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Full text of "Geschichte der Ilchane, das ist der Mongolen in Persien"

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in  2009  with  funding  from 

University  of  Toronto 


Iittp://www.archive.org/details/geschichtederilc01hamm 


^^       GESCHICHTE 


DER 


ILCHANE 


DAS     IST 


V  O  K 

:5<«^0^  HAMMER-PlIRGSTAll. 

Mit        *         \  *  1 

neun  Beilagen  und  neun  Stammtafeln. 


Erster   Band. 

Mit     vier     Beilaceii. 


I>  a  1*  Hl  s  t  a  cl  t. 

Druck    und    Verlag    von    Carl    Wilhelm    Leske. 
18  4  2. 


on  der  deutschen  Hauptstadt  der  Küuste, 
von  der  Residenz  ^nevtt  ^ajfötiit/  wo 
ich  vor  drei  Tagen  mit  der  Akademie  der  Wis- 
senschaften das  ^Uerl)0d)0te  Geburts-  und  Namens- 
fest gefeiert,  bin  ich  nach  ßerchtesgaden  geeilt, 
wo  der  erhabene  Schutzgenius  der  schönen  Künste 
im  schönsten  Tempel  der  Natur  residirt,  um  dem- 
selben in  ^liixl)'6d)$t  ßi)tev  Person  die  Verehrung 
und  Bewunderung  zu  zollen,  womit  der  Verein  der 
Kunstwuuder  zu  München  jeden  Besucher  erfüllt. 


Da  mir  dauere  JHitjedtiit  allergnädigst  erlaubet 
hal)en,  mit  ^Uerijädjdt  Jll)rem  Namen  das  Giebel- 
feld eines  meiner  Werke  zu  schmücken,  so  er- 
scheint die  Geschichte  der  Mongolen  Persiens, 
wenigstens  durch  die  Namen  ihrer  grossen  Fürsten, 
Bauherren,  Gönner  der  Künste  und  Beschützer 
<ler  Wissenschaften,  solcher  Ehre  nicht  unwürdig. 

Wenn  die  Bauten  Ghasan's  und  Chodabende's 
zu  Tebris  und  Sultania  nach  einem  halben  Jahr- 


tausend  die  Namen  ihrer  Erbauer  nur  in  Ruinen 
verherrlichen,  so  liegt  die  Schuld  davon  nicht 
sowohl  in  Elementarereignissen  und  in  feindlicher 
Verheerung,  als  in  dem  Mangel  an  erhaltender 
Fürsorge,  welche  Werken  der  Kunst  wie  den 
Staaten  Dauer  versichert. 

Geruhen  ^uerc  ilrTrtjcjstat^  als  Schöpfer  eines 
Pantheon  der  Künste,  als  Erhalter  der  ältesten 
Denkmale  derselben  und  eines  blühenden  Reiches, 


die  Huldigung  meiner  tiefsten  Ehrfurcht  allergnä- 
digst  zu  genehmigen. 


Berchtesgaden , 
an  Göthe's  Geburtstag  HAMMER -PURGSTAW.. 

1841. 


Vorrede. 


iPiese  Geschichte  der  Mongolen  in  Persien  ist  das 
Seitenstück,  zu  der  im  vorigen  Jahre  erschienenen  des 
mongolischen  Reiches  in  Kiptschakj  jene  ist  durch  die 
Preisfrage  der  Petersburger  Akademie  veranlasst  wor- 
den, die  Schreibung  dieser  ist  aus  eigenem  Antriebe 
hervorgegangen.  Bei  der  zum  Behufe  der  ersten  nöthig 
gewordenen  Sichtung  der  aufgeschichteten  Massen  histo- 
rischen 31aterjals,  ward  es  klar,  dass  zur  zweiten,  in 
den  orientalischen  selbst  durch  Herrn  von  d'Ohssons  sehr 
schätzbare  Geschichte  nicht  erschöpften  Quellen,  weit 
mehr  dankbarer  historischer  Stoff  vorhanden. 

Die  Geschichte  der  Mongolen  in  Kiptschak  liegt 
dem  Europäer  zwar  näher  wegen  der  verheerenden  Raub- 
züge durch  Polen  und  Ungarn  bis  ins  Herz  von  Deutsch- 
land, und  wegen  der  tatarischen  Herrschaft  in  Russland  5 
aber  die  Geschichte  der  Mongolen  in  Iran  hat  das  grös- 
sere Interesse  wichtigerer^  asiatischer  Weltereignisse, 
wie  der  Ruin  der  Assassinen  und  des  Chalifates,  der 
Sturz  alter  Dynastien  und  die  Gründung  neuer,  bisher 
selbst  den  Orientalisten  kaum  dem  Namen  nach  bekann- 
ter, die  Feldzüge  wider  Aegypten  und  das  dschagatai'- 
sche  Reich,  die  diplomatischen  Verhältnisse  zwischen  den 
Kreuzfahrern  und  dem  Papste.  Der  Ulus  Dschudschi's 
beherrschte  mit  dem  europäischen  das  asiatische  Russ- 
land, welches  damals  noch,  wie  von  allem  Anfang  der 
Geschichte  her,  in  Asien  das  Land  der  Finsterniss  und 
der  Barbarei,  während  Persien  von  der  ältesten  Zeit  an 


Seile.  Znile.  • 

211  17  V.  u.  St.  MailleuscliJäger  1.  Mailleschläger 

214  15  V.  0.  st,  nur  vom  I.  nie  vom 

214  13  V.  u.  st    nur  eines  1.  nur  der  eines 

232  7  V.  u.  St.  Ammer  1.  A:imnrar 

237  4  V.  0.  St.  Betha's  1.  Batlia's 

237  li  V.  o.  st  \var  ein  Vergrösserer  1.  war  ein  weit  grösserer 

239  7  V.  o.  st.  Wenn  nur  das  Glück  wie  die  Beisitzer  wäre, 

1.  Wenn  mir  das  Glück  wie  Dir  Beisitzer  wäre, 

240  2.  V.  u.  st.  geistiger  Dichter  1.  persischer  Dichter 

241  3  V.  0.  st.  Hamkjar  1.  Hemkjar 

242  18  V.  u.  St.  Aasa  I.  Osa 

253     14  V.  u.  St.  Ville  Hardouin  1.  Villehardouin 
259       3  V.  o.  St.  Mogholtei  1.  Mogholtai 

—  9  V.  o.  St,  dem  Herrscher  1.  des  Herrschers 

261  12  V,  u.  st.  Armen  1.  Arme 

262  1  V.  u.  st.  Kuhdschu  1.  Kukdschu 
268  13  V.  0.  St.  Ferjab  1.  Farab 

—  15  V.  o.  st.  Ferjabi  1.  Farabi 
274      5  V.  u.  st.  Kejaneuen  1.  Kejanen 

—  l7  V.  u.  St.  Vasal  1.  Vassal 

276  12  V.  o.  St.  Mewlane  1.  Mewiana 

280  2  V.  u.  St.  nisadin  1.  nihaden 

283  8  V.  u.  st.  Aufgestochenen  I.  aufgestochenen 

291  2  V.  u.  st.  Suhuri  1.  Sughuri 

293  17  V.  u.  St.  Mineddin  1.  Moincddin 

303  16  V.  o.  St.  Mekka  1.  Mocha 

308  14  V.  o.  St.  (der  Oheim  Abaka's)  1.  (der  Bruder  Abaka's) 

315  13  V.  u.  St.  Buse  1.  Busse 

3l8  13  V.  u.  St.  Denn  stets  1.  Du  stets 

320  4  V.  u.  st.  nur  diesem  1,  nur  in  diesem 

329  8  V,  o.  st,  Zehrgnadenamt  1.  Zehrgadenamt 

345  10  V.  o.  st,  mir  nun  1.  mir  nur 

—  14  V.  u.  st.  Rumi's  1.  Rum's 

352  17  V.  o.  St.  gleichzeitig  mit  1.  gleichnamig  mit 

365  8  V.  u.  St.  und  Feder  und  setzte  1.  und  Feder,  setzte 

367  5  V.  u.  st.  beizustehu  I.  beizustehen 

374  15  V.  0.  st.  einheimischer  Herrscher  Herrschaft  1.  einheimischer 

Herrschaft 

375  8  V.  u.  St.  dass  das  1.  dass  sie  das 

393     11  V.  u.  St.  Derwische  Fakir  1.  Derwische  als  Fakir 

Noch  ist  zu  bemerken,  dass  durch  ein  Verseheu  der  Druckerei 
die  in  eigenen  Namen  als  lange  geschriebenen  f  durchaus  als  kurze 
gedi'uckt 'worden ,  was  ebenso  wenig  gleichgültig,  als  es  im  Deut- 
schen gleichgültig  ist  Kreif  oder  Kreis,  reif  oder  Reis  zu 
schreiben.  Mit  lindem  f  sind  also  auszusprechen:  Abulghafi,  Ab- 
derrefak,  Aferbeidschan,  Aafif,  Bachorf^  Bediief-feman,  Chuarefm, 
Chumiaf,  Chufistan,  Dshefire,  Dchufistan,  Erfendschan,  Fafl, 
Fafluje,  Firamurf,  Firuf,  Firufi,  Ghafa ,  Ghafali;,  Ghafna,  Hafif, 
Hafret,  Hefar,  Hefarsif,  Irfi,  Ifeddin,  Jefd,  Kjarfun,  Kjarif,  Kir- 
gif,  Kafwin,  Kifil,  Kotof,  Legfi,  Mafenderan ,  Merfeban,  Mei- 
mundif,  Merkef,  Mobarifeddin ,  Moif,  Mohefib,  Mofaffereddin , 
Newruf,  Nimruf,  Nifam,  Nifameddin,  Oghuf,  Oueife^  Ormufd,  Paife, 
Rafieddin,  Rabf  (bess.er  Rabdh),  Sebf,  Sebfewar,  Sekif,  Schahdif, 
Schiraf,  Schirfad,  Tahk ,  Tebrif,  Teguf,  Toghuf,  Tokuf,  Tscheu- 
gifchau  u.  a.  m.  . 


€  t  0  t  e  ö    p  n  i). 


Uebersicht  der  mongolischen  IStäinine,  der  Familie 
und  Oescbicbte  Tschengisclians ;  sein  Gesetxhuclk 
und  sein  Testament;  Charakter  und  Sitte,  Aber- 
glauben und  Cirebräucbe  der  Mongolen,  l^ie  Re- 
gierung Ogotai's,  Oujuk's,  Mengku's;  die  der  gleich- 
zeitigen Dynastien  in  Asien  und  Aegypten. 

Jtschengiscliaiis  und  seiner  Nachkommen  Thaten,  die  von 
ihnen  zerstörten  und  gegründeten  Reiche,  ihre  Raubzüge  Moiiifolischt 
und  Gesetzgebung,  der  Namen  der  Tartaren  oder  Tocharen,  Geschichte. 
d.  i.  Tataren,  und  der  der  Moalen  oder  Mogholen,  d.  i. 
Mongholen,  haben  Europa  durch  zwei  JalirJiunderte  mit 
Erstaunen  und  Schrecken  gefüllt,  von  der  chinesischen  Mauer 
bis  an  die  von  Wienerischnenstadt  und  Olmütz ,  und  furch-  ^ 
terlich  hallte  der  Donner  ihrer  Fleere  von  den  Ufern  des 
gelben  Flusses  bis  an  die  des  rothen  Meeres,  vom  Altai 
bis  an  den  Libanon  zurück.  Naturrevolutionen,  mit  denen 
Gibbon  das  Erscheinen  der  Mongolen  so  treffend  verglichen 
hat,  lassen  nicht  tiefere  Spuren  ihrer  verheerenden  Kräfte 
auf  der  Oberfläche  der  Erde  zurück,  als  die  verheerenden 
Hufen  mongolischer  Heere,  unter  denen  Reiche  und  Ciiltur 
zertreten  wurden;  sie  fuhren  daher  wie  die  entfesselten 
Elemente,  wie  Orkane  und  grosse  Fluthen  und  das  Erdbeben 
und  der  Wetterstrahl;  sie  durchackerten  die  FJrde  mit  de.ra 
Schwerte  und  düngten  sie  mit  Blut.  Das  Jahrhundert  ihrer 
so  fürchterlichen  und  verderblichen  Grösse  und  Macht  fällt 
zusammen  mit  dem  zweiten  der  Kreuzzüge,  das  ist  mit  dem 
Hammer,  Gescliichtc  der  Ilcliane.  1 


2  E  r  s  t  e  s     H  II  c  li. 

tlreizehnteti  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung,  dem  durch 
grosse  Begebenheiten  vor  anderen  historisch  wichtigen,  durch 
die  Umgestaltulig  so  vieler  asiatischen  Reiclie  und  durch  den 
regsten  Verkehr  des  Abendlandes  mit  dem  Morgenlande. 
Einen  so  namhaften  Platz  die  Kreuzzüge  auch  in  der  euro- 
päischen Geschichte  einnehmen ,  so  erscheinen  sie  in  der 
asiatischen  doch  hei  weitem  nicht  so  bedeutend,  indem  die- 
selben nur  den  Westrand  von  Asien  bestreifen.  Die  Ringe 
dieses  Steinwurfs  der  Eroberung  der  Levante  verebben  schon 
an  den  Ufern  des  Nils  und  des  Tigris ,  während  die  hoch- 
aufscliäumende  Woge  mongolischer  Eroberungsfluth  über 
ganz  Asien  bis  nacli  Europa ,  vom  Baikalsee  bis  an  den 
Piatensee,  und  vom  Kokonor  bis  an- den  Ladoga  sich  ver- 
heerend fortwälzt.  Die  Wichtigkeit  der  Geschichte  der 
Mongolen  und  die  Grösse  des  Stoffes  springt  also  von  selbst 
in  die  Augen.  Sie  zerfällt  in  viererlei  Geschichten,  deren 
''  jede  ,  bei  dem  Reichthume  der  Quellen  ,  Stoff  für  melirere 

Bände.  Erstens  die  GeschicJite  Tschengischans ;  zweitens 
die  der  vier  Uliise ,  d.  i.  der  durch  die  Nachkommen  seiner 
vier  Söhne  beherrschten  Reiche;  dann  nach  der  Theilung 
der  Herrschaft  des  vierten  üluses  in  das  östliche  chinesische 
und  in  das  westliche  persische  Reich ,  drittens  in  die  Ge- 
schichte der  Juan  oder  der  chinesischen  Kaiser  aus  den 
Nachkommen  Kubilai's;  und  viertens  in  die  der  llchane  oder 
persischen  Herrscher,  Nachkommen  Hiilagu's^  des  Bruders 
Kubilai's.  Eine  vollständige  Gescliichte  dieser  Reiche  könnte 
sich  keine  engeren  Gränzen  des  ümfangs  stecken,  als  die 
des  osmanischen ;  die  vorliegende  beschränkt  sich  nur  auf 
den  vierten  und  letzten  Zeitraum,  als  ein  Seitenstück  zu 
der  Geschichte  der  goldenen  Horde  inKipdschak,  aber  von 
wftt  grösserem  Interesse,  als  j^ne,  in  Bezug  auf  Asien. 
Die  der  per-  ^^^*^  Gesichte    des   von  Hulagu  gegründeten  Reichs  der 

sischen      persischen  llchane,    d.  i.  Landes-    und   Volksfürsten    [denn 
llchane.      n  jjeisst  sowohl  das  eine  als  das  andere»)],   füllt   nur  Ein 


')  Kiaelmii    de     llclianoriim    seu    Chulagidarum    uummis    Com- 
meut.itio.     I'tti  (»i»oJi.      |«,U. 


E  r  s  t  e  s     B  »  c  h.  3 

Jahrhundert,  von  der  Hälfte  des  dreizehnten  bis  in  die 
Hälfte  des  vierzehnten  unserer  Zeilrechnungf '} ,  während 
welchem  siebzehn  Ilchane  gezählet  werden,  von  denen  aber 
nur  die  neun  ersten  achtzig  Jahre  den  Thron  als  Aliein- 
lierrscher  füllten  ,  die  acht  anderen  sich  um  denselben  mit 
ihren  Mitbewerbern  stritten,  bis  dass  das  mit  so  grosser 
Machtäusserung  gegründete,  mit  so  grossem  Glänze  unter 
neun  Herrschern  aufrecht  gehaltene  Reich  der  Ilcliane  ,  nach 
dem  Tode  Ebu  Saids j,  durch  die  inneren  Kriege  der  Thron- 
anraasser  zerfiel  und  sein  Andenken  nur  in  drei,  aus  den. 
Ruinen  derselben  emporgeschossenen  Pilzlingen  mongolischer 
Dynastien,  in  denen  der  Indschu ,  Tschoba?i  imd  Ilkaan, 
noch  kurze  Zeit  hinterliess,  wie  das  untergegangene  Reich 
der  goldenen  Horde  in  Kipdschak  in  den  aus  seinen  Trüm- 
mern entstandenen  Dynastien  der  Chane  \on  Kasan,  Astrachan 
und  der  Krim  noch  längere  Zeit  fortgelebt.  Jene  per 
sischen  und  diese  kipdschakischen  Dynastien  gehören  aber 
nicht  mehr  eigentlich  der  Geschichte  der  Mongolen  an, 
deren  Herrschaft  nur  von  Tschengischan's  Auftritt  als  Er- 
oberer bis  zum  Untergänge  der  goldenen  Horde  in  Russland 
und  zur  Erscheinung  Timurs,  nur  zweihundert  Jahre  ge- 
dauert. Die  Hälfte  dieser  Zeit  nimmt  die  Geschichte  der 
persischen  Ilchane  als  die  glänzendste  der  vier  Uluse  in 
Anspruch ,  die  glänzendste  durch  die  Eroberungen  des 
Gründers  Hulagu  und  seines  Nachfolgers  Ahaha ,  durch 
die  gesetzgebende  Weisheit  Ghasan's  des  siebenten  und  seines 
Nachfolgers  Oldschaitii  nicht  unrühmliche  Regierung,  endlich 
durch  den  Flor  der  persischen  Literatur  während  dieses 
Jahrhunderts.  Die  grössteii  Geschichtschreiber  der  Perser, 
Dschuweini ,  der  Wesir  Hulagu's,  und  Reschideddin ,  der 
Wesir  Ghasan  Chan's,  haben  die  Geschichte  Tschengischan's 
und  der  Ilchane  Persiens  aus  den  Quellen  des  goldenen 
Archiv's ,  d.  i.  des  mongolischen  Staatsarchivs,  und  der 
Begebenheiten  ihrer  eigenen  Zeit  als  Augenzeugen  und  mit- 
handelnde   Werkzeuge   beschrieben.     Als   Augenzeugen  und 


')  V.  J.  d.  H.  553  C1255)  bis  754  (1353). 

I* 


4  F,  r  s  f  1-  s     B  u  c  ii. 

Zeitgenossen  schrieben  aiicli  Hamdallah  Mesttifi ,  der  Ver- 
fasser der  bessten  persischen  Geographie  und  Universal- 
geschichte, Bhiaketi ,  der  EpJtoraator  des  grossen  Werkes 
Reschideddin's,  und  Wassafiil-hasret ,  d.  i,  der  Lobredner 
der  Majestät,  unter  Oldsehait?f.  und  Ebu  Said,  dessen  in 
allen  Künsten  der  Rhetorik  üppig  wucliernder  Styl  wohl 
das  Lesen  seines  Werkes  erschwert,  aber  der  historischen 
Wahrheit  so  wenig  Eintrag  thut,  dass  derselbe  die  einzige 
verlässliche  Quelle,  aus  welcher  die  späteren,  mit  Recht 
geschätzten  persischen  Schreiber  der  Universalgeschichte: 
Mirchuand,  Chuandemir,  Haßs  Ebni  und  GÄo^ay/ geschöpfet. 
Schon  Wassaf,  wiewohl  er  erst  unter  dem  achten  und  neunten 
Herrscher  der  Ilchane  seine  Geschichte  schrieb,  die  mit 
Hulagu ,  dem  Gründer  der  Dynastie,  beginnt,  fühlte  zu 
Ende  seines  Werkes  die  Nothwendigkeit,  demselben  aas 
Dschuweini  auch  einen  kurzen  üeberblick  der  Geschichte 
TscJiengischan's  und  seiner  %ier  ersten  Nachfolger  anzu- 
hängen, welche  besser  dieselbe  eingeleitet  hätte,  wie  Schere- 
feddin  von  Jesd  die  Geschichte  Tiraur's  mit  einem  kurzen 
üeberblicke  der  Geschichte  Tschengischan's  und  der  vier 
Uluse  aus  den  obigen  Quellen  eingeleitet  hat.  Die  Noth- 
wendigkeit solclier  Einleitung  dringt  sich  auch  hier  um  so 
unabweislicher  auf,  als  Tschengischan  nur  acht  und  zwanzig 
Jahre  vor  der  Gründung  des  persischen  Reichs  durch  Hulagu 
verstorben,  als  die  mongolischen  Stämme  un«!  die  der 
Gründung  des  Reichs  Hulagn's  gleichzeitigen  asiatischen 
Herrscher  den  Lesern  unbekannt.  Dieses  Buch  leitet  daher 
dieselben  durch  die  möglichst  kurze  Kunde  über  dieses  Volk 
des  Morgenlandes  und  seine  Stämme,  über  Tschengischan 
und  seine  vier  ersten  Nachfolger,  und  über  die  dem  Auf- 
tritte Hulagu's  gleichzeitigen  Herrscher  Asiens  in  die  Ge- 
schichte der  persischen  Ilchane  ein. 
Tih-kpn  ^^^^  älteste  der  Völker,  welche  die  Geschichte  in  Hoch- 

T/iv/;v«  )/;/fi  asien  als  Herrscher  kennt,  sind  unstreitig  die  Türken,  deren 
Mongolen.    ^Jer  chinesischen  Quellen  zu  geschweigen}  die  byzantinischen 
schon    in    der   Hälfte  des  sechsten  Jahrhunderts  der  christ- 
lichen Zeitrechnung  erwähnen  ,  wo  die  griechischen  Kaiser 


Erstes     |{  n  c  li.  5 

mit  dem  Cliane  der  Türken  am  Altai,  d.  i.  dem  Goldberge, 
durch  Gesandtschaften  verkehrten,    d.  i.   schon  sechs  Jahr- 
hunderte früher,  als  in  der  Hälfte  des  zwölften  die  Tataren 
und  Mongolen    durch    Tschengischan    in    Europa   geschicht- 
lichen Namen  erhielten.     Die  Geschlechtsregister  der  letzten 
sind    siugenscheinlich    türkischen    eingepfropft,    um  dunkeln 
Ursprung    der  Väter    durch    berühmte    Altvordern  zu  adeln 
und    ihr    Geschlecht    hinaufzuführen    bis    Tiirk ,    den    Sohn 
Japhet's,    den    gemeinsamen   Ahnherrn    von    Tatarchan    und 
Mogolchan,    die   angeblichen  Stammväter    der    Tataren    uujI 
Mongolen.     Der  Namen  der  letzten  tauclit  erst  unter  Tscheu- 
gischan  mit  Gewissheit  auf,  da  es  nicht  ausgemacht,  ob  die 
altern    Moho    der   Chinesen    eben    so    gewi^ss    Mongolen ,    als 
ihre    Tata    Tataren ;    wie    aber    Türken    und    Tataren    ganz 
verschiedenen  Stammes,  indem  jenen  der  Namen  von  diesen 
nur  durch  Missbrauch  beigelegt  worden,  und  noch  beigelegt 
wird,   so  sind  Tataren   und  Mongolen  ursprünglich  ein  und 
dasselbe   Volk,   jenes    der    ältere    unterjochte,     dieses    der 
jüngere    unterjochende  Zweig.     Die   Türken    sind    vom  öst- 
lichen  Altai,    die  Tataren    vom.  Baikalsee  ausgezogen,    die 
Mongolen  am  westlichen  Kentei ,  von  den  Quellen  des  Onon 
und  Kerulon,    wo    im.  bewaldeten  Gebirge  Bnrhan  Kaldnn 
die    Geburts  -    und    Grabstätte    Tschengischan's.      Nachdem 
Tschengischan  die  ihm  feindliche^  Stämme  der  Tataren  und 
ihre  Verbündeten  vernichtet  oder  unterjocht,  nachdem  seine 
Herrschaft  durch  Sieg    und  Eroberung   von    den  ufern  des 
vaterländischen  Sees   Dalai  Nor    bis   an  die  des  persischen 
Sees    von    Meragha    über    siebzig    Längengrade    ausgedehnt 
war ,    buhlten    die    unterjochten  Völker  um  die  Ehre ,    dem 
siegenden  und  erobernden ,    dem  gesetzgebenden  und  herr- 
schenden   anzugehören ;    Türken    nnd    Tataren   zählten   sich 
nun  den  Mongolen  bei,   wie  diese  in  ihren  Stamniregistern 
sich  früher  den  Türken  angeschlossen,  wiewohl  beide  durch 
die  nicht  zu  überspringende  Kluft  von  verschiedener  Sprache 
und  Gesichtsbildung  von  einander  scharf  gelrennt.     Tataren 
wollten  Mongolen,  Türken  Tataren  heissen ;    hingegen  pro- 
testirten  die  Mongolen  wider  i\en  Namen  von  Tataren ,  wie 


6  E  r  s  t  e  s     B  u  c  li. 

noch  heute  die  Osmanen  Mider  den  von  Türken.     Die  Eitel- 
keit, altem  Geschlec!ite  anzugehören,    und  Adelstolz  (der- 
selbe   bei    Völkern,    wie    bei    Individuen J ,    bringt    durch 
Ahnen-    und    Namen- Verraengung    in    die   Stammtafeln  von 
beiden   nur    Irrthum    nnd    Verwirrung  '}.     Eben    so    richtig 
als  lichtvoll  ordnet  der  grosse  Geschichtschreiber  der  3Ion- 
golen,  Reschideddin,   Anfangs  seines  Werkes  eine  Ceuturie 
von  Stämmen  ,    welche    zu   seiner  Zeit   alle  auf  den  Ehren- 
namen von  Mongolen  Anspruch  machten ,  ausser  den  Türken 
(denen    er   die   üighuren    der  Sprache  nach  beigezählt)  in 
drei  Klassen,    nämlich    in  Tataren  (^desselben  Stammes  nnd 
derselben  Sprache,  wie  die  Mongolen),  welche  ursprünglich 
den    Namen    von    Mongolen    nicht    führten ") ;     zweitens   in 
Völker  verschiedenen   Ursprungs,    welche,    weder   Tataren 
noch  Mongolen,    den    ^Vamen    der    letzten  der  Aehnlichkeit 
wegen  annahmen,  wie  die  Tiirhnanen  den  der  Türken ,  und 
die  daher   am    bessten    Mogolnianen   genannt    würden,    weil 
sie  an  die  Mongolen  mahnen ^^  ^    wie  jene   an  die  Türken; 
drittens  in  die  eigentlichen  Mongolen,  welche  wieder  in  zwei 
Abtheilungen  zerfallen,  nämlich  in  die  31ongolen  Durlegin, 
der  neun  Geschlechter  vor  Alanhoiva ,  der  neunten  Ahnfrau 
Tschengischan's,    und    die  Mongolen  Nirun ,    deren  Stamm- 
väter alle  aber  Nachkommen  ^/fl/iZ^'0?r«'s.     Esistnöthig,  den 
Leser  wenigstens  mit  einem  Viertel  der  Centurie  von  Stämmen, 
die  zur  Zeit  Reschideddin's,    d.  i.  Anfangs  des  vierzehnten 
Jahrhunderts,    bestanden,   bekannt   zu    machen,    mit    denen 
nämlich,    welche   ihre    Berühmtheit    vor-  anderen    entweder 
ihren  Heiden  und  Frauen,  ihrer  Freundschaft  für  oder  ihrer 
Feindschaft   gegen   Tschengischan ,    ihrer    Opposition   oder 
Verschwägerung  mit  dessen  Hause  danken. 


•J  Lcurs  fils  actuellement  s'imaginoient,  qu'ils  avoient  ete  connus 
aussi  autrefois  sous  le  uom  de  Mogols,  Rechideddin.  Journal  asiat, 
-)  Des  peuples  turcs  qu'on  iionime  maintenant  3Iogols,  niais  dont 
chacun  anciemiement  avoit  ua  nom  particulier.  Rechideddin.  Journ. 
asiat.  3)  Be  M%liol  meinende  schiide  end ,  welche  den  Mongholen 
ähnlich  waren,  an  dieselben  mahnen,  denn  das  persische  Meinende 
und  das  deutsche  Mahnende  ist  eins  und  dasselbe. 


E  r  K  t  e  «     n  u  c  li.  7 

Von    den    ursprünglichen    tatarischen    Stämmen  nennen  vie  Stämme 
wir  zuer'st    den    sechsgethejlten    Stamm    der   Tataren  selbst'    '''"''"■  "'"^ 
von  denen    einer    Tschagfi/an   Tatar,    d.  i.    die  weissen  Ta- 
taren'),   hiess,    im    Gegensatze    der    übrigen,    welche    die 
schwarzen  genennet  werden;  in  der  Folge  wurde  der  Namen 
der    weissen    Tataren    auch    den    Uiguren ,    welche   Türken, 
und     anderen    türkischen    Stämmen    beigelegt,    sowie    den 
Mandschu's    der    Namen  der  Sui  Tatar,    d.  i.  der  Wasser- 
oder  schlechten  Tataren  ,  die  mächtigsten  und  gefährlichsten 
der  Feinde  des  Hauses  Tschengischau's,  welcher  bei  seiner 
Geburt    den    Namen    Temudschin    erhielt,     weil    am    selben 
Tage  sein  Vater  Jesuhai  Behadir  einen  tatarischen  Fürsten, 
Temudschin,  geschlagen  und  gefangen  gemacht.     Der  Namen, 
den  er  trng ,  «ron    dem    am    Tage   seiner    Geburt  besiegten 
Tatarfürsten  hergenommen,   und    die   in    seiner  Jugend  von 
den  Erbfeinden  seines  Stammes  erlittenen  Unbilden  spornten 
den  Sohn  Jesukai's    zur    Rache    und    zum   Vertilgungskriege 
wider  diese  unversöhnlichen    Feinde    seine«  Hauses  an;    sje 
wurden  vernichtet,  und  nur  ihre  Weiber  gingen  als  Trophäen 
in  das  Frauengeraach  Tschengischan's  und  seiner  Söhne  über. 
Zwei    der    fünf   Gemahlinnen  Tschengischan's.    Jisnlim  und 
Jistebit ,  und  eine  seiner  Beischläferinnen,  ^jutter  seines  al.*) 
Kind  verstorbenen  Sohnes   Uradschngan,  waren  Tatarinnen, 
so  auch  eine  Frau  seines  Bruders  Dschtidsehi  Kasar ,  seines 
Sohnes    Batu    und     Tudai   Mengku's,     des     Herschers    von 
Kipdschak.  Die  beiden  Gemalilinnen  Tschengischan's  erflehten 
von  ihm  das  Leben  zweier  Kinder  ihres  Stammgenossen  Kuli 
nnd  seines  Bruders   KaramengUit ,    welche    beide    gross  ge- 
wachsen, den  Dienst  von  Bairerdschi ,  d.  i.  Tafelderker,  be- 
kleideten.    Kuli  genoss    des  grössten   Ansehens   und  scliloss 
sich  nach  Tschengischan's   Tod    an    die    grosse   Fran   Sijur- 
kukteni ,  die  Gemahlin  Tuli's ,  welche  ihn  zum  grossen  Emir 
des  Lagers    und    Obersthofmeister    Sijiilitn's' )  ^    des  Sohnes 


')  Dieser  Umstaüd  ist  bisher  allen  mongolischen  Gescliicht- 
schreibern,  welche  sich  über  den  Ursprung  des  N;iuieiis  der  weissen 
uod  schwarzen  Tatareu  den  Kopf  zerbrochen .  eatganj:c!i.  -)  An 
auderen  Orten  heisst  er  Suugtai. 


8  E  r  s  t  e  s     B  u  c  h. 

Tults,  ernannte.  Sali,  der  Sohn  Karamengku's,  erscheint 
unter  der  Regierung  Mengkukaan's ,  gleich  beim  ersten 
Feldzuge  Huiagu's,  als  Sicherer  des  Rückens  des  Heers  an 
der  indischen  Gränze;  bei  Tschengisclian  selbst  aber  galt 
mehr ,  als  die  beiden  von  seinen  beiden  Gemahlinnen  zum 
Leben  erbetenen  obgenannten  Kinder,  und  mehr  als  die  beiden 
Frauen  AkutuUus ,  der  Tatare  Kutku  Nujan;  von  Tsche/igis- 
chan  als  Findelkind  angenommen  und  seiner  ersten  Ge- 
mahlin, noch  ehe  sie  ihm  einen  Sohn  geboren,  zur  Pflege 
empfohlen,  hatte  sich  Kutku  schon  als  zwölfjähriger  Knabe 
Tscher)gisclian's  besondere  Zuneigung  durch  seine  Tapferkeit 
erworben ,  indem  er  taidschutischen  Dieben  ilire  Beute  ab- 
jagte, und  als  fünfzehnjähriger  Jüngling  mitten  im  tiefen 
Schnee  allein  dreissig  Hirsche  erlegt  hatte,  fir  durfte  den 
Tschengisehan  Itsche j  d.  i.  Vater,  und  dessen  Gemahlin 
Ikej,  d.  i.  Mutter,  nennen.  Ogotai ,  der  Sohn  und  Nach- 
folger Tschengischan's,  gab  ihm  den  Ehrentitel  eines  Prinzen, 
Aka ,  mit  dem  Vorsitze  vor  seinen  eigenen  Söhnen ,  nnd 
noch  achtzigjährig  versall  er  das  Amt  des  Oberrichters  nach 
seinem  Wahlspruche  :  Fürchte  Nichts  und  sprich  Recht. ') 
Die  Tataren  sassen  an  der  Gränze  China's,  dessen  Kaisern 
sie  meistens  steuerpflichtig  waren. ^ )  2.  Der  zweite  feind- 
liche Stamm,  welchen  Tschengisehan  wie  die  Tataren  als 
unversöhnliche  Feinde  mit  Vernichtungskrieg  zu  Boden  trat, 
war  der  in  vier  Zweige  getheilte  der  Merkit  oder  Mekrit, 
auch  Udujat  genannt,  denen  die  Solongos  beigezählt  wurden. 
Ihr  Fürst  Tuklaibeg  fiel  mit  sechs  seiner  Söhne  als  Opfer 
der  unversöhnlichen  Feindschaft.  Selbst  der  jüngste,  welchem 
als  einem  trefflichen  Bogenschützen  Dschudschi ,  der  älteste 
Sohn  Tschengischan's,  das  Leben  retten  wollte,  musste  hin- 
gerichtet werden  auf  ausdrücklichen  Befehl  des  Vaters, 
welcher  dem  Sohne  diese  Müde  nie  vergab.  Tairosim^  einer 
der  Ersten  des  Stammes,  gab  dem  Tschengisehan  die  Tochter 
Kulan  zur  Frau,  welche  ihm  den  Sohn  Kulkan  gebar.  Vom 
Schwiegervater  bekriegt,  verlor  Tairosim  die  Schlacht,  und 


')  Meters  u  rast  gui.     -)  Reschideddiii. 


E  r  s  t  e  s     B  u  c  h.  9 

seine  Frau  Turakina ,  welche  dem  Sohne  Tscliengischan's 
beigelegt  wurde,  eine  der.grössten  mongolischen  Frauen, 
verschaffte  als  Regentin  nach  Ogotai's  Tode  ihrem  Sohne 
Gujuk  (dessen  Gemahlin  ebenfalls  eine  Merkitin)  die  Herr- 
schaft. Die  Sitze  der  Merkit  waren  im  Osten  des  mongo- 
lischen Stamragebietes  am  linken  Ufer  der  Selmga. 

Der  zehngetheilte  mächtigste  Stamm  der  Dschelairen,  Die  Stämme 
welche  in  dem  Stammgebiete  des  Hauses  Tschengischan's  ^^^^'J^-^'^' 
am  Ocean,'in  siebzig  Ringen,  wie  die  Avaren,  jeder  Ring  j^rgliod, 
tausend  Familien  stark,  sassen,  ist  einer  von  der  ältesten  üirat. 
bis  in  die  neueste  Zeit  durch  historische  Namen  und  Be- 
gebenheiten merkwürdigsten.  Die  Nachkommen  des  Brüder- 
paars Dschudschi  Tumle  und  Dschudschi  Dschawerhai,  welche 
der  Änlass  des  Kriegs  Tschengischan's  mit  den  Taidschuten, 
haben  unter  den  persischen  Ilchanen  zahlreiche  und  wich- 
tige Aemter  des  Staats  und  Hofs  bekleidet;  Kadan ,  der 
Dschelaire  vom  Gefolge  Tschengischan's,  hatte  zwei  Söhne, 
Ihik  und  Ildschikitai ,  wovon  jener  Atabeg,  d.  i.  Obersthof- 
meister, des  Sohnes  und  zweiten  Nachfolgers  Tschengischan's, 
Ogotai's ;  dieser  schätzte  ihn  sehr  hoch,  erlaubte  ihm  aber  nicht, 
den  Bruder  Ildschikitai  zu  tödten,  der  sich  vor  ihm  ebenfalls 
zu  Ogotai  geflüchtet.  Auf  dem  Landtage  der  Wahl  Mengku- 
kaan's  spielte  Ildschikitai  eine  höchst  wichtige'Rolle,  indem 
er  die  Rechte  des  üluses  Ogotai's  auf  den  Thron  wider  die 
Ansprüche  des  Uluses  Kubilai's  vertheidigte ;  im  Gegentheile 
leistete  der  Dschelaire  Mingkasar  Niijan ,  aus  dem  Zweige 
der  Dschat,  Grossfürst  und  Oherrichter  Mi'afarakain'sj,  dem 
Kubilni  bei  dem  nach  dessen  Thronbesteigung  über  Ma- 
jestätsverbrechen gehaltenen  Gerichte  die  grössten  Dienste, 
indem  er  über  die  widerspenstigen  Prinzen  der  üluse, 
Dschaghatai  und  Ogotai ,  das  Todesurtheil  aussprach.  Der 
Dschelaire  Dauldu  war  Vogt  der  vier  grossen  Lager  Tschen- 
gisclian's  und  befehligte  eine  Ssade ,  d.  i.  Ceuturle,  in  jedem 
HesarCj  d.  i.  Regiment  von  tausend  Mann;  endlich  das 
Brüderpaar  Olai  Kalschu  und  Karadschai,  die  Schafliirten 
Jisukai's,  des  Vaters  Tschengischan's,  denen  er  sich  immer 
sehr  dankbar  bewies,   weil  sie  seine  in  die  Gefangenschaft 


10  E  r  s  t  e  s     B  u  c  lt. 

der  Merkit  gerathene  Gemahlin  sicher  zu  Owangchan,  dem 
Fürsten  der  Kerait,  geleileten ;  auf  dem  Rückzuge  genas 
sie  vom  Erstgebornen  Tschengischan's,  welchen  dieser,  weil 
die  (^von  Verläumdern  sogar  als  zu  spät  verdächtigte^  Geburt 
des  Sohnes  unerwartet  kam,  Dschudschi ,  d.  i.  den  unver- 
liofften  Gast,  nannte.  Tschengischan  wollte  in  der  Folge 
das  Brüderpaar  mit  Aemtern  belohnen;  sie  zogen  aber  vor, 
in  ihrem  Stande  zu  bleiben  und  als  Hirten  seines  Ver- 
trauens zu  geniessen ;  aus  ihren  Nachkommen  ist  Seriak_, 
der  Fürst  des  Lagers  zur  Zeit  Arghunchan's ,  des  fünften 
der  persischen  lichane,  und  von  Katschar ,  dem  Sohne 
Sertak's,  leiten  die  heutigen  Schache  Persiens  ihre  Dynastie 
als  eine  zweite  des  Stammes  der  Dschelaire  ab;  denn  eine 
frühere  hatte  nach  Zertrümmerung  des  persiscJien  Reichs 
der  Ilchane  der  Dschelaire  Hasan  (beigenannt  der  Grosse, 
zum  Unterschiede  von  Hasan  D  schob  an ;,  aus  dem  Stamme 
Suldu's  ,  welcher  Stifter  der  Dynastie  Dschoban  der  Kleine 
beigenannt  ward}  in  Persien  gestiftet,  welche  von  der  ge- 
scliwäcliten  Macht  der  Ilchane  Nichts  als  den  verstärkten 
Titel  als  Ilkaane  führten.  Aus  dem  Stamme  der  Sum't, 
welcher  noch  heute  unter  diesem  Namen  an  der  cliinesischen 
Gränze  sitzt,')  war  Dschnnnaghun ,  welchen  Ogotai,  nach- 
dem /?scAe6e#und  Subetai  von  ihrem  persischen  Feldznge 
über  Russland  nacli  Hause  gekehrt  waren,  als  Befehlshaber 
Statthalter  nach  Persien  gesandt.  Nicht  minder  mächtig, 
als  der  Stamm  der  Dschelairen  ,  war  der  der  Uirat ,  deren 
Sitz  zwischen  den  acht  Flüssen,  die  sich  in  die  untere  ^wÄ-or/*« 
ergiessen^),  wo  noch  heute  ihre  Nachkommen  unter  ^tm 
verwandten  Namen  der  Biiirat ,  von  allen  Stämmen  der  mit 


'3  Weg  durch  die  Gebiete  der  Sunit  Mongolen  nach  Tkmkowsk3- 
in  Ritters  Asien  II.  S.35Ö,  auf  LfAnville's  Karte  Souhit,  bei  Ssetsen 
Ssunid.  *)  Sekts  Muran,  bei  Ahulghasi  sind  die  Naniea  derselben 
sehr  verstümmelt,  bei  Reschideddin  sind  doch  wenigstens  vier  der- 
selben zu  erkennen,  nämlich  die  Irkiit  im  Ikra  MuraHj  die  Oka 
im  Aka  Muriiii ,  die  Jiielfi  im  Tschaghmn  Muran  ^  A.  i.  \Veissfluss, 
die  obere  Tunf/usku  in  Dschurdsche  Miirau  (Dschurdsche  ist  der 
Namen  der  Tuugusen").  endlich  die  Ankara  und  der  Kern  (Jenisei). 
in  den  sie  fällt,  ganz  unveränrieri. 


Erstes     B  u  c  h.  11 

dem  Hause  Tschengischan's  am  meisten  verschwägerte,  indem 

achtUiratinnen  in  das  Haus  Tschengischan's  verheirathet,  und 

sieben   Prinzen  desselben   an    Uiratinnen    vermählet    waren. 

Die  Grossmutter  Tschengischan's,  die  Frau  Sunigü  Fntschin, 

war  aus  dem  Stamme  der   Torghut  oder   Torghody   welcher 

noch  heute  ein  Zweig  der  Kalmuken  oder  Oeluet  (das  nur 

die  chinesische  Sprache    für   Uirat)    und    deren    Andenken 

in   Kieinasien    (wohin    sie    mit   Timur's    Heere   kamen)    im 

Namen  des  Sandschaks   Torghud  lli  fortlebt. 

Drittens  die  Stämme  der  Mogholmaneti,  d.  i.  der  Völker,  Ber   Stamm 

welche  weder  Tataren  noch  Mongolen,  mit  den  letzten  ver- <^<^»'    ^^(^rait, 

,        .    ,  ^  rk«        Bekrin, 

bunden,  auf  den  Namen  derselben  Anspruch  machten.     Uie     -.,.„,„. 
'  ^  i\ciiin(iii } 

mächtigste  dieser  Völkerschaften,  die  von  nestorianischen  yy„^,/,„f„„^ 
Priestern  zum  Christenthum  bekehrte'}  der  Keraü;  ihres  tujhur. 
Fürsten  chinesischer  Ehrentitel  Owang  Chan  erhielt  durch  die 
Missionarien  des  Mittelalters  alsPriester^/oa/zwes  keine  mindere 
Berühmtheit,  als  in  früherer  mythologischer  Zeit  der  Fisch 
Oajines  als  Gesetzgeber  an  der  Küste  des  rothen  Meeres; 
die  Hauptstadt  derselben  war  die  Stadt  Thianto  am  Flusse 
Hoangho,  d.  1.  am  gelben  Flusse,  das  Land  Tendum'^)  Marco 
Polos;  die  Geschichte  Owang  Chan's  und^  seines  Bruders 
Hakembo^^  ist  auf  das  engste  mit  der  Geschichte  Tschen- 
gischan's verbunden,  welcher  erst  der  Verbündete  Owang 
Chan's  ,  in  der  Folge  denselben  ,  weil  er  den  Feinden 
Tschengischan's  Gehör  gegeben,  bekriegte  und  vom  Throne 
stürzte.  Vergebens  hatte  Tschengischan  früher  die  beiden 
Nichten  *)  Owang  Chan's  für  sich  und  seinen  ältesten  Sohn 
Dschudschi  als  Gemahlinnen  begehrt;  sie  waren  ihm  ver- 
weigert worden,  sowie  die  Hand  der  Enkelin  Owang  Chan's 
aus  dem  Sohne  Si?ikun;  aber  die  beiden  Töchter  Ettiku'Sj 
des  Bruders  Shikmi's,  die  Frauen  Tokus  und  Tukinij,  wurden 


')  l);is  Christeatliumdesselbeu  bezeugt llescliideddiii  ausdiücklicli: 
daaweti  Isa  peigliamber  aleilii  selani  ha  ischan  reside  \ve  bedini  wei 
der  ainedend,  d.  i.  der  Ruf  (der  Mission)  des  Herrn  Jesus  des  Pro- 
pheten kam  zu  ihnen  und  sie  nahmen  dessen  Glauben  an.  -)  Ueher 
das  Land  Tendttm  M.  Polo's  in  Ritters  Asien  I.  8.  248  —  -'56  nach 
Klaproth.     ')  Bei  Ssetseu.     ")  Abika  und  Begtutmisch. 


12  Erste  s     B  ii   c  h. 

beide  die  Gemahlinnen  Hiilagii's ,  und  die  dritte  Nichte 
Owang  Chan's,  die  Schwester  der  dem  Tschengischan  und 
seinem  ältesten  Sohne  verweigerten  beiden  Prinzessinnen, 
war  die  berühmte  Sijurkukteni  ^^ ,  unstreitig  die  grösste  aller 
mongolischen  Frauen  ,  welche  durch  ihre  Staatsklugheit  dem 
Uluse  Kubilai's  den  Thron  verschaffte;  Mutter  vier  der 
grössten  Fürsten  der  mongolischen  Geschichte,  nämlich  der 
Kaane  Mengku  mwA^  Kiibilai ,  Aü&\[c\\2ii\&  Hulagu ,  Gründers 
der  mongolischen  Dynastie  in  Persien,  und  Arikbtika's,  der 
als  Nebenbuhler  den  Brüdern  den  Thron  streitig  machte. 
Auch  Bat  Tetigri ,  der  Stiefvater  Tschengischan's,  welcher 
um  die  Hand  der  Keraitin  Kadan  geworben ,  erhielt  einen 
Korb,  wie  Tschengischan  und  Dschudclii ,  von  der  Nichte 
Owang  Chan's.  Die  nächsten  südlichen  Nachbarn  der  Kerait 
waren  die  ünkut ,  d.  i.  die  Wächter  der  grossen  chinesischen 
Mauer;  ihr  Fürst  Alalusch,  Verräther  an  seinem  Herrn, 
dem  chinesischen  Kaiser  Altun  Chan,  öffnete  dem  Heere 
Tschengischan's  den  Durchgang,  und  erhielt  dafür  die  Hand 
Olakai  Begis,  der  Tochter  Tschengischan's,  deren  Sohn 
später  mit  der  Tochter  Tuli's  vermählet  ward;  die  ünkut 
waren  mit  dem, Hause  Tschengischan's,  wie  die  Stämme  der 
Virat  und  Kerait ,  durch  Verschwägerung  eng  verbunden. 
Wie  die  ünkut  in  der  Nähe  der  Kerait  längs  der  chinesischen 
Mauer,  so  sassen  diesen  westlich  die  Naimaii,  deren  be- 
rühmter Fürst  Kuschluk  Chan  einer  der  erbittertsten  und 
mächtigsten  Feinde  Tschengischan's  sich  wider  denselben, 
mit  den  Fürsten  von  acht  anderen  Stämmen  er  der  neunte, 
verbündete.^}  Kuschluk's  Tochter  Linktim.  ward  die  Ge- 
mahlin Tuli's,  Mutter  seines  dritten  Sohnes  Ä^m^?//«^?/ ;  auch 
Tuli's  Beischläferin  '),  die  Mutter  seines  achten  Sohnes 
Muke ,  welche  aber  an  desselben  Statt  den  vierten  Sohn 
Kubilai  säugte,  war  eine  Naimanin.    Die  Bekrin  oder  Mekrinj, 


')  Sijurkukteni,  die  Gemahlin  Tuli's,  war  nicht  die  Tochter, 
sondern  die  Niclite  Owana;  Chan's;  bei  Ritter  I.  S.  297  Mird  sie 
mit  Turakina,  der  Gemahlin  Ogotai's  ,  vermengt.  ^)  Unter  denen 
die  Kerait,  Merkit,  Uirat,  Dschadscherat  Tatar,  Katkin,  Durba», 
Saldschiut.     ')  Je.ksarik  oder  Niksarit. 


Erstes     Buch,  ]3 

welche  weder  Mongolen  noch  tTjghureii ,  sassen  im  Lande 
der  letzten  (  in  der  kleinen  Biicharei  J.  Tschengischan  nahm 
Murkai ,  die  Tochter  ihres  Fürsten ,  zur  Frau,  welche  nach 
Tschengischau's  Tode,  von  seinem  Sohne  und  Nachfolger 
Ogotai  vor  seinen  anderen  Gemahlinnen  geliebt,  dem  Bruder 
Dschagatai ,  welcher  sie  Ton  ihm  begehrt  hatte,  verweigert 
ward  ;  auch  die  Gemahlin  Kaschin's ,  des  fünften  Sohnes 
Ogotai's,  die  Mutter  Kaidu's,  des  Vaters  von  vier  Söhnen, 
welcher  in  der  Geschichte  des  Uluses  Dschagatai  als  Herr- 
scher auftrat,  war  aus  dem  Stamme  Mekrin.  Tixx  den  Moghol- 
manen zählt  Reschideddin  auch  die  Kirgisen  und  Kemdschiuty 
welche,  Türken '^  ^^i^  '^Jß  Ungut ^  in  Sibirien  und  an  dem 
Kern  oder  Jenisei  sassen ,  von  welchen  sie  ihren  Namen 
haben.  Die  Tanghut  im  Gebirgslande  an  der  sinesischen 
Gränze,  deren  Hauptstadt  JSinghia  am  Ufer  des  gelben 
Flusses.  Tschengischan,  welcher  in  vier  Feldzügen  die- 
selben nicht  zu  unterjochen  im  Stande  gewesen,  starb  auf 
dem  letzten ;  und  endlich  in  der  kleinen  Bucharei  die 
IJighuren ,  deren  Sprache  türkisch,  deren  Religionslehre 
aber  auf  tübctanische  hinweist,  ein  schriftgelehrtes  Volk, 
von  welchem  die  Mongolen  Schrift  und  Belehrung  annahmen. 

Alle  wirklichen  Mongolen  behaupteten,  unmittelbar  von         />/g 
Tegus  und  Kijan  abzustammen,  welche  einige  Jahrhunderte     JUirleciin , 

tor  Tschengischan    sich  mittels  eines  Durchbruchs  aus  dem   '^*''*«'"  ^"^- 

n         !_•  n  1  1        n     •      ..     .   I     •>    .1  brück  aus 

Erzgebirge   von   Ergenekun ,    aus    der   Bothmassigkeit  ihrer  „          . 

Sieger   und    Zwingherrn    befreit    hatten.     Ein  Paar  tausend 

Jahre  vor  Tschengischan,  so  erzählt  die  Volkssage,    waren 

die  Mongolen  von  ihren  Feinden ,  den  Tataren  ,  bis  auf  zwei 

Männer  ausgerottet  worden,  deren  einer  Tegus,  der  andere 

Kijan,  d.  i.  Strom,  hiess;  sie  flüchteten  in  ein  rundum  von 

steilen  Felsen  umschlossenes  Thal,  wo  sie  im  Verlaufe  von 

Jahrhunderten    sich    vermehrend ,    ihres    Bergkerkers    und 

Bergbaues  endlich  müde,    den  Ausgang  aus  demselben  sich 


')  Tiirkea  sind  auch  die  Turkatun ,  eine  Art  Wachen,  deren 
mir  Abuli/liasi  und  nicht  Reschideddin  erwähnt,  die  Tilenrfut  C^'ekiüt), 
welche  Reschideddin  unter  den  Tataren,  und  die  Maiikut,  die  er 
mit  den  Xirunen  aufzählt. 


14     -  K  r  s  t  e  s     B  11  c  li. 

nur  dadurch  bahnten,  dass  sie  mit  siebzig;  Blasbhigen  die 
Flamme  aufgescliichteter  Holzstösse  gegen  die  Erzwnnd 
trieben ,  bis  dieselbe  schmolz  und  ihnen  freien  Ausweg  aus 
dem  Gebirge  gewährte,  dessen  ?iamen  Ergenekun  als  festes 
Gewölbe  oder  auch  als  Gewölbe  der  Ktinen  übersetzt  werden 
kann;  in  der  mongolischen  Volkssage  und  in  ihrem  auf  die 
Türken  gepfropften  Starambaura  scheint  die  geschichtliche 
Wahrheit  der  Unterjochung  und  Vertreibung  der  Hiongnu, 
d.  i,  Kunen,  aus  ihrem  Reiche  am  Inschan  gegen  Norden  am 
Altai,  wo  sie  lange  Zeit  in  dunkler  Knechtschaft  für  ihre 
Sieger  Bergbau  trieben,  verlarvt  zu  seyn.  Das  Erzgebirge 
Ergenekun  ist  von  europäischen  Forschern  mongolischer 
Geschichten  theils  am  Kokonor  '^,  d.  i.  am  blauen  See,  in 
Tangut  im  Süden  der  grossen  Sandwüste  Schamo  oAer  Kobi. 
theils  im  Nordosten  derselben  am  See  DalaC^^,  d.  i.  am  hei- 
ligen See,  in  welchen  sich  der  Kerulon  ergiesst,  gesucht 
worden;  dort,  weil  noch  heute  die  steilen  Ufer  des  Sees 
von  den  Mongolen  Giinergi  ^^  genannt  werden,  hier,  weil 
der  in  den  See  mündende  Kerulon  aus  demselben  unter  dem 
Namen  Ergun  ausfliesst^),  und  weil  die  Berge  am  mittleren 
Unun  metallreich,  wie  der  Inschan,  an  welchem  die  Herrscher 
der  Hiongnu  oder  Kunen  ihre  Waffenarbeiter  unterhielten  ^^  5 
aber  wahrscheinlicher  ist  dieses  Erzgebirge  weder  hier  noch 
dort,  sondern  am  Altai  zu  suchen,  aus  dessen  an  Gold  wie 
an  Eisen  so  reichhaltigen  Felsenfhälern  die  Türken  im 
sechsten  Jahrhundert  der  christlichen  Zeitrechnung  in  der 
byzantinischen  Geschichte  auftauchen;  dorten  ist  der  Felsen- 
damm von  Gog  und  Magog,  welchen  die  alte  mongolische 
Geographie  und  Geschichte  bis  an  die  kaukasischen  Pforten 
zieht,  und  hinter  welchen  persische  Geschichtschreiber  und 
Dichter    den   Bergkerker    der   Mongolen  verlegen  *} ;    doch 


■)  Schmidt's  Geschichte  der  Mougoleu  S.  227  und  372,  und  Ritter 
s.  ebendas.     ^-j  u'Ohsson  Hist.    d.  Mongols   I.  p.  22  notes  und  nach 
demselben  Ritters  Asien  I.  430.     3)  Degui;;;nes  L.  I.  p.  U6. 
")  Im  Damme  Goj;  versperret  waren  die  Mongolen, 

Und  nahmerf  dann  in  Anspruch  Würd'  und  Stamm  der  Türken. 

Kemal  Ben  Glntjass. 


Erstes     Hu  i-  ii.  J5 

gleichviel,'  seyeii  die  Mongolen  ursprünglicli  vom  Inscliaii 
oder  Kiiischan  (so  nennen  die  Chinesen  den  Altai^  ausge- 
brochen, seyen  sie  von  den  Ufern  des  blauen  oder  lieiligen 
Sees  ausgegangen,  das  Andenken  an  diesen  Auszug  der  Väter 
aus  der  Bergsclaverei  lebte  von  Geschlecht  zu  Geschlecht 
fort  (h\9  auf  den  heutigen  Tag);  das  Fest  des  Auszugs 
ward  alljährlich  in  der  Naclit  vor  dem  neuen  Jahrestage  als 
ein  Fest  der  Bergleute  und  Schmiede  gefeiert.  Glühendes 
Eisen  wurde  in  Gegenwart  des  Herrschers  gehämmert  und 
Gott  für  den  Auszug  aus  dem  Erzgebirge  gedankt;  später 
maclite  die  Volkssage  den  Tschengischan,  den  Gründer  der 
Grösse  seines  Volkes,  selbst  zum  Schmiede  '},  und  am 
Berge  Tarchan ,  d.  i  der  Schmied,  welcher  auf  sieben 
deutsche  Meilen  sichtbar,  aus  rothem  Granite  als  Riese  den 
Eingang  der  grossen  Sandvvüste  bewacht,  wird  noch  der 
Ambo's  bewahrt,  auf  welchem  Tschengischan  der  Erste  das 
Eisen  gehämmert;  nicht  ferne  vom  Berge  Tono ,  d.  i.  der 
Kauclifang,  wird  noch  an  den  Ufern  des  Kerulon  der  Rauch- 
fang der  Jurte  gezeigt,  in  welcher  er  geschmiedet')  haben 
soll.  Auch  in  der  aJtpersischen  Geschichte  war  der  Befreier 
des  Volkes  von  der  Tyrannei  Soliaks  der  Schmied  Gjawr, 
dessen  Schurzfell  erst  Freiheitsfahne,  dann  das  Reichspanier, 
und  im  Mongolischen  ist  Tarchan  j,  d.  i.  der  Schmied,  gleich- 
bedeutend mit  Freiherr.  ^ 

Die   Mongolen ,    welche   von    den    Altvordern    stammen,  »/<,  Stämme 
die  aus  dem  Erzgebirge  Ergenekun  zogen,  heissen  Diirlegin,         der 
bis  ^ni  Alanhowa,  die  neunte  Ahnfrau  Tschengischan's,  deren   ^'^'""(f^ut 

Nachkommen  aus  ihren  drei  Söhnen,  die  sie  vom  himmlischen   r-       .  •    * 

hoiufhjrat. 

Lichte  empfangen,  die  JSiiunen,  d.  i.  die  Reinen,  heissen; 
von  allen  mongolischen  Stämmen  für  den  Mythologen  und 
den  Geschichtschreiber  des  Aberglaubens  der  Völker  merk- 
würdigster Stamm  ist  der  der  Virangkut ,  die  einzigen 
Mongolen,  welche  nicht  vor  dem  Donner  zitterten,  sondern 
den  Blitz  mit  Fluchen  beschworen;  alle  anderen  fürchteten 


')  Kubruquis    und    Timkowsk3-.       ')   Timkowsky's    Reise    nach 
Chiua.     Wien  i82b.     l.  B.   S.  22ci.  244.     II.  14. 


10  E  r  s  t  e  s     B  u  c  li. 

den  Wetterstrahl  als  einen  feurigen  Drachen,  der,  aus  dem 
Meere  steigend  ,  die  Luft  durchzieht  und  die  Erde  mit  feu- 
rigem Schweife  schlägt'^;  sie  glaubten,  dass  ausgegossener 
Wein,  süsse  und  sauere  Milch  und  Trocknung  von  Schuhen 
ien  Blitz  herbeiziehe,  wesshalb  dieselben  in  freier  Luft  zu 
trocknen  verboten  war ;  diese  Meinung  und  dieses  Verbot 
zeugt  für  die  Fürchterlichkeit  der  Ungewilter  in  jenen  Ge- 
birgen und  Seen,  und  für  die  frühe  Erfahrung,  dass  Feuch- 
tigkeit der  besste  elektrische  Leiter ;  aus  diesem  Stamme 
waren  die  meisten  Kamen,  d.  i.  Schamanen,  Beschwörer 
von  Ungewittern  und  Geistern;  aus  demselben  waren  Jisiin 
Tatschi  und  Jt'sun  Koke ,  Befehlshaber  des  linken  und  rechten 
Flügels  im  Heere  Tschengischan's,  Subutai  Behadir ,  der 
berühmte  Feldherr,  welcher  mit  Dschebe  Nvjan  die  sieg- 
reichen Waffen  der  Mongolen  durch  Persien  nach  Kipdschak 
trug,  endlich  Udadschij  der  Zeitgenosse  Tschengischan's, 
dessen  Nachkommen  im  Gebirge  Burhan  Kaldun  die  Grab- 
wächter des  tschengisischen  Familienbegräbnisses,  die  Wächter 
der  acht  weissen  Häusser  (^Ordu^,  welche  dort  in  der  Gegend 
Jehe  Utek  j  zwischen  der  Schattenseite  des  westlichen  Altai 
und  der  Sonnenseite  des  östlichen  Kentei,  aufgerichtet  wor- 
den'^, nach  aller  Wahrscheinlichkeit  die  Ahnen  des  in  der 
späteren  mongolischen  Geschichte  erscheinenden  und  noch 
heute  an  der  chinesischen  Gränze  sitzenden  mächtigen 
Stammes  der  Ordu^s^).  Wenn  der  Stamm  der  Unanghut 
so  merkwürdig  für  den  Mythologen  und  Ethnographen,  so 
ist  der  siebenzweigige  ^^  der  Konghirat  noch  weit  bedeu- 
tender in  der  Geschichte  Tschen^^ischan's  und  seiner  Nach- 


*)  Reschideddin  führt  dabei  die  folgenden  Verse  an  : 
Die  Donnerwolk'  als  Krokodil  die  Welt  durchläuft, 
Der  aus  dem  Meere  steigt  mit  Ingrimm  schwarz  beschweift, 
Sie  grinnet  als  ein  Drach,  der  Unheil  prophezeit, 
Und  zwischen  Gaum'  und  Zahn  nur  Rauch  und  Feuer  speit. 
^)  Schmidt's  Geschichte  der  Mongolen  S.  100.     ^)  Ebend.  S.  407. 
408. ;    über    Tschengischan's    Begräbuissort    s.   Ritter   I.    238.    482. 
504.  506.     *)  Konghirat,  Ikiras,  OUionut,  Karanuf,  Kurlas,  Kinkut, 
Ildscheqi)}. 


E  r  s  t  e  s     B  u  c  h.  l'Jf 

folger  durch  die  rielfältige  Verschwägerung  desselben  mit 
dem  Herrscherhause,  indem  ein  Dutzend  der  Frauen  des 
tschengischanischen  Hauses  aus  diesem  Stamme  in  alle  vier 
Uluse  vermählt  waren.  Die  Mutter  Tschengischan's  war  aus 
einem  der  Zweige  dieses  Stammes,  eine  Olkonutin,  und 
Tschengischan  vermählte  seine  Töchter  an  Konghiraten;  so 
gab  er  dem  Schingkn  Gtirgan  seine  Tochter  Tumalin  mit 
dem  Befehle  über  viertausend  Konghiraten,  eine  andere 
wollte  er  dem  Konghiraten  Tw/«  ^m«/ zur  Frau  geben ,  Hess 
ihn  aber  hinrichten,  da  dieser  den  Antrag  mit  dem  kühnen 
Worte  erwiederte:  Wie  soll  ich  deine  Tochter  nehmen, 
die  Frosch  und  Schildkröte  (quackend  und  duckmäuserisch 
sicher^.  Von  Bestui ,  dem  Stammvater  der  Konghirat  und 
der  sechs  mit  demselben  verwandten  Stämme,  schreibt  sich 
Alles,  was  in  der  mongolischen  Hofsprache  golden  heisst, 
her,  wesshalb  er  auch  Bestui  serin ,  d.i.  der  goldene,  bei- 
genannt wird;  daher  das  goldene  Lager,  das  goldene  Archiv, 
das  goldene  Gesicht  und  das  goldene  Zimmer  des  Herrschers. 
Aus  den  Kinklint ,  einem  Zweige  der  Konghirat,  war  Miser 
Uluk ,  von  dessen  Stärke  und  Gefühllosigkeit  Reschideddin 
seltsame  Anecdoten  erzählt;  drei  Tage  und  Nächte  schlief 
er  statt  der  Decke  mit  Muscheln  zugedeckt ,  so  dass  Vögel 
auf  seinen  Rücken  nisteten  und  Eier  legten;  sein  Sohn  war 
der  Stammvater  der  Kurulas,  aus  welchen  Merchitai  dem 
Tschengischan  den  wesentlichen  Dienst  leistete,  ihm  von 
der  Verschwörung  der  feindlichen  Stämme,  welche  den 
erbitterten  Feind  Dschamiika  zum  Gurchan,  d.  i.  zum  grossen 
Herrscher  ausgerufen  hatten ,  die  früheste  Kunde  zu  geben. 
Die  Gemahlin  Miser  Uluh's  war  eine  Chinesin,  deren  Namen  '  J 
die  auf  dem  Esel  reitende  Rose  bedeutete,  wesshalb  der 
Sohn  Ildschigin ,  d.  i.  Langohr,  genannt  ward,  der  Stamm- 
vater des  siebenten  Zweiges  der  Konghirat;  sie  hatten  ihre 
Sitze  an  der  chinesischen  Gränze  an  den  finsteren  Wäldern 
des  Gebirges  Hingan'^'),  woher  die  unter  dem  Namen  der 
Karawinas  berühmten  Naphtafeuerwerker, 

0  Udawkai  Jabudak.     ^)  In  Reschideddin  Karawhi,  Haidiin  oder 
Hidtin  ;  bei  D'Obsson  I.  Caraoun  Tchidouu  u.  p.  73  CaravouaCabdjal. 
IIaminei\,  Gesell ichtc  der  Ilchane.    I.  2 


m  K  r  -1  I  o  «     II  II  .    h. 

i>n>  Sti^mmc'  l^or    KdiiuMi    tl«'«    StHiiiinos    Ktnit^tau    lioissl    ilio  (iroNN- 

Ahwj*^**#.  iiH!(i(<|)(ou,  M«»  sowohl  (»fivslsrli  nis  iu<Mrtlls«'Ii  IMr  »lol«  iiiitl 
,  *  MninnHMt^llti  \«>rN«tiH(l<  n  ««  rdtn  ktimi.  '  )  Ans  «li»s«u  iiiid  «It'ii 
hi',,\iMn(  foli;t>iul<'n  Sjjimiiu'ii  «It-r  Ki  uU  .  Huscftiu  iiiul  Stil, ins  \\i\rvi\ 
l^^t«f.  «tlo  ho>N(«Mi  porsoiilirtini  Krouiitli'  TscIuMi^iiioliHirs,  tlio  uork 
<VH/t*«#A\  (liü(|j{Nirii  llolfoi'  Ht^iiirr  Jii^oiitl  tiiiii  firim'«  luHiiiilirlirii  Allrm. 
iMi^tt^ffk  //jtrAAt».  «im*  Kiiii^lAnr,  h:\Hc  nath  JisukMii  Tode 
tlr«  «Irrift^hnjcihrtjfou  t\fHiHthrhin  i;«'[>ll<'i;i.  srJu  SdIhi  tius  einer 
(Vülioreti  i:iio.  i!:it  t*t*tn  .  «I.  I.  (Jottrs  Klunltil«! .  Irnt  »Im 
lio^eUlrrlri*  Srhrtni.iiir  auf  mul  mm  \>.iiiii«li«>  im  >Amrn  tlf!« 
Iliuuurlü  «lr>i)  [\nuumi  rciuiul.schiu's  tiei  tlossoii.  Tlirotihosioi- 
^UH^  in  lWkt>Mfih .  «Is  jKlcii  hNrdeuttMui  mit  (»»•wnltlj'or. 
^rrtsisvr  l^hüii;  «Irr  »liestMU  jjrwoi^j'nsir  Stamm  «arni  dio 
f^W^  mlvr  Atttiml .  »I.  i  ili<>  t.nlin.  als  «loK-ii  (Mi.tknii 
TsrhoMjjIsehwn  i\c\\  Thron  t'oslioj;  '  ") ;  «us  iliosoiii  Sidmiiu' 
u«r  iiti^hnr*is<chtPi  .y^fj^u) ,  welcher  iiiil  Wi/r^Aw/  ,\>/;*im .  wus 
tl!(»iw  Stiiiuuut>  iler  //mjvtA^Vi  .  der  l.ehensretler  Temmlsehirrü. 
«U  vr  hhl(«|ie(eiul  luKlen  iii\  St  liiue  t\\  sit  ilten  («ettihr  lief, 
wofth'  h«M«le  In»  hiuhslen  An-iolien  stehnid  ht  iler  KoIj:e  als 
die  » «tVen^enossen  ,  die  ihm  nut  Quell  /i\j/t/>rAwwrt  Iren 
^eMi«>hen  w«n>«,  »m  T*wvAw»«*i#  ,  d.  I.  Frt»lhrrf«»« ,  |rt>iidelt^ 
dteselhv  Wrtrd«»  «U«t»  Diplout  erhielten  und  üher  l>i|)lonie 
<»rh«heM  erklärt  wurden;  aueh  den  j:an»en  freundliehen  Stamn» 
der  Kii'^kr'<('J  adelte  Tseheujcis  als  Freiherren,  wie  Kaiser 
fVledrie  h  1  .-die  biiw»  i'Iiner  einer  UalleMJselien  Stadt  »u 
<V«t»  erh«\t»;  «us  dem  niiht  minder  fieundlieh  jtesinnten 
SUmuto  der  Ihjnut.  welcher  in  *wei  Ahtheiluujjen  au  tler 
Seh'Hjf«  s«ss,  w«r  K^kffi  tiHr^att  ^  «»tner  der  Kidamr  iVchen- 
^i^Th«u^^  dtiinu  Otf^hts  AVml ,  d.  i  der  *IVuehs<»ss  M .  oh 
der  IMiiUidtrruujir  \\<>t  Seh«iU<>  des  ehiuesisehe«  Kaisers  Altan 
(Miau  in  der  K«lj|i;t>  x[cru«jCt««»del,  und  vVwrivt«.  der  hetraule 
K«lh  lVh«>M^i>^U«»>\  dter,  tiil$t  di«  Fürsleu  dor  Tataren 
mid  ihtht*fifivk<fniH  ww  die  «bersdt»  HerrsehDif»  der  Moujolou 

*>  Ä«  t)«l««««i   \m  <l«r  wsuMuiiselic»   Heirfc^st^sehl**!«  ^te  «««I. 

*<Mi^s'«i''>»4»ftii»r  M<>  «♦>«M«*M"«H"*#^»»  tv<ler  «»♦\v<.<».#.*»VW#»i»,  ^5<►se^te^^e 
*<«>«  nv!M^^  Heteli.s;  Vs  ^Vü^.  ^>  ^^Itmüai's  «eNvh^eMe  S.  107»  *>  I«  «1er 
SifuaHu!»  «1^  N;t(MMMeM  y  (m  4^t  ms\\k^\\i\s<^<>Mk  HiCit^mK   Res<rk«ae<Wi«. 


y.  t   y.  l  •:   ■■     M  M  f.  fi.  19 

»Iriltf-.ri,  »]a<!if»-.llj'-.  «J<-.m  'Ittmud-fliin  vorrtij^^;f:"Mf.'t.  Kridlifli 
»J«-,r  Stafrim  SulduH  ,  v»;r)i*;rrlif:ht  durch  di«;  P'amili»;  .SV/r/'Z/^iw 
Sv.hu Kh,  d<:>s  H.<-.».l«:r»s  'I  «:miidechiii'« ,  alü  di<;i-<;r  von  i««:ifi<;ri 
J'c.iridcii,  dtn  'raid«i(;liijl<-n ,  /jcfan^'en ,  mit  «l«:rn  iilock«:  am 
lUUe  «ich  in  »:in«:ri  'l<:if.)i  ver«tecl(t<; ,  »iO  «i^v-  nur  die  .\a«e 
ülj«:r  d«:fn  Wa*.<!«:r  nichtfi^r.  DI«-,  alt«-,  f-  fdu  Jiuid'-.chn  lkad>xhi 
hall«;  hicli  »ifcifi«:r  in  di«>«-.r  Sltlavf.r«:»  erbarmt;  alj«rr  w-Irlitigcr 
war  der  Dieiikt,  (J«ii  ilirn  Surf^tuin  Scfdre  erwieis,  ind<:m  er, 
tJ«.',«  Verborjgeoen  gft'A-a\ir.  di«:  ihn  auf''ij«.li<:nd(:n  'l'aiflKfhuten 
vom  Tnich«;  alj)<;ilftt«:,  Ab«;ndii  d«-ti««:l lj«-r!  Jicrvorzog  und  in 
h«-.in<-.frj  Hau*«-,  in  «;in«-.m  Sack«*,  von  Uoli«:  v«:/fjar>:;  di<:  \  (:r- 
fol;.'«tr  dijr«.)i>«ijf.lil«-.n  dh»  JI^u^  uii«!  (sti<:i->(;n  mit  Sjji«:*i».«:ri  in 
«li-.n  V\  oilhack  ;  alü  ni«:  l«-.rn<;,  {iah  ilim  Hurglian  Scliire  Kleider, 
WaHeii,  Mtjiidvorralli  und  ein«;  vveinhe  Htute ,  auf  welcher 
i-r  nt'Aimr  Familie  zueilte,  die  längüt  alle  Hoffnung,  ihn 
wieder  /u  nehen,  auf/L'egehen ;  ti(:Ui  vierter  .Sohn,  'i'uJi ,  bagte 
hchou  m«;Jirere  Tage  liindureh:  .Mutier!  (ii:r  Vater  kommt 
auf  weidfeer  citute;  und  dchHi^llien  Ankunft  he><tatigte  des 
Kiiaheri  zweite«  GeKictit  '  ).  Viele  der  Nacliiiommen  Surghan 
tichirii'u  kamen  mit  Ilulagu  naeli  I'erhien ,  und  von  denüelben 
»stammt  der  herijlimte  Kmir  'l'/^eliohan ,  der  l'eldtierr  unter 
Cjliaiian,  (Jld«(.liaitu  und  l'Jju  Said,  der  in  des  letzten  Re- 
gierung «o  viiclitigc  llolie  ••pielt,  und  deK»«*n  Solin  llaKari 
iic.r  CiriJnder  der  li^nanti«-.  Tuchohun ,  welche,  wie  die  der 
ilkaane,  hieh  au«  den  '|  kümmern  «len  ilehanihthen  Keiclm  in 
Iran  erhob.  Tueliengixehan  zälilN;  unter  den  Stämmen  d«ir 
l)url«-gin  m«:Jirere  Freund«-.  aU  unt«-.r  d«;n  achtzefin  d(;r  ihm 
niiehhlverwandten  ,  von  d«;n  li«;litemjifangenen  Sölif)«;n  von 
<\i.r  n'-unten  Ahnfrau  ab>itammefiden  ISinmcn,  d.  i.  di«;  l{«;ifien. 
Sein  eigenes  Hau«  hie««  erhl  vofi  hcinem  Alinii<;rrn  Kubul- 
r.han  nur  da«  der  Kuiul  oder  Küud  und  von  «einem  Vater 
JiHuhai  daii  der  Kulal  liiirdHclm/^in,  d.  i.  die  rothbräurjlicfilen 
Aug«;n.  Von  dienen  aeht/ehn  Stammen  der  Niriinnn  wollen 
wir   hi«;r    nur    die    vier  rnäclitigiRten ,    zwei  freundliehe,    die 


•)  Uinakf.ti;  hei  H«ct««ifi,  d«j^  ;ill<;  ItnUr.t  <\<v  OcschUhte  T«clien- 
(;iHChun'«  v<;rvvirrl  ,  i^t  •Im;';«;  (#<;8«;liif;lit<;  in  «la»  .luii;;lin/4falt«;r 
TueltcitciMchiiii  d  liinuuri^bruckt.     Ue«)Ctii<ic<l(litt. 

2* 


20  ErstesBuch. 

Taidschut    und    Dsvhadscherat ,    und    zwei    feindliche,    die 

Barin  und  Jisiit ,  zur  näheren  Kenntniss  einführen. 

Die  Stämme  Die   Taidschut,  deren  Namen  an  die  Deutschen  erinnert, 

fffr         wie  der  der  Dschete   an  die  Geten,    und    der   der  Dschur- 

laidschut,  jj^^^j^^jj^   an    die  Germanen,    stammten  mit  den  ihnen  nächst- 
JDs  c  h  (t  fisch  f-' 
•  t    n    •      verwandten     drei    Stämmen,    der    Erikian ,    Sidschiut    und 

Ji»d  Jisitt.  Dschinis ,  von  Baiduchan ,  dem  sechsten  Ähnherrn  Temu- 
dschin's,  dessen  Urenkel  Ainbaghi  von  tStn  Tataren  gefangen, 
dem  cliinesischen  Kaiser  ausgeliefert,  auf  einem  Esel  paradirt 
und  dann  geschunden  worden  ;  gleiches  Schicksal  hatte  ein 
anderer  Urenkel  desselben,  Öhin  Berkan,  und  die  Blutrache 
dieser  beiden  Urgrossoheirae  Temudschin's  diente  in  der 
Folge,  den  wider  die  Dynastie  der  Kin  unternommenen  Krieg 
zu  rechtfertigen;  aber  früher  hatte Teraudschin  eigene  Unbild 
an  diesem  seinem  Hause  so  nahe  verwandten,  aber  feind- 
lichen Stamme  zu  rächen;  nach  der  Niederlage  derselben 
zu  Baldschiisch  wurden  die  Gefangenen  in  siebzig  Kesseln 
gesotten,  welche  in  der  mongolischen  Geschichte  eben  so 
berühmt,  als  die  siebzig  Blasbälge,  welche  die  Felsenwand 
von  Ergenekun  sprengten,  als  die  siebzig  Ringe  ')  der 
Dschelairen,  deren  jeder  aus  tausend  Familien  bestand.  \xi 
der  Spitze  des  zweiten  feindlichen  Stammes  der  Dscha- 
dscherat  oder  D&chuirat,  deren  Stammvater  Odurbejan,  der 
Bruder  Kabulchan's,  des  Urgrossvaters  Temudschin's,  stand 
Dschamuka,  beigenannt  Satschan,  d.i.  der  Listige,  der  ge- 
fährlichste und  unversöhnlichste  aller  Feinde  Tschengischan's, 
dessen  Ränke  ihn  mit  Owangchan ,  dem  Herrn  der  Kerait, 
entzweiten  und  der  von  Tschengischan  endlich  besiegt,  dem 
Neffen  Htschidai  zur  Hinrichtung  übergeben  ward ;  doch 
theilten  nicht  alle  Dschadscherat  den  unversöhnlichen  Hass 
ihres  Fürsten,  indem  Tschengischan  Mehreren  derselben 
wesentliche  Dienste  dankte ,  so  den  Brüdern  Kuschaul  und 
Dschusuk,  welche  während  Tschengischan's  chinesischen  Feld- 
zugs seinen  Jurt  hüteten  ;  uad  Kalender ,  welchen  Tschengis 


•)  Diese  Ringe   hiesseii   Kur  oder  Kewr,   was  dasselljp  Wort 
mit  (lern  pcrsiscliea  Kuer,  wie  die  Steingiüber  in  Schottland  Iieissen. 


E  r  s  t  e  s     B  u  c  li.  21 

in  der  Begleitung  eines  üriangkuten  mit  erdichteter  Botschaft 
im  Namen  seines  Bruders  Dschudschi  Kasar  an  Owangchan 
sandte,  um  diesen  in  die  Falle  zu  locken.     Aus  dem  Stamme 
der  Barin  ^    dem    nächsten    Verwandten    der  Burhan  ^    d.  i. 
das  Meer,    die   in  den  heutigen  Törbed  fortleben,   war  Sit- 
tukusu  nach    dem   berühmten  Feldherrn  Mokli  Ka^anik  der 
zweite  im  Befehle,  der  noch  als  hundertjähriger  Greis  zur 
Zeit  Ogotai's  lebte  und  sich  rühmte,  den  ersten  Hochzeits- 
schmaus  mit  Tschengischan  gefeiert  zu  liaben;    dann  Bigiy 
der   Barine ,    welchen   Tschengis   als    Unghin ,    d.   i.   freien 
Mann,  erklärte,  der  bei  ihm  im  höchsten  Ansehen  wie  die 
Prinzen    vom    Geblüte    zu  seiner  Rechten  sass,   und  dessen 
Pferde   in    einer   Hürde    mit    denen  Tschengischan's;    da  er 
sehr  alt,  befahl  Tschengischan,  dass  ihm  der  Rücken  eines 
Sukanut  beim  Aufstehen  zum  Schemel  diene,  woher  diesem 
Stamme    der    Name    AktadscM  Begi ,    d.  i.  die  Stallmeister 
BegVsj,   blieb,    wider   welchen    sie    protestirten.     Die   Jisut 
endlich  leiten  ihren  Ursprung  von  Tschiniai  Utdsch'gin,  dem 
jüngsten  Sohne  Kabulchans,  des  ürgrossvaters  Temudschin's, 
ab.     Uldschigin,  d.  i.  der  Feuerhüter,  hiess  bei  den  Mon- 
golen der  jüngste  Sohn,  welcher  während  der  Abwesenheit 
des  Vaters   und    der   Brüder   im  Felde   dgs  Haus  als  Ofen- 
sitzer   hüten   musste,   und    welcher    nach   des   Vaters  Tode 
dasselbe  erbte,  weil  er  besser  als  die  Brüder  im  Felde  sich 
mit  der  Wirthschaft  bekannt  zu  machen  Gelegenheit  gehabt. 
Diesen  Beinamen   führen  also  mehrere  in  der  mongolischen 
Geschichte    berühmte   jüngste   Söhne    als    Ofensitzer- Haus- 
hüter, nebst  Tschintai  noch  Budan  Utdschigin ,  der  jüngste 
Sohn   Burtan  Behadir's ,    des   Grossvaters    Tschengischan's; 
Taratai  Utdschigin  ,  der  jüngste  Sohn  Jisjikai'Sj  des  Vaters 
Tschengischan's,  und  endlich  Tuli,  des  letzten  jüngster  oben- 
genannter Sohn.     Diesen    Stamm   der  Jisut  verherrlicht  die 
grosse   zahlreiche   Familie    Dschebe   Nujan's ,    des   WafTen- 
gefährten   Suhatai  Behadir's,   welcher   mit    demselben  den 
dreijährigen    Feldzug    wider    Persien    und    Russiand    voll- 
bracht. 


Geschichte 
Tscheuffis 


22  ErstesBuch. 

Erst  nach  dieser  vorläufigen  Kenntnis»  der  berühmtesten 
Stämme  des  mongolischen  Reichs  ist  es  gerathen ,  die  Ge- 
schichte seines  Gründers  kurz  zu  überblicken. 

Perioden  Temudschin  ward  am  20.  Silkide  des  fünfhundert  neun 

<^<'^  und  vierzigsten    Jahrs    der   Hidschret,    d.  i.    am  26.  Jänner 

d.  J.  tausend  hundert  fünf  und  fünfzig  der  christlichen  Zeit- 
chan's.  rechnung,  im  letzten  Jahre  des  alttürkischen  Thiercyclus, 
nämlich  im  Jahre  des  Schweines,  geboren,  und  starb,  zwei 
und  siebzig  Jahre  alt ,  am  vierten  Raraasan  d.  J.  d.  H.  624, 
d.  i.  am  18.  August  1227 ,  nach  dem  sechsmal  durchlaufenen 
zwölQährigen  Thiercyclus,  abermal  im  Jahre  des  Schweines, 
ein  ominöses  Geburtsjahr  für  den  Herrscher  der  mongo- 
lischen schweinischen  Menge;  nicht  minder  ominös,  als  dass 
Temudschin  ein  Stück  geronnenes  Blut  fest  in  der  Hand 
verschliessend  zur  Welt  kam,  die  er  mit  Blut  überschwemmen 
sollte.  Von  den  ersten  zwölf  Jahren  seines  Lebens,  in  dessen 
dreizehntem  er  den  Vater  Jisukai  verlor,  weiss  die  Ge- 
schichte Nichts,  als  dass  dieser  ihm  den  Namen  Temudschin 
von  dem  am  Tage  seiner  Geburt  besiegten  und  gefangen 
eingebrachten  Fürsten  gab;  die  übrigen  sechzig  Jahre  seines 
Lebens  zerlallen  •  in  die  frühere  kleinere  Hälfte,  welche 
sieben  und  zwanzig  Jahre  umfassend,  von  seinem  dreizehnten 
bis  an  sein  vierzigstes,  und  in  die  zweite  grössere,  welche 
von  seinem  vierzigsten  bis  zu  seinem  Tode  zwei  und  dreissig 
Jahre  füllt;  von  der  ersten  Hälfte,  in  welcher  er  den  wieder- 
holten Unbilden  seiner  Feinde  ausgesetzt  sich  nur  mühsam 
die  Freiheit  und  Unabhängigkeit  erkämpfte ,  kennt  die  Ge- 
schichte verhältnissmässig  für  die  Zahl  der  Jahre  nur  wenige 
Begebenheiten,  aber  desto  gellender  und  ohrenzerreissender 
durchschmettert  sein  Namen  in  den  folgenden  zwei  und 
dreissig  Jahren  die  Welt.  Der  grosse  Geschichtschreiber 
Reschideddin  hat  die  Geschichte  des  Lebens  und  der  Herr- 
schaft Tschengischan's  von  seinem  dreizehnten  Jahre  bis  in 
dessen  drei  und  siebzigstes  eben  so  pragmatisch  als  lichtvoll 
in  fünf  Perioden,  die  erste  von  dreimal  neun,  die  zweite 
von   neun ,    die    dritte    und   vierte   von   sieben ,    die  fünfte 


ErstesBuch.  23 

abermal  von  neun  Jahren  eingetheilt. ' )  In  der  ersten  Periode 
tritt  er  als  Sieger  der  Taidschut,  deren  Gefangene  in  siebzig 
Kesseln  gesotten  worden,  auf;  schon  wider  seinen  persön- 
lichen Feind,  Dschamuka ,  den  Fürsten  der  D schadscher at, 
kämpfend,  von  denen  sich  jedoch  ein  Theil  ihm  unterwirft, 
sowie  die  Stämme  Suldiis ,  Jisut  und  Bärin,  deren  Emire 
sich  seinem  Dienste  anreihen.  Die  Gelegenheit  eines  Festes 
^ührt  einen  Streit  mit  dem  \ ettcr  Sedschebegi ,  dem  Fürsten 
des  nahverwandten  Stammes  der  Kijat  BurMn,  herbei,  der 
nun  Temudschin  gegenüber  als  Bewerber  um  die  oberste 
Herrschaft  auftritt;  aber  diesen  Abfall  vergütet  der  Sieg 
über  die  Tungkait ,  einen  Zweig  eines  wider  seinen  Fürsten 
Owangchan,  welchem  Temudschin  Hilfe  leistet,  empörten 
keraitischen  Stammes.  In  der  zweiten  Periode  erscheint 
Temudschin  als  Verbündeter  Owangchan's,  des  Fürsten  der 
Kerait,  wider  die  ihnen  beiden  feindlichen  Stämme  der 
Naiman  Merkit  und  Tataren;  nach  Besiegung  derselben 
unterwirft  sich  der  mächtige  Stamm  der  Konghurat  der 
Herrschaft  Temudschin's,  und  er  besteigt  den  Thron  als 
Herr  der  Mongolen  in  seinem  siebenmal  siebenten  Jahre. 
Verschmähte  Brautwerburg  und  Dschamuka's  Ränke  führen 
den  Krieg  mit  Owangchan  herbei,  von  welchem  Temudschin 
zwar  am  Quell  Baldschuna  geschlagen,  in  der  Folge  den- 
selben, sowie  die  Naiman  und  Merkit  oder  Tangut,  besiegt, 
worauf  ihm  die  Uighuren,  Kirgisen,  huldigen,  und  er  als 
Herrscher  all^r  Mongolen  die  neungipflige  Fahne  mit  neun 
weissen  Rossschweifen  aufgepflanzt,  und  den  Namen  Temu- 
dschin in  Tchengis ,  d.i.  starker,  grosser,  gewaltiger  Herr- 
scher, verwandelt.  Die  folgende  Periode  füllt  der  sieben- 
jährige chinesische  Krieg  und  die  letzten  neun  Jahre  seines 


')  Die  chinesischen  Quellen  geben  die  Geburt  Tschengischan's 
ohne  alle  Datenbestimmuug  des  Monats  und  Tages  um  7  Jahre  zu 
spät  au,  im  J.  Jl62;  (dieselben  verdienen  hierin  weit  weniger 
Glauben  als  Reschideddin,  welcher  seine  Geschichte  aus  den  mon- 
golischen Archiven  verfasst ,  und  Wassaf ,  welcher  die  Berechnung 
der  chinesischen  Cyklen  gibt  und  dann  zu  Ende  der  Regierung  eine 
chronologische  Uebersicht  von  Jahr  zu  Jahr  beifügt. 


24  ErstesBuch. 

Lebens  die  Feldzüge  wider  Chuaresmschah's  über  ganzVorder- 
asien  verbreitete  Macht  in  Transoxaiia,  Chuaresm,  Chorasan, 
Iran  und  Kipdschak ,  theils  in  eigner  Person ,  theils  durch 
seine  Söhne  und  Feldherren,  zuletzt  die  vierte  wider  Tangkut, 
wo  er  seinen  Lauf  als  Eroberer  beschliesst.  Gibbon  hat 
diese  Eroberungen  nach  den  vier  Weltgegenden,  im  Norden, 
Süden,  Osten  und  Westen,  überblickt.  Da  die  Geschichte 
Tschengischan's  zu  schreiben  und  blos  die  Eroberungen  auf- 
zuzählen ,  hier  nicht  unser  Zweck ,  so  beleuchten  wir  die 
grosse  historische  Figur  Tschengischan's  von  vier  Seiten, 
zuerst  in  seiner  Familie  als  Menschen,  dann  gegenüber 
seinen  Feinden  als  Sieger  und  Eroberer,  hierauf  als  Staats- 
mann und  Gesetzgeber,  und  endlich  in  dem  Üeberblicke 
seiner  Heeresmacht  und  letzten  Anordnungen  als  den  Ge- 
waltigen im  eigentlichsten  Sinne  des  Worts. 
Die  Familie  Man    kennt    insgemein    nur    die   vier  Söhne  Tschengis- 

Tschenffis-  chan's:  Dschiidschi ,  Dschaghatai ,  Ogotai  und  Tvli ,  die 
Stammväter  der  vier  nach  ihnen  genannten  Uiuse  aus  der 
Konghuratin  Burte  Fudschin;  aber  Tschengis  hatte  noch 
vier  andere  Söhne:  Kulkan  oder  Gulgan*)  aus  Kulan  Chatun, 
der  Tochter  Tairosun's,  des  Fürsten  der  Merkit,  und  drei, 
die  als  Kinder  gestorben'^;  seine  sechs  Töchter ^^,  von 
denen  er  vier  an  die  Prinzen  feindlicher  Stämme  ver- 
mählte, um  die  alte  Feindschaft  zu  sühnen,  und  nur  zwei 
an  befreundete  Fürsten,  nämlich:  Alakahegi zn  den  Fürsten 
der  Ungkut,  welcher  ihm  den  Durchgang  der^grossen  Mauer 
geöffnet,  und  Kalbi  an  Idikut,  den  Fürsten  der  Uighuren, 
der  ihm  gehuldigt,  so  dass  er  ihn  nicht  anders  als  seinen 
fünften  Sohn  nannte.  Das  Frauengemach  Tschengischan's 
war  mit  einem  halben  Tausend   von  Weibern  und  Mädchen 


')  H.  V.  Ohssoii  sagt:  Goulgan ,  dont  on  ne  connoit  que  le 
Dom;  aber  Reschideddiu  meldet,  dass  Gulgau's  Solin  Kodsclia  nach 
seines  Vaters  Tod  6000  Mann  erhielt,  dass  dessen  Sohn  Urdui  ein 
Hofdieöer  Kubil.ai's  war  und  dass  Urdui's  Sohn  Abukian,  weil  er 
es  mit  Kaidu  und  den  monj^olischen  Prinzen  hielt,  hingerichtet  ward. 
-)  Dschurdschtai  und  Dschawur  —  ürdschaten.  ')  H.  \.  Ohsson 
p.  419  kennt  nur  fünf:  1.  Kutschi  (Fudschin)  begi,  2,  Tschitschejan, 
3.  Alakai,  4.  Tumalin ,  5.  Ultaliu,  6.  Ilalu,  diese  fehlt  bei  D'Olisson. 


E  r  s  t  e  6     B  u  c  ii.  25 

bevölkert,  aber  von  diesen  fünfhundert  hatten  nur  fünf  den 
Titel  von  grossen  Frauen,  als  die  fünf  Centurionen  dieser 
fünf  Weibercenturien ,  nämlich :  1.  Burte  FtidscMn ,  die 
Tochter  des  Stammhauptes  der  Konghurat,  Mutter  der  vier 
Söhne,  Gründer  der  vier  Uluse;  2.  Kulan  Chatun ,  die 
Tochter  Tairosun's,  des  Fürsten  des  feindlichen  Stammes 
der  Merkit,  Mutter  des  Sohnes  Gulgan;  3.  die  beiden  Ta- 
tarinnen, Schwestern,  Jesulnt  xxwA  ^.  Jesidmi;  ^.  Kwidschu, 
die  Tochter  des  chinesischen  Kaisers,  welche  keine  Kinder 
hatte  und  in  deren  Lager  sich  die  durch  ihre  Schönheit 
berühmte  Hogutai  befand;  als  die  nächsten  an  diesen  fünf 
grossen  Frauen  sind  fünf  andere  von  der  Geschichte  be- 
zeichnet, nämlich  die  Tochter  des  viermal  mit  Krieg  über- 
zogenen Fürsten  von  Taiighut,  die  Tochter  TajangchanSf 
des  siebenmal  besiegten  Fürsten  der  Naiman,  die  Naimanin, 
Mutter  des  Sohnes  Vschirdschetai ,  die  Tatarin,  Mutter  des 
Sohnes  Urdschahan,  und  endlich  y4bika ,  die  Tochter  Ha- 
kembu's,  des  Fürsten  der  Kerait,  welciie  Tschengischan 
durch  ein  Traumbild  erschreckt ,  dem  Vertrauten  Kehti 
Nujan,  der  in  dieser  Nacht  die  Nachtwache  hielt,  mit  allen 
ihren  Schätzen  und  Pagen  schenkte,  und  als  Andenken  von 
ihr  nur  den  Becher,  worin  sie  mit  ihm  Ktmiis,  d.  i.  Stuten- 
milch ,  getrunken  ,  und  von  ihrem  Gefolge  einen  Tafeldecker 
zurückbehielt.  Sollte  den  Barbaren  vielleicht  die  Ahnung 
einer  Neigung  zwischen  der  Prinzessin  und  dem  Leibwächter 
zum  grossmüthigen  Opfer 'dieser  Abtretung  bewogen  haben  ? 
oder  hat  ihm  dieselbe  wirklich  ein  Traum  abgeschreckt? 
selbst  in  diesem  Falle  ist  das  zurückbehaltene  Andenken 
eine  ganz  unerwartete  Spur  menschlichen  Gefühls  in  der 
Brust  eines  Wütherichs,  wie  Tschengis,  der  schon  als  Knabe, 
ehe  er  noch  dreizehn  Jahre  alt,  in  Gemeinschaft  mit  dem 
Bruder  Belgutai  den  Bruder  Belter  erschlug;  die  überle- 
benden vier  Brüder  Temudschin's  sind  Belgutai,  sein  Theil- 
nehmer  am  Brudermord,  Kodsckuiu,  dessen  Sohn  lltschidat 
einer  der  trenesten  und  eifrigsten  Diener  des  Oheims,  auf 
dessen  Wink  er  den  gefangenen  Todfeind  Dschamuka  zer- 
hieb;   der  jüngste,    Temengu  Uldschigin,   d.  i.  der  Feuer- 


26  E  r  s  t  e  s     B  u  c  li. 

oder  Herdhüter  (seine  Mutter  war  die  Olkunutin  Vsedemt, 
Verwandte  der  Mutter  Tschengischan's^,  ein  grosser  Bau- 
liebhaber, der  Überali,  wo  er  hinkam,  baute,  und  so  viel 
es  in  seinen  Kräften  stand ,  —  wenigstens  dem  Willen  nach 
gutmachte,  was  der  Zerstörungstrieb  des  Bruders  Eroberers 
verheerte;  endlich  Dschudschi  Keser ,  wegen  seines  athle- 
tischen Körperbaues  und  seiner  Stärke  der  Löwe  beigenannt; 
seine  Brust  war  so  hoch  gewölbt,  sein  Bauch  so  zurück- 
gezogen, dass,  wenn  er  darnieder  lag,  ein  Hund  unter  dem 
Bauche  durchlaufen  konnte,  seine  Stärke  so  gross,  dass  er 
gefangene  Feinde  wie  Pfeile  in  die  Hand  nahm,  Indem  er 
ihnen  den  Rückenwirbel  wie  Pfeile  zerbrach. '  J  Er  war  der 
starke  Helfer  Tschengischan's,  der  ihn  auszeichnete,  aber 
auch  ein  Paarmal  mit  ihm  unzufrieden,  die  Beweise  seiner 
Zufriedenheit  und  Unzufriedenheit,  die  erste  ehrenvoll  und 
die  zweite  nachtheilig,  auf  die  Nachkommen  desselben  ver- 
erbte. Als  Merkmal  der  Zufriedenheit  seiner  in  dem  Kriege 
wider  die  Naiman  bewiesenen  Tapferkeit  räumte  Tschengis 
allen  Nachkommen  des  Oheims  das  Recht  ein,  wie  die 
Prinzen  Söhne  auf  der  rechten  Seite  des  Thrones  zu  sitzen, 
während  alle  andere  Verwandte  des  Hauses  auf  der  linken 
Seite  mit  den  Emiren'};  aber  als  in  dem  Kriege  wider  die 
Kerait  Dschudschi  Keser  zu  spät  kam  und  zur  Zeit  des 
Mahles  auf  sich  warten  liess,  sagte  Tschengischan:  „So  er- 
scheinen Mücken,  nur  wenn  sie  die  Sonne  bescheint,  und 
verschwinden,  sobald  sie  sich  versteckt;  der  Thautropfen 
will,  so  klein  er  ist,  mittels  der  Leiter  der  Sonnenstrahlen 
zum  Himmel  steigen."  In  seinem  Unwillen  gab  er  die  un- 
verbrüchliche Satzung,  dass  kein  Glied  der  Familie  Dschudschi 
Keser's  je  der  Chanschaft  würdig  geachtet  werde,  und  ernie- 
drigte also  alle  Nachkommen  desselben  für  alle  künftige 
Zeiten  zu  blossen  Emireu  Karadschu ,  d.  i.  unterthänigen 
Fürsten.  ^} 


*)  Reschideddin.     ^')  Derselbe  im  Hauptstücke  der  Söhne  Jisukai's. 
3)  NA'assaf  im  Hauptstücke  Tschengischan's. 


ErstesBuch.  27 

Der  Jugendfreunde    Temudschin's    ist   schon    oben   bei  Die  Feinde 

den  Stämmen  Erwähnung  geschehen  ;    seine'  Feinde  können       Temu- 

...  1  .  jf  ••    !•   i         dschin'a  bis 

in  vier   Klassen   getheilt  werden,    erstens   die    persönlichen 

°  *  zu  seiner 

unversöhnlichen ;  zweitens  die  besiegten  und  zum  Theile,  ersten 
wenigstens  dem  Scheine  nach,  versöhnten  Stämme;  drittens  Thron- 
die  sich  Herrschaft  anmassenden  Nebenbuhler  um  den  Thron,  beatetgung. 
und  viertens,  nachdem  Tschengischan  denselben  bestiegen, 
die  reichsgefährlichen  feindlichen  Mächte.  Der  erbittertste 
seiner  persönlichen  Feinde  ist  Dscha7nuka  Sasan,  d.  i.  der 
Listige,  der  Fürst  der  Dschadscherat,  dessen  List  ihn  mit 
Owangchan  entzweite  und  die  Anregung  der  Yerschvvägerung 
herbeiführte ,  welche  dann  der  nächste  Anlass  des  Krieges 
zwischen  Owangchan  und  Tschengischan.  Er  machte  ge- 
meinsame Sache  mit  Taidschuten ,  wciclien  alsbald  nach  dem 
Tode  Jisukai's  der  Stamm  der  Konghuraten.  und  der  mit  ihm  ' 
verwandten  zugefallen  waren.  Von  den  Taidschuten  hatte 
Tschengischan  die  grössten  Unbilden  seiner  Jugend  zu  er- 
leiden, die  Sklaverei ,  aus  der  ihn  Schnrka/i '^  Schire ,  der 
Sulduse,  gerettet,  und  der  Blutsturz,  die  Folge  von  zwölf 
ihm  an  den  Hais  geschossener  Pfeile,  dessen  Todesgefahr 
die  Freunde  Burghiidschi  und  Biirghul  abgewendet;  solche 
Unbill  und  Schmach  büssteu  sie  in  den  siebzig  Kesseln  ge- 
sotten. Nach  den  Taidschuten  waren  die  unerbittlichsten  der 
Feinde  Aiq  Talaren,  und  Merkiten,  wider  welche  Tschengis, 
sowie  wider  die  Taidscliuten,  den  Krieg  bis  zur  Vertilgung 
führte,  die  höchsten  der  Frauen  schonend,  die  er  als  Frauen 
und  Beischläferinnen  in  sein  eigenes  Frauengemach  nahm 
oder  den  Söhnen  überliess.  Dem  ältesten  Sohne  Dschudschi 
zürnte  er  unversöhnlich,  weil  dieser  dem  jüngsten  Sohne 
Tuktabeg  des  Fürsten  der  Merkit  als  einem  trefflichen  Pfeil- 
schützen das  Leben  retten  wollte.  Von  dem  sechsgetheilteu 
Stamme  der  Tataren  waren  zuletzt  auf  Fürbitte  der  beiden 
Schwestern  Tatarinnen,  Gemahlinnen  Tschengischan's,  nur 
dreissig  Familien  das  Leben  gerettet,  und  vom  Tataren 
Kuli,  welchem  eben  diese  beiden  Frauen  als  Kind  das  Leben 


')  Bei  D'Ohssou  ScIiebouiÄlia. 


28  E  r  s  t  e  s     n  u  c  h. 

erbeten  hatten,  in  ein  Regiment  organisirt  worden. ')     Die 

_.   ,  ^,„       Taidschuten  waren  das  erstemal  zu  Baldschusch  in  derlVieder- 
I.  J.  1198. 

läge  der  siebzig  Kessel,   zum  zweitenmale   von  Temiidschin 

und  Owangchan  zu  Kisillascli^  d.  i.  am  rothen  Steine,  ge- 
schlagen worden ;  mit  ihnen  verbündeten  sich  aus  den  Nai- 
luanen,  den  nächsten  Stammverwandten  Temudschin's,  die 
Stämme  Katagin ,  Saldschiut ,  Diirhin  und  Konghiirat ,  ihr 
Biindniss  durch  das  fünffache  Opfer  eines  Pferdes,  Stiers» 
Widders,  Hundes  uud  Bockes  beschwörend;  die  Fürsten» 
welche  mit  Tschengischan  um  die  Oberherrschaft  der  3Ion- 
golen  buhlten,  waren  Dschamuka ,  der  Fürst  der  Dscha- 
dscherat ,  Olak  Odur ,  der  Fürst  der  Merkiten ,  Sidschebeg, 
der  Fürst  der  Kijat,  BiirMn,  der  nächste  Verwandte  Te- 
mudschin's, und  Dschudschi  Kasar,  der  Oheim  desselben. 
In  diese  Epoche  fällt  die  Unzufriedenheit  Temudschin's 
mit  dem  Oheim,  der  Anlass  aber  des  x4bfalls  des  Vetters 
Sidschebeg  war  der  folgende.  Bald  nach  dem  ersten  Siege 
über  die  Taidschuten  gab  Temudschin  seiner  Mutter  TJlun 
Ike ,  seinen  Brüdern  Dschudschi,  Bilkuti  und  Utdschigin  ein 
Fest,  bei  welchem  sich  auch  Sidschebeg,  das  Haupt  des 
Stammes  der  Kijat  Burkin ,  mit  sein'er  grossen  und  kleinen 
Mutter,  d.  i.  mit  seiner  wahren  und  Stiefmutter,  einfand; 
die  3Iutter  fand  sich  beleidigt,  weil  Sijudscher ,  der  erste 
Tafeidecker  Temudschin's,  die  Stutenmilch  ihr  nicht  der 
ersten  vorgesetzt;  sie  schlug  ihn  desshalb,  und  als  auch  bald 
hierauf  Bügutei  beleidigt  worden,  kam  es  zwischen  den 
Knechten  Temudschin's  und  Sidschebeg's  zum  Handgeraenge, 
die  beiden  Frauen  wurden  gefangen ,  hernach  wieder  frei- 
gegeben, aber  Sidscliebeg  trennte  sich  mit  seinem  ganzen 
Stamme  vom  Hause  Temudschin's  und  trat  wider  ihn  mit 
f.  J.  1801.  bewaffneter  Hand  als  Anraasser  der  Oberherrschaft  auf.  Die 
obgenannten  verbündeten  Stämme  riefen  den  Dscharauka  zum 
Oberherrn  mit  dem  Titel  GurchaTi,  d.  i.  des  grossen  Herr- 
schers, aus.  Sie  verschworen  sich  abermal  am  Ufer  der 
Tula,   indem   sie   mit  ihren  Füssen  die  Erde  des  Ufers  in 


')  Reschideddjn  im  Hauptstücke  von  den  Tataren. 


E  r  s  t  e  s     B  u  c  ii.  29 

den  Flass  stampften  und  mit  ihren  Säbeln  das  Gesträuch 
abhieben:  „dass  der  Verräther  wie  diese  Erde  zerstampft, 
wie  dieses  Gesträuch  niedergehauen  sei!"  Temudschin 
schlug  die  sieben  Stämme  zu  Jedi  Gurgan,  d.  i.  bei  den 
sieben  Grabmalen ^  was  ein  als  ihre  Grabstätte,  Unglück 
vorbedeutender  Namen;  als  er  hierauf  aucli  die  Tataren  und 
Kaimanen  geschlagen,  unterwarfen  %\c\\  A\g  Konghurat,  der  I-J.i30l. 
nächste  der  Stämme  der  Naimanen,  und  Temudschin  bestieg 
als  grosser  Herrscher  derselben  den  Thron. 

Das  bisher  zwischen  Temudschin  und  Owangchan  be-  j)ig  Feinde 
standcne  Biindniss  wurde  durch  die 'Einstreuungen  D&chdi- und  Freunde 
muka's   getrübt,    welcher    den    Owangchan  bestimmte,    dem       Temu- 

Antraffe  Teraudschin's  einer  näheren  Verbindung  der  beiden 

®  °  -z-u  seiner 

Häuser  durch  eine  Doppelverbindung  kein  Gehör  zu  geben.      zweiten 
Temudschin  warb  nämlich  für  sich  um  Abika,  die  Tochter  Thrunbestei- 
Hakembu's,  des  Bruders  Owangchan's,  und  um  ihre  Schwester     ^""^  *"(* 
Bestutmisch  für  seinen  ältesten  Sohn  Dschudschi,   während  , 

er  dem  Singzin,  dem  Sohne  Owangchan's,  seine  älteste 
Tochter  Fudachin  antrug;  die  ehemals  Verbündeten  waren 
nun  offene  Feinde;  Temudschin,  der  so  oft  mit  den  Kerait 
wider  ihre  gemeinschaftlichen  Feinde,  die  Tataren,  Merkit 
und  Nairaan,  gefochten,  wurde  geschlagen,  und  flüchtete 
zum  schlammichten  Quelle  Baldschuna ,  wohin  ihm  nur  die 
Getreuesten  folgten.  Diese  waren  in  der  Folge  als  die 
Waffengefährten  von  Baldschuna  ausgezeichnet,  wie  vor  sechs 
Jahrhunderten  von  Mohammed  die  Waffengefährten  von  Bedr 
und  Ohod  ,  er  ernannte  sie  später  alle  zu  Tarchanen,  d.  i. 
Freiherren,  sowie  die  beiden  Lebensretter,  Btighurdschin 
den  Erlaten,  und  Burghul  den  Huschinen,  dann  Siirgan 
Sch/'re^)  den  Suldusen,  die  beiden  Dschelaire  Olai  Kalgha 
und  Karadschu'^^  den  Taidschuten  Jisukai,  welcher  vormals 
die  mit  Dschudscln  schwangere  Biirte  Fudschin  sicher  zu 
Owangchan  geleitet  hatte ;  Burghul  diente  von  der  Pike, 
oder   mongolisch    richtiger   zu    sprechen,    vom    Pfeile  auf; 


')  Bei  Schmidt    Torghan  Scliaain ,   bei   d'Ohsson   Scheburghan. 
-)  Bei  d'OIisson  p.  72  Kischlik  uud  Badai. 


30  ErstesBuch. 

denn  Anfangs  Tafeidecker,  ward  er  Gesiktu ,  d.  i.  vom  Vor- 
trabe der  Pfeilschützen ,  dann  Emir  Gesik ,  Befelilsliaber 
derselben,  liierauf  Emir  Toman ,  d.  i.  Befehlshaber  eines 
Corps  von  zehntausend  Mann  ,  und  endlich  Grossfiirst.  Von 
Bughurdschin  sagte  Tschengischan  t  Ich  schätze  ihn  unter 
meiner  Seele  ,  aber  höher  als  alle  Fürsten  und  Karadschu 
(^Unterthanen}.  Bughurdschin  nannte  sich  selbst  den  Un- 
fehlbaren und  sagte  von  sich  selbst:  „Wann  das  Geschrei 
der  Raben  irret  und  fehlet,  irre  und  fehle  ich  nicht;  wann 
den  Vogel  des  Grabes  Schwindel  ergreift,  bleibt  mir  Kopf 
und  Gehirn  frei;  wann  der  Staub  von  der  Erde  zum  Himmel 
steigt  und  der  Rauch  des  Himmels  zur  Erde  sinkt,  verfehle 
ich  meinen  Weg  nicht,  desshalb  nennt  man  mich  den  Unfehl- 
baren." Als  Tschengischan  den  Burghul  und  Bughurdschin 
zu  Tarchanen  ernannte  und  sie  das  Diplom  begehrten ,  er- 
klärte er  sie  über  alle  Diplome  erhaben.  Biighurdschin 
war  der  erste  der  neun  Örlök^^,  d.  i.  die  neun  Mannen 
oder  Helden,  die  andern  acht:  2.  Burghul  der  Huschine, 
3.  Schurkan  Schire"^^  der  Sulduse ,  der  Lebensretter,  wie 
die  beiden  vorigen;  nach  diesen  Lebensrettern  4.  Mokli  der 
Dschelaire  ^),  der  Eroberer  China's;  5.  Dschefie  der  Jisute; 
6.  Subutai  Behadir " ) ,  der  Feldherr  wider  Persien  und 
Kipdschak  ;  7.  Dschelme  Oho,  d  i.  der  tapfere  Räuber*^, 
der  erste  Waffengenosse  der  Raubzüge  Tschengischan's,  dessen 
Söhne  die  Befehlshaber  des  rechten  und  linken  Flügels  der 
Leibwachen;  8.  SchikiKuttu,  der  von  Tschengischan,  noch, 
ehe  ihm  seine  Gemahlin  einen  Sohn  geboren,  an  Kindesstatt 
angenommene  Pflegsohn,  dessen  W'ahl^pruch  als  Richter: 
Fürchte  Nichts  und  sprich  Recht;  endlich  9.  der  Uirate 
Kara  Karaghu^~).  Diese  neun  Helden  waren  die  innigsten 
Waffengefährten  Tschengischan's,  Stützen  seiner  Macht  wider 


')  Örlök  ist  wohl  Nichts  als  das  türkische  Erlik  —  Manu- 
haftigkeit.  ^}  Bei  Schmidt  Torghoii  Schaara.  ^)  Bei  Schmidt  S.  38 1 
MucJiiili.  *)  Bei  Schmidt  S.  381  steht  Sso  Mergen,  die  Dschurdschid 
(welche  ein  Zweig  der  Uirangkut),  S.  87,  wo  Subutai  Behadir  statt 
der  üirangkute  der  Dschurdschid  geuanut.  *)  Die  Bedeutuug  gibt 
Reschideddin.    ")  Bei  Schmidt  Chara  Kiragho. 


E  r  3  t  e  s     B  u  c  h.  31 

seine  Feinde:  „Ihr  neun  Örlök,  kommt  mit  mir  herein,  und 
ihr  dreihundert  und  neun  Leibwachen,  umgebt  das  Haus!"  ') 
und  als  er  sieben  Jahre  nach  der  ersten  Thronbesteigung 
den  Owangchan  geschlagen  und  mit  ihm  Frieden  geschlossen, 
nachdem  Tajangchan,  der  Fürst  der  Naiman,  der  gefähr- 
lichste und  mächtigste  seiner  Feinde,  in  der  Niederlage 
gefallen ,  als  er  in  der  Gegenwart  von  hundert  rersammeUen 
Stämmen  den  Thron  als  Herrscher  aller  Mongolen  mit  dem 
ihm  von  seinem  gottbegeisterten  Stiefvater  Buttangri  (Eben- 
bild Gottes)  ertheilten  Ehrentitel  des  Gewaltigen  ange- 
nommen und  die  neungipflige  Fahne  mit  den  neun  weissen 
Rossschweifen  und  die  viergipflige  schwarze  seines  Hauses 
aufgepflanzt,  als  er  Herrscher  des  Volkes  der  viermalhundert- 
tausend  31ongolen,  als  er  die  Fünffarbigen  und  Vserfarbigen*) 
zu  Einem  Volke  vereint,  denselben  den  ^'amen  der  blauen 
Moiigolen^^  oder  einzigen'^^  beigelegt  und  seine  Staats- 
einrichtungen begann,  redete  er  seinen  Wesir  Bughurdschin 
und  die  neun  Helden  WafFengefährten  an:  „Du  mein  Bu- 
ghurdschin, dem  Leben  und  Tod  stets  gleichgültig  war,  ihr 
neun  Örlök j  ihr  meine  Fürsten  und  Edle,  ihr  meine  ünter- 
thanen  und  du  ganzes  grosses  Volk,  dass  Keiner  ihn  neide! 
Er  soll  die  oberste  Verwaltung  der  inneren  Reichsangeiegen- 
heiten  führen  und  über  die  fünf  Farben  meines  Volkes  be- 
fehlen ;  er  soll  die  grosse  fernhinschmetternde  Trompete 
bewahren  und  als  Oberbefehlshaber  über  die  neun  Gebiete 
den  Titel  Kulak  Bugiidschi  führen;"  er  ward  zum  Ober- 
haupte der  neun  Örlök  erhoben  und  seine  Gemahlin  erhielt 
den  Titel  Butschin   Taibutsan  *). 

Das  Kurultai,  das  ist  allgemeine  Volksversammlung,  der    Die  sieben 
Landtag,  auf  welchem  Temudschin  als  Tscliengischan,  d.  i.     ^^'ndtai, 
gewaltiger  Herrscher,    der    Fünf-    und    Neunfarbigen,    der 
blauen  und  anderen  Mongolen  ausgerufen  worden,   war  das     aehuldiat. 
vierte  der  sieben  Kurultai,  deren  die  Geschichte  Tschengis- 


')  Schmidt  S.  89.  ^)  Schmidt  glaubt,  unter  den  Vierfarbigea 
seien  die  Stämme  der  vier  Uirat  zu  versteheu,  unter  den  Fünftarbigen 
die  anderen  Mongolen.  ')  Koke  Mongol.  **)  Jekta,  bei  Wassaf 
im  Gegensatz  der  Ssu  Monghol,     *)  Schmidt  S.  93. 


32  ErstesBuch. 

chan's  erwähnt.  Das  erste  wurde  unmittelbar  vor  dem  Feld- 
zuge wider  die  Taidschut  und  der  Niederlage  der  siebzig 
Kessel,  das  zweite  vor  sieben  Jahren  bei  der  ersten  Thron- 
besteigung als  Herrscher  der  unterworfenen  Stämme  der 
Konghurat  und  der  mit  denselben  Verwandten,  das  dritte 
nach  der  durch  den  Fürsten  der  Tunguten  erhaltenen  Kund- 
schaft von  dem  Ueberfalle  der  Naiman  und  der  Niederlage 
Tajangchan's,  ihres  Fürsten,  das  vierte  wurde  zur  Auf- 
pflanzung der  vier  schwarzen  und  neun  weissen  Rossschweife 
gehalten,  das  fünfte  hat  bald  hierauf  zur  Berathung  des 
siebenjährigen  chinesischen  Kriegs,  das  sechste  sieben  Jahre 
hernach  zur  Berathung  des  siebenjährigen  persischen,  und 
das  siebente  und  letzte  sieben  Jahre  später  und  ^wei  Jahre 
vor  seinem  Tode  bei  seiner  letzten  Rückkehr  in  die  Heiraath 
stattgehabt.  Diese  Kurultai  blieben  sofort  mongolischer 
Reichsbrauch  bei  den  Thronbesteigungen  der  Fürsten  und 
anderen  grossen  Begebenheiten,  welche  der  Chan  mit  allen 
Stämmen  berieth.  Tschengischan  spricht  in  seiner  Thron- 
besteigungsrede an  die  versammelten  Stämme  von  den  zwölf 
unterworfenen  Reichen,  worunter  die  Gebiete  der  besiegten, 
ihm  unterworfenen  Feinde  zu  verstehen  sein  dürften;  zuerst 
die  sieben  des  ihm  nächsten  verwandten,  mächtigen  Stammes 
der  Konghurat  mit  seinen  sechs  Zweigen,  dann  die  des  ver- 
wandten Stammes  der  Kijat  Burdachin,  dann  die  Tataren 
und  des  ihnen  engverbündeten  Stammes  der  Mehrin  ^  dann 
der  Taidschzd  und  der  Kerait ;  der  noch  unbezwungene, 
mächtigste  feindliche  Stamm  war  der  der  Naiman,  wider 
welchen  Tschengischan  siebenmal  zu  P^elde  gezogen,  fünfmal 
vor  seiner  Thronbesteigung  als  gewaltiger  Chan  der  Mon- 
golen,  und  als  Verbündeter  Owangchan's.  Immer  waren  sie 
I  T  1198  ^^  ^^^  Spitze  der  wider  Tschengis  verschworenen  Stämme 
/  J  1193.  ^^^  ^^^^  Niederlagen  zu  Kisiltasch,  d.  i.  am  rothen  Steine, 
nicht  minder  berühmt,  als  die  der  siebzig  Kessel  der  Tai- 
dschut zu  Baldschuschj  die  der  verbündeten  Stämme  an 
den  sieben  Grabhügeln  und  die  Tschengischan's  selbst,  als 
er  nach  der  wider  Owangchan  verlornen  Schlacht  von  we- 
nigen Treuen   begleitet   zum   Quelle   Baldschuna   geflohen. 


KrstesBuch.  33 

Nachdem  in  der  vierten  Schlacht  wider  die  Naimanen  ihr 
grosser  Fürst  Tajaiigchan  geblieben,  zog  Tscheugischan 
wider  dessen  Bruder  Buyuruk^ß.  i.  den  Befehlshaber,  welcher 
ihm  als  Fürst  seines  Volkes  gefolgt ,  und  schlug  denselbeji 
an  der  Sudscha,  in  der  Nachbarschaft  des  Vlugtag ,  d.  i. 
des  grossen  Bergs,  die  Fortsetzung  der  Bergkette  des  kleinen 
Altai  ober  dem  Balchasch-See.  Tajang's  Sohn  Kuschluk 
floh  mit  Tukta,  dem  Fürsten  der  Merkit,  nach  den  Ländern 
am  Irtisch.  Ihre  gefährliche  Nachbarschaft  mochte  ein 
Hauptgrund  des  Untergangs  der  Kirkis  und  Kemlcemdschiut 
gewesen  sein,  welche  am  Irtisch  und  Jenisei  sassen ,  und 
welche  nun  dem  gewaltigen  Herrscher  huldigten ;  so  hul- 
digten ihm  auch  im  Süden  Idihtit,  der  Fürst  der  Uighuren, 
und  die  türkischen  Fürsten  der  Hoeihe  in  der  kleinen  Bu- 
charei,  der  Gurchan  von  Karachetai,  der  Fürst  des  Stammes 
der  Karlik  von  Kajaligh  und  der  von  Aimaligh.  Tschengis 
besiegelte  den  Bund  der  Huldigung  durch  Verschwägerung, 
indem  er  dem  letzten  eine  Tochter  seines  ältesten  Sohnes 
Dschudschi ,  dem  Fürsten  der  Karlik  eine  andere  Prinzessin 
des  Tschengischan'schen  Hauses,  und  seine  Tochter  II  Alti 
dem  Fürsten  Idikut  zur  Frau  gab ,  den  er  seinen  fünften 
Sohn  nannte.  *)  Er  war  nun  mit  nicht  weniger  als  einem 
Dutzend  der  mächtigsten  Stämme  verschwägert;  die  zwei 
Schwestern  Tatarinnen  ausgenommen,  war  jede  seiner  grossen 
Frauen  aus  einem  anderen  Stamme,  und  ebenso  gab  er 
nicht  mehrere  seiner  Töchter  an  Fürsten  Eines  Stammes, 
Sondern  jede  an  einen  anderen;  nur  mit  dem  Stamme  der 
Konghurat  war  er  gegenseitig  verschwägert ,  indem  seine 
erste  Gemahlin  Burte  Fud&chin  eine  Konghuratin  und  er 
seine  Tochter  Ttimalun  an  den  Prinzen  der  Konghuraten 
vermählte,  welcher,  wie  alle  Eidame,  den  Titel  Gurchan 
führte. 

Stark  durch  Verbindung   und  Verschwägerung  mit  den  Chinesische 

mächtigsten  Stämmen  und  Fürsten,  vernichtete  er  so  leichter  Ehrentitel, 

der  chine- 
sische und 
*3  Bei   d'OIisson    S.  4l9   fehlt  dieselbe,    aber    S.  Ul    wird    sie     persische 
Altunbegi  geuannt.  Krieij. 

Hammevj  Geschichte  der  Ilchane.    I.  3 


34  E  r  s  k  e  s     B  u  c  li. 

den    Fürsten    der   Naimanen,   Kutschbik,   in    dem  siebeuten 
und  letzten  wider  denselben  geführten  Krieg  in  der  Schlacht 
am  Kern,   und  wagte   nun    den  Krieg  wider    den  Herrscher 
von  China    selbst,    wider   Altan  Chan,    d.  i.  den  goldenen, 
welcher    ihm    gleich   Anfangs   seines   Auftritts   für  die  dem 
Tschingsang   (^chinesischen    Staatsmintster^    wider    empörte 
Tataren  geleistete  Hilfe  den  Ehrentitel  eines  Grossfürsten '^^^ 
sowie  damals  der  Herrscher   der  Kerait  dem  Owangchan^^ 
und    dem  Fürsten    der  Naiman    den  Ehrentitel  Tajang  ver- 
liehen hatte.     Die  Seele   dieses   siebenjährigen  chinesischen 
Krieges,    welcher   mit  der  Besiegung  Altanchan's,    des  vor- 
maligen Oberherrn  der  Tataren  und  Mongolen,  endete,  war 
der  Dschelaire  Mokli ,  welcher  zur  Belohnung  seiner  Dienste 
den  auszeichnenden   chinesischen    Titel   ^ojang^) ,    das  ist 
Herrscher  Eines  Distrikts ,    erhielt.     Der   Kaiser  von  China 
war  der  mächtigste  Feind  des  mongolischen  Reichs  im  Osten, 
sowie   Chuaresmschah ,    dessen   Herrschaft   sich   über   ganz 
Mittel-  und  Vorderasien  erstreckte,  der  mächtigste  und  ge- 
fährlichste Nachbar   im  Westen.     Nach   dem  glücklich  voll- 
endeten siebenjährigen  chinesischen  Feldzuge  und  der  Ein- 
schüchterung des  Ostens  wandte  Tschengischan  seine  ganze 
Macht  wider  den  Herrscher  des  Westens,  wider  Mohammed 
Tekesch,  zur  Blutrache  einer  Karawane  mongolischer  Kauf- 
leute,   welche  Ghairchan ,    der  Statthalter  von  Otrar,  hatte 
ermorden   lassen.     In    diesem   siebenjährigen  Kriege  befeh- 
ligten   die   zur    Eroberung   des  Westens   bestimmten  Heere 
theils   Tschengischan   in   Person,    theils   seine   vier   Söhne, 
theils  seine  beiden  grossen  Feldherren  Dschebe  Nujan  und 
Suhutai    Behadir ;    sie    eroberten    eben    so    viele    Länder: 
Transoxana,  Chuaresm ,  Chorasanj  A^%  persische  Irak ,  Ma- 
senderan ,    Ghasna    und  Kipdschak  j    und   die  mongolischen 
Heere  verheerten  die  Länder  von  den  Ufern  des  Indus  bis 
an  die  der  W  olga.     Ogotai  und  Dschaghatai  belagerten  Otrar, 


')  Dschawut  Kuri ,  auf  chinesisch  sagt  Reschideddia  Emiri 
moasem,  d.  i.  Grossfürst.  ^)  Owantfchan ,  Herr  eines  Reichs  5 
Padischahi  jek  mulk.  ^)'  Kojang  übersetzt  Reschideddin  Padischahi 
jek  nahiet,  d.  i.  Monarch  eines  Distrikts. 


ErstesBucl).  '  36 

worin  sich  Ghairchan,  dessen  Gewaltthat  der  Anlass  und 
die  Rechtfertigung  des  Kriegs,  sich  zwei  Jahre  lang  tapfer 
vertheidigte.  Dschudschi ,  welcher  gegen  Chodschend  be- 
fehligt war ,  kehrte  nach  einiger  Uneinigkeit  rait  seinen 
Brüdern  wieder  nach  Kipdschak  zurück.  Tschengischan  be- 
fehligte in  eigener  Person  die  Verheerung  von  Samarkand 
und  Bochara ,  der  beiden  grössten  und  bevölkertsten  Städte 
Transoxana's,  in  deren  jeder  dreissigtausend  Schlachtopfer 
bluteten,  was  nicht  unglaublich,  wie  die  Zahl  derer,  welche 
in  den  Städten  Chorasan's  bluteten,  mit  dessen  Eroberung 
der  vierte  Sohn,  Tuli ,  betraut  war.  Zu  ]Vis<^habiir  soll  eine 
Million,  zu  Sebsewar  siebzigtausend  gemetzelt  worden  sein. 
Glaublicher  ist  die  Entvölkerung  Chuaresm's,  aus  dessen 
Hauptstadt  allein  einraalhunderttausend  Künstler  und  Hand- 
werker in  die  östlichen  Länder  geschleppt  worden.  Bamian, 
vor  dessen  Mauern  ein  Enkel  Tschengischan's,  aus  seinem 
Sohne  Dschaghatai,  fiel,  erhielt  den  Namen  Mobah'gh,  d.i. 
verfluchte  Ballei ,  und  musste  den  Mord  mit  dem  Blute 
seiner  Einwohner  sühnen.  Die  beiden  Feldherren  Dschebe 
Nujan  und  Subutai  Behadir  durchstäupten  Persien  bis  an 
die  Ufer  des  Sees  von  ürmia,  drangen  dann  dnrch  die 
Pässe  des  Kaukasus  nach  Russland  und  Kipdsch?k  vor  und 
wurden  durch  die  Niederlage  der  Russen  Herrscher  an  der 
Kalka,  die  sich  in  den  Donesch  ergiesst,  wie  sie  Herrscher 
an  der  Kalka,  die  in  den  ßujursee  mündet.  Tschengischan 
selbst  verfolgte  am  Indus  den  Sultan  Dschelaleddin  Mink- 
burni,  den  Sohn  des  Mohammed  Tekesch,  der  in  einer 
Insel  des  kaspischen  3Ieeres  sein  Leben  geendet,  und  konnte 
dem  Sohne  seine  Bewunderung  nicht  versagen,  als  derselbe, 
bis  an  das  Ufer  des  Indus  verfolgt ,  vom  steilen  Ufer  sich 
ganz  bewaffnet  mit  dem  Pferde  in  den  Indus  stürzte  und 
denselben  durchschwamm:  Ein  Sohn,  würdig  seines  Vaters, 
rief  Tschengischan,  ihm  mit  Bewunderung  nachsehend,  aus. 
Beim  Kurultai,  welches  Tschengischan  am  Karagöl  (Schwarz- 
see} zur  grossen  Jagd  an  alle  üluse  ausgeschrieben  hatte, 
erschien  der  älteste,  Dschudschi,  nicht,  doch  sandte  er 
seinerstatt  kostbare  Geschenke  an  Pferden.     Tschengischan 


36  ErstesBuch. 

unternahm  von  da  den  vierten  Feldzug  wider  das  empörte 
Tanghut  und  starb  auf  demselben ,  nachdem  er  durch  letzt- 
willige  Anordnung  zu  seinem  Nachfolger  im  Reiche  weder 
den  ältesten  Dschiidschi,  noch  den  zweiten  Dschagatai ,  son- 
dern den  dritten  Ogotai  ernannt  hatte. 

Tschengischan's  Politik ,  deren  Hauptaugenmerk  die 
Die  Jasa.  Versöhnung  feindlicher  Stämme  und  die  engere  Verbindung 
mit  freundlichen  mittels  Verschwägerung ,  erhellt  schon  aus 
dem  Erzählten;  aber  seine  bürgerliche  Gesetzgebung  und 
seine  Staatseinrichtungen  erfordern  noch  besondere  Beleuch- 
tung. Er  ist  der  Gesetzgeber  seines  Volkes.  Aus  den 
bisherigen  europäischen  Geschichtschaeibern  mongolischer 
Geschichte  ist  nur  die  bürgerliche  Gesetzgebung  desselben, 
d.  i.  die  Jasa^  bekannt,  aber  in  Wassaf,  dem  Livius  der 
persischen  Geschichtschreibung,  weicher,  berühmt  unter 
dem  Namen  des  Lobredners  der  Majestät  ^^  ^  schon  andert- 
halb Jahrhunderte  nach  Tschengischan ,  zu  Ende  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts  der  christlichen  Zeitrechnung  und  zu 
iVnfang  des  vierzehnten ,  schrieb ,  und  aus  der  grossen 
Sammlung  von  Staatsschreiben  ,  welche  ein  halbes  Jahrhun- 
dert später  der  Staatssekretär  Mohammed  Hinduschah,  bei- 
genannt die  Somie  der  Stylisten  ^),  für  Schah  Oweis  Behadir- 
chan ,  den  zweiten  Herrscher  der  zweiten  Dynastie  der 
Ilchaue  (deren  Gründer  sein  Vater,  der  grosse  Hasan^,  aus 
den  Archiven  zusammentrug,  lernen  wir  auch  die  besonderen 
Namen  der  Gerichtsordnung  und  des  Militärcodex  kennen. 
Die  erste,  nach  welcher  den  Oberrichtern  das  Recht  zu 
sprechen  in  ihren  Bestallungsdiplomen  eingeschärft  ward, 
hiess  Kutatgu  hilik  Tschengischatii ,  d.  i.  das  Kutadische 
Tschengischanische  überlieferte  Wort;  denn  unter  dem  Titel 
von  BUik  gibt  Reschideddin  neun  und  zwanzig  überlieferte 
Worte  Tschengischan's,  und  Kntat  (^oder  Kitad^  ist  der 
Name  der  Familie  Tschengischan's ;  den  Namen  des  Militär- 
codex hat  nur  Wassaf  aufbewahrt;  derselbe  hiess:  Tnmen- 
dschin,  d.  i.  wovor  man  sich  zu  hüten;    dieses  ging,  sowie 


*)  Wassaful-liasret.    'j  Schemsclml-niuuschi. 


E  r  s  t  e  s     B  u  c  li.  37 

das  Bilik,  unmittelbar  von  Tschengisclian  selbst  aus,  aber 
an  der  Jasa  hatte  die  Weisheit  seines  Sohnes  Dschagatai 
grossen  Äntheil.  Da  die  einige  und  zwanzig  Punkte  des 
ersten  und  des  zweiten  bereits  bekannt  gemacht  worden, 
80  genügen  hier  ein  Paar  Federstriche  zum  Umrisse  des 
Geistes  der  Gesetzgebung  Tschengischan's.  Häufige  Todes- 
strafe und  Prügel  waren  die  Saqction  derselben,  die  Todes- 
strafe nicht  nur  auf  Verbrechen,  sondern  auch  auf  Unsitt- 
lichkeit  und  auf  die  Verletzung  abergläubischer  Sitte  gesetzt; 
so  wurde  der  überwiesene  Lügner,  Zauberer,  der,  welcher 
bei  Donnerwetter  badete,  und  wer  ins  Wasser  oder  auf  Asche 
pisste,  mit  dem  Tode  bestraft;  den  Prügeln,  womit  vor- 
züflich  die  üebertretung  der  Kriegszucht  bestraft  ward, 
wai;en  auch  die  Prinzen  des  Geblüts  unterworfen,  und  die- 
selben entehrten  nicht;  ihre  Zahl  immer  ungleich,  von  drei, 
fünf,  sieben  bis  sieben  und  siebzig.  '  )  Die  grösste  politische 
Tugend  der  Mongolen  die  blindeste  Unterwürfigkeit  in  den 
Willen  des  Herrschers,  indem  nur  Einer  der  Herr  und  alle 
Anderen  Sklaven;  Nichts  von  Geburt  aus,  oder  wenn  auch 
durch  diese  und  durch  Stammverwandtschaft  geadelt  und  zu 
Würden  erhoben,  wieder  Nichts  vor  des  Herrschers  All- 
macht; die  zweite  Tugend  schweinische  Unreinigkeit,  indem 
es  ihnen  verboten,  ihre  Kleider  zu  waschen,  die  sie  auf 
dem  Leibe  tragen  mussten,  bis  sie  ihnen  in  Stücken  ab- 
fielen ^^,  also  gerade  das  Gegentheil  jüdischer  und  mosli- 
mischer  Gesetzgebung,  wovon  jene  zwischen  Reinem  und 
Unreinem  so  genau  unterscheidet,  diese  wiederholtes  Waschen 
zur  Pflicht  macht.  Gastfreundschaft  war  geboten ,  doch 
durfte  keiner  zum  Mahle  niedersitzen ,  ohne  dazu  geladen 
zu  seyn,  keiner  auf  Kosten  seiner  Tischgenossen  schlemmen; 
Titel  und  Phrasen  waren  untersagt,  selbst  der  Kaan  durfte 
nicht  anders  als  bei  seinem  Namen  angeredet  werden;  ein 
persischer  Sekretär ,  welcher  das  im  Namen  Tschengischan's 
an  eine  belagerte  Stadt  erlassene  Aufforderungsschreiben 
mit   Floskeln   ausgeschmückt ,   büsste   dieselben  mit  seinem 


'D  Wassaf.     -)  Uie  Jasa  iu  Makrisi. 


38  E  r  8  t  e  s     B  u  c  h. 

Leben.  Alle  Mädchen  und  Frauen  der  Mongolenstanden 
dem  Herrscher  zu  Gebot;  die  Tarchanen,  d.i.  Freiherren, 
waren  von  allen  Steuern  befreit  und  hatten  zu  jeder  Stunde 
freien  Zutritt  zum  Kaan.  Die  Erbfolge  in  der  Familie  Tschen- 
gischan's  war  durch  die  Jasa,  welche  hievon  die  Brüder 
Dschudschi  Kasar's  ausschloss  und  die  Herrschaft  dem  üluse 
Ogotai's,  des  zweiten  Sohnes,  zusprach,  festgesetzt,  aber 
die  Verkündung  der  Thronbesteigung  musste  auf  einem 
Kundtai ,  d.  i.  einem  Landtage,  feierlich  vollzogen  werden. 
Der  erste  und  grösste  Hofdienst  war  der  des  Oberstjäger- 
meisters ,  denn  die  Jagd  als  Vorspiel  und  Vorübung  des 
Kriegs  vertrat  die  Stelle  der  Bildung  und  Erziehung,  da 
das  Handwerk  und  die  Kunst  der  Mongolen  nur  Krieg  und 
Verheerung. 
„  Die    Periode    der    Staatseinrichtungen   Tschengischan's 

und  das  ^^'^^  ^"  ^^^  sieben  Jahre,  welche  von  seiner  zweiten  Thron- 
Testament,  besteigung  als  gewaltiger  Herrscher  bis  zum  Ausbruche  des 
siebenjährigen  chinesischen  Krieges  verflossen;  aber  die 
militärische  Einrichtung  des  Heeres  nach  Zehnern,  Hun- 
derten ,  Tausenden  und  Zehntausenden  hatte  schon  früher 
stattgefunden.  Das  Buch  der  vier  Uluse,  dessen  Verfasser 
ülugbeg  und  welches  dem  Stammbaume  der  Türlcen^^  zu 
Grunde  liegt,  schreibt  die  Eintheilung  des  mongolischen 
Heeres  in  sieben  Treff'en  schon  dem  Oguschan  zu;  in  jedem 
Falle  ist  diese  Einrichtung  eine  türkische  und  weit  älter, 
als  Tschengischan,  und  verschieden  von  der  arabischen  Ein- 
theilung, welche  nur  fünf  Abtheilungen  des  Heeres  kennt. 
Die  Türken  und  nach  ihnen  die  Mongolen  theilten  ihr  Heer 
«  in   die    folgenden    sieben    Theile :     1.   Btädschiinghar ,   auf 

türkisch  Karaul,  die  Vorposten  oder  Vedetten ;  2.  Borunghar , 
auf  türkisch  Mankalai,  der  Vortrab  des  Heeres,  auf  arabisch 
Mahaddemetol-dschisch ;  3.  Vt/ghar,  auf  türkisch  Ssagkkolf 
der  rechte] Flügel,  auf  arabisch  Jemiw ;  4.  Dschunghar,  auf 
türkisch  Ssolkol ,  der  linke  Flügel,  auf  arabisch  Jesar ; 
5.  Ghul,  auf  türkisch  Jes«?^/^  das  Mitteltreffen ,  der  Mittel- 


•)  The  Shajrat  ul  Atrak.     LondoQ  1838.     p.  32. 


E  r  s  t  e  s     B  u  c  h.  39 

punkt  des  Heeres,  die  Fahnen  und  Standarten,  die  Koss- 
schweife  und  Heerpauken,  von  den  Arabern  Kalboldschisch, 
d.  i.  das  Herz  des  Heeres,  genannt;  6.  Okdschunghar,  auf 
türkisch  Tschehlcdaul,  der  Nachtrab,  auf  arabiscJi  Sahat; 
K.  Besttinghar ,  auf  türkisch  Bassdürma  und  auf  persisch 
Kemingjah,  d.  i.  der  Hinterhalt;  dieser  Theil  des  Heeres 
war,  wie  der  türkische  und  persische  Name  zeigt,  zu  Ueber- 
fällen  aus  dem  Hinterhalte  bessmmt;  er  zog  aber,  der  letzte, 
in  so  grosser  Entfernung  vomNachtrab,  dass  er  den  Staub 
desselben  nicht  sah.  Diese  letzte  Abtheilung,  sowie  die 
erste,  fehlt  in  der  Strategie  der  Araber.  Ein  Corps  von 
zehntausend  Mann  hiess  Turnen  oder  Toman,  eine  Benenii^mg, 
welche  auch  den  Länderabtheilungen  und  später  Münzen 
beigelegt  ward,  wie  denn  noch  heute  Silber-  und  Gold- 
tomane  in  Persien  cnrsiren;  die  Silber-  und  Goldmünzen 
der  Mongolen  hiessen  Baiisch.  Die  Jagd,  Pfeilschiessen, 
Pferdetumraeln  und  Ringen  waren  die  Uebungen  des  Heeres 
und  der  Feldherren,  welche  hierin  mit  gutem  Beispiele 
vorgehen  mussten :  „Die  grossen  Fürsten  und  das  ganze 
Heer  muss  sich  in  der  Jagd  üben  und  den  Namen  bestimmen, 
bei  welchem  sie,  wenn  sie  ins  Feld  ziehen,  ausgerufen 
werden  sollen;  sie  sollen  mit  zu  Gott  gewandtem  Herzen 
beten,  bis  sie  mit  göttlicher  Hilfe  die  vier  Weltgegenden 
unterjocht."  lautet  das  zehnte  der  hinterlassenen  Worte 
Tschengischan's;  dann  das  eilfte:  „Der  Mann  sei  unter  dem 
Volke  ruhig  und  schweigsam ,  wie  ein  Kalb ,  falle  aber  in 
der  Schlacht  wie  ein  hungriger  Geyer  auf  die  Feinde.'' 
und  das  zwölfte:  „Jedes  Wort,  das  einmal  gesprochen  worden 
und  von  dem  man  zweifelt,  ob  es  im  Scherze  oder  Ernste 
gesprochen  worden,  kann  nicht  mehr  zurückgenommen  wer- 
den, —  gilt  für  Ernst,"  Die  grösste  Auszeichnung  war, 
wenn  der  Kaan  auf  einen  mit  dem  Finger  zeigte ;  dem  mit 
dem  Finger  Ausgezeichneten  '^  waren  die  Einkünfte  der 
Minen,  die  guten  Pfeilschützen,  die  Pferde  der  Post,  die 
Jagdvögei ,     die    Jagdhunde    der    eroberten    Länder    zuge- 


')  Nocli  heute  Lin  Aiabischeu :    Muschai-  l)il  bunaiu 


40  K  r  s  t  e  s     B  u  c  h.     - 

sproclien.  ')  Die  feste  Grundlage  des  Herrschergesetzes 
Tsehengischaii's  uar  Familieneinigkeit  und  festes  Zusammen- 
halten der  Stamraverwandtschaft;  eine  Lehre,  welche  er 
durch  das  bekannte  Gleichniss  vom  Pfeilbündel ,  dann  von 
den  zwei  Schlangen  ,  der  einköpfigen  Vieischweifigen  ^)  und 
elnschweifigen  Vielköpfigen ,  seinen  Söhnen  versinnlichte. 
Von  diesen  bekleidete  Ogotai ,  der  Oberste  Jägermeister, 
das  erste  Hofamt,  Dschagatai  versah  die  Stelle  des  Obersten 
Kichters  und  wachte. auf  die  Vollziehung  der  Jasa,  an  deren 
Verfassung  er  so  grossen  Äntheii  hatte;  dem  Ogotai  lag  die 
innere  Verwaltung,  d.  i.  die  Erhebung  der  Steuern,  dem 
jüngsten,  Tuli,  die  Sorge  für  das  Haus  und  die  Truppen, 
für  den  Herd  und  das  Heer  ob;  der  jüngste  Sohn  war,  wie 
schon  oben  gesagt  worden,  nach  mongolischen  Gesetzen  der 
Hüter  des  Herds  und  der  Herden  und  nach  des  Vaters  Tod 
der  Erbe  der  ganzen  Wirthschaft,  wiewohl  das  Haupt  der 
Familie  und  des  Stammes  stets  der  Erstgeborne  blieb.  Das 
mongolische  Gesetz  trennte  also  das  Ansehen  der  Erstgeburt 
von  dem  Stammvermögen,  indem  die  Stammherrschaft  zwar 
dem  Aeltesten ,  das  Vermögen  aber  de:n  Jüngsten  des  Hauses 
zuerkannt  ward.  In  diesem  Sinne  sollte  Dschudschi,  der 
älteste  der  vier  Söhne,  dem  Vater  auf  dem  Throne  gefolgt 
sein,  aber  mit  demselben  unzufrieden,  besonders  seitdem 
er  nicht  auf  dem  letzten  Kurultai  zur  grossen  Jagd  erschienen, 
sprach  Tschengischan's  letzter  Wille  die  Thronfolge  dem 
dritten  Sohne,  Ogotai,  das  Staramvermögen  aber,  das  ist 
die  grösste  Macht  des  Heeres,  dem  jüngsten  Solme,  Tuli, 
zu.  Von  hundert  neun  und  zwanzig  Toman,  d.  i.  hundert 
neun  und  zwanzigtausend  Mann  ,  aus  welchen  das  Heer  bei 
Tschengischan's  Tod  bestand ,  hinterliess  er  hundert  ein 
Tausend  dem  Tuli,  jedem  der  vier  anderen:  Dschudschi, 
Dschagatai,  Ogotai,  Gulgan,  nur  viertausend:  den  rechten 
Flügel  über  acht  und  dreissigtausend  Mann  befehligte  der 
erste    der    neun  Orlöke ,    der    treue  Freund  und  Waffenge- 

')  XXV.  Wort  Tsclien;:^iscliairs  in  Rescliideddiu.  -)  Von  La- 
fontaine bei  der  Audienz  eiues  kais.  Gesandten  einem  Türken  in 
den  Mund  zelei't. 


ErstesBuch.  41 

fährte  Bughurdschi ;  den  linken  ron  zwei  und  seclizigtausend 
Mann  der  Eroberer  China's,  der  Kojank  Mokli  der  Dsche- 
laire,  welchem  drei  Hesare ^  d.  i.  dreitausend  31ann  Dsche- 
lairen  als  ein  Leibregiment  überlassen  worden  ;  fünftausend 
seinem  jüngsten  Bruder  Vtdschigin ,  dreitausend  seinem 
Bruder  Katschiun  und  eben  so  viele  seiner  Mutter  Vlun, 
tausend  dem  Sohne  des  Bruders  Dschudschi  Kasar's.  Diese 
Truppen  erbten  in  den  Familien  fort.  Als  Tschengischan 
sein  Testament  machte,  Hess  er  aus  den  Archiven  den 
Familienpact  holen ,  w  elchem  noch  dasi  goldene  Siegel  seines 
Vorfahren  T?/me«ß/aufgedrückt  war  und  welchem  die  folgenden 
Ahnen,  nämlich:  Kahulchan,  der  ürgrossvater ,  Bertan 
Behadir,  der  Grossvater,  und  Jisukai,  der  Vater  Tschen- 
gischan's,  ihre  ünlerschrilten  beigesetzt  hatten  *};  erzeigte 
diese  Familienurkunde,  vermöge  welcher  der  letzte  Wille 
des  Herrschers  als  Gesetz  geachtet  werden  musste,  den 
Söhnen,  befahl  ihnen,  den  Bruder  Ogotai  als  Herrn  anzu- 
erkennen ,  und  empfahl  die  Leitung  der  Reichsgeschäfte 
dem  Vetter  Karadschar  Nujaji,  dem  Sohne  seines  Oheims, 
dem  Ahnherrn  Timur's.  Ogotai  erhielt  das  Reich  als  oberster 
Herrscher,  Tuli  das  Stammgebiet  am  Onon  und  Kerulon  und 
die  östlichen  Länder.  Dem  UJuse  Dschudschi's ,  der  kurz 
vor  dem  Vater  verstorben,  ward  der  Besitz  von  Kipdschak 
erhalten ;  Dschagatai's  Antheil  waren  die  Länder  der  üighuren, 
die  kleine  und  grosse  Bucharei,  die  Länder  am  ///  und 
zwischen  dem  Dschihiin  und  Sihim  (^Oxus  und  Jaxartes), 
welchen,  sowie  der  türkischen  Mundart  der  üighuren,  der 
Name  der  Dschagatai'schen  verblieb. 

Der  Familienvertrag  der  Familie  Tschengischan's  sowohl,         jy^^. 
als    der   grosse    Einfluss  Karadschar's    als  Leiter,    Rath  und     Familien- 
Orakel    der    tschengisischen    Familie    ist  bisher  von  keinem  vertrag  %u 
europäischen    Schreiber   mongolischer    Geschichten  gehörig  J^oradscia. 
ins  Auge  gefasst  worden ;  selbst  die  soeben  angeführte  Stelle 
Mirchuand's   über    den  Familienvertrag  ist  unberücksichtigt 
geblieben.     Das  seit  kurzem  erst  in  englischer  üebersctzung 


')  Mircluiand. 


42  K  r  s  t  e  s     B  II  c  ii. 

bekannt  gewordene  treffliche  Werk  des  Stammbaums  der 
Türken,  welches  den  Kern  der  Geschichte  der  vier  Uluse 
von  Ulugbeg  enthält,  gibt  darüber  sowohl,  als  über  Kara- 
dschar's  Einfluss  und  Ansehen  umständlichen  Bericht;  wir 
lernen  daraus,  dass  dieser  Familienvertrag  Temghai  Tumenai- 
chan,  d.  i.  das  Insiegel  Tuminechans,  hiess ,  und  also  schon 
vom  ürurgrossvater  Tschengischan's  datirt.  Diesen  Familien- 
vertrag liess  Tschengischan  auf  seinem  Sterbebette  holen 
und  führte  seinen  Söhnen  zu  Gemüthe,  dass  er  sowohl, 
als  Karadschar,  denselben  immer  genau  beobachtet  hätten. 
Karadscharchan  erscheint  also  schon  hier  als  das  Haupt 
eines  Zweiges  der  Familie  Tschengischan's ,  welches  im 
Namen  derselben  mit  Tschengischan  einen  Familienvertrag 
eingegangen  oder  vielmehr  den  erneute,  welchen  der  Ahn- 
herr Tumenaichan  zwischen  seinen  Söhnen  Kabulchan  und 
Katschulai  geschlossen  und  welchen  später  Jisukai  und  Te- 
mudschin  bestätigt  hatten  ;  mehr  als  einmal  erwähnt  desselben 
die  Geschichte  des  Stammbaums;  sie  erwähnt  desselben  unter 
der  Regierung  Tewa's,  des  eilften  Chan's  der  Familie  Dscha- 
ghatai,  als  des  zwischen  Karadschar  Nujan  und  Tschengis- 
chan geschlossenen  Familienvertrags,  und  abermals  unter 
der  Regierung  von  Sijurghurtmisch,  dem  zwei  und  dreissigsten 
Chane  des  üluses  Dschaghatai  ^3;  dieser  Familienveatrag  des 
tschengisischen  Hauses,  welcher  zuerst  von  Tumenaichan,  dem 
vierten  Ahnherrn  Tschengischan's,  zwischen  seinen  beiden 
Söhnen  Kabul  und  Katschulai  aufgerichtet,  von  seinem  Ur- 
enkel Jisukai  bestätigt  worden,  ward  von  seinem  ürurenkel 
Tschengischan  mit  Karadschar  erneuert  und  blieb  bis  zu 
dem  letzten  Chane  des  Uluses  Dschaghatai,  von  Tumenai- 
chan bis  auf  die  Zeit  Timur's,  d.  i.  durch  dreihundert  Jahre, 
aufrecht.  Karadschar  Nujan  hätte  zweifelsohne  den  Thron, 
wenigstens  im  Uluse  Dschaghatai,  für  sich  selbst  behaupten 
können,  aber  er  wollte  lieber  denselben  verleihen,  als  selbst 
einnehmen;, 80  erhob  er  einige  Jahre  nach  dem  Tode  Dscha- 

')  The  treaty  inaJe  between  Kurachar  Noj-aun  aud  Changeez 
Khan.  The  Shajrat  ul  Atrak  p.  367;  und  ebend.  p.  381:  The 
coveuant  renewed  betweeu  Changeez  Khau  and  Kurachar  Noyauii. 


ErstesBuch.  ^ 

ghatai's  statt  eines  Sohnes  den  Enkel  desselben,  Kara  Hulaga, 
auf  den  Thron,  setzte  denselben  zwar  auf  die  Vorstellung 
des  Grosschan's  Gajuk  ab  und  einen  Sohn  Bschaghatai's  als 
Chan,  dann  aber,  als  dieser  gestorben,  den  Kara  Hulagu 
zum  zweitenmal  als  Chan  des  Uluses  Dschaghatai  ein.  *^ 
Karadschar  war  der  Sohn  Emir  Songhur  TschitsQhati's,  der 
Enkel  Emir  Irdümdschts,  der  Urenkel  Emir  Kadschulais, 
des  Sohnes  Tumenai's  und  also  der  Vetter  Tschengischan's 
im  dritten  Grade ,  indem  ihre  ürgrossväter  Brüder  waren. 
Warum  Tumenai,  da  ihre  Urgrossväter  Kabul  und  Katschulai 
Brüder,  warum  Tumenai,  welcher  acht  Söhne  hatte,  den 
Hausvertrag  der  Herrschaft  nur  unter  den  beiden  obge- 
nannten  abschloss,  erhellt  nicht  aus  den  bisher  bekannten 
Quellen  mongolischer  Geschichte;  wahrscheinlich  weil  Ka- 
tschulai dem  Kabuichan  die  Nachfolge  streitig  machte.  Nach 
den  Tier  durch  die  vier  Söhne  Tschengischan's  begründeten 
Lfiosen  war  das  Haus  Karadschar's  das  mächtigste  des  tschen- 
gisischen  Stammes  und  Herrschaft  und  Welteroberung  gingen 
auf  den  Nachkömmling  Karadschar's  im  fünften  Grade,  auf 
Timur  Gurgan,  über.  ^)  Der  Stamm  des  HausesKaradschar's 
war  der  der  Berla's.  ^)  Karadschar,  der  Rath  Tschengis- 
chan's und  seiner  Söhne  Ogotai  und  Dschaghatai,  starb  bald, 
nachdem  er  den  Kara  Hulagu,  den  Enkel  Dschaghatai's,  zum 
zweitenmale  auf  den  Thron  gesetzt,  acht  und  neunzig  Jahre 
alt"),    und  hinterliess  zehn  Söhne,  deren  ältester,  Itschelj  ^ 

der  ürurgrossvater  Temur  Gurgan's.  ^) 

Ehe  wir  von  Tschengischan  zur  Geschichte  seiner  Nach-  Charakter 
folger,  Herrscher  der  Mongolen,  übergehen,  nur  noch  ein  und  Sitten 
der 

•)  The  Shajiat  ul  Atrak  S.  354.  ^)  Timur,  der  Sohn  Emir  ''  ^'^Ü^  ^^' 
Tharagai  Nujan's,  des  Sohnes  Tiikil  Nujan's,  des  Sohnes  Emir 
Beleyir  Nujan's,  des  Sohnes  Emir  Itscliil  Nujan's,  des  Sohnes  Emir 
Karadschar 'SaJRü''s;  Abder-vesak  im  Matlaa  es-saadein.  ^)  Nicht 
Berolas,  wie  Freih.  v.  d'Ohsson  schreibt;  im  dschaghataischen  zu 
Calcutta  gedruckten  Wörterbuche  S.  ll6.  ")  I.  J.  652  (1254). 
5)  The  Shajrat  ul  Atrak  p.  IctS.  344.  347.  352.  355.  366 ;  die  Namen 
sind  aber  alle  so  verstümmelt,  dass  sie  kaum  zu  erkennen,  nämlich 
Irdiimdschi  als  Eeroomchi ,  Kadschulai  als  Kuchooli ,  Songhur 
Tschitschan  als  Sooghoo  chi  chun. 


44  B  r  s  t  e  s     B  u  c  h. 

Paar  Worte  über  den  Charakter  und  die  Sitten  des  Volkes. 
Die  beste  und  kürzeste  Schilderung  derselben  liegt  iui  Namen 
Mongol  selbst,  sei  es,  dass  derselbe,  wie  die  persischen 
Quellen  sagen,  trübe  und  traurig,  sei  es,  dass  er,  wie  ein 
mongolischer  Geschichtschreiber  behauptet,  trotzig  und  tm~ 
erschrocken  bedeute.  Es  hat  mit  dem  Aaraen  der  Mongolen 
dieselbe  Bewandtniss,  wie  mit  dem  derSIaven,  welchen  die 
Fremden  von  Slavo:  schwach  und  feige,  die  Eingebornen 
von  Slaha:  Ruhm  und  Glanz,  abgeleitet  haben;  wie  dem  auch 
sei,  der  Charakter  der  Mongolen  entspricht  der  doppelten 
Angabe  der  Bedeutung  ihres  Namens,  sie  sind  eben  so  ein 
trübes  und  trauriges,  als  trotziges  und  unerschrockenes  Volk. 
Die  Traurigkeit  und  Schwermuth  spricht  sich  schon  in  den 
Klaggesängen ,  welche  vom  mongolischen  Geschichtschreiber 
Ssetsen  aus  der  ältesten  Zeit  her  erhalten  sind ,  in  der  weh- 
raüthigen  Sehnsucht  nach  den  Ufern  des  Onon  und  Kerulon, 
sowie  in  den  Volksliedern  der  heutigen  Mongolen  aus;  ihre 
Tapferkeit  hat  sich  Asien  unterworfen  und  Europa  zittern 
gemacht,  ein  trauriges  barbarisches  Volk ,  das  erst  Tschen- 
gischan  durch  das  Beil  und  die  Prügel  gesittigt,  und  das 
durch  Raubsucht  und  angeborenen  Sklavensinn  das  tüch- 
tigste Werkzeug  zur  Welteroberung;  „sie  hatten  das  Herz 
des  Löwen,  die  Geduld  der  Hunde,  die  Behutsamkeit  des 
Kranichs,  die  List  des  Fuchses,  die  Vorsicht  des  Raben, 
die  Raubsucht  des  Wolfes ,  die  Heftigkeit  der  Hahnen j  für 
Familie  sorgend  wie  Hühner,  die  Ruhe  der  Katzen,  die 
Heftigkeit  im  Anfall  vom  Schweine'' ,  welche  Eigenschaften 
der  Morgenländer  dem  vollkommenen  Krieger  insgemein 
beilegt  '^j  m^n  könnte  aber  auch  sagen,  dass  sie  alle  Eigen- 
schaften der  zwölf  Thiere  ihres  Jahrescyclus  in  sich  ver- 
einten ,  dass  sie  diebisch  wie  Mäuse,  stark  wie  Stiere,  raub- 
süchtig wie  Panther,  vorsichtig  wie  Hasen,  listig  wie 
Schlangen,  schrecklich  wie  Drachen,  rauthige  Renner  wie 
Pferde ,  folgsam  wie  Schafe ,  kinderliebend  wie  Affen, 
familiensorgsam  wie  Hühner,   treu  wie  Hunde,   unrein  wie 

')  Wassaf. 


E  r  s  t  e  s     B  u  c  h.  45 

Schweine;  der  Cyclus  ihres  Jahres  war  das  Sinnbild  ihres 
sittlichen  Gesichtskreises.  Mittler  Statur,  breit  von  Schul- 
tern, stark  vom  Rücken,  hervorragender  Brust  und  einge- 
zogenen Bauchs,  von  grauen  und  braunen  Augen,  die  aus 
schiefen  Winkeln  hervorglotzen ,  von  breiten  olivenfarbenen 
Wangen,  Sturapfnasen,  dicken  Lippen,  spärlichen  Barthaaren, 
aber  wucherndem  Haarwuchse  auf  dem  Kopfe,  dessen  Vorder- 
theil  vom  Scheitel  bis  zu  den  Ohren  hufeisenförmig  ge- 
schoren; leicht,  flink,  mit  ihren  Pferden  wie  Centauren 
zusammengewachsen ;  gewandte  Bogenschützen,  wie  einst  die 
Parther,  nie  gefährlicher  als  im  Fliehen,  mit  Kampfund 
Beute  gesättigt  noch  immer  nach  Kampf  und  Beute  durstend, 
undankbar,  schmutzig,  grob,  raubsüchtig,  grausam,  aber 
leibeigen,  walirheitsliebeud,  pruukhassend,  tapfer  und  blind- 
lings gehorsam.  Niemand  war  ihnen  Freund,  aber  sie  hassten 
der  Denuncianten  scheussliche  Brut.  Ihre  Nahrung:  Hirse, 
Haiden  und  Fleisch  von  allen  Arten,  am  liebsten  das  des 
Pferdes,  aber  auch  Mäuse,  Hunde,  Katzen  und  sogar  ge- 
bratenes Menschenfleisch;  das  Fett  leckten  sie  von  den 
Fingern  und  schmierten  damit  ihre  Stiefel.  Ihr.  liebstes 
Getränke:  Stutenmilch  sammt  dem  daraus  gezogenen,  ge- 
gohrnen,  berauschenden  Kumis  und  Meth;  ihre  Kleider  aus 
Thierfellen  genäht ,  ihre  Waffen  aus  Eisen  geschmiedet,  ihre 
Kopfbedeckung  eine  dreieckige,  am  Rande  verbrämte  Mütze, 
der  sogenannte  tatarische  Hut,  die  der  Frauen  eine  ellen- 
hohe Pyramide  aus  leichtem  Holz,  deren  Obertheil  mit 
Pfauenfedern  und  Juwelen  geschmückt,  mit  einem  Flore 
bedeckt,  welcher  Baghtak  hiess,  woraus  die  Missionäre 
Botta ,  die  Venezianer  Bauia  gemacht.  Die  Weiber,  deren 
grösste  Schönheit  die  kleinste  Nase ,  wie  bei  den  Chinesen 
der  kleinste  Fuss,  bereiteten  den  Kumis  und  die  getrocknete 
sauere  Milch,  welche  Kurut^^  hiess ;  sie  verfertigten  alle  Arten 
der  Hausgeräthe,  Kleider,  Zelte,  Reitzeug,  Schilde,  Schuhe, 
Socken,  Betten,  die  vermählten  mit  weissem,  bis  auf  die 
Brust  reichenden    Schleier   verhüllt,   ihre  ledernen  aufge- 


')  Bei  Rubruquis  Griut. 


^  ErstesBuch. 

schlagenen  Oberkleider  hielt  ein  Gürtel  um  die  Brust  zu- 
sammen. Die  Frauen,  deren  Zahl  nur  durch  die  Lust  des 
Mannes  oder  durch  seine  Mittel,  sie  zu  erhalten,  beschränkt 
war,  genossen  grossen  Ansehens  und  Einflusses,  besonders  die 
Mütter  und  die  Stiefmütter,  deren  der  Sohn  nach  des  Vaters 
Tod  gewöhnlich  sich  einige  als  Gemahlinnen  aneignete.  Sie 
glaubten,  dass  der  Mann  in  jenem  Leben  seine  Weiber 
wieder  finde,  aber  damit  der  Herrscher  bis  zu  ihrem  Hin- 
scheiden im  anderen  Leben  nicht  langweile,  sandten  sie  ihm 
seine  Beischläferinnen,  dieselben  schlachtend,  ins  Grab  nach. 

Aberal  lube  ^^"  dem  Aberglauben  ist  bereits  des  das  Donnerwetter 

und        betreffenden   erwähnt   worden ;    wie  sie  glaubten ,    dass  die 

Gebräuche.  Kaitien  es  beschwören  könnten,  so  auch,  dass  es  in  ihrer 
Macht  stände,  mittels  des  Regensteines,  Dschade  (^welcher 
schon  von  Japhet  her  vererbt  war) ,  Regen  zu  machen,  und 
die  Dschededschij  d.i.  die  Regenmacher,  vertraten  bei  dem 
mongolischen  Heere  die  Stelle  der  Auguren  des  römischen. 
Zauberei  wurde  geübt,  weil  geglaubt,  und  war,  wenn  die 
Person  des  Herrschers  mit  ins  Spiel  kam,  Majestätsverbrechen. 
Um  sich, wider  die  Wehen  der  Zauberei  zu  bewahren,  mussten 
die  zu  Reinigenden  zwischen  zwei  Feuern  durchgehen,  die 
polnischen  und  russischen  Gesandten  und  die  des  Papstes 
im  dreizehnten  und  vierzehnten  Jahrhundert,  wie  schon  fünf 
und  sechs  Jahrhunderte  früher  der  byzantinische  Gesandte 
Zemarchos  am  Hofe  des  Königs  der  Türken  durchs  Feuer 
gereinigt  ward.  ^)  Ihre  Wahrsager  wahrsagten  besonders 
aus  den  Schulterblättern  der  Schafe;  sie  schwuren  bei  dem 
Blute  geschlachteter  Thiere ,  bei  der  in  den  Strom  ge- 
stampften Erde ,  bei  den  abgehauenen  Bäumen ,  bei  dem 
Fleisch  und  Blut  ihrer  Herrscher,  aber  nicht  im  Namen 
Gottes.  Ehe  die  Lehrer  des  Budhismus  und  des  Islams  die 
Mongolen  bekehrten ,  verehrten  sie  ein  höchstes  Wesen, 
von  Marco  Polo  Natagai ,  von  Ssetsen  Hormusda  genannt; 
das  letzte  ist  gewiss  der  Hormusd  der  Magheu,  das  erste 
vielleicht  nur    die  Verstümmelung   des  türkischen  Wortes 


»)  stritter  p.  50.  Step.  Kniga.  I.  342.    Rubruquis. 


E  r  s  t  e  ä     ß  u  c  h.  ^f 

Ovggan,  d.  i.  Gott.  Sie  beteten  die  Sonne  und  Sterne 
sammt  den  Elementen  an,  und  v^eiliten  diesen  ihren  Göttern, 
ehe  sie  assen,  Speise  und  Trank.  Bei  dem  Gebete  wurden 
dje  Gürtel  gelöst  und  über  die  Schulter  geworfen,  wie 
Tschengischan  gethan ,  als  er  in  der  Nacht  hinaus  ging  auf 
den  Berg,  um  den  Beistand  des  Plimmels  zu  erflehen  wider 
den  Herrscher  des  himmlischen  Reichs  auf  Erden.  Einer 
der  grössten  Lobsprüche,  welche. ihm  die  Geschichte  zollen 
muss,  ist  seine  Duldung  gegen  alle  Religionen.  Uighurische 
Kamen  und  chinesische  Bonzen  hielten  vor  ihm  Controverse, 
die  Budhapriester  erhielten  die  Erlaubniss,  ihre  Burhanen- 
bildcr  aufzustellen ,  aber  die  Kamen  blieben  in  nicht  min- 
derem Ansehen;  neben  ihnen  wurden  die  Priester  aller 
anderen  Religionen,  namentlich  die  ^ghaun,  d.  i.  die 
Christlichen,  der  JNestorianer  geduldet.  Zu  Bochara  war  « 
Tschengischan  zwar  in  die  Moschee  geritten,  stieg  aber,  als 
er  hörte,  das  sei  Gottes  Haus,  vom  Pferde  auf  die  Kanzel 
und  ertheilte  die  Befugniss  der  allgemeinen  Plünderung  mit 
den  Worten:  Das  Feld  ist  gemäht,  gebt  euren  Pferden  zu 
fressen,  worauf  die  Korane  unter  die  Hufe  der  Pferde  ge- 
treten wurden  und  der  Wein  die  ^ur  der  Moschee  über- 
schwemmte, während  die  Imame  oder  Scheiche  als  Stall- 
knechte die  Pferde  warten  mussten;  aber  hingegen  hatte  er 
in  der  Icleinen  Bucharei ,  wo  Kuschluk  der  jNaimane  den 
Islam  unterdrückt,  die  freie  Ausübung  desselben  gestattet. 
Diese  allgemeine  Duldung  blieb  Herrscherprincip  der  Kaane 
und  auch  der  persischen ,  und  selbst  noch  zum  Theile  nach  ~ 
ihrer  Bekehrung  zum  Islam.  Ausser  dem  grossen  Schmiedefest 
am  neuen  Jalirestag  wurde  alljährlich  auch  das  des  Geburts- 
tages des  Chan's,  sowie  die  Thronbesteigung  desselben  mit 
Trinkgelagen  gefeiert.  Bei  diesen  Gelagen  gab  einer  der  Diener 
das  Zeichen,  indem  er  Hai  schrie,  zum  Beginne  der  Musik; 
der  Cythernspieler  begann  sein  Spiel,  die  Männer  tanzten 
vor  dem  Herrn ,  die  Weiber  vor  der  Frau  des  Hauses, 
Alle  in  die  Hände  klatschend.  Nachdem  der  Hausherr  ge- 
trunken, schrie  der  Diener  wieder  Ha .',  der  Cythernspieler 
verstummte,  und  nun  tranken  alle  Gäste  unter  Gesang,  der 


48  ErstesBuch. 

aber  mehr  ein  Geheul.*)  Bei  diesen  Trinkgelagen  wurden 
die  Preise  der  Tapferkeit  [Ulisch'^J]  vertheilt,  und  dieselben 
leben  noch  zum  Tlieil  in  den  kalmukischen  üerrus  fort. ') 
Bas  Seitenspiel  zu  diesem  //«rufe  ist  das  Zetergeschrei  vop 
Morio  als  Mordio,  das  sie  während  des  Pferderennens  oder 
Pfeilschiessens  erhoben*),  indem  sie  die  Plände  ausstreckten. 
Im  Kriege  vermieden  sie  so  viel  als  möglich  das  Gefecht 
von  Mann  zu  Mann  und  .suchten  nur  im  Fliehen  zu  ver- 
wunden oder  zu  tödten ;  den  Belagerten  sicherten  sie  Scho- 
nung des  Lebens  und  Eigenthums  zu ,  hielten  aber  fast 
niemals  Wort;  die  Be^jatzungen  metzelten  sie  alle  nieder 
und  schonten  manchmal  nur  der  Künstler  und  Handwerker, 
die  sie  in  die  Sklaverei  mit  sich  schleppten.  Bei  der  Todten- 
zählung  nach  Schl&chten  oder  Gefangnengemetzel  wurde 
%nach  jedem  geschlachteten  Zehntausend  Ein  Leichnam  mit 
dem  Kopfe  zur  Erde,  mit  den  Füssen  in  die  Höhe  als 
Trophäe  aufgerichtet.  Bei  den  Begräbnissen  ihrer  Fürsten 
wurden  ihre  Sklavinnen  oder  Beischläferinnen  geschlachtet, 
wie  schon  Terxanthes,  der  Fürst  der  Türken,  gefangene 
Hunnen  am  Grabe  seines  Vaters  geschlachtet.  *)  Bei  dem 
Begräbnisse  wurde  geiivÖhnlich  dem  Todten  ein  Hengst, 
Stute  oder  Füllen  mit  ins  Grab  gegeben  mit  Sattel  und 
Zeug ,  damit  er  im  anderen  Leben  sogleich  beritten  sei, 
damit  es  ihm  an  Stutenmilch  nicht  fehle ;  ein  anderes  Pferd 
wurde  zum  Todtenmal  geschlachtet  und  dann  ausgestopft 
über  dem  Grabe  aufgestellt ;  die  Gräber  der  Vornehmen 
waren  aus  Stein ,  Häuser  der  Todten ,  nur  Tschengischan 
hatte  noch  bei  seinen  Lebzeiten  geboten,  sein  Grab  geheim 
zu  halten  und  ihn  ohne  Maai  zu  begraben  unter  einem 
grossen  Baume  im  Walde  von  Burhan  Kaldun. 

Tschenais-  Ungeachtet  der  klaren  Anordnung  Tschengischan's  über 

chan's       die    Nachfolge    auf    dem    Throne    blieb    derselbe   fast  zwei 

Nachfolger.  Jahre  lang  ledig,  wovon  die  Ursache  wohl  nur  in  der  Umsicht 

Ogotai's,   welcher    seine   Brüder  Dschaghatai   und  Tuli  und 


*)  Rubiuquis.    ^^  Memoir  of  ßaber.    '}  Bergman  1. 60.    *)  Wassaf. 
')  Stritt  III.  60.  dücheid  eoruin  lingua  vocant :  das  persische  Dachme. 


Erstesliucli.  ^tj 

des  Neffen  Balu  Pläne  und  Absichten  kennen  und  prüfen 
wollte ,  eh"e  er  den  etwa  von  ihnen  selbst  gewünschten  Tliron 
bestieg.  Diese  Zögernng  zeigt,  dass  es  ihm  auch  mit  der 
dreissigtägigen  Weigerung  auf  dem  zur  Tlironbesteigung  im 
Familienhorde  Tschengischan's  zu  Keluran  am  Onon  zu- 
samraenberufenen  Kurultai  der  Prinzen  einigermassen  Ernst 
gewesen  sein  mag  ;  erst  am  vierzigsten  Tage  zogen  ihn  sein 
Bruder  Dschagatai  und  sein  Oheim  Utdschigin  (^der  jüngste 
Bruder  Tschengischan's^  auf  den  Thron,  sein  jüngster  Bruder, 
Tuli,  brachte  ihm  knieend  den  mit  Stutenmilch  gefüllten 
Becher  dar,  im  selben  Augenblicke  warf  die  ganze  "\'er- 
sammlung  die  Mützen  in  die  Höhe  und  den  Gürtel  über  den 
Rücken ,  worauf  er  sich  vor  der  Sonne  anbetend  niederwarf 
und  mit  neunmaliger  Kniebewegung  dem  neuen  Kaan  hul- 
digte. Die  vorzüglichsten  Prinzen ,  welche  auf  diesem 
Kurultai  erschienen  ,  waren  nebst  den  zwei  schon  genannten 
Brüdern  der  Bruder  Gulgan  und  der  Oheim  Belgetai,  sieben 
NeflFen,  Söline  Dschiidschi's ,  von  denen  der  zweite,  Bntu, 
der  Herrscher  in  Kipdschak;  dann  die  Neffen  Iltschidai, 
der  Sohn  Dschudschi  Kasar's ,  und  Karadschar  Niijan, 
welchem  Tschengischan  die  Berathung  des  Thronfolgers 
anempfohlen.  Um  dem  Herrscher  im  Grabe  zu  huldigen, 
wurden  ihm  vierzig  seiner  liebsten  Sklavinnen  unter  die  Erde 
nachgesandt ;  um  seine  Anordnung  der  Welteroberung  nach 
allen  vier  Weltgegenden  in  Erfüllung  zu  sehen,  ein  dreifacher 
Heereszug  beschlossen.  Dschurmaghun  der  Dsclielaire  wurde 
mit  einem  Heere  nach  Persien  gesandt,  um  Dschelaleddin, 
den  Schall  von  Chnaresm,  welcher  sich  nach  Tschengis- 
chan's Tod  eines  Theils  des  väterlichen  Erbes  bemächtigt 
hatte,  zu  vernichten.  Batu  und  seine  Brüder  wurden  zur 
Eroberung  des  Westens,  das  ist  Russlands,  Polens,  Ungarns 
und  der  angränzenden  Länder  befehligt');  Ogotai  selbst 
zog  wider  China  aus ,  um  die  vom  Vater  begonnene  Er- 
oberung des  himmlischen  Reichs  zu  vollenden.     Unter  ihm 

')  Batu,  der  Herrscher  von  Kipdschak,  sein  älterer  Bruder 
Orda  und  die  anderen  Scherban,  Berke ,  Berketschar ,  Tukatimur, 
Bina  Timur. 

Uammei-j  Geschichte  der  Ilchane.    I.  4 


50  ErstcsBuch. 

befehligten  die  Abtheilungen   des  Heeres  Subtäaij,  der  eine 
der  beiden  Feldherren,  welche   vor   sieben  Jahren  Persien 
bis  nach  Russland   durchzogen,  und  Tatschar,  der  Sohn  des 
hochbetrauten    ersten    Orlök    Bugurdsckt,    dessen   Stelle  als 
Wesir  jetzt    einer    der    weisesten    und    menschlichsten    und 
folglich    grössten  Wesire  versah,    deren  die  Geschichte  er- 
wähnt.    Mahmud  Jelwadsch   war    ein   Perser   und    Moslim, 
welclien  sich  die  chinesischen  Quellen  aneignen,   indem  sie 
den  Namen  Jelwadsch   in  Jelui  verstümmeln ,   ihn  selbst  zu 
einem  Chitanen ,    Bekenner    der   Lehre  des  Fo,    machen.') 
Sieben  Jahre  lang  dauerte  der  Krieg  im  Osten  und  Westen, 
glorreich  in  den  nördlichen  Provinzen  China's,   in  Sche*m, 
Petseli  und  Iran^  in  Russland,  Polen  und  Ungarn,  erobernd 
und  verheerend  geführt.     Die  mongolischen  Heere  drangen 
zu  gleicher   Zeit    bis    an    die    Ufer  des  Kara  Miiran,    d.  i. 
der  schwarzen  Mur,  oder  des  gelben  Flusses  in  China  und 
fast   bis    an   die   der   w  eissschäumenden  Mur   in  Steiermark 
vor;    China's    Länder    wurden    bleibend    erobert;    mit   dem 
Falle  der  Residenz  Peajikmg^  deren  von  Subutai  dem  mon- 
golischen   Heere    versprochene   Plünderung    nur   durch    die 
Vorstellungen    Jelui  Tschuisai's    (^Jelwadsch's)    abgewendet 
worden,  stürzte  auch  die  Dynastie  der  goldenen  Kaiser  zu- 
sammen, deren  letzter,  von  TscJiengischan  zuerst  besiegter, 
sich  erhing.  ^)     Im    Westen    waren    die   Heere    Batu's    über 
Russland,  Polen  und   Ungarn  bis  nach  Mähren,  Oesterreich 
und  Dalmatien  vorgedrungen  ;  sie  erschienen  belagernd  vor 
den  Mauern  von  Wienerneustadt  und  zogen  vor  denen  Wien's 
vorbei;    von    denen    von    Olmütz,   nachdem    die   Blüthe  des 
mährischen    und    scliiesischen    Adels   in.  der   unglücklichen 
Schlacht  von  Lignitz  geblutet,  wehrte  sie  Jaroslav  von  Stern- 
berg ab,    von   dessen    Hand  Peta,    d.  i.   Paidar,   der  Sohn 
Dschagatai's,    fiel,     wie    sein    Bruder    Mowatukan    vor    den 
Mauern  Bamian's  gefallen,    wesshalb    Olmütz   für    die  Mon- 
golen eine  böse  Stadt,  wie  sie  Bamian  und  Koseslk  nannten. 

")  D'Ohsson   II.    1935   nach  Reinusat.      -)  Moliakkah   auest   ki 
^  chodra  berawicht,    ausgemacht  ist  es,    dass    er   sich   erliing.     Re- 
schideddin. 


Erstes     B  u  c  li.  5| 

Auf  dem  Rückzuge  von  China  starb  Tuli ,  welcher  während 

des  ganzen    siebenjährigen    Feldzugs   dem    Bruder   eben   so 

treu  und  tapfer  als  Feldherr  gedient,  als  vormals  dem  Vater, 

nur  vierzig  Jahre  alt,    ein  wahrer  Spiegel  (^was  sein  Name 

Tuli  heisst^  von  Sohnespflicht  und  Brudertreue. 

Die  Verwaltung  der  von  der  goldenen  Dynastie  eroberten     Ogotai's 

chinesischen    Länder   übertrug    Ogotai    dem   weisen  Wesire     Bauten, 

Jelwadsch ,    welcher   schon   im    ersten   Jahre    des    Feldzugs         ^^  ^^ 

Jagden , 
zehn  Steuerämler  zur  Einrichtung  und  Einhebung  der  Steuern   preiaebia- 

niedersetzte  ,  deren  jedes  einen  Präsidenten  und  Vicepräsi- Av^/f  j«?^  17«- 

denten  hatte  und  deren  Beamte  chinesische  Gelehrte.     „Das  mässhfkeit. 

