber  leicht,  dass  —  nachdem  die  Geburt  Chri- 
sti Aufnahme  in  den  Ludus  gefunden  —  man  es  passend  fin- 
den konnte,  den  Stern  schon  hierbei  3)  erscheinen  kq  lassen : 
der  Spielredactor  hat  nur  rersäumt,  die  zweite  (ältere)  An- 
gabe nun  SU  ttröchen.  —  Das  Auftreten  der  Magier  hier  ist 
von  dem,  wie  vir  es  früher  gefunden,  doch  verschieden. 
Während  in  den  älteren  Denkmälern  die  Huldigung  der  Ma- 
gier vor  dem  Kinde  nebst  der  sjmboliscken  Opferung  offen- 
bar die  Hauptsache  war,  sind  diese  Motive  hier  durch  das 
Interesse,  das  man  an  den  wunderlichen  Gästen  aus  dem 
Orient  selbst  gefanden,  zurü  '  tigt  und  nur  noch  in  der 
%nalQrdnnng  Tertreten.  Dat  i  nun  statt  jener  frühern 
kurzen  Besprechung  des  Sterns  und   seiner  Bedeutung  jedem 


i|  u\>  1*  auch  in  Detit«ohUiHl  eine  altkirchlicb«  Feier  von  BlArüi 
VirkündiffUDg  *in  4.  AdventMonotAg  gegeben  (Vergl.  Weinh.  p.  46) 
•trbt  üahia.  —  TMletoki  hat  man  die  8c«ne  hier  einfiich  «ob  der 
ValfM»  (Lae.  II«  96  ff.)  flherwownB ,  aar  das  (MariM)  operanti  mu- 
Kabriler  berieht  eich  wol  «af  de»  ia  ^lokrjrph.  Quellen  (vergl.  Uud 
Hoft— aa  L«b«a  imm  ^  M)  «rwikalsa  Teaq»«hPorkaDg. 

S)  8«hda  Weiakold  hat  aagoMrki,  daaa  doh  «nige  Veree  dar 
FreiiiBgtf  SMoke  in  nneem  Ladoe  wiadaHfaidaa  —  man  darf  sich 
diceaa  «ol  aaf  Q  read  lag»  Jaaar  salataadi  dankaa 

>)  So  iet  aock  aehoa  faa  ptofksi  Tenplal  ftr  die  BaUa  der  8t< 
hfUa  (t>B  Mitü  p.  16»)  der  8««ni  temsofcglsbsa,  dea  ans  duraaTwia. 


22  Cap.  I,  ^  .'}. 

der  drei  Magier  vier  (vierzcilige)  Strophen  beigelegt,  in  denen 
das  astronomische  Phänomen  mit  Behagen  und  Gründlichkeit 
erörtert  wird  •).  —  Indem  die  Magier  weiterziehen,  kommen 
ihnen  ,nuntii  Herodis'  Entgegen  und  geleiten  sie  vor  den 
Thron  des  Königs:  die  Scene  welche  sich  anschliesst  ist  nach 
Analogie  älterer  Stücke  2),  doch  ohne  wörtliche  Uebereinstim- 
mung  gegeben.  —  Sehr  abweichend  aber  von  früherer  wie 
späterer  Behandlungsweise  ist  die  (dann  eingelegte)  Verkün- 
digung der  Geburt  an  die  Hirten  ausgeführt:  gegenüber  dem 
Engel,  welcher  das  göttliche  Wunder  verkündigt  und  die  Hir- 
ten antreibt  zur  Krippe  zu  gehen,  tritt  ein  Diabolus  auf,  der 
sie  vom  Wege  abzubringen  sucht.  Dieser  Wettstreit  zwischen 
dem  guten  und  dem  bösen  Engel  ist  wol  in  demselben  Sinn, 
wie  oben  der  Streit  zwischen  dem  h.  Augustin  und  dem  Ar- 
chisynagogen  eingetlochteu :  doch  liegt  auf  der  Hand,  dasa 
die  einfach  würdige  Darstellung  bei  Lucas  II,  8  flf.  gegen 
diese  mönchische  Behandlung  im  Vortheil  bleibt.  —  Die  Hir- 
ten gehen  endlich  zur  Krippe,  und  nach  ihnen  kommen  die 
Magier  um  anzubeten  3).  Da  diese  nicht  zu  Herodes  zurück- 
kehren, wird  in  einer  Scene,  die  kritisch  einige  Bedenken  •*) 
erregt ,    von  ihm  der  Kindermord  zu  Bethlehem  beschlossen : 


t)  Man  vergleiche  hiermit  jenes  Magierspiel  einer  Wiener  Hb., 
das  ich  nach  dem  Freisinger  Offiz  erwähnte. 

2)  Der  Rat,  die  Magier  als  Kundschafter  zu  gebrauchen,  geht 
hier  vom  Archisynagogus  aus ,  was  nicht  ungeschickt  an  dessen  Rolle 
im  Vorspiel  anknüpft. 

3)  Es  ist  hier  das  alt-einfache  Offic.  pastorum  in  der  Art  in  den 
Ludus  verwebt,  dasa  die  Frage:  Pastores  dicite  quidnam  vidistis? 
welche  dem  Priester  gehörte,  hier  den  Magiern  zusteht,  und  auch 
ihnen  mit  dem  ,lnfantem  vidimus  cet'  (nach  Luc.  II,  17)  geantwortet 
wird.  —  Wol  irrig  ist  bei  Du  Meril  p.  204  jenem  Fragesatz  eine  Auf- 
forderung an  die  Hirten:  et  annunciate  Christi  nativitatcm  angeschlos- 
sen. Ich  lese  das :  et  annunt.  Xi.  nat  fl".  der  Hs.  (hei  Schm.  p.  90) 
et  annunciantcs  Christi  nat.  respondeant  pastores. 

•)  Die  Verse:  gens  Judaea  properet,  ut  Herodem  (heredem  bei 
Schmeller!)  audiat  cet.  werden  von  Du  Meril  wol  mit  Recht  dem  Nun- 
tius gegeben,  obgleich  die  dann  nöthige  Aenderung  von  me  in  hunc 
oder  eum  hart  ist.  Aber  auch  das  dem  Archisynagog  gehörende  Citat 
aus  Micha  ist  an  dieser  Stelle  seltsam,  und  wol  aus  Versehen  hierher 
gerathen. 


Cap.  I,  §  3.  23 

eine  Klage  der  Mütter  nach  geschehenem  Frevel ,  die  so  ziem- 
lich die  Motive  der  altem  Rachelklage  nieder  aufnimmt  er- 
innert wenn  auch  schon  in  verblasster  Weise  an  die  alte 
Feier  des  28.  Dec,  die  sich  auch  nach  einer  andern  Seite 
hin  >)  in  unserm  Ladas  nachweisen  lässt  —  Vm  den  folgen- 
den, die  Flucht  der  h.  Familie  nach  Aegjpten  darstellenden 
Theil  einigermaaeeu  m  ordnen  >),  schlage  ich  vor,  die  nach 
jener  Klage  der  Mütter  folgende  Spielordnung  hier  zu  strei- 
chen ')  bis  auf  die  Worte:  Appareat  in  nocte  angelus  Jo- 
seph *)  dicens  etc.  Auf  solche  Aufforderung  des  Engels  ist 
dann  die  Flacht  nach  Aegypten  am  Platze,  wobei  jene  bei- 
den Hexameter  Maria's,  die  wir  schon  im  Ordo  Racheiis  tra- 
fen, erhalten:  dagegen  sind  die  dort  überlieferten  Worte  Jo- 
•epbt  sei  es  als  minder  gewichtig,  sei  es  darum  nicht  auf- 
fBBoauiien,  weil  der  in  ihnen  angedeutete  Sturz  der  Götien- 
faflder  Aegjptens  hier  zur  scenischen  Darstellung  kommen 
sollte.  Die  Flacht  nach  Aegjpten  wird  in  unserm  Ludus 
überhaupt  sehr  weitlüuftig,  aber  doch  in  einer  Weise  ausge- 
führt, die  mehr  Studium  der  Alten  als  Berücksichtigung  der 
apokrypbischen  Tradition,  die  gerade  hierfür  so  reich  vorlag, 
bekundet.  Allerdings  ist  aas  dieser  das  Einstürzen  der  Göt- 
zenbilder beim  Nahen  der  h.  F'amilie,  und  wol  auch  die 
Charakteristik  des  Rex  Egrpti  entlehnt:  denn  dieser  wie  der 
apoknrphische  Aphrodisius  S)  zeigt  eine  den  Ankömmlingen 
freundliche  Gesinnung:  aber  das  ist  auch  Alles,  was  man  an- 
führen könnte  *).     Das  Einstürzen  der  Götzen  wird  in  sofern 


>)    Ich  BsiM  den  EpiseoiNn  pneromm  itr  in  dem  propheti«di«i 
Vorvpiel  to  ra  mc-  '  t^ld  dM  h.  Aagovtinu«  •oflritt.     I' 

Rolle  dort  (Du  Mtr  >•  wm«  Ibr^viit  Nichts  von  d<>n  A 

tmfca,  welelM  eieh  die   KnabeabisehMB    vielfach    wol   xu  hchulden 
korooMMi  litwen. 

«)    Weialiold  vemicbt  (W.  8p.  p.  68)  daroh  einfache  l'mHelluop 
Do  Mini  (p.  906)  d«rdi  Aotflidnuiff  der  S,  '  *    Ifen. 

S)    Die  ridrtife  BteUvBf  deredbra  «  .  ui  eiolei' 

leitende  «poetea*  verdiebtift 

I)     liier  T>«i    —  Drr  Xam«  Joacnh  tat  :i  DciÜUB^iern 

leÜD 

S)     Vrrgi    iimJ    iiotimum   p     lö«» 

*)    Dftiftr  iet  dieee  Ucgend  de«  SlöcJu  reich  au  lyriachen  Puliea 


24  Cap.  1,  §  3. 

zu  einer  halbkomiscben  Scene,  als  die  Priester  sich  mit  er- 
neuter Lobpreisung  ibrer  Idole  und  deren  Wiederaufricbtung 
abmüben,  was  gegen  deren  Fallsucbt  aber  wenig  verscblägt. 
Interessant  ist,  dass  es  wieder  ein  Armiger  ist,  der  mit  dem 
uns  bekannten  Hexameter: 

Regia  vos  mandata  vocant,  non  segniter  ite! 
die  Weisen  Aegyptens  (welche  von  den  Priestern  zu  unter- 
scheiden) >)  vor  den  König  beruft.  Diese  geben  zuerst  ähn- 
liche Mittel  an  die  Hand,  wie  sie  im  alten  Rom  üblich, 
schlimme  prodigia  zu  sühnen  2) :  fügen  sich  aber  bei  erneutem 
Einsturz  der  Rüder  der  Logik  der  Thatsachen,  und  der  Kö- 
nig ist  bereit,  dem  neuen  Gott  Verehrung  zu  erweisen.  — 

Nachdem  einmal  aus  dem  apokryph.  Apfrodisius,  je- 
nem Beherrscher  des  (angeblich  ägyptischen)  Städtchens  So- 
tine  ein  König  von  Aegypten  geworden,  so  trug  man  bei  er- 
neuter Redaction  nicht  viel  Bedenken  auch  einen  König  von 
Babylon  und  —  da  der  Ludus  von  vorn  herein  die  schroffe 
Gegenüberstellung  streitender  Gegensätze  suchte  3)  —  zur  Krö- 
nung der  antichristlichen  Partei  den  Antichrist  selbst  einzu- 
führen. Aber  der  ursprüngliche  Abschluss  des  Stückes  —  der 
dem  der  Orleanner  Interfectio  wird  ähnlich  gewesen  sein  — 
ist  durch  die  neu  eingelegte  Disputirscene  <)  so  verwirrt  wor- 
den, dass  es  schwer  fällt,  ihn  noch  klar  zu  legen.  Die  in 
den  letzten  Versen  der  jetzigen  Red.  liegende  Anspielung  auf 
das  Ende  des  Herodes  knüpft  wieder  an  die  altern  Theile  des 
Ludus  an ,  und  eine  Spielordnung,  die  den  Tod  des  Tyrannen 


mit  antiker  Färbung,  die  dem  dramatischen  Plane  des  Stücks  völlig 
fern  stehen. 

>)  Ihre  Einführung  beruht  sicher  auf  Analogie  mit  jener  Beru- 
fung der  scribae  (an  deren  Stelle  in  unserm  Ludus  der  Archisynagog 
getreten)  zu  Herodes. 

i)  Es  heisst:  Nostrum  est  consilium,  deos  honorare,  Aras,  tem- 
pla,  tripodes,  lucos  innovare  etc.  —  Auch  die  Namen  der  Götter :  Pal- 
las, Venus,  Vesta  etc.  klingen  nicht  sehr  ägyptisch! 

3)    Wie  ich  sie  oben  mehrfach  hervorgehoben. 

'*)  Diese  können  nur  im  Zusammenhang  mit  dem  Tegernseer  Spiel 
vom  Antichrist  betrachtet  werden.  Du  Meril,  der  an  dies  nicht  ge- 
dacht lu  haben  scheint,  gerät  danim  hier  auf  Abwege,  und  will  Chri- 
sti statt  Antichristi  lesen! 


Cap.  1,S4.  S5 

und  die  Rückkehr  der  heil.  Familie   nach  Palästina  meldete, 
konnte  hierauf  den  Schiaas  des  Ganzen  bilden  i). 


S  4.     Iifiagf  in  «;a«pUschea  Wfihnarhtspifls- 

Zwiacben  dem  eben  betrachteten  Benedictbeurer  Ludus 
«sd  dem  Si  Galler  Weihnachtspiel  2),  zu  dem  ich  nun 
äbergehe,  scheint  eine  grosse  Kluft  zu  liegen.  Zunächst  ist 
die  Sprache,  welche  dort  angetrübt  lateinisch,  hier  bereits 
▼öllig  die  deutsche  geworden;  noch  mehr  befremden  dürfte, 
dass  die  Spielordnung,  oder  was  an  deren  Stelle  getreten,  das 
Stack  in  der  rorliegenden  Gestalt  kaum  noeb  als  zur  Auffüh- 
rung bestimmt  erscheinen  lässt  S).  Die  Erklärung  dieser  bei- 
den Umstände  muss  ich  einem  spätem  Cap.  vorbehalten ,  und 
mich  darauf  beschranken,  durch  Vorlegung  des  Planes  die  doch 
unTerkennbare  Anknüpfung  dioses  Woihnachtspiels  an  die  äl- 
tere Tradition  d&rzuthur  1 'as  Stück  beginnt  wieder  mit 
einem  prophetischen  Vo^^pIt'l:  ausser  Bileam,  Jesaias  und  Da- 
niel sind  hiervodi  Mose,  David,  Salomo,  Jeremias  und  Micha 
aufgenommen,  doch  in  wenig  belebter,  rein  declamatorischer 
Weise.  Wir  können  uns  nicht  wundem,  wenn  dies  Prophe- 
ten-Vorsptel  mit  dem  XIV.  Jahrh.  abzusterben  *)  scheint  An 
dies  Vorspiel  schliesst  sich  als  Scene  II  die  Verlobung  Maria^s 
mit  Joseph  S),  die  uns  noch  gar  nicht,  und  die  Verkündigung 
(Sc  1II.>«  die  uns  in  eiDfacher,  vulgatatreuer  Gestalt  begeg- 
net war  hier  Aasf&brlich'  '  ^V(>iter  ausgeführt  ist  auch  (Sc 
IV)  die  Begegnung  Maria's  mit  Elisabeth:  neu  aufgenommen 
«i'nr?  r^U  55r  Vi  die  Worte  des  Engels  an  Josei"''  <  V'>ch  Matth. 

t)  Hei  der  Aekiütekkeit  too  Mfttüt.  II,  18  mit  11,  lU  sind  Wide 
SuUmi  im  Jeaer  SplekMrdnuif ,  dt«  io  der  U«  -<' -*•  -'^-h  !'--  K-- 
iwioi  ät  folgt,  Tcrwirrt  wordeo. 

*)  B«  MoM  ScteaepMl*  des  MA.  I,  p.  182  ü.  ah  ,luudhcit  Jesu* 
■ntseUMÜI,  «ad  dea  XIT.  iiJvh.  ssgewicMa. 

S)  El  kciti:  Bai—  spradi,  Her  David  «pracb  to,  ond  to  itehi 
k«uA<r  Am»  eriihlwide  Praeteritam  in  den  Uebertdiriflen  der  Bollen. 
W^cm  ••  nicht  bei  tkfbfOTs  Eüngretlin  iae  alt«  Teetaaieni  ta 
wn  «eiiiwliaditiir  GeUaag  ftkafia. 

•)    Kaeh  apekrypk  QßMm,    Vgl  Bad.  Hoffmann  |».  48  ff. 


26  Cap.  I,  §  4. 

I,  20).  —  Die  Geburt  selbst  wird  schicklicher  Weise  übergan- 
gen, dagegen  sind  die  Hirtenrollen  (Sc.  VI)  zwar  noch  sehr 
kurz,  doch  schon  wärmer  und  natürlicher  behandelt  als  im 
Benedictbeurer  Ludus.  —  Daran  schliesst  sich  nicht  unpas- 
send ein  Besuch  der  Töchter  Zion  (Sc.  VII),  um  Maria  und 
dem  Kinde  zu  huldigen  ').  -  Die  Ankunft  der  heil,  drei  Kö- 
nige in  Jerusalem  sowie  ihre  Anbetung  des  Kindes  in  Beth- 
lehem giebt  Sc.  VIII,  auf  deren  überarbeitete,  von  der  altem 
Trad.  vielfach  abweichende  Gestalt  ich  noch  kommen  werde. 
Hier  nur  so  viel,  dass  der  bei  Mone  (p.  169)  als  VIII.  be- 
zeichnete Abschnitt,  indem  der  König  (d.  b.  einer  der  heil, 
drei  Könige)  die  Hirten  nach  dem  Kinde  fragt  und  diese 
auf  einen  Stall  weisen ,  sich  dadurch  als  eingeschoben  verrät, 
dass  die  p.  170  folgenden  Worte  des  zweiten  Königs  auf  die- 
sen Bescheid  der  Hirten  gar  keinen  Bezug  nehmen,  vielmehr 
sich  an  die  Abschiedsworte  des  ersten  Königs  von  Herodes 
(v.  750  bei  Mone)  anschliessen.  —  Sc.  IX  =  Bericht  des 
Boten  über  die  Flucht  der  Magier  an  Herodes  und  Sc.  XI  2) 
=  Bericht  über  die  Darstellung  Christi  im  Tempel  sind  3) 
ebenfalls  in  der  uns  vorliegenden  Gestalt  Beispiele  einer  fort- 
schreitenden Variation  der  Ueberlieferung ,  die  an  Ausartung 
streift.  —  Auf  die  Ermahnung  des  Engels  zieht  die  heil.  Fa- 
milie nach  Aegypten,  und  dort  wird  dann  (in  einer  frühem 
Rec.)  der  Sturz  der  Götzen  und  die  Bekehrung  des  Landes- 
fürsten vorgeführt  sein :  von  diesen  Begebenheiten   ist  uns  in 


')  Apokryph.  Grundlage  liegt  hier  wol  nicht  vor.  —  Man  erin- 
nere sich  der  mystipchen  Bed.  der  ,Tochter  von  Sione'  in  dem  Fundgr. 
I,  p.  307  ff.  mitgetheilten  Gedicht. 

2)  Als  Sc.  X  rechne  ich  die  Darstellung  im  Tempel  selbst,  die 
sich  ziemlich  einfach  an  Luc.  II,  22  ff.  anschlicsst. 

3)  Die  Rolle  des  Boten,  die  schon  in  den  ältesten  Stücken  nicht 
ohne  Gewicht  war,  hat  hier  eine  leicht  komische,  satirisch  gegen  He- 
rodes gewandte  Färbung  erhalten,  wie  schon  Mone  p.  135  ff  richtig 
bemerkt  hat,  den  Wittenhaus  (De  artis  scenicae  apud  Germ,  initiis  p. 
16)  irrig  bekämpft.  Doch  bedürfen  die  bez.  Stellen  des  Textes  noch 
der  Kritik.  —  Man  beachte  ferner,  dass  auch  hier  wie  in  der  altem 
Trad.  der  Plan,  die  Magier  zu  täuschen ,  und  dann  die  Kinder  zu  mor- 
den, von  der  Umgebung  des  Herodes  ausgeht;  ein  Neffe  des  Königs, 
der  als  Herzog  oder  Fürst  bezeichnet  wird,  rnnss  hier  der  Sündenbock 
sein. 


Cap.  I,  S  4.  27 

Sc.  XII  nur  spärliche  Andeutung  erhalten.  Die  Spielordnung 
sagt  nur:  Do  körnend  vj  (sc.  Maria  u.  Joseph)  gen  Egypten. 
Die  Bezeichnung  der  Person,  welche  das  Folgende  zu  spre- 
chen hat,  ist  verloren,  und  die  Rede  selbst  bezieht  sich  of- 
fenbar auf  Voraoagegangenes,  das  in  unserm  Text  nicht  mehr 
gelesen  wird.  —  Sc.  XIII  zeigt  uns  recht  deutlich  den  Gang 
der  Kntwickelung  im  geistlichen  Schauspiel.  War  ursprüng- 
lich (entsprechend  der  Bestimmung  des  28.  Dec.  als  Gedenk- 
tag der  als  Protomärtyrer  aufgefassten  Bethlehemitiscben 
Kinder)  die  Rolle  der  lunoceutes  der  Kern,  an  welchen  sich 
die  Klage  Rachels  eben  nur  anschloss,  zeigte  uns  dann  der 
Freisinger  Ordo  Racheiis  schon  durch  diesen  Titel  einen  an- 
dern Standpunct,  wo  nun  die  Rachelklage  vorwog:  so  war 
dagegen  im  Ben.-Beurer  Ludus  auch  das  Interesse  an  Rachel 
•dioo  so  weit  geschwunden ,  dass  ihr  Name  beseitigt  und  aus 
den  Motiven  früherer  Rachelklagen  eine  schon  mattere  Klage 
der  Mfitter  gebildet  war.  In  unserm  St  Galler  Spiel  tritt 
uns  nun  Rachel  zwar  wieder  entgegen,  aber  es  ist  eine  jener 
kttosUicben  Wiederbelebungen,  worin  das  geistliche  Spiel  sich 
öfter  versucht  hat.  Diese  Rachel  sagt  hier  über  sich  selbst 
(T.  1014.  15): 

l>iu   tu  haiige  cristenhait 

Bin  ich  bezaichenliche. 
Aber   da   sie    schon    über  Abels  Tod  geklagt  haben  will,   ist 
aeibet  diese  Bezeichnung  noch  nicht  allgemein  genug:  Rachel 
tit   hier  die   Menschheit,    welche  sich  über  den  Unmenschen 
Herodee  beklagt  >) 

Sebra  wir  demnach  in  unserm  Stück  die  28.  December- 
fisier  inneriich  so  weit  er«torb<^n,  dass  ihre  Elemente  nur 
künstlich  aufgewärmt  sind,  so  finden  wir  auch  bereits  die  alte 
6.  J '.  r  hier  auf  einem  wol  zu  l)eachtendon  Wandlungs- 

pun  .    : selbe   wird    äusscrlich    darin   sichtbar,    dass   die 

Makler  hier  xuerst  als  die  b.  drei  Könige  mit  ihren  noch 
beute  jedem  Kinde  bekannten  Namen :  Caspar,  Melchior  und 
Balthasar  auftreten.  Es  ist  schwerlich  zu  viel  behauptet 
wenn  ich  erat   au«  dem  völligen  Durchdringen   dieser  freilich 


I)    ^Ac2>  der  BachelHigc    folfft    nur   noch   dio  Aaffordcrunc  (irü 
Kofetf  Ml  JoMph  ar  BAckkehr. 


S8  Cap.  I.  8  4. 

schon  frühe  für  die  Magier  auftauchenden  Namen  ')  jene 
weit  verbreitete  Popularität  der  h.  drei  Könige  erkläre,  die 
freilich  auch  durch  ihren  für  England,  Frankreich  und  Deutsch- 
land fast  gleich  bequem  liegenden  Haupt-Verehrungsort  we- 
sentlich unterstützt  ward.  Diese  Popularität  -)  der  nicht  mehr 
als  orientalische  Magier,  sondern  als  die  h.  drei  Könige  von 
Cöln  vertraulich  auftretenden  Gestalten  hat  ihrer  Geltung  im 
geistlichen  Spiel,  wo  sie  ursprünglich  als  Träger  einer  hierar- 
chischen Idee  uns  erschienen  ,  auch  dann  noch  fortgeholfen, 
als  beim  allmählichen  Ausbau  eines  geistlichen  Volksschau- 
Spiels  zunächst  solche  Rollen  beliebt  wurden,  die  dem  Volks- 
leben am  nächsten  standen:  die  Hirten,  daneben  die  als 
menschlich-fühlende  Mutter  aufgefasste  Maria  mit  ihrem  Kin- 
de 3).  Die  wärmere  Ausbildung  der  Hirtenscenen  zeigt  sich 
gerade  erst  mit  und  nach  reicherer  Aufnahme  von  Marien- 
Cultusmotiven  in's  Weihnachtspiel  •*)  —  in  unserm  Stück  ist 
nach  dieser  Seite  hin,  ausser  den  manchen,  Maria  zunächst 
betreflfenden  Scenen  5)  auch  jene  Anbetung  der  h.  drei  Könige 
zu  beachten,  die  hier  zuerst  ihr  als  Königin  der  Barmherzig- 


>)  Sie  werden  stiion  bei  Bcda  (vergl.  Ilud.  lloilmann  p.  12ö)  er- 
wähnt, und  hier  Melchior  als  der  älteste  genannt.  Dazu  stimmt,  dass 
dieser  in  unserm  Stück  (.  596)  als  der  vomehroste  erscheint. 

2]  Welche  auch  zu  den  ganz  populären  oder  trivialen  Umzügen 
von  Kindern  im  Dreikönigskostüm  in  der  Zeit  von  Weihnachten  bis 
Epiphan.  führte.  —  Wann  dergleichen  zuerst  aufkam,  weiss  ich 
nicht  (denn  Monc's  Urkunde  aus  dem  XIV.  Jahrh.,  die  er  p.  138  mit- 
theilt, ist  zu  allgemein  gehalten).  —  Anlehnungen  derartiger  Aufzüge 
auch  an  altes  Heidentbum  sind  denkbar,  aber  schwer  nachzuweisen. 

')  Die  drei  Könige  blieben  dann  freilich  nur  als  etwas  groteske 
Staffage  noch  bestehen,  schwanden  aber  auch  vielfach  ganz,  bis  ge- 
lehrte Reaction  des  XVI.  und  XVII.  Jahrh.  sie  wieder  sorglichst  ins 
W.  Spiel  einführte. 

*)  Es  wird  dadurch  noch  klarer,  dass  die  Anregung  im  geistli- 
chen Schauspiel,  auch  wo  es  ganz  populär  scheint,  doch  iinnirr  von 
der  Kirche  ergangen  war. 

*)  Dazu  darf  man  auch  die  Darstellujigsscenc  im  Tempel  rech- 
nen, da  Simeons  Weissagung  an  Maria  dabei  stattfand,  und  die  abendL 
Kirche  überhaupt  jenes  Ereigniss  als  ,Mariä  Reinigung'  feiert,  wäh- 
rend die  griechische  K.  (fast  treflender)  es  als  ,Fest  der  Begegnung* 
(nämhch  des  Heilands  mit  Simeon)  auffasst 


Cap    I.  $  &.  89 

keit  huldigen  iv.  758).    —    Die  HirtenroIIeu  selbst  (p.  159) 
sind  Doch  recht  knapp  gehalten. 

Wnl  nemlkh  gleichen  Alters,  vielleicht  selbst  ähnlicher 
Ankge  mit  dem  St  Galler  W.  Spiel  war  ein  in  mitteldent- 
•ebem  *)  Dutkod  ?«rfiu8let,  Ton  dem  uns  freilich  nur  ein  Theil 
dm  prophetiMiitii  Vorspielt  vorliegt,  in  welchem  auf  Auffor- 
derung des  beil.  Augnttinas  Virgil  den  Inhalt  seiner  Ecloge 
4  und  xwar  im  Sinn  einer  Messianischen  Wettsagnng  anfuhrt. 


$  i.     legiaa  p«pslirer  lekaidlsag. 

Die  popollre  Behandlung  des  Weihnachtspiels  hatte,  wie 
schon  im  Torigen  §  angedeutet,  ihren  Durchbruch  durch  den 
Mariencult  zu  machen.  Zwar  liegen  uns  in  Deutschland  so 
zahlreiche  Manendramen ,  wie  sie  andere  Literaturen  besitzen, 
nicht  Tor  <),  und  der  Gedanke,  die  als  ,die  sieben  Freuden 
IfariaV  anfgefassten  Hauptmoroente  der  evangel.  Geschichte 
in  einer  Heptalogie  geistlicher  Spiele  zu  behandeln ,  gehört 
den  deutscher  Denkungsart  leider  früh  entfremdeten  Nieder- 
landen ')  an;  immerhin  haben  auch  wir  Erscheinungen  genug, 
die  jenen  des  Auslandes  analog  zur  Seite  treten.  Nur  gele- 
gentlich erwähne  ich  hier,  jenes  kümmerliche  und  wol  kaum 
ins  MA.  hioabreichende  Spiel  Ton  der  Verkündigung  Ma- 
rias, woton  Proben  bei  Pichler^j:  wichtiger  schon  ist  der 
ebendort  (im  Anhang)  mit  Recht  ganz  abgedruckte  ,Ludus 
(honeetos)  de  pnrificatione  beatae  virginis*,  der  schon 
dvrch  eeiiM  (in  sceaitcher  Hinsicht  bedeutende)  lat.  Spielord- 

1/  So  bwsichmt  Wsiahold  (W.  8p.  p.  74)  des  Dialeot  —  Du 
BffvelMttek  ist  milfctbeüt  ta  Dtelr.  tob  8täd«*t:  Speeimeo  antiqaanua 
ImC  frsMrinsiwi  p.  S4.  —  tHiOk  in  vd.  HagtM  OersMiiia  VII,  349  tt. 
Dm  SpMordwMf  ist  ooch  latoiniMk. 

S)  leb  «riaacr«  hi«r  nar  sa  die  aeisi  aas  d«»  L^ben  MariM  ge- 
wüüta»  SCAdM,  dt«  Bmm  ia  Mio«»:  ULBfei«ai  Mjsicri««*  mitUietlt. 

S)    V«rfL  MoM  C«b«raickt  dar  Bi«d«rL  VoIkcliUr.  p.  t66. 

4)  DnMaa  des  MA.  ia  Tirol  p.  6.  —  Die  von  Pichler  Butg«th«il- 
%m  Bttsfc«  siad  «faMr  Bs.  «alBoanBaB,  dt«  nm  1616  datirt  iit  Di« 
Mlsni  8aeb«a,  wi«  da«  gld«li  sa  ■•nnend«  Lichtme»»}>i<  l  mügea  um 
di«  Mut«  d«*  XV.  Jahrb.  «ntasl— a  teta. 


aO  Cap.  I,  §  5. 

nung  Achtung  einflösst,  wenn  auch  die  im  Ganzen  nur  nüch- 
tern TcrständiKC  ')  Hehandlung  eines  nicht  sehr  dramutischcn 
Stoffs  (Luc.  II,  22 — 39)  den  heutigen  Leser  nicht  erwiirraen 
sollte.  —  Aber  nicht  bloss  von  den  spätem  Acten  des  Marien- 
lobens  (auf  die  Bearbeitungen  der  Himmelfahrt  Maria  komme 
ich  im  dritten  Cap.),  sondern  auch  von  der  Geburt  der  heil. 
Jungfrau  handelt  ein  eignes,  grösseres  in  nd.  Sprache  ver- 
fasstes  Schauspiel,  das  freilich  durch  ungewöhnliche  Ausfuhr» 
lichkeit  des  alttestaraentlichen  Vorspiels  den  Herausgeber  2) 
verführt  hat,  es  als  dramatische  Behandlung  des  Sünden- 
falls zu  fassen.  Indess  eine  selbstständige  Behandlung  kam 
Stoffen  des  alten  Test,  (mit  verschwindenden  Ausnahmen)  im 
MA.  noch  nicht  zu,  ausserdem  lehrt  die  Vcrgleichung  mit  ei- 
nem nahestehenden  niederländ.  Spiel ,  dass  wir  unser  Wolfen- 
büttler  als  einen  Ludus  de  nativitate  B.  V.  Mariae  ansehen 
dürfen-^).  Damit  *>*'ill  ich  nicht  behaupten,  dass  er  zur  Auf- 
führung am  8.  September  bestimmt  gewesen  —  vielmehr  mag 
die  gelehrte  Arbeit  des  Arnoldus  Immessen  nur  zur  behaglich 
erbaulieber  Leetüre  bestimmt  gewesen  sein.  Dagegen  dienten 
jene  beiden  bei  Pichler  gedruckten  Spiele  sicher  der  Feier 
des  25.  März  (Maria  Verkündig.)  und  2.  Febr.  (Maria  Reini- 
gung). 

Ehe  ich  aber  zum  Hauptvorwurf  dieses  §,   nämlich  zur 


')  Einzelne  mehr  naive  Zage,  bo  wenn  (p.  101  ff.)  die  beiden 
Tempeldiencr  über  das  dürftige  Opfer  Marias  glossireu,  laufen  unter. 
Sie  werden  vom  Sacerdos  über  den  geistlichen  Sinn  des  Opfers  be- 
lehrt. —  Ein  engl.  Lichtraessspiel  (Candlemassplay  bei  Marriot  Mira- 
cleplays)  hat  durch  Aufnahme  des  Kindermords  in  die  Handlung  sich 
geholfen. 

2)  Schönemann.  (Sündenfall  a.  Marienklage  Hannover  1866.  Wol- 
fenbüttler  Hs.  aus  der  zweiten  Hälfle  des  XV.  Jahrb.)  —  Ich  kann 
auf  das  interessante ,  aber  etwas  vereinzelt  stehende  Stück  hier  näher 
nicht  eintreten,  und  verweise  auf  die  Einleit  des  Herausg.,  wo  sich 
auch  ein  Uebersichtsplan  der  Handlung  findet. 

3)  Die  ecrste  Bliscap  van  Maria  bei  Willems  Belgisch  Museum 
IX,  p.  37  ff.  geht  in  ähnlicher  Weise  nach  einem  alttestaraentlichen, 
auch  durch  allegorische  Figuren  bereicherten  Vorspiel  bis  zur  Ver- 
kündig. Maria,  wie  unser  nd.  Stück  bis  zu  ihrer  Einführung  in  den 
Tempel,  was  nach  apokryph.  Quellen  in  ihrem  dritten  Lebensjahre  ge- 
schah. 


C»p.  I,  S  5.  81 

Beschreibung  des  ent  ganz  neuerdings  publicirten  nieder- 
hes-  '  Weihi  '  uiels  •)  übergehe,  das  ähnlich 
dem   ^      '  ^  ..ivT  yf.  >i  unsere  Darstellung  des  Entwick- 

lungsganget-  ebenso  wichtig,  als  poetisch  dürftig  und  dazu 
acbleeht  redigirt  ist:  muss  ich  luir  erlauben,  noch  die  Ver- 
iadenuigen,  die  in  der  kirchlidien  Feier  des  Weihnachtfestes 
selbet  gegen  Ende  des  MA.  eingetreten,  hervorzuheben  —  um 
so  mehr  ab  die  (lat)  Spielordnung  und  die  ganze  Anlage  un- 
sers  niederiieM.  W.  Spiels  hier  wiederum  eine  kirchliche 
Aufführung  wahrscheinlich  macht. 

Die  drei  alten  OflRcien  des  6.  Jan.,  28.  und  25.  Dec.  waren 
im  Laofe  der  Zeit  mehr  und  mehr  aus  kirchlichem  Gebrauch 
gekcMomen,  ond  theils  völlig  vergessen,  wie  das  Oflicium  In- 
fantum, theils  wegen  ihrer  Verwertung  und  Fortbildung  im 
geirtiicfaen  Spiel  aus  dem  eigenthüralichen  Ritus  der  Kirche 
sa^geadiieden.  Das  officium  pastorum  hat  sich  bei  seiner 
Einfachheit  und  dem  mehr  und  mehr  gefestigten  Ansehen  ge- 
rade der  25.  Deoemberfeier  hier  und  da  wohl  bi-  /  -ore  Zeit 
im  Gebrauch  erhalten  >),  doch  finden  wir  im  Ai  _  eu    und 

namentlich  auch  für  Deutschland  bezeugt,  schon  zu  Ende  des 
MA.  einen  andern  kirchlichen  ('•'  *  zur  Weihnachtzeit, 
der  nun  der  Laienwelt  in  noch  v  <  rem  (und  zwar  un- 

schicklichem) Maaaae  Betheiligung  an  der  kirchlichen  Festfeier 
gMtettate,  alt  dies  früher  im  Anschluss  an  die  Cleriker-Hir- 
tmtrerehning  an  der  Krippe  möglich  war.  Jenes  sog.  Kin- 
delwiegen  3),  wie  es  in  der  heil.  Nacht  und  auch  wol  noch 
am  Morgen  des  25.  Dec.  in  den  Kirchen  sich  einstellte,  wor- 
an Mann  und  Weib,  Alt  und  Jung  in  oft  recht  tumultuari- 
seber  Weise  sich  betheiligten ,  kann  nur  als  eine  —  historisch 
•cbon  ans  dem  alles  Göttliche  so  sehr  vermenschlichenden 
Marieocnlt  begreifbare  —  Entartung  des  altwürdigen  Hirten- 
olftzet  erscheinen.     Dergleichen   Auswüchse   gelang   es   auch 

'i      .Su.  1.   >     rari'.--;    '>..!i::»r»   hr«tr    >nii  ii.j- n!  ,    i  .       . 

riD    >Vrihii«.  fiftjii«  i    au»    i  iii<  r    II»     <i<»    XV.   Jiihrii. 

J)     >..    .r«*)iiit    l»u  M. nl  ip.    U"    titit.i,)    iiui'h  «  ui  / 
%u«  dem  Jkhr   UM. 

>)  Vrrgi.  NAogeorjpia  Rrgnum  p«piit.  (vd.  1559)  p.  181  IT.  U. 
UoCamui  iimek.  d.  d.  KirdMnL  p.  417  ff.  —  Dt  GebraiMh  wird  MMb 
HS  4er  teMecdbasg  des  niediibssa  W>  SpMs  sohoB  stheUen. 


dem  ProtestantJamus  erst  sehr  alluiählich  und  schliesslich  mit 
iiilfe  der  Staatsgewalt  zu  beseitigen  >).  Haben  doch  auch 
jene  auf  ähnlicher  Stufe  stehenden  Umzüge  von  Kindern  und 
jungen  Leuten  zur  Advent-  und  Kpiphauiaszeit  erst  der  Po- 
lizei des  neunzehnten  Jahrhunderts  ganz  weichen  müssen, 
und  wer  an  solchen  Zauber  als  Kind  noch  gewohnt  war,  dem 
mag  man  ein  Gefühl  des  Bedauerns  für  ihr  völliges  Ausster- 
ben zu  Gute  halten.  Von  unserm  Standpunct  aus  ist  nur  die 
Frage,  ob  man  solche  populär  kindlichen,  oft  trivial-kindi- 
schen Erscheinungen  nur  als  Nachbildungen  und  Abschattun- 
gen der  kirchlichen  Weihnachtfeier  ansehen  will,  oder  dane- 
ben noch  Elemente  altgermanischer  Julfeier  annehmen  darf  2). 
Auch  im  letzteren  Fall  wird  man  ein  fast  völliges  Aufgehen 
altheidnischer  Gestalten  in  correspondirende  Träger  christli- 
cher Ideen  zugeben  müssen :  mir  darf  es  demnach  genügen, 
das  Fortwirken  und  die  Hauptvariationen  der  kirchlichen 
Spiel-Tradition  unter  den  Fländen  volksmässiger  Redactoren 
des  Weiteren  nachzuweisen ,  und  gehe  ich  zunächst  zu  dem 
formell  noch  ganz  kirchlichen  niederhess.  W.  Sp.  ';  über. 

Indem  ich  den  Prolog  *)  hier  wie  sonst  noch  zur  Seite 
lasse,  weise  ich  nur  darauf  hin,  dass  die  erste  Scene  (v.  19 
— 54,  Maria  Verk.)  sich  dadurch  noch  als  alt  überliefert 
kennzeichnet,  dass  hier  jede  Sprachpartie  (durch  ,dicit'  ein- 
geführt) nur  als  freie  Uebertragung  und  Ausführung  eines 
Vulgatatextes  5)  erscheint.  Schon  die  nächste  Scene  (v.  55 
— 96)  ist  freier  gehalten,  nur  einmal  (vor  v.  75)  wird  der 
Vulgatatext  noch  im  Sinne  des  Thema's  vor  der  folgenden 
Variation  aufgeführt.  Da  das  St.  Galler  W.  Spiel  nun  von 
der  Matth.  I,  18  flf.  mitgetheilten  Begebenheit  nur  die  Engels- 


»)    H.  noffmann:  Gesch.  d.  d.  Kirchenl.  p.  429. 

2)  Dafür  scheint  zu  sprechen,  dass  derartige  Umzöge  sich  ge- 
rade auf  germanischem  Gebiet  besonders  zeigen,  und  in  Skandinavien 
geradezu  der  Name  des  alten  Festes  für  Weihnachten  eingetreten. 

3)  In  der  Hs.  bezeichnet  als:  Ludus  de  nativitate  Domini. 

*)  Prolog  und  Epilog  der  geistl.  Spiele  werden  am  besten  im 
Cap.  von  der  Aufführungsweise  besprochen  werden. 

5)  Dieser  wird  dann  mit  ,cautat'  eingeführt.  —  Ich  halte  es  übri- 
gens für  möglich,  dass  solch  lat.  Grundtext  nur  noch  traditionell  ste- 
hen blieb,  und  bei  der  Aufifuhnmg  wegfiel. 


Cap.  I,  S  5.  88' 

botachaft  (▼.  20  ff.)  aufnimmt,  irrt  man  wol  nicht,  auch  hier 
die  entsprechende  Partie  (t.  75  ff.)  als  den  Kern  und  das 
Voraufgehende  als  (leicht  entbehrliche!)  Erweiterung  nach 
Tom  hin  aufzufassen.  —  Die  dritte  Scene  (v.  97  —  142)  ist 
nun  eine,  nur  ganz  leicht  an  Lucas  II,  7  i)  sich  anlehnende 
A-  '•  •  'tTing  der  Weihnachtsgeschichte,  wie  sie  den  popu- 
.  auch  des  XVI.  Jahrh.  geläufig  ist:  in  unserm 
Stuck  scheint  mir  dieses  Herumsuchen  Maria's  und  Josephs 
nach  der  Herberge  ziemlich  roh  behandelt  Schon  in  den 
letxtan  tt.  dieser  Scene  wird  nun  die  Wiege  erwähnt,  welche 
zunächst  in  Sc.  IV  (t.  143 — 337),  weiterhin  aber  im  ganzen 
LfOdos  eine  Hauptrolle  spielt  Die  vierte  Scene  beginnt  mit 
der  Geburt  des  Kindes,  das  in  die  inzwischen  von  Joseph  2) 
besorgte  Wiege  gelegt,  und  nach  einem  auch  sonst  uns  be- 
kannten Wechselliede  von  Maria  und  Josopli  ')  gewiegt  wird. 
Letzterer  befletssigt  sich  dann  mit  seinem  Knecht  Seltenfroh 
der  üblich  gewordenen  Festfeier,  nämlich  des  um  die  Wiege 
Springens  *):  ausser  diesen  groben  Neuerungen  (und  es  kommt 
derart  noch  Derberes)  ist  der  Abfall  von  der  einfachen  Würde 
älterer  Spiele  auch  darin   deutlich,   dass  der  das  Christkind 

>)  WeDD  e«  hier  heUst,  dM«  aoHer  dera  bt^n  ivriu  iUum  in  der 
Herberge  war,  liCM  nch  ein  verfreblicbes  Ilerumaocben  in  mehreren 
Hwbergen  vorher    :  ü.   —   Man  beachte  die  uns  hier 

tmtnt  begegnende  g  der  Rolle  Josepba  —  ähnliche 

SpöCUilm  bstt«  eich  der  bU  Ualler  docb  nur  gegen  Herodes  erlaubt. 

*)    Zor  Aa••c^•  "  irUactes   wird    hier  (ähnlich  wie 

im  Be»ed.-Be«irrr    !  .nen   dee   St^rn«)   oin  Kcdvstück 

vonMffeaoBi  er«t  cor  Vit  :  der  GebuK 

•B  dt«  Hirten  .:_„    .   ;trJiii'lif   liu-r  v.  .*.     -J  mit  Luc,  II, 

14  aadi  der  N  I>aM  Jo«> ;  i       ..rcnd  der  Gebart  de«  Kindes 

oater  eineai  V'orwanae  weehMlndfr  .\rt  abwesend  int,  bleibt  gemein» 
wme  TradÜka  de«  popoMrea  W.  Spiel*  in  und  an»*er  Deutachlnnd, 
oad  darf  aae  eiaeai  naiven  Zartgef&hl  erkürt  werde: 

>)  Ea  ist  Amm  ^oaeph  Heber  neve  mein',  dat  m  zwn  Hw.  vn 
Hoflhwan  Geach.  d.  d.  Kircbenl.  p.  417.  u.  419.  mitgethoilt  Die  letjt' 
tare  iCiauat  mahr  la  der  hier  vorliegenden  n.  »cheint  auch  eonst  die 
ilUrt  la  Mta. 

*)  Man  beacht«  noch  da*  Joseph  in  den  Mond  galetcte:  Scha- 
«ei  er  ktadar  a.  a.  w.,   da«  ipltar  «iadi!  HS8) 

and  in  kiraliU«baai  Gebrauch  gaaiaasa  ta  >■' 

8 


34  Cap.  I,  §  5. 

•plelende  Puer  bchon  einen  Vors  i)  zu  Ehren  der  jungfräu- 
lioheo  Mutter  anstimmt,  und  diette  selbst  (191  ff.)  die  Um- 
stehenden zu  ihrem  Preise  auffordert.  —  Die  Scene  wird  dann 
durch  Wechselreden  Maria's,  der  Engel,  der  Puellae  und  Can- 
tores  -)  in  die  Länge  gezogen  bis  v.  301.  Auch  das  Zwiege- 
spräch zwischen  Maria  und  Joseph  (v.  302 — 325)  wäre  leicht 
zu  entbehren ,  ähnliches  liesse  sich  sagen  von  der  zwar  et- 
was wärmeren  Anrede  Josephs  an  das  Kind ,  und  dessen  kur- 
zer vorausdeutender  Wechselrede  mit  der  Mutter  (v.  334 — 
337)  3)  —  diese  Texte  sind  überhaupt  nur  als  schwacher 
Versuch  anzusehen,  der  hin  und  her  wogenden  Weihnachts- 
freude, wie  sie  vorzüglich  durch  die  mehrfach  wiederholten 
lateinischen  Festhymnen  *)  (denen  auch  deutsche  Uebertra- 
guug  schon  zur  Seite  tritt)  getragen  wurde ,  auch  allgemeiner 
verständliche  deutsche  Redestücke  und  den  Schein  einer  dra- 
matischen Handlung  zu  unterbreiten.  In  diesem  Sinne  lässt 
sich  die  schülerhafte  Rec.  entschuldigen,   und  von  dem  kind- 


•)  Eya,  eya  virgo  deum  genuit!  (Aus  dem  Hymnus  Magnum  No- 
men Domini,  bei  Hoffmann  Kirchenl.  p,  422.) 

2)  Unter  den  Letzteren  scheinen  Knaben  ohne  besonders  deut- 
liche Rolle  zu  verstehen  zu  sein,  bei  den  Puellae  mag  man  «ich  der 
Töchter  Zion  im  St.  Galler  Spiel  erinnern. 

3)  Auf  das  zukünftige  Leiden  Christi  wird  auch  v.  655  ff.  ange- 
spielt. —  Zu  der  im  Sinn  der  Apokryphen  gedichteten  kleinen  Unter- 
redung hier  vergl.  das  grössere  dialogische  Gedicht  bei  Mone  Seh.  d. 
MA.  I,  p.  181  ff. 

^)  Derartige  sind  das  nach  v.  180  vorgeschriebne :  In  dulci  jubilo 
(vergl.  Simrock  D.  Weihnachtlieder  p.  79);  nach  v.  245  das:  Puer  no- 
bis  naacitur  (vergl.  Mone  L.  Hymnen  I,  48);  die  Uebertrag^ng  des: 
Puer  natus  in  Bethlehem  nach  v.  279.  (vergl.  Hoffraann  Kirchenl.  p. 
341);  nach  v.  333.  das:  Natus  est  Emanuel  (Str.  3  des  Hymn.  Dies 
est  laetitiae  bei  Mone  L.  Hymnen  I,  49).  Mit  der  darauf  folg.  Ueber- 
tragung  des  Eu  Trinitatis  speculum  vergl.  Hoffmann  KL.  p.  302 ;  nach 
v.  345:  Ein  kindelin  so  lobelich  (vergl.  Hoffmann  p.  197;  das:  Omnis 
mundus  (jucundetur) ,  vergL  Hoffmann  p.  327;  die  drei  Gesangstücke 
nach  V.  561,  die  Str.  2,  8,  4  des  von  Hoffmann  p.  299  mitgetheilten 
Liedes  zu  sein  scheinen;  das  bekannte  Wiegenlied:  Süsse  liebe  ninne 
nach  V.  607,  das  in  dieser  Fassung  doch  wieder  ein  Zeugniss  gegen 
Hoffmanns  Vermuthung  p.  420  Anm.  giebt,  wonach  ,ninne'  nur  cor- 
rumpirt  aus  minne  =  ,Liebling'  sein  soll.  (Ich  benatze  die  2.  Ausg. 
des  Hoffmann'schen  Buches.) 


Cap.  I,  §  5.  36 

lieh  fröhlichen  Weihnachtjnbel ,  der  noch  das  Beste  an  dem 
sonst  wenig  achtbaren  Denkmal  sein  dürfte,  fühlt  sich  der 
Leser  fast  angezogen.  —  Die  Verkündigung  auf  dem  Felde 
( —  T.  431,  Sc  V)  wird  bei  einzelnen  Tölpeleien  der  Behand- 
lang doch  durch  den  tu  Grunde  liegenden  Vulgatatext  noch 
in  etwas  gehalten:  dagegen  finden  wir  die  Begrüssung  des 
Rindes  durch  die  Hirten  (v.  431—518,  Sc.  VI)  ganz  verwil- 
dert Man  war  vielleicht  erst  im  XIV.  Jahrb.  (wohin  das 
St  Galler  Spiel  gehört)  dazu  gekommen,  der  als  einfach- 
sjinboliache  Handlung  zwar  altkirchlichen  Hirtenverehrung 
«ioen  bestimmten  Wortlaut  in  deutscher  Sprache  unterzule- 
gen: solchen  an  und  für  sich  schon  jüngeren  Texten  kirchli- 
cher Färbung  sehen  wir  hier  vulgäre  Pia'  mit  äusser- 
ster  Plumpheit  angeschweisst  *).  —  An  -cene  schlie- 
neo  sich  noch  einige  Reden  der  Puellae  und  Cantores  an 
(bis  T.  561),  die  vielleicht  auf  ein  früheres  Spielende  hindeu- 
ten, in  unsrer  Rec.  aber  geht  die  Handlung  noch  weiter. 
Sc.  VII.  (bis  V.  715)  beginnt  mit  einer  hier  und  da  anspre- 
chenden Wechselklage  Maria's  und  Josephs  über  ihre  Armut, 
geht  aber  bald  (t.  615  fi.)  in  eine  ganz  rohe  Keif-  und  Prü- 
gehooi«  zwischen  Joseph  und  den  beiden  Mägden  Gutte  und 
Hillegard  fiber,  die  schliesslich  mit  den  in  Sc.  III.  genann- 
ten Rerbergswirteo  einen  Tanz  um  die  Wiege  machen.  — 
Solchem  Spuk  schlieart  sich  denn  würdig  eine  Teufelscene  (v. 
716  ff.)  an,  die  freilich  spät  eingelegt  und  vielleicht  an  Stelle 
etoer  früher  hier  folgenden  Darstellung  des  Kinderroords  ge- 
rückt ist:  weniffleiit  wird  hierauf  v.  840  ß.  noch  angespielt, 
und  so  die  Flacht  (nach  Aegypten)  motivirt,  die  aber  in  den 
Schloatworten  Josephs  völlig  zu  "''s  Wirtshaus 
moi  gQten  Bier  karrikirt  wird,      l       ^                i  es  hat  eine 


>)    D— tHch  »«dieidci  sieh  b  allen  drei  Ro  '.  von 

Jlf  crf  Awwvebt:  leUUrer  betont  in  der  1; -  'v 

(p.  tS)  mit  V.  445,   in    der  det  Bweiten  v.  876,  io  der  des  <: 
4S0L  <—  la  dsr  bosstni  popalirea  W.  8pi«Hrmdition  bringen  <! 
OeselMmke  slatl  sidi  nwt  «twaa  tanabiU«!!  wie  die«e  P««tor< 
gaiaiitaf  4«rbe  BtederdeotAdM  Bsoem  ohn«  den  poctiichon  li«ucb  ei- 
M«  frsMS  BirteaWb«»  «rvdkcfaiMi.  -~    Dbm  der  lYimu«  pMUir  drei- 
mal  UftterafaMuidcr  (p.  22,  38)  t«  r«d«B  hat,  ist  bedenklich,  dock  viel» 

8» 


86  Cap.  I,  S  ö. 

letzte  Hand  den  Unfug  der  an  Zoten  nicht  armen  Teufelscene 
wieder  beseitigen  wollen  i):  die  Hb.  bietet  eine  Variante  für 
den  Schluss  dar,  die  offenbar  bei  v.  702  in  den  Text  zu  fü- 
gen wäre ,  und  nach  wenig  abweichender  Anordnung  des  Tanz- 
stückchens sich  begnügt  aus  der  Teufelscene  die  v.  821  ff. 
stehende  Priamel  2)  aufzunehmen,  und  mit  einer  Warnung 
vor  Lucifer  und  seinen  Gesellen  und  mit  einem  Neujahrs- 
wunsch abschliesst '). 


§  I.     Valkstümllche  Behandlong  des  WelhnarhUplels. 

Es  sind  in  den  letzten  Jahrzehnten  mehrfach  (nament- 
lich von  Weinhold,  Schröer  und  Lexerj  '*)  im  Volk  fortge- 
pflanzte, von  meist  anonymen  Verfassern  redigirte  Weihnacht- 
spiele ans  Licht  gezogen ,  deren  theilweise  bis  ins  XVI.  Jahrb. 
hinaufgehende  Vorlage  schon  von  Weinhold  durch  Vergleich 


»)  Dieselbe  Vermuthung  sehe  ich  nun  von  Schröder  in  seiner 
Rec.  der  Pideritschen  Ausgabe  (Germania  XV,  p.  376  ff.)  geäussert. 
Wenn  übrigens  solche  Teufelscenen ,  wie  Schröder  bemerkt,  in  älte- 
ren Weihnachtspielen  sich  kaum  vorfinden,  so  ist  dagegen  in  Stü- 
cken des  XVI.  Jahrh.  ihr  Vorkommen  nicht  unerhört. 

^)  Vergl.  dazu  Keller  Fastnachtspiele  Theil  III,  die  im  Register 
unter:  Welcher  Herr  etc.  gegebenen  Nachweise. 

3)  Ob  darum  eine  Aufführung  etwa  am  Sylvesterabend  anzuneh- 
men, bleibt  doch  zweifelhaft  bei  den  so  zahlreichen  Weihnachtshym- 
nen in  früheren  Scenen. 

*)  Von  Wcinhold  in  seinem  bekannten  Buche:  Weihnachtspiele 
und  Lieder  aus  Süddeutschland  u.  Schlesien.  Graez  1855.  Von  Schröer 
zuerst  im  Weimarer  Jahrbuch  III,  391  ff.,  dann  in  seinen  D.  Weih- 
nachtspielen aus  Ungarn,  Wien  1858,  wozu  ein  Nachtrag  in  einem 
Presburger  Programm  desselben  Jahres  kam.  —  Von  Lexer  im  An- 
hang zum  Kärntischen  Wörterbuch,  Leipzig,  1862.  —  Ausserdem  wäre 
noch  G.  Mosen:  Die  Weihnachtspiele  im  sächsischen  Erzgebirge  (Zwi- 
ckau 1861)  und  Pröhle:  Volkslieder  und  Schauspiele  (Aschersleben 
1865)  zu  nennen.  Unberücksichtigt  blieben  M.  Heiuzels  D.  Weihnacht- 
spiele aus  Ungarn  (vergl.  Germ.  XII,  104).  —  Ueber  die  lange  Fort- 
dauer volksthümlicher  Advents-  und  Dreikönigsspielereien  vergl.  Flö- 
geis Gesch.  der  kom.  Liter.  IV,  p.  7,  9  und  10.  Namentlich  ist  die 
Schilderung  des  Freiburger  Brauchs  (p.  7)  von  Interesse. 


Oap.  I.  §  Ö.  87 

mit  den  literarischen  Erscheinungen  aus  dieser  Zeit  gefolgert 
wurde.  Nach  ihm  hat  Schröer  namentlich  für  die  von  ihm' 
publicirten  Spiele  aus  Ungarn  Berührungen  mit  Hans  Sachs 
und  Edelpöck  dargethan,  und  wenn  namentlich  der  erstere 
wol  mehr  als  Vorbild  auf  die  populären  Spiele  eingewirkt  hat, 
80  ist  ihre  allgemeine  V'orausbehandlung  hier  doch  um  so 
mehr  geratbtn,  als  sich  die  literarischen  Weihnacht-Spiele  und 
-Dramen  dann  in  fortlaufender  Reihe  betrachten  lassen.  Auf 
SV  scharfe  Praecision  darf  mau  es  auch  wol  auf  einem  Felde, 
wo  sich  der  Untersnchang  fast  nur  innere  Wahrscheinlichkeits- 
gründe  i)  sur  Beweisführung  darbieten ,  überhaupt  nicht  an- 
Iflgeo. 

Wir  betrachten  hier  zunächst  Weinholds  Mittheilungen. 
Für  die  Dreikönigsrerehrnng  finden  wir  hier  nur  noch  dürf- 
tige Belege:  die  meisten  Stücke  zeigen  bereits  jenen  Stand- 
pnnct,  wo  die  Hirten  die  Hauptrolle  spielen.  Das  einzige 
Tom  Herausgeber  als  Dreikönigsspiel  bezeichnete  ist  jenes  Spiel 
ans  Reicbenbach  p.  121  ff.  3)  Von  den  3  Königen  tritt 
nur  noch  der  (inti^ressante!)  Mohrenkönig  als  redend  auf,  ein 
Igtümet  Tbeil  der  Handlung  ward  zum  erzählenden  Liede  und 
■0  die  iceniifthe  Anordnung  zerrüttet  Herodes  mit  seinem 
Diener  Laban  *)  rertritt  noch  am  reinsten  die  Ueberlieferung. 
Daae  die  den  Schluss  bildende  Schäfersoene  in  ihrer  jetzt  ganz 
rerblasiten  Färbung  doch  die  Verkündigungsscene  auf  dem 
Felde  al«  Grundlage  Toraotsetzi,  macht  die  ermunternde  An- 
rede dee  Engelt  *)  mir  wahncbeinlich.  —  Wir  finden  die 
DreikdBige  aber  auch  im  dritten  Flattacher  Hirtenreim  &). 

1)  Bpraaks  «ad  TefsbebaDdlong  koauMB  bd  der  Aliersbestini- 
■uuig  dirmr  popalim  WcifaDaciitspi«!«^  nicht  r*>rhi  in  potraiiit  uii- 
in  etaeai  fpAtem  C^  begründet  wir^: 

S)  Die  ümad •  Recraeioa  dw  btucKs  teuc  ico  uis  \\n.  Jaürii. 
ÜMMk  wwdeti  die  «Elaftea*  la  den  idjrllisohemi  ßchUan'. 

*)  JMtMr  den  Kindenaord  ftbemeliinmde  Oehilf»  eriaBeri  out  an 
die  Armigerrolle. 

*)  Viva,  rira  Sckilinr,  siehe  aof  and  lihle  nir  deine  Schafe! 
(!>.  135.) 

»)  Wcmh.  y.  VI.  —  Dort  heiMi  es,  daae  die«  Staek  itter  eobeiae 
ab  die  forsnifshsedee  —  g leiebwol  wird  ee  aar  Probe  der  Weiter» 
bildaag  diesea  icfcgeenliickt  —  Meine  Aaordnaag  eoU  hier  saaielMi 
Mekr  praktiMÜMs  Zweck  haben:  Ar  kielorieelw  Om^nuig  wird  aaai 
Wchi—  dee  CapiUla  noch  ein  Wink  gegeben. 


38  Cap.  I .  S  6- 

Das  Denkmal  beginnt  mit  einer  Sccne  der  Hirten,  die  sich 
über  die  ungowohnte  Hello  des  Himmels  verwundern  und  es 
singen  gehört  haben,  darauf  eilen  Bio  mit  Gaben  ')  zur  Hütte, 
wo  das  Kind  geboren  ist.  —  Den  drei  Königen,  die  nun  ih- 
rerseits nach  dem  Neugeborenen  fragen,  geben  sie  von  dort 
zuriitkkehrend  ausweichende  Antwort:  jene  ermuntern  sich 
gegenseitig  in  7  Strophen,  die  P'orschung  nicht  aufzugeben, 
und  Str.  8  deutet  an,  dass  sie  das  Kind  gefunden.  —  Aus 
diesem  Vorhandenen  nun  ist  der  Schluss  auf  einiges  Verlorne 
erlaubt:  die  Str.  der  Könige  z.  B.  enthalten  so  viel  Anspie- 
lungen auf  vorhergegangene  Unterredung  mit  der  Priester- 
schaft, dass  wir  scenische  Darstellung  derselben  in  einer  frü- 
hern liec.  annehmen  dürfen.  Wie  diese  Scene,  schwand  auch 
die  (eigentliche)  Verkündigung  auf  dem  Felde:  jene  unklaren 
Wahrnehmungen  der  Hirten  traten  2)  dafür  ein.  Den  Schluss 
wird  die  Verehrung  des  Kindes  durch  die  drei  Könige  gebil- 
det haben  :  nachdem  man  aber  für  die  Hirten  eine  ganz  ähn- 
lich gebildete  Anbetungsscene  eingefügt,  Hess  man  das  ältere 
Vorbild  fallen,  und  begnügte  sich  mit  lyrischer  Andeutung. 
Solche  lyrischen  Strophen,  die  an  Stelle  älterer  dramatischer 
Handlung  getreten  scheinen,  seien  hier  und  im  Folgenden  als 
Ersatzstrophen  bezeichnet. 

Was  die  übrigen,  der  Anlage  nach  einfacheren,  Hirten- 
stücke aus  Graz,  Mosburg,  Aussee  und  Flattach  betriflft,  so 
scheinen  sie  in  directem  Anschluss  an  das  alte  Officium  pas- 
torum  entstanden,  in  so  fern  sie  ausser  den  Hirten  nnd  ei- 
nem Engel ')  höchstens  nur  die  Anwesenheit  Maria's  und  Jo- 


')  Diese  hier  und  so  oft  im  populären  W.  Spiel  erscheinende  Be- 
Bohonknng  des  Christkindes  durch  die  Hirten  ist  offenbare  Nachbil- 
dung des  altkirchlichen  Dreikönigsopfers.  Einen  sehr  deutlichen  Beleg 
hierfür  bringe  ich  nach. 

3)  £s  findet  sich  in  diesem  Flattacher  Denkmal  einmal  nicht  je- 
nes  gegenseitige  Aufrütteln  aus  dem  Schlafe  bei  den  Hirten,  was 
schon  im  niederhess.  W.  Sp.  p.  12  sich  findet,  und  sehr  häufig  begeg- 
net bei  ausgeführterer  Behandlung  der  Vcrkünd.  auf  dem  Felde.  —  Ge- 
meinsam diesem  Flattacher  und  dem  Niederhess.  W.  Spiel  ist  die  Ein- 
führung populär-deutscher  Namen,  doch  komme  ich  auf  diesen  Punct 
in  einer  spätem  Note. 

3)  Wo  ein  solcher  Engel  der  Verkündigung  auftritt,  wie  in  dem 
p.  84  miigetheilten  Reime,   nimmt  Weinhold  Erweiterung   an,    doch 


C«p.  I .  §  6.  89 

sephs  bei  der  Krippe  noch  andeuten:  Ton  dem  albernen  Kin- 
delviegen  hier  keine  Spur.  Manche  dieser  poetisch  oft  an- 
sprechenden Reime  sollen  bis  vor  Kurzem  in  kirchlichem  Ge- 
brauch gewesen  sein.  Das  Schlaupitzer  Spiel  dagegen  'J 
nimmt  deotlich  Benig  auf  das  Kindelwiegen ,  das  denn  wol 
auch  mit  einem  Speieeii  oder  Füttern  scheint  verbunden  wor- 
den SQ  aein  >).  Dies  Schlaupitzer  Spiel  kann  ich  nur  als  un- 
(»IganMehe  Verbindiang  xwt:  ''  ke  ansehen:  der  ältere 
Tbeil  scheint  von  den  ersten  i  Marias  (p.  106)  bis  zum 

Spruche  des  zweiten  Schäfers  (p.  109)  zu  gehen;  doch  ist 
schon  dieser  Theil  nicht  eben  alt,  und  namentlich  in  der 
Rolle  Josephs  in  den  Stil  der  Erweiterung  übergegangen. 
Diese  (Anfang  und  Ende  der  vorliegenden  Rec.  3))  ist  für  sich 
als  ein  Kinderbeecbeemogsspiel  zu  betrachten,  dessen  Wesen 
darin  besteht,  dass  das  Christkind  in  Begleitung  von  Gabriel, 
Petras  und  andern  Heiligen  von  Haus  zu  Haus  geht  sich 
nach  dem  Betragen  der  Kinder  zu  erkundigen.  Wie  man  im- 
mer über  derartige  Aufzüge  urtheilen  und  woher  man  sie  er- 
klären mag  *),  so  viel  scheint  sicher,  dass  vernünftiger  Weise 

f«bört«  der  Aagelof  tcboa  lam  Of&omm  Furtmuin  (Vergl.  Weinhold 
p.  47.) 

t      B€t  WetnhoU  p.  104  ff. 

i,    VcrgL  p.  106  anien,  p.  107  oben. 

>)    Die  Worte  Joseph« :    Holla  ,HoIU erfrom'  bilden 

p.  106  eine  Art  Brück«  tnm  Uebergtng  vom  jungem  inin  altem  Texte. 
Urvprtoglich  war  Joseph  nsMrlteh  bei  Maria  anweaend ,  and  ihn  mit 
m  das  OaSDige  de«  MBaieh«nd«n  Chriatkindet  aalzuDehmen,  hat  wol 
mmr  den  Staa,  daaa  er  ao  beaaar  ein  paar  Spiaa«  über  die  Witterung 
aaclMa  konnte. 

i)  In  3irer  Aaft—ung  weiche  ich  am  meisten  von  Weinhold  ab. 
Ihn  stad  die  Uasüge  d««  Chri«tkind«8  mit  «einen  Heiligen  der  äl- 
ImU,  Bytfcologi««^  g«d«ai«t«  Beslehd   d.  W.  Spicb,  ül  >  r  im 

Zaaammenhasff  p-  1~44.  kaadeH  —  mir   die  jüngste  i  der 

ftltk  .rr,  li«nrorg«blIdei  aas  dam  «chon  aU  Unsitte  bc- 

irici...  ^ .vrirf^eo,   da«  ra   einer  iauncr  menschlicheren  oder 

kitidtf<hr-rin  Krstfnir  führte.  Der  Kinderbe«ch«enuif  la  Lieb«  moaat« 
der  Heiland,  dceaen  Uebart  man  dock  feieni  woUt«,  als  erwachsener 
OmHUmw  kiauBÜsek«'  Gestalten  aaftr«4«ii,  na  Lob  und  Tadel,  Dro- 
iMagen  «ad  Oesekeake  Ar  di«  I  t  mitsabriafca.    Sokk«  Yer> 

kekrtheil  deelei  aiok  aür  sckou  „.  ...  .Niederhees.  W.  Spiel,  wo  der 
I^Mf  la  der  Wieg«  Magen  nad  ■prteken  oms»  —  and  was  von  Drei- 


40  Cap.  I .  §  r>. 

nicht  in  demselben  Spiel  zuerst  das  (mindestens  doch  halber- 
wachsen zu  denkende)  Christkind  als  Kxaminator  auftreten 
konnte,  und  dann  sich  in  die  Wiege  legen  durfte  und  speisen 
lassen.  Weinhold  hätte  hier  also  wol  dieselbe  Ausscheidung 
vornehmen  dürfen,  wie  er  sie  bei  dem  ähnlichen  Spiel  aus 
Habeisch  wert  »),  zu  dem  ich  nun  übergehe,  mit  Recht  sich 
erlaubt  hat.  Im  Eingang  haben  wir  wieder,  wie  in  Scene  III 
des  niederhess.  W.  Spiels  das  Suchen  Josephs  nach  der  Her- 
berge: dort  waren  es  zwei  Wirte,  hier  ein  Wirt  und  sein 
Haushalter  2),  an  die  er  sich  wendet.  Im  weitem  Verlauf 
des  Stücks  ist  das  Kindelwiegen  die  Hauptsache.  Zunächst 
finden  wir  in  den  Eingangsreden  Maria's  (p.  113)  das  kirch- 
liche jJoseph,  liebster  Joseph  mein*  wieder  3)  —  die  Antwort 
Josephs  ist  freilich  zu  einer  humoristisch-karrikirten  gewor- 
den. —  Die  dann  folgenden  5  Str.  entsprechen  den  Str.  1, 
3,  2,  7,  12  des  Liedes  bei  Hoflfmann  K.  L.  p.  434  flf.,  das 
ausserdem  wohl  jüngere  Zusätze  enthält.  Ebenso  vergleicht 
sich  der  darauf  folgende  Wechselsang  Maria's  und  Josephs 
mit  dem  gleichfalls  viel  ausgefiihrteren  bei  Hoffmann  p.  437  ff. 
Ich  glaube,  dass  diese  Wechsellieder  nur  für  immer  mehr  ins 
kleinliche  Menschenleben  eingehende  Variationen  des  kirchli- 
chen ,Joseph,  lieber  neve  mein'  anzusehen  sind.  —  Die  Hir- 
tenscene  (p.  118  ff.)  zeigt  durch  das  dreifache  Opfer  deutli- 
chen Bezug  auf  die  (sonst  gänzlich  geschwundene)  Dreikö- 
nigsverehrung. Den  Schluss  des  Spiels  bildet  Reue  und 
Klage  des  Wirts  über  seine  Hartherzigkeit  *).    —    Ein  wert^ 

königsumzügen  und  Vasnachtsschwänkeu  gegen  das  XVI.  und  XVIL 
Jahrh.  bin  im  Schwange  war,  mochte  zur  völligen  Auebildung  der 
KinderbescheerungBspiele  mitgewirkf  haben,  wie  denn  Berührungen 
derart  schon  von  Weinhold  (p,  37,  39  in  den  Noten)  erkannt  sind. 

')  W.  Spiele  110.  —  Vollständiger,  doch  minder  kritisch  schon 
hei  Haupt  VI,  p.  340  ff. 

')  Wie  dort  der  zweite  Wirt ,  erscheint  hier  der  Ilaushalter  et- 
was milder. 

3)  Das  ,neve'  der  Anrede ,  das  eben  nur  auf  nahe  Stellung  und 
etwas  untergeordnete  des  Angeredeten  (vergl.  Grimra's  Vorrede  zu 
Reineke  Fuchs  XXVIII.)  gehen  sollte,  verstand  man  freilich  nicht 
mehr,   und  wiederholte  dafür  den  Namen. 

4)  Wenn  er  darauf  Maria  und  Joseph  nacheilt,  so  hat  dies  zu- 
nächst scenische  Gründe:  er  musste  sich  mit  der  weitergezogenen 
Spielgesellschait  wieder  vereinen. 


Cap.  I.  §  6.  41 

Tolles  Denkmal  ist  ferner  tdas  Spiel  aus  Vordernberg  (p. 
134  ff.)  das  freilich  auch  die  drei  Könige  eingebüsst  hat,  aber 
noch  deutlichere  Spuren  ihres  früheren  Vorbandenseins  auf- 
weist als  das  eben  besprochene  i).  Das  Stück  ist  sonst  sehr 
ansführhch,  hebt  mit  der  Verkündigung  Maria's  an  •),  und 
behandelt  die  folgenden  Ereignisse  bis  znm  Kindermord  in 
der  Weite,  dmn  den  dnxelnen  Scenen  meist  ein  Gesang  vor- 
hergeht ,  der  schon  die  Hauptmomente  den  folgender  Handlung 
in  Art  eines  Prologs  hervorhebt.  Solche  Prologstrophen  sind 
offenbar  späterer  Zusatz:  wo  sie  die  Handlung  selbst  (was 
hier  nicht  der  Fall  ist)  verdrängt  haben,  nennen  wir  sie  Ej-- 
■aUstrophen  ').  —  Beim  Herbergesuchen  (p.  135  ff.)  wird  die 
Gebort  als  schon  geschehen  erwähnt:  der  Wirt  ist  fast  ge- 
neigt, die  arme  Familie  aufzunehmen,  wird  aber  von  der 
mehr  anh  Qeechäft  bedachten  Wirtin  *)  so  eingeschüchtert, 
da»  er  eben  nur  den  Stall  anzubieten  wagt.  (Für  diese  hu- 
mane Haltung  hat  dann  auch  der  Wirt  die  Ehre ,  Prolog  und 
Epilog  des  Spiels  zu  sprechen!)  In  naiv  zarter  Weise  wird 
non  (p.  151,  152)  die  Ermattung  und  Hilflosigkeit  der  heili- 
gen Familie  vorgeführt  —  In  der  Hirtenscene  beachte  man 
p.  158  den  Gesang  mit  halblateinischem  Refrain.  —  Der  Bote, 
welcher  p.  165  auftritt,  hatte  ursprunglich  wo!  dem  Herodes 
Bericht  fiber  die  Flucht  der  3  Könige  zu  bringen :  in  der  vor- 
liegenden Rec.  hätte  er  ganz  entbehrt  werden  können ,  da  (p. 
IHT)  Herodes  selbst  sich  das  Ausbleiben  jener  erklärt  und 
der  Bote  hier  gar  nicht  erwähnt  wird  S).     Herodes  wird  ver- 

•)    bchor    •  1"!    ',  !a:      '  wiesen. 

»)    Für  d  .tlc»  dos  Vm- 

Utn  (p.  187)  •• 

»)    DtM«   •  _  „  ^t«t4odig  aaf,   and  verlieren 

<la0o  iwtftrltrli  jeden  drtastiMhen  Cbsr»cter.  Denurt  ist  dsa  tau  Lie» 
•taf  bei  Weinh.  p.  139  aBttg«(heUt«  Lted,  (womti  Simrock  D.  Weih» 
McktL  p.  147  tu  rtr^l.)  «ad  die  Beflie  voo  DrtflcteifiHedeni  bei  Hoff- 
OMUin  K.  L.  p.  448-451 

*)  Man  rrinnrr«*  steh  aa  das  sna  Habelsehw.  Spiel  iber  Wirt  a. 
HaaahaUer  bemerkt  <». 

&)  Dieser  Bote  i*t  eben  nnr  als  Schatten  dw  getehwaadeaea  8 
KAaif«  anxasebrD.  —  J«acr  Alt«,  voa  den  er  gefcppl  wird,  verdnakt 
«ol  aar  dem  Volluwiu  seine  KinAhnnf  aad  brandit  weiter  aieht  w- 
kltet  sa  «erden. 


4>  Cap.  I ,  §  6. 

gebens  von  seiner  Gattin  ')  zur  Milde  geraahnt:  bald  berich- 
ten 3  Knechte  den  verübten  Kindermord  2).  Was  darauf  He- 
rodes  noch  antwortet  {p.  170),  ist  offenbar  an  falsche  Stelle 
gerathcn.  —  Die  in  der  Hs.  noch  folgenden  25  Str.  (wovon 
Weinh.  p.  171  nur  3  aufnimmt)  halte  ich  für  Prologstrophen, 
die  bei  ihrer  grossen  Ausführlichkeit  die  Darstellung  der  bez. 
Handlung  (der  Flucht  nach  Aegypten)  ganz  verdrängten.  — 
Ebenfalls  aus  Vordernberg  ist  von  Weinhold  (p.  302  ff.)  ein  sog. 
Paradeisspiel  mitgetheilt,  d.  h.  eine  Behandlung  der  Er- 
schaffung des  Menschen  und  des  Sündenfalls  mit  vielen  al- 
legorischen Figuren  (namentlich  den  Fügenschaften  des  Höch- 
sten, Gerechtigkeit  und  Barmherzigkeit),  auch  wol  den  Per- 
sonen der  Gottheit  selbst.  Ich  habe  früher  darauf  hingewiesen, 
wie  die  Behandlung  des  A.  T.  sich  hauptsächlich  an  die  Pflege 
des  Weihnachtspiels  anschloss,  zu  dem  sie  zuerst  in  Weise  eines 
Vorspiels  zu  treten  pflegte  3).  Dies  Paradeisspiel,  dessen  älteste 
Redaction  frühestens  ins  XVH.  Jahrb.  zu  setzen  sein  möchte, 
hat  nun  wie  es  scheint  das  ältere  (vielleicht  ins  XVI.  Jahrh. 
noch  zurückreichende)  geistliche  Gespiel  oder  W.  Spiel  bei  der 
Aufführung  ^)  verdrängt ,  besitzt  aber  seinerseits  in  jenem 
zweiten  Theil,  der  auch  als  das  Spiel  vom  guten  Hirten  (p. 
334  ff.)  sich  bezeichnen  lässt,  einen  noch  jüngeren  Anwuchs, 
dessen  Hauptidee  sich  näher  mit  dem  Passionsspiel  berührt  5). 

*)  Waa  Weinhold  p.  167  Note  4  über  diese  Rolle  sagt,  scheint 
auf  Verwechslung  des  älteren  Herodes,  dessen  Tod  schon  Matth.  11, 
19  berichtet  wird,  und  jenes  jungem  zu  beruhen,  der  Job.  Bapt.  hin- 
richten Hess.  —  Die  Rolle  der  Gattinn  des  Her.,  die  uns  noch  öfter 
bege^pien  wird,  erkläre  ich  als  correspondirend  der  Gattinn  des  Pila- 
tus, die  für  Christi  Leben  bittet,  eingeführt:  der  Kindermord  ward 
als  Vorspiel  der  Passion  gefasst. 

i)  Wenn  Weinh.  p.  170  Not.  1,  den  Knecht  dieses  Spiels  mit  je- 
nem Boten  des  St.  Galler  W.  Spiels  vergleicht,  so  versteh  ich  das 
nicht:  hier  wird  dem  Herodes  Liebsames  (die  Vertilgung  der  Kinder), 
dort  Unliebsames  (die  Flucht  der  drei  Könige)  berichtet.  —  Dagegen 
ist  p.  169,  Not.  2  nicht  zu  übersehen,  und  auf  die  anfänglich  wenig- 
stens unterschiedne  Zeichnung  der  3  Knechte  zu  achten. 

3)  Auch  in  den  Mittheilungen  Schröers  werden  uns  Paradeisspiele 
mit  W.  Spielen  verbunden  begegnen. 

V^ergl.  das  von  Weinh.  p.  184   mit  dem  p.  294  über  die  Auf- 
luuruug  der  beiden  St.  Gesagte. 

5)    Vergl.  auch  Weinh.  p.  299  (über  das  Liesinger  Pass.  Spiel). 


C*p.  I.  S  6.  48 

Von  Schröers  sehr  wertvollen  Mittheüungen  betrachten 
wir  sonächsi  das  Kremnitzer  W.  Spiel  ').  Die  zu  Anfang 
stehende  (Torgescbobene?)  Hirtensceno  finden  wir  so  arran- 
girt,  dass  durch  Vorführung  eines  weisen  und  eines  einfälti- 
gen Hirten  eine  lebhaftere  Handlung  und  eine  dem  Volks- 
■chauspiel  so  genehme  komische  Figur  gewonnen  wird.  König 
Herodes  ist  mit  einem  Locker  (=  Lakai?  oder  etwa  Thür- 
•ohlies^'  1  einem  Diener  umgeben;    vor    ihm  er    '         n 

die  drt'  .      (p.  403),  die  hier  als  der  Rothe,  der  -^  e 

und  der  Grüne  unterschieden  werden,  wol  nach  der  Farbe  ih- 
res Anzugs  ').  —  Ein  ungeschickter  Zusatz  scheinen  die  Wort« 
des  Uerodes  (p.  410  unten):  .Kommt  Ihr  nicht  wieder'  u.  s. 
w.  *;.  Der  Plan  zum  Kindermord  wird  dem  König  eingebla- 
sen (ohne  Metapher)  vom  kleinen  Teufel ,  während  der  Grosse 
desu  weiter  aufhetzt:  die  Zahl  der  ermordeten  Kinder  wird 
(p.  416)  auf  144000  angegeben  *)\  —  Herodes  aber  fühlt  bald 
Bene,  und  jammert  (p.  418): 

Ach  hätt  ich  gefolgt  nur  meinem  Weib! 
Wir  aeben  daraus,  dass  eine  Gattinn  des  Herodes  früher  im 
Kremnitzer  Spiel  (wie  im  Vordemberger)  auftrat.  —  Das  Ende, 
wo  Herodes  vom  Tod  mit  einem  Pfeile  erlegt  und  von  beiden 
Teufeln  an  einem  Seile  fortgeschleppt  wird,  erinnert  an  die 
analoge  Stelle  des  Benediktbeurer  Ludus  &).  Kleinere  Gesang- 
stficke,  Arien  genannt,  erscheinen  theils  als  Trümmer  von 
Prologliedem ,  tbeils  als  eingelegte  Lieder.     Ein  Gleiches  gilt 


I)  Wstmar.  Jahrbacb  lU,  891  ff.  —  Die  Ueberschrift  bebt  hier 
wie  sodi  tOMi  (f.  B.  beim  Ordo  Reobelii)  nur  den  iltatien  und  wieh- 
tagsteaTlicUbcrvor:  tte  h«Mi  hier:  GeicU.  Spiel  vom  gr»a«.  and  ty> 
raao.  Köotf  lUrodcs. 

i)  UrtprtagUeh  hkm  Melchior  ,caaas',  Balthsaar  ,fiucus',  Cu- 
par  ^mbtouidtti*  oacb  der  Haar-  oder  Oectcbtdarbe. 

')  Verderbt  ii(  «ml  das:  So  wollen  wir  um  beschweren,  Gen 
Bethleh—  Uakehrea  >  «rgl.  dag.  Anm.  54).    Wenn  p.  418  der 

griaM  Kteif  asfi: 

Ach  Herodei,  da  grtner  Heoekler, 
Waa  biai  da  Ar  ein  grossar  Sehmeidilcr' 
•o  kiU«  der  Herg.  bsMim  dArfira.    igroMer  H.,  (klacher  .Sckui«  uhlrr !) 

*)    Nach  der  grieoh.  ftU^oi».  Lsgtade  doch  nur  14000.    (Rud.  Hoff- 

in  V.  137.) 

Merü  p.  a06,  Com.  Bar 


44  Cap.  I,§6. 

Ton  den  Oesangstücken  der  Companie  (des  Chora)  und  der 
drei  Könige  im  Obern  ferer  W,  Spiel  ').  das  von  letzterer 
Klasse  sogar  noch  einen  lat.  Hymnus  (das  .Psallite  unigenito' 
p.  109)  freilich  in  sehr  corrupter  Schreibung  erhalten  hat.  — 
Das  eigentliche  Spiel  beginnt  (p.  61)  mit  der  Verkündigung 
Maria,  die  sich  fast  wörtlich  an  die  Luthcrsche  Uebersetzung  2) 
von  Luc.  I  hält.  Darauf  folgt  (p.  63)  erst  ein  Prolog  des 
Engels  Gabriel,  was  vielleicht  auf  späteres  Vorschieben  der 
Verkiindigungsscene  hindeutet.  Maria  und  Joseph  (p.  65)  er- 
scheinen noch  in  Nazareth  zuerst:  naiv  und  ansprechend  wer- 
den Ochs  und  Esel  •)  als  die  einzige  Habe  der  heil.  Familie 
aufgeführt  —  diese  sollen  mit  nach  Bethlehem  wandern  um 
dort  (des  Tributs  halber)  verkauft  zu  werden.  Die  Reise  geht 
rasch  genug,  und  es  folgt  das  Herbergesuchen  (p.  68).  Drei 
Wirte  werden  angesprochen :  der  letzte  ist  so  milde ,  den 
Stall  einzuräumen  (v.  179 — 182  sind  nun  äusserst  naiv,  aber 
wol  richtig,  Schröers  Vorschlag  in  der  Note  mundet  mir  nicht). 
Mit  V.  184  begegnet  uns  zuerst  (nachher  noch  199  flf.,  224  flf.) 
eine  jener  Variationen  der  beiden  alten  Wiegenreime,  die 
sich  V.  234  fiF.  in  wenig  abweichender  Gestalt  von  der  uns 
aus  dem  niederhess.  W.  Sp.  bekannten  selbst  einfinden.  Die 
folgende  Str.  Marias  (v.  243  flF.)  ist  offenbar  aus  etwas  ver- 
schiednen  Elementen  zusammengewürfelt,  deren  Herkunft  sich 
aber  nicht  gleich  erkennen  lässt.  Ehe  ich  zur  Hirtenscene 
übergehe,  sei  noch  bemerkt,  dass  vor  der  Geburt,  die  freilich 
nur  sehr  zart  angedeutet  wird  •*) ,  Joseph  sich  entfernt  und 
dann  mit  dem  Wirte  wiederkehrt  5) ,  dessen  Rolle  hier  z.  Th. 
nur  Wiederholung  einer  frühern  ist.  (v.  218,  219  =  147,  148). 
—  Die  Namen  der  Hirten  6)   sind  Gallus,  Stiehl  und  Witok: 


•)    Siehe  D.  Weihnachtsp.  aus  Ungarn  p.  61  ff. 

*)    Die  deutschen  Gemeinden  Ungarns  sind  meist  lutherisch. 

3)  Diese  so  Vieliebte  Ausschmückung  des  Stalls  zu  Bethlehem  be- 
ruht im  Grunde  auf  freier  Deutung  von  Jos.  I,  3. 

*)    Vergl.  p.  20. 

5)  Der  Wirt  ist  erforderlich ,  um  zu  den  Worten  Maria^s  und  Jo- 
sephs die  nöthigen  Tactschritte  zu  machen,  vergl.  p.  16. 

•)  Ich  führte  oben  aus,  wie  sich  die  theilweise  Erhaltung  der 
heil.  3  Könige  auch  im  populären  W.  Spiel  durch  ihre  Itekannten  mund- 
artlich oft.  noch  accommodirten  Namen  (Baltbasar  z.B.  wird  im  Kärn- 
tischen zu  Walthauser)  zu  erklären  acheint.    Auch  die  Ilirten,  obgleich 


Cap.  I,  5  6.  .  4Ö 

fahrt  man  letztere  Formen  auf  Stichos  und  Vitus  i)  zurück 
uod  Tergleicht  dk  Namen  der  drei  Wirte  (Rufin,  Serrilus« 
Titos),  M  qMnecben  dieae  Latinismen  (wozu  sich  der  Hymuus 
Psallite  unigenito  gesellt)  dafür,  die  Grundredaction  des  Tex- 
Im  ins  XVI.  Jahrhundert  zu  setzen,  welcher  Annahme  innere 
Grfinde  nicht  widerstreiten.  —  Nachdem  die  Hirten  sich  in 
üblicher  Weise  aus  dem  Schlaf  gerüttelt  3),  und  ihre  Träume 
(die  auf  das  grosse  Wunderereigniss  Bezug  nehmen)  sich  mit- 
getbeilt  haben,  erfolgt  das  dreifache  Opfer  vor  dem  Kinde 
(p.  87).  Indem  sie  zurückkehren,  kommt  ein  vierter  Hirt 
(Oi^Nts),  der  sich  auch  nach  dem  Kinde  erkundigt  ^).  —  Die 
Dreikönigtsoenen  (t.  599  ff.)  sind  erhalten,  aber  etwas  aus 
dem  (jeleise  gekommen.  König  Melcbert  (Melchior,  auch  im 
St  Galler  W.  Spiel  der  Vornehmste)  tritt  mit  einem  Pagen 
and  einem  Mathematicus  (=  Astrolog)  namens  Viligrazia  auf, 
der  aus  eigner  Kunst  schon  die  Geburt  des  neuen  Königs 
in  Bethlehem  berechnet:  so  muss  nun  die  Erkundigung  bei 
Herodes  ganz  unnötliig  scheinen.  —  Dass  die  drei  Könige 
sich  erst  kurz  Tor  Jerusalem  zusammenfinden,  ist  aus  alter 
Trad.  (vergl.  da«  Freisinger  Offiz)  gut  gewahrt,  nur  hat  man 
die  drei  Tenchiednen  Lande  nicht  festgehalten,  es  beisst  ?. 
771:  ,Zwün  komen  aoaSaba,  der  dritte  aus  Morn*,  und  an* 
derwärts  werden  aach  alle  drei  als  Könige  von  Saba  bezeich- 
net —  Die  Audienz  bei  Herode«  ist  reine  Formulitüt  gewor- 
den, da  erst  nach  Entfernung  der  Könige  Herodes  durch  sei- 

imrch  ihre  LebenasK  tchoD  den  Yolkninn  rieh  anpsMcnd,  werden 
darefc  po|mllr«  od#r  popuUriairte  Kamen  ihm  noch  niher  ^hrftcht. 
Vo«  fitertr  AK  begi^r-  *  •  u'  - -i  oid  die  Nunen:  Jodl  (Georg), 
Bi«pl  (Ra|»recbt)  Jiff%  I.t,  x  (Alexius)  n.  ■.  w. ,  ron  letc* 

lertr  die  ia  «aMtm  8p ,  ttr*i>ru 
wirf«  «ad  ii»  Ka«dH«   der  Hu 

4i«  daaa  «ach  wol  bamnmtiiohe  Klrbuntr  xcigeti  Wirte* 

a«.i**«r«^li  ia  Vordemhcrfer  W.  Spiel. 

9At6»  wiU  aot'StidMl  SUffel   : 
bc«  lor  BkUm  forkcnant,  mH  • 

dsr  Beldeataff»  k«aa«.    FBr  V  r 

f  «ttl  bd  Wstekold  p.  1«0 

S)     TK«  Tliri^n  l>#>i  T.nr     1!  u 

iMbra. 


46  Cap.  I,  §  6. 

nen  Lakay  die  Schriftgelehrten  >)  berufen  lässt.  Diese  heissen 
den  König  unbesorgt  sein,  aber  der  Teufel  giebt  ihm  den 
Mordplan  ein,  iihnlich  wie  im  Kremnitzer  W.  Spiel.  —  Bei 
dem  Opfer  der  Könige  hat  wieder  Melchior  den  Vorrang. 
Die  Flucht  nach  Aegypten  wird  angedeutet  v.  1110  ff.  — 
Herodes  spricht  nun  entschieden  seinen  Mordplan  aus:  Maria 
(nach  der  vorliegenden  Ilec.)  mahnt  ihn  davon  ab.  Üass  hier 
eine  Verwirrung  vorliegt,  hat  schon  der  Hrgb.  gefühlt,  und 
an  Rachel  gedacht  (vergl.  zu  v,  1145):  da  diese  Figur  aber 
dem  volkstümlichen  W.  Spiel  nicht  eignet ,  und  die  bez. 
Worte  auch  keine  Klage,  sondern  Abmahnung  enthalten,  ist 
es  gerathener  die  vv.  1145 — 1148  der  Gattinn  des  Herodes  2), 
die  sonst  nicht  in  unserm  Spiel  vorkommt,  zuzuweisen.  Die 
Rolle  des  Judas  (p.  116)  erklärt  sich  aus  dem  Interesse,  das 
man  an  dem  armen  Schelm  nun  einmal  im  Volk  hatte:  leicht 
kam  er,  wie  Caiphas  und  Pilatus  als  Gegner  des  Heilandes, 
hier  in  die  Sippschaft  des  Herodes.  Ursprünglich  werden  die 
Worte  einem  der  Kriegsknechte  gehört  haben,  trotz  der  Be- 
denken Schröers  zu  v,  1169,  der  die  wörtliche  Uebereinstim- 
mung  mit  dem  Vordernberger  W.  Spiel  mit  Recht  hervorhebt. 
Die  Zahl  der  ermordeten  Kinder  (p.  118)  ist  seit  dem  Krem- 
nitzer W.  Spiel  noch  etwas  gewachsen :  aber  während  im  al- 
ten Ofl'.  Infantum  die  Kinder  als  Innocentes  und  Protomärty- 
rer  erscheinen,  treibt  hier  der  Teufel  .mit  den  (schwarzen) 
Kinderpuppen  sein  Spiel  (vergl.  zu  1225).  Der  Teufel  holt 
auch  bald  den  Herodes,  der  (p.  121)  ihn  vergebens  bestechen 
will,  und  schliesslich  den  Hauptmann  (vergl.  zu  v.  1311). 
Man  kann  in  der  letztern  Figur  noch  immer  den  Armiger 
der  ältesten  Stücke  erkennen,  und  sich  beim  Lakay  und  Pa- 
gen des  Internuntius  erinnern. 

Eine  andre  Rec.  desselben  Spiels  ist  das  Presburger 
W.  Spiel  3).  Verbunden  ist  das  Oberuferer  Vf.  Spiel  zunächst 
mit  einem  Paradiesspiel  (Adam  und  Eva),  zum  Schluss  aber 
mit  einem  Vasnachtspiel  (Schuster   und  Schneider),  was  für 


1)  Ihre  Namen:  Caiphas,  Pilatus,  Jonas  zeigen  die  ganze  Naivi- 
tät des  Yolksschauspiels. 

2)  Spuren   der   Rolle  fanden  wir  im  Kremnitzer  W.  Spiel,    die 
Rolle  selbst  noch  im  Vordernberger  W.  Spiel. 

3)  Die  Varianten  siehe  p.  193  ff. 


Cap.  I.  §  6.  47 

die  historische  Verknüpfung  legerer  Gattung  mit  den  popu- 
lären Weihnachtspielen  ins  Gewicht  fällt  >).  —  Das  Paradeis- 
spiel i^t,  wenn  auch  verhältnissmässig  kurz,  doch  in  der 
Handlung  intact  erhalten  ^):  dag^n  zeigt  uns  das  p.  142  ff. 
heilte  Salzburger  Spiel  derselben  Gattung  deutlich  ge- 
nug aas  Ausgehen  aller  sichern  Tradit.,  und  den  oft  verfehl- 
ten Versuch,  durch  Verkürzung  und  Ueberleitung  der  Hand- 
lang in  das  erzählende  Lied  (die  Ersatzstrophe)  Einiges  tod 
dem  alten  Erbe  zu  retten  und  jüngerem  Geschmacke  mund- 
recht tu  machen.  Das  Salzburger  Paradeisspiel  ist  durch 
Verwechslung  der  Rollen  und  manche  kleinere  Irrthümer  zu 
etoem  uns  freilich  sehr  instructiten  ^)  Zerrbild  geworden.  — 
VSIUfeB  Schwinden  dramatischer  Form  gewahren  wir  dann 
in  den  ans  Terschiedenen  Orten  Ungarns  p.  151  ff.  mitge- 
theilten  Uedartigen  Trümmern  *)  älterer  W.  Spiele.  Es  lässt 
•ich  ja  denken,  dass  bei  abnehmendem  Interesse  Mühe  und 
Kosten  einer  Auffuhrung  gescheut  wurden,  einige  Haupt-  und 
Lieblingsmotive  der  Weihnachtfeier  in  die  bequemere  lyrische 
Form  geflüchtet  immer  noch  gern  gesungen  und  gehört  wur- 
den. —  Der  Nachtrag  zu  den  Weihnachtspielen  aus  Ungarn, 
der  noch  einiges  interessante  Detail  bringt,  sei  kurz  er- 
wihnt  *).    Ich  gehe  zu  Mosens  Mittheilungen. 

t)    Wir  U»cn  hier  das  Vuo»cht«picl  zunächst  guu  bei  Seite. 
^    Man  beschte  den  »cbr  oft  wiederholten  Refrain  der  Compaoie : 
Gott  loben  wir  »ehon 
IiB  böofaaiea  Iluro&I 
OmhI  «««L  man  KioderiMts.  W.  8p.  ▼.  143,  144;  800,  806.    Die  Str. 
der  Cosspanie  t.  112^175  dieneo  tbeiU  ali  Erl&oteruog  (Epilog)  rar 
tror»a«tckead«a ,   thcib   •!»  Hinweis  (Frofeg)  f&r  die  folgende  Hand- 


^  Weder  pa«t  du,  waa  Gott  Vater  p.  148  n  sage«  hat,  (ür  mI- 
oIm  BoU«,  noch  waa  Adam  p.  144  sa  sag«  hat  flbr  diaaan.  Gar  wnn- 
dartieh  ist  dann  die  Frafs,  was  w  gahtet  habe?  Auf  p  145  ist  ▼. 
110  aar  als  Miswwtlndniss  sa  ÜMsaa:  dataalbe  Gedanke  klarw  and 
riduiffcr  soigadrikkt  findet  sich  t.  US  ff, 

*)    Hcrrorbcbe  ick  das  Kisasarfcer  Weihnacbtlied,  weil  hier  nooh 
die  altaa  Wisgaaiaiata  eraebeiaea  (p.  1S8):,  nad  snm  Sehlosi  (p.  160) 
iieh  aM  das  detWdwta  Beispiel  Ar  die  Anlahanac  des  Hlrtaaopfte 
aa  daa  titera  dar  kaiL  drei  JUidge  Malet    Ei  baiast  dort : 
Wir  arisa  Hirtaa  onr<>r«  Dir  Gold,  Waftratth  oad  Myrrhca, 
Cad  aaMTB  allen  /  .  daM  Da  nicht  darfst  fharaa. 

»)    Dia  kWaa  Abaaa<uafl«  eMhilt  die  yariaatan  eioir  drittio 


48  C»p.  I,  §  0. 

Bei  den  AufTührungen  im  Erzgebirge  unterscheidet  man 
die  sogen.  EngelHchaar  zur  Adventzeit,  und  die  Königs- 
schaar  '),  die  in  der  ersten  Hälfte  des  Januar  umherzieht  (p. 
15,  16).  Letztere,  die  an  einigen  Orten  allein  bekannt,  wird  die 
ältere  sein:  die  Spiele  der  Engelschaar  (worin  der  heil.  Christ  als 
Erwachsener,  St.  Nicolaus,  Petrus,  St.  Martin,  Ruprecht  u.  s. 
w.  auftreten)  sind  meist  ähnliche  Schmarotzerpflanzen  des 
Weihnachtspiels,  wie  wir  sie  schon  bei  Weinhold  kennen  lern- 
ten. —  Das  Neudorfer  Spiel  (p.  41)  zeigt  wie  ein  solches 
Adventspiel,  freilich  in  sehr  kurzer  Gestalt  (p.  45)  einem  al- 
tern Bestandtheil  angehängt  ward,  der  die  Geburt  Christi  mit 
der  Hirtenverehrung  darstellt.  Zu  diesen  Aufführungen  war 
wol  ursprünglich  die  (nach  der  Verkündigungsscene  benannte) 
Engelschaar  bestimmt:  der  Name  blieb,  auch  als  das  echtere 
Weihnachtspiel  durch  die  Adventsspiele  verdrängt  war  2j.  — 
Bedeutender  sind  uns  Lexers  aus  Kärnten  gesammelte  Spiele. 
Das  Hirten-  und  Dreikönigsspiel  aus  Heiligenblut  3)  hebt 
mit  Maria  Verkündigung  und  Josephs  Verdacht  an.  Aufzug 
I.  schildert  dann  das  Herbergsuchen :  zur  Belebung  der  Hand- 
lung tritt  auch  ein  reisender  Handwerksbursche  auf,  der  wie 
die  heil.  Familie  vergebens  um  Obdach  bittet  *).  * 

Aufzug  IL  bringt  die  Verkündigung  auf  dem  Felde  und 
(nach  einem  jüngeren  Prologliede)  das  dreifache  Hirtenopfer. 
—  Aufzug  HL  zeigt  die  heil,  drei  Könige  und  ihre  Begeg- 
nung mit  Herodes,  der  einen  Bedienten  und  einen  Schriftge- 
lehrten zur  Seite  hat.  Aufzug  IV.  Verehrung  des  Kindes 
durch   die  drei  Könige:   das  dreifache  Opfer   wird  hier  aber 


(Ragendorfer)  Rec.  des  Ungarschen  Christi-Geburts-SpielB.  Diese  Rec. 
kennt  übrigens  als  zweiten  Theil  der  Trilogie  nicht  das  Paradeisspiel, 
sondern  die  Geschichte  vom  reichen  Mann  und  Lazarus,  deren  Drama- 
tisirung  im  XVI.  Jahrh.  auch  sonst  bezeugt  ist.  (Vergl.  die  Arbeit  Jac. 
Funckelins  bei  Tittmann  Scbausp.  a.  d.  16.  Jahrh.  I,  p.  169  ff.) 

•)    Es  sind  natürlich  die  heil,  drei  Könige  gemeint. 

2)  Mosen  gicbt  zum  Schluss    seiner  Mittheil,  den  Versuch  einer 
Neoredaction  der  Weihn.-Spieltradition  des  Erzgebirges. 

3)  Kämtisches  Wörterbuch  p.  274  ff. 

*)    In  der  Rollo  des  Wirts  (gegen  Ende)  ist  etwas  Satire  gegen 
die  üblichen  Gaunereien  dieses  Standes  zu  finden. 


Cap.  I,  $.  a  48 

kmnm  noch  angedeiitot  i),  die  bex.  Verse  Cp.  283)  könnten 
ebenso  gut  die  Hirten  sprechen.  Auffallig  ist  der  Schluss: 
die  beil.  Familie  wird  auf  ihrer  Flucht  nach  Aegypten  von 
Räubern  fiberfallen,  die  sich  aber  von  ihrer  Not  erweichen 
Uasen  ^).  —  Das  Flattacher  Dreikönigsspiel  (p.  285  ff.)  be- 
stätigt die  oben  zu  Weinholds  drittem  Flattacher  sog.  Uirten- 
reim  (Weiuhold  p.  97  ff.)  geäusserte  Ansicht:  die  hier  vorlie- 
gende Rec.  .desselben  Stücks  enthält  noch  die  Audienz  der 
drei  Könige  vor  Herodes,  freilich  auch  schon  in  contracter 
Gestalt,  denn  die  Herodesrolle  ist  mit  der  des  Schriftgelehr- 
ten verschmolzen:  der  Tyrann  bescheidet  hier  die  Fremden 
nach  Bethlehem.  Fast  lassen  die  letzten  Worte  des  Herodes 
,  vermuten ,  dass  hier  einst  das  Ende  des  Stücks  war :  die 
angebängte  Hirtenscene  (in  welcher  die  drei  Könige  dann  wie- 
der auftreten)  mag  in  ihrer  kürzeren  Gestalt  (bei  Lexer)  die 
Zusammenziebung,  in  ihrer  ausgeführtcren  (bei  Weinhold)  den 
Wegfall  des  ältesten  Theils  verschuldet  haben.  —  Was  das 
Wolfsberger  W.  Sp.  (p.  293  ff.)  betrifft,  so  schildert  die 
daraas  mitgetbeilte  Probe  uns  die  Verkündigung  auf  dem 
Felde  und  das  dreifache  Hirtenopfer  in  ansprechend  populä- 
rer Weise,  h   ist  die  schliesslich  noch  auftretende 

wälscbe  Bu.~ .....  ..cm  Tragkorbc,  die  gleichfalls  das  Kind 

beschenkt:  eine  in  Localfarben  3)  ausgeführte  Erweiterung.  — 
Die  (p.  303  ff.)  mitgetheilten  Lieder,  zeigen  auch  theilweise 
dramatische  Färbung  «),  so  Nro.  I,  VI,  VIII,  XVIII,  XX  u.  a. 
Von  den  beiden  bei  Pröhlc  ')  publicirten  Schauspielen  ist 
das  sog.  Dreiköni^sspiel  zwar  von  häufiger  Verdunklung  und 
Vcnrirruncr    '  -    '  -    >  *f  -   '     nicht  freigebliebcn ,  gleicbwol  in 

1)  Iii»< >!•;:.  iUu,  latcrcH«  der  Zuachaaer  schon  dturoh  das  Hirten- 
«»jiffr  «'rfullt  »k»r. 

1)  Kiri<>tii  il>  r  lUulx-r  wird  •chliiMiaUch  jene  Bitte  in  d«n  Muud 
KrlfKi,  dir  «ir  I.ui .  XXIII,  42  lasen.  Aa  siaen  XummmenhAog  mit 
«l«ni  y.vunft  inCMitiae  Anbice,  dae  «iaea  ihalicbsn  Zag  bietet,  möchte 
irh  ho  At  (;r<>*Mii  Kntl<((it)h.it  ili«ttr  spoloTpli.  OmU«  doch  ttiokt 

drbkon. 

ii    K^rr.t.  ti  ;:r.iii/t  )»  aAdwaetliek  sa  Venctisn. 

*)     Üb    D>an    x  •     auch    fGr  Trümtncr    lll ■IllStJSOhiy    Cinnf>Aailioni«n 
d»rf' 

V»-Lir<irr   und     '«< nautiJtrio   |i.   246  tL 

.t'\n!  hirr  nur  lirnrur,  wie  p.  254  «üi  Diener  des  Uerodes 

4 


60  Cap.  I,  §  6. 

gutem  Ton  gehalten  und  oft  von  glücklichster  Naivetät:  da» 
gegen  ist  das  sog.  Schwertfechterspiel  ')>  <1ä8  sich  allerdings 
auch  (namentlich  in  der  Figur  des  Königs  von  Mohrenland) 
an  kirchliche  Vorbilder  anlehnt,  doch  kaum  noch  für  das 
geistliche  Schauspiel  zu  beanspruchen. 


Anf&age  gelehrter  Behandinn?  im  XVI.  Jahrh. 

Die  litcrarisdien  WeihnachtspiLn;  «Icr  Reformationszeit 
stehen  in  Behandlung  und  Ton  den  besseren  populären  Denk- 
malen der  Gattung,  wie  wir  sie  eben  kennen  lernten,  so  nahe, 
dass  sie  sich  oft  nur  durch  eine  geordnetere  Anlage,  (häufig 
aber  auch  mit  breiterer  und  seichterer  Ausführung)  vor  ihnen 
auszeichnen.  Die  ältesten  Beispiele  der  Art  sind  die  Stücke 
von  Chnustin  und  H.  Sachs.  Des  ersteren,  1540  in  Ber- 
lin aufgeführtes  2)  Spiel  beginnt  nach  einer  Widmungs-Vorrede 
an  den  Hamburger  Magistrat,  verschiednen  Prologen  und  Ar- 
gumenten, mit  Maria  Verkündigung,  Nach  einem  Monolog 
Josephs,  der  Marias  Tugenden  preist  und  sich  selbst  als  ih- 
ren Verlobten  glücklich  weiss,  folgt  die  Begegnung  Maria's 
mit  Elisabeth.     Act  II.  beginnt    mit  der  Beruhigung  Josephs 


auftritt,  wo  man  den  Herbergswirt  erwarten  sollte.  (Beide  Rollen 
wurden  wol  zuerst  von  Einer  Person  gegeben  und  in  der  Folge  ganz 
confundirt.)  " —  Von  der  Anbetung  der  Hirten,  die  an  rechter  Stelle 
(p.  259)  ganz  ausgefallen,  findet  sich  p.  262  noch  ein  Torso  (was  hier 
der  andere  Hirt  spricht).  Die  weisen  drei  Könige  (nur  Melchior's 
Name  ist  p.  261  als  Melcher  erhalten,  der  zweite  K.  nennt  sich  von 
Polenland)  scheinen  mit  den  Schriftgelehrten  des  Herodes  confundirt 
zu  sein,  wozu  die  deutsche  Bibel,  die  nur  von  Weisen  aus  dem  Mor- 
genlande (Matth.  n,  1)  redet,  verführt  haben  mag.  Das  Schäferlied 
(p.  256)  das  sich  auch  sonst  findet  (so  bei  Weinh.  p.  125  fi".)  ist  gerade 
in  seiner  glattreiulichen  Form  gegenüber  dem  sonst  so  wirren  Texte 
als  jüngere  Einlage  unverkennbar. 

1)  Vergl.  die  von  Simrock  D.  Myth.  p.  268  (nach  A.  3)  über  den 
altdeutschen  Schwerttanz  gegebenen  Notizen. 

3)  Gedruckt  daselbst  1541  als:  Ein  seer  schön  und  nützlich  spiel 
von  der  lieblichen  Geburt  u.  H.  Jesu  Christi  u.  s.  w.  —  Es  ist  1862 
in  Berlin  neu  aufgelegt  bei  W.  Hertz,  ich  benutze  den  alten  Druck 
der  Göttinger  Bibliothek. 


Cap.  I,  §  G.  51 

darch  den  Engel  nach  Mattb.  I.  Die  folgende  Teufelscene  ') 
ist  mit  kräftigster  Derbheit  angelegt:  die  beiden  Dämonen 
Bruder  Rausch  und  Rabbarlab,  machen  ihrem  Ingrimm  über 
die  nahende  Weltheilandsgeburt  in  diabolisch  übelriechender 
Weise  LufL  Der  Schluss  des  Acts  deutet  noch  die  Abreise 
llaria^s  und  Josephs  nach  Bethlehem  an.  —  Act  III.  bringt 
xonachst  die  Verkündigung  auf  dem  Felde :  nachdem  die  Bot- 
•ohafl  Gabriels  >)  und  das  (neumirte)  Gloria  in  excelsis,  so- 
wie Variationen  dieses  Themas  durch  die  Chöre  der  Engel 
verklungen  sind,  brechen  die  7  Hirten  zur  Krippe  auf:  Knecht 
Tytke  will  nicht  allein  bei  den  Schaafen  bleiben,  und  eilt 
mit  ihnen ,  die  Nachbarn  Heine  Bonenstro  und  Tile  werden 
berzugerufen :  neun  Hirten  und  der  Knecht  kommen  so 
schliesslich  zur  Krippe  des  Kindes  und  beten  es  in  einfach 
würdiger  Weise  an,  doch  hier  ohne  Andeutung  eines  Opfers. 
Es  folgt  eine  Teufelscene,  worin  Beelzebub  als  Höllenfürst  3) 
die  Kunde  von  Christi  Geburt  zur  Aufhetzung  seiner  Gesellen 
benutzt,  auch  andeutet,  König  Hcrodes  als  Werkzeug  seiner 
Rache  gebrauchen  zu  wollen  *).  Zum  Schluss  erscheinen  die 
3  Könige  auf  der  Reise,  sich  über  den  neuen  Steni  bespre- 
chend. Act  IV.  zeigt  Herodes  zunächst  in  Unterredung  mit 
Annas  ^)  über  die  Geburt  Christi ,  dann  werden  die  3  Könige, 
als  deren  Wortführer  hier  Gaspar  erscheint  durch  den  Kanz- 
ler Tor  den  Thron  geführt.  Wie  auch  sonst  in  populären 
Spielen  *)  geben  sie  als  die  Dauer  ihrer  Reise  die  Frist  von 
13  T..'..n  an       \ri  V.    Zeigt  Quu  die  Verehrung  des  Kindes 


njr-i-» 


;  .'  <  u  Genre,  wie  die  sm  SchloM  des 


Text  der  1  hier  und  liÄufiK  *«it  «Ivr  Reformation 

dufi  h  üa*  Lutlierscbt  l'ildet. 

*)    In  ilUren  de.  .ist.  — 

Die  n*ae  Anordansg  Luc.  Xi,  ir> 

AucLfsatan,  RampoU,  ._, ,  .^- :. —^  Teufel gcuaiiut. 

yimti  v«rfl.  dM  Einbußen  dei  MordpUns  im  Kremaitxer  W.  8p. 

')    Man  triaacr«  tick  sa  dvn  ('  '  T'lUtui  im  Oborufcrer 

W.  »p.  M  fkidwr  SUIU.  —  DiMc  n  der  Wcihn«chU- 

■ttt  d«r  Piwjgwgssch.  tiad  nicht  un|KM!U*<L,  ih>  uaiv  sie  icbeiueu  m6* 

grn 

Vtrffl.  Wdabold  p.  122,  wo  (Note  1)  so«h  auf  die  Rpukrypb. 
X '•-••'•»  vcfwksca  iaC 

4* 


52  Cap.  I,  §  6. 

durch  die  heil,  drei  Könige,  wobei  aber  die  Geschenke  nur 
in  beBcheidenster  Weise  erwähnt  werden,  z.  B.  so; 
Wie  wol  für  Dir  nicht  gut  noch  gelt 
Viel  gelden  thut  u.  8.  w.  (spricht  Gaspar) 
—  was  freilich  zeigt,  dass  die  alte  symbolische  Deutung  die- 
ser Gaben  vergessen  war.  —  Joseph  und  Maria  danken  den 
Königen ,  die  Flucht  nach  Aegypten  wird  angedeutet.  Hero- 
des  giebt  seinem  Hauptmann  Befehl  zum  Kindermord:  ein 
Herold  verliest  dreimal  das  Mandat,  alle  Kinder  von  dem 
betr.  Alter  vorzuführen.  Als  die  Mütter  mit  ihnen  erscheinen, 
beginnt  das  Blutbad  auf  einen  Wink  des  Herodes,  wobei  sich 
die  Krieger  Nickel  Ongelt  und  Hans  Knebelbart  noch  rohe 
Scherze  über  die  Mütter  erlauben  ').  Aber  schon  wird  Hero- 
des selbst  von  Gabriels  Schwert  getroffen :  die  Teufel  holen 
ihn  zur  Hölle.  Bez.  des  uns  von  Hans  Sachs  erhaltnen 
Weihnachtspieles  2)  bemerke  ich  nur,  dass  wie  schon  der  Ti- 
tel :  ,entpfenguuss  und  geburt  Johannis  und  Christi'  andeutet, 
hier  der  ganze  Inhalt  von  Luc.  I,  5—80,  H,  1—38;  Matth. 
I,  18 — 25,  II,  1 — 18  synoptisch  componirt  vorgeführt  wird. 
Ueber  die  Einwirkung  von  Hans  Sachs  auf  die  populären 
Weihn.  Spiele,  verweise  ich  auf  die  ausführliche  Erörterung 
bei  Schröer  p.  162  ft".  3).  Benedict  Edelpöcks  Weihnacht- 
komödie 4)  stellt  im  Act  I.  die  Abreise  von  Nazareth,  An- 
kunft in  Bethlehem  und  das  Herbergesuchen  dar.  Wirt  und 
Wirtin  zeigen  sich  schnöde,  das  Mitleid  wird  durch  eine 
Magd    vertreten  5).     Joseph    entfernt   sich  Feuer  zu  zünden : 


')    Chnustin  malt  hier  eben  die  Landsknechte  seiner  Zeit. 

2)  Erschienen  1557.  —  Drei  Jahre  früher  war  zu  Zürich  ein 
geistl.  Spiel  von  der  Empfängnisa  und  Geburt  Christi,  von  Jac. 
Funckelin  erschienen,  aus  dem  Weller  (das  alte  Volkstheater  der 
Schweiz  p.  258)  einiges  anführt.  —  Ueber  Funckelins  Leben,  mit  Be- 
rücksichtigung auch  seiner  dramatischen  Thätigkeit  gab  Rochholz  Ger- 
mania XIV,  412  f.  Nachricht. 

3)  Ebenso  werden  dort  p.  177  ff.  die  populären  Paradeisspiele 
mit  der  H.  Sachsischen :  ,Tragedia  von  der  Schepfung  Fall  und  Aus- 
treibung Adae  aus  dem  Paradeis'  verglichen. 

4)  Bei  Weinhold  p.  193  ff.    Aus  dem  Jahr  1568. 

*)  In  dem  redseligen  Monolog,  welcher  die  Rolle  der  Magd  er- 
öffnet, finden  sich  ähnliche  Anspielungen  auf  Wirtsbetrügereicn .  ui. 
sie  in  Lexers  Mittli.  der  Wirt  selbst  machte. 


Cap.  I,  §  0.  63 

iozviachen  ist  die  Gebart  in  dem  (dunkeln)  Stalle  zu  denken. 
Nachdem  endlich  eine  Laterne  gebracht  ist,  handelt  es  sich 
darum,  dem  Kinde  ein  Müselein  zu  machen:  Joseph  kommt 
etwas  mühsam  damit  zu  Stande  i).  —  Die  Handlung  geht 
über  SV  Verkündigung  auf  dem  Felde  2).  —  Act  III.  Die 
Ankunft  der  h.  drei  Könige  wird  so  geschildert,  dass  Melchior 
und  Caspar  zusammeureiseu ,  Balthasar  (als  aus  dem  ferneren 
Ifohnnlnnds  kommend)  sich  zu  ihnen  gesellt  ^).  In  Jerusa- 
lem lUMaen  sie  soniehst  auf  zwei  Trabanten  des  Herodcs  (v. 
1061)  die  als  ,feine  leut*  bezeichnet  werden  und  auch  für  ge- 
ringe Bennmeration  ihre  Dienste  anbieten  *).  —  Herodes  tritt, 
▼on  andern  Trabanten  ^)  begleitet,  auf:  von  der  Sachlage  un- 
terrichtet, beschickt  er  die  Schriftgelehrten,  deren  Vertreter 
Aman  und  Alachim  (p.  243)  zunächst  rauh  angefahren,  dann 
in  hAlbgnadiger  Weise  entlassen  werden  (v.  1470).  Es  folgt 
die  Audienz  der  drei  Könige  S).  —  Mit  v.  1623  kehrt  die 
Darstellung  sich  wieder  nach  Bethlehem  und  schildert  hier 
«mächst  die  dürftige  Lage  der  heil.  Familie.  Dann  die  Drei- 
königsverehrung,  etwas  Tornebmer  ')  gehalten  als  bei  Chnu- 
•tin:  Joseph  erbietet  sich  (v.  1760)  den  Fremden  ein  Mahl 
ra  bereiten ,  wofür  in  höflicher  Form  gedankt  wird.  Schluss 
dM  Acts  schildert  den  Aufbruch  der  drei  Könige  und  die 
Flucht  der  heil.  Familie.  Act  IV.  Herodes  fasst  auf  diese 
Nachrichten  hin  den  Mordplan  S) ,   und   wirbt  den  Trabanten 


I)  Vergl.  den  AhAlichen  Zog  im  Vordembeii^r  W.  8p.  (bei  Wien- 
hold  p.  162 ) 

*)  ¥Xm»»  sUtfar  behandelt  als  in  den  popoliren  W.  Spielen. 
Auch  dsM  der  DteMtherr  der  Hirten  nach  ihrer  Kntfemong  lunichitt 
«4  hiU,  denn  «ck  entechUeeet,  telbei  die  Heerde  an  weiden  and  snm 
Iroei  lidi  ein  liedknu  nngt,  i«t  doch  etwa«  IritoetUeh. 

S)    Hkrein  nad   in  dem  keifH^bcr  tea  (vergL  die  pueri 

in  proceeeione  regvm  im  Preis.  Offis.)  i-^  md.  gewahrt. 

*)    Auek  kiaria  ist  die  alte  IntemantiMroUe  su  erkennen. 

*)  Im  SiAck  werden  ft  mit  Namen  etngdUut:  einer  davon,  der 
V.  laM  nad  sonst  gonaoBt«  Hessl  ist  ta  dorn  PerooneBvencichniM 
pk  IM  Abcreshsa* 

•)    Ah  Spreekw  erKksiai  (wie  bei  Ckwutla)  Oa^mr. 

')  War  Kdslp6ek  doek  aaek  an^eraogUoker  Trabant,  Chnaetfa 
aar  SekakaeMert  (m  Cdfai  a.  d.  8pr«a.) 

*)    Ee  iet  wol  sa  beacktsa ,  daes  kier  sasni  der  sekwarae  Ge* 


54  Cap.  I,  §  6. 

Iscbem  (v.  1919)  mit  reichem  Handgeld  für  die  Ausführung. 
Dieser  nun  führt  als  Ilauptraanu  die  andern  Trabanten  zum 
Morde:  nur  Schmol,  der  schon  im  vorigen  Act  den  morali- 
schen Standpunct  vertreten  *),  schaudert  vor  dem  unwürdigen 
Frevel  zurück.  Umsonst!  —  Bei  der  Mordscene  selbst  2) 
treten  vier  Mütter  (darunter  Rachel)  auf,  und  suchen  ihre 
Kinder  sogar  zu  vertheidigen  3).  _  Act  V.  Der  Prolog  eines 
Engels  deutet  an,  dass  Herodes  Wüthen  umsonst  gewesen: 
dann  ergeht  die  Mahnung  an  Joseph  heimzukehren.  Diese 
Heimreise  der  h.  Familie  nach  Palästina  wird  hier  sehr  ge- 
mütlich geschildert:  Joseph  greift  öfter  Stärkungshalber  zur 
Reiseflasche ,  was  Maria  für  sich  als  unweiblich  ablehnt.  Der 
frühere  Trabant  Schmol  begegnet  ihnen  und  meldet  den  Tod 
des  Herodes.  Der  Beschluss  (v.  2601  flf.)  hebt,  bis  auf  den 
Sündenfall  zurückgreifend,  noch  einmal  die  moralischen  In- 
tentionen dieser  Weihnachtkomödie  hervor.  —  Auch  in  einem 
sehr  umfassenden  Spiel  des  Barthol.  Krüger  *)  aus  dem 
Jahr  1580  wird  der  Weihnachtstoflf  behandelt:  die  Hirtenscene 
(Act.  II,  Sc.  1.)  wird  durch  Gespräche  über  Wölfe  und  Schä- 
ferhunde und  das  Probiren  der  Hirtenpfeifen  variirt,  bis  die 
Engelsbotschaft    (mit  Raketenillumination)  eintritt.     Im   Fol- 

danke  direct  aas  dem  König  spricht,  sonst  mosste  überall  die  Umgo» 
bnng  oder  ein  böser  Geist  den  Wink  geben. 

1)  Vergl.  V.  1096  ff.,  welcher  Wortwechsel  zwischen  Trab.  Schmol 
und  seinem  Collegen  Ischem  ohne  Belang  für  die  Handl.,  doch  von 
cnlturhistorischem  Interesse,  ähnlich  wie  der  Monolog  der  Magd  in 
Act  I.  ist 

2)  Die  Weise  der  literar.  W.  Spiele ,  welche  das  Blutbad  selbst  vor- 
zufuhren, und  die  der  populären  Sp. ,  die  nur  einen  bez.  Bericht  an 
Herodes  bringen  lassen,  vereinigt  Edelpöck  —  offenbar  aus  dem 
Grunde,  bei  jenem  Bericht  Lohn  für  die  getreuen  Schergen,  Strafe 
far  den  mildherzigen  Schmol  (der  für  Edelpöcks  eignes  Conterfei  zu 
nehmen)  vom  König  austheilen  zu  lassen. 

3)  Analogien  dazu  aus  ausländischen  W.  Spielen  hat  Weinhold 
in  den  Noten  beigebracht. 

4)  Eine  schöne  und  lustige  neue  Action  von  dem  Anfang  und 
Ende  der  Welt  (bei  Tittmann:  Schauspiele  aus  dem  XVI.  Jahrh.  Th. 
II.).  —  Act  I  behandelt  den  Fall  der  Engel  u.  Menschen  u.  den  Rat- 
schlass  der  Erlösung.  —  Auf  die  Behandlung  des  Weihn.  Spielstoffes 
in  einigen  andern  geistl.  Spielen  ähnlicher  Richtung  wird  noch  Cap. 
V  §  1  hingewiesen  werden. 


Cap.  I,  S  6.  55 

genden  tritt  als  Vertreter  der  Schriftgelehrten  Dominicus  auf 
(als  Satire  gegen  den  Orden  ?) :  Herodes  selbst  ist  hier  wie 
in  der  gleich  za  besprechenden  Berliner  Hofkomödie  aus  dem 
Spiel  gelaasen.  Sc  3  schildert  den  Verdruss  der  Teufel  über 
die  Gebort  des  Kindes.  In  Sc.  4  kehren  Hirten  und  drei 
Könige  ron  der  Verehrung  des  Kindes  (diese  selbst  vrird  nur 
angedeutet)  i)  zornck  —  an  den  Kinderroord  (Sc.  5)  schliesst 
sich  gleich  Johannes  der  Täufer.  —  Ich  gehe  über  zu  der 
sog.  ,Kurzen  Komödie'  ^)  von  der  Geburt  des  Herrn  Chri- 
sti. Die  (Berliner)  Hs.  trägt  die  Jahreszahl  1589,  und  das 
RoUenTerzeichniss  ergiebt,  dass  die  Aufführung  durch  Kinder 
des  churfurstlichen  Hauses  und  jn —  '  'üche  3)  zur  Neujahrs- 
feier geschah,  Termutlich  auf  (i  loss  zu  Berlin.  Die 
Comödie  ist  in  zwei  Acte  getheilt,  deren  erster  die  Hirten-, 
der  andre  die  Dreikönigssoenen  omfasst.  Die  im  Ganzen  ein- 
fiich-ansprediende  Behandlung  ist  namentlich  im  ersten  Act, 
wo  die  Hirten  meist  niederdeutsch  reden ,  von  echt  volks- 
tfimlicher  Färbung.  —  Im  Act  II.  ist  (wie  schon  angedeu- 
tet) die  Rolle  des  Herodes  eliminirt  *) :  die  drei  Könige  tref- 
fen nur  mit  den  Schriftgelehrten  und  einem  Boten  zusammen. 
Dagegen  sind  die  drei  Könige  selbst  mit  Liebe  gezeichnet: 
nachdem  der  im  Orient  gesehene  Stern  wiedererschienen,  be- 
sehen sie  eifrigst  ihre  globos  coelestes  3) ,  um  über  die  Bedeu- 
tung des  Gestirns  sich  zu  Tcmehmcn.  Nachdem  sie  das  Kind 
gefanden,  richten  sie  (p.  44 — 47)  einige  Fragen  an  Joseph 
über  die  Bedeotong  dieaee  Meen'as,  und  werden  im  Sinne 
Intberisdier  Dogmatik  *)  zufrieden  gestellt.    Nachdem  die  Kö- 

*)    Di«  ngCBtlidieD  BaoptmoineDt«  der  Weihoachtfcicr  Bind  aUo 

.cr%ii«freg.  von  FriedUnder  Berlin  1839,  doch  schon  nicht 
ncbr   uü  llAndel.     Die  Verroutung  F.  Wi:"  \' 

oadi  G.  Pondo  der  VerfaMM^r,  i«t  wenn  ai. 