Reich",    stellte    der  weise  Staatsmann  dem  Herrn  vor,    „ist    i-J'i230. 

zu  Pferd  erobert  worden  ,  kann  aber  nicht  zu  Pferd  regiert 

werden";    sechs   Jahre   hernach  wurden  die  ersten  Tresor- 

Rcheiue   für    die    Summe   von    zehntausend   kleinen    Barren, 

d.  i.    für   fünfzigtausend   Unzen   Silber,   ausgegeben.')     Er    I- J1^36. 

stiftete  zwei  hohe  Schulen,  die  eine  zu  Pingaiig  in  Schendai, 

die  andere  zu  Peking  in  Petsclie-li,  wohin  die  mongolischen 

Emire  ihre  Söhne  sandten,  um  in  der  Geschichte,  Geographie, 

Arithmetik  und  Astronomie  unterrichtet  zu  werden.  ^}    Durch 

Colonien,  aus  China  weggeschleppte  Maurer,   Zlmraerleute, 

Maler  und  Vergolder,  wurde  während  des  Feldzugs  zu  Kara- 

korum,  welches  auf  der  Ostseite  des  Berges  ütekian,  in  der 

Nähe  des  Flusses  O'rghan,  ehemals  die  Residenz  der  üighuren, 

die  neue  Residenz  des  Herrschers  gebaut  und  geschmückt, 

welche    Ordubaligh ,    d.  i.    Lagerbailei ,    genannt   ward ,    als 

Seitenstück  zur  chinesischen  Residenz  PeMng,  welche  später 

unter  Kubilai  den  Namen  von  Chanbaligh,  d.  i.  Chansbailei, 

erhielt.  ^)    In  zwei  besonderen  Quartieren  derselben  wohnten 

die  Moslimen  und  Chinesen  von  den  Mongolen  getrennt;  an 

den  nach    den    vier    Himmelsgegenden    gelegenen   Thoren 

wurden   die  Märkte    der    Schafe   und  Ziegen ,    Ochsen  und 

Pferde  gehalten*};    zwölf  Götzentempel,   zwei  Moscheen, 


')  D'Ohsson  II.  67:  nach  Mailla  p.  115.  2)  Mailla  ebeud. 
^)  Die  Hauptstädte  üighuristan's  sind :  AlmaUgh  und  Pischbaligh 
erhielt  den  Ehrennamen  der  guten  Stadt,  Kotloghbaligh ;  wie  Ba- 
inian  den  der  bösen,  MobaligJi.    '*)  Rubruquis  chap.  44. 

4*     f 


g2  E  r  s  t  e  s    B  u  c  h. 

eine  christliche  Kirche  zeigten,  dass  nebst  dem  herrschenden 
heidnischen  Kultus  auch  die  freie  Ausübung  der  anderen 
gestattet  ward.  Die  Stadt  wurde  täglich  durch  fünfliundert 
Wagen  verproviantirt,  deren  einige  sehr  gross,  Ton  acht 
Ochsen  gezogen'};  der  Palast  der  Residenz  hiess  Ä'arsc/«'; 
Goldschmiede,  unter  denen  ein  französischer,  von  den  Mon- 
golen auf  ihrem  Raubzuge  durch  Ungarn  von  Belgrad  weg- 
geschleppter'),  arbeiteten  an  den  goldenen  und  vergoldeten 
künstlichen Thieren,  welche  als  Fontainen  an  festliclienTagen 
statt  Wassers  Ä'?m2S,  Wein,  Meth  ^)  und  Reisabsud  spien  0- 
Den  Frühling  brachte  der  Kaan  auf  den  Weiden  zu,  wo 
vormals  die  Herden  Efrasiab's  geweidet  haben  sollen  und 
wo  er  das  Zelt  Getoher  Chagan,  d.  i.  des  Chakan's  Edelstein, 
baute ^),  den  Sommer  am  Gebirge  Ormektu^^^  wo  das 
goldene  Zeit  (Sira  Ordu)  aufgeschlagen,  dessen  Nägel  Gold, 
das  von  innen  mit  goldenen  Tapeten  behangen ,  tausend 
Personen  fassen  konnte;  den  Herbst  brachte  er  zu  Köschei 
Nawerj  vier  Tagreisen  von  Karakorum,  zu,  und  im  Winter 
jagte  er  grÖsstentheils  zu  Ongko,  an  dem  Gebirge  von 
Telenkii ;  nur  einen  Monat  lang  schenkte  er  seine  Gegenwart 
der  Residenz;  zwei  Parasangen  davon  hatte  er  ein  hohes 
Köschk  erbaut,  welches  Terghubalighj  d.  i.  Proviantbailei, 
hiess;  hier  ward  vor  dem  Einzüge  in  die  Stadt  Einen  Tag 
Rast  gemacht,  an  welchem  der  ganze  Hofstaat  ehifarbig 
gekleidet  erscheinen  musste.  Während  des  Aufenthalts  in 
der  Residenz  (Karschi}  wurden  täglich  Feste  gegeben  und 
die  reichsten  Geschenke  gespendet,  denn  Ogotai  war  an 
Freigebigkeit  ein  zweiter  Hatim;  die  Zeit  verging  unter 
Bogenschiessen ,  Scheibenwerfen,  Ringen,  Jagen.  Vor  der 
Stadt  war  ein  Stück  Landes  im  Umfange  von  zwei  Tagreisen 
mit  einem  Walle  aus  Lehmen  und  Reisig  als  Park  umfangen, 
in  welchen  das  grosse,    auf  dreissig  Tagreisen  ausgedehnte 

')  Rescliideddiu.  ^)  Guillaunie;  bei  Rubruquis  44.  ')  Bei  Rn- 
bruquis.')3.  CerasinesoW  Tarasun  ];\e\ssen.  *)  Rescliidedrlin.  *)  Dieser 
FrühJingssalon  fehlt  bei  d'Ohsson  II.  85.,  sowie  Teryhubaligh.  ")  In 
der  Nähe  des  hoheu  Bergs  IJrmuchtu  giügen  wir  herab  bis  auf  die 
Auen  des  Flusses  Schara.    Pallas  Reisebeschreibung  I.  S.  79. 


E  r  s  t  e  s     B  u  c  li.  53 

Jagdrevier  des  Heeres,  immer  näher  zusammenrückend ,  das 
ganze  Wild  der  Gegend  hineintrieb.  Die  Prinzen  und  Emire 
erlegten  dasselbe  in  des  Chanes  Gegenwart ;  das  erlegte 
wurde  unter  den  Hofstaat  und  das  Volk  vertheilt.  In  Chorasan 
wurde  die  Stadt  Herat,  welche  bei  der  Eroberung  durch 
das  Blutbad  von  hundertachtzigtanseud  ihrer  Bewohner  ent- 
völkert und  niedergebrannt  wurde,  wieder  aufgebaut;  fünfzig- 
tausend Gefangene  wurden  zu  diesem  Ende  dahin  befehligt. 
Die  Statthalterschaft  Chorasan's  war  dem  L^iraten  Arghiin 
anvertraut'),  die  von  Persien  dem  Körges  (^Blindaug), 
welcher  mit  Dschurmaghun  nach  Persien  gekommen;  über 
die  Länder  vom  Gebirge  Chankai  bis  an  den  Oxus  war 
Mesud,  der  Sohn  von  Jelwadsch ,  als  Statthalter  bestellt. 
Ogotai's  Freigebigkeit  kannte  keine  Gränzen,  aber  auch 
nicht  seine  Unmässigkeit  im  Trinken,  welche  seinen  früh- 
zeitigen Tod  herbeiführte;  sein  Bruder  Dschagatai  hatle 
ihn  beschworen,  sich  die  Zahl  der  Becher  zu  mindern;  er 
minderte  die  Zahl ,  nahm  aber  Becher  von  grösserem  Um- 
fange. Ahika,  die  Schwester  Sijurkidtejii's,  die  Gemalilin 
Tuli's,  um  deren  Hand  Tschengischan  vergebens  bei  Owang- 
chan  geworben  und  die  heimlich  an  einen  Tafeldecker  ver- 
mählt an  der  chinesischen  Gränze  ihren  Jurt  liatte,  kam 
alljährlich  mit  ihrem  Sohne,  welcher  mit  dem  Amt  eines 
Mundschenken  bekleidet  war,  zur  Aufwartung.  Eines  Nachts, 
wo  ihr  Sohn  den  Wein  kredenzt  hatte,  starb  Ogotai.  Man  tLDtc.tSil. 
wollte  Abika  und  ihren  Sohn  der  Vergiftung  beschuldigen, 
aber  Iltschidai  und  die  anderen  Emire  vertheidigten  ihre 
Unschuld,  indem  es  klar  war,  dass  Ogotai  im  Uebermasse 
des  Rausches  vom  Schlage  getroffen  worden.-) 

Ogotai  hatte  vier  grosse  Frauen  Gemahlinnen  und  sechzig   Turakina's 
Beischläferinnen,  aus  den  letzten  nur  zwei  Söhne;  die  Mutter     Re(ient- 
der  fünf  anderen    war    die   zweite    der   vier    Gemahlinnen, 
Tiirahiiia,  aus  dem  Stamme  Ohos  Merkit,  welche  von  Tschen- 
gischan ihrem  Gemahle  Tairosun ,  dem  Fürsten  der  Merkit, 
geraubt  und  dem  Sohne  Ogotai  zur  Frau  gegeben  worden, 


•)  Mirchuand,  fehlt  bei  d'Olisson  S.  73.    ^}  Reschideddüi. 


54  E  r  s  t  e  s     ß  u  c  li. 

wiewohl  jenem  früher  die  Prinzessin  Kulan,  die  Tochter 
Tschengischan's,  vermählt  war;  sie  war  nicht  schön,  aber 
den  Mangel  an  Schönheit  ersetzte  Herrschsucht  und  List, 
wodurch  sie  nach  Ogotai's  Tod  die  Kaanschaft  ihrem  Sohne 
Gujuk  verschaffte,  wiewohl  Ogotai  dieselbe  dem  Schiramun, 
dem  Sohne  seines  geliebten ,  vor  ihm  verstorbenen  Sohnes 
Kutschu,  bestimmt  hatte.  Nach  dem  mongolischen  Familien- 
gesetze war  sie  nach  des  Gemahles  Tod  als  Mutter  die 
Regentin,  welcher  alle  Stämme  bis  zur  Thronbesteigung  des 
neuen  Herrschers  gehorchen  mussten.  Durch  die  Künste 
ihrer  Herrschsucht  und  List  verlängerte  sie  die  Regentschaft 
vier  volle  Jahre,  während  welcher  sie  Alleinherrscherin  der 
31ongolen.  Sie  begann  ihre  Herrschaft  mit  der  Absetzung 
des  Staatssecretärs  Ogotai's ,  des  Uighuren  Tschtnkai  ^^, 
welcher  die  Worte  Ogotai's  aufgezeichnet,  und  entzog  ihr 
Vertrauen  dem  weisen  Mahmud  Jelwadsch,  dem  Chuaresmier, 
welcher  schon  von  Tschengischan  als  Gesandter  an  Chuaresm- 
schah  verwendet,  seinen  Beinamen  vermuthlich  dieser  Ge- 
sandtschaft dankt,  wiewohl  Jelwadsch  eigentlich  nur  einen 
Gottesgesandten,  einen  Propheten  bedeutet.^)  Turakina 
hatte  ihr  unbeschränktes  Vertrauen  in  Finanzgegenständen 
dem  Moslim  Abderrahman  geschenkt,  welcher  zu  Ende  der 
Regierung  Ogotai's  sich  als  Pächter  der  Staatseinkünfte 
China's  mit  Verdoppelung  des  bisherigen  Pachts  von  Einer 
Million  auf  zwei  angetragen.  Jelwadsch  stellte  dagegen  vor, 
dass  man  wohl  fünf  Millionen  jährlich  erpressen  könne,  aber 
das  Land  zu  Grund  richten  würde;  der  Pacht  ward  dennoch 
bewilligt,  und  Abderrahman  und  die  Moslimin  Fatima,  welche 
bei  der  Verheerung  von  Tus  geraubt  worden ,  leiteten  die 
Rathschläge  Turakina's.  Bald  nach  dem  Tode  Ogotai's  hatte 
dessen  Oheim  Vtdschigin^  der  jüngste  Bruder  Tschengis- 
chan's, 3Iiene  gemacht,  sich  der  obersten  Herrschaft  be- 
mächtigen zu  wollen,  indem  er  mit  Truppen  der  Residenz 
nahte.     Turakina  sandte  ihm  Wort;    warum  er  mit  so  zahl- 


')  Bei  Plan  Caipi» cliap.  14.  le  Secretaire  Ch'uujaij.    ^)  Peighamter 
es  tarafi  choda ;  dscIiagataLscIies  \>  örterbucli^  gedruckt  zu  Calcutta. 


E  r  s  t  e  s     B  u  c  h.  55 

reichem  Gefolge  seine  Tochter  zu  besuchen  käme  ?  und 
sandte  ihm  seinen  Sohn,  der  am  Hofe  Ogotai's  verweilte, 
zurück,  ütdschigin  antwortete,  dass  er  blos  gekommen, 
ihr  sein  Beileid  über  den  Tod  des  Gemahls  zu  bezeigen, 
und  kehrte  zurück.  Der  ausgeschriebene  Landtag  hatte 
endlich  am  See  Köke^^  statt,  wo  Ogotai  den  Herbst  zuzu- 
bringen pflegte.  Der  lange  Aufschub  rührte  vorzüglich  von 
Batu  her,  welcher  die  liegentin  nicht  liebte,  und  ein  üebel 
am  Füsse  vorschützte,  um  nicht  auf  dem  Kuruitai  zu  er- 
scheinen; endlich  versprach  er  zukommen,  sandte  aber  seiner 
statt  seine  Söhne  und  Enkel;  auch  der  Temgu  ütdschigin 
erschien  mit  achtzig  seiner  Söhne;  die  Frau  Sijurkukteni, 
die  Wittwe  Tuli's  mit  ihren  Söhnen  und  die  Dschagatai's'^); 
ausserdem  die  Statthalter  des  Reichs:  der  von  Chorasan  und 
Persien,  Arghun;  der  von  JJighuristaji  und  Turkistan,  Mesud, 
der  Sohn  von  Jelwadsch ;  von  den  zinsbaren  Fürsten  Rukneddin, 
der  Seldschuke  Rum's ,  Jaroslaw,  der  russisclie  Grossfi'irst, 
zwei  Prinzen  David,  die  sich  um  den  Thron  Georgiens 
stritten,  der  Bruder  des  Herrschers  von  Mossul,  aus  dem 
Hause  Ejub,  die  beiden  Gebieter  von  Kurdistau,  Schemseddm 
und  Schihabeddin,  im  Namen  des  Fürsten  der  Assassinen, 
die  Herren  von  Rudbar  und  Alamut,  Fachreddin  der  Richter 
der  Richter,  von  Seite  des  Chalifen  von  Bagdad,  derGesandte  des 
Fürsten  von  Fars  und  Kerman,  und  im  Namen  des  Papstes 
Innocenz  des  vierten  die  beiden  Franziskaner:  derPoleBenedict 
und  der  Franzose  Plan  Carpin ,  deren  letztem  wir  das  treue 
Gemälde  des  Kuruitai  und  tatarischer  Sitte  in  seiner  Reise- 
beschreibung verdanken.  Zugleich  waren  vier  Dominikaner 
Missionäre  an  Baidschu  Niijan^^ ^  den  mongolischen  Be- 
fehlshaber   in   Persien,    abgegangen,    von    denen    aber   nur 


'")  Bei  d'Olissou  II.  p.  85  Keusche ,  p.  1Q5  geuca  ;  in  der  H.iiid- 
schrift  der  Geschichte  Reschideddio's  auf  der  kais.  Hofbibliothek 
Kösche.  *)  Wassaf  nennt  von  dem  Uluse  Dschagatai's :  Kisil,  Bitri, 
Paidar,  Jesenbuka,  und  dem  Uluse  Batu's :  Hirdii,  Uersebai,  Berke, 
Berkedscha.  ')  Bajoth  noi,  Bajoth  est  son  nom  propre,  et  ISoy 
est  un  nom  de  dignite.  Plan  Carpin  chap.  10.  soll  heissen  Baid&cJiit 
Nojan  oderlNowin,  was  richtig  der  mongolische  Fürstentitel. 


56  ErstesBuch. 

Simon  von  Saint  Quentin  über  die  Missionsreise  kurzen,  im 

Geschichtsspiegel    des    Vincenz    von    Beauvais    erhaltenen, 

Bericht  hinterlassen. 

Gifjiik's  Durch  vier  Tage   wechselten   die  Prinzen   und  ihr  Ge- 

Thron-     folge    den   Anzug,   indem    sie    am   ersten   Tage    in   weissen 

^  ^9  U-  Kleidern,  am  zweiten  in  rothen ,  am  dritten  in  violeten,  am 
vierten  in  scharlachfarbenen  erschienen ;  zwei  Eingänge 
fülirten  zum  grossen  Wahlzelte,  in  welchem  Kaum  für  zwei- 
tausend Personen ;  einer  der  Eingänge  unbewacht,  nur  für 
den  Herrscher;  der  andere  von  Bogenschützen  besetzt, 
welche  die,  denen  der  Eingang  nicht  gestattet  war,  ab- 
wehrten. Die  Thronbesteigung  sollte  schon  am  Tage  der 
Himmelfahrt  Maria  statthaben,  ward  aber  ob  eines  fürchter- 
lichen Hagels  und  Schneegestöbers  (^welches  in  der  Hälfte 
Augusts  für  die  Rauheit  des  Klima's  im  Gebirge  von  Kara- 
korum  zeugt  und  den  mongolischen  Volksabergiauben  der 
donnerbeschwörenden  Uriankuten    und  der  hagelmachenden 

2^.  August  Schamanen  erklärt)  bis  an  den  Bartholomäustag  verschoben. 
iS46.  Turakina  hatte  für  ihren  Plan,  den  Thron  ihrem  ältesten 
Sohne  Gujuk  zuzuwenden,  die  Stimme  Sijurkukteni's  und 
ihrer  Söhne  gewonnen ,  und  der  Minister  Kaidah,  Chinese, 
wie  Tschi/ikai,  leiteten  die  Wahl.  Gujuk,  von  heftigem  und 
wankelmüthigem  Sinne '),  verstand  sich  zur  Annahme  des 
ihm  von  der  Mutter  bestimmten  Thrones  nur  unter  der 
ßedingniss,  dass  die  Fortdauer  der  Herrschaft  in  seinem 
Uluse  beschworen  werde.  Der  Vertrag  ward  mit  der  Formel 
unterzeichnet:  „dass,  so  lange  vom  Stamme  des  Kaan's  ein 
Stück  Fleisch  übrig,  an  der  Herrschaft  kein  Anderer  Theil 
nebmen  solle".-)  Dem  Gujuk,  wiewohl  noch  nicht  zum 
Herrscher  ausgerufen,  wurden  schon  ausschliessliche  Ehren 
erwiesen;  wenn  er  aus  seinem  Zelte  ging,  traten  ihm  Sänger 
vor  und  die  Hofdiener  neigten  vor  ihm  ihre  Ceremonien- 
stäbe  mit  den  rothen  Quasten.^)  Als  man  endlich  mit  dem 
Wahlvertrage  im  Reinen ,  hatte  die  Feierlichkeit  der  Thron- 

')  Be  tak.illub  u  tehevvwur  maaruf  heissfc  heftig  und  wankel- 
müthig,  nicht  grave  et  severe,  wie  bei  d'Ohsson  II.  234,  *)  Mir- 
chuaud  uud  Dschihuuguschai.    ^)  Mirchuaud. 


ErstesBuch,  57 

besteigung  statt.  Gujuk  wurde  auf  einen  goldenen  Stuhl 
gesetzt,  und  die  Prinzen  und  Nujanen  erklärten,  dass  sie 
ihn  zum  Herrscher  wollten.  Gujuk  fragte :  ob  sie  bereit, 
seinein  Worte  zu  gehorchen,  zu  gehen  und  zu  kommen  nach 
seinem  Befehl  und  zu  tödten  auf  seinen  Wink?  und  als  sie 
dies  bejaht,  sagte  er:  So  wird  dann  künftig  sein  mein  Wort 
als  Schwert.  Sie  gaben  ihre  Zustimmung ,  setzten  ihn  Tom 
goldenen  Stuhle  auf  eine  Filzdecke  auf  die  Erde  und  sagten: 
Schaue  auf  zu  Gott  im  Himmel  und  nieder  auf  den  Filz 
zur  Erde;  wenn  du  gut  regierst,  wenn  du  gerecht,  frei- 
gebig, die  Prinzen  und  Freiherren  ehrst,  wird  dir  die  Erde 
unterthan  sein  nach  deinem  Willen;  im  Gegentheil  wirst  du 
arm,  verachtet  und  elend  sein  und  nicht  einmal  der  Filz 
wird  dein  gehören,  auf  dem  du  sitzest'^.  Dann  setzten  sie 
neben  ihn  seine  Gemahlin  Oghulkaimisch  die  Merkitin,  hoben 
sie  beide  auf  dem  Filze  empor  und  riefen  ihn  als  Chakan 
und  Moilchan  und  sie  als  grosse  Frau  der  Mongolen  aus. 
Die  Mützen  flogen  in  die  I^uft,  die  Gürtel  wurden  über  die 
Schulter  geworfen,  die  ganze  Versammlung  beugte  neunmal 
das  Knie,  drei  Becher  von  Stutenmilch,  Wein  und  Meth 
wurden  ihm  dargebracht,  und  als  er  aus  dem  Zelte  ging, 
fiel  das  versammelte  Volk  und  Heer  dreimal  vor  ihm  nieder '^J; 
sieben  Tage  dauerte  das  Fest ,  während  welches  vom  Zelte 
des  Chakan's  Fleisch  und  Salz  und  Stutenmilch  ausgetheilt 
ward^).  Die  Frauen  hatten  ihre  Sitze  links  des  Thrones, 
auf  der  rechten  Seite  standen  nur  die  Prinzen');  die  Nu- 
janen hatten  ihre  Sitze  inmitten  des  goldenen  Thronzeites; 
die  der  Frauen  waren  von  weissem  Filz;  die  Diplome  wurden 
erneuert,  die  Jurte  und  Privilegien  bestätigt,  die  Statthalter- 
schaften vertheilt.  Die  Feldherren  Subutai  Behadir  und 
Dschaghan  wurden  nach  China,  JltscMkidai  mit  einem 
schweren  Heere  nach  Westen  zur  Schlichtung  der  Ange- 
legenheiten Rum's  und  Georgien's  abgeordnet,  dem  Arghun 
wurde  die  Reichshut  wider  die  Schlösser  der  Assassinen  in 


')  PJan  Carpiu   clwip.  9.      ^)  Mirchuand.     ')  Plan  Carpiu  cli.  0. 
■*)  Au  cöte  droit  personne  n'etoit  assis;  ebeud. 


58 


Erstes     Buch. 


Mengku's 

Thron- 
besteigung. 


Cliorasan  und  Kuhistan  aufgetragen,  die  Gesandten  von 
Alamut  und  die  des  Chalifen  wurden  mit  drohenden  Briefen 
entlassen,  indem  über  den  Fürsten  der  Assassinen  Arghiin, 
der  Statthalter  von  Chorasan ,  über  den  Chalifen  sich  Schi- 
ramim,  der  Sohn  Dschurraaghun's,  des  vormaligen  Feldherrn 
in  Persien ,  beklagt  hatten.  Die  Finanzverwaltung  von  China 
war  in  den  Händen  Äbderrahraan's;  Mesud,  der  Sohn  von 
Jelwadsch,  behielt  die  Verwaltung  Turkistan's;  die  Wesir- 
schaft war  zwischen  den  beiden  Chinesen  Tschinkai  und 
Kaidah  getheilt,  unter  denen  die  nestorianischen  Priester 
hoch  das  Haupt  empor  trugen  und  auf  deren  Einfluss  die 
Missionäre  des  Papstes  die  HoflFnnng  der  Bekehrung  des 
Chan's  zum  Christenthume  bauten.  Turakina  starb  schon 
zwei  Monate  nach  ihres  Sohnes  Thronbesteigung  ^  und  ihre 
Günstlingin  Fatima  ward  unter  der  Anklage,  dass  sie  dem 
Prinzen  Kulan,  dem  Bruder  des  Chan's,  eine  Kratikheit  an- 
gezaubert, als  Zauberin  ertränkt.  Im  Frühjahre  des  zweiten 
Jahres  seiner  Regierung  ging  Gujuk  von  Karakorum  gegen 
Imil,  sein  Staramgebiet;  die  Wittwe  Tuli's  sandte  hievon 
Batu,  dem  Herrscher  von  Kipdschak,  Kunde,  um  ihn  zd 
warnen,  dass  der  Marsch  wider  ihn  gerichtet  sein  könnte; 
auf  demselben  starb  Gujuk  im  drei  und  vierzigsten  Jahre 
als  ein  Opfer  seiner  Ausschweifungen  in  Trunk  und  Weibern. 
Der  Tod  Gujuk's  ward  nach  der  von  Tschengischan 
herrührenden  Staatsraaxime  geheim  gehalten,  bis  der  Aelteste 
der  Familie  (dies  war  Batu,  •der  Herrscher  von  Kipdschak^ 
davon  verständigt;  er  war  auf  Sijurkukteni's  Warnung  vom 
Marsche  Gujuk's  demselben  entgegengezogen  und  bis  nach 
Kialik  gekommen,  als  er  die  Kunde  des  Todes  erhielt.  Die 
Regentin,  die  Frau  Oghulkaimisch ,  sandte  an  ihn  Botschaft 
im  Namen  ihrer  Söhne,  von  denen  der  älteste,  Chodscha 
Aghul,  den  Thron  vermöge  der  Jasa  und  des  noch  bei  der 
Thronbesteigung  seines  Vaters  unterzeichneten  Familien- 
vertrags in  Anspruch  nahm;  aber  auch  die  Frau  Sijurkukteni, 
Wittwe  Tuli's,  die  Mutter  vier  seiner  neun  Söhne,  nämlich: 
Mufigkas ,  Kubilai's ,  Hulagtis  und  Arik  Buka's,  sandte 
Botschaft,   um  seine  Stimme  für  den  ältesten  derselben  zu 


E  r  s  t  e  s     B  u  c  h.  59 

gewinnen.  Sijurkukteni  war  die  Nichte  Owangchan's,  eine 
Frau  von  ausserordentlichem  Geiste  und  Verstände,  un- 
streitig die  grösste  aller  Frauen ,  von  denen  die  mongo- 
lische Geschichte  ein  Paar  Hundert,  in  die  der  Herrscher 
verflochten,  erwähnt.  Flochangesehen  durch  ihre  Geburt 
als  die  Nichte  des  grossen  Herrschers  der  Kerait  aus  seinem 
Bruder  Hakembo ,  war  sie  es  noch  mehr  durch  die  Ver- 
schwägerung mittels  ihrer  drei  Schwestern,  von  denen 
Begtutmisch  eine  der  vier  grossen  Frauen  Dschudschi's  und 
also  die  Stiefmutter  Batu's,  und  vermöge  der  mongolischen 
Sitte,  nach  welcher  die  Söhne  nach  des  Vaters  Tod  die 
Stiefmütter  zu  Gemahlinnen  nahmen ,  eine  der  Frauen  Batu's 
oder  doch  wenigstens  von  grossem  Einflüsse  in  seinem  Frauen- 
gemach; ausserr  diesen  Vortheilen  ihrer  Geburt  und  Ver- 
schwägerung geiioss  sie  des  höchsten  Ansehens  als  die  grosse 
Frau  Tuli's,  des  Flerdhüters  des  Hauses  Tschengischan's,  als 
die  Mutter  seiner  vier  obgenannten  Söhne  und  als  eine  Frau 
von  grosser  Staatsklugheit.  Durch  diese  hatte  sie  immer 
den  Herrscher  Batu  sich  und  ihren  Söhnen  günstig  zu  er- 
halten gewHSst;  als  Batu  den  kranken  Fuss  vorgeschützt, 
um  sich  der  Gegenwart  beim  Kurultai  der  Thronbesteigung 
Gujuk's  zu  entheben,  hatte  sie  ihre  Söhne  an  ihn  gesandt, 
um  sich  nach  seiner  Gesundheit  zu  erkundigen;  als  Gujuk 
gegen  die  Gränze  marschirte,  hatte  sie  ihm  die  früheste 
Kunde  und  Warnung  gegeben,  und  fand  ihn  also  ihren 
Wünschen  geneigt;  ausserdem  hatte  sie  als  grosse  Menschen- 
kennerin die  durch  Talente  oder  Heldenmuth  ausgezeich- 
netsten Männer  der  verschiedenen  Stämme  als  Erzieher  oder 
Umgebungen  ihrer  Söhne  an  sich  zu  ziehen  gewusst  und 
sich  mit  dem  Bollwerke  ihres  Kopfs  und  Arms  umgeben. ') 
Die  zahlreichsten  Prinzen  auf  diesem  Kurultai  waren  die  der 
Uluse  Dschudschi  und  Tuli.  Iltschilidai  der  Dschelaire,  der 
Befehlshaber  in  Persien ,  brachte  den  versammelten  Prinzen 
den  bei  der  Thronbesteigung  Gujuk's  unterschriebenen  Fa- 
milienvertrag in  Erinnerung :  dass ,  so  lang  ein  Stück  Fleisch 


'j  Reschideddin.     Mirchuand. 


60  E  r  s  t  e  s     B  u  c  h. 

von  seinem  Hause  übrig  wäre ,  sie  aus  keinem  anderen  den 
Herrscher  wählen  würden.  Ihr  habt,  entgegnete  Kubilai, 
zuerst  die  Jasa  Tschengischan's  gehrochen,  indem  ihr  seine 
Tochter  Atalun  (^die  Gemahlin  Dschawer  Satschan's  des 
Olkoniten^  getödtet,  indem  ihr  die  durch  Ogotai's  letzten 
Willen  seinem  Enkel  Schiramim  bestimmte  Thronfolge  dem 
Gnjuk  zugewendet.  Diese  Einwendung  unterstützte  das  An- 
sehen Batu's  und  der  Oberrichter  '^  Mingkasar  Nujan,  welcher 
den  Heldenmuth  Mengku's,  des  ältesten  Sohnes  Tuli's,  und 
die  von  ihm  in  dem  chinesischen  Feldzuge  noch  unter  dem 
Grossvater  Tschengischan  und  dann  im  siebenjährigen  west- 
lichen Kriege  wider  Europa  geleisteten  grossen  Dienste 
anpries.  Die  Prinzen  trugen  den  Thron  Balu  als  dem 
Aeltesten  des  Hauses  an;  da  dieser  denselben  aber  aus- 
schlug, übertrugen  sie  ihm  die  Ernennung  des  Herrschers, 
und  Batu  ernannte  dazu  Mengku,  den  ältesten  Sohn  Tuli's. 
Mengku  entschuldigte  sich,  aber  sein  Bruder  Muhe  be- 
merkte, dass,  da  Alle  versprochen,  sich  dem  Ausspruche 
Batu's  zu  fügen,  so  sei  hier  Unterwerfung  auch  für  Mengku 
Pflicht;  demnach  ward  ihm  als  künftigem  Herrscher  ge- 
huldigt und  Batu  selbst  brachte  ihm  den  Becher  dar;  zugleich 
ward  ausgemacht,  dass,  da  die  Versammlung  nicht  voll- 
ständig, nächsten  Frühling  im  Stammgebiete  Keluran  auf 
vollzähligem  Kurultai  die  Thronbesteigung  gefeiert  werden, 
unterdessen  die  Frau  Oghulkaimisch  die  Regentschaft  führen 
solle.  Die  Söhne  Gujuk's  ziehen  ihren  Stellvertreter,  der 
hiezu  beigestimmt,  überschrittener  Vollmacht,  die  Prinzen 
des  üluses  Dschagatai  und  Ogotai  weigerten  sich ,  auf  dem 
Kurultai  zu  erscheinen ;  da  sandte  Batu  seine  beiden  Brüder, 
Berke  und  Tokatimur,  mit  zahlreichem  Heere,  um  den 
Mengku  trotz  ihrer  Abwesenheit  als  Kaan  auszurufen.  Drei 
i.  Juli  12Ö1.  Jahre  nach  dem  Tode  Gujuk's  wurde  Mengku  unter  den 
gewöhnlichen  Feierlichkeiten  als  Kaan  und  Moilkan  ausge- 
rufen. Es  wurde  ein  Regierungsbefehl  erlassen,  vermöge 
dessen  befohlen  ward,    nicht   nur   der   Menschen,   sondern 


')  Bei  d'OIissou  H.  24'J.  irrig  le  general  iMaugoussar. 


E  r  s  t  e  s     B  u  c  h.  61 

auch  der  Lastthiere  zu  schonen,  verboten,  die  Thiere,  deren 
Fleisch  gegessen ,  anders  als  nach  mongoiisdiier  Sitte  zu 
erwürgen,  die  Reinheit  des  Wassers  zu  trüben.  Sieben  Tage 
dauerte  das  Krönungsfest,  an  deren  jedem  neues  Kleid  von 
anderen  Farben  angezogen ,  täglich  das  Fleisch  Ton  hundert 
Pferden  und  Ochsen,  fünftausend  Schafen  verzehrt,  die 
Ladung  von  zweitausend  Wägen  Weins  und  Kumis  ausge- 
trunken ward. 

Während  der  Feste  kam   ein  Soldat  der  Leibwache'),     Hinrich- 
welcher  sein  Maulthier  verloren,  dasselbe  zu  suchen  ausge-  tunken  der 
gangen,    in    grösster   Eile    (er   hatte    in    Einem    Tage   den     P^'^'^'^J" > 
Marsch  von  dreien  durchmessen)  mit  der  Kunde,    dass  die  ^,g^g,j  Osten 
Prinzen  des  üluses  Ogotai,  Schiramun,  Baghu  und  Kuiuktu  und  Westen. 
mit  versteckten  Waffen,    die   sie    in   bedeckten  Wägen   mit 
sich  führten,  im  Anzüge.    Mingkasar  ging  ihnen  mit  Truppen 
entgegen,   überfiel  sie  und   führte   sie  ins  Lager  mit  sich; 
hier  brachten   sie  nach  mongolischer  Sitte  ihre  Geschenke, 
neun  verschiedene  Dinge  und  von  jedem  neun  Stücke,  dar; 
aber  am  dritten   Tage    wurden   sie   beim    Eintritt  in's   Zelt 
verhaftet  und   von  Mengku  selbst  verhört.     Der  Hofmeister 
Schiramun's  gestand,  geprügelt,  den  Auftrag,  und  Mengku 
übertrug  nun  das  Gericht  über  die  Schuldigen  dem  Mingkasar; 
dieser  sprach  über  dieselben  nach  der  Jasa  die  Todesstrafe 
aus.     Siebzig    Prinzen    und    Nujanen    wurden   hingerichtet,  . 
unter  den  letzten   zwei  Söhne  Iltschikidai's,    des  Feldherrn 
in  Persien,   deren   Vater  zu  Badgis  verhaftet,   zu  Batu  ge- 
führt,  von    diesem    hingerichtet   ward.      Die    Todesart   der 
Nujanen  war,  dass  man  ihnen  den  Mund  mit  Steinen  füllte 
und   sie   so    erstickte;    die    der   Prinzen,    dass   man   sie    in 
seidene   Tapeten   einwickelte   und    darin    zu  Tode  rollte*).  * 

Katakasch,  die  Mutter  Schiramun's,  die  Nichte  Altschi  Nujan's, 
sandte  Bitte  an  Sijurkukteni,  die  Schuld  ihres  Sohnes  be- 
kennend und  für  denselben  um  Verzeihung  flehend ;  auf  die 
Fürbitte  der  Mutter  schenkte  Mengku  den  Aghlanen,  d.  i. 
den  Prinzen  Schiramun,  Ghodscha  Aghul,    Baghu  aus  dem 


')  Wassaf.    ^)  Derselbe. 


02  E  r  s  t  e  s     B  u  c  h. 

Uluse  Ogotai,  Jcsenbuke  aus  dem  Uluse  Dschagatai,  das 
Leben,  indcAi  er  sie  nach  China  sandte,  dem  Chodscha 
Aghui  aber,  welchem  die  Thronfolge  gebührt  hätte,  einen 
Jurt  an  der  Selenga  anwies');  auch  den  beiden  grossen 
Söhnen  Ogotai's,  Timur  und  Melik,  und  denen  Kutan's  wurde 
das  Leben  geschenkt,  aber  in  der  Folge,  als  Mengku  selbst 
nach  China  zog,  wurde  der  Prinz  Schiramun  ertränkt.  Seine 
Mutter  Katakasch  und  Oghulkaimisch,  die  Wittwe  Gujuk's, 
wurden  das  Jahr  hierauf  vor  das  Gericht  Mingkasar's  ge- 
stellt, beide  als  überwiesen,  dass  sie  die  Söhne  zur  Wider- 
spenstigkeit bei  demKurultai  der  Thronbesteigung  aufgehetzt» 
zum  Tode  verurtheilt  und  in  Filz  eingewickelt  ersäuft. 
Kaidak  und  Tschinkai,  die  beiden  Rätlie  der  Oghulkaimisch, 
wurden  hingerichtet.  Buri ,  der  Enkel  Dschagatai's ,  wurde 
an  Batu  ausgeliefert,  der  ihn  um  einige  Schimpfreden ,  die 
er  wider  ihn  ausgestossen,  tödten  Hess.  So  waren  ausser 
siebzig  Nujanen  die  Kaiserin  Oghulkaimisch  und  die  Mutter 
Schiramun's,  welcher  von  Ogotai  zur  Thronfolge  bestimmt 
worden  war,  als  Opfer  der  Herrschaft  des  Uluses  Tuli's 
gefallen.  Der  Idikut,  d.  i.  Fürst,  der  Uighuren,  welchem 
Turakina  die  Herrschaft  über  das  Land  verliehen,  wurde, 
von  einem  Moslim  eines  Mordplans  wider  alle  Moslimen  in 
seinem  Lande  angeklagt ,  vor  das  Gericht  des  unerbittlichen 
Mingkasar  gestellt;  von  diesem  auf  die  Folter  gelegt,  be- 
kannte er  sich  schuldig,  wurde  zur  Todesstrafe  verurtheilt 
und  nach  Pischbaligh  gesandt,  um  dieselbe  zu  erleiden;  an 
einem  Freitage,  als  die  Moslimen  in  die  Moschee  gingen, 
wurde  er  zu  ihrer  grossen  Freude  geköpft;  die  Stelle  des 
Scharfrichters  vertrat  sein  eigener  Bruder,  welchem  Mengku 
die  Herrschaft  des  Landes  der  Uighuren  verlieh.  Berke 
Aghul  und  Buka  Timur,  die  beiden  Söhne  Batu's,  wurden 
mit  £hren  nach  Kipdschak,  so  auch  Eara  Hulagu,  der 
Enkel  Dschagatai's,  aus  dessen  vor  Bamian's  Mauern  ge- 
fallenem Sohne  Muwatukan,  mit  der  Oberherrschaft  seines 
Uluses  entlassen;  Mohammed  Jelwadsch,  welcher,  als  Mengku 


*)  Dscbihanguscha  u.  Mirchuaud  und  nach  demselben  d'OIissou  II.  272. 


E  r  s  t  e  s     B  u  c  li.  63 

einen  Augenblick  über  die  Strafe  der  schuldigen  Prinzen 
unscliiüssig,  denselben  nach  der  aus  der  römischen  Geschichte 
bekannten  Anekdote,  der  vom  Vater  Tarquinius  als  Antwort 
auf  des  Sohnes  anfragende  Botschaft  stillschweigend  abge- 
hauenen höheren  Pflanzen ,  zur  Todesstrafe  bestimmt  hatte, 
ward  wieder  die  Finanzverwaltung  von  China,  und  seinem 
Sohne  Mesud  die  Statthalterschaft  über  die  Länder  zwischen 
dem  Oxus  und  Irtisch  anvertraut,  dem  Aghun  die  Statt- 
halterschaft über  ganz  Persien ,  von  Chorasan  bis  nach 
Armenien  und  an  die  frische  Gränze  bestätiget.  Mingkasar 
war  der  Oberrichter,  der  Christ  Bulghai  stand  an  der  Spitze 
der  Staatskanzlei,  in  welcher  Sekretäre  für  die  Ausferti- 
gungen in  sieben  Sprachen:  Perser,  üighuren,  Araber, 
Chinesen,  Tibeter,  Mandschu  und  Tanguten  angestellt  waren. 
Kuikur,  der  Sohn  Dchudschi  Kasar's,  des  Bruders  Tschen- 
gischan's,  erhielt  die  Befehlshaberschaft  der  Residenz  Kara- 
korum  ;  Befehle  wurden  erlassen,  um  dem  Misbrauche  der 
von  Ogotai  eingesetzten  Posten  Jam^^  zu  steuern,  indem 
die  Kuriere  und  Gesandten  den  Bauern  die  Pferde  weg- 
nahmen; die  Abgabe  Kuntschur  von  den  Herden  wurde  auf 
Eines  vom  Hundert  bestimmt;  die  Herde,  die  nicht  Hundert 
zählte,  war  davon  frei.  In  Persien  wurde  nach  dem  Fusse 
der  von  Jelwadsch  in  Transoxana  eingeführten  Besteuerung 
der  Kopfsteuer,  je  nach  dem  Vermögen  von  Einem  bis 
zehn^),  in  China  von  Einem  bis  fünfzehn  Dukaten  fest- 
gesetzt. Forderungen  von  Kaufleuten ,  weiche  für  die  unter 
Gujuk  gelieferten  Waaren  keine  Bezahlung  erhalten  hatten, 
wurden  mit  fünfzigtausend  Silberbaiischen  befriedigt^  );  hin- 
gegen zog  er  alle  Ländereien  ein ,  deren  sich  nach  dem 
Tode  Gujuk's  seine  Wittwe  Oghulkaimischund  ihre  SöhneCho- 
dsclia  und  Baghu  bemächtigt  hatten,  welche  siebzehntausend 
Baiische  Gold  eintrugen*).  Der  Bruder  Kubilai  wurde  mit 
einem  Heere  nach  China  befehligt,  und  bei  dem  Aufbruche 
desselben  hielt  der  Kaan  ein  Kurultai,  von  Festen  aller  Art 


•)  Bei  Rubruquis  chap.  29.  Jani  statt  Jam.  ^-j  Wassaf;  bei 
d'Ohsson  11.  263.  a  sept.  3)  D'Ohssou  II.  267.  hat  aber  Nichts  vom 
Folgenden.    *)  Wassaf. 


64 


Erstes    Buch. 


Dynastien 

im  Osten 

Asiens. 


begleitet;  auf  diesem  erschienen  der  Richter  Schemseddin 
von  Kaswin ,  welcher  wider  die  ihn  aufsuchenden  Dolche 
der  Assassinen  zum  Throne  des  Kaans  flüchtete,  und  Abge- 
ordnete Baidschu  Nujan's,  des  Befehlshabers  in  Irak,  welcher 
sich  über  den  Chalifen  von  Bagdad  beklagte.  Da  beschloss 
Mengku  den  Krieg  wider  die  Assassinen  und  den  Chalifen 
und  übertrug  die  Führung  desselben  seinem  Bruder  Hulagu. 
Da  einige  Geschichtschreiber  den  Anfang  der  Herrschaft 
der  Mongolen  In  Persien  von  diesem  Jahre  an  rechnen, 
wiewohl  Hulagu  erst  drei  Jahre  später  dort  als  Eroberer 
einzog ,  so  wird  auch  das  folgende  Buch  am  bessten  mit 
dem  Feldzuge,  dessen  angekündigter  Zweck  die  Zerstörung 
der  Herrschaft  der  Assassinen  und  des  Chalifats,  beginnen, 
aber  zuvor  thut  noch  zur  Orientirung  des  Lesers  vonnöthen 
ein  Ueberblick  der  damals,  das  ist  in  der  Hälfte  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts  der  christlichen  Zeitrechnung ,  in 
Asien  dem  Reiche  der  Mongolen  gleichzeitigen  asiatischen 
Dynastien. 

China,  dessen  nördliche  Hälfte  unter  Mengukaan,  dessen 
südliche  unter  Kubilai  zu  dauerndem  Besitze  und  zur  Grün- 
dung der  Dynastie  Juan,  d.  i.  der  Mongolen,  erobert  worden, 
liegt  hier  eben  so ,  wie  das  indische  Reich  von  Dehli,  dessen 
grosse  Stadt  Lahur  noch  unter  Gujuk's  Regierung  von  den 
Mongolen  belagert  und  für  kurze  Zeit  erobert  worden 
war  ')  ,  ausser  dem  Bereiche  dieses  üeberblicks,  welcher  blos 
die  unmittelbar  mit  der  mongolischen  Dynastie  in  Persien 
bei  der  Eroberung  desselben  oder  später  verflochtenen 
asiatischen  Reiche  und  Dynastien  ins  Auge  nimmt.  Wir 
wenden  den  Blick  nach  sechs  Seiten,  so  dass  derselbe  Persien 
selbst  und  seine  Gränzländer  in  Osten,  Westen,  Süden, 
Norden,  sammt  dem  äussersten  des  westlichen  Asiens,  bis 
wohin  sich  das  Reich  und  die  Macht  der  Ilchane  erstreckte, 
in  sich  begreift.  Im  Osten  zuerst  nach  dem  indischen  Gränz- 
reiche,  nach  Chorasan,,  d.  i.  dem  Ostlande,  dem  persischen 
Oesterreich  und  dem  daran  stossenden  Ktihistan;  im  Süden 


')  Firischte  und  nach  demselben  d'Ohsson  11.  28). 


E  r  s  t  e  s     B  H  c  h.  (J5 

gegen  Kerman  und  Jesd ,  dann  nach  Persien  im  eng^sten 
Sinne,  nach  Fars ,  dem  persischen  Irak  und  den  beiden  dazu 
gehörigen  Lurtslan;  im  Westen  nach  dem  arabischen  Iraky 
dem  Sitze  des  Chalifats,  und  nach  dem  Reiche  der  Seldschu- 
ken  in  Rum;  im  Norden  nach  Güan,  Georgien  und  Arme- 
nien; endlich  nach  dem  entfernten  Syrien  und  Aegypten  und 
dem  byzantinischen  Reiche: 

I.  Von  der  indischen  Gränze ,  von  deren  Deckung  gleich 
beim  ersten  Feldzuge  Hulagu's  die  Rede  sein  wird,  herrschte 
die  in  der  ersten  Hälfte  des  dreizehnten  Jahrhunderts  ge- 
gründete Dynastie  der  Chuldschen ,  d.  i.  die  fünfte  der  Ghiir, 
nachdem  die  drei  früheren  dieses  Namens  zu  Ghasna,  Bamimi 
und  Kabul  erloschen ,  während  die  vierte ,  nämlich  die  der 
Vlugschahe ,  mit  ihnen  gleichzeitig  zu  Dehli  herrschte.  Die 
Benennung  der  zweiten  tatarischen  Dynastie,  unter  welcher 
Ferischte,  der  grosse  Geschichtschreiber  der  raoslimischen 
Reiche  in  Indien,  die  Chuldschen  aufführt,  könnte  gelten, 
wenn  es  wahr  wäre,  dass  sie  von  einem  Eidam  Tschengis- 
chan's ,  Namens  Choldsch ,  abstammen ;  aber  keiner  der 
Eidame  Tschengischan's  trägt  diesen  Namen  und  keine  der- 
selben waren  Choldsche  oder  Challadsche  (^das  indische 
Choldsch  ist  blos  eine  Verstümmelung  des  Namens  der 
Challadsch  oder  Kaladsch),  welche,  wiewohl  Türken  von 
Abkunft ,  von  Reschideddin  den  uneigentlichen  Mongolen  bei- 
gesellt werden.  In  der  Hälfte  des  dreizehnten  Jahrhunderts 
herrschte  aus  dieser  Dynastie  Dschelaleddin  Firus ,  welcher 
sich  der  Stadt  Dehli  bemächtigte,  und  dessen  vier  glänzende 
Siege  der  grosse  persische  Dichter  Chosrew  von  Dehli ,  in 
einem  besonderen :  die  Eroberung  der  Eroberungen  V  betitel- 
ten Werke  beschrieben,  und  dessen  Sohne  Alaeddin  ein 
anderes  seiner  Werke  ^  nämlich  die  Vereinigung  der  beiden 
glücklichen  Gestirne  V  ^  gewidmet.  Chosrew  von  Dehli  war 
der  Lobredner  Dschelaleddin's  und  Alaeddin's,  der  beiden 
grossen  Herrscher  der  Chuldschen,  wie  ein  halbes  Jahrhun- 

*)  Fetliol-fatuh.  ^)  Kiran  Saadein :  dieser  Titel  ist  das  Muster 
des  Matlaai  Saadein ,  d.  i.  der  Aufgang  zweier  Glückssterue  vou 
Abderresak. 

Hammer,  Geschiclite  der  Ilcliane.    I.  5 


66 


Erstes     Buch, 


Dynastien 
im  Süden 
Persiens. 


dert  später  Wassaf ,  der  Lobredner  der  beiden  Herrscher 
der  llchane ,  Chodabende  und  Ebu  Said.  II.  In  Chorasan 
war  erst  vor  einigen  Jahren  zu  Herat  die  Dynastie  der  Kert  durch 
Scheniseddin  Mohammed  gegründet  worden,  welchem  Tschen- 
gischan  bei  der  Eroberung  Herats  den  Besitz  desselben  ein- 
geräumt ,  3Iengku ,  welchem  er  mit  reichen  Geschenken  seine 
Huldigung  darbrachte,  die  Herrschaft  von  Herat  und  Ghar- 
dschistan  bestätigte.  In  dem  unmittelbar  an  Herat  anstossen- 
den  und  längs  der  südlichen  Gränze  von  Chorasan  sich 
hinziehenden  Kuhistan,  das  ist  dem  Gebirgslande ,  sandten: 
III.  die  Assassinen  von  ihren  hundert  Schlössern  den  Meuchel- 
mord wider  alle  ihre  Feinde  aus.  Der  siebente  Grossmeister 
dieser  Meuchelmörder,  Alaeddiri  Mohammed  Gurschah,  sass 
seit  zwanzig  Jahren  als  Alter  vom  Berge  auf  dem  Stuhle, 
auf  welchen  den  neunjährigen  Knaben  die  nächsten  Verwand- 
ten ,  welche  den  Täter  vergiftet ,  gesetzt  und  dem  er ,  vom 
eigenen  Sohne  gemordet,  entsank. 

IV.  Kerman,  die  südliche  Landschaft  Persiens,  kam 
nach  dem  Untergange  der  Herrschaft  der  Bujiden  in  die 
Macht  der  Seldschuken,  von  deren  fünfgetheilten  Herrscher- 
geschlechte  ein  Zweig  den  Namen  von  Kerman  führt,,  und 
blieb  im  Besitze  der  Söhne  Kaurdin's  bis  zur  Regierung 
Dscheladdin  Chuaresmschahs ,  zu  dessen  Zeit  der  Kämmerer 
Borrak ,  zum  Islam  bekehrt,  vom  Chalifen  mit  der  Herr- 
schaft dieses  Landes  belehnet  luid  mit  dem  Ehrentitel  Kotlogh 
Sultan,  d.i.  der  gute  Sultan,  ausgezeichnet  ward.  Kotlogh 
Sultan  war  mit  dem  Atabegen  von  Jesd  Ghajaseddin  in  viel- 
fältige luid  langwierige  Streitigkeiten  verwickelt,  welche  in 
der  welteröffnenden  Geschichte  Dschuweini's  erzählet  sind. 
Der  Sohn  Kotlogh  Sultans  Rukneddin  erhielt  trotz  der  Empö- 
rung Kutbeddin's,  des  Neffen  Borrak's,  vom  ersten  Nachfol- 
ger Tschengischan's  von  Ogotai  die  Belehnung  von  Kerman , 
Kutbeddin  gewann  aber  mächtigen  Schutz  am  Hofe  des  Kaan, 
indem  er  seine  Schwester  dem  Kasar  Beke  und  eine  Tochter  dem 
Ssahib  Habesch  Amid  vermählte ;  zwei  Söhne  aus  dieser  Ehe 
waren  in  der  Folge  die  Stützen  des  Throns  von  Kerman  wider 
Kutbeddin,  welcher  von   Ogotai  nach  China  gesandt,   durch 


658 


K  r  s  t  e  s     B  u  0  li.  07 

den  Schutz  des  Grosswesirs  Jelwadsch  von  Meng^kutaan  das 

Diplom  der  Herrschaft  Kerman's  erhielt.     Kutbeddin  schickte 

6' 50 
mit  der  Botschaft  der   Belehnung  einen  Gesandten  an  Buk-        .^.^ 

neddin,  der,  als  er  beim  Atabegen  von  Fars  MosafFereddin 
Ebubekr  vergebens  Hilfe  gesucht  und  auch  beim  Chalifen 
Mosteaassim  keine  gefunden  hatte,  sich  im  folgenden  Jahre 
nach  Almaligh  zum  Kaan  Mengku  begab,  wo  auch  der  Neben- 
buhler um  den  Thron  Kutbeddin  mit  ihm  zugleich  einge- 
troffen. Diesem  bestätigte  Mengku,  und  später  auch  Hulagu 
die  Herrschaft,  die  er  bis  zu  seinem,  ein  Paar  Jahre  später 
erfolgten  Tode  behielt.  Fast  noch  weniger  als  die  Geschichte 
der  Sultane  Kermans  aus  der  Familie  Borrak  ist  die  der 
Atabegen  von  Jesd  aus  der  Familie  Kakuje  bisher  europäi- 
schen Geschichtschreibern  bekannt.  V.  Die  Atabege  von  Jesd 
leiten  ihren  Ursprung  vom  Dilemiten  Ebu  Dschaafer  Moham- 
med Kakuje  ab ,  dessen  Namen  die  Araber  in  Kakeweih , 
so  wie  den  der  Buje  in  Boweih,  und  den  der  Fasluje  in 
Fasleweih  verstümmeln ;  er  war  der  Oheim  Stde  Chalun's, 
der  Mutter  Medschdeddewlets  des  Bujiden  und  Statthalters 
von  Issfahan ;  sein  Sohn  Ebit  Manssur  Firamurs  hatte  vom 
Seldschuken  Toghrul  vor  einem  Jahrhunderte  die  Herrschaft  ioöä 
von  Jesd  erhalten ;  ihm  war  in  derselben  sein  Sohn  Emir 
Ali  Ben  Firamurs  gefolgt ,  welcher  im  Kriege  >vider  die 
Karachitanen  fiel.  Sultan  Sindschar,  der  grosse  Herrscher 
der  persischen  Seldschuken ,  verlieh  die  Herrschaft  von  Jesd 
dem  Sam  Ben  Wirdan ,  einem  Abkömmlinge  aus  einer  Tochter 
Emir  Alis,  als  Stellvertreter  desselben.  Sam  Ben  Wirdan  um- 
fing das  Grab  Ali's  zu  Meschhed  mit  einer  Mauer  und  verherr- 
lichte Jesd  durch  den  Bau  einer  grossen  Moschee.  Er  überliess 
die  Herrschaft  seinem  Bruder  Iseddin  Beschker ,  welcher, 
ein  tapferer  Fürst  und  Feldherr,  von  den  Seldschuken  mit 
der  Statthalterschaft  von  Schiras   und   Issfahan   betraut  wor- 


öS(i 
1142 


61ö 
im 

r)90 

1W4 
604 


den,    zu   Anfang   des    Jahrhunderts   starb;    ihm    folgte    sein 
Bruder    Wirdansor    durch    zwölf    Jahre,    und   dann    dessen 
Bruder  Ebu  Manssur ;,  beigenannt  Kutbeddin  der  Choldsche,   gest 
nach  ihm  dessen  Sohn  Mahmud  durch  dreizehn  Jahre,  und 


nach  diesem  dessen  Sohn  Saighurschah ,  der  Erbauer  d^r  nach 

5* 


1S19 
621 


U31 


in  Fars. 


(»8  E  r  s  t  e  s     B  u  c  ii. 

iliin  genannten  Stadt  Salgktirabod ,  und  dann  dessen  Sohn 
Toghofischah ,  der  neunte  der  Herrscher  der  Familie  Kakuje, 
der  Zeitgenosse  Ilulagu's'^,  welcher  das  Dasein  dieser  Herr- 
scherfamilie duldete ,  bis  nach  zwei  späteren  Herrschern 
(Alaeddewlet  und  dessen  Bruder  Jiisufschah) ,  zu  Ende  des 
dreizehnten  Jahrhunderts ,  Jesd  von  Ghasan  erobert  und 
dessen  Ertrag  den  Einkünften  des  Diwans  einverleibt  ward. 
Bie  In   Persien    herrschten    ausser    den   xltabegen   von   Jesd 

Dynastien  noch  die  von  Schiras ,  insgemein  bekannt  unter  dem  Namen 
der  Salghuren ,  und  zu  Darabscherd ,  einer  Landschaft  von 
Fars,  die  Dynastie  Schebankjare  -)  aus  der  Familie  Fashije. 
\  I.  Die  Vorfahren  Fasl  Ben  Emir  Fasliije's  waren  urspriing- 
lich  die  Ispehbede ,  d.  i.  die  Heerführer  von  Fars ;  schon 
zur  Zeit  Omars,  als  Jesdedschird,  der  letzte  Chosroes  der 
Sasan,  vor  den  arabischen  Heeren  nach  Issfahan  flüchtete, 
versammelten  sich  um  ihn  die  Grossen  der  Schebankjare, 
welche  mit  den  Einwohnern  der  Ebne  Run  bei  Darabscherd 
einen  Bund  des  Friedens  aufrichteten  ,  während  Jesdedschird 
nach  Kerman  ging.  Ali  Ben  Fasluje  war  die  rechte  Hand 
Horbeid's,  des  Schwagers  Jesdedschird's,  und  sein  Nach- 
kömmling zur  Zeit  Alp  Arslan's  des  Seldschuken,  der  oben- 
genannte Emir  Fasl  Ben  Fasluje's,  insgemein  Fasluje  Ben 
Hasuje  genannt,  Isfehsalar  d.  i.  General  der  Reiterei.  Unter 
der  Regierung  :Adhadeddewlet's  des  grossen  Fürsten  der  Ben 
Buje  überzog  dessen  Statthalter  zu  Schiras,  Tasch  Ferrasch 
Schebankjare ,  das  Land  mit  einem  Heere ,  und  zu  dieser 
Zeit  siedelte  sich  die  Familie  Fasluje  in  der  Ebene  von  Run, 
in  der  Nähe  der  Stadt  Darabscherd ,  an ;  fünfzehn  Jahre 
später  bemächtigten  sie  sich  des  Gebietes  von  Fars,  zu  dessen 
Verwaltung  Emir  Schebankjare  Fasluje  angestellt  worden. 
Kaurdin,  der  Bruder  Alparslan's,  des  Seldschuken  von  Ker- 
man ,  verheerte  Fars ,  Fasluje  flüchtete  zu  Alparslan ,  und 
pachtete  von  ihm  Fars   und  Darabscherd  für  siebenundzwan- 


430 
1038 


')  Dsclühanuuina  S.  281.  ')  Von  diesen  ist  in  Dej^uignes  keine 
Kunde ;  AVassaf  behandelt  aber  im  13.  Kap.  des  IV.  Buchs  unmittelbar 
vor  der  Eroberung  Kerman's  ihre  Geschichte ,  welche  auch  im 
Muuedschimbaschi  und  im  Dschihannuma  S.  279  wiederholt  ist. 


E  r  s  t  e  s     B  u  c  li.  QQ 

zig  Millionen  Dirliem;  da  er  sich  wider  seinen  Lehensherrn 
empörte,  überzog  ihn  Nisaraeddin,  der  grosse  Grosswesir 
Melekschah's ,  mit  Krieg,  und  der  Atabege  Dschelaleddin 
Dschanli  der  Chua7isalaf ,  d.i.  Obersttruclisess,  schhig  sich 
mit  dem  Erbauer  der  Residenz  zu  Darabscherd ,  dessen 
langer  Namen  Nisaineddin  Mahmud  Ben  Jahja  Ben  Hasuje. 
Dsclianli  starb  während  des  Feldzugs  an  einem  Blutflusse; 
ihm  folgte  sein  Sohn  Mobariseddin ,  dann  dessen  Sohn  Nisa- 
meddhi  II. ,  dann  der  Bruder  Mosaffer  Mohammed^  w  elcher, 
ein  weiser  und  gerechter  Fürst,  seit  vierzehn  Jahren  herrschte, 
als  Hulagu  gegen  den  Westen  aufbrach.  Von  allen  Dynastien, 
welche  zur  Zeit  Hulagu's  in  Persien  herrschten,  ist  keine 
merkwürdiger  als  die  VII.  der  Atabegen  Salghuren,  deren 
Geschichte  die  Hälfte  des  zweiten  Buchs  von  der  Wassaf's 
füllt,  und  die  er  mit  besonderer  Vorliebe  und  Ausführlich- 
keit behandelt ,  w  eil  Fars  das  Stammland  Persiens  und 
Schiras  seine  Geburtsstadt;  auch  wir  werden  in  der  Folge 
die  Geschichte  derselben  ausführlicher  als  die  aller  übrigen 
Dynastien  erzählen,  weil  die  Regienmg  der  fünf  ersten 
Fürsten ,  w  eiche  alle  den  Vornamen  Mosaffereddin ,  d.  i.  die 
mit  dem  Siege  der  Religion  Betheilten,  führten,  eine  schöne 
Zeit  des  Flores  der  Herrschaft  und  der  Wissenschaft,  des 
Lebensgenusses  und  der  Poesie ,  und  weil  der  Namen  des 
letzten  Ebubekr  Ben  Saad's  schon  durch  Saadi's  Gülistan 
allein  unsterblich.  Hier  genüge  es  zu  sagen,  dass  von  dem 
Ende  der  Herrschaft  der  Dilemiten  bis  zu  dem  Auftritte  des 
ersten  Salghuren  Sonkar  Ben  Meivditd  in  der  Hälfte  des 
sechsten  Jahrhunderts  der  Hidschret ,  des  zwölften  der 
christlichen  Zeitrechnung  ,  Fars  durch  sieben  Atabege ,  Statt- 
halter der  Seldschuken ,  verwaltet  worden.  Der  erste  Fasluje 
Schebankjare ,  dessen  schon  oben  bei  der  Dynastie  dieses 
Namens  Erwähnung  geschehen ,  und  von  dem  die  Dichter, 
auf  dessen  Namen  Fasl ,  d.  i.  Trefflichkeit,  Verdienst,  Wohl- 
that  und  Huld  anspielend,  gesagt: 

Vor  Gott ,  dem  Allverehrten ,  war  er  Huld  und  Glück, 
Deu  Uebermuth  des  Aufruhrs  hielt  Faslui  Eurück. 


fiS4 
1337 


1U8 


70  E  r  ä  t  e  s     B  u  c  1i. 

Der  zweite  Rohneddewlet ,  d.i.  die  Reichssäule  Chtmar  Tegin, 
ertrank ;  der  dritte  Dschelaleddin  Dschanli  verkeerte  das 
Gebiet  der  Dynastie  Schebankjare ;  der  vierte  Karadschu 
baute  eine  Medrese  zu  Schiras  und  ward  zu  Hamadan  er- 
schlagen; der  fünfte  Mengubers  baute  eine  Medrese,  au  der 
er  begraben  liegt ,  dessgleichen  seine  Gemahlin  Sahide  die 
Medrese  Issmeti  zu  Schiras;  der  sechste  Bosabe  ward,  wie- 
wohl ein  gerechter  und  billiger  Herr ,  gewaltsam  getödtet, 
und  der  siebente  Melehschah  hielt  der  letzte  das  Ansehen 
der  Seldschuken  aufrecht,  welchem  Sonkar  Ben  Mewdud, 
der  Gründer  der  Dynastie  der  Salghuren,  ein  Ende  machte, 
indem  er  sich  zum  Atabegen  unabhängigen  Herrscher,  aufwarf. 
Die  i>Jit     der    Familie    Fasluje's ,    welche    zu    Schebankjare 

>linas  lei     \n.i'Ysc}\te ,    sind   die   sogenannten   grossen   Fasluje    nicht    zu 
von  Gross-  e  b  / 

und  Klein-  vermengen,  welche  in  Gross -Luristan  unter  dem  Namen  der 

Luristan.  grossen  Atabege ,  so  wie  die  Familie  Chorschid  in  Klein- 
Luristan  unter  dem  Namen  der  kleineu  Atabege  herrschten. 
Die  beiden  Provinzen  haben  ihren  Namen  von  zwei  Brüdern, 
Lor  oder  L?ir ,  welche  dort  Statthalter  im  dritten  Jahrhun-^ 
derte  der  Hidschret ,  später  über  die  Stämme  herrschten, 
welche  um's  Jahr  fünfhundert  der  Hidschret  am  Berge  Säumal 
im  nördlichen  Syrien  in  dieses  südöstliche  Gebirgsland  Per- 
siens  eingewandert ,  sich  unter  Anführung  Chorschid's  fn 
Klein -Luristan  niederliessen ;  von  ihrer  westlichen  Abstam- 
mung heissen  sie  die  Könige  des  Westens  *).  Vill.  In  Gross- 
Luristan  dienten  die  Anfülirer  dieser  ausgewanderten  Stämme 
AU  und  dessen  Sohn  Mohammed  den  Atabegen  Salghuren, 
und  .yJba  Tahi'r ,  der  Sohn  Mohammed's ,  stand  dem  Atabegen 
Sojikar  Mider  die  Schebankjare  bei.  Sonkar,  der  Salghure, 
sagte  zum  Abu  Tahir:  er  möge  sich  eine  Gnade  erbitten  ; 
Abu  Tahir  begehrte  erst  den  Pfeil ,  dann  das  Pferd  des 
Atabegen,  und  als  ihn  dieser  noch  mehr  begehren  hiess,  die 
Erlaubniss,  Luristan  von  den  Feinden  der  Atabege  zu  reini- 
gen; er  eroberte  es,  erklärte  aber  sich  selbst  zum  unabhän- 
gigen Fürsten  und  Atabegen.    Bei  dieser  Gelegenheit  siedel- 


550 
~Il55 


'J  Melikol-yhiirb. 


KistesBuch.  71 

teil  sich  zahlreiche  Stämme  aus  Syrien  in  Luristan  an ,  und 
vertrieben  die  Scholeti  oder  Schulen,  welche  die  Urein- 
wohner des  Landes.  Abu  Tahir  hatte  fünf  Söhne,  deren 
ältester  Hesarsif  in  beständigem  Kriege  mit  Tikle  dem 
Atabegen  Salghuren  von  Fars.  Hesarsif  verheerte  das  Ge- 
biet der  Salghuren,  und  unterwarf  sich  das  Land  bis  auf 
vier  Farasangen  von  Issfahan.  Hesarsif  erhielt  für  seinen 
Sohn  Tikle,  welcher  denselben  Namen  trug  wie  der  Atabege 
Salghure  von  Fars ,  weil  er  von  mütterlicher  Seite  ein  Enkel 
desselben ,  ein  Herrscherdiplom  vom  Chalifen  Nassir ;  der 
Salghure  Saad  sandte  Heere  wider  Tikle,  welcher  dieselben 
schlug ,  und  auch  wider  Hosameddin  Chalil ,  den  Neffen 
Schudschaaeddin's  von  Klein-Luristan,  siegreich  Krieg  führte; 
endlich  kamen  aus  Chusistan  zwei  Feldherren  des  Chalifen, 
welche  den  Bruder  Tikle's  gefangen  nahmen.  Tikle  tödtete 
den  einen ,  nahm  den  anderen  gefangen  und  löste  denselben 
für  den  Bruder  aus.  Tikle  war  der  Beherrscher  Gross- 
Luristan's,  als  Hulagu  wider  Bagdad  zog.  Zur  selben  Zeit 
herrschte  in  Klein-Luristan  der  kleine  Atabege  Bedreddin 
Mesud ,  welcher  sich  dem  Dienste  der  Mongolen  stellte. 
IX.  Die  Dynastie  der  kleinen  Atabege  in  Klein  -  Luristan 
begann  ein  halbes  Jahrhundert  später  als  die  der  Atabege 
von  Gross -Luristan.  Schudschaaeddin  Chorschid,  d.  i.  der 
Tapfere  der  Religion ,  die  Sonne,  eroberte  das  Land,  nahm, 
der  erste,  den  Titel  Atabeg  an,  und  starb  nach  vierzig- 
jähriger Regierung  über  hundert  Jahre  alt;  ihm  folgte  sein 
Neffe  Rüstern j  ein  gerechter  aber  strenger  Fürst,  den  sein 
Bruder  Scherefeddin  Ebubekr  ermordete;  dieser  wurde  von 
seinem  Weibe  vergiftet;  sein  Bruder  Iseddin  Kerschasif 
nahm  den  Thron  ein  und  die  Frau  Melike  ,  seines  Bruders 
Gemahlin,  die  Tochter  Schihabeddin  Suleimanschah's ,  zur 
Frau;  in  langwierigen  Krieg  mit  Hosameddin  Chalil,  dem 
Neffen  Schudschaaeddin's,  verwickelt,  schloss  er  mit  dem- 
selben Frieden ,  ward  aber  von  ihm  erschlagen.  Die  Wittwe 
Melike  Chatun  sandte  ihre  drei  Söhne  (Schudschaaeddin 
Chorschid ,  Ssafeddin  Rüstern  und  Nur  eddin  Mohammed)  zu 
ihrem  Bruder  Suleimattschah  y  der  mit  Hosameddin  den  Krieg 


580 
liöT 


Erstes     Buch. 


so  erbittert  führte,  dass  sie  sich  in  Einem  Monate  ein  und 
dreissigmal  schlugen;  nach  einigen  Jahren  kam  es  in  der 
Ebene  von  Schabur  zu  einer  entscheidenden  Schlacht ,  in 
welcher  Suleimanschah  von  sechzigtausend  Reitern  des  Chali- 
fen  unterstützt  ward,  während  das  Heer  Hosanieddin's  nur 
aus  dreitausend  Reitern  und  neuntausend  Fussgängern  bestand; 
dennoch  wurde  Suleiraan  Anfangs  in  die  Flucht  geschlagen, 
trug  aber  den  Sieg  davon ,  und  improvisirte ,  als  man  ihm 
den  Kopf  Hosameddin  Chalil's  brachte,  vier  Verse  darauf, 
in  denen  eben  so  viele  Wortspiele: 

Clialil  der  Arme  war  sich  selber  nicht  bewusst, 
Er  hatte  eingepflanzt  der  Seele  Frühliji^slust'); 
Ein  Diw ,  begehrte  er  das  Reich  von  Suleiman, 
Zuletzt  im  Diwan  Salomoni's  abgethan. 

Die  Herrschaft  kam  an  den  obengenannten  Bedreddin  Mesud, 
den  Bruder  Iseddin  Kerschasifs. 
Dynastien  jm  arabischen   Irak  herrschten,    ausser   X.  den  Chalifen 


i,  arab.  Irak, 
in  Syrien. 


Arabien, 


zu  Bagdad,  in  der  Hälfte  des  dreizehnten  Jahrhunderts  noch 
Äeqypten  *^^^^  Dynastien,  deren  Fürsten  den  Titel  von  Atabegen,  das 
und  ist  von  Hofmeistern  (Hausmayern)  führten.  Von  einem 
Dutzend  von  Dynastien,  welche  in  der  morgenländischen 
Geschichte  unter  diesem  Namen  berühmt,  waren  die  von 
Damashis ,  Haleb  ,  Aserbeidschan  und  Irbü  bereits  erloschen, 
und  es  bestanden  nur  noch  die  schon  erwähnten  persischen 
der  Atabege  von  Jesd,  Darabscherd ,  Schiras,  Gross-  und 
Klein  -  Ltiristan  j,  und  die  nun  zu  erwähnenden  von  Mossul, 
Dschesire  und  Sindschar.  XI.  Zu  Mossul  hatten  seit  einem 
Jahrhunderte  sechszehn  Atabege  aus  der  Familie  Amadeddin 
Sengi's,  deren  Thron  vom  Chalifen  Bagdad's  dem  Bedreddin 
Lulu,  Obersthofraeister  der  beiden  letzten  Fürsten,  verliehen 
worden;  dieser  füllte  den  Thron  rühmlich  vierzig  Jahre 
lang  und  ward  von  Hulagu ,  dem  er  nach  Bagdad's  Eroberung 
zu  huldigen  kam ,  gnädig  aufgenommen.  XII.  Die  Dynastie 
der    Atabege  von    Sindschar ,    deren    Herrschaft   vor   einem 


•)  Gesellte  war,    gischte  pflanzte,   küsclite   erschlagen,   diwan 
Plural   von    Diu-   und   Diwau   die   Ratlis Versammlung. 


E  r  s  t  e  s     B  u  c  h.  73 

Jahrhunderte  ')  begonnen ,  hatte  nur  durch  ein  halbes  Jahr- 
hundert geherrscht ,  und  ihre  Herrschaft  war  nach  Bedreddin 
Lulu's ,  des  Atabegen  von  Mossul ,  Tode  dem  Sohne  desselben, 
MosafFer  von  Beibars,  dem  Sultane  Aegyptens  ,  zugesprochen 
worden ;  eben  so  war  die  Linie  der  Atabegen  Mossul's,  welche 
seit  acht  und  vierzig  Jahren  *)  XIII.  zu  Dschesire  geherrscht, 
erloschen,  und  an  ihre  Stelle  Modschahid ,  ein  anderer  Sohn 
Bedreddin  Lulu's,  des  Atabegen  von  Mossul,  getreten,  so 
dass  Bedreddin  Lulu  und  seine  drei  Söhne  f  der  dritte  folgte 
ihm  als  Herr  von  Mossul  nach)  als  unumschränkte  Herrscher 
in  die  Fussstapfen  ihrer  vorigen  Herren  getreten.  XIV.  Zu 
Mardin  herrschte  ein  Zweig  der  Beni  Ortok ,  deren  Haupt- 
linie von  Diarbekr  seit  zwanzig  Jahren^)  erloschen  war; 
aber  aus  derselben  Familie  herrschten  zu  Mardin  schon  seit 
hundert  sechs  und  achtzig  Jahren  *)  Fürsten ,  deren  Dynastie 
erst  im  Beginne  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  der  christ- 
lichen Zeitrechnung  erlosch.  ')  I/ghasi  j  der  Gründer  dieser 
Dynastie,  Sultan  Melekschah's  des  Seldschukiden  Statthalter  zu 
Bagdad,  hatte  sich  Nissibin's  und  Mardin's  bemächtigt;  ihm  war 
sein  Sohn  Hosameddin  Timurtasch  und  sein  Sohn  Nedschmed- 
dtn,  diesen  die  beiden  Söhne  Hosameddin  II.  und  Nassireddin 
und  diesem  der  Sohn  Melik  Said  gefolgt ,  welcher  der  sechste 
Herrscher  dieser  Dynastie,  auf  die  Festigkeit  seiner  Residenz 
trotzend ,  der  Belagerung  Hulagu's  widerstand.  Auch  zu 
Miafarakain  hatte  noch  vor  dreissig  Jahren  Suleiman,  ein 
Sohn  Ilghasi's  Ortok,  geherrscht,  aber  zur  Zeit  Hulagu's 
war  diese  Stadt  im  Besitze  Kjamil's  des  Ejubiden.  XV.  Mia- 
farakain's  Fürstenthum  ist  also  das  zehnte  des  zehnzweigi- 
gen  mächtigen  Herrscherstammes  der  Beni  Ejub  (^die  neun 
anderen ,  die  von  Kairo ,  Damashis ,  Haleh ,  Hama ,  Himss, 
Kerek ,  Baalbek ,  Hossnkeif  und  Jemen)',  von  diesen  zehn 
Dynastien  der  Beni  Ejub  bestanden  in  der  Hälfte  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts  nur  noch  im  arabischen  Irak  die  von 
Miafarakain    und  Hossnkeif  j    und   in   Syrien    die  vier   von 


•)  i.  J.   566  (1170).     ')  seit   576    (1180).     3)  seit  629   (1231). 
*)  seit  464  (1071).    *)  i,  J.  814  (l4ll). 


74  BrstesBuch. 

Haleb,  Hanta ,  Himss  und  Kerek.  Kjamil  war  der  fünfte 
Herrscher  der  Beni  Ejub  zu  Miafarakain ;  seine  Vorfahren 
Melikol-aadil,  der  Bruder  Ssalaheddin's ,  dann  Melik  el-eschref, 
Melik  el-ewhad,  Melik  el-mosaffer ,  die  drei  Söhne  Melik 
el-aadil's ;  der  Sohn  des  letzten  war  Melik  Kjamil ,  der 
GrossnefFe  Ssalaheddin's,  welcher  den  Versuch,  den  Waffen 
der  Mongolen  zu  widerstehen ,  mit  dem  Verluste  seiner 
Hauptstadt  und  des  Lebens  bezahlte.  XVI.  Die  Dynastie  der 
Beni  Ejub  zu  Hossnkeif  hatte  vor  zwanzig  Jahren  begonnen  '), 
indem  Melik  Ssalih  Nedschraeddin  von  seinem  Vater  Kjamil 
die  Städte  Amid  und  Hossnkeif  erhalten;  nachdem  Kjamil, 
um  Aegyptens  und  Syriens  Herrschaft  zu  übernehmen,  sich 
dahin  begeben ,  blieb  sein  Sohn  Melik  Moaasem  Turanschah 
im  Besitze  des  väterlichen  Gebiets,  und  als  auch  dieser  dem 
Vater  auf  dem  Throne  Aegyptens  gefolgt,  verlieh  er  die 
Herrschaft  von  Amid  und  Hossnkeif  seinem  Sohne  Melik 
Mowahid,  der  wie  sein  Vetter  von  Miafarakain  ein  Opfer 
seines  Widerstandes  unter  dem  Schwerte  der  Mongolen  fiel. 
Vier  andere  Söhne  der  Beni  Ejub  herrschten  in  Syrien. 
XVII.  Zu  Hanta  Melik  Manssur  II. ,  der  bei  Annäherung  der 
Mongolen  nach  Aegypten  flüchtete.  Der  Gründer  des  Hauses 
war  Takjeddin,  der  Enkel  Ejub's,  aus  dessen  Sohn  Sphehin- 
schah,  von  seinem  Oheim  Ssalaheddin  als  Herr  von  Hama 
installirt,  sein  Sohn  Nachfolger  Melik  Manssur  I.  ob  seiner 
widei^  die  Kreuzfahrer  erfochtenen  Siege  und  des  Schutzes, 
den  er  Gelehrten  und  Dichtern  angedeihen  Hess,  von  jenen 
in  zahlreichen  ihm  gewidmeten  Werken  ,  von  diesen  in  Sieges- 
hymnen und  Elegien  gepriesen.  XVIII.  Die  Dynastie  der  Beni 
Ejub  zu  Himss  leitet  ihren  Ursprung  von  Esededdin  Schirkuh, 
dem  jüngeren  Bruder  Ejub's ,  ab ,  welcher  vom  grossen  Nu- 
reddin  zum  Statthalter  vom  Himss  bestellt  worden  war. 
Ssalaheddin  bestätigte  seinem  Neffen  und  getreuen  Begleiter 
auf  allen  Feldzügen  Melik  Nassireddin  Mohammed  des  Vaters 
Statthalterschaft  als  Eigenthum ;  nach  dessen  schnellem  Tode 
verlieh  er  die  Herrschaft  zwar   dem  Sohne  desselben    Melik 

0  >.  J.  62-:)  Cl2jl). 


ErstesBuch.  75 

Modschahid  Schirkuh ,  zog  aber  das  väterliche  Vermögen 
ein,  das  er  nur,  durch  einen  vom  zwölfjährigen  Neffen  citirten 
Koransvers  gemahnet ,  zurückgab ;  dem  Modschahid  folgte 
sein  Sohn  Manssur  Ibrahim  j  der  den  Chuaresmern  tapferen 
Widerstand  geleistet,  und  nach  ihm  sein  Sohn  Melik  Bschref 
Mosafersddin  Musa ,  der  Zeitgenosse  Hulagus,  von  diesem, 
weil  er  ihm  gehuldigt,  in  der  Herrschaft  bestätigt.  XIX.  Die 
Dynastie  der  Beni  Ejub  zu  Kerek  begann  unter  Melik  Aadil 
Seifeddin  Ebubekr ,  welcher  vom  Bruder  Ssalaheddin  die 
eroberte  Stadt  erhielt;  nach  des  Bruders  Tod  zur  Herrschaft 
von  Damaskus  berufen ,  übergab  er  Kerek  seinem  Sohne 
Melik  Moaasem  Isa ,  welchem  der  Sohn  Melik  Nassir  Daud 
und  diesem  Melik  Moghis  Fetheddin  Omar  folgte,  der  Zeit- 
genosse Hulagu's,  von  diesem  ob  des  Briefwechsels  mit  Bei- 
bars getödtet.  Beibars  war  der  vierte  Sultan  der  Mamluken 
in  XX.  Aegypten,  deren  Dynastie  gleichzeitig  mit  der  per- 
sischen Hulagu's  in  Persien  emporstieg,  und  als  eine  Neben- 
buhlerin derselben  um  Syriens  Herrschaft  in  der  Folge 
genauere  Kunde  erfordern  wird.  So  herrschte  auch  zu  Mekka 
der  viÄte  Herrscher  der  XXI.  Dynastie  der  Beni  Kitade, 
welcher  nach  den  erloschenen  drei  Dynastien  der  Beni 
Ochaissar ,  Musa  sani  und  Beni  Haschim  seit  einem  halben 
Jahrhunderte  auf  dem  Throne  sass,  welchen  der  vierte 
Herrscher  Ebu  Nami  Mohammed  durch  sieben  und  vierzig 
Jahre  gefüllt. 

Wir  wenden  ims  nun  zuletzt  nach  dem  Norden  und  zwar    Dynastien 
zuerst    nach    den    nördlichen    Landschaften   Persiens,    nach    ^^^  nördl. 

Taberistan  und   Masenderan,    wo  seit   der  Hälfte   des  ersten    .  .    ' 

Armeniens^ 

Jahrhunderts  der  Hidschret  bis  in  die  Hälfte  des  fünften  Georgiens  u, 
die  zwei  Dynastien  Bawendije ,  auf  einander  folgend ,  ge-  Kleinasiens, 
herrscht;  aus  der  zweiten,  im  Anfang  des  dreizehnten  Jahr- 
hunderts der  christlichen  Zeitrechnung'^  erloschenen,  erstand 
in  der  Hälfte  des  vierzehnten  ein  Zweig  derselben  in  der 
Dynastie  Bschelawije.  Das  Stillschweigen  der  Geschichte 
durch  diese  anderthalb  Jahrhunderte^^  beweiset,  dass  Tabe- 


•)  I.  J.  60J  (1209).     *)  Vou  1209  —  1349. 


76  E  r  s  t  e  s      B  u  c  li. 

ristan  während  dieser  Zeit  keine  eigenen  Herrscher  hatte  ; 
in  Gilan  herrschten  XXII.  die  Beni  Badusian  schon  seit  dem 
vierzigsten  Jahre  der  Hidschret  zu  Rujan  und  Rustemdar; 
der  Gründer  Badusian  '^  war  ein  Nachkömmling  des  Schmie- 
des Kjawe,  des  Befreiers  seines  Vaterlandes  von  der  Tyrannei, 
dessen  Schurzfell  erst  Freiheitsfahne ,  dann  Reichspanier,  -) 
Sie  führten  den  besonderen  Titel  Astandar ,  welches  in  der 
bisher  ganz  unbekannten  Mundart  Taberistan's  gleichbedeu- 
tend mit  Scheichol  Dschebal ,  d.  i.  des  Alten  vom  Berge  wie 
der  Grossmeister  der  Assassinen,  hiess,  weicher  diesen  Namen 
von  den  früheren  Herrschern  Kuhistan's  aus  der  Dynastie 
Bawend  geborgt.  Die  beiden  Alten  des  Gebirgs ,  der  von 
Alamut  und  der  von  Rustemdar  ^  bekriegten  sich  um  die 
Hälfte  des  sechsten  Jahrhunderts  als  unversöhnliche  Feinde ; 
aber  nach  dem  Tode  Keikawu's  Ben  Hesarsifs  schlug  sein 
Sohn  und  Nachfolger  Schehrnusch  den  entgegengesetzten 
Pfad  ein,  und  trat  selbst  in  die  Fussstapfen  der  Assassinen, 
seiner  Verbündeten.  Nach  Schehrnuscli  herrschte  sein  Bru- 
der Isferidiar  Kerlcud ,  nach  ihm  sein  Neffe  Serin  Kemer, 
d.  i.  Goldgürtel,  der  Erste  der  Sohn  Hesarsifs,  dann  Gold- 
gürtel der  Zweite,  der  Sohn  Chassin's ,  der  ein  und  zwanzigste 
Herrscher  der  Beni  Badusian;  diesem  war  zu  Anfang  des 
dreizehnten  Jahrhunderts  der  christlichen  Zeitrechnung  ^) 
sein  Sohn  Bisutun  ,  diesem  nach  zehnjähriger  Regierung  der 
Sohn  Fachreddetplet ,  diesem  nach  zwanzigjähriger  Regie- 
rung der  Sohn  Hosameddeiplet  Ardeschir  und  diesem  der 
Bruder  Iskender  gefolgt.  Sein  Nachfolger  Isfendiar  Scheh- 
rahim,  der  jüngste  Fürst  der  Beni  Badusian,  regierte  drei 
und  dreissig  Jahre  lang  als  Zeitgenosse  Hulaguchan's  und 
Abaka's  ;  von  diesen  wurden  die  Herrscher  Gilan's  in  Ruhe 
gelassen,  und  die  Eroberung  des  Landes  erst  unter  ihrem 
Nachfolger  Oldsckm'tu,    dem   achten  Ilchane  Persiens,   ver- 


•)  Geschichte  Taberistan's  und  Masenderan's  von  Sahireddin, 
auf  der  kaiserl.  Bibliothek  zu  Wien,  schon  in  der  Geschichte  der 
Assassinen.  S.  230  benutzt,  wo  statt  Badusian  Badusgan  gedruckt. 
^)  Ben  Vschit,  B.  Gilan,  B.Firus,  B.  Kersi,  B.  Dschaut.  ^)  i.  J.  610 
(1214). 


K  r  s  t  e  s     B  u  c  li.  'J^ 

sucht.  XXIII.  Der  König  Kleinarmeniens  war  Hetum  oder 
Haithon  I.,  der  vierte  Fürst  seiner  Dynastie  durch  fünf  und 
vierzig  Jahre,  während  welcher  er  in  häufiger  Berührung 
mit  Hulagu  und  dem  Bruder  desselben ,  dem  Grosskaan 
Mengku;  ein  nicht  minder  historisch  wichtiger,  in  die  Ge- 
schichte der  Mongolen  eingreifender,  grosser  Herrschel*- 
charakter  ist  XXIV.  die  Königin  von  Georgien ,  Russuldan, 
die  Tochter  der  Taf/iar  j  nach  deren  Tode  das  georgische 
Reich  unter  die  beiden  Davide,  welche  bei  der  Thronbe- 
steigung Gujuk's  erschienen,  nämlich  zwischen  ihrem  Vetter 
David  Narin  und  ihrem  Sohne  David  Ssosslatij  getheilet 
ward.  Dieser  erhielt  das  obere  Georgien,  d.  i.  Karthli, 
Kacheihi ,  Achal-ziche  und  Schetcar ;  der  andere  JNieder- 
georgien,  A.  \.  Imerethi ,  Mingrelien ,  Sswanethi ,  Dschikhethi 
und  Abchasethi ;  nach  Mengkukaan's  Tode  zeichnete  Hulagu 
den  David,  Sohn  der  Russuldan,  seiner  Tapferkeit  willen 
besonders  aus.  XXV.  Das  Reich  der  Seldschuken  in  Rum 
beherrschte  der  zwölfte  Sultan  derselben ,  Iseddi'n  Keika- 
wus  IL ,  erst  allein ,  dann  mit  seinen  Brüdern  Ruhieddin 
'Kilidscharslan  IV.  und  Jllaeddin  Keikohnd  II.,  von  welchen 
der  vorletzte  bei  der  Thronbesteigung  Gujuk's  erschienen 
war.  In  Nicäa  endlich  thronte  XXVI.  der  griechische  Kai- 
ser Vataces,  dessen  drei  und  dreissigj ährige  Regierung,  ein 
Muster  von  Weisheit  und  Staatsklugheit,  die  Wiedererobe- 
rung Konstantinopels  aus  den  Händen  der  Lateiner  vorbe- 
reitete, und  dessen  Gesandte  sich  mit  denen  Innocenz  IV. 
am  Hofe  Mengukaan's  zusammenfanden. ')  Der  Papst  und 
die  Könige  von  Frankreich  und  Ungarn  verkehrten  mit  den 
Herrschern  der  Mongolen  durch  Gesandtschaften ;  aber  weder 
die  fränkischen  Kaiser  von  Konstantinopel ,  noch  die  Reste 
der  Kreuzfahrer  in  Syrien  kamen  mit  denselben  in  unmittel- 
bare Berührung,  wie  die  hier  aufgeführten  sechs  und  zwanzig 
asiatischen  Dynastien ,  welche  die  Zeitgenossen  Hulagu's. 
Wie  an  der  Pforte  Mohammed  Chuaresmschahs ,    des  mäch- 


*)   En  ce  meine   terns   les   Ambassadeurs   de   Vastarce  etoient 
loges  bien  pres  de  nous.     Rubruquis.  Ch.  32. 


78  K  r  s  t  e  s      B  u  c  h. 

tigsten  Herrschers  Asiens  vor  Tschengischan ,  sieben  und 
zwanzig  besiegte  oder  huldigende  Prinzen  fünfmal  des  Tages 
die  Heerpauken  schlugen,  so  schlugen  diese  sechs  und 
zwanzig ,  dem  Ursprünge  des  mongolischen  Reichs  in  Persien 
gleichzeitigen  Dynastien ,  welchö"  denselben  widerstanden, 
erlegen,  gehorchten,  huldigten  oder  ob  denselben  zitterten, 
gleichsam  an  der  Pforte  derselben  die  Heerpauke  der 
Herrschaft. 


cBtuettee    pud|* 


Regieruniä^saiitritt  Hula^u's;  iseine  Familie;  Feld- 
zug  nach  Persien  m  ider  die  Schlösser  der  Assas> 
sinen  und  Bagdad;  Rückblick  auf  die  Chalifen  und 
die  Emirol-uniera»  Moteaassiinbillah«  der  letzte 
Chalife;  Alkaiui  der  ÜTesir;  Belagerung,  Erobe- 
rung und  Verkrustung  Bagdad's;  Hinrichtung  des 
Chalifen  JUelik  üloaasem  MosafFereddin ;  der  Herr- 
scher von  Irbil ,  Stifter  der  Geburtsfeier  des  Pro- 
pheten; die  damaligen  Herrscher  Gross-  und  Klein- 
liuristan's  und  Gross-  und  Klein  -  Armenien's. 

MMulagu  oder,  wie  die  Mongolen  den  Namen  schreiben  Htilayu. 
und  sprechen,  Chulagu  war  der  fünfte  Sohn  Tuli's,  des 
jüngsten  Sohnes  Tschengischan's  aus  der  Frau  Sijurkukteni, 
der  Nichte  Owangchan's,  welche  ihm  vor  Hulagu  den  ersten 
Mengku  ,  den  vierten  Kubilai,  und  Arikbuga,  den  siebenten 
seiner  neun  Söhne,  geboren.  Als  vor  sechs  und  zwanzig  Jah- 
ren (^zwei  vor  seinem  Tode^  Tschengischan  das  letztemal 
in  seinen  Jurt  zurückgekehrt,  um  das  grosse,  durch  Jagden 
gefeierte  Kurultai  der  Familie  zu  halten,  bei  welchem  alle 
Söhne  mit  ihren  Frauen  und  Kindern  erschienen  (^den  ältesten 
Dschudschi  ausgenommen,  der  seinf  •  statt  nur  ein  herrliches 
Geschenk  von  Pferden  gesandt),  kamen  ihm  die  beiden 
Enkel,  Kubilai  und  Hulagu,  jener  zehn,  dieser  neun  Jahre 
alt,  mit  dem  ersten  Wilde,  das  sie  erjagt,  jener  mit  einem 
Hasen ,  dieser  mit  einem  Rehe  entgegengelaufen.  Tschen- 
gischan vollzog  an  ihnen  beiden  den  mongolischen  Jagdge- 
brauch der  Fetteinschmierung  ^^ ,  welcher  darin  besteht,  den 


')  Dschatnischi  Mirchuand. 


gO  ZweitesBuch. 

Jünglingen  oder  Knaben,  welche  das  erste  Wild  erlegt,  den 
Daumen  mit  dem  Fette  und  Fleische  desselben  einzuschmie- 
ren,   was  als    eine  günstige   Vorbedeutung   für    die   künftige 
Laufbahn    der  beiden  Prinzen   mit  Festen  gefeiert  ward;    in 
jedem   Falle   eine    minder  unmenschliche    Vorbedeutung   als 
die  Handvoll  geronnenen  Blutes,  mit  welcher  Tschengischan 
zur  Welt  gekommen,   die  er  erobernd  in  Blut   getränkt  und 
die  so  giausam  in  Erfüllung  gegangen;  auch  diese  vom  Gross- 
rater  Welteroberer  selbst  vollzogene  Fetteinschmierung  ging 
an    beiden   Enkeln,    künftigen    Herrschern,    Eroberern  und 
Stiftern  von  Dynastien  in  Erfüllung,  indem  Beide  sich  Reiche 
erbeuteten,  der  Jäger  des  Hasen  das  chinesische,  als  Stifter 
der   mongolischen  Dynastie   der  Juan,  und  Hulagu   das  per- 
sische, als  Gründer  der  Dynastie  der   Ilchane.     Hulagu   war 
nun  fünf  und  dreissig  Jahre  alt,    in  voller  Reife  männlicher 
Kraft,   von  welcher  das   Dasein  von  zehn  Söhnen,    die  ihm 
von  vierzehn,  die  er  hatte,  in  diesem  Alter  bereits  geboren 
waren,  sprechender  Beweis.     Wir  können  also  die  Zahl  sei- 
ner Frauen  und  Kinder ,  welche  die  Biographie  sonst  gewöhn- 
lich am  Ende  des  beschriebenen  Lebens  aufnimmt ,  am  bessten 
sogleich  überblicken ,  weil  die  grösste  Anzahl  derselben  schon 
vorhanden,  und  die  Namen  der  in  der  Folge  vorkommenden 
Frauen  und  Kinder  dann  keiner  weiteren  Einführung  bedürfen. 
Hulagu    hatte  sechs    Frauen  Gemahlinnen,  aus    deren  vieren 
ihm  sechs  Söhne  und  drei  Töchter ,  indem  die  anderen  acht 
der  zweimal   sieben  Söhne  und  die  anderen  vier  der  sieben 
Töchter  aus  zwölf  Beischläferinnen  geboren  wurden,  welche 
die  Geschichte    aus  der  grossen  Zahl   derselben  nennt,  weil 
sie   Mütter    von   Prinzen    oder    Prinzessinnen.      Von    diesen 
zwölf   Beischläferinnen    waren    drei ')    aus    dem    Lager   der 
ersten   seiner   Gemahlinnen,    der   grossen  Frau    Tokus ,   und 
vier  aus  dem  Lager  seiner  fünften  Gemahlin,  der  Konghura- 
tine  Kutui  Chatun,  ein  Umstand,  der  vielleicht  weniger  für 
ihre  Bereitwilligkeit,  dem   Gemahle  gefällig  zu  sein,   als  für 

■)  VscJiiirdsche  Ikadschi  die  Mutter  Kuchurtai's,  II  Ikadschi  6ie 
Mutter  Huladschu  des  zwölften  Sohu es,  und  die  Mutter  des  vierten 
Sohnes  Tedekadu, 


Zweites     Buch. 


81 


ihren  guten  Geschmack ,  sich  mit  schönen  Sklavinnen  zu 
umgeben  ,  beweiset ;  die  Beischläferinnen  werden  am  schick- 
lichsten mit  den  Namen  der  Söhne  und  Töchter,  durch 
welche  der  ihrige  in  der  Geschichte  in  Vorschein  ge- 
kommen, genannt  werden;  aber  der  sechs  Gemahlinnen 
wollen  wir  zuerst  und  besonders  erwähnen ,  weil  dieselben 
als  Frauen  des  grössten  Ansehens  und  Einflusses  genossen; 
als  Frauen  Gemahlinnen  trugen  sie  den  hohen  pyramiden- 
förmigen, mit  herabfallendem  Schleier  bedeckten  mongoli- 
schen Kopfschmuck  Baghtak,  dessen  Namen  die  europäischen 
Reisenden  in  Botta,  die  Venezianer  in  Baiuta  verstümmelt 
haben.  ') 

Die  erste  und  grösste  Gemahlin,  deren  Rang  bei  den  p. 
Mongolen  immer  den  andern  weit  voraus  und  welche  die  Gemahlin 
Frau  und  Gebieterin  des  Harems,  wie  noch  heute  bei  den  Hulagu's. 
Perserinnen  die  grosse  Frau-},  war  Tokus  Chatun,  d.  i. 
die  Frau  Neun,  die  Keraitin ,  welche  der  Vater  Tuli  kurz 
vor  seinem  Tode  zur  Frau  genommen,  aber  ohne  dieselbe 
zu  berühren  gestorben  war.  Nach  der  mongolischen  Sitte, 
vermöge  welcher  die  Söhne  die  vom  Vater  hinterlassenen 
Stiefmütter  als  Gemahlinnen  erben,  ward  dieselbe  mit  Hulagu 
vermählt,  sobald  das  Heer  auf  dem  Rückmarsche  aus  China 
den  Oxus  passirt  hatte,  Tuli  war  in  seinem  vierzigsten 
Jahre  gestorben  und  Hulagu  damals  sechzehn  Jahre  alt ; 
seine  Stiefmutter,  vielleicht  jünger  oder  nicht  viel  älter, 
hätte  also  wohl  bald  ihrem  stiefmütterlichen  Ansehen  als 
wirkliche  3iutter  neues  Gewicht  beifügen  können  ;  allein  sie 
ward  nie  Mutter  und  behauptete  sich  dennoch  bis  zu  ihrem 
Tode  in  dem  höchsten  Ansehen  als  grosse  P'rau  und  Ge- 
bieterin des  Frauengemachs,  als  die  erste  Rafhgeberin  und 
mütterliche  Freundin  Hulagu's,  was  fast  vermuthen  lässt, 
dass  sie  vielleicht  um  Vieles  älter,  erst  dem  Vater  Tuli 
und  dann  dem  Sohne  von  der  Mutter  des  letzten,  der  staats- 
klugen Sijurkuktem,    ihrer    Fante,    mehr    an    die    Hand,   als 


')  Les  femnies  out  un  ornemeiU  >\e  tele,  qu'ils  appelleut  Botta 
Rtibruq    eh.   15.     ^)  Danui  Melu/t. 

Uanimer,  Geschichte  der  Ilchane.    I.  6 


82  Z  w  e  i  t  e  5     B  u  c  h. 

ins  liett  gegeben  worden.  Hulagu  nahm  sie  zur  Gemahlin 
und  ihre  Schwester  Tukini  zur  Beischläferin ,  die  ihm  eben 
so  wenig  als  die  Schwester  Kinder  gab.  Sie  waren  beide  die 
Töchter  Ettiko's,  des  zweiten  Sohnes  Owangchan's,  die  Nichten 
der  Frau  Sijurkukteni,  der  Mutter  Hulagu's,  welche  die 
Tochter  Hakembo's,  des  Bruders  Owangchan's,  und  waren 
also  beide  die  Basen  Hulagu's,  beide  Christinnen,  wie  Sijur- 
kukteni ,  und  in  der  freien  Ausübung  ihres  Cultus  eben  so 
wenig  beirrt ,  als  ihre  Tante  Sijurkukteni  vom  Gemahle  Tuli. 
Inmitten  des  Lagers  Hulagu's  hatte  sie  ihre  von  nestoriani- 
schen  Christen  bediente  Kapelle  mit  Glockengeläute,  die 
grosse  Beschützerin  der  Christen  und  Missionäre  bei  ihrem 
Gemahle.  Wie  sich  Hulagu  zwei  Schwestern  Keraitinnen,  die 
eine  als  Frau,  die  andere  ah  Beischläferin,  genommen,  so 
auch  zwei  Gemahlinnen  Schwestern  aus  dem  mit  dem  Hause 
Tschengischan's  so  vielfach  verschwägerten  Stamme  der  Virat, 
nämlich  Kubak  oder  Kojuk  Chatim,  die  Mutter  seines  zweiten 
Sohnes  Dschumkttr,  und  ihre  Stiefschwester  Oldschai,  die 
Mutter  seines  eilften  Sohnes  Mengku  Timur;  beide  waren  die 
Töchter  Turaldschi's ,  des  Sohnes  litilvke's,  des  Fürsten  der 
üirat.  Tschengischan  hatte  dem  Turaldschi  seine  Tochter 
Dschidschegan  zur  Frau  gegeben,  welche  ihm  den  Sohn 
B?ika  Timur  geboren ;  aus  einer  anderen  Gemahlin  hatte 
Turaldschi  die  beiden  Töchter  Kubak  und  Oldschai,  welche 
also  die  Stiefschwestern  Dschidschegan's,  der  Tante  Hulagu's, 
seine  Stiefbasen  waren ;  die  beiden  anderen  Gemahlinnen 
waren  zwei  Konghuratinnen :  KuUii  Chalun,  aus  deren  Lager 
Hulagu  sieben  Beischläferinnen  genommen ,  die  Mutter  Tek- 
schinsj,  seines  vierten,  und  yihvied  Tekf/dnr's^  seines  siebenten 
Sohnes;  und  Mertai  Chatun,  welche  kinderlos,  wie  die  grosse 
Frau  Tokus  Chatun  und  ihre  Schwester  Tukini;  endlich  die 
Frau  Jhut  oder  Jisiintschin,  aus  dem  Stamme  Suldus,  die 
Mutter  des  Kronprinzen  Abaka.  Wir  mussten  in  diese  Um- 
ständlichkeiten eingehen ,  weil  sich  nur  aus  denselben  das 
Resultat  der  die  Wahl  der  Gemahlinnen  mongolischer  Herr- 
scher leitenden  Staats-  und  Familien -Maximen  klar  heraus- 
stellt.    Von  diesen  sieben  Gemahlinnen  waren  vier  Biutsver- 


Z  w  e  i  t  e  s     B  u  c  b.  yg 

wandte,  nämlich  zwei  Basen,  obendrein  Stiefmütter,  und  zwei 
Stiefbasen;  dann  waren  die  zwei  Stämme,  denen  diese  zwei 
Schwesterpaare  angehörten,  nämlich  die  Kerait  und  die  Uitat, 
sowie  der  der  Konghiirat,  aus  welchem  die  zwei  anderen 
Gemahlinnen,  die  mit  dem  Hause  Tschengischan's  am  viel- 
fältig^sten  verschwägerten,  die  früher  als  andere  der  aufstei- 
genden Macht  Tschengischan's,  sich  derselben  unterwerfend, 
gehuldigt.  Die  Wahl  der  Frauen  Gemahlinnen  wurde  also 
vorzüglich  durch  die  Politik,  durch  die  Freundschaft  der 
Stämme  und  die  nächste  Verwandtschaft  bestimmt. 

Der  Erstgeborene  Abaka  war  als  der  Aelteste  schon  bei  p,^  söhne 
des  Vaters  Lebzeiten  sein  erklärter  Thronfolger,  als  welcher  und  Töchter 
er  auch  nach  dessen  Tode  der  zweite  der  Ilchane  in  Iran,  Hulacfu's. 
nachdem  er  demselben  gefolgt.  Dschumkur  der  Zw  eitgeborene, 
nur  einen  Monat  jünger,  als  Abaka,  blieb,  als  der  Vater  den 
Feldzug  nach  Westen  unternahm,  als  dessen  Sachwalter  im 
Lager  des  Kaans  Bruders  zurück;  in  der  Folge,  als  nach 
dem  Tode  Mengkukaan's  der  jüngste  Bruder  desselben,  Arik- 
bugha,  dem  ältesten,  Kubilai,  den  Thron  streitig  machte, 
ward  Dschumkur  von  jenem  gezwungen,  sich  für  ihn  wider 
diesen  zu  erklären,  fiel  aber,  als  Arikbugha  wider  Alghui 
auszog,  von  ihm  ab,  um  in's  Lager  des  Vaters  zurückzukehren, 
und  starb  auf  dem  Wege  dahin;  desselben,  sowie  seiner  beiden 
Söhne  Dschuschkub  und  Kunktischu,  wird  im  Verlaufe  dieser 
Geschichte  noch  mehrmals  erwähnt  werden.  Jaschmtit,  der 
"dritte  Sohn  Hulagu's,  aus  der  Chinesin  Tukadschi  Ikadschi, 
welche  eine  Sklavin  des  Lagers  der  Frau  Kutui ,  war  Vater 
von  drei  Söhnen;  Kutui  selbst  war  die  Mutter  des  vierten 
Sohnes ,  Tekschin,  welcher  an  einem  Blasenübel  gestorben, 
und  dessen  Gemahlin  Nulim,  die  Tochter  Buka  Timur's,  des 
Bruders  Kubak  Chatun's  (^folglich  seine  angeheirathete  Base}, 
nach  Tekschin's  Tod  sein  Bruder  Dschumkur  zur  Frau  nahm. 
Der  fünfte  Sohn,  Tarakai,  aus  der  dem  Lager  der  Frau 
Kutui  entnommenen  Beischläferin  Borkdschin,  ward  auf  der 
Reise  nach  Persien  vom  Blitze  erschlagen;  merkwürdiger 
durch  seinen  Sohn  Baidu,  welcher  einige  3Ionate  lang  der 
sechste    Herrscher    der    Mongolen   in  Persien,    nach  Ahmed 

6* 


J^4  Z  w  e  i  t  e  .«     B  u  c  li. 

Tektidar,  dem  siebenten  Sohne  Ilulagu's,  dem  fünften  der 
llchane;  zwischen  beiden  ward  Tu  sin ,  djgr  sechste  Sohn 
Hulagn's,  aus  derselben  Mutter,  \\ie  Jaschmut,  geboren. 
Adschai ,  des  achten  Sohnes  Mutter,  war  die  Beischläferin 
Irtika  Ikadschi,  aus  dem  Lager  der  Frau  Kutui ;  als  Hulagu 
nach  Persien  zog,  liess  er  ihn  an  der  Spitze  des  Lagers  der 
Frau  Kutui  zur  Besorgung  der  Angelegenheiten  zurück ;  er 
überlebte  seinen  Bruder  Hulagu  nur  zehn  Tage.  Die  Bei- 
schläferin Dschudsche  Ikadschi ,  die  Mutter  des  neunten 
Sohnes,  Kuikurtai ,  war  eine  Sklavin  aus  dem  Lager  der 
Frau  Tokus;  er  war  Vater  von  sechs  Söhnen  und  erreichte 
ein  sehr  hohes  Alter.  Die  Mutter  Jisudars,  des  zehnten 
Sohnes,  war  Uwischdschin ,  aus  dem  Stamme  Kurlaut,  dessen 
diese  Geschichte  weiter  nicht,  aber  noch  des  eilftea  Sohnes 
Mengku  Timur's  '^  erwähnen  wird,  welcher  sechs  und  zwanzig 
Jahre  alt  starb;  Vater  von  drei  Söhnen,  allein  drei  aus  der 
Sklavin  Ilinak  Ikadschi,  und  keiner  aus  seinen  drei  Frauen, 
deren  erste  Oldschai,  die  Tochter  Buka  Timur's ,  des  Bruders 
der  Frau  Oldschai,  Gemahlin  Hulagu's,  folglich  seine  Stief- 
base; die  zweite  die  berühmte  Abisch  Turkan,  Tochter  des 
Atabegen  von  Fars,  letzte  Herrscherin  aus  diesem  Stamme; 
die  dritte  Nuhin  Chatun.  Sie  gaben  ihm  keine  Söhne ,  aber 
mehrere  Töchter,  deren  berühmteste  die  ältesie,  Kordotschin, 
aus  der  Atabegin  j4bisch ,  in  der  Geschichte  nicht  minder 
oft  genannt,  als  ihre  Mutter,  indem  sie  dreimal  vermählt 
ward  ;  das  erstemal  an  Dschelaleddin  Sijurghutmisch ,  den* 
Sultan  Kerman's ,  dann  an  den  Emir  Sntilniisch  und  endlich 
an  ihren  Vetter  Toghai;  die  .Atabegin  abisch,  ihre  Mutter 
Tnrkan  Chatun  und  Kordotschin,  die  obgenannte  Tochter 
der  Abisch .  sind  drei  der  grössten  weiblichen  Charaktere, 
Hebel  grosser  Begebenheiten  in  der  Geschichte  der  Atabege 
von  Fars    und   Sultane   Kerman's,    welche    eng   mit    der   der 


')  Geboren  deu  24.  Scliewwal  6l4  C-'5.  Octoter  1256),  gesf. 
16.  Mohariein  6öl  (26.  April  1282),  welclier  aber  ein  Donnerstag, 
nicbt  ein  Montag,  wie  in  Itescbicicddin  vernuithlich  durch  Schreib- 
fehler_,  sowie  rlcr  23.  October  1256  ein  ^lontag  und  nicht  ein 
Sonntag  war. 


Z  w  e  i  t  e  s     B  II  c  li.  85 

lichane  Persiens  verflochten.  Huladschu.,  der  zwölfte  Sohn 
Hulagu's,  hatte  die  Sklavinn  Ilkadschi,  aus  dem  Lager  der 
Frau  Tokus,  zur  Mutter,  welche  später  mit  dem  Kopf- 
schmucke Bagthak  zur  Frau  erhoben  ward ;  Vater  von  vier 
Söhnen.  Ilkadschi  war  aucli  die  Mutter  Scheibawedschi's, 
des  dreizehnten  Sohnes;  und  die  des  vierzehnten,  Toghai 
Timur's,  eine  Beischläferin  Sklavin  aus  dem  Lager  der  Frau 
Kuttii,  Vater's  von  fünf  Söhnen.  Die  sieben  Töchter  Hulagu's 
waren :  die  erste  Bulughan  Aka,  aus  der  Frau  Kobak ;  ne 
wurde  mit  ihrem  Oheim  Dschume  Gurgan,  dem  Sohne  des 
Tataren  Dschudschi ,  vermählt,  dessen  Gemahlin  die  mit  der 
Tochter  Tschengischan's  gleichnamige  DsQhidschegan ,  die 
Tochter  Vtdschigin's ,  des  jüngsten  Bruders  Tschengischan's; 
Dschume  Gurgan  erhielt  nach  dem  Tode  Bulughan  Akas 
auch  die  Hand  der  Nichte  Dschemi,  der  zweiten  Tochter 
Hulagu's  aus  der  Frau  Oldschai;  die  dritte  Tocliter,  Me7i- 
gelugan,  ebenfalls  aus  der  Frau  Oldschai,  ward  an  Dschakir 
Gurgan,  den  Sohn  Buka  Timur's  den  Uiraten,  vermählt, 
welcher  der  Bruder  Oldschai's  und  folglich  der  Oheim  seiner 
Gemahlin;  die  vierte,  Tutukasch,  aus  einer  Beischläferin 
Sklavin  des  Lagers  der  Frau  Tokus,  wurde  zuerst  an  den 
Uiraten  Tengkir  Gurgan,  welcher  früher  eine  Tochter  Gu- 
juk's  zur  Frau  gehabt  und  welchem  von  dieser  das  Leben 
erbeten  ward,  dann  an  dessen  Sohn  Sulamisch  und  endlich 
an  dessen  Sohn  Dschidschek  Gurgati  vermählt,  so  dass  dieser 
der  Vater,  Sohn  und  Enkel  der  Gattin; ')  die  fünfte,  Tarakai, 
deren  Mutter  die  Beischläferin  Irtikan  Ikadschi,  ward  dem 
Konghuraten  Musa,  dem  Enkel  Tschengischan^s  aus  seiner 
Tochter  Tumalun,  das  ist  ihrem  Oheim,  zur  Frau  gegeben; 
die  sechste  Tochter,  Kutlukan,  aus  der  Beischläferin  Min- 
klikadsch ,  wurde  zuerst  dem  Jisubuka ,  aus  dem  Stamme 
Durban,  dann  nach  dessen  Tode  seinem  Sohne  Tokel  ange- 
traut; die  Hand  der  siebenten,  Baba,  aus  der  Frau  Oldschai, 
erhielt  Legst  Gurgan,  der  Sohn  Emir  Arghtm's,  des  Staats- 
secretärs,  welchen  Mengkukaan  früher  als  Hulagu  nach  Perslcn 


')  Reschideddin  im  Abschnitte  der  Virnt. 


86  Z  w  e  i  t  e  s     B  u  c  h. 

gesendet  hatte;  also  die  Töchter  ebenfalls  meistens  an  Oheime 
und  Vettern  vermählt. 
Hulagu's  Von   zehn  Söhnen,    von   denen    Hulagu    in    seinem   fünf 

Aufbruch,  und  ^Jreissigsten  Jahre  Vater,  nahm  er  auf  dem  Zuge  nach 
Persien  den  erstgeborenen,  AbakOj  und  den  dritten,  Jtischmut, 
mit  sich,  trug  dem  zweiten,  DschumhiTj  im  Lager  des  Bruders 
Kaan's  als  seinem  Agenten  und  seinem  Bruder  Temhjan  '^  in 
seinem  Jurte  die  Besorgung  der  Geschäfte  auf;  ausserdem 
aber  begleiteten  ihn  noch  sein  jüngster  Bruder  Suntai,  der 
neunte  Sohn  Tuli's,  dann  aus  dem  Uluse  Dschagatai  Tekuder"^^, 
der  Sohn  Dschudschi's,  des  erstgeborenen  Sohnes  Dschagatai's ; 
aus  dem  Uluse  Dschudschi's  (mit  seinem  ebengenannten  gleich- 
namigen Neffen  nicht  zu  verwechseln)  der  Enkel  BulghaP^y 
der  Sohn  Scheiban's,  des  fünften  Sohnes  Dschudschi's;  Kuli, 
der  Sohn  seines  Erstgeborenen  Orda,  und  der  Urenkel  Kotur, 
der  Sohn  Mongkadr's,  des  Sohnes  seines  siebenten  Sohnes 
Teivel;  endlich  Buka  Timur,  der  Sohn  Dschidschegan's,  der 
Tochter  Tschengischan's ,  welche  an  Turaldschi,  den  Sohn 
Kutuka's,  des  Fürsten  der  Uirat,  vermählt,  der  Stiefbruder 
von  Kuhak  Chatun  und  Oldschai  Chatun,  der  zwei  Gemah- 
linnen Hulagu's;  von  diesen  begleiteten  ihn  ins  Feld  die 
grosse  Frau  Tokus  Chatun,  dann  Jisut  Chatun,  die  Mutter 
des  erstgeborenen  Abaka  und  Oldschai^  aus  welcher  ihm  zwei 
Jahre  hernach  sein  eilfter  Sohn  Mengku  Timur  geboren  ward; 
also  in  Allem  neun  Prinzen  von  Geblüte,  nämlich;  Hulagu, 
seine  Söhne  Abaka  und  Juschmut  j,  sein  Bruder  Smitai,  sein 
Stiefschwager  ÄMJJ-a  Timur,  der  Neffe  Teknder;  die  Vettern: 
Bulghai,  Kuli  und  Kotar.  Des  Bruders  Kaan's  Auftrag  vom 
Kurultai ,  auf  welchem  die  Eroberung  der  Länder  im  Osten 
und  Westen  durch  Kubilai  Chan  und  Hulagu  Chan  beschlossen 
worden  w  ar ,  lautete  an  diesen :  die  Burgen  der  Assassinen  zu 
brechen;  dem  Chalifen  das  Joch  der  Unterthänigkeit  aufzu- 
legen; in  Allem  sich  mit  der  Frau  Tokus  Chatun  zu  berathen. 


•)  Im  Schedschretol  Etrak  S.  243  heisst  er  Tumgha  Oghitl ; 
his  eldest  sou  soll  heissen :  sein  jüngster  Sohn;  der  älteste  war 
Abaka.  ')  Bei  Bar.  Hcbräus  ex  parte  Schagatai  Tecliodar  p.  53ti. 
')  Bei  Bar.  Hebr.  Bulghai  filius  Sibkani  et  Kotar  et  Koli. 


Z  w  e  i  t  e  s     B  u  c  Ii.  87 

Die  Heere,  welche  schon  früher  unter  Baidschu  Nujaa  und 
Dschurmaghun  nach  Persien  gesendet  worden  waren ,  wurden 
nun  dem  Befehle  Hulagu's  untergeben  ;  so  auch  die  an  der 
indischen  Gränze,  erst  von  Dür  Ntijan  und  hernach  vom 
Tataren  Sali  Ntijan  gegen  Kaschmir  befehligten,  welche 
während  des  Feldzugs  Hulagu's  in  Persien  demselben  den 
Rücken  decken  sollten.  Durch  das  ganze  Reich  ging  der 
Befehl,  von  jeden  zehn  Mann  zwei  für  den  Feldzug  nach 
Westen  zu  stellen;  nach  China  wurden  Eilboten  gesendet, 
um  tausend  Familien  von  Feuerwerkern  und  Naphthaschleu- 
derern  aufzubieten ;  von  Karakorum  bis  an  die  Ufer  des  Oxus 
wurden  alle  Weiden  für  die  Fütterung  der  Reiterei  inBeschlag 
genommen,  alle  Flüsse  mit  Brücken  versehen  und  die  Strassen 
für  das  Heer  gänge  geinacht;  überall  sollte  Mehl  und  Wein 
als  Mundvorrath  in  Bereitschaft  sejn ;  Baidschu  und  Dschur- 
maghun  erhielten  den  Befehl,  von  Persien  gegen  Kleinasien 
vorzurücken;  den  Vortrab  bildete  der  Naimane  Keitbuka, 
vormals  Bawerdschi ,  d.  i.  Tafeidecker ,  mit  zwölftausend ' 
Türken,  welcher,  bis  die  Rüstungen  vollendet  waren,  den 
Mari^ch  nach  Kuhistan  antrat,  um  dasselbe  indessen  zu  ver- 
heeren. Nachdem  die  Rüstungen  binnen  Jahresfrist  vollendet 
waren,  wurden  zum  Abschiede  Feste  veranstaltet,  die  be- 
gleitenden Prinzen  und  Frauen  mit  Geschenken  überhäuft, 
im  letzten  Monde  des  Jahres  sechshundert  und  ein  und  fünfzig 
der  Hidschret,  d.  i.  im  Februar  des  Jahres  1254,  der  Marsch 
nach  Pei'sien  angetreten ;  derselbe  ging  von  der  Residenz 
Karakorum  sieben  Tage  lang  über  das  Schneegebirge  des 
Changai  nach  dem  Flusse  Hoen  Murin ,  über  den  mit  Ruder- 
schiffen gesetzt  ward ,  einige  Tagreisen  später  über  den 
ArungUj  der  in  den  See  Kisilbasch,  d.  i.  Rothkopf,  fällt; 
weiter  hin  waren  Reisfelder  und  die  Berge  mit  Lerchen- 
bäumen bewachsen.  Im  Norden  der  Stadt,  welche  der  chine- 
sische über  diesen  Marsch  abgestattete  Bericht'}  Pfuhle 
nennt,  liegt  ein  Berg,  von  welchem  der  Wind  oft  mit  solcher 


')  Relation    de    lexpedition    de    HouJagou    par    Al)el    Rfma>ut. 
Journal  II.  p.  283. 


gg  Z  w  e  i  t  e  s     B  u  c  h.  ^ 

Heftigkeit  herabstürzt,  dass  er  Reisende  in  den  See  weht;') 
durch  einen  engen  Pass,  gleich  einer  fliegenden  Brücke,  öflhet 
sich  der  Weg  nach  Almaligh,  einer  Stadt  voll  fliessender 
Brunnen,  und  deren  Einwohner  Türken,  vermischt  mit  Chinesen. 
Hier  kam  ihm  Frau  Hirghana,  die  Gemahlin  Kara  Hulagu's, 
des  Sohnes  Muwatukan's ,  des  vor  Bamians  Mauern  gefallenen 
zweiten  Sohnes  Dschagatai's ,  bewillkommend  entgegen  und 
bewirthete  ihn  mit  Festen.  Hirghana  oder  Hurkana  war  die 
Enkelin  Tschengischan's ,  aus  der  an  den  Uiraten  Turaldschi 
vermählten  Tochter  Dschidschegan,  und  folgte  der  Stief- 
schwester ,  der  Frau  Oldschai ,  welche  in  der  Begleitung 
Hulagu's.  Bei  dem  Eintritt  in  Turkistan  kam  ihm  Mesud, 
der  Sohn  von  Jelwadsch,  bewillkommend  entgegen;  während 
des  Sommers  wurde  dem  Heere  in  Turkistan  Rast  gestattet 
und  in  der  herbstlichen  Tag-  und  Nachtgleiche  vor  Samarkand 
auf  der  schönen  Ebene  von  Kjofitgül,  d.  i.  die  Fundgrube 
der  Rosen,  gelagert. 
jf^g  Hier  ward    das  goldene  Zelt  aufgeschlagen,    aussen  und 

ffuldeneZelt;  innen  von  Gold  gewirkt,   mit  goldenen  Nägeln  und  goldenen 
Arylmn ;     Stricken  befestigt,    und   vierzig   Tage   lang  gerastet  und  ge- 

..,  ~  ^l   ^  trunken;  dieses  Fest  wurde  iedoch  durch  den  Tod  des  Prinzen 

liber  den  '' 

Oxiis.  Suntaij  des  Bruders  Hulagu's,  getrübt.  Hierauf  wurde  nach 
der  Stadt  Kesch  '^)  vorgerückt ,  welche  in  der  Folge  als  der 
Geburtsort  und  die  Grabstätte  der  Ahnen  Timur's  unter  dem 
Namen  von  Schehr  Sebs,  d.  i.  der  grünen  Stadt,  berühmt; 
diesen  Namen  dankt  sie  dem  üppigen  Grün,  von  zahlreichen 
Flüssen,  deren  zwei  die  Stadt  durchströmen^},  genährt.  Die 
Stadt  besteht  aus  der  Citadelle,  der  Stadt  selbst,  welche 
vier  Thore  hat,  und  der  Vorstadt '') ;  von  fruchtbaren  Gärten 

')  Ganz    übeielustinmieud    mit   dem ,    was    hierüber    Rubruquis 
^  eh.  29  und  Plan  Carpiu  l45  berichten,  und  nach  ihnen  Ritter,  Asia 

I.  S.  429.     2j  Mirchuand.     ')  Das  Dschihannuma  nennt  S.  353  Rudi 
Dschadsch ,  Rudi  Hasek ,  Rudi  Dschowan  und  die  beiden  aus  dem 
Stadtthor  fliessendeu   Nehr  Kassarin,    d.  i.  der  Fluss  der  Walker, 
*  und  Nehr  Esived,    d.  i.    der   schwarze  Fluss.     *)  Kohondos  ist  das 

Scliloss,  Scliaristan  die  Stadt,  Rabsch  ^\c  Vorstadt;  die  Namen  der 
Thore  im  Dschihannuma:  das  eiserne,  das  des  Flusses,  das  Abdallah'« 
und  das  Turkistan's,  welches  der  Namen  eines  vor  demselben  ge- 
legeneu Dorfes. 


Z  w  e  i  t  e  s     B  u  c  Ii.  gg 

umgeben,  in  welchen  alle  Arten  von  Korn  und  Gemüse  ge- 
deihen. Hier  kam  der  Fürst  von  Herat,  Schemseddin  Mo- 
hammed Kert ,  der  Gründer  der  seinen  Namen  führenden 
und  unter  mongolischem  Schutze  seit  Tschengischan  aufstei- 
genden Dynastie  Kert ,  um  den  Steigbügel  Hulagu's  zu  küssen 
und  von  demselben  seinen  nicht  mehr  zu  trennen;  auch 
Arghunaga,  der  mongolische  Statthalter  Chorasan's,  mit  allen 
Grossen  und  Vornehmen  des  Landes,  um  sich  dem  Befehle 
des  Herrn  zu  stellen.  Von  Arghunaga  und  seinen  Söhnen 
wird  in  der  Folge  dieser  Geschichte  so  oft  die  Rede  sein, 
dass  Näheres  über  ihn  zu  sagen  nöthig.  Der  Dschelaire  Iluke, 
dessen  Vater  Kadan,  aus  dem  Gefolge  Tschengischan's,  hatte 
seinen  Sohn  sammt  dessen  Truppen  dem  Dienste  Ogotai's  ge- 
widmet ,  bei  dem  er  in  der  Folge  als  dessen  Obersthofmeister 
in  hohem  Ansehen  stand.  In  einer  grossen  Hungersnoth  ver- 
kaufte ein  armer  Uirate ,  um  nicht  Hungers  zu  sterben ,  seinen 
Sohn  dem  Emir  Atabeg  Iluke  für  ein  Stück  Fleisch,  und  als 
sein  Sohn  Kadan  in  den  Hofdienst  ^)  Ogotai's  trat ,  gab  er 
ihm  den  Sklaven  als  Diener  mit.  Dieser  um  ein  Stück  Fleisch 
gekaufte  Sklave  war  Arghun.  Iluke's  Bruder  war  der  schon 
mehr  als  einmal  genannte  Iltschi'dai,  welcher  vor  des  Bruders 
Zorn ,  der  ihn  tödten  wollte ,  bei  Ogotai  Zuflucht  suchte  und 
fand,  der  hernach  aus  Dankbarkeit  auf  dem  Kurultai  nach 
Gujuk's  Tod  die  Rechte  des  Hauses  Ogotai  wider  die  Auf- 
rührer des  üluses  Tuli  mit  so  warmer  Beredtsamkeit  verfocht, 
dann  als  Statthalter  nach  Persien  gesandt  ward,  wo  ihn  die 
Missionäre  als  Ergutai  kennen,  und  der,  nachdem  sein  Sohn 
in  die  Verschwörung  der  Prinzen  des  Hauses  Dschagatai  und 
Ogotai  begriff'en,  nach  des  Sohnes  Tode  durch's  Schwert 
ebenfalls  hingerichtet  worden.  Arghun,  durch  Versland,  Be- 
redtsamkeit, Tapferkeit  und  Geschäftskenntniss  ausgezeichnet, 
schwang  sich  bald  so  hoch ,  dass  er  nach  Mengkukaan's  Thron- 
besteigung zum  Baskaken,  d.  i.  Statthalter,  Chorasan's  er- 
nannt ward.     Vater  zahlreicher  Söhne '^ ) ,  von  denen  Newrus 


')  als  Kettaul  (?)  i  Reschideddiu  sowohl  unter  dem  Artikel 
Dschelair,  als  unter  dem  üirat.  -)  Reschideddiu  nennt  acht:  Kerrai 
Melik,  Turaschi, Newrus,  Legst,  Dsckami.  Julkotloyhj Bulduk,lliratai. 


90  Z  vv  e  i  t  e  s     B  u  c  li. 

und  Legsi  in  der  Folge  die  Hand  von  Prinzessinnen,  seine 
Töchter  die  von  Prinzen  und  Fürsten  erhielten.  Von  der 
Ebene  ron  Kjanigüi  aus  ergingen  an  alle  Sultane  und  Könige 
Vorderasiens  Schreiben  und  Diplome ,  ihnen  zu  künden ,  dass 
der  Zweck  des  Feldzugs  die  vom  Kaan  befohlene  Zerstörung 
der  gräuelvollen  Macht  der  Assassinen,  dass  Hülfe  und  Be- 
reitwilligkeit im  Dienste  wider  dieselben  durch  Länderzuwachs 
ihren  Lohn  finden ,  gegentheilige  Gesinnung  den  Verlust  der 
besessenen  Länder  nach  sich  ziehen  werde.  Einige  der  Fürsten 
waren  diesen  Kündigungsschreiben  durch  Erscheinung  in  Person, 
wie  Schemseddin  von  Kert ,  zuvorgekommen ,  nämlich  die 
beiden  Seldschuken  Rum's,  die  Brüder  heddin  und  Rokneddi'n, 
d.  i.  die  Ehre  und  die  Säule  der  Religion ,  der  Atabeg  von 
Fars,  Saad,  mehrere  Fürsten  des  nördlichen  Persiens  aus 
Arran,  Schirwan,  Aserbeidschan  und  Gurdschistan ,  welche 
alle,  Geschenke  darbringend,  huldigten.  Nachdem  die  nö- 
thigen  Schiffe  und  Nachen,  um  über  den  Oxus  zu  setzen, 
herbeigeschafft  worden ,  hatte  der  Uebergang  über  denselben 
statt,  durch  welchen  Persiens  Loos,  wie  das  Roms  durch 
den  Uebergang  über  den  Rubicon,  entschieden  ward;  am 
ersten  Tage  des  letzten  Mondes  des  653sten  Jahres  der 
Hidschret,  d.  i.  am  ersten  Janaar  des  Jahres  1256  unserer 
Zeitrechnung. 

\V  nt  •-  ^^    *^®"   Uebergang   über  den   Oxus  in  dankbarem  Aii- 

quartier  zu  denken  zu  erhalten ,  hob  Hulagu  den  bisher  von  allen  Schiffen 

Schebur-     genommenen  Ueberfuhrszoll  auf,  was  von  damals  an  während 

ffhan;  die  j^j,  g^jj^en  mongolischen  Herrschaft  Gesetz  blieb.  Jenseits 
Dscfi  IV  '      ^^  Oxus  wurde  auf  Löwen  gejagt  und  zehn  derselben  erlegt. 

10  Januar  ^™  zelmten  Tage  nach  dem  Uebergange  (^am  moslimischen 
I2ö6.  Opferfeste)  wurde  südwestlich  von  Balch  auser  der  Stadt 
Scheburghan^^  gelagert,  deren  District  bei  den  »orgenlän- 
dischen  Geschichtschreibern  unter  dem  Namen  der  Landschaft 
Dschusdschan  oder  Dschusdschanan  bekannt  ^^ ;  die  mit  flies- 
sendem  Wasser  reichlich  bewässerten  Gärten  sind  vorzüglich 

')  Im  Schedscliretol  eschrak  8,  243  ist  der  Nume  Schehurtfliun 
in  Surghan  verstümmelt,  und  gleich  das  Chitqrschah  iu  Chuaresm- 
schah.    ^)  Dschihanouma  S.  316. 


ZweitesBucli.  91 

fruchtbar  au  Wassermelonen,  welche  getrocknet  verführt 
werden.  Dem  Heere  ward  verboten ,  die  Stadt  zu  betreten ; 
ein  heftiges  Schneegestöber,  das  durch  sieben  Tage  dauerte, 
von  grimmiger  Kälte  begleitet,  war  vieler  Lastthiere  Ver- 
derben. Hulagu  beschloss ,  hier  den  Rest  des  Winters  abzu- 
warten. Emir  Arghun  brachte  ein  prächtiges,  mit  goldenen 
Nägeln  und  Stricken  versehenes,  goldenes  Zelt  zum  Geschenke 
dar,  in  welchem  Hulagu  auf  goldenem  Throne  sass,  eine 
Vorbedeutung  glücklicher  Herrschaft,  während  um  ihn  die 
Prinzen  und  Fürsten  versammelt,  die  gegebenen  Feste  ver- 
herrlichten. Nach  aufgehobenen  Festen  begab  sich  Emir 
Arghun  an  den  Hof  des  Kaan's,  um  demselben  Bericht  zu 
erstatten,  Hess  aber  für  die  Besorgung  der  Geschäfte  seiner 
statt  seinen  Sohn  Kerrai  Melik  und  Alaeddin  jithamülk 
Dschuweini  als  Staatssekretär  zum  Dienste  Hulagu's  zurück. 
Alaeddin  Athamülk  und  sein  älterer  Bruder  Schemseddin 
Mohammed  Dschuweini  sind  ein  leuchtendes  Doppelgestirn 
nicht  nur  der  W  esirschaft ,  sondern  auch  der  Literatur ;  die- 
selben erscheinen  so  oft  und  wirksam  in  der  Geschichte 
Hulagu's  und  seines  Nachfolgers  Abaka,  dass  nähere  Be- 
kanntschaft mit  ihrer  Herkunft  und  ihrem  Wirken  hier  unab- 
weislich.  Dschuwein  ist  die  arabisirte  Aussprache  von  Ka- 
wan ') ,  einem  Distrikte  der  Stadt  Nischabur  in  Chorasan, 
dessen  Hauptort  Asadwar,  auch  Dschuwein  genannt,  durch 
das  erlauchte  Brüderpaar  für  immer  in  der  Geschichte  ge- 
adelt worden.  Sie  waren  die  Söhne  des  Imams  Abdulmelik 
Dschtiweinij,  aus  einer  seit  langen  Jahren  durch  hohe  Staats-  j  j  ^gjj 
dienste   geehrten   Familie.     Als   Sultan   Mohammed  Tekesch  ±192 

nach  Dschuwein  zog,  bewillkommte  ihn  Behaeddin,  der  ür- 
grossvater  Alaeddin's,  mit  einem  Distichon,  das  er  gnädig 
aufnalim,  und  sein  Enkel  Behaeddin,  der  Vater  Alaeddin's, 
befand  sich  im  Gefolge  Dschelaleddin  Minkburni's,  als  dieser  ^17 

vor  den  Mongolen  floh.  Dreizehn  Jahre  hernach  floh  Beha-  1220 
eddin  vor  den  vom  mongolischen  Emir  Dschintimur  zur  ^^^ 
Dämpfung   von  Unruhen  gesandten  Truppen  nach  Tus,    und 


1232 


')  Dschiliannuma  S.  322  N'uslictul-musclitak. 


98  Z  w  e  i  t  e  s     B  II  c  li. 

633        Dschintimur  ernannte  ihn  zum  Herrn  des  Diwans  in  Cliora^an 


l»3ö  und  Masenderan;  drei  Jahre  später  sandte  ihn  Dschintimur 
an  Ogotai,  der  ihn  ehrenvoll  empfing  und  in  seinem  Amte 
bestätigte;  und  als  abermal  drei  Jahre  später  der  Emir 
Körgös,  der  Statthalter  von  Chorasan,  an  den  Hof  des  Kaan's 
sich  zu  vertheidigen  ging,  übertrug  er  in  seiner  Abwesenlieit 
die  Statthalterschaft  Chorasan's  an  Behaeddin;  desgleichen 
that  der  Nachfolger  von  Körgös ,  der  Emir  Arghun,  bei  seiner 
ersten  Reise  ins  Hoflager ;  bei  seiner  zweiten  führte  er  ihn  mit 
sich;  endlich  starb  er  zu  Issfahan,  sechzig  Jahre  alt.  Sein 
•  Sohn  Alaeddin,  im  Sterbjahre  Tschengischan's  geboren,  kam 

schon  in  früher  Jugend  in  das  Gedränge  der.  Geschäfte  des 
Diwan's ,  und  verschluss ,  wie  er  selbst  reuig  in  seiner  Ge- 
schichte bekennt,  das  Ohr  den  heilsamen  Ermahnungen  des 
Vaters,  welcher  ihm  gerathen,  sich  den  Wissenschaften  zu 
widmen.  Später  jedoch  holte  er  das  Versäumte  durch  Studien 
nach,  von  denen  seine  Geschichte  Tschengischan's,  welche 
den  Titel  Dschihanguscha,  d.  i.  die  Welteröffnende,  führt '^, 
die  schönste  und  bleibende  Frucht.  In  seinem  siebzehnten 
und  achtzehnten  Jahre  begleitete  er  den  Emir  Arghun  auf 
dessen  Reisen  in's  Hoflager  und  in  seinem  zwanzigsten  zum 
Kurultai  der  Thronbesteigung  Mengkukaan's ,  an  dem  er  sich 
mehrere  Jahre  aufgehalten  zu  haben  scheint,  da  dort  die 
Anforderung  an  ihn  erging,  die  Geschichte  Tschengischan's 
zu  schreiben ,  die  er  im  sieben  und  zwanzigsten  Jahre  seines 
Alters  begann.  Er  spricht  darin  von  seinen  Reisen  in  Ma- 
wereinnehr,  Turkistan  und  an  die  chinesische  Gränze  und 
beschreibt  die  in  der  Nähe  Karakorums  entdeckten  Ruinen 
der  vormaligen  Hauptstadt  der  Uighuren.  Seit  der  Abreise 
Arghun's  von  Schaburghan  an  den  Hof  des  Kaan's  versah 
Athamülk  bei  Hulagu  die  wichtige  Stelle  des  Staatssekretärs, 
als  Hulagu's  unzertrennlicher  Begleiter, 
Keitbuha  Keitbuka    der    Dschelaire    war    mit   dem    Vortrabe    des 

Schi  SS        Heeres  gleich  nach  dem  Kurultai ,  auf  welchem  der  Feldziig 
der         nach   Westen    beschlossen    worden,    gegen    Kuhistan    aufge- 

Assassinen.  ,_   ^     T        .  •.,...  i  ,.  ■ 

')  (Juatremere   memoire   histonque    sur  la  vie  et  les  ouvragcs 

d' Alaeddin  Ata  Melik  Djouaeitty ,  miues  de  Torient  I.  p.  220. 


7/  ^^'   e   i   t  e   s      B  u  c  li.  93 

bvochen  und  mit  fünftausend  Fussgängern  in  Kiihislan,  d.  i. 
im  Gebirgslande  der  Assassinen,  an  den  Fuss  des  Schlosses 
Girdkjuhj  d.  i.  Kreisberg ,  einer  ihrer  beträchtlichsten  Festen, 
gelangt.  Girdkjuh^  auch  Derihmbed,  d.  i.  das  Gewölbthor 
genannt,  liegt  drei  Farasangen  von  Demghan  in  der  Land- 
schaft Kumis  in  der  Nähe  von  Manssurabad  oder  Manssurije  '^ 
Die  Belagerungsweise  war  eine  neue,  vordem  und  seitdem 
unerhörte,  acht  mongolische  oder  chinesische j  rund  um  das 
Schloss  wurde  ein  Graben  gezogen,  hinter  demselben  eine 
Mauer  aufgeführt,  hinter  der  Mauer  stand  das  Heer  und 
hinter  demselben  abermal  eine  hohe  Mauer  aufgebaut,  damit 
es  so  von  vornen  als  hinten  wider  Ueberfälle  geschützt  und 
auf  allen  Seiten  der  Weg  zu  Feldflucht  gesperrt  sei^);  so 
war  das  Bergschloss  von  einem  dreifachen  Kreise,  dem  des 
Heeres  und  der  beiden  Mauern,  umzüngelt,  und  verdiente 
im  eigentlichsten  Sinne  den  Namen  Kreisberg.  Da  das  Schloss 
festhielt,  zog  er  mit  Truppenabtheilungen  nach  den  anderen 
Schlössern,  von  denen  die  Geschichte  dieses  Feldzugs  ein 
Dutzend  nennt,  von  denen  nicht  nur  bisher  auf  den  bessten 
Karten  keine  Spur,  sondern  deren  Namen  sogar  in  den  bessten 
geographischen  Werken  des  Morgenlandes  über  Persien ,  in 
den  arabischen  Abulfeda'sQ,  dem  persischen  Hamdallah  Me- 
stufi's*^  und  im  türkischen  lladschi*)  Chalfa's,  der  aus  beiden 
geschöpft,  fehlen.  So  zog  er  belagernd  vor  die  Schlösser 
Mehriny  vor  dem  er  Wurfmaschinen  aufstellte,  Schahdts ,  wo 
er  einen  Haufen  von  Feinden  tödtete  und  zurückkehrte  bis 
Tarim  und  Rudbar,  die  er  vermistete,  an  den  Fuss  von  Man- 
ssurije und  Ohlomischin,  wo  durch  achtzehn  Tage  gekänipfet 
ward ;  die  von  Schirkjuh  machten  indessen  einen  nächtlichen 
üeberfall,  in  welchem  sie  den  Belagerungswall  verheerten ''). 

')  Kushet.  ^)  Ruschideddiu  ,  soliuu  im  Juuniai  asiat.  iiberset/.t. 
'3  Takwlmol-boldan ,  die  Ephemerideu  der  Länder.  *)  Xuslietol- 
Kohtb,  die  Ergötzungen  der  Herzen.  *)  hschihannuma,  die  Welt- 
schau. ^)  Schebeliua  awerdend  dscherkera  cliarab  kerdendj.aus 
der  fehlerhaften  Schreibart  des  Manuscripts  der  Hofbibliothek  sind 
in  der  französischen  Uebersetzung  irrig  zwei  eigene  Namen  von 
Cheikhorun  und  Werke  entstanden;  so  heisst  in  der  Geschichte  der 
Assassinen  Keitbuha  Niijan  irrig  Kajukauian. 


94  Z  w  e  i  t  e  s     B  u  c  h. 

Die  beiden  Schlösser  Schir  und  Sirhjuh  '  J  wurden  berennt, 
Mehn'n  genommen ;  die  Besatzung  von  Girdkjuh  hatt«  indessen 
an  Alaeddin  Mohammed,  den  Grossmeister,  Wort  gesandt, 
dass  trotz  der  tapferen  Vertheidigung  sie  sich  würden  bald 
Schaaban    ergeben  müssen ;    da    sandte    der    Grossraeister    zwei    seiner 

-■  Hauptleute ')   mit   hundert   zehn  Tapferen,  jeden  mit  drei 

Menn  Henna  und  drei  Menn  Salz,  an  welchem  das  Schloss 
Mangel  litt;  das  Henna  nicht  zum  gewöhnlichen  Gebrauche 
der  Bartfärbung  oder  Nägelschminke,  sondern  als  Mittel  wider 
die  grassirende  Pest ;  denn  man  hatte  bei  der  Hochzeit  der 
Tochter  eines  Emirs  die  Erfahrung  gemacht,  dass  alle,  welche 
(ob  Wassermangels)  von  dem  Wasser ,  worin  das  Henna  auf- 
gelöset  worden,  getrunken,  von  der  Pest  frei  geblieben  waren. 
Indessen  ward  Alaeddin  der  Grossmeister,  dessen  Vater  und 
letzten  Nachfolger  vor  Einem  Jahre ')  durch  die  nächsten  Verwandten 
6Ö3         vergiftet  worden,  durch  den  Meuchler  Hasan  von  Masenderan 

i.  Dtc.  125Ö  wnd  hierauf  der  Mörder  selbst  auf  Befehl  Chorschah's,  des 
Sohnes  und  Nachfolgers  Alaeddin's,  getödtet.  Der  Vatermord 
rächte  den  Vettermord;  der  Meuchler  ward  gemeuchelt. 
Alaeddin  war  als  zehnjähriger  Knabe  auf  den  Herrscherstuhl 
gesetzt  worden ,  den  er  durch  vier  und  dreissig  Jahre  mit 
Blut  und  Gräueln  aller  Art  befleckte.  Hasan  aus  Masenderan 
hatte  ihm,  bis  sein  Bart  grau  zu  werden  anfing,  zum  Lotter- 
buben gedient,  dann  hatte  er  ihm  eine  seiner  Sklavinnen 
geschenkt;  da  er  aber  nichtsdestoweniger  den  Mann  und  das 
Weib  in  beider  Gegenwart,  diese  an  jenes  statt,  jenen  als 
diese,  zu  misbrauchen  fortfuhr,  ergrimmte  Hasan  über  so 
schändlichen  Misbrauch  des  Herrschergelüstes  und  schwur 
ihm  den  Tod ;  er  theilte  sein  blutiges  Vorhaben  jedoch  dem 
mit  dem  Vater  stets  entzweiten  Sohne  mit,  und  als  dieser 
dazu  schwieg,  führte  er,  unter  vorausgesetzter  stillschwei- 
gender Beistiramung,  das  Werk  der  Rache  aus.     Der  Dichter 


')  Sirkuh  im  Dschihannunia  S.  3'26  mit  deu  Namen  der  drei 
dazu  gehörigen  FJecken.  ^)  Mobareseddin  Ali  Turan  und  Schu- 
dschaaeddin  Hasan,  'j  lu  Beschideddin  ist  hier  eine  Verwirrung  der 
Daten,  indem  das  .Jahr  nicht  richtig  angegeben:  nämlich  (j5l  statt 
(353,  wie  aus  dem  Nushet  7,u  ersehen. 


Z  w  e  i  I   e  s     B  u  c  h.  g5 

Schemseddia  Ejub  Tausi  verfertigte   auf  den  Tod  Aiaeddin's 
ein  Gedicht,  woraus  die  Verse: 

Der  Todeseogel  trug  ilin  zu  der  Hölle  Strafen  , 

Um  in  gesclimolznem  Pech  den  Rausch  dort  auszuschlafen; 

Entgegen  kamen  ihm  der  Hölle  Feuerschenken, 

Um  als  Gefährten  ihn  mit  Gluthenschw.all  zu  tränken. 

Hulagu  sandte  den  Herrn  von  Herat,  Schemseddin  Kert,  />,>  städle 
an  den  Gebietiger')  des  Schlosses  Sertacht,  an  Nassireddin,  TitnundTus. 
dessen  Name  durch  den  grossen  Astronomen  Nassireddin  von 
Tus,  welclier  seine  demselben  gewidmete  berühmte  Ethik 
nach  dessen  Namen  die  Nassirische  Moral '^  betitelte,  rühmlich 
fortlebt.  Der  Gebietiger  übergab  das  Schloss  und  kam  mit 
Melik  Kert  zur  Huldigung  Hulagu's.  Dieser  fragte  ihn :  warum 
er  nicht  auch  die  Bewohner  des  Schlosses  mit  sich  geführt? 
Nassir  entgegnete,  dass  diese  dem  Grossraeister  Chorschah 
und  nicht  ihm  gehorchten.  Hulagu  liess  ihm  Diplom  und 
das  Ehrenzeichen  des  Löweukopfs  geben  und  sandte  ihn  als 
Befehlshaber  nach  Tun.  Tun,  eine  der  vorzüglichsten  Städte 
Kubi«tan's,  zwei  Tagreisen  südlich  von  Meschhed  auf  der 
Strasse  von  Kerman,  nicht  ferne  von  Kain^^,  zeichnet  sich 
durch  besondere  Anlage  der  Hänser  und  Gärten  aus,  indem 
das  Schloss  mit  tiefem  Graben,  ausser  welchem  der  Markt 
und  die  Häuser  mit  Gärten  und  diese  von  Saatfeldern  und 
die  Felder  mit  Mauern  umgeben,  das  Ganze  mit  unterirdi- 
schen Wasserleitungen  und  mit  Gruben  durchschnitten ,  in 
welchen  Wassermelonen  trefflich  gedeihen  *).  Hulagu ,  nach 
Sawa  und  Chatvtvaf^ )  vorgerückt,  erlitt  einigen  Verlust; 
Ä'nli  llkai  und  Keiibuka^^  wurden  weiter  an  die  Gränze  von 
Kuhistan  vorausgesandt,  wo  sie  einigen  Widerstand  fanden, 
aber  binnen  einer  Woche  denselben  besiegten ,  und  dann  vor 
Tun   die  Wurfmaschinen   aufpflanzten ;    in   zwölf  Tagen   war 

>)  Mohteschim ,  so  hiessen  die  Commandeure  der  Assassinen. 
')  Achlaki  Nassiri.  ')  Auf  Fraser's  Karte  Ghain  oder  Kain. 
")  Nushet  und  nach  demselben  dasDschihanuuma  S.  325.  *)  Chatvwaf 
und  Sawa,  ebend.  S.  3l9.  ")  Den  Namen  Keitbuka  verstümmelt 
der  Ueberset/.er  des  Schedschretol-etrak  in  Kunooka  S.  24j,  sowie 
den  Sultan  Aegjptens,  Sfifeddin  Kottts,  in  Syfe-ud-din  Furdooz 
und  Jaschmiit  in   Bishinoot. 


96  Z  w  e  i  t  e  s     B  u  c  li. 

7.  Rebiut-    die  Stadt  erobert,  iind  sie  kehrten  sogleich  zu  Hulagu  zurück, 
der   sich   zu     Aus    beiaud.      lus,    eine    der    ältesten    istadte 


ö.  Mai  IS  öd 

Chorasan's,  schon  im  Beginne  des  neunten  Jahrhunderts  der 

christlichen  Zeitrechnung '  J  durch  die  Grabstätte  des  Cha- 
lifen  Harun  Reschid  '^  und  um  neun  Jahre  später  durch  die 
Ali  Ben  Musa  Risa's  des  achten  Imam's,  zwei  Jahrhunderte 
hernach  durch  die  des  grössten  persischen  ethischen  Dichters 
FirdetvsP^ ,  als  der  Geburtsort  Ghasali's  des  grossen  Philo- 
sophen, Nassireddins  des  grossen  Astronomen  und  Hamdallah 
Mestufi's  des  grossen  Geographen  und  Geschichtschreibers, 
verherrlicht.  Dieser  belehrt  uns,  dass  die  Stadt  schon  von 
Dscheraschid  gebaut,  nach  ihrer  Verwüstung  von  Tus,  dem 
Sohne  Nuser'sj  wieder  aufgebaut,  von  ihm  den  Namen  er- 
halten; dass  das  Grabmal  Ali  Musas,  vier  Farasangen  von 
Tus  im  Dorfe  des  Distrikts  Sebanahad  *) ,  der  um  dasselbe 
angebauten  Stadt  den  heutigen  Namen  Meschhed  gegeben; 
folglich  sind  die  Ruinen  des  alten  Tus  vier  Farasangen  vom 
heutigen  Meschhed,  das  schon  mehrere  Reisende  besucht, 
keiner  so  umständlich  beschrieben,  als  Fräser  ^).  Meschhed, 
der  Geburtsort  und  die  Grabstätte  so  vieler  der  grössten 
Lichter  Persiens,  ist  heute,  was  ehemals  Bochara  Mar,  der 
Sammelplatz  der  Gelehrten  ;  von  einigen  und  zwanzig  Tausend 
Einwohnern  der  Stadt  sind  die  zahlreichsten  die  Imame, 
Molla,  Muderrise  (^Professoren)  und  Danischmende  (Stu- 
denten), welche  den  verschiedenen  Moscheen,  Medreseen, 
Grabstätten  und  Domen  angehören.  Das  Innere  einer  Medrese 
gleicht  einem  Karawanserai,  nur  mit  Abwesenheit  der  Stall- 
gewölbe; dem  Eingange  in  die  Mitte  der  Nord-  oder  Nord- 
oslseite  steht  in  der  Mitte  der  Süd-  oder  Südostseite  eine 
gewölbte  Nische  entgegen,  welche  die  Kibla  vorstellt  und 
wohin  sich  alle  Gesichter  beim  Gebete  wenden;  in  der  Mitte 
der  beiden  Seitenwände  sind  Balcone^  von  Säulen  getragen, 
für  die  Wohnungen  der  höheren  3IoIla ,  in  der  Mitte  des 
Hofes  ein  kleiner  Garten  und  im  Mittelpunkte  desselben  ein 

')  203  (818).  =)  I.  J.  193  C8;?0.  ')  Gest.  im  J.  411  (1020). 
')  Im  Dscliihannuma  S.  ;US  durch  Druckfehler  Senabad.  ')  Nar- 
rative  of  a  journey  into  Khorassan  44+. 


Zweites     n  u  c  h.  j)y 

Wasserbecken.  Die  grosse  Moschee  von  Meschhed ,  welche 
das  Grab  Ali  Risa's  umschliesst,  ist  hundert  fünf  und  sechzig 
Klafter  lang  und  fünf  und  zwanzig  breit,  in  der  Art  eines 
Karawanserai ,  mit  zwei  Stock  hohen ,  rings  herum  laufenden 
Gemächern  gebaut,  im  Mittel  und  an  den  Ecken  jeder  Seite 
hochgewölbte  Thore ,  das  Ganze  mit  glasirten  vielfarbigen 
Ziegeln  auf  das  Geschmackvollste  bekleidet;  dieser  herrliche 
Hof  heisst  Ssahn,  d.  i.  das  Feld,  wie  der  Yorhof  der  grossen 
Moscheen  zu  Konstantinopel ,  wesshalb  die  dort  an  der 
MoscHle  Mohammed's  II.  angestellten  Professoren  der  acht 
Medreseen  die  Achter  vom  Felde  genannt  werden.  Der 
Dom  des  Mausoleums,  mit  goldenen  Ziegeln  bedeckt,  rings 
herum  mit  goldenen  Inschriften  in  lazurblauem  Felde  ge- 
schmückt ,  die  Schafte  der  beiden  Minarete  reich  vergoldet 
und  oben  mit  zierlich  geschnitzten  hölzernen  Galierien  ge- 
krönt. Von  diesen  herrlichen ,  erst  unter  der  Dynastie  der 
Ssefi  errichteten  Gebäuden  bestand  noch  Nichts  zur  Zeit 
Hulagu's,  wohl  aber  waren  die  Grabstätten  der  grossen 
Chalifen  Imam's  und  Dichter  ein  Gegenstand  der  Verehrung 
der  Wallfahrter;  noch  sind  die  Mauern  von  Tus  mit  ihren 
Thürmen  aus  Lehmen  sichtbar  und  ausser  den  obgenannten 
Grabmälern  grosser  Männer  wird  noch  das  GrabBurkEswed's 
besucht,  welcher  nach  der  Volkssage  ein  Neger,  Freund 
des  Herrn  Jesus  gewesen,  nach  dessen  Tode  hierher  geflohen, 
hier  gestorben  und  bestattet  worden  sein  soll.  •) 

Hulagu  stieg  zu  Tus    im  Garten  Arghun's  im  goldenen  Tifs.Bostum, 
Zelte   ab,    welches    dieser    auf  ausdrücklichen    Befehl    des    -^^'fßrde- 
Kaan's  für  Hulagu   nach    dem  Muster  der  grossen  ffoldenen  ri,  ,    . 

Zelte  des  Kaan's  bereitet  hatte;  von  da  begab  er  sich  nach 
dem  Garten  Manssurije,  welchen  Arghun  von  seiner  Ver- 
wüstung wieder  hergestellt.  Hier  brachten  die  Frauen 
Arghun's  und  Iseddin  Tahir's  Proviant  dar');  den  nächsten 
Tag  begab  sich  Hulagu  nach  der  Ebene  von  Radgjan,  wohin 
von  MerWj  Jesrud  und  Dehistan  Wein  und  Lebensmittel  im 


*)  Fräser  5 19.  ^)  Terghu ,  dies  ist  der  wahre  Sinu,  der  in 
der  französ.  üebersezung  im  journ.  as.  verfehlt  ist:  les  dames 
re^urent  des  titres. 

Hammer,  Geschiclite  dci  Ilchane.    I.  7 


98  ZweitesBucb. 

üeberflusse  zugeführt  worden;    hierauf  nach   dem   seit  der 
Ankunft  der  Mongolen   verwüsteten  FJecken  Chabuschan  '), 
Ilulagu  befahl,    denselben  wieder  herzustellen,   Hess  Kanäle 
graben,   eine    Fabrik    bauen  und  neben  der  Moschee  einen 
Garten  anlegen;  den  Emiren  wurde  befohlen,    dort  Häuser 
zu  bauen,  und  dem  Wesir  Seifeddin  die  Leitung  und  Ober- 
aufsicht des  Baues  aufgetragen.    Die  drei  Gesandte  ^^,  welche 
•     !^J"'' an  Chuarschah,  den  Grossmeister  der  Assassinen ,  abgesandt 
S4  Juli  1256  ^^  Orden  ,  kamen  unverrichteter  Dinge  zurück  ,    und  es  ward 
daher  sogleich  der  Befehl  zur  Verheerung   des  Lancies  ge- 
bau     '  S^^^^^'     Acht  Tage  hierauf  stand  das  Lager  zu  Bestam,  der 
^    Sept.     östlichsten  der  drei  Hauptstädte  der  Landschaft  Kurais  (die 
beiden  anderen  sind  Demghan  und  Semnan}.    Bestam,  eine 
alte,    schon    in    der    Hälfte    des    dritteo    Jahrhunderts    der 
Hidschret  durch  Erdbeben  verwüstete  Stadt  ^)  ,  dankt  ihren 
Ruhm  vorzüglich  der  Grabstätte  des  zwanzig  Jahre  hernach*) 
gestorbene-i    grossen    mystischen  Scheichs  Bestarai'),    dem 
Stifter    des  nach  ihm  genannten  Ordens  der  Derwische  Be- 
stami; später  ward  dieselbe  noch  als  die  Geburtsstadt  zweier 
anderer  grossen    Gelehrten   verherrlicht,    der   eine    Abder- 
rahman    Ben    Mohammed    Bestami,    der   in   der   Hälfte   des 
fünfzehnten  Jahrhunderts  der  christlichen  Zeitrechnung,  Ver- 
fasser von  vierzig  Werken,  starb®),   und  Ali  Ben  Medsch- 
deddin    Bestarai"),    welcher,    berühmt    unter    dem    Namen 
Mussanmfek,  d.  i.  der  kleine  Corapositor,  sich  in  der  osma- 
nischen    Geschichte    keinen    minderen    Namen    durch    seine 
zwanzig   Werke,    als    durch    seinen    Fanatismus    erworben, 
welcher  ihn  dazn  antrieb,  an  dem  gefangenen  letzten  König 
von  Bosnien  selbst  das  Amt  des  Henkers  zu  vollstrecken  **). 
Von    Bestam    aus    sandte   Hulagu   abermal  zwei  Gesandte  ""^ 

■j  Manuscript,  Mirchuaud,  Dscliihaunuma  S.  323.  bei  Quatremere 
memoire  d'Ata  .Melik.  dasselbe  uuiichtig  Djouvuchan  und  unrichtig 
nach  der  Eroberung  Alamut's.  ^)  Beigtimur  Kurdschi,  Sahireddin 
Sipehsalar  Bitekdschi,  Schati  Emir.  ')  Fräser  nach  Price  im  J. 
242.  ')  I.  J.  261  (874).  *)  Seine  Lebensbeschreibung  die  42.  im 
Nefhatol  Ins.  Dschami's.  ^)  Gest.  i.  J.  858  (_lVoi}.  ')  I.  J.  875 
(1470).  «)  Geschichte  des  osra.  Reichs  IL  B.  S.  76  un.l  S.  351  ,  wo 
die  Titel  von  zwanzig  seiner  Werke.    ^)  Merketai  uud  Ikiluiisch. 


Z  w  e  i  t  e  s     B  u  c  h.  QQ 

nn  den  Grossnieister  der  Assassiiien  mit  Drohui)n:en  und  Ver- 
heissungen.  Bei  demselben  befand  sich  der  grosse  Astronom 
Nassireddin  mit  zwei  berühmten  Aerzten  '"),  welcher,  in  die 
Macht  der  Assassinen  gefallen ,  eine  Zeit  jiang  bei  Nassir, 
dem  Gebietiger  vonSertacht,  verweilet,  jetzt  der  Arzt  und 
Rath  des  neuen  Fürsten  der  Assassinen.  Nassireddin  be- 
schloss  mit  seinen  Collegen,  dem  Gräuel  der  Assassinen- 
herrschaft  ein  Ende  zu  machen ,  indem  sie  zum  freundlichen 
Empfange  des  Botschafters  Hulagu's  riethen.  Chuarschah  be- 
folgte ihren  Rath  und  sandte  mit  den  freundlich  empfangenen 
Botschaftern  Hulagu's  seinen  Bruder  Schehiiischah  und  den 
Chodscha  Assileddin  von  Susen^),  um  seine  Unterwerfung 
dem  Hulagu  darzubringen.  Hulagu  empfing  sie  freundlich 
und  sandte  abermals  vier  Botschafter^)  mit  dein  Begehren, 
dass,  wenn  die  Unterwerfung  aufrichtig,  Chuarschah  die 
Schlösser  brechen  und  selbst  am  Hofe  des  Chan's  erscheinen 
möge.  Chuarschah  antwortete :  w  enn  mein  Vater  w  ider- 
spenstig  war,  will  ich  unterwürfig  sein ;  er  fing  an,  "an  einigen 
Schlössern ,  wie  Mewmndis,  Lemsir  und  Alamut,  Zinnen, 
Thore  und  Mauern  abbrechen  zu  lassen,  begelirte  aber  die 
Frist  eines  Jahres  bis  zu  deren  gänzlichen  üebergabe.  Die 
Frist  nicht  gewährend,  bot  Hulagu  seine  Heere  auf  und  zog 
von  Bestem  aus  wider  die  Schlösser;  der  rechte,  von  Koke 
iJka  und  Tukatimur  befehligte  Flügel  zog  auf  der  Strasse  von 
Masenderan ,  der  linke,  unter  dem  Befehle  des  Prinzen 
Tekuder  Aghul*)  und  Keitbuka  Nujan's,  auf  der  Strasse 
von  Chuar  und  Semnan  ;  Hulagu,  im  Mittelpunkte  mit  einem 
Toman,  d.  i.  mit  zehntausend  Wackeren,  zog  gegen  Finishjnh, 
d.  i.  den  Glücksberg,  auf  welchem  heute  die  Ruinen  des 
Schlosses  der  Assassinen  für  eine  Windmühle  und  ein  Bad 
aus  der  Zeit  Alexander's  des  Grossen  gelten  *  J.  Er  sandte 
abermals  Aufforderung  an  Chuarschah ,   sich  unmittelbar  zu 


*)  Reiseddeulet  und  Muicafilndäeivlet.  ^j  Suseni ,  nicht  Roii- 
veni,  wie  in  der  fiJinzös,  üebersetzung.  ^)  Ssadredd'm,  Sahireddin, 
Tolek  Behadir  und  Berrak  (der  erste  fehlt  in  der  franz.  Ueber- 
setzung).  *)  Nicht  Koudraghoul ,  wie  iu  der  frauz.  Uebersetzun;;;. 
'3  Mgrier  second  jouru.  öbö. 

7* 


100  Zweites     Buch. 

ergeben.  Als  die  Fahnen  der  Mongolen  bereits  vor  Fi- 
ruskjuh'),  kamen  die  Gesandten  und  mit  ihnen  der  Wesir 
und  traute  Gesellschafter  Chuarschah's  Keikobad  zurück. 
Er  bat  im  IVamen  seines  Herrn  noch  einmal  um  Frist  eines 
Jahres  bis  zum  gänzlichen  Auszuge  und  um  die  Schonung 
Lemsir's  und  Alainut'j'',  der  ältesten  Bargen  ihrer  Herrschaft; 
er  sandte  Kabiiiet!.befehle  an  die  Gebietiger  von  Girdkjiih 
und  Kuhistan,  sich  sogleich  zu  unterwerfen,  und  hoüte  so 
den  Sturm  zu  beschwören. 

Demaivend.  ^^®  Fahnen  Hulagu's  flatterten  nun  zu  Demawend  ,  einer 

Fall  von     der  ältesten  Städte  Irans,  am  Fusse  des  gleichnamigen  Berges 

Meimundis.  gelegen,  der  ein  vulkanischer,  durch  Erdbeben  und  Rauch 
Verwüstungen  anrichtet  und  androht.  Hier  residirte  der 
Tyrann  Sohak,  dessen  Karbunkel  auf  der  Achsel,  wo  ihn 
der  Satan  geküsst ,  nach  der  Volkssage  nur  durch  das  Gehirn 
.  zweier  täglich  geschlachteter  Menschen  gelindert  werden 
konnte.  Von  dieser  Tyrannei  befreite  sein  Volk  der  Schiried 
Gjawe,  dessen  Schurzfell,  an  einen  Spiess  gestekt,  die 
Fahne,  unter  welcher  sich  die  Völker  zum  Sturze  des  Ty- 
rannen sammelten  ,  vor  dessen  Grimm  sich  die  Schlachtopfer 
seiner  Regierung  bis  in's  Gebirge  von  Kurdistan  geflüchtet 
hatten  ,  und  der  endlich  selbst  in's  Gebirge  von  Demawend 
verbannt  ward.  Alljährlich  am  31.  August  wird,  unabhängig 
vom  mosliraischen  Kalender,  das  Befreiungsfest  von  der  Re- 
gierung Sohak's  zu  Demawend  gefeiert.  Die  Bewohner  der 
Umgegend  sammeln  sich,  auf  Pferden,  Mäulern ,  Eseln  be- 
ritten, und  ziehen  unter  lautem  Geschrei  durch  das  Feld^), 
jubelnd,  dass  ihre  Väter  dem  Halloli  der  Tyrannei  entflohen, 
welche  noch  so  schwer  auf  ihnen  selbst  lastet;  JVachts  wer- 
den Feuer  auf  den  Terrassen  der  Häuser  angezündet  und 
die  Stadt  beleuchtet,  Freudenfeuer  über  die  Erlösung  von 
dem  Drucke  Sohak's ,  durch  welchen  die  Seufzer  der  Unter- 
drückten wie  Flammen   zum  Himmel  emporstiegen.     Dieses 


')  Firuskjuh,  auf  der  Strasse  von  Demgliau  nach  Tehran,  nahe 
bei  Demawend ,  auf  Fräsers  Karte ;  nach  dem  Nushet  ebenfall? 
hart  an  Demawend  gelegen ;  in  Dschihanu.  S.  339  unter  Girdkjuh. 
-)  Morier  second  journey  p.  357. 


Zweites     Buch.  101 

Fest  heisst  das  Fest  der  Kurden ,  auf  denen  Sohak's  Ty- 
rannei vorzüglich  lastete.  Demawend  soll  schon  von  Siamek, 
dem  Sohne  des  Keioraer's ,  des  zweiten  Herrschers  der 
Pischdadier,  gebaut  worden  und  von  Tahmuras  Diwbend, 
d.  i.  dem  Diwbändiger,  sollen  die  Diwe  in  den  Demawend 
gebannt  worden  sein,  wo  sich  ihr  Daseyn  noch  durch  Rauch 
und  Erdbeben  kund  gibt.  Von  hier  sandte  Hulagu  den 
Sckemseddin  Kilegi  nach  Girdkjuh  (^dem  Tfgado  Hoi'thon's^, 
um  den  Befehlshaber  zur  Unterwürfigkeit  aufzufordern,  und 
einen  anderen  Gesandten  an  Chuarschah,  um  diesen  zu 
bringen.  Hulagu  erwartete  den  Erfolg  dieser  Botschaften 
zu  Abbasabad '3,  iu  der  Nähe  von  Rei,  der  alten  Haupt- 
stadt des  persischen  Irak.  Chuarschah  sandte  seinen  Sohn,  "  i^j"*^"* 
einen  achtjährigen  Knaben,  welchen  ihm  aber  Hulagu  vait  ^'g^f^j^^ 
der  Botschaft  zurücksandte,  dass,  wenn  er  selbst  nicht  kommen 
könne ,  er  einen  anderen  Bruder  statt  Schehinschah's  senden 
möge.  Chuarschah  sandte  seinen  Bruder  Schiranschah  und 
den  Chodscha  Assileddin  mit  dreihundert  Mann,   um   seine  t- Scliewu-ul 

Huldigung  darzubringen.     Nach  vier  Taijen  wurden  sie  mit 

*  ^ " ,  "  *=  ^6-.  üct. 

einem  Diplome    zurückgesendet,    welclies    dem  Chuarschah, 

da  er  Nichts  verbrochen,  die  Gnade  des  Kaan's  versicherte, 
wenn  er  seine  Schlösser  ausliefern  wollte;  zugleich  erhielt 
das  Heer  den  Befehl,  von  allen  Seiten  aufzubrechen.  Koke 
llka  und  Tukatimur  nahten  sich  von  der  Seite  vonispidar; 
Chuarschah  fragte:  warum  sie  kämen,  da  er  zur  Unterwer- 
fung bereit;  sie  antworteten:  es  sei  die  Heeresstrasse,  auf 
der  sie  nach  Fütterung  auszögen.  Hulagu  hatte  sich  indess,^^  Scheuic. 
gegen  Thalkan'^^  gewendet,  einer  Siadt  der  Landschaft  m^  Octuber 
Tocharisian ,  nach  welclier  die  Mongolen  von  den  Byzan- 
tinern den  Namen  Tocharen  erhielten ,  der  noch  in  dem  der 
Mongolen  Tsackare?i  fortlebt.  Ohne  einen  eingefallenen 
Regenstrom  wäre  Chuarschah  schon  diesen  Abend  am  Fusse 
seines  Schlosses  gefangen  worden;   acht-Tage  hernach,  als 


sich  das  Wetter  aufgeheitert,  ward  Kriegsrath  gehalten,  ob 


')  The  wretclied  village  of  Abbasabad.  Fräser  248-  *3  Thalkan, 
wie  Seinnan ,  eine  Stadt  der  Tocharistan  geuaunten  Landschaft. 
Nttsliet. 


102  :d   >r  u  l  i  e  <      Buch. 

die  Belagerung  des  ScJiIosses  noch  bei  so  weit  rorgeruckter 
Jahreszeit  zu  unternehmen,  oder  auf's  nächste  Jahr  zu  ver- 
schieben sei;  der  Wesir  Seifeddin,  die  Generale  Keitbuka 
und  Bukadmur  stimmten  für  die  Belagerung.  Hulagu  sandte 
abermals  Botschaft,  halb  drohend,  halb  versöhnend,  einen 
letzten  Terrain  von  fünf  Tagen  zur  üebergabe  bestimmend. 
Chnarschah  verlor  den  Kopf  und  sandte  seinen  gelehrten 
,  Arzt  und  Rathgeber  Nassireddin  von  Tus  mit  seinem  Bruder 
Irauschah  und  seinem  Sohne  Turkia  mit  vielen  Geschenken, 
seine  Unterwürfigkeit  darzubringen;  drei  Tage  hernacli, 
i.v  Tof./^öö  So""^3gs  den  19.  JVovember,  kam  Chuarschah  selbst,  um 
den  Fuss  des  Kaan's  zu  küssen;  er  kleidete  seine  Unter- 
werfung in  die  folgenden  beiden,  von  ihm  selbst  verfertigten 
Distichen  ein  : 

0  Sc!;ah  ,  ich  komm'  an  deineu  Uof,  gewarnt, 
Bereueurt  Schuld,  die  mich  bisher  umgarnt. 
Dein  Glück  hat  dleseu  Lauf  für  mich  genomineu. 
Wie  war'  ich  sonst,  wozu  wär^  ich  gekommen! 

Hulagu  sah,  dass  er  einen  unerfahrenen  Jüngling  vor  sich 
hatte;  er  schmeichelte  ihm  mit  Verheissungen  und  bewog 
ihn,  alle  Burgen  seiner  Vorfahren,  deren  Zahl  auf  hundert 
stieg,  zu  brechen,  nur  Girdkjuh  und  Lemsir,  in  welchen 
sich  die  Besatzungen  noch  festhielten,  ausgenommen;  die  zu 
Meimundis  ')  aufgespeicherten  Schätze  wurden  ausgeliefert 
«nd  unter  die  Emire  des  Heeres  vertheilt.  Hulagu  zog  vor 
Ala7nut,  d.  i,  dem  Adlerneste,  dem  Hauptsitze  des  Gross- 
meisters der  Assassinen,  von  wo  unter  dem  Gründer  Hasan 
Ssabbah  die  3Iaclit  des  Ordens  wie  ein  Adler  aufflog.  Der 
Befehlshaber  ergab  sich,  nachdem  er  ein  Paar  Tage  Wider- 
2fi.  ^ilhi-  stand  geleistet.  Die  Mongolen  drangen  ein ,  zerbrachen  die 
Wurfmaschinen  und  gaben  den  Einwohnern  drei  Tage  Frist 


dsche  ()ö4 


lö.December  .  , 

zum  Abzüge. 

Schlösser  Nach  Abzug  der  Besatzung,  nach  Vertheilung  der  Beute, 

der  sandte    Hulagu    seinen    gelehrten    Staatssekretär    Athamülk 

Assassinen. 


*)  Meimundis  findet  sich  weder  im  Manuscript,  «och  im  Pschi- 
hunnuma ,  ci  scheint  dasselbe   ^ihrinend  zu  sein,  was  im  Nushet. 


Zweites     Buch.  lOS 

Dschuweini  in's  Schloss  von  Alamut,  um  die  Archive  und 
die  Bibliothek  zu  durchsuchen.  Die  Korane  und  einige  andere 
kot^tbare  Werke  wurden  bei  Seite  gelegt,  darunter  eines, 
welches  den  Titel:  Begebenheiten  tinsers  Herrn  und  Mei- 
sters'^ führte  und  das  Leben  Hasan  Ssabbah,  des  Gründers 
des  Ordens,  enthielt,  woraus  Athamülk  in  seiner  IVelteröff- 
nenden  Geschichte  die  verlasslichsten  iVachrichten  über  den- 
selben gegeben;  alle  anderen  Werke  philosophischen  und 
freigeisterischen  Inhalts  über  die  Lehre  der  Israaili  wurden 
den  Flammen  übergeben.  Ob  er  dieses  Autodafe  der  Bücher 
auf  Hulagu's  Befehl  oder  aus  eigenem  Antriebe  veranstaltet, 
ob,  wenn  dieser  Brand  blos  sein  W^erk  gewesen,  ihn  dazu 
nur  der  Feuereifer  rechtgläubigen  Islara's ,  oder,  wie  iJin 
spatere  Geschichtschreiber  dessen  beschuldigen,  verdam- 
menswerthe  engherzige  Habgier  ausschliesslicher  Gelehr- 
samkeit bewogen,  ist  heute  zu  entscheiden  unmöglich.  Kr 
soll  nämiich  blos  die  historischen  Werke ,  die  er  benutzen 
wollte,  gerettet  und  auch  diese  hernach  den  Flammen  preis- 
gegeben haben,  um  die  Gelehrsamkeit  als  Geschichtschreiber 
zu  moiiopolisiren.  Eine  ähnliche  Anklage  lastet  auch  auf 
dem  Andenken  des  grossen  Astronomen  Nassireddin  und  des 
grossen  Arztes  Ibn  Sina^).  In  welchem  Gelehrtenkopf  immer 
solche  Barbarei  Eingang  gefunden  haben  mag,  so  ist  die- 
selbe doch  vom  einseitigen  Mathematiker  und  Arzte  oder 
Philosophen  begreiflicher  ,  als  vom  Geschichtschreiber, 
welcher,  wenn  er  seine  Quellen,  statt  dieselben  anzuführen, 
vernichtet,  mit  denselben  seine  Glaubwürdigkeit  zerstört. 
Zur  Ehre  des  grossen  Geschichtschreibers,  Astronomen  und 
Arztes,  welche  so  ausschweifender  und  ausschliesslicher 
Ruhmsucht  bezüchtiget  werden,  wollen  wir  glauben,  dass 
der  Gedanke  davon  nicht  in  ihrem  vielumfassenden  Geiste, 
sondern  in  dem  engeren  ihrer  Anklager  Platz  greifen  konnte. 


*)  Sergüseschti  Sidina.  Wassaf.  ^)  Nach  ihui  auch  ClaprotU: 
„Hier  erzählt  man  sich,  er  habe,  als  er  eine  li  Werste  von  der 
Buchtana  in  einen  Felsen  jL^ehauene  Hieroglyphe  nicht  entziffern 
konnte,  sie  heraushauen  lassen ,  um  keinem  anderen  den  Ruhm  zu 
lassen.     Briefe  ans  Siibirien;  im  Ausland  ^r.  lü'<J  vuiu  11.  April  l8.^<3. 


iOitO 


104  Z  \r  e  i  I  e  s     Buch. 

Alaimit ,  d.  i.  das  Adler-  oder  Geyernest,  auf  einem  hohen 
steilen  Hügel,  nordöstlich  von  Kaswin  gelegen,  bietet  noch 
heute  in  seinen  Ruinen  eine  lange  Reihe  durch  Mauern 
mit  einander  verbundener  Thürrae  dar,  welche  auch  dem, 
der  sie,  wie  Ker  Porter,  der  Maler  des  persischen  Alter- 
thums ,  nur  von  ferne  gesehen ,  als  unbezwingbar  ins  Auge 
springen. ')  Der  ganze  Gebirgsdistrikt  zwichen  Dilem  und 
Irak,  durch  dessen  Schluchten  der  Fluss  Schahrnd,  d.  i. 
der  Königsfluss,  sich  mühsam  den  Weg  bahnt,  heisst  Rudbar, 
d.  i.  das  Flussland ,  und  zwar  das  von  Aiamut  zum  Unter- 
schiede vom  südlichen,  von  Lur,  in  Issfahan's  Nähe,  welches 
der  Sendrud,  d.  i.  der  lebendige  Fluss,  durchströmt.  Hasan 
^^'^  Ssabbah  hatte  sich  Alamut's  halb  mit  Gewalt,  halb  mit  List 
bemächtigt,  dann  sich  vom  seldschukischen  Sultan  Berkjarok 
das  in  der  Nähe  von  Damaghan  gelegene  Schloss  Girdkjuh 
erbeten ,  und  zwölf  Jahre  nach  der  Besitznahme  von  Aiamut 
das  im  selben  Thalwege  gelegene  feste  Schloss  von  Lem- 
beser'^).  Nebst  Aiamut,  d.  i.  dem  Geyerneste,  Girdkjuh, 
d.  i.  dem  Gürtelberg,  und  Lembeserj,  d.  i.  Ruh'  im  Kopf, 
waren  die^  festesten  Schlösser  der  Assassinen  (nach  den 
Citadellen  der  Städte  Tun  und  Kairf)  in  Kuhistan:  das  von 
Meimundis,  d.  i.  die  glückliche  Feste,  aus  welcher  der  letzte 
Grossmeister  abzog,  und  Muminabad,  d.  i.  der  Bau  der 
Gläubigen,  welches  seinen  Namen  und  seine  Befestigung 
vermuthlich  dem  vorvorletzten  Grossmeister,  welcher  den 
Beinamen  des  neuen  Musalman  führte,  dankt,  dessen  Name 
in  der  heutigen  Verstümmelung  von  Meio?nend^)  kaum  zu 
erkennen,  und  dessen  ausserordenCliclie  Festigkeit  die  Geo- 
graphie Hamdallali's  anrühmt*);  so  auch  die  des  am  Berge 
Demawend  gelegenen  Firuskjuh,  d.  i.  Glücksherg,  und  das 
Schloss  Dschenabdar  oder  Kebajed,  welches  aber  nicht  erst 


')  Tr.aces  of  a  very  exteuded  line  of  towers  conoected  with 
walls  and  so  situaled  as  to  appear  to  tlie  gazer  below  absolute 
inipreguable.  I,  p,  289.  -)  Insgemein  Lemsir  geschriebeu ;  am 
20.  Silkide  495  C5.  Sept.  1102).  ^A'assaf.  0  Fräser  p.  248.  ')  Mu- 
lahide  sachte  eiid  bighajet  muhkeuiest. 


Zweites     Buch.  105 

von  den  Assassinen,   sondern   vom   Sohne  des  altpersischen 
Helden  Guders  befestigt  worden  sein  soll. ') 

Von  Alamut  begab  sich  Hulagu  in  den  ersten  Tagen  Kaswin. 
des  Januars  in  das  grosse,  sieben  Farasangen  von  Kaswin  16.  Siiki- 
aufgeschlagene  Lager,  wo  durch  sieben  Tage  Feste  gefeiert,  _^^'^!^^-- 
die  Prinzen  und  Emire  zur  Aufwartung  und  zum  Uluck- 
M  unsche  der  Eroberung  zugelassen  wurden ;  selbe ,  sowie 
der  Astronom  Nassireddin  von  Tus  und  die  beiden  Söhne 
der  zwei  grossen  Aerzte  von  Hamadan,  welche  durch  ihren 
Rath  wesentlich  zur  üebergabe  von  Mehmmdis  beigewirkt, 
wurden  beehrt,  beschenkt;  der  Astronom  und  seine  beiden 
Begleiter  blieben  sofort  im  Gefolge  Hulagu's,  von  demselben 
bei  jeder  Gelegenheit  ihrer  Kenntnisse  willen  ausgezeichnet. 
Dem  Chuarschah  ward  ein  mongolisches  Mädchen  angetraut 
und  die  Hochzeit  zu  Kaswin  mit  Festen  gefeiert.  Hulagu 
behandelte  ihn  mit  Schonung,  um  von  ihm  die  nöthigen 
Befehle  an  die  Gebietiger  der  Schlösser  in  Syrien  zu  er- 
halten, dass  sie  dieselben  bei  Ankunft  des  mongolischen 
Heeres  demselben  ungesäumt  übergeben  möchten.  Nachdem 
er  diesen  Befehl  von  ihm  erhallen,  sandte  ihn  Hulagu  als 
Trophee  an  den  Hof  des  Kaan's  Mengku.  Als  dieser  die 
Nachricht  erhielt,  dass  Chuarschah  sich  nahe,  sagte  er; 
Wozu  schickt  man  ihn?  und  sandte  ihm  als  Willkomm  den 
Todesbefehl  entgegen.  Er  wurde  getödtet  und  hierauf  seine 
ganze  Familie,  Weiber,  Brüder  und  Söhne  zu  Kaswin  nieder- 
gemacht. So  hatte  die  blutige  Dynastie  der  persischen 
Ismaiiije,  d.  i.  der  Assassinen,  nach  hundert  und  sieben 
und  siebzig  Mondjahren  ihr  Ende  erreicht -J,  und  der  Dolch 
des  Meuchlers  ward  durch  das  Schwert  des  Mongolen  ge- 
brochen. Flulagu  hielt  sich  einige  Zeit  zu  Kaswin  auf,  wo 
er  im  Bade  Moslim's  badete.  Hamdallah  von  Kaswin ,  der 
Geschichtschreiber  und  Geograph Persiens,  erwähnt  in  seiner 
auserwäklten  Geschichte  dieses  Besuchs  als  einer  der  merk- 


')  UamdiiUuh  uud  im  Dschihanuuiua  Alamut  S.  29ij,  Tu/i^  Kain, 
Dschenabdar  S.  325,  Muminabad  S.  326.  ^)  Nach  Reschideddin 
vom  J.  d.  H.  477—654,  nach  Hadschi  Chalfa  v.  J.  d.  H.  483  ange- 
fangen. 