Ti     flftÄi-rlri  Grirlilprlii«.      VjtvI.   hü'röltor  W 

^  iriidcot    tnii  Ku<Kt;rtii    ftui    UA«  z«nc  Ait^r    t.  in. 

!->:'■     .-IX  SUad  der  DantcUrr,  da  Qerodea  doch  nut  :  l*ild 

d^  FftnlMtwird«  tnthamtn  koaaU. 

^    INmc  wanlea  von  Dkmera  trocfeCngen. 

<)  üaat  ihoUek  wird  des  Hirten  Unterricht  gegeben  in  Moieas 
MiuML  f.  M. 


56  Cap.  I,  8  7. 

nige  ihre  Huldigung  vollendet,  dankt  ihnen  Maria  *).  —  Die 
niedere,  dürftige  Geburt  des  Heilandes  wird  in  diesem  für 
vornehme  Kreise  bestimmten  Stück  besonders  plastisch  her- 
vorgehoben (so  pp.  46  u.  57):  in  den  populären  \V.  Sp.  steht 
es  damit  natürlich  ganz  anders.  Da  heisst  es  einmal  (in 
Lexers  Mittheilungen)  so  darüber: 

Ja  weil  Gott  liebt  die  Armuthei  — 
So  will  er  liegen  auf  dem  Heu! 
Etwas  störend  bei  der  Leetüre  dieser  Hofkomödie  ist  der  Um- 
stand,  dass    immer   der   wirkliche  Stand  der  Spielenden  der 
Rolle    vorgeschrieben    ist.     Auch   wird    das    Christkind   (der 
junge  Markgraf  Friedrich)  einmal  angeredet: 

Sei  friedenreich!   Dein  Reich  vermehr  — 
Eine  gute  Nacht  Gott  Euer  Gnaden  bescheer! 


§  7.     Die  AnsläBfer  des  Weihnacht-Spiels  im  Wll.  Jahrb.  — 

Rückblick. 

Zunächst  betrachten  wir  kurz  vier  Weihnachtspiele  eines 
b airischen  Dichters  aus  dem  Anf.  des  XVH.  Jahrh.  2)  — 
Der  (kathol.  geistliche)  Verfasser  hat  populäre  W.  Spiele  und 
Lieder  gekannt  und  auch  wohl  benutzt:  doch  scheinen  der- 
artige Elemente  mehr  nur  geduldet.  Ein  strenger  gesinnter 
Hirt  findet  das  , Lustige  Hirten'  3)  des  andern  zu  ,frech'.  — 
Im  ersten  Spiel  (Weinh.  p.  177)  begegnet  nus  noch  das  drei- 
fache Hirtenopfer :  im  zweiten  wol  auch ,  doch  dienen  die  Hir- 
ten hier  nur  als  poetische  Staffage,  die  Hauptrolle  hat  die 
Anima  (=  Christenseele),  die  dem  Heiland  ihre  Verehrung 
bringt.  —  Die  Hirtenscenen  in  den  4  Spielen  und  die  (als 
Hospes  oder  Xenophon)  gewahrte  Wirtsrolle  verleihen  der  in 
der  Hauptsache  theologisch-gelehrten  Behandlung  noch  volks- 


1)  Ihrem  Abschiedssegenswunsch  liegt  die  in  der  lutherischen 
Kirche  übliche,  aus  Num.  VI,  24  f.  entnommene  Formel  zu  Grunde. 
Auch  lutherische  Kirchenlieder  sind  mehrfach  in  dem  Stück  verwandt. 

2)  Bei  Weinhold  p.  175  ff. 

3)  .  .  freudige  Knaben  u.  s.  w.  —  Dies  Lied  findet  sich  auch  im 
Oberuferer  W.  Sp.  bei  Schröer  p.  85. 


Cap.  I.  §  7.  67 

tümlichen  Reiz  <).  Weinhold  vergleicht  diese  Stücke  mit 
den  christnächtlichen  Eclogen  Friedrichs  von  Spee:  ich  kann 
noch  an  einigen  Dramen  das  Absterben  des  literarischen 
Weihnachtspiels  erläatem.  Zunächst  an  des  Joh.  Segerus 
Bona  nova  sea  deliciae  Christi  nataliciae  etc.  *).  Ich  gebe  ein 
InluJtaachema.  Act  I,  Sc.  1.  Monolog  Jehovahs.  —  Sc.  2. 
Jnitati»  ond  Veritas  verklagen  die  Menschheit.  Sc.  3.  Mono- 
log der  dementia.  Sc.  4.  Streit  dieser  3  Tugenden  vor  dem 
Thron  Jehovahs:  dementia  siegt  und  fordert  Gott  den  Sohn 
(das  Verbumj  auf,  die  Menschheit  zu  erlösen.  Dieser  ist  be- 
reit: der  Spiritus  Sanctus  verspricht  seine  Hilfe. 

Act  II,  Sc.  1.  Weitläufiger  Monolog  des  Augustus,  der 
seine  bisherige  Regierung  überblickt  3)  und  eine  Schätzung 
der  Unterthanen  nöthig  befindet  In  einem  Dialog  Marias 
und  Josephs  (Sc.  2.)  *),  die  von  Nazareth  nach  Bethlehem  rei- 
sen, werden  dann  nicht  ungeschickt  die  Luc.  I.  und  Matth.  I. 
erwähnten  Dinge  berücksichtigt.  Sie  suchen  Herberge:  der 
CncoluB  hoepes  ^)  kann  nur  einen  Stall  aubieten.  Nachdem 
■ie  eingetreten,  heint  es:  Hie  nascitur  aetema  illa  lux,  om- 
ninm  DMoentiiim  et  Tiventium  Dominus.  Es  folgen  13  ver- 
Bchiedne  Zeitbestimmungen  der  Geburt,  z.  B. :  Quarto  anno 
Oljrmpiadis  153. 

Act  III,  Sc.  I.  Die  Hirten  Titjrus  und  Meliboeus  (nach 
Virgü  EcL  I.)  beklagen  sich  über  ihren  sauem  Stand,  mehr 
aber  noch: 

Daas  wir  seltn  in  die  kirchen  kommn 
Und  hörn  da  das  gesetz  erklem. 
GAfarid  verkündigt  die  Gebart  des  Heilands  ^).    Sc.  2.   Freu- 


I)    DifCffCB  tat  to  dctt  MgaadsB  Dmkmileni  die  b«wuMto  Abkehr 
vom  VoIkcUiftmUckeD  amrerkemibsr  «ad  bedauerlivh. 

t)    Dar  volbtiiMlige  Titel   bei  Weinliold  p.  176.   —    Ich  benuUc 
a«a  sM«n  Drvck  (Greiünrald  a.  1618)  der  Stnkmnder  Bathabibliutbek. 

>)    Ji«a  nioor  eel  virtas  qoam  qnaerere  parta  taeri*  heieei  ea  da- 
ta am  Basd«. 

<•    Im  Dnick  irrif  sie  So.  8  biMichaet. 

hoepea  ntiaam  tcirM,   qaem  iKMpitio  exciperc«'  bdaet  e« 
btrr  am  tUade. 

^    ttar  ist  «ioffelefft   die  MedHatio   prima   (12   bt.  IHHtdien). 
MsdÜilfawsa  Mgaa  m*  tUidM  itt  w«tlet«a  VerlMif  das 


58  <ap.  I.  §  7- 

diger  Entscliluss  der  Hirten  zur  Krippe  zu  eilen.  Sc.  3.  Bei 
der  Anbetung  der  Hirten,  die  hier  folgt,  ist  ein  Lied  Mar- 
tin Luthers  ')  zu  Grunde  gelogt.  Von  einem  Opfer  der  Hir- 
ten ist  nicht  die  Rede,  doch  herzen  und  küssen  sie  das  Kind  2) 
mit  Marias  Erlaubuiss.  Sc.  4.  Lobgesang  Maria's.  Sc.  5. 
Verdruss  der  Teufel  Lucifer  und  Beelzebub  über  Christi  Ge- 
burt. Lucifer  schmäht  auch  die  Jungfrau  Maria  3)  und  trö- 
stet sich  mit  Racheplänen. 

Act  IV,  Sc.  1.  Die  vier  Magier  *)  treten  auf  in  Unter- 
haltung über  den  neuen  Stern.  Nachdem  viel  astrologische 
Gelehrsamkeit  ausgekramt,  ruft  Zoroaster  aus: 

Da  stet  der  herrliche  praedicant 

Auf  der  kantzl  hoch  übr  alle  landt 

Mit  seinem  hellen  Glantz  und  Schein! 

(Vielleicht  mag  er  ein  Engel  sein.)  *) 
Act.  V,  Sc  L  Monolog  des  Herodes.  Sc.  2.  Verwunde- 
rung der  Magier  über  die  Pracht  Jerusalems ,  zumal  des  Tem- 
pels. Sc.  3.  Audienz  der  Magier  bei  Herodes,  der  ohne  Ge- 
folge erscheint  und  selbst  den  nöthigen  Rescheid  an  die  Frem- 
den austheilt  6).  Diese  danken  gehorsamst ,  Herodes  erwie- 
dert; 

Der  gratiarum  action 

Ewr  würd  und  reputation 

Achtn  wir  nicht  nöthig  gewesn  war,  u.  s.  w. 
bietet  Proviant  und  Trabanten  an. 

Sc.  4.    Auf  der  Weiterreise  kommen  die  Magier  überein, 

•)    Str.  7  und  8  des  bekannten  ,Vom  Himmel  hoch*. 

3)    Nihil  Domini  amplexu  suavius  esse  polest  (am  Rande). 

3)  Als  Nota  wird  hier  ein  langer  lateinischer,  dann  deutsch  wie- 
derholter Sermon  Gabriels  zur  Vertheidigung  Maria's  eingelegt. 

<)  Sowohl  in  der  Vierzahl  als  der  Bezeichnung  Magier  ist  wol 
eine  Polemik  gegen  die  vulgären  und  nebenbei  katholischen  heil,  drei 
Könige  unverkennbar.  Statt  Melchior  etc.  sind  hier  Zoroaster,  Sym- 
bulus,  Pasites,  Hermes  die  Kameji.  Der  erstere  findet  sich  auch 
schon  in  einer  (jungem)  Stelle  des  Freisinger  Offizes,  cf.  Du  Meril 
p.  160. 

5)  Qua  in  sententia  Hieronymus  fuisse  dicitur  (A.  IL). 

6)  Hier  hat  man  sich  also  die  Rolle  der  Schriflgelehrten  ge- 
schenkt, doch  erwähnt  Herodes  in  seinem  Monolog  (Act  V,  Sc.  1)  er- 
folgter Besprechung  mit  denselben. 


Cap.  I,  S  7.  6ö 

des  Herodes  Höflichkeit  für  Heuchelei  zu  halten.  Sc.  5  >). 
Die  Anbetung  des  Kindes  dorch  die  Magier  ist  nicht  unpoe- 
tisch, doch  etwas  süsslich  ausgeführt  Mit  Anwendung  von 
Luc.  II,  29.  empfiehlt  sich  7 — -*-r  und  ähnlich  die  andern 
Magier.   —    Der   Epilog  bti  -gt  zunächst  den  Bethle- 

hemitischen  Kindermord  und  geht  dann  zu  allgememein-er- 
baolkben  Betrachtungen  über.  Noch  folgt  ein  griech.  lat 
Epilog  in  2iOUam,  darunter  der  Wunsch:  Ita  diu  constet 
Ponerania  patria  nostra!  —  Endlich  ein  höflicher  Abschied 
vom  Leeer.  —  Eine  gewisse  Sauberkeit  des  Plans  und  eine 
jogendlidie  Wärme  ^)  der  Behandlung  dürfte  für  die  freilich 
öbergelebrte  Manier  wenigstens  theilweise  entschädigen. 

Von  bekannteren  Dichtern  des  XVII.  Jahrh.  haben  Andr. 
Gryphios,  Joh.  Rist  und  Job.  Klay  den  Weihnachtstoff  noch 
dramatisch  behandelt,  doch  scheinen  nur  des  letzteren  Arbei- 
ten erhalten  zusein.  Die  ältere  istHerodes  der  Kinder- 
mörder 3)  (nach  Art  eines  Trauerspiels  vorgest.  durch  Joh. 
Klaj.  1645).  Zunächst  preisen  die  drei  Weisen  die  wunder- 
bare Geburt  ^).  Später  wird  Herodes  durch  Abgesandte  von 
der  Flucht  jener  Weisen  unterrichtet ,  er  braust  auf,  sie  su- 
chen ihn  SU  berahigen: 
Man  sieht  im  Minsten  Nicht,  das  an  dem  Knaben  prachte, 
Kein  Bett,  kein  Hof,  kein  Geld,  das  ihm  ein  Ansehn  machte! 


*)  Vor  der  ABkanft  dar  Msgier  in  Bethlehem  ist  eine  autf&hr« 
liehe  UL  Note  einftleft,  wo  aus  Franciacos  Patriciui  bewiesen  wird, 
daei  die  (pcnoacheo)  Magier  der  WeihDachtahistorie  nicht  etwa  för 
Zaabcrer,  Mmdem  f&r  .circa  dirina  sapientcs  eonunqae  caltoret*  an* 
lewhtB  eeiB. 

r)  JokSeierseheiaiab  (Or«tCnrsUer)8««deBt  sttaeikr' 
Heraog  FldL  JaUae  tarn  Denk  fttr  skadeniedie  Stipendien  ^ 
sa  kabea ,  wol  aebenbet  mit  der  Absicht ,  die  glAcklich  erworbene  Ge- 

leki esailieit  bracklen  kq  laaaes.  —  An  eine  AoiinUimnf  '^  -  "^ ka  ist 

•olHreriidi  geda^  worden. 

^  Berahead  aaf  des  Daaiel  Haittsitis :  Berodes  laCuiticida  (Logd. 
Bat  l«tt).  Der  lat  8ekw«let  des  hoO.  PUlolegea  dfirfto  aoek  leiba* 
rar  ecia  ab  die  deetecbe  VerwftMenmg,  die  doch  des  aaekgeeehioktea 
gelekrtea  CoiaaisBlars  aieM  eatb^rea  kann.  (Ein  lat  laCuttieidiaai 
wir  sack  erboa  IM6  io  Aotwerpea  gedraekt  worden,  eieke  Wein« 
boM  p.  178,  18& 

«)  Vm  die  Miifreade  der  Vstar  s«  sokiklem,  keiasi  es:  Es  ta»^ 
aea  die  Btkansea  der  Bergti  des  Meer!  a.  t.  w. 


60  (:ap.  I ,  §  7. 

ümsongt!   Die  Erinnerung  an  frühere  Unthaten  •)  treibt 
den  Tyrannen  zu  neuen  Freveln:    seine  gefühlvollen  Traban- 
ten fallen  in  Ohnmacht  2).    —   Nach  geschehenem  Morde  re- 
den Bethlehems  Mütter  den  Tyrannen  so  an: 
Du  stets  verfluchtes  Ungeheur, 
Du  Basilisk  und  Abenteur!  .... 
Der  Henker  wird  dir's  Trinkgeld  geben !  u.  s.  w. 
Aber  diese   Weiber   sind  hier  zugleich   eine  Allegorie  ') 
für  das  durch  den  bald  dreissigjährigen  Krieg  verblutete  Herz 
Deutschlands,    wie  es   ein  das  Stück  beschhessender  Klagege- 
sang /feutschlands'    noch   deutlicher  darlegt.  —    Kurz   nach 
Beendigung  des  Krieges  (1650)  erschienen   dann  Job.   Klays 
Freudengedichte  der  seligmachenden  Geburt  Jesu  Christi. 
Es  ist  eine  Art  Singspiel ,  das  an  Unnatürlichkeit  Nichts  mehr 
zu  wünschen  übrig  lässt     Es  beginnt: 
Vortrab:     Tritt  Freundin,  tritt  herein: 
Lass  doch  das  Säumen  sein! 
Weil  Wind  und  Winter  schweigen, 
Der  Frühling  stellt  sich  ein, 
Es  singen  auf  den  Zweigen 
Die  Weihnachtsvögelein!  u.  s.  w. 
Kaiser  Augustus  fehlt  hier  nicht  *),  und  ist  auch  mit  Rö- 
mern umgeben.     Zur  Charakteristik  der  Hirtenscenen  diese  vv. 
Die  Engel  in  der  Luft  wie  Regimenter  ziehen, 
Zum  Schlagen  angefrischt,  jetzt  scheinen  sie  zu  fliehen. 

Man  höret  in  der  Luft  die  Kürissirer  fassein, 

Der  Flügelschlagen  rauscht,  die  Stückenräder  prasseln! 
Ein  Wettgesang   der  Hirten   zu   Ehren   Marias  und   des 
Kindes    enthält    gegenüber  diesem    militärischen    Bombast  5) 


1)  Ein  glücklicher,  doch  scbon  dem  Ueinsius  gehörender  Zug. 
Der  Geist  der  ermordeten  Gattinn  Marianne  namentlich  treibt  den  He- 
rodes  weiter  auf  der  Bahn  des  Frevels. 

2)  Darauf  heisst  es :  Herodes  tadelt  ihren  Ungehorsam  zwar  kürtz- 
lich,  doch  ernstlich. 

3)  Man  erinnere  sich  an  die  Rolle  Rachels  im  St.  Galler  W.  Sp. 

4)  Zuerst  sahen  wir  ihn  in  Joh.  Segers  ,Bona  nova'  eingeführt 

5)  Darin  lag  ausser  dem  poetischen  Reiz  noch  besondere  Courtoi- 
eie  gegen  den  schwed.  Feldmarschall  v.  Wrangel,  dem  die  , Freuden- 
gedichte' dedicirt  sind. 


Cap.  I,  §  7.  61 

Dan  wieder  redit  süssliche  Albernheiten.  Genug  daTon!  Zu 
■olcbem  Zerrbilde  war  das  Weib  nachtspiel  unter  den  Händen 
der  Gelehrten  schon  um  die  Mitte  des  XVII.  Jahrh.  gewor- 
den: während  Nachklange  der  populären  Behandlungen  sich 
bis  auf  unsere  Tage  i)    in    leidlicher  Frische   erhielten. 

Ausser  den  eben  besprochenen  literarischen  Weihnachtspie- 
Im  des  XVI.  und  XVII.  Jahrh.  sind  uns  noch  eine  Anzahl  Titel 
verlomer  oder  doch  ungedruckter  Stücke  bekannt,  die  man  bei 
Weinhold  p.  172  ff.  und  Wackemagei  (D.  Literatnrgescb.  p. 
449  ff.)  vergleichen  kann.  Art  and  Weiee  der  Behandlung  wird 
in  etwas  schon  mos  den  Titeln  selbst  ersichtlich:  jener  weit- 
schweifige und  bewusste,  den  Job.  Cuno  seiiier  tchönen 
christlichen  Action  von  der  Geburt  u.  s.  w.  *)  gegeben,  laset 
ans  den  ganzen  Apparat  des  gelehrten  Dramaturgen  äber- 
blicken.  —  Interessant  ist  auch  die  in  5  Actus  und  10  Pre- 
digten getheilte  geistliche  Comedie  Martin  Hammers  3),  inso- 
fern sie  die  Abstufung  des  geistlichen  Spiels  zur  Sermon-  oder 
Predigtlonii  auf  literarischem  Gebiet  *),  entsprechend  jener 
FlSehtirag  dramatischer  Trümmer  in  die  lyrische  Form,  wie 
es  die  populären  Spiele  zeigten,  klar  darlegt.  —  Noch  hebe 
ich  das  Jena  1666  gedruckte,  wunderliche  Stück  ^)  hervor, 
VM  sich  als  literarische  Redaction  eines  populären  Advents- 
tfitk  anweitt:  vielleicht  giebt  die  Jahreszahl  einen  Grund 
mehr,  jene  Gattung  nur  als  die  jüngste,  fast  entartete  Form 
des   popoliren  W.  Spiels   anzuerkennen  S). 

UebarbUdwn  wir  den  ganzen  Verlauf  des  Weihnachtspiels  in 
Deotacbland,  so  ist  uns  die  erste  Entstehung  aus  den  drei  kirchli- 
cben  Offim  /llr  den  6.  Jaiu,  den  35.  und  28.  Dec.  hoffe  ich,  zur 
Oeal(t  kUr  geworden  au  der  Betrachtung  der  beiden  Freisinger 
Denkmäler.    Eine  synoptiache  Zotammenfassung  dieser  drei 

•j      irma  OucrulcnrT  W.  8p.    «cnrint    noco  jPlil  BUIgPluiin  EU  W«T- 

dm,  toMl  also  dsss  ObsnMUMqpMsr  FwsionsspM  s«r  Seite  sa  stehea. 

t)    Am&em  Jahr  1&»S.  (TtifL  Wetebold 

>)    Aas  d«a  J*lir  1608. 

^  Aeeli  bei  Job.  Ssfcr  fcadsn  wir  «wisohepfssehoboe  Mr<Ut«- 
«10— a  «ad  VnUn,  \m  Klaj  «iaea  aaolifsschidrteB  Coauaentar. 

■)    VrrfL  Wrtnb    p    IM. 

•)  Zwd  IHMariMb«  AdTe«iS|Mele  sm  dta  Jahrm  1670  oad  1671 
w«r4«a  ftock  «rwikal  hH  PrAkl«  YoOnlieder  aad  ScbMisp.  p.  818  ff. 


62  C»p.  I,  §  7. 

Festmotive  zeigten  uns  der  Benedictbeurer  Ludus  und  das  St. 
Oaller  Weihn.  Spiel ,  ersteres  noch  in  lat.  Sprache.  Eine  jün- 
gere kirchliche  Feier  für  den  25.  Dec.  zeigte  uns  der  nieder- 
he88.  Ludus  de  uativitate  (mit  lat.  Spielordnuug):  diejenigen 
der  populären  Weihn.  Spiele,  welche  statt  dieses  Kindelwie- 
gens  noch  die  einfachere  Hirtenverehrung  oder  das  (nach  Ana- 
logie des  Dreikönigsopfers  gebildete)  Hirteuopfer  zeigen,  weisen 
in  der  Hauptsache  noch  auf  ein  höheres  Alter  hin  >)•  An 
das  Kindelwiegen  schliesst  sich  das  in  seinem  Grundgedanken 
gar  nicht  mehr  kirchliche,  vielleicht  nur  aus  dem  Bedürfniss 
des  Familienlebens  herausgewachsene  Adventspiel  2).  Die  li- 
terarischen Spiele  gehen  oft  mit  den  populären  Hand  in  Hand, 
oder  sie  versuchen  eine  Reaction  gegen  die  naive  Fortent- 
wicklung derselben ,  doch  ohne  zureichendes  Geschick  und 
ohne  dauernden  Erfolg. 

1)  Ich  erinnere  an  die  Wechsellieder  aus  Graez,  Mosburg,  Aussen 
und  Flattach.  —  Die  meisten  populären  W.  Spiele  stehen  freilich  auf 
der  ,Stufe  des  Kindelwiegens'  (wenn  man  so  sagen  darf),  doch  ist  es 
hier  bescheiden  und  sittiger  geartet  als  im  Niederhess.  W.  Sp. 

2)  Man  bedurfte  das  erwachsene  Christkind  mit  seinen  Heiligen, 
um  die  Kinder  beschenken  und  vorher  ermahnen  zu  lassen. 


Catp.  II. 

Ostercyclus. 

§  I.     iif  latHilückcM   f^tcraarhtfeirri 

Schon  im  Eioleitangspangraphen  ward  hervorgebobeD, 
wie  das  Osterfest  das  FandameDt  aller  christlichen  Feste  war 
und  jede  Sonutagsfeier  an  das  Osterfest  gemahnen  sollte.  Der 
groMartigen  orientalischen  Urliturgie  und  des  zwar  einfache- 
ren, immerhin  reich  symbolischen  römischen  Messrituals  ist 
gedacht  worden,  es  bleibt  uns  hier  übrig  für  die  eigentliche 
OtterMit  diejenigen  altkirchlichen  Uiten  aufzuweisen,  aus  de- 
BMI  sich  die  Osterspiele  ableiten  dürfen.  Dabei  halten  wir 
uns  wieder,  so  weit  als  thunlich,  an  einheimische  Quellen. 
Namentlich  kommen  hier  die  Nachrichten  Gerberts  in  seiner 
Vetos  Liturgia  Alem.  in  Betracht.  Vorher  möchte  ich  noch 
auf  einen  Synodalbetcblass  aus  Worms  rom  Jahr  1316  >)  hin- 
wetaen,  der  (trotz  der  Terbältnissmässig  jangen  Datimng)  noch 
die  ilteite,  reiu  symbolische  Weise  der  Oiutemachtfeier  schil- 
dtft,  aber  diese  selbst  schon  als  fResorrectionis  mysterium* 
beniebaei.  Wir  lernen  daraus,  dass  ein  am  Charfreitag  be- 
grabeass  Crodfix  (Cmcifixi  imaginem)  in  der  Obtemacht  oder 
am  frftben  Osiermorgen  aas  dem  in  der  Kirche  befindlichen 
Septtlcbmm  >)  feierlich  aofgehoben  ward ,  welchem  letzteren 
Act  das  Volk  stellenweise  eine  so  abergläubische  Wichtigkeit 
beilegte  ')  und  sich  so  uagestftm  daxn  herandrängte ,  dass  je- 

t^     Vrri?L   AU  Hifklrr  anA  Kirchs  ti.  34A  Anm      iHar/)i<  i\ 

^  Lmoer  orr  Auaaruo  uincium  »ej*uicnn  uci  uerben  ^vn.  i.it. 
IX,  1«  ^  «  Bswrwetioeb  Myst. 

^  V«vL  Ar  das  XTt  Jshrli.  Nsogvorgw  Rcffiii  Papiatici  Libr. 
IV   t».  IM  ft  (oadi  der  Aatf.  v.  1669). 


64  Cap.  II,  §  1. 

ner  Synodalbeschluss  für  Worms  festsetzte:  ut  Resurrectionis 
Myst.  ante  ingressum  plebis  in  ecciesiam  peragatur.  —  Eine 
symbolische  Darstellung  der  Höllenfahrt,  wie  sie  für  Schwe- 
den •),  und  eine  eben  solche  für  die  Bewachung  des  Grabes 
durch  Kriegsknechte,  wie  sie  für  England  2)  bezeugt  ist, 
wird  sich  wenn  auch  nur  stellenweise  leicht  auch  bei  uns  ge- 
funden haben.  Statt  der  Begrabung  und  Aufhebung  des 
Crucifixes  hat  man  sich  vielfach  auch  mit  Beisetzung  einer 
Hostie  und  Aufhebung  der  Monstranz  am  Ostermorgen  be- 
gnügt: namentlich  scheint  dies  in  Frankreich  3^  für  schickli- 
cher gehalten  zu  sein.  Einiges  derart  wird  weiterhin  noch 
erwähnt  werden. 

Es  begreift  sich  leicht,  dass  solche  rein  symbolische  Ihiud- 
lungcn  von  einer  auch  geistlich  ungebildeten,  leichtgläubigen 
Menge  oft  eine  willkührliche,  ja  phantastische  Interpretation 
erfuhren  *)  —  das  heilige  Zeichen  sank  dabei  fast  zum  Fetisch 
herab.  Die  Kirche  konnte  solchem  Unwesen  doppelt  entge- 
gentreten: entweder  (wie  in  jenem  Wormser  Verdict)  durch 
Ausschliessung  der  Laien  vom  symbolischen  Act:  oder  (und 
dies  scheint  mit  Recht  weit  häufiger  gewesen)  indem  man 
versuchte,  die  symbolische  Feier  5)  zu  einer  liturgisch-drama- 
tischen erweiternd,  nicht  nur  dem  Auge  sondern  auch  dem 
höheren  Autfassungssinn  des  Volkes  —  soweit  die  fremdblei- 
bende  Kirchensprache    es    zuliess  —   Unterhaltung  und   Er- 


')  Man  setzte  dort  am  Charfreitag  ein  Bild  des  Fegefeuers  auf 
den  Altar,  und  entfernte  es  am  Ostermorgen:  doch  ist  dies  erst  fiir 
das  XVI.  Jahrh.  bezeugt,  (cf.  Korlin  Sigismund  och  Svenska  kyrkan 
p.  79.  bei  Ljunggren  Sv.  Dzam.  p.  110.) 

2)  Vergl.  Du  Meril  p.  50. 

3)  Vergl.  Du  Meril  p.  43,  wo  freilich  die  rein  symbolische  Feier 
schon  mit  der  liturgisch-dramatischen  conhindirtlist,  und  p.  51,  wo  auf 
den  deutschen  Ritus  Bezug  genommen  wird.  Ob  das  dort  in  der  Note 
erwähnte  corpus  Christi  wirklich  für  eine  ,8tatue  d'iin  cailavrt''  oder 
nur  für  ein  Crucifix  zu  halten  ist? 

*)  In  Worms  war  der  Glaube  verbreitet,  wer  du-  i-Mi.uuiig  des 
Crucifixes  am  Ostermorgen  mit  angesehen,  dürfe  das  Jahr  über  nicht 
sterben.  —  Ueber  den  im  XVI.  Jahrh.  an  den  Oreus  paschalis  ge- 
knüpften Aberglauben    cf.  Naogeorgus  p.  151. 

5)  Auf  dieser  Stufe  scheint  ausser  der  jüdischen  Synagoge  im 
Ganzen  auch  die  orientalische  Kirch"   «t^'lifM>  .r..i,i;..i...i,  ./.■  c^-jn. 


c«p.  n,  s  1.  65 

bMumg  tu  bieten.  Zur  Eirreichung  dieses  Zwecks  scheint 
man  sich  aber  strenger  als  bei  den  entsprechenden  Riten  znr 
Weihnachtzeit  (deren  Bedeutung  für  die  christliche  Kirche 
onendiicb  geringer  war)  an  rein  kirchliche  Factoren  gehalten 
tu  haben :  wir  sehen  in  den  ältesten  liturgisch- mimischen 
Otterfeiem  fast  nur  Vulgatarerse  und  Hymnenstrophen  für 
den  Text  der  Composition  verwendet  i).  Zu  beachten  ist, 
dass  ranäcbst  nur  der  zweite,  weit  gewichtigere  Act  der  sym- 
bolischen Handlang  —  die  Auferstehung  3)  zur  andeutenden 
Darstellung  gelangte.  Zur  andeutenden  —  weiter  erlaubte 
dM  Scheu  Tor  dem  heiligsten  Mysterium  unsers  Christenglau- 
beos  Tor  der  Hand  nicht  zu  gehn.  Von  den  beiden  nun  zu 
be^recheDden  Stellen  Gerberts  handelt  die  eine  (Vet  Li- 
tsrg.  Alem.  II,  237,  cf.  Mone  Schauspiele  des  MA.  I,  p.  7) 
▼on  einer  wie  es  scheint  mehr  in  Klöstern  üblichen  Oster- 
feier  ').  Sie  bestand  darin ,  dass  zwei  Priester  in  einer  frauen- 
ihnlichen  Gewandung  und  mit  Rauchfassem  versehen,  mit 
der  bekannten  Schwermutsfrage  der  trauernden  Frauen  (Marc. 
XVI,  8)  dem  Grabdenkmal  sich  nähern.  Der  Anruf  des  En- 
gels (T.  6)  wird  dann  zunächst  in  eine  Frage  des  den  Ange- 
h»  gebenden  Priesters:  Quem  quaeritis?  ferner  in  die  Ant- 
wort: Jesnm  Nazarenum  —  schliesslich  in  den  Bescheid  des 
Angelas:  Non  est  hie  cet.  zerlegt,  und  diese  Rolle  noch  aus 
▼.  7  ergänzt  und  fortgeführt  Die  Antiphone:  Surrexit  Do- 
minus de  sepolchro !  *)  der  damit  wieder  in  ihre  Priesterfunc- 
tion  sich  wandelnden  Franenrollen ,  sowie  das  vom  Abt  ange- 
■ÜBinte  Tedtom  tcblieaet  den  liturgisch -dramatischen  Act. 
In  der  Regel  mochten  übrigens  nicht  zwei,  sondern  (nach  dem 
Ubitscben  Text,  z.  B.  Marc.  XVI,  I)  drei  Franenrollen  er- 
icheinen:    ein   ans   einem  Reichenauer   Cod.    saec.  XII.    bei 

>«ibi  frrilkh  m  bedenken,  ob  nicht  hier  idion  der  to 
»Qsfuhriiche  Berkht  der  EvaafeL  vor  freier  AaMchniackuDg  llager 
•elkftUte. 

>)    TttUeicbt  kam   not)  dam  der  ent«  Act  (die  Grable- 

geag)  sich  Kkon  schwierigf  oiine  di«  Bolle  ChrUti  lelber  dorehfUi- 


^    EMipreckesd   tkrer  AvBwrvBf  aas    frftheeten   (Mer  luorgen 
wSr<!r  mma  diaee  mad  andre  voa  Xooe  eof»oannt«n  OHerfeirrn  ^etuuier 
feiern  ta  bezeichnen  beben. 
»u»,naditer  bei  De  MAril  p.  W. 

b 


06  Cap.  n,  %  1. 

Mooe  I.  p-  8  mitgetheilte»  Bild  zeigt  in  der  That  diese  An« 
sahl  ansser  dem  Angelus.  —  Schon  entwickelter  ist  eine  andre, 
neben  dem  Marcus-,  auch  das  Johannesevangel.  nutzende 
Osternachtfeier.  (Vet.  Lit.  Alem.  p.  864;  Mone  I,  p.  8.)  Der 
Anfang  stimmt  zu  dem  obigen ,  doch  nach  dem  Bescheid : 
Kon  est  hie!  kehren  die  Frauen  unter  dem  wehmüthig-hofif- 
nungsvollen  Ad  monumentum  cet  >)  vom  Grabe  zurück.  Nun 
wird  nach  Anleitung  von  Joh.  XX,  4  der  eilige  Gang  des  Jo- 
hannes und  Petrus  zum  Grabe  vorgeführt,  indem  zur  Erklä- 
rung von  dem  (nicht  mitspielenden)  Clerus  der  Vers  Joh.  XX, 
8  gesungen  wird.  Die  beiden  Jünger  finden  die  leeren  Grab- 
tücher, die  sie  mit  den  Worten:  Cernitis  o  socii!  2)  den  zu- 
rückgebliebnen zeigen.  Das  Tedeum  macht  auch  hier  den 
Schluss. 

Diese  aus  Marc.  XVI,  1 — 7  und  Joh.  XX,  1—10  einfach 
combinirte  Osternachtfeier  wird  mit  geringfügigen  Variationen 
im  XII.  und  XIII.  Jahrb.  auch  über  die  Grenzen  Deutsch- 
lands hinaus  3)  verbreitet  gewesen  sein ,  und  dass  eine  wei- 
tere Ausbildung  leicht  genug  war,  liegt  auf  der  Haffd.  Der- 
artige über  den  Vulgatatext  hinausgehende  Fortbildungen 
werden  bei  Durandi  als  ,versus  licet  non  authentici'  gleichwol 
als  von  den  kirchlichen  übern  gern  geduldete  *)  bezeichnet. 
Derartige  Osternachtfeiern ,  etwas  freier  entwickelt ,  aber  noch 
ganz  in  der  Kirchensprache  bleibend,  sind  uns  aus  Deutsch- 
land fünf  erhalten,  meistens  bei  Mone  in  den  Schausp.  des 
MA.  mitgetheilt.  Sie  stammen  aus  süddeutschen  Hs.  des  12 — 
14.  Jahrh.  ^). 

Das  erste  Denkmal  dieser  Art,  einer  Einsiedler  Hs. 
des  XII.  Jahrh.  (bei  Mone  1,  p.  10  flf.)  entnommen,  zerfällt 
deutlich  in  zwei  Theile:  aber  auch  der  zweite,  sicher  ältere 
(Mone  p.  12),  vor  welchem   erst  die  üeberschrift   ,In  Resur- 


1)  Vollständiger  bei  Mone  I,  p.  13,  in  rythmischer  Fassung. 
Fundgruben  II,  p.  275. 

2)  VolUtindiger  bei  Du  Meril  p.  91. 

3)  Für  P'rankreich  vergl.  Durandi  Rationale  divin.  Offic.  L.  VI. 
De  nocturno  officio  sabbati  sancti.  (Bei  Mone  I,  p.  9.)  Hier  wird  also 
die  Ostemacbtfeier  noch  zum  ,gros8en  Sabbath'  gerechnet. 

4)  So  darf  man  das  ,non  improbamus'  wol  verdeutschen. 
&)    Nach  Mone's  Schätzung. 


Cap.  II,  %l.  «? 

rectioiie'  neb  findet,  lässt  seine  historische  Entstehung  wol 
gewahren.     Man  sieht,  dass  die  drei  ersten  >  n  (p.  12 

unten)  den  dann  folgenden  vier  >)  (p.  13  bis  > :  ...iuss  der 

AngelosroUe)  ganz  gleichlaufen.  Es  sind  eben  nur  zwei  Fas- 
•asgeo  ')  für  den  Text  bei  Marc.  XVI,  3 — 7:  auch  an  die 
erste  derselben  lässt  sich  dann  jenes  Selbstgespräch  der 
Frauen  ^)  und  ihr  Bericht  an  die  Jünger  (worauf  schon  das 
Tedeom  den  Schluse  bezeichnet)  unmittelbar  anschliessen  *),  — 
Wm  den  ersten,  in  der  IIs.  lückenhaft  überlieferten  Theil 
betrifft,  so  scheint  es  möglich,  dass  auch  Er  aus  zwei  Tbeil- 
cbeo  zusammenwuchs.  Da  nämlich  ein  ganzes  Bl&tt  in  der 
Ha.  fehlt  ^j,  ist  anzunehmen,  dass  Tor  dem  ,centurio'  (p.  12) 
nicht  nur  der  Str.  Anfang: 

In  hoc  magnus  decurio 

Ac  nobilis  .  .  . 
sondern  auch  die  beiden  noch  voraufgehenden  Str.  des  bez. 
Hymnus  ^)  ausgefallen  sind.  Ebenso  mag  Ton  dem  in  der 
Hs.  Toraufstehenden  Wechselgesang  der  Propheten  und  des 
Chors  —  der  Nichts  für  das  Osterfest  speciell  passendes  ent- 
hält, und  rielleicht  eigentlich  auf  dem  Weihnachtsfest  be- 
ruhte 7)  —  der  Schluss  verloren  sein.  —  Wie  diese  Einsiedler 
Osterfeier  sich  als  (in  der  Hauptsache  nach  vorn  ausgeführte) 
Erweiterung  der  ersten  oben  besprochenen  Mittheilung  Gerberts 
stellt,  tritt  jener  zweiten  (worin  der  Wettlauf  der  Apostel 
nach  Job.  XX.  aufgenommen)  ein  zuerst  bei  Kurz^),  dann 
bei  Du  Mehl  ')  aufgenommenes  Osteroffiz  aus  Kloster  Neu- 


d«r«n  8t<  a  iit. 

*)    bie  rriic  üQüei  lieh  fiirt  wörUich  (iinimriia    lu   einer  Pariser 
Bs.  de«  XL  Jakrh.  wiMier,  Ttrgl.  Du  Mini  p.  97  N.  1. 

*)    Dicaot  noso  Jadaei  e«U    YtrgL  Mone*«  Not«. 

Dtraer  biahrr   beaprochcne   tweit«    Theil    aaoh   bei  Du  Miril 

M-n.     i, 

I»u    M-r.,  lliitunili(f. 

.»i;rri.    Villi   Alter«  <Ia«  pro- 
.  lil  t  M  (1,  li  rii"  lir  v<r<iiuelt. 
.1  111      Ih    11.  y.   4j:,  fr    -    Du  Ei- 
"■   '«rbraui-l». 


*) 

Dtraei 

p.  100. 

») 

Vrri;! 

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Vrrjjl 

*) 

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toal  war 

•) 

I 

68  Cap.  n,  §  1. 

bürg  zur  Seite.  Die  (auf  dem  Gebiet  geistlichen  Schauspiels 
nicht  80  häufige)  sorgfiiltige  Redaction  macht  dies  Denkmal, 
das  auch  durch  eine  ausführliche  Spielordnung  erläutert  wird, 
zu  einem  recht  wertvollen  i).  Ich  gehe  zu  dem  bei  Mone 
p.  22  mitgetheilten  Bruchstück  über,  freilich  erst  einem  An- 
tiphonar  des  XIV.  Jahrh.  aus  Reichenau  entnommen,  und 
gerade  in  dem  wichtigeren  Anfangstheile  so  verkürzt,  dass 
wir  von  diesem  nur  die  Worte  der  Pueri  2): 

Certe  raultis  argumentis 

Signa  vidi  resurgentis: 
übrig  haben  —  das  noch  Folgende  ist  eben  nur  die  Sequenz 
Victimae  paschali  in  ihrem  zweiten  Theil  (von  ,Dic  nobis  Ma- 
ria' an),  den  man  aber  wol  als  einen  ursprünglich  selbständi- 
gen, und  von  dem  Character  einer  Sequenz,  so  weit  ich  ur- 
theilen  darf,  fernliegenden  ansehen  muss  3):  ich  nenne  die- 
sen, für  unsre  Untersuchung  weit  wichtigeren  andern  Theil, 
wie  er  bei  Mone  p.  22  zu  lesen,  das  Responsorium  Die  nobis 
Maria.  Dieses  schliesst  sich  nun  scheinbar  an  den  Bericht 
bei  Marcus  oder  an  das  erste  Beispiel  bei  Gerbert  an,  denn 
die  Jünger  gehen  hier  nicht  selbst  zum  Grabe,  fragen  viel- 
mehr (im  freien  Anschluss  an  Marc.  XVI,  7)  die  Maria  (Mag- 


1)  Ich  verweise  noch  auf  das  schöne,  hier  vollständig  erhaltene 
Responaorium ,  ,Surrexit  pastor  bonus'  zu  Anfang.  Der  Text  wird 
durch  Du  Merils  Noten  zur  Genüge  erläutert. 

2)  D.  h.  der  beiden  Frauenrollen.  Das  angeführte  giebt  Mone 
der  Magdalena. 

')  Es  ist  wol  zu  beachten,  dass  in  diesen  alten  Osterfeiem  uie 
beide  Theile  zusammenhängend  verwandt  werden,  wenngleich  die  Be- 
zeichnung Victimae  paschali  für  das  Ganze  schon  durchgedrungen  er- 
scheint. —  üeber  die  ganze  sog.  Ostersequenz  Vict.  pasch,  hat  Gries- 
haber  in  einem  von  Du  Meril  p.  102  N.  1  scharf  kritisirten ,  doch 
geistvollen  Schriftchen  (Karlsruhe  1834)  gehandelt.  Dort  ist  p.  10  das 
Ganze  mitgetheilt,  aber  nur  der  erste  Theil: 

Victimae  paschali  laudes  immolent  Christiani! 

Agnus  redemit  oves:  Christus  innocens  patri  reconciliavit  peccatoresi 

Mors  et  vita  duello  conflixere  mirando! 

Dux  vitae  mortuus  reg^at  vivus ! 
g^lt  mir  als  Sequenz  ,Victimae  paschali'.  —   Diese  mag  ziemlich  alt 
sein,   doch  ist  über  Zeit  der  Entstehung  und  Verfasser  bisher  Nichts 
Sicheres  bekannt.  — 


Ctp.  n.  §  1.  69 

dakna)  Quid  ridisti  in  m  i)?  Aber  wenn  Maria  entgegnet: 
«Aogelicoc  testes,  sndarium  et  vestesS  so  bezeugt  dies  indi- 
recte  Benutzung  auch  Ton  Job.  XX,  t.  3—7,  oder  ?od  dem 
sveiten  Beiq)iel  bei  Gerbert:  denn  das  Sudarium  wird  eigent- 
lich Ton  den  Jungen  '  den  2).  —  Den  Scbluss  des  Bee- 
ponsoriams  bildet  k.  ^  Kinstimmung  des  Chors  (der  ans 
der  JüngerroUe  hier  mehr  in  die  Vertretung  der  cbristiichen 
Oemainde  traosfigurirt  wird)  in  das  Zeugniss  der  Maria. 

Von  jener  Reicbenauer  des  XIV.,  kehren  wir  zu  einer 
Licbtenthaler  Hs.  des  XIII.  Jahrb.  3)  zurück  —  aus  dem 
Grunde,  weil  wir  dort  kaum  etwas  mehr  als  das  Respons. 
Die  nobis  Maria  fanden,  hier  aber  dasselbe  in  mehrfach  va- 
riirter  Anwendung.  Was  den  das  Denkmal  eröfinenden  Chor- 
gernig  (bei  Ifone  I,  p.  19  ff.)  betrifft,  so  nähert  er  sich  in 
•einem  Gedankengang  der  eigentlichen  Sequenz  Victimae  pa- 
■cbali  *).  Aber  cwischen  diesem  Hymnus  und  dem  Respons. 
Die  nobis  Maria  erscheint  nun  jene  Eingangsfrage  des  letzte- 
ren fünfmal  mit  der  nöthigen  Variation  und  bezüglicher  Aen- 
denmg  der  Antworten  Marias  zu  dem  Zweck  voraufgenom- 
man,  ans  Maria's  Ton  Magdala  Munde  ^)  auch  über  das  Lei- 
den and  den  Tod  Christi  eine  Art  erbaulicher  Belehrung  zu 
gaben,  bis  dann  schliesaUch  in  die  Bahn  des  ursprünglichen 
Ottar-Ba^onaorinms  eingelenkt  wird  ^).     Hier  finden  wir  also 


I)    Dis  Wort«   gtkina  don  Chor  nach  der  Bs.     Dmnmter  hat 
I  neh  smielMt  doch  wol  die  JAnger  ca  denken-    VergL  Qriecha- 
p.  11,U. 

^  MÜ  dianr  iadirMlca  Dtuutiung  haben  «ch  Tsntindige  Ra- 
bagaflgt  la  don  Text  bei  Mone  p.  18  vnten,  p.  19  oben 
wird  flwiUeb  aa  da«  Boepoi».  Die  nobis  Marim  noch  der  WeiUaof  dar 
iiagar  Mgaasble«w,  doeh  ia  Weiaa  aiaar  «anAthigaa  nad  anga- 


>)  Diaao  7iiitliiatiBiBwima  aUa  aadi  Mob«.  Daaelbot  find«!  Moh 
I.  p.  19—21.  bai  IHiMMl  p.  108  daa  DeakauJ,  bat  a  Raidt  (Das 
g«M.  Buhaasphil  d«s  MA.  ta  DovtacUaad  p.  90)  ab  eins  der  »Brach- 
•Meka'  kam  gaaaaat,  di«   ikaiaa  aaaa  EatwicklongMtafe  daa  gaisli 


«)    VargL  &  68  Hol«  t. 
^    TargL  Bv.  Job.  XCK,  ». 

*)    la  d«r  Ha.  wird  daa  balwat«  Mtaal  aar  nit  dm  Anfangs- 
i:    Die  aobis  Maria  qaid  vidisli  ala.  aagafUii.  -  Das  hat  Mose 
■ad  B«i*  wal  aarlaitot.  «asar  Dodboal  flhr  ein  Bracbiiiok 


70  Cap.  n,  §  1. 

Euerst  Charfreitagsmomeute  in  die  Osterfeier  mit  aufgenom- 
men :  bei  den  in  §  2  zu  betrachtenden  Marionklagen  werden 
wir  noch  hieher  einen  Rückblick  zu  thun  haben. 

So  kommen  wir  zu  dem  letzten  und  umfangreichsten  der 
lateinischen  Osternachtfeiern,  das  uns  bei  Mone  ')  in  zwei 
Recensionen,  einer  aus  Ein  siedeln,  die  noch  dem  XIII. 
Jahrb.,  und  einer  aus  Engelsberg,  die  vom  Jahr  1372  2) 
datirt  ist,  mitgetheilt  ist.  Beide  stimmen  in  allem  Wesentli- 
chen soweit  überein,  dass  sich  ihre  Betrachtung  hier  leicht 
vereinigen  lässt  3).  —  Als  Kern  des  Ganzen  ist  wieder  der 
auf  Marc.  XVI,  3  ff.  beruhende  Text  von  ,Quis  revolvet'  bis 
,quia  surrexit  Jesus'  (Mone  I,  p.  16.  oben,  cf.  p.  24,  25)  zu 
betrachten,  etwas  freier  eingeführt  in  der  Engelsberger  Rec. 
—  Dieser  Kern  ist  nun  zunächst  durch  zwei  lateinische  Hym- 
nen *),  die  nebst  einem  bald  zu  nennenden  dritten,  in  sehr 
vielen  spätem  Osterspielen  wieder  begegnen,  wie  sich  zum 
Theil  sogar  aus  derartigen  spätem  Stücken  Einiges  für  die 
kritische  Behandlung  derselben  lernen  lässt  5). 

ben,  da  es  doch,  wenn  man  sich  das  Respons.  ausgeschrieben  denkt, 
vernünftigerweise  Nichts  mehr  erwarten  lässt. 

1)    Schausp.  des  MA.  I,  p.  15  ff.,  p.  22  ff. 

')  Trotz  dieser  späten  Jahreszahl  wird  die  Aufführung  in  der 
Ostemacht  (in  vigilia  pascae)  noch  ausdrücklich  bezeugt.  Ob  Mone's 
Ansicht,  dass  diese  zweite  Rec.  nur  von  den  Chorstühlen  aus  gesungen, 
nicht  eigentlich  agirt  sei,  zutrifft,  steht  dahin  —  sie  stützt  sich  auf  die 
fehlende  Spielordnung,  die  aber  leicht  als  bekannt  gelten  durfte, 
und  auf  den  mir  etwas  geringfügigen  Umstand ,  dass  in  der  Kingangs- 
notiz  von  einem  ,opu8'  nicht  einem  ,ludu8'  geredet  wird.  Aber  ,ludus' 
oder  ,Spiel'  ist  für  diese  streng  kirchlichen  Feiern  nicht  der  Ausdruck: 
sondern  ,officium',  wofür  ,opus'  wol  synonym  stehn  durfte. 

3)    Auch  Du  Meril  giebt  p.  101  ff.  nur  die  Einsiedler  Rec. 

*)  Der  erste  für  den  Gang  der  drei  Frauen  zum  Grabe  bestimmt, 
beginnt  ,Heu  nobis  intemas  mentes',  der  zweite  beginnt  wol  erst  mit 
,Cum  venissem  ungere  mortunm',  da  die  Str.  ,£n  angeli  aspectum  vi- 
dimus,  die  ich  abgesehn  von  der  Doppelrec.  dieser  Osterfeier  nicht 
belegen  kann,  nur  als  Vorspiel  anzusehen  scheint. 

5}  So  ist  die  letzte  Str.  des  ersten  H.  mit  Sicherheit  nach  Fand- 
grube II,  p.  275  abzuschliessen  mit: 

et  ungamus  corpus  eins 
oleo  sanctissimo. 
Der  zweite  H.  scheint  mir  nach  Mones  Altd.  Seh.  p.  139  ff.  besser  so 
zu  ordnen,  daes  die  Str.  ,Dolor  crescit'  den  SchlusB  bildet. 


Cap.  n.  S  1.  71 

Nach  dem  iveiten  HyinDus  (der  auf  S  Str.  beschränkt 
nun  der  llagdalenarolle  allein  zufällt)  weichen  beide  Recen- 
nonen  darin  von  einander  ab,  dass  die  nach  Job.  XX^  13  ff. 
aufgenommene  Elracheinung  des  auferstandenen  Gott-Sohnes  *) 
in  der  Einsiedler  Bec  (in  etwas  künstlicher  Weise)  so  einge- 
führt wird,  dasB  unter  dem  Ge&ange  des  Chors  ,(Jna  sabbati' 
Job.  XX,  1)  die  Frauen  aufs  Neue  zum  Grabe  eilen  2),  indem 
Maria  Magd,  die  («gentiiche)  Sequenz  ,Victimae  paschali' 
singt.  —  In  der  Engelsberger  Rec.  dagegen  folgt  die  Ersclici- 
Dung  des  Herrn  unmittelbar  auf  jenen  Hymnus  der  Magda- 
lena, was  weit  glücklicher  scheint  3).  —  Die  Rolle  der  Do- 
minica persona  ist  zunächst  in  schlichtem  Anschluss  an  die 
Vttlgata  (Job.  XX,  15,  16),  dann  aber  lyrisch  ausgeführt:  in- 
dem die  4  Str.  des  (auch  sonst  oft  begegnenden)  ^)  auf  Job. 
XX,  17  beruhenden  Hymnus  , Prima  quidem  suffragia'  der 
Dominica  pers.  gehören,  während  Magdalena  auf  die  3  ersten 
Str.  mit  je  einem  Gliede  des  altkirchlichen  Trishagion  ')  ant- 
wortet ,  auf  die  letzte  in  der  Engelsberger  Rec.  nun  mit  dem 
,Victimae  paschali',  das  sich  von  der  bereits  wieder  Terschwun- 
dnes  Dominica  persona  zu  der  christlichen  Gemeinde  hin- 
wendet   Minder  glücklich  scheint  mir  der  Abschluss  der  Ein- 


I)  Man  beacbt«  den  wichtigen  ForUchritt  in  der  dramatischen 
Aubildaag,  die  in  der  Einführung  dieser  Rolle  lag. 

*)  I>er  Bjrmn.  ,Cam  Tenissem  angere  mortaum'  wird  als  an  den 
C^or  (der  Jftager)  mnwmfiich  in  der  Einaiedler  Bea  gerichtet  gedacht, 
ia  dar  BBgelsbeifsr  erselurfal  er  mite  asoiiolegMitg. 

>|  Die  Frage,  welche  die  beiden  Bea  wir  aus  innem  Orflnden 
Ar  iller  n  haltca  haben,  iei  adiwer  ta  beantworten:  geaehickter  re- 
dififi  eeheiBA  mir  durchao«  die  Engelabeiger. 

^    Biaig  aJUrdinga  cormpt,  namentlich  bea.  der  eraien  SU-.  — 
Dieae  eracbaiat.  bei  Meae  I  ,p.  17  (p.  36)  dwrchaoa  in  ihrer  richtigen 
FtsBOf ,  aa  der  mA  Mooe  (p.  17  Aan.  8)  wUhi  bitte  mi« 
fm.    Yeti^ekiMnf  mit  der  sweitea  8(r.,  die  offeabar  antix 
aar  ersCea  aiebt,  seigt  die  Richtigkeit  der  allerdings  etwaa  aehwerfU- 
Urm  Strvtlmr  ven  84r.  1. 

•^aaeta  dcoa  —  aaaele  fortia  —  aanete  immortalia!  Miaerera 
■oou:  Ali  nahataatieiig  einea  AMera  grieehiaabea  Textes,  der  sich 
aebea  dam  lat  aaeb  ia  der  itailaebea  Kirohe  erbalten  hat  (in  Rom 
wiri  aoeb  Jetrt  aai  Clnrttttt%  daaTWabigioa  ia  beidMSpraebea  ge- 
aaag«^  aad  afeb  waeig  aotatelll  aaek  noch  in  einem  altfranc.  Mvstira 
(Jabiaal  L  p.  86,  66)  findet. 


72  Cap.  II,  §  2. 

Siedler  Rec.  Damit  wären  die  rein  lateinischen  Osicrieiern 
vorgeführt :  ausser  Betracht  bleibt  hier  der  sog.  Ludus  pascha- 
lis  de  adventu  et  interitu  Antichristi ,  der  eben  gar  keine  Ver- 
bindung mit  dem  Osterfeste  zeigt  '),  sondern  nur  um  die 
Osterzeit  aufgeführt  sein  mag.  Gelegentlich  sei  noch  erwähnt 
das  Osterspiel  zu  St.  Florian,  dessen  bei  Pez  Script  rerum 
Austr.  II,  col.  268  gedacht  wird  2)  —  um  die  Mitte  des  XIII. 
Jahrh.  von  Geistlichkeit  und  Volk  gespielt,  schwerlich  also 
noch  ganz  lateinisch  verfasst 


§  2.     Lndi  de  nocte  paschae  ood  narlenklagen. 

Der  Ausdruck  ,ludu8'  bezeichnet  den  Uebergang  vom 
streng-kirchlichen  .officium'  zu  einer  freiem  Entwicklung. 
Diese  giebt  sich  in  den  hier  zu  besprechenden  ,Ludi'  nur  im 
ersten  meist  interpretationsartigen  Eindringen  der  deutschen 
Sprache  kund  :  die  Auflführungszeit  ')  und  die  Composition  des 
Textes  bleibt  unverschoben.  In  einer  Trierer  Hs.  des  XV. 
Jahrh.  *)  ist  uns  ein  ,Ludus  de  nocte  paschae.  De  tribus 
Mariis'  erhalten ,  der  sich  in  seinem  lat.  Kern  eng  an  die 
Einsiedel  -  Engelsberger  Osterfeier  anschliesst.  Weniger  gilt 
dies  vom  Vorspiel ,  d.  h.  dem  vor  dem  ältesten  Anfangspuncte : 
Quis  revolvet?  5)  stehenden  Theil;  der  Eingangshymnus  ,Heu 
nobis  internas  mentes'  wird  durch  die  folgenden  Str.  in  deut- 
scher Sprache  mehrfach  schon  weiter  ausgeführt  6),   und  das 


1)  Wie  dies  auch  Da  Meril  p.  35  Note  1  bemerkt. 

2)  Vergl.  Fundjfr.  II,  p.  242.  Ebendort  ist  p.  241  von  einem  lei- 
der verlornen  Osterepiel  aus  Kloster  Keuburg  der  Anfang  (ebenfalls 
nach  Pez)  mitgetbeilt,  auf  den  ich  noch  hinweisen  werde. 

3)  Und  damit  sicher  auch  der  Ort:  die  Kirche. 

4)  Bei  Hoffmann  Fundgr.  H,  p.  272  ff. 

5)  Fundgr.  II,  p.  274,  7. 

•)  Namentlich  scheint  die  Str.  der  Prima  Maria  (hier  =  der  Mut- 
ter des  Herrn)  nach  Analogie  der  sog.  Marienklagen,  deren  eine  in 
der  Trierer  Hs.  unmittelbar  voransteht,  ausgeschmückt;  die  Str.  der 
See.  Maria  zeigt  dagegen  correct  die  Interpretationsstufe,  und  auch 
die  beiden  ersten  Reimpaare  der  Tert.  Maria  stehen  ebenso,  während 
das  Folgende  (p.  273,  31  —  274,  3}  ein  gar  nicht  so  übler  Zusatz  jün- 
gerer Hand  ist. 


C»p.  n,  §  2.  73 

folgende  lat  Tristichon  (p.  274,  4 — 6)  deutet  schon  genauer 
alt  das  SchloBsdistichon  des  ersten  lat  H.  auf  jenen  Gang 
zum  S&Ibenkr&mer,  der  ausgeführt  hier  freihch  noch  nicht 
•ich  findet.  Was  das  Weitere  anbetrifft,  so  bleibt  hier  das 
Verbältniss  von  lat  Text  und  deutscher  Paraphrase  gesicher- 
ter: ein  neuer  H.  (Jesu  nostra  redemtio)  findet  sich  (p.  275, 
s.  22)  noch  ohne  Paraphrase  aufgenommen :  der  H.  ,Cum  ve- 
piMm  ungere  mortuum*  hat  die  (mittlere)  Str.  hier  einge- 
bfiMt,  dagegen  ist  mehrfach  ein 

Heu  heu  redemptio  Israel, 
Ut  quid  mortem  sustinuit!  i) 
eingeflochten.    In  einer  leicht  humoristischen   Frage  des  Er- 
Ifitert  (p.  276,  6—9)  erkennen  wir  spätere  Hand,  desgleichen 
in  dem  abschliessenden,  poetisch  würdigen  Epilog  der  Maria 
(Magdalena).  >) 

Nicht  direct  als  Ludus  de  n.  paschae  bezeichnet,  aber 
dem  eben  besprochnen  Trierer  Ludus  sehr  nahe  stehend,  ist 
ein  Wolfenbüttler  bei  S(t  in  3).     Die  Fortbildung  ist 

hier  hauptsächlich  in  dem  v  aufgenommenen  Gang  zum 

Salbenkrämer  sichtlich,  der  aber  noch  in  den  Anfängen  hu- 
moristischer Behandlung  bleibend,  den  altkirchlichen  Charac- 
ter  der  Rec.  im  Ganzen  nicht  sehr  gefährdet  —  Eröffnet 
wird  unter  Stück  nach  kurzem  Eingang  wieder  durch  den  H. 
^en  Dobis  internas  mentes^  *),  dem  die  deutschen  Gegenstro- 
pben  hier  noch  etwas  genauer  folgen  als  im  Trierer  Ludus. 
Dagegen  wird  durch  den  folg.  H.  ,Omnipotens  pater  altis- 
)*,  eowie  die  schon  erwähnte  Krämerscene  ^  das  Vorspiel 


I;    Nach  Je«  Nergl.  AJtd.  Sohaosi 

I)    Duia  dsM  cux  »ukher  Epilog  an  die  Zutcluiuer  nw 
Der  iUoptroIle,  niebi  etwa  einen  Praecarsor  dergl.  geepro«..  i, 

wmhrt  eich  ein  alt>kirchlicher  Cbarscter,  deegleicbcn  in  dem  laleUt 
•BfeeUauatea  »Ticttame  patcbeli*,   wobei   wol   nur  an  die  eigeotliche 


Stedeafril  «.  MarieakUg«  P-  149  fl.  —  Besflge  wa  verwaadten 
sind  dort  rialfMÜi  in  Noten  aDgesMckt.  —   Die  Hs.  gehört 
gWeUalls  d«B  XT.  Jnhrk 

9)    r%r  den  ScUaae  der  leteUo  8lr.  fladet  sidi  hier  eiae  Variante 
eleu  der  bei  HoAnaan  Foadgr.  II,  278  and  Altd.  Schaaepiele  p.  IM 


^   Aatk  äier  ilsfcea  Mters  Isteinisfthe  jangerea  «nd  weiUtoflgetp 


74  Cap.  n,  §  2. 

ungewöhnlich  erweitert.  —  Das  eigentliche  Hauptstück  (die 
Frauen  am  Grabe)  folgt  eng  dem  Trierer  Ludus:  der  H.  ,JeBU 
noßtra  redemptio'  findet  sich  hier  (p.  157)  ausgeschrieben. 
Auch  der  H.  ,Cum  venissem  ungere  mortuum'  ist  vollständig 
und  in  der  oben  für  richtig  befundenen  Strophenfolge  aufge- 
nommen. Desgleichen  p.  162  ff.  der  Prima  quidem  suffragia- 
hymnus  ').  Auch  in  dem  freudigen,  allen  Sündern  gegebenen 
Trost,  wie  ihn  Magdalena  hier  p.  165  ausspricht,  und  dem 
folgenden  ,Victimae  paschali'  (das  uns  hier  nun  lateinisch  und 
deutsch  begegnet)  ist  der  Trierer  Ludus  in  seinem  Schluss- 
theile  wiedergegeben,  was  hier  weiter  noch  folgt  (Magdalenas 
Botschaft  an  Thomas ,  dessen  Unglauben ,  Erscheinung  des 
Salvators  für  ihn,  schhesslich  das  verdeutschte  Respons.  Die 
nobis  Maria)  2).  —  das  Alles  beruht  auf  einem  Weiterspinnen 
des  Fadens,  wie  es  mit  ungeschickter  Verwerthung  alter  Ri- 
tualstücke ein  jüngerer  Redactor  wolgemut  sich  erlauben 
mochte.  —  Die  Sprache  des  Denkmals  ist  lateinisch  —  nie- 
derdeutsch. 

Mit  diesen  beiden  Ludi  ist  voraufgehend  ein  ,Planctu8 
Mariae  virginis'  3)  verbunden,  und  solcher  Marienklagen  sind 
uns  ausserdem  noch  mehrere,  für  sich  stehende,  erhalten. 
Der  Charfreitag  ist  nach  alt-  und  streng-christlicher  AuflFas- 
sung  zu  sehr  ein  Tag  des  P'astens ,  der  Stille,  des  Bussgebets, 
als  dass  sich  sobald  eine  freiere  poetische  Feier  für  ihn  hätte 
geltend  machen  dürfen  ^).     Nur  im  (vorgreifenden  Anschluss 

deutschen  Strofen  noch  gegenüber.  Die  ganze  Krämerscene  (p.  152— 
154  unten)  Hesse:  sich  übrigens  auf  eine  doppelte  Recension  zurück- 
führen, der  erste  Theil  (Str.  g.  —  v.  42)  wird  in  dem  zweiten  (Str.  e. 
—  V.  68)  eben  nur  etwas  redseliger  und  in  jüngerem  Geschmscke 
wiederholt.  Die  Correspondenz  lat.  und  deutscher  Str.  findet'  sich  nur 
im  ersten  Theil. 

I)  Die  erste  Str.  etwas  corrupt,  doch  will  Schönemann  diese  Fas- 
sung überall  hergestellt  haben,  indem  er  ihr  eine  recht  wunderliche 
Deutung  auf  Maria  (die  Mutter  des  Herrn)  giebt,  wozu  ihn  wol  nur 
die  etwas  weitläufige  deutsche  Paraphrase  im  Text  verführt  hat. 

*)  Hier  erscheinen  als  die  Fragenden  die  beiden  andern  Marien : 
die  antwortende  musste  natürlich  Maria  Magdalena  bleiben.  —  Bez. 
der  Thomasscene  ist  die  Note  des  Hrg.  167  zu  beachten. 

3)  Die  Marienklage  der  Wolfenbüttler  Hs.  wird  als  ,Ludus  pa«- 
sionis'  eingeführt,  was  der  letzten  Redaction  zuzuschreiben  i?t. 

*)    Selbst  das  lautere  Singen  von  Busspsalmen  war  in  der  alte- 


Cap.n,5  2.  75 

an  die  schon  rorhandene  Osternachtfeier  wa(;te  es  das  christ- 
liche Geftihl  auch  für  die  ,Magna  sexta  feria'  (den  Charfrei- 
tag)  einen  positiven  ■)  Festschmuck  einzuführen,  doch  wol 
nicht  ohne  Einfluss  des  mit  dem  XII.  und  XIII.  Jahrh.  mäch- 
tig aufblühenden  Mariencults.  Insofern  wir  diesen  mit  Recht 
an  das  römische  Weihnachtfest  als  seine  Hauptstütze  geknüpft 
haben,  dürfen  wir  auch  die  Marienklage  des  Charfreitags  als 
eine  Rückwirkung  des  jungem  Weihnacht-  auf  das  ältere 
Otterfoat  anerkennen  >):  namentlich  da,  wo  diese  Charfrei- 
tafdbier  mit  einer  die  Totalide«  der  christlichen  Osterzeit  be- 
einträchtigenden Vorliebe  behandelt  und  so  zu  einem  retardi- 
renden  Element  für  die  Ausbildung  des  historisch-synoptischen 
Osterspieb  wurde,  wie  solche  schon  im  XIII.  Jahrh.  mehrfach 
erstrebt,  aber  durch  noch  andre  Gegenströmungen  aufgehal- 
ten '),  erst  im  XV.  u.  XVI.  Jahrh.  sich  siegreich  durchsetzte. 
Wir  betrachten  in  diesem  §  zunächst  die  Pflege  des  ,Planctu8 
Mariae  Tirginis*  im  Zusammenhang  *) :  im  nächsten  die  (ent- 
veder  glei<  '•  ••.  oder  selbst  noch  früheren)  Anfänge  syn- 

0|»tiecher  u  :..,.. Je,  da  letztere  für  den  Schluss  der  Ent- 
wicklang gewichtiger  werden.  —  Das  Vorspiel  einer  Marien- 
Uage  sahen  wir  schon  im  vorigen  §  in  einer  Lichtenthaler 
Hb.,  rfickw&rts  gefolgert  aas  dem  Osterresponsorium  ,Dic  no- 
b»  Maria*. 

Die  erste,    wirkliche  Probe    dieser  Gattung    finden  wir 


•Un  Zeit  am  CSiarfreitag  kaum  ge«tattet  (V«rgL  AH  ChrUtl.  Lultus  II, 
p.  S8).  Dm  ,ETangeUiiin'  ward  io  »piterer  Zeit  (vergL  866  fll,  wo  auch 
die  Ifl^ropcri*  der  Meeee  mitgetbeilt  n  XVIII.  Cap.  des  Johan- 

sc«  gewihh,  WM  f&r  die  Anfing*  •^  r  Bebanc^luDg  (io  §  8)  lu 

beechita. 

I)    Die  etreagkirehUe))«  ^  hat  in  ihrer  Entfemang 

dee  CnicifiMa  (bis  ran  Oeteraiorgen)  der  Verhailong  dea  Altar«,  dem 
Veretemwen  der  Olookett,  der  Miobtoaetheibuif  dM  Becrmmeoti  u.  a. 

S)  Hkr  im  weitem  Sinne,  wo  ee  den  Charfr^itf 
Letalerer  ■MauBi  darin  raaa  Wiihaaehtleet,  da«!  die  m 
t«r  Cbncti  Uer  in  den  Vordergrand  tritt. 

>>    Wir  koamen  dnraof  «Iber  im  4.  |. 

Die  Anflftbroog  darf  man  eich  andi  mir  am  Abend  dea  Cbar* 
rrvitagi ,  wo  man  dae  Leides  das  IHAstre  gs— digt  dachte ,  voratal* 
Um  iSmitae  Feria«  «ttlaa  pars*  heisst  ••  tor  der  Trierer  M.  Dag«. 


7«  Cap.  n,  8  2. 

gleichfalls  in  einer  Lichtenthaler  Hs. ,  die  Mone  ')  noch 
dem  XIII.  Jahrh.  zuweist.  Hohes  Alter  bezeugt  namentlich 
der  Schluss  2),  und  für  die  eigentliche  Marienklage  die  Ein- 
fachheit der  Composition:  nur  Maria  (Mater  Dom.)  und  Jo- 
hannes evangel.  treten  auf,  gemäss  jener  Notiz  Joh.  XIV,  26, 
27 ,  die  man  freilich,  so  lange  die  Figur  des  Erlösers  nicht 
dargestellt  wurde,  direct  nicht  verwerten  konnte.  Dagegen 
durfte  die  Weissagung  Simeons  (Luc.  II,  35)  als  Ausgangs- 
punct  für  die  Rolle  Maria's  genommen  werden  3).  Im  Wei- 
teren hat  man  sich  wol  vielfach  an  kirchliche  Marienhymnen, 
welche  die  gleiche  Situation  *)  (Maria  unter  dem  Kreuze  ih- 
res Sohnes)  darstellen ,  gehalten :  namentlich  vergleiche  man 
den  bei  Mone  II ,  p.  362  flf.  mitgetheilten  Hymnus  des  Bona- 
ventura ,Planctu8  ante  nescia  5),  Doch  verhielt  sich  die  deut- 
sche Nachbildung  hier  schon  freier,  wie  denn  für  die  Johan- 
nesrolle mir  lat.  Vorlagen  überhaupt  nicht  bekannt  sind.  Be- 
sonders frei  und  selbstständig  gestaltet  sich  die  Benutzung 
jener  lat.  Hymnen  gerade  in  unserer  Lichtenthaler  Rec,  de- 
ren (allerdings  auf  Kosten  dramatisch-lebhafter  Handlung) 
kunstreiche   lyrische  Composition  Mone    in    der  Hauptsache 


»)  Seh.  d.  MA.  l,  p.  27  flf.  —  Waa  dort  rum  Eingang  über  die 
Stropbenform  gesagt  wird,  möchte  ich  nicht  unterschreiben. 

2)  P.  86,  37  findet  sich  noch  der  Torso  eines  ,Ludu8  de  nocte 
paschae',  doch  mochte  ich  ihn  seines  winzigen  Umfangs  wegen  nicht 
für  sich  hinstellen.  Sonst  hätte  er  als  Lichtenthaler  Lud.  de  nocte  p. 
noch  vor  den  Trierer  gehört. 

')    Vergl.  Mone  I,  p.  34,  v.  85  ff. 

*)  Mone  verlangt  p.  29  für  die  Lichtenthaler  M.  Klage  die  Sitoa« 
tion  nach  der  Grablegung,  doch  acheint  v.  31 — 36,  91—96  dem  zu 
widersprechen. 

5)  Man  vergleiche  z.  B.  diesen  Anfang  des  lat.  Hymnus  mit  »Wei- 
nen was  mir  unkannt  u.  s.  w.  (M.  Kl.  v.  4) ,  femer : 

proh  dolor!  hinc  color 

effugit  oris, 

hinc  flait,  hinc  mit 

unda  cruoris! 
mit     Awo  kint,  deu  wengel  sint 

Dir  nu  gar  erplichen  u.  s.  w.  (v.  81  ff.) 
Entfernter  stehen  die  (wol   Jüngern)  Hymnen,  die  Mone  I,  p.  37  ff. 
mittheilt 


C*p.  n,  S  2.  77 

•cbon  richtig  erkannt  hat  >).  Der  Text  besteht  ans  10  Str. 
Ton  je  18  Zeilen,  die  rier  ersten  Str.  sind  intact  erhalten, 
nnd  auch  die  folgenden  6  scheinen  mir  unversehrt ,  indem  ich 
ffir  Str.  5,  6,  8,  9  den  Abgesang  der  4ten,  für  Str.  7  und  10 
den  der  3ten  Str.  glaube  wiederholen  zu  dürfen  *).  Weit  min- 
der durchsichtig  ist  die  Composition  des  Trierer  Planctus 
Mariae  rirginis  S),  der  manche  Erweiterungen  und  Umformun- 
gen erfahren  zu  h^>en  scheint :  näherer  Bezug  zur  Lichtentha- 
kar  If.Kl.  beginnt  erst  p.  263,  6.  Der  Anfang  bei  Hoffmann 
(p.  260,  261)  ist  äusserst  Terworren,  hier  finden  wir  eine  Petrus- 
roUe,  die  erst  ein  kecker  Umredactor  in  Bezug  auf  einen  spä- 
tem Passus  in  der  Rolle  des  Johannes  (p.  269,  30  ff.)  *)  scheint 
▼oranfgeschickt  zu  haben.  Leidlicher  Zusammenbang  beginnt 
erst  mit  p.  261,  20;  die  weitere  Handlung  hat  dadurch  be- 
deutend an  Gewicht  gewonnen,  dass  hier  die  Rolle  des  Erlö- 
sers am  Kreuz  in  einfach  würdiger,  im  Wesentlichen  an  die 
■og.  sieben  Worte  sich  haltender,  bescheidenen  Ausschmückung 
doch  nicht  gaos  entsagender  Weise  ^)  aufgenommen,  und  so 
auch  directe  Anwendung  Ton  Job.  XIX,  26,  27  ermöglicht  ist. 
Verwandtschaft  mit  diesem  Trierer  Planctus  zeigt  sich  in  man- 
chem Denkmal  des  Ostercjclus,  und  kommt  Vergleicbung  der 
Recensioaen  hier  und  da  der  Textkritik  zu  statten:  so  darf 
der  PMms  bei  Hoffmann  II,  p.  270,  1  —  271,  3,  der  sich 
schon  als  breitere  Wiederholung  von  p.  264,  19 — 26  stark 
verdächtigt,   um  so  mehr  als  Aaswnchs  gelten,   da  ihm  die 

1)  Cf  Mooe  I,  p.  98,  29.  —  Aaf  dai  wm  p.  27  ant«n  Ober  den 
so»  Miistwywnf  nelgsadss  Charmeta*  getagt  v  t  »uf  den 

denn  gskaipJlen  Wiak  Mones  aitebte  ith  aber  tu  iien. 

t)  Danwf  lUirea  «r.  145,  146.  —  Die  Str.  ttnd  von  Mono  im 
Test  dareh  AbiitM,  vad  vr.r>  a^r  )^t«n  an  (w-  "■•  t„.i..„  ,.„,,,,«,«•) 
darek  Storaeh««  gwelii«dr; 

^  Bd  BoiiMuni  Fmdgruijen  ü,  p.  690  fi.  —  Aul  die 
MrtiU  sewisebe  Kotis  ward  ich  «ni  dorek  den  Abdruck  b< 
dbKTMff«!  D.KirelMBlied  II,  p.  847  aefRteriuam. 

«)  D'if^r  P««nu  «ffbilt  dsreh  nah«n  Besag  ra  t.  68- 
iTirgo  I  im'  (bd  Mob«  I,  p.  42  ff.)  h6k«rei  Gewicii 

•)    N.mrntucb  bt  dae  «Talpss  fewaa  habest^  (p.  20'' 
TOI,  90)  im  Und«  des  OekriMigtM  tod  tragiseber  W> 
SB  §m  7  Wortea  gsfcörsade  IVostopraeb  an  d«a  8chft< 
tarilib,  da  die  bdreC  Rolle  feUto,  fort. 


78  Cap.  n,  5  2. 

entsprechende  Stelle  im  Alsfelder  Spiel  >)  das  Zeugniss  versagt. 
Noch  folgt  bei  HofiFmann  (p.  280  ff.)  ein  zuerst  von  Docen  2) 
mitgetheilter,  dem  Ende  des  XIV.  Jahrb.  zugewiesener  ,Planc- 
tus  in  magna  sexta  feria',  dem  vorigen  ähnlich,  doch  weit 
kürzer  und  (wie  es  scheint)  nicht  vollständig.  Bruchstücke 
von  Marienklagen  giebt  auch  noch  Mone  I,  p.  198  ff.  Das 
dritte  derselben  veranschaulicht  wieder  recht  die  Benutzung 
lat.  Grundtexte  3),  im  Ganzen  sind  diese  Trümmer,  da  uns 
vollständige  Beispiele  der  Art  nicht  fehlen,  für  unsere  sich 
nicht  mit  zu  viel  Detailforschung  vertragende  Untersuchung 
unbedeutend.  Eine  Spccialschrift  über  die  lat  Quellen  and 
deutschen  Variationen  der  liturgischen  Marienklage  (der  ich 
noch  Einiges  zu  thun  übrig  lasse)  würde  sich  freilich  Bezie- 
hungen, wie  sie  das  St.  Galler  Bruchstück  zu  der  Lichten- 
thaler Marienklage  bietet  4),  zu  merken  haben.  Im  Ganzen 
mit  dem  Trierer  Planctus,  und  auch  stellenweise  im  Einzel- 
nen 5)  stimmend,  deutet  der  Wolfe nbiitt  1er  ,Ludu8  passio- 
nis'  6)  doch  durch  ein  reicheres  Personal ,  den  über  seinen 
Verrat  klagenden  Petrus  7),  und  die  um  das  Begräbniss  Chri- 
sti bemühten  Pharisäer  (Nicodemus  und  Joseph  ab  Arima- 
thia),  sowie  durch  die  bis  zur  Grablegung  des  gestorbenen 
Erlösers  fortgehende  Handlung  auf  eine  etwas  jüngere  Ent- 
wicklungsphase.    Dagegen  mag  in  einem  kleinen,  äussern  Zuge 


•)    Vergl.  Vilmar  bei  Haupt  III,  p.  479  und  Reidt  p.  56.  Anin.  1. 
*)     Im  neuen  liter.  Anzeiger  1806. 

3)  Die  vorgeschriebnen  lat.  Texte,  zu  denen  das  Folgende  ab 
frei  variirende  deutsche  Paraphrase  tritt,  dürften  in  diesem  Falle  aus 
dem  Psalter  entnommen  sein. 

4)  Man  vergl.  p.  199,  4—7  mit  p.  34,  v.  85—88,  p.  199,  8—13 
mit  p.  32,  V.  31—36  u.  s.  w. 

*)  Vergl.  V.  430  ff.  Diese  genaueren  Uebereinstimmungen  zwi- 
schen den  verschiednen  in  diesem  §.  erwähnten  Texten  deuten  doch 
wie  es  scheint  alle  auf  den  H.  ,Planctu8  ante  nescia'  lurück. 

6)  Solche  Bezeichnung  lag  nahe,  sobald  die  Rolle  des  leidenden 
Heilands  in  den  Planctus  Mar.  virg.  Aufnahme  gefunden:  doch  mochte 
aie  auch  durch  das  spätere  Passionsspiel  veranlasst  sein ,  das  zu  den 
Zeiten  der  letzten  Rec.  dieses  Stücks  (15.  Jahrh.)  schon  in  Ucbung 
war. 

')  Vergl.  p.  140.  Nicht  nach  der  Schrift,  doch  mit  mehr  Geschick 
eingelegt,  als  die  Petrusrolle  zu  Anfang  der  Trierer  Rec. 


c«p.  n,  s  2.  79 

recht  wol  ältere  Tradition  gewahrt  sein :  ee  wird  Maria  Magd, 
hier  alete  als  Prima,  die  Matter  des  Herrn  als  Tertia  Maria 
beaeiohnet,  and  so  dürften  wir  es  überall  als  richtig  erwar- 
ten entsprechend  der  höheren  Geltung ,  die  Magdalena  im  al- 
ten Officium  sepulchri  und  der  erweiterten  Ostemachtfeier 
hatte,  wo  der  Heiland  ihr,  nicht  seiner  Mutter  erschien  i).  — 
Als  Secanda  Maria  scheint  überall  die  sog.  Maria  Cleophae  2) 
n  gelten. 

Ich  gehe  über  za  der  von  Müllenhoff  (bei  Haupt  XIII, 
p.  288)  mitgetheilten  Bordesholmer  M.-Kl.  3).  —  Jener 
umfangreiche  Prolog  des  Job.  Erangel.  (▼.  1  — 131),  welcher 
noch  auf  die  Leiden  Christi  vor  der  Kreuzigung  genauer  ein- 
gebt, dürfte  Torgeschoben  sein,  und  wird  mit  dem  folgenden 
,Beeta  rirgo  Maria  incipit  hie  planctum  suum'  wol  der  eigent- 
liche Anfang  gemeint  sein.  Das  Wechselgespräch  zwischen 
Maria  und  Johannes  bewegt  sich  xonäehst  freier  *),  zeigt  aber 
T.  169—236  engeren  Anscbluss  an  die  (unter  dem  Text  no- 
tirteD)  hex.  Stellen  '  "'  rer  M.  KL  —  Ein  mehr  indiri- 
dieUer  Zog  ist  die  :  .„.  u-  Anrede  Maria's  an  die  Töchter 
jMutalems,  die  man  sich  wol  nur  als  oratorische  Figuren 
neUcicht  im  Hinblick  auf  die  zuschauend  theilnehroende  6e- 
Meiode  sn  denken  hat.  —  Die  Klage  unter  dem  Kreuz  wird 
(▼.  257  ff.)  aoiaer  der  Mutter  Maria  durch  Maria  von  Mag- 
dala,  ond  die  Mutter  des  Johannes  ^)  fortgeführt,  auf  die  er- 
etere  Maria  finden    wir  hier   (ron    den  Freundinnen)   einige 

I)  Di«  oben  becproohne,  in  derselben  WoUvnbötUer  H«.  entbAltne 
OlleriMcr  baft  in  der  Regel  Prima  Maris-BeaU  rirgo  M. ,  doch  findet 
itah  p.  166  «atn  eise  Str.,  die  im  Aafiwc  nnr  der  Magdalena,  (cf. 
,d«  mtk  von  mudtm  hat  geUWi)  snm  Schlnaa  nnr  der  P.  Tirgo  gehören 
Ittaa  {et  hm  ward  doreh  bümi  hnlp«  geboren).  Hiar  »ei  noch  bemerkt, 
dMi  dio  p.  167  oatoa  der  TWrtta  Maria  gahörandt  ^itr  V.l  ■:«r<<i..« 
hnd*  bei*«  Aiafeldar  Paaiiottaapial  b«q>roek«a  winl 

^  Qellm  daa  CWopbaa  nach  Jok  XU,  26  (da«  xjrmoigcnende 
,a«iaar  Malter  Bafcwaalai*  M  nidü  aaf  aa  an  baaieben).  Die  Mattb. 
ZXVlil,  Ml  Marc  ZY,  40  geeaaata  Matter  Jaoobt  and  Joeia  »obeint 
dt«««n>«  Penoa. 

llaeatM  dototisafaBoa  baata«  ritfinia  Marina  beatimit  fBr  dia 
,...«>  ^xU  feria*.  ~  Enda  daa  ZV.  Jahrb. 

*t    Um  wird  hier  also  wol  JAof»  aaia  ala  im  woitam  VerUuf. 

i|   Xedi  Maltb.  ZXVII,  51.  ~  Die  Mar«.  X?,  40  gesanate  8ak»B« 


80  Cap.  n,  §  2, 

Strophen  des  so  berühmten  H.  ,Stabat  mater'  bezogen  *), 
und  die  Weissagung  Simeons  wird  im  Weiteren  (p.  301  unten) 
fast  buchstäblich  an  ihr  vollbracht.  Auch  im  Ferneren  finden 
sich  noch  einzelne  Anklänge  an  die  Trierer  M.-Kl,  2):  der 
Standpunct  ist  ähnlich  wie  dort  auch  hier,  dass  die  Klagen 
der  Frauen  und  des  Johannes  durch  die  Worte  des  Heilands 
vom  Kreuz  wiederholt  unterbrochen,  bald  in  neuem  Flusse 
hervorbrechen  3).  —  Ein  Epilog  des  Job.  (entsprechend  jenem 
Prolog  V.  1—131)  beschliesst  das  Stück,  soweit  es  als  freiere 
Liturgie  erscheint.  Darauf  ward  das  h.  Sacrament  genossen, 
wie  der  noch  folgende  lat.  Ordo  angiebt  *). 

Eine  etwas  besondere  Stellung  nimmt  der  von  Pichler  5) 
mitgetheilte  Tiroler  ,Ludus  planctus  Mar.  virginis  cum  pro- 
phetis'  ein.  Indem  man  nämlich  die  auch  sonst  angezogne 
Weissagung  Simeons  als  unter  dem  Kreuze  erfüllt  vorstellte, 
schritt  man  hier  (natürlich  mit  scheinbarem  Anachronism) 
dazu  fort,  einerseits  Simeon  selbst,  andrerseits  Jesaias,  Jere- 
mias,  Daniel  und  andre  alttestamentliche  Figuren  theils  als 
Vorherverkündiger,  theils  als  Vorbilder  6)   des  messianischen 


>)    Bei  Haapt  a.  a.  0.  p.  300. 

3)  Vergl.  p.  806,  —7,  —8,  —9,  —15,  -16  die  unter  dem  Text 
angemerkten  Bezüge. 

3)  Auch  Bezüge  zur  Lichtenthaler  M.-Kl.  bleiben  nicht  aus. 
Yergl.  man  v.  91  ff.  derselben  mit  v.  740  ff.  der  Bordesholmer,  so 
scheinen  dies  zwei  unabhängige,  doch  ähnliche  d.  Versionen  für  die 
V.  734  ff.  (Bordesh.)  aufgenommene  lat.  Strophe  des  H.  ,Crux  fidelis  in- 
ter  omnes'.  —  Vergl.  ferner  Lichtenth.  M.-Kl.  (bei  Mone  I,  31  f.)  v.  7  f. 
mit  Bordesh.  656  f.;  Licht.  49  f.  mit  Bordesh.  648;  Licht.  13  f.  mit 
Bordesh.  680  f. 

4)  Auf  die  scenischen  Angaben  dieser  M.-Kl.  komme  ich  an  an- 
derm  Orte  zurück.  Dass  auch  dieser  M.-Kl  ein  (noch  älterer)  Ludus  de 
nocte  paschae  verbunden  war,  beweist  die  Eingangsnote,  wo  es  heisst: 
Maria  debet  se  pracparare  cum  vestibus  sicut  M.  Magdalena  in  nocte 
p.  Andrerseits  deutet  der  (noch  jüngere)  Prolog  des  Joh.  Evang.  auf 
die  Neigung  hin,  auch  die  frühere  Passionsgesch.  mit  in  den  Spielkreis 
aufzunehmen. 

5)  Drama  des  MA.  in  Tirol  p.  115  ff.  Die  eigentliche  Klage  be- 
ginnt erst  p.  133  ff. 

6)  So  namentlich  Daniel  (in  der  Löwengrube),  Jonas  (im  Walfisch), 
Susanna  (die  unschuldig  angeklagte).  Die  für  diese  Prophetenrollen  zu 
Grunde  liegenden  Texte  sind:  für  Jeremias  Jerem.  IX,  1;  für  JesaiM 


CftD.  n.  §  3.  81 

Leidms  auttrcien,  und  m  uie  Klage  der  drei  Frauen  ')  und 
des  Jobannes  eingreifen  zu  lassen.  Die  Rolle  des  leidenden 
ErlÖMn  durfte  fehlen,  da  die  Situation  nicht  unter  dem  Kreuz, 
■ondeni  gleich  nach  der  Grablegung  ist.  Die  frühere  Lei- 
doMgnduchte  wird  in  dem  Vorwort  des  Praecursor  angedeu- 
tet.    Darauf  folgt  noch  ein  Prolog  des  primus  Juvenis  2). 


S  S.     lafÜBge  kj)i«ptl»rker  lekaidliag. 

Während  uns  die  lezthesprochnen  Marienklagen  schon  in 
das  XV.  Jahrh.  hinabführten ,  haben  wir  es  in  diesem  §  mit 
drei  Denkmälern  zu  thuu,  die  alle  dem  XIII.  Jahrh.  zuzuge- 
höreo  icheinen  ').     Sie  stehen   also  den   altem  Marienklagen 

:-'  •  * itig  zur  Seite,  und  zeigen  nur  einen  andern  Weg   der 

'.i'lung.  Beide  Wege  streifen  oft  an  einander:  wenn 
ttos  im  Planctus  mehrfach  (namentlich  im  Prolog)  schon  ein 
Zarackdeuten  auf  die  frühern  Momente  der  Leidensgeschichte 
aafstie»,  finden  wir  andrerseits  auch  in  den  synoptischen 
Oatovpielen  noch  die  Spuren  der  alten  Osternacht-  und 
ChMtftmtkfßkiM  niiTerwitcht  *).  Zunäc '  'et  sich  uns 
ein  mdirfach  pobUdrtat  lynoptisches  (>  ^<    zur  Be- 

Jea.  LIU.  für  SvMuma  iMoiel  XllI,  d.  h.  die  apokryph  üisch.  vuii  der 
Bas.  md  DmimI  (Lttxierer  wurd«  Tirifarh  mit  dem  I'roph.  I>aniel  cow 
ftndirt«  V9tf\.   Mom  Sek  d.  Ii.\     I    i     150)  for  David  Pa.  XXII,  19. 

u.   •.   m. 

Kach  hier    iat  Maria  h  n  der  Wolfenbfittler  M.-KI.) 

rntJicnivvlca  dt«  dfitt«  der  ZaU  n»ca.  —  ütM.  der  Textverwaadtachaft 
fWiL  U«  p.  ISO,  »  ff.  Mit  Foadfr.  U,  MO,  1-6. 

>)  Mü  den  ■liiiiiutiiiM  JBpüof  das  le«.  J«t«us  p.  18i,  t.  6. 
wird  oMB  das  Sttok  mkMmmmitktmL  DsWijw  nthUi  gerade  die- 
ser IbstsrlitMifs  SdÜMi  lliiiiiMlaag  aaf  sin«  folgend«  Osterfsier  (p. 
im:  «ad  kmia  «Mrgw  «idsr  dar). 

*)    Wir  habsa  die«  Vstiiiltaisa  soImb  ta  Aalkag  dss  vorigw  §  er- 

4)    AhgaselMa  vo«  der  Tidfreh'frsfaMnianselMB  Gestalt  der  Texle. 

»)    Hfonnimh  koaaU  saaa  ia  si^sf  Siaa  sehoa  jene  aw  Marc 

XVI,  aad  Uk.  XZ.  eowlmitrt«  OrteraaehtMar  aaaasa:  hisr  iMndell  «s 

der  JIsaptaMwasata  to«  (liriati  Lehr-  oad 

—   lUlfalkeill  «aide  das  Slisk  aaeh  Mlhuihsnar  Hn, 

6 


82  Cap.  II,  §  8. 

trachtung,  das  wir  (schon  um  der  Analogie  mit  Cap.  I, 
§  3)  1)  das  ßenedictbeurer  Osterspiel  nennen  wollen. 
Der  von  Docen  und  Hoffmann  gegebene  Text  scheint  auf  ei- 
ner ursprünglich  Tegernseer  Hs.  zu  beruhen,  die  aber  nur 
in  Kleinigkeiten  abirrt  von  der  offenbar  bessern  ßenedict- 
beurer. Diese  selbst  ist  aber  keineswegs  in  gesicherter  kri- 
tisch -  erfreulicher  Gestalt  überliefert :  einerseits  fehlt  der 
Schluss  (die  eigentliche  Osterfeier)  ganz  2),  und  von  der  Grab- 
legung sind  nur  Trümmer  übrig  —  andrerseits  sind  wir  durch 
eine  umfangreiche  Interpolation,  in  der  wir  zwei  Stufen  von 
einander  zu  sondern  haben  werden,  für  jenen  Verlust  so  zu 
sagen  entschädigt.  Ich  versuche  zuerst  jene  Interpolation  als 
Ganzes  auszuschälen,  um  die  Gestalt  der  Vorlage,  soweit  als 
möglich  klar  zu  legen. 

Schon  was  jene  Spielordnung  betrifft,  die  an  der  Spitze 
des  Ganzen  steht ,  und  offenbar  von  sorgsamer  Hand  herrührt, 
80  ist  klar,  dass  sie  nur  höchst  gezwungen  auf  die  uns  vor- 
liegende Rec.  Anwendung  findet  3):  klarer  noch  ist,  dass  der 
unmittelbar  folgende  Chorgesang  ,Ingressus  Pilatus'  selbst 
freilich  hier  sehr  wol  am  Platze  ist  *) ,  aber  einen  ganz  an- 
dern Fortgang  der  Handlung  andeutet,  als  er  in  den  nächsten 
Blättern  der  Hs.  vorliegt. 

Jener  Vers  Joh.  XVIII,  33  führt   uns   an  jenen  Wende- 


des   XIII.  Jahrh.    von    Docen   (Aretins   Beiträge   VII,    297)    HofTmann 
(Fundgr.  II,  245),  Schmeller  (Carm.  Bur.  p.  95)  und  Du  Meril  (p.  126.) 

1)  Die  Parallele  zwischen  dem  Weihnacht-  und  Ostercyclus  wird 
in  Cap.  V.  enger  gezogen. 

2)  Vergl.  Fundgr.  II,  257.  N.  1,  auch  p.  245. 

3)  Weniger  befremdet  dass  manche  der  im  Stück  auftretenden 
Rollen  hier  nicht  genannt  sind,  als  schon  der  Umstand,  dass  von  ei- 
ner ,uxor  Pilati*  sowol  als  ,uxor  mercatoris'  im  Stücke  selbst  keine 
Spur  sich  findet,  die  in  der  Spielordnung  figuriren.  Am  meisten  ist 
aber  die  Ordnung  für  das  Auftreten  der  Personen  auflfällig,  wenn  man 
den  vorliegenden  Text  vergleicht.  —  Ein  Weiteres  noch  weiter  unten. 

*)  Es  entspricht  nämlich  noch  genauer  der  Spielordnung,  die  mit 
Pilatus  anhebt.  Ausserdem  ist  klar ,  dass  dieses  sowol  nicht  aus  Evang. 
Nicod.  Cap.  XXVIII,  sondern  Ev.  Joh.  XVIII,  33  ff.  gezogene  Respon- 
soriura  (cf.  Du  Meril  p.  127  Note)  gerade  zum  Anfang  eines  Stücks 
sich  eignete,  und  ist  in  dieser  Weise  auch  Altd.  Schausp.  p.  110,  so- 
wie Fundgr.  Ü,  p.  241  (Fragment  aus  Kloster  Neuburg)  gebraucht. 


C»p.  n,  s  3.  83 

panct  (kr  Leidensgeschichte,  wo  Christus  auf  die*  Frage  des 
Pilatus  sich  als  König  der  Juden  bekennt  Diese  Frage  u.  s. 
w.  fehlt  in  unserem  Stuck  auch  nicht,  sie  erscheint  aber  erst 
p.  139  (bei  Du  Mehl  =  p.  103  bei  Scbmeller):  Alles  zwi- 
schen jenem  Ingr.  PiL  und  diesem  ,Tu  es  rex  Judaeorum* 
man  als  luterpoUtioD  gelten.  —  Der  zunächst  vorhergehende 
Tbefl  derselben  *)«  dor  <^uf  den  ersten  Blick  eine  schlichte 
Dramatisirung  der  früheren  Leidensgeschichte  zu  sein  scheint, 
und  in  der  That  ein  altertfimlichee  Colorit  gewahrt  hat,  zeigt 
doch  in  groben  chronologischen  Verstössen  —  die  Berathungs- 
scene  der  Pontifice«  (p.  138  Du  Meril;  p.  102  unten  Scbmel- 
ler), die  aus  Job,  XI,  47 — 53  entnommen  2),  gehörte  richtig 
im  engsten  Anschluss  an  die  Krweckung  des  Lazarus  noch 
Tor  den  Einzug  Christi  in  Jerusalem  (p.  128  Du  Meril,  p.  9G 
oben  Scbmeller)  —  die  schwankende  Hand  einer  Ergänzungs- 
redadion.  Die  Scene  unter  dem  Kreuz  bietet  wieder  verschie- 
dne  Bezüge  zu  den  uns  bekannten  Marienklagen  (die  ich 
hier  nicht  weiter  verfolge)  und  darf  schwerlich  auf  eine  dis- 
crele  Anordnung  Anspruch  machen  3).  Noch  störender  ist  die 
nadi  der  scbon  freier  tagelegten  Rolle  des  Longinus  (er  giebt 
hier  dem  leidenden  Erlöser  aus  Mitleid  den  Todesstoea,  was 
gegen  die  bibL  Ueberlieferung)  *)  und  nachdem  der  Todee> 
kämpf  zu  Ende  gef&hrt,  ungeschickt  und  unwürdig  noch  an- 
geflickte Spottrede  der  Juden.  Etwas  gemildert  wird  dieae 
traurige  Diawnanz  durch  jene  zwei  Wechselstrophen,  die  den 
Schlafe  Ottierer  Rec.  bilden,  worin  Joseph  ab  Arim.  um  den 
Leichnam  bittet,  und  Pilatus  einwilUgt  Doch  bleibt  uns 
noch  ttbrig,  jene  groeee  ftber  die  Hälfte  unseres  Textes  aus- 

I)    Elwa  VM  iar  LaarMMtiM  p.  186  Da  M^l  p.  100  Sekmcll«r. 

*)  Da  Uirü  (f.  118  eatea)  MMht  tic  aot  apokr.  ETangeUea  and 
eoMii  altMi  Prnfswional  mtkmnnimm. 

S)  TeifL  Dooeaa  Bmmkma§,  die  Tmdgr.  II ,  p.  2M  litfetlisiU. 
Dtr  Mbo«  ■Bgidietsts  Bsaeg  des  «Weisen  war  mir  aabekaaBt^  in 
4«r  U.4Ü.  Mtf  d«i  H.  ,PlaaelM  aal«  aeMiia*  erheUt  U«r  dMittieh.  (p. 
la  bti  D«  lUriL) 

«)  Kaoai  hfMehe  ieh  se  eriaMni,  da«  die  OeslaU  da«  glAabt- 
fl«i  aad  (phyiwii  oder  f&f^kiatk)  salmid  gswordsnea  LoagianB  tut» 
luraiartniii.  iai  MA.  freiUab  viel  beüeVU  (dl  gstBasrnsna  p.  106) 
i«l .   40»  üch  tmr  Mokt  aa  Ue.  XXni .  47  («ad  Akaliob«  Siallea) 


84  Cap.  II ,  §  3. 

machende  Interpolation  näher  zu  betrachten.  Innerhalb  der- 
selben noch  verschiedne  Stufen  anzunehmen,  legen  allerdings 
selbst  metrischo  Gründe  nahe  genug  (denn  Bchwerlich  sind 
jene  kürzeren  ,  wol  nur  einsylbig  reimenden  ')  lat.  Str.  mit 
den  grösseren,  zweisylbig  gebundnen  -)  coaetan):  doch  will 
ich  die  Betrachtung  des  ohnehin  beschwerlichen  Textes  nicht 
unnüthig  zersplittern. 

Auf  jenes  ,Ingre8su8  Pilatus'  folgt  im  Text  zunächst  die 
Berufung  des  Petrus  und  Andreas,  die  Heilung  des  Blinden, 
das  Gespräch  mit  Zachäus  —  einfach  nach  der  Vulgata  aus- 
geführt. Nach  kurzer  Andeutung  des  Einzugs  in  Jerusalem  3)^ 
folgt  die  Einladung  beim  Pharisäer  Simon,  dessen  Ordre  für 
die  Sclaven  Ite  citius  cet-  andeutet,  dass  die  Vorbereitungen 
zum  Mahl  noch  eine  gewisse  Zeit  erfordern  ,  die  im  Stücke 
nun  anderweitig  benutzt  wird,  und  zwar  für  die  Bekehrung 
der  (Pseudonymen)  Maria  Magdalena  *).  Um  diese  den  Schwer- 
punct  der  Jüngern  Einschaltung  bildende  Scene  historisch 
zu  verstehen,  ist  zunächst  zu  bemerken,  dass  die  p.  132  bei 
Du  Meril  (Carm.  Bur.  p.  98)  stehende  lat.  Anrede  Magdalena's 
an  den  Krämer  und  dessen  gleichrythmische  Antwort  den  An- 
gelpunct  bilden :  sie  sind  unverändert  aus  dem  Ludus  de  nocte 
paschae  übernommen  ^),  wo  es  sich  aber  nicht  um  die  Fuss- 


I)  2.  B.  die  Str.  Die  tu  nobis  cet.  bei  Du  Meril  p.  132 ,  die  Str. 
0  Juda  ebendas.  p.  125. 

*)    z.  B.  die  Str.  Heu  vita  praeterita  cet.  ebendas.  p.  132. 

3)  Das  ,pueri  Hebraeorum'  (aus  Ev.  Nicod.  c.  1.)  noch  jetzt  in 
der  Palmenprocession  jrebräuchlich  (Alt  Christi.  Cult.  II ,  352). 

<)  Wir  hatten  es  bisher  nur  mit  der  historischen  Figur  dieses 
Namens  zu  thun  ,  die  nach  Joh.  XIX  ,  26  unter  dem  Kreut  stand, 
nach  Joh.  XX ,  1  bei  der  Osternachtfeier  zu  berücksichtigen  war, 
über  deren  früheres  Leben  nur  Luc.  VIII ,  2  zu  vergleichen  ist  Im 
Laufe  des  MA.  ward  aber  diese  historische  Person  mit  zwei  andern 
(einmal  mit  jener  Luc.  VII,  37  ff.  ungenannt  eingeführten  Sünderin, 
dann  atu-h  mit  Maria  von  Bethanien,  der  Schwester  des  Lazarus)  zu 
einer  nun  halb  legendarisch  werdenden  Gestalt  verschmolzen ,  die  uns 
fortan  im  Osterspiel  oft  genug  als  ,Maria  Magdalena'  begegnet.  Mir 
entgeht  nicht,  wie  leicht  (namentlich  nach  der  mir  doch  etwas  ver- 
dächtigen Notiz  .loh.  XI  ,  2)  eine  Confundirung  der  ,Sünderinn'  mit 
Maria  von  Bethanien  war,  und  ist  diese  Identificirung  ungleich  be- 
rechtigter als  die  der  .Sünderinn'  mit  Maria  Magdalena. 

5)     Vergl.  Schönemann   132;  Auch  in  dorn  spütorf^n  Osterspiel  aus 


tap.  II,  §  3.  85 

aalbang  Christi  (nadi  Luc.  VII,  38),  sondern  um  die  Pflege 
dar  Leidie  (cf.  Marc  XVI,  1)  handelte.  Daraus  erklärt  sich 
TieiMdit,  daai  die  eigentiicbo  Ostcrfeier  in  unserm  Stück  nicht 
BMhr  Torhanden  ist:  das  ältere,  echtere  Element  Hess  man 
(Wiederholung  xn  meiden)  um  des  jüngeren  interessanteren 
willen  fialleo  *).  Doch  begnügte  man  sich  nicht  mit  dieser 
TrmnqweitioD  altem  Erbes  und  schlichter  Benutzung  Ton  Luc 
VII,  37  ff. :  ee  schien  wohlgethan ,  auch  das  leichtere  Lebeus- 
stadium  , Magdalenas'  zur  Anschauung  zu  bringen,  hoffentlich 
nur  um  die  nachfolgende  Bekehrung  als  Hauptsache  desto 
drastischer  henrortreten  zu  lassen  2).  Ursprünglich  bediente 
man  sich  für  die  weltlichen  Scenen  auch  wol  nur  der  lat. 
Strophen,  die  für  den  Gang  der  Handlung  vollkommen  aus- 
raiehen:  zunächst  wol  nur  dem  Bedürfniss  oder  Wunsch  nach 
üebertragung  entsprungen,  entfernen  sich  die  deutschen 
Str.  doch  (namentlich  durch  Erstrebung  eines  gleichartigen 
Strophe nschlosses  oder  Refrains)  mehrfach  vom  Original  und 
haben  auch  in  der  Anordnung  gelitten  3).  }iur  in  der  deut- 
schen Strophe  findet  sich  dann  jenes  kecke  Herausfordern  der 
liianerwelt,  dem  in  der  lat  Spielordnung  halbwegs  die  doch 
nor  im    Statistengrade    eingeführte  Rolle    des  ,Amator*    eni- 

ln«lmi<  k  (Altd.  Seh.  p.  134,  186)  bat  lich  die  richtige  Anwendung 
•rfa&ltrn.     Niii.  "  1  vom  Red.  de«  6en*B«urer 

hj'ifU  jT'-and«  r  von  3  Frauen  die  Rede  i«t. 

•  tcht  nioj^lich  i»i    aurh  ,  daa«  in  der  Anfangsapielordnung  mit 
>r.r.;;      M<Tcat«.r  fi  uxf.r  «ua*   ond   ihrer  ,Mag(1.>"  !io  Pcrao- 

iiTi  ij.  •  «-nffrrrn  (>«trrii|.»«'lii  gemeint  tind ,  denn        .  ;  O.  Hpiel, 

fUt  »;'h  mrhrfarh  mjl  un««-rrin  berflhrt,  hat  der  Mercator  (de*  enge» 
r<  •,  •  i«*.T»pj€'U(  »#ifjp   .nxor*  «or  heite. 

''<>   man   mit    M<in>-    dieae  Magdalena  ab   Repriaentantin  der 
»ui««ii^'(it    Mrn«<  hh'-it    fa»»<  ti    *<•'■'  !;»•   auch    sonst  vielfach 

(nair.' r.tli  1.   sri  «l.r  Mal<  r<  i;    dur  '  'K^ig    »Iterer  Zeit    för 

diri'  irtik«  ij  liart'.    <-nt-  .  nicht.    Cebfigena  bot  die» 

»CS  \.,,,.-.    :i.r   <li.    F  u»»«»lJuti^'  '.•  ..  j.- „heit ,    den  (urtprflngUch  aua 
Marc    XVI.  1   g«'t<h'.j,ft.  II)    Mrrratnr    tum   dritten    Mal    zu   bcnutxen : 
die  Madcna  kaafte   neb  hier  nun   snaichai  Scktv 
TofltMeakrsai ,  daaa  erat  daa  (ilaa  ntt  Salben  ftr  ''■ 

')    So  acheint  die  dritte  dtotacJx  ^tan 

lai.  fllaadt  daJartslio^  «alapreclMa  «u  soiun  —  au-  rrsre  ueuiacbe 
dar  dfülea  IsIsWielMa. 


86  Cap.  n,  §  3. 

spricht  I).  —  Im  Schlaf  empfängt  die  Sünderin  aus  Engel- 
mund Kunde  über  den  nahenden  Weltheiland:  doch  noch 
einmal  führt  sie  mit  ihrem  losen  Liedchen  fröhlich  auf,  bis 
erneute  Engelsmahnung  2)  Gehör  findet,  und  die  nun  Er- 
wachende mit  einem  Verzweiflungsschrei  auffahrt  (p.  132  bei 
Du  Meril)  3).  Auf  den  tröstenden  Zuspruch  des  Engels  (nach 
Luc.  XV,  7)  kommt  Magdalena  zu  dem  Entschluss  bussfertig 
dem  früheren  Leben  zu  entsagen  *),  an  einer  Aussöhnung  mit 
dem  göttlichen  Richter  aber  nicht  zu  verzweifeln.  Der  nun 
folgende,  aus  dem  alten  Osterspiel  wörtlich  übernommene 
Gang  zum  Mercator  bildet,  wie  schon  bemerkt,  wol  den  Aus- 
gangspunct  der  ganzen  Magdalenenscenerie  dieses  Spiels.  Die 
Scene  bei'm  Pharisäer  Simon  *)  ist  fast  durchweg  lateinisch, 
theils  prosaisch  (nach  der  Vulgata),  theils  in  der  zweisylbig 
reimenden  Langstrophe  abgefasst:  ganz  ungehörig  erscheint 
(nach  schon  erfolgter  Absolution)  jenes  deutsche  Klagelied 
Magdalena's  <>):  das  darauf  den  Jüngern  in  den  Mund  gelegte 
Dictum  dürfte  aus  einem  alten  Commentar  zu  Luc.  VII.  ge- 

•)  Wirklich  ausgeführt  findet  sich  solche  Buhlerrolle  in  späteren 
Stücken- 

*)  Wieder  im  Schlafe.  —  Das  machte  sich  bei  der  Aufführung 
vielleicht  besser  als  beim  Lesen. 

3)  In  der  Tegernseer  Rec.  (Fundgr.  II,  247)  kommt  der  Engel 
sogar  dreimal ,  und  nach  dem  ersten  Mahnruf  folgt  erst  noch  ein  er- 
neuter Gang  zum  Salbenkrämer. 

4)  Kr  wird  äusserlich  durch  Anlegung  eines  schwarzen  Bussge- 
wandes documentirt.  Die  Spielordnung  sagt  noch ,  et  Amator  recedat 
et  Diabolus.  Die  letztere  Rolle  wird  nur  hier  erwähnt,  ob  sie  gleich 
der  des  Amator  nur  Statistenrang  hatte,  oder  in  einer  frühern  Red. 
etwa  gleich  jenem  Diabolus  im  Bened.-Beurer  W.-Spiel  (Carm.  Bur. 
p.  89)  als  Wiederspiel  der  AngelusroUe  ausgeführt  war,  bleibt  unge- 
wiss. 

5)  um  die  Verwirrung  zu  mehren  (denn  ob  die  Joh.  XI  erzählte 
Salbung,  die  sich  noch  leicht  mit  der  Matth.  XXVI  und  Marc.  XIV 
berichteten  vereinigen  lässt,  auch  mit  der  Luc.  VII  geschilderten  zu- 
sammenfallt, weiss  ich  nicht)  wird  dieser  Simon  (der  bei  Luc-  VII 
zweifellos  mit  dem  Pharisäer  zusammenfallt  ;  in  den  vielleicht  ein 
späteres  Ereigniss  meinenden  Stellen  Matth.  XXVI  und  Marc-  XIV  ist 
von  einem  Simon  Leprosus  die  Rede)  in  unserm  Stück  mit  Simon 
Petrus  confundirt,   und  auch  Du  Meril  lässt  das  so  hingehen  (p.  134). 

6)  Ob  man  es  ganz  streichen,  oder  vor  die  Lossprechung  trans- 
poniren  will ,  stell  ich  anheim. 


Cap.  II,  §  3.  87 

flosseo  sein.  —  Die  Erweckung  des  Lazarus  wird  nach  Joh. 
XI,  1 1  ff.  hier  äusserst  kurz  zur  Darstelllung  gebracht  M. 

Was  das  noch  Folgende  (der  Verräthergang  des  Judas, 
die  EioseUnng  des  heil.  Abendmahls,  die  Scene  in  Geth- 
temane  '),  Verieognung  des  Herrn  durch  Petrus  u.  s.  w.)  be- 
trifft, so  hat  diese  Partie  durch  höchst  einfache  Yulgata- 
treoe  Behandlung  fast  den  Schein  für  sich,  schon  der  altem 
Vorlage  aagriiört  zu  haben  3). 

Nodi  trfimnierhafter  überliefert  als  das  eben  bespro- 
chene ist  ein  aus  dem  Kloster  Muri  stammendes,  von 
Bartoeh  wieder  mitgetbeiltes  *)  Osterspiel  des  XIII.  Jahrb.,  da- 
dordi  merkwürdig,  dam  es  wie  kaum  ein  andres  geistl.  Spiel 
in  Sprache  und  Ausdruck  Einfluss  der  höfischen  Dichtung, 
weidli^  sogar  die  Personenbenennungen  z.  Theil  verdeutscht 
hat  ').     Der  Inhalt  der  Bruchstücke  ist  wie  folgt 

Brachst  I.  Verhandlung  zwischen  Pilatus  und  dem  Pal- 
tenäre:  dieser  erlangt  für  später  zu  erlegende  10  Mark  freies 
Geleit  und  Gewährung  den  Kram  aufzuschlagen.  Die  dann 
folgende  Rede ,  worin  der  Krämer  (monologisch  wie  es  scheint) 
seine  Waare  preist  <)  durfte  älter  als  die  Scene  zwischen  ihm 
nod  Pilatus  sein,  da  diese  aus  der  sonstigen  Ostentpiel-Tradi- 
tion  heraustritt  7). 


n    Stellt  man   «ich   auf  den  Standpnnct  des  Redacton,    der  die 
:i  genannte  Sünderin,  Maria  von  Bethanien,  und  M.  von  Mag- 
fUHA  «ol  anbedenklich  oonfbndirt«,    »o   lind  die  ('sMcalbunf;  Christi 
■ad  dia  Enreclrang  des  Lasanu  »b  VorbereitnngMcencn  für  dii^  I,4>i- 
JwM    md  Aafcrstshswgih  «vi  gcwihlt      Da.*- 

(ale    v«r*cliw«aderiMh    an^  FoMtalbang  Kr    • 

die  daa  Volk  adkditig  gewinnende  Auferweckung  de«  Laxam«  fUr  den 
Bltttrath  dar  Bohe&|iri«eter  entecheidend  wurde,  darf  man  aas  der 
Scknll  mIUI  «atBchflMtt.  (VergL  Matth.  XXVI,  U ;  Joh.  XII,  10,  II 
a.  AhaL  HteOea.) 

t)    UebergaafeB  ist  hier  noch  der  {j%  aach  unwichtige)  Zwischen- 
faU  Biit  Xalchos. 

*)    1U  ward  da«  aber  achon  ob*-«  mrürltirr«-;<»«rii 

«)    a.  Germania  VIIl,  p.  273  V. 

*)    8o  wird  der  rai  Vekaante  ,Mrrcau)r  nirr  i'aii«<nii< f  .    ^■•■h 
aaek  laslitor  bcaaant. 

*)    Vergi  4ea  Mareaior  bd  Sebtetauuin   p.  154    and   ähnliche 
SielleB  fal  ■yilSf  SplalMl. 

iadsl  ikh  kitr  daa  JiHtaaetw* 


88  Cap.  1 1 .  §  :i 

IIa.  Bruchutück  einer  Hülleiifalirt Christi.  (Dieses  SpieK 
motiv  tritt  uns  hier  zuerst  •),  später  noch  oft  entgegen.) 

IIb.  Die  Frauen  nebst  einem  Diener  (Antonius)  kaufen 
beim  Institor  ihre  Specereien  ein. 

III.  Gespräch  der  Frauen  mit  dem  als  Gärtner  erschei- 
nenden Heiland. 

IV.  ßussrede  Magdalena's  an  den  Auferstandenen  >). 
Va.     Fortsetzung  derselben.     Antwort  des  Heilands. 
Vb.     Pilatus  bestimmt  Wächter  des  Grabes. 

VI.  Letztere  melden  die  geschehene  Auferstehung:  Pila- 
tus erkauft  (auf  den  Rat  der  Juden)  ihr  Stillschweigen  um 
Geld. 

Dass  in  diesen  Bruchstücken  (falls  die  angenommene  Rei- 
henfolge richtig)  die  Höllenfahrt  Christi  vor  die  Auferstehung 
fällt,  ist  gegenüber  der  auf  unserra  Gebiet  fast  häufigem,  aus 
scenischen  Gründen  veranlassten  Abweichung  die  richtige 
Weise  3) :  eher  möchte  ich  die  angegebene  Stelle  für  Bruchst. 
V  b.  (das  denn  doch  mit  Redent.  Spiel  v.  255  flF.  nicht  stimmt) 
bezweifeln.  —  Für  den  geringen  Wert,  den  das  Denkmal  als 
Ganzes  beanspruchen  darf,  entschädigt  eine  vom  strengen  Kir- 
chenstyl  sich  lösende,  nach  der  ernsthaften  wie  humoristi- 
schen Seite  aber  doch  gehalten  bleibende,  decent-verständige 
Behandlung  des  Einzelnen  in  höfisch  gebildeter  Sprache. 

>)  Zu  Grunde  liegt  £v.  Nicod.  21  und  ein  sog.  Canticum  trium- 
phale, woraus  das  jAdvenisti  desiderabilis'  genommen.  —  Die  Sce- 
nerie  ist  hier  noch  sehr  einfach  :  nur  ,Diabolu8'  als  Repräsentant  der 
bösen  Geister ;  Aninta  (so  wol  zu  lesen  statt  Animal  p.  287)  statt  der 
später  zahlreich  auftretenden  Seelen  im  Hades. 

3)  Die  zunächst  auffällige  Stimmung  Magdalenas  in  dieser  Seene 
erklärt  sich  wol  daraus ,  dass  der  Dichter ,  der  an  eine  directe  Be- 
handlung von  Luc.  YII,  37  noch  nicht  dachte  (in  dieser  Bez.  erscheint 
unser  Denkmal  auf  älterer  Stufe  als  das  Ben.-Beurer  O.Spiel),  gleich- 
wol,  da  aueh  ihm  Magdalena  Eine  Person  war  mit  jener  Sünderinn, 
aus  Luc.  VII  die  Farben  zur  Ausfuhrung  jener  Rolle  entlehnte. 

3)     Cf.  Symb.  Apostol.  — descendit  ad  Inferna ,    tertio  die 

rerorrexit  a  mortuis  etc.  —  Das  nur  auf  einige  Stellen  in  den  Brie- 
fen des  N.  Test.  (cf.  I.  Petri  III,  19)  sich  gründende  Dogma  von  der 
Höllenfahrt  scheint  erst  seit  dem  2ten  Jahrh.  in  das  apostoL  Symbol 
aufgenommen  (Thomasius).  Besonders  ausgebildet  ward  es  dann  im 
Evang.  apokr.  Nicodemi  cap.  21—26,  das  auch  für  die  dramatische 
Behandlung  massgebend  wurde. 


Cap.  II.  $3.  88 

Gleicbfjüls  aus  der  Schweiz  stamint  ein  ron  Mone  ')  mii- 
gelbeilteft,  Tollsiäadig  erhaltoes  Osterspiel  aus  St.  Gallen, 
dem  XIV.  Jahrb.  zugehörig.  Es  hat  von  Beginn  des  Lehr- 
amta  Christi  bis  zum  Tod  und  der  Auferstehung  fast  alle 
Haoptmomente  der  evangel.  Geschichte  aufgenommen,  und 
gliedert  den  gewaltigen  Stoff  durch  vor  den  Hauptabschnitten 
wiedarbolte  AaMpnehen  der  Angeli  oder  des  h.  Augustinus  ') 
an  die  Zahorer,  weldier  letxtere  auch  durch  einen  kurzen 
Prolog  das  Stück  eröffnet.  Auch  hier  ist  durch  chronologi- 
ioIm  Ventöeee  die  allmähliche  Erweiterung  der  Composition 
beaeicbnei:  in  die  Augen  fällt,  dass  (bei  im  Ganzen  sorgsa- 
mer Redaction)  die  Hochzeit  zu  Cana  (nach  Job.  II.)  nur  als 
jttDgerer  Znsatz  ror  die  nach  Job.  I.  und  Matth.  III.  ausge- 
führte Darstellung  des  Täufers  Job.  und  der  Taufe  Christi 
geralben  eein  kaan.  —  Die  Versuchung  Christi  (t.  118  ff.) 
iel  dem  Matthioe  a  (cap.  IV.) ,  der  weitere  Verlauf  meist 
dem  Jotuumeeevangeliom  entnommen.  Als  freiere  Episode 
enebeiDt  dazviecheo  die  v.  156  ff.  eingefügte  Magdalenaeoeae, 
asa  jener  vewuobeartigen  Gestalt ,  wie  sie  im  Benedictbeurer 
Oeterqiiel  hegapnei^  hier  bereits  in  eine  festere,  für  die  Fol- 
geseit  meist  omt  wenig  sich  variirende.  Form  gebracht.  Weg- 
gefallen i»t  hier  der  (ja  doch  nur  aus  Marc.  XVI,  1  paro- 
dirte)  Gang  inm  Saibenkiimer  >):  ersetzt  wurde  die  Rolle  des 
amr  Btiiie  mahneiideD  «Aikgelae*  nicht  ungeschickt  durch  die 
gute  Schwester  Martha  *),  welche  freiUch  lange  umsonst  pre- 
digt md  maadlgiei  Spott  ämdtet.  Unterbrochen  wird  die 
wdtlidie  Scene  snnlefast    durch   die   ncrufun«;   des  Andreas 


1      ^.  }.    ■'.    MA    I  .    ,     ::  ■' 

»)    Vf-rgl  I»tt  M^ril  p.  M,  66. 

ngen  Ifi&nem  all- 
es p.  96    ^icllm.: 
ftfiuilor,  q«em  Marui  Mhitet.      Kt  qoom  pamin  loqaan- 
u.. .    .-..-.    Mari»  «Ic.  —     M«--  '»«    7<i>     Tvfic  Mat.  Msfd.  c«in  an« 
peelk  «t  II  JwftBftws  tllu>r  Wettere  AesfUninff 

'  H*b«rn>ll«a  ia  spitcm  Macken. 

,    1>MH  war  «ia«  weitere  CoaMqaens  der  l>ereitt  in  Beo-^Betirer 
8p.  deetUchea  IdeatiAaranf  der  Marie  von  Megdele  mit  Maria  reo 


90  Cap.  n,  %  3. 

und  Petrus  >),  dann  durch  die  aus  Joh.  VIII,  1  =  11  >)  ent- 
nommene Geschichte  von  der  Ehebrecherinn :  ob  aus  drama- 
turgischen Gründen  (als  Vorspiel  der  Bekehrung  Magdalena's) 
oder  nur  als  weitere  Ausnutzung  des  Johannesevangeliums, 
ist  unsicher  zu  sagen.  —  Nachdem  der  Heiland  zum  Mahle 
Simons  des  Aussätzigen  gekommen  3)  finden  Martha'»  Vor- 
stellungen endlich  Gehör:  Maria  eilt  dort  hin  und  findet  Ver- 
gebung. —  Aufs  Ausführlichste  (v.  308 — 441)  ist  (nach  Joh. 
IX)  die  Heilung  des  Blindgebornen  und  sein  Verhör  vor  den 
Schriftgelehrten  ausgeführt,  ferner  nach  Joh.  XI.  Krankheit, 
Tod  und  Erweckung  des  Lazarus  *).  Durch  Malchus  *)  erfah- 
ren die  Hohenpriester  das  neue  (grösste)  Wunder  des  Volks- 
propheten und  beschliessen  den  Blutrath,  welcher  Zug  auf 
Joh.  XI,  53  sich  zurückführen  lässt. 

Halten  wir  die  Betrachtung  noch  einmal  bei  dem  be- 
sprochnen  vorspiel-artigen  Theil  unseres  Osterspieles  fest,  und 
erinnern  uns  zugleich  der  entsprechenden  Parthie  des  Bene- 
dictbeurer  Denkmals,  so  lässt  sich  eine  gewisse  Aehnlichkeit 
der  Anlage  ohne  directe  Verwandtschaft  (wie  es  scheint)  in 
beiden  Stücken  nicht  leicht  verkennen.  Die  Berufung  der  Apo- 
stel  oder   wenigstens    einiger,  die  Heilung   eines  Blinden  6), 


i)  Die  betreif.  Scene  ist  hier  etwas  bunt  aus  dem  Bericht  des 
Joh.  und  andrer  Evangelisten  geroischt,  einfachere  Fassung  Fundgr. 
II ,  245. 

»)  Bekanntlich  ist  der  Text  Joh.  VII,  53  —VIII,  11  m  kritischer 
Hinsicht  schlecht  beglaubigt. 

3)  Zu  Grunde  liegt  (wie  Mone  notirt)  Mai'c.  XTV  und  Joh.  XII, 
vielleicht  auch  Matth.  XXVI  ;  nicht  benutzt  scheint  hier  Luc.  VII. 
Am  besten  vergleicht  man  hier  übrigens  Marc.  XIV  oder  Matth.  XXVI, 
denn  bei  Benutzung  von  Joh.  XII  würde  die  chronol-  Anordnung  im 
Folgenden  befremden. 

*)    Der  Text  dieser  Scene  ist  nicht  ganz  gesichert. 

&)  Bekanntlich  der  nach  mehrfachem  Bericht  (z.  B.  Joh.  XVIII, 
10,  wo  allein  sich  der  Name  findet)  von  Petrus  in  Gethsemane  ver- 
wundete Scherge.  Man  benutzte  nun  in  Deutschland  und  Frankreich 
(wo  er  Malquin  heisst,  cf  Jubinalll,  157  ff.)  den  , Malchus'  zur  Bezeich- 
nung einer   hinterlistigen   Schergenrotte    im  Dienste  des  llohcnraths. 

•)  Im  Ben.-Beurer  0.  Sp.  ist  es  der  Blinde  von  Jericho  (nach 
Luc.  XVIII,  35)  und  im  weitem  Anschluss  an  Lucas  (c.  XIX)  ist  dort 
auch  Zachäus  eingeführt,  im  St.  Galler  Sp.  der  Blindgeborue  (nach 
Joh.  UL). 


C«p.  n,  §  3.  91 

MagdAlenens  geistliche  und  Lasams  leibliche  Erweckung  sind 
geneinaane  Z8ge:  als  ältester  Kern  dieses  Vorspiels  darf  si- 
cher wol  die  Ifagdalenenrollo  in  ihrer  festen  Verknüpfung  mit 
der  (altem)  Magdalena  des  Osternachtspiels  betrachtet  werden. 
Für  die  Answahl  der  weiteren  Scenen  des  Vorspiels  waren 
theils  äassere  Gründe  <K  theils  auch  wol  der  Wunsch  vorbild- 
liche Beziehungen  für  das  Hauptspiel  (vom  Leiden  u.  s.  w. 
des  Erlöeers)  einzuflechten.  Letzteren  Weg,  der  für  unsere 
Betrachtung  zu  wenig  sichere  Resultate  verspricht,  verfolgen 
wir  hier  nicht  weiter  ^,  sondern  nehmen  den  Faden  des  St. 
Galler  Spiels  wieder  auf.  V.  562  ff.  wird  der  Einzug  in  Je- 
nnalein,  v.  569  ff.  nach  Luc.  XXII,  9—12  die  Zurüstung  des 
Oetmnahls,  im  Folgenden  nach  Luc.  und  Joh.  3)  die  Einse- 
tzoBg  des  heil.  Abendmahls  geschildert,  der  Dichter  schreibt 
(▼.  604,  —5;  darüber: 

Dettelban  daget  er  (Chr.)  sang 
Sin  OTSte  meae,  des  habe  er  dang! 
In  der  GethiemaoMotpe  (683  ff.)  wird  (v.720  ff.;  der  im 
Benedictbeurer  8]Hal  Bocii  fibergangene  Zwischenfall  mit  Mal- 
cbiis  nun  mit  behaglicher  Breite  ausgeführt,  nicht  ohne  Hu- 
mor. Nach  der  Gefangennahme  des  Herrn  berichtet  Johannes 
darüber  ao  Maria  *),  es  folgt  das  Verhör  bei  Annas,  wo  das 
fiÜMdie  ZeugnisB  von  einem  Juden  Rufus  abgelegt  wird,  der 
auch  im  Weiteren  als  Repräsentant  bübischer  Feindschaft  ge- 
gen den  Erlöser  gebraucht  wird  ^).  An  die  Verleugnung  und 
Rene  dea  Petma  schlieset  sich  (v.  845  fi.)  die  Reue  des  Judas, 
dewan  Verrat  oben  r.  632—87;    782,  83   eingeführt  war.  — 

I)  So  h:«-lt  (Bck  der  Redaelor  des  8t  Oaller  Spielt  offenbar  mit 
Vorbcb«  «I  da«  ick.  Bvuf.  —  Oelegeattidi  sei  hier  ctni«  KusvchlieM- 
UA  ■!■  Dfsisliwninf  die«««  Evaag .  «ah  erfebende  Arbeit  aus  dem 
Jahr  161«  erwfthat ,    von  der  Piehler  (Draaa  dm  MA.  a.  Tirol  p.  12) 


^    VarffL  IfaM  I,  p.  6a,  68 ;  Uaaa  (Das  gmaü.  Schaasp.)  p.  17. 
TesMUDaa  iiad  Mist  «m  Mona  dürt. 
<las  &pUmn  Ersahalma  denelben    unter  dtm    Knuz  XU 
noürtrm. 

»)    Verf i.  Moac  I ,  p.  87,  18.  ~    M.i  Ku 
Rafa»  aar  ebaaso  gat  iiiwwsnhiinaii.    wc 
Waolaa  (sack  «Marv  Mytiwiofia):  aber  ! 
aaf  das  relks  Haar  fafülaa. 


82  «'ap.    II,    ^    X 

Die  Scene  vor  Pilatus  (v.  iHj'6  Ü.)  ist  dadurch  wichtig,  dass 
hier  (nach  v.  880)  das  sonst  immer  nur  mit  den  ersten 
Worten  .Ingressus  Pilatus^  angeführte  Ikspons.  nun  genauer 
erscheint,  und  so  die  Pc/.iehung  auf  Joh.  XVIII,  33  gesichert 
wird.  —  Pilatus  sendet  den  Angeklagten  zu  Ilerodes,  und  die- 
ser lässt  durch  einen  Fdelraann  Namens  ,Panthias'  dem  Pilatus 
für  seine  Artigkeit  Dank  sagen  ').  Nach  v.  1001  lasst  dann  die 
Spielordnung  gemäss  einer  im  MA.  viel  verbreiteten,  auch  im 
Heliand  sich  findenden  Auffassung  2)  den  Teufel  der  Frau  des 
Pilatus  jene  Fürbitte  für  den  unschuldig  Angeklagten  einge- 
ben, die  hier  etwas  weitläuftig  an  Pilatus  berichtet  wird  (v. 
1001 — 31).  —  Durch  Rufus,  der  überall  den  offen-unver- 
schämten Feind  des  Guten  repräsentirt,  wird  die  feinere  List 
des  Diabolus  3)  zu  Schanden  und  das  Bluturtheil  gesprochen 
(v.  1061  ff.).  —  Die  Kreuzigungsscene  (v.  1069  ff.)  wird  durch 
4  Reimpaare  des  Augustin  eröffnet,  die  sich  schon  auf  den 
überwiegend  marianisch  gefärbten  Standpunct  der  Passionsbe- 
trachtung des  spätem  MA.  stellen  '*).  Populär  ausgeführt, 
doch  nicht  unversehrt  überliefert,  ist  das  aus  Joh.  XIX,  24 
entnommene  Losen  der  Kriegsknechte:  Rufus  ist  es  wieder,  der 
den  Fssigschwamm  reicht.  Streben  nach  synoptischer  Voll- 
ständigkeit zeigt  sich  in  der  Aufnahme  beider  Schacher:  auch 
die  Legende  kommt  in  der  Gestalt  des  anfänglich  blinden, 
dann  durch  das  von  der  Lanze  rinnende  Blut  geheilten  Lon- 
ginus  zur  Verwertung.  —  Noch  folgt  die  Ritte  um  das  Be- 
gräbniss,  dieses  selbst  (mit  kurzer  Marien-  und  Magdalenen- 
Klage  v.  1204  ff.),  die  Wächterwerbung  für  das  Grab,  dieHöl- 

Ist,  wie  es  doch  scheint,  Pautbias  aus  Pontius  corrumpiri,  so 
»*an.-  Jas  eine  irrtümiiche  Vertheilung  der  beiden  Namen  des  römi- 
schen Landpflegers  auf  zwei  Personen.  —  Sprichwörtlich  sagt  man 
mit  ähnlicher  Freiheit,  ,einen  von  Pontius  nach  Pilatus  schicken',  d. 
h.  von  einer  Behörde  zur  andern. 

2)  Windisch  (Quellen  des  Hei.  p.  77)  verfolgt  sie  bi»  zum  Com- 
nicntar  Hrabans  zu  Matth.  XXVII  ,  19. 

3)  Durch  Schonung  Christi  die  Erlösung  der  Menschheit  zu  hin- 
tertreiben. 

■*)  Dagegen  ist  die  Marienklage  in  diesem  schon  zur  populären 
Oeterspielsweise  hinneigenden  Denkmal  eingeschrumpft  bis  aui  das 
Sequatur  lamentatio  Mariae'  nach  v.  1176. 


Oip   n.  5  3.  98 

lenfahrt  ')  und  schliesslich  der  tJang  zum  Grabe  *),  und  die 
ErscbeiDung  des  Auferstandenen  aU  Gärtner.  Die  Anlehnung 
an  die  ältere  Osternachtfeier  ist  in  dieser  Schlussscene  trotz 
der  etwas  wortreichen  deatschen  üebertragung  unrerkennbar, 
ODd  namentlich  durch  die  Spielordnung  bezeugt  3). 

Werfen  wir  auch  auf  diesen  letzten  Theil  des  St.  Galler 
DeakoMls  *)  einen  Röckblick,  bezüglich  seines  Verhältnisses 
so  der  älteren  Behandlnngsweise.  Zu  den  Personen  der  alten 
Ostemachtfeier  kamen  zunächst  Nicodemus  und  Joseph  ab 
Ariroathia  hinzu ,  da  sie  bei  der  Grablegung  (die  ja  der  erste 
Act  des  Oflicium  Sepulchri  war)  betbeiligt:  ihre  Aufnahme 
tog  die  des  Pilatus  nach  sich ,  von  dem  sie  den  Leichnam  zu 
erbitten  hatten*).  War  Pilatus  einmal  im  Spiel,  so  Hess  sich 
dieM  RoUe  fuglich  aoch  schon  an  einer  friihem  Stelle  ge- 
hraachen«  nämlich  zur  Verurtheilung  Christi  ß) :  hier  hielt  man 
sich  an  Job.  XVIII,  33  ff.,  welche  Partie  ein  oft  gebrauchtes 
Responsorium  ward  ?).     Weshalb  aber  erst  hier  einsetzen,  und 


t)    Torber   «  l>irlordnong   (nach  v.  12M)    ganx  kurz 

die  AaHnrsUlmac  »ofredcutct.  —  Hier  finden  «ir  zuemt  Lucifer  kin 
Fint  itr  BADe,  rIb  RepriuenUnt  der  Seelen  «ber  Adam.  —  Daa 
CttBt  triwaphale  ist  ron  Monc  tmter  dem  Text  mitffetheilt. 

t)  Dabei  wifd  «teU  der  Mher  fibliehen  lat.  Hymnen  jeUt  der 
bekannt«  JlediaTit*  sn  Grunde  gelegt.  Die  Salbe  wird  v.  1288  wol 
trwfthat,  der  Salbeakriaer  isi  nicht  vorbanden.  —  Die  aog.  ,Maria 
Sekwe*  aelMint  aoe  Xarie  Cleopbaf  lukon  uml  Salomo  Hlnr  Mutter 
de«  Johanoea)  ronfundirt. 

>)     Dieee  achreibt    für    '!•  ■      -   ■  .  .  .  ■■    !>■    ;    •  •  •  nuut 

4Ne  mMs  Maria*  ror. 

«)    Tom  Eimmm  i»   > 

*)    Am  flcUwe  d<  i:        r     ■>   •'M.rapiela  fan- 

den wir  eeliMi  («war  tn  aherarl  '  }    r        i     <  ph  ab  Arimath. 

•nd  FibtWL  —    Kin   ahfraua.  •  '^     :       >:     i    ]-2>   hr^nnnt 

gans  peiend  mit  der  Rttle  am 

•)    IHe  K 
rieakJeffe)  h^ 

»)     AI«   li     ,     - .       !.„:. i. ...:...  :.t   .In- 

frteawi  Meram  Pil  rrt  '.  da  man  daa  Toraa%egaogene  nicht  dargr. 
■leUi  betl#.      '    '  •  ..-.,..- 

Oaf.  des  Jf.» 
SM) 


94  Cap.  n,  S  4. 

die  früheren  Leidensmoraente,  warum  die  ergänzenden  Berichte 
andrer  Evangelisten  verschmähen  V  So  mochten  die  Spielord- 
ner bald  zu  immer  weiter  zurückreichender  ')  synoptischer 
Verflechtung  der  Hauptmomente  des  Lebens  Christi  zu  einem 
dramatischen  Compositionsbilde  gelangen ,  und  ist  man  stel- 
lenweise vielleicht  unbeirrt  auf  dieser  Bahn  fortgeschritten: 
vielfach  aber  wandte  man  im  XIV.  und  XV.  Jahrb.,  namentlich 
wol  da,  wo  die  Aufführung  an  Klosterschüler  (doch  unter  Re- 
gie geistlicher  Obern j  gelangt  war,  sich  wieder  mit  Vorliebe 
besondern  Scenen  der  Osterspieltradition  zu,  namentlich  sol- 
chen, die  einer  populären,  selbst  burlesken  Behandlung  am 
ehesten  Raum  gaben  2).  Es  versteht  sich  von  selbst,  das« 
dies  nicht  die  Charfreitagsmotive  noch  auch  die  der  vorange- 
henden Leidens-  und  Lehr- Episoden  sein  konnten:  vielmehr 
war  es  der  um  die  Höllenfahrt  und  die  ürabwächterscene 
vermehrte  Apparat  des  alten  Ludus  de  nocte  paschae,  frei- 
lich durch  eine  Behandlung,  die  das  altbedeutsame  verkür- 
zend oder  verschiebend  trivialste  Nebendinge  behaglich  aus- 
spann,  oft  fast  zur  Unkenntlichkeit  verdunkelt  3), 


§  4.     Anfänge  populärer  Behandlung. 

Wenn  wir  am  Schluss  des  vorigen  §  die  Behandlung  der 
Höllenfahrt  als  das  Hauptcharacteristicon   der  altern  populä- 


1)  Wol  ist  es  glaublich,  dass  Scenen  wie  der  Verrat  des  Judas, 
die  Verleugnung  des  Petrus  als  zur  Festfeier  wenig  geeignete  Mo- 
mente der  Passionsgesch.  erst  später  (der  Vollständigkeit  wegen)  Auf- 
nahme fanden  als  z.  B.  die  Bekehrung  der  sog.  Magdalena  und  die 
so  eng  damit  verknüpfte  Auferweckung  ihres  vorgebl.  Bruders.  — 
Im  Allgemeinen  ist  aber  die  Richtung  der  Entwicklung  im  Ostercyclus 
eine  von  der  Auferstehungsfeier  aus  rückwärtsgehende,  was  (ab«r 
auch  vor  dem  XV.  Jahrh.)  selbst  zu  völliger  Confusion  des  Oster- 
und  Weihn.  Spieles  führte. 

2)  Vorzeichen  solcher  Behandlungsweise  begegneten  uns  mehr- 
fach :  im  St.  Galler  Spiel  z.  B.  die  Scene  mit  Malchus  in  Gethsemane, 
das  Losen  der  Kriegsknechte  unter  dem  Kreuz. 

3)  Von  dieser  ungünstigeu  Characteristik  ist  freilich  das  im  be- 
sten Sinn  populäre  Redentiner  Osterspiel  auszunehmen. 


Cap.  n.  g  4.  96 

reo  Spiele  dieses  Cyclus  bezeichneten,  so  ziemt  es  rieh  wol 
die  Anordnung  derselben  in  Rücksicht  auf  die  Entwicklung 
jenes  Spielmotivs  zu  Tersucben.  Wir  werden  demnach  das  in 
Wien  erhai'  ''  rspiel,  welches  im  Anschluss  an  das  wirk- 
liche Ritual  lenfahrt  noch  ähnlich  einfach  wie  das  St. 
Gailer  Spiel  ersdieint  an  die  Spitze  stellen,  und  nun  einer- 
■eila  die  reichere  Entfaltung  des  Motivs  im  Insbrucker,  die 
reiehete  im  Redentioer  vor  Augen  führen,  andrerseits  aber 
deo  Wiederabfall  der  Höllenfahrt,  wie  sie  die  bei  Pichler  mit- 
getheilten  Tiroler  Stücke  zeigen,  gewahren.  letzterer  Um- 
stand wird  um  so  weniger  befremden,  als  auch  das  Redenti- 
ner  Spiel  durch  die  so  ungewöhnlich  umfangreiche  Ausgestal- 
tni^  der  Teufelscenen  zu  einem  Aufgeben  noch  älterer  Spiel- 
■lotife  als  die  Hölleoiahrt  geführt  ward.  —  Dieser  Anordnung, 
der  das  Alter  der  Has.  (das  älteste  Datum  trägt  ja  die  Ins- 
brucker;, zunächst  nicht  völlig  beistimmt,  wird  durch  sprach- 
liche Rücksichten,  die  im  Schlusscapitel  hervortreten  werden, 
«eitere  Unterstützung  geliehen. 

Sehr  verworren  überliefert  ist  das  Wiener  Osterspiel  bei 
Hoffmann  i),  urkundlich  als  ,8pil  von  der  beeuchunge  des  gra- 
bet  nod  von  der  uferstendunge  gotee'  beieichnet.  Dieser  Titel 
betiebt  sich  nur  auf  den  iltetten  Theil,  der  namentlich  nach 
Tora    hin    durch  junge  Zusätze  arg     '  t  ist.     Recht 

ttörtnd  ift  tdion  die  Red.  der  ersten  i  aus  (p.  299) 

eotJiMt  die  Juden,  um  sich  ihrerseits  zu  berathen  —  als  sie 
(p.  800)  wieder  auftreten,  werden  sie  als  fremde  und  selt- 
■aiM  Giste  (v.  IG,  17;  von  ihm  bezeichnet.  Die  Sache  wird 
•ich  wol  io  verbalten,  daae  die  Rolle  p.  199,  1 — 20  eben  so 
tnthtaüieh  den  Pilatna,  als  die  ebendort  v.  23-32  (was 
•dum  HoffiBMon  erkannte)  dem  Caipbas  zugetheilt  ward. 
Dieean  gehört  vielmehr  die  erste  der  beiden  Rollen,  die 
tweite  einem  bei.  andern  Juden  >).  —    Pilatus  (p.  301)  dingt 


il  .  p.  296  ff.      Vrrgi.   auch   Warxirnrngris  \itd.  Ijtnrh. 
I>ic  Hs.  vrird  in«  Jahr  1473  gwetct. 

*)  B«t  dar  )«laig«i  Aaerdaf  btoibi  anklar,  wtnun  PiUlu»,  der 
•h*m  «r**  -■  '—'"Hft^t  ticli  «mdrthea  soll,  nm  ta  4«a  Jodsn  ■»  «piw 
dwa.    I.r  :  «fiiasi  aMa  aber  die  betr.  Spiclordn.  (p.2Mob«D) 

Pilatea  gcM  »oI  dM  Pallaa  «ad  kehrt  akh  «■  (d.  b.  w«ideC  sitk  ab» 


96  Cap.  II,  §  4. 

eisige  Ritter  zu  Grabeswächtern,    diese   gehen   mit   dem  uns 
schon  bekannten : 

Wir  wollen  tu  dem  grabe  gan  u.  s.  w.  ') 
an  ihr  Geschäft.  Nachdem  sie  von  den  Engeln  ^)  betäubt  sind, 
ersteht  Christus  auf  MichAols  Ruf  mit  dem  üblichen  ,Re8ur- 
rexi',  empfiingt  darauf  von  (»abriel  eine  brennende  Kerze  3),  und 
von  Raphael  die  Siegesfahne.  —  Das  p.  o03,  II  — 14  stehende 
Doppelreimpaar  des  ersten  Ritters  ist  an  dieser  Stelle  sehr  ver- 
dächtig,   gehört  vielleicht  p.  307  hinter  die  Spielordnung: 

Die  engel  gen  nu  in  das  grab  und  singen  etc. 
—  also  nach  der  Höllenfahrtsscene.  Diese  ist  hier  einfacher 
ausgeführt  als  im  Insbrucker  und  Iledentiner  Spiel  (nament- 
lich ganz  ohne  jene  Gerichtsscene  Lucifers),  doch  ausführlicher 
als  im  St.  Galler.  Die  zu  erlösenden  Seelen  werden  durch 
Adam  und  Eva :  die  Teufelwelt  wird  durch  Lucifer ,  Beelzebub 
und  Satan  vertreten.  Eine  dämonische  Reaction  gegen  die 
Erlösung  wird  (p.  306)  schon  hier  angedeutet,  und  eine  Seele 
von  Satan  zurückgehalten,  dann  aber  doch  von  St.  Michael 
befreit. 

Im  Folgenden  (p.  307,  308)  begegnet  ähnliche  Verwir- 
rung wie  zu  Anfang:  Pilatus  und  Caiphas  sind  307,  13  schon 
beisammen  (und  schreien!),  v.  23  ft".  kommt  Caiphas  mit  den 


weil  er  noch  nicht  gebraucht  wird  und  die  nächste  Verhandlung  ei- 
gentlich nicht  hören  darf)  und  spricht  zu  den  Juden  Caiphas  etc.  — 
so  ist  die  Hauptschwierigkeit  gehoben. 

•  )  Hier  nur  dieser  Anf.  —  Man  scheint  darauf  angewiesen,  die 
Str.  nach  Altd.  Seh.  p.  113,  v.  142 — 45  sowie  Pichler  (Drama  des  MA. 
in  Tirol)  p.  143  zu  ergänzen.  Auch  Fundgr.  II,  p.  336  (am  Schluss 
ansers  Wiener  Spiels)  findet  sich  dieselbe  Str.  in  etwa«  unklarer  Stel- 
lung. Lieber  möchte  ich  mit  Benutzung  einer  als  PilatusroUe  wol 
jungen  Partie  Altd.  Schausp.  p.  110  (v.  44,  45)  die  Litanei  der  zum 
Grabe  eilenden  Wächter  ro  herstellen : 

Wir  wellen  ze  dem  grabe  pän. 

Jesus  der  will  üferstänl 

Wert  Jesus  üferstan 

So  müszen  wir  alle  daz  leben  lan !  — 
^)    Die  Spielordnung  (p.  302)  spricht  von  VII  Engeln,  doch  wer- 
den  nur   drei   genannt,    und   leicht  konnte  VII   aus  III   verschrieben 
oder  verlesen  werden. 

3)  lieber  den  Oreus  pasrhalis  verpl.  n.  and.  .Mt  Chriotl.  C'ult  II, 
p.  360. 


Pap    n.  §  4.  97 

Joden  klagend  xn  Pilatus  i).  Alle  gehen  nun  Aufklärungs- 
halber nun  Grabe:  hierauf  wird  p.  308,  17  —  311,  16  in 
Mdlidier  Ordnung  Torgefuhrt,  wie  die  Grabwache  ron  Pilatus 
anageforscht,  dann  ron  ihm,  der  Frau  des  Caiphas  und  etli- 
che Juden  nm  die  Wette  aasgescholten  wird,  darauf  Pessag 
(wol  als  Hauptmann  der  Wache  anznsehn)  sich  solcher  Be- 
handlung widenetxt.  Doch  schon  p.  311,  11  —  312,  14  ist 
durch  die  üeberschrifien  *)  wieder  als  nicht  auf  sicherer  Trad. 
ruhend  verdachtig  und  mit  p.  312,  5  fängt  die  Handl.  noch 
einmal  da  an  wo  307,  27  3)  —  Klage  der  Juden  über  die 
achlechte  Bewachung  des  Grabes.  Pilatus  nimmt  hier  aber 
aatae  Ritter  in  Schutz,  und  diese  lassen  sich  ihr  Stillschwei- 
gen Ton  den  Juden  besahlen.  Diese  ohne  Zweifel  ältere  Va- 
riante kennt  also  jene  groben  Zänkereien  nicht,  die  wir  p. 
210,  311  lesen  und  folgt  der  auch  in  den  Bruchstücken  aus 
Mari  und  dem  Redentiner  Spiel  *)  vorliegenden  Auffassung, 
die  schliesslich  aof  Matth.  XXVIII,  12  zurückgeht.  —  Mit 
dem  ,Ein  Kaufmann  spricht'  ^)  beginnen  nun  die  Krämersce- 
nen  unseres  Wiener  Spiels,  in  der  ganzen  Anlage,  mit  un- 
t^r  auch  in  Einzelheiten  an  die  entsprechenden  Glanzpar- 
tien des  Insbrucker  Denkmals  gemahnend  ^).  Grosse  Passa- 
gen   (so  p.  313,   5  -    316,  22;   320,  1  —  322,  6)    könnten 


1)    Mao  könnte  vor  807,  18  schreiben  ,Caipbsi  n.  Modo  schreien. 

S)    Schon  Uoffmann  racbt  hier  iti  indem ,  doch  wol  nicht  gläcklich. 

»)    807,  27  -  896,  4  =  812,  6-12. 

*)  Ich  ftbereehe  nicht,  daae  ein  kleiner  Anfang  in  Keifereien 
icho«  dort  iiich  findet:  die  Wurte»dea  Annes  ▼.  884  ff.  dort  erinnern 
an  die  de»  Pilatos   p.  3]9 .  11  u    12. 

*)    p.  818,  6.  —  nert  wird  im  lat.  Text  bald 

aU  M<T«alor,   bald  al»  ^:    •■»<!  darnach  im  Deutschen 

als  Kaufmann  and  Ant. 

*)    Doch  uH  dir  Au'fuhniD;'  t  gans  so  br«  • 

anrh  fshlea  die  bcidctj  l'titrrkr.  .  ma  and  die  &! 

Tcrwaadlechaft  leifi  sich  in  <li-r  kiimuchrn  Erwihnang  Flanderns 
und  Eerptr&t,  hier  p.  815.  Mul.  !>cbauip.  p.  180.)  Doch  hat  sieh 
firr  U/-<)  für  ilif  hierin  bewiesene  Missig«^  etnereeits  durch  ein 
Vorspiel  der  (kter  swtschen  Kr&ner,  Frso  und  Knecht  spielenden)  Keif- 
und  Pr%elsecae  in  jener  jftofem  Fassung  der  Wiehtersoroa  «ni* 
sch*dift,  wo  die  asor  merratnrts  s^onals  Kran  Ar- 
schiaspfsn  kam  (rtrgL  p.  819;  —  sadrtrseiis  sock 
haadläa«  ebüger  Mfeaden  Soenea. 

7 


98  Cap.  II,  S  4. 

auch  hier  (und  zum  Frommen  der  Haupthandlung)  fortblei- 
ben: andre  Stellen  derart  (wo  die  klagenden  Frauen  mit  dem 
Krümer  handeln)  haben  sich  echmarotzerhuft  zwischen  älteren 
Texten  eingenistet.  Es  finden  sich  (p.  323,  3 — 6)  unter  die- 
sem altern  Bestand  wieder  Anklünf^e  an  den  Trierer  Ludus 
de  n.  p.  (Fundgr,  II,  p.  273,  31  flF.)»  und  die  Besuchung  des 
Grabes  selbst  (p.  323,  17  —  326,  18)  ist  einfach  und  würdig, 
im  Anschluss  an  alte  Tradition  gehalten.  Die  Gärtnerscene 
(p.  32G,  19  ff.)  zeigt  massige  Komik  i):  die  Rrk^fiDun^sscene 
zwischen  dem  Herrn  und  Magdalena  ist  nur  fr«ifu£araphrase 
des  II.  Prima  quidem  suffragia.  Es  folgt  die  Bekehrung  des 
Thomas,  wiederum  vor  dem  Victimae  paschali  und  vor  dem 
das  Ganze  abschliessenden  Wettlauf  des  Johannes  und  Pe- 
trus 2),  dessen  Behandlung  hier  schon  einige  Ausgelassenheit 
athmet.  — 

Betrachten  wir  nun  hierauf  das  In sb rucker  Spiel,  auf- 
gezeichnet im  Jahre  1391.  Ich  verweise  den  Leser  auf  die 
von  Mone  3)  vorangeschickte  .Uebersicht  und  Einrichtung  des 
Stücks',  um  die  vorliegende  Rec.  zu  überblicken,  während  ich 
selbst  mich  jenes  Schema's  in  freierer  "Weise  bedienen  werde. 
—  Der  älteste  Theil  ist  mir  natürlich  die  .vierte  Handlung': 
die  lat.  Grundtexte  ^)    sind   hier  sogar  leidlich  erhalten,    und 

1)  Doch  schon  mehr  Freiheit  als  die  Insbrucker  Rec.  (Altd.  Seh. 
p.  140,  141).  Die  Eingangsanrede  des  Gärtners  bietet  hier  (p.  326, 
19)  eine  bemerkenswerte  Variaute  statt  der  uns  sonst  (Altd.  Seh.  p. 
140;  Fuudgr.  II,  276)  bekannten.    Der  bez.  Vers  lautet: 

Fundgr.  a.  a.  0.:  Als  ob  sie  eins  Jungelinges  waeren 
(woltcif?)  warten 

Altd.  Seh wez  hastue  hye  czue  warten? 

hier recht  als  sie  des  krautes  warten. 

2)  Dieselbe  Anordnung  im  Wolfenbüttler  Ludus  und  dem  Ins- 
brucher  Osterspiel. 

3)  Altdeutsche  Schauspiele  p.  108. 

4)  Marc.  XVI,  die  H.  II.  ,Je8u  nostra  rcdemptio',  ,Cum  venissem 
ungere  mortuum',  , Prima  quidem  suffragia',  das  Respons.  ,Dic  nobis 
Maria'.  —  Zum  H.  Jesu  p.  red.  vergl.  Mone's  Note  p.  137  u.  Sohöne- 
mann  p.  157,  dem  ,Cum  ven.  ungere  mort.'  ist  wie  bei  Schönemann 
p.  156  das  ,En  angeli  aspectum  vidimus'  vorgesehen  (vergl.  aach 
Fundgr.  II,  275,  11  —  14).  Die  letzte  Str.  des  H.  ,Cum  ven.'  (Dolor  cres- 
cit  cet.)  ist  hier  durch  die  Gärtnerscene  ,die  offenbar  zwischen  ge- 
schoben ,  von  den  früheren  getrennt,  üebrigens  ist  der  deutsche  Text 
p.  140,  141  nicht  von  störenden  Wiederholungen  frei. 


Cap.  n.  S  4.  99 

der  dentache  Ansdnick  geht  selten  über  die  Schranke  wort- 
reicher Driiersetzong  hinsnt.  Die  Oirtnersoene  und  der  Wett- 
Uaf  des  Jobannes  nnd  Petrus  (letzterer  sogar  nur  lat  ausge- 
föhrt,  nach  t.  IIb!)  sind  Ton  komischer  Beimischung  noch 
fiast  hei :  in  der  Einführung  des  Thomas  stimmt  unser  Stück 
wie  auch  aoost  (viigl.  die  letzte  Note)  zum  altem  Theil  i)  des 
in  §  2  betrachteten  Wolfenbüttler  Denkmals.  Die  Thoroas- 
•oene  (t.  1109  ff.)  steht  hier  übrigens  unrichtig  vor  dem  Wett- 
fawf  des  Job.  und  Petrus  >),  was  sie  wol  als  Einschaltung  ver- 
räth.  —  Theilweise  gleich  alt,  aber  durch  üppige  junge  Aus- 
wüchse rerunstaltet  erscheint  die  dritte  Handlung  3).  Sie  be- 
ginnt mit  dem  Auftritt  der  klagenden  Frauen  (▼.  422 — 454), 
der  gut  gewahrt  ist,  dem  H.,  Omnipotens  pater  altissime  **) 
wird  strophenweit  eine  deutsche  Uebersetzung  nachgefügt. 
Dagegen  ist  die  Mgende,  zwar  vulgär  gefärbte  Scene  zwi- 
•cfaen  dem  Salbenkramer,  seinem  Knecht  Rubein  und  der 
Frau  <ka  Krimers  ') ,  ohne  jeden  nähern  Bezug  zur  Haupt- 
handlung: fast  300  Verse  (v.  456 — 749)  sind  hier  als  rohes 
Eitttehiebael  kenntlich.  V.  750—789  ist  wieder  alt  und  echt: 
der  H.  «Heu  nobis  intemas  mentes*  mit  deutscher  Ueberse- 
tsnng.  Das  Folgende  (t.  799—662)  ist  trotz  einer  Str.  Ru- 
bins in  Küchenlatein  durchaus  S|>iterer  Zusatz,  und  auch  nach 
der  echt  lateinischen,  alten  Stelle  t.  863—874  das  Weitere 
bis  T.  910  durch  jüngere  Auftragung  überwuchert.     IVppiger 


t)  XHm  wir  •!•  Lodo«  de  nocte  pMchae  beseichnetcn.  lu  der 
Qitimtnetm»  nigt  skh  Verwandudutft  mit  dem  Trierer  Lud.  de  u. 
pMckM.  cf.  Faodgr.  U,  376,  6—9  mit  t.  1093  ff. 

S)    Lctettrw  Dach  Joh.  XX,  4  ff.,  entere  n«ch  r.  94  ff. 

S)  Moo«  dsrlie  dantm  doch  nicht  die  gmnze  UandL  als  Zwischen- 
spiel  beMiehaea» 

«)    TerfL  SehteeaMaa  p.  161. 

*)  Veffl.  diasetts  BfoUe  ta  der  Binfnngwpwiordimng  des  bene- 
dtdbearsr  Omeispisb.  Dea  KrioMr  tdbst  tedea  wir  im  gm.  I^iel, 
la  dam  Prafm.  ans  Mnri  oad  bei  fleliftaainaaB  — >  Die  Frsa  wird  hier 
p.  129  Aalooia  geaaiiat ,  oad  hat  aoA  eise  AaotUa  nr  Seit«,  oad  wia 
der  XiteMf  eelbei  aiarB  Dieaer  (Babeia),  so  wirbt  dieser  sich  aadi* 
riaaw<ir  twai  HatfitaheUcr,  Pasitbalk  aad  Iraetorballr  DieM  See- 
aaa  febtewa  aa  im  loOtiMi  llisieaisiliilun  •earrOea  WItas«,  blaibin 
dMb  seltMidia  baiL  fhwea  aiehl  mil8w«y«rtig«iAv«d«a 


100  Cap.  II,  §  4. 

Auswuchs  wieder  v.  911 — 984:   eine  Keifscene  zwischen  dem 
biedern  Krämer  und  seiner  lielienswürdigen  Ehehälfte. 

Die  erste  Handlung  beginnt  nach  einem  Prolog  des  ,Elx- 
positor'  (V.  1  —  40)  mit  dem  ,Ingre88us  Pilatus',  das  hier  dem 
Landpfleger  selbst  gehört  »):  Er  schickt  zu  den  Hoherprie- 
stern  um  die  Bewachung  des  Grabes  zu  verabreden:  Söld- 
linge werden  gedungen,  diese  gehen  mit  einer  auch  sonst  sich 
wiederfindenden  Str.  2)  an  ihr  Geschäft.  Die  Wächter  fallen 
dem  Schlaf  anheim;  Christus  ersteht  (nach  v.  167)  mit  dem 
Introitus  der  Ostermesse:  Resurrexi!  —  Ein  von  Pilatus  ge- 
sandter Bote  findet  das  Grab  leer:  jener  eilt  selbst  hin,  und 
fährt  die  Ritter  (Grabwächter)  hart  an.  Diese  beschuldigen 
sich  gegenseitig  und  zanken  auch  wol,  doch  ist  das  komische 
Pathos  hier  weit  milder  als  in  der  schon  besprochnen  dritten 
Handlung.  —  Fast  am  bedeutendsten  ist  uns  die  zweite  Hand- 
lung, den  Gang  Christi  in  die  Vorhölle  3)  und  ein  sich  daran 
schliessendes  Teufelspiel  darstellend:  Motive,  die  in  den  frü- 
heren Denkmalen  kaum  noch  hervortraten  *).  Lucifer  lässt 
aus  Besorgniss  vor  fremdem  Geräusch  die  Höllenthür  schlies- 
sen ,  da  erscheint  Christus  und  fordert  Einlass,  ja  bricht  selbst 
die  Höllenpforte  (nach  v.  225).  Während  die  Dämonen  vor 
Wut  heulen,  sind  Adam  und  Eva  und  andre  in  der  Vorhölle 
der  Erlösung  harrende  Seelen  hocherfreut.  Aber  nicht  alle 
dürfen  mit  Christo  hinweggehn,  vielmehr  übt  Lucifer  in  ei- 
ner von  V.  259—421  reichenden  Scene  eine  Gerichtsbarkeit 
über  die  noch  vorhandenen  oder  neu  beigebrachten  Seelen 
aus  5).     Dieses  Richteramt   des   Höllenfürsten   findet  sich   in 


1)  Ganz  abgesehen  von  dem  ZuBammenhang ,  in  dem  das  Respons. 
eigentlich  steht  (cf.  Job.  XVIII,  33)  wird  hier  der  Anfang  desselben 
nur  zur  feierlichen  Einführung  des  Pilatus  gebraucht. 

2)  V.  142—145.  Ich  habe  beim  Wiener  Osterspiel  sie  schon  be- 
sprochen. 

3)  Hier  wie  gewöhnlich  aus  scenischen  Granden  hinter  die  Auf- 
erstehung verlegt. 

*)     In  den  Fragm.  aus  Muri,  dem  St  Galler  u.  Wiener  Osterspiel. 

5)  Man  wird  an  die  Richter  der  antiken  Unterwelt,  Minos,  Aia- 
kos  n.  8.  w.  erinnert:  in  echt  christlicher  Tradition  dürfte  sich  ein 
Richteramt  des  Höllenfürsten  nicht  finden.  —  Ein  wirkliches  Verur- 
theilen  der  Seelen  durch  Lucifer  tritt  uns  übrigens  erst  im  Redenti- 
oer  Spiel  entgegen:  hier  bekennen  sie  einfach  ihre  Schuld. 


Cap.  n,  §  4.  101 

ähnlicher  Weise  nur  wieder  im  Redentiner  Osterspiel,  zu 
dem  ich  also  am  pasaendsten  übergehe,  und  mich  wieder  an 
Mone's  Inhaltsschema  anschlieese  i).  Das  niederdeutsche,  doch 
in  lat  Spielordnung  gefasste  Denkmal  ist  in  der  (Karlsruher) 
Ha.  ,I>e  Retnrrectione'  überschrieben,  und  ward  nach  einer 
Schlossnotiz  im  Jahr  1464  zu  Redentjm  (in  Mecklenburg)  nie« 
dergeschrieben. 

Verglichen  mit  dem  Insbrucker  Spiel  zeigt  unser  Stück 
snnichst  Enreiterung  der  Scenen  in  der  Unterwelt :  der  zwei- 
ten Handlung  •■  -pricht  hier  die  dritte  und  fünfte  H.; 
die  dritte  den  rsten,  die  fünfte  den  beiden  letzten 
Auftritten  jener.  —  Dagegen  für  die  dritte  Handl.  sowie  die 
rierte  des  Insbrucker  findet  sich  kein  Analogon  im  Redenti- 
ner Spiel:  während  die  beiden  ersten  Handl.  sowie  auch  die 
rierte  hier  taMmmen  der  ersten  Handlungen  des  Insbrucker 
Spiels  oorreqxradiren.  Ziehn  wir  die  Summe,  so  hat  der  Re- 
dftctor  des  nd.  Denkmals  allerdings  gerade  den  ältesten  Kern 
des  Osterspieb  aufgegeben:  al)er  dieser  erschien  uns  im  Ins- 
hnicker  Spiel  als  eine  veraltete,  ron  jungem  Auswuchs  viel- 
fach  fiberwucherte  Materie.  Ward  diese  wie  hier,  mit  siche- 
rer Hand  ganz  abgestowen  >)  bo  lieas  sich  Rxium  und  Kraft 
erübrigen,  um  jöngere  Spielmotive  mit  soviel  Energie  auszu- 
Inlden,  data  sie  ohne  Missklang  die  älteren  ersetzen  konnten. 
Dieter  Procees  durfte  nicht  ohne  /usammenhaug  mit  dem  re- 
ligioeen  Zeitgeist  vor  sich  gehn,  wenn  er  berechtigt  und  or- 
ganiedi  sein  wollte:  dem  spätem  MA.  aber  kommt  wo  es 
eben  aidit  bloe  alte  Trad.  fort^aiiiit,  schon  eine  direct  mo- 
ralische Tendenz  zu,  wie  sie  in  der  Reformationszeit  sich 
schirfer  anspngt  gegenüber  w'  '  '  ^  Issrbwärmerei  ei- 
neneits,  nechanisfier  Werkfrin:  .^  .  ..Jrerseits  *).  Wie 
auch  anf  andern  Literatorgebieten  vollzieht  sich  der  Durch- 
bmch  jener  neuen  Richtung   auch  in  onserm  Denkmal  ver- 


I)  Brtseqi  d«  MA.  II,  7  ff.  —  Spedakasgab«  von  Eiim&lUr: 
DiBt  Spa  vaa  dM>  Upsteadiag«.  QaedL  «.  Lpiff.  ia6L  —  VafL  auch 
Droidui:  OebM*  das  BsdeDtiner  Oslenpiet    Neaitettta  1868. 

<}  Aa  dar  Debsrselvill  4>*  rssarrectioae*  brasckie  dämm  Dro* 
..i.«  ..   *a  Jo«||  aiebl  m  liksta 

ilsa  deaüt  «bea  aar  di«  FntartaegiB  der   kathoIiMb» 


102  Cap.  II,  ^  4. 

mittelst  einer  satirisch-geisselnden  Weltanschauung  ';,  welche 
sich  aber  (zum  Gewinn  der  poetischen  Wirkung)  oft  mit  nai- 
vem Humor  verbindet. 

Die  erste  Handlung  und  die  als  ihre  Fortsetzung  zu  be- 
trachtende zweite  2)  stimmt  freilich  in  den  Hauptzügen  mit 
dem  Insbrucker  und  anderen  (noch  zu  betrachtenden)  popu- 
lären Osterspielen ,  überrascht  aber  durch  die  Anwendung  nie- 
derdeutscher Local färben  3).  —  Die  vierte  Handlung  bleibt 
davon  frei:  Pilatus  söhnt  sich  mit  den  Grabeswächtern  aus 
und  verurtheilt  schliesslich  (v.  1021—41)  das  ganze  Beneh- 
men des  jüdischen  Volks  gegen  Christus,  den  er  gerne  würde 
gerettet  haben.  Eingerahmt  von  den  genannten ,  nur  Neben- 
rollen aufweisenden  Handlungen  erscheint  die  dritte  (Christus 
in  der  Vorhölle)  insofern  als  Ilauptact,  weil  hier  allein  die 
für  das  Osterspiel  schon  unentbehrlich  gewordene  Rolle  des 
auferstandenen  Erlösers  eingreift.  Das  Personal  in  der  Un- 
terwelt hat  sich  (vergl.  mit  dem  Insbrucker  Spiel)  bedeutend 
vermehrt :  während  dort  auf  Seite  der  Dämonen  nur  Lucifer 
und  Satan,  unter  den  ,Altvätem'  (mit  Mone  zu  reden)  nur 
Adam  und  Eva  genannt  werden,  treten  hier  auf  letzterer 
Seite  Abel  "*),  Adam,  Isaias,  Simeon,  Job.  Baptista ,  Seth  und 
wieder  Isaias  auf:  später  (v.  485  ff.)  werden  David,  Adam 
und  Eva,  noch  später  (v.  685  ff.)  Enoch,  Elias  und  der  Latro 
(aus  Luc.  XXIII,  42)  vorgeführt  5).  —  Auch  das  Teufelsregi- 

*)    Wem  fiele  nicht  gleich  Seb.  Brandt's  Narrenschiff  ein  ! 

2)  Mone  hätte  sie  füglich  vereinigen  dürfen. 

3)  So  werden  v.  206  liiddensee  und  Mön,  v.  212  Pole  (d.  h.  Poel 
bei  Wismar)  als  dem  Schauplatz  der  Handlung  benachbarte  Orte  ge- 
nannt. 

4)  Im  Kv.  Nicod.,  das  vom  18.  bis  26  Cap.  für  die  scenische  Dar- 
stellung der  Höllenfahrt  benutzt  ward,  werden  Joh.  Bapt  (c.  18), 
Adam  und  Seth  (c.  19),  David  (c.  21),  Habakuk  (c.  28):  Enoch,  Elias 
und  der  gute  Schacher  (v.  25,  26)  genannt.  Aus  c.  21  rührt  auch  wol 
die  Anwendung  von  Ps.  24,  7—10  her.  Dagegen  ist  das  aus  Augustin 
gezogene  canticum  triumphale,  das  Drosihn  (p.  22)  mit  Beibringung 
einer  Notiz  aus  Daniels  Thes.  Hynm.  II,  p.  315  erläutert,  wol  nicht 
direct  auf  das  Evang.  Nicod.  gegründet,  wenn  es  auch  an  cap.  24  er- 
innert. 

5)  Joh.  Bapt.  wird  zuerst  von  Satan  am  Fortgehen  gehindert, 
doch  geht  es  ihm  besser  als  der  Anima  infelix  Altd.  Schausp.  p.  117 
unten. 


Cap.  U,  §4.  1    ; 

•ter  itl  dwofa  Nortor,  Tutevillus  und  Pack  verstärkt  '),  uud 
andre  encheinen  noch  in  der  fünften  Handlung.  Was  diese 
selbst  non  betrifft,  so  erscheint  sie  einerseits  (da  nur  die  Dä- 
monsn  sie  mit  dem  eigentlichen  Osterspiel  verknüpfen)  zwar 
als  froer  Anbaag,  andrerseits  —  wenn  man  sich  auf  den 
aach  in  Prolog  und  Epilog  des  ganzen  Stucks  sich  zeigenden 
moralischen  Standpunct  des  Redactors  stellt,  leicht  als  die 
wichtigste  Ptuthie  des  Ganzen.  Hier  wird  gezeigt,  wie  die 
Erlösnogsthatsache  die  Macht  der  Hölle  nur  zu  geschärfterer 
FeindtcdMft  gegen  die  Menschen,  welche  jeii^r  Freiheit  theil- 
baft  iraideo  sollen,  antreibt:  und  wie  die  Menschheit,  will 
sie  im  alten  Schlendrian  fortleben ,  nur  um  so  sicherer  in  den 
Höllenrachen  htupnstwiert  >). 

In  dieeer  Hadlang  lehnt  sich  der  Dichter,  (so  darf  man 
dea  Redentiner  Dramaturgen  wol  nennen)  eben  so  entschie- 
den an  Mne  ältere  Vorlage  (vielleicht  an  das  Insbrucker  Spiel 
T.  369—491  oder  eine  ähnliche  Rec),  wie  er  sie  selbststün- 
«lig  verwerthet  hat  3).  Im  Insbrucker  Spiel  sind  es  7  Animae, 
die  von  Lucifer  gerichtet  werden :  die  Seelen  eines  Bäckers  % 
Schusters,  Kappelans,  Biersohenken ,  Fleischers,  Schröters  (d. 
b.  Tnchschneiders)  und  Helsers  (Buhlers)  —  im  Redentiner 
ein  Pistor,  Sutor,  Sartor,  Tabernator,  Texior,  Carnifex  (Flei- 
scher), Penestictts  (Krämer),  Raptor  und  schliesslich  ein  Sa- 
eerdos.  Letalerer  weiss  freilich  mit  kräftigem  Segen  dem  Lu- 
cifer die  Rolle  selbst  heiss  zu  machen  und  sich  dann  ruhig 
so  entfernen.  Da  Ton  dem  geistlichen  Herrn  auch  allerhand 
Uogefaöffigkeiten  bekannt  waren  (cf.  v.  1760  ff.)  so  ist  der 
■ortlische  Standpunct  ihm  gegenüber  nicht  recht  sur  Gel- 
tung gekosuDMi:    d«r  (selbst  geiskliohe)  Dichter  konnte  sich 

■)  Deber  die  Twifcissswgn  in  diesen  Bpiel  vergL  EttmÜllen  Em- 
ir» t,.  xmn,  uz. 

Ob  eise  in  dw  Libeeker  Cluenikaa  gerade  fftr  das  Jshr  14(M 
Dczcogi«  P««t  den  IHcfaier  wumn  Spieb  bei  t.  1265,  66  (Mona)  im 
dbm  gelifa  (verfL  Ettitller  p.  Till,  IX)  bleibt  £nglicb. 

S)  VergL  aamCDUich  lasbr.  Spiel  v.  800—864  mit  Kedentincr  Spiel 
1190- 1  US;  iMbr.  8p.  t.  406-431  mit  Red.  Hp.  1928—1049.  -  N«. 
nsaUicii  in  der  EsUe  LeeUen  seift  sich  die  »elbst  •chopferifcbe  Th&* 
lifkeüdM  Bedeatjaem. 

4)   80  giebl  neb   v.  986  die   «Ofber  aar  als  «aaiaa  laCslix'  b«. 
SS  sKkeaaea. 


104  Cap.  n,  §  4. 

hier  nicht  leicht  entschliessen  ,  den  theoretisch  zwar  zup'-^ 
nen  Satz,  d aas  es  auch  für  hohe  und  liöchste  Clerisei  Qu. 
bei  Lucifer  gebe  (vergl.  v.  1954)  practisch  in  aller  Schärfe 
durchzuführen  ').  Viel  mehr  wird  man  hinter  jener  Inconse- 
quenz  des  ethischen  Staudpuncts  kaum  suchen  dürfen  2). 
Auch-^er  Localbeziehungen  enträth  die  letzte  Handlung  nicht 
ganz:  Lübeck  wird  1265  als  der  Ort  genannt,  woher  die  Teu- 
fel die  Seelen  holen  sollen.  Sollte  das  wie  Mone  annimmt, 
eine  ,landschaftliche  Satire'  sein,  so  geht  doch  in  ihr  die 
Tendenz  der  letzten  Handlung  keineswegs  auf:  der  drohende 
Erguss  Lucifers  (v.  1950  ff.)  nimmt  eine  sehr  allgemeine  Rich- 
tung. Man  wird  in  dieser  localen  Näherrückung  der  Hand- 
lung auch  nicht  bloss  Naivität  des  MA.  seljen  dürfen,  da  sie 
in  unserm  Denkmal  doch  einzig  in  ihrer  Art  erscheint  3) :  sie 
steht  sicher  in  Zusammenhang  mit  jener  bewusst  ethischen 
Richtung  des  Redactors,  die  nicht  nur  die  Darstellung  einer 
längst  geschehenen  Thatsache  wollte,  sondern  eine  lebendige 
Wirkung  auf  die  Gegenwart  und  eine  sittliche  Erweckung  des 
iSuschauers  erstrebte,  wie  es  v.  13  ff.  heisst: 

Got  de  will  in  desser  t^t  losen, 

Di  dar  läten  van  dem  bösen. 


')  Zwar  scheint  echon  im  Insbrucker  Spiel  v.  872  fl".  der  lustige 
Kappellan  zur  Hölle  bestimmt,  aber  die  ganze  Auüführung  dort  ist 
Schwankhaft  und  meint  es  oflfenbar  nicht  allzustreng.  Dort  ist  es  auch 
der  Wüstling  (heiser),  dem  als  einem  gefährlichen  Kunden  der  Haus- 
vater der  Hölle  Einlass  weigert, 

2)  Einerseits  waren  auch  schon  zur  poetischen  Einkleidung  des 
ethischen  Grundgedankens  humoristische  Scenen,  wie  die  sswischen 
Sacerdos  und  Lucifer  wünschenswert,  andrerseits  musste  neben  der 
furchtbaren  Gewalt  des  bösen  Feindes  doch  auch  die  Schranke  sicht- 
bar werden,  in  die  sie  gewiesen  —  wie  auch  die  schliessliche  Nieder- 
lage der  Teufelskunst  in  dem  komischeu  Schlusseffect,  wo  Lucifer  als 
gebrechlicher  alter  Sünder  von  den  Seinen  abgetragen  wird,  klar 
durchscheint. 

3)  Wenn  es  im  Insbr.  Sp.  v.  293  ff.  heisst : 

Lauf  hen  keyn  Pullen, 

Dass  wir  die  sele  (,helle*  liest  K.  Schröder)  gefullen, 
so  ist  das  nur  ein  Reimwitz,    und  ebenso    das   ,Anian'   (Avignon?)  v. 
299  daselbst.  —  Die  scherzhaften  Localisirungen  im  Wiener  Osterspiel 
(Fundgr.  U,  p.  321   u.  f.)  haben  gleichfalls  nur  humoristische  Bedeu- 
tung. 


r^n   TT    54.  105 

Di  diVr  hüten  in}  t  üade  upstän , 
Di  schollen  frig  von  sunden  gän. 
Picblcr  hat  in  seiner  Tiroler  Sammlung,  zu  der  wir 
schliesslich  ans  wenden,  von  vier  Osterspielen  Nachricht  ge- 
gegeben, die  unter  sich  sehr  grosse,  ausserdem  am  meisten 
Verwandtschaft  mit  dem  Wiener  Spiel  zeigen.  —  Vom  ersten 
derselben,  das  übrigens  fast  mit  W.  sich  decken  soll,  hat 
Picfaler  (p.  41  unten)  nur  die  Schlussrede  des  Praecursors  mit- 
getbeilt :  zwei  andere  documentiren  in  den  mitgetheilten  Pröb- 
chen  (Gärtnerscene  p.  43,  Werbung  der  Grabeswache  durch 
Caiphas  :  ' '  '^*  und  wieder  eine  Gärtnerscene  p.  48,  49)  das 
weitere  l  reifen   und  Ueberwuchern  der  humoristischen 

Spielmotive.  Vielleicht,  dass  (wie  Pichler  befürwortet)  eine 
Satire  gegen  >  '*  '  '"  hlhänse  und  medicinische  Markt- 
sehreier der  /  .  "  Witz  in  etwas  würzen  half  '). 
Eine  Eigenthümlichkeit  dieser  Tiroler  Stücke  liegt  darin,  dass 
die  Krämerscene  freilich  geschwunden ,  die  aber  ursprünglich 
dem  Salbenkrämer  zukommende  Anpreisung  von  allerhand 
Heilmitteln  hier  auf  den  Hortulanus,  der  mit  Hilfe  eines 
Knechts  einen  Würrgarteu  bebaut,  v.'  igen:    bei  dieser 

Contamination  der  Krämer-  und  Gärt i ..c  ward  natürlich 

die  ursprüngliche  Identität  letzterer  mit  der  Salvatorrolle  auf- 
gegeben. Ich  gehe  über  zu  dem  vollständig  mitgetheilten 
vierten  Spiel. 

Eingangs  fehlt  hier  die  Bcrathung  der  Juden  und  Ab- 
ordnung der  Grabwache:  wir  hören  die  Ritter  wie  aus 
eignem  Antrieb  mit  der  bekannten  Str.  2)  zur  Wache  ziehn, 
und  die  sonst  von  Caiphas  oder  Pilatus  geäusserte  Besorg- 
niss  wegen  der  Auferstehung  ist  hier  dem  ersten  Ritter 
selbst  eigen.  Im  Folgenden  finden  sich  dann  freilich  An- 
deutungen, dass  unsere  Helden  sich  für  Geld  und  gute  Worte 
dem  Pilatus  verpflichtet  haben.     Die  Betäubung  der  Wächter 

*j  Kia  gleiche«  wftrde  dssn  von  den  bes.  Scenen  bei  Mono  im 
Intbr.,  \>*t  Uoffmasn  im  Wiener  Ottcrtpiel  »ach  gelten  (Vcrgl.  W»- 
cIwriMiK«!  LitaiwtargMch.  p.  807,  der  in  dem  Krämer  einen  ecbolmi- 
•cbcn  Marktjadea  Mbt).  Doch  ist  die  Orenxo  cwttchen  uaiv-bumori' 
irtkehtr  bimI  •atiriechcr  Kachahmung  der  ^^  •  it  joUt  »chweriu 

listJMHp:  oft  geaoff  modit«  bot  die  ent  u. 

S)    Wir  wcUca  m  dem  grsb«  gin.  —  bchon  oben  crliat«rt. 


106  Cap.   11,  M- 

geschieht  hier  fp.  146)  niclit  so  grnidezu  wie  sonst  wol,  son- 
dern durch  dreimaliges  Nahen  des  Kngels :  der  Auferstehungs- 
act  selbst  ist  im  Anschluss  an  lateinische  Texte  ij  ausgeführt. 
—  Die  fünf  Ritter  gerathen  nach  ihrem  Erwachen  wol  in 
Zorn,  und  beschuldigen  sich  gegenseitig:  aber  wie  ihre  Zeich- 
nung hier  überhaupt  etwas  nobler  ist,  so  treten  sie  (p.  148) 
mit  einer  erbaulichen  Anrede  an  die  Zuhörer  ab,  Zeugniss 
für  die  Auferstehung  ablegend.  —  Das  Folgende  ist  auch 
nach  recht  alter  Tradition  gearbeitet:  zu  Grunde  liegt  der  H. 
,Omnipotens  pater  altissime'  2)  und  der  Anfang  von  Marc. 
XVI.  mit  deutscher  Paraphrase.  Dagegen  ist  die  p.  151  — 157 
etwas  breit  ausgeführte  Gärtnerscene  eine  sehr  freie  Partie, 
die  sich  seltsam  genug  an  die  lat.  Textworte  (Joh.  XX,  15) 
anschliesst:  übrigens  ist  die  Trennung,  der  Gärtnerrolle  von 
der  des  Erlösers  hier  zum  Glück  völlig  deutlich  3).  Letzterer 
offenbart  sich  der  Magdalena  im  einfachen  Anschluss  an  den 
Prima  —  quidem  suflfragia  —  hymnus  und  das  Trishagion  im 
Munde  der  Jüngerinn.  Dagegen  hat  sich  die  Thomasscene 
und  der  (nach  verdeutschem  Victimae  paschali)  "*)  schliesslich 
noch  folgende  Wettlauf  des  Johannes  und  Petrus  ungehörig 
burleske  Behandlung  nicht  erwehren  können.  Die  chronolog. 
Ordnung  dieser  Schlussscenen  ist  wie  im  WolfenbüttlerLudus 
und  Insbrucker  Osterspiel  5).    —    Nicht   begegnet  war  uns  in 

i)  Das  wol  auch  dem  Ritual  entnommene  ,£go  donnivi'  (p.  147) 
finde  ich  nicht  gleich  auf:  das  ,Re8urrexi  cet.'  ist  der  (aus  Ps.  139,  1 
zu  ergänzende)  Introitus  der  Oatermesse. 

2)  Vergl.  Schönemann  p.  151,  152.  Altd.  Seh.  p.  121,  122. 

3)  Vergl.  die  Spielordnung  p.  158  oben. 

*)  Das  Vorkommen  dieses  Rituals ,  das  schon  in  §  1  dieses  Cap. 
besprochen  ward ,  ist  auch  in  den  §  2 — 4  von  mir  besprochnen  Stü- 
cken beachtenswert.  Im  St.  Galler  Osterspiel  (Mone  I,  128)  findet  sich 
nur  das  von  mir  sogen.  Respons.  Die  nobis  Maria,  doch  in  einer  kür- 
zeren Fassung,  die  auch  Altd.  Schausp.  p.  143  begegnet  (wo  das  .Vic- 
timae paschali'  vorausgeht,  wie  auch  hier  bei  Pichler,  dessen, Text 
aber  das  Respons.  vollständiger  hat).  Für  sich  steht  wieder  der  Text 
bei  Schönemann  p.  168,  wo  das  Respons.  auf  die  drei  Marien,  nicht 
wie  sonst  auf  Mar.  Magd.,  Petrus  und  Joh.  vertheilt  ist.  Das  Victi- 
mae pasch.,  das  bei  Schönemann  noch  getrennt  vom  Respons.  begeg- 
net, gehört  immer  der  Magd,  allein. 

5)  Der  Grund,  die  Thomasscene  überall  vor  den  Wett lauf  zum 
Grabe  zu  legen,  liegt  offenbar  darin,  dass  dieser  sich  leicht  an  kirch- 


r.n  TT    S  4.  107 

Pichlers  Mittheilungen  eiue  Iculelscene,  entsprechend  der  im 
losbrucker-  und  Redentiner-Spiel :  eine  solche  ist  wenigstens 
probeweise  später  (Germania  XI ,  p.  96)  mitgctbeilt,  als 
SdUuM  flinat  mehrtägigen  Passionsspiels  i)  selbständig  auftre- 
tend und  wieder  in  rein  humoristischer  Behandlung  sich  gefal- 
lend h-  —  Ueber  das  spätere  Bauernspiel  in  Tirol  hat  Pichler 
(rergl.  a.  a.  0.  p.  99)  noch  an  anderm  Orte  gehandelt,  und 
diese«,  mag  es  auch  direct  nur  mit  den  Jesuitenspielen  Zu- 
nmmenhang  zeigen,  schwerlich  mit  Recht  ganz  von  dem 
Drama  des  MA.  geschieden,  da  auch  jene  selbst  nicht  aus 
dem  Boden  gewachsen  sein  werden. 


§  S.     iu  papalärf  Pas&Ua»-t!(tenpiel. 

Ehe  wir  an  die  wichtigen  Denkmäler  dieses  §  herantre- 
ten ,  mnss  ich  einige  Rückblicke  mir  erlauben.  Zunächst  eine 
Ergintnng  der  in  §  1  berührten  kirchlich-symbolischen  Hand- 
Iongen,  die  fast  schon  früher  erwartet  werden  durfte.  Für 
den  Palmsonntag  3)  gab  es  wenigstens  hier  und  da  einen  Ri- 
toalact,  der  den  Einzug  Christi  in  Jerusalem  darstellte:  für 
den  Gründonnerstag  die  Fusswaschung  *),  für  den  Charfreitag 
die  oben  besprochne  sepultura  crucis  und  für  den  Ostermor- 
fen  die  Krenierhebung  ^).     Gleichfalls    am  Osterfest  scheint 


ttefa««  Ritaal  (DimUch  dM  ttespo— or.  Die  nobis  Mari»)  uiBcbliecsen 
komto,  ja  «chon  in  den  ilt«cien  Otterfeiem  (cf.  Mono  I,  p.  9.)  in  nuce 
—thiHan  war.  DiwMrAet  thiim  abo  «rbberechtigt ,  den  SchtaiBstvin 
4m  OitWi|iisls  n  biktan:  di«  ia  der  SpiellradittOB  jfiagere,  kirchlich 
Itmttr  aaiflviaifte  Ttioma^acfn«  war  ireeTirt  trrnncr.  w<«nii  ninn  nie  ir- 
gcadwo  ahrfKdrte. 

1)     laaofcni   darttr    dl«    ,iruii-wiiumoui<--     riK-r    tu^ir 

gasf  m  dMB  islirtlfifwi  ftiMioas  OtUwpicl,    d*«  in    l 
II  bahaadcH  wird,  äkmtm. 

«1    Di«  Ui.  tffiffi  die  lleUs:  Von  Hall  1614. 

t)  VcffL  WaekarMgal  UL  Oeaeh.  |  88  Ann.  I.  Einen  noch 
rtraafw  ktfeklkha«  Ad  b«Mltfen»C  Da  Uiril  p.  43,  and  Alt.  ChriaU. 
Qdl.  n,  p.  S8dL 

<)  ffierllr  badarf  ae  wol  fcaiaar  Belag«.  W»it«re  Krinnerungt* 
fakr  aa  daa  fe.  Atiii—kl  baoehrafM  Da  MirU  p.  43. 

*)    Wlkraad  dar  (Maratekl  Iwd  (wie  aoeh  jatot  al  AH.  II,  864) 


108  Cap.  II,  §  6. 

jener  Wettlauf  der  Jünger,  von  dem  wir  so  manche  Beispiele 
fanden,  auch  ohne  viel  Worte  als  fröhlicher  Fest-Act  ge- 
braucht zu  sein  •).  Endlich  Hesse  sich  für  den  dritten  üster- 
festtag  zunächst  für  Frankreich  ein  ziemlich  altes  Offiz  nach- 
weisen, worin  der  Gang  der  zwei  Jünger  nach  Emmaus  (Luc. 
XXIV)  vorgeführt  ward,  und  Spuren  davon  lassen  sich  auch 
bei  uns  auffinden  2).  —  Im  Anscbluss  an  diese  kirchliche 
Feiern ,  und  mit  reicher  Benutzung  von  Alle  dem ,  was  in  den 
Evangelien  über  das  spätere  Leben  Jesu  (denn  die  Geburt 
und  erste  Kindheit  blieb  als  eigenthümlicher  Sprengel  des 
Weihnachtspiels  geachtet)  bildete  sich  unter  wachsender  Theil- 
nahrae  des  Volks  im  XV.  und  XVI.  Jahrh.  ein  so  umfangrei- 
ches Osterspiel  aus,  dass  um  den  Reichthum  der  aufgenom- 
menen Handlung  anzudeuten,  andrerseits  aber  auch,  um  Irr- 
tümern 3)  vorzubeugen,  von  uns  die  Bezeichnung  Passions- 
Osterspiel  gewühlt  ward.  Ist  dieses  nun  in  der  Hauptsache 
auch  als  verstärkte  Wiederaufnahme  der  in  §  3  erörterten 
Anfänge  synoptischer  Behandlung  anzusehen,  so  hat  es  sich 
doch  die  populäre  Richtung,  welche  im  vorigen  §  uns  vorlag, 


eine  Procession  um  die  Kirche  statt,  und  kam  dabei  mehrfach  ein 
aus  Augustin  (serm.  137  de  tempore)  gezogenes  Canticum  zur  Anwen- 
dung (cf.  Drosibn  p.  22),  das  uns  bei  Behandl.  der  Höllenfahrt  schon 
begegnet  ist  und  wieder  begegnen  wird. 

')  Vergl.  das  Zeuguiss  von  1598  in  der  Vorrede  zur  neuen  Ausg. 
des  Chnustiu'schen  Weihn.  Spiels  p.  5.  —  Ks  geschah  wahrscheinlich 
als  freier  Schlussact  des  Rospons.  Die  nobis  Maria,  das  jetzt  noch  ge- 
braucht wird. 

*)  In  Frankreich  hiess  es  Office  des  Pelerins,  vergl.  Du  Meril  p. 
47.  oder  Off.  des  Voyageurs  vergl.  das  p.  117  ff.  ebendort  roitgetheilto 
Denkmal.  —  Für  Deutschi,  wüsste  ich  aus  älterer  Zeit  (angeblich  dem 
XIII.  saec.)  nur  einen  ungedruckten  Ludus  de  discipulis  in  Emmaus 
(cf.  Güdekc  D.  Dichtung  im  MA.  p.  970)  anzuführen :  spätere  populäre 
Behandlungen  des  Thema's  sind  von  Pichler  aus  Timl  miterpfheilt  und 
werden  weiter  unten  besprochen  werden. 

3)  Als  ob  Passions-  und  Osterspiele  zwei  verschiedene  Gattungen 
seien,  wie  Vilmar  (Lit-Gesch.  9  A.  p.  264)  annimmt,  ob  er  gleich  selbst 
ein  ,Passionsspiel'  edirt  hat,  das  zugleich  die  Auferstehung  behandelt 
(vergl.  bei  Haupt  III.  480),  also  wol  auch  ein  jOsterspicl'  ist.  —  Die 
Bez.  ,ludus  passionalis'  in  Hss.  erklärt  sich  leicht,  weil  die  Darstellung 
der  Passion  weit  mehr  Mühe  erforderte  und  auch  wol  mrlir  Thoil- 
nahme  fand,  als  die  der  Auferstehung. 


Can    n.  S  ?).  109 

zn  N'nue  gemacht,  u:  1  ilioser  umfassenden  '), 

dftbei  was  Colorit  utui  !;•  naiKiuü.g  >•  inüt,  nüchtern -gemäs- 
ttgten,  auch  tod  komischen  Excessen  wieder  mehr  gereinig- 
ten Form  den  Höhepnnct  d<  "~  überhaupt. 

Etne  Gruppe  Air  sich  bu nk  fürt  er,  Fried- 

berger   und  Alsfelder  Passio:  rstcre   beide 

nur  in  den  Uebersichtsrollen  des  Spiel-iiegeuieii  auf  uns  ge- 
kommen ,  letiteres  TÖllig  erhalten ,  doch  bislang  noch  nicht 
▼oUstÄndig  mitgetheilt.  —  Der  Frankfurter  Ordo  >)  zeigt  neben 
aancbem  alten  Zuge  doch  in  seiner  vorliegenden  Gestalt  schon 
hier  und  da  Hinneigung  zu  Weihuachtsspielmotiven.  Na- 
mentlich erinnert  uns  die  Anlage  des  Vorspiels,  wo  nach  ei- 
Mfli  Prolog  des  Augustinus  die  Stimmen  verschiedener  Pro- 
pbeteo  to  diqMmirt  -  '  '  ^^on  lassen,  dass  jedem  einzelnen 
Propbetenma  ein  \\k  r   Jude    mit    trotziger  Gegenrede 

antwortet,  an  den  Eingang  des  Benedictbeurer  Weihnacht- 
yaia  oder  den  des  bei  Pichler  p.  5  erwähnten  Stückes.  Un- 
»Hteibar  an  den  Schluss  des  Voncpiels  fp.  138  oben)  reiht 
sich  eine  aas  Lnc  II,  52  genommene  Antiphone,  sodass  hier- 
■it  die  Behandlang  des  N.  T.  beginnt.  TT  "  len  wir  man- 
ches Bekannte,  doch  oft  eigenthümlich  b  j:  die  Versu- 
chnng  Christi  '),  die  Berufung  der  Apostel,  verschiedene  Bei- 
spiele von  KranV  "  ngen  *).  Besonders  hervorsticht  aber 
die  Henrorhebuij^  j ::ne8  des  Täufers.  Schon  seine  Straf- 
rede an  Uerodes  and  Gefangensetzung  (nach  Luc.  III,  19), 
dann  die  Entsendung  seiner  Jünger  an  Jesus,  schliesslich  das 


I)    Bagsfncn  doch  Mob  M*H»nklagen  und  »elbct  die  Spuren  der 
-nMehtlnsr  hier  « 

i»iM  oder  rsfirtnuii  rmitche  Bes.  -~  Di«  bei  Fichsrd 

<rnaki  Archiv  III,  187  AT.)  aittttUMUt«  Hs.  geMri  dem  XVI.  Jahrh., 
dM  SUek  Mbriot  in  dm  Jahren  1496  und  IfifV'  —  <^-  «^hH.  —  Den 
Aafnff  dM  Ordo  fficbt  auch  Du  Uiril  p.  297  ; 

S)    In  dicMT  Seeae  (p.  800  bei  Da  Mirü)  »  <  ht«  Uro- 

•UQesg  vesMadoMa  n  teta:  das  ,doelBS  «st  r  itt  pai:- 

vor  dk  «rsUfl  Wort«  Am  Hatsns«  ga  •<  * 

<)    AfMirt^lMBaftiaf  «ad  H^taafsa,  •••>')  

nü  BwMrtMiig  «ntfoniicr  «toheadar  i  i<'lt.    AU 

der  v«rMki«d«a«a  Krsakh« 
WM  i«ricko  ^  Mars.  X,  47V  «i*  I/sluMr. 
CUeklte««Mg«r  (iaftrauu)  gabrssekt 


110  Cap    II,  %'J>. 

Gastmahl  des  Hcrodcs  >)  und  das  sich  daran  knüpfende  Ende 
des  Täufers  werden  hier  dnimatisirt  —  auch  die  scenische 
Behandlung  solcher  Unterredungen  des  Herrn  mit  den  Juden, 
wie  sie  Ev.  Joh.  VII.  erzählt  sind,  ist  früheren  Spielen 
fremd  2).  Mit  der  Martha-Magdalenascene  (p.  142)  lenkt  un- 
ser Ordo  wieder  mehr  in  die  traditionelle  Bahn  des  Oster- 
spiels,  und  bemerke  ich  nur  noch,  dass  sich  populäre  Be- 
handlung hier  weniger  bei  der  äusserst  kurz  (wie  es  scheint) 
behandelten  Höllenfahrt,  als  bei  dem  Gange  der  h.  Frauen  zum 
Salbenkrämer  3)  (p.  154)  ausspricht,  und  dass  der  Schluss  des 
Ganzen  (p.  158)  wieder  den  h.  Augustin  im  Verkehr  mit  den 
Juden,  von  denen  einige  sich  taufen  lassen,  uns  vorführt.  — 
Die  Friedberger  Dirigirrolle  '*)  ist  kürzer  wie  das  ebenbe- 
sprochne  und  das  folgende  Spiel,  denen  sie  sonst  nahe  steht : 
sie  beginnt  mit  dem  weltlichen  Treiben  Magdalenas. 

Von  dem  Alsfelder  Spiel  hat  Vilmar  5)  vier  Bruch- 
stücke publicirt,  die  über  Anlage  und  Behandlung  einiger- 
massen  aufklären.  Die  Handlung  reicht  vom  Auftreten  Jo- 
hannis  des  Täufers  bis  zu  der  auch  hier  hinter  die  Auferste- 
hung verlegten  Höllenfahrt  und  noch  etwas  weiter  6).  Ein 
Vorspiel  (abgesehen  von  dem  das  Stück  eröflfnenden  dreifachen 


■>)  Die  Tochter  des  Herodes  wird  hier  übripen«  nur  »Puella'.  nicht 
etwa  Herodias  genannt.  Erst  auf  wiederholte  Mahnung  (p.  191)  wil- 
ligt der  Fürst  in  ihre  von  der  Mutter  insinuirte  Bitte. 

2)  Ich  erkenne  hierin  eine  Steigerung  jener  im  Vorspiel  von  den 
Propheten  geführten  Dialektik. 

3)  Es  scheinen  hier  sogar  zwei  Krämer,  jeder  mit  seinem  Weibe 
die  Kaufscene  belebt  zu  haben  (p.  1.54).  doch  ist  von  Knechten  und 
Magd  hier  nicht  die  Rede. 

<)  Mitgetheilt  von  Weigand  bei  Haupt  VII,  545  ff.  —  Die  viel- 
fach mit  dem  Alsfelder  Spiel  stimmende  Teufelscene  (cf.  p.  547,  548) 
steht  schon  hier  verschoben,  wie  das:  .Brengit  mir  her  babist  und 
Cardinal'  zeigt,  was  erst  nach  Christi  Höllenfahrt  ursprünglich  folgt. 
(Insbrucker  Osterspiel,  v.  300  ff.) 

*)  In  Haupts  Zeitschr.  III,  p.  477  ff.  —  Die  Aufführung  dieses 
oder  eines  ähnlichen  Textes  ist  für  die  Jahre  1501,  1511,  1517  bezeugt. 
Die  Aufführung  war  eine  dreitägige.  (Genauere  Mittheilungen  wären 
für  dies  Spiel  und  die  Friedberger  Rolle  noch  zu  wünschen.) 

*)  Wir  erfahren  von  Vilmar  nicht,  was  Blatt  79 — 81  der  Hs.  bie- 
tet. Doch  ersieht  man  dies  und  einiges  Andre  aus  Weigands  Mitthei- 
longen  bei  Haupt  VII,  p.  549  (u.  weiter  zurück). 


Cap.  n,  S  5.  111 

Prdog)  fehlt  auch  hier  nicht,  und  mag  in  der  Vorlage  jenem 
der  Frankfurter  DirigirroUe  näher  gastanden  haben  i):  die 
erhaltene  Red.  hat  dafür  eine  Teafelscene  gewählt,  deren 
HauptmoÜTe  uns  schon  in  anderm  Zusammenhang  begegnet 
waren,  and  deren  Verwendung  hier  zu  der  Oekonomie  des 
Gauen  nicht  recht  pant,  troU  einiger  Aenderungen  des 
Badadon.  Wir  thun  aber  wol,  in  unserer  Betrachtung  der 
vier  Prt^n  mit  der  letzten,  welche  die  Höllenfahrt  bildet, 
ta  beginnen.  Die  Anlage  stimmt  im  Ganzen  mit  der  in  den 
popolaraa  Ottenpieien«  ist  aber  noch  bedeutender  geworden 
dareh  Anftiahme  cwea  Motirs,  das  eigentlich  den  Spielen  vom 
Weltgerieht  tokoamt  —  nämlich  der  endgültigen  Entschei- 
daag  Christi  ober  des  fcraeren  Zustand  der  Seelen  >).  Da- 
darch  ward  achon  eine  adiärfere  Trennung  der  guten  und  bö- 
§•■  Seelen,  als  ea  bisher  in  dieser  Scene  üblich  war,  nöthig: 
namentlich  aber  konnte  jene  Qerichtasoene  Ludfers,  so  der 
ttoh  aaeh  hier  die  Ansatae  wol  erkennen  lassen  '),  jetzt  nicht 
aakr  gcdnldet  werden  ohne  störende  nnd  nnjMtssende  Wie- 
derholung. Diese  ward  freilich  gemieden,  doch  mochte  der 
ktite  Badactor  die  wirkiaman  Hebel  zur  Unterhaltung  *)  des 
Publieama,  die  in  jener  iHem  Oeriditnoene  lagen ,  nicht  fah- 
r«B  lassen :  er  arrangirte  also  eine  Variation  jener  Teufelscene 
im  Anfang  des  Stücks  *).    Das  hätte  bei  etwas  mehr  Geschick 

I)  Dar»of  föbri  di«  mehrfach  (to  p.  518)  enrähntc  Ilnlle  der 
ByasfOfc  (d.  b.  Jadentchaft),  die  aaf  die  einjcchi<-n  Jti.l<>nr..niMi  u  .K<> 
SjasffQg*  tai  t'nakt  8|nel  (p.  616)  hindeatct 

*)  Eia«  Getegcitlieii  la  •olchar  St«igenuig  i>ut  «cnon  aut  aui 
MatUa.  XXY,  84  eoüchnt«  TextwoH  sa  die  erlömingafiUugw  8««1«d, 
«M  «•  iai  AaachlitM  aa  da«  bei  Droeiko  p.  82  milcatketli«  Bitaal  (bei 
Mose  Sek.  de«  MA.  I,  p.  124,  125)  ».hon  daa  St  Oallcr,  iDSbnicker. 
B»deatiaer  (Ntorapiel  haben 

S)    Maa  beachte  die  Boik»  »v.  j......*  ond  aaeanda  aaia*»  v>>'>"- 

aal»)  pL  510  ff-  —  Di«  ••«.  aaia»  wird,  balbentflokea,  Tom  Teufel 
liwfnrk  tarikekfebracki. 

*>    Nar  aioki  fsas  im  Siaaa  aaaerer  BMtderaea  Ami««n»«>ii 

•fvegtaa  daaMÜ«  iauaar  aoak  «taaa  raUgite  bedeuteaoMa 
aad  «ekeiaca  «elbei  von  der  Il«rie  de«  StOck«  alt  CAn-**)>i«r 
di«  Sckaalnel  de«  Pablicuiaa  gebraackt  sa  aeta.  (Vergi  I 
um  dea  tafela  aii««  er  jro  die  belle  v 

ft)    Maa  Mml.  ki«r  I,  146~t<S  lu 
deatiaer  Spiel  (Mom)  v.  I99B  8.  Fen^r  WlU  imj*  da*  ala  Zu*aU  «f 


112  Cap.  II,  §  5. 

•ogar  Lob  verdienen  mögen:  aber  hier  wird,  ehe  noch  im 
Stück  selbst  Johannes  der  Täufer  mit  seiner  Busspredigt  auf- 
gestanden, schon  die  durch  Judas  und  den  Ilass  der  Juden 
zu  bewirkende  Tödtung  des  unschuldigen  Jesus,  des  Erbfein- 
des der  Hölle,  in  Aussicht  genommen!  Wie  nahe  lag  es,  die 
Versuchung  Christi  (nach  Matth.  IV),  die  sicher  bald  nach 
diesem  Vorspiel  dargestellt  wurde,  als  den  ersten,  noch  gar 
nicht  absolut  feindlichen  Angriff"  der  Hölle  anzudeuten,  und 
alles  Folgende  nun  als  Steigerung  und  Verschärfung  des  Con- 
flicts  bis  zum  Bruch  der  HöUeupforte  durch  den  auferstande- 
nen Christus  auszuprägen  I  Von  einem  derartigen  Plan  ist 
nicht  die  Rede :  die  hier  und  sonst  im  Stück  in  grosser  Menge 
auftretenden  Teufel  (auch  eine  Dame  Hellekruck  als  Lucifers 
Mutter  lässt  sich  hören  p.  492j  legen  es  wol  nur  darauf  an, 
durch  seltsame  Reden,  drollig- schreckhafte  Anzüge  und  Geber- 
den das  Publicum  obligat  zu  unterhalten :  doch  will  ich  gerne 
glauben,  dass  in  andern  Scenen  jene  religiöse  Erbauung  (auf 
die  der  erste  und  zweite  Prolog  so  häutig  hinweist)  als  Haupt- 
zweck verfolgt  wurde  ')• 

Grosse  Freiheit  in  der  Behandlung  zeigt  wieder  das  dritte 
Stück,  die  Bekehrung  Magdalena's-,  allerdings  auch  zur  Ver- 
gleichung  mit  früheren  Darstellungen  besonders  geeignet.  Wo 
diese  Scene  im  Ganzen  zur  Frankfurter  DirigirroUe  stimmt, 
da  wird  man  älteren  Bestand  annehmen  dürfen  2);  jünger 
und   eigentümlicher   scheint  auch  hier  wieder  jene  vordere  3) 

ner  andern  Hand  kenntliche  Stück  I,  852  ff.  gegen  die  Kennzeichnung 
der  verschiedenen  menschlichen  Standesgebrechen  in  der  Gerichts- 
scene  Lucifers,  wie  sie  die  genannten  beiden  Osterspiele  haben. 

1)  Diese  strenge  Richtung  tritt  mehr  im  dritten  und  vierten ,  als 
den  beiden  ersten  Probestücken  hervor.  —  Uebrigens  ist  es  sehr 
glaublich,  dass  jene  ganze  Teufelscene  im  Probestück  I,  nebst  dem 
sich  daratif  beziehenden  dritten  Prolog  (I,  107  ff.)  eine  spätere  Einlage 
ist,  gleich  jener  auf  besonderen  Zettel  eingehefteten  Krämerscene 
(vergl.  Vilmars  Nachricht  p.  479.)  —  Der  erste  Prolog  (dem  der  zweite 
sich  leicht  anschliesst)  nennt  als  Anfang  des  Spiels  noch  das  Auftre- 
ten Joh.  des  Täufers  (vergl.  I,  5G  ff.),  das  in  unserer  Rec.  erst  auf  die 
Teufelscene  folgt. 

2)  Die  Bezüge  zur  Frank fnrt.i-  lii.i.riv.-,.!!..  «iDd  ^,1  nn  vr,n  Vilmar 
unter  dem  Text  angemerkt. 

3)  Jüngere  Theile  sehen  wir  aui  uiisorein  i.itoiaiurgeinft  in  der 
Regel  den  altem  vorgeschoben. 


C»p.  II,  S  5.  113 

Pftrtie ,  wo  Magdalena  in  Beziehung  zur  Dämonenwelt  gesetzt, 
mit  Ludfer  and  andern  Dämonen,  sowie  mit  einem  Soldaten 
des  Herodes  lich  vergnügt  *).  Der  Realismus  dieser  Scenerie 
ist  freilich  gross,  doch  bleibt  bei  manchem  Schwank  im  Ein- 
selnen  die  Uauptabsicht  deutlich,  der  lustigen  Welt  ein  mo- 
nüsches  Spiegelglas  vorzuhalten,  unverkennbar.  Diese  ethi- 
sche Richtung  gewinnt  nach  der  p.  499  beginnenden,  im  Gän- 
sen anf  die  sog.  Bergpredigt  -)  gegründeten  Rede  des  Erlösers 
an  Fülle  und  Kraft:  Wirkung  jener  Worte  des  Herrn  zeigt 
sidi  hier  wie  im  Frankfurter  Spiel  zunächst  bei  einer  Magd 
Magdalenas  '),  während  diese  selbst  bald  darauf  händeringend 
ihr  frfilieres  Leben  verwünscht,  nun  aber  von  der  sonst  ver- 
spotteten Martha  sich  rathen  lässt,  Zuflucht  bei'm  Erlöser  zu 
suchen.  —  y  '  '"■■^  Stück  ist  dann  die  Scene  bei'm  Phari- 
sier  Simon  i  iit,   in   würdig    gehaltnem  Stil,   mit  An- 

kttngen  an  eine  andre  Situation  im  Wolfenbüttler  Denkmal  *). 
Die  moralische  Interpretation  des  Vorgestellten  giebt  Philip- 
pas Apostc^ns  (p.  507)  und  zum  Theil  Magd,  selbst  (im  Fol- 
genden): Ludfer  aber  uoterlässt  nicht  sich  über  ihren  Abfall 
tu  beklagen.  — 

•)     IH»»  schon    im   T  ■r  Ostcrspicl    «in   tri  liuh  nur  in  der 

Hpt«lordnaui;  erbaltner  tirh  zeif^t,    nm^    /uf.tlli^e  Ueberein- 

■Ümmoog  Mta.     Die  Zc  weltlichen  I.ieichUinna   erscheint 

hier  auf  ihrer  HJ^ :    bt:... ««   miinentlich   die  coquettc  Be- 

— tiwig  «Im  voo  Loctfer  geschenkt  Is  (p.  496)  und  jenes  leicbt- 

ffHtiir«  Prei^ebeB  <!  '  m  Volk.  (p.  498)  Aach 

ois  ▼•rbndmf  nr. 

1)  Msith.  V.  hut  Vll.  i)uch  isl  tntl  Hrcht  jener  aus  Luc.  XV,  7 
fSDOMiw  Troctoprucb  auch  hier  benuUt.  '\>n  hu  He  ti.-Beuror  Oster- 
spiel  der  K^*l  epnch. 

S)     Im  l^MÜdbrter  8pielf   das  Qberhau^  .    ......    ^.  ...^    Rolle    nnge- 

naiiDt  einfährt  (die  üatttmi  des  Pilatus  heisst  nach  Ev.Nicod.  II.  Pro- 
ela)  wird  dicM»  Nardk  gcaamt  —  Zur  Ausstattung  der  Kolle  ist  hier 
wto  dort  Loc    XI,  37  wwted«t 

<)    Wir  ftndn  dort  p.  167  da«  tebr  ibnliche  V  '  de«  U. 

i9tm  n,  rad.  (dm  waiahat  daatarhr  pMraphrafe  I  ^  ,  '.  einer  d. 
tkr.  ,VU  Madea  had  da«  maraa  gr  Itier  p.  fiOl,  v.  90  ff.  (ver|fl. 

daaa  aach  p.  60t  aatan)  Dia  Siloation  i«t  abar  dort  naob  den  I^aar» 
iadea  im  Orabaa  CbiMi,  klar  tai  TIaeb  dae  Pbar.  Binoo.  Im  Wolt 
Hf>ial  echlisart  aiak  «aaitttelbar  aiaa  swaiU  Str.  aa ,  dta  hiar  IbhÜ» 
abar  aa  dar  swaüaa  md  drittaa  Tarwandaag  (dta  weit  jiafara  sUkt 
aaali  Uar  vor  dar  raktiv  iltaraa)  UasagafUut  habaa 

8 


lU  Cap.  n,  S.  6. 

An  die  eben  besprochne  Osterspiel-Trias  sei  kurz  ange« 
schlössen  die  Erwähnung  eines  (noch  ungedruckten)  Heidel- 
berger Spiels  ') ,  das  1514  geschrieben  und  schwerlich  (wie 
Cicninus  uns  bereden  will)  noch  etwas  älter  ist,  da  die  ganze 
Anlage  —  den  Scenen  aus  dem  neuen  Testament  sind  hier 
schon  oft  sog.  Perfigurationen  aus  dem  alten  vorgeschoben, 
z.  B.  die  Geschichte  der  Susanna  Yor  die  Scene  mit  der  Ehe- 
brecherin —  und  auch  P^inzelheiten  schon  dem  üeschmatk 
des  XVII,  Jahrh.  sich  nähern  2).  _  Abgesehen  von  diesen 
doch  merkwürdigen  Kennzeichen  scheint  freilich  die  Grund- 
form des  Ganzen  3)  mit  der  besprochnen  etwa  gleichzeitigen 
Osterspieltrias  zu  stimmen. 

Ich  gehe  über  zu  einigen  mehr  vereinzelt  stehenden 
Stücken  bei  Mone  und  Pichler.  Der  erstere  theilt  (II,  184  ff.) 
ein  zweitägiges  Passions  -  Osterspiel  aus  Donaueschingen 
mit  4).  Zur  Orientirung  des  Lesers  verweise  ich  auf  das  II, 
p..  150  aufgestellte  Schema,  das  eine  Art  Vorspiel,  6  Hand- 
lungen für  den  ersten ,  8  für  den  zweiten  Tag  nennt :  nach 
v.  4106  scheint  noch  etwas  zu  fehlen,  doch  wol  nicht  Viel. 
Das  humoristische  Element  tritt  hier  äusserst  zurück  5):  selbst 
die  reich  ausgesponnene  Magdalenenhandlung  (die  erste)  ent- 
räth  solcher  Färbung  <>).      Ich  übergehe  den  weitern  Verlauf 


1)  Vergl.  die  Nachricht  bei  Gervinus  Gesch.  der  d.  Dichtung. 
4.  Aufl.)  II,  p.  331.  Es  scheint  die  Hs.  (Cod.  Pal.  402)  wieder  um 
eine  Dirigirrolle  zu  sein.  Als  Schreiber  (auch  wol  Redactor)  wird  ein 
gew.  Wolfram  Stück  angegeben. 

i)  Dahin  rechne  ich  namentlich  die  Rolle  des  K  Tiberius  ,  ent- 
sprechend der  des  Augiistus  in  den  Ausläufern  des  Weihn.  Spieles. 

3)  Auch  hier  beginnt  das  Stück  mit  Job.  dem  Täufer,  und  Ge- 
sänge der  Synagoge  trennen  die  einzelnen  Scenen. 

*)  Hs.  aus  dem  Ende  des  XV.  Jahrh.  —  Die  lat.  Spielordn.  ist 
fast  ganz  gi^schwunden ,  doch  kommen  verschiedentlic''  )•'♦  ^""♦'•nzen 
(so  p.  201,  202)  vor. 

5)  Nach  dieser  Seite  hin  sollte  Gervinus  fll.  p.  Hol)  uu-m  liii  so 
witzig-unwahres  Urtheil  zu  Markte  gebracht  haben.  Da«  Stück  ist 
schlecht  genug  und  bedarf  keiner  Misdcutungen  weiter. 

6)  Andeutungen  weltlichen  Treibens  fehlen  allerdings  nicht ,  sind 
aber  trocken  genug.  Statt  des  sonst  beliebten  Tanzes  spielt  Alagdal. 
hier  Schach  mit  ihren  Galans.  Die  Motivirung  der  Bekehrung  ist 
hier  wieder  roher  als  in  den  frünkisch-hessischen  Spielen.    Zu  beach- 


Cap.II,  $.5.  116 

des  ersten  Tages,  der  namentlich  in  der  zweiten  und  dritten 
Handlung  manche  der  früheren  Osterspieltradition  fremde 
Soeoen  bietet ,  während  die  in  den  fränkisch-hessischen  Stü- 
cken 80  bedeutsame  Johannes  Baptistenrolle  fehlt.  Die  rohe 
Compilation  des  Ganzen  ist  besonders  darin  deutlich,  dass 
die  Scene  beim  Pharisäer  Simon  (in  der  ersten  Handlung) 
noch  vor  die  Versuchung  Christi  gestellt  ist.  Füglich  könnte 
num  jene  erste  mit  der  fünften  Handlung  unmittelbar  ver- 
binden, und  Theile  der  sechsten  (Auftritt  1  und  5)  anreihend 
die  i>piir  älterer  Tradition  wieder  klar  legen.  —  Der  zweite 
Tag  beginnt  erträglich  mit  Darstellung  des  heil.  Abendmahls 
und  der  Fusswaschung  :  dritte  bis  fünfte  Handlung  i)  aber  sind 
6arth  widenrärtige  Breite  in  Behandlung  der  Leiden  Christi, 
wie  M  gebäasige  Stimmung  gegen  das  dem  christlichen  MA. 
■0  miMÜebige  Judenthum  ^)  eingeben,  verwilderte  Frömmig- 
keit als  gutes  Werk  ansehen  mochte,  arg  entstellt  und  so  zu 
Mgen  angeniessbar  gewurden.  —  Am  meisten  altes  Erbe 
kommt  wieder  gegen  Ende  des  Stücks  zum  Vorschein :  p.  340, 
341  finden  wir  eine  genaue  Benutzung  des  (aus  Augustin 
eDtnomioeoeo)  canticum  triumphale,  und  wenn  auch  das  , Re- 
giaa ooeli  laetare'  und  die  sofortige  Begegnung  des  Aufer- 
•taadeiMD  mit  seiner  Mutter  (p.345)  eine  durch  den  Marien- 
ctüt  verschuldete  Trübung  der  Tradition  ist,  so  treffen  wir 
doch  bald  darauf  wieder  Hymnen ,  wie  ,Jesu  nostra  redemp- 
Uo'  (p.  S49)  ,  ,H('U  quantus  est  noster  dolor'  (p.  347),  unter- 
Biiacbt  mit  jüngeren .  die  fast  icboo  auf  eine  allegorische 
Deatnng  der  dargestellten  Handlunt;  hinzielen  ^). 


t«a  ist  die  Rolle  de«  A|»<ithckera  (xr    -                           .  <ii*-  udh  in  die' 

•er  Siloatiffi  »«•!!  «1#m  H«'n  -H**nr*T  *>  ■  hi    li  j/.^fnpt  w»r. 

')     A  •  r-i )  liiin   Kri»jM«T 

di«  b.  V«  . ..^  I'.    Krruzei- 

iaeelthlt  ia  •!  »t  (natörlicb                            ntch  cor- 

r««t)  p.  S'.""  ... 

*)    ^  «ne  iwiMken  dea 

•ilry  792,  nuun^ 

lieb  3,    der  dAinil 

••d'  wird  (p.  886). 

>>K        <  Die  B«ib«b«liun|{  ur« 

Mif  Matt.  XVI.  (.  uieht  ine  Gewichl,   da 

dir«  .1^). 

8* 


116  Cap.  n,  §.  5. 

Wul  als  Bruchstück  eines  mehrtägigen  Passions-Oster- 
spiclüH  ist  ein  aus  einer  Luzerner  Handschrift  vom  Jahr 
1494  bei  Mone  >)  mitgetheiltes ,  und  dort  als  «Grablegung' 
bezeichnetes  Stück.  Der  erhaltene  Text  (zu  Anfang  etwas 
lückenhaft)  geht  in  der  That  nur  von  der  Klage  über  Christi 
Tod,  bis  zu  dem  von  Pilatus  bewilligten  Begräbuiss  im  Gar- 
ten Josephs  ab  Arim.  und  dem  Aufziehen  der  von  den  Juden 
bestellten  Grab  wache.  Doch  schon  dies  letztere  Motiv,  mehr 
noch  die  zu  Anfang  erhaltene  Bezeichnung  :  ,Ludu8  de  resur- 
rectione  Christi'  berechtigen  zu  jener  Annahme ,  während  die 
p.  121  sich  findende  Bezeichnung  ,ad  ludum  depositionem 
Jesu'  sich  nur  auf  die  Aufl'ührung  des  Einen  Tages  bezieht  2). 
Die  Behandlung  scheint  mir  weit  edler  und  würdiger ,  als  im 
vorigen  Stück:  doch  tritt  auch  die  Neigung  zu  allegorisch- 
ethischer Deutung  der  dargestellten  Begebenheit  schon  weit 
lebhafter  hervor :  vergl,  namentlich  den  nicht  ganz  unpoeti- 
schen Epilog  des  Proclamators.  —  Ich  schliesse  hieran  kurz 
die  Erwähnung  jener  poetisch  ansprechenden  Proben  aus  dem 
niederd.  Spegel  der  samiticheit  (gedr.  1507),  die  man 
freilich  kaum  noch  mit  Mone  3)  als  Osterspiel  hinstellen  kann. 
Sie  bezeichnen  jenen  schon  im  Cap.  I.  für's  Weihnachtsspiel 
bezeugten  Uebergang  geistlicher  Spielmotive  in  die  geistliche 
Betrachtungs-  und  Predigtform, 

Wo  die  Entwicklung  volkstümlicher  blieb ,  zeigt  sich 
schou  im  XVI.  Jahrh.  grosse  Verwirrung  und  Ueberladung 
der  Tradition.     Ein  Beispiel  für  erstere  bietet  uns  Mone  4)  in 


1)  Schausp.  d.  MA.  11,  p.  119.  —  Als  Redactor  oder  wk-  man 
sonst  das  ,cditus  per'  (p.  131)  verstehen  will,  nennt  sich  ein  Matthias 
Gundelfinger. 

2)  Gleichwol  finden  sich  unter  den  Personen,  die  für  diesen  In- 
dus deposit.  Jesu  aufgeführt  werden,  manche,  die  unserm  Text,  dann 
auch  der  processio  praedicti  ludi  (ebendort)  mit  Recht  mangeln,  weil 
sie  zur  Aufführung  des  folg.  Tages  gehören,  nämlich:  Lucifer,  sec, 
tert. ,  quart.  Diabolus,  Pater  Adam,  Eva,  P.  Abraham  cet. ;  Thomas, 
Petrus.  —  Dies  dürfte  beweisend  sein ,  wenn  ich  auch  einräume, 
dass  einige  Differenzen  doch  nur  in  Nebenrollen  zwischen  dem  Per- 
sunalverzeichniss  und  der  ,proce88io'  übrig  bleiben. 

3)  A.  a.  0.  p.  115. 

4)  A.  a.  O.  p.  418,  419.  —  Das  alberne  Stück  zeigt  übrigens 
noch    gelehrte  Manier   neben    der  JSarreorolle ,    die    es    einführt.  — 


r^r.  11  §.5.  117 

einem  Zürcher  Spiel,  «Jus  zwei  Zwischenspiele  enthält,  von 
denen  namentlich  das  ersten?  (Salomons  L'rtheil)  hier  ganz 
ungehörig  ist  Als  Belege  für  letztere  würde  ich  nicht  die 
von  Mone  >)  namhaft  gemachten  Titel  von  Osterspielen  der 
Lozerner  Bibliothek  geltend  machen,  wüssten  wir  nicht, 
daas  es  sich  hier  wol  meist  um  Contaminatiouen  der  Weih- 
Dacht-  und  Osterspieltradition  handelt  2). 

Es  ist  noch  übrig,  die  Mittheilungen  Pichlei:>  uuui  die 
Pflege  des  Passions-Osterspieles  in  Tirol  zu  verwerthen.  — 
An  zwei  Tagen  zur  Aufführung  kam  der  sog.  Sterzinger 
Passion'),  welcher  bis  zur  Abnahme  vom  Kreuze  reicht: 
ein  drittes  Tagewerk  für  die  Auferstehung  ist  also  hier  ver- 
loren. —  Aus  dem  zweiten  Theil  theilt  Pichler  die  Anrede 
des  Pnecnrsors  *)  und  die  Scene  unter  dem  Kreuz  (p.  18  ff.) 
mit,  welche  wieder  Verwandtschaft  mit  der  Trierer  Marien- 
klage oder  wenigstens  Benutzung  derselben  latein.  Hymnen 
verräth  *).  Aber  selbst  von  einem  siebentägigen  Spiel ,  als 
dessen  Redactor  ein  Vigil  Raber  genannt  wird,  erfahren 
wir :  zur  Orientimng  wird  es  genügen ,  auf  die  Notiz  p.  69 
zu  verweisen,  aus  der  ich  das  Jahr  der  Aufführung  0514) 
und  die  Vertheilung  der  Materien  (für  den  Palmsonntag  ein 
Vorspiel  von  der  Versuchung  Christi  bis  zum  Einzug  in  Je- 
rusalem ;  für  den  grünen  Donnerstag  ^)  das  heil.  Abendmahl 
tind  Gefangennahme  Christi ;  für  Charfreitag  das  Leiden 
Christi ;    für  den   grossen  Sabbath  die  Klage  Maria  mit  den 

Leber  ooch  emigc  i'Mnons»  Ottonpiclc  der  Sthwn/,  1. nthlct  Weiler 
(VoUcflth.  der  Sohw)  p.  68,  p.  162. 

I)    A.  «.  O.  p.  430.-42a. 

X)     leb  werde   saf  die  Yenchniplzunfr   ilcr  vonch.  S)iIr1ini((uncTi-ii 
im  V.  Csp.  rarfidücoBunen. 

^    Bceprochen  Dnuiw  tlca   MA.  u  —  un^ni*  n  im 

die  Bes.  ,der  Pawion*  für  Paeriopeeptci 

*)    p.  16,  17.   —     Weon    hier  <>  icr  vorbeU-n 

wird,   eo  besieht  ticb  de«  wol  nur   ^  •  it  d<  r  I)nr- 

»teUnaf   und  ^pe  tpmchl.  Autdr 
mivedt.) 

*)    Yrr^l  die  RoUe  MaHm  p.  2" 
(>.  3«4,  6  ff. 

*)    Der  Aoednick  Reben  ist  (Weichpfu 
fünft«  Te«  ■■  Doonenteff.    (VergL  Orimm'«  i'  llö). 


118  Cap.  II,  §.6. 

Propheten  •) ;  am  Osterfest  natürlich  die  Auferstehung ;  am 
Ostermontag  den  Gang  nach  Emmaus;  am  Himmclfahrtstag 
die  Himmelfahrt  2))  hervorhehe.  —  Raber  benutzte  für  seine 
Arbeit  kleinere  Spiele ,  die  nur  auf  einen  Festtag  Bezug  hat- 
ten :  diese  schrieb  er  theils  aus ,  theils  unterzog  er  sie  roher 
Bearbeitung  3).  Solcher  kleineren  auf  die  Osterfestzeit  bez. 
Spiele  finden  wir  bei  Pichler  noch  drei  beschrieben :  eine 
Coena  Domini  für  den  Gründonnerstag,  eine  Grablegung  für 
den  grossen  Sabbath,  ein  Emmausspiel '*)  für  den  2ten  oder 
3ten  Ostertag.  —  Die  Behandlung  ist  überall  schlecht  genug : 
ich  erwähne,  dass  in  der  Coena  Domini  auch  der  Verrath 
des  Judas  zur  Darstellung  kommt ,  und  der  geizige  Jude  an 
dem  ihm  von  den  Hohenpriestern  gebotenen  Solde  als  schlech- 
ter Münze  herummäkelt  5).  —  Auch  das  Emmausspiel  zeich- 
net sich  durch  niedrige  burleske  Behandlung  übel  aus :  nach 
dem  Fortgange  Christi  artet  die  Scene  im  Wirthshaua  zu 
Emmaus  zu  einer  Kneip-  und  Prügelscene  aus;  allerdings  pas- 
send  zu   vulgärer  Feier  eines  zweiten   oder  dritten  Festtags ! 

Wir  haben  zum  Schluss  dieses  §.  noch  ein  paar  Notizen 
anzureihen.  Auffällig  ist  eine  Mittheilung  Hoffmanns  6)  über 
eine  Prag  er  Handschrift  des  XV.  Jahrhunderts.  Nach  der 
Ueberschrift :  ,Incipit  ludus  de  cena  domini'  sollte  man  eine 
Behandlung  des  heil.  Abendmahls  erwarten :  hier  scheint  aber 
(vergl.  p.  244)  zunächst  das  Gastmahl  beim  Pharisäer  Simon 


»)  Ein  für  sich  stehendes  Spiel  der  Art  haben  wir  in  §.  2  die- 
ses Cap.  betrachtet. 

.   2)    Also  wieder  ein  Uebersclireiten  der  Osterspielgrenze. 

3)  Vergl.  p.  68  unten,  p.  65.  —  Waren  diese  kleineren  Spiele 
(mit  Ausn.  d.  M.  Kl.)  wieder  Trümmer  älterer  Passionsosterspiele?  Man 
kann  sich  schwer  denken,  dass  an  einem  Ort  z.  B.  nur  die  Coena 
Domini  als  Gründonncrsstagsfeier  scenisch  behandelt  ward  ,  andre 
Tage  der  österlichen  Festzeit  solchen  Schmuckes  entriethen. 

•*)  Die  C.  Domini  p.  25  ff. ;  die  depositio  de  cruce  p.  36  ff. ;  das 
,Brüder8piel'  p.  49—51.  ^ 

5)  Dies  Motiv  findet  sich  auch  im  Alsfelder  Spiel  nach  Weigand 
bei  Haupt  "VII,  p.  549.  —  Noch  bemerke  ich  ,  dass  in  dem  Stücke 
als  Diener  der  Hohenpriester,  der  den  Judas  zum  Verrath  reizt,  und 
zugleich  wol  den  Spassmacher  abgab,  ein  ,Pos8en8ack'  auftritt. 

6)  Fundgr.  H.  p.  243. 


Cap.  n,  §.  6.  119 

Torgefiihrt  lu  sein  *).  —  lieber  den  alten  Kircheuritus  zu 
St.  Stephan  in  Wien  ersehen  wir  aus  Schlägers  Mittheilung  *), 
dass  dort  am  Charfreitag  Morgens  nach  der  Predigt  die  Pas- 
sion, NachmiUags  oder  Abends  ,die  Personen  um  das  heilige 
Grab'  dai^ectellt  wurden.  Die  Rolle  des  Erlösers  scheint  hier 
nur  durch  ein  Cmcifix  angedeutet,  und  die  eigenthche  Oster- 
feier  sich  auf  das  aus  Marc,  XVI  gezogene  Responsoriura 
(Tielleicht  mit  dem  Wettlauf  der  Jünger  nach  Joh.  XX)  be- 
schränkt zu  haben. 


§.  6.     Au»läifer  des  f»tfrspifU. 

Die  Verwirrung  der  Spieltradition ,  die  wir  im  vorigen  §. 
oft  genug  antrafen ,  deutet  schon  darauf  hin ,  dass  das  Oster- 
t^eX  im  XVI.  Jahrb.,  wo  es  scheinbar  in  reichster  Entfal- 
tung auftritt,  seinem  V'erfall  nahe  war.  Was  die  Kirchenre- 
formation auf  diesem  Felde  nicht  schon  selbst  als  katholisches 
Spielwerk  mit  dem  Mysterium  des  Glaubens  beseitigte  ^j,  das 
ward  von  der  Staatsgewalt  auch  im  katliolischen  Deutschlaud 
bald  gans  ausgerottet.  Nachklänge  halb-kirchlicher  Passious- 
Otttrq[iiel«  lassen  sich  auf  protestantischem  Boden  noch  bis 
gegen  AnCs^  des  XVII.  Jahrb.  verfolgen:  in  Berlin  wur- 
den bis  zum  Verbot  des  Churfürsten  Joachim  Friedrich  vom 
Jahre  1598  *)  im  , Häuschen  am  Dom*  (also  in  nächster  An- 
lehnung an  das  kirchliche  Local)  am  Palmsonntag  ''■     P-^ 

ÜAo  BOM  eben  umehaen,  du»  dieses  Ckuitmahl  alt  einr  .\ti 
V  urtptei  da«  Abeadauüils  behandeli  wurde. 

S)  Wiener  Skissen  aas  dem  HA.  VI,  p.  1  ff.  Söhliger  hat  auch 
tiaam  Test  von  1600  vor  tioh  (elukbl  — *  Ueber  einen  viel  &lt<  rti 
Wieoer  Ritas  viettationts  sopulchri  vecgL  Fundgruben  II,  p.  344  N.-'t. 
iHa  kindlich-Raivere  WeUm.  Spiel  wuesie  sich,  wie  wir  sehen, 
owb  «iwaa  bewer  auf  preieateatisdiem  Boden  s«  erhalten ,  and  Hom 
■kh  »mek  leicht  uar  tu  poetiseher  Einkleidnng  der  dogmatieobcn  oder 
elMeehen  Frteeipiett  dee  Prelseteiitisiiiiis  verwertheu.  >-  Da«  A  > 
gen  der  Pasakm  mit  vertheiltea  Beilen  (im  vorigen  Jahrh.  nacK  i 
gel  Kom.  Lau  IV.  p.  B  mehHiieh,  und  wol  nooh  hier  uad  da  Qbhch) 
bat  io  proUat.  Kirchen  doch  aar  muaikaüMhe  Bedeutung. 

4)  Teff L  die  Vorrede  ser  nenen  Auegabe  von  Ctmustlus  Weihn. 
Spiel  p.  ft.—  Oeaeaeree  ftber  diese  Ausünfer  noeh  Osp.  TU»  |  2. 


120  Cap.  11,  %6. 

sion,  am  grünen  Donnerstag  das  Fusswaschen,  die  Sepultur 
am  Charfreitag,  das  Laufender  Jünger  zu  Ostern  dargestellt.  — 
Noch  etwas  länger  hielten  sich  gelehrte  Behandlungen  des  Stoffs : 
im  Jahr  16C1  ward  die  ,Tragödie  vom  ungerechten  Urtheil 
Pilati'  im  grauen  Kloster,  doch  nicht  ohne  Strafe  für  den 
Subrector  nach  sich  zu  ziehen  '),  aufgeführt.  —  Nicht  zur 
Auiführung  bestimmt,  sondern  aus  jener  Abstufung  geistli- 
chen Spiels  zur  Postille,  die  wir  mehrfach  sahen,  erklärlich 
ist  das  1617  zu  Wittenberg  gedruckte  2)  Spectaculum  pas- 

sionis  Jesu  Christi das  blutige  Schauspiel  des  bittern 

Leidens  und  Sterbens  .  .  .  ,  in  150  Predigten  durch  Mart. 
Bohemum.  —  Wie  schon  dieser  Titel  mehr  Schul-  als  Kir- 
chen-Latein verräth,  so  klingen  die  We  im  arischen  ,  Actus 
de  capitali  Christi  judicio'  und  das  , Drama  de  condemnatione 
Salvatoris'  (Weimar  17G0)  noch  klassischer  3).  —  In  den 
Niederlanden,  wo  latein.  Bearbeitungen  des  Bethlehemiti- 
schen  Mordes  '^)  mehrfach  begegnen ,  ist  dem  analog  der 
,Christus  patiens'  des  Hugo  GrotiusS)  als  rein  gelehrtes, 
sprachlich  vielleicht  sehr  rühmliches  Exercitium  zu  nennen.  — 
Auf  der  andern  Seite  nur  noch  als  poetisches  Motiv  gebraucht 
finden  wir  das  Osterfest  bekanntlich  noch  wieder  im  ersten 
Theile  von  Göthe's  Faust,  und  auch  neuester  Zeit  fehlt  es 
nicht  an  Versuchen,  den  Reflex  des  Osterevangeliums  in  Ge- 
müthern .  die  eben  auch  nur  die  Botschaft  hörten ,  mit  dra- 
matischer Farbe  auszuführen  ^). 

Etwas  länger  frisch  hielt  sich  die  Tradition  des  Passions- 
Osterspiels  begreiflicherweise  in  katholischen  Landen,  wenn 
gleich  auch  hier  seit  dem  XYIL  Jahrb.  es  hauptsächlich  nur 

•)    Vergl.  daselbst. 

'i)  Phil.  Wackernagel  D.  Kirchenlied  I,  p.  715.  —  Auch  in  ge- 
schmacklosen Opern  musste  sich  die  Passionsgeschichte  im  17.  Jahrb. 
missbrauchen  lassen ,  wie  ich  aus  der  Erwähnung  des  ,8terbenden  Je- 
sus' von  Dcdekind  bei  Clarus  (das  Pass.  Spiel  in  Ob.  Ammergau  p. 
69,  70)  noch  ersehe. 

^)  Vergl.  Haase  das  geistl.  Schausp.  p.  118,  wo  auch  ein  seltsa- 
mes Schälerspiel  derart  aus  Arnstadt  erwähnt  wird. 

4)  Vergl.  Weinhold  W.  Spiele   p.  178,  186. 

5)  Vergl.  Haasc   p.  117. 

*)  Ich  nenne  den  »Pontius  Pilatus'  von  Th.  Pyl ,  den  ,Judas  Ischa- 
rioth'  von  Y.  Strauss. 


C^u  IT     §.  6.  121 

Ueiaere  Ortacbaften  und  Durier  lt-  wo^on  m  sein  scheinen, 
die  das  alte  Gut  fortpflanzten.  Kil:<  ni  üralichen  Wert  bean- 
sprucht darch  seinen  streng-kirchlichen  Cbaracter ,  der  aber 
Ton  dem  des  MA.  schon  wieder  abweicht,  ein  aus  Uerdin- 
gen  i>  mitgetheiltes  Denkmal,  aus  dem  ich  zunächst  Folgen- 
des mittheile.  —  Die  Bezeichnung  ist  anfänglich :  Ordo  pro- 
oessionis  in  die  para8ceae(8)  >),  und  dieser  Ordo  lautet  (mit 
einigen  Abkürzungen)  so : 

1.  Abraham  cum  gladio.  8.  Christus  bajulans  crucem. 

2.  Filius  Isaac  com  fasciculo.      9.  Veronica  cum  strophido. 

3.  Caiplias  cum    magno  lihrn.     10.  Maria  gladiata  in  pectore. 

4.  Pilatus  cum  gladio.  1 1  •  Mar.  Magd,  et  aliae   Mar. 

5.  Judas  cum  sacculo,  Diabo-  cum  instrum^ntis  olei. 

los  com  scaU.  13.  Chorus  cum  musica. 

6.  Alii  porteot . . .  anna  pas-    13.  Corpus  mortuum  portatur 

sionit.  in  feretro. 

7.  Angelas  com  calice. 

In  dem  folgenden  Text  treten  weit  weniger  Personen : 
nur  Abraham  mit  dem  Sohne,  Veronica,  die  Mutter  Gottes, 
.]..,  r^  r  der  Engel  und  die  Kriegsknechte  auf,  die  im  Ordo 
iiv,^:.  LLit  unter  N.  8.  genannt  sind  —  so  dass  es  allerdings 
nahe  liegt ,  an  eine  Unvollständigkeit  des  Textes  zu  denken  3). 
Betrachtet  man  aber  den  processionalen  Character  des  Gan- 
zen, so  länt  sich  schwer  annehmen,  dass  von  jeder  Leidens- 
Station  *)  die  bes.  Handlung  wirklich  agirt  ward  —  für  ge- 
wöhnlich hatten  wol  nur  die  betr.  Personen  aus  dem  Zuge, 
vor  der  flet hsemane'Station  also  z.  B.  der  Engel  mit  dem 
Keldi  «ad  der  Salfmtor,  rieUeicht  auch  Judas,  eine  stumme 
Mimik   ra   üben  ') ,    während   die  Gesänge  Veronika's  ,    der 

<      Vrijfl  Km  Vier  gmrii  Spisle  d«s  XVII.  Jahrb.   Crefeld  1858 
|..  17  IH«  S  letstaa  84Aok«  gebteea   nach  p.  11    in  die  Jahre 

l*>71     l»''l  .    (las  erst«,  was  «BS  svüAehsi  «aftht,   iai  vielleicht  etwas 

i  ebsr  den  Aaadr.  psussora«  vergl.  Ai!    11,  28, 

»)    VefgL  BfBia  p.  11. 

*)  Ich  d«aka  mir  die  SUtio— a  «twa  au  dar  Aaaaarii 
maaw  des  Kirch*  oder  Klortarbofaa  aagabraohi,  AhnUcti 
aal  das  Krrasbeffs  bat  Booa  der  Kall  ist 

*>    TMleiahi  vnr  a^h  das  nieki  aiamal  d> 
.»^  Mos  eaaitar  in  «tatioBÜNM  ooa  Varowca. 


122  Cap.II,  §6. 

Mutter  Gottes  und  der  Engel  nur  den  allgemeinen  Eindruck 
der  Passionsgeschiclite  auf  das  Cliristenherz  wiederKpiegeln, 
nicht  ohne  vielfach  •)  aufs  A.  T.  anzuspielen,  ja  selbst  vor- 
wärts auf  die  Höllenfahrt  2)  hinzudeuten.  Wie  aber  im  Ordo 
der  Procession  neben  den  Jüngerinnen  des  Herrn  auch  seine 
Feinde  und  Verfolger  auftreten,  so  findet  sich  im  Text  eine 
Rolle  der  den  Erlöser  zur  Kreuzigung  drängenden  Kriegs- 
knechte zur  allgemeinen  Andeutung  aller  Christo  feindlichen 
Mächte.  Jenes  Wechselgespräch  Abrahams  und  Isaaks  nebst 
sich  unfehlbar  daran  schliessenden  Darbringung  des  Letzteren 
scheint  als  Pertiguration  und  Vorspiel  der  Haupthandlung 
am  Hochaltar  noch  vor  dem  Auszug  der  Procession  aus  der 
Kirche  vorgestellt  zu  sein ,  und  ebendorthin  zurückgekehrt 
spricht  Abraham  (als  Vertreter  der  Gläubigen  des  alten  wie 
neuen  Bundes)  dann  jenen  längeren ,  wol  als  Epilog  3)  des 
Ganzen  zu  fassenden  Monolog.  Also  auch  hier  poetisch-dog- 
matische Verflüchtigung  des  historischen  StoflFes,  wo  die  auf- 
tretenden Personen  (mit  Ausnahme  etwa  der  Mutter  Gottes) 
ebenso  wieder  zu  Allegorien  und  Sinnbildern  innerer  Seelen- 
stimmungen geworden  sind,  wie  einst  die  Symbolik  des  Kir- 
chencultus  nur  knospengleich  hingewiesen  auf  den  offener 
Darstellung  noch  zu  heilig  geachteten  Schatz  des  historischen 
Christenthums. 

Wie  verschieden  von  jener  ältesten  Charfreitagsfeier,  die  sich 
fast  auf  stilles  Gebet  beschränkte  4),  diese  im  Uerdinger  Denk- 
mal vorliegende  Processionsordnung,  sicher  nicht  ohne  äusse- 
res P'estgepränge.  Wir  erkennen  darin  wol  mit  Recht  ^)  einen 
Einfluss  des  erst  im  späteren  MA.  aufgebrachten  Frohnleich- 
namfestes,   das  wie  es  dogmatisch  seit  dem  Tridentiner  Con- 


•)    Vorgl.  namentlich  p.  22. 

')  Vergl.  p.  21  unten.  —  Hinweis  auf  die  Auferstehung  durfte 
fehlen,  da  sicher  am  Ostermorgen  in  der  Kirche  das  Respons.  aus 
Marc.  XVI  zur  Anwendung  kam. 

3)  Dafür  spricht  die  Notiz  (p.  18):  Post  reditura  ante  summum 
altare  quando  processio  est  finita.  —  Die  Stellung  gleich  hinter  das 
Vorspiel  würde  sich  dadurch  erklären ,  dass  hier  uud  dort  dieselbe 
Rolle  (Abraham)  gebraucht  ward. 

4)  Vergl.  Alt.  II,  p.  28. 

5)  In  demselben  CoUectaneenbande  finden  sich  drei  Frohnleich- 
namspiele. 


Tftp.  n.  5«.  123 

dl  ft'Stf-r  Roeründot  nnd  recht  eigentlich  zum  Fest  des  katho- 
lischen Glaubens  geworden ,  so  änsserlich  durch  buntes  Schau- 
gepränge der  Procession  bald  populär  zu  werden  wusste.  — 
Wol  auch  ins  XVII.  Jahrh.  zurückreichend  und  im  Ganzen 
auf  guter  Tradition  ruhend,  ist  das  vor  einigen  Jahren  von 
Peter  publicirte  Passionsspiel  aus  Zuckmantel  >),  dessen 
Auflfuhrnng  für  die  zweite  Hälfte  des  vorigen  Jahrh.  bezeugt 
ist.  Sie  begann  in  der  Pfarrkirche  nach  Anhöning  einer  heil. 
Messe:  hier  ward  bis  zum  Urtheil  des  Pilatus  gespielt  Dann 
lOg  Spielpersonal  nebst  Zuschauermenge  in  feierlicher  Proces- 
sioD  2)  nach  dem  Rochusberge,  wo  Kreuzigung,  Tod  und 
Grablegung  vorgestellt  wurde.  —  Die  Beziehungen  des  alten 
Test  sur  Erlösongsgeschichte  sind  in  einem  Vorspiel  kurz 
•ngedeotet  Adam  und  Eva,  der  durch  Lucifer's  Neid  be- 
wirkte Sfindenfall,  Strafe  und  Verheissung  der  P>lösung  wer- 
den nebst  dem  bekannten  Wettstreit  der  Gerechtigkeit  und 
Gnade  hier  vorgeführt.  —  Nach-  einem  längeren  Prolog  3) 
beginnt  die  Hauptbandlung  mit  einer  Juden-Scene  welche  das 
Unwesen  der  Vericäufer  und  Wechsler  im  Tempel  zu  Jerusa- 
lem nachbildet  Jesus  vertreibt  die  Händler,  um  sich  aber 
bald  nns  wieder  zu  entziehen.  Erst  nach  jener  (hier  etwas 
breit  ausgeführten)  Sitzung  des  Hohen  Rathes  in  der  sein 
Tod  beschlossen  und  Judas  als  Verräther  angeworben  wird, 
ersebeint  Jesus  wieder,  um  von  seiner  Mutter  Abschied  zu 
ndiiBeo.  Eine  Situation  die  ohne  directen  Anschluss  an  bi- 
bliscbe  Texte  doch  mit  Wärme  und  Zartsinn  ausgeführt  ist. 
Es  folgt  Fusswaschung  und  Abendmahl,  und  der  weitere 
Verlanf  der  Fusion  in  bekannter  Weise.  Arien  sind  mehr- 
fach eingelegt  *)   und  auch  längere  lyrisch  gefärbte  Monolo- 

•)    Troppaocr  Progrunaie  von  1668  and  69.  —    Ani  der  Einteit. 
an  STstsram  bebe  ieh  die  Motis  Aber  einen   T 
von  1666,  der  noch  lAager  febrtachlich  gewc»> 

*)    Darin  vergleicht  et  «ich   abo  dem  vongen  tSpieL      Den  Tag 

«Irr   AtinTjhniiitr   er».  Iic    ii  ?i   riirlif_ 

if  de«  Stück«  treten  kleinere  prolog- 
■r^ij(«-  iiinaratungrn  ucn  cinxcinen  ficencn  voran. 

*)  Die  Arisn  beben  «atwedei»  die  bec.  Ilaitdlung  (g.  B.  die  OeiMe- 
hfan  Christi)  nach  ihrer  etliieeben  Siobtnnf  benrw,  oiler  «ind  auch 
freietV  BrgSMC,  wie  die  ctwaa  wnnderliclic  Art«  I.orirint  p.  81  im  'Jtiii 

Progruna. 


124  Cap.  n,  §6. 

ge.  So  die  Klage  des  Petrus  über  seine  Verläugiiung  des 
Meisters  und  die  noch  schärfere  des  Judas  (letztere  in  Alex- 
andrinern und  im  Styl  der  schlesischen  Dichterschule).  Selt- 
sam berührt  es  wenn  wir  die  Anklage  gegen  Jesus  vor  An- 
naw,  Herodes,  Pilatus  durch  mehrere  Procuratores  (sc.  der 
Juden)  geführt  sehen ,  da  hier  doch  wohl  eine  Verirrung 
der  Tradition  vorliegt  *).  Der  Text  hat,  wie  einige  dieser 
späteren  Passionsspiele,  den  eigentlichen  Kern  der  Osterspiel- 
tradition die  Auferstehungsscene  fallen  lassen ,  nur  im  P^pilog 
wird  noch  darauf  angespielt.  Zu  beachten  bleibt,  dass  die- 
ser Wegfall  auch  das  Schwinden  jener  Scenen  die  als  Vor- 
spiel dazu  in  der  vollständigen  Osterspieltradition  ihre  feste 
Stellung  hatten  2)  mit  sich  führte. 

Besonderer  Pflege  hatte  sich  das  Passions-Osterspiel  in 
Baiern  zu  erfreuen.  Aus  dem  Ende  des  XVII.  oder  An- 
fang des  XVIII.  Jahrh.  mag  jene  ,Tragoedia  passionis',  die 
von  der  churpfalz.  -  bairischen  Hauptmarktpfarrkirche  vor- 
gestellt wurde  3),  sich  erhalten  haben.  Im  Laufe  des  vori- 
gen Jahrh.  aber  wurden  nicht  nur  in  der  Hauptstadt,  sondern 
auch  in  den  kleinern  Städten  und  Dörfern  des  Landes  die 
Vorstellungen  der  Passion,  die  noch  hinreichend  bezeugt 
sind  *),  durch  ein  Zusammenwirken  geistlicher  Censur-  und 
weltlicher  Polizeimassregeln  fast  völlig  beseitigt,  so  das  selbst 
Oberammergau  5),  wo  mindestens  seit  dem  dreissigjährigen 
Kriege  <>)  die  meist  nur  alle  10  Jahre  wiederholten  Auffüh- 
rungen mit  rühmlichem   Ernst  und   Eifer   betrieben  wurden, 


')  Bekanntlich  war  Pilatus  selbst  römischer  Procurator  von 
Judäa. 

2)  Es  waren  dies  die  Erweckung  des  Lazarus  und  die  Fusssal- 
bung  Christi  durch  die  sog.  Maria  Magdalena. 

3)  VergL  den  jüngsten  Catalog  von  Ackermann  (München  1870, 
N.  12.)  p.  22. 

*)  Vergl.  Clarus :  Das  Pass.  Spiel  in  Ober-Ammergau  (München 
1860)  p.  57  ff. 

5)  Uebcr  das  Passions-Osterspiel  zu  Ammergau  sind  in  den  letz- 
ten Decennien  manche,  z.  Th.  noch  ausführlichere  Mittheilungen  ge- 
macht, doch  wird  in  der  schon  genannten  Schrift  von  Clani"  h'I"" 
Wissenswerte  mit  genügender  Gründlichkeit  erörtert. 

6)  Clarus  und  Andere  suchen  ein  noch  höheres  Alter  der  i'assi- 
onspielspäegc  in  Ammergau  wahrscheinlich  zu  machen. 


C«p.  n,  §6.  125 

sich  nur  mit  Mühe  eine  AusDahmestellnng  erringen  konnte.  — 
Seine  Einsetzung  (oder  Eruenerung)  Terdankte  das  Spiel  ei- 
ner im  Jahre  1634  im  Gefolge  anderer  Kriegsleiden  ausge- 
brocheneu Pest,  die  nach  dem  Zeugniss  einer  Chronik  >)  zu 
dem  Gelübde  alle  zehn  Jalire  die  Passion  zu  spielen  Veran- 
Ussiing  gab.  Geraume  Zeit  hindurch  pflegte  als  eine  Art 
V<n'^Ml  der  Passion,  zwei  Jahre  Tor  der  Hauptauffübrung 
die  togeoaDDte  „Kreuzschnle^*  Torgest^llt  zu  werden,  worin 
Yerschiedeoe  SooDen  des  alten  Testamentes  vorkamen,  die 
ent^rechenden  Zuge  der  Passionsgeschichte  aber  nur  in  le- 
benden Bildern  angedeutet  wurden  ').  Wir  würden  diese 
nKreuzschttle*'  hier  kaum  zu  erwähnen  haben,  wenn  sie  nicht 
obwohl  selbst  im  Laufe  der  Zeit  zurückgedrängt  auf  die  Be- 
handlung des  Passions- Osterspieles  Einfiuss  erlangt   hätte.  — 

Der  älteste  Text  der  auf  uns  gekommen,  ist  aus  dem 
Jahr  1662:  dieser  blieb  trotz  mancher  Veränderungen  bis 
tar  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  die  Grundlage  der  Spicl- 
tradition.  Um  diese  Zeit  nun  brachte  der  Pfarrer  Rosner 
einen  ganz  umgearbeiteten  Text  auf,  welcher  durch  einen 
Ueberfluss  allegorischer  Figuren  den  Einfluss  der  „Kreuz- 
schulc'*  bekundet.  Im  Anfange  dieses  Jahrhunderts  kam 
dann  durch  den  Pfarrer  Weiss  eine  dritte  Rec.  zu  Stande, 
welche  »ss  die   AUegorieen  des  Rosner'schen  sondern 

auch  dit  i.  liivi^-Scenen  des  alten  Textes  wieder  beseitigte, 
dafür  aber  eine  bedeutende  Anzahl  lebender  Bilder,  vorbild- 
liche Scenen  aus  dem  alten  TeKtament  darstellend,  einführ- 
te»). Nach  diesen  allgr-  -  Andeutun  !i  ei- 
nige genauere  Angaben  i  .iuss  an  <  i^en. 
Ueber  den  alten  Text  dessen  Plan  p.  62—68  mitgctlieilt  ist, 
branche  ich  nur  zn  sagen,  dass  er  Mim  Gastmahl  in 
Bethanien  im  Anichloss  an  die  gew'               Osterspiel tmdi- 


•)    Ihc  frtnluh  um  tiw»  80  Jahre  jftager  wt.    (Vgl.  Ckru^  y.  j«. ) 
*)    Dm  BifiiiiMgw  di«SM  Bädm  auf  die  Haapliiaiidfaaf  wurdea 

dorrb  rioea  0— kachor  erkürt. 