106  Z  w-  e  i  t  e  s     B  u  c  h. 

würdigsten  Epochen  der  Geschichte  seiner  Vaterstadt,  die 
von  nun  an  eine  der  Hauptstädte  des  mongolischen  Reichs 
in  Persien  und  daher  unter  dem  Geleite  Haradallah's  näherer 
Bekanntschaft  werth.  ').  Zuerst  baute  Schabur^)  Jiier  eine 
Stadt,  welche  seinen  Namen  trug,  als  Feste  wider  die  Dile- 
miten ,  die  feindlichen  Nachbaren  im  Norden.  Bei  einem 
denselben  hier  gelieferten  Treffen,  als  die  Schlachtordnung 
der  Perser  auf  einer  Seite  in  Verwirrung  gerieth,  soll  der 
Chosroes  seinem  Feldherrn  zugerufen  haben:  an  kesch  win, 
d.  {.jenen  Winkel  schau,  und  nach  erfochtenera  Siege  zum 
Andenken  desselben  die  Stadt  erbaut  Iiaben,  welcher  sofort 
der  Namen  Keschwin,  d.  i.  Winkel  schau ,  blieb,  das  heu- 
tige Kasiüin.  Der  Chalife  aus  dem  Hause  Abbas  Hadibillah 
Musa  fügte  eine  dritte  Stadt  hinzu,  Mubarekabad,  d.  i.  der 
gesegnete  Ba«,  genannt;  diese  drei  Städte  umfing  der  Chalife 
Harun  Reschid  mit  einer  Mauer,  welche  den  Namen  Re- 
schidabad  erhielt.  Der  Thronprätendent  Husein  Ben  Said 
bemächtigte  sich  später  der  Stadt  und  vollendete  den  Bau 
derselben  ^).  Unter  der  Regierung  Fachreddewlet's  des 
Bujiden  erneuerte  sein  berühmter  Wesir  Ismail  Ben  Ibad 
die  Stadt  und  vergrösserte  dieselbe  nach  dem  Bau  des  nach 
ihm  Ssahibabad  genannten  Viertels.  Hierauf* )  vom  Dile- 
miten  Ibrahim  Ben  Merseban  verwüstet,  vom  Kmir  Ebu  Ali 
Dschaaferi  wieder  hergestellt  und  vom  grossen  Sultan  der 
Seldschuken,  Alparslan,  erneuert*),  war  sie  jetzt  durch  die 
Mongolen  abermal  verheert  worden.  Die  Mauer,  von  zehn- 
tausend dreihundert  Ellen  im  Umfange,  war  mit  zweihundert 
dreissig  Thürmen  befestigt,  hatte  sieben  Thore  und  umfing 
neun  Viertel,  und  sechs  unterirdische  Wasserleitungen,  von 
denen  die  vom  Einsiedler  Chumar  Tekesch®}  gebaute  das 
besstc  Wasser  gibt;  derselbe  baute  auch  ein  halbes  Jahr- 
hundert später')  die  nach  seinem  Namen  genannte  Moschee; 


')  Ausführlich  zu  Ende  des  Tarichi  Güside,  kürzer  im  Xushetul- 
Kolub;  uach  beiden  und  nach  dem  Tedwin  Iinam  Rafii's,  das  Dschi- 
hannuaia  S.  293.  -)  I.  J.  463  der  alexaadriuischen  Aere.  ')  I.  J. 
20-t  (8t9).  *)  I.  J.  411  t:i02ü).  *)  I.  J.  572  (1175).  «)  I.  J.  500 
tUOiJ.     'J  I.  J.  548  (11533. 


Zweites     Buch.  J0^ 

eine  andere  hatte  schon  der  tyrannische  Statthalter  Hi- 
dschadsch  aus  einem  Götzentempel  in  einen  Betört  der 
Muslimen  umgeschaffen.  Die  Schii  hassen  diese  Moschee, 
weil  von  ihrer  Kanzel  unter  der  Regierung  der  Beni  Omeije 
dem  Ali  geflucht  ward.  Eine  noch  frühere  üeberlieferung 
aus  dem  Munde  Plohammed's  oder  eines  der  vier  ersten 
Chalifen  heisst:  Ehret  Kaswin ,  welches  eine  der  höchsten 
Pforten  des  Paradieses  ^^,  Kaswin  hat  Ueberfluss  an  herr- 
lichen Frücliten,  besonders  an  Melonen,  Wassermelonen  und 
Trauben,  welche  für  die  bcssten  ganz  Persiens  gelten^}; 
die  hier  verfertigten  Klingen  wetteifern  mit  denen  von 
Chorasan  und  Schiras;  von  den  Fabrikaten  zeichnen  sich  die 
aus  raannichfarbigen  Tuchenden  zusammengenähten  Pferd- 
decken aus.  Die  Einwohner  gelten  für  die  bessten  Gesell- 
schafter, und  ein  persisches  bekanntes  Distichon  räth  dem 
Schah,  vier  Männer  nur  aus  vier  Städten  seines  Reichs  zu 
wählen;  Musiker  aus  Chorasaji,  Geschäftsmänner  aus /ss/aÄa«, 
Krieger  aus  Tebris  und  Gesellschafter  aus  Kaswin^^.  Zur 
Verherrlichung  des  literarischen  Kuhmes  Kaswin's  genügen 
die  beiden  Sekretäfe  Kaswini ,  der  Verfasser  der  tVtinder 
der  Geschöpfe*^  und  der  einzigen  Perle  der  Seltenheiten^^, 
jenes  Naturgeschichte,  dieses  Geographie,  und  Homdällak 
Mestuß,  der  Verfasser  der  auserwiihlten  Geschichte*')  und 
der  bessten  persischen  Erdbeschreibung,  so  dass  persische 
JNatur-  und  Völkergeschichte,  Erd-  und  Ortsbeschreibung 
keiner  persischen  Stadt  mehr  verdanken,  als  dem  reich- 
begabten  gesellschaftlichen  Kaswin. 

Mit  Eintritt  des  Frühjahrs  begab  sich  Huiagu  von  Üamadan. 
Kaswin  nachHamadan,  wo  Baidschu  Nujan  von  Aserbeiilschan 
zur  Aufwartung  erschien.  Huiagu,  mit  dessen  Unfhätigkeit 
unzufrieden,  überhäufte  ihn  mit  Vorwürfen:  ,,Was  hast  du, 
seit  DschurmagJiun  nicht  mehr  in  Iran  geblieben,  gethan? 
welche  Schlachtenreihen   hast    du    gebrochen,    welchen  Re- 


'j  Aasu  Kiiswiue  leiuaelm  min  auhi  babil-dscheuneti,  Dsclii- 
lianuuma  S.  293.  ^)  Morier  second  journey.  p.  203.  ^3  Dschihau- 
numa,  ebend.  ^)  Adscliaibol  machlukat.  *)  Charidetol-gharaib. 
*J  Tarichi  Giiside.     'j  Nushetol-kolub. 


108  Zweites     Ruch. 

bellen  geschlagen?  Hat  dir  das  mongolische  Heer  zu  Etwas 
Anderem  gedient,  als  durch  dessen  Macht  nnd  Grösse  den 
Chalifen  zu  schrecken?"  Baidschu  kniete  nieder  und  sagte: 
„Ich  habe  mir  keine  Saumseligkeit  zu  Schulden  kommen 
lassen  und,  was  in  meinen  Kräften  lag,  gethan.  Von  den 
Thoren  Rei's  bis  an  die  Gränzen  Syriens  habe  ich  Alles 
unterworfen,  Bagdad  ausgenommen,  dessen  Menschenmenge 
unerraesslich  und  wohin  die  Zugänge  äusserst  schwer.  Uebri- 
gens  steht  der  Befehl  in  der  Hand  des  Padlschah,  und  ich 
bin  bereit,  aus  derselben  Leben  oder  Tod  zu  empfangen." 
Diese  Unterwürfigkeit  milderte  den  Zorn  Hulagu's;  er  befahl 
ihm ,  aufzubrechen ,  den  Westen  bis  an's  Meer  hin  zu  unter- 
jochen und  die  Länder  Rum's  diesseits  und  jenseits  des 
Bosporos  den  Händen  der  Griechen  und  Franken  ')  zu  ent- 
reissen.  Baidschu  INujan  hatte  schon  vor  vierzehn  Jahren 
mit  einem  Heere  von  vierzigtausend  Mann  das  hundert- 
siebzigtausend  starke  Ghajaseddin  Keichosrew's,  des  Sohnes 
Alaeddin's,  zu  Kösetagh  geschlagen-^  und  vollendete  nun 
die  Eroberung  Rum's  bis  an  das  Gestade  des  mittelländischen 
Meeres.  Hulagu  begab  sich  mit  den  Prinzen  Kali,  Beighai, 
Kotar  und  mit  den  Befehlshabern  Bukatimury  Sundschak, 
Koke  Ilka  in  die  Ebene  von  Haraadan,  um  dort  das  Heer 
zu  sammeln.  Hamadan,  insgemein  für  das  uralte  Ecbatana 
gehalten,  ist  nach  allen  Quellen  persischer  Geschichte  und 
Geographie  eine  der  ältesten  Städte  Persiens,  welche  schon 
Hu.scheng,  der  zweite  der  Pischdadier,  erbaut,  Nabucho- 
donoser  verwüstet,  Darius  wieder  hergestellt  haben  soll.^^ 
Bedil,  der  Sohn  Werka's,  eroberte  die  Stadt  im  drei  und 
zwanzigsten  Jahre  der  Hidschret  *^;  dreihundert  Jahre  her- 
nach^) wurde  dieselbe  von  Medaividschj  dem  Dilemiten, 
und  abermal  dreihundert  Jahre  später  ^^  von  den  mongoli- . 
sehen  Heeren  mit  allgemeinem  Gemetzel  der  Einwohner 
verwüstet.  Die  Stadt  hat  Ueberfluss  an  Wasser,  selbst  wenn 


•  •)  Ferseudani  Aferinisch  u  Longtar.  ')  Im  J.  641  (12433:  Xoch- 
betettewarich,  der  Ort  iu  Reschideddin.  ^)  Dschihauuuuia  S.  299 
und  das  Nushet.  ")  Im  J.  23  (643).  *)  Im  J.  320  (932).  ^)  Im  J. 
618  (1221). 


^j  Z  w  e  i  t  e  8     B  u  c  h.  lOQ 

bei  der  von  Hamdallah  angegebenen  Zahl  der  Quellen  (tau- 
send dreihundert)  durch  Fehler  des  Abschreibers  eine  Nulle 
zuviel.  Zwei  der  grössten  Philosophen  Schöngeister,  Ein- 
geborene von  Hamadan,  der  Dichter  Ihn  Chalweih  und  Be- 
diesseman,  d.  i.  der  Wunderseltene  der  Zeit,  haben  das 
Klima  sowohl  als  die  Einwohner  in  bekannten  Versen') 
mehr  getadelt,  als  gelobt.     Der  Erste  sagte: 

Die  Kälte  ist  vielstinimig  zu  Hamadan,  und  sogestalt 
Ist  es,  im  Winter  grimmig,  im  Sommer  massig  kalt. 

Der  Wunderseltsame  der  Zeit ,  der  Verfasser  der  ersten 
Makame,  welche  denen  Hariri's  zum  Muster  gedient,  sagte: 

Wiewohl  geboren  ich  zu  Hamadan, 
Dasselbe  ich  dennoch  nicht  preisen  kann; 
Denn  seine  Knaben  sind  altklug,  wie  Greise, 
Die  Alten  kindisch,  nach  der  Knaben  Weise. 

Das  frische  Grün  der  Fluren,  das  Gemurmel  der  zahlreichen 
Quellen  verscheuchen  allen  Gram  und  stimmen  zur  heitersten 
Lebenslust,  wesshalb  die  Einwohner  vorzüglich  lebenslustig, 
Spielen  und  Scherzen  ergeben;  ausserdem,  dass  Hamadan 
der  Geburtsort  zwei  so  ausgezeichneter  Schöngeister,  als 
die  beiden  oberwähnten,  wallfahrtet  hier  der  Jude  zum 
Grabe  Esther's  und  Mardochai's j,  der  Arzt  zu  dem  ^vi- 
cenas"^^  ,  die  Mystiker  zu  dem  eines  der  grössten  persischen 
Dichter,  nämlich:  Aththar's,  des  Verfassers  der  Vögel- 
gespräche  und  eines  Dutzends  gereimter  Bücher,  nämlich: 
des  Buchs  des  Ratks ,  der  Drangsale,  der  Nachtigallen, 
der  Kamele,  der  Geheimnisse  der  Gänse,  der  Chosroen, 
der  Antworten,  der  Nöthen,  des  Auserwählten ,  des  Gött- 
lichen, und  Haiders,  des  Biographen  der  Heiligen,  des 
ascetischen  Werkes  der  Brüder  der  Reinheil  und  anderer 
mystischer  in  Versen  und  Prosa.  Bei  dem  Einfalle  des 
mongolischen  Heeres  hatte  Einer  schon  des  Schwert  aufge- 
hoben, um  den  Dichter  zu  tödten,  als  ein  Anderer  sagte: 
Tödte   diesen    Greis   nicht,  ich   kaufe   dir    sein   Leben  um 


•)  Dschihannuma  S.  300.    ^)  Morier  secoud  journ.   p.  265.  269. 
Malcolm's  Geschichte. 


110  Z  w  e  i  t  «  s     Buch. 

tausend  Silberstücke  ab.  Hüte  dich,  sagte  Aththar,  mich 
um  so  niedrigen  Preis  wegzugeben*;  du  wirst  Käufer  finden, 
die  mich  theuerer  bezahlen  Einige  Schritte  weiter  bot  ein 
Anderer  für  Aththar's  Leben  einen  Sack  Stroh;  hierüber 
ergrimmt,  hieb  ihn  der  Mongole  nieder.'^  Seit  diesem 
ersten  Einfalle  der  Mongolen ,  welche  bei  der  Verfolgung 
Chuaresmschah's  bis  an's  kaspische  Meer  und  an  die  Gränze 
des  arabischen  Irak  \ordrangen  ,  bis  zur  Erscheinung  IIu- 
lagu's  vor  Hamadan,  waren  sieben  und  zwanzig  Jahre  ver- 
flossen, und  ehe  wir  mit  Hulagu  die  Gränze  vom  persischen 
Irak  in's  arabische  überschreiten,  überblicken  wir  noch  die 
Schicksale  Persiens  unter  mongolischer  Herrschaft  in  der 
vom  ersten  Einfalle  der  Mongolen  bis  zur  Gründung  des 
Reichs  der  llchane  verflossenen  Zeit, 
p-g  Persien  wurde   von    den  Mongolen   in  zwei  Statthalter- 

Monyolenim  Schäften  getheilt,  wovon  die  östliche  Chuaresra  und  Chorasan, 
tvestlichen    ^\q  westliche  das  persische  Irak  und  Aserbeidschan  in  sich 

„  ,  begreift.     Um    die    Statthalter   nicht   zu   vermengen,    über- 

Hulagu.  °  . 

blicken    wir   zuerst   das   westliche  oder  eigentliche  Persien, 

welches  in  dieser  Zeit  nur  zwei  Statthalter  hatte,  nämlich 
Dchurtnaghun  und  Baidschi  Ntijan,  und  dann  erst  das  öst- 
liche, wo  die  Begebenheiten  verwickelter  durch  die  Ränke 
der  Nebenbuhler  um  die  Leitung  der  Geschäfte.  Als  die 
Mongolen  bei  der  Verfolgung  Chuaresmschah's  zum  erstenmal 
ß^ß  die  Gegend  um  Irbil  verwüsteten,  rüstete  der  Chalife  Mo- 
±236  stanssirbillah  ein  Heer  und  rief  die  moslimisclien  Fürsten 
zur  Hülfe  auf;  bei  dem  zweiten  Einfalle  nahmen  sie  die 
Stadt  Irbil,  doch  nicht  die  Citadelle ,  ein;  sie  drangen  bis 
Schengabad  und  Sermenrai  vor,  der  Clialife  setzte  Bagdad 
in  Vertheidigungsstand  und  rief  alle  Einwohner  zu  den 
Waff'en  auf.  Am  rothen  Berge  (Düchebel  Hamrin)  ober 
Tekrit  wurden  die  Mongolen  geschlagen  und  ihnen  die  Ge- 
fangenen, die  sie  von  Irbil  und  Dakuka  weggeschleppt ,  ab- 

')  Am  I.  Uchemasiul  sani  627  C26.  April  1230).  Dewietschah, 
glaubwürdiger ;,  als  andere  Daten,  welche  in  der  Gescliichte  der 
persischen  Redekünste  S.  l4l  durch  Druckfehler  verstüniuielt  sind, 
indem  727,  732  für  7l9,  627,  632,  6l0  steht. 


Zweites     Buch.  lU 

genommen;  ein  Corps  von  fünfzehntausend  Mongolen,  das 
bald  darauf  bis  Dschaaferije  vordrang ,  zog  sich  bei  der 
Annäherung  des  Chalifen  zurück.  iSoch  im  selben  Jahre  C35 
war  ein  Corps  von  gleicher  Stärke  bis  Chanekin  vorge-  i^ss 
drungen  und  schlug  das  ihnen  vom  Chalifen  entgegengesandte, 
das  nur  halb  so  stark.  Im  forden  hatten  sie  sich  Gendsche's 
bemächtigt,  und  Dschurmaghun's  Heere  überschwemmten 
(ieorgien  und  Armenien.  Er  eroberte  das  Land  zwischen 
dem  Arras  und  Kur  und  in  Georgien  die  Hauptstadt  Tiflis 
nebst  anderen  Städten.  Er  belagerte  und  verheerte  Rei; 
hierdurch  erschreckt,  trugen  ihm  die  Bewohner  von  Kares 
die  Schlüssel  ihrer  Stadt  entgegen;  nichtsdestoweniger  wur- 
den die  waflFentüchtigen  Einwohner  niedergemacht,  mit  Aus- 
nahme der  Kinder  und  Handwerker,  die  in  die  Sklaverei 
geschleppt  wurden.  Der  armenische  Prinz  Aicak  begab  sich 
mit  seiuer  Schwester  Thamtha  an  den  Hof  Gujuk's,  um 
die  Zurückstellung  des  väterlichen  Erbes  zn  erflehen,  und 
8ie  erhielten  hiezu  den  Befehl  an  Dschurmaghun.  Nach 
dessen  Tode  setzte  sein  Nachfolger  Baidschu  Nujan  die 
Eroberungen  seines  Vorfahrers  fort.  Er  wandte  seine 
Waffen  ge^^n  Ersenrum,  Ersendschan,  und  schlug  das  in 
der  Ebene  von  Akschehr  bei  Ersendschan  verstärkte  Heer 
des  Sultans  von  Rum,  unter  dessen  Verbündeten  zweitausend 
von  Johann  Limminata  aus  Cypern  und  Bonifacio  de  Castro 
von  Genua  befehligte  Truppen;  diess  ist  die  oberwähnte 
Schlacht  von  Kösetag,  welcher  Berg  sonst  Alahjuh  hiess.  '^ 
Nach  dem  über  den  Sultan  erfochtenen  Siege  wurden  Siwas, 
Tokat  und  Kaissarije  geplündert  und  verheert;  ein  General 
des  Sultans  und  der  Richter  von  Aniasia  kamen  in's  mon- 
golische Lager  von  Siwas  und  unterhandelten  einen  Frieden, 
vermöge  dessen  der  Sultan  jährlich  einen  Tribut  von  hun- 
dert zwanzigtausend  Goldstückeil ,  fünfhundert  Stück  Stoffe, 
fünfhundert  Kamele,  fünfJiundert  Sklaven  zu  leisten  ver- 
bunden. ^^     Keichosrcw  war  zu  glücklich,  diesen  ohne  seine 


')  Haitho  eh.  1^;  Marino  Sanuto  III.  pars  1.3.  eh.  .".  uud  nach 
demselben  d'Ohsson  III.  p.  81.  0  Vincent.  Bellov.  Spec.  hist. 
L.  XXXI.  c.  jS  und  nach  demselben  d'Ohssou  III.  p.  ^3. 


112  Zweites    Buch. 

Vollmacht  abgeschlossenen  Friedensvertrag  zu  bestätigen. 
Bei  ihrem  Abzüge  erstürmten  die  Mongolen  Ersendsciian 
und  machten  die  Einwohner  nieder.  Malatia  kaufte  sich 
von  der  Plünderung  durch  viertausend  Goldstücke  los,  zu 
deren  Vervollständigung  die  goldenen  und  silbernen  Kirclien- 
gefässe,  die  Heiligenschreine  und  Reliquienkästen  ausge- 
liefert werden  mussten.  *)  Wahrscheinlich  war  es  derselbe 
mongolische  Feldherr  Irsane,  welcher  zweimal  Bohemund  V., 
den  Fürsten  von  Antiochien ,  auffordern  Hess,  die  Mauern 
seiner  Festungen  zu  brechen  und  ihm  dreitausend  Jungfrauen 
zu  liefern;  die  Forderung  wurde  abgeschlagen,  aber  später 
zahlten  die  Fürsten  von  Antiochien  an  die  Mongolen  Tribut. 
Schihabeddin ,  der  Fürst  von  Miafarakain ,  durch  einen 
mongolischen    Gesandten    aufgefordert,     seine    Mauern    zu 

1S44  schleifen,  antwortete,  dass  er  nur  ein  kleiner  Fürst,  dem 
Beispiele  der  Sultane  Syriens  und  Aegyptens  folgen  werde. 
Hethum  I.,  der  armenische  Fürst  Ciliciens,  suchte  durch 
Gesandte  mit  reichen  Geschenken  Baidschu's  Schutz  an. 
Baidschu  forderte  vor  allem  die  Auslieferung  des  Harems 
Keichosrew's,  des  Sultans  von  Rum,  und  Hethum  erkaufte 
um  diesen  Preis  den  Frieden  und  das  Diplom  als  Vasall  des 

1245  grossen  Kaan's.  Im  folgenden  Jalire  eroberten  die  Mongolen 
die  nördlich  des  Sees  von  Wan  gelegenen  Länder,  die  sie 
auf  Ogotai's  Befehl  der  armenischen  Prinzessin  Tharatha 
übergaben.  Sie  nahmen  Amid ,  Roha,  Nissibin.  Der  Fürst 
von  Mossul,  Bedredin  Lulu,  schloss  in  seinem  und  des 
Fürsten    von   Damaskus  Namen    einen  Vertrag  von,    in  drei 

^g_l(f  Klassen  geregelter,  Kopfsteuer  ab.  Im  folgenden  Jahre  er- 
schienen die  Mongolen  zum  fünftenmal  in  der  Nähe  von 
Bagdad  zu  Dakuka,  von  wo  sie  der  kleine  Diwitdar  zurück- 

1247  schlug,  und  im  folgenden  Jahre  tödteten  die  Mongolen  zu 
Dakuka  den  Statthalter  Eelban;  sie  plünderten  die  Karawanen, 
und  Jesaur  verheerte  die  Gegend  um  Malatia.  Die  gleich- 
zeitigen Begebenheiten  Rum's  und  Armeniens  gehören  in 
die  Geschichte    dieser   Länder  und  ihrer  Fürsten  ;    wir  er- 


•)  Bar.  Hebr.  und  d'Olisson  III.  85. 


^ 


Z  w  e  i  t  e  s     B  u  c  li.  ]  |3 

wähnen  nur  noch  tler  Mission  der  vier  Dominikaner,  welche 
ßaidschu  auf  deji  ihm  im  Namen  des  Papstes  gemachten 
Antrag,  sich  zum  Christenthume  zu  bekehren,  tödten  wollte. 
Einer  seiner  Offiziere  hatte  sogar  vorgeschlagen ,  den  ersten 
der  Missionäre  zu  schinden  und  seine  ausgestopfte  Flaut 
dem  Papst  als  Antwort  zu  senden');  doch  auf  die  F'ürbitte 
der  Gemahlin  Baidschu's  wurde  ihnen  nicht  nur  das  Leben 
geschenkt,  sondern  sie  erhielten  sogar  ein  in  dem  Missions- 
berichte bis  auf  uns  gekommenes  Schreiben  "und  wurden 
ron  zwei  Gesandten  Baidschu's  an  den  Papst  begleitet,  der 
sie  auf  das  Ehrenvollste  empfing  und  mit  Geschenken  über- 
häufte.^) 

In  Persien  liess  Tschengischan ,  nachdem  er  abgezogen,  'Bschintimur, 
als  Statthalter  den  Dschintimur  zurück,  welchem  von  allen  Korona, 
vier  Ulusen ,  d.  i.  Stämmen  des  JJrvgh ,  d.  i.  des  Hauses  ^t'^f^^^'^'^^'''' 
Tschengischan's,  ein  Amtsgehülfe  beigegeben  war,  indem 
Chorasan  als  ein,  allen  vier  Söhnen  Tschengischan's  gemein- 
samer Besitz  betrachtet  ward;  eine  Zeit  lang  dem  Dschur- 
maghun,  dem  Statthalter  Feldherrn  in  Persien,  untergeordnet, 
unter  dessen  Oberbefehl  er  die,  Chorasan  noch  verheereqden 
türkischen  Schaaren  Chuaresmschah's  schlug,  erhielt  Dschin- 
timur von  Ogotai  die  unabhängige  Statthalterschaft  Chorasan's 
und  Masenderan's;  als  Gehülfe  vom  Blute  des  Kaan's  war 
ihm  Kelilat  beigegeben ;  er  selbst  verlieh  beide  höchsten 
Staatsämter,  nämlich  das  des  Wesirs  oder  Inhabers  des 
Diwans  und  die  Stelle  des  Staatssekretärs,  an  zwei  Moslimen, 
jenes  an  Scher efeddin  von  Jesd,  dieses  an  Behaeddin  von 
Dschuwein,  den  Vater  Athamülk's,  des  Geschichtschreiber's. 
Nach  Dschintimur's  Tod  erhielt  seine  Stelle  Nnssalj  welcher 
schoii  von  Tschengischan  dem  Dschintimur  als  Amtsgehülfe 
von  Seite  des  Uluses  Dschudschi's  beigegeben  worden  war. 
Dem  Nussal  folgte  in  der  Statthalterschaft  bald  Körgös,  d.  i. 
Blindaug,  welcher,  an  den  Hof  Ogotai's  gesandt,  um  über 
die  Verwaltung  Chorasan's  Bericht  zu  erstatten ,  gefiel  und 

')  Ascelin,  bei  Viucent  de  Be:iuvais  und  in  Reniusat's  Memoire 
sur  les    rapports   des  priaces  Chretiens  avec  les  Tatares,   io  den 
memoires  de  l'Iustitut  de  Fraace  VI.  p.  422.    ^)  Ebenda  S.  425. 
Hammer,  Geschichte  der  llchane.    I.  8 


114  Z  Nv  e  i  t  e  s     Bu  c  li. 

von  seinem  Landsmaiine,  dem  Staatssekretär  Dschinkai  tfem 
Liigliuren,  begünstigt.  Der  Kämmerer  Danischmeiid,  Gegner 
Dschinkai's,  bemühte  sich  seinerseits,  die  Statthalterschaft 
Chorasan's  dem  Soline  Dscliintimur's  zu  verschaffen  ;  Dschinkai 
wünschte  jedoch  seinem  Schützling  ein  Jerligh,  d.  i.  Diplom, 
des  Kaan's  zu  verschaffen ,  vermöge  welchem  ihm  die  stati- 
stische Zählung  der  Bewohner  Chorasan's  und  Masenderan's 
aufgetragen  und  alle  Macht  in  seine  Hände  concentrirt 
ward.  Der  Wesir  Scherefeddin  und  Kelilat ,  ihrer  Wirk- 
samkeit durch  das  Jerligh  beraubt,  schmiedeten  mit  Otigu 
Timur ,  dem  Sohne  Dscliintimur's,  Ränke  wider  Körgös  am 
Hofe  des  Kaan's,  der  ihn  auf  ihre  Beschwerden  zu  sich 
berief.  Körgös  machte  sich  auf  den  Weg,  indem  er  den 
Behaeddin  von  Dschuwein  an  der  Spitze  'der  Verwaltung 
zurückliess.  Auf  dem  Wege  in's  Hoflager  begegnete  er  zu 
Binaket  den  Commissären  des  K-aisers,  welche  ihm  zurück- 
zukehren befahlen  5  es  kam  vom  Wortwechsel  zu  Thätlich- 
keiten,  in  welchen  Körgös  blutig  geschlagen  und  ihm  ein 
Zahn  gebrochen  ward;  er  musste  den  Commissären  folgen, 
abe{^  in  der  Nacht  sandte  er  einen  Eilboten  mit  seinem 
blutbefieckten  Kleide  nach  Hof.  Ogotäi,  über  diese  Be- 
handlung seines  Statthalters  aufgebracht,  berief  ihn  zu  sich; 
allein  die  Gegner  Kelilat  und  der  Sohn  Dscliintimur's  folgten 
ihm  auf  dem  Fusse.  Zu  Bochara  wurde  bei  einem  dem- 
selben gegebenen  Feste  Kelilat  am  hellen  Tage  ermordet. 
Ogotai  wollte  in  dem  ihm  vom  Sohne  Dschintimur's  darge- 
brachten Zelte  speisen;  kaum  hatte  er  es  verlassen,  als  es 
ein  Windstoss  zusammenriss.  Ogotai ,  durch  diese  böse  Vor- 
bedeutung erschreckt,  befahl,  es  in  Stücke  zu  zerreissen. 
In  dem  von  KÖrgös  ihm  dargebrachten  Zelte  fand  er  im 
Gegentheii  einen  mit  Juwelen  besetzten  Gürtel,  nach  dessen 
Umbindung  sein  Lendenschmerz  verschwand,  so  dass  er 
guten  Muths  wieder  zechte.  Die  beiden  Nebenbuhler  um 
Chorasan's  Statthalterschaft  blieben  mehrere  Monate  am  Hofe 
Ogotai's,  welcher  wünschte,  dass  sie  sich  vertrügen,  und 
ihnen  befahl,  aus  demselben  Becher  zu  trinken,  dasselbe  Zelt 
zu  bewohnen,   nachdem   sie   zuvor   ihre  Waffen  abgegeben. 


ZweitesBuch.  1|5  ' 

Da  sie  sich  nichtsdestoweniger  nicht  verglichen,  ward,  als 
sie  Beide  in  Ogotai's  Gegenwart  vor  Gericht  erschienen, 
der  Sohn  Dschintimiir's  als  schuldig  verurtheiit,  und  sollte 
an  den  Herrscher  seines  Uluses,  nämlich  an  Batu  ,  ausge- 
liefert werden.  Der  Sohn  Dschintimur's  flehte  den  Kaan, 
selbst  sein  Schicksal  zu  entscheiden ,  indem  ein  Hund ,  wie 
er,  nicht  werth  sei,  dass  zwei  grosse  Herrscher,  wie  Ogotai 
und  Batu,  sich  über  ihn  beriethen.  Du  hast  Recht,  sprach 
Ogotai,  Batu's  Strenge  würde  selbst  seinem  Sohne,  wenn 
er  sich  in  deinem  F"^alle  befände,  nicht  verzeihen.  Dem 
Sohne  Dschintimur's  wurde  verziehen;  aber  seine  Begleiter 
wurden  nach  der  Jasa  bestraft,  welche  über  die  Verläumder 
Strafen  verhängt.  KörgÖs  verwaltete  Chorasan  mit  Gerech- 
tigkeit und  Einsicht,  baute  Tus  und  Herat  aus  ihrem  Schutte 
wieder  auf  und  warf  den  Ränkeschmied  Scherefeddin,  welcher 
unter  dem  Scheine  der  Freundschaft  gearbeitet,  in's  Ge- 
fängniss  ;  dieser  aber  fand  mittels  seines  Weibes  Schutz  beim 
Uluse  Dschagatai ,  und  Arghun  wurde  mit  dem  Befehle  ab- 
gesandt, den  KörgÖs  lebendig  oder  todt  nach  Hofe  zu 
bringen. '  ) 

KörgÖs,    der   sich    Anfangs   in    einem    von   ihm  zu  Tus     -scheref- 
erbauten  Magazine  eingesperrt,   ging  endlich,  als  man  Ge-    eddin  von 

wait   brauchen    wollte,    selbst   heraus,    und    ward    von    den  ^^'"^'>    j"  ' 

eyel  der 
Söhnen  Dschagatai's  nach  Hof  gesandt,   wo  sein  Beschützer  p,^.^^^^^^^    ^^^^^^ 

Dschinkai  von  der  Regentin  Turakina  verungnadet  worden.  Arghun. 
KörgÖs,  ohne  Beschützer,  ohne  Geld,  wurde  auf  Befehl 
Karä.Hulagu's,  des  Enkels  Dschagatai's,  hingerichtet,  und 
von  der  Regentin  wurde  Arghun  zum  Statthalter  Chorasan's 
ernannt.  Er  begehrte  den  Scherefeddin  als  Vlug  Bltehdschf, 
d.  i.  grossen  Staatssekretär  oder  Finanzrainister,  weil  er  sich 
verbindlich  geu»acht,  viertausend  Baiische ,  welche  in  den 
beiden  Ländern  Chorasan  und  Masenderan  an  Steuern  aus- 
ständig, einzutreiben.  Scherefeddin,  Sohn  eines  Lastträgers 
von  Chuaresm  und  seiner  schönen  Gestalt  willen  Lieblings- 
page des  Statthalters  von  Chuaresm,    war  Ton  diesem,   als 


•)  d'Ohsson  III.  103-  118. 

8* 


110  Z  w  e  i  t  A  s     R  u  c  h. 

der  Page  die  Frische  des  Jugendreizes  verloren,  dem  Dschirt- 
timur  abgetreten  ,    bei    dem    er  sich  durch  seine  Geschick- 
liclikeit  als  Sekretär  und  seine  Kenntniss  der  mongolischen 
Sprache    als    brauchbar    empfahl;    er    stellte  ihn  in  Steuer- 
geschäften an,    in    welchen    er  bald  Proben  seines  blutaus- 
saugenden  Druckes   gab,    wodurch    sein    Name   in    der  Ge- 
schiclite  für  inmier  gebrandmarkt.     Er  unterschied  zwischen 
den  Dörfern,  welche  sich  freiwillig  den  3Ioiigolen  ergeben, 
oder  mit  Gewalt  erobert  worden  waren,    und  belastete  die 
Einwohner    der    letzten    mit   allen    Arten    von  Auflagen  und 
Qualen').     In  diesem  Geiste  hatte  er  unter  Körgös  das  Land 
gedrückt    und    noch    mehr    unter  Arghun ,    um  die  Summe, 
zu  deren    Eintreibung   er    sich    anheischig  gemacht,    einzu- 
treiben.    Weder  Weiber  noch  Waisen  wurden  verscliont  und 
Foltern  aller  Art  angewandt,    um    Geld   zn   erpressen;    die 
Häuser  wurden  geplündert,- den  Todten  selbst  das  Leichen- 
tuch weggenommen,  der  Mann  vom  Weibe,  der  Vater  vom 
Sohne  gerissen  und  als  Sklave  verkauft;  die  Männer  wurden 
barfüss,    die    Weiber    unverschleiert   aus    den    Häusern  ge- 
schleppt; jene  bei  den  Füssen,  diese  bei  den  Brüsten  auf- 
gehängt.    Zu  Rei  wurden  die  geraubten  Einrichtungen  der 
Häuser  in  der  Moschee  aufgeschichtet,  dort  auf  Maulthlere 
geladen    und    diese   mit  den  Teppichen  der  Moschee  zuge- 
deckt.    So  schaltete  und  waltete   er  zu  Tebris  und  Kaswin, 
zu  Issfahan ,  Kum,  Kaschan,  Rei  und  Hamadan,  alle  Häuser 
und  alle  Foltern  erschöpfend.     Seinen   Helfer  Mahmud  von 
Sebsewar  sandte  er,   um  Isferain  und  Dschadscherm  auszu- 
saugen, er  selbst  lag  schwer  als  Alp  der  Finanz  auf  Astrabad, 
Araul  und  den  Städten  Masenderan's.     Als  Arghun   zu  Tus, 
bat  der  Imam  der  Grabstätte    Musa   Risa's    um    Gnade  und 
Schonung,    und    Arghun    gab    ihm   einen    Kabinetsbefehl  an 
Scherefeddin  zur  Zurückstellung  eines  Theils  des  Geraubten. 
Scherefeddin  befahl,  den  Vorzeiger  des  Befehls  mit  Fäusten 
zu    ohrfeigen ,    so    dass    er    besinnungslos    niederfiel.     Die 
Pflugstiere  nahm  er  vom  Aeker,  die  Heefden  aus  den  Haiden 


')  Mirchuand. 


Zweites     H  u  c  h.  117 

weg,  so  dass  Ackerbau  und  Viehzucht  darniederlag.  Glück- 
licherweise befreite  sein  Tod  das  Land  von  seiner  Tyrannei;  i*^^ 
aber  noch  auf  dem  Todbette  sandte  er  Wort  an  Arghuii, 
ja  die  Eingesperrten  niclit  frei  zu  lassen,  bis  sie  gezahlt, 
und  ja  keinen  Heller  nachzusehen  ,  weil  sonst  alle  Ordnung 
zu  Ende.  Arghun  that  das  Gegentheil,  indem  er  die  Ge- 
fangenen lojjgab,  die  noch  zu  leistenden  Zahlungen  nachsah 
und  sich  dadurch  den  Segen  des  Landes  erwarb.  Bei  der 
Thronbesteigung  Gujnk's  braclite  Arghun  alle  eingesammelten 
Anweisungen,  welche  sieh  verschiedene  Prinzen  gesetzwidrig 
auf  verschiedene  Distrikte  Chorasan's  verschafft  hatten,  dem 
neuen  Kaan  als  das  angenehmste  Geschenk  dar;  die  Stellen 
wurden  nach  seinem  Vorschlag  besetzt,  die  durch  den  Tod 
des  Blutegels  Scherefcddin  erledigte  des  ülugh  Betekdschi 
erhielt  Fachreddin  Behischti.  Nach  Gujuk's  Tod  riss  wäh- 
rend des  Zwischenreichs  der  Missbrauch  der  Anweisungen, 
wodurch  den  Prinzen  Einkünfte  von  Dörfern  und  Flecken 
in  Chorasan  für  Jahre  hinaus  zugesichert  wurden,  wieder 
ein.  Bei  Mengku's  Thronbesteigung  verschafften  sich  die 
Klagen"  des  Landes  Gehör,  und  es  wurde  beschlossen,  Cho- 
rasan auf  die  von  Mohammed  Jehvadsch  in  Transoxana  ein- 
geführte Weise  zu  besteuern.  Die  Statthalterschaft  wurde 
ihm  mit  Jerligh  und  Pai'se,  d.  i.  mittels  Diploms  und  Löwen- 
kopfs,  bestätigt,  und  Behaeddin  von  Dschuwein  für  die 
Finanzverwaltung  beigegeben;  aber  die  Brüder  des  Kaisers: 
Kubilai,  Hulagu,  Arikbngha,  hatten  bei  ihm  ihre  Agenten; 
80  auch  Nihpei ,  der  Herr  des  Uluses  Dschagatai.  Persien 
wurde  in  vier  Steuerbezirke  abgetheilt  und  die  Vorsteher 
derselben  erhielten  den  Titel  Meh'k ,  welches  gewöhnlich 
König',  hier  aber  so  viel  als  Intendant  oder  Generalpächter 
bedeutet.  Arghun  veranstaltete  bei  seiner  Zurückkunft  neue 
Zählung  und  regelte  die  Kopfsteuer  nach  den  Klassen ,  was 
bereits,  sowie  die  Einrichtungen  Hulagu's  durch  denselben 
oben  erzählt  worden. 

Hulagu  befand  sich  Ende  Aprils  zu  Denna ,  drei  Monate   RüclihUck 
hernach  zu  Hamadan ;  in  der  herbstlichen  Tag-  und  Nacht-      ouf  dcts 
gleiche   sandte   er    einen    Gesandten   au    den^Chalifen   von 


Clialifat. 


118  Zweites     Buch. 

9.  Rebiul-    Bagdad  mit  der  Aufforderung  von  Unterwürägkelt  und  dena 
Vorwurfe,    dass    die    zur   Besiegung   der   Assassinen   ange- 


36.  April 

i2ö7       sprochene  Hülfe  nicht  geleistet  worden.     Doch  ehe  wir  die 

lO.Redscheb  Begebenheiten  der  zwischen  dieser  Aufforderung  und  dem 
ZU.  Juli  Sturze  des  Chaiifats  verflossenen  fünf  Monate  erzählen, 
fordert  geschichtlicher  Zusammenhang  den  Rückblick  auf 
die  letzten  Zeiten  des  sinkenden  Chaiifats,  das  unter  den 
Beni  Abbas  nun  bereits  durch  fünf  Jahrhunderte  gedauert. 
Ohne  diesen  Rückblick  auf  die  ersten  und  letzten  Ursachen 
des  Sinkens  und  gänzlichen  Verfalls  würde  es  unmöglich 
sein,  zu  begreifen,  wie  der  durch  fünf  Jahrhunderte  auf- 
recht stehende  Thron  des  Chalifen  in  fünf  Monaten  zer- 
trümmert ward  '^.  Der  Wurm  hatte  schon  lange  an  dem 
Herrscherstabe  des  Chalifen  genagt,  ehe  derselbe  und  das 
darauf  gestützte  Schattenbild  der  Herrschaft  zu  Boden  fiel. 
Von  innen  zerrissen  das  Reich  die  Partheiungen  der  Sunni 
und  Schii  und  die  Anführer  der  türkischen  Leibwachen, 
mit  denen  sich  schon  der  achte  Chalife  Moteaassirn  in  der 
Hoffnung  umgeben,  durch  dieselben  den  Thron  zu  schützen, 
die  aber  statt  Vertheidiger  Empörer,  von  Sklaven  sich  zu 
Sultanen  emporschwangen.  Von  aussen  erschütterten  und 
zertrümmerten  das  Reich  die  mit  dem  Schwerte  den  Islam 
reforrairende  Secte  der  Karmathen  und  die  überall  empor- 
steigenden Dynastien,  von  denen  alle  den  Titel  der  Herr- 
schaft den  durch  Gewalt  abgenöthigten  Diplomen  des  Cha- 
lifen dankten,  von  denen  aber  die  mächtigsten,  wie  die 
Be7ii  Hamdan  und  Beni  Buje ,  um  die  Oberherrschaft  über 
den  Chalifen  buhlten,  und  desshalb  im  beständigen  Kriege, 
mit  dem  Erairol-umera,  d.  i.  dem  Fürsten  der  Fürsten,  dem 
Hausmeyer  des  Chaiifats,  bis  sie  den  Titel  desselben  sich 
selbst   augeeignet.      Kaum    ein    Jahrhundert    war    seit    der 


')  Die  grössere  Utnstaudlichkeit  dieser  Uebersiclit  hat  noch  die 
Kritik  Herrn  v,  Poujoulat's  im  Teiups  18.  Mars  1836  angeregt, 
welcher  üudet,  dass  in  der  Geschichte  des  osm.  Reichs  die  Anarchie 
des  byzantinischen  Reichs  nicht  ausführlich  genug  charakterisirt 
worden:  Peutetre  devoit  il  mieux  caracteriser  ranarchie  de  l'empire 
grec  morcele  par  les  croisades. 


Zweites     ß  ti  c  Ii.  119 

Gründling  der  Dynastie  der  Beni  Abbas  durch  Abdallah 
es-seffah,  d,  i.  den  Diener  Gottes,  den  Blutvergiesser,  ver- 
flossen, als  schon  mit  dem  Einflösse  der  türkischen  Leib- 
wachen der  Saamen  des  Unheils  wuchernd  aufschoss ;  ein 
Jahrhundert  hernach  unter  dem  neunzehnten  Chalifen  Kahir- 
billah,  d.  i.  der  Räcketide  durch  Gott,  war  bereits  das  Loos 
der  Theilung  über  das  Ehrenkleid  des  Chalifats  geworfen  ^  j  ^g-, 
und  die  Länder  desselben  in  zwölf  Theile  zerstückelt.    Heute  ysö 

vor  neunhundertjaliren  herrschte  in  Persien  die  mäclitigste, 
iii  vier  Zweige  getheilte  Dynastie  der  Beni  Biije j  in  Diar- 
bekr  und  Dijari  Kebia,  zu  Mossul  uird  zu  Haleb  die  Dynastie 
der  Beni  Hamdan;  Chorasan  war  in  den  Händen  der  Beni 
Saman,  Masenderan  und  Dschordschan  in  denen  der  Beni 
Dilem;  der  südlichen  arabischen  Landschaften  hatten  sich 
die  Karmathen,  der  südlichen  persischen  Ahtvas  und  ffasit, 
die  Söhne  Berid's,  als  Empörer  bemächtigt.  In  Aegypten 
und  Syrien  führten  die  türkischen  Sklaven  der  Familie 
Achschid  als  Herrn  den  Titel  von  Sultanen  und  zu  Bagdad 
gelbst  den  des  Fürsten  der  Fürsten.  Zwei  Dynastien  der 
Beni  Sijad  regierten  zu  Sebid  in  Jemen  und  die  anderen  in 
Taberistan ;  in  Kufa  die  Beni  Thaba  Thaba  aus  der  Familie 
Ali  und  die  Beni  Ochaissar  in  Hidschas.  Den  Titel  und  die 
Macht  als  Chalifen  machten  den  Beni  Abbas  die  alle  Dy- 
nastie der  Beni  Omeije  in  Spanien  und  die  neue  der  Fati- 
müen  in  Afrika  streitig  ').  So  hatten  sich  Leibwachen  und 
Sklaven,  Sectirer  und  Empörer,  arabische  und  persische 
Emire  in  das  weite  Reich  des  Chalifats  von  Osten  bis  Westen 
getheilt,  und  das  Gebiet  desselben  war,  wie  in  der  letzten 
Zeit  des  byzantinischen  Reichs,  fast  nur  auf  das  Weichbild 
der  Residenz  beschränkt;  was  sich  innerhalb  den  weiten 
Gränzen  des  ehemaligen  Reichs  der  Chalifen  zutrug,  gehört 
in  die  Geschichte  der  Dynastien ,  die  sich  dort  erhoben,  und 
nicht  mehr  in  die  des  Chalifats,  das  seit  dem  Beginne  des  zehnten 
Jahrhunderts  der  christlichen  Zeitrechnung  noch  durch  viert- 
halbhundert  Jahre  seinem  Untergange  allmähtig  zusank. 


*)  Elmacinus  i).255.  —  Hadschi  Clialfa's  chrouologische  Tafelu. 


120 


Zweites     Bucb. 


IVesh'e 

VeiTiither  ; 

HeliywHs- 

secten  ; 

Ueber- 

schiveni- 

mungen. 


Am  Eingänge  und  Ende  dieser  vierthalbliundertjährigen 
Periode  stehen  zwei  Wesire  Staatssekretäre,  beide  Gelehrte, 
beide  als  Hebel  des  Verderbens  des  Reichs  von  der  Ge- 
schichte gebrandraarkt.  Der  erste,  Ibn  Mokla,  der  Verbes- 
serer der  arabischen  Schrift  in  ihrer  schönsten,  gefälligsten 
Form  des  Neschi ,  der  dreimal  den  Koran  abgeschrieben, 
dreimal  die  Wesirschaft  verwaltet,  dreimal  Heere  befehligt, 
dreimal  die  Pilgerreise  vollzogen  und  zuletzt  sogar  dreimal 
bestattet  worden,  unterhielt  verrätheriscUcn  Briefwechsel 
mit  Jahki'm,  dem  türkischen  Emire,  wie  Ibn  Alhainh  der 
letzte  gelehrte  Wesir  des  letzten  der  Chalifen,  mit  Hulagu; 
jener  die  Türken,  dieser  die  Mongolen  rufend.  Der  zwischen 
beiden  liegende  Zeitraum  zerfällt  in  vier  Perioden,  in  deren 
erster  die  Biijidenj  in  der  zweiten  die  Seldsckuken,  in  der 
dritten  die  Chiaresmschahe  und  endlich  die  Mongoleji  die 
mächtigsten  Herrscher  Mittel-  und  Vorderasiens.  Wir  haben 
hier  nicht  die  Geschichte  dieser  Reiche  zu  überblicken, 
sondern  nur  die  des  unter  ihrem  eisernen  Fusstritte  tief 
darniedergebeugfen  Chalifats.  Die  erste  Periode  der  üeber- 
macht  der  Beni  Buje  bis  zum  Auftritte  der  Seldschuken 
unter  Toghrul  urafasst  hundert  fünf  und  zwanzig  Jahre,  die 
Herrschaft  der  Seldschuken  in  Chorasan  und  Kerman  andert- 
halb Jahrhunderte,  die  überwiegende  Macht  der  Chuaresm- 
scha-he  unter  den  beiden  letzten  grossen  Sultanen  derselben, 
Mohammed  Tekesch ,  die  der  mongolischen  Herrschaft  seit 
dem  Tode  Tschengischan's,  dreissig  Jahre.  Während  dieses 
durch  die  üebermacht  der  Beni  Buje,  der  Seldschuken, 
der  Chuaresmschahe  und  der  Mongolen  unterdrückten,  durch 
innere  Unruhen  zerstückten  Chalifats  sassen  seit  dem  neun- 
zehnten Chalifen,  Kahirbiliah,  noch  achtzehn  sogenannte 
Schatten  Gottes  auf  Erden  als  Schatten  auf  dem  Chalifen- 
stuhle,  mit  dem  Mantel  des  Propheten  angethan,  mit  seinem 
Stabe  als  Richter  die  weltliche  Herrschaft  zum  Scheine  und 
nur  noch  die  geistliche  als  die  Imame  des  Islams  ausübend, 
auch  diese  nicht  unbestritten ,  sondern  von  Ketzern  und 
Glaubensreformern  vielfach  beeinträchtigt,  von  den  Chalifen 
der  Beni  Omeije  in  Spanien   und  von  denen  der  Fatimiten 


Zweites     Buch.  121 

in  Afrika  in  Anspruch  genommen.  Zuerst  entzweite  das 
Chalifat  die  zu  Bagdad  mit  einer  gleichen  Erbitterung  ge- 
führte Giaubensspaltung  der  SuTi/ii  und  Schii,  wovon  jene 
die  Katholiken,  diese  die  Protestanten  des  Islams;  jene  dem 
Hause  Abbas,  diese  dem  Alis  und  folglich  allen  denen, 
welche  als  Verwandte  der  Prophefeufamilie  auf  Herrschaft 
Anspruch  machten,  gewogen.  Die  für  den  Thron  sowohl 
als  für  den  Altar  gefährlichsten  Religionsneuerer  aber  waren 
die  Karmathen  und  Ismailitenj  wovon  jene  mit  dem  Schwerte 
in  der  Hand  als  Zerstörer  der  Kaaba  und  Räuber  des  hei- 
ligen schwarzen  Steines,  als  Mauerbrecher  das  feste  Gebäude 
des  Islams  erschütterten;  diese  unter  dem  Schleier  geheimer 
Lehren  und  Verbindungen  die  Grundfeste  der  Religion  unter- 
gruben und  mit  dolchbewaffnetem  Arm  schneidende  Beweise 
führten;  höchst  gefährliche  Neuerer  der  Lehre,  welche  den 
ihnen  beigelegten  Namen  der  Mulhadj  d.  i.  der  Freigeister 
oder  Gottlosen,  wohl  verdienten  und  welche  nur  unter  dem 
tropischen  Gewände  der  Allegorie  und  Mystik  das  Skelet 
ihrer  Grundlehre :  Nichts  zu  glauben  und  sich  Alles  zu 
erlauben,  verlarvten;  gefährlicher  als  die  Anhänger  MasdeVs 
unter  Nuschirwan,  als  die  Babek's  unter  den  Chalifen  Mamun 
und  Moteaassim ,  welche  oflFen  die  Gemeinschaft  der  Güter 
und  Weiber  predigten ,  das  Scheusal  ihrer  Grundsätze  offen 
Preis  gaben,  während  diese  es  unter  dem  Schleier  asceti- 
scher  Liebungen  und  philosophischer  Lehren  im  tiefsten 
Geheimnisse  verbargen.  Von  der  Zeit  an ,  wo  unter  Kahir- 
billah  die  Karmathen  und  Beridäer  die  Länder  des  Chalifats 
mit  Blut  überschwemmten  bis  zur  letzten  Blutüberschwem- 
mung durch  die  Mongolen,  waren  die  grossen  politischen 
Ünheile  des  Reichs  fast  immer  gleichzeitig  mit  grossen  ver- 
derblichen Naturbegebenheiten,  mit  Erdbeben,  Hiingersnoth 
und  besonders  grossen  Verheerungen  des  Tigris,  so  dass 
die  üeberschwemmung  des  letzten  nur  als  ein  Vorzeichen 
einer  üeberschwemmung  von  Blut  galt,  ein  Glaube  an  eine 
geheime  Verbindung  physischer  und  moralischer  grosser 
Begebenheiten,  welche  durch  die  furchtbaren  üeberschwem- 
mungen  des  Tigris,  welche  im  Jahre  der  Einnahme  Alamut's 


12S  Z  w  e  i  t  e  s     n  u  c  Ii. 

Statthatte  und  nur  zd  bald  durch  das  Blutbad  und  den  Ruin 

Bagdad'»  bestätigt  ward. 

Die  Emirol-  Der  Tyrann  Kahirbillah ,  Nachfolger  des  Chalifen  Radhi, 

uvieramts    der    letzte    der   Chalifen,    welcher    dichtete   und   selbst  am 

'^^öm' '"^  Freitage    das  Chutbe  verrichtete,    berief  den  Türken  Raik 

als  Fürsten    der   Fürsten   nach  Bagdad    und    stiftete  so  die 

oberste  Gewalt  der  Fürsten  der  Fürsten,    um  die  sich  mit 

den  Befehlshabern    der  Leibwachen   die  mächtigen  Fürsten 

des    Hauses   Ilamdan   und  ßiije  stritten.     Er  bestellte,   der 

erste,  einen  Stellvertreter  in  der  Moschee,  in  welcher  vor 

ihm  die  Chalifen  selbst   als  Imame  dem  Gebete  vorstanden, 

am  Freitage    die    Rede   selbst   von    der    Kanzel   als  Chatibe 

330        gehalten  hatten. ')     Unter   seines   Bruders  und  Nachfolgers 


941  Mottaliki,  d.i.  des  Gottesfürchtigen,  Regierung  verkündeten 
grosse  üeberschweramung  des  Tigris  und  grosse  Pest  und 
Hungersnoth  eben  so  grosses  politisches  Unheil.  Der  An- 
führer Beridi  verheerte  Bagdad  dritthalb  Monate  lang  mit 
seinen  Truppen ,  der  Türke  Tiistin  drängte  sich  nach  Raik's 
Tod  dem  Chalifen  als  Fürst  der  Fürsten  auf,  dem  byzan- 
tinischen Kaiser  Romanus  Lapachenes  musste  das  Schweiss- 
tuch  Christi  als  Lösegeld  ausgeliefert  werden;  Mottakki 
ward  geblendet  und  vom  Throne  gestossen.  Sein  Neffe 
Mostekflbülah  verlieh  nach  Tusun's  Tod  die  Stelle  des  Fürsten 
der  Fürsten  dem  Schirsad,  welchem  sie  Ahmed  der  Bujide 
entriss  und  vom  Chalifen  mit  dem  Ehrentitel  Moiseddetvletj 
d.  i.  der  den  Hof  oder  das  Reifh  Ehrende,  anerkannt  ward. 
Er  bemächtigte  sich  der  Leitung  aller  Geschäfte,  wies  dem 
Chalifen  nur  fünftausend  Dirhem  für  dessen  täglichen  Unter- 
halt an,  riss  ihn  endlich  gewaltsam  vom  Throne  und  verstiess 
ihn  geblendet  in  den  Kerker.  Die  Wesire  wurden  von  nun 
an  nicht  mehr  Wesire  ,  sondern  nur  Kjatibe,  d.  i.  Sekretäre, 
genannt.^)  Sein  Nachfolger  Motülillah,  d.  i.  der  Gehorsame 
in  Gott,  war  nur  de«  Befehlen  Moiseddewlet's  und  seines 
Sohnes  Bachtiar  gehorsam,  welche  die  wahren  Herren  von 
Bagdad ,  als  Schii  die  Sunni  als  Ketzer  und  die  Chalifen  aus 


')  Noclibec  ^  Sojuti.    -)  Muuedschimbaschi. 


Z  \v  e  t  t  e  1     B  u  c  h,  123 

dem  Hause  Abbas  als  ungerechte  Thronbesitzer  anfeindeten ; 
Verwünschungen  wider  Omar,  der  Fedek,  das  Landgut  Ali's, 
eingezogen,  und  den  Ebu  Serr  verdammte,  wurden  an  die 
Thore  der  Moscheen  geschrieben ,  Nachts  zwar  von  den 
Sunniten  wieder  ausgelöscht,  dann  aber  dem  Moawia  von 
den  Kanzeln  geflucht  und  das  Fest  Aaschura  zum  Preis  des 
Martyrthums  Husein's  eingesetzt'}.  Moiseddewlet  verkaufte 
die  Stelle  des  Obersten  Richters  um  zwanzigtausend  Dirhem, 
das  erste  Beispiel  so  schändlicher  Verkäuflichkeit  im  Islam, 
und  Bachtiar,  als  es  ihm  an  Geld  mangelte,  zwang  den 
Chalifen,  seine  ganze  Garderobe  und  sein  Hausgeräthe  zu 
verkaufen,  und  zog  die  aus  der  Versteigerung  gelösten 
vierzigtausend  Dirhem  ein,  so  dass  man  sagte,  er  habe  den 
Chalifen  vergantet  ^ ).  Die  Karmathen  hatten  zwar  den 
schwarzen  heiligen  Stein  wieder  an  die  Kaaba  zurückgestellt, 
aber  hingegen  eroberten  die  Griechen  alle  Gränzfestungen 
des  Reichs.  Zu  Tarsus  verwandelten  sie  die  Moscheen  in 
einen  Stall  und  verbrannten  die  Kanzel;  Antiochien  und 
Haleb,  Edessa  und  ISissibiu  wurden  geplündert.  Dschewher, 
der  Feldherr  der  Fatimiten,  hatte  Aegypten  erobert.  So 
grosse  und  schwere  Unfälle  waren  durch  ausserordentliche  ^^ß 
INaturverheerungen  vorbedeutet  oder  von  denselben  begleitet  .957 
worden.  Erdbeben  verschluckte  die  Stadt  Thalkan  mit  allen 
ihren  Einwohnern,  bis  auf  dreissig*},  und  hundert  fünfzig 
Dörfer.  Die  Erde  warf  die  Gebeine  der  Todten  aus  und 
sprengte  heisses  Wasser  zum  Himmel  empor;  Kum  und 
Holwan  wurden  durch  Erdbeben  verwüstet;  die  Heuschreckeii 
verzehrten  nicht  nur  das  Gras  der  Fluren,  sondern  auch 
die  Blätter  der  Bäume;  das  Meer  trat  achtzig  Ellen  weit 
von  seinen  Ufern  zurück  *^  und  enthüllte  die  Naturwunder 
seines  Schooses ;  drei  Jahre  später  verschlang  es  das  Gepäck  '  349 
der  Pilgerkarawane,  die  ein  Wolkenbruch  demselben  zuge-  ^^^ 
schwemmt;  in  diesem  Jahre  wurde  Kreta  von  den  Griechen 
erobert.     Der   Sohn   Motii's    war    Thaai,   was  ebenfalls  ge- 


•)  Sojuti,  Munedschimbaschi.    *)  Nochbet.   ^)  Sojuti  und  Nodibet. 
*)  Muaedschiinbaschi. 


124  Zweites     Buch. 

horsam  bedeutet;  er  gehorsamte,  wie  der  Vater,  dem  Fürsten 
der  Belli  Biije,  die  sich  nun  mit  den  Türken  und  unter 
sich  um  die  Obervormundschaft  des  gehorsamen  Chalifen 
stritten;  doch  beobachtete  Adhadeddewlet,  der  grosse  Fürst 
der  Bujiden,  wenigstens  den  äusseren  Aiistand,  indem  er 
siebenmal  vor  dem  Chalifen  die  Erde  küsste,  während  Beha- 
eddewlet  den  Palast  des  Clialifen  plünderte,  ihn  selbst  durch 
zwei  Dilemiten  von  dem  Throne  reissen  liess  und  geblendet 
in  den  Kerker  verstiess.  Adhadeddewlet  hatte  zu  Bagdad 
Spital  und  Sternwarte  gebaut,  und  inmitten  der  finsteren 
Nacht,  welche  den  Thron  des  Chalifats  umdunkelte,  leuch- 
teten am  literarischen  Himmel  Gestirne  der  ersten  Grösse. 
Der  Dichter  Motenebbi,  der  Geschichlschreiber  Mesudi,  der 
Philosoph  Farabi  und  Ebidferedsch  von  Issfahan,  der  Ver- 
fasser der  grossen  Blüthenlese,  Aghani,  welcher  dem  Wesir 
Ibad  die  fünfhundert  Kameellasten  von  Büchern,  die  er  vor 
Erscheinung  derselben  mit  sich  zu  führen  pflegte,  ersparte. 
Kadirbiüah  ^"  ^^^  vierzigjährige  Regierung  Kadirbillah's,    des  fünf 

und  Kaim-  w"d  zwanzigsten  Chalifen,  des  Enkels  Moktedir's,  fällt  das 
bienirillah.  Ende  der  Herrschaft  der  Beni  Buje  und  der  Beginn  der 
Grösse  der  Sultane  von  Ghasna,  welche  aber  zu  ferne,  um 
unmittelbaren  Einfluss  auf  die  Schicksale  Bagdads  zu  nehmen. 
Nichtsdestoweniger  ertheilte  ihnen  der  Chalife  Ehrentitel, 
indem  er  dem  Vater  Sebugtegin  den  der  reckten  Hand  des 
Hofes  und  des  Intendanten  des  Volkes  ^^  beilegte,  wie  die 
Fürsten  derBuje  der Bewahrer"^^,  der  ^/-m'^,  der Ruhm*)^ 
der  Adel^^^  das  Schwert  ^^^  der  JFerth''^,  die  Säule^^ 
und  die  Ehre^')^  der  Feredler^°),  die  Erhabenheit^^)  des 
Reichs  und  des  Hofs  geheissen  hatten;  fünf  und  vierzig  Jahre 
alt,  als  er  den  Thron  bestieg,  füllte  Kadir,  d.  i.  der  Mächtige, 
denselben  vierzig  Jahre  lang,  wenn  nicht  mit  Macht,  doch  mit 
Anstand  und  Würde ,  war  genau  und  eifrig  in  Vollziehung 
der  vorgeschriebenen  Religionspfiichten  im  Gegensatze  seiner 

')  Eüiiueddewlet  we  eminol-nüllet.  -)  Moiseddewlet.  ^)  Adhad- 
eddewlet. ")  Fachieddewlet.  ^)  Scherfeddewlet.  **)  Ssamssaiiied- 
dewlet.  ")  Behaeddew  let.  »)  ImadcddCM iet.  »J  Iseddewlet.  ■")  Mo- 
schrifeddewlet.     ")  Dschelaleddewiet. 


Z  \v  e  i  t  e  s     B  u  c  li.  J25 

Vorfahren,  welche  Wüstlinge  und  Schlemmer,  schrieb  ein 
Buch  wider  die  Schismatiker,  welche  die  Lehre,  dass  der 
Koran  erschaffen,  vertheidigen,  welches  alle  Freitage  in  • 
der  Moschee  vorgelesen  ward ;  nur  wurde  seine  lange  Re- 
gierung häufig  durch  die  blutigen  Streitigkeiten  der  Sunni 
und  Schii  getrübt,  weil  er  die  letzten  auf  Kosten  der  ersten 
begünstigte.  In  dem  ersten  dieser  Religionsaufruhre  wurde 
der  Wesir  Behaeddewlet  erschlagen,  weil  er  die  Todten-  f.  j,  3S3 
feier  des  Martyrthums  Husein's  abstellen  wollte.    Neun  Jahre  992 

hernach  empörten  sich  die  Ketzer,  indem  sie  die  Einführung 
eines  neuen  Festes,  nämlich  des  schiitischen  des  Teiches, 
durchsetzten').     Zehn    Jahre   hernach,    im   selben,    wo  ein  '^^9 

heftiges  Erdbeben    die  Stadt  dreimal ,  und  Hakimbiemrillah  '^•^'* 

die  Kirche,  das  heilige  Grab  zu  Jerusalem  in  Schutt  ver- 
wandelte, schlugen  sich  die  Sunni  und  Schii  in  den  Strassen 
von  Bagdad.  Neun  Jahre  später  wurden  die  Ketzer  za 
Wasith  von  den  Sunni  geschlagen  und  die  Kuppel  der  grossen 
Moschee  zu  Jerusalem  stürzte  ein.  Schon  im  nächsten  Jahre 
entbrannte  der  Kampf  zwischen  ihnen  so  heftiger  zu  Bagdad; 
und  abermals  nach  dreizehn  Jahren  schlugen  sie  sich  wegen 
des  Festes  Aaschiiraj,  d.  i.  des  Trauerfestes  Husein's.    Ausser  1030 

dieser  so  oft  wiederholten  blutigen  Polemik  wurde  Bagdad 
von  Zeit  zu  Zeit  durch  Diebsbanden  beunruhigt,  so  dass 
Niemand  seines  Eigenthums  sicher'^).  Nichtsdestoweniger 
brachte  es  Kadir  dahin,  dass  die  Beni  Okail  in  Syrien  das 
Kanzelgebet  auf  seinen  Namen  und  nicht  auf  den  der  Fati- 
raiten  verrichteten,  deren  angeblicher  Ursprung  von  Ali,  zn 
Bagdad  öffentlich  in  den  Schulen  angegriffen  ward.  Die 
Gleichzeitigkeit  Firdewsi's  und  Kabus  Schemsolmaalis,  des 
Dilemiten,  wie  die  Hamdaus,  des  Musters  der  Beni  Ilamdan, 
und  Aüicenas  verherrlichte  die  vierzigjährige  Regierung 
Kadir's  nicht  minder,  als  die  fünf  und  vierzigjährige  seines 
Sohnes  Kaimbie?nrillah's,  d.  i.  des  auf  Befehl  Gottes  Aufrecht- 
stehenden,   durch  das  Aufsteigen  Toghriil's,    des  Gründers 

•)  S.  Garcin  de  Tassy  und  S.  de  Sacy's  Anthologie,  ^)  In 
Uadschi  Chalfa's  chrono].  Tafeln  i.  J.  397,  4l7,  424  5  im  Mune- 
dschimhaschi  i,  J.  384  (994). 


i.  J. 

407 

i.  J. 

iOiß 
40S 

i.  J. 

1017 
421 

i.  J.  402 

löir 


126   °  ZweiteeBucb. 

der  Dynastie  der  Seldschuken,  als  Beginn  einer  neuen  Epoche, 
indem  die  Vormundscliaft  der  Chalifen  von  dem  Hause  Buje 
in  das  der  Seldschuken  überging.  Toghrul,  von  dem  Cha- 
lifen um  Schutz  wider  den  übermächtigen  Türken  Besasiri 
angefleht ,  gewährte  denselben  ,  aber  gegen  die  Belehnung 
mit  der  Herrschaft  des  Ostens  und  Westens  mittels  zweier 
Kopfbünde,  zweier  Schwerter,  siebeu  Fahnen  und  sieben 
nacheinander  angelegter  Ehrenkleider ,  während  der  Chalife 
auf  sieben  Ellen  hohem  Throne  sass.  Der  Chalife  vermählte 
sich  mit  der  Nichte  Toghrul's  und  dieser  nahm  die  Tochter 
des  Chalifen  zur  Frau,  starb  aber  vor  Vollzug  der  Hochzeit 
siebzigjährig.  Zwei  Kometen'),  Erdbeben,  Huugersn5>th, 
Meeresebbe  und  üeberschwemmungen  verkündeten  und  be- 
gleiteten diesen  neuen  Umschwung  der  Herrschaft  des  Ostens 
und  Westens.  In  Aegypten  und  Palästina  spie  die  Erde 
Wasser '^^,  das  Meer  zog  sich  auf  einen  Tag  weit  von  den 
Gestaden  zurück  und  verschlang  in  unvermutheter  Rückkehr 
die,  welche  in  seinen  aufgedeckten  Tiefen  nach  Schätzen 
suchten^).  Die  Hungersnoth  in  Aegypten  war  so  gross, 
dass  seit  des  ägyptischen  Joseph's  Zeit  keine  grössere  ge- 
dacht ward  "*)  und  die  Stärkeren  die  Schwächeren  ohne 
Scheu  auffrassen ;  durch  zwei  üeberschwemmungen  des 
Tigris*)  wurden  über  hunderttausend  Häuser  verwüstet. 
Solche  Zeichen  mussten  die  Herrschaft  der  Türken  über 
Vorderasien  verkünden;  aber  ausserdem  ward  Bagdad  noch 
durch  Diebesbanden  und  die  Religionskämpfe  der  Sunni  und 
Sehii  verwüstet;  diese  fügten  zum  Gebetausruf  die  Formel: 
Auf!  zu  guten  Werken  1*^^  bei  und  schrieben  auf  ihre  Boll- 
werke:  Mohammed  und  Ali  sind  die  bessten  der  Geschöpfe; 
ftber  vollzieht,  ist  dankbar,  wer  sich  dessen  weigert,  un- 
dankbar; die  Sunni  widersetzten  sich;  die  Grabmäler  der 
Imame  Mtisd  und  Takki  wurden  ihrer  goldenen  Leuchter 
und  Lampen  beraubt,  die  Schreine  aus  Ebenholz  angezündet; 
sie  verbrannten  auch  die  Grabdome  des  Chalifen  Emin  und 


')  Im  J.  443  (1051)  und  458  (1065).  ^)  4S0  (1067);,  Nochbet. 
»)  Nochbet.  *)  I.  J,  462  (1069)  j  Nochbet.  *)  l.'J.  466  (1073)  und 
i.  J.  454  (1061).    «)  Hei  ala  chairil  animel. 


Zweites     Buch.  127 

seiner  Mutter  Soheide ,  die  der  Bujiden  Mvü  und  Dsche- 
laleddewlet  *^ ;  die  Moscheen  der  Hanefiten  wurden  von 
den  Schiiten  geplündert.  Sie  unterliessen  dafür  das  Kanzel- 
gebet für  den  Cliaiifen ,  weil  er  sie  zu  schützen  nicht  im 
Staude,  nicht  Chalife  und  Imam  zu  heissen  verdiene.  Doch 
hatte  er  vor  seinem  Ende  den  Trost,  dass  der  Scherif  von 
Mekka  das  Kanzeigebet  nicht  mehr  auf  den  Namen  der 
Fatimiten-,  sondern  auf  den  der  Beni  Abbas  verrichtete; 
und  unter  seiner  Regierung  erhob  sich  zu  Bagdad  die  erste, 
vom  grossen  Wesire  Melekschah's  von  Nisaraeddin  gestiftete 
hohe  Schule  Nisam/'je'^^. 

Mit  Äloktefi,  dem  Sohne  Kaimbiemrillah's,  dem  sieben  j)/^  Chalifen 
und  zwanzigsten  Chalifen,  welcher  zwanzigjährig  den  Thron  Muktefi, 
bestiegen ,  setzte  sich  auf  denselben  in  Chuaresm  Itsis,  einer  -^ostadhir. 
der  Emire  Melekschah's,  der  Gründer  der  Dynastie  der 
Chuaresmschahe,  die  erst  ein  Jahrhundert  später  zum  Gipfel 
der  Macht  emporstieg.  lisis  liess  das  Freitagsgebet  wieder 
auf  den  Namen  des  Chalifen  aus  dem  Hause  Äbbas,  statt  auf 
den  der  Fatimiten,  verrichten.  Moktell  vermählte  sich  mit 
der  Tochter  seines  Scliirmvogtes,  des  grossen  Sultan's  der 
Seldschuken,  Melekschah.  Die  Hochzeit  war  die  glänzendste, 
welche  Bagdad  seit  der  berühmten  31amun's  mit  der  Tochter 
seines  Wesirs  Sehl  gesehen;  der  grosse  Wesir  Nisamolmülk 
mit  zweitausend  Reitern  begleitete  die  Braut;  hundert  vier 
und  dreissig  Reihen  von  Kamelen  (jede  Reihe  zu  sieben) 
trugen  den  Brautschatz,  in  weichem  die  juwelenbesetzten 
Pantoffeln  das  Hauptstück.  Die  Hochzeit,  sowie  ein  Paar 
Jahre  hernacji  das  Geburtsfest  des  Sohnes  Dschaafer  aus 
der  Frau  Turkjan,  wurde  mit  grossen  Festen  gefeiert;  dem 
letzten  wohnte  Melekschah  in  eigener  Person  bei  und  legte 
bei  dieser  Gelegenheit  den  Grund  der  nach  seinem  Namen 
•  genannten  Moschee  Bagdad's.  Nach  Verlauf  eines  Jahres 
zertrugen  sich  der  Chalife  und  die  Tochter  Melekschah's, 
welche  zu  ihrem  Vater  nach  Issfahan  zurückkehrte,  weil 
Moktefi   statt  ihres  Sohnes  Dschaafer's  den  Mostadhir   zum 


»)  Nochbet.    2)  I.  j.  459  (io66). 


128  Z\roitas    Buch. 

Thronerben  ernannte.  Melekschah  forderte,  dass  der  Chalife 
die  Erbfolge  an  seinen  Enkel  Dschaafer,  den  Sohn  Turkjan's, 
übertrage,  und  war  eben  im  BegriflFe,  ihm  dieses  Farailien- 
gesetz  mit  gewaffneter  Hand  aufzuzwingen  ,  als  er  vergiftet 
starb ,  was  von  Bagdads.  Einwohnern  der  Wirkung  des  him- 
meldurchdringenden   Gebetes    des    Chalifen    zugeschrieben 

'^^'^  ward.  Moktefi  überlebte  ihn  nur  drei  Jahre  und  hatte  seinen 
sechzehnjährigen    Sohn    Mostadhir    zum   Nachfolger.     Zwei 

^^•^  Jahre  nach  seiner  Thronbesteigung  ward  ganz  Asien  durch 
den  Schrecken  der  Astronomen  über  den  Verein  der  Pla- 
neten,  den  Saturnus  ausgenommen,  im  Zeichen  des  Fisches 
mit  Vorhersagungen  von  Sündfluth  aufgelärmt,  indem  zur 
Zeit  der  Sündfluth  alle  sieben  Planeten  im  Fische  gestanden 
haben  sollen ;  wirklich  schwemmte  ein  Wolkenbruch  das 
Gepäck  der  Pilgerkarawane  fort  ;  aber  verderblicher  als 
diese  üeberschwemmung  war  die  der  Kreuzfahrer,  deren 
Fluth  bald  hierauf  an  den  syrischen  Gestaden  emporbrandete. 

499        Ein    Comet    von    einer    Grösse,    dessgleichen    nie   gesehen 
ilOö        worden ,  galt  als  Vorzeichen  des  ungeheueren  Brandes,  dess- 
gleichen  Bagdad    noch  nicht  erlebt  hatte,    und  in  weichem 
nebst   dem    Palaste    des    Chalifen  die  hohe  Schule  IVisamol- 

511        mülk's    und  die  ganze  Flussseite  der  Stadt  in  Asche  gelegt 

i^'^  ward;  was  vom  Brande  übrig  geblieben,  zerstörte  ein  Erd- 
beben. Brand  und  Erdbeben  mussten  den  Tod  Mohammed- 
schah's  des  Seldschuken  und  des  Chalifen  vorbedeutet  haben, 
welche  bald  hierauf  im  Zwischenräume  von  wenigen  Monaten 
starben.  Es  war  das  dritteraai,  dass  der  Tod  des  Chalifen 
mit  dem  seines  seldschukischen  Schirravogtes  fast  zusammen- 
fiel; Sultan  Alparslan  war  zwei  Jahre  vor  dem  Chalifen 
Kaim^^^  Sultan  Melekschah  zwei  Jahre  vor  dem  Chalifen 
Mokteß^^  und  jetzt  Sultan  Mohammed  nur  einige  Monate 
vor  dem  Chalifen  Mostadhir  gestorben,  und  sowohl  die  drei . 
Sultane  als  die  drei  Chalifen  gehörten  unter  die  grössten 
und  bessten  Herrscher  ihres  Hauses  Q.     Mostadhir,  beredt, 

■)  Alparslan  i.  J.  465  (1072);  Kaiinbiemrillali  i.  J.  4(37  (1074). 
2)  Melekschah  i.  J.  485  (1002);  Moktefi  i.  J.  4ö7  (1U94).  ^)  Das 
Nochbet  nach  dem  lkdol-df>cheman  Ibnol-dschewsi's. 


Zweites     Buch.  I29 

• 

freigebig  und  Schönschreiber,  machte  den  Bewohnern  Bagdads 
angenehme  und  fröhliche  Tage,  indem  seine  vier  und  zwanzig- 
jährige Regierung  im  Ganzen  eine  ruhige,  während  die 
siebzehnjährige  seines  Sohnes  und  Nachfolgers  Mosterschid 
das  Gegentheil  durch  die  Thronnebenbuhlerschaft  der  beiden 
Seldschuken,  Mahmud  und  Mesud ,  von  denen  Mosterschid 
jenen  als  Oberherrn  anerkennend  mit  sieben ,  diesen  nur  mit 
zwei  Ehrenkleidern  bekleidete.  Mesud  überzog  in  der  Folge 
den  Chalifen  mit  Krieg,  belagerte  Bagdad  und  nahm  ihn 
gefangen;  als  aber  sein  Oheim  Sindschar  solche  Verletzung 
der  dem  Oberhaupte  des  Islams  schuldigen  Ehrfurcht  hoch 
raissbilligte ,  setzte  er  ihn  in  Freiheit  und  ging  sogar  vor 
dessen  Pferde,  die  Safteldecke  desselben  tragend,  einher. 
Ein  Feuerregen  zu  Mossnl  und  fliegender  Skorpionen  zu 
Bagdad,  an  deren  Bissen  Viele  starben,  gingen  dem  ge- 
waltsamen Tode  des  Chalifen  voraus,  der  unter  dem  Dolche  ^ 
der  Ässassinen  fiel.  Sie  hatten  ihn  zu  ihrem  Opfer  auser- 
sehen, weil  er  ihnen  feindj  ein  tugendhafter  Fürst,  ausge- 
zeichneter Schönschreiber,  Rechtsgelehrter  und  ütberlie- 
ferer,  in  dessen  Gegenwart  Lesungen  der  Ueberlieferungen 
gehalten  worden.  Unter  seiner  Regierung  wurden  zu  Hebron 
in  einer  Felsenhöhle  Leichname  entdeckt,  welche  für  die 
Abraham's,  Isak's  und  Jakob's  galten,  deren  Gräber  seitdem 
dort  der  Gegenstand  mosliraischer Verehrung;  und  zu  Bagdad 
fiel,  was  vordem  und  seitdem  unerhört,  mannstiefer  Schnee, 
der  vierzehn  Tage  liegen  blieb  '). 

Raschid'),    der    Sohn    Mosterschid's,    der    dreissigste  D?«  C/(rt??/f« 
Chalife,    trat   keineswegs   in   seines  Vaters  und  Grossvaters  ^«'^'^'"'^ '^"'^ 
Fussstapfen;  wider  Sultan  Mesud  lehnte  er  sich  auf,  indem      ^""'f^'^A- 
er  das  Kanzelgebet  zu  Bagdad,  statt  auf  dessen  Namen,  auf 
den  David's,   des  Neff"en  Mesud's,    verrichten  liess.     Mesud 
plünderte    dafür    Bagdad    mit  solcher  Raubsuc^t,    dass  den 
Frauen    und   Sklavinnen    sogar    die    Halsbänder  und  Ohrge- 
hänge weggerissen  wurden;  durch  sechzehn  Tage  und  Nächte 

')  I.  J.  514  (112)).     2)  Re,  Elit  und  folglich  Raschid,   uud  niclit 
Raschid,  was  der  Beiname  Haiun's. 

flanimeij  Gescliichfe  der  Ucliane.    I.  9 


130  Zweites      B  u  c  ii. 

bebte  die  Erde  zu  Bagdad,  und  schon  eilf  Monate,  nachdem 
er  den  Thron  besh'cgen,  dessen  ihn  die  Richter  und  Uechts- 
geiehrten    durch    ein  Fetwa    als  uiit'ähig   erliJärten ,   fiel  er, 
wie   sein  Vater,    unter    MeuchlerdoicJi.     Das  Reich  war  so 
gesunken  und  verarmt,  dass,  als  Raschid's  Nachfolger,  sein 
V'etter  Moktefl,    der    Sohn    Mostadhir's,    den    Chaiifenstuhl 
bestieg,  ihm  kein  Einkommen  blieb,   als  der  Ertrag  seiner 
Privatgüter;    aber    auch    diesen    liätte    er   nicht   eintreiben 
können,  wenn  ihm  nicht  die  Sklaven  Mesud's  dazu  verhelfen 
hätten.    Er  vermählte  sich  mit  der  Schwester  Sultan  Mesud's, 
weiche    ihm    hunderttausend    Dukaten    als    Heirathsgut   zu- 
brachte;   aber  vierzehn  Jahre  hernach,    als  die  Araber  der 
Wüste    die    ganze  Pilgeikarawane  plünderten  und  gefangen 
nahmen,  musste  die  Gemahlin  desChalifen,  welche  sie  ge- 
fangen   behielten,    um    hunderttausend     Dukaten    losgekauft 
werden,  so  dass  das  lleirathsgut  als  Lösegeld  aufging.    Hierauf 
sandte  ihm  Sultan  8indt<char,  der  Oheim  JVJcsud's,  den  Mantel 
und  Aew  Stab    des  Propheten,    welchen  Mesud,    als  er  den 
Chalifen  Mosterschid  gefangen  genommen,    dem  Oheim  ge- 
sandt.    Moktefi    hatte "  während    seiner    vier    und    zwanzig- 
jährigen    Regierung     mit    Widerwärtigkeiten    aller    Art    zu 
kämpfen.     Die  ]\aturbegebenheiten  sciiienen  sicli  wider  ihn 
verschworen  zu  haben,  wie  die  Emire  Sultan  Mesud's,  u  eiche 
Bagdad  belagerten  und  verheerten.     Ein  Erdbeben,  in  wel- 
chem dreissigtausend  Menschen  zu  Grunde  gingen,  verschlang 
•^'^^        die  Stadt  Hire,  an  deren  Stätte  schwarzes  Wasser  aufquoll; 
'^'^•^        in    Syrien    zählte    man    in    Einer    Nacht    achtzig    Erdstösse ; 
Orkane   und  Wolkenbrüche    verheerten    Kleinasien    und    ein 
Comet  zog  flammend  von  Osten  gegen  Westen.     Zu  Bagdad 
rettete   sich    der    Chalife   nackt    aus  den  Flammen,    welche 
den    kaum    aufgebauten   Palast   mit   der  ganzen  Einrichtung 
^_^43        verzehrten.     In  Arabien    regnete  es  Blut;    aber    mehr  noch 
m<^        als  alle    diese    Naturerscheinungen   bedrängte   den   Chalifen 
der   Druck    seines   Schwagers   Schirmvogtes   Mesud;    wider 
denselben  blieb    dem    Unterdrückten    keine    Wafle,    als  der 
himmeldurchdringende  Pfeil  des  Gebetes;  diesem  ward  der 
gäbe  Tod  Mesud's  zugeschrieben,  durch   welchen  nicht  nur 


itöii 


Zweites     Buch.  131 

Mokteii  seines  Drängers  ledig,  sondern  auch  das  nun  schon 
dreihundert  Jahre  auf  dem  Chalifate  schwer  lastende  Joch 
türkischer    Sklaverei     für    immer  zerschlagen    ward ;    eine  ^^^ 

höchst  günstige  Begebenheit,  wodurch  die  Chalifen  wieder 
ihre  Unabhängigkeit  genossen,  welche  sie  seit  der  Einfüh- 
rung der  türkischen  Sklaven  unter  Moteaassim  verloren 
hatten.  Doch  nützte  ihnen  dieselbe  nicht  viel,  da  das  Reich 
zerstücket,  ihre  Herrschaft  nur  auf  das  Grabmal  von  Bagdad 
und  einige  Städte  des  arabischen  Irak  beschränkt  war  und 
die  Macht  der  Chuaresmschahe  drohend  emporwuchs.  In- 
dessen ist  diese  Epoche  doch  eine  sehr  merkwürdige  in  der 
Geschichte  des  Chalifats,  welches  in  dem  letzten  Jahrhun- 
derte seines  Daseins  keinen  Schirmvogt  anerkannte.  iVIoktefi 
selbst  benützte  den  ersten  freien  Odemzug,  den  ihm  der 
Tod  Mesud's  gewährte,  zur  Belagerung  von  Tekrit  und 
einem  Streifzuge  wider  die  in  der  Gegend  herumziehenden 
Turkmanen,  denen  er  viermalhunderttausend  Schafe  und 
grosse  Beute  abnahm  und  damit  zu  Bagdad  einzog.  Suleiman, 
der  Sultan  der  Seldschuken  Rum's,  kam  nach  Bagdad,  um 
aus  der  Hand  des  Chalifen  den  Titel  der  Herrschaft  und 
den  Befehl  zur  Eroberung  des  Gebirgslandes  zu  empfangen. 
Das    Erdbeben,    das   im    folgenden   Jahre    acht   Städte    der 


Moslimen    und    füi>f  der  Franken  in  Syrien  verheerte,    war 

eines  der  schrecklichsten;    die   EinN\ohner  Hamid's  wurden 

alle  erschlagen,  zu  Schetser  blieb  nur  ein  Weib,  zu  Kefrtab 

keine    Seele    lebendig.     Zu  /iptmiea^    Himss ,    Maarret  und 

Teil  Hamdaii  wurde  die  Hälfte  der  Einwohner  verschüttet, 

die   von    Hossn    Ekrad    und    Arka    gingen    alle   zu  Grunde, 

Niemand    wollte   innerhalb    der    Mauern    bleiben,     und    die 

Uebriggebliebenen  suchten  Kettung  im  Freien.    Im  folgenden 

Jahre  verwüstete  die  üeberschwemraung  des  Tigris  dreissig- 

tausend  Häuser    von  Bagdad    und    Hagel  in  der  Grösse  von 

Hühnereiern    und    den   seltsamsten  Figuren  ging  dem  Tode 

des  sechs  und  sechzigjährigen  Chalifen  voraus. 

Die  Periode  der  Unabhängigkeit  der  Chalifen  von  dem     '^'^     ^ 

.  .     ^  des  Chn- 

scit  Mesud's  Tode  abgeschüttelten  Joche  der  seldschtikischen  i^f^fg  .  ji/^i.^. 

Vügtschaft   ist   in    keiner   der   bisherigen  europäischen  Ge-    tendschid. 

9* 


132  Zweites     Buch. 

schichten  des  Chalifats  gehörig  hervorgehoben ,  kaum  mit 
ein  Paar  Worten  über  den  Charaicter  der  Gemahlin  Moktefi's 
angedeutet  worden');  diese,  welche  Taus,  d.i.  Pfau,  hiess, 
flösste  ihrem  Gemahle  den  hohen  Sinn  und  den  Muth  ein, 
sich  von  der  schmählichen  Oberherrschaft  der  Türken,  unter 
denen  die  Chalifen  durch  drei  Jahrhunderte  geschmachtet, 
loszusagen.  Das  letzte  Jahrhundert  der  Dauer  des  Chalifats 
war  also  ein  für  dasselbe  ehrenvolleres,  als  die  drei  ver- 
flossenen, indem  die  letzten  sechs  Chalifen  keine  Obervogt- 
schaft anerkannten  und  selbst  ihre  Heeresmacht  wieder  zu 
einer  Höhe  brachten ,  wodurch  sie  in  den  Stand  gesetzt 
wurden ,  nicht  nur  die  Anmassungen  der  Chuaresmschalie 
auf  gleiche  Vogtschaft  zurückzuweisen ,  sondern  sogar  Em- 
pörungen niederzuschlagen  und  ein  Paar  dem  Chalifate  längst 
entrissene  Landschaften  demselben  wieder  einzuverleiben. 
Die  Ursache  des  gänzlichen  Ruines  des  Chalifat»  ist,  ausser 
der  Alles  vor  sich  in  den  Staub  tretenden  üebermacht  der 
Mongolen,  hauptsächlich  die  Unterthänigkeit  des  letzten  Cha- 
lifen aus  dem  Hause  Abbas,  >velchen) ,  wenn  er  in  die  Fuss- 
stapfen  seiner  fünf  unmittelbaren  Vorfahren,  und  namentlich 
in  die  Nassir billah's,  getreten  wäre,  es  wohl  hätte  gelingen 
können,  die  Macht  der  Mongolen  von  den  Mauern  Bagdads 
zurückzuschlagen,  wie  diess  ein  Paarmal  seine  Vorfahren 
mit  MutJi  und  gutem  Glück  gelhan.  Die  Periode  der  vor- 
letzten fünf  Chalifen  gehört,  wenn  nicht  unter  die  schönsten 
Zeiten  des  Chalifats  aus  dem  Gesichtspunkte  des  Glanzes 
und  der  Macht,  doch  unter  die  bessten  und  ehrenvollsten 
Tage  desselben,  aus  dem  Gesichtspunkte  äusserer  Jochent- 
lastung und  Unabhängigkeit  und  innerer  Ruhe  und  Sicherheit 
betrachtet.  Der  Zeitraum  der  fünf  und  achtzig  Jahre,  welcbe 
unter  den  vorletzten  fünf  Chalifen  verflossen,  kann  mit  einigem 
Fuge  dem  Zeiträume  der  neun  und  achtzig  verglichen  wer- 
den, in  welchem  Rom  unter  der  Herrschaft  Trajan's,  Ha- 
drian's  und  der  Antonine  aufathmete ,  das  vorige  Weltreich 
wieder   einigen    Ansehens,    die    Menscliheit    wieder  einiger 


■)  Rampolili  VII.  289. 


Zweites      Buch.  133 

Rulie  geno89.  Der  Name  Mostendschid ,  der  mehrere  Be- 
dentungen  hat,  kann  in  zweien  dieser  Bedeutungen  für  den 
geschichtlich  bezeichnenden  seiner  Herrschaft  gelten.  Mos- 
tendschid heisst  sowohl  der  einen  Vertheidiger  Suchende, 
alij  ein  nach  überstandener  Krankheit  seine  Kräfte  Sam- 
melnder. Er  hoffte  in  dem  syrischen  Atabegen  einen  Ver- 
theidiger des  Chalifats  zu  finden;  eine  Hoffnung,  die  nicht 
durch  Nvreddin,  der  selbst  mit  dem  ägyptischen  Chalifen 
im  Kampfe  lag,  wohl  aber  unter  Ssalaheddin,  dem  ersten 
Herrscher  des  mächtigen  Hauses  Ejub ,  unter  Mostadhir, 
dem  Nachfolger  Mostendsckid's ,  durch  den  Sturz  des  Cha- 
lifen Nebenbuhlers  in  Aegypten  und  durch  die  (Jebertragnng 
des  Kanzelgebetes  von  ihrem  Namen  ayf  den  der  Familie 
Abbas  eiuigermassen  erfüllet  ward.  Mostendschid ,  ein  ge- 
rechter, gebildeter  und  energischer  Fürst,  hob  die  von  seinem 
Vorfahrer  zum  Ruin  des  Handels  eingeführten  drückenden 
Stempelgefälle  auf,  verbot  die  scholastischen  Vorlesungen 
über  metaphysische  Werke  und  entriss  den  Händen  der 
Bern'  Mesud  die  der  Stadt  des  Heiles  so  nahe  gelegenen 
Hille  j  Kufa  und  Enbar. 

Mostendschid's  Sohn  und  Nachfolger,  Mostadhir  d.  i.  Mostitdhi 
der  Erfeuchtung  Suchende,  schritt  während  seiner  neun- «nrf  IVassir- 
jährigen  Regierung  auf  dem  von  seinem  Vater,  während  Hdiniliufi. 
seiner  eilfjährigen  ,  betretenen  Pfade  fort.  Dem  Gründer 
der  Grösse,  des  Hausses  Ejub,  dem  grossen  Ssalaheddin, 
welcher  der^Herrschaft  der  Chalifen  Nebenbuhler  in  Aegypten 
ein  Ende  gemacht  und  das  Kanzelgebet  wieder  auf  den  Namen 
der  Chalifen  aus  dem  Hause  Abbas  übertragen,  sandte  er 
Ehrenkleider  und  ein  höchst  ehrenvolles  Diplom  mit  glän- 
zenden Titeln  und  Geschenken.  So  ward  nun  wieder  in 
Aegypten  und  Arabien  der  Chalife  Bagdad's  von  den  Kanzeln 
als  der  rechtmässige  erkannt.  Grössere  Kräfte,  als  unter  den 
nur  zwei  Jahre  füllenden  Regierungen  Mostendschid's  und 
Mostadhi's,  sammelte  dasChalifat  unter  der  sechs  und  vierzig- 
jährigen Nassirlidinillah's _,  d.  i.  des  Helfers  der  Religion 
Gottes,  welchem  bald  nach  dem  Antritte  seiner  Regierung 
die  Freude  ward ,   dass  nach  dem  Sturze  der  Beni  Omeije 


J34:  Zweites     Buch. 

in  Spanien  nun  auch  dort  von  den  Herrschern  aus  der  Fa- 
milie Abdol  IVIumin  das  Kanzelgebet  auf  den  Namen  des 
Chalifen  aus  dem  Hause  Äbbas  verrichtet  ward ,  eine  frohe 
Botschaft,  weiche  so,  wie  unter  Mostadhi  die  von  der  Ver- 
änderung des  Kanzelgebetes  in  Aegypten  und  Arabien,  zu 
Bagdad  mit  Freudenfesten  gefeiert  ward.  Während  Ssalah- 
eddin  die  heih'ge  Stadt  der  Herrschaft  der  Christen  entriss, 
eroberte  der  Chalife  die  am  Euphrat  gelegenen  Schlösser 
Aana  und  Hadise  wieder  dem  Reiche  zurück,  das  sich  nun 
wenigstens  wieder  über  den  grössten  Theil  Mesopotamiens, 
von  den  Ufern  des  Tigris  bis  an  die  des  Euphrats,  und  über 
Chusistan  erstreckte,  dessen  Schlösser  der  Wesir  Ibnol  aththar 
wieder  der  Macht  des  Chalifen  unterwarf.  Den  Triumph 
Nassir's  vollendete  der  gänzliche  Ruin  der  persischen  Sel- 
dschuken,  vormaligen  Schirmvögten,  indem  Sultan  Tekesch 
der  Chuaresraschah  den  Kopf  des  von  ihm  besiegten  letzten 
persischen  Seldschuken  Toghrulschah  dem  Chalifen  nach  Rei 
sandte,  wo  derselbe  an  der  Moschee  als  Trophäe  aufge- 
hangen ward.  Den  Gesandten  des  Sultans,  welcher  die 
Vogtschaft  Bagdads,  welche  jetzt  die  Seldschuken  besassen, 
nun  für  sich  begehrte,  entliess  er  ohne  Antwort.  Chuaresra- 
schah stellte,  um  die  Weigerung  zu  rächen,  das  auf  den 
Namen  Nassir's  verrichtete  Kanzelgebet  ab  und  ernannte 
sogar  einen  Gegen -Chalifen  in  der  Person  des  Seid  Alaeddin 
von  Tirmid,  dem  er  als  Chalifen  huldigen  iiess.  Nassir 
sandte,  um  den  Sultan  auf  bessere  Gesinnungen  zn  bringen, 
den  grossen  Scheich  Schihabeddin  Suhrwerdt,  der  ihn  zu 
Hamadan  traf.  Der  Sultan  empfing  ihn  verächtlich,  indem 
er  ihn  nicht  einmal  niedersetzen  hiess ;  und  als  der  gelehrte 
und  beredte  Scheich  in  einer  langen  Rede  die  Stellen  der 
Ueberliefernng  zu  Gunsten  des  Hauses  Abbas  und  die  Herr- 
scheftugenden Nassir's  gepriessen,  antwortete  der  Sultan: 
Alles  dieses  passt  nicht  auf  Nassir ;  ich  ziehe  nach  Bagdad, 
um  dort  einen,  der  wirklich  alle  von  dir  hergezählten  Eigen- 
schaften besitzt,  als  Chalifen  einzusetzen.  Er  rückte  gegen 
Bagdad  vor,  welches  Nassir  noch  vor  kurzem  mit  einer 
Mauer  umfangen  hatte,   welche   die   Stadt  wohl  schwerlieh 


Z  w  e  i  t  e  s     B  u  c  li.  1äj5 

vor  der  üebermacht  des  Sultans  gerettet  hätte.  Diesen  bewog 
ein  nngeheures  Schneegestöber  zum  Rückzuge,  indem,  als 
er  nach  Holwan  gekommen ,  es  zwanzig  Tage  ununterbrochen 
schneite,  so  dass  der  Schnee  so  hoch  als  die  Zelte,  das 
Heer  durch  ungeheueren  Verlust  an  Menschen  und  Thieren 
schwächte.  Diese  Naturbegebenheit  war  für  Bagdad  erfolg- 
reicher, als  einige  andere  frühere  ausserordentliche  Kr- 
scheinungen  ;  diese  waren  der  Verein  der  sieben  Planeten  i.  J-  383 
im  Zeichen  der  Wage,  woraus  die  Astronomen  ungeheuere  ^'^6* 

Orkane    für    die    Nacht    der    Vereinigung    vorausgesagt;    in 
derselben    herrschte    aber    so    grosse    Windstille,    dass    die 
Lampe    auf    der    Sternwarte    in    freier    Luft   unausgelöscht 
brannte,  zu  grosser  Beschämung  der  Astronomen.     Sechzehn     .   j    ,gg 
Jahre  hernach  flammte  eine  ganze  Nacht  voll  fallender  Sterne,  JgöF 

die  nach  allen  Richtungen  hin  und  herschossen,  eine  Er- 
scheinung, die  durch  ähnliche  in  unseren  Tagen  genauer 
beobachtete  beglaubigt  wird.  Nassir  hatte  den  Chalifenpalast 
zu  Bagdad  abbrechen  lassen ,  aber  ausser  der  Stadtmauer 
viele  Moscheen  und  Medreseen  und  ein  Speisehaus  für  die 
Armen  gebaut;  die  erste  Anstalt  dieser  Art,  welcher  die 
Geschichte  des  Islams  erwähnt.  Nassir  war  ein  besonders 
in  der  üeberlieferung  gelehrter  Fürst  und  hinterliess  über 
dieselbe  ein  Werk,  das  den  Titel:  Geist  des  Erkennenden^^ 
führt;  aber  Nassir  war  auch  ein  harter,  habsüchtiger  Fürst, 
dessen  Gier,  Schätze  zu  sammeln,  keine  Gränzen  kannte, 
der  die  Unterthanen  durch  Gelderpressungen  drückte  und 
das  Heer  der  Finanzbeamten  noch  mit  einem  Heere  von 
Ausspähern  vermehrte.  Von  den  Kanzeln  ,  wo  ehe  für  die 
Chalifen  des  Hauses  Omeije  in  Andalus,  dann  für  die  des 
Hauses  Fatima  in  Aegypten  als  Chalifen  gebetet  worden, 
wurde  nun  das  Kanzelgebet  wieder  auf  den  Namen  Nassir's 
verrichtet,  so  auch  in  Hidschas  und  Jemen,  in  Chorasaii 
und  Masenderan  und  in  Indien  auf  den  Namen  Nassir's,  als 
des  einzigen  rechtmässigen  Chalifen  des  Islams. 


')  Ruhol-aarifiii 


13ß  Zweites     Buch. 


Stthirbiem-  Ogr  Sohn  und  Nachfolger  NassirlidinilJah's,  der  Chaiife 

ritlah  und 

Mostanssir. 


Sahir bie?nrillah,  d.  i.  der  Offenbare  durch  Gottes  Befehl, 
war  vor  allen  Chalifen  aus  dem  Hause  Abbas  seines  Bei- 
namens werth,  nach  dem  Zeugnisse  der  Geschichtschreiber, 
dass  seit  Omar  el-assis,  dem  wegen  seiner  Frömmigkeit  und 
Gottesfurcht  berühmten  achten  Chalifen  der  Beni  Omeije, 
kein  Gerechterer  auf  bem  Chalifenstulile  gesessen.  Diesen 
guten  Klang  seines  Namens  dankt  er  dem  freigebig  ge- 
schenkten Golde  und  der  kurzen  Zeit  seiner  Regierung, 
indem  er  nur  neun  Monate  lang  den  Völkern  als  ein  Muster 
des  Chalifats  mehr  gezeigt  als  bewährt.  Er  stellte  bei  seiner 
Thronbesteigung  confiscirte  Grundstücke  ihren  Eigenthümern 
zurück,  sandte  dem  Richter  der  Richter  zehntausend  Dukaten 
zur  Bezahlung  der  Schulden  derer,  die  desshalb  im  Thurme 
Sassen ,  setzte  die  Kopfsteuer  von  Jakuba ,  welche  vormals 
nur  zehntausend  Goldstücke  betragen ,  unter  seinem  Vater 
aber  aufs  Siebenfache  gesteigert  worden  war,  wieder  auf 
die  obige  Summe  zurück  ,  liess  von  der  Gesammtsumrae  der 
Steuern  dreiraalhundert  fünfzigtausend  den  Unterthanen  nach 
und  vertheilte  am  Opferfeste  hunderttausend  Dinare  unter 
die  Gesetzgelehrten  und  Ssofi;  denen,  die  ihn  fragten,  warum 
er  sich  so  beeile,  Gutes  zu  thun ,  antwortete  er  mit  An- 
spielung auf  das  vorgerückte  Alter  von  ein  und  fünfzig 
Jahren,  in  welchem  er  den  Thron  bestiegen:  Ich  gleiche 
denen,  die  erst  Nachmittags  ihre  Buden  öffnen  und  sich 
also  beeilen  müssen,  wenn  ihr  Handel  Gewinn  tragen  soll; 
hindert  mich  also  nicht  in  guter  Handlungen  Handel.  In 
seine  Fussstapfen ,  als  ein  gerechter,  freigebiger  und  ge- 
lehrter Fürst ,  trat  sein  Sohn  und  Nachfolger  Mostanssir- 
billah,  d  i.  der  bei  Gott  Hülfe  Suchende.  Er  baute  die 
berühmte,  nach  seinem  Namen  genannte  hohe  Schule,  deren 
Grösse  und  Glanz  die  frühere,  vom  Wesire  Nisaraolmülk  zu 
Bagdad  erbaute,  bei  weitem  zurückliess;  sie  bestand  in  vier 
besonderen  Schulen,  nach  den  vier  Ritus  des  Islams,  wo 
die  RecJitsgelehrsamkeit  nach  den  Ueberlieferungen  Ebu 
Ha?nfe's,  Schaafii's ,  MaWc's  und  HanbeU's  gelehrt  ward; 
an  jeder   dieser    vier   Medreseen  waren   zwei   und  sechzig 


I 


Zweites     Buch.  137 

Plätze  für  Studenten')  und  zwei  für  Correpetitoren  *)  ge- 
stiftet. In  vier  Jahren  war  der  Bau  vollendet;  am  Tage 
der  Eröffnung  besuchte  der  Chaiife  mit  allen  Richtern  und 
Rechtsgelehrten  die  Schulen  und  vertheilte  reiche  Geschenke 
unter  die  Professoren  und  Studenten.  Das  Seitenstück  zur 
Mostanssirije ,  d.  i.  zur  hohen  Schule  Mostanssi'r's ,  war  die 
Kamerije,  d.  i.  die  Mondige,  eine  am  Ufer  des  Tigris  ge- 
baute, reich  gestiftete  Speiseanstalt  für  Dürftige.  Seine 
Wohlthaten  strömten  vorzüglich  den  Gelehrten  zu,  dieselben 
überschritten  aber  das  Maass  vernünftigen  Staatshaushalts, 
wenn  die  folgenden  Anekdoten  wahr.  Jedesmal,  als  aus 
einem  mit  Gold  gefüllten  Becken  geschöpft  ward,  rief  er 
aus:  Ach,  wann  werde  ich  dich  leeren  !  während  sein  Vater 
jedesmal ,  als  Gold  hineinfloss :  Ach ,  wann  werde  ich  dich 
füllen !  ausgerufen  haben  soll.  Eines  Tages ,  als  er  von  der 
Terrasse  seines  Palastes  rund  um  auf  den  Terrassen  Wäsche 
aufgehangen  sah  und  der,  was  dies  bedeute,  gefragte  Wesir 
ant^vortete,  dass  es  die  für  das  iiächste  Fest  gewaschenen 
alten  Kleider  seien,  wunderte  sich  Mostanssir,  dass  nicht 
jeder  seiner  Unterthanen  sich  neues  Festkleid  anschaffen 
könne,  liess  aus  Gold  Armbrustkugeln  verfertigen  und  ver- 
schoss  dieselben  auf  die  Terrassen  der  Nachbarn.  Wider 
die  Mongolen  ,  welche  unter  seiner  Regierung  bis  Meragha 
vorgedrungen  und  Erdebil  vom  Grunde  aus  verheeret  hatten, 
brachte  er  ein  Heer  von  siebzigtausend  Mann  auf,,  von 
welchem  zwar  Anfangs  die  Mongolen,  dann  aber  die  Truppen 
des  Chalifen  zu  Dakuk  y  das  seiner  Naphthabrunnen  willen 
berühmt^),  geschlagen  wurden.  Im  selben  Jahre  richteten 
die  Mongolen  das  Blutbad  von  Issfahan  an,  in  welchem  der 
grosse  Dichter  Ismail  Kemdl  von  Issfahan ,  beigenannt  der 
Vater  der  Bedeutungen,  unter  ihrem  Schwerte  erlag,  wie 
früher  der  grosse  mystischeDichter  Aththar.  UnterMostanssir's 
Regierung  blühte  vorzüglich  die  Mystik,  und  in  dieselbe 
fallt  der  Tod  von  vier  höchst  merkwürdigen  Männern,  Säulen 
der   Mystik ,    des  Scheich's   Behaeddin  Weled,    des  Vaters 


653 
U37 


')  Danischmend.     -)  Mtiid.     ')     Dschiliannuma  S.  466. 


138  Z  w  e  i  t  e  s     B  11  c  Ii. 

Dschelaleddm  Runiis,  des  grossen  mystischen  Dichters  Omer 
Ibn  Faradh ,  des  grossen  Scheich's  Schihabeddin  Omer 
Suhrtverdi  und  des  Inders  Reten^),  welcher,  der  erste,  aus 
Indien  das  berauschende  Opiat  (Haschische}  nach  Mittel- 
asien gebracht,  dessen  sich  die  Assassinen  bedienten,  um 
ihren  todtgeweihten  Handlangern  die  Freuden  des  Paradieses 
vorzuspiegeln,  und  von  dem  sie  ihren  Namen '^)  Haschischin, 
d.  i.  die  Kräutler,  erhielten. 
Moteaassim.  Moteaassimbillah ,    d.  i.  der  an  Gott  Festhaltende,    der 

Sohn  Mostanssir's ,  der  sieben  und  dreissigste  und  letzte 
Chalife  des  Hauses  Abbas,  bestieg  den  Thron ,  den  er  sech- 
zehn Jahre  gefüllt,  im  dreissigsten  seines  Alters;  ein  pracht- 
liebender, grossthuender,  schwacher  Fürst,  doch  nicht  ohne 
löbliche  Eigenschaften  und  Werke.  Ein  Haßs ,  d.  i.  ße- 
wahrer  des  Koran^s  (wie  Alle  heissen ,  welche  denselben 
auswendig  wissen),  war  er  den  Gesetzgelehrten  geneigt 
und  baute  für  dieselben,  nach  seines  V'aters  Beispiel,  eine 
hohe  Schule,  gegenüber  dem  Grabmale  des  Scheich's  Karchi, 
80  nach  dem,  vorzüglich  von  Schiiten  bewohnten  Stadtviertel 
Bagdad's  genannt,  welche  aus  vier  iVledreseen  für  die  vier 
Ritus  des  Islam's  bestand*).  Im  dritten  Jahre  seiner  Re- 
gierung erschien  ein  mongolisches  Heer  in  der  Wälie  von 
Bagdad,  von  wo  es  zu  Baahiba  durch  den  kleinen  Diwitdar 
( Staatssekretär}  zurückgeschlagen  ward  *}.  Dieser  Vortheil 
vermehrte  den  Dünkel  Moteaassim's ,  unter  welchem  das 
Ceremoniel  des  Hofes  von  Bagdad  auf  einen  bisher  nie  ge- 
hörten Grad  getrieben  ward.  Die  Schwelle  des  Thronsaales 
war  ein  schwarzer  Stein,  welchen  Alle,  selbst  Gesandte  und 
Fürsten,  die  ihre  Belehnung  empfingen,  nicht  ausgenommen, 
sieh  unterwerfend  küssen  und  dann  den  schwarzen  Schleier, 
welcher  dem  daranstossenden  Fenster  vorgezogen  ward  ,  wie 
den  Vorhang  des  Heiligthums  der  Kaaba  verehren  mussten. 
Medschdeddin  Ismail,  der  Gesandte  des  Atabegen  Ebubekr 
Ben  Segi ,  unterwarf  sich  dem  vorgeschriebenen  Ceremoniel, 

')  Uadsclii  Chulfa's  clirouologische  Tafeln  uud  Kainus.  -)  Hji- 
scWschin.  ')  Noclibet.  ')  Ebenda  nach  Noveiri;  bei  d'Olisson  III. 
S.  89. 


Zweites     Buch.  139 

legte  aber  einen  kleinen  Koran,  den  er  in  der  Hand  ver- 
borgen, auf  die  Schwelle  und  küsäte  deren  statt  den  Koran. 
Wann  Moteaassira  ausritt,  sass  er  auf  hohem  Rappen,  schwarz 
verschleiert  mit  schwarzem  Turban,  dessen  Enden  über  die 
Schultern  zurückflogen,  von  vierzig  schwarzen  Leibwachen 
umgeben;  der  Rappe  war  mit  goldenem  Halsband  und  edel- 
steinbesetztem Zügel  und  Bügel  geschmückt ,  und  wann  ihn 
der  Chalife  bestieg,  erscholl  der  Siegesruf,  dessen  Worte 
aus  Koranstexten  zusammengesetzt:  ,,Gott  mache  das  Gute 
zum  Stirneknoten  des  Pferdes  mid  binde  es  an  seine  Mähnen ; 
er  mache  die  Fasse  desselben  weiss  durch  Erreichung  aller 
Begehren ;  er  wolle  dem  Laufe  desselben  mit  losgelassenen 
Zügeln  alle  Sicherheit  gewähren ,  die  Eroberungen  sollen 
seinen  Wettlauf  am  Ziele  kennen  und  das  Heil  des  Erfolgs 
seine  Zügel  dehnen"  !  •)  Alle  moslimischen  Fürsten  erhielten 
den  Titel  rechtmässiger  Herrschaft  einzig  von  dem  Beleh- 
nungsdipiome  Moteaassim's,  welche  derselbe  mittels  Ge- 
sandten ertheilte,  die  nebst  dem  Diplome  der  Investitur» 
Kaftan,  Turban,  Fahne,  Schwert,  Ring  und  ein  Maul  mit 
goldbeschlagenen  Hufen  und  juwelengestickter  Satteldecke 
zum  Geschenke  brachten^]).  Der  Gesandte  vollzog  nun  ein 
Paar  Tage  nach  seinem  feierlichen  Einzüge  in  die  Residenz 
des  Sultans  oder  Emirs  die  Investitur,  indem  er  dem  Fürsten 
den  Kopfbund  aufsetzte,  den  Ring  ansteckte,  das  Diplom 
vorlesen  Hess  und  ihm  dreimal  wiederholte:  Sei  gerecht 
und  übertrete  das  Gesetz  nicht;  dann  erst  ward  ihm  erlaubt, 
den  Thron  zu  besteigen,  und  erst,  nachdem  er  den  Thron 
bestiegen,  ward  er  für  würdig  erachtet,  dem  vom  Chalifen 
gesandten  Maul  in  Gegenwart  des  ganzen  Hofes  den  gold- 
beschlagenen  Huf  zu  küssen.  Der  Gesandte  warf  Geld  aus 
und  begleitete  den  Sultan,  der  nun  unter  einem  über  seinem 
Kopfe  emporgehaltenen  Sonnenschirme  die  Stadt  durchritt. 
Wann  immer  ein  Gesandter  des  Chalifen  an  den  Hof  des 
Sultans  kam,  ward  sein  Maul  bis  in  den  Thronsaal  geführt 
und    ein    Vorhang   niedergelassen;   der   Sultan   musste  vom 


')  \>'assaf.     -)  d'Olissoii   in.   p.  20).   nach  Noveiri 


140  Zweites     Buch. 

Throne  steigen ,  hinter  dem  Vorhange  den  Huf  des  Maul- 
thieres  küssen,  vorauf  er  mit  dem  vom  Chalifen  gesandten 
Ehrenkleide  erst  Mieder  den  Thron  bestieg.  Die  Insignien 
der  Investitur  von  Seite  des  Chalifen  waren  also  :  Kaftan, 
Turban^  Schwert,  Ring,  Fahnen,  Son?ienscfurm  und  der  Huf 
des  Maultliiers.  Krone,  Mantel,  Schwert,  Ring,  Fahne  finden 
sich  auch  als  Insignien  der  Investitur  fürstlicher  und  kirch- 
licher Würden  im  europäischen  Mittelalter;  nur  an  die 
Stelle  des  Hufes  trat  das  Hörn,  mit  welchem  dänische  und 
angelsächsische  Könige  ihre  Vasallen  belehnten  ').  Das  Heer 
Moteaassim's  war  hunderttausend  Mann  stark,  von  denen 
die  Hälfte  vom  Diwan  aus  besoldet ;  der  Befehlshaber  des- 
selben, Suleimanschah,  welchen  der  Dichter  Esireddin  Vmani 
in  Lobgedichten  gepriesen.  Die  innere  Verwaltung  besorgten 
die  beiden  Dhvitdare  (^Tintenzeughalter},  d.  i.  Staatssekre- 
täre; die  Geschäfte  des  Hofes  leitete  der  Scherabdar,  Mund- 
schenk, aber  die  Summe  der  Regierung  war  in  den  Händen 
des  Wesirs  Moejededdin  Mohammed  Abdolmelik  El-Alkami, 
ein  ausgezeichneter  Gelehrter  in  Prose  und  Poesie,  in  üeber- 
lieferungs-  und  philosophischen  Wissenschaften  gleich  ge- 
wandt, der  Chalife  aber  selbst  dem  Wohlleben  und  Sinnen- 
genusse  ergeben.  Die  nächsten  Hebel  seines  Verderbens 
waren  von  innen  der  Wesir  Alkami,  von  aussen  der  grosse 
AstronomeNassireddin,  der  sich  im  Geleite  Ilulagu's  befand. 
Alkami;  ■  Nassireddin  von  Tus  hatte  eines  Tages,  als  Moteaassim 
it  listen-  an  den  Ufern  des  Tigris  sass,  demselben  huldigend  ein  Ge- 
""'^,^''^''*'^- dicht  dargebracht,  das  der  Chalife,  statt,  wie  es  der  Wesir 
erwartet  hatte,  reich  zu  belohnen,  auf  des  Wesirs  Alkami 
darüber  ausgesprochene  Kritik  in  den  Tigris  warf.  Von 
diesem  Augenblicke  schwur  der  tief  beleidigte,  tief  grollende 
Astronome  Schöngeist  dem  Wesir  und  dem  Chalifen  Rache; 
er  verliess  Bagdad  und  verweilte  bei  dem  ihm  gleichnamigen 
Comthur  des  Assassinenschlosses  Sertacht.  Alkami  warnte 
den  Comthur  wider  seinen  Schutzgenossen,  als  wider  einen 

')  Uoroa  an  iustrunent  of  couve^ance,  tlie  Pure^horn,  tlie 
Borrstallinrn,  Brusshorn  ii.  s.  w.,  iui  dritten  Baude  der  Archaeologia 
brittancia  I.  7. 


Z  w  e  i  t  e  s     B  u  c  li.  ]41 

Ränkeschmied ,    der    ihn   im  Geiste  des  Chalifen  verderben 
wolle;  und  diese  Warnung  war  nur  ein  neuer  Sporn  in  die 
rachedürstenden  Weichen  des  durch  Geringschätzung  seines 
Gedichtes  so  tief  beleidigten  Astronomen  Schöngeistes.    Als 
Gesandter  des  letzten  Herrschers  der  Assassinen  an  Mulagu 
gesandt,    hatte    er   durch    sein    grosses   Talent   sich    dessen 
Achtung  erworben  und  demselben  erst  zum  Verderben  der 
Assassinen ,    dann    zu    dem  des  Chalifats  sich  als  hilfreiches 
Werkzeug  angeboten.     Sein  Feind,    der  Wesir  Alkami,  ar- 
beitete seiner  Rache  durch  Verrätherei  selbst  in  die  Hände. 
Von  den  nächsten  Umgebungen  des  Chalifen,  dem  Diwitdar 
und  dem  Mundschenken,  nicht  die  Achtung  geniessend,  deren 
er  werth  zu  sein  glaubte,  und  als  Schii  dem  Chalifen  grol- 
lend, weil  der  Sohn  desselben,  Ahmed,  die  Plünderung  des 
nur  von  Schiiten  bewohnten  Stadtviertels  von  Karch  und  die 
hierbei    vorgefallenen  Gräuel   von  Schändung  und  Gemetzel 
begünstigt  Iiatte.     Er    schrieb    an    den  Seid  Tadscheddin  al 
Hoseini ,  welcher  damals  der  erste  der  Herren  der  Familie 
des  Propheten,    klagend:    „dass    die  Söhne  des  Hauses  Ali 
geplündert,    das  Volk   des  Stammes  Haschim    gefangen  und 
die  Schmach  ,  welche  vormals  Husein ,    der  Enkel  des  Pro- 
pheten, durch  Plünderung  seines  Harems  und  Blutvergiessung 
getroffen,  jetzt  wieder  erneuert  worden  sei"').     Der  Seid 
antwortete  im  iVamen  aller  Prophetenverwandten:  ,, Die  Ketzer 
müssen  ermordet,  verbrannt,  ihre  Rasse  ausgerottet  werden; 
wenn    du   nicht    mit  uns  hältst,    bist  du  verloren,    du  wirst 
zu    Bagdad    weniger    geschätzt   sein,    als    vom    Manne    das 
Henna  der  FVauen  und  als  der  Ring  dessen,  dem  die  Hand 
abgehauen"^).     Nach   dem    Falle    von   Alamut  hielt  Alkarai 
den  Augenklick  für  günstig  zur  Förderung  seiner  Rache;  er 
sandte  heimlich  an  Hulagu  einen  Brief,  in  welchem  er,  die 
Macht  des  Chalifen  verkleinernd  und  die  Schwäche  Bagdad's 
ins  hellste  Licht  setzend,    den    Eroberer   seine   Zügel  nach 
der  Stadt   des  Heils   zu   lenken  einlud.     Hulagu,    wohl  ein- 
gedenk, dass  vormals  ein  Heer  >on  hundert  vier  und  zwanzig- 


•)  Wassaf.     ^)  Derselbe. 


142  Zweites     Buch. 

tausend    Mann    wider    die    Mongolen   gesandt,   zweimal  den 
Dschurmaghun  geschlagen,   zauderte,   der  Einladung  Gehör 
zu  geben,  und  berieth  sich  mit  Nassireddin,  dem  Astronomen, 
und  erst,  als  dieser  ihn  versichert,  dass  „das  Unternehmen 
im  Bunde  mit  der  Gestirne  günstiger  Stunde'**^,  beschloss 
er  den  Marsch  nach  Bagdad,  wo  indessen  ein  Versuch  des 
kleinen  Diwitdar,   den   Chalifen  zu   entthronen,    das  Feuer 
des   Bürgerkrieges   angeflammt.     Moteaassim    sah   sich   ge- 
zwungen ,    den    Versicherungen    des    kleinen   Diwitdar   von 
seiner    Treue    und    Ergebenheit    scheinbaren    Glauben    zu 
schenken.      Die    Unschuld    desselben    wurde    laut    auf   den 
Strassen    Bagdad's    verkündet    und    der    Name    des   kleinen 
Diwitdar,  des  Feindes  Alkami's,   sogar  nach  dem  des  Cha- 
lifen im  Kanzelgebete  eingeschaltet;    das  Heer    wurde  nach 
des  Verräthers  Alkami  Vorschlag  um  die  Hälfte  vermindert, 
ein   Drittel  des  verminderten    in    die  nahe  gelegenen  Städte 
geschickt ,    so    dass    nur    zwanzigtausend    zu    Bagdad's    Ver- 
theidigung  blieben  ^}.     In  diesem  ,    durch  den  Fall  Alamuts 
und  die  Verrätherei   Alkami's   für   die    Stadt   des   Heils  so 
unheilschwangeren  Jahre  schreckten  niclit  nur  Ueberschwem- 
mung   des  Tigris   und   FJrdbeben,    sondern   auch   der  Brand 
von  Medina  und  der  Wüstenbrand  in  Arabien  die  moslimische 
Welt  auf.     Zu  Hara ,  in  der  Nähe  von  Medina,  brannte  die 
Wüste,   und  allgemein  ward  geglaubt,   diess  sei  das  Feuer, 
welches  die  üeberlieferung  des  Propheten  als  den  Vorboten 
des  jüngsten   Tages    verkündet.     Drei  Monate  lang  brannte 
die    Wüste    in    der   Ausdehnung   von    vier   Parasangen.     Zu 
Medina  zündeten   die  Einwohner  des  Nachts  kein  Licht  an, 
da   der    Wüstenbrand    die    Stadt    erhellte.      Dieses,   wie    es 
scheint,  elektrische  Feuer  soUHulz  verschont.  Eisen  verzehrt 
haben ,   so    dass    von    hineiiigeschossenen    Pfeilen    daf    Holz 
unversehrt,  die  Spitze  zerfressen  ward  ^  ).    Nach  dem  Wüsten- 
brande   plünderten  Beduinen    die  Stadt,    bis   man  das  Thal, 
aus  dem  sie  ausfielen ,  mit  steinerner  Mauer  verdämmte.    Das 
grösste    Unglück    aber    entstand    durch  die  Unvorsichtigkeit 


'j  Wassai".     -)  Nochbet.     ^)  Nochbet. 


Zweites     Buch.  ]43 

eines  der  Küster  der  Moschee  des  Propheten,  der  eine 
Kerze  umfallen  Hess ,  wodurch  die  Moschee  in  Brand  gerieth 
und  mit  derselben  die  ganze  grosse  Büchersammlung  auf- 
flammte'^, so  dass  dieses  Jahr  zwei  der  reichsten  Biblio- 
theken in  Flammen  aufgingen ,  die  von  Alamut  und  die  von 
Medina ;  der  Verlust  von  dieser  war  aus  mehr  als  einem 
Grunde  weniger  beklagenswerth ,  als  der  von  jener,  indem 
zu  Medina  meistens  nur  Korane  und  Bücher  der  Ueber- 
lieferung,  zu  Alamut  aber  mathematische  und  philosophische 
Werke  ein  Opfer  des  Brandes,  die  dort  ein  Werk  des  Zu- 
falls, hier  der  zu  verdammenden  Willkür  des  gelehrten 
Wesirs  Athamüllc  Dschuweini. 

Diess  waren  die  Zustände  Bagdads,    als  Hulagu,  durch     Gesandt- 
Alkami's   Einladung    und  Nassireddin's  Vorhersagung  aufge-     schaften 

muntert,  von  seinem  Lager  zu  Ilamadan  aus  an  den  Chalifen  ""''^i'"  *  "" 

^  1  •      1         »        I  I  .   ■  1  d*"'*  Chalifen 

einen  Gesandten   mit  dem  Begeiiren  schickte,   dass  er  ^^^- und  Frovhe- 

weder  selbst  erscheine  oder  eine  der  vier  Säulen  seines  zeilnoufen. 
Hofes,  nämlich  den  Wesir,  den  kleinen  DiwiJdar,  den  Heer- 
führer Suleimanschah  oder  den  Mundschenken  sende.  Mo- 
teaassim,'  statt  diesem  befehlartigen  Begehren  zu  willfahren, 
sandte  den  Scherefeddin  Ibiiol  Dschewsi,  einen  durch  Be- 
redtsamkeit  ausgezeichneten  Gelehrten,  und  den  Bedreddin 
Mohammed  von  Nachdschiwan.  Hulagu ,  als  er  von  ihrer 
Sendung  Kunde  erhielt,  sagte  in  aufwallendem  Zorne:  Der 
Chalife  handelt  krumm,  wie  ein  Bogen;  Gott  gebe,  dass  ich 
ihn  wie  ein  Pfeil  gerad  machen  könne  ^  ).  Uen  Gesandten, 
als  sie  vor  ihm  erschienen,  herrschte  er  entgegen:  Gott 
hat  dem  Hau^e  Tschcngischan's  die  Herrschait  vom  Osten 
bis  Westen  verliehen;  wer  sich  uns  unterwirft,  dessen  Blut 
und  Gut  wird  nicht  verderbt  und  vergossen,  wenn  nicht,  ist 
dessen  Untergang  beschlossen.  Wir  ziehen  mit  einem  Heer, 
zahlreich  wie  Heuschrecken  und  Ameisen,  wider  Bagdad. 
Als  die  Gesandten  mit  dieser  Botschaft  zurückgekehrt,  rietli 
Ibn  Alkami,  tausend  Lasten  Korn,  tausend  Kameele,  tausend 
Pferde  für   Hulagu   mit  vielen  Geschenken  für  die  Prinzen 


')  Nochbct,   Hadscai  Chalfirs  chronol.  Tuielii.     ')  Hcsclndeddin. 


144  Zweites     Buch. 

huldigend  ,  mit  Ueberlassung  der  beiden  Majestätsrechte  des 
Islams:  des  Kanzelgebets  und  der  Münze,  abzusenden.  Der 
kleine  Diwitdar  Modschahiddin  Ibek  machte  Vorstellungen 
dagegen,  aber  Ibn  Alkami,  der  die  Schwächen  und  den 
Dünkel  des  Chalifen  kannte,  bestärkte  ihn  in  demselben, 
indem  er  in  seinen  Reden  die  Macht  der  Mongolen  ver- 
kleinerte, die  des  Chalifen  vergrösserte  und  dem  neuauf- 
geschossenen Pilzlinge  mongolischer  Herrschaft  die  uralte 
legitime  des  Hauses  Abbas  entgegenstellte.  Suleimanschah, 
der  Oberstbefehlshaber,  Fetheddin  Ibn  Kerr,  der  grosse 
Diwitdar  und  der  kleine  Modschahiddin  Ibek  versammelten 
sich  beim  Wesire,  ihren  Aerger  über  die  Sorglosigkeit  und 
Blindheit  des  Chalifen  in  bitteren  Worten  lüftend.  Suleiman- 
schah trug  sich  an,  dem  Feinde  entgegen  zu  ziehen,  and 
Alkami  ging  zum  Scheine  in  den  Vorschlag  ein  ,  wohl  wis- 
send, dass  der  Chalife  seinem  Rathe  folgsam,  dass  er 
Rüstung  und  das  zum  Solde  der  Truppen  nöthige  Geld 
verweigern  werde  '  ).  Er  sandte  auf  dessen  Rath  den  Bed- 
reddin  von  ISachdschiwan  und  den  Richter  Berdindschan 
mit  geringen  Geschenken  und  der  hochtrabenden  Botschaft: 
Alle  Fürsten,  welche  sich  jemals  wider  das  Haus  Abbas 
zu  erheben  gewagt,  seien  zu  Grunde  gegangen;  Beispiele 
davon  seien  Jakub  Leis  der  Soffaride,  der  Türke  Besasiri, 
der  Seldschuke  Sultan  Mohammed  und  Mohammed  Chuaresm- 
schah ,  welche  Alle  das  Verderben  ereilt,  das  auch  Hulagu's 
harre,  wenn  er  auf  seinem  Vorhaben  bestehe.  Hulagu, 
ergrimmt,  antwortete  ihnen  mit  dem  persischen  Verse  des 
Schahname*): 

Bau'  nur  zu,  aus  Eisen  deinen  Wall, 
Führe  Bollwerk  auf  mit  Ziunen,  die  von  Stahl, 
Riist'  aus  ein  Heer  von  Penis  und  von  Dschinnen, 
Komm'   nur  heraus,  du  wirst  den  Tod  jjewinnen; 
Birgst  uiiter'm   Uinimel  dich,  ich  will  dich  suchen, 
Ich  werde  dich  im  Sciiluud  des   Löweu  suchen. 


'3  Reschideddin.  ')  d"Ohssun  III.  2'22  gibt  die  Botschaft,  aber 
nicht  die  Antwort,  und  sagt:  Houlagou  les  congedia  sans  faire 
grande  attention  a  leurs  discours. 


Zweites     Buch.  I45 

Hiilagu  war  nun  zuerst  bedacht,  sich  des  grossen  Passes 
von  Derüeng,  d.  i.  Engthor,  welcher  über  das  gordiaisclie 
Gebirge  oder  den  Zagros  in  die  Ebene  des  arabischen  Irak 
führt,  zu  versichern.  Auf  steilem  Felsen,  auf  der  Heer- 
strasse  vom  persischen  ins  arabische  Irak  erhebt  sich  das 
Schioss  in  einer  engen  Schlucht,  wovon  es  den  Namen 
Engthor  führt.  Die  Bewohner  dieser  Felsenschlucht  waren 
nicht  minder  durch  ihre  Schönheit,  als  das  Schioss  durch 
seine  Festigkeit  berühmt  '^  Dieselbe  wird  vom  Diala  durch- 
brochen, welcher  in  der  Entfernung  einiger  Stunden  oben 
an  den  Ruinen  von  Kassr  Schirin  (^das  alte  Artemita}  vor- 
beifliesst.  Hulagu,  dem  nicht  unbekannt,  dass  Hosaraeddin 
Aka,  der  Befehlshaber  des  Engpasses,  sich  über  den  Cha- 
lifen  zu  beklagen  habe,  lud  ihn  zu  sich,  überhäufte  ihn  mit 
Ehren  und  Geschenken  und  schenkte  ihm  die  Schlösser 
Disser,  d.  i.  das  Goldschloss,  Dis  Merdsch,  d.  i.  das  Wiesen- 
schtoss,  und  einige  andere;  aber  hierdurch  übermüthig, 
sandte  Aka  an  Ssalaje  ,  den  Befehlshaber  von  Irbil ,  Wort, 
dass ,  wenn  ihm  der  Chalife  sein  Vertrauen  schenken  wolle, 
er  mit  hunderttausend  Turkmanen  und  Kurden  den  Hulagu 
zurückzutreiben  bereit.  Der  Chalife  gab  diesem  Vorschlage 
kein  Gehör.  Hulagu,  der  davon  Kunde  erhalten,  sandte 
den  Keilbuka  mit  dreitausend  Heitern  mit  dem  scheinbaren 
Auftrage,  sich  mit  Aka  über  die  Mittel  des  Marsches  nach 
Bagdad  zu  berathen.  Dieser  ging  in  die  Falle;  Keitbuka, 
Herr  seiner  Person,  forderte  die  Schleifung  '1er  Schlösser 
und  er  ward,  nachdem  dieselben  geschleift  waren,  getödtet. 
Kein  günstiger  Stern  waltete  über  dem  Haupte  des  von 
Mengukaan  seinem  Bruder  zur  Berathung  beigegebenen 
Astronomen  Hosameddin.  Um  seine  Meinung  über  den  Zug 
wider  Bagdad  befragt,  sagte  er  unter  Verbürgung  mit  seinem 
Kopfe,  im  Falle,  dass  der  Marsch  unternommen  werde, 
sieben  Unfälle  voraus:  den  Fall  von  Pferden  und  Menschen 
durch  Seuchen,  Mangel  an  Sonne  und  Regen,  schreckliche 
Orkane   und   Erdbeben,   Unfruchtbarkeit   und  Hungersnolh 


')  Dschihannuuia  S.  456. 
Hammer,  Geschichte  der  Uchane.    I.  10 


146  Z  M-  e  i  t  e  s     n  II  c  li. 

\\iu\  endlich  den  Tod  eines  grossen  Monarchen  im  seilxMi 
Jahre.  Iliilagu  licss  sich  diese  Prophezeihnng  nnd  Bürg- 
schaft schriftiicli  gehen  und  befragte  nun  den  Astronomen 
Kassireddin,  was  denn  geschehen  wiirde ,  wenn  er  nacii 
Bagdad  zöge;  Nichts,  antwortete  Nassireddin,  als  dass  Hu- 
lagn  die  Stelle  des  Chalifen  einnehmen  wird.  Er  zerstrente 
hierauf  alle  Besorgniss  Ilulagu's  über  etwa  aus  solcliem  Zuge 
wider  Bagdad  zu  befürchtende  Unglücke  durch  die  Anfüh- 
rnng  geschiclitliclier  Beispiele.  Tahir  sei  aus  Chorasan  wider 
Bagdad  gezogen  und  habe  den  Bruder  des  Chalifen  er- 
schlagen; Motewekkil  und  sein  Sohn  und  mehrere  Chalifen 
seien  erschlagen  worden,  ohne  dass  für  die  Stadt  irgend 
ein  Unheil  daraus  entstanden.  Hulagu  ergab  sich  gern  den 
seinen  Wünschen  schmeichelndei»  Versicherungen  des  Astro- 
nomen von  Tus;  der  andere  wurde,  da  keine  seiner  Pro- 
phezeihungen  eingetroffen,  fünf  Jahre  hernach  hingericlitet. 
„  .       .  Die  Anordnung  der  verschiedenen  Heereskörper,  welche 

Marschnach  vermöge  Hulagu's  Befehl  nun  Bagdad  von  allen  Seiten  um- 
Bagdad.  zingelten ,  ist  eines  der  scJjönsten  Zeugnisse  für  Hulagu's 
grosses  Feldherrntalent.  Dschunnaghun  und  Baidschu  Nujan, 
die  beiden  in  den  persischen  Feldzügen  ergrauten  Feldherrn, 
welchen  aber  seit  Hulagu's  Eintritt  in  Persien  ihr  Standort 
in  Kieinasien  angewiesen  worden,  befehligten  den  rechten 
Flügel,  der,  von  Irbil  und  Mossul  heranrückend,  über  die 
Brücke  von  Mossul  ging  und  sich  auf  der  Westseite  von 
Bagdad  niederliess.  Mit  ihnen  vereinten  sich  die  Prinzen 
Bulghüj  Kuli,  Kolar  (^der  Enkel  Batu's)  und  die  persischen 
BuJx-a  Timur  und  Sundschak  Nujan ,  welche  die  Strasse  von 
Schehrsor  über  Vakuh  heranzogen.  Keithuka,  der  Befehls- 
haber des  Vortrabs  beim  Einmärsche  Hulagu's  in  Persien, 
mit  Kuriisun  und  llha  kamen  mit  dem  linken  Flügel  von 
Seite  Luristan's  und  Chusistan's.  Hulagu  selbst  stand  mit  dem 
schweren  Gepäcke  des  ganzen  Heeres  im  Mittelpunkte  zu 
Hamadan  und  brach  in  den  ersten  Tagen  des  Januars  des 
Jahres  tausend  zweihundert  acht  und  fünfzig,  gerade  zwei 
Jahre  nach  dem  Uebergange  über  den  Oxus ,  gegen  den 
Tigris    über   Kermanschahan    und   Holwan    auf.     In   seinem 


Zweites     n  II  c  li.  147 

Geleite  die  grossen  Emire  Koke  Ilka  »iiul  Arghnnaga ,  die 
beiden  Bitekdschi  (^Kanzler)  Karakal  und  Seif  eddin ,  der 
Staatssekretär  Alaeddin  Athamülk  von  DscMiwein,  der  grosse 
Geschichtschreiber,  und  Nassireddin  von  TtiSj  der  grosse 
Astronom  ;  jener ,  um  die  Thaten  ond  Begebenheiten  des 
Feldzugs  zu  beschreiben,  dieser,  um  die  durch  den  Lauf 
der  Gestirne  angezeigten  günstigen  Stunden  anzugeben;  jener 
die  Feder,  dieser  der  Zeitmesser  des  Feldzugs.  Von  Esed- 
abad  aus  sandte  Hulagu  aberroal  einen  Gesandten  nach 
Bagdad,  um  den  Chalifen  zur  Uebergabe  aufzufordern,  und 
zu  Deinewer  erschien  aberraal  Ibnol  Dschewsi,  der  Gesandte 
des  Chalifen,  mit  dem  Antrage:  die  Summen,  welche  Hulagii 
aussprechen  würde ,  jährlich  in  dessen  Schatz  abzuführen, 
und  mit  der  Bitte :  dass  das  Heer  zurückkehren  möge. 
Hulagu  antwortete:  Da  wir  schon  so  weit  gekommen,  um 
den  Chalifen  za  sehen,  wie  sollen  wir  nun  umkehren,  was 
nach  persönlicher  Zusammenkunft  geschehen  mag.  Von 
üemewer  ging  der  Marsch  über  Kuh  Girdaa^  und  am  sie-  ^.-^. 
beuten  Tage  nach  dem  Aufbruche  von  Hamadan  ward  Ker-  13.  Januar 
manschahan  geplündert  und  verheert.  Von  hier  wurden  Eil-  i^-5S 
boten  abgefertigt,  um  die  Ankunft  von  Sundschak,  Baidschu 
und  Suntai  zu  beschleunigen ;  sie  warteten  zu  Takkesrai  und 
brachten  als  Gefangene  den  Ibek  von  Haleb  und  Seifeddin 
Melik  mit  sich,  welche  sie  streifend  aufgegriffen.  Hulagu 
schenkte  Beiden  das  Leben  und  machte  sie  zu  Dienern  der 
Schildwachen  '^  Die  Emire  wurden  ,  mit  schmeichelhaften 
Beweisen  von  Gunst  und  Freigebigkeit  überhäuft,  zurück- 
gesendet, um  auf  das  Eheste  den  üebergang  über  den  Tigris 
auf  der  westlichen  Seite  von  Bagdad  zu  bewerkstelligen. 
Von  dort  holten  die  Verräther  des  Heeres  des  Chalifen 
die  beiden  Chuaresmier  Kara  Sankor  und  Su!ia?idsckuk, 
die  Befehlshaber  der  mongolischen  ein;  Kiptschak  schrieb 
an  den  ersten:  Du  und  ich  sind  von  Einem  Stamme  (^Türken); 
wir  haben  uns  unterworfen  und  befinden  uns  gut  dabei,  thuet 
desgleichen.     Kara    Sankor   antwortete   in    dem    Sinne    dea 


')  Kökeri  gesik. 

10* 


148  Zweites     Buch. 

Astronomen  Ho^ameddin  :  Wie  sich  ein  neu  aufgeschossener 
Zweig,  wie  die  Herrschaft  der  Mongolen,  mit  dem  schon 
ein  Jialbes  Jahrtausend  wurzelnden  Stamme  des  Chaiifats 
messen  könne?  Wenn  sich  Ilulagu  unterwerfen  wolle,  würde 
man  trachten,  durch  Vennittelung  des  Diwitdars  den  Frieden 
vom  Chalifen  zu  erwirken.  Hulagu,  als  man  ihm  dieses 
Schreiben  brachte,  lachte  darüber  und  sagte:  Meine  Hilfe 
kommt  von  Gott  und  nicht  vom  Gold;  wenn  er  mir  hilft, 
was  kümmert  mich  die  Zahl  der  Heere  des  Chalifen  ^). 
Bdcidad's  ^'"    neuer    Gesandter    ward    nach   Bagdad    abgefertigt, 

Belagerung,  um  den  Chalifen  zur  Unterwürfigkeit  aufzufordern,  und  zu- 
gleich nach  Holwan  aufgebrochen,  wo  eine  Woche  gerastet 
ward.  Indessen  gingen  die  Emire  ßaidschu,  Buka  Timur 
und  Sundschak  über  den  kleinen  Tigris  und  standen  am 
Kanäle  Nehr  ha.  Sundschak  erbat  sich  ven  Baidschu  die 
Erlaubniss  aus,  den  Vortrab  des  westlichen  Heeres  gegen 
Bagdad  zu  befehligen,  und  nachdem  er  dieselbe  erhalten, 
rückte  er  bis  Dscherbije  vor.  Mndschahideddin  Ibek ,  der 
kleine  Diwitdar,  und  Felheddin  Ibnol-Kerr,  die  F^eldherren 
des  Chalifen,  waren  mit  zehntausend  Mann  bei  Jakuba  über 
den  Diala  und  dann  über  den  Tigris  gegangen  und  trafen 
mit  dem  mongolischen  Vortrabe  in  der  Gegend  von  Enhar"^ )., 
neun  Parasangen  westlich  von  Bagdad,  zusammen,  Fetheddin 
Kerr  wollte  die  Schlacht  hier  nicht  wagen,  aber  die  ünge- 
stümrae  des  Diwitdar  zwang  ihm  dieselbe  auf.  Der  Sohn 
Kerr's ,  um  seinen  Sinn  kund  zu  geben,  dass  er  auf  dem 
Schlachtfelde  feststehen  und  dasselbe  keineswegs  als  Flüch- 
tiger verlassen  wolle,  ritt  statt  eines  Pferdes  ein  Maulthier, 
dessen  Hufe  so  schwer  mit  eisernen  Schienen  beschlagen,  dass 
es  zur  Flucht  untauglich^}.  Die  Schlacht  dauerte  den  ganzen 


*)  Reschideddin  setzt  die  Verse  hinzu  ?• 

^Yas  sind  Anieieeu  mir,  was  Elephanteuwuth , 

"\A'as  Ouell ,  was  Fluss  und  was  des  Alles  Fluth; 

Und  wenn  sich  der  Befehl  von  Gott  nun  anders  wendet, 

Wer  weiss  woiil  ausser  Ilim^  wie  dieses  Werk  noch  endet. 

*)  Bei  Köschk  Manssur  oberMesrike:  Reschideddin.     Wassafsagt: 

in  der  Nähe  von  Dudscheil.    ^)  Wassaf. 


Zweites     Buch,  |49 

Tag  und  endete  mit  der  Vernichtung  des  Heeres  des  Cha- 
lifen,  von  welchem  der  Diwitdar  nur  der  Selbdritte  entfloh. 
Als  er  mit  der  Nachricht  des  verlorenen  Heeres  vor  dem 
Chalifen  erschien,  der  eben  Schah  spielte,  sagte  dieser  blos 
dreimal:  Gott  sei  Dank  für  das  Heil  Mi/dschahideddi7i's. 
Moteaassim's  an  Blödsinn  gränzende  Sorglosigkeit  und  Un- 
wissenheit ging  so  weit,  dass,  als  man  ihm  die  erste  Nach- 
richt brachte:  die  Vorposten  der  Mongolen  hätten  bereits 
die  Höhen  von  Hamrin  (^das  von  Westen  nach  Osten  zwisclien 
dem  Enphrat  und  Tigris  nach  Tekrit  laufende  niedere  Ge- 
birge^ passirt,  er  fragte:  wie  das  wohl  möglich?  Man 
antwortete  ihm:  „Das  Heer  der  Tataren,  die  wie  die  Meeres- 
fluthen  einherfahren,  überfliegt  der  Berge  Gipfel  wie  der 
Adler  Schaaren ;  da  sie  den  Damm  von  Gog  und  Magog 
für  Spinngeweb'  ansehen,  was  soll  auf  des  Hamrin's  Höhen 
aus  ihren  Hufen  wohl  anders  erstehen,  als  Staub,  was  soll 
aus  dem  Sturme ,  in  dem  sie  daherfahren ,  wohl  anders  auf- 
gehen, als  Feuer  und  Raub"  '}.     In  der  Hälfte  desMoharrem  14.  Mohär- 

stunden  die  drei  Nujahe,  Baidschu ,    Buka  Timur  und  Sun- L^JH 

dschak  auf  der  westlichen  Seite  des  Tigris  vor  Bagdad,  is.58 
während  Keitbuka  und  die  mit  ihm  von  Nachaire  kamen, 
und  Hulagu  mit  dem  schweren  Gepäcke  zu  Chanikin  stand. 
Am  folgenden  Tage  lagerte  er  an  der  östlichen  Seite  von 
iBagdad,  das  nun  von  allen  Seiten,  wie  von  Ämeisenzügen 
und  Heusch/eckenschwärmen ,  und  nach  der  mongolischen 
Belagerungsweise  sogleich  mit  einer  Mauer,  oder,  um  rich- 
tiger zu  sprechen ,  mit  einem  in  aller  Eile  aufgeworfenen 
Erddamme  eingeschlossen  ward.  Dienstags  den  nenn  und  S2.  flJo'itirr. 
zwanzigsten  Januar  begann  der  Kampf.  Iliilagu  stand  auf*<9.  Jiinuur 
der  Heerstrasse  von  Chorasan ,  gegenüber  dem  persischen 
Bollwerk,  Ilka  Nujan  vor  dem  Gülwadiscfien  Thore ,  die 
drei  Prinzen,  Enkel  Dschudschi's,  mit  Schiramiin  und  Arktin 
vor  dem  Thore  des  Sultansmarktes,  Buka  Tiimir  auf  der 
Südwestseite  an  den  Mühlen,  Baidschu  und  Sundschak  auf 
der  Westseite  gegenüber  dem  Spitale  ,  welches  Adhaddewiet, 

•)  Wassaf. 


150  Zweites     Ruch. 

der  grosse  Herrscher  aus  dem  Hause  Buje,  der  erste  zu 
Bagdad,  gebaut.  Die  Belagerungsmaschinen  waren  vorzüglich 
gegen  das  persische  Bollwerk  gerichtet  und  in  demselben 
bald  Wallbruch  gemacht.  Nun  sandte  Moteaassim  den  Wesir 
und  einen  Bischof'}  mit  der  Botschaft,  er  füge  sich  dem 
Verlangen  des  Padischah,  welcher  verlangt,  dass  ihm  der 
Wesir  gesendet  werde  ;  —  „diess",  antwortete  Hulagu,  „war 
mein  Begehren  zu  Hamadan,  wie  soll  ich  mich  aber  vor 
Bagdads  Thoren  mit  Einem  begnügen?  Es  sollen  auch  die 
drei  anderen  Säulen  der  Herrschaft  des  Chalifen  erscheinen, 
der  Diwitdar,  der  Scherabdar  und  Suleimanschah,  der  Ober- 
befehlshaber des  Heeres."  Am  folgenden  Tage  erschien  der 
Wesir  mit  einer  Schaar  von  Vornehmen,  aber  ohne  die  ver- 
langten Drei.  Hulagu  sandte  sie  zurück;  er  befahl,  ein  an 
die  Richter,  Scheiche,  Danischraende  (^Studenten},  Arkaune 
(christlichen  Priester}  von  Bagdad  gerichtetes  Diplom,  wo- 
durch denen,  die  sich  friedlich  halten  würden,  das  Leben 
zugesichert  ward,  in  sechs  Abschriften  von  sechs  Seiten  der 
Stadt  durch  Pfeilflug  in  dieselbe  abzufertigen.  Die  Wurf- 
maschinen schleuderten  in  Ermangelung  von  Steinen  Thon- 
flötze,  die  man  von  Hamrin  gebracht,  und  abgehauene  Palmen 
wider  das  persische  Bollwerk ,  das  Freitags  am  ersten  Fe- 
i.  Februar    bruar  zu  Boden  sank. 

Am    fünften  Februar   standen   Hulagu's  Krieger  bereits 
Bagdad's  ®  ® 

Eroberuna    *"^    *^^^   Mauer    des   Bollwerks,    während    auf   der  anderen 

Seite  die  Prinzen  noch  nicht  bis  an  den  Fuss  der  Mauer 
vorgedrungen  waren.  Hulagu  sandte  ihnen  ausscheltendes 
S  v  h  VVort  und  befahl  zugleich,  Brücken  zu  schlagen.  BukaTimur 
wurde  mit  einem  Toman ,  d.  i.  mit  einer  Abtheilung  von 
zehntausend  Mann ,  auf  der  Heerstrasse  von  Medain  und 
Bassra  befehligt,  um  die,  so  etwa  mit  den  Schiffen  auf  dem 
Tigris  zu  entfliehen  versuchten,  aufzufangen.  Der  Diwitdar, 
welcher  auf  diese  Weise  mit  mehreren  Schiff^en  zu  entkommen 
hoifte,  wurde  aufgehalten,  drei  Schiffe  genommen,  die  an- 
deren versenkt  oder  zerstört.     Auf  diese  Nachricht  entsank 


^ö.Muhar- 

rem 


^S.  Moharr 


')  Dseharlik)  ci^cullich  Diakuu. 


Zweites     Buch.  15X 

dem  Chalifen  aller  Muth  zu  fernerem  Widerstände;  er  sandte 
den  Fachrcddin  von  Demaghan  und  den  Ibn  Dernus  mit 
wenigen  Geschenken;  denn  er  fürchtete,  dass,  wenn  er 
viele  sendete,  die  Grösse  derselben  für  den  Maassstab  seiner 
Furcht  gelten  könnte.  Hulagu  wies  dieselben  mit  den  Ueber- 
bringern  zurück.     Am  folgenden  Tage  kam  Ebulfadhi  Abder- 


rahman  an  der  Spitze  aller  Grossen  mit  grossen  Geschenken; 
aber  auch  diese  wurden  nicht  genehmigt.  Hulagu  sandte 
den  IVassireddin  von  Tus  als  Gesandten  in  die  Stadt;  welcher 
Triumph  für  den  rachsüchtigen  Astronomen,  welcher  seiner 
Empfindlichkeit  für  die  Verschraähung  seiner  Verse  die 
Stadt  des  Heils  und  das  Heil  des  Chalifats  geopfert,  welcher 
Triumph  für  ihn,  dem  Chalifen  nun  im  Namen  des  Siegers 
Gesetze  vorzuschreiben!  Am  folgenden  Tage  kehrte  er 
zurück  ,  und  Hulagu  sandte  die  aus  der  Stadt  gekommenen 
drei  Gesandten ,  den  Fachreddin  Demaghani ,  den  Ibuot 
Dschewsi  und  Ibn  Dernus,  mit  dem  Begehren,  dass  Suleiman- 
schah  und  der  Diwitdar  erscheinen  mögen.  Sie  erschienen  i.  Ssafer 
wirklich  zwei  Tage  hernach.  Hulagu  sandte  sie  wieder  in  7.  Februar 
die  Stadt  zurück ,  um  die  Ihrigen  mit  sich  za  bringen.  Die 
syrischen  und  irakischen  Truppen  und  eine  Menge  Volkes  , 
benützten  diese  Gelegenheit,  um  die  Stadt  zu  verlassen  und 
sich  in's  Lager  der  Mongolen ,  wo  sie  Rettung  und  Sicher- 
heit zu  finden  hofften ,  zu  begeben ;  sie  wurden  in  Tau- 
sende, Hunderte  und  Zehn  abgetheilt,  den  mongolisclien 
Befehlshabern  der  Tausender,  Hunderter  und  Zehner  über- 
geben und  von  diesen  regelmässig  umgebracht.  Abgeordnete 
kamen  aus  der  Stadt,  um  das  Leben  der  noch  Zurückgeblie- 
benen zu  erflehen,  die  Alle  unterwürfig.  Hulagu  begehrte, 
dass  der  Chalife  seine  Söhne  sende  und  selbst  komme. 
Während  diesen  Unterhandlungen  ward  einem  Inder  Bitek- 
dschi,  der  bei  Hulagu  in  grossem  Ansehen,  ein  Auge  aus- 
geschossen; Hulagu,  hierüber  ergrimmt,  wollte  nun  \oi\ 
weiterem  Aufschub  nicht  mehr  hören.  Er  befahl  dem  Nassir- 
eddin  von  Tus,  sich  an's  Thor  der  Wettrenner')  zu  begeben 


')  Babol-Halbe. 


152  Z  \v  e  i  t  e  s     n  «  c  li. 

g.  S.sufir  ,j{,j  iJie  Einwohner  mit  Zusichermig  des  Lebens  Iierauszu- 
•  **  ''  führen;  als  diess  geschehen,  wurden  sie  Alle  niedergemacht. 
Siileimanschah  wurde  mit  Siebenhundert  der  Seinen  in  die 
Gegenwart  Huiagu's  geführt.  Dieser  fragte  ihn:  Wie  kommt's, 
dass  du,  ein  Sternkundiger,  nicht  den  Frieden  vorgezogen 
und  deinem  Herrn  nicht  dazu  gerathen?  Suieiraanschah 
erwiederte:  Der  Chaiife  ist  an  Geist  und  Glück  verwahrlost 
und  leiht  denen,  die  es  wohl  mit  ihm  meinen,  kein  Ohr. 
Suleiman  und  seine  Siebenhundert  wurden  niedergemetzelt, 
so  auch  der  Diwitdar  und  dessen  Sohn,  und  die  drei  Köpfe 
an  Bedreddin  Lulu,  den  Atabegen  von  Mossul,  gesandt,  der, 
ein  Freund  Suleimanschah's,  seinen  Tod  beweinte,  aber 
notligedrungen,  um  nicht  seinen  Kopf  zu  verlieren,  den  des 
Freundes  au  dem  Thore  seines  Palastes  aufhängen  musste. 
Nach  diesem  tragischen  Ende  seiner  Getreuesten  rief  der 
Chaiife  seinen  Wesir  und  fragte  ihn ,  was  zu  thun ;  dieser 
antwortete  ihm  mit  dem  arabischen  Distichon: 

Sie  wälnien,  es  sei  leicht,  Geschäft  zu  schlichten, 
TnHess  das  Schwert  sich  schärft,  um  lüu/.urichteu. 

Endlich  begab  sich  der  Chaiife ,  mit  seinen  drei  Söhnen  und 
von  dreitausend  Seiden,  Imamen ,  Scheichen  und  Kadis  be- 
gleitet, Freitags  den  zehnten  Februar  zu  Ilulagu.  Dieser 
empfing  ihn  ohne  Merkmal  des  Zorns  und  begehrte  kalt 
und  ruliig,  der  Chaiife  möge  Wort  in  die  Stadt  senden, 
dass  die  Einwohner  die  Waffen  wegwerfen  und  zur  Zählung 
lierauskommen  möchten.  Der  Chaiife  gehorchte  und  Bagdad'» 
Einwohner  gingen  wie  Schafe  zur  Schlachtbank,  denn  statt 
gezählt  zu  werden,  wurden  sie  ungezählt  Alle  getÖdtet,  der 
Chaiife  und  seine  Söhne  in  Zelte  gewiesen  vor  dem  Gül- 
7.  Ssafer  xvadischen  Thore,  wo  der  Standort  Keitbuka's.  DrvA  Tage 
i^<^<"  hernach  begann  die  allgemeine  Plünderung.  Alle  Paläste 
und  Gebäude  wurden  niedergebrannt,  bis  auf  einige  wenige, 
ausdrücklich  ausgenommeiie  Häuser  von  Arkaunen ,  das  ist 
nestorianischen  Priestern  und  Fremden.  Die  Priester  dankten 
diese  Schonung  vermuthlich  Niemanden  Anderem,  als  ihrer 
Glaubensgenossin,  der  ersten  Gemahlin  Huiagu's,  der  grossen 
Frau  Tokus,    der  Keraitin,   welcher    im   Lager  Kapelle  mit 


4,  Ssafer 
10.  Febr. 


Zweites     Buch.  153 

Glockengeläute  gestattet  ward.  Unter  den  Fremden  sind 
vielleicht  fränkische  Kaufleute  gemeint,  Venezianer  und 
Geuueser,  welche  sich  zu  Bagdad  des  Handels  willen  auf- 
hielten. 

Freitags  am  fünfzehnten  Februar  begab  sich  Hulagu  Blutbad  und 
selbst  in  die  entvölkerte,  niedergebrannte,  verheerte  Stadt  Hinrichtung 
und  ordnete  auf  den  Ruinen  derselben  Feste  an.  Er  Hess  ^*  "'  "' 
den  Chalifen  vorführen  und  sagte  ihm:  Du  bist  der  Gast- 
geber und  ich  der  Gast;  tische  uns  also  auf,  was  du  hast. 
Der  Chalife  zitterte  und  hatte  aus  Furcht  alle  Besinnung 
verloren,  so  dass  er  die  Schlüssel  zu  den  Schatzkisten,  die 
er  ausliefern  sollte,  nicht  fand.  Die  Kisten  wurden  erbrochen 
und  er  brachte  huldigend  dem  Sieger  zweitausend  Kleider 
und  zehntausend  Goldstücke  nebst  vielen  Juwelen  und  an- 
deren Kostbarkeiten  dar.  Hulagu  würdigte  das  Geschenk 
keines  Blickes  und  befahl,  es  unter  die  Emire  und  die 
nächste  Umgebung  zu  vertheiien.  Dann  herrschte  er  weiter: 
Was  über  der  Erde  von  deinen  Schätzen,  ist  klar  und 
offenbar;  doch  nun  entdecke  uns  auch  die  unterirdischen. 
Der  Chalife  gab  die  unterirdische  Cisterne  an,  bei  deren 
Anblick  sein  Urgrossvater  Nassir  so  oft  seufzte,  dass  er  die- 
selbe trotz  seines  Zusammenscharrens  von  Gold  nicht  damit 
ganz  füllen«,  sein  Vater  Mostanssir ,  dass  er  dieselbe  trotz 
efeiner  verschwenderischen  Freigebigkeit  nicht  ganz  leeren 
konnte.  Moteaassim's  Geiz  hatte  den  durch  des  Vaters  Frei- 
gebigkeit entstandenen  Abgang  wieder  ausgefüllt.  Hierauf 
wurde  das  Frauengemach  des  Chalifen  gezählt;  es  waren 
siebenhundert  Sklavinnen  und  tausend  Verschnittene.  Der 
Chalife,  als  er  den  Zählungsbefehl  vernahm,  bat  um  Scho- 
nung dieser,  selbst  von  Sonne  und  Mond  nie  geschauten 
Schönheiten.  Hulagu  erlaubte  ihm,  hundert  auszuwählen. 
Mit  sinkender  Nacht  kehrte  Hulagu  aus  der  Stadt  wieder 
in's  Lager  zurück  und  befahl  dem  Sundschak  Nujan ,  die 
Schätze  des  Chalifen  in  Besitz  zu  nehmen;  die  seit  einem 
halben  Jahrtausend  aufgehäuften  Schätze  wurden  rings  des 
Herrscherzeltes  aufgeschichtet;  die  edelsten  Wallfahrtsstätten, 
wie  die  Moschee  des  Chalifen,    die  Grabstätte  Musa's,    die 


154  Zweites     Buch. 

Grabmäler'von  Roesafa,  wurden  geplündert;  die  noch  übrigen 
Einwohner  der  Stadt  baten  durch  Scherefeddin  von  Meragha 
und  Schihabeddin  von  Sindschar  una  Schonung  und  Ver- 
gebung; da  erging  der  Befehl,  dass  das  Blutbad  und  die 
Plünderung  aufhöre,  denn  Bagdad  sei  sofort  des  Padischah's 
'^■>^<</f>'  liJigentlium.  Hulagu,  zog  nach  einigen  Tagen ,  der  unge- 
sunden Luft  willen ,  sein  Lager  auf  einige  Entfernung  von 
der  Stadt  zurück;  dann  Hess  er  abermals  den  Chalifen  in 
seine  Gegenwart  fordern.  Der  Chalife  sagte  zum  Wesir : 
Was  ist  zu  thun  ?  „Unser  Bart  ist  lang",  antwortete  dieser 
in  bitterer  Beziehung  auf  das  Wort  des  Diwitdar's,  der,  als 
der  Wesir  bei  der  ersten  Aufforderung  Hulagu's  gerathen, 
sich  mit  einer  reichen  Ladung  von  Schätzen  abzufinden  ,  dem 
Chalifen  sagte :  „Der  Wesir  hat  einen  langen  Bart"  (^auf 
das  arabische  Sprichwort  hindeutend :  langer  Bart  und 
kurzer  Verstand^.  Der  Chalife  bat  nun  den  Ilchan  um  die 
Erlaubniss,  sich  in's  Bad  zu  begeben,  welche  ihm  Hulagu 
unter  der  Begleitung  von  fünf  Mongolen  gewährte.  Ich 
wünschte  nicht,  sagte  Moteaassira ,  die  Gesellschaft  von  fünf 
Folterengeln,  und  declamirte  einige  Verse  einer  berühmten 
Kassidet ,  deren  Anfang  : 

Wir  wachten  auf  iu  einem  Freudenhorte , 
Voll  Paradieseslust  und  Pracht ;  ♦ 

Der  Abend  findet  uns  an  einem  Orte, 
Woran  wir  gestern  nicht  gedacht. 

14.  Ssafer  Am  selben  Tage,    wo   Hulagu   sein    Lager   von  Bagdad 

20.  Febr.  zurückzog,  wurde  der  Chalife,  in  einen  Teppich  einge- 
wickelt, zu  Tode  gerollt  und  unter  den  Hufen  der  Pferde 
zertreten;  drei  seiner  Söhne  und  seine  fünf  Begleiter  wurden 
im  Dorfe  iVakf  hingerichtet,  und  am  folgenden  'Vftg^  Alle 
die,  so  am  Gülwadischen  Thore  zurückbehalten  worden 
waren,  getödtet ;  der  jüngste  Sohn  des  Chalifen  ,  JMubarek- 
schah,  wurde  der  Gemahlin  Hulagu's,  der  Frau  Oldschai, 
zum  Geschenke  gemacht,  welche  ihm  eine  mongolische  Sklavin 
zur  Frau  gab  und  an  Nassireddin  von  Tus  nach  Meragha 
sandte.  Am  selben  Tage  mit  dem  Chalifen  wurde  der  Wesir 
Alkami  und  der  Staatssekretär,  Vorsitzer  des  Diwans,  Fachr- 


Zweites     Buch.  I55 

eddin  von  Demaghan  in  die  Stadt  gesendet  und  Ali  Bchadir, 
der  Steuereinnehmer,  welcher  das  Heer  während  der  Be- 
lagerung mit  Lebensmitteln  von  Baakuba  aus  versehen  hatte, 
zum  Statthalter,  der  Emir  Karakal  Imadeddin  von  Kaswin 
zum  Naib  (^Stellvertreter  des  Richters)  ernannt ;  dem 
Nedschmeddin  Ebi  Dschaafer  Araran,  der  den  schönen  Bei- 
namen Meliki  rast,  d.  i.  des  geraden  Königs,  führte,  wurde 
die  Steuereinnahme  über  das  östliche  Gebiet  Bagdad's  an- 
vertraut und  dem  Richter  der  Richter  JNisameddin  Abdol- 
mumin  uie  Aufrechthaituug  der  Polizei  aufgetragen!  Ilka 
>'ujan  und  Kara  Buka  wurden  mit  dreitausend  Mann  zur 
Aufräumung  des  Schuttes  und  zur  Beerdigung  der  Todten, 
zur  Auferbauung  der  verheerten  Gebäude  befehligt;  ein 
vergeblicher  Befehl,  denn  das  alte  Bagdad  erstand  nie  wieder 
in  seinem  vorigen  Glänze;  und  als  sechzig  Jahre  nach  der 
Eroberung  der  Geschichtschreiber  Wassaf  Bagdad  besuchte, 
war  nicht  der  zehnte  Theil  der  alten  Gebäude  und  Be- 
völkerung vorhanden;  dem  Ibnol  Alkami  aber,  dessen  Ver- 
rätherei  die  Hauptursache  des  Ruins  des  Chalifats,  und 
welcher  nur  drei  Monate  die  Eroberung  Bagdad's  überlebte, 
ward  noch  allgemein  geflucht,  uud  an  den  Thoren  der  Mo- 
sclieen  und  Medreseen  war  die  Inschrift  zu  lesen:  Gott 
verfluche  deti ,  der  nicht  fluchet  detn  Ibnol  Alka7ni ' ). 

Von  Hilie,  das  der  Sitz  der  Seide,  Prophetenvervvandten,    Gesandt- 
hatte    der   Vorsteher   derselben,    Medschdeddin  Mohammed ^c^^cß^"   «« 

Ibnol  Hasan  Ben  Taus   (das  erste  Viertel    dieses  vierthei-        "".'/"•■ 

Alkami's 
ligen  langen  Namens,  heisst  Glaubensrtihm,  das  letzte  Pfauen-  j,^^  .  j^HfH^^ 

sokti)    durch    einen  Gesandten  ein  Schreiben  unterwürfigen  thekenruin. 

Inhalts  anHulagu  gesandt^).    Dieser  entgegnete  ihnen  Diplom 

und    Geschenke    durch  Tekele   und   Ali   von  JVachdschiwan, 

welcher    als  Gesandter,    der  Emir  Alaeddin  der  Perser  als 

Statthalter  nach  Hille  gingen^).     Ihnen  folgte  auf  dem  Fusse 

Buka  Timur,  der  Bruder  der  Frau  Oldschai,  um  sich  Hille's, 


')  Ein  scliiitischer  Molla,  welcher  aus  der  Inschrift  das  La 
(uicht)  we;^Iöschte,  ward  mit  siebzigStockstreichen  bestraft.  ^Vassilf. 
Mirchuaud :  Nuveiri ;  bei  d'Ohssou  HI.  p.  243.  ^)  Das  Schreiben 
des  Laugen  uoch  bei  Wassaf.     ^)  Reschideddio;  Wassaf. 


156  Z  w  e  i  t  e  s     B  u  c  li. 

10.  Ssnfer  Wasith's  lind  Kufa's  zu  bemächtigen.  Die  Bewohner  Hiile's 
/'tö/'.  i(ame„  [1^^  freundlich  entgegen  und  erleichterten  seinen 
Marsch,  indem  sie  Brücken  über  den  Euphrat  schlugen. 
Von  den  Bewohnern  Wasith's,  das  sich  nicht  unterwarf, 
wurden  vierzigtaus^nd  niedergemetzelt.  Von  Wasith  zogBuka 
Tiraur  gegen  Chusistan ,  den  SchereflFeddin  Ibnol-Dschewsi 
mit  sich  führend ,  um  durch  denselben  die  Einwohner  der 
Stadt  Schuster  zur  Uebergabe  zu  bereden.  Bassra  und  die 
Umgegend  unterwarf  sich  gutwillig,  der  Emir  Sfdfeddin, 
der  Bitekdschi,  erbat  sich  hundert  Mongolen  als  Sicher- 
heitswache für  die  Grabstätte  Ali's  zu  Nedschef ;  nach  Ver- 
lauf von   fünf  Wochen    war   Buka  Timur   im   Lager  zurück. 

'  '.^..r.  "/  ~  Ein  Monat   nach   der  Eroberung  Bagdad's  wurden  die  Ge- 

gff  MfVri^  sandten  des  Fürsten  der  Ejubiden  zu  Haleb  mit  einem  von 
Nassireddin  von  Tus  aufgesetzten  arabischen  Schreiben  zu- 
rückgefertigt; es  lautete:  „Wir  haben  gelagert  vor  Bagdad 
im  Jahre  sechshundert  sechs  und  fünfzig  und  übel  tagte  der 
Morgen  über  die  Bewohner,  und  wir  luden  den  Besitzer 
ein;  er  weigerte  sich;  da  ward  an  ihm  das  Wort  erfüllt, 
und  wir  nahmen  ihn  gefangen.  Wir  laden  dich  ein  zu 
Unserem  Gehorsam;  wenn  du  denselben  verweigerst,  ist's 
dein  Verderben.  Sei  nicht  wie  der,  der  sich  streitet  um 
ein  Aas,  denn  der  Listige  verliert,  er  weiss  nicht  was, 
sonst  wirst  du  seyn  von  den  Verworfenen,  welche  ihren 
Fleiss  auf  das  irdische  Leben  wenden  an,  und  die  da  wähnen, 
sie  hätten  Etwas  für's  Künftige  gethan;  Heil  dem,  der  wahrer 
achir        Leitung  folgt!"     Hulagu  befand  sich  in  der  zweiten  Hälfte 

iT.  April  Aprils  wieder  bei  seinem  schweren  Gepäcke'")  zu  Han^adan, 
ie.Rebiul.IT.  ^o  er  seine  Gesundheit  pflegte,  da  er  unwohl.     Fünf  Tage 

S2.  A/Ji-U     später  erschienen  Ilka  und  die  anderen  Emire  zur  Aufwar- 

S.Dschem.ll.  tung;  sechs  Wochen  hernach  starb  Moejeddin  Ibnol  Alkami, 

6*.  Jitui      welcher    wenigstens   dem  Namen    nach  die  Wesirschaft  von 

Bagdad  beibehalten  hatte;  nacli  dessen  Tode  erhielt  dieselbe 

sein  Sohn  Scherefeddin.     Wiewohl  der  Name  Ibnol  Alkami's 


' )  d'Ohsson  III.  j56.  pres  de  HaniaHan  (iii  etoieut  restes  ses 
«);^liruks  (A»hrik) ;  das  türkische  Aghiilik  Iieisst  das  schwere 
Gepäck. 


Zweites     Buch.  I57 

nichts  anderes  als  der  eines  Verräthers  auf  den  Zungen  der 
glaubwürdigsten  Geschichtschreiber,  so  erfordert  es  doch 
unsere  Pflicht,  als  solcher  auch  des  Ehrenvollen  zu  er- 
wähnen, was  eine  andere,  freilich  nicht  sehr  glaubwürdige 
Quelle  von  demselben  meidet  Der  Verfasser  des  Sitten- 
spiegels der  Herrschaft  ^^ ,  welcher  sich  im  Seltsamen  zu 
gefallen  scheint ,  sucht  ihn  von  aller  Schuld  der  Verrätherei 
rein  zu  waschen ,  indem  er  den  schlechten  Ruf  desselben 
einzig  als  Verläumdung  und  aus  dem  Hasse  und  ^ieide  der 
nächsten  Umgebungen  des  Chalifen,  welcher  ihm  sein  ganzes 
Vertrauen  geschenkt,  zu  erklären  bemüht  ist;  dass  er  des 
Vertrauens  des  Chalifen  nicht  ausschliesslich  genoss,  erhellt 
schon  aus  dem,  dass  sein  Rath  von  dem  seines  Gegners, 
des  Diwitdar's ,  überflügelt  worden,  und  dass  ihm  Hulagu 
nach  Bagdad's  Eroberung  den  Titel  der  Wesirschaft  liess, 
beweiset  keineswegs,  dass  er  kein  Verräther.  Wassaf,  welcher 
ein  halbes  Jahrhundert  darauf  seine  Geschichte  schrieb,  be- 
stätigt die  Worte  Reschideddin's ,  seines  Zeitgenossen,  und 
entkräftet  das  angebliche  V' ertrauen  ,  das  jenem  Sittenspiegel 
zufolge  Hulagu  in  ihn  gesetzt  haben  soll,  durch  das,  was 
er  bei  dieser  Gelegenheit  über  die  löbliche  Sitte  mongoli- 
scher Herrscher  sagt:  die  Verrätherei  und  Anschwärzerei 
zwar  zu  ihrem  Vortheile  zu  benützen ,  aber  den  Verräther 
und  Anschwärzer  zu  verachten ;  seiner  Verrätherei  aus 
Niederträchtigkeit  und  Leidenschaftlichkeit  ungeachtet,  kann 
Ibnol  Alkami  sehr  wohl  ein  gebildeter,  selbst  gelehrter 
Wesir,  grosser  Gönner  und  Freund  der  Gelehrten  gewesen 
sein,  der  eine  Bibliothek  von  zehntausend  Bänden  besass, 
deren  viele  ihm  gewidmet  waren;  selbst  der  grosse  Gelehrte 
Nassireddin  erscheint  in  nicht  viel  besserem  Lichte,  indem 
ihn  gekränkte  Eitelkeit  zur  Rache  an  dem  Chalifen  durch 
den  Ruin  des  Chalifats  anspornte,  und  so  stehen  der  ge- 
lehrte Wesir  und  der  gelehrte  Astronom  leider  beide  von 
Seite  ihres  Charakters  und  ihrer  politischen  Grundsätze  in 
höchst   ungünstigem   Lichte   vor   den  Augen   der  Nachwelt. 


')  Adabes-Sultanijet. 


158  Zweites     Buch. 

Die  zehntausend  Bände  der  Bibliothek  Ihn  Alkami's)  wurden, 
wie  die  der  anderen  Bibliotheken  Bagdad's,  von  den  Mon- 
golen entweder  in  den  Tigris  geworfen  oder  verbrannt; 
binnen  zwei  Jahren  der  dritte  grosse,  für  Bibliotheken  ver- 
derbliche Brand,  in  welchem  zu  Alamut,  Medina  und  Bagdad 
die  Werke  östlicher  Weisheit,  welche  die  Welt  erleuchten 
sollten ,  ein  Raub  der  Flaramen.  Durch  diesen  dreifachen 
Bibliothekenbrand  hinnen  zwei  Jahren  ging  nur  zu  sehr  in 
leidige  Erfüllung  die  Vorbedeutung  des  um  zwei  Jahre 
früheren  Brandes  der  arabischen  Wüste. 
IrhiVs  Nach  Bagdad's  Eroberung  befehligte  Hulagu  den  Oroktu 

firosser,     Nnjan   zur   Eroberung   Irbil's,    der    zwischen    dem   grossen 
u-ohltfuitufer  ^^j^d   kleinen    Sab,    zwei    Tagreisen    von   Mossul    gelegenen 

!   ,      Hauptstadt  des  oberen  Kurdistan's,  welches  durch  die  Bauten 

persische  ^ 

Künic/stein ;  ^^^  ^^^^  ^or  acht  und  zwanzig  Jahren ')  verstorbenen  turk- 
die  Stern-  manischen  Fürsten  Kewkebusi  Ben  Ebul  Hasan  Ali  damals 
warte  von  gjjjg  jgj.  blühendsten  Städte  des  persischen  Irak.  Dieser 
edle  Fürst,  von  welchem  die  europäischen  Geschichtschreiber 
bisher  nicht  die  geringste  Kunde  genommen,  ist  einer  der 
wohlthätigsten  des  Islams  und  verdient  als  solcher  sehr  wohl 
seinen  doppelten  Ehrennamen  Melik  Moaasem  Mosaffereddin, 
d.  i.  des  grossgeehrten,  durch  die  Religion  siegreichen 
Känigs.  Täglich  speiste  er  Arme  und  kleidete  sie  im  Winter; 
alljährlich  sandte  er  Commissäre  in  die  Häfen,  um  Gefan- 
gene auszulösen,  und  nach  Mekka,  um  die  Pilgerkarawane 
mit  Speise  und  Trank  zu  versehen.  Zu  Mekka  führte  er 
die  erste  Wasserleitung  vom  Äarafat  und  baute  mehrere 
Wasserbehälter,  zu  Irbii  gründete  er  ein  Dutzend  wohlthä- 
tiger  Anstalten,  mehrere  solche,  von  denen  weder  vordem 
noch  seitdem  im  Islam  gehört  worden;  nämlich:  ein  Haus 
für  Findelkinder,  eine  Anstalt  für  Ammen  und  Säuglinge, 
eine  Versorgungsanstalt  für  Wittwen,  ein  gemeines  Kranken- 
haus, ein  besonderes  Spital  für  Blinde,  ein  Karawanserai, 
in  welchem  die  Reisenden  nicht  nur  umsonst  bewirthet, 
sondern  auch  noch  ausserdem  mit  Reisegeld  versehen  wurden, 


O  Am  lö.  Ramasan  630. 


Zweites     B  u  c  li.  I59 

ein  Kloster,  eine  Medrese,  an  welcher  Mmlerrise  für  die 
beiden  Ritus  Hanefi  nnd  Schafii ,  und  endlicli  eine  Moschee, 
an  welcher  alljährlich  das  Fest  der  Geburt  des  Propheten 
mit  einer  Pracht  und  einem  Zulaufe  von  Menschen  begangen 
ward,  wie  vordem  und  seitdem  nirgends.  Von  Mossul, 
Sindschar,  Dschesire,  JNissibin  strömten  die  Besucher,  Pre- 
diger, Redner,  Dichter,  Koranleser,  Ssofi  nach  Irbil;  einen 
ganzen  Monat  vor  dem  Feste  waren  zwischen  der  31oschee 
und  dem  Kloster  zwanzig,  drei  Stock  hohe  Dome  aus  Brettern 
aufgeschlagen,  von  deren  Gallerien  Dichter  declamirten, 
Redner  sprachen,  Schattenspieler  die  Zuschauer  unterhielten. 
Täglich  nach  dem  Nachmittagsgebete  begab  sich  Mosaffer- 
eddin  zu  diesen  Domen  ,  wohnte  in  der  Nacht  im  Kloster 
dem  Reigen  der  Ssofi  bei  und  ging  nach  dem  Morgengebete 
auf  die  Jagd.  -Am  Geburtsfeste  selbst  ward  eine  unzählbare 
Menge  von  Kameelen,  Rindern,  Schafen  unter  Musik  auf 
den  Platz  gebracht,  geschlachtet,  gesotten  und  gebraten, 
während  der  Nacht  die  Stadt  erleuchtet  und  am  folgenden 
Tage  die  Gäste  an  zwei  grossen  Tafeln,  deren  eine  für  die 
Vornehmen,  die  andere  für  das  Volk,  bewirthet ;  im  Schlosse 
walzten  die  Derwische,  von  den  Gallerien  wurden  die  Hymnen 
des  Gebets  abgesungen,  die  Sänger,  Prediger  und  Derwische 
reichlich  beschenkt.  3Iosaflereddin  wurde  in  der  Nähe  von 
Kufa,  seine  Gemahlin  Rebiaa  am  Berge  Kasiun  bei  Damaskus 
in  der  von  ihr  gestifteten  ^ledrese  bestattet.  In  keiner 
Schlacht  besiegt,  von  keinem  anderen  Fürsten  in  Stiftungen 
der  Wohlthätigkeit  übertroffen,  verdient  dieser  turkmanische 
Fürst  von  Irbil  wohl  den  Namen  des  durch  die  Religion 
siegreicheii,  grossmüchtigen  KÖ7iigs  '}.  Das  Schloss  von 
Irbil  erhebt  sich  auf  einem  vereinzelten  Berge,  während 
die  Stadt  in  der  Ebene.  Tadscheddin,  der  Sohn  Salaje's 
(^des  oben  erwähnten  Befehlshabers  des  Passes  \on  Deriteng 
[Eiigthor]),  war  bereit,  die  Stadt  zu  übergehen;  aber  die 
Kurden  gehorchten  ihm  nicht.  Oroktu  begehrte  Ilülfstruppen 
von  Bedreddin  Lulu,  dem  Fürsten  Mossul's,  der  sie  ihm  auch 


O  Dschihannuma  S.  346  und  347  ein  volles  Blatt. 