>)    K»  Mt  hier  aber  daa  «mfekehrte  VerhJUtniM  twiffchen  Haupi> 

lumA*—- I  Vigurtn  ale  in  der  ^trevsedial«*. 

dcMeo  Cafiiul  V.  ab«r  die  Text«  dea  Ober>AauBerfa««r 

FeeaKiittiiicb  p.  61  ff.     (Eia  Vorarimtor  ron  Weiss  war  P.  Magnus). 


126  Caj).  Tl.  §6. 

tioii  uuch  mit  der  Scene  in  der  Vorliölle  ')  bis  zur  Begegnung 
des  Aufcrstandeuen  mit  Tbumas  und  den  anderen  Jüngern 
fortgeht.  Im  Jabre  1680  ward  an  14  Stellen  eine  Einlage 
aus  den  Weilheimer  Passionsspiel  eingefügt.  „Von  nun  an  2) 
erscheint  nach  dem  Prologspreciier  der  Satan  als  eine  unver- 
meidliche Zugabe  mit  seinen  Versuchen,  die  Leute  von  der 
Aufmerksamkeit  und  Andacht  abzuhalten.  Dann  tritt  fünf 
Mal  die  Seele  personificirt  auf  und  hält  mit  einem  Engel 
Zwiegespräche  über  das  Leiden  Christi.  —  Der  Schluss  des 
Spieles  ist  so  eingerichtet :  Christus  steht,  nachdem  aufge- 
zogen worden,  in  der  Mitte,  in  der  rechten  Hand  ein  vergol- 
detes Kreuz  haltend.  Ein  Mitspieler  hat  ein  grosses  Buch 
wovon  sieben  Siegel  herabhängen.  Die  24  Aeltesten  liegen 
auf  ihrem  Angesichte  zu  Boden.  Der  Passions-Genius  erklärt 
diese  Scene  (Apokalypse)  und  die  darauf  folgende,  in  welcher 
die  24  Alten  sich  in  aufrechter  Stellung  befinden,  die  einen 
mit  Schalen ,  die  anderen  mit  Trompeten ,  die  dritten  mit 
Harfen  in  den  Händen.  Der  Plausus,  der  Passions-Genius, 
der  Epilog  und  der  Chor  führen  einen  Gesang  auf,  in  wel- 
chem männliche  und  weibliche  Reime  wechseln.  —  Es  wurden 
fortwälirend  Textveränderungen ,  oder,  wie  mau  es  hiess,  Ver- 
besserungen vorgenommen.  Dass  solches  durchweg  von  Geist- 
lichen des  Klosters  Ettal  geschah,  lassen  die  mancherlei  la- 
teinischen Bemerkungen  am  Rande  der  Texthefte  nicht  wohl 
bezweifeln.  Ungeachtet  aller  Veränderungen  leuchtet  bis  1740 
der  ursprüngliche  Text  von  1662  noch  immer  durch.  In  den 
Jahren  1740 — 50  verfasste  der  Benedictiner  Pater,  Ferdinand 
Rosner  aus  Ettal,  einen  ganz  neuen  gereimten  Text,  welcher 
fortan  den  Aufführungen  zu  Grunde  gelegt  ward.  Anstatt 
eines  Argumentators  erscheint  beim  Beginne  der  Schutzgeist 
der  Schaubühne  mit  sechs  anderen  Schutzgeistern,  welche 
die  Passionswerkzeuge  in  den  Händen  tragen.  In  jedena  Acte 
gehen  die  dramatischen  Vorstellungen  der  Leidensgeschichte, 
in  welcher  auch  viele  allegorische  Personen  verflochten  sind 
(zum  Beispiel  Sünde,    Neid,   Geiz,    Verzweifelung,    ündank- 


•)     Hier  al)er  vor  die  Auferstehung  gelegt.     In  der  ILjlle  erschei- 
nen Teufel,  Adam  u.  Eva,  Abraham,  Isaak,  Jakob  u.  Joh.  Bapt 
2)    VergL  Claras  p.  61  ff.,    der  hier  meist  wörtlich  benutzt  ist. 


Cap.  n,  §6.  127 

barkeit  a.  8.  w.)  den  plastischen  Darstellungen  der  Vorbilder 
aitö  dem  altt-n  Testamente  voraus,  die  der  Schutzgeist  mit 
den  Seinigen  (auch  damals  schon  „Chor"'  genannt)  mit  Ge- 
sang einleitet  und  erklärt  Der  Leidens-  folgt  auch  die  Auf- 
erstehungsgeschichte  bis  ta  den  Soenen,  worin  der  Heiland 
d«n  Unglanben  des  Thomas  überwindet  Nach  dem  Tezt- 
boche  Ton  1770  beginnt  das  Stück  mit  dem  Auftreten  des 
geniiis  passtonis,  welcher  die  Zuschauer  über  den  Inhalt  Ter- 
ständigt,  und  sie  zur  Aufmerksamkeit  ermahnt.  Von  den  7 
^  folgenden  ersten   Actes  zeigt  die  erste   die 

i ..Versammlung,    worin  Lncifer  mit  Sünde  und 

Tod  hlagt,  wie  Christus,  der  Zerstörer  ihres  Reiclies 

werden.  Neid  und  Geiz  werden  abgesendet, 
Priest^rschaft  und  durch  diesen  Judam  ge- 
.fzuhetzen.  Dann  verläuft  die  Passion  in  XI 
Aden,  d«ren  neunter  mit  Christi  Höllenfahrt  schliesst,  der 
lehnte  and  elfte  die  Auferstehung  mit  den  Erscheiuungen 
Christi  vor  den  heiligen  Frauen  und  Aposteln  darstellt.  Im 
elften  wird  anch  die  Bestechung  der  Grabeswächter  ver- 
sncht  —  Die  Textbücher  von  1780  und  1700  unterscheiden 
■ich  von  dem  des  Jahres  1770  nur  durch  Weglassnng  des 
XJL  Acte«.  Den  Beschluss  der  Passions-Vorstellungen  in  der 
hergebrachten  mittelalterlichen  Form  machten  die  Aufführun- 
gen im  Jahre  1800  und  1801^  — 

Ueber  den  Cbaracter  der  seitdem  üblich  gewordenen 
%iielweiae  ist  oben  bereits  einiges  angedeutet:  die  Teufel- 
ionien  («oin  nnch  die  Höllenfahrt  gehört)  sowie  die  Allego- 
rieen  sind  bis  anf  den  Chor,  welchem  hauptsächlich  die  Er- 
klärung der  lebenden  Bilder  ra£ült ,  beseitigt.  Dieser  allein 
ioasert  steh  noch  in  gebundener  Rede  während  die  Sprech- 
pnrtieen  in  Prosa  aufgelöst  sind.  Die  ganze  Action  zerlegt 
sich  in  17  Handlungen  *):  sie  beginnt  mit  dem  Einzug  Chri- 


'  li.ni'iUuiff  4111   |iOwn<l<  1   }(i)il   au»  il»ni 

alt*!'    .  I  tii<  liMTi' .    »<>  iluü*  liic  (■•  Hiiiijiiitcahl 

dcriMltteo  Jt  '  un^'   u)'<  r   il>  ti    '^{>i<  Iptuii    mt    ii)'ri|{f<aa 

die    Hcbnft    %  >l.    AitiiiK  r>{.    i'üi»    >,]nl     l-ylUf     uock 

tti»hr  n   crnj  \.u  ii  n.  h    )••  «t.  ).!  .1^*  ^j.n'l    mi«  18 
lUnitlsiitr- 


128  Cap.  II,  $6. 

8ti  in  JeruBalem  und  führt  dann  nach  einigen  Vorbereitunga- 
scenen  (der  Austreibung  der  Wechsler  aus  dem  Temiiel ,  dem 
Beschluss  des  hohen  Käthes  Christum  zu  verderben,  dem 
Gastmahl  in  Bethaniai),  an  Welches  sich  der  Abschied  Chri- 
sti von  seiner  Mutter  in  freierer  Weise  anknüpft''),  und  dem 
heil.  Abendmahl)  die  Leidensgeschichte  im  Anschluss  an  die 
Evangelisten  3) ,  und  die  Auferstehung  vor,  letztere  freilich 
in  einer  noch  an  die  Effecthascherei  des  Rosnerschen  Text- 
schlusses gemahnenden  Weise  *).  Hier  würde  ein  Zurückge- 
hen auf  die  ältere,  echtere  Tradition  nicht  schaden:  Be- 
schränkung in  den  lebenden  Bildern,  die  als  ein  artiges  Bei- 
werk immerhin  mögen  geduldet  werden,  hat  schon  Holland 
befürwortet  5).  —  Meiner  Ansicht  nach  würde  eine  künstle- 
rische Wirkung  durch  dieselben  dann  erst  erreicht  werden, 
wenn  sie  nicht  mehr  in  bunter  Wahl  aus  dem  A.  T.  heraus- 
gegrifien,  sondern  so  geordnet  wären,  dass  sie  in  historischer 
Aufeinanderfolge  vom  Sündenfall  an  sich  der  Haupthandlung 
parallel  zu  entwickeln  suchten.  Als  letztes  Bild  in  der  Reihe 
(vor  der  17.  Handlung,  welche  die  Auferstehung  vorführt) 
dürfte  eine  der  jetzigen  Geistesrichtung  adäquate  Ausführung 
jenes  Motivs,  das  in  der  Spieltradition  des  MA.  durch  die 
Hüllenfahrt  Christi  vertreten  war  6),  am  Platze  sein  -     inso- 

1)  Hier  nimmt  Judas  an  der  Verschwendung  der  koHinarin  .^albe 
jenes  verhängnissvoUc  Aergeniiss,  das  schon  bei  den  Evangelisten 
angedeutet,  von  der  Spieltradition  des  Mittelalters  mehrfach  hervor- 
gehoben ward. 

2)  Doch  ist  dieser  mit  Recht  kürzer  als  im  Zuckmantier  Spiel 
(II ,  4 — 7)  behandelt.  Das  Motiv  überhaupt ,  obwol  den  Evangelien 
und  der  altern  Spieltradition  fremd,   möchte  ich  nicht  tadeln. 

3)  Nur  das  Ende  des  Judas ,  das  der  altem  Spieltradition  nur 
als  eine  der  (hier  sonst  beseitigten)  Teufelscenen  inhärirt ,  unterbricht 
in  störender  Weise  die  Entwicklung  der  erhabnen  Handlung. 

4)  Vergl.  Clarus  p.  155.  —  Dass  Devrient  von  diesem  Schluss 
nnbefriedigt  geblieben,  ist  kein  Wunder.  Mit  der  Wiederaufnahme 
der  Erscheinung  des  Auferstandenen  vor  Magdalena  in  der  Rec.  von 
1860  (Clarus  p.  164)  ist  schon  der  richtige  Weg  eingeschlagen. 

*)  Die  Entwicklung  des  d.  Theaters  im  MA.  und  das  Ammer- 
gauer  Pass.  Spiel  p.  51  ff.,  wo  für  die  Redaction  und  Regie  einige 
beachtenswerte  Winke  gegeben  sind. 

')  Man  würde  eben  nur  die  schon  aus  den  frühern  Bildeni  be- 
kannten Vertreter  des  alten  Bundes  (Adam  und  Eva ,  Abraham  u.  s.  w.) 


Cap.  II .  S  6.  129 

fern  sich  dadurch  eine  Vereinigung  der  alt-  und  neutesta- 
mentlichen  Motive  ongenningen  erreichen  liesse  und  würde 
das  Wiedererscheinen  Christi  auf  dem  irdischen  Schauplatze  in 
der  Schlusshandlung  wol  glücklicher  als  durch  die  jetzt  üb- 
Uchen  Bilder  (Jonas  im  Walfisch  und  die  Israeliten  im  Durch- 
gang durch  das  rothe  Meer)  vorbereitet  werden. 

Mit  dem  Wunsche  dass  dem  Ammergauer  Passions-Oster- 
^el  weiterer  Bestund  und  wachsender  Erfolg  gesichert  sein 
möge,  achliesaen  wir  die  Betrachtung  des  Ostercyclus  über- 
haupt 

Hier  möge  noch  die  Bemerkung  anhangsweise   sich   an- 
scblieaBen,    dass   in   den   letzten  Jahren   auch   zu   Brixlegg 
im  Unterinnthal   in  Tirol;  eine   Passionsspielaufführung  ver- 
sucht ist      Der  Text  steht  dem  Obfer-Ammergauer  offenbar 
sehr  nahe ,  ebenso  verhalt  es  sich  mit  den  Chorgesängen  und 
benden   Bildern:     dagegen   scheint    in    der  Auffassung   der 
inige    Abweichung    vorzukommen ,    und    el)enso   die 
ne  selbst  anders  beschaffen   zu    sein.      Ich  verweise 
von  regem  Interesse  zeugende  Schriftcheu  des  Chor- 
^  Her  (Insbruck  1868) ,    worin  auch  einige  Uebel- 
„  gerügt  sind  (vergl.  p.  49,   p.  75 — 80),    die  frei- 
lich  zum  Theil   auch  der  Ammergauer  Spieltradition   anhän- 
gen. —     Ob  die   Pflege  des  Passionsspiels    zu   Liesin g    (in 
Oberkämten)  sich  bis  auf  unsere  Tage  erhalten  hat,  vermag 
b   an«  der  kurzen  Erwähnung  bei  Weinhold  (W.   Spiele  p. 
299)    nicht    zu    ersehen:    die   Einführung    eines   Vorspieles, 
worin  die  Parabel  vom  guten  Hirten  dramatisirt  ist,  ist  dort 
eine  Variation   (ür  die  sonst  der  jüngeren  Passionsspielweiae 
geliofigtr«  Verwertung  alttettamentlicher  Vorbilder. 


fai  «iacai  DiamerUeht  oagewiMcr  Erwartung  danuitcllen 
da«  4mnh  die  «twJil— d>  ErselMiBanf  de»  AnfentaiuleDMi 
(■fl  SMfadklUM  Bad  etwa  «in«»  Eagelgefolg«)  in  Tagesbelle  so  wsn- 
dda  wir«,  vWMeki  bH  eiacr  Ueb«rtrag«iif  des  ^dvenüti  detidera* 
tWlia'  KVT  maaikAliActim  1tr<rlcilun7. 


Cup.  III. 

Cyclen  des  spätem  Kirchenjahrs. 
§  1.     Himmelfuhrt«piele. 

Zunächst  an  Ostern  schliesst  sich  das  Fest  der  Himmel- 
fahrt Christi  (Ascensio),  und  mehrfach  ward  als  letzter  Act 
mehrtägigen  Passions  -  Osterspielen  angefügt  eine  dramatische 
Ascensio.  Die  Spuren  symbolischer  Handlungen,  die  sich 
auch  für  dieses  wie  für  das  Pfingstfest  auffinden  lassen  ';, 
konnten  in  ihrer  roh  mechanischen  Natur  dem  dramatischen 
Festspiel  fast  nichts  Brauchbares  an  die  Hand  geben;  dieses 
griflf  vielmehr  (wie  überhaupt  die  meisten  in  diesem  Cap.  zu 
betrachtenden  Spiele)  zu  dem  Ausweg,  die  Zuschauer  theila 
durch  dogmatische,  theils  ethische  ^)  Belehrung  für  das  Unge- 
nügende einer  sinnlichen  Nachahmung  transscendentaler  Hand- 
lungen zu  entschädigen.  Für  sich  stehende  Ascensionsspiele 
haben  wir  bisher  zwei,  nämlich  zunächst  den  ,ludu8  ascensio- 
nis,  bei  Mone  I,  254  ff.  aus  einer  St.  G aller  Hs.  des  XV. 
Jahrb.  3).  —  Die  Handl.  ist,  da  die  Evangelisten  sich  mit 
kürzester  Andeutung  begnügen  4),  begreiflicherweise  aus  frühe- 
ren Lebensepisoden  des  Herrn  reconstruirt ,  theilweise  aber 
auch  im  römischen  Sinne  erfunden.  So  gleich  der  Anfang 
(y.  19 — 22),  wo  Jesus  seine  Mutter  über  den  Schein  der  lich- 

ij     Vergl.  Naogeorgus  Regn.  Papist.  1.  155. 

2)  Dogmatische  Rieht,  allein  wird  uns  in  den  beiden  ersten  §§ 
dieses  Cap. ,  ethische  daneben  bei  den  im  letzten  §  behandelten  Sta- 
cken entgegentreten. 

3)  Dieselbe  Hs.  enthält  auch  Marienklagen  (cf.  Mone  I,  198)  was 
für  die  Behandlungsweise  zu  beachten. 

<)    Cf.  Marc.  XVI,  19.  Luc.  XXIV,  51.  Acta  Ap.  I,  9—11. 


C»p.  lU,  S  1.  181 

ten  Engel  begabt,  go  dass  sie  keinen  Flecken  bei  all  ihren 
Lebtagen  tragen  soll.  —  Die  Thoniasscene  war  uns  schuu 
mehrfach  im  Osterepiel  begegnet.  Die  dann  folgenden  Ge- 
spräche des  Herrn  mit  den  Jüngern  führt  schon  Mune  auf 
die  bes.  Stellen  der  Vulgata  zurück  :  Beachtung  verdient  na- 
mentUch  die  freie  Variation  von  Mutth.  XVI,  15  ff.  (v.  153  ff.), 
indem  L        "  '  t    nur  für    den  Herrn,    soiulern  auch 

deiiCin  >i  ablegt,  dass  sie  eine  , Erlöserin  aller 

Weh'  sei  1)  —  worauf  St.  Peter  zum  Lohne  für  sich  ,und 
•eine  Nachkommen'  die  bekannte  Schlüsselgewalt  erhält  •). 
Nach  Mariolatrie  schmeckt  dann  wieder  recht  v.  212—223, 
während  der  Schluss  (v.  226  ff.,  namentlich  v.  232—37)  poe- 
tiflch  scliöner  und  reiner  ist.  Umfangreicher  ist  ein  von  Pichler 
Mit  Tirol  mitgetheiltes  llimmelfahrtsspiel  3).  —  Ks  beginnt 
mit  einem  prophetischen  Vorspiel,  indem  David  und  Jeremias 
den  Vorsteher  der  Synagoge  von  der  Auferstehung  Christi  'in 
aberzeugen  suchen.  Dann  erscheint  Christus  selbst  mit  den 
Aposteln ,  und  die  Heilung  des  Blinden  von  Jericho  *)  wird 
hier  eingelegt.  Nun  erscheint  Maria  ')  und  Johannes,  erstere 
bittet  m:'  '"'  ■  •  '  —  Sohne  nun  Ton  der  Erde  scheiden  zu 
dürfen:  wird    freilich  nicht  gewillfahrt,   und 

auch   dr-       :        Begehren    andrer    Personen^)    zurückgewie- 

*        s  wieder  Petri  Einsetzung  in 
1    in  ADBchluss   an  Joh  >LXI, 

I)     Ktwftt  hrtrhridnrr   kliiifrt    doch  noch    die   ibuliche  Stell«  bei 

Hcbüo<maon  <M.-KL  i:i'>  '''  "  •  ■^•r  «torbeodo  Eriufcr  seiu  Mittler» 
MBt  Mif  dt«  MutWr  ü\j- 

t)    Kadi  MatUi.  XVi,  i 

>)    Drum  d»t  MA.  in  l  ff.   —  (»enmirr^  Mitüicilungeu 

lb«r  dacMlb«  I'rogramjs  des 

ftvtntia«iatDt  /  .    .  ii 


\ua  Marc 


.1'    (Uli  (    Il.t 

\niii.)  wirii 


rii  Maria  und  ihr '  ;  •int 

M  «abrechcmllch   di«  (wcU   fllscblicb  oft«r  M»ria  ^vu^^nl' 
Malier  im  Johsao««  nnd  Jarobua  —  die  hier  »b«r  ibrvn  Niti..< ..  •  .«•- 
gvMbii  aad  lor  Mutter    d««  Jmatbtu  unü  i'büippuii   Kvwurdaii  (wrgl. 
p.  U  wtM).    Im  tinuMU  lieft  Matth.  XI,  90  > 


132  Cap.  III,  §  1. 

13  ff.  und  Matth.  XVIII,  21  ff.  In  ähnlicher  Weise  werden 
dann  die  andern  Jünger  ermahnt  und  bekräftigt  '),  zum  Schluss 
wird  auch  hier  Maria  (p.  56  ff.)  zur  Verweserinn  des  lieiches 
der  Barmherzigkeit  bis  zur  Wiederkunft  Christi  zum  Gericht 
eingesetzt,  und  sofort  an  einem  Peccator,  der  sich  an  Maria 
wendet,  die  Macht  ihrer  Fürsprache  gezeigt  2).  —  Wahrschein- 
lich spät  eingelegt  und  recht  entbehrlich  ist  die  folgende  Dop- 
pelscene,  wo  einerseits  Christus  mit  seinen  Jüngern  noch  ein- 
mal speist  3),  andrerseits  der  Archisynagog  *)  die  Seinen  im 
jüdischen  Glauben  bestärkt.  —  Christi  Abschied  von  den  Sei- 
nen (mit  freier  Benutzung  der  Joh.  XXI  und  Matth.  XXVIII 
geschriebenen  letzten  Worte  des  Herrn)  bildet  nebst  der  Ver- 
kündigung von  der  Wiederkunft  Christi  (nach  Acta  I,  11)  den 
Schluss  des  eigentlichen  Himmelfahrtsspiels.  —  Petri  Predigt 
(p.  61)  ist  doch  sicher  im  Auschluss  an  Acta  II,  14  ff.  zu  den- 
ken 5),  und  die  Bekehrung  des  Archisynagog  darauf  scheint 
eine  Variation  für  die  ebendort  v.  41  gemeldete  Bekehrung 
der  3000  Seelen.  Wir  hätten  hier  also  eine  wenn  auch  dis- 
crete  Benutzung  des  Pfingstevangeliums,  da  das  Wunder  die- 
ses idealsten  aller  christlichen  Feste  nicht  durch  Nachahmung 
profanirt  wurde  6).  —  Interessant  ist  uns  ferner  der  Abschied 
der  Apostel  von  Maria,  die  den  nach  Christi  letztem  Gebot 
(cf.  Matth.  XXVIII,  19)  sich  aufmachenden  Boten  des  Evan- 
geliums noch  ihren  Segen  mitgiebt  —  zumal  dieses  Spielmo- 
tiv, die  sog.  ,Apostolorum  dimisio'  zweimal  als  Fortsetzung 
eines  mehrtägigen  Passionsüsterspieles  erwähnt  wird  7),  und 
uns  auch  im  Inbrucker  Assumtionsspiele  begegnen  wird.  — 
Mehr  als  Curiosum  beachtenswert  ist  schliesslich  noch  fp.  62) 


1)  Die  Behandlung  ist  hier  natürlich  freier. 

2)  Uebrigens  erscheint  hier  die  Marienverehrung  in  einem  zarter- 
poetischen  Lichte  als  im  St.  Galler  Denkmal. 

3)  Wol  nach  Joh.  XXI,  12  ff. 

4)  Im  Text  Archaesin  agogos  genannt. 

5)  Schon  im  prophetischen  Vorspiel  scheint  die  Rolle  Davids 
nach  Acta  II,  25  ff.  eingeführt  zu  sein. 

')  Eine  »Spiritus  sancti  missio'  (als  vorletzte  Scene  eines  erwei- 
terten Passions-Osterspiels)  finde  ich  nur  für  Alsfeld  bezeugt,  vergl. 
Vilmar  bei  Haupt  III,  478.  (a.  D.  1511).  Man  Hess  dabei  wahrschein- 
lich eine  Taube  im  symbolischen  Sinne  fliegen. 

')    Vergl.  Vilmar  a.  a.  0.  —  Einmal  ist  bloss  »dimisio'  geschrieben 


das  Herabetürzen  des  Diabolus  (d.  h.  einer  Teufelsfratze,  die 
schliesslich  Terbrannt  wird),  obgleich  gerade  hierin  ein  sym- 
bolitdier  Act  dea  Kirchenritus  >).  die  halb- humoristische 
Kehrseite  des  in  den  Kirchenhimmel  hinaufgezogenen  Chri- 
stasbildes erhalten  ist.  Dieser  Act  dürfte  sich  übrigens  viel- 
leicht in  früherer  Rec.  unmittelbar  an  die  Auffahrtsscene  (p.  60), 
die  darch  reiche  musikalische  Begleitung  für  das  Ungenügende 
der  Darstellung  2)  entschädigen  musste,  a-^-  -    't  haben. 

Eine  weitere  Ausschmückung  der  As'  ~>|)ieltrad.  ge- 

wahrt das  (in  Cap.  II,  §.  6)  schon  kurz  berührte  siebente 
Tageweric  des  ron  V^igil  Raber  redigirten  Passionsosterspieles. 
Es  zeigt  ausser  den  bekannten  Motiven  noch  die  Wahl  des 
Matthias  (nach  Acta  I,  23  fi.)  und  die  Abfassung  des  apostol. 
Symbols,  iodem  jeder  der  12  Boten  bei  der  Dimisio  einen 
Satx  des  Credo  promulgirt.  In  diesem  letztem  Zuge  möchte 
ich  auch  nicht  den  eigenen  Witz  des  Vigil  Raber,  aber  eher 
Moe  Entlehnung  aus  der  Frohnlcichnamsspieltrad.  (der  wie 
wir  sehen  werden ,  solche  Praeconisirung  des  Credo  zukommt) 
erkennen,  als  mit  Pichler  annehmen ,  dass  die  Abschrift  des  al- 
ten Bandes  hier  mangelhait  gewesen  ').  —  Fassen  wir  den 
Character  des  Ascensionsspieles  kurz  zusammen,  so  ergiebt 
sich  eine  bei  der  Rohheit  der  kirchlichen  Ritual- Symbolik  und 
&tt  Dörftigkeit  direct  benutzbarer  Stellen  der  Vulgata  natür- 
liche freief«  Stellung,  die  sich  einerseits  in  Anwendung  auch 
ferner  stehender  Bibelstcllen,  andrerseits  durch  eine  dem  rö- 
BiscbMi  Dogma  genehme  Verschiebung  biblischer  Darstellung 
manifestirt  <' 


I)    Vcffl.  ssww  Maofeoivm  s.  s.  0.  aoeli  Ali  ChriitL  Colt.  U, 

«•rmathch  ward  dt«  Roll«  d««  Salvstor  p.  60  von  «ioer  an- 
■iriiio»r  «of  dam  ttiagschor  befindbchsa  Peraoa  gerangcn ,  wihrend 
das  BiU  diehi  davor  ta  dis  Il6be  gstofsa  ward. 

^  Am  wsajgsitn  dtrlU  «ia  BicksahlaM  aa«  jrDvr  jadischM 
Ka|>«iia«rpr*difft  (p.  M,  Mi  di«  ft^**«  *>  w«rd«n  verdient,  gesUt« 
t«t  Mia  •  da  auui  «oiut  aoeh  •alspracheod  jenem  jAdiachen  Pat«mo> 
•Icr  (p.  M  «atea)  da*  elwiatlichs  Oriciaal  vanntsa«n  wflH  '  -  alU 
Band  Pichten  aaa  deai  fltarrtigar  Archiv  gebort  der  Ifl« 

dM  XV.  Jahrk.,  Rabtri  Rsdactteti  •  lieo  Uacentum  J««  XVI.  an. 

*)    Von  der  Aawa— ahait  Mar  «ler  HinuneUahrt  wistaa  die 

Ewpliataa  abea  Hiehli. 


134  Cap.  in,  §  1. 

Wenn  schon  in  den  AscensionsRpielen  die  Rolle  Maria*8 
80  bedeutend  hervortrat,  ßo  dauf  man  sich  wundern,  wenn 
auch  die  vorgebliche  Himmelfahrt  der  Maria  •)  selbst,  die  sog. 
,A88umptio  b.  v.  Mariae'  dann  und  wann  2)  ein  Gegenstand 
dramatischer  Festfeier  wurde.  Obwol  das  Fest  erst  auf  den 
15.  August  fällt,  möchte  ich  doch  das  einzige  Spiel  dieser 
Art,  das  wir  bis  jetzt  kennen,  den  Insbruckor  Ludus  de 
assumptione  b.  v.  Mariae  3)  doch  gleich  hier  im  Anschluss  an 
die  Ascensionsspiele  behandeln.  —  Dafür  spricht  auch  die  An- 
lage des  Stüches  selbst,  dessen  organischer  Anfang  wir  wol 
erst  mit  der  Überschrift:  Praedicator  surgens  intimat  ludum 
(vor  V.  767  des  überlieferten  Textes)  vor  uns  haben.  Der 
Prolog  (des  Praedicators)  4)  zeigt  hier  wie  auch  sonst  durch 
seine  Vorausbeziehungen  den  Umfang  des  ursprünglichen  Tex- 
tes an.  Der  Praedic.  anknüpfend  an  Christi  Himmelfahrt  (v. 
777  ff.)  führt  aus,  wie  Maria  in  stetem  Gedächtniss  an  die 
Thaten  und  Leiden  ihres  göttlichen  Sohnes  die  Stationen  von 
der  Taufe  bis  zur  Himmelfahrt  oft  in  andächtigem  Gebet 
durchwandelt,  dann  aber  einmal  inbrünstig  um  das  Wieder- 
sehn Christi  gebeten  habe.  Gabriel  habe  ihr  darauf  unter 
Darbringung  eines  Wunderreises  (das  vor  ihrer  Bahre  herzu- 
tragen sei)  baldiges  Abscheiden  von  der  Erde  verkündigt  *) 
—  Maria  nun  aber  den  Wunsch  geäussert,  auf  Erden  noch 
von  ihren  Brüdern ,  den  Zwölfboten  Abschied  zu  nehmen.  So 
seien  die  Apostel  betrübt  aus  allen  Welttheilen  gekommen, 
und  hätten,  nachdem  Gott  selbst  schon  die  Seele  abgeholt, 
den  Leichnam  feierlichst  bestattet.  Schliesslich  wird  noch 
des  Empfangs  Mariae  durch  die  Engel  und  ihre  Krönung 
durch  Gott  erwähnt.  —  Vergleichen  wir  hiermit  unsern  Text, 


1)  Die  einzige  Suhriflstelle ,  die  man  dafür  scheinbar  anfuhren 
könnte,  ist  Apokal.  XII,  14  ff-  Förmlich  eingeführt  ward  das  Assump- 
tionsfest  auch  erst  durch  das  Aachener  Concil  (818)  und  nur  im  Abend- 
land angenommen.     (Alt.  II,  69). 

2)  So  in  dem  letzten  Spiel  jener  mnl.  Heptalogie  von  den  7 
Freuden  Mariae,  die  freilich  bis  auf  das  erste  Spiel  verloren  (vergl. 
Cap.  I,   §  B). 

8)    Mitgetheilt  von  Mone  Altd.  Schausp.  —  Hs.  von  1891. 

«)    Vergl.  Mone'B  Note. 

5}    Man  erkennt  leicht  die  freie  Wiederbenutzung  von  Lac.  I,  28  ff. 


Cap-  m.  5  1.  135 

BO  stimmt  zunächst  Alles:  Maria  beiet  an  den  verschiedenen 
Stationen  u.  s.  w.  Nach  dem  Weggange  des  Engels  linden 
wir  eine  Soene  zwischen  Muria  und  ihren  Jungfrauen,  denen 
SM  ihr  iMÜiM  Ende  Terkündet  >)•  Dies  Stüch  mochte  dem 
Pfftadicalor  der  Erwähnung  nicht  wert  scheinen ,  mag  aber 
mach  kscbt  eingeschoben  sein.  Auch  dass  der  Engel  von  der 
Dominica  persona  selbst  entsendet  (p.  48),  zu  ihr  zurückkehrt 
(p.  52),  befremdet  nicht  Die  Heimberufung  der  Apostel  nach 
Jemsalem  ist  mit  unterschiedlichem  Interesse  behandelt:  am 
Misföhrlichsten  ist  die  Darstellung  bei  Johannes  als  dem  Adop- 
ÜTBobae  Maria's.  Predigend  über  Apokal.  XIV ,  13  ff.  (ßeati 
Bortni  etc.)  wird  er  von  Gabriel  berufen  und  hat  (in  Jenisa> 
lern)  noch  eine  Unterredung  mit  Maria.  Kürzer  wird  die  Be- 
mfbng  Fetri,  Pauli  und  der  andern  Zwöifboten  vorgeführt, 
ond  nachdem  Maria  das  kostbare  Sterbekleid  angelegt,  folgt 
nun  (ao^^eschmückt  durch  lat.  Responsorien ,  die  von  Mone 
belegt  sind)  die  Trenn ungsscene,  wo  schliesslich  (p.  63)  die 
AntBUt  Manae  durch  Jesus  aufgenommen  wird.  —  Mone's 
dritter  Act  (v.  1555  ff.)  bebandelt  nun  das  feierliche  Leichen- 
beg&ngpjw  liaria's,  das  durch  gehässige  Feindseligkeit  der  Ju- 
den •nfiiiiglich  gestört  nur  mit  desto  grösserem  Glänze  endet, 
da  die  Juden  durch  verschiedene  Wunder  (Erblindung  dergl.) 
g«&obti(t  md  ihres  Irrtbumt  ttberftibrt  werden.  Es  befrem- 
det doch  sehr,  dass  von  dieser  eigentümlichen  Färbung  dea 
B^räbnittactes  im  Prolog  des  Praedicaior  noch  keine  Spur 
•ich  findet!  Doch  gehen  wir  zunächst  weiter.  In  Mone's 
viertem  Act  (v.  2023  ff.)  beg^net  zunächst  die  Dominica  pers. 
mit  den  Engeln  zu  Mariae  Grab  niedersteigend.  Unter  An- 
wendung von  Cant  Cant.  II,  10  2)  erfolgt  die  Auferwecknng 
llnria's,  dann  die  Auffahrt  durch  die  Chöre  der  Engel,  mit 
vielfacher  Anwendung  des  Hohenliedes.  Die  Trennung  der 
Apostel,  die  sich  daran  schlieiat  (p.  88,  80),  ist  bez.  ihrer  ur 
•pr&nglichen  Zagehörigkeit  zum  Text  mir  verdächtig:  die 
Worte  Onbriel»  davor  (p.  87  unten)  sehen  fast  als  Umschrei- 
Irang  «nee  alten  Schhuwipilngi  aus,  and  enthalten  roindoHtena 
keine  Andentnng  ton   dem  Inhalt  der  (unvollständig  crbalt- 

i|    Alld.  fkhawp.  p.  ftO  & 

T)    Vcffl.  Alld.  gshsesp.  9.  77  Kote 


136  Cap.  III,  §  1. 

nen)  fünften  Handlung  Mono's.  Diese  zeigt  zunächst  die 
Taufe  eines  heidnischen  rex  ')  (nebst  der  regina):  darauf  den 
Feldzug  dieses  nun  christlichen  Königs  gegen  das  castruni 
Judaeorum ,  der  aber  vorläufig  mit  einem  durch  die  Juden  be- 
unruhigten Rückzug  endet  2).  Wir  lassen  diese,  wahrscheinlich 
durch  Interpolationen  letzter  Hand  3)  fast  aus  der  ursprüngli- 
chen Richtung  *)  gebrachte  Schlusshandlung  hiermit  fahren,  und 
suchen  nur  für  die  ersten  vier  Handlungen  nach  den  bereits  ge- 
gebenen Winken,  eine  kritische  Anschauung  zu  gewinnen.  Fra- 
gen wir  nach  der  kirchlichen  Trad.  für  das  Assumptionsfest,  so 
liegt  schon  bei  Gregor.  Tur.  5)  ein  Zeugniss  für  die  Berufung  der 
Apostel  nach  Jerusalem,  Heimholung  der  Seele  Maria's  durch 
Christus,  Bestattung  der  Leiche  durch  die  Apostel,  Auferweckung 
wiederum  desselben  durch  Christus  vor.     Weitere  Ausbildung 


I)  Diese  Rolle  und  damit  die  ganze  fünfte  Uandl.  entzieht  sich 
meines  Erachtens  sicherer  Deutung.  Mone  (vergl.  Altd.  Schaasp.  p. 
20)  erklärt  den  rex  als  Titus  und  bezeichnet  als  den  verlornen  Schlus« 
,die  P>oberung  und  Zerstörung  Jerusalems'.  —  Eher  Hesse  sich  wol 
noch  an  einen  der  Kreuzzüge  denken. 

')  Ob  der  Redactor  mit  jenem  ,Et  cetera*,  das  er  dem  dentschen 
Text  (p.  106)  noch  anhängt,  nur  in  das  Geleis  seiner  Vorlage  zurück- 
lenkt, so  dass  diese  für  den  8chluss  massgebend  geblieben  —  oder 
wirklich  hier  enden  wollte  und  jenes  Et  cetera  nur  schnörkelhaft  sich 
anschloss,  bleibt  unklar. 

3)  Dahin  rechne  ich  etwa  die  v.  2723—2088  breit,  wenn  auch  nicht 
ohne  Geschick  ausgeführten  Ermahnungen  des  Königs  an  die  Seinen 
und  die  symbolische  Andeutung  der  ihnen  verliehenen  Rüstung  (p. 
99  ff.)  die  dem  geistlichen  Verfasser  Ehre  macht.  —  Oder  soll  man 
mit  Mone  (cf.  p.  174)  nur  kleinere  Passagen  (v.  2771 — 80;  v.  2791 — 
2801;  2858—62)  als  Interpolationen  auffassen? 

4)  Diese  kann  doch  wol  nur  die  eines  äusserlichen  Kampfes  ge- 
gen die  Juden  gewesen  sein:  in  jenem  ganzen  Abschnitt,  den  Mone 
(p.  20)  als  6.  Auftr.  der  5.  Handl.  nimmt,  ist  nun  vielmehr  das  Wesen 
geistlichen  Kampfes  dargelegt. 

5)  De  glor.  mart.  1,  4.  Cf.  Alt  Christi.  Cult.  II,  1.  69.  —  Die 
doppelte  Apotheose  Maria's,  die  namentlich  in  unserem  Stück,  wo 
man  die  Seele  doch  nicht  ohne  den  Körper,  und  diesen  nicht  ohne 
die  Seele  gesehen  haben  wird,  befremdet,  erklärt  sich  wol  aus  dem 
allmählichen  Anwachsen  der  Mariensage.  Aeltere  wirkliche  Feier  der 
Entschlafung  Mariae  (wie  sie  der  oriental.  Ritus  gewahrt  hat)  be- 
gnügte sich  mit  der  feierlichen  Leichen-Bestattung  durch  die  Apostel, 
nachdem  die  Seele  vom  göttlichen  Sohne  heimgeholt  war. 


Tan.  ni.  5  1.  137 

dieser  altkirchliciieii  Trad.  isi  vorläofig  zur  Genüge  aus  je- 
ner Predigt  ,Ton  der  schidunge  der  bymelkonig^nne',  die  Mone 
gleichfalls  mittbeilt  >),  ersichtlich.  Hier  findet  sich  3)  Andeu- 
tang  jeaee  ttglicbeD  Besuches  der  Stationen,  Erwähnung  der 
Sendung  Gabriels  und  Andres,  doch  auch  hier  Nichts  von  ei- 
ner Störung  des  Leichenbegängnisses  durch  die  Juden.  Alles 
darauf  Bezügliche  in  der  dritten  Handl.  Maria's  wird  uns  also 
doppelt  als  jüngere  Zutbat  Terdächtigt,  da  sich  auch  im  Pro- 
log des  Praedicators  kein  Hinweis  darauf  fand  —  während 
die  ganze  zweite,  Anfang  der  dritten  und  ein  grösserer  Theil 
der  vierten  Handl.  sich  auf  relativ  ältere  kirchl.  Tradition  zu- 
rückführen lassen  und  sich  auch  leicht  zu  einem  harmonischen 
Garnen  herstellen  Hessen.  Jünger  und  fremdartiger  ist  auch 
die  erste  Handlung,  deren  Hauptbestand  eine  Apostolorum 
dimisio  (Trennung  der  Apostel  von  einander  und  von  Mana  3), 
Predigt  unter  den  Heiden,  und  Taufe  der  Heiden  ^))  bildet, 
welche  in  der  letzten  Scene  der  vierten  Handl.  kurz  wieder- 
holt ^j.  zu  einer  Art  Rahmen  für  das  Assumptionsspiel  gewor- 
deii  «lie  Dimisio   in  der  ersten  Handlung  ist  eine  Pro- 

Bolgirung  des  Credos  durch  die  12  Apostel  (darunter  Paulus) 
geeefaoben:  ein  Zug,  der  wol  hier  wie  in  Rabers  Ascensions- 
spiel  der  Frohnleicbnamsspieltrad.  entlehnt  sein  dürfte.  Den 
Anfang  der  vorliegeoden  Reo.  (v.  1—56)  bildet  schliesslich  ein 
(jüngerer    Prnlrtg  i\^»  PrÄPcar«/^r.  in  wrl^hnm  dnnn  auch  die 

•)     AIlü  'h  die  Iloinilic  p.   162.  ff. 

*)    AU  k  *>^r.  Tradition  werden   n»- 

meotltrk  8t.  BvrBlMrd  .\u(ru<tinat,  Hiero» 

nymau  «.  aiidire  anifefu:.. 

S)  Hmt  ist  di«  J>imiiio*  (kircblich  gefeiert  am  16.  Juli;  alt  Vor* 
f^«l  der  AaeaaBplicmifeier  verwandt,  wie  tonet  ala  Nacheptel  de«  A«- 
neaalffiM     eelbet  de«  Pa«rioBe>Oetenpielc«. 

*)    In  de«  auch  hier  ecbon  feindlich'  n 

JwdewoUea  (v.  678 — 664}  erkennt  man  In  i. 

der  die  Ehiiechtanf  der  Jaden  in  die  dritte    i  '«•)UandL,   »o- 

wie  die  Toriage  der  flnfUa  Handl.  berr4hr<  

■Mk  meiner  Anaielit  ane  dem  Kern  der  jei/ 
(dodi  mH  Aaenabme  de«  noch  jiagcr- 
varioraaen  SeUnae,  walciMr  Otttarw< 
den  darflellea  mncfcta,  beaftndMt  ka) 

»)    tMe  Spietordam«   m  SaUs»- 
»1»)  eaUekat  diraoi  aM  dm  Sdün* 


138  Cap.  ITI,  §  2. 

jttogereu  Elemente  des  Spiels  berücksichtigt  werden.  Darnach 
würde  uns  das  ganze  Stück  ein  von  jüngeren  Theilen  sowohl 
eingeralirates,  als  (in  der  dritten  Handl.)  durchwaohsenes, 
gleichwol  auf  rel.  iiltkinlilicher  Trad.  ruhendes  Deiiktnul  liei- 
Bsen  dürfen. 


§  2-     VrohnleirhnaniMpJcle. 

Das  Festum  Corporis  Christi  mit  seinen  Festspielen,  durfte 
ob  auch  zwischen  das  Ascensions-  und  Assumptionsfest  >)  fal- 
lend, die  Betrachtung  jener  Beiden  so  nahe  verwaudten  nicht 
unterbrechen.  Das  EigenthUmliche  des  Theophorienfestes 
(denn  so  heisst  es  auch)  2)  Hegt  nur  darin,  das  es  einer  histo- 
rischen oder  quasi- historischen  (legendarischen)  Ableitung  ent- 
rathend  wesentlich  zur  Stärkung  und  Präconisirung  des  im 
Transsubstantiationsdogma  so  zu  sagen  krystallisirten  catholi- 
schen  Glaubens  bestimmt  ist.  Eine  Anknüpfung  an  das  hi- 
storische Christenthum  fehlt  allerdings  nicht:  schon  die  Wahl 
des  Wochentages  deutet  den  Bezug  des  Frohnleichnamfestes 
zum  grünen  Donnerstag  an.  Während  aber  an  jenem  Tage 
der  Leidenswoche  die  historische  Feier  Coena  Domini  nur 
eine  ernst- wehmütige  sein  konnte  3) ,  sollte  die  am  neunten 
Donnerstage  darauf  dem  dogmatischen  Sinn  jener  Coena  ge- 
widmet« Feier  zunächst  den  Sieg  und  Triumph  des  in  den 
Gnadenmitteln  der  Kirche  immer  neu  sich  mittheilenden  Ag- 
nus Dei,  dann  aber  auch  die  geheiligte  Autorität  der  Kirche 
selbst  in  fröhlichem  Festschmuck  erheben  *).  Demgemäss 
ward  nicht  nur  ein  würdiges,  poetisch-schwungvolles  Offiz  für 
die  eigentlich  kirchliche  Feier  5),  sondern  auch  eine  reiche 
Processionsordnung   mit    kostbarem    Schaugepränge   zur  Aus- 


•)  Auf  den  Uonneretag  der  Trinitatisfestoctave.  Zuerst  durch 
päpstliche  Bulle  eingeführt  1264 ,  erneuert  1317.    (Vergl.  Alt  II,  57  ff). 

*)    Von  dem  feierlichen  Umhertragen  des  Venerabile, 

3)     Vergl.  die  Worte  der  Einsetzungrsbulle  bei  Alt  II,  68. 

*)    Vergl.  die  Worte  des  Tridenter  Concils  bei  Alt  a.  a.  O. 

■*)  Herrührend  von  Thomas  von  Aquino,  glänzend  besonders 
durch  den  H.  4*^^^^  lingua  gloriosi'  und  die  Sequenz  ,Lauda  Sion 
salvatorem*. 


Cftp.  ni.  %  2.  139 

st«aer  gegeben.  An  diese  Processionsform  schloss  sich  bei 
der  im  späteren  MA.  immer  lebhafteren  Neigung  des  geistli- 
ehen Spiels  sur  öffentlichen  Darstellung  hier  zunächst  die 
drmmatiftche  Festfeier  an  —  doch  ist  die  Grenze  zwischen 
Proressionsordnang.  Ludas,  Declomatio  hier  eben  so  schwan- 
kend, wie  in  den  älteren  Spielkreisen  zwischen  kirchlichem 
Officium  oder  Ordo  und  geistlichem  Ludus.  —  Das  älteste 
Denkmal  dieser  Art  ist  ein  von  Mone  cdirtes  Insbrucker*) 
▼OD  klar  verständiger  Anlage,  wie  es  auch  zur  Ueberschrift 
bsisst:  Ludus  utilis  ad  devotionem  simplicium.  Die  weiteren 
Worte  der  Spielordnung  ^)  machen  es  zweifelhaft,  ob  unser 
Stück  während  der  Procession  oder  nach  derselben  zur  Auf- 
führung kam  —  engster  Bezug  zwischen  dem  Rollenbestand 
bei  beiden  Theilen  der  F'estfeier  3)  ist  aber  sicher.  Trotz  der 
gerühmten  Einfachheit  zeigt  der  Text  auch  hier  schon  ältere 
aod  jüngere  Theile:  im  gegebenen  Text  verläuft  die  Hand- 
lang so,  dasB  zunächst  Adam  und  Eva  eine  Art  Prolog  über 
die  gnadenvolle  Ankunft  des  Erlösers  sprechen,  dann  folgen 
13  Propheten  des  alten,  12  Apostel  des  neuen  Rundes,  um- 
schichttg  dort  messianische  Wetssagnngen  *) ,  hier  das  in  1 2 
Sitte  serlefts  apostolische  Symbol  verkündend.  Noch  folgt 
Joh.  Baptista  mit  dem  Eoce  Agnus  Dei,  das  Kleeblatt  der 
beil.  3  Könige  mit  der  bekannten  mystischen  Auslegung  ihres 
Opfert,  und  schliesslich  der  beil.  Vater  der  kath.  Christenheit^ 
der  mit  eineB  noch  nicht  auf  Infallibiiität  fussenden  Lehrvor- 
trage  dfts  Stick  bescbliesst  ^;.  Die  für  das  Frohnleichnamspiel 
characteristische  Rolle  des  Papa  ist  freilich  für  die  Auffas- 
9um$  dm  jstngea  Textet  wichtig  <)  und  auch  geschickt  angs- 


•)     Au«  lirrt    H'    »'TJ   i.i'M,   ilif  auch  diu  (»"Hr^ju»-! ,  un«l  «i«»  im 
Tonffro  §  iHtpr^K-hen«"  AMutni»tinTi»»[».  rnthält. 

1)     prrnfi-rKlm  »In*  rorfionn  Chhtjii   vel  iiifm  fn-Urat.    AI»  i-igcnt- 
h.  Irr  IdV.jI'  '!•■«  tu'!'!«   wir<l  dkiiti  ,<l<?  fide  katholics'  angegvl>^n. 

>I>Rnirn  Jk-i  der  KettprooeMion 
}  '     Ml  II.  890). 

'  '>rt)hyrnniMi    (Ihci    irse 

.      Mt«, 

—— tiisii  Mf  dM  VwfcattaiM  4cf  «Itrn  um!  tuucn 
••^H«!«  vos  Adam  maA  Chnstas  «ia. 


140  Cap.  m,  S  2. 

bracht,  insofern  hier  alle  P'äden  wieder  vereint  und  ans  Al- 
tarsacramcnt  angeknüpft  werden ,  doch  gehört  sie  schwerlich 
zum  ältesten  Bestand  des  Stückes  ').  Zu  diesem  rechne 
ich  nur  die  Rollen  der  12  Apostel  und  etwa  noch  die  auf 
das  Agnus  Dei  (hier  im  Venerabille  repräsentirt)  hinwei- 
sende Joh.  Baptistarolle.  Die  Zwölfboten  sind  für  die  dog- 
matische Feier  der  Coena  Domini  hier  ebenso  berechtigt  wie 
bei  der  historischen  Erinnerungsfeier  am  grünen  Donnerstage, 
und  entsprechend  der  beiden  Festtagen  gemeinsamen  Epistel 
von  der  Einsetzung  des  Altarsacraments,  wird  hier  nur  im 
Namen  der  gläubigen  Kirche  durch  Apostelmund  mit  dem  Be- 
kenntniss  zum  Vater,  Sohn  und  Geist  geantwortet.  Alles  An- 
dre, das  diesem  Hauptstück  zur  Seite  stehende  prophetische 
Vorspiel  2),  die  heil.  Königstrias  und  die  Ureltern  der  Mensch- 
heit 3)  sind  hier  ebenso  Entlehnungen  aus  andern  Spielweisen, 
wie  das  dramatisirte  Credo  von  hier  in  andre  Cyclen  überging. 
Bedeutend  reicher  und  umfänglicher  ist  das  Künzels- 
auer  Spiel  vom  Jahr  1479,  vielfach  umredigirt  und  erwei- 
tert *).  Als  Kern  des  Ganzen  ist  hier  nun  wiederum  das 
Insbrucker  Spiel,  das  sich  abgesehn  vom  Eingang  (v.  1 — 56) 
und  mit  einiger  Variation  des  Schlusstheils  von  543  an  wie- 
derfindet ^).  —  An  Stelle  nämlich  jenes  kurzen  Eingangs  aus 
dem  A.  T.  ist  hier  eine  reiche  Draperie  von  Spielmotiven  aus 
dem  A.  und  N.  T.  getreten.  Nach  einem  Prolog  des  Rector 
processionis  zunächst  der  Abfall  Lucifers,  Schöpfung  der  Welt, 
Verführung  des  Menschen,  Kain  und  Abel,  Noah  ,  Abraham 
und  Isaac.  —  Mit  Mose  beginnt  ein  zweiter  Theil^),  worin 
noch  Josua,  David  und  Goliath  auftreten ,  auch  Salomons  Ur- 
theil,  die  Litigatio  sororum  (der  Barmherzigkeit  und  Gerech- 

')  Man  erwäge  nur  die  Bedenken,  die  selbst  einem  Priester  ent- 
stehen mochten,   die  Rolle  des  h.  Vaters  zu  agiren. 

2)  Wir  sehen  dies  ursprünglich  wol  dem  Weihn.-Spiel  besonders 
zusagende  Element   auch  mehrfach  in  andern  Cyclen  angewandt. 

3)  Schon  die  gemeinsame  Anwendung  des  Cant.  triumphale  be- 
legt den  Zusammenhang  dieses  Spielelements  mit  der  HöUenfahrts- 
trad.  der  Osterspiele. 

4)  Vergl.  Germania  IV,  338  ff.  —  Mittheilung  von  Herrn.  Werner. 

5)  Vergl.  p.  354  ft'. 

*)  In  secunda  staccionf  )■  17  —  Das  Spiel  scheint  hier  also 
ganz  in  die  Procession  aufgenommen  zu  sein. 


Cap.  ra,  §  2.  141 

tigkeit  *y,  eine  Prophetenscene  (Jesaias,  Jeremias,  Daniel)  fin- 
det sieb  noch  mh  dam  »'  '  t.,  während  aus  dem  Neuen 
noch  die  Weüuutchtqiieltr  hineingezogen  >).  —    In  der 

dritten  Station  tritt  xnnächst  Job.  Bapt.  auf,  woran  sich  wei- 
Im«  Vorq^ielsmotiTe  der  Ost*  «lition  knüpfen,  die  Lei- 

dtBtgeechicbte  ist  in  der  Vc:...^.  kurz,  breiter  in  Zusätzen 
behandelt,  die  Kreuzigung  sogar  nur  symbolisch  dargestellt  3). 
Noch  folgt  eine  H^lenfahrt  und  Auferstehung,  beide  ziemlich 
treu  der  Osterspieltrad.  folgend.  Auf  dies  in  drei  Stationen 
lerfallende  Vorspiel  und  den  mit  dem  Insbrucker  Ludus  stim- 
■Mnden  Kern  des  Stacks  ist  noch  in  verschiedenen  Anhängen 
ein  Hacbqpiel  gepflanzt,  im  Ganzen  wiederum  jünger  als  das 
VwapieL  Dfthin  gehören  zunächst  einige  Vertreter  der  Legen- 
dengeecbicbte  *),  eine  Streitscene  zwischen  der  Sinagoga  und 
dem  Rector  proc.,  dann  die  Parabel  von  den  zehn  Jungfrauen, 
der  Antichrist  und  sein  Untergang  5),  das  Weltgericht  ^),  und 
auch  bico-  tun  SohloM  eine  Rede  des  Papste,    der  im  Ins- 

I  Sccne  ist  hier  gans  junger  Zusatz,  rergl  p.  349. 

*}  L<-i>«>r  die  Breite  der  Behandlung  vcrgl.  p.  367.  BcHchtung 
Tcrdirnt,  da«*  auch  hier  die  Anhetan?  der  Könige,  die  Klucbt  Ju- 
aepka  «sd  der  Kinden-  ~^  'irc   erscheinen  vergli- 

dMB  mit  d*-r  Atib<>tuiir  tn-s  Racholec  des  Kin* 

dem  !r   1    Marien    der    t)tter- 

•|pi«itr«tiiiiuM. 

S)     Durch  daa  n    i)uo   salus 

mandi  pepcadtt*  Tor)(csU:UU:  truciUA,  (über  iii<  '  hw 

IMtaff  Abtteha  Adoratio  cruris  ~  dax  Krctu  wi;  i  ren- 

dca  PrMBsAar  aadi  jaa«n  W-  eki^t,  TergL  Alt    II, 

SM).—  Oms  «•  «bau  dia  ü^ — ..^..^..^^  Wi *i»ielaiiiotive  der  Otter* 
•^•ItraditM»  atad,  dt«  mach  kiar  allmihKch  Bnfang  Ina  Frohnlcich> 
■MMapiel  fcndaa  (T«r|L  p.  862  aalaa,  SftS)  war  dam  Harg .  noch  aiehfc 
klar,  ala  ar  aekrkb  ^^aaul  iai  dann  der  Urtiaifaatg  aar  LaidaMga- 
aebicht»  gut  tar»iMaH*.  Ak  ob  bkr  dar  SeharfUnD  dea  KfiaaabMar 
Kailariors  in  PattacVt  klaal 

4)  Wi«  81  Oaorg,  U.  Onatopb,  NieobMa,  SU  lUtharina,  Barbara 
«.  aadara.  —  Dar  Test  iai  htar  iaaaaral.  knapp,  «nd  giabi  nur  latebta 
aitf  Jada  BoUa,  wie  bei  posMailiar  UBtatsekrift  «kam  EU- 


I)    Uabar  diaaa  Soaaa  hitt«  teh  f«Maara  lOttbaO.  gam  gaaaban. 
•)    Aadi   kiar  flndai  üA  dia  (Yaigablicbe)  FürbitU  der  MutUr 
tiollaa  Ar  dia  Baalan  dar  Mnder,  dia  wir  als  Trad.  dar  Watigariebta- 
kaaMMi  latnan  wacdan« 


142  Cap.  m,  §  2. 

brucker  Spiel  im  Allgemeinen  älinlicb.  —  Ohne  jene  dog- 
matische  Festfeior,  wie  sie  übereinbtimmeud  im  Iiiubrucker 
und  Künzelsauer  Spiel  vorlag,  über  noch  mehr  bisturische 
Motive  aufnehmend  i),  ist  die  Zerbster  Processionsordnung 
für's  Frohnleicbnanisfest  als  Beispiel  einer  gau/  volksthümli- 
chen  Wandelung  (die  einzelnen  Bilderrollen  fielen  den  städti- 
schen Zünften,  dem  Kath  und  den  geistlichen  Brüderschaften 
der  Stadt  zu)  dieser  ursprünglich  80  abstraet  dogmatischen 
Spieltradition  von  Interesse. 

Freiere  Formen  der  Frohnleichnamsspiele  zeigen  drei 
Denkmäler  aus  Uerdingeu  -),  den  Jahren  1671,  1682  und 
1691  gehörig.  Die  erste  zugleich  dem  Lobe  der  heil.  Anna  3) 
gewidmet  ist  unvollständig  erhalten.  Ich  gebe  zunächst  eine 
Uebersicht  der  Rollen.  —  Den  Prolog  (in  10  lat.  Hexame- 
tern) *)  spricht  ein  Angelus,  dann  tritt  Sara  mit  ihrem  Söhn- 
chen Isaak  auf,  wird  aber  vom  Angelus  unterbrochen,  der  das 
Opfer  Melchisedeks  als  ein  Vorbild  des  h.  Altarsacraments  er- 
wähnt. Nun  spricht  wieder  Sara,  und  glaubt  sich  als  das 
starke  Weib ,  nach  welchem  der  Prolog  gefragt ,  namentlich 
dadurch  erweisen  zu  können,  dass  sie  in  hohem  Alter  noch 
Isaak  geboren:  dieser  selbst  mahnt  aber  die  Mutter  zur  Be- 
scheidenheit, und  der  Angelus  wiederholt  die  lat.  Frage  nach 
dem  starken  Weibe.  Nun  treten  Jahel  und  Debora  auf:  doch 
müssen  auch  sie  zurück  treten.  —  Samuels  Mutter  Anna  und 


I)  Namentlich  ist  hier  die  Legende  (im  Fesizuge  hinter  die  Dar- 
siellougen  aus  dem  N.  T.  und  vor  das  Weltgerichtsbild  mit  der  Zehn- 
jangfrauenparabel ,  welche  den  Schiuss  bilden ,  gelegt)  stark  ausgezo- 
gen. Bestand  gleich  der  ganze  Festzug  nur  aus  lebenden  Bildern, 
denen  der  Text  der  Us.  (diese  stammt  aus  dem  Jahre  1507,  mitge- 
theilt  von  Sintenis  bei  Haupt  II,  278  f.,  überschrieben  als :  Ein  Spruch 
von  Deutung  und  Erklärung  der  Figuren  die  in  der  Procession  ge- 
hen am  Donnerstag  in  der  h.  Pfingstwoche)  nur  Dollmetscherdien«t 
leistet,  so  findet  sich  doch  mehrfach  z.  B.  p.  267  oben  eine  Art  von 
Handlang  angedeutet. 

3)  Mitgetheilt  von  Rein:  Vier  geistliche  Spiele  des  17.  Jahrh. 
p.  23  ff. 

3)    Der  Mutter  Maria' s. 

*)  Es  wird  darin  im  Styl  sibyllinischer  Orakel  eine  angebliche 
Frage  Salomons  nach  dem  Heldenweibe  (mulier  fortis)  mit  pomphaf- 
ter Breite  ausgeführt. 


Cap.  m,  S  2.  14S 

DmTids  Motter  (letztere  mit  dem  die  Harfe  spieleuden  Kna- 
ben) treten  Tor:  noch  zuversichtlicher  Simsons  Mutter  mit 
dem  Recken  selbst.  Der  Engel  ist  noch  nicht  zufrieden.  Die 
Mutter  des  Elias  mit  dem  Propheten ,  Judith  mit  ihrer  Magd 
werdoi  schwerlich  mehr  Gnade  gefunden  haben ,  doch  bricht 
der  Text  hier  ab  i).  —  Man  erkennt  leicht  in  der  Erwähnung 
Makliiiedeks  zu  Anfang  und  der  von  Sara  c.  Jsaak  verscho- 
beaen  Gruppe  Abraham  c  laaak  Elemente  der  strengeren 
Fn^leichnAmafeier :  der  verlorene  Schluss  mag  noch  einige 
mtht  gebolen  haben.  Auch  von  den  sonst  auftretenden  Per- 
■oneo  mögen  etliche,  namentlich  David,  EUias  auch  schon  früher 
dem  Fetteoge  angehört  haben,  ehe  durch  die  Coinciden/  des 
FrohnleichnanH  and  St  Annen-Tages  >)  jenes  Hervortreten 
weiblicher  liollen,  das  jetzt  vorliegt,  begründet  ward. 

Schon  das  Tridenter  Coucil  3)  hatte  die  neuautorisirle 
Frohnleichnamsfeier  mit  zur  Bekehrung  der  Ketzer  angeord- 
net, lo  sehen  wir  denn  auch  das  zweite  (allein  vollständig 
eriuUtn«)  (Verdinger  Stück    als  geistliches  K.--     '       1  für  den 

katboliicben  GUuben  auftreten  *),     Die  anspi. Analyse, 

die  der  Kircbenhistoriker  Uase  in  seiner  geschichtlichen  Ue- 
b«nicbt  über  da«  geiatl.  Schausp.  p.  165  ff.  mittheilt,  mag 
auch  hier,  etwms  gekürzt,  Platz  finden. 

Der  kath.  Glaube  ist  durch  verschiedene  allegor.  Perso- 
MB,  der  protettantitcfae  vomebmlich  durch  den  Häreticus 
Tertiwten.  Ein  Engel  als  Prolop  ■'-'  "ulet,  wie  Christus  ge- 
warnt bat  vor  den  falschen  1'.  ..  (Es  werden  Oalvin 
and  Lotber  nun  als  solche  namhaft  gemacht)  —  Der  Haere- 
licoa,  ein  einfäitiger  Tropf,   dem's  im  Kopfe  luthert  und  cal- 


I)    Ob  die  b.   Ann»   ali  MAria'i   Motter,    oder  Maris  lelbit  all 
Christi  HnittT  a.  Auch  in  letzterem  FsU  war  di«  b. 

Abu  fe*bri  gcttog. 

S)    Oeber  die  «hraaoL   Sehwierifkeit   diassr  Coincideac    vergl. 
B«ta  p.  U  Anm.  35. 

S|    üeM.  IS.  «  6k  de  EmUuh  i^**  (Mcleeke)  sdvtrMrii  in 

■—■pirtM  UbU  »pltmAon»  «t  ia  uau  «aiv.  EccL  Uetilia  pont«  vel 
debtliUti  «i  fracti  labecea»'  ^"^  ','id<tf€  affecti  ei  oomhuu  aliqvMido 
r— ipiacaat 

*)    Zum  spafaMiaeallaB  fttnuUjael  df  PralMlantaii  war<i 
Jakrb.  MMhHhMh  da*  Ysiiiihtiptsl 


144  Cap.  ril,  $  2. 

Yint,  disputirt  mit  der  Catholica  über  die  KircheDlebre  von 
der  Wandelung  der  Hostie  in  den  Leib  des  Gottmenschen. 
Christus  hat  uns  gelehrt  zu  beten:  Vaterunser,  der  du  bist 
im  Himmel.  Was  sagst  denn  du  Papist,  er  sei  bei  euch  im 
Sacrament?  —  Dagegen  findet  sich  leicht  Hilfe  bei  Gottes 
Allmacht  und  Allgegenwart.  Als  die  protest.  Parthei  schon 
beginnt  matt  zu  werden,  flüstert  Spiritus  familiaris,  der  böse 
Geist  ihr  zu:  Gebt  Ihr  euch  so  bald  gefangen?  —  Da  er  mit 
der  h.  Schrift  Nichts  ausgerichtet,  will  er's  nun  mit  den  fünf 
Sinnen  versuchen.  Doch  plötzlich  weiss  der  Häreticus  nichts 
mehr  vorzubringen,  er  bekehrt  sich  eiligst  mit  den  Seinen, 
und  während  durch  die  Erscheinung  von  zwei  verdammten 
Seelen,  welche  die  Zeit  der  Busse  versäumt  haben,  die  Be- 
deutung dieser  Umkehr  noch  anschaulicher  gemacht,  wird  er- 
weist die  Catholica,  dass  nie  ein  Papst  vom  Evangelium  ab- 
gefallen und  ausser  der  römischen  Kirche  kein  Heil  sei.  Der 
Haereticus,  nun  als  Doctor  poenitens  katholisch  eifrig,  be- 
ginnt zuletzt  im  Marktschreierton  'j  sich  über  sich  selbst  lu- 
stig zu  machen  als  Meister  in  allen  Facultäten,  der  als  Doc- 
tor der  Medicin  seinen  Patienten  rasch  davonhelfe  u.  s.  w.  *). 
Noch  fragmentarischer  wie  das  erste  ist  nun  das  dritte 
Uerdinger  Denkmal  3)  (jenem  sonst  in  der  Richtung  etwas 
ähnlich)  überliefert.  Es  dreht  sich  nämlich  ausser  um  das 
Theophorienfest  auch  um  das  Lob  der  heil.  Magdalena  und 
des  Apostels  Petrus,  doch  erkennen  wir  nur  noch  die  Bezie- 
hung auf  erstere.  Die  Anlage  scheint  aus  der  Teufelsscenen- 
ökonomie  des  Osterspiels  entlehnt:  Lucifer  beruft  im  Anfang 
seine  Knechte,  damit  sie  ihre  Thaten  rühmen  mögen:  statt 
Satan,  Beizebub  u.  s.  w.  werden  hier  die  7  Hauptsünden  ein- 
geführt sein.  Wir  hören  nur  die  Superbia  sich  der  hoffarti- 
gen   Magdalena    rühmen  *) :    mit    der   Überschrift    ,Avaritia' 


t)  Und  in  einem  an's  Holländische  streifenden  niederrheinischen 
Dialect. 

2)  Der  Epilog  versichert  noch,  dass  es  zu  Uerdingen  viele  ,bÖ8e 
Leute'  gäbe,  denen  eine  Umkehr  Not  thue.  —  An  einer  Antwort 
protestantischerseits  mag  es  damals  aach  nicht  gefehlt  haben. 

3)  Bei  Rein  p.  60  ff. 

*)  Auch  über  die  geckischen  aus  Frankreich  importirten  Kleider- 
moden spricht  sich  Superbia  rühmend  aus.  (p.  62). 


Cap.  m,  §  3.  145 

bricht  der  Text  ab.  Die  Betrachtung  dieser  letzten  Bei- 
spiele 1;  wird  es  hinreichend  rechtfertigen,  dass  wir  die  Frohn- 
leicboaiiM^iele  für  sich  hinstellten  —  nicht  etwa  bei  der  na- 
hen Beaehimg  de»  Festes  selbst  zum  grünen  Donnerstag  2), 
mit  dem  Cap.  II.  verbanden. 


§  S.     Aatidwist-  mmi  Wrltj;erickts.spiflf. 

Der  mit  unsenn  Gebiet  einigermassen  vertraute  Leser  wird 
hier  zunächst  Erörterung  jenes  bekannten  Tegernseer  Lu- 
dnt  (paschalis)  de  adventu  et  interitu  Antichristi  3)  erwarten, 
deti«n  Besprechung  ich  oben  beim  Osterspiel  *)  abgelehnt 
habe.  Doch  auch  hier  denke  ich  nur  den  Standpunct,  den 
wir  jenem  merkwürdigen  Denkmal  gegenüber  einnehmen,  zu 
akizziren  —  nicht  aber  alle  der  Erklärung  noch  widerstre- 
bende Seiten  desselben  in  Angrifif  zu  nehmen,  da  bei  der  et- 
was Tereinxelten  Stellung  des  für  sich  selbst  interessanten 
StSckes  wine  Bedeutung  für  die  allgemeine  Entwicklungsge- 
schichte des  geistL  Spiels,  die  uns  hier  obliegt,  massig  ist 
Zunächst  also  c-i  •■  Analyse,  die  ich  bei  Haase  in  pas- 

sender Form  TOI  ...  >.  Streit  der  Gentilitas  und  der  Syn- 
ago^,  dann  der  Auftritt  der  Hauptpersonen  (Ecclesia  umge- 
be! Ton  Jostitia  und  Misericordia ;  Pater  Apostolicus  ^)  mit  s. 


I)  AoMerdem  wäre  etwa  noch  der  in  Mone*t  Ikd.  Archiv  II,  p. 
906  mitc'^     ■'      "         h   für   die  Fr-  '  Frt>liiiIcichnam»proc,  zu 

erwtbnf  ich  »uf  den  S..  da«   Verhör  üher  die 

Gefallenen  UUi  dem  Kagtl  ni,  der  sie  dtma  mm  Eden  vertreibt)  und 
die  .\arhncht  Pichler*  (p.  70)  dast  nsa  SU  Botsen  am  Krohul.-Kert 
der  Si<ic  der  Kirche  iber  ihre  Feind«  durch  St.  Oeorgt  Drachonkampf 
lionbüdUch  feiert«. 

t)    So  ward  in  der  That  au  I  robnl.>Fett  die  Paaeion 

■firt,  t.  B.  in  Fretbnrf.  (Tcrgl  Mm  a  Ita.i.  Archiv  II,  204  und  die 
•ae  Job.  Paoli  bei  Waekem.  Lil.  (ieich.  p.  312  entlehnte  Stelle). 

S)  Bei  iVi  CbM.  Aaeodoi.  nov.  T.  II.  Par«  III,  p.  186  ff.  aai  ei- 
Mr  n.    1  .  Xllt  Jahrb. 

Cap.  IL  I  I.  (8chlius)b 

>)    i>M  g«M(L  Bchaaqp.  p.  37  ff. 

•)  Isl  BasM^  Dsalsaf  di«M>r  Rolle  aof  den  Pap«!  richtig,  so 
Htimo  wir  htor  dsa  bssalnUiasa  Aatef  jta«  ia  dsa  (ehroaoL  epft* 
terro)  W ■■«^l»t«U^lit*«  —  ^*y^^l»«i  breller  aiufrefBIiitcB  Papatrolten. 

Im 


14(5  Cap.  in,  §  3. 

Clerus,  Imperator  Roraanorum  unü  >cr8chiedene  Könige)  bil- 
den eine  Art  Vorspiel:  die  Handlung  selbst  verläuft  dann  in 
folgender  Weise  ')•  i^^ei*  Kaiser  sendet  Botschaft  an  die  Kö- 
nige, um  ihre  Unterwerfung  zu  fordern,  sich  berufend  auf 
sein  historisches  Recht: 

Sicut  scripta  tradunt  historiographorum, 
Totus  mundus  fuerat  fiscus  Romanorum  etc. 
Der  König  von  Frankreich  mit  trotziger  Entgegnung  dass  ihm 
vielmehr  das  Kaiserthum  zukomme,  entschliesst  sich  erst  nach 
einer  verlornen  Schlacht  des  Kaisers  Vasall  zu  sein:  die  Könige 
von  Jerusalem  und  Griechenland  erkennen  willig  seine  Oberge- 
yr&lL  ,Cum  jam  tota  Ecclesia  subdita  sit  imperio  Romano'  erhebt 
sich  mit  der  Gentilitas  der  König  von  Babylon,  um  das  Chri- 
stenthum  in  seinem  Geburtslande  zu  vernichten.  Der  König 
von  Jerusalem  sendet  nm  Hilfe  an  den  Kaiser,  der  alsbald 
mit  seinem  Heere  kommt,  und  nach  Ueberwindung  Babylons 
Krone  und  Scepter  niederlegt  im  Tempel  des  Herrn. 

Nun  aber  versammeln  sich  zu  Jerusalem  die  Heuchler, 
unter  dem  Schein  der  Demut  die  Gunst  der  Laien  zu  erlan- 
gen suchend.  In  ihrer  Mitte  der  Antichrist,  einen  Panzer  un- 
ter den  Flügeln,  zu  seiner  Rechten  dio^Scheinheiligkeit,  zu 
seiner  Linken  die  Ketzerei.  Die  Heuchler  begrüssen  ihn  mit 
dem  Rufe :  die'  Kirche  hat  sich  der  Eitelkeit  hingegeben,  Gott 
liebt  nicht  die  weltlichen  Prälaten.  —  Auf  die  Gunst  der 
Laien  trauend,  errichten  sie  seinen  Thron  im  Tempel,  aus 
welchem  die  Kirche,  geschmäht  und  zerschlagen,  sich  zurück- 
zieht zum  Sitz  des  apostol.  Vaters.  Der  Antichrist  will  das 
Alte  abschaffen,  ein  neues  Recht  weisen:  er  sendet  Boten  an 
die  Könige,  dass  die  ganze  Welt  ihm,  dem  aus  der  Schrift 
Verheissenen ,  als  ihrem  Herrn  huldige.  Die  Könige  knieen 
vor  ihm,  er  schreibt  den  Anfangsbuchstaben  seines  Namens 
auf  ihre  Stirn.  Den  König  der  Deutschen  hofft  er  durch  Ge- 
schenke zu  gewinnen,  denn  unvorsichtig  wäre  es,  mit  dem 
,furor  Teutonicus*  einen  Kampf  zu  wagen.  Der  König  durch- 
schaut die  Täuschung:  darauf  kommt  es  zum  Kampf  und  das 
antichristliche  Heer  wird  geschlagen.    Jetzt  greift  es  der  An- 


1)    Die  von  Haase  gemachten  zwei  Abtheilungen  des  Stücks  sind 
im  Text  nicht  begründet. 


Cap.  m,  S  3.  147 

tichrist  anders  an:  er  heilt  einen  Gelähmten,  einen  Aussätzi- 
gen und  erweckt  einen  Scheintodten ,  wodurch  auch  die  Deut- 
schen bewogen  sind  ihn  anzuerkennen.  Durch  sie  besiegt  er  den 
König  von  Babylon ,  der  Sjnag«^  erscheint  er  als  der  wahre 
MeMJas,  und  seine  Weltherrschaft  reicht  weiter  als  das  Ge- 
biet der  Eccleda.  Nachdem  auch  das  Auftreten  von  Enoch 
nnd  Elias  dazu  gedient,  die  Synagoge  zum  Glauben  an  den 
Gekreuzigten  zu  bekehren,  und  den  Märtyrertod  leiden  zu  lassen, 
scheint  das  Reich  des  Antichrist  fest  gegründet.  Alle  Könige 
kommen  ihn  anzubeten.  Frieden  verheisst  er  der  ganzen 
Welt  Da  erhebt  sich  ein  Geräusch  über  seinem  Haupt:  Er 
ttörzt  zusammen,  die  Scheinheiligen  entfliehn,  die  Andern 
kehren  zum  Glauben  zurück;  die  erlöste  Kirche  singt  ein 
Hallelojah*  i). 

Das  Stück,  1721  im  Thesaurus  von  Pez  publicirt,  blieb 
wol  längere  !iteii  ganz  unrersUindlicn.  Der  älteste  Erklärungs- 
TertDch  den  ich  kenne,  der  von  Engelhard  im  Erlanger  Oster- 
programm  Ton  1831  kann  vom  Standpunct,  den  wir  jetzt  ein- 
nehmen ans  betrachtet,  wenig  befriedigen  2).  Doch  ward  um 
diflM  Zeit  ein  Interesse  (Br  das  seltsame  Stück  auch  im  Aus- 
land rege:  Herr  Jubinal  3)  war  witzig  genug,  im  Antichrist 
den  römischen  Papst  zu  erkennen,  und  noch  1852  ward  (doch 
wol  auf  jene  Autorität)  in  einer  Bonner  Dissertation  *)  ge- 
schrieben, (ludus)  imperatoris  celebrat  laudes,  pontificem  yero 
Aotiehristi  persona  induit*.  Da  war  es  doch  besser,  das  Stück 
als  ein  sdion  oft  genug  besprochenes  bei  Seite  zu  lassen  S), 
oder  sich  im  Wesentlichen  mit  einer  Uebersicht  zu  begnügen, 

I)    Csife  Asodenuigsa   fmeUi  Kürzuncrenl    dci  Ausdnu-ks  Bcliie« 
tt«i  MI  eh  hier  xweckmiMif. 

S)    Der  fcWhrt«  Tbeolog,  Kaum  nu<  <i 
kadc«  Meh  heraawsgead,  wetM  p.  18  du  i 

war  »Ü  Ooeihe't  JBpimni4m  Krwachen*  xu  vcrgltucbcti.  —  Diu  i» 
doMellMa  Jahr  «rMÜsseas  Sdtfili  Kogter*! :  De  Werinhero,  erwihni 
«Mar  Slfick  kaoai,  pmkwrif  itm  da«  Krklüning  venacbt  wir«. 
Bei  FIAffel  (Korn.  Liter.  IT,  9B6)  ist  aalftriir?  >  •  -» •  viel  tu  flu- 
dies.    Ihe  AariehUa  Q§aHkmn  «ad  KrafaiBK  lingelhard  p. 

12  aactifibH. 

*)    T.  I^  T>  r^\.  Hmm  p.  27  Anm  ). 

*)    De  ftrtie  iMBieM  apvd  Oenaaao«  init  'VittenhftU'^ 

*)     VerfL   Fmdfinr    n     341    Anm     j 

10« 


148 


c»p.  m,  s  a 


l 


L 


wie  einst  0.  Freitag  i),  neuerdings  ausser  Haase  2)  auch  Hol- 
land •*)  und  lieidt  •*)  getlmn. 

Am  leichtesten  der  Erklärung  zugänglich  sind  die  kirch- 
lichen Elemente  unseres  Spiels.  Fassen  wir  die  Stellen  des 
N.  T.,  wo  vom  Antichrist  gesprochen  wird  oder  wo  derselbe 
gemeint  zu  sein  scheint  5),  zusammen,  so  ergiebt  sich  Folgen- 
des als  älteste  Quelle  der  spätem  Traditionen.  Der  Wider- 
cbrist  wird  seinem  Wesen  nach  von  Johannes  nur  als  ein  Nicht- 
bekenner  Christi  und  Verführer  gezeichnet.  Ist  nun  der  von 
I^auluÄ-als  ,Mensch  der  Sünde  und  Kind  des  Verderbens'  ge- 
zeichnete dieselbe  Person,  so  heisst  es  vom  Antichrist,  dass 
er  sich  überhebt  über  Alles,  das  Gott  oder  Gottesdienst  heisst, 
dass  er  sich  in  den  Tempel  Gottes  setzt  und  vorgiebt  selbst 
Gott  zu  sein.  Zuletzt  werde  ihn  der  Herr  umbringen  mit  dem 
Geist  seines  Mundes ,  nachdem  er  viele  durch  Kräfte  der  Lüge, 
Zeichen  und  Wunder  verführt  habe.  —  Hören  wir  endlich 
die  ApokalypsCj  so  werden  die  zwei  Zeugen,  welche  Macht 
habere  den  Himmel  zu  verscbliessen ,  streiten  mit  dem  Thier 
aus  dem  Abgrunde  und  von  diesem  getödtet  werden  (Cap.  XL). 
Von  einem  andern  Thier  sagt  Apokal.  XIH,  16,  dass  es  Al- 
len,  Kleinen  und  Grossen,  Reichen  und  Armen  ein  Malzei- 
chen an  ihre  rechte  Hand  oder  die  Stirn  geben  werde.  Cap. 
XVI,  13  wird  von  drei  Boten  des  falschen  Propheten  berich- 
tet, die  Wunder  thun  und  zu  den  Königen  auf  Erden  gehn 
werden ,  sie  zu  versammeln  in  den  Streit  auf  jenen  grossen 
Tag  Gottes.  Cap.  XIX,  20  wird  als  das  Ende  des  Thiers  wie 
des  falschen  Propheten  verkündet,    dass   sie  lebendig   in    den 

')     De  initiis  scenicae  poesis  apud  Germ.  p.  43  ff. 

*)  Auf  einige  von  H.  in  den  Noten  gegebene  Erklärungswinke 
komme  ich  noch  zurück.  Wenn  aber  p.  26  unten  noch  dem  Mönch 
Wemher  von  Tegernsee  das  Stück  zugeschrieben  wird,  so  verweise 
ich  auf  die  seitdem  von  Feifalik  über  die  drei  Tegemseer  Wcrnhere 
und  die  schon  fragliche  Beziehung  des  Mönches  Wemher  auf  unser 
Stück  gemachten  Bemerkungen.  (Des  Priesters  Wemher  Driu  liet  von 
der  Maget  p.  XVII,  p.  XIX). 

3)  Altd.  Dicht,  in  Baiern  p.  612. 

4)  Das  geistl.  Schausp.  des  MA.  in  Deutschi.  p.  37. 

5)  Vergl.  I.  Joh.  IV,  3;  II.  Joh.  7.  —  II.  Thessalon.  II,  3  ff.  — 
Apokal.  c.  XI  bis  XIX.  —  Auch  einige  Stellen  des  A.  T.,  namentlich 
der  Proph.  Daniel  und  Jesaias  werden  mitunter  auf  den  Antichrist 
bezogen. 


Cap.  m,  S  3.  149 

feorigen  Schwefelsee  geworfen  werden.  —  Diese  wenn  auch 
ähnlichen,  doch  wol  etwas  onterschiedenen  Vorstellungen  wur- 
den Ton  dem  christl.  Alterthum  bald  rereint  auf  den  Antichrist 
angewendet  und  mit  weiteren  Ausschmückungen  versehen.  Be- 
sonders wichtig  ist  die  schon  im  Erang.  Nicod.  c.  V.  gegebene 
Andeutung,  dass  Enoch  und  Elias  jene  künftigen  Bekiimpfer 
des  Antichhst  sein  sollen,  also  jenen  beiden  Zeugen  (Ap()k.  XI.)  / 
gleichgesetzt  werden  >).  Ich  kann  die  Ausbreitung  der  kirchli- 
ohei  wie  poetischen  Antichrist-Literatur  nicht  weiter  verfolgen  2), 
nur  flioe  interessante,  von  Grimm  (.Myth.  773)  bcsprochne  (_^ 
iingnliirhwsrhr  Homilie  sei  noch  erwähnt,  wo  es  heisst,  dass 
adi  der  Antichrist  nicht  nur  über  n  '    lie,    son- 

dern aach  höber  als  alle  heidnischen  <>  ules  und 

ApoUo,  Dhor  nnd  Eordhen  (Thor  nnd  Odhinn)  schätze, 
•0  dass  er  allein  stärker  als  ihre  Gesammtheit  zu  sein 
glaube  3).  Ehe  wir  nun  an  der  Hand  dieser  kirchlichen  Quol- 
len eine  theilweise  Erläuterung  unseres  Tegernseer  Ludus  ver- 
•ocben ,  sei  noch  ein  Seitenblick  auf  ein  bei  Marriott  *)  mitge- 
theiltet  mitteleogl.  Myster.  , Antichrist*  erlaubt,  das  wenn  auch 
•iober  jftagerMi  Alters  als  jener  und  mit  der  altkirchlichen 
Trad.  kecker  umspringend  (wie  es  scheint)  ^)  doch  durch  die 
FembaJtung  weltlich-historischer  und  dogmatisch-polemischer 
BesSge  Uditer  Terständlich  ist.  Das  Stück  eröffnet  der  An- 
tichrist mit  10  adüechtgebauten  (meist  leoninischen)  Metren, 
deren   ^n   in    einem    längern    engl.    Monolog  C)   weitläufig 

1)    Aetter  and  berechtigter  mmg  wol  die  Hcrbciziihung  dca  Elia« 
als  die  dm  Eaoeh  eein.    Enterer  konnte  bei  seiner  Macht  aber  Re- 
gn  ead  Dirr«,  die  neh  im  oriental.  V  "     '     ' 
pflanzte  (Tergt  Grimms  Myth.  157,  Vt;  77. 
Apokal.  XI,  6  eriaaem:  entfeni' 

rieht  der  Hrn..  daaa  er  von  O^t  ^ 

gen  Elu                 *ibar.  J^-                                                 da«  A.'Cl  :  / 

bekannt.  iAi^hJ.   !  -  '  ■  '-umm-,. 

■)    D»€    'i    •'  '■■■■■    '•  wol    von    gerr 

(■adi  Grimm  n<>:>l<<  li>  r  •  :  :        l  her:    die  aiti 

tanamen  wiren  in  kirrbluhrn  (^plten  wentK(*r  anfTällig. 

*)    C«UacCioa  of  Engltah  Miracie  pbyt  p.  16  ff. 

>|    Wta  waii  «tva  jfiagart  ktrohl.  Quellen  auf  die   Behandl.  ein» 
gawirkt,  variohirt  tUk  hier  ksam  m  «ntermcbaB. 

•)    Im  WaiterB  Alles  angL,  aar  dia  U«b««schriftea  dar  4  Kteig*- 
reOsa  lat  gefMst 


150  Cap.  m,  §  3. 

wiederholt  wird.  Vier  Könige  (zunächst  ohne  Bezug  auf  be- 
Btimmte  Länder)  werden  von  ihm  aufgefordert  an  ihn  als 
Messias  zu  glauben.  Er  weckt  zum  Zeichen  seiner  Macht 
zwei  Todte  auf,  giebt  dann  selbst  scheinbar  den  Geist  auf 
und  wird  von  den  Königen  in  ein  Grab  gelegt  werden,  das 
im  Tempel  bereit  ist  >).  Nachdem  Antichrist  gesund  wieder 
aufgestanden  empfängt  er  der  Könige  Huldigung,  der  nun 
den  Thron  besteigt,  sich  als  Herrn  und  Gott  proclamirt,  und 
die  Könige  mit  der  Lombardei ,  Dänemark  und  Ungarn,  Pon- 
tus  und  Italien,  den  Letzten  mit  Rom  belehnt.  —  Nun  tre- 
ten Enoch  und  Elias  zuerst  mit  einem  Gebet  an  den  wahren 
Gott  auf,  worin  sie  das  Einschreiten  seiner  strafenden  Gerech- 
tigkeit fordern.  Nach  kurzem  Wortwechsel  mit  den  Königen 
treten  sie  dem  Antichrist  mit  hartem  Vorwurf  gegenüber:  er 
heisst  ihren  Glaubenseifer  Heuchelei  und  weist  auf  seine 
Macht  und  Stärke,  beruft  auch  einen  seiner  Diener,  der  als 
jDocter'  bezeichnet  wird,  der  kurz  und  gut  seinem  Herrn  räth 
die  Feinde  kalt  zu  machen.  Doch  erst  nach  langem  Disputi- 
ren 2) ,  und  als  durch  kräftige  Wunder  des  Enoch  und  Elias 
die  Könige  zum  Abfall  vom  Antichrist  gebracht  sind,  ent- 
schliesst  sich  dieser  jene  Zeugen  sowie  die  Könige  umzubrin- 
gen. (Here  Antichristus  kills  them  p.  35.)  Nun  erscheint 
St.  Michael  und  verkündet  dem  A.-Christ,  dass  seine  Stunde 
gekommen:  dieser  ruft  Dämonen  zur  Hilfe,  die  aber  nur 
noch  den  Leichnam  fortbringen  dürfen:  Enoch  und  Elias 
werden  vom  Erzengel  unter  Lobgesang  des  Chors  in  den 
Himmel  geleitet.  —  Versuchen  wir  nach  dieser  scheinbaren 
Abschweifung  3)  eine  einigermassen  richtige  Auffassung  unsers 
Tegernseer  Spiels  zu  gewinnen. 


>)  Offenbar  dasselbe  sepulchnim ,  das  beim  kirchlichen  OsterofHz 
als  Grab  Christi  gebraucht  wurde.  Die  betrügerische  Nachahmung 
der  Thaten  Christi  wird  von  diesem  engl.  Antichrist  auf  die  Spitze 
getrieben,  (vergl.  auch  p.  22  oben). 

*)  Ob  etwa  durch  Interpolationen  der  Text  in  die  Breite  gezo- 
gen, hann  hier  nicht  untersucht  werden. 

')  Allzuviel  gewinnt  man  freilich  durch  Herbeiziehung  solcher 
nur  entfernt  verwandter  Behandlungen  nicht.  —  Das  zum  Zerrbild  der 
kirckl.  Sage  gewordene  Yasnachtspiel  vom  Entechrist  (bei  Keller  II, 
N.  68)  lasse  ich  ganz  bei  Seite. 


Cap.  m,  §  3.  151 

Wir  haben  in  unserer  bisherigen  Darstellung  das  geistli- 
che Spiel  immer  im  Ansciiluss  an  kirchliche  f'estrituale  ent- 
springen sehen:  hier  scheint  nun  die  Sache  anders  zu  liegen, 
und  die  Bez.  Ludus  paschalis  ist  mehr  zur  Verwirrung  als 
Auflcläning  geeignet,  da  der  Inhalt  zum  Osterfest  in  keiner 
natürlichen  Verbindung  steht.  Erinnern  wir  uns  aber  jenes 
Benedictbeurer  ^V  '  -  '>.  und  der  am  Schluss  desselben  an- 
gedeuteten Ant;  1),  die  uns  dort  zwar  als  spätere 
Einschaltung,  aber  doch  nicht  als  fremdartige  Zuthat,  vielmehr 
als  eine  wol  c' '  '  •>  Weiterfiihrung  des  Conflicts  christ- 
licher und  widt :  her  Elemente,  den  wir  dort  wahrnah- 
men, ober  die  natürlichen  Grenzen  des  Vl^eihn.  Spiels  hinaus 
erschien.  Ein  s  Verhältniss  zeigt  auch  schon  die 
SchluBspartie  dt..  ..  lu  Freisinger  Denkmals  2;:  die  dort  in 
wenigen  Hauptzügen  gegebene  Darstellung  des  Kindermordes 
(Ton  mir  aus  dem  Text  geschieden)  sahen  wir  im  zweiten 
Freinnger  Stück  nun  als  Hauptvorwurf  der  Handlung  mit 
noch  erkennbaren  Bezügen  auf  jenen  Vonersuch  3)  in  reich- 
licher Breite  aosgeführt. 

Bei  der  nahen  Lage  und  der  auch  sonst  bezeugton  liter. 
Verbindung  der  beiden  Klöster  Ben.-Beuern  und  Tegernsee  *) 
befremdet  es  wol  ebenso  wenig,  dass  ein  im  Ben.-Beurer 
Weibnachtspiel  enthaltener  Vorrersuch  in  Tegernsee,  wol  auch 
mit  Benutzung  der  Motive  des  Ben.-Beur.  Weihn.-Vorspi«  Is, 
und  mit  weiterer  Heranziehung  der  beiderorts  bekannten  kirch- 
Jicbeo  Quellen  in  selbststiuidiger  Weise  behandelt  und  nun 
als  one  Art  Fortaetxnng  des  Ben.-Beurer  Weihn.  Spiels  am 
nächsten  hohen  Feste,  also  so  Ostern  zur  Aufführung  kam  >). 
Uebeitrinstimmung  mit  den  f  >  'iven  des  Ben.-Beurer  W.- 

SfHels  scheint  auch  darin  zu  ^  ,  dass  der  jenes  Stück  so 
bestimmt  durchziehende  Gegensatz  des  prophetischen,  wie  des 


I)    B«i  8cluB«U«r  (Um.  B«i.)  p.  94. 

s)    Bei  Weiaboia  W.  Spisto  p.  61. 

S)    YergL  dM  laosadim  meus.  p.  61  und  64. 

«)  Ifli  iL  I  das  Osp.  n  Isralea  wir  «ta  Bea.>Bpnm--Tegenuieer 
Ortewplai  kmmn. 

i)  Im  «imr  Zrii  wo  d«a  eifvntUcbe  UtienpiL.  :.....  nidit  ntr 
«olkn  BalMtmf  ftkoaunea  wmr,  d«Hle  aol«^  Vcnrendang  eines 
ÜMMüdis  fltoffw  wMUcw  ksAmdsB* 


152  Ca]..   III,  §  3. 

historischen  Christenthuras  gegen  den  Standpunct  der  Syna- 
goge erst  im  Tegernseer  Spiel  dadurcli  zu  völlig  befriedigen- 
dem Abschluss  gelangt,  dass  die  durch  Enoch  und  Elias  be- 
kehrte Synagoge  selbst  den  Zeugentod  für  das  wahre  Chri- 
stentbum  stirbt.  Wenn  dieser  uns  fast  überraschende  Zug 
nach  freier  Variation  der  kirchl.  üeberlieferung  aussieht,  so 
erscheint  im  Uebrigen  die  älteste  Trad.,  wie  sie  schon  das  N. 
T.  an  die  Hand  giebt,  hier  reinlicher  gewahrt  als  in  jenem 
engl.  Antichrist,  der  namentlich  durch  jene  barocke  Nachäf- 
fung des  Todes  und  der  Auferstehung  Christi  sich  schlecht 
verdient  macht.  Zu  den  Hypocritae  finden  wir  im  engl.  A.- 
Christ kaum  eine  Spur  J):  Andeutung  dieser  Kolle  findet  sich 
dagegen  in  der  Ben.-Beurer  Schlussscene,  wie  auch  hier  schon 
die  Keime  zu  jener  Hereinziehung  weltlich-zeitgeschichtlichen 
Stofi'es  zu  liegen  scheinen  ^),  die  wir,  wenn  uns  auch  sichere 
Deutung  noch  fehlt,  doch  im  Tegernseer  Spiele  in  reicherem 
Masse  wahrnehmen.  Immerhin  bleibt  noch  hier  der  kirchli- 
che Standpunct  unverleugnet,  dem  Alles  Andre  (ähnlich  etwa 
wie  in  der  sog.  Kaiserchronik)  sich  unterordnet  3).  —  Zur 
Vergleichung  mit  diesem  Antichristludus  wäre  sehr  wünschens- 
wert die  Bekanntmachung  eines  wie  es  scheint  vielfach  ähn- 
lich behandelten  allegorischen  Drama's,  das  ein  gewisser  Con- 
radus  Schyrensis  (d.  h.  von  Scheiem)  verfasst  hat,  und 
sich  gleichfalls  jetzt  auf  der  Münchner  Bibl.  befindet  "*).  Da 
dieser  Kourad  um  1240  ,geblüht'  haben  soll  (um  das  ,äoruit* 
Engelhards  zu  verdeutschen),  so  wäre  das  vielleicht  ein  Grund 
mehr,  das  Antichristspiel  nicht  in  die  Zeit  Friedrichs  des  Ei- 
sten ,  sondern  des  Zweiten  zu  setzen  5). 

*)  Wenn  man  nicht  jenen  merkwürdigen  ,Docter'  dahin  rechnen 
will. 

2)  Vergl.  Carm.  Bur.  p.  94  unten  (N.  62).  —  Auch  die  vier  Kö- 
nige des  engl.  Spieles  sind  zu  beachten. 

3)  Richtiger  als  Hase  in  dem  witzelnden  Schluss  seiner  Anm.  38 
(p.  27)  bezeichnet  wol  Wackernagtl  (Lit.  Gesch.  p.  302  oben)  den  Cha- 
racter  des  Stückes. 

*)  Erste  Kunde  nebst  einem  uuriii<;en  Frubchcii  gab  l'tiz  im 
Thes.  I,  p.  XXX,  etwas  genauere  Auskunft  (noch  nach  einer  Mittheilung 
Docens?)  gab  Engelhard  im  Erlanger  Osterprogr.  von  1831  zum  Schluss. 

&)  Dieser  Ansicht  war  auch  Ilaase  gewesen,  der  sie  aber  (p.  26 
Anm.)  vielleicht  vorschnell  fallen  lässt. 


Cap.  in,  §  3.  153 

OiucKiirber  als  jene  Bestimmung   iur  (uis  Osterfest,  die 

das  Tegernseer  AntichriBtspiel  erfuhr,  scheint  die  Verbindung 

des  Antichrist-  nnd  Weltgerichtspieles  in  Frankfurt,  die  wir 

'  r  Notii  bei  Fichard  ersehen  '),    womit  wir  nun  zu 

''  tgerichtspielai  fiborgehen.  —  Als  erstes  Beispiel  der 
Art  behandeln  wir  aber  jenes  Mühlhänser,  ursprünglich 
V.'"'  "t  Eisenacher  Spiel*)  von  den  10  Jungfrauen,  das 
-jw  1  durch  die  enge  Verbindung,  in  der  bei  Matth.  XXV. 
die  Parabel  Ton  den  5  klugen  und  5  thörichten  Jungfrauen 
mit  der  prophetischen  Schilderung  des  Weltgerichtes  steht, 
wie  auch  durch  die  Aehnlichkeit  in  der  dramat.  Behandlung 
iieider  Stoffe  wol  verdient  (in  sofern  seine  Grundlage  wahr- 
h  in  die  erste  Hälfte  des  14.  Jahrh.  hinabreicht)  hier 
WS  Lc Urgang  zu  den  eigentlichen  Spielen  vom  jüngsten  Ge- 
richt zu  dienen,  deren  Pflege  erst  mit  dem  15.  Jahrh.  scheint 
aafgekomroen  zu  sein.  Uebrigens  besitzen  wir  jetzt  zwei  Re- 
oeoaioDen  des  Ludus  de  X  virginibus,  die  ich  zunächst  beide 
ikinurwi  will.  Die  Mühlhäuser,  zuerst  von  Stephan  3),  später 
von  L.  Bt^chstein  *)  publicirte  Reo.  gehe  voran.  Im  Anschluss  an 
Matth.  XXV,  V.  6 — 12  hören  wir  hier  (nach  einem  kurzem  Ein- 
gang, der  nicht  unpassend  an  die  Parabel  vom  Gastmahl  &) 
aaspielt)  zunächst  eine  Engelsbotschalt,  die  zur  Wachsamkeit 
mahnt:  die  Pnidentee  stimmen  das  Responsorium ,  Emende- 
moi  in  melius,  die  Fatnae  dagegen  das  ,Tabularer  si  nescies* 
an,  und  entfernen  sich  dann  unter  fröhlichem  Cborreigen 
naeb  etnem  andern   Platz,    offenbar  der  Nähe  ihrer  5  Bet- 


i>     Krmxikfurl.  Archiv  UI,  186. 

S)    Schoa  imog9  wvnt«  man  voo  dem  nu  Juhr<-  1322  zu  Kiaeiuch 

aai|ir*l%lni«a  Spiel  von  d«a  10  Jongl^.,  von  dun  >lu«  C  itrotnkun  Sampetr. 

i  '•:  -■     it«  ChRNiik  das  Job.  Rothe  n.  andr»  alt«  QiMUeo  berichten. 

>««•  6lufn!cfrntnireo  für  ditt  daalaelM  Geaeh.  Uefl  2. 

«)    Wartt  bei  Pfeffer)   Band  L  —    Dort  sind 

o   rlir  a!-  .lir  da«  Eiw chw  Spiel  mitgetheilt.    In 

:.,:.■,.  f.  :.  iiion  »aoh  SB  Weiaiar   die  Schrtli  Funk- 

^:v  li'    i'iiiL/t.ii  Stellen  der  Vulg»t«  aind 

>  aaehfswi— eo.  —   BerkhtigeageQ  duu 

""^  Xt     Dwi  bt  SUlUa  «od  im  Tpxt 

uad  weitlliiigi  d— toohe  iPhanphr«- 


164  Cap.  III,  §  3. 

Schwestern  überdrüssig.  Diese  beginnen  nach  einer  Weile  ihr 
Respons.  ,Bcati  eritis  si  vos  oderint  homines'.  —  Während 
des  halten  die  Fatuae  ein  Gelage,  fahren  dann  aber  mit  ei- 
nem ,Surgite  vigilemus'  auf,  und  suchen  nun  doch  für  das 
Ende  besorgt  werdend  Oel  bei  den  Prudentes  zu  borgen.  Diese 
antworten  mit  v.  9.  des  Vulgatatextes:  interessant  ist  nun 
die  ofiFenbare  Anlehnung  des  versuchten  Oelkaufes  der  Fatuae 
an  den  Gang  der  3  Plauen  zum  Salbenhändler  in  der  Oster- 
spieltradition ').  Während  so  die  Fatuae  sich  zu  spät  um- 
sehen, erscheint  die  Dominica  persona,  beruft  mit  dem  ,Veni 
electa  mea'  die  Prudentes,  welche  Maria  ihrerseits  mit  dem 
»Transite  ad  me  omnes'  empfängt  und  mit  himmlischen  Kro- 
nen schmückt.  Die  Prudentes  sprechen  ihren  Dank  aus,  und 
(so  sagt  die  Spielordnung)  Dominica  persona  habet  magnum 
convivium.  —  Auch  die  Fatuae  suchen  nun  Zutritt  zu  haben, 
ihnen  wird  mit  v.  12  des  bibl.  Textes  geantwortet.  Bis  hier- 
her war  engerer  Anschluss  an  die  biblische  Parabel  2):  als 
Erweiterung  kommt  nun  zunächst  die  Anrufung  Maria's  durch 
die  Fatuae,  dann  Fürbitte  jener  bei  dem  himmlischen  Rich- 
ter, der  aber  bei  dem  gegebenen  Urtheil  bleibt,  zumal  als 
die  Teufel  jene  strenge  Gerechtigkeit  (von  der  sie  selbst  so 
schwer  getroffen)  auch  gegen  die  Menschen  verlangen.  Nach- 
dem auch  eine  zweite  Fürbitte  Maria's  vergeblich  gewesen  3)^ 
werden  zuletzt  die  Fatuae  in  Ketten  durch  die  Schaaren  der 
Zuschauer  von  den  Teufeln  geschleppt,  Klagen  anstimmend, 
die  schon  durch  ihre  rythmische  Form  auffallend,  dadurch 
noch  merkwürdiger  sind,  dass  sie  freie  Variation  und  Fort- 
bildung einer  rythmisch  gleichgebauten  Schlussstrophe  der 
Trierer  Marienklage    zu  sein  scheinen  *)    —    Die  andre,   der 


1)  Für  diesen  Passus  sind  Bechsteins  Nachweise  ungenügend. 
Wir  kennen  das  ,Omnipotens  pater  altissime*  schon  aus  dem  Wolfen- 
büttler  Ludus  de  n.  paschae  (Schönemann  p.  151),  sehen  in  dem  ,Sed 
eamus  oleum  emere'  eine  Variation  von  ,Sed  eamus  unguentum  emere* 
(Fundgr.  II,  p.  274)  nnd  kennen  den  ,ver8tärkenden  Ausnif  Heu  quan- 
tus  est  noster  dolor  —  eben  auch  aus  dem  Osterspiel  (z.  B.  bei  Schöne- 
mann p.  153  unten). 

2)  Weiter  reicht  auch  die  bekannte  lat.  altfranzösische  Dramatisi- 
rung  (bei  Du  Meril  p.  233)  nicht. 

3)  Wir  kommen  auf  diesen  Schlusstheil  noch  genauer  zurück. 
*)    VergL  Fundgr.  II,  272  (15—19)  und  hier  p.  30—32. 


Cap.  III,  S  3.  155 

Heimjit  nach  oberhessische  Rec.  ward  tod  M.  Rieger  >) 
bekannt  gemacht  Während  die  Mühlhäuser  an  lat  Hymnen, 
Bfl^Mnaorien  o.  s.  w.  reich  war,  entbehrt  diese  zweite  Rec. 
sogar  der  lat  Spielordnung  fast  ganz.  Jene  so  passende 
Verwendung  von  Luc.  XIV,  16  zum  Eingänge  fehlt  hier:  da- 
für findet  sich  eine  seltsame  Berufung  auf  den  heil  Augusti- 
not,  alt  ob  d<»i  die  letzte  Quelle  des  Beispiels  von  den  10 
Joogfr.  ZV  «neben.  Der  weitere  Verlauf  bis  zum  Erscheinen 
de«  himmlischen  Bräutigans  stimmt  im  Ganzen  zum  Mühlhäu- 
■er  Text,  der  hier  nur  einige  kleinere  und  grössere  Zusätze 
er&bren  hat,  die  in  ziemlich  geschickter  Weise  namentlich 
das  weltliche  Treiben  der  thörichten  Jungfrauen  lebendiger 
forfthreo  >):  ron  dramstascher  Wirkung  ist  namentlich  jenes 
enevls  sorglose  Treiben  der  Thörichten  als  sie  meinen,  daas 
es  zor  Reue  nan  wol  zu  spät  sei  (t.  215 — 250).  Auch  ist  im 
Nicbstibigeoden  (bis  znm  Eüngreifen  der  Teufel  in  die  Hand- 
lang) des  Verhältniss  beider  Recens.  ziemlich  klar:  Riegers 
Text  neigt  anch  hier  zn  Erweiterungen  ^):  nur  ein-  oder  zwei- 
mal (so  nsdi  ▼.  880)  sind  einige  Verse,  welche  die  Thüringer 
Rec.  bietet ,  ausgefallen.  Rieger  sackt  hier  freilich  den  Thür. 
Text  der  Erweiterung  zn  zeihen ,  doch  liegt  dessen  Schuld  nur 
:i  einer  fehlerhaften  Angabe  der  Spielordn.,  die  p.  22  unter 
den  Fatome  gleich  soersi  die  Seconda  *)  Fat  reden  lässt,  was 
denn  auf  p.  38  die  störende  Doppelrolle  der  Quarta  Fat  mit 
sieh  brachte.  —  Die  kritische  Hauptfrage  beginnt  aber  p.  24 
snien  (Beehstein)  mit  jenem  Auftreten  Lndfers,  das  wie  die 
ganze  TeoMsoene  (bis  p.  26  oben)  in  Riegen  Text  fehlt  nnd 
nur  durch  ein  k&neres  Stfidc,  erneute  Bitte  der  Fatuae  um 
Fttrspraebe  bei  Maria  nnd  deren  Entschluss  ihnen  zu  willfah- 


I)    OmtmmiM  X,  811& 

')    Et  ist  bei  der  T«nrsadttelMft  der  tbflrichten  Jongfrmara  mit 
i  Chsr.  Mafdaltae'«  vor  ihrsr  Bekebreag  ■■beftrfiiili«ih,  wenn  wir 


(▼«gl  hkr  T.  108.  104  sptil  AMUdmr  Pfesi.  8p.  bei  Bsapt  UI,  494,  t. 
0.84.) 

>}  T.  981—868  in  «ia  die  erwaeheade  Bmm  der  Thteicbt«i  wei- 
ur  MMAkrrader  tmmit 

«)    Dot  eadOT» Test  b«fiaal  die  ZiUasf  riekUf  aÜ  der  erste a 


156  Cap.  III,  §  3. 

ren,  ersetzt  wird.  Daran  scheint  sich  nun  jene  Fürbitte  Ma- 
ria's,  die  auch  Bechstein  p.  26  bietet,  bestens  anzuschliessen. 
—  Alles  Folgende  stimmt  wieder  so  ziemlich  in  beiden  Tex- 
ten, mit  dem  Eintrit  der  epischen  Langzeilen  finden  wir  sogar 
die  lat.  Spielordnung  Bechsteins  im  Riegerschen  Texte  wört- 
lich wieder.  —  Wie  verhält  es  sich  nun  mit  jener  Teufels- 
scene,  die  Rieger  als  fremdartig  und  die  Einheit  der  Hand- 
lung störend  brandmarkt.  Ich  leugne  nicht,  dass  sie  in  einer 
nicht  mehr  sicher  erschliessbaren ,  vielleicht  rein  lat.  Vorlage 
gefehlt  haben  mag,  und  wie  fast  alle  Teufeleien  im  geistl. 
Spiel  als  Entlehnung  aus  der  Osterspieltradition  anzusehen 
ist,  auch  an  einigen  Wiederholungen  und  Unebenheiten  leiden 
mag  —  doch  wie  verschwinden  diese  Kleinigkeiten  gegenüber 
dem  trefflichen  Dienst,  den  Lucifers  Rechtsklage  der  Oekono- 
mie  des  ganzen  Stücks  leistet  ')!  Mir  scheint  diese  Scene 
weit  minder  entbehrlich,  als  jene  zweite  Angehung  Maria's 
durch  die  Thörichten  ja  diese  letztere  Scene  erscheint  noch 
eher  gerechtfertigt  in  Verbindung  mit  jener  Anklage,  wie 
denn  auch  Freybe  mit  Recht  beide  Spielmotive  in  seine  Ue- 
bersetztnng  aufgenommen  hat.  Fasst  man  die  ganze  üeber- 
lieferung  ins  Auge  2),  so  scheint  jenes  Fehlen  der  Teufelscene 
wol  durch  Wiederbeseitigung  eines  misliebig  gewordenen  Mo- 
tivs erklärlich,  wie  uns  ein  ähnlicher  Fall  im  Niederhessischen 
W^eihnachtsspiel  allerdings  etwas  deutlicher  vorgelegen  3);  nicht 
zu  übersehen  ist  auch ,  dass  die  hessische  Rec,  ohne  die  Be- 
stimmung eines  Bussfestes  Eindruck  zu  erhöhen,  am  Cantate- 
sonntag  1428  zur  AuflFührung  kam  4). 


1)  Nicht  nur  erscheint  das  Verdammungs-Urtheil  motivierter, 
wenn  die  Schuld  der  Thörichten  auch  den  Teufeln  zur  Last  lallt,  son- 
dern der  Abschluss  des  Ganzen  ist  weit  ergreifender  wenn  die  Teu- 
fel an  den  verdammten  Seelen  ein  persönliches  Rachegefühl  ausüben 
dürfen.    In  Riegcr's  Text  sind  die  Teufel  ledig  Schergenrollen. 

2)  Ausser  dem  Alter  der  Handschriften,  der  Beschaffenheit  der 
Spielordnung,  ist  auch  die  Sprache  selbst  in  Betracht  zu  ziehen:  diese 
weist  auch  in  liiegers  Text  nach  Thüringen  hin. 

3)  Dort  (vergl.  Cap.  I.  §  5)  konnte  ich  mit  K.  Schröder  überein- 
stimmen. 

4)  Für  das  Eisenacher  Spiel,  das  wir  vorläufig  mit  Bechsteins 
Text  gleichsetzen,  ist  die  Aufführung  im  Anschluss  an  den  Busstag 
der  Predigermönche  (Miaericordias  Domini)  1322  bezeugt. 


C»p,  m,  %  3.  167 

Von  den  Weltgericht-Spielen ,  deren  Pflege  namentlich  im 
südlichen  De::*  -^'— ^    - -'  r    erwähnt  ist,    ward   bisher   nur 
ein  Beispiel  i  piel  vom  jüngsten  Tag  aus  Rhei- 

nau  bei  Schaff  hausen  i),    aus   dem   Jahr   1467.     Das  Stück 
besteht    so    zu   sagen  aus    drei   Theilen.      Aus  einem  mehr 
episch  gehaltenen  Vorspiel  2),    dann    aus    einer   dramatischen 
Behandlung  von  Matth.  XXV,  31  ff.  als  dem  Kern   des  Gän- 
sen *),    und    einer  etwas    freier  gehaltenen  Erweiterung,    die 
•icb  dem  Abschluss  des  Spiels  von  den  zehn  Jungfrauen  ver- 
gleichen lässt     Denn   auch  hier  legt  Maria  Fürbitte  für   die 
nten  Seelen  ein,    und   auf  den  strengen  Bescheid  des 
V. .. ...  üter«  kommen  auch  hier  die  Teufel  selbst  hervor,  ihre 

Beute  in  Empfang  zn  nehmen.  Welcher  Tag  zur  Aufführung 
des  Stücks  diente,  ist  ungewiss,  da  das  Evangelium  des  23. 
Sonntags  nach  Pfingsten,  (Matth.  XXIV  15  ff.)  nicht  gerade 
den  Text  unseres  Spieles  bildet  —  andererseits  aber  die  An- 
spielung auf  den  Jahreswechsel,  welche  in  Vers  34  liegen 
könnte  doch  auch  unklar  ist  Auf  keinen  Fall  darf  man  mit 
Mone  ans  diesem  Weltgerichtsspiel  den  Character  der  Neu- 
jahntpide  afaalrahiren,  da  man  den  Jahreswechsel  auch  in 
alter  Zeit  mehr  in  fröhlicher  Weise  zu  feiern  liebte.  Wissen 
wir  doch  von  mehreren  Weihnachtsspielen,  die  zu  Neujahr 
agirt  wurden,  und  das  von  Mone  selbst  mitgetheilte  Neujahrs- 
■piel  (Schautp.  d.  MA.  II.  p.  378  ff.)  ist  im  Ton  launigster 
Vastnacht^srh wanke  geschrieben.  Ein  Luzerner  Weltge- 
richUpi«  lern  Mone  (Scbanp.  d.  MA.  II.   p.  420,  422) 

bcnebtei,  imt  sogar  sweitigige  Auffahrung  erfordert,  mass 
ako  an  Umfang  xiemlich  bedeutend  gewesen  sein.  —  Aus 
dem  schon  erwähnten  Frankfurter  Weltgerichts- Antichrist- 
8|»al  nag  jaaa  «igaotümliche   Behandlung   der  Höllenfahrt 


h    MüfvOMtU  von  MoM  Bebkoap.  d.  MA.  i,  p.  266  ff. 

*)  Dim  b«el«bt  naek  shisi  karMB  Protog  de«  SopboniM  ms  ei- 
■er  Üng^fss  Red«  das  h.  Orsgoria«,  worin  die  bekannten  Ib  Von«i- 
ekca  d««  jfaffaUo  Oeriebt«  (veifL  8oBHS«r  bei  HaarV  -  »28) 
fesdkikUrt  w«rd«a.    V«rgL  dan  sack  Mone  II,  816  tf. 

S)  Auch  die««r  Tbdl  wird  darek  tenekiedeM  ftifb-K^Ut-n. 
w«l«k«  di«  8»«l«a  cam  ß»nrtit  »urrufi^n  i»  W«|««  «umm  Tmlog« 
•n(«Miit«i. 


168  Cap.  ni,  S  3. 

Christi  im  Alsfelder  Passionsspiel  ')  übernommen  sein:  in 
dem  Frankfurter  Psssionsspiel  (bei  Fichard)  sahen  wir  die  bez. 
Scene  noch  ganz  flüchtig  skizzirt  2). 


>)    Vergl.  Haupt«  Zeitachrift  IH,  616,  617. 

')  Auf  die  Beziehunjjcn  des  Alsfelder  zum  Frankfurter  Text  ward 
schon  von  Vilmar  vielfach  hingewiesen.  —  Zum  Schluss  sei  noch  die 
Notiz  bei  Clarus  (das  Pass.  Sp.  in  Ob.  Ammergau  p.  26)  über  das  Gelüb- 
de einer  Tiroler  Gemeinde,  alle  7  Jahre  das  jüngste  Gericht  zu  spie- 
len, angereiht. 


C'ap.   IV. 

Legendenspiele. 

Wir  sind    in  den  ersten    drei  Capiteln   an  der  Hand  der 
römischen  Kirchenjahrsordnung,  die  verschiedenen  Spielkreise 
durchgegangen  und  haben  für  jeden  derselben  die  Entwickelung 
der  Spieltradition    festzustellen    gesucht.     Was   nun  die  noch 
übrigeo  geistlichen  Spiele   unseres  MA's.  betrifit,  die  aus  der 
Legende  geschöpft,  oder  doch  einer  geistlichen  Sage  entnom- 
men,   zunächst  wol  auch  an  den  Tagen  der  im  Spiel  gefeier- 
ten Heiligen  zur  Aufführung  kamen,    so  kann    hier  von  einer 
ähnlichen  Entwickelung  kaum  die  Rede  sein,  da  bei  dem  ge- 
ringeren Ansehen  der  Legende  (gegenüber  der  biblischen  Er- 
rählung)  selten  derselbe  Stoff  mehrfach  behandelt  wurde.  — 
Nur  flfiehtige  wenn    auch  ehrenvolle  Erwähnung  können  nun 
tinächst   jene   sechs  dramatisirten    Legenden  i)    der   Nonne 
•*  i  finden,  bestimmt  der  I^ectüre  des  Terenz  (denn  auf- 
Mird  der  romische  Cocniker  damals  ebenso  wenig  als 
ich  in  den   sechs  Stücken   die   geringste   sichere  Spur  einer 
•  enitM:hen  Anweismif  findet)   i      '      Hichem  Sinne,   nament- 
ich  a)>«r  mit  PraecoMiifnng  •  her  Frauen-  und  Jung- 

:  rauen-Togend  enticegen   zu  wirken.     In  diesem  beschränkten 
KroM  seigt  die  I  tlich   in    den  späteren  Stü- 

ckta  S)  ^ntoviel  ...„    Sicherheit   des   sittlichen  Ur- 


.  DalettiiMi 
«,  AbrahuB, 
.  SttpientiA.  — 

■   -  "~-      find  TOB  Köpkr  lii  niiiiem 

«dM  Stadton  D,  p.  66  ff.) 

•ivhhaWg*  Hrocwitli»>Lit«r«tar 

InelMeriB  (Epist  ad  ^[«osd.  Mp.) :  oper» 


160  Cap.  IV. 

tbeiPs,  und  auch  der  Sprache  fehlt  es  nicht  an  lebendigem 
FIuss  und  sinniger  Kürze  ').  Die  von  Aschbach  erhobenen 
Zweifel  über  die  Echtheit  unserer  Text-UeberHeferung  brau- 
chen wohl  nicht  mehr  bekämpft  zu  werden  ^).  —  Somit  ge- 
hen wir  zu  den  wirklichen  Legendenspielen  über  3),  Aus  der- 
selben Mühlhäuser  Hs.  wie  der  L.  de  X.  virginibus,  also  wol 
auch  dem  Anfang  des  14.  Jahrh.  angehörig  ist  der  L.  de  bea- 
ta  Catharina  von  Stephan  (Neue  Stoüliefcrungen  p.  160) 
publicirt.  Stephan  (p.  154)  bemerkte,  dass  sich  der  Ludus 
in  allen  wesentlichen  Punkten  einem  Sermo  de  St.  Catharina, 
der  sich  auch  in  Mühlhausen  befand  anschliesse,  und  fand 
das  Verdienst  des  Dichters  also  beschränkt.  Doch  wird  schon 
das  Fernhalten  burlesker  Zuthaten  (wie  sie  die  Franzosen 
auch  bei  ähnlichen  Stoffen  sich  erlauben  ^)  hier,  wo  die  ge- 
häuften Marterscenen  für  sich  selbst  dem  Gefühl  etwas  nahe 
treten,  Lob  verdienen.  Einige  Spuren  (vergl.  die  örtlichen  An- 
spielungen am  Schluss  des  Textes  und  Stephans  Bemerkungen 
p.  154)  geben  Anlass,  die  ursprüngliche  Heimat  des  Stückes 
in  Erfurt  zu  suchen.  Dagegen  ist  der  Fundgr.  II,  284  publi- 
cirte  Ludus  de  Sancta  Dorothea  gleichfalls  aus  dem  14. 
Jahrb.,  (einer  Handschrift  der  Abtei  Kremsraünster  entnom- 
men) wol  sicher  einige  Jahrzehnte  jünger.  Die  Darstellung 
ist  lebendig  und  nicht  zu  breit  gehalten,  auch  die  Sprache 
zeigt  freiere  Bewegung  und  Wechsel  nach  den  verschiedenen 
Stimmungen.  Zu  bedauern  bligbe  wenn  (wie  Hoffmann  ver- 
mutet) auch  die  in  der  Legende  sich  an  Dorotheas  Tod  an- 
schliessende Bekehrung  des  Theophilus  in  einem  andern  Spiel 
behandelt  und  dieses  verloren  wäre,  meinerseits  bin  ich  selbst 
geneigt  eine  verkürzte  Ueberlieferung  unseres  L.  anzunehmen. 

cessavit  dictandi  ultra  aliquid  hujusmodi  —  darf  man  die  zwei  oder 
drei  ersten  Stücke  wol  in  die  früheren  Lebensjahre  verlegen. 

')  Schon  Gottsched  (Nöth.  Vorrath  II,  p.  19)  erkannte  diese  Ver- 
zage. —  Zum  begeisterten  Panegj'riker  Ilroswitha's  hat  sich  neuer- 
dings J.  Klein  (Gesch.  des  Drama's  Band  III)  gemacht 

2)  Vergl.  die  Rec.  in  den  Göttinger  Gel.  Auz.  von  1867  Stück  32. 

3)  Die  Existenz  eines  Spieles,  das  Herbord  von  Fritzlar  im  Xu. 
Jahrh.  vom  Leben  des  h.  Otto  verfasst  haben  soll,  wird  von  Hoffmann 
in  Frage  gestellt.     (Vergl.  Fundgr.  II,  241.  Note  1). 

4)  Vergl.  die  Bemerkung  Hase's  (p.  73)  über  das  bei  Parfait  II. 
mitgethcilte  Mys^re  von  der  h.  Barbara. 


Cäp.  IV.  161 

Verglddie  den  etwas  knnen  Scbluss  p.  295.)  Wie  weit  ein 
1412  XQ  Bautzen  anfgefährtes  Spiel  vun  der  heil.  Dorothea 
rergl.  Hoffm.  II,  243)  zu  unserm  Stück  stimmte,  steht  dahin. 
Mehr  Beachtung  als  die  beiden  genannten  Stücke  fand  das  Spiel 
TOD  Frau  Jutten  TOn  einem  Thüringischen  Priester  Namens 
Nilierrbeck  wie  es  scheint  zur  Aufführung  um's  Jahr  1480  auf- 
gMchrieben.  Es  bebandelt  die  etwas  wunderliche  Sage  der  Jo- 
luuiBa  (Jutta)  Ton  England ,  die  im  9.  Jahrh.  nach  dem  Ableben 
des  Papstes  Basilius  als  Johann  VIII.  die  Tiara  empfangen  ha- 
bea,  schliesslich  aber  Tom  Römischen  Volk  erschlagen  sein  soll, 
nit  sofiei  Würde  und  Anstand  als  es  der  Stoff  irgend  erlaubt, 
so  dan  dies  Spiel  nur  als  ein  milderes  Gegenstück  zum  Zehn- 
jungfrauenspiel  erscheint,  insofern  hier  die  Thörin  auf  Für- 
bitte der  Blaria  und  dea  heiligeB  Micolaus  Gnade  erlangt. 
Die  rnchUcb  eingelagten  Teufelssoenen  lassen  ihre  Entlehnung 
aos  der  Osterspieltradition  mit  ziemlicher  Leichtigkeit  erken- 
DSD  I).  —  Trotz  dieser  einfachen  Behandlung  ward  in  den  fol- 
genden Zeiten  too  confeanoneUer  Polemik  von  einem  prote- 
stantiacben  Getstlicben  das  Juttenspiel  als  ein  indirecter  An- 
griff auf  das  Papstthnm  unter  einem  satyrisch  zugespitzten 
Ttleli  (.Apotbeoais  Joannis  VIII.  pontiticis  Romani)  in  Druck 
gegeben  >).  Qottacbed,  den  es  die  älteste  deutsche  Tragödie 
war,  publicirte  das  Stück  im  zweiten  Bande  des  nöthigen 
V-"  'i-  p.  81  ff.  und  neuerdings  bat  Keller  dasselbe  in  seine 
!  'Spiele  (Band  II.  p.  900  fi)  aufgenommen  3).     Schon 

N  ^witba  episch  behandelt,  aber  die  Keime  eines  vor- 

iu^n^.inu  Characterdrann's  enthaltend  wurde  die  Theophi- 
Ittslegende  mehrfah  gegen  Ende  des  MA.  in  Niederdeutsch- 
Und  dramatisch  bearbeitet  —  Schon  ßnins  *)  hatte  nach  ei- 
ner Hehnetidter  Ht^  dann  EttmiUer  «)  nach  eben  derselben 
den  TheophUot  henuMgegeben,  dieie  nebet  einer  andern  Btoefe* 

>)  Auf  I  ebcretasthnamagcD  nit  dem  Abfelder  Spiel  i«t  ichon 
voo  Asdern  saftBcrkM»  (csMueht,  doch  braoohi  »an  nicht  an  direoia 
Katichaoag  dorther  sa  deakea. 

1)    Zm  Ei«Ub«s  Ifttt  darch  Biron.  SÜMias. 

>)    Dorthia  gehArt  es  aaa  eigeatlieh  s» 

*)    Boaaatisebe  vad  aadrs  Oedkhte  w 
Beriia  n.  Stellte  17W. 

h    KrMh.QovdUabarfa.Lps.lS49.—  1.       

Wr  wol  irrig  ina  14  Jshrhaadert  gssttit. 

II 


162  Cap.  IV. 

bolmer  Ilec.  (zuerst  durch  Dasent  publicirt  Theophilus  in 
Icelandic,  Low  German  and  other  tungues  London  1845)  fin- 
det sici)  wieder  in  Hoffmanirs  Theophilus.  Nd.  Schausp.  in  2 
Fortsetzungen.  Hannover  1854.  t)h  diese  beiden  Rec.  aber 
wirklich  als  Fortsetzungen  des  ein  Jahr  früher  zuerst  vod 
Hoflfmann  ebendort  publicirten  Textes  ')  zu  betrachten,  ist 
wol  mehr  als  zweifelhaft  und  hatte  schon  H.  selbst  (Vorrede 
zum  Trierer  Theophilus  p.  IX.)  sich  dahin  geäussert,  dass 
nur  die  Helmstädter  Ilec.  strenge  der  (legendarischen)  Ueber- 
lieferung  folge  '-),  und  hörte  ich  von  anderer  Seite  einmal  die 
Ansicht  ausgesprochen,  dass  eben  die  Helmstädter  Rec.  das 
Original,  die  beiden  anderen  Texte  zwei  (von  einander  unab- 
hängige) Erweiterungen  zumeist  nach  vorn  hin  seien.  Hier- 
gegen bemerke  ich  zunächst,  dass  es  die  Stockholmer  Hs.  ist, 
welche  allein  die  Spielordnung  in  lat.  Sprache  gewahrt  hat  *).» 
und  dass  diese  (welche  nach  einigen  Danismen  der  Ortho- 
graphie wol  mit  Recht  an  die  nd.  dänische  Grenze  als  ihre 
Heimat  gesetzt  wird)  wiederum  von  der  Trierer  nicht  ganz 
zu  trennen,  zeigt  schon  eine  Localanspielung  in  letzterer  (v. 
339,  340)  die  wiederum  nach  Dänemark  hinweist 

Wenn  auch  jener  Adel  der  Gesinnung,  den  die  Legende 
ihrem  Theophilus  gehehen,  und  den  Hroswitha  gewahrt  hatte, 
in  allen  3  Recensionen  hier  einer  weit  trivialeren  Autiassung 
gewichen  —  der  aus  Bescheidenheit  vor  dem  höheren  Amt 
zurückschreckende  Jüngling  ist  zu  einem  Kleriker  geworden, 
den  das  Singen  und  Messelesen  verdriesst  —  so  ist  der  an 
sich  bedeutende  StotF  doch  überall  mit  Frische  und  Kraft  be- 
handelt. Selbst  die  bis  zur  Paradoxie  getriebene  Marienver- 
ehrung, die  den  idealen  Hintergrund  des  Dramas  abgiebt, 
wirkt  hier  als  rein  poetischsr  Factor  betrachtet  recht  glück- 
lich; dazu  kommt,  dass  eine  oft  ungesucht  sich  ergebende 
Analogie    zwischen  unserm  Theophilus    und  dem  Goetheschen 


1)  Theophilus.  Ein  nd.  Schausp.  aus  einer  Trierer  Hs.  des  16. 
Jabrh. 

2)  Das  trifft  nun  allerdings  nicht  zu,  wie  wir  sehen  werden. 

3)  Während  der  Trierer  Text  eine  sehr  weitschweifige  in  deut- 
scher Sprache,  der  Helmstädter  eigentlich  gar  keine  besitzt.  Hier 
heisst  es  nur:  Theophilus  sprak,  Satanas  sprak  u.  s.  w.  Man  sah  frü- 
her diesen  Text  nicht  so  mit  Unrecht  nur  als  dialogisirte  Erzählung  an. 


C»p.  rv.  168 

Kaust  ')    der    L-  '    :i    •  ijontümlichen    Reiz     verleiht. 

(  Vergl.  hier  nameii.u.  n  ,i.  u  la^  i  /A!>^hen  Th.  und  Satanas,  und 
den  zwischen  Faust  und  Mephistopheles.)  Um  das  Verbältniss 
der  3  Handschriften ,  welche  von  Hoflfmann  wol  mit  Recht 
alle  ins  15.  Jahrhundert  gresetzt  sind  zu  bestimmen,  ist  die 
legendarische  (Jeberlieferung  2)  —  und  es  genügt  hier  für  ans 
auf  Hrotwitluk's  Dantellung  zurü<  -  '  n  —  zu  betrachten. 
Tb.  der  die  Bischo&wfirde  verbett :  und  von  dem  neuen 

Bischof  unerhört  gekränkt  war  nähert  sich  mit  Hilfe  eines 
jidiacben  Zauberers  dem  Höllenfürsten  der  bei  Hroswitha  als 
Dinoo  oder  Satanas  bezeichnet  wird.  Für  ein  Schreiben 
worin  Theophilus  Gott  und  der  heiligen  Jungfrau  absagt  ge- 
winnt er  Satans  Beistand  und  gelangt  auch  bald  wieder  zu 
geistlichen  Wurden  und  höchstem  Ansehen.  Doch  das  Gewis- 
ma  regt  sich  und  verzweifelnd  an  der  Gnade  Gottes  wagt  Th. 
nur  Maria's  Huld  wieder  zu  suchen.  Sie  bittet  für  ihn  im 
Himmel  bei  ihrem  Sohne  und  geht  selbst  in  die  Hölle  die 
niMflIige  Schrift  heraufzuholen.  Sie  legt  dieselbe  dem  Schla- 
fenden auf  die  Kniee.  Erwacht  giebt  dieser  ein  Geständniss 
seiotf  Schuld   am  Altar   und  stirbt  bald  darauf   versöhnten 


Ich  wie»  schon  darauf  bin,  dass  der  Character  des  Th. 
in  noaeren  uedwdeatschen  Texten  sehr  gesunken  ist  Statt 
dae  Abenarteo  Jfinglings,  der  dann  durch  schmuhliche  Zu- 
rieksetKiing  mit  Recht  sich  aufs  bitterste  gekränkt  und  zum 
liimeriten  getntbM  ftthlt,  haben  wir  hier  einen  weltlich  ge- 
htnnteB  0Lr  gairtKdie  Arbeit  to  bequemen  Domherren,  der 
mit  aristokratischer  Nonchalance  *)  das  Bisthum  ausschlägt, 
und  dio  Hilfe  det  Bdtta  anch  nicht  für  Ehre  und  Ansehen, 
für  Oold,  Silber  «nd  Wollust   verlangt.     Von  den  3 


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,   1^  •?,'../.  '(••').'.   w;   i    Ma;- r   Nriii»  r  kur/    lun^r«-w  i<  m  u. 
\'!-fc';     .Uruirr     K.  i  li.     0!t-,;,.    Mii.l     II.    j..    -»'.«    ll. 

'..   i««tt   •'h»»'4ih'r     Ir.rtr   K< 


104  Cap.  IV. 

Texten  folgt  nun  der  Stockholmer  jener  Ueberliefening  so 
weit  am  treuesten  als  wir  hier  ton  der  Bischofawahl  bis  zur  Be- 
gnadigung des  Theopiiilus  alle  Hauptmomente  vertreten  sehen: 
vermittelt  scheint  die  Umkehr  des  Sünders  durch  eine  Pre- 
digt die  der  Entwicklung  der  Handlung  im  Grunde  doch 
ziemlich  fern  steht  •).  Vielleicht  ward  dieser  Zug  durch  Ein- 
fluss  der  späteren  Osterspiel-Tradition  veranlasst  in  welcher 
die  Bekehrung  Magdalena'»  durch  eine  Predigt  des  Erlösers 
motivirt  zu  werden  pflegte  '^).  Noch  bemerke  ich ,  dass  der 
Magister  in  nigromantiu,  aus  der  Ueberlieferung  beibehalten, 
doch  mehr  eine  Luxusrolle  ist,  da  Th.  mit  geistlichem  Spruch 
schon  selbst  den  Teufel  zu  beschwören  weiss. 

So  befremdet  es  nicht,  wenn  die  He  Im  Städter  Reo.  der 
es  auf  Vereinfachung  des  äusseren  Apparates  zum  Zweck  ei- 
ner erbaulichen  Leetüre  (wobei  kaum  die  dramatische  Form 
gewahrt  bHeb)  angekommen  zu  sein  scheint,  schon  die  ganze 
Bischofswahl,  dann  aber  auch  die  Scene  mit  dem  Schwarz- 
künstler fallen  Hess,  und  nur  jenen  Bericht  den  Th.  über 
sein  Missgeschick  jenem  machte  bewahrte,  nun  aber  prolog- 
artig an  die  Spitze  des  Ganzen  stellte  3).  Auch  sonst,  na- 
mentlich gegen  Ende,  zeigt  sich  die  Neigung  dieses  Redactor's 
entbehrliche  Rollen  auszuscheiden  4),  den  sprachlichen  Au.s- 
druck  zu  mildern  und  (oft  mehr  als  billig)  den  Text  zu  kür- 
zen 5). 

Gerade  entgegengesetzt  ist  das  Verhältniss  der  Trierer 
Handschrift.  Hier  wird  nicht  nur  die  Bischofswahl  in  mög- 
lichster Breite  vorgeführt,  sondern  auch  der  Gang  zum  Zau- 
berer eigentlich  doppelt  vorgeführt.     Dem  Kocheier  (Zauberer) 


1)  Waa  helfen  diese  herrlichen  Hinweise  auf  die  suchende  Liebe 
des  Sohnes  Gottes,  wenn  Th.  (allerdings  dem  Geist  der  Legende  ge- 
Ttaäss)  doch  nur  bei  Maria  Gnade  zu  finden  hofft?  —  Der  Serrao  des 
Sacerdos  dürfte  an  und  für  sich  zu  den  schönsten  Zeugnissen  deutscher 
Predigt  im  MA.  gehören. 

2)  Einfluss  der  Ost.-Sp.-Trad.  zeigt  sich  auch  in  der  Einführung 
Lucifers  als  Höllenfürst,  dem  Satan  untergeordnet  ist. 

3)  Vergl.  Heimst.  Rec.  v.  1—52  mit  Stockh.  v.  176—240. 

*)    So  ward   am  Schlnss  jene  LuciferroUe,   von  der  sich  Spuren 
noch  zeigen,  mit  der  Satans  zusammengezogen  (p.  72,  73). 
5)    Vergl.  Heimst,  v.  702—713  mit  Stockh.  v.  970-998. 


Ctp.  IV.  165 

Demiich  ist  Th's.  AuliegeD  zü  '    Üch,  er  \  '    ihn  an 

die  Juden  '>  und  hier  erst  üi  ophilus  Ci  it,  jene 

Klage  Torzubringen ,  die  iu  den  Uauptzügeu  wieder  zu  deu 
beiden  schon  betprocboaan  Fassungen  stimmt  -).  Uehrigens 
ventebt  Tb.  die  TeafekbMchwörung  schon  allein  und  der 
Text  bleibt  von  jener  Klage  an  bis  fast  zum  Schlüsse  in  ziem- 
licfaf  £inklaag  mit  den  beiden  anderen  zumeist  wol  mit  der 
Stodihol—r  Rec.  Dagegen  verriith  die  am  Schluss  als  zu- 
nüdbat  zur  Darstellung  kommend  angedeutete  Ba^be  des  Th. 
Ml  Bischof  sowie  auch  die  ersten  Scenen  (Bischofswahl,  Giiug 
nun  Zauberer  und  zu  den  Juden)  wol  noch  eine  andere  Vor- 
lage, die  Tielieicht  in  einem  niederländischen  oder  französi- 
acben  Theophil uaspiel  3)  bestanden  hat.  Der  Principat  der 
Stockholmer  Hs.  vor  den  beiden  anderen  Recensionen  wird  wie 
ieboB  angedeutet,  auch  durch  die  Spielord uung  bestätigt.  — 
Es  bleiben  noch  wenige  Legendenspiele  zur  Betrachtung  übrig. 
,Ain  hübsch  Spil  von  S.  Jürgen  und  des  Küngs  von 
Libia  Tochter  *)  soll  in  Augsburg  vor  Friedrich  III.  gespielt 
ann.  S.  Georg  erscheint  hier  als  ein  christlicher  Perseus,  der 
dao  Dnchao  achlägt,  die  schöne  Prinzessin  befreit  und  das 
ChritlaBlhaB  in  jener  Gegend  verbreitet.  Bei  einigem  Anzie- 
hflodM  (10  ist  daa  VerbäJtniss  zwischen  S.  Geoiig  und  der 
PriniWMB  lart  behandelt)  ist  mir  dieses  gar  zu  bürgerlich 
Ksd  baoabacken  ')  gewordene  Legendenspiel  fast  nur  als  /ei- 


I)  Man  ennaere  sich,  dau  der  Zauberer  aohcNi  bei  Urocwitha 
d«  HebrifMr  lieesiahnet  wird. 

S)  V«rgt  TMerer  Bec.  p.  OW  flL  mit  dta  obea  aafefthrten  Stol- 
le* d«r  «Dden  Text«. 

•)  Maa  beeile  die  Nanea  iadike  aad  BooenCant  in  der  Boeoe 
mit  daa  Jadaa  sad  ven^uiahu  aiit  lataleraai  den  Judetmunen  6üm- 
kiad  tat  Fraakiartar  Osteia|Nal.  <—  Am  ZaMunaaahaog  mit  dem  Minele 
de  Tbrupbile  d»»  M.  Ratebcuf  au«  dem  XJII.  Jahrb.,  du  der  Legende 
Boch  weit  treaer  fotf!«  iei  aiabi  aa  dmkaa. 

«)  KcUar'a  Faelaaotepiale,  MaoU,  p.  180.  —  Früher  schon  ücr- 
amnia  1,  I«  ft  voa  Greif  aÜgalbetlt.  UerMlbe  veranithet  aichi  oha« 
Orand  {ww^  a.  a.  0.  p.  MB}  daü  iUm  Spiel  1478  san  Aogabaffw 
Riiiiiietaf,  aa  Ehcea  JiaiiaiiHeae  and  ia  Aaweaenheit  einea  tftrfciachea 
Katfcn  oder  Priasea  aar  AaStthnuig  kam. 

»)  Hü  pefalkfaar  AMJihrHnhfceii  wird  sa  Anfaatt  daa  StAokea 
die  Aagat  dar  liiikiwehaer  ver  den  Pafsheaer 


166  Cap.  IV. 

chon  des  Verfalls  auch  dieser  Gattung  wichtig.  —  Eher 
möchte  das  ,hGili|;;  Kreuzspil'  •)  als  eine  (wenn  auch  et- 
was nüchtern)  verstündige  Behandlung  historisch  denkwürdiger 
Begebenheiten  2)  einiges  Lob  verdienen.  Auch  leugne  ich 
nicht,  dass  beide  Spiele  bei  der  Aufführung  sich  vortheilhaf- 
ter  können  ausgewiesen  haben,  als  sie  jetzt  dem  Leser  erschei- 
nen —  noch  verweise  ich  auf  die  Besprechung  die  sie  bei 
Holland  (Altd.  Dicht,  in  Baiern,  bei  den  Fastnachtspielen)  ge- 
funden haben.  Noch  schwiicher  als  die  letzten  beiden  Spiele 
ist  das  Leben  des  heiligen  Meinrad  aus  einer  Einsiedler  Hs. 
von  1576  herausgegeben  von  Morel  3).  Das  bis  auf  das  tra^- 
gische  Ende  (Tod  durch  Mörderhand)  wenig  bewegte  Leben 
eines  Local-Heiligen  ist  hier  mit  umständlicher  Breite  ijnd 
Einflechtung  einiger  frei  erfundenen  Scenen  *)  für  eine  zwei- 
tägige Aufführung  zugerichtet.  —  Noch  einige  Nachrichten 
über  Legendenspiele  aus  der  Schweiz  giebt  Mone  Schausp.  d. 
MA.  II,  420  ff.  und  Weller  (das  alte  Volkstheater  der  Schweiz). 
Hervorheben  möchte  ich  hier  nur  noch  das  St.  Ursen  Spiel 
(p.  233)  insofern  sich  hier  die  geistliche  Legende  (von  St. 
Ursus  und  St.  Victor)  nun  mit  der  vaterländischen  Sage  ver- 
bindet. Letztere  tritt  selbstständig  in  dem  Teilen -Spiel  des 
Jacob  Ruef  (p.  163)  hervor,  das  im  ganzen  siebenmal  gedruckt 
wurde.  Der  älteste  dieser  Drucke  scheint  von  Vischer  als 
Anhang  eines  historischen  Werkes  ^)  mitgetheilt  zu  sein.     Wie 

')  Fastnachtspiele,  Nachlese  p.  54.  —  Uebrigens  ist  dies  Stack 
80  wenig  wie  das  vorige  ein  Fastnachtsspiel. 

2)  Es  bandelt  sich  namentlich  um  die  Auffindung  des  h.  Kreuzes 
dureh  die  Kaiserin  Helena,  dann  um  die  Wiederbringung  desselben 
aus  Persien  (wohin  es  entführt  war)  durch  Eraclius,  dessen  Leben  be- 
kanntlich auch  in  einem  mhd.  Gedicht  des  XII.  Jahrh.  behandelt  ward. 
—  Nächste  Quelle  unseres  Spiels,  das  am  Tage  des  h.  Kreuzes  zur 
Aufführung  kam.  ist  wol  die  von  Keller  such  mitgetheilte  prosaische 
Version  der  Legende. 

3)  Bibl.  des  literarischen  Vereins  in  Stuttgart  LXIX. 

<)  Es  sind  einige  Teufelsscenen,  wiederum  nach  der  Schablone 
des  üstcrspiels  gearbeitet,  und  das  Leben  des  bösen  Buben  Uli,  der 
in  allem  als  Ciegensatz  des  heiligen  Meinrad  gezeichnet  ist.  Dies  wird 
im  ersten  Tagewerk  als  /^viP(■hf■n!»piol,  im  zwei»"-  °'"  ■■tu-  Art  Nach- 
spiel behandelt. 

5)  Die  Sage  von  der  Hefrcmug  der  Waldstiidte.  —  ( Verglcichung 
dieses  einfach  populären  Spiels  mit  Schillers  Teil  ist  lohnend.) 


Cap.  IV.  167 

hier  die  rubmToUe  VergaDgenheit  der  Schweizer,  so  wird  in 
einem  anderen  Drama  Raefs  (beide  in  den  vierziger  Jahren 
des  16.  Jahrhunderts  erschienen),  die  schweizerische  Zeitge- 
schichte jener  Epoche  allerdings  mehr  didaktisch  als  eigent- 
lich dramatisch  behandelt.  Es  ist  das  von  Kottinger  als  Etter 
Heini  publicirte  ')  Spiel,  für  welches  Weller  (p.  159)  indess 
eine  andere  üeberschrift  bietet.  Es  wird  hier  (mit  Einfüh- 
niDg  YOD  fünf  Teufeln  und  sieben  weisen  Meistern  ausser  an- 
derem Spiel- Personal)  der  Verfall  älterer  Sitte  und  das  Söld- 
oer^Cnweaen  bekämpft.  —  Damit  wären  wir  aber  schon  über 
die  Gränse  d«a  Legendmspiels  hinausgekommen.  Zu  den  letz- 
ten Aufführungen  wirklicher  Legen  den  spiele  in  Deutschland 
dürfte  die  1776  (nnd  spater  noch  einigemal)  zu  Oberamroer- 
gao  agirte  Comoedie  vom  heil.  Hermenegild  gehören  -)  — 


r- 

I)    Qaedlinborg  a    L< .,  <.i^   1647. 

')     VernL  Clarus:  I>m  P»ss.-Sp.  in  Ob.-AmmerK'  :ich- 

trigli  "  ich  bei  Weiuhold  ^  V,     -  '"■"■    N.  2.]  uuth  ihc  No- 

tiz u  .790  in  Ambru  in    >  vum  heil.  Pancra- 

thw.  — 


rar«  ^• 

Uebersicht  der  Entwicklung  des  geistlichen  Spiels 
in  Deutschland. 

§  1.     €hren*logisrhe  lebenticht. 

Wenn  wir  einige  anscheinend  apokryphe  Nachrichten,  die 
sich  ins  IX.  Jahrh.  versteigen  ')  und  die  dramatisirten  Legen- 
den Hroswithas  (aus  dem  X.  Jahrh.)  als  nicht  zur  Aufführung 
bestimmt,  bei  Seite  lassen,  so  scheinen  die  von  Schmeller  ent- 
deckten, von  Du  Meril  und  Weinhold  publicirten  Freisinger 
Stücke  2)  —  insofern  sie  von  Schmeller  ins  neunte  bis  eilfte 
Jahrh.  gesetzt  wurden,  weitaus  die  ältesten  Denkmäler  der 
geistl.  Spielgattung  darzustellen,  doch  thut  man  aus  verschiede- 
nen Gründen  3)  wol,  die  Anfänge  des  Weihn.-Spiels  nicht 
eben  früher  als  die  des  Osterspiels,  d.  h.  für  Deutschland  *) 
ums  XII.  Jahrh.,  anzusetzen.  Wenn  wir  nun  zunächst  die 
Entwicklung  des  Weihnachts-  und  des  Oster-Spieles  mit  ein- 
ander vergleichen,  so  leuchtet   auf  der  einen  Seite  allerdings 

')  Von  einem  Schauspiel  in  altfriesischer  Mundart  zu  Zeiten  Carls 
des  Grossen  weiss  Gottsched  Nöth.  Vorr.  I,  p.  4;  drei  Schlusscenen 
eines  lat.  Klosterschauspiels  aus  d.  Jahr  815  hat  Herr  Plümicke  auf 
einer  Breslauer  Bibl.  einmal  gesehen  (Vergl.  Fiögels  Kom.  Lit.  IV,  280), 

2)  Besprochen  Cap.  I,  §  2. 

3)  Einmal  sind  die  den  Freisingem  so  nahe  verwandten,  eher 
noch  älteren  Orleanner  Stücke  von  den  Franzosen  nicht  höher  als  ins 
XI.  bis  XII.  Jahrh.  gerückt,  dann  ist  auch  zu  bemerken,  was  schon 
G.  Freytag  (De  Hroswitha  poetria  p.  43)  so  ausgesprochen :  ,IIroswithae 
aetatc  nulla  scenicarum  serum  vestigia  in  Germania  fuerunt';  — 
schliesslich  sind  unsere  ältesten  Osterfeiem  aus  dem  XII.  Jahrh.  noch 
einfacher  angelegt  als  die  Freisinger  Stücke. 

*)    Für  Frankreich  kann  man  wol  ins  XL  Jahrh.  hinaufgehen. 


Cap.  V,  §  1.  169 

Analogie  tia^  die  wir  schon  in  den  Capitel-Ue- 
banchriftHi  ttmdflVieBioohten,  andererseits  aber  lassen  sich 
aach  rf«****JM>  nnbadeateode  Unterschiede  nicht  Terkennen. 
Um  zunächst  das  Quantität»- Verbäitniss  zu  erwähnen,  so  ist 
die  Zahl  der  Denkmäler  dee  Oster-Cyclus  aus  dem  MA.  so 
•ehr  riel  grower,  alt  die  der  Weihnacbtspiele  aus  dieser  älte- 
ren Zeit,  daas  ein  gewisses  Befremden  hierüber  sich  schon 
öfter  amgeepiDch—  findet,  auch  wohl  eine  Art  Ton  Erklärung 
Tersucht  worden  ist.  Es  liegt  allerdings  ziemlich  nahe  in  der 
Ungunst  der  winterlichen  Jahreszeit  und  der  dadurch  viel- 
leicht  erschwerten  Aufführung  im  Freien  einen  Hemmschuh 
der  frätn  Entwicklung  des  Weibnachtsjuels  zu  fiudeu,  wie 
die«  altem  and  jfingeren  Forschern  >)  begegnet  ist  Doch  hat 
■HUI  so  wol  schwerlich  die  Sache  Ton  der  rechten  Seite  an- 
gegrificn.  Ee  genügt  darauf  hinzuweisen,  dass  mit  dem  16. 
Jahrhundert  die  Weihuachtsspicle  (oft  auch  zu  Neujahr,  oder 
im  Laufe  des  Januar  >)  noch  aufgeführt)  mächtig  an  Zahl  an- 
wachsen ,  und  Aufführung  im  Freien  hier  nicht  selten  bezeugt 
ist  *)■  Nimmt  man  also  nicht  an,  dass  das  MA.  weichlicher 
bea.  der  Witterung  als  die  Folgezeit  gewesen,  bleibt  die  Frage 
noch  WMrledigt.  Dagegen  wird  die  Betrachtung,  dass  vom 
16.  btt  16.  Jahrhundert  die  Pflege  des  Weihnschtsspiels,  die> 
jeufe  des  Passions-Osterspiels,  namentlich  in  allen  protestan- 
tiscben  Lämiem  wiedemm  so  bedeateod  überwiegt,  dass  da- 

>dMn  Dcnient  hatte  (Gesch.  der  d.  Schmiupielkonsi  I,  p.  26) 
arr^iriciics  gcftoMeft,  Und  Schrödcr  Ut  noch  Mif  demielben  Wege. 
▼«r«i  Ger».  XY,  87«. 

•       '      '  Ilfjfkomödie,    zu  Epiphaniu 

'!<»  ihu,^..^ V. _, ,  :u  St.  Ttmotheiutkg  (24.  Jan.) 

f«  <J  di«  Aoinüining  xu  C«  ■  r  iitit^r  noch  die  Eede  tein 

u.rl    ''.**>    —    noch  am  >  »K    1607  tu  Alaftld  oim« 

\V.  .1..*.  i.:  ItrdkteigMpisl  i.  Vilmar  bri  lUupt  III, 

470.  —  Um»  ,•  »ona  saqM  ad  t«itw>  k'cht  oach  W»ck(-ni«Kcl 

I.ic  r;.«<^ti    t.    312.  Ana.  66  aaf  ni<)  :!afaruiig  in  der  erlcucb- 

w  r  Verliui  de*  mt  lebr  wnCuigroichen 
(jpiMri  ut  lu  i>«daoen».} 

*)    So  bmd  4i«  AttAhnnff  •:  .  .Im  (vargl.  die 

TottmU  4m  •im  I>nicka|  t«  BerUa  aaf  dem  MarktfkUs  «UU,  die 
ftrthnrrrr  VMtMnhkmtm  (Tctfl.  FUgel  IV.  p.  7)  ebenfaUt  auf  dam 
llarttft  «ad  la  dl 


170  Cap.  V,  §  1. 

durch  das  frühere  Vcrhaltniss  oinif^ormasscn  compensirt  wird 
schon  zu  oiniger  Verständigung  führen.  Erwägt  man  ferner, 
wie  der  historiHche  Stoff  des  Dsterspieles  an  poetischem  Ge- 
balt 80  bedeutend  überwiegt,  ja  das  Osterfest  selbst  um  einige 
Jahrhunderte  älter  als  das  Weihnachtsfost  ist,  so  wird  man 
sich  über  die  Vorliebe  des  MA.  für  diese  Gattung  so  wenig 
wundern  als  die  Scheu  der  Folgezeit  das  Hauptfest  der  Chri- 
stenheit durch  eine  zunächst  doch  nur  äusserliche  Darstel- 
lungsfeier etwa  zu  profanieren  •)  unbegreiflich  finden. 

Ein  anderer  bemerkenswerther  Unterschied  liegt  darin, 
dass  die  Osterspieltradition  so  weit  sie  sich  auch  späterhin 
vorwärts  und  rückwärts  erweitern  mochte  als  ältesten  Kern 
doch  entschieden  nur  die  Besuchung  des  Grabes  durch  die 
Frauen  und  Jünger  2)  kennt,  während  sich  für  das  Weih  nachts- 
spiel drei  wol  ziemlich  gleichalte  Wurzeln  3)  darstellen,  welche 
dann  bald  zusammenwachsen  und  schon  so  ziemlich  den  gan- 
zen Apparat  der  Weihnachtsspiel-Tradition  enthalten.  Was 
die  eine  dieser  Wurzeln  (der  Kindermord  mit  der  Rachel- 
klage)  betrifft,  so  hat  man  darin  wol  ein  Vorbild  der  Marien- 
klage finden  wollen ,  doch  lässt  sich  dieser  ganz  hübsche  Ver- 
gleich *)  historisch  weder  begründen  noch  weiter  nutzbar  ma- 
chen. Dagegen  lässt  sich  erkennen,  dass  jene  reiche,  theils 
directe  theils  indirecte  5)  Verwerthung  lateinischer  Kirchen- 
hymnen wie  sie  die  Osterspieltradition  schon  im  Ludus  de 
nocte  Paschae  mehr  noch  in  den  Charfreitags  Marienklagen 
aufweist  sich  (wenn  auch  zunächst  nur  in  Einem  Denkmal)  ^) 


•)  Wie  wenig  Achtung  auch  die  streng  kirchliche  Osterfcier  im 
späteren  MA.  hier  und  da  beim  Volke  gcnoss,  beweist  die  öfter  (vergl. 
z.  B.  Flögel  IV,  p.  287)  angezogene  Stelle  des  Eulenspiegel. 

*)  Etwa  noch  mit  der  Erscheinung  des  Auferstandenen  vor  Mag- 
dalena. 

3)  Das  Hirten-,  Kindermords-  und  Dreikönigsspiel.  Der  Leser  er- 
innert sich  wol,  dass  letzteres  allerdings  uns  als  der  zuerst  entwickelte 
Keim  erschienen  ist. 

*)    Zuerst  wol  von  Moue  aufgebracht,  dann  öfter  wiederholt. 

&)  Durch  Uebcrtragung  in  deutsche  Sprache  und  leichte  Varia- 
tion der  Motive.  —  Nicht  mit  Unrecht  hat  Ph.  Wackemagel  im  zwei- 
ten Bande  seines  D.  Kirchenliedes  auch  die  IjTischen  P'ormen  des 
geistl.  SpieU,  naraenllich  die  Marienklagen  berücksichtigt. 

6)     Im  Niederhessischen  Wcihnacht88piol,  dessen  Spielorduung  ja  so 


Cap.  V,  S  1.  171 

auch  für  das  Weihnachtsspiel  herausstellt.  Für  eine  Zeit- 
lang scheint  dann  freilich  die  Kntwicklung  beider  Spielkreise 
ziemlich  parallel  sich  in  synoptischer  Richtung  zu  bewegen  >)), 
aber  wie  lebendig  frisch  steht  das  St  Galler  Osterspiel  neben 
dem  Weihnachtsapiel  desselben  Ortes  das  kaum  noch  zur  Auf- 
f&hmng  beetimmt  >)  erscheint  So  sehen  wir  denn  auch  im 
späteren  Mittelalter  die  Osterspieltradition  um  ein  bedeuten- 
des Motiv,  die  Höllenfahrt  Christi  mit  ihrem  Eingreifen  auch 
in  die  Welt  der  bösen  Geister,  und  nicht  etwa  bloss  in  äusser- 
licher  Art  ber^chert  3).  Wogegen  das  was  ma»  aus  dem 
anderen  Spielkreise  als  Analogon  hier  anfuhren  dürfte,  die 
8ceni»che  Verwerthang  des  jünger  kirchlichen  Kindclwiegens, 
uns  nur  als  eine  weichliche  Entartung  früherer  festerer  For- 
men erscheinen  konnte.  Doch  will  ich  nicht  leugnen,  dass 
nach  einem  trüben  Onrcbgaiige  durch  vulgäre  Plattheiten ,  den 
beide  Spielkreise  nmnentlkh  im  15.  Jahrhundert  durch- 
machten, das  populäre  Weihnachtsspiel  im  16.  Jahrhundert 
wänner  and  "  her  sich   ausgebildet  hat,  als   die  wenn 

auch  groosari.^  .  ..  i'assionsosterspiele  dieser  Zeit.  Der  Feh- 
ler scheint  hier  wie  so  oft  dem  Vortheil  nahe  verschwistert. 
Jene  Teufelsscenen  die,  im  Gefolge  der  Höllenfahrtscene  und 
wohl  auch  ihr  vorausgeschickt  dem  Osterspiel  damals  unent- 
behrlich waren,   und  lelbet  in  andere  Spiclkreise  *)  übergin- 

mandi«  bUctnitclie  und  dmitscbc  Ktrchenhyinnen  vorführt.    Ntch  der 

BelbraMtio«   gthöiiM  Luiber«  ,votn   Himmel   horb   da  komm  ich  her* 

tarn  (kti  h^tiinAtiren  Appartt  des  Protcttaotiachcn  WcihnachtaRpiels. 

'i    M  icb  DAmentlich  dea  Benedictbcurer  Ludua  de 

r<»tiv    h-mini  «owir   nca  BeiMdioibear«r>Te|tema«er  L.  psschaltB  aas 

Irn,  XIII .  d«a  Üi.  Osllsr  Ostertpieb  Gliben  Jen'  b«i  None)  und  de« 

ha.4ipi«b  OKiadlMÜ  Jew*)  ms  den  XIV.  Jabrh. 

oiebi  bloss  des  d«r  Spialordoong  rasisbeode  Pr»eaeiM  ins 

!  -  >'  («hUns  fSwaadsU*  jois  selb«!  6(lcr  gaas  in  d«n  Text  &b«rgeire* 

(•m   dsallioiwlea  Mom  I,  p.  172  v.  81«,  617,  vergl.  aocb  p.  163 

.  4biiUeli  wi«  dies  in   frans.  Mysteren,  di«    dann   nur  in  einem 

->  dm  KirolMn  verlMea  »  fler  begegnet    (Ventl. 

bei  MomnercpiA  •tU'ui  ) 

*)    Vielaidv  mnsi  die  HAllesfüulMMsene  mit  ihrem  m&chtigen  Ap- 

r«nU  trufieeber  nnd  Irsgikomiaeber  MoÜve,  die  docb  wohl  nicht  blos 

MN  Meeatooben  Grtndea  ■Miai  (nielU  immer)  der  AnfanUboag  nach* 

folgte,  ale  Hnapteütis  der  Ortenpisitrsdittou  des  ^pMsni  MA.  gelten. 

•)    »mmmükk  in  dea  Wiftmtli  ead 


172  Cap.  V,  g  1. 

geo,  gaben  der  Darstellung  eine  eigenthümlicho  uns  nicht  im- 
mer zusagende  Färbung.  Erst  mit  dem  üeberdruKs  an  die- 
sen Teufelsscenen ,  den  schon  das  17.  mehr  noch  das  18.  Jahr- 
hundert zu  finden  begann,  konnte  sich  eine  wärmere  Auffas- 
sung der  Passionsgeschichte  wiederfinden,  die  nun  freilich  an 
anderen  Gebrechen  (Neigung  zu  sentimentalen  AUegorieen  und 
äusserlichen  Effecten)  zu  leiden  hatte  und  durch  gesuchte  An- 
lehnung an  den  Marienkult  •),  wie  auch  durch  Verflüchtigung 
der  Auferstehungsgeschichte  2],  schliesslich  durch  eine  lyrische 
Färbung  ^die  auch  abgesehen  von  oft  eingelegten  Singstücken 
der  Dialog  aufweist)  uns  einigermassen  an  den  Character  der 
Marienklagen  des  Mittelalters  erinnert.  Ohne  die  Verdienste 
dieser  Richtung  zu  verkennen  glaubten  wir  doch  den  Wunsch 
nach  stärkerer  Ausprägung  des  eigentlichen  Osterapiel-Motivs, 
80  wie  nach  Beschränkung  des  äusserlichen  Beiwerkes  nicht 
zurückhalten  zu  dürfen.  Wir  haben  an  diesem  Ort  auch  jene 
Verbindungen  der  Weihnachts-  und  Osterspieiweise ,  die  sich 
in  späterer  Zeit  (wenn  auch  gerade  nicht  häufig)  darstellen, 
zu  beleuchten.  Zunächst  käme  hier  ein  nach  dem  Herausge- 
ber 3)  noch  dem  Ende  des  14.  Jahrhunderts  gehörendes  Spiel 
aus  Mastricht  in  Betracht,  das  aber  durchaus  nicht  als 
einfaches  Osterspiel,  wie  es  der  Hersg.  nennt,  erscheint.  Viel- 
mehr wird  hier  von  der  Ei-schaffung  der  Welt  und  Lucifer's 
Fall,  so  wie  dem  menschlichen  Sündenfall  an  —  und  nach 
dem  Streit  der  Milde  und  Gerechtigkeit,  sowie  nach  den  Stim- 
men einiger  Propheten  die  das  A.  T.  und  (in  Virgil)  auch  das 
Heidenthum  repräsentiren  —  eine  Dramatisirung  der  ganzen 
Erlösungsgeschichte  versucht  Was  den  der  Weihuachtsspiel- 
trad.  entnommenen  Theil  betrifft,  so  treffen  wir  hier  aller- 
dings  ziemlich   alte  Formen,    aber  doch  nicht  ohne   Spuren 


I)  Man  vergl.  namentlich  die  Stellung,  welche  Maria  im  Zack- 
mantler  Spiel  einnimmt,  die  besonders  deutlich  v.  2252—58  (II,  p.  29) 
zu  ersehen. 

3)  Diese  ward  im  Zuckmantier  Spiel  nur  im  Epilog  (v.  2482  f.) 
noch  angedeutet,  im  Rosnerschen  Text  der  Ob.  Ammergauer  Passion 
nur  durch  theatralischcu  Schlussefiect  vertreten. 

3)  Zacher  in  Hau])ta  Zeitschr.  II,  808  f.  —  Der  Sprache  nacb 
kaum  noch  in  unser  Gebiet  gehörend.  Dem  mnl.  Text  sind  die  be- 
nutzten VulgatasteUen  meist  noch  (im  Citatstyl)  vorgeschrieben. 


Cap.  V  ,  S  1.  173 

freierer  Auffassang  »)  als  sie  den  eie:entlich  alten  Typen  eig- 
net. Der  Uebergaog  mm  Ost  reise  wird  nicht  unge- 
schickt durch  die  Scene  des  /u..i.j....iigen  Jesus  im  Tempel  *) 
rermittelt:  dann  folgt  die  Taufe  und  die  Versuchung  Christi  '), 
die  Hochzeit  m  Cana^),  die  Bekehrung  Magdalenas*),  die 
Erwecktung  des  Lazarus,  der  Kinzug  in  Jerusalem  und  (nach 
der  terlorenen  Abendmahlscene)  noch  der  Anfang  des  Lei- 
dens Christi  in  Gethsemane  *).  Alles  in  würdiger  nicht  zu 
knapper  und  doch  Ton  massiger  Breite,  ebenso  ferner  Aus- 
fShruDg,  so  dasB  die  fragmentarische  Ueberlieferuug  des  Tex- 
t>s  zu  bedauern  ist 

Weit  unlangreicher,  namentlich  breiter  im  Einzelnen 
aiMgel&hrt,  ist  ein  geistliches  Spiel  aus  Eger,  das  Bartsch, 
den  wir  die  nöthigen  Mittheilungen  verdanken  ?),  ans  Ende 

I)  So  üt  der  Trost,  den  sich  Rachel  »elbtt  tpendet  (p.  820  oben) 
■Ofmr  gcfMi  da»  ,noltttt  conaolui'  der  Vulgsta.  I>agegr<'D  liegt  duriB, 
da«  de»  B«rodM  (der  als  Kaiser  beseichnet  wird)  der  MordpUui  von 
Kinwi  RHtem  eiagefeben  wird,  ein  guter  Zug  alter  Tradition. 

r  Sehrillgelckrt«,  mit  dem  Jeco«  ditputirt,  iai  hier  Caiphaa, 
liru«  n  iiuUe  eich  hernach  {p.  846)  so  feindlich  gegen  ihn  entwickelt 
Elwas  wunderlich  klingen  raerit  die  rr.  610—19,  ee  eoheint  eine  Ilin- 
deatuBg  aaf  den  Antichriat  hier  eingelegt. 

*)  Daran  schliettt  sich  noch  die  Berufung  de*  Andrea«  ui<il  l'c- 
trut :  auch  andre  aof  letzteren  bes.  SchriiUtellcn  (to  da«  ,PetruB,  amaa 
BM?*  luieh  Juh.  XXI.)  in  freierer  Weiae  tind  angeschloaeen. 

*)  Durch  einen  Irrthum  des  Biedactor«,  der  die  Hochseit  bei  deaa 
retebca  Wirth  ,Archttnklin*  eeta  lisii  ist  die  Rolle  des  Bpeiseaeisters 
fsspart. 

■)  Denelbea  wird  sabBgi  eine  artige  Frfthlingtwetee  in  den  Mond 
gelegt,  dam  giebt  eie  den  Toratellnngen  Martha«  nach  und  bekehrt 
Mch  ta  Jeens.  Auf  die  dann  nach  Lac.  VII.  geschilderte  Funaalbung 
folgt  Im  weiteren  Vertauf  noch  jene  Ihaliche  Job.  XII.  un«  gemeldete 
Haadloag  «ad  aa  diree  ist  der  Yerrath  d<-'  üs  ihn» 

ichen  Weise  «ngaechloawa,  wie  ce  noch  j'  .       r  Texte 

ftbhch  (vrgl.  hier  p.  S46  oben  mit  Clanu  ] 

-  Seeltaklsipfa  des  ErUkeem  (ein  tciiwicrigee  und   von  der 
■.'m  m«4tt  Tcrmiedenea  Motiv)  sind  hier  in  edler  Anffiu«ung 
»wfgeläbrt  '  i«  und  da  bedenk! 

^    Tergi  urrmania  iii,  p.  M7  t  —  Auser  der  latriawcnrn  spiel- 
sieh  aa^  kleiae  iatslniiohs  Uedstelnffksa  (p.  871. 


174  Cap.  V.  §  1. 

des  16.  Jahrhunderts  setzt  und  dessen  Umfang  er  auf  7  bis 
8000  Verse  schätzt.  Das  ganze  Stück  zerfällt  in  3  Tagwerke, 
deren  erstes  dem  Weihnachtsspiel  entspricht.  Dies  beginnt 
ähnlich  wie  das  Mastrichter  Denkmal,  nimmt  aber  im  weitern 
Verlauf  manche  Scenen  aus  den  historischen  Büchern  des 
A.  T.  auf,  und  schmückt  den  eigentlichen  Weihnachtsspiel- 
kreis auch  durch  Benutzung  der  Apokryphen  und  selbst  der 
Legende  >)  behaglich  aus.  Den  Schluss  des  Tagewerks  bildet 
die  Scene  des  zwölfjährigen  Jesus  im  Tempel.  —  Der  Text 
für  die  beiden  letzten  Tage  kann  als  ein  synoptisches  Pas- 
sion sosterspiel  gelten  von  weitläufiger  Behandlungsweise,  aber 
mit  recht  vielen  Elementen  sehr  guter  und  alter  Tradition. 
Die  Beziehungen  dieses  merkwürdigen  Schauspiels  ^)  zu  an- 
deren geistlichen  Spielen  sind  von  Bartsch  (unter  dem  Text) 
mit  grosser  Umsicht  angezeigt,  und  derselbe  hat  (p.  235 — 97) 
auch  versucht  das  Alter  der  einzelnen  Theile  näher  zu  be- 
stimmen, und  die  älteren  Bestände  aus  der  sie  umwuchernden 
Interpolation  herauszuschälen.  Sollten  hier  auch  einzelne  An- 
gaben noch  dem  Zweifel  unterliegen  3),  so  ist  doch  im  Gan- 
zen die  Entstehungsweise  jüngerer  geistlicher  Spieltexte  hier 
klar  gelegt.  —  Ich  verweise  noch  kurz  auf  die  Besprechung 
bei  Holland  4).  — 

In  diesem  Zusammenhang  nicht  ohne  Interesse  ist  auch 
des  Barthol.  Krüger  1580  geschriebene  ,Action  von  dem 
Anfang  und  Ende  der  Welt  u.  s.  w.'  —  Wir  haben  über  den 
ersten    Theil    dieses  Stücks   schon  früher  5)  gesprochen :    der 


274)  namentlich  aber  die  alten  Osterhymnen  wieder  (p.  289).  Auch 
die  Behandlung  der  Marienklage  zeigt  noch  die  lyrische  Fülle  der  äl- 
teren Trad.  — 

•)    Letzteres  gilt  in  Bezug  auf  die  drei  Könige  (vergl.  p.  272). 

')  Das  zweite  Tagewerk  geht  bis  zur  Verurtheilung  Christi  durch 
Pilatus  (dessen  mitleidige  Gattin  hier  Pilatissa,  sonst  Procia  genannt 
wird).     Der  dritte  Tag  schliesst  mit  der  Bekehrung  des  Thomas. 

3)  So  wage  ich  noch  nicht  das  deutsche  Lied  der  anbetenden 
Hiiien  (p.  272  oben)  in's  XI IL  Jahrhundert  hinaufzurücken.  Gelegent- 
lich sei  hier  bemerkt,  das  die  Rolle  des  blinden  Longinus  (p.  286)  mit 
der  Figur  des  Blinden  von  Jericho  cnnfundirt  zu  sein  scheint. 

■t)     Die  Entwicklung  des  Theatt-rs  im  MA.  p    20  f. 

5)  Vergl.  Cap.  I,  §  6.  —  Wenn  im  zweiten  Act  die  Anbetungs- 
Bcene    der  Hirten    und   3  Könige  fehlt,    so   mochte  dies    sonst   auch 


Cap.  V,  S  1.  175 

Schitttt  dM  zweiten  und  der  dritte  Act  entspricht  dem  Pa»- 
sioD»-08terspiel.     Einige  Vertreter   der  Legende    (z.  B.    Chri- 
stophorus)  und  der  Kircheugescbichte   (z.   B.  Franciscus)  tre- 
ten  im  Act  IV.  auf:    den  Schluss  bildet  das  Weltgericht.  — 
Durch  die  (namentlich  im  dritten  Act)  höchst  knappe  Behand- 
lung des  biblischen   Stoffs   steht   dieses  Stück    in    einem    fast 
schreienden,  aber  doch  erklärlichen  •)  Gegensatz  zum  vorigen 
k.     Noch  einige  Arbeiten  protestantischer  Dramatiker  des 
\     :    .'.'!.  sind  unten  in  der  Note  2)  kurz  erwähnt.  —  Ka- 
.-.3    sind    hier    namentlich    noch   jene    Luzerner 
.-Spiele   aus   dem  Ende  des  XVL  Jahrb.  zu  nennen,    die  (ge- 
'    '    '     als  Osterspiele   bezeichnet;    mit  mehr    oder  minder 
ugkeit  das   A.  T.   behandeln,    dann    die   Weihnacht- 
und  Osterspieltrad.  in   breiter  Aasführung   wiedergeben  3).  — 
Nach  diesem  Vergleiche  des  Weihnacht-  und  Osterspiclkrcises 
ßehen  wir    zu   der  Betrachtung   der   anderen  Spielarten  über. 


1       1.  M  iliniicht  geopfert  iein,  dass  mau 

ii  'i'-m*dl>«u  Act  hiiht  gut  ileu  eb«u  gebomen  and  den  erwachaenen 
(  hr.stos  Torfilbren  durfte. 

M  Der  protetU  Vertaaaer  mied  fast  alle  Hauptranment«  der  ka- 
UmiI.  Spieltradition,  und  nennt  auch  St  Peter  lieber  Cephas  (Act.  II. 
T.  568).  Die  franse  Paanonage«chichte  wird  nur  in  rurückdeutender 
^  II.  V.   UG  ■■  rd   auch  )'  u  Act  II 

•k  li»rhen  >  m-  und  I'i;  -    nides  ge- 

braucht). II  die  alte  Trad.    findet  Hieb  noch  am  meisten 

in  den  T>  »...-..-..;  ;i  uitd  der  Höllenfahrt,  (Act.  III,  Sc.  S.)  sowie  in 
drr  S<  «•nt!  mit  den  Grabeswächtem  (III,  Sc.  4).  DaffCKen  ist  die  Kr- 
•chrinut»/    ■        \    '  ■  ,.1  absichtlicb 

tcnnfna  ■ 

')     Z  r    Krweckung   det  Ijizarus 

vrrffi    \S. ,        \  .    ,     ^    ^,    daa    nach  der  einfachen 

idluttg  wd  als  eine  Ablcmuig  aus  der  Oaterapieltrad.  gelten  darf: 
wogfg««  da*  lieben  Jobasttet  des  Tiafen  von  Job  Aal  (vergl.  eben- 
dort  210)  and  di«  Hoduttil  sa  Caaa  von  Paul  Rehhnhn  kaum  noch 
als  aokbe  #rkaaat  werden  ktanen.  —  Spiel««  ül>er  den  iwülQihrigen 
Jeans  im  Tempel  beepricbl  Holland  in  seinrr  Auatrabe  des  Hercogt 
"    '    r.  Bnutoachweiir  P-  ^13  oben     (Vergl.  auch  Wackeniagel  p.  460.) 

y-ry)    .»..   I. itntng  de«  Liuenter  C)«trr«|>icls  von  1568  darrb 

<  >•*'     ^   ^  I  -rield  1M8)  p.  7.  auch  Mone  K<b.  d.  MA.  II, 

!     i'i'*.    ui.'l     A        lucb   den   ebetio  126-128  ubn«  Aug«be   dce 

i  ui..i<.ru  n„in,  'J.ttltea  Bweitigig<  •»n. 


176  Cap.  V,  8  1. 

Was  zunächst  die  Ascensionsspiele  betrifft,  so  ist  es  mög> 
lieh,  dass  sie  nicht  als  selbständige  Entwickelungen,  sondern 
als  Ablösungen  der  erweiterten  Osterspieltradition  zu  fassen 
sind.  Diese  Frage  wird  sich  nicht  eher  entscheiden,  bis  wir 
die  für  sich  stehenden  Spiele  dieser  Gattung  mit  derartigen 
Osterspielen  vergleichen  können,  die  noch  die  Himmelfahrt 
mit  behandeln  'j.  —  Selbst  das  Pfingstfest  von  dem  wir 
eine  autonome  Behandlung  nicht  nachweisen  können,  findet 
sich  zum  Schlüsse  erweiterter  Osterspiele  '-)  inscenirt. 

Wir  schlagen  nun  einen  etwas  anderen  Gang  ein,  als  den 
in  den  früheren  Capiteln  befolgten ,  ohne  darum  jenen  irgend 
als  unrichtig  bezeichnen  zu  wollen.  Indem  wir  nämlich  den 
Sonntag  nach  Pfingsten  nach  altkirchlichem  Ritus  als  Aller- 
heihgenfest  betrachten,  gewinnen  wir  das  Recht  die  Legen- 
denspiele  hier  schon  vorzuführen.  Dass  hier  von  einer 
Spieltradition  wenig  die  Rede  sein  könne,  ward  schon  Cap. 
IV.  bemerkt :  aufmerksamerer  Betrachtung  aber  scheint  sich 
nicht  bloss  in  der  zunehmenden  Breite  und  anderen  (auch  in 
den  übrigen  Spielkreisen  waltenden)  Variationen  der  Behand- 
lung, sondern  schon  in  der  Wahl  der  Legendarischen  Stoffe 
ein  gewisser  Unterschied  des  Zeitgeschmackes  zu  enthüllen, 
den  wir  versuchsweise  andeuten  wollen.  Dass  Hroswitha 
bei  der  Wahl  ihrer  Stoffe  von  bestimmten  Principien  eines 
christlich  jungfräulichen  Idealismus  ausging,  ist  bekannt.  Für 
die  dann  folgenden  älteren  Legendenspiele  (erst  aus  dem  14. 
Jahrhundert)  scheint  die  Neigung   den  Triumph  der  Heihgen 


>)  Vergl.  Vilmar's  Mittheilung  aus  dem  Alsfelder  Codex  (bei 
Haupt  III,  478). 

2)  Vergl.  ebendort  die  Nachricht  über  die  OBterspielaufiuhrung 
von  1511.  —  Uebrigens  hat  das  Pfingstfest  doch  durch  Mittheilung 
zunächst  ihm  zustehender  Hymnen  zur  Aussteuer  des  geistl.  Spiels 
beigetragen:  mit  ,Veni  sancte  spiritus'  leitet  der  Regens  (sicher  ein 
Geistlicher)  das  Alsfelder  Osterspiel  (bei  Haupt  III,  483,  vergl.  auch 
V.  104—6  daselbst)  ein  —  dieselbe  Sequenz  ist  dem  Heidelberger 
Spiel  vorgeschrieben.  —  Schon  der  Prolog  des  Spiels  von  der  h.  Do- 
rothea (Fundgr.  II,  286)  wird  durch  die  Aufforderung: 

Kü  singe  wir  alle  disen  leis: 

Nu  bite  wir  den  heiligen  geist  etc. 
und  die  Angabe :  et  cantat  omnis  populus  unterbrochen.    Vergl.  ftach 
Altd.  Schausp.  p.  31,  32,  34,  41,  155.  — 


C*p.  V,  S  1-  177 

über  körperliche  Mftrtem  aller  Art  zu  zeigen,  characteristisch 
m  sein  >).  Hingegen  dem  späteren  MA.  mochte  die  Anknüp- 
fang  an  den  Mahenkult  (und  wir  können  das  Innsbrucker 
MarienhimmelfiüirtMpiel  selbst  als  Legendenspiel  fassen)  ge- 
fallen, wie  dies  wenigstens  das  Spiel  von  Frau  Jutta  und 
der  Tbeophilus  an  die  Hand  giebt.  Schliesslich  scheint  im 
15.  and  16.  Jahrhundert  die  Richtung,  aus  der  Legende 
Stoffe  Ton  wehbistorischer  oder  localhiatoriscber  Bedeutung  2) 
herauszugreifen  aufgekommen  zu  sein.  Wir  haben  schon  am 
Schluss  Ton  Cap.  IV  darauf  hingewiesen  wie  auf  diese  Weise 
das  historische  Schauspiel  sich  dem  Legendenspiel  anreiht. 
An  den  Beschluss  des  Kirchenjahres  setzen  wir  billig  die 
Antichrist  =,  Zehnjungfrauen  =  und  Weltgerichts- 
tpiele:  Erstere  in  ihren  Motiven  noch  nicht  genügend  er- 
liutert.  letztere  Beide  in  ihrer  Behandlung  ziemlich  zusam- 
mcustimmend  unJ  uudi  wifder  durcli  den  M:iiieiikult  beein- 
flosstS). 

Uebergangen  scheint  hier  dab  Frohnleichnams spiel 
de  wen  ältestes  Beispiel  aber  erst  dem  Ende  des  14.  Jahrhun- 
derts angehört.  Als  Kern  der  Spieltradition  dieses  Festes 
glaubten  wir  die  Praeconisirung  des  apostolischen  Credo's 
ansehen  zu  dürfen,  wodurch  der  Unterschied  von  den  älteren 
Spielkreisen  (die  von  historischen  Motiven  ausgehen)  zur  Ge- 
nüge erhellt.  Man  lieM  aber  mit  der  Zeit  diesen  dogmati- 
schen Kern  aus  dem  sich  die  reichste  Fülle  historischer  Spiel- 
motive  (allerdings  nur  durch  Entlehnung  aus  anderen  Spiel- 
kreieeii)  entwickelt  hatte,  fallen:  das  in  der Procession  umge- 
trafen«  Venerabile  genügte  für  alle  die  bunten  historischen 
Bilder  (▼oo  der  Schaffnng  der  Welt  bis  zum  Weltgericht) 
und  das  reiche  Scbaugepränge  den  dogmatischen  Hintergrund 
ni  wahren  ConfoeeioDelle  P  '  '  und  moralisirendo  Rieh- 
tiilur  erscheint  in  den  letzteii  »n  dieser  Gattung  *). 

'  \'i  r  .  <  ,•'  :.  '!^  '  •  ,  ''..■  -)  •  ■  :■■•.  ■■•  •  u  K  iti.;ir.h.i  .;  ■!  Nr  h. 
I..  r    V,.^    ..       v:.;, 

i        \     ■.    '.->'.  f'  r   A  •  ■    !■■-,!,•     :    li    ■i.i  .    1.'  i.i„'i'   I\ ; '  u/»!'  '■:       \  ,■.'•- 

rtr  <i»»   "'     I  :"»j.i«'.  utiil   >'.   .Vl'iiirn'l  •  l,<tnij 

*)  Ir.t  rr.  (ir  di«  v*rdaauat«a  Seelen  von  Maria  eine  fretlioh 
v«ry«UMh«  i^u«i>iU«  «tagcUfi  wird. 

«)    l«li  gjensfs  War  aa  die  von  Beia  pabliortea  üerdiagerqpelei. 

U 


178  Cap.  V,  §2. 

Nach  dieser  Totalübersieb t  glaube  ich  noch  einige  Rich- 
tungen, deren  Verfolgung  in  den  früheren  Gapiteln  nur  bei- 
läufig geschehen  konnte,  etwas  näher  kennzeichnen  zu  müs- 
sen: nämlich  die  Stellung  des  A.  T.  im  geistlichen  Spiele  des 
MA.,  die  komischen  Züge  der  Behandlung  und  die  Teufel- 
scenen. 

§  2.     Benotiung  des  alten  Te^ttaiiients. 

Selbstständige  Behandlungen  alttestamentlicher  Stoffe 
sind  dem  MA.  fast  völlig  fremd.  Es  wäre  hier  nur  etwa  das 
120i  zu  Riga  aufgeführte  geistliche  Spiel  *)  und  die  1265 
zu  Corwey  agirte,  heilige  Comoedie  über  Josephs  Leben  2). 
Wir  haben  hier  aber  auch  jene  secundäre  Stellung  die  das 
A.  T.  in  den  Spielkreisen  des  MA.  einnimmt  übersichtsweise 
zu  skizziren. 

Dem  Weihnachtsspiel  sahen  wir  im  13.  und  14.  Jahr- 
hundert ein  prophetisches  Vorspiel  vortreten  3),  das  mögli- 
cherweise in  einer  alt  kirchlichen  Vigilienfeier  der  heiligen 
Nacht  seine  Wurzel  hatte.  Auch  erwähne  ich  hier  die  bei 
aller  Gelehrsamkeit  nicht  unpopuläre  noch  unpoctisch  gefärb- 
te Behandlung  des  A.  T.  in  jenem  schliesslich  die  Geburt 
und  erste  Jugend  Maria's  vorführenden  Spiele  des  Am.  Im- 
messen  *). 


•)  Der  Stoff  war  aus  den  prophetischen  und  historischen  Bü- 
chern des  A.  T.  entnommen,  und  sollte  auf  die  noch  heidnischen 
Landesbewohner,  denen  DoUmetscher  die  Handl.  erklärten ,  erbaulich 
wirken.  (Vergl.  Wackemagel  Lit.  Gesch.  p.  302,  und  Reidt  p.  28  Anm.) 
Bei  Gideons  Sieg  über  die  Philister  soll  die  heidnische  Menge  die 
Flacht  ergriffen  haben.     (Nach  Chron.  Livon.) 

2)  Vergl.  Kuudgr.  II,  242.  —  Dramatisirunpf-n  von  .Toscvilis  Lobfin 
kommen  im  16.  Jahrh.  öfter  vor. 

3)  Vergl.  Benedictbeurer  Liidus,  das  St.  oüimt  opici  uiui  jt-iies 
bei  Dietrich  von  Stade  mitgetheilte  Fragment. 

<)  Das  von  Schönemann  als  „Sündenfall"  publicirte  Stück  ist  für 
sich  betrachtet  namentlich  durch  die  bedeutende  Rolle,  welche  Sa- 
lomo  (v. 2329— 3253)  darin  spielt,  bemerkenswert,  der  theils  die  Pro- 
pheten und  Sibyllen  bewirthet  und  als  König  Recht  spricht,  theils 
mit  seiner  über  den  Besuch  der  Königin  von  Saba  eifersüchtigen  Gat- 
tin zankt,  und  mit  seinen  Knechten  Kinbecker  Bier  trinkt  (man  erin- 
nere sich  dass  Sal.  auch  durch   das  bekannte  Volksbuch   im  MA.  po- 


Cap.T,  §.2.  179 

Ferner  als  dem  Weihnachtsspiel  steht  das  alte  Testament 
vrsprünglich  noch  dem  Osterspielkreise.  Wenn  in  einer  Mar 
heaklage  des  15.  Jahrhunderts  >)  ebenfalls  die  Propheten  des 
altea  Bundes  aaflreten,  so  ist  klar  dass  sie  nur  in  Simeons 
Folge  dessen  Prophezeiung  unter  dem  Kreuz  in  Erfüllung 
ging,  sich  eingefunden  haben,  also  eigentlich  auf  dieWeihn.- 
spleltrad.  mrfteksnfuhren  sind.  Doch  eignet  dem  späteren 
Osierspiel  auch  ein  Organisches  Glied  das  ins  alte  T.  zurück- 
grei/t:  nämlich  die  Scene  in  der  Vorhölle,  wo  (schon  nach 
Angabe  des  Et.  Nicodemi)  Adam  und  Eva,  David,  Enoch 
und  Elias  durch  die  Niederfahrt  Christi  der  Erlösung  theil- 
haft  wurden.  Gegen  Ende  des  MA.  griff  man  namentlich  in 
den  Frohnleichnamsspielen  und  den  im  vorigen  §  besproche- 
nen Combinationen  des  Weihnacht-  und  Osterspielkreises 
immer  tiefer  ins  alte  T.  hinein  >),  dessen  Stoffe  nach  der  Re- 
formation sogar  mit  Vorliebe  und  in  selbstständiger  Weise 
dramatisch  behandelt  wurden.  —  Einen  Vergleich  des  alten 
nd  neuen  T.  führte  schon  H.  Volz  3)  in  einem  ernsthaften 
Vasnacbtqiielc  '"   h-^putirweise  aus. 

polir  geworden/  —    m    rineu  grönern  ZaMmtnenhAnge   Hi>er   uurch 

die  AasdclumDf  der  8o«ne  in  der  Vorhölle  (atu  dem  Et.  Nicodemi, 

denn  »os  der  Öft^mpioltrtd.   bekannt)    in   chronol.  Rückgang   int4>re«- 

•ant:     wir   finden   hier    bald   nach   dem  Sündenfall   and   nach  Adama 

darch  SeÜM  Seadnng  (auch  nachEv.Kicodemi)  nicht  abgewendeten  To- 

^^«  t  jeaea  ta  die  VorhöUe  gettoMcn,    von   wo  er   an   Tendiiedenea 

/.eÜea  eeae  Kkgen  eaiporachickt  und  (Tergeblich)  Fürvpreoher  wie 

»asiel,  Jeaeiaa,  Jeremiat  tu  '  «chickt,   bis  endlich  teise 

<«bet«  iuBJchet  durvh  Mari  rung  finden. —    Ob   etwa 

ri  eiacm  tweitea  oder  di  i  der  wirkliche  Bruch  der  Vorhölle 

iurch  den  er«tAtidrneii  <  i.  tu  «iilmti  ii   Aiii>()iIum  an  die  Otter» 

•  i        -i  :  •  wurde? 

'       I  •      j  I'rsrr.i  •]•       •.  \.  ii>    iiroi  j>.   iia  f. 

^\  ■  r  ■     iUi  dem  h.  T.   ins  A.  T.   sarflckging, 

leift  deaUidi  die  BcJuuuUaag  dee  Stodesfalle  im  Kftaaelaaer  FrohaL- 
Bpiel.  wo  stellt  OoU  der  Yster,  Mmdera  SalTstor  oder  Doadaioa  per* 
MNM  (Beides  Beseielwragea  Christi)  dea  Meaaobea  in  dea  Oarten  seiet, 
«ad  Noeli  vor  der  Siadilat  eraalnt,  die  b.  Joagfraa  anaamlea. 
(Uerm.  IV,  946). 

'i    Vrntl.  Kellers  Festa.  Spiele  I,  1  t  —  Wie  di«  >us  desi 

Fjkde  dM  XV.,  fUtfte  oocb  eta's  am*  dem  An&af  des  \  •  >  ^'1.  Wel- 

ler p.  37ft)  dea   Yerflekh  tot,   der  e^oa  ia  dem  ihspatuvTortpie 

d*a  B«'ned.>B#arrr  Wrilin    I.adot  SaMd'utot  «rmr. 

12* 


180  Cap.  V,  S.|2. 

Ich  habe  hier  noch  auf  jenen  seit  dem  13.  Jahrhundert 
namentlich  aber  vom  15.  bis  17.  oft  begegnenden  dramatisch 
vorgeführten  Streit  der  Gerechtigkeit  und  Harm  he  r- 
zigkeit  hinzuweisen.  Dies  Motiv  soll  nach  Einigen  diroct 
dem  Schlüsse  des  85.  Psalms,  nach  anderen  einem  Sermon 
des  heiligen  Augustinus  über  dies  Thema  ')  entlehnt  sein. 

Es  begegnet  zuerst  in  dem  noch  ungedruckten  Spiel  des 
Gonr.  Schyrensis,  und  findet  sich  noch  in  dem  (protestanti- 
schen) Woinachtsspiel  Joh.  Segers  und  dem  Zuckmantier  Pas- 
sionsspiel —  es  wird  gebraucht  um  nach  dem  Sündenfall  den 
Rathschluss  der  Erlösung  einzuleiten.  Wenn  hier  und  da 
(z.  B.  in  Barthol.  Krügers  Spiel  vom  Anfang  und  Ende  der 
Welt)  schon  Christus  selbst  an  diesem  Rathschlusse  theilnimmt, 
bevor  er  als  Mensch  in  Bethlehem  geboren  wird,  so  ist  das 
dem  Dogma  der  Kirche  gemäss :  ganz  schief  aber  erscheint 
es  uns  wenn  in  jenem  „Recht  das  Christus  stirbt"  2) 
nun  auch  Maria  schon  an  jener  himmlischen  Berathung  par- 
ticipirt.  Das  Stück,  in  einer  Verwirrung  aller  Spieltradition 
sich  gefallend,  gehört  zu  den  traurigsten  Verirrungen  auf 
unserm  Gebiete. 

§  .1.     komisrbe  Element«  und  TeufeUscenen. 

Das  Wort  „komisch''  wird  hier  im  weiteren  Sinne  von 
allen  den  Richtungen  der  Behandlung,  die  mehr  auf  einer 
Nachahmung  des  wirklichen  Lebens  als  auf  getreuer  Wieder- 
gabe der  biblischen  Idee  beruhen,  gebraucht:  Manches  davon 
ist  von  jeder  Absicht  einer  spasshaften  Ergötzung  des  Pu- 
blicums  frei  zu  sprechen,  wie  schon  Hase  richtig  bemerkt 
hat  3).     Komische  Züge  in  jenem  weiteren  Sinne   finden   sich 

•)    Ich  verweise  der  Kürze  wegen  auf  Genn.  IV,  860. 

2)  Aus  dem  Jahre  1529,  besprochen  bei  Pichler  Drama  des  MA. 
in  Tirol  p.  66  ff.  Ich  mnss  gestehen  den  ,klugen  Sinn',  den  P.  in 
Beinen  Einleitungsworten  dem  Verf.  zuschreibt,  nicht  erkennen  zu 
können:  vielmehr  die  Art,  wie  hier  zunächst  das  natürliche  Recht 
(vertreten  durch  Adam  und  die  Patriarchen)  dann  das  Gesetz  der 
Gnade  (vertreten  durch  die  Zwölfl)oten)  Christum  durch  Stabbrechen 
verurtheilt,  den  Tod  für  die  Menschheit  zu  leiden,  fast  bis  zur 
Frivolität  barock  und  geschmacklos  finden  zn  müssen. 

')  Pag.  72.  Manches  in  den  Mysterien  erscheint  als  komisch, 
was  nur  ein  uns  fremder  Sprachgebrauch ,  Naivetät,  Roheit  oder  Unge- 
schichtlichkeit  des  MA.  ist. 


Cap.  V,  §.a  181 

sporwette  Ctst  schon  in  den  ältesten  Denkmälern,  werden 
häaSfer  mit  dem  14.  Jahrhundert  und  erreichen  gemeinhin 
ihre  grossie  Macht  im  16.  Jahrhundert  >);  später  tritt  die 
N'eigung  in  derartigen  Elementen  schon  wieder  zurück.  Wir 
iheilen  die  komischen  Zfige  hier  in  zufällige  ^)  und  tra- 
ditionelle, glauben  aber  nur  die  letzteren  noch  etwas  nä- 
her erläutern  zu  dürfen.  Aus  dem  Weihnachtsspiel- 
kreise gehören  hierher  gewissermaassen  schon  die  Hirtensce- 
nen,  eofem  sie  in  naiver  Anlehnung  an  das  wirkliche  Leben 
solcher  Leute  oder  gar  in  plump  realistischer  Färbuog  ausge- 
führt sind.  Ein  komischer  Zug  anderer  Art  ist  jenes  Her- 
berge suchen  der  Eltern  Jesu,  wobei  sie  von  zwei  oder  drei 
Wtrthen  abgewieeen  werden  ^):  ferner  die  Verlegenheiten  bei 
der  Geburt,  wobei  namentlich  Josephs  Rolle  etwas  karrikirt 
XU  werden  pflegt  *).  Endlich  wird  noch  die  Umgebut>"  •]">^ 
Herodes  bisweilen  in  schalkhafter  Weise  aufgefasst  ^). 


1)    D.fauca  der  Zeit,  wo  noch  DntergeütLLeitangtiehci:., 
le  doch  oll  kecker  in't  Yotksleben  grifTen,  als  «piterbin,  wo  i 
liebe  anfingen  Regie  und  auch  wol  Abfassang  der  Texte  in  du    Iiuiki 
ra  Dehnen.    Als  Ausnahme  von  jener  Rc(;el  mache  ich  das  sich  kaum 
•^end  rar  Komik  venAdtende  geistl.  S-  '^    (Knde   des  XV. 

ikhrL)  und  das  Donaaaaehtoger  Pass.  •'  nd 

*)    Als  Baispieis  dieser  Art  n«wi«  ich  a  i sehen  dem 

▲Itoa  aad  den  Boieo  bei  Weinkold  Weihn.  ^i-.  ,.  i«-..  tue  Maichus- 
•eea«  bei  Mon«  I,  p.  108;  das  Benehmen  des  Kaiphas  bei  der  Kreu- 
ligVBf  Christi  im  Aaiai«ip»aer  Text  vergl.  Clanis  p.  150. 

S)  Es  ist  mcfct  erbebt  ansoneimien,  daas  sich  dnn  /ahlen-Vcr- 
hiUniss  Uer  eiafreh  gesteigert  bebe  da  sobon  da^  o  Spiel 

vwt  Wettbe  kaaat     fanoMtbia  fing  mea  mü  einer  ti  /»lil 

doeb  aocb  aicbt  ea:  StAeka  die  dem  bfirgerliehen  I 
laa,  wie  im  Yorderaberfw  aad  £d«lp6ck's  Weiht 
eiae  Wirtbia  oder  Magd  eia.  SpAtar  Analiofer  wi' 
aera**  begaigea  «eb  daaa  wieder  ea  jM)ep««'*  ' 

pbea**. 

*i    Die  bei«  Kiadehriegea  gebreeebtea  Beime  geboren  hier  kaum 
k,r     .n.r.f4.ni  die  Koaük  derselbea  sieb  ea  eiaen  (aUerdings  ausgear- 
hlidMa  Kalt  aaachlosa,  aiebi  eigeatlich  von  der  Spielintdi- 
uos  aongeMldel  ward«. 

•)  Asiiir  eaf  daa  ebUgetea  «Belea**  in  Bt.  Oallcr  Weibnaohts- 
•p^  weise  kk  aocb  aaf  jeae  Sehergea  bia,  die  dea  Kindemord  an 
Betblebf  wel  aeeb  mit  sebleeblea  Wttaea  begleitea  (x.  B.  im  Eger- 
sebea  Spiel,  ia  Edalpfleks  aad  Chnastias  Weiba.  Coatödico.) 


182  Cap.  V,  8.  8. 

Besonders  merkwürdig  ist  aber  die  Entwicklung  komi- 
scher Motive  in  der  Osterspieltradition.  Aus  jenem 
„emerunt  aromata"  (Marc.  XVI  1.)  schuf  die  naive  Plastik 
des  MA.  eine  zunächst  noch  einfach  angelegte  Krämerbcene: 
die  dann  aber  einerseits  selbst  sich  durch  Aufnahme  neuer 
Rollen  ganz  über  Gebühr  zu  verbreiten  wusste,  andererseits 
auch  zu  jenen  Scenen,  in  denen  sich  der  Leichtsinn  der  noch 
unbekehrten  Magdalena  oft  so  keck  ausspricht,  wol  den  ersten 
Anlass  gab  i).  Endlich  ist  noch  darauf  hinzuweisen  wie 
selbst  die  Gärtnerscene  aus  ihrer  eigentümlichen  halbkomi- 
schen Richtung  2)  heraus  und  in  die  Spur  jener  Krämerscene 
gerathen  ist,  wenigstens  in  der  späteren  Tyroler  Osterspiel- 
tradition. —  "Wir  gehen  über  zu  den  gleichfalls  mit  Humor 
und  Freiheit  behandelten  Wächterscenen  am  Grabe  Christi  3): 
wir  glauben  kaum ,  dass  bewusste  Satyre  hier  wo  man  etwas 
prahlhansige  Ritter  auf  die  Bühne  brachte,  oder  in  den  Krä- 
merscenen  Spott  über  jüdische  Marktschreier  zu  suchen  ist. 
"Wie  naiv  harmlos  sich  die  geistlich  populäre  Komik  erging, 
zeigt  am  besten  jener  Wettlauf  des  Johannes  und  Petrus  zum 
Grabe,  wobei  der  letztere  (Schon  nach  Ev.  Job.  XX,  4)  spä- 
ter ankommt,  was  bekanntlich  nach  der  Regel,  dass  wer  den 


1)  Es  ist  aber  wol  zu  beachten  dass  diese  Magdalenascene  von 
Anfang  an  und  früher  als  die  Salbenkaufsccne  von  der  wir  sie  ablei- 
teten eine  komische  Richtung  nahm,  die  dann  ihrer  Färbung  nach 
immer  etwas  höfischer  und  eleganter  blieb ,  als  die  burlesk  geworde- 
ne Krämerscene.  Im  allgemeinen  nimmt  die  Schilderung  des  Leicht- 
sinns der  Magd,  von  Bened.-Beurer  bis  zum  Alsfelder  Spiel  an  drei- 
stem Realismus  immer  zu,  nur  das  Donau-Eschingcr  Spiel  macht  wie- 
der Ausnahmen,  wo  die  Schöne  mit  ihren  Galans  nur  zusammenspeist 
und  Schach  spielt.  Was  jene  Krämerscene  selbst  anbetriflFl,  deren 
einfachste  Anfange  der  Lud.  de  n.  paschae  bei  Hoffmann  (Fundgr. 
II,  274)  und  das  Wolfenbüttler  Osterspiel  (bei  Schönemann  p.  152 — 154) 
darbieten  ==  so  ist  ihre  wachsende  Ausschmückung  durch  einen  Knecht 
(Rubin),  dann  auch  durch  die  Frau  des  Krämers,  durch  mehrere  Un- 
terknechte (im  Insbr.  Osterspiel)  u.  s.  w.  bei  dem  skurrilen  Character 
dieser  Rollen  kaum  beachtenswerth. 

2)  In  sofern  es  die  Spieltradition  den  3  Frauen  zum  Vorwurf 
zu  machen  liebte,  sich  ganz  früh  am  Tage  in  einem  fremden  Garten 
betreffen  zu  lassen. 

3)  Vergl  Mone  II,  p.  36  ff.  —  Fundgr.  II,  310  ff.  Mehr  gehalten 
ist  die  Behandlung  bei  Pichler  p.  143—146. 


C»p.  V,  $  3.  183 

Schaden  gehabt,  für  Spott  nicht  Borgen  brauche,  zur  Erfin- 
dung mancher  mehr  oder  minder  burlesker  Variationen  die- 
ser WettUoftoeiie  Aolass  gab  >).  Sollte  hier  irgend  eine  sa- 
tjriache  Spitze  zu  suchen  sein,  so  hätte  sich  diese  wohl  nur 
gegen  den  Nachfolger  St  Peters  wenden  können:  jene  Annah- 
me wird  dadurch  von  selbst  widerlegt  ^).  Da  wir  die  Teu- 
febtoenen  hier  noch  zurücklassen,  so  wären  die  traditionell 
komischen  Zuge  des  Osterspiels  hiermit  fast  erschöpft.  Noch 
will  ich  auf  die  nair  realistische  Färbung  welche  das  Loosen 
der  KnegrinMchte  unter  dem  Kreuz  über  Christi  Gewand  zu 
MlgHi  pflegt '),  so  wie  auf  die  Characteristik  der  niedrige- 
m  dem  Heiland  mit  Schmähung  und  Vergewaltigung  begeg- 
nenden Rollen  *),  endlich  auf  die  Motivirung  der  Judas  Rol- 
le *)  hinweisen. 

Allen  im  3.  Capitel  behandelten  Stücken  gehen  die  ko- 
mischen Elemente  (mit  Ausnahme  etwa  einiger  Rollen  der 
Frohnleichnama-Proceeaionen)  fast  h  ab,    was  sich  aus 

dem  ber<»i»»  *^*>rvorgehobenen   dog:.._:.c^—.  ethischen   Character 

uch  dM  emithafte  Spiel  aas  f^^er  Umt  (vergl.  Genn.  III, 
^'•ti  di.  P«4^  md  Jobaim  vor  dem  Lauf  eine  Wette  eingehn  um  ein 
paar  aeoe  Sekalie  und  eio  Sdiweri,  VergL  ferner  Fondgr.  II,  834  f. 
PtcUer  p.  ie7,  16a 

>;    Ich  gUab«  wenigatens  nicht  da««  man  der  spielleitenden  Grtst- 
Uckkeit  dermrlige  Intention  irj^end  wird  ztuchreiben  dürfen. 

»)    Vergl.   Mone  l,  v    n?    nA      li    him   :im     7i..Lnitt.,r 
II,  p.  29. 

^)    Ich  Bcoae  des  Hqiu«  im  'i,    oi  n  .SiaK  nus, 

Uom9  «<&  im  Dneaewiihif  m  :  irkmantler  (II,  p. 

2S— M),  de«  aoeh  aas  aMwtr  •  ist.  —  Auch 


S*  aiedemi  ledearollen  ^  :,l'  «l*  r  Tcm- 

pelkrtaMT  im  Zeekmai  '   Reiten  ti  fni» 

•ch«fi  Aaftritiea. 

S)    Ich  beiMflM  f  >-•  Judaa  (im  Antchlumn  :>ii  j.  n 


«•I  spiU  UrehttelM  U,  -  aaeh  bc.  x  a.  bt.  ( Ura 

l)  ca  Aatniff  des  ^  i  Rchweti  Id  einer  Tra- 


gflrwMis  bcaatxt  w«r<i  ihn  nur  noch 

ohae  ■  .- ht«  voHQhrt. 


TcrgL  I^a^npea  8<r«a*'>^  Zar  komitcben  Fir> 

bOHr  Atr  iadearbl'  Lrehört  auch  jene« 


a  4mi  10  •  >umini  bei  Piohler 

PL  17,  aad  das  AU: 


184  Cap.  V,S3. 

dieser  Spiele  hinlänglich  erklärt.  —  Etwas  mehr  Komik  zei- 
gen wieder  die  Legendenspiele,  namentlich  die  aus  dem  15. 
Jahrhundert:  das  Juttenspiel  und  der  Thoophilus,  letzteres 
am  meisten  in  der  Trierer,  am  wenigsten  in  der  Helmstädter 
Recension.  —  Von  den  im  vorigen  §  erwähnten  Stoflfen  des 
alten  Testamentes  sei  noch  kurz  das  Wolfenbiittler  Denkmal 
wegen  der  humoristischen  Salomo-Scenen  >)  hier  genannt. 

Was  die  Teufe Isscenen  betrifft,  die  man  doch  wohl 
nicht  aus  Nachahmung  des  wirklichen  Lebens  herleiten  darf, 
so  würden  dieselben  theoretisch  zu  den  aus  den  Apocryphen 
des  N.T.  entlehnten  Spielmotiven 2)  zu  stellen  sein,  wenn  nicht 
diese  auf  deutschem  Gebiet  von  so  spärlicher  Zahl  wären,  das« 
sie  eine  eigene  Gruppirung  nicht  rechtfertigen  würden  3).  — 
Wir  verfolgen  zunächst  an  der  Hand  der  älteren  Denkmäler 
den  Hauptgang  der  Entwicklung.  Die  Benutzung  der  Apo- 
cryphen erweist  sich  überall  als  eine  sehr  discrete.  In  den 
Fragmenten  aus  Muri,  die  wohl  zuerst  uns  die  Höllenfahrt- 
scene  bieten ,  wird  nicht  Adam  und  Eva  noch  sonst  Eine 
der  Ev.  Nicodemi  C.  genannten  Personen  sondern  nur  eine 
jAnima'  *)  —  und  auf  dämonischer  Seite  nur  ein  ,DiaboIus' 
genannt.  Das  St.  Galler  Osterspiel  ^)  aber  bringt  mit  reiche- 
rer Anwendung  des  Cant.  triumphale  auch  die  Rollen  Adams 
und  Evas  zum  Vorschein.  Der  Diabolus  hat  sich  in  Lucifer 
gewandelt.  Wir  gehen  von  hier  zum  Wiener  Osterspiel  (bei 
Hofifmann)  über,  insofern  hier  der  Anschluss  noch  ziemlich 
deutlich  ist,    und  der  erste  Anfang  jener  im  engeren  Sinne 


i)    Vergl.  SchönemanDB  Ausgabe  des  ,SündenfaIl8*  p.  85—87. 

*)  Wenn  nicht  alle,  so  doch  die  überwiegend  meisten  Teufelser- 
Bcheinnngpn  im  geistl.  Spiel  werden  sich  als  aus  der  Höllenfabrtsscene 
der  Osterspieltrad.  entlehnt  darstellen,  diese  beruht  aber  wieder  auf 
Ev.  Nicodemi  c.  XX  flf. 

3)  Als  solche  vereinzelte  Griffe  in  die  Apokryphen  nenne  ich 
die  Obstetrices  im  Freisinger  Offiz  (Cap.  I,  §  2),  die  Wahl  Josephs 
zu  Maria's  Gemahl  im  Spiel  aus  Eger.  (Vergl.  Germania  III,  p.  271). — 
In  epischen  Behandlungen  des  Lebens  Jesu  werden  die  Apokryphen 
weit  mehr  verwertet:  z.  B.  in  der  Kindheit  Jesu  bei  Hahn  Ged.  des 
XII.  Jahrh.,  in  der  ürstende  ebendort. 

^)  So  lese  ich  für  das  Animal  des  Textes  (Germ.  VIII),  dessen 
Schlussbuchstab  vielleicht  als  Abbrev.  von  loquitur  zu  fassen. 

5)    VergL  Schausp.  des  MA.  I,  124—126. 


Ci^»-  V,  S  3.  185 

komischen  Richtong  die  wir  bald  näher  beleuchten  werden, 
erbalten  zu  sein  scheint.  Als  Vertreter  der  Patriarchen  ge- 
nügten der  Spieltrad.  Adam  und  Eva,  doch  führte  sie  wieder 
eine  unbenannnte  Anima  ein,  zur  Andeutung  jener  Seelen,  die 
in  der  Vorhölle  weilend  kaum  recht  der  Erlösung  würdig 
■cheinea  mochten.  So  wird  denn  auch  diese  Anima  von  Sa- 
tan dtr  bier  nnn  als  Lucifers  rechte  Hand  erscheint,  am  Fort- 
gdben  Terfaindert  und  nur  durch  St.  Michaels  Einschreiten 
wieder  befreit.  Als  dritter  Teufel  erscheint  hier  nun  Beelze- 
bub, der  franz.  Spieltrad.  weit  geläufiger  als  der  unsrigen  i). 
Wenden  wir  nns  zum  Innsbrucker  Osterspiel  das  der  Zeit 
Mich  aUerdings  älter,  so  erscheint  hier  die  Sceneriein  ähnlicher 
Bklitang,  doeh  weit  reicher.  Die  unglückliche  Anima  kann 
bier  tcbon  nicht  mehr  entrinnen,  und  nachdem  sie  von  Satan 
surückgebracht,  erlässt  Lucifer  jenen  grossen  Tagesbefehl  ') 
an  seine  Knechte,  die  Hölle  für  den  erlittenen  Verlust  schad- 
los zu  halten.  Wenn  wir  oben  3)  die  nun  folgende  Scene  in 
watoher  Moha  Seelm  der  Beihe  nach,  wie  sie  von  Satan  ein- 
gdnadit  werden,  ror  haöfer  ihre  Sünden  bekennen,  als  eine 
üeriehtMene  des  HöUenrürsten  gefasst  haben,  so  war  dieser 
AMdmdE  hier  vielleicht  noch  nicht  ganz  am  Ort,  da  die  See- 
leo sieb  mehr  in  humoristischer  Weise  dem  Publicum  als  ei- 
•ea  geförchteten  Richter  vorzustellen  scheinen.  Lucifer  ur- 
theilt  auch  nar  über  die  letzte  der  Seelen  und  zwar  dahin, 
sie  frei  zu  lassen.  Sehr  wichtig  ist  die  schliesslich  noch  fol- 
gende Klage  Lucifers  über  jenen  Hochmuth,  der  ihn  zum 
Fall  gebracht.  Ein  Spielmotiv  das  hier  freilich  in  die  Oeoo- 
nomie  noch  nicht  recht  eingefügt  ist 

Gerade  die  Teufelsseenen  siod   es   worin  das  Redentiner 
Ostervpiet  dem  I  ker  am  nächsten  steht.     Hier  finden 

wir  freilich  fQr  Luv..^.   und  Satan  ,  die  Letzterrm   genfigten, 
^oe  ziemliche  Menge  von  Dämonen  *),  und  die  Handlung  ist 

*}    Abi  dl«  ^rag«|    wi«  weit   '«uh   ui    di'ii  Ti-ufTrlftacctirn  /udhiii- 
smahsiif  siH  dm  frsss.  8elMea|>i<-l  ni^'t,  v«ir<l  »|>iit<r  rinK'<i:!^i>^' o- 

S)    ▼«fft  AMd.  fleheesfu  p.  11''  untoi  l.io  r.'o  otia. 

t\    Cup.  n,  f  4.  (Za  Aafuiffi. 

»«■ptoobsa  ia  EtteiAUsm  Astgsb«  dss  Spiels  to«  der  UpiCaa- 
«Miio  p.  um,  XIX.  —  Blatt  der  WHsskiea  Iber  LaoUtr  wir«  fr*i> 
lldi  9tm  Biawds  saf  J«.  XIV,  11-15,  wslshe  Stelle  (efgenUich  »uf 


186  Cap.  V,  S  3. 

weit  lebhafter,  indem  sie  ebensosehr  im  tragischen  wie  komi- 
schen Pathos  *)  gesteigert  ist.  Aber  der  Anschluss  an  den 
Innsbrucker  oder  einen  sehr  ähnlichen  Text  liegt  ausser  Zwei- 
fel. Die  vor  Lucifers  Thron  geführten  Seelen  entsprechen 
ziemlich  genau  den  bezügl.  Rollen  der  Vorlage  2)  und  hier 
übt  nun  Lucifer  wirklich  ein  tragikomisches  Richteramt,  das 
sich  nach  dem  Schreck,  welchen  ihm  der  Sacerdos  freilich  ein- 
geflösst,  doch  mehr  in  einen  nackten  Rachedurst  für  die  ihm 
unwiederbringlich  verlorene  Glückseligkeit  wandelt  3),  und  zum 
Schluss  wenn  auch  nicht  ganz  lächerlich  gemacht,  doch  mit 
Spott  von  den  eigenen  Leuten  nicht  verschont  wird.  Diese 
Ausgestaltung  der  Teufelsscenen  muss  freilich  fast  als  Eigen- 
thum  des  Redentiner  Redactors  gelten.  Einen  ganz  andern 
Weg  zur  würdigen  Inscenirung  der  Höllenfahrt  schlug  das 
Alsfelder  Spiel  ein,  insofern  es  den  (nach  dem  Spielusus  be- 
reits erstandenen)  Christus  das  Richteramt  über  die  Seelen  in 
der  Vorhölle  üben  lässt^),  mit  Anlehnung  wahrscheinlich  an 
den  Gebrauch  der  Weltgerichtspiele.  Durch  die  Beschränkung 
der  humoristisch -dämonischen  Elemente  in  der  Höllenfahrt- 
scene  sah  sich  nun  freilich  der  Redactor  veranlasst  eine  zweite 
Teufelsscene  vor  den  ursprünglichen  Anfang  des  Stückes  (das 
Auftreten  des  Teufels)  zu  schieben ,  worin  nur  im  allgemeinen 
der  Verdruss  der  Teufel  über  Christi  Unschuld  und  der  Plan 
ihn  zu  verderben  mit  ziemlicher  Breite  variirt  wird.  —  Doch 
ist  es  Zeit,  dass  wir  das  Eindringen  der  Teufelsscenen  auch 
in  die  anderen  Spielkreise,  wie  es  schon  im  MA.  anfing  kurz 
bezeichnen,  ehe  wir  in  unserer  Betrachtung  fortgehen. 

den  Fall  Babels  gehend)  auf  den  Sturz  eines  Lichtengels  gedeutet 
ward,  am  Platz  gewesen. 

1)  Als  Beispiel  einer  höchst  drastischen  Komik  hebe  ich  den 
Streit  zwischen  den  Teufeln  und  Joh.  Bapstista  bei  Mone  II,  p.  66 
hervor  —  als  trag.  Pathos  fasse  ich  jene  streng  ethische  Richtung, 
(wie  sie  namentlich  Prolog  Mone  11,  p.  83)  und  Epilog  (a.  a.  0.  p. 
106)  unverhüllt  darlegen. 

2)  Es  ward  dies  schon  Cap.  II,  §  4  erörtert. 

3)  Lucifers  eigne  Qual,  die  er  im  Insbrucker  Spiel  noch  in  fast 
elegischem  Ton  schildert  (Altd.  Seh.  p.  121)  ist  hier  zur  Motivirung 
seines  Menschenhasses  (Seh.  d.  MA.  II,  p.  103)  gebraucht  —  ein  sehr 
glücklicher  Griff. 

4)  Vergl.  Haupte  Zeitschr.  III,  p.  616. 


Cap.  v,§3.  ler 

Was  das  Weihnachtsspiel  betrifft,  so  werden  2 war  nicht 
die  Diaboli,  welche  schon  der  Benedict-Reurer  Ludus  kennte 
wohl  aber  die  unter  Lucifers  Leitung  stehenden  Höllengeister 
im  Tui  dorhwiiirhrn  Weihnachtsspiel  die  ihren  Verdniss  über 
Christi  Geburt  bekunden,  als  Geschöpfe  der  0^  'radition 

gelten  mSasen.     Schon  ihre  Namen  und  Aebn cn  in  der 

Phraseologie  M  fuhren  darauf.  —  Bei  den  Frohnleichnams- 
^pielen  liegt  die  Entlehnung  der  Teufelsscenen,  wo  solche  Tor- 
kommen  auf  der  Hand.  —  Im  älteren  Mühlbäuser  Text  des 
sehn  Jungfrauen  Spiels  ist  die  Anklage  der  Thörichten  durch 
LncUer  >),  als  eine  Variation  jenes  beim  Redentiner  Spiel  her- 
Torgehobenen  MoUts  zu  betrachten,  wonach  die  Schuld  und 
Strafe  der  Teufel  mit  jener  der  Menschen  in  steter  Verbin- 
dung bleibt  '>  —  Aus  dem  Legendencyclus  kommt  nament- 
lich das  Juttenspiel  und  der  Theophilus  in  Betracht.  Wenn 
soch  die  Teufel  hier  (zumal  im  Theophilus)  schon  in  der 
Ueberlieferung  sich  fanden,  so  zeigt  doch  die  Behandlung  wie- 
der die  vom  Osterspiel  angegebene  Richtung  *).  Es  bleibt 
noch  fibrig  die  in  §§  1  und  2  dieses  Capitels  erörterten 
SI&oIm  in  Betracht  zu  ziehen.  Wenn  wir  hier  wohl  dem 
Sftndenfall  (bei  welchem  die  Rolle  der  Schlange 

8*than  zufiel)  ')  noch  den  Fall  Lucifers  aus  dem  Stande 


I)    Tcrgl.  .-^cnnui-n  Betprecbang  dcfl  Stücket  Germania  XY,  878. 

>)    Yergl-  L.  Bccbstrint  Atunrabe  p.  25. 

*)    EiDcraeiU  trei*  '  m   zur   VerfiihniDg   Anderer: 

di«M  TenB«brt  aber  »■  xcntqualcn,     and    so  dringt 

er  wied«nni  aaf  Bsttrafting  der  wenn  auch  durch  ihn ,  doch  nicht 
ohne  eigwM  Schald  T«rAhri«n  Seslea. 

*)  T«ff L  na— BtKch  Stellen,  wo  Jotta'i  Seele  (im  Text  bei  Kel- 
Itr  II,  9M  1)  thtm  aaeh  dareh  8i.  MicIumI  befreit  wird,  wie  die  Ani- 
«a  im  Wiaacr  OsUrspisl  (Fsadgnibsa  ü,  806).  W&hrend  hier  lich 
4is  Teaftl  bersUfca,  apHoht  gl^eb«  Rael^r  aich  Tbeoph.  v.  446  f. 
(Bloekell.  B««.)  vnd  R«d«niiner  Spiel  fed  Müne)  v.  10&2  f.  f=r  Seh.  d. 
MA.  II,  108)  au. 

S)  80  weaigalaaa  im  bpi«;i  »um  ^,<gcr.  ^«icnn.  lil,  p.  2t)i^)  uud  bot 
8ekr6«r  (D.  WtihaaehtMp.  a.  Uafsra  p.  40).  —  Im  WoUenbfiltUr 
.Miirtsalitr  hriwt  ••  (p.  80  salea):  Lsoifar  intrat  |»anuli«am  ei  aa< 
wtmiik  srborwa  ei  didi  aerp^nt  in  sp«««  Yirgini*. —  In  «iasBi 
•dbwad.  Drama  dta  XVI.   7  rgl.   Ljungren  St.  Draa.  p.  168) 

m:    Bsshsbab  baacL..^^;  ..^b  in  ein  M&dchen  la  waadaln, 

gaki  sa  aa  Jbra. 


188  Cap.  V,§3. 

eines  Lichtengels  in  den  eines  Teufels  i)  vorangehen  gehen, 
so  ist  es  wohl  nicht  unerlaubt  sich  wiederum  an  die  Muno> 
löge  Lucifers  in  der  HöUenfahrtsscene,  worin  er  ja  jenen  Fall 
bedauert  zu  erinnern  *).  —  Nach  diesem  Rückblick  verfolgen 
wir  die  Entwicklung  der  Teufelsscenen  vom  16.  Jahrhundert 
an  weiter.  Was  zunächst  das  Zeitalter  der  Reformation  be- 
trifft, so  konnten  Katholiken  wie  Protestanten  gleichwenig  den 
Teufelskram  entbehren.  Nicht  nur  im  Weihnachtsspiel  sind 
sie  mit  ihren  derben  Spässen  oft  genug  zur  Hand,  sondern 
überall,  im  echt  katholischen  Leben  des  h.  Meinrad  wie  in 
der  Hochzeit  zu  Kana  eines  Paul  Rebhuhn  (wo  der  Eheteufel 
sich  hören  lässt)  sind  sie  die  unentbehrlichen  Gehülfen  des 
geistlichen  Dramatikers.  Nach  jener  derben  Ausbildung  der 
Teufelsscenen  im  16.  folgte  noch  ärgere  Geschmacksverirrung 
im  17.  Jahrh.3),  worauf  aber  bald  eine  Reaction  erfolgte,  wel- 
che denn  dem  jetzt  üblichen  Ammergauer  Text  (also  in  dem 
einzigen  noch  lebenden  Passionsosterspiel)  das  völlige  Schwin- 
den der  Teufelsscenen,  welche  der  Osterspieltradition  so  lange 
wesentlich  waren,  zur  Folge  hatte.  Hingegen  hat  sich  im 
Oberuferer  Weihnachtsspiel  noch  die  Spur  der  Teufel  unver- 
wischt  erhalten,  nur  dass  sie  hier  zu  gutmüthigen  Schelmen 
hinabgesunken,  die  überall  im  Wege  stehen,  auch  wohl  ein- 
mal sich  nützlich  machen  *)  ohne  der  Handlung  noch  erheb- 
lich anzugehören.  Wenn  hier  also  Teufel-  und  Spassmacher- 
rolle  in  Eins  gerathen,  so  würde  man  doch  sehr  fehl  greifen 
schon  den  Teufel  der  älteren  Spieltradition  als  einen  , Hans- 
wurst des  MA.'  zu  bezeichnen.  Als  Beleg  dient  hier  nament- 
lich die  Luciferrolle  mit  ihrer    so  tief  tragischen  Motivirung. 


>)  Dabei  ward  namentlich  in  dem  Zuge ,  dass  Lucifer  als  Zeichen 
des  Hochmuts  fieincn  Stuhl  im  höchsten  Himmel  aufgerichtet,  wieder 
Jes.  XIV,  13,  14  ausgebeutet. 

»)  Vergl.  Altd.  Öchausp.  p.  121,  Schausp.  d.  MA.  U,  102,  103.  — 
Von  hier  aus  rückwärts  gehend  gelangte  man  zur  wirklichen  Darstel- 
lung der  Verstossurg  Lucifers  aus  dem  Himmel.  Vergl.  hier  nament- 
lich auch  noch  Germ.  IV,  p.  342  (unten). 

^)  Ich  verweise  zunächst  auf  Clarus:  Das  Passions -Spiel  in  Ob. 
Ammergau  p.  69  Anm.,  der  dann  wo!  imf  Gervimis  f(ic8ch.  der  deut. 
Dicht.  III,  443)  fusst. 

*)  >«ur  den  Herodes  holen  sie  hciuif^Mitii  m  burlesktr  Weise 
zur  Hölle.    (Schröer  p.  121,  112;  vergl.  vorher  p.  119,  p.  SO,  p.  12). 


Cap.  V,  §.  3-  189 

Noch  das  Puppenspiel  tod  Faust,  das  bis  in  den  Anfang  die- 
ses Jahrb.  sich  in  Uebung  erhielt,  lasst  die  ältere  Zeichnung 
der  Dämonen  wohl  erkennen :  so  kurzweilig  diese  Käuze  sich 
gdegentlich  auch  stellen,  so  schlimm  spielen  sie  schliesslich 
dOB  Menschen  mit,  der  gegen  die  Warnung  seines  guten 
Odiles  ihnen  Gehör  schenkt.  Auch  zu  der  Bemerkung  mag 
WM  dieeee  pMMtqriel  noch  Anlass  geben,  dass  wie  hier  der 
gutmüthige  Schelm  Casperle,  sich  scharf  genug  von  den  Dä- 
BKUMfi  sondern  lisst,  so  auch  im  geisüichen  Spiel  die  komi- 
tehen  Rollen  (mögen  sie  indirect  oder  direct  als  solche  sich 
ankfiadigra)  i)  mit  den  Schaaren  der  Hölle  besser  unverwirrt 
Wm  uns  gleioiiwohi  berechtigt,  beide  Gattungen  hier 
einander  ta  betracbtm,  liegt  darin,  dass  wie  die  komi- 
schen Sceaoi  sich  nur  schmarotzerhaft  dem  biblischen  Text 
aufdrängten,  to  die  Teufelsscenen  einer  kanonischen  Grund- 
lage gans  entbehrend  ^)  und  nur  leicht  an  apokrjphische 
Quellen  sich  anlehnend,  gleich  jenen  ersteren  merkwürdigen 
finhwaaknngmi  der  ^^trad.  (welcher  hier  eben  der  rechte 
Halt  ÜBhhe)  mnteriagen.  Einerseits  nämhch  war  die  Wiilkühr 
in  Eioführung  und  Erweiterung  dieser  Spielelemente  3)  groat 
gMing,  andewruita  aber  ward  ans  Bed'  '  *>it  oder  ver- 

iadertem  Geechinck  dieeen  Richtungen  i^ateren  Ueber- 

arbeitem  der  Texte  oft  mit  schonungsloeer  Strenge  entgegen- 
fetreten.«) 


>)  In  rnterer  Besiebang  lind  der  Sdbenkrimer  ond  Umliobe 
BoUea,  di«  noch  eine  Art  Ankn&pfang  an  den  bibl.  Text  haben  —  in 
latotarar  dar  «Poaaeniack*  bei  Pichler  p.  26,  der  Narr  im  Lnxemer 
Oattnqpiel  bai  Mona  H,  418  o.  dieselbe  Rolle  in  St  Meinrads  Leben 


«)    Abgaachaa  nattHieb  von  der  miadatttrt  \IV,  II  f. 

S)    So  ward  in  da«  AlaCildar  Pmhl  Spial  no  tu  An- 

fu^  (bei  Uaapt  IIl,  490  t)  soi^tohat  von  sweitar  Uand  t.  862-469, 
daaa  ron  dritter  r"^'^ -'•->-  --^r«— •  fvergl.  p.  493  Not«):  im  fer- 
ntrtn  Veriaaf  iat  h  der  im  Wirnor  Oiterepiel 

okaa  Wailaraa  atagcachubea.    (Ycrgl.  Yilaar  a.  a.  0.  p.  479). 

4)     Kina  WlrJrrWaf ilivuntr   von  Tcurt^Iiarrnrn    w&rtl    von  Schröder 

vad  mir  an;. 

abaaao     ta    Hi<'gi'rM-'n<*n     int   ura   />iinjunginiu««naj>iriii: 
EwaUM  iil  loleba  Aaaaebaideag  ia  der  Obaraanaargnar  Hpi«*! 
(TergL  Claroa  p.  76). 


€'ap.   %l. 

Aufführung  und  Oeconomie  der  geistlichen  Spiele. 

Die  Äeusserlichkeiten  der  Aufiführung,  wenn  auch  von 
unserm  Standpunkte  aus  minder  wichtig,  als  manches  andere 
dürfen  doch  nicht  ganz  ühergangen  werden,  da  ihre  Kennt- 
niss  zum  Verständniss  des  geistlichen  Spiels  in  seiner  Eigen- 
thümlichkeit  nicht  unwesentlich  beiträgt,  um  das  ziemlich 
reiche  aber  sehr  zerstreute  Material,  was  uns  die  Spielordnungen 
namentlich  der  grösseren  Stücke  und  andere  Hülfsmittel  an 
die  Hand  geben,  einigermassen  zu  ordnen,  unterscheiden  wir 
zunächst  drei  Hauptperioden:  nämlich  eine  ältere,  eine 
mittlere  (die  dem  ausgehenden  MA.  entspricht)  und  eine 
letzte,  deren  Beginn  etwa  um  die  Reformationszeit  anzu- 
setzen ist.  Noch  bemerke  ich,  dass  das  Osterspiel  als  die 
wichtigste  Spiel-Gattung  vorwiegende  Berücksichtigung  finden 
wird. 


§  1.     Die  ältere  Periode. 

Auch  diese  wird  sich  uns  wieder  in  zwei  Theile  zerlegen: 
einen  früheren,  in  dem  wir  die  Incunabeln  des  geistl.  Spiels 
—  die  Zeit,  in  welcher  die  kirchlichen  Officien  für  die  Oster- 
nacht, für  den  6.  Jan.,  28.  und  25.  Dec.  nur  als  freiere  Formen 
des  Kirchenritus  •)  erscheinen,  und  selbst  die  Anwesenheit  der 
Laien-Gemeinde  bei  ihrer  Darstellung  oft  zweifelhaft  bleibt  2), 


))  Kaum  vor  dem  XI.  Jahrb.,  dann  wol  zuerst  in  Klöstern  alB 
freie  Andachtsübung  aufgekommen.     Vergl.  Mone  I,  10. 

2)  Schon  die  Betrachtung  dieser  ältesten  Betspiele  selbst  fuhrt 
darauf:  ausdrückliche  Zeugnisse  wie  jenes  Edict  der  Wormser  Syno- 
de von  1316.  (cf  Fundgr.  II,  242  Anm.  6)  kommen  hinzu. 


C«p.V,S.  1.  191 

—  bttnditeii,  und  «aea  qiitern ,  iDdem  wir  alle  die  Fälle 
r***Tf*Tnfniwii,  in  denen  Aufführung  an  kirchlichem  Ort,  doch 
■it  waehaender  Berückaicbtiguof;  der  Tbeiloahme  des  Laien- 
■taodaa,  noch  mit  aiiügsr  SialMrIieit  anaonebmen  nt  Eine  itreng 
cbronologiaebe  Scheidang  würde  undurchführbar  sein :  auch 
walten  andre  Bedii^Dgen  fast  in  jedem  einaelnen  Spielkreise. 

Fir  daa  Osler^>iel  kommen  naidiat  wieder  jene  beiden 
Stellen  Gerberts  in  Betracht,  die  wir  (nach  Mone  I,  7  n.  9) 
AJt  alter  Kloeterritos  wird  angeführt,  ohne  be- 
ZeitoBgihe,  Fönendes:  Dno  sacerdotes  i)  se  cappis 
indount,  wiiaeiitwi  dno  tburibula  et  humeraria*in  capita  po- 
nant  iatrantea  cbomm  >),  panlati  •  s  versus  sepulchrom, 

fooe  nediocri  cantantes:  qnis  riN  nobis  lapidem?   qnoe 

diaoonoa,  qoi  debet  eese  retro  sepolchrum,  interroget  psallendo: 
qnem  qnaeritia?  deinde  illi:  Jesam  Nazarenum,  quibus  diaco- 
nas  respoodet:  a<Mi  est  bic  llox  incensent  3)  sepu Ichrum 
et  dioente  diaooao :  ite  nuntiate !  vertent  se  ad  cbomm  rema- 
aaper  gradam,  et  cantent  Surrexit  dominus  de  sepulchro 
ai  fiaem.  Finita  antipbona  domous  abbas  iucipiat:  te 
deaai  InadaMBsl  ia  medio  ante  altare,  mozque  campanae  so- 
aeatar  ia  aagalaribas  *}. 

Die  tweüe  Stelle  (einer  Züricher  Us.  toq  1260  entnom- 
men) lantet  so: 

Staates  (Mnlieres)  qaasi  in  oppoeito  angeli  devote  can- 
tant:  qois  revolvet,  angelns:  quem  quaeritis ,  mulieres:  Jhe- 
sam  Nazareoam,  angelns:  non  est  bic.  Mulieres  redeuntes  ver- 
sus locoai  itarionis  clerioorum  cantant :  ad  monementom,  quo 


*)  OelUr  »odi  ■xtcht—  «•  drei  Priester  tia,  vcr^t.  dl«  AbbU- 
dai«  bei  Maas  I,  a 

t)    Dalar  daa  ,Cbor*  sb  «{Man  KirdMBfaam  >  ,<-n6r 

biasrw .  oll  «rMrt«,  seeb  wol  durch  «bM  Gttt«rwaad  vom  Uanpt- 
Mhtff  fstr— s«<  AbsdibM  de*  OcbAadcs  m  venishea:  weaa  H.  B^i 
(Dm  frisiL  Habseip  d.  MA.  p.  16)  sa  dsa  mii  der  Orfel  vtrbaade- 
•M  tJegabiw  dsaki,   «>  ist  das  wol  Ar  diese  Utere   Periode  gaas 

*)  Es  bi  wol  ,iiiSBSiidset*  sa  versleba.  —  Wo  äeh  das  sspd- 
rlin»»  h44uA,  ist  aicbl  gaas  dsalliek 

*»ps«ss  belaNnUkb  ■■  Oloekso  (w«U  di«a«  ia  Nola  «rfim- 
•tr«  win  mUmi);  sof» lsr<s  ■ebsissa  gsfcplsilw^  oder  TbirsM  sa  bo> 


192  Cap.  VI,  §  1. 

ftoito  clerus  cantat  aliquaiituluin  remisse  antipbonam :  curre- 
bant  duo  simul,  et  interim  duo  antiquiores  et  honorabiliores 
canonici  casulati,  repraesentaturi  Petrum  et  Johannem,  quasi 
festinauter  vadunt  ad  altarc  niartyrum,  sed  junior  citius  se- 
niore,  et  ibi  duobus  candidissimis  linteis  ab  ipso  canonico,  an- 
gelum  repraesentante,  receptis,  ipsa  linteola  publice  reportan- 
168  ad  cleruni  et  ostendentes  cantant :  Cernitis  o  socii,  et 
statim  cborus  alta  voce  subjungeDs:  Te  deum  laudamus  in 
chorum  revertitur. 

Zur  Vergleichung  ist  auch  noch  eine  Stelle  Durand! 's 
(bei  Mone  I,  9)  in  Betracht  zu  ziehen  >),  welche  (a.  a.  0.  p. 
10)  die  nicht  fest  geregelte  Stellung  der  kirchlichen  Feier  be- 
zeugt. Welcher  Name  für  derartige  Osternaclitfeiern  üblich 
war,  steht  nicht  ganz  fest.  Oft  finden  wir  nur  üeberschriften 
wie  ,In  resurrectione'  oder  etwas  ausführlicher  ^):  in  einer 
dritten,  schon  mehrerwähnten  Stelle  Ger b er 1 8  3)  igt  von  ei- 
nem ,officium  sepulchri'  und  in  einem  auch  schon  herbei- 
gezognen Worraser  Synodalbeschluss  von  1316  "*)  von  einem 
,re8urrectioni8  mysterium'  die  Rede.  —  Die  fünf  (oder  vier) 
bei  Mone  I,  10 — 27  abgedruckten  Texte  sind  zu  jenen  Grund- 
rissen bei  Gerbert  gehalten,  fast  nur  durch  die  Hereinziehung 
kirchlicher  Hymnen  und  Verwertung  der  Sequenz  ,Victimae 
paschali'  5)  bereichert,  und  enthalten  auch  für  die  Inscenirung 
nicht  viel  neue  Winke  «).     Der  ganze  Text  ist  mit  Musiknoten 

•)  Hier  wird  das  sepulchrum  imaginarium  als  ausserhalb  des 
Chors  angedeutet:  solemni  proccssione  ad  aliq.  locum,  nbi  sp]».  iinnprin. 
eoaptatur  tendimus. 

2)     Vergl.  Mone  I,  p.  12,  p    15. 

»)    Vet.  Lit  Alem.  IX,  I,  3. 

*)  Vergl.  Fundgr.  II,  242  Anm.  6.  —  Meines  Wissens  die  einzige 
Stelle,  wo  sich  der  Ausdruck  ,my8terium'  für  eine  kirchliche  Auffüh- 
rung in  deutscher  Quelle  findet.  Gegen  die  von  Wackernagel  (Lit. 
Gesch.  p.  300)  beliebte  Schreibung  ,nii8terium'  sind  schon  von  Hase 
(GeistL  Schausp.  p.  41,  42)  gegründete  Bedenken  erhoben. 

5)  Wir  sehen  hier  von  der  Cap.  II,  §  1  geraachten  Unterschei- 
dung der  Sequenz  in  zwei  Theile  ab  und  begreifen  das  Ganze  unter 
jenem  Namen. 

*)  Am  meisten  ist  noch  der  Text  p.  16  —  18  nach  dieser  Seite 
hin  ausgestattet.  Vergl.  Mone  I,  p.  14.  —  Dass  selbst  Worterklärun- 
gen, wie  das  zu  Rabbi  gehörende  ,quod  dicitur  magister^  mit  den 
Rollen  vereinigt  wurden ,  scheint  nachMones  Anm.2(p.  17)  zu  schliessen. 


Otp.  VI,  5  1.  193 

überschrieben:  sicher  war  jedoch  der  Vortrag  der  HymDen 
ton  dem  des  Volgatatextes  und  einiger  Erweiterungen  dessel- 
ben etwas  Terschieden  —  ein  gehobenes  Recitativ  wird  für 
letzteren  wol  amgweicht  haben  ').  —  Vor  dem  letzten  der 
TOD  Mone  gefundenen  Osterfeiem  (I,  22,  23)  findet  sich  eine 
Notii  geringen  Wertes:  Anno  D.  1372  in  vig.  paschae  factum 
est  hoc  opus  *)  per  fratres  cet.  (Es  folgen  drei  Namen).  Ver- 
mutlich gaben  die  dort  genannten  Klosterbrüder  die  drei 
FniMoroUen,  die  im  Text  (wo  sie  zusammen  sprechen  oder 
mgan)  «b  «OmoM  tres'  bezeichnet  werden:  die  Engelsrollen 
werden  wol  wieder  ron  Diakonen  (wie  Mone  I,  7),  die  Domi- 
nicft  persona  wol  nur  Tom  Abt  oder  Praelaten  selbst  Torge- 
stellL  — 

Von  besonderm  Interesse  ist  die  Spielordnung  der  Klo- 
ster-Neuburger  Osterfeier,  deren  Anfang  ich  hersetze: 
In  sancta  nocte  antequam  sonentur  matutinae  Praelatus  ali- 
quibus  sibi  adjunctis  corpus  Dominicum  et  crucem  de  sepul- 
chro  iollant  cum  dcTotione  et  reverentia,  aspergentes  et  ado- 
lentee  ea  ac  canentes  sub  silentio  Rcsponsorium  ,Surrexit 
peetor  bonns*  oet  —  Deinde  hos  psalmos  cantent  , Domine 
cognosti  me*  cet  —  Quando  debet  secundo  yisitari  sepul- 
cbrum  ')  cantatiir  Respons.  ,Dum  transisset  sabbatumS  Sic 
que  ut  mos  habet  sepulcbrum  tisitatur,  ibique  clero  in  duos 
ordinet  diriso  nt  fieri  solet  in  choro  cantores  imponant  hanc 
antiphonam  ^Maria  Magdalena*  cet.  Tunc  tres  presbyteri  ad 
hoc  officium  dispottti  portanies  thuribula  *)  et  quae  seq. 

I)    Aadtn  iamni  noh  Mone  I,  6. 

>)    G«gca  dia  von  Mcnw  (L,  23)    und  R«idt  aus  dicvero  Ausdruck 

-.-paofnca Fol(«rvngCB  wt  acbon  früher Vvrwshning  eingelegt:  schwer* 

dl  «IrdcB  Midi  die  drei  Kamen  der  Mönche  ««^rxfichnet  sein,  wenn 

iie  Feier  ia  bkteee«  Oeeuf  obn«  Aetkm  beeUnden  bitte.    Deee  aber 

(Mtam  est*  aielit  aaf  die  AMumng  des  Textes  gehn  kann,  riamt 


t)  Diee  atduiurbe  Beenehea  dee  Orabee  iei  hier  naaMntUok  sa 
bcsBcrkca:  bei  dem  rrticn  Male  ist  der  Cbarmcter  ein  mehr  itrenf- 
kärehlieher,  and  hier  wol  eckwerUck  irfend  welche  (sei  es  eu-*  -::- 
tneehaaeadc)  Tkeilaekme  von  Ljüen  easnnekmen. 

«)    Im  Weiteren  scklieeet  sick  das  SlAck  der  uns  bekannten  Weise 

ea:  Ar  die  Bolle  dee  Eofele  wird  vorgeeekriebea,  Diaoomis  eotomai 

et  alba  veste  Yestttas  intra  aepnlcknnn  reatdene  komili  (voce)  re^M»* 

i7  eei. 

18 


994  Cap.  VI,  §  1. 

Bezüglich  derWeihnachtszeit  sind  wir  aus  unsern  äl- 
testen Denkmälern  weit  weniger  im  Stande,  die  AufTührungen 
mit  einiger  Klarheit  zu  ersehn:  doch  kommen  uns  hier  die 
verwandten  gallikanischen  Ülhcien  zu  Statten.  Indem  ich 
diesmal  von  der  uns  geläufigeren  Folge  der  Festtage  ausgehe, 
hahe  ich  zugleich  Gelegenheit,  die  einfach- älteste  Gestalt  der 
24.  Decemberfeier,  für  die  ich  Cap.  I,  §  2  nur  die  etwas  mo- 
dernisirte  Form  bei  Gerbert  (Lit.  Alem.  IX,  I.  3)  beibrachte, 
aus  den  Freisinger  Stücken  selbst  auf  kritischem  Wege  her- 
zustellen 1). 

(Angelus)  inquit  inprimis: 

Pastores  annuntio  vobis  gaudium  magnum. 

(Pastores) 
Transeamus  Bethlehem  et  viedeamus  hoc  verbum. 

Angeli  2) 
Gloria  in  excelsis  Deo   et  in   terra  pax  hominibus  bo- 
nae  voluntatis! 

Chorus  dicat. 
Pastores  dicite,  quidnam  vidistis? 
Respondeant  pastores. 
lufantem  vidimus  pannis  involutum.  — 
Hiermit  mag  man  eine  Spielordnung  vergleichen,  die  das 
OflBce  des  Pasteurs  (aus  lioueu,  IIs.  des  XIV.  Jahrh.)  bei  Du 
Meril  (p.  147  f.)  an   die   Hand   giebt.     Es  heisst  dort:   Prae- 
sepe  sit  paratura  retro  altare.   et  imago   S.  Mariae  sit  in  eo 
posita.     In  primis  quidam   puer  ante  chorum   in  excelso,   in 
similitudinem  Angeli,  nativitatem  Domini  annuntiet  ad  quin- 

que  canonicos, Pastores  intrantes  per  magnum  ostium 

cbori,  per  medium  chorum  transeuntes,  tunicis  et  amictis  in- 
datos,  hunc  versum  ita  dicens  ,Nolite  timere'  cet  3)  —  Sint 


1)  Vergl.  Woinhold  Weihn.  Sp.  p.  56  f. 

2)  Vergl.  Weinh.  p.  62,  wo  die  Bez.  der  Rolle  richtiger,  woge- 
gen der  Text  p,  56  vollständiger  steht.  Für  den  Scbluss  war  wieder 
p.  62  Torzuziebn. 

3)  Ev.  Luc.  II,  10—12.  —  Die  Belege  für  die  übrigen  Antipho- 
nen bei  Du  Meril.  —  Einfacher  und  älter  scheint  übrigens  jene  Ver- 
sion, die  der  franz.  Gelehrte  ala  ,addition'  bezeichnet,  wo  nach  einem 
wol  kurzen  Eingange  so  fort  gefahren  wird:  Tunc  pastores  gradiantur 
per  chorum,     in    manibus  baculos   portantes   et  cantantes   usque   ad 


Cap.  V]     §  1.  195 

phir«s  paeri  in  toIUs  Ecdesiae,  quasi  Aogeli,  qui  alta  voce 
inctpiant  «Gloria  cet'  Haec  audientes  Pastores  ad  locum  in 
,uo  paratum  est  praesepe  accedant  ,cantantes  bunc  versum 
Fax  in  terris'  totum.  Quod  dum  intraverint  *),  duo  Presbyteri 
dalmaticati ,  de  majori  sede  ,  quasi  Obstetrices ,  qui  ad  prae- 
sepe fuerint,  dicant.  Quem  quaeritis?  cet.  Pastores  respon- 
deant  «SalTatorem  Chhstnm*  cet.  Item  Obstetrices,  cortinam 
aperieates  '),  Puerum  demonstrent  dicentes  ,Adest  bic  parvu- 
lot*  cet.  [Hie  ostendant  matrem  Pueri  dicentes  ,Ecce  virgo'.] 
Tunc  eo  viso  inclinatit  cerricibus  adorent  Puerum  (Pastores), 
[et  salutent  (virginem)  dicentes  ,Salve  virgo  singularis']  Deinde 
Tertant  se  ad  cborum  ,redeuntes  et  dicentes:  AUeluja,  All.  — 
jam  Tere  •dmot  cet.  Hoc  finito  incipiatur  missa  et  Pastores 
regant  cborum.    —    Die  F  ingeu  aus  jener  einfacbsten 

Form  die  wir  oben  bing«-  i)en,  sind  dudurcb  besonders 

merkw&rdig,  dass  sie  das  Hirtenoffiz  dem  Dreikönigsoffiz  in 
der  Weise  nahe  rücken,  dass  eine  Entlebnung  sieber  bier 
oder  dort  stattgefunden  hat  3).  Zum  Belege  geben  wir  die 
Spielordnung  eines  Ton  Da  Meril  (p.  153)  als  office  de  TEtoile 
ebeaCalU  aus  Rouen  mitgetbeilten  Denkmals,  dessen  Text  fast 
▼öUig  mit  jenem  alte«"'""  P-'^tandtbeil  des  Freisinger  Dreikö- 
nigtoflliet  sutammen  Sie  lautet  so:  Die  Epipbaniae, 

i  cantata,  tres  (Clenci)  de  majori  sede,  more  Ilegum  in- 
iuu  (et  debent  esse  scripti  in  tabula)  ex  tribus  partibus  ante 
altare  oooTeniaot  cum  suis  famulis,  portautibus  Regum  obla^- 
tiooea  '),  indutis  tunicis  et  amictis  (et  debent  esse  de  secunda 
Mde  scripti  in  tabula  ad  placitum  scriptoris).  Ex  tribus  re- 
gibos  nedios,  ab  Oriente  veniens  stellam  cum  baculo  osten- 
deo«,  dicat  alte  «StelU  fulgore*  Secnndiia  res  a  dextra  parte 


Ckhaii  prw^ri-«»,   Tran««aiDut  tu  Itilhirbtm  nt.    Uli     \    :     :.:  t.  .■    duo 

CWnci  in  praptrpr  r»nl«-f.(  •  (^■^fm  <\n■^''^t^:<^'*  rrt    — 

i)  In*  Brz.  df  H' 

')  Der  AoAtlruck  » — i  ..    -, 

')  iCioiK«  (»runde  dir  (ikr  da»  kotier«  Alt«r  der  Dr« 
«prvcbcn ,   «lod  »chon  früher  dargeUft. 

*)  btn  >cl»  im  AlMlruck  («p.  1,  |  2  daroh  grbmmtn  ß»t 

•)    Di«M  «erden   im  WeiMafw  Oflb  (bei  W^i&botd  t> 
,|rarri  in  prccertoas  Regaa*  besekhaeL 


196  Cap.  VT,  §  1. 

respondeat  ,quae  regemV  —  Tertiu»  rex  a  sinistra  parte  di- 
cat  ,Quem  venturum'.  —  Tunc  Magi  ante  altare  sese  osculeu- 
tur  et  simul  cantent  ,Eamu8  ergo'.  Quo  tinito  cantor  inci- 
piat  ,Magi  veniunt'.  Et  nioveat  processio.  (Cantetur)  versus 
,cuin  natus'.  Sequatur  aliud  responsorium  si  necesse  fuerit 
Jnterrogabat  Magos'  'J.  Processione  in  navi  ecclesiae  consti- 
tuta,  Stationen!  faciant.  Dum  autem  processio  navem  ec- 
clesiae intrarej  coe2)erit,  Corona  ante  crucem  pendens  in  mo- 
dum  stellae  (accen^atur)  et  Magi,  stellam  ostendentes  (cum 
baculis),  ad  imaginem  sanctae  Mariae  super  altare  crucis 
prius  positam,  cantantes  pergant  ,Ecce  Stella'.  Hoc  finito 
duo  de  Majori  sede,  cum  dalmaticis,  ex  utraque  parte  altaris 
stantes,  suaviter  respondeant  ,Qui  sunt'.  Magi  respondeant. 
,Nos  sumus'.  Tunc  duo  Dalmaticati  aperientes  cortinam  2), 
dicant :  ,Ecce  Puer  adest'.  Tunc  procidentes  Reges  ad  ter- 
ram,  simul  salutent  Puerum,  ita  dicentcs  , Salve  princeps'. 
Tunc  unus  a  suo  famulo  aurum  accipiat,  et  dicat  ,Suscipe, 
rex'  —  Et  offerat.  Secundus  rex  ita  dicat  et  oflferat.  ,Tolle 
t(h)u8'.  Tertius  ita  dicat  et  aflferat  —  ,Myrrham  signum'. 
Interim  fiant  oblationes  a  Clero  et  Populo.  Tunc ,  Magis 
orantibus  et  quasi  somno  sopitis ,  quidani  Puer  alba  indutus 
et  quasi  Ängelus,  in  pulpito  illis  dicat  banc  antiphonam,  Im- 
pleta  sunt'.  Hoc  finito,  Reges  recedant  per  alam  ecclesiae 
ante  fontes,  et  intrent  chorum  per  ostiuni  sinistrum,  et  pro- 
cessio intret  chorum  sicut  consuetum  est  in  dominicis,  Cantore 
incipiente  hoc  responsorium.  ,Tria  sunt'.  Si  necesse  fuerit 
,Salutis'  3).  _ 


*)  An  Stelle  dieser  beiden  Respoiuorien  trat  dann  später  die 
Station  Jerusalem  mit  Herodes  und  seinen  Scribae,  wo  die  Magier  den 
Weg  zur  Krippe  erkundeten:  jener  secundäre  Bestand  des  Freisin- 
ger Oflizes,  der  in  kleinerem  Satz  Cap.  I,  §  2  noch  aufgenommen 
ward. 

1)  Weinhold,  der  p.  61,  52  dies  Ritaal  nach  Martene  De  ant 
Eccl.  rit.  Tom.  III,  L.  IV,  c.  14  (wo  es  sich  bereits  findet)  verdeutscht 
hat,  übersetzt:  indem  sie  den  Vorhang  zurückschlagen.  Da  ,cortina* 
nach  Ducange  aber  auch  =  pars  ecclesiae  lateralis  ist,  so  möchte 
ebensogut  an  das  Ocffnen  einer  Seitennische  oder  KapcU«  zu  dpnken 
sein. 

3)  Nacli  Marlt-m-  haben  bei  der  folgenden  Mihhc  dm  drei  Koni- 
ge den  Chor  zu  leiten,  im  ,OfSce  des  Pasteurs'  die  Pastores. 


Cmp.  IV,  S  1.  197 

Für  die  Ton  mir  Tertretene  Ansicht,  dass  die  Hirtenfeier 
MM  dem  Dreikönigsoffiz,  nicht  umgekehrt  entlehnt  habe, 
spricht  auch  noch  die  Dreizahl  der  Priester  im  Magier- ,  die 
FBafitahl  im  flirtenoffiz,  sowie  die  Anlage  des  ersten  Freisin- 
ger 8li«kM  >).  Dies  beginnt  im  rorliegenden  Text  mit  einer 
Art  Spielordnung,  die  neumirt  ist  >)  und  nach  Weinhold  (p. 
:>6)  so  lautet: 

Atoendat  Rez  et  sedeat  in  solio, 

Avdiat  sententiam  (de  no?o  rege  nato), 

Quaarat  consilium, 

Ezeat  «dictum  — 

Ut  perfeant)  continuo, 

Qai  (obtrectent  Regis)  imperiol  — 
Diese  Anweisung  bezieht  sich  also  (wenn  meine  Ergän- 
nug  des  zweiten  Verse«  S)  richtig  ist)  auf  das  Erscheinen  der 
Magier  Tor  d«m  König,  und  jenen  Plan  zum  Kindermord«, 
der  (in  einer  noch  recht  knappen  Weise  verglichen  mit  der 
Behandl.  p.  63,  64)  p.  61  Torliegt  Etwas  ausführlicher  ist 
die  SpielMdnang  des  andern  Freinnger  Stückes,  des  Ordo 
RecbeK«  —  doch  neht  man  nicht  kUr,  ob  und  wie  bei  Dar 
■telfauf  des  Kindennords  und  der  Rachelklage  (p.  64,  66) 
die  Kinderrollen  «elbet  Torgeftihrt  wurden:  dass  diese  nr- 
spräoglich  als  Innocentes  im  Gefolge  des  Agons  sogar  die 
Haopttriger  der  28.  Decemberfeier  waren,  ist  dem  Leser  er- 
innr-rlich,  und  verweise  ich  auf  die  schon  Cap.  I,  §  2  mitge- 
theilie  Spielordnuog  der  unsern>  f>f?i,  l  v.rwundten  Orleanner 
Interfectio  *). 


t)    Bshwsrlieli  wird«  bmui  hi«r  die  Hirteavcqrehnuif  noch  ia  gsiit 
infcnksr  WaiM  ■•«  eiafsfihH  habm»  waaa  dk  fbterlicka  Proessiiea 
mr  Krippa,  wie  d9  dk  Mafter  MNftkrva,  Eattebnang  mm  ömb  Of> 
Am  im  hmUmn  oder  «{mt  JhaHehen  Toriage  wir«. 