160  Zweites     Buch. 

sandte  und  den  guten  Rath  ertheilte,  den  Sommer  abzu- 
warten, weil  dann  die  Kurden  nicht  me^r  im  Schlosse  aus- 
halten, den  Gebirgen  zueilen  würden.  Oroktn  übergab  die 
Belagerung  dem  Bedreddin,  dessen  Yorhersagung  durch  den 
Abzug  der  Kurden  im  Sommer  erfüllet  ward ;  er  schleifte 
die  Mauern.  Hulagu  schickte  einen  Theii  der  erbeuteten 
Schätze  mit  dem  Siegesberichte  seines  Eroberungszuges 
an  den  Bruder  Kaan ,  den  grössten  Theil  derselben  aber 
speicherte  er  in  dem  am  See  Urmia  auf  unbezwinglichem 
Felsen  gelegenen  Schlosse  Tala  (  das  heute  Gurtschinkalaa 
heisst)  auf;  eine  vereinzelte,  auf  drei  Seiten  unzugängliche 
Felsenmasse,  welche  den  englischen  Reisenden  Porter  an 
den  Königstein  in  Sachsen  erinnerte  und  welche  ein  Steier- 
märker  die  persische  Riegershurg  nennen  würde').  Bedr- 
7.  .9c/jrt«&rt«  edfjin  Lulu,  der  neunzigjährige  Fürst  von  Mossul,    wartete 

-7 — -. -T"  dem  Eroberer  Persiens,  für  den  er  Irbil  eroberte,  zu  Me- 

9.  August  '  ' 

IS58  ragha  auf;  ebenda  Atabeg  Saad,  der  Salghure,  Herr  von 
Fars,  und  die  beiden  seldschukischen  Prinzen  von  Rum, 
Isededdin  und  Rokneddin.  Hulagu  war  über  jenen  sehr 
ungehalten,  weil  er  wider  Baidschu  iVujan  sich  zu  schlagen 
gewagt.  Um  den  Erzürnten  zu  versöhnen,  stellte  sich  Ised- 
eddin zur  Audienz  mit  einem  Geschenke  von  einem  Paar 
Pantoffeln,  deren  Sohlen  sein  Portrait  eingestickt  war,  und 
mit  der  Bitte  dar ,  dass  der  Padischah  auf  diese  Weise  ihn, 
den  Sklaven,  unter  den  Sohlen  in  den  Staub  tretend,  adeln 
möge.  Hulagu  verzieh  ihm,  durch  diese  Schmeichelei  be- 
sänftigt und  auf  die  Fürbitte  der  Frau  Tokus.  Einen  schönen 
Gegensatz  zu  dieser  niederträchtigen  Schmeichelei  des  Sultans 
von  Rum  bildet  die  Freimüthigkeit  des  Astronomen  Nassir- 
eddin  von  Tus,  welcher  dem  Eroberer  in  Erinnerung  brachte, 
dass,  als  Chuaresujschah  erobernd  bis  Tebris  vorgedrungen, 
er  auf  die  wider  die  Ausschweifungen  seines  Heeres  vor- 
gebrachten Klagen  geantwortet :  Ich  kam  als  JVelleroberer 
und  nicht  als  llelterhalter^);    Hulagu  antwortete:    Ich  bin. 


•  ')  Porter  sagt  hierüber  II.  592.  593.     -)  Dschihangir  ne  Dschi- 
handar. 


Zweites     Buch.  161 

Gott  sei  Dank !  sowohl  Welteroberer  als  Welterlialter  und 
kein  Schwächling,  wie  Dschelaleddin  von  Chuaresm.  Den 
ersten  Beweis  von  der  Wahrheit  dieses  Wortes  gab  Hulagu 
durch  den  Bau  der  Sternwarte  von  Meragha,  deren  Grund 
jetzt  gelegt,  aber  deren  Bau  erst  unter  der  folgenden  Re- 
gierung vollendet  ward.  Vier  Astronomen  ^J  von  Damaskus, 
Kaswin ,  Achiath  und  Mossul  waren  die  Gehilfen  Nassir- 
eddin's  von  Tus,  der  an  dieser  Sternwarte  die  ilchanischen 
Tafeln  verfertigte,  die,  vollkommener  als  die  früheren^), 
ein  bleibendes  Denkmai  des  Ruhmes  des  Ilchans,  Erbauers 
der  Sternwarte  und  des  an  derselben  beobachtenden  grossen 
Astronomen  Nassireddin's  von  Tus. 

Von  den  Fürsten,  welche  dem  neuen  Ilchan  oder  Landes-   Herrscher 
herrn  nach  Bagdad's  Eroberung  zu  huldigen  kamen,  ist  be-  G^o«*-  ""^ 

reits  des  Salghuren  von  Fars  und  des  Seldschuken  von  Rum,  *^'"~ 

Luristan's. 
sowie  des  Atabegen  von  Mossul,  Bedreddin  Lulu's,  welcher 

bei  Irbil's  Eroberung  hilfreiche  Hand  geleistet,  Erwähnung 

geschehen,    und    es    wird  von  ihnen  noch  weiter  unten  die 

Rede   sein;    doch    hier   ist   noch   von    anderen   Fürsten    zu 

melden ,  deren  Staaten  nun  in  unmittelbarer  Berührung  mit 

der  mongolischen  Macht,  derselben  sich  nur  scheinbar  oder 

erst   durch   Gewalt   gezwungen    unterworfen;    solche    waren 

die   Atabege    von    Gross-   und    Klein-Luristan ,    die  Könige 

Gross-  und  Klein- Armeniens ,    endlich    die   Sultane  Syriens 

und  Aegyptens.     Die  ausführliche  Erzählung  des  wider  die 

letzten  geführten  syrischen  Krieges  ist  dem  folgenden  Buche 

vorbehalten;  hier  also  nur  kurz  von  den  Atabegen  und  den 

christlichen  Fürsten.     Tekele,  der  Sohn  Hesarsifs,  der  dritte 

Herrscher   der   im  Geburtsjahre  Tschengischan'^  vor  einem 

Jahrhunderte    als    unabhängig    emporgeschossenen   Dynastie 

der  Atabege    von    Gross -Luristan,    war,   als   Hulagu  gegen 

Bagdad    zog,   demselben   huldigend  entgegengekommen  und 

von  ihm  dem  Tomane  Keitbuka  Newin's,  des  Befehlshabers 


')    1.   Moejeddin   Ben   Irsi    von    Damaskus,     2.   Nedschmeddin 
Kjatib  von  Kaswin,    ?,.  Faclireddiu  von  Mossul,  gebürtis  von  Me- 
raasch,   4.  Facliredrtin  von  Tiflis,  gebürtig  von  Achlat.     ^-j  als  die 
von  Fachir,  Alaiy  Scliahi,  Guschjar.     >yassaf.     d'Olisson  III.  265. 
Hammer,  Geschiclite   drr  Uchane.    I.  II 


162  Zweites     Buch, 

des  Vortrabes,  zugetheilt  worden.  Nicht  im  Stande,  die 
Aeusserungen  seines  Schmerzes  über  den  Sturz  des  Chalifats 
und  den  Mord  der  Bewohner  Bagdad's  zu  unterdrücken, 
hatte  er  sich  durch  dieselben  die  Ungnade  Hufagu's  zuge- 
zogen ,  der  Truppen  wider  ihn  sandte.  Schemseddin  Alp 
Arghun ,  der  Bruder  Tekele's,  bot  sich  dem  Bruder  an, 
sich  selbst  in's  Lager  des  Ilchans  zu  begeben,  um  dessen 
Verzeihung  zu  erflehen.  Tekele  nahm  den  Antrag  dankbar 
an.  An  der  Gränze  Luristan's  fiel  Alp  Arghun  den  mon- 
golischen Truppen  in  die  Hände,  deren  Heerführer  ihn 
trotz  seiner  Sendung  als  Unterhändler  tödteten.  Tekele 
vertheidigte  sich  in  dem  Schlosse  Mandschascht  und  ergab 
sich  erst,  als  ihm  durch  Sendung  des  Ringes  Hulagu's  sicheres 
Geleite  versprochen  ward.  Nichtsdestoweniger  ward  er  nach 
Tebris  geschleppt  und  dort  hingerichtet  und  die  Herrschaft 
Grossluristan's  dem  mit  dem  hingerichteten  Bruder  Tekele's 
gleichnamigen  Schemseddin  Alp  Arghun  verliehen  ^ ).  In 
Klein-Luristan  war  die  Herrschaft  der  vor  siebzig  Jahren 
unabhängig  gegründeten  Dynastie  in  den  Händen  des  vierten 
Herrschers,  Bedreddin  Mesud,  welcher,  als  er  sich  auf  dem 
Feldzuge  Hulagu's  gegen  Bagdad  zum  Dienste  desselben 
stellte ,  von  ihm  die  Auslieferung  seines  Schwagers  und 
mächtigen  Nebenbuhlers  um  den  Thron,  Suleiraansehah's,  be- 
gehrte. Hulagu  antwortete:  Diess  ist  ein  grosses  Wort, 
dessen  Gewährung  bei  Gott.  Als  aber  Bagdad  erobert  und 
Suleimanschah  erschlagen  worden  war ,  erhielt  Bedreddin 
Mesud  die  von  ihm  begehrte  Familie  des  Schwagers.  Er 
behandelte  dieselbe  so  gütig  und  beförderte  durch  weise 
und  gerechte  Regierung  den  Wohlstand  des  Landes  so  sehr, 
dass,  als  er  ihnen  später  die  Wahl  Hess,  ob  sie  in  Luristan 
bleiben  ,  oder  nach  dem  aus  der  Asche  sich  wieder  erhe- 
benden Bagdad  wandern  wollten,  nur  Wenige  dahin  aus- 
wanderten; ein  gerechter,  eingezogener  und  besonders  der 
Ueberlieferungen:  wohl  kundiger  Fürst.  Die  auserwählte  Ge- 
schichte'^') rühmt  an  ihm,  dass  er  nie  unrechtmässigen  Bei- 


')  Tarichi  Güside.     -)  Ebeuda. 


Zweites     Buch.  163 

schlaf  gepflogen   und   dass   er  vierlausend  juridische,    nach 
den  Grundsätzen  des  Ritus  Schafii  entschiedene  Rechtsfragen  ' 

auswendig  gewusst.  Nach  seinem,  nun  zwei  Jahre  nach  dem 
Falle  Bagdad's  erfolgten  Tode  stritten  sich  um  die  Herr- 
schaft Klein- Luristan's  seine  Söhne  Dschemal eddin  Bedr 
(Schönheit  der  Religion,  Vollmond)  und  Nassz'reddin  Omer 
mit  Tadscheddin  Schah,  dem  Sohne  des  in  der  Schlacht 
wider  Suleiraanschah  gebliebenen  Ilesameddin  Chalil.  Dieser 
Streit  ward  erst  unter  Abaka,  dem  Sohne  und  Nachfolger  Hu- 
lagu's,  durch  das  wider  die  Söhne  Bedi^eddin  Mesud's  ausge- 
sprochene Todesurtheil  blutig  entschieden.  Der  Thron  Klein- 
Luristan's  wurde  dem  Sohne  Suleiraanschah's,  Tadscheddin, 
zugesprochen,  welcher  denselben  sieben  Jahre  lang  behauptete, 
welcher  dann  aber  den  beiden  Brüdern  der  hiiigerichtetea 
beiden  Söhne  Bedreddin  Mesud's,  dem  Felekeddin  Hasan 
und  Iseddin  Huseinj,  zugesprochen  ward. 

Der  König  Klein -Armeniens,   Hethum  1.,    welchen  die      Könige 
Araber  Hatim,  die  Kreuzfahrer  Haithon  nennen,  hatte  sich  ^''^**"  ""'^ 
bei  der  Thronbesteigung  Mengku's    über   Kipdschak   in  das  ,  .    , 

Hoflager  des  grossen  Kaan's  zu  Karakorum  und  nach  einer 
Abwesenheit  von  sechzehn  Monaten  wieder  in  seine  Staaten 
zurückbegeben.  Mit  goldener  Krone  gekrönt,  mit  goldenem, 
geweihtem  Scepter  in  der  Hand  auf  hohen  goldenen  Tliron 
gesetzt  ^^,  füllte  er  denselben  fünf  und  vierzig  Jahre  mit 
umsichtiger  Klugheit,  sein  Schiff  durch  den  Fluthenschwall 
ungeheuerer  Heeresmacht  und  die  Klippen  der  Scheelsucht 
der  Könige  Georgien's  glücklich  durchsteuernd.  Wenn  seinem 
Vetter,  dem  genannten  Hethum  gleichnamiger  Mönch,  Ge- 
schichtsclireiber,  Glauben  beizumessen  wäre,  hätte  Mengku 
seinem  Vetter  König  sieben  vorgetragene  Begehren  gewährt, 
aber  das  angebliche,  als  Gewährung  des  ersten  Begehrens 
gegebene  Versprechen  Mengku's,   sich   taufen   zu  lassen'^), 


•)  Vahran's  clivonicle  of  the  Armenian  Kingdom  in  Cilicia  trans- 
lated  by  Nainia  p.  47.  ^)  Haitho  c.  XXIIF. ;  diese  sieben  Artikel 
sind  die  des  Vertrags,  von  welchen  die  Geschichte  Vahrain's  spricht, 
die  als  Antwort  auf  Neuinan's  Frage  in  der  Note  67 :  Is  this  treaty 
to  be  any  where  found? 

11* 


im  Zweites     B  ii  c  Ii. 

verdächtigt  auch  die  Gewährung  der  anderen  sechs  Artikel. 
Vor    ihm    war   schon  sein  Bruder  Semj)ad,    der  Connetable 
Arraenien's '),    in's    Hoflager   gezogen,    und  ward  nun  zum 
zweitenmal  dahin  gesandt,  um  Schutz  wider  die  georgischen 
Fürsten    aus    der    Familie  Awak  anzuflehen,    welcher,    wie 
Arghun    dem  mongolischen  Statthalter,    dem    Sempad    nach 
dem  Leben  gestrebt,  die  Länder  seines  Bruders  Hethum  ver- 
wüstet*^.    Bald  nach  Sempad's  Abreise  ward  auch  Arghun 
in's  Hoflager  berufen ,    um   unter  der  Anklage  von  Erpres- 
sungen über  seine  Verwaltung  Rechenschaft  zu  geben.  Sempad 
fand  ihn  dort   durch   den  Einfluss  seiner  Feinde  Sewindsch 
und  Scherefeddin  eingekerkert,  welche  Arghun's  Tod  suchten, 
um   seine   Stelle    zu    erhalten.     Das    ZeugÜiiss    Sempad's    zu 
Gunsten  der  Verwaltung  Arghun's  rettete  diesem  das  Leben; 
die    Anklager    wurden    hingerichtet,    Arghun    und    Sempad 
kehrten    nach  Armenien    und    Georgien  zurück  Q.     Arghun 
brachte   neue  Einrichtung    des  Steuerwesens   mit   sich,    das 
bisher  unverhältnissmässig  mehr  auf  den  Armen,  als  auf  den 
Reichen  gelastet  hatte.     Von  nun  an  waren  die  Reichen  mit 
fünfhundert  Dinaren,  die  Armen  nur  mit  Einem  besteuert*}. 
Arghun,  dankbar  gegen  seinen  Vertheidiger  Sempad,  unter- 
stützte   ihn    wider    seine   Feinde,    die    georgischen  Prinzen 
aus    dem    Hause    Awak,    von    denen    David,    der   Sohn    der 
Königin  Russadan,  sich  wider  die  Mongolen  erapörje.     Hu- 
lagu    sandte    wider    ihn    ein    aus    Mongolen   und    Mosiimen 
6%5r        zusammengesetztes  Heer,    von    dem    er  geschlagen  ward*). 
I2'i9        Arghun  verfügte   sich   nach  Tebris ,   um  über  die  Zustände 
Georgien's   zu    berichten.     Als   Arghun   nach   Tiflis  zurück- 
kehrte, hatte  sich  David  zum  zweitenmale  empört,  weil  die 
Entrichtung  des  verspäteten  Tributs  gefordert  worden.    So- 
wohl   Sempad ,    der   Orpeliane   und   Herrscher   von    Gross- 
armenien,   als  Hethum,   der  Herrscher   von  Kleinarmenien, 


')  Sinebaldus  Conestabulus  regni  Armeniae.  ^)  S.  Martin 
Mem.  II.  scheint  diese  zwei  Reisen  Sempad's  mit  den  seines  Bru- 
ders Hethum  vermengt  zu  haben.  ^)  Orpellian  in  S.  Martin.  Mem. 
II.  p.  143.     ")  d'Ohsson   IH.  268.;    nach   Dschuwelni.     *)  Derselbe 

S.  269. 


Zweites     Buch.  165 

dem  cilicischeti  Reiche,  erhielten  sich  als  Vasallen  mongo- 
lischer Herrschaft  auf  ihren  Fürstenstühlen ,  Dank  dem 
Schutze  der  ersten  Gemahlin  Hulagu's,  der  grossen  F'rau 
Tokus,  welche  eine  eifrige  Christin,  durch  deren  Einfluss 
nach  ßagdad's  Eroberung  der  Patriarch  der  Nestorianer  den 
Palast  des  kleinen  Diwitdar  zum  Sitze  des  Patriarchats  er- 
halten hatte.  Nur  zu  Tekrit  siegten  die  Moslimen  über  die 
Christen,  wo  wegen  Verheimlichung  von  Gütern  hingerich- 
teter Moslimen  auf  Befehl  Hnlagü's  allgemeines  Gemetzel  der 
Christten  stattfand  '  ),  Die  Blutvesper  von  Tekrit  ausgenommen, 
hatten  sich  die  Christen  mittels  des  Schutzes  der  Frau  Tokus 
nur  günstiger  Behandlung  vonHulagu  zu  erfreuen,  namentlich 
Hethuin,  der  Pagratide,  Herr  von  Kleinarmenien,  und  der 
von  Grossarmenien ,  der  Orpeliane  Sempad.  Die  Residenz 
des  ersten  war  die  Stadt  Ai7i;  am  Zusammenflüsse  zweier 
Stföme,  die  in  den  Äraxes  münden,  gelegen,  zählte  sie  im 
eilften  Jahrhundert  hunderttausend  Einwohner  und  tausend 
Kirchen^};  die  Residenz  des  zweiten,  Sis ,  in  Cilicien  an 
einem  kleinen  Flusse,  der  sich  in  den  Dschihan  ergiesst-), 
der  Sitz  des  armenischen  Patriarchen.  Der  Pagratide  Hethum 
und  der  Orpeliane  Sempad  standen  beide  bei  Hulagu  als 
treue  Vasallen  in  Gnaden;  der  erste  musste  ihm  das  Holz 
zu  seinen  Bauten  am  Alatagh  liefern,  dafür  konnte  er  un- 
gehindert kostbare  Reliquien  in  Gold  und  Silber  fassen ;  so 
die  Hirnschale  des  heil.  Gregor  des  Erleuchteten  aus  dem 
Kloster  bei  Kaghseman  ^^ ,  das  zwischen  Karss  und  Pasin 
am  Durchbruche  des  Araxes  zwischen  geklüftetem  Gebirge, 
und  den  Schädel  S.  Gregor's  des  Wunderthälers,  den  er 
der  berühmten  Kirche  von  Norevanch  schenkte  *}.  Hethum, 
schon  durch  die  Lage  seines  Königreichs  ferne  dem  Hulagu 
und  näher  den  Kreuzfahrern ,  als  der  nördliche  Herrscher 
Grossarmenien's ,    war    mit   den    angesehensten  Fürsten  der 


*)  Mouradjea  d'Olisson  III.  271.,  nach  Bar.  Hebr.  530.  ^)  S.  Martin 
Mein.  I.  112.  uud  Dschih.  S.60:.  ^)  Der  Aufmerksamkeit;  S.  Marliu's 
ist  entgangen,  dass  Kaghücvau  (das  in  seioem  geograpliisclien  Re- 
gister fehlt)  dasselbe  mit  Kaghseman  (Dschih.  S.  408).  ^)  S.  Martin 
Mein.  p.  145. 


166  Zweites     B  u  c  li. 

Kreuzfahrer  durch  Vermählung  seiner  Töchter  (mit  dem 
Fürsten  Äntiochien's,  Sadan ,  und  dem  Herrn  von  Ibelim) 
verschwägert.  Von  seinen  Söhnen  fiel  der  jüngere,  Toros, 
im  Kriegsdienste  Hulagu's  im  syrischen  Kriege  wider  den 
Sultan  der  Älamluken,  sowie  heuiach  Purthel,  der  Neffe 
Sempad's,  im  Feldzuge  Hulagu's  wider  Kipdschak  in  der 
Schlacht  am  Terek  blieb.  Die  christlichen  Herrscher  Gross- 
und Klein-Armeniens  waren  also  treuere  Vasallen  des  Uchan's, 
als  die  mosliraischen  Gross-  und  Klein-Luristan's,  und  es 
darf  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  durch  die  NameTisähn- 
lichkeit  der  Pagratide  ^e/Äz^m  in  den  Geschichten  der  Araber 
als  ein  zw^iiev  Hatim  (das  arabische  Muster  von  Freigebig- 
keit und  Grossmuth)  und  der  Orpeliane  Sempad  (als  ein 
zweiter  Sindbad ,  der  berühmte  Reisende  der  arabischen 
Mährchen}  durch  seine  Reisen  iu's  mongolische  Hoflager 
figurirt. 


P  r  i  t  t  e  0    P  XI  d). 


Syrischer  Feldzug  $  ]?larseli  von  Tebris  nach  Haleb, 
Miafarakain ;  Ho^snkcif«  Mardin;  Heitbuka  vor 
Damaskus;  iSchlachten  von  Aindschalut  und  Mimss; 
das  Chalifat  der  Ben!  Abbas  in  Aeg^ypten;  Anlass 
des  Hries^es  mit  Berke;  Feldzuj?  sfegen  Hipdseliak; 
Thronprätendenten  nach  dem  Tode  Mengkukaan's, 
Arikbuka,  Al^^hui,  Haidu ;  Vertheilung  der  tänder 
undlStatthaltersehaften;  Dynastie  derBeniAamaret 
und  ISchebankjare  von  Fars. 

Jl^ie    hundert   Burgen    der    Assassinen    waren    gebrochen,   Verhültniss 

der  Thron    des  ChaJifats  war  umgestürzt,    die  Fürsten  \on  Huluyu'smit 

Fars  und   Mossul,    von    Gross-   und    Klein- Armenien,   von  ^^«^  f/^«^'*^'- 

.  zeitujeu 

Gross-  und  Klein -Luristan,  hatten  freiwillig  oder  gezwungen  ^^^y^^;^^/,^« 

gehuldigt,  das  ganze  Land  von  den  Ufern  des  Oxus  bis  zu  Dynastien. 
denen  des  Tigris  war  der  Herrschaft  des  Ilchan's  unter- 
worfen, aber  hierdurch  der  Auftrag,  welchen  der  Eroberer 
Hulagu  vom  Bruder  Kaan  erhalten ,  ganz  Asien  h\t  an  den 
äussersten  Westen  zu  erobern,  nur  zur  Hälfte  erfüllt;  noch 
blieb  Mesopotamien  und  Syrien  bis  nach  Äegypten  hin  zu 
erobern  übrig.  In  dem  letzten  dieser  drei  Länder  war  der 
Hauptstamm  der  Herrschaft  der  Ejubiden,  welche  sich  zu 
Ende  des  zwölften  Jahrhunderts  gleichzeitig  mit  der  der 
Mongolen  erhob ,  vor  neun  Jahren  durch  gewaltsame  Um- 
wälzung gebrochen  worden  und  die  Stelle  der  Herren  aus 
dem  Hause  Ejub  hatten  ihre  Sklaven,  die  Mamluken,  auf 
dem   Throne   als   Herrscher    eingenommen ;    aber   von  dem 


168  Drittes     Buch, 

hohen  und  raächtig;en  Baume  dieses  grossen  Herrscherge- 
schlechtes wurzelten  noch  sieben  Zweige  im  arabischen  Irak 
und  in  Syrien,  vom  Jenseits  der  Wüste  an,  welche  Meso- 
potamien von  Syrien,  bis  zu  der,  welche  Syrien  von  Aegyten 
trennt,  Miafarakain  und  Hoss7ikeif,  bis  nach  Damaskus  und 
Karah;  inmitten  derselben  die  von  Halehy  Hama  und  Himss. 
Wären  diese  sieben  Strahlen  der  Herrschaft  in  dem  Brenn- 
punkte Eines  einzigen  starken  Volkes  und  Muthes  vereint 
gewesen ,  hätte  die  sieben  Herrscher  nur  das  Band  auf- 
richtiger, zusammenwirkender  politischer  Eintracht  ver- 
bunden, so  würde  ihre,  von  einem  Einzigen  geleitete,  aber 
auch  immer  aufrichtig  vereinte  Macht  der  Hulagu's  wahr- 
scheinlich siegreich  widerstanden  haben,  da  sogar  Einzelne  der- 
selben männlichen  Widerstand  nicht  ohne  Erfolg  versucht  und 
den  reissenden  Strom  der  Eroberung  wenigstens  eine  Zeitlang 
gehemmt;  aber  es  fehlte  Einheit  und  Eintracht,  welche  im 
Herrscherhause  Ejub  nur  unter  der  ruhmwürdigen  Regierung 
Ssalaheddin's  zwanzig  Jahre  lang  das  von  ihm  gegründete 
Reich  befestigte.  Nach  seinem  Tode  war  die  Macht  viel- 
getheilt  und  durch  Herrschsucht  und  Scheelsucht  geschwächt, 
nicht  im  Stande,  den  andringenden  Fluthenschwall  mongo- 
lischer Herrschaft  zu  gewältigen.  Ein  Blick  auf  die  gleich- 
zeitig im  Osten  und  Westen  Asien's  emporgestiegene  Herr- 
schaft des  Hauses  Tschengischan's  und  Ejub's  zeigt  im  hellsten 
Lichte  die  Staatsklugheit  des  Tschengischan'schen  Hauses 
und  Grundgesetzes  der  Einigkeit  und  Familieneintracht, 
ohne  dessen  strenge  Beobachtung  die  Herrschaft  der  Mon- 
golen nie  zu  solcher  Macht  gediehen  wäre.  Zwar  zeigten 
sich  auch  schon  bald  nach  Tschengischan's  Tode  Symptome 
der  Uneinigkeit  und  des  Familienzwistes  in  den  Ansprüchen 
auf  die  oberste  Herrschaft,  aber  das  Schwert  rottete  bei 
Mengku's  Thronbesteigung  in  dem  blutigen  Sinne  der  Jasa 
siebzig  Prinzen  auf  einmal  aus,  und  das  Reich  erhob  sich 
unter  ihm  und  seinem  Nachfolger  Kubilai  zu  einer  Ausdeh- 
nung von  Macht  und  Grösse ,  dergleichen  die  Geschichte 
vor-  und  nachdem  nie  gesehen.  Erst  als  die  Bande  der 
Alles  im  Mittelpunkte  versammelnden  Einheit  und  dTer  Fa- 


Drittes     Buch. 


169 


Miaf'ara- 
kain  und 
Hossnkeif. 


milieiieinigkeit  sich  lockerten,  begannen  auch  die  Thronen 
der  mongolischen  Herrscher  zu  wanken,  und  erlagen  fremder 
Uebermacht,  wie  jetzt  der  mongolischen  die  Grösse  des 
Herrscherhauses  Ejub.  Wir  nehmen  den  kurz  gedrillten 
Faden  der  Geschichte  von  sieben  oben  erwähnten,  Hulagu 
gleichzeitigen  Dynastien  der  Söhne  Ejub's  da  wieder  auf, 
wo  wir  denselben  im  ersten  Buche  dieser  Geschichte  ver- 
lassen haben. 

Von  den  sieben,  Hulagu  gleichzeitigen  Dynastien  des  jjie  Beni 
Hauses  Ejub,  welche  mit  seiner  Macht  in  Berührung,  von  ^jub  zu 
demselben,  weil  sie  widerstanden,  vernichtet,  oder  weil  sie 
gehuldigt,  noch  einige  Zeit  geduldet  worden,  war  die  von 
Haleh ,  wo  die  unmittelbaren  Nachkommen  Ssalaheddin's 
herrschten,  die  mächtigste,  deren  Uebermacht  soeben  die 
von  Damaskus  verschlungen  hatte.  In  Mesopotamien,  zu 
Miafarakain  und  Hossnkeif,  und  an  der  Gränze  Syriens,  zu 
Ketek,  herrschten  Abkömmlinge  Melikol-aadil's  (d.  i.  des 
gerechten  Königs^,  des  Bruders  Ssalaheddin's,  zu  Hama 
die  Nachkommen  Schehinschah's,  des  Bruders  Ssalaheddin's 
und  Melikol-aadil's,  und  zu  Hiniss  die  Schirkuh's,  des  Oheims 
der  drei  Brüder.  Melik  Nassir  Jusuf,  der  Urenkel  Ssalah- 
eddin's, war  nach  seines  Vaters,  Melikol-asis ,  Tode  schon 
in  seinem  siebenten  Jahre  zur  Regierung  gelangt,  welche 
während  seiner  Unmündigkeit  für  ihn  seine  Grossmutter, 
die  Tochter  Melikol-aadil's,  die  Frau  Ssaffije,  führte.  Seinem 
Vetter,  dem  Herrn  von  Himss,  Manssur  Ihrahim,  dem  Ur- 
enkel Schirkuh's,  des  Oheims  Ssalaheddin's,  stand  er  mit 
einem  Heere  wider  die  Chuaresmier  bei,  welche  nach  dem 
Sturze  des  chuaresmischen  Reichs  in  einzelnen  Banden,  wie 
die  Condottieri  des  Mittelalters,  Mesopotamien  und  Syrien 
durchrannten  und  ausraubten.  Er  bemächtigte  sich  ihrer 
beiden  Hauptplätze,  Harran's  und  Rakka's.  Für  den  Sohn 
und  Nachfolger  Manssur  Ibrahim's,  Melikol-esQhref  Musa, 
nicht  so  freundschaftlich  gesinnt,  wie  für  dessen  Vater, 
hatte  er  demselben  seine  Hauptstadt  Himss  entrissen  und 
ihm  dafür  das  aus  der  Geschichte  der  Kreuzzüge  bekannte 
Schlüss  von  Teil  baschir  gegeben.     Im  folgenden  Jahre  hatte 


6^6 
1248 


170  Drittes     Buch. 

er  wider  Bedreddin  Lulu ,  den  Ätabegen  von  Mossul,  ein 
ß^^       Heer  gesandt,  welches  das  Feld  zu  Nissibin  behauptete  und 

iä4f)  im  Besitze  des  ganzen  Lagers  des  flüchtigen  Feindes  blieb. 
f>-i8        Als  im  nächsten  Jahre  die  Herrschaft  des  Stammes  der  Beni 

1:^00  Ejub  in  Aegypten  erlosch,  luden  die  Emire  von  Damaskus 
den  Herrn  von  Haleb  zur  Besitznahme  ihrer  Stadt  ein.  Er 
zog  dahin,  und,  in  der  Absicht,  auch  Aegypten  zu  erobern, 
dem  Heere  der  Mamluken  entgegen ;  er  schlug  dieselben 
zwar  zuerst  bei  Abbasa  y  ward  aber  dann  geschlagen  und 
floh  nach  Damaskus  zurück.  Er  zog  zum  zweitenmale  aus, 
und  schloss  Frieden  auf  die  Bedingniss,  dass  der  Jordan 
die  Gränze  beider  Reiche.  Wider  Nassir ,  den  mächtigsten 
Herrscher  der  Beni  Ejub' in  Syrien,  wandte  sich  also  jezt 
Hulagu's  erobernde  Macht;  aber  auf  dem  Wege  dahin  standen 
ihm  noch  die  nächsten  Verwandten  Nassir's,  die  Herren  von 
Miafarakain  und  Hossnkeif,  entgegen,  welche,  auf  die  Festig- 
keit ihrer  Burgen  stolz ,  dem  Eroberer  trotzten.  Zu  Mia- 
farakain herrschte  Melikol-kjamü j,  der  Sohn  Melikol-Mosaf- 
fer's ,  des  dritten  der  drei  Söhne  Melikol-aadil's ,  welche 
nach  ihrem  Vater  Herren  dieser  festen  Stadt ;  der  von 
Hossnkeif  war  Melikol  Mowwahid ,  der  Ururenkel  Melikol- 
aadil's,  aus  dessen  Sohne  Kjamil.  Als  Kjamil  nach  seines 
Vaters  Tod  den  Thron  Aegyptens  bestieg,  gab  er  seinem 
Sohne  Melik  Ssalih  Nedschmeddin  die  Stadt  Amid  und  das 
Schloss  Hossnkeif  als  Leibgedinge,  und  als  Ssalih's  Enkel 
Moaasem  Turanschah  sich  nach  Aegypten  begeben ,  um  dort 
die  Herrschaft,  welche  in  ihm  enden  sollte,  zu  übernehmen, 
blieb  Hossnkeif  seinem  Sohne  Mowwahid  als  Leibgedinge. 
Die  beiden  Herren  von  Hossnkeif  und  Miafarakain  waren 
würdige  Träger  des  INamens  Ejub,  indem  sie,  stolz  auf 
ihren  angestammten  Herrscheradel  und  die  Festigkeit  ihrer 
Burgen  ,  dem  mongolischen  Eroberer  zu  huldigen  ver- 
schmähten, während  ihr  mächtiger  Vetter  Nassir  von  Haleb 
huldigend  einen  Gesandten  an  Mengkukaan  gesandt  und  von 
demselben  Jerligh  und  Pm'se,  d.  i.  Diplom  und  das  Ehren- 
zeichen des  Löwenkopfes  ,  erhalten  hatte.  Selbst  an  Hulagu, 
als    er  das   persische    Gebiet    betreten ,    hatte    er   heimlich 


Drittes     Buch.  171 

unterwürfige  Botschaft  gesandt,   entfloh    aber   nun   bei   der 
Annäherung  Hulagu's  nach  Aegypten. 

Nach  der  Eroberung  Bagdad's  war  Hulagu  erst  gegen  Aufbruch 
Haraadan  und  von  da  über  Meragha  nach  Tebris  gezogen,*^"" 
das  von  nun  an  die  Hauptstadt  von  Aserbeidschan  (^dem 
alten  Atropatene ) ,  von  nun  an  auch  die  des  neuen  mon- 
golischen Reichs  in  Persien  und  die  Residenz  des  Ilchan's; 
seitdem  heisst  dieselbe  mit  dem  ganzen  Lande  umher 
Pailachti  Hulagu,  d.  i.  der  Fuss  des  Thrones  Hulagu's. 
Tehrüj  d.  i.  das  warm  Rieselnde,  hat  seinen  Namen,  der 
gleichbedeutend  mit  TepUz ,  von  seinen  warmen  Quellen; 
es  liegt  auf  der  Westseite  des  Berges  Sehend  mitten  unter 
üppigen  Gärten,  vom  Flusse  Surchah ,  d.  i.  Rothwasser, 
bespült.  Es  ist  möglich ,  dass  Tebris  nur  eine  Verstümme- 
lung des  alten,  beim  Ptolemäus  vorkommenden  Gabris;  aber 
alle  Quellen  arabischer  Geschichte  nennen  als  Erbauerin  der 
Stadt  die  Gemahlin  Harun  Reschid's,  seine  Base,  die  grosse 
Frau  Sobeide.     Schon   neun   und    dreissig  Jahre  nach  ihrer    irs    C^Oi) 

Erbauung  vom  Erdbeben  zerstört,   wurde  Tebris  vom  Cha- 

24:5   CS57) 
lifen   Motewekkil   wieder   erneuert  und    zweihundert   Jahre 

später  vom  Erdbeben  gänzlich  in  Schutt  gelegt.  Der  Astronom  434  C1042) 
Abu  Tahir  von  Schiras  hatte  das  Erdbeben  für  die  Nacht, 
wo  es  stattfand ,  vorausgesagt  und  die  Einwohner  der  Stadt, 
dieselbe  zu  verlassen ,  ermahnt ;  Viele  beherzigten  seine 
Warnung,  aber  vierzigtausend,  welche  in  den  Häusern  zu- 
rückblieben, wurden  unter  denselben  begraben.  Der  neue 
Bau  ward  unter  der  Leitung  des  genannten  berühmten 
Astronomen  im  Zeichen  des  Scorpions  begonnen,  um  dadurch 
für  immer  die  Gefahr  gänzlicher  Zerstörung  durch  Erdbeben 
abzuwenden;  „und  wirklich",  sagt  Hamdallah  Mestiifi,  der 
persische  Geschichtschreiber  Geographe,  „haben  in  den 
seitdem  verflossenen  dreihundert  Jahren  mehrmal  Erdbeben  « 
stattgefunden ,  ohne  der  Stadt  wesentlich  zu  schaden ,  so 
dass  die  Stadt  ihren  Ruin  nicht  mehr  von  Erdbeben,  sondern 
nur  von  Ueberschwemmung  fürchtet".  Zahlreiche,  seitdem 
gegrabene  Kanäle  und  unterirdische  Wasserleitungen  ge- 
währen  dem  Wasser   Abfluss,   so    dass    auch    diese  Furcht 


172  1)  r  i  fc  f  e  s      Buch. 

verschwunden ;  der  vom  Berge  Sehend  niederströmende 
kleine  Fluss  Mehranrud  vertheiit  sich  in  mehr  als  hundert 
solcher  Kanäle,  um  die  Gärten  der  Stadt  zu  bewässern;  die 
Waldungen  rund  um  die  Stadt  sind  so  dicht,  dass,  als  zu 
Beginn  des  vorigen  Jahrhunderts  das  osmanische  Heer  hier 
den  Befehl  erhielt,  dieselben  auszuhauen,  dreitägige  Arbeit 
der  Axt  keinen  merklichen  Unterschied  hervorbrachte,  so 
dass  sie  so  dicht,  wie  ehe,  schienen.  Die  schöne  und  frucht- 
bare Ebene  von  Tebris,  welche  sich  auf  der  Westseite  der 
Stadt  gegen  den  See  von  Urmia  hinzieht,  wetteifert  durch 
üppigen  Baumwuchs  mit  den  Zauberthälern  von  Soghd, 
Damaskus,  Schaabbewwan  und  mit  der  Ebene  von  Mam- 
schanrud  bei  Hamadan  um  edenischen  Ruhm.  Die  Aepfel, 
Birnen,  Aprikosen  und  vorzüglich  die  Weinbeeren  ohne 
Kern  sind  vortrefflich ;  die  Einwohner  blühender  Gesichts- 
farbe, gewerbfleissig  und  auch  nicht  ohne  Muth,  aber  durch 
Treulosigkeit  verschrien.  Derohalben  ist  von  ihnen  der 
persische  Viervers  gang  und  gäbe : 

Als  Freuud  hat  Keiner  noch  Tebrisern  je  getraut; 

Die  Anderen  sind  Mark,  Tebriser  ist  nur  Haut. 

Wer  in  der  Freundschaft  nicht  beständig  wird  geschaut, 

Hat,  wenn  nicht  von  Tebris,  sich  dorten  angebaut. 

Hierauf  entgegnete  ein  Dichter  von  Tebris  : 

Tebris  ist  Paradies,  sein  Volk  ist  spiegelrein. 

Du  sagst,  dass  sie  aufrichtig  nicht  in  Freundschaft  sei'n; 

Wie  konntest  And'res  dir  von  ihnen  bilden  ein , 

Der  Spiegel  wirft  zurück  von  dir  den  Widerschein. 

Vorzüglich  hat  sich  in  der  Landschaft  Aserbeidschan 
von  jeher  wissenschaftliches  Streben  kund  gegeben,  und 
schon  Abu  Tahir  sagte:  Aserbeidschan  ist  im  Osten,  was 
Andalus  im  Westen,  durch  philologischen  und  medicinischen 
Ruhm.  Von  den  grossen  Männern  und  Dichtern ,  deren 
Ruhm  die  Stadt  verherrlicht,  sowie  von  den  grossen  Ge- 
bäuden derselben,  wird  unter  der  Regierung  Ghasan's,  dessen 
Grabdom  noch  heute  die  schönste  Ruine  der  Stadt,  zu 
sprechen  der  Ort  sein*). 

')  Dschiliauuunia  .S.   3^2  und  Uauidatlah. 


Drittes     B  u  c  Ii.  173 

Von   Tebris,   seinem    neuen  Thronsitze,   brach  Hulagu      Marsch 

Freitags    den   zwölften    September   gegen   Syrien  auf.     Vor  ^"'^^"'*  *'* 

TT       11  Rohit. 

seinem  Aufbruche    sandte    er   Botschaft   an   seinen  Vasallen    _,    „ 

Bedreddin  Lulu,  den  Herrn  von  Mossul,  ihn  seines  hohen  snn  6-57 
Alters  willen  der  persönlichen  Erscheinung  im  Felde  ent-  IS.  Septem- 
hebend ,  aber  dafür  die  Gegenwart  seines  Sohnes  Ssalih 
fordernd.  Dieser  erschien  und  Hulagu  belohnte  ihn  dafür 
mit  der  Hand  einer  Tochter  des  letzten  grossen  Sultans  von 
Chuarefm,  Dfchelaleddin.  Seinen  Feldherren  Baidfchu  und 
Schiktur  übertrug  er  den  Befehl  des  rechten,  anderen  Emiren 
den  des  linken  Flügels,  er  selbst  führte  das  Mitteltreffen  an. 
Wir  folgen  nun  seinem  Zuge  nach  den  Stationen,  deren  die 
persischen.  Geschichten  erwähnen,  wie  wir  demselben  von 
Karakorum  an  bis  an  den  Oxus  nach  den  chinesischen  Be- 
richten gefolgt  sind.  Auf  der  Westseite  des  Ararat,  zwischen 
demselben  und  Erferum,  südlich  von  Hasan  Kalaa ,  erhebt 
sich  das  Gebirge  Alatagh,  d.  i.  der  bunte  Berg,  in  welchem 
herrliclie  Alpenweiden ,  Jagden  und  die  Hauptquelle  des 
Euphrat's,  nämlich  die  des  Muradfsuji ,  welcher  hier  aus 
mehreren  Bächen  zusammenströmt  *  ).  Hulagu  fand  so  grosses 
Wohlgefallen  an  den  Weiden  von  Alatagh,  dass  er  denselben 
einen  mongolischen  Ehrennamen  beigelegt '^).  Von  hier 
wandte  er  sich  südwärts  nach  Achlath,  der  auf  dem  nörd- 
lichen Ufer  des  Sees  von  Wan  ,  gegenüber  des  Schneegebirgs 
Siban,  gelegenen  Stadt,  die  eine  uralte,  schon  zu  Nufchir- 
wan's  Zeit  der  Sitz  seines  Oheims  Dschamasb,  von  den  By- 
zantinern Chliat  genannt*),  berühmt  durch  die  Grösse  seiner 
Aep^el,  deren  einer  bis  hundert  Drachmen  wiegt.  Ihren 
Flor    verheerte    zuerst    der    Einfall    Chuarefmschah's    und  (}2fi 

zwanzig    Jahre    hernach    ein    Erdbeben.     Seid    Husein    von        i2Ss 
Achlath ,   in   allen    esoterischen  Wissenschaften  tief  gelehrt, 
hatte  noch   vor    dem   Einfalle  der  Mongolen  in  Persien  das 
Unheil  Tfchengifchan's  vorausgesagt  und  war  mit  zwölftausend 
Familien  nach  Kairo  ausgewandert,  wo  noch  seine  Grabstätte 

')  Dschihaunuma  S.  426  uud  425.  ')  Lobanasiiyut  oder  Liba- 
sanagut  oder  Lehasannyut ,  nur  der  erste  Vocal  ist  zweifelhaft. 
'}  Constantin  Porphyrogenita. 


174  Drittes     Buch. 

und  noch  das  Stadtviertel  der  Achlather  das  Andenken  an 
diese  Ansiedelung  bewährt ' ).  Die  Kurden  des  Stammes 
Haltkjari ,  welche  um  Achlath  wohnen,  wurden  vom  Heere 
wie  scheues  Vieh  verfolgt  und  getödtet-}.  Als  das  Lager 
zu  Diarbekr,  beschloss  Hulagu  vor  Allem  die  gänzliche  Er- 
oberung Mesopotamiens,  um  auf  dem  Marsche  gegen  Syrien 
den  Rücken  frei  zu  behalten.  Der  Herr  von  3Iiafarakain  ^), 
Melik  Kjamil,  hatte  nicht  nur  der  Einladung  zur  Unter- 
würfigkeit keine  Folge  geleistet,  sondern  auch  einen  syri- 
schen Priester,  welcher  während  der  Belagerung  Bagdad's 
mit  einem  Jerligh  des  grossen  Kaan's  an  ihn  abgesendet 
worden,  gekreuziget *).  Der  Prinz  Jaschraut^)  und  Suntai 
Nujan  wurden  die  Stadt  zu  belagern  befehligt;  den  Sohn 
Bedreddin  Luiu's  sandte  Hulagu  gegen  Amid,  das  heute 
unter  dem  Namen  Diarbekr  bekannter;  er  selbst  wandle  sich 
nach  Roha,  das  alte  Edeffa,  das  sich  freundlich  ergab; 
Harran  und  Nifsibin  wurden  mit  Gewalt  genommen  und 
verheert;  die  Einwohner  von  Serudsch,  die  keinen  Boten  der 
Unterwürfigkeit  gesandt,  niedergemacht.  Zu  Roha  schlug 
er  sein  Winterquartier  auf  und  beschied  dahin  seine  Va- 
sallen, Hethum,  den  König  Kleinarmeniens,  und  die  Sel- 
dschukeu  Rum's ;  auch  an  Nassir,  den  Sultan  von  Haleb, 
sandte  er  von  hier  wiederholte  Botschaft,  ihn  persönlich 
in's  Lager  zu  laden;  Nassir  schickte  seiner  statt  seinen  Sohn 
Melikelasis  mit  reichen  Geschenken.  Hulagu  behielt  ilm 
den  ganzen  Winter  hindurch  bei  sich  und  sandte  ihn  erst 
im  nächsten  Frühjahre  nach  Ostern  an  den  Vater  mit  der 
lakonischen  Botschaft  zurück :-  „Nicht  dich  haben  wir  be- 
gehrt, sondern  deinen  Vater;  er  komme  also,  sonst  kommen 
wir  zu  ihm".  König  Hethum  erschien  an  der  Spitze  einer 
grossen  Anzahl  gewafFneten  Gefolges;  ein  nicht  zu  verach- 
tender Bundesgenosse,  denn  er  war  zwölftausend  Reiter 
und    vierzigtausend    Fussgänger    in's    Feld    zu    stellen    im 

')  Dscliihannuma  S.  4l9.  -~)  Reschideddin.  ^)  Beim  Bar  Hebr. 
Maiphercata.  *)  Bar  Hebr.  iieiint  ihn  Aschraph  fil.  Malic  Ghazi  ;■ 
er  hiess  aber  Kjamil  Ben  Melik  Mosaffer  Ghasi.  Nochbet,  *)  Beim 
Bar  Hebr.  Aischmut ,  bei  Abulfeda  IV.  573.  Samud.  . 


Drittes     Buch.  175 

Stande  ').     Hethum  setzte  dem  Eroberer  die  Ännelimlichkeit 

Haleb's    auseinander    und    bewog    ihn   zu    dem    Entschlüsse 

(^od^  bestärkte  ihn  darin),  vor  allen  anderen  Städten  nach 

Haleb    seine   Waffen   zu    wenden.     Den    armenischen    König 

scheint    zu    diesem    Rathe   hauptsächlich   das   Interesse   der  , 

Kreuzfahrer   und  zunächst  das  seines  Schwiegersohnes,    des 

He^-rschers  von  Antiochien,  des  nächsten  Nachbars  Haleb's, 

bewogen   zu   haben.      Unter    die    Seldschuken    Iseddin    und 

Kokneddin    wurden    die    Länder   Rum's    so    vertlieilt,    dass 

dieser  Herr  der  Länder  zwischen  Cäsarea  und  Grossarmenien, 

jener  Herr  Kleinasiens  bis   an's  mittelländische  Meer.     Von 

hier  aus   wurde    ein  Botschafter   mit    dem    berühmten,    von  80.Julii259 

Nassireddin  mit  allem  Schmucke  morgenländischer  Rhetorik 

geschwellten  Schreiben   an  Nassir  gesandt,   welches  Wassaf 

sammt  der  Antwort  gibt,  wie  folgt: 

„Gott,  der  Ernährer  der  Himmel  und  Erden",  so  kündet 
der  siegreiche  König:  „Wir  haben  gelagert  vor  Bagdad  im 
sechshundert  fünf  und  fünfzigsten  Jahre,  wir  haben  den 
Beherrscher  gefangen  gemacht  und  ihn  ausgefragt,  und  da 
er  bestand  mit  nichten ,  war  es  nölhig,  ihn  zu  vernichten. 
Er  geizte  mit  seinem  Gold,  und  so  kam  die  Sache  dahin,  ^ 
wie  sie  es  gesollt ;  er  opferte  kostbare  Seelen  den  irdischen 
Lüsten  auf,  und  das  war  klar  aus  dem  ganzen  Verlauf.  Sie 
hatten  den  Lohn  ihrer  Thaten  und  der  Sagende  sagt:  So- 
bald ein  Ding  vollkommen,  hat  es  auch  schon  abgenommen, 
aber  uns  kann  noch  der  Wachsthum  frommen.  Hernach 
sollen  wissen  die  Fürsten,  die  siegreichen,  Seifeddin  ([das 
Schwert  des  Glaubens),  Ihn  Jaghmur  und  Alaeddin  El- 
Koscheimri  und  die  übrigen  Emire  Syriens  und  Truppen: 
Ich  bin  ein  Kämpe  Gottes,  den  er  erschaffen  in  seinem 
Grimme,  um  ihn  loszulassen  wider  die,  denen  er  zürnet. 
Nehmet  euch  ein  Beispiel  an  dem,  was  geschehen,  um  euch 
an  den  Erschlagenen  zu  ersehen.  Werdet  durch  fremden 
Schaden  klug  und  ergebt  eucli  Uns,  ehe  der  Vorhang  auf- 
gezogen wird ,  und  ehe  wider  euch  ergehet  der  Zug.     Wir 


'J  ÜAv  Uebräus  cli.  2ö. 


176  Drittes     Buch. 

erbarmeil  uns  nicht  des  Weinens  und  haben  kein  3Iitleiden 
mit  der  Klage;  Gott  hat  aus  Unserem  Herzen  g-erissen  die 
Barmherzigkeit.  Wehe!  und  abermals  Wehe!  denen,  die 
nicht  streiten  auf  Unseren  Seiten.  Wir  haben  die  Länder 
verheert  mit  Macht  und  die  Kinder  zu  Waisen  gemacht. 
Wir  haben  über  die  Erde  Verderben  gebracht;  an  euch  ist 
die  Fhiclit  vor  Uns,  der  euch  sucht;  wo  ist  die  Erde,  die 
euch  nährte?  und  das  Land,  das  euch  Zufluciitsort  gewährte? 
Ihr  werdet  Unseren  Schwertern  nicht  enteilen,  und  habet 
keine  Rettung  vor  Unseren  Pfeilen;  Unsere  Pferde  sind 
vorauseilende,  Unsere  Schwerter  leiberzertheilende  und  Un- 
sere Pfeile  sicherbetheilende;  Unsere  harten  Herzen  halten 
wie  Berge  Bestand,  und  die  Zahl  Unserer  Fleere  ist  unzählbar 
wie  der  Sand.  Wer  sich  Uns  ergibt,  der  findet  Heil,  und 
wer  wider  Uns  kämpft,  dem  wird  Reue  zu  Theil.  Unser 
Reich  wird  von  keinem  Andern  begelirt  und  das  Land  Un- 
serer Nachbarn  wird  nicht  verheert.  Wenn  ihr  Unsere 
Bedingungen  annehmet  und  zu  Unserm  Gehorsame  euch  be- 
quemet, so  ist  Unsere  Sache  die  eurige,  und  die  eurige 
die  Unsere;  wenn  ihr  aber  widerstrebt,  und  euch  wider 
Uns  erhebt,  wenn  ihr  verharrt  als  Rebellen,  so  schmähet 
hernach  nur  eure  Seelen,  denn  es  wird  euch  am  PJnde : 
iras  erwerben  eure  Hände.  Wer  voraus  droht ,  ist  ent- 
schuldigt durch  die  Noth,  und  wer  da  warnt,  Niemanden 
unbillig  umgarnt.  Die  Schlösser  vor  Uns  werden  umgekehrt, 
und  Unsere  Heere  werden  ^om  Kampfe  nicht  abgewehrt. 
Euere  Bitten  werden  von  Uns  weder  erhört  noch  angehört, 
denn  ihr  habt  die  Ungerechtigkeit  gefressen  und  den  Glauben 
vergessen ;  ihr  habt  die  Neuerung  eingesetzt  und  das  Ge- 
meinwohl verletzt;  ihr  Überliesset  euch  den  Lastern  und 
der  Passion  und  es  waltet  in  euch  der  Neid  und  die  Re- 
bellion.  Nehmet  daher  in  Betrachtung  die  Kunde  der  Er- 
niedrigung und  Verachtung.  Heut  empfangt  ihr  den  Lohn 
euerer  Verachtung ,  weil  ihr  hochmiithig  gewesen  auf  Erden 
ohne  Wahrheit^y  ,   für  euere  Laster.     Er  wird  die  kennen, 


')  Aus  dem  94.  Vers  der  VI.  Sura. 


Drittes     Buch.  J-J7 

die   Unrecht  gethan  ,    nnd  die   Umwälzenden  roerden  umge- 
wälzt werden^ y.     Bei  euch  ist  es  ausgemacht,  dass  >vir  die 
Ungläubigen,   und  bei  Uns  ist  es  ausgemacht,   dass  ihr  die 
Lasterhaften.     Uns   hat  auf  euch  losgelassen  Er ,   in  dessen 
Hand  die  Geschäfte,    die  geleiteten,    und    die  Gebote,   die 
Ton    ewig   her   bereiteten.     Von   Uns   wird  verachtet,   wer 
euch  dünket  ein  König,  und  was  euch  Viel  ist,  das  däucht 
Uns   Wenig.      Wehe   und    Furcht   dem,    der   sich   vor  Uns 
gross  macht,  und  Sicherheit  und  Verzeihung  dem,  der  er- 
zittert Unserer  Macht.     Wir  haben    die  Erde  in  Besitz  ge- 
nommen im  Osten  und  Westen  und  die  Güter  der  Reichsten 
und  Besten;  wir  haben  sie  zerstaubt  und  alle  Schiffe  geraubt. 
Unterscheidet   mit   eurer   Vernunft    das    Wahre    und  Klare^ 
und  ihr  sollt  eilen,  uns  Antwort  zu  ertheilen ,  eh'  dass  die, 
so   ihr    ungläubig   nennet,    euch  verbrennet,    ehe  ihr  sehet 
die  Funken,    ehe   ihr   unter    der  Last   des  Kriegs  seid  ver- 
sunken,   ehe  grosses  Unglück  bei  der  Hand,    und  Niemand 
lösche  den  Brand;  weisst  du,  zvas  das  sei,  flamme7tder  Brand? 
ehe    dass    Ehre   und  Würde    von    euch  schwindet,    und  ihr 
weder  Zufluchtsort   noch  Schutz  findet,    und    ehe   dass  der 
Ausrufer  des  Verderbens  auch  mit  den  Worten  des  Korans 
ruft:    Ist  einer  von  ihnen  zu  finden,  ist  von  ihnen  zu  hören 
der  geringste  Laut  "^J.     Wir  sind  billig  gewesen  ,  indem  Wir 
euch  senden  dieses  Schreiben  zum  Lesen      Antwortet  darauf, 
ehe  die  Strafe  nimmt  ihren  Lauf,  und  ihr  unverständig  seid. 
Stellt    auf  Sternwarten    euere    Beobachtungen  an ,    eh'    der 
Treiber   wie    Holz    zerbricht    eueren   Plan;    und    wenn   ihr 
leset   dieses   Schreiben   genau,    leset    zugleich    den   Anfang 
derSura:  Nachl'^,  und  das  Ende  derSura:  Ssad*').    Wir 
haben  Perlen  des  Worts  ausgestreut,  und  die  Antwort  wird 
zeigen,    wie  ihr  seid.     Heil  werde  zu  Theil  dem,  der  ver- 
dient Heil." 


»)  Aus  dem  226.  Vers  der  XXVI.  Sura.  ^D  Aus  dem  97.  Vers 
der  XIX.  Sura.  ^)  Die  16.  Sure,  die  Biene;  sie  beginnt  mit  dem 
Verse :  Gekommen  ist  Gottes  Befehl ;  beschleuniget  nicht  sein  Ge- 
richt. *)  Das  Ende  der  Sura  Ssad,  d.  i.  der  38-,  ist  der  Vers: 
Und  ihr  werdet  wissen,  dass  die  Kunde  wahr,  nach  einiger  Zeit. 
Hammer^  Geschichte  der  Ilchaue.    I.  12 


178  Drittes     B  u  c  li. 

A 11 1  ^¥  o  r  t. 

,,Bei  Gott  ist   die  Vorsehung.     Sag:   Gott  ist  der  Be- 
sitzer des  Reichs,  es  wird  gegeben  das  Reiche  wem  er  will; 
es  hat    uns  seine  Vorsehung   geleitet,    Lob    sei  Gott,    dem 
Herrn   der  Welten,    und    Gebet   und   Lob    über   den  Herrn 
der    Gottgesandten,    den    Schlussring   der   Propheten,    Mo- 
hammed   den    Propheten,    den    Ungebildeten'},    und   seine 
ganze  Familie.    Antwort  auf  das  Schreiben,  welches  kündend 
gekommen  vor  der  Majestät   des  Jlchan's  und  der  Schwelle 
des  Sultan's  (Gott  wolle  dieselbe  mit  Rechtlichkeit  bedräuen 
und  derselben  die  Annahme  des  Rechten  und  Wahren  ver- 
leihen!}.   Hochdieselben  sind,  wie  sie  sagen,  erschaffen  aus 
Gottes    Grimme,    überwältigend  Alle,    über   welche   ergeht 
seines  Zornes  Stimme,  ohne  sich  der  Klagenden  zu  erbarmen, 
oder   für    die    Weinenden    ein    Mitleid    zu   erwarmen,    weil 
Hochdenselben  Gott  aus  dem  Herzen  gerissen  das  Erbarmen. 
Dieses  sind  schändliche  Eigenschaften  der  Satane  und  nicht 
der  Sultane.     Diese  Zeugenschaft  genügt  als  Prediger  wider 
euch   und   von  eurem  selbst  beschriebenen  Reich  abhaltend 
die  Vernünftigen    von    euch.     So    sagt   der  Koran:    „0  ihr 
Ungläubigen,    ich   bete  nicht  an,   was  ihr  betet  an!'*     Ihr 
habt   euch  selbst  geflucht   durch    den    Brief,    den    ihr   ge- 
schrieben, und  habet  euch  selbst  mit  allen  Schändlichkeiten 
beschrieben ,  und  alle  Propheten  haben  Euer  erwähnt.     Wir 
haben   von   euch    Kunde   seit    der   Zeit,    wo   ihr  erschaffen 
worden  seid;   und  ihr,    die    ihr    Ungläubige   seid,    wie   ihr 
dessen    selbst   im   Wahne   seid,    hat   Gott  in    seinem  Buch' 
nicht   den   Drängern    gegeben    den    Fluch?     Ihr   sagt:    wir 
(die  Moslimen)   hätten   Neuerungen  gemaclit   und  das  Ge- 
meinwegen heruntergebracht,    den   Glauben   gebrochen  und 
alle   Laster  verbrochen ;    das   ist   kein   Wunder.     Hat   ni(^t 
Pharao  sich  die  Rolle  des  Ermahnenden  angeeignet  und  zu- 
gleich das  Gesetz  geläugnet?  —    Wir   halten   fest   auf  der 
Grundfeste,    Uns  nicht  bekümmernd  um    die  Zweige  und 
Aeste;  Wir  sind  die  Rechtgläubigen  fürwahr!     Wir  nehmen 

')  ümmi. 


Drittes     B  u  c  li.  119 

das  Schädliche  nicht  an  und  legen  den  Zweifel  in  Bann. 
Zu  Uns  stieg  nieder  der  Koran,  und  der  ewige  Gott  sieht 
Uns  erbarmend  an;  Wir  haben  die  Sendung  des  göttlichen 
Worts  vergewisst  und  wissen,  wie  dasselbe  auszulegen  ist. 
Es  ward  für  euch  das  höllische  Feuer  erschaffen ,  um  eure 
Hartherzigkeit  zu  strafen. 

Wann  sich  spaltet  der  Himmel, 

Wann  die  Sterne  sich  zerstreuen, 

Wann  sich  mischet  der  Meere  Getümmel^ 

Wann  die  Gräber  ihre  T odteu  ausspeien } 

Dann  weiss  die  Seele,  was  war  und  kommen  wird.') 

W^underbar,  wunderbar!  mit  Schlägen  zu  dräuen  den  Leuen, 
reissenden  Thieren  mit  Streichen  von  Rappieren  und  Recken 
mit  Stöcken.  Unsere  Pferde  sind  blitzend^,  Unsere  Bogen 
ägyptische,  Unsere  Schwerter  jemenische,  Unsere  Schultern 
festsitzende ;  Wir  sind  bekannt  zum  Bessten  in  Osten  und 
Westen ;  Unsere  Pferde  sind  Löwen ,  wenn  Wir  sie  be- 
steigen, und  Unsere  Reiter  erreichen  den  Feind,  sobald  sie 
sich  zeigen;  Unsere  Schwerter  schneiden,  wann  sie  treffen, 
und  Unsere  Lanzen  zermalmen ,  wann  sie  sich  senken  im 
Treffen;  Unser  Kürass  ist  Unsere  Haut,  Unser  Panzer  ist 
Unsere  Brust;  Unsere  Herzen  werden  durch  keinen  Unfall 
erbittert  und  Unsere  Versammlung  keiner  Drohung  erzittert 
durch  die  Kraft  des  Allgeehrten  und  Alllobenswerthen!  Durch 
Drohungen  werden  wir  nicht  erschreckt,  durch  Anrücken 
des  Heeres  nicht  geschwächt;  wenn  wir  als  Empörer  auf- 
treten, so  ist  es  des  Gehorsames  Pfliciit,  und  wenn  wir 
tödten ,  so  ist  diess  ein  Kapital  von  Gewicht.  Zwischen 
Unserer  Erdenrunde  und  dem  Tode  ist  nur  Eine  Stunde*). 
Ihr  sagt:  „Unsere  Herzen  halten  wie  die  Berge  Stand,  und 
Unsere  Zahl  ist  unzählbar,  wie  Sand".  Den  Fleischer  die 
Menge  der  Schafe  nicht  erschreckt,  und  vieles  Holz  wird 
durch    einen    kleinen    Funken    in  Brand  gesteckt.     Werden 


•)  Die  ersten  4  Verse  der  LXXXII.  Sura.  -)  Anspielung  auf 
den  üeberlieferuu;4S- Spruch,  der  auf  den  Zifferblättern  morgen- 
ländischer Uhren  zu  sehen:  Eddimja  saatun  fe  edschaalha  taaten, 
die  Welt  ist  Eine  Stunde,  gehorsam  mach'  die  Runde. 

12* 


180  I)  r  i  t  f  e  s     B  11  c  li. 

Wir  denn  vor  dem  Tode  fliehen  und  die  Schmach  vorziehen? 
Ist  es  nicht  gefehlt,  was  ihr  befehlt?  Wir  fliehen  vor  der 
Schmach  und  laufen  lieber  dem  Tode  nach ;  der  Tod  in 
dieser  Welt  ist,  was  Uns  am  meisten  gefällt;  wenn  wir  leben, 
sind  wir  selig,  und  wenn  wir  sterben,  als  3Iartyrer  glück- 
selig: Wird  nicht  Gottes  Verein  der  ühericältigende  sein?  ') 
Nach  dem  Fürsten  der  Rechtgläubigen,  nach  dem  Nach- 
folger des  Propheten  Gottes,  des  Herrn  der  Welten,  fordert 
ihr  von  Uns  Gehorsam.  Wir  horchen  euch  nicht  und  ge- 
horchen euch  nicht.  Die  Sehnsucht,  ihm  (dem  Propheten) 
nachzufolgen,  genügt,  um  von  Uns  abzuwehren  die  Begierden, 
die  schädlichen,  und  die  Phantasien,  die  leeren.  —  Ihr  be- 
gehrt von  Uns,  dass  Wir  Uns  euch  ergeben,  ehe  sich  die 
Decke  wird  hebQn,  und  ehe  Wir  Uns  in  die  Gefahr  begeben. 
Das  sind  Worte,  ungereimt,  aus  deren  Reihung  Zweifel 
keimt.  Wenn  die  Decke  aufgezogen  würde  und  niedersänke 
des  Looses  Bürde,  so  würde  sich's  zeigen,  was  grössere 
Sünde  sei,  ob  der  Unglaube  nach  dem  Glauben,  ob  der 
Bruch  nach  der  Bewährung,  ob  die  Lüge  nach  der  Erklä- 
rung, oder  Gehorsam  geschworen  den  Idolen  und  die  Ver- 
messenheit ,  sich  einen  zweiten  Gott  zu  holen :  Ihr  habt 
eine  unaussprechliche  Sache  vorgezogen;  wenig  fehlte^,  dass 
die  Hifnmel  klafften  und  die  Erden  sich  spalteten  und  ein- 
stürzte der  Berge  Bogen-).  Sagt  eurem  Schreiber,  der 
diese  und  diese  Worte  angefasst  und  dieses  Schreiben  ver- 
fasst:  Wie  kurzsichtig  ist  deine  Kürze,  wie  öde  die  Ueber- 
treibung  deiner  Rede;  dein  Schreiben  wirkt  auf  Uns,  wie 
des  Thierangels  Hummen  und  der  F'liegen  Summen;  du  hast 
des  Islams  Gnade  zu  leicht  genommen,  und  es  wird  Gottes 
Pein  über  dich  kommen;  du  erachtetest  zu  erweitern  durch 
das  Schreiben  die  Pein  und  betrachtetest  den  Briefwechsel 
und  die  lügnerischen  Drohungen  als  Spielerei'n.  Dein  Zweck 
war,  in  Vorschein  zu  bringen  deine  Beredtsamkeit  und  zu 
zeigen    deine   Wohlredenheit.     Du   bist  der,   von    dem   der 


')  Der   65.  V^ers    der   V.  Sura.      -)  Der  8S.    und    sq.  Vers    der 
XIX.  äura. 


Drittes     Buch.  181 

Sprechende  spricht :  Du  hast  Etwas  im  Gedächtnisse  be- 
halten, aber  es  fliehen  dich  der  Dinge  Gestalten.  Du  hast 
geschrieben  den  Text:  Er  tvird  die  kennen,  die  Unrecht 
gethan ,  und  die  Umivälze?iden  werdeji  umgetoälzt  werden  '  ). 
Auf  dieses  Wort  kommt  die  Antwort  sofort:  Gottes  Ge- 
schäft ist  gekommen,  beschleunigt  es  nicht,  der  König  Nassir 
und  Jagkmur  und  Alaeddin  Koscheimri  und  die  übrigen 
Emire  Syriens  achten  nicht  das  Feuerschlagen  zwischen 
Kiesel  und  Stahl ,  sie  erwarten  das  Wiehern  der  Rosse  und 
das  ZusammentrefFeii  im  Stosse;  sie  geloben,  sich  im  hei- 
ligen Kampf  zu  erproben,  euch  den  Höllen  und  dem  Ab- 
grund zuzugesellen,  euch  die  Haare,  welche  über  die  Ohren 
niederstürzen,  mit  dem  Stahle  des  Schwertes  zu  kürzen;  sie 
sagen  euch  Alle:  Seid  ihr  zum  Kampf  bereit,  so  sei  das 
eure  Beredtsamkeit;  was  braucht  es,  Verse  zu  citiren  und 
Histörchen  zu  componiren  und  Lügen  einzustudiren.  Wir 
sind  nun  im  letzten  Ssafer  und  Unsere  \  erheissung  kommt 
(als  eine  wahre)  vom  Morgen  her.  Gott  beflügelt  für  den, 
wen  er  will ,  den  Sieg.  Wir  haben  diess  nicht  bloss  pro- 
saisch geschrieben  und  sind  dabei  im  Orte  der  Schmach 
sitzen  geblieben;  Wir  sagten,  was  zur  Hand,  und  entschul- 
digen den,  der  zu  schwach  zum  Widerstand.     Heil!" 

Nachdem  Hulagu  den  Sommer  in  Mesopotamien  verweilt,  Marsch 
trat  er  erst  im  Herbste  des  Jahres  zwölfhundert  neun  und  ***  Ualeb. 
fünfzig  seinen  Marsch  nach  Syrien  an.  Auf  vier  Punkten 
wurden  Brücken  über  den  Euphrat  geschlagen;  diese  vier 
Orte  sind  noch  heute  die  betretensten  gewöhnlichen  Ueber- 
gangspunkte ,  nämlich  zu  Malatia^  Kalaatol  Ttmn,  Bire  und 
Kirhesia,  alle  vier  als  Uebergänge  des  Euphrats  schon  aus 
der  römischen  und  byzantinisclien  Kriegsgeschichte  bekannt. 
Malatia,  das  alte  Melitene,  Kalaatol  Rum j  d.  i.  das  Römer- 
schloss,  an  der  Stelle  des  alten  Zeugma,  d.  i.  der  Brücken- 
verband, Bire,  das  alte  Birtha,  und  Kirkesia,  ganz  unver- 
ändert das  alte  Kirkesion.  Das  erste  Blutbad  hatte  zu 
Menhedsch y    dem  alten   Hierapolis,    statt,   dessen  heutiger 


»3  Der  226.  Vers  der  XXVI.  Sura. 


182  Drittes     Buch. 

Name  aus  dem  alten  Bambyce  verstümmelt;  die  beide»  alten 
Namen  enthalten  schon  statistische  und  historische  Kunde 
der  Stadt,  die  berühmt  durch  ihre  Baumwollpflanzuugen 
und  ihre  Tempel,  besonders  den  der  Astarte,  der  grossen 
syrischen  Göttin,  vor  welchem  sich  vereinzelte  Thürme  er- 
hoben, Thürme,  die  heute  Minarete,  d.  i.  Leuchtthürrae, 
genannt,  ursprünglich  Phallische  Sinnbilder  der  Zeugung. 
Von  hier  aus  wurden  die  Castelle  am  Euphrat,  deren  Ein- 
wohner alle  unter  dem  Schwerte  fielen ,  mit  Besatzungen 
versehen,  nämlich:  die  Schlösser  Nedschm,  Rakka  und 
Dschaaber.  Nedschm  heisst  das  Sternschloss;  Rakka  hat  in 
der  römischen  und  griechischen  Kriegsgeschichte  als  Kaliiiike 
oder  Nicephoriura  schönen  Sieg  verkündenden  Namen, 
Dschaaber  aber  in  der  osmanischen  die  grösste  Wichtigkeit, 
weil  hier  dreissig  Jahre  vor  dem  üebergange  Hulagu's  über 
den  Euphrat  Suleiman,  der  Grossvater  Osraan's,  des  Grün- 
ders des  osmanischen  Reichs,  als  er  von  ChorasaH,  vor  dem 
Heere  Tschengischan's  auswandernd,  flüchtete,  hier  bei'm 
üebergange  über  den  Euphrat  vom  steilen  Ufer  in  den  Fluss 
stürzte  und  ertrank ,  wo  seine  Grabstätte  noch  heute  unter 
dem  Namen  des  Türkengrabs  geehrt  wird  ').  Noch  im 
October'^  streiften  ungeheuere  Schaaren  bis  in  die  Nach- 
barschaft von  Haleb ,  wo  ihnen  Moaasem ,  der  Sohn  Nassir's, 
der  Urenkel^)  des  grossen  Ssalaheddin,  entgegen  kam,  aber 
von  ihnen  geschlagen  in  die  Stadt  floh.  Abtheilnngen  des 
Heeres  rückten  vor  Maarretnaarnan ,  Hanta  und  Himss^ 
welche  sich  ergaben  ;  die  Sultane  der  beiden  letzten  Städte 
waren  nach  Aegypten  entflohen ,  so  auch  Melik  ISassir,  der 
Sultan  von  Haleb,  welcher  sich  in  das  innerste  Syrien, 
nach  Schaubek  und  Kerek,  gerettet.  Damaskus  ergab  sich 
gutwillig,  aber  Haleb  wurde  von  Hulagu  belagert.     Er  selbst 


')  Gesch.  des  osm.  Reichs  I  ,  nach  Neschri,  Seadeidin,  Dsche- 
uahi.  ')  Primo  mense,  d.  i.  des  syrischen  Jahres,  welches  Ende 
September  begann.  Bar  Hebr.  ')  Moazem  filius  Saladini  niagni 
beim  Bar  Hebr.  p.  255  ist  unrichtig,  denn  Ssalaheddin  hatte  keinen 
Sohu^  der  so  hiess  ;  es  ist  hier  die  Rede  von  dem  ältesten  Sohne 
Nassir's,  welcher  auch  Ssalaheddin  hiess,  wie  sein  Grossvater. 


Drittes     Buch.  183 

lagerte  vor  dem  westlichen  Thore,  das  nach  Antiochien  führt, 
Oroktu  Nujan  vor  dem  Thore  der  Juden ,  Keitbuka  Nujaii 
vor  dem  Thore  der  Griechen  und  Sundsche  Nujan  vor  dem 
südlichen  Thore  von  Damaskus.  Vor  dem  Judenthore,  das 
auch  Thor  der  Freude  heisst,  ist  ein  grosser')  alter  Stein, 
bei  welchem  Juden  und  Christen  schwören;  ausser  demselben 
wallfahrtet  der  Moslim  zu  Haleb  noch  zu  zwei  Stätten  Chiser's, 
des  Hüters  des  Lebensquells,  dessen  Legende  in  Syrien  mit 
der  des  heil.  Georg  zusammengewachsen,  und  zu  zwei  Stätten 
Abraham's,  dessen  Heerden  hier  gemelket  worden  sein  sollen  '^^, 
eine  Legende  entstanden  ans  der  Verstümmelung  des  alten 
Namens  Chalyhon  in  Haleb,  was  auf  arabisch  Milch  heisst. 
Haleb  ist  durch  seine  Früchte,  sowie  durch  seinen  Handel 
von  jeher  berühmt  gewesen,  durch  seine  Gurken,  Wasser- 
melonen, Feigen,  Aprikosen,  vorzüglich  aber  durch  seine 
Pistazien,  welche  der  Araber  die  Tochter  des  Gedächtnisses^^ 
nennt,  weil  sie  gegessen  das  Gedächtniss  stärken  sollen ;  als 
Niederlage  indischer  Waaren  wird  Haleb  auch  das  kleine 
Indien  genannt. 

Der  Befehlshaber  des  Schlosses  war  Moaasem  Turan-  Eroberuna 
schah,  der  Sohn  Nassir's,  an  welchen  die  Aufforderung  der  *'""  HuhO 
Mongolen  erging:  Wir  wollen  euch  Nichts  üebles,  lautete 
die  Botschaft,  wir  suchen  nur  den  König  Nassir  auf,  um 
uns  zu  schlagen;  nehmt  also  zwei  mongolische  Yögte  an, 
deren  einer  in  der  Stadt,  der  andere  im  Schlosse  residire, 
so  lange  noch  das  Kriegsglück  unentschieden ;  wenn  wir  das 
moslimische  Heer  geschlagen,  seid  ihr  uns  ohnedies  als 
Sklaven  verfallen ;  schmiegt  euch  daher  lieber  früher  als 
später  in's  Joch;  sollten  wir  besiegt  werden,  so  steht  es 
euch  immer  frei,  unsere  Wogte  hinaus  zu  werfen,  oder  wenn 
ihr  lieber  wollt,  sie  zu  tÖdten.  Moaasem's  Antwort  war 
eines  Ejubiden  würdig:  er  habe  für  die  Mongolen  Nichts, 
als  sein  blankes  Schwert.  Auf  diese  Antwort  umzingelten 
die  Mongolen  die  Stadt,  besetzten  die  Brücken,   bei  deren 

')  Reschideddin.  ^)  Dscliihannuma  S.  593.  Histnire  des  Sultans 
Mamlouks  de  l'Egypte  par  Makrizi,  traduite  par  Ouatremcre  I.  10. 
')  Bintol- Haiisa. 


lind  Harim. 


184  Drittes     Buch. 

Vertheidiguiig  Esededtlin  ,  der  Sohn  Soheir's,  des  Sofines 
Nassireddin's,  fiel.  Das  Schwert  wüthete  durch  fünf  Tage, 
von  Sonntag  bis  Freitag,  bis  Hulagu's  Befehl  dem  Morden 
Einhalt  that;  nur  sechs  Gebäude  waren  durch  besondere 
Sicherlieitsbriefe  von  der  allgemeinen  Plünderung  ausge- 
nommen'), nämlich  vier  Häuser  von  Prälaten,  das  Kloster 
der  Ssofi  und  die  Synagoge  der  Juden,  aber  weder  die 
griechische  noch  die  syrische  Kirche.  Während  Abulfaradsch, 
der  Syrer,  w  elcher  die  Geschichte  dieses  Feldzugs  als  Augen- 
zeuge beschrieben,  als  Abgesandter  der  Christen  an  Hulagu 
im  Sternschloss  aufgehalten  ward ,  drangen  die  Tataren  in 
die  Stadt  ein  und  metzelten  die  Christen  nieder,  die  sich 
in  die  griechische  Kirche  geflüchtet ,  bis  auf  wenige,  welche 
der  armenische  Priester  Toros  rettete^).  Das  Blutbad  war 
gross  und  grösser,  als  zu  Bagdad^);  die  Zahl  der  in  den 
verschonten  Gebäuden  Geretteten  belief  sich  auf  fünfzig- 
tausend *) ;  das  Schloss  w  ard  mit  Wurfmaschinen  beschossen. 
Die  Emire  Kurchan,  Adschu  Sukurdschi  und  Ssadik  Gurdschi 
wurden  verwundet.  Hulagu  beschenkte  sie  und  sagte:  Wie 
die  rothe  Farbe  die  Schminke  der  Weiber,  so  ist  die  Schminke 
il.  Rebhil-  der  Männer  das  BlutQ.     In  dem  Schlosse  wurden  Mehrere, 

-- — ;.l'    .als  des  Einverständnisses  mit  den  Mongolen  verdächtig,  ge- 
6.  April  1261  c  '  o 

tödtet;  über  zwei  Monate ')  hatte  die  Belagerung  gedauert, 

als  der  Besatzung  freier  Abzug  gestattet  ward.  Die  Emire 
der  ägyptischen  3Iamluken,  welche  sich  unter  der  Besatzung 
befanden,  wurden  der  Sorge  eines  Kipdschaken  empfohlen, 
welcher  vormals  bei  Nassir,  dem  Herrn  Haleb's,  Schutz 
gesucht,  von  demselben  gütig  aufgenommen,  jedoch,  weil 
es  ihm  in  Syrien  nicht  gefiel,  wieder  zu  den  Mongolen  über- 
gegangen war.  Ausrufer  verkündeten,  dass  es  den  Moslimen 
erlaubt  sei ,  in  ihre  W^ohnungen  zurückzukehren ,  und  dass 
ihnen    Niemand    Etwas   in    den    Weg    legen    solle.     Hulagu 


')  filJcliehabeddiu  Ben  Amru's,  das  Nedsciuneddiii's ,  des  Bruders 
Marsdekiii's,  das  Basdedde's,  das  Alemeddin  Kaissar's.  Abulfeda 
IV.  579.  ^)  Bar  Hebr.  556.  ')  Bar  Hebr.  ^)  Abulfeda  IV.  p.  579. 
')  Resciüdeddin.  ^j  „ici,t  vierzig  Tage,  wie  Reschideddin  sagt; 
Abulfeda  sibt  die  Daten  genau. 


Drittes     B  u  c  li.  185 

ernannte  zum  Vogte  Fachreddin,   den  Mundschenken,   und 
Tokal  Bachschi,  Hess  den  ersten  in  der  Folge,  als  sich  die 
Einwohner  über  seine  Erpressungen  beklagten,   hinrichten, 
und  gab  die  Stelle  dem  Seineddin  Hafis  ').   Nun  kam  Melikol- 
Eschref  Musa,    der  Herr  von  Himss,  welchem  Nassir,   wie 
vordem  gesagt  worden,    die  väterliche  Stadt  weggenommen 
und  ihm  dafür  Telbaschil  gegeben  hatte,  und  der  mit  Nassir 
und  dessen  Bruder  bei  Annäherung  der  Mongolen  aus  Haieb 
nach  Aegypten  geflohen,  um  sich  dem  Eroberer  huldigend 
zu  Füssen  zu  werfen.     Hulagu  empfing  ihn  gnädig  und  setzte 
ihn  in  das  ihm    entrissene  Fürstenthum   von    Himss    wieder 
ein;  auch  erschien  Mohijeddin,  der  Sohn  Seki's,  der  Richter 
von    Damaskus,    um   ihm    die   Huldigung   der   Stadt    darzu- 
bringen; Hulagu  empfing  ihn  ehrenvoll  und  sandte  ihn  nach 
Damaskus    mit   goldenen    Ehrenkleidern    für    die    Gesetzge- 
lehrten  zurück.     Er   theilte   dieselben    dort  in    öffentlicher 
Versammlung  aus  und  las  das  Jerligh  vor,  welches  ihm  die 
Stelle  als  Richter  von  Damaskus  verlieh  ^^.     Nachdem  Haleb's 
Einrichtung  getroffen  war,  wandte  sich  Hulagu  gegen  Harun, 
welches    unter    dem   Namen  Harim  aus  der  Geschichte  der 
Kreuzzüge    bisher    besser    als    seine    Lage    bekannt,    durch 
mehrere  Schlachten  berühmt ;  von  den  Christen  eingenommen, 
von  Nureddin  belagert  und  erstürmt,   fiel  es  wieder  in  der 
Kreuzfahrer   Hände,    denen    es   Ssalaheddin   entriss^^.     Es 
liegt  zwischen    Haleb    und  Antiochien,    zwei  Tagreisen  von 
jenem    und    eine    von    diesem    entfernt,    und    ist   besonders 
seiner   herrlichen  Granatäpfel    willen    berühmt,   welche  die 
saftigsten  Syriens*}.     Die  Besatzung  erklärte,  sie  wolle  sich 
an  Niemanden  als  an  Fachreddin,   den  Naib  (Stellvertreter 
des  Richters)  von  Haleb,  ergeben,  welcher,  herbeigerufen, 
ihre    üebergabe    im   Namen  Hulagu's  empfing;    diesen  aber 
wurmte  der  ihm  hierdurch  zugefügte  Schimpf  so  sehr,  dass 


•)  Reschideddin,  Abulfeda  IV.  uennfc  den  Naib  Aniadeddiu  von 
Raswin.  =)  Abulfeda  IV,  585.  ^)  Wilkens  Geschichte  der  Kreu/.- 
züge  I.  180.  n.  516.  633.  III.  52.  82.  90.  92.  219.  Abulfeda  III.  5ll. 
583.  593.  755.  IV.  35.  59.  '')  Dschihannuma  S.  597;  der  Richter  von 
Harim  zu  Selkin,  auf  der  Karte  Serkin. 


186  Drittes     Buch. 

er  trotz  des  zugesicherten  Lebens  alle  Einwolmer  mit  Weib 
und  Kind  erwürgen  Hess.  De,n  Sultan  von  Iliiuss,  Melikol 
Eschref,  sandte  er  nach  Haraa,  dessen  Emire,  nachdem  ihr 
Sultan  Melik  Manssur  sich  nach  Damaskus  geflüchtet  hatte, 
dem  Hulagu  die  Schlüssel  der  Stadt  überbracht  und  um  einen 
mongolischen  Vogt  gebeten.  Er  sandte  ihnen  den  Wesir 
Chosrewschah,  der  seinen  Stamm  vom  Schwerte  des  Islams 
von  Chalid,  dem  Sohne  Welid's,  dem  berühmten  Feltlherrn 
der  beiden  ersten  Chalifen,  dem  Eroberer  Syriens,  her- 
leitete •).  Melik  Eschref  erhielt  von  Hulagu  den  Auftrag, 
die  Mauern  Hama's  oder  die  seiner  eigenen  Stadt  Himss  zu 
zerstören.  Melikol  Eschref  verfuhr  schonungslos  zu  Hama, 
wo  er  die  Mauern  des  Schlosses  schleifte,  das  Arsenal  ver- 
brannte, die  schöne  Bibliothek  versteigerte  und  auch  die 
Mauern  der  Stadt  gebrochen  haben  würde,  wenn  nicht  ein 
Franke  dem  mongolischen  Zerstörer,  dem  Perser  Chosrew- 
schah, vorgestellt,  dass  die  Nachbarschaft  der  Christen  zu 
Hossnol  Ekrad  es  nicht  rathsam  mache,  die  Stadt  ihres 
Walles  zu  entmanteln.  Nicht  so  genau  vollzog  Melikol 
Eschref  die  Befehle  Huiagu's  in  seiner  eigenen  Stadt  Himss, 
wo  er  nur  Weniges  zum  Scheine  abbrach ,  sein  übriges  Erbe 
verschonend  ^^. 
Miafara-  Ehe  wir  die  Erzählung   des  syrischen  Feldzugs  weiter 

kain.  verfolgen,  wenden  wir  uns  nach  Mesopotamien  zurück,  wo 
Hulagu  auf  seinem  Durchzuge  seinen  Sohn  Jaschmut  mit 
einer  Heeresabtheilung  belagernd  vor  der  Stadt  Miafarakain 
gelassen,  welche  nordöstlich  von  Diarbekr  gelegen.  Miafara- 
kai?t,  das  südlich  demselben  gelegene  Hoss?ikeif  und  das  noch 
südlichere ,  am  Berge  Dschudi  oder  Masius  gelegene  Mardin, 
das  alte  Merde ,  drei  der  festesten  Horte  des  arabischen 
Irak  und  Gränzfestungen  des  byzantinischen  und  persischen 
Reichs,  wollen  ihrer  Wichtigkeit  wegen  vom  Leser  dieser 
Geschichte  näher  gekannt  sein.  Das  erste,  auf  armenisch 
Nefrgerd,  auf  griechisch  die  Stadt  der  Märtyrer  geheissen, 
ist  tielleicht  das  alte  Carcatiocerta,   welche  die  Hauptstadt 

')  Abuifcda  IV.  5öl.     -)  AbuUeda  IV.  587. 


Drittes     Buch.  187 

Svphiene'8,  wie  Miafarakain  die  Hauptstadt  des  Landes  Bekr's 
war'])»  ^^^  li^g^t  3™  dritten  Gränzflusse  des  byzantinischen 
und  persischen  Reichs,  am  Nymphius,  der  heute  der  Go!d- 
fluss  heissf^^  und  nördlich  der  Stadt  aus  einer  Quelle  ent- 
steigt, welche  die  Quelle  Bekr's  heisst^).  Die  orientali- 
schen Geographen  nennen  nur  ein  einziges  Denkmal  der 
Stadt,  aber  dieses  einzige  macht  viele  andere  zum  Ruhme 
der  Stadt  überflüssig  und  leuchtet  hell  hervor  aus  dem 
Dunkel  unbekannter  Märtyrer,  von  denen  die  Stadt  den 
armenischen  und  griechischen  Namen  hat;  es  ist  das  Grabmal 
Seife ddewlet's,  d.  i.  des  Reichsschwerts,  des  grossen  Fürsten 
der  BeniHamdan,  dessen  zahlreiche  glückliche  und  unglück- 
liche Kämpfe  gegen  das  byzantinische  Reich,  dessen  Kriegs- 
thaten  in  Asien  von  Flaleb  bis  an  die  Ufer  des  Bosporos  die 
Geschichte  erzählt  und  Motenebbi  in  unsterblichem  Gedichte 
verherrlicht  hat.  Hier  ist  das  eigentliche  Land  Bekr's,  von 
welchem  die  spätere  Hauptstadt  desselben,  Amid  oder  Diar- 
bekr,  den  heutigen  Namen  trägt.  Ursprünglich  der  Sitz 
des  Stammes  Behr  Ben  Wail,  dann  der  Könige  von  Kinde, 
aus  welchen  Amrolkai,  einer  der  sieben  grössten  Dichter 
vor  Mohammed ,  um  des  von  den  Beni  Esed  erschlagenen 
Vaters  Tod  zu  rächen ,  Bundesgenosse  des  griechischen 
Kaisers ,  zuletzt  von  seinen  Feinden  im  Bade  mittels  ver- 
gifteten Kleides  getödtet.  Nach  der  Eroberung  unter  dem 
Chalifate  Omar's  herrschten  hier  die  Dynastien  der  Beni 
Merwan  und  Beni  Ortok,  und  als  Hulagu's  Heer  vor  Miafara- 
kain belagernd  erschien ,  war  dasselbe  seit  siebzig  Jahren  in 
den  Händen  eines  Zweiges  der  Beni  Ejub,  deren  vierter 
Herrscher,  Melikol  Kjamil,  durch  die  Hinrichtung  des  Ge- 
sandten und  durch  die  Verweigerung  der  Unterwerfung  unter 
die  Macht  des  Kaan's  und  Ilchan's  gesichert.  Als  Prinz 
Jaschmut    mit    den    beiden   ihm    untergebenen    Feldherren, 


')  S.  Martin  Mem.  11.  97.  üschiliannuina  S.  437.  ^)  Aini  Haus- 
ile  musenima  bu  aindeu,  d.  i.  aus  einer  Quelle,  welche  Beckeii- 
quelle  heisst ;  es  ist  also  unrichtig,  wenn  S.  Martin  p.  97  sagt: 
le  Njmphius  appelle  actuellemeut  Aynalhaoudh.  ')  Macdouald 
Kineir. 


188  Drittes     Buch. 

Ilkai  Nujati  und  Suntai,  zur  Uebergabe  aufforderte ,  ant- 
wortete er:  der  Prinz  mög^e  nicht  kaltes  Eisen  sclimieden 
und  Unmögliches  nicht  erwarten.  Ist  er  nicht  der  Sohn  des 
Vaters,  der  dem  Chorschah  f  dem  Fürsten  der  Assassinen}, 
dem  Chalifen  von  Bagdad,  dem  Hosameddin  Aka  (dem  Be- 
fehlshaber von  Deriteng)  und  dessen  Sohne  Tadscheddin 
(dem  Befehlshaber  von  Irbil)  das  gegebene  Wort  gebrochen  ' ') 
und  sie  trotz  des  gewährten  sicheren  Geleites  getödtet  hat*? 
Da  mich  gleiches  Loos  erwarten  würde,  wie  sie,  will  ich 
mich  bis  auf  den  letzten  Odemzug  vertheidigen.  Er  öffnete 
seine  Schätze  und  Magazine  der  Besatzung  und  sagte  ihnen : 
Theilt  euch  darein,  denn  ich  bin  nicht,  Gott  sei  Dank!  der 
Chalife  Moteaassim,  dessen  Geiz  die  Ursache  von  Bagdads 
Ruin.  Wurfmaschinen  wurden  wider  Wurfmaschinen  aufge- 
pflanzt und  zwar  mit  so  grosser  Genauigkeit  der  Richtung 
der  einen  gegen  die  andere,  dass  die  geschleuderten  Felsen- 
stücke mehrmals  in  der  Luft  zusammenstiessen  und  ,  durch 
den  Zusammenstoss  zerschmettert ,  als  Kies  und  Sand  her- 
unterregneten. Endlich  gelang  es  den  Belagerten,  die 
Wurfmaschinen  der  Belagerer  mittels  geschleuderten  Naphta- 
feuers  zu  verbrennen. 
Eroberung  Hulagu,  von  dem  Widerstände  Miafarakain's  unterrichtet, 

V071  Mia-  sandte  den  Oroktu  mit  dem  Befehle,  dass  der  Prinz  und  das 
faraka'm  Heer  so  lange  weile,  bis  die  Stadt  durch  Hunger  zur  Uebergabe 
.  gezwungen  seyn  würde.  Dieser  Zeitpunkt  trat  ein;  einen 
ganzen  Monat  lang  schon  ass  die  Besatzung  nichts  als  Hunde, 
Katzen,  Mäuse  und  Ratten,  zuletzt  Leichname  der  Erschla- 
genen. Da  schrieben  die  wenigen,  noch  vom  Tode  Ver- 
schonten an  Jaschmut:  „Die  Lebensmittel  sind  ausgegangen 
und  die  Stadt  ist  ihrer  Vertheidiger  entblösst;  wenn  jetzt 
die  Reiter  kommen,  werden  sie  keinen  Widerstand  finden." 
Der  Prinz  sandte  den  Oroktu,  und  dieser  fand  nur  siebzig 
halb  verhungerte  ,  halb  durch  Wunden  verstümmelte  Älänner, 

•  ')  Reschidedriin    setzt    noch    den  Nassir  von  Halch  hinzu,    was 

aber  ein  Anachronismus,  indem  dessen  Hinrichtunj:  erst  nach  der 
Niederlage  von  Aiudschalut  stattliatte,  welche,  wie  wir  s(i;;k"ich 
zeigen  werden,  später  als  die  Eroberung  von  .\Iiafarakain. 


Drittes     Buch.  189 

die  eich  nicht  mehr  vertheidigen  konnten ;  nur  zwei  Reiter, 
die  während  der  ganzen  Belagerung  in  wiederholten  Aus- 
fällen Wunder  der  Tapferkeit  gethan,  kämpften  auch  nun 
mit  vorgehaltenen  Schilden  gegen  der  Feinde  Ueberraacht, 
bis  sie  derselben  erlagen.  Melik  Kjamil  wurde  mit  seinem 
Bruder  an  Hulagu  gesandt,  der  damals  zu  Tellbaschir  (des 
Tnrbeysel  der  Kreuzfahrer  in  der  Nähe  von  Haleb  ) ;  Hulagu 
überhäufte  ihn  mit  Vorwürfen  über  seinen  Undank  und  seine 
Treulosigkeit,  dass  er  den  Gesandten  des  Kaan's,  der  ihm 
Diplom  und  Löwenkopf  gesandt,  getödtet  Er  befahl,  ihm 
Riemen  Fleisches  aus  dem  Leib  zu  schneiden  und  in  den  . 
Mund  zu  stecken;  der  abgeschnittene  Kopf  wurde  als  Trophäe 

in   den   syrischen    Städten   zu  Haleb,    Hama  und  Damaskus  ^   „    . 

7.  Dschem. 
unter  Musik   herumgetragen    und   in    der    letzten    Stadt  an  ewwel  6'5S 


einem  Fenster  des  Stadtthores,  welches  das  Thor  des  Para-  3i-  April 
dieses  heisst ,  aufgehängt ' ) ,  erst  nach  Abzug  der  Mongolen 
in  dem  Grabmale  Husein's  beigesetzt.  Der  Scheich  Schiha- 
beddin,  als  Dichter  unter  dem  Namen  Abu  Schamaj  d.  i. 
Vater  des  Muttermaals,  berühmt,  beweinte  dessen  Tod  in 
einer  berühmten  Kassidet,  woraus  die  Verse: 

Der  Sohn  des  Kämpeu  kämpfte  wider  die  Barbaren, 
Die  in  Irak  aus  rauhen  Kehlen  schnarren  j 
Hellstrahlend  und  erhaben  in  Gefahren, 
Starb  er  den  Martyrtod  erst  nach  zwei  Jahren. 
Entehrt  ward  nicht  sein  Haupt  durch  die  Fanfaren, 
Womit  auch  das  Husein's  ward  gefahren ; 
Es  ruht  bei  ihm  nach  Abzug  der  Tataren; 
Im  Leben  und  im  Tode  gleich  Verfahren. 

Gleiches  Schicksal  mit  dem  Fürsten  von  Miafarakain  hatte 
sein  Vetter  Mowwahid,  der  Sohn  Turanschah's,  des  letzten 
Sultans  der  Beni  Ejub  in  Aegypten,  der  Herr  des  festen 
Schlosses  von  Hossnkeif,  welches  zur  selben  Zeit  wie  Mia- 
farakain fiel  und  dessen  Fürst  ebenfalls  von  den  Mongolen 
getödtet  ward.     Hossnkeif  oder  Hiss7ikeifa,   von  den  Byzan- 


')  Da  Abulfeda  IV.  509  das  Datum  gibt,  so  bleibt  kein  Zweifel 
übrig  über  die  Epoche  des  Falles  von  Miafarakain,  wiewohl  Re- 
schideddin  denselben  erst  nach  der  Schlacht  von  Aindschalut  erzählt. 


190  Drittes     Buch. 

tiiiern  das  Schloss  des  Kiphas  genannt^),  liegt  auf  dem 
westlichen  Ufer  des  Tigris,  auf  dem  Wege  von  Miafarakain 
nach  Mossul^^.  Die  Stadt  hängt  mit  dem  auf  einem  hohen 
Berge  gelegenen  Schlosse  mittels  einer  Brücke  zusammen ; 
bevor  dasselbe  der  ejubidische  Emir  Merd  Mahmare  be- 
festigte ,  hiess  es  bei  den  Arabern  Rasol  Ghul,  d.  i.  das 
Dämonenhaupt,  weil  es,  wie  im  Sternbild  des  Perseus  das 
Haupt  der  Gorgone,  welches  der  Araber  ebenfalls  Dämonen- 
hanpt  nennt,  fürchterlich  und  hoch  vom  Himmel  herunter- 
droht. Nach  der  arabischen  Legende  soll  der  Name  Hossn 
oder  Hissn  Eeifa  ursprünglich  Hasan  Keifa  gelautet  haben, 
und  zwar  aus  folgendem  Anlasse:  Ein  Wackerer,  Namens 
Hasan,  im  Schlosse  gefangen  gehalten,  erbat  sich  beim 
Emire  eines  Tages  die  Erlaubniss,  eine  seiner  Stuten  auf 
dem  Schlosshofe  zu  tummeln;  die' Erlaubniss  wurde  gewährt; 
Hasan  tummelte  und  tummelte  das  Pferd  und  setzte  damit 
zuletzt  in  toddrohendem  Sprunge  über  die  Mauer,  mit  dem 
Pferd  hinunterstürzend  in  den  Tigris ,  den  er  glücklich 
durchschwamm.  Da  erscholl  der  Zuruf  der  Bewunderung 
solcher  Tollkühnheit:  Hasan  Keifa!  d.  i.  Hasan  Wohlauf! 
und  der  Name  blieb  dem  Schloss.  Vielleicht  ist  es  dasselbe 
mit  dem  alten  persischen  Schlosse  der  Vergessenheit,  worin 
Prinzen  und  andere  Staatsgefangene  zu  ewiger  Vergessenheit 
eingekerkert  worden,  und  dessen  die  byzantinischen  Ge- 
schichtschreiber mehrmals  erwähnen^);  da  aber  jenes  auf 
persisch  Gilgerd*^  genannt  wird,  so  ist  es  weit  wahrschein- 
licher, dass  dasselbe  eins  mit  einem  der  festesten  Schlösser 
der  Ässassinen,  mit  Girdkjuh,  dem  T?^ß</o  Hethum's^^i  ^^^ 
länger  als  alle  anderen  aushielt ^). 

Nach  Miafarakain's  und  Hossnkeifs  Eroberung  befeh- 
Belageruny.  ^'»^^  Hulagu  seinen  Sohn  Jaschmut  und  die  ihm  beigege- 
benen Emire  wider  Mardin,  die  Residenz  Melik  Said's,  des 
Fürsten  der  Familie  Ortok,   von  denen  die  ältere  Linie  zu 

0  S.*  Martin  Mem.  I.  p.  174.  -)  Dschihan.  S.  4H7.  ^)  Procop. 
de  hello  persico  I.  5.  *}  rdiyiQäov.  Theophanes  IV.  1.  ^D  Haitho 
Histor.  24.  «)  Hiernach  wäre  die  Stelle  in  der  Gesch.  des  osm. 
Reichs  II.  448  bei  einer  neuen  Ausgabe  zu  berichtigen. 


Mardin's 


Drittes     B  ii  c  ii.  191 

Amid  und  auch  zu  Hossnkeif  geherrscht,  ehe  das  letzte  in 
den  Besitz  der  Ejubiden  kam.  Mardin  ist  das  alte  Marde, 
der  Sitz  des  kriegerischen,  störrigen  Stammes  der  Marden, 
welche  der  persische  König  Arsaces  theils  hierher,  theils 
nach  dem  Libanon  verpflanzte,  deren  Wohnsitze  sich  später 
bis  nach  Satalia  an  der  cilicischen  Küste  ausdehnten  'J  und 
deren  Nachkommen,  im  Peloponnesos  angesiedelt,  noch  heute 
in  dem  tapfersten  Stamme  der  Schipetar  oder  Albanesen  in 
den  Mirdaiten  fortleben.  Der  Berg  MasiuSj,  sogenannt  von 
seinen  Eichenwäldern  [auf  persisch  Masu^)],  ehemals /za^e, 
dann  von  den  Arabern  Dschudi  genannt,  ist  eine  Raubhöhie 
der  verschiedenartigsten  Stämme  und  Secten ,  welche  zu 
verschiedenen  Zeiten  die  Freiheit  ihres  verfolgten  Cultos 
in  die  Eichenwälder  und  Schluchten  dieses  Berges  gerettet, 
an  dessen  steilstem  Ende  nach  der  moslimischen  Ueberlie- 
ferung  die  Arche  Noah's  sitzen  geblieben  und  von  wo  aus 
er  mit  seinen  Söhnen  in  die  Ebene  Mesopotamiens  herunter- 
gestiegen sein  soll.  Sunni  und  Schii,' katholische  und  schis- 
luatische  Armenier,  Jacobiten,  Nestorianer,  Chaldäer  und 
Juden,  Sonne-,  Feuer-,  Kalbs-  und  Teufelsverehrer  wohnen 
hier  einander  über  den  Köpfen;  denn  die  Stadt  steigt  in 
Terrassen  auf  und  die  Häuser  stehen  alle  eines  ober  dem 
anderen,  so  dass  Dächer  und  Thore  in  einer  senkrechten 
Linie  sich  übereinander  erheben;  die  zahlreichste  Bevölke- 
rung Kurden,  Jesidi,  welche  dem  Teufel  göttliche  Ehre 
erweisen,  wahrscheinlich  Nachkommen  der  Marden,  welche 
vermuthüch  zur  altpersischen  Secte  gehörten,  die  das  böse 
Princip  anbetete.  Wenn  irgendwo  in  Asien  noch  Spuren 
der  Ungarn  anzutreffen  sein  sollen,  so  dürften  dieselben 
ausser  Sibirien  noch  in  den  Eichenwäldern  des  Masius  in 
dem  Volksgemische  der  Umgegend  zu  suchen  sein,  denn 
hierherum  kennt  Theophylaktus  das  Schloss  der  Magyaren 
und  den  Pass  der  Sahiren  j,  welche  die  Namen  der  Ungarn, 
die  bei  dem  Auszuge    aus    dem  Lande  zwischen  der  Wolga 


•)  Theophanes,  Cediuus,  .lustinus  und  nach  denselben  Geschichte 
des  osm.  Reichs  H.  443.     ^)  Dschihann.  S.  441. 


192  Drittes     Buch. 

und  dem  Dniepr  sich  südlich  nach  Persien  wandten  '_).  Melik 
Said,  Fürst  der  Familie  Ortok,  beantwortete  mit  gleicliem 
Muthe  und  in  gleichem  Sinne,  wie  die  Herren  von  Mia^ara- 
kain  und  Hossnkeif,  die  Aufforderung  Jaschmut's :  „Ich 
hatte  den  Sinn ,  mich  euch  zu  unterwerfen ,  aber  die  Art, 
wie  ihr  die,  so  sich  euch  ergaben,  behandelt,  hat  meinen 
Sinn  geändert;  an  lobenswerthen ,  an  tapferen  Kurden  und 
Türken  fehlt  es  mir,  Gott  sei  Dank!  nicht."  Oroktu  pflanzte 
also  die  Wurfmaschinen  auf,  welche  acht  3Ionate  fruchtlos 
die  steile  Bergfeste  beschossen.  Die  31ongolen  rächten  sich 
für  den  tapferen  Widerstand  des  Schlosses  durch  die  Plün- 
derung der  Stadt  und  der  nächstgelegenen  Städte  Ersen 
und  Dinsar.  Der  ältere  der  beiden  Söhne  Said's,  Mosa- 
fereddin,  hatte  zu  wiederholtenmalen  dem  Vater  fruchtlose 
Vorstellungen  wider  die  längere  Vertheidigung  gemacht; 
endlich  räumte  er  dessen  längeren  Widerstand  durch  Gift 
aus  dem  Wege  und  begab  sich  in's  Lager,  sich  selbst  als 
Vatermörder  aus  Menschenliebe  angebend ,  weil  er  über- 
zeugt ,  dass  das  Schloss  doch  endlich  der  Uebermacht  der 
Eroberer  weichen  müsse,  durch  den  Tod  des  Einen  das 
.Leben  von  Tausend  habe  bewirken  wollen.  Der  Vatermörder 
fand  Gnade  vor  Hulagu ,  der  ihm  des  Vaters  Herrschaft 
verlieh ;  seine  Nachkommen  erhielten  dieselbe  als  zahme 
Vasallen  der  Ilchane.  Hundert  dreissig  Jahre  nach  dieser 
Unterwerfung  trotzte  Sultan  Isa,  der  letzte  des  grossen 
Herrschergeschlechtes  der  Beni  Ortok,  noch  den  weltero- 
bernden Waffen  Timur's,  der  von  den  fruchtlos  Belagerten 
die  gewöhnliche  Neunzahl  der  Geschenke  und  das  Ver- 
sprechen jährlichen  Tributs  annahm^).  Die  Dynastie  der 
Beni  Ortok  erlosch  fast  gleichzeitig  mit  der  der  Beni  Ejub 
zu  Hossnkeif,  wo  nach  Mowwahid's  Hinrichtung  dessen  Nach- 
kommen das  Schioss  ebenfalls  als  Vasallen  der  Mongolen 
besassen,  bis  der  achte  derselben  der  aufsteigenden  Dynastie 

•)  Theophylaktus   III.    5.     S.    Gesch.    des   osni.   Reichs    II.   448 
und  ö4(S.     Matha   ist   verniuthlich   das    Schloss    der  Magjaren    und 
-Beiranikai    (Macdouald    Kineir   p.  425)    vielleicht   das    alte  ßeidum. 
^)  Cherefeddin  bei  La  Croix  eh.  37.  p.  275. 


Drittes     Buch. 


103 


der  Bajandere,  d.  i.  des  weissen  Hammels,  erlag,  deren 
Gründer  Kara  Jidak,  d.  i.  der  schwarze  Blutegel,  von 
Tiraur  mit  der  Herrschaft  von  Amid  und  Mardin  belehnt 
ward  '^  Zwei  der  Zweige  der  Beni  Ejub  wurden  also  als 
Vasallen  der  Mongolen  zu  Hossnkeif  und  Himss  geduldet, 
während  die  Dynastien  der  beiden  anderen  von  Miafarakain 
und  Haleb  mit  ihren  Hauptstädten  zu  Grunde  gingen.  Ehe 
wir  das  Ende  des  mächtigsten  dieser  Fürsten,  nämlich  Na- 
ssir's  von  Haleb ,  als  Folge  der  Niederlage  von  Aindschaliit 
erzählen,  erwähnen  wir  noch  einmal  des  Fürsten  von  Mossul. 

Bedreddin  Lulu,  der  sechs  und  neunzigjährige^^  Greis,     Ssalih's, 
der  vierzigjährige  Herrscher   von  Mossul,   welchen   Hulagu  des  Sohnes 
in  Anbetracht  seines  hohen   Alters    der  Pflicht,   im   letzten    i^^dreddin 
Feldzuge    persönlich    zu    erscheinen ,    enthoben   und   seiner     ^  uifana 
statt  seinem   ältesten    Sohn    Ssalih    der  Belagerung  Miafara-    j,„^  Ende. 
kain's  beizuwohnen,    aufgetragen  hatte,    war   während  der- 
selben gestorben.     Bedreddin    Lulu,    d.  i.    Vollmond -Perle, 
erst    Sklave    des   sechzehnten    Atabegen   von   Mossul ,    dann 
Obersthofmeister    von     dessen    beiden    Söhnen    Mesud    und 
Mahmud,   eignete  sich,  nachdem  sie  bald  auf  einander  ge- 
storben ,    den  Thron   selbst   an   und    mass   seine  Macht  mit 
der   der    Fürsten    aus    dem   Hause   Ejub;    zuerst  mit  Ssalih 
Nedschmeddin,  dem  Sohne  Kjamil's,  dem  Herrn  von  Sindschar, 
das  er  zweimal  belagerte;    das   erstemal    war   er  durch  das 
dem  Sultan  zu  Hilfe  eilende  Heer  Chuaresmschah's  die  Be- 
lagerung aufzuheben  gezwungen ;  das  zweitemal  aber  entriss 
er  die  Stadt  dem  Enkel  Melikol  aadil's,  Dschewad;  hierauf 
die  festen  Städte  Nissibin  und  Dara  den  Händen  der  Chua- 
resmier,  den  Sohn  Melik  Ssalih's,   den  nachmaligen  letzten 
Herrscher  der  Beni  Ejub  in  Aegypten,    aus  der  Gefangen- 
schaft   der    Chuaresmier    befreiend.      Zehn    Jahre    hernach 


H37 
1239 


wurden  ihm  diese  Städte  von  dem  wider  ihn  gesandten 
Heere  Nassir's  von  Haleb  wieder  abgenommen^}.  Seiner 
Unterwürfigkeit  und  Huldigung  gegen  Flulagu  ist  schon  oben 


»)  Dschihanuuma  S.  443.     *)  Miiwad  und  Schesch  96,  Reschid- 
eddin;  also  nicht  SOjährig,  wie  d'Ohsson  sagt.     ')  Nochbet. 
Hammer,  Geschichte  der  Ilchane.    I.  13 


ii)4  Drittes     Buch. 

Krwäliiiung  geschclien.  Nach  seinem  Tode  wurden  seine 
drei  Söhne,  Ssalih,  MosafTer  Ali  und  Melik  Modschahid, 
^011  Bondokdar,  dem  Sultane  Aegyptens,  mit  den  Fürsten- 
thütnern  von  Mossul,  Sindschar  und  Dschesiret  Ben  Omar 
belehnt.  Ssalih  wurde  in's  Lager  gefordert  und  die  Tochter 
Dschelaleddin  Chuaresmschah's,  welche  ihm  Hulagu  früher 
vermählt,  wurde  zur  Huldigung  nach  Syrien  gefordert;  dort 
nahm  sieh  seiner  Rokneddin  Beidak  an;  aber  Hulagu  sandte 
den  Senedarghun  Nujan  mit  einem  Tomane  mongolischen 
Heeres ,  um  Mossul  zu  besetzen  und  die  Schätze  auszuliefern. 
Als  Ssalih  in  seine  Stadt  zurückeilte,  fand  er  alle  Wege 
von  Mongolen  besetzt;  er  verweilte  zu  Dsckewsak,  wo  ihn 
die  mongolische  Schlachttrompete  aus  weichlichem  Wohl- 
leben aufschreckte;  da  eilte  er  nach  Mossul  und  rüstete  die 
Stadt  zur  Vertheidigung  wider  die  Mongolen,  die  Einwohner 
mit  der  Hoifnung  tröstend,  dass  sein  Beschützer,  Beidak 
der  Syrer'),  bald  zum  Entsätze  erscheinen  werde.  Von 
beiden  Seiten  flogen  Felsenstücke  und  feuerbeschwingte 
Pfeile;  mehrere  wackere  Mongolen,  welche  bereits  die 
Mauern  erstiegen  hatten ,  wurden  getödtet  und  ihre  Köpfe 
in's  mongolische  Lager  gepfeilt.  Melik  Ssalih,  von  einem 
Pfeile  verwundet,  eilte  in's  Lager  zu  Hulagu,  um  ihm  von 
dieser  halsstarrigen  Empörung  Ssalih's  Kunde  zu  geben. 
Beidak,  von  der  üblen  Lage  seines  Schützlings  unterrichtet, 
sandte  ihm  Truppen  zu  Hilfe,  die  von  Sindschar  aus  durch 
Taubenpost  von  ihrer  nächsten  Ankunft  Wort  sandten.  Die 
Taube  ward  von  einem  Mongolen  geschossen,  der  Brief  dem 
Senedarghun  Nujan  gebracht.  Er  legte  sich  in  Hinterhalt, 
schlug  die  von  Beidak  zu  Hilfe  gesandten  syrischen  Truppen 
und  steckte  die  Mongolen  in  ihre  erbeuteten  Kleider;  unter 
dieser  Verlarvung  erschienen  sie  vor  den  Mauern  Mossul's, 
dessen  Einwohner,  sie  für  den  syrischen  Entsatz  haltend, 
ihnen  entgegen  gingen,  aber  alle  niedergemacht  wurden; 
dennoch    hielt   sich  die  Stadt  noch  sechs  Menate,   bis  die 


')  Bei  (l'Ohsson  III.  322.  Alakuli ,    der  Statthalttr   ßoiidokdar's 
y.ii  Halel». 


Drittes     Buch.  195 

Sonne  in  ihrer  höchsten  Hitze,  im  Löwen,  und  die  Hun- 
gersnoth  in  der  Stadt  aufs  Höchste  gestiegen.  Da  ver- 
liessen  die  Vertheidiger  Mossul's,  durch  Hunger  gezwungen, 
die  Stadt  und  wurden  vom  Schwerte  der  Mongolen  gefressen. 
Ssalih  unterhandelte  nun  die  IJebergabe  um  Schonung  des 
Lebens  und  sicheres  Geleite  an  Hulagu.  Senedarghun*) 
verhiess  und  gewährte  beides,  aber  nur  der  Person  Ssalih's, 
denn  die  Besatzung  wurde  bis  auf  Wenige  zusammengehauen. 
Neun  Tage  dauerte  das  Morden,  die  Stadt  ward  entvölkert, 
nur  nach  Abzug  der  Mongolen  kamen  etwa  Tausend ,  die 
sich  in's  Gebirg  gerettet  hatten,  wieder  in  die  Stadt  zurück.        660 


Schaaban 


Hulagu  war  über  Ssalih's  Empörung  so  ergrimmt,  dass  er  2?.  Januar 
an  demselben  ein  Beispiel  mehr  als  gewöhnlicher,  ekel- 
hafter, unmenschlicher  Grausamkeit  aufstellte;  er  wurde, 
das  Gesicht  auf  die  Schaam  gebunden,  in  einen  Filz  ge- 
wickelt und  in  die  Sonne  geworfen;  so  musste  er  elend 
verschmachten;  sein  dreijähriger  Sohn  wurde  nach  Mossul 
gesendet,  am  Ufer  des  Tigris  entzweigehauen  und  die  zwei 
Hälften  auf  den  beiden  Seiten  des  Flusses  aufgehangen,  bis 
sie  verfault,  abfielen.  Solche  echt  mongolische  Grausamkeit 
schändet  den  Ruhm  Hulagu's,  welchem  sein  Volk  den  Ehren- 
namen Ssatn  Adschu,  d.  i.  der  Schwierigkeitenlöser,  bei- 
legte, welcher  mit  seinen  Söhnen  für  das  Hemd^^  des 
mongolischen  Reichs  galt,  während  alle  anderen  Prinzen 
nur  als  Oberkleider  ^)  angesehen  wurden. 

Hulagu  befand  sich  nach  der  Eroberung  von  Damaskus,     Hular/n's 
mit  den  Plänen  weiterer  ägyptischer  Eroberung  beschäftigt,    Aufbruch 

zu  Haleb,   als  er  die  Nachricht  von  dem  Tode  seines  Bru-  ^"'^  Haleb, 
1  .  irr       ,      T.        1  ,  .  1..       n     i_       1  Keilbuka  zu 

ders,    des   grossen    Kaan  s   Mengku,    erhiert.     Er  brach  so-  ^j«,«««/,-«« 

gleich  auf,  wie  es  scheint  in  der  Absicht,  die  oberste  Herr- 
schaft des  Reichs  im  Kurultai  zu  Karakorum  für  sich  selbst 
anzusprechen,  erfuhr  aber  schon  zu  Tebris,  dass  sein  Bruder 
Kubilai  zum  Kaan  und  Moilchan  ausgerufen  worden,  und 
kehrte   in    der   Folge   wieder   nach  Haleb  zurück.     Ehe  er 

')  Bei  d'OhssoH  III.  BT.i,  nach  Bar  Heb,  Samdaghun.  ^)  Dschein- 
dschadar.  ')  Durgfuni,  Wassaf  im  V.  Bande,  Eingangs  der  Erwäh- 
nung des  Zuges  Hulagu's  nach  Westen. 

13* 


196  Drittes     H  II  c  !i. 

Ilaleb  verlassen,  befahl  er  die  Schleifung  der  Mauern  und 
des  Schlosses  von  Haleb ,  was  vollzogen  ward ;  den  Ober- 
befehl über  das  Heer  liess  er  in  den  Händen  Keitbuka'ä, 
des  bisherigen  Befehlshabers  des  Vorlrabs.  Dieser  war  im 
zauberischen  Thale  von  Ghuta  gelagert,  welches  durch  die 
üppige  Fülle  seines  Grüns  und  Baumwuchses  eines  der  vier 
Paradiese  des  Ostens  (die  drei  anderen  sind  die  Auen  von 
Obolla  an  der  Mündung  des  Euphrats,  das  Zauberthal 
Schaab  Bewivan  in  Fars  und  die  Ebene  von  Soghd  im  Lande 
jenseits  des  Oxus^.  Wiewohl  diese  vier  vorzugsweise  die 
Paradiese  des  Ostens  heissen ,  so  zählen  doch  genauere  Geo- 
graphen und  eifrige  Moslimen  deren  acht,  indem  nach  der 
Lehre  des  Koran's  die  Zahl  der  Höllen  sieben,  die  der 
Paradiese  aber  acht,  indem  Gottes  Grimm  minder  als  seine 
Huld  und  jenseits  wie  diesseits  verdiente  Strafe  von  unver- 
dienter Gnade  überwogen  wird.  Diese  vier  anderen  Para- 
diese sind  das  Thal  von  Tebris^^,  das  von  Mamschanrud 
zu  Hamada?iy  der  Sommeraufenthalt  der  Bewohner  Malatia's 
zu  Sebusi'^,  dem  vom  Flusse  des  Messias  bewässerten  Thale, 
und  endlich  das  des  Bosporos^  dessen  Schönheiten  nach  dem 
bekannten  Distichon  des  türkischen  Dichters  Melhemi  die 
Schönheiten  der  vier  ersten  Paradiese  weichen  müssen'). 
Im  schönen  Thale  von  Ghuta  gelagert,  empfing  Keitbuka 
Gesandte  der  Franken,  welche  ihm  den  Prinzen  «SßÄzV^  den 
Bruder  Jusuf  Nassir's ,  des  ehemaligen  Sultans  von  Haleb, 
zuführten.  Keitbuka  bestätigte  ihn  im  Besitze  seines  Leib- 
gedinges,  nämlich  der  Herrschaft  von  Ssarchad*^;  eine 
Heeresabtheilung  wurde  unter  Kuschluchan's  Befehl  gegen 
Nablus  (^Neapolis}  gesandt,  das  alte,  zwischen  den  Bergen 
Garazin  und  Tobalj  welche  die  Kibla  der  Samaritaner ,  ge- 
legene Sichein  ^^,    und   die  Besatzung,   welche  ausfiel,  zu- 


')  Chuthai  Tebris,    Dschihannuma  S.  381.     ^D  Ewlia  in  der  Be- 
schreibung Malatia's  und  Dschih.    S.  600. 
0  Wie  Schaab ,  Ghuta,  Obolla,  Soghd  auf  Erden  berühmt  sind, 
So  ist  des  Bosporos  Gestad'  im  Paradiese  berühmt. 
Geschichte  des   osm.  Reichs  V.  S,  594.     ")  d'Ohsson  III.  329.  nach 
Noweiri.    ^)  Dschihannuma  S.  570. 


drittes     Buch.  197 

samniengehauen.  Die  Mongolen  kehrten  das  grosse  syrische 
Gestade  bis  hinunter  nach  Ghasa  sengend  und  brennend  aus. 
Pßwjfls'),  die  anderthalb  Tagreise  nordöstlich  von  Damaskus 
gelegene  kleine  Stadt ,  wurde  verheert.  Während  dieser 
Begebenheiten  ward  Keitbuka  Herr  von  Nassir's,  des  flüch- 
tigen Sultan's  von  Haleb ,  Person.  Nur  von  seinem  Bruder 
Sahir,  dem  Melik  Ssalih  Nureddin,  dem  Sohne  des  Herrn 
von  Hirass,  und  drei  kaimarischen  (richtiger  kimerischen) 
Emiren  (gebornen  Chuaresraiern)  begleitet,  war  er  bis  nach 
Kathije  an  Aegyptens  Gränze  gekommen,  von  wo,  sich  nicht 
weiter  in's  Land  wagend,  er  nach  Schaubek  und,  alles  seines 
Gepäckes  und  Gefolges  verlustig,  sich  nach  Kerek  und  von 
da  nach  Belka  begab.  Durch  zwei  kurdische  Hellebardiere 
an  Keitbuka  verrathen ,  wurde  er  am  See  von  Sisa  ergriffen 
und  vor  Keitbuka  geführt ,  der  belagernd  vor  Adschalun's 
Mauern  stand.  Keitbuka  zwang  ihn,  den  Belagerten  den 
Befehl  der  üebergabe  zuzurufen ;  die  Stadt  ergab  sich  und 
die  Mauern  derselben,  welche  Iseddin ,  einer  der  Emire 
Ssalaheddin's,  erbaut"^,  wurden  geschleift.  Keitbuka  sandte 
den  Sultan  Nassir  mit  seinem  Bruder  Sahir,  mit  Ssalih, 
dem  Sohne  des  Sultans  von  Himss,  und  mM  Asis,  dem  min- 
derjährigen Sohne  von  Moghis ,  dem  Sultan  von  Kerek,  nach 
Tebris  in  die  Gegenwart  Hulagu's.  Dieser  empfing  die  vier 
Prinzen  des  Hauses  Ejub  gnädig  und  versprach  dem  Sultan 
von  Haleb ,  ihm  sein  väterliches  Erbe  zurückzustellen ,  so- 
bald Aegypten  im  Besitze  des  mongolischen  Heeres. 

Wiewohl   Keitbuka    wie    Hulagu    die    Christen    als   die   Keitbuka's 
Feinde   seiner  Feinde,    der  Moslimen,   begünstigte,   so  er-     Stellung 

firiramte  er  doch  wider    die  Franken   von  Sidon  und  Beau-    ^^: 

°  Kreu%- 

fort,  welche  einige  den  Mongolen  zinsbare,  im  Gebiete  von     fahrer  in 
Beaufort  gelegene  saracenische  Ortschaften  geplündert,  raeh-    Aegyiden. 
rere  der  Bewohner  getödtet,  andere  in  Gefangenschaft  ge- 
schleppt, einen  Neffen  Keitbuka's,  welcher  an  sie  gesendet 
worden,  um  die  gemachte  Beute  zurückzubegehren,  erschlagen 

')  Banias,  wie  bei  d'Ohsson ,  nicht  zu  vcrmeujreii  mit  dem  Ba- 
lanias  Abulfeda's,  welches  auf  den  Karten  auch  als  Uauias  steht. 
')  Haitho  c.  -1% 


198  Dritte»-     Buch. 

hatten  und  dem  Keitbuka  Zurückstellung  der  Beute  und 
Genugthunng  verweigerten.  Keitbuka  züchtigte  sie  dafür 
durch  die  Eroberung  von  Sidon  und  die  Schleifung  eines 
Theiles  der  Stadtmauer.  Die  Einwohner  flüchteten  in  die 
nächst  der  Stadt  auf  einer  Insel  gelegene  Burg.  Durch  diese 
Feindseligkeit  wurde  das  bisherige  Zutrauen  der  syrischen 
Christen  und  Mongolen  für  immer  zerstört').  Die  politische 
Zuneigung  Hulagu's  für  die  Christen  ward  hauptsächlich 
durch  die  Frauen,  durch  die  Frau  Tokus,  die  erste  Ge- 
mahlin und  grosse  Frau  Hulagu's,  seine  Begleiterin  auf  diesem 
Feldzuge,  und  durch  Hethum,  den  König  Kleinarmeniens, 
bestärkt.  Diesem  dankte  sein  Eidam,  der  Prinz  von  An- 
tiochien,  einzig  seine  Rettung,  indem  sonst  nach  Haleb's 
Ruin  der  Antiochien's  wohl  unvermeidlich  gewesen  wäre. 
Hulagu  sandte  ihm  aber  Geschenke  und  Diplom,  wodurch 
der  Fürst  von  Antiochien  wieder  in  den  Besitz  aller,  zu 
seinem  Fürstenthume  gehörigen ,  ihm  von  den  Saracenen 
entrissenen  Ortschaften  eingesetzt  ward  ^).  Der  grössere 
Theii  des  mongolischen  Heeres  war  theils  in  Mesopotamien, 
mit  der  Belagerung  oder  Huth  der  dortigen  Städte  beschäftigt, 
theils  in  Syrien  zu  Grunde  gegangen  ,  theils  dem  Hulagu  bei 
seinem  Aufbruche  von  Haleb  gefolgt;  Keitbuka  blieb  mit 
nicht  mehr  als  zehntausend  Mongolen  zur  Eroberung  Aegyp- 
tens  oder  doch  wenigstens  zur  Huth  Syriens  wider  Aegypten 
zurück  ^).  Keitbuka  war  zu  Damaskus  auf  die  Vertheidigung 
und  den  Schutz  Syriens  bedacht,  als  er  die  Nachricht  von 
dem  Anmärsche  des  Sultans  von  Aegypten,  Mois  Seifeddin 
Kotos,  erhielt,  in  dessen  Gefolge  sich  Melik  el  Manssur, 
der  Sultan  von  Hama,  mit  seinem  Enkel  Efdhal,  dem  Vater 
Abulfeda's,  des  grossen  Geographen,  Geschichtschreibers, 
und  andere  moslimische  Fürsten  befanden,  welche  sich  bei 
der  Annäherung  der  Mongolen  nach  Aegypten  geflüchtet  und 
bei  dem  Sultane  der  Mamluken  vom  Nile  den  Schutz  ge- 
sucht, den  ihnen  ihre  Uneinigkeit  wider  die  Mongolen  nicht 


')  llaitlio.      »)   GurbogH,   bei    Ilaithon  29-      ')   Haitlion  50;   bei 
Wilkeii  VII.  4i(i. 


Drittes     Buch.  199 

gewährte.  Kotos,  der  erst  seit  einem  halben  Jahre  auf  dem 
Throne  sass,  war  der  dritte  der  Sultane  Mamluken,  welche 
denselben  seit  dem ,  der  Gefangenschaft  des  heiligen  Ludwig 
gleichzeitigen,  Ruine  des  Hauses  Ejub  gefüllt;  denn  nach- 
dem Melikolmoaasem  Turanschah  in  dem  Aufrühre  der  Mam- 
luken zwischen  Gluth  und  Fluth,  halb  versengt  und  halb 
ertränkt' j,  endlich  von  den  Pfeilen  der  Rebellen  ereiU, 
geendet  hatte,  war  die  Herrschaft  Aegyptens  erst  in  den 
Händen  der  Frau  Schedschreteddurr,  d.  i.  Perlenbaum,  der 
Gemahlin  Ssalih's,  des  vorletzten  Sultans  der  Beni  Ejub,  und 
ihres  Gemahls,  des  Turkmanen  Iseddin  Aibek  Dschaschiegir , 
d.  i.  Glaubensehre,  Mondfürst,  Truchsess,  den  sie  aber 
selbst  durch  ihre  Sklavinnen  im  Bade  ersticken  Hess,  als  sie 
vernommen,  dass  er  die  Tochter  Bedreddin  Lulu's  vonMossul 
zur  Gemahlin  nehmen  wolle.  Seine  Mamluken  setzten  dessen 
fünfzehnjährigen  Sohn  auf  den  Thron  und  rächten  dee  Vaters 
Mord  durch  den  der  Frau  Perlenbaum,  deren  Leichnam 
aus  der  rothen  Burg^),  in  der  sie  unumschränkt  befahl, 
hervorgezogen,  nackt  in  den  Graben  geworfen  ward.  An 
der  Spitze  der  Bluträcher  stand  der  Emir  Ätabeg,  Ober- 
befehlshaber des  Heeres  Seifeddin  Kotos,  welcher  unter 
dem  scheinbaren  Grunde,  dass  der  Mongolen  drohende  Ge- 
fahr statt  des  unerfahrenen  Jünglings  einen  kräftigen  Mann 
zum  Herrscher  Aegyptens  dringend  fordere,  den  Sohn 
Aibek's  schon  nach  dritthalb  Jahren  des  Thrones,  worauf  er 
ihn  gesetzt,  entsetzte  und  diesen  selbst  als  Sultan  Aegyptens 
einnahm. 

Am  dritten  Sonntage  des  Monats  Ssafer  waren  die  Ab-    lieijeben- 
geordneten   Hulagu's,    vom    Richter   Muhijeddin   Ben   Seid  j)(,r,iaskus  ; 

begleitet ,    angekommen ,    welcher  sich  nach  Haleb  begeben    ^/"»'^  der 
o  •>         o  moiuioh- 

hatte   und    dort   von  Hulagu  zum  Oberrichter  ganz  Syriens  scheii  itut- 
ernanut  worden  war.     Am    folgenden  Morgen  versammelten  sciutfter 
sich   die   Bewohner   ohne  Furcht   in  der  grossen  Moschee;    jf^  ssafti 
Ibn  Sekt,  mit  dem  Ehrenkleide  Hulagu's  angelhan,  las  den         6*.58 


%H 


•)  hcm  harik   Iicm   j^harik.     Nuclihct  und  Abulf'cda    IV.    p.  jll. 
')  Burdschi  ahmer. 


200  Drittes     Buch. 

versammelten    Rechtsgelehrten    das    Diplom    der    Investitur 

(Taklid)   des   mongolischen   Herrschers   und  die  Fermane, 

wodurcli    den    Bewohnern    von    Damaskus   Sicherheit  ihres 

16.  Beb.     Lebens    und    Gutes    versprochen    ward.     In   der   Hälfte  des 
eicirel  6'öS 
-    .     _  .^      folgenden  Monates  waren  die  Generale  Hulagu's  an  der  Spitze 

einer  zahlreichen  Truppenabtheilung  von  Tataren  im  Geleite 
Keitbugha  JSiijan's  erschienen  und  bald  darauf  wurde  durch 
ein  Diplom  der  Richter  Kemaleddin  Omer  von  Tiflis  zum 
Stellvertreter  der  richterlichen  Gewalt  (Naihol-hukm)  er- 
nannt, so  dass  er  als  Richter  der  Richter  in  den  Städten 
Syriens  zu  Mossul,  Mardin  und  Miafarakain  Recht  sprach. 
Dasselbe  Diplom  verlieh  ihm  die  Aufsicht  der  Moscheen  und 
der  frommen  Stiftungen.  Die  Tataren  hatten  indessen  ganz 
Syrien  überschwemmt;  sie  waren  bis  Ghasa,  Bett,  Dschibrail, 
Hebron  und  8salt  vorgedrungen,  hatten  überall  geplündert 
und  Sklaven  gemacht  ujid  verkauften  die  Beute  auf  den 
Märkten  von  Damaskus  '^  Die  Christen  von  Damaskus,  welche 
einen  besonderen  Schutzbefehl  Hulagu's  zu  Gunsten  freier 
Religionsübung  erhalten  hatten,  übernahmen  sich  in  der 
ihnen  zugestandenen  Freiheit  gegen  die  Muslimen,  indem 
sie  im  Ramasan  öffentlich  auf  den  Gassen  Wein  tranken  und 
denselben  vor  den  Moscheen  ausschütteten;  sie  zogen  mit 
dem  Kreuze  durch  die  Strassen  und  zwangen  die  Kaufieute, 
demselben  aufzustehen ,  die  sich  dessen  Weigernden  miss- 
handelnd; Prozessionen  zogen  mit  dem  Kreuze  nach  der 
Kirche  der  heiligen  Jungfrau,  von  deren  Kanzel  der  Triumph 
des  Christenthums  über  den  Islam  verkündet  ward.  Die 
gekränkten  und  misshandelten  Moslimen  beschwerten  sich 
darüber  beim  mongolischen  Statthalter,  von  dem  sie,  statt 
Ausrichtung  zu  erhalten,  mit  Schlägen  abgefertigt  wurden; 
^r  überhäufte  die  christlichen  Priester  mit  Ehren,  besuchte 
ihre  Kirclien  und  begünstigte  oflFenbar  das  Christenthum. 
Eine  merkwürdige  Epoche  für  die  Geschichte  christlicher 
Kirchen   in   Syrien    während    der   mongolischen   Herrschaft 


')  Histoiie    des    Sultans    Manilouks    de    l'Egypte    p.ir   Makrizi, 
traduitc  par  Quatremere.  I.  p.  98. 


Drittes     Buch.  201 

unter  der  Statthalterschaft  Keitbugha's ;  aber  diese  dauerte 
nicht  lange ,  denn  Metik  Eschref,  der  ejubidische  Fürst  von 
Himss,  erschien  mit  einem  Diplome  Hulagu's,  welches  ihn 
zum  Statthalter  über  ganz  Syrien  besteilte.  Indessen  hatte 
der  Emir  Bedreddin  Mohammed  Ben  Kermdsche ,  der  Fe- 
stungsbefehlshaber der  Citadelle  von  Damaskus,  und  der 
Emir  Dschelaleddin  Ben  Seirafi  den  Entschluss  gefasst,  die 

Thore  der  Citadelle  zu  schliessen  und  sich  darin  wider  die 

1.1.  »^   .  I      1      t  i.     Ti  1  6'.  Rebiul- 

Mongolen  zu  vertheidigen.     Keitbugna   begann    die  beiage-    aebir  6'öS 

rung  des  Schlosses.  Dieselbe  dauerte  fünf  und  vierzig  Tage  lo.  März 
mitten  unter  fürchterlichen  Ungewittern,  die  mit  Erdbeben 
begleitet  waren;  mehr  als  zwanzig  Wurfmaschinen  schlen- 
derten Felsenstücke  wider  die  Mauern ,  um  sie  zu  erschüt- 
tern ,  während  eine  Menge  anderer  Häuser  durch  das  Erd- 
beben einstürzten,  und  mit  den  Blitzen  kreuzten  sich  die 
Fiammengeschosse  des  Naphta.  Nachdem  die  Belagerten  ' eivivel^' 
endlich  zu  kapituliren  begehrt,  plünderten  die  Tataren  das  ^  i^i^i  i^ßo 
Schloss ,  zündeten  dasselbe  an  mehreren  Ecken  an ,  schleiften 
mehrere  Thürme  und  zerstörten  alle  Kriegsmaschinen ;  von 
hier  zogen  sie  nach  Baalbek ,  wo  die  Citadelle  ebenfalls  zer- 
stört ward;  eine  andere  Heeresabtheilung  verheerte  Bamias 
und  die  Umgegend.  Hulagu ,  nachdem  er  von  Haleb  abge- 
zogen, liess  dort  den  Keitbugha  und  zu  Damaskus  den  Baidera 
als  Statthalter  zurück  und  führte  sieben  Emire  der  Mam- 
luken  Bahrt,  d.  i.  derer  vom  Nile,  mit  sich.  Bald  darauf 
erschienen  Botschafter  Hulagu's  mit  einem  Schreiben'}  an 
Kotos  voll  Drohungen,  dessen  Inhalt  in  den  folgenden  Schluss- 
worten desselben  zusammengedrängt  ist:  „Sag'  dem  Lande 
Aegypten,  Hulagu  kommt,  begleitet  von  entblössten  Degen 
und  schneidenden  Schwertern;  er  wird  die  Mächtigen  de- 
müthigen ,  die  Grossen  zurechtweisen  und  die  Kinder  nach- 
senden den  Greisen."  Im  gehaltenen  Kriegsrathe  der  Emire 
wurde  beschlossen,  die  Botschafter  Hulagu's,  es  waren  deren 
vier  an  der  Zahl ,  zu  vernichten ;  vor  der  Hand  wurden  sie 
aber  nur  in  den  Kerker  geworfen'}.  Hälfte  Schaaban's  zog  '  a^Q 
Juli  1260 


')  Ebenda  p.  i03. 


Drittes     Buch. 

Sultan  Kotos,  von  seinen  Truppen  begleitet,  aus  dem  Schlosse 
Kairo's  gegen  Ssalihije  aus.     Unmittelbar  vor  seinem  Aaszuge 
wurden  die  vier  mongolischen  Botschafter  an  vier  der  volk- 
reichsten Plätzen  der  Stadt,  nämlich  am  Fusse  des  Schlosses, 
ausser   dem   Thore   Soweila ' ) ,    dem   Thore   Nassr  und  zu 
Ridhania  entzweigehauen ,  ihre  Köpfe  an  dem  Thore  Sotveüa 
aufgehangen;  vier  bedeutungsvolle  Stätten ,  mehr  als  einmal 
in  der  späteren  mamlukischen   und  osmanischen  Geschichte 
und  bis  in  unsere  Tage  herunter  durch  die  Schlachten  von 
Heeren  «nd  das  Schlachten  von  Menschenopfern  blutig  be- 
fleckt; durch  das  Thor  Nassr's,  d.  i.  des  Sieges,  zogen  die 
jeweiligen    Eroberer   Kairo's   triumphirend  ein,    am   Fusse 
des  Bergschlosses  rann  das  Blut  der  letzten,  von  Mohammed 
Ali    veranstalteten    Mamlukenvesper;    in    der   Schlacht  von 
Ridhania  zwischen  Sultan  Selim,  dem  Eroberer  Aegyptens, 
und  Sultan  Tumanbai ,    dem   letzten   Sultan    der  Mamluken, 
wurde  das  tragische  Schicksal  des  letzten  entschieden,  und 
am  Thore  Soweila ,    wo  jetzt  die  Köpfe   der  vier  entzwei- 
gehanenen  mongolischen  Botschafter  hingen ,  baumelte  dritt- 
halbhundert  Jahre  später  der  Kopf  Tttmanbai's,  des  letzten 
Sultan's  der  Mamluken  Tscherkessen.     Im  Gefolge  der  mon- 
golischen  Gesandten    befand   sich    ein   Kind,    welches   der 
Sultan  begnadigte  und  unter  die  Zahl  seiner  Mamluken  auf- 
nahm.   Wassaf  erzählt  diese  Botschaft  und  das  Sendschreiben 
derselben  auf  eine  im  Wesentlichen  zwar  übereinstimmende, 
in    den    Nebenumständen    aber    abweichende    Weise.     Nach 
ihm  waren  nicht  vier  Botschafter,   sondern  nur  Einer,  von 
vierzig  Dienern  begleitet,  und  die  Botschaft  lautete:  „Gott 
hat    dem    Hause   Tschengischan's    die   Weltherrschaft  zuer- 
kannt; der  sich  Uns  unterwirft,  hat  sich  und  seiner  Familie 
Leben   und    Gut   gerettet.     Der    Ruf   Unseres   unzählbaren 
Heeres   geht   demselben   wie   die  Heldensage  Rüstern  s  und 
Isfendiar's  voraus ;  sende  unterwürfige  Botschaft  und  komme 


*)  Soweila,  nicht  Zwilah,  wie  in  der  Uebersetzuug  Makrisi's 
von  Quatreniere  I.  p.  103  dieser  Name  irrig  gcschricbea  wird;  bei 
demselben  findet  sich  auch  S.  lOl  das  Schreiben  Hulagu'a  an  Kotos 
in  voller  Ausdehnung. 


Drittes     Buch. 

selbst,  um  einen  Vogt  in  Aegypten  zu  bitten;  wenn  nicht, 
80  sei  gerüstet  zum  Kriege."  Sultan  Kotos  berief  bei  An- 
kunft der  mongolischen  Botschaft  seine  sechs  chuaresmischen 
Emire '^,  welche  nach  der  Zerstörung  der  chuaresmischen 
Länder  sich  von  Achlath  nach  Aegypten  geflüchtet  und  hier 
besonders  zur  Erhebung  Sultans  Kotos  auf  den  Thron  bei- 
getragen hatten.  ,,Hulagu'S  sagte  er  ihnen,  „wäre  schon 
in  Aegypten  eingefallen,  wenn  ihn  nicht  die  Nachricht  von 
des  Bruders  Tod  aus  Syrien  abgerufen  hätte;  er  hat  aber 
den  Keitbuka  an  der  Gränze  zurückgelassen,  der  das  Land 
wie  ein  grimmiger  Löwe  und  wüthiger  Drache  zu  verheeren 
droht  und  dem  Niemand  zu  widerstehen  im  Stande;  was 
denket  ihr  hierüber!"  Der  sechste  Emir,  Nassireddin 
Kimeri^^^  von  welchem  die  kimrischen  oder  eimerischen 
Mamluken  ihren  Namen  haben,  sprach:  „Es  wäre  keine 
Schande  für  uns,  dem  Hulagu,  als  dem  Sohne  Tului's,  dem 
Enkel  Tschengischan's ,  entgegen  zu  gehen;  welcher  Ver- 
nünftige wird  sich  aber  selbst  vergiften  und  muthwillig  dem 
Tode  entgegen  gehen?  Die  Beweise  seiner  Treulosigkeit 
liegen  in  dem  Schicksale  der  Herren  von  Alamut,  Deriteng, 
Irbil,  Miafarakain  und  des  Chalifen  offen."  Kotos  sprach 
im  selben  Sinne  und  endete  so :  „Mir  bleibt  nur  eines  von 
dreien  zu  wählen  übrig:  Freundschaft,  Feindschaft  oder 
Auswanderung."  Alle  stimmten  für  den  Krieg.  Kotos  be- 
rieth  sich  noch  insbesondere  mit  Bondokdar  ^  dem  Emiroi 
umera ,  dem  ersten  der  ägyptischen  Mamluken ,  welcher  sich 
schon  seit  zehn  Jahren  dadurch,  dass  er  der  erste  den 
Todesstreich  wider  Melik  Moaasem,  den  letzten  Herrscher 
Aegyptens  aus  dem  Hause  Ej'ub,  führte ,  Namen  und  Ansehen 
erworben  und  seitdem  als  Fürst  der  Fürsten  behauptet  hatte. 
Bondokdar,  d.  i.  der  Bogenhalter,  der  Kipdschake,  dessen 
ursprünglich  türkischer  Name  BeibarSy  d.  i.  Beg  Panther, 
und   der   später   als   Sultan   Aegyptens   der  Schrecken  der 


')  1.  Emir  Melik  üusein  Chan;  2,  Melik  Ichtiareddin  Cliau; 
3.  Melik  Seifeddin  Ssadik  Chan ;  4.  Melik  Nassireddin  Gülschu  Chan ; 
5.  Atlas  Chan :  6.  Nassireddin  Kinieri.  ')  Kainieri  statt  Kimeri  ist 
Keiskische  Leseart. 


204  Drittes     Buch. 

Franken  in  Syrien  wie  der  Mougelen,  rieth  zum  Morde 
des  Gesandten;  noch  in  derselben  Nacht  blutete  der  Ge- 
sandte und  seine  vierzig  Begleiter  bis  auf  einen  als  Märtyrer 
mainlukischen  diplomatischen  Verkehrs;  ihre  Köpfe  wurden 
am  Thore  Soweila  aufgesteckt ,  und  am  Morgen  brach  Kotos 
mit  zwölftausend  Reitern  gegen  Syrien  auf. 
Schlacht  von  ^^  Ssalihije,  dem  Vereinigungspunkte    des  ägyptischen 

-4 /«</sc/jrt/Kt.  Heeres,  fand  Kotos  Widerwillen  bei  seinen  Emiren,  wider 
25.  Rama-  den  Feind  zu  ziehen ;  mit  den  Worten :  „Ich  werde  allein 
wider  die  Tataren  ziehen",  schloss  er  den  Kriegsrath,  indem 


3.  Sept.  ISbO 

er  bei  einbrechender   Nacht   die  Trommeln  zum  Aufbruche 

zu  rühren  befahl.  Der  Emir  Beibars  Bondokdari  ([der  nach- 
malige Sultan  der  Mamluken}  erhielt  den  Befehl;  mit  einer 
Truppenabtheilung  vorauszueilen ,  um  Erkundigung  vom 
Feinde  einzuziehen.  Alsbald  er  vor  den  Mauern  Ghasa's 
erschienen ,  wurde  die  Stadt  geräumt.  Kotos  folgte  ihm  auf 
dem  Fusse  nach;  aus  Aka  kamen  ihm  die  Franken  mit  An- 
erbietung von  Hilfe  und  Begleitung  entgegen.  Er  lehnte  den 
Antrag  ab  und  forderte  nur  das  Versprechen  der  strengsten 
Neutralität,  deren  Verletzung  er  zu  züchtigen  drohte'). 
Zu  Aindschalut,  d.  i.  am  Quelle  Goliath's,  zwischen  Beisan 
und  Nablus,  kam  es  zur  entscheidenden  Schlacht.  Keitbiigha 
und  Baidera ,  die  beiden  Feldherren,  Statthalter  Hulagu's 
zu  Damaskus  und  Haleb,  hatten  alle  in  Syrien  befindlichen 
tatarischen  Streitkräfte  versammelt.  Am  ersten  Freitag  des 
Septembers  brauste  alsbald  nach  Sonnenaufgang  das  ganze 
weite  Thal  vom  Pferdegewieher  und  Waffengetöse;  das  Ge- 
schrei der  Dorfbewohner  tönte  in  den  unaufhörlich  fort- 
rollenden Trommelwirbel  der  Capelle  des  Sultans  und  der 
Heermusik  seiner  Emire -}.  Die  Aegypter  gebrauchten  die 
Kriegslist,  sich  dem  mongolischen  Heere  in  weissen  Burken, 
d.  i.  mongolischen  Pelzen ,  zu  nahen ,  so  dass  sie  von  den 
Mongolen  für  Schaaren  Ihriger  gehalten  wurden*).  Einer 
der   Flügel   des  ägyptischen  Heeres  war  bereits  in  ünord- 


')  Makri/i,  trad.  pur  Quatreniere  I.  p.  10+.    ')  Ebenda.    ^)  Biirke. 
noch  heute  der  tscherkessische  Wetterniautel. 


drittes     B  u  c  li.  205 

iiung  und  gebrochen;  Sultan  Kotos  warf  seinen  Helm  zur 
Erde  und  schrie  aus  allen  Kräften:  „o  Islam!"  Er  stürzte 
sich  mit  allen,  die  um  ihn  waren,  auf  den  Feind  und  kämpfte 
mit  äusserster  ünersclirockenheit.  Die  Mongolen  flüchteten 
in's  GerÖhricht  des  sumpfigen  Thaies;  Kotos  befahl,  das 
Geröhricht  anzuzünden,  und  sie  gingen  zwischen  Feuer  und 
Schwert  elend  zu  Grunde.  Der  Emir  Beibars  that  Wunder 
der  Tapferkeit  vor  den  Augen  des  Sultans.  Als  dieser 
mitten  im  Gemenge  der  Schlacht,  spannte  der  mongolische 
Knabe,  welchem  Kotos  aus  Mitleiden  mit  seiner  Jugend  beim 
Gesandteumorde  das  Leben  gerettet  hatte  ,  seinen  Bogen  von 
rückwärts  auf  den  Sultan,  um  durch  dessen  Tod  das  ver- 
gossene Blut  der  Brüder  zu  rächen;  nach  Einigen  wurde  er 
auf  der  Stelle  von  den  ihn  Umgebenden ,  weiche  seines  Vor- 
habens gewahr,  zusammengehauen,  noch  ehe  der  Pfeil  ab- 
geflogen ;  nach  Anderen ,  erst  nachdem  er  denselben  abge- 
schossen und  damit  das  Pferd  des  Sultans  verwundet  hatte, 
welches  denselben  abwarf.  Die  Mongolen  wurden  von  den 
Tataren  bis  in  die  Nähe  von  Beisa?i  verfolgt ,  wo  sie  sich 
umwandten  und  noch  einmal  Stand  machten  zum  hartnäckig- 
sten Gefechte.  Die  Moslimen  wankten ,  da  schrie  Sultan 
Kotos  dreimal  mit  lauter  Stimme:  „o  Islam!  o  Gott,  schütze 
deinen  Diener  Kotos  und  verleihe  mir  Sieg  über  die  Ta- 
taren!" Als  diese  zum  zweitenmale  besiegt,  stieg  der  Sultan 
vom  Pferde,  warf  seine  Stirne  in  Staub  und  verrichtete  ein 
Dankgebet  von  zwei  Verbeugungen.  Nach  Makrisi  ward 
Keitbugha  in  der  Schlacht  getödtet,  nach  Wassaf  gefangen 
vor  Kotos  geführt.  „Sei  nicht  stolz",  sagte  der  mongolische 
Feldherr  dem  Sultan  der  Mamluken,  „auf  deinen  Sieg,  dem 
die  Rache  auf  dem  Fusse  folgen  wird.  Von  Aserbeidschan 
nach  Aegypten  wird  die  Erde  vom  Hufe  mongolischer  Pferde 
gestampft,  welche  den  Sand  Aegyptens  in  Säcken  davon 
tragen  werden.  Hulagu  hat  dreimalhunderttausend  tapfere 
Reiter,  von  denen  ich  nur  Einer."  —  ,, Prahle  nicht",  sagte 
Kotos,  ,,mit  eueren  Heeren,  die  nur  durch  Treulosigkeit 
siegen."  —  „Ich  bin",  entgegnete  Keitbugha,  „meinem  Herrn 
nur  treu  gewesen,  nicht,  wie  du,  ein  Verräther  am  selben; 


206  I>  r  i  t  t  e  >:      Buch. 

mach'  es  kurz  mit  mir ! '^  Er  wurde  enthauptet.  Das  ganze 
mongolische  Heer  fiel  in  die  Hände  der  Sieger,  die  nun 
ganz  Syrien  verheerend  durchstreiften.  Die  Wogte  wurden 
getödtet,  die  Weiber  und  Kinder  in  Gefangenschaft  geschleppt, 
der  Kopf  Keitbugha's  nach  Kairo  gesandt  und  auf  dem  Thore 
Sowetla  aufgesteckt.  Huiagu  ward  von  der  Kunde  der  ver- 
lorenen Schlacht  und  des  getödteten  Feldherrn  tief  betrübt; 
es  war  die  erste  Niederlage,  welche  seine  Heere  erlitten 
hatten;  er  brach  noch  am  selben  Tage  mit  seinem  Lager 
auf.  Melik  Nassir  Jusiif,  der  Sohn  von  Melik  Asis  y  der 
ehemalige  Fürst  von  Damaskus,  war  kurz  vorher  zu  Huiagu 
gekommen,  von  ihm  mit  Ehren  überhäuft,  seiner  innersten 
Gesellschaft  beigezogen  und  neben  ihm  auf  einen  Thron 
gesetzt  worden ;  mit  einem  Diplome  zum  Fürsten  Syriens 
und  Aegyptens  eingesetzt,  mit  Ehrenkleidern  und  Geschenken 
überhäuft,  hatte  er  die  Strasse  Syriens  eingeschlagen;  aber 
nachdem  die  Nachricht  der  Niederlage  von  Aindschalut  ein- 
getroffen, Hess  ihn  Huiagu  einholen  und  im  Gebirge  von 
uhU  Seimas  hinrichten ;  dasselbe  Schicksal  theilte  Melik  Sahir 
2S.  Seilt.  Ghasi,  Bruder  Nassir's,  Melik  Ssalik,  Sohn  Schirkjuh's,  und 
andere  Prinzen  des  Hauses  Ejub ;  Tokus  Chatun,  die  Ge- 
mahlin Hulagu's,  hatte  für  Melik  Asis,  den  Sohn  Nassir's, 
fürgebeten,  und  er  wurde,  der  Einzige  aus  den  bei  Huiagu 
befindlichen  Prinzen  des  Hauses  Ejub,  gerettet,  wie  diess 
sogleich  unter  den  Folgen,  welche  die  Schlacht  von  Ain- 
dschalut für  die  Christen  und  das  Haus  Ejub's  hatte,  um- 
ständlicher erzählt  werden  soll.  Sie  erhielten  den  verdienten 
Lohn  dafür,  dass  sie,  statt  mit  anderen  Fürsten,  ihren 
Stamm-  und  Glaubensgenossen,  sich  wider  den  hereinbre- 
chenden Feind  des  Islams  zu  verbünden,  demselben  gehuldigt 
hatten ;  eine  oft  wiederholte  und  dennoch  nur  selten  fruch- 
tende blutige  Lehre  der  Geschichte. 
Folgen  der  Schrecklich  waren  die  Folgen  der  mongolischen  Nieder- 

Schlachtvvn\^„^     sowohl    für  die  syrischen  Christen,   als  für  das  Haus 
Aindschalut      °    '  •'  .  .^  , 

für  die      Ejub's.    Während  der  Gegenwart  der  Mongolen  zu  Damaskus 

Chpüen  und  ^^^^^        die    Christen   die   ihnen   gewährte  grössere  Freiheit 
das  Haus  ^  " 

Ejub's.      ihres   Cultus    gegen    die   Moslimen   missbraucht;    von   allen 


Drittes     Buch.  207 

Kirchen  übertönte  das  Glockengeläute  den  Ruf  der  Mueeine, 
und  8ie  trieben  den  Uebermuth  so  weit,  das»  sie  Wein  in 
die  grosse  Moschee  trugen.  Schon  am  vierten  Tage  nach  ^  ^^"^^^'^^ 
der  Niederlage  der  Mongolen  überfielen  die  Moslimen  die '^'  ^/' '^"'  ^^ 
grosse,  der  heiligen  Jungfrau  geweihte  Kirche  zu  Damaskus 
und  schleiften  dieselbe.  Dies  war  die  Kirche,  welche  der 
Chalife  Omar  II.  Ben  Asis  den  Christen  eingeräumt  hatte, 
um  sie  für  den  Verlust  der  Kirche  des  heiligen  Joannes  zu 
entschädigen,  welche  ihnen  laut  der  unter  Omar  I.  (Ben 
Chattab}  abgeschlossenen  Kapitulation  der  Stadt  für  immer 
hätte  zu  eigen  bleiben  sollen,  ihnen  aber  von  Welid,  dem 
Sohne  Abdolmelik's,  weggenommen  und  in  .die  grosse  Mo- 
schee, das  Meisterstück  saracenischer  Baukunst,  verwandelt 
worden  war.  Kotos  hatte  bei  seinem  Auszuge  die  beiden 
Fürsten  des  Hauses  Ejub,  den  von  Himss,  Sultan  Eschref, 
und  Said ,  einen  Enkel  Melikolaadil's  von  seinem  Sohne 
Asis  Q ,  welcher  von  Ilulagu  mit  dem  Besitze  von  Sobeibe 
und  Banias  belehnt  worden  war ,  zur  Hilfe  wider  die  Mon- 
golen auffordern  lassen.  Der  Herr  von  Himss  empfing  den 
Gesandten  des  Sultans  unterwürfig  und  trug  ihm  auf,  in 
seinem  Namen  die  Erde  vor  den  Füssen  des  Sultans  zu 
küssen,  in  dem  er  den  Retter  des  Islams  verehre.  Said 
hingegen  entliess  den  Gesandten  mit  Schimpfreden  auf  Sultan 
Kotos ') ;  er  focht  in  den  Reihen  der  Mongolen.  Nach  der 
Niederlage  derselben  nahte  er  sich  huldigend  dem  Pferde 
des  Sultans,  um  demselben  die  Hand  zu  küssen.  Kotos, 
statt  ihm  die  Hand  zum  Kusse  zu  gewähren,  stiess  ihm  die 
Ferse  in's  Maul ,  dass  das  Blut  herausschoss ;  er  Hess  ihn 
dann  enthaupten.  Eben  so  tragisch  war  das  Schicksal  Melik 
Nassir's,  des  letzten  Sultans  von  Haleb,  der  mit  seinem 
Bruder  sich  in  seiner  alten  Residenz  befand,  wo  Hulagu 
die  Nachricht   von    der    Niederlage   Keitbuka's')    erhalten  ^^' ^^^^'^^ 

■)  Abulfeda  IV.  595,  fehlt  in  der  Stammtafel  beiRehm,  so  &.\ic\\  29.0ct.1260 
sein  Vater  Asis.  -)  d'Ohsson  III.  335,  nach  Noweiri  und  Ileschid- 
eddin.  ')  Nach  Abulfeda  V.  6'21  auch  die  Nachricht  der  Schlacht 
bei  üimss,  was  aber  ein  Widerspruch  mit  Bar  Hebr.,  welcher  als 
den  Tag  der  Hinrichtung  den  29.  October  angibt,  während  die 
Schlacht  von  Hiiuss  am  10.  December  statt  hatte. 


208  Drittes     Buch. 

hatte.  Hulagii  überhäufte  den  vorigen  Herrscher  Flaleb's  mit 
Vorwürfen,  das»  die  syrischen  Truppen,  für  deren  ünter- 
würflgkeit  Nassir  gut  gestanden,  sich  auf  die  Seite  der 
Aegypter  gewendet.  Nassir  antwortete,  dass,  wenn  es  ihm 
erlaubt  gewesen  wäre,  in  Syrien  zu  weilen,  kein  syrischer 
Soldat  es  gewagt  haben  würde,  wider  einen  Mongolen  das 
Schwert  zu  ziehen ;  wie  könne  aber  Syrien  von  Tebris  aus 
beherrscht  werden?  —  Hulagu,  statt  hierdurch  besänftigt 
zu  werden ,  nur  noch  mehr  ergrimmt ,  schoss  einen  Pfeil 
nach  ihm ,  der  ihn  verwundete.  Schone  meiner !  rief  ihm 
der  unglückliche  Nassir  zu ;  aber  sein  Bruder  Sahir  ermahnte 
ihn,  nicht  auf  unwürdige  Art  zu  sterben;  und  er  erlag  dem 
zweiten  ,  von  Hulagu  auf  ihn  geschossenen  Pfeile  ^^.  Die 
anderen  Prinzen  und  das  Gefolge  derselben,  in  Allem  drei- 
hundert Reiter,  wurden  von  dreihundert  mongolischen  Reitern 
getödtet,  bis  auf  Einen,  den  Astronomen  Mohijeddin  El 
Mahribi^),  welchem  das  Ansehen,  worin  die  Astronomie  bei 
den  Mongolen  stand,  das  Leben  rettete,  und  aus  dessen 
Munde  der  syrische  Geschichtschreiber  die  Umstände  dieses 
Gemetzels  erzählt  ^').  Mit  Melik  Nassir  und  seinem  Bruder 
Sahir  fiel  hier  unter  dem  mongolischen  Schwerte  Melik 
Ssalih,  der  Sohn  Melikol  Eschref's,  des  Herrn  von  Himss, 
welcher  die  von  seinem  Vater  dem  Gesandten  des  Sultans 
gegebene  unterwürfige  Antwort  jetzt  mit  dem  Leben  büsste*). 
Nur  das  Leben  Melikolasis,  des  unmündigen  Sohnes  Melikon- 
nassir  Jusuf's,  wurde  verschont.  Sein  Vater,  Nassir  Jusuf 
Ssalaheddin,  gleichnamig  mit  seinem  grossen  Urgrossvater, 
hatte  nicht  nur  über  ganz  Syrien,  sondern  auch  über  einen 
grossen  Theil  Mesopotamiens,  über  Haran,  Roha,  Rakka, 
Reis  Ain,  später  über  Damaskus  und  bis  an  Aegyptens 
Gränze  geherrscht,    wo    er   schon    zum    Sultan    ausgerufen, 

als  solcher  wieder  den  Thron  dem  Hause  Ssalaheddin's  er- 

10  Silkide  ,       «  .  .     ,  ^,1        ^\ 

649         worben  hätte,  wenn  ihn  nicht  m  der  Schlacht  zu  ^öOßsa*^ 


24.Jan.lSö2 


')  Abulfeda  IV'.  p.  621.  ^)  Rescliideddin  bei  Bar  Hehr.  Motvahid. 
^)  Bar  Hebr.  p.  559  aber  abweiclieiid  vou  Rescliideddin.  *)  am 
29.  October  12(30,  nicht  1261,  wie  in  Rehnrs  Stammtafel;  denn  Bar 
Hebr.  gibt  den  Tag  an.     ')  Abulfed.'i  IV.  p.  523. 


ürittesBucli.  "  209 

der  erste  Sultao  der  Mamluken ,  der  Turkmane  Aibek,  und 
die  von  seinem  Vater,  Asis,  ererbten  Mamluken  verlassen 
hätten.  Er  liebte  den  Aufwand,  besonders  den  der  Küche, 
in  welcher  täglich  vierhundert  Hammel  geschlachtet  wurden; 
übrigens  viel  zu  nachsichtig  für  Diebe  und  Räuber,  die  unter 
seiner  Regierung  durch  ganz  Syrien  grassirten.  Zu  Damaskus 
hatte  er  die  nach  ihm  genannte  Moschee,  zu  Ssalihije  sein 
Grabmal  erbaut,  in  welches  aber  nicht  er,  sondern  der 
mongolische  Emir  Kormun  begraben  werden  sollte  ');  der 
Dichtkunst  nicht  fremd ,  Verfasser  mehrerer  türkischer  Ge- 
dichte, aus  denen  Abulfeda  das  folgende  erhalten: 

Bei  Gott !  wenu  du  mein  Herz  in  Gram  versenktest 
Und  statt  der  Tliräuen  mich  mit  Blut  nur  tränktest, 
So  würdest  du  nur  mehren  meine  Liebe, 
Und  meinem  Geist  nicht  and're  Freundin  bliebe. 

Sultan  Kotos  ordnete  nach  dem  Siege  von  Aindschalut  Einrichtun- 
die  Verwaltung   des  nun  von  der  Herrschaft  der  W.on^o\en  gen  Syriens ; 

der  der  Mamluken  anheim  gefallenen  Syriens.   Dem  Ejubiden  Schlacht  bei 

Jliviss 
Melik  Manssur  wurde  das  väterliche  Erbe  von  Hanta  zurück- 
gestellt, nachdem  der  mongolische  Vogt  Chosrewschah  daraus 
abgezogen;  auch  erhielt  er  Barin  xmAMearret,  welche  Melik 
Nassir,  der  Sultan  von  Haleb,  schon  vor  fünf  und  zwanzig 
Jahren  vom  Fürstenthurae  Haraa  abgerissen ;  nur  mit  Selimije 
wurde  ein  arabischer  Emir  belehnt.  Dann  zog  Kotos,  vom 
Fürsten  Hama's  begleitet,  nach  Damaskus,  wo  er  im  Triumphe 
als  der  Hort  des  Islams  empfangen  ward.  Viele  Tataren  wur- 
den hingerichtet,  darunter  Husein  der  Kurde,  der  Beilträger  ^) 
Melik  Nassir's;  dreissig  Christen  wurden  gehenkt  und  der 
christlichen  Bevölkerung  von  Damaskus  eine  Steuer  von 
hundert  fünfzigtausend  Dirhem  auferlegt.  Manssur,  der  Fürst 
Hama's,  wurde  von  hier  nach  Hause  entlassen,  und  von  den 
Dichtern  seiner  Stadt  als  Sieger  über  die  Tataren  und  Wieder- 
eroberer Maarra's   bewillkommt^^.     Kotos   setzte    über  die 


0  Abulfeda  IV.  p.  625.  ^)  Tebrdar,  nicht  Taudar,  wie  bei 
Reiske  IV.  599;  aber  auch  nicht  hellebardier,  wie  bei  d'Ohsson 
p-  345,  in  welchem  Falle  es  Harbedar  heissen  müsste.  ')  Proben 
dieser  Siegesgedichte  bei  Abulfeda  IV.  p.  601. 

Hammer,  Geschichte  der  llchane.    I.  14 


210  Drittes     Buch. 

südliche  Küste  Syriens  als  Statthalter  den  Emir  Schemseddin 
Ton  Berlas*^,  einer  der  asisischen  Mamluken,  welcher  in 
der  Schlacht  Nassirolraelik's  von  Haleb  wider  Aibek ,  den 
Mamluken,  zu  diesehi  verrätherisch  übergegangen,  für  ihn 
die  Herrschaft  Aegyptens  entschieden,  dann  aber,  wider  ihn 
Ränke  schmiedend,  wieder  nach  Syrien  entflohen  war,  von 
ihm  in  Adschlun  festgesetzt  worden;  dann,  als  Melikon- 
nassir  bei  Annäherung  der  Mongolen  gegen  Aegypten  flüch- 
tete, wieder  freigelassen,  folgte  er  seinem  natürlichen  Herrn 
eine  Zeit  lang,  verliess  ihn  aber  zum  zvveitenmale  und  ging 
zu  Kotos  über,  der  ihn  nun  dafür  mit  der  Statthalterschaft 
von  Ghasa  belehnte;  die  von  Damaskus  übertrug  er  dem 
Emir  Alemeddin^}  Senschar  von  Haleb,  dem  vorigen  Atabeg 
des  Sohnes  Aibek's,  des  ersten  Sultans  der  Mamluken,  und 
die  von  Haleb,  welche  der  Emirol  umera  Bondokdar  für 
sich  gewünscht  hatte,  dem  Melikes-Said,  dem  Sohne  ßedr- 
eddin  Lulu's,  dem  Bruder  Ssalih's,  dessen  schmähliches  Ende 
Sß.ScJietv-  bereits  oben  erzählt  worden.  Er  selbst  brach  von  Syrien 
—  nach  Aegypten  auf.     Bondokdar,  der  Fürst  der  Fürsten,  wel- 


S.'>.  Octüber 


ö*  Octob€v 

chem  er  die  Statthalterschaft  Haleb's  versagt  hatte,  verschwor 

sich  wider  den  Sultan,  und  dieser  wurde  schon  am  zwan- 
"'  "^*^  zigsten  Tage  nach  seinem  Aufbruche  aus  Syrien  zu  Eossair, 
eine  Tagreise  von  Ssalihije,  auf  der  Jagd  von  den  Ver- 
schworenen ermordet.  Die  Emire  Kairo's  waren  dem  als 
Sieger  über  die  Tataren  im  Triumphe  zurückkehrenden 
Sultan  zum  Bewillkomm  bis  nach  Ssalihije  entgegen  gegangen, 
wo  sie  den  Mord  desselben  vernahmen ;  der  Emir  Ogotai, 
welchen  Kotos  bei  seiner  Abreise  als  seinen  Stellvertreter 
an  der  Spitze  der  Verwaltung  Aegyptens  zurückgelassen, 
fragte,  als  es  sich  um  die  Wahl  des  Sultans  handelte,  wer 
den  Kotos  getödtet,  weil  es  der  Türken  Brauch,  dass  der 
Tödter  die  Stelle  des  Getödteten  einnehme.  Sie  zeigten 
auf  Beibars  Bondokdar.  So  besteige  du  den  Thron,  sagte 
Ogotai,  indem  er  ihn  bei  der  Hand  nahm  und  auf  den  Thron 
setzte.     Ich  setze  mich  darauf,  antwortete  Beibars,  im  IVamen 


')  nicht  Elbarli,  wie  bei  Abulfedn  IV.  603.     ^)  Abulfeda  IV.  344. 


Drittes     Buch.  211 

Gottes;  leistet  den  Eid!  An  dir  ist's,  sagte  Ogotai,  der 
erste  zu  schwören,  dass  du  die  Emire  als  deines  Gleichen 
gütig  behandeln,  dass  du  ihnen  Befehlshaberschaften  ver- 
leihen, ihre  Grade  vermehren  wirst  ').  Beibars  nahm  den 
Titel  MeliJcol  hahir,  d.  i.  des  rächenden  Königs ,  an ,  den  er 
aber  später  mit  dem  von  Melikol-dahir ,  d.  i,  des  Offenbaren, 
vertauschte ,  und  zog  zu  Kairo  unter  den  Triumphfesten  ein, 
welche  für  seinen  Vorfahrer  bereitet  worden  waren.  In 
Syrien  begann  unterdessen  Aalemeddin,  der  Statthalter  von 
Damaskus,  die  geschleiften  Mauern  wieder  aufzubauen,  und 
erklärte  sich  bald  hernach  selbst  zum  Sultan ,  die  Macht  des 
Sultans  des  Rächenden,  des  Offenbaren  verhöhnend.  Zu 
Haleb  hatte  Said,  der  Sohn  Bedreddin  Lulu's,  durch  Kopf- 
losigkeit und  die  unbedeutsame  Absendung  einer  zu  schwachen 
Truppenabtheilung,  welche  zu  Bire  am  Euphrat  von  den 
Mongolen  geschlagen  wurden ,  den  Hass  der  Einwohner  auf 
sich  geladen.  Er  ward  vor  den  Thoren  der  Stadt  ergriffen 
und  gezwungen ,  seine  Schätze  zu  entdecken ,  welche  die 
Emire  unter  sich  theilten,  ihn  selbst  gefesselt  nach  Schoghr 
sandten  und  seiner  statt  Hosameddin,  den  Maillenschläger, 
zum  Statthalter  einsetzten;  bald  darnach  erschienen  die 
Mongolen  vor  Haleb,  und  Hosameddin  flüchtete  mit  den 
Emiren  nach  Hama,  die  Stadt  Haleb  der  Wuth  der  Mon-  silMdsche 
golen  überlassend.  Von  Hama  zogen  sie  mit  dem  Fürsten  6'j8 
Hama's  und  seinem  Bruder  Efdhal  gegen  Himss,  ihre  Streit-  ^f>^-^^f>0 
kräfte  mit  denen  des  Fürsten  dieser  Stadt  vereinigend,  und 
lieferten  vor  Himss  den  Tataren  eine  Schlacht,  in  \ye\c\xGT  5.Moliarrem, 
diese   geschlagen   abzogen,    auf  ihrem    Rückzuge   von  dem 


«  i.  1 ,  T    1  ,  lO.üec.läö'O 

Befehlshaber  Apamia  s  geharket.     Auch  der  Statthalter  von 

Ghasa,    Abusch    von    Burlas,    empörte    sich,    wie    der  von 

Damaskus,  wider  Beibars  Bondokdar,  den  neuen  Sultan,  und 

dieser  und  jener  wollten  die  Prinzen  von  Hama  und  Himss 

für   sich   gewinnen;    aber    diese    gaben   ihnen    kein    Gehör, 

und    nachdem    die    beiden    Thronnebenbuhler   Bondokdar's, 

Senshar  und  Abusch ,  geschlagen  worden,  ward  Bondokdar, 


*)  d'Ohsson  III.  346.  nach  dem  Lebeu  Beibars. 

14* 


212  Drittes    Buch. 

der  Sultan  Aegyplens ,  auch  als  solcher  in  Syrien ,  zu  Ilaleb 
und  Damaskus,  zu  Hama  und  Himss  anerkannt. 
DasChalifat  Beibars    Bondokdar,    der    sich    den   Weg   zum   Throne 

derBeni     durch  doppelten  Mord  gebahnt,   erst  durch    den   Moaasera 
Abbas  zu    Turanschah's,  des  letzten  Fürsten  der  Beni  Ejub,  und  dann 
Kairo.      ^u^ch    den  des  dritten  Sultans  der  Mamluken,   Kotos,    war 
vor    Allem    bedacht,    seiner   Usurpation    des    Thrones    den 
Mantel  der  Legitimität  umzuhängen.     Zu  diesem  Ende  stellte 
er  zu  Kairo  einen  angeblichen  Abkömmling  des  Hauses  Abbas, 
Abulkasim  Ahmed^  welcher  für  einen  Sohn  Dahir's,  des  vor- 
vorletzten   Chalifen,   ausgegeben   ward,   als   Phantom    eines 
Chalifen  auf,  der  nur  dazu  diente,  kraft  seines  angestammten 
Rechts   als  Chalife    durch  Verleihung  von  Titeln  die  Ilerr- 
S.Redscheb  Schaft  desselben  als  legitim  zu  rechtfertigen.     Zu  Kairo  ward 
___££^___  feierlicher  Einzug    desselben  veranstaltet,   bei  welchem  die 
.*^.  J«Hi  i-?6i  jjigjjj^  von  Missr   und  Kahir  den  Koran,    die   Rabbinen  die 
Bibel,  die  Christen  das  Evangelium  voraustrugen.    Vier  Tage 
hernach  ward    in  feierlicher  Versammlung  aller  Ulema  und 
Emire   das  Schauspiel   des  Beweises  der  vorgegebenen  Ab- 
•  stammung  aufgeführt,  der  angebliche  Sohn  Dahir's  von  Bei- 
bars als  Chalife  ausgerufen,  und  dieser  hierauf  von  ihm,  dem 
rechtmässigen  Chalifen,    als  Sultan    Aegyptens  und  Syriens 
belehnt.    Der  Chalife,  mit  dem  schwarzen  Mantel  des  Hauses 
Abbas  angethan,   bekleidete    den   Sultan    mit  eigener  Hand, 
indem  er  ihm  den  Kaftan  anzog  und  goldene  Kette  um  den 
Hals  gab.     Beibars  ritt  auf  einem  Schimmel  durch  die  Stadt 
und    der  Wesir    und    der   Hofraarschall  trugen  abwechselnd 
das  Diplom  des  Chalifen  ,  auf  ihren  Händen  über  den  Kopf 
emporgehalten,   vor.     Am    nächsten   Freitage    predigte  der 
Chalife  in  der  Moschee ,  und  als  dem  Sultan  die  Predigt  zu 
lange   währte,   indem    er   fürchtete,    dass   der    Chalife   das 
Volk   und    das  Heer   sich  selbst  zuwenden  könnte,   liess  er 
ihm  Gold-  und  Silbermünzen  über  den  Kopf  schauern,  wo- 
mit die  Predigt  zu  Ende.     Nachdem  Beibars  durch  die  In- 
vestitur seinen  Zweck  erreicht,  war  ihm  die  Gegenwart  des 
Chalifen  überflüssig  und  konnte  ihm  sogar  gefährlich  werden : 
er  setzte  also  das  Schauspiel  in  noch  grösserem  Maasstabe 


Drittes    Buch.  213 

fort,  indem  er  ihm  einen  Hofstaat  mit  allen  Titeln  des  alten 
Chalifenhofes  beilegte  und  zweitausend  Reiter  mit  einer 
Truppe  Beduinen  beigab,  mit  denen  er  zur  Wiedererobe- 
rung Bagdad's,  seiner  Hauptstadt,  ausziehen  sollte.  Ihn  be- 
gleiteten die  von  Beibars  mit  den  Fürstenthümern  vonMossul, 
Sindschar  und  Dschesiret  belehnten  drei  Söhne  Bedreddia 
Lulu's.  Am  Ufer  des  Euphrats  trat  Elhakim ,  ein  anderer 
Imam  aus  dem  Hause  Abbas,  als  Nebenbuhler  um  die  Cha- 
lifenherrschaft  auf.  Bondokdar's  Schiitzling  zog  mit  Hilfe 
der  ihm  von  diesem  beigegebenen  Truppen  zu  Aana  und 
Hadise  ein,  welche  ihm  Anfangs  ihre  Thore  gesperrt  hatten; 
Hadise,  das  sich  widersetzte,  wurde  mit  Gewalt  genommen, 
die  Christen  und  Juden  geplündert.  Unterdessen  zogen  die 
mongolischen  Befehlshaber  Karabuga  mit  fünftausend  Reitern 
^Q^^n  Enbar  und  Behadir  Ali,  der  mongolische  Statthalter 
von  Bagdad,  wider  den  Abenteurer  heran,  der  als  der 
wahre  Chalife  seine  alte  Residenz  einzunehmen  kam.  Vor 
Enbar  kam  es  zur  Schlacht;  der  Chalife  ordnete  die  Turk-  '  ^^q 
manen  auf  dem  rechten  Flügel,  die  Araber  auf  dem  linken,  i.  j}ec.  1261 
er  selbst  in  der  Mitte.  Behadir's  Truppen  ergriffen  Anfangs 
die  Flucht  und  stürzten  sich  die  meisten  in  den  Euphrat; 
als  aber  eine  Truppe  Mongolen  aus  einem  Hinterhalte  her- 
beiflog, wichen  die  Turkmanen  und  Araber,  und  der  Chalife 
verschwand.  Wie  der  letzte  der  Chalifen  des  Hauses  Abbas 
zu  Bagdad,  war  nun  der  erste  der  Schatten -Chalifen  aus 
demselben  Hause  zu  Kairo  unter  dem  Schwerte  der  Mon- 
golen gefallen.  Der  Nebenbuhler  um  diese  Schattenherr- 
schaft, der  Imam  Hakim,  welcher  sein  Geschlecht  im  fünften 
Grade  von  Mosterschid,  dem  neun  und  zwanzigsten  Chalifen 
des  Hauses  Abbas,  ableitete  '},  flüchtete  uach  dieser  Schlacht 
nach  Aegypten ,  wo  ihn  Beibars ,  dem  es  bequem  und  an- 
genehm, einen  solchen  Münzwardein  der  Legitimität  unter 
seinen  Händen  zu  haben ,  die  Abstammung  desselben  aus 
dem  Blute  der  Ben!  Abbas  gerne  anerkannte,  ihn  aber,  den 


>)  El  Hakimbicinrillah  Ahmed   Ben   Hasau   Ben  Ali  ß.  Ebibekr 
B.  Mosterschid. 


214  Dritte«     Buch. 

Geflüchteten,  im  Palaste  Menasirolkeheschj  d.  i.  Belvedere 
des  Widders,  als  einen  Staatsgefangenen  ehrenvoll  unterhielt. 
Sein  Geschäft  war  blos  die  Ertheilung  der  Investitur  und 
der  Diplome  als  Titel  der  Rechtmässigkeit  der  Herrschaft; 
er  empfing  von  dem  damit  Belehnten  Geschenke,  und  schattete 
so  durch  vierzig  Jahre  unter  dem  Titel  von  Schatten  Gottes 
auf  Erden,  Herrscher  durch  Gottes  BefehP},  während  er 
als  Titular-Chalife  nur  ein  Schatten  des  ehemaligen  Chalifen 
unter  des  Sklaven -Sultans  Befehl.  Er  selbst,  nur  ein  Titel- 
träger der  Herrschaft,  stempelte  durch  die  von  ihm  aus- 
gehenden Diplome  die  Herrschaft  moslimischer  Usurpatoren 
zur  rechtmässigen;  hierdurch  gewann  Beibars  im  Angesicht 
der  moslimischen  Welt  einen  ungeheueren  Vortheil  über 
Hulagu,  dessen  Herrschaftstitel  auch  nur  das  Schwert,  wie 
der  des  Sultans  Aegyptens,  weil  er,  nicht  Moslim,  nur  vom 
Chalifen  als  rechtmässig  legitimirt  werden  konnte.  Hakim 
war  der  Stammvater  der  übrigen  ägyptischen  Chalifen  aus 
dem  Hause  Abbas ,  aus  welchem  mit  ihm  zwanzig  durch 
dritthalbhundert  Jahre  zu  Kairo  als  Drahtpuppen  der  Suitaue 
figurirten,  bis  nach  dem  letzten  derselben  Selim  der  Erste, 
der  Erbe  Aegyptens,  ohne  Recht  der  Geburt,  nur  als  Er- 
oberer Aegyptens,  den  Chalifentitel  annahm,  der  seitdem 
dem  Titel  der  osmanischen  Sultane  beigefügt,  wie  aus  dem 
Gesagten  erhellet,  nur  eines  Schattens  vom  Schatten. 
.  ,  Hulagu  war  im  Begriffe,    ein   neues  Heer  nach  Syrien 

Kriegs  mit  ^^  senden  und  dasselbe  dem  Besitze  des  Sultans  der  Mam- 
Berke,  luken  zu  entreissen,  als  ihn  die  his  zum  offenen  Kriege  ge- 
reifte Misshelligkeit  mit  Berhe ,  dem  Herrscher  der  Mon- 
golen in  Kipdschak,  dorthin  sich  zu  wenden  und  seine  Waffen 
von  den  Ufern  des  mittelländischen  Meeres  an  die  des  kas- 
pischen  zu  übertragen  zwang.  Die  Ursachen  dieses,  trotz 
des  nachdruckvollsten  Vermächtnisses  Tschengischan's  und 
der  Jasa,  welche  die  Einigkeit  zwischen  den  Gliedern  der 
Familie  als  die  Grundmaxime  der  Politik  des  tschengis- 
chanischen  Hauses  einschärft,  aufflammenden  Familienkriegs 


*)  Hakimbiemrillah. 