«)    Wt«  Ibtiteapl  die  bddea  Pr«tsiBter  Sticke  aooh  voHsttadig 

.«  «oWkc   iniiwsk— II .  anTerttAadlichn 

/  •manmmbm^f'.  ia  rythwiselief  B—.  «cnirn  eine  ongeAlir  gteicbe  Zahl 

nm  BebaafM  Ar  die  beide«  dardk  de«  Bei»  gebvodae«  Kob  das 

adf  BaaehtaagtwtH«.     Ftr  per  (eaai)  kAmt«  bmui  aaeh  periaiaa- 

>f  erttoMii.  der  SchlaM  katet  Ia  dar  TTi.  .uui  detrahaat  a|äa  iaipa> 


^j    «>^i  iii  «ärrii  y.  i7h)  ala  laaaaavrv  uw  mmüib 


198  Cap.  VI,  §  1. 

Von  der  Freisingor  Racbelklage  gehen  wir,  ohne  jedoch 
hier  irgend  einen  Zusammenhang  M  anzunehmen,  zu  den 
Marienklagen  über,  insofern  diese  nicht  nur  das  kirchliche 
Local  gern  beibehielten,  sondern  auch  bei  dem  hohen  Ernst 
der  Charfreitagsfeier  der  sie  direct  oder  indirect  sioh  anschlös- 
sen, einen  streng  kirchlichen  Character  lange  genug  sich  zu 
erhalten  geeignet  waren.  Wir  haben  zunächst  von  kleineren 
Bruchstücken  abgesehen,  hier  vier  Denkmäler  vor  Augen  2), 
deren  scenische  Angaben  freilich  bis  auf  das  letzte  Beispiel, 
die  Bordesholmer-Klage  so  dürftig  sind,  dass  sie  füglich 
nur  beiläufig  mit  der  Bordesholmer  Spielordnung,  die  wir  hier 
einrücken  3),  verglichen  werden  dürfen.  —  Incipit  planctus 
devotissimus  beatissimae  Mariae  virginis  cum  misericordissima 
et  devotissima  nota. 

Planctum  istum  facit  beata  virgo  Maria  cum  quatuor 
personis  devotis  devotissime  bona  sexta  feria  ante  prandium^) 
in  ecclesia  ante  chorum  in  loco  aliquantum  elevato  vel  extra 
ecclesiam  si  bona  est  aura.  planctus  ist«  non  est  ludus  nee 
ludibrium,  sed  est  planctus  et  fletus  et  pia  coropassio  Mariae 
virginis  gloriose  et  quando  cunque  fit  a  bonis  et  devotis  ho- 
minibus,  in  genere  sive   in  specie  valde  provocat  homines  cir- 


der  Spielordnang  wären  hier  die  getödteten  Kindlein  auf  den  Ruf 
der  Engel  ,Sinite  parvulos'  scheinbar  zum  Leben  zurückgekehrt,  und 
dann  mit  in  den  Chor  der  Engel  eingetreten. 

•)  Gelegentliche  Anklänge,  wie  die  Verwendung  von  Ps.  142,  4 
(Anxiatur  in  me  spir.  m.)  in  der  Orleanner  Interfectio  (cf.  Du  Meril 
p.  178)  und  einigen  deutschen  M. -Kl.  machen  Nichts  ans. 

5)  Die  oft  von  uns  besprochnen  Lichtenthaler  (bei  Mone  I),  Trie- 
rer (bei  Hofimann  Fundgr.  II),  Wolfenbüttler  (bei  Schönemann)  und 
Bordesholmer  M. -Kl.  —  Allen  diesen  schloss  sich  ein  Ludus  de  uocte 
paschae,  dessen  Aufführung  im  Wesentlichen  noch  an  die  alte  Oster- 
nachtfeier sich  anlehnen  durfte ,  an :  ist  aber  in  der  Lichtenthaler 
ond  Bordesholmer  Klage  nur  noch  spurweiae  erhalten,  wie  schon 
Cap.  II,  §  2  ausgeführt  ward. 

3)    Vergl.  HaupU  Zeitschr.  XIII,  288  f. 

<)  Oefter  wol  fand  die  Aufführung  der  Klage  am  Abend  der  Sex- 
ta Feria  statt,  so  heisst  es  Fundgr.  II,  260:  Incipit  jtlanctus  Mar.  virg., 
sextae  feriae  ultima  pars;  und  in  der  (wie  es  scheint  nicht  ganz  ge- 
sicherten) Ueberschrifl  der  Wolfenbüttler  M.-Kl.  (Schönemann  p.  129) : 
debet  cantari  post  Crox  fidelis  inter  omnes,  et  sie  finire  usque  ad 
vesperam  etc. 


<  ..,.   w.  §  1.  191 

curastttitM  ad  tonm  fletum  et  ad  corapassionem  sicut  facit 
semo  devotat  bona  sexta  feria  de  passione  domini  noetri 
Jhesa  Cbiitti,  ti  non  potest  fieri  bona  sexta  feria  oommodose 
proptar  wnMMMBi  de  passione  domini,  tunc  beata  virgo  faciat 
istnoi  planctum  antea  cum  suis,  sicnt  feria  socunda  post  do- 
minicam  palmanim  '),  ante  prandinm,  iste  plunctus  fit  coni- 
Bodoee  in  duabos  boris  et  media,  et  omnia  quae  tunc  fiunt 
ab  illis  quinque  personis  non  debent  fieri  cum  festinationc 
nee  nimia  mora,  sed  medio  et  bono  modo,  ilie  qui  est  Jhesus 
sit>)  deTotos  laoerdos,  Maria  juvenis,  Johannes  erangelista 
■■miiliii.  Maria  Magdalena  et  mater  Johannis  juveues.  Jiie- 
aos  debet  le  praeparare  cm  casnla  rubra,  Johannes  siniili 
BwdoL  JbesQS  et  JohaniMB  debent  bahero  diademata  de  pa- 
pjro,  diadema  Jhesa  babeat  rubram  crucem,  ante  et  retio. 
Maria  debet  se  praepare  com  vestibus,  sicut  Maria  Magdalena 
in  nocte  Pascbae.  Johannes  babeat  gladium  de  ligno  cum 
TSgina  quam  tenet  in  manu  cum  exit  cum  rigmo  suo  et  Jo- 
hannes  debet  saepius  tangere  cor  Mariae  vel  pectus  ejus,  et 
ema  ladt  actom  soom  3)  ttatim  deponit  gladium,  (jurcnis 
qaidam  beae  restitna  potest  ienere  gladium  cum  paiiuo  de 
serico  com  quo  beata  virgo  tegit  postea  lumbos  crucifixi;  do- 
minus Jhesus  cum  priroo  exit  cum  aliis  quatuor  personis,  de- 
vote portal  cmcem  in  manibus  suis,  (et  quum  cantavit  ver- 
sam.  Quoniam  tribulatio  proxima  est,  statim  deponit  cru- 
eem,  et  quum  faciunt  planctum  dominus  Jhesus  debet  habere 
cmcifixum  ante  se)  et  quandocunque  facit  actum,  tunc  crurem 
depooit  et  intrudit  crucifixutn  *),    beata   virgo   stat  a  ■}  —  '-■-. 


I)  Ums  tau  MoBtage  naeb  PahnannB  der  Semo  de  pMsioBc 
akbi  f  !>■■■  ward«,  bei  ■cbon  MUteahoiT  angraierkt. 

S)  Dm  ,««i*  der  B*.  ■ch«int  mu  dein  AnCuia  des  RaU««  irrig  wie- 
dmkokL 

I)    Wen  Ma  die  det.  3(N»>811)  beig««e- 

beaea  IfslisMi  vetvlnekt*  ao  idMini  Bär  die  Kuile  des  Juh.  vorire- 
•skriebMi,  6»m  «r  ealweder  das  Sebwert  in  lUm).  n  »>  huli.  n  fw«iiti 
er  aar  sa   cprecbea  brmticbt};   oder   denti  }ä.  habe 

(weaa  die  HeadJeng  diaee  lyaiboUecbe  iaterprciaiicn  riririi^n;  nd«r 
wdlicb  dac  Scbweri  aiederiegaa  aoU«,  wean  er  ta  At-tiim  tnit  d.  h. 
die  Anne  frei  bebco  oraae,  s.  &  nai  Marie  wieder  eufiahcli«n  (tw 
r.  ttl)  - 

«J    Uer  pRi«afoaist  teheiat  alM>  nrnm  beilife  Syaibole  ,Ki 


200  Cap.  VI,  S  1. 

Jbesu  Christi  cum  Maria  Magdalena,  Johannes  a  sinistris  cum 
inatrc  suu ,  virgo  Maria  quum  facit  actum  suum,  vadit  ad 
medium  et  aliquando  vertit  se  ad  filium  ad  orientem,  ali- 
quando  ad  occidentem,  aliquando  ad  aquiloncm,  aliquando  ad 
meridiem  cum  gladio  Symeonis  quem  teiiet  beatus  Johannes 
ante  pectus  ejus,  aliquando  beata  virgo  expandit  brachia  sua, 
aliquando  levat  manus  suas  ad  filium  cum  oculis  omnia  cum 
moderaminc,  quandoeunque  fecit  actum  suam,  vadit  ad  locum 
Buum  et  stat  a  dextris  simili  modo  faciunt  alii,  quum  ezeunt 
et  quum  intrant,  faciunt  tria  paria,  primo  exit  dominus  Jbe- 
8US  cum  cruce  cum  Johanne  evangelista,  post  hos  beata  virgo 
cum  Maria  Magdalena  ,  ultimo  mater  Johannis  cum  rectore, 
et  ille  incipit  psalmum.  Circumdcderunt  me  viri  mendaces, 
usque  ad  locum  praeparatum,  finito  psalmo  dominus  Jhesus 
cantat  solus  versum,  Quoniam  tribulatio  proxima  est  et  ver- 
tit faciem  ad  occidentem  sq.  unusquisque  dicat  rigmum  suum 
cum  devotione  plangendo  in  eadem  nota  et  tono  discreto. 

Hervor  zu  heben  bleibt  namentlich  noch,  wie  hier  nun 
zugleich  mit  dem  Eindringen  der  Volkssprache  in  den  Text  0 
auch  die  Absicht,  eine  tiefergehende  Wirkung  auf  das  Gemüt 
des  Volks  auszuüben ,  deutlich  hervortritt  2) :  das  geistliche 
Spiel  zeigt  von  nun  an  ausser  dem  symbolischen  oder  beredt 
repräsentativen  noch  einen  exegetischen  Character,  um  einer 


Crucifix*  gebraucht  zu  haben :  ersteres  war  von  ihm  ähnlich  zu  hand- 
haben wie  das  Schwert  von  Johannes.  Das  Crucifix  hatte  dann  wol 
von  v.  217  an  den  Erlöser  zu  repräsentiren ,  w^ährend  dem  dahinter 
stehenden  Priester  die  nöthigen  Reden  (das  jetzt  noch  in  der  Char- 
freitagsmesse  übliche  Popule  meus  und  die  sogen,  sieben  Worte)  zu« 
fielen.  —  Allerdings  ist  mir  das  ,quandocunque  facit  actum'  hier  nicht 
ganz  deutlich.  —  In  der  Wolfeubüttler  Marienklage,  welche  die  Hand- 
lung bis  zum  Begräbniss  ausdehnt,  heisst  es  vor  v.  366  Ilic  portant 
crucem  ad  sepulchrum.  Die  symbolische  Darstellung  behielt  ihr  Recht, 
auch  nachdem  die  Christusrolle  selbst  Eingang  gefunden  hatte. 

>)  Wo  lateinische  Texte  dem  deutschen  Rollentheil  nicht  voran- 
stehen (z.  B.  vor  der  Johannesrolle  v.  594  f.),  ist  jüngere  Abfassung 
deutlich:  ebenso  an  dem  von  Joh.  gesprochnen  Prolog  und  Epilog, 
obwol  ersterer  mit  dem  in  der  Charwoche  gelesenen  äermo  de  pas- 
sione  sich  einigermassen  verbinden  last. 

2)  Man  beachte  das  häufiger  (p.  304,  5,  12)  vorgeschriebene:  di- 
cit  (oder  vertit  sc}  ad  populum. 


Cip.  VI,  S  1.  201 

blon  oder  überwiegend  sinnlichen  Auffassung  der  Festfeier 
bei'm  zoacbaoenden  Volke  vorzubeugen.  Als  Exeget  tritt  in 
der  Bordesbohner  Klage  Johannes  der  Evangelist,  der  schon 
als  handelnde  Person  in  die  Spielordnung  gehörte,  nament- 
lich in  jenem  langen  die  Passionsgeschichte  zurückgreifend 
beleuchtenden  I^log  auf  (t.  1  —  131):  doch  auch  im  kürzeren 
Epilog  (T.  875— 886)  1)«  während  die  gelehrt -klerikale  Be- 
trachtung des  vorgeführten  Stoffes  sich  mehr  in  den  Rollen 
llagdalena's  und  Salome's  ausspricht  2).  —  Auch  in  der  sym- 
— triwben  Aufstellung  der  Spiel- Personen  ^)  und  jener  An- 
ordnung, daas  sie  nur  dann  ihren  bestimmten  Standort  ver- 
lassen und  im  ,medium'  d.  h.  auf  der  freien  Vorbühne  er- 
scheinen, wenn  ihre  Rolle  vorzügliche  Aufmerksamkeit  der 
Zuschauer  fordert,  sehen  wir  Keime,  die  in  der  zweiten  oder 
dritten  Periode  zur  reichen  Entwicklung  kommen  werden  *). 

Zum  zweiten  Abschnitt  unserer  älteren  Periode  gehören 
nun  vonognreits  die  synoptischen  Behandlungen  des  Weih- 
nathtUr  ud  Osier^els,  weniger  noch  durch  den  wachsenden 
KnflnsB  der  deutschen  Sprache  als  durch  das  Lindringen  un- 
kirchlicher Rollen  von  dem  Chararter  der  ersten  Periode  un- 
terschjedeo ,    während  der  Schauplatz  selbst  noch  innerhalb 


I)  An  den  Prolog  tchlietti  sich  die  Mahnung  an  die  Gemeinde, 
ein  SBdAohtig  Patemoater  und  Ave  Maria  zu  tprechen.  —  Nach 
d«ai  Epüof  hat  die  Johasnesrolle  noch  eine  Collect«  tu  sprechen, 
daaa  dco  Sagen  aosnitbeilen  an  das  Volk:  worauf  sich  unter  ei- 
nOB  BcapoosorivB  (vergl.  Tor  v.  831),  da«  den  ergreifendsten  Moment 
dar  T^Mtkr  moch  einmal  henrorbebt,  das  geistMeha  Spis^peraonal 
nam  Oeness  4m  heil.  Saerament«  an  den  Altar  begab. 

t)    TergL  v.  881  f.;  481  t;  M6  L  ~ 

9)  Sehon  in  dem  proeeseioBaartigen  Hiassg  der  Fsraoaen  sa  d«M 
AsflttraagMwC,  der  vor  den  Cber  (also  elwa  m  der  Oegead  des  Le- 
•epvlts,  wie  ee  sieh  seeh  noch  in  iltem  proiest  Kirehea  ftadel)  sieh 
lufcsd,  berffsehto  gsregeUe  Folge. 

«)  hssMrhia  war  die  Oskoaomie  hier  aoeh  so  etaCseh,  dsai  der 
.Rfselar*  wd  aar  ^  mAsHssks  Leiteag,  ■aaMailieh  das  Intoniren 
der  PMfaBea,  sieht  die  sssaisolw  Bcgis  sa  flbea  hatte.  —  Der  Test 
wvrde,  wie  die  Trierer  «ad  WolteabiUtler  Klsge,  s^on  aieht  mehr 
Ksas  gessagea,  aad  ist  swiselMm  toffssehriebaea  ,dieit*  and  «esBlalf 
m  — iwschsidfs.  ~  Die  Lidbteathaler  KL  (Maae  I,  81)  ist  weaaaaeh 
iis  Kolsa  ia  dar  Bs.  feUsa,  bsi  des  gldek0naigea  Ijriaehea  6tro> 
pbasBaas  d«eii  wahrsehsinlkih  gaas  gss«i4(SB  wofdmk 


ft»  Oap.  VI,  §  1. 

oder  <\ocU  in  nächster  Nähe  des  GotteKhaua^s  verblieb.  Wir 
gehen  hier  von  dem  Ren.-Reurer  Weihnachtludus,  aU  einem 
rein  lat.  Df-nkmiil  aus  ')  und  können  nicht  umhin  den  grös- 
sten  Theil  der  werthvollen  Spielordnung  aufzunehmen  ^j. 

Primo  ponatur  sedes  Augustino  in  fronte  *)  ecciesiae  et 
Augustinus  habeat  a  dextcra  parte  Isaiam  et  Danielem  et 
alios  prophetas,  a  sinistra  autem  Archisjnagogum  et  suos 
Judaeos.  Postea  surgat  Isaias  cum  prophetia  sua.  ^  Postea 
Daniel  procedat  prophetiam  suam  exprimens  — .  Tertio  loco 
Sibylla  gcsticulose  procedat,  quae  inspiciendo  stellam  cum 
gestu  mobiii  etc.  —  Dein  procedat  Aaron  quartus  propheta 
portans  virgam  qnae  sumpta  super  altare  inter  XII  virgas 
aridas  sola  floruit.  Illam  personam  conducat  chorus  •)  — . 
Quinto  loco  procedat  Balaam  sedens  in  asina  — .  Cui  occur- 
rat  Angelus  evaginato  gladio  — .  Et  asinus  cui  insidet  Ba- 
laam perterritus  retrocedat.  Postea  recedat  angelus  — .  Ar- 
chisynagogus  cum  suis  Judaeis  valde  obstrepet  auditis  pro- 
phetiis  et  dicat  trudendo  sociuro  suum,  movendo  caput  suum 
et  totum  corpus  et  percutiendo  terram  pede,  baculo  etiam 
imitando  gcstus  Judaei  in  omnibus  ^)  et  sociis  suis  indignan- 
do  —  dicat  etc.  — .  Auditis  tumultu  et  errore  Judaeorum 
dicat  Episcopus  puerorum  6)  — .  Statim  prophetae  vadant 
ante  Augustinum  et  dicant  etc.  — .  Respondet  Augustinus 
etc.  — .  Veniat  Archisynagogus  cum  magno  murmure  sui  et 
suorum ,   quibus  dicat  Augustinus  etc.  — .     Respondet  Archi- 


*)  So  schwankt  auch  das  ,dicit'  und  ,cantat'  der  Spielordnung, 
wie  es  scheint,  willkührlich,  und  wird  wol  Alles  in  Weise  einer  frei- 
em Litanei  gesungen  sein.  Dass  die  H^.  Hfr  Nciimon  nicht  entbehrt, 
berichtet  Schmeller  p.  XIII. 

■•*)  Unbedeutendes  oder  Bekanntes  (so  die  VorKchrift  für  die  Ma- 
gierverehrung, für  den  Kindermord)  ist  weggeblieben. 

3)  Frons  nehme  ich  für  den  Vordertheil  des  Gebäudes,  nicht 
für  die  vordere  Ausscnseite. 

^)    Es  muss  kein  Mangel  an  Schauspiclerpersonal  gewesen  sein. 

*)    Jndem  er  völlig  das  Auftreten  eines  Juden  nachahmt'. 

*)  Man  kann  mehrfach  in  Besprechungen  dieses  Stückes  lesen, 
dass  sich  der  Knabenbischof  mit  jugendlichem  ungestüm  dem  Archi- 
tjnmgog  entgegengeworfen:  davon  weiss  die  Spielurdn.  Nichts,  und 
die  sehr  kurze  Rolle  des  Knaben  dient  dazu,  dem  Ungestüm  ('er  Ju- 
den für  die  folgende  Rolle  des  h.  Augustin  schweigen  zu  gebieten. 


CÄp.  VI,  5  I.  203 

fljmftgogns  cum  nimio  cacbinno  — .  Voce  sobria  et  discreta 
respoDdeat  Angustiaus  — .  Inter  cantandum  omnia  ista  Ar- 
chitynagogiu  <^Mlrep*  is  et  caput  et  deridendo 

pmedietA.       Hoc  con  ^  us  prophetis  vel  ut  rece- 

daot  ^el  Mdeant  in  locis  suis  propter  honorem  ludi. 

Deinde  Angelas  appareat  Mariao  operante  muliebnter  'J 
— .  i>ein  Maria  Tadat  easualiter  nihil  cogitans  de  Elisabeth 
Tstnla  Jobanne  inpraegnata,  et  salutet  eam  et  dicat  Elisa* 
beth  etc.  — .  Dein  reoedat  Elisabeth,  qnia  amplius  non  ha- 
bebit  locum  haee  persona.  Dein  Maria  vadat  in  lectum 
miim,  qnae  jam  de  spiritu  sancto  coucepit,  et  pariat  filium. 
Coi  aiddeat  Joseph  in  habitu  bonesto  et  prolixa  barba  3). 
Nato  pnero,  appareat  Stella  et  incipiet  chorus  hanc  antipho- 
nam  — -.  Qua  finita,  Stella  appareat  >) ,  qua  visa  tres  reges 
a  diversis  partibus  mundi  veniant  et  ammirentur  de  appari- 
tioDO  talis  stellae  —  Postea  nuntii  testinent  ad  Herodem 
diceotes  etc.  — .  Respondet  Herodes  cum  magna  indignatio- 
Post  haec  Herodes  maxime  indignatus  yocari  faciat 
arciusjnagogoia  com  Judaeis  suis  dicens  etc.  — .  Modo  ve- 
But  archi^yiiafogiis  oun  magna  superbia  et  Judaeis  suis  <), 
coi  dicat  Herodes  — .  Respondeat  Archisjnagogus  cum  magna 
Mpientia  et  «toqaentia  — .  Ab  Herode  discedant  tres  magi 
prällatim  intfkknim  ttellam  et  disputantes  de  illa,  interim 
Ao^ehn  appareat  pasioribui  — .  Pastoribus  euntibus  dicat 
Diabohw  ~.  Itenui  pattoribus  ad  negotium  «nom  redeonti- 
bns  dicat  angeltis  — .  Iterom  pastoribos  abeuntibos  dicat 
Diabolos  ad  aures  eorum  -  .  Mirentur  pastores  et  unus  di- 
cat ad  attenuB  —  Dicat  iterom  Angelas  ad  pastorea  — . 
Dicat  itanuD  eontibos  Diabolos  — .  Iterum  pastores  ad  so- 
oiot  «MW  — .  Pottaa  simul  conreniant  angeli  et  simul  can- 
init:  Oloria  in  exoelsts  deo!     Deinde  procedant  pastorM  ad 


1>M»  Maria  bei  der  Yerkftadig— f  bei  dem  Webea  «iaes  p«> 
Teaipelverhaais  besahftlUgi  geweesa,  sagea  syofcijpb  (^aaUea. 
S)    Zar  A»d««t«Bg  de«  Alten,  Jcmtph  -•H  •-  t7^v~r>t-    (.H«l|«n 
tauMT  als  flfeis  beasMmeL 

h    Üim  SMlkaff  des  SIenM  ia  dieser  »{iiciurdiiimg  ui  « 
i,  §  S  wMyfoekea. 

«■    Wol  aw  deai  ,eai  iadaeit  rais*  einer  41l«ni  Vorlag«  dank 
naiv«  lolarpolalioo  aalrtaadaa. 


204  Cap.  VI,  8  1. 

praeMpe  cantando  hanc  antiphouaro  — .  Quo  cantato')  ado- 
rent  puerum,  deinde  revertantur  pastores  ad  officia  8ua;  qui- 
bu8  occurrant  tres  magi  dicentes  2)  — ,  Postea  Herodes  cor- 
rudatur  a  vermibus  et  exccdens  de  sede  sua  mortuus  accipia- 
tur  a  diabolis  multum  cx)Dgaudentibu8 ,  et  Herodis  Corona 
imponatur  Archeiao  filio  suo.  Quo  regnante  appareat  in 
nocte  angelus  Joseph  dicens  3)  — .  Praecedcns  Maria  asinum 
dicat  — .  Rex  Egypti  cum  comitatu  suo  in  locum  suum 
producatur  cum  conduetu  <)  —  Et  tarn  iste  comitatus  quam 
comitatus  regis  haec  saepius  cantent  — .  In  ingressu  Mariae 
et  Joseph  cum  Jesu  omnia  idola  Egyptiorum  corruant  *). 
Ministri  vero  saepius  ea  restituant,  et  thura  incendant  can- 
tantes  — .  Quod  quia  non  proficit,  minister  praecedat  re- 
gem et  cantet  — .  Quibus  rex  mirabili'  gestu^)  respondeat  — . 
Tunc  armiger  vocet  sapientes  ad  praesentiam  regis  et  can- 
tet — .  Sapientes  respondeant  — .  Tunc  rex  praeparet  se 
immolandum  — .  Comitatus  respondeat  — .  Tunc  idolis  re- 
stitutis  rex  ad  locum  suum  redeat,  et  idola  iterum  corruant, 
quo  audito  iterum  vocentur  sapientes ,  quibus  rex  dicat  — . 
Et  omnia  idola  abiciantur.  Hie  est  finis  regis  Egypti.  Tunc 
assurget  rex  Babylon is. 

Von  der  etwas  uuklar  überlieferten  Sclilussscene ,  welche 
den  Antichrist  einführt,  sehen  wir  ab.  Was  nun  den  Te- 
gernseer  Antichristludus  selbst  betrifft ,  mag  es  zweifelhaft 
bleiben,    ob  dia  Aufführung   innerhalb   der  Kirche  oder   vor 

>)  Qua  cantata  (auf  antiphonam)  bezogen  wäre  dem  neutr.  wol 
vorzuziehen.  —  Das  häufige  Possessivpronomen  suus,  auch  wo  es  nach 
der  Grammatik  nicht  richtig  ist,  darf  im  Latein  des  MA.  nicht  be- 
fremden. 

3)  Die  Magierverehrung,  dar  Kindermord  blieb  in  unserm  Aus- 
züge fort. 

3)    Gegen  diese  Angabe  sind  schon  Cap.  I,  §  8  Bedenken  erhoben. 

*)  Nach  den  hier  eingelegten  Frühlingsliedern  (in  denen  z.  fi. 
hnmus  picta  floribus  genannt  wird)  sollte  man  freilich  an  eine  Auf- 
führung im  Freien  und  nicht  gerade  zur  winterlichen  Festzeit  zu 
denken  versucht  sein. 

5)  Für  die  Ausbildung  dieses  apokryph.  Mythos  ist  wol  eine  Stelle 
des  A.  T.  benutzt,  wonach  vor  der  im  Tempel  Dagons  aufgestellten 
Bundeslade  jeden  Morgen  der  Götze  zu  Boden  geworfen  gefunden 
ward.    (I.  Sam.  V,  2  f.) 

•)    Mit  dem  Ausdruck  der  Verwunderung. 


C»p.  VT    §  1.  S05 

derselben,  dann  aber  doch  mit  Anlehnuiu'  an  das  Gebäude 
tUttfand  1).  Ueb«*  die  IntoeniniDg  fasse  ich  hier  das  wich- 
tigste im  Anachhm  an  Hase  ^)  kurz  zusammen.  „Im  Hin- 
tergründe nach  Morgen  der  Tempel  des  Herrn  daror  nach 
bestimmten  Wettgageoden,  die  (sieben)  Throne  der  Hauptper- 
•onen  mit  ihren  Sdiaaren.  Doch  geschiebt  die  Verhandlung 
awiKh—  den  auf  diesen  Thronen  sitzenden  Fürsten  nur  durch 
Boten,  und  der  Raum  gilt  für  gross  genug,  um  die  Entfer- 
aong  iwiachen  Dentschland  und  Jerusalem  darzustellen,  auch 
verschiedene  Schlachten  zo  liefern.  —  Allegorische  Personen 
•rSffiMn  das  Sj^l ;  das  Fleidenthum  und  die  Synagoge  im 
gelebrlen  Streit.  Danach  tritt  die  Kirche  auf  mit  Harnisch 
■od  Krone,  zu  ihrer  Rechten  die  Barmherzigkeit,  mit  dem 
Oeliweig  za  ihrer  Linken  die  Gerechtigkeit  mit  Waage  und 
Schwert.  Ihr  folgt  zur  Rechten  der  Apostolicus  mit  seinem 
Kien»,  zur  Linken  der  römische  Kaiser  mit  seinem  Heer, 
dann  die  Könige  von  Frankreich  ,  Griechenland  und  Jerusa- 
Imu  and  der  heidnische  ron  Babylon.  In  Jerusalem  treten 
dann  epfttor  die  Hencbler  auf  unter  dem  Scheine  der  Demutb, 
singsomher  sich  verneigend  die  Gunst  der  Laien  zu  erlangen. 
In  ihrer  Mitte  der  Antichrist,  eir^^  ''  /.er  unter  den  Flü- 
geln, m  edner  Rechten  die  Schci  .nt,  zu  seiner  Lin- 
ken die  Ketzerei."  Mit  dem  Sturz  des  Antickrist,  der  nach 
einen  donaenihnlichen  OariaMli  ttber  seinem  Hanpte  erfolgte, 
tehlo«  da*  Stick  in  eÜKtfoUer  Weise.  Die  ganze  Darstel- 
lang  scheint ,  schon  nach  deu  pathetischen  Metren 
sehÜHten,  anf  ziemlich  hohem  Kothom  einhergegangeu  zu 
sein. 

Das  Ben.-Benrer  -  Tegcmseer  Osterspiel  <) ,   wo  das  Aof- 
mhrongilocal  auch  nicht  mit  !^  it  anzugeben  ist,   settt 

lach  der  Eingangsspielordnung  icdene  Abtbeilungen  des 

.octk,  namantlich  eine  für  Pilatos,  seine  Frau  and  Dienst- 


I)  Fir  wsltr«a  Fall  tfridtA  u.  AaJ.,  dam  der  Thron  de«  knü- 
tkrkt,  im  TesBptl  wriehiH  wird:  fSr  Msterai  tpricht  sieh  Rfidt 
MS  p.  IB. 

«)    Db«  gelML  SehMSp.  p.  M  f. 

S)  A«f  dtsse  aaekt«  Eagtlhard  im  Erbiif«r  (>at«rprognimiii 
«c«>  if«si  MsboB  sateerlnan. 

*     Mehrfach,  t.  B.  bsi  SebMÜsr  Gsm.  Bm.  p  M  C 


m  Cap.  VI,  S  1. 

mannen ,  dann  für  Uerodes  und  sein  Gefolge ,  für  die  Hohen- 
priester u.  s.  w.  voraus.  Im  weiteren  Text  werden  dann  im 
Anschluss  an  die  Vulguta  noch  viele  Localitäten ,  so  das  Ufer 
des  Meeres,  wo  Petrus  und  Andreas  iischen;  der  Baum,  von 
welchem  Zachäus  herabgorufen  wird  ;  das  Gastmahl  bei'm 
rharisäer  Siraou  :  der  Ruheplatz  Magdalenas,  wo  ihr  im 
Sclilaf  der  Engel  erscheint ;  die  Abendmahlsscene ;  der  Oel- 
berg  u.  8.  w.  erwähnt,  und  Handlungen  wie  die  Geisselung 
Christi,  das  Iländewascheu  des  Pilatus  ij  berichtet;  gewiss 
fehlte  es  nicht  an  scenischen  Andeutungen  für  die  verschiede- 
nen Locale  ,  nur  muss  man  sich  dieselben  möglichst  einfach 
vorstellen ,  da  noch  in  weit  späterer  Zeit  man  sich  begnügt 
hat,  den  Berg  der  Versuchung  durch  ein  aufgerichtetes  Fass 
anzudeuten.  Ebenso  werden  die  Handlungen ,  welche  eine 
Misshandlung  Christi  enthalten,  wol  noch  in  frommer  Scheu 
mehr  angedeutet  als  ausgeführt  sein.  —  Dass  man  auf  die 
äusseren  scenischen  Mittel  mehr  Gewicht  zu  legen  anfing ,  be- 
weist der  mehrfach  vorgeschriebene  Wechsel  der  Gewandung  2) : 
ob  ein  solcher  vor  den  Zuschauern,  oder  wie  sonst  vorging, 
bleibt  unklar.  —  Da  die  Bruchstücke  aus  Muri  keinen  rech- 
ten Einblick  in  die  Oekonomie  gestatten ,  und  Mones  ,Kind- 
heit  Jesu'  wol  sicher  nicht  zur  Aufführung  bestimmt  war, 
bleibt  hier  das  St.  Galler  Osterspiel  3)  zu  betrachten  übrig, 
wol  nocli  für  die  Kirche  bestimmt,  da  die  sorgsame  Spiel- 
orduung  ■*;  keine  Andeutung  eines  andern  Spielplatzes  ent- 
hält. Für  die  Oekonomie  bedeutend  ist  namentlich  die  Rolle 
des  b.  Augustin :   wie  dieser  schon  im  Ben.-Beurer  Ludus  de 


I)  Ueber  das  Ende  des  Judas  heisst  es :  Statim  veniat  Diabolos 
et  ducat  Judam  ad  suspeadium  et  suspendatur.  —  Nicht  zu  übersehen 
ist  auch  die  Inscenirung  der  Versöhnung  des  Herodes  und  Pilatus: 
Tunc  conveniant  Her.  et  Pil.  et  osculentur  invicem.  (p.  103)—  Dagegen 
iit  der  Verrätherkuss  des  Judas,  wie  es  scheint,  nicht  dargestellt: 
Judas  spricht  nar  ,Ave  rabbi^ 

*)  So  heisst  es  von  der  bekehrten  Magdalena:  Tunc  deponat  ve- 
stimcnta  secularia  et  induat  nigrum  pallium;  —  Von  Christus  (p.  103), 
Tunc  induatur  veste  alba;  postea  induatur  Jesus  veste  purporea  et 
spicea  corona  (p.  104). 

3)    Bei  Mone  I,  72  f. 

*)  Ks  heisst  gleich  zu  Anfang:  Omnibus  pemonis  docoiitor  orna- 
tis  cantent  angeli  etc. 


Cap.  VI,  S  1.  207 

natir.  ak  Vork&mpfer  der  Kircheolehre  auftrat,  so  übernimmt 
-  '  ■  -  in  dem  freilich  kurzen  Prolog  (v,  1—9)  eine  ähnliche 
rolle  ')  vie  Johannes  in  der  Bordesholmer  Klage. 
I'K-^  höhere,  auf  die  erbaaliche  Richtung  des  Spiels  abzie- 
lende Elxegeee,  berührt  sich  aber  (so  gleich  v.  10  f.)  2)  niit 
eioer  niedriger  stebendeu  Function ,  welche  ausser  ihm  auch 
von  den  ,Angeli'  verwaltet  wird  ^).  —  Diese  Function  bestand 
einmal  darin,  di*   ''      '  tinfach  mit  dem  Inhalt  der  näch- 

sten  Scenen   (rt-.  »t    zu   machen  <)    —    dann    aber 

auch  in  der  Ermahoung  znr  Aufmerksamkeit  und  Stille. 
Solche  Mahnaogeu  finden  sich  ,von  den  Engeln  ausgespro- 
chen, vielleicht  schon  vor  v.  1  u.  t.  17  5)  —  sicher  vor  v.  51, 
V.  112^),  V.  186,  V.J84,  V.4427);  vom  h.  Augustin  v. 
204  f.,  30»  t,  ▼.  800—395,  541  f.,  592  f.  »),  752  f.  »).  — 
Im  Uebrigen  laast  die  sorgsame,  aber  knapp  gehaltene  Spiel- 
ordunag  nicht  viel  Widitiges  für  die  Aufführung  absehen  '<^) : 

1/  i'i<r.cibe  encheint  wieder  r.  601  f.  ▼.  856  f.,  v.  97J  f.  —  Auch 
m  dem  bei  Dietrich  Ton  Stade  mitgetheilten  Fragm.  scheint  Aut^stin 
ähalich  verwandt  xa  »ein. 

t)  Hao  brarhtr  t.  10  und  12  den  Aasdruck  ,rede'  fSr  den  klei- 
neren A)>*rhnitt  eines  Spiels,  den  wir  etwa  ,Scene*  nennen,  und  vgl. 
damit  dss  Jabula*  der  alten  Römer  =  BQhnenstflck  Aberhaupt.  Der 
Ausdru«  k  «begfto*  (oder  ,beg4n*)  für  darstellen,  vorftkren  ist  v.  &9S, 
T.  752,  7M  M  btmerkeft. 

s>  I>i«M  nnd  MMMrdem  aach  als  ein  (  iui .  v.  106—111,  aach 
T.  1&7  und  mnmI  MiifeAkrt. 

*)  Ob  naa  solche  Scenen,  deren  Inhalt  nicht  vorher  angedeutet 
wtr<l.  t.  B.  die  von  Mone  als  1,  5,  6,  7,  gexihlten  (p.  79-81)  nur  als 
tttiwicbtiger«,  oder  als  j5nf»r>  Kinsd^Hengen  anseb'en  soll,  bleibt 
anklar. 

*)    Em  bdMt  kkr  bv  ,ceiit«at  Angeli*  aad  ^tenun  Aageli*. 

•)  Hier  iadei  neb  das  ,sile1e*  mit  einer  Bobeermahnviig  in  deut- 
•OlMr  SpVBclie  f<rt—<M.    Auf  Süet«  komme  ich  weiter  unten  zurück. 

'>    Kine  KrmdiBaaf  mr  Ruhe  cihne  voraofgefasgan««  Silet«. 
il»«r  geht  eia  8Uil«,  wol  von  Engeln  geseagwi,  dem  Spruch 
Aagusuas  Toraa:  jmm  Mlbal  whetat  bv  des  £i^[Bte  m  eigne». 

•)  Da«  sMk  enek  die  hikan  ftuftw  nit  der  niederm  Bxpo- 
eüoffvelle  bertkrt,  wie  Urr,  befremdet  kanm. 

M)  lmm<riiiw  sind  aedi  kleinme  Zig«  nicbi  n  tbeeMbeo.  Jndaa 
ktast  aedi  Wer  niebt  den  Herrn  beim  Verratb  (v.  706  f.),  M>adem 
griMl  tba  «ad  bittet  iioh  mUmI  den  Kas«  aas.  —  Der  grAbwe  ReaUe» 
Mtfi  naamatlkk  f«r  v  911  su  Tff. 


208  Cap.  VT,  8  1. 

ich  hebe  noch  hervor,  dass  hier  iuerst  die  Höllenfahrtsscene 
kurz  beschrieben  wird.  (Nach  v.  1256):  Tunc  milites  vadnnt 
ud  sepulchrum ,  cantantes  aliquid.  Tunc  duo  angeli  gi^T^^ 
percutient  eos  cantantes  *).  —  Quibus  territis  cantans  Domi- 
nus surgat,  deinde  vadat  ad  Infernum  portans  cnicem  2).  — 
Die  hier  vorliegende  Weise,  wonach  die  Auferstehung  vor  die 
Höllenfahrt  gesetzt  wird ,  ist  bei  dem  Nebeneinander  der 
Räumlichkeiten,  über  das  man  nur  zu  verfügen  hatte,  na- 
türlich genug :  hätte  man  für  die  Hölle  ein  unter  dem  ebnen 
Bülinenraura  befindliches  Local  benutzen  dürfen ,  würde  man 
sicher  den  engeren  Anschluss  an  das  christliche  Dogma 
nicht  verschmäht  haben.  — 

Noch  dem  XIV.  Jahrh.  angehörig  ist  ferner  das  Spiel 
von  der  heil.  Katharina  (Mühlhäuser  Hs.)  ,  für  welches 
Aufführung  an  kirchlicher  Stätte  wol  möglich  scheint  und 
von  dem  Herausgeber  3)  befürwortet  ist.  Derselbe  schliesst 
aus  einigen  obscoenen  Teufelswitzen  am  Schluss  des  Textes 
wol  mit  Recht,  dass  der  erhaltene  Text  in  Erfurt  zur  Auffüh- 
rung kam  (vergl.  p.  154):  doch  weiss  ich  nicht,  ob  die  p.  151 
genannte  Barfüsserkirchc  dort  oder  in  Mühlhausen  zu  suchen 
ist.  Die  Anfangsspielordnung  ist  sehr  ähnlich  wie  die  des 
Zehnjungfrauenspiels ,  welches  derselben  Hs.  angehört :  da 
die  Nachrichten  aber ,  welche  wir  über  Aufführung  dieses 
letzteren  (sei  es  nach  demselben  oder  einem  ähnlichen  Text) 
haben ,  an  Eisenacher  Localitäten  geknüpft  sind ,  so  hilft  uns 
jene  Uebereinstimmung  wenig.  Auf  welche  Weise  die  Wun- 
der- und  Marterscenen ,  die  das  S.  Katharinen-  und  das  S. 
Dorotheen-Spiel  '')  aufweist ,  dargestellt  wurden  ,  lässt  sich 
aus  den  lakonischen  Weisungen  ^)  schwer  ersehen. 


•)  Diea  rweite  cantantes  ist  Aäelleicht  durch  Irrthum  des  Schreibers 
aus  einem  custodientes  oder  dergl.  entstanden. 

')  Noch  ersieht  man,  dass  ein  Angelus  dem  Auferstandenen  in 
die  Hölle  voranging  —  auch  scheint  letzterer  Raum  einigermassan  ab. 
geschlossen  gewesen  zu  sein ,  nach  dem  ,pede  trudat  januam  et  aperi- 
atur'  zu  schliessen.^ —  Nach  v.  1340  heisst  es:  Jesus  vadat  adparadisum. 

3)  Stephan  in  den  Neuen  Stofilieferungen  zur  deutschen  Gesch. 

4)  Dieses  bei  Uoffmann  Fundgr.  II,  285  (dessen  Identität  mit 
dem  zu  Bautzen  1412  agirten  doch  zweifelhaft  ist). 

^)    So  heisst  es  bei  Stephan  p.  1G8  (nachdem  mau  die  Heilige  ans 


Cq>.  VI,  S  1.  209 

Wir  haben  noch  einige  spätere  Denkmäler,  bei  denen 
kirchliche  Aufführung  anzunehmen  gerathen  scheint,  hier  vor- 
zuführen:  zunächst  das  niederhessische  Weihnachtsspiel. 
V^  wird  eröffnet  durch  eine  Anrede  des  Proclamator,  welche 
Itolle  hier  noch  einen  ziemlich  ernsten  Character  watirt ,  und 
so  das  Andenken  an  die  Kirc?  '  _'en,    welchen  ursprüng- 

lich der  Prolog  zukam  '),  no(  nrn  lässt.     Zu  den  An- 

fangirvorten ,  worin  Ruhe  geboten  lassen  sich  ähnliche 

Wendungen  ans  Spielen  des  spätem  MA.  in  ziemlicher  Fülle 
beibringen  ')  —  man  begreift  leicht,  wie  sich  hier  eine  for- 
melhafte, fiber  alle  Spielweisc  reichende  Tradition  ausbilden 
konnte.  —  Ausserdom  ist  das  Denkmal  dadurch  wichtig,  dass 
es  die  scenischen  Hauptmomente  des  populären  Weihnachts- 
Spiels  in  der  lat.  Spielordnung  vorführt :  so  heisst  es  über 
das  Kindelwiegen  (nach  v.  150):  Joseph  venit  portans  cuna- 
bolum.  —  Et  sie  Joseph  et  servus  corisant  per  cunabulum 
cantando  etc.  fnach  v.  180)').  —  üeber  die  Hirtenscene, 
wie  sie  für  die  populäre  Darstellung  sich  gestaltete,  vergl. 
nach  V.  345 :  Kt  Angelus  recedit ,  tunc  pastor  surgit  servo 
maoente  et  videt  sursum  ubi  illa  vox  sit  *)  et  ponit  se  vi- 
ceversa  donnitum.  —    Nachdem  darauf  der  Hirt  wieder  auf- 


i '  *  tortoret  cadant  tapcr  t«r- 

.>•  Katharinun)    Porph)-riui 
HofTmar  projiciant  eam  (S.  Dorotheam) 

-II    '  K-unt  etc. 

>)     Awser  dem  h  Greiröriua  tu 

"^ptd  VOM  jtagalcii  Ocr. 
KiaMteaf  fpriebi. 

*)  TcrfL  bifr  V.  l->4  mit  dem  Intbr.  Otterapiel  (Alul.  Schauip. 
{.  100  f.)  ▼.  1—4,  Redentincr  Spiel  (b«i  Mone  11,  p.  88  f.)  v.  1-2, 
Wicnsr  Oit^rtpi«!  (Fandgr.  IT)  v.  18  f.,  Abfelder  Spiel  (bei  Haupt  11! , 
4AQI)  y.  I,  S.  —  M  solcher  Aoflbrdennif  mochte  ticb  der  Sprechende 
na4Bb  veraekiedeBea  Seftea  ra  wenden  piegan,  vrrgl.  AIM.  Schaut}). 
112  das  sie  afesliee  eerrit  hiae  et  lade  in  circulo  et  dicit  Hc* 

\tiiK   art   tii4>r   aitif  ilaa  Viirliomtn(>i|  aolcbcT   AlwdrQckr  ,    wi<'    ••>•■    S.  lim. 

ngaatellt  hat,  hinifewi« 

!T  oben,    JcMieph    et   «<r\ti>.  <  nori 
'irM««n   flUrr   dtw    Kiitilel«ie|{f'n 


14 


»10  Cap.  VI,  S  1. 

gewacht  ist  und  seinen  Knecht  mit  dem  Stecken  gleichfalls 
erweckt  hat ,  heisst  es :  tunc  servus  surgit  horribiliter  cla- 
mans  etc.  —  Freilich  würde  man  Unrecht  thun ,  wollte  man 
den  populären  Weilmachtsspielen  älterer  Zeit  immer  eine  so 
derbe  ')  oder  tölpische  Aufl'ührungsart  zutrauen  —  wo  die 
Texte  selbst  mehr  innig-religiösen  Sinn  atlimen  ,  wird  auch 
ein  kindliches  /■■■♦•"•ni),]  (l(.r  Darstellung  geistliche  Würde 
gewahrt  haben. 

Bei  diesem  lies».  Weihn.  Spiel  drängt  sich  zuerst  uns 
die  Frage  auf:  waren  noch  alle  Rollen  in  Händen  geistlicher 
Spieler?  Wer  gab  den  Proclamator V  Von  wem  wurden  die 
in  ihren  jüngeren  Theilen  2)  so  zu  sagen  nur  für  bäuerische 
Naturen  erträglichen  Hirtenrollen,  die  Wirthe,  Joseph  und 
die  zänkischen  Mägde  ,  und  endlich  die  Teufel  gespielt  ? 
Niedere  Kleriker  auch  für  diese  letzteren  Rollen  anzunehmen, 
scheint  vor  der  Hand  noch  das  Einfachste  3). 

Strengeren  Styl  als  jenes  Weihnachtsspiel  zeigt  das  von 
Pichler  aus  Tirol  mitgetheilte  Lichtmessspiel,  aus  dessen 
reicher  und  sorgsamer  Spielordnung  ich  Folgendes  au8hel>e: 
Incipit  lud.  hon.  de  purificat.  b.  v.  Mariae.  —  Primo  exit 
Praecursor  *)  non  larva  nee  equina  S)  barba  indutus,  sed  ho- 
nestis  vestimentis,  nee  vesicas  ^)    in   manu  gestans,  sed  scep- 


t)  Einiges,  wie  die  Vorschriften  über  die  Prüpfclei  Jo8e])))8  mit 
den  Mägden  übergehe  ich  ganz. 

2)  V.  445  f.,  475  f.,  497  f. 

3)  Man  bedenkt  die  Schwierigkeiten  des  Zusammenspiels  nicht, 
wenn  man  annimmt  dass  die  höheren  Rollen  von  Geistlichen ,  die  Nie- 
dern  von  ganz  ungebildeten  Laien  zu  geben  waren.  Auch  darf  man 
der  niedern  Klerisei  des  spätem  MA.  schon  etwas  zutrauen  in  gröbli- 
cher Naivität,  zumal  in  einer  leicht  verwildernden  Landgemeinde. 

4)  Es  ist  allerdings  undeutlich ,  ob  man  das  Wort  im  engeren 
Sinn  als  ,Vorläufcr'  (wonach  man  sich  eine  Procession  der  geistl.  Spie- 
ler nach  der  Kirche  zum  Zweck  der  Auflührung  denken  müsste)  oder 
im  weitem  —  proclamator  auffassen  solL 

5)  Von  Pferdehaaren. 

•■)  Schweinsblasen  sind  sicher  gemeint.  —  Die  hier  gerügten  Ver- 
mummungen und  Narrentheidingc  sind  nicht  als  allgemeine  f^ntartung 
des  geistlichen  Spiels,  sondern  durch  P^inäuss  des  so  nahe  (im  P'ebruar) 
liegenden  Carnevals  auf  das  Lichtmessfest  zu  erklären.  —  Rheinische 
Strassenjugend   pflegt   noch  jetzt  im   Fasching   derartige    .vo«ifas'   an 


Ctp.  VT.  §  1.  211 

tnun  Tel  bacnlum  depictam.     Honesta   incedens  loquendo  di- 
cat  etc.    —    Tone  sit  attare   in  medio  ecclesiae  vel  locx)  con- 
grno  paratom,  ad  quod  sacerdos  quidam  Judaeus  accedat  cum 
daobus  ministris  cantando  etc.     Egrediantur  ex  loco   abacon- 
dito  JioMfh  et  Maria  bajolans  parvulum  in  manibus  cum  duo- 
bm  aniteUs  praecedentibus  candelas  ardentcs  portantibus.  — 
Itf  ni  Mt  Joseph    honeete  Testitus  mediocribus  (vestibus).    nee 
vitiat,    si    habeat   barbam  decentem  M.  —    Interim  venit  Si- 
meon  in  habita  prophetali  2),  modicum  incurvatus  ad  morem 
M^num  cum  udo  senro  in  habitu  clericali  vel  studentali  3)  etc. 
—  Zum  Schluss  fordert  der  Praecursor  auf: 
Amen  Sprech  wir  alle 
Mit  einem  gemeinen  schalle! 
In  der  Oekonomie   diesem  Lichtmessspiel  sehr  nahe  ver- 
wnridt  und  deshalb   fiiglicher   hier    als  oben    bei  den  übrigen 
M;iri.  [.klagen  zu  besprechen   ist  der  ,ludus  virginis  planc- 
cum  prophctis*  bei  Pichler.     Der   Praecursor,   und    nach 
ihm  rwei  Engel    ('       '"  Tuen  wieder  das  Spiel,    auch 

tritt  uns  hier  di«    -  jk  *)   deutlich    als  die  eines 

Regisseurs  entgegen.      Zu  ist  ferner,    dass  hier  die 

Propheten  ausser  ihrer  1>  :;  bprechrolle  in  ihrer  Tota- 

lität als  eine  Art  von  Ch  „iren,    wie  sonst  häufiger  die 

y.-.-'j'l.    —  Die  eigentliche  Klage  zeigt  wiederum  mehrfach  di- 
ri.  t.   Hinwendung  der  sprechenden  Personen  zum  Volke  *).  — 

Stöcken  befestift  md  mit  Stciaehen  gettüt  in  etwas  poUxeiwidrifrfr 
W«iM  ta  gAnmehmL 

*)  Maa  trauten  sieh  der  gsas  ilmlichea  Vonobrift  im  Benedict- 
bcvrer  LaAnm 

')    >\  rt  dieser  Propbetensn^og  wmr,  bleibt  unklar. 

*)    len  ai>«r*«ue:  in  der  Trsckt  eines  niedem  Geistlich' 
Klortcrscbikr«. 

^  Es  WiMt  |k  118:  Omnes  in  vna  proesssione  rcniant  snt^rf 
dsnilbss  dsohns  jnvesiiws  albis  in  vestibns,  qni  porUnt  candelsbrss 
con  huaiwbws.    Et  interim  qnnm  ragens  qnemlibet  ordinet  ad  locn« 


a  persona  (Maria)  ad  populom  exisnsis 
cantando  —  Johsnnss  eairtans  ad  pepvhun.  —  So  aoek  im 
Nisdsrlisss.  Weibnadrtspisl  p.  90:  Kt  ptuAvr  dieit  ad  popolnm  sie. 
(1^  sa  dsa  In  disesM  Mlsk  Ar  Am  KafßUkor  hln%  Torgnadvisbenan 
trasdsnNelUsa  lünkmhymmn  «wb  «e  Oemsini«  AntbeU  bat««,  bMbt 
•ngewiss. 


212  Cap.  VI,  S  2. 

Wir  erwähnen  hier  schliesslich  noch  die  beiden  bisher  uns 
bekannten  Ascensionsspiele,  deren  Auflführung  in  der 
Kirche  schon  dadurch  sich  wahrscheinlich  macht,  dass  es  für 
das  Ascensionsfest  eine  symbolische  Feier  gab,  über  die  das 
Nöthige  schon  Cap.  III,  §  1  mitgetheilt  ist.  An  diesen  kirch- 
lichen Act  schliesst  sich  nun  das  bei  Pichler  p.  51  f.  be- 
sprochene Denkmal  deutlich  an  '),  wogegen  das  bei  Mone  I,  p. 
264  f.  mitgetheilte  nur  eine  sehr  dürftige  Spielordnung  auf- 
weist 


§  2.     Hittlere  Periode. 

Wir  betrachten  hier  zunächst  das  Assumtionsspiel 
bei  Mone  Altd.  Schausp.  21  f.  —  Den  eigentlichen  Anfang 
des  Stücks  haben  wir  schon  Cap.  III,  §  1  erst  p.  42  ange- 
nommen, wo  es  heisst:  Praedicator  surgens  intimat  ludum.  — 
Diesem  Prolog  des  Predigers  folgt  noch  ein  kürzerer  2),  dann 
wird  uns  Maria  vorgeführt  -  zunächst  auf  ihrem  Standort  3), 
dann  indem  sie  die  verschiedenen  Stationen  des  Lebens  Christi 
(von  der  Taufe  bis  zur  Himmelfahrt)  <)  besucht.  —  Während 
diese  Stationen  auf  ebner  Bühne,  vertouthlich  in  einem  Kreis  5) 
angebracht  waren,   sind  wir  berechtigt  das  ,coelum',   wo  sich 


1)  Zumal  in  dem  p.  62  beschriebenen  Sturz  des  Teufels:  Ibi  mit- 
titur  diabolus  dcorsum,  angelus  sequitur  eum  cum  gladio  percutiens 
diabolum.  —  Ibi  incenditur  diabolus.  —  Im  Voraufgehendea  scheint 
die  Ascension  selbst  durch  reichen  musikalischen  Schmuck  (dreimal 
heisst  es:  tanguntur  iustrumenta  musikalia)  würdig  ausgestattet  zu 
sein. 

i)  Vom  secundus  angelus  de  primo  clioro.  —  Die  Eugelchöre 
haben  in  diesem  Stück  eine  besonders  reiche  Verwendung. 

3)  Dieser  wird  hier  (nach  v.  890)  als  ,locu8'  späterhin  mehrfach 
als  ,palatium  Mariac'  bezeichnet.  —  Ueber  die  Beschaffenheit  einer 
solchen  »Burg'  wird  späterhin  mehr  zu  sagen  sein:  liier  nur  soviel, 
dass  aus  solcher  Erwähnung  schon  die  Aufführung  im  Freien  deutlich 
erhellt 

<)  Es  werden  ein  locus  baptismatis,  jejunü,  passionis,  sepulturae 
und  ascension  is  genannt. 

S)  Maria  kehrt  vom  locus  ascensionis  offenbar  wieder  zu  ihrem 
palatium,  wo  sich  auch  die  puellae  (ihre  Dienerinnen)  befanden,  zu- 
rück. 


C»p.  VI,  S  2.  213 

p.  4B  zunächst  die  «Dominica  persona*  von  ihrem  Sitze  er- 
bebt (smigeiis),  dann  fiberhaapt  ein  Theil  der  Handlung  ver- 
läuft, etwas  erhöht  wol  am    oberen  Ende  der  Bühne  uns  zu 

ieoken:  Stufen  mochten  von  dort  hinabführen  >).  —  Für  das 
-^cenitcbe  wichtig  ist  uns  nun  jener,  vermutlich  jüngere  Pro- 
'.o^  des  Praeeimors  (p.  21,  22),    der  hier  zugleich  Regisseur 

lir  die  ^nder  und  Erklärer  für  die  Zuschauer  ist  2).  Dem 
i^rooeMioiisziige  der  Spieler  war  er  den  Weg  bahnend  voran- 
geMiuJllen,  und  weist  nun  der  Reihe  nach  den  einzelneu 
8|iidtegni]q>en  ihre  Plätze  an,  indem  er  zugleich  für  die  Zu- 
•diMier  ihre  Rollen  erklärt.  So  hat  zunächst  Jesus  mit  den 
Engeln  seine  ,Burg*,  d.  h.  das  ,coelum'  einzunehmen  ,  dann 
Ifaria  mit  ihren  Jungfrauen  ihr  vcrmuthch  darunter  liegendes 

alatium,  an  das  sich  die  fünf  oben  genannten  Stationen  ver- 

■<^h  80  antdJoeseD,   dass  der  locus  ascensionis   mit  der 

Tii«nmm«nfie],    WO  auch   die  Himmelfahrt    Mariae    ge- 

Was  die  Gruppen  der  Apostel,  der  Juden, 

und  der  Heiden  betrifft,  so   ist  aus  dem  Text  selbst  zu  ent- 

nebmeo,  dass  die   Apostel  einerseits  mit   dem   locus  Mariae, 

andrerseits  mit  dem  der  Heiden  (wo  sie  taufen  und  predigen) 

V<  rliindung  haben  —  ebenso  das  castrum  oder  palatium  Ju- 

daeiirum  einerseits  der  Grabstätte  Maria's  (die  sich  auf  oder 

neben   ihrer  Borg  befinden  mustte),   andrerseits   dem    Stand 

des  Heidenkönigs    (denn    Ton    ihm   wird    das    castrum  Jud. 

schliesslich  belagert)   nahe   liegen   mnsste,   während   sich  die 

Borg  der  Heid«D  mit  der  Maria's  nicht  berührte,  sondern  am 

andern  Bflhmmende  lag  '). 


I)  Plr  die  AsMifition  iat  p.  81  f.  rorgetdirteben:  ILuria  sscendit 
eochm.  —  Ki  nc  Maris  raperhu  ««cendit  —  Chriittui  empOogt  de 
■dt  dsrfereichtea  BAadra  p.  84. 

S)  Auf  dit  PTMcartoiToU« ,  die  wir  «!•  eine  jftngere  Copie  der 
hmnita  srwihalea  PrsedicatorroUe  saftuMB,  folgt  wieder  eine  kürsere 
AMftaeke  «iaee  Esftli:  der  Uer  aaa  sIs  prians  si^u  de  prima 
cbere  beseiebsei  wiid.  — •  Die  Weieuig  vor  v.  1.  »chreibc  ich:  Pri- 
mo  «-«H  Jheew  eoa  mi»  anirrli«:  proeedH  com  vialatoribu«  pnccur- 
l'raeeerMr  dicit  •<<  «e  ,riaktorec*  mit  Mone  Ar  «Weg« 

«riMT*  n  bslleis,  iti  docn  swrit<-lhaf^  Itucsoge  giebt  keiorn  Anf- 
•elilaei.) 

S)  FIr  die  SpMsr,  frentgsteae  die  ÜMpCrellett,  eind  Sitae  ancv 
Mbflm,  «ea  deaea  sie  sieb  criMbea,  weaa  sie  sa  »prechca  habea, 


214  Cap.  VI,§2. 

Das  in  derselben  Hs.  überlieferte  Frohnleichnamsr 
spiel  enthält  so  dürftige  Weisungen,  dass  wir  über  die  Auf- 
führung, die  sich  möglicherweise  mit  der  kirchlichen  Festpro- 
cession  verbinden  Hess,  im  Unklaren  bleiben  •). 

Wir  scbliesscn  an  die  schon  besprochenen  zunächst  noch 
diejenigen  andern  Spiele  des  ausgehenden  MA.  an,  deren 
Behandlung  noch  so  weit  im  Kirchenstyl  bleibt,  dass  sie  noch 
keine  bestimmt  ausgeprägten  komischen  Rollen  enthalten, 
Was  zunächst  das  Zehnjungfrauenspiel  (nach  der  Mühl- 
hüuser  Hs.)  betriift,  so  sind  wir  über  die  Aufl'ülirung  —  vor- 
ausgesetzt, dass  es  wirklich  mit  dem  berühmten  Eisenacher 
von  1322  identisch  ist  —  leidlich  gut  unterrichtet  Aller- 
dings schwanken  die  Nachrichten  über  Zeit  '-)  und  Ort  der 
Action  schon  ein  wenig:  in  letzterer  Hinsicht  dürfte  sich  aber 
die  Nachricht  des  Chron.  Sampetrinum  Erfurt.  3)  mit  der  bei 
Johann  Rothe  *)  dahin  vereinigen  lassen  ^),  dass  sich  im  ,hor- 
tus    ferarum'    das    Volk    versammelt   hatte    zum   Zuschauen 


wie  aus  dem  häufigen  ,8urgcns'  erhellt.  Solche  Sitze  (auch  Ruhebetten 
kamen  daneben  vor,  wie  aus  dem  p.  60  en^'ähnten  lectus  Mariae  er- 
hellt) mögen  scdes  oder  throni  geheissen  haben,  aber  nicht  wie  Mono 
will,  die  ,Burgen'  selbst,  für  welche  uns  bisher  ,palatium'  oder  ,cas- 
truni*  als  lat.  Bezeichnungen  begegnen.  Die  Zuschauer  werden  v.  52 
aufgefordert  sich  auf  die  Erde  niederzulassen.  —  Als  sceuische  Notiz 
mag  noch  das  ,Marinin  induunt  vestimento.  fimliri:i'  cri  Itcn,  wozu  vergl. 
Mone's  Note  p.  59. 

')  Lodus  utilis  itro  devotionc  simplicunn  iiitiiiiiuuius  et  peragcn- 
dus  die  corporis  Christi  vel  infra  octavas,  de  fidc  catholica.  Sumen- 
tur  personac  literatae  et  aptao  (concionibus).  —  Das  letzte  Wort  ist 
in  der  Hs.  nach  Mone  durch  ein  uiüclarcs  2  ciis  ausgedrückt:  mit  dem 
hier  gewählten  mag  der  Sinn  etwa  getroffen  sein.  —  Am  Schluss:  ex- 
plicit  Über  de  corpore  Christi   (nicht  ludus  etc.). 

2)  Nach  dem  Chron.  Sampetrinum  bei  Mencken  T.  III  (vergl.  L. 
Bechsteins  Ausgabe  p.  3):  feria  sccunda,  (am  Montag)  post  misoricor- 
dias  domini,  nach  Joh.  Rothe's  Thür.  Chro.  schon  am  Sonnabend 
vorher. 

3)  Dies  giebt  als  Local  einen  hortus  feraruai  zu  Eisenach  an. 

*)  Hier  heisst  es :  uff  der  rollin  ceuuischin  sentc  georien  unde 
der  barfussin  klostir. 

5)  Vergl.  L.  Bechsteins  Ausgabe  p.  36.  —  Nach  demselben  lag 
auch  das  Absteigequartier  des  Landgrafen  in  der  Nähe  des  Mange- 
hauses oder  der  ,Rolle'. 


Cap.  VI  .  §  ±  215 

w&hrend  ,die  Rolle*  einerseits  für  die  Auffuhning  selbst  her- 
gerichtet w»r,  andrerseits  hier  für  den  zuschauenden  Land- 
grafen eine  Art  Loge  leicht  sich  herstellen  Hess.  Vermutlich 
befand  sich  auch  der  für  Christas,  Maria  und  die  Engel 
bestmuBte  Plats  >)  in  der  Nähe  des  Landgrafen,  während  die 
10  Jni^firaiien  snnichst  nngeechieden  den  mittleren  R;\um  des 
Gahindos  erfaUteo.  Nachdem  die  Ton  Christas  entsandten 
Bngel  ihre  Mahnang  an  die  Jungfrauen  ausgerichtet,  und  die 
Klngea  deredben  Gehör  geschenkt  haben,  heisst  es  (p.  18): 
TttOG  iatuae  corizando  etcum  magno  gaudio  vadunt  ad  alium 
loeom  S).  —  Tunc  omnes  fatoae  habeant  convivium  depo- 
nant  ee  et  dormiaut  3).  —  Alif  Qegenstöck  dazu  dient  dann 
im  Weitem  das  himmliicfae  Gastmahl,  an  dem  die  (von  Ma- 
ria bekriatleB)  klagen  Jw^^frauen  Theil  nehmen,  während 
die  Thöriditen  eich  vergeblich  heranmachen  und  zu  Boden 
gpetiuiht  am  Maria's  Fürsprache  bitten  *).  Diese  beugt  zwei- 
■nl  die  Knice  tor  dem  himmlischen  Richter,  der  sich  nicht 
rihreii  lant:  die  Teufel  (deren  Platz  wir  an  der  nach  dem 
Wildpark  hin  oflnen  Seite  der  Rolle,  gegenüber  dem  Stand 
der  hinunlieehm  Scfaaaren  ans  denken  werden)  legen  sie  zu- 
nächst in  Ketten*),    und   scheinen  dann  mit  ilip»  '^    'iMrch 


I)  Wed«  Wgcifiwt  fir  dieesa  ein  bestiauBler 
wa  cocIob),  noch  «ach  wird  erhftbtere  Lsge  decs 
Zieaütch  nnifangrcich  muMt«  er  sein ,   ds   hier  au<  ti  klugen 

Joagfraaea  bereitete  himmlische  GMtmAhl  it^UJuiU. 

*)    Disacr  ^Itas  locas'   war  Tcrmutlich  dem  Coelam  «chon  ci«-a8 
ferner. 

S)    Dep.  eeqae  dormiant  U».   —   Bei   ihrem  Gelauc  tchrinen   lio 
•ich  bekriast  xa  haben,  da  bei  ihrer  ipiter  Verxwciflung 

as  heiwt:  fiftctaat  peadere  coronaa  in  capite   ({'.  .•  "-"-  '^"- 

freilich  thar  ab,  ex  oder  de  c^.  erwarten  tollte- 

*)  Dar  vafffabUcha  Vcrmch  Oel  xu  kaufen,  d 
llyfUrc  iaaeeairt  (Da  Uirü  p.  289)  wird  nnr  im  T«' 

•)    DiaboU  drauadaat  Us  (Us.  c.  ular 

corract,  so  wirdca  die  "niririilit*-«  «i  ..  — 

So  haiaat  ea  aach  im  S  moh 

V.  9H:  Dana  wardeat  die  vrruamj^tni-w  ti  »n  < . 
daaa  Mona  1,  M8.  •>  Das  Stick  IkneH  in  «Irr 
Ladas  da  X  vfrfiaibaa. 

*)    VatfL  p.  80  die  Waiaaag:   |>  >  iant  intcr  i>o- 


216  Cap   VI,  §  2. 

die  Zuschauormenge  hindurch  abgezogen  zu  sein,  während  die 
Klugen  mit  Christus,  Maria  und  den  Engeln  wol  auf  einem 
andern  Wege  vom  Ort  der  Aufführung  in  das  Kloster  zurück- 
kehrten. 

Wichtig  ist  uns  schliesslich  noch  die  Notiz  i),  das  Spiel 
sei  von  Klerikern  und  Schülern  (scholaribus)  gegeben,  welche 
Letztere   also   auch   wohl  die  Teufelsrollen   zu   geben  hatten. 

Zu  diesen  ernsteren  Stücken  wird  man  wol  auch  noch 
das  Juttonspiel  zählen  dürfen ,  über  dessen  Aufführung  uns 
freilich  in  der  durch  Gottsched  und  Keller  reproducirten  Aus- 
gabe des  Hieron.  Tilesius  wenig  Aufklärung  gegeben  wird: 
die  Hs.  des  Verfassers  2)  wies  wahrscheinlich  noch  eine  lat. 
Spielordnung  auf  mit  etwas  genaueren  Weisungen  der  Insce- 
nirung.  —  Zu  einer  zweiten  Gruppe  dieser  mittleren  Periode 
werden  sich  uns  nun  jene  oben  Cap.  II,  §  4  vorgeführten  po- 
pulären Osterspiele  bequemen,  insofern  diese  durch  das  Ein- 
dringen komischer  Rollen  von  der  älteren  Trad.  geschieden, 
doch  durch  das  Einhalten  eines  noch  beschränkten  Umfangs 
der  Darstellung  wieder  vor  den  mehrtägigen  Passions-Oster- 
spielen,  deren  Anfänge  wir  in  der  dritten  Gruppe  betrachten 
werden ,  deutlich  zurücktreten. 

Was  zunächst  das  Insbrucker  Osterspiel  betrifft,  so  ist 
hier  die  Prologisteurolle  3)    noch  in   älterer   Weise  ernsthaft 


>)    Ycrgl.  Bechsieins  Ausg.  p.  4. 

3)  Diese  ward  nach  des  Tilesius  Angabe  um  1480  geschrieben, 
also  noch  im  XV.  Jahrb.,  wo  in  Nord-  und  Mittel-Deutschland  nicht- 
lateinische  Spielordnungcn  höchst  selten  sind.  Dieselbe  satirisch-po- 
lemische Richtung,  die  den  Tilesius  zu  einer  Ausschmüchung  des  Ti- 
tels veranlasste,  mochte  ihm  leicht  eingeben,  die  Spielordnung  mit  ih- 
ren öfteren  Naivitäten  in  ein  Jedermann  verständliches  Deutsch  zu 
umschreiben.  —  Spuren  einer  lat.  Vorlage  für  dieselbe  erscheinen  in 
der  Zählung  der  Cardinäle  (p.  914  f.  bei  Keller),  in  dem  .Papa*  (p. 
916)  neben  »Bapsf  (p.  917),  in  der  Bez.  ,Salvator'  (p.  926  f.),  und 
(p.  931),  Mors  der  Tod'.  —  Für  das  Sccuische  hatte  Mag.  Tilesius,  dem 
zwar  die  Erhaltung  des  Denkmals  verdankt  wird,  begreiflicher  Weise 
gar  kein  Interesse,  und  Ed.  Devrient  neuerdings  wieder  zu  viel,  der 
bei  Besprechung  des  Spiels  (Gesch.  d.  d.  Schauspielkunst  I,  p  85)  doch 
etwas  seine  Phantasie  zu  Hilfe  nimmt. 

')    Vergl.  den  Expositor  ludi  v.  1—39. 


Cap.Vl,  §2.  217 

geblieben,  aber  schon  nach  v.  202  folgt  eine  kleine  Prügelei 
der  Grabwächter,  und  dieselbe  Leibesübung  wird  bekanntlich 
im  weitem  Verlauf  von  dem  Krämer  und  seinen  Knechten 
noch  mit  mehr  Nachdruck  aufgenommen.  Bei  solcher  Rück- 
sichtnahme auf  Tulgäre  Schaulust  Hess  sich  dann  auch  der 
das  Stück  beacblienNiden  Johannesrolle  ein  Angriff  auf  die 
mildthäüge GMinnoBg  des Publicums  einflechten  >)  (v.  1174  f.): 
für  die  yarmen*  SehiUer,  die  auch  hier  (vcrgl.  v.  1183)  neben 
Priestern  als  niederes  Spielpersonal  genannt  werden,  wird  um 
Bratenstückc  und  Osterfladen  gebeten  2)  und  himmlischer 
Lohn  dafür  verbeissen.  —  Der  Schauplutz  ist  uns  trotz  der 
etwas  wortkargen  Spielordnung  ziemlich  deutUch:  verschie- 
dene ^Bargen*  für  die  üauptgruppen  der  Spieler  3),  ausserdem 
aber  nelleicht  eine  grössere  Mittc-lbühne  um  das  Sepulchrum 
herum  *):  während  vor  ihrem  Auftreten  die  Spieler  hier  be- 
reUs  beeondere  Interimsstände  (in  der  Art  des  allerdings  ge- 
meinsemep  Garderoberaums  in  nnsern  Theatern)  gehabt  zu 
hmbeo  scheinen  ^)  —  eine  Einrichtung  über  die  wir  erst  im 
folgenden  §  aosTührlicher  reden  können. 

Von  einem  «Regens*  ist  zwar  nicht  die  Rede,  doch  müs- 
sen wir  fast  einen  Ordner  annehmen,  der  den  einzelnen  Grup- 
pen ihre  ,Höfe'  ^)  anwies,  bevor  das  Spiel  begann:  nahm  von 

I)  Sehoa  dsr  Eingsag :  ooch  hatte  ich  mich  vergessen  u.  s.  w. 
dMUi  di«  ■pitsTS  Khilsgs  an.  -  Zw«iC»lkaAar  wt,  ob  der  SoUom 
(v.  1183  L)  «twa  eiaar  ihen  UeberUefwvag  gebflrt 

>)  IH  da»  SlAck  nicht  Mhr  mnfangreich,  kamen  die  Znadumsr 
•cbweHtob  mü  Maadvomtb  warn  SehaaplaU,  ein  Unmeben  der  8chft< 
1er  in  daa  lUaeani  aacb  Schlaaa  dea  Spiela  ist  wabraekataliahar. 

^  ZaiAahsl  wol  flir  Pilataa  aad  aaia  Gafolge,  dann  Ar  die  Ju- 
d«B,  aber  aaeh  Ar  iarilar,  wo  m  aaadricklidl  beaaegi  iet:  currit 
ad  yalati— I  aack  v.  870 

4)  Wo  aieli  daaa  aaawb: —  ~  —c  Wiobtaraoenaa  nnd  die  Soaaaa 
BÜ  daaa  SalbankrioMf  danasUUaa  hatiM. 

•1  Za  aokbar  Anaalws  baraobtigt  ■■■  nameatlich  aaoh  daa  kia« 
fig  («0  gWab  VW  V.  1,  daaa  p.  lU  ob«H  p.  189,  198)  im  8iaaa  voa 
,aeit«iMi*  fskseeakle  0dN^,  waa  lafreiadaa  wirda,  waaa  aa  aichi 
ehau  Amm  ITi  liaatralaa  aaa  aiaeai  gaaoadariaa  Looal  baaaichaata.  Hai 
d"-  ««paar«  bakaaatlich   daa  ,eatt*  and  ,exe«tnt  die  «alga« 

(«afvxrvH«  ttwläateag,  di«  da»  AbIraUat  dar  Sptalar. 

•)  Diaa  M  dar  AaadnMk  apüeiar  Zaii  Ar  dia  PlMaa  dar  Spieler 
vor  ÜHraai  AaJIfstan. 


218  Cap.  VI,  §  2. 

dort  aus  die  Gruppe  oder  der  Einzelne  nun  jenen  andern 
Platz  ein,  der  für  die  Handlung  nöthig  war,  so  geschah  dies 
wol  nioist  unter  einem  Gesang  ')i  der  so  zusagen  als  Marisch- 
lied  diente.  Kine  Ilaupthilfe  der  Ilegie  während  der  Auffüh- 
rung selbst  waren  die  Kugel  mit  ihrem  Sileteruf,  was  wir 
aber  weiter  unten  im  Zusammenhang  erläutern  wollen  2),  — 
Auch  im  Hedentiner  Osterspiel  (bei  Mone  II,  33  f.), 
dessen  Prolog  ohne  besondere  KxpositorruUe  durch  zwei  En- 
gel  gesprochen  wird,  treten  uns  verschiedene  Hühnenabthei- 
lungen  entgegen.  Der  Standort  der  Juden  wird  nach  v.  804 
als  ,8ynagoga'  bezeichnet,  in  deren  Nähe  3)  dann  auch  der 
Stand  für  Pilatus  nnd  seinen  Notarius  gewesen  sein  wird. 
Als  eine  dritte  Localität  erscheint  das  ,8epulchrum'  (nach 
V.  276  genannt),  wo  die  Ritter  Wache  halten  *):  indem  sich 
Pilatus  zur  Anordnung  der  Wache  selbst  zum  Grab  begiebt 
(p.  37),  geht  ihm  ein  Servus  mit  dem  Ruf  voran,  dass  alle 
die  Strasse    frei   zu   lassen  haben  5),  woraus  mau  sieht,  dass 


I)  So  zieht  Pilatus  mit  Gefolge  unter  dem  ,Ingrc8SU8  rilatus', 
das  seinem  Sinn  nach  (vergl.  Joh.  XYIII,  33)  gar  nicht  hierher  passt, 
auf  seinen  ,Ort'  —  die  Juden  benutzten  ihr  kauderwälsches  ,chodu8 
chados  adonay'  cet.  (nach  v.  49)  sicher  auch  als  Marschlied.  —  Die 
"Wächter  ziehen  cantando  (nach  v.  141)  auf  ihre  Grabwache,  hier  nach 
bestimmtem  Text,  im  St.  Galler  Osterepiel  (Mone  I,  p.  124)  hiess  es 
nur :  cantantes  aliquid.  In  demselben  Spiel  wird  auch  zur  Grablegung 
Christi  (p.  123)  ein  Responsorium  vorgeschrieben,  vermutlich  um  der 
äussern  Handlung  durch  Anlehnung  an  das  Singtempo  mehr  Würde 
sa  leihen. 

3)  Hier  noch  eine  Kleinigkeit.  Wenn  Mone  nach  v.  167  das  (Je- 
sus cantat  ,resarrexi';  et  stat  sie  horam  erklärt  ,er  steht  sogleich  auf, 
so  scheint  hier  doppelter  Missgrifl' zu  walten,  denn  stare  heisst  stehen, 
aufstehen  Nvürde  surgcre  heissen  —  ausserdem  ist  ,8tat  horam*  bleibt 
eine  Weile  stehen  (vergl.  das  ähnliche  ,per  horam  quiescat  scdendo' 
Carm.  Bur.  p.  106,  daB-,Silc  longam  horam'  im  10  Zehnjungfr.-Spiel 
cd.  Bechstcin  p.  18)  mir  verständlicher,  als  jenes  ,ad  horam',  das 
nach  V.  203  zu  lesen  ist,  und  Mone  auch  hier  (nach  v.  167)  vcrmu- 
thet,  und  mit  ,Bogleich'  übersetzt. 

3)  Die  häufigen  Verhandlungen  zwischen  Pilatus  und  den  Juden 
lassen  dies  annehmen. 

<)  Wenn  es  p.  65  von  denselben  heisst:  vadunt  ad  locum  suum, 
so  sieht  man  aus  p.  66  obiii.  dass  dieser  Ort  eben  das  f-(i>u](  lnum 
war. 

5)    Diese  Anrede  isi  wicüir  als  Variation  der  uutj  bcivaiiiuiii  iur- 


Cap.  VI,§2.  219 

es  tkh  hier  wol  um  grössere  Entfernuug  handelt.    —    Als 
Tierte   Loodität  tritt  uns  deutlich  das   ,inferoum*  entgegen, 
..:.!..  •  nmiitelbar  an*8  ,sepulchrum'  granzend,  da  die  in  der 
-  wartenden  Seelen  (Adam,    Daniel  u.  s.  w.)   langsam 
Feme  kommend  den  Erlöser  erblicken  (vei^l.  p.  50), 
'      drei  Erzene'  riehen  >).     Aus  dem  infernum 

tus  mit  den  i  i  oder  auch  nur  selbst  in  das 

,Pai  .:en  zu  sein:  in  letzterem  Fall  hatten  die  See- 

!  ;s  Führung  dann  vor  der  Thür  des  ,Paradie8ee, 

•u warten  2).  —  Nach  v.  1041  findet  sich  dann 
die  Weisung  .Tone  diaboli  edacunt  Ludferum  catenatom,  qui 
■edene  in  dolio  iMMBtando  dicit.  In  diesem  Fass,  das  uns 
noch  mehrfach  begegnen  wird,  scheint  mir  keine  besondere 
BeiidraBg  anf  die  Hölle  zu  liegen,  wie  es  denn  auch  am 
SchloM  dea  Stucks  (vergL  vor  v.  1984)  wolgemut  der  Cou- 
clucor  besteigt,  um  seinen  erbaulichen  Epilog  au  die  Zu- 
schauer zu  halten  '). 

Da«  Tiroler  OftefB|ael  bei  Pichler  (p.  143  f.)  bietet 
noch  eine  giua  laA.  ^Heloidnung ,  die  am  meisten  zu  der  des 
Insbrvcfcer  Spielee  stimmt,  sogar  in  Einzelheiten  *).  —     Das 

inri  al.;;cü*»t.  -  lUi  «i.  in  ,-<  puiihruni  l/cfiiiid  «uh  wol  rnuh  »mih'  ho- 
htro  Wart«  für  d«  n  .vi^-u-.  \  .n  ti.r  aus  iikui  Milien  hl  licii  Ifluk  auf 
ihc  (>«l««'    lialt«-.     V.-r^l    \.  jo»,,  JIJ. 

I)  Aus  >.  :<(j:;  <rh«lU.  (|.«>k  (  hnatua  im  roüien  Kleid  die  IlöUen* 
fahrt  •otrat ,  Mr^'i.  Muni-'ü  N<>ti'.  Kdr  die  auch  hier  vorangehende 
Aufcnlcbuii;:  mt  .  jn  .t<  rrj>    nn.>lu»"  vnrjfrschriphpn.  — 

J>     V.  r/!.  >     »;7<i  f 

3)  Uaria  ktente  man  rar  Koi  einen  Thnrnph  über  diu  11  II*  tm- 
dcn:  almr  das  Torkommea  dea  ^doltum*  ala  Beqaisit  in  uid«  rn  Mu- 
cken aoheiai  aoldier  Denlaaf  «ich  an  «ataielien.  —  Im  Alafclder  tipiel 
(bei  Ranfii  III,  488,  4M)  iteigi  Udfer  anf  daa  Faaa  ala  aeinen  Thron, 
und  mfl  von  dort  ana  ia  4i»  BdU«,  ud  slaigi  vom  Faaa,  nm  mit 
dm  Trufeta  in  die  UM»  ta  gnbn  (p.  488  Note).  —  Im  Krankftirter 
äptct  (Ktcbard  Hl  188,  D«  MAril  p.  800,  8P1)  gab  ea  anf  der  Bflka« 
i«et  Irlaaer:  «m  ia  der  llilt«  der  B.  aleUt«  din  Zinne  daa  Tempda, 
da«  aadr«  de«  Betv  vor,  anf  wekliett  der  Versoeber  Cbriainm  Mhri. 
Ui  daher  Mone'i  Anvicbt  (II.  18),  daa  Faaa  Ar  ein  Bild  der  lUiUe  an 
hnltM  miealieb,  ao  atebi  einer  Bea.  dee  ,<menaliia*  anf  den  daroh  Chrtaü 
AnfatHabim  getblMi  BAUeaswaag  doeb  Midita  im  Weg«. 

•)  Tefil.  die  («abnehoinlieb  vsrdsibls)  Famnnf  dee  Urabwicb. 
Ufliadebet  AMd.  8cban•^  118  «ad  bei  Hehlsr  p.  lU,  daa  ,ABgnlas 


220  Cap.  VI,  8  2. 

Wiener  Osterspiel  bei  HofTinann  >)  bietet  zunüchRt  einen 
nicht  unwichtigen  Prolog,  der  uns  die  Entartung  der  Prae- 
cursor-Rollo  zu  der  eines  gutmütigen  Polterers  zeigt,  der  die 
Zuschauer  zur  Ruhe  weisend  selbst  die  Zunge  dabei  we- 
nig im  Zaum  hält.  Die  ältere  Vorlage  begann  wol  erst 
mit  V.  13  f,  —  Zwiefach  wird  auf  das  Kindringen  kostspieli- 
gerer Inscenirungen  hingewiesen ,  wie  sie  im  XV.  Jahrb.  schon 
aufkamen:  einmal  durch  das  Bekenntniss ,  dass  der  Praecur- 
sor  lieber  zu  Pferde  sich  gezeigt  haben  würde  2),  dann  durch 
die  Hervorhebung  der  bei  aller  Rücksichtnahme  auf  den  Ge- 
schmack des  Publicums  doch  für  die  Festgeber  nicht  zu  kost- 
spieligen 3)  Aufführung.  —  Der  Schluss  dieses  Prologs  ent- 
hält dann  eine  Weisung  an  die  Mitspielenden,  allerdings  la- 
konisch genug :  ir  sullet  üftreten  alle  ^)  !  —  Zu  vergleichen 
mit  diesem  Eingangsprolog  ist  der  noch  launigere  des  Kauf- 
manns (p.  313),  wodurch  sich  dieser  dem  Publicum  vorstellt 
und  die  komische  Zwischenhandlung  einleitet.  Uebergang  aus 
dem  Latein  ins  Deutsche  deutlich  p.  302  :  ,Die  riter  tanzen  *) 
zum  grabe  cautando,  Wir  wollen  zu  dem  grabe  gku.    Judaei 


pcrcutjens*  (als  eine  Art  Compositum)  dort  p.  114,  hier  p.  146. —  Für 
jenes  ,et  sie  p^rcutiunt  so  modicum  ad  horam'  Altd.  Schaasp.  p.  115 
begegnet  hier  p.  148,  et  sie  dimicant  simul  aliquod  teropas.  —  An 
jenes  ,ad  horam'  erinnernd  heisst  es  hier  p.  160  ,ad  tcmpus'  offenbar 
auch  im  Sinne  von  ,pauli8per',  da  nach  diesem  Tunc  Salvator  recedit 
ad  tempus  p.  161  heisst:  Deinde  venit  Salvator  cantans. —  Horam, 
ad  horam,  ad  tempus  also  =  paulisper. 

1)  Fundgr.  II,  297. 

2)  Der  Text  v.  6 — 7  scheint  incorrect:  namentlich  ist  v.  7  cim- 
Negation  oder  die  Frageform  unentbehrlich. 

3)  Vergl.  die  oft  wol  irrig  verstandenen  Worte: 

Wir  wellen  haben  ein  osterspil, 

Daz  ist  vrolich  und  kost'  nicht  vil.  —    (p.  298). 

'*)  Darauf  heisst  es  dann  doch  nur:  Pilatus  und  die  joden  gen 
mit  im;  blieben  die  Andern  also  noch  zurück? —  Das  ,pallas'  des 
Pilatus  wird  p.  298  unten,  299  oben  erwähnt  Zu  letzterer  Stelle  habe 
ich  schon  ("ap.  II,  §  4  bemerkt,  dass  am  Schluss  der  Weisung  wahr- 
scheinlich der  Name  Caiphas  herzustellen  ist. 

*)  Wenn  auch  ein  wirkliches  Reigentanzen  in  lat.  Weisungen  als 
chorizare  (oder  verschoben  corizare,  —  sare)  öfter  vorkommt,  80 
scheint  doch  ,tanzen'  in  unserm  Spiel  (vergl.  auch  p.  300,  307)  mehr 
ein  taktmässigcs  Marschieren  zu  bezeichnen. 


Cap.  n,  S  2.  221 

manent  circa  Pilatnm.  Milites  caDtabunt  tarn  diu  circa  se- 
pakhnim,  douec  Tideant  angelos  venientes.  Alle  III  >)  engel 
gte  Bom  grabe  «ingeiide,    Michael   habens   gladium   plenum 

2),  Gabriel  candekuB  et  Rapbael  vexillum ,  und  wenn 

ae  sam  grabe  kommen ,  so  beben  sie  das  amecht  3)  an ,  so 
tiet  Michael  die  ritcr  und  sie  vallen  nider  und  ligen  vor  tot 
—  In  kürzeren  WeiMOgen  pflegt  die  deutsche  Sprache  schon 
ganz  durchgedrungen  xo  sein  *).  —  Zum  Schluss  dieser 
Gruppe  erwähnen  wir  noch  die  drei  Theophilus-Texte ,  von 
denen  nnr  der  älteste  (der  Stockholmer)  noch  eine  lat.  Spiel- 
c^noDg,  freilich  auch  schon  mit  Schwankungen  ins  Nieder- 
deotadbe  ')  —  der  Ilelmstädter  Text  nur  kurze  nicht  auf  In- 
aonimiig  sielende  Ueberschriften ,  und  der  Trierer  eine  ziem- 
lieh  saa&hrlicbe,  aber  doch  für  uns  nicht  gewichtige  «)  Spiel- 
ordaiiiig  anfweisi 

Za  einer  dritten  Gruppe  unserer  zweiten  Periode  fügen 
■ch  Bill  Dan  die  mehrtägigen  Pastions-Osterspiele ,  soweit 
solche  bis  tum  Schlusie  des  MA.  abgefasst  sind,  zusammen, 
denen  wir  aber  noch  die  zu  geistlicher  Spielweise  sich  erwei- 
ternden Frohnleichnamsprocessionen  7)  zugesellen  —  die  wenn 
aodi  nidit  mehrtägig  doch  bei  dem  gewaltigen  hier  zur  Ver- 
wendung kommenden  Personal  der  Oekonomie  der  mehrtägi- 


I)    Im  Text   I'  loch   finden  lich  nor  drei  im  Folgenden 

Dfeniuiat. 

S)    Weder  die  I^fieke.    noch   aach  den  .f(Isdiui  plenna'   kann  ich 
Tcnithn. 

*)    Arn  mbd.  tnsbi   erUul  *     !'  r   /w-Aininpnhang  nicht  tu  il<>nki  n, 
■ad  uobet  wlbde  Uar  aadi  Ni<  lau  jk,.^.  n. 

«)    WrjrL  p.  806:    kie  Mrbreehen  <!      .  - ..  i    i      hellenihoi 
p.  SOl :  Iiuo  der  slt«  J«d«  dieti. 

h      V*fgL   p.   83  der  Itnifm^nu'  \  : 

*)    t^UttMlae  Winke  ,  ul>cr  das    in  den 

Krne  treiea  6m  Tkeoph.  §eWa  dMik  keiiM»  Al%«B«ti»ere  Aufx  hlui««: 
nkAA  n  ibewthen  i«i  frdUdb  der  Knfawf  nad  «ler  vooi  itot«  u  hier 
^■eprockne  Prolof   deeeea   Hier«  Yorisg«   er»t  J4  l>«(;.>im«a 


T)    Ale  Beispiele  geHen  des  3*fistnNB  procsseiowis  eorports  Chri- 
•W  MM  KtsieJMe  (Oern.  IT,  $»  f.)  and  dl«  ZerfaeUr  rtonsssionin. 


Cap.  VI.  §  2. 

gen  Spiele  nahe  genug  treten.  Bei  der  KUnzelsauer  Pro- 
OMtion  ist  die  Rolle  des  liector,  der  die  verschiedenen  Sce- 
nen  des  Festzuges  erklärt,  womöglich  moralisch  auslegt  *), 
und  auch  dialectisch  für  das  Christcnthum  auftritt  ^) ,  zu 
beachten :  bei  dem  ernst  dogmatischen  Character  des  Festes 
konnte  sich  hier  die  Exegetenroll«;  leichter  jene  würdevolle 
Haltung  bewahren,  wie  sie  einst  der  h.  Augustin  oder  Gre- 
gorius  zeigten,  während  die  andern  Spielkreise  zu  Ende  des 
MA.  schon  meist  farblose  oder  auch  humoristich  gefärbte 
Praecursor-,  Proclamator- ,  Expositor- Rollen  aufweisen,  — 
Ausser  den  dramatisch  ausgeführten  Scenen  enthält  der  Fest- 
zug auch  manche  mehr  symbolische  Darstellungen  3),  die  also 
gewisscrmassen  wieder  die  älteste  Spielstufe  repräsentiren. 
Ueberwiegend  aus  letzteren  bestehend  zeigt  sich  die  Zcrb- 
Bter  Procession  4)  von  1507,  bereits  ganz  in  deutscher  Spra- 
che verfasst ;    die   einzelnen   Scenen    oder  Bilder   sind   nicht 


1)  Dass  solche  Nutzanwendung  hin  und  wieder  etwas  gexwuni^on 
ausfallt,  bat  schon  der  Hcrgb.  mehrfach  bemerkt. 

*)  So  namentlich  (Germ.  IV)  p.  355  als  Bekämpfor  des  Juden- 
thums.  Was  hier  der  Hergb.  über  die  ,halb  geschichtliche'  Sinagoga 
meldet,  verstehe  ich  nicht  gfanz,  und  kenne  auch  von  Verderbnissen 
(für  Archisynagogus)  abgesehen  keine  Archisinagoga.  Zu  den  erwähn- 
ten Functionen  kam  noch  die  Handhabung  der  Ordnung  in  dem  sehr 
ausgedehnten  Festzuge,  worauf  der  Name  Rector  zunächst  hindeutet 

3)  Vergl.  hier  namentlich  die  bescheidene  Andeutung  der  Kreu- 
zigung (p.  353).  Accedat  unus  sacerdos  de  sacerdotibus  et  laicus  unus 
cum  CO  portans  signum  crucis.  Tunc  idem  sacerdos  tenens  crucem 
in  manu  [etj  cantat  ,Ecce  lignum  crucis'  cet.  —  Ferner  gehören  hie- 
her  die  im  Festzuge  auftretenden  Heiligen  aus  der  Legende,  die  sich 
ganz  kurz  zu  erkennen  geben,  (p.  354.) 

4)  Mitgetheilt  bei  Haupt  H,  278  f.  —  Die  Aufführung,  an  der 
die  Zünfte  sowie  der  Magistrat  Antheil  nahm  ,  ist  nicht  ganz  klar 
und  scheint  doppclartig  gewesen  zu  sein:  öfter  nämlich  scheinen  die  Rol- 
leninhaber nur  ein  Bild  getragen  zu  haben  (vergl.  z.  B.  p.  285  ,6gura 
Herodis  cum  decoUatione  Johannis  —  dahinter  scheint  ,Herodes'  ausge- 
fallen; auch  schon  die  Bez.  des  Bethleh.  Kindermords  p.  284  und  der 
Geburt  Christi  p.  283),  andrerseits  heisst  es  p.  287  (oben),  dass  die 
Apostel  weglaufen  sollen,  und  etwas  darauf:  uff  dem  markt  (im  rym) 
sal  Jhesus  nidderfallen,  wa«  auf  eine  wirklicke  Action  der  bez.  Rol- 
len hindeutet. 


Cap.  VI,  S  2.  18S 

immer  gans  chronologwefa  richtig  disponirti).  Ans  dem  Ch«r 
r  des  Spieb  tritt  diese  Procession  schon  dadurch  ftak 
.oiiig  heraus,  und  wenn  man  will  iu  ein  roheres  Stadium 
/orück,  dass  die  auftnieoden  Personen  ihre  kleinen  Sprech- 
rollen oder  , Reime*  aufgeschrieben  in  Händen  trugen  und 
.nblasen,  wenn  die  Reibe  an  sie  kam,  ja  selbst  in  einzelnen 
Fallen  wol  nur  als  ErkemmngMBettel  offen  zur  Schau  trugen. 
Als  Beleg  für  Letxtefes  nnd  Probe  der  Weisungen  überhaupt 
tbeüe  ich  hier  doe  WeiMmg  (p-  28G,  87)  interpungirt  mit. 

Die  Oerver  and  Schuster  >). 
JlwMi  mit  Juda  der  yn  kotsaen  sali.  Hie  sullen  die  vorigen 
XJI  apostel  Ton  Ankun  3)  zu  disser  fignren  komen  und  sso 
lange  vor  dem  Sacrament  stehen  bisz  dasz  Jhesus  gefangen 
>^ir'.  Die  apostellen  sollen  wegk  louffen,  Judas  sali  haben 
in  scjner  haut  eynoi  fproszen  Rym  ,Ave  Rabbi'  *).  —  In 
dem  sollen  sie  Jhesam  angreiffen.  Jhesus  mit  IV  gewappentc 
Juden  ai^agriffsn  a.  s.  w. 

Wir  gellen  nach  diesen  einleitungswcise  besprocbnen 
ProeemioBSordnnngen  tu  den  mehrtägigen  Spielen  selbst,  zu- 
nächst xnm  Frankfurter  S)  über,  Ton  dem  wir  das  Diri- 
giriieft  bedtien,  welches  die  Spielordnung  und  in  der  Regel  ^) 

I)  So  trafen  p.  380  hinter  den  Ldiejimscheni ,  die  Künig  Ihivid 
Bsd  Min«  Kn«chte  Tonrtellen ,  noch  die  Maarermritter  jene  Trauben 
einbsr,  die  Jora»'«  Kundachafler  an«  dem  gelobten  I«andc  brachten. 

^  Eirtwsder  hatten  diese  Leute  nar  ein  Bild  au  tragen,  worauf 
der  ta  Folg.  b«achri«b«nc  Voi^l  an  erblicken  war  —  oder  (aus  lio 
wirklich  agirten,  werden  ne  wol  nor  die  4  gewappneten  Juden  dabei 
TsrfssUlH  haben,  da  Jsana,  die  Apo^'  '   t    '  ■. 

p.  9S6,  S96i  MidcTM  Personen  mgeih' 

ii    Ankun  i»t  uuh  dem  llrgb.  KaaM  einer  Voratadt  von  Zerbat 

«)  Aehnttch  heiMi  ••  ein  sndcnnal:  Der  tmiffel  (hat)  in  der  hant 
atefns  «ad  «ja  rjm  jSi  ilkia  D«i  m'.  Jsans  ein  rjrm«  ,non  in  aolo 
pnae* —  Gleidi  sa  Anfang :  Adam  und  Efm  nacket  mit  queaten ;  wan 
der  rjmi  gckwsm,  aso  aotl  der  enget  Adam  nnd  Eva  utalan. 

»)  Fraakfnrt.  Archiv  III,  p.  187  f.  —  Die  AaflUmingen  der  Jahre 
M'7,  1496  nnd  1600  werden  asMbaft  gesuMhi  and  hatie  daa  Spiel 
iw.iiügit«  Daaer. 

•)    Wo  nar  die  Weisangsa  srkallsn,  wie  lehrfceh  gleieli  mA  An- 


Rn  soldMa  Bell  war  dem  SpMleiter  (Rectnr.  Refena)  wihrend  4ar 


894  Ctp.  VI,  §  2. 

die  Anfänge  der  Rollen  euthiilt.  Wir  heben  ^us  ersterer, 
die  uns  hier  allein  angeht,  zunächst  das  Wichtigste  aus  und 
erläutern  es  durch  Noten. 

„Primo  igitur  Personae  •)  ad  loca  sua  cum  instrumentis 
inusicalibus  et  clangore  tuharum  solcmniter  deducuntur.  Quo 
peracto  surgunt  Pueri  2)  clamantes  :  Silete ,  silete !  —  Quo 
clamore  finito  Augustinus  proponat  sermonem  qui  sequitur  3). 

—  Hac  conclusione  facta  Personae  universaliter  cantabunt 
antiphonam  *).  —  Jesus  autem  surgat  a  loco  suo  et  vadat 
ad  Job.  Biiptistam.  —  Johannes  aspergat  aquam  super  per- 
sonara  Jesu ,  Majestas  5)  quoque  cantet  etc.  —  —  Deinde 
Sathanas  ducat  Jesum  super  dolium ,  quod  positnro  sit  in 
mcdio  ludi^),    rcpraesentAns  pinnaculum  templi,  et  dicat  etc. 

—  Item  Sath.  ducat  Jesum  ad  alium  locum  ludi  super  dolium 
repraesentans   montem  excelsum ,    ubi  ostendat  ei  thesauruni 


Aufführung,    namentlich  aber  wol  hei  den  Proben  der  Spieler  vorher, 
zur  leichteren  Uebersicht  zur  Hand. 

')  Personae,  in  älteren  Texten  =  mulieres,  scheint  hier  auf  das 
gesummte  Spieipersonal  Iiinzudeuten. 

1)  Da  diese  Knaben  die  Engelrollen  in  den  geistl.  Spielen  (so 
hier  nach  der  Versuchung  Christi)  zu  geben  hatten,  werden  sie  oft 
schlechtweg  als  Angeli  aufgeführt. 

S)  Der  h.  Augustin,  der  hier  noch  den  Prolog  in  dialectischer 
Wendung  leitet,  wahrt  dem  Frankfurter  Spiel  verglichen  mit  dem 
Alsfelder,  das  auch  durch  das  üeberwuchern  der  Teufclscenen  die  jün- 
gere Trad.  verrüth,  einen  altem  Styl,  —  Für  Unterhaltung  des  Publi- 
cums  ward  übrigens  durch  die  keifenden  Juden,  so  dem  Heiligen  ent- 
gegentreten in  ähnlicher  Weise  wie  schon  (in  mehr  naiver  Art)  im 
Ben.-Bcurer  Weihn.  Ludus  gesorgt. 

*)  Wir  sehen  hier  also  die  Spielenden  in  ihrer  Gesammtheit  als 
eine  Art  von  Chor  behandelt,  der  durch  den  Bibelspruch  (Antiphona) 
Luc.  H,  52  den  neu  auftretenden  Jesus  feierlich  vorstellt. 

*)    Ehrfurchtsvolle  Bezeichnung  Gottes  des  Vaters. 

*)  Hier  begegnet  also  ,lndu8'  als  Bez.  auch  des  Spielplatzes.— 
Ob  mit  dem  ,circulus*  Altd.  Schausp.  p.  112  und  dem  .kres'  Trirer 
Theoph.  p.  1  der  ganze  Spielplatz  oder  eine  kleinere  Partie  desselben 
geroeint  sei,  ist  nicht  klar.  —  Was  die  von  Mone  II,  129  aus  ahd.  und 
mhd.'Zeit  beigebrachten  Ausdrücke  ,8pilahüs,  spilastat,  spilhof  be- 
trifft, ao  haben  sie  sich  in  geistlichen  Spielen  selbst  nicht  antreffen 
laMen. 


Cap.  VI.  S  2.  285 

et  omniA  regna  mundi  *)  etc.  —  Item  JesQS  appropinquans 
looo  JodaeonuD  >) ,  inveniat  InfinDum  jacentem  in  lecto  et 
dicat  —  Infinniis  tollat  lectum.  Quod  videntes  Judaei  ve- 
niaiit  ad  eam  diceotes  etc.  —  Judaei  revertantur  ad  locum 
nniai,  Jesas  qooque  recipiat  se  in  loco,  donec  ordo  eam  ite- 
rum  tangat.  —  Hie  conrivium  Herodis  incipiat  et  Filia  ejus 
ooram  Incumbentibos  aaltet  et  luthet  chorizando  ^) ,  et  cum 
«Uit  fberit,  Herodes  dicat  etc.  —  Hoc  dicto  puella  vadat 
ad  nuUrem  ejus ,  qnae  specialiter  sedeat  cum  Dominabus  * ), 
et  dicat  ei  cet  —  Hoc  peracto  surgat  iterum  Jesus  et  ve- 
niens  ad  Jndaeoe  cantat.  —  Hoc  dicto  recedat  Jesus  a  Ju- 
daei«, et  recipiat  ae  in  loco,  ubi  moram  faciet.  Hie  Maria 
iiagdai   babitu  saperbo  arroganter  incedat  etc,  —  — 

Das  erste  Tagewerk  (wo  man  noch  die  Weisung  für  den 
Tod  dea  Judas  Fichard  III,  148  beacbte,  femer  die  für  die 
Kreiudguiig  p.  151  unten)  schliesst  passend  mit  der  Grable« 
gong :  dar  b.  Augustin  sollte  das  Volk  auf  den  nächsten  Tag 
•:^dertMstellen  (p.  152).  —  Dem  zweiten  Tage  gehört  zu- 
riacbtt  die  T'  "     '  ^   '  '  l.mn  die  Begegnung  der  Frauen 

mit  dem  fi  gen    und   der  weitere  Verlauf 

bis  zur  Hu 

iwendoDg  der  ¥%*»>  -.  rböhte  Standorte  xa 

t  «cboa  oben  («handelt. 

-  '•-•  — "ichft  M>hien  etfn>«n  Platx,    Ton  dem   er  tich  or- 

' .  KU  kommen.   Nach  einiger  Zeit  beiMt  e«  dann : 

J<  i'l  Judaeo«,  in  med'  h  Coo- 

cu-  hfitvt  et!    Je«iu  |  >i>i  »e- 

daat  ClMidBn.  —    it'  AI.  pm&,    nbi   «ed.  lioproMi«.   -~    Item 

•'•'«■•  «11.  ftoe.  et  inv  ••>r<>  «edentem  in  via.—  Daran  ■chliewt 

h  •«■  «adlicli  JMHW  s\  '"•  loeo  Jodaeomm*. 

')    So  v«B  Da  M'    '  rt. 

*)    flotbol  Koben  I  lia«  kamen   abo   niehi   ohne 

f'j||C<*  auf  4io  BtlUM.  —  Lutbaoptang  doa  Joh.,  daa  Brin- 

a  d<>«  Haupte«  tüf  r1<  r  •.  w.  etttigo  Knnct|(rifle  der  Refpe 

erfordert«,  •  abernicht  bakannt.  .-  Auch  die 

"  ileHanf  .!  — -  r---]  !~  foiertioher  Wci»e  in- 

drl 

*)    Hat)  A»   Koetflm    der 

•fütairn^i'  "freet  oiwulea 

an  »ein  kUr  i»'  tren  Prvsk 

»litfidt.  .  r  Etn&cL-...  '  brigea. 


S06  Cap.  VT,  §  2. 

Das  Alsful  der  Spit  1  '/  culliiilt  in  den  mitgetheilten 
Proben  Einiges  von  Bedeutung :  die  Aufführung  war  dreitä- 
gig 3^.  —  Es  heisst  zu  Anfang  :  Primo  igitur  oranibus  per- 
aonis  in  suis  locis  constitutis  Angeli  canunt  Silete.  —  Pro- 
claniator  in  niedio  ludi  3)  dicit.  —  Diesem  ersten ,  den  In- 
halt des  Stücks  exponirenden  Prolog,  folgt  ein  zweiter,  vom 
Regens  gesprochen  (p.  482),  der  mehr  die  ethische  Richtung 
der  Aufführung  hervorhebt.  Noch  folgt  (p.  483)  ein  dritter, 
leieder  vom  Proclamator  gesprochner  Prolog  ,  der  dann  (vgl. 
p.  493)  später  noch  einmal  wiederholt  wird.  —  Aus  die- 
sem dritten  Prol.  verdient  besonders  die  als  vom  Schultheissen 
herrührend  bezeichnete  Warnung,  ,wer  sich  in  dem  Kreis  4) 
betreten  lasse ,  ohne  zum  Spiel  zu  gehören ,  der  werde  zu 
seinem  Hecht  kommen  und  mit  den  Teufeln  in  die  Hölle 
gehn  müssen'  Beachtung.  In  ihrer  Bedeutung  nicht  ganz 
klar  ist  die  an  den  (wie  es  scheint  anwesenden)  Schultheissen 
gerichtete  Aufforderung  des  Proclamator,  dass  er  den  Schlag 
thun  solle  ,    nach  dem  sich  ein  jeglicher  richten  möge  *).  — 


»)    Vergl.  Haupts  Zeitschr.  III,  477  f. 

2)  Auf  einem  vorn  eingehefteten  Blatt  ist  eingetragen ,  dass  dies 
Spiel  im  Jahre  1501  an  drei  Festtagen  (d.  h.  wol  Sonntagen  oder  wich- 
tigeren Ueiligentageu)  nach  Ostern,  1511  gleichfalls  nach  Ostern  an 
drei  Tagen,  doch  in  erweiterter  Gestalt  gespielt  sei,  1617  endlich  der- 
selbe Text  (wie  es  scheint)  bis  zur  Himmelfahrt  an  den  drei  aufs 
Osterfest  folgenden  Tagen.  —  Wie  bei  der  letzteu  AuiTübruiig  die  Wit- 
terung übel  mitgespielt  und  zu  früherem  Schluss  verholfen,  wird  be- 
seugt:  pluvia  et  ingeus  frigus  nos  abire  compulit  quarta  hora.  —  Ob 
die  1517  am  Septuagesimasonntag  geschehene  Auffuhr,  eines  Weihii.- 
Spiels,  wie  Wilh.  Wackernagel  schliesst,  bei  Nachtzeit  in  der  (erleuch- 
teten) Kirche  stattfand,  macht  die  Vergleichung  mit  den  andern,  schon 
erwähnten  Angaben,  sehr  zweifelhaft. 

3)  Auch  hier  also  ludus  =  Spielplatz. 

<)  In  demselben  Sinne  wie  eben  ludus  erscheint  hier  also  jKreis', 
ein  Wort  das  uns  schon  früher  begegnete  und  das  p.  501  in  lat.  Form 
(circumeundo  circulum)  wiederkehrt.  —  Dagegen  wird  man  das  p.  483 
im  Reim  stehende  ,plann'  um  so  weniger  für  eine  technische  Bezeich- 
nung halten,  da  es  sonst  nicht  wiederkehrt. 

5)  Auf  jeden  Fall  bemerkt  man  jenen  Antheil  an  der  Spielleitung, 
den  sich  die  weltliche  Obrigkeit  vermutlich  durch  pecuniäre  Subven- 
tion, wie  sie  bei  mehrtägiger  Aufführung  wol  zu  gebrauchen  war,  ver- 
schatile. 


C^  VI.  S  2.  227 

Wenn  es  weiter  heiiat  ^^oc  facto  Lucifer  asoendit  dolium*, 
90  ist  anzunehmen ,  daae  von  demselben  Fass  auch  der  Pro- 
H^mf****  aeinen  Prolog  geeprocben  hatte  >),  wi^  denn  über- 
haapt  das  Fan  nur  zar  Oewionung  eines  höhern  Standpunct-s 
gebraucht  sn  sein  scheint  *).  —  Im  weitern  Verlauf  (p.  794J 
wktd  das  hoflfärtige  Treiben  der  noch  unbekehrten  Magdalena 
deotlkh  Tor  Augen  gestellt  ^) ;  erwähnt  wird  p.  495  ein  ,ca- 
stmin',  Ton  dem  .primos  miles  Herodis*  herabsteigt,  vermuth- 
Ueh  hatte  anf  dieäer  «Bug"  aoch  Herodes  seinen  Platz.  Eine 
hntn  Belenehtafig  dw  meist  leicht  Terstündlichen  Spielurd- 
nung  <j  wird,  bei  dem  leicht  zugänglichen  Abdruck,  nicht 
tbig  sein. 
Aus  den  Nachrichten ,  welche  wir  Oervinus  über  das 
Heidelberger  Passions-Osterspiel  verdanken  S) ,  hebe  ich 
die  ^^MT  Einfiihrang  der  Spielpersoneu  in  ihre  Sitzplätze  ^) 
and  die  noch  wichtigere  über  eingelegte  Zwischenspiele  aus 
dem  A.  T.«  die  vielleicht  doch  mehr  als  lebende  Bilder  (mit 
kurzen  Erklärungen)  zu  denken  sind,   hier  kurz  hervor. 

Wir  geben  über  zu  dem  bei  Mone  (U,  150  f.)  mitgetheil- 
ien  Donau eschinger  Spiel  aus  dem  Ende  des  XV.  Jahr- 
bund.f  begleitet  von  einer  Sldzae  des  Bühnenrauroes  (p.  156), 
"Hcb  einer  der  Hs.  beiliegenden  Federzeichnung ,    die  (nach 


i>  VesfL  die  Wsisiing  ,Ooncluior  SMeadit  dolium'  bei  Moiu-  11, 
104. 

*)  Wtna  bieHge r  gend«  dar  Teafel  saf  oder  in  dem  Faue  aicli 
•eben  Um!  ,  »o  «rkÜft  tkk  dies  danot ,  daai  auf  da*  vielköpfige  Pub- 
bcesi,  da*  Mcb  aatttiieh  ftr  ketaa  BoU«  nähr  ioiereaairtr,  RAckaioht 
sa  aehwi  war;  ladar  wollla  nod  aoUie  den  Teufol  waaigataaa  ehi* 
mal  ordsaSlieh  gssshsn  «ad  gahtet  habaa. 

*)  Wsiisiliili  wird  daa  Tuuna  tau  MaiikbagiaHttig,  di«  Spiegel- 
coaaaMatioa  aad  «ia  «p^eaMaa  Btawaadaa  sa»  Volke  mit  Vertpottang 
dar  galaa  Babwaalav  Martha  aar  ■aanjaohan  DaraiaUeng  welUiohen 


«)    Frailkh  waaa  aa  p.  4M.  kafaal:  Ordinaatwr  ■■siiann,  praadi- 
ftieaae  ai  Cbrislas  ■adawiia  ptma^eal  ale.  —  ao  vanleba  ioh  atabi, 
wia  fani  Ar  dia  baidan  Predigtaa  Chhati  (die  araU  v.  169—168, 
r-nto  T.  18t— SU)  ■eaaiaahn  Vorbanütttiigcn  nölbig  «raraa. 
OaaebkfaU  dar  daetaeb.  IMebl.  n,  181  t 

«eet«  Wiadatgaba  der  Waisaagaa  wira  anidasfikst  gawa* 

16» 


S28  Cap.  VI,  8  2. 

Mone)  aus  dem  XVI.  Jahrh.  rührt,  und  die  sich  nur  auf  den 
sweitoii  Spieltag  hezieht')-  Mono  hat  die  Zeichnnng  in  einer 
gegründeten  Bedenken  unterliegenden  Weise  ergänzt  '^) :  auch 
enthält  dieselbe  in  ihrem  urkundlich  beglaubigten  Theile 
Schwierif^keiten.  Dahin  rechne  ich  die  weite  Entfernung  der 
Abendroahlsätätte  von  dem  Oelberg  und  Gethsemane,  welche 
Locale  doch  durch  die  Handlung  so  nahe  verknüpft  sind  — 
die  noch  weitere  der  Grabstätte  Christi  von  der  Hölle:  end- 
lich ersehe  ich  noch  nicht ,  wesshalb  die  mit  ABC  bezeich- 
neten ßühnenabschnitte  durch  Thore  (und  Gitter)  von  einan- 
der getrennt  werden  mussten.  Es  muss  wol  eine  äussere 
Rücksicht,  die  wir  nicht  kennen,  Aniass  gegeben  haben,  alle 
Gebäude  im  mittleren  Raum  (B)  zu  vereinigen.  — 

Da  wir  neuerdings  durch  die  von  Leibing  mitgetheilte 
Inscenirung  des  Luzerner  Spiels  von  158J  '^)  eine  klare  Ein- 
sicht in  das  Bühnenwesen  des  XVI.  Jahrh.  gewonnen  haben, 
80  lohnt  es  nicht  mehr  der  Mühe,  sich  an  der  Hand  so 
schwacher  Hülfsmittel  wie  des  Donaueschinger  Plans  mühsam 
zurechtzufinden.  Auch  aus  der  redseligen  ,  schon  deuts«  li 
verfassten  Spielordnung  des  Stückes  selbst  seien  nur  in  der 
Note  einige  Weisungen   ausgehoben  *):    es  kann  nicht  unsere 


I)  Mone  hat  dies  nicht  erkannt,  und  nimmt  eine  Kürzung  des 
Textes  an,  was  durchaus  nicht  erforderlich. 

3)  Vergl.  darüber  Hase  (das  geistl.  Schauspiel)  p.  86.  Amn.  50. 
—  Von  jener  p.  156  hei  Mone  mitgetheilten  Skizze  ist  übrigens  wol 
EU  unterscheiden  die  Aufzählung  der  18  verschiedenen  Localitäten, 
wozu  sich  als  Nro.  19  eine  ,gemeine  bürg'  gesellt,  die  p.  184  zu  fin- 
den. Bei  dieser  Aufzählung  ist  eine  ganz  andere  Bühne  vorausgesetzt 
(wie  die  Vergleichung  leicht  ergiebt),  welche  noch  die  Localitäten  für 
beide  Spieltage  aber  in  unvollkommener  Weise  enthielt,  so  dass  ver- 
schiedene Handlungen  (Abendmahl ,  Cieisselung,  Dornkrönung)  an  dem- 
selben Local  (auf  der  ,gemeinen  bürg*)  stattfanden. 

3)  Ich  komme  darauf  im  folgenden  §  zurück. 

4)  Das  Wichtigste  ist  schon  von  Mone  p.  161  f.,  und  von  Reidt 
p.  114  f.  hervorgehoben.  —  So  heisst  es  nach  v.  1844  (in  nhd.  Schreib.) 
^etzt  soll  Judas  einen  schwarzen  Vogel  bei  den  Füssen  in's  Maul  neh- 
men, (zum  Zeichen,  dass  der  Teufel  in  ihn  geg^angen.)  —  Das  schreck- 
liche Ende  des  Judas,  wobei  wieder  der  schwarze  Vogel  seine  Rolle 
spielt,  ist  nach  v.  2478  beschrieben.  —  Um  die  Seelen  in  der  VorhöU' 
von  Lebenden  zu  unterscheiden,  sollten  jene  nur  in  Hemden  oder 
fleischfarbenen  Gewändern,  die  Kinder  sogar  nackt  sich  zeigen. 


CapVI,  8.2. 


229 


Aufgabe  sein^  alle  Einfälle  einer  oft  etwas  kindischen  Technik 
xn  regtstriren.  —  Durch  eine  saubere,  noch  ganz  lateinische 
Ordnung  zeichnet  sich  die  Grablegung  Christi  (Lucer- 
...  .  ils.  xon  1494)  bei  Mone  II,  119  f.  aus.  Von  besonderem 
Interesse  ist  die  .processio  Indi'  p.  121,  122,  da  solche  An- 
rdnongen  Hir  den  feierlichen  Anfang  des  Spieles  nach  dem 
.>JuuipUUie  bisher  nur  in  geringer  2^hl  bekannt  geworden  >). 
Wie  ttkr  eine  feierliche  Procession  derart,  die  gewiss  von 
der  Kirche  ausging  und  auch  dorthin  wol  zurückkehrte  2), 
auf  wofdige  Auffassung  des  Spieles  wirken  musste,  ist  klar: 
■uneiHgiu  hob  der  Proclamator  zu  Beginn  und  Schluss  der 
Darstellung  ^)  die  ethische  Bedeutf^anikeit  des  dargestellten 
Stoffes  noch  beeon-!  -  *  rvor.  Können  wir  diese  Luzerner 
Orablegnng  nidit  u  ger  Sicherheit  als  Tbeil  eines  mehr- 

tägigen Spiels  beseiebnen,  so  ist  dagegen  für  das  geistliche 
Spiel  m»  Eger  4)  dreitägige  AufT'  '       iigt,    und   aus 

der  lat  Spielordnung  &)  tritt  uns  /     von  Requisiten 

estgegoi,  f.  B.  die  Arche  Noah  (p.  270),  der  Regenbogen  S) 
naeb  der  '"'  '  '  '  n.  andre,  die  zum  Theil  erst  wahrend  der 
AuffUiran^  ind  gesetzt  werden   sollen  7).       Ausserdem 

begegnen  eine  Anzahl  technischer  Ausdrücke:  so  «sedes*  und 
hronni*  ♦  "  Sitzplätze  der  Spieler  auf  der  Bühne,  für 
!<>•«»  n^llr  iis'  ^).   —      Fin    sr-lir    grosses  PpT'^onal    tritt 

•   '•■  TT    boi   üjiu]  '    lil.    178) 


•  TKi'  ^—  UsrdlBfrr 
.-.mIm!,  <U  dort  an  ) 
km  KirobMfebrftoch 

*)  laÜMM'sT« 
dir  KpUof  das  Ploii 

*)    ▼•1(1.  Oots- 

*)    Aack  Mar  wi' 
li*  teh   d««  A.  T.  du; 

VrTtnri^T  il«r  OottlKt*    - -» — 

*i    Taii  p.  270 

V)  Bo  hsiMi  m  t 
AdMs  traoMMM  sd  r 
pbte  tfiMÜ  ad 


II r  proceMiu'.  —   Für 

hcn    theiii  ZougiiiMe 

theiU  die  Natur  der 

,.,..;..  „,.1  .,K..,i„.,,,,t 


r  ^ialvfttor*  (Chrint 


280  Cap.  VI,  §.  2. 

Uns  in  den  drei  Tagewerken  entgegen  ;  die  geringeren  Rollen 
Hiud  nach  einer  versteckten  Andeutung  des  Textes  von  Schü- 
lern •  )  gegeben.  Eine  Vereinigung  mehrerer  Rollen  in  der 
Hand  eines  Spielers  scheint  bei  den  geistlichen  Spielen  durchaus 
nicht  üblich  gewesen  zu  sein.  —  Das  Beispiel  einer  siebentägi- 
gen Passions-Osterspielaufiiihrung  bei  Pichler  p.  63  f.  (Ra- 
bers Passion)  ist  mehr  durcli  diesen  in  Deutschland  allerdings 
ungewöhnlichen  Umfang  als  durch  inneren  Wert  ausgezeich- 
net. Auch  der  von  Rabers  Hand  roh  entworfene,  bei  Pichler 
wiedergegebene  Plan  der  AufiTührung  hilft  uns  über  gewichtige 
Bedenken  nicht  hinweg;  z.  R  ,  wie  es  möglich  gewesen,  den 
Einzug  Christi  in  Jerusalem  als  Schluss  eines  Tagewerks  ') 
zu  gebrauchen  auf  derselben  Bühne,  wo  eben  vorher  Christus 
als  ausserhalb  Jerusalems  Wunder  thuend  erschienen  war. 
Da  nicht  jedem  Leser  das  Pichlersche  Buch  zur  Hand  sein 
dürfte,  will  ich  den  Plan  hier  kurz  beschreiben.  Auffällig 
ist  zunächst  der  für  die  , Porta  Magna'  gebrauchte  grosse 
Raum,  hinter  der  dann  noch  ein  besonderer  ,Ingressus'  ange- 
geben —  wenig  grösser  als  die  Porta  Magna,  aber  in  Quadrat- 
form umschrieben,  erscheint  die  Mittelbühne,  deren  Hauptinhalt 
vom  ,Salomoni8chen'  Tempel  3)  erfüllt  wird,  so  dass  wenig  Platz 
ringsum  bleibt.  Um  diese  Mittelbühne  lagern  sich  nun  noch 
folgende  Locale :  links  vom  ,Ingressus'  die  Häuser  des  Cai- 
phas  und  Annas,  darauf  das  Haus  Simons  *)  des  Aussätzigen, 


—  Transeunt  ad  medium  circuli  et  omnes  convcniunt  praeter  pontiti- 
ces  qui  manent  in  locis  suis.  —  Als  Speciallocalitäten  werden  die  Syn- 
agoge, der  Tempel,  die  palatia  principum  seil.  Judaeorum  (p.276),  der 
locus  stationis  (p.  281)  =  Kreuzigungsstätte,  das  palatium  Pilati  (p.  285), 
die  Hölle  u.  s.  w.  erwähnt. 

•)  Vergl.  p.  289  (in  der  IlöUenfahrtsscenc)  die  Nacliricht  des 
Hersgb.  ,Zwei  gerettete  Seelen,  worunter  die  eines  arm<;u  Schülers 
lobsingen'.  —  Deutlicher  freilich  redet  der  Epilog,  wo  (p.  294,  295) 
um  Mosanzen,  Fladen  und  Schultern  für  die  armen  Schüler  gebeten 
wird,  ganz  ähnlich  wie  Altd.  Schausp.  p.  144. 

■i)  Das  erste  Tagewerk  reichte  von  der  Versuchung  Christi  bii 
zum  Einzug  in  Jerusalem,  (vergl.  p.  64). 

3)  An  diesem  ist  dann  noch  das  ,pinnaculum'  besonders  kennt» 
lieh  gemacht.  —  Dass  übrigens  der  Tempel  zu  Christi  Zeit  nicht  mehr 
der  Salomonische  war,  ist  bekannt. 

*)     In  der  Hs.  (und  bei  Pichler)  ,Simeoni8  leprosi'. 


Cap.  VI,5  2.  SSI 

die  UöUe  (der  Porta  Maga«  ungefähr  gegenüber)  und  dane- 
ben das  Quartier  der  Engel ;  endlich  rechts  her  sich  wieder 
aa  den  Jngressus*  schliessend  die  Synagoge  und  der  Oelberg. 
—  Mochten  hier  auch  einige  Locale  doppelt  benutzt  werden 
könaeo,  i«  B.  Simeons  Haus  auch  den  Saal  für  das  Abend- 
BMÜU  abgeben,   so  bleibt  Manches  doch  etwas  räthselhaft  >). 

Ak  Aabang  sn  dieeer  dritten  Gruppe,  die  bei  aller  Un> 
▼oUkomiDenbeit  der  Technik  doch  das  grössere  Gewicht  der 
üaMeren  Darstellung  erkennen  lässt,  betrachtao  wir  kurz  noch 
dte  Nachriebt  über  zwei  auf  dem  Constanzer  Concil  durch 
Aaaländer  Teranstaltete  Schaustellungen  ')  ,  die  sich  an  die 
WeihnacbtaqiMlti    '  ' '    sen.    AllerdingB  scbeint  man 

aiob  antor  daeeen  wol  nur  IdMode  Bilder  den- 

ken zu  miissen,  und  ihre  Verwendung  zu  Zwischen unterhal- 
tinginn   bei  Tafel  erscheint  ■'  ^'chen  Sitte   ganz  fremd, 

inmeriuB  durften  wir  diese  i  ung,    welche  local  doch 

Deutschland  gebort,  nicht  ganz  übergehen.  Die  darauf  be- 
sigUoben  StcUen  aus  Reichenthalers  Conciliums-Buch  zu  Cost- 
nitx  gebe  ich  hier  nach  Grieahabers  3)  Mittheilung  :  „zwischen 
dra  etiea  roachtent  bj  als  unser  frau  gebar ,  und  Josephen, 
und  die  beyligen  drey  künig  als  sj  ir  opffer  pracbtend  (vn 
dar  ilern  ws  gülden  vnd  gieng  vor  inen  an  einem  sail)  vnd 
berodeHea  wie  er  dun  künigen  nach  sandt  vnnd  wie  er  die 
kindlin  ertödtet,  rnd  das  alles  auf  das  kostlicbeste  mit  köst- 
liche gewand  vn  mit  kostlicher  gßzierd".  —  Von  der  zweiten 
Vorttelloog  beiist  ee:  „tu  traib  den  schimpff  mit  unser  frawen 
dm  beUigea  drei  kftngen  vnd  mit  herodes  auch  kostlicher 
daan  for.** 

Pa«eB  vir  tun  Scbhns  dieses  §  die  Resaltate  kurs  m- 
sammen,  die  steh  aus  den  vorgeführten  Quellen  ftir  die  Auf- 
f&brungen  des  spiUeren  Mittelalters  ergeben ,  wo  das  geistige 
Spiel  nicht  inebr  ao  kirchlicher  Stätte  begangen  sa  werden 
pflegte.     Die  AUassnng  der  Texte  scheint  ohne  Ausnahme  *) 

*i    Wo  ward«  di«  KreiudgaBf ,  wo  die  Orsblegung  sgirt 

*)    Di«  «nt«  had  vor  den  Bitbon  von  Cooatjuu.  die  zwi:it<   nu(  n 

vor  KAaig  8%hiiukl  sad  BMhrsren  Fftrstea  statt   —    b«ido  worden 

TOM  Bitcbof  von  Loadon  vtnailsitet 

*)    TetfL  d«a  Aabsag  seiass  Schriflebens  ftber  die  OvtsrMqucu 


«)    Bei  dsa  Brssbrttsfcia  sas  Mari  bat  der  asosiU  Uengb.  (K. 