Drittes     B  u  c  li.  215 

waren  mehrere ,  und  das  Feuer  glimmte  schon  seit  längerer 
Zeit  unter  der  Asche;   auch    hier   sind,    wie  fast  bei  allen 
Kriegen  und  Feindschaften  (von  Staaten,  wie  von  Einzehien), 
der    wirkliche    und   scheinbare  Grund,    die  Masse,    welche 
schon  längst  das  Gefäss  füllt,  von  dem  Tropfen,  der  es  erst 
überfliessen  macht,  wohl  von  einander  zu  unterscheiden.    Die 
wahre  und  eigentliche  politische  Ursache  dieses  Krieges  war 
der   streitige    Besitz    der    Landschaften    Arran    und   Aser- 
heidschaii,  welche,  als  ausser  dem  eisernen  Thore  von  Der- 
bend  gelegen,  vermöge  der  Ländertheilung  Tschengischan's 
unter  seine  vier  Söhne  nicht  zum  Jurte    des  Uluses  Dschu- 
dschi's    gehörig,    von   diesem   jetzt   angesprochen    ward '^. 
Nach  dieser  Ländertheilung  erstreckte  sich  der  Jurt  Dscha- 
ghatai's  von  den  mittägigen  Pässen  bis  nach  Samarkand  und 
Bochara,  der  Ogotai's  lag  im  Mittelpunkte  des  Reichs  zu  Iniil 
und  KobaJc;  Tuli  besass  die  angränzenden  Länder  von  Kialik 
und  Chiiaie&JTi  bis  an  die  äusserste  Gränze  Kipdschak's  und 
die  Länder  der  Ssakst'neti ;  Dschudschi  endlich  die  nördlichen 
Jurte  innerhalb  der  kaukasischen  Pässe.     Hulagu,  Herr  der 
westlichen    Hälfte    der  Jurte,    als  Ilchan  des  durch  ihn  ge- 
gründeten mongolischen  Kelchs  in  Persien,  konnte  unmöglich 
die  Ansprüche  des  Chanes  der  goldenen  Horde  von  Kipdschak 
auf  den    Besitz   der   nördlichsten    Gränzlandschaften   seines 
Reichs  gelten  lassen.     Dieser   politische  Grund  ward  durch 
persönliche  Empfindlichkeiten  Hulagu's  noch  eindringlicher 
gemacht.     Berke's    Einfluss   hatte    auf    dem    Kurultai    nach 
Mengku's    Tode    die    Walil   der   Prinzen   für   Kubilai   wider 
seinen    Bruder   Hulagu    und    Arik    Bugha,    welche  ebenfalls 
Ansprüche    auf   die   Kaanschaft  machten,    entschieden.     Als 
der  Aeltere  der  Familie  hatte  Berke    dem  Hulagu   zu  wie- 
derholtenmalen   Lehren    und    Ermahnungen   zugesandt,    als 
neubekehrter    Moslim    hatte    Berke    besonders    das    treulose 
Benehmen    Hulagu's   gegen   moslimische  Fürsten,    die  Ver- 
wüstung so  vieler  Städte,    das  Blutbad   so  vieler  Menschen 


')  Ueber  Dschudschi  und  seineu  Ulus  siehe  die  Beila^eu  I.  u.  II. 
aus  deu  Geschichteu  Haider's  und  Wassaf's. 


21C  Drittes     Buch, 

und  den  Kuin  des  Chalifats  hart  getadelt.  Wiewohl  er  mein 
Aelterer ,  sagte  Plulagu  ,  so  Ivaiiii  ich  sein  Hofmeistern  doch 
nicht  weiter  ertragen;  endlich  war  der  Tropfe,  welcher  das 
längst  gefüllte  Gefäss  des  Grolles  überfliessend  machte,  der 
folgende.  Auf  dem  Zuge  nach  Syrien  war  Bulghai ,  der 
Enkel  Dschudschi's,  aus  seinem  fünften  Sohne  Scheiban, 
gäh  nach  einem  Gastmahle  gestorben,  und  sein  Vetter  Ä"Mfar') 
wurde  angeklagt,  durch  Zauberei  den  Tod  desselben  bewirkt 
zu  haben.  Hulagu ,  der  es  nicht  auf  sich  nehmen  wollte, 
ihn  zu  richten,  hatte  ihn  in  Begleitung  Sundscliak  Nujan's 
nach  Kipdschak  geschickt,  um  dort  vor  dem  Throne  Berke's, 
seinem  natürlichen  Richter,  Rede  zu  stehen.  Berke  sandte 
denselben  wieder  zurück  und  Hulagu  Hess  an  ihm  das  Todes- 
urtheil  vollstrecken;  zugleich  mit  ihm  ward  auch  Ssadreddin 
SmvedsQhi  als   der  Zauberei  schuldig  angeklagt  und  hinge- 

17.  Ss/tfer  richtet;  da  auch  bald  darauf  Kuli,  der  dritte  Prinz  des 
^^^  TJliises  Dsrhndsciii ,  welcher  diesen  Feldzug  mitmachte ,  ge- 
storben, und  ihre  Angehörigen  sich  nach  Kipdschak  ge- 
flüchtet hatten,  brach  die  politische  Feindseligkeit  und 
persönliche  Empfindlichkeit  in  die  offenen  Flammen  des  Fa- 
milienkriegs aus.  Ein  Heer  von  dreissigtausend  Kipdschaken, 
welches  Nokai ,  der  Vetter  des  hingerichteten  Kutar ,  be- 
fehligte, war  von  Derbend  aufgebrochen  und  vor  Schamachi, 
der  Hauptstadt  Schirwan's,  gelagert. 
Verkehr  ^^^  Umschwung  der  Verhältnisse  zwischen  Berke  und 

zwischen    Hulagu  hatte  natürlicherweise  die  Politik  des  ersten  gegen 

Kipdschak  den    Sultan    der    Mamluken,    als    Beherrscher    Syriens    und 

""  Aeffyptens,  wesentlich  umgestimmt  und  die  feindlichen  Ge- 

A.£(iwten,         c./  i  7  o 

sinnungen  wider  denselben  in  freundliche  verwandelt.  Gewiss 

hatte  die  äussere  Politik  wenigstens  eben  so  grossen  Einfluss 

als  die  innere  auf  die  Bekehrung  Berke's  vom  mongolischen 

Heidenthume  zum  Islam.     Im  Sommer  desselben  Jahres ,  mit 

dessen  Beginn  der  Feldzug  nach  Persien  beschlossen  ward, 

begab   sich   eine    Gesandtschaft  Berke's   auf  den  Weg  nach 


0  Bei  Bar.  Hebiaus  Kotar ,    d'Ohsson  Tumor  ist  Schreibfehler 
des  Manuscripts. 


Drittes     H  u  c  h.  217 

Aegypten,  um  die  Mitwirkung  des  Sultans  in  Anspruch  zu 
nehmen;  Botschafter  waren  Emir  Dschelaleddin ,  Sohn  des 
Richters,  und  der  Scheich  Nureddin  Ali,  von  grossem  Ge- 
foIge«begieitet;  sie  waren  Ueberbringer  eines  am  ersten  i-Redscheb 
Redscheb  des  laufenden  Jahres  datirten  Beglaubigungsschrei-  Jj^^^^iJ^ 
bens,  in  welchem  Berke  seine  Annahme  des  Islams  kündete. 
Zu  gleicher  Zeit  war  zu  Kairo  eine  Botschaft  des  byzanti- 
nischen Kaisers  Lascaris  erschienen;  sie  wurden  gemein- 
schaftlich mit  einem  Gastmahle  bewirthet,  und  jeden  Mitt- 
woch und  Sonnabend,  wo  der  Sultan  sich  in  die  Maillebahn 
beffab,  wurden  zahlreiche  Geschenke  unter  sie  vertheilt. 
Am  letzten  Freitage  des  Monats  Schaaban,  welcher  der  erste  ^-^i 
des  August,  verrichtete  der  Schattenchalife  des  Hauses  Abbas,  5.  Auy.  12tiä 
Hakimbiemrillah,  das  Kanzelgebet  sowohl  auf  den  Namen 
des  Sultans  Beibars,  Herrschers  von  Syrien  und  Aegypten, 
als  auf  den  Berke^s,  des  Herrschers  Kipdschak's'^.  Vier 
Tage  hernach  hatte  die  Ceremonie  der  Investitur  des  Ritter- 
thums  für  den  ChalHen  Hakimbiemrillah  statt.  Futuwwef^) 
bedeutet  nicht  sowohl  den  Adel,  welcher  auf  arabisch  Scher/ 
heisst,  als  das  Heldenthum  oder  eigentlich  Ritterthum,  als 
den  Inbegriff  grossmüthiger ,  edelmüthiger ,  starkmüthiger 
Gesinnungen  und  Handlungen.  Das  bekannte  Wort  La  Feta 
illa  Ali  kann  nur  mit  den  Worten:  Es  gibt  keinen  Helden 
oder  keinen  Ritter  als  Ali^  übersetzt  werden,  und  nicht  als: 
■Es  ist  kein  Adeliger  als  Ali.  Das  Symbol  des  Heldenthums 
oder  vielmehr  ritterlicher  Gesinnungen  bestand  aber  nicht 
in  Schild  und  Schwert,  Panzer  oder  Helm,  welche  im 
Abendlande  die  Insignien  des  Ritterthums,  sondern  in  einem 
Paar  von  —  Beinkleidern.  Tags  darauf,  nach  der  Ceremonie 
der  ritterlichen  Beinkleiderinvestitur,  wurden  die  Botschafter 
Berke's  im  Bergschiosse  durch  den  Atabeg  (^Ohersthof- 
nieister^  mit  Ehrenkleidern  ausgezeichnet.  Das  Antwort- 
schreiben war  so  weitläufig  gewortet  und  geschrieben ,  dass 
es  nicht  weniger   als  siebzig  Bogen  mittleren  Formates  aus 

*)  Histoire  des  Sultans  Mauilouks  p;ii-  Makrizi,  traduite  par 
Quatremere  I.  p.  212.  -)  Quatremere  übersetzt  durchaus:  Signa 
de  la  Noblesse,  was  nicht  richtii-. 


218  Drittes     Buch, 

den  Fabriken  von  Bagdad.  Der  Schreiber  desselben,  Mo- 
hijeddin  Abdes-sahir ,  las  dasselbe  dem  Sultan  in  der  Gegen- 
wart der  Emire  vor,  und  es  ward  mit  einem  herrlichen 
Geschenke  den  zwei  ägyptischen  Botschaftern,  dem^Erair 
Fariseddin  Akusch  Mesudi  und  dem  Scherif  Imadeddin 
Haschimi,  übergeben.  Auch  zu  Mekka  und  Medina  wurde 
das  Chutbe  auf  den  Namen  Berke's  verrichtet.  Um  den 
Faden  der  Erzählung  ägyptischer  und  mongolischer  Ver- 
hältnisse nicht  durch  den  Bericht  des  nordischen  Feldzuges, 
welchem  der  nächste  ilbschnitt  gewidmet  ist,  zu  unter- 
brechen, reihen  sich  hier  noch  die  folgenden  Begebenheiten 
ein,  welche  das  unmittelbare  Verhältniss  der  Aegypter  und 
Mongolen  betreffen.  Es  waren  noch  nicht  zwei  S^onate 
nach  dem  Abgange  der  Botschaft  an  Berke  verflossen,  als 
eine  grosse  Anzahl  mongolischer  Emire'}  ankamen,  um  dem 
Sultane  ihre  Unterwürfigkeit  zu  bezeigen.  Er  ritt  ihnen 
zum  Empfange  entgegen;  alsbald  sie  ihn  erblickten,  stiegen 
sie  vom  Pferde  und  küssten  die  Erde  vor  dem  Sultane,  der 
im  Sattel  sitzen  blieb.  Nachdem  er  sie  mit  Ehren  über- 
häuft, kehrte  er  in's  Schloss  zurück.  Hosameddin,  der  Sohn 
Berke's,  welcher  als  ein  Beweis  der  Freundschaft  seines 
66i  Vaters  für  den  Sultan  nach  Kairo  gekommen,  starb  allda; 
9.  Nov.  1262  drei  Tage  hernach  wurden  die  Botschafter  mit  Ehrenklei- 
dern angethan  und  der  Sultan  besuchte  das  Grabmal  des 
Sohnes  Berke's.  Bald  darauf  kam  eine  zweite  Schaar  und 
endlich  eine  dritte  tatarischer  Edelen ;  der  Sultan  verlieh 
den  Vornehmsten  derselben  den  Rang  eines  Emirs  und  sie 
bekehrten  sich  auf  seine  Einladung  zum  Islam  ^).  Kairo 
war  damals  von  den  Tataren  beider  Parteien,  nämlich  so- 
wohl von  der  Berke's  alsHuIagu's,  besucht;  nur  erschienen 
jene  öffentlich  als  Freunde,  die  sich  meistens  zum  Islam 
bekehrten,  diese  aber  nur  heimlich  als  Kundschafter,  die, 
wenn   entdeckt ,    ergriffen    wurden.     Unter    die   Emire   der 


')  Makrisi  nennt  die  vorzüglichsten:  Keramun^  Amtagjah, 
Noffitai,  Dscherek ,  Kajan ,  Nasagjah,  Taischur,  Bentti ,  Sobhi-, 
Dschaudschelan ,  Adscltkarka,  Adkerek,  Kerai,  Salagjah ,  Mote- 
kaddem  und  Daragan.     Quatremere  I.  p.  222.    ^)  Ebenda  u.  S.235. 


Drittes     Buch.  219 

bekehrten  Tataren  sowohl,  als  die  Franken,  welche  sich 
zum  Islam  bekehret  hatten,  wurden  an  Einem  Tage  vom 
Schatzmeister  Bedreddin  hundert  achtzig  Pferde  vertheilt. 
Dieser  Verkehr  Berke's  mit  Beibars  durch  gegenseitige  Bot- 
schaften erklärt  die  Verpflanzung  mongolischer  Hofwürden 
nach  Aegypten ,  wo  sich  dieselben  mit  ihren  ursprünglichen 
türkischen  Namen  erhielten,  und  erklärt  die  bei  Makrisi 
erhaltene  Kenntniss  von  der  tatarischen  Jasa.  Bei  der  Be- 
trachtung des  feindlichen  Verhältnisses  der  Oberhäupter  der 
beiden  Uluse  Berke's  und  Hulagu's  und  ihrer  gegenseitigen 
Verhältnisse  mit  Aegypten  erhellet  auch,  dass  die  Kreuz- 
fahrer damals  nicht  gegen  alle  Tataren  gleiche  Gesinnungen 
hegen  und  dieselben  insgesammt  als  Feinde  des  Sultans  von 
Aegypten  und  also  als  natürliche  Freunde  und  Verbündete 
betrachten  konnten.  Dieses  waren  für  die  Kreuzfahrer  nur 
die  Mongolen  Persiens,  während  die  Mongolen  Kipdschak's 
als  die  Freunde  und  Verbündete  von  Beibars  auch  die 
Feinde  der  Christen  im  gelobten  Lande.  Da  der  Krieg 
zwischen  Berke  und  Hulagu  dem  Sultan  in  Aegypten  und 
Syrien  so  freiere  Hand  Hess ,  so  konnte  derselbe  den  Kreuz- 
fahrern nur  höchst  unerwünscht  sein. 

Hulagu  bot   das   ganze  Heer  Persiens  zum  Zuge  wider     FehHug 
Kipdschak  auf,    setzte  sich  mit  demselben  Hälfte  Mai's  des       (lefien 

Jahres  zwölfhundert   zwei. und  sechzig   von   Alatash  aus  in  "^'Z'«^'^'«''- 

^   ,      ^     f  "  2.  Scheiriral 

Bewegung.     Schiramun,  der  Sohn  Dschurmaghun  s,  der  vor-         aßo 

malige   Statthalter  Persiens,    befehligte   den   Vortrab.     Die  14. Mai  1S6'2 

Nujanen  Basmaghan  und  Ahatai  standen  Anfangs  Novembers  26.  silhide 

vor   Schamachi.     Schiramun    war   von   dem   Heere    Berke's 

überfallen  und  geschlagen  worden ,  aber  vier  Tage  vor  Ende 

des  moslimischen   Jahres   schlug  Abatai   bei  Schahuran  den  ^      J'^T^'^"* 

Nokai  in  die  Flucht.     Hulagu  brach  hierauf  von  Schamachi  2o.Noo.l262 

^ege\i  Derbend   auf.     Hier    wurden    der  Kanzler   Seifeddin, 

der  Chodscha  Asis  der  Georgier  und  Chodscha  Medschdeddin 

von  Tebris   ergriffen ,    nach   Schaburan    gebracht   und    dort 

sammt    dem    Astronomen    Hosaraeddin    hingerichtet.      Melik 

Ssadreddin  von  Tebris  und  Ali  Melik,  die  Befehlshaber  von 

Irak,    schlugen    sich   in    theilweisen    Gefechten    durch;    am 


220  Drittes    Buch. 

3L  Moharr.  giebenten  December  stand  das  Heer  Hulagu's  vor  den  Mauern 

ff  61 

^  jy  j,^  A  Derbend  s.  Nach  dreitägigem  Kampfe  wurde  die  Feste  er- 
obert und  acht  Tage  hernach  Nokai  geschlagen.  Die  Nu- 
janen  Schiramun  und  Abatai  wollten  den  Prinzen  Abaka,  den 
ältesten  Sohn  Hulagu's,  den  er  ihnen  zur  Hilfe  gesendet, 
zur  Rückkehr  bewegen;  aber  dieser  trotzte  männlich  den 
Beschwerden  des  Feldzugs  inmitten  des  Winters.  Hulagu 
ertheilte  sieben  anderen  Nujanen '3  "^c"  Befehl,  sich  des 
Lagers  der  Kipdschaken  zu  bemächtigen.  Sie  gingen  über 
den  Terek  und  schleppten  Zelte  und  Herden  von  allen  Seiten 
zusammen,  sich  Ausschweifungen  überlassend.  Berke,  hier- 
T.  Rebiul-  '^^^^  i"  Kenntniss  gesetzt,  brach  auf  einmal  mit  mächtigem 
ewwel  66t   Heere  aus  den  Schneegefilden  der  Steppe  auf  sie  los ;  einen 

lff.J««.i^6-3  g^n^en  Tag  ward  an  den  Ufern  des  Terek  gekämpft;  als 
die  persischen  Truppen  sich  über  den  Fluss  zurückzogen, 
brach  das  Eis  ein  und  eine  grosse  Anzahl  derselben  ging 
zu  Grunde  ;  Abaka  kam  heil  nach  Schaburan ;  Berke  hielt  sich 

ll.Bschema-  inner  Derbend  und  Hulagu  kam  im  Frühjahre  nach  Tebris 
■  zurück  ^3*  Hulagu  rächte  sich  für  die  Unfälle  des  Feldzugs, 
wie  nach  dem  syrischen,  durch  den  Mord  von  Unschuldigen. 
Es  Hess  alle  Kaufleute  Kipdschak's ,  die  sich  zu  Tebris  be- 
fanden, hinrichten  und  ihre  Güter  einziehen  ^3-  Berke,  um 
Gleiches  mit  Gleichem  zu  vergelten,  liess  alle  persischen 
Kaufleute,  die  in  Kipdschak,  morden;  und  Hulagu  vergalt 
dieses  Blutbad  mit  dem  eines  Theiles  der  Bewohner  Bo- 
chara's,  welches  sich  aus  seinem  Schutte  hervorzuheben 
begann.  Von  sechzehn  Hesaren,  d.  i.  Regimentern,  welche  zu 
Bochara  lagen,  gehörten  fünf  dem  Batu,  drei  der  Frau 
Sijurkukteni ,  der  Mutter  Hulagu's,  die  übrigen  acht  dem 
grossen  Eidam  Tschengischan's.  Die  fünf  Regimenter  Batu's 
liess  Hulagu  ausrücken  und  niederhauen  *3'  '™  folgenden 
Jahre  erscholl  abermal  das  Gerücht,  dass  ein  Heer  aus 
Kipdschak  im  Anzüge.     Hulagu  sandte  den  Scheich  Scherif 


»)  i.  Ilkai,  2.  Turan  Behadir ,  3.  Batu,  4.  Saldschedai, 
5,  Tschagkan,  6.  Belarghu ,  7.  Boyhus.  ^)  üeber  den  Feldzug 
wider  Berke  siehe  die  Beilage  III.  aus  Wassaf.  ')  Wassaf.  *)  Der- 
selbe. 


Drittes     Buch.  221 

Tebrisi  auf  die  Strasse  von  Lesgistan  nach  Kipdschak ,  um 
Erkundigung  einzuziehen.  Er  ward  ergriffen  und  vor  No- 
kai  gebracht.  Was  macht  Hulagu  ?  fragte  ihn  Nokai,  fährt 
er  noch  fort,  aus  Grimm  unsere  Krieger  und  Edele,  unsere 
Kaufleute  und  Derwische  zu  morden?  —  Der  Scheich  ent- 
gegnete :  Unser  Padischah  war  vormals  erzürnt  ob  der  Miss- 
heiligkeit mit  seinen  Brüdern  (Kubilai  und  Arigh)  und  das 
Feuer  seines  Grimms  verbrannte,  was  trocken  und  feucht; 
allein  seitdem  der  Bürgerkrieg  um  den  Thron  beendigt  ist, 
übt  er  die  strengste  Gerechtigkeit.  Es  waren  nämlich  Ge- 
sandte mit  der  Nachricht  angekommen,  dass  AihtoM,  welcher 
dem  Bruder  Kubilai  den  Thron  streitig  machen  wollte,  sich 
unterworfen;  dass  Alghui,  der  Enkel  Dschafer's,  aus  seinem 
Sohne  Paidar,  welcher  ein  anderer  Thronprätendent,  ge- 
storben, dass  Kubilai  dem  Bruder  Hulagu  das  Diplom  der 
Herrschaft  von  den  Ufern  des  Oxufe  bis  an  die  äussersten 
Gränzen  Syriens  als  IlcTian  und  Padischah  und  obendrein 
dreissigtausend  auserlesene  mongolische  Jünglinge  zur  Hilfe 
gesendet.  Diese  Nachricht  lähmte  die  Kriegslust  Nokai's, 
und  der  Scheich  kehrte  mit  der  Nachricht,  dass,  wiewohl 
kein  Friede,  die  Feindseligkeiten  aufgehört,  zu  Hulagu 
zurück.  Das  Interesse  Hulagu's  ist  in  die  Streitigkeiten  der 
Prinzen  um  die  oberste  Macht  des  Kaan's  so  enge  verflochten 
und  er  hat  an  denselben  durch  seinen  Gesandten  so  einwir- 
kenden Antheil  genommen,  dass  eine  kurze  Erzählung  jener 
Begebenheiten  als  unmittelbar  in  dessen  Geschichte  gehörig 
hier  unabweislich. 

Nach  dem  Tode  Mengkukaan's ,  dessen  Todeskunde  Arikbitgha. 
seinen  Bruder  Hulagu  zur  Rückkehr  aus  Syrien,  wie  vor 
vierzig  Jahren  die  Nachricht  von  dem  Tode  Ogotai's  dessen 
Vetter  Batu  zum  Abzüge  aus  Ungarn  veranlasst,  hatten  die 
im  Kurultai  versammelten  Prinzen,  welche  den  Kubilai  zum 
Kaan  und  Moilchan  ausgerufen ,  hundert  Gesandte  an  Arik- 
bugha,  dessen  Bruder  und  Nebenbuhler  um  den  Thron,  ab- 
geordnet, um  ihm  die  Nachricht  zu  überbringen,  dass  durch 
einstimmigen  Beschluss  der  Prinzen  Kubilai  den  Thron  als 
grosser  Chan  bestiegen  und  Apuschkan,  der  Urenkel  Dscha- 


222  Drittes     Buch. 

gatai's*),  dem  Uluse  seines  Grossvaters  vorgesetzt,  mit 
seinem  jüngeren  Bruder  Kasar  dorthin  abgesendet  worden 
sei.  Die  hundert  Gesandten  trafen  an  der  Gränze  Tangkut's 
Arikbugha,  der  sie  einkerkern  liess  und  ein  von  dem  zvveit- 
gebornen  Sohne  Hulagu's,  dem  Prinzen  Dschumkur,  und 
Karatschar y  dem  Sohne  Orda's,  befehligtes  Heer  gegen 
Kubiiai  sandte;  sie  wurden  geschlagen  und  gefangen;  Arik- 
bugha' Hess  die  hundert  Gesandten  hinrichten  und  zog  sich 
in's  Land  der  Kirgisen  zurück.  Er  wandte  sich  an  Alghui, 
den  Sohn  Paidar's  (des  vor  Olmütz  gefallenen  Peta^,  mit 
der  Bitte,  für  ihn  als  Gränzhüter  am  Oxus  die  Truppen 
Hulagu's  und  Berke's  abzuwehren.  Indess  sammelte  sich 
für  ihn  ein  Heer  zu  Kaschghar ,  das  bald  über  hundert 
fünfzigtausend  stark,  in  vollem  Aufrühre  wider  Kuhilai. 
Dieser  sandte  wider  die  Rebellen  ein  von  dem  Jelce  Kadak 
und  Karadschu,  dem  Sohne  Dschudschi  Kasar's  (des  Bruders 
Tschengischan's),  befehligtes  Heer,  das  geschlagen  und  zer- 
streut ward.  Die  Prinzen  Anführer  flüchteten  zu  Arikbugha, 
der  flüchtig  und  halb  verhungert  (denn  Kubiiai  hatte  ihm 
die  Zufuhr  der  Lebensmittel  abgeschnitten)  im  Lager  der 
Kirgisen  und  Kemdschiuten  weilte.  Kubiiai  hatte  zu  Kara- 
korum  die  vier  Lager  Arikbugha's  und  das  des  mit  ihm 
verbündeten  Gulgan's  (des  fünften  Sohnes  Tschengischan's) 
aufgehoben.  Arikbugha  sandte  Botschaft  mit  dem  Bekenntniss 
seiner  Schuld  und  Bitte  um  Verzeihung;  er  erwarte  nur, 
dass  seine  Pferde  fett  und  dass  Hulagu,  Berke  und  Alghui 
kämen ,  um  sich  mit  ihnen  dem  Kaan  huldigend  zu  Füssen 
zu  werfen.  Kubiiai  sandte  Antwort;  dass,  wenn  er,  ohne  die 
Ankunft  der  Prinzen  abzuwarten ,  erscheinen  wolle ,  seine 
Ankunft  um  so  willkommener  sein  würde ,  und  zog  sich  nach 
Karawin  Dsehidun,  wo  er  die  zu  Karakorum  aufgehobenen 
Lager  Arikbugha's  und  Gulgan's  freigab.  Zu  dieser  Zeit 
war  häufiger  Gesandtenwechsel  zwischen  Kubiiai  mit  seinem 
Bruder  Hulagu  und  seinem  Vetter  Bcrke ,    dem  Herrn  des 


•3  Anuschka,  Solin  Buri's,  des  Soliues  Muwatukjan's,  des  Sohnes 
Dschaifhatars. 


Drittes     Buch.  223 

Uluses  Dschudschi  y  und  Alghui,  dem  Haupte  des  Uluses 
Dschaghatai,  die  sich  nun  dem  Kaan  näherten.  Er  gab 
ihnen  kund ,  dass  Alghui  das  Land  vom  Altai  bis  zum  Oxus, 
Hulagu  vom  Oxus  bis  nach  Aegypten  besetzen  möge,  wäh- 
rend er  selbst  die  Länder  vom  Altai  bis  an's  chinesische 
Meer  hüten  wolle.  Arikbugha  brach,  sobald  seine  Pferde 
sich  wieder  erholt  hatten,  wieder  als  Rebelle  gegen  die 
Macht  Kubilai's  auf,  überfiel  den  Prinzen  Jesunke ,  den 
Neffen  Kubilai's,  welcher  die  Vorhut  desselben  befehligte, 
und  schlu'g  ihn.  Das  Heer  Arikbugha's  und  das  Kubilai's  '^ 
schlugen  sich  zu  Indschije  Kutku  am  Hügel  Chodscha  Buldak. 
Das  Heer  der  Rebellen  wurde  geschlagen  und  viele  Uiraten 
getödlet.  Simtai ,  der  Sohn  des  letzten  Kaan  Mengku's, 
berieth  sich  mit  Arikbugha,  und  sie  beschlossen,  eine  zweite 
Schlacht  zu  liefern  ,  am  Rande  der  Sandwüste ,  in  der  Olt 
genannten  Gegend,  zu  Schirghan  Taghun  am  Hügel  Schüklik. 
Der  rechte  Flügel  Arikbugha's  war  geschlagen,  aber  der 
linke  hielt  tapfer  bis  in  die  sinkende  Nacht  aus,  welche  die 
beiden  Heere  trennte,  die  sich  in  die  Winterquartiere  be- 
gaben. Arikbugha,  durch  diesen  wiederholten  Versuch, 
seine  Streitkräfte  mit  denen  Kubilai's  zu  messen,  ermuthigt, 
sandte  im  nächsten  Jahre  seine  Waffen  wider  Alghui,  wel- 
chen er  als  Herrn  des  Uluses  Dschaghatai  eingesetzt  und 
von  welchem  er  zu  wiederholtenmalen  Hilfe  begehrt  hatte, 
ohne  dieselbe  zu  erhalten  ^). 

Alghui,  der  Sohn  Paidar's  (Peta's),  der  von  Arikbugha  . 

eingesetzte  Herrscher  des  Uluses  Dschaghatai,  hatte,  als 
er  nach  Turkistan  gekommen,  ein  Heer  von  mehr  als  hun- 
derttausend Mann  gesammelt.  Sein  Vetter,  der  Prinz  Nikpei 
Aghul  (Sohn  Sarban's,  des  achten  Sohnes  Dschaghatai's^, 
war  an  der  Spitze  von  fünf  tausend  Mann  in  Transoxana 
eingefallen,  und  hatte  zu  Samarkand  und  Bochara,  das  da- 
mals zum  Gebiete  Kipdschak's  gehörte,  geraubt  und  die 
Angehörigen  Berke's  getödtet,  unter  diesen  auch  den  grossen 


')  In  demselben  waren  Taghadschar,  Httlagu,  der  Sohn  Üdsclii- 
tai's,  Nadin  Kadan.     ^)  Reschideddio. 


224  Drittes    Buch. 

Scheich  Seifeddin  Backersi.  Gesandte  Arikbugha'g,  an  deren 
Spitze  Schadi,  der  Sohn  Jaschmtit's  des  Arkaun,  d.  i,  des 
nestorianischen  Priesters,  forderten  vermittels  Jerlighs  die 
Zurückstellung  der  geraubten  Güter,  welche  Alghui  ver- 
weigerte, und  eben  darum  die  Gesandten  tödtete.  Hierüber 
ergrimmt,  zog  Arikbugha  wider  denselben;  zu  Karakorum 
forderte  er  die  Einwohner  zur  Hilfeleistung  auf;,  die  Imame, 
die  Schreiber  der  Christen  entschuldigten  sich,  dass  siedle 
Waffen  nicht  gewohnt,  nur  für  den  Erfolg  derselben  beten 
könnten.  Einige  Zeit  darnach  kam  der  Kaan,  der,  als  er 
das  treue  Benehmen  der  Einwohner  erfuhr,  die  alten  Pri- 
vilegien Tschengischan's  und  Mengku's  bestätigte,  sie  alle 
zu  Tarchanen  (^Freiherren)  ernannte;  Vorfälle  in  China 
nöthigten  ihn,  bald  wieder  zurückzukehren.  Karabuka,  der 
Befehlshaber  des  Vortrabs  Arikbugha's,  war  von  Alghui  zu 
Sutgoly  d.  i.  am  Milchsee'),  geschlagen  und  getödtet  worden. 
Alghui  zog  sich  sorglos  an's  Ufer  des  Hile  Miiran;  von  dem 
Prinzen  Suntai ,  welcher  das  Heer  Arikbugha's  befehligte, 
geschlagen,  ging  er  über  die  Anhöhen  von  Timurkahalka 
und  den  Hile  Muran  nach  Almaligh,  dem  Jurte  Alghui's,  und 
plünderte  denselben  aus.  Alghui  nahm  seine  Frau  und  die 
Truppen  des  rechten  Flügels,  welche  Suntai  noch  nicht  ge- 
schlagen, und  flüchtete  damit  nach  Choten  und  Kaschghar. 
Arikbugha  brachte  den  Winter  am  Hile  Muran  und  zu  Al- 
maligh in  Festen  zu ,  liess  aber  von  allen  Seiten  die  Truppen 
des  Kaan's  aufsuchen  und  tödten.  Alghui  hatte  sich  nach 
Samarkand  und  Bochara  gezogen,  wohin  auch  Dschumkur, 
der  bisher  von  Arikbugha  bei  sich  zurückgehaltene  Sohn 
Hulagu's ,  kam,  indem  ihm  Arikbugha,  um  seine  Gesundheit 
Rebhilewwel  herzustellen,  sich  jenseits  des  Oxus  zu  begeben  erlaubt  hatte. 
Das  Benehmen  Arikbugha's,   welcher  überall  die  Leute  des 


Januar  1263  ,,       ,  „       ,  ,     ..  i  i        .i         j.      t. 

Kaan  s  aufsuchte   und  todtete,    entwandte   ihm    die   Herzen 

der  Bewohner  und  eine  Hungersnoth  schwächte  gewaltig  die 

Zahl  seiner  Truppen.      Dazu   kam    die    böse   Vorbedeutung 

eines  Sturmes,  welcher   das  an  tausend  Pflöcken  befestigte 


')  iu  der  Nähe  der  Stadt  BuladO)y  Tulad  C?)- 


Drittes    Buch.  225 

Ilerrscherzelt  zusammenriss  und  im  Ruine  desselben  viele 
Menschen  erschlug.  Seine  Truppen  zerstreuten  sich  nach 
allen  Seiten ,  nur  einige  wenige  blieben  mit  Arikbugha  und 
Suntai  zu  Almaligh.  Unterdessen  war  JJriktasch,  der  Sohn 
Mengku's,  welcher  es  nicht,  wie  sein  Bruder  Suntai,  mit 
Arikbugha,  sondern  mit  Kubilai  hielt,  am  Altai^^  und  die 
Truppen  schlugen  sich  zu  ihm.  Er  sandte  an  Arikbugha, 
um  ihm  das  grosse  Siegel  seines  Vaters  Mengku,  welches 
bisher  in  Arikbugha's  Händen ,  abzufordern ,  und  dieser  lie- 
ferte es  aus.  Alghui,  welchem  hieraus  die  Schwäche  Arik- 
bugha's kund  geworden,  zog  nun  wider  ihn,  und  begehrte 
die  Herausgabe  der  Frau  Hirghana ,  der  Gemahlin  Kara 
Hulagu's,  des  Sohnes  Muwatukjan's,  welche  vor  einiger  Zeit, 
um  die  Beschwerden  Alghui's  anzubringen,  in's  Lager  Arik- 
bugha's gegangen,  von  demselben  zurückbehalten  worden 
war.  Er  sandte  sie  mit  ihrem  3Iinister  Mesud,  dem  Sohne 
von  Jelwadsch,  zurück.  Alghui  empfing  sie  ehrenvoll  und 
bestellte  den  Mesud  zur  Verwaltung  der  Länder  jenseits  des 
Oxus,  wo  er  zu  Saraarkand  und  Bochara  residirte.  Durch 
seine  weise  Verwaltung  erstarkte  der  Schatz  und  die  Macht 
Alghui's,  der  sich  zu  wiederholtenmalen  mit  dem  Heere 
Berke's  schlug,  und  diesem  Otrar  entriss;  ihm  gegenüber 
stand  aber  als  Verbündeter,  Schutzgenosse  Berke's  der  Prinz 
Kaidu,  der  Sohn  Kaschin's,  des  fünften  Sohnes  Ogotai's. 
Anfangs  von  der  Partei  Arikbugha's,  hatte  er  denselben 
verlassen  und  sich  zu  Berke  geflüchtet,  der  ihm  sein  Ver- 
trauen schenkte,  weil  die  Astrologen  das  Horoscop  Kaidu's 
ungemein  günstig  und  glückvorbedeutend  gefunden  *).  Bald 
hierauf  starb  Alghui  und  durch  die  Bemühungen  Hirghana's 
ward  ihr  Sohn  Mubarekschah  als  Herrscher  des  Uluses 
Dschagatai  anerkannt. 

Arikbugha,  von  seinem  Heere  verlassen,  hatte  sich 
reuig  an  dem  Hofe  des  Bruders  eingestellt,  an  welchem  er 
nach  dem  mongolischen  Gebrauche  als  Schuldiger  eingeführt 
ward.     Nach  dieser  Sitte  wurden  die  Schuldigen  nicht  durch 


Kaidu. 


')  Reng  Altui,  am  Flusse  Dschaikau.     ^)  Mirchuand. 
Hammer,  Geschichte  der  Ilchane.    I.  15 


226  U  I-  i  t  t  e  &     U  u  c  li. 

das  gewöhnliche  Thor  in's  Zelt  zur  Audienz  eingeführt, 
sondern  bei  einer  heimlichen  Pforte  hineingestossen ,  und 
statt  eines  Ehrenkleides  mit  Filz  bekleidet  '}.  Das  offene 
Bekenntniss  der  Schuld  ward  gnädig  aufgenoniraeu;  aber 
Dschingkum,  Aet  Gesandte  Hulagu's,  welcher  gegenwärtig, 
rieth  im  Namen  seines  Herrn ,  nach  der  Strenge  der  Jasa 
zu  verfahren  und  den  Prinzen  sammt  seinen  Mitschuldigen 
vor  Gericht  zu  stellen;  ^wch  Dschikar ,  der  Bruder  Apuschka's, 
welcher  durch  die  Hand  des  Prinzen  Suntai  gefallen ,  warf 
dem  Arikbugha  hartes  Wort,  dass  er  bereit  sei,  dessen  Blut 
zu  vergiessen ,  in's  Gesicht.  Am  folgenden  Tage  gingen  die 
grossen  Nujane  mit  den  Prinzen  in's  Gericht  ^).  Auf  die 
wider  sie  vorgebrachte  Klage  schwiegen  sie  alle;  endlich 
redete  sie  Toraan  Nujan ,  einer  der  edelsten  so  von  Gesicht 
als  Gesinnung,  an:  Warum  sprecht  ihr  nicht,  ihr  Fürsten! 
Haben  wir  uns  nicht  Alle  verschworen,  den  Arikbugha  auf 
den  Thron  zu  setzen,  oder  mit  ihm  zu  sterben?  Nun  ist 
der  Tag  gekommen,  den  zweiten  Theil  unseres  gegebenen 
Wortes  zu  lösen.  Arikbugha  erzählte  den  Hergang  des 
Aufruhrs  und  die  Emire  bekannten  ihre  Schuld.  Kubilai 
wollte  dennoch  nicht  zur  Vollstreckung  des  ürtheils  schreiten, 
ohne  zuvor  das  Gutachten  Berke's  und  Hulagu's  und  auch 
Alghui's,  der  damals  noch  am  Leben,  eingeholt  zu  haben; 
nur  die  schuldigsten  der  Emire  wurden  sogleich  hingerichtet: 
Bulgha  Nnjarij  der  erste  Hebel  des  Aufruhrs,  Ildschetaij 
welcher  Gurundschi,  den  Sohn  Kadau's,  verschwärzt,  und 
Tokusj  welcher  das  meiste  Blut  der  Truppen  des  Kaan's 
vergossen;  andere  wurden  nach  Turkistan  verbannt^);  nur 
um  das  über  die  Prinzen  Arikbugha  und  Suntai  zu  verhän- 
gende Loos  wurden  BerkSj,  Hulagu  und  Alghui  um  ihr 
Gutachten  befragt.     Alghui  erklärte,  dass  er  sich  der  Mei- 


')  Reschi«leddiD,  Mirchuand.  ^)  Tnyhadschar ,  der  Sohn  E\v- 
badschi  Nujan's^  Jesiinke,  der  Sohu  Dscliudschi  Kasar's,  Jekehadak, 
Dschinglimur,  der  Sohn  Kadak^s,  AscMkai  ;  die  schnldij^en  Prinzen : 
Scfiiregi,  Taifhai,  Dscherku,  Baitimttr ;  die  Emire:  Hintunk  Nujan, 
Durbai,  Pulad  Dschinj^sang.  ^)  Huku,  der  Sohn  Gujukchan^s,  Hobat, 
der  Sohn  Mako's,  Kutuk,  der  Sohn  Karadschar's. 


Drittes     Buch.  227 

nung  des  Kaan's  und  Hulagu's,  was  immer  sie  sei,  anschliesse. 
Hulagu  billigte  in  Allem  den  Beschluss  der  Prinzen  und  des 
Gerichts  und  versprach ,  wenn  Berke  käme ,  ebenfalls  beim 
Kuruitai  zu  erscheinen.  Bald  nach  der  Rückkehr  des  Ge- 
sandten starb  Arikbugha  natürlichen  Todes,  und  es  brach 
der  Krieg  zwischen  Huiagu  und  Berke  aus.  Kubilai  verlieh 
die  Herrschaft  des  üluses  Dschagatai,  welche  die  Frau 
Hirghana  ihrem  Sohne  Mubarekschah  zugewandt  hatte ,  dem 
Beirakj  dem  Sohne  Jesun  Tewa's,  des  zweiten  Sohnes  Mu- 
watukjans,  welcher  den  Mubarekschah  zur  Abdankung  bewog 
und  sich  der  Zügel  der  Herrscitaft  des  Uluses  Dschagatai 
bemächtigte;  aber  nachdem  Arikbugha  und  Alghui,  die 
beiden  Thronanmasser  aus  dem  Uluse  Tuli's  und  Dschagatai'», 
verschwunden ,  hatte  Kubilai  noch  einen  dritten  aus  dem 
Uluse  Ogotai's,  nämlich  Kaidu,  den  Sohn  Kaschin's,  zu  be- 
kämpfen. Kubilai  sandte  ihm  ein  von  seinen  Söhnen  Nu- 
mughan  und  Kukishi  befehligtes  Heer  entgegen,  in  welchem 
sich  Söhne  Ogotai's  *)  und  Arikfaugha's  befanden.  Die  Prinzen 
Tokatimur  und  Schiregi  (^der  Sohn  Ogotai's}  verschworen 
sich  mitsammen,  ergriffen  die  beiden  Prinzen,  Söhne  Ku- 
bilai's,  und  sandten  dieselben  an  Mengku  Timur,  den  Herrn 
von  Kipdschak,  aus;  zugleich  streuten  sie  das  Gerücht  aus, 
dass  die  Söhne  Batu's  mit  den  Kaidu's  gemeinsame  Sache 
machten,  das  aber  nicht  dem  so.  Zwar  vereinten  sich  mit 
Schiregi  und  Tokatimur  auch  Sarban^  der  achte  Sohn  Dscha- 
ghatai's;  aber  sie  wurden  vom  Heere  Kubilai's  geschlagen, 
und  die  beiden  letzten  entflohen  nach  der  Landschaft  Nariny 
wo  sie  am  Ufer  des  Irtisch  weilten ;  während  Tokatimur  im 
Lande  der  Kirgisen  streifte,  ward  sein  Lager  von  den  Truppen 
Kubilai's  geplündert;  Tokatimur  wandte  sich  an  Schiregi  um 
Hilfe,  und  als  dieser  sie  ihm  verweigerte,  lockte  er  den 
Sarban  mit  Hoffnungen  auf  die  Chanschaft,  wie  er  früher 
den  Schiregi  damit  verlockt  hatte.  Die  beiden  gleich  ge- 
täuschten   Thronbewerber   Sarban    und    Schiregi  bekriegten 

')  <Sic/i«r«//?V,  der  Sohrt  Ogotai's;  die  Söhne  Arikbuglia's:  Tukukur 
und  Melik  Timur ;  Tokatimur,  der  Sohn  Suktu's;  ürughadai ;  die 
Neffen  Kubilai's:  Horrak  und  Ogin, 

15* 


228  Drittes      Buch, 

sich  iiui)  mit  einander  und  rieben  sich  gegenseitig  auf,  bis 
beide  in  die  Hände  Kubilai's  fielen,  der  jenen  in  eine  durch 
Sumpfhift  verpestete  Insel  sandte ,  dem  Sarban  den  Befehl 
über  eine  Abtheilung  von  Truppen  gab.  Melik  Timur  und 
der  Sohn  Schiregi's  begaben  sich  zu  Kaidu,  der,  noch  nach 
vierzig  Jahren  der  mächtige  Herrscher  des  üluses  Ogotai, 
im  Verlaufe  dieser  Geschichte  noch  mehr  als  einmal  in  die 
der  llchane  eingreifend  erscheinen  wird. 
Vertheilung  Hulagu  beschäftigte  sich  nach  beendigtem  Feldzuge  wider 

rfcrÄ*</ff/jrt/- i^jpjgpljgj^  mit  dem  Baue  zweier  Schlösser,  das  eine  in  der 

_,  '       ^  Ebene    von    Alatak ,    das    andere   zu    Chii,    und  begab  sich 

Tod 

Hula(fii's.  <lann  von  Tebris  an  den  Goldfluss ') ,  welchen  die  Mongolen 
Tschaghahitpunghatu  nannten,  bei  Meragha,  dort  mit  der 
Vollendung  der  Sternwarte  und  mit  wissenschaftlichen  Ver- 
sammlungen beschäftigt;  nebst  der  Astronomie  war  er  vor- 
züglich der  Alchjmie  ergeben  und  verschwendete  grosse 
Summen  an  Alcheraiker,  deren  Vorspiegelungen  so,  wie  die 
ihnen  zugewandten  grossen  Summen  ,  in  Rauch  aufgingen. 
Zugleich  ordnete  er  die  Verwaltung  des  durch  seine  Erobe- 
rungen gegründeten  neuen  Reichs.  Seinem  ältesten  Sohne, 
Abaka,  übertrug  er  die  Statthalterschaft  von  Cliorasan;  seinem 
dritten  Sohne,  Jaschmut,  dem  Eroberer  3Jesopotamiens,  die 
Statthalterschaft  \on  Arran  und  Aserbeidschan;  dann  die  von 
Jaschmut  eroberten  Landschaften  Mesopotamiens:  Diari Bekr 
und  Rebiaa  ,  von  dem  Ufer  des  Tigris  bis  an  das  des  Eu- 
phrats,  dem  Emir  Tudan,  und  die  der  Länder  Rums  dem 
Emir  Moineddin  Perwane ;  die  Verwaltung  von  Tebris  ver- 
traute er  den  Händen  Melik  Ssadreddin's,  die  Kerraan's  der 
Frau  Turkjan  Chatun  an,  iVach  der,  während  des  Feldzugs 
von  Kipdschak  vollzogenen ,  oben  erwähnten  Hinrichtung  des 
Staatskanzlers  Seifeddin  Bitekdschi  ward  dieses  höchste 
Staatsamt  dem  Schemseddin  Mohammed  Dschmceini ,  als 
Herrn  und  Vorsteher  des  Diwan's,  und  der  Vorsitz  des 
Diwan's  zu  Bagdad  seinem  Bruder  Atamülk,  dem  Geschicht- 
schreiber,  verliehen.     Besonderes    Vertrauen   schenkte   er 

*)  Serinerud. 


U  1-  i  t  t  e  s      B  u  c  Ii.  229 

dem  Sohne  des  vormaligen  kleinen  Diwitdar  von  Bagdad, 
dem  Dschelaleddin;  dieser  tänsclite  das  Vertrauen  Hulagu's 
nicht  minder,  als  sein  Vater  das  des  letzten  Chalifen  ge- 
täuscht. Er  trug  ihm  vor,  dass  sich  in  der  Landschaft 
Bagdad's  mehrere  Tausend  Kipdschaken  befänden,  die,  wenn 
Hulagu  hierzu  den  Befehl  ertheilen  wolle,  er  zu  sammeln 
bereit  sei,  um  dieselben  zum  Vortrab  im  nächsten  Feldznge 
wider  Kipdschak  zu  verwenden.  Hulagu,  durch  seinen  Vor- 
schlag verblendet,  gab  ihm  Diplom  und  Löwenkopf  und 
unumschränkte  Vollmacht  über  alle  Truppen  und  Waffen 
der  Landschaft  Bagdad's.  Er  warb  die  Kipdschaken  und 
Andere  an,  wiegelte  sie  aber  gegen  Hulagu  auf,  indem  er 
sie  heimlich  versiclierte ,  dass  er  nicht  gesonnen,  sie  wider 
ihre  Landsleute  auf  die  Schlachtbank  zu  führen,  sie  vielmehr 
retten  wolle.  Nachdem  er  sie  aus  den  Zeughäusern  Bagdad's 
bewaffnet,  führte  er  sie  unter  dem  gegen  den  Statthalter 
Bagdad's  vorgeschützten  Vorwande,  dass  er  mit  ihnen  nach 
Derbend  und  Schirwan  auszielie,  in's  Gebiet  des  arabischen 
Stammes  Chafadsche ,  das  er  plündernd  durclizog  und  dann 
mit  der  ganzen  Truppe  längs  des  Euphrats  bis  Aana  und 
Hadlse  vorbeiziehend  nach  Syrien  und  Aegypten  aufbrach. 
Der  Aerger,  so  schändlich  vom  Günstlinge  getäuscht  worden 
zu  sein,  nagte  als  giftiger  Wurm  in  der  Brust  Hulagu's  und 
beschleunigte  seinen  Tod ,  der  ihn  nach  kurzer  Kraukheit  ^  Uebiui- 
hingerafft  '^.  Er  ward  auf  dem  Gipfel  des  Berges  Schahu '),  acidr  atis 
gegenüber  von  Destchawakan,  bestattet.  Nach  mongolischem  ^■P*^f'>'-  i^fi-^ 
Gebrauche  wurden  ihm  Gold  und  Edelsteine  in  den  Sarg  ge- 
geben und  die  schönsten  seiner  Beischläferinnen  geschlach- 
tet ^3,  um  ihm  die  Einsamkeit  des  Grabes  zu  versüssen. 
Aber  ausser  den  geschlachteten  Beischläferinnen  folgten  ihm 
bald  zwei  seiner  Frauen  natürlichen  Todes  ins  Grab  nach, 


')  Souutags  deu  9.  Rebiulachir  (ß.  Febr.,  Soiiutagsbuchstabe  U, 
richtig  eiu  Sountai^).  -)  d'Ohssou  sagt,  ich  weiss  nicht,  aufweiche 
Auturität,  dass  dies  das  .Schloss  Tidii  am  .See  von  Uriiiia;  aber 
Reschideddiu  sagt:  gegenüber  von  Delickuareijjan  (bei  d'ühssou 
Sacltwareku^ ,  was  uur  Verstüuiineluug  von  Uestchawakan  LUschi- 
hauuuuia  S.  366] ,  welches  nicht  lerne  vom  Berge  Sehend.  ')  Mir- 
chuand,  Wassaf. 


230  Drittes     Buch. 

die  Frau  Irtekan,  die  Mutter  seines  achten  Sohnes  Adschai, 
3.  Raviasan  gehen  am  neunten  Tage  nacli  dem  Tode  ihres  Gemahls,  nnd 
i^.     e/ii .    ^igj.  ]yiQ„a(e  ^„d  eilf  Tage  später,  drei  Tage  vor  der  Thron- 
besteigung Abaka's,    die   Frau    Tokus  Chatun,    die  Christin, 
die  grosse  Beschützerin  ihrer  Glaubensgenossen.     Auf  ihren 
Einfluss  gründete  sich  vermuthlich  die  Hoffnung  des  Papstes, 
dass   Hulagu   sich    nächstens    zum    Christenthume   bekehren 
^verde,   wovon  ihm  der  Ungar  Joannes  die  Kunde  gebracht 
und  worüber  sich  der  Papst  in  seinem  Schreiben  an  Hulagu 
so  hoch  erfreut').     Eine  grosse  Frau ,  deren  Wirken  stiller 
und  wohlthätiger,  als  das  zweier  der  berühmtesten  Frauen 
persischer  Geschichte,   nämlich  der  Frau   Turkjan  und  der 
Atabegin   Abisch  aus    der   Dynastie   der  Salghuren,   welche 
^  Persien  beherrschten,  und  deren  Geschichte  in  die  Hulagu's 

enge  verflochten ,  nun  zum  Schlüsse  dieses  Buches  besonders 
erzählt  werden  soll. 

Fars ,  d.  i.  Persien  im  eigentlichsten  und  engsten  Sinne, 
der  Kern  des  persischen  Reichs,  in  welchem  das  Haupt 
desselben  die  alte  Persepolis,  die  Geburts-  und  Grabstätte 
des  Cyrus,  ist  als  Vaterland  persischen  Namens,  als  Mutter- 
land persischen  Stammes  zu  jeder  Zeit  seiner  Geschichte, 
von  der  ältesten  bis  zur  neuesten,  und  folglich  auch 
binnen  des  Jahrhunderts  mongolischer  Herrschaft  vor  allen 
anderen  Landschaften  des  Reichs  von  vorwiegendem  Interesse 
und  Momente.  Persien  im  weitesten  Sinne,  d.  i.  Iran,  das 
Ariene  der  Sendbücher,  ist  das  Paradies  der  Bibel,  das 
zwischen  den  vier  Flüssen  des  biblischen  Paradieses,  dem 
Digloth  (Tigris),  Frat  (Euphrat),  6riÄow  (Dschihun)  und 
Phischon  (Sihun) ,  östlich  und  westlich  eingeschlossene  asia- 
tische Hochland.  Persien  im  engsten  Sinne,  d.  i.  FarSy  ist 
die  von  Natur  und  Kunst  vor  allen  anderen  Landschaften 
des  Reichs  am  meisten  ausgezeichnete  südliche,  nördlich 
vom  persischen  Irak,  südlich  vom  persischen  Meerbusen, 
östlich  von  der  Sandwüste  Kirmans,  westlich  vom  Gebirgs- 
laude  Luristan  begränzt ,  in  welcher  das  paradiesische  Thal 
Schaab  Bewwan ,   von   den   asiatischen  Geschichtschreibern 


•)  Odoricus  Rajnuldus  XIV.  12b0.  N.  29. 


Drittes     Buch.  231 

als  eiaes  der  vier  Paradiese  des  Ostens  gefeiert ,  die  Natur- 
feste Kalaaisefid,  d.  i.  das  weisse  Schioss,  schon  aus  dem 
Schahname  als  der  Sitz  des  weissen  Diwe's  bekannt,  die 
Ruinen  der  vierzig  Säulen')  oder  der  vierzig  Leuchtthürme^}, 
die  behauene  Steinwand  des  Ebenbildes  Rustem's^},  die  der 
alten  Königsgräber,  das  Grab  der  Mutter  Salomon's  *'),  d.  i. 
das  des  Cyrus  fein  Felsengrab  mit  Pehiewiinschrift),  die 
des  Kerkers  *  )  und  der  Musikkapelle  Dscheraschid's"},  Felsen- 
grotten mit  Inschrifttafeln  in  Pehlewi ,  die  Sculpturen  von 
Schabur,  welche  den  Triumph  Schabur's  über  Valerian  ver- 
herrlichen, Königsgräber,  Heldengrotten,  Bergaltäre,  Feuer- 
tempel und  mehrere  andere  solcher  steinerner  üeberliefe- 
rangeti  der  ältesten  Geschichte  des  Reichs.  Ein  von  der 
Natur  durch  mehrere  Seltenheiten  hochbegiinstigtes  Land, 
in  welchem  die  Rosen  und  der  Wein  von  Schiras  glühen, 
das  reine  Wasser  von  Mossella  fliesst,  ein  Land,  das  der 
Lebensfluss  und  der  Kor  durchströmen,  deren  erster  seinen 
Namen  von  den  lebendigen  Bergwässern  ,  dieser  in  der  äl- 
testen Zeit  von  Kyros,  in  der  mittleren  vom  grössten  Fürsten 
der  Dynastie  Buje  den  Namen  hat');  das  Land,  wo  der 
königliche  Berg  der  Gräber  von  Persepolis  und  das  viel- 
farbige Salzgebirge  von  Darabdscherd  sich  erheben ,  wo  zu 
Schiras  die  Berggipfel  persischen  Dichterruhms  in  den  Grab- 
mälern  von  Hafis  und  Saadi.  Persische  Baukunst  und  Dicht- 
kunst haben  in  Fars  ihre  höchsten  Triumphe  gefeiert,  und 
ohne  von  der  ältesten  Geschichte  zu  sprechen,  so  ist  seit 
dem  Aufblähen  neupersischer  Poesie  und  Literatur  Fars  der 
Mittelpunkt  derselben  geblieben,  bis  erst  in  der  jüngsten 
Zeit  sich  dieselbe  in  dem  Brennpunkte  der  nach  Norden 
übertragenen  Hauptstädte  von  Teheran  und  Tebris  gesammelt. 
In  den  ersten  drei  Jahrhunderten  der  Hidschret  blühte  mor- 
genländische Dichtkunst  und  Literatur  zwar  zuerst  unter 
der  Herrschaft  der  Beni  Saman  und  Chorasan  auf  und  erhielt 


')  Tsckeltelsutun.  =)  Tschehel  Minar.  ')  Nakschi  Rüstern. 
*)  Meschdschedi  Maderi  Suleiman.  *)  Sindani  Dschemschid.  •*)  Na- 
karachana  Dschemschid.  '')  Bend  Emir,  d,  i.  der  Damm  des  Fürsten, 
nämlich  AdhadeddewleV s . 


232  Drittes     Buch. 

8ich  dort  noch  mit  der  Herrschaft  der  Seldschuken  in  be- 
deutendem Flore;  denn  Fars  wetteiferte  hierin  mit  Choraean 
schon  unter  der  Herrschaft  der  Beni  Buje,  und  trug  unter 
der  der  Salghuren  den  ersten  Preis  davon,  welcher  dem- 
selben erst  nach  dem  Untergange  dieser  Dynastie,  unter  der 
Herrschaft  der  Ilchane  vom  nördlichen  Persien,  wo  die  Re- 
sidenz Tebris  aufblühte  ,  streitig  gemacht,  in  der  Folge  aber 
unter  der  Herrschaft  der  Dynastien  der  Bern  Mosaffer  und 
Sseffi  wieder  errungen,  und  bis  in  die  neueste  Zeit  be- 
hauptet ward,  wo  der  Lebensfluss  geistiger  Kultur  wieder 
den  nördlichen  Hauptstädten  und  Residenzen  Teheran  und 
Tebris  in  seichteren  Fluthen  zufliesst;  also  schon  aus  dem 
Gesichtspunkte  der  Kulturgeschichte  allein  ist  die  Geschichte 
der  Salghuren ,  welche  ein  Jahrhundert  vor  der  Herrschaft 
der  Ilchane  Fars  beherrscht,  von  der  höchsten  Wichtigkeit, 
indem  dieselbe  auch  die  Kulturgeschichte  Fersiens  während 
der  Eroberung  und  der  dreizehnjährigen  Herrschaft  Hulagu's 
einschliesst. 

In    Hinsicht   auf    Kultur    hat    die    bisher   europäischen 

t  „    .  Orientalisten    und    Geschichtschreibern    nicht    einmal    dem 

Amare,  Be7n 

Buje  und  Namen  nach  bekannt  gewordene  Dynastie  der  Beni  Dsche- 
Beni  lendi,  welche  zur  Zeit  der  arabischen  Eroberung  von  den 
Seldschuken.  ufgj,„  jgg  persischen  Meerbusens  bis  nach  Kerman  und  Irak 
hin  herrschten,  einen  bedeutungsvollen  Beinamen,  indem 
dieselben  auch  Beni  Amare  oder  Imare ,  d.  i.  die  Söhne 
der  Kultur,  heissen.  Das  arabische  Wurzelwort  Amr  oder 
Omr  bezeichnet  Leben  und  Kultur,  indem  die  Kultur  belebt 
und  das  Leben  ohne  Kultur  kein  geistiges;  zunächst  ver- 
wandt mit  Omer ,  d.  i.  Homeros,  dem  Inbegriffe  ältester 
griechischer  geistiger,  vom  Orient  aus  belebter  Kultur*). 
Ammer  heisst  der  Hochgebildete,  Wohlgerüche  Liebende, 
sei  es  nun  die  physischen,  sei  es  die  geistigen  höherer 
Bildung ,  wovon  jene  ein  treflliches  Sinnbild.  Bisher  kennt 
die  europäische  Geschichte  des  Morgenlandes  nur  zwei  Dy- 

')  Dass  OfiiiQO!;  dasselbe  mit  Omer,  ist  in  den  Jahrbüchern  der 
Literatur  bei  Gelegenheit  der  Anzeige  des  Werkes  „Ulysse  Homere" 
darü;eLhan  worden. 


Drittes     Buch.  233 

nastien  der  Beni  Ammer,  die,  welche  zur  Zeit  der  Kreuz- 
fahrer in  Tripolis  herrschte,  wo  die  herrliche,  angeblich 
drei  Millionen  Bände  starke  Bibliothek  derselben  von  den 
Kreuzfahrern  verbrannt  ward'  );  die  zweite,  welche  im  ersten 
Viertel  des  vierzehnten  Jahrhunderts  zu  Tripolis  an  der  afri- 
kanischen Küste  gegründet,  unter  sieben  Fürsten  durch  sieben 
und  siebzig  Jahre  gedauert-},  welche  ebenfalls  Freunde 
der  Wissenschaften  und  Literatur;  die  dritte  endlich,  die 
hier  zum  erstenraale  in  Europa  an's  Licht  gezogen  wird, 
die  der  Beni  Amare  in  Fars,  welche,  auf  ihre  Bergfesten 
stolz,  nicht  nur  den  arabischen  Eroberungen ,  sondern  auch 
noch  der  in  Chorasan  aufsteigenden  Dynastie  der  Beni  Ssaffer 
trotzten,  indem  Omer  Ben  Leis ,  der  Fürst  der  letzten, 
zwei  Jahre  lang  den  Abdallah  Ben  Ahmed  el-Dschelendi, 
den  Fürsten  der  Beni  Amare,  bekriegte,  ohne  denselben 
besiegen  zu  können.  Nach  den  historischen  Ueberlieferungen 
der  moslimischen  Geschichtschreiber  sollen  die  Beni  Amare 
als  Herren  der  Küste  und  Seeräuber  schon  zur  Zeit  des 
Moses  geherrscht  und  das  SchiflF  weggenommen  haben,  dessen 
im  Koran  bei  der  Erzählung  der  Wanderung  des  Moses  mit 
Chisr  nach  dem  Zusammenfluss  der  beiden  Meere  (des  ara- 
bischen und  persischen  oder  persischen  und  indischen}  Er- 
wähnung geschieht^}.  Nach  der  Herrschaft  der  Beni  Omeije 
erhob  sich  unter  der  der  Beni  Abbas  in  Fars  die  der  Beni 
Buje,  deren  grösste  Fürsten  besonders  die  neue  Hauptstadt 
Schiras  durch  Bauten  verherrlichten.  Während  der  sieben 
und  achtzig  Jahre,  welche  vom  Ende  der  Herrschaft  der 
Beni  Buje  bis  zu  dem  Beginne  der  Herrschaft  der  Salghuren 
verflossen,  ward  Fars  durch  sieben  Statthalter  Atabege  der 
Seidschuken  verwaltet.  Der  erste,  Faalui  Scheba7i1cjare,  von 
dem  ein  Dichter  gesagt: 

Von  Gott,  dem  Allerhöchsten,  war  es  Huld  und  Glück, 
Dass  Ungethüm  des  Aufruhrs  hielt  Faslu  zurück. 


')  Ouatremere  inenioires  geographiques  sur  l'Egypte  II.  p.  506; 
dauu  Wilken's  Geschichte  der  Kreuzzüge  II.  78.  119.  201.  ^)  Ge- 
schichte des  osm.  Reichs  III,  s».  413,  nach  dem  "^ocMtet-ettewaricIi. 
')  Dschihaunuma  S.  278. 


234  Drittes     Buch. 

Der  zweite,  Rohneddin  Chmnar  Tekin,  ertrank;  der  dritte, 
Oschelaeddin  üschanli,  zerstörte  Schebankjare;  der  vierte, 
Rok?ieddm  Dschanli ,  welcher  eine  Medrese  zu  Schiras  ge- 
baut, ward  zu  Hamadan  erschlagen;  der  fünfte,  Mengubers^ 
baute  eine  Medrese,  an  welcher  er  begraben  liegt,  des- 
gleichen seine  Gemahlin  Sahide^  d.  i.  die  Einsiedlerin,  die 
nach  ihr  Issmeti^  d.  i.  die  keusche,  genannte  Medrese;  der 
sechste,  Besabe ,  ward,  wiewohl  ein  gerechter  und  billiger 
Herr,  gewaltsamer  Weise  getödtet,  und  der  siebente,  Melek- 
schah,  hielt,  der  letzte,  das  Ansehen  der  Seldschuken  aufrecht. 
i.  J.  ^43     Wider  diesen  stand  in  der  Hälfte  des  sechsten  Jahrhunderts 


104S  <ler  Hidschret,  des  eilften  der  christlichen  Zeitrechnung, 
Sonkar  Ben  Mewdud,  der  Salghure,  vormaliger  Sklave  Melek- 
sehahs,  in  Aufruhr  auf  und  masste  sich  als  Atabege  die 
Krone  an.  Er  war  Atabeg,  d.i.  Obersthofmeister,  des  un- 
mündigen Sohnes  Sultan  Moharamed's,  des  Seldschuken,  ge- 
wesen und  war  von  ihm  zum  Statthalter  von  Fars  bestellt 
worden,  das  er  drei  Jahre  lang  verwaltete,  dann  aber  durch 
seines  Bruders  Tekele  List  eingesperrt  ward  *}.  Er  hatte 
sich  am  Fusse  des  Berges  Giluje  angesiedelt,  von  wo  aus 
er  seine  neue  Herrschaft  begründete;  er  schlug  sich  zu 
wiederholtenmalen  mit  Jakub  Ben  Arslan,  dem  Herrn  von 
Chusistan,  und  starb,  nachdem  er  die  nengegründete  Herr- 
schaft durch  vierzehn  Jahre  befestigt.  Er  baute  zu  Schiras 
Kloster,  Moschee,  Karawanserai  und  eine  hohe  Minaret,  er 
selbst  ein  hoher  Leuchtthurm  der  Herrschaft,  welcher  durch 
Siege,  Einrichtungen  und  Bauten  als  Reichsgründer  seinen 
zehn  Nachfolgern  strahlend  vorgeleuchtet  ^). 
jy.  Der  Atabeg  Mosaffereddin  Sengt  Ben  Mohammed ,   der 

fünf  ersten  Bruder  des  Gründers,  vom  Sultan  der  Seldschuken,  Toghrul, 
Atabegen    als  Atabege  bestätigt,  behauptete,  wie  sein  Bruder,  die  Herr- 
Salghuren.  gc^aft  durch  vierzehn  Jahre,    wiewohl   sie  ihm  von  seinem 
Schwager  Saik,  welcher  zu  Baidha  ein  Karawanserai  gebaut, 
mit   den    Waffen   in   der   Hand  streitig  gemacht  ward.     Er 
baute  für  den  grossen  Scheich  Abdollah  Chafif  eine  kleine 


')  Dschibauuuma  S.  281.    ')  Tarichi  Güside ;  Wassaf. 


Drittes     Buch.  235 

Zelle,  welche  in  der  Folge  bis  za  drei  Domen  vergrössert, 
erst  von  Schah  Ismail,  dem  Gründer  der  Dynastie  Ssofi, 
zerstöret  ward.  Ihm  folgte  als  dritter  Atabeg  sein  Sohn 
Tekele,  ein  gerechter  Fürst,  dessen  weiser  Grosswesir, 
Emineddin  Karasun,  zu  Schiras  Moschee  und  Kloster  er- 
baute; im  fünften  Jahre  seiner  Regierung  verheerte  der 
Atabeg  von  Äserbeidschan ,  Pehliwan,  der  Sohn  des  lldigis, 
das  Land  ,  und  die  fünfzehn  folgenden  Jahre  derselben  waren 
kaum  hinreichend,  die  dem  Lande  durch  die  Verheerung 
geschlagenen  Wunden  durch  gerechte  Verwaltung  zu  heilen; 
kaum  vernarbt,  wurden  dieselben  während  der  siebenjährigen 
seines  Vetters  und  Nachfolgers  Toghrul  Ben  Sonkor  ' }  wieder 
durch  den  Bürgerkrieg,  in  welchem  ihm  sein  Vetter,  der 
fünfte  Atabeg,  Ebu  Schudschaa,  d.  i.  der  Vater  der  Tapferen, 
Saad  Ben  Sengi,  den  Thron  zu  entreissen  strebte,  aufge 
rissen  und  durch  Landplagen  so  schmerzlicher  gemacht. 
Auf  unerhörte  Trockenheit  folgte  schreckliche  Hungersnoth, 
in  welcher  die  Leichname  der  Hungers  Gestorbenen  von  den 
Ueberlebenden  verzehrt  wurden,  und  auf  die  schreck- 
lichste Hungersnoth  noch  schrecklichere  Pest.  Usbeg,  der 
Sohn  Pehliwan's,  der  Atabege  von  Äserbeidschan,  verheerte 
Schiras,  und  vierzehn  Jalire  hernach,  als  der  Sultan  Mo- 
hammed Tekesch,  der  Schah  Chuaresm's,  mit  dreimalhun- 
derttausend  Mann  auf  dem  Zuge  nach  Bagdad  sich  des  Ge- 
birgslandes  des  persischen  Irak  bemächtigt  hatte,  schlug 
sich  Saad  einigemal  mit  ihm  und  wurde  von  ihm  gefangen. 
Mohammed  Tekesch,  selbst  ein  tapferer  Fürst,  erhob  die 
Tapferkeit  des  gefangenen  Feindes  so  hoch,  dass  er  ihm 
die  Herrschaft  von  Fars  unter  der  Bedingniss  bestätigte, 
dass  dessen  Tochter  Melike  Chaiun  dem  Sohne  Chuaresm- 
schah's,  dem  grossen  und  unglücklichen  Dschelaleddin  Mink- 
hurni  (dem  letzten  der  Chuaresmschahe},  vermählt  werde ; 
dass  das  Drittel  der  Einkünfte  von  Fars  in  den  Schatz 
Chuaresmschah's  fliesse  und  das  feste  Schloss  Istachr  chua- 
resmische  Besatzung  einnähme.     Saad's  Sohn  Ebubekr  miss- 

*)  Dieser  fehlt  in  der  Liste  bei  Deguignes  I.  260. 


570 
1174 


,590 
1194 


äOO 
1S03 


23S  Dritte«     Buch. 

billigte  den  vom  Vater  geschlossenen  Ret(ungsvertrag,  stand 
wider  denselben  mit  den  Waffen  in  der  Hand  auf,  schlng 
ihn  einigemal  und  sperrte  ihn  im  Schlosse  von  Istachr, 
welches  sammt  den  von  Ischnekwan  von  Chuaresmschah  hätte 
besetzt  werden  sollen,  ein.  Ebubekr  hatte  die  Pflichten  des 
Sohnes  so  sehr  ausser  Augen  gesetzt,  dass  er  sogar  nach 
dem  Vater  mit  Keulen  schlug;  dieser  stürzte  den  Sohn  vom 
Pferde  und  sperrte  ihn  in  einem  der  drei  Schlösser  von 
Istachr  ein,  erfüllte  den  mit  Chuaresmschah  geschlossenen 
Vertrag  durch  Sendung  der  Tochter  und  benützte  den  Frieden 
zum  Baue  einer  Moschee,  eines  grossen  Karawanserai  auf 
dem  Wege  von  Tebris,  welches  Schekrallah,  d.i.  die  Stadt 
Gottes,  heisst,  und  zu  Erneuerung  der  Mauern  von  Schiras'}. 
Saad's  Wesir  war  Amideddin  Abu  Nassir  Esaad  Abri'si, 
welcher  einen  Band  arabischer  und  persischer  Geschichte 
hinterliess  und  mit  welchem  Saad,  selbst  Dichter,  sich  öfters 
in  poetischen  Wettstreit  einliess.  Die  Frucht  eines  der- 
selben ist  die  berühmte ,  seitdem  auf  allen  Zungen  gang  und 
gäbe  Antithese  Chuaresmschah's : 

In  Schlachten  wie  Eisen,  bei  Festen  wie  Wachs, 
Verderblich  dem  Feiade,  gesegnet  dem  Freunde^). 

Der  Wesir  Ainideddin  stand  in  gelehrtem  Briefwechsel  mit 
dem  Meister  aller  Humanitätswissenschaften,  Oiner  Er-Rasi, 
über  die  Schwierigkeiten  des  mystischen  Epos  Selaman  und 
Absal,  welches  unter  der  Hülle  einer  Männerliebe  die  Alle- 
gorie des  Aufschwungs  der  Seele  zu  göttlicher  Liebe.  Die 
Volkssage  hat  die  Namen  der  beiden  Helden  dieses  Ge- 
dichtes altpersischen  Ursprungs  einer  Steinwand  von  Sculp- 
turen  von  Schiras  ^)  aufgeheftet,  sowie  denen  von  Tak 
Bostan  bei  Kermanschahan  die  Sage  von  Chosrew  und  Schirin. 
Saad  hatte  den  Wesir  Amideddin  sammt  seinem  Sohne  Ta- 
dscheddin  zu  Ischnekwan,  einem  der  Schlösser  Istachr's^), 


')  Lari,    Nochbet,    Güside,    Wassaf,    Mirchaand.     ->  NVassaf. 
')  Kämpfer  amoenitates  exoticae.     ")  Mirchuand  und  Wassaf  führen 
bei  dieser  Gelegenheit  das  Uistichou  des  Schahuume  an : 
In  den  drei  Domen,  wo  zu  Istachar 
Die  Residenz  der  Schahe  von  Iran  war. 


sein  Bruder 

Saliilmr- 

schah. 


Drittes     Buch.  237 

eingesperrt;  er  kürzte  sich  die  lange  Weile  seiner  Gefangen- 
schaft durch  Gedichte,  die  er  an  die  Wand  schrieb,  und 
deren  eines  die  berühmte  Kassidet,  deren  Beginn: 

Wer  briugt  meiueu  Geist  zu  Betha's  freien  Tauben? 
Die  sich  der  reineu  Fluth  erfreuen  uud  grüner  Lauben. 

Ebubekr  ward  nach  siebenjähriger  Gefangenschaft  zu  EbnbekrBen 
Istachr  unmittelbar  vor  des  Vaters  Tod  an  dessen  Sterbebett  Snad  und 
berufen  ,  und  bestieg  nach  dessen  acht  und  zwanzigjähriger 
Regierung  den  Thron.  Sein  Vater,  Saad,  hatte  Kerman 
erobert  und  die  Schebankjare  gedemüthigt,  aber  sein  Sohn  f{23 
Ebubekr  war  ein  Vergrösserer,  sei  es  als  Eroberer,  Bauherr  l^stj 
oder  Gönner  von  Dichtern  und  Gelehrten.  Unter  ihm  wur- 
den die  Inseln  des  persischen  Meerbusens  Kisch  und  Bah- 
rein und  das  arabische  Gebiet  von  Kauf  und  Lahsa  erobert. 
Seine  dreissigjährige  Regierung  ist  der  Glanzpunkt  der 
Salghurenherrschaft.  Ueberall  erhoben  sich  in  Fars  Kara- 
wanseraien  unter  dem  Namen  Mosaffer  Ebubekr's,  als  zu 
Ebrkuh,  Bei'dka,  Kanin,  im  Passe  AdhadiwnA  an  der  Küste 
von  Dschoaber,  die  schönste  Juwele  aber  der  Strahlenkrone 
seines  Ruhms  ist  Saadi's  Zueignung  seines  Gülistan,  in  wel- 
ch£m  der  Dichter  gleich  Eingangs  mit  einer  von  dem  em- 
phatischen Selbstlobe  der  Lyriker  und  Epiker  sich  sehr 
vortheilhaft  auszeichnenden  Bescheidenheit  den  Beifall  seiner 
Zeitgenossen  einzig  dem  des  Atabegen  zuschreibt  und  auf 
ihn  und  sich  den  bekannten  schönen  Apolog  des  durch  die 
Nachbarschaft  der  Rose  durchdufteten  Thones  anredet : 

Bios  weil  dein  Blick  auf  mich  Un\vürd"gen  gefallen  ist: 
Mein  AVerk  der  Sonne  gleich  berühmt  bei  Allen  ist: 
Wenn  Alles  auch  an  mir  nur  Fehl'  und  Mangel  ist, 
Fehlen,  das  der  üSultan  billigt,  Tugendangel  ist. 

Die  Zeit  hat  die  Anwendung  umgekehrt,  und  Ebubekr  ist 
durch  Saadi,  nicht  aber  dieser  durch  jenen  berühmt.  Nach 
dem  Verderben  Chuaresraschah's  huldigte  Ebubekr  Ben  Saad 
staatsklug  den  Herrschern  der  Mongolen  und  ward  als  Atabeg 
in  der  Herrschaft  von  Fars  bestätigt.  Er  führte  jährlich 
nur  dreissigtauscnd  Dukaten  an  den  Schatz  ab,  eine  Summe, 
welche    damals   der    kleinste  Distrikt  von  Fars  abwarf;   mit 


238  •      Drittes     Buch. 

(lieser  Summe  sandte  er  alljährlich  den  Sohn  Saad  mit  einem 
seiner  Neifen  an  den  Chan;  die  mongolischen  Vögte  be- 
handelte er  freigebig,  stellte  aber  zugleich  Späher  auf,  um 
alle  Verbindung  des  Volkes  mit  denselben  zu  hindern,  damit 
jene  nicht  die  Wahrheit  seiner  glänzenden  Umstände  er- 
führen ;  er  genoss  des  Lebens  im  Stillen  im  Garten  Firusi, 
von  wo  er  jeden  Morgen  nach  dem  Lager  sich  begab  und 
nach  aufgehobener  Mittagstafel  wieder  in  den  Garten  zurück- 
kehrte. Ein  grosser  Beschützer  der  Dichter  und  Gelehrten, 
besonders  aber  der  Frommen  und  Derwische,  die  er  mehr 
als  die  Gesetzgelehrten  achtete,  weil  er,  wie  es  scheint, 
dieselben  minder  fürchtete.  Er  hatte  von  Hulagu  bei  dessen 
Einmarsch  in  Persien  das  Diplom  der  Herrschaft  mit  dem 
Titel  Kotloghschah  erhalten ;  er  hatte  denselben  seinem 
Sohne  Saad  und  seinem  Bruder  Salghurschah  entgegengesandt. 
Der  Bruder,  beigenannt  Karandank  Chan,  war  ein  humaner, 
verständiger  Prinz,  von  schöner  Gestalt,  aber  ganz  sinnlichen 
Genüssen  ergeben,  denen  er  in  den  von  ihm  angelegten 
paradiesischen  Gärten,  welche  Ssubuhabad,  d.  i.  Morgen- 
trunksbau,  hiessen,  ungestört  nachhing;  seiner  unablässigen 
Trinkgelagen  ungeachtet,  schrieb  er  täglich  als  Kalligraphe 
einige  Verse  des  Korans  und  sandte  die  Abschrift  an  die 
Kaaba,  Verfasser  anmuthiger  vicrzeiliger  anacreontischer 
Strophen.  Jedem  Gedanken  auf  Herrschaft  fern,  lebte  er 
einzig  seinem  Vergnügen,  und  als  Ebubekr,  durch  eine 
lügenhafte  Denuntiation  aufgelärmt,  die  ganze  Gesellschaft 
unversehens  überfiel,  fand  er  Nichts  als  ein  Gelage  von 
Trinkern ,  wie  Wassaf  sagt : 

„Morgentrunk  und  dann  des  Weines  Gluglu, 
Böse,  Rosenstraucli  und  Nachtigall  dazu, 
Traute  Säuger,  die  gebunden  und  betrunken, 
Neben  Flaschen  Schenke  ,  dem  das  Glas  entsunken. 

Zerbrochen  die  Krüge ,  die  grossen ,  der  Wein  ausgegossen, 
die  Schöne  zerwühlt,  die  Halsschleife  zerknüllt,  die  Halb- 
trommel eine  Zeit  lang  von  den  Ohrfeigen  nicht  ertönend, 
und  aus  dem  Mund  der  Flöte  einen  Augenblick  aufgähnend, 
die  Haare  verwirrt  herumtrcllen,  wie  die  Schönen,  welche 


Drittes     Bucii.  239 

(las  Gesicht  gegen  die  Wand  wenden,  wenn  sie  schmellen, 
von  den  Aesten  sang  ein  Ghasei  die  Nachtigall  und  ein 
Wunder  ist's,  dass  die  Schlafenden  nicht  erwachten  von 
dessen  Schall  und  Widerhall."  Bei  solcher  Lebensart  ver- 
tiefte er  sich  in  Schulden,  die  dann  der  Bruder  grossmüthig 
zahlte.     Eines  Tages  improvisirte  Salghurschah : 

Wenn  nur  das  Glück  wie  die  Beisitzer  wäre, 

Wenn  mir  der  Kopf  voll  Groll  und  Geizes  wäre ; 

So  würd'  ich  dicli,  wie  du  gewohnt,  gen  mich  zu  handeln, 

An  deiner  Statt  gerade  wie  du  mich  behandeln. 

Ebubekr  sandte  ihm  zehn  Beutel  Goldes,  zehn  Kisten  Kleider, 
zehn  edle  Pferde  nebst  der  Freudenkunde,  dass  alle  seine 
Schulden  getilgt  seien '). 

Die  glänzendste  der  Eroberungen  Ebubekr's  ist  die  der  Eroberunff 

Inseln  Kais  oder  Kisch  (auf  persisch  Kosch)  und  Bahrein,  *'o"  Kisch; 

wo  die  reichsten  Perlenfischereien  im  persischen  Meerbusen.    ,  .^""  ^ 

Literatur. 
Die   erste   dieser    Inseln   hat   ihren    Namen   von  Kais,    dem 

Sohne  Kaissar's,  eines  Schiffsherrn  von  Siraf,  der  Hafen- 
und  Stapelstadt  der  mittägigen  persischen  Küste.  Der  Ur- 
sprung der  Macht  und  der  Grösse  der  Beni  Kaissar  war 
eine  Katze,  welche  die  arme  Mutter  der  drei  Söhne  Kaissar's 
einem  Schiffer  als  ihr  einziges  Habe  auf  einer  Fahrt  nach 
Indien  mitgegeben,  die  sich  aber,  weil  sie  dort,  wo  gelandet 
ward,  es  keine  Katzen  und  zu  viel  Mäuse  gab,  die  letzten 
zusammenfrass,  mit  einem  Schatze  von  Juwelen  und  Gold 
reutirte.  Die  Sohne  der  Wittwe  wurden  mächtige  Schiffs- 
herren  und  dehnten  ihre  Unternehmungen  bis  an  die  indische 
Küste  aus;  sie  bauten  auf  Kais  einen  grossen  Palast,  den 
sie  Aferide  nannten  und  welcher  mit  der  Palasthalle  Adhad- 
eddewlet's  zu  Nahend  (^dem  östlich  von  Siraf  gelegenen 
Borfe}  und  mit  den  Säulenhallen  des  Elephantenhauses 
Adhadeddewlet's  zu  Siraf  um  den  Vorzug  buhlte-),  und 
der  Chalife  Nassirolidinillah  verlieh  ihnen  das  Diplom  der 
Herrschaft  von  Kais  unter  dem  Titel;  Sultan  /&;?o/  Melik 
Dschemschiü.    So  herrschten  die  Beni  Kaissar,  deren  Dasein 


')  Wassaf.     -)  Derselbe. 


240  Drittes     K  u  c  Ii 

bisher  aber,  sowie  das  der  Beni  Amare  in  Fars,  europäi- 
schen Geschichtschreibern  entgangen,  auf  Kais,  als  Seifeddin 
Abu  Nadhr  Ali  Ben  Keikobad,  der  Herr  der  Insel  Hormus, 
dem  Atabeg  Ebubekr  seine  Hilfe  zur  Eroberung  von  Kais 
anbot;  die  Befehlshaber  von  Germsir,  d.  i.  dem  warmen 
Landstriche  der  südlichen  persischen  Küste,  wurden  zur 
Eroberung  von  Kais  befehh'gt,  und  Melik  Dschemschid  wurde 
Chi  ^  '(r"fi    ""*"  ^"''ff^  Monate  vor  dem  Tode  Tschengischan's  getödtet. 

IT.  Mai  12ä9  ^^^  Herr  von  Hormus  hatte  die  Insel  aber  für  sich  und 
nicht  für  den  Ätabegen  erobert;  wie  sich  diesem  Abu  Nadhr 
zum  Sturze  Melik  Sultans  angetragen,  so  boten  Indienfahrer 
von  Kisch,  welche  mit  ihren  reichen,  nach  Malatia  be- 
stimmten Ladungen  zu  Chorsckif  gelandet  hatten  ,  ihre  Hilfe 
zum  Verderben  Abu  Nadhr's  an.  Der  Atabeg  sandte  ein 
Heer  von  Kurden,  Luren  und  Schulen,  und  Seifeddin,  d.i. 

4Moharrem  ^^^  Schwert  der  Religion,  Abu  Nadhr  fiel  unter  dem  Schwerte 
^^^         der  Feinde.     Der    Sultan    von    Kenbajet   in    Indien  huldigte 

i^.Aor.i^aO  jgjjj  Ätabegen  von  Fars,  der  ihn  mit  einem  Diplome  be- 
ehrte, dessen  Beginn:  Im  Namen  Gottes  der  Erbe  des  Reichs 
Salomon's,  des  Gerechten  der  Welt,  Sultan  zu  Land  und 
See,  König  der  Welt  und  der  Religion,  Ebubekr  Ben  Saad, 
der  Helfer  der  Diener  Gottes  ,  der  Rechtgläubigen.  Hierauf 
wurde  die  mit  ihren  Perlenfischereien  in  die  Steuerregister 

3.  Silliidsche  jgg  Chalifats   eingetragene   Insel  Owal ,  insgemein  Bahrein 

r-j—^^^.  genannt,  und  sieben  Jahre  darnach  die  Insel  Jiiatif ,  auf 
welcher  das  Schloss  Tharut ,  erobert  und  mit  jährlichen 
zwölftausend  Dukaten  vom  Ertrage  der  Perlenernte  besteuert. 

5.  Dscliem.  Ebubekr,  der  grösste  der  Ätabegen.  starb  in  seinem  sieben 
und    siebzigsten    Jahre,   von    seinem    Sohne   Saad  II.,    dem 


Siebenten  Atabege ,  nur  zwölf  Tage  überlebt ,  worauf  der 
letzte  minderjährige  Sohn,  Mohammed  Ben  Saad,  unter 
Vormundschaft  Turkjan  Chatun's,  der  Schwester  des  Äta- 
begen von  Jesd  ,  Alaeddetvlet'sj  den  Thron  bestieg.  Ebu- 
bekr, des  grössten  der  persischen  Atabege  Namen,  ist  niclit 
nur  durch  das  Gülistan  Saadi's,  sondern  auch  durch  die 
Werke  anderer  grosser  geistiger  Dichter  verherrlicht,  und 
seine  Regierung  umfasst  die  der  Hulagu's  gleichzeitige  Blüthe 


Drittes    Buch.  241 

persischer  Kultur.  Nach  dem  Beispiele  der  Fürsten  der 
Dynastien  Saman,  der  Seldschuken  und  Chuaresmschahe 
hatte  er  einen  Dichterkönig,  tiamkjar  Farsi,  beigenannt 
Medschdeddin  Semeki ,  der  seinen  Stammbaum  bis  zu  Nu- 
schirwan  hinaufleitete ;  Shönredner,  Schönschreiber,  in  trautem 
Umgange  mit  den  grossen  Dichtern  Imami  aus  Herat,  ^bd- 
ulkadr  von  Nain,  Said  von  Herat,  Neßeddin  Lokmani^) 
und  Esireddin  Omani ,  dem  Schüler  Nassireddin's  von  Tus. 
Ein  Schüler  Nassireddin's  von  Tus  war  auch  der  Chodscha 
Hemameddin,  der  Atticus  dieses  Zeitalters,  ein  reicher  Mann 
und  aufgeweckter  Kopf,  dessen  Haus  Dichtern  und  Gelehrten 
offen  stand  ^).  So  günstig,  als  Ebubekr  den  Dichtern,  so 
wenig  liebte  er  die  Gelehrten,  besonders  die,  so  sich  Philo- 
sophen nannten;  er  verbannte  mehrere  derselben  aus  Schiras, 
darunter  den  grossen  Imam  Ssadreddin  Mahmud El-Uschnusi, 
den  berühmtesten  Prediger  seiner  Zeit '3;  er  fürchtete,  sagt 
Wassaf,  dass  die  Gelehrten  mittels  Einsicht  und  Geldes  die 
Regierungsgeheimnisse  erfahren ,  die  Regierung  in  ihrem 
freien  Gange  beeinträchtigen  könnten.  Die  grösste  und 
schönste  der  Stiftungen  Ebubekr's  ist  das  grosse  Spital  von 
Schiras  mit  dem  dazu  gehörigen  Garten.  Nach  Ebubekr's 
Lobpreis  steht  im  Gülistan  Saadi's  dasSaad's,  seines  Sohnes 
und  des  grossen  Emirs  Ben  Ebi  Nassr. 

Turkjan,  die  Regentin  von  Fars ,  sandte  huldigende  Ge-  TurJfJan's 
schenke  an  Hulagu  und  erhielt  von  demselben  das  Diplom  tragisches 
der  Herrschaft  auf  den  Namen  ilires  Sohnes,  welcher  schon  ^'^<i^>  Fars, 

nach   zwei   Jahren    und   sieben   Monaten    sein  Leben  durch  ,.    ,    „  .  , 

lisch.  Reiche 

einen  Sturz  vom  Dache  endete.  Der  Leiter  ihrer  Geschäfte  einverleibt. 
war  der  von  Saadi  im  Gülistan  gepriesene  Grosswesir  Nisam- 
eddin  Ebubekr,  der  als  Gesandter  an  Hulagu  ging,  ihr  be- 
kannter Günstling  aber  der  schöne  Sklave  Scheraseddin  Miak, 
ein  Älamluke  des  Atabegen  Saad ;  nach  Mohammed's  Tod 
wurde  sein  Vetter  Mohammed,  der  Sohn  Salghur's,  zum 
Herrscher  ausgerufen,  welchem  Turkjan  zwar  ihre  Tochter 


')  Geschichte  der  schönen  Redekünste  S.  202.  203.   l60  und  l6l 
nach  Dewletschah.     ^  S.  2l4.     ')  Wassaf. 

Hammer,  Geschiclite  'der  llchane.    I.  16 


242  Drittes     Buch. 

«r 
Sefgham  vermähUe,   aber  nichtsdestoweniger  wider  ilin  bei 
llulagu  Känke  schmiedete.     Mohammed ,  derSohn   Salchur's 
(der  Bruder  Ebubekr's),    war    ein  tapferer  Fürst,    der  im 
Geleite  des  Ilchan's  vor  Bagdad  durch  Proben  seiner  Tapfer- 
keit sich  bei  Hulagu  in  Kredit  gesetzt ,  aber  als  er  zur  Re- 
gierung  gelangt,   sich    der    Weichlichkeit   ergab.     Sein   im 
Sclilosse  von  Istachr  eingesperrter  Bruder  bat  ihn  vergebens 
in    Versen    um    Befreiung.      Da    verschwor    sich    die    Frau 
Turkjan    wider   iliren   Schwiegersohn   mit    den    Emiren  der 
Schulen    und   Turkmanen,    iiess    ihn   im    Hareme    ergreifen 
und  sandte  ihn  nach  viermonatlichcr  Regierung,  als  der  Re- 
gierung unfähig,    an  Hulagu.     Die   Emire   der  Schulen  be- 
freiten den  gefangenen  Bruder  SeldscTiuk  und  setzten  den- 
selben   auf   den    Thron.      Turkjan    Chatun    hatte   ihm    ihre 
Hand  gereicht   und    so  sehr  darauf  gerechnet,    seinen  Arm* 
zu  leiten,    als    er  in  ihre  Schönheit  verliebt  war;    aber  bei 
einem    Trinkgelage,    wo    die    Sänger    und   Sängerinnen   die 
Charaktere  der  sieben  berühmtesten  Liebespaare  arabischer 
und    persischer    Romane    vorstellten  ,   nämlich:    Koseir  und 
Aasa,   Amrol  Kais  und  Oneise ,    Irwet  und  Aafra,   Emher 
und    TFefttj    Leila    und    Medschrmn ,  •Weise    und    Gihchad, 
Schiriti   und    Ferhad,    scheint    den    schon    Trunkenen    die 
Furcht,    dass   er  in  Liebesbanden  gegängelt  werde,    aufge- 
stachelt zu  haben ;  auf  den  von  ihm  einem  gegenüberstehen- 
den Neger  gegebenen  Wink   hieb  dieser  der  Frau  Turkjan 
den  riesigen  Kopf  ab,    und    als  ihm  derselbe  auf  goldenem 
Becken  dargebracht  ward,    riss    er   die  grossen  Perlen  der 
Ohrgehänge    weg   und   warf  sie    den    Sängern  vor,    wie  es 
scheint,  als  Dank,  dass  ihn -ihr  Gesang  zu  solcher  That  be- 
geisterte.     Die   beiden    mongolischen    Vögte    Ogldobeg  und 
Koilogh  Bitekdschi,  die  Mordthat  missbilligend,  suchten  zu 
Schiff  zu  entkommen,  aber  Seldschuk,  ihre  Entfernung  ge- 
wahr,   eilte  ihnen  im  Hemde,    nur  mit  goldener  Keule  be- 
waffnet,  nach,    erschlug    den    einen   und  Iiess  den  anderen 
ermorden.     Miak  war   an    den   Hof  Hulagu's  gegangen,   wo 
Mohammed  noch  gefangen  gehirtten ,  erst  in  Freiheit  gesetzt 
und  nach  Fars  bestimmt,  bald  aber  darauf  lilngerichtet  ward. 


Drittes     Buch.  243 

Hulagii  sandte  seine  Generale  Altadschu  and  Timur  nach 
Fars,  den  Atabegen  zu  züchtigen;  da  dieser  trotz  der  an 
ihn  ergangenen  Aufforderung  zur  Reue,  auf  welche  Ver- 
zeihung folgen  sollte,  den  Boten  misshandelte,  rückte  Al- 
tadschu, verstärkt  von  den  Truppen  des  Sultans  von  Kermau 
und  des  Atabegen  von  Jesd  (des  Bruders  Turkjan's),  in 
Fars  ein.  Seldschuk  flüchtete  nach  Chorschif.  Zu  Kjarsun 
kam  es  zur  Schlacht;  geschlagen,  suchte  Seldschuk  ver- 
gebens am  Grabmale  des  Schwagers  Morschid  Rettung  und 
ward  am  Fusse  des  weissen  Schlosses  getödtet,  Kanzel- 
gebet und  Münze  wurden  nun  auf  den  Namen  des  einzigen 
übrigen  Sprösslings  der  Atabegen,  der  Tochter  Turkjan's, 
Abisch^^  (aus  Saad  Ebubekr) ,  verrichtet.  Nach  der  Nie- 
derlage Seldschuk's  hatte  der  General  Timur  auf  ein  allge- 
meines Gemetzel  der  Ejinwohner  von  Schiras  angetragen, 
aber  Altadschu  gab  hierzu  seine  Einwilligung  nicht,  und 
wurde  in  der  Folge ,  als  der  Seid  Scherefeddin  neuen  Auf- 
ruhr zu  Schiras  anzettelte,  von  Hnlagu  vor  Gericht  gestellt 
und,  weil  er  zu  milde  gewesen,  nach  der  Jasa  zur  Prügel- 
strafe verurtheilt.  Schon  im  ersten  Jahre  nach  dem  Tode  ßßi 
Seldschuk's  wurde  der  neue  Atabeg,  die  Frau  AWsch,  mit  läö'^ 
Mengu  Timur,  dem  eilften  Sohne  Hulagu's,  vermählt;  statt 
des  Heiraths^tes,  das  sie  dem  Prinzen  mitbringen  sollte, 
wurde  ein  Sechstel  der  Besitzungen  von  Schiras  mit  den 
Finkünftcn  von  jährlichen  achttausend  Dukaten  ausgeschieden, 
und  Abisch  blieb  bei  ihrem  Gemahle  im  Lager,  wo  sie  noch 
zwanzig  Jahre  als  Atabeg  von  Fars  geehrt,  ihr  Land  aber 
von  mongolischen  Vögten  (Baskak)  und  Intendenten  (Melik} 
verwaltet  ward,  von  denen  in  der  Folge  dieser  Geschichte 
noch    mehrmal    die    Rede   sein    wird.      Dieser   Erwerb    des 


')  Abisch,  nicht  Aische,  wie  bei  Deguigiies,  «auch  eicht  Uns, 
wie  d'Ohssou,  durch  einen  Schreibfehler  des  3Ianuscripts  verleitet, 
schreibt,  ist  der  Namen  dieser  Prinzessin ,  welcher  die  niorgien- 
ländische  Sitte  eines  freundschaftlichen  Plkniks  bezeichnet.  S.  Gol. 
qui  atriuiii  alienae  domus  instruit  cibo  ac  potu  suo,  quod  facere  apud 
Arabes  inter  se  aniici  solent,  quasi  symboia  conferentes ;  eine  Art 
ovaixiu. 

16* 


244  Drittes    Buch. 

Kerns  ganz  Persiens,  der  Landschaft  Fars,  welche,  wie 
Wassaf  sagt,  das  Kleid  der  sieben  Erdgürtel,  das  achte  der 
Paradiese,  durch  Heirath,  krönte  die  Politik  Hulagu's  zu 
Ende  seiner  Laufbahn,  die  er  als  Brecher  der  Burgen  der 
Assassinen  und  Eroberer  von  Bagdad  begonnen.  Der  Krone 
des  llchan's  und  Padischah's  von  Iran  durfte  die  schönste 
Juwele  derselben  nicht  fehlen,  welche  die  Landschaft  Fars. 


X  e  V  X  t  0    P  n  d). 


Thronbesteigung  Abaka's  und  Vertbeilung  der  Statt- 
halterschaften ;  die  Familie  desselben  und  Schems- 
eddin's;  '  iSehlacht  j^e^en  IVokai;  armenische  und 
ag^yptische  Verhältnisse;  KricjS^  i;videir  jBorrak  und 
dessen  Ende ;  zvreite  Thronbesteigung  Abaka's  in 
Fiuristan;  der  Tod  grosser  Männer;  ISchemseddin 
Kert  und  Ilschn\^eini;  die  niguderischen  Banden 
in  Fars ;  ägyptische  Verhältnisse ;  .Streifzug  arider 
Armenien;  Verheerung  Ciliciens;  Schlacht  von  Klbi- 
stan;  Gesandtschaft  an  Beibars;  Schemseddin  ver- 
ungnadet  und  'H'ieder  zu  Gnaden  aufgenommen; 
Schicksale  Alaeddin*s  DschuT\  eini ;  Schlacht  von 
HimsS;  Abaka's  Tod;  Terhältniss  gegen  die 
Christen. 

JLPas  Geheimniss  ist  das  Element,  in  welchem  sich  die  Politik     ^t^;.  ^g 
am  sichersten  bewegt;    am   wenigsten    bedarf  derselben  die       Thron- 
gerade,   offene    des   VÖlkerwohls,    welcher    das  Gesetz  den   heste'ujung. 
sicheren   Pfad   vorzeichnet ;    am    meisten    die    dunkel  quer- 
gängige des  Despotismus,  indem  sie  den,  durch  Nebenbuhler 
gefährdeten  Besitz  der  Macht  ergreift;  desshalb  war  es  von 
jeher   in  östlichen  Reichen   und  auch  in  westlichen ,    schon 
vom  Hinscheiden   des  ersten  römischen  Kaisers  angefangen, 
Staatsbrauch,  den  Tod  des  Herrschers  so  viel  und  so  lange 
als   möglich   zu   verheimlichen,    bis    dass    nach    getroffenen 
zeitgemässen  Anstalten  die  Kunde  desselben  immer  zugleich 
mit    der   von    der   Besitzergreifung    des    Nachfolgers   ver- 


246  V  i  e  r  t  e  s     ß  u  c  h. 

laute');  daher  wurden,  sobald  als  Hiiiagu  gestorben,  nach 
mongolischem  Staatsgebrauch  alle  Wege  gesperrt  und 
Eefehl  erlassen,  dass  Kiemand  sich  von  seiner  Stätte  be- 
wege. Ein  Eilbote  ward  an  Abaha ,  den  durch  des  Vaters 
Anordnung  zum  Throne  bestimmten  Nachfolger,  Statthalter 
von  Chorasan,  abgefertigt,  und  zugleich  Argkun,  welcher 
bei  Abaka  die  Stelle  des  Wesirs  bekleidete,  einberufen. 
Abaka,  der  sich  damals  im  Winterquartiere  von  Arran,  und 
seiu  Bruder  Jaschmut,  der  sich  ari  der  Gränze  von  Derbend 
befand ,  trafen  am  achten  Tage  nach  des  Vaters  Tod  ein ; 
der  letzte,  der  unberufen  gekommen,  kehrte,  als  er  sah, 
dass   die    Fluth    der   Stimmen    der    Emire  wider  ihn  rinne, 

19.  Dschem.  jj^  z^ei  Taijen  wieder  zurück ;  Abaka  aber  stieg  im  Lager 
entvel  (ibS  °  o  o 

9~y(irz  1365  ^^"  TscTiaghaniu  (^am  Goldfluss  in  der  Nähe  Meragha's) 
ab,  wo  ihm  die  Emire  bewillkommend  entgegengingen  und 
llkaij  der  Emir  des  Lagers ,  dem  Prinzen  als  treuer  Diener 
ztigethan,  demselben,  der  erste,  Brod  und  Wein  als  Bürgen 
der  Sicherheit  reichte.  Nachdem  die  Prinzen  und  Prin- 
zessinnen ihr  Beileid  bezeugt ,  versammelten  sich  die  grossen 
.  Emire  und  Nujane,  deren  sich  eben  Viele  gegenwärtig  be- 
fanden-). Ä/Wf/sc^ßr  Nuj an,  welchem  Hulagu  seinen  letzten 
Willen  und  die  Schriften  anvertraut  hatte ,  und  Arghan  be- 
zeugten mehr  als  die  Anderen,  dass  nach  Hulagu's  letzt- 
williger  Anordnung  Abaka  zum  Nachfolger  auf  dem  Throne 
bestimmt  worden ;  sogleich  knieten  die  Brüder  nieder  und 
huldigten  dem  Abaka  als  Herrn.  Abaka  verwies  sie  auf  den 
Befehl  Kubiiai's,  des  Bruder  Kaan's  Moilchan's.  Sie  aber 
sagten:  Du  kennst  besser  als  wir  die  Gebote  und  Verbote 
der  Jasa,  der  alten  und  neuen,  wie  sollte  er  einen  anderen 
ernennen;  nud  so  bestieg  er  nach  dreimonatlicher  Berathung 

3.  Ramasan  ^^j   herkömmlicher    Weigerung    Freitags    den   neunzehnten 
663 

TTTl — ■  ,.i,-'-  Juni  den  Thron  im  ein  und  dreissigsteu  Jahre  seines  Alters. 

jy.Junil^bo  ^  ° 

•)  Donec  provisis  qiiae  tempus  nionebat  simul  excessisse 
Au^ustum  et  reium  potiri  Nerouem  fama  eadeni  tulit. 
Tacit.  Anual.   I.  5.     ^)  Reschidedclin    neunt  sieben :    1.  Ilkui  Nujan ; 
2.  Sundschak  N.;    3.  Suntai   N.;    4.  Abtai  N.;    5.  Semnyhaf^.; 
(i.  Scliiktur  N.j  f.  Arghun  Aka. 


Viertes     Buch.  247 

« 

Die  Prinzen  warfen  die  Mützen  in  die  Höhe,  die  Gürtel 
um  den  Hals,   um  dadurch  zu  sagen,   dass  ihr  Kopf  uube-  , 

deckt,  das  ist  nicht  mehr  frei,  dass  ihr  Gürtel  bereit,  als 
Strang  auf  Befehl  des  Herrn  den  Hals  zuzuschnüren,  beugten 
siebenmal  das  Knie  vor  der  Sonne  und  dann  vor  dem  Chan. 
„Die  Schenken  schenkten  ein  den  flüssigen  Edelstein,  der 
leichter  als  des  Feuers  Schein,  und  wie  des  Paradieses 
Quelle  rein;  sie  massen  den  Wein  in  kleinen  und  grossen 
Massen  aus  goldenen  und  silbernen  Tassen  ein."-  Mehrere 
Tage  djfuerte  das  Fest.  In  dem  vom  Astronomen  IVassir- 
eddin  von  Tus  als  glücklich  bezeichneten  Monate  hatte  die 
Thronbesteigung  am  Tschaghan  Nur,  d.  i.  am  weissen  See, 
im  Distrikte  Ferahan,  statt ;  Ferahan  ist  eine  Stadt  mittler 
Grösse  am  Ufer  eines  Sees,  wo  nach  persischer  geschicht- 
licher üeberlieferung  Tahmuras,  der  Diwbändiger,  seine 
Residenz  erhaute,  die  längst  in  Schutt  zerfallen*);  es  liegt 
in  derselben  Höhe  und  Breite,  wie  das  vier  Tagreisen  von 
Hamadan,  sechzig  Farasangen  von  Issfahan  entfernte  Do/fabad, 
der  Bau  des  zur  Zeit  Harun  Raschid's  durch  seinen  Witz, 
Frohsinn ,  Reichthum  und  Kredit  so  berühmten  Emirs  Ebu 
Dolf  Kasim  Ben  Isa  Ben  Idris,  südlich  vom  Gebirge  Ras-  ,ji'M^ 


mend.  an  dessen  Fusse  die  grosse  Fontaine  Chosrew'sPerwis.  -^^T 

An  dieser ;  durch  historische  Erinnerungen  aus  der  ältesten 
Zeit  des  jfersischen  Reichs  und  der  des  Chalifates  so 
reichhaltigen  Gegend  am  weissen  See  trat  Abaka  die  Herr- 
schaft an. 

Abaka  wollte  bis  zur  Ankunft  der  Bestätigung  Kubilai's    Verleihunii 
nicht  auf  dem   Throne,    sondern    nur   auf  einem  \e\^\\\o^e\\  du- Befehls- 
Stuhle  sitzen ;    aber    er   traf  nichtsdestoweniger   alle   Mass-      ^'(iher- 
regeln  und  Anordnungen   der  Herrschaft  als  Chan,    Ilchan, 
Schah   und  Padischah,    d.  i.  als  Herr,   Landesfürst,   König 
und  Monarch.     Nachdem  er  die  Prinzen  und  Prinzessinnen, 
die  Nujane   und   Emire  der  Tomane  (der  Zelintausenden^, 
der  Hesare  und  Ssade  (Tausender  und  Hunderter)  mit  Ge- 
schenken überhäuft,  flogeu  in  alle  Gegenden  Boten  mit  der 


^)  Nusliet  und  uach  demselben  Dschihaununia  8.  L*99. 

« 


248  V  i  e  r  t  e  s     B  II  c  li. 

Nachricht  seines  Regierungsantrittes  und  mit  Befehlen  für 
Bestätigung  und  Aufrechthaltung  der  Jasa  Tschengischan's 
und  Hulagu's  im  strengsten  Sinne;  dann  vertlieilte  er  die 
Befehlshaberschafien  der  Heere  und  die  Statthalterschaften 
des  Reichs.  Dem  Bruder  Jaschmut  wurde  mit  wohlgerü- 
stetera  Heere  die  Huth  der  nördlichen  Gränze  gegen  Der- 
bend*),  Schirwan,  Moghan  bis  an  die  Gränze  des  Altai; 
dem  Bruder  Tuktin  die  Huth  der  östlichen  Gränze  von 
Masenderan  und  Chorasan  bis  an  den  Oxus  anvertraut.  Der 
Bileldscki  (Staatssekretär}  Tughu,  der  Sohn  llkai  Nujan's, 
und  Tudan ,  der  Bruder  Sundschak  Nujan's  (^der  Ahnherr 
des  zu  Ende  dieser  Geschichte  als  ein  grosser  Charakter 
auftretenden  Emirs  Tschobari),  wurden  nach  Rum  gesendet, 
wo  sie  später  von  den  Emiren  Semaghar  und  Kehurkai  ab- 
gelÖset  wurden.  Dutai  Nujan  wurde  nach  Diarbekr  und 
Dijar  Rebiaa  an  die  syrische  Gränze  befehligt,  die  mili- 
tärische Aufsicht  Georgiens  dem  Sckiramun ,  dem  Sohne 
Dschurmaghun's,  des  vormaligen  Befehlshabers  in  Persien, 
die  von  Bagdad  und  Fars  dem  Sundschak  Nujan  übertragen; 
die  Verwaltung  der  Krongüter  erhielt  Baltadschu  Aga  und 
die  der  Pachten^)  Arghunaga.  Zur  obersten  Würde  des 
Wesirs  als  Leiter  und  Herrn  des  Diwans  zu  Tebris  wurde 
Schejnseddin  Mohammed  von  Dschuwein  und  zu  seinem  Stell- 
vertreter als  Leiter  und  Inhaber  des  Diwans' sein  Bruder 
Alaeddin  Atamülk ,  der  Geschichtschreiber,  ernannt.  Zu 
Issfahan  stand  der  Sohn  des  Wesirs  Scheraseddin,  Chodscha 
Behaeddfn,  an  der  Spitze  der  Geschäfte.  Die  Verwaltung 
von  Chorasan  wurde  dem  Chodscha  Iseddin  Tahir  und  nach 
ihm  seinem  Sohne  Chodscha  Wedschiheddin  zugewandT; 
Fars  wurde  im  Namen  der  Atabegin  Abisch  verwaltet  und 
die  Aufsicht  der  Pachten  hatte  dort  Tasiku  auf  sich.  Die 
Herrschaft  von  Kerman  wurde  der  Prinzessin  Turkjan  Chatun, 
die  von  Nimrus   dem   Melik  Schemseddin  Mohammed  Kert 


•)  Dieses  übersetzt  Milcs,  ohne  das  eiserne  Thor  am  kaspi- 
scben  Meere  zu  erkennen,  S.  248:  he  presented  the  iron  durbund 
of  Shirwan  to  Bishmoot ,  und  Tuktin  ist  in  Tyubeen  verstümmelt, 
Sundschak  als  Sooghchak,  Dschuweini  als  Joini  u.  s.w.    ^)  Mak(itn. 

t 


Viertes     Buch. 


249 


und  Ton  Georgien  dem  ^bd  und  seinem  Sohne  Ssadren, 
die  Armeniens  dem  Könige  Hethtim  bestätigt.  Diarbehr  worde 
dem  Dschelaleddin  Tarsi,  Dijar  Rebiaa  dem  Mosaffer  Fachr- 
eddin  Kara  Arslan,  Kastvin  und  ein  Theil  Iraks  dem 
Iftichareddin  Kastoini,  Tebris  dem  Ssadreddin  zur  Verwal- 
tung anvertraut.  Aus  dieser  nach  Reschideddin  gegebenen 
Uebersicht  der  Heere  und  Ländervertheilung  erhellet,  dass 
schon  damals,  wie  später  im  osmanischen  Reiche,  dessen 
Staatseinrichtungen  grösstentheils  den  mongolischen  nach- 
gebildet sind,  die  militärischen  Befehlshaberschaften  der 
Gränze  von  den  Statthalterschaften,  die  Aerater  des  Diwans 
von  denen  der  Finanz  getrennt  waren.  Wir  haben  hier 
sechs  grosse  militärische  Hüter  der  Gränzen :  in  Schirwan 
und  Chorasan ,  in  Georgien,  Kleinasien,  in  Pars  und  im 
arabischen  Irhh,  drei  Wesire,  Inhaber  des  Diwans:  zu  Tebris, 
Bagdad  und  Issfahan,  drei  Intendenten  der  Krongüter  und 
Pachten,  fünf  Vorsteher  der  inneren  Verwaltung:  in  Chorasan, 
Diarbekr,  Dijar  Rebiaa,  zu  Kasioin  und  Tebris  und  endlich 
die  dem  Namen  nach  herrschenden,  aber  eigentlich  nur  im 
Namen  der  Mongolen  das  Land  verwaltenden  fünf  Fürsten 
von  Kerman,  Nimrus,  Georgien,  Armenien  und  Fars ;  zählen 
wir  hierzu  noch  die  schon  oben  erwähnten  Fürsten,  welche 
nur  unter  der  eisernen  Keule  mongolischer  Herrschaft  ihr 
Land  regierten,  nämlich  die  Atabegen  von  Gross-  und  Klein- 
Luriklan  und  von  Jesd ,  die  nocli  zu  Mardin  herrschenden 
Fürsten  aus  der  Familie  Ortok  und  die  zu  Hossnkeif  aus 
der  Familie  Ejub  (^denn  die  noch  übrigen  syrischen  von 
Himss,  Hama  und  Kerek  gehorchten  nun  dem  Sultan  Aegyp- 
tens),  so  haben  wir  beim  Regierungsantritte  Abaka's  sieben 
und  zwanzig  von  ihm  begewaltigte  grosse  Befehlshaber  der 
Heere  und  Länder ,  Vorsteher  der  Geschäfte  und  Verwalter 
der  Güter. 

Der  Geschichtschreiber  Wassaf ,  statt  diese  Eintheilung 
zu  geben ,  hebt  als  die  vier  Säulen  des  Ruhms  der  Zeit 
Abaka's,  von  welcher  die  feste  und  sichere  Herrschaft  der 
Ilchane  in  Persien  datirt,  vier  in  ihrem  Fache  ausgezeich- 
nete Männer  hervor  als  „die  vier  Grossen  unter  ihren  Zeit- 


SchemS' 
eddin's 
Familie 


250  Viertes     Buch. 

genossen" ;  der  erste  derselben  der  grösste  Astronom  und 
Philosoph  seiner  Zeit,  Nassireddi?i  von  Tus,  der  Gründer 
der  Sternwarte  zu  Meragha ,  der  Verfasser  der  grossen 
Metaphysik  und  Ethik,  welcher  am  Hofe  Hulagu's  und  Abaka's 
die  Stelle  des  Ministers  des  Unterrichts  vertrat  und  der  bei 
Gelegenheit  der  Thronbesteigung  Abaka's  hundert  seiner 
Schüler  mit  Geschenken  des  neuen  Herrn  bedräute  '^.  Der 
zweite  der  Wesir  Sckemseddin  Dschuweini ,  der  dritte  der 
Tonkünstler  Ssafijeddin  Abdolmumin  El  Ormewi  und  der 
vierte  der  Schönschreiber  Dschemaleddin  Jakut.  Von  den 
beiden  letzten  genügt  hier  döi-Name,  den  ersten  haben  wir 
bereits  in  dieser  Geschichte  handeln  gesehen ;  Schemseddin 
Mohammed  Dschuweini  tritt  aber  erst  jetzt  als  Wesir  an 
die  Spitze  der  Reichsgeschäfte  in  seiner  ganzen  Grösse 
auf.  „Unter  seiner  Regierung",  sagt  Wassaf,  „begehrten 
die  Schafe  von  den  Wölfen  das  mehrjährige  Blutgeld,  und 
das  Repphuhn  liebäugelte  mit  Falken  und  Habichten;  durch 
ihn  wurde  der  gute  Name  des  Padischah  auf  den  schwarzen 
und  weissen  Blättern  der  Tage  und  Nächte  mit  schöner 
Glückesschrift  aufgezeichnet."  Unter  seiner  gerechten  Ver- 
waltung erhob  sich  Bagdad,  wo  sein  Bruder  sein  Stellver- 
treter, wieder  aus  dem  Schutte  der  Verheerung  Hulagu's. 
Mehr  als  hunderttausend  Goldstücke  verwandte  er  auf  die 
Grabung  eines  Kanales,  um  damit  Meschhed  (^die  Grab- 
stätte Ali's^  und  die  Umgegend  von  Nedschef  zu  bewä^ern. 
Tadscheddin  Ali,  der  Sohn  des  Emirs  Dolfendi,  welcher 
von  Schemseddin  mit  der  Ableitung  des  Kanals  aus  dem 
Euphrat  und  mit  der  Urbarmachung  der  todten  Ländereien 
beauftragt  w  ar ,  hinterliess  über  dieses  verdienstliche  Werk 
eine  besondere  Abhandlung.  Seide  und  Imame,  Redner  und 
Dichter  erschöpften  sich  in  Prose  und  Versen,  im  Lobe 
seiner  Gerechtigkeit,  Weisheit,  Freigebigkeit  und  Milde. 
In  seine  Fussstapfen  trat  sein  Bruder  Atamülk  zu  Bagdad, 
aber  nicht  Schemseddin's  Sohn,  der  Chodscha  Behaeddin, 
der  Inhaber  des  Diwans  zu  Issfahan ,  welcher  die  öffentliche 


•)  Rcschideddin. 


M 


Viertes     Bucli.  251 

Sicherheit  nur  durch  Spähersystem  und  durch  blutige  Strenge 
erhielt.  Auf  den  Bericht  eines  Kundschafters,  der  die  nächt- 
liche Kunde  der  Wachen  gemacht,  dass  er  den  Hauptmann  * 
wach  und  eifrig  auf  seinem  Posten,  einen  Mann  der  Wache 
aber  schlafend,  einen  anderen  abwesend  gefunden,  befahl 
er ,  allen  dreien  zwei  uud  siebzig  Prügel  zu  geben ,  weil 
der  Hauptmann  nicht  früher  als  der  Kundschafter  die  An- 
zeige der  Bestrafung  der  zwei  Schuldigen  gemacht.  Einem, 
der  ihn  zu  fest  angesehen,  Hess  er  die  Augen  ausstechen; 
einem  seiner  Kinder,  welches,  auf  seinem  Schoosse  spielend, 
ihn  beim  Barte  zupfte,  schwur  er,  heftig  auffahrend,  dafür 
an  den  Hacken  schlagen  zu  lassen,  und  da  keiner  der  Grossen 
fürzubitten  wagte ,  packten  die  Schergen  den  Knaben  und 
schlugen  ihn  vor  des  Vaters  Augen  zur  Erfüllung  von  dessen 
Eidschwur  an  den  Hacken  *^.  So  ein  blutiger  Tyrann  Be- 
haeddin,  so  ein  grosser  JBeschützer  war  er  der  Gelehrten, 
und  ein  trefflicher  Oekonome  seiner  Zeit,  die  er  zwischen 
Studien  und  Waffenübungen,  Reichsversammlungen  und  Fe- 
sten theilte : 

,,Zwischen  den  Federn  und  zwischen  den  Fahnen, 
Zwischen  Gelagen  und  zwischen  Diwanen  -)." 

Nach  aufgehobenem  Diwane  verbrachte  er  die  Zeit  im  Ge- 
spräche mit  Gelehrten,  eingedenk  des  Spruchs: 
,;6espräch  uiit  Gelehrten*  ist  besser  als  Kosen  mit  Liebesgefährten." 
und  schloss  sich,  nachdem  er  dieselben  entlassen,  mit  seinen 
Vertrauten  ein,  um  sich  dem  Genüsse  des  Weines  zu  über- 
lassen : 

„Wein,  der  unter'm  Schleier')  spricht, 

Durch  die  Rosen  im  Gesicht." 

Nach  dem  Trinkgelage  beschäftigte  er  sich  noch  tief  in  die 
Nacht  hinein  mit  politischen  Untersuchungen  und  polemi- 
schen Studien,  nur  wenige  Stunden  dem  Hareme  und  dem 
Schlafe  gönnend,  und  nur  seinen  Bruder  Harun,  der  es 
ihm  an  Gründlichkeit  philosophischer  Studien  zuvorthat,  um 
diesen  Vorzug  mit  Recht  beneidend.     Diesem  widmete  der 


')  Wassaf.     =)  Derselbe.     ')  sab  rosa. 


252  Viertes     H  ii  c  li. 

grosse  übgenannte  Tonkünstler  Ssafijeddin  Abdolmomin  seine 
Abhandlungen  über  die  Volkslieder  *^,  über  ihren  Ursprung, 
Composition  und  Tonarten.  Eines  Tages ,  als  in  einer  Ver- 
sammlung bei  Behaeddin,  wo  auch  der  grosse  Tonkünstler 
gegenwärtig,  Harun,  vom  Weine  erhitzt,  diesen  ganz  kurz- 
weg Ssafijeddin  anredete,  entschuldigte  Behaeddin  vor  den 
Gegenwärtigen  die  Freiheit  des  Bruders,  einen  so  grossen 
Künstler  schlichtweg  bei  seinem  Zunamen  angeredet  zu  haben, 
indem  er  sagte:  Harun ^  der  den  Namen  des  grössten  der 
Chalifen  trägt,  der  eine  Verwandte  des  letzten  der  Chalifen 
zur  Frau  hat,  dessen  Sohn  Mamun  heisst  und  der  zu  Bagdad 
wohnt,  denkt  sich  erlaubt,  den  grossen  Künstler  nach  der 
Gewohnheit  des  Chalifen  bloss  mit  dessen  Zunamen  statt 
mit  dessen  Vornamen  und  eigenen  Namen  anzureden.  Diess 
waren  die  Söhne  Schemseddin's,  des  Wesirs,  die  NeflFen 
seines  Bruders  Atamülk,  des  Verfassers  der  Welterobernden 
Geschichte. 
Abaka's  Nachdem    die  Leser   auf  diese  W^eise   die  Heerführer, 

Familie.  Statthalter  und  Wesire  Abaka's  kennen  gelernt,  müssen  sie 
sich  auch  mit  seiner  eigenen  Familie  näher  bekannt  machen. 
Diese  bestand,  die  kinderlosen  Beischläferinnen  ungerechnet, 
aus  der  Mutter,  eilf  Frauen,  drei  Beischläferinnen  Müttern, 
sieben  Töchtern  und  zwei  Söhnen.  Seine  Mutter  war  die 
Frau  Jesundschin  aus  dem  Stamme  Suldus.  Von  seinen 
Frauen  nennen  wir  die  beiden,  nach  des  Vaters  Tode  aus 
dessen  Harem  in  das  seine  herübergenommenen  zuerst,  weil 
sie  durch  Ansehen  und  Würde  den  übrigen  vorgingen ;  diese 
waren  :  die  Frau  Oldschai  Chatun,  welche  mit  Tokus  Chatun 
den  Vater  Hulagu  auf  seinem  Auszuge  nach  Persien  be- 
gleitet hatte,  die  treue  Gefährtin  desselben  auf  seinen  drei- 
zehnjährigen Feldzügen;  dann  Tokini  Chatun,  die  Base  der 
grossen  Frau  Tokus,  die  Beischläferin  Hulagu's,  welcher 
Abaka  nach  dem  Tode  ihrer  Base  das  Lager  derselben  an- 
eignete, ihr  als  Frau  den  Baghtak,  d.  i.  den  Frauenkopf- 
schmuck, aufsetzte  und  au  die  Stelle  Dur dschi  Chatun' s  als 


'j  Scherfijet  auf  der  kais.  Uufbibliothek. 


Viertes     Buch.  253 

grosse  Frau  erklärte.  Die  vierte  seiner  Gemahlinnen  war 
die  Tatarin  Nukdan,  die  Mutter  seines  Sohnes  Kendschatity 
welche  aber  jung  starb.  Ihr  folgte  Iltürmisch  Chatun ,  die 
Tochter  Timurgurgan's ,  die  Schwester  Turka  Gurgan's,  des 
Konghuraten.  Hierauf  nahm  er  die  Prinzessin  Padischah 
Chatun,  die  Tochter  Sultan  Kutbeddin  Mohammed  Chan's 
von  Kerman,  die  er  an  die  Stelle  seiner  Mutter,  Jesundschin, 
setzte,  so  dass  ihr  die  ersten  Ehren  des  Frauengemachs 
erwiesen  wurden.  Die  siebente  und  achte  Gemahlin  waren 
ebenfalls  zwei  Wittwen  Hulagu's,  die  Konghuratinnen  Frauen 
Mertai  und  Kuti  Chatun,  Schwestern  Musa  Gurgan's,  des 
Sohnes  der  Tochter  Tschengischan's,  von  denen  die  erste 
unter  der  Regierung  Arghun's  gestorben.  Die-  neunte  Ge- 
mahlin, Tudai  Chatun,  die  Konghuratin,  und  nach  ihr 
Bulghan  Chatun ,  die  Verwandte  des  Oberstrichters  Nohai 
[die  Konghuratin  '^  ] ,  welche  er  vor  allen  anderen  liebte 
und  daher  im  Range  sowohl  der  Mertai  als  der  Despina, 
d.  i.  der  griechischen  Prinzessin ,  vorsetzte.  Die  letzte  war 
Maria,  die  natürliche  Tochter  Michael's,  des  Paläologen» 
aus  einer  Diplowatzerin.  Michael,  welcher  gegen  das  Ende 
der  Regierung  Hulagu's  mit  demselben  Frieden  und  Freund- 
schaft unterhandelt  hatte ,  sandte  ihm  zum  Unterpfande  des- 
selben die  Tochter  vom  Archimandriten  des  Klosters  des 
Pantokrators  von  Ville  Hardouin,  dem  Bruder  des  Fürsten 
des  Peloponnesos,  mit  reichen  Geschenken  begleitet;  unter 
diesen  befand  sich  eine  tragbare  Kirche  in  Gestalt  eines 
Zeltes,  dessen  Wände  und  Dach  dichte  seidene  StofPe,  mit 
goldenen  Kreuzen  und  Heiligenbildern  und  den  Opferge- 
fässen^).  Der  Paläolog  durfte  sich  schmeicheln,  dass  die- 
selbe als  Christin  von  ihrer  Glaubeusgenossin,  der  Frau 
Tohis,  wohl  empfangen,  wie  dieselbe  die  Freiheit  öffent- 
lichen Gottesdienstes  im  Lager  mit  Glocken  geniessen  würde. 
In  Cäsarea  angelangt,   erhielt  sie   die  Nachricht  vom  Tode 


•)  Nicht  zu  verwechseln  mit  Bulghau  Chatun ,  der  Gemahlin 
Ghasan's,  welche  ebenfalls  eine  Konghuratin;  diese  war  die  Tochter 
Tesu's ,  jene  die  Tochter  ütaman's.  0  Pachj-meres  T.  I.  p.  273. 
Stritter  III.  io44. 


264  Viertes     Buch. 

Hulagu's;  aber  Michael,  gleich  folgerecht  in  seiner  Politik, 
welcher  er  die  Tochter  opferte ,  und  in  der  mongolischen 
Ansicht,  nach  welcher  die  Gemahlinnen  und  Bräute  aus  dem 
Frauengemache  der  Väter  in  das  der  Söhne  übergingen, 
sandte  den  Befehl  zur  Fortsetzung  der  Reise  an  den  Hof 
Abaka's,  in  dessen  Frauengemach  sie  doch  der  aus  persön- 
licher Neigung  vorgezogenen  Frau  Bulghan  weichen  rausste. 
Von  seinen  Beischläferinnen  gebar  ihm  Kaitmisch  Ikadschi 
den  Sohn  Arghiin ;  dann  Keivkebi  Ikadschi  die  Tochter 
Toghandschuk,  hierauf  Biihidschin  Ikadschi  die  beiden  Töchter 
Ilkotlogh  und  Oldschatai ;  die  vier  anderen  wurden  ihm  von 
Gemaiilinnen  geboren ,  nämlich  Julkotlogh  und  Taghai  aus 
der  Frau  Tndai ,  dann  Nttdschin  aus  der  Frau  Mertai  und 
endlich  Melike  aus  der  Frau. Bulghan.  Diese  sieben  Töchter 
waren  keine  an  Prinzen  vom  Geblüte,  sondern  nur  an  Söhne 
von  Emiren  oder  grossen  Beamten  vermählt;  so  Julkotlogh 
an  den  Ildschitai  Kiischdschi  von  der  Leibwache,  Toghan- 
dschuk an  den  Emir  Newriis,  den  Sohn  Arghunaga's,  Melike 
an  Taghai  Bvka ,  den  Sohn  des  Oberrichters  Nokai.  In 
dieser  Gallerie  von  Frauen  sind  die  merkwürdigsten  die 
griechische  Prinzessin  Maria,  die  karachitaische  Prinzessin 
Padischah  Chaüm  und  vor  allen  Bulghan  Chatun,  eine  gewiss 
eben  so  an  Schönheit  als  an  Geist  hochbegabte  Frau,  welche 
ohne  so  ausgezeichnete  Vorzüge  nicht  die  grosse  Rolle  ge- 
spielt haben  könnte,  in  welcher  sie,  von  einem  Frauen- 
gemache  der  Herrscher  in's  andere  wandernd ,  dieselben 
mehr  oder  minder  beherrschte  durch  Schönheit  und  Geist, 
hohen  Mutli  und  Chaj-akter  ein  ganzes  Menschenalier  hin- 
durch ,  dreissig  Jahre  lang. 
Schlacht  ^^^  erste  WafFenthat  der  Regierung  Abaka's  hatte  an  der 

mit  Xukai.    nördlichen  Gränze  statt,  wo  Nokai,  um  die  unter  Hulagu  er- 
3.Schewwalliitcne  Schlappe  zu  rächen,  aus  Derbend  auf  das  Heer  des 

"  Prinzen  Jaschmut  ausgefallen ,   über   den  Kor  gezogen  war. 

Die  Schlacht  begab  sich  an  den  Ufern  des  Flusses  Akssu '), 


>  j  Im  Schedsehretol  Etrak  wird  als  das  Datum  der  Schlacht  der 
20.  Ssafer  ()t)4  anj^egeben;  die  Namen  sind,  wie  gewöhnlich,  alle 
verstümmelt,  Berke  in  Boorkeh  und  Nokai  in  Booka. 


Viertes     B  .u  c  li.  255 

den  die  Mongolen  Tschaghan  Mnran  nennen  (^das  eine  und 
andere  heisst  Weisstvasser^.  Der  Verlust  war  von  beiden 
Seiten  gross.  Nokai,  von  einem  Pfeile  in's  Auge  getroffen, 
flüchtete  nach  Schirwan.  Jaschmut  ging  über  den  Kor,  aber 
wieder  zurück,  als  er  vernahm,  dass  Berke  mit  einem  Heere 
von  dreiraalhunderttausend  Mann  nahe;  die  Brücken  waren 
alle  abgerissen  worden,  so  dass  Berke,  nachdem  er  vierzehn 
Tage  lang  vergebens  am  Ufer  des  Kor  geweilet  hatte,  wieder 
nach  Tiflis  zurückging,  um  dort  leichter  über  den  FIuss  zu 
setzen ;  aber  auf  dem  Wege  erkrankte  und  starb  er.  Abaka 
befahl,  von  Delai  Nor  bis  an  die  Wüste  der  Kurden  einen 
Wall  mit  einem  tiefen  Graben  längs  des  Kor  zu  ziehen,  an 
dem  er  Truppen  zur  Gränzhuth  zurückliess,  ohne  dass  dess- 
halb  der  Handelsverkehr  der  beiden  Länder  mittels  der 
Kara>ya,"en  unterbrochen  ward.  Nach  Beendigung  dieses 
Werkes  entliess  er  von  dort  den  Prinzen  Mengu  Timur  (den 
eilften  Sohn  Hulagu's,  Gemahl  der  Atabegin  Abisch  und  der 
Frau  Oldschai}  und  brachte  den  W^inter  in  Masenderan  und 
Gurgan  (^dem  alten  Hyrkanien)  zu.  Während  dieses  Winters  ^^'^ 
erschien  Mesvdbeg,  der  Sohn  des  berühmten  Wesirs  Mahmud 
Jelwadsch,  als  Gesandter  Kaidu's,  des  Herrschers  des  Uluses 
Ogotai,  im  Lager  Abaka's,  um  die  noch  ausständige  Rech- 
nung der  Einkünfte  seiner  Krongüter  zu. begehren.  Abaka 
empfing  denseften  sehr  ehrenvoll,  Hess  ihm  das  Kleid 
Tschengischan's  anziehen  und  wies  ihm  seinen  Sitz  ober 
allen  Emiren  an,  ausgenommen  Ilkai.  Abaka  trug* dem  In- 
haber des  Diwans,  dem  Wesir  Schemseddin,  auf,  die  Rech- 
nung auf's  schnellste  auszufertigen,  und  binnen  einer  Woche 
kehrte  der  Gesandte,  reich  beschenkt,  schnell  zurück.  Erst 
einige  Tage  nach  seiner  Abreise,  als  die  Nachricht  eintraf, 
dass  sich  am  Ufer  des  Dschihun  ein  Heer  sammle,  sah 
Abaka,  dass  dies  Begehren  der  Rechnung  nur  ein  Vorwan'd 
gewesen  und  dass  Mesud  als  Kundschafter  Borrak's ,  des 
Urenkels  Dschaghatai's,  gekommen,  welcher  dem  Mubarek- 
schah  die  Herrschaft  des  Uluses  Dschagatal  entrissen. 
Abaka  fertigte  sogleich  Gesandte  ab,  um  den  verkappten 
Kundschafter  Borrak's  zurückzubringen;  sie  erreichten  aber 


l'idö 


256  V  i  e  r  t.e  s     B  u  c  h. 

die  Ufer  tles  Oxus  in  dem  Augenbiitke ,  als  Mesudbeg  eben 
über  denselben  gesetzt.  Abaka  ging  nach  Chorasan  bis 
Serchas  und  wandte  sich  dann  in's  Winterquartier  nach 
Masenderan.  Zu  Kebuddschame,  d.  i.  Blaukleid ,  in  der  an 
Korn,  Wein  und  Seide  fruchtbaren  Stadt  Taberistan's  *}, 
gfng  er  dem  Gepäcke  Hulagu's  entgegen,  welches  mit  dessen 
Wittwe  Kuti  Chatun  und  den  Söhnen  Hulagu's,  Tekschi'n 
und  Tehider j  und  mit  dem  Enkel  desselben,  DschnsQhkab, 
dem  Sohne  Dschumkur's,  Badu ,  dem  Sohne  Tarakai's,  und 
Jesundschin  Chatun,  der  Mutter  Abaka's,  welche  zur  Zeit 
des  Aufbruches  Hulagu's  nach  Persien  im  Hoflager  Mengku- 
kaan's  geblieben  waren.  Dschurakur,  der  Vater  Dschuschkab's 
und  Kendschu's,  war  in  dem  Bürgerkriege  zwischen  Kubilai 
und  Arikbugha  gezwungen  gewesen,  die  Partei  des  letzten 
zu  ergreifen ,  was  jetzt  die  Söhne  entschuldigten ;  er  war 
seitdem  gestorben;  die  Frau  Kuti  hatte  zu  Bedachschan  den 
Tod  Flulagu's  vernommen  und  sich  blind  geweint ;  er  verlieh 
ihr  die  Einkünfte  von  Diärbekr ,  Miafarakain  und  einigen 
anderen  Oertern  als  Nadelgeld,  das  bei  den  Mongolen 
Tonlik ,  das  Geld  auf  Unterhosen,  heisst.  Die  Einkünfte 
betrugen  das  Jahr  über  hunderttausend  Goldstücke.  Er 
brachte  den  Winter  zu  Tschanganlu  (\n  der  Gegend  von 
Meragha^ ,  den  Sommer  in  den  Weiden  von  Alatagh  an  Atw 
Quellen  des  Euphrats  und  zu  Siahhuh  (Sdhwarzberg}  zu, 
und  überwinterte  dann  in  der  Landschaft  Arran. 
Armenische  Während    dieser  beiden  Jahre,    wo    Abaka   Nichts   ge- 

imd  äfiyp-  than ,  um  die  weiteren  Fortschritte  Sultan  Beibars  in  Syrien 
tische  Ter-  ^u  hindern,  hatte  dieser  den  Kreuzfahrern  die  Städte  Cäsarea, 
Arssuf,  Ssafed,  Jafuj,  Schakif,  die  Schlösser  Haifa,  Arla, 
Kaliat,  Meluhat,  Dschebele  entrissen  ^^  und  war  in  Cilicien 
in  die  Staaten  König  Hethum's  eingefallen ,  welcher  erst 
l/eira  mongolischen  Befehlshaber  in  Rum  und  dann  bei  Abaka 
selbst  vergeblich  Hilfe  gesucht.  Indessen  Leon,  der  Sohn 
Hethum's,  den  Pass  von  /s^e^ir/e/•M7^  (  Älexandriette)  besetzt 


hiiltnisse. 


')  Nushet,    nach    demselben  Dschiliannuina  S.  341.     ')  Noweiri, 
bei  d'Olisson  III.  p.  4jl  ;   Dschebele  heisst  dort  Djeliba. 


Viertes     D  u  c  li.  25T 

hielt,  ward  er  von  den  Aegyptern  umgangen  und  dann  bei 

Serwend  geschlagen  und  gefangen;    sein  Bruder  Toros  und 

einer   seiner    Oheime   fielen    in   der   Schlacht.      Die  Sieger 

kamen  am  folgenden  Tage  nach  Tel  Hamdun ,  setzten  über 

den    Dschihun    und    bemächtigten    sich    des    den   Templern 

gehörigen,    auf   einem   steilen    Hügel    gelegenen    Schlosses 

Amudin,  das  verbrannt  ward.     Gleiches  Schicksal  hatte  Sir^ 

die  Hauptstadt  Kleinarmeniens.     Der  Herr   von  Hama ,    der 

jetzt   in   den  Reihen    der  Aegypter  focht,   lagerte   an    den 

Ruinen  dieser  Stadt,  während  der  ägyptische  Feldherr  Kila- 

wun  (^der  nachmalige  Sultan^  die  Städte  Ajas,  3Iassissa  und 

Adana  verheerte.    Das  ägyptische  Heer  kehrte  mit  so  reicher 

Beute  beladen,    mit   so    vielen  geraubten    Heerden   zurück, 

dass    der  Ochs,   im  Lager   um   zwei   Dirhem   losgeschlagen, 

keinen   Käufer   fand.     Hethum ,    der   vergebens    bei    Abaka 

Hilfe  gesucht,  sah  sich  gezwungen,  den  Frieden  mit  Beibars 

auf  dessen  Bedingungen  abzuschliessen.     Dieser  begehrte  die 

Zurückstellung  mehrerer  von  den  Mongolen  den  Aegyptern 

entrissener,  dem  Königreiche  Armenien  einverleibter  Schlösser 

und  die  Freigebung  des  ägyptischen  Generals  Schemseddin 

Sonhar  el-Aschkar,    d.  i.   Sonne    der    Religion,    Falke  der 

Falbe,   seines    alten   Waffengefährten,    welchen    Hulagu    zu 

Haleb  gefangen  ,  nach  Persien  gesendet  hatte.     Der  Friede    ^uni  iS(i7 

wurde  zu  Antiochien  unterschrieben;    die  festen  Plätze  Be- 

hesna,  Derbesek,    Merseban  '^  wurden  zurückgestellt,    der 

Emir  Sonkar   gegen    den    bisher    im    Schlosse   von  Kairo  in 

Verhaft    gehaltenen    Prinzen    Leon    ausgewechselt^^.     Bald 

darauf  verfügte  sich  König  Hethum  an  den  Hof  Abaka's,  der 

sich  damals   zu  Bagdad  befand,    um  ihm  für  die  Auslösung 

seines  Sohnes  zu   danken  und  um  die  Erlaubnis»  zu  bitten, 

dem    Sohne    den   Thron   abtreten   zu    dürfen.     Nachdem  er       i^6'P 

dieselbe    erhalten ,   rief   er    die    Grossen    seines   Reichs   zu 

Tarsus  zusammen ,    entsagte    der   Krone    zu  Gunsten  Leon's 

und  zog  sich  nach  fünf  und  vierzigjähriger  Regierung  unter 

'3  Bei  d'Ohsson  nach  Ranan  er-Roub?  und  Sikhulhadid,  d.  i. 
eiserner  Bratspiess.  ^3  Xoweiii,  Bar  Hebräus  ,'•45.  Haithon  hist. 
Orient,  c.  33. 

Hammer,  Geschicüte  der  Ilchanc.    I.  17 


258  V  i  e  r  t  e  -s     H  u  c  h. 

dem  Namen  Makarius  in's  Kloster  von  T/azargk  zurück,  wo 
er  einige  Monate  hierauf  starb  '  J.  Im  selben  Jahre  sandte 
Abaka  Gesandte  an  Beibars,  welcher  dieselben  zu  Damaskus 
zugleich  mit  den  Gesandten  des  griechiscfien  Kaisers  und 
Mengku  Tiraur's,  des  Nachfolgers  Berke's  auf  dem  Throne 
von  Kipdschak  ,  empfing.  Abaka  warf  in  seinem  Schreiben 
dem  Sultan  Aegyptens  den  an  seinem  Herrn  Kotes  began- 
genen Königsmord  vor  und  fragte,  wie  er,  der  vormals  zu 
Siwas  verkaufte  Mamluke,  es  wagen  könne,  den  Königen, 
Söhnen  der  Könige,  gebornen  Weltbeherrschern,  zu  wider- 
stehen. Er  drohte,  ihn  anzugreifen  und  Alles  dem  Schwerte 
zu  opfern;  er  schrieb  an  Beibars  selbst:  „und  wenn  du  in 
die  Wolken  aufflögest,  und  wenn  du  unter  die  Erde  hin- 
nnterstiegest ,  du  würdest  mir  nicht  entfliehen".  Beibars 
antwortete:  „Es  ist  wahr,  dass  ich  den  Kotos  getödtet,  aber 
die  Sultanschaft  ist  mir  durch  freie  Wahl  der  Bege  über- 
tragen worden;  wenn  es  dir  Ernst,  mich  anzugreifen,  so 
komm',  wir  werden  bereit  sein,  dich  zu  empfangen,  um 
die  den  Musulmanen  entrissenen  Länder  denselben  wieder 
zurückzuerobern."  Abaka  war  nicht  im  Stande,  seinen  Dro- 
hungen Folge  zu  geben;  daran  hinderte  ihn  das  von  Osten 
sein  Reich  bedrohende  Ungewitter,  indem  Borrak ,  der 
Herrscher  des  üluses  Dschagatai ,  wider  Chorasan  herange- 
zogen. Die  feindliche  Stellung  Borrak's  gegen  Abaka  würde 
Tom  Leser  nicht  gehörig  beurtheilt  werden  können ,  wenn 
derselbe  nicht  in  Kenntniss  der  früheren  Begebenheiten, 
welche  zwischen  diesem  und  Kaidu,  dem  Herrscher  des 
Uluses  Ogotai,  vorgefallen  und  die  wir  nun  nach  Reschid- 
eddin  erzählen. 

,,  .     .  Kaidu's,    des    Sohnes    Kaschim's,    des    fünften    Sohnes 

huidit's  vvd 
Jiorrak's     Ogotai's,  ist  bereits  Erwähnung  geschehen,  so  auch  Borrak's, 

Vertrag,     des  Sohnes  Jesentewa's ,    des  zweiten  Sohnes  Muwatukjan's, 

des  zweiten    Sohnes    Dschagatai's^ ).     Dieser,   vom   Kubilai 


')  Haithon  bist,  orient.  c.  33.  ^)  Jesentewa.,  der  Soliu  Muwa- 
tukjan^s,  heisst  im  Scliedschretol  Etrak  durch  die  Verstüininelung 
des  Uebersetzers  eioinal  Sookur  Kann,  the  soa  of  Knoikar,  S.  250 
und  S.  251  Tokzur  Sookur  aud  Abaka  Abukni. 


Viertes     Buch.  259 

zum  Herrscher  des  üluses  Dschagatai  ernannt,  hatte  sitl» 
nicht  sobald  in  den  Besitz  des  Uluses  gesetzt,  als  er  mit 
dem  Statthalter  Turkistan's,  Mogholtei^  Streit  begann.  Dieser  • 
sandte  den  Emir  Tekmisch,  jener  den  Emir  Knwtndschi  mit 
einem  Heere ;  Tekmisch  ward  von  Kuwindschi  geschlagen, 
aber  dieser  musste  sich  vor  einem  zweiten  stärkeren  Borrak'8 
zurückziehen.  Borrak  verwüstete  Choten  und  schlng  auch 
das  Heer,  welches  Kaidu  und  Kipdschak,  der  Feldherr 
Mengu  Timur's,  dem  Herrscher  von  Kipdschak,  wider  ihn 
geführt.  Mengu  Timur,  hierüber  ergrimmt,  sandte  seinen 
Oheim  Berekdschar  mit  fünfzigtausend  Mann  zu  Hilfe  Kaidu's. 
Borrak,  von  demselben  geschlagen,  zog  sich  nach  Samarkand 
in  der  Absicht,  das  fruchtbare  Land  zu  verheeren.  Kaidu 
und  Kipdschak  beriethen  sich,  wie  das  Unheil  abzuwenden, 
und  Kipdschak,  zwischen  welchem  und  Borrak  alte  Freund- 
schaftsbande bestanden,  trug  sich  an  ,  den  Frieden  zu  unter- 
handeln. In  der  Ebene  von  Soghd  empfing  Borrak  den 
Kipdschak  auf  dem  Throne,  setzte  ihn  neben  sich,  trank 
mit  ihm  und  bewirthete  ihn  mehrere  Tage  hindurch  in  der 
Steppe  von  Katwan  in  der  Nähe  des  Karawanserai ').  Abu 
Mohammed's  Tonkünstler  spielten  in  den  in  Kipdschak  be- 
liebtesten Tonarten ,  um  dem  Prinzen  Kipdschakaghul  zu 
gefallen.  Dieser  war  der  Sohn  Durdschi's,  des  Sohnes  Ka- 
dan's,  des  sechsten  Sohnes  Ogotai's  und  folglich  ein  Neffe 
Kaidu's.  Er  kam  mit  Borrak  überein,  dass  sich  dieser  und 
Kaidu  mit  den  Truppen,  mit  denen  sie  dermalen  zu  Samar- 
kand und  Bochara  standen,  begnügen,  dieselben  nicht  ver- 
mehren sollten  und  Borrak  Bochara  verschone.  Kaidu  und 
Berekdschar  gaben  ihre  Zustimmung,  und  die  Prinzen  ver- 
sammelten sich  im  Frühjahre  in  der  Ebene  von  Talas  und 
Kundschuk ,  wo  nach  achttägiger  Gasterei  Kurultai  statt- 
fand ^).  Kaidu  sprach  von  dem  Vertrage  Tschengischan's 
und  wie  alle  Zwietracht  der  Prinzen  demselben  zuwider; 
dann  nahm  Borrak  das  Wort  und  sagte :  da  Kaidu  an  der 
Spitze  des  Uluses  Ogotai  stehe,   wie  Mengu  Timur  an  der 


667 
lä69 


•)  Robath;  Wassaf.     ^)  Derselbe  j  Schedschretol  Etrak  p.  360. 

17* 


260  Viertes     IJ  u  c  li. 

des  TJhises  Dschiidschi's  in  Kipdschak,  wie  Knbilai  und  Abak» 
die  Herrschaft  des  Uluses  Tuii's  im  Osten  und  Westen 
•  tlieilten,  so  möge  man  auch  ihn  als  Oberhaupt  des  Uluses 
Dschagatai  unangefochten  lassen  und  sich  friedlich  mit  ihm 
verständigen.  Die  drei  Prinzen  der  drei  üiuse  kamen  dann 
überein,  das  Land  zwischen  dem  Dschihun  und  Sihun  in 
drei  Theile  zu  theilen ,  wovon  einer  vonBorrak,  die  beiden 
anderen  von  Truppen  Kaidu's  und  Mengu  Timur's  besetzt 
bleiben  sollten;  sie  verbanden  sich  gegenseitig,  mit  ihren 
Reitern  nur  in  den  Steppen  herum  zu  ziehen,  die  Städte 
nicht  zu  betreten,  die  Unterthanen  zu  schonen;  im  folgenden 
Frühjahre  aber  sollte  dem  Borrak  freistehen,  gegen  Cho- 
rasan  zu  ziehen  und  sich  auf  Kosten  Abaka's  zu  vergrössern: 
„Sie  besiegelten  ihren  Vertrag  nach  mongolischer  Sitte  mit 
gewechselten  Bechern  und  Kleidern,  indem  sie  die  Hefe 
auf  die  Erde  gössen"  *).  Eine  Zeit  lang  genoss  das  Land 
unter  der  gerechten  Verwaltung  Mesud's,  der  als  weiser 
Wesir  in  seines  Vaters  Jelwadsch  Fussstapfen  trat,  des  er- 
wünschten Wohlstandes,  bis  bald  darauf,  als  JVlengu  Timur 
und  Kaidu  sich  veruneinigt  hatten,  das  Heer  des  letzten 
dem  des  ersten  entgegenziehend  Bochara  verlassen,  die 
Besitzungen  desselben  berannte,  das  Land,  trotz  der  Vor~ 
Stellungen  seines  Wesirs  Mesudbeg,  durch  Erpressungen 
verheerend.  Borrak,  im  Besitze  des  Landes  zwischen  dem 
Dschihun  und  Sihun,  war  nun  auf  den  Feldziig  gegen  Abaka 
bedacht,  worüber  ihm  die  Herrscher  des  Hauses  Ogotai  und 
Dschudschi,  als  Feinde  des  Uluses  Tuli ,  freie  Hand  ge- 
lassen, sandte  aber  zuerst  die  schon  oben  erwähnte  Ge- 
sandtschaft an  Abaka,  um  den  Zustand  desselben  besser  zu 
erkunden. 


')  Wassaf;  aber  von  dem,  was  bei  d'Ohssou  zweimal,  Ilt.  B. 
S.  427  und  429,  vorkommt:  ils  hurent  ensemble,  apres  avoir  cboque 
leuis  coupes,  du  sang  oii  il  y  avoit  de  l'or,  ist  keine  Spur  im 
citirten  Wassaf,  wo  bloss  vom  Blute  der  Rebe  die  Rede,  Chuni- 
reschardend ,  sie  tranken  das  Blut  der  Rebe;  es  scheint,  dass  H. 
v.  O.  Chuniser  las,  das  heisseu  würde:  sie  tranken  das  Blut  des 
Goldes. 


Viertes     U  u  c  h. 


2fil 


Der   öffentliche    Auftrag    dieser   Botschaft  lautete,   wie    üotschaß 

schon    oben   gesagt   worden,    die   ausständigen   Rechnungen     Borrak's 

über    die   beiden  Prinzen    gemeinsamen   Krongüter   zu  ver-    „  "' 

Rustunqen 
langen;  aber  ein  geheimer  war,  den  Prinzen  Nigudaraghul,    desselben. 

den  ersten  Sohn  Dschudschi's,  des  erstgeborenen  Dscha- 
gatai's,  welcher  im  Heere  Abaka's  diente,  von  demselben 
abspenstig  zu  machen.  Zu  diesem  Ende  war  der  Gesandte 
mit  einem  der  geheimen  Briefpfeile  versehen ,  welche  die 
Mongolen  Tughane  nennen,  in  deren  Schaft  die  geheime 
Depesche  verborgen '").  In  dem  Briefe  gab  Borrak  dem 
Prinzen  Kunde,  dass  er  im  BegriflFe,  wider  Abaka  in's  Feld 
zu  ziehen;  er  möge,  als  ein  Prinz  des  üluses  Dschagatai, 
sich  hüten,  dem  Feinde  ferner  zu  dienen.  Die  Aufforderung 
fruchtete;  Nigudar,  zu  einem  Kriegsrathe  berufen,  ent- 
schuldigte sich  und  bat  nm  Erlanbniss,  in  seinen  Jurt  nach 
Georgien  zurückkehren  zu  dürfen;  er  hoffte  über  Derbend, 
im  Norden  des  kaspischen  Meeres,  das  Lager  Borrak's  zu 
erreichen;  aber  Dschiramun  Nujan ,  welchem  die  Huth  der 
nördlichen  Gränze  übertragen  war,  hinderte  ihn  an  der 
Ausführung  dieses  Planes,  indem  er  ihn,  sich  nach  Georgien 
zu  werfen,  zwang,  wo  er  durch  die  Hand  der  Tochter  des 
Königs  David  Bürgschaft  seiner  Sicherheit  suchte,  aber  nicht 
fand;  denn  die  Gegner  trachteten  ihm  nach  dem  Leben,  so 
dass  er  im  folgenden  Jahre  mit  Weib  und  Kind  sich  auf 
Gnade  und  Ungnade  in  die  Armen  Abaka's  warf.  Abaka 
liess  sechs  seiner  Emire  hinrichten,  seine  Truppen  unter 
die  Tausender,  Hunderter  und  Zehner  vertheilen ,  setzte 
ihm  fünfzig  Mongolen  als  Aufseher  und  ihn  selbst  zu  Derjar 
Kebudan  in  Verhaft,  aus  welchem  er  jedoch  in  der  Folge, 
nach  der  Niederlage  Borrak's,  entlassen  ward  2).  Der  Bot- 
schaft Borrak's  ritt  Schemseddin  Dschnweini,  der  Wesir 
Abaka's,  bewillkommend  entgegen,  und  trotz  der  hohen 
Meinung,  die  er  von  sich  selber  hatte,  stieg  er,  als  er  in 
die  Nähe  Mesud's  kam,  doch  vom  Pferde  und  küsste  dem 
Mesudbeg   ehrfurchtsvoll   die  Bügel.     Dieser,    minder   be- 


1270 


0  Reschideddiu.     ')  Derselbe. 


262  viertes     H  ij  c  I.. 

scheiden,  als  sein  Vater,  Jelwadsch,  sagte,  verächtlich  auf 
Schemseddin  herabsehend:  „Du  bist  der  Inhaber  desDiwan's! 
Dein  Neme  ist  besser,  als  dein  Aussehen,"  Schemseddin's 
Klugheit  Terschraerzte  den  bitteren  Gross  für  den  Äugen- 
blick mit  Stillschweigen,  rächte  sich  aber  bald  hernach 
durch  die  Nachsendung  der  Boten,  welche  den  Gesandten 
als  Kundschafter  zurückbringen  sollten ,  und  als  diese  zu 
spät  kamen,  durch  die  Entflammung  des  Krieges  wider 
Borrak,  der  seinen  Bundesgenossen  Kaidu  um  Hilfe  ansprach. 
Kaidu  sandte  Jerligh  an  die  Prinzen  Ahined  Ben  BurP^, 
Bali'ghu'^  und  Nihpei  Aghul^)^  dass  sie  bei  Tirwed  über 
den  Oxus  gehen  sollen;  Tschahad,  der  Sohn  Huku's") ,  Mo- 
barekschah^^  und  Kipdschah,  der  Sohn  Kaidu's®},  erhielten 
den  Befehl,  mit  Borrak  zu  Amu  über  den  Dschihun  zu 
setzen;  weiter  hinauf  sollten  Kohadsclm''^  der  grosse  und 
Banial  bei  Chiwa,  Kokadschu  der  kleine  aber  bei  Mingk- 
kischlagh,  welches  der  gewöhnliche  Ueberfuhrsort  von  Chua- 
resra,  über  den  Fluss  gehen  und  sich  mit  Borrak  jenseits 
desselben  vereinen.  Dieser  rüstete  den  Krieg  aus  allen  Kräften, 
alle  Pferde  wurden  zum  Dienste  des  Heeres  weggenommen 
und  des  Tages  mit  sieben  Menn  Gerste  und  Korn  gefüttert, 
um  sie  fett,  alle  Hunde  wurden  getödtet,  um  aus  ihren 
Häuten  Schilde  zu  machen;  so  entstand  Theuerung  und 
Mangel.  Um  dem  Heere  Proviant  zu  verschaffen,  befahl 
Borrak,  das  Land  bis  Bochara  und  Samarkand  zu  verheeren. 
Mesud  machte  ihm  abermals  Vorstellungen  dagegen  und  auf 
die  Unklugheit  aufmerksam ,  sich  auf  diese  Weise  selbst 
sicheren  Fückzug  abzuschneiden.  Borrak  bestrafte  diese  frei- 
müthige  Vorstellung  des  weisen  Wesirs  mit  sieben  Prugel- 
streichen,  nahm  aber  den  Befehl  der  Verheerung  zurück. 


')  der  Sohn  Muwatukjan's ,  des  zweiten  Sohnes  Dschagatai's, 
*)  der  Sohn  Kaidu's,  des  siebenten  Sohnes  Dschagatai's.  ^)  der 
Sohn  Serban's,  des  achten  Sohnes  Dschagatai's.  ')  der  Sohn 
Gujuk's,  des  zweiten  Nachfolgers  Tschengischan's.  *)  der  Sohn 
Kara  Hulagu's,  der  Erstgeborene  Muwatukjau's.  *)  der  sechste 
Sohn  Ogotai's.     ■*)  Kuhdschu  heisst  auch  der  neunte  Sohn  Kubilai'si 


4 


Viertes     Buch.  268 

Ausser  den  oben  genannten,  von  Kaidu  zur  Hilfe  Borrak'g  Borrakzieht 

bestellten   neun  Prinzen   des  Uluses  Ogotai   und  Dschaffatai     "*^'*  ^'"^ 

_  .  ,  "  OxHS  und 

stellten  sich  zu  seinem  Dienste  noch  vier  des  Uluses  Dschu-    ^^ird  von 

dschi,  nämlich  die  beiden  Jesawur  [der  grosse  und  kleine]  *\  Kipdschak 
Meraghul  und  Dschelertm'^^.  Rlit  diesem  Heere  eroberte  ^^^^"**«^"- 
Borrak  Chorasan  von  den  Gränzen  Bedachschan's  und  Schi- 
bnrghan's  (bei  Balch)  bis  nach  Nischabur.  Ehe  er  noch 
über  den  Oxus  gesetzt,  sandte  er  Botschaft  an  Tekschin  (den 
vierten  Sohn  Hulagu's,  den  Bruder  Abaka's),  welchem  vom 
Vater  die  Herrschaft  über  das  Gebiet  von  Badgki's,  östlich 
vonHerat,  eingeräumt,  vom  Bruder  bestätigt  worden.  Bodgkis, 
was  nur  verderbte  Aussprache  von  Badchis,  d.  i.  Windauf- 
stehend ,  weil  dort  immer  die  Winde  rege,  hiess  vormals 
Pasin  und  war  die  Hauptstadt  der  Hunnen  Euthaliten;  die 
Wälder  der  Gegend  sind  meistens  Pistazienwälder,  von  denen 
Herat  und  andere  Städte  mit  Pistazien  versehen  werden. 
In  diesem  Bezirke  liegt  das  unbezwingliche  Schloss  Nerfht^),  • 

das  Pornos  Chorasan's,  auf  einem  tausend  Ellen  hohen  P'elsen, 
zu  welchem  eine  halbe  Stunde  lang  ein  nnr  für  Einen  Men- 
schen gangbarer  Pfad  fuhrt,  noch  nie  dnrch  Gewalt  der 
Waffen  bezwungen;  die  Geffend  umher  ist  so  kalt,  das»  die 
Rosen  hier  erst  im  Juli  bli'ihen;  das  Holz  zn  dem  Baue  der 
Häuser  von  Herat  kommt  ans  diesen  Wäldern  und  ist  so 
trefflicher  Eigenschaft,  dass  es  weder  austrocknet  noch 
fault,  der  Boden  so  fruchtbar,  dass  derselbe  ohne  Mühe 
und  Kultur  hundertfach  trägt  *^.  IVach  der  Fel«enbiirg 
Nertku  ist  Kiasis  ein  geschichtlich  merkwiirdifrer  Ort  des 
Gebietes  von  Badchis,  weil  es  die  Grabstätte  Mofram/aas. 
des  berühmten  falschen  Propheten,  der  allnächtlirh  ans  einem 
Brunnen  von  Nackscheb   einen  Mond  aufsteigen  liess  (ver- 


*")  der  grosse  Jesattmr,  der  Bruder  Borrak's,  he\\Vassaf  Fesmar, 
hei  Reschideddin  auch  Jesfts ;  der  Meine  war  Jpsmrnr.  der  Sohn 
Dschudschi's  (der  Bruder  Kipdschak's") ,  des  Sohne«  Kaidu's,  des 
sechsten  Sohnes  Ogotai's.  *)  der  Sohn  Batu's,  des  Sohnes  Hindu's, 
des  Sohnes  Dschagatai's,  des  zehnten  Sohnes  Dsrhudschrs.  ')  In 
den  Jahrbüchern  der  Literatur  VII.  HOO.  irrig  Nertukc,  weil  das  Ki 
zum  Namen  gezogen  worden,     *)  Nushct :  üschiliauuuma  S.  3)4. 


2(54  A    i  c  r  t  e  s     D  ii  c  li. 

muthlich  von  bengalischem  Feuer},  der  die  Gegend  weit 
umher  erlenchlete ' ).  Borrak  Hess  den  Prinzen  Tekschin 
wissen,  das  Land  von  Badgliis  bis  Ghasnin  und  dem  ludus 
geliöre  zur  Weide  seiner  Väter,  und  er  möge  daher  das- 
selbe räumen.  Tekschin  antwortete:  er  Jiätte  es  als  väter- 
liches Erbe  von  seinem  Aka^  d.  i.  dem  älteren  Bruder  und 
Herrn  Abaka,  bei  dem  er  sich  erst  anfragen  müsse.  Abaka 
antwortete:  dass  das  Land  von  Badghis  zu  den  Krongütern 
des  Hauses  Hulagu's  g.ehöre  und  dass  er  dasselbe  wider  den 
Angriff  Borrak'8  zu  vertheidigen  wissen  werde.  Auf  diese 
Antwort  hatte  Borrak  mit  den  Prinzen,  die  in  seinem  Ge- 
leite, Kriegsrath  geljalten  und  war  über  den  Oxus  gegangen, 
nachdem  er  seinen  Sohn  Begtimur  mit  tausend  Reitern  zu 
Kesch  und  Nachscheb  zurückgelassen.  Melik  Schemseddin 
Kert  von  Herat  kam  dem  Prinzen  huldigend  entgegen,  um 
die  Schonung  seines  Landes  zu  erhalten,  welche  auch  zu- 
gestanden, aber  die  Verheerung  alles  übrigen,  dem  Kubilai 
oder  seinem  Neffen  Abaka  gehÖrigenLandes  befohlen  ward  ^). 
Von  Seite  Abaka's  befehligte  sein  älterer  Sohn  Arghun, 
welchem  die  Statthalterschaft  von  Chorasan  verliehen  ward, 
das  Heer;  in  demselben  befand  sich  ein  Emir  der  Tausender 
Namens  Sidsckektii ,  welcher  ehemals  ein  Hausgenosse  des 
Prinzen  Kipdschak;  als  er  hörte,  dass  dieser  sich  im  Heere 
Borrak's  befände,  sandte  er  ihm  ein  Geschenk  von  Pferden, 
das  dieser  mit  gleichem  entgegnete;  diess  war  der  Anlass 
eines  heftigen  Streites  zwischen  Kipdschak  und  dem  Feld- 
herrn Dschelartai  dem  Dschelairen,  welcher  dem  Kipdschak 
in  Borrak's  Gegenwart  vorwarf,  die  bessten  Pferde  für  sich 
behalten  und  nur  die  schlechteren  dem  Borrak  gegeben  zu 
haben.  Kipdschak  rief  aus:  „Hat  je  ein  Karadschu ,  d.  i. 
ein  Unterthan,  solche  Worte  gegen  einen  Abkömmling 
Tschengischan's  so  gesprochen,  dass  sich  solch  ein  Hund 
solcher  Worte  erfrechen  darf."  —  „Wenn  ich  ein  Hund 
bin",  antwortete  Dschelartai,  „bin  ich  der  Hund  Borrak's 
und  nicht  der  deine."  —    „Ich  werde  dich  entzwei  hauen," 


*)  Dschihauuuiua  S.  Mi).     ')  Reschideddin. 


Viertes     Buch.  266 

rief  Kiptlschak ,  „ohne  dass  mein  Aka  es  mir  verarge."  — 
„Und  ich,"  entgegnete  Dschelartai,  die  Hand  auf  den  Dolch 
legend,  „wenn  du  nahest,  dir  den  Bauch  spalten."  Da 
Borrak  durch  sein  Stillschweigen  dem  Dschelartai  Recht  gab, 
verliess  Kispdchak  erzürnt  die  Versammlung  und  in  der 
IVacht  mit  zweitausend  Reitern  das  Lager.  Die  Versuche 
Borrak's,  denselben  durch  die  Sendung  von  drei  Prinzen 
zur  Rückkehr  zu  bewegen,  waren  vergebens.  Dschelartai 
folgte  mit  dreitausend  Mann,  in  der  Hoffnung,  ihn  zu  über- 
rumpeln; aber  da  die  Prinzen  fürchteten,  dass,  wenn  die 
Truppen  desselben  in  Sicht  kämen,  Kipdschak  sie  mit  sich 
führen  würde,  kehrten  sie  unverrichteter  Dinge  zurück. 
Eaidu  fühlte  empfindlich  diese,  seinem  Vetter  zugefügte 
Beleidigung;  er  machte  gegen  Abaka  die  Flucht  Kipdschak's 
aus  dem  Lager  Borrak's  als  ein  Verdienst  geltend,  und  ver- 
band sich,  seinen  alten  Verbündeten  Borrak  verlassend,  mit 
Abaka  in  Freundschaft,  so  dass  sie  sich  fortan  Ortak,  d.  i. 
Genossen,  hiessen. 

Abaka    sandte    den   Prinzen  Jaschmut  mit  einem  Heere        jj^id 
zu  Hilfe  Tekscliin's,  welcher  dem  Anfalle  des  Heeres  Borrak's   Meryhaul, 
preisgegeben ,   während  Schiramun  im  Norden  sich  mit  Ni-   VschebaVs 
gudar,    dem    in   Abaka's   Lager    flüchtigen    dschagataischen 
Prinzen,  schlug.     Mit  fünfTomanen,  d.  i.  mit  fünfzigtausend 
Mann,    trat   Borrak    den    Zug  durch  Chorasan  an');   seine 
beiden   tapfersten   Feldherren,   Dschelartai  der   Dschelaire 
und  Merghaul,  jener    ein  Bogenschütze,    wie  Aresch ,    der 
berühmte   Bogenschütze   der  altpersischen  Geschichte;   den 
Bogen  Dschelartai's  vermochte  kein  Anderer  zu  spannen ,  als 
er  selbst.  Merghaul  war  vorzüglich  in  der  Kunde  des  Dschade, 
d.  i.  des  Wetter-  und  Hagelmachens  mittels  des  Regensteines, 
bewandert;  er  sagte  von  sich  selbst:    „Ich  binde  den  Gaul 
zu  Konghus  Alanik   an   und   reite  nicht  faul  den  Falben  ^^ 


'3  \Vassaf  nennt  die  Prinzen:  Jesdar ,  Kongurtai ,  Adschai, 
Tikesdi?,  Nigudar  Hnladschu;  die  Emire :  Arghesim,  Masiik  Aln/ied, 
Kotschek .  Timur,  Olinak,  Menkeser ,  Abdullah^  der  Sohn  Tulak 
Bawerdschi's ,  und  Aradschuk.     *)  Ala  at. 


266  Viertes     Buch. 

bis  an  die  Alpen  desselben*},  ohne  dass,  um  auszuruhn, 
ich  den  Zügel  vom  Kopf  muss  thun ,  und  ohne  dass  die 
Schweissdecke  trocken  werde."  Purbaha  D schämt ,  der 
persische  berühmte  Dichter,  welcher,  ein  Türke  oder  Mon- 
gole von  Geburt ,  zur  Zeit  Arghun's  (des  Sohnes  Abaka's) 
halb  aus  persischen,  halb  aus  türkischen  und  mongolischen 
Worten  bestehende  Mischlingsgedichte  verfertigte,  sagt  in 
seiner  zum  Lobe  Schemseddin  Dscfauweini's  verfassten  Kas- 
sidet : 

Die  Trennung  Merghaul  verheert  Geduld  mit  Schwert, 
Wie  jüngst  Borrak  mit  seinem  Heer  das  Land  verheert'). 

Solchen  Kräften  und  Helden  vermochten  die  Prinzen  Arghun, 
Jaschmut  und  Tekschin  Qener  der  Sohn ,  diese  die  Oheime 
Abaka's}  nicht  zu  widerstehen,  und  er  zog  also  selbst  an 
der  Spitze  eines  Heeres  nach  Herat.  Indessen  hatte  Borrak 
Gesandte  an  Kaidu  geschickt,  um  sich  über  die  Empörungen 
der  beiden  Prinzen  Kipdschak  und  Dschebaty  welche  er  ihm 
zu  Hilfe  gesandt  und  die  ihn  nun  verlassen,  zu  beklagen. 
Als  Dschebat  an  die  Gränze  Bochara's  gelangt,  rastete  er 
einige  Tage  aus.  Die  Emire  der  Tadschiken  (Perser)  gaben 
hiervon  dem  Begtimur  Aghul,  welchen  der  Vater,  Borrak, 
jenseits  des  Oxus  zurückgelassen,  Kunde:  „Könntest  du," 
fragte  Begtimur  den  Tasikaka  (den  Emir  der  Tadschiken}, 
„mit  fünfhundert  Reitern  denselben  nicht  abwehren?"  — 
Tasik  antwortete :  „Ich  bin  Karadschu,  d.  i.  Untcrthan ,  und 
Dschebat  ist  Urugh,  d.  i.  vom  Herrscherhause,  wie  kann 
sich  der  Karadschu  mit  dem  Urugh  schlagen?"  —  Da  sass 
Begtimur  selbst  zur  Verfolgung  Dschebat's  auf,  der  sich  mit 
genauer  Mühe  mit  zehn  Reitern  rettete,  nachdem  er  die 
Brücke  von  Tschirameghan  zerstört;  dreissig  Parasangen 
weit  verfolgte  ihn  die  Truppe  Borrak 's,  ohne  ihn  erreichen 
zu  können.  Borrak  machte  sich  jedoch  nicht  viel  aus  der 
Entweichung  der  beiden  ogotaischen  Prinzen,  Kipdschak  und 
Dschebat,  vertheilte  ihre  zurückgebliebenen  Truppen  unter 
die  seinen,  und  schwelgte,  unbesorgt  der  Zukunft.    Merghaul 


')  Alatayh.     -)  Wassaf. 


viertes     Buch.  §07 

wurde  nach  Nischabur  gesandt,   Borrak   blieb  zu  Thalkan;6'.  Rnmnsan 

Nischabur  wurde  geplündert,  und  gleiches  Loos  hatte  Borrak ^— -— 

der  Stadt  Herat  bestimmt.  Da  stellte  ihm  Kotlogh  Timur  \269 
vor,  dass,  wenn  er  sich  den  Herrn  von  Herat,  Melik  Schems- 
eddin  Kert,  zum  Feinde  mache,  derselbe  ganz  Chorasan 
empören  würde.  Borrak  gab  der  Vorstellung  Gehör  und 
sandte  den  Kotloghbeg  mit  fünfhundert  Reitern,  den  Herrn 
von  Herat  in's  Lager  zu  laden.  Im  Schlosse  Chatsar  trafen 
sie  zusammen  Melik  Schemseddin,  ein  staatskluger  Kopf, 
folgte  der  Einladung;  er  ward  von  Borrak  ehrenvoll  em- 
pfangen und  mit  Chorasan  belehnt ;  Mehreres  noch  versprach 
ihm  Borrak  nach  Persiens  Eroberung;  sie  sprachen  von 
Nichts,  als  von  der  Verheerung  Bagdads  und  der  Stadt 
Tebris,  deren  Schätze  sie  schon  im  Gedanken  theilten ,  in- 
dem der  Herr  von  Herat  sich  dem  Lieblingsplane  Borrak's 
hingab.  Dieser  begehrte  von  ihm  eine  Liste  der  reichsten 
Einwohner  Chorasan's.  Schemseddin  gab  auch  diese  und 
begehrte  die  Erlaubniss,  nach  Herat  zurückzukehren,  um 
dort  Waffen  und  Pferde  aufzubringen.  Die  Einwohner  Herat's 
gingen  ihm  entgegen  und  vernahmen  trostlos  die  mongolische 
Forderung;  da  aber  indessen  die  Nachricht  vom  Anzüge 
des  Heeres  Abaka's  verlautete ,  zog  sich  Melik  Schemseddin 
in  das  östlich  von  Herat  gelegene  Schloss  Chatsar  zurück; 
hier  erwartete  er  politisch  den  Ausgang  des  Kampfes  zwi- 
schen dem  Uluse  Dschagatai  und  Hulagu's,  zwischen  Abaka 
und  Borrak ,  den  Untergang  des  letzten  voraussehend  *). 

Fast  zwei  Tage  früher ,  als  Borrak  Nischabur  verheerte»     Abaka's 
brach  Abaka,  von  allen  seinen  Brüdern,  Jaschmut  und  Tek-  Aufbruch; 

schin  ausgenommen,  die  schon  in  Chorasan,  begleitet,  dahin   ,,. 

^  '  »       &  '  Niederlage. 

von    der    Gränze   Aserbeidschan's    auf.      Als    er   nach    dem  .    „ 

4.  Ramasan 

zwischen  Sendschan  und  Ebher  gelegenen  Distrikt  Schirgis"^^         668 
gekommen   (^wo    epäter    die   Stadt   Sultanie  erbaut  ward^,    ^S.  April 
welchen    die    Mongolen  Kungurulang  nennen ,    wartete  ihm 
der  von  Kubilai  an  ihn  geschickte  Gesandte  Tehadschek  auf, 
welcher   von    Borrak  aufgefangen  und  in  Verhaft  gehalten, 


0  Reschideddin.     *)  d'Ohsson  III.  505. 


268  Viertes     Buch. 

demselben  entflohen  war.  Auf  «lie  durch  ihn  erhaltene 
Kundschaft  von  der  Schwelgerei  und  der  Sorglosigkeit  Borrak's 
beschleunigte  Abaka  seinen  Marsch;  jenseits  Rei,  zu  Kumts, 
kamen  ihm  sein  Bruder  Tekschin,  der  General  Arghun  und 
sein  Sohn  Arghun  und  mit  ihnen  der  Sultan  Kerraan's  be- 
wiilkommend  entgegen;  auf  der  Ebene  von  Radegan  wurden 
Gold  und  Silber  in  Menge  unter  das  Heer  vertheilt  und 
demselben  mit  Drohungen  und  Verheissungen  die  Erfüllung 
seiner  Pflichten  eingebunden.  Von  hier  ging  der  Marsch 
nach  Bachers,  dem  zwischen  Nischabur  und  Herat  gelegenen 
Distrikte,  in  der  Literaturgeschichte  durch  Bachersi,  den 
Verfasser  der  berühmten  Blüthenlese,  für  immer  geadelt. 
Gegen  Ferjah ,  nicht  zu  verwechseln  mit  Farab,  dem  Ge- 
burtsorte des  grössten  Philosophen  und  Gesetzgebers  der 
Tonkunst,  Ferjabi,  welchen  die  Araber  den  zweiten  Lehrer, 
wie  Aristoteles  den  ersten,  nennen,  sandte  er  Streifparteien 
aus  und  beschäftigte  sich  mit  der  Vertheilung  des  Heeres 
in  verschiedenen  Richtungen.  Dem  Bruder  Jaschmut  über- 
trug er  den  Befehl  des  rechten  Flügels,  den  Obotai  Nujan 
behielt  er  bei  sich  im  Mittelpunkte ,  den  Bruder  Tekschin 
sandte  er  nach  Beldschaghran,  dem  Jurte  Merghaul's ,  wo 
einige  der  Vorposten  Merghaul's  getödtet  wurden ;  dieser 
eilte,  dem  Borrak  die  Kunde  zu  bringen,  dass  ein  feind- 
liches Heer  zugegen.  Borrak  sagte:  Wenn  Tekschin  und 
Arghun  wieder  zurückgekommen ,  so  wissen  wir  schon ,  was 
von  ihnen  zu  halten,  da  wir  sie  geschlagen;  ein  Anderes 
wäre  es  mit  Abaka;  geh'  und  verrenne  ihnen  den  Weg,  bis 
wir  zur  Schlacht  gerüstet.  Von  Badghis  aus  sandte  Abaka 
einen  fündigen  Gesandten  an  Borrak  mit  Friedensanträgen: 
er  wolle  ihm  Ghasnin  und  Kerman  und  das  Land  bis  an  den 
Indus  überlassen,  er  möge  freiwillig  zurückkehren;  wenn  nicht, 
zur  Schlacht  gerüstet  sein.  Prinz  Jesawur  rieth  zum  Frieden, 
weil  Kipdschak  und  Dschebat  entflohen  und  die  Pferde  noch 
schwach.  Merghaul  ereiferte  sich  dagegen  und  behauptete, 
das  anziehende  Heer  seien  nur  die  Truppen  Tekschin's  und 
Jaschmuts,  indem  das  Abaka's  in  Syrien  beschäftigt  sei. 
^      Dschelartai  sprach  im  Sinne  Merghauls:  Wir  sind  zum  Kriege 


Viertes     Buch.  269 

ausgezogen;  wenn  du  Frieden  gewünscht,  wärest  du  besser 
jenseits  des  Oxus  geblieben.  Borrak  fragte  den  Astrologen 
Dschelal ;  dieser  riefh,  einen  Monat  zu  warten,  indem  die 
Ansiciiten  der  Gestirne  ungünstig.  Merghaul  und  Dschelartai 
sprachen  erzürnt  dagegen;  die  Schlacht  ward  beschlossen. 
Abaka  befahl  dem  Emire  Toghus,  das  Terrain  auszuwählen. 
Er  bestimmte  am  Fusse  eines  Berges  eine  grosse  Ebene, 
vom  Flusse  Karasii  durchschnitten.  Drei  hier  aufgegriffene 
Kundschafter  wurden  durch  eine  Kriegslist  Abaka's  getäuscht, 
indem  in  ihrer  Gegenwart  ein  eingelernter  Bote  die  falsche 
Nachricht  brachte,  dass  zu  Hause  ihr  Jurt  von  den  Feinden 
im  Norden  überfallen,  schleunigen  Rückzug  fordere.  Dieser 
wurde  in  der  grössten  Eile  veranstaltet,  das  ganze  Lager 
im  Stich  gelassen;  der  Befehl  zur  Hinrichtung  der  Kund- 
schafter ward  öffentlich,  heimlich  der  gegeben,  dass  man 
einen  derselben  entwischen  lasse.  Borrak  mit  seinen  beiden 
schlachtlustigen  Feldherren,  Merghaul  und  Dschelartai,  gingen 
in  die  Falle ;  das  zurückgelassene  Lager  ward  geplündert 
und  dann  der  flüchtige  Feind  verfolgt  bis  an  den  Ort,  welchen 
Abaka  zum  Schlachtfeld  ausersehen;  Borrak,  betroffen,  stellte 
sich  am  Flusse  in  Schlachtordnung  auf.  Abaka  gab  den  Be- 
fehl des  rechten  Flügels  dem  Bruder  Tekscliin  und  dem 
Emir  Semghur,  den  des  linken  dem  Bruder  Jaschmut,  unter 
welchem  die  Generale  Suntai  und  Arghunaga;  der  letzte 
befehligte  die  Hilfstruppen  von  Kerman  und  Fars,  deren 
Anführer  Sultan  Hidschadsch  und  der  Atabeg  Jusufschah; 
Obotai  befehligte  das  MitteltrefFen.  Merghaul  fiel  gleich 
Anfangs  der  Schlacht,  Dschelartai  schlug  den  linken  Flügel 
und  «Irückte  dejiselben  bis  Fuschendsch  zurück;  der  rechte 
Flügel  und  der  Mittelpunkt  hielten  noch  fest;  als  aber  auch 
die  Truppen  Abaka's  zu  wanken  begannen,  liess  sich  Suntai, 
der  neunzigjährige  Feldherr  desselben,  auf  einem  Sessel 
mitten  im  Schlachtfeld  nieder  und  sagte  zu  den  ihn  um- 
gebenden Offizieren:  „Heut'  ist  der  Tag,  uns  dankbar  gegen 
Abaka  zu  erweisen  durch  Sieg  oder  Tod."  Nach  dreimaligem 
Angriffe  wurde  Borrak  geschlagen ;  sein  ganzes  Heer  wäre 
▼erloren    gewesen    ohne    Dschelartai's    Muth    und   Geistes- 


270  Viertes     B  u  o  li. 

gegenwart.     Er   sammelte    die    zerstreuten    Flüchtlinge  und 
bewirkte  ihren  Rückzug  über  den  Oxus. 
^jj.  Borrak,    der    auf  der  Flucht  vom  Pferde  gefallen  und 

Borrak's.  dazu  vom  Schlage  berührt  worden ,  kam  gelähmt  nach  Bu- 
chara ,  wo  er  sich  zum  Islam  bekehrte  und  den  Namen 
Ghajaseddin  annahm.  Viele  seiner  Feldherren,  seiner  üblen 
Laune  ausgesetzt,  verliessen  denselben  unter  verschiedenen 
Vorwänden.  Der  Prinz  Ahmed  Aghul,  der  Sohn  Huris '7, 
zog  missvergnügt  mit  seinen  Truppen  nach  Pischbaligh. 
Tukai ,  die  starkraüthige  Gemahlin  Borrak's,  als  sie  dessen 
Rückzug  vernahm,  bot  sich  ihrem  kranken  Gemahie  au,  auf- 
zusitzen und  ihm  den  Prinzen  zurückzubringen.  Der  Emir 
Mauidan  erhielt  den  «Befehl  zur  Verfolgung ,  Borrak  folgte 
in  einer  Senfte;  auf  der  zweiten  Station  traf  die  Nachricht 
ein,  dass  Prinz  Nikpei,  der  Sohn  Serban's,  sich  nach 
Chodschend  entfernt.  Borrak  sandte  ihm  den  Prinzen  Ba- 
lighu ,  den  Sohn  Kadaki's,  des  Sohnes  Buri's,  nach,  und 
erschöpfte  sich  in  Klagen  über  die  ünstätigkeit  seiner  Hilfs- 
genossen und  über  die  Unfälle  der  letzten  Schlacht:  „Als 
ich,"  sagte  er,  „vom  Pferde  gefallen,  als  ich  rief;  Ich  bin 
euer  Padischah ,  gebt  mir  ein  Pferd!  hörte  mich  keiner; 
Alle  stürmten  vorbei  auf  der  Flucht,  his  ein  Kar mvine  (ein 
Naphtafeuerwerker^ ,  Namens  Sali,  vom  Pferde  stieg,  mir 
dasselbe  gab  und  statt  desselben  einige  Pfeile  begehrte,  die 
ich  ihm  reichte."  Er  sandte  den  Bruder  Jesar')  an  Kaidu, 
um  sich  über  den  Abfall  der  Prinzen  Kipdschak  und  Dschebat 
zu  beklagen.  Kaidu  brachte  ihm  die  Treulosigkeit  Borrak's 
in  Erinnerung,  welcher,  während  die  Prinzen,  seine  Brüder, 
mit  Kipdschak  die  Rückkehr  unterhandelten,  den  Dschelartai 
nachsandte,  um  ihn  zu  überfallen ;  Jesar  läugnete  es.  Kaidu 
versammelte  seine  Emire  zum  Rath,  stellte  ihnen  vor,  wie 
verächtlich  bisher  die  Verbindung  mit  Borrak  für  das  Haus 
Ogotai's  gewesen  ;  es  ward  beschlossen,  den  Jesar  in  Gewahr 
zu  halten  und  dass  Kaidu  selbst  mit  ein  Paar  Tomanen  unter 


*)  Der  Enkel  Dschagatai's  aus  seinem  zweiten  Sohne  Muwa- 
tulijan.  2)  Bei  d'Ohsson  Jesar,  in  Wassaf  Basmar^  in  der  Hand- 
schrift Reschideddin's  der  k.  k.  Hofbibliothek  Parso. 


Viertes     Buch.  271 

«lern  Scheine,   dem    Borrak    die   begehrte  Hilfe   zu  leisten, 
aufsitze ,  weil ,  ehe  sie  ankämen ,  sein  Loos  entschieden  sein 
würde.     Indessen   hatte  Nauldar    den  Prinzen  Ahmed  Biiri 
und  Balighu  den  Prinzen  Nikpei  verfolgend  erreicht  und  in 
dem  ihnen  gelieferten  Treffen  fielen  Ahmed  Buri  und  Nikpei. 
Sodald  Borrak  hiervon  Kunde  erhalten  hatte,    sandte  er  an 
Kaidu ,  dessen  wahre  Absicht  er  ahnte,  Wort,   um  ihm  für 
seine  Hilfe   zu  danken,   die   nun   überflüssig   geworden  sei. 
Kaidu  setzte  nichtsdestoweniger  seinen  Marsch  fort;  ehe  er 
noch  das  Lager  Borrak's  erreicht,  war  dieser  plötzlich  ge- 
storben,   vermuthlich    durch   neuen    Schlaganfall   getroffen. 
Als  Kaidu  dem  Lager  nahte,  hörte  er  die  Todtenklage  und 
sah    die   Wachen   mit   fliegenden   Haaren.     Kaidu    und    alle 
Prinzen  beweinten  den  Tod  Borrak's;  sie  zogen  die  Trauer 
an  und  Borrak's   Leichnam    wurde   auf  einem  hohen  Berge 
bestattet.     Am  folgenden  Tage  erschienen  die  Prinzen  Mu- 
bareksehah  (der  Enkel  Muwatukjan's,  aus  dessen  Sohn  Kara 
Hulagu  und  der  Frau  Hirghana^,  Kajan  und  Dschobai,  die 
Enkel    des    vor    Olmütz   gefallenen   Paidar    [Peta]  ' ) ,     und 
Hessen  sich  vor  ihm,  als  dem  älteren  Prinzen,  auf  die  Kniee 
nieder,  sich  seinen  Befehlen  fügend.     Sie  klagten  über  die 
Behandlung,    die   sie  von  Borrak  erlitten;    Kaidu  versprach 
ihnen   die  Zurückstellung  der  ihnen  weggenommenen  Güter 
und  überliess  ihnen  den  Schatz  Borrak's  zur  Theilung.    Mu- 
barekschah   nahm   mit   eigener   Hand    die   Ohrgehänge   der 
Frau    Tukai ,   der   Gemahlin   Borrak's,    vom  Ohre.     Borrak 
hatte  vier  Söhne  hinterlassen :  Peik  Timur,  Tewabtiri,  Tehu 
und   Vladai ;  mit  ihnen  vereinigten  sich  die  Söhne  Aighui's, 
die  beiden  obgeiiannten,  Dschobai  und  Kija?i;  des  dem  Kaidu 
gegebenen    Wortes    vergessend ,   verheerten    sie    das   ganze 
Land  von  Chodscheud  bis  Bochara  und  bis  jenseits  des  Oxus. 
Drei   Jahre   hernach   kam   auf  Vortrag  des  Wesirs  Scheras- 
eddin,  dass  es  die  höchste  Zeit,  den  Unordnungen  im  Lande 
jenseits  des  Oxus  ein  Ende  zu  machen,  ein  Heer  unter  dem 


')  In  der  Handschrift    der   k.  k.  Hofbibliothek    einmal  DschaüU 
und  einmal  Dschobai,  in  Wassaf  Dschoban. 


272  Viertes     Buch. 

Befehle  Jusufs   und  Kuroghdai's ,    der  Söhne  Dschintiraur's, 

des  vormaligen  Statthalters  in  Persien  ,  nach  Chuaresra:  Gnr- 

gendsch.  Chiwa  und  Karakusch,  wurden  von  Gütern  geleert, 

7.  Redscheb  mit  Leichnamen  gefüllt.     \'or  Böchara  schlugen  sie  sich  mit 

— — - — — — -  dem  dschagataischen  Heere;  sieben  Tage  dauerte  die  Schlacht, 
«O.Jan  JiHt  -i  '^  c  1 

zehntausend  Todte  deckten  die  Erde.  Bochara  ward  toq 
neuem  mit  Feuer  und  Schwert  verwüstet,  die  Medrese  und 
die  Bibliothek  Mesudbegs  gingen  in  Flammen  auf.  Dies 
war  eine  strenge  Antwort  (bemerkt  Wassafj  auf  das  ver- 
ächtliche Wort,  welches  Mesudbeg  dem  Grosswesir  Scheras- 
eddin  zum  Willkoramen  gesagt.  Fünfzigtausend  Jünglinge 
und  .Mädchen  wurden  als  Sklaven  weggeschleppt;  Dschobai 
und  Kijan  nahmen  ihnen  jedoch  die  Hälfte  wieder  ab. 
Dieser  Raubzug  war  das  Werk  der  Einstreuungen  des  Turk- 
manen  OkbaP  ).  Sieben  Jahre  lang  blieb  die  Stadt  verödet. 
Zueite  Nach  der  Niederlage  Borrak's  zog  Abaka  mit  dem  Heere 

Thron-      nach  seinem  Thronsitze  in  Aserbeidschan  zurück;  die  Kriegs- 
besteigung :  zucht  ward    so  strenge  gehalten,    dass,    wie    auf   dem  Hin- 
Halswunde;  j^arsche  im  Frühling,  der  Huf  seiner  Pferde  kein  Saatfeld 
zertrat,  jetzt  auf  dem  Rückwege  im  Herbste  vom  Soldaten 
keine  Garbe  geraubt,    keine  Traube  abgerissen  ward;    eine 
Kriegszucht,    so  löblicher,  je    ungezügelter    die  Raubsucht 
i.  Rehiul-    mongolischer  Heere  im  feindlichen  Lande.     Ära  achtzehnten 
ewuei  669  October,  dem  in  der  Geschichte  durch  vielfache  Schlachten 
Ib.Oct.UTO  ^\^  Kriegsfest  so  berühmten  Tage,   stieg  er  zu  Meragba  ab 
SO.Rebiul-   und  zwanzig  Tage  hernach  hatte  im  Lager  zu  Dschaghantu 
^""'"'^^       die    zweite    feierliche    Thronbesteigung   und  Krönung  statt, 
em  '^'' ifjtj^fjj   (jjg  Gesandtschaft  des  Kaan's  mit  der  Bestätigung  der 
Herrschaft  als  Ilchan  und  Padhchah  in  Iran  mit  dem  Herr- 
scherdiplorae  eingetroffen  war.     Der  Grund  ,  dass  sich  diese 
Bestätigung  volle  sechs  Jahre  erwarten  iiess,  kann  v*ohl  blos 
in  dem  Bürgerkriege  Abaka's    mit  Nigudar  und  Borrak  ge- 
legen   haben,    weil,    ehe    das    Loos    der  Waffen    durch    die 
Niederlage  von  den  beiden  letzten  die  bleibende  Herrschaft 
des  ersten  entschieden ,  dieselbe  feierlich  zu  bestätigen  der 

')  ^^assaf. 


V  i  c  r  t  0  a     ß  u  c  b.  27JJ 

Kaan  Anstand  nahm.     Zu   gleicher  Zeit   mit  den  Gesandten 
des   Kaan's    trafen    auch  die  Mengutiraur's,    des  Herrschers 
von  Kipdschak ,    mit    Geschenken  ein,    ura    zur    siegreichen 
Beendigung  des  Feldzugs  Glück  zu  wünschen.     Sie  wurden 
ehrenvoll    empfangen    und    reich   beschenkt    entlassen.     Auf 
einer  der  Stationen  des  Marsches,  vor  der  Ankunft  zn  "Me- Zl^füllL^^ 
ragha,  war  Abaka  auf  der  Jagd  durch  das  Hern  eines  wilden         ''  ^^^" 
Stieres  am  Halse  rerwundet  worden,    so    dass  das  Blut  aus 
der  Wunde  floss ;    um    dasselbe  zu  stillen,    unterband  einer 
der  Ai'dadschij  d.  i.  der  Küchenmeister,  die  Haut  mit  einer 
Bogensehne,   so  dass  es  zu  fiiessen  aufhörte,    und  er  dafür 
von  Abaka  reichlich  belohnt  ward;    aber    es   hatte  sich  ein 
Senkel  gebildet ,  welcher  höchst  beschwerlich  fiel  und  auch 
gefährlich   schien.     Keiner    der   Aerzte   getraute    sich    den- 
selben   zn    öffnen,    nur    der   grosse    Astronom    iVassireddin, 
welcher    auch    ein    geschickter    Arzt,    verbürgte    sich,    die 
Operation    ohne    Gefahr    zu    unternehmen;     er    schnitt    den 
Blutsack    auf   und    reinigte    die    Wunde,    die    binnen    einer 
Woche  geheilt  war.     Die  allgemeine  Freude  hierüber  ward  s,.  sUhidsche 
durch  den  Tod  der  beiden  Prinzen  Jaschnut  und  Tehschin,         ^ 
die    Oheime    und   treuen   Waff"engefährten    Abakas   in    dem 
Kriege  wider  Nigndar  und  Borrak,  getrübt.     Sechs  Monate 
früher  war  auch  Jesundschin,  die  Mutter  Abaka's,  gestorben; 
ihr    Lager    erhielt    die    Gemahlin    Abaka  s,     die    Prinzessin 
Padischah    Chatun,    die    Tochter    Kutbeddin's,    des    Sultans 
von  Kerman.     So  hatte  Abaka  Chan  nach  dem  Tode  seiner 
Stiefmutter,  der  grossen  Frau  Tokuschatun  ,  ihr  Lager  ihrer 
Nichte  Tukini,  der  Beischläferin  seines  Vaters  Hulagu,   ver- 
liehen,   welche    dreissig   Jahre    lang    im    Besitze    desselben, 
■worauf  es  Kukadschi  Chatun,    eine  Verwandte    der  grossen 
Frau   Bulughan,    der    Gemahlin  Ghasan's,    und    nach  dereii 
Tode  die  Frau  Keramun,  die  Tochter  eines  Vetters  der  Frau 
Bulughan,    erhielt,   nach    dessen   Tode    dieselbe   unter  der 
Regierung  Oldschaitu  Chodabende's    (^des  achten  Ilchanen^ 
die  Frau  Kotloghschah,  die  Tochter  Emir  Irindschi's,  eines 
Neffen  der  grossen  Tokus,  verliehen  ward'J,     So  erbte  der 

•)  i.  J.  703  a303),  Reschideddia  von  den  Frauen  Hulagu*. 
Uammerj  Gcschichte  der  llchane.    I.  18 


214  Viertes     Buch. 

Besitz  der  Lager  der  Prinzessinnen   zwar  nicht  regelmässig 

fort,   sondern   ward   theils  mit  Rücksicht  auf  die  Erbfolge, 

6".  Itebitil-   theits  aus  Gunst  verliehen.     In  diesem  Jahre  der  Rückkehr 

aus  Chorasan  ergab  sich  endlich  das  Schloss  der  Assassinen 


Girdkßih ,  welches  seit  der  üebergabe  von  Alamut  noch 
vierzehn  Jahre '3  ausgehalten,  weil  der  letzte  Fürst  der  Assas- 
sinen demselben  zwar  den  von  Hulagu  gestellten  öffentlichen 
Befehl,  sich  zu  übergeben,  aber  heimlich  sich  zu  halten, 
Wort  gesandt  hatte.  Girdkjuh ,  das  letzte  blutige  Nest  der 
Assassinen,  vielleicht  das  Gilgerd  der  Byzantiner,  das  Schloss 
der  Lethe ,  in  welchem  Staatsgefangene  zur  ewigen  Ver- 
gessenheit eingesperrt  wurden ;  sowohl  der  Name  als  die 
Festigkeit  desselben  geben  dieser  Vermuthung  Wahrschein- 
lichkeit. 

Herrscher  Auf  dem  Rückmarsche  von  Chorasan  nach  Aserbeidschan 

von  Luri-    war  Abaka  an  der  Gränze  Gilan's  von  einer  Schaar  dilemi- 
stan ;     Oll  gpjigji   Gesindels    aus    einem  Hinterhalte  angefallen  worden. 

ÜVOSSCV 

Männer  Jusufschah,  der  Sohn  Scbemseddin  Alp  Arghaun's,  der  Atabeg 
von  Gross  -  Lurisfan  ,  welcher  auf  diesem  Feldzuge  den  Chan 
als  Vasal  begleitet  hatte  und  sich  eben  in  dessen  Nähe  be- 
fand, sprang  vom  Pferde  und  wehrte  durch  seine  Tapferkeit 
die  Gefahr  vom  Haupte  Abaka's  ab.  Zur  Belohnung  dafür 
verlieh  ihm  der  Chan  zu  Gross -Luristan  noch  den  Besitz 
von  Chusistan ,  das  Gebirge  Kibije  und  die  beiden  Städte 
Firusan  und  Dscherbadukan ;  die  erste,  im  persischen  Irak 
in  der  Nähe  von  Firusan  gelegen,  ward  von  Firns,  dem 
Könige  der  altpersischen  Dynastie  der  Beni  Sasan,  erbaut, 
von  welchem  sie  den  Namen  hat,  in  einer  an  Baumwolle, 
Korn  und  Früchten  aller  Art  gesegneten  Gegend  gelegen^). 
Dscherbadakan,  auch  Derbajekan  oder  Güljadkjan  genannt, 
ist  eine  zwischen  Kerdsch  und  Hamadan  gelegene  Stadt, 
welche  Humai,  die  Tochter  Behmen's,  des  Kejanenen  (^die 


')  Vom  J.  654  (1256)  bis  669  (1270)  machen  vierzehn  Sonnen- 
und  fünfzehn  Mondjahre,  was  die  Hälfte  der  von  Haithon  als  Be- 
lagerungszeit des  Schlosses  Tigaddo  angegebeneu  dreissig  Jahre. 
^)  Nushet  und  Dschihannuma  S«.  292. 


ViörtoM     «uch.  275 

Parigatis  der  Griechen},  baute  und  Samere  nannte  ' ).  Jusuf- 
schah  begab  sich  nach  dem  Gebirge  Kiiuje  (j\\  Luristan} 
und  schlug  die  Schulen ,  den  Sieg  mit  seines  Bruders 
Nedschmeddin  Tod  bezahlend^).  In  Chorasan  schlugen  sich 
indessen  die  Feldherren  Nihpei  Behdi  und  der  Turkraane 
Akbeg  wider  die  dschagataischen  Prinzen  Dschoba  und 
Kapan,  den  Sohn  Alghui's,  das  Land  verödend,  wie  bereits 
oben  gesagt  worden.  Akbeg  hätte  sich  gerne  mit  seiner 
Beute  zu  Kaidu  geflüchtet,  aber  einer  seiner  Brüder  kam 
zum  Dienste  des  Steigbügels  des  Prinzen  Arghun  und  ent- 
deckte demselben  des  Bruders  Anschlag.  Arghun  berief  den 
Turkmanen  ein,  um  ihn  an  den  Hof  Abaka's  zu  senden ;  auf 
dem  Wege  dahin  wurde  er  zu  Kökdsche  denis,  d.  i.  am 
blauen  Meere  (j&xn  Uralssee},  abgethan;  so  ward  auch  der 
Intendent  Melik  Ssadreddin  zu  Rei  hingerichtet.  Der  von 
Hulagu  und  Abaka  hochgeschätzte  Sekretär  Dschenglaun 
Bachschi  und  der  Feldherr  Emir  Arghun,  der  Sohn  Dschur- 
maghun's,  starben  natürlichen  Todes.  Zu  Tebris  stürzten 
alle    Thürme    im  Erdbeben    ein.     In    diesem  Jahre,    wo  zu  „, 

Tebris  Melik  Ssadreddin  hingerichtet  ward ,  starb  zu  Konia 
in  Rum,  dessen  Fürsten  unter  der  eisernen  Ruthe  mongoli- 
scher Vogtschaft  standen ,  der  grosse  mystische  Scheich 
Ssadreddin  von  Konia ;  im  nächsten  Jahre  aber  hatten 
Astronomie  und  Philosophie,  Mystik  und  Poesie  noch  weit 
grösseren  Verlust  zu  beklagen  in  dem  Tode  Nassireddin's 
von  Tus,  des  Werkzeugs  des  Sturzes  der  Assassinen  und 
des  Chalifats ,  des  Errichters  der  Sternwarte  von  Meragha, 
des  Verfassers  der  berühmten  Metaphysik  und  Ethik,  deren 
schon  oben  Erwähnung  geschehen,  und  des  grössten  mysti- 
schen Dichters  der  Perser,  Mewlana  Dschelaleddins  Rumi, 
beigenannt  der  Molla  Kjaiser,  des  Verfassers  des  Mesnewi, 
des  Stifters  der  Mewlewi.  Nassireddin  von  Tus  befand  sich 
am  Hofe  Abaka's  im  Mittelpunkte  des  Reichs  als  der  Reprä- 
sentant der  Wissenschaft,  während  die  Mystik  und  Poesie 
in  den  äussersten   Enden  desselben,   in  Rum   und  in  Fars, 


id7S 


')  Nusliet  und  Dselühanuuiua  S.  299.     ^)  Tariclü  Güsicle. 

18  * 


276  Viertes     Buch. 

blühten,  in  Rum  durch  die  obengenannten  beiden  grossen 
Scheiche  Dichter,  in  Fars  noch  durch  Saadi ,  den  wahren 
König  der  persischen  Dichter  seiner  Zeit,  wiewohl  He?nker 
Farsi  das  Aiut  des  Dichterkönigs  am  Hofe  der  Atabegen  zu 
Schiras  bekleidete;  dass  aber  schon  damals  der  Dichterkönig 
von  Aratswegen  nicht  unbedingt  als  der  grösste  Dichter  er- 
kannt ward,  beweiset,  was  Dewletschah  in  seinen  Lebens- 
beschreibungen persischer  Dichter  bei  der  Imami's  von  Herat 
erzählet.  In  einer  Abendversaramlung  stritten  sich  die  vier 
geistreichsten  und  gelehrtesten  Staatsmänner  Abaka's,  nämlich 
der  Wesir  Schemseddin  Dschuweini,  der  Statthalter  Rums 
Moineddin  Perwane,  der  Richter  3Iewlane  Schemseddin  und 
der  Intendent  Melik  Iftichareddin  von  Kerman ,  einen  Abend 
lang  darüber,  ob  Saadi,  ob  Imami  aus  Herat  oder  Hemker 
Farsi  (der  Dichterkönig)  der  grösste  Dichter;  sie  kleideten 
diese  Frage  in  Versen  ein')  und  sandten  dieselben  zur 
Entscheidung  an  den  Dichterkönig  von  Amtswegen;  dieserv 
antwortete  bescheiden  und  wahr: 

Obwohl  ich  bin  ein  Papagei  durch  süssen  Sang, 
Bin  ich  die  Fliege  nur  von  Saadi's  Zuckermund; 
Und  soll  i(%  thun  ein  allgemeines  Urtheil  kund, 
So  läuft  Imami  mir  und  Saadi  ab  den  Rang. 

Wie  tief  persische  poetische  Bildung  damals  in  Staatsge- 
schäfte eingriff,  wird  sogleich  aus  dem  Verhältnisse  und 
Briefwechsel  des  gelehrten  Wesirs  Schemseddin  Dschuweini 
mit  Melik  Schemseddin  Kert,  dem  Herrn  von  Herat,  erhellen. 

Melik  Schemseddin  Kert,  welchem  schon  Tschengischan 

Schimseddin  '  " 

Kert.  «'ie  Herrschaft  von  Herat  überlassen  und  welchen  sein  dritter 
Nachfolger,  Mengku,  als  Herrn  von  Hera^,  Sebsewar^  Ghur 
und  Ghardschistati  bestätiget  hatte,  war  ein  unternehmender, 
fitaatskluger,  hochgebildeter  Fürst,  dessen  Arm  nie  seinem 
Kopfe  zuvoreilte  und  dieser  nie  hinter  jenem  zurückblieb. 
„Er  war,"  sagt  Wassaf,  „ein  Mann  von  hohem  Geist  und 
erhabenem  Sinne,  der  sich  der  Humanitätswissenschaften 
befleisst.    Er  vereinigte  in  sich  die  beiden  Lehren  von  den 


*)  Geschichte  der  persischen  Redekünste  S.  20:^. 


Viertes     B  u  c  li.  277 

Fingern  und  von  den  Speeren,  gleich  geschickt  zu  tanzen 
den  Reigen  der  Worte  und  der  Lanzen.  Inhaber  von  Bü- 
chern und  von  Heeresschaaren,  ein  Bereiter,  kundig,  die 
Stufen  und  Grade  zu  bewahren ,  der  auf  Orion's  Schultern 
8888  und  auf  denselben,  als  seinem  Reitpferde,  die  Himmel 
durchmass. 

Schüttelt  die  Hand  er  zum  Wohlthuu,  so  ist  sie  eiu  Meer, 
Schüttelt  die  Hand  er  zum  Kampfe,  so  ist  sie  eio  Speer 5 
Wann  sich  die  Erde  verfinstert,  so  ist  er  die  Sonne, 
Wann  sie  verdorret,  erfrischt  er  als  Guss  sie  mit  Wonne." 

Sein  Vater,  Kert,  war  zur  Zeit  der  Sultane  Ghurs  einer  ihrer 
Emire  und  gehörte  zu  den  nächsten  Umgebungen  Sultan 
Schihabeddin's,  des  neunten  Herrschers  von  Ghur,  welcher 
vor  Sultan  Mohammed  Chuaresmschab  sich  nie  gebeugt.  Zu 
Beginn  der  Regierung  3Iengkukaan's,  als  wider  diesen  Jesui 
Menluk,  der  dritte  Sohn  Dschagatai'e,  ein  Heer  gerüstet, 
ward  Schemseddin  Kert  geschlagen  und  flüchtete  zu  Bat», 
fand  sich  aber ,  sobald  Mengku  die  Prinzen ,  seine  Neben- 
buhler um  den  Thron,  aus  dem  Wege  geräumt,  am  Hofe 
desselben  huldigend  ein.  Er  trug  vor,  dass,  weil  er  bei 
der  Annäherung  des  Heeres  Tschengischan's  demselben  hul- 
digend entgegengekommen,  er  von  demselben  mit  dem  Lande 
Ghur  '}  mit  dem  tiefeingeschnittenen  Schluchtlande  des  nord- 
östlichen Sistan's  ober  Kabul  und  mit  Ghardschistau ,  dem 
nördlich  von  Ghur  unter  Balch  gelegenen  Gebirgslande  be- 
lehnt worden  sey.  Mengku  bestätigte  ihm  nicht  allein  den 
Besitz  der  beiden  Gebirgslandschaften  von  Ghur  und  Ghar- 
dschistan'^),  deren  Einwohner  derselbe  Schlag  von  Menschen, 
durch  Diplom  und  das  Ehrenzeichen  des  Löwenkopfs,  son- 
dern schlug  noch  Herat  und  Nimrus,  jenes  östlich,  dieses 
südlich  von  Ghur  (^das  eigentliche  Sistan),  dazu.  Schems- 
eddin begab  sich  in  den  Dienst  Arghun's,  des  Statthalters 
inChorasan,  und  erhielt  von  demselben  das  ganze  Land  bis 
an  die  Ufer   des   Oxus    in    Acht  und  Pacht.     Auch  Hulagu 


')  Von  drei  Selten  von  Chorasau  umiicben.  IlscIüIi.  s.  254. 
Hier  sind  die  Schlösser  Firtiskufi  und  Girdkjuh.  -)  Ghardschistun 
Dschih.  S.  238,  254,  324. 


278 


viertes     Buch. 


6'38 


Brief- 
wechsel 
zwischen 
den  beiden 
Schemseddin 
(Kert  und 
Vschmreini) 


hatte  denselben  mit  Ehren  und  Geschenken  ausgezeichnet, 
aber  schon  Im  Jahre  nach  der  Eroberung  Bagdads  (bei 
welcher  er  nicht  im  Heere  Hulagu'g  erschienen^  entbrannte 
wider  ihn  der  Zorn  Huiagu's  in  so  hohem  Grade,  dass  er 
dem  wider  ihn  gesandten  Heerführer  Tegur  den  Auftrag 
gab ,  ihm  die  Haut  Schemseddin  Kert's  mit  Stroh  ausgestopft 
zu  schicken.  Kert  schlug  nicht  nur  die  Truppen  Tegur's, 
sondern  auch  ein  zweites,  wider  ihn  gesandtes  ilchanisches 
Heer  zu  Schelaun,  an  der  Gränze  Herats,  sandte  aber  dann 
Botschaft  der  Unterwürfigkeit  und  Geschenke  an  Hulagu 
und  erhielt  dessen  Verzeihung.  Als  er,  am  Hofe  angelangt, 
von  Hulagu  befragt  ward,  warum  er  ohne  Befehl  den  Statt- 
halter von  Nimrus  getödtet,  antwortete  er  schlagfertig: 
„damit  der  Padischali  an  ihn  nicht  dieselbe  Frage  stelle, 
wie  jetzt  an  mich."  Dem  Hulagu  gefiel  die  Antwort,  und 
er  nahm  den  Herrn  von  Herat  und  Ghur  wieder  zu  Gnaden 
auf;  Schemseddin  machte  in  Huiagu's  Geleite  den  Feldzug 
wider  Berke  mit  und  erwarb  sich  dessen  Zufriedenheit  durch 
Tapferkeit  und  Ergebenheit ;  aber  in  dem  Feldzuge  wider 
Chorasan  fiel  er  in  die  Ungnade  Abaka's,  weil  er  der  Ein- 
ladung des  Prinzen  Tebsin,  in  dessen  Lager  zu  erscheinen, 
nicht  Folge  geleistet ,  in  seinem  festen  Schlosse  von  Chaisar 
fest  sass.  Abaka  sandte  Truppen ,  um  denselben  durch  Ge- 
walt zu  bezwingen.  Schemseddin  machte  Vorstellungen  wider 
diese  Massregel,  wodurch  Chorasan  von  neuem  verheert 
werden  würde;  er  bat  den  Ilchan,  die  Schlichtung  dieses 
Geschäfts  seinem  Sohne  Chodscha  Behaeddin,  dem  Statthalter 
von  Issfahan,  zu  überlassen. 

Schemseddin  Kert,  an  hohem  Muthe  und  Geist  ein 
würdiger  Zeitgenosse  und  Nebenbuhler  des  Wesirs  Schems- 
eddin Mohammed  Dschuweini,  sandte  an  diesen,  als  er  die 
Annäherung  der  wider  ihn  gesandten  Truppen  vernahm ,  die 
folgenden  Verse: 

Wer  schickt  nach  Chata  notschaft  an  »len  Türkenchan? 

Ist  nicht  Nimrus  das  Vaterland  von  Pttrdestan '^ , 

•j  PurdestciHy  der  Sohn  Destan's,  ist  Kusteni,  der  Herr  von 
Nimrus  (Sistao) ,  der  Inhaber  der  berühmten  Stierkeule ,  welche 
eine  der  iicrsischcu  Heichsiusignien. 


Viertes     Buch,  2T9 

Vou  dessen  Schwerte  und  vou  dessen  Stiereskeule 
Das  Haus  Efrasiab's  noch  heute  trä>it  die  Beule  ? 

Schemseddin  Dschuweini,  um  als  Dichter  nicht  zurückzu- 
bleiben und  um  die  Sache  in  Gutem  beizulegen ,  sandte 
Schemseddin  Kert  das  folgende  Schreiben,  halb  in  Versen, 
halb  in  Prose; 

j^Reichsglanz ,  o  König  Schemseddin  Mohammed  Kert , 

In  dem  der  König  und  der  Engel  *)  sich  bewährt. 

Wie  schwer  dem  Herzen  deine  Trennung  fällt  zur  Last, 

Wird  nicht  von  Genien,  ven  Menschen  nicht  gefasst. 

0  Du  von  hellem  Sinn  und  von  wahrhaftem  Wesen , 

Es  ziemt  sich,  dass,  wenn  du  diess  Schreiben  hast  gelesen. 

Du,  wie  der  Wind,  entflammst  der  Wunscherreichung  Gluth, 

Und  diesen  Staub  abwaschest  mit  der  Vorsicht  Fluth. 

Da  der  Gebrauch  des  lieblosen  Himmels  und  des  trübseligen 
Erdgetümmels  droht,  dass  sie  das  Begehrte  und  Beliebte 
hinter  dem  Schleier  der  Verwehrung  verstecken  und  den 
Zweck  des  Herzens  und  der  Seele  ferne  stecken ,  so  ge- 
schieht es,  dass  alle  Lüsten  und  Mühen,  welche  sich  der 
Menschenliebe  geben,  nur  Beschwerden  und  Gefahren  nach 
sich  ziehen,  und  dass  sie  allzumal  in  der  Wahl  der  Sicher- 
heit, wie  sie  dieselbe  immer  erfinden,  nur  Stoff  der  Ent- 
äusserung  und  Täuschung  finden. 

Weltenbrauch  ist's  einmal  nun , 
Stäts  das  Gegentheil  zu  thHU ; 
Hätten  wir  die  Eintracht  nicht  begehrt. 
Hätte  Welt  dieselbe  uns  gewährt. 

O  wenn  Genuss  zu  uns  doch  heute  wiederkehrte , 
Ich  würde  sagen  ihm ,  wie  Trennung  uns  beschwerte. 

Der  Sinn  des  Gesagten  ist:  Seit  Jahren  ist  das  Ohr  der 
Seele  und  die  Seele  des  Ohrs  mit  dem  Schalle  der  Gross- 
muth  des  Königs  des  Islams,  des  Herrschers  von  Iran,  des 
Chosrews  der  Erde,  die  Sonne  der  Wahrheit  und  der  Re- 
ligion (die  Welt  sei  seinen  Geboten  und  Verboten  unter- 
thänig  und  der  Himmel  seinem  Vorhaben  günstig!)  als  mit 
einem  Ohrgehänge  geschmücket  und  entzücket  worden,  und 


')  Worlspiel  awischen  Melik ,  König,  and  Melek^  Engel. 


280  Viertes     R  u  c  li. 

dieser  eleudc  Sklave  31ohamined  Ben  Mohammed  El-Dschu- 
weiui  hat  gewünsclit,  das»  er  von  Angesicht  zu  Angesicht 
denselben  schaue;  als  es  nahe  daran  war,  dass  dieser  Wunsch 
erfüllet  worden  ganz  und  gar,  brach  von  dem  Loos  eine 
geheime  Absicht  der  Verzögerung  los  (^sie  möge  nur  Gutes 
bewirken!);  das  erstaunte  Herz  blieb  ohne  Kopf  und  die 
Seele  blieb  nur  das  Ergebniss  des  Spruchs:  Der  Gierige 
bleibt  beraubt  zurück: 

Ein  Eu^el  s\i/X  an  des  lazurnen  Daches  Hand, 
Der  für  die  Licbeuden  dort  bildet  Scheidewand. 

Seit  einigen  Tagen  sind  Boten  des  Prinzen  Mohammed  von 
jener  Seite  gekommen  und  haben  erfreuliche  Nachrichten 
von  beglückter  höchstdero  Seite  gebracht.  Diese  Kunden 
hatten  des  Messias  Eigenschaft,  dessen  Wunderkraft  Todte 
in's  Leben  rafft;  der  Kiel  des  Schreibers  der  Kunden  hatte 
über  die  Nothwendigkeit,  sich  vor  Seiner  Majestät  dem  llchan 
zu  hüten,  sich  herausgelassen;  hier  erkühnt  man  sich  aber, 
zu  schreiben ,  dass  der  Weg  unnöthiger  Behutsamkeit  des 
leeren  Verdachts  möge  verschlossen  bleiben ,  indem  der 
Vorsatz  jener  Majestät  (des  Ilchan's^  nach  Westen  und  nicht 
nach  Osten  steht." 

Hierauf  antwortete  Schemseddin  Kert,  wie  folgt: 
„Da  die  Tage  und  Nächte,  die  nacheinander  ziehen, 
sich  dahin  bemühen,  dass  kein  Geschöpf  den  Wunsch  des 
Herzens  erreiche,  und  dass  jeder  Gedanke,  auf  welchen 
man  das  Herz  setzt '^,  verändert  sich  nimmer  gleiche,  so 
nützen  Nichts  Fleiss  und  Streben,  und  Mühen  und  Be- 
schwerden können  keinen  Gewinn  geben.  Jahre  sind  es, 
dass  ich  mit  Gebet  und  Fasten  und  Bitten  ohne  Rasten  ge- 
wünscht das  verehrte  Antlitz  des  grossen  Inhabers  (^des 
Diwans),  des  gerechtesten  und  geehrtesten  Wesirs,  dessen 
Rath  und  That  gesiegt,  der  die  Sonne  des  Reichs  und  der 
Religion  (seine  Würde  werde  vermehrt!),  zu  sehen  und 
demselben  alten  und  neuen  Gram  zu  gestehen,  aber 


»)  dil  ber  an  nihadin ,  ßauz   und   gar   dasselbe   mit  dem  Eng- 
lischen :  sct  his  heart  upon  sume  thiug. 


Viertes     Buch.  281 

f       Da  mit  den  Feiuden  viel  der  Freuüd  ist  umgegangen, 
Geziemt  sich  nicht,  von  diesem  Freunde  zu  verlangen : 
Hut"  vor  dem  Honig  dich,  dem  Gift  ist  beigemischt, 
Und  vor  der  Fliege,  die  gesessen  ist  bei  Schlangen. 

Durch  die  Frische  der  Rosenzeit  und  durch  die  Bewässerung 
der  Jahre  wurden  die  Banden  der  Eintracht  und  Freund- 
schaft und  die  Formen  der  Liebe  zwischen  beiden  Seiten 
befestigt  und  das  Gebäude  der  Einigkeit  stark  und  hart  vor 
den  Giftwunden  alles  Fremdartigen  bewahrt,  die  Kibla  der 
Wahrheit  zugewendet,  und  es  wurden  alle  Tage  Briefe  ge- 
sendet, einzuladen  Tataren  und  lasterhafte  Barbaren.   (He- 

mistich^  « 

Was  dir  gefällt,  gefällt  mir  nicht. 

Diess  liegt  aber  ausser  der  gesunden  Vernunft  Pfaden,  und 
es  ist  zuwider  dem  reinen  prophetischen  Gesetze  und  den 
üeberlieferungen  Mustafa's,  des  Freunds  der  Gnaden. 

Besser  ist's,  dass  Weiser  einsam  streife, 
Dass  nach  Winkeln  er  als  Festen  greife, 
Dass  er  trinke,  küsse  und  ausschweife. 
Bis  dass  Welt  Beständigkeit  ergreife. 

In  diesen  Tagen  wird  an  den  Sohn  3Iohammed  kommen, 
was  soll  frommen,  so  Gott  will,  der  Allgeehrte." 

Die  Verse,  welche  Schemseddin  Kert  mit  Schemseddiu   schemsed- 
Mohammed  gewechselt,  sind  nicht  die  einzigen,  welche  die  din's  Verse: 
Geschichte  von    diesen    beiden    Sonnen  der  Relision  aufbe-    **"*     '"" 
halten;    vom    zweiten    wird    noch  in  dieser  und  in  der  loi- 
genden  Regierung  die  Rede  seyn;  vom  ersten  sprechen  wir 
hier  zum  letztenmale  und  erwähnen  daher  noch  zwei  anderer 
Früchte  seines  Dichtertalentes,  wovon  das  eine  nur  von  ge- 
ringem poetischem  Werthe,  weil  das  grösste  Verdienst  des- 
selben im  Wortspiel,  das  andere  aber  so  merkwürdiger,  als 
es    in    Europa   neuer    Beitrag    nicht   zur   ethnographischen, 
wohl  aber  zur  ethographischen  Farbentheorie  der  Morgen- 
länder.     Das    erste ,    eine    Antwort    an    Siadeddin ,    das   ist 
Glanz  der  Religion ,    den    König   von    Kabul ,    mit  welchem 
Schemseddin  in  grosser  Zerwürfniss  und  Bewilderung.    Jener 
schrieb  ihm : 

V 


282  Vierte.«     Buch. 

Aus  Groll  gen  Kabul  wollte  gliurscher  Juage 
Nicht  löseu  zum  Gespräch  uiit  mir  die  Zunge : 
Du  bist  die  Sonn',  ich  Glanz;  ein  Jeder  weiss, 
Die  Sonne  macht  durch  Glauz  nur  hell  uud  heiss. 

Schemseddin  Kert  entgegnete  hierauf: 

Du,  deiner  nicht  bewusst,  nimm  dich  in  Acht! 
Warum  hast  Feindschaft  du  mit  mir  gemacht  ? 
Ich  bin  die  Sonne  und  du  bist  der  Glanz  , 
Der  von  der  Sonne  kommt;  was  will  der  Glan-/. ? 

Die  zweiten  Verse  sind  zum  Lobe  des  Grünen  im  Gegen- 
satze mit  dem  Rotken,  worunter  aber  keineswegs  das  Grün 
der  Erde,  des  Meers  oder  Smaragds,  oder  das  Roth  des 
Morgens  oder  der  Blumen  oder  des  Rubins,  sondern  ganz 
ein  anderes  Grün  und  Roth  verstanden  wird.  Ohne  nähere 
Beiehrung  hierüber  würde  das  folgende  Lob  des  Grünen 
und  Rothen  einem  Abendländer  eben  so  unverständlich  sein, 
als  einem  Morgenländer  die  grüne  und  blmie  Partei  des 
Rennplatzes  gleich  Eingangs  der  Commentare  Mark  Aurel's. 
Die  Farben  des  Lebens  und  Todes  des  Morgenländers  sind, 
wie  bei  den  Abendländern,  das  Weiss  der  Tage  und  das 
Schwarz  der  Nächte,  jenes  Glück,  dieses  Unglück  vorbe- 
deutend, worin  er  mit  dem  Abendländer  übereinstimmt; 
aber  schon  bei  dem  Unterschiede  der  Menschenrassen  setzt 
jener  den  Schwarzen  nicht  die  Weissen,  sondern  nur  die 
Rothen  entgegen ;  so  ist  Mohammed  der  an  die  Rothen  und 
Schwarzen,  d.  i.  an  alle  Rassen  der  Menschen,  gesandte 
Prophet;  die  Rothen  sind  jenen  die  blutigen  Säbel  und 
der  gewaltsame  Tod,  die  Schwarzen  die  giftgeschwollenen 
Schlangen  und  der  Tod  durch  die  Pest;  dem  Schwarzen 
steht  das  Grün  entgegen;  dem  schwarzen  Korn,  die  Begier, 
das  jedem  Menschensohn  in  die  Brust  gepflanzt  ist,  und  das 
nur  dem  Propheten  durch  Gabriel  der  gespaltenen  Brust 
entnommen  ward ,  ist  entgegengesetzt  das  grüne  Korn  der 
Mystiker,  welches,  durch  Beschauung  gross  gezogen,  in  der 
Brust  des  Menschen  zum  Baume  des  Lebens  und  der  Er- 
kenntniss  aufwächst.  Das  grüne  Korn  in  rein  sinnlicher 
Bedeutung   ist   aber   das   des   Bilsenkrauts  und    des   daraus 


Viertes     Buch. 


bereiteten  Opiats  als  Berauschungsmittel ,  im  Gegensatze  des 
Rothen,  d.  1.  des  Weins.  Schemseddin,  dem  Genüsse  des 
ersten  ergeben ,  sang  zum  Lobe  desselben  die  folgenden 
Verse ; 

Der  Reiche,  welcher  trinket  Wein,  wird  warm, 
Die  Welt  füllt  sich  für  ihn  mit  Lust  statt  Harin. 
Ich  giess^  Smaragd  in  den  Rubin  gelinde'), 
Damit  das  Aug'  der  Gfamesschlang'  erblinde'). 
Wenn  Staub  des  grünen  Korns  versüsst  das  Maul, 
Besteige  ich  des  Himmels  grünen  Gaul  5 
Mit  Grünen  ess'  ich  Grünes  in  dem  Grün, 
Bis  dass  mein  Staub  wird  einst  als  Pflanze  grün. 

Wassaf  entgegnet  hierauf  zum  Lobe  des  Rotken: 

Rothe  Rose,  rother  Wein  und  rothe  Wangen; 
Trink',  so  laug  noch  frisch  und  roth  ist  das  Verlangen; 
Gilb'  nicht  dein  Gesicht  mit  Gram,  denn  blau  ist  Himmel, 
Wenn  auch  schwarz  und  weiss  des  Tags ,  der  Nacht  Gewimmel. 

Behaeddin,  der  Sohn  Schemseddin  Dschuweini's,  beredete 
,zwar  den  Herrn  Herats,  sich  an  den  Hof  Abaka's  zu  be- 
geben, aber  dieser  liess  ihn  im  Schlosse  von  Tebris  ein- 
sperren, wo  er  bald  hierauf  starb,  wie  es  heisst,  durch 
Gift,  das  er  im  Ringe  trug  und  selbst  in  die  Speise  ge- 
mischt haben  soll.  Die  Meinung  von  seiner  Listigkeit  war* 
so  gross,  dass  der  zur  Begräbniss  bestellte  Emir,  fürchtend, 
er  möge  sich  nur  todt  stellen,  um  dann  zu  entwischen,  ihn 
in  zwei  ineinander  geschachtelte  Särge  legen  und  beide  in 
seiner  Gegenwart  fest  vernageln  liess').  Das  auf  seinen 
Tod  verfasste  Distichon  finde  hier  Raum,  weil  dasselbe,  wie 
die  obigen  Verse,  sich  auf  eine  dem  Morgenländer  eigene 
Sitte,  nämlich  auf  die  der  Orakelverse  aus  dem  Aufgesto- 
chenen des  Korans  beziehen.  Dieses  Aufstechen  heisst  Fal, 
was  vielleicht  dasselbe  mit  dem  deutschen  und  englischen 
Fall  •). 


')  Chamrol  adschem  .,  der  Wein  der  Perser,  das  grüne  Opiat; 
insgemein  Esrar  genannt.  ^)  Die  Schlangen  sollen  blind  werden, 
wenn  sie  Smaragd  anschauen.  »)  Reschideddin.  *)  wirklich  schreiben 
es  die  englischen  Reisebeschreiber  uicht  anders  als  Fall. 


•*! 


284  Viertes     Buch. 

Schewwal  In»  «"«ihr  sechshundert  sechs  und  siebzig  im  Schewwal, 

^^^  .    Da  schlug  in  dem  Korau  das  Schicksal  auf  als  Fal 

März  1278  Dem  Leu'n  des  Islams,  der  genanut  Mohammed  Kert, 

Deu  Vers :    Verfinstert  ward  die  Sonne  allzumal. 

DieNiyude-  Das  Todesjahr  Schemseddin  Kert's,  dasselbe,  in  welchem 

rischen  Bau- in  Europa  Rudolph  von  Habsborg  die  Macht  seines  Hauses 

den  in  Fars ;  nach   dem   Siege  über  Ottokar  befestigte ,   war  für  Persien 

'  ein  unheilbringendes    durch   die  Vergiessung  seines   Herz- 

dem  Munde  ^^"tes   in   Fars  durch  den  Einfall  und  die  Verheerung  der 

Wassafs.    Niguderischen  Banden ') ,  d.i.  die  Truppen  des  dschagatai- 

schen  Prinzen  Niguder,  welcher,  wie  oben  erzählt  worden, 

auf  Borrak's  Schreiben    aus   dem  Lager  Abaka's  entwichen, 

im  Norden   eine   Zeit   lang   den  Krieg  fortführte,   welchen 

nach  seinem  Tode  seine  Heere  durch  Raub  und  Verheerung 

fortsetzten ,  wie  ehemals  nach  dem  Sturze  Ghuaresmschah  s 

die  chuaresmischen   Banden    in   Syrien.     Die  niguderischen 

Banden    bestanden    aus    Raubgesindel    aller   Nationen,    aus 

Scholen,  Mongolen,  Turkmanen  und  Kurden.     Sie  fielen  in 

Fars  im  Distrikte  Korhal  ein   und   schlugen   das  persische 

Heer  zu   Teng  Schikem,  wo  die  Emire  desselben  die  Brücke 

so  abgebrochen  hatten,   dass  nur  für  Einen  Mann  Raum  zum 

Uebergang.     Zwei  Vogte  Abaka^s  ertranken  im  Flusse,  nur 

Bulghtuwan  hieb   sich   mit  dreihundert  Reitern  durch  den 

±7.Ramasan  rechten  Flügel  der  Feinde  und  rannte ,  indem  er  die  Brücke 
677 

— — hinter  sich  verbrannte,  fliehend  bis  Issfahan:    der  Rest  des 

l.Febr.l278  ^^  ' 

Heeres  wurde  zerstreut  oder  ertrank.  Korbal  wurde  ge- 
plündert, dreitausend  verschnittene  Pferde  wurden  sammt 
ßso  einer  Horde  von  Mädchen  und  Knaben  weggeschleppt.  Drei 
tSSl  Jahre  später  überschwemmten  die  mongolischen  Banden 
abermal  Germsir,  d.  i.  die  südlichste  Landschaft  von  Fars, 
und  wandten  sich  dann  gegen  Sistan;  jeden  Winter  fürchtete 
man  zu  Schiras  ihre  Rückkehr  und  war  mit  Ausbesserung 
der  Mauern  beschäftigt,  denn  auf  die  verweichlichten  Truppen 
von  Fars  war   kein  Vertrauen  zu  setzen.     Wassaf  setzt  der 


•)  d'Ohsson    vermengt   sie    HI.    516,    mit   den  Karawinen ;    ces 
juerriers  designes  sous  le  uom  de  JSigoudariens  ou  Caraviniens. 


J 


Viertes     Buch.  285 

Schilderung  der  Weichlichkeit  von  jenen  die  der  Tapferkeit 
der  Mongolen  mit  folgenden  Worten  entgegen : 

„Wenn  die  Braven  der  alten  Zeit,  denen  noch  nach 
Jahrtausenden  die  Erzählungen  der  Kunden  in  Vers  und 
Prose  geweiht,  und  deren  Mannhaftigkeit  und  Tapferkeit 
die  Gemälde  der  Bücher  und  Blätter  weit  und  breit,  wieder 
zur  Welt  zurückkämen,  so  könnten  sie  auf  der  Rennbahn 
ritterlicher  WafFenthat  in  den  Sitten  und  Gebräuchen  der 
Schlacht  von  jedem  einzelnen  Mongolen  Lection  nehmen 
und  Nichts  Besseres  thun,  als  im  Dienste  ihres  Steigbügels 
die  Satteldecke  auf  die  Schutter  zu  nehmen.  Wenn  die  be- 
rühmtesten Bogenschützen  vergangener  Völker,  von  den 
Arabern  die  Stämme  Siran  und  Kara  und  von  den  vier  per- 
sischen Dynastien  die  berühmtesten  vier  Schützen ,  nämlich: 
Aresch  Schefattr^^j  Isfendt'ar  Rujinten'^^ ,  Koresch  Jlsch- 
ghan^)  und  Behramgur*^ ,  deren  Bogenkunde  das  Buch 
von  den  Graden  der  Reiter  so  umständlich  ausführt  und 
commentirt;  wenn  diese  den  Flug  der  Geschosse  der  Mon- 
golen, die  Stärke  ihres  Arms,  die  Spannung  ihrer  Bogen, 
die  Wirkung  ihrer  Pfeile  erführen ,  so  würden  sie  sich  nur 
als  Verwundete  des  Pfeiles  der  Eifersucht  getroflFen  vor 
dem  Geschosse  der  Schmach  und  den  Pfeilen  des  Schmerzes 
prostituiren.  Ueber  die  Heftigkeit  und  Hartherzigkeit,  die 
Gewaltsamkeit  und  den  Grimm  der  Mongolen ,  über  ihr 
Talent,  Schwierigkeiten  zu  besiegen,  und  die  zu  erniedrigen, 
die  ihnen  unterliegen,  über  ihre  Kunst,  zu  kriegen  und 
Helfer  anzufesseln  ihren  Siegen,  ist  es  überflüssig,  Etwas 
zu  wiederholen:  Was  thut  Saturnus  Noth,  wenn  du  die 
Sonne  schaust!  Sie  gewähren  der  Gelegenheit  die  Macht, 
mit  kühnem  Herzen  einzig  in  der  Kraft  durch  Geduld  Alles 
zu  verschmerzen,  listiger  als  der  Fuchs,  wenn  sie  Etwas 
verfolgen;  am  Tage  der  Schlacht  spalten  sie  die  Herzen 
der  Löwen  mit  Macht  und  brechen  den  Damm  der  Zufälle, 


•)  Aresch,  Aqriq-  ^)  Isfendiar  mit  dem  eherneu  Leib  gilt  ins- 
gemein für  Xerxes.  ^)  Cyrus ,  der  Aschghiane.  "*)  Der  ritterlichste 
Fürst  der  Beni  Sasan. 


286  Viertes     Buch. 

fio  dass  es  kracht.     Die  Ueberlieferung  von  Nassir  Ben  Sejar, 
einem  der  Rechtsgelehrten  Turkistans ,  bestätigt  diese  Worte 
and  steht  hier  an  ihrem  Orte.     Man  sagt,  dass  der  Kämpe 
*    •  der  vollkommene  zehn    Eigenschaften  der  Thiere    besitzen 

müsse:  die  Tapferkeit  des  Hahns,  die  Milde  des  Huhns, 
das  Herz  des  Löwen,  den  Anfall  des  Schweins,  die  Geduld 
des  Hundes  in  Ertragung  von  Wunden,  die  Behutsamkeit 
des  Kranichs,  die  List  des  Fuchses,  die  Vorsicht  der  Rahen, 
die  Raubsucht  des  Wolfs  und  die  Ruhe  der  Katze.  Diese 
Lehre  schärfen  sie  bei  jeder  Gelegenheit  ein.  Mit  Billigkeit 
muss  man  gestehen  und  zugeben,  dass  das  Werk  der  Welt- 
eroberung und  Reichszertrümmerung  für  dieses  Volk  >vard 
gegeben ;  ihre  Folgsamkeit  für  die  Befehle  ihrer  Befehls- 
haber, ihre  Sorgfalt,  sich  von  aller  Empörung  zu  enthalten, 
ihre  Hut  von  Haus  und  Gut  ist  von  allen  Vernünftigen  ge- 
schätzt und  ausser  Zweifel  gesetzt." 

Auf  die  kriegerischen  Eigenschaften  der  Mongolen  und 

Verhaltmsse  .|jj.g  Feindschaft  gegen  die  Mamluken  hatten  die  Kreuzfahrer 

mit  Aegyp-  .      -, 

ten  •  natiir-  ^"  Syrien  ihre  Hoffnungen  gebaut,   und   eine  Gesandtschaft 

liehe  Politik,  derselben   flehte   Abaka   um    thätige   Hilfe    an.     Auf  seinen 

Befehl  fiel  ein  von  Semashar,  dem  Befehlshaber  der  mon- 

670  r, 

-j^tT      gotischen  Streitkräfte  in  Kleinasien ,  und  von  Perwane,  dem 

mongolischen  Vogte  Kleinasiens,  befehligtes  Heer  in  Syrien 

ein.     Der  Vortrab  von  tausend  fünfhundert  Mann  hieb  einen 

zwischen   Harun    und  Antiochien    gelagerten  turkmanischen 

Stamm  zusammen  und  verheerte  das  Gebiet  von  Harun  und 

^     „    .       Murudsch.     Auf  die  erste  Kunde  hatte  Bondokdar,  der  sich 
IS.  Rebittl- 

ewwel      zu  Damaskus  befand,    einen   Eilboten   nach   Kairo   mit  dem 


^^.Oct.i^ri  Befehle,  dass  der  General  Beiseri  mit  dreitausend  Mann 
12.  Nov.  aufbreche,  gesandt.  Bondokdar  verliess  mit  demselben  Haleb, 
aber  die  Mongolen  hatten  sich  schon  aus  Syrien  zurück- 
gezogen. Sultan  Beibars  sandte  eine  Truppenabtheilung 
nach  Meraasch ,  dem  alten  Germanicia,  der  Hauptstadt  der 
noch  heute  darnach  genannten  osmanischen  Statthalterschaft, 
die  anderen  nach  Harran  (dem  alten  Carra  zur  Römerzeit), 
durch  den  Tod  des  Caligula,  durch  die  Niederlage  des 
Cassius,    in   älterer   Zeit  durch    den  Tempel  der   Sabäer, 


Viertes     Buch.  287 

namentlich  durch  den  der  Luna,  und  als  der  Wohnsitz 
Abraham's  im  Lande  Vr  geschichtlich  geadelt.  Die  Ein- 
wohner Harran's  Öffneten  die  Thore  und  zerstreuten  eich 
in  die  Städte  Syriens ;  aber  im  nächsten  Jahre  kam  eine 
mongolische  Truppe  und  schleifte  die  Mauern  der  Stadt. 
Zu  Damaskus  erschienen  vor  Bondokdar  Gesandte  Semaghar's 
und  Perwane's,  welche  im  Namen  Abaka's  Friedensunter- 
händler begehrten;  der  Sultan  sandte  zwei  seiner  Officiere 
mit  ihnen ,  welche  den  Feldherrn  Semaghar  zu  Siwas  fanden 
und  ihm  statt  der  gewöhnlichen  neunmal  neun  Geschenke 
nur  neun  Bogen  und  neun  Pfeile  darbrachten,  den  Abgang 
der  andern  neunmal  sieben  durch  die  Eilfertigkeit  ihres  Ritts 
entschuldigend.  Perwane  begleitete  die  Gesandten  des  Sul- 
tans an  den  Hof  Abaka's,  dem  sie  zum  Geschenke  einen 
Helm  von  Igelstacheln,  einen  Säbel  und  neun  Pferde  dar- 
brachten und  ihm  den  von  Mengu  Timur,  dem  Herrn  von 
Kipdschak ,  gemachten  Vorschlag  eines  gemeinschaftlichen 
Angriffs  auf  die  Länder  Abaka's  im  Norden  und  Süden  ralt- 
theilten.  Die  Stammeifersucht  zwischen  dem  Feldherrn  des 
(Jluses  Hulagu's  und  Dschudschi's,  welche  unter  Hulagu  und 
Berke  in  offenen  Krieg  ausgebrochen,  unter  Abaka's  Re- 
gierung nur  durch  Waffenruhe,  nicht  durch  Frieden  be- 
sänftiget war ,  machte  die  Herrscher  Kipdschaks  zum  natür- 
lichen Verbündeten  der  Sultane  von  Aegypten,  so  wie  ge- 
meinsames Interesse  wider  die  letzten  die  Kreuzfahrer  wider 
die  Mongolen  verband,  während  die  Schaukelpolitik  der 
byzantinischen  Kaiser  sowohl  an  den  Herrscher  des  Uluses 
Dschudschi's  als  an  den  des  Uluses  Hulagu's  die  Sendung 
von  Gesandtschaften  und  Prinzessinnen  vervielfältigte,  um 
ihre,  den  Rest  des  byzantinischen  Reichs  in  der  Hauptstadt 
bedrohende,  von  allen  Seiten  hervorbrechende  Macht  so 
lange  als  möglich  ferne  zu  halten.  Dieses  sogenannte  natür- 
liche Interesse,  wodurch  die  nächsten  Nachbarn  geborne 
Feinde  eines  Staats,  sowie  die  unmittelbaren  Gränznachbarn 
der  Feinde  geborene  Verbündete,  ist  eine  Parallele  barba- 
rischer Politik  zu  der  nicht  minder  barbarischen  türkischen 
Ansicht  der  Familienverhältnisse,  vermöge  welcher  die  Söhne 


288  Viertes     Buch. 

die  natürlichen  Feinde  der  Väter ,  sowie  ihre  natürlichen 
Freunde  die  Enkel,  weil  diese  als  Feinde  ihrer  Väter  ge- 
boren. Hier  wie  dort  misst  der  niedrigste  Eigennutz  der 
Habsucht  die  Grade  der  Freundschaft  und  Feindschaft  im 
umgekehrten  Verhältnisse  der  Entfernungen  der  Länder  und 
des  Bluts,  und  diese  bisher  sogenannte  natürliche  Schaukel- 
politik, welche  vielmehr  mit  dem  Namen  der  unnatürlichen 
gebrandmarkt  sein  sollte,  muss  in  dem  Masse  verschwinden, 
als  sich  die  Völker  durch  gegenseitigen  Austausch  der  Ideen 
verbinden  und  die  Bildung  der  Humanität  fortschreitet ;  sie 
wird  sich  (^sowie  die  Familienansicht  der  Feindschaft  der 
Söhne  und  Freundschaft  der  Enkel  schon  heute  keine  christ- 
liche und  europäische  mehr}  zuletzt  nur  bei  den  Barbaren 
finden,  so  lange  es  deren  noch  auf  Erden  geben  wird;  dass 
diese  Politik  aber  im  Mittelalter  und  besonders  im  byzan- 
tinischen und  mongolischen  Reiche,  bei  den  Mamluken  und 
Kreuzfahrern  culminirte ,  darf  bei  der  allen  gemeinsamen, 
vorherrschenden  Barbarei  jener  Zeit  nicht  Wunder  nehmen. 
Ssafer  671  Im  folgenden  Jahre  sandte  Abaka  eine  zweite  Botschaft 

Aug.  1272   g^  Beibars,    um  zu  begehren,    dass    der  Sultan  selbst  oder 

reij^ug    gj^^gj.   j^j.    engten  Männer   des  Reichs    an    den  Hof  Abaka's 
tn 
Armenien,    komme,  den  Frieden  zu  unterhandeln,   ßondokdar  antwortete: 

wolle  der  Uchan  den  Frieden,  so  möge  er  selbst  oder  einer 

seiner  Brüder    an    den    Hof  des  Sultans  kommen.     Auf  die 

Nachricht,    dass   mongolische   Truppen    die   beiden  Gränz- 

.9.  Rebhil-    platze   Rahhet   und    Birtha   am    Euphrat  bedrohten,   brach 

rr;z^  Bondokdar   auf  und   führte    auf  Kameelen   zerlegte  Schiffe 


mit  sich ,  um  damit  den  Euphrat  zu  überschiffen.  So  haben 
wir  noch  jüngst  erlebt,  dass  zur  Einrichtung  der  Dampf- 
schifffahrt auf  dem  Euphrat  das  Schiff  der  Wüste  durch 
die  Wüste  Schiffe  trug.  Durch  die  Taubenpost  hatte  Bon- 
dokdar die  Nachricht  erhalten,  dass  die  Mongolen  vor  Bire, 
und  durch  dieselbe  versprach  er  der  Stadt  den  schleunigsten 
Entsatz.  Er  hielt  Wort;  denn  die  sieben  und  zwanzig  Post- 
stationen zwischen  Damaskus  und  Bire  wurden  in  sieben 
Tagen  zurückgelegt;  die  raitgeführten  Schiffe  waren  aber 
entweder  nicht  angelangt  oder  zu  wenig,  denn  der  üeber- 


Viertes     B  u  c  Ii.  289 

gang  über  den  Euplirat  ward  mittels  fünf  und  drelssig- 
tausend  Karaeelen*}  bewerkstelligt,  auf  denen  das  Heer 
äberschwamra.  Die  Mongolen ,  wiew  ohl  an  Zahl  doppelt 
dem  ägyptischen  Heere  überlegen,  zogen  sich  zurück;  Bon- 
dokdar  verfolgte  sie  und  erbeutete  von  den  Nachzüglern 
einen  grossen  Theil  des  Gepäcks;  mit  demselben  und  einer 
grossen  Anzahl  von  Gefangenen  zog  er  im  Triumphe  zu 
Damaskus  ein.  Der  Befehlshaber  von  Haleb ,  Hossaraeddin 
von  Aintab ,  sandte  einen  Streifzug  nach  Armenien,  weil 
dasselbe  für  die  Streifereien  des  Kastellans  von  Kimik  die 
begehrte  Genugthuung  nicht  gegeben.  Kinuk  wurde  ge- 
nommen ,  die  Männer  wurden  niedergehauen ,  die  Weiber 
in  die  Sklaverei  geschleppt;  die  Mauern  der  Hauptstadt  Sis 
widerstanden,  aber  Tarsus  wurde  eingenommen  und  ver- 
heert. Beibars  vernahm  zu  Kairo  die  Verheerung  Arme- 
niens und  den  Marsch  Abaka's  längs  des  Sab  gegen  den 
Euphrat ;  er  bot  das  ganze  Heer  auf  und  begab  sich  nach 
Damaskus,  wo  er  ruhig  blieb,  da  kein  Feind  sich  zeigte.  i7,  Ss^afer 
An  seinem  Hofe  erschien  der  vom  Hofe  Abaka's  flüchtige  ^^^ 
Melik  Schemseddin  Behadir,  Herr  von  Samosate,  Sohn  ^Q^^SeiJt.iSTS 
'Grossmundschenken  des  letzten  Schahs  von  Chuaresm,  weicher 
nach  desselben  Tod  sich  einiger  Schlösser  um  iVachdschiwau 
und  endlich  der  Stadt  Akserai  bemächtigt  hatte;  er  hatte 
schon  seit  geraumer  Zeit  dem  Sultan  verrätherische  Dienste 
geleistet  und  durch  einen  auf  seine  Veranlassung  im  Namen 
des  Sultans  an  einen  christlichen  Bischof  in  Persien  ge- 
schriebenen, von  Reliquien  begleiteten  Brief,  den  er  hernach 
auffangen  liess,  die  Hinrichtung  dieses  Bischofs  bewirkt-^; 
auch  wider  den  Katholikos,  d.  i.  den  Patriarchen  der  Ne- 
storiauer,  welcher,  von  den  Moslimen  durch  falsche  Anklagen 
verfolgt,  Bagdad  verlassen  und  sich  zu  Irbil  niedergelassen 
hatte,    war   neue  Verfolgung  im  Anzüge;    um  derselben  zu 


')  H.  V.  Glisson  III.  464.  bürdet  dem  Wassaf  auf,  -svas  er  nicht 
gesagt:  Beibars  fit  jetter  daus  le  fleuve  jusqu'ä  3500)  cliaineaux, 
rioDt  les  Corps  servirent  de  pont  k  ses  troupes.  Wassaf  sagt 
ausdrücklicli ,  dass  der  Sultan  der  erste  ^den  Zügel  hiueinlenkte. 
=)  d"Ohsson  III.  468.,  nach  Nuweiri. 

Hammer,   Geschiclite  der  llchane.    I.  19 


29<)  Viertes     «  u  i;  li, 

entgehen,  verlegte  er  seinen  Sitz  von  Irbil  nach  Aschiin  in 
Aserbeidschan '3 ,  in  der  Nähe  der  Hanpletadt,  weil  die 
Tyrannei  nur  am  leidentlichsten  im  Mittelpunkte.  Bei- 
bars, der  sich  über  Verletzungen  des  mit  dem  Könige  von 
Armenien  geschlossenen  Vertrags  zu  beklagen  hatte,  beschloss, 
.3.  Schaahan  Cilicien  zu  verheeren.  Er  brach  von  Damaskus  im  Geleite 
— -  Manssur's,    des    Herrschers   von   Hama,    und    Scherefeddin 


i.  Febr.  1275  ,,  it^.j  ..  tij-  rr»n- 

Isas,  des  Emirs  der  syriscnen  lieduinen,  aut.  Der  Emir 
und  Hossaineddin  von  Aintab,  der  Befehlshaber  von  Maleb, 
erhielten  den  Befehl,  als  Vortrab  die  Richtung  von  Bire  zu 
nehmen;  aber  zu  Sermin  angelangt,  liess  Beibars  dort  sein 
Gepäcke  unter  der  Obhut  des  Befehlshabers  Ben  Sonkar 
zurück  und  nahm  den  Weg  von  Derbesak.  Diese  durch  die 
Einnahme  Ssalaheddin's^^  und  fünfzig  Jahre  hernach  durch 
einen  Sieg  der  Saracenen  über  die  Templer  in  der  Ge- 
schichte der  Kreuzzüge  schwarz  gezeichnete  feste  Burg 
liegt  am  Nehr  Eswed,  d.  i.  am  schwarzen  Flusse,  welcher 
dem  See  von  Antiochien  zueilt,  auf  einer  Anhöhe  inmitten 
fruchtbarer  Fluren  und  Garten^}.  Von  den  Mongolen  er- 
obert, ward  sie  an  König  Ilethum  abgetreten,  von  diesem 
vor  neun  Jahren  dem  Sultan  Bondokdar  übergeben  worden*). 

Bondokdar    lagerte    zwisclien   Derbesak    und   dem  zehn 
Verheerung  n,.   ,.        ,  ,  «     .        j  r^.         t 

Cil'ciens    ^-»'S^'^n  davon  gelegenen  Baghr,  dessen  Einwohner  meistens 

christliche  Fischer*),  und  sandte  von  hier  Truppenabthei- 

lungen  zu  tausend  Mann,  jede  mit  Fackeln  und  mit  Barken 

zur  üeberschifFung  von  Flüssen  versehen,  nach  verchiedenen 

Richtungen  in's  Gebirge.     Er  lagerte   zu  Iskenderun  hinter 

einer  von  König  Hethum,  dem  Vater  des  regierenden  Königs 

Leo,  aufgeführten  Mauer  und  rückte  dann  gegen  MerA- es**) 

durch  den  syrischen  Felsenpass  vor,  welcher  wegen  seiner 

Enge  Ssakaltutan ,    d.  i.    Bartanhaltend,    heisst.     Der   Fiuss 

von  Merkes  ist  der  alte  Kersos,   dessen  Name  sich  in  dem 


')  Bar  Hebr.  546.  =)  i.  J.  1188,  Wilken  IV.  24t.  3)  Dschi- 
liannuma  S.594  verdruckt  als  Derbak.  ')  Wilken's  Geschichte  der 
Kreuzzüge  VI.  S.  495.  ')  Dschihaunuma  S.  504,  ^)  nicht  Manca, 
wie  bei  d'Ohsson  III.  472. 


Viertes     B  u   c  li.  291 

«les  Schlosses  zum  Theile  erhalten  '}.  Die  ägyptischen 
Truppen  verheerten  Massissa,  das  alte  Mopmestia,  d.i.  der 
Feuerherd  des  Mopsus,  das,  auf  beiden  Seiten  des  Dschihan 
(Pyramus}  gebaut,  zwölf  Miglien  von  der,  unter  dem  Namen 
der  GoldstofFwiese^}  in  den  Kriegen  der  Byzantiner  mit 
Seifeddewlet  durch  Schlachten  berühmten  Ebene,  eine  halbe 
Tagreise  von  Adana;  eine  steinerne  Brücke  verbindet  den 
diesseits  und  jenseits  des  Flusses  gelegenen  Theil  der  Stadt. 
Die  auslaufende  Bergkette  des  Taurus,  m  eiche  sich  von 
Massissa  bis  an  das  Meer  zieht,  heisst  der  Dschebelon-?iur , 
d.  i.  der  Lichtberg,  auf  welchem  die  schönsten  Hiacinthea 
und  seltene  Pflanzen,  unter  andern  Mandragoren  und  ein 
Kraut,  welches,  weil  es  die  Zähne  der  Schafe  gelb  färbt, 
von  den  Alchymikern  als  ein  Hauptbestandtheil  des  Steins 
der  Weisen  gesucht  wird  ^).  Unter  Massissa  liegt  die  tiefe 
Felsenschlucht,  weiche  Kurd Kulaght,  d.  i.  das  Wolfsohr*), 
heisst,  zur  Linken  auf  einem  hohen  Berge  das  weisse  Schloss 
Jilaji  Kalaasi,  d,  i.  das  Schlangenschloss ,  das  für  die  Resi- 
denz der  Schlangenkönigin  giltO?  die  sich  mit  der  Kron- 
juwele auf  dem  Haupte  manchmal  auf  der  GoldstofFwiese 
und  auf  den  Höhen  des  Lichtbergs  sonnt.  Bondokdar  drang 
in  dem  Gebirgspässe  bis  nach  Sis ,  der  Hauptstadt  des  alten 
armenischen  Königreichs,  vor,  welche  mit  den  nahe  gele- 
genen Festen  von  Ai?isarbe,  Tel  Uamdzm,  Serfendhiar  und 
Bershert  von  den  Arabern  die  Schneidezähne '),  d.  i.  die 
Gränzfesten  des  Islams,  genannt  werden;  die  letzte  war 
der  Schatzhort  der  armenischen  Könige  und  eine  Zeit  lang 
die  Residenz  derselben  ' ).  Nachdem  Sis  verbrannt  worden, 
kehrte  der  Sultan  durch  die  Felsenschlösser  zurück.  Vier 
seiner  Truppenabtheilungen  hatten  sich  gegen  die  am  Meere 
gelegenen  cilicischen  Städte  Tarsus,  Adana,  Barin  und  Ajas 
gewendet,     Tarsus,  dessentRuhm  bis  in  die  Zeit  der  assy- 


')  Munnert  VI.  II.  49.  Menasikol-hadscfi  S.  43.  -)  Merdsched- 
dibadsch.  ')  Ewiia.  *)  Dscliihannuma  S.  H02;  auf  Paiiltrcs  Karte 
nicht  richtig  Kurtu  Cular;  auf  der  Karte  M.  Kinueirs  blos  RuJaghi 
als  Castabala.  '")  Ebenda.  ^)  Suhuri  Islam.  ')  S.  Martin  Mem.  I. 
p.  201. 

19* 


292  \    i  e  r  t  e  s     B  n  c  li. 

rischeil  Könige  hinauf  datirt,  indem  sich  Sardanapahis  das- 
selbe erbauet  zu  haben  rühmte  ,  ist  in  der  des  Chalifats  als 
der  Ort,  wo  der  grösste  Chalife  des  Hauses  Abbas  den  Geist 
aufgab,  die  in  Aen  niorgenländischen  Geschichten  und  Geo- 
graphien berühmteste  Stadt  Ciiiciens;  am  Cydnus'),  wel- 
cher die  Mauern  derselben  wäscht ,  hatte  Alexander  nicht 
ohne  Nachtheil  seiner  Gesundheit  kalt  gehadet,  glücklicher 
als  Friedrich  Barbarossa,  welcher  in  den  Fluthen  des  Saleph 
oder  Calycadnus^),  der  bei  Selefke  vorbeiströmt,  den  Tod 
gefunden.  Den  Cydnus  war  Kleopatra  in  ihrer  mit  purpurnen 
Segeln  und  vielfarbigen  Flaggen  bepfauten  goldenen  Galeere 
hinaufgefahren  5  hiervon  weiss  die  moslimische  üeberlieferung 
nichts,  doch  zeigt  dieselbe  das  Felsen- Sopha  der  Dschinnen  '^, 
wo  der  Chalife  Mamun  am  vorbeifliessenden  Wasser  sass  und 
einen  über  eine  Elle  langen  Fisch  aus  dem  Wasser  zu  ziehen 
befahl.  Der  schone  Silberfisch  (vermuthlich  ein  Dschinne) 
sprang  wieder  in's  Wasser,  so  dass  derselbe  die  Kleider 
Mamun's  bespritzte;  dieser,  zornig  hierüber,  befahl,  den 
Fisch  wieder  herauszuziehen.  „Nun  werde  ich  dich  sogleich 
gebraten  essen",  sagte  der  Chalife ,  und  übergab  ihn  dem 
Koch,  aber  im  selben  Augenblicke  ergriff  ihn  ein  heftiger 
Fieberschauer;  als  der  Fisch  ihm  gebraten  vorgesetzt  wurde, 
war  er  nicht  mehr  im  Stande,  davon  zu  essen,  und  nach 
einigen  Tagen  ward  er  vom  Fieber  hinweggerafft.  Durch 
diese  Volkssage  und  durch  die ,  welche  nach  Tarsus  die 
Höhle  der  Siebenschläfer  verleget  (^wiewohl  man  sie  auch 
zu  Ephesus  und  Damaskus  zeigt^  ,  ist  Tarsus  nicht  minder 
geschichtlicJi  merkwürdig,  als  in  der  Geschichte  der  byzan- 
t.  J.  S'iO  tinischen  Feldzüge,  in  welchen  Tarsus,  vom  byzantinischen 
•^^'  Befehlshaber  gütlich  übergeben,  die  äusserste  Gränzfeste 
des  Islams  ward.  Zu  Admia ,  der  Hauptstadt  der  heute 
darnach  genannten  osmanischen» Statthalterschaft,  welche 
Harun  Raschid  am  Ufer  des  Sihan,  d.  i.  des  Sarus,,  erbaut 
hatte,  wurden  die  Männer  getödtet,  die  Weiber  und  Kinder 


')  heute  Kisildsclie.      ')  heute  Gökssu.     *)  Paul  Lucas;  Dschi- 
bannuma  S.  üü3. 


Viertes     Buch.  293 

geraubt.  Ajas,  am  Ufer  des  Meeres,  zwei  Tagreiseii  von 
Baghras  und  eine  von  Tel  Hamdun  entfernt,  war  in  den 
Händen  der  Franken ,  welche  ihr  Habe  auf  die  Schiffe  im 
Hafen  retteten.  Die  Stadt  wurde  von  den  Aegyptern  ver- 
brannt; tausend  Franken  und  Armenier,  die  sich  zur  See 
retten  wollten,  gingen  in  derselben  zu  Grunde '^.  Massissa 
wurde  verbrannt.  Im  folgenden  Spätjahre  wurde  Bire  von 
Obotai  vergebens  belagert;  nach  aufgehobener  Belagerung 
zog  eine  ägyptische  Truppenabtheilung  nach  Cilicien,  ^lO  S9.yuv.lä?ö 
dieselbe  in  der  Nähe  von  Meraasch  von  Sinbad,  dem  Oheim 
des  Königs,  angegriffen  ward.  Das  Treffen  kostete  dem 
Oheim  des  Königs,  vierzehn  Grafen  und  dreihundert  Arme- 
niern das  Leben.  Die  Turkraanen ,  wiewohl  Sieger,  zogen 
sich  zurück^). 

Die  Unruhen,  welche  in  Rum  ausgebrochen,  führten  bald  f/„,.„/,^„  ,„ 
neue  feindliche  Berührung  zwischen  dem  Sultan  Aegyptens  Rum; 
und  dem  Ilchane  Persiens  herbei.  Wir  haben  schon  im  Schlacht  von 
vorigen  Buche,  in  der  Geschichte  Hulagu's,  der  beiden  "  <?*«"• 
Brüder  Herrscher  Rums,  Rokncddin's  und  Iseddin's,  und 
der  Theilung  Rums  zwischen  beiden  erwähnt.  Mineddin 
Ssahtb  Perwane,  d.  i.  der  Inhaber  des  Kabinetssiegels,  der 
Wesir  Rokneddin's,  hatte  den  Mitregenten  seines  Herrn  bei 
Alindschak,  dem  mongolischen  Befehlshaber  in  Rum,  eines 
Einverständnisses  mit  dem  Sultan  Aegyptens  angeklagt;  in 
der  That  hatte  Iseddin  Gesandte  an  Beibars  mit  dem  An- 
trage der  Abtretung  der  Hälfte  seines  Landes  gesandt,  wenn 
er  ihm  wider  den  Bruder  beistehen  wolle.  Iseddin ,  auf 
dem  Wege  in's  Hoflager  zu  Hulagu  wider  die  Ränke  seines 
Bruders  und  dessen  Wesirs  gewarnt,  kehrte  um  und  flüchtete 
sich  zum  byzantinischen  Kaiser,  welcher,  um  dem  Hulagu 
gefällig  zu  seyn,  denselben  zu  Ainos  als  Staatsgefangenen 
einsperrte.  Iseddin  interessirte  für  sich  Berke,  den  Herr- 
scher von  Kipdschak,  der  in  Feindschaft  mit  Hulagu,  dem 
von  diesem  verfolgten  Prinzen  Truppen  zu  Hilfe  schickte, 
die  ihn  aus  Ainos  befreiten;    er   starb   als  Vasal  des  Herr- 


')  rt'Ohsson  III.  S,  475.     -)  Bär  Hebräus  553. 


666 
U6S 


294  Viertes     Buch. 

« 

Sehers  der  goldenen  Horde  in  der  Krim.  Rokneddin  herrschte 
nun  allein,  aber  nur  dem  Namen  nach,  denn  der  eigentliche 
Herrscher  war  Perwane.  Dieser  beinzüchtigte  seinen  Herrn 
bei  Abaka  empörerischer  Plane  und  erhielt  den  Befehl  seiner 
Hinrichtung.  Rokneddin ,  von  Perwane  zu  einem  Feste  ge- 
laden, wurde  mit  einer  Bogensehne  erwürgt,  im  selben  Jahre, 
wo  der  letzte  der  Hohenstaufen ,  Konradin  von  Schwaben, 
auf  dem  Blutgerüste  zu  Neapel  den  Geist  aushauchte.  Per- 
wane herrschte  nun  im  Namen  Ghajaseddin's,  des  vierzehn- 
jährigen Sohnes  Rokneddin's,  Mehrere  der  Bege  Rums, 
unter  diesen  auch  der  Sohn  Perwane's'),  flüchteten  zu 
Beibars  und  hetzten  ihn  zum  Kriege  wider  Abaka  auf.  Nach- 
dem er  das  Heer  gerüstet,  seinen  schon  vor  neun  Jahren 
zum  Nachfolger  ernannten  Sohn  Said  Berke  in  seiner  Ab- 
wesenheit mit  unumschränkter  Macht  in  Aegypten  bekleidet 
hatte,  brach  er  nach  Syrien  und  von  da  gegen  Cilicien  auf. 
Der  Befehlshaber  von  Haleb  und  der  Emir  der  Wüste  (Isa, 
der  Sohn  Mohenna's)  schlugen  eine  Truppe  der  Araber 
Chafadsche ,  welche  die  Mongolen  wider  sie  gesandt.  Bon- 
dokdar  zog  über  Aintab,  Dulak-),  Kinuk,  d.  1.  durch  den 
taurischen  Pass ,  die  heutige  Strasse  der  Pilgerkarawane. 
Er  mündete  in  der  Ebene  von  Ablestan  oder  Albostan,  wohin 
Geographen  und  Reisebeschreiber  das  dritte  der  drei  be- 
rühmten Tempelstädte  Komafie,  nämlich  das  kappadocische, 
verlegen  ^3 ;  hier  sowohl  als  in  der  goldenen  Komane  an 
der  Vereinigung  der  beiden  Arme  des  Euphrat  in  Sakasene 
und  im  pontischen  wurde  die  taurische  Artemis  als  Anaitis 
oder  die  Kriegsgöttin  Enyo  in  Tempeln  verehrt,  die  unter 
Hut  grosser  Priestergesellschaften  die  Kapitole  dieser  Ge- 
genden.    Der  Name  Albestan,  d.  i.  der  Garten,  scheint  der- 

')  Reschideddin.  ^)  Gulek,  Dschihannuma  S.  601,  oder  Dulek, 
S.40,  nicht  Doluk,  wie  bei  d'Ohsson  Ilf.  48l.  ')  Das  kappadocische 
Kouiane  lag  am  Sariis,  welches  der  Silian ;  in  M.  Kinneir's  Karte  am 
Kisit  Trmak,  welches  der  obere  Pyramus  zu  seyn  scheint;  nach  dem 
Menasikol-hadsch  ist  aber  dieser  Kisil  Irmak  derselbe  mit  dem 
Silian,  d.  i,  dem  Sarus,  so  dass  die  Lage  mit  der  Angabe  der  alten 
Geographen  in  Uebereinstimmung.  Jahrbücher  der  Literatur  XIV. 
8.  46. 


Viertes     Buch.  295 

selbe  mit  dem  des  allen  Pästum  zu  seyn,  dessen  Tempel 
vielleicht  demselben  Kultus  heilig  waren.  Das  pontische 
Komane  ist  in  der  römischen  Kriegsgeschichte  durch  den 
Sieg  Cäsar's  über  den  Mitliridates  berülimt,  und  gleichen 
Rohm  sollte  nun  das  kappadocische  in  der  Kriegsgeschichte 
der  Mamluken  und  Mongolen  durch  die  Niederlage  der 
letzten  erhalten.  Die  Reiterei  der  Mongolen,  aus  eilf  Re- 
gimentern von  tausend  Mann  bestehend ,  ward  von  Toktis, 
seinem  Bruder  Uruktu  und  von  Tiidaun,  dem  Bruder  Sughur- 
dschak's,  dem  Suldusen,  befehligt;  die  Hilfstruppen  be- 
standen aus  türkischen,  deren  Treue')  in  einer  Schlacht 
wider  Moslimeu  zweifelhaft,  und  aus  einem  georgischen 
Hilfscorps  von  dreitausend  Mann.  Freitags  in  der  Hälfte  li-Silit'dsclie 
Aprils,  am  Freitage,  welches  der  liebste  Schlachttag  Ssalali-  —j^.  ^  .-^ 
eddin's  und  auch  Rudolph's  von  Habsburg  (vielleicht  weil  i2?7 
dieser  vernommen,  dass  Ssalaheddin  seine  Siege  alle  an 
einem  Freitage  erfochten),  hatte  die  Schlacht  statt.  Der 
linke  Flügel  der  3Iongolen  warf  das  MitteltrefFen  der  Mam- 
luken, in  welchem  das  Panier  des  Sultans  flatterte,  auf  den 
rechten  Flügel;  aber  Beibars  unterstützte  denselben  und 
stellte  die  gebrochene  Schlachtordnung  wieder  her,  Uruktu 
und  Tudaun  sassen  mit  ihrer  Reiterei  ab,  um  den  Anfall 
der  ägyptischen  mittels  Pfeilregens  aufzuhalten;  aber  die 
ausharrende  Tapferkeit  Bondokdar's  siegte.  Die  Mongolen 
wurden  geschlagen;  ihre  Feldherren  Tokus  und  Tudaun 
und  sechstausend  siebenhundert  siebzig  gezählte  Mongolen 
deckten  das  Schlachtfeld.  Beibars  lies  sich  die  Gefangenen 
vorführen  und  dieselben  zusammenhauen,  einige  OfFiciere 
ausgenommen,  mongolische  und  armenische;  die  letzten 
überhäufte  er  mit  Vorwürfen,  dass  sie  sich  in  den  Reihen 
der  Ungläubigen  schlügen;  unter  den  Gefangenen  befand 
sich  ein  Sohn,  ein  Neffe  und  die  Mutter  Perwane's'}.  Ein 
Diener  Tudaun's  brachte  die  Nachricht  der  Niederlage  dem 
Ilchan,  der  erzürnt  nach  Tebris  zurückkehrte. 


')  Bar  Hebr.  p.  556.     -)  Nuweiri  :  Bar  Hebr.  p.  5;^" 


Beibars  zu 
_  Cäsarea 


296  Viertes     Ruch. 

ts.  Stlktde  Acht  Tage  nach  dem  Siege ,  Freitags  ,  zog  Beibars  zu 

23.  April  Kaissarije  (Cäsarea)  im  Triumphe,  unter  einem  Thron- 
himmel ,  wie  derselbe  ober  dem  Haupte  der  Sultane  Sel- 
dschukcn  getragen  ward,  in  den  Palast  des  Sultans  ein  und 
setzte  sich  auf  den  Thron.  Mit  dem  Sultansbunde  auf  dem 
Kopfe  nahte  er  sich  dem  Thore  des  Harems  und  sandte 
den  Prinzessinnen  des  Herrscherhauses  von  Rum  seine  ehr- 
furchtvollsten Grüsse;  dann  setzte  er  sich  wieder  auf  den 
Thron  und  empfing  die  Huldigung  der  Ulema  und  Kadi, 
der  Imame  und  Scheiche  ^  der  Prediger  und  Leser  des 
Korans,  der  Fahihe  und  Fakire;  der  Ceremonienmeister, 
mit  grossem  Kopfwulste  und  weitem  Mantel  angethan,  wies 
jedem  die  ihm  gehörige  Stelle  an;  die  Heermusik  spielte 
den  Tusch,  der  zur  Zeit  des  Gebetes  nur  fjir  den  Landes- 
lierrn  erscholl,  die  Leser  lasen  Suren  des  Korans,  Dichter 
declarairten  Lobgedichte ;  Alle  wurden  mit  einem  Frühmahle 
königlich  bewirthet ;  dann  begab  sich  Beibars  in  die  Moschee 
des  Sultans,  wo  das  Kanzelgebet  auf  seinen  Namen  verrichtet 
ward,  so  auch  in  den  übrigen  sechs  Moscheen  der  Stadt'); 
das  ausgeworfene  Geld  war  auf  seinen  Namen  gemünzt '^). 
Die  Schätze,  welche  Perwane  und  seine  Gemahlin  zu  Kaissarije 
zurückgelassen,  wurden  unter  die  Emire  vertheilt.  Perwane, 
welcher  in  der  Schlacht  von  Albestan  das  Heer  des  Sultans 
von  Rum  befehligt  hatte,  war  nach  Verlust  derselben  nach 
Kaissarije  geflohen  und  hatte  sich  von  hier  mit  dem  Na- 
mensträger der  Herrschaft  Rums,  mit  Sultan  Ghajaseddin, 
nach  der  Feste  Tokat  zurückgezogen ;  auf  dem  Wege  dahin 
war  seine  von  vierhundert  Sklavinnen  begleitete  Gemahlin 
Gurdschi  Chatun,  die  Tochter  Ghajaseddin's,  des  Herrn 
von  Erserum,  gestorben.  Perwane  schrieb  an  Beibars,  um 
ihm  als  Herrscher  Rums  zu  huldigen;  in  seiner  Antwort 
forderte  Beibars  ihn  auf,  persönlich  zu  erscheinen.  Perwane 
bat  um  einen  Aufschub  von  vierzehn  Tagen,  in  der  Hoff- 
nung, dass  Beibars,  von  dem  Anmärsche  Abaka's  benach- 
richtigt,    eher     Cäsarea     verlassen    haben    würde,     das    er 


')  Nuweiri  ,  bei  d'Ohsson  III.  S.  4ö5.     ^)  Reschideddin. 


Viertes     Buch,  297 

wirklich  am  fünften  Tage  nach  seinem  Einzüge  verlies». 
Beibars  verliess  Cäsarea  in  dem  Augenblicke ,  wo  zu  er- 
warten stand ,  dass  er  seine  Eroberungen  in  Rum  verfolgen 
würde.  Einige  Christen  und  Armenier  Hess  er  hinrichten, 
sonst  wurden  die  Einwohner  von  seinen  Truppen,  welche 
die  Lieferungen  genau  bezahlten,  nicht  misshandelt.  Wäh- 
rend seines  Aufenthaltes  zu  Cäsarea  hatte  Beibars  die  Hul- 
digung des  Herrschers  von  Kararaan  empfangen,  welcher, 
der  Gründer  der  Macht  dieses  Hauses,  von  nun  an  durch 
vier  und  zwanzig  Jahre  ein  Nebenbuhler  des  der  Seldschuken 
und  dann  durch  hundert  sechs  und  siebzig  Jahre  der  Os- 
raanen,  bis  dass  es  nach  zwei  Jahrhunderten  und  in  zehn 
von  den  Osmanen  wider  dieselben  geführten  Kriegen  zer- 
trümmert ward '^.  Schemseddin  Mohammed,  der  Karamane, 
zog  an^der  Spitze  von  dreitausend  Reitern  nach  der  Haupt- 
stadt Eonia,  vor  welcher  er  die  ihm  von  Sultan  Beibars 
gesandten  Fahnen  aufpflanzte  und  die  Stadt  zur  Uebergabe 
aufforderte.  Die  Einwohner  antworteten,  sie  übergäben  die 
Stadt  nicht,  doch  würden  sie  ihn  nicht  hindern,  wenn  er 
die  Thore  verbrennen  wolle,  einzuziehen.  Er  verbrannte 
zwei  Thore,  besetzte  die  Stadt  und  bemäclitigte  sich  der 
Citadelle  durch  List  und  Gold;  dann  zog  er  dem  Heere 
entgegen,  welches  Fachreddin  Ali,  der  Wesir  Ghajaseddin's, 
von  seinen  beiden  Söhnen  befehligt,  wider  ihn  gesendet;  ßl]^' 
der  Karamane  schlug  es  und  kehrte  mit  den  Köpfen  der  ^^juni  1^77 
beiden  Söhne  des  Wesirs  nach  Konia  ,  verliess  dasselbe  aber 
nach  sieben  und  dreissig  Tagen  und  zog  sich  in's  cilicische 
Gebirge  zurück.  Im  folgenden  Frühlinge  zog  Abaka  dreimal  ^^"1^^676 
gegen  Rum  *}.  Zu  Ablistan  oder  Elbestan  wartete  ihm  der 
Sultan  Ghajaseddin  mit  seinem  Wesire  Fachreddin  von  Iss- 
fahan  auf;  als  Abaka  auf  dem  Schlachtfelde  *äie  noch  unbe- 
grabenen  Mongolen  sah,  weinte  er,  liess  mehrere  Turkmanen, 
Urheber  von  Unruhen,  hinrichten  und  gab  den  Befehl  zur 
Verheerung  der  Städte  Rums.     In  dem  Ausfluge  von  sieben 


')  Geschichte  des  osm.  Reichs  I.  u.  n.  Band.      ^)  d'Ohssou  IV 

s.  4qo. 


298  Viertes     Buch. 

Tagreiseii  wurden  die  Städte  verheert,  die  Einwohner  ge- 
schlachtet; es  fielen  mehr  als  hunderttausend  derselben  als 
ein  Opfer  des  Schwertes  ').  Mohammed  Schemseddin 
Dschuweini ,  der  gerechte  und  gelehrte  Grosswesir ,  kaufte 
mehrere  derselben  mit  seinem  Gelde  los ;  schon  war  Siwas 
zur  Hälfte  verheert ,  als  er  die  andere  Hälfte  durch  seine 
Vorstellungen,  dass  die  Einwohner  unschuldig  der  Rache 
verfallen,  rettete.  Nureddin  Chasneji  und  Sahireddin  Ibn 
Husch  wurden  hingerichtet^). 
Gesandt-  Abaka  wollte  von  Rum  unmittelbar  nach  Syrien  ziehen. 

Schaft  an    Die  Emire  stellten  ihm  vor,  dass  in  der  Mitte  des  Sommers 
Beibars,     die    Beschwerden    des    Zuges   zu    gross,    dass    der    Marsch 

dessen   Tod,  besser    bis    auf   den   Herbst   verschoben    bliebe.     Er  sandte 

Perwane^s 
Hinrichtunq  *^^®  indessen  Botschaft  an  Bondokdar:    „Ihr  seid  wie  Räuber 

auf  die  Vorwachen  unserer  Heere  gefallen  und  h^t  die- 
selben erschlagen,  und  als  Wir  uns  genaht,  seid  ihr  wie 
Diebe  entflohen;  seid  ihr  Männer,  so  erscheinet  nun  auf 
dem  Kampfplatze: 

Kouim' ,  dass  du  meine  Lanze  streifest , 
Komm',  dass  du  meinen  Zügel  greifest; 
Bist  du  ein  Held,  du  wirst  nicht  stehen  bleiben. 
Bist  du  ein  Berg,  so  werd'  ich  dich  zerreiben  5 
Hast  du  von  Männern  je  gehört  der  Schlachten , 
Die  nicht  gevvit/.iget  den  Fuchs  verlachten  ? 

Beibars  empfing  die  Botschaft  zu  Damaskus,  wo  er  bald 
darauf  starb'}.  Abaka  übergab  die  Verwaltung  Rums  seinem 
Bruder,  dem  Prinzen  Konghurtai "}  Aghul  zur  Huth,  Hess 
Tokat  und  das  Schloss  Perwane's  verwüsten  * )  und  kehrte 
nach  Alatak  zurück.  Als  er  am  Schlosse  von  Baiburt  vor- 
beikam, das  in  Armenien  durch  die  Schönheit  seiner  Mädchen 
berühmt,  wie  Ersendschan  durch  die  Fette  seiner  Schafe 
und  Kumach  durch  die  Feinheit  seiner  Leindwand^),  erbat 


')  Nuweiri,  bei  d'Ohssou  HI.  495.  'J  Reschideddin.  ^)  Nach 
Reschideddin  im  Silhidsche  (i76  (Mai  1277J,  nach  Nuweiri  undMakrisi, 
die  hier  glaubwürdiger,  5.  Moharrem  67(i  (8.  Juni  1277).  *)  Bei 
Wassaf /von//Aosrtertj.  *)  Reschideddin  nennt  es  KufflianleCO >  f^'''^' 
bei  d'Ohssou.  sowie  die   Hotschaft.     **)  nsciiih:niiimii:i. 


Viertes     Buch.  299 

sich  ein  Scheich  die  Erlaubniss,  ihm  frei  die  Wahrheit  sagen 
zu  dürfen ;  nach  gegebener  Erlaubniss  sprach  er :  „Herr, 
dein  Feind  ist  in  deine  Länder  eingefallen,  ohne  deinen 
Unterthanen  üebles  zuzufügen;  weil  er  deinem  Grimme 
entwischet,  hast  du  denselben  an  deinen  Völkern  ausge- 
lassen, hast  deine  Unterthanen  getödtet,  deine  eigenen 
Länder  verheert;  welcher  deiner  Vorfahren  hat  desgleichen 
gethan?"  Die  Worte  des  Scheichs  machten  tiefen  Eindruck 
auf  Abaka,  der  die  Freigebung  von  viermalhunderttausend 
Gefangenen  befahl ').  Im  Lager  von  Alatak  wurde  Moinedddin 
Perwane  vor  Gericht  gestellt,  dreier  Staatsverbrechen  ange- 
klagt :  dass  er  zu  Ablistan  geflohen,  dass  er  nach  der  Nieder- 
lage sich  nicht  zum  Herrn  begeben,  dass  er  denselben  nicht 
frühzeitig  genug  vom  Anzüge  der  Aegypter  unterrichtet. 
Die  von  Syrien  zurückgekommenen  Gesandten  Abaka's  sagten 
überdiess  wider  ihn  aus,  was  sie  dort  erfahren,  dass  ßeibars 
auf  dessen  Einladung  nach  Rum  gekommen ,  das  er  in  seine 
Hände  zu  liefern  versprochen,  dass  er  hernach  aber  vor 
demselben  geflohen  sei.  An  Perwane ,  welcher  den  Sultan  i.  Rebiul- 
Rums   mit  Bogensehne    erwürgt   hatte,   ward   nun  Gleiches 


etvwel  677 


mit  Gleichem  vergolten;  Abaka  war  schon  auf  dem  Punkte, 
ihm  zu  verzeihen  und  ihn  nach  Rum  zurückzusenden,  als 
die  Wittwen  der  zu  Ablistan  Gefallenen  Wehe-  und  Rache- 
geschrei vor  dem  Palaste  Abaka's  erhoben.  Kutschuk  Tuk- 
dschi  Behadir  mit  zweihundert  Reisigen  erhielt  den  Befehl 
der  Hinrichtung;  Perwane  war,  sobald  er  sich  umringt  sah, 
seines  Looses  gewärtig  und  bat,  nur  noch  ein  Gebet  von 
zwei  Verbeugungen  verrichten  zu  dürfen;  nachdem  er  es 
verrithtet,  wurde  er  zusammengehaucn  Die  Angabe  des 
armenischen  Mönchs  Geschichtschreibers  ^3,  dass  Abaka  vom 
Fleische  Perwane's  in  alle  Speisen  zu  mischen  befohlen  und 
selbst  davon  gegessen  haben  soll,  verdient  wenig  Glauben. 
Moineddin  Suleiman  Perwane  aus  Dilem  war  der  Sohn  Mo- 
bariseddin  Ali's,  welcher,  in  früherer  Jugend  nach  Rum 
gekommen,  vom  Finanzminister  Sultan  Alaeddin  Keikobad's 


'}  Nuweiii,  bei  d'Ohssou  IV.  498.     ^)  Haitliou  34. 


300  Viertes     B  u  c  Ii. 

als  Eidam  begünstigt,  nach  des  Schwiegervaters  Tod  die  Stelle 
als  Wesir  erhalten  hatte.  Sein  Sohn  Perwane  beherrschte 
Rum  im  Namen  der  Seldschuken  als  unumschränkter  Herr; 
Rokneddin  Eilidsch  Ärslan  hatte  ihm  die  Stadt  Sinope  ver- 
pachtet, deren  Besitz  auch  nach  seiner  Hinrichtung  auf 
seinen  Sohn  Mohammed  und  von  diesem  auf  den  Enkel  Per- 
wane's,  Mohesebeddin  Mesud,  überging'^.  Dieser  bemäch- 
achir       t'§te  sich  Dschaniks  und  Ssamssuns,  das  nach  seinem  Tode^) 


7.  Se/jt.  in  den  Besitz  des  Fürsten  von  Kastemuni  fiel.  Sechs  Wochen 
nach  der  Hinrichtung  Perwane's  ward  der  Wesir  Schems- 
eddin  nach  Rum  gesandt,  um  dem  verwüsteten  Lande  wieder 
aufzuhelfen;  er  baute  die  verheerten  Städte  wieder  auf, 
führte  aber  auch  die  Stempelgebühr  ein ,  welche  vordem  in 
Rum  nicht  bestanden.  Der  Fürst  von  Karaman ,  der  sich 
in  unwegsamen  Wäldern  verborgen  hielt,  ward  mit  denselben 
verbrannt.  Iseddin  Ibek  der  Syrier  erliielt  die  Statthalter- 
schaft Malatia's.  Schemsed din,  nachdem  er  die  Angelegen- 
heiten Rums  eingerichtet,  wandte  sich  nach  dem  Kaukasus 
und  Lesgistan,  wo  er  die  störrigen  Bergvölker  der  mongo- 
lischen Herrschaft  unterwarft). 

Verunan  i-  '**  ^^^^  Augenblicke ,    wo  Schemseddin  durch  die  Ein- 

dung        richtung  Rums  nach  der  Unterwerfung  Lesgistans  dem  Reiche 

Schemsed-  die  wichtigsten  Dienste  erweisend  und  seine  Macht  im 
höchsten,  war  auch  seine  Verungnadung  am  nächsten.  Die- 
selbe war  das  Werk  der  Ränke  Medschdulmülh'Sj,  des  Sohnes 
Gnaden.  Ssafiolmülk' s ,  des  vormaligen  Wesirs  der  Atabegen  von  Jesd. 
Zuerst  im  Dienste  Behaeddin's,  des  Sohnes  Schemseddin'«, 
zu  Issfahan,  war  er  von  diesem  dem  Vater  empfohlen  worden, 
welcher  ihn  in  verschiedenen  Aufträgen  und  zur  Zählung 
der  Einwohner  Georgiens  und  noch  zuletzt  in  Rum  ver- 
wendet hatte.  Medschdulmülk  hinterbrachte  dem  Jesu  Buka 
Gurgan,  welcher  als  Gemahl  Kutlukan's,  der  sechsten  Tochter 
Hulagu's,  der  Schwager  Abaka's,  dass  Medschdeddin  Esir,  der 
Bestellte  Alaeddin  Dschuweini's  (des Bruders Schemseddin's), 


din's  lind 
Wiederauf- 
nahtne  zu 


')    i.    J.    (9-«    (129'()-      -3  70»   (1300),    d'Ohssoii    III.  500.    nutli 
Munedschimbaschi.     ^)  Rescliideddin. 


Viertes     Buch.  301 

in  seinem  und  seines  Bruders  Namen  geheimes  Einverständniss 
mit  den  Aegyptern  unterhalte,  um  diesen  Bagdad  zu  über- 
liefern. Abaka,  hiervon  durch  seinen  Schwager  unterrichtet, 
befragte  den  Medschdeddin  Esir,  von  dem  aber  selbst  fünf- 
hundert Prügel  kein  Geständniss  erpressten.  Schemseddin, 
in  der  Hoffnung,  einen  gefährlichen  Feind  zu  versöhnen, 
verlieh  seinem  Ankläger  Medschdulmülk  die  Statthalterschaft 
von  Siwas  mit  einer  Anweisung  von  zehntausend  Dinaren 
auf  den  Schatz  von  Rum.  Aber  undankbar  und  unversöhnlich 
suchte  Medschdulmülk  neue  Wege  zum  Gehöre  Abaka's 
mittels  dessen  Sohnes,  des  Prinzen  Arghun;  diesem  machte 
er  zu  Kaswin  in  einer  geheimen  Unterredung  weis,  Perwane 
habe  auf  Schemseddin's  Einflüsterung  den  Bondokdar  nach 
Syrien  eingeladen,  sein  Bruder  Alaeddin  habe  für  sich  eine 
mit  Edelsteinen  besetzte  Krone  verfertigen  lassen;  er  könne 
dem  Wesir  beweisen,  dass  er  sich  viertausend  Tomane '^ 
von  den  Krongütern  erpresst,  dass  er  ausserdem  zweitausend 
Tomane  an  Heerden  und  Juwelen  besitze,  ohne  zu  rechnen, 
Mas  er  von  den  Schlössern  der  Assassinen  und  von  Bagdad 
weggeschleppt;  sein  Sohn  Behaeddin,  der  Statthalter  von 
Issfahan ,  habe  dort  ausser  den  aufgelegten  Steuern  sechs- 
hundert Tomane  erpresst;  um  ihm  das  Maul  zu  stopfen, 
habe  er  ihm  die  Statthalterschaft  von  Siwas  mit  einer  Summe 
Geldes  verliehen.  Arghun  hinterbrachte  diese  Reden  seinem 
Vater;  als  dieser  sich  zu  Scherujas  (in  der  Ebene  zwischen 
Ebher  und  Serdschan)  befand  ,  ward  Medschdulmülk  durch 
Vermittelung  des  Emirs  Taghadschar  von  Abaka  im  Bade 
empfangen.  Abaka,  hierdurch  in  seiner  guten  Meinung  von 
Schemseddin's  Finanzverwaltung  beirrt,  gab  dem  Ankläger 
den  Auftrag ,  die  Rechnungen  der  letzten  Jahre  zu  unter- 
suchen und  die  Güterbeschreibungen  zu  durchgehen,  ohne 
dass  einer  der  Emire  oder  Prinzen  sich  dessen  weigern 
dürfe.  Zugleich  gab  er  ihm  die  Insignien  des  Löwenkopfes 
glänzender  und  schöner,  als  dieselben  Sultanen  und  Königen 
verliehen    worden*).      Die    Naibe    oder    Stellvertreter    der 


')  Bei  d'Ohsson  S.  400.     ^)  Wassaf. 


302  Viertes     Buch. 

Steuervögte  wurden  nach  Tebris  einberufen.  Medschtlulmülk 
stand  auf  einmal  in  hoher  Gunst  und  verkündete  dieselbe 
durch  seinen  Aufwand ;  er  umgab  sich  mit  berittenen  Pagen, 
die  auf  arabischen  Pferden  mit  goldenen  Gürteln,  und 
spannte  ein  Von  vierzig  Säulen  getragenes  Zelt  aus  Atlas 
von  Schuster  aus.  Scheraseddin  wandte  sich  an  seine  Gön- 
nerin und  Beschützerin  Oldschai  Chatun,  welche  den  auf- 
gebrachten Gemahl  dem  Wesir  zu  versöhnen  sich  bestrebte. 
Er  erhielt  eine  Audienz:  „Wir  haben  dich",  redete  ihn 
Abaka  an ,  „in  dem  dir  von  Unserem  Vater  verliehenen 
Amte  der  Wesirschaft  mit  unumschränkter  Machtvollkom- 
menheit bestätigt  und  alle  Länder  deiner  Feder  untergeben; 
wie  hast  du  unser  Vertrauen  zu  misbrauchen  und  das  Doppelte 
der  Gebühren  undankbarerweise  dir  anzueignen  gewagt?" 
Der  Chalife  Motedhad  biemrillah  hat  gesagt:  „Ueber  den, 
der  die  Gnaden  der  Könige  mit  Undank  erwiedert,  werden 
die  Schwerter  Recht  sprechen.*'  Schemseddin  antwortete: 
„Ein  Theil  der  eingenommenen  Gelder  ward  im  Dienste  der 
Finanzen,  ein  anderer  in  dem  der  Prinzen  und  Prinzessinnen, 
ein  Theil  zu  Gaben  und  Almosen  für's  allgemeine  Besste 
verwendet;  was  ich  besitze  an  Kapitalien  und  Gütern,  an 
Mamluken  und  Heerden ,  ist  ein  Brosamen  der  Gnaden  und 
ein  Abfall  der  Huld  des  Padischah's,  den  ich  auf  jeden 
Wink  zurückzugeben  erbötig."  Abaka,  durch  diese  Sprache 
des  Wesirs  versöhnt,  verzieh  ihm;  er  sagte:  „Alle  deine 
Schuld,  die  sich  begeben  und  die  sich  nicht  begeben,  habe 
ich  dir  vergeben  '^  und  dich  in  deinem  Amte  neuerdings 
bestätigt."  Die  gegebenen  Befehle  der  Verhaftnehmung  der 
Intendenten  des  Wesirs  wurden  widerrufen  und  Schems- 
eddin erliess  Rundschreiben,  um  die  Wiedererlangung  Aller- 
höchster Gnade  kund  zu  thun;  in  demselben  waren  die 
Worte  Abaka's ,  wie  folgt,  angeführt:  ,,Eine  Zeit  ist  es, 
dass  durch  verlautende  Kunden  der  Veränderung  Unserer 
Gnade  dir  die  Sicherheit  der  Nahrung  und  die  Süssigkeit 
des  Schlafes  geraubt  worden;  nun  gehe  von  hier  in  Unserem 


Viertes     B  u  c  li.  303 

Dienste  betrunken  nach  Haus,  strecke  mit  Herzen  voll  Lust 

und  mit  gesättigter  Brust  Hand  und  Fuss  fröhlich  im  Hareme 

aus;  Itge  dich  früh  nieder  und  stehe  spät  auf." 

Medschdulmülk,  durch  die  Wiederaufnahme  des  Wesirs  Medschdni- 

zu  vorigen  Gnaden  beunruhigt,   bat,  dass  Abaka  ihn  wwiet  miilk,  Amts- 

den  Schutz  eines  der  Emire  seines  Hofes  stellen  oder  davon      iienosse 
.  -    ,  ^  -  .11  1  Schems- 

entfernen  möge.     Abaka  antwortete,    dass,  wiewohl  er  den        a^»}s 

Schemseddin  wieder  zu  Gnaden  aufgenommen,  er  dem 
Medschdulmülk  Nichts  Uebles  wolle  und  dass  er  beim  Emir 
Taghadschar  bleiben  könne.  Medschdulmülk,  von  seinem 
Rathe  und  Gelehrten  Ssadreddin  von  Sendschan  unterstützt, 
fuhr  fort,  Ränke  zu  schmieden,  und  zwar  mit  so  gutem 
Erfolge,  dass  ein  Diplom  erging,  vermöge  dessen  Medsch-  ±280 
dulmülk  von  Jesd  dem  Inhaber  des  Diwans  an  die  Seite 
gegeben  ward.  Dieses  Diplom  ward  im  Götzentempel  zu 
Mekka  in  Gegenwart  aller  Prinzen  und  Prinzessinnen  öffent- 
lich verlesen  und  alle  Geschäftsleute  bemerkten,  dass  noch 
kein  Perser  von  den  mongolischen  Herrschern  dergleichen 
Jerligh  erhalten.  Abaka  empfahl  dem  Medschdulmülk  die 
grösste  W^achsamkeit  in  Bewahrung  und  Gebahrung  der 
Staatsgelder  und  sich  nicht  vom  Hofe  zu  entfernen,  wo  er 
unter  seinem  Schutze  stehe  *3'  Medschdulmülk  stellte  in 
allen  Ländern  Stellvertreter  mit  zahlreichem  Gefolge  an, 
und  in  den  Erlassen  des  Diwans  wurde  der  Name  Schems- 
eddin's  als  des  Inhabers  rechts,  der  Medschdulmülk's  links 
auf  derselben  Höhe  geschrieben.  Zu  dieser  Zeit  schrieb 
Medschdulmülk,  seine  Feindschaft  nicht  verhehlend,  an 
Schemseddin  die  Verse : 

Ich  werd'  in's  3Ieer  von  deinem  Kummer  springen, 

Ich  werd',  ertrunken,  alle  Perlen  bringen; 

Die  Feindschaft  ist  zwar  stark,  doch  hab'  ich  Lust, 

Zu  röthen  das  Gesicht,  wenn  nicht,  die  Brust ^). 

Schemseddin  antwortete  hierauf: 

Da  es  unmöglich,  Schabe  zu  verklagen, 

So  heisst  es,  still  den  Sturz  der  Welt  ertragen; 


>j  Reschideddin.     ^^  Rotkes  Gesicht,  glücklicher  Erfolg;  rothe 
Brust,  gewaltsamer  Tod. 


304  ViertesBuch. 

Wa55  du  begonnen  hast,  war  nicht  vonnöthen, 
Wird  dir  wie  das  Gesicht  den  Nacken  röthen. 

Schemseddin,  starkmüthiger  Geduld,  schlürfte  den  Becher 
der  Deinüthigung  bis  zum  Hefen  aus.  Als  er  eines  Tages 
mit  seinem  Amtsgenossen  Feinde  auf  den  Stufen  des  Thrones 
erschienen,  befahl  ihm  Abaka,  die  untere  Stufe  einzunehmen ; 
Jft  ein  andermal,  bei  einem  Gastmahle,  verweigerte  Abaka 
^-'  dreimal  den  ihm  von  Schemseddin  dargebrachten  Becher, 
den  dieser  hiernach  dem  ober  ihm  knienden  Feinde  dar- 
brachte; Abaka  reichte  hierauf  dem  Schemseddin,  dem 
eifrigen  Moslirae ,  ein  Stück  Schweinfleisch ,  das  dieser 
schweigend  verschluckte;  da  sagte  Abaka  zu  den  Trink- 
genossen: Dort  ist  ein  guter  und  ausharrender  Mann;  ich 
hatte  beschlossen ,  hätte  er  sich  das  Schweinfleisch  zu  essen 
geweigert,   ihm   mit   der  Spitze  des  Messers  das  Aug'  aus- 

Jiebiulewwcl  2ixstechen.     Nun  erschien  Alaeddin,  der  Statthalter  Bai^dads, 

680  '  ^  , 
T^-| —  der  Bruder  Schemseddin's,    welcher  mit   demselben  in  der 

Anklage  von  Gelderpressung  verwickelt  war,  zu  Bagdad 
ohne  allen  Aufwand  in  reinlicher  Kleidung,  und  sogleich 
war  von  allen  Seiten  ein  Heer  von  Anklägern  und  Zwischen- 
trägern in  der  Luft;  Medschdulmülk  zeigte  an:  Alaeddin 
habe  nun  durch  zwanzig  Jahre  die  Steuerausschreibung  des 
arabischen  Irak  und  Chusistan's  verwaltet  und  in  jedem  dieser 
Jahre  über  zwanzig  Toraane  Zuschuss  erhoben.  Alaeddin 
rechtfertigte  sich  ,, durch  die  ihm  aufgebürdeten  Ausgaben 
für  die  Prinzen  und  Frauen ,  für  die  Emire  und  Intendenten 
der  Gauen,  durch  den  Aufwand  für  die  Gesandten  am  Hofe, 
für  Geschenke  und  reiche  Stoffe ,  welche  alle  die  wichtigen 
Lasten  der  Pachten  die  Diwanseinnahmen  vollmachten" '). 
Da  die  Ankläger  hierin  nicht  aufkamen,  änderten  sie  ihr 
Spiel.  „Sie  stellten",  sind  Wassaf's  Worte,  „dem  Könige 
gegenüber  einen  anderen  Bau  als  Thurm  auf  und  trugen 
vor,  dass  von  den  vor  zehn  Jahren^}  gelegten  Rechnungen 
noch  zweihundert  fünfzig  Tomane  zu  zahlen  übrig  seien." 
Bei   gepflogener   Untersuchung   zeigte   es  sich,    dass    diese 


■;)  \Aassaf.     ')  i.  J.  669  C1270). 


Viortes     Du  eh.  305 

Summe  nicht  dem  Statthalter,  sondern  den  Päcfitern  der 
Districte  zur  Last  falle,  von  denen  dieselbe  einzutreiben 
unmöglich.  So  wurde  darüber  hinausgegangen  und  Alaeddin 
wieder  nach  Bagdad  zur  Verwaltung  seines  Amtes  zurück- 
gesandt. Was  den  Anklägern  Schemseddin's  und  seines 
Bruders  vorzüglich  zu  statten  kam,  war  der  durch  die  neuen 
Kriegsrüstungen  eingetretene  Geldmangel.  Von  A«gyptert 
her  nahten  sich  die  ägyptischen  Befehlshaber  Elfi  und 
Aschkar  Sonkar  mit  einem  Heere ,  welchem  der  Prinz  3Iengn 
Timur  entgegengesandt  ward ;  ein  anderes  Heer  ging  nach 
Osten  zum  Dienste  des  Kronprinzen  Arghun  in  Chorasan, 
uud  ein  drittes  war  zur  Huth  der  Gränze  von  Derbend  er- 
forderlich. Abaka  war  in  der  Absicht,  zu  Bagdad  zu  über- 
wintern, auf  der  Strasse  von  Irbil  und  Mossul  aufgebrochen  '  i^g^^ 
und  Alaeddin  hatte  auf  dieser  Seite  die  Vorhuth  voraus-  Jß^öcLJäsi 
gesandt.  Zu  Rahbet  hielt  Abaka  grosse  Kreisjagd  und  trat 
von  hier  den  Weg  nach  Bagdad  an.  Diesen  Augenblick 
benutzte  Medschdulmülk,  um  dem  Padischah  zur  Füllung 
der  geleerten  Cassen  die  von  Alaeddin  dem  Schatze  schul- 
digen Summen  in's  Gedächtniss  zu  rufen« 

Alaeddin,    von    allen    Seiten    der   neuen,   seinem  Habe     Alaeddin 
und  Blute  drohenden  Gefahr  benachrichtigt,  ergriff  das  ein-    opfert ^in 

zige  Rettungsmittel  des  letzten  durch  freiwilliges  Opfer  des  ^'^  *' 

"  °  ^  ^  und  rvird 

ersten.     Er  sandte  sogleich  sein  ganzes  Habe  vom  GrÖssten    ^^rbannt. 

bis  zum  Kleinsten  an  den  Fuss  der  Majestät:  „Sein  ganzes 
Habe",  nach  den  Worten  des  in  der  ganzen  Fülle  asiatischen 
Styles  wuchernden  Wassaf,  „von  den  glänzenden  Perlen, 
welche  wie  Glückessterne  strahlten ,  bis  zu  den  geringsten 
Korallen  und  den  hölzerneu  Geschirren,  den  gemalten,  von 
den  kostbarsten  Tapeten  geflochten  aus  den  goldenen  Drähten 
bis  zu  den  schlechtesten  Kotzen  und  strohgeflochtenen  Matten, 
von  den  Reinsten  und  Schöngestaltelsten  bis  zu  den  Niedrig- 
sten und  Veraltetsten,  von  den  Gefässen,  den  vergoldeten, 
den  auserwählten,  bis  zu  den  alten  Hausgeräthen,  den  in 
die  Rumpelkammer  gestellten ,  von  den  Gürteln  und  Floren 
bis  zu  den  Vorhängen  von  Thoren,  von  den  Sklavinnen,  den 
schönsten  der  Zeit,  deren  Wangen  Rubinen  von  Bedachschan, 
Hammer,  Geschichte  der  llchane.    I.  20 


306  Viertes     Buch. 

bis  zu  den  Stallknechten  (Kutal),  mit  groben  Kitteln  ange- 
than;  er  schaffte  herbei  aus  der  Musikkapelle  die  Pfeifen 
und  Trommeln,  an  deren  Stelle  die  wiehernden  und  yahenden, 
die  sich  stattlich  und  mannichfarbig  als  Reitthier  nahenden, 
von  den  Mäulern  und  Pferden  die  wohlfeilen  und  die  werthen, 
Kameele  und  Kameelinnen  ,  Böcke  und  Widder.  Sein  Zweck 
war,  in  Ehren  zu  beharren  und  nicht  die  Waaren  zu  be- 
wahren; er  war  bereit,  Alles  zu  wagen  und  beizutragen 
und  setzte  den  Fuss  auf  den  Spruch : 

Gott  soll  nach  7neiner  Ehre  mein  Gut  nicht  segnen, 
als  auf  seinen  höchsten  und  unabänderlichsten  Entschluss." 
Zugleich  eilte  Alaeddin  dem  Ilchan  entgegen  und  warf  sich 
auf  der  Station  Dodscheii  zu  seinen  Füssen.  Da  die  Summe 
der  eingelieferten  Schätze  doch  noch  unter  der  Erwartung 
geblieben,  wurde  er  ungnädig  empfangen,  und  es  erging 
ein  Jerligh,  um  den  Emir  Taghadschar  zur  Einleitung  des 
Prozesses  nach  Bagdad  zu  berufen;  er  plünderte  noch  das 
von  Alaeddin  gestiftete  Karawanserai  (Robath^  Kloster,  und 
da  im  Hause  Alaeddin's  nur  der  Besitzer  allein  zurückge- 
blieben war,  wurde  dieser  in  Empfang  und  Verhaft  ge- 
nommen. Alaeddin  wurde  in  den  Halsblock  geschlagen,  auf 
die  Folter  gelegt,  nackt  zu  Bagdad  hineingeführt  und  dann 
verbannt.  In  dieser  Tiefe  seines  Elends  sandte  er  an  seinen 
Bruder ,  den  Wesir ,  die  arabischen  Verse : 

Freund !  dein  Ohr  dem  Manne  schenke, 
Den  man  führt  zur  Todestränke ; 
Meinem  gnädigen  Herrn  klag'  ich 
Und  der  Zeiten  Unbill  trag'  ich  ^ 
Nacken  schlanker  Mädchen  steht  mir  an , 
Nicht  der  Bannstrahl  im  Dorfe  Ban. 

Ban  heisst  das  Dorf  bei  Nissibin,  nach  welchem  er  verbannt 
ward  und  dessen  Name  hier  mit  Ban  spielt,  dem  IVamen 
der  babylonischen  Weide,  mit  deren  biegsamen  Stamm  und 
Aesten  der  Nacken  und  die  Glieder  der  Schönen  verglichen 
werden.  Seine  Feinde  fanden  in  diesen  Versen  neuen  StoflF 
von  Anschwärznng  und  Verfolgung;  sie  ärgerten  sich  darüber, 
dass  er  inmitten  seines  Unglücks  noch  Lust  und  Geist  genug 


^'  i  e  r  t  e  s     Buch.  30> 

besitze  zu  arabischen  Versen  und  Wortspielen.  Einem 
Freunde,  der  ihm  von  der  Stimmung  der  Feinde  Nachricht 
gab,  schrieb  er: 

Dem  Freunde  send'  ich  Wort:   Mich  beugt  Erniedruuj;  nicht. 
Wann  Nächte  wenden  sich  mit  seltsamem  Gesicht: 
Wie  soll  ich  kümmern  mich  um  der  Geschäfte  Macht, 
Da  Gott  sich  meiner  annimmt,  mich  beschützt,  bewacht. 

Alaeddin ,  welcher  europäischen  Orientalisten  bisher  nur  als 
Geschichtschreiber  bekannt  gewesen ,  verfasste  in  seinem 
Elende  mehrere  Gedichte,  deren  einige  in  dem  Buche  des 
Trostes  der  Brüder,  welche  eine  Art  von  arabischen  Boethius, 
gesammelt  sind.  Seine  berühmte  Kassidet  allein,  deren 
Beginn : 

Wenn  dich  die  Welt  anschauet  schief, 

Bewege  diess  dir  nicht  die  Brust, 

haben  über  siebzig  Dichter  durch  Glossen  commentirt' ). 

Die  Feinde  Alaeddin's,  um  seinen  Ruin  zu  vollenden;  _..  f}^„*s 
nahmen  zu  neuen  Listen  und  Lügen ,  Verschwärzungen  und  fernere 
Verläumdungen  die  Zuflucht.  Sie  klagten  ihn  verrätheri-  Schicksale. 
6chen  Briefwechsels  mit  Aegypten  an  und  bedienten  sich  als 
Werkzeuges  ihrer  Ränke  eines  unbekannten  Juden.  Dieser 
beschrieb  zu  wiederholtenmalen  ein  Papier  mit  farbigen 
Linien  aus  Safran  und  Grünspan  als  einen  Talisman,  und 
dieses  wurde  während  der  Hausuntersuchuog  in  den  Kleidern 
Alaeddin's  verborgen.  Dieser  falschen  Anklage  sollten  die 
ägyptischen  Zustände  Glaubwürdigkeit  geben.  Vor  einigen 
Monaten  war  zwischen  Kilmvun  Elfi,  dem  im  Namen  des 
unmündigen  Sohnes  Bondokdar's  Aegypten  beherrschenden 
Fürsten,  und  den  Begen  der  Mamluken  Uneinigkeit  ausge- 
brochen und  Sonkar  Aschkar  hatte  sich  mit  Isa  Ben  Mohenna, 
dem  Emire  der  syrischen  Beduinen,  verbunden;  wider  die- 
selben sandte  Elfi  ein  Heer  nach  Damaskus,  welches  bis 
nach  Aana  und  Hadise  an  die  Ufer  des  Euphrats  streifte. 
Abaka  sandte  einen  Gesandten  an  Elfi  und  Sonkar,  um  sie 


•)  Wassaf  gibt  die  Glosse  Asaseddin  El-Jakubi's  in  achtzehn 
füufzeiligen  Strophen. 

20* 


308  Viertes     B  u  c  li. 

einzuladen,  die  Länder  des  llclian's  nicht  zu  belästigen  und 
sich  ihm  zu  unterwerfen.  Diese  Gesandtschaft  traf  in  dem 
Augenblicke  ein ,  als  die  beiden  verbündeten  Emire  von 
Elfi  geschlagen  worden  waren;  sie  versprachen  sich  Hilfe 
von  Abaka,  und  der  Emir  der  Wüste  sandte  seinen  Bruder 
mit  dem  Gesandten  nach  Bagdad,  als  Alaeddin  dort  noch 
in  der  Machtvollkommenheit  seines  Amtes  stand.  Er  be- 
richtete an  den  Ilchan  die  wahre  Lage  der  Dinge  und  erhielt 
den  Befehl  desselben,  den  Sonkar  und  den  Bruder  des  Emirs 
freundlich  zu  behandeln.  Diesem  Befehle  gemäss  hatte  Ala- 
eddin dieselben  freundlich  empfangen  und  ihnen  zu  Bagdad 
Gold  und  Korn  angewiesen;  dies  war  Alles,  was  an  der 
Verbindung  Alaeddin's  mit  Aegypten  wirklich  und  wahr. 
Zu  dieser  Zeit  hatte  Mengu  Timur  (der  Oheim  Abaka's) 
ein  zahlreiches  Heer  an  die  Ufer  des  Euphrats  geführt; 
Sonkar  und  Isa  schickten  Gesandte  an  Abaka,  um  den  Rück- 
marsch dieses  sie  bedrohenden  Heeres  zu  bitten,  und  Mengu 
Timur  erhielt  den  Befehl ,  sich  vom  Euphrat  abzuwenden, 
während  auf  der  anderen  Seite  gleichzeitig  Prinz  Baidu, 
der  Sohn  Tarakai's  (des  fünften  Sohnes  Hulagu's)  und 
folglich  der  Neffe  Abaka's,  mit  einem  Heere  in  Syrien  ein- 
fiel. Diesen  scheinbaren  Widerspruch  der  Bewegung  der 
mongolischen  Heere  in  Syrien  und  am  Euphrat,  indem  sie 
dort  vordrangen,  hier  sich  zurückzogen,  rissen  die  Feinde 
Alaeddin's  als  eine  Waffe  wider  denselben  an  sich,  und  indem 
sie  den  Gesandten  des  Beduinenfürsten  für  sich  gewannen, 
traten  sie  mit  Alaeddin  in  Banden  die  Reise  nach  dem 
Hofe  an,  der  damals  zu  Hamadan.  Alaeddin's  Trost  in 
dieser  misslichen  Lage  waren  die  Beweise  von  Theilnahme, 
die  er  von  allen  Grossen  erhielt,  die  ihm  dieselben  in 
Briefen  und  Gedichten  kund  gaben.  So  schrieb  ihm  Beha- 
eddin  Ali: 

Ich  höre,  dass  du  immer  klagst  und  weinest 
Und  früh  und  spät  mit  deinem  Kummer  greinest; 
>Vie  laug'  setzt  Welt  dir  an  den  Hals  das  Messer  ? 
Sei  ruhig  und  geduldig,  es  ist  besser. 


Viertes     It  u  c  h.  309 

Alaeddiii  antwortete  hierauf: 

Wie  soll  ich  klagen  nicht,  mein  Aug'  nicht  weinen, 
Da  wenig  fehlt,  dass  mich  zertrümmern  Feinen? 
Die  Welt  hat  angefallen  mich  mit  .Steiueu, 
Wie  soll  ich  schlottern  nicht  in  den  Gebeinen  ? 

Ais  Aiaeddin,  von  seinen  Feinden  geführt,  auf  dem  Wege 
von  Bagdad  nach  Hamadan  auf  die  Höhe  von  Esedabad  ge- 
kommen ,  begegnete  ihnen  die  Nachricht  von  dem  Tode 
Abaka's,  welcher  dem  Schicksale  Alaeddin's  und  seines 
Bruders  günstigere  Wendung  gab.  Ehe  wir  des  Todes 
Abaka's  umständlicher  erwähnen,  liegt  uns  noch  ob,  einige 
frühere  Begebenheiten  und  den  weiteren  Verfolg  des  syri- 
schen Feldzuges  zu  erzählen. 

Drei  Jahre  vor  seinem  Tode  war  Abaka  selbst  von  Tebris  peUzug  tvi- 

gegen  Chorasan  aufgebrochen ,  wohin  er  seinen  Sohn  Arghun  der  Sistau, 

vorausgesandt,  um  die  Niguderischen  Banden,  deren  Einfall    Chorasan, 

in  Fars  oben  erzählt  worden,  zu  Paaren  zu  treiben:  er  kam  ,  ,,^/ 

1.  Moharrem 

aber  nicht  weiter,  als  bis  Sistan,  dessen  Hauptstadt  er  be-         677 

lagerte    und    dann    wieder   zurückkehrte;    er    brachte    Aeiv25.MaliS7>^ 

Oldschai  Buka,  den  ältesten  Sohn  Mubarekschah's  (des  Sohnes 

Muwatukjan's),  und  andere  Prinzen  des  Uluses  Dschaghatai 

mit  sich;  dann  begab  er  sich  nach  Herat,  wo  ihm  die  Emire  ^^'  ^'^^-  ^^• 

677 
der  Karawinas  *"),  eines  der  kriegerischsten  und,  wie  Wassaf  ^r— : r^^zr 

-^  °  '  .j.  Auij.  ISTs 

sagt,    der   teuflischen  Stämme   der  Mongolen  (^die  Naphta- 

feuerwerker),  huldigten,  welche  ihren  Namen  vermuthlich 

von  ihrem  Sitze   zu  Karmvin  dscheidim  haben.     Bei  seiner 

Rückkehr  nach  Tebris  vertheilte  er  nach  dem  Beispiele  seines  ^7; — --'- — ~ 

*  23.  Auflast 

Vaters,   Hulagu ,    Ländereien    als  Leibgedinge    der  Frauen.        1278 
Die  Frau  Kutui  erhielt  Miafarakain,  die  Frau  Oldschai  einen 
Theil  Diarbekrs  xxnADschiseretol-Omar ,  der  Gemahlin  Dschum- 
kur's,  JNulun  Chatun,  des  Oheims  Abaka's,  und  ihren  beiden 
Söhnen,  Dschuschlcab  und  Kunschu,  wurde  Seimas  mit  seinem 


*)  d'Ohsson  III.  macht  sie  zu  denselben  mit  den  Niguderischen 
Bauden:  Nigoudariens  ou  Caraounass;  aber  Reschideddiu,  in  dem 
Abschnitte  unmittelbar  vor  den  Begebenheiten  Medschduhmilk's  und 
Schemseddin's,  spricht  erst  von  den  Niguderischen  Banden  in  Sistan, 
dann  von  den  Karawineu  in  Ghorasan. 


,*510  V   i  e  r  t  e  »     B  u  c  h. 

Gebiete  verliehen.  Buka,  der  Sohn  Hukutai's,  der  Dsche- 
laire,  welcher,  nach  des  Vaters  Tod  ein  unmündiger  Waise, 
unter  Abaka's  Augen  erzogen  worden,  wurde  zu  einem  der 
grossen  hiaken,  d.  i.  der  vertrauten  Hofdiener,  und  später 
zum  Schatzmeister  des  Pelzschatzes  (^Postin^),  woher  das 
Postelnik  der  Russen  und  Wallachen^  ernannt.  Die  Nign- 
derischen  Banden  waren  kaum  aus  Fars  abgezogen,'  als  die 
Nachricht  eintraf  von  einem  AngriflFe  der  Aegypter  auf 
Kalaater  Rum,  d.  i.  das  Römerschloss,  welches  an  der  Stelle 
des  alten  Zeugma  den  Uebergang  über  den  Euphrat  ver- 
theidigt.  Sultan  Said,  der  Sohn  und  Nachfolger  Bondokdar's 
(Runter  der  Vormundschaft  Kilawin  Elfi'sJ ,  hatte  ein  Heer 
von  neunzigtausend  Reitern  und  viertausend  Fussgängern 
wider  diese  Festung  abgesandt.  Die  ägyptischen  Truppen 
befehligte  der  Emir  Beiseri,  die  syrischen  Hossameddin  von 
Aintab.  Die  Stadt  wurde  eingenommen  und  verbrannt;  da 
die  Citadelle  aber  fest  hielt ,  zogen  die  Eroberer  nach  fünf 
Tagen  beutebeladen  ab.  Sultan  Said  war  in  Aegypten  ab- 
gesetzt, mit  dem  Leibgedinge  von  Kerek  dahin  verwiesen 
und  die  Sultanschaft  dem  Emir  Kilawin  Elfi,  dem  Kipdschaken 
aus  dem  Stamme  Burdsch  Oghlu,  übertragen  worden;  dieser 
nahm  dieselbe  vor  der  Hand  nicht  an,  sondern  begnügte 
sich,  im  Namen  des  siebenjährigen  Selamisch,  des  Sohnes 
Bondokdar's,  als  der  Atabeg  desselben  zu  herrschen;  aber 
die  Namensherrschaft  des  siebenjährigen  Knaben  dauerte  nur 
S.RedschebhviwAGvi  Tage,    nach    welchen    er   abgesetzt   und  zu  seinem 

^'^^  - Bruder  nach  Kerek  verwiesen  ward.     Kilawin  Elfi,   so   bei- 

27  Nov  'i279 

genannt,   weil    er   um   tausend  Goldstücke  gekauft  worden, 

und  Ssalihi,  weil  er  ein  Maraluke  Ssalih's,  des  letzten 
ägyptischen  Sultans  aus  der  Familie  Ejub,  bestieg  den  Thron 
als  Sultan  Manssur,  d.  i.  der  Siegreiche,  ein  Beiname,  dessen 
gute  Vorbedeutung  während  seiner  ganzen  Regierung  er- 
füllet ward.  Der  Emir  Sonhar  aschkar,  d.  i.  der  Blonde, 
machte  ihm  als  Nebenbuhler  den  Thron  streitig,  indem  er 


')  Hier  nuuut  Kescliideddiu  den  Schatz  Cliasinei  Nnrin  ,  im  Ab- 
sclmitte  der  Stiuuuie  aber  bei  den  Dschclaireu  Justin. 


Viertes     Buch.  311 

sich  zu  Damaskus  zum  Sultan  ausrufen  Hess,  aber  bald  mit 
seiuem  Verbündeten,  Isa  Ben  Mohenna,  von  den  Truppen 
des  Sultans  geschlagen,  Iiatte  er  sich,  wie  oben  erwähnt 
worden,  mit  Alaeddin,  dem  Wesire  Abaka's,  zu  Bagdad  in 
Unterhandlung  eingelassen  und  sich  dann  in's  syrische Schloss 
Sahmn,  eines  der  festesten,  ehemals  den  Assassinen  gehö- 
rigen, geworfen.  Abaka  hielt  diesen  Augenblick  günstig 
für  den  syrischen  Feldzug.  Seilte  Truppen  raarschirten  in's  i^.OcM^SO 
Gebiet  von  Haleb  ein ,  wie  sie  Aintab,  Derbesak  und  Baghras 
besetzten  und  bis  nach  Haleb  vordrangen,  rennend,  brennend, 
staubend,  raubend,  Männer  tödtend,  nur  den  Weibern  als 
Sklavinnen  das  Leben  rettend.  Kilawin  war  von  Aegypten, 
wo  er  seinen  Sohn  unter  dem  Namen  Melik  ess-Ssalih  als 
Thronfolger  ausgerufen,  gegen  Syrien  aufgebrochen;  als  er 
vernommen ,  dass  der  Feind  mit  der  Beute  von  Haleb  ab- 
gezogen, wieder  nach  Kairo  zurückgekehrt. 

Im  folgenden  Frühjahre  zog  Kilawin  wider  seinen  Thron-  l^-  Muhar- 
nebenbuhler  Sonkar  aus,  der  noch  im  festen  Schlosse  Scheiser 


10.  Mai  ISS! 
hielt.     Er  versprach  die  Auslieferung  desselben  für  die  Ab-  ^  ,,     ,, 

*^  °  Sehlacht  von 

tretung  von  Famia  (^Apamia^,    Antiochien,    Latakia  (Lao-      j]i:nss : 
dicea)  und  der  Schlösser  Sahiun,  Belatonus,  Bersijet ;  auch     Abaka's 
die  beiden  letzten  gehörten ,  wie  Sahiun,  unter  die  festesten        '^^'^■ 
Schlösser   der   Assassfnen  vom  Gebirge ,   welches  von  ihnen 
den  Namen    des   Messers    (Sikin)   führt.     Belatonus   ist  das 
alteBanias  an  der  Seeküste  nördlich  von  Merkab  und  Bersijet, 
ein  kleines   Schloss   an    dem    westlichen  Saume   des  Berges 
Chaitj   welcher   auf   der   Ostseite  des  Sees  von  Apamea '). 
Diese  Forderung   war   kaum    zugestanden,    als  Kilawin  den 
Anzug  zweier  mongolischer  Heere  vernahm,  deren  eines,  von  ' 
Abaka  selbst  befehligt,  sich  gegen  Rahbet  wandte,  das  andere, 
unter   dem   Befehle    Mengu  Timur's,    des  Bruders  Abaka's, 
zwischen    Kaissarije   und   Ablistan    fCäsarea    und    Comane^ 
gelagert  hatte.     Mengu  Timur    zog   langsam    in    Syrien   auf 
der  Strasse  nach  Aintab  und  stand,  nachdem  er  Hama  ver- 
heert, vor  Himss,   wo    auch   Kilawin,    durch  die  Truppen 


•)  üschihaununia  S.  594. 


312  Viertes     B  u  c  h. 

14. RedscJieb  Soiikar's  verstärkt,    eingetroflFen  war.     Die  Schlacht  blutete 
in  der  Ebene  uicht  ferne  vom  Grabmale  Chalid's  (beigenannt 


30.0ct.l8Si  ,      ^  ^  ^         -V       ,        „ 

(las  üschwert   Gottes J,    des    Eroberers    Syriens    unter    dem 

Ciialifate  Omar's.  Das  Heer  Mengu  Tiraur's  zählte  fünf  und 
zwanzigtausend  Mongolen,  fünftausend  Georgier,  eine  arme- 
nische, von  König  Leo  befehligte  Truppenabtheilung  und 
eine  der  Türken  Rums;  aöch  das  ägyptische  Heer ,  welches 
die  ersten  der  Emire  ')» befehligten,  war  von  syrischen 
Turkmanen  und  Kurden  verstärkt.  Der  linke  Flügel  der 
Aegypter  vom  rechten  der  Mongolen,  weichen  Mengu Timur 
an  der  Spitze  der  Uiraten,  Georgier  und  Armenier  befeh- 
ligte, wurde  bis  an  die  Thore  von  Himss  zurückgeschlagen; 
aber  Mengu  Timur  selbst,  bald  hernach  vom  Emir  Usdemir 
verwundet,  ergriff  die  Flucht;  seine  Flucht  zog  die  Nieder- 
lage des  mongolischen  Heeres  nach  sich ,  das  nach  allen 
Seiten  floh.  Von  Seite  der  Mongolen  war  Semaghar,  einer 
ihrer  tapfersten  Feldherrn,  von  Seiten  der  Aegypter  der 
Emir  Usdemir,  welcher  den  Prinzen  Timur  verwundet  uad 
vom  Pferde  gestürzt  hatte,  geblieben.  Die  Mongolen  hatten 
sich  theils  gegen  Haleb,  theils  gegen  Seiemijet,  die  an  der 
Gränze  der  Wüste  gelegene  Stadt,  geflüchtet;  die  letzten, 
durch  den  ägyptischen  Befehlshaber  Rahbet's  abgeschnitten, 
irrten  in  der  Wüste,  wo  sie  dem  Hunger  und  Durst  erlagen: 
nur  sechshundert  Reiter  wurden  gefangen  und  zu  Rahbet 
geköpft;  eine  andere,  vor  Burt  gelagerte  mongolische  Trup- 
penabtheilung  wurde  gleichzeitig  von  den  Belagerten  ange- 
griffen, die  fünfhundert  derselben  tödteten.  Mengu  Timur 
zog  sich  nach  Dschesiret,  dem  Leibgedinge  seiner  Mutter, 
•  Oldschai  Chatun,  zurück.  Abaka  war,  während  Mengu  Timur 
.9.  hschemm. '"  Syrien  einmarschirt,  jagend  bis  Rahbet  gekommen,  kehrte 
»uifi  aber  dann  nach  Sindschar  zurück  und  war  Anfangs  Novembers 
^J.  Sept.  |„  seinem  Lager  vor  Mossul  eingetroffen.  Hier  erhielt  er 
die  Kunde  der  Niederlage  seines  Heeres.  Erzürnt  kündete 
er  für  den  nächsten  Frühling  ein  Kurultai  an ,  wo  die  Feld- 
herren, die  ihre  Schuldigkeit  in  der  Schlacht  nicht  gethan, 


')  Die  Namen  derselbeu  bei  d'Olissou  III.  5'2t3.  uach  Noweiri. 


V  i  e  r  f  e  s     Buch.  313 

bestraft  werden  sollten.     In  der  Hälfte  des  Februars  brach    6.  SilkiJe 


Abaka   von    Bagdad   nach  Haraadan  auf,    wo   er   im  Paläste  i3.  Februar 

Fachreddin   Minotschehr's   abstieg.     Er  überliess    sich  dem 

Genüsse  geistiger  Getränke,  dem  er  unmässig  ergeben.    Eines 

Abends   glaubte    er   in  seiner  Trunkenheit  einen  schwarzen 

Vogel  vor  sich  zu  sehen:    Weg  mit  dem  schwarzen  Vogel, 

rief  er;  aber  so  viel  die  Leibwachen  auch  spähten,  war  von 

einem  schwarzen  Vogel  nichts  zu  sehen.     Auf  einmal  schloss    20.  Sithi- 

er  die  Augen  und  gab,   auf  goldenem  Throne  sitzend,  den 


,,  .      j        i.Aprill282 

Geist  auf).     Er  wurde  an  der  Seite  seines  Vaters  m  dem 

Schlosse  Teke  am  See  von  Meragha  bestattet ;  schon  am 
fünf  und  zwanzigsten  Tage  nach  seinem  Tode  folgte  ihm 
auch  sein  Bruder  Mengu  Timur  in's  Grab  zu  Teke  -).  Abaka 
starb  acht  und  vierzig  Jahre  alt,  von  denen  er  siebzehn 
geherrscht,  der  Befestiger  der  Herrschaft  der  Ilchane  in 
Persien  und  Georgien  im  Geiste  des  Gründers  Hulagu;  kein 
Eroberer,  wie  dieser,  aber  auch  minder  grausam.  „Abaka", 
sagt  der  Mönch  Haitho,  „war  ein  staatskluger,  sein  Reich 
glücklich  verwaltender  Herrscher ,  der  nur  in  zwei  Dingen 
unglücklich;  erstens,  dass  er  nicht  Christ  werden  wollte 
und  als  Götzendiener  den  Götzenpriestern  Glauben  beimass; 
zweitens,  dass  er,  in  beständigem  Kriege  mit  den  Nachbarn 
verwickelt,  den  Sultan  Aegyptens  in  Ruhe  lassen  musste, 
der  sich  durch  mongolische  Ueberläufer  und  durch  Bünd- 
nisse mit  dem  Herrscher  des  Uluses  Kipdschak  verstärkte." 

Die  Klage  Haitho's,    dass    Abaka    nicht    Christ   werden  Verhaltnisse 
wollte,  beweiset  schon,  dass  Hoffnungen  oder  Bemühungen    9^oen  die 
zu  seiner  Bekehrung  rege  waren ;  ferneren  Beweis  liefern  die        '^"  ^"" 
in  den  Geschichtschreibern  der  Päpste  erhaltenen  Schreiben 


')  Im  Schedscliretol  Etrak  S.  254  dasselbe  Datum,  nur  mit  der 
gewöhnlichen  Verstümmelung  des  Uebersetzers  statt  Silhidsche  z'i 
Huj.  *)  Reschideddin,  Nuweiri,  Bar  Hebräus;  der  letzte  irrig  Sil- 
kide  statt  Silhidsche.  Mengu  Timur  heisst  bei  Haitho  Mongodainir ; 
iiach  ihm  wäre  Mengu  Timur  schon  am  achten  Tage  nach  dem 
Bruder  gestorben,  und  beide  durch  Gift.  Verlässiger  als  der  syri- 
sche Bischof  Bar  Hebräus  und  der  armenische  Mönch  Haitho  sind 
hierüber  Reschideddin  und  Wassaf. 


314  Viertes     Buch. 

desselben  an  Abaka.  Papst  Clemens  IV.  meldet  in  einem 
aus  Veterbo  erlassenen  Schreiben,  dass  er  das  Schreiben 
des  Chan's  erhalten ;  bedauert  aber ,  dass  dasselbe  nicht 
lateinisch  abgefasst,  weil  Niemand  dasselbe  lesen  und  ver- 
dolmetschen konnte  und  er  also  den  Worten  des  Boten  allein 
Glauben  beimessen  müsste;  dieser  scheint  wirklich  seine 
Botschaft  grossentheils  aus  sich  selbst  geschöpft  zu  haben, 
denn  es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  Akaka  (wie  ihm 
Clemens  dafür  dankt}  ihm  seine  Freude  über  die  Niederlage 
Manfred's  des  Hohenstaufen  bezeugt,  dass  er  ihm  seine  Be- 
reitwilligkeit gemeldet,  mit  seinem  Schwiegervater  dem 
Paläologen  und  den  Lateinern  zu  helfen ,  und  noch  unwahr- 
scheinlicher, dass  er  gegen  ihn  den  Wunsch,  Christ  zu 
Sb'.  Jan. 1274  werden ,  geäussert  habe.  Sieben  Jahre  später  waren  Ge- 
sandte Abaka's  mit  Schreiben  nicht  nur  an  den  Papst,  son- 
dern auch  an  andere  christliche  Könige  beglaubigt.  Eduard  L, 
der  König  von  England ,  ermuthigte  ihn  in  seinem  Antwort- 
schreiben, in  dem  Entschlüsse  der  Bekehrung  zum  Christen- 
thume  zu  verharren,  und  Gregor  X.  empfing  den  Gesandten 
Abaka's  auf  der  Kirchenversammlung  zu  Lyon,  wo  statt  des 
1277  Senders  wenigstens  «der  Gesandte  getauft  ward.  Drei  Jahre 
hernach  erschienen  abermals  zwei  Fremde ,  die  sich  für  Ge- 
sandte Abaka's  ausgaben ,  am  Hofe  des  Papstes  Joannes  XXL 
mit  einem  Aufrufe  an  alle  christlichen  Fürsten  zu  einem 
Kreuzzuge  nach  Palästina.  Man  bewog  sie,  an  den  Hof  der 
Könige  von  Frankreich  und  England  sich  zu  begeben.  Dem 
Könige  Philipp  versprachen  sie  den  Beistand  Abaka's,  wenn 
er  zu  Akka  landen  wollte.  Diese  beiden  Gesandte,  welche 
georgische  Christen  gewesen  zu  sein  scheinen ,  hatten  zu 
Rom  versichert,  dass  Abaka  und  sein  Oheim,  der  Gross- 
kaan  Kubilai,  bereit  seien,  zum  Christenthume  überzutreten; 
Joann  XXI.  bestimmte  fünf  Franziskaner  zur  Erwiederung 
der  Botschaft;  da  er  aber  vor  ihrer  Abreise  starb,  traten 
sie  erst  im  folgenden  Jahre  mit  Schreiben  Nikolaus  HI.  an 
Abaka   und   seinen    Oheim    Kubilai'}    die   Reise   an.     „Die 

')  Dieser  Name  ist  als  ^uolibey  verstümmelt  in  yuolibet. 


Viertes     ß  u  c  h.  315 

römische  Mutterkirche",  schreibt  INikoIans  anAbaka,  „freat 
sich  des  Inhaltes  des  durch  die  Gesandten  Deiner  Herrlichkeit, 
Joannes  und  Jakob  Vassali,  Unserem  Vorfahren  gebrachten 
Schreibens,  welches,  wenn  ein  christliches  Heer  in  Syrien 
landete ,  demselben  Verpflegung  verheissen ,  und  zu  dem 
Ende  Wir  Allem,  was  sie  mündlich  sagen,  Glauben  beizu- 
messen aufgefordert  werden.  Unter  dieser  Beglaubigung') 
haben  sie  Unserem  Vorfahren,  unter  dessen  Cardinälen  Wir 
uns  damals  befanden,  die  höchst  angenehme  Nachricht  ge- 
geben ,  dass  Deine  Herrlichkeit  und  Dein  Oheim  Kubilai,  Ihr 
beide  unsere  in  Christo  geliebteste  Söhne ,  einige  Personen 
verlangt,  um  Euch  und  Eueren  Sohn  in  der  christlichen 
Lehre  zu  unterrichten  und  zu  taufen."  Der  Papst  bittet 
den  Chan,  die  Missionäre  gütig  aufzunehmen,  ihnen  in  allem, 
was  sie  ihm  über  die  Taufe,  Dogmen  und  Religionspflichten 
sagen  werden,  Glauben  beizumessen,  sie  auf  ihrer  Reise 
zum  Grosschan  frei  zu  halten,  und  empfielt  ihm  dann  alle 
Christen  Unterthanen  des  Chans  als  Freunde  ^ ).  In  dem 
den  fünf  Franziskanern  ertheilten  Breve  begewaltigt  er  sie, 
in  allen  den  Tataren  untergebenen  Läniiern  das  Wort  Gottes 
zu  predigen,  den  Abaka  und  alle,  die  sich  zum  christiichen 
Glauben  bekehren  wollten ,  zu  taufen ,  die  Excommunicirten 
zu  absolviren ,  Beicht  zu  hören  und  Buse  aufzulegen,  auch 
sogar  die  Mörder  von  Clerikern  und  Priestern  loszusprechen, 
wenn  sie  nur  an  Kirchen  und  Klöster  gehöriges  Sühnungs- 
geld  zahlen,  neue  Kirchen  zu  stiften,  den  NeuTermählten 
ihre  Frauen,  die  ihnen  nicht  in  verbotenen  Graden  ver- 
wandt ,  zu  gestatten ,  in  Ehesachen  zu  entscheiden ,  selbst 
dort,  wo  weder  Kirche  noch  Oratorium,  Messe  zu  lesen, 
die  Grundfeste  einzusegnen ,  Gelübde  umzuändern ,  Mess- 
kleider urd  Altäre  zu  weihen ,  wo  katholische  Bischöfe  nicht 
vorhanden,. und  alles  gemeinsam  oder  einzeln  zu  unternehmen, 
was  zur  grösseren  Ehre  Gottes  und  Verbreitung  der  katho- 


*)  sab  qua   crerlulitate   lautet   fast   irouiscli.     ^)  Reyiialdus  II[. 
l).  45S  und  iu  Mosliemii  liistoria  Tatarorum  ecclesiast.  p.  "2. 


316  Viertes     Buch. 

lischen  Lehre  förderlich  und  erspriesslich  ').  Die  Bekeh- 
rung Kubilai's  und  Abaka's  wurde  durch  diese  fünf  Franzis- 
kaner eben  so  wenig  bewirkt,  als  dreissig  Jahre  früher  die 
Batu's  und  Gujukchan's  durch  die  Missionäre  Gregor's  IV. ; 
aber  von  diesen  letzten  bestehen  die  Reiseberichte  Plan 
Carpin's  und  Rubruquis  über  die  Länder,  Sitten  und  Herr- 
scher der  Mongolen,  während  von  der  Mission  der  fünf 
Franziskaner  keine  weitere  Spur^). 

Unter  Abaka's  Regierung  dauerte  der  Flor  der  Liiteratur, 
Literatur,  dessen  wir  schon  unter  der  Hulagu's  und  weiter  oben  erwähnt 
haben,  in  erfreulichem  Glänze  fort;  das  grösste  Verdienst 
dieser  Stätigkeit  gebührt  nach  Nassireddin  von  Tus  wohl 
dem  gelehrten  Brnderpaar  Schemseddin  und  Alaeddin  Dschu- 
tveini,  welche  schon  von  Hulagu  als  Wesire  mit  der  höchsten 
Leitung  der  Reichsgeschäfte  betraut,  denselben  auch  wäh- 
rend der  siebzehnjährigen  Regierung  Abaka's  vorstanden, 
bis  zum  Schlüsse  derselben  ihr  Kredit  und  Ansehen ,  er- 
schüttert, wankte.  In  Rum  hatte  sich  die  schönste  Blüthe 
mystischer  Philosophie  und  Poesie  in  den  Werken  Ssadr- 
eddin's  von  Koma  iiid  Dschelaleddin  Ru?ns  entfaltet.  Zu 
Schiras  lebte  noch  der  hundertjährige  «Saßr/e  (^ dessen  Lebens- 
centurie  zugleich  das  Jahrhundert  des  grössten  Aufschwungs 
persischer  Poesie^  in  Freundschaft  mit  dem  Dichterkönig 
und  Schönschreiber  Hemker  Farsi ,  der  als  Dichterkönig 
Medschdeddin  SemeJci^^  hiess,  mit  Imami  aus  Herat  und 
mit  Chodscha  Hemameddin*')^  dem  Schreiber  Nassireddin's 
von  Tus,  dem  reichen  und  gastfreien  Manne,  welcher  den 
Sohn  des  Wesirs  Schemseddin  zu  Tebris  mit  einem  in  vier- 
hundert  porcellanenen   Schüsseln    aufgetragenen   Gastmahle 


')  Waddington  annales  Minoruni  V.  40  und  in  Mosliemius  p.  80 
^)  Die  umständlichsten  und  gründlichsten  Nachrichten  über  die  Mis- 
sionen enthält  die  vortrefFliche  relation  des  Mongols  ou  Tartares 
par  M.  d'Avezac  im  IV.  Bande  des  recueil  de  vo^'ages  et  de  ine- 
moires  der  geographischen  Gesellschaft  zu  Paris.  ')  Güside  B.  .^43 
gibt  das  poetische  Fetwa  desselben  über  den  Rangstreit  zwischen 
Sahir  und  Envveri,  welcher  von  beiden  ein  grosserer  Dichter- 
*)  DewJctscIiah  und  Güside  B.  .^5. 


Viertes     Buch.  317 

bewirthete.  Ausserdem  noch  die  folgenden  Dichter:  Purbeha 
üschami,  welcher  halb  mongolisch,  halb  persisch  dichtete 
und  mit  Chodscha  Hemameddin  besonders  im  künstlichen 
und  schweren  Versmaasse  wetteiferte  '^;  Abulmadhi  Raigani, 
so  von  dem  in  der  Nähe  Kaswins  gelegenen  Dorfe  Raigan 
beigenannt,  berühmt  durch  einen  auf  die  fromme  Stiftung 
Melik  Iftichareddin's  von  Kaswin  aus  dem  Stegreife  gesagten 
Viervers  ^).  Dschemaleddin  von  Kaschan,  welcher  eine 
berühmte  Redondille  Saadi's  mit  gleicher  entgegnete'}. 
Dschemaleddin  Rastak  ol  koiu,  welcher  sein^  Beinamen 
von  Rastak,  einem  Stadtviertel  Kaswin's,  hat  rftid  unter  der 
Regierung  Abaka's  neunzigjährig  starb*};  der  Richter  ÄeÄ«- 
eddin  Sendschani,  der  Lobredner  Schemseddin's  des  Wesirs, 
welcher  so,  wie  Purbeha,  mongolische  und  türkische  Wörter 
persischen  einmischte*}.  Rasijeddin  Bela  war  Intendent 
der  Pachten  von  Diarbekr;  als  ihn  Abaka  absetzte  und  seine 
Stelle  dem  Emir  Dschelaleddin  verlieh,  welcher  ursprünglich 
ein  Halbtromraelschläger,  hatte  Rasijeddin  den  Muth,  dem 
Wesir  Schemseddin  den  Viervers  zuzusenden : 

0  Schah!  du  nahmst  das  Land  von  uns  zum  Zeitvertreib, 

Gabst  einem  Zwitter  es,  der  weder  Mann  noch  Weibj 

Es  ist  nun  sonnenklar  dem  Aug'  der  beiden  Welten, 

Was  dir  der  Schlag  des  Schwerts  und  der  der  Trommel  gelten^). 

Nedschmeddin  Serkub,  d.  i.  der  Goldschläger,  ein  Zeitge- 
nosse Abaka's,  der  aber  auch  unter  der  Regierung  Arghun's 
lebte  und  seine  Beschäftigung  und  Armuth  durch  die  fol- 
genden Verse  schilderte: 

Mein  Handwerk  ist,  zu  schlagen  Gold; 
Das  Leben  wird  dadurch  nicht,  heller. 


')  Geschichte  der  persischen  Redekünste  S.  221.  ^)  Güside 
ß.  3.33.  3)  Güside  B.  335.  ')  Güside  B.  335.  *)  Güside  B.  335  gibt 
als  Beispiel  den  Anfaugsvers  einer  Kassidet: 

Ei  kerde  ruh  ba  lebi  laali  tu  Nokeri 

Maaschuki  Vsbegi  we  nigari  her  Chavveri. 

Hier  sind  Nokeri  und  Vsbegi  die  fremden  Wörter.     ^)  Güside. 


t 


318  Viertes     Buch. 

Ich  sitze  immer  zwischen  Gold 
Und  habe  niemals  einen  Heller'). 

Endlich  Nisameddin  von  Issfahan ,  der  arabisch  und  persisch 
dichtete  und  von  welchem  der  Schreiber  der  auserwählten 
Geschichte    eine    Kassidet   zum   Lobe    des   grossen   Wesirs 
Schemseddin   Dschuweini'^3   erhalten,   welche,   da  Schems- 
eddin  und  sein  Bruder  Alaeddin  die  Pole  persischer  Kultur 
und  Literatur  während  der  Regierung  Abaka's  so  füglicher 
diese    üebersicht    persischer    Literatur    zur    Zeit    Abaka's 
schliesst,  als  der  Schluss  des  Lobgedichtes  selbst  ein  arabi- 
sches Disticnon  des  grossen  Wesirs  Schemseddin: 
Komm',  lass  dir  von  dem  Streit'  des  Baches  sagen, 
Der  sich  mit  der  Cypresse  zugetragen. 
Der  Bach  sprach  viel  von  seiner  reinen  Flnth 
In  hundert  Zungen  und  in  hundert  .Sagen  ; 
Da  sprach  zu  ihm  Cypresse  so:    0  Freund, 
Willst  du,  warum  ich  zittere,  mich  fragen? 
Ich  bin  gerad'  und  stehe  festen  Fusses, 
Indess  dich  krumm  die  Spötter  weiter  tragen. 
Bei  Gott!  du  gehst  vorbei:  und  willst  dir  so 
Den  alten  Trauten  aus  dem  Kopfe  schlagen. 
Bald  brausest  du  mit  Heftigkeit  einher, 
Bald  bleibest  du  im  Dümpfel  sitzen  mit  Behagen. 
Als  Antwort  sprach  der  Bach,  der  tief  beschämt, 
Aus  Scliaam  den  Kopf  empor  kaum  konnte  tragen : 
Ich  seh',  Cypresse,  du  hast  Sanftmuth  nicht 
Und  kannst  mit  Freunden  dich  nicht  gut  vertragen  5 
Denn  stets  aufstrebend  und  empörerisch , 
Und  weich  und  lind  und  mild  ist  mein  Betragen. 
Du,  prahle  dich  hinfiir  mit  Freiheit  nicht, 
Nicht  mit  Beständigkeit  und  Liebesklagen; 
Du  nährtest  vormals  dich  in  meinem  Schooss, 
Nun  willst  du  hoch  empor  den  Kopf  nur  tragen, 
Du  weihest  nun  sehr  wenig  Schatten  mir, 
Weisst  nichts  von  Huld  und  goldnen  Fruchtgelagen ; 
Verzweifelnd  fliehe  ich  von  dir  in's  Feld, 
Um  an  dem  Fels'  die  Brust  mir  wund  zu  schlagen ; 


■)  Die  letzten  sieben  Dichter  fehlen  in  Dewletschah,  und  auch 
in  der  Geschichte  der  persischen  Poesie,  zu  der  das  Güside  noch 
nicht  benutzt  werden  konnte.    0  Güside  B,  343. 


Viertes     Buch.  319 

Du  träj^st  das  Haupt  gen  Hinunel  hoch  empor,    * 
.Schaust  nicht  auf  mich,  der  dir  zu  Füssen  liegt; 
Uein  Haupt  ist  grün,  du  bist  so  frisch  und  schön, 
Und  ich  verachtet  mit  zerrissnem  Kragen ; 
Geniesse  stolz  die  Ruh',  du  stehest  fest, 
Indessen  mich  von  dir  die  >Yinde  jagen.  , 

So  sprach  der  Bach  und  barg  sich  in  den  Staub, 
In  Thränen  fliessend  hin  und  Weheklagen; 
Cypresse  ward  darob  gar  sehr  verwirrt, 
Des  Freundes  wegen  fühlt'  sie  Unbehagen , 
Im  Garten  schlug  die  Hände  sie  zusammen  ; 
Der  Vögel  Chor  begann,  darob  zu  klagen, 
Da  war  die  Zeit,  den  Vers  von  Schemseddin  ^ 
Inhaber  des  Diwans  ,  dem  Herrn  zu  sagen  ; 
Der  Garten  hauclit  wie  Aloe  aus  Hindy 
Auf  Aloen  die  Turteltauben  klagen  •). 


')  Lakad  fahet  el  aaud  el  Komari 

We  faher-raudh  kel  aaud  el  Komari. 
Das  Wortspiel   liegt   in   dem    Doppelsinn    der    Worte   Fahet  und 
Komari  ;  jenes  heisst  im  ersten  Verse  klagen,  im  zweiten  hauchen  ; 
dieses  ist  im  ersten  Hemistich  der  Plural  von  Kumri ,  Turteltaube, 
im  zweiten  Epithel:  kumarische  Aloe. 


/üttftee    P  n  d^. 


Farteiungen  um  die  Thronfolge ;  Teguder*s  Tbron- 
liesteigung; ;  Hinricbtung  Medschdolmülk's ;  Zu- 
stände von  Scbiras;  Hong^uratai  ^^etödtet;  Krieg 
z'W'ischen  Teguder  und  Argbun;  die  liandscbaften 
Kumis  und  Taberistan  mit  ibren  l§tädten;  Jüarscb 
nacb  Knmis;  Argbun  vor  Kelat;  Tbronbesteigung 
Argbun's;  dessen  Gemablinnen^  iSöbneundTöcbter; 
Terungnadung  und  Hinricbtung  des  IFesirs  >^cbems- 
eddin;  die  Verwaltung  von  Fars  unter  der  Prin- 
zessin Abiscb,  dann  Seid  Imadeddin ;  Buka's  iSturx ; 
Hinricbtung  der  Prinzen  Dscbuscbkab 9  Huladsebu 
und  Karabuka ;  Ver^^altung  des  Juden  Seaded- 
dewlet;  Feldzug  gegen  Derbend;  Argbun's  Ver- 
bältnisse gegen  Aegypten;  Kendscbatu's  Tbronbe- 
steigung  und  dessen  Familie;  l§sadreddin  von  Sen- 
dscban  TFesir ;  Einfall  der  liuren  in  Irak  und  Fars, 
und  Melik  el  Escbrefs,  des  ISultans  von  Aegypten; 
Verratb  der  Emire ;  Papiergeld;  Ende  Kendscbatu's 
und  Baidu'S  IlTacbfolge. 

ww   ir    haben    die    achtjährige    Regierung   Hulagu's,   des 
Parteiungen  Gründers  des  Reichs ,  in  zwei  Büchern ,    die  der  siebzehn- 
um  die     jährigen  seines  Nachfolgers  in  dem  vorhergehenden  erzählt; 
wir  werden  auch,  so  Gott  will,    das  Leben  und  die  Regie- 
rung  der   achtjährigen   Regierung  Ghasan's,    des   siebenten 
und  grössten  mongolischen  Herrschers  in  Persien,    in  zwei 
Büchern   beschreiben;    aber   nur   diesem   Einen   die  Regie- 
•      rungen  von   Teguder  ,  Arghun  und  Kendschatu ,    die  durch 
zwölf   Jahre   nacheinander   geherrscht.     Hulagu,    der   erste 
der  Ilchane,  hat  das  Reich  als  Eroberer  gegründet ;  Abaka^ 


K  11  n  1"  t   e   s     U  u  c   li.  321 

der  zweite,  dasselbe  zwar  nicht  erweitert j    aber  durch  die 
Stätigkeit  seiner  Wesire,  des  grossen  Brüderpaars  Schenis- 
eddin  und  Alaeddin,    auf  derselben    Höhe    erhalten;    unter 
den  vier  nächsten  ward  es  durch  innere  Unruhen  und  Streit 
der  Prinzen    um   den   Thron  zerrüttet,    bis  Ghasan  das  er- 
schütterte   Gebäude    der    Herrschaft    wieder    mit    blutigem 
Mörtel  befestigte  und  durch  weise  Einrichtungen  zum  Giebel 
seiner  Grösse  emporhob.  Der  dieses  Buch  füllende  zwölQährige 
Zeitraum  des  Bürgerkriegs  und  der  Zerrüttung  mag  einiger- 
raassen   mit    dem  zehnjährigen  der  osmanischen  Geschichte 
verglichen  werden,  in  welchem  nach  Bajesid's  des  Wetter- 
strahls Tod  die  Söhne  desselben  sich  um  den  Thron  stritten 
und  das  getheilte  Reich  erschütterten;  nur  herrscliten  dort 
längere   Zeit    drei    und    dann    zwei   gleichzeitig,    während 
hier  die  schnelle  Entscheidung  des  Thronstreites  durch  das 
Schwert  nur  zwischen  Baidu  und   Ghasan    getheiller  Herr- 
schaft  Raum    übrig   liess.     In    der    osmanischen  Geschichte 
ist  die  gleichzeitige  Regierung    der    drei  Brüder  Suleiman, 
Musa  und  Mohammed  eine  Zwischenherrschaft ,  während  hier 
die  drei  ersten  genannten  Herrscher  nicht  gleichzeitig  regiert, 
sondern    den   bestrittenen    und    dem    Vorfahrer,   entrissenen 
Thron  nur  nach  einander  durch  kurze  Zeit  behauptet  haben. 
Abaka  hatte  seihen  Sohn  Arghun   zu  seinem  Nachfolger  im 
Reiche  bestimmt  und  demselben  als  solchem  die  Statthalter- 
schaft von  Chorasan  verliehen.     Die  Entfernung  würde  den- 
selben nicht  gehindert  haben,  sein  Recht  auf  den  Thron  zu 
behaupten ,  hätten  nicht  andere  umstände  dem  Oheime  Te- 
guder  und  seiner  Partei  Vorschub  gethan.     Dieser  war  der 
Aka  Arghun's,  d.  i.  der  Aeltere  der  Familie,  und  das  höhere 
Alter  gab,   wie    schon   beim    Streite    zwischen    Hulagu   und 
Berke  zu  bemerken  Gelegenheit  gewesen,    in  der  mongoli- 
schen Familienhicrarchie  immer  Vorrang  und  Ansehen  vor 
dem  Im\  d.  i.  dem  Jüngeren;  aber  dieser  Altersvorzug  würde 
dem  Teguder  eben  so  wenig  zum  Throne  verholfen,  als  die 
Entfernung  von  der  Residenz  dem  Arghun  denselben  geraubt 
haben,   wären  nicht  andere  Hebel  wirksam  thätig  gewesen. 
Die  persischen  Quellen  stellen   dieselben  gar  nicht  gehörig 
flanimer,  Geschichte   der  Ucliane.    I.  21 


322  t'  "  11   f  t  e  s     H  u   c  h. 

heraus  und  lassen  über  die  nächsten  Beweggründe  der  ver- 
änderten Thronfolge  einiges  Dunkel ;  dieses  aber  verschwindet 
bei  näherer  Betrachtung  des  zu  Ende  des  vorigen  Buches 
berührten  Verhältnisses  zwischen  Arghun  und  dem  gestürzten 
Bruderpaare  Schemseddin  und  Alaeddin,  welche  seit  Hulagu 
zu  Tebris  und  Bagdad  das  Steuer  der  Regierung  geführt. 
Arghun  war  der  Kanal  gewesen,  durch  welchen  die  Anklagen 
Medschdolmülk's,  des  Todfeindes  Schemseddin's  und  Ala- 
eddin's,  bei  Abaka  Eingang  gefunden;  ihre  ganze,  durch 
zwanzigjährige  unumschränkte  AlachtToUkommenheit  mächtig 
gewordene,  durch  ihren  Sturz  aber  in  den  Staub  getretene 
Partei  hatte  von  der  Thronfolge  Arghun's  und  der  tyranni- 
schen Verwaltung  Medschdolmülk's  Nichts  zu  hoffen  und 
Alles  zu  fürchten;  diese  Partei  also  war  es  wohl  haupt- 
sächlich, welche  dem  Neffen  Arghun,  dem  Sohne  Abaka's, 
dessen  Oheim  Teguder  vorzog  und  diesem  die  Stimme  der 
Völker  (^die  in  Persien  alle  Muslimen)  durch  den  üebertritt 
zum  Islam  gewann. 

Teguder  war  der  Sohn  der  Frau  Kutui  Chatun,  welche  mit 

Teguder^s    Jh™  ^^^  seinem  Bruder  Tekschin,  jener  der  siebente,  dieser 
Thron-      der  vierte  Sohn  Hulagu's ,  während  des  persischen  Feldzugs 

bestetyung.  ^^  Lager  Mengkukaan's  zurückbehalten  und  unter  Abaka's 
Regierung  von  Kubilai  nach  Persien  gesandt  worden;  in 
seiner  Jugend  war  derselbe  getauft  worden  und  hatte  den 
Namen  Nikolaus  erhalten').  Hierdurch  schon  dem  Götzen- 
dienste des  Budhismus  entfremdet,  mochte  er  so  leichter 
zum  Islam  zu  bekehren  gewesen  sein ,  als  seine  Bekehrer 
nicht  ermangelt  haben  werden,  nach  moslimischer  Ansicht 
der  Dreifaltigkeit,    als   einer  Triraurti,    und  den  Uebertritt 

*  zum   Islam    als   eine   Erhebung   zu   reinerem   Gottesdienste, 

durch  den  Aufschwung  von  Vielgötterei  zur  Anbetung  eines 


*)  Haitho  C.  37  nennt  ihn  Tongodar,  die  Perser  nennen  ihn 
durch  einen  aus  Versetzung  der  Punkte  leicht  erklärbaren  Schreib- 
fehler Niyudar ,  was  der  Name  des  dschaghataischen  Prinzen,  des 
Sohnes  Dschudschi's,  des  Erstgebornen  Dschaghatai's ;  wahrschein- 
lich ist  ISiguder  aus  seinem  christlichen  Namen  Nikolaus  ent- 
standen. 


K  li  n  f  t  e  s     U  u  c  li.  328 

einzigen  Gottes  darzustellen ;  der  mächtigste  Bekehnings- 
grnnd  war  aber  ganz  gewiss  die  Aussicht  auf  den  Thron, 
indem  er  den  Islam  erst,  als  er  denselben  bestieg,  annahm. 
Die  Nebenbuhler  um  denselben  nach  dem  Tode  Abaka's 
waren  drei ;  Arghun  hatte  die  Emire  des  Hauses  seines 
Vaters'^,  mehrere  der  grossen  Emire'*)  auf  seioer  Seite; 
die  drei  Prinzen  Adschai,  Kungurtai,  Huladschu  (die  drei 
Söhne  Hulagu's},  Dschuskab  und  Kunhschu,  die  Söhne 
Tachumkur's ,  des  zweiten  Sohnes  Hulagu's,  die  Emire 
Schingtury  Sughundschak  und  andere  stimmten  für  Teguder ; 
endlich  suchte  die  Frau  Oldschai  Chatun ,  die  Mutler  Meogu 
Tiraur's,  demselben  eine  Partei  zu  gewinnen;  als  dieser  aber 
am  fünf  und  zwanzigsten  Tage  nach  Abaka's  Tode  gestorben, 
schlug  sie  sich  mit  der  Frau  Kutui,  der  Wittwe  Abaka's, 
auf  die  Seite  Arghun's,  welcher  der  Sohn  aus  der  Beischlä- 
ferin Kaimisch  Ikadschi.  Alsbald  nach  Abaka's  Tode  eilte 
Teguder  aus  Kurdistan  nach  Tebris  und  Arghun,  welcher 
ohnedies  auf  dem  Wege  von  Chorasan  nach  der  Residenz, 
begegnete  auf  der  vierten  Station  vor  Tebris  dem  Schingtur 
Nujan ,  welcher  ihm  mit  der  Nachricht  von  des  Veters  Tod 
entgegengesendet  worden.  Arghun  vollzog  die  Gebühren 
der  Trauer  nach  mongolischer  Sitte  mit  dem  gewöhnlichen 
Todtenmaljle ,  bei  welchem,  wie  bei  Festgelagen,  der  Becher 
mit  Kumts  herumging;  die  Leibwachen^},  Speerträger*} 
und  Stallmeister  Q  seines  Vaters  wurden  ihm  übergeben. 
Die  Prinzen  des  Hauses ,  die  Oheime  und  Neffen  Arghun's, 
beriethen  sich  und  stimmten  für  Teguder,  und  auf  den  Rath 
des  weisen  Emirs  Schischi  Bachschi  that  Arghun,  um  sein 
Leben  zu  retten ,  keinen  Einspruch.  Fünf  Wochen  nach  ^^'  I^^ohar- 
dem  Tode  Abaka's  wurde  Teguder  als  Chan  und  üchasi,  -; —  .  .  ^ 
Schall  nnd  Padischah  ausgerufen;  die  Herrlichkeit  der  fest- 
lichen Thronbesteigung  wurde  auf  zwei  Monate  hinausge- 
schoben.    Arghun  begab  sich  nach  Alatagh^^,  um  dort  von 


*j  Die  zwei  Brüder  Buka  und  Oruk,  uad  Akbuka.  ^)  Schischi 
Bachschij,  Doladai  Aidadschi,  Bschtischi,  Ordukia.  ^)  Kurdschiitit. 
")  Sihurdschian.  *)  Aktadschian.  ^y  Rescliideddin,  bei  d'Ohssoß 
Sialikuli  III.  552, 

21  * 


dem  Lager  und  dem  Schatze  seines  Vaters  Besitz  zu  nehmen; 
Taghadschar  kam  aus  Fars  zu  seinem  Dienste  und  die  Frau 
Kuiui  mit  ihren  Anhängern  begab  sich  ebenfalls  in's  Lager 
Arghun's,  Der  Wesir  Scliemseddin,  weicher  sich  in  dessen 
Macht  befand,  wurde  ihm  abgefordert,  und  der  Emir  des 
Lagers  der  Frau  Kutui  brachte  denselben  zu  Teguder'^. 
13.  liebiul-  Am  Tage  der  Sommersonnenwende -}  hatte  die  feierliche 
Thronbesteigung  statt.     Nach    dem    uralten,   schon   auf  den 


SI.Ji(nilS8ä 

ägyptischen  Denkmalen  abgebildeten  Krönungsgebrauche,  ver- 
möge welchem  zwei  Geleitsmänner  den  König,  der  eine  zur 
rechten,  der  andere  zur  linken  Hand,  auf  den  Thron  ein- 
führen, wurde  Teguder  vom  Bruder  Kungurtai  und  vom 
Emir  Schingtur  Nujan  auf  den  Thron  gesetzt,  indem  jener 
dessen  rechte,  dieser  dessen  linke  Hand  ergrifft);  die 
Prinzen  warfen,  mit  dem  Gürtel  um  den  Nacken,  ihre 
Mützen  in  die  Luft,  zu  sagen,  dass  ihr  Hals  bereit,  auf  den 
Wink  des  Herrschers  mit  dem  Gürtel  oder  Strang  zuge- 
schnürt zu  werden ,  und  dass  sie  nicht  mehr  kopfbedeckt, 
das  ist,  nicht  mehr  frei.  Mit  siebenmaliger  Niederwerfung 
wurde  die  Sonne ,  mit  neunmaliger  der  neue  Herrscher  ver- 
ehrt zur  glücklichen ,  durch  die  Astronomen  ausersehenen 
Stunde. 

Zu  einer  guten  Stunde,  wo  die  Glücksgestirne 
Im  Ort  des  Aufgangs  niederwarfen  ihre  Stirne'). 

Nach  Beendigung  der  Krönungsfeste  liess  sich  Teguder 
Schemseddin  ^j^  Jq,  unbezwinglichen  Schlosse  Schahutela  (^dem  persischen 

.       ,  _  Königstein^   aufbewahrten    Schätze   bringen    und    vertheilte 

V071  etiler  der  °  y  o 

Gemah-     dieselben  unter  die  Prinzen,  Nujanen  und  Emire  des  Hauses 
linu en  Tegu- MixA  des  Heeres;  jeder  Soldat   erhielt   zwanzig  Dinare   und 
der  s.       Arghun,  der  sich  beklagte,  dass  man  auf  ihn  mit  der  Krö- 
nungsfeierlichkeit   nicht    gewartet,    zwanzig    Goldbalische. 
Bei   dieser    Gelegenheit   verbanden   sich    Arghun    und   sein 
Oheim  Konghuratai  (der  neunte  Sohn  Hulagu's)   im  Lager 


')  Reschideddin.  *)  13.  Rebiulewwel  Sonntags  ist  der  21.  Juni, 
der  richtig  ein  Sonntag,  folglich  das  Datum  bei  Wassaf,  t4.  statt 
13.,  wie  bei  Reschideddin  gefehlt;  das  Scliedschretol  Etrak  S.  257 
hat  das  richtige  Datum  vom  1:5.    ')  Reschideddin.    ")  Wassaf. 