2Sa  C»p.  VI,  §2. 

bei  der  Geistlichkeit  (die  sich  allerdings  zur  Volkssprache  ver- 
standen hatte)  geblieben  zu  sein,  wofür  namentlich  auch  die 
bis  ins  XVI.  Jahrb.  hinein  meist  lateinisch  bleibenden  Spiel- 
Ordnungen  >)  Zeugniss  ablegen.  Unwichtigere  Hollen  und 
mehr  oder  minder  komisch  gefärbte  waren  wol  schon  früher 
mehr  in  den  Händen  der  Diaconen  2)  und  Chorknaben:  seit 
dem  XIV.  Jahrb.  ist  die  Zuziehung  von  Klosterschülern  zur 
Darstellung  bezeugt  3).  Wenn  uns  nun  im  XV.  und  XVI. 
Jahrh.  Stücke  von  solchem  Umfang  begegnen,  dass  eine  Ver- 
mehrung des  Spielpersonals  auf  Hunderte  bezeugt  ist,  so  mag 
es  erlaubt  sein,  auch  an  eine  Betheiligung  von  Laien  dabei 
zu  denken ,  obgleich  es  an  directen  Zeugnissen ,  abgesehen 
von  Frohnleichnamsspielen,  in  dieser  Periode  eigentlich  noch 
fehlt.  Kurz  erinnere  ich  an  die  Wichtigkeit ,  welche  die 
Thätigkeit  des  Regisseurs  ^)  namentlich  bei  mehrtägigen  Auf- 
führungen erlangt  hatte.  Mit  diesem  Regens  fing  aber  auch 
schon  die  weltliche  Obrigkeit  an,  sich  in  die  Aufsicht  der 
Spiele  zu  theilen ,  vermuthlich  steuerte  sie  dann  auch  zu  den 

Bartsch)  freilich  an  einen  adligen  Laien  als  Verfasser  gedacht,  doch 
ohne  zwingende  Gründe  beizubringen. 

1)  Auch  wo  diese  selbst  deutsch  umgeschrieben  erscheinen,  was 
namentlich  bei  süddeutschen  Texten  seit  dem  XIll.  Jahrh.  vereinzelt 
begegnet,  ist  der  enge  Anschluss  an  die  kirchliche  Spielweise  klar 
und  öfter  finden  sich  auch  in  solchen  Stücken  lat.  Hymnen  und  Ri- 
tuale (z.  B.  im  Donaueschinger). 

2)  Die  natürlich  jüngere  Geistliche  waren.  VergL  Mone  I,  7,  — 
Für  die  Verwendung  jüngerer  Spieler  zu  komischen  Rollen  spricht 
auch  das  ,Dic  mihi  mercator  juvenis'  (bei  Schönemaun  p.  125  und 
sonst).  —  Chorknaben  eigneten  sich  natürlich  mehr  zu  Eugelsrollen. 

3)  So  namentlich  im  Epilog  des  Insbrucker  Osterspiels  und  des 
geistlichen  Spiels  aus  Eger. 

*)  In  wie  weit  dies  Amt  sich  etwa  mit  dem  des  Redactors  be- 
rührte, ersehen  wir  nicht  deutlich;  doch  sei  bemerkt,  dass  ,registrum' 
eigentlich  (=  ordo)  nur  Bezeichn.  für  die  Dirigirrolle ,  auch  für  ganze 
Textbücher  gebraucht  wird ,  vergl.  Mone  II,  183  unten  und  Pichler 
p.  66.  —  Die  einzelnen  Rollenabschnitte  (ob  aus  einem  oder  dreissig 
und  mehr  Versen  bestehend)  heisseu  Reime  (Ricmi)  oder  Sprüche.  — 
Ersterer  Ausdruck  sehr  häufig,  letsterer  in  der  eben  citirten  Stelle 
bei  Mone.  —  Abschnitte  der  Handlung  (Sceneu)  heissen  bei  Mone  I, 
73  Reden:  für  darstellen  wird  ebendort  p.  97  (u.  öfter)  begen  ge- 
braucht. 


Cap.  \  233 

i^nelkosten  bei.    Daf^en  sind  direci*  '^  !'  ,'  '     iins 

<)«rcliati8  onbeteagtMi    und   waren    a.  •  rer 

ZiHt    in  deatschen  Landen   nicht  üblich,  s  Spiel 

Dar  im  Geringsten    noch  'jottesdit  ter 

zeigte.      Mit  besonderer  1  keit   pfl- ^  lon 

der  geistlichen  Spiele  znm  Schauplatze  und  von  dort  zurück 
zn  gatebehen.     Vor-  und  ^'     '  hobon  die  religiös  sittli- 

che Bedeatvng  des  Dargt--...  -  ..  .Jringlicher  hervor.  Die 
Bewegungen  der  geweihteren  Rollen  (wie  namentlich  der  Chri- 
>tQsroUe)  blieben  st^ts  abgemessen  und  feierlich  —  die  jü- 
dischen Priestor  hatten  ihren  Hass  gegen  den  Gottmenschen 
auch  äosserlicli  durch  etwas  carrikirte  Sprache  und  wildere 
Ueberden  an  den  Tag  zu  legen  3),  und  so  einen  Uebergang 
ZQ  den  gemein  komischen  und  Teufelsrollen  zu  bilden. 

Die  Bflhne  mochte  aus  dem  inneren  Kirchenraum  zu- 
nächst häufig  auf  den  äusseren  Kirchhof  verlegt  werden ,  ob- 
gleich es  für  die  älteren  Zeiten  uns  an  7  -It, 
und  bald  mochte  man  sich  bequemere  Loi. .:..:..  . _  .  ::en. 
War  die  Bühne  in  der  Mitte  eines  freien  Platzes  angelegt, 
der  an  seinem  Umfange  noch  Raum  für  die  Zuschauer  Hess  3;, 


•)  Vt*  All'  ht.  1  I.-!  II  J''-.  \  •;  7  .h  nur  auf  die  von 
der  SpiffUeitong  ui  '!,.-■  :.  K  -•  :  .  •  i  '  ,  ■,  rif  oben  denke  ich 
mit  Recht  anf^enomiDen    -       \  :      •     1.      ri..     !>  r  Pnblicums  dür- 

fen jcac  timben  an  Kachc:.,  lii:si^h  u.  i».  w.  ^litvu,  die  wol  nach  der 
AaiVknaif  von  Klovterwbfilem ,  die  dabei  mitgewiriit,  eingesammelt 
wvrdcs. 

>t    Vera],    auf    älierrr    Z^-it    die   Zeichnung    de«   Architynagogua 

•  urer  Weibnachtaapiel :  valde  obatro- 

I  !-'  V    -.:--,  guu0j^  niovendo  Caput 

rt    '    *  ,  ',  a    umnibua  iC.  Bur.  p. 

I  :  iic  Altd. 

•  .  .•;     I :  '  hallen, 

u>.  ;■.•''■,•    ■ 

•!         '  - ......*.,   ii.  .,.^.  «.,    i.... 

u  »UM  den  Mitthetlungea  Ab«r  die   I 
fiUuwgwi,  tmf  die  wir  im  folgendes  (  MrftdduMiai* 
nmawmm  ikrilmrUr  MI  die  IIäumt  dr«  I'latata  knrn.t  --  . 
•-•«r  witl  -dig   voir  i>   nmsrhhwsan    ward«, 

iron  einem  «i^ldlheBUmutcnen  i 


2M  Cap.  VI,§2. 

80  haben  wir  als  Bezeichnung  der  Bühne  selbst  die  Ausdrücke 
CircuIuB  oder  Kreis  gefunden.  Für  die  einzelnen  Quartiere 
des  Bühnenraums ,  welche  von  den  verschiedenen  Spielergrup- 
pen meist  schon  zu  Anfang  der  Aufführung  besetzt  wurden, 
sind  die  technischen  Ausdrücke  ,Palatium,  Castrura,  oder  zu 
deutsch  Burg'  —  als  , gemeine  Burg'  finden  wir  eine  Localität 
bezeichnet,  wo  verschiedene  Handlungen  vorgenommen  wur- 
den. Für  die  Zuschauer,  welche  sich  eben  zudrängen  muss- 
ten,  wo  Platz  war,  waren  Sitzplätze,  wie  pic  die  Schauspie- 
ler auf  der  Bühne  besassen ,  noch  nicht  vorhanden  ,  —  wir 
erfahren  auch,  dass  von  Hausdächern  aus  den  Aufführungen 
zugeschaut  wurde  ').  —  Nicht  überflüssig  wird  es  schliess- 
lich sein  ,  die  schon  in  den  Stücken  der  ersten  Periode  auf- 
tauchende ,  später  sehr  häufig  werdende  Weisungsformel ,  das 
Sile  oder  Silete  der  Spielordnung  etwas  näher  zu  erläutern. 
Die  Mehrzahl  der  neueren  Forscher  2)  neigt  dahin ,  unter  die- 
sen Formeln  Ordnungsrufe  an  das  zuschauende  Publicum  zu 
verstehen  ,  wie  denn  auch  diese  Beziehung  in  zahlreichen 
Fällen,  namentlich  zu  Anfang  der  Stücke  (wo  dann  meist 
noch  eine  deutsche  Paraphrase  zu  folgen  pflegt),  ganz  unbe- 
streitbar ist  3).  Gleichwohl  lässt  sich  in  einigen  Fällen,  wie 
dies  L.  Bechstein  zuerst  richtig  erkannt  hat ,  auch  wieder 
die  Richtung  des  Rufes  an  einen  oder  mehrere  Spieler  nicht 
verkennen  *) ,    und  wahrscheinlich  ist  diese  Anwendung  denn 


des  M.A.  II,  156,  157)  wird  durch  jene  Luzemer  Pläne  so  gut  wider- 
legt, wie  die  Basels  (Geistl.  Schausp.  p.  36,  Anm.  50). 

')  Vergl.  die  Nachricht  über  den  Unfall  bei  der  Bautzener  Auf- 
fühning  von  1412  bei  Flögcl  Koro.  Lit.  IV,  290  oder  Fundgr.  II,  243 
Anm.  4. 

2)  So  F.  J.  Mone,  Hase,  Reinh.  Bechstein. 

3)  Als  Belege  hier  folg.  Stellen  :  Mone  I,  254,  v.  1—3:  nur  die 
lat.  FormiM  Moiip  TT,  p.  1H4  unten;  nur  die  deutscho  Pürjuilirasr  a.  a. 
0.  p.  33. 

4)  So  wird  im  Zehnjunpfrauenspiel  (ed.  L.  Bcchstt.-in;  p.  18  die 
Weisung  ,Angeli  Sile  loogani  horam'  wol  so  zu  verstehen  sein ,  dass 
die  Engel  wiederholt  Sile  zu  rufen  hatten,  um  die  nächstfolgende 
Rolle  (der  Tertia  Prudens)  von  den  voraufgehenden  Rollen  zu  tren- 
nen. —  Minder  deutlich  ist  das  schon  von  L.  Bechstein  hervorgeho- 
bene Silo  p.  27  oben  nach  eint-r  Rede  des  Herrn,  wogegen  Altd. 
Schausp.  p.  118  oben  durch  das  Siletis  der  Engel  offenbar  die  Thätigkeit 


c»p.  ^^.  s  2.  238 

docb  die  ältere  *).  Der  an  die  Sg^ler  gerichtete  Ruf  hatte 
■eist  «ol  den  Zweck ,  einen  seiner  Zeitdauer  nach  dehnbaren 
Vortrag  aufhören  tu  lassen  >).  Dem  Publicum  geganfibsr 
wird  das  Silete  auch  nicht  immer  in  der  Absicht  gebraucht 
worden  sein,  ioMere  Störungen  tn  Terbitten,  mehrfach  soikeint 
doreh  jenen  Ruf  nur  die  Anfmericsamkeit  ger«zt  sn 
I,  80  dnas  Silete  m!t  einem  Hört,  Hört!  zu  übersetzen 
wäre  3).  Manches  einzelne  in  der  Anwendung  dieses  Rufes 
bleibt  uns  fineilich  zweifelhaft*).  Zar  Ausfüllung  einer  Pause 
im  Spiel  konnte  das  Silete  wol  auch  verwandt  werden,  wenn 
gleich  es  dann  oft  wiederholt  werden  musste.  Für  diesen 
Zweck  gab  es  auch  andere  Gesänge  ziemlich  gleichgültigen 
Inhah»  wie  es  scheint,  wekhe  die  Synagoge  oder  die  Engel 
ifii  ■■>!  sgnn  hatten  '>  -> 

Mochten  nnn  die  Aufführungen  geistlicher  Spiele  zu  En(k 
des  Mittelalters  und  weiterhin  im  16.  Jahrhundert  ein  ziem- 
lich buntes  Schaugepringe  entfalten,  die  Wirkung  der  Sce- 
neiie  blieb  hinter  den  Erfolgen,  welche  das  Ausland  (na- 
mentlich Frankreich)  durch  gewähltere  Bübnenmittel  zu  er- 
reidien  wosste,  doch  zurück.  Für  eine  mehrstöckige  Bühne 
sind   ans   Dentschland    bisher   keine   Zeugnisse   aufgefunden, 


de«  NaoUiM  (exit  et  coodacit  milite«  ad  PtUtum  cknUnt  Jadaicum) 
b»eiid<i  werd«!  »oU. 

*)  Di«  kl.  Sprseb«  i«l,  »obald  e«  sich  tmiehst  am  einen  Raf  «n 
dis  8p4al«r  haadslt  sbea  so  oabefrrakUieh ,  als  ne  aaff»ll«nd  wire, 
w«Hi  ■•■  TOB  Aafaaf  bv  da«  PubUeiun  im  Aoge  gehabt  hitt«. 

t)    So  fai  der  «ehoii  besprookea«»  Stelle  Altd.  Schaacp.  p.  113 

*)  So  bsini  «•  Mono  I,  p.  S4,  bovor  Christ«»  jeiMn  Aaaspmch 
Unrt,  d«r  dio  ▼«febonf  der  Stodea  Magdatona't  MithftU:  Ue  oaotet 
asfotas  t«r  SOstei  teas  J«eu  et  q.  seq. 

*)  Ywf^  dsa  AafcslB  nm  Reinh.  Boohsletn  BiatfM  Aber  Silcir 
Otrm.  y,  97  £  —  Erwihat  aiAfs  hkr  aoeh  wsrdm  jeae«  ,AageU  com 
fHWie»  bei  Piehlar  p.  M,  was  aasadoaloa  sohdat,  dsM  Uor  die  Wei- 
iaag  a«f  «iaea  Bprachssttsl  oder  «ia  Flhadbea  gMehriobon  war. 

•)  Ak  «ta  detattigM  Silo,  da«  sar  AasAttaag  «iasr  Paa««  dical«, 
wird  d««  iai  2Mu^iaaff*aa«a«pM  ^  tt  «lehead«  gaMea  dtrfea:  drr 
Zmaekamm  haM«  daM  da«  OartsMU  ds«  Herta  vor  Aagmi.  —  Ia  ihn- 
HoiMr  W«i««  M«  Ha  Owang  dar  fljB«§i,nii  «faifotofi  «wiMhea  d«a  \m- 
d«a  IV«diglsa  d««  il«rra  im  AMUder  Spfol  (««rgl.  b«i  Haapt  in,  MO) 

aaah  BsKsben  «alwtfdor  «ia  (voa  d«a  Bagala  sa  sisguadüT)  ad 
«ia  T«fs  d«r  Synsgog«  ron«solvieb«a  Altd.  Sohaasp.  •?. 


886  Cap.  VI,  S  3. 

und  die  Anlage  der  mei^^n  Stücke  würde  auch  nicht  dazu 
passen  i).  Ebenso  unbegründet  ist,  wie  hier  noch  einmal  zu 
erinnern  sein  mag,  die  namentlich  bei  älteren  Forschern  auf 
unserem  Felde  ,  wie  Docen  ,  H.  HoflFmann  2) ,  G.  Freytag  3) 
beliebte  Annahme ,  dass  geistliche  Spieltexte  in  die  Hände 
von  Fahrenden  gekommen,  und  von  diesen  an  verschiedenen 
Orten  zur  Aufführung  gebracht  seien.  Schon  P'ichard  *)  hat 
sich  dagegen  geäussert,  und  entschiedener  Mone  5),  der  aber 
die  Mitwirkung  von  Klosterschülern,  wie  sie  ausser  den  von 
mir  schon  oben  namhaft  gemachten  Stücken ,  z.  B.  auch  bei'm 
Frankfurter  Pass.  Osterspiel  ß)  angenommen  werden  darf,  noch 
hätte  hervorheben  dürfen,  während  die  von  ihm  genannten 
Meistersinger  und  städtischen  Zünfte  ')  wol  kaum  vor  Ablauf 
des  MA.  selbstständige  Aufführungen  ^)  werden  zu  Stande 
gebracht  haben.  — 


§  3.     Letsfe  Periode.     (!Varh  der  Reformation.) 

Das  Material  für  diese  letzte  Periode  liegt  allerdings 
reichlicher  vor ,  ist  aber  für  unsere  Aufgabe  minder  wichtig. 
In  dieser  Periode  wird  eine  Scheidung  nach  den  Confessionen 


')  Vortheilhaft  würd«  sich  allerdings  das  Juttenspiel  auf  einer 
dreistöckigen  Bühne  gemacht  haben,  wie  dies  Devrient  I,  85  ausgeführt 
hat,  ohne  die  Bedenken  ob  solche  Annahme  zulässig,  sich  klar  zu 
machen. 

«)    Vergl.  Fundgr.  II,  240  N.  2. 

3)  In  seiner  Schrift  ,de  initiis  artis  scenicae'  die  sich  im  Wesent- 
lichen an  die  von  Iloffmann  und  (früher  schon)  von  Grimm  in  der 
Mythol.  gegebenen  Winke  anschliesst. 

*)    Frankf.  Archiv  III,  135. 

S)    Schausp.  d.  MA.  II,  124,  125. 

*)     Bekanntlich  gehört  die  Us.  der  Bartiiolunmistiftsscbule  an. 

')  In  späterer  Zeit  übernahmen  auch  ländliche  Gemeinden  geist- 
liche Aufführungen,  wovon  auch  die  Rede  im  folgenden  §  sein  wird. 

**)  Betheiligung  an  Fronloichnamsproccssionen  bleibt  hier  ausser 
Betracht.  Andere  geistliche  Spiele  mögen  am  frühesten  in  Augsburg 
von  Meistersingern  zur  Aufführung  gebracht  sein,  wohin  das  H.  Kreuz- 
Spiel  (vergl.  Kellers  Fastn.-Spiele  Nachlese  p.  54)  und  das  Spiel  von 
St  Georg  (vergl.  ebendort  p.  130  und  Greiffs  Notizen  Germ.  I,  171  f.) 
gehört. 


Cap.  VI,  S  3.  287 

angebrecht  seio,  da  die  Protestanten  vorzugsweise  das  Weih- 
nachtsspiel, die  Katholiken  aber  die  anderen  Spielkreise  cul- 
tivitTti-n. 

'  is  zunächst  die  Auflführungen  auf  protestantischer 
^  :-  i-t'trifft,  so  finden  wir  als  Fortsetzung  der  im  MA.  von 
ücij>Uichen  und  Klosterschülem  gegebenen  Vorstellungen  sol- 
che, die  von  Schulvorstehem ,  Oi^anisten  '),  mit  Hülfe  ihrer 
Schaljugend  bewerkstelligt  wurden,  wie  z.  B.  ChuuRtins  1541 
zu  Berlin  vor  dem  Churfiirsten  und  dem  Magistrat  aufge- 
führtes *)  Spiel  von  der  Geburt  Christi.  Solche  Theilnahme 
ffiraliiclier  Herren  steigerte  sich  denn  wohl  auch  so  weit  dass 
auf  Ffirstenschlöesem  und  von  jungem  Mitgliedern  des  Herr- 
scherhauses und  des  Adels  selbst  gespielt  wurde,  wobei  es 
dann  möglich  ward,  die  weiblichen  Rollen  auch  weiblichen 
Sfuelern  zu  äberlassen,  was  bei  den  öffentlichen  Aufführun- 
gen früherer  Zeit  ohne  Anstoss  nicht  wohl  anging  ^).  Auf 
der  andern  Seite  sehen  wir  das  protestantische  Weihnachts- 
spiel aus  den  Händen  der  Gei  '  '  und  Schulmänner  in 
die  bürgerlicher  Meistersinger  <j  .  ^  lon,  welche  dann  zur 
Aufführung  leicht  jüngere  Leute  heranziehen  konnten  und 
diese  unter  Anwendung  n  Zunftverbandes   zu 

einer  Spielertrnppe  verti  ,„  .:.      i u-jint  hier  der  Ort  auf 

die  von  Schröer  über  die  Obern ferer  Aufführungen  gegebe- 
Nachrichten  ^)  naher  einzutreten.  Derselbe  berichtet  in 
Einleitung,  dass  die  Spieler  in  Oberufer  (gewöhnlich 
Singer  und  zosammen  Cumpanei  genannt)  aus  dem  Hause 
des   Lehrmewters  <) ,    der  sich   ihrer    Ausbildung    gewidmet 


I)  So  mv  Barthol.  Krfiger,  VerfiuMr  de«  früher  heaproohiicn,  bei 
Titunknn  II,  7  (g.  gMlrvokten  Spielt,  Stadtechreiber  und  Orffaniat  su 
Trttbjrti. 

^    Dim  bssMigt  die  Vorrede  des  slten  Dmok«. 

1^    VeifL  WaokenuHrel  Lit.  Geeok  p.  461,  Aom.  U7. 

^  So  haben  wir  von  Bmw  Ssdie  «in«  Bearbeitung  de«  W<>ib- 
nacliutoffec,  oad  ihm  nahe  eCeheo  die  von  Schröer  ms  Dngsm  tnitge> 
tbeOleii  Text«. 

ft)    VergL  di«  Bialeitaf  d«r  DeoUchen  We ibnaebtssptel«  ms  Ud- 

i  *%9»er  aimmt  ao  der  Anfl&hrang  selbst  nicht  th&tigen  Antheil, 
■u  .JigHrtersifei*   wird   die  Rolle  de«  Altk6nigs  (Melchior)  jet«t  he- 


118  Cap.  VI,  S  3. 

hatte  1),  in  feierlicher  Weise  und  in  geordnetem  Procession»* 
rage  2)  (dem  auch  der  Teufel  angehört)  nach  dem  Spielsaal  3), 
der  sich  in  einrm  Gasthausc  befindet  ,  /u  ziehen  pflegen. 
Nach  feierlicher  Begriissung  der  anwesenden  Versammlung  *) 
beginnt  das  Stück,  für  welches,  abgesehen  von  den  rein  mu- 
sikalischen liollen  Maria's  und  der  Engel  suwie  eingelegten 
Gesungstücken  eine  eigenthümliche  Vortragsweise  üblich  und 
doch  wohl  altüberkommen  ist.  Schröer  schreibt  darüber  *) : 
„Der  Vortrag  wird  sehr  sorgfältig  einstudiert ,  denn  das  rich- 
tige Scandiren,  auf  das  man  viel  hält,  muss  auch  mit  den 
Schritten  der  meistens  auf-  und  abschreitenden  Personen  in 
Einklang  gebracht  werden ,  so  dass  drei  Schritte  auf  drei  He- 
bungen kommen ,  bei  der  vierten  Hebung  dreht  sich  der  Spie- 
ler um  (versus!).  Wo  Maria  und  Josef  sitzen  und  den  Wirt 
anreden,  muss  dieser,  bevor  er  selbst  zu  reden  anfängt ,  schon 
auf-  und  abgehn  und  zu  den  Worten  Schritte  machen.  — 
Aber  auch  das  Sprechen  geschieht  nach  einer  feststehenden 
Tonfolge ,  wie  es  bei  der  antiken  Tragödie  gewesen  sein  mag 
und  wie  auch  die  französische  Tragödie  ihren  Gesang  hat. 
Wenn  die  erste  Hebung  den  Ton  c  hat,  so  ist  die  zweite  e, 
die  dritte  f,  die  vierte  kehrt  wieder  zu  c  zurück,  dies  ist  die 
Sprachweise  Josefs;  die  anderen  sprechen  gewöhnlich  c,  f,  f, 
f.*'  —  Beachtung  verdient  schHesslich  noch  das  Umzughalten 
des  Spielpersonals  (der  Cumpanie)  vor  und  nach  jeder  Scene, 
womit  das  Auf-  und  Abtreten  der  Spieler  vom  Schauplatz 
geregelt  ist  nach  Art  militärischer  Ablösung. 

Sollte  diese  Oberuferer  Spielweise ,  wie  doch  wohl  anzu- 
nehmen, ins  16.  Jahrhundert  der  Hauptsache  nach  zurückrei- 
chen, so  würde  nun  jene  eigenthümliche,  zu  Nürnberg  um 
die  Mitte  des  17.  Jahrh.    versuchte,   Manier  6)   zu  erwähnen 

I)  Und  so  lange  eine  strenge  Zuchtpolizei  über  die  Singer  auszu- 
üben hat  (vergl.  p.  8). 

t)    Vergl.  p.  10. 

3)  Ueber  die  Bühne  heisst  es  p.  12,  dass  sie  der  innere  Raum 
eines  Hufeisens  sei,   das   durch  die  Zuschauerbänke  gebildet  werde. 

-1)  Schliesslich  wird  auch  der  Stern  der  Magier,  gewissermassen 
das  Abzeichen  der  Singerzunft ,  feierlich  begrüsst  vergl.  p.  10,  p.  66, 
p.  204  fg. 

S)    p.  16. 

«)    Vergl.  Gervinus  Gesch.  d.  d.  Dicht,  m,  414. 


Ciqi.  VI.  $  8. 

i,  die  dftranf  ausging  das  geistliche  Spiel  wieder  auf  kirch- 
lichen Schauplatz  xuräckzuföhren.  Mögen  hierbei  mehr  Vor- 
bilder des  Auslandes  >)  vorgeschwebt  haben ,  oder  die  von 
Johann  Klag  und  Genossen  geschriebnen  Singspiele  dem  alten 
Recht  der  Meisteriieder ,  nach  beendetem  Gottesdienst  (und 
wol  auch  in  der  Kircke)  vorgetragen  zu  werden  gefolgt  sein  : 
mit  Recht  bezeichnet  Gerrinus  diese  wunderlichen  Elssays  als 
Anfange  wirklicher  Oratorien,  ohne  viel  Bedeutung  für  die 
Entvicklongigescbichte  der  Schau^uele.  —  Ebenso  lassen  wir 
hier  die  gelduiea  Versuche  protestantiecher  Schulmänner  so 
gat  wie  die  familiären  Kinderbelustigungen  zur  Weihnachtzeit, 
die  Sterndreherumgänge  u.  s.  w.  bei  Seite.  — 

Bedeutender  sind  die  auf  katholischer  Seite  zu  bemer- 
kendeii  Leiatungen ,  und  namentlich  die  Lnzerner  Aufiub- 
mngen  ans  dem  Ende  des  16.  Jahrb.  2)  um  so  gewichtiger, 
ala  Ban  von  ihnen  aus  noch  mit  einiger  Sicherheit  Kück- 
scblBiw*  auf  den  Gebrauch  des  MA.  selbst  thun  darf.  Die 
durch  Renwart  Cysat  redigirten  und  insceuirten  sog.  Oster- 
spiele 3)  wurden  durch  die  geistliche  .Brüderschaft  zur  Bekrö- 
nang*  angeregt,  während  die  Kosten  ganz  oder  doch  iiber- 
«Mgend  von  der  Stadt  getragen  wurden,  und  so  begreiflicher- 
weiae  die  «Verordneten  dee  Raths^  nicht  nur  die  Spielleitung 
in  höchster  Instanz  ausübten,  sondern  auch  für  jede  Text 
Veränderung  ihr  Placet  sich  vor^  '  '  r,.  Jq)  Anschluss  an 
die  Darstellung  bei  Leibing   sei<  olenule  Notizen  auf- 

geDommen. 

Bez&glich  der  Polizei  ist  die  strenge  Bewachung  der 
nnKn«.  4)   schon   vor   dem   Aufiführungstage  ^)   hervorzuheben, 

Vielletcht  der  NiederUade.    Veigl  Gcrvinoi  am  auKeruhrten 

K»  Uagi  MM  von  Frsnt  Leibing  (Elberfeld  18e9)  genaoe  Mit- 
Ui^eilug  Aber  die  lasoeainun  dm  iwsttlflgeu  Spieb  von  1068  vor: 
ihaliehe  AaWhrwagea  sind  tehop  voa  Hone  (ü,  420}  euch  fikr  di« 
Jahn  IBM  ead  IIM  besM^ 

*)  fia  «ad,  wie  ieh  im  IBaften  Csp«  seigt«i  CombiiuaioBen  der 
Wethaedbi*  «ad  Osl<rs|><eHied. 

«)  8o  umm  ich  eieelinDeii  eU«  mT  dem  MarktpUU  Ar  die  Aaf* 
Mtoog  «rriehUiea  OertMe,  Scbrankeo,  Gitter  u  dcrKl.  —  Omuhmtm 

•)    Oiaeea  ereabe  ieh  tm  Lelbi^i  Schha  oicht  vöUig  klar.    P.  2 


MO  Cap.  IV,  S  3. 

die  am  Spieltage  selbst  natürlich  noch  schärfer  geübt  wurde: 
sogar  Tbore  und  Stadttbürme  schien  es  nötig  dann  stärker 
ta  besetzen.  Während  also  es  der  gewöhnlichen  Zuschauer- 
menge  gegenüber  nur  auf  Erhaltung  der  Ordnung  ankam, 
waren  nach  Sitte  der  Zeit  gegen  die  zum  Spiel  anwesenden 
Fremden  (namentlich  die  geistlichen  oder  sonst  höheren 
Standes)  Rücksichten  zu  beobachten ,  die  genug  Mühe  und 
Kosten  mit  sich  brachten ;  gewöhnlich  wurden  ihnen  die 
besten  Zuschauerplätze  aufbebalten  ,  freie  Zeche  und  gutes 
Nachtquartier  kam  hinzu. 

Die  Stände  oder  (wie  wir  jetzt  sagen  würden)  die  Rol- 
len, deren  Anzahl  sich  bei  diesen  Aufführungen  auf  mehrere 
Hundert  zu  belaufen  pflegte,  wurden  vom  Regens  gewöhnlich 
in  der  Zeit  von  Martini  bis  Weihnacht  (mit  Berücksichtigung 
der  zahlreich  einlaufenden  Gesuche)  vertheilt.  Die  Zeit  bis 
zum  Anfang  der  Fasten  war  dann  durch  das  Ausschreiben 
der  sog.  Sprüche  in  Anspruch  genommen  ,  und  in  die  Fasten- 
zeit endlich  fielen  die  mehrfachen  Spielproben.  Der  Regens 
hatte  schon  hierbei  zwei  Ministranten  oder  sog.  Pedelle  nö- 
thig.  Für  die  Uebernahme  eines  Standes  waren  Gebühren  zu 
entrichten ,  die  neben  den  Strafgeldern  für  fahrlässige  Spieler 
einen  Theil  der  Kosten  decken  sollten ;  die  vornehmsten  Rol- 
len ,  für  welche  auch  am  meisten  zu  entrichten  war  ') ,  na- 
mentlich der  Salvjitorstand  ,  wurden  noch  oft  von  Geistlichen, 
sonst  von  reicheren  Bürgern  beansprucht.  —  üeber  das  Ko- 
stüm der  Spieler  nnd  einige  Bühnenmaschinerieen  enthalten 
Cysats  Papiere  zum  Glück  sehr  reichliche  Mittheilungen,  die 
unserer  dürftigen  Kenntniss  dieses  Faches  in  älterer  Zeit  et- 
was abhelfen.     Ich  gebe  nacli  Leibing  einige  Auszüge. 

Adam.    Eva. 

Adam  soll  haben  ein  ziemlich  lang  Haar,  das  nicht  grau 
noch  schwarz  sei,  einen  kurzen  Bart  in  Gestalt  eines  dreissig- 


(unten)  i«t  freilich  Mittwoch  vor  Palmarum  genannt,  dem  •widerspricht 
aber  p.  3  Zeile  3  von  unten. 

»)  Ausserdem  beschafften  die  Darsteller  oft  selbst  das  Kostüm 
(verRl.  Leibinj?  p.  16),  doch  musste  häufiger  wol  die  Stadt  hierfür 
Sori^e  trauen. 


Cur»  VT    ^  3.  241 

jährigen  Mannes.  Eva  als  em  jung  Weib  •;  mit  schönen  lan- 
gen,  offenen  Weiberhaaren. 

Lehrer. 
Grt^urius  al»  Papst     Hieronymus  als  Cardinal.     Ainbro- 
sius  .als  Fr/hisrhuf.     Aagustus  ')  als  Bischof. 
Kector  oder  Regens. 
Soll    Mftiu    telbaoder    mit    einem    togendlichen    Knaben, 
köstlich  beldeidet  Beines  Gefallens. 

Proclamator. 
sein  zu  Ross  in  ganzer  Rüstung,  im  Harnisch,  dar- 
u^M..    ^^u  ersten  Tag  ein    weiss,    den  andern  Tag   ein    roth 
seidenes  terfaaoenes  Wappenröckloin,    ein   weisses  Sammtba- 
rett  mit  Federn  und  sonst  köstlich. 

Synagogen-  und  Tempelherren. 
—  —   gut  jüdisch  in  langen  Kleidern,    die  suUen  sie  allent- 
halben wie  auch  die  Hüte  belegen  mit   hebräischen  Buchsta- 
ben,  «bese  aus  St&niol  auf  blauem  Papier. 

Maria. 
Anfangs  als  eine  allerzüchtigste  Jungfrau  demüthiger 
tiebinteo.  Die  Kleidung  ist  ein  weiss  Unterkleid  oder  einer 
KiMlailiSHiin  Rock,  darüber  ein  blau  seidener  Mantel.  Ein 
sebön  «nsgespreitet  Frauenhaar  ,  darüber  ein  Schein  ;  weisse 
Hosen  (Strimpfe)  und  Schuhe. 

Die  drei  Könige. 
Sollen  auf  das  zierlichste  und  küstlichste  bekleidet  sein 
als  mdglieh  a«f  beid-  iremde   und   unbekannt«  Manier. 

Balthasar  ist  der  lloL.-. 1^,    soll   schwarz   von  Leib   und 

sammt  seinem  Gesinde  in  gleicher  Färb,  aber  weiss  bekleidet 
sein.  Die  andern  zwei  nach  ihrem  Gefallen,  doch  unterschied- 
lich, keiner  «10  der  andere,  je  seltsamer,  je  auselmli«  her. 

Teufel. 
IhneO^aUeat  in  fraulicher,  doch  ansehnlicher  Kleidung, 
jiii-r  renchieden. 


>)    l>cr  DuvUUer  wmr  Bai4rlt<:l>  "inr  mMunliihi^  I*<  raoa. 

n    lUa«  soch  »otast   b«g«fnti  mg  von  Au» 

gU*tlUUt.  I)irir    \iir    l'rr»<>tii-il    lliU»*lrti    lli    Mir«  111  l\i'*lum    wiMM^nUicIi 

cur  /trrJr  tlrr  Aut!»l.r  .ti^   I  i  tlr.tg«n.     AI«  Kx^-K^t  «cbiMnl  tmm<<M(iJch 
(*rri(..riu«  (\<r.  i<«bnMMhl  XU  tria , 


242  ra]).:\  I,  §  ;j. 

^Magdalena. 

Vor  der  Bekehrung  ganz  hoffärtig,   prächtig,   stolz   und 
köstlich   auf  gar   alte   oder   jüdische    und   seltsame   Manier. 
Nach  der  Bekehrung  aber  ehrbarlich  doch  reichlich. 
Totenauferstehung. 

Sind  angenehm  in  Leibkleidern  als  nackend,  doch  tÖtli- 
che  Farbe,  und  als  Tote  mit  Gebeinen  gemalt,  auch  auf  den 
Häuptern  gemalte  Totenköpfe.  Einen  Bademantel  unter  den 
Armen,  auch  über  die  Achsel  geschlagen,  jeder  ein  Toten- 
bein in  der  Hand.  Sie  erstehen  unten  aus  der  Brügge  '), 
wohin  man  die  Toten  gelegt  hat,  und  gehen  zertheilt  an  bei- 
den Orten  den  Platz  hinauf  gegen  den  Tempel  und  die  Höfe, 
lassen  sich  bloss  sehen  als  ob  sie  erscheinen ,  ungeredet,  und 
gehen  alsdann  wieder  hinab  in  das  Grab. 

Die  Trabanten  und  der  Fähndrich  des  Proclamators ,  so 
wie  dieser  selbst ,  sind  den  ersten  Tag  in  weisser  Kleidung ; 
die  Faline  zeigt  auf  weissem  Grund  eine  Seene  aus  der  Pas- 
sion. 

Die  Schlange  geht  im  Anfange  den  ersten  Tag  aufrecht, 
kriecht  nach  dem  Fluche  anf  allen  Vieren  davon  in  die  Hölle. 
Ein  gemachter  Judas  in  der  Hölle,  den  man  anzünden  kann. 

Himmelsbrod  wird  aus  4  Häusern  von  den  Dächern 
durch  einen  starken  Blast  (Blasebalg)  oder  Instrument  ge- 
spreitet. — 

"Was  den  Schauplatz  der  Auflführung  von  1583  betrifft, 
80  diente  dazu  der  ziemlich  geräumige  Weinmarkt  zu  Luzem. 
Fragen  wir  zunächst  nach  den  Zuschauerplätzen  ,  so 
waren  dieselben  gerüstweise  dem  untern  Stockwerk  der  um 
den  Markt  liegenden  Häuser  vorgebaut,  so  dass  von  ihnen 
auf  die  Bühne  in  Mitten  des  Marktes  herabgesehen  wurde. 
Letztere  reichte  aber  an  einer  Stelle  wenigstens  auch  an  die 
Markthäuser  heran ,  so  dass  z.  B.  das  Haus  zur  Sonne  als 
Bühnenhintergebäude  (skene  2))  verwertet  wurde.  Die  Zu- 
schauergerüste  waren  ,    wenn   auch   sicher   gratis   geöffnet  3), 


1)     Erläoterung  dieses  Ausdruckes  folj^t  nach. 

*)  Dieser  leicht«  Hinweis  auf  die  Einrichtunrr  drs  attischen  Thea- 
ters majr  hier  genügen. 

3)     Wenigstens  findet  sich  in  Cyaats  IJerecli....,  "'  ^pur  cinor 

Einnahme  durch  Eintrittsgelder. 


Ca-    VT     5  3.  243 

doch  der  besBern  Ordnung  hulber  durch  Thore  verschließbar: 
•olche  ,Rrüggen'  oder  ,Brüginen'  (denn  dies  sind  die  techni- 
•chen  Ausdrücke  für  die  Tribünen)  wurden  auch  in  den  ein- 
II  -Q   StnMMD  noch  errichtet     Wer   hier  nicht  Platz 

fikiKi  11  Uli  nicht  etwa  in  die  Häuser  am  Markt  als  Bekannter 
Eintritt  hatte,  musste  sich  schon  auf  die  Dächer  hinaufwagen, 
am  noch  des  Schauspiels  habhaft  zu  werden.  Dienten  also  die 
Dieber  ab  Galerie ,  die  Brüggen  als  Parterre ,  so  gaben  die 
M*rkth&Dtw  mit  ihren  Fenstern  des  zweiten  Stockes  die  Lo- 
gen her.  Von  hier  aus  konnte  man  am  bequemsten  Ueber- 
scbaa  halten  und  war  auch  gegen  die  Witterung  geschützt, 
daher  dienten  dieee  Plätze  auch  als  Fremden  löge,  —  doch 
moHle  man  bei  der  Menge  der  Gäste  manchen  derselben 
aoch  auf  den  Brüggeo  oder  auf  der  Bühne  selbst  Plätze  an- 
weisen 1). 

Was  nun  die  Einrichtung  der  Bühne  selbst  betrifft,  so 
war  dieselbe  natürlich  überall  abgeschlossen.  Innerhalb  die- 
ser Schranken  befanden  sich  zanächst  an  dieselben  stossend 
die  , Höfe' der  Spieler,  wo  dieselben  ilireu  bestimmten  Aufent- 
halt am  gMumi  Spieltage  hatten ,  sofern  sie  nicht  zur  )>eleb- 
tereo  Actioo  in  die  Mitte  des  Schauplatzes  (der  nicht  völlig 
leer  blieb ,  sondern  verschiedene  ,Oerier*  als  Scenenandeutun- 
gen  1  aufwies)  hinaosräck«!  mosi^n ;  —  einfachere  Hand- 
langen konntr-r  •>  In  Höfen  selbst  vor  sich  gehen.  Vergleicht 
man  diese  F.  ug  mit  der  früheren  Zeit,    so  ist  klar, 

lass  die  Höfe  den  , Burgen'  (Castra,  palatia)  entsprechen,  wel- 
( he  früher  den  grösseren  Theil  des  Schauplatzes  eingenommen. 
Was  di<>  Oerter  betrifft,    so  hatte  man  sich  noch  im  Anfang 

1,    :«•».  ..;...^  b«l  d««iS«<''>'i  '<'•-  I^skrsr  and  Propheten,  des  Pro- 

art  ator»  wi4  des  SelialUMi«  rgL  dMMn  ErwAhnong  im  AU- 

(cMcr  Bpittprolog  bei  Bsnpi  JLU,  iö^.)     FAr  den  ¥M  des  R«g«ns  gab 

••  ««eil  bedeckt«  BAfe  flir  d«o  Procbun.  and  Sobulth.  (,duui  sie  von 

bier  aafi  nad  Ordwu«  ceheffm  kOoaea'  p.  12.) 

St     Rf.Irlu»   Orrirr   ^fiir   ilrti   «vratf^ii    R^i«ltag)  WSfSn  I.  B.  der  AltST 

f»r  le    mit  dem  goldnrn  Kalb 

nctiet  rinvr  urunr  ana  rmrm  « 'j>irrti»rn ,  die  üebUnge  in  der  Wücte, 
der  Bsnm  3^bli  ■.  e.  w  —  Orfteeere  Benliokkeitea,  wie  die  Hatte  s« 
flelUehesi,  der  Tewiysl  beteidea  eieli  dsgcgca  nnler  den  HUMni  im 
— eni  OmfMg  des  Splclkrtie^ ,  o»  weder  die  Menoewrec  der  Spie- 
•«Hmppea  »edi  die  Anaeidit  der  ZeeclMiaer  n  beecbrftaken. 

le» 


244  Cap.  VI.  §  3. 

lies  U'i.  .liilirhundertK  hiermit  sehr  einfach  bcholfen  ;  als  ein 
Anfang  reicherer  Kntwickehmg  können  aber  schon  die  ,StÄ- 
tionen'  (loca)  gelten  ,  wie  sie  das  Innsbrucker  AssumptionH- 
spiel  ')  aufweist.  Besondere  Sorgfalt  ward  auf  den  ganz  pro- 
cessionsartig  geordneten  Aufzug  *-)  und  Abzug  der  Spieler  ver- 
wendet; wie  hoch  die  kirchlichen  Autoritäten  auch  im  geist" 
liehen  Spiel  hier  geachtet  wurden  ,  geht  schon  daraus  hervor, 
dass  die  vier  , Lehrer'  (die  sog.  grossen  Kirchenväter,  Grego- 
rius  u.  8.  w.)  von  ihrem  Hof  nach  einer  besonders  günstigen 
Stelle  der  Bühne  auf  einer  Kanzel  getragen  wurden ,  sobald 
die  lieihe  des  Redens  an  sie  kommen  sollte. 

Für  den  , Regens'  findet  sich  auf  den  Plänen,  welche 
Leibing  seinem  Hefte  beigegeben  ,  kein  besonderer  Standort, 
und  hat  derselbe  daher  vermuthet,  dass  diese  Hauptperson 
sich  während  der  Autführung  überall  dorthin  gewendet  habe, 
wo  ein  Dreinsehen  gerade  am  nöthigsten  war.  Doch  ist  es 
auch  möglich .  dass  der  Regens  von  dem  Fenster  eines  Markt- 
hauses aus  die  Auftuhrung  leitete,  und  theils  durch  Winkel), 
theils  durch  seine  , Pedelle'  die  Leitung  ausübte  *).  Aus  den 
beiden  Plänen  hebe  ich  hier  zur  Orientirung  des  Lesers  noch 
hervor,  dass  au  der  Ostseite  des  Weinmarktes  das  Haus  zur 
Sonne  in  der  Weise  zur  Aufl'ührung  mit  diente,  dass  der 
Raum  zwischen  den  beiden  Fronterckern  den  Himmel  dar- 
stellte,   zu  welchem  von  den  Brüggen  aus  Leitern  hiuafführ- 


1)  Altd.  SchauRp.  p.  46,  47:  vadit  (Maria)  ad  locum  baptismatis, 
recedit  ad  locum  jejunii  etc. 

>)  Die  b.  drei  Könige  hatten  nach  dem  Generaleinzug  des  ersten 
Tages  sich  wieder  zu  entfernen,  und  später  von  drei  verschiedenen 
Gassen  her  wieder  auf  die  Bühne  zurückzukehren,  um  den  schon  der  äl- 
testen Spieltradition  geläufigen  Eflect  (vergl.  z.  B.  Du  Meril  p.  153  un- 
ten, tres  Clerici  more  llegum  induti  ex  tribus  partibus  conveniant 
ante  altare)  nicht  untergehen  zu  lassen.  —  Noch  sei  bemerkt,  dass 
im  feierlichen  Einzug  der  Spieler  Jesus  der  Zwölfjährige  zwischen  Ma- 
ria und  Joseph,  und  etwas  später  der  Salvator  mit  seinen  8  Jüngern 
(damit  begnügte  man  sich)  einherging.  (Vergl.  Leibing  p.  14  und  die 
aus  Joh.  Pauli  bei  WackenuiLaI  Lit.  Gesch.  ]i.  312.  N.  72  entlehnte 
Stelle.) 

3)  Mit  dem  Scepter,  den  vj    uis  /ziehen  at-iner  Würde  inne  hatte. 

4)  Vcrgl.  die  p.  17  erwähnten  llandbcmcrkungen  Cysats:  Heifls 
N.  N.  sich  rfisten,  Wink  den  Barträgem  sich  gerüst   zu  halten  u.  s.  w. 


Cap.  VI,  §  3.  245 

ton.  Nor  dem  Frdgeschon  d«M«lben  Haosee  war  (Tielleicht 
mit  Benutzung  einer  vorhandenen  Laube)  am  ersten  Spieltage 
der  Berg  Sinai ,  am  zweiten  aber  der  Oeiherg  angebracht. 
Einen  grossen  Theil  der  Südseite  des  Platzes  nahm  an  bei- 
den Spieltagen  der  Tempel  zu  Jerusalem  ein.  An  der  West- 
seite befand  sich  am  ersten  Spieltage  das  sog.  Wcihunchts- 
bättlein ,  am  iweiten  etwa  an  derselben  Stelle  das  Grab  des 
Heilanda  ').  In  der  Nordwestseite  befand  sich  an  beiden  Ta- 
gen die  HöUe  (auf  den  Plänen  durch  eine  gräuliche  Fratze 
ausser  der  B«Mchrift  kenntlich  gemacht)  und  nicht  ^eit  da- 
von an  der  Westseite  der  Baum  des  Judas.  Durch  die  Mitte 
<iet»  Plataes  scheint  am  en»ten  Tage  ein  Wassergraben  zur 
Andeutung  de«  Jordans  sich  erstrekt  zu  haben ,  wozu  ein  auf 
Jem  Weiumarkt  befindlicher  Brunueu  das  Wasser  hergeben 
mochte.  Endlich  sei  noch  bemerkt ,  dass  sicli  die  Gesammt- 
zahl  der  zum  Spiel  verwandten  i*ersonen  auf  600  belaufen 
zu  haben  scheint,  da  eben  so  viel  messingene  Wahrzeichen 
in  den  Koetenrechnungen  Cysat's  erwähnt  werden,  wo  übri- 
itens  die  Zehrung  der  Spielpersonen  und  die  der  Fremden  als 
ilauptposten  figuhren  2). 

Nachdem  uns  die  Luzerncr  Aufi'ührungen  ihrer  Wiuhtig- 
kfti  wegen  länger  beechäftigt  haben,  berühre  ich  hier  nur 
kurz  die  von  Rein  aas  Ucrdingen  3),  von  Peter  aus  Zuck- 
mantei  gemachten  Mittheilungen.  Am  letzteren  Orte  war 
et,  wie  schon  früher  erwähnt,  üblich,  den  ersten  Theil  des 
PaattdW-Oiterqtielt  in  der  Kirche,  die  Kreuzigung  alter  auf 
dem  Rochusberge  vorzunehmen,  doch  ist  es  sehr  fraglich, 
1>  der  toa  Peter  pobiicirte  Text  eine  solche  getheiltc  Auf- 
:  uüruaginveiae  voraoMetzt  Nach  den  Weisungen  der  Spiel- 
ordüosg  moss  man  vielmehr  annehmen  ,    dass  für  die  ganze 

'       M  <:  ;  ■-   .   .   f.t,     wie  dur'J»  ilnsn  Ao»» 

»«  ili- :.    >■    .  .  .j     .'  I>>jn    « '.ii<;    i-ri;rcif<'i  iuti 

5>       V.  r  1    ,:.     vr>     >.  r     li,. 

tariicil  »t.  .-',:>.;,,■.   w     i.i  ;l   .  hu!!'  h     \<.i. 

»)  1...      :. 

•  Ijui    iti  Unu*   >•  liT 

tigl  wortiin. 


246  Cap.  VT,  ^  3. 

AuflführuHR  ein  Bühnengel)iiiuic  h  errichtet  war:  sicher  eine 
jüngere  Erfindung,  wie  sich  Jiuch  sclion  aus  dem  Gebrauch 
dos  Vorhangs  2)  zum  zeitweiligen  Verschluss  der  Bütine  er- 
giobt.  Aehnlichen  Wechsel  in  der  Aufführungsweise  hat  nun 
auch  das  Obcrammergauer  Spiel  erfahren,  über  welches 
hier  noch  einige  Mittlieilungen  folgen  mögen  '^). 

„Als  Gelübdeerfüllung  wurde  die  Passionstragödio  1634 
zum  ersten  Male  aufgeiführt  *).  Bis  1C74  erfolgte  die  Dar- 
stellung alle  10  Jahre.  Hierauf  aber  ward  das  heilige  Trau- 
erspiel nach  einem  Zeitraum  von  6  Jahren  nämlich  1680  dem 
christlichen  Volke  vorgeführt  und  von  da  ab  blieb  es  auf  die 
Zehnerzahl  verlegt.  Ob  der  Schauplatz  schon  damals,  wie 
noch  zu  unserm  Gedenken ,  der  Gottesacker ,  oder  vielleicht 
die  Kirche  selbst  war,  findet  sich  nicht  aufgezeichnet.  Doch 
scheint  aus  der  Bemerkung  am  Ende  des  ältesten  Spielbuches: 
»sollen  hinfüro  für  die  zusehenden  Personen  alle  Zeit  Sitze 
gemacht  werden'  Ersteres  angenommen  werden  zu  müssen. 
Schon  frühe  wurden  der  Aufführung  Bilder  aus  dem  alten 
Testamente,  welche  für  die  einzelnen  Scenen  einen  vorbildli- 
chen Character  hatten,  eingefügt,  um  neben  der  Erfüllung  zu 
grösserer  Erbauung  auch  die  Prophezeihung  zu  haben.  Ge- 
wöhnlich zwei  Jahre  vor  dem  Passionsspiele  ward  die  soge- 
nannte Kreuzschule  vorgestellt.  Die  letzte  Aufführung  der- 
selben fand  1825  Statt.     In  derselben  wurden  die  vorbildhchen 


•)  Vergl.  Troppauer  Programm  I  (1868  p.  20:  Lucifer  kommet  auf 
der  untern  Seit'  p.  28:  (ein  Cherubim)  jagt  sie  (Adam  und  Eva)  unten 
hinaus.  ,Gcht  oben  hinein',  —  Progr.  II  (1869)  p.  4 :  Jesus  geht  mit  den 
Jüngern  oberseits  hinein  u.  s.  w.  —  Dies  ober-  und  untcrseits  darf 
doch  nicht  auf  verschiedene  Stockwerke  (was  ich  zuerst  für  möglich 
hielt)  bezogen  werden,  es  heisst  II,  4:  Oberseits  kömmt  Maria,  unter- 
scits  kömmt  Jesus  mit  den  Jüngern.  (Beide  Thcile  stehen  sich  im 
Folgenden,  vergl.  namentlich  p.  7,  offenbar  zur  Seite.) 

*)  Vergl.  II,  7:  Geht  oberseits  ab.  Hier  wird  aufgezogen.  Und 
80  oft. 

3)  Vergl.  ClaruR,  Das  Pass.-Spiel  in  Ober-Ammergau  (p.  38,  89), 
dessen  Darstellung  ich  einfach  folgen  durfte. 

*)  Der  Text  mochte  in  einem  benachbarten  Kloster,  z.  B.  Ettal, 
rcdigirt  sein.  Der  erste  (mir  namentlich  bekannte)  ümarbeiter,  Ferd. 
Rosner ,  war  eben  Benedictinerpatcr  zu  Ettal ,  desgleichen  die  spätem 
Bearbeiter  Pater  Magnus  und  Ottmer  Weiss  waren  gleichfalls  Ettaler. 


C»p.  VI,  S  3.  247 

'en  Bandes  dramatisch,  die  Scenen  der  Leidens- 

.--   Herrn  dag^^  in  lebenden  Bildern  ')  darge- 

Erklärung  der  gegesaatigen  Beziehungen  und  die 

crmunterDden  Ansprachen   an   die   Znanhanftr  wurden   durch 

ein  Chor  von  Genies,  namentlich  dessen  Führer  rerniittelt'  '). 

IxA  Jahr  1830  wurde  das  Paanonsspiel  zum  ersten  Male 
aaf  defln  gegeowirtig  sogenannten  Passionsplatz  vor  dem  Dorfe 
a«%eftkrt.  (Ueber  dieeen  gegenwärtigen  Auffuhrongsplatz  be- 
ridilel  Clams  p.  83  f.) 

fin  einem  von  ziemlich  weit  atueinanderstehenden  Pap- 
peb  begräniten  Rechtecke  ist  die  Bühne   vr  '.rn  auf- 

gcechlagen.    An  den  Nebeneiten  nnd  der  lii.  hat  die- 

ser wette  Verschlag  Eingänge,  von  denen  die  der  Kühne  näch- 
sten anf  d>ener  Erde  sich  befinden,  die  weiter  nach  dem 
Hintergronde  des  Zuschauerraumes  führenden  aber ,  je  weiter 
zurttck  desto  höher  sind.  Am  höchsten  liegt  der  auf  der 
Rflckeeite  za  einer  bedeckten  Loge  führende  Eingang.  Jede 
dieser  Tbören  geht  in  einen  abgesonderten  Zuschauerraum 
ans,  deren  jeder  einen  bcsondem  Rang  einnimmt.  Der  dem 
Tbenter  «mächet  b^uidtidie  bildet  den  ersten  Platz.  Jede 
weiter  mficküegnade  Abtbeilung  stellt  einen  geringern  Platz 
dar.  Die  Sitpeflii  steigen  gelinde  gegen  die  Loge  hinan, 
so  dnes  unter  derselben,  welche  den  vornehmsten  Platz  ah- 
giebt,  der  letzte  Fiats  sich  befindet  Die  Loge  ist  der  einzige 
gegen  Wind,  Rsgen  nnd  Sonne  geschützte  Zuschauerraum. 
Für  jeden  Platz  wird  ein  besonders  dafür  bestimmtes  Eintritts- 
geld entricktel.  Der  Ertrag  ist  theihreiszu  <^  '  !ion  Zwe- 
dten  3;  beetinnit    Etwa  zwei  Fünftlieile  der  >  no  Hies- 

I  tM<r  da*  )-amiriog»n  diesct  SpieUppsrttt  dsnu  ...  ..>:.  Kot« 
ncrvcbrn  Text  de*  pMsioiw-Oiterfpielct  Tcrgl.  Clants  p.  70:  der  er* 
UiireJKic  (ezcfc«r«ad«)  CborAhrer  and  Argameotator  kieM  damsU 
ScInrtagvMt,  vnä  aeck  dk  6  Genien  leine«  Orfolget  wurden  wol 
8ek«Uf«ieUr  iHfiesnsl 

«)    Dir  totfseie  Bete  — tecaiBna  attt  CUntt  p.  M  aaten. 

*|  Bfai  selcker  UsbenckaM  t<m  EteaskaiaD  bei  gnsUicketin  Oe« 
«pMl  ist  maimm  Wiawas  soMi  nieki  neeksvweiwm.  Wenn  auui  sick 
•■dl  ts  dm  Ictatea  Jskrfcttiid«H««  aMikHädi  (so  sack  in  Oberafsr)  Ml» 
•ckloM  Kietritt^ulder  n  «rkeb««,  w«rdtii  4k>di  immtar  kam  die  Ko- 
•iMi  4se  Spiel*  bc*tHtt«B,  tin<1  bö  m»r  r«  Uaire  Mok  in  OI>«r>Aauaer* 
gaa  gl  ■***».    (V«rft  Ckni' 


248  <:m'.  vi,  ^  3. 

8rn    in   (liu  llaiiiic    d«  i   .  i^.  .  i     -  ui    ICiitschädigung    im    Mühe 
und  Zeitverlust'. 

,Vor  der  ersten  Sitzreihe  und  in  gleicher  Höhe  mit  der- 
selben ist  das  Orchester,  das  gleichfalls  nur  mit  Einheimischen 
besetzt  wird.  Die  Breite  des  SpecUitorii,  welche  der  des  Biih- 
nonraumcs  gleicht,  beträgt  wol  über  80  Kuss.*  Das  Prosce- 
niuni  ist  durch  keinen  Vorhang  vom  Zuschauerraum  getrennt, 
hat  eine  Tiefe  von  etwa  20  Fuss  und  wird  hinten  von  dem 
in  der  Mitte  aufgestellten  kleineren  35  Fuss  breiten  eigentli- 
chen Theater  abgeschlossen.  Dieses  ist  bedeckt  und  hat  ei- 
nen Vorhang  auf  welchen  gleichlalls  eine  Strasse  gemalt  ist 
Ist  derselbe  herabgelassen,  so  stellt  der  ganze  Hintergrund 
die  Stadt  Jerusalem  dar.  lieber  den  Vorhang  erhebt  sich 
ein  hohes  Frontispiz.  Auf  demselben  hatte  Pfiunger,  der  Dar- 
steller des  Christus,  Glaube,  Liebe  und  Hoffnung  gemalt  >). 
Rechts  und  links  von  dieser  Bühne  bis  an  die  Seitenwände 
des  Theaters  sieht  man  durch  offene  Thorbogen  in  zwei  Stra- 
ssen Jerusalems  tief  hinein,  welche  oben  den  freien  Himmel 
zum  Dache  haben.  Den  Zwischenraum  zwischen  der  kleinen 
Bühne  und  beiden  Strassen  füllt  auf  jeder  Seite  ein  schmales 
Gebäude,  mit  aus  den  Strassen  hervortretenden  Giebelseiten. 
Jedeä  dieser  Häuser  hat  im  obern  Stockwerke  einen  Balcon. 
Das  dem  auf  die  Bühne  blickenden  Zuschauer  links  erschei- 
nende ist  der  Palast  des  Pilatus  und  das  rechts  sich  zeigende 
die  Wohnung  des  hohen  Priesters  Annas.  Der  mittlere  be- 
deckte Raum  dient  zu  der  hinter  dem  Vorhänge  erfolgenden 
Aufstellung  der  lebenden  Bilder,  sowie  zur  Darstellung  der 
Scenen,  welche  im  Innern  eines  Gebäudes  spielen,  z.  B. 
der  Auftritte  im  Tempel,  des  Abendmahls  u.  s.  w.  Doch  ist 
er  auch  für  einige  Scenen  im  PVeien  bestimmt,  z.  B.  den 
Abend  am  Oelberge,  den  Einzug  in  Jerusalem,  die  Erhän- 
gung des  Judas  am  Baume,  die  Ausführung  zur  Kreuzigung 
u.  s.  w.  In  allen  diesen  Fällen  ist  der  Raum  immer  dem 
Auftritte  angemessen  decorirt.  Ehe  sich  der  Vorhang  zur 
Darstellung  der  mimischen  Bilder  oder  der  auf  dieser  Mittel- 
bühne  vorgehenden  Handlungen   erhebt,   tritt   der  Chor   zur 


I)    In  Obcr-Amniergau  geht  ebca  das  geistliche  Spiel  mit  andern 
KuustübuDgcu,  namentlich  der  Bildscbnitzerei,  Hand  iu  liaud. 


C*p.  VI,  8  3.  249 

Hälfte  von  der  rechten  und  zur  andern  Ralfle  von  der  lin- 
kos  Smie  her  mnf  den  Vorderraum  der  Bühne  (Proscenium) 
«■d  benilel  dwch  teinen  Geeang  <)  den  Zuschauer  auf  das 
zu  Migendc  Vorbild  Tor.  Sobald  der  Vorbang  sich  erbebt 
tritt  der  Chnr,  welcher  einen  nach  vom  offenen  Halbkreis 
bildet,  Tor  demMiben  in  zwei  Hälften  zurück,  und  seine  ^iit- 
glieder  stellen  sich  so,  dass  sie  mit  halbem  Gesichte  gegeo 
die  Zuschauer  mit  der  anderen  Hälfte  gegen  die  Scenc  ge- 
richtet stehen.  Hierbei  scbliessen  sie  die  Mündungen  der 
zwei  StrUMA  neben  den  beiden  Häusern  zur  Seite  der  Mit- 
telMkae,  welche  während  des  ganzen  Spiels  unverändert  blei- 
bea.  In  dieser  Stellung  singt  der  Chor  die  Erklärung  des 
Vorgestellten  tmd  tritt  nach  jeder  Niederlassung  des  Vorhaiip 
ges  wie  im  An£snge  vor  demselben  aof.  Derselbe  ist  also 
ÜMt  immer  auf  dem  Prosoenio  anwesend.  Da  auf  dem  Vor- 
hanfe  der  Mittelböhne  ebenfalls  eine  Strasse  gemalt  worden, 
so  stellt,  wenn  er  herabgelassen  ist,  die  Scene  Jerusalem  in 
mannigfacher  Weise  dar*. 

,ln  der  Mitte  des  BühneDraomes  finden  sich  mehrere 
Vorrichtnngtn  zn  Versenkungen.  Die  ManehaeMrie  ist  äusserst 
soTerliang,  prompt  and  genau.  Ich  habe  dieselben  auf  gro- 
snn  wirkUditn  Bfihoen  nicht  trefflicher  gefunden'  ^). 

,IHe  Bildung  dieser  Passionsspieler  3)  wird  durch  eine  Art 
Bühne  im  Schnlhanse  «ndelt,  die  neun  Jahre  lang  der  Schau- 
platz anderer  dmmatisrher  Spiele  ist,  welche  die  Scbauspiel- 
fähigkeit  der  Gemeindeglieder  berrortreten  lassen  und  die 
nöthigo  Pühnengewandbeit  zuwegebringen.  Die  Sänger  und 
Sängerinnen  werden  vom  Lehrer  mit  unermüdirchcm  Eifer 
eingeübt.  Auch  die  handelnden  Prrsonen  werden  hier  in 
Untenricbi  §aaowBen  and  in  Vortrag  und  Actiuu  instruirt 
Oieet  BpialibMgMi,  an  «tleben  aoch  Kinder  Theil  nehmen, 
bilden  die  PfluMehnle  snr  Erginsung  der  in  dem  zchnjähri- 
gsm  Zwieebenname  anTermeidlicben  Abginge*  *>  ~ 

I)  DiMS  Cboiftiiaf«  siad  ia  dem  Bleblsia  Ton  Scböberl  (Dm 
pMnoMMpid  le  Obw*AmsMM|sa,  4  A.  187Qi)  mi||{sllMtlt. 

«)  Riaig«  DnvoUkowMsabtitea  werdsn  ibrigsas  sach  von  dsnis 
im  Folgsadie  siegsiisii,  «ad  wiren  hier  etwa  dU  voo  BoQsad  ge- 
iBselH—  VntwihUgt  ss  bertokächttgea. 

>)    TstgL  Osras  p.  89. 

*)   Vocb  alfs  kisr  (sseh  Osras  p.  80)  bemerkt  wsrdea,  dsss  dis 


2Ö0  Cap.  VI,  §  3. 

Zum  Scliluss  dieses  Capitels  möge  noch  kurz  daniuf  hin- 
gewiesen werden,  wie  in  den  beiden  bis  auf  unsere  Tage  ge- 
kommenen geistlichen  Spielwcisen ,  der  Ober-Amniergauer  und 
der  Ober-Uferer  (in  Ungarn)  sich  endlich  ein  scenisches  In- 
stitut, zu  dem  das  geistl.  Spiel  im  MA.  nur  verschiedenartige, 
nirgend  fest  ausgebildete  Ansätze  >)  zeigt,  zu  voller  Wirksam- 
keit erhebt  —  der  exegesirende,  oder  doch  die  Handlung 
künstlerisch  einrahmende  Chor.  Mögen  immerhin  für  die 
Einführung  desselben  (namentlich  in  die  Ammergauer  Texte) 
gelehrte  Muster,  und  indirect  wol  auch  die  Antike  Selbst 
massgebend  gewesen  sein,  die  Aneignung  dieses  Spielelements 
scheint  hier  wol  gelungen,  während  uns  dasselbe  im  Ober- 
uferer  Textbuch  noch  naturwüchsiger  entgegentritt  2).  —  Wie 
sehr  die  Entwicklung  unseres  geistlichen  Spiels  sich  schon 
hierdurch  von  der  des  hellenischem  Dionysoscult  entsprunge- 
nen attischen  Drama's  scheidet,  das  den  Chor  mehr  und  mehr 
zurückgedrängt  hat,  liegt  auf  der  Hand:  noch  führe  ich  die 
erst  im  XVI.  Jahrb.  seltner  werdende  Anonymität  unserer 
geistl.  Spielredactoren  an,  während  jeder  Schritt  in  der  Ent- 
wicklung des  attischen  Drama^s  an  bestimmte  Künstlernamen 
geknüpft  erscheint.  — 


Zahl  der  zum  Spiel  verwandten  Personen  sich  auf  460—600  zu  belau- 
fen pflegt.  —  Eine  Uebersicht  über  die  jetzige  Aufiiihrungsökononiie 
gewinnt  man  am  leichtesten   aus  dem  Buche  von  Schöberl  p.  7 — 67. 

')  Dahin  gehören  di»-!  (in  den  ältesten  Offizen)  als  Chor  fungiren- 
dcn  Priester,  in  etwas  jüngeren  Stücken  die  von  mir  sog.  Exegeten- 
rollen  eines  Johannes  Evaugel.  (in  der  Bordesh.  M.-Kl.),  verschiedener 
Propheten  (in  der  Pichlerschen  M.-KL),  femer  die  Zwischengesänge 
der  Engel  und  der  Synagoge,  endlich  die  Rollen  eines  h.  Augustinus 
oder  Gregorius  u.  s.  w. 

*)    Hier  wird  der  Ausdruck  ,Compagnie'  für  den  Chor  gebraucht. 


€'a|i.  III. 

Stellong  des  geistlichen  Spiels  zu  Kirche  und  Staat. 
§   I.     Im  littflahfr. 

Ueber  das  Verhältniss  des  geistlichen  Spiels  znr  Kirche 
des  MA.  haben  dch  in  neuerer  Zeit  (namentlich  durch  Mone*8 
PublioUioDeD)  wol  Ton  selbst  schon  richtigere  Ansichten  ge- 
bildet, als  man  in  früheren  Decennien  selbst  von  gelehrter 
Seite  ans  gesprochen  hat,  doch  scheint  eine  Klarlegung  (da 
haltlose  Crtheile  immer  noch  hier  und  da  auftauchen)  auch 
jetzt  noch  nicht  überflüssig.  —  Der  erste,  der  diese  Frage 
überhaupt  in  Angriff  genommen,  war  H.  HofTmann,  der  in 
den  Vorbemerkungen  Fundgr.  II,  240  f.  sich  dahin  aussprach, 
dass  die  .dramatischen  Erbauungen'  (p.  239),  ursprünglich  am 
kirchlichen  Ort  and  ganz  ernsthaft  betrieben ,  sich  nicht  überall 
in  ihrer  unschuldigen  Einfachheit  gehalten  hätten.  Unter  die 
Damteller  hätten  sich  bald  auch  I>aien  i)  und  fahrende  Leute  ^ 
gemifM^bt,  und  so  sei  allmälilich  das  geistliche  Spiel  in  weltli- 
che Knrxweü  ausgeartet,  trotz  päbstlicher  und  bischöflicher 
Emahaangen  im  XIIL  und  XIV.  Jahrb.,  vielmehr  sei  es  im 
folgeodeo  Jabrfa.  noch  arger  geworden,  bis  das  geistl.  Spiel  end- 
lich ganz  durch  die  Vasnacbtspiele  des  Hans  Volz  und  andrer 
▼erdfiagt  Mt,  wekbe  nme  Richtmig  sich  noch  die  ersten 
Jahndnitmi  dm  XVI.  Jahrh.  tehalten  habe,  und  dann  durch 

t)      Ii*cllttri     SMUI     uiv    Ainsirracnairr    nixii     iti. 

nm  fsistl  8pi«l|wrwMl,  ••  ftadsa  iidi  Imtn-Au 
Aar  Spiels  in  Dswtwlil    aidi*  vor  6ma  XYL  Jahrb.  Umu«!,  Miuu. 
fkHdi  ti«  ha  XV.  scIm«!  hm^aasn  habsa  mtägm.  •—  la  rrankrri.  h  hat 
•i'  r  ücbarfaag  sUerdiaga  vi«l  tHthv  «latlfeflnMlsa. 

>)    Pas  bal  nnftis—  («aifl.  mim  Kala  dam)  aar  (m 
Auf  fsas  vsf«  aad  darek  Xiehls  wtitor  la  stAtBaado  Argaa» 


252  Cap.  VII,  §  1. 

eine  neue  aus  andern  Bedürfnissen  und  Bestrebungen  liervor- 
gegangene  Richtung  ')  ebenfalls  verdrängt  sei. 

Zur  Begründung  dieser  Ansicht  werden  von  lloflfmann 
noch  einige  (wertvolle)  Zeugnisse  beigebracht,  auf  deren  Prü- 
fung wir  einzutreten  haben,  vorher  aber  noch  kurz  darauf 
hinweisen,  wie  Anklänge  an  dieselbe  auch  in  späteren  Jahren 
noch  mehrfach  begegnen,  so  schreibt  z.  B.  Gervinus  2): 

,Im  XIII.  Jahrh.  richten  sich  wiederholte  und  scharfe 
Verbote  der  Kirchenversaiumlungen,  Päbsto  und  Bischöfe  ge- 
gen diese  Spiele  in  den  Kirchen  überhaupt,  oder  gegen  die 
Theilnahme  der  üeistlicJjen  daran,  oder  gegen  den  Missbrauch 
derselben  .  .  .  .  3j.  Man  glaubt  in  der  Reihenfolge  und  Art 
dieser  Verbote  zu  bemerken ,  wie  im  Laufe  der  Zeit  die  Obe- 
ren dem  wachsenden  Geschmack  an  diesen  VnfTiilinirigen  nach- 
geben mussten'. 

Beide  Forscher  lassen  also  die  Verbote  erst  mit  dem 
XIII.  Jahrh.  beginnen ,  und  doch  giebt  es  schon  aus  Zeiten, 
in  denen  geistliche  Spiele  (so  weit  wir  bisher  urtheilen  kön- 
nen) überhaupt  noch  nicht  üblich  waren  Verbote  scenischer 
Lustbarkeiten.  Ich  setze  diese  älteren  Zeugnissen  her,  zu- 
nächst 4)  aus  kerlingischer  Zeit,  ,Si  quis  ex  scenicis  vestem 
sacerdotalem  aut  monasticam  vel  mulieris  religiosae  vel  qua- 
licumque  ecclesiastico  statu  similem  indutus  fuerit  .corporali 
poena  5)  subsistat  et  exilio  tradatur'.  —  Ein  zweites  lautet  *•): 
,Quüd  non  oporteat  sacerdotes  aut  clericos  quibuscunque 
spectaculis  in  scenis  interesse,  sed  antequam  thymelici  ingre- 
diautur,  exsurgere  cos  convenit  atque  inde  discedere'.  — 
Diese  Verbote  haben  offenbar  mit  unseren  geistlichen  Spielen 
Nichts  zu  schaflfen,  und  richten  sich  vielmehr  gegen  die  aus 
dem  römischen  Altertum  überkommenen    scenischen  Lustbar- 


■)    £ijie  möglichst  uobestimmte  Definition ! 

•i)     Gesch.  d.  d.  Dicht.     Band  II,  p.  322. 

3)  Dem  Leser  bleibt  also  die  Wahl  zwischen  drei  ganz  verschie- 
denartifi^en  Fällen!  —  Aehnlich  unklar  spricht  Hase  p.  32  oben. 

"»)  Vergl,  die  aus  Heineccius  Cai)it.  1.  V,  c.  388  bei  G.  Freytag 
(De  initiis  p.  29)  ausgezogne  Stelle. 

S)    poenae  ? 

')  Aus  Uarzheiu  Concil  Genn.  I,  476  bei  Hase  p.  9  unten  mit- 
gethcilt. 


Cap.  TIT.  §  1.  fi68 

keit^n  •)•    nnd    nicht  anders  wird  man   die  meisten  der  von 

Hoffmann   angeführten    Zeugnisse    auffassen    müssen,    wobei 

dann  nicht  sa  Terwundern,  dass  sie  nur  bis  in's  XIV.  Jahrb. 

hinabreichen ,  da  diese  heidnischen  Reste  allmähiicb  ausgerot- 

^üdlich    V       '  Grenzen    zurückgewiesen 

i-„  betze  deu  r  Einsicht  halber  dieselben 

Interdum  3)   ludi    finnt   in  eodesiis  theatrales,    et  non 

lum  ad  1'  ':\cula  introducuntur  in  eis  monstra 

Uirvarum,     .^ ;.....    vi.u...    in  aliq.    festivitatibus  *)    presbyteri, 

diaconi  et  subdtaconi   insaniae  suae  ludibria  exercere  praesu- 

mnnt ,    niandamus  qnatenus  ne  per  hujusniodi    turpitudinera 

eccieaiae  inquinetnr  honeatas,    praelibatam    ludibriorum  con- 

suetadinem  (re\  potius  (xumiptelam)  curetis  a  vestris  ecclesiis 

exstirpare*.  — 

ftom  *)  non  permittant   sacerdotea  luJi.s  inTrcurules   fieri 
ledis  et  alios  lado«  inhonestos*.  — 
Ite»  *)  lodoa  tfaeatrales,  spectacula  et  larvamm  oeteosMH 
nes  m  eccleaüs  et  eimiteriis  fieri  prohibemtts\  — 


I)  Wm  dsdorch  noch  deutUcher  wird,  dau  das  letztere  der  bei- 
den mitfvtiietlten  Verbote  (»uf  dem  Jahr  816)  nur  die  Wiederholung 
einer  Beatiaauuig  de«  ConciU  von  L^odice«  (von  S72)  war,  wie  Wit- 
tenhMU   (De  nrt.  k.  initiis  p.  4)   nach  M  (de  ant.  < 

ricai  bemerkt  —  auMerdem  ihnliche  Veri  ;  der  «ceii 

mimi  o.  •.  w.  in  «ehr  alten  ConcUbeachlönen  und  bei  den  fruheKten 
Kir'>-»>»A«' "<  oft  wiederkehren.  (Vergl.  Alt  Theater  und  Kr.».,  j,. 
31' 

*)  b»  mmI  viaUeiekt  die  Yamachtgebriucbe  in  ihrer  von  der  Kir- 
che ffedaldalMi  A— ah— jtalking,  — 

FIpetlialM  Terorinag  aiu  dem  Jahre  1210  aaeh  Böhmer« 
Corp.  Jar.  Om.  U,  eoL  418  bei  Hogma—  II,  842  (vud  auch  die  fg. 
fkeüe»? 

♦)  Iteciell  nir 

I»ruti«hU:.  !,    :-     !.;    J  .  .t.     In 

Irtxtrrtrn    l^n'if-   i»*fi.  tr  (n 

di-r  Wrihna«  ht/r-it  ••iiitr»ri»«<-ii .  «Ji« 
tu  cchaflca  haben.  V<  r  -1  uK,  r  .1  . 
Komieehea  p.  169—17 

rer  Syndalbwcytto  wu  1227  uacb  lUniirmi    III,  \>.  üX*. 

',    .  »^^oklf  gyuilalkeeBklam  v<w  l-'"        >    ?'  -  '         'v 
•  l»»*«  Zrmnim  MMci  «rieder  Jtsam  aoci. 


854  Cap.  vn,  §  1. 

Ferner  das  mehr  erwähn U«  Wormser  Decret  von  131C, 
wo  es  auch  helRst : 

et  in  Exclesia  hidi  fiunt  theatrales,  et  non  solum 

in  Eccle8ia(ni)  introducuntur  monstra  larvarum'  '). 

,Clerici  non  spectaculis,  non  pompis  intersint,  joculatori- 
bus  . .  .  non  Intendant,  nullaquc  eis  sub  poena  excommunica- 
tionis  dona  tribuant'  2).  — 

Diese  Zeugnisse  sind  vermehrt  von  Mone  durch  eine  Ur- 
kunde aus  dem  Anf.  des  XIV.  Jahrh.  3),  die  aber  fast  nur 
eine  Wiederholung  des  Wormser  Decrets  zu  sein  scheint.  Es 
beisßt  dort:  ,quod  olim  ab  praedecessoribus  nostris  causa  de- 
votionis  ordinatum  fuerat  et  statutum  ^),  videlicet  ut  sacerdo- 
tes  ecclesiae  nostrae  singulis  annis  in  festivitate  beati  Jo- 
annis  evangeh'stae  5)  unum  ex  se  eh'gant,  qui  more  episcopi 
illa  die  in  hon.  S.  Joannis  missam  gloriose  celebret  et  festive, 
nunc  in  ludibrium  vertitur  et  in  ecclesia  ludi  fiunt  theatra- 
les  *) presbyteri   etc.    facientes    prandia    cum  vigellis, 


I)  Vergl.  Fund^.  II,  242  N.  6.  Man  lasse  sich  aber  nicht  durch 
HofTmanns  ,bei'in  Johannisfeste'  verfuhren,  an  den  24.  Juni  zudenken, 
es  ist  deutlich  der  27.  Dec.  bezeichnet. 

3)  Aus  dem  Jahre  1326,  und  nicht  direct  nach  Deutschland  ge- 
hörig.    (Gneseuer  Syuodalbeschluss). 

3)  Aus  dem  Stift  Wimpfen  im  Thal,  befindlich  zu  Karlsruhe. 
Vergl.  Mone  II,  367  f. 

4)  Hier  scheint  der  Censor  den  Mund  (wie  man  zu  sagen  pflegt) 
etwas  zu  voll  genommen  zu  haben:  aus  dem  Schluss  der  mitgetheilten 
Stelle  ist  deutlich ,  dase  Scherze  und  Neckereien  für  diesen  Festtag 
altüblich  waren. 

5)  Für  diesen  Tag  (27.  Dec.)  waren  bekanntlich  liturg.-dramati- 
sche  Feiern  durchaus  nicht  üblich:  am  28.  Dec.  sind  gleichfalls  in  äl- 
terer und  jüngerer  Zeit  (nur  nicht  in  den  ersten  Jahrh.  n.  Chr.) 
Schcrie  und  Spiele  üblich  gewesen  (vergl.  u.  And.  Grimms  Vorr.  jju 
den  lat.  Ged.),  aber  so  scharf  unterschieden  von  der  liturgisch-dra- 
matischen Feier  des  Tages,  dass  wir  selbst  aus  jüngeren  Weihnachts- 
spielen, die  jenes  Festmotiv  aufgenommen,  keine  Spur  einer  scherz- 
haften 28.  Decemberfeier  treffen.  (Was  der  Episc.  pucr.  im  Ben.-Beu- 
rer  Ludus  zu  sprechen  hat,  konnte  ebensogut  einem  Propheten  ge- 
hören). 

6)  Die  folg.  Worte  sind  wörtliche  Wiederholung  der  oben  mit- 
getheilten päpstlichen  Note  von  1210  (Interdum  fiunt  etc.),  woraus 
deutlich,  dass  auch  diese  sich  auf  ähnliche  Missbräuche  beziehen 
muss;  und  stehen  auch  dem  Wormser  Decret  von  1316  sehr  nahe. 


Cap.  vn.  §  1.  as6 

trmpanis  ducentes  choreas  per  domoe  et  plateas  ciTitatis 

Prmodio  autem  facto  praedictus  saoerdos  non  equo  vel  asino, 
more  insani,  per  vicos  equitet  et  plateas,  sed  si  aliquantulum 
jocundari  delectat ,  .  . .  .  circurostantibus  non  impetuose  aed 
cum  raaosuetodine  aquara  projiciat  et  aspergat  etc'.  — 

Mit  Recht  bemerkt  Moue  sodann  im  Fg.  i):  , Die  gänz- 
liche Verschiedenheit  dieser  und  der  Vasnachtspiele  2)  von 
dem  religiösen  Drama  fällt  Jedem  auf  3).  Sie  müssen  daher 
wol  auch  einen  andern  Ursprung  haben 

In  diesen  Stücken  ist  die  spielende  Person  etwas  anders, 
als  sie  scheint,  sie  ist  verkleidet  und  vermummt:  die  Mum- 
merei   gehört    wesentlich    zu    dieser  Komik Die  M.    ist 

aber  dem  religiösen  Schausp.  geradezu  entgegen  (und  es  las- 
sen sich  keine  Zeagnisse  für  derartige  Scherze  aus  unsern 
geisUicben  Spielen  beibringen)  *).  —  Die  komische  Verkleidung 
ist  den  Vasnachtspielen  und  -gebrauchen  wesentlich,  sie  er- 
scheint aber  auch  bei  Volksspielen,  die  einen  dramatischen 
Ohnrnflw  liaben.  Dei^leichen  sind  d)is  Winter-  und  Som- 
merspiel auf  den  Sonntag  Laetare  (das  Todaustreiben ,  der 
langst!  um  mel  u.  s.  w.)*.  — 

Solche  rnterseheidwig  zwischen  vulgären,  ursprünglich 
heidnischen,  misbrioolilich  aber  auch  wo)    in  rhribtiiche  Kir- 


i)  >4,  kl  lir<  ihe  ich  (itatl  des  meist  noch  üblichen  KaflttiHchtnpicI) 
(f«m«»»    '5'  r    \    ri    WftckorTiftytl    (T.it.  (nnch    ]t.  311)     kliir    vrlti'f tii  H«»- 

i)  ih\<r  n.iUf  ij'iii  .i' 'i<  !ii  ;iiii;.inin  M'Ii«'!!:  Aikt  niicn  in  «lor 
•/»ryOiltiir  uni\  nu'b  au»(fffuhrt«n  Ski/z«-  Warkt-rrmirclg  ^Lit  Geaeh.  p 
2;»<»  ril't  fin<l«'n  •irh  «ii««  li«-t«r<)(r<'i)»tt>ii  Kmrhoinunfrnn  unter  der  Be- 
»nrhnuTijj  ,I»r»iii»'  wol  .Kirr  uIk-I  r.ummmvngvfurtt. 

*)  thu  EinfcklammMi^  i«t  von  mir  •ingefügt.  —  Schon  oben 
('•p.  VI.  li  1)  itt  darauf  hiDKfwi«»«u,  dus  di«  gaaM  fOr  tich  atchcnde 
N'r.tii  Ixi  l'ichler  p. 99,  wodoreh  dem  Prseearsor  die  ,larv«'  und  ,b«rba 
ec|ain«*  ant4T*»(rt  wml.  m  keinem  sadeni  Sohlass  berechtigt,  aU  da«« 
dl«  LichtnieMfriiT  dann  nad  wann  dnreh  die  eo  nahe  liegende  Va«- 
nedit  beeiaieHl  md  (weaa  aoch  nur  in  Nebenrollen  f)  komiech  f^ 
fftrbt  ward.  —  De«  mit  den  ,moiutra  larrarum',  ,larvaram  oeteniionee* 
der  Verbot«  aidit  die  KoelAaM  geietlicher  Kpieler,  mit  den  ,ladi  thea- 
tralr«  «i  takoaeeU*  niebl  «assra  geietl.  Spiele  frmeiot  »nd,  dflrft« 
nun  Jedem  klar  eein. 


9M  Cap.  Vn,  S  1. 

eben  eingedrungenen  Festlichkeiten  und  den  aus  dem  christ- 
liehen  C'ultue  im  Laufe  freier  Entwicklung  •)  selbst  erwachse- 
nen, aus  der  Kirche  ins  Volksleben  übergreifenden  geistlichen 
Spielen  tritt  ano  deutlichsten  vielleicht  in  einer  Verordnung 
des  Concils  von  Aranda  2)  vom  Jahr  1473  entgegen,  auf  die 
wir  deshalb  (wenngleich  sie  zunächst  sich  auf  Spanien  bezieht) 
noch  kurz  eingehen.  Nachdem  hier  in  ähnlichen  Ausdrücken 
wie  sonst  gegen  unpassende  ,ludi  theatraW  geeifert  worden, 
fährt  das  Concil  fort :  per  hoc  tarnen  honesta«  repraesentatio- 
nes  et  devota(8) ,  quae  populuni  ad  devotioneni  movent,  tain 
in  praefatis  diebus  3)  quam  in  aliis  non  intendimus  prohibere' 
—  und  es  darf  hier  wol  der  Schluss  mit  einem  ,denken  durch- 
aus nicht  daran  zu  verbieten'  übersetzt  werden  ••).  —  Lassen 
sich  doch  für  die  keineswegs  blos  geduldete ,  sondern  hochge- 
achtete Stellung  des  geistl.  Spiels  aus  HofTmanns  Zeugnissen 
selbst  Beweise  entnehmen :  erstlich  aus  der  schon  Cap.  II,  §  1 
herbeigezogenen  andern  Stelle  des  Wormser  Synodalbeschlus- 
ses  von  1316,  welche  das  ,resurrectionis  niysterium'  auch  von 
jener  Störung,  wie  sie  ein  übergrosses  Gedränge  mit  sich 
führte  5) ,  befreit  wissen  wollte ;  sodann  aus  dem  Leben  der 
h.  "Wilburgis  bei  Pez  (Scr.  rer.  Austr.  II,  col.  268) ,  wo  es 
heisst  von  der  Heiligen :  ,item  quadam  nocte  dominicae  resur- 
rectionis,  cum  in  Monasterio  ludus  paschalis  tarn  a  clero  quam 
a  populo  ageretur,  quia  eidem  non  potuit  corporaliter  inter- 
esse,  coepit  desiderare,  ut  ei  Dominus  aliquam  s{)ecialis  con- 


>)  Den  ältesten  Zeiten  des  Christenthums  waren  sie  freilich 
fremd,  und  blieben  es  stets  dem  dogmatisch-strengeren  Sinn  der  orien- 
talischen Confessioneu,  wie  auch  im  Abendland  seit  dem  XVl.  Jahrb. 
wieder  eine  Reactiun  eintrat,  die  aber  nicht  gerade  mit  der  sog.  Re- 
formation zusammenzuwerfen  ist. 

S)    Vergl.  Schack  Gesch.  der  dram.  K.  u.  Lit.  in  Sp.  II,  p.  136. 

3)  Es  waren  namentlich  die  Tage  vom  25.  bis  28.  I>"  "'  lurch 
ungehörige  Spielereien  entweihte  bezeichnet 

*)  Vergl.  hier  auch  das  aus  Durandi  (Strasburger  Ausgabe  von 
1486,  bl.  110  b.)  von  Mune  I,  10  beigebrachte  Citat,  das  mit  einem 
ähnlichen  ,non  improbamus'  scliliesst.  Dies  Zeugniss  bezieht  sich  nach 
Mone  noch  auf  das  XIII.  Jahrh. 

*)  VergL  die  aus  Uarzheim  (T.  IV,  p.  266)  bei  HofTmann  Fundgr. 
II,  242.  N.  6  kurz  ausgeschriebne,  ausführlicher  von  Alt  (Theater  und 
Kirche  p.  348)  wiedergegebene  Stelle. 


Ckp.  vn.  S  1  «67 

^Utionis  gratüuB  per  retorreeliook  suae  gaudia  largiretur  i). 
—  So  bleibt  von  den  Zeaguissen,  die  Hoffmann  für  seine 
AaffMsaaf  Miffthrt,  nur  eins  noch  übrig,  die  Nachrirht  von 
<>iaer  dramatitoben  Festlichkeit  über  das  Leben  Josephs,  im 
.labr  1265  too  den  jfingeren  Mönchen  tu  Eresburg  verunstal- 
tet: bez.  welcher  die  Annalen  von  Conrey  melden  ')  ,(]uod 
vero  reliqni  ordinis  nostri  praelati  male  interpretati  sunt'. 
Hier  hegt  also  wirklich  ein  Bedenken  gegen  geistliche  Spiele 
rwie  ea  ecbeint  vor);  doch  ist  erstens  nicht  zu  übersehen,  dass 
die  BahaodhiBg  des  A.  Testam.,  weil  sie  nicht  direct  aus  dem 
chritittehaii  Cahos  im  Anschluss  an  die  Kirchenjahrsordnung 
herrorgewaohsen ,  weit  minderer  Achtung  geniessen  musste. 
ÜMa  luMunt,  data  der  in  Rede  stehende  Stoff  auch  noch  Be- 
dwÜEM  beaooderer  Art  mit  sich  führte  3),  und  endhch  wird 
die  TOO  den  gcittlichen  Obern  beanstandete  Josephskorooedie 
aJa  «Sacra  oomoedia*  immei  noch  scharf  p>      j  neu  ganz 

▼wpönten  «ladi  tbeatrales  et  inhonesti'   iii 

Aber  auch   durch   Gründe   anderer   Art    hat  sich    Hoff- 
■Ana  ao  der  \  '      Totwick- 

laog  dca  gei-  .  lassen, 

aud  auch  diese  heischen  noch  nähere  Prüfung.  Im  Hinblick 
auf  ■ancha  gSfsn  Ende  des  Mitt>  tele 

hiofif   dnrehdrinfende   burleske  1  ... .  uck- 

sichtigung  zunücbst  der  seit  dem  XY.  Jahrhundert  litterarisch 
MfCfaveiitMurao  Vasoadütpiale ,  dann  aber  auch  der  zu  welt- 
liebao  Stoffen  mehr  «ad  »ehr  geneigten  Dramatik  der  Kuigt^ 


I)  Vergl.  Iloffm.  II,  34S  N.  8.  —  AUo  »elbat  «iae  fromoiA  .recluna* 
(4ctm  dm  war  Wilbaripa),  walelie  jaden  Weltveriiehr  veracJiU'U ,  ein- 
pCmmI  «■  adraimlich ,  ntcbt  dam  Ostertpiel  in  der  Kirche  {tu  St  Flo- 
riaa) bttwobMO  1«  dftrCMi!  Die  NoUs  beaeht  aich  «of  die  sweit« 
UftMU  4f  Xfll  J«)irli^  wo  ftvilteb  die  OiteHcitrm  noch  sehr  einfach 
wirdic  fr'  Wm  dk  MitbetbetUganc  de«  Volke«  be- 

Ittft,  so  m$kr  sa  dmkan,  «1«  an  «in  Einciinunen 

dar  Msaf  ia  da«  .   kaam    sa    dM   tpitcrer  Zeit   geUnAire, 

dviia  ist  swiaadiii     Vcrgt.  Faadgr.  II,  «86). 

n    Vom  Jabre  IMft.     Dia  Netis  aaoh  LribniU  8«  ll 

Sil  fladst  Mb  bei  Hnffwas  0.  «8  M.  4. 

h  m»  Ssaaa  iwbehsa  Myksn  Weib«  and  Jom|.i 
dnrcb  daf  gUiete  Oessblsckt  dar  dafstaUsDdsR  Psfson 
""^■'•'  «al  asBMatli^  sfabl  nr  Aanbrfaf  sarignH. 

17 


358  Cap.  VII,  §  1. 

zeit,  hat  der  geistvolle  ForHcher  diese  Beobachtungen  mit  je- 
nen  Urkundenzeugnissen  (die  er  eben  noch  alle  auf  geistliche 
Spiele  bezog),  in  der  Weise  combinirt  '),  als  ob  ungeachtet 
jener  Spielverbote  das  geistliche  Drama  immer  mehr  verwil- 
dert sei ,  und  schliesslich  sich  ganz  von  der  Kirche  emanci- 
pirt  habe.  Solcher  Auffassung  sind  Andere  halb  oder  völlig 
beigetreten,  ja  noch  mehr  schien  sich  dieselbe  zu  befestigen 
durch  Beachtung  des  Umstandes,  dass  das  geistliche  Schau- 
spiel mit  dem  dreizehnten  und  vierzehnten  Jahrhundert  die 
Kirche  selbst  zu  verlassen  und  sich  häufiger  auf  freien  Plä- 
tzen zu  zeigen  pflegte.  Wie  von  selbst  machte  sich  nun  die 
weitere  Verknüpfung  dieser  äusseren  Lostrennung  des  geistli- 
chen Spiels  vom  kirchlichen  Schauplatz  mit  jenen  Spielverbo- 
ten des  XIII.  und  XIV.  Jahrhunderts  2) ;  und  doch  lässt  sich 
hier  die  Täuschung  grade  am  leichtesten  nachweisen.  Ich  er- 
innere hier  in  Kürze  daran,  dass  gerade  die  Weihnachtsspiele 
(und  das  sogen.  Kindelwiegen  zu  Weihnachten),  sonst  kaum 
die  unbescholtensten,  sich  vermutlich  der  Jahreszeit  halber 
häufig  am  kirchlichen  Schauplatz  erhielten,  hingegen  die 
dogmatisch  geweihten  Fronleichnamsspiele  wol  stets  im 
Freien  geübt  wurden;  dass  so  streng  und  decent  redigirte 
Spiele  wie  die  Bordesholmer  Marienklage  bei  guter  Witte- 
rung 3)  ausserhalb  der  Kirche  gespielt  werden  sollten  u.  s.  w. 
Der  ganze  Unterschied  zwischen  der  älteren  und  jüngeren 
Spielweise  besteht  wol  nur  darin,  dass  etwa  seit  den  Kreuz- 
zügen und  wol  nicht  ohne  Anregung  derselben  '*)  das  bürger- 


1)  Vergl.  Fundgrr.  II,  240. 

2)  Zu  solcher  Auffassung  neigt  auch  Wackernagel  Lit.  Gesch.  p. 
808  N.  14. 

3)  Vergl.  die  Einleitungsspielordnung  bei  Haupt  XIII,  p.  288. 

*)  Directe  Einwirkung  der  Kreuzzüge  auf  eine  volkstümlichere 
Entwicklung  der  g.  Spiele  ist  bei  uns  nicht  so  deutlich  wie  bei  den 
Franzosen:  hier  gingen  ältere  Forscher,  wie  die  Brüder  Parfait  (Hi- 
stoire  du  theätre  fr.  I,  32  cf.  Wittenhaus  De  initiis  cet.  p.  5)  soweit, 
an  die  Lieder  heimkehrender  Kreuzfahrer  die  Ursprünge  der  franz. 
Mysteres  zu  knüj)fen,  was  natürlich  verfehlt  ist.  —  Was  unser  Land 
betrifft,  sei  doch  erwähnt,  dass  erst  seit  dem  XIII.  Jahrh.  (also  nach 
Ablauf  der  Kreuizüge)  die  .betvarten'  oder  Processionen  häufiger  be- 
zeugt sind.  (Grimm  R.  A.  p.  583).  —  Auch  das  öftere  Auftreten  be- 
gabter Mönche  als  Volksprediger  im  Freien  in  den  letzten  Jahrh.  des 


cap.  vn ,  §  1.  86e 

liebe  wie  kirchliche  Leben  des  MA.  mehr  Drang  zur  Oeffent- 
Ucbkeit  und  sor  bewegten  Kntfaltang  mannigfaltiger  Kräfte 
spürte,  als  ee  frälwr  gpacheben  war.  Das  geistliche  Spiel 
trat  in  jener  Zeit  ans  dem  liturgischen  Character  in  eine  pro- 
kähnliche  Entwicklung  über,  und  hatte  dabei  an  äusse- 

Anseben  imd  würdigen  Mitteln  wol  eher  gewonnen  als 
abf^enoniiDeii. 

Was  nun  aber  jene  in  den  geistl.  Spielen  des  ausgehen- 
den XIV.  und  des  XV.  Jahrh.  begegnenden  Freiheiten  der 
Behandlung  betrifft,  welche  nach  Hoffmann  und  andern  Ent- 
frraidnng  vom  kirchlichen  Standpunkt  bekunden  sollen,  so 
stehen  solcher  AttflEasmng  wieder  mehrfache  Bedenken  entge- 
gen. Zonidbst  aiiid  diese  Freiheiten  quantitativ  nicht  so  er- 
beblich 1),  djMS  sie  mit  unbefangenem  Urtheil  geprüft  in  dem 
geistl.  Spiel  jener  Zeiten  eine  völlige  Abkehr  vom  Ernst  älte- 
rer Zeit  darthon  könnten,  besitzen  wir  doch  (um  hieran  bei- 
spielsweias  tu  erinnern)  in  dem  Donaueschinger  Passions-Oster- 
spiel,  und  in  dem  Spiel  aus  Eger  bedeutende  Stücke  des  XV. 
Jahrb.,  die  last  nirgend  in  einen  loseren  Ton  der  Behand- 
lung fallen  3).  Aber  noch  mehr:  erst  mit  dem  Ende  des  XIV. 
Jahrb.  prigt  sich  neben  jener  kecker  humoristischen  auch  eine 
directer  moralische  Richtung,  als  die  frühere  Zeit  sie  kannte  3), 
im  geistlichen  Spiel  aus:  und  C'jclen  von  so  abstract  dogma- 
tiscben  Character  wie  die  Himmelfahrts-  und  Fronleichnams- 
•pieto  selieo   wir  erst  damals  überhaupt  ins   Leben    treten. 


MA.  tritotert    aas  das  ihnlicke  Hinaiistrcisn  des  geitti.  Schaaspieb 
•M  dfla  bsssfcfftaklea  KirdMOftaSMa. 

I)  Sekoa  Bsm  (p.  TS)  baasikt  riebtif:  MancbM  enchetnt  als 
komiMk,  was  aar  ^  «as  frasudinr  Spraehgabraach ,  Naivetat,  Robig- 
keti  odar  Uagasekkklieakett  das  MA.  tat 

S)  Dia  gaachraabta  Art,  ia  dar  Oanriaat  aaoh  Ar  da«  Donau- 
•wihiagac  8pi«l  ata  Wa^aifiaifni  koiiscbar  Babandlong  itatuirt,    ist 

Gap.  U,  f  6  ■■iriwln m 

1    naworisfisiiba  md  aoralkirsada  BisMwi^  sUhaa  Abarhaapt 
IQ  weit  foa  ttamtJm  abt  ah  aa  walahsl  sokafart.    Aasdarbar- 
TisfiliBiai  das  lasfcwahn-  Oalarspials  bat  dar  Badaatiaar  Ra* 
asfaia  Mliilaoh  dMaiitiitiia  OarMtUaesaa  Aber  dla  Saalaa  dar 
Madar  bsraasgsrtslm ,  Abalidb  wie  aiaai  Ariitophanaa  aas  dar  plaai- 
^mtßmn  dkr  utkkA  ynllttiiiln  Oafasal  aaiaar  Ko- 
hatte.    (TeffL  aaaaallislt  dia  Parabaaa  da«  An- 

17* 


:>tM>  i  ap.    VII.   §    1. 

-—  Die  von  IIoflFmann  und  Andern  erwähnten  Vasnachtspiele  •) 
haben  mit  dem  geistlichen  Schauspiel  auch  in  seinen  burles- 
ken Auswüchsen  keine  nachweisbare  Berührung,  vielmehr  ist 
bei  etwas  näherer  Kenntnissnnhme  der  Unterschied  zwischen 
solchen  Partien  im  geistlichen  Spiel  wie  den  Krämerscenen 
am  heil.  Grabe  ^)  und  dem  Vasnachtspielgenre  leicht  aufzu- 
finden 3):  damit  leugne  ich  nicht,  dass  sich  nicht  ein  einzel- 
ner Spass  hier  und  dort  in  ähnlicher  Weise  wiederfinden 
könnte.  —  Damit  ist  unsere  Skizzirung  der  Stellung  des  geistl. 
Spiels  im  MA.  geschlossen :  wir  sehen  diesem  aus  directen  wie 
indirecten  Zeugnissen  für  das  ganze  MA.  einen  nur  insofern 
allmählich  freier  werdenden  kirchlichen  Character  gesichert, 
als  überhaupt  das  kirchliche  Leben  des  Abendlandes  erst  seit 
der  gewaltsamen  (damals  vielleicht  notwendigen)  Cluniacen- 
ser-Ileformation  *)  in  feste  Formen  gebannt,  derselben  allmäh- 
lich wieder  sich  zu  entledigen  und  dem  Volke,  dem  es  ur> 
sprünglich  so  nahe  stand,  sich  wiederum  zu  befreunden  suchte; 
bei  welchem  Drange  nach  berechtigter  Freiheit  denn  wieder 
auf  allen  Gebieten  des  kirchlichen  Lebens  bekanntUch  manche 


«tophaniHchen  Friedens,  v.  7:^6 — 764,  wo  der  Dichter  dies  klar  bewnsst 
ausspricht.) 

>)  I>a88  Bian  diese  Ciattuug  öfter  (z.  B.  bei  Hase  p.  76)  ganz 
einfach  als  Ablösung  der  im  geistlichen  Spiel  erwachsenen  komischen 
Elemente  erklärt  hat,  darf  eben  wol  nur  als  dilettantischer  Witz 
gelten. 

3)  Diese  sind  zu  erklären  aus  übergrosser  Connivenz  des  niedern 
Clerus  und  dtT  Klosterschüler  mit  dem  Volkshaufen :  die  Spässe  sind 
plump  genug,  verirren  sich  aber  sehr  selten  auf  da«  Gebiet  sinnlicher 
Zweideutigkeit. 

3)  In  den  von  (meist  wol  reiclun  und  angesehenen)  Bürgerssöh- 
nen zur  Yasnacht  agirtcn  Schwanken  sind  gerade  jene  Zweideutigkei- 
ten die  beliebte  Hauptwürze,  während  sich  im  Uebrigen  eine  gewisse 
nrbane  Haltung  selten  verläugnet,  die  dann  oft  auch  bei'm  Urlaub- 
nehmcn  zu  einer  Entschuldigung  wegen  der  genommenen  Freiheiten 
sich  versteht.  So  heisst  es  bei  Keller  I,  153:  Die  vasnacht  das  wol 
machen  kann,  Das  nerrisch  tat  vil  manig  man.  Der  sich  des  schämt 
ein  andre  zeit.  — 

*)  Ich  bezeichne  so  im  Anschluss  an  Gervinus  (Ge^ch.  d.  d.  Dicht. 
I.  166  f.  nach  A.  ö)  jene  gewaltige,  geistige  Bewegung  die  vom  Klo- 
ster Cluny  (seit  dem  Jahre  910)  ausging,  und  der  später  Gregor  VII. 
allseitige  Anerkennung  verschafite. 


Ca^  TU,  S  2.  261 

ExtnTagaDzeD  mit  aDterliefeo.  Dabin  gehören  jene  skurrilen 
Aoswmcbae  de»  geistlichen  Spiels,  welche  die  Folgezeit  leicht 
übcrwmnd  '),  io  welcher  dann  andere  Ursachen  ein  allmähli- 
ckea  Abstarben  des  gdstlicfaen  Spiels  bedingten  i).  —  Bis  über 
das  Ende  des  Mittelalters  hinaus  blieb  in  Deutschland  das 
geMtüche  Schaospiel  unter  geistlicher  Leitung,  und  war  so 
jeder  suaerkirchlichen  Controle  entrückt.  Von  einer  Stellung 
des  Spiele  aar  Staatsgewalt  also  kann  im  MA.  kaum  irgend 
die  Rede  sein. 


§  2.     Ib  ■rsfrfr  Itit. 

Es  kommt  hier  vor  allen  darauf  an,  das  Verbältnist»  der 
jöngeren  abendländischen  Confessiunen  zum  geistl.  Spiel  zu 
bestimmen.     !>-  us  hat  sich  allerdings 

nicht  Ton    Ton.:.......  r-  ^>^n    die   Dramatisirung 

ood  AnffUhning  biblischer  Stoflfe  ausgesprochen,  aber  es  läset 
sieb  doch  ein  allmii!  Zurückweichen  desselben  vom  ßri>t- 

licben  Spielgebiet  k,^.,i  .n^merken  und  erklären.  Zunächst 
waren  mit  dem  Aufgeben  des  Heiligencultus  auch  die  I^gen- 
deMi|»ele  unstatthaft  geworden;  dasselbe  gilt  von  den  Fron- 
leidmeai-  und  Himmelfabrtsspielen,  welche  letstere  tradition- 
nel  in  da«  röreisrhe  Dagma  zu  tief  eingegangen  waren,  wenn- 

')    Im  XYI.  Jthrh  liehen 

b|Mal  wieder  M  rorbrr;  noch 

tkrc  piaaipsa  8yiw  «:  i«ach  ds,  wo  tnan  su«  alt«r«r  Inulition 

frriar»  Dshsadhiiignn;-  .  ...ilt  {nif  im  Alsfdder)  ward  durch  die 
ft£x«f«ivs  (ProcUiaator  and  lUceo«)  die  moraliscbe  Richtung  dea'SpieU 

aa  di«  ll|*ilas  fStslH.  —  >'     '  ''-r,  uiMUiiU>Mi|;ir  in 

tlwoInfitBlisr  tUameki  wir  Jahrh. 

Ks  aass  kier  ;  »vit  dem  Kndc  d« » 

der    Mf.  —fHsshta    SdMwpiel«, 

mmd  Op«r«Ua ,  aoeb  ^Atrr  der  (nnz 

sawaiseat   dt«  eassi«  Dnunatik  iu 

galtrttdee  Fonn«»  Ab«rg«l«it«t  ! 

8pM  aber  aicbi  etwa  vo«   de 

mRmH  vtmtMl  wjrdeo.    (Vprgl.  U«m  p.  07  untco.  Alt  Ttk  n 

^  U7,  M  wikb«r  buUe  f&r  Jkafb"'    ''"  '>-'-•  

m  wiJtliobs»  SmsImi  iiAbscb  gww%t 


ses  cap.  vn,  s  2. 

gleich  das  Kirchenfest  selbst  ja  bestehen  blieb.  Bezüglich  das 
Passionsosterepieles  ist  mir  ein  directer  Ausspruch  Luthers 
oder  eines  anderen  deutschen  Reformators  zwar  nicht  bekannt, 
der  diese  Spielgattung  verpönt  hätte,  doch  fühlt  man  leicht 
wie  dem  ernster  gewordenen  Sinn  es  anstössig  schien  ein  so 
hehres  Ereigniss  wie  die  Passion  unseres  Heilandes  überhaupt 
spielweise  zu  behandeln  ').  Dagegen  Hess  es  sich  der  Prote- 
stantische Geistliche  und  Schullehrer,  der  eine  poetische  Ader 
zu  haben  glaubte,  noch  für  geraume  Zeit  nicht  nehmen,  das 
Weihnachtsfest  gelegentlich  durch  eine  scenische  Aufführung 
zu  celebriren  2).  Zum  Ersatz  fiir  die  aufgegebenen  Spiel- 
kreise wurden  nun  damals  zuerst  alttestamentliche  Stoffe,  aus 
den  canonischen  sowol,  wie  namentlich  auch  aus  den  apocry- 
phischen  Büchern  3),  in  reicherer  Fülle  behandelt;  dazu  ge- 
sellten sich  die  dramatischen  Behandlungen  von  Parabeln  des 
N.  T.  Wir  haben  diese  jüngeren  Spielkreise  in  unserer  Ge- 
schichte des  geistlichen  Schauspiels  nicht  mehr  berücksichtigt, 


*)  Hans  Sachs  hatte  freilich  1558  noch  ebensognt  seine  Tragoe- 
dia  mit  31  Personen,  die  ganze  Passion.  .  .  nach  dem  Text  der  4 
Kvangclisten  und  hat  10 Actus,  wie  1556  sein  synoptisches  Weihnacht- 
epicl  geschrieben.  (Vergl.  die  praktische  Uebersicht  über  die  geist- 
liche Dramatik  des  II.  Sachs  l)ei  Alt  Th.  u.  Kirche  p.  484  f.)  —  Später, 
im  Jahre  1580  findet  sich  in  der  ,8chönen  und  lustigen  neuen  Action 
etc.  des  Barthol.  Krüger  (bei  Tittmann  Schausp.  II,  p.  7  ff.)  die  ganze 
Leidensgeschichte  des  Erlösers  (wie  seine  Lehrthätigkeit)  übergangen, 
und  nur  noch  die  Höllenfahrt  (Act  III,  3),  Erscheinung  des  Auferstan- 
denen u.  Weltgericht  dramatisirt.  —  Noch  später  (um  die  Mitte  des 
XVII.  Jahrh.)  hat  Joh.  Clay  zu  Nürnberg  in  der  Charwoche  den  lei- 
denden Christus,  zu  Michaelis  den  Engel-  und  Drachenstreit  auffuhren 
lassen  —  (vergl.  über  diese  und  noch  einige  ähnliche  Versuche  des 
Mannes  Alt  p.  627)  —  welche  Versuche  nur  den  Wert  von  Curiosis 
haben. 

2)  Auch  wo  an  wirkliche  Aufführung  nicht  gedacht  wurde,  ward 
doch  die  dramatische  Form  gern  so  fortgeführt,  wie  die  geistl.  Co- 
moedie  des  Martin  Hammer  (Weinh.  p.  175)  zeigt. 

3)  Nicht  unwichtig  für  die  Dramatik  Deutschlands  und  (des  von 
hier  aus  reformirten)  Skandinaviens  war  der  Umstand ,  dass  die  Apo- 
krjphen  des  A.  T.  Aufnahme  in  Luther's  Bibelübersetzung  gefunden-, 
hier  wie  dort  finden  sich  Schulkomoedien  über  die  Historie  von  Su- 
sanna,  die  Bücher  Judith  und  Tobias  häufig,  letztere  beide  Stoffe  hatte 
Luther  selbst  (Vorrede  zum  Tobias)  zur  dram.  Behandlung  empfohlen. 


Cap.  VII,  S  2.  263 

weil  sie  an  kein  bestimmtes  kirchliches  Fest  mehr  gebunden 
waren,  und  in  ihrer  überwiegend  moralisirenden  Richtung  un- 
merklich zu  solchen  Stoffen  weltlicher  Art  hinüber  führten, 
deoen  man  auch  noch  moralische  Kraft  beilegen  zu  dürfen 
glaubte  I).  Es  kann  hier  nicht  ?ersucht  werden  die  Stellung 
der  einzelnen  Confessionen  in  der  Frage  über  die  Angemeä- 
nuhtit  des  geistlichen  Spiels  genauer  zu  bestimmen,  und  be- 
gnüge ich  oiefa  mit  dem  Hinweis,  dass  wie  bei  Lutheranern 
dem  gekükhen  Spiel  (und  dem  Kirchengesang)  am  meisten 
Freiheit  und  Duldung  geschenkt  ward,  und  wie  nicht  viel  stren- 
ger die  Zwinglianer  in  dieser  Frage  gedacht  haben  2),  so  den 
Calrinisten  eine  consequentere  Reaction  oder  Reformation 
nicht  abgesprochen  werden  darf,  wenngleich  auch  hier  nur 
die  äusserste  Linke,  der  Schottische  Puritanismus,  jenen 
schroff  feindlichen  Gegensatz  zwischen  Kirche  und  Schauspiel 
jeglicher  Art  durchsetzte  3).  Diese  radicalen  Puritaner  gin- 
gen (um  auch  die  <<:  hen  Confessionen  noch  kurz  mit 
zu  berühren)    noch    ui^..  wii  ju(l""'^"-"^Michen  Standpunkt  *) 


<)  So  ging  BaiM  8«ch«  von  tciner  geiitlichen  Dram&Uk  zu  jener 
BebaBdlimg  ibm  aontt  1»eksnnter  Stoffe  über ,  die  im  gHnien  Ton ,  wie 
DSOMOtlicb  in  d«r  SehlnMinorsl  fMt  crbaalicher  gebalten  sind  wie  ei> 
■ifs  geisUicbe  Spielereien  froherer  Zeit  In  Frankreich  und  England 
kette»  die  ,llorslitAt«n'  Mkoa  weit  frfther  onvennerkt  zar  Behandlung 
Bint  DiOiiMwer  oloBe  hiBAbaffffsnlirt. 

*)    la  der  Sehwsif  '  %  noch  bin  in's  XVU.  Ja!  Mioha 

Spiel«  besonder«  r«pi«K  wenn  auch  da«  (kaihol i  i  uz«ni 

lüar  ToraasUlii,  ao  «ind  doek  aneh  Basel,  Zfirch,  Bern  wolvertrcten. 
(V«vgt.  Weiler'«  Volk«tlMet«r  der  8ekw«i«,  da«  nach  den  Cantonen 
geordnel  M).  U«ber  die  Stelleng  der  Zwinglianer  cor  Kirebengecsag«- 
frsge  veffft  Wsebemsgcl  lit  G«ecb.  p.  489. 

•)  2Ewer  batt«  Calrtn  «elbct  die  Strenge  «oleber  Scheidung  fa»t 
lsgiiei«t,  aber  «ob  den  Aabtagem  «einer  L(>hre  in  den  Nie* 
«nd  Eaflead  ward  eine  Vermittlang  gesacht ,  nnd  in  «nie« 
r«r  0«g«nd  «ofsr  (anter  dem  Blnia««  der  etark  betriebenen  kla««i> 
Stndien)  von  geiillltib«r  Dmnatik  in  «ntÜMfli  8«wande  naach 
BbseitlBii  fetteCni.  <VergL  «.  A.  Alt  p.  «29). 
«)  8e  beeeiehnm  wir  lUe  SIeHeag  der  grieoUsehsa  Kirche  n- 
ner  bes.  de«  gei«tl.  Spiel«.  Die  serstreoien  Nedtfiebten«  die 
wir  ea«  Ibrsni  0«biel  beben  (s.  B.  Ober  da«  «og.  Ofinifest  der  Ifauesn 
bai  PHgei  IV,  oder  ea«  IMerw  Zeit  «ber  einige  mi«bi«aebliohe  Festi- 
vMlen  in  der  SopUeakirehe  se  Cenatastiaepet,  and  iber  efaiige  Me- 


2«-1  Ca]..   \  II.  ^  2. 

der  grieohisch-orthodoxen  Kirche  in  eine,  kaum  noch  nomi- 
nell christliche ,  doctrinäre  Reconstruction  alttestamentlicher 
Anschauungen  zurück.  —  Freilich  war  das  Theater,  gegen 
das  sich  die  puritanische  Polemik  kehrte,  nicht  mehr  die 
geistliche,  sondern  eine  Schaubühne,  die  von  besoldeten  His- 
trionen  beiderlei  Geschlechts  vertreten  zunächst  zur  Unterhal- 
tung eines  eleganten  Hofes  diente:  wir  wollten  nur  soweit 
hinab  und  Taus  Deutschland  hinaus)  gehen,  um  den  völligen 
Bruch  zwischen  Schauspiel  und  Theologie,  wie  ihn  das  XVII. 
Jahrh.  mit  sich  brachte,  an  dem  deutlichsten  Beispiel  kurz 
darzustellen.  — 

Die  deutschen  Reformatoren  hatten  sich  (wie  oben  be- 
merkt) nicht  für  berechtigt  gehalten,  die  dramatischen  Dar- 
stellungen heiliger  Stoffe  zu  verpönen,  doch  kam  es  gegen 
Endo  des  XVI.  Jahrh.  zu  einem  Beschluss  der  Berliner  Geist- 
lichkeit, wodurch  die  Passions- Vorstellungen  im  Dom  abge- 
schafft wurden  '),  und  die  Landesobrigkeit  scheint  solchem 
Vcrdict  bereitwilligst  Nachdruck  gegeben  zu  haben  2).  J^äu- 
ger  hielten  sich  die  in  protestantischen  Landen  wie  es  scheint 
noch  mehr  als  katholischen  beliebten  Weihnachtsaufführungen 
und  Weihnachtsspiele :  ersteren  machte  preussische  Staatsver- 
ordnungen zu  Anfang  des  XVIII.  Jahrh.    erst  den  Garaus  3), 


ral-Dramen  griechischer  Mönühe)  können  wol  nur  bestätigen,  dass 
diese  Kirche,  wie  sie  auch  sonst  die  conservativste  der  christl. Confes- 
siouen  zn  sein  scheint ,  nie  über  die  bescheiden  symbohscbe  Andeu- 
tung der  Ideale  des  Glaubens  hinausgegangen  ist. 

•)  Vergl.  Vorrede  zur  neuen  Ausgabe  des  Chnustinschen  Weih».- 
Spiels  (Berlin  1862  bei  W.  Herz)  p.  6,  wo  zunächst  ein  Verbot  Joa- 
chim tViedrichs  vom  27.  Febr.  1598,  dann  der  Beschluss  der  Geist- 
lichkeit vom  30.  Mai  („dass  mit  der  Darstellung  der  Angst  und  Schmer- 
zen Christi billig   nachzulassen  sei ,    indem   die  gcistl.  Betrach- 

tungrn  dadurch  verhindert  oder  gleichsam  in  ein  Comödieuspiel  ver- 
wandelt werde,  —  —  das  Fusswaschen  spiritualiter  und  nicht  wie 
ein  Spiel  gehalten  u.  s.  w.)  mitgetheilt. 

»)  Vergl.  in  eben  jener  Vorrede  noch  die  Nachricht  über  die  ge- 
richtliche Bestrafung  des  G.  Rösener,  der  1661  durch  Schüler  des 
Grauen  Klosters  die  ,Tragoedie  vom  ungerechten  ürtheil  Pilati'  hatte 
aufl'ühren  lassen. 

3)  Vergl.  den  Erlass  Friedr.  Wilhelms  I.  von  1739  bei  HoH'mann 
K.  L.  (2.  A.)  p.  429,  wodurch  sogar  jeder  Gottesdienst  am  Christabend 
oder  in  der  Christnacht  untersagt  wurde. 


c»p.  vn,  S  2.  966 

und  die  Tolgären  Dreikönigsumzüge  währten  bis  auf  UDsere 
Zeit  hinab,  und  mögra  sich  in  kleineren  deutschen  Landen 
noch  jetzt  halten.  —  Eine  Ausnahmestellung  nehmen  natür- 
lich die  (Termotlich  im  XVI.  Jahrb.  aoa  dem  Salzburgischen 
uad  benaekbMieii  Landstrichen)  nach  Ungarn  geüüchteten 
deutachwB  Colonien  «in,  die  in  der  Fremde  nur  um  so  treuer 
die  alte  Spieltradition  fortpflanzten. 

Im  katholischen  Dentacbland  begann  man  wul  erst 
im  achtzehnten  Jahrhundert  dem  geistlichen  Spiel  die  £xi- 
•tetts  •treitag  zu  machen  *).  Es  ist  Ton  Clarus  2)  für  Baiem, 
von  Pichler ')  far  Tirol  im  Eünzelnen  nachgewiesen,  wie  man 
tbMi»  mit  Recht  —  denn  Verwilderung  und  Unfug  kam  sicher 
oft  geoag  Tor  —  theils  ans  übertriebenem  Bildungsdünkel  die 
Rette  mittelalterlicher  Spieltradition  überall  zu  vertilgen  be- 
strebt war  namentlich  gn-  -  V-  de  des  vorigen  Jahrhunderts. 
Die  Gründe,  welche  für    .  Ammergauer  Gemeinde  eine 

Aosuahmestellung  ermöglichten,  so  daas  sich  hier,  wenn  auch 
rieliach  aogefochteu,  die  PaaBione^Oetferspieltradition  bis  auf 
ontereTage  fortpflanzte  *U  Ueeen  eich  Tielleicht  in  der  Kürze 
auf  folgende  angeben.  Einmal  war  die  Gründung  oder  doch 
•olenae  Emeoenuig  der  Spiele  hier  an  ein  so  emstet»  Ereig- 
ni«  *)  geknfipft,  daas  vnrdige  Haltung  der  Feier  hier  mehr 
wie  anderwärts  für  lange  Zeiten  gesichert  blieb.  Dazu  kam, 
da«  der  längere  Zwischenraum   zwischen  den    Aufführungen 


>)    Xachd— I  mau  •  dem  dretadgjihrigeD  Kriege  in  allen 

gvbildelersa  Kimm  sidi  aiaer  Geiitc»-  oad  Geschmacksrichtong  hin- 
gsgsbea,  die  doa  geislL  Sptal  ab  eiaer  ra  naiven  AeuMnuig  religio* 
mm  GeMkis  abkold  war,  sraMt«  dies  natftriicb,  Cut  dor  aooh  von 
aisdana  ▼nllwIrtsBisii  gewokalcnraise  foilgelU,  leiehi  verwildsra, 
■ad  M»  6m  Oegaara  wiBtonuaeae  Grtade  sar  Beseitigaag  aä  die 
Baad  gebsa. 

s)  Um  fm».  Spiel  .~  u..  .Vuaaargsa  p.  41  f.  -  Zaent  worden 
(170)  di«  pMnoM>Trsgddiaa  aar  beechrtnkt.  dum  folgte  ino  ein 
Verliol.  —  Vasgl.  aneh  p.  67  f. 

<)    DiaaM  des  MA.  ia  Tirol  p  72  L 

^    TaigL  darae  p.  47  f ,   wo  aodi  «iaiga  sadere  Oosichtepaakta 


S)    Ceber  die  Peel  voai  Jahrs  ICM ,    welche  AdUm  tu  dem  <ie- 
Mbd«  gab,  aUe  10  Jahre  die  Paaaiaasltag6dia  sa  spialea.  vargU  Clanit 

p.  as. 


866  Cap.  VII,  §  2. 

diesen  höheres  Ansehen  verleiben  musste,  und  ihre  Entfer- 
nung von  der  Passions  -  Osterzeit  in  die  Wochen  nach  Pfing- 
sten den  Einspruch  nicht  aufkommen  Hess ,  als  ob  hier  die 
geistliche  Betrachtung  des  höchsten  der  christlichen  Feste 
durch  äusseres  Scheintreiben  irgend  verkürzt  werde.  Endlich 
war  Über-Ammergau  einerseits  durch  die  Nähe  eines  ange- 
sehenen Klosters  '),  wo  sich  immer  passende  Redactoren  vor- 
fanden, vor  dem  Versinken  in  vulgäre  Spielweise  geschützt: 
andrerseits  lag  das  Oertchen,  mochte  es  auch  durch  Handels- 
verkehr weithin  sich  bekannt  machen,  doch  wieder  in  einer 
glücklichen  Abgeschiedenheit  im  Gebirge,  die  vor  einem  zu 
raschen  und  reichlichen  Zuströmen  neuerer  Bildung  und  Auf- 
klärung bewahrte. 

Ob  in  unserer  Zeit,  die  auch  das  Gute  vergangener  Bil- 
dungsstufen wieder  mehr  würdigt  als  das  vorige  Jahrhundert 
dies  vermochte ,  ein  weiterer  Bestand  des  Spiels  im  Ammer- 
gau gesichert,  ein  Wiederaufblühen  an  andern  Orten  möglich 
erscheinen  mag  2),  muss  die  Zukunft  lehren  —  zum  Schluss 
dieser  Betrachtungen  sei  hier  der  Hinweis  gestattet,  dass  auch 
dem  protestantischen  Deutschland  in  den  Oratorien  der  gros- 
sen Meister  (namentlich  Bachs  und  Händeis)  ein  würdiger 
Rest  geistlicher  Ausführungen  unverloren  ist  3). 


«)    Ettal.  Vergl.  Clarus  p.  21. 

'-»)    So  z.  B.  z.  Brixlegg  iu  Tirol.    (Vergl.  Cap.  II.  SchluBS.) 

3)    Vergl.  Haae:  Das  geistl.  Schausp.  p.  318 


€ar.  IUI. 

Nationale,  kunst-  und  kulturgeschichtliche 
Bedeutung. 

§  I.     ^ati«Mlrkarertrr  in  gristlirkfi  Spiel«  !■  ieiUrkUid 

Wir  haben  hier  zunächst  die  Frage  aufzuwerfeii ,  wie 
weit  das  Ausland  einen  Einfluss  auf  die  Entwicklung  unserer 
geistlichen  Spiele  beanspruchen  darf,  abgesehen  von  dem  An- 
ftoM,  welchen  die  christliche  Kirche,  eine  historisch  aus  dem 
Orient  herrorgegangene  Religion,  onsenn  Vaterlande  »o  gut 
wie  dem  ftbrigen  Abendlande  nach  dieser  Seite  hin  gegeben 
hat.  Et  kann  heutzutage,  da  die  Ansprüche  der  Engländer 
wol  als  erledigt  gelten  können  >),  nur  bez.  der  Franzosen 
noch  eine  derartige  Frage  aufgeworfen  werden;  und  wir  sind 
nicht  in  der  Lage  einen  derartigen  Einfluss  unserer  westli- 
chen Nachbarn  gani  ablaognen  zu  können.  Es  führten  uns 
die  iltett«!  (Fretaioger)  DenknuUer  unseres  Weihnachtaspiels 
XQ  einer  Vergkioboig  mit  galUeaalseben  Ritualen  und  Mysterien, 
denen  unbefangene  Forschung  das  Recht  der  Priorität  nicht  be> 
Straten  «ird.  Aber  dieae  Bfiekwirkimg  dea  gallicanischen  Ritus 
nach  Bajera  hin  sdietat  doeb  ebenso  vereiBsalt  so  sein,  wie  sich 
gallische  Missionsthitigkeit  in  Deutschland  nur  spärlich  zeigt, 
oad  bekanntlkli  ebeatük  in  fiajam  *;.  Dazu  kommt,  dass 
aach  a&f  dieacm  Spedalgebiet  sehr  bald  töllipc  Fntiiutsemag 


I)  BckoB  Flöfftl  <sad  sieb  aicbi  mäht  vranlaitt  (Kom.  IÜ.  IV 
891)  dto  Aagabs  I/SalMls,  daas  die  dealtebMi  das  gdsfUsb«  8pM 
^oa  dsa  WiigHaasni  gderal  (weiehs  tmt  iem  CostaÜMr  CoaeU  tUk 
damü  wri^mt),  nsAMielMr  n  widertofta. 

^  Osr  kGorinaisa,  Minioaar  ii  Bsiera  aad  B«fTiBd«r  dMBii- 
Umm  FlrdaiBf  ,  war  ein  FiaasoM  «ad  t«btrt%  von  Mahn  sa  der 
Bdae  (vstgL  Aela  Snct  8  8ep«.) 


268  C»p.  VIII,  5  1. 

von  fremdem  Oeiste  eintrat;  schon  dus  lUiicdictbeurer  Weih- 
nachtsspiel das  doch  noch  an  einigen  Fäden  sichtbar  mit  der 
Freisinger  Trad.  zusammeuhän^t  •),  ist  in  ganz  freier  Weise 
ausgestattet  und  noch  origineller  gerathen  ist  das  Tegeruseer 
Antichristspiel,  dem  die  altfrauz.  Litteratur  nichts  ähnliches  oder 
gar  vorbildliches  zur  Seite  stellt.  Die  Anfänge  des  Osterspiels 
sind  bei  uns  ebenso  einfach  und  echt  gehalten  wie  bei  den 
Nachbaren;  und  auch  im  weiteren  Verlauf  unserer  Spielent- 
wicklung tritt  alles  was  von  einigen  Forschern  2)  für  Entleh- 
nung aus  dem  Westen  angesehen  ist,  uns  bei  näherer  Betrach- 
tung so  volkstümlich  und  naiv  entgegen,  dass  die  Fälle  in 
welchen  auch  wir  einen  Einfluss  fremder  Spielweise  nicht 
ganz  abläugnen  mögen ,  eben  zu  ganz  vereinzelten  werden  3). 

•)     Vergl.  Weinholil  W.-Spiele  p.  67  N.  4,  p.  60  N.  8,  p.  63  N.  1. 

■^)  Vergl.  hier  namentlich  Mone's  wiederholte  Versuche,  einen 
Zus&nimenhang  unserer  geistl.  Spiele  n)it  dem  franz.  Schauspiel  dar- 
zuthuu:  Schausp.  des  MA.  I,  47  f.,  II,  27  f.,  164  f.  —  Schon  die  Be- 
merkung, die  Mone  selbst  I,  47  macht,  dass  sich  andre  lateinische 
Il^-ninon  in  Frankreich,  andre  bei  uns  in  den  Spielen  benntct  finden, 
mahnt  zur  Vorsicht. 

3)  Im  Frankfurter  Osterspiel  (bei  Ficbard  III,  160)  lässt  sich  die 
Anrede  ,ey  bele  niftel'  vielleicht  als  ein  in  die  rheinische  Umgangs- 
sprache cingedrungner  Gallicismus  erklären ,  da  sie  so  ganz  vereinzelt 
steht. —  Von  den  zahlreichen  Teufelnamen,  die  II,  27  aufgezählt  sind, 
will  auch  Mone  nur  2  (Tuteville  u.  Noytor)  aus  Frankreich  herleiten, 
und  da  Noytor  sich  dort  nicht  findet,  sondern  Noyron,  bleibt  eigent- 
lich nur  einer:  Tuteville.  Dieser  zeigt  sich  wiederum  (irre  ich  nicht) 
nur  im  Redentiner  Spiel ,  und  lür  dieses  lasse  ich  (mit  Mone)  die 
Möglichkeit  einer  früheren  Redaction  am  Miederrhuin  gelten.  Wegen 
dieses  einen  armen  Teufels  brauchen  wir  die  Originalität  unserer  Teu- 
felscenen,  so  geringen  Wert  sie  auch  haben,  nicht  aufzugeben:  ich 
bemerke  noch,  dass  bei  den  Franzosen  Belgibus  d.  h.  Beelzebub  Höl- 
lenfürst zu  sein  pflegt,  während  bei  uns  Lucifer  bis  zu  Ende  des  MA. 
diese  Charge  behauptet.  Die  meisten  der  nicht  biblischen  Teufclna- 
men  zeigen  ein  durchaus  deutsches  Gepräge,  vergl.  die  von  Grimm 
Myth.  p.  1017  gemachte  Zusammenstellung  (wo  neben  Moth  und  Cob- 
web  aus  Midsummeruightsdream  dann  auch  die  bekannten  Cavalier- 
namen  Rosenkrantz  und  Guildenstem  aus  Hamlet  hätten  angeführt 
werden  können ,  da  letzterer  2same  im  /Usfelder  Spiel  als  Teufelname 
steht),  wozu  noch  die  Besprechung  des  Ovelgunne  p.  953  (vorkommend 
im  TheophiluB)  und  des  Bruder  Rausch  p.  484  (vorkommend  in  Chnu- 
stins  Weihn.  Spiel)  zu  halten.     Hier  nenne  ich  noch  das  Register  der 


Cap.  vm,  s  1. 

Id  keinem  Denkmal  des  spateren  MA.  treten  ans 
ich  Imlier  sehe,  Kriterien  finemder  Herkunft  in  soweit  greif- 
barer Fülle  >)  entgegen,  dass  man  sagen  könnte,  Kntlebnung 
habe  in  diesem  Fall  auch  nur  halbe  Wahrscheinlichkeit  für  sich. 
Maocfaee  Aehnliche  erklärt  sich  ungezwungen  schon  aus  den 
^emdJBHunen  kirchlichen  Grundlagen,  dann  aber  auch  aus  der 
im  MA.  noch  lange  nicht  so  scharf  wie  in  neuerer  Zeit  ge- 
schiedenen SonderindiTidoalität  der  Völker  des  europäischen 
Abeodlaadet  ^.  —  Genauere  Vergleichung  ergiebt  endlich  trotz 
jtner  nahen  Verwandtadiaft  doch  auch  wieder  genug  unter- 
scheidende Züge  unserer  geistl.  Dramatik  von  der  des  Ans- 
landea.  In  Frankreich  kam  das  geistliche  Spiel  weit  früher 
and  in  erheblich  abweichender  Weise  ans  seiner  kirchlichen 
Bickta^:  etnowits  die  Wichtsinnigere  Religiosität  diesss 
Volkes,  andrerseits  das  weit  grössere  Geschick  für  dasÄasso^ 
Ucfae  und  Verstandniss  ffir  das  theatralisch  Wirksame  liess 
hier  schon  im  XVL  Jahrb.  eine  derartige  frivole  Verweltli- 
eboag  der  ÜTstenen  eintreten,  dass  ihre  Abscha£fuDg  durch 
ParUmentsbcschlttss  im  Interesse  der  Sittlichkeit  geboten 
schien  —  Als  bei  uns  im  XVII.  und  XVIII.  Jahrhund,  das 
gmstL  Spiel  dem  Teranderten  Geist  und  Geschmack  weichen 
nrasste,  war  von  entfernt  ähnlicher  Ven^ilderung  doch  nicht 
die  Rede:  ein  Versinken  in*s  Bäarische,  Tölpelhafte,  gelegent- 
lich   andi    wol   ganz  Unwürdige  kam  sicher  vor  ^l    —    doch 


bMÜMclmi  OtkUir  im  Pappwpiri  tod  Faust,  wo  Aaerhafan  ala  deut- 
wthrr  Nmb«  bsf  gast  (dsasben  «ach  XerxM!)  und  die  hei  Tittmann 
8ch— p.  n,  p.  10  aieli  iateideB  Teafel-  vod  RexetunmeB. 

I)  So  iK  in  Fnakinter  Spiel,  daa  jeo«  ha1l>fy«nsöffiMli«  Phrase 
matwtuH,   wliJsmw  4ki  Aahfs  der  Teefeto>c<  «iirfiuh  und 

olne  jede  8p«r  tnmAtn  BinBeeeie.  —   Aveb  di      :•   AafQkrmifi- 

Uchiiit  der  Franeneen ,  die  Kinhchtong  der  Sptelordnonfr  (daria  heteet 
t.  B.  bei  flUMM  CkrislM  swtwedcr  DoMtaoa  oder  Jeeoe,  Jet.  Cbrittae 
«ad  Maiff  im  jinfloni  Btiskwi  Disa,  b«i  aae  kaA  aar  Dominica  per- 
aoaa  oder  SaHsler)  ssigt  fsaag  OslsrsubisJt  vom  deotMibeo  Braaoh. 

>)  Die  IsswBiiilMiisiii  niwlilsm  d«r  nmmUm  Zeit  hat  rnrilirli 
die  Wsttsaea  sieb  wieder  eSwas  aiker  trotoa  bMwn. 

S)  Wio  aooli  boalMlifS  stak  rschi  darbe  Ui^peliArif k<-ii<ai  m  via 
wirdiff  fsbsHan  8pM  «iadriagea  kteaoa,  ist  aas  Ps{ll»re 
•bw  die  ÜHsleiaier  Aafihvaat  ««"■  IMB  «nielitlieb  (p. 

TiAMB.). 


270  Cap.Vin,Sl. 

wären  diese  Verirrungcn  zu  beseitigen  gewesen  ohne  das 
Ganze  auszurotten,  wie  sich  denn  auch  vereinzelt  die  Spiel- 
tradition bis  auf  unsere  Tage  zu  erhalten  vermochte.  — 
Im  MA.  selbst  sehen  wir  in  Frankreich  (ähnlich  aber  auch  in 
den  Niederlanden  und  F^ngland)  den  Marie ncult  noch  weit 
reichlicher  und  störender  das  geist.  Spiel  intiuenziren  '):  hier 
wurden  apokryphische  Berichte  2)  und  legendarische  Erzäh- 
lungen 3)  offenbar  ihres  wunderreicheren  Inhalts  wegen,  nicht 
so  in  naiv-erbaulicher  Absicht  wie  bei  uns,  in  die  Spieltradi- 
tion aufgenommen,  und  weit  häufiger.  Selbst  auf  einem  Ge- 
biet, wo  sich  auf  den  ersten  BUck  überraschend  viel  Aehn- 
lichkeit  zwischen  unserer  und  der  fremden  Spielweise  zeigt, 
nämlich  im  populären  Weihnachtspiel,  bleibt  jeder  Verdacht 
directen  Zusammenhangs  ausgeschlossen  *).  —  Noch  ferner  als 
die  französisch-niederländische  aber  steht  uns  die  englische  und 
die  spanische  Spielweise,  welche  beiden  letzteren  durch  eine 
sehr  bevorzugte  Pflege  der  Fronleichnamsspiele  sich  auszeichnen, 
die  in  Spanien  das  Passions- Spiel  fast  ganz  in  sich  aufnehmen, 
wälirend  das  W.  -  Spiel  für  sich  besteht.  —  Ueber  Italien  liegen 
bisher  nur  dürftige  Berichte  vor  5)  ,   die  über  den  Charakter 


I)  Vergl.  alle  die  Mirakel  der  heil.  Jungfrau,  die  sich  in  Mon* 
merque's  und  Michels  Sammelwerk  finden,  fär  England  die  bei  Hone 
mit^etheilten  Spiele  über  das  Leben  Maria's. 

'•»)  So  z.  B.  für  die  Weihnachtspielweise  zeigt  das  Mystere  de  la 
Nativite  bei  Du  Meril  p.  354  jene  apokryphischen  Hebammen  in  redse- 
ligster Breite  neben  der  heil.  Familie  eingeführt  und  recht  im  Gegen- 
satz gegen  die  einfach  decente  Weise,  die  wir  Cap.  I,  §  2  anch  für 
unsere  ältesten  deutschon  Denkmäler  anerkannten. 

3)  Auch  Behandlungen  der  Apostelgeschichte  sind  in  Frankreich 
weit  häufiger  als  bei  uns,  und  für  die  Schweiz  (vergl.  Weller  Volks- 
theater der  Schw.  pp.  29,  30,  275)  noch  etwas  stärker  bezeugt  als  für 
das  eigentliche  Deutschland. 

4)  Die  poetisch  anziehende  Pastorale  sur  la  uaissance  de  Jesus- 
Christ  bei  Du  Meril  p.  490  f.  ist  trotz  mancher  Uebereinstimmung  mit 
unseren  Weihn.-Spielen  populärer  Richtung  (so  finden  wir  das  Her- 
borgesuchen bei  einem  harten  Wirte,  das  gegenseitige  Aufwecken 
der  schlafenden  Hirten  u.  s.  w.  wieder)  eben  so  originell  französisch, 
wie  unsere  kämtisch-stoiripclion  u.  andre  Weihn.-Spiele  echt  diMitsch 
sind. 

5)  Vergl.  die  bei  Du  Meril  p.  59  Anm.  aus  Muratori  onticimte 
Notiz  über  eine  Weihnachtspantomime  aus    dem  Jahre    1326;    femer 


c»p.  vm,  §  1.  »71 

der  dortigen  Spielweise  nor  soweit  belehren,  dass  hier  das 
V  ^^'irksame  ein  Haaptreiz  der  AufführaDgen  gewesen 

int 

tlich  hat  sich  in  Spanien  aus  dem  geistlichen 
:^piLi  u  itionales  Drama  gebildet,    und   wenn 

auch  M'  laltet  hängt  doch  auch  Euglands  dra- 

matisehe  Blüthezeit  mit  den  Spielen  des  MA.  noch  innig  zu« 
aaBflien:  anders  kam  es  in  Deutschland,  wo  man  nach  den 
Twsebiedftiisteii  finemdeB  Eintiüssen  erst  gegen  Ende  des  vori- 
gen Jahrhunderts  durch  die  nähere  Bekanntschaft  mit  Sha- 
kespeare sn  Versachen  geführt  wurde,  die  auf  Popularität 
and  Oediegeiibeit  zugleich  Anspruch  machen  konnten,  ohne 
doch  jenes  erstere  Ziel  schon  in  gewünschter  Weise  zu  errei- 
chen. BdcaoDtlich  ist  eä  einerseits  der  durch  die  moderne 
Bildung  benrorgetretene  Geistesuutcrscbied  zwischen  Höberen 
and  Niederen  im  Allgemeinen,  dann  aber  auch  die  im  Besitz 
jener  Bildung  sich  bewosster  gewordene  Subjectivitüt  des  Ein- 
xeloeo,  die  der  Wirkung  anserer  neuen  Classiker  auf  das  ganze 
Volk  baouDend  begegnet;  von  einer  ähnlichen  Emancipation  des 
Einleben  von  den  Rechten  seiner  Umgebung  war  im  MA.  noch 
■iobft  die  Rede,  am  wenigsten  in  jenen  letztere:  '  '  '  luderten 
dsmsibeu,  in  denen  wir  die  Haop^>flege  des  ^  m  Spiels 

fanden.  Damals,  als  die  Kirche  sich  noch  nicht  ganz  vom 
ncfickgesogcn ,  die  Laien  aber  mit  noch  ungetrüb- 

las  I),  mit  frischer  Kraft  und  dem  Nachdruck,  den 
das  Aaftrst«!  einer  grossen  gleichgestimmten  Menge  immer 
besitzt,  sick  nur  gsistiichen  Spielübung  als  einem  frommen 
Werke  berzodringtsn ,  Uessen  sich  würdige  und  zugleich  so 
wtitfeheodn  Besnltats  erreichen,  wie  wir  sie  aus  den  Nach- 
richten &bmr  die  nrei-,   drei-  and  mehrtägigen  Aufführungen 

Klein  G**cb.  drt  iul.  Dnuu's  I,  IM,  166,  382  f.  —  m»e  UfiM. 
Bahsaqi.  pp.  90,  ü.  Ml  titber  «ia  popoUrM  (mr  Feier  einer  lindli- 
dM»  HocbnÜ  di— »ad— 0  Pswinimpiel  wai  Corme*  verirl.  F.  H<>yM*e 
Nor.  Buid  Till  p.  178  t  Bsd— teadw  idgt  §kh  di«  tulieobek« 
SfWwetes  derck  ikr  FeeÜMÜtM  des  sisfttrslJOThtn  EUsMato,  so  dam 
M»  amfat  dl«  Oper  ah  etoe  modenwT^siidliBisUiiii  des  fiaUgi^- 
epteb  ia'e  Lri>«a  tr%L 

I)    Dia  laaaahaiwi  voa  aagtaaUfeier  Kirbaag  mlaaea  birr  «b> 
l>rr««lukJMift  bWbca. 


n«  Cap.  VTTI.  §.2. 

mit  jener  MassenbeÜieiliKung  der  Heimischen  und  jenem  Zu- 
drang  der  Fremden  deutlich  abnehmen.  Solchen  Erzeugnissen 
wird  man  nationale  Bedeutung  nicht  streitig  machen,  so  wenig 
es  auch  auf  jeden  Bühnen  der  Vorzeit  direct  versucht  wurde 
deutschen  Patriotismus  darzustellen  und  anzufachen.  Und  nicht 
darin,  dass  sich  hier  und  da  (doch  mehr  naiv  und  immer 
nur  in  verzeihlicher,  nicht  löblicher  Weise)  deutsche  Local- 
farben  den  biblischen  oder  legendarischen  Stoffen  aufgetragen 
finden,  darf  man  verständigerweise  den  eigentümlich  deut- 
schen Charucter  des  geistl.  Spiels  bei  uns  suchen,  sondern 
vielmehr  in  der  objectiveren ,  treueren  und  strengeren  Auffas- 
sung der  christlichen  Idee  •),  die  über  jede  Volksschranke 
hinausweist. 


§  2.     Pvftisrhe  Seite  der  geistllfhen  Spiele  Drutschiandü. 

Ich  denke  hier  zunächst  den  poetischen  Gharacter  der 
verschiedenen  Entwicklungsformen  des  geistlichen  Spieles  mit 
einigen  Hauptzügen  anschaulich  zu  machen,  woran  sich  zum 
Scbluss   noch   etwas    allgemeinere  Betrachtung    reihen    wird. 

Die  älteste  Stufe  unserer  Spiele  die  mit  den  kirchlichen 
Feiern  noch  innigst  zusammenhängen,  und  namentlich  beim 
Osterspiel  in  die  strengsten  Formen  eines  liturgischen  Ritus 
gebannt  bleibt ,  zeigt  doch  auch  hier  und  dort  schon  versuchs- 
weise poetische  Freiheiten.  Ich  gebe  als  Beispiel  die  RAchel- 
klage  2j  der  Freisinger  Hs.  nach  Du  Merii  p.  174: 
Rachel  plorans  snper  pueros  dicat. 

0  dolor!    0  patrom   mutataque  gaudia  matrum. 

Ad  lugubres  luctus ,  lacrymarum  fundite  fiuctus! 

Ah!  Teneri  partus!   Laceros  quos  cerninius  artus! 


•)  Will  mit  Recht  hat  Gervinue  (Gesch.  der  d.  Dich  I,  127  nach 
Aufl-  5)  gerade  das  Masshalten  mit  nationaler  Färbung  auch  in  unsenu 
Ileliand  gelobt  gegenüber  den  christlichen  Dichtungen  der  Angel- 
sachsen. 

*)  Allerdings  kein  eigentümlich  deutsches  Product.  Yergl.  über 
das  Vorkommen  dieses  Rituals  Du  Möril  p.  175  N.  1.  —  Ein  ähnlicher, 
doch  sicher  schlechterer  Text  aus  der  Orleanner  Interfoctio  bei  Du 
Meril  p.  178. 


r«p.  vni.  §  2.  273 

Ueo!  Dulces  nau  sola  rabio  jiigulaii. 

Quid  comroisistis  qaod  X&\ii\  facta  subistis? 

Cor  ritam  vobis  liror  subtraxit  Herodis, 

Qaam  noDdBm  vere  yos  oognoTistis  habere? 

Heo!  Quam  ii«e  pietas  nee  Testra  coercuit  aetas! 

Ah!  Matret  nuserae,  quae  cogimur  ista  videre! 

Cur  autem  Balis  patimnr  saperesse  necatis? 

Saltim  roorte  pari  nobis  licet  boe  oonnUri. 
Consolatrix  accedat: 

<^)uid  tu,  Tirgo  mater  ploras  Rachel  formosa,   cujus  vul- 
tUÄ  >>  Jacob  delectat,   seu    sororis  anniculae  •)  lippitudo  eum 
jovat?    Tergat  hie  Consolatrix   oculos   Rachel.     Terge,  terge, 
maier,  flent^  oculos.     Quam  te  decent  genanim  rosulae! 
Iterum  Rachel  dicat. 

Heu!  heu!  heo!  Qaod  tu  me  incusas  fletus  incassam 
fodiMe,  com  nm  orbata  nato,  paopertatem  meam  qui  solus 
cnraret,  qni  non  hostibos  oederet  angostoe  terminos  quos 
mibi^  Jacob  aoqnniTit? 

Consolatrix  accedens,  dicat. 

Ilaad  fl«Mliia  est  iaie,  haod  fleodos  Mt  isie,  »ed  laudan- 
du»  qui  regnam  poitidet  ooelesie,  qniqnc  preoes  frequentans 
miMfit  fratribus  apud  Dcum  auxiliat.. 

Die  Freiheit  der  Behandlang  bMieui  mer  in  einer  fast 
eUraa  geswangenen  Benntmiiig  dee  alten  Testaments.  Aehn- 
lich  «nd  im  ersten  Freisinger  Denkmal  bekannte  kirchlicbe 
Quellen,  and  du  die  Zeichnung  des  Ilerodes  auch  antike  Re- 
tntniacenzen  *\  benutzt. 


'  -  in   Tiiltam  geindert; 

'. , ,j.  i,„,j  ;.«;;.    ich  IchoB  snt- 

'ultr  II   r  ,  Uti  llirilf  LeMBf  be«UUgt  •cheint. 

i  ird  diMtr  sein:  «oder  vrfrrat  ihn 

•n  RehvMter«  (»eil.  U«)? 

uag  gMieh«ft,  so  hitie  der 

a«  d«nn  xu  dom  I>«>k«nnt4>ti 
r  {j.  863,  V.  U66  iMÜtm.)  «tim- 
«nvmicatiiM  b«t  Moor  I,  40. 
na  «uUagvaai*  mm  Sei.  Ge- 
is 


274  Cap.  Vni,  §  2. 

Eine  zweite  Stufe  bilden  die  Marienklagen,  WechRelge- 
sprächo  zwischen  Maria  und  Johannes,  allmählich  erweitert 
niimentlich  durch  die  Aufnahme  des  leidenden  Erlösers  und 
der  Personen  des  ältesten  Osterspiels.  Zu  Grunde  liegen  na- 
mentlich für  die  Rolle  Marias  lateinische  Hymnen ,  deren  viel- 
fach variirte  Nachbildungen  unsere  Texte  darbieten.  Diese 
deutschen  Strophen  haben  durch  ihre  Wärme  und  einfache 
Zartheit  mit  Ilecht  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  gezogen;  der 
weiche  Ton  dieser  Partieen  ist  poetisch,  noch  besonders  be- 
rechtigt neben  der  strengen ,  einschneidenden  Zeichnung  der 
Christusrolle,  wie  sie  z.  R.  der  Trierer  Planctus  erkennen 
lässt  •).  Zu  einer  dritten  Stufe  zählen  wir  die  Anfänge 
synoptischer  Behandlung  im  Weihnacht-  und  Osterspiel,  an 
welche  sich  auch  der  Antichristludus  noch  anschliesst.  Die 
Sprache  ist  hier  noch  meist  die  lateinische,  zeigt  aber  an 
Stelle  jener  formalen  Unbeholfenheit  der  Freisinger  Stücke 
eine  Gewandheit  in  der  Diction  2)  und  so  geläufig  behandelte 
Metra,  dass  die  veränderte  Richtung  doch  deutlich  ist.  Ich 
gebe  als  Beispiel  dieser  technischen  Gewandheit  die  Strophe 
eines  Magiers  aus  dem  Benedictbeurer  Weihnachtludus  3). 

»Quaestionum  noverat  enodare  rete  ille,  per  quem  habeo 
quod ,  quando  cometae,  se  producit  radius,  tunc  habent  4) 
planetae ,  et  quorumdam  principum  se  praesentant  metae. 
Quid  sit  Stella  novemus  et  quid  sit  plancte  horum  haec  est 
neutrum;  sed  cum  sit  cometa,  inungamur  gaudio,  sit  mens 
nobis  laeta!  Magni  enim  principis  verus  est  propheta'.  — 
Noch  eine  andere  Stelle  ^),  wo  sich  der  Diabolus  darüber 
moquirt,  dass  die  Rede  des  Angelus  sich  durch  Reimschmuck 
bei  dem  Hirten  einzuschmeicheln  suche,  möge  hier  Platz  finden. 


tu.  c  XXXII  nach,  auch  jenes  kaltblütige  ,di8ce  mori  puer*  des  Armi- 
ger  könnte  sich  ähnlich  bei  einem  Classiker  finden. 

>)    Vergl.  Fundgr.  II,  271,  4— 15. 

-)  Cf.  G.  Freytag  De  Hroswitha  poetria  p.  1:  Sed  cur  sanctos 
praecioues  illudinius?  Aptum  enim  iis  est  antiquuni  vestimontum  ac 
commode  in  co  pedes  movent,  ex  proprio  scilicet  more  ingredientes  cct. 

')    Vcrgl.  Schmellcr  ("arm.  Bur.  p.  87. 

*)  Für  haben!  ist  mit  Sicherheit  hcbent  herzustellen,  vergl.  das 
splcndor  hobetatur  auf  derselben  Seite.  -  Schm.  hatte  latent,  I)u  Meril 
absunt  vorgeschlagen. 

5)    Ebendort  p.  89. 


Cap.Tin.  §.  2.  275 

(Angelas):  Pastores  qufteritc  natum  in  praesepio, 
Et  Totam  solvite  math  cum  tilio; 
Nee  mora  veniat  isti  oonsilio, 
Sed  T08  huc  dirigat  mentis  devotio  ').  — 
«Dicat  Diabolat  ad  aores  eoruni): 

Sfanpln  ooetoa  aspiee,  qualis  astntia 
Eins  qni  sie  fabricat  Teris  contraria! 
Uique  saa  üallerent  magis  mendaeia 
In  rythiiiis  condliat  qnae  profert  omnia. 
Was  nan  die  Behandlangsweise  des  biblischen  Stoffes  in 
die«eo   älietten    synoptisehen  Spielen    betrifft,   so    lässt   sich 
ein  gewisses  Schwanken  bexüglich  der  innezuhaltenden  Gren- 
zen ebenso  wenig  verkenneu,  wie  man  auf  der  anderen  Seite 
auch  nickt  übersdben  dar£,  dass  doch  kein  ganz  willkürlicher  Er- 
weitenmgidnuig hier  waltete;  vielmehr  suchte  man  die  wichtig- 
sten TOii)ildlichen  Motive  aus  dem  früheren  Leben  Christi  >)  zu 
emer  schon  siemlich  hont  werdenden  Staffage  für  das  drama- 
tisdbe  HMipthfld  so  Terwerten.    In  jenen  Vorspielsscenen  tre- 
ten non   auch  solche  Freiheiten  uns  entgegen,    wie  sie   der 
lüg.  Mtfia  Magdalena  vor  ihrer  Bekehrung  in  den  Mund  ge- 
legt werden.    Anfänglich  lateinisch,  dann  aber  auch  in  noch 
leichtere  deutsche  Strophen  gebracht,  erscheinen  diese  Frei- 
heiten dadarch  onbedenklicher ,  dass  sie  nur  zur  Vorbereitung 
der   wunderbaren  Bekehrung   der  Sünderin   dienen  ^).     Diese 
Umkehr  Magdalenas  wird  freilich  für  unser  Urtheil  schlecht 
motivirt ,    wenn    ein  Bruch    mit    lieb  gewordenen  Thorhcitrn 
^   -^   nden    einfach    dadurch  hcrl^eigefuhrt   wird,    dass    aus 
lond   zwei  oder   drei  Mal  auf  die  Nähe  des  Erlösers 
w:ir.     Aber  es  kam  daoials  nicht  darauf  an,  den 
..^..^i.ij  luilig  zu   fiberseogen,    sondern  nur  die  biblischen 
(  haractere    in    leicht  faalieben  Zfigen  Torzuführen.     Denkt 

Man  trmrrk'-  (!•  n  ia  diwsr  Str.  sich  ftadoiden  Binoenretm. 
Vrrgi.   ila*r  |>    17:    dM  «ffi«  WvimIot  d«r  Wein verwuid long 
«a4  dM  gromt  Waadurgsrt— hl  mit  B«id«r  KrAUanff,    dem  heiligen 
Ahendmehl,   die  Uetlwif  des  BUndgebora—  «ad  die  Krweckiaig  des 
Learw  •!•  Symbole  des  liebt-  «ad  Uhmm  Bpsadsrs 

S)  Abgeeebea  nm  der  d«f«b  die  OWeUMÜ  dse  Oeeobleeble  bei 
dm  I>»r«tellcm  bedb^tMi  UagesdrtbtH  wird«  «wa  iMi  bei  dieser  Er- 
klimiiK  keiim  bewblfe«  diiha. 

18» 


276  Cap.  Vni.8  2. 

man  sich  nnn  jene  Engelsworto  in  ihrem  klangvollen  Latein  •) 
von  einer  schönen  Knabenstimme  sanft  und  sicher  gesungen, 
80  lUsst  sich  eine  tief  greifende  Wirkung  derselben  nach  den 
vorhergehenden  minder  würdig  gehaltenen  Strophen  gar  wohl 
glaublich  finden.  Auch  jener  jähe  Sturz  des  Antichrist  am 
Ende  des  Tegernseer  Ludus  ist  nicht  so  roh  mechanisch  als 
es  scheinen  möchte  2) ;  Steigerung  des  Glückes  und  Uebermuts 
bei  einem  Bösewicht  erzeugt  im  Gemüt  des  Betrachters  von 
selbst  den  Wunsch  und  die  Erwartung  3)  seines  Falles,  und 
je  plötzlicher  dieser  eintritt,  um  so  mehr  wird  unser  Gefühl 
befriedigt,  da  die  Strafe  für  den  Frevler  desto  grösser  ist. 

Kurz  berühren  wir  hierauf  als  vierte  Stufe  die  älteren 
synoptischen  Spiele  in  deutscher  Sprache ;  sie  sind  es  fast  al- 
lein ,  welche  in  formaler  Hinsicht  einen  Einfluss  der  höfischen 
Dichtung  nicht  verleugnen  ■*).  Neben  dieser  Sorgfalt  für  das 
äussere  geht  meist  eine  gewisse  Nüchternheit  in  der  Behand- 
lung des  Stoffes  5j,  welche  freilich  versuchsweise  hier  und  da 
ins  burleske  Gebiet  hinüherschlägt,  ohne  es  doch  zu  einer 
festen  Ausbildung  humoristischer  Typen  bringen  zn  l:<iiin..t( 
oder  zu  wollen. 

Dazu  brachte  es  erst  die  fünfte  Gruppe  der  hier  zu  be- 
trachtenden Spiele ,  in  welcher  uns  die  Anfänge  popnlärer  Be- 
handlung entgegentreten.     Hier  sind  es  namentlich  die  niedrig 


1)  Vergl.  Fuiidgr,  II,  247  oder  Carin.  Bur.  p.  97.  —  Die  .Str.  lau- 
tet: 0  Maria  Magdalena  nova  tibi  nuntio;  Simonis  hospitio  hie  se- 
den«  convivatur  Jesus  illc  Nazaronus,  gratia  virtute  plenus  cet. 

2)  Vergl.  Hase's  Vorwurf  p.  30. 

')     Nach  dem  Sprichwort  »Hochmut  kommt  vor  dem  Falle*. 

4)  Die  kurzen  Reimpaare  verbleiben  freilich  auch  im  weitem 
Verlauf  dem  geistl.  Spiel  lange  genug,  aber  meist  in  der  rohen  Form 
sog.  Knittelverse. 

5)  Aohnlichcs  gilt  auch  von  den  Anfangen  der  dramatisirten  Le- 
gende ,  die  gleichwol  bei  der  wunderbaren  Anlapc  ihres  Stoffs  mäch- 
tig genug  wirken  konnte.  Auch  das  Zehnjungfrauenspiel  zeigt  ohne 
allzuviel  Kunst  des  Redactors  doch  in  seiner  einfach  würdigen  Form 
genug  dramatische  Ilcbel,  um  die  Wirkung  ahnen  zu  lassen,  welche 
für  die  Eisenachor  Recension  bekanntlich  bezeugt  ist.  (Vergl.  n.  A. 
Hase  p.  51,  52).  Der  originellste  Theil  dieses  Spiels,  nämlich  der 
nicht  mehr  in  kurzen  Reimpaaren  verfasste  Schlups  (ed.  Bcchstein  p. 
80 — 32,  vergl.  Fundgr.  II,  272,  15  — is),  ist  übrigens  wol  sicher  jün- 
gerer Anwuchs. 


Cap.  Vin,  §.  2.  277 

komischen  Rollen  des  Salbenkrämers  und  seiner  Sippe,  der 
Kriegsknechte,  der  Teufel  und  so  weiter  die  nun  scharf  und 
in  tradit^  "  •  V  -  ■  .:=_-  rrägt  werden.  Wie  sehr  ein 
solches  1  r  Richtung   im  Ganzen  auch 

erfrischend  *)  und  kräftigend  wirken  mochte,  so  springen  die 
L'rhtlst.ind»  der  Teriuiderten  Geistesi  '  *  :  doch  zunächst 
li' 1  !t  iiK  in   m  die  Aogen.     Fast  alle  I'  i  dieser  Epoche 

!•  i<i>  !i  tn  einer  grenzenlosen  formellen  Verwilderung,  so  dass 
hier  die  Spar  al'*  '  '  her  Ueberlieferung  oft  nur  wie  ein 
abgebrochener  Sa  mpf  aus   dem  üppig  wuchernden  Ge- 

strüpp jüngerer  Zusätze  und  Einlagen  hervorsieht.  Aber  ge- 
rade in  dies«  "  "  it  sich  zuerst  die  Nothwoudigkeit  ei- 
n«'r  etwas  ku  :.  Beherrschung  und  Durchdringung 
de*  Stoffes  gezeijjt.  Der  Redentiner  Redactor  spricht  es  im 
Epilog  seines  Stijckes  bescheiden  aber  doch  deutlich  aus,  dass 
tr  Mulif,  Ek•l^s  und  GoM-Kii  V  nt  tVw  n«'rstellung  des  Textes 
u'ew.iudt  hal>e  -). 

N    J.t    piiii/.    i»o  :  wiü  im  lelztbcsprochenen  Falle, 

.iU;i  UvK:h  auch  bcaci.u .. »cit  ist  die  veränderte  Behandlung 
legendarischer  Stoffe  in  diesem  Durchbruch  populärer 
Rkbtmig.     Wir    haben    schon    früher   darauf  hingewiesen  zu 

r,-^!^he«    tragikomischen   Zerrbildc    der  TJ ■  >  -'-js    der    alt- 

.•>tlidieo  Legende  in  unsern  drei  niedi :  n  Spioltex- 

ten  geworden.  Da  war  nun  freilich,  um  diesem  stolzen  und 
laanitdien  Praclaten  sein  Recht  zu  verschaffen,  der  derbste 
niederdeutacbe  Ausdruck  ganz  am  Platze;  ich  gebe  zur  Probe 


lie  warme  AmBmmnng  der  Maria«  (Magdalena*) 

'  icl,  wo  e*  Fondgr.  11,  327  hciMt:  ,Dcn  lichon 

änden  mag,    D«r  mein  trunt  ist,    Und  mein 

ber  tag*.     (Letstcrer  Auidruck   hier  vor  der 

nufr*)-  ~    Weiter  nntcn   daselhtt  findet  sich 

h    kftbne    AoMlntck    ,lch    wu    gogasgan 

•-aii'  im  dan  Maad  gelegt.  —  Auch  in  der 

viiifthniiig  dar  MagdalenanroUe  voo  jfing. 

'    rtmag.  (Fttadgr.  II,  278,  27-374,  1). 

^     .  '  «1  — '  cd.  Elini    f.    74  :    U  hlr  aao 

for^mct  ,  arge  nic>>'  weale  koBM 

v«i  ttamala  te  better  niaKcn. 


278  Cap.  Vlll,  §2. 

die  ÄbIchnuDg  der  Bischofswürde  durch  Thcophilus  nach  der 
Stockholmer  •)  und  Trierer  Rec  2). 

Thcophilus  dicit. 
Nu  schal  my  wesen  leide: 
Dat  is  ene  snodo  veide, 
De  wy  scholcn  dragen. 
Werne  möge  wy  se  nun  klagen? 
Dat  is  ein  seiden  byspil, 
Dat  ick  ju  nu  seggcn  wil, 
Wo  velo  muse  mögen  byten 
Ene  katte  und  eren  balch  toryten: 
Also  vele  is  my  umme  juven  köre.  — 
Nu  tredet  alle  jy  hervore, 
Wat  möge  jy  my  nu  winnen  af? 
Ik  achte  nicht  uppe  juwen  köre  und  juven  staflf. 

Thcophilus. 
Gy  heren,  ik  dank  ju  allen  sere 
Dusser  groten  micheliken  ere 
Dat  gy  my  hebt  tom  bischop  gekoren; 
Den  arbeit  heb  gy  ganz  verloren. 
Ik  doe  gern  al  guven  willen 
flr  gy  einen  bischop  van  my  maken. 
ünde  wil  ju  seggen  wol  by  saken : 
Iken  heb  nein  got,  dat  is  ein, 
ünde  kan  um  gelt  6k  numment  vlein; 
Ok  bin  ik  wol  so  overmodich 
Ik  slage  my  wol  bl&  unde  blodich. 
Mit  eime  um  ein  haverkaf. 
Darum  kom  des  roklos  af 
ünde  keis  et  einen  anderen  snel, 
Went  ik  nein  bischop  wesen  wel, 
An  mach  it  syn,  so  biddick  sere 
Vor  mynen  mäch,  den  Kemmerere.  — 
Dass  in  dieser  Periode  wie  alles  Andre,  so  auch  die  Me- 
trik verwilderte,  ist  begreiflich  genug:  nur  ausnahmsweise  er- 

')    Vergl.  Hoffmanns  Theophilusaueg.  von  1854  p.  6  unten. 
5)    Vergl.  Hoffmanns  Theophilusausg.  von  1853  p.  9,  und  die  wei- 
tern Ergüs8c  des  Ilcldcu  daselbst  p.  12  und  13. 


iap.   \iil.  §  2.  279 

4^4- h.  inen  sauber  gereimte  Texte ,  wie  der  Redentiner;  auch  ein 

l>urch. ::  lüJcr  v^    '     iener  Versfürmen  ist  nicht  unerhört  ')• 

Iij  ciiui   ?  I  Gruppe  fassen  wir  die  synoptisch  po- 

im'.vi'  n  Spiele   aus   dem  Ende  des  XV.    und   im  Verlauf  des 

'  '    hunderts  »usa;  '  '       'I 

.irht*;spielen  i  - 

spiele  dann  auch  die  grösseren  Fronleich- 

■   n.  V  §  M  *        n  Stücke  gehören. 

i    .    ,    ,  ^    des  ge.  -  ; -Is    hat  in  dieser 

Zeit  ihre  Höhe  erreicht,  bei  dem  regen  Interesse  aller  Stände 

und  der  B«  -  "       her  Behörden  auch  Geldmittel 

für  die  Auii „-..  _-       ^en,  war  man  nicht  mehr  auf 

ein  Herausgreifen  einiger  Lieblingszüge  angewiesen,  sondern 
konnte  die  biblische  Geschichte  nun  recht  aus  dem  Vollen 
darstellen  und  sich,  wenn  auch  nicht  mit  der  verschwenderi- 
aclMD  Pracht  des  Auslandes,  doch  mit  behaglicher  Zurüstung 
aoch  eijies  äaaaeren  scenischen  Erfolges  versichern.  Dazu 
kam,  dass  die  burlesken  Ausschw« -♦'"■•♦  n  der  vorigen  ürupi)e 
i)icr  wieder  beechräukt   und   zui  mgt  erscheinen  2),  so 

daas   es  £ast    nur  noch  die  Teufel  sind,    welche  sich  derbere 
Spalte  erlauben  dürfen.      Die  Schattenseiton    dieser  Kntwick- 
iungsstvCs  liegen  wohl  weniger  in  dem  Umfang  der  Spiele  und 
seen  Aniabl   der  Mitspieler,   denn   damit  Hessen  sich 
'  würdige  Erf^.:  '  '    '  '     V  ' 

Rcmeinschn; 
N\ ^  'S   nötbiger  Beschrän- 

cü   meür    aui   cmo    gewisse  r    ' 
ngt  war,   und   aus  Mangel  ti 
!  rar  Uoterbaltung    des  Publicums    no<.h   eher   auf 

wu'  irsmartipbe  Hebel  der  Handln  Heu  war,    so 

^»u:.  '   bei  der  UDKehindiTten    Ahm!  anl   üussitII- 

t\  '  it,  an  der  mi  man- 


sut:  nsit  hat  ent 
At  V«nl&<: 

U  cewei»^ 


280  Cap.  VIU,  §2. 

chen  Vervollkommnung  der  Spiele  jene  angedeuteten  Tugen- 
den unmerklich  verloren;  die  wolberechtigten  Grenzen  alter 
Spieltradition  wurden  ineinander  gezogen  und  in  willkürlicher 
Weise  fremdartige  Elemente  >)  zugelassen.  Bei  der  gewalti- 
gen Ausdehnung  der  Texte,  musste  die  Sorgfalt  der  Spielord- 
ncr  für  den  poetischen  Character  jeder  Rolle  und  für  den 
Bpracblichen  Ausdruck  im  Einzelnen  natürlich  erlahmen;  und 
mehr  noch  musste  dies  der  Fall  sein,  weim  die  mühselige 
Aufgabe  der  Einübung  des  Spielpersonals  und  der  Leitung 
des  Spieles  denselben  Händen  vertraut  war.  So  wundern  wir 
uns  nicht,  wenn  auf  dieser  Höhe  angelangt  die  Entwicklung 
des  geistlichen  Spiels  bereits  zum  Fall  hinneigt,  und  da  es 
hier  nicht  unsere  Aufgabe  ist  die  oft  so  verunglückten  gelehr- 
ten Ausläufer  dieser  Gattung  noch  einmal  zu  mustern,  so 
wenden  wir  uns  zum  Schluss  unserer  Rundschau  nur  noch  zu 
den  im  Volke  selbst  fortgepHan/ten  Variationen  alter  Spiel- 
weise, die  bei  mancher  Verwirrung  und  Trübung  doch  des 
Guten  und  Alten  genug  gerettet  haben. 

Diese  siebente  und  letzte  Gruppe  zerlegt  sich  uns  wie- 
der in  zwei  Abtheilungen,  die  Pflege  des  Weih  nachts-  und 
die  des  Passions-Osterspieles,  da  die  erhebliche  Verschie- 
denheit der  Behandlung  diese  Sonderung  erheischt.  Dem 
letzteren  Spielkreise  zollt  nämlich  auch  die  volkstümUchste 
Behandlung,  wie  sie  doch  nur  von  katholischen  Geistlichen 
ausgehen  konnte,  fast  immer  so  viel  Ehrerbietung  und  Scheu, 
dass  wir  oft  mehr  die  Strenge  und  Sorglichkeit  als  die  poe- 
tische Freiheit  der  Auffassung  bewundern,  während  das  Weih- 
nachtsspiei  sich  neben  naiver  Zartheit  des  Grundgedankens 
ein  weit  freieres  F'eld  menschlicher  Empfindungsweise  gestat- 
tet, auf  welchem  dann  freilich  manch  unnützes  Kräutlein  mit 
aufwuchert.  —  Als  Beispiel  des  jüngeren  populären  Passions- 
spieles sei  der  Zuckmantier  Text  hier  noch  etwas  näher  er- 
örtert.   Auf  den  ersten  Blick   erscheint  jene  Ausführlichkeit 

')  Dahin  rechne  ich  einmal  solche  Motive,  die  in  andrer  Form 
schon  vorhanden  waren,  und  sich  durch  Wiederholung  nur  schwächen 
konnten,  z.  B.  die  Erweckung  des  Jünglings  von  Kain  neben  der  al- 
tem Lazaruserwcckung  im  Donaucschinger  Spiel  (vergl.  Mone  II,  p.  151), 
andrerseits  die  Aufnahme  ganz  undramatiscber  Gespräche  und  Wech- 
selrcden,  wofür  auch  dasselbe  Si)iel  mehrfach  Belege  giebt.  (Es  fehlt 
Bonst  au  Mittheilungen  vollständiger  Texte  dieser  mehrtägigen  Spiele). 


Cap.  \TU,  §  2.  281 

and  Sorgfalt,  mit  welcher  hier  auch  sekundäre  Momente  der 
Piwiontgeachichte,  x.  B.  die  Entsckliessung  des  Hoben  lüiths, 
Jesfim  bei  Seite  zu  bringen  (vergl.  vv.  591  —  006),  behandelt 
sind,  störend  und  peinlich :  warum  wird  hier  dieselbe  Sentenz 
(daae  Jerat  sterben  müsse)  in  wenig  veränderter  Form  zwan- 
zigmal TOiKetngen?  Und  doch  scheint  diese  Sceue  hier  noch 
weit  knapper  behandelt  als  in  der  Ammergauer  Spieltraditiun, 
wo  gleichwol  (nach  Oorres  und  Clarus  '))  die  Aufmerksam- 
keit dee  Zuchanen  durchaus  ni< '  '  Kmen  soll.  Man  muss 
sich   eben   an  den  grossen  Udu  i   zwischen   Lesedramu 

und  Spieltext  immer  wieder  erinnern  2):  letzterer  darf  alle 
kleinen  Künstdeien,  an  welchen  erstere  Gattung  oft  Ueber- 
flnsB  hat,  Tenchmahen  und  nur  die  Hauptwirkuog  ins  Auge 
fiiaieu,  da  bei  irgend  leidlicher  Aufführung  dann  auch  das 
Detail  oft  unerwartet  gehoben  wiid.  —  Aehnlich  verhält  es 
sich  mit  der  Kusswaachungssoene  (v.  1109—34),  wu  jeder  Jün- 
ger (mit  Ausnahme  des  Jndas)  seine  Verwunderung  aus- 
spricht 3). 

Selbst  solche  Scenen,  in  denen  ein  wärmeres  Gefühl  zu 
Worte  kommt,  wie  der  Abschied  Christi  von  seiner  Mutter 
(V.  899  fg.),  die  Rene  des  Petrus  (▼.  1441  fg.),  die  Verzweif- 
lung des  Judas  (v.  1583  fg.),  zeigen  uns  so  zu  sagen  den 
Kothurn  der  Volkq)oesie,  wo  sich  natürliches  Gefühl  mit  ei- 
nem oft  etwas  geschmacklos  künstlichem  Ausdruck  paart  *). 
Und  auch  jene  Kränersoene  t.  470  fg.,  die  schon  durch  Zu- 
laasiuig  des  Provincial-Dialects  (mit  einigen  Vulgar-IIcbrais- 
nen)  den  geringeren  Anspruch  auf  tragische  Würde  verrät, 
»igt   in   ihrer   trocken  humoristischen  Ausführung   nur  die 

*)    VcrgL  dsawa  oft  erwihatcs  Buch  p.  106. 

T^  All  f^iiülUsi  mag  eben  aoch  jene«  kamn  r«cht  leclMirc  Donau- 
ctchinv  i>«i  Hon«  11«  l&O)  eine  nicht  unwärüige  Wirkung  «r- 

n«H  baitcn ,  wrnn  der  Dsrvieller  der  DirietuMroUe  c«  ventaad  durch 
IleroieaHW  d«r  Oedald  alle  jene  peinlichea  Marterscenen  xu  Trtum- 
phen  aeiaer  BoUe  mit  kteatteriscbew  Taet  aaasagvftalten. 

31  Zu  firuude  liact  Bar  äifi  Krwlhniittg  der  Worte  dee  Petnu  bei 
l>ie«e  Mt)<i  UmUM  nicht  nngMchicktcr  Wcico  im 


/.  B.  V.  1  •'»■U'iuiKho  Kprach- 

•i '  luthüivu  Üef&hl  ab,    da«  xu 


l^^l»  Cap.  \  1 1 1 ,  ^  X 

Schwäche  eiuns  populären  liedactors,  eine  wenn  auch  für  den 
Spielplan  noch  so  unwesentliche  ,Volk88cene'  nicht  anders  ale 
mit  behaglicher  Breite  und  kleinlicher  Nachbildung  des  wirk- 
lichen Lebens  vorführen  zu  können  'j.  Was  das  Weih- 
nachtspiel  betrifft,  so  zeigt  sich  der  Unterschied  derBehand» 
lung  nach  dem  Rang  der  Rollen.  Die  Hirten  werden  begreif- 
licherweise getreu  der  Wirklichkeit  des  Volkslebens  entnom- 
neni,  und  ähnliche  Färbung  zeigen  die  Wirthsrollen  mit  ih- 
rem Anhang.  Oft  noch  zu  diesem  uiedern  Kreise  gehörig, 
mitunter  freilich  mit  mehr  Achtung  behandelt,  bildet  die 
Rolle  Josephs  ')  den  Uebergang  zu  einer  höhern  Stufe  der  po- 
pulären Weihnachts-SpielroUen ,  auf  welcher  wir  zunächst  Ma- 
ria, dann  die  heil.  3  Könige,  endlich  die  Engelsscbaaren  an- 
treffen. Dieser  Gradunterschied  wird  nicht  selten  auch  sprach- 
lich angedeutet,  indem  die  Hirten  einen  Provincial-Dialect, 
die  Könige,  Maria  u.  s.  w.  dagegen  die  Schriftsprache  im 
Munde  führen  3),  Auch  werden  gerade  durch  diese  Abstufung 
poetische  Vorzüge  mitbedingt:  erst  durch  die  bei  aller  Wärme 
und  natürlichen  Offenheit  doch  ehrerbietig  zum  göttlichen 
Kinde  und  der  gebenedeiten  Mutter  aufblickenden  Hirtenrol- 
len *)  gewinnen  diese  kleinen  lyrisch-dramatischen  Weihnacht- 

')  Noch  dentlichcr  wird  dies  in  jener  wunderlichen  Aria  JiOngini 
(V.  2365  fg.),  wo  der  römische  Hauptmann,  der  dem  Rcdactor  e})cn 
zum  Landsknecht  geworden ,  sich  selbst  zu  einem  ,freien  Stoss'  mit 
seiner  Lanze  ermuntert.  Solche  ganz  ungesucht  komische  Sccnen 
weisen  denn  noch  auf  jene  freilich  weit  derberen  Ungehörigkeiten  der 
Anfange  populärer  Richtung  (im  MA.  selbst)  zurück:  wie  Manches 
mag  dort  eben  nur  aus  Ungeschick  und  der  Unfähigkeit,  das  Zußillige 
und  Aeussere  von  dem  Innerlich-Bedeutsamen  scharf  zu  sondern,  ent- 
sprungen sein. 

2)  Für  die  derbere  Zeichnung  vergl.  Weinh.  W.  Spiele  p.  106, 
für  eine  zartere  findet  sich  in  Lexers  Mittheilungen  ein  B'"'":'''  wo 
Joseph  von  Bethlehem  scheidend  spricht: 

0  Wethlachem,  du  Vaterstadt, 

Ich  scheide  nun  von  Dir ! 

Ade,  du  kalter  Schaafstall,  ' 

Ich  war  vergnügt  mit  Dir!  — 

3)  Für  die  Engelsrollen  bleiben  namentlich  Bibeltexte  (so  das 
Gloria  in  excelsis  vielfach  selbst  in  lat.  Fassung),  daneben  Gesänge 
beliebt. 

*)  Vergl.  Weinh.  p.  95  N.  6,  kurze  Komödie  (ed.  Friedländer) 
p.  18  u.  sonst. 


Cap.  Vin,§3.  283 

Spielchen  jenen  zarten  Duft,  der  dem  Volkstümlichen  nicht 
immer  eignet  —  Wenn  dagegen  zu  dieser  niedem  Stufe  auch 
die  drei  Könige  herabsinken,  wie  bisweilen  in  unsern  Tex- 
ten 0.  dann  ist  freilich  eine  Verschiebung  der  Verhältnisse 
eingetreten,  und  wir  sehen  das  geistliche  Spielgebiet  an  die 
Domine  gewöhnlicher  Bänkelsänger  •)  grenzen. 

Suchen  wir  nach  dieser  kurzen  Kundschau,  in  der  nur 
die  wichtigsten  Eracheinungen  berührt  werden  konnten,  noch 
das  Verhältniss  des  geistlichen  Spiels  zum  Kunstdrama  der 
neueren  Zeit,  das  sich  theoretisch  vorzüglich  auf  die  Antike 
zu  gründen  liebt,  anzudeuten.  Kann  aber  von  solchem  Ver- 
hältniss überhaupt  die  Rede  sein?  Geht  nicht  das  geistliche 
S{Mel  überall  (oder  doch  mit  unerheblichen  Ausnahmen  ^)) 
siierai  erbaulicher,  später  von  moralisirender  Richtung  aus, 
und  sind  nicht  diese  Tendenzen  jetzt  als  längst  überwundene 
Schwachheiten ,  die  keine  freie  künstlerische  Entwicklung  auf- 
kommen lieseen,  anerkannt?  Dem  sei  wie  ihm  wolle  —  wir 
können  uns  hier  auf  keine  Polemik  wider  die  modern  miss- 
ventandene  Antike  <),  auf  keine  Auseinandersetzung  mit  dem 


>)  NameBtUch  dann,  wenn  die  kirchlichen  Namen  verloren  ge- 
gaagCD  aind,  vergl.  Weinhold  p.  13S,  wo  der  Name  Balthasar  vom 
BcTf*  ergiaat  ist  sad  Pröhle  p.  300,  wo  der  erate  König  «ich  einfährt 
mit:  Ich  bin  der  Kdnig  Meldier,  and  keiner  weiM  welcher,  —  der 
iwrr*-  —*  ■  Ich  bin  der  König  aoi  Polen,  Mein  Narae  itt  mir  verho- 
Irn  (SoR^r  der  Name   Bethlehem   ist   in  dieser  Oberharcer 

SpicUrmdiUun  zu  ^lariMtadf  verdonkelt). 

>)  Oder  thai  naa  den  JvgradUchen  ,Stemdrchem'  a.  §.  w.  mit 
•oldMr  Bwitfhnnnf  noch  sa  viel  Ehre  an? 

>)  Hi«r  kfaB«B  «inaMl  die  FVi»  in  ßetr«c  }i( .  wo  nnbewnaat  oder 
doch  mehr  in  WetM  einer  Schwachheit  tlich  ungebildetem 

VolkariBa  g— lihweirlielt  wurde,  aadrenM'iui  uie  wenigen  Beiapielo 
geietL  Spielreiaele««*,  die  sogleteh  eine  IttaaUerieohe  Leistung  an 
geben  vwnmdrten  dkne  den  UMraUeehea  Zweck  ■«•  de»  Ange  in 
bwea.  (Tcrgl.  da«  oben  in  der  fttnftcn  Grappe  betrachtete  Redcnti- 
acr  Spt«L) 

*)    Ich  denk«  hier  weniger  an  Ui«.  It.uipretation  u^i  .ix- 
Mhea  Pbelifc   (d^nui  was  Ar  f  wiag  «in  VorditMi  war.   kann  j<  i/t 
Biehl  »ehr  ab  Aa%»be  eneheiaea)  ab  an  die  Aafftf*< 
OeMeeweriw  »Ibet,  «nd  »ea  wagt  ea  wol  •Ihaihltrh  > 
einaagMiekan,  deaa  nw  diese  einen  bflhercn  «nd  • 
griechiecben  Oraa»  geben  ktenen,  als  Qui  der  v<  • 


284  Cap.  Vlll,  8  3. 

wulircn  GoiHte  des  Altertums  oinlasscn  —  das  geiHtlicliü  Spiel 
durf  sich  wol  bei  soiiier  j;esichertcn  grossen  und  würdigen 
Wirkung  auf  Klein  und  Gross,  Vornehm  und  Gering  darüber 
trösten,  wenn  es  den  Dramaturgen  späterer  Zeit  nur  als  rohe 
Kntwicklungsstufo  erscheinen  sollte.  Auch  wäre  es  wol  un- 
nöthigc  Herablassung,  in  Einzelheiten  nachzuweisen,  dass  poe- 
tischer Sinn .  und  dramatische  Technik  den  alten  Spielredacto- 
ren  nicht  überall  abging,  dass  oft  nicht  ungeschickt  die  ver- 
schiedenen Fäden  der  Handlung  zu  einem  wirksamen  Plane 
Yerknü])ft,  und  die  Katastrophe  der  Entwicklung  verständig 
vorbereitet  und  so  Manches  sicher  vermieden  werde,  woran 
die  besteu  dramatischen  Erzeugnisse  der  Jetztzeit  zu  leiden 
pflegen:  spielende  Reflexion,  rhetorisches  Colorit,  im  besten 
Fall  mehr  lyrische  als  dramatische  Wärme  *).  —  Ueber  die 
Störte  der  geistlichen  Spiele  aber,  an  denen  verwöhnter  Ge- 
schmack freilich  nicht  viel  Neues  und  Interessantes  zu  linden 
pflegt  2j,    äussert    sich  ein    spruchfähiger   Richter  in  diesen 


aus  dem  Kreise  seiner  Knipirie  d.  h.  der  Verfall-  und  Auiiosuiigszcit 
des  fjr.  Dranm'H  altstrahiren  mochte.  —  Diese  Unterscheidung  der  ver- 
schiedenen Kiioehcn  helleuischer  Cultur  scheint  nur  noch  wichtiger, 
als  das  von  Cholerius  (D.  Dichtung  nach  ant.  Eiern.  I,  p.  XIX)  repro- 
ducirto  Aperyu  Fr.  Schlegels  über  den  Unterschied  des  blos  Localen 
und  des  Objectiv-Schönen  in  der  griechischen  Poesie. 

•)  Dagegen  zeigt  das  geistl.  Spiel  auch  aus  vorübergehenden  ly- 
rischen Riehtungen  (den  Marienklagen)  überwiegend  epische  Fülle 
und  einen  oft  nüchtern  trockenen,  aber  meist  klar  verstäudigen  Aus- 
druck. Rhetorischer  Pomp  dringt  erst  mit  dem  XVII.  Jahrb.  hier  und 
da  ein. 

3)  VergL  llolland  Entwick.  des  d.  Theat  im  MA.  p.  17.  Ein  bi- 
blisches Schauspiel  ist  nach  unscrn  BcgriflTcu  ohne  gehörige  Mannig- 
faltigkeit des  StülTes,  und  wenn  sich  mehrere  Dichter  darin  versuchen 
und  au  die  Geschichte  halten  müssen,  so  kommt  uns  ein  solches  Dra- 
ma einförmig  und  langweilig  vor.  —  Und  doch  haben  so  viele  Maler 
biblische  Gegenstände  dargestellt  deren  Gemälden  mau  weder  die 
Mannigfaltigkeit  des  Stofls  noch  der  Form  absprechen  kann.  Etwas 
Aehnliches  begegnet  uns  auch  bei  den  altdeutschen  Schauspielen,  die- 
sen lebendigen  Gemälden  der  Bibelgescbichte ;  manche  derselben  haben 
eiue  tief  gedachte  Gruppirung  der  Personen  und  ihrer  Geschichten 
und  fassen  die  innern  Beziehungen  des  geschichtl.  Zusammenhangs  in 
so  gedankenvoller  Betrachtung  auf,  dass  sie  auch  in  dieser  Hinsicht 
ihren  alten  Kamen  Mysterien  verdienen  u.  s.  w. 


C»p.  VIII  285 

Worten,  dio  auch  hier  den  Schluss  unserer  kurzen  Betrach- 
tung   bilden  mögen  i). 

,Au8    dieser   Zusanu'  inp    <ler   scenischen    Wirkun- 

gen*)   der    alt<»n   Oslti  lit  wol  deutlich   hervor,  wie 

entschieden    ne  irlesken    Einmischungen    den 

kin-hlichen  Chanu  ter  bevahrteu ,  wie  sie  nur  theatralische 
weitere  Ausführungen  de«  grossen  Inhaltes  waren;  zugleich 
aber  auch,  dass  es  keine  gewaltigeren  und  tiefsinnigeren 
Stofie  als  diese  symbolisch  •  geschichtlichen  Darstellungen 
des  güttUchen  Willens  an  die  Menschheit  in  seinem  gan- 
xen  Urofiuige  giebt  —  Alle  andern  Stoffe  werden  immer 
nur  Abschattungen  dieses  Einen,  kleine  Münze  aus  dem  un- 
ennesslichen  Schatze  sein  —  aber  die  Erhabenheit  desselben 
wird  vielleicht  auch  immer  der  theatralischen  Behandlung 
spotten  und  die  unbefangene  kindische  des  MA.  die  einzig 
zulässige  bleiben;  der  Stoff  wirkt  dabei  fast  nur  durch  sich 
8elb8t\  —  Ueber  die  scenisohe  Wirkung  des  geistlichen  Spiels 
heiast  es  (p.  Üö)  dann  weiter:  ,der  ganze  Opernpomp  unserer 
Tage  hat  nichts  Aebnliches  aufzuweisen'.  rVergl.  auch  p. 
86.  87.) 


g  3.     Caltsrbiüttri^rlie  Ifdestsag  irr  gelhtlicheB  Spiflr. 

Die  Ursprünge  des  geistlichen  Spiels  glaubten  wir  nicht 
in  alt* heidnischen  (römischen  und  germanischen)  Festen  und 
Gel  .  die  nur  christliche  Umkleidung  erfahren,  suchen 

r«  ■ ,. ,    in   welchem   Falle    freilich    die    culturhistorische 

Jenes    Ton    Tomhercin    einleuchtender    sein    würde, 
üiebt  man  aber  auch   nur   eine  indirecte  Wirkung  der  über- 

wur' ^-i;-.; n    in  der  Weise  zu,   dass  die  aliendlündi- 

scli  M  «ich  eine  (nun  freilich  festt'r  begren/te 

ab  ar)  WertschtUzung  des  Mens<;hlichen 

und  •  II.'-  .^i-igiin^  /.u  Munlich-lebcndiger  Darstellung  auch  der 

M    lHi«ri««i  Oesci'  ^cbatMiiielktin» 

1)    Fir  di««c  hat  l'cvruiit  et>en   prvt  «1» 
mi4  w«m  «r  aacb  iU)>ri  Kitti|r«>fl  (i.  B.  die  tlr^i»- 

Ar  PssteAlssii  mit  annüitn,    wn»  wir  mir  Dir  h  rmnkreieti  |r««lohrrt 
ftxl^ii.  «o  ham  «Mtt  davon  ja  kidit  •liM'hrii. 


286  Ctp.  Vm,  §  3. 

Iiöhcrcn  Ideale  des  Geistes  glaubte  aneignen  zu  dürfen ,  wäh- 
rend der  orientali8(;he  Ritus  sicli  in  getreuerem  Festhalten 
an  den  alttestamcntlich-jüdischen  Anschauungen  zu  solchem 
Fortschritt  weit  woniger  bereclitigt  fühlte  —  so  ergiebt  sich 
eine  gleichwol  noch  ganz  gewaltige  Tragweite  für  die  cultur- 
historische  Bedeutung  jener  Mysterien  des  Abendlandes,  die 
schärfer  wie  jede  andere  Kunstrichtung  jene  versuchte  Ver- 
sinnlichung  der  (ciiristlichen)  Ideen  ausprägen.  So  wenig  man 
geneigt  sein  wird,  die  griechische  Kirche  um  ihre  sprödere 
Zurückhaltung,  die  so  manche  nicht  verächtliche  PVucht 
menschlich-christlicher  Bildung  und  Gesittung  verschmähte,  zu 
beneiden  —  so  leuchtet  doch  die  historische  Berechtigung 
auch  dieser  conservativeren  Richtung  von  selbst  ein,  und  sehr 
viele  Abwege  und  Verirrungen  der  abendländischen  Kirche, 
die  sich  in  ihren  jüngeren  Confessionen  dann  oft  genug  wie- 
der zu  einer  künstlichen  Reconstruction  des  Urchristenthums 
gedrängt  fühlte,  wurden  hier  glücklich  vermieden.  Diese 
Schattenseiten  westeuropäischer  Bildungsfülle  würden  uns  im 
geistlichen  Spiel  weit  greller  entgegengetreten  sein,  wenn  wir 
uns  nicht  fast  ausschliesslich  mit  der  Pflege,  welche  diese 
Gattung  in  unserm  Vaterlande  fand,  wo  ernstere  Auffassung, 
minder  ausschweifende  Phantasie  und  spielende  Willkühr  als 
bei  den  Romanen  zu  Hause  war,  beschäftigt  hätten. 

Die  Beziehungen  des  geistlichen  Spiels  zur  kirchlichen 
(hier  und  im  Folgenden  immer  abendländisch -kirchlichen) 
Archäologie  und  allen  Zweigen  der  kirchliehen  Literatur  sind 
äusserst  reiche.  Sieht  man  auch  von  jenen  Aeusserlichkeiten 
des  Cultus  ab,  die  aus  den  Spielordnungen  namentlich  der 
Fronleichnamsspiele  ')  oft  sehr  deutlich  uns  entgegen  treten, 
so  ist  das  öftere  Vorkommen  so  mancher  wichtigen  Rituale 
in  den  älteren  geistlichen  Spielen  höchst  beachtenswert  und 
für  die  Kritik  wol  nicht  verächtlich.  Während  Griesha- 
ber,  ein  auf  altkirchlichem  Gebiet  wol  bewanderter  Forscher, 
bez.  der  Sequenz  ,  Victimae  paschali'  nur  den  späteren  Weg- 
fall des  Sätzchens  Credendum  est  magis  etc.  (aus  dem  Mis- 
sale Romanum)  anmerkt  2),  ergiebt  sich  aus  genauer  Betrach- 


•)    Namentlich  erinnere  ich  nn  die  Zerbster  Processionsordnung'. 
'^)    Yergl.  sein  Schriflchen  p.  10.    Derselbe  hat  in  einer  dort  kurz 


Ca?.  Vni,  §3-  2«7 

tong  dfls  Vorkommens  dieser  Sequenz  in  unsem  Spielen  zu- 
nächst die  Wahrscheinlichkeit,  dass  zwei  nrspninglich  beson- 
dere Kiemente,  nämlich  die  •  *  '  ^  le  •)  (bis 
zum  >regnat  virus')  und  ein  ^estück '-) 
im  kirchlichen  Gebrauch  allmählich  zusammengefasst  wurden; 
dtam  aber  auch,  dass  dieser  zweite  Theil  älteren  und  jünge- 
rsB  Bestand  verräth  ^)  —  Das  ganze  Ritual  wür<l>>  >.i<  li  ii>>s 
kritisch  darnach  so  darstellen. 

A. 

(Victima«  p*achsH  Unde«  iromolent  «  ..<.^....i.< 
Agnus  redemit  OTes!  Christus  innocens  patri  reconciliayit  pec- 

catores 
Mors  et  Tita  daello  conflixere  niirando, 
Duz  Titae  mortnos         regnat  vivus! 

K 

I>i(:  nohis  Muria.  quid  ridisti  in  via? 

tk'pulchrum  Christi  viventis  et  gloriam  vidi  resurgentis! 

(Angeitoo*  tc*t««,      mdarium  rt  v«>it«><i. 

Surrrxit  (lurittas,  tpcs  me«!  ]  ^uos  in  Galilnca) 

(<'r>-<i«'ri<Iutn    eil    mfts^n    aol!  M  .ui.    (iu:tin  .Tii(1aonnint    tiirba 

Scimus  Christum  sorrexisse   a  mortuis  vcrc:    tu  nobis  victnr 

rex  misercre! 
Amen,  Allelujah,  Allclujah! 

/.-.    :.rkläning   des  beobachteten  Verfahrens  möge  Fol- 
dienen.     Die  runden  Klammem   scliliessen  Theils  ein, 


T<ir{i«>r««-lM>n«Irn  St«Ue  ,prMoed«i  TO«*  in  ^       _    „nach  l>ef- 

•o**.    Aber  die  Lemuig  taot*  erb4lt  durch 

/  "     heasaer  Ofterfeter  (Xi>.  junrh.)  wol  du  Ueber- 

n  p.  68  N.  8. 

"tirinm  «Die  aobia  Maria*  king««t«llt  habe. 

i'OMorita  aad  Aatipboaea  giebt  Mone 

■  '•  SB  Sehirfe  oad  Klnr^-'  —  h  r^^ 

;,'ef«beiie  ABdctttan 
'-D  F«««img  im  8t 
•piei  KU  '  >4«riBttr  mmtiicb  coae« 

IaO    ist 


288  Cap.  Vin,  S  3. 

dio  nach  änssoren  und  inneren  Gründen  sich  als  Zusätze  ver- 
dächti{»on  '):  in  eckige  Klammern  ist  jenes  Sätzchen  peschlos- 
Ben,  diis  schon  nach  Grieshabers  Bemerkung  -i)  aus  kirchli- 
cliem  Gebrauch  gekommen,  und  gleichfalls  nicht  sum  ältesten 
Bestand  gehört.  —  Eine  noch  freiere,  aber  für  sich  stehende 
Behandlung  des  zweiten  Theils,  den  ich  nach  den  oben  (p. 
C8  N.  3)  angegebenen  Gründen  für  sich  hingestellt  habe,  zeigt 
die  Lichtenthaler  Osterfeier  (bei  Mone  I,  20,  21)  mit  ihren 
vorgeschickten  Variationen  der  Befragung  Magdalena's. 

Die  engen  Beziehungen  des  geistlichen  Spiels  zum  Kir- 
chengesang und  geistlichen  Liede  sind  von  den  ältesten  Zei- 
ten an  ^)  unverkennbar.  Uebertragung  lateinischer  Hymnen 
in  deutsche  Gesänge,  wie  sie  gegen  Ende  des  MA.  häu- 
figer werden ,  stossen  uns  ziemHch  zahlreich  4)  im  Insbru- 
cker  Assumtionsspiel  (bei  Mone  Altd.  Schausp.)  und  im  Nie- 
derhessiscben  Weihnachtspiel,  vereinzelt  auch  sonst  im  älte- 
ren geistlichen  Spiel  auf  ^).  Seit  der  Reformation  ist  dem 
protestantischen  Weihnachtspiel  das  Luthersche  Kirchenlied 
unentbehrlicher  Apparat:  auch  die  katholischen  Behandlungen 
neigen  mehr  und  mehr  zur  Liedform,  wie  die  aus  Schlesien, 
Steier   und  Kärnten   von  Weinhold   und  Lexer    gesammelten 


1)  Bez.  des  ersten  Satzes  von  A  verweise  ich  anf  die  von  Du 
Meril  p.  104  N.  1  gegebenen  Notizen  aus  gallikanischen  Hss.,  ohne 
dass  ich  entschieden  für  die  Verwerfung  dieses  Eingangs  wäre.  — 
Das  in  B  eingeklammerte  fohlt  theils  in  alten  Denkmälern  (dem  St. 
Galler  und  dem  Inshrucker  Osterspiel,  die  beide  ins  XIV.  Jahrh.  ge- 
hören) theils  ist  es  aus  innern  Gründen  sehr  verdächtig.  (Namentlich 
gehört  das  Finden  der  Leinen  im  Grabe  nicht  der  Maria  von  Magda- 
lena, sondern  den  Aposteln:  es  ist  ein  Motiv,  das  aus  dem  Jünger- 
wettlauf, wie  ihn  z.  B.  der  lat.  Text  bei  Mone  I,  9  oben  vorführt, 
in  unser  Ritual  eingedrungen. 

2)  Vergl.  dessen  Schrift  über  die  Ostersequenz  p.  IC.  Derselbe 
schreibt  in  dem  voraufgehenden  Sätzchen:  in  Galilaeam,  wofür  das 
durch  den  Reim  geforderte  in  Galilaea,  das  sich  auch  im  Reichenauer 
Text  bei  Mone  I,  p.  22  findet,  von  mir  vorgezogen  ist 

3)  Ich  erinnere  an  das  »Ilostis  Ilerodcs  impie'  im  Freisinger  Ordo 
Racheiis  und  an  die  lat.  Hymnen  der  ältesten  Osterspieltradition. 

4)  Vergl.  a.  a.  O.  p.  32,  35,  42,  89. 

5)  Die  Marienklagen,  freie  Variationen  lateinischer  Marienhymnen 
für  dramatischen  Gebrauch,  gehören  fast  ebenso  ?<  lir  flnn  Gobirt  dos 
Kir<;henliedes  als  dem  des  geistl.  Spiels  an. 


Cap.  VIU,  S  3. 

Stficke  zeigen.  —  Im  Passionsspiel  gewinnt  das  lyrische  Ele- 
meat.   wie  ee  schon  früher  rielfach  sich  hervordrängte,  end- 
m  ezegesirendeu  Chor  des  Animergauer  Textes 
•   Stellung. 

r  ganze  Entwicklungsgang  des  geistlichen  Spiels 
iiat  mit  dem  des  Kirchenliedes  viel  Aehnlichkeit.     Mit  dem  Auf- 

konmen  der    '•••'•    -•' he   dort  |    -  -•    n  auch  hier  die 

ersten  Verdti.  \i  dem  1'  ;.^en  volkstümli- 

L-ber  Richtung    dort    xu  Knde  des  MA.    und   im  XVI.  Jahrb. 
*•         h  bald    das    deutsche  Kir. '      '^^  o  Tolkstüm- 

.tezeit,  und  erhalt  sich  ii;  iheit  bis  et- 

/ar  Mitte  des  XVII.  Jahrb.,  während  das  geistliche  Spiel 
äcnon    etwas  früher   ^  .        '  '  issen    und   di'  :   werden  an- 

fangt.    Nach   der    vn;  asirten  Oerii .  utig,    welche 

das  Torige  Jahrhundert  beiden  üattuiigen  des  Cultus  gegen- 
über aomluii,  bat  man  in  unserer  Zeit  nicht  nur  den  Kir- 
rhangwiiig  wieder  za  beben  unternommen ,  sondern  auch  den 
Kesten  geistlicher  Spielweise  wieder  tbeilnehmcnde  Beachtung 
gaacbeakt. 

Was  die  Stellung  dM  geistlichen  Spieles  zur  Predigt  be- 
trifFt ,  welch«  gevistermMsen  das  andere,  die  Thätigkeit  der 
Gemeinde  am  wenigsten  beanspruchende  >)  Ziel  des  christli- 
chen Cultas  istf  (zwischen  welchen  sich  dos  Kirchenlied  in 
der  Mitte  bewegt)  —  so  fehlt  es  auch  hier  nicht  an  Verglei- 
chungapvBCtMi  bes.  der  ganzen  Kntwickelung ,  noch  an  Be- 
räbnmgea  in  Einzelheiten.  Dahin  rechne  ich  ausser  jenen 
den  geistlichen  Spiel  hier  und  da  eingelegten  Sermonen  3), 
namentlich  anch  jene  exegeeirenden  Prologe  ')  and  Epilc^e, 


*)  Qmm  lettea  vn  et  bekaanthch,  dtus  auch  Iak-q  (wie  <].■  ^•r 
Slwdwbsiter  i»  Wtrtwbfg)  si^  der  I*rr<!it:t  nmiehmen,  w.  k'.  k<  » 
fir  4as  gcridl.  Spiel  A«r  Sekwerpwaei  fr«rs(l>  I>ftrft«Uanfr  darch 

TolkMkrtlU  Ikft. 

t)  Yenrl-  dt*  Reden  Chricti  im  AbMder  Spiel  bei  lUapt  III,  (^ 
t ,  die  Prcdift  de«  SMsrdes  iai  SloelÜMtaser  Tlisopkaiui  (mL  HoAbuui 
T  648  t),  die  Pradiflea  Am  Apostel  te  inbrweker  Aammpikmmfki 
(AM  SehMsp.  p.  a»  f.). 

^  PisseJiri  dMltteli  fa4  der  veet  Praedieüor  gesproekeM»  frei- 
lidk  aieki  «Mkr  sa  Aaiuige  der  Brnrnnüim  stekende,  Prolog  dos 
Ase.-8piolso  (A1I4.  8ekaoq>   •    ^ ''     — ?). 


290  Cap.  VIII,  §  3. 

in  welchen  noch  directer,  als  es  im  Spiel  selbst  möglich  war, 
eine  moralische  Wirkung  auf  die  Zuschauer  versucht  wurde. 
So  fehlt  es  denn  auch  neben  jenen  zahllosen  Uebergängen 
geistlichen  Spieles  zum  Kirchenliede  nicht  ganz  an  Beispielen 
dramatischer  Predigten  i)  und  wenn  diese  auch  mehr  der 
Verfallzeit  des  geistlichen  Spiels  angehören  mögen,  so  besi- 
tzen wir  dagegen  aus  guter  und  alter  Zeit  ein  merkwürdiges 
Beispiel  für  die  Anwendung  einer  dramatischen  Festfeier  zu 
solchem  Zweck,  dem  heutzutage  nur  noch  eine  Predigt  genü- 
gen würde.  Bekanntlich  sollte  jenes  Eisenacher  Zehnjung- 
frauenspiel, das  wir  unserem  Mühlhäusertext  gleichsetzen,  dem 
Ablassfest  der  Predigermönche,  welche  auch  die  Aufführung 
besorgt  zu  haben  scheinen,  zur  populären  Interpretation  die- 
nen. Wir  finden  hier  zum  Glück  noch  nichts  von  jener  ro- 
hen Casuistik  späterer  Ablasskrämer,  nur  energischen  Hin- 
weis auf  den  rechtzeitigen  Gebrauch  kirchlicher  Gnadenmit- 
lel  2),  so  lange  dem  Sünder  noch  die  Umkehr  gestattet  sei- 
Während  das  geistliche  Spiel  den  anderen  Cultusformen  ge- 
genüber off"eubar  als  die  freieste  sich  ausweist  3),  nimmt  das- 
selbe der  geistlichen  Lesedichtung  gegenüber  vielfach  die 
Würde  strengerer  Auff'assung  in  Anspruch.  Allerdings  ver- 
schuldete die  spielweise  Darstellung  des  erhabenen  Stoffs  man- 
ches Hinabziehen  desselben  ins  Populäre  und  Vulgäre;  auf 
der  anderen  Seite  blieb  hier  jene  Willkür  poetischer  Aus- 
schmückung,   welche  die  epischen  Behandlungen   des  Lebens 


den  Prolog  des  Job.  Evangel.  zur  Bordesholmer  Klage,  den  ersten 
und  zweiten  Prolog  des  Alsfelder  Spieles,  den  von  St.  Gregor  ge- 
spiochnen  Prolog  des  Spieles  vom  jüngsten  Tag  bei  Mone  I,  274  fg. 
auch  die  Zwischenreden  des  h.  Augustin  bei  Mone  I,  72  fg. 

I)    Vergl.  oben  p.  61,  p    120. 

^)  Diese  selbst  (die  sog.  Seelgerätc ,  zu  denen  auch  der  Ablass 
zu  rechnen  ist)  werden  in  dem  Spiel  keineswegs  herabgesetzt,  und  die 
Spielleiter  haben  so  wenig  an  plumpe  Geldschneiderei  gedacht  (was 
der  erste  Hersg.  Stephan  ihnen  vorrückt)  als  sie  dem  reineren  katho- 
lischen Dogma  (wonach  der  Ablass  nicht  die  Reue  erspart,  sondern 
nur  zur  völligen  Genugthuung  empfohlen  wird)  irgend  zu  nahe  treten, 
wie  man  andererseits  im  protestantischen  Uebereifer  gefunden  hat 

3)  Man  beachte  dagegen  auch  den  zum  Schluss  dieses  Absatzes 
gestellten  Satz. 


Cap.  VUI,  §  3.  1>91 

Christi,  Manas,  und  der  Heil-  ■  ~  nug  aufweisen  •),  fast  uü- 
erbürt,  and  zu  Ende  des  Mi:  ^  konnte  das  zuschauende 

Volk  aas  den  mehrtägigen  Spielaufführungen  sich  mehr  bibli- 
•cbes  Christenthum  entnehmen ,  als  aus  dem  ganzen  übrigen 
rtoiach-katholischen  Cultus  3). 

Zur  Lrrik   and   Epik    der  höfischen   Dichter    hat   das 
geilÜiche  Spiel    nur   ausnahmst'  Stellung.     Dahin 

gdifiren,  wenn  mau  nicht  ganz  1  ,  >  gezwungen  her- 

betziehn  will  3),  fast  nur  die  Minneliedchen  Magdalena's  im 
Ben.-Beurer-  Tegernsecr-Osterspiel,  die  Ikuchstücke  aus  Muri, 
etwa  noch  die  sauber  gereimten  St  Galler  Denkmale  aus  dem 
XIV.  Jahrb.  bei  Hone.  Am  wichtigsten  war  die  Uebernahnie 
der  karten  Reimpaare  aus  der  höfischen  Dichtung:  vielleicht 
ward  auch  hierdurch  die  epische  Breite  so  mancher  Spiele  des 
spateren  MA.  mit  verschuldet.  Zu  den  volkstümlichen  Dich- 
taugen bietet  das  geistliche  Spiel  dort  namentlich  Beziehun- 
gen dar,  wo  es  sich  freier  in  Nachbildung  des  wirklichen  Le- 
bens oder  der  Geisterwelt,  wie  sie  im  Volksbewusstsein  sich 
gestaltet  hatte,  ergeht:  also  in  den  komisch-naiven  Scenen, 
und  den  Teufeboenen.     Dort  wird  man  oft  an  die  Derbheiten 

Man  denke  namenUich  »o  die  völlig  anlxfan^Hiif  Ik-uutzuu^ 
tlcr  JkpokrjrplMa  wid  aller  :  '  °  n  Sagenttoflft^  in  den  ^liBtlich-cpi- 
•ekea  Diektwigea  toid   XII  -    Jnhrh     —    Auch  v<rKU-i>  )ii'  niuii 

die  ■ewehweifenda  Pbantaai«  jenrr  n  hrt ,  die  jüiiKMt 

von  Roffmann  (Geras.  XV,  861  fg.)   ti   ^  ^       in  fatt  nur  üaii 

Hohrhrd  zur  .\  unsdiinfickaog  verwendcAden  Inibrucker  AsaumtioDt- 
«pieL     Und  doch  waren  geradi^  r  '.rnrifahrtnpicic  noch  am  niei- 

■ton  rAaüadi  gcf&rbi  in  ihrer  u  »  II<K-h«u*lluii(r  Maria's:    bei 

■»drer  Odcfenhcii  (t.  B.  im  Z<  ior  nötige 

Aftückluu  aa  den  btbliaebea  1<  k'«wordene 

Ma;  ind  Mit  Reckt  hat  aicli  der  Markgraf  von  TbünnKm  bei 

der  L^''„»KiM«T  Avfffthnuig  drob  rerwvndert,  daae  hier  eine  Fürbitte 
Maha'e  frncktloa  bMbe  —  kaum  vertrag  •ick  da«  noek  mit  katkoli- 
loinm  (jlanben. 

<)  Ali  die  Belbrmetloa  des  N.  T.  ealbrt  dem  Volke  frefeti«n,  we- 
rae  dieae  dmmetitek«'n  SteAnitikaiJaefen  wieder  bedveteam,  und  er- 
■cki— en  mw  oft  ela  TrttkeefM  dee  faurterwi  Sekriftworte. 

*)  Kaek  Waekcev^rela  Aarickt  (liL-Geaek.  p.  808)  mOmte  man 
fteiliek  den  Wartburgkn«g  lund  Lobengrin  aic  NacbbUdangen  unl 
<l^faeetliil<  geicUirber  bfmi»  aeaaken! 


292  Oap«  VIU,  g  8. 

der  Volksbücher  >) ,  hier  etwa  an  die  Schelmereien  Reincke's 
erinnert.  Doch  auch  auf  höherem  Gebiet,  namentlich  in  der 
Tflcge  der  Weihnachtspielweise  zeigt  sich  echt  und  edelvolks- 
tümlicher  Character,  und  die  Aneignung  der  christlichen  Idee 
hat  hier  auch  Einflechtung  naiv-weltlicher  Züge  wenig  Trü- 
bung erfahren.  Weltliche  Ifirtenlieder  stehen  hier  oft  unan- 
stüHsig  dem  geistlichen  Gesang  zur  Seite,  und  selbst  die  Ver- 
irrung  des  Weihnachtspiels  zum  familiären  Kinderbescherungs- 
spiel oder  zum  Sterndrehertum  zeigt  die  poj)uläre  Bedeutung, 
welche  gerade  das  Weihnachtsfest  vor  andern  christlichen  Fe- 
sten im  Abendlande  sich  errungen  hatte. 

Jene  zunftmässig  populäre  Behandlung,  die  man  auf  ly- 
rischem Gebiet  als  Meistergesang  zu  bezeichnen  pflegt,  begeg- 
net uns  wieder  im  geistl.  Spielfelde:  hier  konnten  sich  die 
Meistersinger  an  kirchliche  Tradition  noch  sicherer  anlehnen, 
wie  sie  sich  auf  lyrischem  Gebiet  an  die  Ausläufer  der  höfi- 
schen Minnedichtung  zu  schliessen  suchten.  Das  vorzugsweise 
auf  die  äussere  Technik  gerichtete  Streben  dieser  bürgerlichen 
Meistersinger  erschwert  eine  unbefangene  Würdigung  ihrer  Ver- 
dienste 2):  bei  ihren  etwas  mühsam  zu  lesenden  Liedern  geht  uns 
die  Kenntniss  ihrer  musikalischen  Vortragsweise  —  und  bei  ih- 
ren dramatischen  Versuchen  ^)  genauere  Einsicht  in  die  sceni- 


1)  Weit  femer  liegen  die  meist  für  den  jungen  bürgerlichen  Ele- 
gant gpschriebnen  Vasnachtspiele. 

5)  Neuerdings  hat  Godeke  in  der  Vorrede  seiner  jgeistlichcn  und 
weltlichen  Lieder'  des  Hans  Sachs  einer  höheren  Wertschätzung  dieser 
und  anderer  Meistergesänge  das  Wort  geredet 

')  Dahin  gehören  ausser  den  von  Schreiber  (in  Mone's  Badischem 
Archiv  II,  208)  erwähnten  Freiburger  Singer-Aufführungen  wol  auch 
jene  beiden  zu  Augsburg  (wo  sich  eine  Singerschule  befand)  im  XV. 
Jahrh.  agirten  Legendenspiele  von  St  Georg  und  von  der  Auffindung 
des  h.  Kreuzes.  —  H.  Sachs  legte  in  seinen  biblischen  Tragödien  (z. 
B.  in  seinem  Spiel  von  der  Empfangniss  u.  Geburt  Joh.  und  Christi) 
allerdings  weniger  Gewicht  auf  scenische  Wirkung  —  dagegen  sind 
die  von  Schrfier  über  die  sorgsam-accurate  Einübung  und  Aufführung 
des  Oberuferer  Weihnachtspieltextes  durch  die  zu  einer  temporären 
Zunft  vereinigten,  so  lange  an  mancherlei  Regeln  und  Satzungen  ge- 
bundnen  ,Singer'  wol  zu  beachten.  Am  deutlichsten  erhellt  dieser 
zunftmässige  Character  aus  den  von  Schröer  p.  204  fg.  mitgctfaeilten 
Fragen  zu  dem  Ilerabsingen. 


Cap.  Vm,  %  3.  298 

sehen  Krfolge  ab ,  welche  sie  erstrebten  nnd  vielleicht  erreich- 
ten. —  Unbed*  '  irf  man  dagegen  die  golehrteu  Behand- 
lungen geistlicLv.  r^^t^^  sofern  sie  sich  nicht  auf  blosse 
Ordnung  und  Siel  g  der  populären  Spielweise  be- 
schränkten, sondern  mit  klügelndem  Witz  und  gemachter  Km- 
pHndung  höher  hinanfstrebten ,  zu  den  Verirrungen  rechnen, 
um  so  mehr,  als  diese  Producte  nach  Seite  der  dramatischen 
Technik  hin  eben  so  dürftig  erscheinen  als  an  poetischem  Ge- 
halt. 

Zum  SchlusB  dieser  kurzen  Umschau  nach  den  verschiede- 
nen Einflüssen  und  Beziehungen,  denen  das  geistl.  Spiel  un- 
terlag, sei  noc!  -■  kgreifend  erwähnt,  dass  auch  für  den 
im  vorigen  §1»  kunstgeschichtlichen  Standpunct  jene 

Anfange  unserer  modernen  Dramatik,  mögen  sie  noch  so  sehr 
akBohbeiten  und  nnfni    ''  klungsphasen  verredet  wetd* n. 

imner  historisch  berecl  t  um  so  bedeutender  seh«  um  n 

roäsMQ,  als  sich  auch  sonst  bei  Hellenen  und  Indern,  das  Drama 
dem  Cultus  so  nahe  vorpflic)  t.     Der  in  §   I  h>'  '•• 

vnlkHtumliche  Character   wi.  atlicher  hervortr.  i- 

ncn,  wenn  uns  eine  Vergleichung  mit  den  ausländischen  Spiel- 
weiMB  gestattet  wäre,  die  auf  alle  Besonderheiten  der  Far- 
beDgebmg  aod  Gruppirung  zu  achten  hätte.  So  viel  sei 
hier  noch  erwähnt,  das«  dem  geistlichen  Spiel  fast  bis  auf 
den  beatigen  Tag  jene  eigentümlich  judenfeindliche  Stimmung 
des  christl.  MA.  eignet:  jene  Ansicht,  doss  weitaus  die  meiste 
Schuld  am  Tode  Christi  das  Judenvolk  trage,  geringere  das 
Römerrolk,  deeeeo  Bepriseotantcn  in  einem  uns  oft  auffallend 
Btkiea  Lieh*'-  -^»"heiDeo  *).  Die  Juden  dagegen  treten  ent- 
weder in  k  komncbem  Gebahren  *)  auf,  oder  sie  müs- 

I;  So  wird  der  (blindr)  Ix>oginiu  ra  «tnem  lieiligen  uot«r  dorn 
Krcaxe :  PiUtoa  rrackcint  ftberall  nit  der  Wftrde  recbtm&Miger  Obrig- 
krtl,  und  Cut  so  •!•  wenn  nnr  flberin^oMe  Pfltcht«trenge  ihn  wider 
Wiüco  sar  Vrnirthrtlsnff  Cbrttti  f&hre.  Im  alt«n  Text  der  Amnipr- 
gwifr  t*B**i«n  (vrrsl-  CUnts  p.  66)  betheaeft  Pilstat  Min  Mitlrid  fil>rr 
d«n  Tod  ( hruii,  und  uui«rr«d*t  sieh  lisraaeh  (vtrgl.  p.  6G)  mit  Lon- 
fiMM  «ad  JaMph  ab  Arial,  iber  das  Bsgiftbai«. 

*)    A— «r  der  oft  besproehas»  Zeh>ii««t  des  ArdÜBvnuriKr  im 
H«-n  Bmnwr  Weiha.-Spiel  tsi  hier  nanwmtliicb  noch  Mf  df 
ka  &m  Tn^UniK  OHenpWi  hingewi-en  (v«iL  IM  Mmi  j..  Mt6 


204  Cap.  VITI,  §  3. 

sen  sich  einer  auf  ihre  Beschämung  oder  ßekehmng  gerichte- 
ter Spieltendenz  geduldig  unterwerfen  ').  Doch  braucht  man 
nicht  perade  über  religiöse  Intoleranz  sich  nun  zu  ereifern: 
ein  kräftig  entwickeltes  Nationalgi'fülil  ging  dem  Deutschen 
zuerst  gegenüber  der  orientalischen  Gesellschaft  anf. 

Die  Beziehungen  des  geistl.  Spiels  zu  andern  Zweigen  der 
älteren  christlichen  Kunst,  namentlich  zur  Malerei  und  Sculp- 
tor,  sind  von  Frühereu  schon  in  ihrer  anziehenden  Wichtig- 
keit erkannt  worden  2) :  ernstere  Opern  und  Oratorien  aber 
lassen  noch  am  klarsten  jene  Wirkungen  nachempfinden ,  wie 
sie  einst  das  geistliche  Spiel  auf  ein  religiös  empfängliches, 
dabei  nichts  weniger  als  bigottes  Publicum  ausübte. 

')  Streit  der  Synagoge  und  Ecclesia ,  die  mit  Ueberwiudung  oder 
Bekehrung  der  ersteren  endet,  findet  sich  vom  Tegeniaeer  Antichrist- 
spiel an  bis  zum  FVankfurter  Osterspiel  oft  genug :  im  Dooaueschinger 
Spiel  sind  ok  die  Königinnen  Judaea  (Jüdisch  kleidet  ,die  bat  ein 
venly  in  der  hand ,  ist  gel  mit  eim  schwartzen  abgot'  u.  s.  w.)  und 
Christiana  (,hat  ein  rot  klein  venly  mit  einem  guldin  crucz  in  der 
hant'',  die  sich  feindlich  begegnen. 

2)  So  von  Mone  (Altd.  Schausp.  p.  16),  Gervinus  und  Holland: 
Namentlich  mit  der  Sculptur  des  christlichen  Mittelalters  stehen  die 
Spielcompositionen  in  Wahlverwandschaft :  jenes  Nebeneinander  un- 
zähliger Figuren,  die  sich  um  einen  Mittclpunct  vielfach  gruppiren, 
ist  unseren  alten  Altarschreinen  mit  den  synoptischen  Spielen  völlig 
gemein.  Bekanntlich  geht  noch  jetzt  in  Ammergau  die  Bildschnitzerei 
mit  der  Spielübung  Hand  in  Hand.  Auch  die  Malerei  steht  mit  ihrer 
naiv-sinnlichen  Darstellung  des  heiligen  Stoffes  der  Spielweise  nicht 
fern:  Dürer's  Holzschnitte  hat  man  neuerdings  oft  mit  unsern  Pas- 
sionsspielen verglichen,  und  auch  an  ausländische  Meister  wird  man 
erinnert,  z.  B.  wenn  jene  humoristische  Behandlung  der  Gärtnerscene 
uns  im  ,J6sns  Christ  comme  jardinier*  Rafaels  wieder  begegnet. 


Cap.  IX. 

Die  geistlichen  Spiele  als  Sprachdenkmäler. 

Nachdem  wir  die  geistlichen  Spiele  so  ron  Terschiedenen 
Seiten  ber  beleuchtet,  erübrigt  es  noch  in  K&rze  ihre  spracb- 
licb-metriaehe  Seite  in  Anechlag  la  bringen.  Doch  liegt  es 
nicbt  im  Plan  dieeer  Arbeit,  anf  spracblicbe  oder  metrische 
UatenaefaaiigeB  naher  einrateeteD:  nur  eine  T'  '  ' 
•her  das  bwher  Bueh  dieeer  Seite  hin  En 
Schein  gjaiKdier  Gleichgültigkeit  gegen  die  philologische  Seite 
«hvahrea.  War  tbeilea  antere  Denkmäler,  soweit  sie  noch 
deai  MA.  angdiören,  spradiKdi  ia  lateinische,  ober-, 
mittel-  and  endlich  nord-  oder  nieder-dentsche  ')  ein. 

Zn  den  lateinischen  Denkmälern  gehören  znnächst 
jeoe  beiden  Freisinger,  in  Cap.  I,  §  2  besprochnen  Stöcke, 
die  wir  kaom  höber  als  io's  XII.  Jahrb.  hinaufriicken  mögen, 
wf  na^aiih  ihr  Aoffinder  (A.  Schmeller)  an  ein  höheres  Alter 
dachte.  —  Gleichfalls  dem  XII.  Jahrb.  gehört  jene  Einnadler 
Orterüner  bei  Mooe  I,  10  f.  —  während  die  verwandteti  ebea- 
dort  p.  15  f.,  p.  19  f.,  p.  22,  p.  2S  t  sowie  das  bei  Da  M^ 
ril  p.  ^9  mitgetheilte  Kloster-Nenborger  Denkmal  der  folgen- 
den Zeit  (bis  nunEade  des  XIV.  Jahrb.)  angehören.  —  Dem 
Aa&Bge  des  XIII.  Jahrb.  weissen  wir  jene  siklbairiscfaen  An- 
lage -ejraoptiscber  Behandlang  des  Weihnacht-  nad  Oster- 
ipislas  sa,  die  teboa  zum  Tboil  ein  interpretationsweiees  Ein- 
driafta  deaticber  Sprache  seigen,  während  der  Tegemseer 
AatMltfiHMw  (wol  aadi  aas  dem  Anf.  des  Xia  Jahrh.) 
aoc^  linmlili  das  Isteinisdie  Gewand  trägt 


»(      tHtt.     •;  ;rr<l  j  j;.      cjtr      »irkii.hr     HcifllUlt    *i»«   Stick««    Iwi    dcf 


296  Cap.  IX. 

In  formeller  Hinhiclil  -.mil  *lit:  1  i«  i-.iii-.  i  bLiilvuiiilcr  noch 
etwas  roh  und  ungefüge,  doch  oft  von  treffend-gedrungenem 
Ausdruck,  und  beachtenswert  wegen  eines  fast  willkührlichen 
Wechsels  der  leoninischen  Metren  mit  den  kurzen  viermal  ge- 
hobnen licimpaiiren  ').  Neben  solcher  archaistischen  Technik 
steht  einfacher  Anschluss  an  die  Yulgata  und  Kircheuhymnen 
in  den  Osternachtfeiern,  aber  auch  freie  Uebung  und  Gewand- 
hoit  gereimter  lat.  Strophen  im  Hen.-Beurer  Ludus  und  dem 
Antichristspiel.  — 

Von  den  in  hoch-  oder  oberdeutscher  Mundart  ver- 
lassten  Stücken  2)  fasse  ich  zunächst  die  dem  schwäbisch- 
allemannischen  (iebiet  zufallenden  in's  Auge.  Ziemlich 
nahe,  wenn  auch  eben  nicht  ohne  dialectische  Kigenheiten,  der 
mhd.  Schriftsprache  stehend,  wird  die  Lichtenthaler  Marien- 
Klage  3),  und  das  Osterspielfragment  aus  Muri  heissen  dür- 
fen *):  beide  dem  XIII.  Jahrh.  angehörig.  Daran  schliessen 
sich,  wol  aus  dem  Anfang  des  XIV.  Jahrh.  jene  beiden,  in 
einer  gewissen  Sauberkeit  des  sprachlichen  und  Reim-Aus- 
drucks stehenden  St.  Galler  Spiele  5) ;  denen  eine  Marienklage, 
sowie  ein  Ascensionsspiel  aus  späterer  Zeit  fXV.  Jahrh.),  weil 
gleichfalls  in  St,  Gallen  gefunden  6),  sich  anreihen.  —  Schwei- 
zerische Herkunft  zeigen  ferner  das  Spiel  vom  jüngsten  Tage 
aus  Rheinau  (bei  Schaffhausen)  vom  Jahr  1 167,  und  das  Lu- 
zerner Grablegungsspiel   von  1494  ') :  am  offensten  aber  tritt 


•  )  Wo  man  natürlich  verschiedenes  Alter  der  Reccnsionen  anneh- 
men muss.  Einen  ganz  ähnlichen  Wechsel  bez.  der  Versform  zeigt 
jenes  von  Leo  gefundene ,  von  Grimm  (Vorr.  zu  den  lat.  Ged.  p.  XLV 
fg.)  wieder  mitgetheilte  Fragment  eines  lat.  Gregorius. 

3)  Das  der  Spielordnung  noch  bis  zu  Ende  des  MA.  meist  zuste- 
hende Latein  wird  hier  nicht  in  Anschlag  gebracht. 

3)  Bei  Mone  I,  p.  31  fg. 

4)  Gernian.  VIII,  p.  272  fg.  Auf  die  kunstvolle  Behandlung  des 
Reims  in  diesen  BrucliPtückm  wios  pchoii  Wackf-niapcl  (I-it  ';--<•'-  p. 
310  N.  87)  hin. 

ä)     Bei  Mone  I  als  Lciicn  Jesu  und  Kindheit  Jesu. 

**)  Erstere  bei  Mone  I,  199  (nebst  einem  Fragment  aus  Engelbcrg), 
letzteres  p.  254  fg. 

^)  Ersteres  bei  Mone  I,  273  fg.,  letzteres  II,  131  fg.  Aus  dem- 
selben Jahr  und  demselben  Ort  wie  dies  letztere  ist  eine  M.-Klage  bei 
M'no  I,  202  fg.    Ausserdem  vergleiche  Weller  in  seinem  Buche    ,Da8 


r«p.  IX.  297 

ein  markirter  Schweizer- Dialect  zu  Tapp  in  dem  Luzernor 
Nenjahrsspiei  (bei  Niooe  II,  328),  das  seinem  Inlmlt  nach 
freilich  den  Vasnacht^ielen  suzurecbnen  ist.  —  Zu  den  süd- 
deatach'JÜlemanuiscben  Denkmälern  gehört  namentlich  das 
««ttliaftife  Donaueschinger  Fassions  -  Osterspiel  > )  aus  dem 
XV.  Jahrb.,  denen  sieb  zwei  Augsburger  Legendenspiele  ') 
Mis  etwa  derselben  Zeit  anreihen. 

Einen  etwas  anderen  Character  als  diese  schwäbischen 
Stfioke  idgeii  die  dem  südöstlichen  Deutschland,  nament- 
lich Tirol  anp'  .bei  denen  nun  freilich  die  Frage,  wo 
ihre  ursprünglK...  ;;.miat  zu  suchen,  bedeutend  an  Uewicht 
gewinnt.  Für  die  drei  wertvollen,  einer  Insbrucker  Hs.  von 
1391  entnommenen  Denkmäler  3)  will  Mone  thüringische  Hei- 
mat feetbalteo,  und  die  Orthographie  weist  allerdings  nach 
der  bohnuecben  (iränze.  —  Deutlicher  noch  ist  die  fremde 
Herkunft  der  von  Pichler  publicirten  *)  Tiroler  Stücke  aus 
dem  Ende  des  XV.  Jahrhunderts,  die  sich  urkundlich  von 
BMern  (Ii^lstadt)  herleiten :  die  hier  enthaltenen  Osterspiele 
ttehen  dem  Insbrucker  ziemlich  nahe,  näher  noch  dem  gleich 
sn  beqirecheiideD  Wienw  Denkmal.  Auf  dem  Wege  dahin 
begegnet  out  ans  KreamiftiMter  ein  Dorotheenspiel ,  das  viel- 
leicht «ua  der  Laasitz  entlehnt  ward  >).  Da«  Ton  W.  Wacker* 
••gel  und  H.  Hoffmaon  pablidrte  Wiener  Osterspiel  ist  neuere 
dinffs  für  Schlesien  io  Ansproeh  genommen  <>):  und  so  würde 

a)t<      ^  er    Sckweis*    gvlegentlich     luitL'i'diciltt^^ii    rr<>I>fii 

geitiltcher  hpiele  meiit  mw  dem  XVI.  Jahr)) 

1.     1...  \i..,^  11^  188  tg^  _    1,1,   eigentluh,    II,, i 
i»'  l«r  jedem  eituelnen  Denkmal  S|irach)» 

ti' .  rhew,  wikread  noch  Mntfur  (»u  bn 

,1  t  Jeea\  den  Redenthtrr  f>irtrr«jiirl)   : 

fa  wird. 

-  _^  ...  .. .  ,..  .    -ij  KcUer  Fastii.  •,:. 

t»  H.  Jfiffren  Spiel  el^cndort  p.  ISO  fg 

'.    HttfütiiH  it>  " 

«I    NiiinlMiih    > 
TmA,  ■■iiirii  te  r 

»)    in  lüni  >r 
AaMrteouB  miUb«iH«,  dki  8:  Im  XIY.  Jdirb.,  w4brend  dir  AuflUh- 
rwif  de*  IlorotbMiwpteb  s«  Bsaina  crti  14!  '    * 

*)    V«e^  Peter'e  Troffmtr  ftoftuam  >  ^  feiten) 

KaehweiM  ftgelNm  timä. 


298  Cap.  IX. 

die  auch  aus  innern  Gründen  sich  darbietende  Ansicht  ')  er- 
leichtert, dasB  einer  gemeinsamen  mitteldeutschen  Vorlage 
das  Wiener  Spiel  noch  treuer  geblieben,  als  das  früher  auf- 
geschriebene Insbrucker. 

Von  den  populären  Spielen  späterer  Zeit  gehören  in  dies 
Gebiet:  die  aus  Kärnten  und  Steier  von  Wienhold  -)  und 
Lexer  S),  von  Schröer  und  Schuller  aus  Deutsch-Ungarn  ge- 
sammellen  Weihnachtspiele  (letztere  nach  Salzburg  etwa  zu- 
rückweisend); ferner  die  Pflege  des  Passions-Osterapiels  im 
bairischen  Hochlande,  vorzüglich  zu  Ober-Ammergau. 

Zu  den  mitteldeutschen  Denkmälern  würden  also, 
wenn  die  oben  ausgesprochne  Vermutung  über  das  Insbrucker 
und  Wiener  Osterspiel  richtig,  bereits  einige  in  oberdeutschen 
Hss.  erhaltne  Denkmäler  zählen.  Sicher  nach  Thüringen  ge- 
hören das  Mühlhäuser  Zehnjungfrauenspiel  und  das  St.  Ka- 
tharinenspiel  aus  demselben  Orte,  beide  aus  dem  XIV.  Jahr- 
hundert *),  aus  späterer  Zeit  (XV.  Jahrh.)  das  Juttenspiel  5). 
An  der  Nordgrenze  Mittel- Deutschlands  begegnet  uns  die  Zerb- 
ster  Procession ,  während  der  oberhessische  Text  des  Zehn- 
jungfrauenspiels 6)  uns  in's  Hessische  hinüberleitet,  wo  einer- 
seits das  niederhessische  Weihn.-Spiel  bereits  an  den  Dialect 
Niederdeutschlands  nahe  herantritt,  während  andrerseits  die 
aus  Alsfeld  und  Friedberg  herrührenden  Pussionsspiele  uns 
nach  Mainfranken  (Frankfurt  a.  M.)  hinüberführen,  und  von 
dort  bis  an  den  Neckar  ")  und  an  die  schwäbische  Grenze  ^) 
noch  einige  Denkmäler  vorrücken.  Während  Mittelfranken 
im  MA.   für  das  geistliche  Spiel  ziemlich  todt  liegt,  und  nur 


')    Vergl.  oben  Cap.  II,  §  4  zu  Anfang. 

2)  Weihn.-Spiele  p.  79—104,  p.  133  fg. 

3)  Im  Anhang  zum  Kärntischen  Wörterbuche. 

*)  Vergl.  über  ersteres  den  reichhaltigen  Aufsatz  von.  Reinh. 
Bechstein  im  XI.  Bande  der  Germania. 

S)  Ausser  in  Gottscheds  Not.  Vorrat  auch  bei  Keller  Fasinachtsp. 
II,  p.  200  fg.  mitgetheilt. 

•)    Mitgetheilt  von  Rieger  Germ.  X. 

^)  In  Heidelberg  befindet  sich  bekanntlich  ein  Passions-Oster- 
spiel,  wovon  Gervinus  vorläufige  Kunde  ^b. 

8)  Das  Künzlauer  Fronleichnamspiel  gehört  nach  dem  Hersgb. 
(Herm.  Werner  Germ.  IV,  p.  54  fg.)  dem  Würtcmbergischou  Frau- 
ken an. 


rtLr^.  IX.  299 

dfts  Vasnaciitspiei  in  Nurnocrg  lionn ,  tritt  auch  hier,  na- 
meDtlich  eben  in  Nürnberg  durch  H.  Sachs  um  die  Mitte  des 
XVI.  Jahrb.  geistliche  Spielpflege  auf,  die  sich  im  XVII. 
Jahrb.  in  Job.  KUys  H  -.gen  fortsetzt.  —    Endlich  fin- 

den   wir   östlich  gehen  .  die  böhmische  Grenze  >)  jenes 

mehrtägige  geistL  Spiel  aus  Eger  2),  und  aus  spaterer  Zeit 
himgnet  die  populäre  Weibn.-Spielpflege  im  Erzgebirge  und 
das  ZnekniantJer  Paasionsspiel  in  Österreich.  Schlesien. 

Von  dieser  umfangreichen  mitteldeutschen  Gruppe  geben 
wir  zur  niederdeutschen  über,  die  sich  weniger  durch 
Zahl  all  Terhältnissmassige  Gediegenheit  auszeichnen.  Wir 
geben  von  Trier  aas,  woher  die  von  Hoffmann  Fundgr.  II, 
359  fg.,  edirte  Marienklage  stammt,  deren  Text  noch  über- 
wiegend hochdeutsch  ist  3).  Rein  niederdeutsch  erscheint  da- 
gegen der  Trierer  Theophilus,  ebenso  der  Helmstiülter  Text 
und  die  beiden  Ton  Schünemann  aus  Wolfenbüttel  mitgetheil- 
ten  Stöcke  *).  Jenseit  der  Elbe  stossen  wir  zu  Bordesholm 
auf  eine  wertvolle  Marienklage,  und  in  diesen  nordalbingi- 
scheo  Laoden  mag  auch  die  Stockholmer  Hs.  des  Theophilus 
geschrieben  sein.  Endlich  scbliesst  sich  noch  aus  Meklenbui^ 
staauDend  (wenn  auch  in  Karlsruhe  aafgefunden;  das  Reden- 
tiaer  Osierspiel  an,  von  freiheb  sehr  zweifelhafter,  doch  wo! 
in  Mitteldeutschland  zu  suchender  Urheimat  ^) ,  aber  durch  ei- 

I)    Am   Böhmen   tind    »ach  Ott«r«|  ( zechischer  Sprühe 

bekannt  gr worden,  vcrft  Fundier.  11,  8:>. 

jethetU  von  Bartocb  (ierm.  III.  p.  267  fg. 
^.v  Stigoagm    wnm   Kirdcrdeutccbcn    «ind    vom   Hrg.    »ogKr 
faas  beMttigt. 

<)    Stodeniall  and  MMieoklHr«- 

*)    3fooe   verwte«   nicht  gnnx   ohne  ('ni'!«)   «uf  <l«i)    Niederrhein 
(verfl.  SchsMp  dtt  MA.  D.  6  ob«n),  wü'  mällcr,  K.  Schr6drr 

(im  XIV.  Btad«  4«r  Oemania,  wo  wert>  ^bbemerkungen  Ober 

diM  DfAksnl  ntodergelagi  «ind)  and  K.  NeiiK«r  (Orunm.  d«r  mekleob. 
Mvadan  p.  S)  an  AbfiMMag  in  Mekksbarg  denken.  Zo  leugnen  tat 
aber  nickt,  dam  diss  Utintimtm  8UMi  in  der  Behandlong  der  Tea- 


•Ubt  —  Am  sylUffif  ZsÜ  Mid 

■ocfc  die  ad.  BiiiSMeSMa  ia  der  Berlin«  ^amm  Komödie',  sowis 
der  aiedenrlMiaiMhe  DteJeci  dM  BaertticM  i»  Beta'«  Mittheihiagea  p. 
«0  n  beaehim.  —  Aaweadaag  von  Volkamondarien  für  die  geriagerra 
■oltea,  wikfesd  die  böheraa  aUk  der  Sehriftsprache  bedienen,  ui  ia 
aOsB  dransliseheo  Litentena  wol  bdkaaal» 


300  Tap    IX. 

gentümlich-kräftißc  Rcharulliitig  dorn  niederdeutschen  Sprach- 
gebiet vollkommen  angeeignet.  Alle  diese  lul.  Denkmäler  ge- 
hören dem  XV.  Jahrh.  an. 

Die  Anfänge  unseres  geistl.  Spieles  liegen  in  den  bairi- 
schen  Alpen  und  Allemannien ,  doch  scheint  sich  schon  frühe 
auch  Sachsen  und  Thüringen  selbstständig  angeschlossen  zu 
haben,  und  von  hier  aus  wieder  nach  dem  südöstliehen 
Deutschland  ein  Uückfichlag  geübt  zu  sein.  Später  treten  die 
fränkisch-hessischen  Lande  und  Niederdeutschland  in  nachah- 
mender, aber  oft  originell  aneignender  Weise  hinzu.  —  Auch 
innerhalb  eines  kleineren  Gebiets,  so  in  der  Schweiz,  bleibt 
die  Spielpflege  nicht  allzulange  stetig:  während  St.  Gallen  in 
früherer  Zeit  ihr  Hauptsitz  zu  sein  scheint,  treten  im  XVI. 
Jahrh,  Rasel,  Bern,  Zürich  —  vor  Allem  Luzern  mit  seiner 
populären  Spielweisc  in  den  Vordergrund,  während  die  drei 
vorgenannten  Orte  halb- gelehrter  Behandlung  zupfiichten. 
Uebrigens  hat  die  Schweiz  und  das  deutsche  Schwaben  immer 
am  wenigsten  komische  Elemente  in  die  Spielweise  aufgenom- 
men, welche  dagegen  in  den  bairisch- österreichischen  Lan- 
den üppig  aufschiessen  '),  denen  sich  das  niederdeutsche  Ge- 
biet mit  geringerer  Possenhaftigkeit ,  aber  noch  grösserer 
Derbheit  zur  Seite  stellt.  Zwischen  diesen  Extremen  (denn 
etwas  nüchtern  erscheint  nicht  selten  die  ehrbare  Schwaben- 
weise) halten  die  mitteldeutschen  Denkmäler  im  Ganzen  eine 
nicht  unglückliche  Mitte :  natürlich  darf  man  überall  die 
Grenzen  nicht  allzuschart  ziehen  2). 

Um  noch  in  aller  Kürze  die  metrischen  Verhältnisse  zu 
berühren ,  so  dringt  im  XIII.  Jahrh.  der  Gebrauch  der  kur- 
zen Reimpaare  in's  geistliche  Spielgebiet,  und  behauptet  sich, 
wenn  auch  selten  in  sorgfältig-reinlicher  Ausübung,  in  den 
literarischen  Denkmälern  sicher  bis  in  die  Mitte  des  XVII. 
Jahrb.  hinein:  dann  macht  der  Alexandriner  seine  Ansprüche 


I)  Bekanntlich  verhält  es  sich  ähnlich  auch  auf  andern  Literatur- 
gebieten mit  diesen  hier  angedeuteten  Unterschieden  der  Landschaf- 
ten, vergl.  Gervinus  (5.  A.)  I,  p.  524. 

*)  So  sind  der  jetzigen  Ammergauer  Spielweise,  die  ja  in's  bairi- 
schc  Gebiet  fällt,  burleske  Züge  meines  Wissens  durchaus  fremd :  aber 
auch  nur  dadurch  hat  sie  sich  im  vorigen  Jahrhundert,  wo  so  vielen 
bairischen  Orten  das  Aufiuhnuigsrecht  entzogen  ward,  gefristet. 


Cip.  IX.  801 

geltend  i),  and  schliesslich  dringt  selbst  die  Prosa  (in  den 
jüngsten  Ober-Amnoergauer  Recensionen)  ein.  —  Dagegen  er- 
hielt sich  die  Pflege  kurzer  Reimpaare  in  den  ganz  volkstüm- 
lichen Ungerschen  und  Kärntischen  Stücken  his  auf  unsere 
Tagei> 

Die  geringe  Sorgfalt  bez.  des  Metrischen ,  welche  die 
meisten  Denkmäler  zeigen,  die  sehr  häufigen  Ueberarboitun- 
gen  der  Texte  und  die  oft  wol  anzunehmenden  Mundarts- 
BuacbaDgen  würden  die  kritische  Betrachtung  des  ganzen  Ge- 
biets ODgeaMin  erschweren ,  wenn  sich  nicht  durch  Beachtung 
de«  inoem  Entwicklungsganges  —  und  wir  haben  hier  den 
unschätzbaren  Vorteil,  die  Ausgangspunkte  überall  mit  Si- 
cherheit im  kirchlichen  Cultus,  in  der  Schrift  oder  Legende 
nachweiaeo  zo  können  —  eine  ziemlich  sichere  Methode  ge- 
winnen lieaee.  Im  Einzelnen  aber  mag  noch  Manches  durch 
genauere  Beachtung  des  Sprachlichen,  namentlich  Mundartli- 
chen näher  bestimmt  werden  können. 


»er  findet  sich  >  Zacknuiotler  PiMnonapiel  bei  Pe- 

tri  undgr.  II,  p.  16  uoten  —  Itf,    tonst  s-  B.    in   den  Mittbeilungen 

u     - 

*J  Ver;gi.  aiv  inu*rc«nntcn  Mittiniiungen  öcuroeri  uner  ut-n  ^«t«- 
Yortrif  des  Obemferer  Texte«,  in  <)«>n  VM^n  ca  tt.  fl4,  89,  90,  9«, 
104  de*  OberaÜBrer  Spiels.  ~  Ton  i:  mm  Lesers 

Mittbeifauigea   (p.  282)   mir  bemer.      _  tifslehrten; 

Schrift:  Dotcrricbt;  wiasen:  Mesaiwen;  hAren:  werden.  —  DitkI.  kann 
als  arcbeistiicbe  Technik  feiten,  aber  weaa  der  Trabant  Bes.  Edel- 
pöck  V.  S87,  88  aeioer  WethB.*KoeiAdie  Ar  (bonoe)  »af  vater  reiat,  ao 
b<  Vfrakttoat  aof. 


Register. 

(AlphabatUob  geordoet  o»ob  dan  Nmdsb  dar  H«r»cuf«b«r  dar  «iiueiiiaa  8M«k«.) 

Seil«. 
Bartsch:     Kin  geistl.  Spiel  aus  dem  XV.  Jaiirh.  ((ieriii.  III.)  173  fg. 

Das  älteste  deutsche  Passionsspiel,     ((ierm.  VIII.)         87   „ 

L.  Bechstein:  Das  grosse  tiiüring.  Mysterium  oder  daa  geistl. 

Spiel  von  den  10  Jungfrauen 153   „ 

Du  Meril :    Mystere  de  l'Adoration  des  Mages  (Orig.  lat.  du 

theätre  mod.  p.  156) ü   „ 

Rachel  (Orig.  lat.  p.  171  fg.) H    „ 

EttmüUer :    Dat  spil  van  der  Upstandinge  cf,  Mone  (De  reeur- 
rectionc.) 
Theophilus  cf.  HoiTmann  von  Fallersleben. 

Fichard :     ürdo   sive    registrum    passionis    etc.   (Frankfurter 

Archiv  III,  p.  137  f.) .     K»;»   ., 

Friedländer:     Eine    kurze    Comedien    von    der   tieburt   de« 

Herrn  ChristL 55   ., 

Ein  kurz  Spiel  von  der  Geburt  des  Herrn  Christi 
durch  H.  Chnustinum ^0   „ 

Gervinus :    (Ueber  ein  Heidelberger  Spiel,  Gesch.  der  D. Dicht. 

II,  331.) 119 

Gottsched  (Nötiger  Vorr.):  Spiel  von  Frau  Jutten,  siehe  Keller. 

Greiff  (Genn.  I.):    Spiel  von  St.  Jörgen,  siehe  Keller. 

Hofiinann  von  Fallersleben :    Christi  Leiden  (Fundgr.  II.)   .    .      82  „ 

Marienklage  (ibid.)     .     .     .     .   72,  77  „ 

Dorothea  (ibid.) 160 

Osterspiel  (ibid.) 95  „ 

Theophilus(Hannover  1853,1854)    161  „ 

Keller  (Fatsnachtsp.  II,  p.  900) :  Spiel  von  Fraa  Jutten.  .  .  161 
(Fastnachtsp.  Nachlese :  Spiel  von  St  Jörgen.  .  .  .  165 
(ibid.):    Heil.  Kreuzspiel 166 


Kot:i^ler.  806 


Kuri    r<  >e«terr«ich  o.  Albr.  lY.)  Oalarfeier  mu  KkMt«r  Keaborg.  67 

WeihnachUpiele  a.  Kirnten  (Anh.  x.  kirnt.  Wört^rb.).  48  fg. 

üotif  (Ahd.  Scb«utp.):    Himmelfahrt  Maria«-  134 

Aufemtehong  Christi  98 

;  ronleichnam  Christ  i  1 39 

(Schausp.  tl.  .M.\    i         O.t.  rf<iem  (!-:■  06   .. 

.M.ir.<  liklage.    .  .  7G 

Leben  Jesu.  .  89  „ 

Kindheit  Jean.  .  25   .. 

Christi  Himmelfahrt. 

Der  jfingste  Tag.  lol 

Schaosp.  d.MA.  n.):    De  reenrrectiont-  101 

GrablegvBg  Chri^  .  116 

PunooMpieL  .    .  .114 

Moecn:    Die  Weihnachtopiel»  dee  lieh«.  Erifeinrgee.  48 

Mftlknhoff  (HaapUZeitechr.  XIU.):  Bordesholmer  Harienklage.  79 

Peter  (TVoppner  Progr.  1868, 1869):    Zockmantler  Pua.-Spiel.  123  „ 

Pet  (Theeaarw  Aaecdot.  T.  Tl.):    Lndn«  de  AJi^ehrbto.     .    .  145  „ 

Pichler  (DraiM  de«  M  Himmelfahrt  Christi  131 

Lichtmeeaapit  I  2^< 

Khg«  Marias.  hj 

Oeterepic!  lo5  .. 

Piderii    (WetÄB. -spiel  aus  emerUa.  dea  XY.  Jatn.  :iJ   „ 

Pröble:  (VolkaS«dar  «ad  SekMupiele)    ...  vk  .'>n 

Bein  (Vier  g.  Spiele  a.  d.  XTU.  Jahrb.):  StAck  I 

Stack  U,  HI,  IV  142  „ 

Rieger  (Own.  X.):    Spiel  toq  den  10  Jugfranen.  r>.^ 

Schdoemanv :    SAndc&faU. 

MarieaUage.  .    . 

.>chr<-cr    li'.  If^imAipUU  MM  Ungamj. 

bmtcnis  (Haopto  ZtÜatkr.  II.):    Zerbater  Proeeeiian.  li.' 

TittaMUi  (SdMMep.  a.  d.  XVI.  Jahrk):  Barth.  KrOger  54 

YiliMr  (Haapta  Z.  OL).    Ahfaldtr  Ptwjoinpiil  110  „ 

Waiffnd  (BämfiU  Z.  TU.):  rridlbet|er  Fürio—picL    ...  110  ,, 

m^UMd  (WetkiL-Spiale  aM  8M-l>MteeUMid  «.  ScUaaiM): 
ütnAm  rtv  Mfon»  adcwtio,  Rachel  et  DuUML 
Wiuhnlgiitogi,  BkUmnbMt  CSvirtUaddepfole, 

OeqpM  WM  TordOTab«!. 87  . 

B«Md.  Eddptoki  WtikMMhIlMaödia.  ftt  „ 


804  Eagister. 

Wellrr  (Dm  alte  Yolkttheater  der  Sohweis)  ist  mehrfach  kurz 
berücksichtigt. 

Werner  (Genn.  lY.):     KünzeUauer  Fronleichnamspiel.    .     .     .     140  fg. 

K.  Wilken:  (Besprechung  von  Job.  Seger'i  Bona  Nova.)  &7  „ 

Zacher  (Haupts  Z.  IL):  Mittelnicderl.  Osterspiel 172   .. 


üeber  das  Ober- Ammerjf  au  er  Spiel  ist  (meist  nach  den  Mit- 
theiiun^fen  von  L.  Clarus)  jfohandelt  p.  124  f(?.  —  Alles  auf  die  Auf- 
führung de«  Spiel«  Bozüjrliche  ist  in  Cap.  VI.  zu  suchen.  —  Gane  un- 
bedeutende u.  fragmentarische  Denkmäler  blieben  im  Register  unbe- 
rücksichtigt. 


Bfflterangfi  HRii  Xachträgf. 

Seite  8  Note  3  kann .  da  die  vorgeschlagene  Lesung  doch 
ans  metrischen  (iründen  unzulässig,  gestrichen  werden. 

Seite  30  Zeile  6  ist  Tor  dem  Komma  ausgefallen  „giebt 
es  dramatische  Dantellungen**.  —  Im  Folgenden  wäre  statt 
„tondem  auch'*  zu  schreiben  .selbst*  von  der  Gehurt  u.  s.  w. 

Seite  47.  Im  Anschluss  an  die  Besprechung  der  von 
Sehröer  ans  l  mitgetheilten  Stücke  wäre  noch  der  von 

Schaller  (Hennnnnstadt    1859)    herausgegebene   Her  od  es 
(Deotscbes  Weihnachtspiel   aus    Siebenbürgen)    zu   erwähnen. 
Das  dem  Urofisog  nach  bescheidene  Denkmal  schliesst   sich   in 
der  Verveodoog  dee  Chors  zum  Vortrag  deutscher  Kirchen- 
Heder  an  die  Obenaferer  Spielweise  an,  von  der  es  sich  durch 
AosschliescQog    aller    humoristischen    Motive    etwas    sondert. 
Von  TenldroUeD  ist  keiiie  Spur,  Herodee  erscheint  trotz  des 
von    teineii    «Hoiarea*    getrenlich    rerfibteD   Mordbefehls    im 
Licht   einet  weisen   and   milden  Königs,  der  zu  Beginn  des 
Spiels  (p.  15)  seine  ünterthanen  ermahnt: 
Abeolviret  Eure  Pflichten, 
Werft  von  Euch  den  Sorgenstein! 
i>.r.    r],,,r   kommt   sawer  dem  Vortrag   von  Kir«  n, 

'i       i    •  r  oinH'^  «ein  mdgen,  namentlich  die  Int^., ..  ...ijon 
ii      1   ■  so  heisst  es  p.  18:  Chor  singt: 

Die  iiiriea  aber  wandten  sich 
Za  thrta  Vieli  aars  Feld  a.  s.  w. 
I'ii ,  wenn  ancb  oorrapt  erfaaltaea  WiagaareiBe  (p.  22:  Jo- 
seph, liebalar  Joaaph  Baia,  Hilf  mir  vagao  deas  Kindelein« 
deaa  Gott  wird  der  Balohoer  sein)  wenea  Air  die  Orundre- 
oeaaioa  ans  etwa  in  die  Befonaationeseit  tarllck,  und  ans 
dar,  nocb  gaas  kathoBich  Waise,  in  dar  die 

drei  Köaiga  ilua  Oabaa  u.^i  ...».  »...».,  sondars  dar  Maria 

90 


30(5  Befweruogen  und  Nachträge. 

darbringen  (bo  »pricbt  der  erste  Weise;  Gegrüsset  seiest  du 
Maria  feiu ,  Nimm  hier  von  mir  den  goldnen  Schein!)  darf 
man  vielleicht  auf  ein  nuch  höheres  Alter  zurück  schliessen. 

Seite  81.  Den  in  Cap.  II,  §  2  behandelten  Marienklagen 
gesellt  sich  noch  ein  jüngst  von  Alvin  Sclwltz  (Germania  XVI, 
571  fg.)  mitgetheiltes  Bruchstück  des  XIV.  Juhrh.  (aus  Bres- 
lau), das  in  seinen  Beziehungen  zu  den  uns  bereits  bekann- 
ten Marienklagen  am  angeführten  Orte  von  K.  Bartsch  durch 
untergesetzte  Citate  hinreichend  erläutert  ist,  so  dass  ich  mich 
hier  mit  diesem  Hinweis  begnüge.  Ob  die  Ueberschriften, 
, Maria  dicit'  ,Maria  cantaV,  und  die  Bezeichnung  ,Versu8* 
auf  unterschiedlichen  Vortrag  zu  beziehen  sind,  bleibt  unklar, 
wogegen  p.  59  in  der  Jesusrolle  der  Wechsel  von  cantat  und 
dicit  durchaus  nicht  befremdet. 

Seite  301  N.  1.  Zu  den  aus  Lexers  Mittheilungen  ange- 
führten Reimen  steile  ich  hier  noch  einige  aus  SchuUer's  Sie- 
benbürgischem  W'eihn.-Spiel  (p.  15):  Wiesen:  legen;  (p.  23) 
schüchtern:  auszurichten;  ihnen:  mit  nichten.  — 


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