F  li  n  f  t  e  s     B  ii  c  !i,  325 

der  Frau  Tuktini ')  durch  Eidschwur  in  uuzertrenullcher 
Freundschaft,  welche  hernach  den  häufigen  Gesandtenwechsel 
zwischen  ihnen  und  den  gewaltsamen  Tod  Konghuratai's  her- 
beiführte. Teguder  befahl ,  seine  Bekehrung  zum  Islarae 
auszurufen  ,  und  erliess  an  die  Obrigkeiten  von  Bagdad  ein 
Jerligh,  dass  sie  die  gute  Kunde  den  Einwohnern  Bagdads 
mittheilen,  den  frommen  Stiftungen  ihre  Einkünfte  wie  zur 
Zeit  des  Chalifats  wieder  geben,  den  Moscheen  und  Me- 
dreseen  ihre  vorigen  Rechte  wieder  einräumen  sollten;  der 
Prophet  habe  gesagt,  dass  der  Islam  nicht  aufhören  werde, 
Biegreich  zu  sein,  bis  an  den  Tag  des  Gerichts'}.  Tags  2.  Rehiul.  I. 
darauf  lagerte  er  zu  Siahkuh^)  und  sandte  Befehl  nach  ^-  *'^"''- 
Hamadan ,  dass  Medschdolmülk  und  Atamiilk  Dschiiweini, 
der  noch  als  dessen  Schlachtopfer  dort  gefangen  gelialten 
ward,  vor  ihm  erscheine.  Medschdolmülk  begann  seine 
alten  Ränke  wider- Schemseddin,  und  wenig  feliüe,  dass  er 
nicht  auch  diesmal  gesiegt  hätte;  nur  der  Schutz  Ermeni 
Chatun's ,  der  Gemalilin  Teguder's,  zu  welcher  Schemseddin 
flüchtete,  rettete  ihm  und  dem  Bruder  das  Leben  und  ver- 
schafl'te  ihnen  den  Triumph  über  den  Todfeind.  Ermeni 
Chatun  war  nicht  die  Herrin  des  Harems,  d.  i  die  erste 
Gemahlin  oder  grosse  Frau  Teguder's  (^welche  Tokus  Chatun, 
die  Konghuratin),  sondern  die  zweite,  keine  Armenierin, 
wie  der  Name  glauben  machen  konnte ,  sondern  auch  eine 
Konghuratin;  die  dritte,  Tudahm  Chatun,  die  Tochter 
Musa  Gurgans,  des  Konghuraten ,  des  Eidams  Ilulagu's, 
welchem  dieser  seine  fünfte  Tochter,  Torakai,  zur  Gemalilin 
gegeben,  und  folglich  die  Nichte  Arghtin's;  die  vierte  J?«?- 
tegin,  die  Tochter  Huseinaga's;  die  fünfte,  Ilkotlogh ,  die 
Mutter  Tughandschik's,  der  Tochter  Schadi  Nujan's,  des 
Gemahls  der  Prinzessin  ^/-^^^rw/c^  Tochter  Dschnmkur's,  des 
zweiten  Sohnes  Hulagu's,  aber  nicht  aus  dieser,  sondern 
aus  der  Beischläferin  Ilkotlogh;  Tughandschik,  während  der 
Herrschaft  Teguder's  getraut ,  wurde  ob  Verdacht  von  Zau- 

')  Bei  d'Ohssou  III.  553  Tuktai.  -)  Derselbe  uacli  Noueiii 
S.  553.  ')  Siah  kuh  niisul  kerd,  heisst:  er  lagertR  /.ii  Siahkith, 
nicht:  il  quitta  Sialikuh .  wie  rtOiissou  übersetzte 


326  I""  "  II  I'  «  ü  >    n  II  c  h. 

fierei  iii~deii  h'or  (Cyrus}  geworfen;  die  sechste,  l'udai 
Chatun;  diese  gaben  ihm  drei  Söhne  O  und  sechs  Tochter'' 3' 
Stark  durch  den  Schutz  Erjnejii  ChaUmSj,  arbeitete  nun 
Schemseddiu  an  dem  Sturze  Medschdolmülk's,  denselben  in 
alierhand  Klagen  verwickelnd  und  vor  Gericlit  fordernd. 
Medschdolmülk  ,  seines  drohenden  Kuines  gewahr,  sandte 
Wort  an  den  Prinzen  Arghun:  Schemseddin  habe  Abaka 
vergiftet,  und  wenn  nun  er  (Medschdolmülk)  mit  seinem 
Leben  büssen  müsse,  geschähe  es,  um  den  Beweis  der  Ver- 
giftung zu  unterdrücken  ;  auf  diese  Art  warf  er,  selbst  des 
Todes  ge^värtig,  den  Saamen  der  Rache  am  Todfeind  in 
die  Brust  Arghun's ,  wo  derselbe  später  zur  blutigeu  Frucht 
zeitigen  sollte,  Schemseddin  bediente  sich  als  Werkzeug 
zum  Sturze  Medschdolmülk's  eines  Neffen  des  letzten ,  Na- 
mens Seaadeddin,  welcher  vom  Oheime  wegen  Geldverun- 
treuuiigen  seines  Amtes  entsetzt  worden  war;  demselben 
ward  die  Stelle  eines  MesUifl  (^Finanzpräsidenten)  in  Irak 
und  Persien  versprochen ,  und  er  klagte  dafür  den  Oheim 
verrätherischen  Briefwechsels  mit  Arghun  an ;  demselben 
wurde '  die  Zurückstellung  aller  von  seinem  Oheim  confis- 
cirten  Güter  Atamülk's,  des  Bruders  Schemseddin's,  aufge- 
tragen ,  Medschdolmülk  selbst  vor  Gericht  gestellt. 

Die  Richter  Medschdolmülk's  waren  die  Obersten ,  ße- 
^"'*'*^''^""^  fehlshaber  der  Truppen,  Sundsckak  und  Arukaha.  Dem 
mülk^s  Medschdolmülh  wurde  nun  mit  gleichem Maasse  eingemessen; 
wie  er  wider  Kudschuk  Jtarnülk  Papiere ,  mit  Zügen  und 
Schnörkeln  beschrieben ,  als  Beweise  der  Zauberei  vorge- 
bracht, so  wurde  als  gleicher  Beweis  nun  dem  Medschdol- 
mülk eine  mit  gelben  und  rothen  Figuren  bemalte  Löwenhaut 
vorgehalten,  welche  sich  unter  seinen  confiscirten  reichen 
Stoffen  gefunden  und  welche  seine  Feinde  bei  der  Unter- 
suchung eben  so  eingeschwärzt  hatten  ,  wie  vormals  er  gelbst 


'}  Ka/Jlandsclii,  Arslandschi,  Nukadschije.  ')  1.  Kutscliuk,  aus 
der  Frau  Tokus  ;  2.  Kimdsclnik,  aus  der  Frau  Ermcui  5  3.  Tschi- 
tschek,  aus  cbeu  derselhcn;  4.  ßlainaii,  gleichfalls  5  .1.  SailHii^  aus 
der  Frau  Tudaku ;  ff.  K'dtürminch ,  aus  der  Heiscliläferin  Kiirku- 
diChije. 


Fünftes     Buch.  827 

unter  das  Habe  Atamülk's;  die  Baclischi  und  Kamen,  d.  i. 
die  mongolischen  Schreiber  und  Wahrsager ,  gaben  ihr  Gut- 
achten ab,  dass  diese  Haut  in  Wasser  geweicht,  das  Wasser 
dem  Beklagten  zu  trinken  gegeben  werde ,  damit  das  Uebel 
der  Zauberei  an  ihm  selbst  ausgehen  möge.  Medschdolraülk 
weigerte  sich  dessen,  weil  er  wohl  wusste,  dass  diesen 
Talisman  der  Scheich  Abderrahman,  ein  Geschöpf  Schems- 
eddin's,  verfertigt  und  denselben  verraufhlich  mit  Gift  ge- 
tränkt habe.  Trotz  dieser  Beweise  wollten  sie ,  so  sehr 
auch  der  Scheich  und  Ätamülk  darauf  drangen ,  das  Todes- 
urtheil  nicht  aussprechen ;  als  aber  Sughundschak ,  durch 
ein  Fussübel  zu  Hause  gehalten,  zu  Gericht  zu  sitzen  ver- 
hindert war,  besuchte  ihn  der  Scheich  und  drang  so  lang 
in  ihn ,  bis  er  das  Urtheil  erhielt.  Es  lautete  dahin ,  dass 
er  dem  Brüderpaar  Schemseddin  und  Alaeddin  übergeben 
und  von  denselben  nach  der  Jasa ,  d.  i.  mit  dem  Tode  be- 
straft werden  solle.  Schemseddin  wollte  ihn  mit  dem  Leben 
begnadigen,  aber  sein  Bruder  Alaeddin  und  sein  Sohn  Harun 
drangen  auf  die  Todesstrafe.  MedschdolmiUh  (^der  Reichs- 
ruhm) wurde  in  das  Zelt  Atamülk's  (Reichsgabe])  geführt, 
wo  er  vom  Nachmittagsgebete  bis  zum  Abendgebete  Rechen- 
schaft über  alle  von  ihm  ausgestellten  Urkunden  ,  Diplome, 
Schenkungen ,  Vergantungen  ablegen  und ,  ausser  allen  Be- 
sitzungen, dreihundert  Tomane  zu  Bagdad  erpresster  Gelder 
herausgeben  musste.  Als  Alaeddin  sich  zum  Abendgebete 
begab,  wurde  sein  Todfeind  vors  Zelt  geführt  und  der  vor 
demselben  versammelten  Menge  als  Schlachtopfer  vorge-  j)schem- 
worfen  '}.  Er  ward  sogleich  zerstückt  und  Kopf  und  Zunge  masiulen-wei 
und  Hände  und  Füsse  in  die  Hauptstädte  des  Reichs  zur  ^^^ 
Aussteckung  gesandt;  der  Kopf  nach  Bagdad,  wo  er  den-  ^*- -^"ff"^ 
selben  so  stolz  erhoben.  Der  Geschichtschreiber  Reschid- 
eddin  sagt  hierüber: 


')  iu  der  Nacht  vom  Mittwoch,  sagt  Reschideddin ,  was  der 
12.  August  war,  den»  der  14.  (Soniitagsbuchstabe  Dl  war  ein 
Freitac. 


3'iH  K  li  u  f  I   (>  s     »  u  c  h. 

Der  Kopi,   viiii  so  viel  \A'alin  iimi  Gier  besessen, 
So  der  Wesirschaft  selbst  für  sich  vermessen , 
Ich  sah  ihn  als  des  Henkers  Spiel  und  Tand 
Und  jedes  Glied  in  eines  AndVeu  Hand. 

Seine  Zun^e  kaufte  einer  um  hundert  Goldstücke  und  brachte 
dieselbe  nach  Tebris,  und  Wassaf  cominentirt  hierzu: 

Hättest  schweigend  deine  Zunge  du  bewährt, 
Hätte  deinem  Kopf  nichts  angehabt  das  Schwert. 

Die  Füsse  wurden  nach  Schiras  gesandt,  wo  er  so  hoch- 
müthig  aufgetreten  war,  und  die  Hände  nach  Issfahan ,  wo 
er  dieselben  so  gierig  ausgestreckt.  Der  schon  mehr  als 
einmal  erwähnte  Dichter  Pur  Beha  Dschami  sagte,  als  die 
Hände  ankamen : 

Bis  zu  dem  Himmel  wollt'  er  heben  seine  Hand ; 

Es  kam  die  Hand  nicht  hin,  doch  her  kam  seine  Haud. 

und  ein  anderer  Dichter  Zeitgenosse  dichtete  suf  diese 
Gliederversendung  die  Verse: 

Ein  Paar  Tage  laug  beschwär/tesfc  du  RoUeu  und  Listen, 
Suchtest  dir  dadurch  Reichthum  zu  mehreu  und  Gut; 

Deiner  Glieder  jegliches  ging  in  andres  Land  aus, 
Welteroberer  wardst  du  in  der  Woche  Verlauf). 

Alaeddin  erhielt  nun  wieder  die  Statthalterschaft  von  Bagdad 
und  die  Investitur  derselben  mittels  eines  vom  Chane  selbst 
getragenen  Kaftans,  Schemseddin  die  Wesirschaft  in  der 
vorigen  Machtvollkommenheit  und  der  Scheich  Kemajeddin 
Abderraliman  Er-Rafii  die  oberste  Würde  des  Islams  mit 
^er  Verwaltung  aller  Religionsgüter  und  dem  Auftrage ;  die 
Einkünfte  derselben  auf  die  Pensionen  grosser  und  berühmter 
Gelehrten  und  Almosen  für  Ssofi  und  Derwische  und  die 
Verwandlung  der  christlichen  Kirchen  in  Moscheen  zu  ver- 
wenden. 

.  Schemseddin,   welchem    unter    Abaka's   Regierung   von 

Schemsed-   seinen   Anklägern    Vergeudung    der   Staatsgelder    zur    Last 

diu;  Zu-    gelegt   worden    und    der    sich   ausgewiesen,   dass   dieselben 

stünde  von  ^um  Theil  für  den  Hofstaat   der  Prinzen    und   andere  Aus- 
Schiras.      

')  >VH.ssar. 


Fünftes     B  11  c  h.  329 

gaben  des  Hofes  aufgegangen ,  begann  seine  neue  Ver- 
waltung mit  Einschränkungen  der  Ausgaben  der  Küche  des 
Chans  und  des  Hofstaates  der  Prinzen  und  Prinzessinnen. 
Die  Ausgaben  der  Küche,  welche  bisher  unter  dem  Oberst- 
küchenmeister Fachreddin  jährlich  achtzig  Tomane  (^Tonian 
ist  zehntausend)  betragen  hatten,  wurden  nun  ohne  Ein- 
mischung des  Oberstküchenmeisters  mit  der  Hälfte  dieser 
Summe  bestritten.  Dieser  besonders  wider  das  Zehrgnadenamt 
gerichteten  Oekonomie  lag  einige PersönlichkeitSchemseddin's 
wider  Fachreddin  zum  Grunde ,  weil  diesem  gleich  nach 
der  Thronbesteigung  Teguder  die  Wesirschaft  verleihen 
wollte,  was  sich  Fachreddin  verbeten  hatte;  nichtsdesto- 
weniger warSchemseddin  auf  denselben  eifersüchtig;  Wassaf, 
bei  welchem  sich  diese  Angabe  findet,  konnte  um  so  besser 
von  der  Sache  unterrichtet  sein,  als  er  gerade  in  diesem 
Jahre  dem  Wesir  Schemseddin  persönlich  aufwartete,  und 
einige  Spannung ,  in  welcher  er  mit  demselben  gestanden, 
auszugleichen  bemüht  war;  es  scheint  nämlich,  dass  Wassaf 
eich  einigen  Tadel  über  des  Wesirs  frühere  Verwaltung 
erlaubt,  worüber  ihn  der  Wesir  zur  Rede  stellte.  Wassaf 
bekräftigte  zwar  mit  den  stärksten  Schwüren  das  Gegentheil 
und  sandte  zweimal  entschuldigende  und  um  Vergebung 
flehende  Verse  an  Schemseddin'^,  aber  „ohne  dadurch", 
wie  er  sagt,  „den  leicht  zu  lösenden  Knoten  der  Entfrem- 
dung des  Inhabers  des  Diwans  zu  en4:wirren".  Wiewohl 
Wassaf  weder  den  Gegenstand  des  Tadels,  noch  den  Anlass 
seiner  Reise  ins  Hoflager  näher  angibt,  so  betrafen  wahr- 
scheinlich beide  die  Angelegenheiten  seines  Vaterlandes,  die 
Landschaft  Fars,  deren  Geschichte  er  der  seinen  so  um- 
ständlich  einverleibt  hat.     Zu  Ende  der  Regierung  Abaka's  ^^^ 

1  1279 

war  die  Statthalterschaft  von  Schiras  dem  Emir  Sughundschak 

(von    dem    so    eben    als    vom    Richter    Medschdolraülk    die 

Rede  gewesen)  anvertraut,    von  dessen  Scharfsinn  und  die 

Wahrheit   ergründenden   ürtheilen   Wassaf  Belege   erzählt. 

Unzufrieden  mit  den  Pächtern  der  Steuereinnahme,  ernannte 


')  Wassaf  theilt  dieselben  mit 


S30  ^^  '•  »  f  t  e  s     H  u  c  h. 

er  einen  derselben ,  der  die  wenigsten  Staatsgelder  unter- 
schlagen hatte,  den  Chodscha  Nisameddinj  zum  Wesir  und 
ordnete  ihm  die  anderen  Pächter  unter.  Zum  Richter  der 
Richter  ernannte  er  den  Ebu  Mohammed  Jahja  Imadeddin, 
wiewohl  der  grossere  Theil  der  Einwohner  den  hochge- 
lehrten Seid  Abdallah,  den  Verfasser  vieler  Werke  über 
die  Exegese  und  Hermeneutik,  über  die  Ueberlieferung  und 
Rechtsgelehrsamkeit,  über  Dogmatik  und  Philosophie  für 
den  Würdigeren  erkannten.  Sughundschak  begab  sich  mit 
einigen  Pächtern,  deren  Summen  noch  ausständig,  nach  Hof; 
nur  als  es  in  seiner  Abwesenheit  zwischen  dem  Wesir  und 
dem  Oberrichter  zu  Reibungen  kam,  sandte  er  einen  Befehl, 
vermöge  dessen  der  letzte  im  Hause  des  ersten  in  Verhaft 
gesetzt  ward.  Zu  dieser  Zeit  (wo  eben  Medschdolmülk's 
Anklage  wider  Schemseddin  angebracht  und  Abaka's  Sinn 
auf  Zusammenscharren  des  Goldes  erpicht  war^  wandte  sich 
der  Seid  Richter  an  Buka,  einen  der  geheimen  Schatzmeister 
Abaka's,  welcher  sich  damals  zu  Schiras  befand  ,  und  dieser 
sandte  den  Seid  und  den  Intendenten  Schemseddin  nach 
Hof,  wo  sie,  von  Abaka  wohl  empfangen,  ihre  Beschwerden 
wider  die.  Verwaltung  Sughundschak's  und  des  von  ihm  be- 
stellten Wesirs  Nisameddin  anbrachten.  Abaka  reichte  ihnen 
mit  eigener  Hand  einen  Becher  Wein  und  befahl,  dass 
Nisameddin  zweihundert  der  ausständigen.  Tomane  abtrage; 
dieser  wurde  nun  im  Hause  des  Seid  Imadeddin  festgesetzt 
und  der  Emir  Taghadschar  kam ,  die  Eintreibung  der  Summe 
zu  vollstrecken;  die  Pächter  aber,  hierdurch  aufgelärmt, 
machten  mit  Nisameddin  gemeinsame  Sache,  und  wiewohl 
sie  dem  Scheine  nach  sich  den  Befehlen  Taghadschar's 
fügten,  so  ruhten  sie  doch  nicht,  bis  sie  den  Nisameddin 
aus  der  Haft  befreit  und  Taghadschar  in  Verlegenheit 
brachten.  Dieser  begab  sich ,  da  unterdessen  die  Thron- 
besteigung Teguder's  stattgefunden  ,  an's  Hoflager  und  führte 
seine  beiden  Schutzgenossen,  den  Melik  Schemseddin  und 
den  Seid  Imadeddin,  mit  sich.  Teguder  verlieh  dem  letzten 
die  Wesirschaft  von  Sohiras  und  forderte  den  Statthalter 
Bulghuwan ,    welcher  ^öirentlich    die  Partei  der  Intendenten 


K   ü  II  f  t  c   6     B   u  c  h.  331 

wiiter  Taghadschar  ergriffen  hatte ,  nach  Hof ;  dieser  hielt 
die  Gesandteil  des  Chans  zu  Schiras  auf,  ohne  ihnen  Er- 
iaubniss  zur  Rückkehr  zu  gewähren,  und  wa;idte  sich  heimlich 
an  den  Prinzen  Ärghun  in  Chorasan,  von  dessen  Umtrieben 
weiter  unten  die  Rede  sein  wird.  Diess  war  der  Zustand 
der  Dinge  in  Fars,  als  Wassaf  sich  bei  Schemseddin  rein 
zu  waschen  bemüht  war. 

Auf  Veranlassung  Schemseddin's  wurde  eine  feierliche 
Botschaft  an  den  Sultan  Aegyptens  abgesandt,  um  demselben 
von  dem  Uebertritte  Teguder'a  zum  Islam  Kunde  zu  geben. 
Das  Beglaubigungsschreiben  der  beiden  Gesandten  und  die 
Antwort  Kilawin's  sind  so  durch  Gehalt  als  Styl  merkwürdig 
genug,  um  unverändert  hier  in  sach  -  und  wortgetreuer 
üebersetzung  zu  folgen: 

„Durch  Gottes  des  Allmäclitigen  Kraft  (welcher  erhöhet 
werde  !^  P'erraan  des  Kaan  Ahmed  an  Aegyptens  Sultan. 
Gott  der  Allmächtige  hat  durch  die  Vorgänge  seiner  Gnaden 
und  das  Licht  seiner  Leitung  in  der  ersten  Jugend  und 
Frische  Uns  geleitet  auf  die  wahren  Pfade  zur  Kenntniss 
seiner  Herrlichkeit  und  zum  Geständniss  seiner  Einheit,  zur 
Zeugenschaft,  dass  Mohammed  (über  welchen  das  reinste 
Gebet!)  Gottes  Prophet,  zum  schönen  Glauben  in  seine 
Heiligen  und  frommen  Mäimer.  Wen  Gott  leiten  will,  dessen 
Brust  erleichtert  er  (jurch  den  Islam ,  und  Wir  haben  nicht 
aufgehört,  Uns  für  die  Erhöhung  der  Reügion  und  Zurecht- 
bringung der  Geschäfte  des  Islams  geneigt  zu  zeigen,  bis 
von  Unserem  Vater,  dem  Bessten,  und  Unserem  Bruder, 
dem  Grössten ,  die  Reihe  der  Regierung  auf  Uns  gekommen, 
bis  dass  über  Uns  der  Schmuck  seiner  Gnaden  ausgegossen 
und  Wir  von  seinen  Wohlthaten,  was  Wir  verdienten,  ge- 
nossen in  dem  Ueberraaasse  seiner  Gnaden,  der  grossen; 
und  es  ward  Uns  das  Brautgemach  des  Reichs  aufgeschlossen 
und  die  Braut  Uns  vorgeführt  unverdrossen.  Es  wurde  von 
Uns  ein  gebenedeites  Kuridtai  versammelt,  diess  ist  die 
Versammlung,  wo  einen  Funken  gibt  der  Feuerstahl  der 
Brüder  und  Kinder ,  der  Emire ,  der  Grossen ,  der  Führer 
des  Heers,  der  Vorgesetzten  der  Truppen ;  ihr  Wort  stimmte 


332  K  ü  Ji   f  (   e  s     n  u  c  h.  ^ 

darin  überein,  die  Verfügung  Unseres  Bruders  des  Grossen 
auszuführen  in  der  Aufstellung  eines  allgemeinen  Aufgebotes 
Unserer  Heere :  die  Erde  ist  zu  enge  vor  ihrer  Menge,  und 
es  füllet  die  Herzen  Schrecken  vor  der  Gewalt,  womit  sie 
die  Erde  bedecken;  vor  ihrem  hohen  Muthe  werden  die 
Berge  zu  Ebenen  ausgegleichet  und  die  härtesten  Felsen 
erweichet.  Wir  dachten  nach  über  das,  was  sie  sich  vor- 
genommen und  worin  ihre  Begierden  übereingekommen,  und 
Wir  fanden,  dass  ihre  Absicht  widerstreite  mit  dem,  was 
Wir  in  Unserem  Innern  beschlossen  zur  Bewirkung  allge- 
meinen Wohls.  Hierunter  verstehen  Wir  die  Stärkung  der 
Satzungen  des  Islams,  dass  so  viel  als  möglich  keiner  von 
Unseren  Befehlen  in  anderer  Absicht  ergehe,  als  um  Blut 
und  Brand  zu  stillen  und  alle  Länder  mit  dem  Wehen  der 
Winde  der  Ruhe  und  der  Sicherheit  zu  erfüllen ,  und  damit 
ausruhen  mögen  die  Könige  der  anderen  Länder  auf  dem 
Lager  der  Milde  und  Wohlthätigkeit,  um  Gottes  Befehle  zu 
ehren  und  dem  Volke  Gottes  Mitleid  zu  gewähren.  Gott  hat 
Uns  eingegeben,  dieses  Feuer  auszulöschen  und  diese  Unruhe 
zu  stillen,  und  die  Anzeige  dessen,  den  Gott  der  Allmäch- 
tige hierauf  geleitet  hat,  ist  die  des  Vorschlags  der  Mittel, 
womit  die  Heilung  der  Welt  von  den  Gebrechen  erzweckt 
und  die  Anwendung  der  letzten  verschoben  würde;  denn 
Wir  lieben ,  nicht  schneller  die  Pfeile  zu  senden  und  uns 
zu  den  Lanzen  des  Kampfes  zu  wenden,  als  nachdem  Wir 
das  Nöthige  erklärt,  und  Wir  gestatten  diess  nicht,  als 
nachdem  Wir  die  Wahrheit  und  Nothwendigkeit  mit  Be- 
weisen bewährt.  Wir  wurden  bestärkt  in  dem ,  was  wir 
Uns  Gutes  vorgenommen  hatten,  und  in  der  Durchführung 
gemeinnütziger  Thaten  durch  die  frommen  Wünsche  des 
Scheichs  des  Islams,  des  Musterbildes  der  Erkennenden, 
dessen  Hilfe  Uns  in  den  Geschäften  der  Religion  nützt  und 
unterstützt,  und  Wir  haben  dieses  Schreiben  erlassen  als 
Gottes  Barmherzigkeit  für  den,  der  sich  demselben  fügt, 
wie  sich's  gehört,  und  als  Pein  wider  den,  der  sich  ab- 
wendet und  empört.  Wir  haben  damit  betraut  den  ent- 
scheidendsten   der  Richter,    den  Pol   der  Religion  und  des 


Fünftes     B  II  c  h.  333 

Volks  (Kutbeddin),  und  den  Atabeg  (Behaeddin),  welche 
beide  von  den  Bewährtesten  und  Gelehrtesten  dieses  blü- 
henden Reichs,  weil  sie  Unsere  Wege  kennen  und  weil  sie 
mit  Gewissheit  wissen ,  was  Uns  eingibt  Unser  Gewissen  zum 
allgemeinen  Wohl  der  Moslimen.  Wir  haben  sie  in  dieser 
Absicht  gesendet,  denn  Wir  sind  von  Gott  auf  die  Wach- 
samkeit angewiesen  ,  denn  der  Islam  liebt,  was  ihn  empfängt, 
und  Gott  der  Allmächtige  hat  in  Unser  Herz  gelegt,  dass 
Wir  der  Wahrheit  und  ihren  Bekennern  folgen  sollen,  damit 
sie  bezeugen  die  grosse  Gnade  Gottes  über  die  Gesammtheit 
in  dem ,  was  wir  fordern  als  Vertrag  der  Ursachen  der 
Wohlthat.  Sucht  dieses  nicht  zu  erproben  durch  einen 
Rückblick  auf  Unsere  Brüder  (die  Herrscher  vergangener 
Zeit^,  denn  jedem  Tage  ist  anderes  Loos  bereit.  Wenn 
die  Seelen  Einsicht  nehmen  wollen  in  einen  Beweis,  wodurch 
die  Forderung  des  Vertrauens  befestiget  würde,  und  in  eine 
Urkunde,  worin  sie  die  Erfüllung  ihres  Wunsches  fänden, 
so  sollen  sie  ihre  Blicke  auf  Unsere  Denkmale  richten,  deren 
Ruhm  nicht  klein  und  deren  Wirkung  allgemein.  Wir  haben 
unter  Gottes  Leitung  angefangen,  die  Spuren  der  Religion 
zu  erheben ,  dieselben  in  jedem  Dinge  an  Tag  zu  legen 
und  auszuheben  zur  Aufrechterhaltung  der  Novellen  des 
Gesetzes,  des  mohammedanischen,  nach  Erforderniss  der 
Kanone  der  Gerechtigkeit,  der  ahmedischen,  um  es  zu  er- 
heben und  demselben  Ehre  zu  geben.  Wir  Hessen  Freude 
scheinen  in  die  Herzen  des  Wesens,  des  gemeinen.  Wir 
haben  nachgesehen  die  Vergehen  und  den  Schuldigen  ver- 
ziehen und  stellten  auf  die  Verbesserung  der  Geschäfte  Unser 
Bemühen,  auf  die  frommen  Stiftungen  der  Moslimen,  von 
Moscheen,  Grabstätten,  Medreseen,  auf  den  Bau  frommer 
Zellen  und  verfallener  Wachposten ,  indem  Wir  die  Ein- 
künfte derselben  denen,  so  dieselben  verdienen,  verlieh'n 
und  dadurch  erfüllet  der  Stifter  Sinn ;  Wir  haben  verwehrt, 
dass  Neuerung  in  denselben  werde  begehrt  und  dass  das 
Geringste  werde  verletzt  von  dem,  was  ursprünglich  fest- 
gesetzt; Wir  haben  befohlen,  den  Pilgerreisen  die  grösste 
Ehre  zu  erweisen,  ihre  Schaaren  zu  bewahren,  ihre  Wege 


334  Fünftes     »  u  c  h. 

ZU  sichern  und  zu  ebnen  die  Bahnen  der  Karawanen;  Wir 
haben  freigelassen  die  Strassen  den  Kaufleuten,  die  von 
Laud  zu  Land  wandeln  und  handeln,  damit  sie  nach  ihrer 
Willkür  und  mit  ihrem  bessten  Vermögen  reisen  mögen; 
Wir  verwehren  den  Heeren ,  den  Wachen  und  denen ,  welche 
die  Runde  machen,  dass  sie  denselben  auf  ihren  Wegen, 
wenn  sie  kommen  oder  gehen,  das  Geringste  in  den  Weg 
legen.  Eine  Unserer  Wachen  hat  einen  Kundschafter  er- 
griffen in  der  Verkleidung  eines  Fakirs ,  und  wiewohl  es  in 
der  Ordnung  gewesen  wäre,  denselben  zu  tödten,  so  wollten 
Wir  doch  nicht  sein  Blut  vergiessen  lassen  aus  Schonung 
dessen,  was  Gott  verboten,  und  Wir  haben  denselben  zurück- 
gesandt. Indessen  ist  es  denselben  nicht  unbekannt,  dass 
die  Kundschafter  ein  Schaden  im  Land;  denn  so  lang  unsere 
Armeen  dieselben  in  der  Gestalt  von  Fakiren  und  Andäch- 
tigen sehen,  ist  ihre  Meinung  von  diesen  Leuten  schlecht, 
sie  tödten  den  Mann  und  thun ,  was  sie  gethan :  die  Noth- 
wendigkeit  davon  ist ,  Gott  sei  Dank ,  erhöhet  durch  das, 
was  Wir  ergehen  Hessen ,  um  die  Wege  aufzuschliessen  dem 
Zuge  der  Kaufleute  und  anderer  Wanderer.  Wenn  dieselben 
diesen  Geschäften  einiges  Bedenken  schenken,  so  wird  den- 
selben nicht  verborgen  sein ,  dass  diese  Eigenschaften  uns 
angeboren  als  zweite  Natur  und  dass  darin  von  Affeetation 
keine  Spur;  und  da  die  Sache  so  liegt,  so  sind  alle  An- 
forderungen gegenseitiger  Abneigung,  welche  zum  Wider- 
stand führten ,  aus  dem  Wege  geräumt.  Diese  gründeten 
sich  vormals  auf  den  Weg  verschiedener  Religion  und  der 
Entfernung  von  dem  Schoosse  des  Islams;  aber  nun  ist  durch 
Gottes  Huld  und  die  Gunst  Unseres  Glückes  das  helle  Licht 
erschienen,  und  wenn  es  vormals  Ursachen  gab,  so  wandten 
wir  uns  nun  von  denselben  zum  Besseren  ab ;  Wir  sind  auf 
dem  Pfade  der  Gnade,  wo  Einkehr  und  Rückkehr.  Wir 
haben  den  Schleier  aufgehoben  durch  dieser  Anrede  Farben 
und  haben  dieselben  imterrichtet  von  dem ,  was  wir  zu  thun 
aufrichtig  gesonnen,  und  haben  hiermit  begonnen;  Wir  haben 
Unseren  Heeren  verboten ,  zuwider  zu  handeln  diesen  Ge- 
boten ,  Gott  und  seinem  Propheten  zu  Gefallen.    Damit  auf 


Fünftes     B  u  (• 


335 


den  Blättern  die  Spuren  des  Glücks  und  der  Annahme  er- 
scheinen, damit  die  Welt  über  die  Verschiedenheit  des 
Wortes  beruhiget  werde ,  damit  durch  das  Licht  des  Ein- 
verständnisses verschwinde  die  Finsterniss  des  Missverständ- 
nisses, damit  ausruhen  mögen  unter  dem  weiten  Schatten 
die  Städter  und  die  Bewohner  der  Matten,  und  damit  sich 
erfrischen  die  Seelen ,  welchen  die  Plagen  gestiegen  in  die 
Kehlen.  Wenn  Gott  der  Herr  den  Sultan  Aegyptens  leitet 
zum  Besten  der  Welt  und  zu  dem,  was  die  Ordnung  der 
Menschen  erhält ,  so  ist's  nöthig  für  ihn ,  den  Eimer  fester 
Anhänglichkeit  zu  erfassen  und  zu  wandeln  dergleichen 
Strassen  durch  Eröffnung  der  Thore  der  Unterwürfigkeit 
und  Einigkeit,  durch  Erwähnung  der  Aufrichtigkeit,  damit 
diese  Länder  sich  dieser  Gnaden  erfreuen ,  damit  die  Un- 
ruhen sich  legen,  welche  zerstreuen,  damit  die  Schwerter, 
welche  schneiden,  gesteckt  werden  in  die  Scheiden,  damit 
die  ganze  Erde  ein  Eden  der  Ruhe  werde,  damit  die  Nacken 
der  Moslimen  werden  befreit  von  dem  Joche  der  Verach- 
tung und  Niedrigkeit.  Sollte  aber  böse  Meinung  die  Oberhand 
behalten  über  das,  was  Wir  aus  Gottes  des  Allverleihers 
Barmherzigkeit  behalten,  und  sollte  dieselbe  verwehren, 
diesem  Antrage,  wie  er  es  verdient,  Anerkennung  zu  ge- 
währen, so  wird  Gott  Unsere  Bemühungen  ehren  und  Unsere 
Entschuldigungen  lassen  gewähren.  Wir  haben  Uns  nicht 
zur  Strafe  gewandt,  ehe  Wir  einen  Gesandten  gesandt;  bei 
Gott,  er  leitet  zur  Rechtlichkeit  und  zum  rechten  Verstand! 
Er  bewahret  sicher  die  Unterthanen  und  das  Land.  Wir  rech- 
nen auf  Gott  den  Einen.  Geschrieben  Ende  Dschemmasiul- 
ewweis  681  (Anfangs  September  1282^." 

A 11 1 IV  o  r  i. 

„Im  Namen  Gottes  des  Allmilden,  des  Allbarraherzigen. 
Durch  Gottes  des  Allmächtigen  Kraft,  das  Wort  Kilaun's  an 
Sultan  Ahmed:  Lob  sei  Gott!  welcher  Uns  den  Pfad  der 
Wahrheit  erhellt.  In  Uns  ist  die  Hilfe  und  der  Sieg  Gottes 
gekommen,  und  Er  hat  uns  schaarweise  in  die  Religion 
Gottes  aufgenommen.  Gebet  über  Unseren  Herrn  Mohammed ; 


336  F  ü  n  f  t  e  5     B  u  (•  h. 

Er,  den  Gott  über  Alles,  wodurch  sein  Volk  gerettet  ward, 
erhöht,  und  über  alle  Propheten ,  welche  retten,  und  über 
seine  Familie  und  seine  Gefährten  !  Gebet,  welches  erleuchtet 
die  finstere  Nacht  und  dunkeles  Leben  hell  macht.     Gefällig- 
keit  und    Ergebenheit   vom   Imam    Hahim  hiemrülah ,    dem 
Emirolmuminin ,    dem  Abkömmlinge  der  Chalifen,    der  den 
wahren  Weg  betreten ,  dem  Vetter  des  Herrn  der  Propheten, 
dem    Chalifen ,    welchem    die    Religiösen    huldigen.     Es    ist 
angekommen    das  Schreiben,     das   verehrliche,    das    Ehren 
gewährliche ,  enthaltend  die  grosse  Kunde  von  dem  Eintritte 
in  die  Religion  und  dem  Ausfalle  wider  Alle,   welche  dem 
wahren  Leben  widerstreben.   Nachdem  geöffnet  worden  dieses 
Schreiben,    welches    Kunde    der   üeberiieferungen  haucht, 
üeberlieferungen  ,  welche  für  die  Moslimen  gewiss ,  die  ge- 
wissesten der  üeberiieferungen,  welche  üb  erlieferte  3fos/«m*^, 
wurden  die  Gesichter  zu  Gott  dem  Allmächtigen  gewendet 
mit  der  Bitte,  dass  er  diess  befestige  mit  dem  Worte,  dem 
festen,  und  dass  der  Samen  dieser  Religion  im  Herzen  sprosse, 
wie  die  schönsten    der  Pflanzen    aus   dem   härtesten  Boden 
sprossen.     In  nachdenkender  Achtung  stellten  Wir  an  treff- 
liche  Betrachtung    über    die   Erwähnung    der   aufrichtigen 
Absicht,    dass  im    Anfang   des  Lebens   und   in   der  Frische 
jugendlichen  Strebens  die  Einheit  Gottes  verkündet  und  der 
Eintritt   in    das  Volk  Mohammed's  mit  Wort  und  That  und 
Einsicht   und    Rath    begründet  werde.     Gott  sei  Lob!    dass 
«r  die  Brust  des  Sultans   für    den  Islam  erweitert  und  die- 
selbe mit  der  edelsten  der  Eingebungen  aufgeheitert.     Gott 
sei  Lob !    dass    er  uns   unt«r  die  Vorgehenden ,    die  ersten 
gesetzt  zu  diesem  erhabenen  Orte,  und  dass  er  Unsere  Füsse 
befestiget    auf  jedem   Standorte  d^s  Kampfs,   im    Feld  und 
mit  dem  Worte.     Weiters  über  die  Reihenfolge  im  Reiche 
durch  Erbschaft  nach  dem  Abtritte  des  Vaters  des  Bessten 
und  des  Bruders  des  Grössten  ,  über  die  Ausgiessung  dieser 
grossen  Gnaden   auf  den  Sultan,    wie   derselbe  den  Gipfel 


')  Wortspiel  zwischen  Moslimen  Gläubigen,    und  Moslhn,  dem 
eigenen  Namen  eines -der  ersten  Ueberlieferer  der  Sunna. 


V  II   n  f  l  e  »     Buch.  337 

«1er  Glaubensreiijfgung  erklommen  iiinl  den  Titel  der  Herr- 
schaft angenommen,  nachdem  ilim  Gott  dieselbe  zugezählt 
und  ihn  aus  seinen  Dienern  auserwählt  durch  die  wahren 
Kunden  von  den  Wundern  seiner  Helfer  und  Diener;  und 
weiters  über  die  Versammlung  der  Brüder  und  Kinder  dei' 
Fürsten,  der  grossen,  der  Führer  des  Heers,  der  Vorsteher 
der  Truppen  in  der  Versammlung  des  Kuriltaij,  wo  die 
jMenge  zusammengeflockt  und  der  Feuerstahl  dem  Kiesel  die 
Funken  der  Meinungen  entlockt,  und  wie  ihr  Wort  mit  den 
Geboten  des  weiland  grossen,  Bruders  übereingestimmt  in 
der  Sendung  der  Fleere  nach  dieser  Seite,  dass  aber  der- 
selbe (der  Uchan)  nachgedacht  über  das,  was  ihre  ge- 
sammte  3Ieinung  vorgebracht,  und  dass  er  sich  mit  ihrem 
Verlangen  bekannt  gemacht  und  dasselbe  im  Widerspruch 
gefunden  mit  dem  ,  was  er  selbst  in  seinem  Innern  ausge- 
dacht, indem  er  nur  das  Gute  bezwecke  imd  sich  die  Ver- 
besserung zum  Ziel  stecke,  damit  er  lösche  dieses  Feuti- 
und  stille  die  Unruh ,  die  nicht  geheuer.  Diesen  Schritt 
hat  der  König  (^Ilchan)  aus  Liebe  zu  seinem  Volke  gemacht, 
indem  er  das  Ende  mit  durchdringendem  Sinne  erwägend 
bedacht.  Wäre  diess  nicht  so  gewesen  und  hätten  sie  die 
Sache  der  Entscheidung  des  Schwertes  überlassen,  so  wäre 
dieser  Kampf  der  Kämpfe  letzter  gewesen;  allein  der  Ilchan 
ist  wie  Einer,  der  die  Stationen  seines  Herrn  fürchtet,  der 
seiner  Begier  das  Verbotene  verwehrt,  der  nicht  der  Rede 
des  Irrenden  beistimmt  und  Nichts  im  Irrthnm  unternimmt. 
W'as  nun  das  Wort  des  Ilchans  betrifft,  dass  er  nicht  eilt 
zum  Schlachtfeld,  wo  die  Lanze  Stösse  austheilt,  als  nach- 
dem er  das  Nöthige  erklärt,  so  weiss  Gott  der  Allmächtige, 
und  es  wissen  alle  Menschen,  dass  wir  nur  aufstehen,  um 
dem  Volke  zu  helfen,  und  dass,  wenn  wir  mit  That  und 
Worten  streiten,  es  nur  Gottes  wegen  geschieht;  und  da 
nun  der  Ilchan  mit  uns  eingetreten  in  Gottes  Religion,  so 
ging  die  Feindschaft  davon,  und  indem  die  Abneigung  auf- 
gehoben, wird  sich  glücklicher  Erfolg  erproben.  Der  Glaube 
ist  wie' ein  Gebäude,  in  welchem  ein  Theil  den  andern  be- 
festigt und  hält;   wer  eine  Minaret  aufgerichtet,  dem  fehlt 

Hammei\,  Geschichte  der   liclianp.    I.  22 


338  K  ii  n  f  t  e  s     B  ii  c  li. 

es  nicht  an  freien  Bewohnern  an  jedem  Orte  und  an  ge- 
sitteten Nachbarn  auf  der  ganzen  Erde.  VVeiters,  was  die 
Versicherung  betriflft,  dass  dieser  Nutzen,  der  allgemeine, 
der  Erwähnung  des  Scheichs  des  Islams,  des  Musters  der 
Erlernenden,  Kemaleddin  Abderrahnan  (^Gott  vergelte  ihra's 
mit  seinem  Segen!])  zu  danken  sei,  so  haben  Wir  von  keinem 
Heiligen  früher  solch  heiliges  Werk  gesehen.  Wir  hoifen 
von  seinem  Segen  und  von  dem  der  frommen  Männer,  dass 
jedes  Haus  zum  Islam  erwache,  bis  dass  jede  ßedingniss  des 
Glaubens  erfüllet  werde  und  der  Islam  umfasse  die  ganze 
Erde,  Alles  umfassend,  von  den  Bessten  Nichts  übrig  lassend. 
FJs  ist  kein  Zweifel,  dass  des  Scheichs  heiliges  Werk  der 
Anfang  dieser  Beständigkeit  der  Existenz,  und  jede  Wahr- 
heit kehrt  mit  seinem  Segen  zu  ihrem  Ursprung  zurück. 
Weiters,  was  die  Wirksamkeit  des  entscheidendsten  der 
Richter  des  Islams,  des  Glaubens  und  des  Reichs  (Kutheddm) 
und  des  Ätabegs  (Behaeddin) ,  welche  Beide  mit  Ueber- 
bringung  dieses  wohlberedten  Sendschreibens  beauftragt 
waren,  so  sind  dieselben  Beide  erschienen,  bereit,  sich  aller 
guten  Worte  zu  bedienen,  welche  die  Umstände  eingeben 
und  die  sich  im  Gemüthe  erheben,  welche  Erwartender 
mag  erwarten  mit  Lob  und  Dank  von  allen  Arten,  so  dass  sie 
im  Namen  Ähmed's  (^des  Ilchans)  Ueberlieferungen  sprachen, 
festgegründet,  wie  die  Ahmed's  fdes  Proplieten}.  Weiters, 
was  die  Andeutung  betrifft,  dass,  wenn  die  Seelen  die  Ein- 
sicht des  geraden  Beweises  nicht  verfehlen,  dadurch  die 
Anforderungen  vollkommener  Liebe  befriedigt  würden  und 
dass  man  betrachten  solle  die  Monumente,  die  er  im  Be- 
ginne der  Ausübung  seiner  Macht,  Gerechtigkeit  und  Wohl- 
thätigkeit,  übend  mit  Zung'  und  Herzen,  schon  hervorge- 
bracht, wie  er  auf  die  Verbesserung  der  Wakfe,  die  Aus- 
besserung der  Moscheen  und  Gränzposten,  die  Erleichterung 
der  Strassen  der  Wallfahrt  und  anderer  dergleichen  bedacht, 
so  sind  diess  Attribute,  von  denen  abhängt  der  Reiche 
Dauer,  die  gute.  Wenn  der  König  herrscht  mit  Gerechtig- 
keit und  so  weder  die  Feinde  begünstigt,  noch  den  Tadlern 
Aufmerksamkeit  leiht,    und   wenn   schöne   Handlungen   und 


V  ü  II  f  t  e  I     li  II  c  li.  33«! 

gute  Werke  vollzogen  werden,  welche  nicht  aiifüsprechcii 
alle  Zungen  des  Gebotes  auf  Erden,  so  gind  dieses  Pflichten, 
die  man  schuldig,  zu  entrichten;  diess  ist  grösser,  als  dass 
es  hätte  einen  andern  Lohn,  als  sich  selbst,  als  dass  es 
durch  Ruhm  überschätzt,  durch  Herabsetzung  gering  ge- 
schätzt werden  könnte,  indem  es  grossem  Könige  zum  Ruhme 
gereicht,  dass  er  den  Ländern  und  Schlössern  Zeit  gewährt 
zur  Befestigung  seines  Reichs  (welches  Gott  wolle  bewahren 
in  Sicherheit!).  Weiters,  was  den  Verbot  betrifft  an  die 
Diener  und  Wachen  und  an  die,  welche  die  Runde  machen, 
dass  sie  Niemanden  veruneinigen  wollen  und  die  reine  Tränke 
der  Ankommenden  und  Abgehenden  nicht  mit  den  Splittern 
von  Plackereien  verunreinigen  sollen,  so  haben  Wir,  sobald 
Uns  dieser  Vorgang  zugegangen,  ein  Gleiches  Unseren 
Nowwaben  (^Nabob}  zu  Rahbe,  Haleb ,  Bire ,  Aintab  be- 
fohlen, und  Hessen  desshalb  an  die  Führer  Unserer  Armeen 
das  Nöthige  ergehen.  Wenn  die  Glaubensmeinungen  sich 
in  Einigkeit  gefunden  und  die  Eidschwüre  sind  gebunden, 
so  sind  die  Gebote  besiegelt,  in  denen  sich  die  Vollziehung 
der  Befehle  abspiegelt.  Weiters,  was  den  Kundschafter  be- 
trifft, den  Fakir,  welcher  ergriffen  und  losgegeben  ward 
(^als  ob  dieses  die  Ursache  wäre ,  dass  wegen  der  Verklei- 
dung von  Kundschaftern  in  Fakire  alle  Fakire  todt  ge- 
schlagen werden  würden),  so  ist  diess  ein  Thor,  das  der 
Ilchan  aufgemacht,  und  ein  Feuerstahl,  an  dem  er  den 
Funken  angefacht.  Denn  wie  viele  verkleidete  Fakire  sind 
nicht  gekommen  von  jener  Seite  in  diese  Reviere,  um  sich 
Einsicht  zn  verschaffen  in  die  Geschäfte  und  des  Landes 
Kräfte.  Die  Nowwabe  haben  eine  Schaar  derselben  ergriffen; 
es  erhob  sich  über  sie  der  Säbel,  geschliffen,  und  dennoch 
wurde  nicht  entdeckt,  was  die  Kutte  des  Fakirs  versteckt, 
trotz  aller  angewandten  Müh'  mit  IFaa  und  Nein  und  Wie. 
Weiters,  was  die  Andeutung  betrifft,  dass  in  der  Ueber- 
einstimmung  des  Wortes  das  Wohl  der  Welt  und  dass  das- 
selbe die  Ordnung  des  Menschengeschlechtes  erhält,  so  wird 
nicht  zurückgewiesen ,  wer  da  klopfet  am  Thor  der  Einigkeit, 
und  es  wird  keiner  abgewiesen  und  abgewehrt,    der  gutes 

-       22« 


340  ''   "   n   ('  (•  e   «;      85  ii   c   li. 

Einvernfclsmen  hegeart.     Wer  mit  seinem  Ziigel  vom  Treffen 
abweiciit,  ist  wie  der,  Nvelcher  die  Hand  des  Friedens  zum 
Handschlag    herreicht;    der   Friede   ist   ein    Gnt.     AVeiters, 
was  die  Befestigung  und  Bekräftigung  der  Befehle  betrifft, 
so  ist  es  nöthig,  dass  auf  dieselben  Regeln  angewandt  und 
dass  aus  dem  Bewiesenen  der  Nutzen  erkannt  werde;  denn 
die    Geschäfte   sind    gebunden    an    die   Schrift,    und    es   ist 
nothwendig,  dass  darin  jeder  Fündige  und  Kündige  darüber 
entschieden,  ob  Krieg  oder  Frieden.     Hernach  ist  es  noth- 
wendig, dass  die  Geschäfte  werden  entschieden  in  der  Reihe 
der  Knoten  der  Verträge  und  ihrer  Belege,  dass  dieselben, 
mündlich    vorgetragen,    durch    die    Annalime    dem    Antrage 
zusagen;  denn  viele  Fragen,  welche  die  Gesandten  mündlich 
sagen ,   werden  besser  erörtert ,   als  wenn  dieselben  in  ver- 
wischten   Papieren    werden  überschlagen.     Was  endlich  die 
Berufung   auf   das  W^ort  Gottes  betrifft:     Wir  senden  keine 
Peilt,    eh'   Wir  nicht  gesandt    einen  Gesandten ') ,    so  wird 
nicht  auf   diese  iArt   der  Stoff  der  Liebe  gewebt  und  nicht 
auf  diesem  Wege  das  Ziel  erstrebt,  sondern  vielmehr  wegen 
Unseres  Vorrangs    im  Glauben  sind  Pflichten  zu  entrichten 
und  Begehren  zu  gewähren.     Wir  haben  gehört,  was  münd- 
lich vorgetragen  die  Zunge  des  entscheidendsten  der  Richter, 
des  Pols  des  Glaubens  und  des  Volks  (Kutbeddin} ,  und  es 
entsprach  dem,  was  das  Schreiben  versprach  von  dem  Ein- 
tritte des  Ilchans   in  die  wahre  Religion,   und  dass  er  sicli 
angekettet  auf  der  Moslimen  Station,  was  er  geübet  durch 
Wohlthätigkeit   und    Gerechtigkeit,    durch    seine   Sitte  und 
seinen  Wandel,  der  berühmt  weit  und  breit.     Gott  sei  Dank 
für  die  Gnade,  welche  durch  keinen  Vorwurf  gehindert  und 
vermindert  wird;  Gott  der  Herr  hat  seinem  Propheten  den 
Vers   des  Korans   gegeben   Betreff  derer,    welche   ihm  den 
Islam  vorwarfen:    Sage,  werfet  mir  Eureri  Islam  flicht  vor; 
Gott   wird  Euch   vielmehr   vorwerfen  ^    dass   er   Etich   zum 
Glauben  geleitet^')  ^    und  mündlich  trug  er  vor,   dass  Gott 


')  Das  Ende  des   l5.  Verses  lier  XVH.  Siira,     ')  Das  Eade  des- 
i:.  Verses  der  XLIX.  fcura. 


K  li  11  1"  t  e  s     B  u  c  li.  g^j 

iler  Allmächtige  dem  Ilchaii  verliehen  an  Gaben,  was  ihn 
darüber  hinaussetzt,  seine  Blicke  zu  richten  auf  das,  was 
Andere  haben  an  Gut  und  Land.  Wenn  also  festgesetzt 
nach  der  Eintracht  das  Begehren,  so  ist  es  leicht,  zu  ge- 
währen, und  Unsere  Antwort  folgt  hierauf  nach  der  Ge- 
schäfte Lauf.  Wann  die  üebereinstiraraung  ist  erreicht,  so 
Ist  auch  das  gute  Einvernehmen  ausgegleicht.  Gott  und  die 
Menschen  sehen ,  wie  Wir  aufrichtig  zu  Werke  und  Unseren 
Feinden  zu  Leibe  gehen  und  in  Unseren  Kämpfen  stehen. 
Wie  mancher  Freund  wird  nicht  gefunden ,  der  besser  als 
Vater,  Bruder  und  Verwandter  wird  befunden?  Die  mo- 
hammedanische Religion  wird  nicht  vollendet  und  dem  Islam 
nicht  die  Befestigung  zugewendet,  als  nur  durch  die  Ge- 
fährten ,  die  werthen.  Wenn  also  das  Verlangen  des  Ilchans 
gerichtet  ist  auf  Einigkeit  und  auf  gutes  Vernehmen,  auf 
gemeinschaftliches  Einvernehmen ,  auf  das  Verderben  der 
Feinde  und  auf  die  Rache  derer,  welche  den  Rücken  zum 
Widerstände  stemmen,  so  wollen  Wir  Uns  herzlich  gern 
dazu  bequemen.  Weiters,  was  mündlich  vorgebracht :  dass, 
wenn  Unser  Verlangen  sich  erstreckte  auf  das,  was  der 
Ilchan  besitzt  von  Land  und  Gut,  so  bedarf  es  nicht  der 
Einwirkung  der  Aneiferer,  welche  die  Moslimen  nutzlos  be- 
leidigen. Hierauf  antworten  Wir:  Wenn  die  Hand  der 
Feindschaft  zurückgezogen  wird  und  die  Länder  moslirr.i- 
scher  Könige  geleert  werden ,  so  wird  gedämpft  die  Gluth 
und  gestillet  das  Blut;  wie  wahr  ist  es  nicht,  dass  Alles, 
was  Uns  von  denselben  verboten  wird,  in  der  Natur  ganz  so 
zu  treffen  ist,  und  dass  man  das,  was  geboten  wird,  selbst 
zu  thun  vergisst.  So  befindet  sich  nun  Konghnratai  der- 
malen im  Lande  Rum,  welches  sich  in  eueren  Händen  be- 
findet und  an  euch  Steuer  zahlt,  und  nichtsdestoweniger 
Blutvergiessen ,  Sklavenraub,  Verkauf  der  Freien  und  Ab- 
neigung vor  Allem ,  ausgenommen  vor  der  Verlängerung 
dieser  Schäden.  Endlich  ward  mündlich  vorgetragen ,  dass, 
wenn  man  entschlossen  sei,  diese  Streifzüge  nicht  aufzu- 
heben und  diese  Spuren  nicht  aufzugeben,  so  solle  mau 
einen   Ort  bestimmen   auf  der  Erde,    wo   man  sich  trflfen 


342  F  li  u  f  l  e  »     B  u  c  li. 

und  stillagen,  und  Gott  dem,  dem  er  wolle,  den  Sieg  ver- 
leihen werde.  Hierauf  ist  die  Antwort:  Die  Tränken  (  Oerter), 
wo  die  beiden  Heere  auf  einander  trafen  in  Waffen,  sind 
noch  heil,  und  wer  von  diesem  Volke  (den  Mongolen)  davon 
gekommen  mit  Heil,  fürchtet  sich,  dahin  zurückzukehren, 
und  kann  sich  durch  folgenden  Vers  beehren: 

"\^'elch'  wunderseltnes  Jahr  doch  das  verflossne  war ! 
Er,  welchen  „Uimss"  besiegt,  nun  widersteht  und  kriegt. 
Derselbe  scharfe  Degen,  dem  ihr  dort  seid  erlegen, 
Ist  in  der  Haud  des  Braven,  bereit,  euch  zu  bestrafen. 

Und  zur  Zeit  der  Schlacht  ist  die  Wissenschaft  bei  Gott, 
welcher  die  Bestimmung  des  Looses  macht.  Und  es  ist 
keine  Hilfe,  als  bei  Gott!  dem  Allgeehrten ,  dem  Allweisen! 
er  sendet  sie  dem  und  verleihet  die  Macht,  und  nicht  dem, 
der  selbst  die  Vorherbestiramung  des  Sieges  macht.  Wir 
sind  nicht  von  jenen ,  welche  auf  Gelegenheit  und  Vorwand 
lauern ,  und  nicht  von  denen ,  welche  sich  abwenden  und 
niederkauern;  und  die  Stunde  der  siegreichen  Schlacht  ist 
nicht  anders  als  die  Stunde  (des  jüngsten  Tages),  in  wel- 
cher Alles  schnell  wird  abgemacht.  Bei  Gott!  er  führt  nur 
zum  Guten  dieses  Volk,  und  er  ist  der  Mächtige,  im  Stande, 
jede  Kunde  und  Gnade  zu  vollenden.  Geschrieben  im  Neu- 
monde des  Ramasan  des  obgedachten  Jahres.'* 

Arghun's  ränkeschmiedender,  rachebrütender  Geist  sam- 

'  melte  indessen  Wolken  über  dem  Haupte  Schemseddin's  und 

Beweyun-  "^ 

iien  •  Tod    Teguder's  zum  Gewitter,   aus  welchen   der   den  Herrscher 

Alaeddin     und    seinen  Wesir   verzehrende  Wetterstrahl   fahren   sollte. 

Dsclm-     Nachdem  Arghun  auf  wiederholtes  Begehren  des  Chans  dem- 

^'^'"^   '      selben   den  Emir  Buka  gesendet,   welcher  die  Hand  Kutui 

Chatun's   (_der   Wittwe    Abaka   Chan's)   ehrenvoll   empfing, 

brach  Arghun  von  Ssughurluk   nach  Ghorasan  auf.     Ahmed 

suchte  den  Oheim  Konghuratai  für  sich  zu  gewinnen,  indem 

er  ihm  die  Frau  Tukini ,  die  Wittwe  Hulagu's  (die  Nichte 

4.lleb.Il.ßsl  der  grossen  Frau  Tokos),  zum  Gemahlin  gab  und  mit  einem 

i^.JuUlSSS    ^^^^^^   Heere   zur   Gränzhuth  nach  Rum  abordnete,   nach 
iif  Beb.ll, 

6Sl        vierzehn   Tagen    aber    ihm    den    Emir   Akbuka    nachsandte. 

jrr  J»!i      Ahmed    war   von  zwei  moslimischen  Gesetzgelehrten,   dem 


Fünftes     Buch.  343 

schon  erwähnten  Abderrahnnan  vonMossul,  berathen,  welcher, 
Sohn  eines  Sklaven  des  letzten  Chalifen  der  Beni  Abbass, 
vom  Blotbade  nach  Mossal  gerettet ,  dort  eine  Zeit  lang 
Tischler,  dann  von  Iseddin,  dem  Herrn  Amadia's,  bei  dem 
er  sich  in  Kredit  gesetzt,  dem  Abaka  überlassen  worden, 
und  bald  durch  angebliche  Kenntniss  von  Schatzentdeckungs- 
kunde und  geheimen  Wissenschaften  sich  dessen  Vertrauen 
erwarb  ').  Teguder  hiess  denselben  nicht  anders,  als  Vater, 
und  einen  zweiten  Günstling,  Namens  Mengli ,  nicht  anders, 
als  Sohn;  diese  und  Teguder's  Mutter,  Kutui,  eine  sehr 
verständige  und  zur  Regierung  tüchtige  Frau,  lenkten  die 
Zügel  derselben,  während  Schiktur  Nujan  und  Sundschak, 
wiewohl  denselben  Teguder  vorzüglich  seine  Erhöhung  auf 
den  Thron  dankte,  zur  Seite  gesetzt  wurden^).  Zwei  treu-  Ü*-  üsckcm. 
lose  Diener  Atamülk  s  Dschuweini^}  erschienen  vor  Arghun,  -^ — j|^ — — 
bei  demselben  ihren  Herrn  anzuschwärzen ,  dass  er  dem  12S2 
Wedschiheddin  Sengt,  dem  Wesir  Chorasans,  den  Befehl  zu- 
gefertigt, den  Prinzen  Arghun  zu  vergiften.  Avghun  liess 
denselben  sogleich  in  den  Kerker  werfen,  zog  das  ganze  Habe 
desselben  ein  und  schenkte  ihm  das  Leben  nur  auf  Fürbitte 
der  Frau  Bulughan  Chatun,  der  geliebtesten  Gemahlin  Äbaka's, 
weiche  nach  dessen  Tod  in  das  Harem  seines  Sohnes  Arghun 
übergegangen.     Arghun    zog    gegen    Bagdad ,    um    dort    zu  jj 

überwintern.  Zu  Rei  empfing  er  den  Melik  Fachreddin  ss.  iSe/it. 
ehrenvoll  und  bestätigte  ihm  die  Befehlshaberschaft  des 
Landes;  Ahmed,  hiervon  in  Kenntniss  gesetzt,  schickte  Ge- 
sandte, um  den  Fachreddin  aufzuheben  und  nach  Schirwan 
zu  bringen,  wo  er  die  von  Arghun  empfangeneu  Ehrenbe- 
zeugungen mit  der  Folter  büsste.  Arghun,  hierüber  ent- 
rüstet, sandte  Sendschreiben  an  die  Emire  und  an  Schems- 
eddm,  den  Inhaber  des  Diwans,  des  Inhaltes:  Sein  Vater, 
Abaka,  habe  ihm  den  Melik  Fachreddin  überlassen,  er 
werde  die  demselben  zugefügte  Schmach  und  Pein  rächen. 
Als  er  nach  Bagdad  gekommen ,  forderte  er  von  Medschra- 


')  Bar   Hebr.    iinrt    natli    denisclheii    d'Olijisoii    \\\.   560.     -J  Ho- 
sehideddin.     3)  .4//  Vschinysun  uu<l  Kiitlui/fmcitafi. 


34^  F  ii  11  f  t  c  s     n  u  c  ii. 

cddiii  Assfer,  dem  Stellvertreter  Alaeddin  Dschuweini's,  dass 

er  die   vom  Vater,    Abaka,    geforderten,    von  Alaeddin  nie 

bezahlten  Summen  erlege.     Nedschmeddin  ward  in  den  Staub 

geworfen,    und    als   Alaeddin    davon    die   Nachricht  erhielt, 

4.  Sithi^dsche  jj-gf  j|i„  [^  Arraii  der  Schlag ;  seine  Stelle  erhielt  sein  Neffe 

?  ..       ......  Harun  '")»     Arghun  hatte  den  Winter  zu  Bagdad  zugebracht 

•5. März  1^83  y  o  o  o 

und  während  desselben  zehntausend  der  Karawinas,  welche 
nach  den  Worten  Wassafs:  „eine  Art  von  Dämonen,  die 
fürchterlichsten  der  mongolischen  Nationen",  sich  angeeignet. 
Von  den  Prinzen  des  Hauses  standen  der  Bruder  Kendschatu 
und  der  Vetter  Baidu,  der  Sohn  Tarakai's,  des  fünften 
Sohnes  Huiagu's,  ihm  zur  Seite;  von  den  Emiren  waren  ihm 
mehrere  zugefallen^),  deren  mächtigster  Taghadschar,  der 
ehemalige  Befehlshaber  in  Fars,  dem  er  die  Befehlshaberschaft 
eines  Tomans  mit  den  Insignien  der  Standarte  und  Pauken 
verlieh.  Der  mit  ihm  einverstandene  Prinz  Dschuschkab 
(der  Sohn  Dschumkur's,  des  zweiten  Sohnes  Huiagu's}  über- 
winterte zu  Diarbekr.  Auch  Alinak,  der  Statthalter  Geor- 
giens, welchen  Ahmed  Teguder  an  Arghun  mit  der  Ein- 
ladung zum  Kurultai  gesandt  hatte,  war  von  demselben  ge- 
wonnen worden  und  hatte  sich  mit  ihm  verbündet;  als  er 
aber  an  den  Hof  Ahmed's  zurückkam ,  ward  derselbe  durch 
Schemseddin's  Klugheit,  welcher  dessen  Pläne  durchschaute, 
wieder  dem  Herrscher  gewonnen,  indem  ihm  die  älteste 
der  Töchter  Ahmed's,  die  Prinzessin  Kutschuk,  vermahlt 
ward.  Als  x'\rghun  im  Frühjahre  von  Bagdad  nach  Chorasan 
zurückkehrte,  Hess  er  den  Prinzen  Dschuschkab  an  der 
Spitze  seines  Lagers  als  Vorhuth  zurück. 

Als  Arghun  auf  seinem  Zuge  gegen  Chorasan  nach  Rei 

'^<^"f'«''^'"  gekommen,    liess   er  den  Vogt  Teguder's  prügeln,   ihm  an 

ijetiidut.     j^^^  j^^j^  ^^j  ^^  j.g  Füsse  einen  Block  schlagen  und  sandte 

ihn  so  auf  einem  Esel  an  Teguder,  zugleich  die  Forderung 
der  Auslieferung  des  Wesirs  Schemseddin  zur  Berichtigung 


')  liunidersade,  Neffe,  nicht  Bruder ,  wie  bei  d'Ohssoii  S.  582. 
')  nscluiitkiir ,  Dscliinkutur ,   Doladai,  Idadschi ,  Idschi,  Ttitkaul, 

Jfsch.u^chf .  KimdschhabaL 

\ 


F  ii  n  f  t  c  .4     B  u  c  li.  345 

der  dem  Vater  schuldig  gebliebenen  Summen  stellend.  Au 
der  Gränze  Masenderans  kam  ihm  Jankadschi  Nujau  mit 
ciuem  Tomanc  (zehntausend  Mann^  des  Heeres  entgegen; 
er  sagte  zu  ihm  und  zu  Hindu  Nujan,  dem  Befehlshaber  der 
beiden  Tomane,  welche  die  Gränze  am  Dschihun  hüteten: 
Als  mein  Vater  mich  vor  seinem  Tode  zu  sich  berief,  war 
ich  bis  hierher  gekommen,  als  ich  die  Nachricht,  dass  er 
gestorben,  erhielt,  und  weil  ich  kein  Heer  hatte,  des  mir 
bestimmten  Thrones  verlustig  ging;  nun  bin  ich  entschlossen, 
wenn  ihr  mir  nun  beistehen  wollt,  denselben  mit  dem  Schwerte 
zu  erobern.  Hindu  antwortete:  Wiewohl  die  Sache  sich  so 
verhält,  so  ist  doch  Teguder  als  der  Aka,  d.  i.  der  Aeltere, 
dermalen  Chan,  doch  du,  Gott  sei  Lob!  Herr  und  Padiächah 
in  diesem  Lande;  begnüge  dich  damit  und  befolge  den  Rath 
des  ira  Dienste  deines  Vaters  ergrauten  Dieners;  sollte  aber 
Teguder  dich  angreifen  wollen,  so  sind  wir  bereit,  die  Seele 
für  dich  zu  opfern.  Zu  gleicher  Zeit,  als  Tarchun  gegen 
Chorasan  gezogen,  war  Teguder  nach  Alatagh  'gekommen 
und  hatte  von  hier  seinen  vertrauten  Rathgeber,  den  Scheich 
Abderrahman,  als  Gesandten  an  den  Sultan  Aegyptens  ge- 
sandt; er  wurde  zu  Damaskus  in  den  Kerker  geworfen,  ans 
welchem  ihn  nur  der  Tod  befreite.  Teguder  lud  seinen 
Bruder,  den  Prinzen  Konguratai,  den  Statthalter  Rumi's, 
ein,  auf  einem  Kurultai  zu  erscheinen.  Dieser  hatte  zwei 
seiner  Vertrauten  an  Arghun  gesendet,  welcher  dieselben 
höchst  ehrenvoll  empfing  und  dem  Oheim  zwei  Kuppeln 
Panther  zum  Geschenke  sandte  ;  diese  Sendung  erregte  das 
höchste  Missvergnügen  und  den  grössten  Verdacht  Teguder's. 
Konguratai  verschwor  sich  mit  zwei  Emiren  ')  wider  das 
Leben  Teguder's ,  und  sie  bestimmten  zur  Ausführung  ihrer 
That  die  Festnacht  des  neuen  Jahrs ^^,  wo  nach  mongoli- 
schem Herkommen  zum  Andenken  des  Auszugs  ans  den 
Erzgebirgen   von   Ergenekun   der   Chan  mit  seinem  ganzen 


')  Kut&chuk  Anukdschi  und  Schadi  AchUldschi.  ^)  Rusi  Kiini- 
Utmischi  im  angeblichen  Beidhawi  Gutkesi,  was  Sdireib-,  Lese- 
oder  Druckfehler. 


34()  ^'  1'  n  f  t  (!  s     B  u  c  h. 

Hofe  der  Schmiedung  von  Eisenmassen  beiwohnte.    Teguder, 
hiervon  benachrichtigt,  begab  sich  zu  Alinak,  seinem  Bidara, 
26.Schetv-  und  bewog  ihn,   am   Tage   vor  der  neuen  Jahresnacht  sich 
jr— — T^— 2  ZU  Konguratai   zu   verfügen   utid  ihm  denselben  zu  bringen. 
Alinak  versprach ,  nicht  nur  den  Konguratai ,  sondern  auch 
den  Arghun  auf  gleiche  Weise  in  Teguder's  Hände  zu  liefern. 
Dieser  überhäufte  ihn  mit  Ehren  und  Geschenken  und  über- 
trug ihm  den  Befehl  des  ganzen  Heeres.     Am  neuen  Jahrs- 
tage des  Affenjahres   ( des  neunten   des  zwölQährigen  mon- 
golischen   Thiercyklus^    wurde    Konguratai    getödtet.      Zu 
Karabagh   in    Arran   sassen    die    Richter   durch   sechs  Tage 
lang  zu  Gericht   und  verurtheilten  die  beiden  Emire,   Mit- 
verschworenen Konguratai's,  zum  Tode;  nach  Bagdad  erging 
der    Befehl ,    den   Prinzen    Dschuschkab    und   sieben   Emire 
Arghun's    zu    ergreifen  ^)    und    gebunden    nach    Tebris   zu 
bringen ,    wo    sie    erst   später    durch    die   Ankunft  Arghun's 
von  ihren  Banden  befreit  wurden;  auch  den  Bruder  desChanS) 
den   Bruder  Kendschatu ,   welcher   sich   selbst   als   ergeben 
stellte,  hatte  man  nach  Tebris  gesendet,  aber  auf  dem  Wege 
dahin,  zu  Sawa,  entwich  er  seinem  Geleite  und  begab  sich 
zu    Arghun.     Diesem   berichtete   der   Richter   von    Kaswin, 
Rasieddin,    den   Mord  Konguratai's,    die  Gefangennehmuug 
der  Emire ,  die  Rüstung  des  Heeres  unter  dem  Oberbefehle 

IS.  Mohär-   ^linak's.     Zu  Tebris  feierte  Teguder  die  Hochzeil  mit  seiner 

rem  683  "  ^  ,        ,       ^ 

6  A)rill284  ^^^^^^  Tudai  Chatun,  der  Tochter  Musa  Gurgans,  des  Ge- 
mahls Tarakai's ,  der  fünften  Tochter  Hulagu's.  Gurgan  war 
der  Ehrentitel  aller  Eidame  und  mit  dem  regierenden  Hause 
verschwägerten  Emire. 

Schemseddin,  wohl  einsehend,  dass  der  Kampf  um  den 

Ausbruch    Thron  auch  seiner  Macht  und  seinem  Leben  gelte,  bot  Alles 

des  Kriecfs    ^^^  Rüstung  eines  zahlreichen  Heeres  auf.     Hunderttausend 

zwischen  ,  ti   ,.    .  n/i 

Tequderund  auserwählte  Reiter  aus  allen  Nationen  und  Religionen,  Mon- 

Arghun.     golen ,  Musulmanen,  Armenier,  Georgier,  Turkmanen  nahmen 


•)  1.  Tayhadschar,  3.  Dschankur,  3.  Vschinkutur,  4.  Doladai, 
,5.  Idschi  Tetkaul,  (i.  Dschuschi,  7.  Kundschiikbal ;  bei  Wassaf 
heisst  Dschankur  Dschaiyir  ,  Abai  der  Sohn  ÄM/?trtF.$ ,  Dschenghatu 
der  S>ohu  Dschuschi's. 


Fünfte«     Buch.  g47 

das   Feld.      Den    Vortrab    von    fünfzehntausend    befehligte 

Alinak  ').     Ein   Ende   Januars   eingefallener   tiefer   Schnee    9-  SU/iide 

verspätete  den  Aufbruch  des  Heeres.     Endlich  zog  der  Vor rs—. 

trab  unter  dem  Befehle  von  Alinak  ^  Baisar  Aghul  und 
Taghai  Koholtasch  ^e^en.  Kaswin,  wo  dreihundert  dem 
Arghun  eigen  gehörige  Familien  von  Usen  aufgehoben  wur- 
den. Arghun  sandte,  sobald  er  von  dem  Anmärsche  des 
Heeres  Kunde  erhalten ,  Boten  an  seinen  Schatz  in  Gurgan 
(Hyrkanien)  und  an  die  Werkstätten  von  Nischabur,  Tus 
und  Isferain ,  um  Geld ,  Waffen ,  Kleider  herbeizuschaffen, 
die  er  unter  die  Emire  des  Heeres  vertheilte.  Melik  Fachr- 
eddin  von  Uei ,  der  das  Register  darüber  führte ,  hatte  das- 
selbe :  Verzeichniss  der  unter  das  siegreiche  Heer  vertheilten 
Summen  überschrieben.  Arghun ,  der  zufällig  zur  Verthei- 
lung  gekommen  und  das  Register  gesehen ,  nahm  die  Feder 
und  schrieb  das  Wort:  siegreich  mit  ungemein  schönem  per- 
sischem Schriftzug,  dessen  er  vollkommen  Meister  war,  hin. 
Kawameddin,  der  persische  Wesir,  der  zugegen,  deutete 
diesen  Umstand  sogleich  auf  die  schönste  Erfüllung  des  ge- 
hoflten  Sieges.  Am  folgenden  Tage  traf  die  Nachricht  von 
dem  Unfälle  Kaswins  ein ;  Arghun  sandte  den  Yortrab  unter 
dem  Befehle  Timur's  voraus,  liess  den  Sischl  Bachschi  beim 
schweren  Gepäcke  zurück  und  brach  selbst  auf  der  Strasse 
von  Temische  auf.  Ahmed  war  indessen  mit  acht  Tomanen, 
d.  i.  mit  achtzigtausend  Mann  "^3,  über  die  Ebene  von  Mo- 
ghan herangezogen  und  am  ersten  Mai  zeigten  sich  seine  ^-^saferßSS 
Vorposten  zu  Thalkan.  Von  Erdebil  hatte  er  Kurmischi,  i^sT 
den  Sohn  Alinak's,  an  den  Vater  mit  dem  Befehle  gesandt: 
die  Schlacht  nur  zu  wagen ,  wenn  er  dem  Feind  an  Macht 
überlegen,  sonst  aber  seine  Ankunft  abzuwarten.  Erbrach 
von  Erdebil  auf,  nachdem  er  bei  dem  Gepäcke  den  Abukjan 


18.  Ssafer 


7.  Mai 


')  Wassaf  nennt  die  Emire  Arglmn's:  Jasar  Aghul,  Tayhai, 
Adschu  Sukurdschi,  Ghasati,  der  Ceremonienmeister,  Tokli  Schadi, 
der  Sohn  Sundschak's ;  Reschideddin.  *)  Wassaf  nennt  die  Emire: 
Ainkadschi,  Nakai  Jarghudschi^  Tawtai,  fiTa^an,  der  Sohn  Kotloftli- 
buka's,  Baitmisch  Kiischdschi,  Sertak ,  Alghui,  Oladai  Kadaghan, 
Aghman. 


8.  Mai 


348  K  ii  n  f  t  »>  s     D  »j  c  h. 

zuriicbgelasseii.  Arghuii  hatte  ssciuerselts  einen  Boten  nn 
den  Emir  Newrus  gesendet,  um  ihn  mit  einem  Tomanc  der 
Karawinas  in's  Feld  zu  laden  ,  und  zugleich  den  Hindu  Nujan 
zu  erscheinen  aufgefordert;  er  selbst  verheerte  mit  acht- 
'  ^^^^f''-''  tausend  Mann  das  Land.  Zu  Chtel  büsürg  stiessen  die  Vor- 
posten der  beiden  Meere  auf  einander  und  in  der  Ebene 
Ton  ^k  Chodscka  in  der  Nähe  von  Kaswin  kam  es.  zur 
Schlacht.  Den  rechten  Flügel  Ärghun's  befehligten  Jula 
Timur  und  Amakadschi y  den  linken  Bulughan,  das  Mittel- 
treflFen  Taulai.  Auf  der  Seite  des  Chans  stand  im  Mittei- 
trefFen  Prinz  Huladschu,  der  zwölfte  Sohn  Hulagu's,  der 
Bruder  Teguder's;  den  linken  Flügel  keiehWgi^  Basaraghul 
und  den  rechten  Alinak.  Arghun,  wiewohl  ihm  der  Feind 
an  Stärke  bei  weitem  überlegen  ,  that  Wunder  der  Tapfer- 
keit ,  wie  weiland  Siawesch  und  Rustem ;  aber  sein  linker 
Flügel  ward  von  Alinak  geschlagen,  während  Jula  Timur 
und  Amakadschi  den  Basaraghul's  zurückdrängten.  Jula 
Timur  verfolgte  hierauf  den  flüchtigen  Basaraghul  bis  vor  die 
TJiore  Kaswin's  und  verheerte  das  Land  umher.  Der  Kampf 
dauerte  von  Mittag  bis  in  die  sinkende  Nacht.  Alinak  zog 
sich  von  Dschemelabad  bis  nach  Ebher,  zehn  Parasangen, 
zurück;  da  seine  edle  Stute  in  die  Hände  der  Reiter  Ärghun's 
gefallen  ,  sandte  ihm  dieser  beleidigende  Botschaft :  Es  wäre 
mir  nie  eingefallen,  dass  ein  Held,  wie  du,  vor  einem  Haufen, 
wie  die  unserigen,  wie  Schafe  vor  dem  Gebrülle  des  Löwen 
fliehen  und  dass  dein  edles  Pferd  wie  eine  Saumraähre  er- 
beutet werden  würde.  Als  Arghun  zu  Rei  und  Tehran, 
riethen  ihm  seine  Emire,  sich  nach  Kaliusch,  das  ober 
Dschadscherm ,  zurückzuziehen ,  wo  sie  Meister  vortheii- 
haften  Schlachtfeldes  und  vor  den  Thoren  ihre  Zelte  sein 
würden.  Als  sie  aber  nach  Demaghan  kamen,  trafen  sie 
keinen  Mann  der  Karawinas,  auf  deren  Beistand  sie  ge- 
rechnet hatten,  und  erhielten  die  Nachricht,  dass  das  Heer 
Ärghun's  gänzlich  geschlagen  und  zerstreut  worden  sei.  Die 
Karawinas  waren  in  der  Ebene  von  Akchodscha  angekommen, 
als  die  Schlaclit  schon  verloren  war;  sie  verheerten  also 
blos  das  Land  und  verbrannten  Demaghan. 


Fünftes     ü  u  c  Ii.  349 

Der  Scfiaiiplatz,  in  welchem  der  Krieg  zwischen  Teguder    Die  Land- 

uud  Arglmn  jetzt  geführt  ward,  sind  die  beiden  Landschaften     schaften 

Taberistan    und    Kuinis,    welche    nördlich    von   Masenderan,  ^  ,     .  ^ 

Tnberistan  ; 

westlich    vom    persischen    Irak,    östlich    und     südlich    von  ^jg  scheiche 
Chorasan  begränzt ,  insgemein  von  den  Reisebeschreibern  zu  von  Semnan, 

dem  nördlichen  Chorasan   gerechnet   werden,    wiewohl  alle    D«;»'«^'''«" 

...     ,.     ,        r.    IL       1       -1-  1-       lu  I  •  u      und Bostam. 

niorgenlandischen  Erdbeschreibungen  dieselben  als  zwei  be- 
sondere Landschaften  aufführen;  sie  ziehen  sich  längs  des 
(lebirges  hin,  so  dass  Taberistan  die  untere  südwestliche, 
unmittelbar  an  das  Gebiet  von  Tehran  stossende,  Kumis  die 
nordöstliche  obere.  In  der  ersten  lagen  einige  der  berühm- 
testen Schlösser  der  Assassinen,  deren  schon  bei  der  Er- 
oberung derselben  durch  Hulagu  Erwähnung  geschehen,  wie 
Ftruskjuh ,  d.  i.  der  Glücksberg,  und  Gi'rdkjiih,  d.  i.  der 
Gürtelberg;  die  Hauptstadt  ist  J)e7nawend ,  gleichen  Namen 
mit  dem  Berge  führend ,  in  dessen  Klüfte  die  persischen 
Heldensagen  den  Kerker  des  von  Dämonen  gefolterten  Ty- 
rannen Sohak  verlegen;  das Gebirgsland Taberistan  mit  seinen 
Felsenpässen,  deren  berühmtester  der  kaspische  (^wahr- 
scheinlich der  südliche  Pass  von  Charwar) ,  liegt  dem  per- 
sischen Oesterreich  (^Chorasan)  wie  Tyrol  dem  europäischen 
Chorasan  (Oesterreich)  als  Schutzwehr  vor').  Das  obere 
Gebirgsland  Kumis  zerfällt  in  vier  Distrikte  von  Schahrud, 
Semnan,  Demaghan ,  Bostam ,  wovon  der  erste  nach  dem 
Berge  und  Flusse  so  genannt  ist,  die  anderen  drei  aber 
nach  den  gleichnamigen  Städten.  Semnan^  die  südwestlichste 
dieser  drei  Städte,  am  Rande  der  Wüste,  unmittelbar  nach 
dem  Austritte  aus  dem  kaspischen  Passe,  gelegen^},  kleiner 
als  Demaghan,  grösser  als  Bostam,  ist  sowohl  durch  seine 
Pistazien  und  Feigen,  als  durch  den  hier  geborenen  und 
begrabenen  grossen  Schtich ^laeddewlet  Sernnam  heruinni^ ). 
„In  dieser  alten  Stadt",  sagt  Fräser,  „herrscht  eine  wunder- 
bare Verschiedenheit   der  Gebäude,   grosse   luftige  Häuser 


')  Moriers  second  journey  und  darnach  in  den  Jahrbüchern  der 
Literatur  VTI.  257. ;  vier  andere  Pässe  sind  die  zwei  bei  FirKskjuli 
CSawadsclii  und  Tengi  serensu'),  Tengi  Nimrud  und  Tengi  Schim- 
schirbur.    =)  Moriers  second  journey.     ')  Dschihanuunia  S.  339. 


3M  F  ii  n  f  t  e  a     n  u  c  li. 

von  sonnengetrockneten  Ziegeln  und  Lehm  in  der  Form  von 
Schlössern ,  mit  Schiessiörhern ,  Basteien  und  Thiirmen  ver- 
sehen, unstreitig  von  hohem  Alterthume;  viele  tiefe  Klüfte 
innerhalb  der  Stadtmauern,  welche  ihren  Ursprung  der 
Wirkung  von  Gewässern  zu  danken  scheinen ,  bilden  Höhlen, 
welche  ihren  Einwohnern  und  ihren  Heerden  zum  Aufent- 
halte dienen  und  von  ihnen  den  zahlreichen  Ruinen  ober 
der  Erde  vorgezogen  werden."  Das  Bad  der  Stadt  ward 
schon  im  sechsten  Jahrhundert  der  Hidschret  erbaut '  ).  Die 
Inschriften  anderer  Denkmäler  gehören  der  späteren  Zeit, 
der  Dynastie  Ssafewi  an  -^.  In  der  Nähe  ist  die  von  per- 
sischen Geschichten  und  auch  von  Fräser  erwähnte  Wind- 
quelle, welche,  verunreinigt,  Sturm  und  üngewitter  ver- 
ursacht^), eine  auch  in  Europa  mehreren  Quellen  und 
Höhlen  auf  hohen  Gebirgen  gemeinsame  Volkssage  *^.  De- 
maghan,  deren  Erbauung  von  persischen  Geschichtschreibern 
und  Geographen  dem  Huscheng,  dem  zweiten  der  alten 
persischen  Könige,  zugeschrieben  wird  (der  erste  Keio- 
raeers,  der  Stiermann  des  Budehesch),  an  dem  Zusammen- 
lauf der  Strassen  vonChorasan,  Kuhistan,  Masenderan  und 
Irak  gelegen,  stand  wahrscheinlich  an  der  Stelle  des  alten' 
Hekatompylos,  der  Stadt  von  hundert  Thoren  oder  Pässen  *), 
in  dessen  Nähe  der  Fluss  Stiboetes  aus  einer  schönen  Felsen- 
höhle entsprang^};  diess  ist  der  von  den  morgenländischen 
Erdbeschreibern  gerühmte  Chosrewi ,  welcher  sich  in  hun- 
dert und  zwanzig  unterirdische  Bäche  vertheilt'};  die  Stadt 
liegt  heute  in  Ruinen;  das  berühmteste  Grabmal  ist  das  der 
vierzig  Köpfe  odjer  Töchter  ^^,  und  von  den  berühmtesten 
Scheichen  der  Ssofi  ist  Ebu  Dschaafer  Demaghani  nach  der 


0  i.  J.  566  (1170),  Fräser  302.  *)  Die  im  J.  880  (1475)  er- 
baute Moschee  kann  nicht,  wie  Fräser  sagt^  von  Schahroch  erbaut 
worden  sein,  da  dieser  schon  fünf  und  zwanzig  Jahre  früher,  im 
J.  850,  starb.  ')  Quelle  Belasan  beim  Dorfe  Kohen;  nach  den 
Adschaibol-machlukat  in  den  Jahrbüchern  der  Literatur  VII.  258. 
LXII.  4:).,  Fräser  304.  *)  So  am  Scheckel  in  Steiermark.  *)  Man- 
nert  hält  es  für  das  alte  Taghi.  ^)  Adschaibol-maclüukat  Sekerias, 
■')  Bacüui  in  den  uotices  et  extraits  II.  482.}  übereinstimmend  mit 
Diodor.    ')  Tschehel  seran,  tschehel  dochteran,  Fräser. 


Fünftes     B  u  r  Ii.  J{51 

Stadt  genannt'}.  Von  den  Scheichen  von  Demaghan  und 
den  von  Semnan  geht  weit  im  Rufe  der  Heiligkeit  und 
Wiinderthätigkeit  der  Sclieich  Ebu  Jesid  von  Bostam,  der 
dritten  Hauptstadt  von  Kumis,  vor.  Schon  in  der  Hälfte 
des  dritten  Jäinliunderts  der  Hidschret  gestorben^),  vtar 
er  der  Stifter  des  nach  seinem  Namen  genannten  Ordens 
der  Derwische  Bostami;  auch  als  Geburtsort  späterer  Ge- 
lehrten ist  Bostam  berühmt^),  aber  doch  keiner,  wie  der 
Scheich  Ebu  Jesid  oder  Bajest'd ,  von  dem  die  Antworten 
auf  die  Frage:  wo  sein  Vaterland?  Mein  Vaterland  ist  unter 
dem  höchsten  Himmel,  und  auf  die  Frage:  Wie  bist  du  zu 
Gott  gelangt?  Indem  ich  über  mich  hinausgegangen;  und 
dessen  Sterbegebet:  Mein  Gott!  was  ich  in  meinem  Leben 
zu  dir  gebetet,  war  lauer  Vollzug  von  Gebot,  und  wenn 
ich  dir  gedienet,  war's  flauer  Dienst  in  der  Noth*). 

Arghun,  als  er  auf  seinem  Rückzuge  nach  Bostam  ge-  u,,*^,.;  ,,j 
kommen ,  wallfahrtete  zum  Grabmale  des  Scheichs  Ebu  Jesi'dj,  lungen  und 
während  Ahmed  Teguder  seinerseits  am  Grabe  des  Scheichs      Marsch 

Babi  den  Beistand    desselben  erflehte,    eine  Wallfahrt,    die        ^"^^'^ 

hiimis. 
von  diesem,    der   den  Islam    angenommen,   natürlicher,    als 

von  jenem,  der  kein  Moslim  war.  Teguder  befehligte  seinen 
Bruder  Huladschu  mit  einem  Tomane  nach  Rei,  und  befahl 
dort  allen  Befehlshabern  des  Heeres,  eine  Schrift  zu  unter- 
zeichnen,  dass  sie  Niemanden  gehorchen  würden,  als  dem 
zum  obersten  Feldherrn  ernannten  Bugha;  Alle  unterschrieben 
bis  auf  Alinak.  Zwei  Gesandte  Arghun's,  KotloghschahO  -  ^  .. 
und    Legsi,    kamen    nach    der   Ebene   von    Akchodscha   bei         ßs3 


Kaswin,  um  Frieden  zu  bitten  und  sich  über  die  Streifzüge  £3. iUrtÜ^^Ü 
der  Truppen  Teguder's,    welche    das  Land   weitum  verwü- 
steten, zu  beklagen.     Teguder  verwies  die  Gesandten  an  den 
Inhaber    des   Diwans,   Schemseddin ;    dieser   aber  trug  vor: 
Es  sei  unmöglich,  dem  Rauben  des  Heeres  Einhalt  zu  thun, 


')  lu  Dscliami's  Nefhatol  Ins  der  2n5te.  -^  i.  J.  261  C874). 
^)AbderniIiinan  Ben  Mohnnimed,  gest.  858  (1454),  Verfasser  von 
vierzig  Werken,  und  Mossannifek  Bostami,  gest.  875  (1470),  der 
deu  letzten  bosnischen  König  eigenhändig  köpfte.  '')  Dschami's 
Kefhatol  Ins,  die  42  te.     ^)  Bei  Reschideddin  Le^r**  und  Ordubugha. 


352  Fünftes     Buch. 

indem  diese  Streifzüge  die  Vorspiele  des  Krieges;  auch 
Jagdvögeln  sei  Beute  lieber,  als  täglich  zugemessene  regel- 
mässige Fütterung.  ,, Diese  Gedanken  des  Inhabers  des 
Diwans",  sagt  Wassaf,  „brachten  demselben  kein  Fleil  und 
das  Reich  ward  schnell  dem  Verderben  zu  Theil."  Alle  Ent- 
schuldigungen, weiche  die  Gesandten  Arghun's  vorbrachten, 
blieben  unbeachtet,  und  der  Sultan  (Ahmed}  befahl  abermai 
dem  Heere,  in's  Feld  zu  ziehen.  Ssadr eddin  und  ^ssileddtn, 
die  zwei  Söhne  des  grossen  Astronomen  Nassireddin  von 
Tus,  welche,  wenn  nicht  die  astronomische  Wissenschaft 
des  Vaters ,  doch  die  astrologischen  Verrichtungen  geerbt 
hatten,  stellten  vor,  dass  die  Gestirne  den  Auszug  eines 
Heeres  nicht  begünstigten,  worüber  Ahmed  ungnädig  auf  sie. 
Arghun  empfing  im  Dorfe  Surch '),  in  der  Nähe  von  Semnan, 
seinen  Sohn  Ghasan  und  Oraer  Aghul,  den  Sohn  Niguder's, 
des  Enkels  Dschaghatai's ,  aus  dessen  erstgeborenem  Sohne 
Dschudschi ,  gleichzeitig  mit  seinem  Oheime  Dschudschi, 
dem  erstgeborenen  Sohne  Tschengischan's;  mit  ihnen  stellten 
sich  Nokai,  der  Jarghudschi,  d.  i.  der  Oberrichter,  und  Sischi 
Bachschi,  d.  i.  der  Staatssekretär,  zum  Dienste  Arghun's  ein. 
Zur  Erwiederung  der  Gesandtschaft  Arghun's  sandte  Ahmed 
die  Prinzen  Toghaitmur  ( den  vierzehnten  Sohn  Hulagu's), 
welcher,  wie  sein  Bruder  Huladschu,  im  Interesse  ihres 
Bruders  Teguder,  und  Suke ,  den  dritten  Sohn  Jaschmut's, 
des  dritten  Sohnes  Hulagu's,  mit  den  Emiren  Buka  und 
Doladai  Jarghudschi  mit  der  Botschaft,  dass,  wenn  Arghun 
unterthänig,  er  selbst  kommen  oder  den  Bruder  Kendschatu 
senden  möge.  Buka  stellte  dem  Sultan  vor,  dass,  da  er 
nun   unterhandle,    er   nicht    weiter    marschiren  dürfe;    und 

14.  R^biul-  Ahmed  antwortete :    dass   er   zu   Charkan  ihre  Ankunft  ab- 

ewwel  683 

1  Jtini  1284  W3'*ten   wolle.     Er   zog   ihnen   verheerend   übfer  Demaghan 

nach ,  dessen  Einwohner  vielfältig  gepeinigt  wurden ;    fünf 

Tage  hernach   war   er   zu  Charkan  angelangt,   welches  ein 

zu  Bostam  gehöriges  Dorf,   nur  als   Geburtsort  und  Grab- 

')  Dih  Surch,  bei  Reschideddin,  ist  das  Surikkala  Fräsers  j 
der  in  der  Moschee  von  Semnau  eingemauerteu  Inschrift  Schah 
Abbas  I.  wird  erwähnt  304. 


F  (i   11   f  t   e   s      [!   u   c   h.  353 

Stätte  des  Scheichs  Ebiä  Hasan  Charkani  berühmt ').     Der 

Emir  Dsch'rkudai,  sein  Bruder  Jesnder  und  Buluehan,   der  ^^'  ^^*'"^- 

Statthalter  von  Schiras,    brachten'ihre  Huldigung  dar.    Zu  7,jutn  ±284 

Charkan    machte    Ahmed    keineswegs  Halt,    wie    er   seinem 

Gesandten    Buka   versprochen ,   sondern    sandte   den   Alinak 

mit    dem  Vortrab  weiter  voraus-);    er    selbst   lagerte  acht  ss.Rebiul- 

Tage  hernach  zu  Kalpusch  und  drei  Tage  später  zu  Kehud ^^i^^^l 

Dscha?ne,  d.  i.  Blanklei'd,  einem  zum  Gebiete  von  Dekistan       ^- •'""* 

(dem  alten  Sitze  der  Dahen}  gehörigen  Orte,  das  reich  an 

Korn,   Trauben    und   Seide').     Zwar    kam    die  Wesirschaft 

Ahmcd's,  nämlich  die  beiden  Prinzen  Toghatimiir  und  Suka 

und  die  beiden  Emire  Buka  und  Doladai,  zurück  und  brachten 

Kendschatu ,    den  Bruder  Arghun's,    mit  sich*);    mit  ihnen 

trafen  die  Emire  Newnis  und  Burah'gki  als  Gesandte  Arghun's 

ein.    Buka  zürnte  darob,  dass  Ahmed  nicht  seinem  gegebenen 

Worte  getreu   zu  Charkan  Halt  gemacht;    er  deutete  diese 

Wortverletzung   unglücklich   für    Ahmed    und    glücklich  für 

Arghun  aus.     Newrus  und  Buralighi  kehrten  unverrichteter 

Dinge  zurück.     Drei  Tage  hernach  ward  von  Kalpusch  auf-      '  „^f  •'"  ~ 

gebrochen;  die  Emire  Jula  Timur  und  Imkadschin,  der  Sohn 

Suntai's,  brachten  ihre  Huldigung  dar.     Ahmed,  ungeduldig 

des  Verzuges,  gab  dem  Akbuka  die  Stelle  Buka's  und  machte 

diesen    dadurch    um   so  mehr   im    Herzen  dem  Arghun  zu- 

gethan.  1 

Arghun  hatte  sich  indessen  mit  nicht  mehr  als  hundert  Arghun  zu 
Begleitern  von  den  Fürsten  seines  Gefolges  über  Meschhed       Kelat  ,- 
hinaus  in  das  feste  Schloss  Kelat  geflüchtet  ^);  dieses  bis  in  ^''^'^^  *'^'*- 
die  neueste  Geschichte  als  der  Schatzhort  Nadirschah's  be- 
rühmte    feste   Schloss    spielt   schon   in    der  Geschichte  der 
ersten    moslimischen    Dynastien    Persiens    eine    bedeutende 
Rolle.      Otbi'^),  der  Verfasser  des  Je?nini,  d.  i.  der  durch 
ihren  rednerischen  Schmuck  berühmten  GeschichjeMahmud's, 


')  Nushetol-kolub ;  Dschihannuma  S.  341.  -)  Reschideddin. 
')  Nushetul-kolub ;  Dschili.  .^4l.  *)  Reschideddin,  AVassaf.  ')  Das 
Schedschretol  Etrak  S.  35>.  ^D  Sein  ganzer  Name:  EbuQ-nassr 
Mohammed  Ben  Abdol-Dschebbar  El-otbi. 

Ilammev,   Geschichte  der  llchane.    I.  23 


j^54  •*'  "   "  f  t  0   s     ii  w  0  h. 

des  Siiitans  von  Gliasna,  Eroberers  Indiens,  malt  die  Höhe 
demselben  durch  das  Distichon : 

\\'iud  ermüdet,  indem  er  will  die  Zinnen  erklimmen, 
Und  es  gleitet  das  Aug'  nieder  von  scinvindelnder  Höh'. 

Dieses  Bergschioss  liegt  zwischen  Kasermian,  Serchas,  Abi- 
werd  und  Tus  in  schönem  und  fruchtbarem  Th'aie,  welclies 
fünfzig  bis  sechzig  englische  IMeilen  lang,  zehn  bis  fünfzehn 
breit,  von  Osten  nach  Westen  zieht  und  von  den  Hügeln, 
welche  die  Ebene  Meschheds  von  der  Wüste  trennen,  ein- 
geschlossen wird.  Der  Anblick  des  Thaies  ist  reich  und 
grün,  es  hat  üeberfluss  an  Pferden  und  Wildpret  und  wird 
ausser  dem  Strome  ,  welcher  dasselbe  der  Länge  nach  durch- 
fliegst, noch  von  kleinen  ,  in  Cascadellen  die  Hügel  herab- 
strömenden Bächen  bewässert ;  aber  alle  diese  Wasser  sind 
schädlich  und  im  Herbste  sogar  tödtlich,  wesshalb  das  Regen- 
wasser zum  Trinken  in  Cisternen  gesammelt  werden  muss  '). 
In  diese  durch  Natur  unbezwingliche  Bergfeste  schloss  sich 
Arghun  mit  Buiughan  ,  der  geliebtesten  seiner  Frauen  ,-  ein. 
Der  Emir  Newrus,  als  er  Kunde  arhielt,  dass  Alinak  wider 
das  Schloss  im  Anzüge,  bat  kniend  ,  Arghun  möge  über  den 
Oxus  ziehen  und  in  dem  Jurte  Kuwindschi's  (^des  zwölften 
Sohnes  Scheiban's,  des  fünften  Sohnes  Dschudschi's)  Zuflucht 
suchen.  Arghun  gab  dem  wohlgemeinten  Rathe  kein  Gehör; 
Legst,  welchen  wir  oben  als  Gesandten  Arghun's  an  Ahmed 
kennen  gelernt,  ging  zu  diesem  über  und  erbat  sich  ein 
Heer,  mit  welchem  er  ihm  den  Arghun  zu  liefern  versprach. 
-Ahmed  gab  ihm  Truppen,  mit  denen  er  das  Lager  der  Frau 
Kotlogh  Chatun,  der  Gemahlin  Arghun's,  plünderte.  Der 
Emir  Newrus  kam,  um  ihn  zur  Rückkehr  zu  bewegen;  Legsi 
ergriff  die  Zügel  seines  Pferdes,  um  ihn  mit  sich  zum  Sultan 
zu  führen;  aber  Newrus  i^^ie  die  Hand  an's  Schwert,  be- 
theuernd, dass  er,  so  lang  er  athme ,  den  Dienst  Arghun's 
nicht  verlassen  wolle;  Legsi  liess  ihn  frei  und  brachte  die 
Beute  des  Lagers  der  Frau  Kotlogh  in  das  Ahmed's  zurück, 
der  ihn  davon  reichlich  betheilte.     Alinak  war  indessen  vor 


')  Fräser  8.  245. 


F  ü  II  f  t  ü  K    Ji  II  c  ii.  355 

Kelat  angekommen  nnd  hatte  den  Arghun  beredet,  ilim  in  13.  Rebiul- 
das  Lager  des  Oheims,  der  ihm  nichts  Uebles  wolle,  zu  ^""'  683^ 
folgen.  Ahmed  umarmte  ihn,  küsste  ihn  und  übergab  ihn 
der  Obhuth  Alinak's;  dieser  stellte  vor,  dass  jetzt  der  Augen- 
blick ,  sich  des  Feindes  zu  entledigen ;  aber  Ahmed ,  der, 
ganz  der  Liebe  seiner  neaen  Gemahlin  Tudai  hingegeben, 
für  nichts  Anderes  Sinn  hatte,  sprach:  Was  kann  er  ohne 
Heer  und  Schatz  unternehmen  ?  Ich  will  die  Frau  Kutui 
(^seine  Mutter),  wenn  ich  sie  sehe,  um  ihre  Meinung  hier- 
über fragen.  Indessen  befahl  er  doch ,  die  Emire  Arghun's, 
Sischi,  Bachschi,  Kadan,  Buraligh  fest  zu  setzen ,  von  seinen 
eigenen  einige'),  weil  sie  dem  Arghun  ergeben,  hinzu- 
richten.    Er  wollte  eben  aufbrechen ,  als  er  auf  Bitte  Buka's,  — '— ^ — ' 

'       2.  Juli 
dass  er  erlauben  möge ,  die  Vermählung  seiner  Tochter  mit 

Kipdschak  Kaghul,  einem  Abkömmlinge  Dschudschi  Kasar's, 
des  Bruders  Tschengischan's ,  zu  feiern ,  noch  zu  bleiben 
beschloss.  Arghun  war  in  die  Seele  betrübt,  indem  er  un- 
glücklichen Ausgang  seines  Schicksals  fürchtete.  Da  sprach 
ihm  die  Frau  Bulughan ,  welche  seine  Gefangenschaft  ge- 
theilt  und  welche  auch  von  Ahmed  gnädig  empfangen  wor- 
den war,  indem  er  ihr  selbst  den  Becher  reichte'^),  Trost 
ein.  Er  versprach  ihr,  dem  Arghun  die  Statthalterschaft 
von  Chorasan  zu  verleihen ,  und  verlieh  ihm  ein  kaiserliches 
Zelt.  Ganz  in  dem  Genüsse  der  Frau  Tudai  schwelgend, 
hatte  Ahmed  keinen  Sinn  für  die  Wichtigkeit  des  Augen- 
blicks, oder  die  Gefahr,  die  ihm  von  den  nächsten  Umge- 
bungen drohte  ;  er  befahl  jedoch  dem  Alinak ,  den  Arghun 
nach  dem  Aufbruche  des  Lagers  hinzurichten^).  In  der 
nächsten  Nacht  „sollte  das  Zelt  seines  Lebens  abgebrochen 
werden,  als  durch  eine  unvorgesehene  Wendung  der  Dinge 
der  arabische  Spruch,  welchen  Bulughan  dem  Arghun  zu 
Gemüthe  führte :  dass  die  Nächte ,  schwanger ,  gar  Vieles 
vor  dem  Morgen  gebären ,  auf  das  glücklichste  ausging". 


')  ürtimur  Kuschdschi,   Nikpei   Kuschdschi    und    der    Bruder 
Kadschu  Achtadschi's.    ^)  VVassaf.     ')  Derselbe. 


23  = 


.•}o(i  Fünftes     Buch. 

Buka,    welcher  wider  Alirued    den  doppellen  Groll  ob 
Verscftifo-  gej,rocj,e„en,    Wort   und   genommenem    Oberbefehl   nährte, 
$'ung  üuka^s  ,  ^     .        x  .         -.t         .      ..  .  j 

und         vermochte  mehrere  Emire  '  J  zu  emer  Verschworung  w  ider 

Ermordung  Alinak  und  Ahmed,  indem  er  sie  versicherte,  dass  dieser 
Teyuder's.  beschlossen,  sie  an  der  Gränze  von  Isferain  hinrichten  zu 
lassen;  auch  den  Prinzen  Iluladschu,  den  Bruder  Ahmed's, 
brachte  er  auf  seine  Seite.  Sie  beri^then  sich  zuerst  über 
das  Mittel,  sich  Alinak's  zu  entledigen.  Buka  sandte  durch 
einen  Vertrauten  Arghun's  demselben  Wort,  diesen  Abend 
den  Alinak  zu  begehren  ,  und  zwei  der  Verschworenen  ^) 
nahmen  es  auf  sich,  desgleichen  die  Emire  Karabuka  und 
Taitak  zu  berufen.  Nach  dem  Nachtgebete  begab  sich  Buka, 
von  drei  Reitern  begleitet,  in  den  von  Wachen  besetzten 
Umkreis  des  Zeltes  Arghun's  und  sandte  einen  hinein,  um 
den  Prinzen  leise  zu  wecken.  Arghun  glaubte,  es  sei  List 
und  Verrätherei;  als  ihm  aber  dieser  schwur,  dass  Nichts 
zu  fürchten  und  dass  Buka  als  treuer  Diener  ihn  als  seinen 
Herrn  zu  retten  gekommen,  schloss  sich  Arghun  an  den- 
selben an.  Als  sie  um  den  dritten  Kreis  der  Umzäunung') 
kamen,  rief  sie  eine  Wache  an:  Wie  ist's,  dass  ihr  ginget 
vier  hinein  und  kommet  fünf  heraus?  Du  irrst  dich,  Freund, 
sagte  Buka ,  deine  schlafbeuebelten  Augen  haben  ehe  um 
einen  zu  wenig  gezählt.  So  kamen  sie  glücklich  durch  in's 
Zelt  Buka's.  Arghun  ward  bewaffnet ,  auf  ein  Pferd  gesetzt, 
i8  R  h'  ""*^  ^^^  begaben  sich  in  das  Zelt  Alinak's,  der  im  Rausche 
achir  683  abgethan  ,  sein  Kopf  vor's  Zelt  geworfen  ward.  In  derselben 
4.  Juli  iSfii  Nacht  wurden  Boten  an  Iluladschu  und  Bektu  abgesandt, 
die  sich  zu  Firuskjuh  befanden,  dass  jene  an  Basar  Aghnl 
und  Abukjan  thun  möchten ,  w  ie  sie  an  Alinak  und  Taitak 
gethan;  in  derselben  Nacht  wurden  auch  Karabuka  und  an- 
dere Emire  ergriffen  und  am  nächsten  Morgen  hingerichtet. 
Ahmed  befand  sich  im  Lager  der  Tudai  mit  dem  Prinzen 
Kinschu  (dem  Sohne  Dschumkur's,  des  zweiten  Sohnes  Hu- 
lagu's}    und    den    Emiren    Akbuka    und    Legsi,    als    er    die 


•>  Jesuhuku  Gurgan ,  Aritk,  Kurmischi ,  Arkasun  Xujan ,  der 
SohD  Ilkai's.     'JJüirmiscki  und  Aruk,  die  Brüder  Buka's,    ^)  Nerke. 


Fünftes     B  u  c  li.  357 

Vachricht  erhielt,  tlass  iille  seine  Treuen  getödtet;  er  unter- 
hielt  sich  zu  Kalpusch  noch  mit  der  Frau  Tudai  und  floh 
dann  aucli  von  Isferain  gegen  Kurais  und  Irak.  Die  Ver- 
schworenen hatten  ihrerseits  den  Buri,  den  Vogt,  nach  Iss- 
fahan  an  die  Karawinas ,  die  zu  Siakuh  hielten,  abgesandt, 
dass  sie  aufsitzen  und  den  Ahmed  ergreifen  sollten.  Dscherik, 
der  Emir  des  Lagers  des  hingerichteten  Prinzen  Konghuratai, 
wurde  zur  Blutrache  seines  Herrn  mit  viertausend  Reitern 
dem  Ahmed  nachgesandt,  und  üoladai,  der  Oberrichter, 
machte  sich  an  der  Spitze  von  vierJumdert  auf  den  Weg. 
Die  Prinzen  Huladschu  und  Kinschu  huldigten  dem  Arghun  »*HebiuUr 
zu  Charkan;  die  Emire  berathschlagten  nun  über  die  Wahl 
des  Chans.  Buka  erklärte  sich  laut  für  Arghun,  während 
sein  Bruder  Aruk  und  Kurmischi  für  Dschuschkab ,  den 
Bruder  Kinschu's,  Tekia  für  Huladschu  ^iramten.  Buka 
legte  die  Hand  an's  Schwert  und  schwur,  dass,  so  lang  er 
es  führe,  es  nur  für  Arghun  und  seine  Feinde  dienen  solle. 
Sie  fragten  nun  den  Tengir  Gurgan,  den  Gemahl  der  Prin 
zessin  Tudukasch,  der  vierten  Tochter  Hulagn's,  und  den 
Vater  Kotloghschah's,  der  Gemahlin  Arghun's,  um  den  letzten 
Willen  Abaka's.  Er  bezeugte:  er  habe  zu  seinem  Nachfolger 
seinen  Bruder  Mengu  Tiraur  und  nach  dessen  Tode  den 
Arghun  ernannt.  Arghun  bat  mit  der  bei  mongolischen 
Thronbesteigungen  hergebrachten  verstellten  Bescheidenheil, 
dass  man  ihn  mit  dem  Throne  verschonen  und  die  Statt- 
halterschaft Chorasan ,  wie  bei  seines  Vaters  Lebzeit ,  lassen 
wolle.  Buka  brachte  die  Entschuldigungen  zum  Schweigen, 
indem  er  sagte:  das  erste  sei ,  sich  der  Person  Ahmed's  zu 
versichern ,  worauf  dann  mit  Beiziehung  des  Raths  der  Frau 
Oldsrhai  (^der  Gemahlin  Hulagn's  und  dann  Abaka's}  einer 
der  Prinzen  zum  Chan  ausgerufen  werden  solle.  Aruk  und 
Dschuschkab    zogen    mit    dem    Vortrab    voraus,  Jluladschu, 

Kinsclvu  und  Bektn  folgten  mit  dem  schweren  Gepäcke.     Zu  _  „  ,     ,  ., 
=*  *  S7.Refmti.Il 

Konkurlang    bei  Tebris  wurde  das  Haus  Buka's  geplündert,      ^^  .j^^. 
sein    Harem    auf  Sundschak's    Fürbitte    verschont.     Ahmed, 
der  noch  gekommen ,   seine  Mutter  Kutui  zu  sehen ,    wollte 
nach  Derbend  entfliehen ;  aber  Schikiur  und  Karahuka  sandten 


358  Fünftes     IJ  u  c  li. 

Botschaft  an  Kutui  Cliatun  ,  dass  es  der  Prinzen  allgemeiner 
Wille,  sich  der  Person  ihres  Sohnes  zu  bemächtigen,  und 
dass  sie  ihn  bis  zur  Ankunft  derselben  hüten  wollten.  Die 
Mutter  gab  ihre  Einwilligung.  Schiktur  übergab  den  Sultan 
einer  Wache  von  dreihundert  Mann.  Unterdessen  kamen 
die  unverschämten  Räuber ,  die  Karawinas,  an,  weiche  Buka 
nach  Ssugurluk  gesandt  hatte ;  sie  plünderten  das  Harem 
und  stiessen  sogar  die  Mutter  Kutui  Chatun  und  die  Frauen 
Tudai  und  Ermeni  Chatun  nackt  hinaus.  Arghun  war  unter- 
dessen von  Nerauwer  vorgerückt  und  hatte  zu  Abaschur  bei 
Jus  Agadsch  gelagert.  Karankai  und  Schiktimur  hatten  mit 
den  Karawinen  den  Sultan  gefangen  ;  als  ihn  Arghun  erblickte, 
streckte  er  nach  der  vmongolischen  Sitte  der  siegreichen 
Pfeilschützen  die  Hände  aus  und  schrie:  Mordio!^^;  er 
ward  sogleich  getödtet.  Die  von  Ahmed  verhafteten  Emire: 
Taghadschar,  Kundschukbal  und  Toladai  erhielten  nun  ihre 
Freiheit;  die  Frauen  und  Emire  waren  einstimmig  in  der 
Wahl  Arghun's.  Ahmed  wurde  vor's  Gericht  gestellt;  Bektu 
und  der  Diener  Konghoratai's  befragten  ihn  als  seine  Richter : 
warum  er  den  Konghuratai  unschuldiger  Weise  getödtet,  dem 
Arghun  die  Statthalterschaft  von  Chorasan  missgönnt,  ihm 
den  Alinak  nachgesandt  habe?  Ahmed  bekannte,  dass  er 
übel  gethan ,  künftig  desgleichen  nicht  thun  wolle  Die 
Emire  wollten  sein  Leben  der  Frau  Kutui  schenken ,  welche 
bei  Allen  in  grösstem  Ansehen ;  da  erhoben  aber  die  Mutter 
Konghuratai's  und  seine  sechs  Söhne  Geschrei  der  Blutrache. 
Jetzt  erschien  Jesu  Buka  Gurgan,  der  Gemahl  der  Prinzessin 
Kutulun,  der  sechsten  Tochter  Hulagu's,  und  schreckte  die 
Versammlung  durch  die  Nachricht,  dass  die  Prinzen  Hu- 
ladschu  und  Dschuschkab  an  der  Gränze  Hamadan's  ein  Heer 
zum  Widerstände  sammelten.  So  erging  das  Jerligh  der 
Blutrache  Konghuratai's,  und  Chan  Ahmed  fiel,  der  erste 
der  mongolischen  Herrscher,  unter  der  Sanktion  der  Jasa, 
um  das  vergossene  Blut  Konghuratai's  zu  büssen;  das  Todes- 
urtheil   ward   in    der   Nacht   vom    Donnerstage  am  zehnten 

•)  Wassaf. 


F  ü  u  f  t  e  s     B  u  c  li.  359 

August  vollzogen  durch  Tiraur  und  lidir,  zwei  Söhne  Kon- ^ff.  Dschem. 

ffhuratai's:  sie  rächten  des  Vaters  Tod  durch  den  des  Oheims,  J^^!  ^^^ 

.  ,     ,   .         ,         .^  10.  Auffust 

indem  sie  ihm  den  Rückenwirbel  brachen  'J.  ig84 

Schon  am  Tage,    welchen    die  Nacht   der  Hinrichtung     ArgMin's 

Teguder's  heraufgeführt,  hatte  die  Thronbesteigung  Arghun's  Thronbestei- 

rait  den  gewöhnlichen  Feierlichkeiten    in   dem  Jurte  Suktu   i'""^'  ^*^- 
-.  ^    .  .        .,      ,      .         1     L*    i>      mahlinnen, 

statt O-     Huladschu  ergriff  die  rechte  Hand,   Inardschi  die      ^y/,„g^ 

linke  Arghun's;  sie  setzten  ihn  auf  den  Thron,  vor  welchem  Töchter. 
die  Prinzen  und  Emire  neunmal  niederknieten ,  den  Gürtel 
um  den  Hals,  die  Mützen  in  die  Luft  warfen  und  ihm  den 
Becher  huldigend  darreichten.  Die  Feste  hatten  zu  A'o/nsiVm^ 
welches  zwischen  Heschtrud  und  Ktirban  schire,  statt.  Drei 
Tage  nach  der  Thronbesteigung  kamen  auch  die  Prinzen 
Kinschu  und  Dschuschkab,  die  Söhne  Dschurakur's,  und 
unterschrieben  die  Urkunde  der  Krönung.  Abukjan,  der 
Sohn  Schiramun's,  der  Enkel  Dschurmaghun's  (des  Befehls- 
habers in  Persien  zur  Zeit  Hulagu's),  der  Jarghudschi,  d.  i. 
Oberrichter,  wurde  als  einer  der  innigsten  Anhänger  Ahmed's 
hingerichtet;  allen  anderen  Angehörigen  Ahmed's  sicherte 
ein  Jerligh  das  Leben  und  Ruhe;  die  Prinzen  Dschuschkab 
und  Baidu  (der  Sohn  Tarakai's.,  des  fünften  Sohnes  Hu- 
lagu's) wurden  als  Statthalter  nach  Bagdad  und  Diarbekr. 
der  Oheim  Huladschu  und  der  Bruder  Kendschatu  nach  Rum 
gesendet.  Georgien  erhielt  der  Oheim  Adschai  (der  achte 
Sohn  Hulagu's),  dem  Sohne  Ghasan  wurde  die  Statthalter- 
schaft der  Landschaften  Chorasan,  Masenderan,  Kumis  und 
Rei  übertragen,  die  Stelle  des  Wesirs  der  Länder  dem  Buka, 
dem  Hebel  der  Herrschaft  Arghun's,  verliehen,  ein  höchst 
findiger,  zum  Regieren  tüchtiger  Kopf.  Nach  der  Sitte 
mongolischer  Investitur  wurde  demselben  Gold  über  den 
Kopf  gestreut,  Goldflittern  in  solchem  Ueberflusse,  dass  er 
unter  der  angehäuften  Masse  derselben  unsiclilbar.  Arghun 
konnte  bei  seiner  Thronbesteigung  nicht  älter  als  beiläufig 
dreissig  Jahre  sein,  da  sein  Vater,  Abaka,  vor  zwei  Jahren, 


•)  Wassaf.     ')  Keschideddin  ;  Wassaf:   nach  dem  Schedscliietol 
etrak  S.  3'jO  am  7.  Dschem.  achir. 


360  F*ii  II  f  t  es     B  u  c  h. 

acht  und  vierzig  alt,  gestorben  war.     Seine  3Iiitter  war  die 
Beischläferin   Abaka's,    Kaimisch    Ikadschi.      Seine   Gemah- 
linnen:    1.  Die    Frau    Koilogh ,    die   Tochter   Tengir's   des 
Uiraten,    welcher    ein  doppelter  Gurgan,    d.  i.  dem  Herr- 
scherhaus Verschwägerter,  indem  er  selbst  mit  der  vierten 
Tochter  Hulagu's  vermählt,  des  letzten  Eidam  und  Arghun's 
Schwiegervater.     2.  Oldschatai,  die  Tochter  der  Tudukasch, 
aber  nicht  aus  Tengir,  sondern  aus  Sularaisch,  dessen  Sohn, 
aus  einer  anderen  Frau ,  nach  des  Vaters  Tod  mongolischer 
Sitte   gemäss    seine    Stiefmutter   heirathete,    die   nach   dem 
Tode    des    Sulamisch    nocli    von    dessen  Sohne  Dschidschek 
Gurgan,  also  von  ihrem  Enkel,  geheirathet  ward ').     3.  Die 
Frau   Uruk ,  die  Tochter  Sarudsche's,  der  Schwester  Emir 
Irindschin's,    des    Keraiten.     4.    Die    Frau    Seldschuk ,    die 
Tochter   Sultan    RukneOdin's   von    Rum.     Aus  dem  Frauen- 
gemache  seines  Vaters  nahm  er    5.  die  Frau  Bulughan,  die 
Verwandte    des   Buka   Jarghudschi,    und   nach   ihrem  Tode 
6.  die  Frau  Buhighan ,   die  Tochter  Utaman's,    des  Sohnes 
Obotai    Nujan's   des    Konghuraten -).      So    war    7.  die  Frau 
Mertai  die    Konghuratin ,    die    Gemahlin   Hulagu's,   in    das 
Harem  seines  Sohnes  Abaka,  aus  diesem  in  das  Arghun's  als 
Frau  übergegangen,  so  dass  dieselbe  Stief-  und  Grossrautter 
ihres  Gemahls.    8.  Ttidai  Chaturij,  die  Tochter  Musa  Gurgan's 
(^des    Enkels    Tschengischan's)    aus    Tarakai,    der    fünften 
Tochter  Hulagu's.     Die  Leidenschaft,  mit  welcher  Teguder 
Tudai   geliebt ,    hatte   ihn   über    die    Gefahren ,    die  seinem 
Throne  drohten,  verblendet.     Tudai,  die  Enkelin  Hulagu's, 
die  Gemahlin  Teguder's  (ihres  und  Arghun's  Oheim's),  war 
also    zugleich    die    Base ,    Tante    und    Gemahlin    Arghun's. 
9.  Kultak  Ikadschi,  die  3Iutter  seines  Erstgeborenen,  Ghasan, 
dessen  drei  Brüder  Jesu  Timur,  Oldschaitu  (^beide  aus  der 
Frau  Uruk)  und  Chatai  Aghid  aus  der  Frau  Kotlogh;  dann 
vier  Töchter,    Oldschatai,  Oldschai  Timur,  Kotlogh  Timur 
(  alle    drei    Töchter    der    Frau    LJruk )     und     Diiendschi, 


'j  Reschideddin    bei    den  Tochterii  Hulagu's.     -)  Sie  leh(e  noch 
zur  Zeit  Rcschideddiirs. 


Fünftes     ü  u  c  h.  361 

Tochter   der   zweiten,   vor   allen  anderen  .Frauen  geliebten 

Bulughai. 

Nach  dem  Herrscher  Arghun  und  seinem  Wesire  Buka '  J,  •'^cliemseddvi 

der  ihn  auf  den  Thron  gesetzt,  steht  ein  Grösserer  als  Beide  ,. 

°  '  zu  Kum. 

vor  uns,  nämlich  der  flüchtige  Wesir  Schemseddin  Dschu- 
weiiM,  dessen  Auslieferung  Arghun  zu  wiederhollenmalen 
vergebens  von  Teguder  begehrt  und  welchen  sein  Feind 
Medschdolmülk  nicht  nur  treuloser  Verwaltung  der  Kron- 
güter Abaka's,  sondern  auch  der  Vergiftung  desselben  und 
des  Bruders  Mengu  Timur  angeklagt.  Nachdem  Alinak  ge- 
tödtet  und  Teguder  geschlagen  worden ,  hatte  Schemseddin 
von  Dschadscherra,  wo  er  sich  befand,  auf  einem  Dromedare 
mit  ein  Paar  Dienern  sich  durch  die  Wüste  naeh  Issfahan 
geflüchtet.  Die  Einwohner,  sobald  sie  von  der  Umwälzung 
der  Dinge  Kunde  erhalten ,  beriethen  sich  mit  dem  Atabeg 
von  Jesd,  welchen  der  Statthalter  von  Issfahan  als  einen 
dem  Argliun  Ergebenen  während  der  Regierung  Teguder's 
in  Verhaft  gehalten,  was  zu  thun.  Schemseddin,  hiervon 
benachrichtigt,  begab  sich  unter  dem  Vorwande,  zu  einer 
Grabstätte  zu  wallfahrten,  ausser  der  Stadt  und  entfloli  auf 
treff"lichen  Rennern  nach  Kum,  sich  in  das  Heiligthum  des 
Grabes  der  Schwester  des  Imams  Risa  flüchtend.  Dieses 
Grabmal  ist  seit  einem  Jahrtausend  die  sichere  Freistätte 
Unschuldiger  und  Schuldiger,  die  in  die  Mauern  desselben 
flüchten.  Die  Heiligkeit  derselben  wurde  von  den  Mongolen, 
wie  von  den  früheren  Herrschern  Persiens,  den  Seldsckuken 
und  Bujiden,  wie  von  ihren  Nachfolgern,  den  Herrschern 
der  Dynastie  Ssafewi  und  der  regierenden  A^r .Kat schar eri^ 
hoch  geachtet.  Die  Pracht  desselben  hat  Chardin  ausführlich 
beschrieben ,  und  noch  heute  prangt  dasselbe  mit  silbernen 
Gittern  und  goldbeschlagenen  Thoren,  und  den  Schatz, 
dessen  Reichthum  sich  vorzüglich  von  den  Schaben  der 
Familie  Ssafewi  hersclireibt,  haben  reiche  Opferspenden 
Feth  Alischah's  vermehrt.  Er  opferte  hierher  einen  Kopf- 
schmuck seiner  Mutter,   wie    einst   Crösus^")   das  Halsband 


')  Im    Schedschretol    Etrak    S.    JöG     in     Yooiiha    verstiininieU. 
-)  Herodofs  Clin  b\. 


362  Fünftes     B  u  c  Ii. 

und  den  Gürtel  seiner  Gemahlin  nach  Delphi.  Feth  Ali 
jagte  nie  in  der  Umgegend ,  ohne  den  Umgang  um  das 
heih'ge  Grab  ,  von  welchem  die  Stadt  auch  die  heilige  heisst, 
zu  verrichten.  Wie  vor  sechsthalbhundert  Jahren  Schems- 
eddin  Dschuweini  hier  Zuflucht  gesucht  und  gefunden ,  so 
in  unseren  Tagen  der  von  Feth  Alischah  und  dann*  von 
seinem  Enkel,  dem  regierenden  Schah,  verungnadete,  in 
Morier's  Hadschi  Baba  nach  dem  Leben  geschilderte  Bot- 
schafter Mirsa  Abul  Hasan.  „Die  Stadt  ist  heute",  sagt 
Morier,  „nur  durch  drei  Dinge  merkwürdig :  durch  die  ver- 
goldete Kuppel  des  Grabmals,  durch  die  zahlreichen  Märkte 
und  durch  ihre  Ruinen" ;  denn  der  Umfang  der  Mauern 
betrug  ehemals  vierzigtausend  Ellen  ,  das  ist  um  vierzig  Ellen 
mehr,  als  die  von  Kaswin').  Kum  ward  im  Beginn  des 
achten  Jahrhunderts  der  christlichen  Zeitrechnung  ^ )  ,  als 
Hidschadsch,  der  tyrannische  Statthalter  von  Irak,  das  Heer 
Abderrahman  Asker's  schlug,  aus  sieben  Dörfern,  deren  Vor- 
steher getödtet  worden  waren,  in  eine  Stadt  vereint,  deren 
sieben  Viertel  jene  sieben  Dörfer  und  deren  eines  der  Stadt 
den  Namen  gab^}.  Von  derselben  erhielten  hernach,  als 
persischer  Kunstfleiss  und  Handel  im  höchsten  Flore,  die 
schöngewirkten  seidenen  StolFe  den  Namen  Kumasch ,  den 
dieselben  noch  heute  führen;  sie  ist  so  berühmt  durch  ihre 
luftigen  hohen  Cypressen  und  ihre  blauen  leichten  Trink- 
krüge *),  als  das  benachbarte  Kaschan  durch  sein  Fayence 
und  seine  Scorpionen  und  Giftspinnen,  als  der  Geburtsort 
des  grossen  Geschichtschreibers  Abderresak,  des  Verfassers 
des  Aufganges  zweier  Glücksgestirne  (der  Geschichte  Timur's 
und  seines  Sohnes  Schachroch^,  und  des  letzten  Dichter- 
königs Feth  Ali  Chan,  des  Sängers  des  Heldenbuchs ^}  Feth 


»)  Nushetol  kulab.  ^)  i.  J.  d.  H.  83  (701).  '}  Kumedan ,  her- 
uach  Kum.  Dschihannuma  S.  298.  ')  Durch  ein  unerklärliches  Ver- 
sehen steht  im  Dschihannuma,  dass  Kum  der  Geburtsort  Nisami's, 
des  Verfassers  des  Chamse,  sei,  welcher  zu  Gendsche  geboren, 
auch  dort  begraben  liegt.  ^)  Das  Schehinschahnanie  von  Feth  Ali- 
schah dem  österreichischen  Kaiser  Franz  I.  durch  Mirsa  Abul  Hasan 
zum  Geschenke  gesandt. 


Fünftes     H  u  c  ii. 


363 


Alischah's.  In  dem  Heiligthume  Kuras  sammelten  sich  um 
Schemseddin  seine  Freunde,  deren  Meinung  dahin  ging, 
dass  er  sich  nach  Hormusd  retten  solle,  von  wo  ihm  der 
Weg  weiter  nach  Indien  offen.  Ich  kann,  antwortete  ihnen 
Schemseddin,  meine  Söhne  nicht  in  den  Händen  der  Mon- 
golen zurücklassen;  das  Besste  ist,  ich  begebe  mich  zu  dem 
Dienste  der  Majestät,  weiche  mir  vielleicht  Emir  Buka,  der 
mein  alter  Freund,  versöhnen  wird;  wenn  nicht,  so  ge- 
schehe, was  Gott  will.  Unschlüssig  verweilte  er  einige  Tage, 
als  von  Seiten  des  Chans  Melik  Imameddin  von  Kaswin  und 
Jusufschah  ,  der  Atabeg  Grossluristans,  erschienen. 

Von  Jusufschah,  dem  Atabeg  Grossluristans,  ist  unter  sclietnseddin 
der  Regierung  Abaka's  erzählet  worden,  wie  er,  i]essen  ^ttrchJusuf- 
treuer  Hilfsgenosse,  im  Feldzuge  wider  Borrak  auf  dem  '^'«^«" 
Rückmarsche  den  Chan  aus  den  Händen  von  Strassenräubern  ^^/,(,^f  „„^ 
gerettet,  von  demselben  Vergrösserung  seiner  Länder  er-  ant/esteUt. 
halten  hatte.  Demselben  und  seinem  Sohne  Arghun  dankbar 
ergeben,  hatte  er,  der  Aufforderung  Teguders,  ihn  mit 
einem  Heere  zu  unterstützen,  nur  nothgedrungen  Folge 
leistend,  zweitausend  Reiter  und  zehntausend  Fussgänger 
in's  Feld  gestellt.  Nach  der  Niederlage  Teguders  brach 
das  Heer  gleich  bei  Tabs  in  die  Wüste  ein,  um  auf  dem 
kürzesten  Wege  Luristan  zu  erreichen;  diese  Unvorsichtigkeit 
kostete  dem  grössten  Theile  das  Leben  ;  es  war  das  erste 
Unglück,  das  den  Atabegen  Jusufschah  betroffen.  Jetzt 
sandte  ilm  Argliun  an  den  vorigen  Inhaber  des  Diwans,  um 
denselben  nach  Hof  zu  bringen.  Arghun's  Politik  war  eine 
(wenigstens  dem  Scheine  nach}  versöhnliche;  er  sandte  an 
alle  Prinzen  und  Prinzessinnen  Gesandte  mit  Geschenken, 
um  sich  dieselben  zu  verbinden;  so  dem  lluladschu  einen 
Sonnenschirm ,  „welcher",  sagt  Wassaf ,  „wie  die  Flügel  des 
Königsgeiers  schattete  und  dessen  Glanz,  wie  das  Licht  der 
Sonne,  nie  ermattete",  um  ihn  nach  Hof  einzuladen,  denn 
Huladschu  machte  Miene  von  Unzufriedenen.  Huladschu 
gab  dem  Botschafter  keine  andere  Antwort,  als  die  Frage: 
Wie  weit  wird  Arghun's  Engbrüstigkeit  noch  gehen?  Er 
zog  sich  noch  Kirbanschir  in's  Haus  Argasun's  zurück,  und 


364  P  >>  n  f  t  c  s     B  II  c  Ii. 

Dschuschkab  brach  gegen  Haraadan  auf.  Da  sie  auf  wieder- 
holte Aufforderungeij  nicht  erschienen,  schwur  ihnen  Arghun: 
Im  Namen  dess,  der  jMond,  Saturn  und  Sonn'  erhöht, 
Der  schirmt  das  Diadem  der  Majestät, 
dass  er  sie  als  Prinzen  behandeln,  sie  mit  Gnaden  über- 
häufen werde.  Er  gab  jedem  derselben  Mütze  und  Gürtel, 
und  sie  verbanden  sich  ihm  als  Vasallen;  mehrere  der  ersten 
Emire  Ähmed's,  vor  den  Gerichtshof  von  Tebris  gestellt, 
wurden  freigesprochen  und  erhielten  Aemter').  Jusufschah 
von  Lur,  welchem  Schemseddin  seine  Tochter  Dewlet  Chatun 
zur  Gemahlin  gegeben'},  führte  denselben  mit  sicli  an  den 
Hof  Arghun's.  Noch  auf  dem  Wege  von  Sawa  kam  ihnen 
der  Emir  Kumari  mit  einem  Diplome  entgegen,  wodurcli 
alles  Vergangene  verziehen  und  vorige  Gnade  verliehen 
ward.  Sogleich  erliess  Schemseddin  Rundschreiben  an  alle 
Befehlshaber  Iraks,  um  denselben  seine  Wiederaufnahme  in 
6*83  "^  *^'®  Gnade  des  Chans  zu  künden.  Freitags  in  der  Herbst- 
~~3t.  SepiT  '^^^S'  ""^  Nachtgleiche  traf  er  zu  Kiirban  Sahire  ein  und 
^^^^  begab  sich  sogleich  zu  Buka,  mit  welchem  er  früher  in 
freundschaftlichem  Verhältnisse  gestanden.  Der  gegenseitige 
Empfang  war  voll  Freude  und  Freundlichkeit  (aber  wohl 
von  beiden  Seiten  verstellter}.  Am  nächsten  Tage  stellte 
ihn  Buka  der  Majestät  vor.  Arghun  empfing  ihn  weder 
gnädig  noch  ungnädig,  ohne  Zeichen  von  Gunst  oder  Ab- 
neigung, setzte  ihn  aber  in  seine  vorige  Stelle  als  Wesir 
des  Diwans  gemeinschaftlich  mit  Buka  ein.  Schemseddin 
erklärte  öffentlich:  er  wolle  nur  der  Stellvertreter  Buka's 
im  Diwane  sein;  als  aber  von  allen  Seiten  wieder  Wünsche 
und  Geschenke  dem  vorigen  Inhaber  des  Diwans  zuströmten, 
ward  Buka's  Eifersucht  und  Gier  nach  ausschliesslicher 
Herrschaft  schon  nach  Einer  Woche  rege;  er  sandte  Ali, 
den  Temghadschi  (Stempeleinnehmer),  nach  Tebris,  um 
Jahja,  den  Sohn  Schemseddin's ,  und  dessen  Güter  einzu- 
ziehen.    Fachreddin  Mestufi  und  Hosameddin  Ssahib,    zwei 


•)  Emir  Buhia,   Tiiiai,  Arukian,  Bastak,  Hiiladschu.     \>'assaf. 
^)  Güside 


Fünftes     b  u  c  Ii. 


365 


Untergebene  Schemseddin's,  schmiedeten  wider  denselben 
Uänke  und  bliesen  Buka's  Neid  und  Eifersucht  zu  vollen 
Flammen  auf,  indem  sie  ihm  vorstellten,  dass  seine  Macht- 
vollkemmenheit  nur  ein  Schatten,  so  lang  Schemseddin  die- 
selbe mit  ilim  theile.  ßuka  warf  seinerseits  Saamen  des 
Verdachts  in  die  Seele  Arghun's,  indem  er  ihm  vorstellte, 
dass  von  dem  Verräther  seines  Vaters  keine  guten  Dienste 
zu  erwarten  seien.  Sogleich  ward  Bakdai  Aidadschi  dem 
Schemseddia  an  die  Seite  gegeben,  und  zu  Audschan  erging 
der  Befehl,  demselben  zweitausend  Tomane  abzufordern  und 
ihn  an  Buka  zu  senden.  Schemseddin  antwortete:  Ich  bin 
kein  Thor,  der  das  Geld  bezahlt  statt  es  auszugehen;  ich 
bin  nicht  im  Stande,  tausend  Goldstücke  aufzubringen:  und 
dem  Buka  schrieb  er:  O  Emir  Buka,  lehre  nicht  den  Padi- 
schah,  Wesire  zu  tödten,  denn  heute  mir  und  morgen  dir. 
Doladai  und  Kadan  wurden  gesandt,  ihn  gerichtlich  zu 
verhören. 

Schemseddin  antwortete  auf  die  wider  ihn  vorgebrachte  Schemstd- 
Anklage  der  Veruntreuung  von  Staatsgeldern  und  von  Ver-  din'i  Hin- 
rätherei,  dass,  was  den  Abgang  dfes  Staatsschatzes  betreffe,  '''<^f<t""ff- 
er  die  Verzeihung  des  Padischah  hoffe ,  dass  er  aber  un- 
schuldig des  geringsten  Verdachts  von  Verrätheref.  Als  ihm 
als  schuldig  Erkanntem  die  Hände  nach  mongolischer  Sitte 
gebunden  worden,  erscholl  das  Geschrei  der  Türken  und 
Perser:  warum  man  die  Nahrungsquellen  der  Völker  binde! 
Zu  Minia,  in  der  Nähe  von  Ebher,  der  nördlich  von  Kaswin 
gelegenen  Stadt,  ward  ihm  das  Todesurtheil  verkündet.  Er 
verrichtete  sogleich  die  gesetzliche  Abwaschung ,  stach  in 
den  Koran,  den  er  bei  sich  trug,  das  Loos,  begehrte  Tinten- 
zeug und  Feder  und  setzte  seinen  letzten  Willen  für  die 
Söhne  auf,  und  schrieb  an  die  Gesetzgelehrten  von  Tebris: 
„Als  ich  den  Koran  zum  Loosaufstechen  genommen,  ist  fol- 
gender Vers  gekommen:  ,,  ,,Die  da  sagen,  Gott  nur  sei 
Herr j  und  wandeln  auf  geraden  Pfaden,  über  sie  werden 
Engel  niedersteigen  und  sagen:  Betrübt  euch  nicht  und 
fürchtet  euch  nicht,  ich  gebe  euch  die  frohe  Kunde  des  Para- 
dieses,  das  euch  versprochen  worden."*'     Da  Gott  der  All- 


366  ^'  «•  n  f  t  e  s     B  u  c  li. 

mächtige  diesen  seinen  Diener  in  dieser  vergänglichen  Welt 
immer  wolligehalten ,  so  gestalten  ,  dass  er  ihm  keinen  seiner 
Wünsche  versagt  und  ihm  sogar  die  frohe  Kunde  künftigen 
Lebens   zugesagt,   so   rauss   man    den   Mewlana  Mohijeddin^ 
den  Mewlana  Efähaleddirij  den  Mewlana  Schemseddiri,  den 
Mewlana  Hemameddin  und  den  grossen  Scheichen ,   welche 
aufzuzählen  hier  zu  lang  und  hier  nicht  der  Ort  wäre,  diese 
gute   Kunde   geben ,    damit   sie   wissen ,    dass   ich    aller  An- 
hänglichkeit an  die  Welt  entsagt  habe  und  mir  mit  ihrem  guten 
Gebete  helfen  möge  '^.     Sie  sollen  meine  Söhne  grüssen,  die 
ich  Gott  dem  Herrn  als  Unterpfand  empfehle ;    ,,  ,,denn  Gott 
verliert  nicht   die  ihm  anvertrauten  Pfände'**'     Ich  hoffte 
sie  noch  einmal  zu  sehen   und   ihnen  mündliche  Lehren  zn 
hinterlassen ;  da  diess  aber  mir  nicht  zum  Loose  geworden, 
so  mögen  sie  (^die  obgenannten  vier  Mewlana)  es  an  Nichts 
ermangeln  lassen,  dieselben  zu  beschützen,  und  sie  zu  gutem 
Erwerb  ermuntern  und  nicht  zugeben ,  dass  sie  das  von  Gott 
ihnen   verliehene   Gut   vernachlässigen.     Wenn   mein   Sohn, 
der  Atabeg ,  und  seine  Mutter,  die  Frau  Choschek,  in  ihr 
Haus  zurückkehren  wollen,  so  sei  ihnen  die  Erlaubniss  ge- 
gönnt.    Meine  beiden  Söhne  Newrus  und  Mesud  sollen  mit 
ihrer  Mutter  im  Geleite  der  Frau  Bulughan  bleiben  und  an 
den   beiden    Enden   meines  Grabmals  stehen;    wpnn  sie  für 
das  Speisehaus   und    das    Kloster    des   Scheichs  Fachreddin 
etwas  thun  können  ,    so    sollen  sie  es  unterstützen  und  sich 
dahin  begeben.    Ferruch  und  seine  Mutter  sollen  den  'Atabeg 
begleiten,  Sekeria  auf  den  Gütern  des  Padischah  arbeiten; 
die    anderen    Oerter    habe   ich    dem    Emir   Buka   vermacht, 
welchem   sie    alle    Güter   und    Besitzungen   belassen  sollen ; 
wenn  er  etwas  davon  zurück  gibt,  ist's  wohl  und  gut;  wenn 
nicht,  sollen  sie  sich  begnügen.     Gott  spende  uns  sein  Er- 
barmen und  auch  seinen  Segen  !     Ich  habe  jezt  mein  Geraüth 
auf  die  göttliche  Majestät  gestellt,    welche   meinen  Antheil 
niclit  vergessen  wolle;   das   Glück  derselben   sei  beständig! 


')  d'OIisson    gibt   nur    die   Hälfte   aus  Wassaf,   aber   nicht  die 
folgende  historisch  wichtigere  Hälfte  aus  Reschideddin, 


Fünftes     I)  u  c  li. 


367 


Schaabnn 
'  683 


Wenn  Alierhöchstdieselbe  meinen  Söhnen  etwas  lassen  will 
sollen  sie  es  nehmen  und  sich  damit  begnügen;  wohin  nur 
das  grosse  Harem  von  Tebris  sich  begibt,  soll  auch  das 
meine  folgen.  Heil  dem,  der  die  wahre  Leitung  sucht!" 
Dieses  Schreiben  warf  er  den  zur  Vollstreckung  des  Todes- 
urtheiis  Bestellten  vor;  sie  lasen  es,  ohne  dass  es  Eindruck 
auf  sie  gemacht.  Schemseddin  sagte  dann:  ,,Was  von  dir 
kommt,  o  Herr,,  ist  gut,  sei  es  Krankheit^,  sei  es  Heiltmg" ; 
und  das  Todesurtheil  ward  vollstreckt.  Vier  seiner  Söhne: 
Jahja,  Ferruchschah,  Mestid  und  ^tabeg^  wurden  ihm  sogleich  lö.Oct.  19&4 
in's  Grab  nachgesandt.  Jusufschah,  der  Eidam  Schemsed- 
din's,  kehrte  auf  Befehl  Arghun's  nach  Luristan  zurück, 
starb  abär  auf  dem  Wege  dahin.  Er  hinterliess  zwei  Söhne: 
JSdib  und  Ahmed,  wovon  der  erste  mit  der  Herrschaft  Lu- 
ristans  belehnt  ward,  der  zweite  am  Hofe  Arghun's  als 
Geissei  zurückblieb  '^.  Schemseddin  ward  mit  seinen  Söhnen 
im  Viertel  Dscherendab ,  wo  schon  sein  Bruder  Alaeddin 
ruhte,  zu  Tebris  bestattet.  Unter  den  vielen  Trauerge- 
dichten ,  welche  den  Schmerz  der  Völker  über  den  Sturz 
dieser  erlauchten  Familie  aussprachen,  ist  eines  der  kür- 
zesten und  bcssten  das  folgende,  bei  Wassaf  erhaltene: 

0  Dscherendab,  wo  zu  Tebris  sein  Grab, 
Der  erste  Regen  ström'  auf  dich  herab ! 
Die  herrlichsten  Gesichter  deckt  dein  Staub, 
Der  grössten  Männer  Wangen  sind  dein  Raub. 
Hier  hat  die  Sonne 2)  höchsten  Punkt ^)  erreicht, 
Hier  ruht  die  Pleias,  die  Vollmonden  gleicht. 
Es  weisen  über  sie  die  sieben  Sterne , 
In  ihrem  Licht  und  ihrer  finsteru  Ferne 
Die  sieben  Himmel  und  die  Erden,  sieben, 
Der  Meere  und  der  Wochentage  Sieben. 
Feredschullah ,  Jahja,  Mesitd ,  Harun 
(Nothdürftig  beizustehn,  war  ihr  Thun) 
Den  Vater  Mohammed  so  hoch  geehrt, 
Es  frass  dieselben  all'  das  scharfe  Schwert. 


')  Güside,    =)  Schems,  anspielend  auf  den  Namen  Schemseddin. 
')  Ala,  Höhe,  anspielend  auf  den  Namen  des  Bruders  Alaeddin. 


3(58  F  ü  u  f  t  e  s     »  u  c  li. 

Mich  hat  der  Schmerz  des  Atabegs  verzehrt 

Wie  Flamme,  welche  in  die  Höhe  fährt; 

Und  ob  Ataul  Melik  gekräoket  theils, 

Er,  der  Ssahib ,  der  Herr  der  Stadt  des  Heils, 

Es  saget  über  dieser  Gräber  Stätte, 

Wer  elirt  den  Herrn ,  die  frömmsten  der  Gebete. 

„,  ,^,   „  Als  Arffhun  nach  Schcmseddin's  Hinrichtun£r  nach  dem  im 

Statthalter-  °  ^ 

achaft  ijon    Gebiete  von  Arran  gelegenen  Palast  Manssurlje  gekommen, 

Pars.       kehrten  die  an  den  Grosskaan,  Oheim  Kubiiai,  geschickten 

««  «   ,    ,  ,  Gesandten,   Emir  Pulad  Dschingsang  und  zwei  andere,   zu- 

683         rück.    Zwischen  Serah  und  Erdebii  und  Ssain  wurde  Kurultai 

23.  Sept.     gehalten ,    und    neun    Tage    darauf  kehrte    er    nach  Tebris 
1284 
20  R  d    1  A  zurück;  dann  wurde  das  Winterquartier  in  Arran  bezogen; 

2  October   ""'^  ^*'^''  ^^t^^  ^^^^  ^^^'  feierlichsten  Gerichtssitzungen  statt, 
'  indem    die  Wittwe  Mengu  Timur's,    die   Prinzessin  Abisch, 

die  Atabegin  von  Fars,  wegen  Veruntreuung  der  ihr  anver- 
trauten Statthalterschaft  vor  Gericht  gestellt  ward.  Um  die 
Wichtigkeit  des  Rechtshandels  in  seinem^  ganzen  Umfange 
zu  ermessen,  müssen  wir  -den  Faden  der  Geschichte  der 
Statthalterschaft  von  Fars  dort,  wo  wir  denselben  oben  ab- 
gebrochen, wieder  aufnehmen.  Dort  ist  zuletzt  der  unru- 
higen Statthalterschaft  Bulugkans  (des  Nachfolgers  Tagha- 
dschar's,  des  Statthalters  von  Fars)  erwähnt  worden.  Um 
die  Ruhe  wieder  herzustellen ,  war  Taschme?iku  zu  seinem 
Nachfolger  ernannt  und  ihm  di^  Hilfe  des  Atabegen  von 
Lur  zugewiesen  worden.  Als  seinen  Vorläufer  sandte  er 
den  Stellvertreter  des  Diwans  der  Kronguter,  Ilosammeddin, 
den  Sohn  Mohammed  Ali's  von  Lur,  voraus  nach  Issfahan. 
Bulughan  liess  ihn  mit  Gewalt  aufheben  und  hieb  ihn,  als- 
'  bald  er  vor  ihm  erschienen ,  zusammen.  Taschmenka  sprach 
sogleich  die  Hilfe  Jusufschah's,  des  Atabegen  von  Luristan, 
an,  und  als  Bulughan  sah,  dass  sein  Platz  als  Statthalter 
wider  den  neu  ernannten  weiter  nicht  haltbar,  nahm  er, 
was  im  Scliatze  ,  und  entfloli  mit  seinen  beiden  Geschäfts- 
führern Kawameddin  und  Sei'feddin  nach  Chorasan.  Tasch- 
menku  beschäftigte  sich  mit  den  Uegierungsgescijäften,  ward 
aber  seiner  Stelle  entsetzt,    weil    er    an    der  Spitze  der  im 


b'  li  »  f  t   e  >i     H  II  c  li.  3(59 

Namen  des  llcliaiis  Ahmed  erlassenen  Befehle  statt  der  her- 
gebrachten  Formel  blos  Ahmedaga  schrieb,  was  wider  allen 
mongolischen  Kanzleistyl ').  Nachdem  er  ein  Jahr  lang  Fars 
verwaltet ,  wurde  die  Statthalterschaft  der  Frau  Ahisch,  der 
gebornen  Atabegin,  Fürstin  des  Landes,  Wittwe  Mengu 
Tiranr's,  des  bald  nach  seinem  Bruder  Abaka  verstorbenen 
eilften  Sohnes  Hulagu's ,  übertragen.  Sie  war,  wie  oben 
unter  der  Regierung  Ilulagu's  erwähnt  worden,  ihrem  Ge- 
mahle  in's  Lager  der  Mongolen  gefolgt  und  hatte  immer 
seitdem  am  Hofe  verweilt,  jetzt  aber  ward  ihr  die  Erlaubniss 
der  Rückkehr  in's  Vaterland  und  die  Vollmacht,  dasselbe 
im  Namen  des  Ilchans  als  Statthalter  zu  verwalten,  zu  Theil; 
sie  dankte  diese  Gunst  hauptsächlich  der  Verwendung  der 
grossen  Frau  Oldschai,  der  Mutter  Mengu  Timur's,  welche 
nebst  der  grossen  Frau  Tokuschan  und  der  Mutter  xAbaka's 
vor  dreissig  Jahren  ihren  ersten  Gemahl,  Hulagu,  auf  dem 
Feldzuge  nach  Persien  begleitet  hatte  und  als  Wittwe  des- 
selben und  dann  seines  Sohnes  Abaka  des  grössten  Ansehens 
genoss.  Ganz  Fars  jubelte  über  die  Rückkehr  der  Prin- 
zessin A bisch ,  des  letzten  Zweiges  des  hochverehrten  er- 
lauchten Herrscherstammes  der  Salghuren,  und  der  Korans- 
vers: Ein  gutes  Land,  ein  gnädiger  Herr ,  Mar  auf  allen 
Zungen.  Zu  ihrem  Stellvertreter  im  Diwan  ernannte  sie 
ihren  Verwandten  Dschelaleddiji  Arhan'^^  und  die  Wesir- 
schaft sammt  der  Inhaberschaft  des  Diwans  übertrug  sie  dem 
ChoöschaNisameddinEbubekrj  dessen  schon  Eingangs  dieses 
Buchs  im  Gegensatze  mit  dem  Oberrichter,  dem  Seid  Imad- 
eddin,  Erwähnung  geschehen.  Die  Feindschaft  Nisameddin's 
und  Imadeddin's  war  die  Quelle,  aus  welcher  der  Strom 
finanziellen  Unheils  sich  über  Fars  ergoss. 

Nisameddin  ,  ein  fündiger  Finanzmann,  machte  der  Ata-  „. 

Die  Prin%es~ 
begin  den  Vorschlag,  sich  durch  ein  Diplom  des  Ilchans  die   ^-^^  Abisch 

Begewaltigung  zur  Wiedereinlösung  der  in  fremden  Händen    jind  dann 

befindlichen  Familiengüter  zu  verschaffen.     Ahmed  Teguder  ^^iff'  imad- 

gab  in  einem  Augenblicke  der  üebereilung   das  Diplom  im  ^    '"^     '' 

Fars. 


')  Wassaf.    ^)  Der  Sohn  Melikchan  B.  Mohamined  B,  Sengi's, 
Hammer,  Geschichte  der  llchane.    I.  24 


3?0  F   ii   II   f  l  c  3      H   n   f   li. 

veriangteu  Siiuic  Nisameddin  machte  aber  den  grössitfii 
iMiBsbrauch,  indem  er  Kroiigüter  und  Privatgüter  als  Fami- 
liengüter der  Aiabegin  ansali  und  einzog  und  die  Bewohner 
von  Schira^s,  Vornehme  und  Gemeine,  wie  gekaufte  Sklaven 
beliandvlte.  Der  Beginn  der  Stattlialterschaft  der  Abisch 
und  die  Finanzverwaltung  ihres  Wesirs  Nisaraeddin  fiel  in  das 
Ende  der  Regierung  Teguder's.  Nach  der  Thronbesteigung 
Arghun's  begab  sich  der  Seid  Imadeddin ,  der  Schützling 
Buka's,  an  den  Hof,  um  die  dem  Staatsschatze,  wie  dem 
Privatvermögen  so  heillose  Verwaltung  von  Fars  in  ihrem 
gehörigen  Lichte  darzustellen.  Durch  Buka's  Einfluss  erging 
ein  ilchauisches  Diplom ,  wodurch  dem  Seid  Imadeddin  die 
Statthalterschaft  von  Schiras  zu  Land  und  See,  d.  i.  mit 
Einbegriff  der  Inseln  im  persischen  Meerbusen,  ohne  Theil- 
nehmer  und  Mitgenossen  übertragen  ward.  Nach  den  Worten 
desselben  war  „die  Schliessung  und  Oeffnung  der  Erfolge, 
die  Bindung  und  Lösung  der  Geschäftsschreiben,  die  An- 
stellung und  Absetzung  der  Emire  dem  Gutachten  des  Seid 
anheimgestellt".  Er  wurde  mit  den  beiden  mongolischen 
insignien  übertragener  Herrschaft,  dem  goldenen  Löwen- 
kopfe und  dem  goldenen  Katzenkopfe,  bekleidet').  Wenn 
sich  diese  Investitur  mittels  LÖwen-  und  Katzenkopfes  in 
Sanchoniaton  oder  einer  anderen  altägypti^chen  Geschichte 
fände ,  so  möchten  dieselben  wohl  im  mystischen  Sinn  als 
die  Köpfe  von  Isis  und  Bubastis  erklärt  werden;  bei  den 
Mongolen  aber  sind  sie  blos  das  rohe  Symbol  einschüch- 
ternden Herrschergrimms  und  einschläfernder  arglistiger 
Schmeichelei,  welche  dem  Mongolen  für  die  beiden  höchsten 
Herrschertugenden  gelten.  Die  mongolische  Gerechtigkeits- 
hand ist  die  Tatze  des  Löwen  und  die  Kralle  der  Katze. 
Die  beiden  Geschäftsleute  des  vorigen  Statthalters  Bulughan^ 
die  beiden  Chodscha,  d.  i.  Herren  der  Finanz,  der  Käm- 
merer Kawameddin  von  Bochara  und  Seifeddin  Josuf,  waren 
indess  von  Chorasan  wieder  nach  Fars  zurückgekommen  ond 
von   der   Atabegin   mit  der  Verwaltung  der  Finanz  betraut 


K  li   ri   f  t   «  s     n   II   c  li.  371 

worden.  Sie  erbitterten  die  Atabegin  in  voraus  wider  den- 
ihr  zum  Nachfolger  in  der  Stattlialterschaft  bestimmten  Seid, 
und  als  dieser  von  der  Gränze  aus,  wo  die  Rechnnngsab- 
forderung  ihren  Anfang  nahm  ,  gleich  einen  der  'Wö^if^  der 
Atabegin  an  einen  Baum  hatte  aufhenken  lassen  und  der 
Atabegin  den  Befehl  zugefertigt  hatte,  vor  der  Majestät  des 
Chans  zu  erscheinen,  stieg  ihr  Zorn  immer  höher  und  höher. 
Sobald  der  Seid  zu  Schiras  angekommen,  errichtete  er  einen  „_  _ 
königlichen  TJiron ;  acht  Tage  hernach  hatte  das  feierliche  (iS3 
Festgebet  des  Bairams  statt,  wobei  die  Prinzessin  nicht  wie  2.  her.  lS84i 
gewöhnlich  erschien.  Sie  hatte  erwartet,  dass  der  Seid 
wenigstens  die  Formen  beobachten  und  ihr  schuldiger  Weise 
aufwarten  werde ;  als  aber  diess  nicht  geschah ,  war  sie  so 
zornig,  dass  sie  vor  Wuth  weinte  und  sich  in  die  Lippen 
biss  '  J.  Bald  darauf  kam  die  Nachricht,  dass  Fars  von  einem 
Einfalle  der  nignderischen  Banden  bedroht  sei.  Der  Seid 
sandte  der  Prinzessin  Wort,  dass  die  Annäherung  der  Feinde 
zu  ihrer  Sicherheit  erfordere,  dass  sie  sich  nach  dem  Schlosse 
Istachr  (^Persepolis^  begebe.  Sie  weigerte  sich  dessen ,  weil 
sie  fürchtete ,  dass  der  Seid  sie  dort  einsperren  wolle.  Wäh- 
rend dieser  Verhandlung  kehrte  der  Seid  eines  Abends  hait 
grossem  Gefolge  nach  Hause.  Auf  der  Gasse  kamen  ihm 
Mamluken  der  Atabegin  mit  dem  Befehle ,  vor  ihr  zu  er- 
scheinen, entgegen;  die  gebieterischen  Worte  der  Mam- 
luken entgegnete  der  Seid  mit  rauhen  ;  der  erste  der  Mam- 
luken warf  sich  auf  ihn  und  sie  stürzten  beide  von  ihren 
Pferden.  Da  führte  Seradscheddin  Fasli  von  Lur,  welcher 
noch  vor  wenigen  Tagen  vom  Seid  mit  Gnaden  überhäuft 
worden  war  und  auf  dessen  Treue,  weil  er  der  Anführer 
seiner   Truppen,   er  vorzüglich   gezählt  hatte,    den  ersten 

Streich,  und  der  Seid  erlag  alsbald  den  vervielfältigten  Strei-  ^^-  Scheui- 

wal 


3l.Dec.l2S4 


')  Das  Feuer  ihres  Zorns  eiitflaminte  sich  in  so  hohem  Grade, 
dass  dasselbe  die  gestoclite  Feuchtigkeit  ihrer  Thriiueulinse  auf- 
löste und  bei  dem  Auge  ausfliessen  liess;  Peilen  regneten  aus  dem 
Narciss  und  tränkten  die  Rose,  Hagel  (der  Zähne)  biss  iu  die  Ju- 
beben (des  Munds).     Wai^saf. 

24  * 


372  ^'  "  n  f  t  e  s     B   u  c  li. 

chcii  der  Mamluken.     Der   Kopf  wurde  abgeschnitten,   der 

Rumpf  hingeworfen,  sein  Haus  der  Plünderung  preisgegeben. 

Abisch  iiess  in  den  Strassen  von  Schiras  ausrufen,  dass, 

^*  "*"  *^*'  weil   der  Seid   in  dem  Lande  schädliche  Finanzneuerungen 
Inng  der  . 

Ataheain     «nternommen,  derselbe  auf  ihren  Befehl  sei  aus  dem  Ai\  ege 

Abisch,  Kwrf  geräumt  worden;    Jedermann  solle  seinen  Geschäften  nach- 

ihr  Tod.     gehen   und    die   Stadt  ruhig  bleiben.     Der  Sturz  des  Seid's 

brachte,    wie    jeder    Umschwung   von    Glücksverhältnissen, 

seltsame   Beispiele   von   Undank   und  treuer  Anhänglichkeit 

in  Vorschein.     Ein  Gelehrter,  welchen  der  Seid  mit  Gnaden 

überhäuft  hatte,   brandmarkte   sich   als  eiuen  Undankbaren, 

Niederträchtigen    durch   die   Verse,   die   er   au   den  Fuss- 

schämel  der  Atabegin  schrieb  : 

Herrscher!  deine  Wange  glüh'  aus  Freude  wie  Rubin, 
Und  es  sei  dein  Thron  der  allerhöchste  immerhin ;  , 

Jeder  Kopf,  der  deinen  Wünschen  würde  nicht  zusagen, 
Sei,  wie  der  Imadeddin's,  vom  Rumpfe  abgeschlagen. 

Das  Gegenstück  hierzu  ist  die  schöne  Dankbarkeit  des  Ge- 
schichtschreibers Wassaf,  welcher  seiner  Erzählung  ein. 
Trauergedicht  von  siebzehn  Distichen  einverleibt  hat,  dessen 
Beginn : 

Eine  Sonne  ging  im  Staube  unter, 
Die  im  Ost  d^s  Glückes  aufging  munter. 
Um  zu  stürzen  diesen  Bau ,  o  Loos ! 
Lässt  die  Zügel  schiessen  du  dem  Ross. 

Nach  dem  Tode  des j^ej<f /worferff//«  wurde  sein  Vetter,  der 
Seid  Dschemaleddin  Mohammed,  welcher,  mit  Gnaden  der 
Atabegin  überhäuft,  sich  für  ganz  sicher  gehalten,  an  ihre 
Pforte  vorgeladen.  Sie  berieth  sich  mit  einem  ihrer  Räthe 
über  den  zu  fassenden  Entschluss.  Er  rieth  ihr  zur  Hin- 
richtung, zu  welcher  so  besserer  Grund  vorhanden,  weil  er 
weit  reicher,  als  Imadeddin  ,  welcher  blos  als  ein  Opfer  der 
Bewilderung  zwischen  ihr  und  ihm  gefallen  sei.  Die  3Iam- 
Juken  tödteten  ihn  in  der  Nacht  und  streuten  am  Morgen 
das  Gerücht  aus,  dass  er  aus  dem  Kerker  entflohen  sei. 
Die  bald  hierauf  erfolgte  grosse  Landplage  der  Heuschrecken 
wurde  als  eine  Strafe  des  Himmels  für  den  Mord  der  beiden 


Fünftes     Buch.  373 

Seide  angesehen.  Mehr  als  hunderttausend  Bewohner  von 
Schiras  sollen  an  der  als  Folge  der  Heusehreckenverheeruiig 
entstandenen  Hungersnoth  zu  Grunde  gegangen  sein.  Der 
unmündige  Sohn  des  Seid  war  mit  einigen  treuen  Dienern 
in  das  Lager  des  Chans  geflüchtet,  wo  er  Buka's,  seines 
Vaters  Schutzherrn,  Hilfe  anrief.  Buka  trug  die  Verge- 
hungen der  Atabegin  dem  Ilchan  vor,  welcher  sie  und  alle 
Gegner  des  Seid  vor  Gericht  zu  laden  befahl,  und  zugleich 
zurück  Botschaft  an  die  Frau  Oldschai  sandte,  durch  deren 
Einfluss  die  Atabegin  die  Statthalterschaft  erhalten  hatte; 
diese  überhäufte  deii  Gesandten,  der  sie  in's  Hoflager  führen 
sollte,  mit  Geschenken,  folgte  aber  nicht.  Drei  Richtern  '} 
ward  die  Untersuchung  über  das  unschuldig  vergossene  Blut 
der  beiden  Seide  und  die  unrechtmässige  Besitznahme  von 
Gütern  aufgetragen.  Die  Herren  der  Finanzkammer  wurden 
in  Ketten  und  Blöcken  vorgeführt;  als  die  Prinzessin  nicht 
erschien,  wurde  Kotan  Atadschi  abgeordnet,  um  sie  mit 
Gewalt  in's  Hoflager  zu  bringen.  Als  die  Prinzessin  Nachts 
in's  Lager  kam ,  führte  sie  der  Haushofmeister  Buka's  in 
eines  der  Zelte  seines  Herrn.  Dieser  Hess  ihm  aber  am 
folgenden  Tage  sieben  Prügel  geben,  weil  er  sich  unter- 
standen ,  eine  Prinzessin  königlichen  Geblüts  in  das  Zelt 
eines  Emirs  Karadschu,  d.  i  Unterthanen,  wie  er,  zu  führen; 
trotz  dieser  dem  Range  der  Prinzessin  schuldigen  wahren 
oder  geheuchelten  Ehrfurcht  erhielt  sie  den  Befehl ,  am 
folgenden  Morgen  vor  Gericht  zu  erscheinen.  Ihre  Be- 
schützerin, die  Frau  Oldschai,  sprach  entschuldigend  für, 
indem  sie  Alles  auf  Dschelaleddin  Arkan,  den  Verwandten 
der  Atabegin,  schob;  die  drei  Herren  der  Finanzkammer, 
Kawameddin,  Seifeddin  und  Schemseddin,  erhielten  jeder 
nach  der  Jasa  zwei  und  siebzig  Prügel  auf  die  Sohlen;  die 
Mamluken  des  Seid  Imadeddin  waren  den  Gerichtsdieneru 
beigegeben,  damit  deren  Strafe  schonungslos  vollzogen  werde. 
Dschelaleddin,  zu  Rede  gestellt,  wusch  sich  auf  Kosten  der 
Prinzessin   rein.     Sie    und    ihre    Angehörigen    wurden   zur 


*)  Tuladal  Jarghiidschi ,  Dschijurglnttai ,  Hvsameddhi. 


3^4  F  u  u  t°  i  e  s     B  u  c  li. 

Zulilung  von  fünfzig  Tornaiien  Goldes  (füufzigtausend  Du- 
katen]) und  zwanzig  Tomaneu  an  die  Waisen  der  ermordeten 
Seide  verurtheilt.  Sie  überlebte  die  Schmach  dieses  Urtheils 
^^•^  kaum  zwei  Jahre  und  starb ,  nachdem  sie  deren  zwei  und 
zwanzig  als  der  letzte  Zweig  der  Salghuren  über  Fars  ge- 
herrscht. Drei  Tage  lang  wurde  für  sie  zu  Schiras  in  den 
Moscheen  durch  öffentliche  Gebete,  Lesungen  des  Korans 
und  Almosen  die  Gebühren  der  Trauer,  dann  ihr  letzter 
Wille  vollzogen.  Nach  diesem  wurden  ihre  Familiengüter 
in  vier  Theile  getheilt;  zwei  fielen  den  Töchtern  Prinzes- 
8iunen  Gurdudscha?i  und  Alghardschi,  der  dritte  ihren  Mam- 
luken  und  Freigelassenen,  der  vierte  dem  Prinzen  Taidschu^ 
dem  Sohne  Mengu  Timur's,  und  diesem  noch  ausserdem 
zelmtausend  Dukaten  zu.  Die  Dynastie  der  Salghuren  war 
in  ihr  erloschen  und  mit  ihr  der  letzte  Schatten  einheimi- 
scher Herrscher  Herrschaft  in  F'ars  verschwunden. 
Beivetjun-  Ordu  Kia,  welchen  Arghun  mit  der  Nachricht  der  Throu- 

//t-H ;  Tor/i^t-r  begteigung    an    den   Oheim  Kaan  gesendet  hatte,   kam  jetzt 
ittffhan  und  Mit  ^er  Bestätigung  derselben  und  mit  dem  Dsckingsatigtitel 

Kotiocjh;    fji|.   Buka  zurück,    und    die    Thronbesteigung    wurde   zum 

Hochzeit  °     " 

Tiidui's.     zweitenmaie  gefeiert.    Zehn  Tage  darnach  wurden  sechzehn- 

S7.  SHhi-    tausend   vom    Emir   Masuk   Kuschdschi,    d.   i.   dem  Vogel- 

.^tosß  '^"g^**?    **""   ^0'-^    Dschelairen  Nnnnaga   befehligte   Reiter 

10.  Ssafer   ^i^er  die  Kurden  Hakari  gesandt,   und   der  Anfruhr  der- 

^'-^        selben  gedämpft.      Die   Frau    Bulghan   starb   am  Ufer  des 

^•^^^''/^^^^  Kor  (^Cyrus}  und  ihr  Sarg  wurde  nach  dem  Berge  Sedschas 

^'    " — —  übergeführt.   Im  Frühlinge  kam  Arghun  nachTebris  und  ward 

12.  Rebinl-  ^^^  Buka  festlich  bewirthet.     Ende  Mai's  brach   er  von  da 

achir  6S.5    über  Meragha  nach  Sughurluk  auf.     Hier  wartete  ihm  wäh- 


«7.-1/«/ i^ö<?  j.g^  j  des  Sommerlagers  der  Emir  Aruk,  der  Bruder  Buka'*«, 
mit  den  mongolischen  Sekretären  (^Bitekdschi^  von  Bagdad 
auf;  in  seinem  Geleite  befand  sich  Harun,  der  Sohn  Schems- 

'    '  eddiii  Dschuweini's.     Aruk,   auf  die  Macht  seines  Bruders 

Buka  gestützt,  hatte  den  Mestufi  Seadeddin,  Bruder  Fachr- 
eddiu's,  und  den  Medschdeddin,  Sohn  Esir's,  ohne  vom  Chan 
hierzu  begewaltigt  zu  sein,  hinrichten  lassen.  Medschdeddin 
gehörte   einem    der   Krongüter  Kendschatu's   (des  Bruders 


K  ii  n  f  t  e  s     ß  u  c  li.  375 

Arglum's)  an,  der  desshalb  wider  Aruk  erbittert,  \^elchem 

auch  Jesu  Giirgan  (der  Gemahl  der  Prinzessin  Tudukasch, 

der  vierten  Tochter  Hulagu's)  abgeneigt.     Buka  hielt  seinen 

Bruder   wider   Kendschatu    und   Jesu   Gurgan ;    dem   ersten 

wurde  hinterbracht :  Aruk  habe  den  Sohn  Esir's  auf  Harun's 

Anstiften  hinrichten  lassen ,  wesshalb  dieser  dem  Vater  und 

den  Brüdern    in's    Grab   nachgesandt   ward;    und   da   Jesu 

Gurgan  bald  hernach  starb ,    zog   das  üngewitter ,   welches 

wider  Buka's  Macht  brauste,  diessmal  unschädlich  vorüber.       ^  , 

6*.  Schaaban 
Arghun    Chan    kam    nach   Tebris.     Zwei    Monate    hernach        ßs5 

kämmte  er  sich  eines  Tages  zu  Ärran,  als  ihm  ungewöhnlich  S7Sept:lS86 

viele   Haare   durch   den  Kamm  ausgingen.     Diess  galt  nach  ^**  ^^""^~ 

°     °  °  ^  sali  6SS 

mongolischen  BegrifTen  für  ein  Zeichen  von  gegebenem  Gifte,  i'^j^^^,  ^ggß 
und   Wedschih,  der  Sohn  Iseddin's,  wurde  der  Beibringung  20.  Silkide 

von  Gift   verdächtig   hingerichtet.     Vierzehn  Tage  hernach £f£ 

hatte  die  Krönung  der  Frau  Tudai  Chatun,  der  Konghuratin,  .'  „•„  .7    1 
statt,  welche,  aus  dem  Hareme  des  Vaters  in  das  des  Sohnes        ^85 
übergegangen,   nach  dem  Tode  der  Frau  Mertai  (der  Ge-  ^^-Jan.i^S? 
mahlin  Hulagu's,  Abaka's,  Arghun's^  mit  dem  Kopfschmucke         fgß^^*' 
der  königlichen  Gemahlinnen  (Baghtak)  geschmücket  ward.')  ö.An7'ill9S7 
Zwei  Monate  hernach  im  Frühling   begab  er  sich  nach  Ptl     24.  Beb. 
Smvar ,   nach  Tebris   und   von   da  in's  Sommerquartier  von 


i8.Junil3S7 
Alatagh,    und   im   Herbste   ins   Winterquartier  von   Arran.  ^  Rmiusan 

Im  nächsten  Frühjahr  brachten  Gesandte  aus  Ghorasan  die  ü.  oct.  1287 

Nachricht,  dass  Kinschu  (der  Sohn  Dschnmkur's,  des  zweiten  16.  Mohar- 

Sohnes   Hulagu's^   und   der   Emir   Newrus   (der  Sohn    des — 

®      ^  ^  ^0.  Februar 

Uiraten  Arghun,   des  Statthalters  Chorasans  unter  Hulagu}        1288 

an  der  Spitze  von  dreissigtausend  Reitern  des  Heeres  Kaidu's 

(des  Enkels  Ogotai's)    im  Anmärsche  gegen  Persien ,   dass 

das  Land  um  Balch,    Merw    und  Schaburkan  verheert,   bis 

Chawaf  und   Sindschar    vorgedrungen   seien.     Drei  Wochen  f.ssafer  (i87 

hierauf  starb  die  Frau  Kotlogh,  die  Tochter  Tengir  Gurgan's,    H.  niarz 

1288 
des  Uiraten,   die   Mutter  Chatai  AghuTs,    des  jüngsten  der 

Söhne  Arghun's.     Einen  Monat  hernach  brachten  Buka's  Ge«    7.  Reb'mi- 

sandte   eine   von    den    Bekennern    der   Lehre  Schakamuni's  f"."'- — S. 

12.  Ajn-if 

' 128S 

')  Rcschidcdilin  auch  unter  den  Fntueu  Abaka's. 


376  Fünftes     B  u  c  li. 

liocli  verehrte  Reliquie,  welche  sie  Scharil  nennen,  nämlich 
ein  verknöchertes  Menschenherz.  Nach  ihrer  Ueberlieferung 
war  Schalcamuni's  Herz  nicht  Fleisch,  sondern  Bein,  welches 
im  Feuer  nicht  verbrannte,  und  nach  ihrer  Meinung  sind 
verknöcherte  Herzen  die  grosser  Männer.  Arghun,  welcher 
nicht  Moslim,  wie  sein  Oheim  Teguder  gewesen,  sondern 
Götzendiener,  ging  dieser  Reliquie  mit  den  grössten  Ehren- 
bezeugungen entgegen;  es  wurde  Gold  darüber  gestreut, 
30.  Rebnil-  und  es  wurden   Feste   veranstaltet.     Drei  Wochen  hernach, 

>^^^t^.  A^TTr.  "^^  s^c^   Arghun    zu   Pil  Suwar  befand,   traf  die  Nachricht 
5.  Mai  iS8S    .,-,,., 

ein,  dass  Nokai,  der  Feldherr  des  Herrschers  vonKipdschak, 

mit  fünftausend  Reitern  aus  Derbend  ausgebrochen ,  alle 
Kaufleute  der  Gegend  geplündert  habe;  und  Arghun  brach 
schon  am  nächsten  Morgen  an  der  Spitze  des  Heeres  gegen 
Derbend  auf,  ging  über  den  Kor  und  blieb  zu  Schamachi 
stehen.  Buka  und  Kundschukbal,  mit  einigen  Prinzen  als 
Vortrab  vorausgesandt,  kamen  nach  einigen  Tagen  mit  der 
guten  Nachricht  zurück,  dass  die  Feinde  abgezogen'"). 
Buka's  Macht  und  Ansehen  hatte  den  höchsten  Grad 
Buka,  erreicht;  er  hatte  mit  dem  Titel  eines  Dschingsang  noch 
der  strenge  (,}„  Ripiom  ausserordentlicher  Privilegien  vom  Kaan  erhalten; 
vermöge  derselben  konnte  er  erst,  wenn  er  neun  Staats- 
verbrechen begangen,  zur  Rechenschaft  gezogen  und  auch 
dann  vor  kein  anderes  Gericht ,  als  das  des  Chans  selbst, 
gestellt  werden;  kein  Befehl  des  Chans  konnte  in  Vollzug 
gesetzt  werden,  wenn  demselben  nicht  das  Siegel  Buka's 
beigesetzt,  während  seine  Befehle  zur  Vollstreckung  des 
Siegels  des  Chans  nicht  bedurften.  So  ausserordentlich 
waren  die  vom  Grosskaan  dem  Buka  verliehenen  Privilegien, 
dass  die  Meinung  desselben  von  der  Selbstständigkeit  Arghun's 
null  zu  sein  und  dass  der  Botschafter,  welcher  mit  dem 
Diplome  der  Bestätigung  Arghun's  auf  dem  Throne  zugleich 
das  mit  diesen  ausserordentlichen  Privilegien  Buka's  brachte, 
eigentlich  jenen  nur  der  Form  nach,  diesen  aber  in  der 
That  zum   Herrn  eingesetzt  zu   haben  schien.     So  ausser- 


')  Sthedschretol  Etruk  S.  263. 


Fünftes     Buch.  877 

ordentliche  Macht  musste  um  so  mehr  den  Neid  der  anderen 
Emire  und  der  Günstlinge  Arghun's '}  erwecken,  als  Büke, 
hochmüthig  und  heftig,  durch  seine  Strenge  eich  Feinde 
machte.  „Er  war",  sagt  Wassaf ,  „ein  fürchterlicher  Türke, 
dessen  Gedanke  weit  hinaus  zielte  und  dessen  Rathschlag 
den  Wunsch  bald  erfüllte.  Er  setzte  für  die  Schlichtung 
verworrener  Geschäfte,  für  die  Durchführung  der  Befehle 
und  die  Beförderung  der  Reichsangelegenheiten  Regeln  fest, 
deren  Erwähnung  auf  dem  schwarzen  und  weissen  Buche 
der  Zeit  bis  an's  Ende  der  Aeonen  dauern  wird.  Durch 
die  Wirkung  seiner  Gerechtigkeit  und  Strenge  warf  der 
Falke  auf  das  Repphuhn  verliebte  Blicke ;  er  glich  die  Ge- 
gensätze der  Welt  aus  und  des  Schicksals  Tücke."  Seine 
Gerechtigkeit  war  so  streng,  dass  er  einen  Knecht  seines 
Marstalls,  welcher  einen  Apfel  von  einem  Fruchtverkäufer 
genommen ,  hinrichten  Hess.  Solche  Strenge  war  das  grösste 
Verdienst  eines  Staatsmanns  nach  der  Satzung  Tschengis- 
chan's  und  erwarb  diesem  nach  allem  Anscheine  das  Ver- 
trauen, womit  der  Grosskaan  dessen  eisernem  Arme  die 
Verwaltung  Persiens  mit  so  unumschränkter  Machtvollkom- 
menheit übertragen.  Besonders  waren  ihm  Sultan  AidadscM 
und  Tughan,  Arghun's  vertrauter  Gesellschafter  (Inak)  auf- 
sässig, weil  dieser  zweimal  auf  Buka's  Befehl  geprügelt  und 
öffentlich  beschimpft  worden  war.  Sie  vernachlässigten  keine 
Gelegenheit,  den  Buka  beim  Herrn  zu  verschwärzen.  Sein 
Bruder  Aruh,  der  Statthalter  Bagdads,  war  dort  den  Emiren 
nicht  weniger  verhasst.  Er  machte  sich  wenig  aus  den  Ge- 
sandten des  Chans,  und  verschlang  die  Einkünfte  in  seinen 
Beutel,  statt  sie  in  die  Staatscasse  abzuführen;  die  Ge- 
schäftsleute Ordu  Kaja,  der  Intendent  Scherefeddin  und  der 
Jude  Saad ,  welcher  alsbald  als  ein  höchst  bedeutender 
Charakter  auftreten  wird,  brachten  endlich  einmal  fünf- 
hundert Tomane ,  statt  dieselben  dem  Aruk  auszuliefern ,  un- 
mittelbar dem  Chan,  welcher  nun  den  Aruk,  der  nie  einen 


•)  Reschideddin  iieuut  die  sicbeu:    Taghadschar,  Kundschukbul. 
Dvladai,  Aidadschi,  Sultan  Aidadschi,  Tughan^  Dsclitischi,  Ordukop, 


378  ^  "  "  ^  ^  ^  *    ''  "  ^  ''• 

Heller  eingesendet,  seiner  Stattlialterschaft  entsetzte.  Ssadr- 
eddin  Sendschani  j  der  Finanzmann  Taghadschar's ,  von  wel- 
eheui  Buka  ausständige  Gelder  der  Landschaft  Fars  forderte, 
stellte  dem  Taghadschar  vor',  dass  die  Tyrannei  Buka's  nicht 
mehr  zu  dulden,*  indem  der  Chan  nur  ein  Schatten,  alle 
Macht  in  den  Händen  Bnka's  sei ').  Das  üngewitter,  welches 
sich  über  dem  Kopfe  Buka's  zusammenzog,  stieg  aus  den 
Fiuanzquellen  von  Fars  auf.  Die  Vornehmen  von  Schiras 
stritten  sich  unter  dem  Günstling  Tughan;  sie  stellten  vor, 
dass,  wenn  ihnen  die  Befehlshaberschaft  von  Fars  und  die 
Küste  eingeräumt  würden,  sie  fünfhundert  Tomane  abzu- 
führen bereit  seien.  Sie  erhielten  hierauf  verbindende 
schriftliche  Urkunde.  Nufi  wandten  sie  sich  an  Tughan 
um  einen  zur  Eintreibung  der  Summen  Begewaltigten ,  nnd 
er  ernannte  hierzu  den  Seid  Fachreddin  Mobarek.  Buka 
protestirte  wider  diese  Ernennung  und  diese  Maassregel, 
aber  Arghun  erliess  einen  Befehl,  dass  sich  Buka  in  die 
Verwaltung  der  Krongüter,  welche  dem  Fachreddin  über- 
tragen sei,  nicht  zu  mischen  habe;  denn  Fachreddin  hatte 
dem  Arghun  vorgetragen,  dass  viele,  vormals  dem  Seid 
Scherefeddin  gehörige  Güter  von  den  Salghuren  eingezogen, 
jetzt  als  das  Eigenthum  des  Kaans  zurückzufordern  seien. 
Arghun  übertrug  die  Verwaltung  der  Familiengüter  dem 
Emir  Taghadschar  und  die  des  Heeres  dem  Emir  Kun- 
dschukbal,  so  dass  auf  einmal  Buka  all  seiner  Macht  und 
seines  Einflusses  beraubt. 

Arghun  stellte  sich  nun  krank,  um  nicht  öffentliche 
Buka's  I  er-  Demüthigungen  verschlucken  zu  müssen ;  sein  Diwan ,  seine 
nl  St  )'z  ^^"^"zkammer  wurden  vor  den  Chan  gefordert,  alle  seine 
Angehörigen  ihrer  Stellen  entsetzt,  vor  Allen  Emir  Ali,  der 
Temghadschi,  d.  i.  Einnehmer  der  Mauthgelder  von  Tebris. 
Buka,  als  er  seinen  ganzen  Einfluss  verschwunden  sah,  ver- 
band   sich   mit   mehreren  Prinzen  und  Emiren  O   zur  Ent- 


•)  Reschideddiii.  ^)  mit  den  Priiizeu:  Huladschu ,  Karanktn, 
KoiKjhschir  j  Tugai  Timttr,  Anberdschin ;  mit  den  Emiren:  Vruk, 
Kurmischi,  Temdui ,  Mad&chu ,  Toylok  Kurawinas  ;  Wassaf.  Im 
Rcschideddiu  noch:   Kurmischi,  der  Solui  Uaidu  Nujan's,  Audsch(W, 


Fünftes     1!  11  c  h.  879 

thrüiiung  Arghun's ,  indem  er  den  Thron  dem  Prinzen 
Dscliuschkab  zudachte.  Er  sandte  an  diesen,  der  an  den 
Ufern  des  Euphrats  lagerte,  Botschaft,  um  sich  über  den 
Undank  Arghun's,  der  ihm  allein  den  Thron  verdankte,  zu  be- 
klagen und  diesen  dem  Dschuschkab  anzutragen.  Dschuschkab 
sah  wohl  ein,  dass  Buka  ihn  nur  zum  Werkzeuge  seiner 
Herrschgier  ausersehen  und  dass  dieser  selbst  nach  dem 
Throne  strebe.  Er  entliess  den  Gesandten  mit  der  Antwort: 
Ich  bin  dem  Buka  für  seine  gute  Absicht  sehr  verbunden, 
traue  aber  mündlichen  Versicherungen  nicht  und  werde 
nicht  an  die  Verbindung  der  mir  genannten  Prinzen  und 
Emire  glauben ,  bis  ich  von  ihnen  unterzeichnet  die  schrift- 
liche Urkunde  des  Vertrags  sehe.  Buka  sandte  ihm  die 
Unterschriften  der  Verschworenen.  Dschuschkab  sandte 
Wort:  das  Heer  möge  in  Waffen  ihn  erwarten;  er  aber  be- 
gab sich  eiligst  nach  Tebris,  um  den  NefTen  Chan  von  der 
seinem  Throne  drohenden  Gefahr  zu  benachrichtigen.  Arghun 
wollte  Anfangs  der  Anklage  keinen  Glauben  beimessen;  als 
er  aber  in  der  unterschriebenen  Urkunde  von  der  Schuld 
Buka's  den  klarsten  Beweis  der  Verrätherei  vor  Augen  hatte, 
befahl  er  sogleich  den  Truppen ,  aufzusitzen  und  den  Buka 
aus  seinem  Lager  am  Kor  ihm  zuzuführen.  Sultan  Aidadschi, 
Doladai  und  Tughan  überfielen  ihn  in  seinem  Lager,  doch 
hatte  er  noch  Zeit  gefunden,  aus  demselben  jenseits  des 
Kor  in  das  der  Frau  Oldschai  zu  gelangen;  sie  nahm  ihn 
aber  nicht  auf,  nur  der  Sohn  Sengi's,  der  Emir  des  Lagers 
der  Frau  Oldschai,  gewährte  ihm  in  seinem  Zelte  Zuflucht. 
Sultan  Aidadschi  und  Tughan  gingen  noch  in  der  Nacht 
über  den  Fluss  und  waren  im  Begriffe,  das  Lager  der  Frau 
Oldschai  zu  stürmen ,  als  ihnen  Seng!  zitternd  den  im  Zelte 
seines  Sohnes  versteckten  Buka  auslieferte.  Vor  das  Gericht 
gestellt,  antwortete  er  dem  Schinktur,  welcher  ihn  als  die 
Ursache  aller  Unruhen  anklagte  und  ihm  vorwarf,  dass  er 
immer  anderen  Padischah  einzusetzen  trachte:  er  habe  Nichts 


ieiB  Waffeuträger,  Kadan ,  dem  Gesaudteu,  Senyi ,  dem  .Sohn  Unbn 
Xitjtin's,  Emir  des  Liigers  der  Frau  Oldschai.  Ghasan  Bthadir, 
livltik  Toffhfi ,  Asehak   Toylili. 


380  y  II  II  f  r  (•  s    B  u  c  h. 

wider  den  Padischah,  sondern  nur  wider  seine  Feinde  Sultan 
Aidadschi  und  Tughan.  Einer  seiner  eigenen  Soldaten  sagte 
ihm  in's  Gesicht:  ,,An  dem  und  dem  Tage  hast  du  mich 
gesandt,  um  das  Lager  und  ein  Heer  aufzubringen  und  damit 
vorzudringen."  Buka  sprach:  „Du  irrest  dich;  ich  habe 
gesagt:  um  was  schwer  vorzubringen."  Als  aber Dschuschkab 
die  unterschriebene  Urkunde  der  Verschwörung  vorwies, 
deren  Ausbruch  für  die  Festnacht  des  neuen  Jahres  der 
Mongolen  festgesetzt  war  *} ,  konnte  er  nicht  mehr  länger 
läugnen.  Arghun  gab  das  Zeichen  zu  dessen  Hinrichtung, 
und  Prinz  Dschuschkab  erbat  sich  die  Gunst,  dieselbe  selbst 
rpllstrecken  zu  dürfen.  ^Is  er  auf  dem  Richtplatze  ange> 
langt,  gab  ihm  Tughan  einen  Stoss  in  die  Brust  mit  den 
Worten:  „Das  ist  der  Lohn  für  deine  Lust  nach  dem  Throne". 
21.  Silhi-  Dschuschkab  trennte  den  Kopf  mit  Einem  Hiebe  vom  Rumpfe 
und  schnitt  ihm  dann  mit  eigner  Hand  Riemen  der  Haut  aus 


dsche  6S7 


dem  Rücken.  Der  Kopf  wurde ,  mit  Stroh  ausgestopft, 
unter  der  Brücke  Dschaghan  aufgehangen.  Am  folgenden 
Tage  Sassen  die  Richter  abermal  zu  Gericht,  und  es  wurden 
die  verschworenen  Emire  hingerichtet '^).  Kadan,  weil  er 
der  Gesandte  des  Kaans,  der  Bitekdschi  Noghai^  weil  er 
wahres  Wort  geredet,  und  ein  anderer,  weil  die  Emire  für 
ihn  gebeten,  wurden  mit  dem  Leben  verschont.  Unter  den 
Hingerichteten  war  auch  der  Astronom  I?nadeddin_,  der 
Christ  Simon  von  Rumfcalaa  Behaeddewlet  Abiil  Kirem; 
Demitrius,  König  von  Georgien,  welcher  in  diese  Verschwö- 
rung verwickelt  war,  wurde  an  den  Ufern  des  Kor  hinge- 
richtet^); dem  Heere  wurde  befohlen,  seinen  Jurt  zu 
plündern;  die  Kinder  wurden  dem  Schwerte  des  Henkers 
überliefert,  die  Frauen  und  Töchter  unter  das  Heer  ver- 
theilt;  es  erging  der  Befehl,  die  Leichname  der  Erschla- 
genen in  Hügeln  aufzuschichten ,  erst  wenn  sie  von  Wölfen 
und  Hunden  zerfleischt  sein  würden,  die  Reste  zu  begraben. 


•)  Kujun  Kumischi.  Wassaf.  ')  Madschu ,  Toyhlok,  A^chak 
Toghfi,  Serwana,  Sochschi,  Titschkina,  Hosatneddin  von  Kaswin, 
Euiir  Ali  Melik  der  Temiihudschi  voii  Tebris.  Wassaf.  ')  Hist. 
des  ürpelieus  in  .S.  Martin,  mein.  II.  p.  ITl. 


Fünftes     Buch.  381 

Drei    Kmire ' )    wurden    nach    Diarbekr  gesandt,    die  Söhne 

und  Brüder    Buka's    zu    holen.     In  sechs  Tagen  rannten  sie 

von  Arran  nach  Irbil,    tödteten  Ghasan,    den  ältesten  Sohn 

Buka's,    der   sich    bei   seinem   Oheime    Aruk   befand,    und 

führten  diesen  nach  Tebris.    Als  er  an  der  Brücke  Dschaghan 

des  Bruders  ausgestopften  Kopf  sah,  fragte  er:    Wo  ist  der 

Kopf  Audschan's,  seines  Waffenträgers?  und  der  geforderte 

„   ,  ,      .      r,  ,  .        ^  ,         O.Moharretn 

fiel,     Emir  Sengi,  welcher  dem  Buka  im  Zelte  seines  Sohnes         (fss 

Zuflucht  gestattet,  wurde  von  der  Frau  Oldschai  ausgeliefert;  3.Febr.iS89 
sie  erklärte,  dass  sie  ihren  ältesten  Sohn ,  Enbardschi,  aus- 
geliefert haben  würde,  wenn  er  sich  solcher  Staatsverbrechen 
schuldig  gemacht  hätte.  Noch  waren  vier  Söhne  Buka's') 
übrig,  die  sich  zu  Tughan  geflüchtet,  welcher  sich  ihrer 
angenommen ;  als  er  sie  aber  nach  einiger  Zeit  dem  Arghun, 
dessen  Grimm  er  versöhnt  glaubte,  vorstellte,  befahl  dieser, 
durch  ihre  Hinrichtung  den  Stamm  auszurotten ,  so  dem  Ende  Ssafer 
geschah.  _  ^^^ 

Der    Prinz    Dschuschkab,    welcher    die    Verschwörung  ^"^^|J/'"' 
Buka's  angezeigt  und  dem  Verräther  mit  eigener  Hand  den  ^^^  Prinzen 
Kopf  abgeschlagen ,    sah    bald    hierauf  seineif  eigenen   ge-    Dschusch- 
fährdet;  auf  die  Nachricht,  dass  er  selbst  mit  herrschsüch-  ^'«6?  Hula- 
tigen  Plänen  umgehe,  hatte  ihm  Arghun  Emire  M  mit  Truppen  '^^^''"^  ^^- 
nachgesendet,    die   ihn  am  Flusse  Karaman  zwischen  ^^^^^  Hinrichtung. 
und  Miafarakain  erreichten;  er  schlug  sich  mit  ihnen,  floh 
und  wurde  nach  drei  Tagen  ergriffnen,  vor  Arghun  gebracht, 
von    demselben    zum    Tode    verurtheilt.     Diese    Hinrichtung  g^^.^i  ßgg 
hatte  die  Empörung  des  ihm  innigst  ergebenen  Neicrus,  des  6*.  Juni  1289 
Sohnes  Arghun's  (des  Statthalters  Hulagu's  in  Persien^  zur 
Folge,  mit  welchem  sich  die  Prinzen  Huladschu  (der  zwölfte 
Sohn  Hulagu's)    und  Karabukai,  der  Sohn  Jaschmut's  (des 
dritten  Sohnes  Hulagu's)  verbanden;  sie  wurden  von  Mukiil, 
dem  Bruder  Ordu  Kaja's,    welcher   im  Dienste  Karabukais 
seinen  Herrn  verrieth,  ergriffnen  und  im  Schlosse  Girdkjuh^ 


'3  Baitmisch  Kuschdschi,  Tamudai  Ahtadschi,  Schadi ,  Sohn 
Buka's.  2)  Abadsclii,  Melik,  Teichan  Timur ,  Kotlogh  Timur. 
')  Jatmisch  KuschdscJii,  Gharbetai  Gurgan ,  Bttrdschu,  der  »Sohn 
Diiriai's ,  Boghdai ,  Arkasun  Nujan. 


382  F  (i  n  f  (  <j  8     H  u  c  li. 

dem  alten  Assassinenschloss,   das  so  lange  den  belagernden 
SO.  Rama-  Waffen  der  Mongolen  getrotzt,  eingesperrt,  und  vier  Monate 
hernach  hingerichtet.    Huladsckuj  der  zwölfte  Sohn  Hulagu's, 


der  dritte,  der  als  ein  Schlachtopfer  der  Herrschaft  fiel 
(^wie  vor  ihm  ITonghuratai  und  Teguder);  Karabukai,  der 
zweite  Neffe,  der  wie  Dschuschkab  des  Todes  Loos  der 
Oheime '  theilte.  Ein  Heer  unter  dem  Befehle  Arghun's 
wurde  nach  Chorasan  gesandt,  um  dort  den  Kronprinzen 
Ghasan  wider  den  Anfrührer  Newrus  zu  verstärken.  Arghun- 
chan  hatte  das  Winterquartier  von  Arran  mit  dem  Sommer- 
lager zu  Kongorolang  vertauscht  und  zum  zweitenmale  den 
Ordu  Kaja  und  den  Juden  Seaad  empfangen,  welche  ihm 
Gelder  von  Bagdad  brachten.  Arghun  war  damit  sehr  zu- 
frieden,  und  als  der  Jude  vortrug,  dass  er  das  Doppelte 
abgeführt  haben  würde,  wenn  nicht  die  mongolischen  Land- 
schreiber ihm  entgegen  gewesen  wären,  wurde  die  Hinrich- 
tung derselben  befohlen ;  ihre  Köpfe  wurden  zu  Bagdad 
aufgesteckt;  auch  Manssur,  der  Sohn  Chodscha  Alaeddin's 
Dschuweini,  wurde  von  Hiile  gebracht  und  hingerichtet; 
gleiches  Schicksal  hatte  Dschelaleddin  Sef/inani,  welcher, 
dem  Tughan  verdächtig,    einige  Zeit  lang  auf  Fürbitte  Be- 

,    rende   Bachschi's    an    dem    Leben    verschont  worden    war. 

l.Dschetn.II.  ,    r      i  x    j         o        j 

6'88        Arghun  hatte    die   oberste   Wesirschaft   dem   Juden   Seaad 

?S.JiimlSS.9  übertragen ,  eine  vor  und  nachdem  in  den  Geschichten  des 
Islams  unerhörte  Begebenheit,  dass  ein  Jude  Herr  des  Guts 
und  Bluts  der  Moslimen.  Seaadeddewletj  d.  i.  die  Glück- 
seligkeit des  Hofes,  der  Sohn  des  Juden  HebetoUah  Ben 
Mohesib  von  Ebher,  war  vor  fünf  Jahren  vom  Vogte  Bagdads 
oder  dessen  Kammer  angestellt  worden  und  hatte  durch 
seine  Geschäftstüchtigkeit  bald  sehr  grossen  Einfiuss  er- 
worben. Der  Befehlshaber  Bagdads,  Kotloghschah ,  ein  vor- 
maliger Diener  Alaeddin's  Dschuweini,  Medschdeddin  Giti 
und  Andere   waren  vor   zwei  Jahren  in's  Sommerlager  von 


'198T 

Sughurluk  gekommen,  um  sich  bei  den  Wesiren  über  Seaad, 

durch  welchen  ihr  Ansehen  so  sehr  in  Schatten  gesetzt 
wurde,  zu  beklagen;  sie  priesen  den  Seaad  als  einen  vor- 
trefflichen  Arzt  an,    der   seiner  me^dicinischen   Kenntnisse 


K  li  u  f  l  c  s     H  11  c  li.  tiSZ 

willen  an  den  Hof  gezogen  zu  werden  verdiene.  Seaad, 
nach  Hof  berufen,  schtoss  sich  an  Ordu  Kaja  an  und  erhielt 
durch  dessen  Einfluss  Diplom  und  Löwenkopf  mit  dem  An- 
trage, die  Rückstände  der  Steuern  Bagdads,  welche  fünf- 
hundert Toraane  betrugen,  einzutreiben.  Mittels  Erpres- 
sungen und  Qualen  brachte  er  eine  ansehnliche  Summe  Geldes 
auf,  die  er  dem  Chan  in's  Sommerlager  von  Kongorolang 
brachte.  Arghun,  hiermit  sehr  zufrieden,  verlieh  die  Emir- 
schaft von  Bagdad  dem  Emir  Ordu  Kaja  und  die  Vogtschaft 
dem  Baidu  Sikurdschi,  d.  i.  Schwertträger;  Scherefeddin 
von  Semnan  wurde  zum  Melik,  d.  i.  Vorsteher  der  Finanzen, 
und  Seaad  zu  dessen  Moscherrif^)^  d.  i.  Ceremonienmeister, 
ernannt.  Diese  vier  gleichzeitigen  Ernennungen  geben  Auf- 
schluss  über  die  Einrichtung  mongolischer  Landesverwaltung, 
deren  Häupter  der  Emir  (^Befehlshaber  der  Truppen),  der 
Sckohne  oder  Baskak ;  d.  i.  Vogt  Statthalter,  der  Meh'k, 
d.  i.  Intendent  der  Finanzen,  und  Moscherrify  Gehülfe  des • 
selben;  dazu  kamen  die  Sekretäre  und  Schreiber,  von  denen 
die  arabischen  Munschi ,  die  mongolischen  Büekdschi,  die 
türkischen  Bachschi  heissen.  Als  Seaad  zur  Wesirschaft 
gelangt,  war  derselbe  nur  noch  durch  den  Einfluss  seines 
vormaligen  Vorstehers  Scherefeddin  Semnani  einigermassen 
in  der  Ausübung  seiner  unumschränkten  Machtvollkommen- 
heit beschränkt;  als  aber  auch  dieser  auf  Arghun's  Befehl, 
weil  ihm  zu  Ohren  gekommen,  dass  er  des  Juden  unum- 
schränkte Machtvollkommenheit  bitter  getadelt,  hingerichtet 
worden ,  herrschte  der  Jude  Arzt  mit  unumschränkter  Voll- 
macht als  Wesir '^). 

Die  Verwaltung  des  Arztes  Juden  war  eine  blutige  und    seaaded- 
goldene,   Aderlass   und   Schacher.     Noch   lebten  die  Enkel     dtu-JeVs 
seines  grossen  Vorfahrers  in   der  Wesirschaft,  Mohammed  Verwaltung. 
Schemseddin's,  Mahmud  und  Ali^),  die  beiden  Söhne  seines 
Sojines  Behaeddin ,  auf  den  ihnen  gelassenen  Besitzungen  in 
'  Irak.    Ali  war  mit  seiner  Mutter,  der  Tochter  IseddinTahir's, 


•)  Mocherofago,   bei   Cassiri.     *)  Rescliideddia.    ')  in  d'Ohssou 
IV.  39.  irrig  fils  du  Vezir  Scliemseddin. 


384  I"'  ü  n  f  t  e  j    B  u  c  li. 

nach  Issfahan  gegangen ,  als  Aledschdeddin  Muminan  von 
Kaswin,  einer  der  Blutegel  des  Wesirs,  an  Arghun  Bericht 
erstattete ,  dass  fasst  alle  Krongüter  in  den  Händen  der 
Enkel  Schemseddin's.  Der  Befehl  erging,  die  Söhne  Schema- 
eddins  hinzurichten.  Von  diesen  wurden  Mesud  und  Fere- 
3-  ^J^^*^^^^  dschullah  zu  Tebris  getödtet;  dem  Enkel  Mahmud  rettete 
93  Juli  1289  ^^^  Vogt  das  Leben,  weil  in  dem  Befehle  blos  von  den 
Söhnen  und  nicht  von  den  Enkeln  die  Rede;  aber  ^li, 
welcher  zu  Issfahan  sich  befand,  wurde  getödtet,  und  sech- 
zehn Tage  nach  ihm  auch  sein  Oheim  Mesud.  Noch  waren 
von  den  Söhnen  Schemseddin's  zwei,  nämlich:  Atabeg  und 
Sekeria,  übrig ,  welche ,  die  einzigen ,  nicht  gewaltsamen 
Todes  starben.  Der  Jude  legte  nun  seinem  Namen  und  dem 
seiner  Brüder  nach  dem  Beispiele  der  Herrscher  aus  dem 
Hause  Buje  den  Ehrennamen  Dewlet,  d.  i.  Reich  oder  Hof, 
bei;  er  nannte  sich  Seaadeddewlet ,  d.  i.  das  Reichsglück, 
seine  Brüder  hiessen :  Fachreddewlet ,  d.  i.  Reichsruhm, 
Mohesibeddewlet j  d.  i.  Reichsläuterer,  desgleichen  seinen 
anderen  Angehörigen ,  unter  die  er  die  Statthalterschaften 
des  Reichs  rertheilte ;  den  beiden  genannten  Brüdern  und 
dem  Dschemaleddin  von  Destadscherd  übertrug  er  die  Be- 
fehlshaberschaft von  Bagdad ;  nach  Fars  sandte  er  den 
Medschdeddewlet,  d.  i.  Reichsglorie,  den  Sohn  des  Astro- 
nomen Montachabeddewlet ,  d.  i.  des  Reichsauserwählten, 
als  Statthalter  nach  Diarbekr  seinen  Bruder  Emineddetclet , 
d.  i.  Reichsintendent,  und  die  Befehlshaberschaft  von  Tebris 
verlieh  er  seinem  Nefifen  Ebu  Manssur  Mohesibeddewlet  (ein 
zweiter  Reichsläuterer^  dem  Arzte  *).  Fünf  Juden  ( die 
vier  Brüder  und  der  Neffe)  hatten  die  Verwaltung  unter 
sich  getheilt.  Die  Emire  Taghadsckar ,  Ordu  Kaja  und 
Dschuschi ,  welche  bisher  die  Finanzen  verwaltet,  wurden 
durch  ein  Patent  verständigt,  dass  Seaadeddewlet  der  Be- 
fehlshaber des  Staatsschatzes  sei,  „und  dass  sie  ohne  dessen 
Gutheissung  kein  Geschäft  dem  Padischah  vorzutragen  er- 
mächtiget seien,  dass  dem  Wesir  aber  frei  stehe,  zu  jeder 


*j  Reschideddin. 


K  li  n  f  t  I-  s     f{  II  c   li.  385 

Zeit    Geschäfte    zu    schlichten,    ohne    sich    nach    ihnen    zu 
richten".     Die  Wesire   «nd  Emire    der  Länder  wurden  ihm 
untergeordnet,  Könige  und  Sultane  standen  dem  Arzte  Juden 
zu  Befehl;    wäre  nicht  Chorasan  und   Rum  wirklicl»  im  Be- 
sitze  Ghasan's  und  Kendschatu's,  der  beiden  Sohne  Arghun's, 
gewesen,  so  hätte  er  auch  diese  Länder  an  seine  Geschöpfe 
verliehen').      Er    vernichtete    gleich    Anfangs    seiner    Ver- 
waltung   in  allen  Ländern  die  Melik ,  wörtlich  Könige,  der 
Finanz,    d.  i.    Intendenten    der    Pacliten    und    Steuern,   und 
erregte  in  den  Herzen    der   Juden    die  Erwartung,    dass  in 
ihm  der  versprochene  Messias  erschienen,   der  Wiederlier- 
steller    des  Reichs   im  vorigen  Glänze.     Die  Verordnungen, 
die  er  in  Finanzsachen  erliess,  waren  streng,  aber  verständig, 
auf  die  sichere  Eintreibung    der  Steuern    und  Vermehrung 
des  Staatsschatzes  berechnet;  den  Plackereien  der  Gesandten 
und  Vögte  wurde  gesteuert,  arabische  und  persische  Dichter 
und    Philologen    mit    Geschenken    und    Pensionen    zur    Ver- 
breitung   seines    Lobes    erkauft.     Binnen    zwei    Jahren    war 
ein  ihm  gewidmetes  Buch ,  welches  blos  die  zu  seinem  Lobe 
erschienenen   Ghaseleti ,  Kassidete  ,  Makame  und  Lobreden 
enthielt,  gesammelt,  und  welches  sich  noch  zur  Zeit  Wassaf's 
zu  Bagdad  fand;    er    nahm    sich  nicht  nur  mit  den  Prinzen 
und  Nujanen,  sondern  auch  gegenüber  des  Schah  und  dessen 
Gemahlinnen  die  grössten  Freiheiten  heraus.     Eines  Tages, 
als  er  mit  dem  Schah  langen  Puff  spielte,    streckte  er  mir 
nichts   dir   nichts   seine  Fiisse  aus,    als   läge    er   auf  einem 
Ruhebette;    eine  der  Frauen,    welche   herein  kam,   redete 
ihn    an:    „Wie   unterstehst    du    dich,    in    Gegenwart    eines 
solchen  Chans ,    dessen   Sklaven  mit  dem   störrigen  Himmel 
wie  mit  einer  Kugel  aus  Handteig  spielen,  ohne  Scheu  den 
Fuss    auszustrecken?"      Seaadeddewlet    entschuldigte    sich 
mit  dem  Zipperlein ,    und  Arghun   liess  die  Entschuldigung 
gelten. 

Da  die  grossen  Emire   Taghadschar ,   Semaghar ,  Kun- Verwaltung 

dschnkbal  und  Tughan  ihm  alle  aufsässig,  so  suchte  er  sich   vonFars; 
Emir 

Tughan, 
•)  Wassaf. 

Hammer,  Geschichte  der  Ilcliane.    I.  ^  2b 


38()  V  II  11  f  t  e  s     It  u  c  h. 

Nvenigsieiis  mit  dreien  zu  befreunden,  denen  er  einen  Antheil 
an  der  Verwaltung  überliess;  diese  waren  Ordu  Kaja,  den 
er  als  Helfer  zu  sich  nahm;  Karadschar,  dem  er  die  Ver- 
waltung von  Arran  anvertraute,  und  Dschischi,  dem  er  die 
von  Schiras  übergab;  dem  letzten  gab  er  noch  zwei  Beamte'^ 
und  den  Sohn  Sundschak's  als  Serwan  oder  Tschausch,  d.  i. 
Vollstrecker  der  Befehle ,  an  die  Seite.  Die  Herren  der 
Finanz  zu  Schiras  versprachen  die  fünfhundert  Tomane,  die 
Ausstände,  binnen  Jahr  und  Tag  herbeizuschaffen,  wenn 
man  ihnen  den  Dschelaleddin  Serwistani  gebunden  ausliefere. 
Diess  geschah;  als  aber  die  Inhaber  der  Pachtdistrikte ^^ 
und  die  Landschreiber ^)  nicht  Wort  hielten,  wurden  die 
ersten,  die  Herren  der  Kammer,  die  schon  oben  bei  der 
Erzählung  der  Zustände  von  Fars  genannt  worden,  hinge- 
richtet"). Die  Steuereinnehmer  und  Verwalter  wurden  alle 
gefoltert  und  durch  Vergantungen  und  Confiscationen  eine 
ungeheuere  Summe  erpresst.  Seaadeddewlet's  Strenge  war 
rücksichtlos  gegen  die  Emire  und  führte  später  seinen  Sturz 
durch  die  Rache  einer  empfindlichen  Beleidigung  des  Emirs 
Tughan  herbei,  welcher,  wie  wir  gesehen,  schon  den  allmäch- 
tigen Buka  aus  Rache  für  empfangene  Stockschläge  gestürzt. 
Tughan  ,  der  Sohn  Tarakai's  ,  ehemals  der  Vogt  in  Kuhistan, 
einer  der  ersten  inaken,  d.  i.  Hofdiener,  „war",  sagt  Wassaf, 
„ein  höchst  scharfsinniger  und  feiner  Kopf*)  an  ürtheils- 
kraft,  durchdringendem  Scharfsinn ,  in  der  Rede  Schlag- 
fertigkeit und  Zierlichkeit,  hatte  er  unter  den  Mongolen 
nicht  seines  Gleichen" ;  dazu  war  er  ein  gewandter  Briefsteller, 
Buchhalter,  Dichter  und  Astronom,  ein  ganzer  Keschad^cfiem, 
d.  i.  ein  in  den  fünf  freien  Künsten,  deren  Anfangsbuch- 
staben   in   diesem    Worte    enthalten    sind  ^)    ( Schreibkunst , 

')  Wassaf  nennt  Schemseddewlet  und  Iseddin  Musajfer^  und 
Keschideddin  den  Dschelaleddin  Sertclstani.  -)  Asshabi  Buliik. 
')  Bitekdachi.  *)  Fachreddin  Mubarehschah,  Medschdeddin  Uumi, 
Schemseddin  Huseini ;  AVassaf  und  Rescliideddin.  ^)  Scliarfsiclitii;cr 
als  Ajas ,  feiner  als  Kais  Ben  Soheir ,  als  Hluifhairet  B.  Scliaabet, 
als  Amni  Bei  el  aass  :  Wassaf.  ^)  K.  Kjatib,  d.  i.  der  .Schreiber, 
Seil,  d.  i,  Schaair.)  Dichter,  Dscliim,  d.  i.  Munedscliim,  d.  i.  Astronom, 
Mim,  d.  i.  Musik-,  Kanius;  das  Wort  und  die  Erklärung  fehlt  iu 
Freitag'a  >Vörterbuch. 


Fünftes     B  II  c  h.  ggy 

Dichtkunst ,  Astronomie,  Philologie  und  Musik  )^  vollkomineii 
bewanderter,  hochgebildeter  Mann.  Als  nach  der  Hinrich- 
tung Buka's  der  Emir  Newrus  in  Chorasan  rebellirte,  wurde 
Tughan  mit  einem  Auftrage  dahin  abgesandt;  bei  seiner 
Rückkehr  iiess  Seaadeddewlet  dem  Schah  vortragen,  dass 
die  Curiere  Tughan's  mehr  als  ihre  normalmässigen  Taxen 
genommen ,  und  Tnghan  wurde  zu  der  hierauf  durch  die 
Jasa  gesetzten  normalmässigen  Strafe  von  siebzehn  Stock- 
prügeln verurtheilt.  Tughan,  weichen  Nichts  aus  der  Fas- 
sung brachte  und  welchem  ein  guter  Einfall  immer  zur  Hand, 
sah  sich  im  Saale  um  und  sagte :  Was  würde  es  denn  schaden, 
wenn  jeder  der  Collegen  Emire  einen  der  siebzehn  Stock- 
streiche auf  sich  nehmen  wollte?  Es  waren  mehr  als  siebzehn 
Emire  zugegen.  Der  Schah  lachte,  und  allso'gleich  citirtc 
Tughan  das  Distichon  Motenebbi's : 

Wenn  der  Löwe  winkt  mit  Löweuniacht^ 
Meinet  ja  nicht,  dass  der  Löwe  lacht  '). 

Durch  diesen  glücklichen  Einfall  und  seine  Geistesgegenwart 
kam  er  diessmal  von  der  verhängten  Strafe  los,  aber  der 
Groll  wider  den  Juden,  der  ihm  die  Schmach  der  Verur- 
theiiung  zugezogen,  wurzelte  so  tiefer  in  seiner  Brust,  und 
er  verband  sich  zum  Sturze  desselben  mit  dem  Emir  Kun- 
dschukbal  und  Anderen,  indem  sie  keine  Gelegenheit  unter- 
liessen ,  ihren  Feind  beim  Schah  zu  verschwärzen.  Dieser 
indessen,  voll  hochfliegender  Pläne,  stand  noch  immer  fest 
durch  den  guten  Erfolg  seiner  Finanzverwaltung,  welche 
den  Schatz  füllte,  und  durch  seine  Einstreuungen  von  der 
Einführung  einer  neuen  Religion,  deren  Oberhaupt  der  Schah 
sein  sollte^).  Arghun  war  nicht  Moslim,  wie  sein  Vorfahrer, 
sondern  vielmehr  den  Juden  und  Christen  geneigt;  von  seiner 
Neigung  für  die  Juden  spricht  die  fünfgetheilte  Herrschaft 
der  vier  Brüder  und  des  Neffen,  von  seiner  Vorliebe  für 
die  Christen  sein  Befehl,  die  von  Teguder  zerstörten  Kirchen 
\    wieder    herzustellen ') ,    und   seine    Verbindungen    mit   den 


')  Wassaf  in   dem    Hauptstücke   der  Verwaltung    von  Schiras. 
0  >yassaf.     ')  Haithonis  hist.  G.  .^8. 

25- 


S88  F   II  11   I   t   e  s     n  u   (•   h. 

Köniijeii  Armeniens  und  Ceoririens,  seine  Gesandtschaften 
an  den  Papst  nn<i  König  Aon  Frankreich,  von  denen  weiter 
unten  die  Hede  sein  wird.  Indessen,  da  sein  Pia«  der 
neuen  Religion  nocli  nicht  reif,  konnte  er  nicht  umhin,  dem 
Scheine  nach  den  Islam  zu  beschützen,  woron  ein  von 
Wassaf  erhaltener,  zu  (junsien  der  Pilgerkarawane  von 
Mekka  erlassener  Befehl  das  Belege;  indessen  lag  ihm  wenig 
daran,  dass  das  Blut  der  Pilger  im  Umfange  des  heiligen 
Hauses  vergossen  wurde,  und  siebzehn  der  grössten  Imame 
verbannte  er  nach  Schiras,  um  dort  von  Schemseddewle! 
die  Strafe  der  Jasa ,  d.  i.  Prügel,  zu  empfangen. 

Feldzug  ge-  ^^  ^^^  herbstlichen  Tag-  und  JNachtgleiche  dieses  Jahres 

genBerbend: 
Bauten        fjt'gah  sich  Arghun,  welcher  auch  ein  Freund  der  Astronomie, 

4.  Ramasan  wiewohl    er    mit  Vorliebe    Alchymie    trieb ,    nach  Meragha, 

**         um  die  Sternwarte  zu  besuchen;  in  der  folgenden  Tag-  und 


'^1.   Sefjt 

is8f^   '  Nschtgleiche  des  Frühlings  verehrte  er  der  Frau  Bulughan, 

9.  Rebiul-  der  'f'ochter  Olaman's,  des  Sohnes  Obotai  Nujan's  des  Kon- 

ewive     ö.  gjiuralen,  das  Lager  der  verstorbenen  Frau  Bulughan,  welche 


34.y\ail290  ,         ,,  ^       ^  ,,    ,  ,     ^       ,- 

aus  dem  Hareine    des  urossvaters    Iiulagu    und    des  Vaters 

eunel  ff^O    ^"^^^    '"    "^^    seine    übergegangen    war.     Vier    läge    nach 

4?S.  3Iärz    vollzogener  Hochzeit  kamen  Boten,  welche  feindlichen  Einfall 

an  der  Gränze  von  Derbend  meldeten.     Die  Emire  Schiktur 

Nujan,    Kundiichukbal    und  Taghadschar   wurden  allsocieich 
/.  Reb.  achir       -^  ^ 

ßsfl         aufzusitzen  befehligt.      Der  Chan  begab  sich   nach  Pilsuwar 

^'^'  und  rückte  mit  dem  schweren  Geuäcke  bis  Schaburan  vor; 
am  Ufer  des  Karasu  traf  der  Vortrab  der  beiden  Heere 
auf  einander.  Das  feindliche  befehligte  Abadschi  und  MengW, 
die  beiden  Söhne  Menglu  Timur's ,  des  Herrschers  von 
Kipdschak,  und  der  Feldherr  Nokai;  das  Arghun's:  die 
Emire  Taghadschar ,  Knndschukbal,  Toghruldsche  und  Tai- 
dschitj  der  Sohn  Bukuwa's;  die  letzten  drei  setzten  über 
iT.Reb.achtr  ^^^  FIuss ,  schlugen  die  Kipdschaken,  tödteten  ihnen  drei- 
3.  Mai  iS90  ^"»^ert  3Iann  und  machten  mehrere  Gefangene '^     Hierauf 


')  Unter  dua  Todteu :  Buruttai  und  Kadai.  Emire  von  Tau- 
senden, und  der  Bruder  Ji'iiitscht's  ;  unter  den  Gefangenen  ;  Hurifitai, 
der  grosse  Ercir. 


Fünftes     B  u  c  li.  3{^y 

wurde  zu  Pilsuwar  der  Sieg  mit  Festen  gefeiert,  und  äeaad- 
eddewJet  sandte  die  frohe  iVachricht  mitteis  Siegesschreiben 
durch's  Reich').  Da  die  Ruhe  an  der  Gränze  von  Derbend 
hergestellt  war,  wandte  sicii  Tagliadscliar  nach  der  östlichen, 
wo  in  Chorasan  der  Aufruhr  des  Emirs  Newrus  in  hellen 
Flammen  emporloderte.  Arghun  wurde  durch  den  Tod  seines  '^-  ^*t^A«H» 

€101061 

Sohnes  Jesuhan  betrübt;    auch  waren  der  Emir  Sundschak 


19.  Juni 
und  sein  Sohn  Schadi  zu  Meragha  gestorben.     Zwei  Monate 

hernach  ward  zu  Tebris  Medschdeddin  Muminan ,  dessen  ^'  ^chaiihan 
oben  als  eines  Blutegels  «ler  Finanz  Erwähnung  geschehen,  '  *'^"* 
hingerichtet,  und  die  F'ahiien  des  Schah's  trafen  im  Sommer- 
lager von  Alatagh  ein ;  er  kehrte  über  Wan  und  Wastan 
zurück.  Auf  dieser  Station  wartete  dem  Schah  Kotbeddin 
der  Schiraser  auf  und  brachte  seinen  Atlas  der  westlichen  £'^^^£^f^f^^ 
Meere  mit  einer  Beschreibung  ihrer  Gestade  und  Inseln,  der 
Länder  Rums  und  des  mittelländischen  Meeres  dar.  Der 
Blick  Arghun's  fiel  auf  die  Stadt  Amuria,  so  berühmt,  als 
die  Geburtsstadt  des  Kaisers  Theophilos  und  die  Verheerung 
derselben  durch  den  Chalifen  Moteaassim.  Arghun  Hess 
sic^i  Alles  erklären  und  war  mit  der  Erklärung  ungemein 
zufrieden;  er  ging  auf  die  Jagd,  und  sagte  dem  Molla,  sich 
nach  derselben  wieder  bei  ihm  einzufinden,  weil  er  mit  ihm 
gerne  weiter  spreche,  da  er  so  wohlberedt.  Hierauf  ging 
der  Wink  an  Seaadeddewlet,  die  drei  Verwalter,  welche 
aus  Rum  zurückgekehrt  waren  :  Emirschah,  ßackreddi'n  und 
den  Sohn  Hadschi  Leilas,  zu  ergreifen;  dem  ersten  rettete 
die  Fürbitte  Kotbeddin's  und  Seaadeddewlet's  das  Leben, 
der  dritte  ward  sogleich  getödtet,  der  zweite  unter  Aufsicht 
gesetzt  und  später  hingerichtet.     Hierauf  kamen  drei  Emire:  -5.  Schewwaf 

Jkbuka,   }^olada.i  und  Aldschiwakian  ,  aus  Rum,  von  denen  ^^^ 

,       ...  13-  Oct.  1290 

der  erste  dorthni  zurückgesandt  ward.  Das  FcvSt  des  Fasten- 
mondes wurde  zu  Tebris  zur  Freude  der  Moslimen  mit 
grosser  Feierlichkeit  begangen.  Es  wurden  >ier  Minarete 
erhöht;  die  Kadi  und  Iraame,  die  Chatibe  und  Scheiche 
wurden  alle  versammelt.     Arghun,  der  ein  grosser  Baulieb- 


V)  Ileschideddiii. 


390  I"'  i>  n  f  t  e  5     B  II  c  li. 

haber,  befahl,  auf  der  Westseite  der  Stadt  eine  Vorstadt 
anzulegen,  welche  Sche?}i  oder  Sckenb  hiess,  und  in  der 
später  sein  Sohn  Ghasan  sein  berühmtes  Grabmal  erbaute; 
er  befahl  den  Bau  einer  Stadt  zu  Scherujas,  nördlich  von 
Kaswin,  weiche,  ebenfalls  erst  später  unter  Ghasan  vollendet, 
den  Namen  Sultanije  erhielt;  eine  Tagreise  südlich  von  Sul- 
tanije  ,  zu  A?idschertid,  hatte  Arghun's  Vater ,  Abaka,  einen 
Palast  in  der  Ebene  erbaut,  wo  ein  natürliches  Wasser- 
becken mit  zwei  Abflüssen ,  dessen  Wasser  sich  nie  mindern 
und  mehren  soll,  wenn  auch  die  Abflüsse  verdammt  wer- 
den ').  In  der  JNähe  von  Sedschas  ist  der  gleichnamige 
Berg ,  auf  welchem  hernach  Argliun  begraben  ward ;  auch 
im  Gebirge  Alatagh ,  welches  das  gewöhnliche  Sommerlager 
schon  von  Hulagu's  Zeit  her,  baute  er  ein  Serai^}.  Zu 
Lar  oder  Lardsckan^^ ,  der  gleichnamigen  Hauptstadt  der 
am  Fusse  von  Hügeln  gelegenen  Landschaft  Laristan ,  baute 
er  einen  Sommerpalast,  welcher  das  Köschk  Arghun's  hiess; 
der  Basar  der  Stadt  gilt  noch  heute  für  den  schönsten  Per- 
siens  ;  das  heute  in  Ruinen  liegende  Schloss  galt  ehemals 
für  uneinnehmbar.  Die  zwölftausend  Einwohner  leben  von 
dem  Erzeugnisse  ihres  Kunstfleisses,  Bogen  und  Baumwoll- 
zeugen; alle  Häuser  sind  bequem  und  nett  eingerichtet; 
jedes  mit  den  beiden  Luxusanstaiten  einer  persischen  Som- 
merwohnung, nämlich  einem  Badgir  und  Serdab'*^  ^  d,  i. 
mit  einem  Windfang  und  einem  unterirdischen  Saale,  ver- 
sehen; in  diesen  dringt  die  Hitze  nicht  ein,  durch  jenen 
kreist  im  oberen  Theile  des  Hauses  der  Luftzug.  Zu  Tebris 
erhielt  die  von  Arghun  erbaute  Vorstadt  den  Namen  ^r- 
ghunije ;  er  gab  Jedermann  die  Freiheit,  sich  dort  anzu- 
siedeln; und  liess  unterirdische  Kanäle  (Kjaris)  graben  nach 
dem  in  Persien  von  uralter  Zeit  her  eingeführten  und  heute 
noch  üblichen  Systeme  unterirdischen  Kanalbaues.  Die  kühlen 
Thäler  des  Alatagh  waren  das  gewöhnliche  Sommerlager, 
die  südlichen  Ebenen   von  Kongorolang :,    d.  i.   die  Falken- 


')  l)scliili:innuiii:i  S.  297.     ^  üscliili.  S.  426.     ^)  Dscliih.  !ü.  ,:i4l. 
•)  M.  Kii)Heir\s  geograpliic  mein,  on  the  persian  Kmitire  p.  84. 


K  li  u  f  t  c  s     B  u  c  h.  301 

weide ,  das  Sommerlager ,  wo  liernach  Sultauia  gebaut  ward ; 
der  Frühling  und  Herbst  wurde,  wie  gesagt,  wechselweise 
zu  Meragha  und  Tebris  zugebracht,  wie  vormals  die  per- 
sischen Könige  ihre  Residenz  nach  den  Jahreszeiten  zu 
Babylon,  Ekbatana  oder  Susa  aufschlugen. 

Arghun,  der  Alchymie  und  den  geheimen  Wissenschaften  Aryhun's 
ergeben,  hatte  indische  Dachschi,  d.  i.  Schreiber,  gefragt,  Krankheit. 
durch  welche  Mittel  sie  sich  ihr  Leben  so  langwierig  fri- 
steten. Sie  gaben  ihm  ein  aus  Schwefel  und  Merkur  zu- 
sammengesetztes Mittel  als  die  Panacee  der  Lebensverlänge- 
rung an.  Arghun  nahm  dasselbe  durch  acht  Monate,  und 
als  ihm  hierauf  die  Bachschi  eine  Quarantäne  zu  Tebris 
vorschrieben,  schloss  er  sich  dort  ein,  ohne  Jemanden  An- 
deren, als  Seaadeddewlet  und  seine  Geschäftsführer  Ordu 
Kaja  und  Kadschan  zu  empfangen.  Nach  den  vollendeten 
vierzig  Tagen  begab  er  sich  in 's  Winterquartier  nach  Ar  ran, 
wo  er  krank  ward,  vom  Arzt  Emineddewlet  Arznei  nahm; 
als  diese  nicht  anschlug,  gab  ihm  einer  der  Bachschi  eines 
Tages  drei  Becher  Weins,  worauf  er  einen  Anfall  von  Zipper- 
lein  hatte.  Nach  zweimonatlichen  Leiden  fiel  es  ihm  ei», 
die  Ursachen  der  Krankheit,  welche  übernatürlicher  Ein- 
wirkung Schuld  gegeben  ward,  untersuchen  zulassen.  Die 
Einen  sagten,  sie  rühre  von  bösen  Wesen  her  und  könne 
nur  durch  Almosen  geheilet  werden;  die  Kernten,  welche 
nach  mongolischer  Art  das  Geheime  und  Verborgene  aus 
Schulterbeinen  der  Schafe  erforschten ,  warfen  den  Verdacht 
von  Zauberei  auf.  Die  Prinzessin  Tughandschak,  die  Tochter 
der  Frau  Ilkotlogh,  war  die  angeheirathete  Nichte  Dschusch^ 
kab's,  dessen  Tochter  Arghurak  mit  Schadi  Gurgan  vermählt, 
mit  diesem  die  Tochter  Tughandschak  aus  dessen  Beischlä- 
ferin Ilkotlogh  erheirathet  hatte.  Ilkotlogh  war  also  aus 
dem  Harem  Schadi  Gurgan  s  in  das  Arghun's  übergegangen, 
und  Tughandschak  erscheint  hier  als  Nebenbuhlerin  ihrer 
Mutter  um  die  Liebe  des  Schahs.  Sie  wurde  mit  anderen 
Frauen  ihres  Gefolges  vor  Gericht  geladen.  Sie  bekannte, 
dass  sie,  um  sich  der  Liebe  des  Chans  zu  versichern,  Ta- 
lismane geschrieben ,  und  dass  sie  ,  um  sein  Leben  zu  retten, 


392  ^'  "  11  f  t  e  s     U  11  c  h. 

gerne    «las    ihrige    opfern    wolle.     Sie    wurde    der  Zauberei 
schuldig  erkannt  und  mit  allen  ihren  Zofen  ertränkt.    Durch 
'  die  Krankheit  des  Chans  war  Seaadeddewlet  auf's  äusserste 

bestürzt,  indem  er  wohl  einsah,  dass  sein  Leben  an  das  des 
Schahs  geknüpft  sei.  Er  nahm  nun  zu  guten  Werken  die 
Zuflucht;  an  Einem  Tage  erliess  er  siebzig  Schreiben,  soge- 
nannte Gerechtigkeitsbefchle,  welche  die  Ausübung  der  Ge- 
rechtigkeit einschärften  und  Almosen  anordneten.  Eine  seiner 
grössten  Wohlthaten  waren  dreissigtausend  Dukaten,  womit 
er  den  Bewohnern  Bagdads  ein  Geschenk  gemacht,  und 
hunderttausend,  die  er  den  Armen  und  Frommen  von  Schiras 
zugedacht.  Es  ergingen  Befehle,  wodurch  verboten  ward, 
den  Verwandten  der  Majestät,  den  Frauen,  Söhnen,  Töch- 
tern, Schwägern,  das  Geringste  zu  nehmen;  hierdurch  hoffte 
I  er,  dieselben  mit  dem  Fiskus  und  sich  zu  versöhnen;  allein 

die  Emire  '  J,  denen  seine  Herrschaft  immer  unerträgliclier, 
verscliworen  sicIt  zur  Abschüttehing  dieses  Joches,  und  sie 
4.!ysa(er690  (j-aten  zuerst    als  öffentliche  Ankläger  wider  das  Werkzeug 
^  ^'  der  Blutbefehle,  den  Sultan  Aidadschi,  auf,  durch  welchen 

vor  zwei  Jahren  die  Prinzen  Huladschu  und  Karabukai  und 
eilf  andere,  in  Allem  dreizehn  Prinzen  aus  dem  Geblüte 
Tschengischan's,  hingerichtet  worden  waren,  indem  diese 
Hinrichtung  nun  als  die  eigentliche  Ursache  der  Krankheit 
Arghun's  angegeben  ward.  Ein  Käme  sagte  aus,  die  mit 
ihren  Vätern  hingerichteten  unschuldigen  Kinder,  SÖhue 
Huladschn's  und  Karabukai's,  seien  dem  Arghun  erschienen 
und  hätten  ihm  Vorwürfe  über  ihre  unverschuldete  Hin- 
richtung gemacht;  er  habe  ihnen  geantwortet:  Davon  weiss 
ich  nichts;  nicht  ich  bin  euer  Mörder,  sondern  Sultan 
Aidadschi.  Dieser,  hierüber  zur  Rede  gestellt,  berief  sicli 
auf  des  Chans  Befehl.  Die  Antwort  kam:  er  wisse  nicht 
darum.  Sultan  Aidadschi  entgegnete:  wie  könne  der  Chan 
diess  gesagt  haben,  da  ihm  die  Krankheit  seit  langem  A'ig 
Sprache  benommen.  Die  Richter  urtheilten ,  dass,  wenn 
der  Padischah    nicht   sprechen    könne ,    die    Ursache  seiner 


')  Die  Emire   Tac/haduchar,   hiiiidackulibul,   'Veirekkul  Toffhan. 


F  ü   n  f  t  b  s     B  II  c  li.  393 

Krankheit   keine    andere   als  das  durch  Aidadi<clii  gegebene 

Hluturtheil  sei,  und  verurtheilfen  ihn  zum  Tode.     Ära  selben  ^|^.^f.^(  '^-y^j 

Tage    (^es    war  das  Geburtsfest  des  Prinzen  Chatai  yJgii/d^  ^rSläryAdöl 

wurde  Dschudschi  auf  Tughan's  Befelil  ergriffen  und  in  der 

Nacht  hing^riclitet;    am    folgenden    Tage   zog  Taghadschar 

den  Seaadeddewiet  und  seinen  Helfer  Ordu  Kaja  vor  Gericht, 

und    Beide    wurden    getödlet'^;    ihre    Häuser    wurden  vom    7.  Rebiul- 

ftclirr  f}!)0 
Heere  geplündert.     Sechs    Tage    iiernacli    starb    Arghun  zu     ,,     ,  -     - 
"    *  ®  '^^  10.  Mf/i-i 

Baghdschei  Arran  und  zwei  Tage  später  wurde  sein  Leichnam        1S!)1 
nach    dem    Berge  Sedschas  abgeführt,    wo   sein    Grab  noch 
nach    dem    alten    Gebrauche    der    jMongolen    \ erborgen    ge- 
halten,   bis    es    in    der  Folge  von  seiner  Tochter  entdeckt, 
mit  einem  Dome  überwölbet  ward-}. 

Noch  haben  wir  in   der  llegierungsgeschichte  Argliun's    Anjhun's 
die  Darstellung   seiner  Verhältnisse    mit   Aegypten  und  mit    i  crhält/iiss 

christlichen   Fürsten    nachzutragen.     Bereits    unter  der  Re-  ^  ''      ^ifif/^~ 

°  ten  und  den 

gierung    Ahmed    Teguder's    ist   erwähnt   worden ,    dass    der     euroijüi- 

Gesandte  desselben,  Abderrahman,  von  Sultan  Kilawun  ein-        sehen 
gekerkert,  im  Kerker  gestorben  sei.    Nähere  Umstände  über      Fürsten. 
diesen  Botschafter  finden  sich  bei  den  ägyptischen  Geschicht- 
schreibern.    Kilawun  hatte  auf  seinem  Wege  von  Kairo  nach 

Damaskus   zu    Ghasa    den    Tod    Ahmed    Tecuder's   und    die         Dscheni, 

<=  eivwel  683 

Thronbesteigung  Arghun's  erfahren.     Einen  IMonat  hernach  '^^  Juli  1^84 

gewährte  er  der  persischen  Botschaft  zu  Damaskus  Audienz. 
Sie  bestand  aus  dem  Sclielch  Abderrahman,  dem  Emir  Sam- 
daghu  und  dem  Wesir  des  Fürsten  von  Mardin^};  der 
Scheich  war  in  den  Habit  der  Derwische  Fakir  gekleidet"; 
als  er  sich  niclit  freiwillig  beugen  wollte,  wurde  er  ge- 
waltsam zur  Erde  niedergeworfen,  und  der  Sultan  würdigte 
ihn  keines  Blickes;  doch  nahm  er  das  Schreiben  Ahmed's 
und  Hess  die  Botschafter  mit  Kaftanen  bekleiden.  Das 
Schreiben  Ahmed's   begann    mit    der   gewöhnlichen   Formel 


')  lui  Scliedschretol  Etrak  wiiiH  JSeaadeddewIet  um  letzten 
Ssafer  des  J.  690  Iiiugerichtet  uud  Argliun  starb  drei  Tage  hernach, 
am  3.  Rebiulewwel.  ■}  Dschihannunia  8.  2Q7 :  im  J^chedschretol 
Etrak  S.  265  im  Berge  Sobeir  C-)  nächst  der  Grabsiatte  des  /Pro- 
pheten Kvde  (?}.     ')  dOliisou  Ili.  61.:.  nach  Makrisi. 


394  F  ii  u  f  t  e  s     B  ii  c  I». 

mongolischer  Befehle :  Unser  Wort  an  den  Sultan  Aegyptens. 
Unter  den  Geschenken  zeichneten  sich  sechzig  grosse  Perlen, 
ein  Topas  im  Gewichte  von  zweihundert  Miskalen  und  ein 
Rubinbaiasse  von  zwei  und  zwanzig  Drachmen  aus.  Kilawun 
Hess  sie  dreimal  in  seine  Gegenwart  kommen,  und  verstän- 
digte sie  das  drittemal  von  Arghun's  Thronbesteigung.     Sie 

S8.Ramasftn  wurden  alle  ihres  Gepäckes  beraubt  und  eingekerkert.  Der 
^'^'^         Scheich  starb  noch  vor  Ende  des  Jahres  und  seine  Begleiter 

8.  Dec.  1SS4  ^u^den  dann  in  Freiheit  gesetzt.  Während  dieser  feier- 
lichen ,  zur  Schliessung  festen  Friedens  gesandten  Botschaft 
hatte  sich  Sultan  Kilawun  zweier  beträchtlichen  festen  Plätze 
bemächtigt.  Der  eine  ,  Katibe ,  in  der  Landschaft  Amid ,  in 
der  Nähe  von  Kerker,  welcher  von  den  Truppen  von  Biret, 
Aintab  und  Kawendan  besetzt  ward;  der  andere,  Kachta, 
dessen  aufrührerische  Besatzung  ihren  Befehlshaber  tödtete 
'  und  das  Schloss  verrätherischer  Weise  an  den  Befehlshaber 
von  Haleb  übergab.  Diesem  fertigte  im  selben  Jahre  Arghun 
den  Befehl  eines  Streifzuges  nach  Cilicien  zu ,  um  die  Arme- 
nier dafür  zu  strafen,  dass  sie,  als  sie  zwei  Jahre  früher 
sich  mit  den  mongolischen  Truppen  zu  Haleb  befanden,  die 
grosse  Moschee  eingeäschert.  Sie  drangen  bis  A]a8  vor, 
schlugen  die  armenischen  Truppen  im  Passe  von  Iskenderun, 
verfolgten  sie  bis  Teil  Hamdun  und  zogen  sich  dann  zu- 
rück ').  Zwei  Jahre  später  streiften  tausend  Mann  der  Be- 
satzung von  Haleb  nach  Mardin  und  Sindschar  und  schlugen 
von  Mossul  die  Besatzung,  welche  einen  Ausfall  gemacht, 
mit  dem  Verluste  von  zweihundert  Mann  zurück.  Mit  Papst 
Nikolaus  IV.  hatte  Arghun  wiederholten  Verkehr  von  Ge- 
sandten, deren  einer,  Buscarell ,  ein  Kuridschi ,  d.  i.  von 
seiner  Leibwache ,  zugleich  Ueberbringer  von  Schreiben  an 
Eduard,  König  von  England,  und  Philipp  den  Schönen  von 
Frankreich.  Die  Gesandten  versprachen  Hilfe  wider  «lie 
Saracenen  in  Syrien  und  Bekehrung  zum  Christenthum.  Die 
Gesandten  Arghun's  versprachen:  der  Chan  wolle  sich  nach 
Jerusalems  Eroberung    in   der  heiligen  Stadt  taufen  lassen ; 


')  d'Ohssüii  p.  61' 


V  li  u  f  t  <;  s     ü  u  c  li.  395 

iler  Papst  belehrte  ihn  in  seinem  Schreiben  über  die  Dogmen 
und  Pflichten  des  Christenthuras.  Nikolaus  schrieb  nicht  nur 
an  den  Chan,  sondern  auch  an  dessen  Frauen  und  an  seineu 
Sohn  Oldschaitu,  welchen  die  Mutter  (Urukchan)  getauft 
und  Niklas  genannt  iiatte.  Der  Papst  schrieb  an  die  Prin- 
zessin Ilkotlogh  ' ) ,  die  er  zur  Verbreitung  des  Christen- 
thuras ,  nachdem  sie  beigetreten ,  aufmunterte ;  die  Frau 
üruk  "^  ) ,  welche  von  jeher  Christin ,  bat  er ,  auch  die  Prinzen 
Ghasan  und  Chatai  AghuP^^  welche  von  anderen  Müttern, 
zur  Annahme  des  Christenthums  zu  bewegen.  An  König 
Eduard  1.  nahm  der  Gesandte  Buscarell  ein  Schreiben  des 
Papstes  mit,  welcher  ihn  zu  ehrenvollem  Empfange  und 
geneigtem  Gehöre  empfahl ;  dem  König  Philipp  schrieb 
Arghun  im  fünfhundertsten  Jahre  vor  der  französischen  Re- 
volution, dass  er  im  folgenden  mit  seinen  Truppen  vor 
Damaskus  zu  lagern  holfe,  ihm  das  eroberte  Jerusalem 
schenken  werde.  Der  erste  dieser  Gesandten  Arghun's  an 
den  Papst  war  um  ein  Jahr  früher  angelangt;  diess  ist  im 
selben,  wo  der  Jude  Seaadeddewlet  zur  vollsten  Macht  ge- 
kommen. Diese  Botschaften  Arghun's  sind  also  wohl  weniger 
dem  Christenthume  der  Frauen  und  der  Taufe  der  Prinzen 
zuzuschreiben,  als  der  Politik  des  Juden,  welcher  durch 
die  Hilfe  des  Papstes  die  Könige  von  Frankreich  und  Eng- 


•)  Bei  Odoric  Raynald  IV.  p.  4l  et  42.  Elegacf  und  Titctan; 
d'Ohsson  IV.  99.  meint,  unter  der  letzten  sei  Tuktan ,  die  Wittwe 
Abaka's,  Mutter  Keadschatu's,  zu  verstehen,  was  aber  unrichtig, 
da  Reschideddin  (unter  den  Frauen  Abaka's)  ausdrücklich  sagt,  dass 
sie  bei  Lebzeiten  Abaka's  gestorben,  durch  die  Frau  Ildürmisch 
ersetzt  worden  sei:  i.J.  1288,  wo  Nikolaus  IV.  schrieb,  war  Tudai 
seit  einem  Jahre  Gemahlin  an  der  Stelle  der  verstorbenen  Bulughan, 
und  den  Tod  der  anderen  grossen  Frau,  Kotlogh,  konnte  Nikolaus 
nicht  wissen,  da  sie  am  12.  April  1288  starb  und  der  au  sie  ge- 
richtete Brief  vom  12.  datirt  ist.  ^)  Die  Tochter  Sarudsche's,  die 
Schwester  des  Emirs  Irindschin^  des  Keraiteu,  die  Urenkelin 
Owang's.  ')  Bei  Odericus  Casian  und  Saron  ;  da  Arghun  nur  vier 
Söhne  hatte  und  über  Chodabende  und  Ghasan  kein  Zweifel  ob- 
walten kann,  so  fragt  sich  nur,  ob  unter  Saron  der  dritte,  Jesu 
Timtir,  oder  der  vierte,  Chatai  Aijlnil,  zu  verstehen  sei;  der  letzte 
hiess  ehemals  Sonhar  Kanis.     Reschideddin. 


890  F  ii  u  f  t  e  s     H  ii  c  Ii. 

land,  die  Aegypter  von  Syrien  abzuhalten  Iioft'te.  Sie  um- 
fassen die  vier  Jahre  seiner  Staatsverwaltung  bis  zu  seinem, 
Arghun's  fast  gleichzeitigem  Tode;  als  aber  Nikolaus  IV.  seine 
Antwort  auf  das  durch  den  Botschafter  Tschagan  an  ihn 
und  an  Eduard ,  König  von  England ,  gerichtete  Schreiben 
datirte,  waren  Seaadeddewiet  und  Argliun  schon  fünf  Mo- 
nate todt. 

Voii  Arghun's  Tod  sandten  die  verschiedenen  Parteien 
li-eitilscha- 
tu's    Thron- ^^^  Emire,    welche    über    die   Kachfolge    des   Thrones   ge- 

besteigung.  theilter  Meinung,  die  Kunde  an  die  drei  Prinzen,  denen  sie 
denselben  zugedacht:  nach  Chorasan  an  Ghasan,  den  ältesten 
Sohn  Arghun's,  nach  Bagdad  an  Baidu ,  den  Sohn  Tarakai's, 
des  fünften  Sohnes  Hulagu's,  und  nach  Rum  an  Kendschatu^  ), 
den  Bruder  Arghun's,  welchem  nach  dem  mongolischen 
Erbrechte  die  Nachfolge  der  Herrschaft  als  dem  Aeltesten 
des  Hauses  gebührt.  Am  ersten  Tage  waren  die  Emire 
zwar  über  die  Nachfolge  Kendschatu's  einig  gewesen ,  aber 
schon  am  anderen  sandten  Taghadschar  und  Semaghar  dem 
Legsi,  welcher  mit  der  Nachricht  des  Todes  an  Kendschatu 
'abgefertigt  worden,  den  Balisad  mit  der  Nachricht  nach.,  dass 
die  versammelten  Emire  und  Frauen  noch  den  Baidu  als 
den  Aeltesten  der  Familie  zum  Throne  berufen  hätten. 
Hierzu  bestimmte  die  beiden  genannten  Emire  einerseits 
die  Furcht  vor  Ghasan's  bekannter  Energie  und  Herrscher- 
kraft, bei  welcher  der  ihrigen  wenig  Raum  bliebe,  anderer- 
seits die  Aussicht,  dass,  wenn  Kendschatu  Chan,  er  allen 
Einfluss  der  Herrschaft  seinen  mit  ihm  in  Rum  befindlichen 
Emiren  überlassen  und  sie  mit  ihrer  Partei  leer  ausgehen 
"würden.  Die  Partei  Baidu's  bestand  aus  den  Emiren  : 
Taghadschar  ,  Semaghar  ,  Kundschiikbal,  Tokal ,  SchtHur, 
Tugha?t_,  Ttmurbnka,  Tekne,  Ildschidai,  Toghdai  und Doladai; 


')  jVacli  dem  Schedschietol  Eirak  und  uudeica  Kendschatu  ; 
bei  Haithun  Cap.  XXXIX  heist  er  Uegayto ,  was  augeusclieinlich 
eine  Veistümiiieluug  von  h'eichatit  und  uichl  von  Kendschatu;  aber 
das  Scliedschietol  Etrak  sii^t  p.  JJO  uacls  der  Geschiclite  der  vier 
UJuse^  dass  seiu  Aanic  ursprünglich  Enimtu  gewesen,  was  aul 
mongolisch  wunderbar,  staujieuswertii  ltc?ssc. 


F  li   II  (•  i  i:  s     n  II  (•  Ii.  397 

der  letzte  wurde  auf  der  Stelle  mit  einem  Heere  nach  Fars  ä\  Dsclem. 
abceordnet,  wo  die  Luren  cingelallen ,  Schiras  erobert,  den  _——-—— 
Vogt  todtgescJilagen  hatten.  Baidu,  klng  und  umsichtig 
und  ohne  Heer,  um  dem  an  ihn  gestellten  Antrage  anderer 
Emire  Gewicht  zu  geben,  anwortete:  Nach  dem  Gesetze 
Tschengischan's  gebührt  die  Chanschaft  den  Söhnen  des 
IJruders,  weil  ihr  Vater  der  Aeltere  des  meinen;  welches 
Recht  habe  ich  auf  den  Thron,  so  lange  jener  und  andere 
Prinzen  leben,  die  mir  dem  Alter  nach  vorgehen?  Nach 
diesem  Grundsatze  hätte  er  den  von  sich  gewiesenen  Thron 
dem  Ghasan  als  dem  Aelteren  zuweisen  sollen;  aber  es 
scheint,  dass,  weil  Kendschatu  die  grösste  Partei  für  sich 
Jiatte,  er  es  für  klüger  fand,  sich  an  diesen  zu  halten,  in- 
dem er  ihm  die  Nachricht  von  dem  an  ihn  gelangten  An- 
trage miltheilte  '^.  Baidu's  Weigerung  bestürzte  die  Emire, 
welche  ihm  den  Antrag  gemacht,  und  an  deren  Spitze 
Tughan ,  der  Hebel  des  Sturzes  der  beiden  Grosswesire  der 
vorigen  Regierung,  des  Turkmanen  Buka  und  des  Juden 
Seaadeddewiet.  Einige-^  gingen  nach  Rum,  um  sich  an 
Kendschatu  anzuschliessen.  Kundschuhbai  entfloh,  Tokal 
verliess  sich  auf  einen  Haufen  Georgier ,  Tughan  brütete 
Aufruhr  in  Irak,  der  Prinz  Suka  (der  jüngste  Sohn  Jasch- 
mut's ,  des  dritten  Sohnes  Hulagu's}  mit  den  Emiren 
Tschoban,  dem  Suldusen,  und  Kurmischi,  der  Sohn  Alinak's, 
führten  auf  Tokai's  Rath  das  Lager  der  Frauen  nach  dpra 
Gebirge  von  Alatagh  dem  Kendschatu  entgegen.  Die  Frau 
IJruk,  die  Wittwe  Arghun's,  die  Mutter  zweier  seiner  Söhne 
und  dreier  seiner  Töchter ,  war  mit  ihnen  verstanden.  Die 
Emire  ^}  welche  dem  Baidu  zu  Kökbuldagh '^^ ,  d.  i.  am 
blauen  Quelle,  in  der  Nähe  von  Sughurluk ,  aufgewartet, 
verliessen  ihn.  Ildschitai  Kuschdschi,  Kundschukbal ,  Timur- 
biika,  Tschoban  gingen  zu  Kendschatu  über.  Als  er  in  die 
Nähe  von  Alatagh  kam,  gingen  ihm  Chatai  j4ghul,  der  jüngste 
Sohn  Arghun's,  und  andere  Prinzen  entgegen.     Taghadschar , 

■)  durch  Kutla  Kokultasch.  Uassaf.  -)  'J',i::ierbuffha,  Suji 
Ebfischi,  Konan  Achtadschi.  ^)  Sati,  Kuman,  Tudaduchii.  *)  Ko'd- 
daifh  ist  ein  Schreibfehler. 


398  Fünftes     n  H  c  h. 

das  Haupt  der  Partei  Baidus,    wurde  sogleich  in  Empfang 

genommen;    Tughan,  welcher  nach  Gilan  entflohen,    wurde 

eingebracht;  doch  wurde  ihm,  weil  er  ein  Schützling  Baidu's, 

24.  Redscheb  \or  der  Hand  nichts  zu  Leide  gethan.     Kendschatu  bestieg 

in  der  Stadt  Achlath  den  Thron. 

23.  Juli 

Die    erste   Staatshandlung  Kendschatu's   war  Bestrafung 

Gericht  vher  je^  beiden  Häupter  der  Gegenpartei,  der  Emire Taghadschar 
die   Jüviiv^  * 
„     ,        '   und  Kundschukbal,  indem  er  jedem  nach  der  Jasa  drei  Stock- 

tu's  Krank-  Streiche  geben  liess  und  den  Befehl  ihrer  Tomane  anderen 
heit  und  übertrug'^,  und  den  Tughan  mit  den  Söhnen  der  von  ihm 
Familie,  unmittelbar  vor  dem  Tode  Arghun's  hingerichteten  Emire, 
Dschudschi  und  Ordu  Kaja,  welche  Blutrache  forderten,  vor 
Gericht  stellte.  Als  die  Emire,  des  Todschlags  ihrer  Mit- 
genossen angeklagt,  zur  Rede  gestellt  wurden,  bekannten 
sich  Schiktur ,  Taghadschar ,  Kundschukbal ,  Semaghar , 
Tekne  und  Andere  schuldig  und  flehten  die  Gnade  des 
Padischah  an,  der  dieselben  auch  begnadigte.  Andere  ge- 
linde (^rait  drei  Stockstreichen)  bestrafte;  nur  wider  Tughan, 
welchem  sowohl  der  Emir  Akbuka,  der  Betraute  Kendscliatu's, 
als  die  Frau  Uruhchan  feind  waren,  wurden  die  Söhne 
Dschuschi's  und  Ordu  Kaja's  mit  der  Klage  der  Blutrache 
losgelassen;  dennoch  wollte  ihm  Kendschatu  das  Leben 
schenken;  auf  die  Vorstellung  der  Frau  Uruk  aber,  dass 
Tughan  der  Urheber  alles  Unheils,  sagte  Kendschatu:  dass 
er  in  diesem  Falle  wohl  den  Tod  verdiene;  kaum  war  dieses 
Wort   seinen    Lippen    entfahren,    als    Akbuka    den   Söhnen 

6".  Sclieirwal  Dchuschi's  und  Ordu  Kaja's  die  Blutrache  der  Väter  über- 
^^^        liess.     Taghadschar    und    Kundschukbal    wurden   begnadigt, 

^^-  ^  •  Schiktur  wurde  zum  Stellvertreter  in  Persien  ernannt.    Ken- 

dschatu bezog  das  Winterquartier  in  Arran  und  lagerte  zu 
Karadschal  am  Ufer  des  Kor ,  seinem  ehemaligen  Horte. 
Von  hieraus  wurden  die  Kundmachungsbefehle  der  Thron- 
besteigung in  die  Länder  gesandt;  auf  ein  Gutachten  der 
Astronomen   wurde    in    den  Diplomen   und  auf  den  Münzen 


')  den  Taffhadschar's  dem  Baidschu  Tetknitt,  den  Kundschttk- 
hal's  dem  Schiktur  \iijan.     Wfissaf. 


Fünftes     Buch.  399 

dem  Namen  Kendschatu's  die  gelieimnissvolle ,  ihm  von  dem 
Kamen  ertlieilte  Formel ,  Irindschin  Durdschi '  )  beigesetzt. 
Se?ibu,  der  Bruder  Si/ka's,  der  zweite  Sohn  Jaschmut's,  starb 
ZH  Dschaghatu -};  der  Prinz  Enbardsclii ,  der  älteste  Sohn 
Mengu  Timur's  (des  eilften  Sohnes  Hulagu's),  wurde  in 
die  östlichen  Länder  gesandt.  Auch  dieser  hegte  herrsch- 
süchtige Gedanken,  welche  während  der  Abwesenheit  Ken- 
dschatu's  in  Rum ,  wohin  er  sogleich  nach  der  Thronbestei- 
gung zurückgekehrt  war,  in  seinem  Hause  durch  Taghadschar 
genährt  worden.  Der  Geschäftsmann  Stellvertreter  des  letzten 
Ssadreddin  von  Sindschar,  ein  grosses  Verwaltungstalent, 
hatte  seinem  Bruder  Kutbeddin ,  welcher  sich  im  Lager 
Enbardschi'a  befand,  die  ihm  von  Taghadschar  gegebene 
falsche  Kunde  gesandt,  dass  Kendschatu's  Heer  in  Rum  von 
den  Turkmanen  und  Karamanen  aufgerieben  sei  und  dass 
er  sich  beeilen  möge,  Besitz  vom  Throne  zu  nehmen.  Kut- 
beddin gab  diese  Nachricht  dem  Scheich  Dschemal  von 
Schiras,  welcher  des  Vertrauens  Enbardschi's  genoss.  Dieser, 
klug  und  umsichtig,  sandte  den  Scheich  auf  Kundschaft  an 
Schiktur  Nujan ;  auf  dem  Wege  begegnete  er  dem  Tagha- 
dscliar  und  Ssadreddin,  welche  ihn  bewegen  wollten,  auf 
der  Stelle  umzukehren  und  den  Knbardschi  zu  schnellem 
Anmärsche  zu  bewegen.  Der  Scheich  stellte  sich  willfährig, 
sagte  aber,  dass  er  nur,  da  et  schon  in  der  Nähe,  sein 
Haus  besuchen  wolle;  statt  dieses  Besuches  begab  er  sich 
geradewegs  nach  Karadschal  in's  Lager  Schiktur's,  wo  er 
sich  von  der  Unwahrheit  der  Angaben  Ssadreddin's  über- 
zeugte. Er  entledigte  sich  also  freundlicher  Botschaft  im 
Namen  Enbardschi's  und  theilte  dann  dem  Schiktur  insge- 
heim den  Auftrag  Taghadschar's  und  Ssadreddin's  mit. 
Schiktur  sandte  ihn  mit  freundlichem  Schreiben  und  Ge- 
schenken an  Enbardschi  zurück;  aber  am  nächsten  Morgen 
überfiel  er  die  Zelte  Taghadschar's  und  behielt  ihn  und 
Ssadreddin  bis  zur  Rückkehr  Kendschatu's  bei  sich;  als  die 

Nachricht  von  dessen  Ankunft  verlautete,   sandte   er   sie  in  i^'R^i^l'^clieb 

(;9i 


30.  Jim  HS  ff  S 
')  Wassaf  und  Reschideddiu.     ^)  Reschideddin. 


400  V  ii  n  f  t  e  s     Fi  ii  c  h. 

einem  Geleite    von    fünfhundert  Reitern  demselben  bis  Er- 

senrum  entgegen.     Als  Kendschatu  zu  Alatagh  ankam  ,  befiel 

ihn  Krankheit,  die  längere  Zeit  dauerte ;  ^vährend  derselben 

wurden  von  allen  Gemeinden  der  verschiedenen  Religionen 

Gebete    angestellt;     die    Imame ,    Bischöfe,     Rabbiner    und 

Budhapriester  beteten  für  die  Dauer  seines  Lebens  • ) ;  keiner 

Religion  besonders  zngethan  ,  war  er  für  alle  gleichgültig*), 

nur    sinnlichen    Genüssen    ergeben.       Seine     sechs    Frauen 

waren:    1.  Aische ,    die  Tochter  Tughu's,    des  Sohnes  Ilkai 

Nujan's;  2.  Dundi,  die  Tochter  Akbuka's,  des  Sohnes  llkai's, 

die  Base    der  vorigen;   3.  Illürmisch ,    die  Tochter  Kotlogh 

Tiraur    Gurgan's,    des   Konghurateu ;    4.  Padischah  Chattm, 

die  Tochter  Kutbeddin's,  des  Sultan's  von  Kerman;  aus  dem 

Hareme    seines   Vorfahrers    die    Frauen:    5.  Bulughan  und 

6.   VruJc.     Ausser  diesen   hatte   er  die  Söhne  Alajreng  und 

Iranschah    aus    der  Frau  Dundi   und   Dschinkpulad  aus  der 

Frau   Bulughan,    drei   Töchter    aus    der   Frau  Aische   und 

eine  vierte  aus  der  Beischläferin  A bisch ,    der  Tochter  des 

Biklinmch ,  des  Bruders  Audschans ,  des  Erlaten. 

Ssadreddin  Ssadreddin   von    Sendschan,    der   fündige   Finanzmann, 

von  Sen-    dessen  oben  erwähnet  worden,  bemühte  sich  um  dieWesirs- 

„.  „      stelle  duvch  Buraldschin  IkadschL  den  GünstlmsKendschatu  8. 
sir ;    Ein  fall  '  _  °  ^  ' 

der  Ltrren  /«  ""^  Scheref eddin  Semnani ,   welcher  beim  Emir  Akbuka  in 
IraU  und    grösstem  Ansehen  und  Einfluss.     Durch  diese  beiden  Kanäle 
Fars.       gelang  es  ihm,    mit   der  Würde  des  Emirs  die  des  Wesirs 
^  ^^o'f*^^"'  ^"  vereinigen.     Er    erhielt   dazu  das  goldene  Ehrenzeichen 
W  Sov  1S92  ^*^^  Löwenkopfcs  mit  Rossschweif  und  Pelz  und  einen  Toman 
von  Truppen.     Sein   Anstellungsdiplom    verbot  den  Prinzen 
und  Prinzessinnen,  sich  im  Geringsten  in  die  Geschäfte  der 
Verwaltung    und    der  Finanzen    zu    mischen ;   sein  Vorname 
Ssadreddifi ,    d.  i.  Vorsitz  der  Religion,    wurde  in  den  von 
Ssadri  dschihun ,    d.  i.  Vorsitz  der  Welt,    umgeändert;    zu- 
gleich erhielt  >iein  Bruder  Kutbeddin,  d.  i.  Pol  der  Religion, 
das  Amts    des    Richters    der  Richter    mit    der  Veränderung 
seines  Namens  in  Kutbi  dsckihan ,    d.  i.    Pol  der  Welt ;    ihr 

')  WassiiF.     ^)  uullam  habebat  legem  vel  fidein.    llaitlion  C.  30. 


Fünftes     Buch.  401 

Oheim  Kawajueddm ,  d.  i.  die  Feste  der  Religion,  erhielt 
die  Befehlshaberschaft  von  Tebris  mit  dem  Ehrennamen  von 
Kawamohnülk)  d.  i.  Feste  des  Reichs.  Zum  zweitenmale 
sah  Persien  die  Verwaltung  der  Geschäfte  den  Gliedern 
einer  einzigen  einflussreichen  Familie  übertragen,  wie  unter 
Hulagu  den  beiden  Brüdern  Dschuweini  und  dem  Sohne  des 
Wesirs  Schemseddin,  Behaeddin,  als  Befehlshaber  \oi\  Schiras. 
Die  Sorge  für  die  Herschaffung  der  Lebensmittel,  das  Ober- 
verpflegungsamt des  Heeres,  wurde  dem  Fachreddin  Aida- 
dschi  bestätigt ' )  ;  dieser  aber  bat  um  Entschuldigung,  indem 
er  vorstellte ,  dass  er  bereits  dreissig  Jahre  lang  mit  diesem 
Amte  betraut,  durch  die  Anforderungen  von  Zuschüssen  der 
Prinzen  und  Prinzessinnen  sich  in  Schulden  gestürzt.  Ken- 
dschatu  wies  dreissig  Tomane  zur  Zahlung  der  Schulden  an 
und  empfahl  ihm  fürderliin  die  grösste  Freigebigkeit  und 
Gerechtigkeit;  denn  er  wollte,  dass  seine  Regierung  der 
Ogotai's  gleiche,  mit  welchem  er  die  Tugenden  der  Gross- 
muth  und  Milde,  aber  auch  den  Hang  zum  Wohlleben  ge- 
mein hatte.  Das  grösste  Lob  seiner  Regierung  ist,  dass 
während  derselben,  einige  Hinrichtungen  in  Luristan  aus- 
genommen'^). Niemand  getödtet  ward;  den  grössten  Beweis 
seiner  Milde  gibt  die  Nachsicht,  die  er  den  rebellischen 
Fürsten  von  Lur  und  Jesd  angedeihen  Hess.  EJrasiah  von 
Lur,  der  Sohn  des  unter  der  Regierung  Abaka's  und  nach- 
malig erwähnten  Atabegen  Jusufschah,  hatte  unter  der  Re- 
gierung Arghun's,  trotz  der  Gegenvorstellungen  der  Befehls- 
haber von  Schiras,  den  Distrikt  des  Gebirges  Kiluje,  welches 
die  Gränzscheide  zwischen  Fars  und  Lur,  überfallen  lassen. 
Er  bemächtigte  sich  des  festen  Schlosses  Mandschescht  und 
setzte  seinen  Neff'en  Kisil  über  den  neu  erworbenen  Gebirgs- 
distrikt.  Kisil's  eilf  Brüder  standen  an  der  Spitze  eben  so 
vieler  Heeresabtheilungen;  es  entstand  zwischen  dem  Oheime 


*)  Wassaf  dem  grossen  Ssahib ;  Fräser  übersetx.t  in  seinem 
Ruzulbasch  diesen  Ehrentitel  mit  Sir,  Gentlemen ,  Eltschi  Ssaliibi 
d.  i.  Heergesandter.  =)  Kisil  mit  seinen"  Brüdern  Nussret  und  AU 
Melik.     Wassaf. 

Hammer,  Geschiclite  der  llchane.    1.  26 


402  ^'  "  n  f  I   t'  ^     H  u  c  li. 

titid  jNeffet»  Streit  über  die  Verwaltung  des  Berggebietes; 
Kisil,  einigemal  geschlagen,  floh  nach  Schiras,  kehrte  tlann 
aber  wieder  zuri'ick  ,  und  schloss  seinen  Frieden  mit  dem 
Oheim;  um  denselben  zu  befestigen,  verstand  sich  Efrasiab 
zur  Hinrichtung  seines  Wesirs  Dschelaleddin,  und  Entrich 
tnng  von  Geldern.  Als  unmittelbar  vor  dem  Tode  Arghun's 
das  Reich  durch  die  Uneinigkeit  der  Emire  und  Arghun's 
»ichlaghaften  Zustand  in  der  grössten  Verwirrung,  benützte 
Kisil  dieselbe  zu  einem  Einfalle  in  Irak;  er  Hess  zu  Iss- 
fahan  <lie  Verwandten  des  Emirs  Dschelaleddin  hinrichten, 
und  der  mongolische  Vogt  Baidu ,  der  Schwager  Tagha- 
s.  Dschem.  dschar's  ward  durch  die  lurischen  Reiter  vor  der  Stadt 
ewnei.  (>.  g^.jödtej  K\%\{  sandte  seinen  Bruder  Salghurschah  in  die- 
selbe, und  das  Heer  der  Luren  nahm  unter  dem  Geschrei: 
Gott  ist  gross!  davon  Besitz  Salghurschah  setzte  sich  in 
dem  Hause  fJhodscha  Behaeddin's  auf  den  Thron,  und  die 
Münze  von  Schiras  prägte  auf  den  Namen  Efrasiab's  von 
ZrM/"');  dann  dehnte  er  seine  Herrschaft  von  den  Gränzen 
Hamadan's  bis  an's  Meer  von  Fars  aus,  überall  lurische 
Vögte  ernennend.  Dschelaleddin,  den  Sohn  des  Atabegen 
Tekele,  und  Melik  Nussret  sandte  er  mit  zweitausend  Pfer- 
den^) wider  den  Toman  Arghasun's;  auf  dem  Marsche  er- 
hob sich  zwischen  Beiden  Streit  über  den  Vorrang  des 
Marsches  und  sie  zogen  jeder  auf  seine  Faust.  Anfangs 
schlugen  sie  zwar  die  Mongolen  und  machten  grosse  Beute, 
aber  diese  kehrten  zurück,  und  rächten. die  verlorene  Beute 
durch  die  Niederlage  der  Luren;  in  diesem  Treffen  tÖdtete 
ein  mongolisches  Weib  allein  zehn  Luren  *).  Endlich  wurde 
Toladai  wider  die  Luren,  und  Jisudar  wider  Jusufschah, 
den  Atabeg  von  Jesd,  gesandt,  welche  zu  gleicher  Zeit  sich 
empört  hatten.  Toladai  schlug  die  Luren  und  Efrasiab  er- 
hielt durch  den  Kanal  der  Frau  ütruk  und  Padisch  Chatun 
seine  Verzeihung ;  nur  Kisii  und  seine  Angehörigen  wurden 
hingerichtet. 

')  \Vassaf.     -)  Güsidt'.'    ')  >\':iss;if. 


Fünfte  s     I)  II  c  Ii.  4O3 

Gleichzeitig   mit   der    Dämpfung    der  Unruhen    in  Irak    Eroberunti 
und  Fars  traf  die  Nachricht  ein,    dass  Melik  E**chref,   der ''7    ^^f^"»- 
Sultan  Aegyptens,  Kalaaterrum  am  Uebergange  des  Euphrat^   nniiisclmft 
belagere.     Zwanzig  Wurfmaschinen    spieen    durch  drei  und  Paul/raeld 
dreissig  Tage  Steine  und  Naftafeuer  hinein;    endlich    ward  8.  Dschem. 
die  Stadt  durch  Sturm  erobert,    «He  Besatzung,  welche  aus  _l^i^!ii-^^__ 
iVlongolen   und  Armeniern    bestand,    niedergehauen,   zwolf- 
hundert  Einwohner  mit  Weibern  und  Kindern  in    die  Skia-  ^"    ^J'^^^'"''' 
verei  geschleppt").     Kalaaterrum,    das  Schloss  der  Römer,     56*.  Juni 
von    diesen    und    den    Griechen    Zeugma ,    d.    i.    die  üebcr- 
fuhrt,  genannt,  das  ober  Bire,  dem  alten  Birthe,  am  Flusse 
Merseban^)  liegt,    war    seit  vier    und    zwanzig  Jahren    der 
Sitz  des  armenischen  Patriarchen,  dessen  Pallast  und  Kirche 
bei  der  Einnahme  in  Flammen   aufgingen.     Sultan  Eschref, 
welcher  das  Jahr  vorher    durch    die  Eroberung  Akka's  Sy- 
rien von  den  Kreuzfahrern  gereinigt  hatte,  verwandelte  den 
Namen    des    Römer-    oder    Griechenschlosses    in    den    des 
Schlosses  der  Moslimin;    aber   der    alte  lebte  dennoch  fort, 
und  hat  sich  bis  auf  den  heutigen  Tag  erlialteu.    Kendschatu 
vermählte  sich  jetzt  mit  der  Frau  ßulughan  ,    der  geliebten 
Gemahlin    seines    Vorfahrers    und    seines   Bruders    Ärghun. 
Tekia   oder    Telkaul   starb    in    dem    Pallaste  Manssurije    zu     S.  Dsch. 
Arran   und   wurde   nach  Meragha    bestattet.     Voji-  Meragha  *!  ^^^  • — *i_ 
begab  sich  der  Hof   nach  Siahkuh  ,    wo    ein  Gesandter  Ku-        ^2i)3 

wiudschi's  ,     des    Sohnes    Sertaktai's ,      des    Zweitgebornen  '*'•  Schaahan 
,  692 

Oschudschis,  des  Oberhauptes  der  weissen  Horde,  mit  Ver- -r— 

'  *^  '  t3.  Juli  1293" 

Sicherungen    von  Freiheit    und   Eintracht ,    und    zwei   Tage 

darnach  die  Gesandten  Lrugt  Timur  Aghui's ,  des  Sohnes 
Kaidu's,  des  Enkels  Ogotai's,  mit  dem  Glückwunsche  des- 
selben, auch  Gesandte  von  Emir  Newrus,  welcher  in  Cho- 
rasan  die  Regierung  an  sich  gerissen.  Zugleich  mit  diesen 
Gesandten  der  üluse  Oschudschi's  und  Ogotai's  trafen  die 
Gemahlinnen  Kendschatu's,  Aische  aus  Kleinasien  und  ^^^^- i^  f^chaaban 
misch  aus  Diarbekr  ein.  Kerrai  Aghul ,  der  Sohn  Mengku  6'.9.g 
__________  ^.5.  Juli  1293 


')  D'Ohsson  IV'.  .S§  nach  M.aknsi  und  Noweiri,    dann    Reschid- 
eddin  und  VA'assat'.     -)  Dschihaunuma.     S.  'i98. 

26* 


404  f'  "  II  r  (  c  s    B  II  c  ii. 

Tlmur's    (^des    ülles(en    Sohnes    Ilulagirs)    mit   den  Emiren 

Doiadai  und  Kundscliukbal,  weiciic  nach  Ciiorasan  gesendet 

i^.  Wffw«s«H  ^^'®'*''^"  '  kehrten  zurück.     Das  Iloflager  zog  nach  Audschan, 

tf-*^^         von  da  nach  Heschtrud  ,  Meragha  und  Arran ,  wo  überwin- 

lu.At(g.i2!f3  |gj.j    „ard      jn    diesem    Winterquartier    Murde    die    Geburt 

des  zweiten  Sohnes  Kendschalu's,  des  Prinzen  Iranschah,  zu 

,>.  Rebiitl-    ßJi'c  gefeiert.     Drei  Tage  hernacli  traf   die  Botschaft  Tuk- 

cnuel(f93    tai's^  des  Herrschers  von  Kipdschak,  ein,  deren  Vorsteher 

■  ""■  der  Prinz  Kalintai.     Zu  Delan  Nawer  wurde  denselben  Ge- 

8.  Rebiiif-    ^^^^   gewährt.      Nach    drei    Wochen    Murden    dieselben    mit 

fxclih'        Ehrenbezeugungen  entlassen,    nachdem   sie    noch  Tags  vor- 

ti.M(ir-:iSi)4  j^g^,    ^^^  Grundsteinlegung    der    neuen    Stadt   am    Ufer    des 

g.Dschem.    ^^^  beigewohnt,    welche  den  Namen  Kotlogh  Bah'gh^  d.  i. 

cu:uei693    (]g,.  guten   Balley,  erhielt.     KerraiAghul,  welcher  vor  noch 

-  ««J"     gjif   Monaten    aus  Chorasan    zurückgekehrt    war,    ging    mit 
7.    Redscheb  o     c? 

(;()ß         Tod    ab,    und    neun    Tage   hierauf  erschien  Prinz  Baidu  im 


3.  JwH«  i^.94  Iloflager  zu  Alatak,    um  seine  Huldigung  darzubringen;   er 
16. Redscheb  yy^f^^  ungnädig  empfangen,    und   erhielt  die  Erlaubniss  sei- 
jj—. — ~[Jq^  ner  Rückkehr  nur  auf  die  Fürbitte  des  Günstiings  Burakin 
Ikadschi ,    dessen  Einfluss ,    wie  oben  erzählt   worden,   dem 
Ssadreddin  von  Sendschan  die  Wesirsstelle  verschafft  hatte. 
Dieser  wollte  seiner  Finanzverwaltung  Ruhm  verleihen  durch 
eine  neue ,  in  China  längst  übliche ,   aber    in   Persien  uner- 
hörte Massregel,  nämlich  durch  die  Einführung  des  Papier- 
geldes, das  auf  mongolisch  TscÄa?/' heisst.    Vergebens  stellte 
Schihtur  Nujan   vor,    dass   diese    Massregel    der    Ruin    des 
Landes;  er  wurde  aus  dem  Wege  geräumt.     Der  Emir  Ak- 
buka ,   Taghadschar,    der  Wesir  Ssadreddin    und    der    Hof- 
diener Teniacin*  verfügten  sich    nach  Tebris,   um    dort    das 
19.Schnaban  „.  ,,  n,..  ,  .       ^ 

ß!)3         Papiergeld  einzufiihren ;    sie    kamen    dort    im    Fastenmonde 

1ö.  Juli iä94  an,    und  führten  dasselbe  fünf  Wochen  nach  ihrer  Ankunft 
^^•^2^^"^^"  ^ ermöge  einer  Verordnung  ein ,    welche    dasselbe   in    allen 
iZ  Sevt      Zahhingen  an  Geldes  statt  anzunehmen    befahl    und  auf  die 
1894        Nichtannahme    die  Todesstrafe   setzte.     Dieser   den  Bewoh- 
nern   von    Tebris    unvergessliche   unheilsame   Tag   war    der 
zwölfte    September  • ).      Eine    Woche   Jang    ward    dasselbe 
')  .S.  Beilage  I\  . 


K  ü  II  f  t   e  s     D  u  c  li.  405 

durch  die  Gewalt  des  Schwertes  den  Einwohnern  aufge- 
zwungen; bald  aber  stieg  die  Verwirrung  aufs  höchste, 
indem  aller  Handel  und  Wandel  gehemmt  ward.  Der  Na- 
men desselben  ward  als  gebenedeites  Papiergeld^ )  zum 
Spotte.  Das  Gepräge  dieses  Papiergeldes  war  das  moham- 
medanische Glaubensbekenntniss  mit  der  geheimnissvollen 
Formel:  Irdschin  Ttirdschin,  und  die  Jahreszahl  der  Ent- 
stehung 693  (1294}-}.  Iscddin  Mosaffer,  welcher  dem  Wesir 
diesen  Auftrag  gegeben,  war  der  Gegenstand  der  allge- 
meinen Verwünschung.  Wiederholte  Aufstäiule  und  Ver- 
suche, dem  Wesir  das  Leben  zu  nehmen,  erzwangen  vom 
Bruder  endlich  die  Erlaubniss,  das  Vorhandene  um  baares 
Geld  verkaufen  zu  dürfen.  Darüber  entstand  allgemeiner 
Jubel  und  endlich  wurde  die  Aufliebung  desselben  nach  ei» 
Paar  Monaten  befohlen.  Prinz  Aghul  in  Chorasan  hatte 
dasselbe  nie  angenommen  und  sich  damit  entschuldigt ,  dass 
die  Luft,  welche  in  Chorasan  so  scharf,  dass  Waffen  binnen 
Jahresfrist  rosteten  ,  das  Papier  bald  zerfressen  haben  würde, 
und  Hess  das  ihm  zugeschickte  verbrennen;  wir  setzen  die 
Schilderung  der  Folgen  dieser  Massregel  mit  W  assaf's  eige- 
nen Worten  hieher. 

Die  Unzufriedenheit    der  Völker  Persiens   mit    dem    in  Ven-utk  der 

Weichlichkeit  und  Wollust  versunkenen  Leben  Keiulschatu's  ^'""''^^' '*^'^"" 

dscliatii's 
ermuthigte  den  Prinzen  Baidu,    welchem    vor  ihm  von  oen  ^^^^j^ ,    ^^^;_ 

Emiren  der  Thron  angetragen  worden  war,  zum  Versuche,  d</.s  Thron- 
denselben  wirklich  zu  behaupten.  Nachdem  er  bei  seiner  besteiyumj. 
letzten  Aufwartung  von  Kendschatu  übel  aufgenommen,  nur 
durch  die  Fürbitte  des  Günstlings  Burekdschi?i  Ikadschi 
vorgekommen,  beklagte  er  sich  über  solche  Behandlung  bei 
den  Emiren,  und  als  von  diesen  Tudndschu,  der  Oberrichter 
Dschidschek  Giirgan  Legst  ,  der  Sohn  Arghun's  (des  Statt- 
halters) und  lUimur ,  der  Sohn  llinduknr  IVujan's ,  nach 
Bagdad  gekommen ,    verband    er    sich    mit   ihnen   zum  Auf- 


')  Tschawi  m'ubarck  -)  ^5obaid  es  augckuiumen,  sei  es  iiage- 
nuniinen.  Wassiif  giebt  die  Koruiel  für  chiuesiscli  an,  sie  ist  aber 
altturkiscli  und  würde  auf  iieutürkisch :  irdü'.cde  tursuu  lauten,  d.  i. 
wenn  es  angekontmen .  soll  es  stehca  (gelteu.^ 


40()  ^'  "   11   f  t   c   s      R   u   t    li. 

Stande  wider  Keiuischatu.  üscheraaieddiii  von  Deätadscherd. 
der  Vorsteher  der  Sekretäre  der  Steuer  zu  Bagdad,  sehloss 
sich  an  dieselben  an ,  und  schaffte  ihnen  die  für  den  ün- 
terliait  des  Heeres  nothwendigen  Lebensmittel.  Baidu 
schiclite  Abgeordnete  nach  Bagdad ,  um  den  Mohammed 
Sikurdschi,  welcher  dort  mit  dem  Diplome  Kendschatu's 
die  Vogtei  verwaltete  ,  zu  tödten  '  ).  Ghurantai  Gurgan,, 
der  Eidara  Kendschatu's,  Gemahl  von  dessen  ältester  Toch- 
ter Kotlogh,  gab  durch  Eilboten  dem  Schwiegervater  von 
der  Verschwörung  der  Emire,  und  von  dem,  was  zu  Bag- 
dad vorgefallen,  iN'achricht,  und  warnte  ihn  wider  seine 
nächsten  Umgebungen,  die  Emire  Doladai  Ordadschi,  d.  i. 
Kellermeister,  Kundsckidbal  (welchem  Oldschatai,  die  erst- 
geborene Tochter  Arghun's,  sowie  seinem  Bruder  Ahmed  irvL- 
her  Tag hai ,  die  zweite  Tochter  Abaka's,  als  Frau  bestimmt' 
gewesen^,  Tukal  (der  Gemahl  Oldschai  Timur's,  der  zweiten 
Tochter  Arghun's^,  Ildschidai  uin\  Bukdat,  als  dieses  Anschla- 
ges theilhaftig.  Kendschatu  berieth  sich  mit  Akbuka,  in  dessen 
Händen  noch  immer  die  Zügel  der  obersten  Leitung  der 
Geschäfte,  Hess  die  genaunten  Emire  ergreifen  und  schickte  sie 
gebunden  nac!»  Tebris'^).  Hasan  und  Taidscku,  die  beiden 
mit  der  Leitung  der  Geschäfte  Betrauten  Kensdchatu's  stell- 
ten die  ?»'othwendigkeit  vor,  durch  die  Hinrichtung  der 
Emire  das  üebel  mit  der  Wurzel  auszurotten;  aber  Taghu- 
dschar,  der  schon  verderbliche  Plane  hegte,  verhinderte 
die  Hinrichtung  und  schickte  sie  als  Gefangene  nach  Te- 
bris  in  Verhaft,  den  Tukal  ausgenommen,  welcher  nach 
Georgien  geschickt  ward.  Von  Arran  aus  gingen  Gesandte 
an  Baibuka,  den  Botscfiafter ,  nach  Diarbekr,  dass  er  dort 
den  Baidu  ergreife.  Als  die  Gesandten  nach  Irbil  gekom- 
28.    Hebiul-^^^h  vernahmen  sie,   dass  Baibuka  von  Baidu's  Abgesandten 

achir  61)4   aufgehoben  worden  sei;  sie  kehrten  also  schnell  zurück,  um 

17.     ItJürz 

t24.5 

')  Scliedschretol  Etrak ,    S.  268.    stiitt    Sikurdschi  Skukurchcc  : 

jeiies  lieisst  Speerlialter ,  dieses  Zuckerbäcker.  ^)  llescliideddiu 
nach  Wassaf  giebt  die  Verhaftung  der  Emire  Idar,  KiiiidschukbaL 
Toladui;  Tukjal ,  lldschai  zh  hjaxvabari.  8chedsclircti»l  Etrak, 
s.  201. 


V  ü  n  f  (    LS     H  11  c  li.  .|()7 

(lieseil  Unfall  dem  Herrn  zu  berichten.  Hierauf  wurden 
die  Emire  Akbuka  und  Taghadschar  mit  Truppen  wider 
Baidu  gesandt.  Taitak  führte  den  Vortrab  von  fünftausend 
Reitern  nach  Hamadan ,  ihm  folgten  Akbuka  und  Tagha- 
dschar mit  zwei  Toraanen.  Ausser  Hamadan  trafen  die 
Vorposten  Taghadschars's  und  Uaidu's  aufeinander;  die  Bai  ;^.  Dschemu- 
du's  wurden  zurückgeschlagen.  Der  Chan  selbst  brach  mit  *'"^f^*^"^*^^ 
einem  Heere  vom  Thale  Aher  auf.  Taghadschar,  welcher,  2t.  Märt. 
da  Akbuka  das  höchste  Vertrauen  genoss,  von  Keiitlschaln  t^-^"' 
sich  abgewandt,  sandte  heimlicher  Weise  verrätherischc 
Botschaft  an  Baidu,  ihn  zum  Aufrühre  ermunternd.  Als 
das  Heer  am  Ufer  des  Dschaghan  stand ,  sagte  Akbuka, 
wiewohl  er  von  der  liciralichen  Sendung  Taghadscliar's 
keine  Kunde  hatte  ,  zu  diesem  :  Du  bist  ein  liänkesthmied, 
und  gewahrest  nicht,  in  welche  Dinge  du  dich  einlässesf. 
Taghadschar,  der  sich  verrathen  glaubfc ,  berieth  sich  in 
der  Nacht  mit  seinen  Emiren  und  ging  zu  Baidu  über.  Ak- 
buka, als  er  sich  auf  diese  Weise  hierlassen  sali,  eilte  mit 
dreihundert  Reitern  zum  Dienste  des  Schah.  Kendscliatu, 
bestürzt,  wollte  nach  Rum  entfliehen,  aber  seine  Angehö- 
rigen redeten  ihm  diesen  Plan  aus,  ihn  zur  Bekämpfung 
des  Feindes  ermuthigend.  Das  Lager  brach  gegen  Arran 
auf;  als  er  zu  Pilsuwar  stand,  entfloh  Hasaa,  der  Sohn 
Buku's ,  welcher  von  der  Wiege  auf  von  den  Umgebungen 
der  Majestät,  um  Mitternacht  zu  Baidu,  und  die  Emire 
Doladai  und  Kundschukbal,  welche  bisher  zu  Tebris  in  Ver- 
haft  gehalten  worden  waren,  thaten  desgleichen.  Die  Emire 
Irindschin  und  Taidschik  verbanden  sich  mit  einigen  ande- 
ren, und  setzten  ebenfalls  den  Kifdschak,  den  Sohn  Baidu's 
welcher  vom  Vater  an  Kendschatu  gesandt,  von  diesem  in 
Gewahrsam  behalten  worden  war,  in  P'reiheit  und  führten 
denselben  dem  Vater  zu'J 

Drei  Tage   nach   dem    ersten  V^orpostengefechte  ausser  Hmricldumi 
Hamadan  schlugen  sich  dort  Tailak   und   Toshnddscke   mit    f'\.'""^' 

7  '  derStatthal- 

.     ,.       fers  Charten 

')  Kescludcddin. 


408  F  ü  n  f  t  e  s     B  II  c  h, 

fi.UscUem.    Baschmak  Aghul  und  Karadscha ,   dieser   einer    der   Prin- 
eivHel694    ^^^    ^|gg    Lagers    der   Frau    Uruk    Chan    und  Eidam  Sultan 


1295   "    Ahmed   Tekuder's,    indem    er    dessen   Tochter    Sailun   zur 

Frau  Jiatte.     Der  Sieg  war  auf  der  Seite  Taitaks;  jetzt  aber 

war  Tukai    mit   einem    in  Georgien   gesammelten  Heere   in 

Anzug;  er  sandte  den  aus  der  Haft  befreiten,  und  den  noch 

darin   gehaltenen  Emiren  Wort,    dass   er   zum    Dienste    des 

Prinzen  Baidu  heranziehe,    und    gab    ihnen  Stelldichein   an 

den  ufern  des  Kur.    Eine  Truppe  von  tausend  Mann,  welche 

6.  Dschem.    ^^  Pilsuwar    stand   und  den  Aufenthalt  Kendschatu's  kannte, 

eirtcel 6'94    ergriff   denselben    und    lieferte    ihn    den    empörten    Emiren 

^^läQ-'^    '*"®'  '^'^  ''*"  ^™  selben  Tage  tödteten,  wo  Taitak  das  Heer 

Baidu's    geschlagen.       Von    den    Günstlingen    Kendschatu's 

wurden  Itogthu  und  Itpuki  mit  ihm  zugleich  hingerichtet '  ). 

Itkuli j  der  Hundssklave,  wurde  an  Baidu  gesandt,  damit  er 

8.  Bschein,   über  denselben  nach  seinem  Belieben  verfüge ;  dieser  schenkte 

ihm    aber    das    Leben.      Zwei    Tage   nach    der   Hinrichtung 


ewirel6'94r 


129.5^^  der  Emire  bestieg  Baidu  den  Thron  zu  Äudschan^).  Die 
Emire  Temadschi  und  Sertak  wurden  ihrem  Gebieter  in's 
Grab  nachgesandt'^;  die  Emire  Akbuka  und  Taidschu  wur- 
den aber  nicht  jetzt,  sondern  erst  in  der  Folge,  als  Baidu 
von  Ghasan  am  Flusse  Heschtrnd  geschlagen  ward ,  hinge- 
richtet. Kendschatn  war  der  zweite  Herrscher  der  Mon- 
golen in  Iran,  welcher,  wie  sein  Oheim  Ahmed  Tekuder, 
ein  Opfer  des  Aufruhrs  der  Emire  gefallen  war ,  und  das 
Begierungsende  Arghun's  ,  seines  Bruders,  war  nicht  weni- 
ger blutbefleckt  durch  der  Emire  Zwiespalt.  Alle  drei 
haben  der  nöthigen  Herrscherkraft ,  um  das  vielköpfige 
Ungethüm  der  Emirenherrschaft  im  Zaum  zu  halten ,  er- 
mangelt, und  nach  Hulagu  und  Abaka  war  erst  Ghasan,  der 
Enkel  des  letzten  ,  wieder  Herrscher  im  vollsten  Sinne  des 
Wortes.  Von  dem  Zusammenflüsse  des  Kur  (^Cyrus)  und 
des  Dschaghajitu ,  jd.  i.  des  weisschäumenden  Araxes,  wur- 
'den  Eilboten  abgesandt  an  Ghasan,  den  Neff'en  Kendschatu's 


•)  Nach    dem  Scliedschretol  Eti;ik,    {<.  270,    ward  er  zu  Kar.i- 
bagh  begraben.     0  .Schedschretol  Etrak,  S.  270.    ^)  Wassaf. 


Fünftes     H  u  c  li.  409 

in  Chorasan,  um  ihm  von  dem  Vorgefallenen  Nacliriclit  zu 
geben,  an  Baidu,  um  ihn  auf  den  Thron  zu  berufen.  Baidu, 
der  nähere,  welchem  der  Thron  schon  vor  Kendschatu  von  ^^  Dschem 
den  Emiren  zugedacht  worden,  bestieg  denselben  und  er-  eu-wel  694 
Hess  in  alle  Länder  Kündigungschreiben  des  Inhaltes:  ^^\)^6.Api'ill29ö 
Kendschatu  sich  von  den  Pflichten  der  Herrschaft  ab- 
gewandt und  die  Gebote  Tschengischan's  verbannt,  so  haben 
Wir  ihn  mit  Uebereinstimraung  der  Prinzen  und'  Prinzes- 
sinnen entthront;  die  Besorgung  aller  Geschäfte  der  Länder 
und  die  Vollendung  der  wichtigsten  Gescliäfte  der  ünter- 
thanen  liegt  nun  im  Ringe  des  königlichen  Willens,"  Dem 
Taghadschar,  welcher  der  Hebel  der  Erhebung  auf  den 
Thron ,  wurde  die  Würde  des  Fürsten  der  Fürsten  mit  dem 
Oberbefehle  des  Heeres  und  der  Finanzen  verliehen  ').  Die 
Emire  Kundschukbal ^  Tukal ,  Tadad&chu,  Legst  Giirgan 
wurden  ihm  untergeben.  Dschemaleddin  von  Destadscherd, 
der  Steuereinnehmer  von  Bagdad ,  welcher  sich  dort  den 
verschworenen  Prinzen  zuerst  angeschlossen ,  erhielt  eine 
Anstellung  in  den  Finanzen ,  und  nahm  seinen  Vornamen 
für  eine  gute  Vorbedeutung.  In  die  Fusstapfen  Abaka- 
chan's  tretend  ,  welcher  alle  Landschaften  einzelnen  Emiren 
übergeben,  und  diese  dafür  verantwortlich  gemacht  hatte, 
übertrug  er  Bagdad  und  die  Umgegend  dem  Tudadschu; 
Rum  und  Diarbekr  mit  den  dazu  gehörigen  Distrikten  dem 
Taghadschar  Niijaii ;  die  Gebiete  von  Irak  und  Lur  dem 
Toladai  Aidadschi;  die  Statthalterschaft  von  Schiras  und 
Schebankjare  verlieh  er  dem  Kundschuhbai;  dem  Dschem- 
aleddin wurden  die  Statthalterschaften  von  Schiras  mit 
allem  Zubehör  zu  Land  und  zur  See,  wie  zur  Zeit  Ken- 
dschatu's,  mittels  Jerlighs,  Paise  und  Kaftans,  d.  i.  mittels 
Patentes,  Löwenkopfs  und  Ehrenkleides,  so  auch  der  Prin- 
zessin Kurdudschin  die  Statthalterscliaft  von  Kerman  be- 
stätigt, von  welcher  unter  der  folgenden  Regierung  aus- 
fuhrlicher  zu  sprechen ,   der  Ort  seyn  wird ;    die   nur  acht 

')  Wassaf. 


410  K  ü  u  f  t  e  ü     Buch. 

Monate  dauernde  Baidu's  ist  so  enge  mit  den  gleichzeitigen 
Thronansprüchen  seines  Nachfolgers  Ghasan  verflochten 
und  ist,  die  entscheidenden  Begebenheiten  in  Chorasan  abge- 
rechnet, so  unbedeutend,  dass  dieselbe  am  besten  mit  der 
Erzählung  der  Geschichte  Ghasan's  vor  seiner  Thronbe- 
steigung im  folgenden  Buche  verwebt  wird. 


BEii<A«jEar. 


1.    Beilage. 

Auszug    aus    der   Geschichte    Haider's    über 
Dschudschi. 


Auszug:  aus  der  Geschichte  Haider's  auf  der  kön. 
Bibliothek  zu  Berlin.    Band  II.    Blatt  601. 

Karz  Dschudschi  starb  ein  Jahr  nach  Tschengis  Chan, 
aber  die  Geschichtschreiber  sind  über  die  Zustände  Dschu- 
dschi's  nicht  einig.  Einige  sagen ,  dass  Dschudschi  Ch^, 
nachdem  er  sich  nach  der  Eroberung  Chuaresm's  von  den 
Brüdern  getrennt,  nach  Kipdschak  gegangen,  von  dort  aber 
wieder  zurückgekehrt,  an  der  Gränze  Indiens  mit  des  Va- 
ters Gegenwart  geadelt  ward ,  und  demselben  tausend 
Schimmel  zum  Geschenke  schickte;  aber  Hafis  Ebru  setzt 
das  Gegentheil  auseinander,  nämlich,  dass  nach  der  bei 
der  Belagerung  Chuaresm's  zwischen  Dschudschi ,  Ogotai 
und  Dschaghatai  vorgefallenen  Misshelligkeit  Dschaghatai 
und  Ogotai  sich  zum  Vater  begaben  und  an  der  Gränze 
Thalkan's  und  Bedachschan's  mit  des  Vaters  Gegenwart 
geadelt  worden,  und  dass  sich  Dschudschi  von  Chuaresm 
gegen  den  Irtisch ,  wo  sich  dessen  schweres  Gepäck  befand, 
begab ,  und  sich  mit  seinen  Lagern  vereinte.  Da  Tschengis 
Chan  früher  befohlen  hatte ,  dass  Dschudschi  die  nördli- 
chen Länder,  nämlich  die  der  Bulgaren,  Baschkiren,  Rus- 
sen, Tscherkessen  und  Deschtkipdschak  erobern  solle,  und 
Dschudschi  sich  jetzt  gegen  den  Irtisch  gewendet  hatte,  so 
glaubten  die  Söhne  Tschengis  Chan's,  dass  Dschudschi  ver- 
möge Befehls  diesem  Dienste  obliege;    als  es   aber   zuletzt 


^]2  E  r  6  t  e      B  e  i  1  a  g  e. 

erhellte,    dass   er  Nichts    unternahm,    und    nach  Hause  ge- 
gangen war,    um    des  Wohllebens  zu  geniessen ,    ergrimmte 
Tschengis  Chan  gar  sehr  und  befahl,    an  demselben,    ohne 
dass  er  sein  Antlitz  sehe,    die  Strafe  des  Gesetzes  zu  voll- 
ziehen.   Unterdessen  war  üschudschi  mit  Krankheit  behaftet 
und  war  desshalb,  als  Tschengis  Chan  aus  Persien  zurück- 
gekehrt,   in   sein    eigenes  Lager   gekommen;    er  war  nicht 
im  Stande,  sich  selbst  zum  Vater  zu  begeben,  und  schickte 
ihm  blos  einige  Säcke    von  Turteltauben'),    indem  er  sich 
mit  seiner  Krankheit  entschuldigte.     Hierauf  kam  ein  Tan- 
gute von  den  Jurten  und  Gränzen  Dschudschi's  zu  Tschengis 
Chan;  auf  dem  Wege  sah  er,  dass  dieser  seine  Jurten  ver- 
ändert, an  einen  anderen  Ort  hingezogen,  wo  gejagt  ward; 
da  er  selber  krank,  hatte  er  seine  Emire  auf  die  Jagd  ge- 
schickt; jener,    der   im   Vorüberziehen    eine   Menge   Volks 
jagen  gesehen,  schloss  daraus,  dass  Dschudschi  selber  jage, 
und    sagte    daher,    als   Tschengis    Chan    um    die   Krankheit 
dfenselbe»   fragte:    Ich   weiss    von   seiner  Krankheit   Nichts, 
denn  als  ich  herzog,  habe  ich  ihn  an  dem  und  dem  Berge 
mit    der   Jagd   beschäftigt   gefunden;    dieses   Wort   brachte 
Tschengis  Chan  in  den  grössten  Zorn;  denn  es  war  in  sei- 
nem Sinne  nun  ausgemacht,  dass  Dschudschi,  ein  Empörer, 
auf  das  Wort  des  Vaters  nicht  achte;  er  sagte,  Dschudschi 
ist    närrisch    geworden   und    hat   thörichte  Handlungen   be- 
gangen;   nun    ist    es    nothwendig,    Truppen    wider    ihn    zu 
schicken,   an   deren  Spitze  Dschaghatai    und  Ogotai   ziehen 
und  ihm  nachsetzen  sollen,     unterdessen  lief  die  Nachricht 
von  Dschudschi's  Tod    ein,    wodurch  Tschengis  Chan    sehr 
betrübt  ward;    er    zog  genauere  Erkundigung  ein,    und   als 
er  fand,   dass   der  Bericht  jenes  Tanguten  Lüge   und  Ver- 
laumdung  gewesen,    gab    er  den   Befehl,  ihn  hinzurichten; 
allein  dieser,  hiervon  verständigt,  war  früher  aus  dem  Lager 
entflohen.      Die    Zeit    der    Lebensjahre    Dschudschi's     war 


•j  hirkn  stellt  im  Mcuiiiski  als  Guckijuck .  heisst  aber  aul  Per- 
sisch Turteltaube  (Fcrhen-  Scliuiui  II.  Bl.  226};  die  Türken  nen- 
ne» auch  deu  Schwau  Kuku. 


Erste     Beilage.  41S 

dreissig  Jahre;  er  hatte  fünfzehn  Söhne,  von  denen  Batu 
ihm  in  der  ChanscFiaft  nachfolgte;  die  Namen  der  Söhne 
Dschudschi's  sind  die  folgenden  :  1}  Orda ,  2^  Batu,  3J 
Berke,  4}  Berketschiter ,  5^  Jetukami? ,  6)  Scheiban ,  7) 
Tavgkut,  8)  Juden  (Tuden?),  9)  Tschilaun,  10)  Sikur, 
11)  Dschemi,  12)  Udur ,  13)  Boka  Timur ,  14)  Schihmi. 
Hier  sind  nur  vierzehn  statt  fünfzehn  aufgeführt;  es 
fehlt  nämlich  der  von  Reschideddin  vor  üdur  aufgeführte 
Mohanuned;  dafür  fehlt  bei  Reschideddin  Jetukami,  welcher 
iuterpolirt  scheint.  Weiter  ist  über  diese  Namen  zu  be- 
merken, dass  der  dritte  bei  D'Ohsaon  S.  325  Berkatschar, 
in  der  Handschrift  Reschideddin's  auf  der  kais.  Hofbiblio- 
thek Berktschapar ,  was  jedoch  ob  Mangel  der  Punkte 
zweifelhaft  und  in  meiner  Handschrift  des  Dschihanguscha 
bei  der  Thronbesteigung  Ogotai's  Berketschiter  genennet 
wird.  Das  letzte  scheint  das  richtigste  und  eine  Zusam- 
menziehung von  Berke  kitschikter  ,  d.  i.  der  kleinere  Berke, 
zu  sein;  der  vierte,  hier  Juden  oder  vielmehr  Tuden  ge- 
nannt, heisst  bei  Reschideddin  Tewal;  der  folgende  bei 
demselben  richtiger  Tschüaikun  statt  Tschilaun,  was  daraus 
zusammengezogen.  Der  hier  Dschemi  genannte  heisst  bei 
Reschideddin  Dschintimai  und  ist  aller  Wahrscheinlichkeit 
derselbe  mit  Suntai,  welchen  Wassaf  in  dem  Abschnitte  : 
von  dem  Ende  Tschengis  Chan's  und  der  Thronbesteigung 
seines  Nachfolgers,  mit  dem  Bruder  Batu  nennt,  und  wel- 
cher auch  im  Dschihanguscha  als  der  Befehlshaber  des  zur 
Eroberung  des  Restes  von  Kipdschak  gesandten  Heeres  er- 
scheint; endlich  ist  vom  vorletzten,  Boka  Timur,  zu  bemer- 
ken, dass  derselbe  beim  Abul  Ghasi  (^B.  96  der  Textaus- 
gabe) Tokai  Timur  heisst,  dass  Boka  Timur  im  Dschihan- 
guscha im  Geleite  Batu's  bei  der  Thronbesteigung  Ogotai's 
erscheint,  während  nach  Abul  Ghasi  Tokai  Timur  als  Re- 
gent in  Kipdschak  zurückgelassen  ward.  Hierauf  folgt  bei 
Haider  die  Aufzählung  der  Chane  der  weissen  Horde  : 
1)  Menkai^,  2)  Sasi  Boka  ,  3)  Eideren  Ben  Sasi, 
4 )  Tschitschai ,  Sohn  Eiderens ,  5)  Vrus  Chan ,  Sohn 
Tschitschai's ,   6)    Tokatmisch    Chan.     Im   Munedschimbaschi 


414  Erste     Beilage. 

(auf  der  kais.  Hofbibliothek  BI.  897)  heisst  1)  Sasi  Boka 
der  Sohn  Tuli's,  des  Sohnes  Ordas;  ihm  folgt,  2")  Ebrsan, 
der  Eideren  Haiders,  3)  Muharek  Chodscha,  4")  Sckmtat, 
der  Tschi'tschai  Haider's.  5)  Vms  Chan.  Hierüber  ist  zu 
bemerken,  dass  in  den  Geschlechtstafeln  bei  Reschideddin 
unter  den  Söhnen  Orda's  kein  Menkai  vorkömmt,  welcher 
nach  Haider's  Angabe,  sowie  Tuli  nach  der  Munedschin- 
baschi's,  der  Vater  Sasi  Boka's  gewesen  sein  soll;  nach  Re- 
schideddin war  Sasi  Boka  der  Sohn  Pajan's^  des  Sohnes 
Kuhindschi's ,  des  Sohnes  Sertahtai's ,  des  Sohnes  Orda's, 
so  dass  er  der  Ururenkel  Orda's  und  nicht  der  Enkel  des- 
selben gewesen ,  was  wohl  als  das  richtigere  anzunehmen 
ist.  Im  Abul  Ghasi  (S.  99  der  Textausgabe)  erscheint 
Tokatmisch  als  der  Sohn  Chodschaoghlan's ,  des  Sohnes 
TukkuVs.,  des  Sohnes  Saritsche's ,  des  Sohnes  Us  Timur's, 
des  Sohnes  Tokai  Timur's,  des  Sohnes  Dschudschi's. 


II.    Beilage. 

Auszug  aus  Wassaf  über  den  Ulus 
Dschudschrs. 


liir^rähnung  der  üänder  Dscbudscbi's. 

Ala  Dschudschi  vom  Dienste  Tschengis  Chan's  zurück- 
kehrte, so  ereignete  es  sich  alsbald,  dass  er  wider  seinen 
Willen  zur  Reise  in's  andere  Leben ,  welches  die  eigent- 
liche grosse  Reise  ist,  aufbrach.  Es  blieben  von  ihm  sie- 
ben Söhne '^  zurück,  als  eben  so  viele  Planeten  am  Himmel 
der  Chanschaft,  und  die  Person  des  Reiches  war  gleich- 
sam aus  sieben  Gliedern  zusammengesetzt.  Hordu ,  Baüi, 
Berestai,  Schekutj  Berke,  Berhedscharj  Buka  Timur.  Von 
ihnen  war  Batu ,  ausgezeichnet  vor  seinen  Brüdern  durch 
Genius  seines  Wesens,  Gerechtigkeit  seines  Benehmens  und 
Freigebigkeit  seiner  Anlagen ,  der  Erbe  der  Länder  des 
Vaters.  Vier  Distrikte  (^Hesare)  der  Krongüter  Dschu- 
dschi's,  Qesek ,  Esan ,  Osek ,  Alghuij  welche  zusammen 
mehr  als  neun  Tomane  (Landes^  ausmachten,  untergab  er 
der  Aufsicht  seines  älteren  Bruders  Hordu;  der  Sammel- 
platz der  Heere  Batu's  waren  die  Distrikte  am  Itil 
(^  Wolga).  Er  unternahm  den  Bau  einer  Stadt,  deren  Aus- 
dehnung weit  wie  das  Feld  hohen  Unternehmungsgeistes 
und  diesen  Fröhlichkeit  sichernden  Ort  nannte  er  Serai. 

Obwohl  er  der  christlichen  Secte  folgte,  deren  Beistand 
und  Hülfe  Vernunft  zuwider  ist,  so  neigte  er  sich  doch 
auf  keine  Seite  der  verschiedenen  Secten  hin,  und  war  weit 

'D  Batu  hatte  nicht  sieben,  sondern  vierzehn  Söhne. 


416  Zweite     B  e  i  1  a  sj  e. 

davon  entfernt ,  an  einer  derselben  halsstarrig  zu  halten, 
als  das  Feld  der  Welt  durch  die  Thronbesteigung  dieses 
Siegelringes  der  Zeiten  zum  Rosenfeld  und  das  Auge  der 
Welt  durch  die  Lichter  seiner  Gerechtigkeit  erhellet  wor- 
den, als  Zeit  und  Raum  diese  beiden  Verse  declamirten: 
Die  Welt  ist  hell  von  Delues  Thrones  Schatten, 
Er  hat  die  Welt  verkehrt  iu  Roseuuiatten. 
Bei  dem  zweiten  Kuriltai  kamen  die  Prinzen  darin  überein, 
dass  der  Säbel  mit  Grimm  wider  die  Köpfe  der  Anführer 
der  Russen  und  Assen  geführt  werden  solle,  welche  den 
Fuss  der  Feilheit  in  die  Reihen  der  Widersetzlichkeit  ge- 
setzt. Von  den  Prinzen  Mangu  Kaan's  wurden  Kajuk,  Ka- 
dachan ,  Kurgan ,  Turi  ,  Paidar ,  Hör  du ,  Tangut ,  welche 
letzte  beide  am  Tage  der  Schlacht  festen  Fusses  standen, 
und  Basintai  Behadir  zu  dieser  Unternehmung  bestimmt. 
Sie  setzten  sich  zur  Zeit,  als  der  Frühlingswind  in  voller 
Kraft  wehte: 

Der  Rosenstrauch  schwang  in  dem  Garten  Speere , 
Das  Blatt  war  Dolch ,  die  Dornen  Lanzenspitzen, 
in  Bewegung.    Die  Heere  kamen   an  der  Gränze  Bochara's 
zusammen  und  zogen  wider  Russland  aus: 

■^Vas  Indien,  zeigt  sein  indisch  Schwert 
hen  Assen j  Russen  und  Alanen. 

Sic  eroberten  die  Stadt  Moskau,  gefüllt  mit  einem  Heere 
zahlreicher  als  Heuschrecken,  zanksüchtiger  als  Fliegen, 
und  das  sich  bei  der  Wehr  zusammennimmt ,  plünderten 
und  mordeten  nach  ihrer  Gewohnheit.  Sie  schnitten  die 
Ohren  der  Erschlagenen  ab. 

Es  füllet  in  der  Welt  dein  Ruhm  die  Ohren, 
Vor  deinem  Grimm  droht  Untergang  den  Ohren. 
Man  zählte  270,000  abgeschnittene  Ohren. 

Du,  schärf  das  Ohr;  der  Himmel  haut  dich  iiber's  Ohr. 
Die  Prinzen  und   grossen  Fürsten  und  siegreichen  Freien 
waren 

(Der  Himmel  war  zu  Willen  und  das  Schicksal  folgte) 
wunschbefriedigt  und  die  Engel  sangen  dazu: 
Der,  so  sich  wider  Dein  Gebot  empört, 
Der,  so  dein  Reich  im  mindesten  nur  stört, 


Zweite     B  e  i  1  ii  g  e.  417 

Dem  spalte  Partisau'  das  Aug'  inmitteu, 
Dess  Körper  sei  dem  Grimm  des  Dolchs  zu  Thcil, 
Dem  sei  vom  Messer  Zuni>;e  abgeschnitten  i 
Dem  sei  der  Hals  durchbohret  von  dem  Pfeil. 

Als  sie  zurückgekehrt,  hatte  Batu  Lust,  wider  die  Kela- 
ren  und  Baschkirden,  welche  die  christh'che  Religion  be- 
folgten, aufzubrechen.  Als  die  Heere  des  Winters,  aus 
Furcht  vor  den  Dolchen  der  Neider,  das  Gesicht  abwand- 
ten ,  und  die  Rosen  sich ,  wie  das  Glück  der  Glücklichen, 
mit  hundert  oflFenen  Gesichtern  zeigten  und  die  Nachtigall 
mit  bestimmtem  Schall : 

Weisst  Du,  warum  der  Ljra  Saiten  gellend  schreiu? 

Weil  ohne  dem  Gesicht  die  Ros'  nicht  Ros'  und  Wein  nicht  Weiu. 

Auf  deiner  Roseuwange  ist  das  Heer  zu  schauen, 

Weil  es  darauf  sich  legt  mit  herzlichem  Vertrauen, 
ging  der  Prinz,  der  das  Glück  gefunden. 

Hem.     Die  Welt  au  seinem  Zügel,  die  Zeit  au  seinem  Büge!. 

Hern.     Wenn  deine  Bügel  weiter  gehn^ 

Was  Wunder,  wenn  wir  auch  nicht  stehn! 

Er  zog,  fest  wie  Schlösser,  mit  40,000  Reitern,  deren  jeder 
die  Stütze  eines  mächtigen  Heeres,  in's  Feld.  Zur  Zeit, 
als  die  beiden  Heere  auf  einander  trafen,  trennte  sie  ein 
Fluss  mit  steilen  Ufern.  Batu  sandte  seinen  Sohn  mit  einem 
Toinane  Fleeres,  um  über  den  Fluss  zu  setzen,  und  er 
selbst  besetzte  einen  Hügel  und  betete  demüthig  vor  der 
Majestät  Gottes,  des  absoluten  Gnadenverleihers,  mit  einem 
Herzen,  brennend  wie  die  liampe  dessen,  der  die  Nacht 
durchwacht,  und  mit  einem  Hauche,  kalt  wie  der  dea 
Morgens.  So  brachte  er  die  Nacht  bis  an  den  Tag  hin; 
am  andern  Tage,  als  der  einpferdige  Chosroes  der  Welt 
frohe  Nachricht  gebracht,  und  auf  dem  Degen  Qlücken^ 
der  Berge  das  Rad  (^der  Sonne)  sichtbar  gemacht,  reihten 
sich  beide  Heere  zur  Schlacht.  Sertak  fiel  den  Feind  mit 
einem  Toman  stürmend  an,  und  die  anderen  auf  dem  Hü- 
gel aufgestellten  Heere  rannten  wie  ein  Gürtel  von  der 
Höhe  nieder;  gleich  niederstürzendem  Loose,  welchem 
nichts  zu  wehren  im  Stande,  wandten  sie  ihr  Gesicht  gegen 
das  feindliche  Lager,  und  zerstückten  mit  ibrcm  Snbel  die 
Hammer,   Gpscliiclite  dor  Ilclinn«».    I.  27 


418  Zweit     Beilage. 

Zeltstricke  wie  den  Strick  der  Freundschaft  der  Verbrecher. 
Furclit  und  Schrecken  bemächtigten  sich  de'r  Einwohner 
von  Kelar ^  die  Waldteufeln  glichen;  die  meisten  derselben 
wurden  ein  Frass  des  Schwertes  und  der  Hyänen  ,  und  so 
wurde  auch  dieses  Land  den  Schwesterländern  beigesellt. 
Im  Jahre  653,  als  Mangu  Kaan  ein  Kuriltai  hielt,  wurde 
Sertak  zum  Dienste  des  himmelhohen  Thrones  gesandt.  Ehe 
er  zurückgekehrt,  hatte  sich  Batu.von  der  Braut  der  Chan- 
schaft dreimal,  d.  i.  unwiderruflich,  geschieden  und  Sertak, 
mit  Gnaden  und  Gunstbezeugungen  überhäuft,  kehrte  in  die 
Residenz  zurück,  und  ohne  sich  lange  aufzuhalten,  ward 
er  zur  Abreise  (^aus  dieser  Welt)  gezwungen.  Verraög 
des  Befehles  Mangu  Kaan's  übernahm  Berakdschin  Chatun, 
welche  die  grösste  der  Frauen,  die  Sorge  für  die  Beför- 
derung der  Reichsgeschäfte ,  und  erzog  hiezu  den  Ulagh- 
dschi ,  den  Sohn  Sertak's;  doch  auch  Ulaghdschi 

Hern,  endete  iu  kurzer  Zeit  sein  Lebeu. 
Berke  ^ghul  erhielt  die  chanische  Krone,  dessen  Heere 
sich  zu  wiederholtenmalen  mit  denen  Hulagu's  schlugen, 
und  als  die  Chanschaft  an  Mangu  Timur  gekommen  ,  war 
diess  der  Fall  mit  den  Heeren  Abakachan's,  wie  diess  schon 
oben  vorgekommen. 


III.    Beilage. 


Auszug  aus  Wassaf  über  den  Krieg  zwischen 
Hulagu  und  Berke. 


Iiirwjihnung^  der  Ursachen  der  Be\rilderunt?,  welche 

zwischen  Hulagu  Chan  und  Berke  Ag^hul 

statt  gefunden. 

Zur  Zeit,  als  der  welterobernde  Padischah  Dschengis- 
Chan  alle  Könige  und  Länder  der  Welt  beherrschte  und 
besass  und  dieselben  seinen  vier  Söhnen  Tuschi,  Tschaga- 
tai,  Ogtai  und  Tuli  vertheilte  und  zumass,  als  er  die  Orte 
und  Horte  auf  allen  vier  Seiten  bestimmte,  wie  es  seinem 
Scharfsinn  gut  dünkte  und  seinem  durchdringenden  Genius 
ziemte  (die  umständliche  Theilung  der  Länder  und  Ge- 
biete ist  in  der  Geschichte  Dschihanguschai  ausführlich 
beschrieben),  wurden  dem  Dschagatai  die  Stationen  und 
Regionen  von  den  Gränzen  der  nigurischen  Pässe  bis  nach 
Samarkand  und  Bochara  zugetheilt,  und  sein  gewöhnlicher 
Aufenthalt  war  in  der  Nachbarschaft  von  Almaligh.  Ogo- 
tai ,  welchen  der  Vater  bei  seinen  Lebzeiten  noch  zum 
Nachfolger  bestimmt  hatte,  residirte  an  den  Gränzen  von 
Imil  und  Kobak ,  welches  der  Chanschaft  Thron  und  der 
Nabel  des  Reichs.  Tuli  besass  die  Jurte ,  welclie  an  die 
Chatai's  stiessen ,  und  von  Kialik  und  Chuaresm ,  von  den 
äussersten  Gränzen  von  Saksin  und  Bulghar  bis  an  die 
Gränzpässe  von  Derbend  und  Baku,  war  Alles  auf  den  Na- 
men des  ältesten  Sohnes  Tuschi  geschrieben.  Hinter  Der- 
bend, welches  insgemein  das  eiserne  Thor  heisst,   war  da» 

21  * 


420  Dritte     Beilage. 

Winterquartier  seiner  Heere,  von  wo  dieselben  bis  Arran 
streiften,  und  Arran  und  Aserbeidschan  gehörten  noch  zu 
ihren  Ländern.  Die  Ursachen,  welche  Stoff  zum  Streit 
herbeiführten  und  die  Zwistigkeit  schürten,  sind  die  fol* 
genden:  Im  Winter  des  Jahres  602  (1263),  als  der  Gold- 
schmied der  Allmacht  die  Flüsse  von  Derbend  mit  Silber- 
platten überzogen ,  und  der  Kirschner  des  Winters  nach  dem 
Maasse  der  Hügel  und  Haiden  denselben  Hermelinkleidcr 
angezogen,  als  die  Oberfläche  des  Flusses  auf  die  Tiefe 
eines  Lanzenfusses  gefroren  wie  Bein  und  Stein,  ging  auf 
Befehl  Berke  Aghul's  ein  Heer  von  Mongolen,  die  unrei- 
ner als  Wüstenteufel  und  Ghulen ,  und  deren  Schaaren 
zahlreicher    als    die    Tropfen    des    llegens  waren  : 

Sie  kamea,  I'^iüsse  tragend, 

Wie  Teiche  Wogen  scliiagend, 
über  den  gefrornen  Fluss  wie  Feuer  und  Wind  geschwind. 
Von  dem  Gewieher  und  Geklirre  ihrer  Pferde  und  Trup- 
pen war  die  Zauberin  der  Erde  voll  rollender  Donner  und 
leuchtender  Blitze;  im  flammenden  Feuer  des  Zornes  ka- 
men sie  bis  an  die  Ufer  des  Kur  (Cyrus^.  Hulaguchan 
ging  ihnen  zur  Abwehrung  des  Funkens  ihres  Bösen  mit 
einem  Heere  entgegen: 

Aiab.   Vers.    Morgens  trafen  sie  auf  ein  vermisclites  Heer, 
Unaufhörlich  zog  es  wie  die  Erde  her. 
Pferde,  sc'iwerbepauzert,  mit  zwei  Reitern  liefen 
Unterm  Staub  wie  Dromedare  in  die  Tiefen; 
Klingen  strahlen  weiss  und  Speere  dunkeln  braun; 
Sieh!  die  Braunen  bohren  und  die  ^^'eissen  hau'n. 

In  dem  Treffen  worden  sie  geschlagen  und  zogen  sich 
aijiogleich  zurück: 

Ärab.   Vers.     Wenn  sie  fliehen,  wird  der  Feind  nach  ilmen  ziehen. 
Wenn  sie  stehen ,  ist  es  um  ihr  Gut  geschehen. 

Im  Passe  Baluje  standen  sie  abermal  zur  Schlacht.  Es  fro- 
ren die  Füsse  dem  Boden  an,  und  im  Heere  Berke's 
liielten  Klein  und  Gross,  Mann  und  Ross  aus,  bis  dass 
sie  alle  erschlagen,  und  die  Andern,  besiegt,  die  Zügel 
der  Flucht   davon  getragen.     Hulagu  erlaubte  den  Heeren 


U  i-  i  t  t  u     H  e  i  1   it  g   e.  421 

nicht ,  zurückzukehren ,   bis  sie  nicht  über  den  gefrorenen 

Fluss  gesetzt. 

Arab.   Vers.     Des  Blutes  Ströme  gelin  wie  Wasserrinuen, 
Die  Säbel  löschen  ihreu  Durst  darinnen; 
Sie  schwanken  zwischen  Tod  und  zwischen  Lehen 
Und  zwischen  Leichtsinn    und  vcruüufi'yem  Streben. 

So  wurden  von  Tag  zu  Tag  die  Stationen  der  Rebellen  die 
Lagerorte  des  ilchanischen  Heeres.  Sie  schlugen  auch  den 
Weg  friedlicher  Unterhandlung  und  Ausgleichung  ein,  und 
thaten  die  Hand  der  Verlängerung  auf,  bis  sie  das  ganze 
Land  von  den  Nachtheilen  der  Usurpation  gereinigt  und 
die  üebermacht.  der  Fremden  daraus  verbannt. 
A,  V.  Sie  fielen  aus  im  Sturm  auf  die,  so  iu  der  Nähe, 
Wir  fielen  aus  im  Sturm  auf  die  uns  in  der  Nähe. 

Sie  trieben  sie  in  die  Enge  und  verfolgten  sie  durch  einige 
Stationen  Länge.  Als  der  feindeverbrennende  Padischah  mit 
seinem  glücklichen  Lager  herangenaht,  gab  er  den  Befehl, 
die  Genossen  Berke  Aghul's ,  welche  zu  Tebris  im  Besitze 
von  Reichthum  und  Waaren  ,  mit  Handel  und  Wandel  be- 
schäftigt waren,  hinzurichten  und  ihre  Güter  in  dem  Schatze 
aufzuschichten.  Viele  derselben  waren  blos  Commissaire, 
in  deren  Händen  die  Capitale  und  Güter  ihrer  Principale 
geblieben  waren.  Berke  Aghul,  um  Gleiches  mit  Gleichem 
zu  vergelten,  Hess  die  Kaufleute  der  Länder  des  Chans 
tödten  und  legte  ihnen  auf  diese  Weise  das  Geschäft.  Der 
Weg  der  Gehenden  und  Kommenden,  das  Reisen  der  Kauf- 
leute, war  nun  auf  einmal,  wie  das  Geschäft  der  Verdienst- 
vollen, gesperrt  und  die  Teufel  der  Unruhe  waren  der 
Flasche  der  Zeit  entsprungen.  Indessen  hatte  Kublai  Kaan 
einen  Gesandten  gesendet  und  die  Dinge  Bochara's  anders 
gewendet.  Von  sechzehn  Hesaren,  welche  zu  Bochara  la- 
gen, waren  fünf  dem  Batu  anhänglich,  drei  der  Frau  Ku- 
tibeg ,  der  Mutter  Hulagu-Chans,  und  die  übrigen  dem 
Ulugh  Kul,  das  ist  dem  grossen  Delai,  welche  jedem  Cicy 
Kinder  Tschengis-Chan's ,  die  von  dem  Throne  der  Chan- 
schaft Besitz  nähmen,  zu  Befehl.  Diese  fünfHesare  führte 
Bahi   in    das   Feld    und    las    ihnen    von   den    Klingen    der 


422  Dritte     Beilage. 

Schwerter,  velche  die  Bothen  des  Todes,  des  rothea,  ihr 
Todesnrtheil  vor.  Ihrer  Güter,  Weiber,  Söhne  wurde  nicht 
geschont.     Da  die  Re^el  des  Spruches: 

Die  Liebe  erbt  fort  und  der  Groll  erb«  fort. 
In  der  Ansicht  der  Vernünftigen  ^e;ründet  ist,  eo  breitete 
loch  Menj^  Timur .  der  Sohn  ßerte  jäghul'g ,  welcher 
nach  dessen  Tode  dessen  Stelle  rertrat,  ^\6ct  Abakm  Kac  . 
den  Teppich  der  alten  Widerspenstig^keit  auf,  nad  es  hal- 
ten zwischen  ihnen  zu  widerholtenmalen  Streitigkeiten  und 
Zwisti^keiten  Cnrs  und  Lauf.  Einmal  wurden  30.000  Rei- 
ter, sibelscbirfende ,  lanzenwerfende,  zur  Zeit  ihrer  Rück- 
kehr über  den  Fluss  wie  zerbröckeltes  Eis  angerieben  nnd 
in  den  Abfand  getrieben  und  das  Resultat  ihre«  Leber - 
auf  die  Platten  Ton  Eis  geschrieben.  Als  nun  der  hohe 
Abaka  Chan  mit  der  Men^e  ihrer  Heere  nnd  ihrer  Rühnheii 
näher  bekannt,  zo^  er  ^e^en  Derbend  eine  Maoer  durch 
1  n«d  welche  Saab  genannt,  um  diesen  weltrerwirrenden 
Heeren  den  Einfall  aad  £inbrnch  zn  erschweren.  Diest 
beiderseitige  Feindsckalit  bestand,  und  diese  ^e^enseiti^c 
Hutb  und  Scheelsucht  hatte  Bestand,  bis  Kendschatu,  der 
GhMi,  im  Land.  Als  Xoshai  der  Erbe  de»  Landes  Men^u 
Tiorar's  ward ,  wnrde  durch  ^ef  enseiti^e  Gesandtschaften  und 
Schreibenwechsel  der  Wer  der  Kanflente  und  Handels^e- 
■■BBcn  wieder  aaf|^ethan.  Die  Ursachen  des  Heilee  la^en 
ia  4ea  Plaa;  <Us  Land  Arran  fin^  durch  die  Meng^e  Ton 
Wagea  «sd  Zeiten,  ron  Pferden  und  Schafen  Wo^eu  zu 
BcUa^ea  an  und  dieser  Länder  Wa^en  nach  einigen  Jahren 
wieder  «n  zn  gebahr^ 


IV.    Beilage. 

Auszug  aus  W  assaf  über  das  Papiergeld. 


Erläuterung  der  Ursachen,  -«reiche  die  Einfuhrun;; 

und  Temichtun;;  des  Papierg^eldes  (flächainrj 

herbeigeführt. 

Der  von  ewig  her  bestehende  Spender  der  Nahrang:  und 
der  allweise  Schöpfer  (^geheiligt  seien  seine  Eigenschaften!}, 
welcher  die  Bewohner  der  vier  Wände  der  Natoren  der 
Menschheit  und  die  Eingekerkerten  der  sechs  Richtungen 
irdischer  Körper  bald  ohne  Anlass  geleisteten  Dienstes  durch 
den  Ausfloss  seiner,  keinen  Dank  ansprechenden  Gnaden  be- 
stimmt, und  bald  ohne  rorhergehende  Schuld  seine  Ge- 
schenke und  Spenden  zurücknimmt,  Er  dessen  ewige  Wis- 
senschaft: Koranstext: 

,ylhtn  ist  kein  Sonnenstäubchen  fremd 
auf  Erden  und  im  Himmel"  *}. 
das  vollkommenste  Gemälde  der  Herrschergrosse  ist,  wollte 
es  so,  dass  nach  der  Begebenheit  (^der  Thronbesteigung} 
Arghun-Chan's  in  alle  Herden  der  Mongolen  eine  Seuche 
fiel ,  welche  sie  in  ihrer  Sprache  Jut  nennen.  Aus  diesem 
Anlas»  fehlte  es  den  meisten  Truppen  zu  Bagdad,  Mossul, 
Diarbekr  und  Chorasan  an  den  nöthigen  Lastthieren  und  in 
dem  Schatze  war  durch  die  Verändereng  der  Chane  und 
Vergeudung   des  Goldes   an    die  Truppen  nichts  zurückge- 


')  Der  6l.  Vcm  der  X.  Sur». 


424  Vierte    Beilage. 

Miebcn ;  diess  war  der  zweite  Unglücksfall;  dazu  kam  noch 
drittens,  durch  die  angeborne  Iluld  und  natürliche  Frei- 
gebigkeit des  V^orsifzes  der  Welt  und  der  Zeit,  um  die 
Völker  zufrieden  zu  stellen  und  um  Notlidurft  zu  stillen, 
ein  z\usgabenüberschuss  und  Gnadenüberfluss;  das  vierte 
war  die  wenige  Achtung  des  Ilchan's  für  Geschenke  und 
Gaben  und  seine  Verachtung  der  Oeconomie'),  d.  i.  des 
Besitzes  in  beweglichem  und  unbeweglichem  Gut ' ) ,  an 
Geld  und  Vieh,  und  das  Sprichwort  sagt:  ,,Die  Fünf 
findet  sich  in  den  Fünfzig/'  Er  hatte  in  der  Zeit  von 
zwei  Jahren,  während  welchen  der  Welt  Vorstand  der 
Wissenschaft  und  Herrschaft  vorstand ,  gegen  fünfhundert 
zu  Leihe  genommene  Toraane  mittels  rother  Fertigungen 
an  die  Herren  der  Anweisungen  übertragen,  so,  dass  die 
grossen  Fürsten  diese  Sache  endlich  gewahr  wurden.  Eines 
Tages  hörte  man  von  dem  Munde  des  Herrn  (^des  Gross- 
wesirs^  folgende  Worte:  ^^Seadeddeiület  hat  zur  Zeit,  als 
er  die  Geschäfte  der  Länder  förderte  und  tausend  To- 
mane  in  dem  grossen  Schatze  bereit  lagen,  und  die 
stärkste  Veranlassung  zu  dieser  Zusammenhaltung  Arghun- 
Chan'g  genaue  Verwaltung  gewesen,  die  Einkünfte  und 
Ausgaben  der  Finanzen  ohne  rothe  Fertigung^}  besorgt 
und  für  die  Verproviantirung  des  Heeres  und  alle  Erfor- 
dernisse der  Küche,  des  Lagers  und  der  Frauen  gesorgt, 
und  so  habe  der  Ilchan  in  der  kurzen  Zeit  von  vierzig 
Jahren  vom  Jurt  Dilbertschin  bis  nach  Kiawbasi  ein  und 
vierzig  Tomane  für  die  Frauen ,  Pagen  und  Vertrauten  der 
Majestät  hergegeben. 

Arab.   Vers,      ^^'enll    Du    aufgellst,    nnissen    Sonn'   und  Mond   sicli 

niederlegen  , 
Wenn   Du   scheidest,    müssen   sich   verstecken   Meer 
und  Reiren. 


')  Moktahiat  definirt  der  Conmientar  als  den  an  Vieh  und  Geld 
ersparten  Reichthuin.  ^)  Natik  u  Ssianit ,  das  Sprechende  und 
Stumme,    d.  i.    Schafe    und    Kamele   im   Gegensatze   mit   Gold    und 

Silber.     ')  Kisil  Bilka,    \^J^    ih^   dasselbe  Wort,  das  als  Bilek 

in  der  Bedeutung  der  Vorschriften  Tschengis-Cbans  vorkommt. 


Vierte     Beilage.  425 

Zur  Zeit  Abaka-Chan's  und  Sultan  Ahmed's  waren  für  die 
ganzen  Kosten  der  Küche  nur  vierzig  Toinane  bestimmt 
und  doch  waren  die  Verwalter  und  Küchenaufseher')  nicht 
sicher  vor  dem  Tadel  der  Tadelnden  und  dem  Spotte  der 
Spottenden  und  dem  Schimpfe  der  Schimpfenden.  Zur  Zeit 
(^Unserer)  den  Tag  vermehrenden  Regierung  haben  Wir 
hundert  fünf  und  sechzig  Tomane  auf  diese  Weise  an  gol- 
denen Verwendungen  ausgetheilt,  und  dennoch  rufen  sie 
immerwährend:  Wer  gibt  mehr?  Die  Prinzen  und  Prinzes- 
sinnen geben  immer  neue  Wünsche  kund  und  schliessen, 
gegen  einander  rechtend  und  spiegelfechtend ,  nicht  den 
Mund."  Der  Zweck  dieser  Prolegomenen  ist,  dass  der 
Schatz  auf  alle  Weise  für  den  Bedarf  haaren  Geldes^)  be- 
durfte ,  dass  die  Einkünfte  der  Länder  in  einem  Jahre  1800 
Tomane,  -die  bestimmten  Ausgaben  700  Tomane  betrugen 
und  dass  der  Rest  für  die  wichtigsten  Geschäfte  des  Rei- 
ches, für  die  Gaben  und  Geschenke  des  Padischah  nicht 
hinreichte.  Der  Flerr  des  Diwans  befahl,  die  Auflagen  der 
Länder,  besonders  der  von  Bagdad  und  Schiras,  welche 
der  Gürtel  des  Reiches,  zu  läutern^);  doch  der  üeber- 
schuss  der  Ausbeutungen  des  Dieners  (des  Grosswesirs)  gab 
für  die  Majestät,  auf  deren  Weberstuhl  der  Einschlag  ge- 
streifter Kleider  steht,  soviel  aus,  als  der  arabische  Spruch: 
Arab.  Vers.  Es  sütti^t  uicht,  was  vom  Zalmsfocliern  kommt  heraus, 
und  durch  diese  Massregeln  der  Läuterung  wurde  der  Ver- 
wirrung der  Finanzen  nicht  abgeholfen.  Da  befand  sich 
Aseddin  Mosaffir  Ben  Mohammed  Amid  y  dessen  hässliche 
Gestalt,  dessen  geschminktes  Gesicht,  dessen  gebrechliche 
Constitution  und  schändliches  Naturel  ein  Muster  seiner 
Sitten  und  Eigenschaften  war,  im  Lager  an  der  Seite  der 
Majestät  und  des  Grosswesirs,  als  dessen  Berather  und  lei- 


*)  Aidadschicm,  dasselbe,  was  die  Kilardschi  zu  Constantinopel, 
die  Dieuer  der  Speisekammer.  'D  Wndschiih,  Weisen,  Arten,  und 
Wudscituh,  baares  Geld,  Plural  von  Widschh ,  Gesicht;  derselbe 
Grundbegriff  wie  im  Französischen  faire  face  aux  depeuses.  ^}  t)as 
mongolische  Wort  Il^hamischi  mit  dem  aruhischeu  Tenkilt  übersetzt, 
entspricht  dem  Finanzausdrucke  des  epuremens. 


426  Vierte     Beilage. 

tender  Vater.  Er  war's,  der  die  Mühle  des  Betrages  in 
den  Gang  gebracht,  der  mit  Hoffnung  und  Furcht  densel- 
ben kirr  gemacht.  Aus  Eingebung  schlechter  Seele,  welche, 
allen  Geschäften  des  Menschen  feind,  als  das  Gegentheil 
des  ursprünglichen  Guten  erscheint,  wollte  er  seinen 
schlechten  Namen  bei  den  Weltbewohnern  einfassen  in  einen 
ewigen  Rahmen,  damit  er  auf  der  Erde  bis  zu  dem  Tage 
der  Auferstehung  das  Ziel  der  Pfeile  des  Fluches  und  des 
Spottes  aller  Menschen  werde.  Er  stellte  vor;  „Es  fehlen 
zur  hinlänglichen  Aufbringung  der  Gelder  die  Quellen;  sei 
es  im  Schlimmen,  sei  es  im  Guten,  bedarf  der  Schatz  Gold 
für  seinen  Bedarf.  Die  üeberschüsse  der  Einkünfte  sind 
Heu  und  Spreu'),  und  Anlehen  zu  machen,  gehört  künftig- 
hin zu  den  schwierigsten  Sachen.  Wenn  es  sich  darum 
handelte ,  schnell  das  Heer  zu  rüsten  und  beritten  zu  ma- 
chen,  würde  es  schwer  halten  in  allen  Sachen,  und  das 
tändelnde  und  schändende  Gerede  der  grollenden  Feinde, 
die  schnell  und  hart  daherfahrende  Fehde  daimonischer 
Männer,  von  denen  jetzt  keine  Rede,  würde  sich  breit 
machen;  die  Bemühungen  und  Bestrebungen,  welche  der- 
malen gäng  und  gäbe,  um  die  Spalten  des  Reiches  zu  ver- 
dammen und  um  durch  rechtliche  und  wohlthätige  Gesin- 
nung alles  Unrecht  zu  hemmen ,  würde  ein  Ende  nehmen, 
und  wollte  man  (^was  jedoch  nicht  unmöglich  anzunehmen) 
öffentlich  die  reinen  Wasser  mit  Steuern  belegen,  oder  neue 
Vergantungen  ^}  und  schwere  Strafgelder  den  Unterthanen 
zumuthen  und  auflegen,  so  würde  dieses  die  Geraülher  er- 
bittern und  das  Land  würde  verwittern.  Eine  Maassregel, 
welche ,  vor  allem  Angriff  vor  Verschwärzern  geschützt, 
schnell  zur  Herstellung  alles  Verfalles  nützt  und  mannig- 
faltigen Nutzen  umfasst  und  besitzt,  ist  mir  so  in  den  Sinn 
gekommen  ,  dass  man ,  wie  in  den  Ländern  des  Kaan,  auch 
in  denen  des  Ilchan  das  Scheingeld,  statt  Silbers  und  Gol- 
des, in  Umlauf  setze,  damit  dadurch  die  Thore  des  Ver- 
kehres geöffnet  würden ,  damit  das  Geld  ganz  in  den  Schatz 

•'^   niiij/scn  ata  ibballetin ,  ein  lleuschiipj>el  /.u  einem  Giasbund, 
Klein  Ruf  Klein,  d.  i.  Nichts  eu  Niclits.    ^)  Kaftschuri,  Cuufiscation. 


Vierte    Beilage.  427 

einlaufe  und  Schaden  und  Verlust  keinen  Menschen  treffe 
auf  Erden."  Nach  diesen  vorausgeschickten  eingebildeten 
Gründen  trugen  der  Herr  des  Diwans  und  Bulad  Dschink- 
sanek ,  der  Gesandte  des  Kaans,  das  Wort  vor.  Da  diese 
Maassregel  dem  Äeussern  nach  den  Reichthum  vermehrte, 
die  Magazine  der  Kaufleute  leerte,  den  Armen  und  Elen- 
den Beruhigung  gewährte ,  so  schien  dieselbe  Anfangs  de- 
nen, die  darüber  nachdachten,  erspriesslich  und  gut.  Der 
Ilchan  erliess  ein  Diplom,  befehlend,  absolut  und  entschei- 
dend, kurz  und  gut,  dass  man  auch  in  den  übrigen  Län- 
dern nicht  mehr  mit  baarem  Gelde  Handel  und  Wandel 
treibe,  sondern  dass  man  überall  die  Webung  goldener 
Kleider  absehafl'e  und  nur  soviel  davon  gestatte,  als  für  das 
Kleid  des  Padischah  und  seiner  nächsten  Umgebungen  er- 
forderlich sei,  dass  man  sich  nicht  mit  Verfertigung  gol- 
dener und  silberner  Geschirre  und  mit  keiner  Kunst,  welche 
Vergeudung  des  Goldes  und  Silbers  mit  sich  führe,  be- 
fasse, dass  man  die  Goldschmiedekunst  und  die  Silberar- 
beiterei  der  Gesiclitsfarbe  und  dem  thränenden  Auge  der 
Verliebten  überlasse;  kurz,  durch  die  Einflüsterung  und 
Verführung,  Verlockung  und  Versuchung  dieses  Unholdes 
und  gespenstischen  Koboldes,  der  seinen  Herrn  auf  diese 
Weise  schändete,  geschah  es,  dass  er  in  alle  Länder,  in's 
arabische  und  persische  Irak  ,  nach  Diarbekr,  Rebiaa,  Mos- 
sul  und  Miafarakein,  nach  Chorasan  und  Kerman  und  Schi- 
ras einen  grossen  mit  diesem  Geschäfte  beauftragten  Emir 
sandte,  und  dass  überall  eine  Fabrik  solchen  Scheingeldes 
errichtet,  dass  Verwalter,  Schreiber,  Schatzmeister  und 
andere  Beamte  dabei  verwendet  und  überall  grosse  Sum- 
men zur  Verfertigung  des  Scheingeldes  gespendet  wurden. 
Durch  die  Verlautbarung  dieser  Geschichten  wurden  die 
Völker  in  den  Reif  des  Erstaunens  gezwängt  und  blieben 
in  demselben   ohne  Seele  beengt. 

Arab.   Vers.     Schnell,  wie  die  HofFnuugeu^  des  Lebeus  Zeifc  vergeht^ 
Und  umgekehrt,  auf  Persisch  heisset  l>e??i  nur  Med'). 

')  Dem,  der  Hauch,  heisst  durch  erweiternde  Metonymie  auch  die 
Zeit;  wird  das  Wort  umgekehrt,  so  heisst  es  Medd,  welches  auf 
Arabisch  Erweiterung,  Ausdehnang  bedeutet. 


428  Vierte     Beilage. 

Die  Gestalt  und  Form  des  Scheiiigeldes  Dschaw  war  diese  : 
Ein  längHchtes,  vierecliiges  Blatt  Papier  mit  einigen  chi- 
nesischen Worten  beschrieben  ,  in  denen  immer  Fehler  ge- 
blieben'); ober  diesen  chinesischen  Worten  stand  auf  bei- 
den Seiten : 

,,Es  ist  kein  Gott  als  Gott,  und  Mohammed  ist  sein 
Prophet !  ** 
Dieses  war  das  Gepräge  dieses  Siiberblattes ,  der  Juwelen- 
knoten dieses  Perlenstates ,  das  Tughra  dieser  Befehle  und 
das  Amulet  dieser  Kehle;  unter  demselben  war  geschrie- 
ben: Iritschi  Turitschi ,  auf  Chinesisch  (uighurisch)  ,  d.  i. 
Sobald  es  angekommen,  sei  es  für  hleibend  angenommen! 
In  der  Mitte  war  ein  Kreis  beschrieben,  der  aber  ausser 
dem  Mittelpunkt  ruhiger  Ansicht  liegen  geblieben;  dabei 
war  der  Werth  des  Papieres  von  einem  halben  Dirhem  bis 
zehn  Goldstücke,  und  dann  in  Schrift  das,  was  folget,  ge- 
schrieben: ,,Ver  Padischah  der  Welt  hat  im  Jahre  693 
(^1293^  eingesetzt  dieses  gebenedeite  Papiergeld;  es  soll 
cursiren  in.  Ländern  allen;  wer  es  verfälscht  oder  verän- 
dert ,  sei  mit  Weib  und  Kind  der  Todesstrafe  und  sein  Gut 
dem  Fiscus  verfallen/*  Nach  Schiras  war  ein  Patent  die- 
ses Papiergeldes,  das,  sehr  ausführlich  und  lang,  eingebil- 
dete Fragen  aufwarf  und  die  Antworten  darauf  aufdrang, 
gekommen.  Ein  Exemplar  desselben  ist  noch  in  den  Hän- 
den und  es  wäre  unnütz  ,  darüber  noch  mehrere  Worte  zu 
verschwenden.  Das  Wesentlichste  seines  Inhaltes  ist:  „dass, 
sobald  das  gebenedeite  Papiergeld  Goldes  statt ,  wie  die 
Thränen  der  Verbannten  Lauf  gefunden  hat;  so  wird  Ar- 
rauth  und  Dürftigkeit  und  Schaden  und  Elendigkeit  ver- 
schwunden sein  unter  den  Söhnen  der  Zeit,  Korn  und  Ge- 
treide wird  zu  haben  sein  in  Wohlfeilheit,  und  Arme  oder 
Reiche  sind  dann  einander  gleich."  Die  Dichter  und  Treff- 
lichen der  Zeit  haben  zum  Lobe  des  Papiergeldes  nach 
der  Eingebung  ihres  Genius  dem  Padischah  und  dem  Flerro 


')  Wortspiel  zwisclieii  Chata,  das  nördliclie  Clihia,  und  Chata, 
Felilor. 


Vierte    Beilage.  429 

lies  Diwans  lobend  die  Resultate  ihrer  Gedanken  geweiht; 
als  eine  Probe  von  diesem  Lobe  ist  das  folgende  Distichon 
aus  einem  Bruchstücke  eines  der  Trefflichen  hier  einge- 
reiht: 

,  Gellt  Papiergeld  in  der  Welt, 
Sein  Eiit;^eit ')  sie  frisch  erhält." 
Es  erging  der  Befehl,  dass  alle  Künstler  und  Handwerker, 
welche  Gold  und  Silber  in  ihren  Arbeiten  verarbeiten,  das- 
selbe aus  dem  Hause,  wo  das  gebenedeite  Papiergeld  aus- 
getheilt  ward,  erhalten,  dass  Alle,  welche  als  Befehlshaber 
Länder  verwalten,  nach  ihren  Verdiensten  ihre  Besoldungen 
und  Bezahlungen  dort  beziehen  sollen,  dass  das  alte  ab- 
genützte Papier  dorthin  gelangen,  und  der  Bringer  für  den 
Gehalt  von  zehn  Dinaren  alten  Papiergeldes  neun  Dinare 
neues  empfangen  soll,  dass  die  Kaufleute  des  persischen 
Meeres,  welche  in  fremde  Länder  handeln  und  wandeln  aus 
dem  Schatze  Gold  erheben  und  dafür  ihr  Papiergeld  ab- 
geben sollen,  vorausgesetzt,  dass  dabei  der  Weg  der  Be- 
hutsamkeit beobachtet  und  ihre  Erlaubniss  und  Befugniss 
von  IVowabeu  und  Aufsehern  des  Diwans  gehörig  betrachtet 
und  erachtet  worden  sei.  Verfügungen  dergestalten  wären 
in  diesem  Patente  enthalten. 

Tauseudinal  ist's  besser,  gar  nicht  anzufangen^ 
Was  zu  keinem  Resultate  kann  gelangen. 
Wenn  (wovon  das  Gegentheil  nicht  zu  denken)  diese  Be- 
dingungen nicht  schon  von  Grund  aus  schlechter  Art,  wenn 
mittels  der  Umwälzung  der  Zustände,  der  Uebertragung  der 
Herrscherkräfte  und  Veränderung  der  Geschäfte,  diese  Be- 
fehle von  allem  Fehle  beschützt  und  bewahrt  geblieben, 
\veim  die  Leute  ohne  Widersetzlichkeit  und  Blödigkeit, 
dasselbe  zu  nehmen  und  zu  geben  und  den  Lauf  desselben 
zn  gewähren,  willig  gewesen  wären,  so  wäre  es  möglich 
gewesen,  dass  einige  dieser  präliminaren  Verfügungen  ge- 
kommen wären  zu  eines  Resultates  Ehren;  allein,  wie  man 
diess  immer  aus  dem  Gesichtspunkte  der  Vernunft  und  der 


')  Das  Wortspiel  ist  im  Persischen  zwischen   Tscluoc    dem  \a- 
m<=>n  d'^s  Papiergeldes,  und  DscliawidfOi ,  ewig 


480  Vierte     Beilage. 

Analogie  betrachtet,  so  ist  dieses  eine  Maassregel,  nicht 
verwaltbar  und  ("auf  dem  Spitz  ein  Kegel)  nicht  haltbar, 
besonders  da  der  Zweck  dieser  Einbildungen  ganz  und  gar 
kein  andrer  war,  als  die  Schätze  des  Padischah  zu  erneuen 
und  die  der  Unterthanen  zu  zerstreuen. 

,,Zu  bewahren  des  Moslim's  Gutj  ist  Pflicht, 
wie  zu  bewahren  des  Moslim's  Blut.'* 
In  der  practischen  Philosophie  ist  durch  Beweise  festgesetzt; 
dass  das  Gold  von  Gott,  als  die  kleine  Gesetzgebung,  ein- 
gesetzt; dass  dasselbe  den  Werth  der  Sachen  bestimmt  und 
die  Ordnung  der  Welt  in  Anspruch  nimmt;  dass  ein  kleiner 
Theil  desselben  eine  grosse  Menge  anderer  Sachen  vertritt, 
deren  Transportiruiig  und  Verführung  sehr  schwer  und  vie- 
len Ungemaches  nicht  leer ;  dass  wegen  seiner  inneren  Fe- 
stigkeit und  Trefflichkeit  dasselbe  vor  aller  Gefahr  der 
Vernichtung  geschützt;  dass  es  nicht  durch  Wasser,  nicht 
durch  Feuer,  nicht  durch  Schneiden  und  Stossen  verwun- 
det wird  und  abgenützt.  Diese  Bedeutung  bedarf  keiner 
Erweiterung  und  Erläuterung, 

,,Diess  ist  Erforde/niss  mündiger  Weisheit/' 
Die  Nothwendigkeit  und  Dürftigkeit  ist's,  welche  demselben 
Adel  verleiht; 
Arab.    Vers.     Wenn  ich  ein  Gottesfiirchtiger  nicht  wäre  , 

Erwies'  ich  selbem  ^göttliche  Ehre. 
„Fwr   der  Welt  Wunden  ist   das  Pflaster   im  Golde  gefun- 
den,'' ist  ein  bekanntes  Sprichwort; 
Vers.     „Hätle  ich  Gold,  so  wären  meine  Geschäfte  auch  golden; 

Golden  sind  sie  nicht,  weil  ich  besitze  nicht  Gold." 
Ar.  V.  Kein  Gesandtpr  fährt  mit  besserem  Glück, 

Als  das  rundgeprägte~Silberstiick. 
Wenn  der  Schreiber  (^dieser  Geschichte)  die  Gleichnisse  und 
seltsamen  Einfälle,  welche  die  Wohlberedten  Arabiens  und 
Persiens  über  die  Eigenschaften ,  den  Nutzen  und  das  Lob  des 
Papiergeldes  geschrieben,  und  die  ihm  im  Gedächtniss  geblie- 
ben ,  aufgeschrieben  hätte,  so  hiesse  dieses  Buch  die  gol- 
dene   Kette ' }    oder    die    unvollkommene    Erreichimg    des 

')  Miisehhib  es-scheb,  d.  i.  der  Vergolder  des  Goldes. 


Vierte     Beilage.  431 

Zweckes.     Würde  aber   mit   diesen   Lobsprüchen   das   Gold 
zerstieben ,  woraus  würde  man  denn  verfertigen  die  Kronen 
mächtiger  Sultane  und  Reiter,  die  Ohrgehänge,  Armbänder 
und  Knöchelringe  der  Schönen,  weiche  den  sich  blähenden 
Busen  gewärtigen?  und  wie  könnte  denn,  mit  dem  papier- 
nen  Geld,    die  frische   Rose,    welche    freudig    die  goldene 
Scheibe  in  der  Faust  und  Goldbarren  (^die  Staubfäden)  im 
Busen  verborgen  hält,  wie  könnte  sie  die  Wange  des  Win- 
des anlachen?  und  wie  könnte  die  Blüthe  ohne  Silber  sich 
einen  Schatz  für  ihr  Alter  zur  Hülfe  wider  das  anrückende 
Heer    des    Frühlings    machen?     Die   trunkene    Narcisse   ist 
bemüht,  im  Zauberschlafe  mit  dem  Traume  des  Goldes  ihr 
sehnendes  Auge  zu  färben ,    und   im  steinernen  unbarmher- 
zigen Herzen  des  Berges  stocken  die  Blutadern  (^die  Rubi- 
nen) aus  Begierde,   sich  von  der  goldausstreuenden  Sonne 
Einiges  zu  erwerben.     Wie  könnte    das  Gold  einem  Stücke 
Papier  sich  vergleichen?  wie  könnte  den  Werth  von  jenem 
dieses  erreichen,    welches    durch   einen  Funken   aufgeht  in 
Rauch  und  wie  die  Töchter  der  Luft  (^die  Dämpfe)  davon- 
fliegt  bei    des    Windes   geringstem  Hauch ,    welches   durch 
einen  Tropfen  Thau  wird  des  Wassers  Raub  und  im  Staube 
wird  zu  Staub?    Die  Prahlerei  kannte  keine  Gränzen  mehr, 
und  durch  die  Vergleichungen  und  Herausstreichungen  ward 
die  Traurigkeit    immer   mehr   und  mehr.     Im  Silkide  d.  J. 
693  (^1293)  kam  das  Papiergeld  zu  Tebris  in  Lauf  und  ver- 
möge der  Herzensknoten  und  den  Maassregeln  von  der  Ver- 
nunft geboten ,   begann   man   sogleich ,   um   seine  Seele  zu 
schützen  und  um  etwas  zu  besitzen  ,  mit  Speisen  und  Waa- 
ren  niedrigen  Handel  und  Wandel.    Binnen  drei  Tagen  war 
Tebris,  welches  das  kleine  Kairo  hiess,  wie  der  Beutel  der 
Geduld  der  Sehnsüchtigen  leer;    im  Lande   war  kein  Glanz 
und  keine  Freude  mehr,  und  die  Brust  der  Sicherheit  und 
Rechtlichkeit    hatte   nicht  Fett   noch  Schmeer.     Die  Laden 
und  Gassen   waren   wie   öde  Häuser   verlassen    und  geleert, 
die  Thore  des  Handels  und  Wandels  waren  versperrt.    Ver- 
kaufte man  den  Man  Brotes  um  Einen  Dukaten,    so  glaub- 
ten  die   Käufer,    dass   sie   gewonnen,    und   die   Verkäufer, 


432  VierteBeilage. 

da88  sie  verloren  hatten.  Ein  Freund  erzählte  mir  vom 
Blitze  der  Witze  jener  Gegend,  was  folgt:  „In  dieser  Um- 
stände drängender  Gefährde  stand  ich  gaffend  zu  Tebris 
auf  dem  Markte  der  Pferde.  Die  Verkäufer  sciiUigen  ein 
Pferd  ,  das  um  fünfzehn  Goldslücke  doppelt  bezahlt  gewe- 
sen wäre ,  schlugen  dasselbe ,  fortgezogen  durch  der  Bege- 
benheiten Wogen,  um  hundert  und  fünfzig  Dukaten  Papier- 
geldes an,  und  der  Käufer,  aus  Freude  über  den  grossen 
Preis,  lief  herum  im  Kreis,  um  durch  diesen  Reigen  gleich- 
sam die  Bewegung  des  Pferdes  zu  zeigen;  dann  bestieg  er 
einen  Gaul,  tummelte  denselben  nicht  faul,  bis  er  aus  den 
Augen  rerscliwand.  Seine  Abreise  was  zum  folgenden  Verse 
der  Realcommentar: 

A.V.  desVerfass.:  Wer  das  Papierg,elil  erfand,  Tcrführt  als  sclilim- 

inei-  Betrüi^er, 
Unter  deu  Hunden  ist  keiner  so  trügrisch  wie  er. 
Der  Lärmen  und  das  Getöse,  der  Saus  und  Braus  der  Na- 
tionen stieg  bis  an  den  Gürtel  der  C^nstellationen ;  die  Be- 
fehlshaber und  das  Heer  hatten  keine  Geduld  mehr,  das 
gemeine  Volk  flehte  am  Freitag  in  der  Moschee  mit  kla- 
gendem Gebete;  es  verlauteten  die  Klagen  über  die  Unge- 
rechtigkeit, womit  sie  geschlagen.  Sie  verfluchten  den 
Aseddin  Mosaffir  mit  allen  denen,  welche  zu  dieser  Neue- 
rung und  Thenerung  das  Gleiche  beigetragen: 

Spruch  der  Ueberlieferung:  ,,TVer  schlechte  Sitte  ein- 
gesetzt ,  dem  wird  sie  bleiben  als  Last  bis  an  den  jüngsten 
Tag.'' 

Sie  wollten  ihn  mit  seinen  Einverstandenen  erschlagen.  Sie 
flohen  aus  dem  Kreise  und  nahmen  mit  ihrer  Seele  bösen 
Namen  mit  auf  die  Reise.  Die  Trefflichen  und  Dichter  der  Zeit 
waren,  ihn  mit  Spottgedichten  zu  durchgeiseln,  bereit;  so 
sagte  Einer  derselben ,  als  er  den  Namen  Amidol-mülk,  die 
Säule  des  Reichs,  angenommen: 

Das  .Schiff  Amidol-mülk's  imnittea  Reichs^gefahr^ 

Ist  wie  das  Wasser,  wenn  damit  ein  Schiff*)  gefüllt, 

S<iin  sclilechter  Bart  ist  schlechter  als  des  Hundes  Haar, 


')  iSVHAw:,  Kahn,  scheint  mit  cymba  vei wandt. 


Vierte     Beilage.  433 

Diess  ist  dagegen  Atlas  und  eiu  seidner  Quilt'). 
Sieh,  ob  er  morgen  stehet  noch  auf  dem  Altar. 
Wiewohl  er  heute  für  des  Reiches  Summe  gilt. 
Auch  das  folgende  Bruchstück  reimte  Einer: 

Du  bist  nicht  Weltenehre,  du  bist  der  Schimpf  der  Weif, 
Die  auf  dein  Sein  und  ^^'ohl  nicht  das  Geringste  hält. 
Wenn  Geber,  Jud,  Moslim  vor  der  Altäre  Stufen 
Ormusd.  Jehova  und  Allah  ist  gross!  ausrufen, 
So  flehen  alle  drei  in  Unterthänigkeit 
Zur  Majestät  des  Herrn,  der  Welten  Glück  verleiht. 
Es  möge  ihm  in  dieser  Welt  von  allen  Dingen 
Kein  einziges  nach  seines  Herzens  Wunsch  gelingen  -j  l 
Zu  Schiras  wurden  fünf  Tomane  Goldes  in  Sachen  des  Pa- 
piergeldes  ausgegeben.      Da    das   Papier,    in    «elchem    das 
Capital  der  Männer  von  Verdienst  bestand,  auf  vierzig  Wei- 
sen ging  von  Hand  zu  Hand,  so  hätte  der,    welcher  heim- 
lich von  den  iVowaben  der  Papierfabrik  einen  Teller  Goldes 
hätte    erwirkt,    spurlos    wie  das  Gold  sein  Dasein  verwirkt. 
Zu  dieser  Zeit  wurde   an    einen  Bruder  der  Reinigkeit  (^an 
einen  guten  FreundJ  wie  es  scheint ,    das   folgende  Bruch- 
stück  verfertigt    und   in    der    gehörigen  Form    abgefertigt: 
„Der  Sicherheit  Kiel    laufe    auf  dem  Blatte    der  Wohlfahrt 
für  NN.  zum  Ziel!  und  Gott  helfe  Dir,  wo  Du  immer  sein 
mögest,    gleichviel!       Der    aufrichtige    Wohlwünscher    und 
ganz  eigene  Sehnsüchtige  legt   gleich    der  Feder  den  Gür- 
tel freundschaftlicher  Liebe  um  die  ÄJitte  an  ;    er    hat    den 
Mund  zu  wohlduftendem  Preise   und  eröffnendem  Wunsche 
aufgethan,  und  stellt  das  Gesicht  reinen  Verhältnisses  weiss 
und    klar    mit   Schriftzeichen    der  Aufrichtigkeit  folgender- 
maassen  dar:  Das  offene  Feld  der  Sehnsucht  nach  dem  Um- 
gange mit  dem  Freunde ,    dem    vertrauten ,    welcher    süsser 
als  das  gewöhnliclie  Leben  ,    hat  sich  Perlen  gleich  so  aus- 
gebreitet, dass  es  unmöglich  ist,  die  Länge  und  Breite  die- 


•)  Kiitk  erklärt  der  Coninientar  als  gleichbedeutend  mit  Cfiau; 
villositas  panni  holoserici.  -)  Eine  Nachahmung  der  berühmten 
schönen  Verse  Firdewsi's ,  uud  Wortspiel  mit  den  beiden  Namen 
Iseddin,  Ehre  des  Glaubens,  uud  Musaffir ,  der  Siegreiche,  dem 
sein   Wunsch  gelingt. 

fJammei\,  Geschichte  der    llchanr.     I.  28 


43-1  Vierte     B  e  i  1  a  g  e. 

ses  Feldes  mittels  der  Messkiinst   des   zwejziingigten  Kieles 
und  mittels  der  Quadratfläche  des]  zweigesicliigen  Papieres, 

,, Dieses  ist  heut  in  der  Welt  eben  so  wenig   zu  finden 
als  der  Ambra,'* 

auszumessen.     Schon  gerauAie  Zeit  ist's,  dass  die  goldenen 
Papageien  der  Federn,   welche  das  Wort  ausschreien: 

,, Mittels  der  Federn  werden  die  Länder  regiert,'* 
von  der  Moschustränke  der  Gnaden  des  Tintenzeuges  dem 
weissen  Siibersitze  der  Gärten  der  Wörter  nicht  zugeflogen, 
und  dass  die  Gesandten  freundschaftlicher  Anzeige  aus  dem 
Kairewan  des  Westens  nach  dem  Lande  des  Südens  Bot- 
schaft bringend  ausgezogen.  Wenn  das  Gemiith  Gedanken 
und  ihren  Ausdruck  flieht ,  so  muss  der  Kiel  der  Denkkraft 
auf  eingebildetem  Blatte  weilen  oder  die  rothe  Thräne  die 
Schwärze  des  gekränkten  Auges  heilen.  Es  wird  erwartet, 
dass  einige  Blätter  jener  Art,  von  welchen  allein  vor  die- 
sem Freund  die  Rede  (_einige  Blätter  Papiergeldes)  wie 
Blätter  der  Bäume  voll  Glanz  ,  wie  Busen  der  Schönen 
geglättet  ga?iZj  hell  wie  das  aufgehende  Licht  und  tvie  der 
aufrichtige  Morgen j  wenn  er  anbricht  y  die  Klagen  der  auf 
den  Kopf  geschlagenen  Feder  stillen  werden.  Bliebe  aber 
das  Gesicht  dieser  begehrten  Sicherheit  in  den  Schleier 
der  Verweigerung  verhüllt,  so  ist  dieses  Stoff"es  genug,  dass 
der  trauernde  Kiel  der  Klage  über  Unterdrückung  nach 
dem  Papierhemde  der  Bedrückten  lange  und  das  Gestöhne 
der  kratzenden  Feder  bis  zum  Gipfel  des  Himmels  Mer- 
kur's,  des  Schreibers  des  Himmels,  gelange}  dass  der  Kiel 
mit  der  Zunge  Chakani's  aus  Schirwan,  des  Chakans  der 
Bedeutungen ,  diesen  Vers  anwende : 

Für  mich  sei  Freundeshand  als  KJägerhemd  gewandt, 

Weil  er  verweigert  mir  die  Feder,  das  Papier, 
und  demselben  sende."  Als  nun  die  Klage  der  Erde  und 
der  Stunde  gedrungen  zu  des  Himmels  Runde,  als  die  That 
und  das  Messer  drang  in  die  Seele  ein  und  das  Messer 
geschnitten  bis  an  das  Bein ,  als  der  Strom  gelangt  war 
zum  Munde,  stellten  die  Emire  und  Nuwianen  einstimmig 
dem  Herrn   des   Diwans   vor:    „Wenn   dieser  Zustand   noch 


Vierte     B  e  i  I  h  g  e.  435 

einige  Zeit  dauert;    so  ist  aller  Glanz  der  Länder  aufgege- 
ben   und  es  ist  unmöglich  die  weitere  Verwirrung  zu  heben: 

,,  Willst  du,  dass  man  dir  gehorche ,  so  fordre  nur  das 
Mögliche!" 

Da  ergingen  wirksame  Befehle,  dass  man  das  Papiergeld 
abstelle.  Gesandte  gingen  nach  allen  Seiten,  um  die  Ab- 
8Ghneidung  des  Bösen  und  Einkleidung  dieser  Maassregel 
einzuleiten.  So  ward  durch  Gottes,  des  Allmächt'gen,  Gnade 
dieses  ungeheure  Unglück : 
Koransvers:  Weist  du,    was  da  die  FJammenwutli? 

Es  ist  der  HöJle  brennende  Ghith!') 
abgekehrt  und  den  Gemüthern  aller  Völker  Freude  gewährt. 
Vornehme  und  Gemeine  sagten : 

,,Gott  sei  gelobt  iwd  gebencdeit !  Er  hat  von  uns  ab- 
gewe?idet  die  Traurigheit;  denn  Er  ist  unser  Herr ,  der 
Allen  Alles  verzeiht;  Er  liebet  die  Dankbarkeit,*' 


')  Der  7.  uud  8.  Vers  der  CI,  8ura. 


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